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Full text of "Archiv für Anthropologie, Völkerforschung und kolonialen Kulturwandel"

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ARCHIV 

Füll 

ANTHROPOLOGIE. 


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Holzftiche 

tut  dem  xylngraphitch«!  Atelier 
von  Friedrich  Vfeweg  und  Sohn 
ln  nnun*chw«4<. 

Papier 

•u>  der  l’a|»l*r*  Fabrik 

der  Gebrüder  Vieweg  «u  Wcndhauften 

twi  llnunKchweiR. 


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ARCHIV 


FÜR 

ANTHROPOLOGIE. 


ZEITSCHRIFT 

fCb 

NATURGESCHICHTE  UND  URGESCHICHTE 

DES 

MENSCHEN. 


HERAUSOKGKBEN 

VOM 

C.  E.  V.  Baer  in  St  Petersburg,  E.  Desor  in  Neuenburg, 

A.  Ecker  in  Freiburg,  W.  Hia  in  Basel,  L.  Lindensohmit  in  Mainz, 

O.  LUoae  in  Frankfurt  a.  M.,  L.  Rütimoyer  in  Basel,  H.  Schaaffhausen  in  Bonn, 
0.  Vogt  in  Genf  und  H.  Weloker  in  Halle. 

Unter  der  Redaction 

von 

A.  Eoker  und  L.  Lindenschmit. 

Dritter  Band. 

Mit  in  den  Text  eingedruckten  Holzstichen  und  lithographirtcn  Tafeln. 


BRAUNSCHWEIG, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  FRIEDRICH  VIEWEO  UND  SOHN. 


1 868. 


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6 /fi/3 


Ül#  Rsramitbi  «4«  er  rnbnrwtxmur  In  franxf-Mwcher  und  *nfrli»eiier  Sprach«, 
*owie  ln  anderen  modernen  Sprachen  wird  rorbahaltcn. 


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ARCHIV 


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67 
65 

fOr 

ANTHROPOLOGIE. 


ZEITSCHRIFT 

rü* 

NATURGESCHICHTE  UND  URGESCHICHTE 

OBS 

MENSCHEN. 


HRRAU SORG EBEN 
TO* 

O.  B.  V.  Baer  in  St.  Petersburg,  E.  Desor  in  Neuenburg, 

A.  Eoker  in  Preiburg,  W.  His  in  Basel,  L.  Lindensohmit  in  Mainz, 

G.  Luoao  in  Frnnkiurt  a.  M.,  L.  Riltimoyer  in  Basel,  H.  Schaaffbausen  in  Bonn, 
0.  Vogt  in  Genf  und  H.  'Welokor  in  Holle. 

Unter  der  Redaction 

von 

A.  Eoker  und  L.  Llndenschmit. 


Dritter  Band. 


Mit  in  den  Text  eingedruckten  Holsntichen  und  litbngraphirten  Tafeln. 


Erstes  und  zweites  Heft 


BRAÜNSCHWEIG, 

DRUCK  USD  VERLAG  VON  FRIEDRICH  VIKWBO  UND  SOHN. 

18  0 8. 


ANKÜNDIGUNG. 


Dos  Archiv  für  Anthropologie  hat,  wio  der  einleitende  Aufsatz  im  ersten  Heft  des  ersten 
Bandes  des  Näheren  ausführt,  sieh  die  Aufgabe  gestellt,  für  die  einzelnen  Arbeiten  auf  dem  weiten 
Gebiete  dieser  Wissenschaft,  die  bisher  in  anatomischen,  inedicinisclicn  und  archäologischen  Zeitschriften 
und  in  den  Denkschriften  gelehrter  Gesellschaften  sich  zerstreuten,  einen  Vereinigungspunkt  zu  bilden 
und  so  insbesondere  auch  die  bis  dahin  sieh  sehr  fernstehenden  Gebiete  der  Natur-  und  der  Alterthums- 
forschung einander  zu  nahem.  Ferner  will  dasselbe  einen  möglichst  vollständigen  Ueberblick  über  den 
jeweiligen  Zustand  der  gestammten  Disciplin  gewähren. 

Um  die  bezeichneten  Zwecke  zu  erreichen,  wird  das  Archiv  sowohl  Original  arbeiten,  als 
Auszüge  aus  fremden  Arbeiten,  Uebersetzungen,  Referate  und  zusammenhängende  über- 
sichtliche Darstellungen  der  neuen  Arbeiten  bringen  und  überdies  durch  ein  fortlaufendes  mög- 
lichst vollständiges  Literaturverzeichnis^  den  Leser  in  den  Stand  setzen,  dem  Gange  der  Wissen- 
schaft auf  das  Genauste  zu  folgen.  Durch  die  Eröffnung  einer  Rubrik  für  kleinere  Mitthoilungen 
und  Gorrespondonzen  soll  ferner  Gelegenheit  gegeben  Bein,  ancb  kleinere  Beobachtungen,  Fundo  etc. 
alsbald  zur  Kenntniss  der  Fachgenossen  und  des  grossen  Lesepnblikums  zu  bringen. 

Das  Archiv  erscheint  in  zwangloson  Heften  in  Quart,  wovon  drei  einen  Band  bilden,  wo 
immer  es  nöthig  erscheint,  mit  guten  Abbildungen  versehen. 

Beiträge  für  das  Archiv,  sowie  Druckschriften,  um  deren  jeweils  baldige 
Zusendung  im  Interesse  der  Vollständigkeit  des  Literaturberichts  dringend  ersucht 
wird,  bittet  man  an  A.  Ecker  in  Freiburg  i.  B.  (Baden)  oder  an  die  Verlags- 
handlung zu  senden. 


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INHALT  DES  DRITTEN  BANDES. 


SefU 

I.  Der  Steincnltns  in  der  Ethnographie.  Von  A.  Bastian  in  Berlin , 1 

H.  Die  Thongeftisse  der  nonlame rikanischcn  Indianer.  Von  Carl  Ran  in  Ncw-York 2 

in.  Geognosfischc  Bestimmung  der  Lagerstätte  von  Fciicrsieinspliuern  bei  Bramstedt  in  Holstein.  Yon 

L.  Meyn  in  Uetersen  (Hol«tcin) 31 

IV.  Die  Cultor  der  Bronreteit.  Kritiken  und  Antikritiken  von  Dr.  F.  Wibel 32 

Nebst  einer  äehlttssbemcrknng  von  L.  Lind ensch mit 55 

V.  Per  deutsche  Weibemdmdel.  Von  Dr.  A,  Weishach,  k.  k.  Oberarzt  in  Wien . . 59 

VL  Leber  das  Zweckmässige  in  il«  r Natur.  Ein  Vortrag  van  Dr.  H.  Schaaffhausen 67 

VII.  Da»  Gräberfeld  am  Ilinkclstein  bei  Monsheim,  einer  der  ältesten  Friedhöfe  de»  Rheinlande».  Von 

L:  I5Ü3ÜÜ Ern i L llimn  Tulil  I und  II  . . . 101 

VIII.  Einige  Bemerkungen  über  die  Skelelrente  aus  den  im  vorstehenden  Aufsatz  beschriebenen  Gralrttatten 

l»eim  Hinkelstcin  unweit  Monsheim  um!  bei  Oberingelheim.  Yon  A.  Ecker.  Hierzu  Tafel  III 

und  IV  127 

IX.  Kleinere  Mitteilungen,  Referate,  Nekrologe.  vermischte  Nachrichten. 

Kleinere  Miltheilungen. 

W.  Krame.  Bemerk tingen  zar  wissenschaftlichen  Kraniomctrio 187 

Rftffinit.n 

1.  Darwin,  Animale  and  plants  nndcr  Domeatication.  Ref.  von  Rütimever  . . 138 

2.  Weis h ach.  Keine  der  Xovura;  Anthropol.  Tbcil;  II.  Körpermessungen.  Ref,  von 

Wdckcr .132 

3.  Flowcr  and  Murio,  Dissection  of  a Bushwoman  142 

4.  Daker,  The  Kaccs  of  tbe  Nile  Bassin 144 

Nekrologe 

1.  v an  der  llo Sven.  Von  1L  Wnlnk-fix_..  . ....  ....  . . 146 

2.  CrarcfnrJ . ..........  151 

Vermischte  Nachrichten  . . ■ . . . . 151 

X.  Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 

1.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt . 153 

2.  Anatomie.  Von  A.  Ucker»  ...........................  lüff 

3.  Ethnographie  und  Reigen. 

1.  Allgemeines  1<>0 

2.  Europa.  Von  F.  v.  llellwald  in  Wien 170 

ä. Asien. Voll  Dr.  A.  II ...........  ...........  . 112 

1 Atialraltea  aad  OceameiL  Von  Dr.  A.  B 176 

5.  Afrika.  Yon  Tr.  A.  13......  und E,  v.  Hsllwald.  ? . . , . T ? r » • • • 177 

6.  Amerika. Yon  E±  Y*  llflllgahL  . ...........  r.-..  .■■.181 

*•  Z«  ologie.  Von  L,  Rütimever 182 

5.  Allgemeine  Anthropologie 184 

6.  Aas  den  Verhandlungen  gelehrter  Gesellschaften 183 

XI.  Pie  durchbohrten  Derathe  der  SteinrerioUe.  Von  Carl  llau  in  New-York 187 

XII.  Tabellen  zur  Ansschreibung  der  Breiten-  und  Höhepindices.  Von  II.  YVelcker  ........  197 

XIII.  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Furchen  und  Windungen  der  ürogahirn-IIemigphären  im  Foetna 

des  McPSCllCll...._Y.Q]l  A.-E.ghcr,  Hierzu  Tafel  I— IV 203 

XIV.  Uelier  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  auf  den  Grosflhirnhctnisphären  des 

Mcnflckcn  and  der  Affen. Yon  1fr.  Ad,  Pansch  in  Kiel.  Hieran  Tafel  V— V1H 227 

XV.  Die  Lehre  Darwin1»  und  die  Anthropologie.  Von  II.  tjehaaffhanaen  . . . . ■ 259 

XVI.  Sind  das  Stein-,  Brome-  und  Eisenalter  der  vorhistorischen  Zeit  nitr  Jio  Kntvrickluiigsphasen  des 

rulüimiidJindna  eines  Volke«  nder  sind  aic  mit  dem  Auftreten  verschiedener  V.jHkm«?haftgn 
verknüpft?  Eine  antiquarische  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maack  in  Kid 2*17 


427354 


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VI 


Inhalt. 


XVII.  Kleinere  Mitthejlongen,  Referate,  Miscellen  etc. 

I.  Kleinere  MittheilunKen. 

Antimiarfecho  Funde  iw  Ungarn  um!  Krain.  Von  Carl  Griesbach  in  Wien  . . . 297 
1L Referate. 

1.  Rieh.  Owen.  Derivative  Hypothek»  of  Life.  Bef,  Ton  L.  Rntimoyer  ■ 290 

2.  L.  Agaaaiz.  I)e  l’Eapcce  et  de  la  Classification.  Ref.  von  L.  Kütimeyer  300 

8.  K.  Hneckel.  lieber  die  Entstehung  uml  den  Stammbaum  de»  Menschen- 
geschlecht*. Ref.  von  L.  Kütimeyer 301 

4.  E.  Hacckcl.  Natürliche  Schöpfungsgeschichte.  Ref,  von  L.  Kütimeyer  301 

5.  J.  1h  Davis*  Thesaurus  craniorum,  IkL  von  1L  Wckkcr  , . . , , > . 302 
ti.  Reise  der  österreichischen  Fregatte  Novara  um  die  Erde.  Anthro- 
pologischer Theil,  dritte Abthejlung;  Ethnographie  von  Dr.  F.  Müller. 

Ref.  von  H.  Wc Ick lt 808 

7.  ?.  Loschka,  Koch»  Götte,  Gört».  Amtomidifl  Unterenchnng  einet 

Bn^clnveil'i-q.  Ref.  von  A.  Kckrr.  • : : ÜÜl) 

H.  Oerland.  Heber  da»  Ausstorlnni  der  Naturvölker 808 

D.  Bleek.  TJeb-or  den  Ursprung  der  Sprache,  Ref.  von  II.  Schaaffhausen  308 

10.  Wochniakoff.  1)  Kbunche  d’une  economic  des  travaux  scienlifiques. 

2)  Recherchen  aur  le*  condition*  anthropologigue»  de  la  produetion  acien- 
tifiqoe  et  cBthetiquo.  lief,  von  II.  Schaaffhamien 312 

11.  v.  Mrtftck.  Urgeschichte  des  Sohle» w:g-H< »Int einfachen  Landes.  1.  Tbeil. 

Ruf.  uml  1L  Sühaailliaiiaeii  * * i »»  t . . 114 

12.  XilgsQiL Daa  Stcinalkr  oder  die  Ureinvulmer  <ltt»  Ekandinavischep  Wor- 

den«. Ref,  von  Krefagcrichfarath  Rosenberg  in  Xen-Kuppm  . . . . 316 

13.  Schaaffhanaen. lieber  die  Urform  dtt  manaflhlichfln Schldelt  . . . 321 

ui.  hnacellfln  ^ . ^ 323 

XVHI.  Yerhandlnngen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 

I.  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  Scction  Tür  Anthropologie  und  Ethnologie 
bei  der  42.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  and  Aerito  in 
Dresden, Von  II.  Schaaflhaugen . 327 

II.  Internationaler  Congrea*  für  Alterthnmsku ndc  und  Geschichte  in  Bonn. 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  Section  für  Urgeschichte.  Von 
1L  Schaaffhimacn «. . . . , . . . . ........  t ........  r 232 

III.  Bericht  Aber  den  internationalen  Congreot»  für  Anthropologie  und  vor» 

historische  Archäologie  in  Pari».  Von  II.  Schaaffhanaen 330 

IV.  Verhandlungen  de«  internationalen  Congresses  für  Anthropologie  und  vor- 

historische Archäologie  zu  Norwich 860 

XIX.  Vorzeichnfas  der  anthropologischen  Literatur. 

I.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt 353 

IL Anatomie.  Von  A.  Ecker  . .371 

HI.  Ethnographie  und  Beinen. 

I.  Allgemeines.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien 376 

2.  Europa.  Von  F.  v.  Ilollwald  in  Wien 377 

3 A.iien. Vnn.Dr.  A.  Rnatiim  in.  Berlin..  3S1 

4.  Australien  und  Petunien.  Von  Prüf.  Mp i nicke  in  I)re«len 390 

C.  Afrilia. V"ü  i’ri'i'.  K.  llurlmanu  in  Berlin  .■■■-•. 392 

C.  Amerika. Vnn  F.  y.  Hell wa.ld  in  Wien 3S6 

Iv.  .rtw! vK.e  io  Beziehung  zur  Anthropologie.  Von  L.  Uätimeyer 399 

V.  Allgemeine  Anthropologie 400 


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IN1IALTSVERZEICHNISS 


z am 

ersten  und  zweiten  Hefte. 


Salt« 


1.  Der  Stpjncultus  ip  der  Ethnographie.  Von  A.  Bastian  in  Berlin I 

2.  Die  Thongefassc  der  nordamcrikaniscben  Indianer.  Von  Carl  Rau  in  New«York 10 

3.  Geognosti&che  Bestimmung  der  Lagerstätte  von  Feuerstcinsplittern  bei  Bramstedt  in  Holstein.  Von 

L.  Meyn  in  Cetmen  (Holstein)  81 

4.  Die  Cultnr  der  Bronzezeit.  Kritiken  und  Antikritiken  von  Dr.  F.  Wibel . 37 

Nebst  einer  Schlusabeinerknpg  von  L-  Liodenschroit 55 

5.  Der  deutsche  Weiberschadei.  Von  Dr.  A.  Weisbacb,  k.  k.  Oberarzt  in  Wien 50 

6.  Leber  dos  Zweckmässige  in  der  Natur.  Eia  Vortrag  von  Dr.  II.  Sch&affbausen 87 

7-  Dar  Gräberfeld  am  liijQkg]gteiiL..l>ei  Nloaghejm.  ejaer_.<kt-Mt£alfiii..riigdbOfc  des  Rheinland«. Ynn 

L.  Lindenschmit.  Hierzu  Tafel  I und  II 101 

8.  Einige  Bemerkungen  über  Hie  Skeletreste  aas  den  im  vorstehenden  Aufsatz  beschriebenen  Grabstät- 

ten beim  Hinkelstein  unweit  Montheim  und  bei  Oberingelheim.  Von  A.  Koker-  Hierzu  Tafel 
PI  and  IV 127 

9.  Kleinere  Mittheilungen,  Referate,  Nekrologe,  vermischte  Nachrichten. 

Kleinere  M ittheilungen. 

W.  Krame.  Bemerkungen  zur  wissenschaftlichen  Kraniometrie 137 

Referate 

1.  Darwin,  Animala  and  plante  ander  Domcstication.  Rcf.  von  Rütimeyer  . . . 138 

2.  Weisbach,  Reise  der  Novara;  AnthropoL  Theil;  II.  Körpermessungen.  Ref.  von 

We Icker i . i i ....  i . ......  ......  . 139 

g.  Flower  >nd  Marie,  Diageclion  of  a Bushwoman 142 

4.  Baker.  The  R>ee»  of  ihn  Kilo  Bassin 144 

Nekrologe 

1.  van  der  llooven. Von  H.  Welcker 146 

2.  Craafard ............  . 151 

Vermischte  Nachrichten  • • f . t - r - ••  T • . . . • 161 

10.  Veraeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 

1.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt  . 158 

2 \ natn  mir Von  A.  Ucker  . . . . . . .i_ •— ............ liifi 

3.  Ethnographie  und  Reisen. 

1.  Allgemeine» 169 

2.  Kuropa.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien  170 

3.  Asien.  Von  Üi.  A.  II : : i f , 17 2 

4.  Au»  traben  and  Oceanien.  Von  Dr.  A.  B 17b 

ü. Afrika. Von  Dr.  A.  D......  nnd  F.  ▼.  Ileljwald 177 

tL Amerika Von  F.  y . Hklllili  : « » . . . . . « ■ ■ i 111 

4,  Zoologie.  Von  L.  Rütimeyer 182 

ft.  Allgemeine  Anthropologie 164 

0.  Aus  den  Verhandlungen  gelehrter  Gesellschaften  . . . f 186 


1 


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L 

Der  Steincultus  in  der  Ethnographie. 

Von 

A.  Bastian 

in  Berlin. 


Neben  den  alten  Gräbern,  die  durch  ihren  aufgedeckten  Inhalt  die  Vorgeschichte  des  Men- 
schengeschlechtes mit  wichtigen  Aufklärungen  bereichert  und  die  Feststellung  antiquarischer 
Epochen  erlaubt  hat,  finden  sich  durch  ganz  Europa  zerstreut  die  Monumente  eines  primitiven 
Steincultus  und  werden  solche  jetzt,  seit  die  Aufmerksamkeit  darauf  hingelenkt  ist,  auch  in  den 
verschiedensten  Theilen  der  übrigen  C'ontinente  angetroffen.  Nach  der  Schablone  des  beliebten 
Schematismus  hat  man  sich  auch  schon  zur  Annahme  eines  Dolmen-bauenden  Urvolkos  veran- 
lasst gesehen,  indem  man  das  örtliche  Vorkommen  dieser  Constructionen  im  nördlichen  Afrika 
unil  Europa  zusammenstellte  und  dem  entsprechend  die  Linie  der  vermeintlichen  Wande- 
rungen zog,  was  natürlich  für  eine  wirkliche  Erklärung  ebenso  werthlos  ist,  ab  wenn  die 
Griechen  ein  Volk,  dessen  Herkunft  ihnen  unbekannt  war,  von  einem  eponymischen  Stamm- 
vater ihrer  Hypothese  ableiteten,  ganz  abgesehen  davon,  dass  die  bereits  über  Indien  und  die 
Inseln  Polynesiens  ausgedehnten  Entdeckungen  eine  solche  Theorie  von  selbst  über  den  Haufen 
werfen  müssen.  Eine  so  constant  in  den  verschiedensten  Gegenden  der  Erde  wiederkehrendo 
Erscheinung  muss  auf  ein  psychologisches  Grundprincip  zurückgeführt  werden,  das  auf  einem 
gewissen  Niveau  gebtiger  Entwickelung  mit  Nothwendigkeit  zu  Tage  tritt  und  durch  die  lo- 
calen Schattirungen  nur  oberflächlich  überdeckt  wird. 

Neben  den  Menhir  oder  Langsteinen,  den  Harenstanes  oder  Harenstones  (Frauenspindeln), 
den  Peulvan  oder  Steinpfeilern,  den  Ti  Goriquot  oder  Comandonet  (Zwergenhaus),  den  Pierres 
braidantes  oder  Rockingstonos '),  den  Pierros  levdos  oder  Steinthoren,  den  Couraus  de  Hondas 


' ) Nach  W ocol  sind  Wegsteint  auch  in  Böhmen  gefunden.  Pie  von  Bell  im  Tbale  Pschat  gesehenen 
Tscherkessengräber  gleichen  den  Hünenbetten.  Die  colosBalcn  Scheukelsteine  bei  Eyoou  waren  (nach  den  Ara- 
bern) durch  die  Darim  aufgothiirmt  (Palgrave).  In  Ceylon  liegt  ein  Dolmen  vor  dem  Sat-Mehnl-Praeada.  Die 
Pandu  Kolis  sind  durch  ganz  Sudindien  zerstreut,  besonders  in  Kistna.  und  rohe  Steine  umstellen  das  Monn- 
ment  zu  Batna  in  Algier. 

Afthiv  für  Anthropologie.  Bd.  UI.  Heft  L X 


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2 


Ad.  Bastian, 

(Quellenzirkcln),  den  Ukko-Kiwid  (Opfersteine),  Kiwi-Mal  (Blocksteine),  Neitsi-Kiwid  (Jung- 
fernsteine), Steincisten  u.  s.  w. , verdienen  besondere  Beachtung  die  C romlech  (Krummsteine) 
oder  Pfeilsteine,  die  bretonisehen  Dohnen  (daul-men)  oder  Tafelsteine,  die  in  Dänemark  Sten- 
dysser  oder  Jaettestuer,  in  Spanien  Cuevas  de  Menga,  in  Portugal  Antas,  Jettenatuben  in 
Schleswig,  Hünengräber  in  Deutschland  genannt  werden,  die  Cara  der  hochschottischen  Gai- 
delen,  die,  gleich  den  mongolischen  Obo,  durch  hinaufgeworfene  Steine  vergrossert  werden, 
wie  ilie  Steinhaufen  der  Bergspitzen  im  alten  Peru  der  Incazeit  und  im  neuen  Griechenland 
der  Gegenwart,  und  die  Kurgane  der  sibirischen  Steppen  oder  die  sonstigen  Tumuli  im  Ohio- 
Thal  sowohl,  als  bei  Upsala  und  Krakau. 

Es  heisst  die  Sache  vom  verkehrten  Ende  anfassen,  wenn  man  diese  Denkmale  einfach- 
ster Naturanschauung  durch  die  mystischen  Wirbeleien  eines  Scblangen-Symboles  oder  in 
anderen,  sich  selbst  unverständlichen  Auswüchsen  der  Dracontia  zu  deuten  sucht ; wir  müssen 
im  Gegentheil  auf  die  elementarsten  Denkgesetze  zurückgehen , und  dort  wird  uns  eine  ver- 
gleichende Analyse,  wenn  mit  der  nöthigen  Umsicht  angestellt,  auch  nicht  lange  ohne  Ant- 
wort lassen. 

Es  ist  ein  einwohnendes  Streben  der  Assoeiationsreihen,  sich  für  grossere  Deutlichkeit  an 
ein  sinnliches  Object  zu  heften  und  mit  demselben  in  der  Erinnerung  zu  verknüpfen-  Das 
gesprochene  Wort  verhallt  im  Winde,  aber  der  aufgerichtete  Stein  verbleibt  als  Zeugniss  des 
geschlossenen  Vertrages,  als  Zeugniss  der  an  einem  Orte  vollflihrten  That,  des  dort  gefassten  Ent- 
schlusses, als  Zeugniss  von  dem  Helden  der  unter  ihm,  dem  Bautar-  oder  Erinnerun  gaste  in, 
begraben  liegt,  ln  Palästina,  wo  schon  Jakob  und  Laban  in  gegenseitiger  Uebereinkunft  ihr 
Maal  hinstellten,  pflegen  noch  jetzt  (nach  Burkhardt)  die  Beduinen,  wenn  sie  dem  Aaron 
geopfert  haben,  von  der  Höhe,  wo  gerade  die  Kuppel  seiner  Kapelle  sichtbar  ist,  bei  Ain  Mousa, 
einen  Steinhaufen  emporzuthiirmen , und  ähnlich  dem  arabischen  Skopelismus  der  auf  dem 
Felde  zusammengelegten  Steine,  erzählt  Monnier  aus  der  Provence,  dass  jeder  Jüngling,  ehe 
er  sich  selbstständig  etablire,  die  Höhe  St.  Baume  zu  besuchen  pflege,  um  dort  an  diesem  ent- 
scheidenden Wendepunkte  seines  Lebens  eine  kleine  Pyramide  zu  bauen,  wie  sieh  auch  auf 
dem  Berge  Bel  oder  Belin  bei  Chateau  Chalons  unzählige  Mengen  kleiner  Steinhäufchen  fan- 
den, bei  denen  Gelübde  abgelegt  seien.  So  vergrössert  jeder  Mongole  den  Obo,  an  dem  er 
vorübergeht,  der  heutige  Grieche  fügt  auf  Bergosspitzen  durch  Steine  dem  Haufen  hinzu,  der 
einst  ‘ Ef/fiatog  i.oq>o<j  hiess,  und  der  Quechua  widmete  solche  Steine  dem  Apachecta.  Bei  Aus- 
bildung des  mythologischen  Systems  wird  der  Sinn,  die  rechtfertigende  Erklärung,  in  diesem 
gesucht,  und  dann  geschieht  es  für  die  wilden  Fräulein,  wenn  das  zuerst  die  Burgeiser  Alp 
in  Tyrol  besteigende  Kind  dort,  wie  Zingcrle  mittheilt,  Steinhäufchen  errichtet;  aber  schon 
lange  ehe  die  Phantasie  sich  objeetive  Gestaltungen  zu  projiciren  vermochte,  hatte  der  reli- 
giöse Naturdrang  zum  Vollzug  von  Handlungen  geführt,  in  denen  die  instinctmä&sigen  Denk- 
regungen Befriedigung  fanden,  ohne  sich  über  ihre  Causalität  zur  Klarheit  zu  kommen. 

Die  Form  solcher  Erzeugnisse  frühester  Kunstfertigkeit  wird  von  dem  durch  die  Oertlich- 
keit  gebotenen  Material  bedingt.  Sind  nur  kleine  und  runde  Steinchen  zur  Hand,  so  legt 
man  sie  im  Haufen  zusammen,  bieten  die  geologischen  Verhältnisse  des  l-andes  breite  und 
glatte  Steine,  so  spielt  man  mit  ihnen,  wie  das  Kind  mit  seinen  Bausteinen,  und  stellt  zwei 
als  Stützen,  mit  dem  dritten  als  Dach  darüber,  finden  sich  keglige  Steine,  so  werden  sie  im 


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Der  Steincultu»  in  der  Ethnographie. 

Kreise  herumgesetzt , vielleicht  ein  besondere  hervorragender  als  Peulvan  in  der  Bretagne  auf- 
gerichtet oder  von  den  Wogulen  als  Pubi,  zum  Gedächtniss  der  Sarkum  oder  Kraftmenschen. 
Wandert  ein  neues  Volk  auf  solchem  Boden  ein,  so  umgeben  sich  ihm  diese  monumentalen 
Reste  unbekannter  Bedeutung  mit  dem  mysteriösen  Schleier  des  Unbekannten  und  deshalb 
Geheimnissvollen,  die  Priester  verknüpfen  gern  die  dunkeln  Weihen  eines  überlieferten  und  in 
der  Ueberlieferung  unverständlich  gewordenen  Cnltus  mit  den  gleichfalls  als  unverstanden 
dastehenden  Zeugen  einer  fernen  Vergangenheit1),  und  dann  mag  allerdings  jener  myste- 
riöse Peplos  gewebt  werden,  von  dem  man  hier  und  da  zerrissene  Fäden  zu  entdecken  glaubte 
und  sich  um  so  enger  in  die  durch  einander  geschlungenen  Maschen  verstrickte,  je  weiter  man 
ihnen  folgte,  aber  diese  Producte  aus  späterer  Culturepoche  würden  sich  in  einer  ebenso  ba- 
rocken Architectur  manifestirt  und  sich  nicht  mit  jenen  rohen  Erzeugnissen  primitiver  Sta- 
dien begnügt  haben,  wenn  dieselben  nicht  schon  fertig  vorhanden  gewesen  wären.  War  das 
Priesterthum  des  neuen  Volkes  der  Träger  einer  Proselyten  machenden  Religion,  dann  freilich 
darf  der  Tafelstein  des  Dolmen  nicht  zum  Altar  nmgewandelt  werden,  dann  im  Gegentheil 
verkehrten  sich  die  früher  heiligen  Objecte’),  in  denen  die  heidnischen  Kaffir  das  Göttliche 
walten  sahen,  in  die  Einkörpeningen  de«  bösen  Princip«.  Die  Steinbüsten  in  den  Sajanschen 
Steppen  zeigen  nicht  länger  die  Bilder  der  goldenen  Alten,  dcrSlota  Baba,  der  gütigen  Erden- 
mutter, sie  sind  dem  Tartaren  zu  schreckenden  Warnungstafeln  geworden,  denn  in  ihnen 
versteinerte  Kudai  die  von  ihm  hieniden  eingesetzten  Statthalter,  unsterblicher  Natur,  als  sie 
sich  im  wilden  Trotze  gegen  ihn  überholten , und  der  Siamese  sieht  in  dem  aufrechten  Stein 
zu  Sukothay  den  versteinerten*)  Dam-din,  der  den  frommen  Phra  Ruang  verfolgte,  wie  der 
Beduine  in  der  Salzsäule  Lot's  Weib,  weil  sie  für  ihren  Ungehorsam  bestraft  worden.  Diese 
Umkehrung  de«  eigentlichen  Verhältnisses  in  sein  Gegentheil  winde  den  lickehrenden  Aposteln 
durch  einen  psychologischen  Kunstgriff  erleichtert.  Das  religiöse  Gefühl  des  Naturmenschen, 
je  unklarer  es  ist,  je  mächtiger  es  sein  Herz  mit  ehrfurchtsvoller  Scheu  erfüllt,  desto  weniger 
erlaubt  es  ihm,  an  einem  als  heilig  erkannten  Orte  vorüber  zu  ziehen,  ohne  den  schuldigen  Respect 
darzubringen.  Schon  von  Weitem  hebt  der  Buräte  seine  Pfeife  in  die  Höhe,  um  den  Tabacks- 
rauch  als  Sühnopfer  aufsteigen  zu  lassen,  wenn  er  die  Baumwipfel  eines  heiligen  Haines  auf 
fernem  Hügel  erblickt,  denn  die  Dämone,  die  dort  schalten,  sind  eifersüchtig  und  ränke- 
voll, jede  Vernachlässigung  der  ihnen  zukommenden  Ceremonien  würde  mit  gefährlichen  Fol- 


*)  The  stone-circle*  on  Vancouver-island  belonged  (aceording  to  the  Indians)  to  the  „old  people“  (Forbea). 
— *)  Jn*un  stellte  einen  Stein  unter  der  heiligen  Eiche  auf.  aber  Ezechiel  predigte  gegen  die  Verehrung  der 
Bergspitzen  und  der  heiligen  Eichen.  Nullus  christianus  ad  fana  vel  ad  petras  vel  ad  fontes  vel  ad  arbores 
aut  ad  cHlas  vel  per  trivia  luminaria  fociat  (St.  Eloy  in  Belgien).  Der  Schuukelstein  bei  Mas  Belin  (im  Depar- 
tement de  l'Ain),  der  sich  jährlich  uro  Mitternacht  der  Weihnachten  herumdreht,  gilt  (nach  Favre)  für  den 
Versammlungsort  der  Hexenmeister.  — *)  In  dem  Berge  Watxmann  (hei  Salzburg)  versteinerte  der  grausame 
König,  dessen  Jagdhunde  die  Hirtenfamilie  zerfleischt  hatten.  In  schwankender  Unbestimmtheit  hält  sich  die. 
Erklärung  bei  der  Versteinerung  der  Niobe,  deren  Fels  in  Attika  (nach  Pausania»)  einer  weinenden  Frau 
glich,  oder  wenn  der  durch  den  Zauherer  in  Stein  verwandelte  Brnder  de«  Ajar  Ifchu  Topa  (noch  Monte- 
■ inos)  noch  Zeit  hat,  seine  Verehrung  zu  verlangen,  die  ihm  dann  in  Tuzco  gezollt  wird.  La  pierre  qui  vire 
bei  Poligny  ist  ein  dnreh  das  Gebet  de*  von  ihm  verfolgten  Mädchens  in  Stein  verwandelter  Riese,  hat  aber 
noch  einen  Rest  alter  Heiligkeit  bewahrt,  da  er  (wie  Monnier  bemerkt)  bei  christlichen  Proceseionen  zum  Kuss 
bei  den  Backen  berührt  wird.  Der  Höhe  Beauregard  (en  regard  de  Bel)  gegenüber,  findet  sich  der  Roohe-Pa- 
gan  beim  Dorfe  Belien.  Beim  Frieden  zwischen  Cherra  und  Mausmai  errichteten  die  Kasia  einen  Stein  zum 
Zeugniss  (nach  Umang). 

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Ad.  Bastian 


gen  bedrohen.  Die  Steinhaufen  werden  durch  das  Hinaufwerfon  neuer  Steine  vergroesert, 
durch  die  Zufügung  einer  neuen  Gabe,  die  in  voller  Andacht  dargebracht  wird.  Aber  «j  ist 
ein  Werfen,  eine  Handlung,  die  auch  Schmach  und  Verachtung  ausdrück en  konnte,  und  der 
Prophet  des  Islam  erklärt  geschickt  als  Steinigung  des  Teufels,  was  den  Gottendienst  im 
Thale  Minus  bildete,  als  noch  der  Stamm  der  Soll  die  Pilger  leitete.  Unter  dem  Monument 
bei  Jerusalem,  auf  das  jeder  Vorübergehende  einen  Stein  warf,  soll  dann  Absalon  begraben  lie- 
gen, der  fluchwürdige  Sohn  des  grossen  Königs,  und  wenn  die  Wallachen  nach  alter  Sitte  bei 
der  Geburt  des  Kindes  den  geweihten  Stein  hinterwärts  werfen,  so  meinen  sie  jetzt,  dass  er 
die  Mäuler  der  bösen  Strigoi  treffen  wird,  um  sie  zur  Ruhe  zu  bringen.  In  die  Grube  auf  dem 
Ursehelberge  (in  Schwaben)  wirft  jeder  Vorübergehende  einen  Stein  (nach  Meier),  um  den 
Nachtfräulein  ein  Opfer  zu  bringen. 

Eine  Metamorphose  nach  der  andern  Richtung  hin  mögen  die  Kurgane  oder  Tumuli  durch- 
laufen haben.  Das  Anhänfen  der  Steine  auf  den  später,  wie  die  Heroenmonumente,  als 
Ehrenzeichen  betrachteten  Grabhügeln  *),  scheint  zunächst  dazu  gedient  zu  haben,  die  abge- 
schiedene Seele  in  der  Erde  festziih  alten,  durch  schwere  Laoten  dort  zu  bannen,  denn  Nichts 
pflegt  der  Naturmensch  mehr  zu  furchten,  als  die  Rückkehr  des  unheimlichen  Gespenstes,  das 
seine  irdischen  Behausungen  wieder  aufzusuchen  wünscht  Darum  schraubten  die  Tschu- 
waschen den  Deckel  des  Sarges  fest  und  sicher  zu,  darum  umhegten  die  Tseheremissen  das 
Grab  mit  hohen  Pfählen*),  die  der  Todte  nicht  zu  übersteigen  vermöge,  darum  schlugen  die 
Ungarn  dem  Vampyr  einen  Pfahl  durch  s Herz,  darum  wird  der  fortgetragenen  Leiche  ein  Eimer 
Wasser  nachgegossen,  ein  glühender  Stein  hinterher  geworfen.  Die  Am&kosa  hüten  sich  auch 
eine  Handvoll  Erde  von  einem  Grabe3)  zu  nehmen,  denn  die  Decke  könnte  zu  leicht  werden,  und 
etwa  ein  Aufsteigen  erlauben,  wie  aus  dem  römischen  Mundus,  wenn  der  schliessende  Stein 
alljährlich  fortgenommen  wurde.  Die  schon  im  Lehen  wegen  ihrer  Eccentricitäten  gefürch- 
teten Gallen  der  Cybele  wurde  in  Phrygien  unter  Steinhaufen  begraben,  und  in  dem  alt-ara- 
bischen Liede  ruft  Antars  Mutter  den  Leich enbestattern  zu,  einen  hohen  und  schweren  Stein- 
haufen auf  das  Grab  ihres  Sohnes  zu  häufen,  damit  sein  Seelengeist  mächtiger  und  gewal- 


l)  Quelques  jour*  apret  1 inhuinutioti  (eu  Zantebar)  len  parents  apn>«  avoir  recite  den  prieres,  cou Trent 
des  pierres  benites  lc  dessus  de  la  lorabe  (Guillain).  Auf  die  Gräber  der  Radjah  oder  Kaiser  (Leo  Rai)  wer- 
den (in  Timor)  Steine  gehäuft.  Die  Einwohner  von  Unalaschka  begruben  ihre  Todten  (nach  Cook)  auf  den 
Gipfeln  der  Berge  und  schütteten  auf  dem  Grabe  kleine  Erdhügel  auf,  auf  weiche  noch  ausserdem  Steine 
gelegt  worden.  Jeder  Vorübergehende  warf  einen  Stein  hinzu,  um  die  Stätte  für  die  Zukunft  zu  erhalten. 
Das  aus  einem  Kieselhügel  aufgehäufte  Hotten  toten  grab  gehörte  (wie  Lichtenstein  horte)  einem  berühmten 
Arzt  und  Weisen,  dessen  Andenken  durch  hingclegtc  Baumzweige  geehrt  wurde.  Die  Araucaner  legten  die 
Leiche  des  Pferdes  neben  den  Verstorbenen  und  bedeckten  das  Ganze  mit  Erde  und  Steinen  in  Pyramiden- 
gestalt  (Molina).  Uiloa  fand  die  Guoc&s  oder  Grabhügel  Quito'«  am  zahlreichsten  in  der  Nähe  des  früheren 
Tempels  Cayambe.  — -)  Eine  Inschrift  aus  der  Zeit  des  Königs  Buddha  gupta  spricht  von  Errichtung  eines 
Pfeilers  für  Visbnu,  als  Janardana  der  Menschenqualer  (434  p.  d.).  Beit  das  Gespenst  bei  Bädergaard  mit 
einem  Pfahl  in  den  Grund  gerannt  ist,  bleibt  eB  gefesselt  (Mü lienhoff).  — *)  The  Kaffirs  believe,  (hat  when 
a person  dies  his  i-bloze  or  isi-tute  survives.  The  prophets  compare  it  to  thu  shadow.  The  residence  of  the 
ama-bloze  is  beneath.  If  the  earth  were  removed  from  the  grave  the  ghost  would  return  to  frighten  and 
the  Assagais  are  therefore  broken.  When  spirits  have  eutered  the  futuro  state,  thoy  possess  great  power, 
Deported  spirits  rovisit  their  descendants  in  form  of  serpents,  which  do  not  hiss  on  being  touched  (Schoo- 
ter).  Nach  Licinius  (bei  Tlinius)  verzehrt  der  S&rcophag  in  Lykien  den  Leichnam  (ausser  den  Zähnen) 
in  40  Tagen,  Alles  versteinernd. 


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Der  Steincultus  in  der  Ethnographie. 

tiger  Kraft  nicht  hindurclizubreehen  vermöge.  Traten  später  reinere  und  geläutertere  Auf- 
fassungen an  die  Stelle  eines  grobsinnlichen  Materialismus,  sah  man  die  Seele  in  dem  Bilde  der 
fortschwebenden  Psyche,  öffnete  man  ihr  das  Fenster  in  der  Sterbestunde,  legte  man  den  Sarg- 
deckel nur  lose1)  auf,  wünschte  man  ihr  die  Erde  leicht,  oder  sandte  man  sie  in  der  Feuer- 
Reinigung  des  Scheiterhaufens  zum  Himmel,  so  wurden  die  an  die  Heroen  erinnernden  Kur- 
gane  zu  Ehrendenkmülem  und  der  auf  ihnen  emporwachsende  Baum  durchdrang  sich  mit 
seiner  heiligen  Wesenheit,  so  dass  in  Athen  das  Holzfällen  auf  den  Heroengräbem  mit  dem 
Tode  bestraft  wurde  und  auch  die  Tscherkessen  jede  Verletzung  der  dort  wachsenden  Wälder 
vermieden.  Zur  Last  werden  die  Berge  dann  nur  auf  Missethäter  geschleudert,  auf  den  in 
den  Flammen  de»  Aetna8)  wüthenden  Typhoeua  oder  (in  Bogota)  auf  Cliihckacum,  der  sich  in 
den  Erdlieben  schüttelt.  Damit  der  Träger  seine  Last*)  nicht  abwirft  oder  allzusehr  erschüt- 
tert , dreht  ihm  Maui  auf  Neuseeland  den  einen  Arm  ab. 

Nach  Hagek  errichteten  dieSlaven  hohe  Grabhügel  und  häuften  Steine  darauf.  Zu  dem 
Gralie  Tetka 's  (Libussa 's  Schwester)  wurde  ein  mächtiger  Steinblock  geschafft  und  auf  demselben 
neun  Tage  ein  brennendes  Todtenopfer  unterhalten.  The  two  tnounds  or  smooth  hillock«,  callod 
Tasulaloo  and  Masalaluo  are  bclioved  by  the  Saticoy  Indians  (in  California)  to  be  buryiug 
places.  l>er  Grabhügel  Oleg's  fand  sich  auf  dem  Bergt;  Sezekowitza,  der  Askold's  auf  dem 
Berge  Ugorskoje  (nach  Schlözer).  Um  die  armen  Seelen,  die  als  Gespückniss  an  den  Urt 
ihrer  ehemaligen  Thätigkeit  zurückkehren,  im  Grabe  zurückzuhalten,  wird  ein  grosser  Stein 
auf  dasselbe  gewälzt.  Hilft  dieses  Mittel  nichts,  so  wird  (in  Hessen)  ein  Priester  (der  jedoch 
ein  katholischer  sein  muss)  gerufen.  Derselbe  bildet  unter  mysteriösen  Ceremonien  einen 
Kreis  und  zwingt  unter  Anwendung  mächtiger  Zauberformeln  die  arme  Seele  in  den  Zauber- 
kreis,  als  Schwein,  Vogel  u.  s.  w.,  kurz  in  der  Gestalt  zu  erscheinen,  die  sie  nach  ihrem  Tode 
angenommen  hat  Hierauf  wird  sie  in  einen  Sack  gesteckt  und  an  einen  sumpfigen  Ort  ver- 
bannt, wo  sie  fortan  als  Irrlicht  umherschwebt4)  (Mühlhausen). 

])  Die  Schwarz fiiselcr  suchen  ob  zu  vermeiden  ihre  Todtcn  mit  Erde  zu  belasten  und  legen  den  zns&miuengo- 
■ebnürten  l^eichnam  an  unzugängliche  Orte,  in  Schluchten  oder  auf  Felsen.  — *)  Oder  unter  dem  arimiichen 
Gebirge  in  Kilikien.  Der  Vulcan  auf  Stromboli  galt  noch  im  Mittelalter  als  Eingang  in  die  Unterwelt,  wie  früher 
die  phlegräischen  Felder  bei  Cumae.  Auf  den  Bergen,  in  deren  Abgrund  Satan  lag,  pflegte  man  eine  Capelle 
des  Erzengels  Michael  zu  errichten.  Die  Cayavavaa  und  Itonamas  (in  Südamerika)  halten  dem  Sterbenden 
Mund  und  N’a«e  zu,  damit  der  Tod  in  ihm  bleibe  and  nicht  auf  andere  übergehe  (d'Orbigny).  — 3)  The 
Battae  aknowledge  three  deities  or  ruler*  of  the  world,  Batara-guru  (in  heaven),  Soripada  (in  air)  and  Man* 
galla-bulang  (in  the  earth).  When  Naga-padoha  (growing  weary  to  anpport  the  earth)  ahook  hi»  head  (in 
oarthquakes)  and  the  earth  disappeared  in  the  waten,  Futi-orla-bulan,  daughter  of  Batara-guru,  requested  per- 
misaion  to  deacend  to  the  lower  regiona  and  canie  down  on  a white  owl,  accompanied  by  a dog.  Hut  not 
l>eiiig  able  (by  reaeonB  of  the  vatera)  to  continue  there,  her  father  let  fall  frum  heaven  the  lofty  mountain 
Hakan  a (in  the  Batta-country),  a«  a d wolling  for  his  child  and  from  this  mountain  all  other  land  gradually 
procceded  (and  all  men  from  the  three  daughter«  of  Puti-orlan-bulanl.  The  Earth  was  once  more  »upported 
on  the  three  hornB  of  Naga-padoha  and  Ümt  he  might  never  ttgain  aufler  it  to  fall  off.  Batara-guru  »ent  his 
aon  Laynnglayang-mandi  (the  dipping  swailow)  to  bind  him  hands  and  feet.  Finally  the  time  ahall  come, 
when  the  chaina  and  bandB  of  Nagaes-padoha  »hall  be  worn  away  ad  he  «hall  once  inore  allow  the  earth  to 
sink  (t.  Mars  den).  Die  Araber  schreiben  Erdbeben  dem  Schütteln  de»  Steine«  Sakhrat  zu,  der  den  Berg  Kaf 
tragt.  Iri  Abyssinien  wird  die  Strafe  der  Steinigung  be«ondcn  den  Ketzern  zuerkannt,  ln  the  »treete  of  Uon- 
dar  are  still  aeen  the  heaps  of  stone»,  which  cover  the  bodie«  of  tho  catholio  miasionariea,  whoie  laboura  in  the 
cause  <»f  the  gonpel  were  thua  requited.  — 4)  In  t'hile  werden  die  Todten  mit  den  Füaaen  voran  au«  der 
Hütte  geschafft,  da  aonat  da»  Gespenst  in  schreckender  Gestalt  zurückkehren  würde.  In  Hinterindien  wird 
die  Wand  durchbrochen,  um  nicht  durch  die  Thür  hiuauasutragen. 


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Ad.  Bastian, 


Die  von  einem  Begräbnis*  zurückkehrenden  Böhmen  (im  XII.  Jahrh.)  warfen  Steine  und 
Holzstücke  hinter  sich,  ohne  umzublicken,  und  larvae  nocturnae  et  terrificationes  imaginum  et 
bestiarum  (Nonnius)  giebt  es  auch  in  Amerika.  Der  Leidtragende  muss  bei  den  Ujibbeway», 
ohne  sich  umzusehen,  vom  Grabe  zurückkehren,  sonst  folgt  ihm  der  Tod  (Se-bi  oder  Cba-pi) 
oder  ein  Begleiter  muss  Zweige  über  dem  Haupte  des  Anverwandten  schütteln,  als  ob  Fliegen 
fortjageud.  Eine  Wittwe  hat  in  Zickzackspriingen  zurück  zu  kehren,  um  ohne  Schaden  zu 
entkommen.  Die  Australier  vermeiden  es  selbst  am  Tage  sich  den  Gräbern  zu  nähern  und 
sollte  Jemand  Nachts  dort  schlafen , so  würde  der  Todto  herauskominen  und  ihm  die  Einge- 
weide*) aus  dem  Leibe  ziehen,  die  sich  indes«  am  nächsten  Morgen  wieder  eingesetzt  finden. 
Dieser  Operation  muss  sich  jeder  Karraji  oder  Zauberer  wenigstens  dreimal  unterworfen  haben, 
um  seine  Würde  zu  erlangen,  ist  aber  dann  gegen  Gespenster  geschützt  (Colli ns).  Die  beim 
Verbrennen  der  Leiche  entfliehenden  Bhut  gehen  in  Siam  um  und  (nach  den  Rahbinem)  wur- 
den die  nicht  in  der  Hölle  gestraften  Sündigen  zum  unstäten  Umherschweifen  (Na  venad) 
verurtheilt  (als  jii'tvprtr«  ni-am).  Auf  den  Schiflerinseln  frisst  ein  Vogel  die  Seelen  oder 
sonst  der  Gott.  Nach  den  Indianern  weilt  die  Seele  noch  einige  Tage  im  Wigwam  neben 
dem  Körper,  ehe  sie  zum  Geisterlande  fortzieht  und  die  Führung  eines  noch  Unerfahrenen  wird 
gern  einem  Hunde1)  anvertraut  (in  Mexico  dem  gleichzeitig  getödteten  Hansthiere  Techichi), 
wie  die  Perser  den  Sterbenden  von  einem  Hund  anblicken  liessen.  Die  Grönländer  lieben  es 
einen  Hundekopf  auf  Kindergriilmr  zu  legen.  In  Kamtschatka  pflegte  man  bis  zu  Steller’* 
Zeit,  gefährliche  Kranke  aus  der  Wohnung  hinauszutragen,  da  fliese  sonst,  wenn  der  Tod  im 
Innern  erfolgen  sollte,  des  unheimlichen  Spuken*  wegen  hätte  niedergerissen  werden  müssen. 
In  Neusöhl  (im  nördlichen  Ungarn)  wird  am  Haupte  des  Sterbenden  mit  einem  Glöckchen  leise 
geläutet,  damit  die  scheidende  Seele,  durch  den  Ton  angelockt,  noch  einige  Augenblicke  auf 
der  Erde,  in  der  Nähe  des  erstarrenden  Körpers  verweile.  Ist  der  Tod  erfolgt,  so  läutet  man 
mit  dem  Glöckchen  weiter  weg,  immer  etwas  weiter  vom  Todten,  dann  zur  Tliilr  hinaus,  und 
einmal  um  das  Haus  herum,  damit  man  so  die  Seele  auf  ihren  Scheideweg  geleite,  bis  da» 
Läuten  der  Dorfglocke  beginnt.  Ursprünglich  lag  wahrscheinlich  die  Idee  zum  Grunde,  das 
Gespenst  durch  Erzesklang  über  die  Bannlinie  hinauszuscheuchen,  wie  es  bei  der  jährlichen 
Reinigung  der  siamesischen  Hauptstadt  im  Jing-Atana  durch  Böllerschüsse  geschieht  In 
Nieder-Üesterreich  wird  fiir  die  ausfabrendc  Seele  gebetet,  indem  man  dem  Sterbenden  eine 
geweihte  Kerze,  angezündet,  iu  die  Hand  giebt,  das  heisst  man  das  Seelausbeten  (Verna- 
leken).  Die  Macusis  beerdigen  den  Todten  in  der  Hütte,  worin  er  gestorben  Ist,  sowie  auch 
Conibos  und  Remos,  die  im  Donner  die  Stimme  des  Verstorbenen  zu  hören  glauben.  Die  Lap- 

*)  Der  grönländische  Luftgeist  Erloersorlok  (oder  der  die  Eingeweide  Herausreissande),  der  sioh  von  den 
Eingeweide»  der  Todten  auf  dem  Wege  zum  Himmel  nährt,  wird  alt  ein  mager  ausgehungerter  Mann 
mit  hängenden  Backen  dargestellt  (nach  Egede),  gefürchtet  wie  die  Irle-Chan  in  Nord-Asien.  — 2l  The  dog 
ia  consulcred  by  tlie  North- Amerika» -Indians  us  an  ominous  animal  and  supposed  to  posseas  great  virtue 
(Jones).  Bei  den  Cherokese»  verkündete  der  Hund  durch  klägliches  Geheul  die  Fluth,  worauf  sich  sein 
Herr  in  einem  Bote  retten  konnte.  Ala  Todtenrerer  zeigt  der  Hund  (in  Innsbruck)  bevorstehenden  Todesfall 
im  Hause  an.  Die  Tempelhunde  des  Hephästos  spürten  den  sittlichen  Werth  des  Ankommenden  heraus.  Bei 
den  Persern  war  es  ein  günstiges  Zeichen , wenn  der  Hund  ein  in  dem  Munde  des  Todten  steckendes  Stück 
Brod  frass,  und  die  Genesung  eineB  Kranken  entscheidet  sich  anderswo,  wenn  der  Hund  Brod  frisst,  mit  dem 
er  die  Zähne  gerieben. 


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7 


Der  Steincultu«  in  der  Ethnographie. 

pen  pflegen  gewöhnlich  die  Leiche  im  Walde  zu  verscharren,  vergraben  sie  aber  unter  dem 
Feuerheerd  der  Hütte,  wenn  sie  von  den  Geistern  des  Verstorbenen  geplagt  werden  (um  dann 
wenigstens  das  unstäte  Gespenst  in  einen  harmloseren  Hauskobold  au  verwandeln).  Bei  den 
Hottentotten  bricht  der  ganze  Kral  nach  einem  Leichenbegängnisse  seine  Hütten  ab  und  zieht 
weiter,  während  die  Hütte  des  Verstorbenen  einsam  stehen  bleibt  (Kolbe).  Die  Amakosa 
tragen  den  Verscheidenden  aufs  offene  Feld  und  unterwerfen  die  Angehörigen  weitläufigen  Rei- 
nigungsceremonien.  Stirbt  aber  ein  -Erwachsener  plötzlich  in  seiner  Hütte,  so  wird  der  ganze 
Ort  dadurch  verunreinigt,  der  Todte  bleibt  in  der  Hütte,  wogegen  der  ganze  Stamm  weiter 
zieht  und  selbst  die  gereiften  Feldfrüchte  zurücklässt  Bei  Finnen  und  Esthcn  werden  da- 
gegen die  Todten  bewirthet,  die  im  Juulheer  der  Lappen  die  Luft  durchziehen.  Die  al ba- 
ll esische  Schwarmzeit  der  Geister  (wie  in  den  deutschen  Zwölfnächten)  setzt  Hahn  in  Bezie- 
hung zur  Wintersonnenwende!  In  Rom  wurden  den  diis  manibus  die  feralia  (im  Februar)  ge- 
, feiert  und  in  Griechenland ')  gingen  die  Geister  der  Verstorbenen  an  den  Festtagen  der  Ne- 
kyia  um. 

Nach  den  Koloschen  und  Tainonen  kehrt  der  Körper  beim  Tode  zur  Erde  zurück,  der 
Schatten  geht  in  die  Unterwelt  ein  und  lebt  gerade  unter  dem  Flecke  seines  früheren  Auf- 
enthaltes auf  der  Erde,  wenn  er  mit  Hülfe  des  trommelnden  Schamanen  gliicklich'den  Hunde- 
weg vermieden  hat  Der  Geist  aber  steigt  auf  in  die  Luft  wo  der  Gut«  ruhig  lebt,  während 
der  Verbrecher  von  den  Wolken  unstät  umhergetrieben  wird. 

Für  die  Auftassuugsweise,  unter  der  die  Ucbcrbleibsel  eines  praohistorischen  Steincultus  be- 
trachtet werden,  ist  es  vor  Allem  bedeutungsvoll,  unter  welchen  Verhältnissen  das  Wander- 
volk die  neue  Erde  betreten  hat  und  ob  es  mit  gutmilthigem  Humor  auf  die  verschwundenen 
Eingeborenen  zurückblickt  die  sich  als  Zwerge  oder  Wichtelchen  in  unterirdische  Gruben  ver- 
krochen haben  mögen,  oder  ob  es  die  Erinnerung  schwerer  Kämpfe  bewahrt,  die  mit  rach- 
süchtigen Riesen  und  Lapithen  um  die  Besitznahme  geführt  werden  mussten.  Für  die  Ent- 
scheidung Uber  relativ«  Altersverhältnisse  der  Ansiedlung  bieten  die  koemogcnischen  Mythen 
wichtige  Anhaltspunkte,  denn  während  die  Autoehthonen  oder  Aborigines  sich  dem  mij^ter- 
iichen  Boden  entsprossen  glauben,  werden  die  unter  dem  Himmelsdach  eingewanderten  Völ- 
ker die  sie  leitenden  Vögel  als  Götter  mitbringen,  oder  die  Verehrung  der  Gestirne,  die  ihnen 
auf  ihren  Zügen  geleuchtet  hatten.  Dann  tritt  zu  den  aus  Steinen  geborenen,  aus  Baum- 
stämmen hervorgeschlüpften,  wie  die  Pelasgcr  Arkadiens,  oder  (wie  die  Zwerge  im  Leibe 
Ymirs)  aus  Würmern  erzeugten  Kindern  des  Landes  ein  erhabeneres  Fürstengeschlecht  der 
Sonne  und  des  Mondes,  ein  Götterstamm,  der  aus  hohen  Himmelsterrassen  herniederstieg. 
Gleich  dem,  von  den  Anakes  als  Poimenes,  gehütetem  Laos  von  laas,  wird  der  Stamm  der  Onei- 
ilas  (nach  Schoolcraft)  aus  Onia  oder  Stein  erklärt,  als  Fels  entsprungene *),  wie  die  Sachsen 

3)  After  a death  in  a Family  (in  Cochin)  the  room,  in  which  it  oocorred  i»  auppoaed  to  be  haunted  by 
the  »pirit  of  the  departed  and  amongut  wealthy  Familien  is  generally  nut  uaod  again,  until  tbat  generation 
baa  paiaed  away  (l)ay),  wie  in  nnaeren  alten  Spukschlösser».  — Aue  den  zersprungenen  Stucken  dee  auF 
die  Ktde  gefallenen  Steinmeeeers,  das  der  tiott  Ometeuetli  mit  seiner  Gattin  Citlalicuc  in  der  Nähe  der  Sieben- 
höhlen (Chicomoztotl)  gezeugt  hatte,  entstanden  die  Heiden  der  Chichimeken,  die  ana  dem  von  Xolotl  an*  der 
Unterwelt  heraufgebrachten  Knochen  die  Menzchen  schufen.  Wie  Henealion  und  Pyrrha.  verwandelt  hei  den 
Macuis  in  Südamerika  der  allein  ans  der  Kloth  gerettete  Mensch  Steine  in  Menschen,  aber  bei  den  Karaibea 
werden  durch  den  Zorn  der  Sonne  die  Hüter  der  Höhle  in  Stein  verwandelt,  ala  die  Menachen  hervortraten, 
nnd  diese  «eitet  zum  Theil  in  Pflanzen  und  Thiere. 


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8 


Ad.  Bastian, 


aus  dem  Saxum  am  Harz.  Die  aus  den  Glanzhallen  Abhassaras  niedergesunkenen  Vorfahren 
der  Birmanen  sahen  sich  die  Erde  durch  generatio  aequivoca  bevölkern,  indem  die  dienst- 
baren Stämme  aus  dem  Gestein  der  Berge,  aus  Bambus,  aus  Schilfen,  aus  Fruchtbäumen  hervor- 
wuchsen, und  die  Königsdynastien  Tibets  führen  sich  auf  die  Tengri-Söhne  zurück,  die  au» 
anderen  Regionen  bei  ihnen  aulangten.  Bei  den  Grönländern  schlägt  der  allein  aus  der  Siind- 
fluth  zurückgebliebene  Mann  auf  den  Erdboden,  aus  dem  eine  Frau  hervorkam. 

Die  Landeskinder,  wenn  sie  von  einem  erdgeborenen  Tuiscn,  dem  Vater  des  Mannus,  ent- 
stammten, von  einem  aus  dem  Salzfelsen  hervorgelockten  Buri,  von  einem  in  den  dürren  Gefilden 
Libyens  (wie  die  Moxos  inmitten  der  aüdamerikanischen  Ebenen)  emporgetauchten  Jarbas  sich 
ableiteten,  werden  den  Ursprung1)  bei  dauernder  Niederlassung  an  bestimmte  Localitäten  an- 
knüpfen, wie  die  Neger  Yorubas  an  Ifeli  oder  die  Quechuas  an  die  Höhle  Paucartambos.  Die 
umherschweifenden  Jägervölker  der  Rothhäute  dagegen  erkennen  ihre  Vorfahren  in  den  Thie- 
ren,  mit  denen  sie  zusammen  leben,  und  wie  die  Koluschen  von  Wolf  und  Rahe,  leiteten  sich 
die  Lenapc  von  der  Schildkröte,  die  Chippewäh  vom  Hunde  ab. 

Bei  den  Itonama  in  Süd -Amerika  ist  die  Verbindung  mit  der  Muttererde  noch  so  innig 
und  fest,  dass  ein  Kranker,  wo  er  auch  sei,  sich  nach  der  Stelle  seiner  Geburt  zuriickbegiebt, 
um  dort  aus 'dem  mütterlichen  Boden’)  die  erfrischende  Kraft  zu  saugen,  dieAntäus  bei  jedes- 
maliger Berührung  der  Erde  gewann,  und  im  Mittelalter  den  Hexen  entzogen  wurde,  wenn 
man  sie  für  den  Transport  in  kupferne  Kessel  anschmiedete  und  auf  den  Armen  in  das  Gericht 
trug.  Den  Andaganach  oder  heiligen  Stellen  der  Aleuten  dürfen  Frauen  und  Kinder  nicht  nahe 
kommen.  Wio  die  Irokesen  durch  Tarenyawagou  aus  den  Eingeweiden  des  Berges  gezogen 
wurden , kamen  die  Amakosa  mit  allen  Thieren , die  weithörnigen  Ochsen  ausgenommen,  aus 
einer  Höhle  hervor  und  das  erste  Geschwisterpaar  der  Peruaner  au»  den  Fensterhäusem  der 
Grotten  in  Paucartambo,  aber  die  durch  Machakael  bewachten  Höhlenbewohner  der  Antillen 
wurden  von  den  Strahlen  der  Sonne  zuerst  in  Steine  und  dann  in  duftende  Eichbäume  ver- 
wandelt, bis  sich  aus  diesen  Ameisen  (die  Myraiidonen  des  Aeakos)  erzeugten,  und  dann  wei- 
ter gjatte  Mädchen,  für  deren  Fang  es  Menschen  rauher  Haut  bedurfte.  Wie,  nach  Pindar, 
der  vom  Nil  zurückgelassene  Schlamm  fortfährt  sich  in  nasser  Hitze  zu  bekörpern , so  wühlen 
sich  (bei  Berosus)  durch  den  Einfluss  der  Sonne  die  Ungetliiime  des  Mercaja  aus  den  Morästen 
des  mesopotamischen  Delta  hervor , während  die  Mythen  der  Maori  die  Geschöpfe  in  der  dicht 
verschlungenen  Umarmung  von  Gäa  und  Uranos  entstehen  lassen,  von  Rangi  und  Papa*), 
die.  in  der  Dunkelheit  des  Po,  eng  im  Umfangen  zusaminengepresst,  bei  der  Empörung  ihrer 
Kinder  durch  Tane-mahuta,  den  Gott  der  hochstrebenden  Wähler,  aus  einander  gerissen  wurden. 
Auf  Samoa  war  es  Tiitii,  der  Himmel  und  Erde  trennte.  Während  in  der  hesiodeischen  Theo- 

*)  Kaliak,  der  erste  Mensch  der  Grönländer,  kam  aus  der  Erde  hervor  und  aus  «einen  Daumen  entstand 
die  Krau,  von  der  alle  Menschen  herkommen  (Crantz).  Den  Tod  soll  daa  Weib  in  die  Welt  gebracht  haben, 
indem  sie  sagte,  laaB  diese  sterben,  damit  dia  Nachfolgenden  Platz  halien.  — *)  Die  Finnen  dagegen  glaub- 
ten, dass  aus  dem  Erdboden  die  von  den  Maahiset  geschickten  Krankheiten  emporstiegen  und  während  (nach 
Jessen)  der  ins  Manneaalter  tretende  Lappe  eine  Saivo-Stelie  sucht,  um  dort  seinen  Schutzgeist  zu  gewinnen, 
meidet  der  Esths  Plätze,  in  denen  die  Maallnsed  oder  Unterirdischen  ihren  Sitz  haben  möchten,  um  nicht  mit 
Aoaschiag  als  Ma-vihba  (Erdzorn)  oder  Ma-hingaminoe  (Erdhauch)  geschlagen  zu  werden,  wie  der  Kinne  die 
von  den  Maahiset  (Maahiuen)  ans  dem  Erdboden  geschickten  Krankheiten  fürchtet.  In  Albanien  ist  es  ein  Elfen- 
schlag, und  wenn  sich  der  Kranke  des  Platzes  erinnert,  wo  er  zuletzt  gesessen  hat,  so  lawprengt  man  ihn  not 
llosenwasser,  daa  die  Elfen  «ehr  lieben.  — 3)  Terra  enim  et  Coeiom,  nt  äamothracia  initia  docent,  sunt  dii  magni. 


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Der  Steincultu*  in  der  Ethnographie.  ü 

genie  die  in  dom  klaffenden  Kaum  des  Chane  <?i  »geschlossene  Oäa  aas  sich  den  Uranos  erzeugt, 
vermählten  die  Finnen  (nach  G anander)  Akka  manteren  alainen  (die  unter  der  Erde  weilende 
Alte)  mit  dem  Donnergott  Ukko.  Nach  den  Tagalen  lies«  Hathala  Meyeapal  in  einem  Erd- 
beben die  Völker  aus  der  Erde*)  hervorgehen,  nachdem  er  die  Vermählung  des  ersten  Paares, 
das  aus  zwei  Schossen  eines  Hiunbu  au fge wachsen,  vollzogen  hatte.  Auf  des  Aiakos  Gel>et  lässt 
Zeus  tiie  Menschen  aus  der  Erde  hervortreten. 

Wie  sich  die  Aborigines  oder  Autochthonon  aus  der  Tiefe  des  Erdbodens  entsprossen 
glaubten,  so  verlegten  sie  auch  dorthin  die  Heimath  ihrer  Vorväter,  sowie  den  seeligen  Wohn- 
sitz, zu  dem  sie  nach  dem  Abscheiden  zuriickkehren *)  würden.  Nach  den  Samojeden  lebt  im 
Schooese  der  Erde  das  glückliche  Volk  der  Sirtje.  an  Vieh  und  Schätzen  reich,  das  sich  eines 
Ueberflnsses  an  Mamm uthheerden,  an  Zobeln,  Füchsen  um!  Bibern  erfreut  Die  Noaiden  der 
Lappen  besuchen  zur  Rathserhohing  da«  unsichtbare  Saivogeschlecht  (das  der  Seelen,  wie  sai- 
vala  im  Gothiscben),  das  unter  der  obersten  Erdrinde  seinen  Sitz  hat  und  Alles  in  höchster 
Vollkommenheit  besitzt.  Bei  Hesiod  wird  das  goldene  Geschlecht  von  Zons  mit  Erde  bedeckt 
und  erst  nach  »einer  Verwandlung  in  Schutzgenien  der  Luft,  um  als  iöfrloi  über  den 

Menschen  zu  wachen,  tritt  in  die  Stelle  seines  unterirdischen  Aufenthaltes  das  silberne  Ge- 
schlecht, das  gleichfalls  Verehrung  empfängt.  Nachdem  im  Gegensatz  zum  heiteren  Himmel 
die  finstere  Unterwelt  zum  Kigenthum  des  feindlich  Bösen  wurde,  versetzt  man  ihre  frü- 
heren Bewohner  in  die  Inseln  der  Seeligen,  während  sich  im  buddhistischen  Indien  noch  ein 
Mittelplatz5;  dort  findet  für  das  Reich  der  Nagas  in  Batala,  die  freilich  durch  die  neue  Reli- 
gion ihrer  Herrschaft  über  die  Erde  beraubt  wurden,  aber  diese  gnadenvolle  Cession  erhielten, 
weil  aucli  sie  sich  als  Hörer  der  erlösenden  Predigten  einfanden.  Wenn  unter  der  Erde  der 
Zwinger  des  Gewaltigen  steht,  wie  in  den  Marianen,  so  vermeidet  man  selbst,  wie  auf  den 
Batu-InBeln,  das  Berühren  der  verschlingenden  und  verunreinigenden  Erde  durch  die  (nach  per- 
sischer Sitte)  auf  erhöhte*  Pfosten4)  gestellten  Leichen,  während  man  sonst  die  Todten,  als  De- 
metrioi,  dem  Mutterschoosse  der  Knie  xurückgiebt. 

')  Le  tinnois  Ma-innc-mrn  (bommc  de  la  terre)  dösigne  l'homnic  Habitant  du  pays  (Landsmann  en  Alle- 
mand)  par  Opposition  ii  IVtranger,  qui  n’eet  pae  un  compatriote.  L’arabe  ibu-al-ardh  (filius  terrae)  designe 
lV*tranger  errant  sur  la  terre  höre  de  sa  patrie  (Bergmann).  Wie  der  Engel  llareth  bei  den  Persern  wacht 
über  die  Erde  in  der  Bretagne  Main-Berthe  (Madame  Bertha),  die  als  la  Dame-verte  von  Monnier  mit  Hertha 
/aaammengestcllt  wird.  Die  Lydier  verehrten  die  Erde  oder  Ma  als  die  grosse  Göttin,  die  auBser  den  Namen 
Khea  und  Cvbele  auch  den  der  Maja  führt.  — *)  Die  Papuas  leben  aaf  dem  Meeresgrunde  in  früherer  Weise 
fort  fwie  es  auf  egyptischen  Papyrusrollen  dargeatellt  ist)  und  nehmen  deshalb  Waffen  und  Schmuck  mit  sich 
in  das  Grab.  Die  Mönnitarris  finden  unter  der  Erde  zwei  Dörfer,  die  ganz  wie  die  auf  der  Oberwelt  verlas- 
senen eingerichtet  sftid.  Alle  notliigen  Jlandwerkagegenst&nde  der  Kleider  werden  deshalb  in  das  Grab  nieder- 
gelegt. und  sollte  diese  Pflicht  versäumt  sein,  so  würde  das  schreckende  Gespeust  des  Todten  zurückkehren 
sein  Kigenthum  zu  suchen  und  zu  fordern.  Die  Araucancr  werden  durch  den  Schiffer  in  Tempulagy  nach  dem 
westlichen  Paradiese  übergefahren,  wo  sic  wie  auf  Erden  fortleben.  aus*er  dass  ihre  Trauen  unfruchtbar  sind, 
da  die  Bevölkerung  nur  durch  die  abgeschiedenen  Seelen  geschieht.  Den  anf  lieblichen  Inseln  in  Früchten 
schwelgenden  (’araihen  dienen  (nach  Davies)  die  Arowaken  im  Jenseits,  wo  diese  in  wüsten  Gebirgen  dabin- 
schmachten.  — a)  Vischnn  drückt  den  Riesen  Gaya  in  Behar  oder  an  der  < 'oromandelküste  den  König  Ball 
dorthin  hinal.  .Die  ÜaliBprache  erhält  ihren  Namen  nach  den  Buddhisten  seihst,  welche  ehedem  in  Indien 
Hali  genannt  wurden,  daher  auch  dieses  selbst  zurZeit  ihres  Flores  Balistan  (das  Land  der  Bali)  hieee“  (Ade- 
lung). — •)  Wie  die  Nadowessier  ihren  gemeinsamen  Begräbnis« platz  neben  «1er  Wakon  teel«e  (Wohnung 
des  Grossen  Geistes)  genannten  Grotte,  setzten  auch  die  Dacofas  ihre  Todten  auf  ein  Gerüst  bei.  Die  Schama- 
nen der  Tungnsen  lassen  sieh  nicht  in  der  Erde  begraben,  weil  dort  «1er  Böse  woliut,  sondern  ihre  frei  hin- 
gestellten Särge  werden  nur  mit  Steinen  t ((gedeckt. 

Arobt*  ffij  Anthropologie,  H*d«I  UI.  lieft  1.  «> 


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10 


Ad.  Bastian. 


Fremde  Einwanderung  wird  auch  liier  die  Auffassung  verschiedentlich  scbattiren , und  in 
den  Unterirdischen  die  verschwundenen  Eingeborenen  sehen,  die  bald  als  tückisch-böse  Zwerge 
(den  finsteren  Mächten  des  Tartaros  oder  dem,  Lios-Alflieim  entgegengesetzten,  Svart- A Ifheim 
zugeltörig)  in  dunkeln  Hohlen  hausend,  gefürchtet  und  vermieden  werden , bald  als  harmlose 
Gorzoni  (bei  den  Lüneburger-Wenden)  BaugeräLlie  geliehen  erhalten,  wofür  sie  Brod  hinlegen. 
Wie  an  das  durch  die  russisch«  Vorzeit  spukende  Volk  der  Tsehuden,  knüpfen  sich  an  die  in 
unzugängliche  Schlupfwinkel  zurückgezogenen ')  Eingeborenen  leicht  geheimniasvolle  Sagen, 
wenn  inan  sie  mitunter  daraus  hervorgehen  sieht,  indem  sie  sich  aus  Sglieu  jeder  Nach- 
forschung entziehen.  Als  der  Tumagong  (auf  der  malayischen  Halbinsel)  eine  Strasse  durch 
die  Wälder  seines  Landes  hauen  lassen  wollte,  gab  er  den  allein  dazu  fähigen  Eingeborenen 
Nachricht,  und  diese  machten  sich  sogleich  an  das  Werk,  entflohen  aber  bei  jeder  Annäherung 
und  entnahmen  ihren  Lohn  (wenn  Niemand  sie  zu  erblicken  nahe  war)  von  einem  Baum- 
stumpf, auf  den  man  ihn  hinzulegen  pflegte  (Canieron).  Die  Bergleutchen  von  Nagelberg  (in 
Mittelfranken),  die  in  der  Mühle  Dienste  verrichteten,  blieben  aus,  als  sie  beschenkt  wurden. 

ln  der  Lausitz  kommen  die  Ludki  oder  Lottchen  Nachts  ans  ihren  Mauselöchern  hervor 
und  so  bei  den  Yoloff  (in  West- Afrika)  die  zwerghaften  Yutnbos  aus  den  Pap-Hügeln,  um 
in  den  Negerhiitten ’)  Meid  (wie  bei  Gurwitz  in  Mähren  Erbsen  vom  Acker)  zu  stehlen3)  oder, 
lun  in  der  Bay  zu  fischen,  gleich  den  Feengeistern  der  Maori  auf  Neuseeland,  von  denen  Ka- 
hukura  zuerst  die  Verfertigung  der  Netze  (wie  die  Äsen  von  Loke)  lernte,  als  er  sieh  darunter 
gemischt  und  durah  schlechtes  Knoten  den  Fang  bis  zur  Morgendämmerung  hingehalten,  so 
dass  die  hastig  Entfliehenden  einen  Theil  der  Geräthsohaften  zurück  Hessen.  Sobald  die  erste 
Glocke  zu  Warnsdorf  geläutet  wurde,  packten  die  kleinen  Querxe  ihre  Habe  zusammen  und 
zogen  in  den  breiten  Berg  (nach  Vernaleken).  Damit  sie  kein  Brod  stehlen,  wird  Kümmel 
eingebacken,  doch  mischen  sie  sich  (durch  Nebelkappen  unsichtbar)  zwischen  die  Gäste  auf 
Hochzeiten.  Als  man  Steine  in  das  Loch  der  breitkrämpig  behuteton  Fenesleute  bei  Heinzen- 
dorf (in  Schlesien)  warf,  miet. beten  sie  eine  Fälire,  um  über  die  Grenze  zu  ziehen.  Die  Zwerge 


J)  Die  Berguiänin-hen  oder  Trollen  bei  A lUUk.lt  iim  nördlichen  Mehren)  verstecken  eich  hei  (Jewittern  in 
ihren  Bergen.  Die  Tumtili  der  Madras-Präsidentschaft  rollen  die  Häuser  der  Panduva  genannte  Pygmäen  «ein, 
die,  als  die  erzürnten  Götter  einen  Feuerrfgen  auf  sie  herabsandteu,  diese  grossen  Steine  rum  Schutz  über  ihre 
Köpfe  zogen.  Die  Kammern  der  Necropolis  zu  Ifon-Merzong  (südlich  von  Constantine)  sollen  sum  Schutze 
gegen  den  Steinregen  gebaut  sein,  der  zur  Strafe  der  Sünden  vom  Himmel  fiel  [Christ})  and  im  Lende  der 
Figurier  iiess  Zeus  (nach  Straho)  Steine  regneu,  um  dem  Hercule«  (auf  dem  Zuge  nach  den  Hesperiden)  »eine 
im  Kampfe  ensgegangenen  'Wurfgeschosse  zu  ersetzen.  Die  Schätze  in  der  Dürrenhachan  bei  Ncukircbcn  (im 
Pinzgau)  werden  von  dem  braunen  Männchen  Putz  liewacht.  Aus  den  steinernen  Stuben  des  Amper-lJfers  (in 
Oberbeyem)  kam  das  Pestweiblein  hervor  und  verbreitete  die  Neoche  durch  des  einem  Mädchen  geschenkte 
Paar  Strümpfe  (s.  Lentner).  Wenn  der  regenverkundende  Dunst  aus  den  Schluchten  aufsteigt,  meint  der 
Tiroler,  dass  die  riesigen  fiergmänner  ihre  Pfeifen  rauchen.  Die  Melkerinnen  werden  auf  der  Alp  von  den 
Nürkelen  geneckt.  — *)  In  Böhmen  machen  sich  die  Hausgeister  besonders  in  den  Untemächten  (von  Weilt- 
nachten  bis  Dreikönig)  bemerkiieh.  Die  mit  den  Menschen  verkehrenden  Didken  Galiziens  gelten  mit  den 
lianswirthen  Verträge  ein,  und  sollte  der  F.rbe  diesen  nicht  nncltkommen,  so  swingen  sie  ihn  durch  den 
engerichteten  Lärm  das  Haus  zu  verlassen,  und  verwildern  dann  seihst  (den  Jazie  der  karpathiseben  Wälder 
ähnlich)-—  8)  Johannes  Dunkelshühl  (•;■  14SS)  erwähnt  des  Alterglauben»,  dass  gewiss#-  Mumen  (Muma) 
die  Häuser  besuchen,  aus  den  unbedeckten  Gelassen,  die  sie  dort  finden,  essen  und  trinken  und  die  Gefasse 
immer  wieder  füllen.  Fänden  sie  aber  die  Gefaste  bedeckt  oder  verschlossen,  so  stehe  dem  Hanse  Unglück 
bevor.  Das  Wiesel  heisst  im  bayrischen  Unterlands  Muentclein  (Panzer). 


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Der  Steineultus  in  der  Ethnographie. 

verli  essen  das  Buchlwrger-Thal  (in  Oesterreich),  als  ein  Schäfer  den  von  ihnen  bewohnten 
Schneeberg  erstieg.  Nach  der  Gylfaginning  weilt  dax  uralte  Geschlecht  der  Zwerge  (oder 
Dvergar)  in  der  Erde')  und  dem  Gestein.  Der  König  der  Zwerge  erbaute  mit  seinen  Unter- 
thanen  den  Weg,  der  zum  Bergschloss  Senftenberg  hinaufleitet.  Paracelsus  nennt  die  Berg- 
geister irdische,  weil  sie  in  der  Erde  ihren  Aufenthalt  hatten.  Nach  Th y raus  sind  die  Berg- 
geister eigentümliche  Mittelwesen  zwischen  Menschen  und  Thieren,  die  ihren  eigenen  Körper 
und  ihre  eigene  Seele  hätten.  Lavator  erwähnt  eines  Bergknappen,  dem  ein  von  ihm  geschol- 
tener Berggeist  den  Kopf  umgedreht.  Die  von  Zwergen  (Orions  oder  Gorik»)  erbauten 
Pfeileralleen  von  Karnak  hiessen  Ti  Goriquet  oder  Comandoret  (Zwergenhaus)  im  Bretagni- 
Hclien.  Die  Speuna  (Haus  der  Herren)  oder  Aescheniana  (Haus  der  Helden)  genannten  Stein- 
haufen im  Lande  der  Tscherkessen  wurden  nach  der  Sage  erbaut,  als  eine  Flotte  zwerghafter 
Menschen  an  der  Küste  landete  und  die  unterjochten  Riesen  zu  diesen  Werken  zwang. 
Unter  den  Kurganen  werden  die  (wie  auch  die  Dolmen*)  zu  Begräbnissen  gebrauchten  von 
solchen  unterschieden,  die  als  Warten  aufgeschüttet  wurden,  oder  um  das  Zelt  des  Führers  im 
Lager  zu  placiren,  wie  bei  dem  Einfall  der  mit  Peter  dem  Grossen  verbündeten  Kalmükken.  Die 
in  der  Ebene  zerstreuten  Kamin  Baba,  die  ursprünglich  von  den  Soythen  verfertigt  seien, 
sollen  von  den  Rumänen  später  auf  ihre  Kurgane  gestellt  und  durch  Zufügungen  roherer 
Ausführung  vermehrt  sein.  Auf  das  Grab  Croc's  hei  Krakau  wurde  ein  zweiter  Hügel  ge- 
häuft, so  dass  der  Berg  Laasotn  alle  anderen  überragte  Das  Grab  der  in  der  Weichsel 
ertränkten  Wanda  (Freya's,  als  Wanadis)  wurde  mit  einem  Hügel  UberthUrmt,  am  Zusammen- 
fluss der  Dlubnia  und  Weichsel.  In  der  Nähe  der  Festungswerke,  an  denen  (nach  Ibn-ai-Mo- 
gawir)  früher  die  Strasse  von  Bab-el-Mandeb  durch  eine  Kette  geschlossen  war,  finden  sich 
Riesengräber.  Die  verbrannte  Asche  des  Dänenkönigs  Harald-Hiidetand,  der  in  der  Brn walla- 
schlacht gegen  den  schwedischen  König  Sigurd  Ring  gefallen,  wurde  nach  einem  bei  Loire 
aufgeworfenen  Grabhügel  gebracht,  den  die  Sage  dort  noch  zeigt.  Bei  den  böhmischen  Mohy- 
len  (wie  bei  den  Heiden-  oder  Hünengräbern)  liegt  der  Umenplatz  meist  an  der  Basis  in 
gleicher  Höhe  mit  dem  umgehenden  Boden.  In  dem  Frodebügel  bei  Frederikssund  (den  Wor- 
saa  indess  zum  Steinzeitalter  rechnet)  soll  (nach  Saxo  Grammaticus)  der  Kör|>er  des  Königs 
Frede  Fredogode,  der  für  drei  Jahre  durch  das  Land  umhergeführt  wurde , l>eigesetzt  sein. 
Nach  Snorre  Sturleson  war  es  zuerst  Sitte,  die  Torlten  zu  verbrennen:  „Später  aber,  nach 

Beisetzung  Freys  in  einen  Hügel  bei  Upsala,  hatten  viele  Häuptlinge  ihre  Verwandte  in  Hü- 
geln bestattet.  In  Dänemark  war  Dan  mikälate  (der  Prächtige  oder  Stolze)  der  Erste,  der 
nicht  verbrannt  wurde.  Er  liess  sich  einen  Grabhügel  errichten  und  befahl  mit  königlichem 
Schmuck  und  Rüstung,  nebst  Ross,  Sattel  und  anderen  Gütern  dort  beigesetzt  zu  werden 
Damals  fing  das  Hiigelalter  in  Dänemark  an,  doch  währte  das  Brennalter  noch  lange  nachher 


>)  Le«  Morte  demeureat  Caches  tont  le  lang  du  Jour  et  sortent  L nuit  (auf  Haiti),  um  Früchte  zu  essen 
in  ihrem  Paradiese,  und  auch  das  Palmvratich  genannte  der  Tououpinamliaoults  - Brasilier  lag  jenseits  der 
Berge,  sie  Aufenthaltsort  der  Tapferen,  während  die  Feigen  rum  Teufel  oder  Aygnan  gehen.  — *!  Lee  corps 
(dans  lea  Dolmen  pres  de  Constantinc)  se  trouvent  replies  sur  eux  * memes  arer  les  genottx  ramence  ver*  la 
poitrine  et  touchaut  preeque  le  menten,  comme  dans  les  tombes  des  aneien*  Lydiens  d'Herodot  (Bon- 
atetten).  In  den  skandinavischen  Uanggrahen  sitzen  die  Todten  in  der  centralen  Kammer.  Auch  Grabhügel 
wurden  zu  Werten  benutzt,  wie  der  des  Aiaytcs  vom  Troer  Polites,  als  mristeni  dazu  geeignet. 


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12 


Ad.  Bastian, 


in  Schweden  und  Norwegen.“  Bei  den  Chichimeken  trat  die  Sitte  des  Verbrennens  an  die 
des  Begrabens,  als  ihr  König  Xolotl  verbrannt  wurde. 

Den  Thronsitz  des  Mithridates  macht  eine  andere  Sage  zu  seinem  Grabhügel ')  und  die 
umliegenden  Monumente  von  Kertscli  zeigen  dieselbe  übereinander  vorragende  Bogenbildung, 
wie  (nach  Wilson)  die  hochschottischen  Wheems,  die  ausser  Asche  und  Knochen,  Steincelten 
und  Bronzewaffen  enthalten. 

Bei  dem  Tode  des  mit  Durchstechung  des  Kanals  von  Atlios  beauftragten  Artachäes  (aus 
der  Familie  der  Achämeniden)  liess  Xerxes  einen  Grabhügel  errichten,  wo  die  Aconthier  dem 
Halbgotte  opferten.  Ueber  der  geschlossenen  Gruft  des  mit  seinen  Sklavinnen  begrabenen 
Khan  der  mongolischen  Dynastie  in  China  wurde  ein  hoher  Hügel  aufgethürmt  (nach  Ibn 
Batuta).  War  der  Skythenftlrst  (in  der  Landschaft  Gerrhos)  in  viereckiger  Gruft,  die  auch 
die  Leiber  der  getödteten  Diener  empfing,  beigesetzt,  so  wetteiferten  alle  Anwesenden,  den 
Grabhügel  möglichst  hoch  über  der  Gruft  aufzuschütten  (nach  Herodot),  wie  in  deutscher 
Sage  jeder  Krieger  einen  Helm  voll  Erde  herbeiträgt.  Die  Hügel  der  Semljanie  Kurganic 
(Todtenhiigel  von  Erde)  genannten  Gräber  an  dem  in  den  Jeuisei  fliessenden  Abakan  sind  mit 
hohen  Feldsteinen  umgeben  (nach  Gmelin).  Die  Gräber  der  daurischen  Mandschuren  in 
Russland  sind  mit  Granitfliesen  umsetzt  und  schliessen  einen  unbehauenen  Stein  als  Gedenk- 
säule in  der  Mitte  eilt 

„Die  mitternächtigen  Völker  haben  ihre  Gräber  mit  Enie  hoch  erhoben.  Die  turnehmsten 
runden  Berge  sollen  der  Könige,  Fürsten  und  Kriegshelden  Todten-Gräber  sein“  (Arnkiel). 
Ueber  das  Grab  der  Zarina,  Königin  der  Saker,  wurde  eine  hohe  Pyramide  (mit  grossem  Co- 
I088OS)  aufgerichtet  (nach  Diod.  Sicul)  und  als  noch  gewaltiger  wird  das  Grabmnl  beschrieben 
das  Semiramis  ihrem  Gemahl  Xinus  errichtet.  The  tumuli  of  Iudia  ditfer  little  front  the  bar- 
rows  of  Europe  and  other  parts  of  the  World  (Fergusson). 

Als  zu  der  Verehrung  der  heimathlichen  Erde  die  des  darüber  gewölbten  Himmels  hiuzu- 
trat,  so  vermittelte  sich  ihre  gemeinsame  Auffassung  in  den  Bergen,  die  mit  ihren  in  der  Bläue 
verschwindenden  Spitzen  einen  Weg  von  Oben  nach  Unten  oder  von  Unten  nach  Oben  dar- 
zustellen schienen.  Herakles  bestieg  den  Gipfel  des  Oeta,  um  in  den  Himmel  aufgehoben  zu 
werden,  und  den  in  der  Fluth  des  (,'hibchacum  auf  die  Bergspitzen  geflüchteten  Bogotensem 
oder  Chibchas  erscheint  der  Gott  Bochica  auf  dem  Regenbogen,  um  mit  seinem  goldenen  Stabe 
dem  Wasser  einen  Abfluss  zu  verschaffen.  Zum  Gipfel  des  Borgo  Albordj  (Elbrus),  den  ür- 
muzd  als  Nabel  der  Erde  in  die  Grundveste  gestellt,  führt  die  Brücke  Tsehinevad,  das  Reich 
der  Finsterniss  und  des  Lichtes  scheidend.  Den  Arabern  steht  der  Berg  Kaf  im  Mittelpunkt 
der  Erde,  und  Vishnu,  als  Kachvapa  oder  Schildkröte,  stützt  in  der  Kurmavatara  den  Berg 
Meru  der  Indier.  Wie  Maximns  von  Tyrus  bemerkt,  verehrten  die  ersten  Sterblichen  die 
Berge  als  Symbole  de»  Göttlichen,  indem  sie  jede  Bergspitze  von  Gottheiten  bewohnt  glaubten, 
gleich  dem  heiligen  Berg  in  (,'appadocien , und  auch  den  Römern  lag  die  Freistätte  des  Mons 
Sacer  am  Anio.  Von  den  dem  Himmel  benachbarten  Bergen  glaubte  man  «sagt  Tacitus),  dass 


')  In  den  'atacoraben  dezeelben  Hin.!  Aachenurnen,  Glaaperlen,  Pferdeknochen,  Schmuckaachen  gefunden, 
rowie  Bilder  der  Ariern»  ond  K viele.  Die  Gerippe  der  neben  Grabbügel  hatten  Münzen  im  Munde.  In  der 
Grabkammer  bei  Phanagoria  fand  «ich  ein  eieemer  Panzer  und  Schwert  neben  ehernen  Pfeilspitzen,  ähnlich 
wie  in  den  tscherkerüaohen  Grabhügeln  (nach  Taitbout  de  Marigny). 


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13 


Der  Steine  ult  us  in  der  Ethnographie. 

die  Gebete  leichter  zu  deu  Göttern  aufüteigen  würden,  als  diesen  näher ')  (wie  das  Gebiet  des 
SaJzflusaes  in  Germanien).  Wie  die  Siamesen  bei  Anghien,  ehrten  die  Esthen  ihre  heiligen 
Berge  oder  Puhha  maggi.  Die  Litthauer  opferten  dem  Gotte  Perkunas  auf  der  Spitze  des 
heiligen  Berges  Rombinus  (der  Stadt  Ragnit  gegenüber),  wo  die  goldene  Schüssel  und  silberne 
Egge,  als  Unterpfand  für  die  Fruchtbarkeit  des  Landes,  begraben  lagen.  In  China  opferte 
der  Kaiser  in  den  vier  Jahreszeiten  auf  deu  Hauptbergen  der  Weltgegenden,  im  Frühjahr  auf 
dem  östlichen,  im  Sommer  auf  dem  südlichen,  im  Herbst  auf  dem  westlichen  und  im  Winter 
auf  dem  nördlichen. 

Ln  den  Bergen  verschwinden  volksthumliche  Heroen,  der  Kaiser  mit  seinem  Heere  in  dem 
Guckenberg  (bei  Fränkisch  Gemünd),  Wedekind  in  Babylonie  (nn  der  Weser),  Siegfried  in 
Gerohlseek,  Friedrich  im  Kytfhäuser,  Karl  im  Unterberg. 

Auf  der  Tafelfläche  der  Berge  halten  die  Götter  ihren  Hof,  bei  den  Griechen  die  Olym- 
pier (deren  Thronsitz  in  den  Olympieien  zu  Sicyon,  Elia,  Sparta,  Syracus,  Ephesus  u.  s.  w. 
nacbgebildet  wird),  bei  den  Indiern  die  Chatu-Maha-Raja  oder  vier  Grosskönige  des  Meru 
und  die  Tscherkesseu  verehren  den  Berg  Kajere  Khiaps,  dessen  auf  der  Spitze  gelegener 
Sumpf  von  überirdischen  Wesen  umwohnt  ist,  wie  der  Berg  Cavaguui  in  Katalonien  von  Dä- 
monen, die  Sturm  erregen,  wenn  man  Steine  in  den  schwärzlichen  See  auf  den  Gipfel  wirft. 
Die  Beduinen  beten  zu  den  heiligen  Bergen  Safa,  Merwa  und  Arasat,  die  Mekka  umgeben. 
Die  Fische  in  dem  See  auf  der  Spitze  des  Rachel-Berges  im  Böhmerwald  sind  verwunschene 
Menschen,  die  dort  den  Tag  des  Gerichtes  erwarten. 

Da  Bich  auf  den  Bergen  die  Wolken  sammeln,  so  wurde  der  Hüter  der  Berge  (der  Wolken- 
sammler  gleich  Zeus  kronios)  um  den  befruchtenden  Rogen  angefleht,  wie  die  Neger  den  von 
Blitzen  umzuckten  Bergspitzen  opferten,  wo,  nach  den  Römern,  Summanus  thronte.  Liegen 
dagegen  die  Berge  auf  feindlichem  Gebiet,  so  rufen  die  Aryas  der  Ebenen  in  ihren  Hymnen 
ilie  Hülfe  des  Indra  an , um  die  feindlichen  Dasyus,  die  den  Regen  zurückhalten , mit  seinem 
Blitzstrahl  zu  vernichten  und  die  Wolken  zu  zerreissen.  Die  Hawaier  wagten  es  nicht,  den 
Gipfel  ihres  centralen  Vulcans  zu  besteigen,  als  den  Sitz  der  Feuergöttin.  Indem  den  Strah- 
len der  Sonne  Schöpferkraft  zugeschrieben  wurde,  so  lies«  sich  diese  bald,  so  lange  noch  die 
ganze  Natur  belebt  war,  von  Pflanzen  und  Thieren  auch  auf  die  Steine  erweiteren,  und  die 
auf  den  Steppen  oder  den  Prairien  zerstreuten  Steine  hatten  dann  für  ihr  Hervorwachsen  aus 
der  Erde  den  Zutritt  des  männlichen  Principe,  der  solaren  Schöpferkraft,  bedurft.  Wie  in 
dein  Tempel  Quitos,  repräsentirten  in  dem  von  Balliek  unbehauene  Steine  die  Sonne,  die 
egyptischen  Obelisken*)  in  Heliopolis  ihre  Strahlen  und  auch  in  der  Bretagne  gilt  der  Menhir 
als  „Monnment  solaire“.  Auf  tieferem  Niveau  ls?gnügt  sich  der  Wilde  mit  der  Erde  allein, 
mit  der  Maan  emo  (terra  inater)  oder  rnaan  emanta  oder  mit  der  Herrin  Etuga,  die  als  ge- 
laugte Greisin  im  Innern  der  Erde  lebt,  wo  Maui  auf  Neuseeland  seine  Urahninn  Mttri-ranga- 


■)  According  to  the  Bentiae  the  »iimmit  of  Gunong  Tonlut  Bangui  is  within  One  loot  of  the  sky , that 
of  Gnnong  To  ei  k h t Snhang  is  within  an  earrings  lenght  and  that  of  (i  unong  Kap  ia  in  contact  witb  it 
(Cameroa).  Benares  tat  das  Halbwegebans  znm  Himmel,  so  dass  dort  erfolgender  Tod  die  spätere  Reise 
abkurzt.  — *1  Trabet  ex  eo  (Syenite)  feoere  reges  qtiodam  certamine,  ol>elitcot  vocantes,  Soli«  numini  conae- 
cratoa  il'linias).  Die  Kamtachadalen  errichten  auf  weiten  Ebenen  und  Torfleldem  einen  Pfeüer  (mit  Gras 
nmwnnden)  für  DueilächtaohiUch,  den  Schöpfer. 


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14 


Ad.  Bastian, 


whenua  besucht«.  Dorthin  wandte  man  sielt  deshalb  auch  in  Noth  und  Bedrängnis«,  dort  heischte 
man  Hilfe,  dort  suchte  man  Rath,  und  aus  dem  Innern  der  Erde,  wo  der  Altar  des  C'onsus 
stand,  erschollen  die  ältesten  Orakel,  des  Trophoniiw  und  Amphiarnos1)  in  Griechenland,  wie 
noch  jetzt  in  Afrika,  wo  Bruce  ein  aus  der  Tiefe  hallende«  Orakel  in  den  Quellendes  blauen 
Nils  fand  um!  Speke  ein  gleiches  an  der  Quelle  des  weisseu.  An  der  Westküste  steigen  die 
Fetischpriester  der  Neger  in  eine  Grube  hinab,  um  der  Erde  (dem  horchenden  Klymenos) 
ihr»»  Orakelspriiehe  al*n lauschen,  während  die  Khekani  in  Süd-Guinea  für  Mwetwyi,  den 
grossen  Geist,  der  int  Innern  der  Erde  lebt,  eine  Hütte  bauen,  damit  er  heraufRteige  und  seine 
Weissagungen  kund  gebe,  wie  es  sieh  im  dumpfen  Getön  auch  den  Umstehenden  vernehmbar 
macht-  A deep  cavem  with  an  eeho  is  alwav  fixtsl  lipon  as  a tavourite  residence  of  the  spi- 
rite«  and  oracular  answers  are  given  on  all  suhjects,  bemerkt  Wilson  bei  Nord-Guinea  über 
das  Orakel  der  Gäa,  die  Aesehylos  trptur optevug  nennt  Das  Echo  heisst  tlie  Zweigesprache 
oder  dvergmäl.  Au»  der  Erde  wuchs  Tages  empor,  der  den  Etruskern  ihre  heiligen  Gesetzes- 
spriiehe  sang,  auf  den  Fiji-lnseln  lebt  ilor  Gott  Ndandavanua  im  Centrum  eines  mächtigen 
Felsblockes  nnd  der  irische  Orakelsteiu  (Laig-Fail).  der  850  p.  d.  nach  Scona  gebracht  wurde, 
bestätigte  durch  seinen  Laut  die  Wahl  des  Königs.  I»er  Gipfel  des  Berges  Cazca  in  der  Lausitz 
heisst  Praschiwn  oder  Praschwiza  (das  Orakel)  bei  den  Sorben  und  der  Orakelstein  in  Pytho 
wurde  (nach  Hesiod)  von  Zeus  licfcstigt;  wie  den  Arabern  der  schwarze  Stein  der  Kaaba  vom 
Himmel  fallt  und  Verehrung  empfangt,  gleich  dem  heiligen  Stein  in  der  mexicanischen  Pyra- 
mide von  Cholula.  Nachdem  Luheij  den  Götzendienst  in  Mekka  eingeführt,  hatte,  wurde  der 
Fels,  in  den  sich  die  Gottheit  zurückgezogen,  als  El-Latt  (der  Mischer)  verehrt-  Als  mit  Ein- 
führung des  Sonneneultus  der  Stein  des  vorincaischeu  Götzendienstes  cxorciairt  wurde,  sah 
man  aus  einem  derselben  den  besitzenden  Guaca  oder  Dämon  in  Gestalt  eine«  Vogels  davon 
Hiegen,  wie  umgekehrt  in  Tahiti  sich  die  Gottheit  als  Vogel  dem  Altäre  naht-  Dagegen  heisst 
e«  von  Viracocha  (bei  Velasquez),  dass  er  die  aus  dem  See  Coutici  heraufliescliworenen  Stein- 
bilder I »eichte  und  mit  ihnen  als  siegbringenden  Göttern  nach  Cuzco  zog.  Um  den  Sieg  gegen 
Hannihal  zu  sichern,  wurde  der  Stein  aus  Pessinus,  als  Symbol  der  Grossen  Göttin,  nach 
Rom  gebracht.  Jupiter  Lapis  war  in  dem  alten  Heiligthum  als  Jupiter  Feretrius  der  heiligste 
der  Schwurgötter,  mit  dessen  Saxum  silex  der  Pater  Patratus  das  Opferthier  schlug,  und  die 
Buräten  lietrachten  »len  SehwurfeU5)  am  AusHuss  der  Angara  aus  dem  Baikalsee , als  den 
Sitz  eines  verstorbenen  Schamanen,  der  Meineidige  strafen  wird.  Der  steinerne  Mann  zwischen 
Mauern  und  Ellenbrunn  versteinerte,  als  er  wegen  falscher  Grenzziehung  sich  verschwört 
hatte  (s.  Panzer).  Die  Wenden  warfen  heim  Schwur  einen  Stein  ins  Wasser,  daas  der 
Meineidige,  wie  dieser,  versinken  möge  (Gicsebreeht).  Dem  slawischen  Donnergotte  war  ein 
Kieselstein  auf  dem  Kopfe3)  eiugefügt,  Hirns  stand  auf  einem  Flvnnasteyne  (nach  Botho)  und 


»)  Als  Feriklymenes  im  BegritV  ist  den  Kücken  des  ftieliendeu  Amphiaraos  zu  durchbohren,  schleudert 
Zeus  seinen  Blitzstrahl  auf  ihn  und  spaltet  die  Krdr,  worauf  Amphiaraos,  als  orakelnder  Seher,  mit  seinen 
unerreichbaren  Koeaen  thcssalischer  Ilace  und  seinem  Wagentenker  Baton  (Klattonosi  m den  gähnenden 
Schlund  fahrt,  durch  Zeus  unsterblich  gemacht.  Auf  die  den  Krdwall  zierenden  Säulen  setzte  eich  kein 
Vogel  nnd  dort  graste  (nach  I'ausamasi  kein  wildes  nnd  kein  Kahmes  Vieh  (s.  Eckerinanni.  — *)  Auf  Gran 
f'anaria  wurde  bei  den  Felispitzen  Tirma  und  IJmiaya  geschworen.  — *)  Iiaa  einen  Hammer  führende  Hulz- 
hild  des  Tiermw  lAieke)  hatte  (bei  den  Lappenl  einen  Feuerstein  im  Kopfe  eingefügt.  damit  Thor  Feuer 
schlagen  konnte  (Scheffer). 


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Der  Steineultu»  in  der  Ethnographie.  15 

Piorun  zu  dessen  Ehren  ein  ewiges  Eener  in  Kiew  brannte,  hielt  einen  Blitzstein  in  der  Hand. 
Naraszewicz  erklärt  Prowe  als  Jupiter  fhlminator.  Die  Figur  des  peruanischen  Feuergottes 
war  ein  Stein.  Bei  den  Mexikanern  war  der  Kiesel  die  Hieroglyphe  der  Luft  und  die  Tata- 
ren zauberten  Wetter  mit  ihrem  Regenstein,  wie  die  Römer  Wolken  durch  das  Rollen  des 
Lapis  manalis  herbeizogen.  I>ie  viereckigen  Steine  (30  an  Zahl)  neben  dem  Bilde  des  Hermes 
wurden  von  den  Pharäern  (in  Achaja)  als  Götter  verehrt,  und  Pausanias  fügt  hinzu,  dass  früher 
alle  Hellenen  unbehauene  Steine  göttlich  verehrt  hätten,  anstatt  der  Statuen.  Die  Schillukh 
(am  weissen  Nil)  verehren  aufrechte  Steine  wie  die  Maen-hirion  der  alten  Britten  (s.  Pri- 
chard).  Von  den  Alt-Peruanern  wurde  der  Donnergott  Catequilla  in  einem  Felsblock  ango- 
betet,  während  den  Mexikanern  ein  schwarzer  Aerolith  oder  Feuerstein  die  Hülle  des  Quetzal- 
coatl  bildete.  Neben  dem  Aeakeion  in  Aegina  lag  der  unbehauene  Stein  runder  Form, 
dessen  man  sich  beim  Opfer  des  Aeakos,  um  Regen  zu  erbitten,  bedient  hatte.  Wenn  man  in 
den  Belemniten  oder  Ammoniten  Donnerkeile  erblickte,  die  der  Gott  in  Verfolgung  seines 
Gegners  auf  die  Erde  niodergeworten,  um  ihn  (wie  bei  den  Litthauern)  durch  den  Blitz  zu  zer- 
schmettern, so  boten  sich  die  Gromawaja  strjela  (Donnerkeile)  den  Russen  als  kräftige  Gegen- 
zauber, um  die  Mächte  der  finsteren  Unterwelt  niederzuschlagen,  ebenso  wie  den  Buddhisten 
der  Donnerkeil s)  Indra  s oder  WadschirarTschumbatan  auf  der  Spitze  der  ceylonischen  Dago- 
bas.  In  England  dienten  die  Holystones  oder  Holedstones  als  Amulette  gegen  Krankheiten 
oder  Bezaulierungen  und  in  Baiern  die  durchlöcherten  Drutensteine  gegen  den  Alp.  Die 
Hindu  finden  die  Einkörperung  ihres  Gottes  Vischnu  in  dem  von  Bohrwürmem  angefressenen 
Salagramstein  des  Sona-FIusses  (oder  im  Nerbudda  die  des  Siva)  und  nach  Hogström  bestehen 
die  Stein-Seida,  die  die  Lappen  (wie  Tornäus  erzählt)  in  Bächen  oder  Wasserfallen  auflesen,  be- 
sonders in  Versteinerungen  nach  Thier-  oder  Menschenähnlichkeit  (wie  pflanzlich  die  Alrau- 
nen). Aus  den  von  der  Sonne  abgehobelten  Stücken  drechselt  Visvakarman  die  göttlichen 
Waffen  (nach  der  Vishnu-Purana).  Den  Brahmanen  zu  strafen,  hindert  Matanga  die  Sonne 
am  Aufgehen  (s.  Hard y). 

Vor  Allen  wurde  den  Edelsteinen,  die  die  Egypter  unter  die  Zodiacalzeichen  vertheilten, 
wunderbare  Kraft  zugeschrieben , wie  dem  kostbaren  Graal  auf  Montsalv&z  oder  Jemschid's 
Pokal,  aas  dem  Türkis  geschnitten,  in  dem  die  ganze  Welt  sich  spiegelte.  Die  gebietende 
Macht  de*  Rad  drohenden  Kaisers  lag  in  seinen,  dem  t hakra  gleichendem  Juwel,  dem  l'hra- 
Keoh,  und  bei  den  Mixfecas  wurde  der  Smaragd  Votans  verehrt,  der  oben  als  ein  Vogel, 
unten  als  eine  Schlange  geformt  war.  Dem  Bilde  des  Tezcatlipoca , des  Gottes  der  Tlailot- 
laken,  war  ein  grüner  Stein  auf  dem  Nabel  eingefiigt.  Die  magisch  sympathischen  Bezie- 
hungen der  Metalle,  als  den  Gestirnen  geweiht,  werden  dos  Weiteren  von  Cardanus  ausein- 
andergesetzt. 

Fast  von  jedem  seltsamen  Stein  *)  giebt  es  irgend  eine  wunderbare  Erzählung  im  finnischen 
Lande,  die  ihn  mit  einem  Riesen  oder  Dämon  verknüpft,  bemerkt  Scheffer,  und  die  auf  der 

]j  Im  Liede  der  urvalitcben  Bruder  wird  vom  Donnerkeil  als  ein  Colt  (cuneua)  gesprochen,  quom  tibei 
ennei  decstumnm  tonarunt.  Die  Donnenixtc  (oder  Steinhammer  im  Boden)  sollen  in  West-England  vom  Him- 
mel gefallen  sein.  — *)  Any  remarkable  festere  in  the  physical  aspect  of  the  eountry,  uny  notable  pheno- 
znenon  in  the  henvens  or  extraordinary  events  in  the  nflairs  of  men , are  aecribed  (in  Southern  Guinea)  to 
Ombwiri  (the  tntelary  apirit).  Hit  favourite  place»  of  ahode  are  tliesnumiita  of  high  monntains,  deep  caverns, 
large  rockt  and  the  base  of  verv  large  foreBt  trcea  (Wilson). 


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Ad.  Bastian, 


mongolischen  Steppe  zerstreuten  Steine  (wie,  nach  Neuwied,  die  mit  Zinnober  bestrichenen 
Steine  der  amerikanischen  Prairien)  werden  als  göttliche  Personiticationen  betrachtet  und  ent  we- 
der durch  die  Phantasie  oder  durch  rohe  Kunst  in  das  Bild  der  Slota  Baba  oder  der  goldenen 
Alten  umgcstaltet  Von  sonderbar  geformten  Steinen  ')  verehren  die  Samojeden  besonders  solche, 
die  im  oberen  Theile  einem  Menschenkopfe  gleichen.  l>ie  Steine  der  Seid»,  die  nur  durch  Opfer 
göttliche  Kraft  bewahrten  (wie die  von  Schamanen  geweihten  Steine  der  Ostjiiken),  wurden  mit 
einem  in  der  Form  eines  Kopfes  aufgelegten  Kiesel  in  die  Nahe  der  Fischstellen  oder  Dörfer 
hingestellt , und  die  aufreclitstehenden  Bautarsteinc  erweckten  andächtige  Erinnerungen  in 
Schweden,  wie  die  mitOel  beträufelten  Bätylen  in  Syriern  ln  das  Versammlungshaus  derLeni 
Lenape  wurden  zwölf  Steine  gerollt,  die  den  Götterkreis  der  Manitu  reprasentirten  (nach  Los- 
kiel) und  durch  Glühhitze  belebt  wurden,  um  während  der  Berathungen  der  Aeltesten  ihre 
Eingebungen  auaznströmen.  Ebenso  wurden  auf  den  Antillen  die  Attribute  der  über  da» 
Wachsthum , die  Geburten  und  das  Wetter  gesetzten  Zemen  nnter  drei  Steine  vertheilt.  Die 
Mönnitarris  ehe  sie  auf  Kriegsfahrten  ausziehen,  begelien  sich  zu  einem  Hügel  (in  der  Nähe 
des  Passaehtä)  und  opfern  dem  auf  demselben  gelegenen  Zauherstein  Mih-Choppenish,  der  Air- 
drücke von  Menschen-  und  Thierfusaen  trägt,  wie  sie  sich  in  der  Umgebung  des  Phrabat  lin 
Siam)  finden.  Nach  Tlapallan  zurückkohrend,  liess  Quetzalcoatl  den  Abdruck  von  Hand  und 
Fuss  im  Thale  von  Thdncfiantla  zurück,  der  heilige  Otto  den  seiner  Füase  im  Stein  zu  Stettin, 
der  Teufel  die  Achsel  seiner  Grossmutter  im  Stein  am  Mohrinersee  und  seine  Krallen  im  Stein  zu 
Usedom.  Perseus  und  Herakles  li««sseii  ihre  Fusstapfen  im  Westen,  Matanga  im  Osten,  den  Weg  zu 
zeigen.  Snmd,  der  den  Brasiliern  den  Anhau  des  Manioc  gelehrt,  drückte  beim  Abscheiden  seinen 
Fuss  in  dem  Fölsen  ab.  Die  gleichzeitig  in  Arabien  und  auf  Ceylon  niedergesetzten  Füsse  der 
Gottheit  sollen  die  Erde  im  Gleichgewicht  gehalten  haben,  und  als  dasselbe  verrückt  war, 
wurde  zu  seiner  Herstellung  auf  Java  der  Berg  Meru  versetzt.  Nachdem  Katchu  die  Erde  ge- 
schaffen und  den  Himmel  verlassen  hatte,  um  in  Kamtschatka  »einen  Wohnsitz  zu  nehmen, 
bildete  er,  zum  Trinken  gehend,  unter  den  Tritten  seiner  Füase,  Hügel  und  Thüler,  indem  die 
Erde  vorher  eine  ebene  Olierfläebe  gehabt,  und  in  peruanischer  Mythologie  geschieht  dasselbe 
durch  Oon,  der  von  Süden  nach  Norden  geht  bis  ihm  dort  Vimeocha  entgegenkömmt. 

So  lange  die  Steine  noch  zu  allen  Werkzeugen  verwandt  wurden,  empfingen  sie  als  solche 
Verehrung  (wie  in  Indien  und  Afrika  der  Handwerker  in  gleicherweise  seinen  Gerätschaften 
opfert).  Nachdem  dagegen  da»  Eisen  geboren,  »eit  Rehki  (bei  den  Finnen)  durch  die  natür- 
liche Kraft  der  Luonnotar  geschaffen  war,  so  blickte  man  mit  verehrender  Scheu  auf  jene 
dann  veralteten  Formen  roher  Instrumente  zurück,  die  noch  lange  für  Opferliandlungen  als 
die  allein  passenden  erachtet  wurden.  Nach  Herodot  machte  der  Kinhalsamirer  in  Aegypten 
den  Einschnitt  in  die  Seite  des  zu  tnumificirenden  l<eichnnms  mit  einem  äthiopischen  Stein, 
und  nach  Plinius  musste  der  Balsnmbiuim  mit  Stein  gereitzt  werden,  da  er  durch  Eisen  ab- 
sterben würde.  Wenn  in  Westafrikn  der  Gott  Gimawong  einmal  im  Jahn*  nach  seinem  Tem- 
pel zu  Labode  an  der  Goldkiiste  hernbknm  (mit  einem  Geräusch  gleich  dein  Finge*  der  wilden 


>)  „Wenn  der  Indianer  einen  Stein  von  besonderer  Form  (vorzüglich  in  menschlicher  .tehnlichkeit)  auf 
seinem  Wege  antrifft,  so  darf  er,  um  Unglück  zu  vermeiden,  nicht  vorubergehen , ohne  seine  Ehrerbi-tung 
bezeugt  zu  haben,  oder,  wenn  er  nur  klein  ist,  ihn  mit  nach  Hanse  zu  nehmen.** 


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Der  Steincultus  in  der  Ethnographie.  17 

Gänfte  im  Frühjahr),  so  opferten  ihm  seine  Verehrer  einen  Ochsen,  der  mit  einem  Stein  au 
fcödten  war  (s.  Römer). 

Sobald  einmal  ein  wildes  Volk  Bekanntschaft  mit  dem  Eisen  gemacht  hat,  beginnt  es 
rasch  den  Werth  desselben  zu  verstehen  und  die  Hottentotten  schätzten  anfangs  jeden  Nagel 
einem  Ochsen  gleich.  Ebenso  begierig  wie  das  in  den  Bergen  tobende  Volk,  das  von  den 
Nowgoroder1)  Kaufleuten  Eisen  eintauschte,  zeigte  sich  nach  Salgado  (18511  der  Stamm  der 
Cucuma  am  Peru9),  der  bis  dahin  kein  Eisen  gekannt  und  sich  mit  Fischgräten  oder  Steinen 
beholfen,  wie  die  Finnen  zu  Tacitus  Zeit:  Sola  in  sagittis  spes,  quas  inopia  ferri,  ossibus  as- 

perant.  Nach  der  Ynglinga  Sage  kämpften  (im  VI.  Jahrhundert)  die  Esthen  mit  Stein waffon 
siegreich  gegen  die  Schweden.  Die  esthnische  Sage  von  Kalewi-Poeg  erwähnt  der  Schleuder- 
steine,  und  das  (im  IX.  Jahrhundert  umgearbeitete)  Hildebrandslied  der  Steinäxte  (im  VI. 
oder  VII.  Jahrhundert).  Die  steinernen  Pfeilspitzen  aus  Japan  (janne-iai)  gleichen  deu  scau- 
dinavischen  und  nordamerikanischen.  Die  Kunst  des  Erzschmelzens  war  (nach  Aristoteles) 
von  dem  Skythen  Lydus  erfunden  worden.  Die  Schmiedekunst  blühte  bei  den  Vandalen  und  Gei- 
serich  erhob  einen  Metallarbeiter  wegen  seiner  Geschicklichkeit  in  den  Grafenstand.  Das  Eisen 
blieb  lange  so  kostbar,  dass  bronzene  Klingen  nur  mit  Schneiden  oder  Spitzen  aus  Eisen  ver- 
sehen wurden  und  zu  Uaesar’s  Zeit  dienten  eiserne  Ringe  nach  dem  Gewicht  als  Geld.  Nach 
Hesiod  hatten  die  alten  Hellenen  nur  Erz,  da  dunkles  Eisen  noch  fehlte,  und  auch  Lucretius: 
Prius  aeris  erat  quam  ferri  cognitus  usus.  Im  trojanischen  Kriege  sind  die  Waffen  der  Hel- 
den  vorwiegend  aus  Erz,  und  Eisen  gehört  zu  den  Schätzen,  womit  sich  Gefangene  loskauften. 
Nach  Pausanias  waren  die  Pfeile  und  Lanzen  der  Sauromaten  mit  knöchernen  Spitzen  ver- 
sehen. Die  afrikanischen  Aethiopier  in  dem  Heere  des  Xcrxes  hatten  ihre  Pfeile  mit  scharfen 
Steinen,  ihre  Speere  mit  Antilopenhömem  besetzt,  während  die  Libyer  hölzerne  Wurfspiesse, 
die  im  Feuer  gehärtet  waren,  führten  (nach  Herodot).  Strabo  erwähnt  eines  Stammes  in 
Aethiopien  mit  spitzen  Rohrpfeilen  und  eines  anderen,  der  Antilopenhörner  als  Waffen 
gebrauchte.  Nach  Andersson  harpuniren  die  Eingeborenen  in  Walfish  Bay  die  mit  der 
Ebbe  zurückgelassenen  Fische  iturch  dünne  Stäbe,  woran  Hörner  befestigt  sind.  Don  Fran- 
cisco d’Almeyda,  der  erste  Vicekönig  Indiens,  wurde  (wie  es  die  Hexen  von  Cochin  voraus- 
gesagt) am  Cap  der  guten  Hoffnung  durch  einen  im  Feuer  gehärteten  Stock  getödtet  und  mit 
gleichen  Waffen  kämpften  die  Nearchus  in  Beludschistan  augreifenden  Küstenbewohner.  Auf 
den  canarisclien  Inseln  wurden  (im  XIV.  Jahrhundert)  Lanzenspitzen  aus  Obsidian  verfertigt, 


*)  Dem  Jurii  Forgowitsch  erzählen  (1000  p.  J.)  seine  Diener,  dass  ihnen  seit  etwa  drei  Jahren  etwas  Selt- 
sames vorgekommen.  In  dein  hohen,  durch  Schnee  und  Waldungen  unwegsamen  Gebirge,  welche«  sich  Mr 
an  die  Meeresbucht  und  weit  nach  Norden  erstrecke,  sei  ein  Lärmen  und  Rufen  entstanden.  Man  haue  dort, 
als  wolle  man  die  Rergc  durchhauen , bis  jetzt  sei  aber  nur  wenig  gelichtet,  und  nie  Leute,  die  von  daher 
erschienen,  seien  genöthigt,  weil  sie  eine  unverständliche  Sprache  redeten t sich  durch  Zeichen  zu  erklären. 
Sie  wiesen  insbesondere  auf  Eisen,  und  wenn  sie  dieses,  Messer  oder  Aexte,  erhalten  könnten,  ro  gäben  sie 
Pelzwerk  dafür  (Nestor).  Nach  Lehrberg  wurde  damals  der  Ssirjanen  Weg  (über  den  Ural)  eröffnet,  der 
bei  den  Wogulen  vorbei,  längs  der  Ssouawa  und  Wogulka  nach  Iugrien  fuhrt  — a)  In  Peru  war,  wie  in 
Mexico,  die  Bronze  im  Gebrauch  (bis  zur  spanischen  Eroberung  auch  für  Waffen).  Bronzewaffen  führten  die 
Massageten  (zur  Zeit  Herodot*«)  und  ebenso  die  Carthager  in  der  Schlacht  bei  Cannae.  Aus  den  Unter- 
suchungen der  Mississippi -Monumente  schließen  Squier  und  Davis  auf  ein  Kupferalter,  das  der  Bronze 
(90  Proc.  Kupfer,  10  Proc.  Zinn)  vorhergegangen.  Die  Pfeile  der  Scythen  hatten  kupferne  Spitzen  und  solche 
werden  noch  jetzt  auf  den  caspischen  Steppen  gefunden. 

A reit I v for  Autbropolojl«.  BJ.  III.  Halt  I.  3 


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18 


Ad.  Bastian,  Der  Steincultus  in  der  Ethnographie. 

wie  in  Mexico,  und  waren  die  Speere  mit  Hörnerspitzen  versehen.  Die  Steinbeile  der  Eng- 
länder in  der  Schlacht  bei  Hastings  waren  an  Hobtgrirt'en  befestigt.  Rohe  dreieckig  Hache 
übsidianstücke  werden  von  den  Papuas  ab  Speerspitzen  gebraucht-  Wilde  sah  noch  die 
Kesselflicker  in  abgelegenen  Districten  Irlands  mit  Steininstrumenten  arbeiten. 

Die  mühseligen  Handthierungen,  um  ohne  Eisen  mit  Stein  Werkzeugen  Arbeiten  auszu- 
führen,  sind  oft  von  Reisenden  beobachtet  und  beschrieben  worden.  Die  Tasmanier  lasen 
flache  Steine  auf,  «lie  sie  rings  besahen  und  dann  Stücke  abschlugen,  um  sie  zum  Einkerben 
geschickt  zu  machen.  Cook  bemerkte,  dass  die  Tahitier  Basalte  benutzten,  um  ihre  Dächsel 
daraus  zu  machen  und  diese  mussten  jede  Minute  geschärft  werden,  weshalb  man  einen  Stein 
und  eine  Cocosnussschale  voll  Wasser  stet«  zur  Hand  hatte.  Die  Neuseeländer  gebrauchten 
zur  Vollendung  ihrer  feinsten  Arbeiten  dreieckige  Werkzeuge  aus  Jaspis,  die  in  scharfeckigen 
Stücken  vom  Blocke  losgeschlagen  waren  und  beim  Stumpfwerden  weggeworfen  wurden.  Die 
Eingeborenen  am  Glenelg-Flusse  schleifen  den  grünen  Jaspis  zu  biconvexen  Aexten,  die  in 
gestielte  Stöcke  befestigt  werden.  Die  Pechs-  oder  Pietenmesser  Schottlands  bestehen  aus 
einem  schieferartig  gespaltenen  Stein  und  nach  Tylor  werden  sie  noch  mitunter  benutzt,  z.  B. 
zum  Kohlschneiden.  Mit  ihren  Schneidewerkzeugen  aus  Stein  und  Knochen  gebrauchten  die 
Kamschadalon  drei  Jahre,  um  ein  Canoe,  ein  Jahr,  uni  einen  hölzernen  Esstrog  auszuhölen. 
Die  glatten  Cylinder  aus  Bergkrystall  (am  Rio  Negrn)  werden  nur  durch  Reiben  zu  ihrer 
Form  abgeschlifFen  und  die  Quer-  sowohl  ab  Längendurchbohruug  des  Cylinders  geschieht 
(nach  Wallace),  indem  der  spitze  Blattsehöasling  einer  wilden  Platane  mit  den  Händen 
gegen  den  harten  Stein  gedreht  wird,  bb  er  sieb  mit  Hülfe  feinen  Sandes  und  Wassers  hinein- 
und  durchbohrt,  was  oft  zwei  Jahre  dauert.  Nach  Wilson  herrschte  in  Schottland  (XVIII. 
Jahrhundert)  die  Meinung,  dass  die  im  Boden  vergrabenen  Steiuhämnier  Fegefeuerhämmer 
seien,  für  die  Todten,  um  damit  an  die  Pforten  zu  klopfen.  Die  steinernen  Hämmer  und  Aexte 
sollten  nach  Ansicht  der  Gelehrten  durch  blitzartige  Exhalation  am  Himmel  erzeugt  werden, 
doch  schiene  es  nicht  glaublich,  meint  Tollius  (1049).  In  Madagascar  (nach  Ellis)  und  iu 
Arracan  (nach  (Joleman)  glaubte  man  an  fällende  Donnefkeile.  Die  Japanesen  meinen, 
dass  die  steinernen  Pfeilspitzen  vom  Himmel  geregnet  seien  durch  fliegende  Gebter,  während 
sie  in  Europa  feenhafte  Waffen  (Aljwchosse  oder  Elfenbolzen)  sein  sollen,  durch  Feen  oder 
Zauberer  abgescliossen,  und  im  Norden  Islands  wurden  sie  (zu  Wilde’»  Zeit)  durch  die  Zau- 
berer aus  den  Körpern  übersehener  Kinder  gezogen.  Nach  der  Rncyclupädie  des  Kaisers 
Kanghi  (1662)  variirt  die  Gestalt  und  Substanz  der  Blitzsteine  je  nach  dem  Orte.  Die  wan- 
dernden Mongolen  (sowohl  der  Küsten  der  östlichen  See,  als  auch  die  desSchamo)  gebrauchen 
sie  wie  Kupfer  und  Stahl.  Auch  wenn  die  auffallende  Form  fehlte,  mochte  der  objective  Man- 
gel des  Religiösen  subjectiv  durch  die  emplängliche  Qemüthsstinimung  in  Auswahl  des 
Fetisches  supplementirt  werden.  In  Peru  bediente  man  sich  der  vom  Himmel  gefallenen 
Donnersteine  in  Liebesangelegenheiten.  Nach  Velasco  machten  die  Peruaner  keinen  Ge- 
brauch von  Eben  (Quillay)  weil  sie  das  Kupfer  stahlartig  zu  härten  verstunden,  und  die 
Riesen  oder  Chimus  sollen  besonders  durch  die  aufgebrachten  Ebenwaffen  die  Eingeborenen 
geschreckt  haben.  Zugleich  meint  aber  Montesinos  auch,  dass  die  Incas  die  Eisenminen  von 
Ancoriames  bearbeitet  hätten  und  die  Kenntniss  dieses  Metalles  sei  dadurch  bewiesen,  weil 
es  in  der  .Sprache  Chilis  seinen  einheimischen  Namen  gelührt. 


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IL 


Die  Thongefässe  der  nordamerikanischen  Indianer. 

V on 

Carl  Rau 

iu  X»w- York. 


Als  die  Indianer  Nordamerikas  noch  im  Besitz  ihrer  Ländereien  waren  und,  unberührt 
vom  Einflüsse  der  Europäer,  ihren  ursprünglichen  Gewohnheiten  und  Sitten  gemäss  lebten, 
bildete  die  Töpferei  einen  wichtigen  Theil  ihrer  mechanischen  Beschäftigungen.  Dieser  In- 
dustriezweig verlor  jedoch  viel  von  seiner  Bedeutung,  sobald  die  Eingeborenen  die  bessere 
Beschaffenheit  der  metallenen  Gefas-e  kennen  lernten,  welche  sie  im  Handel  von  den  Weis- 
sen  erhielten,  und  der  dauerhafte  Kessel  von  Eisen,  Kupfer  oder  Messing  verdrängte  sehr  bald 
das  zerbrechliche  und  weit  weniger  dienliche  Kochgeräthe  von  Thon.  Der  Beginn  des  Ver- 
falls dieses  Handwerkes  unter  den  Indianern  lässt  sich  demnach  auf  eine  sehr  frühe  Epoche 
zurückführen,  und  mit  Ausnahme  einiger  Stämme  in  Neu-Mexiko  und  Arizona,  haben  die  In- 
dianer, welche  noch  in  jetziger  Zeit  im  Gebiete  der  Vereinigten  Staaten  zu  finden  sind,  wohl 
gänzlich  aufgehört,  dasselbe  zu  betreiben.  Als  Catliu  im  Jahre  1832  die  Völkerschaften 
am  oberen  Missouri  besuchte,  beschäftigten  sich  die  Mandans  noch  angelegentlich  mit  der 
Anfertigung  von  Thongefässen : aber  die  Verheerungen  der  Blattern  haben  diesen  Stamm 
bis  auf  wenige  aufgerieben , und  es  ist  wahrscheinlich , dass  in  jener  Gegend  keine  Töpfer- 
arbeiten mehr  gemacht  werden.  Die  Irokesen  im  Staate  New-York,  jene  spärlichen  Reste 
der  einst  mächtigen  Conföderation , welche  dem  Schicksal  entgangen  sind,  gegen  Sonnen- 
untergang hin  gedrängt  zu  werden,  und  denen  es  gestattet  ist,  auf  ihrem  heimathlichen 
Boden  zu  verweilen,  haben  längst  aufgehört,  irdene  Gefiisse  zu  verfertigen.  Dies  wurde  mir 
aus  guter  Quelle  mitgetheilt,  nämlich  von  Dr.  Peter  Wilson  — De-jih-non-da-weh-hoh  — , 
Oberhäuptling  (Grand  Chief)  der  „Sechs  Nationen“  des  Staates  New-York1).  „Unser  Volk“, 

’)  Ka  waren  bekanntlich  die  Mohawks,  Ommdagaa,  Seneeas.  Qneidaa,  teyugaa  und  Tuacaroraa.  welche 
jenen  merkwürdigen  Hand  bildeten.  Pie  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  hat  ihnen  gewisse  Districte 
(reservations)  gelassen,  wo  «ic  wohnen.  Obwohl  ihre  Zahl  lehr  gering  iat,  halten  sie  noch  eine  Art  von  Orga- 
nisation  aufrecht,  und  ihre  Häuptlinge  kommen  xu  gewissen  Zeiten  zusammen , um , wie  in  alten  Zeiten , die 
Angelegenheiten  der  Stamme  xu  besprechen. 

3* 


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20 


C.  Rau, 

sagt  mein  Correspondent,  hat  „längst  aufgehöri.  irdene  Wa&re  zu  verfertigen.  Gleich  den 
meisten  anderen  Geräthcn,  sind  Thongefässe  durch  die  Fabrikate  der  Race  ersetzt  worden, 
welche  dauerhaftere  und  bequemere  Geräthschalten  bei  uns  einführte.  Nur  solche  Werkzeuge 
und  andere  Gegenstände  werden  noch  von  uns  verfertigt,  welche  die  Erfindungsgabe  der 
Bleichgesichter  nicht  verdrängt  hat.“  Dieselbe  Bemerkung  kann  höchst  wahrscheinlich  auf 
alle  Stämme  angewandt  werden,  welche  östlich  von  den  Felsengebirgen  wohnen. 

Dass  die  Indianer  in  früheren  Zeiten  irdene  Gefässe  in  grosser  Zahl  verfertigten,  ergiebt 
sich  aus  der  Menge  von  Scherben,  welche  auf  den  Stätten  ihrer  ehemaligen  Dörfer  und  ihren 
Lagerplätzen  zerstreut  liegen.  Aber  nirgends  in  den  Vereinigten  Staaten  kommen  diese 
Bruchstücke  vielleicht  häufiger  vor,  als  im  „American  Kottom“ , einem  durchschnittlich  sechs 
englische  Meilen  breiten,  sehr  fruchtbaren  Landstreifen,  der  sich  auf  etwa  hundert  Meilen  in 
Illinois  dem  Mississippi  entlang  eratreckt.  und  gegen  Westen  vom  jetzigen  östlichen  Ufer  des 
Mississippi,  gegen  Osten  vom  ehemaligen  östlichen  Ufer  jenes  gewaltigen,  aber  ehemals  noch 
viel  breiteren  Stromes  I «grenzt  wird.  Diese  frühere  Einschränkung  des  Mississippi  ist  durch 
eine  Kette  von  malerischen  bewaldeten  Hügeln  und  prächtigen  FeLspartieen  angedeutet, 
welche  man  als  die  „Bluffs“  bezeichnet.  Der  erwähnte  Uferstreifen  war  ehemals  der  Site 
einer  beträchtlichen  eingeborenen  Bevölkerung,  welche  die  Spuren  ihrer  Anwesenheit  in  der 
Gestalt  von  zahlreichen  Grabhügeln  und  anderen  Erdwerken,  sowie  Begräbnissplätzen,  hinter- 
lassen hat,  und  unter  den  unbedeutenderen  Dingen,  welche  an  die  vertriebene  Race  erinnern, 
sind  die  in  dieser  Gegend  häufig  vorkommenden  Bruchstücke  von  Thongefässen  bemerkens- 
wert!). Diese  Fragmente  bilden  jedoch  meistens  kleine  Trümmer,  und  man  findet,  so  viel  ich 
weiss,  niemals  ganze  Gefässe  an  der  Oberfläche,  aber  ziemlich  häufig  iu  den  alten  Grab- 
hügeln und  anderen  Begräbnissstätten.  Sie  wurden  neben  die  Leichen  gesetzt  und  enthielten 
Nahrungsmittel,  welche  den  Todten  auf  ihrer  Wanderung  nach  dem  glücklichen  Lande  der 
Geister  dienen  sollten. 

Etwa  vor  sechs  Jahren,  als  ich  noch  im  Westen  der  Vereinigten  Staaten  wohnte,  hatte 
ich  die  Genugthuung , einen  Ort  im  American  Bottom  aufzufinden , woselbst  die  Indianer 
augenscheinlich  in  früheren  Zeiten  irdene  Gefässe  verfertigten.  Der  erwähnt«  Ort  ist  das 
linke  Ufer  des  Cahokia- Creeks ')  am  Nordende  von  Ulinoistown  am  Mississippi,  St.  Louis  gerade 
gegenüber.  An  der  genannten  Stelle  ist  das  Ufer  des  Flusses  hoch  und  abschüssig,  so  dass 
nur  ein  schmaler  Raum  für  einen  dem  Ufer  entlang  führenden  Pfad  übrig  bleibt.  Als  ich  zum 
ersten  Male  an  dieser  Stelle  vorüberging,  bemerkte  ich  eine  grosse  Zahl  von  Topfbruch- 
stücken,  welche  auf  der  Abschrägung  der  Uferbank  zerstreut  lagen  oder  aus  den)  Boden 
hervorragten.  Diese  Scherben  waren  die  grössten,  die  ich  jemals  angetroffen  hatte;  einige 
waren  handgross  und  audere  noch  von  weit  bedeutenderem  Umfang,  und  eine  Besichtigung 
derselben  ergab,  dass  sie  aus  grauem,  mit  zerstampften  Muschelschalen  gemengtem  Thone 
bestanden.  Alte  Schalen  einer  Unio-Art,  welche  im  Creek  lebt,  lagen  in  grosser  Zahl  umher, 
und  die  Art  ihres  Vorkommens  licss  mich  vermuthen,  dass  sie  durch  Menschenhand  und  nicht 
in  Folge  eines  Austretens  des  Flusses  auf  die  Stellen  gebracht  worden  waren,  wo  sie  lagen. 

*)  Der  Cahokia  «Creek  ist  ein  Bach  oder  vielmehr  kleiner  Flug»,  welcher  durch  die  Countie*  Madison  und 
St  Clair  (Illinois)  fliesst,  und  sich  bei  dem  von  Franzosen  gegründeten  und  von  deren  Nachkommen  bewohn- 
ten Dorfe  Cahokia,  etwa  4 Meilen  (engl.)  unterhalb  St.  lxmi»  in  den  MiHsisnippi  ergiesst. 


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Die  Thongefässe  der  nordamerikanischen  Indianer.  21 

Meine  Neugierde  war  nun  erregt;  ich  setzte  meine  Untersuchungen  fort,  und  entdeckte  am 
oberen  Theile  der  Uferbank  einen  ziemlich  langen  und  tiefen  alten  Graben,  theilweise  mit 
Stechapfels trauchern  überwachsen,  und  am  Boden  der  Grube  bemerkte  ich.  zu  meiner  Ueber- 
raschung,  ein  Lager  von  Thon,  welcher  mit  dem  die  Scherben  bildenden  ganz  identisch  war. 
Jetzt  wurde  mir  der  ganze  Sachverhalt  klar:  die  Grube  war  ohne  allen  Zweifel  der  Thon- 
gewinnung wegen  von  den  Indianern  angelegt  worden,  und  hier,  an  dieser  Stelle,  halten  sie 
das  Geschäft  der  Töpferei  betrieben.  Alles  zur  Verfertigung  von  Thongefässen  Nothwendige 
war  in  der  Nähe:  das  Thonlager  gab  das  Hauptmaterial  her,  und  der  Fluss  lieferte  nicht 
nur  das  Wasser,  um  den  Thon  anzufeuchten,  sondern  beherbergte  auch  die  Weichthiere,  deren 
zerstossene  Schalen  unter  denselben  gemengt  wurden.  Holz  war  rings  umher  in  grösster 
Fülle  vorhanden.  Nach  Feststellung  dieser  Thatsachen  war  es  leicht,  das  Vorkommen  der 
grossen  Gefässfragmente  an  dieser  Stelle  zu  erklären.  Während  des  Brennens  bekommen 
stets  einige  der  Thongefässe  Sprünge,  und  dies  wird  besonders  häufig  dann  verkommen,  wenu 
die  beim  Brennen  angewandte  Methode  roher  und  primitiver  Natur  ist,  wie  man  in  dem 
vorliegenden  Falle  mit  Sicherheit  annehmen  kann.  Die  an  dieser  Stelle  vorkommenden 
Scherben  sind  daher  augenscheinlich  die  Reste  von  Gefassen,  welche  im  Feuer  zerstört  und 
als  unbrauchbar  weggeworfen  wurden. 

Es  gelang  mir  nicht,  die  Spuren  eines  Ofens  oder  Feuerheerdes  aufzufinden;  wahrschein- 
lich wurden  die  Gefasse  in  offenen  Feuern  gebrannt,  deren  Steilen  natürlich  nicht  mehr  nach- 
gewiesen  werden  können.  Das  Vorkommen  der  Fragment«  war  auf  eine  verhältnissmäasig 
kurze  Strecke  am  Ufer  — etwa  50  Schritte  — beschränkt;  am  zahlreichsten  fanden  sie  sich 
in  der  unmittelbaren  Nähe  des  alten  Grabens,  und  an  diesem  Punkte  wurden  viele  vom  Bette 
des  Flusses  aufgelesen,  in  welchen  sie  vom  schrägen  Ufer  gerollt  waren.  Etwas  weiter  den 
Creek  hinauf  fand  ich  im  Ufer  eine  andere,  weit  unbedeutendere  Vertiefung,  welche  eben- 
falls gegraben  worden  war,  um  Thon  zu  gewinnen.  Mit  den  Muschelschalen  und  Topf- 
bruchstiicken  kamen  viele  Hornsteinabfalle  vor,  deren  Gestalt  über  ihre  Benutzung  als 
Schneidewerkzeuge  wenig  Zweifel  liess;  sie  dienten  vielleicht  dazu,  um  die  Linien  und  andere 
Zierrathen  auf  den  Gelassen  einzugraben  oder  deren  Oberfläche  zu  glätten. 

Ich  fand  kein  vollständiges  Gelass  an  dem  beschriebenen  Orte,  aber  eine  grosse  Anzahl 
von  Bruchstücken,  aus  deren  Gestalt  ich  die  ursprüngliche  Form  der  Gelasse  bestimmen 
konnte.  Dies  war  namentlich  dann  ohne  grosse  Schwierigkeit  thunlich,  wenn  sich  am  Frag- 
mente noch  ein  Theil  des  Randes  befand. 

Die  Figuren  1 und  2 (a.  f.  S.)  stellen  die  vorwaltenden  Formen  der  Gefasse  im  Durch- 
schnitte  dar.  Der  Rand  ist,  wie  man  ersehen  wird,  walzenförmig  und  nach  aussen  Uber- 
gebogen, um  das  Aufhängen  zu  erleichtern;  bisweilen  jedoch  ist  er  scharf  abgeschnitten,  wie 
in  Fig.  3 (a.  f.  S.).  Einige  der  Gefasse  waren,  wie  Fig.  4 (a.  f.  S.),  mit  zwei  Henkeln  ver- 
sehen1); bei  anderen  war  der  äussere  Rand,  sowohl  der  Zierde  als  der  besseren  Handhabung 
wegen,  ringsum  mit  conischen  Hervorragungen  oder  Buckeln  besetzt,  und  sorgfältig  ausge- 
zackte Ränder  kommen  ebenfalls  vor.  In  Bezug  auf  die  Grösse  der  Geschirre  herrschte 

M ich  besitze  ein  kleines  Gefass  dieser  Art,  welches  in  einem  aiten  indianischen  Grabe  auf  den  „Bluffs“ 
bei  Frencb  Village,  0 oder  7 Meilen  (engl.)  östlich  von  Illinoistown,  berstammt,  und  vielleicht  an  dem  oben 
beschriebenen  Platz«  verfertigt  wurde. 


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22 


C.  Rau, 


grosse  Verschiedenheit,  denn  während  der  Durchmesser  bei  einigen  nur  wenige  Zolle  betrug, 
muss  er,  nach  der  Krümmung  der  Bänder  zu  schliessen,  bei  anderen  das  bedeutende  Haass 


Fi(r.  I.  Fig,  2.  Fig.  3.  Fig.  4. 


von  zwei  Kuss  überschritten  haben.  Die  Gefässe  hatten  anscheinend  alle  gewölbte  Boden; 
ich  fand  wenigstens  kein  einziges  flaches  Bodenstück,  welches  jedoch  bloss  zufällig  sein  mag, 
da  indianische  Töpferwaare  häufig  mit  flachen  Boden  versehen  ist.  Nach  dem  Aussehen  der 
Bruchstücke  zu  schliessen,  war  diese  irdene  Waare  ursprünglich  ziemlich  gut  gebrannt  und 
der  Bruch  zeigt  in  manchen  Fällen  eine  röthliche  Färbung.  Da  aber  die  Verfertiger  die  An- 
wendung der  Glasur  nicht  kannten,  so  darf  man  sich  nicht  wundern,  dass  die  Scherben,  nach- 
dem sie  viele  Jahre  im  feuchten  Boden  gelegen  haben,  oder  der  abwechselnden  Einwirkung 
heftiger  Hitze  und  Kälte  ausgesotzt  waren , nunmehr  etwas  mürbe  und  zerbrechlich  sind. 
Aber  selbst  im  Zustande  der  Neuheit  müssen  diese  Gefässe  weit  geringere  Dauerhaftigkeit 
und  Härte  besessen  haben,  als  die  ganz  gewöhnliche  Qualität  europäischer  Töpferwaare.  Die 
Dicke  der  Bruchstücke  beträgt  ein  bis  drei  Achtel  eines  Zolles,  je  nach  dem  Umfange  der 
Gelasse,  da  die  grössten  auch  in  Bezug  auf  die  Masse  die  stärksten  waren.  Aber  in  jedem 
einzelnen  Stücke  ist  die  Dicke  von  bomerkenswerther  Gleichheit,  und  wenn  man  ausserdem 
die  vollkommene  Rundung  der  Ränder  und  die  allgemeine  Regelmässigkeit  in  der  Form  dieser 
Töpferwaare  in  Erwägung  zieht,  sollte  man  kaum  glauben,  dass  die  Verfertiger  den  Gebrauch 
der  Töpferscheibe  nicht  kannten.  Dies  war  jedoch  der  Fall. 

Der  zur  Herstellung  der  Gefässe  benutzte  Thon  ist,  wie  schon  bemerkt,  mit  grob  zer- 
stossenen  Unioschalen  gemengt;  nur  einige  der  kleineren  Näpfe  und  Vasen  scheinen  aus 
reinem  Thono  bestanden  zu  haben.  Die  Gelasse  waren  auf  der  Aussenseite,  und  manche 
sogar  auf  beiden  Seiten,  mit  einer  starken  Lage  von  schwarzer,  dunkelbrauner,  gelblicher 
oder  rother  Farbe  bedeckt,  und  einige  der  Scherben  zeigen  die  letztere  noch  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Frische.  Bei  jedem  einzelnen  Stücke  wurde  jedoch  nur  eine  Farbe  angewandt.  Es 
ist  augenscheinlich,  das«  das  Bemalen  dem  Processe  des  Brennens  voranging,  und  die  auf  diese 
Weise  bekleideten  Oberflächen  sind  glatt  und  glänzend,  und  die  Farbe  ersetzt  in  gewisser 
Hinsicht  die  mangelnde  Glasur.  Dass  die  indianischen  Töpfer  am  Cahokia-Creek  Verzie- 
rungen mit  Vorliebe  anbrachten,  beweisen  die  Linien  und  Punkte,  welche  auf  den  Gelassen 
eingegraben  sind.  Als  einfachste  Form  der  Verzierung  erscheinen  gerade  Linien,  welche 
parallel  mit  dem  Rande  rings  um  das  Thongeschirr  laufen;  allein  sie  wandten  auch  andere 
Combinationen  von  Linien  an,  wie  die  Figuren  5,  0,  7 und  8 zeigen,  welche  Fragmente  in  ver- 
kleinertem Maasse  darsteilen;  in  einigen  Fnlleu  war  bloss  die  Innenseite  auf  solche  Weise 
verziert.  Die  Linien  sind  meistens  mit  grosser  Regelmässigkeit  eingegraben,  häufig  ein 


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Die  Thongefiisse  der  nurtlamerikanischen  Indianer.  23 

Achtel  eines  Zolles  breit  und  entsprechend  tief.  Eines  der  am  gedachten  Orte  gefundenen 

Fi*  5-  «■  Fig.  7. 


Stücke  zeigt  jedoch  eine  etwas  kunstreichere  Verzierung,  und  ich  gebe  deshalb  in  Fig.  0 eine 
Abbildung  desselben  in  wirklicher  Grösse.  Dieses  gut  gebrannte  Bruchstück  hat  eine  Dicke 
von  etwa  drei  Sechszehntel  Zoll,  und  der  hellgraue  Thon  ist  mit  zerstossenem  Granit  gemengt, 
dessen  Bestandtheile,  Quarz,  Feldspath  und  Glimmer,  im  Bruche  deutlich  zu  erkennen  sind. 
Die  als  Verzierung  angebrachten  Linien  und  Einkerbungen  sind  mit  der  grössten  Genauig- 
keit eingedrückt  oder  vielmehr  ausgehnben,  und  es  lässt  sich  annehmen,  dass  das  Gelass 
in  seiner  Vollkommenheit  als  ein  gutes  Exemplar  indianischer  Töpferkunst  gelten  konnte. 
Fig.  10  ist.  der  lösten  Tafel  des  Werkes:  „Ancient  Monuments  of  the  Mississippi  Valley“  von 
Squierund  Davis1)  entnommen,  und  stellt  das  Bruchstück  einer  Vase  vor,  die  in  einem  der 
F’F-  8-  Fig.  fl.  Fig.  1». 


alten  indianischen  Erdkugel  in  Ohio  gefunden  wurde.  Ich  muss  hier  bemerken,  dass  für  diese 
Art  von  Gelassen  eiu  höherer  Grad  der  Vollendung  in  Anspruch  genommen  wird.  Wer  aber 
die  Figuren  !)  und  10  vergleicht,  wird  zugeben,  dass  die  Originale  der  Darstellungen  beinahe 
ganz  übereinstimmende  Verzierung  zeigen.  Ich  habe  sellist  die  besten  Exemplare  der  Töpfer- 
waare  gesehen,  welche  die  Herren  Squier  und  Davis  während  ihrer  Untersuchung  der  alt- 
indianischen Grab-  und  Opferhügel  im  Mississippithale  erlangten,  und  kann  versichern,  dass 
die  am  C'ahokia-Creek  hergestellten  Thongefässe  in  jeder  Hinsicht  den  von  den  genannten 
Herren  gefundenen  gleichkommen,  und  Dr.  Davis  bekannte  sich  zu  derselben  Ansicht,  nach- 
dem er  meine  am  Cahokia-C'reek  gefundenen  Bruchstücke  in  Augenschein  genommen  hatte. 

Eine  der  von  den  Indianern  bei  der  Verfertigung  grösserer  Töpferwaare  angewandten 


*)  Dieses  im  Jahre  1848  erschienene  Werk,  «reiche«  in  jeder  grösseren  öffentlichen  Bibliothek  Deutschland« 
anzutreffen  ist,  bildet  den  ersten  Band  der  durch  da«  S m i tlison  ’sche  Institut  in  Washington  veröffentlichten 
„Contribotions  to  Knowledge4*.  Es  enthalt  gute  Abbildungen  indianischer  Thnnarbeitwn. 


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24 


C.  Rau 


Methoden  bestand  darin,  dass  sie  Körbe  von  der  Grösse  und  Gestalt,  die  sie  den  Gefassen 
geben  wollten,  aus  Binsen  oder  Weiden  (lochten,  und  inwendig  mit  einer  Thonlage  von  der 
erforderlichen  Dicke  bekleideten.  Die  Körbe  wurden  durch  das  Brennen  zerstört  und  binter- 
li essen  auf  der  Auasenseite  der  Gefasse  Eindrücke,  welche  dein  Korbgeflechte  entsprachen  und 
gewissermaaasen  die  Stelle  absichtlich  angebrachter  Verzierungen  vertraten.  Mit  diesem 
Verfahren  waren  die  Töpfer  am  Cahokia- Creek  ebenfalls  bekannt,  denn  einige  der  von  mir 
gefundenen  Trümmer  ihrer  irdenen  Waare  lassen  die  erwähnten  Eindrücke  wahrnehmen. 
Der  Thon  der  auf  diese  Weise  hergestellten  Gefasse  ist  jedoch  nicht  mit  zerstossenen  Muschel- 
schalen, sondern  mit  Sand  gemengt;  er  ist  gut  gebrannt  und  von  gelblichem  oder  röthlichem 
Aussehen,  welches  bloss  der  Wirkung  des  Feuers  zuzuschreiben  ist,  da  bei  der  erwähnten 
Art  der  Herstellung  der  Farbeniiberzug  ganz  fehlt1). 

Schliesslich  habe  ich  noch  einiger  der  von  der  Fundstätte  im  American  Bottom  erlang- 
ten Gegenstände  von  gebranntem  Thon  besonders  Erwähnung  zu  thun.  Ich  fand  daselbst 
zwei  Fragmente,  welche  in  der  Form  mit  den  Schnäbeln  grosser  Vögel  übereinstimmen,  und 
vielleicht  die  Handgriffe  von  Töpfen  oder  Pfannen  waren;  ferner  eine  Platte,  die  augenschein- 
lich ab  Basis  für  die  Figur  irgend  eines  Thieres  diente,  von  welchem  unglücklicher  Welse 
nur  noch  der  Schwanz  übrig  bleibt,  und  zuletzt  den  Ueberrest  eines  ursprünglich  acht  bis 
zehn  Zoll  langen  Bootes.  Letzteres  wurde  im  Creek  gefuuden,  und  mag  wohl  von  einer  india- 
nischen Mutter  herrübren,  die  es  für  ihren  kleinen  Sohn  verfertigte.  Dies«  Annahme  ist  um 
so  wahrscheinlicher,  da  bei  den  Indianern  das  Geschäft  der  Töpferei  vorzugsweise,  wenn  nicht 
ausschliesslich,  den  Weibern  oblag. 

Es  entstehen  nun  die  Fragen:  Wer  waren  die  Verfertiger  jener  Geräthe  von  Thon  im 

American  Bottom,  und  was  mag  wohl  das  ungefähre  Alter  derselben  sein?  — Ich  schreibe 
sie  einfach  den  Cahokia-Indianern  zu,  welche  noch  in  einer  verhältnissmässig  späten  Periode 
an  den  Ufern  des  oft  erwähnten  kleinen  Flusses  hausten,  der  nach  ihnen  benannt  ist.  In 
Bezug  auf  ihr  Alter  jedoch  muss  ich  mich  jeder  Schätzung  enthalten.  Vielleicht  sind  erst 
hundert  Jahre  seit  ihrer  Verfertigung  vergangen;  es  ist  aber  auch  möglich,  dass  sie  einer  weit 
früheren  Zeit  angehören.  Jedenfalls  deutet  die  Beschaffenheit  der  Bruchstücke  auf  kein  sehr 
hohes  Alter  hin. 

Die  alten  Werke  Uber  Kordamerika  und  selbst  einige  aus  späterer  Zeit  stammende 
Schriften  enthalten  manche  Stellen,  welche  über  die  Töpferei  der  Indianer  Aufschluss  gelien. 
Nach  dem  Urtheile  der  früheren  Schriftsteller  hatten  es  diejenigen  Stämme  in  der  Verfer- 
tigung von  irdener  Waare  am  weitesten  gebracht,  welche  die  ausgedehnten  Landschaften 
bewohnten,  die  ehemals  Louisiana  und  Florida  genannt  wurden,  jetzt  aber  die  südlichen 
und  südwestlichen  Staaten  der  Union  begreifen.  Die  Richtigkeit  ihrer  Aussagen  wird  durch 
die  Beschaffenheit  der  aus  jenen  Gegenden  herrührenden  indianischen  Tbonarbeiten  bestä- 
tigt welche  der  Zerstörung  entgangen  sind  und  in  den  Sammlungen  der  Vereinigten  Staaten 


*)  Das  Vermengen  de*  Thones  mit  zerkleinertem  Maschelauhalen  war  überhaupt  keineswegs  allgemein; 
>n  manchen  Gegeudcu  benutzten  die  Eingebornen  statt  derselben  Sand  oder  zerstoeeene  Gesteine  von  quar- 
ziger Beschaffenheit. 


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Die  Thongefiissc  der  nordamerikanischen  Indianer.  25 

auf  bewahrt  werden  *).  Die  Natchez  am  unteren  Mississippi,  die  vielleicht  die  am  meisten 
civilisirten  der  nordamerikanischen  Indianer  und  muthmaasslich  mit  den  Azteken  verwandt 
waren , zeichneten  sich  durch  ihre  Geschicklichkeit  in  der  Anfertigung  von  Thongefassen 
aus.  So  erzählt  der  „Ritter  von  Elvas“,  jener  anonyme  portugiesische  Conquist&dor,  der  vor 
mehr  als  dreihundert  Jahren  Ferdinand  de  Soto  auf  seinem  abentheuerlichen  Zuge  durch 
einen  grossen  Theil  von  Nordamerika  begleitete  und  später  die  Erlebnisse  und  Thaten  die- 
ses kühnen  Spaniers  beschrieb.  In  der  Provinz  „Naguatex“,  sagt  er,  wurden  Thongefässe 
gemacht,  die  von  den  zu  Estrcmoz  und  Montemor  verfertigten  wenig  verschieden  waren’). 
Diese  beiden  Ortschaften  in  Portugal  zeichnen  sich  noch  in  jetziger  Zeit  durch  ihre  Töpfer- 
waare  aus.  Du  Pratz  bezeichnet  eine  hohe  Uferbildung  am  Mississippi,  „Eco re  blaue“  ge- 
nannt, rIs  eine  der  Localitätcn,  wo  die  Natchez  Thon  für  ihre  Gcfasse  gewannen,  uud  gleich- 
falls den  Ocker,  womit  sie  dieselben  färbten.  „Wenn  sie  mit  Ocker  Uberstrichen  sind,“ 
sagt  er,  „erhalten  sie  dnreh  das  Brennen  eine  rothe  Farbe.“  Ausserdem  bemerkt  dieser  Autor 
in  Bezug  auf  die  Töpferarbeiten  der  Eingeborenen  von  Louisiana  Folgendes:  „Die  Weiber 

machen  Töpfe  von  ausserordentlicher  Grösse,  Krüge  mit  mittelgrosser  Oeffnung,  Näpfe,  lang- 
halsige  Flaschen,  welche  zwei  Pinten  fassen,  grosso,  gegen  vierzig  Pinten  haltende  Gefasse 
zum  Auf  he  wahren  des  Bärenöls,  und  endlich  Schüsseln  und  Teller,  welche  den  in  Frankreich 
verfertigten  entsprochen“  *).  Dumont,  welcher  ebenfalls  die  Lebensweise  der  Stämme  des 
ehemaligen  Distriktes  Louisiana  beschreibt,  hat  eine  Schilderung  des  von  ihnen  beim  Anfer- 
tigen von  irdener  Waare  angewandten  Verfahrens  hinterlassen.  Er  sagt:  „Nachdem  die 
Indianerinnen  den  zu  verarbeitenden  Thon  sorgfältig  gereinigt  haben,  schaffen  sie  Muschel- 
schalen herbei,  welche  sie  durch  Zerstossen  in  ein  feines  Pulver  verwandeln.  Dieses  Pulver 
mengen  sie  unter  den  Thon,  giessen  daun  Wasser  auf  die  Masse,  und  kneten  dieselbe  mit 
Händen  und  Füssen.  Aus  dem  so  entstandenen  Teige  formen  sie  Rollen  von  sechs  bis  sieben 
Fass  Länge  und  einer  ihrem  Zwecke  entsprechenden  Dicke.  Beabsichtigen  sie  eine  Schüssel 
oder  eine  Vase  zu  verfertigen,  so  ergreifen  sie  eine  dieser  Rollen,  und  bestimmen,  indem  sie 
den  Daumen  der  linken  Haud  auf  das  Ende  derselben  setzen,  den  Mittelpunkt  des  zu  bilden- 
den Gefässes;  dann  drehen  sie  die  Rolle  mit  erstaunlicher  Schnelligkeit  spiralförmig  unv  die- 
sen Mittelpunkt;  sie  tauchen  von  Zeit  zu  Zeit  ihre  Finger  in  bereitstehendes  Wasser  und 
glätten  mit  der  rechten  Hand  die  innere  und  äussere  Seite  des  entstehenden  Gefässes,  um 
alle  Unebenheiten  zu  entfernen.  Auf  diese  Weise  verfertigen  sie  alle  Arten  von  irdener 
Waare  — Schüsseln,  Teller,  Näpfe,  Töpfe  und  Krüge,  von  denen  einige  vierzig  bis  fünfzig 
Pinten  faasen.  Das  Brennen  dieser  Thonfabrikate  verursacht  ihnen  wenig  Mühe.  Nachdem 
sie  dieselben  im  Schatten  getrocknet  haben,  machen  sie  ein  grosses  Feuer,  und  wenn  glühende 
Kohlen  in  hinreichender  Menge  vorhanden  sind,  stellen  sie  durch  Wegscharren  der  Asche  im 

ü In  einigen  der  Sudstuten,  z.  B.  in  Mississippi,  soll  man  noch  gelegentlich  die  Oefen  antrelfen,  in  wel- 
ebou  die  Gefhsse  gebrannt  wurden,  und  sogar  die  letzteren  in  halbfertigem  Zustande  mit  anhingendeu  Stücken 
der  Rinde  ron  Kürbiaeen,  um  welche  sie  geformt  wurden.  Ancient  Monuments  of  the  Mississippi  Vatiey, 
S.  111t.  — ’)  Narratives  of  the  Career  of  Ilcmando  de  Soto  in  tiie  Conquest  of  Florida  as  told  by  a Knight 
of  Elvas,  and  in  a Relation  by  Luys  Hernandes  de  Biedma,  Factor  of  the  Expedition.  Translated  by 
Buckingham  Smith.  New-York  1866,  S.  165.  — Du  portugiesische  Original  der  erstgenennten  Schilderung 
wurde  im  Jahre  1567  zu  Erora  gedruckt.  Aeltcre  englische  Vebersetcungen : London  1600  und  1686.  — 
q Da  Pret»,  Histoire  de  la  Louisiane,  Paris  1758,  Bd.  1,  S.  124  und  Bd.  If,  S.  178. 

ArcbW  Ar  Anthropologie.  Bd.  III  Urft  I.  4 


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C.  Rau, 


Mittelpunkte  des  Feuers  einen  freien  Raum  her,  welcher  das  zu  brennende  Geschirr  auf- 
nimmt. Letzteres  bedecken  sie  mit  Kohlen.  Die  so  gebrannten  Gelasse  können  nun  dem 
Feuer  ausgesetzt  werden  und  sind  ebenso  dauerhaft  wie  die  unsrigen.  Ihre  gute  Beschaffen- 
heit ist  ohne  Zweifel  den  zerstossenen  Muschelschalen  zuzuschreiben,  welche  die  Weiber  unter 
den  Thon  mengen  '). 

Adair,  welcher  vor  mehr  als  hundert  Jahren  als  Händler  oder  Trader  unter  den  im 
Süden  der  jetzigen  Union  wohnenden  Stämmen  lebte,  beschränkt  sich  auf  die  nachstehenden 
Bemerkungen:  „Sie  machen  Töpfe  von  verschiedener  Grösse,  welche  zwei  bis  zwanzig  Gal- 
lonen halten;  grosse  Krüge  zum  Wassertragen;  Näpfe,  Teller,  Schüsseln,  Becken,  und  eine 
grosse  Zahl  anderer  Gelasse  von  so  sonderbaren  Formen,  dass  es  schwer  halten  dürfte,  sie 
zu  beschreiben  oder  zu  benennen.  Ihre  Methode  des  Glasirens(i)  besteht  darin,  dass  sie  die 
Gefässe  einem  starken  Feuer  aussetzen,  wozu  ilie  Pechtanne  das  Material  liefert.  Auf  diese 
Welse  wird  ihre  irdene  Waare  glatt,  schwarz  und  fest.  Ihre  Ländereien  haben  Uebertluss  an 
brauchbarem  Thone  *). 

Loskiel,  dessen  Werk  die  Sitten  der  Delawares  und  irokesiscben  Stämme  schildert, 
fuhrt  an,  dass  diese  früher  Kessel  und  Kochtöpfe  von  Thon  verfertigten,  welchen  sie  mit  fein 
gestossenen  Muschelschalen  vermischten  und  brannten  bis  er  durch  und  durch  schwarz  wurde. 
Grosse  Stücke  von  ihren  ehemaligen  Töpfen,  woran  die  Muschelschalen  noch  zu  sehen  seien, 
würden  öfters  an  Orten  gefunden,  wo  „vor  Alters“  Indianer  gewohnt  batten.  Nachdem  aber 
die  Europäer  in  das  Land  gekommen  wären,  hätten  sich  die  Indianer  fast  durchgängig  sehr 
leichter  messingener  Kessel  bedient.  — Man  ersieht  daraus,  dass  diese  Stämme  schon  früh- 
zeitig das  Anfertigen  von  Thon  gelassen  aufgaben  ■). 

Eine  sehr  gute  Schilderung  des  bei  den  westlichen  Stämmen  (den  Kickapooe,  Kansas, 
Osages  etc.)  üblichen  Verfahrens  giebt  Hunter,  welcher  in  früher  Jugend  von  den  India- 
nern geraubt  wurde  uud  viele  Jahre  unter  ihnen  lebte.  „Wenn  sie  Thongeschirre  anfertigen 
wollen,"  sagt  er,  „so  benutzen  sie  zähen  Thon,  den  sie  zerstampfen,  mit  Wasser  erweichen 
und  Uber  hölzerne  Formen  von  zweckentsprechender  Gestalt  breiten.  Nachdem  die  Gelasse 
hinreichend  getrocknet  sind,  werden  sie  von  den  Formen  entfernt  und  an  einem  passenden 
Orte  gebrannt,  bis  sie  den  erforderlichen  Grad  von  Härte  erlangt  haben.  Ausserdem  verfer- 
tigen sie  auch  Körbe  von  Binsen  oder  Weiden,  und  bekleiden  die  innere  Seite  derselben  mit 
einer  Lage  von  Thon,  den  sie  erhärten  laasen  und  dann  brennen.  Auf  diese  Weise  stellen  sie 
grosse,  hübsche  und  ziemlich  dauerhafte  Gefässe  her;  in  letzterer  Zeit  jedoch  ist  unter  den 
Stämmen,  welche  viel  mit  den  Weissen  verkehren,  das  Thongeschirr  grössten theils  durch 
gusseiserne  Waare  verdrängt  worden.  Grosse  Gefässe,  wie  z.  B.  diejenigen,  welche  zur 
Zuckerbereitung  (aus  dem  Safte  des  Ahorns)  dienen,  werden  au  Weinreben  aufgehängt,  und 
letztere,  wo  sie  dem  Feuer  ausgesetzt  sind,  fortwährend  mit  feuchtem  Thon  bedeckt.  Bis- 
weilen jedoch  machen  sie  den  Rand  stark  und  nach  innen  vorspringend,  so  dass  das  Gefäss 
vermittelst  flacher,  unter  den  Rand  gespreizter  Holzstücke  aufgehängt  worden  kann“’). 

’)  ßumont,  Mdmoire«  Historiques  aur  la  Louisiane,  Paris  1753,  Bd.  II,  S.  271.  — *1  Adair,  History 
of  tbe  American  Indiaos.  London  1775,  S.  421.  — *)  Loskiel,  Geschieht«  der  Mission  der  evangelischen 
Bruder  unter  den  Indianern  in  Nordamerika.  Barby  1789,  8.  70.  — * 1 Hunter,  Manners  and  Cuetoms  of 
several  Indian  Tribe#  located  west  of  the  Mississippi.  Philadelphia  1328,  S.  296  u.  s.  w. 


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Die  Thongcfiisse  der  nordamerikanischen  Indianer. 

Zuletzt  will  ich  hier  die  Bemerkungen  anführen,  welche  Catlin  in  Bezug  auf  die 
Töpferei  der  Mandans  macht:  „Irdene  Kochgeschirre  sind  in  jeder  Behausung  der  Mandans 
anzutreffen.  Die  Weiber  dieses  Stammes  verfertigen  Thongefasse  in  grosser  Menge  und 
geben  ihnen  tausend  verschiedene  Formen.  Sie  werden  aus  einem  zähen,  schwarzen  Thone 
geformt  und  in  besonders  zu  diesem  Zwecke  angelegten  Oefen  gebrannt.  Obgleich  diesen 
Gefässen  die  Glasur  fehlt,  stehen  sie  unseren  Thonwaaren  nur  wenig  nach , und  sie  sind  so 
dauerhaft,  dass  sie,  wie  unsere  eisernen  Kessel,  über  das  Feuer  gehängt  und  zum  Sieden  des 
Fleisches  benutzt  werden  könneu.  In  unseren  Museen  befinden  sich  einige  Exemplare  ähn- 
licher Thonerzeugnisse,  welche  aus  den  indianischen  Grabhügeln  der  Süd-  und  Mittelstaaten 
herstammen  und  als  besondere  Merkwürdigkeiten  betrachtet  werden.  Aber  hier  sah  ich 
hunderte  solcher  Gefässe  in  den  Händen  der  Weiber,  und  sali  auch,  wie  sie  dieselben  an 
Sommertagen  in  den  verschiedenartigsten  Formen  herstellten  und  in  Oefen  brannten1). 

Die  grössten  Gefässe,  welche  die  Eingeborenen  von  Nordamerika  verfertigten,  waren, 
wie  es  scheint,  diejenigen,  in  denen  sie  in  der  Nähe  von  salzhaltigen  Quellen  Salz  bereiteten. 
Du  Pratz  spricht  von  einer  Gegend  in  Louisiana,  wo  die  Indianer  Salz  in  Thongefässen 
erzeugten,  welche  sie  an  Ort  und  Stelle  anfertigten,  ehe  sie  von  den  Franzosen  mit  metalle- 
nen Geschirren  versehen  wurden  r).  Der  „Ritter  von  Elvas“  hat  in  dem  bereits  erwähnten 
Werk  eine  Schilderung  des  von  den  Eingeborenen  bei  der  Salzgewinnung  beobachteten  Ver- 
fahrens hinterlassen.  Als  die  Saline  unterhalb  St.  Gdmlvieve  in  Missouri  vor  vielen  Jahren 
gereinigt  und  tiefer  gemacht  wurde,  kamen  Wagenladungen  von  Topfbruchstücken  zum  Vor- 
schein, und  die  Beschaffenheit  einiger  derselben  liess  auf  Gefässe  von  der  Grösse  eines  Fasses 
schliessen '). 

Ich  hatte  Gelegenheit  ein  Fragment  eines  Geschirres  dieser  Art  zu  sehen,  welches  im 
Jahre  185U  dem  Dr.  Davis  von  Herrn  George  E.  Seilers  zugeschickt  wurde.  Letzterer 
hatte  dasselbe  mit  vielen  anderen  bei  den  Salzquellen  am  Saline- River  im  südlichen  Illinois 
gefunden.  Hier  ist  eine  der  Stellen,  wo  die  Indianer  in  früheren  Zeiten  Salz  bereiteten. 
Mehrere  Acres,  bemerkt  Herr  Seilers  in  einem  die  Sendung  begleitenden  Schreiben,  sind 
mit  zerbrochenen  Gefässen  bedeckt,  und  Haufen  von  Thon  und  Muscheln  deuten  an,  dass  die- 
selben hier  gemacht  wurden.  Sie  waren  von  halbkugelförmiger  Gestalt  und  batten  nach 
aussen  vorspringende  Ränder,  deren  Durchmesser  bei  den  kleineren  gegen  dreissig  Zoll  betrug, 
bei  den  grössten  aber  das  enorme  Maass  von  vier  Fusb  erreichte.  Die  Thonmasse  war 
einen  halben  bis  drei  Viertel  Zoll  dick.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  dieses  Geschirr 
in  Körben  geformt  wurde.  Das  dem  Dr.  Davis  übersandte  Fragment  ist  ein  Randstück  von 
drei  Viertel  Zoll  Dicke,  und  besteht  aus  drei  deutlich  unterscheidbaren  Lagen  von  golblichem 
Thone,  welcher  mit  sehr  grob  zerstampften  Muschelschalen  gemengt  ist.  Die  Festigkeit  des 
Stückes  lässt  ziemlich  gutes  Brennen  vermuthen.  Die  auf  der  Aussenseite  wahrnehmbaren 
Eindrücke  sind  äusserst  regelmässig  und  zierlich,  und  beweisen,  dass  dieso  indianischen  Töpfer 
auch  geschickte  Korbflechter  waren. 


■)  Catlin,  Xorth  American  Indians.  Laudon  1S48,  Bd.  I,  S.  116.  — *)  Dn  Pratz,  Bd.  1,  S.  807.  — 
*)  Brackenridge,  Views  of  Louisiana.  Pittsbarg  1314,  S.  186. 


4* 


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2* 


C.  Rau, 


Nicht  alle  Stämme,  welche  das  weite  Gebiet  von  Nordamerika  bewohnten,  verstanden 
es,  Thongefäsae  anzufertigen ; denn,  obwohl  sich  ein  bedeutender  Grad  von  Gleichartigkeit  in 
Charakter  und  Gewohnheiten  unter  ihnen  kundgab,  standen  sie  doch  keineswegs  auf  der- 
selben Stufe  mechanischer  Geschicklichkeit.  Dies  war  die  Folge  örtlicher  Verhältnisse,  z.  B. 
der  Gestaltung  und  Beschaffenheit  des  Bodens,  des  Klimas  und  anderer  Umstände,  welche 
ihre  Lebensweise  bedingten.  Einige  der  indianischen  Stämme,  welche  in  der  Töpferei  uner- 
fahren waren,  pflegten  ihr  Fleisch  in  Wasser  zu  kochen,  welches  sie  vermittelst  heisserSteine 
zum  Sieden  brachten,  und  die  bei  diesem  Verfahren  angewandten  Gefässe  waren  grosse  höl- 
zerne Becken,  wasserdichte  Körbe,  oder  selbst  die  Häute  von  Thieren.  Die  ABsineboins,  zutn 
Beispiel,  kochten  auf  diese  Weise.  „Wenn  sie  ein  Stück  Wild  getödtet  haben,“  sagt  Catlin, 
„so  graben  sie  eine  Vertiefung  von  der  Grösse  eines  gewöhnlichen  Topfes  in  den  Boden,  legen 
die  abgestreifte  Haut  des  Thieres  über  dieselbe,  und  pressen  die  Haut  mit  den  Händen  nieder, 
bis  sie  sich  den  Beiten  der  Höhlung  anschmiegt.  Dieser  improvisirte  Kessel  wird  mit  Wasser 
gefüllt  und  das  Fleisch  hineingelegt-  Steine,  welche  bis  zum  Rothglühen  erhitzt  sind,  werden 
nun  einer  nach  dem  andern  in  das  Wasser  getaucht,  bis  das  Fleisch  gekocht  ist.  Wegen 
dieses  sonderbaren  Gebrauches  haben  ihnen  ihre  Nacbbaren,  dieOjibuays,  den  Namen  Assine- 
boins  oder  Stone-boilers  (Steinsieder)  gegeben.“ 

„Es  ist  dies“,  fährt  Catlin  fort,  „ein  unbequemes  und  zeitraubendes  Verfahren,  muss 
aber  dennoch  als  ein  sinnreiches  Auskunftsmittel  bei  einem  Volke  gelten,  welches  zu  roh 
war,  um  ein  Kochgeschirr  herzustellen.  Die  Händler  haben  neuerdings  die  Assineboins  mit 
Töpfen  versehen;  aber  schon  lange  vorher  hatten  die  Mandans  sie  in  der  Kunst  unterrichtet, 
ganz  brauchbare  irdene  Gefässe  zu  verfertigen,  und  jetzt  wenden  sie  oben  beschriebenes  Ver- 
fahren nicht  mehr  an,  ausser  bei  öffentlichen  Festlichkeiten,  in  denen  sie,  wie  andere  Völker, 
mit  Vorliebe  ihren  alten  Gebräuchen  huldigen“1).  So  berichtete  Catlin  vor  mehr  als  dreis- 
sig  Jahren.  Die  Assineboins  mögen  jedoch  trotzdem  mit  der  Verfertigung  irdener  Gebisse 
vertrant  gewesen  sein.  Sie  bilden  bekanntlich  einen  Seitenzweig  des  grossen  Dacotahstam- 
mes,  von  welchem  sie  sich  wegen  eines  Streites  lossagten,  und  wir  besitzen  da«  Zeugniss 
Carvcr's,  dass  die  Nandowessies  — Ah.  die  Dacotahs  oder  Sioux  — irdene  Geschirre  ver- 
fertigten, in  denen  sie  ihre  Lebensmittel  kochten  *). 

Einigt»  Stämme  in  Neu-Mexiko  und  Arizona  (die  Mojaves,  Pirnas  u.  a.)  betreiben  noch 
das  Geschäft  der  Töpferei;  aber  die  friedlichen  und  fleissigen  Pueblo  - Indianer  jener  Region 
haben  den  Ruf,  besonders  gute  Thongefässe  herzustellen.  „Sie  verfertigen  nach  altherkömm- 
licher Weise,  sowohl  für  den  eigenen  Bedarf,  als  fiir  Handelszwecke,  eine  Art  irdener  Waare, 
welche  den  roheren  Erzeugnissen  unserer  gewöhnlichen  Töpfer  nur  wenig  nachsteht  Ihre 
Geschirre  widerstehen  dem  Feuer  sehr  gut,  und  werden  allgemein  zum  Kochen  benutzt,  selbst 
von  den  Mexikanern,  da  gusseiserne  Gelasse  hier  unbekannt  sind.  Trotz  ihres  primitiven 
Charakters  bezeugt  diese  Töpferwaare  einen  nicht  geringen  Grad  von  Geschicklichkeit,  da 
sie  ohne  Drehscheibe  oder  sonstige  Vorrichtung  verfertigt  wird.  Sie  ist  häutig  mit  farbigen 
Erdarten  oder  dem  Safte  einer  Pflanze,  Guaco  genannt,  bemalt,  welcher  durch  das  Brennen 
lebhaft  hervortritt“ 3). 

•)  Catlin,  Bd.  I,  8.  64.  — *)  Carver,  Travel«  in  North  America.  London  1778,  S.  23Ä.  — 3)  UreRK, 
Commerce  of  the  Prairie«.  New- York  1846,  Bd.  1,  5.  278. 


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29 


Die  Thongefasse  der  nordamerikanischen  Indianer. 

Da  ich  von  jenem  Theile  der  Union  spreche,  muss  ich  der  zahlreichen  Bruchstücke  alter 
Thongeßisse  Erwähnung  thun,  welche  am  kleinen  Colorado,  Colorado  Cliiquito  und  Gila, 
namentlich  in  der  Nähe  von  Ruinen , gefunden  werden.  Sie  sind  oft  kunstreich  verziert,  und 
verschiedenartig  mit  dick  aufgetragenen,  dauerhaften  Farben  bemalt,  und  die  Gefiisse,  deren 
Reste  sie  sind,  müssen  in  jeder  Hinsicht  die  Thonarbeiten  übertroffen  haben,  welche  von  den 
Indianern  auf  der  Ostseite  der  Felsengebirge  hergestellt  wurden.  Eine  genauere  Beschreibung 
jener  alten  Fragmente  würde  jedoch  die  beabsichtigten  Grenzen  dieses  Aufsatzes  überschrei- 
ten ; auch  haben  überdies  mehrere  Schriftsteller  derselben  Erwähnung  gethan  und  ihre  An- 
sichten in  Bezug  auf  die  muth maassliehen  Verfertiger  kundgegeben  '),  — 

Als  ich  vor  einigen  Jahren  Deutschland  besuchte,  hatte  ich  Gelegenheit,  in  den  dortigen 
archäologischen  Sammlungen  viele  alte  Gelasse  zu  sehen,  und  da  ich  mit  dem  Charakter  in- 
dianischer Thonarbeiten  vertraut  war,  fiel  mir  die  grosse  Aehnlichkeit  auf,  welche  in  den 
Erzeugnissen  der  früheren  Bewohner  Deutschlands  und  der  nordamerikanischen  Indianer 
herrscht.  Wo  die  äusseren  Lebensbedingungen  der  Menschen  ähnlich  waren,  musste  auch 
naturgomäss  ihre  Erfindungsgabe  in  ähnlicher  Weise  angeregt  werden.  Wenn  wir  dem  Zeug- 
nisse iles  Tacitus  Glauben  beimessen  dürfen,  so  standen  die  Einwohner  Gennaniens  zu  seiner 
Zeit  ungefähr  auf  derselben  Culturstufe,  welche  die  nordamerikanischen  Indianer  einnahmen, 
ehe  in  ihrer  Leljenswei.se  diejenigen  Veränderungen  eingetreten  waren,  welche  aas  der  Berüh- 
rung mit  den  Weissen  entsprangen.  Es  ist  daher  keineswegs  überraschend,  dass  die  Hand- 
erzeugnis.se  beider  Völker  grosse  Uebereinstimmung  wahrnehmen  lassen. 

Das  Wesentliche  der  indianischen  Töpferei  lässt  sich  in  Folgendem  zusammenfassen:  .Sie 
verfertigten  ihre  Gefässe  ohne  Beihülfe  der  Drehscheibe,  und  formten  sie  häufig  in  Körben 
oder  Uber  hölzernen  Modellen  von  entsprechender  Form.  Die  Kunst  des  Glasirens  war  ihnen, 
so  viel  man  weiss,  unbekannt.  Den  zu  ihrer  Töpferarbeit  verwendeten  Thon  mengten  sie 
mit  zerstampften  Muschelschalen  oder  Sand,  oder  auch  mit  gepulverten  quarzigen  Gesteinen; 
Glimmer  bildete  gleichfalls  manchmal  einen  Theil  der  Masse.  Zum  Anstreichen  der  Töpfer- 
waare  benutzten  sie  entweder  Ocker,  welcher  die  verschiedenen  zwischen  Blassgelb  und 
Dunkelbraun  liegenden  Farbentöne  hervorbrachte , oder  sie  wandten  ein  schwarzes  Färbe- 
mittel an.  Sie  verzierten  ihre  Thongefässe  mit  eingegrabenen  Linien  oder  Combinationen 
von  Punkten  und  Linien;  auch  zackten  sie  bisweilen  die  Ränder  aus,  umgaben  dieselben  an 
der  Aussenseite  mit  Buckeln,  und  suchten  noch  auf  verschiedene  andere  Weise  ihre  Thon- 
erzeugnisse zu  verschönern.  In  Bezug  auf  Grösse  und  Form  ihrer  Gefasse  herrschte  grosse 
Verschiedenheit;  viele  derselben  waren  mit  gewölbten  Boden  versehen.  Die  Eingeborenen 
brannten  ihre  Thonwaare  in  offenen  Feuern  oder  in  Oefen,  und  sie  war,  trotz  der  günstigen 
Urtheile  einiger  Schriftsteller,  von  weit  geringerer  Dichtigkeit,  als  das  gewöhnliche  Geschirr 
europäischer  oder  amerikanischer  Töpfer ; manchmal  sogar  hat  sie  das  Ansehen , als  ob  sie 
bloss  in  der  Sonne  getrocknet  worden  sei. 


>)  Der  dritte  Bend  der  Pscitic  Railroad  Reports,  Washington  1866,  enthält  ein  Kapitel  (Illustration*  of 
Indian  Antiquitiea  and  Art«),  in  welchem  solche  Fragmente  abgebildet  and  beschrieben  sind.  An  denselben 
lassen  sieb,  wie  dar  Verfasser,  Herr  Thomas  Ewbank,  sagt,  die  meisten,  wenn  nicht  alle,  aus  geraden  und 
gekrümmten  Linien  bestehenden  Elemente  der  Versierungsknmt  nachweiten,  welche  von  den  Aegyptern,  As- 
syriern, Griechen  nnd  anderen  vorgeschrittenen  Völkern  der  alten  Welt  angewendet  wurden 


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30  G.  Rau,  Die  Thongefässe  der  nordamerikanischen  Indianer. 

Alle  diese  Bemerkungen  lassen  sich,  mit  geringen  Modificationen,  auf  die  alten  Thon- 
ge fasse  anwenden,  welche  in  den  Sammlungen  Deutschlands  aufbewahrt  werden.  Viele  der- 
selben sind  augenscheinlich  aus  freier  Hand  geformt  worden;  bei  anderen,  namentlich  den 
grösseren,  kann  man  wahrnehmen,  dass  sie  vermittelst  der  Drehscheibe  verfertigt  wurden. 
Den  Gebrauch  der  letzteren  kannten  die  deutschen  Stämme  vielleicht  schon,  ehe  sie  mit  den 
Römern  in  Berührung  kamen.  Der  Thon  dieser  Gefiiase  ist  stark  mit  Quarzsand  vermengt, 
welchem  häufig  Glimmer  beigegeben  ist,  wahrscheinlich  um  der  Ma~.e  mehr  Haltbarkeit  zu 
verleihen.  „Die  altgermanischen  Thongefässe,  die  man  im  Boden  findet,  sind,  sobald  die 
bedeckende  Erde  hinweggenommen,  weich  und  so  zerbrechlich,  dass  eine  etwas  harte  Berüh- 
rung dieselben  augenblicklich  zertrümmert.  Viele  derselben  sind,  namentlich  in  Wäldern, 
von  Baum-  und  Strauch  wurzeln  durchwachsen;  dies  zeigt  denn  offenbar,  dass  Bis  nicht  genug 
gebrannt  sind;  denn  der  wohlgebrannte  Thon  widersteht,  wie  die  römischen  Wasserleitungs- 
röhren. die  Ziegelsteine  des  Mittelalters  lehren,  der  Feuchtigkeit  sogar  besser  als  mancher 
Stein.  Setzt  man  diese  Gefässe  der  Luft  aus,  so  erhärten  sie  indessen  binnen  weniger  Stun- 
den, werden  auch  ziemlich  hart,  doch  bemerkt  man  nur  selten  solche  Gefässe,  welche,  wenn 
sie  angeschlagen  werden,  jenen  Klang  von  sich  geben,  der  das  eigentliche  Zeichen  wohlge- 
brannter Thonarbeiten  ist  Es  scheint  also,  dass  diese  Urnen  nicht  in  einem  eigentlichen 
Brennofen,  sondern  nur  in  offenem,  wenn  auch  sehr  heftigem  Feuev  gebrannt  worden  sind“ '). 
Viele  der  Urnen  sind  mit  gelben  oder  rothen  Erdarten  bemalt,  oder  mit  Molybdän,  einem 
Mineralstoffe,  der  ziemlich  häufig  in  Nordamerika  vorkommt , und  den  vielleicht  auch  die  In- 
dianer gebrauchten,  um  ihre  Thonwaare  zu  schwärzen.  Dieselben  Parallel-  und  Zickzacklinien 
und  Reihen  von  Punkten,  welche  indianische  Gefässe  ziereu.  sind  auch  an  denjenigen  von 
Nordeuropa  wahrzunehmen.  Sie  bilden  die  einfachsten  Zierrathen,  und  alle  Völker  haben  sie 
daher  angewendet,  als  sie  ihre  ersten  Versuche  in  der  Verzierungskuast  machten.  An  der 
Oberfläche  einiger  der  alten  in  Deutschland  gefundenen  Vasen  bemerkte  ich  die  schon 
erwähnten  flechi werkartigen  Eindrücke.  Ich  war  jedoch  im  Zweifel,  oh  sie  wirklich  von 
Körben  herrührten  oder  absichtlich  angebrachte  Verzierungen  darstellten;  aber  selbst  im 
letzteren  Falle  würden  sie  den  früheren  Gebrauch  des  Modellirens  in  Körben  andeuten.  Ich 
sah  ferner  einige  anscheinend  sehr  alte  Exemplare  mit  gewölbten  Boden.  Die  ältesten  Ge- 
fässe aller  Völker  hatten  wahrscheinlich  diese  Gestalt,  wozu  die  Natur  in  der  Calebasse  und 
anderen  Früchten  von  rundlicher  Form  das  Modell  bergab,  und  ein  flacher  Boden  möchte 
demnach  eine  Phase  in  der  Töpferkunst  der  Völker  bezeichnen.  Ich  könnte  noch  auf  andere, 
den  Gefässen  der  nordamerikauischen  Indianer  und  der  Bewohner  Germaniens  gemeinschaft- 
liche Eigentümlichkeiten  Hinweisen,  will  aber  meinen  Vergleich  mit  der  Bemerkung  schliessen, 
dass  die  Thonarbeiten  der  Letztgenannten  elegantere  Umrisse  zeigen,  und  deshalb  eine  höhere 
Geschmacksrichtung  kundgeben. 

Die  Aehnlichkeit  in  den  Handerzeugnissen  der  Menschen  in  verschiedenen  Ländern  ist 
am  grössten,  wenn  die  Verfertiger  niedrige  Culturstufen  einnehmen;  im  Laufe  allmäliger 
Entwickelung  verwischen  sich  die  dem  Menschengeschlechte  gemeinsamen  Urformen  und  gehen 
endlich  in  jene  verschiedenartigen  Gebilde  über,  welche  die  Individualität  der  Völker  abspiegeln. 

*)  Klemm , Handbuch  der  germanischen  .Yltcrthumakunde.  Dresden  1B36,  S-  167. 


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m. 

Qeognostische  Bestimmung  der  Lagerstätte  von  Feuerstein-  » 

splittern  bei  Bramstedt  in  Holstein. 

Von 

L.  Meyn 

in  UHcrwa  (Holstein). 


Duri'h  Zufall  erzählte  mir  ein  glaubwürdiger  Mann,  der  Mühlenbesitzer  Paustian  aus 
Bramstedt.  im  Kieler  Umschlag,  er  habe  Feuersteinspäne,  offenbar  von  Menschenhand  gespalten, 
in  der  Tiefe  des  Erdbodens  gefunden. 

Nach  der  gegebenen  Schilderung  musste  ich  die  Lagerstätte  für  eine  Schicht  dos  älteren 
Alluviums  halten,  welches  ich  bisher  immer  als  eine  vermenschliche  Formation  angesehen 
hatte,  wie  sie  denn  auch  früher  stets  dem  Diluvium  zugezählt  wurde,  bis  ich  ihren  alluvialen 
Charakter  für  ganz  Norddeutsehland  nachwies. 

Unter  Berücksichtigung  der  neuesteu  Entdeckungen  über  das  Alter  des  Menschen- 
geschlechtes schien  mir  diese  Thatsache  wichtig  genug,  um  sie  dem  Archäologen  Herrn  Pro- 
fessor Petersen  in  Hamburg  mitzutheilen. 

Am  11.  August  v.  J.  haben  wir  den  Platz  gemeinschaftlich  l>esichtigt.  Daselbst  zeigte 
sich  nun 

1)  dass  die  künstliche  Bearbeitung  der  Steinsplitter  unzweifelhaft  ist; 

2)  dass  in  der  That  die  Schicht,  in  welcher  sie  gefunden  worden,  zum  älteren  Al- 
luvium gehöre; 

3)  dass  ein  Herabrollen  von  der  Oberfläche  nicht  stattgefunden  haben  kann; 

41  dass  die  gleichen  Steinsplitter  an  verschiedenen  Stellen  der  (legend,  aber  stets  in 
demselben  Niveau  gefunden  worden  seien. 

Zwar  fanden  wir  selber  keine  dergleichen  Steinsplitter,  allein  die  Mittheilungen  unseres 
Gewährsmannes,  welcher  seit  1841  inländische  Mineralien  nnd  Alterthümer  sammelt,  und  ohne 
die  Tagesfrage  über  diese  Angelegenheit  zu  kennen  durch  das  tiefere  unterirdische  Vor- 
kommen zu  aufmerksamerer  Beobachtung  veranlasst  worden  war,  verdienen  jeden  Glauben. 


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32  L.  Meyn,  Geognostische  Bestimmung  der  Lagerstätte  von  Feuersteinsplittern 

Es  ist  daher  nicht  blos  wünschenswerte  andere  unterirdische  Vorkommen  dieser  Art  im 
Lande  einer  grösseren  Aufmerksamkeit  rücksichtlich  ihrer  Lagerstelle  gewürdigt  zu  sehen, 
als  dies  bisher  der  Fall  war,  sondern  es  ist  auch  erforderlich,  die  Schicht  zu  charakterisiren, 
dass  man  sie  mit  anderen  Localitäten  des  In-  und  Auslandes  vergleichen  kann. 

Das  Hochland  in  den  Herzogthiimern  besteht  aus  einem  älteren,  mittleren  und  jüngeren 
Diluvium,  von  denen  das  erstere  frei  von  Steinen,  das  zweite  eine  ausgeprägte  Gletscher- 
bildung mit  Steinen  jeder  Grösse,  das  dritte  eine  Eisschollenbildung  mit  einzelnen  grossen 
erratischen  Blöcken  zu  sein  scheint. 

Im  Osten  der  Herzogtümer  bildet  dies  Hochland  ein  zusammenhängendes  Plateau  bis 
an  die  Meeresküste,  nur  durchschnitten  von  jüngeren  Alluvialbildungen  am  Rande  der  Bäche 
und  in  den  kessellormigen  Einsenkungen. 

Nach  Westen  hin  aber  gehen  von  dem  Rande  dieses  Plateau,  am  sogenannten  Rücken 
des  Landes,  die  Diluvialbildungen  nur  wie  Landzungen  breiterer  oder  schmalerer  Art  in  die 
Meeresfläche,  in  eine  schwach  gegen  Westen  geneigte  sehr  ausgeprägte  Ebene  hinaus,  welche 
nur  durch  diese  Rücken  und  durch  inselformig  gruppirte  Erhebungen  gleicher  Art  unterbrochen 
wird,  und  bis  an  die  Marschniederung  heranreicht.  Dies  Blachfeld  ist  das  alte  Alluvium. 

Vielfach  beginnt  dieses  Terrain  in  gleicher  Meereshöhe  wie  die  Gipfel  des  Hochlandes 
und  senkt  sich  von  da  überall  bis  an  den  Meeresspiegel  nach  der  westlichen  Küste,  so  dass 
die  Breite  des  Landes  den  Grad  der  Neigung  bestimmt.  Auf  sechs  bis  acht  Meilen  wird 
dann  meistens  ein  gleichmäßiger  Fall  von  GO  bis  70  Fuss  vorhanden  sein.  An  anderen  Stellen 
beginnt  das  obere  Ende  in  einer  Einbuchtung  des  Hochlandes  mit  einem  flachen  See  oder 
Torfmoore. 

In  diesem  westlichen  Gebiete  sind  alle  Flussthäler  in  das  Blachfeld  des  alten  Alluviums 
eingeschnitten,  und  berühren  nur  an  sehr  vereinzelten  Stellen  das  Hochland  des  Diluviums 
selber.  Diese  Flussthäler  sind  mit  sandigen  und  moorigen  jüngeren  Alluvien  gefüllt,  in  denen 
der  Fluss  »eine  Serpentinen  eingeschnitten  hat,  die  er  von  Zeit  zu  Zeit  wechselt. 

In  den  beifolgenden  Figuren  ist  das  ideale  Profil  der  Lagerung  dieser  älteren  Alluvial- 
bildung zwiefach  gegeben,  in  Fig.  11  von  Norden  nach  Süden  im  Querschnitt  von  einem  Dilu- 
vialrücken nach  dem  anderen  Uber  ein  ostwestliches  Flussthal  hinüber,  in  Fig.  12  im  Quer- 
schnitt von  Osten  nach  Westen  von  der  Grenze  des  Hochlandes  bis  an  die  Meeresküste. 

Der  Abhang  des  Diluviums  gegen  dies  ältere  Alluvium  Ist  theils  eine  sanfte  Böschung, 
theils  ein  steiler  Abbruch  wie  eine  Meeresküste,  ein  sogenannter  Klint,  der  vielleicht  nirgends 
deutlicher  zu  sehen  ist,  als  bei  der  Ortschaft  Klint  im  Amte  Segeberg.  Da  nun  an  vielen 
Stellen  der  Niveauunterschied  nur  drei  oder  vier  Fuss  beträgt  und  beinahe  verschwinden 
kann,  so  muss  mafi  von  einer  ausgeprägten  Stelle,  wie  bei  Klint  ausgehend,  den  fortlaufenden 
Rand  des  Hochlandes,  auch  wo  er  niedrig  wird,  beobachten,  um  das  Auge  für  die  allgemeine 
Auffassung  dieser  Situation  zu  schärfen. 

Wenn  man  vergisst,  dass  meilenweite  horizontale  Ausdehnung  und  nur  vertieale  Niveau- 
unterschiede von  10  bis  20,  höchstens  70  oder  80  Fuss  in  Betracht  kommen , so  hat  man  ein 
genaues  Abbild  der  Verhältnisse  in  den  Gebirgsthälern,  wo  ebenfalls  das  Flussbett  mit  seinen 
neueren  Alluvionen  in  einer  älteren  Alluvion  eingebettet  ist,  während  diese  die  ganze  Breite 
des  Tbalgrundes  füllt.  Man  braucht  aber  nur  ein  Mal  gesehen  zu  Italien  wie!  klein  in  Nord- 


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Kig.  11.  |Idealprofil  d«a  alte  ran  Alluvium»  quer  Ober  «in  beliebige»  Klui»lha],  von  Süden  nach  Norden. 


bei  Bramstedt  in  Holstein. 


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deutschland  die  Bücken  des  Hochlandes  in  dem  unge- 
heuren Blachfelde  des  meilenbreiten  Alluviums  sind, 
um  den  Gedanken  an  eine  locale  Ausbildung  dieses 
Alluviums  gänzlich  aulzugeben  und  es  als  das  Resul- 
tat einer  allgemeinen  Meeresbedeckung  zu  erkennen. 
In  der  Thnt  haben  mich  die  mannigfaltigsten  Beob- 
achtungen dahin  geführt,  dass  dieses  ältere  Alluvium 
nicht  blos  gloichalterig,  sondern  sogar  vollkommen 
identisch  ist  mit  der  holländisch-belgischen  Campine 
und  der  mecklenburgischen  Haideebene.  Andere 
Zeichen  als  die  Allgemeinheit  der  Ablagerung  und 
die  Beschaffenheit  des  Niveau  hat  das  Meer  von  sei- 
ner Thätigkeit  und  seinem  Dasein  nicht  zuriiekge- 
lassen,  Petrefacten  kommen  nicht  vor,  aber  eine  Thal- 
ausfüllung, welche  bald  auf  100  Kuss  Breite  einge- 
sehniirtist  und  eine  Viertelmeile  weiter  drei  oder  vier 
deutsche  Meilen  breit  wird,  ohne  von  Bergen  über- 
ragt zu  sein,  konnte  nur  das  Meer  selber  bewirken. 

Die  Schichten  dieses  älteren  Alluviums  sind  völ- 
lig ungestört.,  und  da  der  Grad  der  Neigung  auf 
die  kleinen  Entfernungen  einer  Entblössung  überall 
verschwindet,  erscheinen  sie  horizontal  in  jeder  Rich- 
tung. Sie  bestehen  in  der  Nähe  des  Meeres  theil- 
weise  aus  dem,  wasForchhammor  „Sandmarsch“ 
genannt  hat,  in  den  oberen  Regionen  aus  Forch- 
hammer’s  „Haidesand“  und  einem  Theile  seiner 
„Ahlformation“,  vielfach  aus  einem  völlig  stein- 
freien  Sande,  daher  denn  auch  fast  alle  Biuneniands- 
diinen  oder  SandsclioUen  darauf  entstanden  sind. 

An  manchen  Stellen  Ist  der  Sand  bis  in  grosse 
Tiefen  humusreich,  vielfach  auch  mit  einer  ein  bis 
zwei  Fuss  mächtigen  versumpften  Torflago  über- 
deckt und  an  diesen  Stellen  die  eigentliche  Heimatli 
des  Raseneisensteins. 

Gerolle  und  Geschiebe  von  irgend  einer  Aus- 
dehnung wird  nicht  darin  gefunden.  Wo  dasselbe 
scheinbar  darin  verwebt  ist,  erkennt  man  bald  einen 
verschlissenen  Gipfel  des  darunter  liegenden  Dilu- 
viums. Meilenweite  Streeken  sind  ohne  jeglichen 
Stein,  wo  Steine  auftroten,  sind  es  meistens  Feuer- 
steine bis  zur  Grösse  eines  Tanbeneics,  aber  niemals 
in  ihrer  ursprünglichen  Knollenform,  sondern  mehr 

Archiv  für  Anthropologin,  Bd.  III.  Holt  I.  5 


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big.  13.  l'rolil  der  Umgebuug  der  Fuudstuttc  von  BiunisUdt. 


34  L.  Meyn,  Geognostische  Bestimmung  der  Lagerstätte  von  Feuersteinsplittern 


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oder  weniger  stumpfkantig  zerbrochen  und  in  den  Kanten 
etwas  durch  Wasser  geglättet,  meistens  bis  auf  '/»  der  Dicke 
braun  gefärbt  durch  Eisenoxyd  und  durch  humose  Infiltratio- 
nen in  die  scheinbar  so  dichte  Substanz. 

Dieses  Abgerundete  und  diese  braune  Farbe  fehlte  an  den 
dünnen  Feuersteinsplittern  die  liier  in  Rede  stehen , und  das 
würde  mich  veranlassen,  die  Richtigkeit  des  Fundortes  in  Zwei- 
fel zu  ziehen,  hätte  ich  nicht  die  Schicht,  in  der  sie  gelegen, 
selber  gesehen,  und  die  ganze  Schicht  dieses  sonst  ziemlich 
allgemein  durchstehenden  Charakters  der  Formation  entklei- 
det gefunden. 

Flintmesser  können  nur  aus  den  grossen  kernigen  Feuer- 
steinknollcn  gespalten  werden,  die  in  ihrer  ursprünglichen 
Form  fast  unversehrt  im  Gletscherdiluvium  liegen,  und  haben 
im  Allgemeinen  nur  sehr  geringe  Aelmlicbkeit  mit  den  stumpf- 
winkeligen Stücken  des  älteren  Alluviums,  was  den  Irr- 
thum in  der  Bedeutung  der  gefundenen  Objecte  völlig  aus- 
scliliesst. 

In  der  Nähe  von  Bramstedt  oben  unterhalb  des  Flusses 
selbst  treten  zwei  Bäche  zur  Bildung  der  Brame  zusammen. 
Die  oberhalb  und  weiter  nach  unten  ausserordentlich  grossen 
Entfernungen  der  Diluvialhöhcn  betragen  hier  oben  unter- 
halb des  Zusammenflusses  kaum  eine  Vicrtelmeile,  und  die 
Höhe  Ist  beträchtlich,  auf  (»0  oder  70  Fass  zu  schätzen. 

Dieser  ganze  Zwischenraum  Ist  erfüllt  durch  ein  älteres 
Alluvium,  welches  in  dieser  Enge  etwas  mehr  von  der  horizon- 
talen Oberfläche  abweicht  als  sonst  und  Niveauunterschiede 
von  vier  oder  fünf  Fuss  in  nicht  grossen  Entfernungen  zeigt, 
flache  Hügelwellen  bildend.  Die  Erhebung  dieses  Terrains 
über  den  Wasserspiegel  des  Flusses  beträgt  9 bis  12  Fuss  in 
der  Nähe  desselben,  in  der  Nähe  der  Höhenränder  sichtlich 
etwas  mehr.  Das  in  dem  älteren  Alluvium  eingeschnittene 
Flussthal,  vielleicht  durchschnittlich  100  Schritt  breit,  ist  mit 
sandigen  Moorwiesen  erfüllt,  die  sich  etwa  zwei  Fuss  über 
den  gewöhnlichen  Wasserspiegel  erheben,  aller  oftmals  über- 
schwemmt werden. 

Eben  unterhalb  der  Vereinigung  beider  Bäche  hat  nun 
der  Herr  Paus ti an  dem  Flusse  durch  Abgrabung  einen  etwas 
südlicheren  Lauf  gegeben  und  hat  für  diesen  Zweck  nicht 
blos  das  neuere,  sondern  auch  das  ältere  Alluvium  ange- 
schnitten. Dasselbe  hatte  auch  schon  sein  Vorwohner  gethan, 
er  aber  ist  noch  8 Fuss  weiter  südlich  gegangen  und  hat  dabei 


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bei  liramstedt  in  Holstein.  35 

ersichtlich  vollkommen  unberührte  Schichten  des  älteren  Alluviums  abgegrahen,  welche  jetzt 
der  Fluss  benagt. 

Ich  Hess  eine  kleine  Wand  abstechen,  und  erkannte  die  Ursprünglichkeit  der  Schichten. 

Zu  oberst  liegen  zwei  Kuss  sandiger  Haidehumus,  darunter  drei  Fuss  rothbrauner  grober 
Sand,  dessen  Färbung  von  einer  tausendjährigen  Haidevegetation  auf  der  Oberfläche  herrührt. 

Darunter  liegt,  bis  unter  das  Niveau  des  Wassers  reichend,  ein  grober  Steingrand,  weisser 
von  Farbe  und  scharfkantiger  als  ihn  diese  Formation  sonst  zu  fuhren  pflegt. 

In  dieser  Schicht  sind  die  Alterthümer  gefunden. 

NachträgUch  hat  man  dergleichen  in  demselben  Niveau  noch  an  mehreren  benachbarten 
Plätzen  auch  jenseits  des  Flusses  gefunden,  wodurch  die  Wahrscheinlichkeit  eines  Irrthums 
noch  wesentlich  geringer  wird,  auch  soll  die  Untersuchung  der  Sache  fortgesetzt  werden,  und 
wird  man  in  anderen  Gegenden  des  Landes  vergleichend  dasselbe  Niveau  im  Auge  haben. 

Da  ohne  eine  allgemeine  Meeresbedeckung  dieses  ältere  Alluvium  nicht  entstanden 
sein  kann  und  seine  Mächtigkeit  oberhalb  Brams tedt  durch  Salzbobrungeo  als  sehr  bedeutend 
erkannt  worden  ist,  so  wird  man  es  imnter  noch  als  einen  höchst  seltenen  Glücksfall  betrach- 
ten müssen,  dass  diese  Sachen  gefunden  wurden,  und  wird  auch  nicht  jedes  Zweifels  ganz 
ledig,  bis  weitere  Bestätigungen  kommen. 

Wenn  aber  bei  irgend  einem  Leser  noch  Zweifel  au  dem  hohen  Alter  dieser  Ablagerung 
kommen  sollten  und  die  tief  eingedrungene  Haidevegetationsfarbe  dieselben  nicht  zerstört , so 
darf  ich  zur  Charakteristik  derselben  noch  erwähnen,  dass  einige  hundert  Schritt  von  der 
Fundstelle  zwei  kleine  Hünengräber  und  eine  halbe  Meile  näher  nach  der  Eisenbahnstation 
Wrist  zwei  grosse  Hünengräber  auf  der  Oberfläche  derselben  Formation  eirichtet  sind. 


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IV. 


Die  Cultur  der  Bronzezeit. 

Kritiken  und  Antikritiken 

von 

Dr.  F.  WibeL 


Die  Resultate,  welche  ich  in  meiner  Schrift  über  den  obigen  Gegenstand  (Kiel  1865)  ver- 
öffentlichte, sind  von  verschiedenen  Gelehrten,  am  ausführlichsten  von  Herrn  v.  Cobaasen 
in  dem  dritten  Heft  des  ersten  Bandes  dieses  Archivs  besprochen  und  beurtheilL  Gegen- 
über den  mannigfachen  in  diesen  Kritiken  enthaltenen  Angriffen1)  wird  man  es  für  verzeih- 
lich halten,  wenn  ich  mich  nach  Kräften  zu  vertheidigen  suche,  um  so  mehr,  da  ich  mich  nach 
reiflichster  Prüfung  nicht  veranlasst  sehe,  von  meinen  früheren  Ansichten  abzugehen. 

Chemischer  Theil. 

Gestattet  man  überhaupt  der  Chemie,  bei  der  Untersuchung  über  unseren  Gegenstand 
ein  Wort  mitzureden,  so  ist  der  von  allen  Fachgenossen  anerkannte  Grundsatz  als  leitender 
voranzustellen,  dass 

1)  die  Lösung  der  eigentlich  antiquarischen  Fragen  lediglich  durch  die  Nebenbestand- 
theile  der  Bronzen  und  anderen  Stoffe  zu  erzielen  sei. 

Wenn  mir  Herr  v.  Cohausen  dabei  vorwirft,  dass  ich  „Uber  das  Ziel  hinausschiesao“, 
so  kann  ich  demselben  mir  erwidern,  dass  er  den  Ort  und  den  Zusammenhang,  wo  und  in 
welchem  ich  jenen  Satz  gab,  ganz  ausser  Acht  gelassen  hat.  Denn  dass  hier  nur  von  derje- 
nigen „Lösung“  die  Rede  sein  kann,  welche  überhaupt  in  das  Bereich  chemischer  Erörterung 


!)  Die  einzige  mir  bekannt  gewordene  Zustimmung  ist  diejenige  eines  ungenannten  Reeenoenten 
land“,  1B«6,  S.  418  ff. 


<m  „Aue- 


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38 


F.  Wibel, 


fallt,  und  dass  es  mir  weder  an  dieser  noch  irgeud  einer  anderen  Stelle  in  den  Sinn  gekom- 
men ist,  „die  Chemie  allein  zu  dieser  Losung  für  befähigt“  zu  erklären,  wird  jeder  unbefan- 
gene Leser  auf  fast  jeder  Seite  meines  Schriftcliens  ausgesprochen  finden. 

Betrachten  wir  mit  Befolgung  jenes  Principes  die  vorliegenden  Analysen,  zunächst  der 
alten  Bronzen,  so  ergiebt  sich  die  nicht  bezweifelte  und  auch  unanfechtbare  Thatsache; 

2)  die  zur  Herstellung  der  alten  Bronzen  verwendeten  Erze  waren  Zinnstein  und  kie- 
siges (schwefelhaltiges)  Kupfererz;  und  die  Gewinnung  des  Letzteren  setzt  einen  aus- 
gedehnteren Grubenbergbau  voraus. 

Wenn  man  aber,  an  der  Hand  metallurgischer  Erfahrungen  der  Gegenwart,  die  Beschaffen- 
heit der  Bronzemischung  weiter  prüft,  so  gelangt  man  zu  der  Ansicht: 

3)  Die  Bronze  ist  nicht  durch  Zusammenschmelzen  der  beiden  vorher  vorhandenen  Me- 
talle (Kupfer  und  Zinn),  sondern  durch  gemeinsames  Niederschmelzen  der  beiden 
Erze  dargestellt  worden. 

Die  Art  und  Menge  der  Ncbenbestandtheile,  das  Schwanken  in  den  Quantitäten  der 
Hauptbrstandtheile  (Kupfer  und  Zinn)  sowohl  in  BUcksicht  der  Länder  als  der  Art  der  Gegen- 
stände, der  Charakter  des  „Kupfers“  in  den  „kupfernen“  Fundstücken,  die  merkwürdige 
Uebereinstimmung  mancher  Mischungen  mit  Hüttenprodukten  heutiger  Zeit  und  andere  in 
meiner  Schrift  näher  angeführte  Gründe  haben  zu  jener  Folgerung  die,  wie  ich  glaube,  genü- 
genden Beweise  geliefert  Audi  Herr  v.  Coliausen  hat  gegen  dieselbe  Nichts  einzuwenden; 
aber  in  seinem  Streben,  da  wo  er  mit  meinen  Schlüssen  Ubereinstimmt,  doch  meiner  Beweis- 
führung ein  Dementi  zu  geben,  sieht  er  die  Belege  in  Dingen,  die  theils  ungenügend,  theils 
gradezu  irrig  sind.  Denn  die  blosse  Thatsache,  dass  der  Zinnstein  eine  ziemliche  Hitze  erfor- 
dert, um  bei  der  Reduction  metallisches  Zinn  zu  liefern,  und  dass  dieses  sich  leicht  wieder 
oxydirt,  kann  gewiss  keinen  hinreichenden  Grand  für  jene  immerhin  eigenthiimliche  Schluss- 
folgerung bieten.  Und  wenn  er  den  noch  „schlagenderen"  Fall  des  Zinkes  bei  den  Römern 
für  einen  solchen  ansieht,  so  irrt  er,  wie  ihm  jeder  Metallurg  sagen  wird,  einmal,  indem  er 
die  Gewinnung  des  letzteren  für  „weit  leichter“  erklärt,  „schlägt“  sich  aber  zweitens  selbst, 
weil  grade  den  Römern  das  Zinn  sehr  wohl,  das  Zink  aber  nicht  bekannt  war*).  Ebenso 
haltlos  ist  der  Vorwurf  des  Herrn  v.  Coliausen  in  Bezug  auf  das  Vorkommen  der 
Kupfer-  und  Zinnerze  in  Eugland.  Es  kommt  bei  meiner  Beweisführung  nicht  darauf  an, 
dass  und  ob  in  einem  Gebirge  heutzutage  beide  Erze  gefunden  und  ausgebeutet  werden,  son- 
dern auf  die  Art  der  Vergesellschaftung  beider  miteinander  und  auf  den  Umfang,  in  dem  man 
dieser  Association  begegnet.  Denn  nur  dadurch  lässt  sich  ein  in  der  Natur  begründeter  Stütz- 
punkt für  die  behauptete  Bronzedarstellung  gewinnen.  Jeder  Mineraloge  winl  aber  Herrn 
v.  Coliausen  bezeugen,  dass  im  südlichen  England  die  Verbindung  genannter  Erze  eine  weit 
innigere  ist  und  in  weit  umfassenderem  Grade  besteht,  als  im  Erzgebirge.  Deutlich  genug 
habe  ich,  um  diese  Besonderheit  hervorzuheben,  von  einer  „natürlichen  Vermengung“  (S.  3ti) 

*)  Wir  bedauern  bei  dieser  Beschwerde  de»  Herrn  Verfassers  über  irrige  Beurtheiluog  seiner  Satze,  mehr- 
fach einer  gleich  unrichtigen  Auffassung  der  Ausdrücke  des  Herrn  v.  Cohausen  zu  begegnen.  Dem  Schlüsse 
des  obigen  Satzes  nzeh  sollte  man  glauben,  der  Letztere  habe  behauptet,  den  Hörnern  sei  das  Zink  bekannt 
geweaen.  Derselbe  sagt  aber  Seite  325,  Band  I.  des  Archivs,  nur,  „dass  das  Zink  den  Römern  nicht  re- 
guliniech  bekannt  war,  obgleich  eie  den  Galmei,  Cadmia  znr  Messingbereitung  verwandten,  was  seine  volle 
Richtigkeit  hat“.  Anmerkung  der  Redaction. 


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Die  Cultur  der  Bronzezeit. 


311 

und  von  einer  „Verunreinigung“  (S.  41)  gesprochen;  aber  Herr  v.  Cohausen  lässt  mich  statt 
dessen  sagen:  „Kupfererze  und  Zinnstein  finden  zusammen  sich  einzig  und  allein  in  England“, 
um  dann  gegen  diese  von  mir  nie  gemachte  Behauptung  seine  Angriffe  zu  richten. 

Jedenfalls  stimmt  Herr  v.  Cohausen  mit  mir  in  der  Hauptsache  überein  und  wird  darum 
auch  die  Tragweite  derselben  würdigen.  Diese  liegt  erstens  darin,  dass  nunmehr  die  Crux 
der  meisten  Archäologen,  das  Fehlen  eines  Kupferalters,  aus  dem  Wege  geräumt  ist,  da  ja  die 
gesonderte  Existenz  des  Kupfers  für  die  Bronzedarstellung  als  überflüssig  erscheint  Zweitens 
ergiebt  sich  im  Zusammenhang  mit  anderen  Beobachtungen  die  allgemeinere  Folgerung  für 
unsere  nord-  und  mitteleuropäischen  Länder,  dass  die  Reihenfolge  der  in  ihnen  benutzten 
Metallstoffe  die  folgende  ist:  Gold,  Bronze,  Kupfer,  Zinn,  Blei,  Silber,  Eisen.  Die  Ein  wände, 
welche  Herr  Professor  v.  Cotta1)  hingegen  erhebt,  sind  durchaus  hinfällig.  Ich  muss  dies 
mit  um  so  grösserem  Bedauern  aussprechen,  als  Herr  v.  Cotta  einer  der  wenigen  Fach- 
genoasen ist,  welcher  sich  mit  unserem  Gegenstände  beschäftigt  und  daher  zu  einem  einfluss- 
reichen Urthoil  befähigt  wäre.  Wenn  aber,  wie  er  meint,  ein  in  einem  Pfahlbau  neben  ande- 
ren Dingen  gefundener  Zinnbarren  ohne  weiteres  die  Gleichaltrigkeit  oder  gar  das  grössere 
Alter  des  Zinnes  nachweisen  und  damit  obige  Anschauung  widerlegen  soll,  so  sind  mit  einem 
Schlage  alle  archäologischen  Fundamente  Uber  don  Haufen  geworfen.  Die  „leichtere  Gewinnung 
des  Zinns  aus  Seifenlagem  im  Vergleich  aus  Gängen“,  welche  Herr  v.  Cotta  als  weiteren  Grund 
für  die  frühere  Kenntniss  dieses  Metalles  anführt,  kommt  hier  aber  gar  nicht  in  Betracht,  da 
erstens  der  Abbau  von  Gängen  auch  von  mir  keineswegs  angenommen  wird,  zweitens  aber 
wie  oben  berührt,  die  Kenntniss  des  Erzes  noch  durchaus  nicht  diejenige  des  Metalles  invol- 
virt.  Gewiss  hat  man  umgekehrt  das  gediegene  Metall,  wo  es  sich  fand,  „früher  benutzt“  als 
seine  Erze;  aber  Herr  v.  Cotta,  welcher  dies  für  das  Kupfer  unserer  Bronzen  aufrecht 
erhält,  lierücksichtigt  weder  das  verhältnissmässig  sparsame  Auftreten  desselben  in  gediegener 
Form,  noch  vor  Allem  die  thatsächlichen  Analysen-Ergebnisse,  welche  eine  Anwendung  nur 
des  gediegenen  Kupfers  mit  fast  mathematischer  Sicherheit  ausschliessen.  Auch  darin  endlich 
— um  dies  sofort  zuorwähnen  — irrt  Herr  v. Cotta,  wenn  er  sagt,  ich  sei  bei  meinen  Unter- 
suchungen von  der  Annahme  des  heimischen  Ursprunges  ausgegangen ; vielmehr  hat  mich  der 
entgegengesetzte  Weg  zu  der  letzteren  erst  geführt. 

Wenn  ich  deshalb  gegenüber  diesen  Einwüri'en  *)  die  Ansicht  festhalten  muss,  dass: 

4)  das  sich  findende  Kupfer  und  Zinn  höchstens  gieichalterig,  wahrscheinlich  aber  jünger 
sind  als  die  Bronze, 

so  gilt  dasselbe  von  den  Behauptungen,  dass 

5)  bei  den  durch  die  Analyse  festgestellten  Mengenverhältnissen  der  Hauptbestandtheile 
(Kupfer  und  Zinn)  durchaus  jedwede  Absicht  gefehlt  habe,  und  dass 

6)  der  Bronze  der  Bronze-  und  frühen  Eisenzeit  ausser  Kupfer  und  Zinn  keine  anderen 
Metalle  zugesetzt  sind. 

Zwar  bekämpft  mich  Herr  v.  Cohausen  bezüglich  des  ersteren  Satzes,  aber  wiederum 


-}  Geologie  der  Gegenwart.  Leipzig  IÖG0,  $.  24R  — aj  Sehr  lebhaft  beklage  ich  es,  dass  Herr  Desor  in 
«einer  Schrift  über  die  Pfahlbauten  de«  Neuenburger  See»  anf  diesen  Punkt  gar  keine  Riicluicht  genommen 
hat. 


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40 


F.  Wibel, 


nur,  indem  er  mir  ganz  andere  Worte  unterschiebt.  Denn  es  ist  mir  nicht  eingefallen,  zu 
behaupten,  „dass  bei  dem  unmittelbaren  Zusammenaufbereiten  der  beiderseitigen  Erze  durch- 
aus jede  Absicht  gefehlt  habe“.  Im  Uebrigen  liestehen  seine  Einwände  in  verschiedenen 
„Möglichkeiten“,  mit  denen  sich  die  Archäologen  so  gerne  abgeben , die  aber  einer  natur- 
wissenschaftlichen Methode  gegenüber  keinen  Werth  besitzen  *).  Seine  Bedenken  gegen  den 
zweiten  Satz,  die  er  dem  Glauben  entnimmt,  dass  eine  Kenntniss  griechischer,  etruskischer 
und  römischer  Bronzen  zu  einem  anderen  Schlüsse  führten,  werde  ich  später  beleuchten. 

Am  wenigsten  Anfechtung  sowohl  von  Seiten  des  Herrn  v.  Cohausen  als  anderer 
Forscher  haben  die  Schlussfolgerungen  erfahren: 

7)  Die  Verarbeitung  der  Bronze  zu  Gegenständen  erfolgte  theils  durch  Guss,  theils  durch 
Schmieden  und  Ziehen  unter  Anwendung  des  d'Arcet’schen  Abläschvorfahrens. 

8)  Der  Darstellungsprocess  der  Bronzen  aller  Länder  war  der  gleiche. 

Mindestens  kann  ich  die  Monituren,  welche  Herr  v.  Cohausen  auch  bei  dieser  Gelegen- 
heit macht,  auf  sich  beruhen  lassen.  Von  grösserem  Gewichte  scheinen  dicsellxsn  bei  den 
weiteren  Untersuchungen  über  den  Ort  der  Darstellung  der  Bronzen  zu  werden,  um  so  mehr 
als  er  hier  von  mehreren  Gelehrten  Unterstützung  findet. 

Die  Beweise  für  die  beiden  ersten  Schlüsse: 

9)  Die  technische  Verarbeitung  der  Bronze  zu  Gegenständen  hat  in  den  Einzelländeru 
stattgefunden  und 

10)  Einige  Beobachtungen  scheinen  dafür  zu  sprechen,  dass  die  Verschmelzung  des  Erz- 
gemenges zu  Bronze  innerhalb  unseres  nordeuropäischen  Landergebietes  stattgefunden 
habe; 

beruhen  wesentlich  auf  den  Ergebnissen  der  Ausgrabungen.  Die  Funde  von  Bronze-  und 
Kupferklumpen  und  -Barren,  von  halbfertigen  Gegenständen,  Gussstätten,  Schlacken,  Graphit- 
tiegeln etc.  in  allen  jenen  Ländern  bekunden,  dass  obige  Sätze  nur  der  einfache  Ausdruck  des 
Thatsäch liehen  sind.  Ich  muss  es  Alterthumsforschern  überlassen,  alle  einzelnen  Orte  solcher 
Funde  namhaft  zu  machen  und  durch  die  Anzahl  und  Ausdehnung  derselben  die  gesuchten 
und  willkührlichen  Deutungen,  denen  sie  ausgesetzt  wurden,  bündig  zu  widerlegen.  Wenn 
aber  Herr  v.  Cohausen,  obgleich  er  alle  diese  Thatsachen  „sehr  wohl“  kennt,  sich  wieder 
in  «las  Bereich  der  „Möglichkeiten“  begiebt  und  meine  Behauptung  „eine  auf  die  Spitze 
gestellte“  nennt,  während  er  von  „Feuersbrünsten“,  „Einschmelzung  alter  zerbrochener  Gegen- 
stände «lureh  wandernde  Kesselflicker“  etc.  spricht,  so  muss  ich  meine  Unlust  bekennen,  mit 
ihm  hierüber  zu  disputiren  ♦*).  Gegenüber  einigen  seiner  Kinwände,  die  in  ähnlicher  Weise  auch 


*)  Die  Archäologen  geben  lieh  nicht  mehr  grade  mit  -Möglichkeiten“  ab  ale  die«  auch  von  Seiten  anderer 
Forscher  geschieht  Bei  aller  Achtung  vor  der  -naturwissenschaftlichen  Methode*  scheint  o*  ans  doch,  daee 
dieselbe  eine  recht  freie  Bewegung  auf  dem  Gebiete  der  Möglichkeiten  zulasae , wie  aua  dem  zweiten  Theiie  der 
Schrift  det  Herrn  Verfasse«  zu  erzehen.  Aber  auch  im  Hereicht'  der  Naturforschung  eelbzt  lasst  ja  ein  jeder 
Fortachritt  dieaer  Wissenschaft  ganze  Reihen  von  scheinbar  gesicherten  Ansichten  als  das  Resultat  verfehlter 
Möglichkeitaberechnungen  erscheinen.  Anmerkung  der  ltedaction. 

**)  Nichtsdestoweniger  können  wir  nicht  umhin  den  Herrn  Verfasser  in  Bezug  »einer  auf  den  -Ergebnissen 
der  Ausgrabungen“  beruhenden  Behauptungon  um  gefällige  Beachtung  dea  in  dem  dritten  Hefte  des  zweiten 
Bandes  unseres  Archivs  besprochenen  Fundes  einer  solchen  sobr  umfangreichen  Erzgussstätte  zu  ersuchen, 
and  seiner  allerdings  berechtigten  Geringschätzung  gegenüber,  doch  einigermaassen  den  unscheinbaren  aber 
nützlichen,  sowohl  den  Germanen  als  den  erzkundigen  Galliern  erweislich  recht  willkommenen  Geschäfts. 


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Die  Cultur  der  Bronzezeit 


41 


von  Herrn  Desor  und  von  Herrn  Professor  Petersen  *)  erhoben  werden,  will  ich  nur  wieder- 
holt darauf  aufmerksam  machen,  dasR  sehr  viele  der  alten  Bronzen  theils  ganz,  theils  vorwie- 
gend durch  Hämmern  und  Ziehen  dargestellt  wurden.  Bei  den  letzteren  (viele  Schwerter,  die 
dünnen  Messer,  Dolche,  Armspangen  etc.)  beschränkte  sich  der  Guss  aul  die  Herstellung  der 
ganz  groben  Gestalt  oder  gar  nur  einfacher  Platten  und  Stangen  und  geschah  dann  sicherlich 
nur  in  Sandformen.  Hätte  man  diesen  (S.  95  meines  Schriftchens)  bereits  hervorgehobenen 
Umstand  beachtet,  so  würde  man  nicht  behauptet  haben,  dass  das  Fehlen  von  Gussnähten  an 
den  feineren,  künstlicheren  Gegenständen,  dass  die  „Beschränkung  von  Gussformen  auf  Bronze- 
keile (Gelte),  Schwerter  (aber  nicht  aller  Arten)  und  einige  gewöhnliche  Schmucksachen“,  wie 
dies  Herr  Petersen  meint,  Beweise  gegen  meinen  Ausspruch  seien.  Was  eben  nicht  oder 
nur  ganz  roh  in  vergängliche  Formen  gegossen,  vorwiegend  aber  mechanisch  bearbeitet  wurde, 
konnte  weder  Gussnähte  noch  Gussfbrmen  hinterlassen! 

Dass  die  Beweise  für  den  zweiten  obigen  Satz  noch  unzureichend  und  eingehendere 
Forschungen  nijthig  sind,  habe  ich  nicht  minder  selbst  anerkannt,  als  ich  auch  auf  mehreren 
Seiten  ausführlich  die  Schwierigkeiten,  Complicationen  und  Unsicherheiten  in  Ursachen  und 
Wirkungen  auseinander  setzte,  welche  sich  der  dritten  und  wichtigsten  Frage  entgegenzu- 
stellen  scheinen: 

Es  handelt  sich  um  die  Bestimmung  des  Ursprungsortes  der  zu  den  Bronzen  verwen- 
deten Erze.  Ich  komme  hierüber  zu  den  Folgerungen : 

11)  Das  zur  Bronze  verwendete  Zinnerz  wurde  hauptsächlich  in  England  (Cornwall), 
vielleicht  auch  später  im  Erzgebirge  (Sachsen- Böhmen)  gewonnen;  und 

12)  Die  im  Allgemeinen  herrschende  Aehnlichkeit  zwischen  dem  Kupfer  der  Bronzen  der 
Einzelländer  und  den  noch  heute  in  denselben  aus  inländischen  Erzen  gewonnenen 
Kupfersorten  lässt  mit  Wahrscheinlichkeit  vermuthen,  dass  die  zu  den  Bronzen  nöthi- 
gen  Kupfererze  aus  eben  jenen  inländischen  Erzi|uellen  gewonnen  worden  sind. 

Der  erste  dieser  Sätze  wird  kaum  angefochten  werden.  Herr  v.  Cohausen,  welcher 
sofort  wieder  „nach  Ophir“  (Ostindien),  „als  der  nächsten  Zinngrube“,  segelt,  wird  mich  ent- 
schuldigen, wenn  ich  ihn  auf  dieser  doch  immerhin  etwas  langen  Fahrt  nicht  begleite. 

Die  zweite  Behauptung  ist  der  eigentliche  Cardinalpunkt  Die  Beweise  dafür  suchte  ich 
einmal  in  den  thatsächlichen  Spuren  uralten  Bergbaues,  sodann  in  der  chemischen  Constitu- 
tion der  Bronzeobjecte  resp.  des  Kupfers  derselben  im  Vergleich  mit  dem  Kupfer  heutiger 
Zeit.  Die  Nebenbestandtheile  jener,  als  die  das  Kupfer  charakterisirenden,  geben  hiefür  das 
Material;  aber  es  ist  eine  nicht  leichte  Mühe,  sich  aus  demselben  ein  deutliches  und  richtiges 
Bild  der  Erzbeschaffenheit  zu  entwerfen.  Herr  Desor,  welcher  zu  einem  sachverständigen 
Urtheile  so  sehr  befähigt  gewesen  wäre,  enthebt  sich  leider  dieser  Arbeit,  indem  er  die  ver- 
geblichen Versuche  des  Herrn  v.  Fellen b erg  bezüglich  des  Nickels  für  entscheidend  hält 

betrieb  jener  „Kesselflicker“  in  Schutz  zu  nehmen,  welche  mit  dieser  Arbeit  zugleich  den  Aufkanf  zer- 
brochener Erzgerithe  und  d»«  Giessen  einfacher  Erzgerithe  zu  verbinden  wussten,  wie  wir  dies  schon  früher 
aus  ähnlichen  Funden  nachgewiesen  und  neuerdings  hei  persönlicher  Untersuchung  der  Bronzen  von  Lons- 
le-Saunier,  im  Masse  van  St.  Germain,  vollständig  bestätigt  gefunden  haben.  Auf  die  „bündige  Wider- 
legung dieser  unserer  willkürlichen  Deutung“  von  Seiten  der  Altertbumsforechung  warten  wir  bereits  acht 
Jahre.  Anmerkung  der  Redaction. 

*)  Göttinger  Gelehrt.  Anzeig.  1806,  Stück  08. 

Archiv  ftr  Anthropologie.  Bd.  III.  lieft  I,  f) 


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42 


F.  Wibcl, 


und  meine  Bemerkungen  darüber  nicht  beachtet.  Die  Angriffe  des  Herrn  v.  Cohausen  aber 
treffen  die  Sache  nicht,  und  geben  wie  viele  andere  seiner  Aeusserungen,  ein  Zeugnis*  dafür, 
dass  ihm  das  Verständnis»  für  die  von  mir  befolgte  Methode  ganz  und  gar  fehlt.  Denn 
wenn  er  warnend  einwendet,  dass  man  „die  in  Oesterreich  gefundenen  Bronzen  nicht  an 
die  Stelle  der  in  Oesterreich  erzeugten  Bronzen  setzen“  dürfe,  und  wenn  er  die  Aehnlichkeit 
dm  Bronzen -Kupfers  und  des  heutigen  Hütten- Kupfers  eines  Landes  zugestanden,  auseinander- 
setzt, dass  dennoch  die  Bronze  iniportirt  sein  könne,  da  es  „von  Vornherein  wahrscheinlich 
sei,  dass  die  Bronzefabriken,  welche  mit  einem  Lande  der  Erzgewinnung  wegen  in  Verkehr 
standen,  auch  dorthin  als  Rückfracht  und  Tausehwaare  ihre  Bronze  absetzten“,  — so  ist  er 
es,  welcher  an  die  Stelle  der  nüchternen  Forschung  sofort  wieder  Hypothesen  einschaltet,  die 
auf  einen  materiellen  Beweis  Für  oder  Wider  ohne  Weiteres  verzichten  müssen*).  Seine  fer- 
nere Behauptung,  aus  den  von  einander  abweichenden  Analysen  zweier  Fundobjecte  desselben 
Ortes  müsse  auf  einen  ganz  verschiedenen  Erzeugungsort  des  einen,  also  auf  Import  geschlos- 
sen werden,  zeigt,  dass  er  eben  nicht  weiss,  wie  dass  auch  heute  auf  einer  und  derselben  Hütte 
aus  denselben  Erzen  erhaltene  Kupfer  keineswegs  eine  constante,  und  namentlich  in  den  hier 
in  Betracht  kommenden  Neiienbestandtheilen  unveränderliche  Zusammensetzung  besitzt.  Viel- 
mehr giebt  auch  da  erst  der  Durchschnitt  mehrerer  Analysen  da»  richtige  Gesammtbild  der 
verschmolzenen  Erze.  Auf  demselben  Missverständnisse  der  eigentlichen  Frage  und  der  zu 
ihrer  Lösung  brauchbaren  Methode  Imruhen  die  Wünsche  des  Herrn  v.  Cohausen  Uber  den 
Vergleich  unserer  Bronzen  mit  den  griechischen,  etruskischen  und  römischen,  deren  selbstver- 
ständlichen Ausschluss  meinerseits  er  ebenso  tadelnd  hervorhebt,  wie  er  denselben  für  ein 
„imbedingtes  Erforderniss“  erklärt.  Nur  wenn  sich  in  jenen  Bronzen  die  beigemengten  Metalle 
(Blei,  Zink,  Silber  etc.)  ohne  Ausnahme  in  solcher  Menge  vorfanden,  dass  sic  absichtlichen 
Zusatz  verriethen,  dann  könnte  aus  ihrem  Auftreten  oder  Fehlen  auf  eine  Beziehung  ihrer 
Verfertiger  zu  einander  irgend  etwas  geschlossen  werden.  Weder  in  unseren  Bronzen,  noch 
in  denen  des  Orients  und  der  Mittelmeervölker  ist  dies  aber  der  Fall,  wie  Herr  v.  Cohau- 
sen aus  den  früheren  Analysen  von  Göbel,  Phillips,  Gcnth  u.  A.  und  den  neueren  des 
unermüdlich  thätigen  Herrn  v.  Feilenberg  ersehen  kann.  Demnach  würden  wir  auf  einen 
Vergleich  in  den  Nebenbestandtheilen  Imschränkt  sein.  Und  dieser  muss  aus  zweierlei  Grün- 
den von  Vornherein  resultatlos  bleiben.  Erstens  fehlen  uns,  wie  Herr  v.  Cohausen  selbst 
bedauert,  genaue  Notizen  nicht  nur  über  die  Fundstätten,  sondern  noch  weit  mehr  über  den 
chemischen  Charakter  von  Kupfer-  und  Zinnerzen  „im  Bereich  der  MittelmcerschiflTahrt“,  und 
wir  würden  also  niemals  auf  einen  bestimmten  Ursprungsort  zuriickschliessen  können.  Zwei- 
tens aber  giebt  es  in  den  verschiedensten  Welttheilen  so  viele  Erzlagerstätten  mit  überein- 
stimmendem Charakter,  dass,  selbst  wenn  jener  eratere  Rückschluss  möglich  und  damit  z.  B. 
eine  Tömische  Bronze  als  inländisches  Fabrikat  nachgewiesen  wäre,  eine  mit  dieser  ganz 
übereinstimmende  alte  Bronze  aus  England  doch  sehr  wohl  ebenfalls  einheimisches  Product 


•)  Wir  denken,  die  nüchterne  Forschung’  hat  die  analogen  Handels-  und  Fabrikverhältnisae  der  jetrigen 
Zeit  bei  der  Beurteilung  der  ältesten  eben  so  gut  in  Betracht  zu  ziehen  als  die  materiellen  Bewcite  au» 
dem  Stoffe  und  der  Form  der  Fabrikate. 

Anmerkung  der  Rcdnction. 


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Oie  Cultur  der  Bronzezeit. 


43 


ist.  Nicht  allein  also,  dass  wir  uns  durch  das  Hereinziehen  griechischer  eto.  Brpnzen  unsere 
Aufgabe  bis  zur  Unmöglichkeit  einer  Lösung  erschweren,  würden  wir  trotzdem  niemals  ein 
positives  Resultat  erzielen;  eine  Erkenntniss,  welche  Herrn  v.  Cohausen,  wenn  er  sie  jetzt 
gewonnen  hat,  nur  die  Alternative  übrig  lässt,  entweder  dem  chemischen  Vergleiche  mit 
„classischen“  Bronzen  oder  Überhaupt  einer  Aufklärung  durch  chemische  Untersuchungen  zu 
entsagen ').  Mit  Letzterem  aber  wäre  Nichts  gewonnen  und  Vieles  verloren ! 

Für  diejenigen  vorurtheilsfreien  Forscher,  welche  diesem  Wahlspruche  nicht  huldigen,  wird 
es  aus  dem  Vorigen  verständlich  geworden  sein,  dass  es  in  erster  Linie  darauf  ankommt,  uns 
aus  den  Nebenbestandtheilen  ein  Bild  des  Erz-Charakters  zu  construiren,  und  in  zweiter  Linie 
darauf,  dieses  mit  den  Erzen  der  zunächst  liegenden  Gebirge  zu  vergleichen,  und  erst  dann 
in  immer  weiteren  Kreisen  zu  suchen,  wenn  jene  zur  Erklärung  nicht  genügen.  Die  erste 
Aufgabe  wird  nur  durch  ein  Zusammenfassen  vieler  Bronzeanalysen  ermöglicht,  und  die  letz- 
tere setzt  eine  geographische  Sonderung  derselben  nach  Fundstätten  voraus ; — somit  ist  die 
statistische  Uebersicht  nach  den  Einzelländern  der  einzig  richtige  Forsch ungs weg.  Ich  habe 
eine  solche  aus  dem  vorhandenen  Material  zu  geben  versucht;  und  wenn  ich  selbst  mehrfach 
aussprach,  dass  dieses  noch  recht  mangelhaft  und  wenig  umfangreich  sei,  so  kann  ich  doch 
weder  Herrn  v.  Cohausen  noch  Herrn  Petersen  deshalb  das  Rechtzugestehen,  die  erhalte- 
nen Folgerungen  pure  zu  verwerfen.  Wie  weit  ich  selbst  noch  von  absoluter  Sicherheit  ent- 
fernt bin,  zeigt  die  Fassung  obigen  Hauptsatzes  deutlich  genug.  Herr  Petersen  freilich  be- 
streitet noch  besonders  die  Berechtigung  zu  einem  solchen  Schluss,  „so  lange  wenigstens  nicht 
Gegenstände  jeder  Art  und  zwar  nach  derselben  Methode  untersucht,  und  die  Ana- 
lysen von  Gegenständen  derselben  Art  aus  verschiedenen  Ländern  mit  einander  ver- 
glichen sind;  denn  es  muss  doch  zugegeben  werden,  dass  gewisse  Arten  von  Gegenständen 
im  Lande,  andere  im  Auslande  gemacht  sein  können.“  Allein  ein  Blick  auf  die  Tafeln  würde 
Herrn  Petersen  überzeugt  haben,  dass  sie  Gegenstände  jeder  Art  nach  gleicher  Methode 
untersucht  enthalten.  Und  eine  vergleichende  Zusammenstellung  der  Gegenstände  gleicher 
Art  aus  verschiedenen  Ländern,  welche  schon  au  sich  kaum  zu  Resultaten  führen  würde, 
fusst  in  ihren  Motiven  wiederum  nur  in  jener  am  Schlüsse  ausgesprochenen  hypothetischen 
„Möglichkeit.“  Meint  aber  Herr  Petersen  unter  „Ländern“  gar  die  „classischen“,  so  trifft 
ihn  derselbe  Vorwurf  wie  Herrn  v.  Cohausen. 

Nach  allem  Dem  glaube  ich  jene  Hauptfolgerung  und  damit  auch  die  letzte,  recapituli- 
rende  Behauptung  aufrecht  erhalten  zu  köuneu  : 


')  Die  Chemie  wird  demnach  niemals  die  1 , Möglichkeit"  fremdländischen  Ursprunges  mit  absoluter  Sicher- 
heit ausznschliesaen  im  Stando  sein;  aber  aie  aohallt  durch  den  Nachweis  dor  Uchereinstimmung  zwischen 
Bronzen  und  Inländischen  Ersen  eines  der  wesentlichsten  ßeweiamomentc  für  die  einheimische  Fabrikation  *). 

*)  Grade  davon  werden  die  Herren  Chemiker  die  Archäologen  und  Historiker  niemals  überzeugen  können, 
da  die  Uebereinstimmung  der  Formen  und  der  Technik  zwischen  den  inländischen  Bronzefunden  und  jenen 
der  alten  Cultnrländer  viel  entscheidendere  Beweismomente  für  ausländische  Fabrikation  bleiben,  als  die 
Uebereinstimmung  der  Erze  für  eine  inländiecbe.  Mögen  dio  Metalle  einzeln  oder  bereite  zusammenge- 
schmolzen aus  allen  Weltgegendon , wie  heute  noch,  den  Fabrikorten  zugeführt  worden  sein,  Formen  nnd 
Technik  der  Bronzearbeit  sind  den  Völkern  des  Mittelmeeres  niemals  aus  Britannien  zugekommen.  Die 
ganze  Hoffnungslosigkeit  des  Vorsucbs  einer  einseitig  chemischen  Lösung  der  Frage  kann  nicht  besser  als 
in  obiger  Anmerkung  des  Herrn  Verfassers  bezeichnet  werden.  Anmerkung  der  Kedaction. 

6* 


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44 


F.  Wibel, 


13)  So  wenig  einerseits  ein  stoflllichpr  Grund  vorliegt,  die  Darstellung  der  Bronzegegen- 
stände ausserhalb  des  Lnndercomplexea,  in  denen  sie  gefunden  worden,  zu  verle- 
gen, weil  alle  nöthigen  Materialien  sich  daselbst  finden,  so  wahrscheinlich  ist  es 
gradezu  andererseits,  dass  die  bergmännische  Gewinnung  der  Erze  und  die  Verschmel- 
zung derselben  zu  Bronze,  und  so  thatsächlich  erwiesen  ist  es,  dass  die  Verarbeitung 
dieser  zu  Gegenständen  innerhalb  desselben  erfolgte. 

Herr  v.  Cohausen  meint  zwar,  dass  es  mir  „leicht“  ward,  zu  diesem  Ergebniss  zu  ge- 
langen; ich  aber  versichere  ihm,  dass  er  sich  die  Beurtheilung  meiner  „Methode“  noch  etwas 
„leichter“  gemacht  hat. 

Es  giebt  kein  gefährlicheres  Experiment,  als  zuviel  beweisen  zu  wollen.  In  diesem  Be- 
wusstsein habe  ich  in  Betreff  der  Zeit  der  Bronzodarstellung  darzuthun  gesucht,  dass  hier 
die  chemische  Untersuchung  ihre  Dienste  versagt,  und  die  einzig  sichere  Entscheidung  über 
das  Alter  der  Gegenstände  nur  durch  die  Form,  die  Ornamentirung  und  die  Fundvcrhält- 
nissc  zu  gewinnen  ist.  Der  Unanfechtbarkeit  dieser  Behauptung  bin  ich  so  sicher,  dass  ich 
es  bedauern  muss,  wenn  Herr  Desor  noch  die  früheren,  von  mir  widerlegten  Ansichten  be- 
züglich des  Blei  und  Zink  fcsthält  Auch  erfreue  ich  mich  hier  des  Beifalls  des  Herrn  v. 
Cohausen,  der  mir  sonst  ebenso  unverdient  eine  strafbare  Verachtung  jener  archäologischen 
Momente  vorwirft,  wie  er  ohne  irgend  ein  Recht  obige  Folgerung  als  ein  mir  mühsam  abge- 
rungenes Zugoständniss  darstellt.  Unterschreibe  ich  zwar  keineswegs  ohne  weiteren  Vorbe- 
halt seinen  allgemeinen  Grundsatz:  „Die  Form,  und  die  im  Ornament  potenzirte  Form  ist 
es,  die  uns  leiten  muss“ , so  stimme  ich  doch  seiner  Auslassung  völlig  bei : „wer  nur  durch  die 
Analyse  das  Alter  eines  Fundstückes  bestimmen  wollte,  würde  einem  Menschen  gleichen, 
der  die  Marotte  hätte,  sich  mit  verbundenen  Augen,  nur  vom  Gefühl  geleitet,  in  den  Strassen 
einer  Stadt  zurecht  zu  finden.“  Wenn  er  aber  dann  in  den  ersten  Zeilen  seiner  Kritik  aus- 
ruft: „man  will  ja  eben  durch  die  Analyse  ergründen,  was  der  eigentlichen  Bronze-Zeit  ange- 
hört“, so  muss  ich  fast  glauben,  er  streife  an  denselben  „circulus  vitiosus“,  der  bei  dieser  Gele- 
genheit mir  vorgeworfen  wird ! ! — 

In  Bezug  auf  die  übrigen  während  der  Bronzezeit  verarbeiteten  mineralischen  Rohstoffe. 
Gold,  Glas,  Thon,  Graphit,  Rothstein,  Bernstein  und  Gagat,  kann  und  will  ich  mich  kurz 
fassen.  Ich  glaube  überall  genügend  begründet  zu  haben,  dass  primo  loco  aus  dem  Stoffe 
und  seiner  Verarbeitung  an  sich  keine  Nothwendigkeit  deducirt  werden  kann,  die  resp. 
Gegenstände  als  importirt  zu  betrachten.  Des  Herrn  v.  Cohausen  Bemerkungen  zu  diesen 
Abschnitten  würde  ich  lieber  mit  Stillschweigen  übergehen,  da  sie  mich  nöthigen,  ihn  hier 
geradezu  der  Entstellung  einer  meiner  Aeusserungcn  zu  beschuldigen.  So  sagt  er  z.  B.  „das 
Gold  und  das  Silber  der  Bronzezeit  schliesst  der  Verfasser  aus,  da  es,  wie  er  meint,  verar- 
beitet fast  nur  in  Begleitung  des  Eisens  vorkomme.“  Dagegen  bespreche  ich  auf  fast  drei 
Seiten  das  Gold  und  sage  ausdrücklich:  „Das  Silber  erscheint  fast  nur  in  Begleitung  des 

Eisens,  . . . während  da»  Gold  schon  in  der  frühesten  Entwickelung  des  Bronzealters  auftritt, 
so  dass  manche  Forscher  (Wilson  z.  B.)  seine  Kenntnis»  vor  die  der  Bronze  setzen  zu  dürfen 
glauben."  So  schiebt  Herr  v.  Cohausen  mir  hinsichtlich  des  Glases  aus  eigener  Macht- 
vollkommenheit die  Schlussfolgerungen  unter:  „insoweit  die  Nebenbestandtheile  der  Bronze 
auf  die  Fundstätte  der  Erze  hin  weisen,  leisten  uns  auch  die  Glasbestandtheile  denselben 


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Die  Cultur  der  Bronzezeit. 


45 


Dienst“,  und  fügt  dann  hinzu:  „oder  — möchten  wir  sagen,  können  uns  zu  denselben  Trug- 
schlüssen verführen.“  Ich  dagegen  spreche  das  grade  Oegentheil  aus  (S.  73):  „Was  den  ört- 
lichen Ursprung  des  Glases  betrifft  , so  kann  aus  der  Materie  desselben  Nichts  geschlossen 
werden.“  Bei  einer  so  leichtfertigen  Beurthcilung  meiner  Ansichten  wird  es  Jeder  begreif- 
lich finden , dass  ich  auf  die  Erörterungen  über  „die  für  Handel  und  Seeraub  vortheilhaften 
Küsten“,  über  die  lybisclien  Natron-Seen  und  über  die  Keramik  keine  weitere  Rücksicht 
nehme.  — 


Antiquarischer  Theil. 

In  diesem  Theil  meines  Schriftchens  gelangte  ich  nach  einer  ernsten  Prüfung  aller  hier- 
über bestehenden  Ansichten,  soweit  eine  solche  von  einem  Nicht- Archäologen  irgend  bean- 
sprucht werden  darf,  zu  dem  Resultate,  dass 

die  Cultur  der  Bronzezeit  eine  durchaus  einheimische  ist,  ihrem  ersten  Ursprünge 
nnch  auf  Grossbrittanien  zurückgeführt  und  somit  als  höhere  Entwickelungsstufe  der 
Urbewohner  dieses  Landes  betrachtet  werden  muss. 

Nicht  aber  als  eine  absolute,  unanfechtbare  Behauptung  stellte  ich  dieselbe  hin,  sondern 
ich  habe  sie,  wenn  auch  auf  das  wärmste,  ausdrücklich  nur  zu  erneuter  Untersuchung  em- 
pfohlen, da  sie  über  Gebühr  vernachlässigt*)  und  bei  den  neueren  Forschungen  kaum  einer 
Widerlegung  mehr  gewürdigt  wird. 

Schon  in  der  ersten  Vorfrage  'aber  scheinen  mir  die  Meisten,  wie  u.  A.  auch  Herr 
Petersen  zu  irren,  wenn  sie  nämlich  den  Verfechtern  der  einheimischen  Cultur  den  Beweis 
für  dieselbe  zusebieben.  Nicht  diese,  sondern  jene  sind  es,  welche  einen  solchen  Beweis  für 
dag  Oegentheil  anzutreten  hnben.  Unsere  Stellung  ist  der  Natur  der  Sache  nach  eine  defen- 
sive; wir  sind  sowohl  bildlich  als  auch  buchstäblich  im  Besitze  des  Terrains;  und  unsere  Auf- 
gabe ist  daher  zunächst  nur  die  Abwehr  der  gemachten  Angriffe'  — 

Ehe  ich  nun  einige  weitere  Ausführungen  über  unseren  Gegenstand  hier  anfüge,  will 
ich  die  Bemerkungen  des  Herrn  v.  Cohausen  zu  diesem  Theile  erledigen*).  Derselbe  über- 
lässt sich  auf  diesem  archäologischen  Gebiete , um  so  rückhaltloser  seiner  mehrfach  geschil- 
derten Recensentenmanier.  Weder  sein  sich  häufender  Spott  noch  seine  malitiöse  Schmeiche- 
lei sollen  hier  gerügt  werden;  — allein  auf  das  Entschiedenste  muss  ich  der  Manier  entgegen- 
treten, wie  er  nach  Belieben  Worte  und  Behauptungen  auslässt,  unterschiebt  oder  entstellt, 
um  sein  Lächeln  zu  rechtfertigen.  Wenn  Herr  v.  Cohausen  z.  B.  sagt,  die  Keramik  der 
Bronzezeit  sei  mir  „sehr  unbequem"  und  darum  von  mir  übergangen,  so  ist  dies  einfach  nicht 
wahr;  sie  ist  weder  das  eine  noch  das  andere.  Wenn  er  mir  ein  selbstgcschatfenes  „Zeitalter 
der  Pfahlbauten“  vorwirft,  so  ist  auch  dies  nur  ein  Kind  seiner  eigenen  Laune,  dessen  Vater- 
schaft ich  auf  das  Bestimmteste  in  Abrede  stelle.  Und  wenn  er  meine  kurze  Bemerkung  Uber 

*)  In  Bezug  des  Gesammtinhalts  des  „antiquarischen  Thesis“  dieser  Erörterungen  verweisen  wir  auf  un- 
sere Schlusebemcrkung.  Anmerkung  der  Redaction. 

*)  Nur  mit  tiefem  Bedauern  hats:  ich  es  über  mich  gewonnen,  mich  gegen  Herrn  v.  Cohausen  mit 
Waffen  zu  vertlieidigen,  die  den  seinigen  einigermaassen  gewachsen  sind.  In  wissenschaftlichen  Fragen  sollte 
eine  derartige  Prüf-  und  Sprechweise  nicht  mehr  Vorkommen,  and  in  der  Haltung  meines  Schriftchens  kann 
Herr  v.  Cohausen  keinen  Grund  zu  seinem  Auftreten  gefunden  haben. 


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46 


F.  Wibel, 


Hiinilco's  Reise  „nicht  minder  ergötzlich1-  nennt,  so  kann  er  Dies  seinen  Lesern  nur  dadurch 
plausibel  machen , dass  er  wohlweislich  meine  cingeklammerten  Worte  „wenn  anders  darauf 
überhaupt  Werth  zu  legen"  einfach  fortlässt.  Andererseits  stellt  er  meinen  eingehenden  Er- 
wägungen unzureichende  Deductionen  gegenüber,  wie  es  sein  Beweis,  dass  und  warum  noth- 
wendigerweise  alle  Metalle  und  ihre  Verarbeitung  im  Süden  entdeckt  werden  mussten (!), 
deutlich  bekundet  Meinem  Hinweis  auf  Mexiko  und  Peru  glaubt  er  mit  der  alten  Ansicht 
die  Spitze  abbrechen  zu  können,  auch  diese  Länder  hätten  mit  dem  Orient  in  Verkehr  ge- 
standen, während  ihn,  von  allem  Anderen  abgesehen,  ein  Blick  auf  die  neueren  Forschungen 
über  diese  Krage  belehrt  hätte,  dass  man  von  dieser  alten  Meinung  zurückkommt  Für  Herrn 
v.  Co  hausen  weisen  „schon  die  rohesten  Fundstiicke  der  Steinzeit“  auf  „oft  sehr  ferne  Ge- 
genden“, also  auf  Handel  und  Verkehr,  hin,  während  ich  ausdrücklich  auf  die  Ueberschätzung 
de»  Neplirit's,  der  in  diesen  seinen  Worten  unzweifelhaft  gemeint  ist,  hingewiesen  habe.  Zu 
meiner  Genugthuung  begegne  ich  in  demselben  Hefte  dos  „Archivs“  einem  Aufsatze  des  Herrn 
Professor  Fischer,  der  durch  gründliche  Prüfung  zu  demselben  Resultat  gelangt  Für  Herrn 
v.  Cohausen  bieten  die  so  mangelhaften  und  widersprechenden  Nachrichten  der  Klassiker 
über  die  nordischen  Länder  keinerlei  Schwierigkeit.  Er  tischt  uns  die  alte  „Anekdote“  Strabo's 
von  der  Geheimniasthuerei  der  Kaufleute  wieder  auf,  ruft  stolz  bewusst  aus,  dass  auch  heute 
ein  Hauidelshaus  seine  Notizen  nicht  publicire,  und  giebt  sogar  ein  schlagendes  „Beispiel,  irre 
zu  führen“  aus  der  modernen  Handclsgescliichte.  Aber  dieses  Beispiel  — „die  Benennung  der 
China- Rinde,  obschon  sie  grade  nur  auf  der  entgegengesetzten  Erdhälfte  vorkommt“  — be- 
weist nichts  anderes,  als  dass  und  wie  leicht  mau  Herrn  v.  Cohausen  irrefuhren  kann!  Denn 
das  Wort  China  hat  hier  gar  Nichts  mit  dem  himmlischen  Reiche,  und  also  auch  Nichts  mit 
Verheimlichung  etc.  zu  tliun,  sondern  ist  verketzert  aus  dem  alt[>eruani. sehen  Quina  oder  Ghina, 
welches  ftebervertreibende  Rinde  bedeutet.  Eine  Belehrung,  die  Herr  v.  Cohausen  sich 
selbst  hätte  verschaffen  und  aus  der  er  nebenbei  die  Ueberzeugung  hätte  gewinnen  können, 
dass  die  „Form“  einen  sehr  unzuverlässigen  Führer  abgiebt!  — 

Doch  genug  der  Belege  für  die  Forschungsart  des  Herrn  v.  Cohausen.  Der  einzige 
Punkt,  über  den  ich  mich  mit  ihm  noch  vor  dem  Publikum  dieser  Blätter  unterhalten  muss, 
ist  die  von  Herrn  Lindenschmit  angeführte  Stelle  aus  Plinius  Hist.  nat.  XXXIV  c.  9.  Pli- 
nius  verweist  in  derselben,  um  den  Nutzen  eines  Bleizusatzes  beim  Einschmelzen  des  Kupfers 
in  Italien  zu  bestätigen , ausser  auf  die  leichtere  Schmelzbarkeit  auch  auf  Gallien , wo  dies 
nicht  geschieht  und  in  Folge  dessen  „exurente  coetura“  das  erhaltene  Kupfer  „schwarz  und 
spröde“  wird.  Unzweifelhaft  bezeugt  dies  eine  grössere  metallurgische  Kenntniss  Italiens; 
aber  keineswegs  umgekehrt  den  „primitiven“  Zustand  gallischer  Hüttenkunde,  um  so  weniger 
als  ein  Bleizusatz  zwar  manche  Vortheile,  aber  auch  sehr  viele  Nachtheile  im  Gefolge  hat, 
und  als  aus  dem  Wortlaute  noch  nicht  geschlossen  werden  kann , dass  die  Gallier  überhaupt 
kein  „dehnbares“  Metall  zu  liefern  vermochten.  Herr  Lindenschmit  sieht  in  jener  Stelle, 
wie  ich  glaube  unrichtiger  Weise,  eine  Schilderung  der  Darstellung  des  Kupfers  aus  den 
Erzen,  und  zieht,  indem  er  nach  meiner  Ueberzeugung  „falsch  und  willkübrlich“  constmirt 
und  übersetzt,  den  letzterwähnten  Schluss.  Auch  ich  habe,  durch  Herrn  Lindenschmit 
verleitet,  früher  jene  Worte  in  seinem  Sinne  aufgefasst  und  deshalb  in  dem  „schwarzen  und 
Bpröden“  Kupfer  den  sogenannten  Kupferstoin  oder  das  Schwarzkupfer  zu  erblicken  geglaubt. 


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Pie  C'ultur  der  Bronzezeit. 


47 


Allein  nach  gründlicherer  Prüftmg  scheint  es  »ich  mir  dort  nur  um  das  Einschmelzen  des 
(fertigen)  Metalle»  zur  Herstellung  der  Mischung  (oder  höchstens  um  ein  „Rafflniren“  des- 
selben) zu  handeln,  wobei  die  „Uebergaare“  in  Italien  durch  Bleizusatz  vermieden  wurde. 
Die  Beweise  ftlr  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung  würden  uns  hier  zu  weit  führen;  ich  muss 
cs  Herrn  v.  Co  hausen  überlassen,  sie  selbst  zu  linden.  Wenn  aber  dieser  Gelehrte  meine 
Folgerung,  dass  iif  jener  Stelle  grade  ein  Fortschritt  der  Gallier  gegen  früher  sich  offenbare, 
als  unverständlich  und  irrig  bezeichnet,  so  vergisst  er  ganz  und  gar  die  übergrosse  Bereit- 
willigkeit, mit  der  er  selbst  die  frühere  Bronzedarstellnng  ohne  Kenntnis»  des  Kupfers 
anerkannt  hat!*)  — 

Kehren  wir  jetzt  zur  Prüftmg  der  oben  mitgetheilten  Ansicht  zurück.  Dieselbe  umfasst 
zwei  von  einander  ganz  unabhängige  und  darum  in  ihrer  Erörterung  zu  trennende  Behaup- 
tungen. Erstens,  dass  die  Gegenstände,  welche  wir  der  Bronzezeit  zuschreiben,  nach  Stoff 
nnd  Verarbeitung  einheimische  Producte  sind;  zweitens  dass  der  „Ursprung“  dieser  Cultur 
als  ein  inländischer,  autochthoner  anzusehen  sei. 

Soweit  man  die  Beweise  gegen  den  ersten  Hauptsatz  in  der  exotischen  Natur  mancher 
Rohstoffe  und  Fabrikate  (Gold,  Glas  etc.),  in  der  Schwierigkeit  der  Darstellung  namentlich 
der  Bronzen,  in  der  eigenthümlichen  Art  von  Ornamenten  und  Formen  der  Fundobjecte  und 
Sculpturversuche  (Kivik- Monument  etc.)  und  anderen  Beobachtungen  gefunden  zu  habeu 
glaubte,  — habe  ich  in  meinem  Schrifteben  deren  Beweiskraft  theils  zu  widerlegen,  thcils 
auf  das  richtige  Maas»  zu  reduciren  gesucht.  Auch  in  Bezug  auf  den  Abstand  zwischen  Ke- 
ramik und  Erztechnik  habe  ich  dort  eine  nnturgemässe  Erklärung  gegeben,  und  will  hier  nur 
auf  zwei  andere  Thatsachen  noch  h inweisen.  l>ie  erste  ist  der  unverkennbare  Fortschritt, 
den  die  Keramik  der  Bronzezeit  gegen  die  frühere  verräth,  so  dass  nvtn,  um  mit  Herrn  Desor 
zu  reden,  „über  die  Zierlichkeit  der  Formen  und  die  schönen  Verhältnisse  der  Gefässe  in  Er- 
staunen geräth“.  Die  zweite  aber  ist  die  analoge  Erscheinung  bei  anderen  Völkern,  wie 


*)  So  wenig  erspriesslich  nach  unserer  in  der  Srhluistamerkung  ausgesprochenen  Ansicht  allgemeine  Kr- 
örterungen  der  Hypothese  einer  nordischen  Bronsecultur  erscheinen,  so  nothwendig  bleiben  jene  über  die 
einzelnen  technischen  Fragen.  Deshalb  hier  eine  Bemerkung  au  obiger  Rüge  meiner  Auffassung  der  frag, 
lieben  Stelle  des  Plinius  XXXVI. 

Herr  Wibel  scheint  es  gänzlich  an  übersehen,  dass  durch  seine  Subetitnirnng  des  Erzes  an  die  Stelle  des 
Kupfers,  die  Sache  ciu  noch  weit  miselicheres  Ansehen  für  seine  /wecke  gewinnt.  Offenbar  ist  es  nur  um 
so  schlimmer,  wenn  die  Gallier  noch  zu  Plinius'  Zeit  ein  „fertiges“,  vielleicht  gutes  Kupfer  durch  man* 
geihafte  Behandlung  der  Erzcomposilion  verdorben  haben.  Der  Sinn,  in  welchem  Plinius  diese  Zeilen 
schrieb,  und  ich  sie  deutete  und  benutzte,  konnte  kein  anderer  sein,  als  dass  in  Gallien  tu  seiner  Zeit  das 
Verfahren  der  Eisbereitung  ungenügend  und  das  Ergebniss  von  geringem  Werthe  war.  Oh  Kupferetein, 
Scbwarzkupfer  oder  schlechte  Erzmischnng,  genug  es  wird  von  Plinius  als  ein  seinem  Zwecke  wenig  ent- 
sprechendes Product  betrachtet  und  wird  ee  trotz  allen  gründlichen  Prüfnngen  lür  jeden  Unbefangenen  blei- 
ben. Wenn,  wie  der  Herr  Verfasser  glaubt,  aus  dem  Wortlaute  der  Stelle  noch  nicht  geschlossen  werden- 
kann, dass  die  Gallier  „kein  dehnbares“  Metall  zu  liefern  vermochten,  eo  kann  doch  gewita  am  allerwenigsten 
ans  demselben  getchloeeen  werden,  dass  sie  wirklich  imStande  waren  ei  zu  liefern.  Ungeachtet  Herr  Wibel. 
die  UeberlegeDheit  der  metallurgischen  Kenntniss  Italiens  anerkennt,  glaubt  er  doch  allen  Ernstes  selbst  jenes 
schwarze,  spröde  nur  zweimal  geschmolzene  gallische  Kupfer  für  seine  Hypothese  verwerthen  zu  können.  Er 
erkennt  sogar  in  demselben  einen  Fortschritt,  und  zwar  in  der  endlich  erlangten  Kenntniss  eines  den  Galliern 
früher  unbekannten  Metalle.  Ob  aber  mit  dieser  Erklärung  irgend  eine  Stütse  für  di#  Behauptung  des  nor- 
dischen Ursprungs  der  kunstvollen  Erzgeräthe  gewonnen  ist,  bleibt  eine  Frage,  deren  Beantwortung  da«  Ur- 
theil  des  Herrn  v.  Cohausen  vollkommen  rechtfertigen  wird.  Anmerkung  der  Redaction. 


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48  F.  Wibel, 

z.  B.  den  Alt- Mexikanern,  welche  eine  Erztechnik  beaassen,  ohne  z.  B.  die  Glasur  ihrer  Thon- 
waaren  hergestellt  zu  haben. 

Auf  die  Funde  von  Bronze  wagen,  Schöpfkellen  etc.  stützt  Herr  Petersen  seine  Mei- 
nung, dass  es  „ein  bedenklicher  Sprung“  sei,  wenn  ich  von  dem  heimischen  Charakter 
„sämmtlicher"  Objecte  rede.  Allein  ohne  mir  ein  Urtheil  Zutrauen  zu  wollen,  ob  Form  und 
Ornamentik  hier  zum  Beweise  fremder  Abstammung  ausreichen,  muss  ich  doch  ganz  beson- 
ders hervorbeben,  dass  ihre  Zahl  im  Verhältniss  zur  Gesammtmasae  eine  fast  verschwindende 
ist,  und  es  daher  gewiss  weit  bedenklicher  erscheint,  aus  ihrem  Vorkommen  auf  den  Import 
aller  übrigen  Objecte  scbliessen  zu  wollen. 

Allerdings  nimmt  Herr  PeterBen,  wie  die  meisten  Forscher,  die  häufiger  gefundenen 
Schwerter  mit  „kurzen  Griffen“  und  die  „engen  Armbänder“  unter  die  Zahl  jener  Belegstücke 
auf.  Ganz  abgesehen  von  dem  „grössten  Alter“,  welches  man  ihnen  beilegt,  und  von  dem 
bestimmten  Volksstamm,  auf  den  sie  hinweisen  sollen,  ist  die  Thatsache  an  sich  noch  keines- 
wegs klar  und  zweifellos.  Darüber  ein  paar  Worte! 

Was  zunächst  die  Schwerter  betrifft,  so  ist  die  überwiegende  Zahl  derselben  nicht  mit 
vollständigen  Handgriffen,  sondern  nur  mit  Griffzungen  (Dornen)  versehen.  An  diesen  wird 
die  Bestimmung  der  Grifflänge  zum  Theil  unmöglich,  da  die  Zunge  häufig  abgebrochen  ist 
und  die  verloren  gegangene  Fassung  von  Holz,  Bein  etc.  grösser  als  der  Dorn  gewesen  sein 
kann  Dennoch  zeigen  z.  B.  unter  zehn  von  mir  gemessenen  Dornen  solcher  Erzschwerter  sieben 
eine  Länge  von  circa  9‘  t bis  IO1/,  Centim.,  nur  drei,  worunter  ein  abgebrochener,  6*/»  bis  8 
Centim.,  während  zwei  moderne  Hirschfänger  Griffe  von  10  und  1 1 1 (.  Centim.  besassen.  Daraus 
scheint  hervorzugehen,  dass  die  Schwerter  mit  Griflzungen,  welche  im  Uebrigen  gleiche 
Arbeit  mit  den  Andereu  aufweisen,  für  Hände  moderner  Grösse  berechnet  waren.  An  den 
Schwertern  mit  vollständigen  Griffen  bleibt  die  Bestimmung  des  zu  messenden  Handraumes 
fast  ganz  der  Willkübr  überlassen,  da  in  dem  fast  durchgängigen  Mangel  einer  Parirst&nge 
jede  (unzweifelhafte)  Grenze  fohlt.  Eigene  Erfahrung  hat  mich  überzeugt,  dass  ein  solches 
Schwert  mit  „kurzem  Griffe“  unter  Umständen  vorzüglich  in  der  Hand  liegt,  falls  man  das 
kreisförmige  Griffende,  in  welchem  das  Schwertblatt  (meist)  eingenietet  ist,  mit  zum  Griffe 
rechnet  und  mit  Daumen  und  Zeigefinger  umspannt.  Rechnen  wir  nur  das  allerinncrsto 
Stück  als  eigentlichen  Handraum,  so  schwankt  dessen  Grösse  ganz  ausserordentlich  (von 
circa  4'/,  bis  7'/,  Centim.),  und  wir  müssten  die  kleinsto  Zahl  (4'/j  Centim.)  als  die  Hand- 
grösse ansehen,  während  sich  mit  Hinzurechnung  des  inneren  Knopftheiles  und  jenes  oben- 
erwähnten Nietstückes  die  durchschnittliche  Zahl  von  8 bis  8'/i  Centim.  ergiebL  Ein  moder- 
nes Tischmesser  hatte  nicht  ganz  0 Centim.  Handraum.  So  viel  nur,  um  anzudeuten,  dass 
und  wie  nöthig  hier  gründliche  Untersuchungen  sind. 

Diejenigen  Beweise  aber  für  fremdländischen  Ursprung,  welche  aus  den  Ornamenten 
entnommen  werden,  stehen  auf  nicht  festerem  Boden;  denn  man  findet  „kurzgriffige“  Schwer- 
ter ohne,  und  langgriffige  mit  gleichen  oder  doch  gleichartigen  Verzierungen. 

In  Bezug  endlich  auf  die  „engen  Hals-  und  Armringe“  muss  ich  es  dahingestellt  sein 
lassen,  ob  sie  diese  Benennung  wirklich  verdienen.  Denn  icli  weiss  nicht,  ob  man  direote 
Beweise  oder  nur  Vermuthungen  dafür  hat,  dass  dieselben  unmittelbar  (nicht  etwa  an  Schnü- 
ren) getragen  wurden  »eien.  Was  aber  wird  überhaupt  aus  allen  jenen  so  hochgehaltenen 


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Die  Cultur  der  Bronzezeit. 


49 


Beweismomeuten,  wenn  man  dieselben  Erscheinungen  eben  so  gut  in  der  Eisenzeit  beobach- 
tet? Enge  Hals-  und  Armringe  findet  man  auch  dort  (s.  z.  B.  Desor’s  lehrreiche  „Pfahl- 
bauten“ S.  114  und  151);  nur  sucht  man  in  diesem  Falle  gleich  andere  Erklärungen.  Und 
wer  die  Schwerter  und  Dolche  aus  der  Eisenzeit  in  den  trefflichen  Werken  Lindenschmit's1) 
nachmisst,  wird  Handgriffe  finden  von  circa  9 (resp.  11),  7>  ,,  9>/j,  8,  7'/»,  8,  5 und  6 (resp.  8) 
Centim.  Länge,  also  mehrere  ausserordentlich  kleine! 

Nach  Maassgabe  dieser  Erwägungen  kann  ich  vorläufig  weder  die  „kurzgriffigen  Schwer- 
ter“, noch  die  „engen  Armringe“  fiir  sichere  Zeugen  eines  Importes  ansehen.  Es  wächst 
somit  noch  die  „ungeheure,  verschwenderische  Hasse  von  Bronzegegenständen“ *),  bei  denen 
ein  ausländischer  Charakter  nicht  nachweisbar  ist,  und  die  wenigen  Fundstiicke,  welche 
einen  solchen  zu  verratben  scheinen,  können  um  so  weniger  beweisen. 

Das  Vorkommen  griechischer,  massilischer  und  römischer  Münzen  vermag  in  dieser  Rich- 
tung ebenso  wenig  sichere  oder,  wie  man  sogar  meinte,  entscheidende  Fingerzeige  zu  liefern  *), 
wie  die  Aehnlichkeit  der  in  Italien  aufgefundenen  Bronzen  mit  den  nordischen.  Denn  was 
jene  Münzen  betrifft,  so  steht  fest,  dass  sich  derartige  Gegenstände  Uber  weite  Länderstrecken 
hin  verbreiten,  ohne  damit  so  gewaltige  und  tiefgreifende  Berührungen  mit  den  Völkern  zu 
beweisen,  wie  sie  die  Einfuhr  der  Bronzeculturobjecte  voraussetzen  würde.  Man  blicke  in 
die  Schriften  von  Ledebur*)  und  Minutoli9)  und  erinnere  sich  der  Massen  arabischer  und 
orientalischer  Münzen,  welche  noch  immer  in  unseren  Gegenden  sich  finden;  man  beachte 
dabei,  dass  diese  auch  mit  griechischen  und  römischen  Münzen  gemengt  auftreten;  und  man 
wird  mir,  wie  ich  glaube,  beistimmen  müssen.  Hinsichtlich  aber  der  italischen  Bronze- 
cultur  bliebe  noch  sehr  wohl  der  Beweis  zu  führen,  ob  und  warum  ein  Import  von  hier,  und 
nicht  etwa  nach  hier  angenommen  werden  muss;  zumal  Herr  Desor  selbst  sagt,  dass  sie 
,,der  Niederlassung  aller  anderen  Völker  (in  Italien)  vorangegangen  sei“. 

Bei  den  beiden  letzten  Beweisversuchen  tritt  indess  eine  andere  bisher  nicht  erörterte 
Frage  in  den  Vordergrund,  d.  i.  die  Zeit  der  Bronzecultur  überhaupt. 

Das  Pro  et  contra  der  verschiedenen,  bekanntlich  sehr  weit  auseinandergehenden  An- 
sichten will  ich  unerörtert  lassen.  Wenn  ich  mich  aber  auf  den  Standpunkt  Derer  stelle, 
welche  die  Bronzecultur  als  solche  aufrecht  erhalten  und  demgemäss  weit  vor  die  historische 
Zeit  verlegen,  dann  muss  ich  um  so  entschiedener  betonen,  dass  wir  auf  die  Hülfsraittel  der 
historischen  Berichte  und  der  daran  geknüpften  Anschauungen  so  gut  wie  ganz  zu  verzichten 
haben.  Denn  was  uns  die  ältesten  Schriftsteller  hierin  geben,  liegt,  selbst  wenn  sie  auf  frü- 
here Angaben  sich  beziehen,  doch  so  weit  von  dem  Zeitalter  der  Bronze  entfernt,  dass  in  der 
Zwischenzeit  ein  völliger  Wechsel  eingetreten  sein  konnte,  der  aus  den  späteren  Schilde- 


*)  Heidnische  Altert humer  der  Vorreit.  II.  Heft,  VI.  Tafel,  F’ig  9 und  II;  Vf.  Heft,  VII.  Tafel,  Fig.  1. 
Sammlungen  zu  Sigmaringen  XII,  3.  XIV,  20.  XV,  23.  XVI,  1.  XXII,  I.  Die  Richtigkeit  der  Zeichnungen  ist 
vorausgesetzt.  — *)  Herr  Medicinalrath  Reuter  giebt  in  seiner  Abhandlung  über  die  germanischen  Grab, 
alterthümer  (Annal.  des  Vereins  für  Nassauische  Alterthumskunde  und  Geschichte,  Bd.  VI,  1359)  einige 
beachtenswerthe  Einwände  gegen  die  Annahme  fremder  Einfuhr.  — a}  R.  Pallmann,  die  Pfahlbauten,  1366. 
C.  F.  Wiberg,  der  Einfluss  der  alten  Klassiker  auf  den  Norden,  1367.  — 0 L.  v.  Ledebur,  über  die  in  den 
haitischen  Landern  gefundenen  Zeugnisse  eines  Handelsverkehrs  mit  dem  Orient.  Berlin  1840.  — 8)  H.  C. 
v.  M inutoli,  Topogr.  Uebemicht  der  Ausgrabungen  griechischer,  römischer,  arabischer  und  anderer  Münzen 
in  den  Küstenländern  des  baltischen  Meere*.  Berlin  164.1. 

Archiv  für  Atithmpologif.  Hand  III.  lieft  L 7 


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50 


F.  Wibel, 

rangen  kein  Bild  des  früheren  Zustandes  zu  entwerfen  gestattet.  Diese  Unmöglichkeit  wird 
durch  die  unvollständigen,  unklaren,  sich  widersprechenden  Mittheilungen  der  Autoren  noch 
gesteigert.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  dies  Alles  mit  Beispielen  zu  belegen. 

Je  mehr  wir  uns  von  diesem  Verzicht  durchdrungen  fühlen,  desto  schwieriger  wird  ein 
etwaiger  Nachweis  werden,  welche  Völker  es  denn  gewesen  seien,  denen  jener  vermeintliche 
Import  der  Bronzeculturobjecte  zugeschrieben  werden  könne  und  müsse.  Man  hat  dafür 
einerseits  die  Phönicier.  andererseits  die  Etrusker  aufgestellt;  aber  ich  glaube  in  meinem 
Schriftchen  einige  gewichtige  Gründe  angeführt  zu  haben,  welche  beiden  Ansichten  entgegen- 
stehen. 

Um  nur  kurz  die  Nilsson 'sehen  Phönicier  hier  wieder  zu  berühren,  will  und  muss  ich 
hervorheben,  dass  mein  Haupteinwand  gegen  dieselben  sich  keineswegs,  wie  Herr  Petersen 
irrthtimlich  meint,  auf  die  Unzulänglichkeit  der  Beweise  für  einen  so  frühzeitigen  directen 
Verkehr  mit  dem  Norden  beschränkt 

Vielmehr  habe  ich  auf  andere  Umstände  womöglich  noch  grösseres  Gewicht  gelegt  So 
z.  B.  auf  das  Fehlen  des  Eisens,  Silbers  und  anderer  den  Phöniciem  sicherlich  bekannt  gewe- 
sener Stoffe.  Wenn  freilich  Herr  Nilsson  deshalb  die  uordischon  Expeditionen  dieses  Vol- 
kes vor  oder  in  die  Achaeisclie  Zeit,  in  welcher  das  Eisen  noch  unbekannt,  zurückverlegt 
so  ist  dies  ein  kühner,  aber  doch  kaum  auf  Beweise  gegründeter  Versuch,  die  Schwierig- 
keiten zu  tilgen,  ohne  sic  zu  heben.  In  ähnlicher  Weise  hat  man  einen  zweiten  gewichtigen 
Einwand,  die  Abwesenheit  der  für  recht  eigentlich  phötiikisch  gehaltenen  Gegenstände 
(Bronzewagen  etc.)  in  England  und  Irland,  mit  der  Annahme  zu  entkräften  geglaubt,  die 
Importwege  seien  vom  Mittelmeer  aus  über  Land  gegangen;  allein  man  ist  damit  nicht  viel 
besser  daran,  und  verfallt,  wie  Herr  Petersen,  in  merkwürdige  Widersprüche.  Denn  dieser 
Gelehrte  gesteht  einmal:  „Allerdings  bleibt  es  unerklärbar,  dass  in  England,  wo  die  Phöni- 
cier das  Zinn  holten  (?!),  die  schöneren  Bronzesachen , welche,  wie  Nilsson  zu  erweisen 
sucht,  phönikieche  Arbeiten  und  zugleich  die  ältesten  sein  sollen,  am  wenigsten  Vorkommen“; 
und  dann  an  einer  anderen  Stelle:  „Es  fehlen  indess  in  den  Pfahlbauten  die  feineren  Gold- 
und  Bronzearbeiten  mit  8piraleu  und  concen irischen  Kreisen  etc.“  Aber  trotz  dieser  Er- 
kenntnis», welche  übrigens  für  die  Pfahlbauten  nicht  ganz  zutrifft '),  beharrt  Herr  Petersen 
an  einer  dritten  Stelle  bei  dem  Import  durch  Phönicier  auf  dem  einen  wie  anderen  Wege. 

Nicht  minder  eigenthümlich  erscheint  mir  das  Bild,  welches  Herr  Desor  von  den  Han- 
dels- und  Importvölkern  und  Wegen  entwirft.  An  der  Besonderheit  des  „Bronzealters“  fest- 
haltend, muss  man  nach  seiner  Ansicht,  „den  Handelsverkehr  vor  die  Etrusker  und  Phöni- 
cier zurück  verlegen“ , aber  nur  in  Bezug  auf  die  Cnltur  der  Po- Ebene  und  der  Schweizer 
Pfahlbauten,  welche  als  die  älteste  aufgefasst  wird,  während  die  nordische,  gleich  den  Hall- 
städter Vorkommnissen,  vermuthlich  bis  ins  Eisenalter  (:)  reicht  und  für  welche  deshalb 
die  Nilsson’sche  Ansicht  bestehen  bleiben  kann.  So  wäre  „dieser  Verkehr  durch  die  ligu- 
rischen  und  umbrischen  Häfen  vermittelt  worden“,  so  hätten  „die  Bewohner  der  Lombardei 
und  der  Po  Ebene  von  dort  her  das  Zinn,  welches  schwerlich  anderswoher,  als  von  den  Zinn- 

l)  Allerdings  finden  «ich  in  Pfahlbauten  der  Schweix  Schwerter  mit  kurzen  Griffen , Me»er  mit  concen- 
trischen  Kreifen  etc.,  aber  verhiltniaamiisiff  «eiten. 


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Die  Cultur  der  Bronzezeit. 


51 


inseln  (Cassiteriden)  kommen  konnte,  bezogen“;  und  so  hätte  endlich  „der  weiteren  Verbrei- 
tung des  Zinnes  in  das  Binnenland  nichts  mehr  im  Wege  gestanden“.  Um  aber  die  Zufuhr 
dos  Zinns  aus  England  (1)  in  die  ligurischen  und  umbrachen  Häfen  zu  ermöglichen,  bedarf 
Herr  Desor  eines  neuen  vorphönicischon  Seefahrervolkes,  dessen  Entdeckung  er  von  den 
„Historikern“  erwartet. 

Ich  will  das  Hypothetische  dieser  Sätze  nicht  weiter  zergliedern;  mir  scheint  die  Ver- 
nichtung der  nordischen  Bronzecullur  und  ihre  Identificirung  mit  Hallstadt  und  der  Eisenzeit 
ein  genügender  Grund,  um  auch  diesen  Versuch  einer  Lösung  unseres  Problems  als  vergeb- 
lichen zu  bezeichnen. 

Der  Mangelhaftigkeit  dieser  sämmtlichen  Beweise  fitr  die  ausländische  Abstammung  der 
Fundgegenstände  und  fUr  das  Volk,  dem  man  dieselben  zuzuschreiben  hätte,  stehen  nun  end- 
lich — darauf  greife  ich  jetzt  zurlick  — die  Ergebnisse  gegenüber,  welche  uns  die  Unter- 
suchungen des  ersten  Theiles  geliefert  haben.  Aus  der  Verbindung  dieser  negativen  und  posi- 
tiven Momente  geht  für  mich  die  Ueberzeugung  hervor, 

dass  die  sämmtlichen  der  Bronzecultur  Nord-  und  Mitteleuropas  angehörenden  Gegen- 
stände (mit  verschwindenden  Ausnahmen)  einheimische  Erzeugnisse  sind. 

Wenden  wir  uns  ferner  zu  einer  Prüfung  der  zweiten,  wie  bemerkt,  ganz  für  sich  beste- 
henden Frage,  ob  auch  der  „Ursprung“  jener  Cultur  ein  autochthoner  sei,  so  werden  wir  die 
Beweise  gegen  diese  „einfachste“  Annahme  gleich  wenig  begründet  linden,  wie  die  früheren. 

Eine  grosse  Zahl  von  Forschern ')  erblickt  in  dem  Fehlen  eines  „Kupferalters“  theils  einen 
hervorragenden,  theils  sogar  den  einzigen  Gegenbeweis.  Wenn  ich  nun  im  ersten  Theile 
es  nicht  nur  als  möglich,  sondern  als  wahrscheinlich  dargestellt  habe,  dass  die  Verfertigung 
der  Bronze  ohne  Kenntniss  des  Kupfers  und  Zinns  als  gesonderter  Metalle  erfolgt  sei,  so  wird 
man  mir  zugestehen,  dass  jener  Grund  hinfällig  ist  und  somit  alle  Forscher,  die  nur  aus 
diesem  Fehlen  der  „Kupferzeit“  gegen  den  heimischen  Ursprung  sich  erklärten,  jetzt  für  den- 
selben sich  entscheiden  müssen. 

Andere  Forscher  suchten  in  den  „plötzlichen“  Veränderungen  von  Sitten  und  Gebräuchen 
(wie  z.  B.  Leichenbrand  statt  Beerdigung)  den  Beweis,  dass  auch  die  Bronzecultur  von  Aussen 
hervorgerufen  sei  Obschon  ich  in  meinem  Schriftchen  auf  die  Untersuchungen  des  Herrn 
Weinhold  hingewiesen,  die  einem  solchen  Glauben  die  Berechtigung  entziehen , wiederholt 
Herr  Petersen  dasselbe  Moment,  und  ich  muss  es  hier  Archäologen  überlassen,  zu  ent- 
scheiden, auf  welcher  Seite  das  ßecht  sich  befindet 

Herr  Nilsson  siebt  die  Phönicier  nicht  blos  als  die  Unterhalter  sondern  auch  als  die 
•Schöpfer  unserer  Bronzecultur  an,  und  zwar  besonders  deshalb,  weil  die  Bronzewagen,  Schöpf- 
kellen, Schwerter  mit  „kurzen  Griffen“,  überhaupt  „alle  feineren  und  an  Ornamenten  reicheren 
Gegenstände“  die  ältesten  seien.  Es  ist  wahr,  auch  Herr  Thomsen,  der  mit  Herrn  Wpr- 
saae  der  Urheber  der  Ansicht  vom  heimischen  Ursprung  ist,  sprach  Dasselbe  aus.  Allein 
wir  dürfen  nicht  vergessen,  dass  die  Gründe,  welche  ihn,  vielleicht  wider  seinen  Willen,  dazu 
zwangen,  heute  nicht  mehr  gelten.  Denn  das  Zusammenfinden  von  Bronze-  mit  Steingerätben 


*)  J.  Lubbock,  Prehiatoric  times.  London  1865.  H.  le  Hon,  L’homme  fossile  en  Enrope.  Brnxelle  1867, 
S.  184.  K.  Desor,  Pfahlbauten  des  Xeuenburger  Sees.  Frankfurt  1866,  S.  189. 


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52 


F.  Wibel, 


kann  nach  dem  jetzigen  Standpunkt  der  Wissenschaft  keineswegs  ein  sofortiger  und  aus- 
reichender Beweis  für  das  „grösste  Alter“  sein,  da  der  Gebrauch  der  Steinsachen  durch  die 
ganze  Bronzezeit,  ja  bis  ins  Elisenalter  hinein  sich  erhielt.  Darum  sind  auch  die  obigen  An- 
nahmen des  Herrn  Nilsson  und  seine  Ausführungen  über  das  grösste  Alter  des  Kivikmonu- 
mentes,  Willfarasteines  etc.  nach  meiner  Ansicht  durchaus  unbewiesen  und  unwahrscheinlich. 
Ebenso  muss  ich  es  entschieden  bestreiten,  wenn  Herr  Petersen  in  dem  Zusammenvorkommen 
verschiedener  Steinwaffen  und  eines  Bronzefragmentes  mit  vier  Spiralen  „mit  Recht“  einen 
Beweis  findet,  „dass  grade  diese  feinsten  Bronzearbeiten  die  ältesten  Bind“. 

Kurz!  diese  und  alle  anderen  Gegenbeweise  glaube  ich  mehr  oder  minder  unzureichend 
nenneu  zu  dürfen.  Dem  gegenüber  erstehen  in  den  auch  von  Herrn  Desor  eingeräumten 
Thatsachen,  dass  die  Formen  vieler  Brouzegeräthe  sich  auf  das  Engste  an  die  der  Steinzeit 
anschliessen  und  dass  ebenso  die  Thonwaoren  und  andere  Umstände  für  einen  allmählichen 
Uebergang  aus  der  Steinzeit  sprechen,  wiederum  positive  Zeugen  für  unsere  Ansicht. 

Eis  musste  demnach  um  so  wünschenswerthei  erscheinen,  das  Land  kennen  zu  lernen, 
von  welchem  jene  Cultur  ihren  Anfang  genommen  und  sich  allmählich  Uber  die  anderen  Ge- 
biete ausgedehnt  habe.  Erwägt  man,  dass  die  ältesten  Formen  von  Bronzeobjecten  besonders 
in  England,  Schottland  und  Irland  auftreten,  dass  grade  England  der  Ort  ist,  wo  Kupfer- 
und  Zinnerze  sich  in  der  innigsten  und  umfassendsten  Vergesellschaftung  zeigen,  also  hier  die 
Entdeckung  der  Bronzedarstellung  aus  ihrem  Gemenge  am  leichtesten  fiel,  — so  wird  man  es 
zwar  nicht  für  unumstösslich  erwiesen,  aber  doch  für  das  Natürlichste  und  Wahrscheinlichste 
ansehen,  auch  den  „Ursprung*  der  Cultur  dorthin  zu  verlegen.  Keine  der  mir  bekannten 
Thatsachen  Ist  ausserdem  damit  in  Widerspruch.  Wenn  Herr  Petersen  „die  von  Holzmann 
nachgewieeene  Rohheit“  der  Urbewohner  Britanniens  einwendet,  so  muss  ich,  da  dessen 
Schilderungen  zuvörderst  auf  den  Angaben  alter  Schrittsteller  beruhen,  auf  früher  über  diesen 
Punkt  Gesagtes  verweisen,  ganz  abgesehen  davon,  dass  uns  die  Ethnographie  Beispiele  sehr 
roher  Völker  mit  Erztechnik  liefert.  Die  beiden  Anführungen  des  Herrn  Professor  Peter- 
sen aus  Strabo  und  Caesar  sind  aber  — von  dem  gleichen  Einwurfe  abstrahirend  — an 
und  für  sich  völlig  beweisunkräftig.  Denn  dass  auf  den  zehn  kleinen  Inseln,  Cassiteriden,  von 
welchen  nach  Strabo’s  (Lib.  HI,  Cap.  V Schluss)  eigenen  Worten  eine  ganz  unbewohnt 
ist,  die  Eingeborenen  zwar  Zinn  und  Blei  gewinnen,  dagegen  sich  aber  die  Bronze  nicht  selbst 
darstellen,  sondern  dieselbe,  verarbeitet,  zugleich  mit  Thonwaaren  und  Salz  vom  nächsten 
Festlande  ( Britannien I)  beziehen,  kann  doch  wahrlich  kein  Grund  sein,  von  diesem  letzteren 
dasselbe  anzunehinen.  Ueberdies  tritt  hier  wieder  die  Unsicherheit  Uber  die  Lage  der  Cassi- 
teriden und  daher  die  Frage  in  den  Vordergrund , ob  wir  Überhaupt  berechtigt  sind,  diese 
Stelle  mit  Britannien  in  Beziehung  zu  bringen.  CaeBar  (Lib.  V,  cap.  12)  sagt  allerdings 
(nach  den  bisherigen  Lesarten)  ansdriicklich  „acre  utuntur  importato“.  Allein  zuvörderst 
leidet  die  ganze  Stelle  an  innerer  Unklarheit  und  Widerspruch,  sodann  bezieht  sie  sich  aber 
gar  nicht  auf  die  Eingeborenen,  sondern,  wie  Caesar  speciell  hervorhebt,  auf  die  Ansiedler, 
welche  von  der  belgischen  Küste  aus  allmählich  die  gegenüberliegende  Seite  Britanniens 
besetzt  hatten;  und  endlich  hindert,  was  jene  „Einfuhr  des  Erzes“  betrifft,  nicht  nur  Nichts 
dieselbe  als  aus  dem  Binnenlande  anzunehmen,  sondern  das  in  eben  derselben  Stelle  erwähnte 
Vorkommen  des  Zinns  in  demselben  scheint  direct  dafür  zu  sprechen.  Wiederholt  man  sich 


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Die  Cultur  der  Bronzezeit. 


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zu  allerletzt  noch,  dass  diese  von  Caesar  geschilderten  Verhältnisse  für  das  Jahr  55  a.  Chr. 
gelten,  während  nach  Herrn  Petersen's  eigenen  Worten  „das  Bronzealter  weiter  zurück- 
reicht als  die  älteste  uns  bekannte  Kunst  bei  Griechen,  Römern  und  .Etruskern“,  so  darf  ich 
es  wohl  für  misslungen  erachten,  mit  jenen  Citaten  den  „Englischen  Ursprung  genügend“ 
widerlegt  zu  glauben. 

Andererseits  ist  es  mir  nicht  eingefallen,  die  Bronzecultur  „auf  Nord-  und  Westeuropa  zu 
beschränken“,  wie  mir  Herr  Petersen  vorwirft,  sondern  ich  habe  in  meiner  Schrift  auf  S.  115 
Anm,  ausdrücklich  auch  Oberitalien  mit  in  das  Bereich  gezogen.  Die  Verbreitung  derselben 
über  einen  so  grossen  Theil  Europas  von  einem  so  kleinen  und  fern  gelegenen  Gebiete  (Bri- 
tannien) habe  ich  durch  den  Landhandel  erklärt,  dessen  Bedeutsamkeit  bei  den  uncivilisir- 
testen  Völkern  uns  noch  beute  (Rhabarber  aus  dem  Innern  Asiens,  Gold  und  Elfenbein  an 
der  Westküste  Afrikas  etc.)  in  zahlreichen  Beispielen  entgegentritt.  Ob  es  dem  gegenüber 
eine  undenkbare  „Originalität“  sei,  dass  den  Bewohnern  der  Schweiz  etc.  das  Zinnerz  (resp. 
Zinn  oder  Bronze)  auf  diesem  Wege  von  der  Nordsee  statt  vom  Mittelmeere  her  zugeführt 
wurde,  und  es  so  „leicht  ist“,  zwischen  diesen  beiden  Möglichkeiten  zu  entscheiden,  wie  Herr 
Desor  meint,  möchte  ich  doch  noch  sehr  in  Frage  gestellt  lassen.  Um  so  mehr,  als  die  Ent- 
fernungen auf  beiden  Seiten  nicht  so  beträchtlich  verschieden  und  die  Schwierigkeiten  des 
Transportes  bei  der  letzteren  Annahme  doch  gewaltig  grössere  sind!  — 


Ich  war  im  Vorigen  bemüht,  die  gegen  die  Ansicht  vom  heimischen  Ursprung  und  Cha- 
rakter der  Bronzecultur  erhobenen  Einwände  ausführlich  zu  widerlegen.  Ich  hielt  mich  dazu 
für  verpflichtet,  um  zu  beweisen,  dass  dieselbe  keine  leichtfertig  hingeworfene  resp.  wieder- 
aufgenommene Hypothese,  kein  bei  und  von  mir  erzeugter  „Schwindel“  sei,  wie  Herr  v.  Co- 
hausen  so  freundlich  ist,  9ie  zu  nennen;  sondern  dass  sie  auf  eingehendere  Studien  sich 
gründet.  Ebenso  gewiss  aber,  als  sich  noch  Manches  gegen  sie  Vorbringen  lässt,  ebenso  sicher 
bedarf  sie  zn  ihrer  völligen  Durchführung  noch  weiterer,  gründlicherer  Untersuchungen. 
Dem  Chemiker  sowohl  als  dem  Archäologen  ist  noch  ein  übergrosses  Arbeitsfeld  geboten! 

Namentlich  aber  dem  Archäologen  möchte  ich  hier  zum  Schluss  das  Studium  der  compa- 
rativen  Ethnographie  als  Vorarbeit  dringend  empfehlen.  Freilich  nicht  in  der  Art  des  Herrn 
Nilsson,  die  Vergleichung  mit  Völkern  zu  beginnen,  die  vor  Jahrtausenden  gelebt  und  uns 
ebenso  mangel-  als  sagenhafte  Nachrichten  hinterlassen  haben,  sondern  in  dem  Sinne,  welcher 
sich  glücklicherweise  allmählich  Bahn  zu  brechen  scheint.  Das  ist  die  Heranziehung  der  wilden 
und  halbcivilisirten  Völker  der  Neuzeit,  deren  Cultur  und  Culturentwickelung  wir  aus  sicheren 
Quellen,  mit  eigenen  Augen  und  mit  dem  geschärften  Blicke  heutiger  Forschung  zu  unter- 
suchen vermögen.  Hier  lernen  wir  kennen,  was  der  Mensch  bei  bestimmten  Verhältnissen  der 
umgebenden  Natur  aus  ureigner  Kraft  herauszuschaffen  im  Stando  ist;  hier  lernen  wir  ermessen, 
in  wie  weit  er  in  seinem  Fortschritte  wiederum  abhängig  ist  von  anderen  seiner  Mitmenschen. 
Diese  Art  oomparativer  Forschung  ist  schon  in  manchen  Werken  mit  Erfolg  betreten  und 
findet  auch  in  diesem  „Archiv“  ihre  vollste  Würdigung. 

Wer  wird  z.  B.  in  dem  (vermutbeten!)  rohen  Zustande  der  Urbewohner  unserer  Länder 


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54 


F.  Wibel,  Die  Cultur  der  Bronzezeit. 


noch  einen  Grund  gegen  den  heimischen  Ursprung  der  Bronzecultur  zu  besitzen  glauben,  der 
die  Schilderung  der  Kupfercultur  bei  den  Dara&ras  in  Süd-Afrika  aus  der  Feder  des  berühm- 
ten Reisenden  J.  Barrow1)  gelesen  hat?!  Dieses  Volk,  „das  ärmste  auf  der  Erde“,  ohne 
Viehzucht  in  einem  unfruchtbaren  Lande,  weiss  das  in  seinen  Gebirgen  enthaltene  kiesige 
Kupfererz  auf  Kupfer  zu  verarbeiten  und  aus  diesem  Metalle  „Ketten,  Ringe  und  Armbänder“ 
herzustellen,  „wobei  ihnen  zwei  Steine  zum  Hammer  und  Amboas  dienen“.  Und  das  Product 
würde  „keinem  europäischen  Künstler  Schando  machen“!  „Sie  leben  blos  davon,  diese  Gegen- 
stände östlich  deu  Briqnas,  südlich  den  Namaquas  zu  vertauschen." 

Und  so  wie  hier,  wären  viele  Bedenken  gehoben,  viele  Ein  wände  getilgt  und  viele  Behaup- 
tungen unterlassen  worden,  wenn  man  beispielsweise  die  alten  Azteken-  und  Inkasreiche  stets 
vor  Augen  gehabt  hätte.  Neben  der  wunderbarsten  Ausbildung  in  Staat  und  Religion,  in 
Kunst  und  Wissenschaft  — die  kannibalischste  Rohheit;  neben  vorgeschrittener  Technik  in 
Edelstein-  und  Metallarbeiten  — die  nach  unseren  Begriffen  kümmerlichsten  HUlfsmittel  in 
Form  steinerner  und  bronzeuer  Werkzeuge;  keine  Kenntniss  des  Eisens  und  wie  es  scheint 
auch  nicht  des  Glases,  eine  mangelhaft  ausgebildete  Keramik  auf  der  einen  Seite  — die 
gewaltigsten  Bauwerke  und  Sculpturen,  massenhafte  Malereien ; zahlreiche  Dicht-  und  Schrift- 
werke auf  der  anderen  Seite;  kurz  eine  Menge  „Wunder“  als  Thatsachen  vor  uns  enthüllt! 
Ja!  selbst  die  Geschichte  der  Geschichte  dieser  Culturen  bietet  mit  unserer  Frage  die  selt- 
samsten und  belehrendsten  Analogien  dar.  Ueberreich  an  überraschenden  Aehnlichkeiteu 
mit  Sitten,  Gebräuchen  und  Artefacten  orientalischer  und  occidentalischor  Nationen  sind  sie 
Spielball  der  verschiedenartigsten  Hypothesen  geworden.  Besonnene  Forscher  (Alex.  v. 
Humboldt)  begnügten  sich  mit  dem  allgemein  orientalischen  Hinweis;  Andere  (J.  Ran- 
king) riefen  die  Mongolen  und  Chinesen  herbei;  Andere  (Lord  Kingsborough)  Hessen  die 
Juden  hieher  wandern;  wieder  Andere  (Ordonez  und  Juarros)  machten  die  Aegypter  und 
Phönicier,  oder  aber  (wie  Rafn)  die  Isländer  und  Norweger  zu  deu  Schöpfern  dieser  Cultu- 
ren. Und  am  Ende?  — Atu  Ende  ist  mau  mehr  und  mehr  zu  der  Einsicht  gelangt,  dass  nur 
eine  Annahme  aus  dem  Labyrinthe  aller  Schwierigkeiten  herausgeleite  und  Alles  am  ein- 
fachsten und  zweifellosesten  erkläre,  — die  Annahme  von  der  heimischen,  selbständigen 
Entwickelung!  Vielleicht  werden  auch  wir  einst  von  unserer  „Cultur  der  Bronzezeit“  sagen 
können  und  müssen,  was  Mich.  Chevalier’)  von  derjenigen  Altmexikos  anführt:  „C’est  le 
plus  sur  ou  le  moins  incertain,  de  considerer  la  civilisation  mexicaine  coiume  autochthone  dans 
sa  Constitution  gdnerale.“  Dem  wahren  Forscher  fallt  eine  solche  Resignation  auf  „Gewiss- 
heit“ immer  noch  leichter,  als  ein  auf  Vermuthungen  aller  Art  gegründeter  „Glaube“! 

*)  J.  Barrow1!  Reisen  durch  die  inneren  Gegenden  des  südlichen  Afrika.  171)7 — 9B.  Uebersetzl  von 
M.  C.  Sprengel,  Weimar  1000,  Bd.  I,  S.  8Ö9  f.  — *)  Mich.  Chevalier,  Le  Mexique  anoien  et  moderne. 
Paris  IS63,  p.  132.  Auch  der  Abbe  Brasseur  de  Bourbourg  in  Eeiuem  umfassenden  Werke  über  Mexiko  und 
Centralamerika  wagt  nicht,  eine  der  obigen  Hypothesen  aiszunehmen,  und  lasst  seine  Hinneigung  zu  der  hier 
erwähnten  Ansicht  mehrfach  durchbacken. 


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Schlussbemerkung. 


55 


Schlussbemerkung  der  Redaction. 


Die  beinahe  allgemeine  ungünstige  Beurtheilung,  welche  der  Schrift  Herrn  Wibels  zu 
Theil  wurde,  ist  keineswegs  einem  Verkennen  der  anregenden  Ideen  und  scharfsinnigen  Beob- 
achtungen beizumessen , welche  der  chemische  Theil  seines  Werkchens  enthält.  Ohne  die 
letzteren  würde  das  Ganze  schwerlich  überhaupt  eingehendere  Erörterungen  hervorgerufen 
haben,  welche  sich  im  Wesentlichen  gegen  die  übereilten  Schlüsse  und  weitgehenden  antiqua- 
rischen Behauptungen  richten,  die  nur  durch  ihre  Verbindung  mit  jenen  anerkennonswerthen 
Beobachtungen  eine  Bedeutung  erhalten  konnten.  Zudem  Ist  die  Art  des  Vortrags  dieser  Be- 
hauptungen wohl  geeignet,  ernste  wie  scherzhaft  gehaltene  Entgegnungen  zu  provociren. 
Nicht  sowohl  deshalb  weil  Herr  Wibel  grade  das  Gegentheil  aufstellt  von  dem  was  bisher 
als  Resultat  vielseitiger  Untersuchungen  betrachtet  wurde,  und  die  Ansichten  bewährter  und 
angesehener  Forscher,  wie  jene  Nilson’s,  ohne  Umstände  bei  Seite  zu  schieben  sucht,  als 
vielmehr  weil  der  Gehalt  seiner  Angriffsmittel  bezeugt,  dass  er  nicht  genügend  gerüstet  zu 
diesem  Unternehmen  ein  Gebiet  betritt,  dessen  Kenntnis«  nicht  aus  immittelbarem  Studium, 
sondern  vorwiegend  aus  literarischen  HUlfsmitteln  hervorging.  Dies  bestätigt  sich  auch  in 
vorliegender  Antikritik  des  Verfassers,  welcher  der  Unterzeichnete  als  Abschluss  seiner  un- 
freiwilligen Betheiligung  an  dieser  Discussion  einige  Bemerkungen  anzufügen  sich  erlaubt 

Die  neuerdings  immer  umfangreichere  Literatur  antiquarischer  V ersuche  zeigt  als  sehr 
charakteristische  gemeinschaftliche  Eigentümlichkeit  eine  entschiedene  Geringschätzung  der 
alten  Nachrichten  über  die  nordischen  Völker,  die  man  wegen  ihrer  Unvollständigkeit,  Unklar- 
heit und  Widersprüche  mit  der  grössten  Zuversicht  gradezu  als  unrichtig  verwerfen  zu 
können  vermeint 

Mit  einer  solchen  Beschränkung  der  Geschichtsforschung  nur  auf  klares,  vollständiges  und 
allseitig  übereinstimmendes  Material  würde  allerdings  die  Aufgabe  dieser  schwierigen  Disci- 
plin  wesentlich  vereinfacht  und  in  eine  ebenso  angenehme  als  leichte  Beschäftigung  verwan- 
delt, welche  überall,  wo  sich  Lücken  und  Widersprüche  zeigten,  die  Hand  zurückzöge,  um  den 
Phantasien  angehender  Antiquare  freie  Bahn  zu  lassen.  So  bequem  macht  sich  jedoch  nicht 
grade  der  Weg  über  jene  alten  Nachrichten  hinweg,  deren  Gewicht  die  Versuche  einer  Besei- 
tigung vereitelt  Ihre  Bedeutung  bleibt  denn  doch  unabhängig  von  einer  Schätzung  nach  An- 
sichten und  Absichten  einzelner  Forscher,  und  aller  berechtigten  wie  unberechtigten  Kritik 
gegenüber  behaupten  sie  ihren  Werth,  der  so  ganz  und  gar  unersetzlich  ist,  dass  uns  keine 
ihrer  gerügten  Schwierigkeiten  von  dem  Versuch  abhalten  darf,  ihnen  die  gewünschte 
Auskunft  abzugewinnen. 

Ernstliche  Bestrebungen  in  dieser  Richtung  haben  es  auch  erwiesen,  dass  für  die  Darstel- 
lung eines  allgemeinen,  selbst  für  die  wichtigsten  Einzelnheiten  maassgebenden  Umrisses  der 
alten  nordischen  Culturverhältnisse,  die  vorhandenen  Quellen  vollkommen  ausreichen.  Auch 


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56  Schluasbemerkung. 

die  dürftigsten  bringen  Etwas  und  Alle,  wenn  auch  von  verschiedenster  Seite  demselben  Zuge 
folgend,  geben  eine  im  Ganzen  übereinstimmende  und  gleichmässige  Anschauung  der  nor- 
dischen Zustande,  wie  sie  aus  einer  grossen  Anzahl  von  Berührungsmomenten , aus  dem  in 
fernste  Frühzeit  reichenden  Handelsverkehr  aus  den  Erfahrungen  der  Kriegszuge  der  Nord- 
länder nach  dem  Süden  und  der  Südländer  nach  dem  Norden  sich  gestalten  musste. 

Wir  erhalten  durch  dieselben  eine  Umschreibung  des  Bilduugsumfangs  der  Nordvölker, 
deren  Wahrheit  und  Unbefangenheit  ihre  Bestätigung  darin  findet,  dass  sie  während  der 
langen  Dauer  der  Beobachtung  keine  wesentliche  Berichtigung  erfuhr  und  selbst  noch  in  den 
Erscheinungen  späterer  Zeit  erkennbar  bleibt. 

Mit  den  Widersprüchen  und  Lücken  dieser  alten  Nachrichten  steht  es  keineswegs  so 
schlimm  wie  man  wissen  will.  Als  ein  wesentlicher  Widerspruch  würde  es  nur  gelten  können, 
wenn  einige  dieser  Ueberlieferungen  Zeugnis«  für  eine  höhere  Cultur  der  Nordvölker  ableg- 
ten, während  alle  übrigen  in  dem  Nachweise  des  Gegentheils  übereinstimmen. 

Eine  beachtenswerthe  und  bedenkliche  Lücke  würde  sich  nur  daraus  ergeben,  wenn  uns 
alle  Kunde  des  Handelsverkehrs  von  dem  Süden  nach  dem  Norden  und  umgekehrt,  sowie  der 
zum  Austausch  gelangten  Waaren  entzogen  wäre.  Allein  im  Gegentheil  ist  dieser  Punkt  in 
verhältnissmässig  reichlicher  und  aufschlussgebender  Weise  bedacht. 

Grade  in  jener  Frühzeit  der  ältesten  „Bronzecultur“  der  Mittelmeervölker  war  schon  der 
Bernstein  in  den  Süden  gelangt-  und  blieb  als  ein  Product  des  Nordens  bekannt.  In  welcher 
Weise  sich  dagegen  so  ungleich  wichtigere  Dinge,  wie  die  vermeintliche  Entdeckung  der 
Bronzemischung,  die  Ausführung  kunstvollen  Erzgeräthes  und  seine  Verbreitung  bis  nach  Ita- 
lien hin,  so  vollständig  jeder  Beachtung  hätte  entziehen  können,  bliebe  gradezu  unbegreiflich 
und  nur  aus  einer  absichtlichen  Böswilligkeit  der  Berichterstatter  zu  erklären,  welche  die 
Erzwaarcn  im  Gegentheil  als  Einfuhr  des  Südens  nach  Britannien  bezeichnen. 

Es  hilft  hier  kein  Hinaufschieben  in  eine  ungemessene  Fernzeit  von  BildungsverhältnLssen, 
welche,  wenn  sie  überhaupt  existirt  hätten , zur  Zeit  historischer  Beobachtung  unmöglich  bis 
auf  die  letzte  Spur  verschwunden  sein  konnten. 

Eben  so  wenig  ist  die  Lösung  der  Frage  Uber  die  Herkunft  der  alten  Erzgcräthe  durch 
die  Entdeckung  der  wahrscheinlichsten  Art  der  ursprünglichen  Bronzebereitung  und  des  Fund- 
orts ihrer  Bestandtheile  erreicht.  Die  Sache  liegt  nicht  ganz  so  einfach  als  es  Diejenigen  glau- 
ben, welche  mit  irgend  einer  guten  Idee  für  die  Erklärung  eines  Theils  der  Erscheinung  sogleich 
das  Ganze  aus  dem  Labyrinthe  der  Schwierigkeiten  herausleiten  wollen.  Der  Spruch : „Wo  das 
Ei  da  auch  die  Henne"  gilt  nicht  einmal  fiir  alle  Objecte  der  Naturforschung,  geschweige  für 
die  Uber  den  ganzen  Bereich  der  alten  Welt  verbreiteten  Erzeugnisse  einer  ausgebildeten 
Fabrikthätigkeit.  Wenn  aber  für  eine  richtige  Beurtheiluug  der  Bronzecultur  Herr  Wibel 
den  Archäologen  „als  Vorarbeit"  das  Studium  der  comparativen  Ethnographie  „dringend  em- 
pfehlen“ zu  müssen  glaubt  , so  haben  wir  grade  in  dieser  Beziehung  an  eines  der  Ergebnisse 
archäologisch-ethnographischer  Vergleichungen,  an  die  längst  bekannte  Thatsache  zu  erin- 
nern: Dass  die  Erzgeräthe,  ganz  abgesehen  von  ihrer  unzählbaren,  jetzt  noch  vorhandenen 
Menge  und  deshalb  ursprünglich  massenweiser  Herstellung,  als  Zeugnisse  einer  vollständigen 
Beherrschung  des  ganzen  Umfangs  der  betreffenden  Metallarbeit,  die  Leistungen  aller  wilden 
und  halbcultivirten  Völker,  selbst  jene  der  alten  Mexikaner  übertreffen. 


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57 


Schlussbemerkung. 

Die  fortgesetzte  Pflege  dieser  Studien  wird  aber  wobl  vorerst  andere,  zeitlich  und  räum- 
lich unserer  Frage  näher  liegende  Denkmale  gründlicher  noch  wie  bisher  zu  untersuchen 
haben  als  jene  des  alten  Mexiko.  Wenn  auch  die  Autoclithonie  der  aztekischen  Cultur  schon 
damit  gesichert  wäre,  dass  „Herr  Abbö  Brasseur  de  Bourbourg  sich  zu  dieser  Ansicht 
hinzuneigen  scheint“,  so  bliebe  dies  doch  ohne  allen  Aufschluss  für  das  alte  Britannien, 
wo  überhaupt  eine  Cultur,  welche  zu  untersuchen  wäre,  erst  aufzuflnden  und  nachzuweisen 
ist.  Ein  treffender  Vergleichung»-  und  Berührungspunkt  für  beide  Länder  ist  ausser  dem 
Kannibalismus  etwa  nicht  zu  entdecken.  Dieser  aber  findet  sich  bei  den  Mexikanern  im  Con- 
traste  mit  prachtvollen  Tempelbauten,  reichen  Sculpturen  und  Malereien  etc.,  bei  den  Britan- 
nien) noch  im  Beginn  der  historischen  Zeit,  ohne  solchen  Gegensatz  ihrer  übrigen  Lebens-  und 
Bildungsverhältnisse. 

Der  Versuch  gegen  das  bestimmte  Zeugniss  der  alten  Ueberlieferungen  sowohl  als  der 
bekannten  Verhältnisse  historischer  Zeit,  den  keltischen  Stämmen  eine  uralte  Cultur  zu 
überweisen,  ist  kein  neuer.  Diese  Streitfrage  ist  nicht,  wie  Herr  Wibel  glaubt,  vernachlässigt, 
sondern  bis  zum  Ueberdrusse  nach  allen  Seiten  erörtert,  ohne  zu  irgend  einem  Resultate  im 
Sinne  dieser  Bestrebungen  zu  führen. 

Wenn  sich  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  nur  uoch  an  bestimmte  Funde  und  Ob- 
jecte knüpfen,  und  man  nicht  mehr  geneigt  ist,  mit  der  Widerlegung  veralteter  Anschau- 
ungen von  vorn  zu  beginnen,  so  erscheint  dies  bei  der  Menge  von  wichtigeren  Fragen,  die 
der  Erledigung  harren,  doch  wohl  gerechtfertigt,  selbst  bei  erneuter  Anregung  durch  Behaup- 
tungen und  Gründe,  mit  welchen  unternehmende  Forscher  zukünftiger  Zeit  wohl  im  Stande 
wären,  für  das  neunzehnte  Jahrhundert  p.  Chr.  bei  den  Wilden  in  Californien  eine  Gold-  und 
bei  jenen  in  Australien  eine  Kupfercultur  zu  constatiren. 


L.  Lindenschmit. 


Archiv  f»>r  Ar tliropoloflle-  Fl*mL  III.  Heil  i. 


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V. 


Der  deutsche  Weiberschädel. 

Von 

Dr.  A.  Weisbach, 

k.  k-  Obcrsnl  in  Wien. 


Der  weibliche  Körper  unterscheidet  sich  vom  männlichen  nicht  etwa  blos  durch  die  lur 
den  besonderen  Zweck  des  Weibes  anders  als  beim  Manne  eingerichteten  Theile  des  Rum- 
pfes; auch  seine  Gliedmassen,  welche  in  ihren  einzelnen  Abschnitten  schon  anders  gestaltet 
und  im  Ganzen  relativ  zur  Körpergrösse  kürzer  als  jene  des  Mannes  sind  '),  nehmen  Theil  an 
den  zwischen  beiden  Geschlechtern  herrschenden  Unterschieden.  Es  lässt  sich  daher  voraus- 
setzen, dass  auch  der  Kopf  Geschlechtseigenthilmlichkeiten  besitzen  wird,  die  nicht  blos  auf 
dessen  geringerer  absoluter  Grösse  allein  beruhen. 

Dies  wird  auch  von  den  meisten  Anatomen  anerkannt;  so  sagt  Arnold  (Anatomie,  Bd.  I., 
S,  455):  „Der  männliche  Schädel  ist  mehr  länglich  oval,  der  weibliche  mehr  rundlich  oval; 
die  grössere  Rundung  entsteht  durch  die  stärkere  Wölbung  der  Schläfengegenden  und  die 
beträchtlichere  Kürze  des  Längsdurchmessers“;  ferner  Weber*)  bei  Besprechung  seiner  ovalen 
Urschädelform : „ln  den  verschiedenen  Geschlechtern  spricht  sieh  eine  geringe  Verschieden- 
heit dieser  Form  aus;  der  weibliche  Schädel  nämlich  ist  mehr  rundlich  oval,  die  Uebergänge 
an  der  Stirne,  den  Schläfen,  dem  Hinterhaupte  und  im  Gesichte  linden  mehr  allmälig  statt, 
ilaher  ist  der  weibliche  eiförmige  Schädel  mehr  gerundet,  ob  er  sieh  gleich  deutlich  oder  be- 
stimmt noeh  von  der  runden  Schädelform  unterscheidet.  Der  Gehirn-  und  Gesichtstheil  ist 
auch  beim  weibliehen  ovalen  Schädel  niedriger  als  beim  männlichen  ovalen,  die  Kiefer  stehen 
etwas  mehr  zurück,  sind  weniger  kräftig  aasgewirkt,  wodurch  gleichfalls  grössere  Rundung 
entsteht“ 

Nach  C'arus *)  ist  der  Kopf  dos  Weibes  durchaus  kleiner  als  der  des  Mannes,  durch  ge- 
ringere Entwickelung  der  Vorder-  und  Hinterhauptsregion  gegen  das  Mittelhaupt  charakte- 

*)  Novara-Reisewerk,  Anthropologie  II.  Abtheilung:  Körpermessungen.  Wien  1367.  — *j  Ur*  und  Raren- 
lormen  des  Schädels  und  Beckens.  — r')  Grundzüge  einer  wissenschaftlichen  Cranioscopie. 

8* 


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fiO 


A.  Weisbach, 


risirt.  Auch  Huschke1)  giebt  an,  dass  der  weibliche  Schädel  ausser  anderen  Merkmalen,  — 
Vorherrschen  des  Scheitel  wirbelst,  günstigeres  Verhältnis«  nun  ganzen  Körper,  Ueberwiegen 
des  Schädeltheiles  über  den  Gesichtstheil , — rundlicher  und  hinterwärts  breiter,  der  männ- 
liche länglicher  oval  ist. 

Die  auf  viele  Einzeluntersuchungen  ausgedehnten  Forschungen  von  Welcker*)  und 
Ecker*)  haben  gleichfalls  in  die  Augen  fallende  Geschlechtsverschiedenheiten  des  Schädels 
festgestellt ; nur  in  neuester  Zeit  ist  Aeby4)  mit  der  Behauptung  hervorgetreten,  dass  nur 
die  Grösse,  nicht  nber  die  Form  des  weiblichen  Schädels  wesentlich  von  derjenigen  des  männ- 
lichen abweicht. 

Bei  Untersuchungen  über  Schädelformen  verschiedener  Menschenracen  müssen  die  beiden 
Geschlechter  vollständig  getrennt  von  einander  betrachtet  werden , wenn  auch  nicht  geläug- 
net  werden  kann , dass  es  Weiberschädel  mit  mehr  männlicher  Form  und  umgekehrt , männ- 
liche Schädel  mit  weiblichem  Typus  giebt.  In  den  Werken  von  Davis  und  Thurnam  und 
von  Welcker  ist  diese  Trennung  beider  Geschlechter  auch  durchgeführt , wogegen  jene  von 
Ecker  und  His  dieselbe  leider  vermissen  lassen. 

Welcker  ist  durch  seine  eingehenden  Messungen  zu  Resultaten  gelangt,  welche  den 
meinigen,  freilich  an  einer  geringeren  Zahl  von  Schädeln  erhaltenen,  in  den  Hauptergebnissen 
widersprechen,  Grund  genug  für  mich,  an  zahlreicheren  Weiberschädeln  deutscher  Nationali- 
tät der  kraniologischen  Sammlung  der  Josefakademie,  welche  mir  Herr  Professor  Engel  mit 
gewohnter  Liberalität  zur  Verfügung  stellte,  die  Untersuchungen  von  Neuem  anzustellen,  um 
allenfallsige  Irrthümer  berichtigen  zu  können. 

Um  einigen  Einwürfen  Welcker’s  (Archiv  für  Anthropologie,  Band  I.,  S.  120  ff.),  welche, 
da  sie  von  einem  so  ausgezeichneten  Forscher  herrühren,  um  so  schwerer  treffen,  zu  begegnen, 
sei  hier  erwähnt,  dass  die  24  benutzten  Weiberschädel  nach  ihrer  Nationalität  deutsche  sind, 
und  zwar  4 aus  Böhmen  (Nr.  1,  17,  18,  22),  je  2 aus  Oberösterreich  [Nr.  3,  14)  und  Baiern 
(Nr.  4,  6),  je  1 aus  Schlesien  (Nr.  8)  und  Holstein  (Nr.  9),  alle  übrigen  14  aus  Niederösterreich 
stammen.  Ob  bei  dem  einen  oder  andern  slawisches  Blut  I ►eigemischt  ist,  lässt  sich  wohl 
nicht  entscheiden  und  hätten  die  Besitzerinnen  dieser  Schädel  bei  Lebzeiten  vielleicht  selbst 
nicht  Bicherstellen  können;  der  allgemeinen  Form  nach  trägt  keiner  dieser  Schädel  Zeichen 
slawischer  Abstammung. 

Ein  fernerer  Einwurf  Welcker's,  ob  nicht  sonst  abnorme  Schadet  unterlaufen  wären,  sei 
dahin  berichtigt,  dass  es  sich  bei  genauen  Untersuchungen  von  Kaceneigenthllmlichkeiten  der 
Schädel  wohl  von  selbst  versteht,  jede  pathologische  Form,  jeden  synostotischen  Schädel  aus- 
zuschliessen , wovon  nur  Greisenschädel  auszunehmen  sind.  Bei  den  folgenden  Untersuchun- 
gen winden  auch  sämmtliche  Kreuzköpfe,  Schädel  mit  offener  Stirnnabt,  hei  Seite  gelassen, 
deren,  von  der  gewöhnlichen  abweichende  Form  zuerst  von  Welcker  genauer  nachgewiesen 
wurde  und  das  allgemeine  Mittel  jedenfalls  etwas  anders  gestalten  müsste.  So  wurden  also 
nur  vollkommene  Nonnalschädel  in  die  Untersuchung  einbezogen,  jedoch  nicht  etwa  nach 
einer  gewissen  Auswahl,  sondern  wie  sie  der  Zufall  dem  Museum  einverleibt  hat. 


*)  Schädel,  Gehirn  und  Seele  etc.  — *)  Wachstbum  ond  Hau  de»  mcnechlichon  Schädel»,  Hand  I.  — 
*1  Archiv  für  Anthropologie,  Band  I.,  S.  81.  — 4)  THe  Schädelform  de»  Menschen  und  der  Arten.  1SC7. 


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Der  deutsche  Weibersehädel. 


61 


Ein  weiterer  Vorwurf  wurde  in  dem  höheren  Alter  vieler  der  in  der  ersten  Abhandlung1) 
benutzten  Weibersehädel  gesucht;  wenn  wir  Weleker's  30  deutsche  Weiberschädel  näher 
betrachten,  finden  wir  im  Alter  der  zwanziger  Jahre  blos  8,  5 jüngere  und  9 über  50  bi» 
100  Jahre  alte;  unter  den  hier  zu  besprechenden  stehen  13  im  Alter  zwischen  20  und  30,  2 
in  den  30er,  je  einer  in  den  40  und  Wer,  2 in  den  50er  und  nur  5 in  den  70er  Jahren.  Uebri- 
gens  hätte  gerade  dadurch,  dass  damals  fast  die  Hälfte  der  Schädel  „alten  Mütterchen“  ange- 
hörten, der  gefundene  Längenbreitenindex  geringer  ausfallen  müssen  als  jener  Welcker’s, 
weil  eben  im  Greisenalter  ein  Schmälerwerden  des  Schädels  nachgewiesen  wurde. 

Woher  dürfte  nun  der  Widersprach  im  Lüngenbreitenindox  der  beiderseitigen  Unter- 
suchungen rühren?  Welcker  nahm  die  Breite  des  Schädels  an  den  Kreuzungspunkten  zwi- 
schen dem  horizontalen  und  queren  Umfange,  welche  immer  nach  vorn  von  der  grössten  Breite 
des  Schädels  liegen.  Nun  hat  aber  der  deutsche  Weibersehädel  die  schon  1864  von  mir  her- 
vorgehobene Eigentümlichkeit,  dass  »eine  vor  der  grössten  Breite  gelegenen  Breitenmaasse 
absolut  und  relativ  kleiner  als  beim  männlichen  sind,  kurz,  dass  er  sich  nach  vorn  hin  viel 
rascher  verschmälert.  Wird  nun  eine  in  diese  Gegend  fallende  Breite  zur  Berechnung  des 
Index  genommen,  so  muss  derselbe  offenbar  geringer  ausfallen  als  bei  Zuhülfenahme  der 
grössten  Breite  überhaupt,  weshalb  auch  nur  diese  fiir  den  Index  benutzt  werden  darf,  wenn 
er  der  richtige  Ausdruck  für  die  Schädelgestalt  sein  soll.  Dass  in  der  angcschlossenen  Arbeit 
der  Längenbreitenindex  dennoch  geringer  (1000:825)  als  in  der  ersten  (831)  gefunden  wurde, 
dürfte  sich  dadurch  erklären,  dass  die  ältere  Abhandlung  vier  Stirnnahtschädel  enthielt, 
welche  in  der  jetzigen  weggelasscn  wurden. 

Die  grosse  Zahl  meiner  Messungen  könnte  vielleicht  für  viele  ein  Stein  des  Anstosses 
sein;  wenn  aber  bedacht  wird,  dass  eine  so  complicirte  Gestalt,  wie  die  des  menschlichen 
Schädels,  nicht  so  leicht  wie  irgend  eine  einfacho  zu  bestimmen  und  zu  beschreiben  ist  und 
keinesfalls  durch  Angabe  einiger  weniger  Maasse  fixirt  werden  kann,  so  wird  inan  sich  viel- 
leicht mit  der  Menge  von  Maassen  und  Zahlen  aussöhnen.  Uebrigens  müssen  am  Schädel 
auch  die  Krümmungen  berücksichtigt  werden,  welche  dessen  Gestalt  nicht  weniger  als  seine 
Länge,  Breite  und  Höhe  beeinflussen,  deren  Berechnung  aber  je  zwei  Masse,  Sehne  und  Bo- 
gen erfordern,  daher  das  Messungsschema  ansehnlich  ausdehuen. 

Ob  nun  die  für  den  deutschen  Schädel  gefundenen  Geschlechtseigenthüinlichkeiten  auch 
für  andere  Raeeu  gelten,  müssen  andere  Untersuchungen  entscheiden;  halien  die  nachfolgen- 
den weitere  Anregung  dazu  gegeben,  so  wird  «lies  jedenfalls  nicht  der  kleinste  Erfolg  dersel- 
ben sein. 


9 Meriicin.  Jahrbücher  der  k.  Ic.  GeaelUchaft  der  Aente  in  Wien,  1884. 


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62 


A.  Weisbach 


I.  Maasse  im  Ganzen. 

A.  Gehirnschädel. 


L Der  Rauminhalt  des  Schädels,  bestimmt  durch  möglichst  genaues  Ausfällen  mit  Gries1),  aus 
dessen  Grösse  man  auf  das  Gewicht  des  GehirnoB  zu  schliessen  berechtigt  zu  sein  glaubt,  und  welcher  eben 
deshalb  ein  besonderes  Interesse  beansprucht,  ist  bei  den  Weihern  deutscher  Nationalität  beträcht- 
lichen Schwankungen  unterworfen,  welche  jedoch  bei  Weitem  nicht  jene  weiten  Grenzen 
zeigen,  wie  bei  den  Männern;  bei  einem  durchschnittlichen  Gehalte  von  1336,65  GC.  erreicht 
derselbe  im  Maximum  1633,33  CG.  (bei  einem  23jährigon  Weibe)  und  im  Minimum  1150,32  CC. 
(bei  einem  78jäbrigen  Wcibo). 

Für  den  erwachsenen  deutschen  Münnerschädel  haben  wir  früher  im  Mittel  aus  50  Wägungen  den  Cubik- 
inhaR  auf  1521,64  CC-  bestimmt,  so  dass  also  der  Weiberschädel  im  Allgemeinen  um  165  CC.  kleiner  ist  und 
sich  zum  männlichen  = 878  : 1000  verhält  Höchst  bemerkenswerther  Weise  verhalten  sieh  die  Gebirn- 
gewichte  beider  Geschlechter  äusserst  ähnlich,  nämlich  das  der  Männer  nach  151  Wägungen1)  aus  sämmtlichen 
Altersstufen  vom  20,  bis  in  die  90er  Jahre  (1262  Grm.)  zu  dem  der  Weiber  (Mittel  aus  92  Fallen  = 1112  Grm.) 
ss  1000  : 881.  Wenn  wir  die  individuelle  Veränderlichkeit  der  Grösse  der  Schädelhöhle  au*  dem  Verhältnisse 


der  Differenz  zwischen  Maximum  und  Minimum  zum  Mittelwcrtlie  X 


100 


berechnen,  zeigt  es 


Medium 

eich,  dass  die  Grösse  der  Schädelhöhle  beim  Weibe  (28,6  Pioc.)  viel  beständiger  als  beim  Manne  (52,5  Proc.) 
bleibt 


Sowohl  Huschke’s  als  auch  Wclcker’s  Untersuchungen  ergeben  gleicher  Weise  1300 CC.  Rauminhalt 
für  den  deutschen  Weiberschädel,  wogegen  Tiedemann's  Angalten*)  im  Mittel  aus  6 Messungen  blos 
1211,68  CC.,  um  125  CC.  weniger  als  die  unserigen  berechnen  lassen. 

Ordnet  man  diese  Schädel  nach  der  Grösse  ihres  Rauminhaltes,  so  zeigt  sich,  entsprechend  dessen  mitt- 
lerem Werthe,  die  grösste  Zahl  derselben  (9)  13  bis  1400  CC.  gross,  von  wo  aus  nach  beiden  entgegengesetzten 
Richtungen  hin  die  Vertreter  der  einzelnen  um  100  CC.  zu-  oder  abnehmenden  Schädel  sich  vermindern,  jedoch 
so,  dass  mehr  kleine  (6  Schädel  unter  1300 CC.)  als  grosse  Schädel  (6  über  1400 CC.)  Vorkommen;  unter  diesen 
23  haben  nämlich  3 Schädel  eine  Ilöhle  von  1100,  ö von  1200  und  je  3 eine  solche  von  1400  und  1500  CC. 
Inhalt. 

Vergleichen  wir  die  Grösse  der  Sehudelhöhlc  unserer  deutschen  Weiher  mit  den  Messungen  anderer 
Autoren : 


Irländer 

$ 

1414,8  CC.  B.  D»vi»*) 

Holländer 

„ 

1406,9 

»»  w 

Kanakas 

rr 

1400,0 

»*  r» 

Marquesas 

i» 

1385,0 

»*  IT 

Engländer 

„ 

1375,0 

n *i 

Chinesen 

1! 

1355,1 

’>  r» 

Hindu 

1» 

1335,1 

i»  „ 

Holländer 

„ 

1205,5 

„ Tiedemann 

Neger 

„ 

1189,1 

ii  1« 

Javanen 

„ 

1171,0 

n t» 

Mtftjtn 

>1 

1140,6 

n »* 

l)  Landzcrt  (Beiträge  zur  Kraniologie,  Frankfurt  am  Main  1867)  stellt  meinem  Vorgänge  beim  Ausfällen 
(durch  Stopfen  mit  einem  Glas-  oder  Hornstabe)  den  sonderbaren  Einwurf  entgegen , dass  dadurch  ein  grös- 
serer Cubikinhalt  gefunden  werden  müsse  als  eigentlich  vorhanden  sei.  Die  Schädelhöhle,  als  ein  von  un- 
nachgiebigen Wandungen  begrenzter  Raum,  kann  aber  in  jedem  einzelnen  Falle  nur  Einen  richtigen  Cubik- 
inhalt besitzen,  welcher  durch  sorgfältiges  Ausfällen  der  Wahrheit  nahezu  entsprechend,  unmöglicher  Weise 
aber  als  ein  zu  grosser  erhalten  wird,  aussur  man  hätte  die  Nähte  zura  Klaffen  gebracht.  — *)  Archiv  für 
Anthropologie,  Band  I.,  1867.  — aJ  Das  Hirn  de«  Negers.  Heidelberg  1837.  — *)  Thesaurus  Craniorum.  Lon- 
don 1867. 


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Der  deutsche  Weiberschädel. 


63 


bo  kommen  wir  zu  dem  ltemerkeuBiverlhen  Reaultaie,  *lae*  unsere  Weiber  in  dieaer  Hineicht  jenen  der  Irlän< 
der,  Holländer,  Sandwichin  gulaher,  Marquesaner,  Engländer,  Chinesen  und  den  slawischen  Weibern  (nach  20 
eigenen  Messungen  durchschnittlicher  Cubikinhait  der  Schädelhöhle  1317,91  CC.)  nachstehen,  den  Hinduweibern 
(niederer  Kaate)  fast  genau  gleichen  und  mir  den  Weibern  der  Neger,  Javanen  und  der  Malayen  überhaupt 
vorangehen.  — Auch  die  in  den  Crania  hritannica  von  B.  Davis  beschriebenen  Schädel  altbritischer  Weiber 
(im  Mittel  von  30  = 1337  CC.)  sind  grösser,  dagegen  jene  der  angelsächsischen  (20  = 1295,3  CC.)  und  beson- 
ders der  altrömischen  Weiber  (12  = 1249,4  CC.)  beträchtlich  kleiner. 

Pas  Verhältnis!  des  Rauminhaltes  der  Schadelhühle  zwischen  männlichem  und  weiblichem  Geschlechtc 
wird  schon  bei  den  Deutschen  von  mehreren  Autoren  verschieden  (1000  : 638  bis  1000  : 897)  angegeben,  um 
so  mehr  wird  cs  sich  bei  verschiedenen  Nationen  anders  gestalten,  wie  die  nachstehende  Aufzählung  (der 
Cubikinhait  des  Männerschadeis  immer  = 1000  gesetzt)  beweiset: 


Neger  . 

S 

984  (Davis) 

Holländer 

$ 883  (Davis) 

Hindu 

V 

944  „ 

Deutsche 

„ 878  (Weisbaoh) 

Neger 

11 

932  (Tiedemann) 

Alte  Briten 

„ 877  (Davis) 

Malayen 

rt 

923  ,» 

Javanen 

„ 874  (Tiedemann) 

Holländer 

n 

919  „ 

Chinesen 

„ 870  (Davis) 

Irländer 

»» 

912  (Davit) 

Deutsche 

„ 864  (Tiedemann) 

Kannkas 

„ 

«WO 

Angelsachsen 

„ 862  (Davis) 

Slawen 

n 

903  (Weisbach) 

Engländer 

» 

Marquesas 

11 

902  (Davis) 

Deutsche 

„ 838  (Huschke) 

Deutsche 

rt 

897  (Welcker) 

Hierbei  bleibt  es  immerhin  merkwürdig,  das*  bet  den  Negern,  Hindu  und  Malayen  der  Weiberschädel  sich 
dem  männlichen  an  Rauminhalt  viel  weiter  annähert  aU  bei  den  Deutschen  und  Engländern,  welchen  die  Chi- 
nesen und  die  Gräberschädel  aus  England  viel  näher  als  den  crstcren  stehen;  die  Irländer,  Slawen  und  die 
zwei  polynesischen  Stämme  halten  zwischen  jenen  Extremen  ungefähr  die  Mitte. 

II.  Das  Gewicht  des  Schädels  (im  trockenen  Zustande  und  ohne  Unterkiefer)  wechselt  von  351,09 
(bei  einem  71jährigen  Weibe)  bis  zu  072,08  Grm.  und  erreicht  im  Mittel  aus  allen  24  Fällen 
506,96  Grm.,  welche«  Mittelgewicht  von  II  überschritten,  dagegen  von  13  Schädeln  nicht  erreicht  wird, 
llei  Huschke  (a.  a.  0.)  ist  das  Gewicht  des  Weiberschädels  mit  606,2  Grm.  im  Mittel  aus  8 Wägungen  mit 
den  Extremen  von  440  bis  760  Grm.,  daher  gerade  um  100  Grm.  grösser  als  das  obige  verzeichnet.  Leider 
fehlen  Gewichtsangaben  des  Schädels  fast  durchgehend«,  welche  gewiss  kein  geringere«  Interesse  als  andere 
Muassc  zu  beanspruchen  haben.  — Das  Verhältnis»  zwischen  dem  Gewichte  und  Rauminhalte  dürfte  einen 
greifbaren  und  sicheren  Ausdruck  für  die  Dicke  der  Kopfknochen  abgeben , welche  viel  weniger  wahrheits- 
getreu aus  jenem  zwischen  horizontalem  Umfange  und  der  Schädelhöhle  erkannt  wird,  indem  hierbei  die  Höhe 
des  Schädels  ausser  Acht  gelassen  werden  muss.  Freilich  ist  beim  Gewichte  auch  jenes  der  Gesichts- 
knochen (ausschliesslich  des  Unterkiefern)  mit  inbegriffen  und  dadurch  eine  Fehlerquelle  der  obigen  Ausdruck*, 
weise  bedingt,  deren  Anwendung  jedoch  insofern  zu  rechtfertigen  ist,  als  sie  den  Erfahrungen  am  Sections- 
tische  ganz  entspricht. 

Es  kommen  nun  auf  oin  Gramm  des  Schädelgewichtes  beim  deutschen  Weibe  2,040  CC.  der  Schädel- 
höhle, während  beim  männlichen  deutschen  Schädel  (580,57  Grm.),  welcher  überhaupt  um  73,61  Grm.  schwerer 
ist,  auf  1 Grm.  blos  2,620  CC.  entfallen,  so  das»  also  der  weibliche  Schädel  durch  einen  etw&a  dünneren 
Knochenbau  vor  dem  männlichen  ausgezeichnet  zu  sein  scheint. 

Wenn  wir  die  23  Schädel  nach  der  Grösse  ihres  Rauminhalte»  in  drei  Gruppen  zusammenstellen,  von 
welchen  die  erste  jene  enthält,  welche  weniger  als  130«)  CC.  (8  Schädel  mit  dem  mittleren  Rauminhalte  von 
1221,89  CC.  bei  dem  Durchschnittsgewichte  von  483,8  Grm.),  die  zweite  jene  mit  1300  CC.  (9  Schädel,  im  Mit- 
lel  1341,01  CC.  und  558*89  Grm. I und  endlich  die  dritte  alle  über  1400  CC.  haltenden  Schädel  (6,  im  Mittel 
1473,04  CC.  und  472,59  Grm.)  einschüesst:  so  finden  wir,  dass  kleine  Schädel  keineswegs  das  geringste  Gewicht 
haben,  welches  vielmehr  den  grinsten  zukömmt,  und  die  mittelgrossen  Schädel  mit  dem  grössten  Gewichte 
ausgestattet  sind;  ferner  können  wir  daraus  ersehen,  dass  das  Verhältnis  zwischen  Gewicht  und  Rauminhalt 
in  jeder  dieser  Gruppen  ein  wechselndes,  die  Dicke  der  Knochen  eine  verschiedene  ist,  und  zwar  dass  die 
grössten  Schädel  (Grm.  : CC.  = 1 : .3,131)  den  dünnsten,  die  mittel  grossen  (1  : 2,408)  den  stärksten  Knochen- 
bau anfweisen,  zwischen  welchen  Extremen  die  kleinen  Schädel  (1  : 2,527),  jedoch  viel  naher  den  mittelgrossen 
als  den  grössten  stehen,  dass  also  die  Dicke  der  Knochen  bis  zu  der  dem  allgemeinen  Mittel  ent- 
sprechenden Grösse  des  Schädels  za-,  jenseits  dieser  aber  in  ansehnlichem  Grade  wieder  ab- 
nimmt. 

III.  Wir  kommen  nun  zum  sogenannten  horizontalen  Umfange,  welcher  die  Stirnglatze  zwischen  den 
Stirn höekarn  und  Augenbrauenbogen  und  den  hervorragendsten  Theil  des  Hinterhauptes  berührt.  Die  Reibe 


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64 


A.  Weisbach, 

dieser  Schädel  beginnt  mit  465  Mm.  ili  kleinstem  Umfang,  endigt  mit  526  Mm.  als  grösstem 
und  giebt  dessen  Durchschnitt  mit  498  Mm.  an;  die  einzelnen  Schädel  gruppiren  sich  um  diesen 
Mittelwerth  in  der  Weise,  dass  die  eine  Hallte  denselben  nicht  erreicht,  die  andere  aber  ihn  übertrifft.  Bei 
Vergleichung  der  Umfangslinie  des  Schädels  der  Weiber  der  heigesetzten  Völker: 


Hindu  und  Chineson 

. . . 490  Mm. 

(Davis) 

Deutsche  (Schwaben) 

. .496 

„ 

(Ecker1) 

Marquesasinsulaner 

. .497 

„ 

(Davis) 

Kanakas 

. .497 

ji 

Neger 

. . 502 

|1 

n 

Deutsche 

. . öft» 

»» 

(Welcker) 

Disentistypus 

. . 808 

tl 

(Hi«) 

Franzosen 

. . 505 

»♦ 

(Sappe,*) 

Gräber  ans  dem  Mittelalter  . . 

. . 506 

n 

(Holder3) 

Engländer  und  Iren 

. . 510 

« 

(Davis) 

Alte  Dänen 

. .510 

„ 

Angelsachsen  

. . 510 

»i 

r 

Alte  Briten 

. . 513 

„ 

Holländer 

. .513 

»i 

»* 

Reihengräber 

. .513 

„ 

(IiÖldcr) 

w 

. .514 

(Ecker) 

Alte  Römer 

. . 515 

(Davis) 

Vorrömische  Hügelgräber  . . 

. . 519 

h 

(Holder) 

Siontypus 

. . 628 

(Hi.) 

mit  den  unserigen  ist  aU  auffallend  hervorzuhebin , dass  unsere  in  dieser  Reihe  einen  tiefen  Standpunkt, 
zwischen  den  Kanukas  und  Negern,  einen  noch  tieferen  aber  die  schwäbischen  Weiber  entnehmen,  wogegen 
alle  weiblichen  Gräberschädel  fast  alle  übrigen  an  Umfang  übertreffen. 

Der  Unterschied  zwischen  beiden  Geschlechtern  (521  Mm.  $)  beträgt  28  Mm.  zu  Gunsten  des  männ- 
liehen  und  verhält  sich  der  Umfang  des  männlichen  zu  dem  des  weiblichen  Schädeln  = 101)0  : 955;  es  ist 
daher  die  Differenz  im  horizontalen  Umfange  viel  geringer,  als  in  der  Räumlichkeit  der  Schädelhöhle  beider 
Geschlechter, 

Aehnlich  wie  beim  Rauminhalte  ist  auch  heil»  Umfange  das  Verhältnis»  zwischen  beiden  Geschlechtern  sehr 
verschieden  bei  verschiedenen  Völkern,  unter  den  zuvor  angeführten  l>ei  den  Engländern  und  Iren  (1000:917) 
am  kleinsten,  bei  den  Hindu  (986)  und  dem  Siontvpus  (988)  am  grössten,  bei  den  Chinesen  und  Marque&as- 
Insulanern  von  derselben  Grösse  wie  bei  unseren  deutschen  Weibern,  wahrend  Welcker  für  deren  Kopf- 
umfang im  Verhältnisse  zu  dem  der  Männer  965  findet. 

Die  individuelle  Veränderlichkeit  des  horizontalen  Umfanges  zeigt  sich  bei  den  Weibern  (12,2  Proc.) 
gleichfalls  geringer  als  bei  den  Männern  (15,9  Proc,). 

Da  diese  Umfgngslinie  wohl  die  grösste  Länge  und  nahezu  auch  die  grösste  Breite,  nicht  aber  gleicher- 
weise die  Höhe  des  HimschädeU  in  sich  begreift,  können  Geräumigkeit  und  Umfang  des  Schädels  auch  nicht 
immer  gleichen  Schritt  mit  einander  halten,  selbst  wenn  wir  von  der  verschiedenen  Stärke  der  Knochen  ganz 
nbeehen  wollen;  dies  bezeugt  uns  auch  ein  Blick  auf  die  obige  Tabelle,  wo  bei  dem  kleinsten  Umfange  die 
Scbädelhöbte  doch  viel  grösser  als  bei  anderen,  umfangreicheren  Schädeln  ist,  und  wieder  der  geräumigste 
Schädel  keineswegs  auch  den  grössten  Umfang  besitzt.  Im  Allgemeinen  wohl  wächst  der  Umfang  mit  der 
Grösse  der  Schädelhohle;  denn  nach  der  früher  schon  erwähnten  Abtheilung  dieser  Schädel  in  drei  Gruppen 
haben  die  kleinen  Schädel  bei  dem  durchschnittlichen  Bauminhulte  von  1221,89  CC.  einen  Umfang  von 
491  Mm.,  die  mittelgrosBen  1914  CC.  und  498  Mm.,  endlich  die  grossen  Schädel  1478,84  CC.  und  einen  Um- 
fang von  511  Mm.,  welche  Zahlen  der  Welcker’scheu  Wahrscheinlichkeitstabellc  über  Zusammenhang 
zwischen  Umfang  und  Grösse  der  Schädelhöhle  keineswegs  entsprechen. 

IV.  Die  Länge  bewegt  sich  zwischen  den  Extremen  von  161  bis  185  Mm.,  variirt  also  im  Ganzen  um 
24  Mm.,  um  13,9  Proc.  der  durchschnittlichen  Länge  von  172  Mm.;  8 Schädel  haben  eine  Lunge  von  weni- 
ger als  170  lfm.,  IS  eine  solche  von  170  bis  179,  welche  nur  bei  drei  jene  von  180  Mm.  übersteigt.  — Den 
deutschen  Männenchädel  fanden  wir  früher  im  Mittel  aus  50  Messungen  180  Mm.  lang,  also,  entsprechend 


')  Aus  Ecker’«  Tabelle  in  Urania  Gcrmaniae.  28  vollkommene  normale  Weiberschädel,  mit  Hinweglassung 
aller  dem  Alter  nach  unbestimmten,  aller  syuostotiachen  und  Stirnnahtschädel.  — *)  Recherche«  sur  le  volume 
etc.,  Gaz.  rm'd.  de  Paris  1802.  — s)  Archiv  für  Anthropologie,  Band  II. 


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Der  deutsche  Weiberschädel. 


65 


seiner  bedeutenderen  Grösse,  auch  länger  (um  8 Mm.)  als  den  weiblichen,  dessen  Länge  zu  jener  sich  = 055  : 
1000,  genau  so  verhält,  wie  die  Umfaugslinien  beider  Geschlechter.  Uebrigen«  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
der  männliche  Schädel  in  seiner  Länge  (Unterschied  zwischen  deren  Maximum  von  198  und  Minimum  von 
170  = 28  Mm.,  das  sind  15,5  Proc.  der  mittleren  Länge)  etwas  grösseren  Schwankungen  als  der  weibliche 
unterliegt. 

Ecker’s  schwäbische  Wcibcrschädel  lassen  (aus  28)  fast  dieselbe  Länge  (171  Mm.)  berechnen,  während 
Welcher  seine  Weiberschädel  länger  (176  Mm.)  gefunden  hat;  die  Weibertchädel  aus  den  Reihengräbern 
nach  Ecker’s  (185  Mm.)  und  Ilölder's  (181  Mm.)  Angaben,  ferner  jene  de«  Hohberg*  (189  Mm.)  und  Sion- 
typus  (184  Mm.),  nebst  jenen  aus  vorrörnisehen  Hügelgräbern  (181  Mm.)  und  aus  dem  Mittelalter  (nach  Hol- 
der, 175  Mm.)  sind  alle  durch  meist  viel  grössere  absolute  Länge  ausgezeichnet;  nur  jene  des  so  exquisit 
kurzköpfigen  Disentistvpn«  (167  Mm.)  haben  einen  ansehnlich  kürzeren  Längendurchmesser.  Ebenso  sind  jene 
W eiberschädel , welche  B.  Davis  in  seinen  Urania  britannica  als  alt-britische  (18«)  Mm.),  angelsächsische 
(180  Mm  ),  alt- römische  (177  Mm.)  und  alt-dänische  (177  Mm.)  anführt,  •iimmtlich  viel  mehr  in  die  Länge 
entwickelt  als  die  unaerigen,  welche  in  dieser  Beziehung  den  Weibern  der  Marquesasinscln  nach  B.  Davis1) 
genau  gleichen  und  jenen  der  Chinesen  (170  Mm.)  und  Sandwichinsnlaner  (170  Mm.)  am  nächsten  stehen, 
während  sie  sich  von  den  Weihern  der  Engländer  und  Holländer  (177  Mm.),  noch  mehr  von  jenen  der  Iren 
(180  Grm.)  entfernen. 

Auffallend  bleibt  die  Thatsache,  dass  alle  die  angeführten  weiblichen  Gräberschädel  einen  grösseren  und 
die  süddeutschen  Weiber  einen  geringeren  Längendurchmesser  des  Schädels  besitzen  als  Welcker’s  Nord- 
deutsche und  die  so  verwandten  anderen  germanischen  Völker. 

V.  Die  mittlere  Breite  — gemessen,  wo  immer  sie  sich  vorfindet  — erreicht  142  Mm  und  schwankt 
im  Einzelnen  von  135  bis  152,  um  17  Mm.  oder  um  11,9  Proc.,  daher  etwas  weniger  als  die  Länge.  Unter 
140  Mm.  sinkt  dieselbe  nur  bei  8,  übersteigt  aber  150  Mm.  blos  ein  Mal  und  die  mittlere  Breite  des  Manner- 
schädels  (146  Mm.)  in  fünf  Fällen.  Unser  Weibertchädel  ist  um  4 Mm.  schmäler  als  der  männliche,  zu  dessen 
Breite  er  im  Verhältnisse  von  958  : 1000,  fast  genau  wie  die  Länge  Bteht;  die  individuelle  Variabilität  der 
Breite  des  Männerschädels  (21,2  Proc.)  ist  um  10  Proc.  grösser  als  jene  des  weiblichen  (11,9  Proc.). 

Alle  Schädel  aus  alten  Grabstätten  (nach  Davis  und  Thurnam,  Ecker  und  Holder)  sammt  dem 
Hohbergtypus,  den  englischen,  irischen  (137  Mm.)  und  niederländischen  Weibern  (189  Mm.)  haben  eine  ansehn- 
lich geringere,  Ecker’s  schwäbische  Weiber  (143  Mm.)  und  jene  des  Siontypus  (143  Mm.)  nahezu  die  gleiche 
Breite  mit  den  unserigen,  nur  die  weiblichen  Disentisschädcl  (146  Mm.)  eine  grössere;  Aeby  (n.  a.  0.  S.  11) 
findet  eine  mit  der  unserigen  ganz  übereinstimmende  Breite  des  deutschen  Weiberschädels  der  Schweiz. 

Der  Längen hreitenindex  (die  Länge,  wie  überall  = 1000)  gestaltet  sich  im  Durchschnitte  (825)  wohl 
geringer  als  nach  der  früheren  Angabe  (831),  bleibt  aber  trotzdem  beträchtlich  grösser  als  beim 
männlichen  Gcschlechte  (811  aus  50,  810  aus  131  Messungen),  weshalb  der  Wcibcrschädel,  wenigstens 
der  Deutschen  in  Oesterreich,  relativ  breiter  als  der  männliche  ist.  Professor  Welcker  ist  in  seinem  Werke 
nach  Untersuchungen  an  SO  Wciberschädeln  zu  dem  eutgegengesetzteu  Resultate  gekommen,  indem  er  deren 
Breite,  nach  seiner  Methode  gemessen,  absolut  (134  Mm.,  welche  nicht  einmal  die  Minimalbreite  unserer  24 
Schädel  erreicht)  und  relativ  (765)  viel  geringer  als  jene  der  Männer  (146  Mm.,  Index  805)  fand. 

Da«  durch  meine  Untersuchungen  gefundene  Resultat,  nämlich  die  relativ  grössere  Breite  des  Weiber- 
schädels gegenüber  dem  männlichen,  wird  durch  die  Angaben  anderer  Kraniologen  viel  mehr  ats  die  gegen- 
teilige Angabe  Welcker’s  unterstützt;  zum  Beweise  dessen  mögen  hier  die  Längenbreitouindices  verschie- 
dener Typen  und  Völker  und  zwar  zuerst  jene  welche  mit  meinem,  nachher  jene,  welche  mit  Welcker’s  Re- 
sultate übereinstimmen,  folgen: 


Hohbergtypus  . <$  708  9 714  II  is 

Neger  715  „ 730  IIu6chke*) 

Reihengräber 722  „ 734  Holder 

„ „ 731  „ 745  Ecker 

Vorrömische  Hügelgräber  . „ 732  „ 740  Holder 

Neger „ 736  „ 742  B.  Davis 

Angelsachsen . „ 743  ,,  761  „ 

Irländer 746  „ 760  „ 

Franzosen 767  „ 791  Sappoy 

Siontypus 768  w 777  His 

Chinesen 774  „ 776  B.  Davis 


*)  Thesaurus  Craniorum.  — *)  Schädel,  Gehirn  und  Seele  etc.  Hier,  sowie  bei  den  Maassberechnungen 
aller  übrigott  Autoren,  wurden  eynostotisohe  Schädel  immer  ausgeschlossen. 

Arclüv  fttr  Anthropologie.  Bd.  III.  Haft  f.  9 


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66 


A.  Weisbach 


MarquesasinsulRncr  .... 

S 774  $ 

794  B.  Davis 

Alte  Dänen 

51  51 

785  „ 

Deutsche 

793  „ 

807  Krause 

Kanaka*  . 

„ 800  „ 

805  B.  Davis 

Disertistypus  ....... 

, 8fi0  „ 

874  Hi« 

Hügelgräber  ....... 

8 810  $ 

735  Ecker 

Holländer  

802  „ 

7h5  B.  Davis 

Altbriten 

„ 794 

772 

Engländer  

„ 773  „ 

700  „ 

Schädel  aus  dem  Mittelalter 

773  „ 

771  Holder 

Alt-Römer 

- 770  „ 

757  B,  Davis 

Hindu . 

,,  #68  ,, 

753  „ 

Auch  Acby  findet  den  Weiberschädel  im  Verhältnisse  zu  seiner  Grundlinio  etwas  breiter  (169)  als  den 
männlichen  (167);  selbst  Ecker’»  Messungen  der  Schädel  heutiger  Bewohner  von  Baden  geben,  wenn  nur 
20-,  30-  und  40jährige  genommen  werden,  indem  er  nur  aus  diesen  Altersstufen  Weiberschädel  untersucht  hat, 
für  beide  Geschlechter  wenigstens  denselben  Iudex  (836). 

An  Grösse  des  Index,  also  an  Breitenentwickelung  des  Schädels  stehen  demnach  unsere  Weiber  nur  den 
schwäbischen  (836)  und  Disentisweibern  (874)  nach;  im  Einzelnen  sind  die  Breitenindices  dieser  24  Schädel  aber 
insofern  »ehr  wechselnd,  als  der  schmälste  Schädel  (Nr,  21)  einen  Index  von  745  und  der  breiteste  (Nr.  4 und 
$,  welche  aber  nicht  das  leiseste  Zeichen  einer  pathologischen  Veränderung  zeigen)  jenen  von  913  besitzt 
l'nter  900  sinkt  derselbe  nur  5 Mal  (Nr.  21  = 745,  23  = 756,  15  = 759,  Nr.  12  und  24  = 793),  beträgt 
zwischen  800  und  819  6 Mal  (Nr.  16  = 809,  Nr.  7 = 811,  Nr.  9 und  10  = 612,  Nr.  2 = S14  und  Nr.  11  = 
818)  und  über  820  bei  allen  übrigen  13  äclmdeln  (und  zwar  bei  Nr.  20  = 821,  Nr.  19  = $25,  Nr.  13  = 826, 
Nr.  17  = 827,  Nr.  6 = 831,  Nr.  18  = 844,  Nr.  5 = 851,  Nr.  1 = 857,  Nr.  22  = 663,  Nr.  14  = 8fi9,  Nr.  8 = 
878  und  Nr.  3 und  4 = 913). 

Trotzdem,  dass  diese  weiten  Schwankungen  Welcker  bezüglich  Beimischung  nicht  deutschen  Materials 
verdächtig  Vorkommen,  muss  ich  doch  bemerken,  das«  der  Index  bei  deutschen  Männerscbiideln  noch  viel 
weiteren  Schwankungen  unterliegt,  da  wir  bei  123  Männerscbiideln  des  hiesigen  Museums  (vom  20.  bis  in  die 
90er  Jahre,  aber  ohne  Nahtverknöcherungen  oder  Stirnnähte)  die  Extreme  desselben  durch  711  und  924  vertreten 
finden;  davon  besitzen  einen  Index  von  weniger  als  800  45,  von  800  bis  819  19,  von  820  bis  890  57  und  über 
900  nur  zwei. 

Aeby  verwirft  in  seinem  neuesten  Werke  über  die  Schädelformen  des  Menschen  und  der  Affen  das  Ver- 
hältnis» zwischen  Länge  und  Breite  als  gänzlich  unbrauchbar  und  reducirt  alles  auf  seine  Schädelbasis;  beide 
jene  Maasse  im  Vereine  mit  der  Höhe  werden  aber  doch  für  die  kurze  Diagnose  der  Schiidclgestalt  die  wich- 
tigsten Factoren  bleiben;  denn  wie  soll  inan  sich  gleich  die  Form  des  Schädels  vor  Augen  halten,  dessen 
Verhältnis»  zwischen  Basis  und  Breite  allein  gegeben  ist.  welches  noch  dazu  am  Lebenden  «ich  nicht  berech- 
nen lässt? 

VI.  Die  Höhe  unserer  Weiberschadei  von  der  Mitte  des  vorderen  Bandes  des  grossen  Hinterhuuptloche« 
zum  Scheitel,  welche  im  Mittel  nur  125  Mm.,  in  den  einzelnen  Fällen  118  bis  139  Mm.  beträgt,  ist  wie  alle 
bisherigen  Msasse  weniger  veränderlich  (16,8  Proc.),  als  beim  Manne  |21,8  Proc.),  jedoch  unter  den  drei 
llauptdimensionen  den  meisten  Schwankungen  zugänglich,  die  Breite  den  geringsten;  während  am  männlichen 
Schädel  die  Länge  die  geringsten , Breite  und  Höhe  fast  die  gleichen  individuellen  Schwankungen  erleiden. 
Das  Minimum  der  Höhe  haben  beide  Geschlechter  gemeinsam,  wogegen  die  Maximalhöhe  des  Wciberschädelt 
sich  nur  wenig  über  das  Mittel  des  Männerschädels  (133  Mm.)  erhebt,  dessen  Maximum  (147  Mm.)  jenes  des 
weiblichen  Geschlechtes  weit  übertrifft.  Die  Höhe  des  Weibe rtchädels  hat  im  Vergleiche  zn  der  des  männ- 
lichen noch  das  eigentümliche  vor  den  anderen  Hauptdurchmessern  voraus,  dass  sie  von  derselben  sich  viel 
weiter  ($  1000,  9 939)  entfernt,  daher  auch  der  Weiberschädel  im  Verhältnisse  zu  seiner  Länge  (IOOO  : 729) 
viel  niedriger  als  der  männliche  (738)  ist. 

Welcker  und  Ecker  fanden  ebenfalls  den  Weiberschädel  relativ  niedriger  als  den  Männerschädel;  die 
Weibendlädel  alter  Briten  (761  $ 744  9)t  Dänen  (780  & 757  9)»  ‘1er  Engländer  (733  $ 732  $),  der 
Holländer  (746  $ 728  9)  und  Hindu  (782  & 739  9)  nach  Davis,  ferner  die  mittelalterlichen  Schädel  von 
Holder  (729  £ 714  9),  Ecker’»  Reihen-  (721  $ 713  9)  und  Hügelgräberschädel  (748  £ 702  9)  bieten  die- 
selbe Geschlechtseigentbümlichkeit  dar,  wogegen  bei  den  von  Davis  und  Thum  am  beschriebenen  alten 
Römer-  (782  $ 745  9),  Angelsachsen-  (732  $ 744  9),  Irländer*  (693  $ 732  9),  Chinesen-  (788  $ 820  9 ), 
Neger-  (750  $ 757  9 b Marqnesas-  (774  $ 779  9)  und  Kanakaschädcln  (811  $ 820  9 b ferner  beim  Disentis- 


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Der  deutsche  WeiberschädeL 


67 


(«19  & 820  9)»  Sion*  (747  $ 7Ö5  9)  und  Hohbergtypus  (734  $ 735  9)  nnd  bei  den  von  Hölder  beige- 
brachten Reihoogräberschädeln  (732  £ 734  9)  di®  weiblichen  sogar  durch  mehr  oder  weniger  grössere  Höhe 
vor  den  männlichen  ausgezeichnet  sind. 

Die  deutschen  Weiber  besitzen  Schädel , welche  unter  allen  diesen  angeführten  die  absolut  geringste 
Höhe,  dieselbe,  wie  die  mittelalterlichen  Schädel  Holder’«  haben,  im  Verhältnis®  aber  tu  ihrer  geringeren 
Länge  doch  höher  als  jene  der  mittelalterlichen,  der  Reihen*  und  Hügelgräber,  von  fast  gleicher  Höhe  mit 
den  holländischen,  dagegen  niedriger  als  Lei  allen  übrigen  erscheinen. 

Noch  viel  auffälliger  tritt  die  geringere  Höhe  des  weiblichen  Schädels  im  Vergleiche  tu  seiner  Breite 
(1UOÜ  : 860)  gegenüber  dem  männlichen  (910)  hervor. 

Lange,  Breite  und  Höhe,  als  die  drei  Hauptmaasse  des  Schädels,  sollten  zur  Grösse  desselben  im  Allge- 
meinen, abgesehen  von  der  Dicke  der  Knochen,  in  einem  bestimmten  geraden  Verhältnisse  stehen;  durch* 
mustern  wir  alter  die  Reihe  dieser  Schädel,  so  finden  wir  jene  nicht  durchaus  in  directcm  Zusammenhänge. 
Nur  durchschnittlich  — nach  der  schon  früher  durckgetührtcn  Eintheilung  hat  die  erste  Gruppe  dieser  Schä- 
del eine  Lange  von  109,  Breite  von  139  und  Höhe  von  125  Mm.,  die  zweite  172,  142  und  125,  die  dritte  von 
177,  144  und  12t>  Mm.  — scheint  wohl  Länge,  Breite  und  Höhe  mit  Zunahme  des  Rauminhaltes  und  Um- 
langes  sich  tu  vergrößern,  jedoch  so,  dass  unter  allen  diesen  der  Cubikinhalt  die  grösste  Zunahme  (um  257 
Cubikcentim.,  das  sind  21,0  Proc.),  die  Länge  (um  8 Mm»,  4,7  Proc.)  und  der  Umfang  (um  20  Mm»,  4,0  Proc.) 
eine  viel  geringere,  die  Breite  (um  5 Mm.,  3,5  Proc.)  eine  noch  viel  kleinere  und  endlich  die  Höhe  (um 
1 Mm.,  0,8  Proc.)  die  geringste  Zunahme  erfahren,  während  gleichzeitig  das  Gewicht  des  Schädels  eine  directe 
Kinhusse  (um  II  Mtn.,  2,2  Proc.)  erleidet. 

Nicht  ohne  Interesse  ist  das  Verhalten  der  lndicea  bei  diesen  drei  Grössengruppen:  Der  Längen  breiten, 
indes  wächst  von  der  ersten  (*>22)  zur  zweiten  auf  826,  uin  bei  der  dritten  wieder  auf  818  herabzu steigen; 
der  Längenhöhenindex  aber  zeigt  von  der  ersten  (739)  bis  zur  dritten  (711,  bei  der  zweiten  Gruppe  726)  eine 
fast  regelmässige  constante  Abnahme.  Aus  diesen  gegebenen  Zahlen  liesse  sich  vielleicht  der  Schluss  ab- 
leiten, dafs  mit  Zunahme  der  Grösse  der  Schädelhöhle  der  Schädel  selbst  niedriger,  schmäler 
und  länger  wird. 

VIL  Der  LäAgsurofung  — von  der  Nasenwurzel  an  der  Stimna&ennaht  in  der  Richtung  der  Pfeil- 
uuht  bis  zum  hinteren  Runde  des  grossen  Hinterhauptsloches  — hat  die  Länge  von  350  Mm.,  ist  um  21  Mm. 
kürzer  als  jener  des  männlichen  Schädels  (371  Mm.),  der  zu  ihm  im  Verhältnisse  von  1000  : 948  steht,  so 
dass  der  Unterschied  in  der  Länge  dieser  Bogenlinic  zwischen  beiden  Geschlechtern  grosser  als  bei  allen 
vorausgehenden  Maassen  erscheint  und  nur  die  Höhe  des  Schädels  einen  noch  grösseren  Unterschied  auf- 
weiset; die  letztere  ist  daher  von  entschiedenem  Einfluss  auf  die  Länge  der  ersteren. 

Erkers  Messungen  an  schwäbischen  Weiberschädeln  ergeben  fast  genau  denselben  Werth  für  seine 
Länge  des  Scbudelgewülbes  (351  Mm.),  ebenso  kommen  hierin  die  Schädel  holländischer  Weiber  (353  Grm.) 
nach  Davis  den  unsorigen  sehr  nahe;  die  drei  Typen  von  II is  (Hohberg  9 984,  Sion  374  und  Düentis 
(357  Mm.i,  ferner  Eckcr’s  weibliche  Reihengräber-  (372  Mm.)  sowie  sämmtliche  Gräberschädel  aus  England 
und  Dänemark  haben  ein  längeres  Schädelgewölbe. 

Die  Entfernung  der  Mitte  der  Stirnnasen  naht  von  dem  äusseren  Hinterhauptshöcker,  vielleicht  Broca’s 
Inialdurehmesser,  welche  mau  als  Länge  des  ganzen  Schädelgrundes  bezeichnen  könnte,  erreicht  durchschnitt- 
lich 105  Mm.;  in  den  einzelnen  Fullen  wird  ihre  Grösse  zwischen  152  bei  einem  der  kleinsten  Schädel  und 
179  um  27  Mm.  oder  18,3  Proc.,  d.  h.,  entgegen  den  zuvor  besprochenen  Maaasen,  mehr  schwankend  als  bei 
den  Männern  (1341  Proc.),  bei  welchen  derselbe  Abstand  genau  der  Schädellänge  des  Weibes  gleicht  und  zu 
dem  des  Weibes  s=  1000  : 959,  fast  wie  die  Schädelbreite  sich  verhält.  Da  die  Schädellänge  zu  diesem  Ab- 
stande beim  Weibe  sich  t=  1000  ; 959,  beim  Manne  blos  = 1000  : 955  verhält,  so  ergibt  sich  daraus,  dass 
Nasenwurzel  und  äusserer  Hintcrhauptshöeker  beim  weiblichen  Gescblcchle  relativ  etwas  weniges  weiter  aus- 
einander liegen  als  beim  Manne. 

Die  an  Lebenden  vorgenommenen  Messungen  von  Dr.  Schwarz  und  Scherzer1)  geben  für  die  suu- 
daischen  Weiber  ganz  denselben  Abstand  dieser  Punkte,  welcher  bei  den  javanischen  (167  Mm.)  und  chine- 
sicheu  (169  Mm.)  nnr  wenig  grösser,  bei  den  tahitischen  (176  Mm.)  und  besonders  bei  den  australischen 
Weibern  (185  Mm.)  selbst  noch  grösser  als  die  Schädellänge  unserer  Weiber  iBt. 

Um  die  Wölbung  des  ganzen  Schädeldaches  in  der  sagittalen  Mittelebene  berechnen  i:u  können,  wurde 
zwischen  den  zuvor  erwähnten  Punkten  auch  die  Bogenliuie  (299  Mm.  im  Mittel)  gemessen,  welche  nach  dem 
Verhältnisse  zu  ihrer  Sehne  (1,612  : 1)  derart  gekrümmt  ist,  dass  der  weibliche  Schädel  in  der  sagittalen 
Mittelebene  eine  im  Ganzen  flachere  Wölbung  als  der  männliche  (1,632)  besitzt.  Derselbe  Bogen  misst  am 
männlichen  Schädel  319  Mm.,  ist  um  *20  Mm.,  d.  h.  um  fast  dieselbe  Differenz  beim  Weibe  kürzer,  wie  der 


*)  Novarareise,  anthropologischer  Theil,  II.  Körpermessungen  von  Dr.  A.  Weisbach. 

9» 


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68  A.  Weisbach, 

Längsumfang  und  überdies  bei  beiden  Geschlechtern  (IG  Proc.  9 16,8  Proc.  $)  nahezu  denselben  individuellen 
Schwankungen  unterworfen. 

VIII.  Die  Breite  der  Schädelbasis  — an  der  Jochleiste  gleich  oberhalb  der  äusseren  Gehurlöcher, 
— welche  im  Durchschnitte  118  Mm.  erreicht,  variirt  an  den  einzelnen  Schädeln  zwischen  108  und  128,  um 
19  Mm.  oder  16,1  Proc.,  etwas  mehr  als  bei  den  Männern  (15,8  Proc.),  deren  Schädelbasis  die  um  8 Mm. 
grössere  Breite  von  126  ürm.  besitzt.  Nach  dem  Verhältnisse  zwischen  jener  des  Mannes  und  der  des  Weibes 
(1000  : 936)  tritt  die  Geschlechtsverschiedenheit  in  der  Breite  der  Schädelbasis  viel  ausgesprochener  hervor  als 
bei  den  bisherigen  Maasseu,  von  welchen  auch  die  Schädelhöho  ihr  am  nächsten  hierin  kömmt.  Dies  deutet 
schon  darauf  hin,  dass  der  Weiberschädel  an  der  Basis  viel  schmäler  als  der  männliche  ist,  was 
auch  durch  das  Verhältniss  zwischen  der  Breite  des  Schädels  und  seiner  Basis  (1000  : 830  9-  $)  voll* 

kommen  bewiesen  wird.  Da  wir  ganz  dasselbe  Ergebnies  aus  dem  Vergleiche  zwischen  der  Schädellänge  und 
BaBisbreite  (1000  : 686  9»  700  $)  erhalten,  während  der  Längenbreitenindex  den  entgegengesetzten  Weg  ein- 
achlägt,  so  lässt  sich  daraufhin  behaupten,  dass  der  Weiberschädel  wohl  breiter  als  der  männliche, 
gegen  seine  Basis  hin  aber  mehr  verschmälert  ist. 

Der  zwischen  denselben  Punkten  über  den  Scheitel  genommene  Querumfang  des  weiblichen  Schädel» 
beträgt  299  Mm.,  genau  so  viel  wie  jener  zwischen  Nasenwurzel  und  Tuberositas  occ.  ext.,  ist  jedoch  blos  um 
10  Mm.  (dieser  um  17  Mm.)  kleiner  als  beim  Manne,  von  dessen  Querumfange  (309  Mra.)  er  0,967  ausmacht. 
Sowie  der  Sagittalbogen  des  Schädeldaches  ist  er  bei  den  einzelnen  Individuen  viel  mehr  veränderlich  (um 
13,7  Proc.)  als  am  Männerschädel  (9,7  Proc-).  Betrachten  wir  die  Breite  der  Schädelbasis  im  Verhältnisse  zu 
diesem  Bogen  (1  : 2,633),  so  bemerken  wir,  dass  der  Weiberschädel  in  der  queren  Richtung,  entgegen  seiner 
Wölbung  in  der  sagittalen,  stärker  als  der  männliche  (1  : 2,467)  gewölbt  ist,  Welcker  fand  im  Allgemeinen 
wohl  dasselbe,  ohne  dass  jedoch  seine  Zahlen  (2,45  $ und  2,47  9)  dies  so  ausgeprägt  darstellen  wie  die 
unseligen. 

Die  bisherigen,  den  ganzeu  Schädel  einschliesaenden  Messungen  lassen  demnach  mit  kurzen  Worten  die 
folgenden  Unterschiede  im  Baue  des  Hirnschädels  beider  Geschlechter  feststellen; 

Der  Weiberschädel  ist  kleiner  (natürlich  ohne  Rücksicht  auf  die  Körpergrösse),  leichter,  dun. 
neren  Knochenbaues,  breiter  und  niedriger,  seine  Basis  dagegen  viel  schmäler,  seine  Wöl- 
bung in  der  sagittalen  Richtung  im  Ganzen  schwächer,  in  der  queren  aber  stärker. 

Von  den  besprochenen  Maassen  nähert  sich  demselben  des  männlichen  Schädels  der  Querumfang  ($  1000: 
967  9)  am  meisten,  die  Breite  der  Schädelbasis  (936)  und  nebst  dieser  die  Höhe  (939)  am  wenigsten;  jedoch 
noch  mehr,  als  jeder  Durchmesser,  bleibt  der  Rauminhalt  des  weiblichen  Schädels  hinter  jenem  deB  männ- 
lichen ($  1000  : 878  9)  zurück.  Die  Annäherung  an  dasselbe  Maus«  des  Männerschädels  nimmt  in  folgender 
Reihe  zu:  Rauminhalt,  SchiidelbaBishreite,  Höhe,  Längenumfang , horizontaler  Umfang  und  Länge  (unterein- 
ander gleich  955),  Breite,  InialdurchmcsBer  und  Querumfang. 

Was  die  individuelle  Variabilität  anbel&ngt,  zeigt  sich  dieselbe  bezüglich  der  angeführten  Dimensionen 
vorwiegend  viel  geringer  als  beim  Manne,  nur  beim  Inialdurchmcsser  und  der  Breite  der  Schädelbasis  etwas 
grösser  und  ist  überhaupt  hinsichtlich  der  Breite  (11,0  Proc)  und  zunächst  des  horizontalen  Umfanges 
(12,2 Proc.)  am  geringsten,  wächst  bei  der  Länge  (13,9  Proc.)  um  wenig,  Bteigt  bei  der  Schädelbasis  (16,1  Proc.), 
dem  Ininldurchmesser  (16,3  Proc.)  und  der  Höhe  (16,8  Proc)  ansehnlich,  noch  mehr  beim  Rauminhalte 
(28,6  Proc.)  und  überflügelt  bezüglich  des  Gewichtes  (63,4  Proc.),  ganz  ähnlich  wie  beim  Manne,  die  Schwan- 
kungsziffer  aller  übrigen.  Beide  Geschlechter  gehen  hierin  nur  insofern  einander  parallel,  als  die  höchsten 
Schwan kungsziffem  jederzeit«  dem  Schädelgewichte,  der  Schädelhöhlc  und  der  Höhe  zukommen;  in  den  übri- 
gen Maassen  herrscht  keine  Uebereinstironuuig,  indem  beim  Manne  die  Variabilität  weiter  von  der  Breite 
durch  den  Umfang,  die  Schädelbasis  und  Länge  bi«  zum  Inialdurchmesser,  der  die  geringste  besitzt,  fort- 
während abnimmt,  beim  Manne  also  die  Breite  und  der  Umfang  grösseren  Schwankungen  als  die  Längen- 
maasae  unterliegen,  beim  Weibe  aber  das  Entgegengesetzte  der  Fall  ist. 


II.  Maasse  im  Einzelnen. 

1.  Vorderhaupt. 

Das  Vorderhaupt  hat  (zwischen  der  Mitte  der  Nasenstirnbeinnabt  und  dem  Verein igungBpunkte  der 
Kranz-  und  Pfeilnaht,  mit  dem  Zirkel  gemessen)  eine  durchschnittliche  Länge  von  107  Mm.,  mit  welcher 
es  hinter  jener  des  Mannes  (112  Mm.),  um  5 Mm.  znrückbleibt;  abgesehen  davon,  dass  der  Mann  ein  absolut 
längeres  Vorderhaupt  ( j 1000  : 956  9)  besitzt,  ist  es  bei  ihm  an  den  einzelnen  Individuen,  fast  gleich  der 


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Der  deutsche  Weiberschädel. 


69 


Breite  and  Höhe,  mehr  variabel  (20,5  Proc),  ala  beim  Weibe  (18,6  Proc.),  bei  welchem  ee  iwieeheo  den  Ex- 
tremen  von  99  und  119  Mm.  abwechselt.  Im  Verhältnis»«  zur  Länge  de»  Schädel»  (622  : 1000)  haben  merk* 
würdiger  Weise  beide  Geschlechter  dieselbe  Vorderhauptslänge. 

Der  zu  dieser  Sehne  gehörende  sagittalo  Stirnbogen  ist  im  Mittel  122  Mm.  lang»  dem  des  Männer- 
schädels  (127  Mm.)  um  ebensoviel  wie  die  Sehne  nachstehend,  nur  dass  er  0,960  desselben  ausmacht,  daher 
jenem  des  Manne«  näher  als  die  Sehne  steht  Deshalb  erfahren  wir  auch  aus  dem  Verhältnisse  der  Sehne  zu 
ihrem  Bogen  (1  : 1,140),  dass  das  Vorderhaupt  am  weiblichen  Schädel  in  sagittaler  Richtung 
stärker  gekrümmt  ist  als  das  männliche,  dessen  Sehne  zum  Bogen  blos  = 1 : 1,133  sich  verhält 
Schon  Froriep1)  hat  in  einer  ausgezeichneten  Abhandlung,  neuesten«  wieder  Ecker2)  auf  diesen  Geschlechts- 
unterschied,  beide  aber  ohne  ihn  durch  Zahlen  ausxudrücken , aufmerksam  gemacht  Noch  auffälliger  müsste 
dieser  Unterschied  in  der  Stirnwölbung  hervortreten,  wenn  man  jenen  Theil  des  Stirnbeines,  welcher  die 
Augenbrauenbogen  in  sich  schlieest,  ausser  Acht  Hesse;  denn  da  diese  beim  Manne  immer  mehr  als  beim 
Weibe  entwickelt  sind,  ja  bei  dem  letzteren  meistens  fast  ganz  fehlen,  so  kömmt  beim  Manne  offenbar  noch 
ein  guter  Theil  der  Wölbung  auf  Rechnung  jener  zu  setzen. 

Die  Weiberscbädel  des  Hohberg*,  Sion-  (181  Mm.)  und  Disentistypus  (125  Mm.),  der  Reihengräber 
(126  Mm.)  von  Ecker,  der  alten  Briten  (127  Mm.),  Angelsachsen  und  Dänen  (124  Mm.)  nach  Davis  und 
Thurnam  besitzen  einen  meist  ansehnlich  längeren,  die  schwäbischen  (123  Mm.)  und  englischen  Weiber 
(121  Min.)  einen  fast  ebenso  langen  sagitfalen  Stirnbogen  wie  die  unsrigen,  wahrend  die  holländischen 
(124  Mm.)  und  irischen  Weiher  (127  Mm.)  hierin  jene  übertreffen. 

Die  Breite  des  Vorderhauptes  — zwischen  den  Vereinigungspunkten  der  Kranznaht  mit  der  Naht 
de«  grossen  Keilbcinflügels  — beträgt  im  Mittel  109  Mm.,  wechselt  aber  in  den  einzelnen  Fällen  von  102  bis 
117  Min.,  im  Ganzen  um  15  Mm.  oder  13,7  Proc.  der  mittleren  Grosse;  beim  Manne,  dessen  Vorderhaupts- 
breite (115  Min.)  um  6 Mm.  grösser  ist,  findet  sich  nahezu  dieselbe  individuelle  Veränderlichkeit  (13  Proc.). 
Die  Vorderhauptsbreite  des  Weibes,  die  sich  zu  jener  des  Mannes  = 947  : 1000  verhält,  steht  dieser  etw'as 
ferner  als  die  Lunge  des  Vorderhauptes  und  ist  nach  dem  Verhältnisse  zur  grössten  Breite  des  Schädels 
(767  : 1000)  nnsehnlioh  geringer  als  beim  Manne  (767);  dasselbe  lehrt  uns  das  Verhalten  derselben  zur  Länge 
des  SchädelB  (1000  : 633  63S  $),  so  dass  also  das  woibliche  Vorderhaupt  zwischen  jenen  Punkten 

auch  relativ  schmäler  als  das  männliche  ist. 

Der  über  die  Stirnglatze  zwischen  denselben  Punkten  gemessene  horizontale  Stirnbogen,  dessen 
Länge  mit  154  Mm.  jenem  des  Mannes  (163  Mm.)  um  9 Mm.  nachsteht  und  nur  0,944  desselben  ausmacht, 
ist  entsprechend  dem  Verhältnisse  von  1 : 1,412  etwas  flacher  gekrümmt  als  der  männlicho  (1,419)  und  daher 
im  Gegensätze  zur  sagittalen  Wölbung,  das  weibliche  Vorderhaupt  in  der  horizontalen  Richtung  etwas  flacher 
gewölbt. 

Die  schmälste  Stelle  de«  Vorderhauptei,  hinter  den  Jochfortaätzen  des  Stirnbeines,  hat  eine  Stirnbreite  von 
90 Mm.,  welche  wie  die  meisten  bisherigen  Durchmesser  an  den  einzelnen  Schädeln  weniger  schwankt  (zwischen 
84  und  100  Mm.,  um  17,7  Proc.)  als  bei  den  Männern  (18,3  Proc.)  und  sich  noch  mehr  als  die  Vorderhaupts- 
breite  von  jener  des  Mannes  (1000  : 918)  entfernt.  Allein  nicht  blos  absolut,  sondern  auch  relativ  ist  der 
weibliche  Schädel  in  der  Stirngegend,  ähnlich  wie  zwischen  den  kurz  zuvor  besprochenen  Punkten,  schmäler 
als  der  männliche,  man  mag  die  .Stirnbreite  im  Verhältnisse  zur  grössten  Breite  (1000  : 633  $ 671  $)  oder 
Länge  des  Schädels  (1000  : 523  $ 544  $)  betrachten. 

Aehnlich  gestaltet  sich  auch  der  gegenseitige  Abstand  der  Stirnhöcker  von  einander;  dieser  mint 
durchscbnittHch  65  Mm.,  wie  nach  Welcker’s  Berechnungen,  ist  jedoch  nur  um  2 Mm.  kleiner  als  beim 
Manne  (67  Mm.,  Welcker  fand  59  Mm.),  zu  dessen  Stirnhöckerabstande  sich  jener  des  Weibes  =r  964  : 1000 
verhält.  Merkwürdig  ist  die  grosse  Veränderlichkeit  desselben  an  den  einzelnen  Schädeln,  worin  aber  der 
weibliche  (45  bi»  68  Mm..  41,8  Proc.)  dem  männlichen  (31,6  Proc.)  noch  weit  vorausgeht.  Die  Stirnhöcker 
stehen  am  Weiberschädel  sowohl  rücksichtlich  der  Schädelbreite  (1000:  387  $ 390  $),  als  auch  der 
Stimbreite  (1000  : 611  $ GQ0  <*>)  näher  beisammen  als  beim  Manne;  nur  mit  Rücksicht  auf  die  Länge 
des  Schädels  finden  wir  Bie  beim  Weibe  (1000  : 819,  316  <$)  etwa»  weiter  auseinandergerückt  oder  fast  den- 
selben Stand  einnehmend  wie  beim  Manne.  Welcker  findet  sie  auch  im  Verhältnisse  zur  Schädellängc  beim 
Weibe  näher  aneinandergerückt  (1000  : 312),  als  beim  Manne  (327).  Eine  Differenz  in  dieser  Beziehung  lässt 
sich  wohl  leicht  ans  der  Schwierigkeit,  die  Mittelpunkte  der  Tubera  zu  fixiren,  deren  Bestimmung  mehr  oder 
weniger  doch  dem  subjectiven  Ermessen  anheimfällt,  erklären. 

Was  die  Höhe  des  Vorderhauptes  — von  der  Mitte  des  vorderen  Randes  des  For.  occ.  magn.  zum 
Kreuzungspunkte  der  Kranz-  und  Pfeilnaht  — anbelangt,  so  sehen  wir,  dass  das  weibliche  Vorderhaupt, 
ira  Einklänge  mit  der  Höhe  des  ganzen  Schädels,  niedriger  als  das  männliche  ist.  Seine  mittlere  Höbe 
betragt  nämlich  122  Mm.,  ist  um  3 Mm.  geringer  als  die  Schädelhöhe,  welche  beim  Manne  die  erster«  nur 


*)  Charakteristik  des  menschlichen  Kopfes.  — *)  Archiv  für  Anthropologie,  Band  I,  8-  85. 


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70 


A.  Weisbach 


um  2 Mm-  übertrifft,  weshalb  auch  das  weibliche  Vorderhaupt  relativ  zur  Schädellänge  (1000:709  $ 727  $)  nie- 
driger erscheint.  Von  der  Vorderhauptsböhe  des  Mannes  beträgt  die  des  Weibes  0.931,  so  dass  die  Hohe  des 
Vorderhauptes  bei  beiden  Geschlechtern  noch  etwas  mehr  differirt  als  die  des  ganzen  Schädels.  Die  indivi- 
duelk>Variiibilit.it  dieses  Maasses  ist  beim  Weibe  (zwischen  115  und  132  Mm.,  13,9  Proc.)  beträchtlich  geringer, 
als  beim  Manne  (19,8  Proc.)  und  gleicht  jener  der  Yorderhauptsbreite. 

Nach  allen  diesem  ist  das  weibliche  V orderhuupt  relativ  ebenso  lang  wie  das  männliche,  je- 
doch niedriger  und  schmäler,  in  der  «agittalen  Richtung  stärker,  in  der  horizontalen  ein 
wenig  flacher  gekrümmt;  seine  Stirnhöcker  stehen  näher  beisammen  (im  Vergleiche  zurSchädel- 
breite). 

Auf  die  Maassc  des  Männerscbädels  (=  100Ö)  reducirt  zeigt  »ich  am  Weiborechädcl  der  Stirnhöcker- 
abstand  (904)  und  der  sagittale  Stirn  ln»gcn  (9tX>)  am  wenigsten,  die  Länge  (955),  Breite  des  Vorderhauptes 
(947)  und  der  horizontale  Stirnbogen  (944)  etwa«  mehr,  die  V ord  erb  au  ptsli  ö h o (ysi)  noch  mehr  und  endlich 
die  Stirnbreite  (918)  am  meisten  verschieden  von  demselben  Maasse  des  Männereckadel«.  Im  Einzelnen  varii- 
ren  diese  Durchmesser  derart,  dass  die  Lunge  und  Hohe  des  Vorderhauptes  und  die  Stirnbreite  weniger,  die 
übrigen  dagegen  mehr  als  nm  Männerschiidel  schwanken. 

2.  Mittelhaupt. 

Bei  deu  Männern  hatten  wir  für  Vorder*  und  Mittelhuupt  dieselbe  Länge  (112  Mm.)  gcfuudcu,  wo* 
gegen  beim  Weibe  da»  letztere,  wenn  auch  nur  uni  sehr  wenig,  kürzer  als  das  Vorderhaupt  ist;  es  hat  näm- 
lich beim  Weibe,  zwischen  den  Endpunkten  der  Pfeilnuht  mit  Zirkel  gemessen,  die  durchschnittliche  Länge 
von  100  Mm  , variirt  zwischen  96  und  123  Mm.,  im  Ganzen  um  25,4  Proc.,  d.  h.  etwas  mehr  als  beim  Manne 
(24,1  Proc.),  zugleich  aber,  sowie  bei  diesem,  viel  mehr  als  das  Vorderhaupt  und  entfernt  sich  von  der  Länge 
des  männlichen  Mittelhauptes  (1000  : 946)  mehr,  als  die  Vorderhauptsliinge  und  fast  ebenso  weit  wie  die 
Vorderhauptsbreite  (947).  Dem  entsprechend  ergibt  auch  das  Verhältnis»  zur  Länge  de»  Schädels  (1000  : 616), 
dass  das  M ittelhuupt' des  Weibes  kürzer  als  jenes  des  Mannes  (622)  und  nebenbei  auch  kürzer 
als  das  eigene  Vorderhaupt  ist. 

Auch  der  »agittale  Scheitelbogen  (Länge  der  Pfeilnaht)  ist  ähnlich  wie  die  Sehne  kürzer  als  der 
sagittale  Stirnbogen;  er  misst  durchschnittlich  119  Mm.,  ist  relativ  zum  männlichen  (127  Mm.  = 1000  : 937) 
viel  kürzer  als  der  eben  genannte  Bogen  und  nach  dem  Verhältnisse  von  1 : 1,122  gekrümmt.  Daraus  erhellt 
nun,  das«  da»  weibliche  Mittelhaupt  in  der  sagittalen  viel  schwächer  gekrümmt  ist  als  das  Vorderhaupt  (1,140) 
und  auch  der  Krümmung  des  männlichen  Mittelhauptes  (1,133)  bedeutend  nachBteht,  sicli  also  entgegenge- 
setzt dem  Vorderhaupte  verhält.  Ecker  scheint  bei  seinen  brachyccphalcu  schwäbischen  Weibern  zu  dem 
entgegengesetzten  Resultate  gekommen  zu  sein.  Er  fand  den  sagittalen  Scheitellxjgen  bei  diesen  118  Mm., 
bei  den  weiblichen  Schädeln  der  Reihengräber  127  Mm.  lang;  His  misst  denselbeu  an  Wcibcrschädeln  de» 
Hohbergtypus  mit  140,  de»  Siontypus  mit  123  und  de«  Disentbtypus  mit  120  Mm. ; die  weiblichen  Schädel 
der  Engländer,  Iren,  Alt-Briten  und  Alt- Römer  (124  Mm.),  sowie  der  Alt-Dänen  (127  Mm.)  und  Angelsachsen 
(121  Mm.)  haben  nach  B.  Davis  ebenfalls  einen  längeren  Scheitelliogen  als  die  uusrigeu,  welche  von  allen 
diesen  hierin  den  schwäbischen,  Disentis-  und  Angelsachsen weibern  am  meisten  gleichen. 

Uebrigens  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  die  schwäbischen,  Sion-,  Disentis- , die  altbritiachcn,  angelsäch- 
sischen und  irischen  Weiber  mit  den  unsrigen  in  der  geringeren  Länge  des  «agittalea  Scheitelbogens  gegen- 
über dem  »agittalen  Stirnbogen  ubereinstimmen,  welcher  bei  den  übrigen  im  Gegentheile  länger  als  der 
erstere  ist. 

Zwischen  deu  Vcrcinigungspuuktcn  der  Schläfen»chuppcn-  und  Warzennaht  hat  der  Weiberschäde]  eine 
durchschnittliche  Breite  von  129  Mm.,  welche  auch  im  Verhältnisse'  zur  grössten  Breite  (908  : lOUO)  hinter 
jener  des  männlichen  .Schädels  (924)  unsehnlich  zurückbleibt,  zu  dessen  Ohrenbreite  (135  Mm.)  sie  in  dem- 
selben Verhältnisse  (955  : 1000)  wie  die  Länge,  der  Umfang  und  die  Vorderhaupta länge  steht.  Im  Vergleiche 
zur  Lunge  de»  Schädels  (1000  : 750)  besitzen  wohl  beide  Geschlechter  an  dieser  Stelle  dieselbe  Breite.  Aehn- 
lieb  wie  die  grösste  Breite  ist  auch  dies«  beim  Weib«  (zwischen  116  und  142  Mm.,  20,1  Proc.)  geringeren 
individuellen  Schwankungen  als  beim  Manne  (117  bis  154  Mm.,  27,4  Proc.)  unterworfen. 

Die  Breite  der  Scheitelbeine  — Zirkelabstaud  zwischen  Schläfen-  und  Pfeilnaht  in  der  Mitte  — 
betrugt  in  den  einzelnen  Fällen  9 / bis  109,  im  Mittel  102  Min.,  schwankt  also  im  Ganzen  uin  11,7  Proc., 
gleichfalls  weniger  als  die  nur  wenig  grössere  der  Männer  (104  Min.,  Variabilität  13,4  Proc).  Unter  allen 
bisher  besprochenen  M nassen  kömmt  dieses  dem  des  männlichen  Schädels  (10(0  : 980)  weitaus  am  nächsten 
und  stellt  «ich,  wie  schon  aus  der  grösseren  Breite  des  Weiberschädols  zu  vermuthen  war,  heraus,  das«  der- 
selbe, sowie  relativ  kürzere  auch  relativ  breitere  Seitenwandbeine  besitzt;  denn  wir  Anden  sowohl  im  Ver- 
gleiche zur  Breite  (1000  : 718),  al»  auch  besonders  zur  Länge  des  .Schädels  (1000  : 593)  die  weibliche  Scheitel- 
1 »ein  breite  grösser  als  jene  der  Männer  (712  und  577). 


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Der  deutsche  Weiberschädel.  71 

An  den  Weiberscbüdeln  ist  das  Scheitelbein  fast  so  breit  wie  lang,  an  den  Männcrschüdeln  dagegen  die 
Länge  der  Breite  viel  mehr  (um  8 Mm.,  bei  dem  Weibern  blos  um  4 Mm.)  überlegen. 

Der  quere  Scheitelbogen  — entsprechend  der  Scheitelbein  breite  genommen  — misst  beim  Weibe 
118  Mm.  (beim  $ 110  Mm.),  steht  der  des  Mannes  (10O0  : 991)  selbst  noch  näher  als  jene  und  beeitzt  eine, 
nach  dem  Verhältnisse  von  1 : 1,156  gebildete,  d.  h.  stärkere  Krümmung  als  am  Männcrsch&del  (1,141),  wes- 
halb also  am  Mittelhanpte,  ganz  entgegen  dem  Verhalten  des  Vorderhauptes,  die  sagittale 
Wölbung  schwächer,  die  quere  aber  stärker  als  beim  männlichen  Geschlecht  ist. 

Der  gegenseitige  Abstand  der  Scheitelhöcker,  die  Scheitelbreite,  ist  an  den  Schädeln  beider  Geschlech- 
ter gleich  gross  (131  Mm.),  daher  beim  Weibe  relativ  grösser,  man  mag  dieselbe  im  Verhältnisse  zur  Länge 
(1000  : 761  $ 727  {$)  oder  zur  Breite  des  Schädels  (1000  : 922  9 £97  <$)  betrachten,  was  mit  der  grösseren 
Breite  des  Weiberschädels  genau  ü hereinstimmt,  dagegen  mit  dem  Stande  der  Stirnhöcker  im  Widerspruche 
eteht.  Beim  Weibe  ist  die  Scheitelbroite , entgegen  der  grössten  Breite,  viel  mehr  veränderlich  (117  bis  142, 
19  Proc.),  als  beim  Manne  (122  bis  141»  14,5  Proc). 

Bei  den  deutschen  Weibern  schwäbischen  Stammes  lässt  Ecker’s  Tabelle  den  Scheitelhöckerabstand 
auf  134  Mm.  berechnen,  wogegen  Welcker’s  Weiberschädel  (125  Mm.  und  127  Mm.)  weit  hinter  diesen  An- 
gaben Zurückbleiben,  sowie  auch  die  Weiherschädel  der  Engländer  (124  Mm.),  Iren  (121  Mra.),  Holländer 
(129  Mm.),  Alt- Körner,  Alt-Dänen  und  Angelsachsen  (127  Mm-).  Unsere  Weiberschädel  gleichen  hierin  den 
Weihern  des  Siontypus  und  der  Reihengräber  von  Ecker  (131  Mm.)  und  nahezu  auch  jenen  der  Alt- Briten 
(132  Mm.).  Nur  bei  den  Schwaben  und  heim  Disentistypus  (133  Mm.)  findet  Bich  eine  grössere  Scheitelbreite. 

Sowie  das  weibliche  Geschlecht  nicht  bei  allen  Völkern  vom  männlichen  durch  breitere  Schädel  unter- 
schieden ist,  liegen  auch  dessen  Scheitelhöcker  (verhältnissmässig  zur  Länge  dos  Schädels)  nicht  immer  weiter 
auseinander,  wie  die  folgende  Aufzählung  darthut: 


Neger £ 637  9 G3S  B.  Davis 

IIohbergtypuR 645  „ 661  His 

Engländer  ........  678  „ 700  B.  Davis 

Reihengräber 684  „ 708  Ecker 

Angelsachsen „ 702  „ 704  B.  Davis 

Chinesen 705  »,711  „ 

Siontypus 705  711  His 

Alt-Diinen „ 708  „ 714  B.  Davis 

Marquesaner 716  „ 738  „ 

Alt-Briten 726  „ 732  „ 

Kanafcas 745  „ 758  „ 

Deutsche . „ 779  „ 783  Ecker 


Disentistypus  ......<*>  808  9 796  II  i s 

Deutsche  750  „ 721  Welcker 

Holländer 733  „ 728  B.  Davis 

Alt-Römer  716  n 714  „ 

Hindu „ 708  „ 662  „ 

Irländer  678  „ 672  „ 


Zwischen  Scheitci-  und  Schädelbreite  scheint  demnach  insofern  ein  Zusammenhang  ersichtlich  zu  sein, 
als  jene  Weiberschädel,  welche  im  Ganzen  relativ  breiter  als  die  männlichen  sind,  auch  eine  relativ  grössere 
Scheitelbreite  und  umgekehrt  besitzen;  nur  die  Engländer,  Irländer,  Eckor’s  Deutsche  und  tlcr  Disentis- 
typus  machen  hiervon  nach  beiden  entgegengesetzten  Richtungen  eine  Ausnahme. 

Ausser  den  Weibcrschädeln  des  Disentistypus  und  der  Süddeutschen  haben  die  unsrigen  in  dieser  ganzen 
Reihe  den  relativ  grössten  Scheitelhöckerahstand,  ähnlich  wie  auch  die  grösste  Breite. 

Der  Bogen  zwischen  den  Scheitelhöckem  erreicht  die  mittlere  Länge  von  157  Mm.,  ist  sogar  etwas  län- 
ger als  beim  Manne  (1545  Mm.)  und  länger  als  der  horizontale  Stirnbogen,  welcher  dagegen  am  männlichen 
Schädel  (163  Mm.)  jenen  übertrifft  und  besitzt  ©ine  Krümmung,  welche  nach  dem  Verhältnisse  (Sehne : Bogen) 
= 1 : 1,198  statttindet;  seine  Krümmung  am  männlichen  Schädel  ist  nach  einer  etwa«  kleineren  Verhültniss- 
?ahl  (1,190)  zu  berechnen,  die  Scheitclwölbung  des  weiblichen  Schädels  daher,  im  Einklänge  mit  der  Quer- 
wölhnng  des  ganzen  Sohädels  und  der  Scheitelbeine,  etwas  stärker. 

Zwischen  Scheitelhöcker  und  Spitze  des  Warzen fortsatzes  ist  am  Weiberschädel  ein  Abstand  von  98  Mm.» 


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72 


A.  Weisbach, 


welcher,  wie  meistens,  beim  Weibe  (von  90  bis  110  Mm..  20,4  Froc.)  weniger  als  beim  Manne  (93  bis  115, 
21,1  Proc.)  schwankt;  diese  Scheitelhöckerhöhe  verhalt  sich  zu  jener  des  Mannes  (104  Mm.)  = 942: 
1000.  The  Scheitelhücker  liegen  am  Weibersehädel,  entsprechend  seiner  geringeren  Höhe  auch  relativ  tiefer 
unten  als  um  männlichen  und  /war  dies  sowohl  im  Vergleiche  zur  Hohe  (1000  : 784  9 787  <$  J , als  auch  zur 
Lange  des  Schädels  (1000  : ÖU9  9 577  <$).  Beim  Manne  fanden  wir  die  Scheitelhöckerhühe  der  Scheitelbein’ 
breite  gleich,  beim  Weibe  aber  ist  jene  kleiner  als  diese. 

Die  Länge  des  Scheitels,  zwischen  Stirn-  und  Scheitelhöcker  derselben  Seite  (Welcker'«  Linie  //>), 
welche  107  Mm.  im  Durchschnitte,  91  im  Minimum  und  1*29  Mm.  im  Maximum  erreicht,  gleicht  der  Länge 
des  Vorderhauptes  und  ist  beim  Weibe  viel  veränderlicher  (35,5  Proc.)  als  beim  Manne  il8/j  ProcJ.  Sowie  der 
Weibersehädel  überhaupt  kürzer  ist,  zeigt  sich  auch  sein  Scheitel  relativ  zur  Länge  des  Schädel»  \1000  : 
622  9 627  $)  kürzer  als  beim  Manne. 

Welcker  hat  gleichfalls  die  beiden  letzten  Linien  (/p  und  pm)  gemessen,  die  Höhe  der  Scheitelhöcker 
mit  101  Mm.  und  die  Lunge  des  Scheitels  mit  113  Mm.  sogar  lunger  als  bei  »einen  MünnerBchädeln 
(112  Mm.)  gefunden.  Der  Bogen  zwischen  Stirn*  und  Scheitelhöcker  derselben  Seite  ist  durchschnittlich 
111  Mm.  lang  und  nach  dem  Verhältnis»«*  von  1 : 1,037,  also  flacher  gekrümmt  als  beim  Manne  (1,0.72),  was 
mit  dem  gleichen  Verhalten  der  Längswölbung  des  ganzen  Schädeldaches,  der  sagittalen  Scheitel*  und  der 
horizontalen  Stimwülbung  übereinstimmt. 

ln  der  diagonalen  Richtung  misst  der  Scheitel  des  Weiberschädels  zwischen  Stirn*  und  Seitenwandböcker 
der  entgegengesetzten  Seiten  138  Min.,  wechselt  zwischen  126  und  159  Mm.,  sowie  die  Scheitellunge,  viel* 
mehr  (23,9  Proc.)  als  am  Mannerschädel  (14.5  Proc.)  und  steht  zu  dessen  Scheitcldiago nale  im  gleichen 
Verhältnisse  (1000  : 958)  wie  die  grösste  Breite;  im  Verhältnisse  zur  Länge  des  Schädels  int  die  Scheitcldiago* 
nale  des  Weibes  (1000  : 802)  selbst  noch  sehr  wenig  länger  als  jene  des  Mannes  (800).  Die  Scheiteldiagonale 
des  männlichen  Schädels  (14!  Mm)  kömmt  dessen  Breite  |146  Mm)  sehr  nahe,  wogegen  jene  de»  weiblichen 
sich  mehr  von  dessen  grösster  Breite  (142  Grm.)  entfernt. 

Der  diagonale  Scheitelbogen  zwischen  denselben  Paukten  misst  157  Mm.  und  übertrifl'l  den  horizontalen 
Stirnbogen  (154  Mm.)  um  genau  so  viel  wie  beim  Manne  (166  Min.,  dieser  163  Mm.);  da  er  sich  vom  mann* 
liehen  (1000  : 915)  mehr  als  seine  Sehne  (1000  ; 958)  entfernt,  wird  die  Wölbung  des  Weibersehädel*  in  dieser 
Richtung  eine  andere  sein  müssen;  an  ihm  ist  nämlich  der  diagonale  Scheitelbogen  nach  dem  Verhältnisse 
von  1 : 1,137,  beim  Manne  nach  jenem  von  1 : 1,150  gekrümmt,  der  Scheitel  des  Weibes  daher  sowie  in  sa- 
gittnler  auch  in  diagonaler  Richtung  flacher  gewölbt  als  beim  Manne. 

Aus  den  gegenseitigen  Abständen  der  Stirn*  und  Schcitelhöcker  lässt  sich  ein  Trapez  zusammensetzen, 
welches  von  Welcker  oberes  Schädel-,  kürzer  und  bezeichnender  vielleicht  Scheitel  Viereck  genannt  wird. 
Dasselbe  ist  beim  Weibe  wie  der  ganze  Schädel  kleiner,  — die  Summe  aller  vier  Suiten  betragt  nämlich  beim 
Manne  *14,  beim  Weibe  nur  390  Mm.,  — aber  zugleich  auch  etwas  anders  gestaltet  als  beim  Manne,  mit 
welchem  es  wohl  den  Scheit elhöckcrabstand  gemeinsam  hat,  während  alle  übrigen  Seiten  desselben  kleiner 
sind.  Der  Hauptunterschied  in  der  Gestalt  des  Scheitclvicrecks  beider  Geschlechter  besteht  nun  darin,  dass 
das  weibliche  kürzer  und  ausserdem  noch  an  seiner  Stirnseite  relativ  schmäler,  also  von  den  Scheitel-  gegen 
die  Stirnhöcker  hin  mehr  verschmälert  ist  als  das  männliche:  dies  wird  ersichtlich  au»  dem  gegenseitigen 
Verhalten  des  Scheitel-  und  Stirnhückerabstandes  (1000  : 419  9 435  $). 

Werden  die  Winkel  dieses  Viereckes  berechnet,  so  zeigt  sich,  dass  dessen  an  den  Slirnhöckcrn  liegende 
beim  Weibe  (110®)  grösser,  dagegen  die  an  den  bcheitelhnckern  liegenden  (69®)  kleiner  als  beim  Manne  (106° 
die  ersteren,  73"  die  letzteren)  sind  und  zwischen  beiden  Winkeln  nach  den  entgegengesetzten  Richtungen 
dieselbe  Differenz  (4®)  zwischen  den  beiden  Geschlechtern  obwaltet.  Dies  stimmt  geuau  mit  der  hervorgeho- 
benen Gestalt  dieses  Viereckes  überein. 

Dieser  Befund  ist  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Gestalt  des  Schädels;  früher  wurde  nämlich  bewiesen, 
das»  der  weibliche  Schädel  im  Ganzen  kürzer  und  breiter,  dass  aber  auch  seine  vor  der  grössten  Breite  gele- 
genen Querdurchmesser,  die  Vorderhaupts-  und  Stirnbreite,  relativ  kleiner  als  beim  Manne  sind;  aus  allem 
diesen  ergibt  sich  nun,  dass  der  Weibersehädel  vom  Mittelhaupte  gegen  die  Stirn  hin  in  einem 
höheren  Grade  sich  verschmälert,  eine  nach  vorn  zugespitztere  zugleich  aber  doch  brei- 
tere Eiform  als  der  männliche  besitzt. 

Die  Länge  der  Keilschläfenfläche  — Zirkelabstand  zwischen  dem  Vereinigungspunkte  der  Keilbein- 
flügel- und  Stirnjochbein  naht  und  dem  Winkel  zwischen  Schläfenschuppen-  und  Warzennaht  — erreicht  beim 
Weibe  innerhalb  der  Extreme  von  75  und  IM)  die  durchschnittliche  Grösse  von  84  Mm.;  sie  ist  in  den  ein- 
zelnen Fällen  weniger  (17,8  Proc.)  als  beim  Manne  (22,7  Proc)  veränderlich,  wohl  um  4 Mm.  kleiner  als  am 
männlichen  Schädel  (88  Mm.),  trotzdem  aber  bei  beiden  Geschlechtern  im  Verhältnisse  zur  Länge  des  Schä- 
dels (1000  : 488)  ganz  gleich,  während  doch  zu  erwarten  stand,  dass  die  Längenausdehnung  der  Ansatzstelle 
des  Schläfenmuskols  beim  Weibe  relativ  geringer  wäre. 

Die  Schl&fenschuppe  hat  eine  Höhe  von  41  Mm.  (in  der  Gegend  des  pur.  acust.  ext.),  ist  um  3 Mm. 


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Der  deutsche  Weiberschädel. 


73 


niedriger  als  beim  Manne  {44  Mm.)  und  bleibt  dies  auch  im  Vergleiche  zar  Höhe  (1000  : 828  330  $)  oder 

zur  Länge  des  Schädels  (1000  : 238  $ 244  <*>),  steht  also  in  vollkommener  Uebereiustimmnng  mit  der  min- 
deren Höhenentwickelung  des  ganzen  weiblichen  Schädels.  In  den  einzelnen  Fällen  verändert  sich  die  Höhe 
der  Schläfeiischnppe  (um  34,1  Proc),  ganz  wie  die  Höhe  des  Schädels,  weniger  als  beim  Manne  |38,8  Proc.). 

Her  Vereinigungspan  kt  der  Kranz-  mit  der  Keilflügelnaht  ist  vom  Zusammenflüsse  der  Warzen-  und 
Lambdsnaht  im  Mittel  95  Mm.  entfernt,  schwankt  jedoch  an  den  einzelnen  Sohädeln  (von  89  bis  103  Mm., 
14,7  Proc.),  entgegen  den  meisten  übrigen  Maaasen,  mehr  als  beim  Manne  (11,2  Proc.);  diese  Lange  der 
seitlichen  Wand  des  Schädeldaches  steht  zu  der  des  Schädels  im  Verhältnisse  = 552  : 1000,  ist  daher 
grösser  als  am  männlichen  Schädel  (544).  — Zu  dieser  Linie  gehört  ein  Bogen  von  101  Mm.  Länge,  welcher 
eine  Krümmung  nach  dem  Verhältnisse  von  1 : 1,063,  am  Männerschädel  eine  solche  von  1 : 1,056  besitzt,  so 
dass  also  die  Schläfen gegend  des  Weiberschädels  in  horizontaler  Richtung,  entgegen  der  seit- 
lichen und  sagittalen  Scheitelwölbung,  etwas  stärker  gewölbt  erscheint 

Das  Mittelhaupt  des  Weibes  besitzt  daher,  abgesehen  davon,  dass  die  in  ihm  enthaltene  grösste 
Breite  de«  Schädels  relativ  grösser  ist,  die  folgenden  Eigentümlichkeiten  gegenüber  dem  männlichen: 

Es  ist  kürzer  und  niedriger,  längs  der  Pfeilnaht  flacher  gewölbt,  hat  bei  gleicher  Länge 
der  Keilschläfenfläche  eine  längere  Seitenwand  mit  stärkerer  horizontalen  Schläfenwölbung; 
breitere  und  in  querer  Richtung  stärker  gewölbte  Scheitelbeine  mit  weiter  auseinander,  aber 
tiefer  unten  liegenden  Höckern.  Der  ganze  Scheitel  ist,  mit  Ausnahme  der  zwischen  den 
Scheitelhöokern  gelegenen,  etwas  stärker  gewölbten  Partie,  flacher  gewölbt,  verhältniss- 
rnässig  breiter  und  kürzer  und  nach  vorn  hin  mehr  verschmächtigt;  die  Schläfenschuppe 
niedriger. 

Das  Mittelhaupt  bietet  demnach  in  seinen  Geschlechtseigenthümlichkeiten,  ausser  der  gleich  sich  gestal- 
tenden, geringeren  Höhe,  dem  Vorderhaupte  gerade  entgegengesetzte  Unterschiede  dar. 

Rednciren  wir  alle  das  Mittelhaupt  betreffenden  Maasne  auf  dieselben  des  männlichen  Schädels,  so  ergiebt 
sich,  dass  der  Weiberschädel  jenen  im  Scheitelbogen  übertrifft,  im  Scbeitclhöckorahstande  gleicht,  unter  den 
übrigen  Maaasen  sich  mit  der  Scheitelbeinbreite,  deren  Qoerbogen  und  dem  horizontalen  Schläfenbogen 
sammt  Sehne  jenem  mehr  annähert,  als  mit  den  anderen,  und  sich  in  seinem  sagittalen  und  seitlichen  Scheitel- 
bogen neben  der  Hoho  der  Schläfenschuppe  am  meisten  von  ihm  entfernt,  im  Allgemeinen  jedoch  mit  dem 
ganzen  Mittelhaupte  dem  Männerschädel  viel  näher  als  das  Vorderhaupt  steht 

In  Betreff  der  individuellen  Veränderlichkeit  der  einzelnen  Durchmesser  finden  wir  dieselbe  bald  grösser 
(Länge  des  Mittelhauptes,  Scheitelhöckerabstand,  Stirnscheitelhöckerabstand),  bald  kleiner  als  am  männlichen 
Schädel. 


3.  Hinterhaupt 

An  den  einzelnen  Schädeln  bat  die  Hinterhanptsschuppe  zwischen  Lambdawinkel  und  der  Mitte  des 
hinteren  Randes  des  For.  occ.  magnom  eine  Länge,  welche  von  83  bis  100  Mm.,  um  18,8  Proc,,  viel  weniger 
schwankt  als  beim  Manne  (85  bis  112  Mm.,  28,7  Proc.)  und  im  Mittel  90  Mm.,  dieselbe  Zahl  wie  die  Stirn- 
breite erreicht;  sie  nähert  sich  jener  des  Mannes  (94  Mm.)  fast  so  weit  an  (1000  : 957),  wie  die  Lunge  des 
Vorderhauptes  (955),  ist  jedoch  nach  dem  Verhältnisse  zur  Länge  des  Schädels  (1000  : 523)  noch 
etwas  grösser  als  beim  Manne  (522),  wogegen  das  Vorderhaupt  ebenso  lang,  das  Mittelhaupt  aber  kürzer 
sich  gezeigt  hat.  Die  Hinterhauptsachuppe  ist  bedeutend  kürzer  (um  16  und  17  Mm  ) als  das  Mittet-  und 
Vorderhaupt,  welcher  Unterschied  am  männlichen  Schädel  (18  Mm.)  noch  etwas  grösser  wird.  Der  sagittale 
Hinterhauptsbogen,  dessen  Länge  (109  Mm.)  jener  des  Männerschüdcls  (117  Mm  ) viel  weniger  nahe  kömmt 
(1000  : 931)  als  seine  Sehne,  ist  viel  kürzer  als  der  sagittale  Stirn-  und  Scheitelbogen  und  besitzt  eine  Krüm- 
mung, welche  nach  dem  Verhältnisse  von  1 : 1,211  stattfindet,  so  das«  das  weibliche  Hinterhaupt  in  der  sagit- 
talen Richtung  beträchtlich  flacher  als  das  männliche  (1,214),  zugleich  auch  viel  stärker  als  das  Mittel-  und 
Vorderhaupt  gewölbt  ist.  Hierin  stimmt  es  mit  dem  Mittelhaupte  im  Gegensätze  zum  Vorderhaupte  überein. 

In  der  Länge  dieses  Rogens  stimmen  unsere  Weiber  mit  den  schwäbischen  nach  Ecker,  den  Hindu- 
weibern von  Davis  und  nahezu  auch  mit  den  Discntisweihem  (110 Mm.)  überein;  dagegen  haben  die  Weiber* 
schädel  des  Siontypus  (119  Mm.),  der  Reihengräber,  der  Altbriten,  Angelsachsen,  Holländer,  Marquceaner 
(118  Mm.),  der  Engländer,  Iren  (114  Mm.),  des  Hohbergtypus  (112  Mm.),  der  Altrömer,  Chinesen,  Neger  und 
Kanakas  (111  Mm.)  einen  mehr  oder  weniger  längeren  sagittalen  Hinterhaupts  bogen. 

Die  Hinterhauptsschuppe  zerfällt  in  zwei,  durch  die  obere  Muakelleiste  mit  der  Tuberositas  occ.  ext.  von 
einander  getrennte  Theile,  den  oberen,  welcher  noch  zum  Schädeldache  zu  rechnen  ist  und  den  HinterhaupU- 
lappen  de«  Grosshirns  bedecken  hilft  und  den  unteren,  welcher  der  Grundfläche  des  Schädels  angehört  und 
das  kleine  Gehirn  einschlieest;  jenen  nennt  man  Interparietalbein,  wenngleich  nur  in  sehr  seltenen  Fällen} 

Archiv  für  Anthropologie.  IM.  III.  Heft  IL  10 


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74 


A.  Weisbach 


wenigstens  bei  unseren  Racen,  eine  Naht  dasselbe  vom  übrigen  Hinterhaupte  abtrennt,  diesen  Receptaculum 
ccrebelli.  Wir  wollen  nun  beide  gesondert  betrachten. 

Der  Interparietaltheil  (mit  Zirkel  biB  zur  Basis  der  Tub.  ext-)  hat  die  Länge  von  57  Mm.,  zeigt  aber 
unter  allen  bisherigen  die  grösste  individuelle  Verinderlicbkeit,  indem  er  innerhalb  der  Grenzwerthe  von  46 
und  74  Mm.,  im  Ganzen  um  49,1  Proc.  und  zwar  noch  mehr  als  der  ähnlich  sich  verhaltende  des  Männer- 
schädels (44,4  Proc.)  schwankt.  Da  er  sich  zur  Länge  des  Schädels  = 331 , zu  jener  der  Hinterhauptsschuppe 
= 689  : 1000  verhält,  ist  ur  in  jeder  Beziehung  kürzer  als  beim  Manne  (350  und  670). 

Ganz  im  Widerspruche  damit  finden  wir  die  Länge  des  Receptaculum,  welche  mit  47  Mm.  im 
Mittel  jener  des  ManneB  genau  gleicht  und  noch  mehr  individuellen,  aber  in  beiden  Geschlechtern  gleichen 
Schwankungen  (51  Proc.)  unterliegt,  verhältnissmässig  durchaus  grösser  als  am  männlichen  Schä- 
del; denn  beim  Manne  steht  die  Länge  des  Schädels  und  des  Hinterhauptbeines  zu  jener  des  Receptaculum 
im  Verhältnisse  von  1000  : 261  : 500,  beim  Weibe  in  dem  von  1000  : 273  : 522.  Das  weibliche  Hinterhaupt 
ist  daher  ausser  durch  seine  längere  Schuppo  auch  durch  ein  kürzeres  Interparietalbein  und  ein  längeres  Re- 
ceptaculum vor  dem  männlichen  ausgezeichnet. 

Das  Hinterhaupt  hat  zwischen  den  Vereinigungspunkten  der  Lambda-  und  Warzennaht  eine  durch- 
schnittliche Breite  von  107,  einzelweise  von  100  bis  118  Mm.,  ist  ebenso  breit  wie  das  Vordcrhaupt  lang 
und  minder  veränderlich  (16,8  Proc.)  als  beim  Manne  (18,7  Proc.l  und  die  Längen  des  Hinterhauptes  und 
seiner  Abtheilungen.  Obwohl  die  Hinterhauptsbreite  des  Weibes  jener  des  Mannes  (112  Mm.)  an  absoluter 
Grösse  nachsteht,  ist  sie  doch  im  Verhältnisse  zur  Länge  des  Schädels  (1000  : 622)  bei  beiden  Geschlechtern 
gleich  gross  und  nur  rücksichtlich  der  Breite  des  Schädels  beim  Weibe  (1000  : 753)  kleiner  als 
beim  Manne  (764). 

Barnard  Davis  giebt  die  Hinterhauptsbreite  bei  den  Weibern  der  Holländer  (111  Mm.),  Alt-Briten, 
Alt-Dänen,  Alt-Römern,  Angelsachsen  und  Engländern  (109  Mm./  grosser,  bei  den  Iren  und  Negern  (106  Mm.) 
fast  ebenso  gross  und  nur  bei  den  Weibern  der  Chinesen,  Marquesaner,  Kanakas  (101  Mm.)  und  Hindu 
(99  Mm.)  kleiner  als  bei  den  unsrigen  an;  von  diesen  Völkern  stimmen  darin,  dass  die  Hinterhauptsbreite 
relativ  zur  grössten  Breite  des  Schädels  beim  weiblichen  Geschlecht«  geringer  als  beim  männlichen  ist,  die 
meisten  (Alt-Briten,  Alt-Dänen,  Angelsachsen,  Iren,  Chinesen,  Marquesaner  und  Kanakas)  mit  den  unsrigen 
überein. 

Der  Bogen,  welcher  der  Hinterhauptsbreite  entspricht,  nämlich  der  quere  Hinterhauptsbogen 
(134  Mm.),  immer  gleich  oberhalb  der  Tub.  occ.  ext.  genommen,  ist  dem  angittalen  weit  überlegen  und  zwar 
mehr  als  am  Männer>chiidel,  dessen  querem  Hinterhauptslwgen  (139  Mm.)  er  sich  viel  mehr  (1000  : 964)  ata 
dieser  annähert.  Dies  lässt  schon  vermuthen,  dass  er  am  Weiberschädel  eine  stärkere  Krümmung  besitzt,  wie 
es  auch  das  Verhältnis»  zwischen  Sehne  und  Bogen  (1  : 1,262  1,238  $)  beweist,  demnach  das  weibliche 

Hinterhaupt  wohl  in  sagittaler  Richtung  flacher,  in  querer  jedoch  stärker  als  das  männliche 
gewölbt  ist. 

Die  Höhe  des  Hinterhauptes  — von  der  Mitte  des  vorderen  Randes  des  For.  occ.  magnum  zur  Ver- 
einigungsstelle der  Pfeil-  und  Lambdanaht  — betrügt  durchschnittlich  106  Mm.,  ist  fast  ebenso  veränderlich 
(97  bis  115  Mm.,  16,6  Proc.)  wie  die  Hinterhauptsbreite  und  mit  dieser  und  der  Länge  des  Hinterhauptes 
weniger  veränderlich  ata  am  Männerschädel  (von  100  bis  129  Mm.,  25,8  Proc.).  Der  Hinterhauptshöho  des 
Mannes  (112  Mm.)  nähert  sie  sich  (1000  : 964)  übrigens  mehr  als  die  eben  genannten  Maaase  an,  weshalb 
auch  das  weibliche  Hinterhaupt  im  Verhältnisse  zur  Länge  (1000  : 627)  und  zur  Höhe  des  Schä- 
dels (1000  : 884)  höher  erscheint  als  das  männliche  (1000  : 622  : 842,  Dadurch  steht  es  zu  den  beiden 
anderen  Abtheilungen  des  Schädels,  welche  eine  geringere  Höhenentwickelung  dem  Manne  gegenüber  auf- 
weisen, im  vollkommenen  Gegensätze. 

Die  Hinterhauptsdiagonalc  — vom  Scheitel höcker  der  einen  zum  Vereinigungspunkte  zwischen 
Lambda-  und  Warzennaht  der  entgegengesetzten  Seite  — misst  im  Durchschnitt  138  Mm.,  genau  so  viel  wie 
die  Scheiteldiagonale,  bleibt  hinter  jener  des  Männerscbädels  (141  Mm.)  nur  um  3 Mm.  zurück  und  ist,  ähn- 
lich der  Mehrzahl  der  Hinterhauptsmaasse  am  Weiberschädel  (131  bis  148  Mm.,  12,3  Proc.)  weniger  veränder- 
lich ata  am  männlichen  (14,1  Proc.).  Trotz  der  geringen  Höhe  des  Weiberschudels  ist  sein  ganzes 
Hinterhaupt  in  diagonaler  Richtung,  ähnlich  wie  der  Scheitel  mehr  entwickelt,  als  beim 
Manne,  wir  mögen  die  Hinterhauptsdiagonale  im  Verhältnisse  zur  Länge.  Breite  oder  Höhe  des  Schädels 
(802  : 971  : 1104  : 1000  beim  $,  783  : 965  : 1060  : 1000  beim  $)  betrachten. 

Der  diese  Sehne  begleitende  diagonale  Hinterhauptsbogen  hat  sogar  eine  etwas  grössere  Länge 
(185  Mm.),  als  beim  Manne  (184  Mm.);  nehmen  wir  dazu  seine  Sehne  in  Betracht,  welche  sich  zu  ihm  = 
1 : 1,340  verhält,  so  leuchtet  ein,  dass  das  Hinterhaupt  des  Weihes  ähnlich  wie  in  querer  auch  in 
diagonaler  Richtung  eine  bedeutend  stärkere  Wölbung  als  das  männliche  (1,303)  besitzt,  also 
dem  flacheren  Scheitel  entgegengesetzt  gestaltet  ist.  Die  schräge  Hinterhauptswolbung  übertrifft 


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Der  deutsche  Weibersehadel.  75 

An  Starke  die  quere,  beide  die  sagittale,  während  heim  Manne  wohl  auch  die  entere  die  stärkste,  die  qnere 
Hinterhauritawölbung  jedoch  die  flachste  ist. 

Die  Spitzen  der  Warzenfortsatze  fassen  einen  Ahstand  zwischen  sich,  der  im  Mittel  97  Mm.  erreicht 
(bei  Welcher  an  43  $ Schädeln  98  Mm.),  an  den  einzelnen  Schädeln  von  UO  bis  106  Mm.,  nämlich  um 
18,5  Proc.,  viel  weniger  veränderlich  ist,  als  am  Männerschädel  (23  Proc.),  dessen  Warzenabstand  (104  Mm.) 
jenen  um  7 Mm.  übertrift't.  Da  wir  denselben  am  Weiberschädel  sowohl  im  Vergleiche  zur  Länge  (1000  : 
563),  als  auch  zur  Breite  des  Schädels  (1000  : 683)  kleiner  als  beim  Manne  (1000  : 577  : 712)  finden,  muss  der 
Weiberschädel  ganz  im  Einklang«  mit  seiner  schmäleren  Basis  auch  näher  beisammen  liegende  Warzen- 
fortsätz«  besitzen,  also  gegen  seine  Basis  herab,  ähnlich  wie  gegen  die  Stirn  hin,  viel  mehr  als  der  männliche 
verschmälert  sein,  sich  dem  kindlichen  Typus  mehr  annähern. 

Das  durch  die  gegenseitigen  Abstande  der  Scheitelhöcker  und  Warzenspitzen  gebildete  Hinterhaupts* 
viereck  hat  einen  Umfang  von  424  Mm.,  ist  um  5 Mm.  umfangBreicher  ata  das  Scheitelviereck  (beim  Manne 
um  8 Mm.),  mit  welchem  es  gegenüber  dem  männlichen  das  Gemeinsame  hat,  dass  cs  beim  Weibe  ebenfalls 
nach  der  den  Scheitelhöckern  gegenüberliegenden  Seite,  nach  abwärt«  mehr  verschmächtigt  zuläuft  und  zu- 
gleich niedriger  tat.  Beim  Manne  fanden  wir  ausser  dem  Scheitelhöckerabstande  die  drei  übrigen  Seiten  des 
Hinterhaupts  Viereckes  untereinander  gleich;  beim  Weibe  aber  sind  dessen  seitliche  Begrenzungslinien  (j>m), 
wenngleich  nur  sehr  wenig,  grosser  ata  die  Basis. 

Aehnlich  wie  beim  Scheitel-  gestalten  sich  auch  beim  Hinterhauptsvicreck  die  Winkel,  welche  nämlich 
an  dessen  schmalerer  Seite  (an  den  Warzonspitzen)  nach  Berechnung  heim  Weibe  (100°)  grösser  ata  beim 
Manne  (97°),  dagegen  an  dessen  breiterer  Seite  (an  den  Scheitelhöckern)  beim  Weibe  (79°)  kleiner  ata  beim 
Manne  (82°)  sich  ergeben.  Auch  hier  findet  sich  zwischen  den  gleichgelegenen  Winkeln  immer  dieselbe  Dif- 
ferenz (3°),  welche  nur  hinter  jener  der  Winkel  des  Scheitclviereekce  (4°)  otwaa  zurückbleibt.  Beide  Vierecke 
stimmen  atao  darin  überein,  dass  ihre  an  den  Scheitelhöckern  gelegenen  Winkel  beim  Weibe  kleiner,  dagegen 
die  an  den  Stirnfiöckern  und  Warzenspitzen  befindlichen  grösser  als  beim  Manne  Bind. 

Das  Hinterhaupt  des  Weibe«  unterscheidet  sich  demnach  von  dem  des  Mannes  durch 
eine  (relativ)  etwas  längere  Schuppe,  die  au«*  einem  kürzeren  Interparietaltheile  und  einem 
längeren  Receptaculum  cerebelli  zusammengesetzt  wird,  durch  seine  relativ  zur  Schädel- 
breite  geringere  Breite,  durch  grössere  Höhe,  bedeutendere  Entwickelung  in  der  Diagonale 
und  durch  stärkere  Verschmälerung  nach  abwärts.  Seine  Wölbungen  bieten  von  jenen  dos 
männlichen  Hinterhauptes  das  Unterscheidende  dar,  dass  die  sagittale  Richtung  durch  eine 
flachere,  die  quere  aber,  sowohl  wie  die  diagonale  durch  stärkere  Krümmung  ausgezeich- 
net sind. 

Das  Hinterhaupt  stimmt  also  in  seinen  Geschlechtsunterschieden  weder  mit  dem  Vorder-  noch  mit  dem 
Mittelhaupte  überein,  im  Gegentheile  steht  cs  zu  diesen  beiden  Abtheilungen,  besonders  aber  zum  Vorder- 
haupte fast  durchaus  in  vollem  Gegensätze.  Im  Allgemeinen  löast  sich  behaupten,  dass  der  Weiberschädel 
ein  kleineres  (schmäleres,  niedrigeres)  Vorder-,  dagegen  ein  grösseres  (längeres  und  höhere«)  Hinterhaupt  und 
ein  Mittelhaupt  besitzt,  welches  wohl  viel  breiter  ata  das  männliche,  dafür  aber  viel  kürzer  uud  niedriger 
tat.  Die  Unterschiede  zwischen  beiden  Geschlechtern  scheinen  (nach  den  Verhältntaszahlen  zur  Schädellänge.l 
am  Mittel-  und  Vorderhaupte  viel  grosser  ata  nin  Hinterhaupte  zu  sein. 

Die  individuelle  Veränderlichkeit  der  einzelnen  Durchmesser  des  weiblichen  Hinterhauptes  tat  mit  Aus- 
nahme der  Länge  des  ZwiEchenscheitelbeins  und  des  Receptaculum  immer  geringer  als  beim  Manne,  im  All- 
gemeinen aber  grösser  ata  am  Vorder-  uud  Mittelhaupte;  am  wenigsten  variirt,  sowie  am  Männerschädel,  die 
Hinterhauptsdiagonale  (12,3  Proc.),  am  meisten  das  Receptaculum  (51  Proc.).  Wenn  man  dasselbe  Maass  des 
Mäonerschädeta  immer  = 1000  setzt,  «o  ergiebt  sich,  dass  die  Länge  des  Receptaculum  beim  Weibe  jener 
des  Mannes  «ich  ganz  annähert,  während  die  des  ZwischenscheitelbeineB  am  meisten  sich  davon  entfernt. 

4.  Schädelbasis. 

Die  Basis  des  Weiheracbädeta  (Linie  nb  Welcher 's)  zeigt  die  durchschnittliche  Länge  von  93  Mm., 
welche  an  den  einzelnen  Schädeln  viel  weniger  schwankt  (am  17,1  Proc.,  87  bis  103  Mm.),  ata  beim  Manne 
(86  bis  110  Mm.,  24,4  Proc.),  hinter  dessen  Basis  (98  Mm.)  sie  um  5 Mm.  zurückbleibt;  auch  nach  dem 
Verhältnisse  zwischen  Länge  des  Schädels  und  seiner  Basis  bat  der  Weiberschädel  (1000  : 540)  eine  etwa« 
kürzere  Basis  als  der  männliche  (544).  Welcher  fand  bei  seinen  30  Weiberschädeln  dieselbe  absolute  Länge 
der  Schädelbasis. 

So  wichtig  die  Schädelbasis  auch  ist,  scheint  es  doch,  dass  sie  nicht  ata  der  geeignetste  Ausgangspunkt 
zur  Vergleichung  mit  den  übrigen  Schädelmaassen  benutzt  werden  kann;  denn  die  Form  des  Schädels,  wie 
sie  Jedem  in«  Auge  fallt,  wird  immer  nur  durch  die  drei  Hauptdurchmesser,  die  Länge,  Breite  und  Höhe  be. 
stimmt  werden  müssen.  Die  Endpunkte  der  Schädelbasis  behufs  Aufnahmen  der  Seitenansicht  in  die  Hori- 

10* 


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76 


A.  Weisbach 


zontale  za  bringen,  wodurch  das  Gesicht  nach  vom  und  unten  gerichtet  werden  musst  ist,  wenn  nicht  höchst 
unzweckmässig,  doch  gewiss  sehr  unnatürlich  und  gezwungen. 

Der  Grundtheil  des  Hinterhauptbeines,  jedoch,  um  fixe  Marken  zu  erhalten,  bis  zum  hinteren 
Ende  des  Pflngscharbeines  vom  vorderen  Rande  des  Kor.  occ.  xnagn.  gemessen , welcher  also  noch  den  frei- 
liegenden Theil  des  Keilboi nkörpers  in  sich  begreift,  misst  beim  Weibe  im  Mittel  27  Mm.,  ist  jedoch  an  den 
einzelnen  Schädeln  in  hohem  Grade  veränderlich  (29,6  Proc.,  von  25  bi«  33  Mm..),  wenn  er  auch  nicht  die 
noch  viel  grössere  Veränderlichkeit  desselben  am  Mäunenschädel  (21  bis  35  Mtu.,  50  Proc.)  erreicht.  Beide 
Geschlechter  differiten  in  der  absoluten  Länge  dieses  Knochentheiles  (28  Mm.  $)  nur  sehr  weuig;  blos  im 
Vergleiche  zur  Länge  der  Schädelbasis  bat  das  Weib  einen  längeren  Grundtheil  (1000  : 200),  als  der  Mann 
(285),  was  nicht  so  deutlich  aus  dessen  Verhältnis*  zur  Schädellänge  (100)  : 150  $ 155  $)  hervortritt.  Beim 
Weibe  muss  daher  für  die  eigentliche  Gesichtsbasis,  von  der  Nasenwurzel  zur  Ansatzatellc  des  Pflugschar- 
beines am  Keilbeinkörper,  eine  kürzere  Längenausdehnung  als  beim  Manne  übrig  bleiben. 

Das  Foramen  occip.  magn.  hat  eine  Länge  von  34  Mm.,  welche  jener  des  Mannes  (36  Mm.)  um 
2 Mm.  nachsteht  und  auch  rücksichtlich  der  Schädellänge  (1000  : 107)  etwa«  kleiner  als  bei  diesem  (200)  ist. 
Die  Breite  deeseiben  beträgt  durchschnittlich  28  Mm.,  bleibt  hinter  seiner  Länge  so  viel  wie  beim  Manne 
(6  Mm.)  zurück,  und  zeigt  eich  nach  dem  Verhältnisse  zur  Schädellänge  1 1000  : 162)  kleiner  als  beim  Manne 
(166),  weshalb  der  Weiberschädel  ein  im  Ganzen  kleineres  iiinterbauptsloch  besitzen  muss.  Ausserdem  unter- 
scheiden sich  aber  beide  Geschlechter  noch  dadurch,  dass  das  For.  occ.  magn.  des  weiblichen  länger  und 
schmäler,  das  des  männlichen  mehr  rundlich  ist,  wie  aus  dem  Verhalten  zwischen  dessen  Länge  und  Breite 
(1000  : 823  $ 833  $)  hervorgeht.  Zwischen  der  Gestalt  des  Schädels  nnd  jener  des  Hinterhanptsloches 
scheint  also,  wenigstens  bei  den  beiden  Geschlechtern  unserer  Deutschen,  kein  bestimmter  Zusammenhang  tu 
bestehen,  indem  gerade  der  schmälere  und  längere  Männerschädel  ein  rundlicheres,  der  breitere  und  kürzere 
Weiberschädel  aber  ein  mehr  längliches  For.  occ.  hat.  — Die  beiden  Durchmesser  variiren  an  den  einzelnen 
Schädeln  verhält  nies  massig  sehr  bedeutend,  die  Länge  um  23,5,  die  Breite  um  25  Proc.,  aber  doch  noch  we- 
niger als  bei  den  Männern  (33,3  und  36,6  Proc.)1). 

Die  Weiberschädel  des  Diaentistypua  haben  mit  den  unserigen  dieselbe  Länge  des  Hinterhauptsloches 
gemeinsam,  jene  des  Siontypus  aber  eine  ansehnlich  grössere  (37  Mm.),  welche  selbst  noch  die  unserer  Män- 
ner übertrifft. 

Der  gegenseitige  Abstand  der  Foramina  stylomastoidea  (78  Mm.)  ist  um  7 Mm.  kleiner  als  beim 
Manne  (65  Mm.)  und  bleibt  dies  aueb  entsprechend  der  schmäleren  Basis  im  Verhältnisse  zur  grössten  Breite 
des  Schädels  (1000  : 549  $ 582  $);  dagegen  liegen  die  Foram.  ovalia  (45  Mm.)  nur  sehr  wenig  näher  bei- 
sammen als  beim  Manne  (46  Mm.),  daher  im  Vergleiche  zur  Breite  des  Schädels  (1000  : 316  $ 315  $)  selbst 
noch  etwas  weiter  auseinander.  Zu  bemerken  ist,  dass  der  Abstand  der  For.  stylom.  bei  den  Weibern  mehr 
(21,7  Proc.,  69  bis  86  Mm.),  jener  der  ovalia  aber  weniger  (22,2  Proc.,  40  bis  50  Mm.)  als  bei  den  Männern 
(17,6  Proc.  und  28,9  Proc.)  schwankt. 

An  der  relativ  kürzeren  Schädelbasis  des  Weibes  finden  wir  also  ein  längeres  Grund- 
stück, ein  kleineres,  weniger  rundliches  Hintorhauptsloch,  näher  beisammen  liegende  Fo- 
ram. stylomastoidea  und  weiter  von  einander  abstehende  For.  ovalia  als  beim  Masse. 

Die  besprochenen  Maas»«  der  »Schädelbasis  variiren  am  Weiberschädel  ähnlich  wie  am  Hinterhaupte  fast 
immer  weniger  als  am  Männerschädel. 

B.  Gesichtsschädel. 

Die  Höhe  des  weiblichen  Gesichtes  — von  der  Nasenwurzel  zum  Alveolarrande  des  Oberkiefers  zwischen 
den  inneren  Schneidezähnen  — misst  durchschnittlich  64  Mm.,  an  den  einzelnen  Schädeln  zwischen  57  und 
73  Mm.,  innerhalb  welcher  Extreme  ihre  Veränderlichkeit  (25  Proc.)  wohl  eine  «ehr  beträchtliche,  aber  nicht 
eine  so  bedeutende  wie  bei  den  Männern  (32,3  Proc.)  ist,  vou  deren  mittlerer  Gesichtshöhe  (71  Mm.)  sie  um 
7 Mm.  (1000  : 901)  absteht.  Betrachten  wir  dieselbe  ira  Verhältnisse  zur  Schüdolhöhe,  so  sehen  wir,  dass  das 
weibliche  Gesicht  (1000  : 512)  viel  niedriger  als  das  männliche  (533)  ist,  welches  gleiche  Ergebnis«  wir  auch 
bei  Iiücksichtsnahme  auf  die  Länge  des  Schädels  (1000  : 372  $ 394  $)  erhalten,  und  dass  Gehirn-  und 
Gesichteschädcl  in  ihrer  Höhenentwickelung  nahezu  parallel  laufen.  Aeby  findet  den  weiblichen  Gesichts- 
schädel  im  Verhältnisse  zu  seiner  Grundlinie  sogar  höher  als  den  des  Mannes;  seihst  bei  Reduction  der 
Gesichtshöhe  auf  die  Länge  der  Schädelbasis  bleibt  bei  unseren  Weiberschädeln  das  Gesicht  immer  niedriger 
(«ÖS  : 1000)  als  beim  Manne  (724). 


*)  Die  zwischen  Nasenwurzel,  Endpunkte  der  Pfeilnaht,  Basis  der  Tab.  occip.  externa,  vorderem  und  hin- 
terem Rande  des  grossen  Hinterhanptsloches  und  dem  Alveolarrande  dcB  Oberkiefers  genommenen  gegensei- 
tigen Abstände  ermöglichen  die  Zeichnung  eine*  Profilpolygons  des  ganzen  Schädels. 


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Der  deutsche  WeiberschädeL 


77 


Aehnlichor  Weise  gestaltet  sich  auch  die  Jochbreite,  die  grösste  Breite  des  Gesichtes  zwischen  den 
convexesten  Stellen  der  Jochbogen,  welche  durchschnittlich  123  Mm.,  in  den  einzelnen  Fällen  110  bis  132  Mm. 
misst  und  gleichfalls  viel  weniger  variabel  (17,8  Proc.)  als  bei  den  Männern  (21,9  Proc.)  ist.  Wir  mögen  sie 
der  grössten  Breite  (1000  : 866  $ 904  $)  oder  der  Länge  des  Schädels  (1ÖUÖ  : 715  $ 733  $)  entgegenhal- 
ten, immer  erscheint  sie  kleiner  als  beim  Manne,  besonders  aber  nach  dem  ersteren  Verhältnisse.  Vergleichen 
wir  die  Jochbreito  mit  der  Höhe  des  Gesichts  (1000  : 520  $ 537  <$),  so  kommen  wir  zu  dem  Sohlusse,  das» 
das  weibliche  Gesicht,  ohne  Rücksicht  auf  den  Gehirnschädel,  niedriger  und  breiter  ist  als  das  männliche, 
was  ebenfalls  mit  der  Schädelgestalt  übereinstimmt. 

Die  eingehenden  Menungen  von  Davis,  Ecker  und  His  ermöglichen  eine  Vergleichung  der  Jochbreite 
hei  den  Weibern  verschiedener  Typen  und  Völker:  Die  schwäbischen  und  unsere  Weiber  haben  eine  gleich 
grosse  absolute  Jochhreite,  welche  nur  grösser  als  jene  der  Hindu  (119  Mm.),  Alt-Römer  und  Marquesas- 
insulaner  (121  Mm.),  kleiner  als  bei  den  weiblichen  Schädeln  der  Reihengräber,  Angelsachsen,  Alt- Dänen, 
Engländer,  Iren,  Holländer,  Chinesen  (bei  allen  diesen  124  Mm.),  des  Disentistypus,  der  Neger  und  K&nakas 
1127  Mm.),  der  Alt-Briten  (129  Mm.)  und  besonders  des  Siontypus  (134  Mm.)  ist  Wenn  wir  das  Verhältniss 
zwischen  grösster  Schädel-  und  Jochhreite  (erster  = 1000)  hei  diesen  Völkern  an  beiden  Geschlechtern  ins 
Auge  fassen: 


Schwaben  ...... 

9 

860 

6 

891 

Engländer  . . . 

• • 9 

905 

s 

916 

Deutsch  - Oesterreicher 

„ 

866 

u 

904 

Angelsachsen  . 

• • » 

906 

»> 

945 

Disentistypus  .... 

869 

885 

Iren 

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907 

„ 

964 

Marquesaner  .... 

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888 

„ 

963 

Siontypus  . . . 

* ' 1J 

917 

» 

910 

Alt-Dänen  ..... 

8!K> 

» 

943 

Ksnakas  .... 

925 

946 

Holländer 

890 

929 

Alt-Briten  ♦ . . 

927 

931 

Reihengräber  .... 

898 

» 

914 

Chinesen  . . . 

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942 

„ 

946 

Hindu  ....... 

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903 

JJ 

943 

Neger  ..... 

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961 

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981 

Alt-Römer  ..... 

M 

<W6 

tt 

912 

so  bemerken  wir  vor  allen,  dass  unsere  Weiber  mit  den  schwäbischen  und  Disentisweihern  in  dieser  Reihe 
die  im  Vergleiche  zum  Gehirnschädel  schmälsten  Gesichter  haben,  in  welcher  Beziehung  sie  bedeutend  von 
den  Holländern,  Engländern,  Angelsachsen  und  Iren  abweichen,  ferner  aber  auoh,  dass  das  weibliche  Gesicht 
bei  allen  diesen  aufgezählten  Völkern  und  Typen  schmäler  als  das  männliche  ist,  wovon  nur  der  Siontypus 
eine  Ausnahme  zu  machen  scheint,  dessen  Weiher  freilich  nur  durch  vier  Schädel  vertreten  sind.  — Die 
Weiber  der  vier  zuerst  angeführten  Völker  haben  unter  allen  diesen  neben  dem  grössten  Längenbreitenindex 
des  Schädels  die  schmälsten  Gesichter,  ohne  dass  aber  bei  den  übrigen  die  Breite  des  Gesichts  mit  steigender 
Dolichocephalie  zunähme,  wie  z.  B.  an  den  Hinduweibern  zu  sehen  ist,  welche  wohl  unter  allen  diesen  die 
schmalköphgsten  sind,  dennoch  aber  ein  viel  schmäleres  Gesicht  besitzen,  als  die  Weiber  der  Neger,  deren 
Schädel  doch  unsehnlich  breiter  sind. 

Die  Jochbeine  selbst  haben  eine  Länge  von  77  Mm.  (vom  vorderen  Ende  am  Augenhöhlenrande  bis 
zur  Wurzel,  mit  Zirkel I,  wechseln  an  den  einzelnen  Schädeln  zwischen  70  und  84  Mm.,  um  13,1  Proc.,  ebenso 
viel  wie  l»eim  Manne  (18,5  Proc.),  bei  welchem  sie  aber  im  Verhältnisse  znr  Schädellänge  (1000  : 450)  etwas 
länger  als  keim  Weibe  (447)  sind;  im  Bogen  messen  eie  zwischen  denselben  Punkten  83  Mm.,  am  Männer- 
schädel dagegen  92  Mm.  und  zeigt  eich  die  aus  dem  Verhältnisse  zwischen  Sehne  und  Bogen  berechnete 
Krümmung  der  Jochbeine  am  Weiherschädel  (1  : 1,077)  merklich  flacher  als  beim  Manne  (1,129),  was  eben 
mit  der  geringeren  Jochbreite  des  Weibes  zusammen  füllt. 

Die  obere  Gesichtsbreite  — genommen  zwischen  den  beiderseitigen  äusseren  Rändern  der  Vereini- 
gnngsstelle  des  Joc-hfort Satzes  vom  Stirn-  und  des  Stirnfortsatzes  vom  Jochbeine  — ist,  ähnlich  der  Joch- 
breite und  Gesichtshöhe  am  Weibersehädel  bedeutend  weniger  veränderlich  (94  bis  106  Mm.,  11,8  Proc.)  als 
am  männlichen  (96  bis  115  Mm.,  18  Proc.)  und  trotzdem,  dass  etc  nur  101  Mm.  erreicht,  doch  im  Verhält- 
nisse zur  Jochbreite  (1000  : 821)  grösser  als  beim  Manne  (795),  so  dass  das  Weibergesicht  an  den  Stxrpjoch- 
fortsät zen  relativ  breiter  als  da«  männliche  erscheint. 

Ihr  ähnlich  verhält  sich  die  Breite  der  Oberkicfor,  zwischen  den  äusiersten  Punkten  der  beiderseiti- 
gen Jochfortsätze  der  Oberkiefer,  welche  durchschnittlich  87  Mm.  misst,  an  deo  einzelnen  Schädeln  mehr 
variirt  (74  bis  97  Mm.,  26,4  Proc.),  als  beim  Manne  (25  Proc.)  und  rücksichilich  der  Jochbreite  (1000  : 707  $ 
696  $)  grösser  als  beim  männlichen  Geschlecht«  ist  Nur  im  Verhältnisse  zur  Länge  des  Schädels  (1000:500$ 
511  erscheint  sie  beim  Weibe  kleiner,  wogegen  die  obere  Gesichtsbreite  auch  in  dieser  Beziehung  (1000 
: 667  $ 583  $)  etwas  grösser  beim  Weihe  bleibt. 

Der  Abstand  des  Zahn  fach  erfortsatzes  des  Oberkiefers  swischen  den  inneren  Schneidezähnen  von  der 
Mitte  des  vorderen  Randes  des  Foram.  occip.  magnum,  welcher  nur  der  Bequemlichkeit  halber  Kieferlänge 
benannt  wurde,  beträgt  im  Mittel  83  Mm.,  1 Mm.  mehr  als  die  Oberkieferbreite,  welche  beim  Manne  jene 


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73 


A.  Weisbach 


Linie  (04  Mm.)  am  2 Mm.  übertrifft,  und  ist  sowohl  in  Rücksicht  auf  die  Länge  de»  Schädels  (1000:946  $ 
959  £),  als  auch  auf  die  der  Schädelbasis  (1000  : 511  $ 522  $)  kurier,  als  beim  Manne. 

Ans  den  gegenseitigen  Abständen  der  Nasenwurzel,  des  Zahn fiieherfortsatzes  und  des  vorderen  Randes 
des  Forum,  oocip.  magnum  (aus  den  Linien:  Schädelbasis-,  Kieferlänge  und  Gesichtshöhe)  lässt  sich  ein  Pro- 
fildreieck des  Gesichtes  zusara  mensetzen , welches  ungleichseitig  und  beim  Weibe  (Summe  aller  drei  Sei- 
ten = 245  Mm.)  absolut  kleiner  als  beim  Manne  (263  Mm.)  ist.  Dieses  Dreieck  dient  zur  Berechnung  der 
Stellung  der  Oberkiefer  und  zwar  mittelst  jenes  Winkels,  welchen  die  Gesichtshöhe  mit  der  Oberkieferlängo 
bildet,  den  wir  Gesichtswinkel  nennen  wollen  (nach  Welcker  nahezu  der  Winkel  bxn),  da  er  offenbar  durch 
»pine  Zunahme  Orthognathie,  durch  seine  Abnahme  Steigerung  der  Prognathie  anzeigt.  Von  den  zwei  ande- 
ren Winkeln  gelte  jener  an  der  Nasenwurzel  als  Nasen-  und  der  am  hinteren  Ende  der  Schädelbasis  befind- 
liche (annähernd  nhx  nach  Welcker)  als  Basalwinkil.  Diese  drei  Winkel  betragen  nun: 

Gesichtswinkel $ 73°  ? 76°, 

Nasenwinkel 67«  „ 66°, 

Basalwinkel 44°  „ 43°. 

Dbb  weibliche  Gesichtsdreieck  hat  also  nur  einen  uud  zwar  den  Gesichtswinkel  grösser,  die  beiden  übrigen 
aber  kleiner  als  das  männliche  und  ist  daher  offenbar  durch  eine  mehr  orthognathe  Kieferstellung  vor  dem 
des  Mannes  ausgezeichnet.  Unser  Naeenwinkel  hat  dieselbe  Grösse,  wie  bet  den  von  Welcker  untersuchten 
Schädeln  deutscher  Weiber,  bei  unseren  Männern  aber  ist  er  grösser  als  nach  Welcker’s  Angaben,  ein 
Widerspruch,  der  sich  auch  auf  die  ganze  Kicferstcllung  bezieht. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  dieser  Gesichtswinkel  zur  Bestimmung  der  Ortho-  oder  Prognathie  auch  geeignet 
sei  oder  nicht?  Im  Allgemeinen  lässt  sich  voraussetzen , dasB,  je  weiter  der  untere  Thcil  der  Oberkiefer  vor- 
springt, je  mehr  der  Prognathismus  ausgeprägt  ist,  Gesichtshöhe  und  Kieferlänge  unter  einem  desto  kleineren 
Winkel  aufeinander  treffen,  welcher  um  so  grösser  wird,  je  mehr  sich  die  erstere  Linie  der  Senkrechten  und 
die  Kieferstellung  der  Orthognathie  nähert.  Die  Grosse  dieses  Gesichtswinkels  ist  wohl  auch  von  der  Lange 
der  Seiten  des  Gesichtsdreieckes  abhängig  und  dürfte  daher  nicht  immer  mit  der  Kieferstullung  genau  Hand 
in  Hand  gehen;  er  wächst  nämlich,  wenn  GesichtBhöhe  und  Kieferlänge  gleich  bleiben,  mit  Zunahme  der 
Länge  der  Schädelbasis  und  erfährt  im  Gegcntheile  sowohl  durch  Zunahme  der  Gesichtshöhe,  als  auch  der 
Kieferlänge  (cetcris  par.)  eine  Abnahme.  Wo  daher  eine  kurze  Schädelbasis  mit  oiner  grossen  Gesichtshöhe 
und  bedeutenden  Kieferlänge  zusammentrifft , wird  vollständige  Prognathie,  der  kleinste  Gesichtswinkel  zu 
finden  sein  und  umgekehrt  bei  langer  Schädelbasis,  niedrigem  Gesichte  und  geringer  Kieferlänge  die  voll- 
kommenste Orthognathie  sich  einstellen.  Beim  deutschen  Weiherschädel  finden  wir  nun  das  Gesicht  niedri- 
ger, die  Kieferlänge  geringer,  die  Schädelbasis  aber,  wenn  die  Schädellänge  = 100  gesetzt  wird,  ebenso  lang 
wie  beim  Manne,  und  eben  deshalb  den  weiblichen  Gesichtswinkel  grösser. 

Der  Einwurf  ist  wohl  ganz  begründet,  dass  der  angegebene  Gesichtswinkel  selbst  bloa  durch  das  Ver- 
treten des  Alveolarrandes  beeinflusst,  verkleinert  werden  muss;  allein  ein  solches  Gesicht  ist  eben  auch  prog- 
nath,  obgleich  Bich  diesfalls  die  Prognathie  blos  auf  den  Zahnfächerfortaatz  beschränken  kann,  wie  es  über- 
haupt eine  durch  Vortreten  des  ganzen  Oberkiefers  und  eine  nur  durch  Vortreten  des  Alvcolarfortsatzes  er- 
zeugte Prognathie  Riebt. 

Für  die  Brauchbarkeit  dieses  Gesichtswinkels  zur  Bestimmung  der  Kieferstellung,  wozu  er  schon  von 
Swaving1)  benutzt  wurde,  spricht  die  folgende  aus  Mittelzahlen  berechnete  Reihe  von  Gesichtswinkeln  ver- 
schiedener Völker*. 


9 Amboinesen 70°. 

16  Javanen  . 

15  Banjaresen  l 71°, 

19  Chinesen  I 

12  Bugis 72«, 

50  Deutsche  Männer 73°, 

28  Nord -Italiener 75  ', 

24  Deutsche  Weiber 76«, 

2*  Czechen 77°. 


Die  Breite  des  harten  Gaumens  am  hinteren  Ende,  37  Mm.  im  Mittel,  steht  wohl  jener  des  Mannes 
(39  Mm.)  etwas  nach,  wird  aber  doch  im  Verhältnisse  zum  schmäleren  Gesichte  heim  Weibe  (zur  Jochbreite 


*)  Berste  Bijdrage  tot  de  Kennis  der  Schedcls  van  Volken  in  den  indischen  Archipel.  Natuurkundig 
Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie;  decl  XXIII,  Batavia  1861. 


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Der  deutsche  Weiberschädel. 


79 


= 800  : 1000)  entsprechend  dem  relativ  breiteren  Oberkiefer  etwa»  grösser  als  beim  Manne  (295).  Im  Ge- 
gensätze zur  Breite  gestaltet  sich  die  Länge  des  Gau  men b,  welche  nur  44  Mm.  ausmacht,  blos  um 
7 Mm.  jene  übertrifll  (beim  MÄino  um  10  Mm.)  und  sowohl  rücksichtlich  der  Schädellänge  (1000  : 256  $ 
272  $),  als  auch  der  Lunge  der  Schädelbasis  (1000  : 473  ? 500  $)  kleiner  oIb  beim  Manne  ist;  daher  kommt 
es  auch,  dass  der  Gaumen  des  Weibes  nach  seinem  LängcnbreitenverhältniBse  (1000  : 840  $ 795  $)  breiter 
und  kürzer  als  jener  des  Mannes  erscheint,  was  im  Einklänge  mit  der  kürzeren,  breiteren  Schädelgestalt,  mit 
der  etwas  kürzeren  Schädelbasis  und  der  grösseren  Breite  der  Oberkiefer  des  Weibes  steht.  Beide  Dimen- 
sionen des  Gaumens  zeigen  auch  in  ihrer  individuellen  Veränderlichkeit  entgegengesetztes  Verhalten;  die 
Breite  nämlich  variirt  weniger  beim  Weibe  (24,3  Proc.  zwischen  32  und  41  Mm.)  als  beim  Manne  (28  Proc.) 
wogegen  die  Länge  beim  Weibe  (40,9  Proc.,  35  bis  53  Mm.)  viel  grösseren  Schwankungen  unterliegt  als 
beim  Manne  (32,6  Froc.)  und  überhaupt  viel  veränderlicher  als  jene  ist. 

Die  Augenhöhlen  haben  die  mittlere  Breito  von  38  Mm.  (an  ihrer  GesichtsötTnung),  welche  an  den 
einzelnen  Schädeln  um  16,7  Proc.  (36  bis  42  Mm.),  ansehnlich  weniger  schwankt,  als  beim  männlichen  Ge- 
schlecht« (25,6  Proc.);  ihre  Breite  ist  jener  des  Gaumens  um  1 Mm.  überlegen,  beim  Manne  aber  vollkommen 
gleich  (39  Mm.).  Sowie  der  Gaumen  ist  auch  die  Orbita  des  Weibes  im  Verhältnisse  zur  Jochbreite  (1000 
: 308)  breiter  als  jene  des  Mannes  (295). 

Die  Höhe  der  Aogenhöhlenöffnungen  haben  beide  Geschlechter  (33  Mm.)  gleich;  nothwendiger  Weise 
muss  daher  die  weibliche  Augenhöhle  im  Gegensätze  zu  dem  niedrigeren  Schädel  und  Geeichte  relativ  höher 
als  die  männliche  sein,  wie  auch  das  Verhältnis«  zwischen  Höhe  des  Gesichtes  und  der  Augenhöhlen  (1000 
: 515  $ 464  & ) darthut.  — Die  dritte  Dimension  der  Augenhöhle,  ihre  Tiefe  (48  Mm.,  vom  unteren  Rande 
des  Foram.  optic.  zur  Mitte  des  unteren  Orbitalrande«),  geht  mit  den  beiden  anderen  insofern  parallel,  als 
auch  sie  beim  Weibe  relativ  (zur  Schüdellange  = 279  $ 272  $ : 1000)  grosser  gefunden  wird,  so  dass  die 
Augenhöhle  im  Ganzen  absolut  nur  sehr  wenig  kleiner,  relativ  aber  bedeutend  grösser  als  beim  Manne  ist. 
Was  die  Variabilität  dieser  drei  Maaase  anbelangt,  so  steigt  dieselbe  l>eim  Weibe  von  der  Breite  (15,7  Proc.) 
zur  Höhe  (24,2  Proc.)  und  ist  bezüglich  der  Tiefe  (25  Proc.)  am  grössten,  beim  Manne  aber  ist  jene  der  Breite 
(25,6  Proc.)  die  grösste,  jene  der  Höhe  (24,2  Proc.)  und  Tiefe  (24,4  Proc.)  steht  ganz  gleich;  das  männliche 
Geschlecht  variirt  mehr  in  der  Breite,  das  weibliche  mehr  in  der  Tiefe  seiner  Augenhöhlen,  deren  Höhe  bei 
beiden  Geschlechtern  dieselbe  Veränderlichkeit  besitzt. 

Die  Nasenwurzel  ist  an  den  Vereinigungspunkten  zwischen  Oberkiefer,  Stirn-  und  Thränenbein  durch- 
schnittlich 21  Mm.,  in  den  einzelnen  Fällen  18  bis  28  Mm.  breit  und  wiewohl  bedeutend  (47,6  Proc.),  doch 
nicht  so  sehr  veränderlich  wie  beim  Manne  (52,3  Proc.),  dessen  Nasenwurzel  dieselbe  absolute  Breite  besitzt. 
Da  die  Breite  des  Gesichtes  bei  beiden  Geschlechtern  so  verschieden,  jene  der  Nasenwurzel  aber  gleich  ist, 
musB  offenbar  das  weibliche  Geschlecht  eine  relativ  (zur  Jochbreite  = 1000  : 170  $ 159  £)  breitere  Nasen- 
wurzel haben. 

Die  Choanen  haben  (in  der  Höhe  der  hinteren  Ansatzstellen  der  Nasenmuscheln)  eine  Breite  von 
28  Mm.,  welche  an  den  ciuzolnen  Schädeln  (zwischen  24  und  37  Mm.,  46,4  Proc.)  fast  ebenso  veränderlich 
wie  die  Breite  derNasenwurzel,  viel  schwankender  als  beim  Manne  (26,6 Proc.),  aber  im  Verhältnisse  zur  Joch- 
breite  (1000  : 227),  trotz  der  breiteren  Oberkiefer,  ebenso  gross  wie  beim  Manne  ist  Andere  ihre  Höhe; 
diese  erreicht  durchschnittlich  nur  23  Mm.,  schwankt  aber  noch  viel  mehr  (62,1  Proc.  von  17  bis  29  Mm.) 
als  die  Breite  und  ist  nach  dem  Verhältnisse  zur  Gosichtshöhe  (1000  : 359)  im  Einklänge  mit  dieser  geringer 
als  beim  Manne  (3G6).  Nichtsdestoweniger  dass  die  Weiber  eine  breitere  Nasenwurzel  haben,  sind  ihre  Choa- 
nen doch  kleiner  (niedriger)  als  jene  des  Mannes. 

Zwischen  den  Unterkiefcrwinkeln  ist  das  weibliche  Gesicht  nur  92  Mm.  breit  und  diese  untere  Ge- 
sichtsbreite nur  halb  so  variabel  (15,2  Proc.,  86  bis  100  Mm.)  als  beim  Manne  (30,3  Proc.);  entgegen  der 
relativ  grösseren  oberen  Gesichtsbreite  zeigt  sich  die  untere  nach  dem  Verhältnisse  zur  Jochbreitc  (1000 
: 747  $ 750  $)  geringer  als  beim  männlichen  Geechlcchte,  was  so  viel  bedeutet,  als  dass  das  weibliche  Ge- 
richt unten  mehr  verachmächtigt  ist  als  das  männliche.  Welcker  findet  dieses  Maas«  kleiner  (88  Mm.). 

Des  Gesicht  der  Weiber  ist  daher  im  Ganzen  absolut  und  relativ  zum  Gehirnschädel 
kleiner,  mehr  orthognath,  niedriger,  zwischen  den  kürzeren  und  flacher  gebogenen  Joch- 
beinen schmäler,  von  diesen  nach  aufwärts  weniger,  nach  abwärts  aber  mehr  verschmäch- 
tigt,  hat  grössere,  durch  eine  breitere  Nasenwurzel  von  einander  getrennte  Augenhöh- 
len, breitere  Oberkiefer,  kleinere,  niedrigere  Choanen  und  einen  kürzeren,  aber  breiteren 
Gaumen,  als  das  Gesicht  der  Männer.  Die  individuelle  Variabilität  der  einzelnen  Durchmesser  der  Geeichte- 
knochen  ist  meistentheils  geringer  als  beim  Manne,  nur  bei  der  Breite  der  Oberkiefer,  der  Gaumenlänge, 
Augentiefe  und  Choanenbreite  grösser;  am  meisten  variirt  die  Höhe  der  Choanen  (52,1  Proc.),  am  wenigsten 
die  obere  Gesiohtebrcite  (11,8  Proc.);  an  den  übrigen  Maassen  lässt  sich  kein  bestimmtes  Schwankungsgesetz 
feststellen,  ausser  dem  schon  oben  besprochenen,  dass  nämlich  die  Variabilität  im  Gegensätze  zur  absoluten 
Grösse  der  einzelnen  Maassc  steht. 


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so 


A.  Weisbach, 
Unterkiefer. 


* 

Der  Unterkiefer  de»  Weibe»  hat.  im  Bogen  zunächst  des  unteren  Bandes  von  Winkel  zu  Winkel  gerne»- 
scn,  eine  Länge  von  192  Mm.,  variirt  an  den  einzelnen  Schädeln  (von  175  bi«  205  Mm.,  15,0  Proc.)  weniger 
alt«  beim  Manne  (24,8  Proc.,  177  bis  230  Mm.),  dessen  Unterkiefer  er  auch  an  Länge  nachsteht,  wie  das  Ver- 
hältnis« zum  Umfange  de«  Schädels  zeigt,  welches  beim  Weibe  1000  : 385,  heim  Manne  1000  : 408  ausmacht ; 
ausserdem  unterscheidet  sich  der  weibliche  Unterkiefer  vom  männlichen  auch  noch  dadurch,  dass  er,  ähnlich 
wie  das  Vorderhaupt  in  horizontaler  Richtung,  eine  flachere  Krümmung  besitzt,  indem  sich  seine  Sehne,  di« 
untere  Gesichtabreite,  zum  Bogen  = 1 : 2,003  beim  Weibe,  = 1 : 2,151  beim  Manne  verhält. 

Die  beiden  Forani.  mentalia  fassen  einen  Abstand  von  43  Mm.  zwischen  sich,  welcher  wohl  absolut 
(um  2 Mm.)  kleiner  als  beim  Manne  (45  Mm.),  jedoch  relativ  zur  unteren  GesichUhreite  (1000:467  $ 4.54  $) 
grosser  erscheint  und  so  wie  diese  am  Weiberschädel  weniger  sich  ändert  (um  18,6  Proc.,  39  bis  47  Mm.), 
als  am  männlichen  (26.6  Proc.,  39  bis  51  Mm.);  das  weibliche  Kinn  ist  also  relativ  breiter  als  das  des  männ- 
lichen Schädels. 

Der  Unterkieferwinkel  zwischen  Körper  und  Ast  beträgt  beim  Weibe  durchschnittlich  123°,  an  den 
einzelnen  Schädeln  115  bis  132°;  er  ist  um  8°  grosser  als  jener  des  Mannes  (115°),  den  er  nur  in  seinem  Mi- 
nimalwerthe  erreicht  und  schwankt  auch  beim  Weibe  viel  weniger  (13,8  Proc.  $|,  als  beim  Manne  (100  bis 
137°,  32,1  Proc-).  Nach  Welcher*«  Messungen  ist  der  Unterschied  zwischen  Mann  (119°)  und  Weib  (121g) 
geringer,  sein  Unterkieferwinkel  bei  den  Männern  gräuer,  bei  den  Weibern  aber  kleiner  als  bei  den  anserigen. 

Die  Höhe  seiner  Aeste  — von  der  tiefsten  Stelle  des  halbmondförmigen  Ausschnittes  zum  unteren 
Rande  des  Unterkiefers  — bleibt  mit  ihrem  durchschnittlichen  Werthe  von  45  Mm.  um  5 Mm.  hinter  jener 
de«  Mannes  (50  Mm.)  zurück  und  ist  auch  relativ  geringer,  mag  sie  mit  der  Höhe  des  Schädels  (1000  : 360  $ 
.375  $)  oder  mit  jener  de«  Gesichtes  (1000  : 702  $ 704  $)  verglichen  werden.  --  Die  Breite*  der  Unter- 
kieferäste,  — gleich  oberhalb  der  Vereinigung  mit  dem  horizonialen  Theile,  — welche  blos  27  Mm.  erreicht, 
hat  mit  deren  Höhe  das  Gemeinsame,  dass  sie  ebenfalls  geringer  als  beim  Manno  (31  Mm.)  ist,  wenn  sie 
nämlich  der  letzteren  gegenübergeetellt  wird  (Asthöhe  : Astbreite  = 1O0O  : 600  $ 620  S),  so  dass  die  Unter- 
kieferäste  des  Weibes  im  Ganzen  kleiner,  niedriger  und  schmäler  als  jene  des  Mannes  sind.  Wahrend  die 
Asthöhe  des  weiblichen  Unterkiefers  viel  weniger  (20  Proc.)  als  jene  des  männlichen  (48  Proc.),  ist  die  Ast- 
breite  des  ersteren  etwas  mehr  veränderlich  (48,1  Proc.),  als  beim  Manne  (45,1  Proc.). 

Der  weibliche  Unterkiefer  zeichnet  eich  also  vor  dem  männlichen  durch  seine  auch 
relativ  geringere  Grösse,  durch  flachere  Krümmung,  kleinere,  niedrigere  und  schmälere 
Aeste,  dagegen  aber  durch  ein  breiteres  Kinn  und  einen  grösseren  Winkel  aua.  Die  in- 
dividuelle Veränderlichkeit  seiner  einzelnen  Abschnitte  ist  durchaus  geringer  als  beim  Manne,  mit  Ausnahme 
der  Breite  seiner  Aeste;  an  dieser  am  grössten  (48,1  Proc.),  bezüglich  der  Winkel  (13,8  Proc.)  am  kleinsten. 

Aus  diesen  zahlreichen  Untersuchungen  ergeben  sich  schliesslich  folgende  Geschlechts- 
eigenthümlichkeiten  des  deutschen  Weiberschädels: 

1.  Der  ganze  Schädel  ist  (absolut)  kleiner  und  leichter,  mehr  in  die  Breite,  aber  we- 
niger in  die  Höhe  entwickelt,  hat  eine  relativ  schmälere  Basis,  in  der  Bagittalen 
Richtung  im  Ganzen  eine  flachere,  dagegen  in  der  queren  eine  stärkere  Wölbung 
als  der  Männcrschädel. 

2.  Sein  Vorderhaupt  ist  kleiner,  wohl  ebenso  lang  wie  beim  Manne,  dafür  aber  nie- 
driger und  schmäler,  in  sagittaler  Richtung  viel  stärker,  in  querer  oder  horizontaler 
aber  etwas  flacher  gekrümmt;  seine  Stirnhöcker  liegen  rücksichtlich  der  Lange 
des  Schädels  etwas  weiter  auseinander,  hinsichtlich  seiner  grösseren  Breite  aber 
näher  beisammen,  im  Verhältnisse  zu  welcher  überhaupt  alle  Breiteninaasso  des 
Vorderhauptes  viel  kleiner  als  beim  Manne  sind. 

3.  Das  durch  seine  überwiegende  Breitenentwickelung  die  grössere  Breite  des  ganzen 
Schädels  bestimmende  Mittelhaupt  dürfte  eben  deshalb,  trotzdem  es  kürzer  und 
niedriger  als  das  männliche  ist,  dieses  an  Grösse  übertTeften;  ausserdem  hat  es  eine 
flachere  Sagittal Wölbung,  breitere  und  in  querer  Richtung  stärker  gewölbte  Schei- 
telbeine, deren  Tnbcra  weiter  auseinander,  aber  tiefer  unten  liegen  und  einen  Schei- 


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Der  deutsche  Weiberachädel. 


81 


tel  (den  Raum  zwischen  Stirn-  und  Scheitelhöckern),  welcher  kürzer  und  breiter, 
nach  vorn  hin  mehr  verschmälert  und  in  jeder  Richtung  flacher,  nur  zwischen  den 
Schoitelhöckern  etwas  stärker  gewölbt  ist.  Die  Keilschläfenfläche  gleicht  jener 
des  Mannes,  nur  ist  sie  an  der  Schläfenschuppe  niedriger,  die  seitliohe  Wand  aber 
ist  länger  und  in  horizontaler  Richtung  stärker  gewölbt 

4.  Das  Hinterhaupt  des  weiblichen  Schädels  steht  ganz  im  Gegensätze  zum  Vorder- 
und  Mittelhaupte , indem  es  sich  durch  grössere  Höhen  - und  Längenentwickelung 
bei  gleicher  Breite  von  dem  männlichen  unterscheidet,  dieses  daher  an  relativer 
Grösse  übertriflt;  nur  relativ  zur  Schädolbreite  ist  es  ähnlich  dem  Vorderhaupte 
schmäler.  Sein  Zwischenscheiteltheil  ist  viel  kürzer,  dagegen  sein  Kleinhimtheil 
(receptaculum)  viel  länger  als  beim  Manne.  Seine  Wölbungen,  welche  sich  in  ihrem 
Verhalten  mehr  dem  Mittel-  als  Vorderhaupte  anscliliessen,  difleriren  von  jenen 
des  Mannes  dadurch,  dass  die  sagittale  flacher,  die  schräge  und  quere  aber  stärker 
sind. 

6.  Die  Schädelbasis  des  Weibes  ist  schmäler  und  kürzer,  hat  ein  längeres  Grundstück 
(pars  basilaris),  ein  kleineres,  etwas  schmäleres  Hinterhauptslocb,  näher  aneinander 
gerückte  For.  stylomastoidea,  aber  weiter  von  einander  entfernte  For.  ovalia. 

G.  Das  weibliche  Gesicht  ist  im  Verhältnisse  zum  Gehirnschädel  in  allen  Dimensionen 
kleiner  als  das  männliche,  mehr  orthognath,  niedriger  und,  entgegen  dem  breiteren 
Gehirnschädel  schmäler,  nur  oben  breiter,  unten  aber  enger,  hat  eine  breitere  Na- 
senwurzel, weiter  auseinander  liegende  Augen  und  grössere,  höhere  Orbitae;  brei- 
tere Oberkiefer  mit  kleineren,  niedrigeren  Choanen  und  kürzerem,  aber  breiterem 
Gaumen;  sein  Unterkiefer  ist  ebenfalls  kleiner,  flacher  gekrümmt,  hat  ein  breiteres 
Kinn  und  kleinere,  niedrigere  und  schmälere  Aesto,  welche  aber  unter  einem  grös- 
seren Winkel  am  Körper  eingepflanzt  sind. 

Noch  ist  zu  bemerken,  dass  die  einzelnen  Maasse  des  WeiberschädeLs  meistens  viel  weni- 
ger individuellen  Veränderungen  als  beim  Manne  unterliegen  und  wie  bei  diesem  die  Varia- 
bilität gewöhnlich  mit  der  absoluten  Grösse  des  Maasses  im  Widerspruche  steht;  ausser  dem, 
dass  das  Schädelgewicht  bei  beiden  Geschlechtern  viel  mehr  als  sämmtliche  Dimensionen  al>- 
ändert,  finden  wir  beim  Weibe  die  grösste  Veränderlichkeit  in  der  Höhe  der  Choanen 
(52,1  Proc.),  die  kleinste  in  der  Scheitelbeinbreite  (11,7  Proc),  beim  Manne  dagegen  erstere  an 
der  Nasenwurzelbreite  (52,3  Proc.),  letztere  an  der  Seitenwand  des  Schädeldaches  (11,2  Proc.). 
Die  Dimensionen  des  Gesichtes  scheinen  sich  bei  den  einzelnen  Individuen  viel  mehr  als  jene 
des  Hirnschädels  zu  ändern,  an  diesem  selbst  das  Hinterhaupt  die  grösste,  das  Mittelhaupt 
und  die  Schädelbasis  die  geringste  Veränderlichkeit  zu  besitzen. 

Beim  Manne  dagegen  geht  da3  Hinterhaupt  allen  übrigen  Abtheilungen  des  Schädels  an 
Grösse  der  Veränderlichkeit  voraus,  erst  dann  folgt  das  Gesicht,  diesem  die  Schädelbasis, 
nachher  das  Mittel-  und  zuletzt  mit  der  geringsten  Variabilität  das  Vorderhaupt. 


Atcfalv  Dir  Anthropologin.  U«l.  III,  lieft  II. 


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A.  Weisbach, 


Maasstabelle. 


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1322,87 

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20 

1441  ,fv3 

425,46 

75 

1342,18 

510,25 

78 

1150,32 

633,76 

88 

131(5,33 

672,83 

71 

1 1 1 5,68 

851,09 

28 

1533,33 

«50,52 

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142,00 

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1392,15 

8(8,11 

54 

1445,75 

507,50 

29 

1520,26 

431,54 

Nasenwurzel 

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499  170 

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495  176 
495  j 171 
406  ; 174 
199  173 

500  168 
502  179 

504  173 

505  174 
505  174 
608  178 
600  174 
510  181 

517  176 

518  185 
626  ! 18-1 


| 133  122 
136  123 
148  118 
147  120 

143  126 
138  119 
138  131 

144  122 
189  126 
143  123 
140  122 
133  133 

143  122 

146  130 
136  130 
140  124 

144  125 

147  1 18 
147  134 
138  125 
135  139 
152  128 
140  126 
146  127 


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49  93 

42  84 


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72  | 816 


Der  deutsche  WeiberschädeL 


83 


Deutsche  Weiber.) 


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Bogen 

Sehne 

Bogen 

Sehne 

Bogen 

«Sehne 

Bogen 

Sehne 

Bogen 

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95 

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Der  deutsche  Weibersehadel. 


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VI. 


Ueber  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

Ein  Vortrag 

des 

Professor  Dr.  H.  Schaaffh  ausen  aus  Bonn, 

gehalten 

in  Frankfurt  a.  M.  am  6.  März  1868. 


Wer  kennt  nicht  die  schöne  Dichtung  unseres  grossen  Schiller:  „Die  Götter  Griechen- 
lands“, worin  er  es  beklagt,  dass  jetzt  seelenlos  ein  Feuerball  sich  dreht,  wo  damals  Helios 
den  goldnen  Wagen  lenkte,  dass  Einen  zu  bereichern  unter  Allen,  die  ganze  Götterwelt 
vergieng!  Aber  es  war  ein  Fortschritt  der  menschlichen  Erkenntnis»,  die  von  der  Vorstellung 
vieler  Götter  in  der  Natur,  welche  die  kindliche  Einbildungskraft  geschaffen  hatte,  zu  dem 
Gedanken  eines  einzigen  Gottes  sich  erhob.  Heute  könnte  ein  Dichter  cs  beklagen,  dass  auch 
dieser  eine  Gott  fiir  Viele  entbehrlich  geworden  ist,  die  den  Glauben  an  ihn  für  ein  Ammen- 
nrübrchen,  für  eine  Erfindung  der  schwachen  Köpfe,  für  eine  Selbsttäuschung  geängsteter 
Seelen  halten.  Die  Beweise,  welche  die  Philosophen  für  das  Dasein  Gottes  aufgestellt,  hat 
Kant  einer  scharfen  Prüfling  unterzogen;  es  blieb  ihm  als  der  wichtigste  der  aus  der  Betrach- 
tung der  Natur  genommene  übrig,  indem  die  Zweckmässigkeit  der  Welt  auf  eine  mit  Weis- 
heit und  Intelligenz  wirkende  Ursache  hinweist.  Es  giebt  auch  einen  anthropologischen  Be- 
weis für  das  Dasein  Gottes  und  zwar  für  das  Dasein  eines  persönlichen  Gottes.  Der  Mensch 
erkennt,  dass  er  ein  Theil  der  Schöpfung  ist,  und,  wenn  es  nicht  vollkommnero  Wesen  auf 
einem  anderen  Gestirne  giebt,  dass  er  der  besto  Theil  derselben  ist.  Der  Vorzug  der  mensch- 
lichen Natur,  die  höchste  Entwicklung  seines  Wesens  liegt  aber  in  seinom  Selbstbewusst- 
sein, in  seiner  Persönlichkeit ; da  nun  das  Geschöpf  nicht  besser  sein  kann  als  sein  Schöpfer, 
so  muss  auch  Gott  selbstbewusst  und  persönlich  sein. 

Schon  die  älteste  Naturforschung  hat  in  den  Einrichtungen  der  Natur  eine  wunder- 
bare Zweckmässigkeit  erkannt,  der  Zweifel  daran  ist  neueren  Ursprungs.  Aristoteles  läng- 
nete  sie  nicht,  in  seiner  Schrift  über  die  Theile  der  Thiere  erklärt  er  überall  die  Zweck- 
mässigkeit der  Bildungen.  Zuerst  verwarf  Bacon  die  Betrachtung  der  Natur  nach  Zwecken 
oder  nach  Endursachen  und  verlangte  für  die  Wissenschaft  die  nach  wirkenden  Ursachen. 
Dagegen  tadelte  schon  Socrates  im  Pliädon  den  Auaxagoras,  dass  er  die  WTolt  anstatt  aus  dem 
Willen  Gottes,  aus  Aether,  Wasser  und  dergleichen  zu  erklären  suche.  Buffon  hat  die 


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88  H.  Schaaffhausen, 

Zweckmässigkeit  geläugnet,  Voltaire  sie  zu  erweisen  gesucht.  Auch  Blumenbach  ver- 
theidigte  sie.  Unter  den  Neueren  bekämpft  R Owen  die  sogenannten  Endursachen,  er 
nennt  sie  nach  Bacon  vestalische  Jungfrauen,  schön  aber  unfruchtbar,  weil  sie  dom  Forscher 
keine  Frucht  geben,  die  der  Lohn  seiner  Arbeit  wäre.  Die  Erkenntnis»  der  Zweckmässigkeit 
ist  allerdings  keine  Erklärung  der  Naturerscheinungen,  welche  doch  die  Aufgabe  der  Natur- 
forschung ist.  Es  fiel  aber  Bacon,  von  dem  der  bekannte  Spruch  herrührt,  dass  eine  ober- 
flächliche Wissenschaft  wohl  von  Gott  abführen  könne,  die  tiefer  geschöpfte  aber  zu  ihm 
zurückführe,  nicht  ein,  die  Zweckmässigkeit  der  Natur  in  Frage  zu  stellen,  er  will  ihre  Unter- 
suchung nur  der  Philosophie  zugewiesen  sehen  und  die  der  materiellen  Ursachen  der  Natur- 
lehre. In  der  That  könnon  wir  ja  nicht  dabei  stehen  bleiben,  zu  sagen,  das  hat  der  Schöpfer 
vortrefflich  gemacht;  wir  sollen  untersuchen,  wie  er  es  gemacht  hat  Wer  sich  mit  der  Er- 
kenntnis» der  Zweckmässigkeit  begnügte,  würde  vielleicht  ein  kindlich  frommes  Geinüth  ver- 
rathen,  aber  nicht  den  forschenden  Geist,  der  die  Geheimnisse  der  Natur  enthüllt- 

Je  tiefer  wir  eindringen  in  den  Zusammenhang  der  Erscheinungen,  um  so  wunderbarer 
entfaltet  sich  vor  uns  die  göttliche  Macht  und  Weisheit.  Die  Zweckmässigkeit  ist  nicht  das 
Ziel  unserer  Forschung,  aber  sie  fällt  uns  gleichsam  als  ein  unerwarteter  Lohn  der  Arbeit  von 
selber  zu;  und  wenn  sie  auch  nicht  die  Naturerscheinungen  erklären  kann,  so  giebt  sie  uns 
doch  über  das  Verhältnis»  des  Menschen  zur  Welt  und  zur  Gottheit  Aufschluss,  welches  doch 
auch  eine  Angelegenheit  des  denkenden  Geistes  und  de»  menschlichen  Herzens  ist.  Weil  die 
Annahme,  dass  die  Natur  nach  Zwecken  geschaffen  ist,  auf  ein  bewusstes,  denkendes  Wesen, 
auf  einen  Gott  führt,  gerade  desshalb  haben  viele  Forscher  unserer  Zeit,  die  nur  an  die  Natur 
selbst,  aber  nicht  an  einen  Schöpfer  glauben,  diese  Zweckmässigkeit  geläugnet.  Es  ist  dess- 
halb überaus  wichtig,  diese  Frage  ins  Auge  zu  fassen.  Wenn  die  Natur  ohne  Gott  bestehen 
kann,  und  alle  Erscheinungen  in  ihr  nur  einem  blassen  Naturgesetze  gehorchen,  so  hat  der 
Mensch  auch  keine  Seele  nöthig,  sein  ganzes  Leben  ist  nur  der  Ablauf  materieller  Vorgänge; 
es  giebt  keinen  freien  Willen,  das,  was  wir  Seelenthätigkeit  nennen,  ist  die  mit  Notliwendig- 
keit  erfolgende  Wirkung  materieller  Theilchen,  ein  chemischer  Process  oder  eine  physikalische 
Schwingung.  So  verwechselt  man  eine  Bedingung  bewusster  geistiger  Thätigkeit  mit  diaser 
selbst.  Andere  zweifeln  nicht,  dass  der  Mensch  nach  Zwecken  handle,  worin  es  allein  be- 
gründet ist,  dass  man  ihn  fiir  ein  denkendes,  vernünftiges  Wesen  hält,  aber  die  Natur  soll 
nur  durch  den  Zufall  oder  das  unerbittliche  Gesetz  der  Noth Wendigkeit  beherrscht  werden. 
Diesen  Ist  der  Mensch  der  Gott,  und  die  Natur  ohne  Gott. 

Die  grössten  Naturforscher  aller  Zeiten  haben  an  dem  Dasein  eines  Gottes  nicht  gezwei- 
felt  Nur  von  la  Place  wird  erzählt,  er  habe,  als  Napoleon  L ihn  fragte,  warum  er  in  seinem 
berühmten  Werke  „die  Mechanik  des  Himmels“  nicht  Gottes  Erwähnung  gethan,  geant- 
wortet: „Sire,  ich  habe  diese  Hypothese  nicht  nöthig  gehabt“  La  Place  hatte  Recht  weil 
die  Bewegung  der  Himmelskörper  aus  dem  Gesetz  der  Schwere  allein  sich  erklären  lässt  und 
für  diese  Erklärung  es  ganz  gleichgültig  ist,  weiter  zu  fragen,  welchen  Ursprung  die  Schwere 
hat.  Er  hatte  Unrecht,  weil  gerade  seine  Forschungen  einen  neuen  Beweis  für  die  Voll- 
kommenheit und  die  Dauer  unseres  Weltsystems  lieferten,  woraus  er  wohl  einen  Schluss  auf 
die  Grösse  des  Schöpfers  hätte  ziehen  können.  Was  sollen  wir  aber  davon  halten,  wenn  ein 
Schriftsteller  unserer  Tage  der  Meinung  ist,  dass  die  Astronomie  den  Gedanken  eines  persön- 


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89 


Ueber  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

liehen  Schöpfers  widerlege?  „Wenn  es  darauf  ankam,“  sagt  er  „Welten  und  Wohnungen  für 
Thiere  und  Menschen  zu  schaffen,  wozu  jener  ungeheure,  wüste,  leere,  nutzlose  Weltraum,  in 
dem  nur  hier  und  da  einzelne  Sonnen  und  Erden  als  fast  verschwindende  Pünktchen  schwim- 
men? Warum  fehlt  hior  jede  Ordnung,  jede  Symmetrie,  jede  Schönheit?  Oie  Schöpfung  hat 
keinen  Plan,  sie  ist  nicht  die  Verwirklichung  eines  einheitlichen  Schöpfergedankens.“  Also 
will  der  kleine  Menschengeist  den  grossen  Schöpfer  meistern;  Will  er  vielleicht  gar  eine 
bessere  Welt  erfinden  ? Wie  viel  bescheidener  dachten  die  Alten , die  der  blosse  Anblick  des 
gestirnten  Himmels,  von  dessen  gesetzmässigen  Erscheinungen  sie  wenig  wussten,  zu  ehr- 
furchtsvoller Bewunderung  hinriss!  Oie  Griechen  nannten  das  Weltgebäude  Kosmos,  das 
heisst  Schmuck,  Schönheit;  mit  dem  Namen  des  Schönen  ist  das  Vollkommenste  bezeichnet. 
Und  als  wenn  ausser  dem  Auge  auch  das  Uhr  von  dieser  Schönheit  eine  Kunde  haben  könnte, 
sprachen  sie  auch  von  der  Musik  der  Sphären.  Berechtigt  die  neueste  Wissenschaft  etwa 
zu  jenem  wegwerfenden  Urtheile  über  die  Ordnung  der  Welt?  Die  aus  den  in  neuerer  Zeit 
berechneten  Sternparallaxen  geschlossene  Grösse  der  Welt  Ubertrifft  den  kühnsten  Geistes- 
flug des  Dichters.  Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  nimmt  Struve  für  die  Fixsterne  erster 
Grösse  eine  Entfernung  von  986000  Sonnenweiten  an,  die  Sonne  ist  aber  ‘20  Millionen  Meilen 
von  uns  entfernt.  Alle  Bewegungen  der  Himmelskörper  bis  in  die  weitesten  Fernen  gehorchen 
einem  Gesetze,  dem  der  Schwere.  Oie  Astronomie  kennt  keine  Ausnahme  von  diesem  Ge- 
setze, welches  sich  für  die  Drehung  der  Doppelsterne  um  einander  wie  für  die  Kometenbahnen 
bestätigt  hat.  Als  man  Störungen  in  den  Bahnen  der  Planeten  kennen  lernte,  glaubte  man, 
sic  würden  einen  Zusammenstoss  der  Weltkörper,  vielleicht  auch  einmal  den  Untergang  der 
Welt  veranlassen  können,  aber  wie  die  fortschreitende  Geologie  die  gewaltsamen  Umwäl- 
zungen aufgeben  konnte,  so  fand  auch  die  Astronomie  in  der  scheinbaren  Unordnung  die 
Ordnung.  La  Place  zeigte,  dass  alle  Störungen  in  den  Bewegungen  der  Weltkörper  unseres 
Sonnensystems  nur  vorübergebende  sind  und  nach  einer  gewissen  Periode  sich  wieder  auf- 
heben,  für  Jupiter  und  Saturn  schon  nach  zwei  Umläufen  des  letzteren,  für  Uranus  und  Nep- 
tun erst  in  9000  Jahren.  Dasselbe  gilt  für  die  säeularen  Veränderungen  der  Planetenbahnen. 
La  Place  hielt  noch  den  Zusammenstoss  von  Kometen  und  Planeten  für  möglich,  ein  solcher 
konnte,  wie  er  glaubte,  die  Planetenbahnen  aus  dem  Kreise  in  die  Ellipse  verwandelt  oder 
die  Libration  des  Mondes  hervorgebracht  haben.  Lamont  zeigte  die  geringe  Wahrscheinlich- 
keit eines  solchen  Ereignisses,  denn,  giebt  man  einem  jeden  Planeten  eine  Breitenzone  von 
30,000  Meilen,  so  findet  man,  dass  die  Planeten  zusammen  nur  den  25 millionsten  Theil  der 
Kreisfläche  bis  zum  Neptun  ausmachen,  in  der  sie  sich  bewegen.  Sie  haben  also  Raum  genug 
für  ihren  Umlauf.  So  erscheint  dem  Astronomen  schon  unser  Planetensystem  für  ewige  Däner 
berechnet,  es  trägt  wenigstens,  wie  Lamont  sich  ausdrückt,  keinen  inneren  Keim  der  Zer- 
störung in  sich.  Doch  gilt  dies  nur  für  die  grossen  Planeten,  nicht  für  die  Asteroiden,  deren 
Bewegungen  weniger  bekannt  sind.  Auch  die  grossen  Zeiträume,  welche  man  für  gewisse 
kosmische  Bewegungen  berechnet  hat,  nöthigen  zur  Annahme  einer  langen  Dauer  des  Welt- 
gebäudes. Das  Vorrücken  der  Nachtgleiehcn  macht  einen  Umlauf  von  25,600  Jahren,  die 
Periode  der  Schwankungen  der  Ekliptik  beträgt  27,400,  die  der  Exeentricität  der  Erdbahn 
73,800  Jahre  und  wenn  unser  ganzes  Sonnensystem  wirklich,  wie  es  den  Anschein  hat,  um 
einen  Centralkörper  sich  bewegt,  der  in  der  Plejadcngmppe  vermuthet  wird,  so  würden  nach 

An  hl*  n>  Anthropologie.  Kd.  III.  Hoft  II.  12 


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H.  Sehaaffhauseii, 


Mädler  für  einen  Umlauf  desselben  20  Millionen  Jalire  nöthig  sein.  Müssen  wir  aber  nicht 
die  Welt  für  ewig  halten,  wie  Gott  es  ist,  den  wir  uns  nur  in  der  Welt,  nicht  ohne  dieselbe 
denken  können!  Damit  steht  ein  Anfang  und  Ende,  ein  Werden  und  Vergehen  einzelner 
Körper  der  Welt  nicht  im  Widerspruch.  Es  giebt  allerdings  zwei  Ansichten  der  Natur;  nach 
der  einen  ist  Gott  ausser  der  Welt,  diese  Welt  ist  nicht  die  beste,  sie  ist  nicht  ewig,  sic 
kann  vernichtet  werden  und  dafür  eine  andere  entstehen;  nach  der  anderen  ist  Gott  in  der 
Welt,  die  geschaffene  Welt  ist  die  beste,  das  Ganze  der  Welt  ist  ewig  und  unveränderlich, 
die  Natur  aber  in  einer  steten  Entwicklung  begriffen.  Zu  der  letzteren  Ansicht  muss 
sich  die  Naturforschung  bekennen.  Bleibt  es  auch  imgewiss,  ob  wir  am  Sternenhimmel  in 
Nebelflecken  werdende  Welten  vermuthen  dürfen,  da  das  Fernrohr  solche  Lichtnebel  in 
Stemenhaufen  aufgelöst  hat,  ist  es  auch  nicht  ausgemacht,  dass  die  niederfallenden  Meteore 
Trümmer  zerstörter  Himmelskörper  sind,  so  ist  es  doch  nachweisbar,  dass  die  Erde,  die  wir 
am  genauesten  kennen,  verschiedene  Perioden  ihrer  Bildung  durchlaufen  hat.  Wollte  man 
aber  auch  die  aus  der  jetzigen  Beschaffenheit  der  Erdoberfläche  hergenommenen  Beweise  einer 
allgemeinen  Veränderung  derselben  nicht  gelten  lassen,  ho  würde  die  Geschichte  des  orga- 
nischen Lebens  ein  unzweifelhaftes  Zeugnis»  für  eine  fortschreitende  Entwicklung  in  der 
Natur  ablegen. 

Mau  pflegt  den  Anfang  der  neueren  materialistischen  Naturanschauung,  die  auch  heute 
noch  verbreitet  ist,  in  den  Arbeiten  der  französischen  Philosophen  aus  der  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  zu  erkennen,  welche  ausser  der  Materie  nichts  gelten  Hessen.  Aber  schon  da- 
mals fehlte  es  nicht  an  aufgeklärten  Männern,  welche  zwar  fiir  die  unterdrückten  Menschen- 
rechte und  gegen  den  mit  Hoffart  sich  spreizenden  Aberglauben  mit  glühendem  Eifer  kämpf- 
ten, aber  den  Ausschreitungen  der  Freigeister  entschieden  entgegentraten.  Der  mit  Unrecht 
als  ein  Gottcsiäugner  geschmähte  Voltaire  sagte:  „wie  die  Uhr  einen  Uhrmacher,  so  setzt 
das  Wunderwerk  der  Welt  einen  Meister  voraus!“  Rousseau,  einer  der  Vorfechter  der 
grossen  französischen  Revolution,  warf  gleichwohl  den  Encyclopädisten  vor,  dass  sie  eine 
trostlose  Saat  in  die  Herzen  der  Menschen  ausstreuten , indem  sie  Alles,  was  die  Menschen 
bisher  geachtet,  niederrissen  und  mit  Füssen  träten,  dem  Tiefbetrübten  den  letzten  Trost  in 
seinem  Unglück  raubten,  dem  Mächtigen  und  Reichen  aber  den  einzigen  Zügel  seiner  Leiden- 
schaften nähmen,  wie  dem  Verbrecher  die  Gewissensbisse,  der  Tugend  die  Hoffnung,  und 
dass  sie  dennoch  sich  rühmten,  die  Wohlthäter  des  Menschengeschlechtes  zu  sein.  Friedrich 
der  Grosse  rief  ihnen  zu,  wenn  wir  Alle  nichts  als  Maschinen  sind,  die  von  der  Natur- 
gewalt in  Bewegung  gesetzt  werden,  so  hat  Eure  Entrüstung  gegen  die  Priester  und  die 
Könige  keinen  Sinn,  weil  diese  ja  dann  gezwungen  sind,  das  zu  sein,  was  sie  sind.  Die  be- 
geisterten Anhänger  des  Materialismus  unserer  Tage  haben  zwar  das  Verdienst,  die  Materie, 
die  man  so  gern  als  den  schlechteren  Theil  der  Natur  betrachtet,  in  ihre  Rechte  eingesetzt 
zu  haben,  aber  sie  sind  in  den  Fehler  gefallen,  die  Würde  des  geistigen  und  sittlichen  Lebens 
in  Zweifel  zu  ziehen.  Sie  haben  den  Ausspruch  veranlasst,  dass  die  heutige  Naturforschung 
nur  dem  materiellen  Leben  einen  nie  dagewesenen  Aufschwung  verleihe,  aber  den  höheren 
Interessen  des  Menschen  feindlich  entgegentrete.  Wie  ungerecht  diese  Anklage  ist,  wird  eine 
Untersuchung  der  Zweckmässigkeit  der  Natur  zeigen,  in  weicher  auch  die  neueste  Wissen- 
schaft das  Walten  einer  göttlichen  Vernunft  erkennen  muss. 


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lieber  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

Werfen  wir  einen  Blick  in  die  grosse  Natur,  auf  die  Pflanzen  und  Tliiere  und  auf  das 
menschliche  Leben,  um  zu  erfahren,  ob  die  Natur  nach  Zwecken  bandelt!  Wenn  schon  die 
Alten  ihr  Wirken  zweckmässig  Anden  konnten,  so  haben  wir  viel  zahlreichere  und  viel  wich- 
tigere Beweise  dafür.  Wenn  der  Mensch  irgend  ein  Werk  unternimmt,  wenn  er  z.  B.  ein 
Haus  baut,  so  ist  es  Bein  Bestreben,  dass  Alles  zusammen  passe,  dass  jeder  Theil  seinen 
Zweck  erfülle,  dass  sein  Werk  dauerhaft  sei;  und  eine  Hauptsache  dahei  ist,  dass  er  mit  we- 
nig Mitteln  recht  Grosses  zu  Stande  bringe.  Genau  nach  diesen  Forderungen  ist  die  Welt, 
das  grosse  Haus,  gebaut,  in  dem  wir  wohnen.  Alle  Theile  der  grossen  Natur  gehören  zu 
einander,  sie  bedingen  einer  den  anderen ; ohne  Licht,  also  ohne  die  Sonne  wäre  unser  Auge 
unnütz,  ohne  die  Luft  würden  wir  nicht  athmen.  Richten  wir  unsere  Aufmerksamkeit  auf 
die  gegenseitige  Abhängigkeit  der  verschiedenen  Theile  der  Natur,  auf  den  nothwendigen 
Zusammenhang  der  Naturreiche,  auf  die  zweckmässige  Verbindung  der  Pflanzen-  und  Thier- 
welt. Wie  kann  es  besser  eingerichtet  sein,  als  dass  die  Pflanzen  die  Wohlthäter  der  Thiere 
sind  und  umgekehrt  1 Beide  bedürfen  der  Luft,  um  zu  athmen,  aber  was  die  Pflanzen  brauchen, 
ist  den  Thieren  schädlich,  was  die  Pflanzen  fortgeben,  das  haben  die  Thiere  nöthig.  Menschen 
und  Thiere  würden  bald  in  der  Kohlensäure  ersticken,  die  ihr  Stoffwechsel  bildet,  wenn  die 
Pflanzen  nicht  stets  neuen  Sauerstoff  bereiteten.  Die  Pflanzen  würden  in  bevölkerten  Gegen- 
den nicht  so  üppig  wachsen  können,  um  Menschen  und  Thiere  zu  ernähren,  weun  nicht  die 
Abfälle  des  thierisehen  Lebens  die  Luft  und  den  Boden  düngten  und  Nahrungsmittel  für  sie 
wären.  Desshalb  ist  auch  zwischen  Pflanzen  und  Thieren  eine  gesetzmäsaige  Ordnung  her- 
gestellt, die  Raubthiere  sind  die  Feinde  der  Pflanzenfresser  und  desshalb  die  Beschützer  der 
Pflanzenwelt,  die  wieder  von  diesen  in  Schranken  gehalten  wird. 

So  mannigfaltig  die  Gestalten  sind,  die  uns  in  der  Natur  umgeben,  es  sind  immer  die- 
selben Stoffe,  die  sie  zusammensetzen,  und  nur  die  Form  verwandeln,  um  jetzt  einen  Stein, 
jetzt  eine  Pflanze,  jetzt  ein  Thier  zu  bilden.  Wer  denkt  dabei  nicht  an  die  Metamorphosen 
der  griechischen  Mythe,  die,  freilich  in  einem  andern  Sinne,  Steine  in  Menschen  und  diese 
in  Pflanzen  sich  verwandeln  liess.  Es  giebt  noch  andere  Verwandlungen  in  der  Natur,  die 
der  Entwicklung  angehören  und  aus  dem  unvollkommenen  Gebilde  ein  vollkommeneres  her- 
vorgehen lassen.  Durch  diese  Entwicklung  sind,  wie  durch  deu  Stoffwechsel  alle  Materie, 
auch  alle  Formen  des  organischen  Lebens  und  alle  Zeiten  seiner  Geschichte  mit  einander 
verknüpft,  das  Heute  mit  dem  Beginne  der  Schöpfung!  Wie  kann  Vogt  behaupten,  die  all- 
mäiige  Entwicklung  und  Vervollkommnung  der  Schöpfung  sei  unvereinbar  mit  einem  voll- 
kommenen, göttlichen  Schöpfer,  weil  ihm  selbst  dadurch  der  Stempel  der  früheren  Unvoll- 
kommenheit auf  die  Stirne  gedrückt  werde  i Ist  aber  jemals  eine  Pflanze  oder  ein  Thier  wirk- 
lich unvollkommen?  So  bezeichnen  wir  sie  nur  im  Vergleiche  mit  höher  organisirten  Formen. 
In  ihrer  Art  ist  jede  Bildung  der  Natur  vollkommen,  und  keine  ist  ein  misslungenes  Werk, 
wenn  es  uns  auch  so  scheinen  mag.  Ist  das  niederste  Geschöpf  nicht  gerade  dadurch  geadelt, 
dass  es  unter  günstigen  Umständen  sich  vervollkommnen  kann,  wie  alle  höheren  Organismen 
nus  niederen  hervorgegangen  sind  ? Eine  solche  Ansicht  würde  vielleicht  gerechtfertigt  sein, 
wenn  die  frühere  Schöpfung,  wie  man  freilich  sonst  glanbto,  mehrmals  ganz  zu  Grunde  ge- 
gangen wäro , um  einer  neuen  Platz  zu  machen.  In  diesem  Sinne  sagte  schon  Haller,  die 
Atheisten  möchten  nus  der  Entstehung  neuer  Gattungen  so  gut  wie  aus  der  vorgeblichen 

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H.  Schaaffhausen, 

Vertilgung  alter  Arten  gar  zu  gerne  eine  Unbeständigkeit  der  Natur  erweisen,  und  das  dürfe 
nicht  sein , denn  falle  die  Ordnung  in  der  physischen  Welt  weg , so  sei  es  um  die  Ordnung 
in  der  moralischen  Welt  und  zuletzt  um  die  ganze  Religion  gethan.  Dagegen  bemerkte  aber 
Blumenbach:  „Die  Schöpfung  fällt  nicht  zusammen,  wenn  gleich  eine  Gattung  von  Ge- 
schöpfen ausstürbe  oder  eine  andere  neu  erzeugt  würde;  und  es  ist  mehr  als  blos  wahr- 
scheinlich, dass  beides  auch  wirklich  schon  wohl  erfolgt  ist;  und  dies  Alles  ohne  die  minde- 
ste Gefahr  weder  für  die  Ordnung  in  der  physischen,  noch  in  der  moralischen  Welt,  noch 
für  die  ganze  Religion,  Vielmehr  finde  ich  gerade  durin  die  Lenkung  durch  eine  höhere  Hand 
am  unverkennbarsten,  dass  trotz  dieser  sogenannten  Unbeständigkeit  der  Natur  dennoch  die 
Schöpfung  ihren  ewigen  stillen  Gang  geht.“  Wie  wenig  der  Tod  in  der  Natur  bedeutet,  das 
hat  Eschricht  treffend  mit  den  Worten  geschildert:  „Die  Organtheile  schwinden,  aber  das 

Organ  besteht,  die  Organe  schwinden,  der  Organismus  besteht,  die  Organismen  schwinden, 
die  Art  besteht,  die  Arten  schwinden,  aber  die  lebende  Schöpfung  besteht-“  In  dem  Fort- 
schreiten der  organischen  Bildungen  ist  der  Plan  der  Natur  bewundemswerth  und  Vogt  be- 
hauptet mit  Unrecht,  dass  wir  erst  den  Plan  der  Schöpfung  in  diese  hineintragen.  Was  wir 
von  diesem  Plane  nach  und  nach  erkennen,  gehörte  ihr  ja  an,  ehe  es  Menschen  gab,  es  ist 
eine  Offenbarung  der  Natur  an  uns,  die  das  Buch  ist,  in  dem  wir  lesen  lernen  und  zugleich 
die  Lehrerin,  die  uns  unterrichtet. 

In  der  Natur,  die  über  so  unerschöpfliche  Reichthümer  verfugt,  herrscht  doch  die  grösste 
Sparsamkeit.  Wenn  eine  Pflanze,  ein  Thier,  ein  Mensch  entsteht  und  wächst,  so  erzeugt  die 
Lebenskraft  keine  neuen  Stoffe,  wie  man  früher  glaubte,  sondern  sie  nimmt  dieselben  aus 
der  Aussenwelt  und  verwandelt  Bie  nur.  Vielleicht  besteht  die  ganze  Welt  aus  derselben 
geringen  Zahl  von  einfachen  Stoffen,  was  durch  die  Entdeckungen  der  Spectralanalyse  sehr 
wahrscheinlich  wird,  die  in  dem  Licht  der  Sonne  wie  in  dem  der  Fixsterne  nur  solche  Stoffe 
aufgefunden  hat,  welche  auch  der  Erde  angehören.  Die  Meteorsteine  lehren  dasselbe.  Auch 
der  wirksamen  Kräfte  giebt  es  nur  wenige  und  diese  können  ineinander  umgewaudelt  werden. 
Wie  Vieles  leigtet  eine  und  dieselbe  Kraft  in  der  todten  und  in  der  lebendigen  Natur?  Die 
Sonne,  welche  durch  ihre  Masse  unsere  Erde  in  ihrer  Bahn  festhält,  ist  zugleich  als  das 
Licht  und  Wärme  strahlende  Gestirn  auch  die  Quelle  jeder  organischen  Thätigkeit  in  der 
Pflanze  wie  in  dem  Thiere.  Dieselbe  Elektricität,  die  als  Blitz  von  Wolke  zu  Wolke  fahrt, 
strömt  in  unseren  Nerven  und  Muskeln,  durch  sie  kommt  unsere  Bewegung  zu  Stande  und 
wahrscheinlich  auch  die  Empfindung.  Das  Gesetz  der  Schwere  bewegt  den  Apfel,  der  vom 
Baume  fallt,  den  Regen,  der  aus  der  Wolke  niederstromt,  aber  auch  die  fernen  Welten,  die 
am  Himmel  leuchten.  Sie  giebt  den  Bächen  und  Flüssen,  welche  das  Land  bewässern,  ihren 
Lauf.  Ohne  den  Druck  der  Luft  würden  wir  nicht  atbmen  können;  wir  gehen  auch  nur 
mittelst  der  Schwere,  das  Gehen  ist  ein  drohendes  Fallen,  das  Bein  schwingt  wie  ein  Pendel 
vorwärts  und  wird  nur  durch  den  Luftdruck  in  seiner  Pfanne  gehalten. 

Betrachten  wir  eine  der  wohltätigsten  Naturkräfle.  die  Wärme,  wozu  dient  sie  nicht? 
Sie  dehnt  die  Körper  aus,  desshalb  wird  erwärmte  Luft  leichter  und  steigt  in  die  Höhe, 
während  die  kalte  ihre  Stelle  cinnimmt;  so  entstehen  die  Winde  zwischen  Pol  und  Ae<jua- 
tor,  wie  zwischen  Land  und  See,  welche  die  gleiche  Mischung  des  Luftmeers  immer  wieder 
hersteilen.  Aber  die  Wärme  lässt  auch  das  Wasser  an  der  Erde  verdunsten,  und  wird  der 


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Ueber  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

Wasserdunst  durch  einen  kalten  Luftstrom  abgekühlt,  eo  fallt  er  als  Regen  nieder.  Es  giebt 
eine  Ausnahme  von  diesem  Gesetz,  dass  Wärme  ausdehnt  und  Kälte  zusammenzieht.  Dos 
Wasser  nämlich  hat  seine  grösste  Dichtigkeit  schon  bei  4°  C.  über  Null,  wird  es  noch  kälter, 
so  dehnt  es  sich  wieder  aus;  desshalb  ist  das  Eis  leichter  als  das  Wasser  und  schwimmt  auf 
demselben.  Diese  Thatsache  ist  von  den  wichtigsten  Folgen.  Wäre  das  EiB  schwerer  wie 
Wasser,  so  würden  im  Winter  Flüsse  und  Meere  bis  auf  den  Grund  gefrieren  und  alles  Leben 
darin  vernichtet  werden,  während  jetzt  das  Eis  eine  schützende  Decke  bildet.  Aber  das  Eis 
hat  noch  andere  Dinge  zu  verrichten  im  Haushalte  der  Natur;  es  hilft  die  Unebenheiten  der 
Erdoberfläche  ausgleichen,  es  zertrümmert  die  Gipfel  der  Gebirge,  die  als  fruchtbare  Erde 
herabgeflötzt  und  in  den  Ebenen  zusammengeschwemmt  werden.  Indem  das  Wasser  in  den 
Ritzen  der  festen  Gesteine  friert,  dehnt  es  sie  aus  und  keilt  die  Felsen  auseinander.  Darum 
sieht  ee  auch  der  Landmann  gern,  wenn  die  Ackererde  gehörig  ausfriert;  der  Front  zersprengt 
die  Erdschollen  und  macht  ihre  Bestandtheile  leichter  löslich  und  dadurch  den  Boden  frucht- 
bar. Wie  forderlich  die  Wärme  dem  organischen  Leben,  zumal  dem  Pflanzenleben  ist,  das 
zeigt  die  Pracht  und  Ueppigkeit  der  Tropenwälder;  aber  sie  würden  alle  verdorren,  wenn 
nicht  auch  die  tropischen  Regen,  die  oft  monatelang  dauern,  ein  Uebennaasa  des  Wassers 
herabgössen.  Diese  grosse  Regenmenge  ist  aber  durch  dieselbe  hohe  Wärme  bedingt,  indem 
sie  die  Verdunstung  aus  dem  Meere  in  hohem  Grade  begünstigt.  Ja  die  Wälder  Belbst  ziehen 
aus  physikalischen  Ursachen  den  Regen  herab,  den  sie  nöthig  haben,  weil  über  einer  Wald- 
strecke, deren  Boden  vor  dem  Sonnenbrände  geschützt  ist,  eino  kalte  Luftschicht  sich  findet, 
in  der  die  Wasserdünste  niedergeschlagen  werden.  Ueber  öden  Steppen  ist  die  Luft  erhitzt 
und  die  heranziehenden  Regenwolken  lösen  sich  wieder  in  Dunst  auf.  Darum  hält  es  so 
schwer,  auf  einem  abgewaldoton  Gebirge  wieder  eine  neue  Pflanzendecke  hervorzubringen. 
Ganze  Länder  sind  durch  die  Vernichtung  der  Wälder  dürr  und  unfruchtbar  geworden,  weil 
man  keine  Einsicht  in  den  zweckmässigen  Haushalt  der  Natur  hatte.  Wo  Leben  ist,  ist 
Wärme,  die  kleinsten  Insekten  haben  eine  gewisse  Eigenwärme,  sogar  die  Infusionsthiere,  die 
man  im  Eise  oft  von  einem  Tropfen  Flüssigkeit  umgeben  findet.  Die  Wärme  lockt  das  Grün 
fies  Frühlings  hervor,  sie  brütet  thierisches  Leben  aus.  Wie  sorgsam  hat  die  Natur  viele 
Samenkörper  eingehUUt,  die,  wenn  sie  in  die  Erde  kommen,  durch  Verbrennung  von  Kohlen- 
stoff selbst  Wärme  entwickeln,  welche  zum  ernten  Wachsen  des  kleinen  Pflänzchens  nöthig 
ist;  die  Knospen  der  Bäume,  die  überwintern  müssen,  sind  in  Decken,  ja  oft  in  Pelz  gehüllt, 
um  der  Kälte  widerstehen  zu  können,  wie  uns  die  Kätzchen  der  Weide  zeigen.  Die  Vögel 
brüten  meist  dnreh  ihre  Eigenwärme  die  Eier  aus,  das  ist  aber  die  gemeine  Wärme,  wie  die 
künstlichen  Brutversuche  zeigen;  das  beweist  auch  der  Strauss,  der  in  manchen  Gegenden 
Afrika’s  die  Sonne  seine  Eier  ausbrüten  lässt.  Auf  einigen  Südseeinseln  scharren  hühner- 
artige Vögel  einen  Haufen  dürrer  Blätter  zusammen  und  legen  ihre  Eier  hinein,  die  durch 
die  so  entwickelte  ZerBetzungswärme  ausgebrütet  werden.  Ohne  Wärme  würden  wir  nicht 
empfinden,  nicht  uns  bewegen  können.  Wie  aber  erzeugt  die  Natur  die  Wärme  des  thie- 
rischen  oder  menschlichen  Körpers?  Durch  Verbrennung  von  Kohlenstoff  und  Wasserstoff, 
also  ebenso,  wie  die  Wärme  in  jedem  Ofen  und  in  jeder  Flamme  erzeugt  wird.  Die  Speisen 
und  die  Körperbestandtheile  geben  den  Brennstoff,  die  Lunge  den  Luftzug  her.  Wir  sehen, 
wie  die  Natur  allen  Tliieren  zum  Schutze  der  Eigenwärme  ein  Kleid  gegeben  hat,  nur  der 


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H.  Schauffhausen, 

Mensch  ist  nackt.  Aach  das  ist  zweckmässig.  Der  Eisbär  unserer  Menagerien  leidet  schon 
in  unserem  gemässigten  Klima  an  unerträglicher  Hitze,  er  muss  mit  kaltem  Wasser  begossen 
werden,  um  gesund  zu  bleiben.  Kur  der  nackte  Mensch  konnte  sich  über  die  ganze  Erde 
verbreiten;  in  den  kalten  Klimaten  schützt  ihn  die  Kleidung,  die  er  seinem  Verstände  ver- 
dankt; aber  die  leichten  wie  die  warmen  Kleider  hat  er  den  Pflanzen  und  Tliiereti  abge- 
nommen, die  Leinwand  und  die  Seide,  die  Baumwolle,  die  thierisehe  Wolle  und  den  Pelz! 
Bei  manchen,  zumal  kleineren  Thieren  würde  der  Schutz  des  Kleides  für  einen  langen  und 
strengen  Winter  nicht  ausgereicht  haben,  da  hatte  die  Natur  ein  anderes  Mittel  zur  Hand. 
Sie  machte  durch  die  Kälte  das  Thier  bewegungslos  und  setzte  alle  seine  Lebensverrich- 
tungen auf  ein  kleinstes  Maass  herab,  so  dass  die  vorher  genommene  Nahrung  auf  längere 
Zeit  ausreiebt,  ein  schwaches  Athmen  und  damit  das  Leben  zu  unterhalten.  Das  ist  der 
Winterschlaf!  Es  wäre  freilich  bequem  fiir  uns,  wenn  auch  der  arme  Mann , in  eine  wollene 
Decke  gehüllt,  den  Winter  durchschlafen  könnte,  ohne  Nahrung  und  Heizung  nöthig  zu  haben. 
Aber  der  höhere  Organismus  ist  zu  einer  solchen  Herabsetzung  seiner  Lebensthätigkeit  nicht 
befähigt.  Der  Mensch  soll  arbeiten,  um  sein  Leben  zu  fristen,  dazu  besitzt  er  mannigfalti- 
gere Anlagen  und  Kräfte  als  jedes  Thier,  und  wenn  er  es  nicht  kann,  dann  sollen  Andere 
ihm  helfen,  wie  es  ja  auch  geschieht.  Die  Menschenliebe,  die  sich  dabei  bewährt,  ist  eine  dem 
Menschengeschlechte  nützlichere  Einrichtung  als  es  die  Fähigkeit  zum  Winterschlafe  sein  würde. 

Bekannt  ist  die  N’othwendigkeit  des  Wassers  zum  organischen  Leben.  Das  Pflanzen- 
gewebe saugt  begierig  Wasser  an,  auch  in  einer  Luft,  in  der  es  niemals  regnet  Nur  der 
Thau  benetzt  die  Grasfluren  in  dem  regenlosen  Küstenstrich  von  Chili.  Noch  das  todte  Holz 
saugt  mit  solcher  Kraft  das  Wasser  an,  und  quillt  darin  auf,  dass  man  mit  befeuchteten 
Holzkeilen  Felsen  sprengen  kann.  Die  Natur  hat  nun  auch  für  solche  Pflanzen  und  Thiere, 
die  von  der  Trockenheit  überrascht  werden,  eine  Einrichtung  getroffen,  die  dem  Winterschlafe 
ähnlich  ist,  den  Sommerschlaf.  Unsere  Schnecken  schliessen,  um  ihren  weichen  Körper  vor 
Verdunstung  zu  schützen,  im  Sommer  ihr  Gehäuse  mit  einer  Kalkdecke  oder  vielmehr  die 
Hitze  selbst  thut  dieses,  indem  sie  den  Schleim  des  Thiere«  erhärtet  So  ruhen  Schlangen 
und  Alligatoren  der  heissen  Zone  im  vertrockneten  Schlamme,  um  mit  der  Regenzeit  gleich 
der  versengten  Pflanzenwelt  zu  neuem  Leben  zu  erwachen.  Im  Sande  unserer  Dachrinnen 
liegen  eingelrock nete  Räderthierchen  und  Bären thierchen , die  sich  noch  nach  Jahren  wieder- 
heleben lassen  durch  einen  Tropfeu  Wasser ! Auch  die  Gestalt  mancher  Pflanzen  hat  die  Na- 
tur so  eingerichtet,  dass  ihnen  unter  den  ungünstigsten  Bedingungen  das  Wasser  nicht  fehle; 
die  fleischigen  Gewächse  südlicher  Gegenden,  die  Cactusformen,  haben  durch  ihre  gedrungene 
Form  und  die  dicke  Oberhaut  eine  sehr  geringe  Verdunstung;  sie  bieten  den  Thieren  der 
Wüste  oft  allein  noch  Labung  für  den  brennenden  Durst.  Alexander  von  Humboldt  be- 
schreibt, wie  das  Pferd  der  Steppen  Süd -Amerikas  mit  dem  Hufe  den  Stachclcactus  aus- 
einanderschlägt  und  begierig  seinen  Saft  schlürft.  Nicht  weniger  wunderbar  ist  die  Vorrich- 
tung, die  ein  Thier,  das  Kameel,  uns  zeigt,  welches  man  das  Schiff  der  Wüste  genannt  hat. 
Es  ist  in  der  heissen  Zone  ausdauernd,  wie  kein  anderes  Thier;  es  kann  mehrere  Tage 
hungern  und  trägt  in  seinem  Zellenmagen  einen  Wasserbehälter  bei  sich,  aus  dem  sogar  der 
Araber,  wenn  er  in  Gefahr  ist,  zu  verdursten,  durch  einen  Einschnitt  sich  Rettung  zu  ver- 
schaffen sucht.  Darwin  erzählt,  dass  bei  Fröschen  und  Schildkröten  tropischer  Gegenden 
eme  grosse,  ganz  gefüllte  Harnblase  als  Wasservorrath  dient. 


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Uebcr  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

Der  innere  Bau  des  thierischen,  zumal  des  menschlichen  Körpers  bietet  fast  in  allen 
Theilen  Beispiele  der  Zweckmässigkeit  Wie  Vieles  geschieht  in  unserem  Körper  von  seihst, 
auf  die  unfehlbarste  Weiso,  was,  wenn  cs  von  unserem  Willen  abhänge,  gewiss  weniger  voll- 
kommen geschehen  würde.  Sehen  wir  uns  das  Herz  an,  es  ist  ein  Pumpwerk  mit  Klappen, 
welche  dem  Blute  durch  die  verschiedenen  Höhlen  des  Organes  den  Weg  und  die  Richtung 
weisen;  weil  es  stets  bewegt  ist,  darum  erhält  cs  auch  in  der  Kranzarterie  das  sauerstoff- 
reichste,  das  belebendste  Blut.  Während  wir  kauen,  fliesst  der  Speichel  und  gerade  wenn 
die  Speisen  den  Zwölffingerdarm  ausdehnen,  entleert  sich  die  Gallenblase.  Die  Luftröhre, 
die  immer  offen  sein  muss,  wird  durch  Knorpclringe  offen  gehalten,  während  die  Speiseröhre, 
wenn  sie  leer  ist,  zusammenfallt.  Diese  liegt  hinter  der  Luftröhre,  aber  es  schliesst  sich, 
wenn  wir  schlucken  und  die  Speisen  über  die  Luftröhre  hinweggehen,  von  selbst  der  Kehl- 
kopf. Wie  genau  ist  das  Gebiss  der  Thiere  der  Lebensweise  angepasst!  Da  ist  der  Zahn 
des  Nagethiers,  der  an  harten  Gegenständen  bald  abgenutzt  sein  würde;  aber  er  hat  nur  an 
der  Vorderseite  eine  harte  Schmelzlage,  so  dass  er  trotz  der  Abnutzung  immer  scharf  bleibt 
Vom  Auge  sei  nur  bemerkt,  wie  es  stets  von  den  Thränen  begossen  wird,  damit  es  durch- 
sichtig bleibe,  wie  es  die  Lichtstärke  mit  der  Pupille  selbst  regulirt,  wie  es  innen  schwarz 
gemacht  ist  gleich  unseren  optischen  Instrumenten.  Die  Zweckmässigkeit  der  Natur  hilft 
uns  auch  da,  wo  wir  glauben,  ganz  allein  und  selbstständig  zu  bandeln,  nämlich  bei  allen 
willkührlichen  Bewegungen.  Von  der  Anordnung  der  einzelnen  Muskeln  zu  einer  Bewegung 
( haben  wir  gar  keine  Kenntniss;  wir  haben  nur  den  Willen,  ein  ganzes  Glied  in  einer  vor- 
gestcllten  Weise  zu  bewegen;  wie  das  geschieht,  kümmert  uns  nicht.  Das  Instrument  spielt 
gleichsam  von  selbst,  wenn  wir  nur  den  Anstoss  dazu  gegeben  haben.  Manchen  fallt  es  auf, 
wenn  sie  zum  erstenmale  hören,  dass  das  Gefühl  nur  an  der  Oberfläche  des  Körpers  seinen 
Sitz  hat,  dass  man  bei  Verwundeten  innere  Organe  berühren  kann,  ohne  dass  es  gefühlt 
wird,  dass  bei  einer  Amputation  nur  der  Schnitt  durch  die  Haut  schmerzt,  nicht  der  durch 
die  anderen  Theile  des  Gliedes.  Nur  in  der  Haut  konnte  das  Gefühl  zur  Warnung  vor  jedem 
schädlichen  Einflüsse  dienen,  der  den  Körper  in  der  Regel  von  aussen  trifft.  In  ähnlicher 
Weise  ist  der  Geruch  ein  Wächter  des  Athmens,  der  Geschmack  ein  Aufseher  über  die  Speisen. 
Wie  zweckmässig  sind  die  wichtigsten  Eingeweide  des  Körpers  geschützt if  Das  Gehirn, 
welches  am  wenigsten  Druck  vertragen  kann,  ist  in  eine  feste  knöcherne  Kapsel  einge- 
schlossen, deren  scbalige  Knochen  mit  zackigen  Nähten  ineinander  greifen,  die,  wiewohl  sie 
eine  feste  Decke  bilden,  doch  auch  noch  einer  Ausdehnung  für  das  Wachsthum  des  Gehirnes 
fähig  sind.  Die  Brust  ist  zum  Athmen  durch  knöcherne  aber  bewegliche  Reife  gebildet,  die 
vom  elastisch  sind.  Der  Bauch  hat  nur  weiche  Bedeckungen,  weil  nicht  nur  die  weibliche 
Schwangerschaft,  sondern  schon  die  Nahrung  einen  grossen  Wechsel  in  der  Fülle  und  Leere 
der  hier  gelegenen  Organe  bedingt.  Wie  am  Schädelgewölbe  und  an  dem  des  FussrUckens, 
so  sind  auch  beim  Röhrenbau  der  Knocbcn  wie  in  der  Einrichtung  der  Gelenke  alle  mecha- 
nischen Vortheile  mit  weiser  Berechnung  benutzt,  und  sogar  die  Richtung  der  Zellwände  der 
Knochensubstanz  ist  mathematisch  genau  den  Druckverhältnissen  entsprechend.  Ist  nicht 
das  Schiff  dem  Körper  des  Fisches  nachgebildet,  dessen  spitzer  Kopf  und  kielformiger  Leib 
das  Wasser  durchschneidet,  während  die  Flossen  ihn  wie  Ruder  fortbewegen?  Wie  wunder- 
bar ist  der  leichte  Körper  des  Vogels  mit  Luft  in  allen  Knochen  zum  Fluge  geschickt  gemacht ' 


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96 


H.  Schaaffhausen, 


Aber  der  Vogel  legt  gewiss  nicht  allein  desslialb  Eier,  weil  die  Schwangerschaft  ihn  im 
Fluge  beschweren  würde,  sondern  desslialb,  weil  er  ein  niederes  Wirbeltbier  und  das  Eier- 
legen eine  niedere  Art  der  Fortpflanzung  ist-  Jener  zweckmässige  Zusammenhang  ist  indessen 
auch  vorhanden,  weil  die  Einrichtungen  der  Natur  vollkommen  sind  in  jeder  Hinsicht. 
Zweckmässigkeit  ist  nicht  die  Absicht  der  Natur,  nie  sie  das  Ziel  menschlicher  Erfindungen 
ist,  sondern  sie  ergicbt  sich  mit  Nothwendigkeit,  sie  ist  ein  Beweis  der  Vollkommenheit 
ihrer  Werke.  Merkwürdig  ist,  wie  im  thierischen  Körper  die  Verrichtungen  der  einzelnen 
Organe  sich  gegenseitig  unterstützen,  wie  eine  einzige  oft  eine  ganze  Reihe  von  Vorgängen 
vermittelt.  Was  leistet  nicht  Alles  das  Atbmen?  Es  befreit  das  Blut  von  der  Kohlensäure 
und  giebt  ihm  durch  den  Sauerstoff  erregende  Eigenschaften,  ohne  die  der  Muskel  nicht 
zucken,  der  Nerv  nicht  empfinden  würde,  es  unterstützt  den  Kreislauf,  indem  es  die  Entlee- 
rung der  aus  dem  Herzen  kommenden  und  der  in  dasselbe  gehenden  Blutgefässe  befördert, 
cs  wirkt  dadurch  auch  auf  den  Einfluss  des  Speisesaftes  in  das  Blut,  es  führt  die  Thronen  in 
die  Nasenhöhle,  es  macht  das  Riechen  möglich,  es  verwandelt  die  weissen  Chyluskörper  in 
rothe  Blutscheiben,  es  erzeugt  die  thierische  Wärme  und  giebt  dem  Körper,  was  wir  erst 
seit  Kurzem  wissen,  die  bewegende  Kraft,  es  weckt  das  Bewusstsein,  es  ist  endlich  auch  dem 
denkenden  Geiste  dienstbar  als  das  Mittel  zur  Sprache!  Nicht  weniger  einfach  ist  die  Art 
und  Weise,  wie  die  thierische  Wärme  der  höheren  Organismen  auf  gleicher  Höhe  erhalten 
wird.  Mit  der  Wärme  vermehrt  sich  die  Herzthätigkeit  und  der  Trieb  des  Blutes  nach  der 
Oberfläche  des  Körpers,  wo  es  schneller  sich  abkühlt;  zugleich  steigt  die  Verdunstung,  » eiche  • 
Kälte  erzeugt;  mit  der  warmen  Luft  wird  aber  auch  weniger  Sauerstoff  eingeathmet,  also 
die  Wärmeerzeugung  herabgesetzt.  Eine  solche  Selbstlenkung  hat  der  Mensch  auch  für  seine 
Maschinen  ausgedacht.  Da  die  Dampfmaschine  einen  Widerstand  zu  überwinden  hat  und  ihr 
Gang,  wenn  dieser  sich  plötzlich  vermindert,  eine  gefährliche  Schnelligkeit  erlangen  könnte, 
so  ist  die  Einrichtung  vorhanden,  dass  das  Zuströmen  des  Dampfes  in  demselben  Maasse  sich 
vermindert,  als  die  Schnelligkeit  des  Ganges  der  Maschine  zunimmt.  Die  Einsicht  in  die 
Zweckmässigkeit  des  thierischen  Körpers  hat  zur  Aufstellung  eines  Gesetzes  geführt,  welches 
man  die  Coexistenz  der  Organe  nennt.  Sie  lehrt  uus,  dass  kein  Theil  eines  Organismus  zu- 
fällig, sondern  ein  jeder  zweckentsprechend  und  einer  durch  den  anderen  bedingt  ist.  Der 
Anatom  erkennt  an  einem  Zahne  das  dazu  gehörige  Kiefergelenk  und  die  Schädelbildung, 
aber  auch  die  Gliedmasse,  ob  sie  die  eines  Raubthieres  oder  die  eines  Pflanzenfressers  ist. 

Auf  diese  Weise  bat  Cuvier  aus  Bruchstücken  fossiler  Knochen  die  ganzen  Leiber  der  unter- 
gegangenen  Thiere  der  Vorwelt  wieder  aufgebaut.  Doch  hat  dieses  Gesetz  seine  Grenzen, 
weil  das  Thier  nicht  ein  fertiges  Gebilde  ist,  sondern  seine  Organe  den  Verhältnissen  anpasst, 
wenn  auch  nur  im  Laufe  langer  Zeiten,  so  dass  ein  Theil  eine  Veränderung  erlitten  haben 
kann,  während  der  andere  die  frühere  Form  noch  beibehielt.  Es  ist  desslialb,  wie  zuerst 
H.  von  Meyer  gegen  Cuvier  hervorgehoben  bat,  unmöglich,  mit  völliger  Gewissheit  von 
einem  Theile  auf  den  Zusammenhang  des  Ganzen  zu  schliessen.  Es  können  einzelne  Theile 
desselben  Thieres  nach  einem  verschiedenen  Typus  gebaut  sein,  zumal  in  dem  Skelette  der 
Saurier  kommen  Theile  vom  Fische,  vom  Vogel,  von  der  Schildkröte  und  vom  Säugethiere 
vor.  Es  liegt  in  dieser  Thatsache  ein  Beweis  für  dos  Fortschreiton  der  thierischen  Bildungen, 
welches  solche  Mittelformcn  nothwendig  hervorbringt. 


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l'eber  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

Treten  wir  dem  herrlichsten  Werke  der  Schöpfung,  dem  Menschen  seihst,  gegenüber,  so 
hat  man  nie  Worte  der  Bewunderung  genug  gefunden,  seine  Schönheit  und  Gottähnliehkeit 
zu  preisen,  aber  nur  der  Naturforscher  denkt  Uber  die  einfachen  Mittel  nach,  welche  die  Natur 
angewendet  hat,  um  ihn  an  die  Spitze  der  Schöpfung  zu  stellen.  Sie  that  nichts  anderes,  als 
dass  sie  seine  Gestalt  vorn  Boden  aufrichtete,  an  den  der  stumpfsinnige  Blick  des  Thieres  ge- 
heftet bleibt.  So  wendete  sich  sein  Auge  gegen  Himmel  und  Erde,  sein  Blick  schweifte  in 
die  Feme  und  sah  frei  um  sich  her;  die  Hand,  die  dem  Thiere  fast  nur  Bewegungsmittol  ist, 
ward  zum  feinfühlenden  Sinnorgane,  das  zugleich  sich  ausstreckte,  die  Gegenstände  zu  ergreifen, 
die  es  dem  Auge  näher  bringen  oder  die  es  zum  Munde  führen  wollte.  Darlurch  veredelte 
sich  zugleich  der  Kopf,  der  sich  abrundete,  indem  er  von  der  aufgerichteten  Wirbelsäule  im 
Gleichgewichte  getragen  wurde  und  seine  unedleren  Theile,  die  sich  beim  Thiere  der  Nah- 
rung entgegenstrecken,  zurücktraten  unter  die  sie  überragenden  höheren  Sinne  und  das  alle 
Bande  des  Lebens  zusammenfassende  Gehirn.  Dieses  nahm  jetzt  als  das  nächste  Werkzeug 
der  denkenden  Seele  die  erhabenste  Stelle  im  Haupte  des  Menschen  ein.  Nun  lastete  der 
ganze  Körper  auf  den  unteren  Gliedmaassen,  die  in  den  Lenden  stark  und  in  den  Waden 
fleischig  wurden,  um  das  schöne  Ebenmaaas  der  Gestalt  zu  vollenden  und  derselben  zugleich 
Gewandtheit  und  Kraft  zu  verleihen.  Die  in  den  Anblick  der  schönen  Welt  und  aller  ihrer 
Wunder  erst  still  versunkene  Seele  jauchzte  plötzlich  auf  unter  dem  Eindruck  einer  überwäl- 
tigenden Empfindung  und  es  bildeten  sich  aus  Lauten  der  Freude  und  des  Staunens,  aber 
auch  des  Schmerzes  und  der  Sorge,  aus  Tönen  der  Nachahmung  und  des  Rufes  die  ersten 
Worte  der  Sprache  1 

Und  nachdem  der  Mensch  geschaffen,  war,  fuhr  er  fort,  sich  zu  vollenden.  Uns  zeigt 
sich  jetzt  aber  deutlich,  dass  Alles,  was  vor  seinem  Erscheinen  auf  der  Erde  geschehen  war, 
nur  gleichsam  seine  Ankunft  vorbereitet,  nur  ihm  die  zweckmässige  Wohnung  eingerichtet  hat, 
in  der  er  nicht  nur  ruhen  und  gemessen,  sondern  in  der  er  ringen  und  streben,  in  der  er  mit 
Anstrengung  aller  seiner  Kräfte  arbeiten  und  Bich  vervollkommnen  sollte.  Wie  wunderbar 
hängen  die  heutigen  Bildungszustünde  der  Menschheit  mit  den  Ereignissen  der  Vorzeit  zu- 
sammen 1 Ohne  die  in  mächtigster  Fülle  das  erste  Land  bedeckenden  Wälder  der  Vorzeit 
würde  die  Atmosphäre  für  das  Atlimen  der  höheren  Thiere  und  des  Menschen  nicht  sauer- 
stoffreich genug  gewesen  sein,  ohne  sie  würden  die  Kohlenschätze  der  Erde  fehlen,  auf  deren 
Gewinnung  und  A'erbraueh  der  Wohlstand  ganzer  Linder , ihre  Gewerbthätigkeit  und  ihr 
Handel  gegründet  ist.  Ohne  die  weite  Verbreitung  des  Meeres  in  früheren  Epochen  würde 
den  Binnenländern  das  Salz  fehlen,  ein  so  unentbehrliches  Bedürfnis»  der  menschlichen  Er- 
nährung. Ohne  die  Schalthiere  der  Vorzeit  und  die  Hebung  des  alten  Meeresbodens,  der  oft 
in  einigen  100  Fnss  Mächtigkeit  ganz  aus  ihren  Resten  besteht,  würden  die  grossen  Wirbel- 
thiere  und  /«ich  der  Mensch  den  hinreichenden  Kalk  für  ihr  Knochengerüste  mit  Hülfe  der 
Pflanzen  nicht  im  Boden  gefunden  haben.  Ohne  die  durch  Jahrtausende  fortgesetzte  Arbeit 
des  Wassers  würden  keine  Metalle  in  den  Spalten  der  Gebirge  abgesetzt  oder  in  das  ange- 
schwemmte Land  gekommen  sein,  ohne  welche  die  heutige  menschliche  Cultur  gar  nicht 
denkbar  ist.  Die  vulkanischen  Kräfte  aller  haben  den  Schoos»  der  Erde  aufgerissen,  ihre 
Schätze  blossgelegt  und  durch  mannigfachere  Mischung  der  Bndonbestand theile  die  Frucht- 
barkeit der  Aecker  erhöbt.  Was  keine  Beziehung  mit  einander  zu  haben  scheint,  steht  iiy 

Archiv  für  Anthropologin.  Kd.  III.  Iloft  II. 


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98 


H.  Schaaff hausen, 

nächsten  Zusammenhang,  wenn  die  Wissenschaft  ihr  Licht  darüber  verbreitet  hat.  So  ent- 
wickelt sich  der  Mensch  nur  mit  der  Natur  und  durch  dieselbe,  aber  sie  ist  unerschöptiich  mit 
ihren  Gaben.  Buffon  sagt  daher  mit  Recht:  „Der  Mensch  weiss  nicht  zur  Genüge,  wag  die 
Natur  Alles  vermag,  und  was  er  über  die  Natur  vermag.  Wir  benutzen  noch  lange  nicht 
alle  die  Reichthümer,  die  sie  uns  bietet;  diese  bilden  einen  Schatz,  der  viel  grösser  ist,  als  wir 
uns  einbilden.  Sie  hat  noch  Arten  von  Pflanzen  und  Thieren  aufgespart,  uns  zu  dienen,  uns 
zu  nähren,  uns  zu  kleiden.“  Und  an  einer  anderen  Stelle  ruft  er  aus:  „Der  menschliche 
Geist  hat  keine  Grenzen  und  in  dem  Maasse,  als  die  Natur  sich  vor  ihm  aufthut,  dehnt  er 
sich  selbst  aus;  der  Mensch  kann  und  soll  daher  Alles  versuchen  und  hat  nur  Zeit  nöthig,  um 
Alles  zu  erkennen™ 

Einer  besonderen  Erwähnung  wertb  sind  noch  die  verschwenderischen  Mittel,  mit  denen 
die  Natur  die  Fortpflanzung  und  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Thiere  gesichert  hat.  Tausend- 
fältig bildet  sie  Saamen  und  Eier,  damit,  wenn  viele  zu  Grunde  gehen,  einige  erhalten  blei- 
ben. Saamen  mit  Federkronen  werden  durch  die  Luft  getragen  und  schweben  so,  dass  das 
nach  unten  hängende  Korn  gerade  in  die  Erde  gesäet  wird,  andere  werden  durch  die  auf- 
springende elastische  Kapsel  weithin  gestreut.  Damit  die  Befruchtung  leichter  geschehe,  sind 
in  Blumen,  die  aufrecht  stehen,  die  Staubfäden  länger  als  der  Gritfel,  in  Blumen,  die  hängen, 
ist  der  Griffel  länger  als  jene.  Es  giebt  Blüthen,  die  so  sonderbar  gestaltet  sind,  dass  ohne 
die  Hülfe  der  Insekten,  die  aus  ihnen  den  Honig  sammeln,  die  Befruchtung  gar  nicht  möglich 
sein  würde.  Bei  vielen  Pflanzen,  die  im  Wasser  leben,  hat  die  Natur  die  reifen  Saamen,  die 
sogenannten  Sch wärmsporen,  mit  Bewegung  versehen,  sie  schwimmen  fort  wie  Thiere,  um 
irgendwo  zu  keimen.  Andere  Pflanzen  de«  Wassers,  die  bei  der  Befruchtung  den  Lichteinfluss 
nöthig  haben,  heben  sich  aus  der  Tiefe  empor,  indem  sich  Luftblasen  in  ihren  Blättern  ent- 
wickeln. Wie  vorsichtig  hat  die  Natur  für  das  junge,  am  meisten  gefährdete  Leben  der  Thiere 
gesorgt!  Die  Insekten  legen  ihre  Eier  dahin,  wo  die  auskriechenden  Jungen  die  ihnen  pas- 
sende Nahrung  finden  werden.  Die  Eiusiedlerwespe  legt  ihre  Eier  in  ein  trichterförmiges 
Nest;  nahe  dabei  macht  sie  ein  Loch,  in  das  sie  Raupen  schleppt,  denen  sie  eine  Wunde  bei- 
bringt, ohne  sie  zu  tödten,  denn  sie  würden  faulen,  ehe  die  Würmchen  aus  dem  Eie  kom- 
men. Die  Wespe  hat  nie  die  Würmer  gesehen,  für  die  sie  sorgt,  noch  nährt  sie  sich  selbst 
von  Raupen  Wenn  das  Hühnchen  im  Eie  reif  ist,  fangt  es  an  sich  stärker  zu  bewegen,  und 
eine  scharfe  Knochenspitze  auf  dem  Schnabel,  die  keinen  anderen  Zweck  hat,  schneidet  dann 
von  innen  die  Schale  auf. 

W'enn  wir  das  Leben  der  Thiere  betrachten,  so  müssen  wir  staunen,  wie  viele  Dinge  und 
Künste  es  giebt,  die  der  Mensch  zweckmässig  erdacht  und  gewiss  selbstständig  erfunden  hat, 
welche  sich  in  ähnlicher,  oft  nicht  weniger  vollkommener  Weise  auch  bei  den  Thieren  finden. 
Demokrit,  Plinius,  Lukrez  und  Andere  Hessen  geradezu  den  Menschen  bei  den  Thieren 
in  die  Schule  gehen.  Die  Spinne  webt  ein  kunstvolles  Netz  aus  zweierlei  Fäden , von  denen 
die  einen  elastisch,  die  anderen  unnachgiebig  sind,  welche  sie  mit  einem  besonderen  Safte 
zusammcnklebt;  wir  nennen  eine  ähnliche  Arbeit  des  Menschen:  spinnen.  Die  Schwalbe  baut 
wie  ein  Maurer  ihre  Wohnung  mit  Mörtel,  der  Maulwurf  durchgräbt  den  Boden  wie  ein 
Bergmann  und  pflügt  die  Erde  auf  wie  ein  Ackerer,  die  Wespe  verfertigt  Papier,  die  Wasser- 
spinne  macht  eine  Taucherglocke,  der  Biber  ist  ein  Baumeister,  Ameisen  und  Bienen  leben 


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lieber  das  Zweckmässige  in  der  Natur.  t»9 

gesellig  in  einer  Weise,  dass  ihre  Einrichtungen  au  das  Leben  der  Menschen  in  einem  .Staate 
erinnern.  Die  Uebereinstinimung  des  Handelns  in  diesen  Fällen  rührt  aber  daher,  dass  die 
Vernunft  des  Menschen  und  der  Verstand  der  Thiere  geistverwandt  sind  und  in  gleicher  Weise 
nach  Zwecken  handeln,  denn  dass  die  Thiere  Alles  ohne  Bewusstsein  thun  sollen,  ist  eine 
ganz  unerwiesene  Annahme.  Auch  Geräthe,  die  der  Mensch  erfunden  hat,  sind  in  der  Natur 
vorgebildet.  Ein  Weichthier  des  Meeres,  die  Synapta,  hat  in  der  Haut  bewegliche  Anker, 
die  genau  den  Schiffsanken)  gleichen  und  gleichen  Zweck  haben,  ein  anderes,  die  Chirodota, 
trägt  eine  Schnur  von  Rädern,  die  so  schön  und  zierlich  gezeichnet  sind,  dass  sie,  vergrössert, 
den  Triumphwagen  eines  römischen  Imperators  geschmückt  haben  würden.  Einige  Spionen 
haben  am  Hinterfusse  zwei  Kämme  und  eine  Bürste,  die  sich  von  denen,  welche  wir  gebrauchen, 
nicht  unterscheiden.  Das  Räderthier  mit  seinen  zwei  Wimperkränzeu,  dessen  Fäden  in  regel- 
mässiger Folge  in  das  Wasser  schlagen,  gleicht  es  nicht  dem  Dampfboot,  das  sich  mit  Schaufel- 
rädern fortbewegt? 

In’s  Unendliche  liessen  sich  die  Beispiele  häufen,  welche  die  Naturforschung  auf  ihrem 
heutigen  hohen  Standpunkte  aufzählen  kann,  um  die  Zweckmässigkeit  der  Natur  zu  erweisen. 
Diese  Beispiele  sind  freilich  von  anderer  Art  als  jene  wohlgemeinten  Auslegungen,  mit  denen 
sich  einst  Naturforscher  zufrieden  gaben , mit  denen  man  heute  nur  noch  den  kindlichen 
Vorwitz  straft,  wie  wenn  man  sagt:  Mond  und  Sterne  sind  geschaffen,  um  in  der  Nacht  zu 
leuchten,  die  Bäume  sind  grün,  weil  grün  gut  für  die  Augen  ist,  die  Augenbrauen  sind  vor- 
handen. damit  der  Schweiss  von  der  Stirn  nicht  in  die  Augen  rinne,  die  Absonderung  im 
Ohre,  damit  kein  Insekt  hineinkrieche,  oder  gar  die  Korkeiche  ist  da,  damit  der  Mensch 
Stopfen  daraus  schneiden  kann'. 

Wir  haben  in  dem  Walten  der  grossen  Naturkräfte  wie  in  den  mannigfachen  Erschei- 
nungen des  organischen  Lebens  eine  wunderbare  Zweckmässigkeit  nicht  verkennen  können 
und  ziehen  eine  wichtige  Folgerung  aus  dieser  Betrachtung.  Wir  können  nicht  läugnen, 
dass  die  Vernunft  des  Menschen,  indem  sie  nach  Zwecken  handelt,  ganz  ähnlich  verfährt, 
wie  die  göttliche  Vernunft,  die  in  der  Schöpfung  Alles  geordnet  hat.  Wohl  empfinden  wir 
den  weiten  Abstand  menschlichen  Thuns  von  dem  Schaffen  der  Allmacht,  aber  wir  sind  doch 
durch  diese  unsere  Vernunft  befähigt,  die  Gottheit  in  ihren  Werken  zu  erkennen,  und  dürfen 
schliessen,  dass  der  menschliche  Geist  wirklich  von  göttlichem  Ursprünge  ist  wenn  auch  nur 
ein  schwacher  Funke  aus  einem  Meer  von  Licht! 

Es  sollen  aber  auch  die  Ein  würfe  nicht  unerwähnt  bleiben,  die  man  gegen  die  Zweck- 
mässigkeit der  Natur  geltend  machen  kann  und  wirklich  geltend  gemacht  hat.  Man  hat 
behauptet,  es  gebe  doch  unzweifelhaft  Manches  in  der  Natur,  was  durchaus  nicht  zweck- 
mässig erscheine,  sondern  uns  auch  ihre  Unvollkommenheit  verrathe,  z.  B.  die  Missbildungen, 
die  Krankheiten  oder  gar  der  Tod!  Wenn  eine  Missgeburt  zu  Stande  kommt,  so  ist  das  ein 
Fehler  der  Natur,  der  oft  nachweisbar  dadurch  entsteht,  dass  sie  in  ihrem  freien  Schaffen 
gehindert  ist,  woran  nicht  selten  der  Mensch  die  Schuld  trügt.  Die  Natur  selbst  aber  besei- 
tigt solche  missglückten  Bildungen  so  schnell  als  möglich.  In  Bezug  auf  die  meisten  Krank- 
heiten klagen  wir  die  Natur  mit  Unrecht  an,  denn  der  Mensch  selbst  erzeugt  sie  durch  Un- 
mässigkeit,  Sorglosigkeit,  Ausschweifung,  Schmutz,  Leidenschaft  und  andere  Fehler.  Sogar 
von  den  schrecklichsten  Krankheiten,  von  den  grossen  Seuchen,  die  oft  ganze  Länder 

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100  H.  Schaaffhausen,  Ueber  das  Zweckmässige  in  der  Natur. 

verheerten,  ist  anzunehinen,  dass  der  Mensch  selbst  in  überfüllten  Städten,  das  ansteckende 
Gift  ausgebrütet  habe,  wie  von  der  Pest  neuerdings  mit  Grund  behauptet  worden  ist  Die 
Natur  verfahrt  zwar  in  strenger  aber  in  wohlthätiger  Weise,  wenn  sie  durch  ein  häufigeres 
Sterben  die  Uebelstände  einer  zu  dichten  Bevölkerung  selber  hinwegräumt.  Für  die  Erhal- 
tung des  Ganzen  scheut  sie  kein  Opfer.  Wie  wahr  sagt  Göthe  im  Wilhelm  Meister:  „Wenn 
die  Natur  verabscheut,  spricht  sie  es  laut  aus.  Da*  Geschöpf,  das  nicht  sein  soll,  kann  nicht 
werden;  das  Geschöpf,  das  falsch  lebt,  wird  früh  zerstört.  Unfruchtbarkeit,  kümmerliches 
Dasein,  frühzeitiges  Verfallen,  das  sind  ihre  Flüche,  die  Kennzeichen  ihrer  Strenge.  Da! 
seht  um  Euch  her  und  was  verboten  und  was  verflucht  ist,  wird  Euch  in  die  Augen  fallen.“ 
Gerade  den  Krankheiten  gegenüber  ist  die  Art  und  Weise,  wie  die  Natur  ihnen  oft  Wider- 
stand leistet  und  sie,  wenn  sie  nicht  zu  weit  vorgeschritten  sind,  alle  zu  heilen  im  Stande 
ist,  ein  neuer  Beweis  von  der  Vollkommenheit  der  organischen  Thätigkeit.  Auch  die  Heil- 
kunde erkennt  jetzt  mehr  wie  je  das  zweckmässige  Heilbestreben  der  Natur  und  vertraut  in 
vielen  Fällen  dieser  allein  die  Heilung  des  Kranken  an,  wo  früher  die  allzugeschäftige  Kunst 
nur  Schaden  angerichtet  hat. 

Was  den  Tod  betrifft,  so  hat  man  freilich  gesagt,  nur  durch  die  Sünde  seien  Krankheit 
und  Tod  in  die  Welt  gekommen,  aber  sie  waren  darin,  ehe  es  Menschen  gab.  Es  ist  das 
gegenseitige  Morden  und  Würgen,  was  wir  zwischen  den  Thiereu  um  uns  sehen,  freilich  ein 
grausiges  Schauspiel;  aber  wenn  wir  darüber  nachdenken,  finden  wir  bald,  dass  es  nicht 
wohl  anders  sein  konnte.  Auf  diese  Weise  wird,  da  ein  schneller  Tod  die  Schwachen  ereilt, 
am  meisten  Lebensgenuss  für  die  übrigen  Thiere  geschaffen;  der  Tod  trifft  jene  in  den  meisten 
Fällen  mitten  in  der  Freude  des  Daseins  und  dient  nur  dazu,  anderes  frohes  Leben  möglich 
zu  machen.  Und  der  Mensch,  wie  oft  verschuldet  er  nicht  selbst  seinen  frühen  Tod,  wie 
selten  erreicht  er  das  ihm  von  der  gütigen  Natur  gesetzte  späte  Ziel  seines  Lebens,  aus  dem 
sie  ihm  dann  auch  das  Scheiden  so  leicht  macht!  Wir  pflegen  in  vielen  Fällen,  wenn  wir 
dem  Unglücke  gegenüber  stehen , zu  sagen : das  ist  höhere  Fügung,  das  war  Gottes  Wille, 
wenn  es  richtiger  wäre  zu  sagen:  das  ist  unsere  Schuld,  das  ist  die  Folge  des  Leichtsinnes 
und  der  Tliorheit , die  doch  nicht  der  Wille  Gottes  sind.  Er  lässt  der  Thorheit  ihren  Lauf, 
bis  der  Mensch  durch  Schaden  klug  wird.  Wie  oft  legen  wir  müssig  die  Hände  in  den 
Scbooss  mit  jener  selbstzufriedenen  Ergebung  in  den  göttlichen  Willen,  die  nur  der  Beweis 
unserer  Unwissenheit  ist,  wo  wir  forschen  und  handeln  sollten!  Es  ist  bequem  für  das  Ge- 
wissen, Gott  zum  Urheber  von  Ereignissen  zu  machen,  die  wir  selbst  verschuldet  haben. 
Strafen  Gottes  nannte  man  immer  die  grossen  Weltseuchen,  welche  von  Zeit  zu  Zeit  das 
Menschengeschlecht  heimsuchen , es  sind  in  der  That  Strafen  für  unsere  Unwissenheit,  und 
Erkenntniss  der  Natur  ist  das  sicherste  Mittel,  sie  abzuwenden. 

Aber  seihst  der  Tod  erscheint  für  die  Menschheit  als  eine  wohlthätige,  als  eine  zweck- 
mässige Einrichtung,  wenn  wir  bedenken,  dass  allein  das  Sterben  dem  Menschen  die  ernste, 
auf  das  Ewige  gerichtete  Stimmung  giebt,  dass  es  ohne  den  Tod  wohl  keine  religiöse  Em- 
pfindung, keine  sittliche  Erhebung  geben  würde,  dass  gerade  die  Betrachtung,  wie  Alles  im 
Leben  und  das  Leben  selbst  vergänglich  ist,  die  Quelle  der  edelsten  menschlichen  Tugenden, 
also  auch  die  des  reinsten  menschlichen  Glückes  ist! 


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VII. 

Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim  (Rheinhessen), 
einer  der  ältesten  Friedhöfe  des  Rheinlandes. 

' V on 

L.  Lindenschmit. 

Hierzu  Tafel  1 und  II.) 


Die  Höhenzüge  zu  beiden  Seiten  des  Thalgrundes,  in  welchen)  die  Pfrimm  munteren 
Laufes  vom  Donnersberge  her  dem  Rheine  zueilt,  bergen  in  ihrem  Schoosse  viele  Grabstatten 
des  fernen  Alterthums  als  Zeugnisse  der  Bewohnung  dieses  anmuthigen  Hügellandes  bis  in 
die  entlegenste  Vorzeit  hin. 

Auf  dem  südlichen  Höhenrande,  bei  dem  Orte  Monsheim,  hat  der  Bau  der  Eisenbahn 
einen  fränkischen  Friedhof  aus  der  Zeit  der  merovingischen  Könige  durchschnitten,  aber  nicht 
völlig  zerstört.  An  der  Seite  des  abgetragenen  Ackerfeldes  sind  noch  einzelne  unberührte 
Gräber  zu  erkennen,  deren  Abstand  und  Richtung  die  Reihen  bezeichnen,  in  welchen  die  ver- 
schwundenen lagen  und  die  noch  vorhandenen  zu  suchen  sind. 

Jenseits  auf  der  nördlichen,  gegen  Südosten  abfallenden  Höhe,  gerade  über  dem  nahe 
gelegenen  Orte  Kriegsheini,  haben  vor  der  Ankunft  der  Franken  römische  Ansiedler  die  Asche 
ihrer  Todten  in  schönen  gehenkelten  Glasumen  niedergelegt  und  theils  in  ausgehöhlten  würfel- 
förmigen Steinbehältem , theils  in  kleinen  Kammern  aus  Ziegeln  oder  sorgfältig  gesetzten 
Steinen  geborgen. 

In  weitaus  fernere  Zeit  aber  reicht  ein  Gräberfeld,  welches  sich  auf  derselben  Thalseite 
bei  dem  Dorfe  Monsheim,  dom  fränkischen  Friedhofe  gegenüber,  den  sonnigen  Abhang  nach 
der  Höhe  hinaufzog,  auf  welcher  vor  Kurzem  noch  ein  mächtiger  pfeilerartiger  Kalksteinblock 
weithin  sichtbar  emporragte,  ein  altheidnisches  Symbol,  dessen  Bedeutung  längst  in  Ver- 
gessenheit fiel,  wie  das  Gräberfeld  selbst,  auf  dessen  Nordseite  es  aufgerichtet  war. 

Der  Name  des  Denkmals,  welcher  nach  dem  Schwinden  seines  Verständnisses  aus  Hünen- 
stein in  Hünerstein  und  gemäss  der  Mundart  des  Landes  in  Hinkelstein  verwandelt 


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10-2 


L.  LinUenschmit, 


wurde,  zeigt  nach  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  in  allen  Gegenden  Deutschlands  die  un- 
mittelbarste Beziehung  zu  Gräbern  eines  alten  verschollenen  Geschlechts. 

War  aber  der  graue  verwitterte  Stein  im  Sinne  eines  schützenden  Wahrzeichens  bei  den 
Gräbern  aufgestellt,  so  hat  er  seit  mehr  als  zweimal  tausend  Jahren  unter  allem  Wechsel  der 
Geschicke  des  Landes  diese  seine  Bestimmung  erfüllt  und  nach  seiner  Entfernung  erst  sind 
alsbald  auoh  die  bisher  ungestörten  Gräber  der  Vernichtung  verfallen. 

Nicht  lange  nachdem  der  Stein  nusgehoben  und  mit  grosser  Mühe , bei  seiner  Höhe  von 
9 Fuss  und  einer  Stärke  von  4 Fuss  3 Zoll,  in  den  Hofraum  des  alten  Herrenhauses  in  Mons- 
heim gebracht  war,  wurde  von  dem  Gutsbesitzer  die  Rodung  des  umliegenden  Feldes  ange- 
ordnet 

Seit  vielen  Jahrhunderten  zwar  wurde  bereits  der  Abhang  des  Hügels  als  einer  der  besten 
Theile  der  Gemarkung  von  dem  Ackerbau  benutzt  Lange  schon  war  jedes  äussere  Merkmal 
der  Bodenbildung,  welches  die  Üräberatätte  erkenntlich  zu  machen  vermochte,  beseitigt  und 
nur  Vermuthung  bleibt  es,  wenn  wir  die  Reste  eines  Umfassungsgrabeüs  des  alten  Friedhofs 
in  einem  neuerdings  erst  ausgefüllten  Hohlwege  zu  erkennen  glauben,  da  derselbe  die  Aus- 
dehnung des  Gräberfeldes  nach  Osten  bezeichnet  und  seine  Richtung  mit  jener  der  einzelnen 
Grabstätten  zusammenfällt.  Nach  Westen  zu  ist  jede  Spur  einer  solchen  Abgrenzung  durch 
einen  Steinbruch  zerstört,  und  nach  Nordon  wie  nach  Süden  von  der  Agricultur  längst  besei- 
tigt Vollkommen  ungewiss  bleibt  es  deshalb,  ob  das  Todtenfeld  nach  allen  Seiten  durch  Erd- 
bauten oder  theilweise  nur  durch  einen  Haag  abgeschlossen  war. 

Hatte  aber  auch  der  Pflug  alles  eingeebnet,  so  konnte  er  doch  nicht  in  die  Tiefe  der 
Gräber  selbst  dringen,  diese  wurde  jetzt  erst  beim  Roden  des  Feldes  zur  Anlage  eines  Wein- 
berges erreicht.  Leider  haben  wir  erst  kurz  vor  Beendigung  dieser  Arbeit  von  den  merk- 
würdigen, durch  sie  veranlassten  Entdeckungen  Kenntniss  erhalten,  immerhin  jedoch  noch 
frühzeitig  genug,  um  die  Oeffnung  der  letzten  Gräber  zunächst  der  Höhe  persönlich  über- 
wachen zu  können  und  Gelegenheit  zu  finden,  sowohl  die  früheren  Fundstücke  grossenthcils 
zu  sammeln,  als  auch  verlässige  Nachrichten  über  dieselben  zu  erhalten. 

Die  Zahl  der  Gräber  war  eine  sehr  bedeutende.  Dass  sie  nicht  genau  festzustellon  ist, 
wird  dadurch  erklärlich,  dass  sie  beim  Beginn  der  Arbeit  wenig  oder  gar  nicht  beachtet  wurde. 
Erst  den  letzten  ßO — 70  Gräbern  wurde  von  zuverlässigen  Beobachtern  grössere  Aufmerksam- 
keit zugewendet.  Die  Gesammtzald  derselben  wird  von  einigen  der  Arbeiter  auf  300,  von 
anderen  etwas  geringer,  aber  jedenfalls  über  200  geschätzt 

Es  erscheint  dies  als  eine  sehr  bemerkenswerthe  völlig  neue  Thatsache,  da  bis  jetzt 
Gräber  dieser  Art  nur  vereinzelt  oder  gruppenweise,  niemals  jedoch  in  solcher  Anzahl  an 
einem  Orte  vereinigt,  im  Rheinlande  sowohl  als  im  übrigen  Deutschland  zu  Tage  gekommen 
sind. 

Die  Grabstätten  waren  alle  von  West  nach  Osten  gerichtet,  jedoch  nicht  völlig  genau, 


')  Dürften  die  Funde  gleichartiger  Gefisescherben  weiter  Bbw»rte,  in  der  Nähe  der  unteren  Schlosamulilo 
im  Thale,  und  jene  von  Steingeräthen  auf  dem  ebenfalls  beim  Hinketsteine  gelegenen  „Kuhwingert“  als  Spu- 
ren von  Gräbern  betrachtet  werden,  »o  war  die  Ausdehnung  dor  Gräber  nach  Süden  and  Westen  eine  viel 
bedeutendere  und  ihre  Zahl  müsste  um  viele  Hunderte  höher  geschätzt  werden. 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkclstein  bei  Monsheim.  103 

mehr  von  Nordwest  nach  Sädost,  so  jedoch,  dass  die  Absicht  nicht  zu  verkennen  ist,  das  Ant- 
litz deH  Todten  dem  Aufgange  der  Sonne  zuzuwenden.  Sie  lagen  in  ziemlich  regelmässigen 
Zwischenräumen  von  5 bis  7 Fuss  bald  neben  einander  in  einer  Art  von  Reihen,  so  dass  ein 
Rodgraben  von  3 Fuss  Breite  oft  3 bis  4 Skelette  aufdeckte,  bald  ohne  diese  Ordnung,  jedoch 
mit  jenem  bestimmten  Zwischenräume  unter  sich. 

Diese  Anordnung,  welche  mit  den  Friedhöfen  der  Franken  und  Alemannen  auffallend 
iibereinstimmt,  ist  bei  Gräbern  dieser  Frühzeit  nur  äusserst  selten  und  nur  bei  vereinzelten 
kleinen  Gruppen  beobachtet;  sie  ist  insofern  auch  weiter  beachtenswert!),  als  sie  die  Annahme 
grösserer  Hilgelb&uten  über  den  einzelnen  Ruhestätten  ausschliesst. 

In  gleicher  Weise  fehlt  auch  jeder  Steinbau  innerhalb  derselben.  Sie  waren  als  einfache, 
der  Körpergrösso  entsprechende  Gruben  in  den  Boden  versenkt,  bis  zu  welcher  ursprünglichen 
Tiefe  war  nicht  genau  zu  ermessen,  da  das  Feld  durch  laugdauernde  Bepfliigung  von  der 
Höhe  abgebaut  war.  V on  der  jetzigen  Oberfläche  lagen  die  Körper  3 bis  4 Fuas  tief. 

Wenn  bei  den  letzten  60  Gräbern  beobachtet  wurde,  dass  die  Schädel  alle  nach  Unten 
gekehrt  und  auf  dem  Gesicht  lagen,  so  ist  dies  nicht  etwa,  wie  man  glaubte,  als  ihre  ursprüng- 
liche Richtung  zu  betrachten,  sondern  nur  als  die  Folge  des  Herabsinkens  des  Kopfes  bei  der 
sitzenden  Stellung,  in  welcher  die  Todten,  wie  in  den  meisten  der  ältesten  Gräber,  boigesetzt 
waren. 

Die  Körperreste  waren  jedoch  in  einem  Grade  zerfallen  und  verwittert,  dass  sie  nur  in 
einzelnen  Bruchstücken,  oft  nur  an  ihrer  Farbe  zu  erkennen  waren.  Bei  denjenigen,  welche 
in  unserem  Beisein  gefunden  wurden,  zeigten  sich  selbst  die  festeren  Knochentheile  nur  in 
formlosen,  auffallend  leichten  Fragmenten.  Die  Stelle  des  Schädels  wurde  nur  durch  einige 
Zähne  und  Stücke  der  Kinnlade  bemerkbar.  Die  Erhaltung  der  Bruchstücke  durch  Einsamm- 
lung oder  selbst  durch  Aushebung  der  ganzen  umgebenden  Erdmasse  blieb  unmöglich,  und 
diese  vollständige  Auflösung  der  Knochen  erklärt  es,  dass  wir  selbst  bei  dem  hohen  Preise, 
welchen  wir  für  die  Ausgrabung  eines  Schädels  boten,  keinen  solchen  aus  den  Gräbern  auf 
der  Höhe  erhalten  konnten.  Wir  dürfen  es  deshalb  nur  als  eineu  glücklichen  Zufall  betrach- 
ten, dass  wenigstens  ziemlich  bedeutende  Fragmente  von  zwei  Schädeln  aus  einer  so  grossen 
Anzahl,  bei  den  weiter  unten  liegenden  Gräbern  gerettet  wurden  und  in  unseren  Besitz  ge- 
langten. 

Belehrte  anch  schon  der  erste  Blick,  dass  dieselben  nicht  der  brachycephalen  Raee  ango- 
hören,  welche,  wie  man  behauptet,  die  älteste  Bevölkerung  unseres  Landes  bildete,  und 
dass  sie  sich  so  wenig  den  finnischen  als  den  iberischen  Stämmen  zuweisen  lassen,  welche 
wir,  je  nach  den  Ansichten  der  Sprachforscher,  als  das  Volk  der  Steinzeit  zu  betrachten 
hätten,  so  fanden  wir  doch  begreiflicherweise,  dass  das  Verhältniss  dieser  ausgesprochensten 
Langscliädel  zu  den  Dolichocephalen  der  Grabhügel  des  Rheinlandes,  und  jenen  der  Reihen- 
gräber nur  aus  einer  Prüfung  der  massgebenden  Einzelformen  von  Seiten  eines  competenten 
Specialforschers  hervorgehen  könne.  Wir  übersandten  deshalb  sogleich  die  betreffenden 
Schädclstücke  unserem  verehrten  Freund  Herrn  Hofrath  Ecker  in  Freiburg,  welcher  weiter 
unten  ausführlicher  darüber  berichten  wird. 

Die  Annahme  eines  hohen  Alters  dieser  Gräber  nach  dem  Zustande  der  Körperreste 
erhält  durch  die  Einfachheit  und  Gleichartigkeit  ihrer  Ausstattung  mit  Geräthen 


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104  L.  Lindenschinit, 

und  Gefiissen  die  vollkommenste  Bestätigung.  Nicht  wie  bei  den  Grabhügeln  und  Friedhöfen 
späterer  Zeiten,  zeigen  sich  einzelne  besonders  bevorzugt«  Gräber  durch  reichere  und  sel- 
tenere Beigaben  bemerkbar.  Stoff,  Arbeit  und  Form  derselben  ist  allgemein  gleichartig,  wie 
auch  ihre  Vertheilung. 

Dieser  an  und  für  sich  sehr  bemerkenswertbe  Umstand  überhebt  uns  zugleich  einer  um- 
fassenden Beschreibung  der  einzelnen  Gefiisse,  Geräthe  und  Schmucksachen,  und  vereinfacht 
wesentlich  unseren  Bericht,  welcher  den  beiliegenden  Abbildungen  nur  wenige  Bemerkungen 
beizufiigen  hat. 

Alle  handwerklichen  Geräthe  und  auch  die  zu  Waffen  benutzbaren  Aexte  sind  aus  den 
verschiedenen,  für  ihre  Zwecke  geeigneten  Steinarten  gebildet,  unter  welchen  nur  der  Feuer- 
stein nicht  der  Landesgegend  selbst  angehört.  Dieser  aber  kann  nicht  im  Ueberflus.se  zur 
Verfügung  gewesen  sein,  da  er  nur  zu  kleineren  Schneidinstrumenten  und  Messern  verar- 
beitet ist.  Für  Beile  und  verschiedene  Arten  beilartiger  Meissel  ist  der  Kieselschiefer,  Syenit 
und  Diorit  verwendet,  Sandstein  zu  den  Handmühlen  und  Schleifsteinen. 

Eigentliche,  nur  zu  Zwecken  der  Jagd  und  das  Kriege«  benutzbare  Waffen,  wie  Pfeil- 
spitzen, Lanzen  und  grössere  Messer,  wie  sie  die  alten  Gräber,  namentlich  in  Ländern,  welche 
Feuerstein  besitzen,  in  grosser  Zahl  aufweisen,  fehlen  hier  vollständig  und  selbst  die  Werk- 
zeuge, obschon  im  Ganzen  sorgfältig  gearbeitet,  zeigen  nur  wenige  Formen. 

Von  Aexten  und  Beilen  finden  sich  die  zwei  verschiedenen  Arten:  die  zur  Aufnahme 
eines  Schaftes  durchbohrte  Hammeraxt  (Nro.  1,3,  11  Tafel  II)  und  häufiger  wie  überall  das 
flache  Steinbeil  zum  Einsetzen  in  das  gespaltene  Ende  eines  hakenförmigen  Schaftes  (Nro.  14, 
15  Tafel  II). 

Die  oft  angeregte  Frage,  welche  der  beiden  Formen  als  Watte  und  welche  als  Werkzeug 
zu  betrachten  sei,  kann  im  Allgemeinen,  wie  sie  gestellt  wird,  keine  Auskunft  finden,  da  nur 
das  ausserordentlich  wechselnde  Grössenverhältniss  des  Steingeräthes  seinen  Gebrauch  für 
den  einen  oder  anderen  Zweck,  oder  für  beide  zugleich,  bestimmen  kann.  Man  sollte  sich 
erinnern,  dass  zur  Zeit  der  merovingischen  Könige  die  kleine  Eisenaxt  sowohl  Nationalwaffe, 
als  zugleich  fiir  die  verschiedensten  Arbeiten  überall  zur  Hand  war.  Von  den  durchbohrten 
Steinäxten  aber  konnten  offenbar  nur  die  kleineren  und  leichteren  Stücke,  deren  Gewicht  mit 
der  Stärke  des  eingeschobenen  Schaftes  im  richtigen  Verhältnis«  stellt,  eine  praktische  Waffe 
bilden.  Die  schweren  Arten  dieser  Axt,  zu  welchen  die  unseres  Friedhöfe«  gehören,  sind  hei 
ihrem  Gewichte  von  1 */,  bis  2'/j  Pfund  dazu  wenig  geeignet. 

Auf  ihren  Gebrauch  als  Werkzeug«;  deutet  ferner  die  Eigenthiimlichkeit,  welche  auch 
viele  andere  durchbohrte  Steinäxte  des  Rheinlandes  zeigen,  dass  eine  ihrer  Seitenflächen  eine 
völlig  grade,  vom  Gebrauch  glatt  geschliffene  Fläche  hat,  während  die  andere  mehr  oder  min- 
der stark  gewölbt  und  weniger  benutzt  erscheint.  Diese  Besonderheit  ist  bisher  wenig  oder 
gar  nicht  beachtet  und  noch  weniger  erklärt.  Sie  kann  aber  für  einen  kriegerischen  Zweck 
nicht  die  geringste  Bedeutung  haben. 

Alle  Aexte  dieser  Art  haben  an  ihrem  der  Schneide  entgegengesetzten  Ende  eineu  breiten 
hammertörmigen  Abschluss  und  an  demselben  sogar  häufig  Spuren  von  Absplitterung,  offen- 
bar von  ihrem  Gebrauche  als  schwere  Selilagwerkzeuge  oder  als  Setzhämmer,  welche  mit 
gewichtigen  Holzschlägeln  angetrieben  wurden. 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkclstein  bei  Monsheim. 


105 


Bei  weitem  geschickter  für  den  Gebrauch  als  Watte  erscheint  das  flache  Steinbeil,  welchem 
zugleich  eine  weit  schärfere  Schneide  mitgetheilt  werden  konnte,  als  jenen  Hammeräxten, 
zu  welchen  gerade  ihrer  Durchbohrung  wegen  nur  stärkere  und  breitere  Steine  benutzt 
werden  konnten. 

In  der  That  besitzt  unsere  Sammlung  ein  solches  flaches  meisselformiges  Beil  (Nid.  7 
Tafel  ni)  mit  seinem  beinahe  völlig  erhaltenen  Holzschafte1),  welches  offenbar  als  Waffe 
mit  den  Resten  eines  Holzschildes  in  einem  grossen  Plattenhause  bei  einem  Skelette  von  doli- 
chocephaler  Kopfbildung  lag  und  bei  Untersuchung  eines  Grabhügels  unweit  Langen- Eich- 
stätt in  Sachsen  gefunden  wurde. 

Es  verschlägt  dabei  nicht  das  Geringste,  dass  auch  wirkliche  Werkzeuge,  wie  die  Hacken 
der  Bergleute  in  den  alten  Salzwerken  der  Alpen,  ganz  dieselbe  Schäftung  zeigen  wie  Nro.  (i 
Tafel  U ein  Axtstiel  aus  dem  Bergwerke  von  Reichenhall,  da  hier  dem  verschiedenen  Zweck 
eine  verschiedene  Stellung  der  Klinge  entsprechen  konnte  und  überhaupt  kein  wesentlicher 
Unterschied  zwischen  der  Streitaxt  und  dem  leichten  Werkheile  bestehen  kann. 

Andere  Werkzeuge,  von  der  Form  der  Nummern  12  und  13  Tafel  II,  schlanke  Meissei 
mit  schmaler  scharfer  Schneide,  von  allen  Grössen,  welche  thoil weise  wie  Stemmeisen  oder 
eine  Art  von  Hobeln  in  der  Hand  liegen  und  jedenfalls  zur  Bearbeitung  von  Holz  dienten, 
fanden  sich  in  grosser  Anzahl  in  den  Gräbern.  In  Bezug  auf  diese  Form , welche  im  Norden 
für  sehr  spätzeitlich,  ja  theilwoise  für  mittelalterliche  Putzsteine  eiserner  Harnische  betrach- 
tet wird,  hat  unsere  Uebcrzeugung  von  ihrem  weit  höheren  Alter  nunmehr  durch  die  Funde 
am  Hinkelstein  eine  willkommene  Bestätigung  erhalten.  Ein  einziges  dieser  Werkzeuge 
(Nr.  13)  mit  einer  graden  und  einer  gewölbten  Seitenfläche,  wie  die  grösseren  durchbohrte)) 
Aexte,  zeigt  den  Versuch  einer  Durchbohrung  durch  eine  kreisförmige  eingedrehte  Vertiefung, 
innerhalb  welcher  das  runde  Stück,  welches  bei  Vollendung  der  Bohrung  Ausfallen  musste, 
noch  an  dem  Steine  festsitzt.  Die  bisherige  Annahme,  dass  dieses  Verfahren  nur  durch  die 
Anwendung  eines  hohlen  cylinderförmigon  Metallbohrers  auszuführen  sei,  hat  ihre  Geltung 
verloren,  seitdem  man  weise,  dass  wilde  Stämme  noch  in  neuester  Zeit  eine  gleichmässige 
Durchbohrung  der  härtesten  Materien  vermittelst  eines  Centralbohrers,  welcher  mit  scharfen 
Steinsplitten)  besetzt  ist,  zu  Stande  bringen,  ohne  weitere  Hiilfsmittel  als  Wasser,  Sand  und 
entsprechende  Geduld. 

Wenig  zahlreich  erschienen,  wie  schon  bemerkt,  die  Messerchen  aus  Feuerstein.  Wir 
itesitzen  deren  nur  21,  dagegen  fehlte  in  keinem  Grabe  eine  Handmühle  der  einfachsten  Art 
aus  Sandstein  (Nr.  IG  Tafel  II),  ein  grösseres,  etwas  concaves  Stück  und  ein  kleiner  Läufer 
meist  von  ovaler  Form. 

Aus  Sandstein  besteht  auch  ein  eigentümliches  Werkzeug  (Nr.  2 Tafel  II),  in  dessen 
Mitte  sich  eine  scharf  eingeschnitteno  Vertiefung  findet.  Die  vorhandenen  Exemplare  sind 
von  so  übereinstimmender  Grösse,  dass  sie  aufeinander  passen.  Der  Zweck  dieses  bis  jetzt 
unseres  Wissens  noch  nirgend  sonstwo  aufgefundenen  Gegenstandes  ist  schwer  zu  bestimmen, 


')  E«  ist  die«  wohl  das  älteste  in  Deutschland  ans  (»riibern  erhobene  Holsgerathe  und  ohne  Zweifel  gleich- 
seitig mit  jenem  der  Pfuhlbaustaüonen  der  sogenannten  Steinperiode. 

Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  III.  Heft  LL  ],} 


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106 


L.  Lindenschmit 


so  viel  ist  gewiss,  dass  in  der  Vertiefung  des  sehartkörnigen  Steines  sich  kleine  Geräthe  von 
Knochen  und  Horn  sehr  schnell  zuspitzen  und  anschleifen  lassen. 

Was  von  Schmuckgeräthen  gefunden  wurde,  bestand  einzig  in  Halsbändern  aus  durch- 
bohrten  Muschelstücken  von  dem  Glanze  der  Perlmutter.  Ein  Theil  derselben  ist  in  die  Form 
von  kleinen  Ringen  zugeschlifTcn  (Nr.  8 Tafel  H),  ein  anderer  !>esteht  aus  grosseren  Stücken 
in  Form  roher  Berlocken  (Nr.  10  Tafel  II). 

In  solcher  Menge  fanden  sich  diese  einfachen  Scbmuckperlen,  dass  wir,  ungeachtet  die 
meisten  in  Folge  ihrer  starken  Verwitterung  bei  der  Berührung  in  Staub  zerfielen,  doch  sechs 
Schnüre  derselben  mit  136  Stück  aufsammeln  konnten.  Ihr  schöner  wohlerhaltener  Perlglanz 
unterscheidet  sie  vortheilhaft  von  dem  Halsschmucke  aus  durchbohrten,  durch  die  Zeit  braun 
gefärbten  Thierzähnen,  welcher  sich  in  den  alten  Grabhügeln  und  Plattenhäusern  findet,  wie 
jener  Nr.  !)  Tafel  II  aus  dem  schon  erwähnten  Steindenkmale  hei  Langen-Eichstätt 

Die  berlockenförmigen  Perlstücke,  aus  dem  Wirbel  der  Muschelschale  geschnitten,  sind 
noch  nirgends  in  solcher  Anzahl  beobachtet.  Häufiger  und  weiter  verbreitet  findet  sich  der 
Gebrauch  der  ringförmig  gearbeiteten  Perlmutterscheibchen,  jetloch  nur  in  Gräbern  eines  hoch- 
alterthümlielien  Charakters,  zumeist  nur  in  Begleitung  von  Geräthen  aus  Stein  und  Knochen, 
seltener  bei  einzelnen  Bronzestücken.  Lartet  fand  dieselben  in  der  vielbesprochenen  Grab- 
höhle von  Aurignac.  Sie  wurden  auch  unter  den  Dolmens  des  Departement  du  Lot,  sowie 
unter  dem  grossen  Dolmen  von  Truans  bei  St.  Affrique  (Aveyron)  erhoben  und  der  gelehrte 
Director  des  Museums  von  Sb  Gennain,  Herr  Bertrand,  veröffentlicht  (Revue  archdologique, 
avril  1867)  einen  solchen  Fund  eines  Halsschmucks  von  Muschelstücken  (collier  de  coquillage 
ä Viquely),  bei  welchem  sich  neben  sechs  kleinen  durchbohrten  Cylindcm  von  10  bis  15  Milli- 
metres  und  sechs  viereckigen  kleinen  Platten  von  14  bis  15  Millim.  auch  59  solcher  kleinen 
Ringe  von  8 bis  10  Millim-,  also  einer  gleichen  Grösse  wie  die  unserigen  von  8 bis  12  Millim.  be- 
fanden. Wälirend  aber  alle  diese  verschiedenen  Formen  bei  dem  Funde  von  Viquely  zu  einem 
einzigen  Halssclimucke  vereinigt  waren,  fanden  sich  unsere  beiden  verschiedenen  Arten  auch  stets 
in  verschiedenen  Gräbern.  Es  ist  deshalb  nicht  daran  zu  denken,  dass  sie  etwa  in  einer  abwech- 
selnden Zusammenstellung  die  Bedeutung  einer  symbolischen  Schrift  erhalten  konnten,  wie  der 
gleichartige  Muschelschmuck  der  wilden  Amerikaner,  an  welchen  Herr  Bertrand  erinnert 

Einen  wesentlichen  Theil  der  Ausstattung  unserer  Gräber  bilden  die  Gefässe,  Krüge, 
Näpfe  und  Becher  Tafel  I Nr.  1 bis  18.  Alle  sind  aus  der  Hand  geformt  und  bestehen  aus 
schlecht  gebranntem , mit  Quarzsand  gemischtem  Thon.  Einzelne  sind  mit  drei  bis  vier  vor- 
springenden Knöpfen  versehen,  welche  meistens  zum  Durchziehen  einer  Schnur  durchbohrt 
sind.  Ihre  Formen,  von  welchen  wir  die  bemerkenswerthell  in  Abbildung  geben,  sind  bei 
aller  Unregelmässigkeit  der  Ausführung  grossentheils  ansprechend,  und  die  wenigsten  ent- 
behren einer  eingeritzten,  mit  Kreide  ausgestrichenen  Verzierung.  Nicht  überall  besteht  diese 
nur  aus  einer  Zusammenstellung  grader  Linien,  wie  sie  nacli  der  Versicherung  der  Systema- 
tiker ausschliesslich  die  Ornamentik  der  Steinperinde  eharakterisiren  soll.  Nr.  6 und  9 zeigen 
auch  andere  Formen  und  aut'  dem  Bruchstück  Nr.  16  finden  sich  der  Versuch  einer  Art  von 
PHanzendarstellung.  Sämmtlielie  Gelasse,  mit  Ausnahme  von  Nr.  2,  haben  keinen  Hachen 
Boden  und  sind  unten  abgerundet,  so  dass  sie  nur  aut  Ringe  von  Thon  oder  Flechtwerk  fest- 
gestellt  werden  konnten. 


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Das  Gräberfeld  ain  Hinkelstein  bei  Monsheim. 


107 


Die  Zahl  der  Gefässe,  welche  wir  theils  vollständig  erhielten,  theils  mit  ihren  Bruch- 
stücken hersteilen  konnten,  beträgt  23,  ungerechnet  eine  grosse  Anzahl  vereinzelter  Frag- 
mente. 

Dass  Werkzeuge  aus  Knochen  und  Horn , welche  sonst  überall  einen  charakteristischen 
Bestandtheil  gleichartiger  Grabfunde  bilden,  hier  durchaus  fehlen,  konnte  wohl  aus  der  durch- 
gehenden Zerstörung  der  animalischen  Reste  seine  Erklärung  finden,  da  selbst  die  bereits  als 
Petrefakte  bearbeiteten  Muschelstücke,  wie  bemerkt , der  Mehrzahl  nach  zerfallen  und  ver- 
wittert waren. 

Damit  wären  wir  mit  der  Aufzählung  der  Fundstücke  und  dem,  was  Uber  sie  zu  berich- 
ten ist,  zu  Ende.  Allerdings  reicht  unsere  Nachforschung  nicht  über  den  vierten  Theil  der 
Gesammtzahl  der  Gräber  hinaus.  Die  Beigaben  des  weitaus  grössten  Theils  derselben  sind  in 
die  umgcscbaufelte  Erde  zurückgeworfen  worden,  und  von  der  Ausbeute  der  letzten  60  Gräber 
ist  ein  Theil  nach  Darmstadt,  Worms  und  Alzey  verbracht,  ein  anderer  noch  in  Privutbesitz 
zurückbehalten.  War  es  uns  demnach  nicht  möglich.  Alles  aufzusammeln,  so  können  wir  uns 
doch  auf  Grund  sorgfältiger  Erkundigung  überzeugt  halten,  dass  kein  wesentlicher  Gegen- 
stand dieser  Grabfunde  uns  unbekannt  geblieben,  dass  alle  in  hinreichender  Zahl  und  guten 
Exemplaren  in  unserer  Sammlung  vertreten  sind,  und  diese  demnach  eine  vollkommen  aus- 
reichende Grundlage  zur  Beurtheilung  der  ganzen  Entdeckung  gewährt. 

Die  nächstliegende  Frage  nach  der  Altersbestimmung  .dieses  merkwürdigen  Gräberfeldes 
bietet,  unserer  Ansicht  nach,  grosse  Schwierigkeit.  Freilich  nicht  für  Diejenigen,  welche  mit 
der  Bezeichnung:  Steinperiode  Nr.  I und  II  alles  gesagt  und  abgethan  glauben.  Dass  hier 
die  Reste  eines  Stammes  gefunden  sind,  welchem  Metallwerkzouge  noch  nicht  bekannt  oder 
zugänglich  waren,  würde  man  schon  vor  200  Jahren  sofort  erkannt  haben,  und  mit  diesem 
wenig  ausgiebigen  Bescheide  weiss  man  sich  heutzutage  noch  zu  begnügen. 

Das  System  des  Stein-,  Erz-  und  Eisenaltcrs,  welches  als  eine  lichtgebende  Entdeckung 
betrachtet  werden  soll,  weiss  für  alle  Erscheinungen  der  ältesten  Bildungsentwickelung  einen 
Platz,  aber  keine  Auskunft  für  die  wichtigsten  Fragen.  Es  vermag  so  wenig  die  Gleichartig- 
keit der  Bronzegeräthe  in  allen  Theilen  der  alten  Welt  zu  erklären,  als  eine  irgend  annä- 
hernde Zeitbestimmung  für  die  Dauer  des  Gebrauchs  der  Steingerätlie  zu  bieten.  Die  Auf- 
stellung dreier  gänzlich  verschiedener,  zeitlich  getrennter  Cülturstufen  hat  die  Unbefangen- 
heit der  Beobachtung,  dio  Beurtheilung  der  wichtigsten  Thatsachen  wesentlich  gestört  und 
eine  Menge  einseitiger  und  tendenziöser  Vorstellungen  aufgezogen,  gegen  deren  bereits  allzu 
lange  dauernde  Geltung  die  Ergebnisse  der  neueren  comparativen  Forschungsrichtung  nur 
Schritt  für  Schritt  einen  Boden  auf  dem  Gebiete  unserer  Alterthumskunde  gewinnen  können. 

In  Bezug  chronologischer  Anhaltspunkte  stehen  wir  in  selbstgeschatrenen  Bedenken,  rath- 
loser als  selbst  unsere  längst  vergessenen  Vorgänger,  die  Antiquare  des  vorigen  Jahrhundert«, 
auf  deren  Perücken  und  Zöpfe  wir  mit  so  vielem  Selbstgefühl  herabzublicken  pflegen.  Wenn 
diese  in  Grabhügeln  die  Steingeräthe  in  Begleitung  von  Bronzen  gefunden  haben,  welche  wir 
jetzt  noch  so  gut  wie  sie  für  römische  Fabrikate  erkennen  müssen,  und  auf  diese  Thatsache 
hin  den  Fortgebrauch  der  Steinwaffen  bis  zur  Zeit  der  Römerkriege  annchmen,  so  konnte 
dies  von  ihrer  Seite  nur  in  der  Ueberzeugung  geschehen,  dass  eine  Bildungsentwickelung 
bis  zum  Ackerbau,  der  Weberei  und  vielseitiger  handwerklichen  Geschicklichkeiten,  wie  sie 

H* 


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108 


L.  Lindenschmit, 


die  Zustände  der  Germanen  jener  Zeit  naehwiesen,  im  Allgemeinen  nieht  unbedingt  von  dem 
Gebrauch  der  Metalle  abhängig  sei.  Diese  Anschauungsweise  hat  vor  unseren  Augen  durch 
die  Pfahlbaustationen  der  Steinzeit  eine  glänzende  Rechtfertigung  erhalten.  Zu  der  Summe 
der  hier  gefundenen  Culturzeugnis.se  haben  die  Stationen  der  Erz-  und  Eisenzeit  ausser  dem 
importirtcn  Motallgeräthe  selbst  im  Wesentlichen  nichts  Weiteres  boigebracht,  was  einen 
nennenswerthen  Fortschritt  und  eine  bedeutende  Zeitvcrschicdenheit  von  Jahrhunderten  oder 
gar  Jahrtaxisenden,  von  denen  man  phantasirt,  zu  begründen  vermöchte. 

Einer  unbefangenen  Prüfung  musste  grade  durch  den  vielseitigen  und  tiefen  Einblick, 
welchen  die  Pfahlbauten  in  die  vorgeschichtliche  Zeit  eröffnen,  die  Thatsache  klar  werden, 
dass  die  Metallgeräthe,  wie  sie  dort  vorliegen,  nicht  als  ein  naturgemässes  folgerichtiges  Er- 
gebniss  der  vorausgehenden  Bildungszustände  des  Landes  zu  betrachten  sind,  dass  eine  fremde 
höhere  Cultur  das  Erz  in  das  Land  brachte,  aber  nicht  auch  das  Erz  eine  höhere  Cultur  dem 
Lande. 

Es  ist  ferner  zu  erkennen , dass  die  alten  Bildungszustände,  sobald  sie  sich  bis  zur  aus- 
reichenden Beschaffung  der  Lebensbedürfnisse  entwickelt  hatten,  einen  stationären  Charak- 
ter behalten  konnten,  so  lange  kein  äusserlicher  Anstoss  erfolgte  und  so  lange  das  Eisen 
nicht  zu  allgemeinster  und  ausgiebigster  Nutzung  gelangte,  wie  dies  zur  Zeit  des  Beginns  der 
Römerkriege  bei  den  germanischen  Stämmen  wenigstens  keineswegs  schon  allenthalben  der 
Fall  war.  „ 

Zu  beklagen  bleibt  es,  dass  die  Pfahlbautenfunde  der  sogenannten  Steinzeit  im  Ganzen 
so  wenig  Anregung  boten  zu  einer  Vergleichung  mit  den  frühesten  Schilderungen  der  mittel- 
europäischen Völker,  zu  einer  Zusammenstellung  der  Thatsachen,  welche  das  Verbältniss 
dieser  Funde  zu  den  Bildungszuständen  der  ersten  historischen  Zeit  und  damit  gerade  die 
wichtigste  Seite  der  ganzen  Entdeckung  der  Beurtheilung  näher  brächte. 

Wir  finden  den  Mangel  einer  solchen  Untersuchung  des  Herabreichens  der  Steingeräthe 
in  verhältnissmässig  spätzeitliche  und  bereits  wesentlich  geforderte  Bildungszustände  beson- 
ders durch  den  Umstand  veranlasst,  dass  die  Aufmerksamkeit  der  Forschung  seitdem  durch 
die  Entdeckung  von  Steinwerkzeugen  im  Diluvium  gerade  nach  entgegengesetzter  Richtung 
ausschliesslich  in  Anspruch  genommen  wurde. 

Die  Vorliebe  für  höchste  Altersbestimmung  aller  Erscheinungen  fand  zusagende  Beschäf- 
tigung und  überraschende,  bis  jetzt  wenig  bestrittene  Erfolge. 

Selbst  ernsthafte  Historiker  befreunden  sich  schon  mit  dem  Gedanken,  den  Pfahlbauten 
ein  Alter  von  5000  Jahren  nicht  länger  vorzuenthalten  und  die  früher  sorgfältig  untersuch- 
ten Funde  von  Steingeräthen  dürfen  jetzt  ohne  die  empfehlende  Gesellschaft  von  Höhlen- 
bärenzähnen und  Hyänenknochen  kaum  noch  auf  Beachtung  hoffen. 

Wir  müssen  deshalb  auf  das  Lebhafteste  bedauern,  dass  es  uns  nicht  vergönnt  ist,  auch 
unserem  rheinischen  Gräberfelds  den  Hintergrund  einer  pikanten  Scencrie  von  Gletschern  zu 
geben,  welche  hier  in  Verbindung  mit  der  grossartigen  Linie  lies  Donnersberges , umgeben 
von  Wäldern  hoher  fremdartiger  Baumgattungen,  belebt  durch  ein  die  Pfrimrn  durchwatendes 
Mammuth  oder  ein  Rbinocerns  tichorhinus,  welches  am  Hinkelsteine  sein  Horn  wetzt,  sich  zu 
einem  ganz  artigen  anziehenden  Bilde  gestalten  könnte. 

Allein  wir  besitzen  hierfür  nicht  den  geringsten  rechtfertigenden  Nachweis,  weder  in 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim. 


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wirklichen  Resten  jener  eigentbiimlichen  Fauna  vom  bepelzten  Elephanten  bis' zum  Vielfrass, 
noch  in  gleichzeitigen  Abbildungen  einer  jener  wunderbaren  Skizzentafeln  aus  Schiefer  oder 
Mannnuthknochen,  auf  welche  der  Mensch  der  Eiszeit  in  seinen  Mnsostunden,  dem  Drango 
einer  soltenen  künstlerischen  Anlage  genügend,  seine  Zeichnungen  der  ihn  umgebenden  Thier- 
welt in  festen  Linien  entwarf,  zur  Belehrung  wie  zur  Beschämung  aller  späteren  Geschlechter 
bis  zu  den  heutigen  Besuchern  der  Jardins  des  planten  und  zoologischen  Gärten. 

Es  entgeht  uns  damit  die  längst  ersehnte  Gelegenheit,  durch  das  Studium  eigener  Funde, 
statt  sogenannter  photographischer  Reproductionen,  das  Verhältniss  dieser  urweltlichen  Kunst 
zu  jener  der  späteren  Zeit  zu  ergründen  und  zum  Verständniss  der  auffallenden  Thatsache 
zu  gelangen,  dass  eine  gewählte  Auffassung  des  wesentlich  Charakteristischen  der  Formen, 
wie  sie  jene  Darstellungen  von  Mammuthen,  Rennthieren  etc.  zeigen,  erst  auf  einer  Stufe  der 
Bildung  wiederkehrt,  welche,  wie  man  sagt,  von  diesen  ältesten  Naturstudien  durch  einen 
unmessbaren  Zeitraum  ganzer  Reihen  von  Jahrtausenden  getrennt  ist.  Alles,  was  von  bild- 
nerischen Versuchen  zwischen  diesem  Anfang  und  Ende  liegt,  zeugt  nur  von  unbeholfenster 
Barbarei.  Wenn  wir  bei  den  räthselhaftcn  Fabelthieren  der  gallischen  Münzen,  bei  den 
wunderbaren , nur  aus  Kopf  und  Händen  bestehenden  Reiterfiguren  der  germanischen  Gold- 
bracteaten,  bei  den  scheusslich  verzerrten,  aus  Schnörkeln  construirten  Figuren  der  irischen 
Manuscripte  und  anderen  Darstellungen  ans  weit  späterer  Zeit  noch,  einer  wildphantastischen, 
völlig  willkürlichen  Auffassung  der  menschlichen  und  Thierformen  begegnen,  so  fragen  wir 
vergeblich  nach  irgend  einer  Erklärung  dieses  Rückschritts,  dieser  gleichmiissigen  Verwilde- 
rung bei  allen  nordischen  Völkern  gerade  nur  in  diesem  einzigen  Punkte,  während  doch  ihre 
gesanmiten  übrigen  Bildungszustände  eine  immense  Ueberlegenheit  zeigen  im  Vergleiche  zu 
jenen  Troglodyten  der  Eis-  und  Rennthierzeit. 

Da  aber  kein  Zweifel  an  der  wirklichen  Aechthoit  und  vollkommenen  Integrität  jener 
Mammuth-  und  Bärenstudien  sowohl,  als  an  ihrem  exorbitanten  Alter  gestattet  wird,  so 
scheint  es  in  der  That,  dass  wir  darauf  hingewiesen  werden  sollen,  diese  frühesten  Denkmale 
rein  naturalistischer  Kunstauffassung,  diese  aus  unmittelbarster  Nachahmung  hervorgegan- 
genen Darstellungen,  mit  unserer  Abstammung  von  jener  Thiergattung  in  Verbindung  zu 
bringen,  welche  heute  noch  in  ihrer  Lust  und  Anlage  zur  Imitation  von  keinem  andern  Ge- 
schöpfe übertroffen  wird. 

Dass  wir  alsdann  die  spätere  Formlosigkeit  und  Willkür  in  der  Darstellung  lebender 
Wesen  als  ein  Ergehn  iss  der  Entwickelung  der  Phantasie  und  selbstständigen  Schaffens  dos 
menschlichen  Geistes,  am  Ende  gar  als  die  ersten  Versuche  zur  Bildung  eines  Styls,  im 
Gegensatz  zu  der  untergeordneten  naturalistischen  Richtung  erkennen  müssten,  ergäbe  sich 
gewiss  ebenso  leicht  und  gut,  als  die  Erklärung  von  hundert  anderen  Dingen. 

Doch  wenn  es  nun  einmal  versagt  bleibt,  unser  Gräberfeld  mit  diesen  wichtigen  Fragen 
der  Forschung  in  nähere  Beziehung  zu  bringen,  so  erscheint  dies  wenigstens  in  Bezug  seiner 
Altersbestimmung  nicht  gerade  von  entscheidendem  Nachtheil,  so  lange  die  Geologie,  welcho 
die  Stein geräthe  der  Eiszeit  entdeckte  und  der  Archäologie  überlieferte,  noch  nicht  selbst 
darüber  zur  völligen  Sicherheit  gelangt  ist,  ob  jene  Gletscherperiode  Mitteleuropas  wirklich 
so  überaus  weit  von  dem  Beginn  der  Geschichte  der  östlichen  und  südlichen  Völker  abliegcn 
muss  oder  nicht. 


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110 


L.  Lindenschmit, 

Bleiben  wir  deshalb  darauf  angewiesen,  jeden  Aufschluss  Uber  unser  Gräberfeld,  mag  die 
Aussicht  auf  Gewinn  noch  so  beschränkt  sein,  nur  in  dem  Thatbestande  des  Fundes  selbst 
und  seinem  Verhältnis«  zu  den  übrigen  Gräbern  gleichen  Inhalts  und  Charaktere  zu  suchen, 
so  fragt  es  sich  zunächst:  Wie  steht  es  im  Allgemeinen  mit  der  Kenntniss  der  Gräber  älte- 
ster Zeit  und  können  wir  die  Darstellung  derjenigen,  welche  die  Kesultatc  der  Grabforechung 
in  Bezug  der  sogenannten  Steinperiode  zusammenzufassen  versuchten,  als  vollkommen  richtig 
und  verlässig  betrachten? 

Wir  müssen  gestehen,  dass  wir  dies  nicht  vermögen,  da  wir  wesentlichen  Widersprüchen 
und  Ungenauigkeiten  begegnen,  sowohl  in  dem,  was  als  Ergebniss  der  Erfahrung  zur  Gel- 
tung gelangte,  als  in  dem,  was  wir  als  berechtigte  Schlüsse  aus  diesen  Resultaten  betrachten 
sollen.  Die  Versuche  zu  einer  Abtheilung  bestimmter  Zeitperioden  nach  Einzelheiten  der 
Todtenbestattung,  z.  B.  des  Grabbaues,  konnten  so  wenig  Aufschlüsse  bringen , als  die  einsei- 
tige Abtheilung  nach  dem  Stoffe  der  Waffen  und  Geräthe. 

In  Bezug  der  sogenannten  Steinzeit  wird  es  nun  für  ausgemacht  gehalten,  daas  die 
Hünengräber  und  Hünenbetten  die  ausschliesslich  charakterisirende  Gräberform  dieser 
Periode  bilden.  Wie  es  scheint,  verschlägt  es  für  diese  Annahme  nicht  das  Geringste,  dass 
man  jene,  wie  bekannt,  aus  rohen  Steinblöcken  oder  gespaltenen  Platten  zusammengestellte, 
durch  Decksteine  abgeschlossene  Grabkammern  nur  den  vornehmen  angesehenen  Geschlech- 
tern zutheilen  musste,  wegen  ihrer  für  die  einfachen  Hülfsmittel  jener  Frühzeit  allerdings 
schwierigen  Construction.  Sie  repräsentiren  demnach  nur  die  Gräberform  eines  kleinen 
Tlieiles  des  gesummten  Volkes,  dessen  grosser  Mehrzahl  man  deshalb  vorläufig  in  Sümpfen 
und  Sandhiigcln  seine  Ruhestätten  auwies.  Diese  Hünengräber  reichen  in  Deutschland  von 
der  Nord-  und  Ostsee  bis  nach  Schlesien  und  Thüringen  herauf,  weiter  südlich  sind  sie  wenig- 
stens jetzt  nicht  mehr  in  völlig  zutreffendem  Charakter  nachzuweisen.  Die  nämlichen  Grä- 
ber finden  sich  in  Frankreich  (als  die  Dolmens),  in  England  (als  die  Cromlechs)  und  in  Däne- 
mark (als  Stendysser),  ihre  weitaus  grössere  geographische  Verbreitung  kann  jedoch  für  den 
vorliegenden  Zweck  ausser  Betracht  bleiben. 

ln  allen  unseren  Nachbarländern  ist  der  Bau  jener  Grabstätten  zwar  gleichartig,  aber 
dieser  Uebereinstimmung  in  der  Form  steht  keineswegs  auch  eine  durchgehend  gleichartige 
Bestattungswei.se  der  Todten  zur  Seite.  In  Dänemark  ist  die  Leichenbeisetzung,  in  Deutsch- 
land dagegen  der  Leichenbrand  in  den  Steinkammern  vorherrschend,  und  auch  die  Dolmens 
nnd  Cromlechs  zeigen  diese  Mischung  verschiedenen  Brauchs. 

Während  nun  auch  weiterhin  in  den  Dolmens  sowohl  als  auch  hie  und  da  in  den  Hünen- 
gräbern Deutschlands  Gegenstände  von  Metall  aufgefunden  sind,  so  betrachtet  man  nichts- 
destoweniger jene  Steinkammern  als  eine  ganz  abgeschlossene  und  auf  das  Steinalter  be- 
schränkte Erscheinung. 

Man  glaubt  zwischen  jenen  Steindenkmalen  einerseits  und  den  Grabhügeln  und  Erd- 
gräbern  andererseits  eine  strenge,  sowohl  zeitliche  als  nationale  Unterscheidung  aufstellen  zu 
müssen,  obschon  seit  langer  Zeit  schon  in  Deutschland  einfache  Erdgräber  ohne  jeden  Steiu- 
bau,  sowohl  vereinzelt  als  in  kleinen  Gruppen,  aufgefunden  sind,  welche  man  gemäss  ihrer 
Beigaben  von  Waffen  aus  Stein,  Knochen  und  Horn,  doch  ebenfalls  der  Steinperiode  zuzu- 
weiseu  genöthigt  war. 


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Das  Gräberfeld  am  llinkelstein  bei  Monsheim.  111 

Schliesslich  hält  nmn  cs  für  vollkommen  gewiss,  dass  die  in  den  Gräbern  der  Steinzeit 
Bestatteten  von  brachycephaler  Kopfbildung  und  keinesfalls  germanischen  Stammes  waren; 
nur  ist  man  noch  nicht  darüber  einig,  ob  sie  als  Finnen,  Lappen,  Iberer  oder  Galen  zu  be- 
zeichnen sind. 

Nach  allem  dem  wüssten  wir  in  der  That  nicht,  wie  und  wo  unser  Gräberfeld  in  die  Ab- 
theilungen des  Systems  unterzubringen  wäre,  fände  sich  nicht  vielleicht  am  Ende  eine  Stelle 
neben  jenen  wenigen,  so  zu  sagen  ausrangirten  Erdgräbern  mit  Beigaben  von  Stein- 
geräthen.  Allerdings  sind  unsere  Todten  in  einem  vorzüglichen  Ackerboden  beerdigt,  nicht 
wie  sonst  das  gemeine  Volk  der  Steinzeit,  welches  von  dem  Systeme  in  Sand  und  Sumpf  ver- 
wiesen ist.  Ihre  Ausstattung  mit  Gerätheil  ist  auch  nicht  geringer,  ihr  Schmuck  nicht 
werthloser  als  er  in  den  grossen  Steinkammem  gefunden  wird.  Nichtsdestoweniger  wären 
wir  genöthigt,  um  sie  ihren  Zeitgenossen  in  den  nordischen  Erdgräbern  anreihen  zu  können, 
ihnen  eine  untergeordnete  Stellung  im  Volke  der  Hünen  anzuweisen,  auf  Grund  des  Gegen- 
satzes ihrer  einfachen  Grabstätten  zu  den  Steindenkmalen  der  Aristokratie. 

Bei  der  Abwesenheit  jener  grossen  Grabbauten  im  Rheinlande  müssten  wir  entweder 
annehmen,  dass  unser  steinzeitlicher  Adel  nicht  gleiche  Begriffe  von  Standesehre  in  Bezug 
seiner  Gräber  hegte,  wie  der  nordische,  oder  dass  die  rheinischen  Hünen  sich  bei  weitem 
keiner  solchen  Anzahl  bevorzugter  Geschlechter  erfreuen  konnten,  wie  sie,  nach  der  Ansicht 
unserer  Antiquare,  aus  der  Masse  von  Steindenkmalen  für  Mecklenburg  und  Hannover  un- 
zweifelhaft anzunehmen  ist. 

Dieser  Alternative  wäre  nicht  auszuweichen,  verhielte  sich  die  Sache  in  Wahrheit  so, 
wie  sie  dargestellt  wird.  In  der  That  jedoch  kann  mit  derselben  Sicherheit,  welche  die 
Sätze  der  Systematiker  beanspruchen,  die  Behauptung  aufgestellt  werden,  dass  für  keinen 
einzigen  der  drei  bekannten  Abschnitte,  weder  für  die  Stein-,  Erz-  noch  Eisenzeit,  eine  be- 
stimmte ausschliessliche  Gräberform  nachweisbar  ist.  Alle,  wenigstens  alle  die  Hauptarteu 
des  Grabbaues,  finden  sich  in  allen  vorhistorischen  Zeiträumen  bis  in  die  geschichtliche  Zeit 
herab.  So  wenig  die  charakteristischen  Thongefiisse  ältester  Zeit  und  die  Steingeräthe  auf 
die  Steinkammern  beschränkt  sind,  ebenso  wenig  erscheinen  die  letzteren  in  ausschliesslicher 
Verbindung  mit  Einlagon  von  Waffen  und  Werkzeugen  aus  Knochen  und  Stein. 

Es  ist  hier  wohl  am  Orte  und  überhaupt  an  der  Zeit,  dies  einmal  auszusprecheu,  da  das 
Wenige,  was  uns  von  der  vorhistorischen  Zeit  aus  den  Grabdenkmalen  kennen  zu  lernen 
vergönnt  ist,  so  viel  immer  möglich  von  einseitiger  Darstellung  frei  erhalten  werden  sollte. 

Ein  Blick  auf  die  verschiedenen  Arten  der  Begräbnissweise  und  des  Grahbaues 
wird  es  erkennen  lassen,  dass  die  Thatsachen,  welche  in  den  Ruhestätten  der  ältesten  Landes- 
bevölkerung  beobachtet  sind,  in  vollkommenem  Zusammenhang  mit  den  späteren  Erschei- 
nungen stehen  und  dass  auf  dem  Boden  Deutschlands  weder  die  Leichenbestattung  oder  der 
Leichenbrand,  noch  irgend  eine  Hauptform  des  Grabbaues  für  eine  Abtheilung  in  verschie- 
dene Zeit-  und  Bildungsperioden  odor  für  die  Hypothese  der  Einwanderung  von  Stämmen 
verschiedener  Sprache  und  Race  zu  verworthen  sind. 

Nur  bei  wenigen  Völkern  finden  wir  jenen  aus  den  Zuständen  eines  vereinsamten  Lebens 
in  der  Wildniss  herstammenden  Brauch,  die  Körper  der  Verstorbenen  von  ihren  Wohnsitzen 
entfernt  ansznsetzen  und  ihre  Zerstörung  den  Elementen  und  den  Zähnen  der  Raubtbiere  zu 


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112 


L.  Li n de nschiiiit , 

überlassen.  Die  abatossenden  Erscheinungen  in  Folge  dieser  thieriachen  Gleichgültigkeit, 
welche  auch  die  roheste  Gefiihlsanlage  nicht  unberührt  lassen  können,  müssen  frühe  schon 
auch  bei  den  nordischen  Stämmen  auf  die  Bestattung  der  Todten,  als  den  einfachsten  Schutz 
einer  ungestörten,  dem  Auge  entzogenen  Auflösung  des  Körpers,  geführt  haben.  Das  Ver- 
senken der  Todten  in  den  leicht  auszuhebenden  Sand  lag  allerdings  hierfür  am  nächsten. 
Bevor  man  aber  in  den  Besitz  der  HUlfsmittcl  gelangt  war,  jene  oft  -Staunen  erregenden 
Steinmassen  der  HünengTiiber  vom  Orte  zu  bewegen  und  aufzustellen,  waren  längst  auch  die 
nöthigen  Werkzeuge  vorhanden,  um  eine  Vertiefung  für  Gräber,  selbst  in  festerem  Erdreiche, 
ausführen  zu  können.  Wir  Anden  dafür  Zeugnisse  an  unseren  Meeresküsten  und  Stromufern, 
als  den  Orten  der  frühesten  Bewohnung  des  Landes.  Es  sind  zwar  bis  jetzt  erst  sieben 
Gräberfunde  dieser  Art  uud  Zeit  theils  an  der  Ostsee,  theils  am  Rhein  zu  Tage  gekommen, 
aber  die  Wichtigkeit  der  Thataachen,  wolehe  sich  aus  diesen  wenigen  Beobachtungen  schon 
ergeben,  fordert  eine  kurze  Darstellung  der  Beschaffenheit  und  des  Inhalts  jener  Gräber. 

Aus  Mecklenburg  ist  bekannt  das  Einzelgrab  bei  Plau,  sechs  Fuss  tief  im  Boden.  Sitzeu- 
des Gerippe,  dessen  schon  oft  besprochenes  Schädelbruchstück  leider  viel  zu  unvollständig 
erhalten  ist,  um  die  aus  ihm  gefolgerten  Schlüsse  zu  rechtfertigen.  Beigaben:  eine  Axt  aus 
Hirschhorn,  drei  Hirschzähne  und  ein  Eherzahn.  Ferner  die  Grabstätte  bei  Roggow, 
8 Fuss  tief.  In  der  Mitte  ein  grosses  Skelett,  bei  dem  ein  Pferdeschädel,  G bis  7 spanförmige 
Feuersteinmesser  und  mehrere  Thongefässe;  um  dasselbe  12  bis  16  andere,  zum  Theil  kleinere 
Skelette  strahlenförmig  gelegt,  mit  den  Häuptern  gegen  das  mittlere  Grab  gerichtet,  bei 
ihuen  Steinbeile  und  Gefassstücke.  Die  wohlerhaltenen  Schädel  sind  nicht  genauer  unter- 
sucht. Ob  die  Grabstätte  bei  Hohen- Wieschendorf  bei  Wismar  in  einem  kleinen  Sand- 
hiigel  gerade  zu  den  Gräbern  mit  Leichenbestattung  gezählt  werden  kann,  ist  zwar  unge- 
wiss, da  von  aufgefundenen  Körperresten  nichts  berichtet  ist,  allein  dos  Maass  der  mit  -Stei- 
nen ausgesetzten,  jedoch  unbedeckten  Grabwände  entspricht  eher  der  Beisetzung  von  Leichen, 
als  dem  gebräuchlichen  Raume  für  eine  Aschenurnc.  Jedenfalls  bleibt  diese  Gräbergruppe 
deshalb  beachtenswerth , weil  sie  aus  derselben  Zeit,  welcher  die  grossen  bedeckten  Stein- 
kammern augehören,  neben  den  einfachen  Erdgräbem  eine  weitere  und  dritte  Art  des  Grab- 
baues coustatirt  und  zugleich  in  dem  regelmässigen  Abstand  der  Ruhestätten  den  Charakter 
einer  wenn  auch  kleinen  Friedhofsanlage  zeigt. 

Am  Rheine  zeigten  sich  bis  jetzt  Gräber  der  ältesten  Zeit  nur  in  der  Gegend  zwischen 
Bingen  und  Worms;  wir  haben  zunächst  das  Todtenfeld  auf  dem  Sandhügel  von  Oberingel- 
heim.  In  der  Tiefe  von  10  Fuss,  in  einer  Lehmschicht  unter  dem  Flugsande,  zahlreiche  rohe 
Plattenhäuser,  auf  einem  Flücbenrauine  von  je  6 Quadratklaftern  mindestens  10  bis  12,  die 
Skelette  und  Schädel  beinahe  zerfallen,  theil  weise  durch  die  eingesunkenen  Deckplatten  zer- 
drückt. Beigaben:  Bruchstücke  sehr  roher  unverzierter  Gelasse,  angeschnittene  Hirscbborn- 
fragmente  und  ein  durchbohrtes  rundes  Knochenstiick,  vielleicht  als  Ohrring  an  dem  Bruch- 
stück eines  Schädels.  Bei  Niederingelheim  vier  Gräber  mit  Steinwerkzeugeu  und  Ge- 
fässon,  wie  jene  unseres  Friedhofs  zu  Monsheim.  Von  den  Skeletten  ist  nur  ein  Schädel, 
welcher  in  den  Besitz  des  Herrn  Professor  Schaaffhausen  in  Bonn  gelangte,  erhalten. 
Ferner  ein  Einzelgrab  bei  Dienheiin  unweit  Oppenheim,  die  Körperreste  mit  dem  Saude  zu 
steinartigen  formlosen  Klumpen  verwachsen ; ein  becherartiges  verziertes  Gelass,  kleine,  fein- 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim. 


113 


geschliffene  Keile,  von  welchen  einer  in  Knochenfassung,  und  zwei  Feuersteimnesser;  und  wei- 
ter stromaufwärts  ein  ähnliches  Grab  bei  Herrnsheim  mit  einem  kleinen  verzierten  Gefiiss 
und  drei  spanfbrmigen  Feuersteinmessem.  Den  Abschluss  der  Reibe  bildet  unser  Friedhof 
beim  Hinkelsteine. 

Die  Seltenheit  der  Entdeckung  solcher  Gräber  beweist  nicht  das  Geringste  gegen  die 
Annahme,  dass  dieselben  in  sehr  bedeutender  Anzahl  früher  vorhanden  waren  und  theilweise 
noch  existiren.  Der  Umstand,  dass  im  Rheinlande  wie  überall  die  Spuren  der  ältesten 
Niederlassungen  sich  gerade  nn  besonders  günstig  gelegenen,  zu  allen  Zeiten  von  einer 
dichten  Bevölkerung  bewohnten  Orten  zeigen,  erklärt  ihr  Verschwinden  beim  Schleifen  der 
Anhöhen,  bei  Anlagen  von  Weinbergen  etc.  nach  Maassgabe  unseres  Gräberfeldes  von  Mons- 
heim. Wenn  dort  erst  nach  dem  Auswerfen  von  nahe  200  Gräbern  die  übrigen  einige  Beach- 
tung fanden,  so  gewährt  dies  eine  verlässige  Andeutung,  wie  viele  andere  schon  früher  sowohl, 
als  auch  zu  unserer  Zeit  in  dieser  Gegend  spurlos  der  Vernichtung  anheimfallen  konnten. 
Absichtliche  Nachforschungen  aber,  welche  in  bebautem  Lande  schwierig,  oft  unmöglich  sind, 
erscheinen  auf  Sandboden  geradezu  hoffnungslos,  sobald  nicht  ein  hier  viel  seltener  zu  erwar- 
tender Zufall  sichere  Spuren  bietet.  Wenn  deshalb  Entdeckungen  solcher  Gräber  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  wenig  zahlreich  bleiben  werden,  so  erscheinen  sie  als  Repräsentanten  einer 
grossen  Menge,  welche  theils  unzugänglich,  theils  bereits  verschwunden  ist,  um  so  beachtens- 
werther. 

Beim  Ueberbliek  der  genannten  Gräber  finden  wir  zwar  in  denselben  Andeutungen  ver- 
schiedener Bildungsstufen  in  einer  mehr  oder  weniger  primitiven  oder  gewählteren  Form  und 
besseren  Fertigung  der  Thongefasse  sowohl,  als  der  Steingeräthe  selbst,  welche  in  der  ein- 
fachsten Art  bis  zu  den  fein  geschliffenen  Meissein  und  durchbohrten  Aexten  vorliegen,  ohne 
dass  jedoch  dieses  Verhältnis»  mit  der  einfacheren  oder  eoinplicirteren  Art  der  Graboonstruc- 
tion  in  Verbindung  zu  bringen  wäre.  Die  Erdgräber  enthalten  sowohl  geringere  als  bessere 
Geräthe,  die  Plattengräber  aber  die  rohesten  Gefasse.  Wir  finden  ferner  neben  der  verschie- 
denen Art  des  Grabbaues:  der  Plattenkammer,  der  steinumsetzten  Grabstelle  und  dem  ein- 
fachen Erdgrabc,  auch  eine  verschiedene  Situation,  sowohl  die  vereinzelte  Lage  des  Grabes, 
als  die  Vereinigung  einer  kleineren  oder  grösseren  Zahl  auf  den  Friedhöfen  der  alten  Nieder- 
lassungen. 

Alle  diese  Verschiedenheiten,  welchen  wir  auch  in  den  spätzeitlicheren  Gräbern  unseres  Lan- 
des in  gleichem  Grade  begegnen,  erscheinen  von  untergeordneter  Bedeutung,  sie  verschwinden 
hier  vor  der  Gemeinsamkeit  des  Gesammtcbarakters,  vor  den  Zeugnissen  einer  Gleichartig- 
keit der  Lebensweise  und  Lebenszustände  während  der  Dauer  eines  grossen  Zeitraums  mühe- 
vollen und  langsamen  Bildungsfortschrittes. 

Eine  zeitliche  und  nationale  Abscheidung  dieser  Grabstätten  von  den  Hünengräbern 
und  HUnenbetten  auf  Grund  des  in  den  Steindenkmalen  vorherrschenden  Leichenbrandes 
bleibt  bei  der  völligen  C'ongruenz  des  beiderseitigen  so  charakteristischen  Inhalts  geradezu 
unmöglich.  Wir  glauben,  dass  die  Verbrennung  der  Leichen  in  eine  ältere  Zeit  hinaufreichen 
muss,  als  der  Bau  der  Hünengräber  und  dass  sie  keineswegs  unbedingt  als  ein  Zeugnis»  höhe- 
rer geistiger  Volksbildung,  „eines  freieren  Blicks  in  die  Natur  der  Dinge“,  zu  betrachten  ist. 
In  frühester  Zeit,  als  man  die  Körper  der  Verstorbenen  nur  mit  Sand,  Steinen  oder  Erde  zu 

Archiv  Ar  Anthropologie.  Band  HL  lieft  II. 


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114 


L.  Lindenschinit, 


l>edecken  vermochte,  konnte  der  Gedanke  an  die  Zerstörung  der  Leichen  durch  die  Flamme 
nicht  lange  fern  bleiben.  Man  gelangte  früher  in  den  Besitz  des  Feuers  als  der  Grabwerk- 
zeuge. 

Nachzuweisen  ist  freilich  der  Leichenbrand  erst  in  einer  Zeit,  in  welcher  man  bereits 
Thongefässe  hatte  und  für  die  Beisetzung  der  Asche  benutzen  konnte,  da  die  einfache  Be- 
deckung der  verbrannten  Körperreste  mit  einem  Steinhaufen  oder  Erdaufwurf  nur  in  den 
seltensten  Fällen  für  uns  noch  erkennbar  bleiben  konnte. 

Spuren  dieses  Brauchs  sind  jedoch  in  Grabhügeln  späterer  Zeit  noch  beobachtet,  bei 
welchen  die  Asche  des  verbrannten  Todten  einfach  in  eine  vertiefte  Stelle  der  Basis  des  Tu- 
inulus  geschüttet  ist.  Wenn  unserer  Ueberzeugung  nach  der  Leichenbrand  und  die  Beerdi- 
gung gleicbmässig  in  die  Frübzeit  der  ersten  festen  Niederlassungen  der  einzelnen  Stämme 
hinaufreichen,  so  wird  es  erklärlich,  dass  in  den  verschiedenen  Landesgegenden  theils  die 
beiden  Bestattungsweisen  neben  einander  bestehen,  oder  die  eine  und  andere  zeitweise  vor- 
herrschen konnte,  bis  zur  allgemeinen  gleichmässigen  Einführung  der  Beerdigung  durch  das 
Christenthum.  Unter  diesem  Gesichtspunkte  erscheint  es  nicht  mehr  auffallend,  dass  in  dem 
nördlichen  Theil  der  cimbrischen  Halbinsel  und  den  dänischen  Inseln  in  ältester  Zeit  die  Be- 
stattung ausschliesslicher  Brauch  war,  während  in  den  Hünengräbern  der  deutschen  Nord- 
und  Ostseeländer  neben  der  Beerdigung  der  Leichenbrand  in  den  letzteren  vorwaltend  beob- 
achtet ist.  Auffallend  bleibt  es  nur,  dass  sowohl  die  dänischen  als  deutschen  Systematiker 
zur  Erklärung  dieser  Thatsache  eines  fremden  verschwundenen  Urvolkes  bedurften,  welches 
denn  doch  auch  schon  dieselben  zwei  verschiedenen  Begräbnissarten  hatte,  wie  die  späteren 
höher  gebildeten  Einwanderer  und  Eroberer.  In  Dänemark  gerade,  wo  man  den  Gegensatz 
der  Stein-  und  Erzperiode  am  schärfsten  auszuspitzen  und  die  Verschiedenheit  der  Bevölke- 
rung namentlich  aus  eiuer  totalen  Umwandlung  der  Begräbnissweise  zu  begründen  suchte, 
sind  wichtige  Grabfunde  mit  werthvollen  Erzgeräthen  zu  Tage  gekommen,  bei  welchen  die 
Todten  keineswegs  nach  der  Sitte  des  Bronzevolkes  verbrannt,  sondern  in  altüblicher  Landes- 
weise bestattet  sind. 

Dass  man,  um  diese  bedeuklicbe  und  widerstrebende  Thatsache  dem  Systeme  einzu- 
sebieben,  jene  Gräber  in  die  erste  Zeit  der  Ankunft  des  fremden  Volkes  versetzen  will,  darf 
utn  so  mehr  als  willkürlich  und  verfehlt  bezeichnet  werden,  als  gerade  in  der  ersten  Zeit 
des  Eindringens  eines  Volkes  von  überlegener  Bildung  die  eingebrachte  Sitte  viel  entschie- 
dener dem  Brauche  der  Unterdrückten  gegenüber  festgehalten  wird  als  späterhin,  wo  eher 
eine  gegenseitige  Verständigung  und  Vereinigung  erfolgt. 

Wäre  die  Einführung  des  F.rzes  überhaupt  mit  dem  Leichenbrande  in  Verbindung  zu 
bringen,  so  müsste  dies  nicht  allein  in  Dänemark  besser  und  vollständiger  nachzuweisen 
sein,  sondern  auch  überall  zutreffen,  was  keineswegs  der  Fall  ist. 

Findet  sich  nun  aber  in  keiner  der  beiden  Bestattungsarten,  weder  in  dem  Begraben 
noch  Verbrennen  der  Leichen,  ein  unterscheidendes  Merkmal  für  ein  fremdartiges  verschwun- 
denes Urvolk,  so  gilt  dies  auch  in  Bezug  der  Hünengräber  und  Hünenbetten,  deren  An- 
lage und  Ansführung  man  als  durchaus  eigenthümlich  und  ausser  aller  Beziehung  zu  den 
übrigen  Grabbauten  vorhistorischer  Zeit  erklärte. 

Zur  Befestigung  einer  so  unrichtigen  Auffassung  hat  vorzüglich  jene  grübelnde  Unter- 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkehteiii  bei  Monsheim.  115 

Bcheidungslust  beigetragen,  welche  selbst  da,  wo  die  sprechendsten  Zeichen  nächster  Verwandt- 
schaft der  Erscheinungen  vorliegen,  es  vorzieht,  untergeordneten  Verschiedenheiten  entschei- 
dendes Gewicht  beizulegen.  Auf  keinem  Gebiete  der  Forschung  aber  kann  diese  Verl'ah- 
rungsweise  geringere  Auskunft  bieten,  als  auf  jenem  der  Untersuchung  der  alten  Gräber. 
Hier  bildet  die  grosse  Zahl  der  örtlich  und  zeitlich  vortretenden  Verschiedenheiten  eine 
scheinbar  höchst  verworrene  Masse,  deren  Beurtheilung  nicht  aus  einer  Unterschei- 
dung nach  vereinzelten  Merkmalen,  sondern  aus  einem  Alles  umfassenden 
Ueberblick,  aus  einer  Auffindung  des  durchgehend  Gemeinsamen,  einem 
Hervorheben  des  Verbindenden  und  Gleichartigen  zu  gewinnen  ist. 

Alle  Versuche,  die  Grabdenkmale,  ohne  Berücksichtigung  ihres  vor  Allem  wichtigen 
Inhalts,  ausschliesslich  nur  nach  ihrem  Bau  und  äusseren  Verhältnissen  in  Gruppen  zu  ord- 
nen, konnten  die  Verwirrung  nur  vollenden,  da  man  nach  der  verfehlten  einseitigen  Stellung 
der  Aufgabe  genötbigt  wäre,  die  allerältesten  Gräber  mit  den  allerspätesten  in  einer  und  der- 
selben Abtheilung  (jener  der  Gräber  in  dem  flachen  Boden)  zu  vereinigen.  Die  Hünengräber 
selbst  hat  man  den  ganz  gleichartigen  unterirdischen  Grnbkammern  gegenüber  gestellt,  ohne 
zu  )>edenken,  dass  es  schwer,  ja  unmöglich  ist  zu  wissen,  ob  nicht  die  meisten,  vielleicht  alle 
der  jetzt  freistehenden  Hünenmale  früher  von  einem  Erdhügel  bedeckt  und  dieses  Schutzes 
im  Laufe  der  Zeit  entkleidet  wurden.  Gesetzt  aber  auch,  die  Mehrzahl  dieser  Denkmale 
waren  ursprünglich  schon  in  der  jetzt  erkennbaren  Welse  als  freistehende  Steinbauten  aufge- 
stellt, so  unterscheiden  sich  dieselben  doch  in  gar  keinem  Punkte  von  den  unterirdischen 
Grabkainmem  und  diese  wiederum  in  nichts  Wesentlichem  von  den  Plattenhäusern  und  den 
geschlossenen  Steinkisten  dor  Grabhügel.  Man  müsste  denn  die  Unterscheidungsmittel  bis 
auf  die  Arten  des  Materials  der  Grabbauten  ausdehnen,  womit  sich  die  allerdings  oigenthüm- 
liche  Thatsache  ergeben  würde,  dass- das  Hünenvolk  nur  diejenigen  deutschen  Länder  einer 
dauernden  Niederlassung  würdigte,  in  welchen  erratische  Granitblöcke  oder  doch  jedenfalls 
freiliegende  Steinbrocken  von  sehr  bedeutender  Dimension  zum  Bau  seiner  Grabstätten  in 
Fülle  vorhanden  waren. 

Man  hat  es  bis  zu  einigen  40  Abtheilungen  für  die  Structur  der  Grabbauten  gebracht, 
welche  noch  mit  einigen  weiteren  ergänzt  und  vermehrt  werden  könnteu.  Wichtiger  aber, 
als  alle  diese  Verschiedenheiten,  erscheint  die  Thatsache,  dass  die  Hünengräber  keineswegs 
die  Steinbauten  abschliessen  und  dass  die  Grabform  erst  in  der  Zeit  der  Karolinger  im  All- 
gemeinen zu  der  einfachsten  und  allerältesten  Art  der  Leicbenbestattung  im  freien  Boden 
zuriiekkebrt 

In  dem  zwischenlicgcnden  langen  Zeitraum  bleibt  der  Steinbau  ein  wesentlicher  Theil 
der  Grabconstruction,  sei  es  nach  der  Weise  der  Hünengräber  in  Plattenkauimern  (bald  grös- 
seren für  bestattete,  bald  kleineren  für  verbrannte  Leichen),  oder  in  kreisförmigen  und 
kammerförmigen  Trockenmauern,  wie  in  vielfach  anderer  Weise.  Er  reicht  sogar  die  Um- 
stellung des  Hügels  oder  Grabes  durch  einen  Kranz  grösserer  Steine  von  den  Hünenbetten 
bis  in  die  Zeit  des  sogenannten  Eisenalters. 

Für  don  Nachweis  dos  unverkennbaren  Zusammenhangs  der  ältesten  Grabformen  selbst 
mit  jenen  der  letzten  heidnischen  und  ersten  christlichen  Zeit  bedarf  es  hier  uicht  einer  um- 
fassenden Aufzählung  aller  diese  Verbindung  vermittelnden  Grabfunde,  es  genügt  eine  Hiu- 

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L.  Lindensclunit, 


deutung  auf  die  Friedhöfe  merovingiseher  Zeit,  als  den  Repositorien  der  wichtigsten  Zeugnisse 
für  die  lange  Dauer  altnationaler  Sitte  und  Brauchs.  Wir  begegnen  unter  den  Gräbern  der 
Franken , Bnrgunden  und  Alemannen , theils  vereinzelt,  theils  inmitten  grosser  Todtenlager, 
auch  den  Steinkammern,  aus  starken  Blöcken  zusammengestellt  und  mit  schweren  unbehaue- 
nen Platten  bedeckt 

Die  während  der  letzten  Versamndung  der  deutschen  Geschieht«-  und  Alterthumsvereine 
in  Freiburg  eröflheten  Gräber  aus  dem  6.  bis  8.  Jahrhundert,  unweit  Ebringen,  erscheinen 
zum  Verwechseln  ähnlich  mit  den  Plattenhäusern  jenes  Friedhofes  bei  Oberingelheim  mit 
ihren  Hirschhornfragmenten  und  Thongefäasen  ältester  Art.  Diesem  für  Deutschland  mass- 
gebenden Resultate  der  Grabforschung  tritt  ein  bestimmtes  historisches  Zeugniss  zur  Seite  in 
Bezug  der  mit  Hügeln  betleckten  Steinkammern  des  westlichen  Frankreichs , welche  dort 
(je  nach  ihrem  Inhalt  mit  Recht)  als  gleichartig  und  gleichzeitig  mit  den  Dolmens  und 
also  auch  mit  den  deutschen  Hünengräbern  betrachtet  werden.  Die  wichtige,  bis  jetzt  nicht 
beachtete  Mittheilung  des  Gregor  von  Tours  (TV.  4.),  welche  die  Fortdauer  dieser  Grabform 
weit  in  die  historische  Zeit  hereinrückt,  ist  folgende:  Zu  den  Zeiten  König  Chlothars  (zwischen 
den  Jahren  546  und  552)  verfolgte  Chanao,  ein  Graf  der  Britannen,  seinen  Bruder  Macliav, 
welcher  deshalb  zu  einem  andern  Grafen  des  Landes,  Namens  Chonomor,  flüchtete.  „Dieser, 
als  er  merkte,  dass  die  Verfolger  naheten,  verbarg  ihn  unter  der  Erde  in  eine  Grabkammer 
und  schüttete  darüber  einen  Grabhügel  in  der  gebräuchlichen  Weise  auf  (sub  terra  eum  in  lo- 
culo  abscondit,  componons  desuper  ex  more  tuimdum),  nur  ein  kleines  Luftloch  liess  er  ihm, 
wodurch  er  Athem  schöpfen  konnte.  Als  aber  seine  Verfolger  anlangten , sagte  man  ihnen : 
Sehet,  hier  liegt  Macliav  todt  und  begraben.  Jene  aber  freuten  sich  bei  dieser  Nachricht, 
tranken  auf  dem  Grabhügel  und  brachten  dem  Bruder  die  Botschaft  zurück.“ 

Diesem  Zeugnisse  Uber  den  lauge  dauernden  Bestand  der  ältesten  Grüberformcn  Hesse 
sich  noch  eine  namhafte  Anzahl  von  Nachweisen  anreihen,  welcho  den  Zusammenhang  der 
verschiedenen  Bestattungsarten  merovingischer  Friedhöfe  mit  jenen  der  entferntesten  Vorzeit 
ausser  Zweifel  stellen. 

Es  ergiebt  sich  aus  dieser  Thntsaehe  gerade  das  Gegentheil  von  der  Hypothese  eines 
Völkerwechsels,  einer  mit  dem  Verschwunden  des  Hünen volks  in  Verbindung  gebrachten  Ein- 
strömung von  Stämmen  verschiedener  Bildung  und  Race  in  das  mittlere  Europa. 

Könnten  Schlüsse  Geltung  haben,  wio  sie  in  Dänemark  aus  dem  Uebcrgang  der  unterir- 
dischen Steinkammer  zu  der  Steinkiste,  aus  der  Vertauschung  eines  umfangreicheren  Baues 
mit  einem  kleineren  derselben  Construction  hergeleitet  werden,  so  müsste  man  mit  gleichem 
und  grösserem  Rechte  für  jede,  oft  bedeutend  verschiedene  Abart  des  Grabbaues  ein  anderes 
Völkergeschlecht  eintreten  lassen. 

Soll  aber  ein  Wechsel  der  alten  Bevölkerung  aus  der  Art  der  Construction  der  Gräber 
herausgelünden  werden,  so  wäre  er  jedenfalls  nach  ganz  anderer  Richtung  zu  suchen.  Nicht 
nach  abwärts  von  der  Zeit  der  Hünengräber  aus,  sondern  nach  aufwärts  hin,  in  der  Zeit,  die 
vor  jenen  merkwürdigen  Steindenkmalen  liegt,  welche,  ohne  bis  jetzt  nachweisbare  Spur  vor- 
ausgehender Versuche  und  Uebergünge,  in  dem  ganzen  Norden  und  Westen  ülmrall  in  gleich- 
artiger bestimmter  Form  auftreten. 

Diese  Frage  ist  neuerdings  Gegenstand  einer  Untersuchung  geworden,  welche  sich  Uber 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim. 


117 


das  ganze  bis  nach  Afrika  und  Asien  reichende  Gebiet  der  Dolmens  und  Hünengräber 
erstreckt  und  eine  Prüfung  der  ältesten  Nachrichten  über  alle  die  Völkerschaften  einschliesst, 
welche  etwa  mit  diesen  eigenthümlichen  Denkmalen  in  Verbindung  zu  bringen  sind.  Von 
sicheren  Resultaten  dieser  Forschungen  wird  jedoch,  bei  ihrer  noch  kurzen  Dauer,  sobald 
keine  Rede  sein  können.  Möglich,  dass  sie  mittelbar  oder  direct  ein  neues  Licht  auch  Uber 
unser  Gräberfeld  von  Monsheim  verbreiten,  insofern  dasselbe,  unserer  Ueberzeugung  nach,  in 
keiner  Weise  von  der  Zei^  und  dem  Volke  der  Hünengräber  zu  trennen  ist 

Bis  dahin  sehen  wir  uns  für  die  Beurtbeilung  des  Fundes  einzig  auf  den  Inhalt  der  Grab- 
stätten, die  Steingeräthe  und  Thongefasse,  angewiesen,  nachdem  wir  für  unser  Gräberfeld  in 
der  bisherigen  Anschauungsweise  und  systematischen  Einteilung  der  alten  Gräber  keinen 
Anhalt  und  Aufschluss  gefunden  haben. 

Der  Gebrauch  von  Waffen  und  Werkzeugen  aus  Stein  erstreckt  sich  diesseits  der  Alpen 
über  den  ganzen  vorgeschichtlichen  Zeitraum  und  reicht  neben  der  theihveisen  Benutzung 
der  Metalle  viel  tiefer  in  die  historische  Zeit,  als  mau  nach  den  herrschenden  Vorstellungen 
anzunehmen  geneigt  ist. 

Nachdem  jedoch  durch  eine  grosse  Reihe  von  Grabfunden  dargelegt  ist,  dass  die  Stein- 
gerätbe  keineswegs  mit  der  Einführung  des  Erzes,  und  selbst  des  Eisens,  verschwunden  sind, 
ist  man  zugleich  zu  der  Erkenntnis»  gelangt,  dass  in  den  einzelnen  Ländern  Mitteleuropas  je 
nach  dem  verschiedenen  Verlaufe  ihrer  Bildungsentwickelung,  d.  h.  dem  verschiedenen  Grade 
ihrer  Berührung  mit  den  alten  Culturstaaten  des  Südens,  auch  eine  zeitliche  Verschieden- 
heit für  den  vollständigen  Eintritt  des  Gebrauchs  der  Metallgeräthe  mit  Sicherheit  anzu- 
nehmen ist. 

Von  einer  solchen  Uebergangsperiode  und  auch  nur  einer  tbeilweisen  noch  beschränkten 
Benutzung  von  Erz  oder  Eisen  gewährt  unser  Gräberfeld  keine  Spur;  es  bietet  ausschliess- 
lich nur  Steingeräthe.  Bei  diesen  wie  bei  allen  Manufakten  sind  nach  einem  bekannten, 
überall  bestätigten  Erfahrungssatze  die  einfachen  rohen  und  nur  dem  nächsten  Bedürfnisse 
entsprechenden  Formen  im  Allgemeinen  auch  als  die  ursprünglichen  zu  betrachten,  während 
eine  bessere  Ausführung  und  geschmackvollere  Gestaltung  schon  vorgeschrittenere  Verhält- 
nisse andeuten.  Es  bedurfte  dazu  nicht  der  besondern  Entdeckung  einer  ersten  und  zweiten 
Steinperiode,  welche  im  Wesentlichen  auf  einer  Abscheidung  der  durch  Schlagen  angefer- 
tigten, nioht  geschliffenen  Steingeräthe  von  den  sorgfältig  bearbeiteten,  durch  Schliff  geglät- 
teten beruht.  Abtheilungen  dieser  Art  aber  können  für  die  Bestimmung  eines  höheren  oder 
geringeren  Alters  von  Einzelstücken  und  grösseren  Funden  nur  einen  ganz  einseitigen  Werth 
haben,  denn  allerdings  bezeugen  bessere  Form  und  Ausführung  eine  spätere  Zeit,  aber  keines- 
wegs umgekehrt  eine  einfache  Form  und  rohe  Ausführung  unbedingt  überall  auch  ein  höhe- 
res Alter.  Die  spanförmigen  Messerklingen  aus  Feuerstein  gehören  zu  den  ältesten  Zeug- 
nissen des  Gebrauchs  der  Steinwerkzeuge  und  sind  zugleich  die  spätesten  und  jüngsten. 
Die  feinsten  geschliffenen  Meissei  sind  in  den  Gräbern  oft  von  ganz  unförmlichen  Stücken 
geschärften  Feuersteins  begleitet,  welche  offenbar  gleichzeitig  mit  jenen  besseren  Werkzeugen 
im  Gebrauche  waren.  Für  das  Alter  solcher  Funde  ist  deshalb  auch  derselbe  Grundsatz  be- 
stimmend, welcher  überhaupt  für  alle,  auch  für  Münzfunde  Geltung  hat,  dass  nämlich  die 
spätzeitlichsten  Bestandteile  als  massgebend  zu  betrachten  sind,  ganz  unabhängig  davon, 


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L.  Lindenschinit, 


ob  dieselben  die  Mehrheit  bilden,  oder  nur  als  Einzelstücke  mit  einer  Menge  von  Gegen- 
ständen älteren  Charakters  vereinigt  sind.  Die  rohen  und  einfachen  Stein  Werkzeuge , welche 
in  so  vorwiegender  Menge  in  den  dänischen  Muschellagern  und  Küchenabfällen  gefunden 
werden,  verlieren  ihre  unbedingte  Beweiskraft  für  ein  ausnehmend  hohes  Alter  der  letzteren, 
an  einige  wenige  fein  gearbeitete  Steiugerätlie,  welche  offenbar  gegen  den  Willen  ihrer  Be- 
sitzer unter  die  Beste  von  Mahlzeiten  geriethen,  für  deren  Bereitung  jene  rohen  Werkzeuge 
vollkommen  ausreichten.  Der  langdauernde  Gebrauch  von  Geräthcq  hochaltcrthlimlicher  Art 
und  Einfachheit  für  Zwecke  des  gewöhnlichen  Lebensbedarfs  ist  ebenso  begreiflich  und  natur- 
gemäss,  als  bis  in  späteste  Zeiten  nachweisbar. 

Betrachten  wir  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  die  Gruppe  unserer  Stoingeräthe , so 
müssen  wir  hier  nicht  dem  einfachen  Feuersteinmesser  von  sehr  primitivem  Charakter,  son- 
dern den  geschliffenen  und  durchbohrten  Werkzeugen  für  ihre  Altersbestimmung  ein  Ge- 
wicht beilegen. 

Es  ist  für  die  Formen  der  letzteren,  insbesondere  jene  der  durchbohrten  Aexte,  bemer- 
kenswerth,  dass  sie  bis  in  die  Funde  der  römischen  Zeit  nachweisbar,  namentlich,  weuu 
auch  nur  in  Bruclvstücken,  in  der  Cisterne  des  römischen  Castrum  in  Mainz  zu  Tage  gekom- 
men sind.  So  wenig  wir  diesen  Umstand  filr  die  Beurtheilung  unseres  Grabfeldes  unbedingt 
entscheidend  erachten,  so  verstärkt  er  doch  nicht  in  geringem  Maasse  die  Andeutungen, 
welche  dasselbe  in  eine  verhältnissmässige  Spätzeit  des  ausschliesslichen  Gebrauchs  der 
Stoingeräthe  stellen. 

Wir  finden  weitere  Hinweise  in  den  Thongefiissen  unserer  Gräber,  welche  in  Stoff, 
Form  und  Arbeit  eino  Verwandtschaft  sowohl  mit  den  ältesten  und  rohesten,  als  mit  jenen 
bereits  theilweisc  sehr  geschickt  ausgefuhrten  Urnen  und  Schüsseln  zeigen,  welche  in  unserer 
Gegend  den  Gräbern  der  Landesbevölkerung  aus  der  Zeit  kurz  vor  und  während  der  Römer- 
herrschaft enthoben  werden. 

Die  Gefasse  unseres  und  des  Niederingelhcimer  Friedhofes  bilden  eines  der  Mittelglieder 
zwischen  jenen  der  ältesten  und  der  romano-germanischen  Zeit.  Obgleich  nur  an  offenem 
Feuer  gebrannt,  hat  ihre  Festigkeit  durch  die  Lage  im  freien  Boden  eine  ungleich  härtere 
Probe  mit  vielfach  besserem  Erfolge  bestanden,  als  die  oft  in  Steinkammorn  bewahrten  Er- 
zeugnisse der  ältesten  Töpferei. 

Wir  halten  ferner  in  hohem  Grade  beachtenswerth  die  verlässigen  Zeugnisse  für  den 
Ackerbau,  welche  in  den  einfachen  Handmühlen  unserer  Gräber  vorliegen. 

Wenn  nach  der  früheren,  aus  dem  System  der  drei  Zeitalter  hervorgegangenen  Idee 
dem  Volke  de«  Steinalters  eine  nomadische  Lebensweise  als  Hirten  und  Jäger  zugewiesen 
und  die  Einführung  des  Ackerbaues  den  erzkundigen,  aus  Asien  nachgerückten  Stämmen  zu- 
getheilt  war,  so  ist  diese  culturhistorische  Phantasie  durch  die  Untersuchungen  von  Grab- 
funden, Höhlenwohnungen  und  besonders  der  Pfahlbaustationen  der  sogenannten  Steinzeit 
nunmehr  beseitigt,  ein  Resultat,  welches  durch  unser  Grabfeld  eine  neue  Bestätigung  findet. 

Die  früheste  Nachricht  über  die  Agrikultur  der  rheinisch-germanischen  Stämme,  welche 
uns  Cäsar  giebt,  bietet  einen  höchst  primitiven  Charakter  in  Hinsicht  auf  die  Art  der  Acker- 
vertheilung  an  die  Geschlechter  und  die  Verwandtschaftskreise  der  Niederlassungen  (gentihus 
cognationibusque  hominum  qui  una  coierint),  sowie  auf  den  geringen  Umfang  der  Production 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim.  119 

welche  nur  als  Ergänzung  der  aus  Jagd  und  Viehzucht  gewonnenen  Nahrung  betrachtet 
wurde  und  für  einen  feindlichen  Einfall  keine  Aussicht  bot,  den  Bedarf  an  Getreide  im 
Lande  Belbst  zu  finden.  Es  gewährt  diese  Beobachtung  des  römischen  Feldherrn  einen 
Maassstab  für  die  Entwickelung  des  Ackerbaues  im  Laufe  der  zwei  folgenden  Jahrhunderte, 
zu  welcher  Zeit  bereits  Getreidelieferungen  für  den  Unterhalt  römischer  Heere  als  Friedens- 
bedingung gefordert  und  geleistet  werden  konnten. 

Die  Agriculturverhältnisse  der  alten  Niederlassung  beim  Gräberfelde  von  Monsheim 
können  wir  uns  kaum  anders  vorstellen,  als  nach  der  Schilderung  Casars.  Allein  gerade  bei  der 
ausserordentlichen  Stabilität  wenig  entwickelter  Zustände  vermögen  wir  darin  nichts  mehr 
als  eine  weitere,  freilich  sehr  gewichtvolle  Andeutung  zu  finden,  welche  in  Verbindung  mit 
den  Kennzeichen  der  Geräthe  und  Gefässe  die  Stellung  unseres  Gräberfeldes  nach  einer  Rieh-  • 

tung  hin  wenigstens  bezeichnet  und  dasselbe  aus  dem  tiefen  Dunkel  der  ins  Unbegrenzte 
hinaufreichenden  Urzeit  in  den  Bereich  jene«  Dämmerlichtes  herabbringt,  welches  von  dem 
helleren  historischen  Gebiete  aus  in  den  nächst  vorhergehenden  Zeitraum  zurückfallt. 

Haben  wir  nach  dieser  Seite  Anhaltspunkte  von  so  positiver  Art,  als  sie  überhaupt  in 
dieser  Fernzeit  zu  finden  sind,  so  können  wir  nach  der  anderen  Seite  hin  ein  bestimmtes 
Verhältnis«  zu  der  historischen  Zeit  nur  in  negativen  Merkmalen  finden. 

Zuerst  drängt  sich  die  Frage  auf,  ob  die  absolute  Abwesenheit  jeder  Metallarbeit  nicht 
auch  hier  wie  anderswo  aus  einer  entfernten  Lage  der  Niederlassung  von  den  alten  Handels- 
strassen erklärt  werden  kann.  Eine  wesentliche  Differenz  des  Charakters  altertümlicher 
Funde  in  dem  räumlichen  Abstande  von  1 bis  2 Tagereisen,  welche  aus  der  bisherigen  ein- 
seitigen Annahme  einer  bedeutenden  Zeitverscliiedeiilieit  keineswegs  ihre  Erklärung  findet, 
ist  nicht  allein  bei  den  Pfahlbauten  der  Schweiz,  sondern  auch  in  manchen  Gegenden  Deutsch- 
lands beobachtet. 

Zu  dieser  mit  der  örtlichen  Situation  zusammenhängenden  Frage  tritt  noch  eine  andere, 
welche  eine  Beachtung  verdient,  die  ihr  bis  jetzt  bei  Untersuchung  von  Grabfunden  niemals 
zu  Theil  geworden. 

Aus  den  Nachrichten  Cäsar«  erfahren  wir,  dass  einzelne  der  deutschen  Stämme  keinerlei 
Einfuhr  des  auswärtigen  Handels  zuliessen,  welcher  mit  der  Rührigkeit  des  heutigen  Ver- 
kehrs seinen  lange  schon  diesseits  der  Alpen  gewonnenen  Markt  zu  behaupten  und  auszu- 
dehnen strebte. 

Freilich  können  wir  jetzt  nicht  mehr  mit  Sicherheit  unterscheiden,  ob  wir  diese  Handels- 
sperre als  einen  traditionellen  Brauch  oder  etwa  nur  als  eine  politische  Maassregel  der  Zeit, 
aus  welcher  die  Nachricht  stammt,  zu  betrachten  haben,  als  eine  Folge  nachtheiliger  Erfah- 
rungen von  dem  Einflüsse,  welchen  der  fremde  Luxus  auf  die  Veränderung  der  Sitten  und 
die  selbstständige  Haltung  des  Volkes  äussern  musste.  Fand  ja  doch  Cäsar  diese  Verände- 
rung schon  bis  zu  den  belgischen  Germanen,  ja  bis  zu  den  Ubiern  auf  der  rechten  Rheinseite 
vorgeschritten  lind  die  Entfremdung  derselben  von  den  übrigen  Stammgenoasen  theilweise 
bis  zu  offener  Feindschaft  gediehen. 

Denkbar  und  naheliegend  erscheint  es  jedoch,  dass  dieses  Fernbleiben  oder  auch  absicht- 
liches Fernhalten  von  fremder  Cultur  in  früherer  Zeit  als  gemeinsame  Eigentümlichkeit  des 
Nordens  betrachtet  werden  darf,  da  sie  Cäsar  zugleich  mit  den  Grundzügon  der  einfachen 


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120  L.  Lindenschinit, 

Lebensweise  des  Volkes  in  Verbindung  bringt,  mit  der  Abhärtung  gegen  das  rauhe  Klima 
und  der  Genügsamkeit  mit  den  gleichmässig  vertheilten  Erzeugnissen  des  Landes.  Dass 
dieses  Beharren  in  altüberlieferter  Weise  überall  da,  wo  directe  Berührung  mit  den  Cultur- 
staaten  des  Südens  stattfand,  allmälich  verschwinden  musste  und  zu  den  Zeiten  Casars  nur 
noch  im  Innern  Deutschlands  gefunden  wurde,  ist  ebenso  begreiflich,  als  dort,  einzig  aus 
diesem  Grunde  nur,  die  Dauer  der  primitiven  Bewaffnung  der  Volksmenge,  selbst  noch  in 
der  Zeit  der  Feldzüge  des  Germanicus  zu  erklären  ist. 

Ist  aber  diese  abgeschlossene  Haltung  auf  eine  höhere  Vorzeit  zurückzuführen , so  darf 
sie  auch  bei  Beurtheilung  unseres  Gräberfeldes  nicht  kurzweg  übergangen  werden,  weil  die 
Beantwortung  der  Frage,  ob  sie  hier  einen  Erklärungsgrund  des  ausschliesslichen  Vorkom- 
mens von  Steingeräthen  zu  bieten  vermag,  in  Verbindung  mit  einem  Blicke  auf  die  Wege 
nnd  die  Ausdehnung  des  alten  Handels  die  einzigen  Anhaltspunkte  für  eine  annähernde 
Zeitstellung  ergeben. 

Der  Umfang  und  die  Bedeutung  des  Mittclmecrhandels  für  die  Culturverhältnisse  der 
nordischen  Stämme  ist  noch  lange  nicht  genug  gewürdigt.  Selbst  in  Bezug  auf  Gallien  be- 
gnügt man  sich  mit  einer  ganz  oberflächlichen  Darstellung,  nur  um  der  imaginären  Eigenart 
einer  keltischen  Cultur  nicht  zu  nahe  zu  treten,  obgleich  man  wissen  sollte,  dass  der  Import 
allein  von  Italien  aus.  ein  immenser  dnd  der  Verkehr  von  solchem  Umfänge  war,  dass  er 
nicht  etwa  nur  einen  Einfluss  auf  die  Umgestaltung  der  nationalen  Bitten  äusserte,  sondern 
sogar  für  die  Geschicke  des  Landes  entscheidend  wurde.  Die  Zölle  auf  dem  Arar  bildeten 
den  wesentlichsten  Grund  der  Eifersucht  und  des  beständigen  Streites  der  Sequaner  und  Hä- 
dner,  welcher  die  Berufung  des  Ariovist  und  in  deren  Folge  die  Unterjochung  des  ganzen 
Landes  durch  die  Römer  veranlasste. 

Thatsachen  dieser  Art  und  die  aus  ihnen  sich  ergebenden  Schlüsse  vermögen  freilich 
nichts  gegen  die  festgewurzelten  Ideen  und  Vorstellungen  Derjenigen,  welche,  gleich  den  Dä- 
nen, die  leer  gebliebenen  Blätter  ihrer  Landesgeschichte  mit  patriotischen  Phautasien  auszu- 
füllen streben,  oder  gegen  die  Zuversicht  jener  Herren  Geologen  und  Chemiker,  welche  die 
ganze  Culturgesehichte  aus  dem  Fundorte,  den  Lagerungsverhältnissen  und  dem  chemischen 
Gehalte  einer  Anzahl  von  Fundobjecten  oonstruiren  zu  können  vermeinen. 

Zum  Glück  verlieren  die  historischen  Ueberlieferungen  durch  diese  wegwerfende  Behand- 
lung nicht  das  Geringste  an  ihrem  entscheidenden  Gewicht,  zumal  sie  durch  das  Zeugniss 
der  Grabfunde  eine  immer  glänzendere  Bestätigung  finden. 

Wie  der  alte  Handel  in  Gallien  hauptsächlich  die  Wasserstrassen  benutzte,  so  waren  es 
auch  in  Deutschland  die  Elbe  und  der  Rhein,  welche  die  Verbindung  mit  den  Ostr  und 
Nordseeländern  vermittelten.  Während  aber  die  Elbestrasse  zu  den  Zeiten  des  Tacitus  schon 
lange  abgesporrt,  verlassen  und  beinahe  in  Vergessenheit  gerathen  war,  blieb  dem  Rheine 
bis  zum  Eintritt  römischer  Herrschaft  der  frequenteste  Verkehr,  welcher  durch  die  Aare,  den 
Bieler  und  Neuenburger  See,  theils  über  die  Alpenpässe,  theils  durch  den  Genfer  See  und 
die  Rhone  mit  Italien  in  Verbindung  stand. 

Wenn  diese  natürliche  Verkelirsstrasse  vielleicht  schon  in  ältester  Zeit  den  Export  des 
Bernsteins  stromaufwärts  vermittelte,  so  war  sie  desto  gewisser  stromabwärts  der 
Weg  für  den  frühesten  Import  südlicher  Industrie,  und  jene  über  das  Uforgebiet  zerstreuten 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim.  121 

Bronzen  eines  liocbnlterÜiümliclien  bis  jetzt  nicht  näher  bestimmten  Styls,  jene  breiten  Dolch- 
klingen und  einzelne  eigenthünilich  geformten  Erzschwerter  müssen  wolil  als  Zeugnisse  der- 
selben betrachtet  werden.  Allein  es  bleibt  auch  in  Hinsicht  auf  diese  seltenen  Fundstücke 
bemerkenswert!!,  dass  sie  auf  dem  linken  Ufer  und  nicht  in  der  Nähe  des  Stromes  selbst  zu 
Tage  kommen,  sondern  in  einer  von  seinem  Laufe  abweichenden  Linie,  die  mehr  nach  Nord- 
westen die  Richtung  einer  Strasse  andeutet,  welcher  dio  bedeutenden,  in  der  Mitte  des  Strom- 
laufs sich  häufenden  Krümmungen  desselben  zu  vermeiden  sucht.  Von  höchster  Wichtigkeit 
aber  ist  es,  dass  gerade  in  dem  Bereiche  dieser  Richtung  die  sichersten  Nachweise  einer 
Handelsverbindung  mit  dem  alten  Italien  in  einer  Reihe  der  merkwürdigsten  Funde  vor- 
liegen, welche  einen  Zusammenhang  mit  entsprechenden  Entdeckungen  in  der  Schweiz  ausser 
allen  Zweifel  stellen. 

Die  Oold-  und  Erzgcräthe  dieser  mittelrheinischen  Gräber  besitzen  in  ihrem  gleichartigen 
ganz  unverkennbaren  Style  eine  Beglaubigung  ihrer  Herkunft  und  ihres  Alters,  von  einer 
Verlässigkeit,  wie  sie  Grabfunde  späterer  Zeit  nur  durch  beiliegende  Münzen  erhalten.  Aller- 
dings bieten  jene  Geräthe  wio  solche  Münzen  nur  die  einseitige  Gewissheit,  dass  den  Funden, 
welchen  sie  angehören,  kein  höheres  Alter  als  das  von  ihnen  bezeichnet«  zugetheilt  werden 
kann,  und  cs  wäre  immerhin  die  Möglichkeit  einor  jüngeren  Zeit  der  Gräber  vorhanden, 
würde  nicht  jede  Unsicherheit  in  dieser  Hinsicht  durch  den  Umstand  beseitigt,  dass  bei 
keinem  einzigen  aller  dieser  Funde  eine  Beimischung  römischer  Bronzen,  Gefässe  und  Mün- 
zen etc.  zu  Tage  kam,  wie  solche  doch  in  dem  Boden  des  gesummten  Rheinlandcs  und  auch 
in  der  Umgebung  jener  Gräber  massenweise  zerstreut  sind. 

Mit  vollstem  Rechte  ist  deshalb  die  Entdeckung  dieser  etruskischen  Gold-  und  Erz- 
geräthe  in  solcher  Entfernung  von  ihrer  Heiinath  als  eine  der  folgereichsten  antiquarischen 
Acquisitionen  der  letzten  Zeit  zu  betrachten.  Sie  erklären  nicht  allein  die  Erscheinung  der 
übrigen  Menge  von  Bronzen,  welche  im  Bereiche  der  alten  Verkehrsstrasse  in  weit  grösserer 
Anzahl  als  auf  dem  rechten  Ufer  zu  Tage  kommen,  und  als  einfache  Waffen,  Werkzeuge  etc. 
keine  so  unzweifelhaften  Kennzeichen  eines  speciellen  Styls  bieten  können,  wio  die  Erzeug- 
nisse eines  ausgebildeten  Kunstgewerbes,  reich  verzierte  goldene  Hals-  und  Armringe,  Drei- 
fusse,  Kannen  und  Amphoren  von  trefflichster  Erzarbeit. 

Aber  auch  eine  ungleich  höhere  und  allgemeinere  Bedeutung  erhalten  diese  Funde  da- 
durch, dass  sie  die  alten  Nachrichten  über  den  Handelsverkehr  des  Südens  mit  dem  Norden 
nicht  allein  in  Bezug  der  Erzwaaren,  als  eines  wesentlichen  Theils  der  südlichen  Einfuhr,  be- 
stätigen, sondern  auch  einen  bestimmten  Ausgangspunkt  bezeichnen  und  eine  zeitliche  Be- 
stimmung derselben  zur  Seite  stellen,  die  wir  als  die  einzig  unbestreitbare  betrachten  müssen, 
welche  jenseits  der  historischen  Grenzen  in  den  Denkmalen  diesseits  der  Alpen  bis  jetzt 
gefunden  ist. 

Die  Folgerungen,  welche  sich  aus  diesen  Thatsachen  ergeben,  sind  auch  für  die  Beurthei- 
lung  unseres  Gräberfeldes  von  grosser  Wichtigkeit.  In  je  höhere  Frülizeit  die  Zeugnisse  eines 
lebhaften  Handelsverkehrs  mit  Italien  hinaufreichen,  um  so  mehr  muss  auch  die  Alters- 
bestimmung unserer  Gräber  zurückverlegt  weiden. 

Ganz  undenkbar  bleibt  eine  absichtliche  oder  zufällige  Abschliessung  einzelner  Gemein- 
den innerhalb  des  Bereichs  einer  Land-  und  Wasserstrasse  des  Handels  von  den  Ueberliefe- 

Archiv  fax  Anthropologie.  Bd.  III.  Heft  1L  16 


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L.  Lindensulunit 


rangen  desselben,  welche  ringsumher  sowohl  stromauf-  als  abwärt«  nachweisbar  sind.  Das« 
in  allen  jenen  Gräbern,  von  Monsheim  bis  Ingelheim,  nicht  der  kleinste  Rest  von  Bronze  zu 
entdecken  war,  beseitigt  jeden  Gedanken  an  eine  Gleichzeitigkeit  derselben  mit  der  Einfuhr 
jener  Erzgeräthe,  welche  in  ihrer  Umgebung  in  so  namhafter  Anzahl  gefunden  werden.  Wir 
erinnern  in  Bezug  auf  Monsheim  nur  an  den  Fund  jener  fünf  mit  Spiralen  verzierten  Hand- 
bergen bei  Blödesheim,  und  gleichartiger  Brustspangen  bei  Worms. 

Betrachten  wir  aber  unter  diesen  Bronzen  nur  jene  von  unverkennbarem  Styl  und  aus- 
gesprochenstem archaischen  Charakter,  so  müssen  wir  in  der  Erzvase  und  dem  Dreifusse  von 
Dürkheim  (dem  Zwillingsbrader  jenes  von  Vulci  in  dem  Museum  Gregorianum),  in  der  Am- 
phora von  Birkenfeld  und  der  Kanne  von  Weisskirchen  etc.  vorzügliche  Werke  tyrrhenischer 
Erzkunst  erkennen  und  erhalten  damit  für  das  Alter  des  italischen  Handels  nach  dem  Nor- 
den mindestens  das  4.  Jahrhundert1). 

Auf  eine  noch  frühere  Zeit  zwar  deutet  da«  hochalterthümliche  Relief  der  Vase  von  Gräch- 
wyl  und  der  Umstand,  dass  ein  Vorkehr  mit  barbarischen  Stämmen  nicht  wohl  durch  die 
Einfuhr  von  Erzeugnissen  eines  hochentwickelten  Kunstgewerbes,  sondern  eher  durch  Liefe- 
rung von  Werkzeugen  und  Waffen  eröffnet  wurde.  Allein  so  richtig  diese  Beobachtung  im 
Allgemeinen  bleibt,  so  wenig  vermag  sie  für  alle  einzelnen  Fälle  eine  entscheidende  Auskunft 
zu  geben.  Hier  erscheint  dagegen  die  bedeutende  Fundzahl  kunstvoller  Erzgeräthe  als  der 
sicherste  Gradmesser  für  jenen  Höhepunkt  des  Verkehrs,  welcher  allein  die  Annahme  des 
Fortbestandes  altbarbarischer  Zustände  in  seinem  unmittelbaren  Bereiche  auszusehliessen  be- 
rechtigt Bei  einer  bestimmteren  Zeitstellung  aber  für  eine  Handelsentwickelung  von  solcher 
räumlichen  Ausdehnung  und  einer  Dauer  bis  zu  römischer  Zeit  kann  doch  wohl  erst  die  Pe- 
riode nach  Wiederherstellung  friedlicher  Verhältnisse  und  lebhaften  Verkehrs  mit  den  in  Ita- 
lien eingedrungenen  nordischen  Stämmen  in  Betracht  kommen. 

Damit  gelangen  wir  zu  einer  annähernden  Zeitbestimmung  unseres  Gräberfeldes,  welches 
wir  zwar  unbedingt  vor  den  Eintritt  einer  unmittelbaren  Berührung  mit  aus- 
wärtiger Cultur,  aber  nach  den  Merkmalen  seiner  Gelasse  und  Werkzeuge  in  den  späte- 
sten Theil  dieser  dem  Metallgebrauch  vorhergehenden  Periode  stellen  müssen. 

Zu  dieser  Zeit  aber  waren  ohne  allen  Zweifel  die  nordischen  Völker  längst  schon  mit 
dem  Ackerbau  bokannt.  Zeugnisse  desselben  nicht  allein  von  der  Art  wie  die  Handinühlen 
unseres  Gräberfeldes  fanden  sich  an  den  Stätten  ältester  Niederlassungen,  sondern  auch  Reste 
verschiedener  Getreidearten,  namentlich  von  vorzüglichem  Waizen,  in  den  Pfahlbaustationen 
des  Bodensees  und  der  Schweiz,  welche  der  Zeit  ausschliesslichen  Gebrauchs  von  Steinwerk- 
zeugen angehören.  Der  Waizen  aber  kam  die  Donau  herauf  in  die  Alpen  und  damit  auch 
an  den  Oberrhein.  Uebereinstimmend  mit  dieser  Ansicht  des  Plinius  berichtet  Herodot  aus 
eigener  Beobachtung  bei  den  Donauvölkern , dass  tlirakische  und  päonische  Frauen  ihre 
Opfergaben  zugleich  mit  Waizenbündeln  der  Artemis  darbrächten.  Er  knüpft  aber  diese 
Mittheilung  an  den  Bericht  Uber  die  älteste  Kunde,  welche  den  Griechen  von  den  Völkern 
der  weit  entfernten  Mitte  des  Welttheils  zugekommen  war,  an  die  Nachricht  von  jenen  Weihe- 

Die  ganze  Reihe  dieser  Funde  archaischer  Erz-  and  Goldgeräthe  sind  in  der  Beilage  I Heft  II 
de«  II.  Bandes  der  „AHerthfimer  unserer  heidnischen  Vorzeit“  zusammengestellt.  Sic  reichen  von 
der  Schweiz  den  Rhein  abwärts  nach  Dänemark. 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim.  123 

geachenken,  welche  durch  hyperboräische  Jungfrauen  der  Artemis  Ilithyia  nach  Delos  ge- 
bracht wurden  und  welche,  als  diese  Abgesandten  nicht  in  ihre  Heimath  zurück  kehrten,  von 
dort  aus  später  in  Waizcnhalmen  verpackt  von  Volk  zu  Volke  bis  an  die  Adria  geführt  und 
von  da  in  gleicher  Weise  durch  Griechenland  bis  zur  heiligen  Insel  gelangten. 

Diese  Nachricht  entspricht  den  Zeugnissen  einer  alten  friedlichen  Verkehrsgemeinschaft 
der  binnenländischen  Völker,  welche  in  der  Verbreitung  des  Ackerbaues  sowohl  als  des 
Feuersteins,  des  Ersatzmittels  für  metallene  Schneidwerkzeuge,  sowie  in  dem  Transporte  des 
Bernsteins  durch  ganz  Germanien  bis  zur  Adria  vorliegen.  Sie  steht  weiterhin  im  vollkom- 
mensten Einklänge  mit  den  Ueberlieferungen  aus  der  Zeit  der  ersten  Versuche  von  Handels- 
verbindungen aus  Italien  nach  dem  Norden  und  Westen  über  jene  Alpenstrasse  des  Herak- 
les, nach  dem  Lande  der  Lygier  und  Kelten,  auf  welcher  der  Wanderer  aus  der  Fremde  in 
der  Obhut  der  anwohnenden  Völker  vor  jeder  Beschädigung  sicheren  Schutz  fand.  Nicht 
ohne  Grund  wohl  stimmraen  alle  die  ältesten  Nachrichten  in  der  Anerkennung  der  Gottes- 
furcht und  Gerechtigkeit  der  nordischen  Völker  Uberein. 

Wie  jene  hyperboröischen  Jungfrauen,  welche  der  Heimkehr  entsagend  bei  dem  Tempel 
der  delischcn  Artemis  zurtickblieben,  im  Leben  das  höchste  Ansehen  genossen,  nach  ihrem 
Tode  beinahe  göttliche  Verehrung  erhielten,  so  erschien  iilxärhaupt  den  Griechen  die  Hei- 
math derselben  als  das  Land  eines  geheiligten  Friedens  und  die  Hyperboräer  galten  als  die 
gerechtesten  Menschen,  genügsam  bei  ihrer  Armuth,  ohne  Trug  und  Falsch,  weil  ohne  Geld 
und  desshalb  ohne  Habsucht,  fern  von  dem  Meere,  dem  Bringer  alles  Bösen. 

Doch  mit  dem  Eintritt  und  der  Ausbreitung  des  südlichen  Handelsverkehrs  begann  eine 
langsame,  aber  tiefgehende  und  unaufhaltsame  Veränderung  dieser  Verhältnisse. 

„Schon  seit  dem  Anfang  der  historischen  Zeit“,  bemerkt  Ritter  in  seiner  Vorhalle  euro- 
päischer Völkergeschichten,  „musste  der  frühere  FriedensBchlummer  des  Nordens  mehr  und 
mehr  dahinschwinden,  und  mit  ihm  die  grosse  Zahl  alter,  frommer  Völkergemeinschaften  in 
den  Schatten  treten,  die,  an  ihren  Grenzen  gefährdet  und  aufgerieben,  unter  sich  selbst  das 
Gleichgewicht  und  das  Einverständnis«  verloren.“  Aus  dieser  feindlichen  Berührung  mit  den 
Culturstaaten  erklärter:  „im  Gegensätze  zu  der  anfänglichen  Milde  die  zunehmende  Härte 
und  Rohheit,  der  nordischen  Völker  überall  gegen  den  Bereich  der  Römerherrschaft  hin,  nach 
der  Ueberwältigung  der  Kelten  .am  Padus  und  in  den  taurinischen  Alpen,  bis  Julius  Cäsar 
am  Rliein  und  seine  Nachfolger  an  der  Donau,  Elbe  und  Weser  sengten,  brennten  und  ver- 
nichteten“. 

Fünf  Jahrhunderte  höher  hinauf  als  diese  Zeit  liegt  unsere  alte  Ansiedlung  bei  Monsheim 
und  ihr  Gräberfeld  am  Hünenstein  in  jener  Zeit,  in  welcher  der  Verkehr  diesseits  der  Alpen 
noch  auf  das  Binnenland  und  die  Beschallung  der  wichtigsten  Lebensbedürfnisse  und  des  Ma- 
terials für  die  unerlässlichsten  Werkzeuge  beschränkt  war. 

Unsere  Gräber  reichen  in  jene  Aera  der  Nordvölker,  über  welche  ihr  weit  verbreiteter 
Ruhm  der  Gerechtigkeit  und  Treue  eine  Art  von  sagenhafter  Verklärung  verbreitet,  wie  sie 
die  satumisclie  aurea  aetas  der  Griechen  und  Italiker  umgieht. 

Fehlt  auch  dem  goldenen  Zeitalter  der  Hyperboräer  eine  der  wesentlichsten  Seiten  süd- 
licher Glückseligkeit,  der  Genuss  ohne  Anstrengung,  so  war  dagegen  ihre  Zeit  des  Friedens 

16» 


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124 


L.  Lindensehmit, 


und  der  Zufriedenheit  unter  dem  Naturgebote  der  Arbeit  und  Massigkeit  von  längerer  Dauer, 
als  das  Verweilen  der  Asträa  in  Griechenland  und  Italien. 

Die  Südländer  traten  noch  in  den  Bereich  dieses  Gottesfriedens,  als  sie,  getrieben  von  den 
L'onsequenzen  einer  hochentwickelten  Cultur,  im  Interesse  ihres  Handels  und  der  Ueberpro- 
duction  ihrer  Industrie  die  Alpen  überstiegen.  Die  Denkmale  dieses  ältesten  Verkehrs  bieten 
uns  in  dem  unbegrenzten  Raum  unserer  Vorgeschichte,  wie  wir  sahen,  den  ersten  sicheren 
Haltpunkt  der  Zeitbestimmung,  von  welchem  unser  Gräberfeld  nach  den  Zeugnissen  der 
Lebens-  und  Bildungsverliältnisse  der  Bestatteten  unmöglich  so  weit,  wie  man  glaubte,  zurück- 
liegen kann. 

Fragen  wir  nach  den  Ergebnissen  unserer  Betrachtung  des  merkwürdigen  Gräberfundes, 
so  lassen  sich  dieselben  allerdings  nur  in  wenige  Sätze  zusainmenfasscn,  welche  jedoch,  wie 
wir  glauben,  einen  weiteren  Schritt  zur  Kenntniss  jenes  so  schwer  zugänglichen  Forschungs- 
gebietes bezeichnen. 

Das  Gräberfeld  von  Monsheim  zeigt  uns,  dass  die  bisherige  systematische  Eintheilung  der 
verschiedenen  Zeitalter  auf  Grund  einer  Verschiedenheit  des  Grabbaues,  in  Bezug  auf  das 
Rheinland  und  überhaupt  auf  Deutschland  unhaltbar  ist,  dass  die  Gräber  aus  der  Zeit  des 
ausschliesslichen  Gebrauchs  der  Steingcräthe  keineswegs  einzig  nur  durch  die  Hünengräber 
(Dolmens)  repräsentirt  werden,  sondern  dass  derselben  Zeit  jener  colossalen  Steinbauten  auch 
zahlreiche  Erdgräber  mit  verschiedenen  Arten  der  Bestattung  angehören,  sowohl  vereinzelt, 
als  in  “kleineren  und  grösseren  Gruppen  oder  in  förmlichen  Friedhöfen  vereinigt. 

Auch  die  Körperreste  zeigen  durchaus  keine  fremdartige  und  verschiedene  Bildung  im 
Vergleiche  zu  den  späteren  Erscheinungen  in  derselben  Gegend,  und  die  bisherige  Annahme, 
dass  das  Geschlecht  der  Steinzeit  als  ein  brachycephales  zu  betrachten  sei  im  Gegensätze  zu 
dem  dolichoccphalen  der  Grabhügel  und  Reihengräber,  hat  für  das  Rheingebiet  ihre  Geltung 
verloren. 

Wir  erhielten  weiterhin  eine  neue  wichtige  Bestätigung  der  Thatsache,  daas  die  Zeit  der 
festen  Niederlassungen  und  des  Ackerbaues  der  mitteleuropäischen  Völker  nicht  im  Mindesten 
mit  der  Einführung  der  Metalle  in  Verbindung  oder  gar  in  ein  abhängiges  Verhältniss  zu 
bringen  ist. 

Unsere  Zeitstellung  des  Gräberfeldes  ist  allerdings  nur  eine  negativ  bestimmte  in  Bezug- 
nahme auf  die  nachweisbar  ältesten  Erzgeräthe  des  Rheinlandes,  aber  auch  dieser  erst 
neuerdings  entdeckte,  wenn  auch  nur  einseitige  Anhaltepunkt  wird  bei  der  Dunkelheit  jener 
Fernzeit  und  dem  Mangel  jeder  sonstigen  Zeitangabe  immer  als  ein  Gewinn  gelten  dürfen. 
Wir  sehen  wohl  voraus,  dass  Manchem  unsere  Zeitbestimmung  als  eine  viel  zu  späte  erscheinen 
wird,  halten  es  aber  für  vergeblich,  jedenfalls  hier  nicht  geboten,  im  Voraus  schon  den  Ein- 
wiirfen  Derjenigen  zu  begegnen,  welche  tendenziösen  Vorstellungen  zu  Liebe  die  sogenannte 
Steinzeit  in  immer  entlegenere  Ferne  hinaufzurücken  bestrebt  sind.  Ohne  Voreingenommen- 
heit für  eigene  Ansicht  und  weit  entfernt  von  apodiktischen  Behauptungen  wären  wir  eher 
geneigt,  noch  einer  späteren  Zeitstellung  als  der  unserigen  Berechtigung  zuzugestehen,  sobald 
sich  für  dieselbe  bestimmte  Gründe  aus  den  Denkmalen  selbst  ergeben  und  die  jetzt  schon 
vorliegenden  Andeutungen  durch  weitere  Entdeckung  bezeichnender  Grabfunde  Bestätigung 
und  Rückhalt  erhielten. 


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Das  Gräberfeld  am  Hinkelstcin  bei  Monsheim.  125 

Nicht  aus  einer  genialen  Unterschätzung  der  ungemein  grossen  Schwierigkeiten,  aus 
einem  willkürlichen  Zusammenstellen  und  Gruppiren  der  Erscheinungen  so  wenig,  als  aus 
einer  ängstlichen  und  kleinlichen  Lösung  ihres  Zusammenhangs  auf  Grund  untergeordneter 
Verschiedenheiten,  ist  der  Gewinn  einos  Einblicks  in  so  fern  abliegende  Verhältnisse  zu 
erwarten.  Dass  eine  Aussicht  hiefUr  überhaupt  näher  geruckt  ist,  verdanken  wir  der  nach- 
drücklichen Anregung  unbefangener  und  schärferer  Beobachtung,  welche  die  Betheiligung  der 
Naturforschung  an  der  Untersuchung  unserer  vorzeitlichen  Funde  zur  Folge  hatte.  Wenn 
dieselbe  auch  bis  jetzt  noch  zu  keiner  selbstständigen,  die  Lösung  schwieriger  Fragen  entschei- 
denden Leistung  gelangte,  so  mag  sich  dies  aus  dem  Grunde  erklären,  dass  sie  noch  nicht 
vollkommen  orientirt,  sich  theilweise  in  Kreisen  von  Anschauungen  und  Vorstellungen  be- 
wegt, welche  die  antiquarische  Forschung  bereits  verlasscu  hat,  und  weil  sie  die  historischen 
Ueberlieferungen,  welche  auf  ihrem  eigenen  Gebiete  ohne  Werth  sind,  auch  bei  Beurthoilung 
von  Denkmalen  der  Geschichte  des  Monschen  entbehren  zu  köunen  glaubt  Nichtsdesto- 
weniger äussert  bereits  schon  die  Mitbetheiligung  einer  so  vielseitig  und  hochentwickelten 
Disciplin  einen  wesentlich  fördernden  Einfluss  auf  die  ganze  Art  und  Weise  antiquarischer 
Thütigkeit. 

Kühne  Griffe  sind  selten  die  glücklichen  in  der  Wissenschaft,  namentlich  der  archäolo- 
gischen; grössere  Sicherheit  des  Erfolges  bieten  hier  die  Kenntniss,  die  Beachtung  und  das 
Zusammenreihen  aller,  auch  der  unscheinbaren  Thatsachen.  Sie  fügen  Bing  an  Bing  zu  der 
Kette  von  Erfahrungen,  mit  welcher  wir  einzig  im  Stande  sind,  den  Zeitabstand  der  Denk- 
male unserer  nationalen  Vergangenheit  zu  bemessen. 


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Erklärung  der  Tafeln. 


I. 


1.  Bruchstück  eines  verzierten  Gefüsses,  schwarzer  Thon.  Die  vertieften  Linien  des  Ornaments  sind 
mit  einem  weiesen  Farbenatoff  ausgefasst.  2.  Topf  von  bräunlicher  Farbe,  unten  unregelmässig  abgerundet, 
mit  vier  kleinen  vorspringenden  Knöpfen  am  OberthciL  3.  Bruchstück  eines  schwarzen  Gelasses  mit  rauten- 
förmigen St  rieh  Verzierungen.  4.  Unten  abgerundeter  Napf  von  brauner  Farbe  mit  Zickzackverzierung.  5.  Un- 
ten abgerundetes  verziertes  Gelass  von  birnenförmiger  Gestalt  mit  nach  obenhin  abnehmender  Ausdehnung. 
Aus  grauem  Thon  mit  drei  kleinen  durchbohrten  Henkelknöpfcn.  6.  Unten  abgerundeter  Napf  aus  schwärz- 
lichem Thon  mit  einem  Ornament  von  Zickzackbogen.  7.  Bruchstück  eine»  verzierten  braunen  Tbongelässes. 
8.  Ein  solche«  von  einem  schwarzgrauen  Gelasse.  9.  Unten  abgerundeter  grauer  Topf  mit  drei  vorspringendeu 
Knöpfen  an  der  Stelle  seines  weitesten  Umfanges.  10.  Schwarzer  Napf  mit  Ziokzackornament.  11.  Braun- 
grauer Topf  mit  drei  kleinen  durchbohrten  Henkeln.  12.  Tasse  aus  grauem  Thon  mit  abgerundetem  Bo- 
den. 13.  Schwarzer  Napf  mit  weiss  a ungefasstem  Strichomament.  14.  Kleine«  schwarze«  ThongeflUs. 
15.  Bruchstück  eines  grosseren  graubraunen  verzierten  Gefässcs.  IG.  17.  Eben  solche  mit  verschiedenem 
Ornament.  18.  Eben  solche»  mit  pflanxenähn  liehen  weiss  ausgefasstem  Ornament. 


II. 

1.  Obere  und  Seitenansicht  einer  Ilammeraxt,  Kiesehchiefcr.  Das  durchgebohrte,  runde  Schaftloch  sitzt 
weit  von  der  Schneide  nahe  am  entgegengesetzten  Bande  dos  Werkzeugs.  Die  Seitenflächen  sind  ungleich, 
die  eine  nahezu  geradlinig  und  durch  einen  stumpfen  Winkel  mit  der  Schneide  verbunden,  die  andere  gleich- 
massig  flach  gewölbt.  2.  Obere  und  Seitenansicht  eines  Instrumentes  aus  rotfaem  Sandstein.  In  der  Mitte 
eine  durchlaufende  in  scharfem  Winkel  vertiefte  Rinne.  Zwei  der  gefundenen  Stücke  sind  genau  von  der- 
selben Grosso,  so  dass  ihre  Ränder  und  die  eingeschnittenen  Vertiefungen  auf  einander  passen.  3.  Obere 
und  Seitenansicht  einer  Ilammeraxt  ; Diorit.  Das  Schaftloch  sitzt  beinahe  in  der  Mitte  zwischen  Sohueide  und 
Rücken.  4.  Spanförmiges  Fcucrsteinmcsscr.  Fundort  Algesheim,  Rheinhessen.  5.  Ebensolches  kleinere. 
Monsheim.  6.  Wohlerhaltener  Holzschaft  von  einer  Form,  welche  sowohl  für  Beile  von  Erz  al«  von  Stein 
verwendet  wurde.  Aus  dem  Salzbergwerke  von  Reichcnhall.  Sammlung  dos  historischen  Vereins  für  Ober- 
bayern in  München.  7.  Axt  von  Feuerstein  mit  dem  grössten  Theil  ihre«  Holzschaftes.  Aus  dem  Platten- 
hause  eines  Grabhügels  bei  Langen  - Eichstädt.  Provinz  Sachsen.  Museum  von  Mainz.  8 und  8 a.  Hab- 
schmuck aus  Muschelschalen,  welche  zu  kleinen  Scheibohen  zugeschliflcn  und  durchbohrt  sind.  8a.  Natur- 
grosse  dieser  Muachelrmge.  Monsheim.  9.  Halsschmuck  aus  durchbohrten  Thierzähnen,  gefunden  bei  einem 
weiblichen  Skelette  in  dem  Grabhügel  bei  Langon-Eichstiidt,  bei  Nr.  7.  10.  Halsschmuck  aus  Muschelstückeu 

in  Form  roher  Berlocken,  aus  dem  Schloch  der  Schale  geschliffen  und  durchbohrt.  Monsheim.  11.  Obere 
und  Seitenansicht  einer  Harnmeraxt  aus  Kieselschiefer  mit  einer  gradlinigen  und  einer  gewölbten  Seitenfläche. 
Das  Schaftloch  beinahe  in  der  Mitte.  Monsheim^  12.  Obere  und  Seitenfläche  eines  meiste] förmigen  Werk- 
zeuges aus  Kicsclschicfer.  Monsheim.  13.  Ebensolche  Darstellung  eines  gleichartigen  Instrumentes,  mit 
dem  Versuche  einer  Durchbohrung.  Monsheim.  14.  Flache  keilförmige  Steinaxt  aus  Diorit,  der  breiten 
Schneide  gegenüber  ip  eine  Spitze  auslaufend.  Monsheim.  15.  Ebensolche  beinahe  gleichbreite  flache  Axt. 
Monsheim.  IG.  Einfache  Handmühle  oder  Reib«tein  für  Getreide  aus  rothem  Sandstein.  Monsheim. 


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VIII. 


Einige  Bemerkungen  über  die  Skeletreste  aus  den  im  vor- 
stehenden Aufsatz  beschriebenen  Grabstätten  beim  Hinkel- 
stein unweit  Monsheim  und  bei  Oberingelheim. 

Von 

A.  Ecker. 

(Hierzu  Tafel  III  und  IT.) 


A.  Die  Skeletreste  aus  den  Gräbern  beim  Hinkelstein  unweit  Monsheim. 

(Tat  III,  1-5  und  Taf.  IV,  6.) 

Die  von  meinem  verehrten  Freunde  Lindenschmit  mir  übergebenen  Reste  aus  diesen 
Gräbern  sind  mit  den  Nummern  1,  n,  III,  IV’  bezeichnet. 

Nr.  I besteht  aus  einer  ziemlich  gut  erhaltenen  Schädeldecke,  kleinen  Bruchstücken  der 
Gesichtsknochen,  nebst  Zähnen,  und  Fragmenten  von  Röhrenknochen. 

Nr.  II  aus  den  Fragmenten  des  grösseren  Theils  einer  Schädeldecke,  die  jedoch  nicht 
mehr  vollständig  und  fest  zusammengefügt  weiden  konnten. 

Mit  Nr.  III  ist  ein  einzelnes  Stirnbein  bezeichnet,  mit  Nr.  IV  eine  Anzahl  Fragmente 
eines  Hinterhauptbeins  und  der  Scheitelbeine. 

Sämrntliche  Knochen  waren,  als  ich  sie  erhielt,  schon  mit  Leim  getränkt,  und  hatten  da- 
durch eine  gewisse  Festigkeit  erhalten. 

Vorher  waren  sie,  wie  mir  Lindenschmit  schrieb,  durch  Verlust  animalischer  Substanz 
so  zerbrechlich,  dass  sie  kaum  transportabel  gewesen  wären. 

Die  Oberfläche  aller  Knochen  sieht  sehr  zerfressen  aus  und  ist  von  zahlreichen  Rinnen  und 
Vertiefungen  durchzogen,  so  als  wenn  zahlreiche  Wurzeln  darüber  verlaufen  wären,  die  durch 
Substanzaufnahme  aus  dem  Knochen  Eindrücke  hervorbrachten,  oder  wenn  zahlreiche  Strömchen 
von  kohlensäurehaltigem  Wasser,  die  darüber  hingeflossen,  den  Kalk  aufgelöst  hätten’). 
Jedenfalls  hat  wohl  ein  beträchtlicher  Verlust  auch  an  mineralischer  Substanz  stattgefunden. 

')  E«  ist  offenbar  dies  dieselbe  Beschaffenheit  der  Knocbenoberflicho,  wie  sie  Schaaffhausen  (Berichte 
über  die  Verb,  der  niederrheinischen  Gesellschaft  für  Katars  and  Heilkunde,  Sitzung  vom  ff.  December  1864) 
an  einem  alten  germanischen  Sekidel  von  Niederingelheim  beschrieben  bat.  Er  sagt  dort:  „Der  Beachtung 


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128 


A.  Ecker, 


Nr.  L (Taf.  KI,  Fig.  1,  2,  3.)') 
a)  Schädeldeckc. 

Dieselbe  besteht  aus  dem  Stirnbein  mit  einem  Theil  der  Nasenbeine,  den  Scheitelbeinen, 
der  Hinterhauptsschuppe  nebst  einem  Theil  des  rechten  Schläfenbeins. 

Die  Form  ist  schmal  und  lang  gestreckt,  die  Stirne  schmal,  aller  ziemlich  hoch.  Die  Arcus 
superciliares  ragen  stark  hervor  und  Messen  in  der  Mitte  zu  einem  erhabenen  Wulst  zusam- 
men, welcher  von  der  Nasenwurzel  durch  einen  tiefen  Einschnitt  abgegrenzt  ist.  Seitlich 
gehen  dieselben  unmittelbar  in  die  margines  supraorbitales  über.  Die  Stimhöcker  ziemlich 
flach.  Die  Scheitelbeine  lang,  flach,  die  Scheitelhöcker,  wenn  auch  schwach,  wahrnehmbar. 
Das  Planum  temporale  von  der  Linea  temporalis  an  ziemlich  senkrecht  abfallend.  Das  Hinter- 
haupt zugespitzt,  viereckig,  die  Spina  occipitalis,  sehr  ausgcbildet,  setzt  sich  seitlich  in  die 
obere  Nackenlinie,  abwärts  in  die  Crista  occipitalis  externa  fort,  und  bildet  sö  einen  drei- 
eckigen Knochenkamm  von  der  Form  eines  Y.  Der  vorragendstc  Punkt  de.s  Hinterhaupts 
liegt  erbeblich  über  dieser  Spina. 

Die  Schädelnähte,  wenig  gezackt,  sind  alle  offen ; in  der  Lambdanaht  befinden  sich  Naht- 
knochen. 


M a a s s e. 

Conti  m. 


Längen.  1.  Grösste  Länge 18,8 

2,  Länge  des  Schädelgewölbes 37 

Stirnbogen  . 13 

Sehne  desselben 11,1 

Scheitelbogen 13 

Sehne  deaselben 11,1 

Hinterhauptsbogen 11 

Sehne  desselben 9,0 

(nicht  ganz  zu  messen,  weil  der  Hinterrand 
des  For.  magnum  fehlt.) 

Breiten.  3.  Grösste  Breite 13,5 

4.  Stirnbreite,  kleinste 9,6 

grösste  11,1 


werth  sind  auf  der  Auasensoite  des  Schädels  durcheinanderlaufende  verästelte  Rinnen,  welche  dadurch 
entstanden  sind,  dass  die  "Wurzeln  von  Pflanzen  den  Knochen  dnreh  Ausscheidung  einer  Säure,  welche  den 
Kalk  auflhst,  benagt  haben.  Diese  Erscheinung,  von  den  Flechten  längst  bekannt  und  von  Professor 
Sachs  für  verschiedene  Pflanzen,  die  er  über  polirten  Steinflächen  wachsen  liees,  festgestellt,  wird 
hänfig  an  alten  Schädeln  beobachtet;  nicht  aelten  findet  man,  wie  in  diesem  Falle,  die  Wurzeln  noch  in  den 
Kinnen  liegend“. 

')  SJlmmtliche  Zeichnungen  »ind  mit  dem  Lucae’schen  Apparat  anfgenommen  und  auf  ■/,  nat.  Gr.  ver- 
kleinert 


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Skeletreste  vom  Hinkelatein. 


129 


Centim. 

* 5.  Abstand  der  Stirnhöcker 6,9 

6.  Scheitelhijckerbreite 

a)  Bogen 13,0 

b)  Sehne 12,3 

7.  Breite  der  Scheitelbeine  (von  Mitte  des  Pfeil- 

randes, zur  Mitte  des  Schuppenrandos) 

a)  Bogen 12,5 

b)  Sehne 10,6 

8.  Länge  der  Scheitelbeine  (von  Mitte  des 

Kranzrandes  zur  Mitte  des  Lambdarandes 

a)  Bogen 14,2 

b)  Sehne 13,0 

Verhalten  der  Sehne  zum  Bogen  = 100  : 109,2 

9.  Hinterhauptsbreite  (am  Lambdawinkel  ge- 

messen)   11,0 

Sehne  dieses  Bogons 10,6 

Circumferenz  circa 52,0 

(wegen  des  Defects  der  Schläfengrube  nicht  mit  voller 
Sicherheit  zu  mosson) 

Index 71,8 


b)  Gesiebt. 

Von  den  Gesichtsknochen  ist  vorhanden:  ein  Stück  dos  Unterkiefers  (Kinn  mit  einem 
kleinen  Theil  der  horizontalen  Aeste),  das  auf  einen  ziemlich  kleinen  schmalen  Unterkiefer 
schliessen  lässt.  Die  Zähne  sind  klein,  ziemlich  stark  abgeschliffen;  der  Schmelz  sehr  zerfressen 
und  rauh  wie  die  Knochen. 


c)  Sonstige  Skeletreste. 

Von  den  übrigen  Knochen  des  Skelets  liegt  noch  vor  die  linke  Tibia  (Mittelstück  ohne 
Gelenkcnden)  und  ein  Fragment  vom  linken  Femur,  ebenfalls  ohne  Gelenkenden,  beide  nicht 
gross  und  stark. 

Nr.  IL  (Tafel  IH,  Fig.  4.  Tafel  IV,  Fig.  6.) 

Nr.  II  besteht  nur  aus  einigen  Fragmenten  des  Schädelgewölbcs,  nämlich  dem  gröss- 
ten Thoil  der  beiden  Scheitelbeine,  dem  grosseren  Theil  der  Schuppe  des  Hinterhauptsbeins 
und  einem  grösseren  Theil  der  Pars  frontalis  des  Stirnbeins  (Pars  nasalis  und  Partes  orbita- 
les fehlen),  ferner  einem  Theil  des  linken  Schläfenbeins.  Die  Knochen  sind  noch  fast  in  einem 
höheren  Grade  als  bei  Nr.  I verwittert  und  haben  erst  durch  Tränkung  mit  Leim  so  viel 
Halt  bekommen,  um  zusammengefügt  werden  zu  können ; jedoch  war  diese  Vereinigung  wegen 
der  Verwitterung  und  der  hiedurch  bedingten  Abstumpfung  der  Nahtränder  nur  zum  Theil 
ausführbar. 

Archiv  fUr  Anthropologie.  Bd.  HI.  Heft  IL  17 


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130 


A.  Ecker, 


Insbesondere  war  die  Verbindung  der  Scheitelbeine  mit  dgm  Stirnbein  einerseits  und 
dem  Hinterhauptsbein  andererseits  nicht  mit  Sicherheit  herzustellen.  Die  Knochen  sind  ziem- 
lich dick,  der  Dickendurchmesser  des  Stirnbeins  beträgt  z.  B.  9 Millim. 

Der  Schädel  lang  gestreckt,  jedoch  etwas  breiter  als  der  vorhergehende,  was  jedoch  sehr 
wohl  auf  Rechnung  der  nur  unvollkommen  möglichen  Znsammenfügung  kommen  mag,  und 
flacher.  Das  Stirnbein  ist  schmal,  insbesondere  die  Tubera  frontalia  nahe  beisammen  liegend. 
Der  aufsteigende  Theil  des  Stirnbeins  ist  nieder  und  geht  bald  und  ziemlich  plötzlich  in  den 
fliehenden,  mehr  horizontalen  Theil  über  (weibliche  Form). 

An  den  Scheitelbeinen  ist  der  obere  flache  Scheiteltheil  von  dem  unteren  abfallenden 
Schläfentheil  in  der  Linea  temporalis  ziemlich  scharf  abgesetzt,  die  Tubera  sind  deutlich;  am 
Hinterhaupt  ist  die  Spina  occipitalis  sehr  deutlich  und  setzt  sich  wie  bei  Nr.  1,  einen  Y för- 
migen Kamm  bildend,  in  die  Linea  nuchae  sup.  und  Crista  occipitaliB  externa  fort. 

Maasae. 


Centim. 


Grösste  Länge 18,1 

Grösste  Breite 13,8 

Index 76,2 


Nr.  III.  (Taf.  III,  Fig.  5)'). 

Nr.  III  ist  der  grossere  Theil  eines  sehr  verwitterten  Stirnbeins.  Dasselbe  ist  schmal, 
die  Arcus  superciliares  stossen  in  der  Mittellinie  über  der  Nasenwurzel  in  einem  Wulst  zu- 
sammen. Die  Tubera  frontalia  sind  nicht  wahrnehmbar,  die  Stirn  erhebt  sich  gegen  die  Mittel- 
linie etwas  kammförmig,  der  Stirnbogen  misst  12  Millim,  die  Sehne  desselben  10,8;  dos  Stirn- 
bein ist  daher  in  sagittaler  Richtung  sehr  flach. 

Nr.  IV.  Die  Fragmente  von  Nr.  IV  sind  zu  einer  Formbestimnmng  des  Schädels  nicht 
mehr  zu  verwerthen. 

Ausserdem  waren  noch  einige  sehr  verwitterte  Reste  von  Säugethierknochen  (Mittelstücke 
von  Röhrenknochen),  wahrscheinlich  vom  Rind,  vorhanden. 

Dass  die  Fragmente  von  Nr.  I,  II,  III,  so  weit  überhaupt  der  Vergleich  möglich  ist,  in 
der  Hauptsache  in  ihrer  Form  übereinstimmen,  geht  aus  den  vorstehenden  Beschreibungen  zur 
Genüge  hervor.  Die  schmale  und  langgestreckte  Form  des  Schädels,  die  Bildung  der  Stirn, 
die  Form  des  Hinterhaupts  ist  im  Wesentlichen  die  gleiche.  Der  Schädel  Nr.  II  entspricht 
in  allen  wichtigen  Punkten  dem  als  Nr.  I beschriebenen ; die  etwas  grössere  Flachheit,  der 
winklige  Uebergang  von  Stirn  in  Scheitel,  das  Nahbei.samtnenliegcn  der  Tubera  frontalia 
könnten  wohl  durch  das  Geschlecht  — der  Schädel  scheint  ein  weiblicher,  — hervorge- 
brachte Modificationen  sein. 

Das  Stirnbein  Nr.  III  entspricht  entschieden  dem  von  Nr.  I.  und  wir  dürfen  daher  wohl 
’i  Die  Ansicht  ist  von  vom  und  unten  angenommen. 


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Skeletreste  vom  Hinkelstein. 


131 


annehmen,  dass  die  Schädel  ans  den  Gräbern  beim  Hinkolstein,  deren  Fragmente  wir  im  Vor- 
gehenden beschrieben,  einem  und  demselben  Typus  angehören. 

B.  Schädel  aus  den  Grabstätten  bei  Oberingelheim.  (Taf,  IV,  Fig.  7,  8,  9.) 

Der,  was  die  Beschaffenheit  der  Knochen  betrifft,  wohl  erhaltene  Schädel  besteht 

1)  aus  der  Schädelkapsel,  nämlich  Stirnbein,  Scheitelbeinen,  dem  grössten  Theil  des 
Hinterhauptsbeins  und  einem  Theil  der  Schläfenbeine, 

2)  einem  Theil  des  Gesichts,  nämlich  dem  Unterkiefer,  Oberkiefer  (ohne  Processus 
frontales)  und  dem  linken  Jochbein. 

Der  Schädel  ist  stark,  mit  starken  Muskelfortsätzen  versehen,  offenbar  männlich.  Die 
Nähte  alle  offen,  die  Zähne,  mit  Ausnahme  des  noch  unversehrten  letzten  Backzahns,  nur  mas- 
sig abgeschliffen. 

An  dem  Schädel  fällt  sofort  eine  beträchtliche  Breitenentwicklung  auf;  er  ist  bei  gleicher 
Länge  wie  der  llinkelsteiner  Nr.  I (18,8  Centim.)  viel  breiter  (15,4  Ccntim.),  und  entschieden 
eurycephnl  (Aeby)  zu  nennen.  Diese  Breite  trifft  namentlich  die  Gegend  der  Tubera  parie- 
talin, nach  der  Stirn  zu  verschmälert  er  sich  dagegen  nicht  unbedeutend  und  es  stellt  daher 
die  Norma  verticalis  ein  sehr  deutliches  ziemlich  breites  Oval  dar.  Dabei  ist  der  Schädel 
hoch.  Die  Stirn  ist  ziemlich  niedrig,  vor  derselben  steigt  die  Schädelwölbung  ganz  alltnälig 
auf  bis  zur  Mitte  der  Scheitelbeine,  von  wo  sie  in  einer  flachen  Ebene  bis  zum  vorstehendsten 
Punkte  des  Hinterhaupts  abfallt.  Dio  Stirnhöcker  sind  deutlich,  die  Sinus  frontales  gross, 
die  Arcus  superciliares  stark,  in  der  Mitte  zusammenfliessend.  Die  Scheitelbeine  sind  in  ihrer 
Mitte  in  sagittaler  Richtung  stark  gekrümmt,  wie  insbesondere  aus  der  Vergleichung 
der  Maasse  20  a und  b mit  den  Maassen  Nr.  8 a und  b bei  Schädel  I hervorgeht  und  aus 
der  Zeichnung  der  Norma  lateralis  erhellt.  Während  nämlich  bei  ersterom  Schädel  die  Längs- 
krümmung  der  Scheitelbeine  zur  Sehne  dieses  Bogens  sich  wie  109,2  zu  100  verhält,  ist  dieses 
Verhältnis«  hier  = 112,9  zu  100.  Dio  Tuber»  parietalin  stark  vorstehend,  eckig;  das 
Hinterhaupt  wohl  entwickelt;  die  Norma  occipitalis  bildet  ein  breites  Viereck  mit  oberer 
flach  gewölbter  Seite.  Was  das  Gesicht  betrifft,  so  ist  der  Unterkiefer  kräftig,  jedoch  nicht 
breit,  so  dass  sich  wohl  das  Gesicht  nach  unten  sehr  verschmälert  haben  muss.  Die  Processus 
alveolares  haben  eine  sehr  orthognathe  Stellung. 


Maasse. 

A)  im  Ganzen. 

C«nUm . 


1-  Grösste  Länge 18,8 

2.  Grösste  Breite 15,4 

3.  Länge  des  Schädelgewölbes 38,0 

4.  Index 81,9 

5.  Ganze  Höhe 13,7 

17» 


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132 


A.  Ecker, 


Centim. 

6.  Aufrechte  Höhe 14,5 

7.  Horizontale  Circumferenz 54,0 

8.  Breite  der  Schädelbasis  zwischen  den 

Jochleisten  oberhalb  der  äusseren  Ge- 
höröfTnung  gemessen . 12,7 

9.  Querumfang  oder  Bogen  zu  dieser  Sehne  35 

B)  im  Einzelnen. 

I.  Vorderhaupt, 

Centim. 


10.  Stirnbogen 13,0 

11.  Sehne  desselben 11,1 

12. -  Kleinste  Stirnbreite 10,4 

13.  Grösste 12,5 

14.  Bogen  der  letzteren  (horizontaler  Stirn- 

bogen) 18 

15.  Stirnhöckerabstand 6,5 

16.  Höhedes  Vorderhaupts  (Weisbach)  vom 


vorderen  Rand  des  For.  magnum  zur 
Verbindung  von  Kranz-  und  Pfeilnaht  12,8 


II.  Mittelhaupt. 

Centim. 

17.  Scheitelbogen 13,0 

18.  Sehne  desselben 11,5 

19.  Scheitelbreite  (Entfernung  der  Scheitcl- 

höckcr  von  einander) 

a)  Bogen 13,0 

b)  Sehne 11,2 

20.  Länge  der  Scheitelbeine  (von  der  Mitte 

des  Kranzrandes  zur  Mitte  des  Lambda- 
randes) 

a)  Bogen 14,0 

b)  Sehne 12,4 

Sehne  zum  Bogen = 100  : 112,9 

21.  Breite  der  Scheitelbeine  (von  der  Mitte 

des  Pfeilrandes  zur  Mitte  des  Schuppen- 
randes) 

a)  Bogen 13,0 

b)  Sehne . 11,2 


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Skelctreste  vom  Hinkelstein. 


133 


Ccntim. 

22.  Scheitelhöckerhöhe  (Weisbach)  zwischen 

Tub.  par.  und  Spitze  der  Pr.  mast.  . . 11,9 

23.  Distanz  zwischen  Stirn-  u.  Scheitelhöckern 


a)  Bogen 13,9 

b)  Sehne 13,5 

111.  Hinterhaupt. 

24.  Hinterhauptsbogen 12 

a)  des  Interparietalbeins 7,6 

b)  des  Recept.  cerebelli 4,4 

25.  Sehne  des  Hinterhauptsbogens 7,7 

a)  des  Interparietalbeins 7,2 

b)  des  Recept.  cerebelli 4,1 

26.  Länge  des  Hinterhaupts,  an  der  geome- 

trischen Zeichnung  gemessen  (His)  . 9,2 

27.  Breite  des  Hinterhaupts 

a)  nach  Ecker 13 

b)  nach  Weisbach 13,5 

28.  Bogen  zur  letzteren  Sehne  (querer  Hinter- 

hauptsbogen, Weisbach)  13,0 

29.  Hinterhauptshöho  (vom  vorderen  Rand 

des  For.  magn.  zur  Verbindung  von 
Pfeil-  und  Lambdanaht) 11,1 


C.  Sohädel  von  N iederingelheim. 

An  die  vorstehende  Beschreibung  der  Schädel  vom  Hinkelstein  und  Oberingelheim  will 
ich  jene  anschliessen,  welche  Professor  Schaaffhausen1)  in  Bonn  von  einem,  in  den  Grä- 
bern von  Niederingelheim,  welche  mit  denen  beim  Hinkelstein  congruent  sind,  in  Begleitung 
von  Steinwaffen  und  meist  ungebrannten  Thongefassen  aufgefundenen  Schädel  gegeben  bat. 
Diese  Gräber  wurden  auf  dem  alten  Rheinufer,  etwa  25  Fuss  über  der  jetzigen  Thalebene 
und  etwa  '/,  Stunde  vom  Strom  beim  Roden  eines  Tannenwaldes  aufgedeckt.  Der  Schädel 
war  vollständig,  die  übrigen  Gebeine  jedoch  so  mürbe,  dass  nichts  davon  erhalten  werden 
konnte.  Professor  Schaaffhausen  giebt  Folgendes  über  denselben  an:  „Der  Schädel  ist, 
wiewohl  er  einem  niederen  Typus  angehört,  nicht  unedel  geformt,  er  ist  dem  vielbesprochenen 
Engisschadel  ähnlich,  doch  ist  an  diesem  die  Stirn  besser  gebildet,  die  Hinterhauptsschuppe 
mehr  vorspringend  und  nach  oben  mehr  zngespitzt,  der  Scheitel  in  der  Mitte  weniger  kiel- 
förmig  gehoben;  bei  beiden  erscheint  wegen  der  vorspringenden  Scheitelhöcker  die  Ansicht  des 
Hinterhaupts  im  Umriss  als  ein  Fünfeck.  Er  ist  185,5  Millim.  lang  und  135,5  Millim.  breit*); 


*)  L.  ».  o.  — *|  Indes  also  = 73,0. 


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184  A.  Ecker, 

der  Engissehädel  erscheint  fast  ebenso  breit  und  8 Millimeter  länger,  wenn  man  die 
Maasse  des  Gipsausgusses  um  3 — 1 Millimeter  verkleinert;  bei  beiden  fallt  die  grösste 
Breite  zwischen  die  Scheitelhöcker.  An  dem  Germaneuschädel  lassen  seine  von  den  Seiten 
zusammengedriickte  Gestalt,  die  Dicke  der  Hirnschaale,  das  schmale  Stirnbein,  die  kiel- 
förmige  Erhebung  der  Scheitelgegend,  die  einfachen  wenig  gezackten  Schädelnähte,  die  lange 
dem  Stirnbein  sehr  genäherte  Schläfonschuppe,  deren  oberer  Rand  ziemlich  gerade  verläuft, 
die  gewölbte  Qlabelta,  in  der  die  Augeubrauenbogen  verschmelzen,  das  etwas  prognathe  Ge- 
biss mit  grossen  unversehrten  Zähnen,  das  tief  ausgehöhlte  Gaumengewölbe,  das  längliche 
Hinterhauptsloch,  und  endlich  der  massive  Unterkiefer  mit  dem  fast  gerade  aufsteigenden 
breiten  und  kurzen  Ast,  dessen  Fortsätze  fast  gleich  hoch  sind,  den  rohen,  mehr  ursprüng- 
lichen Bildungstypus  erkennen,  wie  er  uns  von  den  alten  Skaudinaven,  den  Gelten  und  Briten 
bekannt  ist  und  zum  Theil  in  höherem  Grade  bei  den  heutigen  Wilden  begegnet"1)-  Es  sind 
als«  mit  Ausnahme  des  Oberingelheimer  durchweg  schmale  und  lange  Schädel,  welche  sich 
in  den  vorgenannten  Gräbern  der  Steinzeit  gefunden  haben.  Ihr  Index  stellt  sie  alle  drei 
unter  die  Dolichocephalen  und  zwar  den  Hinkelstoiner  I und  Nioderingelheimer  unter  die  ex- 
quisiten (Index  unter  75),  den  Hinkolsteiner  II  (Index  76),  der  übrigens  wie  oben  bemerkt 
nicht  vollkommen  massgebend  sein  kann,  unter  die  Sub- Dolichocephalen.  Vor  nicht  sein- 
langer  Zeit  wäre  dieser  Befund  wohl  noch  sehr  angczweifelt  worden,  heutzutage  ist  dies  nicht 
mehr  möglich. 

Bekanntlich  hat  zuerst  Nilsson5),  nachdem  er  bei  Durchmusterung  der  alten  Gräberfunde 
Schwedens  gefunden  hatte,  dass  in  den  ältesten  Gräbern,  — in  der  Periode  der  Steinwerk- 
zeuge — nur  kurze  und  breite  Köpfe  Vorkommen,  die  denen  der  Lappen  ähnlich  sind,  und 
nachdem  sich  aus  historischen  Nachrichten  über  Schweden,  den  Ortsnamen  etc.  ergeben  hatte, 
dass  die  Lappen  oder  ein  ihnen  verwandtes  Volk  ehemals  weit  über  Schweden  verbreitet 
waren,  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  ein  brachycephales  Urvolk  — das  Steinvolk  — zuerst 
den  Boden  dieses  Landes  eingenommen  hat,  welches  dann  durch  ein  eingewandertes  doli- 
chocephales  — Bronzevolk  — verdrängt  worden  sei. 

Auch  in  Dänemark  und  Grossbritannien  wurden  ähnliche  Funde  gemacht  und 
nachdem  die  Nilsson’sche  Ansicht  noch  durch  Retzius5)  unterstützt  worden  war,  beeilt« 
man  sich  auch  in  Frankreich  und  Deutschland  dieselbe  anzunehmen,  und  es  galt  bald  als 
ein  Glaubenssatz,  dass  Europa  — vor  der  Ankunft  der  der  Annahme  nach  aus  dem  Osten 
eingewanderten  indo-europäischen  dolichocephalen  Ra<,en  — von  einer  autochthonen  brachy- 
cephalcn  Ra<;e  bewohnt  war. 

Wohl  die  gewichtigsten  Bedenken  gegen  die  Unumstösslichkeit  dieses  Satzes  wurden 


b In  einer  neueren  Arbeit  (Ueber  germanische  Grabstätten  am  Rhein)  in  den  „Jahrbüchern 
des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande  XLIV  und  XLV,  1868,  pag.  114",  giebt 
Professor  Schaaffhausen,  der  die  Gefälligkeit  batte,  mir  die  betreffende  Stelle  miuutheiten,  Folgendes  über 
diesen  Schädel  an:  „Dieser  Schädel  erinnert,  wiewohl  er  nicht  sehr  prognath  ist,  doch  durch  zahlreiche  Merk- 
male, aeine  lange  und  schmale  Form,  die  Dicke  seiner  Knochen,  seine  grossen  Zähne,  die  mehrfachen  Wur- 
zeln der  kleinen  Backzähni*,  den  abgerundeten  vorderen  Rand  des  Bodens  der  Nasenhöhle  und  die  wenig  zu- 
gespitzte  Ifinterhnuptsscbuppe  an  den  niedrigsten  Typne  des  Schädelhanes  der  heutigen  Wilden,  und  weicht 
durch  diese  Eigenschaften  von  den  bekannten  Formen  des  Gcrmaneuschädels  bedeutend  ah".  — fl  Skandina- 
vien Nordens  t r-invinare.  l-und  1538 — 184S.  — 5)  Retzius,  ethnologische  Schriften.  Stockholm  1864,  S. 20. 


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Skeletreste  vom  Hinkelstein.  135 

von  Broca1 * *)  erhoben,  welcher  Gelegenheit  erhielt,  die  Schädel  der  Basken  sorgfältig  zu 
studiren. 

Dass  die  Basken  in  der  That  die  Abkömmlinge  einer  uralten  Ra<;e  sind,  ist  wohl  nicht  zu  be- 
zweifeln. Ihr  wohl  ausgeprägter  Typus,  ihre  Abgeschlossenheit  im  Gebirge,  ihre  Sprache,  die 
mit  den  indo-europäischen  nichts  gemein  hat,  ja  von  allen  bekannten  europäischen  Sprachen 
abweicht,  nöthigen  zur  Annahme,  dass  sie  der  letzte  Rest  einer  Ra^e  sind,  die  vor  der  angenom- 
menen Einwanderung  der  Indo-Europäer  vorhanden  war.  Mit  dieser  Annahme  stimmte  es  sehr 
wohl,  dass  Retzius»),  gestützt  auf  die  Untersuchung  zweier  angeblichen  Baskenschädel  die- 
selben fiir  brachyoephal  erklärte,  eine  Behauptung,  die  bald  allgemein  angenommen  wurde. 
Bei  der  Bedeutung  dieser  Thatsaclie  flir  die  oben  erwähnte  von  Nilsson  aufgestellte  Theorie 
war  eine  auf  reichlicheres  Material  gestützte  Untersuchung  ein  grosses  Desiderat  und  der 
eifrige  Secretär  der  anthropologischen  Gesellschaft  von  Paris  unterzog  sich  derselben  mit  dem 
glänzendsten  Erfolg.  — Aus  dem  Kirchhof  eines  kleinen  abgelegenen  rein  baskischen  Dorfes  in 
Guipuscoa  erhob  er  gegen  60  Schädel,  deren  Untersuchung  gerade  das  Gegentheil  von  dem 
Erwarteten,  nämlich  die  entschiedene  Dolichocephalie  der  Basken  ergab  4). 

Ein  weiterer  Widerspruch  gegen  die  Generalisirung  der  Nilsson’schen  Aufstellung 
wurde  durch  Thurnam  erhoben4 5),  derselbe  fand  in  den  alten  britischen  Gräbern  die  Reste 
von  zweierlei  Volksstämmen,  einem  brachycephalen  und  einem  dolichoceplialen.  Die  dolicho- 
cephalen  Schädel  finden  sich  vorzugsweise  in  den  sogenannten  Hünenbetten  (long  barrows), 
die  ausschliesslich  Steinwerkzeuge  enthalten,  während  die  ersteren  in  den  sogenannten  round- 
barrows,  die  stets  neben  Stein  auch  Bronzewerkzeuge  enthalten,  Vorkommen.  Thurnam 
schlieast  daraus,  dass  in  England  die  dolichocephale  Race  der  brachycephalen  voranging. 

Heutzutage  ist  man,  auf  eine  Untersuchung  aller,  auch  der  ältesten  Kunde  gestützt,  wohl 
ziemlich  allgemein  der  Ansicht,  dass  schon  von  den  ältesten  Zeiten  an  zweierlei  Ra^enformen 
des  Schädels,  eine  dolichocephale  und  eine  brachyccphalc,  Vorkommen,  und  es  hat  diese  An- 
sicht auch  in  dem  voijährigen  internationalen  anthropologischen  Congress  zu  Paris  *)  ihren  Aus- 
druck gefunden.  Ob  eine  dieser  beiden  und  welche  als  die  primitive  zu  betrachten  sei,  dar- 
über hat  man  sich  wie  es  scheint,  nicht  vereinigen  können. 

Vergleichen  wir  nunmehr  unsere  Schädel  vom  Hinkelstein,  zu  welchen  wir  wohl  auch 
noch  den  Niederin gelheimer  hinzunehmen  dürfen,  mit  anderen  analogen  Typen,  so  sind  es  vor 
allem  die  Schädelformen,  welche  man  nacheinander  aLs  Hohbergform  (His),  als  Reihen- 
gräberform  (Ref.),  germanische  Form  (Holder)  beschrieben  hat,  in  denen  wir  ihre 
nächsten  Verwandten  zu  suchen  haben.  Es  ist  dies,  wie  sich  immer  mehr  herausstellt,  die 
dem  germanischen  Stamm  (Gothen,  Franken,  Burgunder,  Scandinavern  etc.)  eigenthlimliche 


1)  Bulletins  de  1»  eociete  d'Anthropolofrie  de  Paris.  T.  III,  1862.  S.  570.  — 2j  L.  c.  S.  62.  — 3)  Itroca 

(1.  c.)  unterscheidet  bekanntlich:  1)  reine  Dolichocephaleu  (Index  unter  75).  2)  Sub-Polichocephaten 

(Index  75—77,  77).  8)  Mesatioephalen  (Index  77,  77 — 80).  4)  Sub-Braohycephalen  (Index  80—85)  nnd 
5)  Reine  Brachycephalen  (Index  über  85).  Von  Nr.  1 fanden  sich  unter  den  Baskenechadeln  15  Proc., 

von  Nr.  2 33  l’roc.,  von  Nr.  3 31  Proc.,  von  80—83,24  20  Proc.  und  endlich  über  83,24  0 Proc. 
— 4)  Thurnam  on  the  twn  principal  forme  of  ancient  british  and  gaulish  skulls.  Separatabdruck  aus  den 
memoire  of  the  anthropological  Society  of  London.  Yol.  I,  siehe  auch  dieses  Archiv,  Bd.  I,  8.  281.  — 

5)  S.  Mortillot-  Matdriaux  pour  l’histoire  positive  et  philoeophique  de  Ifiommr.  1867.  Septembre  et  Oo- 
tobre,  Nr.  0 et  10,  8.  383  u.  If. 


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136 


A.  Ecker, 


Form,  die  sich  heutzutage  freilich  rein  nur  noch  in  den  am  wenigsten  gemischten  scandina- 
vischen  Völkern  erhalten  hat  Ich  halte  die  Schädel  vom  Hinkelstein  daher  für  altgerma- 
nisebe  und  stimme  in  dieser  Deutung  mit  der  Schaaffhausen’schen  des  Niederingelheimer 
Schädels  Uberein ').  Dass  wir  diese  Form  hier  in  Gräbern  mit  Steinwerkzeugen  und  später  in 
solchen  mit  eisernen  finden  wird  nur  dem  auffallen  können,  der  von  der  Ansicht  befangen  ist, 
dass  mit  bestimmten  Perioden  (Stein,  Bronze  etc.)  jeweils  auch  verschiedene  Völker  in  Beziehung 
stehen  müssten.  Allerdings  wird  da  die  Frage  entstehen,  wie  es  kam,  dass  diese  gleiche  germa- 
nische Form  sich  in  diesen  alten  Gräbern  der  Steinzeit,  die  Lindenschmit  circa  500  Jahre 
vor  Christus  setzt,  und  in  den  Reihengräbern  des  fünften  bis  achten  Jahrhunderts  nach  Christus 
findet,  während  in  den  dazwischen  liegenden  Hügelgräbern  sie  seltener  ist.  Sollte  dies  viel- 
leicht ein  Resultat  der  in  diese  Zeit  fallenden  römischen  Herrschaft  und  ihrer  Folgen  sein! 

Was  nun  aber  den  Schädel  von  Oberingelheim  betrifft,  so  weicht  dieser,  wie  aus  seiner 
Beschreibung  erhellt,  in  einem  Hauptzug  von  denen  der  Hinkelsteiner  Gräber  und  detu 
Niederingelheimer  ab,  indem  er  bei  vollkommen  gleicher  Länge  (18,8)  den  Schädel  Nr.  I 
vom  Hinkelstein  um  fast  2 Centimetor  (1,9  C.)  an  Breite  Ubertrifft.  Nach  seinem  Index 
(81,9)  kommt  derselbe  unter  die  Sub-Brachycephalen  Broca’s’)  (Index  80 — 85)  oder  unter 
Huxley’s*)Brackyccphalcn(Abthlg.Euryeephali)und  Welckcr’s  Brachycephalen *)  zu  stehen. 

Jedenfalls  steht  derselbe  daher  als  entschiedener  Breitschädel  den  Schmalschädeln  vom 
Hinkelstein  und  Niederingelheim  gegenüber.  Denselben  ethnologisch  näher  zu  dassificiren, 
überhaupt  eine  Hypothese  über  die  Herkunft  dieses  einzigen  Schädels  aufzustellen  unterlasse  ich 
bei  dem  Mangel  aller  Anhaltspunkte  lieber  vollständig  und  beschränke  mich  auf  vorstehende 
negative  Angabe,  eingedenk  des  alten  Spruchs,  dass  es  mindestens  „zweier  Zeugen  Mund“ 
bedarf,  um  eine  Wahrheit  kund  zu  thun. 

■)  Wenigiten*  mit  (leasen  früherer  Deutung1.  — *)  L.  o.  — s)  Laing.  Prehistoric  remaine  of  Caithno««. 
Edinburgh,  1SCG.  S.  85  und  dieses  Archiv  ßd.  I,  S.  300.  — *)  Bau  und  Wachsthum  des  Schädels,  S.  44. 


Erklärung  der  Tafeln. 

Tafel  III.  Schädel  aus  dem  Gräberfeld  beim  Ilinkelatcin  unweit  Monsheim  (Rheinhessen). 

1.  Schädeldecke  (mit  Nr.  I bezeichnet)  aus  dem  Gräberfeld  beim  Hinkelstein,  N orma 

verticalis. 

2.  Dieselbe,  Norma  lateralis. 

S.  Dieselbe,  Norma  occipitalis. 

4.  Schädeldecke  (mit  Nr.  II  bezeichnet)  aus  dem  Gräberfeld  beim  Hinkelstein , Norma 

lateralis. 

5.  Stirnbein  (mit  Nr.  III  bezeichnet)  aus  dem  Gräberfeld  beim  Hinkelstein,  von  vom  und 

unten  gesehen. 

Tafel  IV.  Schädel  aus  den  Gräberfeldern  beim  Hinkelstein  und  bei  Oberingel  heim  iRheiuhesseii). 

6.  Schädeldecke  (mit  Nr.  II  bezeichnet)  aus  dem  Gräberfeld  beim  Hinkelstein,  Norma 

verticalis.  (Die  Norma  lateralis  s.  Taf.  III,  4.) 

7.  Schädel  aus  dem  Gräberfeld  bei  Oberingelheim,  Norma  lateralis. 

8.  Derselbe,  Norma  occipitalis. 

9.  Derselbe,  Norma  verticalis. 


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IX. 

Kleinere  Mittheilungen,  Referate,  Nekrologe, 
vermischte  Nachrichten  etc. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Bemerkungen  zur  wissenschaftlichen  K ra- 
niometrie,  von  W.  Krause,  Professor  in 
Göttin  gen. 

Nach  der  von  mir  angegebenen  Methode  (die- 
ses Archiv,  1866,  Bd.  I,  S.  251)  hat  A.  Sasse  (da- 
selbst, Bd.  II,  S.  101)  eine  Reihe  von  Schädeln 
untersucht,  und  die  von  mir  vorgeschlagenen  Win- 
kelmessungen  um  einige  neue  vennehrt.  Auf  die 
speciellen  Resultate  dieser  dankenswerthen  Arbeit 
kann  liier  nicht  eingegangen  werden.  Vielmehr 
handelt  es  sich  nur  darum,  ein  fundamentales  Miss- 
verstanduiss  zu  beseitigen,  welches  aus  einer  am 
Schlüsse  des  citirten  Aufsatzes  befindlichen  Bemer- 
kung des  Verfassers  hervorleuchtet.  Es  ist  dabei 
hervorzu heben , dass  in  einer  von  Ilenle  (Hand- 
buch der  systematischen  Anatomie,  zweite  Auflage, 
1867,  Bd.  I,  S.  220)  neuerdings  gegebenen  Cha- 
rakterisirung  der  heutigen  Kranioinetrie  derjenige 
Punkt,  auf  welchen  es  hier  ankommt,  ebenfalls 
nicht  berücksichtigt  worden  ist. 

In  dem  von  mir  verfassten  Artikel  (a.  a.  0.) 
handelte  es  sich  nicht  im  Mindesten  darum,  eine 
neue  Mossungsraethode  zu  den  bereits  vorhandenen 
hinzuzufügen.  Vielmehr  wurde  eine  Anforderung 
an  die  Untersuchung  gestellt,  welche  ini  Princip 
von  den  bisher  betonten  verschieden  war:  es  sollte 
der  Schädel  nicht  allein  als  Ganzes  untersucht  wer- 
den, sondern  die  vielen  einzelnen  Knochon,  aus 
deuen  derselbe  zusammengesetzt  ist 

Wie  man  die  Knochen  untersucht  ist  hierbei 
zunächst  gleichgültig;  am  besten  wäre  es  natür- 
lich , man  würde  jeden  Schädel  in  alle  seine  con- 
stituirenden  Best&ndtheile  zerlegen.  Da  das  vor- 
läufig nicht  angeht,  so  sollte  durch  irgend  eine 
Auuäherung  ein  einfacher  Ausdruck  für  die  Eut- 

A.rchiv  für  Anthropologie.  Bd.  UI.  lieft  IL 


wickelung  (Waclisthumsgrösse)  einzelner  Knochen 
gefunden  werden , und  zu  diesem  Zwecke  wurden 
von  mir,  wie  es  am  nächsten  lag,  Winkelwert  he 
ermittelt. 

Das  Wesentliche  ist  also  das  Princip:  die  ein- 
zelnen Knochen  zu  untersuchen,  was  man  vollstän- 
dig übersehen  zu  haben  scheint.  Man  könnte  die- 
ses Princip  ein  anatomisches,  oder  wenn  man  lieber 
will , ein  physiologisches  nennen , im  Gegensatz  zu 
dem  anthropologischen  respective  mehr  zoologi- 
schen, welches  die  Schädel  im  Ganzen  berücksich- 
tigt. 

Die  letztere  Untersuchung,  auf  welche  bo  zahl- 
reiche Messungsmethodeu  bnsirt  sind,  bildet  ein 
nothwendiges  Vorstadium,  und  ihr  Werth  soll  nicht 
unterschätzt  werden.  Aber  tiefer  in  die  Gesetze 
des  Schädelbaues  einzudringen,  ist  an  der  Hand 
dieses  an  sich  unzureichenden  Principes  vollkom- 
men unthnnlich,  und  dabei  dürfte  es  ganz  gleich- 
gültig sein,  ob  man  die  Messungen  selbst  etwas 
genauer  macht,  respective  einige  Schädel  den  vie- 
len bisher  bereits  gemessenen  hinzufügt,  oder  nicht. 
Genau  derselbe  Fall  liegt  hier  vor,  als  wenn  die 
heutige  Physiologie  die  Functionen  des  „Organis- 
mus im  Ganzen**  untersuchen  wollte,  wie  es  einst 
die  Anhänger  der  Lebenskraft  verlangten , oder 
wenn  ein  Chemiker  die  Moleculor-Constitution  eines 
Körpers  aus  der  Elementar- Analyse  desselben  zu 
erschliessen  unternähme.  Dos  Eine  ist  so  unmög- 
lich wie  das  Andere,  und  die  Aufgabe  scheint  nur 
dahiu  zu  gehen , die  besten  Methoden  für  die  Be- 
stimmungen der  einzelnen  Schädelknochen  ausfin- 
dig zu  machen.  Vielleicht  lassen  »ich  dafür  ge- 
nauere, wenn  auch  complicirtere  Ausdrucksweisen 
finden,  als  die  bisher  angewendeten  einfachen  Win- 
kel wertlie! 


18 


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138 


Referate. 


Referate. 

1. 

Darwin,  Ch.  Animal»  and  Plauts  under 
Dornest  ication.  2 Bande.  London  1866. 
Darwin,  Cb.  Das  Variiren  der  Thiere  und 
Pflanzen  im  Zustande  der  Domestica- 
tion.  Aus  dein  Englischen  übersetzt  von  J.  V. 
Car us.  2 Bände.  Stuttgart  1868.  Bis  jetzt 
erschienen  Band  I und  11  erste  Abtheilung. 
Darwin,  Ch.  Do  la  Variation  des  Animaux 
et  des  Plantes  sous  Faction  de  la 
Doraestication.  Traduit  de  Tanglais  par 
J.  J.  Moulini«,  Tome  I,  Paris  1868. 

Kef.  von  Kütimeyer. 

Obschon,  wie  C.  Vogt  in  der  vortrefflichen 
Vorrede  zu  der  französischen  Uebersetzung  des 
hier  angezeigten  Werkes  mit  vollem  Hecht  bemerkt, 
eine  neue»  Arbeit  Darwin'»  nicht  etwa  einer  Ein- 
führung bedarf,  sondern  vielmehr  die  Aufmerksam- 
keit aller  Derer  gebieterisch  verlangt,  welche  sich 
um  deu  Fortschritt  der  Naturgeschichte  organischer 
Körper  interessiren , so  konnte  eine  Anzeige  des- 
selben in  diesen  Blättern  weder  vermieden,  noch 
füglich  verschoben  werden.  Auch  di«  gegenwärtige 
Anzeige  beabsichtigt  daher  um  so  weniger  etwas 
Anderes,  als  diejenigen  Leser  des  Archivs,  die  mit 
dem  neuen  Darwin 'sehen  Buche  noch  nicht  nä- 
here Bekanntschaft  gemacht  haben,  auf  dessen  In- 
halt und  Tragweite  im  Allgemeinen  aufmerksam  zu 
machen,  als  eine  einlässlichere  Besprechung  dessel- 
ben dem  Referenten  gegenwärtig  noch  nicht  mög- 
lich gewesen  wäre. 

C.  Dar w in  löst  mit  diesem  Werke  einen 
Theil  der  Verpflichtungen,  welche  er  bei  Heraus- 
gabe des  berühmten  Buches  „über  den  Ursprung 
der  Arten11  freiwillig  übernommen  hatte.  Damals 
bezeichnet«  er  jenes  Buch  als  einen  Auszug  aus 
einem  nahezu  fertigen  Werke,  von  welchem  er  vor 
der  Hand  sich  genüthigt  sehe,  nur  die  allgemeinen 
Schlussfolgerungen  zu  bringen,  während  die  Mit- 
theilnng  der  Thatsachen,  auf  welchen  diese  taruh- 
ten,  auf  spater  verschoben  werden  müsste. 

Wie  der  Titel  des  neuen  Buches  angiebt,  beab- 
sichtigt nun  dasselbe,  den  Betrag  und  die  Natur 
der  Veränderungen  zu  erläutern,  welche  die  Thiere 
und  Pflanzen  erlitten  haben,  seitdem  sie  unter  der 
Herrschaft  des  Menschen  stehen.  In  einem  ferne- 
ren Werke,  welches  angekündigt  ist,  sollen  dann 
die  Veränderungen  organischer  Geschöpfe  im  Natur- 
zustand, das  heisst  di«  Verschiedenheiten,  welche 
von  den  Naturforschern  als  Varietäten  oder  geo- 
graphische Raten  aufgezählt  werden,  erörtert  und 
der  Uebergang  der  Varietäten  in  Arten  und 
Gattungen  geprüft  werden.  In  einem  dritten  Werke 


nimmt  sich  endlich  der  Verfasser  vor,  das  Princip 
der  natürlichen  Zuchtwahl,  das  bereits  in  der  ersten 
Arbeit  als  Grundlage  der  Variation  bezeichnet 
wurde,  zu  prüfen  und  zu  untersuchen,  in  wieweit 
dasselbe  ein«  Erklärung  der  mitgetheilten  That- 
sachen  zu  getan  und  die  bisherige  Annahme  unab- 
hängiger Erschaffung  der  Speciea,  welche  nichts 
erklärt  und  sogar  der  Forschung  die  Thür  ver- 
schliefst, zu  ersetzen  vermöge. 

Wie  man  sieht,  liegt  ulso  hier  nur  ein  erster 
Theil  des  Hauptwerkes  vor  uns,  von  dem  das  Buch 
über  die  Entstehung  der  Arten  nur  ein  Entwurf 
war.  Fürwahr,  ein  grossartiger  und  weit  ange- 
legter Plan,  dem  auch  der  Reichthum  des  jetzt 
vorliegenden  ersten  Theil»  der  Ausführung  in  voll- 
stem Maas*«  entspricht. 

Der  erste  Band  enthält  die  Ausführung  von 
Capitel  1 der  „Entstehung  der  Arten“.  Er  giebt 
die  Thataachen  über  die  Veränderungen  unserer 
Ha us thiere,  von  den  Säugethieren  bis  zu  den  Insek- 
ten, sowie  über  die  Variationen  an  einer  grossen 
Anzahl  von  CulturpHanzen,  Cerealien,  Küchen- 
gewächsen. Fruchtbüuuieu  und  Zierpflanzen.  Ein 
schwer  wiegendes  Werk  — ; obschon  an  einem  ein- 
zigen Fall,  an  der  Haustaube,  der  Betrag,  die  Na- 
tur und  die  Geschichte  der  Variation  an  allen  be- 
kannten Hauptracen  geschildert  wird,  so  ist  doch 
die  Fülle  des  auch  für  alle  übrigen  besprochenen 
Geschöpfe  mitgetheilten  Materials  erstaunlich,  und 
der  Band  durch  gewissenhafte  Angabe  der  (Quellen 
eine  unerschöpfliche  Fundgrube  für  Studium  und 
Kritik  der  Nachfolger  — , ein  Werk  nur  möglich 
von  einem  Manne,  der,  wie  Darwin,  im  Besitz 
eines  vollkommen  durchgebildeten , wenn  auch 
sicherlich  nicht  im  Entferntesten  etwa  abgeschlos- 
senen Planes,  ohne  irgend  welche  äussere  Beschrän- 
kungen oder  Störungen  durch  Beruf  und  Stellung, 
Jahrzehnt«  hindurch  sein  Ziel  mit  beharrlichster 
Energie  verfolgen  konnte,  und  dem  es  überdies* 
vergönnt  war,  nicht  nur  die  zuverlässigsten  Fach- 
männer in  allen  Theilen  der  Erde  zu  Hülfe  zu  zie- 
hen, sondern  auch  eine  »ehr  grosse  Anzahl  kostspie- 
liger und  zeitraubender  Versuche  selbst,  anznst eilen. 

Der  zweite  Band,  einstweilen  nur  iu  der  Ori- 
ginalausgabe vollständig  erschienen,  ist  nicht  we- 
niger reichhaltig.  Er  bespricht,  immer  an  der 
Hand  einer  Masse  von  Thatsachen,  die  vielsagenden 
Capitel  Vererbung,  Rückschlag,  Kreuzung,  Zucht- 
wahl, Wirkung  äusserer  Lebensbedingungen . Ur- 
sache und  Gesetz  der  Variation. 

Auch  auf  diese  iuhaltschwerim  Rubriken  näher 
einzugehen,  ist  hier  unmöglich;  jeder  Leser  wird 
aber  auch  hier  deu  Eindruck  empfangen,  dem  Vogt 
a.  a.  0.  den  richtigen  Ausdruck  verliehen,  dass  die 
Arbeit  Darwin’s  uns  eine  tiefe  Kluft  enthüllt, 
welche  sich  langsam  und  fast  ohne  unser  Ahnen 
zwischen  der  Theorie  und  IVaxis  aufgethan  hat, 
die  Wahrnehmung,  dass  die  Praktiker,  die  Thier- 


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Keferate. 


139 


und  Pflanzenzüchter.  welche  auf  eigenem  Wege  mit 
Sicherheit  gelernt  haben,  die  Organismen  gleichsam 
nach  ihrem  Willen  zu  modeln,  den  Theoretikern, 
der  Wissenschaft,  in  der  Kenntnisa  der  Verände- 
rungen der  Geschöpfe  einen  ausserordentlichen 
Vorsprung  abgewonnen  haben;  wir  möchten  nur 
hinzufügen,  dass  gerade  diese  Entdeckung  uns  mit 
der  tröstlichen  Zuversicht  erfüllen  kann,  dass  hin- 
ter der  Wissenschaft,  welche  bisher  allein  den 
Kampf  für  die  Berechtigung  des  Weiterforschena 
führte,  und  ohne  ihr  Zuthun,  ein  breiter  Wall  von 
Thatsachen  sieb  angehüuft  bat,  der  auch  die  Theo- 
rie unwiderstehlich  weiter  drängen  und  ihre  Er- 
folge sichern  wird. 

Der  letzte  Abschnitt  des  Werkes  macht  den 
Versuch,  die  verschiedenen  Ergebnisse  der  Beob- 
achtung, als  verschiedene  Art  der  Fortpflanzung, 
Wirkung  der  Befruchtung,  Entwickelung,  functio- 
neile Unabhängigkeit  der  Organeiuheiten,  Variabi- 
lität, Erblichkeit,  Rückschlag,  durch  eine  proviso- 
rische Hypothese,  I’angenesi»  betitelt,  unter  einen 
gemeinsamen  Gesichtspunkt  zu  bringen.  Darwin 
äussert  den  Gedanken,  dass  sich  das  unsichtbare 
Band,  welches  offenbar  die  räumliche  und  zeitliche 
Reihenfolge  der  Geschöpfe  zusammenhält,  und  wel- 
ches durch  die  bisher  beobachteten  Formelemente 
organischer  Körper  nicht  ausreichend  herstellbar 
scheint,  durch  eine  Art  unbegrenzter  Mittheilung 
und  Uebertragung  fähiger  organischer  Essenz  con- 
stituiren  lassen  möchte,  in  Form  von  organischen 
Atomen,  welche  gleichsam  als  letzte  Träger  indivi- 
dueller Eigenschaften  von  den  bisher  erkannten 
Formelementen,  den  Zellen  jeweilen  abgegeben  und 
bis  zur  Weiterbildung  in  neuen  Trägern  aul’behal- 
ten  würden,  bevor  diese  durch  Uehergang  in 
Gewebe  ihre  Unabhängigkeit  und  Weiterbildung 
einbüssten. 

Es  erhellt,  dass  dieser  rein  theoretische  Theil 
des  Darwinschen  Buches  sich  mehr  als  jeder  an- 
dere selbst  einem  Referat,  geschweige  denn  etwa 
einer  Kritik  entzieht.  Es  ist  bisher  der  einzige 
rein  Fpeculative,  allein  eben  deshalb  ein  merkwür- 
diger Abschnitt  des  Darwinschen  Werkes.  Offen- 
bar enthält  er  das  Zugeständnis» , dass  die  gegen- 
wärtig vom  Mikroskope  verfolgten  Bewegungen 
der  organischen  Substanz  nicht  genügend  seien, 
um  die  Continuität  des  Lebens  selbst,  und  nament- 
lich der  Lebensform  im  Besondern  zu  erklären. 
Immerhin  entspricht  das  Verfahren,  das  diese 
Schwierigkeit  überwinden  soll,  nämlich  das  Zu- 
rückschieben der  Hypothese  von  dem  gegenwär- 
tigen auf  einen  weiter  zurückliegenden  und  der 
Prüfung  erst  noch  zu  unterwerfenden  Boden,  durch- 
aus der  Methode,  nach  welcher  die  Wissenschaft 
im  Allgemeinen,  die  ja  überhaupt  niemals  wird  er- 
warten können,  Erscheinungen  anders  als  durch  Hy- 
pothesen zu  erklären,  allein  erwarten  kann,  allinälig 
ihre  Grenzen  auf  irgend  einem  Gebiete  zu  erweitern. 


Aus  diesen  kurzen  Mittheilungen  mag  genü- 
gend hör vorgehen,  dass  das  neue  Buch  Darwin ’s 
einmal  nicht  etwa  nur  theoretischer  Natur,  sondern 
geeignet  ist,  auch  der  Praxis,  d.  h«  dem  Bestreben, 
die  Thier-  und  Pflanzenwelt  unserem  Wohlsein 
und  unserer  eigenen  Förderung  immer  mehr  dienst- 
bar zu  machen,  eine  reiche  Unterlage  zu  geben,  so 
wie  unseren  Anschauungen  über  die  organische 
Schöpfung  und  Über  unser  Verhältnis  zu  ihr  neue 
Horizonte  zu  eröffnen.  Der  systematische  Natur- 
forscher so  gut  wie  der  Thier-  oder  Pflanzenzüchter, 
der  speculative  Philosoph  so  gut  wie  der  Lebemann 
wird  mit  der  Zeit  den  Folgen  dieses  Werkes  sicher- 
lich nicht  entgehen. 

Eine  einlässlichere  Besprechung  wird  dieser 
oder  jener  Abschnitt  de»  angezeigten  Buches  auch 
in  diesen  Blättern  mit  der  Zeit  wohl  erwarten  dür- 
fen. Immerhin  stehen  wir  aber  hier  vor  einem 
Werke,  dessen  Kritik  die  Aufgabe  der  gesammten 
Naturwissenschaft  für  die  nächsten  Jahrzehnte  seiu 
wird,  vor  dem  Entwurf  einer  künftigen  Natur- 
geschichte im  vollsten  und  lichtesten  Sinne  des 
Wortes,  das  heisst  einer  Geschichte  der  Natur  im 
Sinne  des  Verfassers,  welcher  unter  diesem  Aus- 
druck versteht  „die  zusammengesetzte  Wirkung 
und  das  Product  vieler  natürlicher  Gesetze,  und 
unter  Gesetz  nur  die  ermittelte  Aufeinanderfolge 
der  Erscheinungen“. 

Schliesslich  verdient  hervorgehoben  zu  wer- 
den, dass  sowohl  die  deutsche  als  die  französische 
Uebersetzung  ihren  Verfassern  alle  Ehre  macht 
und  dass  namentlich  erstere  sich  von  der  Bron lo- 
schen Uebertragung  des  früheren  Werkes  von  Dar- 
win höchst  vorteilhaft  unterscheidet.  Beide  brin- 
gen überdies  sämmtliche  Holzschnitte  der  Original- 
ausgabe. 


Reise  der  österreichischen  Fregatte  No- 
, vara  um  die  Erde  in  den  Jahren  1857,  1858 
und  1859.  Anthropologischer  Thoil. 
Zweite  Abteilung:  Körpermessungen,  an 
Individuen  verschiedener  Meusclu  nraceu  vor- 
genommen durch  l>r.  Carl  Scherzer  und 
Dr.  Ed.  Schwarz,  bearbeitet  von  Dr.  A. 
Weisbach.  Wien  1867.  Ref.  von  Welcker. 

Die  bis  hierher  vorhandenen  Bestimmungen 
über  Körpergröße  sowie  über  Maass  und  Beschaf- 
fenheit der  einzelnen  Körperteile  verschiedener 
Nationen  litten,  noch  mehr  als  die  Messungen  des 
Schädels,  an  der  Verschiedenheit  des  MuassstAbes 
und  der  Methode;  sie  erstreckten  sich  in  der  Regel 
nicht  weiter,  als  auf  einzelne  Beckenmessungen, 
nebst  Angaben  über  Armlänge  und  dergleichen  und 
sie  fanden  sich  zerstreut  in  sehr  verschiedenen  Wer- 
1S* 


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140 


Referate. 


ken  und  Berichten.  In  dem  vorliegenden  Bande 
nun  sind  uns  Messungen  des  Körper»  und  der  Kör- 
pertheile  verschiedener  Völker  in  einer  Ausdehnung 
geboten,  wie  dies  in  keinem  früheren  Werke  »ich 
findet.  Die  Ausdehnung  dieser  Messungen  ist  in 
doppelter  Beziehung  gross;  einmal  in  Hinsicht 
auf  den  Kreis  der  der  Messung  (und  anderweiten 
Bestimmung)  unterworfenen  Körpertheile,  und  zwei- 
tens in  Betreff  der  Zahl  der  untersuchten  Indivi- 
duen und  Völker.  Eb  sind  aber  in  diesem  Werke 
einmal  die  sehr  fleißigen  und  nmfaaaendeu  Messun- 
gen niedergclegt , welche  die  Herren  v.  Scherzer 
und  Schwarz  während  der  Novarareise  hei  ver- 
schiedenen Nationen , besonders  des  indischen  Ar- 
chipels, ausgeführt  haben;  weiterhin  zahlreiche 
Messungen , welche  der  Herausgeber  dieses  Thciles 
des  grossen  Novara- Werkes.  Dr.  Weisbach,  nach 
derselben  Methode  bei  verschiedenen  Völkern  der 
österreichischen  Monarchie  vorgenommen  hat,  und 
endlich  sind  aus  der  vorhandenen  Literatur  die 
wichtigsten  einschlägigen  Angaben  gesammelt  und 
hinzugefügt. 

Was  den  Inhalt  und  die  Disposition  des  Wer- 
kes anlangt,  so  wird  nach  einleitenden  Vorbemer- 
kungen und  einer  Wiedergabe  des  Scherzer- 
Schwarz’schen  Messungsschemas  nebst  Verbes- 
serung» Vorschlägen  des  Herausgebers  (S.  7),  sowie 
eines  Literaturverzeichnisses,  in  16  Capiteln  über 
die  Ergebnisse  der  bei  den  einzelnen  Völkern  aus- 
geführten Messungen  ausführlich  berichtet.  Diese 
Völker  sind:  Chinesen  (26  cf,  3 9)»  Nikoharer 

(55  c*),  Javanen  (9  cf , 8 9)»  Sundanesen  (2  cf, 
18  9),  Maduresen  (4  cf),  Amboinesen  (4  cf),  Bu- 
gis  (6  cf),  Stewarts-Insulaner  (1  cf),  Neuseeländer 
(3  cf),  Tahitier  (7  9)»  Australier  (2  cf , 2 9), 
Deutsche  (30  cf,  119)»  Slaven  (20  cf),  Romanen 
(10  cf).  Enthalten  diese  16  Capitel  vielfach  eine 
Paraphrase  und  eine  ausserordentlich  ins  Detail  ein- 
gehende, die  einzelnen  Mause  nach  den  ver- 
schiedensten Richtungen  hin  abwägende  Discussiou 
der  Messungstabellen  je  eines  einzelnen  Volkes,  so 
giebt  das  17.  Capitel  eine  vergleichende  Uebersicht 
der  bei  sämmtlichen  Völkern  gewonnenen  Ergeb- 
nisse. Ueberdies  sind  zu  Ende  jedes  einzelnen 
Capitels  die  Hauptresultate  des  reichen  Inhaltes 
kurz  zusannnengestellt.  Den  Schluss  des  Werkes 
machen  die  Tabellen,  deren  sechste  eine  Reduc- 
tion  sämmtlicher  Körpermaasse  auf  „Körpergrösse 
= 1000*  bringt,  wahrend  es  nicht  genug  gedankt 
werden  kann,  dass,  neben  diesen  relativen  Ziffern, 
Tabelle  I bis  V sowie  Tabelle  VII  die  unmittel- 
bar gefundenen  Wertlie,  die  Basis  des  ganzen  Wer- 
kes, unverkürzt  wiedergeben. 

Dem  Texte  sind  9 Liniennetze  eingedruckt, 
durch  welche  die  Herren  Scherzer  und  Schwarz 
eine  Art  Exccrpt  der  Umrisslinie  des  Kopfes  der 
untersuchten  Völker  geben,  indem  sieben  besonders 
wichtige  Punkte  (drei  die  Gestalt  der  Nase  skizzi- 


rende  Punkte,  drei  Punkte  des  Scheitelbogens,  so- 
wie die  Kinnspitze)  in  ihrer  relativen  Lage  ver- 
zeichnet und  durch  gerade  Linien  verbanden  wur- 
den. Die  Gewinnung  dieses  Liniennetzes  (conf. 
8.  10)  dürfte  nicht  besonders  bequem,  und,  da  das 
Netz  mit  Hülfe  eines  Lothes  construirt  und  aus 
seinen  einzelnen  Theilen  aufgebaut  wird,  selbst 
nicht  ganz  sicher  sein ; jedenfalls  glaube  ich  nach 
eigener,  vielfältig  gemachter  Erfahrung  versichern 
zu  dürfen,  dass  eine  vollständige  Aufnahme  des 
gesammten  Gesichtsprofilea  sowie  des  Kopfumrisses 
(durch  Uroreissung  des  Schattens)  auf  weit  beque- 
merem und  sicherem  Wege  ein  ungleich  vollstän- 
digeres Ergebniss  geliefert  haben  würde.  Die  Hin- 
zufllgung  einer  Senkrechten,  zur  Bestimmung  der 
normalen  Kopfhaltung,  würde  nicht  ausgeschlos- 
sen gewesen  sein.  Aber  auch  die  Scherzer- 
Scbwarz* sehen  (in  Vs  natürlicher  Grösse  abge- 
druckten) Umrisse  sind  sehr  dankenswerth.  Doch 
wäre  es  zu  wünschen  gewesen,  dass  sie  nicht  in 
dem  Werke  zerstreut  und  in  den  Text  eingedruckt, 
sondern,  behufs  besserer  Musterung  und  Verglei- 
chung, auf  einer  Tafel  nebeneinander  gestellt  wä- 
ren. Auf  einzelne  Blättchen  durchgepauat,  die 
dann  beliebig  übereinander  gelegt  und  gegen  das 
Liebt  gehalten  werden , gewähren  sie  eine  vorzüg- 
liche Orientirung.  — Wie  es  in  der  Natur  der  Sache 
liegt,  kann  in  diesem  Berichte  kein  gleichmäßiger 
Inhaltsauszug  geliefert  werden,  und  wir  müssen 
uns  darauf  beschränken , aus  der  Fülle  der  beige- 
brachten Thatsachen  einige  wenige  hervorzuheben. 

Wiederholt  erinnert  Weisbach  und  belegt  e» 
durch  zahlreiche  Beispiele,  „dass  die  Unterschiede 
in  den  Verhältnissen  der  einzelnen  Körpertheile 
nicht  etwa  in  der  verschiedenen  Grösse  des  Kör- 
pers, sondern  in  den  Kigenthümlichkeitcn  der  Racen 
begründet  sind* , den  verschiedenen  Racen  hiermit 
neben  der  wechselnden  Körpergrösse  verschie- 
dene Constructionsverh&ltnisse  dos  Körpers  zukom- 
men. Ueberall,  sofern  die  Zahl  der  untersuchten 
Individuen  hierfür  ausreichend  ist,  wird,  nach  dem 
Vorgänge  des  Referenten  (Europäerskelet),  dio 
Reihe  der  untersuchten  Individuen  nach  zuneh- 
mender Körpergrösse  in  Gruppen  rangirt,  um 
hiernach  „den  Einfluss  der  Körpergrösse  auf  die 
Verhältnisse  der  einzelnen  Körpertheile  festzustel- 
len.4* Der  Satz  de»  Referenten,  dass  „kleinere 
Menschen  durchschnittlich  höhere  Grade  der  Bra- 
chycephalie  besitzen,  al»  grosse“,  wird  auf  diesem 
Wege  von  Weisbach  bestätigt,  indem  die  Schä- 
delbreitenindices  der  nach  der  Grösse  geordneten 
Chinesen  lauten:  81,  76.  77,  75;  „dasselbe  Gesetz, 
nämlich  Abnahme  der  Breite  des  Kopfes  mit  Zu- 
nahme der  Körpergrösse*,  zeigt  Weisbach  bei 
d«n  Nikobarern, 

Von  den  Chinesen  erfahren  wir,  dass  die  mitt- 
lere Zahl  ihrer  Pulsschläge  mit  77  in  der  Minute 
denen  der  Europäer  nahe  gleich  kommt.  Dio  mitt- 


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Referate. 


141 


ler*  Druckkraft  der  Chinesen  (42  Kilogrm.)  ist 
geringer,  als  die  säramtlicher  von  den  Novararei- 
senden  bestimmten  malayischen  Nationen. 

Betreffs  des  „Standes  der  Brustwarzen“  findet 
sich,  dass  deren  gegenseitiger  Abstand  202  Millim. 
beträgt;  Angaben  über  Nummer  der  Rippe  oder 
des  Intercostalraumes,  welchen  dio  Warze  eiunimmt 
(von  W.  Grober  jüngst  für  Russen  ond  DeutFche 
bei  grossen  Leichenreihen  bestimmt),  finden  sich 
nicht  Kürzer  als  bei  zahlreichen  anderen  Völkern 
zeigt  sich  der  Rumpf  der  Chinesen. 

Von  den  Nikobarern,  Über  welche  wir  be- 
reits durch  einen  früheren  Bericht  v.  Scherzer’B 
i Mittheilungen  derk.  k.  geographischen  Gesellschaft 
in  Wien,  11,  3.  Heft,  246)  nähere  Kunde  besitzen, 
konnte  eine  ansehnlich  grosse  Reihe,  55  Indivi- 
duen, untersucht  werden,  welche  der  Herausgeber 
daher  sowohl  nach  dem  Alter,  als  nach  der  Kör- 
pergröese  gruppirt  und  bespricht.  Sie  haben  einen 
un  Umfang  viel  grösseren  Kopf,  als  die  meisten 
der  untersuchten  Völker.  Auch  der  Hals-  und 
Brustumfang,  sowie  die  Taillenbreite*  ist  sehr  be- 
trächtlich. Die  Prognathie  der  Nikobarer  ist  ge- 
ringer, als  bei  allen  übrigen  Malayien. 

An  Höhe  des  Wuchses  sind  die  Javancn  vor 
allen  übrigen  malayischen  Völkern  ausgezeichnet; 
an  Körperkraft  stehen  sie  fast  allen  nach.  Am 
schwächsten  von  den  Malayien  sind  die  Maduresen, 
am  kräftigsten  die  Bugis.  Die  Beschreibung  der 
äusseren  Körperbeschaffenheit  eines  javanischen 
Weibes  findet  sich  S.  96;  der  Augapfel  ragt  über 
den  Nasenrücken  vor,  die  Lidspalten  weichen  noch 
innen  von  der  Wagerechten  ab.  Die  javanischen 
Weiber  sind  auffallend  kleiner,  als  die  Männer,  sie 
haben  einen  relativ  grösseren,  höheren,  „aber  eben 
so  brachycephalen  Kopf*,  wie  die  Männer.  Dabei 
ein  „wahrscheinlich  mehr  prognathes  Gesicht44. 
(Dass  und  warum  die  seiner  Discussion  unterbrei- 
teten Kopfmaas&e  für  eine  genaue  Bestimmung  der 
Prognathie  keine  sicheren  Anhaltspunkte  bieten, 
setzt  Weisbach  S.  228  auseinander.) 

Das  Kopfhaar  der  untersuchten  (aussereuro- 
päischen)  Völker  ist  durchweg  sehr  dunkel;  bei 
allen,  mit  Ausnahme  der  Amboinesen  und  Austra- 
lier, schlicht.  Die  Farbe  der  Iris  nirgends  blau, 
überall  braun,  von  lichtbraun  bin  schwarz. 

Was  nun  die  Körpergrösse  anlaugt,  so  ist  die 
von  Weisbach  gegebene  Zusammenstellung  aller 
ihm  zugänglichen  Angaben  über  dio  Körpergrösse 
der  verschiedensten  Nationen  von  grossem  Werthe. 
Freilich  sind  auch  hier  nur  die  von  den  Novara- 
reisenden gelieferten  Maasse  scharf  mit  einander 
vergleichbar,  während  viele  der  von  anderen 
Forschern  gelieferten  Ziffern  in  Folge  der  so 
mannigfachen  „Fasse4*  und  „Zolle“  in  der  Tabelle 
weit  grössere  Schwankungen  zeigen,  als  der  Wirk- 
lichkeit entsprechen  mag.  So  finden  sich  „Eski- 
mos“ (nach  Hearn  und  de  Paw),  als  kleinstes 


Volk,  mit  1300  Millim.  Mittelgrösse  an  der  Spitze 
der  Tabelle,  während  Eskimos  der  Melvilleinsel 
mit  1600,  Eskimo«  der  Savageinsel  mit  1680,  ja 
Eskimos  des  Boothia-  und  des  Kot.zebuesundeg  mit 
1690  und  1710  Millim.  verzeichnet  werden. 

Die  mittlere  Zahl  der  Pulsschläge  variirt  in 
der  Reihe  der  von  den  Novarareisenden  untersuch- 
ten Völker  bei  den  Männern  um  20,  bei  den  Wei- 
bern um  10  Schläge,  was  wohl  als  nicht  unerheb- 
liche Differenz  erscheinen  muss. 

Die  Druckkraft  ist  bei  den  Neuseeländern 
(68  Kilogrm.)  weitaus  am  grössten,  bei  den  Chine* 
sen  (42  Kilogrm.)  am  kleinsten.  Mit  Recht  hebt 
Weisbach  hervor,  dass  diese  und  ähnliche  Anga- 
ben betreffs  der  I^eistungsfKhigkeit  und  Arbeite- 
kraft der  verschiedenen  Völker  keinen  direct en 
Schluss  gestatten,  da  der  Versuch  am  Dynamometer 
nur  das  während  eines  kurzen  Augenblicke«  er- 
reichbare Maximum  der  Druckkraft  erkennen  lässt, 
während  die  Leistungsfähigkeit  weniger  vom  Ma- 
ximum, als  von  der  Ausdauer  der  Krait  abhange. 

Den  schmälsten  Kopf  und  die  grösste  Progna- 
thie besitzen  die  Amboinesen.  Durcli  ganz  be- 
sonders grosse  Kopfbreite  sind  die  sundaischen 
Weiber  ausgezeichnet.  Bemerkenswerth  ist  folgen- 
des Ergebnis , welches  von  dem  vom  Referenten 
bei  anderen  Völkern  (insbesondere  am  deutschen 
Schädel)  gewonnenen  Resultate  ab  weicht:  „bei  den 
Weibern  folgt  die  Breite  des  Kopfes  im  Allgemei- 
nen jener  der  Männer,  ist  jedoch  hei  allen  relativ 
grösser,  als  bei  diesen.“  Dass  diese  Angabe  für 
die  malayischen  Stämme  allgemeine  Gültigkeit 
habe,  bleibe  dahingestellt;  dass  sie  überhaupt 
die  Regel  ausdrücke,  bezweifle  ich  sehr  *).  Auf  die 
ausführlichen  und  höchst  wichtigen  Angaben  über 
die  MaAssverhältnisse  der  Arme , der  Hand , de« 
Beines,  sowie  beider  Extremitäten  zueinander,  ge- 
stattet der  Raum  nicht,  einzugehen. 

Uebrigens  wird  bei  dem  hohen  Werthe,  wel- 
chen Referent  dem  hier  gelieferten  Materiale  bei- 
legt, die  Bemerkung  gestattet  sein,  dass  der  fleis- 
sige  Herausgeber  die  Zahlen  an  manchen  Stellen 
vielleicht  etwas  zu  sehr  ins  Einzelne  discutirt  habe. 
Oftmals  sind  Maas* unterschiede  erwähnt  und  ein- 
ander gegenübergestellt,  die  sicherlich  nur  ein  Aus- 
druck der  überall  wirkenden  individuellen  Schwan- 
kung oder  der  gewählten  Gmppeubildung  sind. 
So  findet  Bich , um  nur  ein  Beispiel  anzuführen, 
S.  52  folgende  Stelle:  „Die  Mänucr  (Nikobarer), 
welche  das  20.  Jahr  überschritten  haben , besitzen 
im  Durchschnitte  die  Druckkraft  von  48,40  Kilo- 
grm.; und  sonderbarerweise  jene,  welche  im  Alter 
zwischen  15  und  20  Jahren  stehen,  die  um  3,82 
Kilogrm.  grössere  von  52,22  Kilogrm.,  woraus  folgen 
würde,  dass  bei  den  Nikobarern  wenigstens  die  durch 


2)  Dass  das  von  mir  für  den  Deutschen  und  zahl- 


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142 


Referate. 


Druck  sich  kund  gebende  Kraft  schon  nach  dem 
20.  Lebensjahre  abnähme.“  Aber  dies  ist  kei- 
neswegs der  Fall  und  einfach  ein  Krgebniss  der 


gewählten  Gruppenbildung.  Arraugiren  wir  die 
Originalziffern  der  Tabelle  II  etwas  anders,  so  er- 
halten wir  ein  durchaus  anderes  Resultat: 


7 Individuen  von  IS  Jahren  mittleren  Alters  haben  52,*  Kilogrm.  mittlere  Druckkraft 


10 

„ 

„ 

19 

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11 

52/ 

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20 

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„ 

„ 

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44 

4t 

44 

Wahr  bleibt  es  allerdings  auch  hier,  dass  die 
unter  20  Jahren  Stehenden  in  ihrer  Druckkraft  das 
Mittel  der  ganzen  Reihe  um  etwas  übertreffen; 
indess  zeigen  die  22,Bjährigen  und  selbst  die  32,* 
jährigen  sogar  eine  grössere  Druckkraft,  als 
die  unter  20  Jahren  Stehenden.  Eine  Abnahme 
der  Druckkraft  mit  den  Jahren  mag  durch  diese 
Ziffern  immerhin  angedeutet  sein  (wobei  nicht 
ausser  Augen  zu  lassen,  dass  bei  den  27  Jahre 
alten  ein  gewaltiger  Ausfall  dadurch  erfolgt,  dass 
gerade  hier  sich  ein  ganz  aus  der  Reihe  fal- 
lendes Individuum  befindet *) ; über  den  Beginn 
und  Gang  jener  Abnahme  giebt  die  Tabelle  absolut 
keinen  Aufschluss.  Dagegen  zeigt  sie  unverkenn- 
bar, dass  eben  von  der  in  unserer  Versuchsreihe 
gegebenen  Altersdifferenz  dus  Mauss  der  Druckkraft 
nur  uusserst  wenig  und  in  einer  durch  unsere  Ta- 
belle jedenfalls  nicht  näher  erkennbaren  Weise  be- 
einflusst wird,  so  dass  wir  die  schärferen,  den  ein- 
zelnen Altersclassen  zukommenden  Ziffern  durch 
sie  gor  nicht  erfahren  und  uns  mit  dom  allgemei- 
nen Endraittel  (49, c Kilogrm.)  begnügen  müssen. 

Auch  Messungen  des  0 rangt  (Tabelle  VIII) 
hat  Weisbach  in  den  Kreis  seiner  Discussion  ge- 
zogen und  er  gelangt  zur  Kruge:  „Welches  von 
den  angeführten  Völkern  auf  der  untersten  und  ob 
alle  diese  Völker  überhaupt  auf  einer  tieferen  Stufe 
der  menschlichen  Gestalt  als  die  Europäer  stehen“. 
Wir  werden  jenes  Volk  (S.  269),  „welche«  an  der 
Mehrzahl  der  Körportheile  affenähnliche  Verhält- 
nisse darbietet,  auch  als  das  körperlich  niedrigste 


reich«  andere  Völker  »aebgewiesene  Verhältnis«!  (Jans  der 
$ Schädel  de»«  cf  gegenüber  dolicliOceplial  erscheint)  bei 
gewissen  Vulkan»  möglicherweise  eine  Ausnahme  erleidet, 
dafür  habe  leh  meines liieils  selbst  die  ersten  Belege  bei- 
gebracht  und  namentlich  für  Javanesen  (58  < f und  22  $ ) 
dasselbe  Krgebniss  luitgetheilt,  über  welches  nun  Weis« 
hach  berichtet.  (Vergl.  das  Archiv  IM.  I,  S.  122.) 

*)  Von  diesem  Individuum  mit  T5,7  KiMgrin.  springt 
bei  dem  nächst  schwachen  die  Druckkraft  sofort  auf  32,*. 
und  die  folgenden  Ziffern  lauten:  33,7  — 36, 1 — 36,' 
— 36. 1 — 36, 8 36,®,  — 39, a.  Bei  den  Chinesen,  deren 

Druckkraft  die  kleinste  aller  von  v.  Scherzer  und 
Schwarz  untersuchten  Kationen  ist,  zeigte  das  schwäch- 
ste Cf  Individuum  27,4. 


erklären  müssen.  Diese  Aufgabe  wird  aber  dadurch 
erschwert,  dass  schon  bei  den  wenigen  Körpertei- 
len, wo  wir  dio  Vergleichung  zwischen  Orang  und 
Menschen  durchführen  konnten,  die  Affenähnlichkeit 
sieh  keineswegs  bei  einem  oder  dem  anderen  Volke 
concentrirt,  sondern  sich  derart  auf  die  einzelnen 
Abschnitte  bei  den  verschiedenen  Völkern  vertheilt, 
dass  jedes  mit  irgend  einem  Erbstücke  dieser  Ver- 
wandtschaft, freilich  das  eine  rnuhr  das  andere  we- 
niger, bedacht  ist,  und  selbst  wir  Europäer  durch- 
aus nicht  beanspruchen  dürfen,  dieser  Verwandt- 
schaft vollständig  fremd  zu  sein.“  — „Die  Javaueu 
und  Maduresen  jedoch  sind  vor  allen  dadurch  be- 
günstigt, dass  sie  in  den  wenigsten  Abschnitten 
(die  enteren  in  der  Schmächtigkeit  ihrer  Wade  und 
der  Länge  ihres  Fasses,  die  letzteren  in  der  Länge 
ihres  Vorderarme»  und  der  Länge  de»  Oberschen- 
kels) die  Verhältnisse  de»  Orang  copiren,  wogegen 
der  Stewartsinsolaner  im  Ganzen  und  in  allen  ein- 
zelnen Theilen  jene  Gestalt  besitzt,  welche  die  un- 
ter diesen  Völkern  zahlreichsten  Affenähnlichkeiten 
aufweist.“  „In  Bezug  auf  die  Lange  der  Extremi- 
täten nehmen  aber  die  Deutschen , Romanen  und 
Slaven  dadurch,  das»  sie  kurze  Arme  und  lange 
Beine  besitzen,  eine  höhere,  weiter  vom  Orang  ent- 
fernte Stellung  ein,  als  die  Chinesen,  Malayien,  Po- 
lynesier und  Australier,  welche  alle  mit  viel  kürze- 
ren Beinen,  dagegen  aber  mehr  oder  weniger  län- 
geren Armen  nusgestattet  sind.  Die  Neger,  deren 
Arme  und  Beine  von  grosser  Länge  sind,  entfernen 
»ich,  nur  gerade  in  der  entgegengesetzten  Richtung 
ebensoweit  vom  Gliederbau  des  Orang,  wie  die  mit 
kurzen  Beinen  versehenen  Chinesen,  mit  welchen 
sie  jedenfalls  noch  über  den  Malayien,  Polynesiern 
und  Australiern  stehen.“  H.  Welcher. 


3. 

Flower  and  Murie  accouut  of  the  dissection  of 
a Buahwoman.  Journal  of  anatomy  and  phy- 
iioL,  Nr.  II,  Mai  1867.  Wir  kommen  auf 
diese  im  letzten  Literaturverzeichnis»  (Band  II, 


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Referate. 


143 


S.  369)  kurz  Angezeigte  wichtige  Arbeit  im 

Folgenden  etwas  ausführlicher  zurück. 

Im  Jahre  1853  wurden  zwei  Kinder  dieser 
Kacet  ein  Knabe  und  ein  Mädchen  über  Port  Natal 
nach  England  gebracht  und  in  diesem  Lande  vor- 
gezeigt. Der  Knabe  starb  einige  Jahre  darauf  in 
England  und  liegt  auf  einem  Kirchhofe  in  Wules 
begraben,  das  Mädchen  lebte  bis  Juni  18G4,  zu 
welcher  Zeit  es  in  London  an  Tuberculoee  starb. 
Zur  Zeit  ihrer  Ankunft  in  England  sollen  sie  10 
bis  12  Jahre  alt  gewesen  sein,  mit  welcher  Angabe 
der  Befund  insbesondere  an  Skelet  und  Zähnen  dieses 
Mädchens,  das  somit  im  21.  Jahre  gestanden  hätte, 
übereinstimmt.  Es  ist  wohl  keinem  Zweifel  unter- 
worfen, dass  dies  dasselbe  Buschmannpaar  ist,  wel- 
ches 1857  auch  in  Deutschland  gezeigt  wurde.  Re- 
ferent sah  dasselbe  im  März  des  genannten  Jahres 
in  Frankfurt  am  Main  zugleich  mit  den  Azteken ; ein 
Herr  Morris  war  der  Führer.  Bekanntlich  hat 
der  berühmte  Bildhauer  von  der  Launitz  von  bei- 
den Kindern  vortreffliche  Büsten  gemacht,  von  de- 
nen eich  Abgüsse  in  zahlreichen  deutschen  Museen 
finden.  Als  Alter  des  Knaben  wurde  damals  von 
Herrn  Morris  13,  des  Mudcliens  17  Jahre  ange- 
geben ; ich  finde  jedoch  in  meinen  Notizen  von  da- 
mals die  Bemerkung,  dass  sie  wohl  jünger  seien. 

Im  äusseren  Ansehen  stimmte  der  Körper  in 
allen  wesentlichen  Punkten  mit  der  von  Cu  vier 
beschriebenen  Hottentottenvenus  überein.  Ein 
eigentlicher  Fetthöcker  war  zwar  nicht  vorhanden, 
jedenfalls  nicht  im  Vergleich  zu  dieser,  jedoch  war 
die  Fettschicht  der  Hinterbacken  immerhin  IV4" 
dick  und  die  Haut  darüber  hatte  ein  laxes,  gefal- 
tetes Aussehen,  so  als  wenn  sie  früher  viel  bedeu- 
tender ausgedehnt  gewesen  wäre.  Das  Körperge- 
wicht betrug  61  Pfund  avoir  du  poids,  die  Höhe 
4'  7lli"  (4"  weniger  als  bei  der  Hottentotten- 
venu»). 

Seite  191  finden  sich  die  zahlreichen  Körper- 
maasse,  die  genommen  wurden,  angegeben.  Wir 
heben  daraus  nur  Folgendes  hervor.  Verglichen 
mit  der  weiblichen  Figur  in  Carus’s  Proportions- 
lehre fanden  sich  bei  diesem  Busch  mann  weihe  ins- 
besondere die  Arme  (3")  kürzer.  Bei  einem  Ver- 
gleich mit  25  europäischen,  25  Negerskeleten  und 
solchen  von  drei  anderen  Individuen  der  Busch- 
mann- Race  zeigte  sich  jedoch,  dass  diese  Kürze 
nicht  Regel  ist , sondern  dass  im  Gegentheil  beim 
Buschmann  so  wie  beim  Neger  die  obere  Extremi- 
tät, insbesondere  der  Radialtheil  derselben,  beträcht- 
lich länger  ist  als  beim  Europäer;  Iland  und  Fuss 
sind  (abweichend  vom  Neger)  sehr  klein.  Im  Gan- 
zen genommen  finden  die  Verfasser,  dass  die  Pro- 
portionen des  in  Rede  stehenden  Buschmannweibes 
am  meisten  denen  eines  europäischen  Kindes  von 
4 bis  6 Jahren  gleichen.  Farbe  der  Haut  ein  hel- 
les Gelbbraun,  Handflächen  und  Fusasohlen  fast 


weiss.  Das  Gesicht  ist  auffallend  durch  seine  Breite 
und  Flachheit  und  ähnelt  dadurch,  wie  schon  mehr- 
fach hervorgehoben,  dem  mongolischen  Typus.  Der 
Umriss  ist  charakteristisch,  sehr  breit  in  der  Wan- 
gengegend ; von  hier  an  verschmälert  er  sich  etwas 
nach  oben,  insbesondere  aber  und  sehr  rasch  nach 
abwärts  gegen  das  schmale  Kinn.  Besonders  auf- 
fallend ist  der  grosse  Zwischenraum  zwischen  den 
Augen  *);  derselbe  beträgt  V 8W.  Eine  vorsprin- 
gende Hautfalte,  über  dem  oberen  Augenlid  begin- 
nend und  zur  Seite  der  Nase  herablaufend  deckt 
den  inneren  Augenwinkel.  Die  Oeffnung  der  Au- 
genlider ist  horizontal.  Die  Nase,  breit,  sehr  platt- 
gedrückt,  misst  1,5"  quer  über  die  Flügel  und  nur 
0,5"  von  der  Wurzel  des  Septum  bis  zur  Spitze.  — 
Das  Kopfhaar  schwarz,  in  getrennten  Löckchen 
angeordnet,  dercu  jedes  aus  einem  Büschel  zarter, 
spiralig  aufgedrehter  Haare  besteht;  die  Löckchen 
waren  1 bis  1 Vs*,  ein  einzelnes  Haar  bis  6"  lang. 
Der  Haarboden  zeigt  jedoch  keine  (bürstenförmigen) 
Haarinseln  mit  freien  Zwischenräumen,  sondern  die 
Locken  bilden  sich  nur  durch  eine  besondere  Nei- 
gung der  Haare  sich  aufzurollen  und  zu  verweben. 
Auch  die  Haare  der  Achselhöhle  und  die  Schaam- 
haare  sind  gelockt. 

Im  Muskelsystem  kommen  mancherlei  Va- 
rietäten vor,  jedoch  keine,  die  nicht  auch  bei  Weis- 
sen  vorkämen;  doch  ist  vielleicht  hervorzuheben, 
dass  an  beiden  Füesen  gleichinässig  1)  der  flexor 
hallucis  sich  in  zwei  Zweige  theilte,  wovon  der  eine 
an  die  grosse  Zehe,  der  andere  an  die  2.,  3.  und  4, 
Zehe  sich  ansetzte,  und  2)  dass  ein  Theil  dos  flexor 
brevis  digit.  von  der  Sehne  des  flexor  longns  den 
Ursprung  nahm. 

Das  Gehirn  (38  J schwer)  wurde  Herrn 
Mars  hall,  der  das  Buschmann-Gehirn  zum  Gegen- 
stand eines  genauen  Studiums  gemacht  hat 3),  Über- 
geben. 

Was  die  Zeugungsorgaue  betrifft,  so  ent- 
sprechen dieselben  der  Hauptsache  nach  der  von 
Cu  vier  gegebenen  Beschreibung.  Die  grossen 
Schaamlefzen  sind  klein,  dioClitoris  rnässig,  jedoch 
weit  mehr  zu  Tag  liegend  (ohne  Zweifel  wegeu 
der  geringen  Entwicklung  der  lakia  maiora)  als 
beim  europäischen  Weibe  und  mit  einem  wohl  ent- 
wickelten Praeputium  versehen , dessen  Seiten  sich 
nach  abwärts  in  die  Nymphen,  grosse,  1,2"  lange, 
sehr  ausdehnbare  hängende  Lappen  von  dunkel- 
rother,  fast  schwärzlicher  Farbe,  fortaetzen.  Die 


')  Die  Gröss«  dieses  Zwischenraums  hängt  zu  einem 
beträchtlichen  Theil,  jedoch  nicht  »Dein,  davon  ab,  ob  die 
Nasenbeine  in  einer  vollkommen  frontalen  Ebene  stehen, 
oder  ob  sie  »ich  in  einem  mich  hinten  offenen  Winkel 
dachförmig  verbinden.  Die  Differenzen  in_  dieser  Bezie- 
hung treten  auf  Horfxontalscbnitten  »ehr  prägnant  hervor. 

J)  Siehe  Philosophien!  transactions  18C4,  vol.  154, 
pl.  III,  S.  501. 


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144 


Referate. 


Verfasser  führen  über  die  äusseren  Genitalien  zweier 
anderen  Hottentottinnen  (Matter  und  Tochter)  noch 
die  Mittheilung  eines  am  Gap  wohnenden  Beobach- 
ters an.  Bei  der  letzteren  (12  Jahre  alt)  waren 
die  glutaei  mit  den  bekannten  halbkugeligen  Fett- 
kiasen  bedeckt,  dio  Nymphen  hingen  in  aufrechter 
Stellung  de»  Mädchens  als  zwei  3 '/*"  lange  Lap- 
pen herab.  Hymen  intact.  Die  Mutter  nahm  ihre 
Lappen  auf,  legte  den  rechten  um  die  rechte  Seite 
Aber  dos  Gesäss,  den  linken  ebenso  und  die  Enden 
beider  berührten  sich  hinten  in  der  Mittellinie.  E. 


4. 

Die  Menschenstämme  des  Nilbeckens.  Ba- 
ker, The  races  of  the  Nile  Bassin.  Trans- 
actions of  the  ethnological  aoeiety  of  London, 
Vol.  V,  1867,  S.  228  und:  Der  Albert-Nyanza, 
das  grosse  Becken  des  Nil  und  die  Erforschung 
der  Nilquellen,  aus  dem  Englischen  von  Mar- 
tin, mit  Illustrationen  und  Karten.  Jena, 
Costenoble,  2 Bände,  1867.  8°. 

Je  grösser  die  Bewunderung  ist,  die  man  dem 
kühnen  Reisenden  und  seiner  heroischen  Gemahlin 
für  ihre  ganz  unglaubliche  Ausdauer  zollen  muss, 
die  es  ihnen  ermöglichte,  unter  den  allerschwierig- 
atun  Verhältnissen  das  gesteckte  Ziel  zu  erreichen, 
deato  mehr  muss  man  bedauern,  dass  der  treff- 
liche Beobachter  von  den  wichtigsten  anthropolo- 
gischen Fragen  nicht  genügend  unterrichtet  war; 
denn  wie  hoch  man  auch  die  Hindernisse  anschlage, 
die  sich  der  Lösung  wissenschaftlicher  Aufgaben 
entgegen  stellten,  es  waren  dieselben  nicht  grösser 
für  Beantwortung  dieser,  als  für  die  violer  anderen 
Fragen. 

Das  Nilbeckeq  erstreckt  sich  vom  3°  südl. 
Breite  zum  32°  nördl.  Länge,  und  sein  Stromgebiet 
geht  vom  3°  südl.  Breite  zum  189  nördl.  Breite, 
vom  22°  östl.  Länge  zum  39°.  — Dies  enorme  Ge- 
biet von  1,285,000  geographischen  Quadratmeilen 
ist  durch  zahlreiche  Raten  bewohnt,  einige  sind 
wohl  von  der  Ostküste  des  rothen  Meeres  einge- 
wandert (die  Araber),  andere  haben  sich  durch  Er- 
oberung festgesetzt,  noch  andere,  die  welche  im 
Süden  des  Beckens  wohnen,  sind  die  Ureinwohner 
des  Landes.  Die  Egypter  und  die  Stämme  am  un- 
teren Nil  ausser  Acht  lassend , beschränkt  sich  der 
Verfasser  auf  die  Raccn,  welche  südlich  vom  18° 
nördl.  Breite  wohnen. 

Zu  den  arabischen  Stämmen  Nubiens  ge- 
hören die  Bisliarin,  Haddendowa,  Hallonga,  Jaleon, 
Shookareya , Dabai  na,  Kunano,  Hamran  und  einige 
andere.  Alle  sind  Nomaden,  die  je  nach  Jahreszeit 
und  Weidebedürfniss  mit  ihren  Heerden  da  und 
dorthin  wandern.  Arabisch  ist  ihre  gemeinsame 


Sprache,  ausgenommen  die  Haddendowa  und  Hal- 
longa, die  eine  andere  Sprache  sprecheu  und  daher 
wohl  Ureinwohner  der  nubischen  Wüste  sind. 

Kein  hervorstechender  Zug,  der  etwa  zur  Auf- 
stellung eines  besonderen  Typus  berechtigt,  unter- 
scheidet diese  verschiedenen  Stämme  von  einander; 
sie  unterscheiden  sich  kaum  audors  als  in  der  Art, 
das  Haar  zu  tragen.  Alle  sind  Mobamedaner  und 
worden  von  Scheichs  regiert. 

Alle  diese  arabischen  Stämme,  sowie  die  Abys- 
sinier  und  die  Schwarzen  von  Sennaar  am  südlichen 
Ufer  des  blauen  Nil  waren  den  Alten  bekannt.  Am 
blauen  Nil  finden  sich  egyptische  Alterthümer,  so 
alt  oder  älter  als  die  Pyramiden,  aber  am  weissen 
Nil  deutet  kein  Stein  auf  eine  frühere  Cultur,  hier 
ist  ein  Damm,  über  den  hinaus  Alles  Wildniss  ist, 
nicht  brennender  Sand,  nein,  eine  viel  fürchterlichere, 
endloser  Sumpf,  durch  den,  wie  ein  Styx,  der  weisse 
Nil  auf  Strecken,  die  man  nicht  in  Tagen,  ja  nicht 
in  einem  Monat  durchnässt,  dahinschleicht.  Dieser 
endlose  Sumpf,  nicht  die  Wüste  war  es,  vor  dem  einst 
Nero’s  Krieger  und  seitdem  alle  Reisenden  zurück- 
schreckten. Die  in  diesem  Gebiete  und  jenseits 
desselben  wohnenden  Stämme  sind  daher  von  den 
ältesten  Zeiten  her,  abgeschlossen  von  der  anderen 
Welt,  in  einem  Zustande  thieri scher  Rohheit  ver- 
blieben. 

Dio  nördlichsten  Stämmo  des  weissen  Nil  sind 
die  Dinkas,  Schilluk*.  Nüer,  Kitsch,  Bohr, 
Aliab  und  Schir;  mit  Ausnahme  der  Kitsch 
stimmen  die  übrigen  ziemlich  unter  sich  überein. 
Sie  sollen  mit  Ausnahme  des  Wollhaares  keinen 
eigentlichen  Negertypus  besitzen.  Vorderkopf  nie- 
drig, Kopf  breit,  Hinterkopf  dick  (heavy);  die  Kie- 
fer jedoch  nicht  vorstehend  und  die  Lippen  nicht 
aufgeworfen.  Von  Statur  sind  sie  sehr  gross  und 
musculös.  Die  Männer  gehen  ganz  nackt,  die  Mäd- 
chen bis  zum  Alter  von  15  Jahren  ebenso,  später 
tragen  sie  einen  Gürtel  von  wenigen  Zollen  Länge. 
Speciell  über  die  No  er  giebt  er  an  (Der  Albert - 
Nyanza,  I,  63),  sie  trieben  das  Wesen  der  Wilden 
ziemlich  auf  die  höchste  Spitze  und  seien  die  leib- 
haftigsten Teufel , die  er  je  sah.  Der  Leib  ist  mit 
Asche  eingerieben  und  das  Haar  mit  einer  Tünche 
von  AbcIio  und  Kuhurin  roth  gefärbt.  Die  Frauen 
durchbohren  dio  Oberlippe  und  tragen  daran  einen 
etwa  4"  langen  Schmuck  von  Glasperlen  auf  Eisen - 
draht,  der  wie  das  Horn  eines  Rhinoceros  vorsieht. 
— Von  den  Schir  (ibid.  S.  81)  bemerkt  er,  da-s 
die  Weiber  nicht  ganz  nackt  gehen,  sondern  kleine 
Zipfel  von  gegerbtem  Leder  tragen  -,  am  Rückeu- 
theil  dos  Gürtels,  der  dieses  Schurzleder  hält,  be- 
findet sich  ein  Schwanz  aus  fein  geschnittenen 
Lederstreifen,  der  bis  zu  den  unteren  Theilen  der 
Schenkel  hinahroicht  und  die  von  den  Arabern 
gegebene  Nachricht  erklärt,  dass  ein  Stamm  in  Mit- 
telafrika Schwänze  habe  wie  Pferde.  Die  niederste 
Stellung  von  all'  den  vorgenannten  Stämmen  neh- 


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Referate. 


145 


meu  die  Kitsch  ein.  ln  dem  endlosen  Sumpfbo- 
den, der  eine  BodeneuJtur  nicht  gestattet,  wandern 
die  mageren,  ausgehungerten  Gestalten  wie  Störche 
umher,  nach  Eidechsen,  Mäusen,  Schlangen,  Heu- 
schrecken und  weinen  Ameisen,  ihrer  Nahrung,  su- 
chend, Männer  und  Weiber  gehen  völlig  nackt 
uud  nur  die  Tochter  des  Häuptlings  hatte  ein 
Stückchen  gegerbter  Haut  — nicht  etwa  als  Gürtel 
benutzt  — sondern  über  die  eine  Schulter  gewor- 
fen *).  Die  Kinder  seien  reine  Gerippe,  die  Män- 
ner so  abgezehrt,  dass  sie  gar  keine  sichtbaren 
Gesä&se  mehr  haben,  diese  sehen  aus  wie  abge- 
hobelt und  ihre  laugen,  dünnen  Arme  und  Beine 
geben  ihnen  ein  eigentümliches  mückenähnliches 
Anssehen.  Die  Menschen  dieses  Stammes,  sagt 
Baker,  sind  reine  Alfen  und  die  kläglichste  Klasse 
von  Wilden,  die  man  sich  denken  kann. 

Die  folgende  allgemeine  Beschreibung  bezieht 
sieh  auf  alle,  ausgenommen  diu  Kitsch.  Sie  bauen 
kleine  niedere  runde  Hütten  und  pflanzen  an  trocke- 
nen Stellen  (die  Kitsch  ausgenommen)  die  Dhurra. 
Sie  besitzen  Kinderheerden,  schlachten  aber  nie  ein 
Thier,  sondern  lassen  ihnen  nur  von  /eit  zu  Zeit  Blut 
ah,  welches  sie  roh  oder  gekocht  trinken;  gefallene 
Thier«  verzehren  sie.  Die  Hauptnahrung  ist  Milch 
mit  dem  unvermeidlichen  Kuhurin  gemischt.  Sie 
sind  mit  Lanzen  bewaffnet,  einige  mit  Bogen  und 
Pfeilen  und  Keulen  von  Eisenholz.  Sie  arbeiten  in 
Eisen,  verfertigen  Lanzen,  Pfeilspitzen  und  bereiten 
Holzkohle  hierfür.  Wo,  wie  in  der  Gegend  der 
Shir,  kein  Eisenerz  existirt,  verfertigen  sie  die 
Pfeilspitzen  aus  dem  harten  Eisenholz  und  es  fällt 
die  'Abwesenheit  von  Metallwerkzeugeu  keineswegs 
mit  einem  Zustand  grösserer  Wildheit  zusammen. 

Mit  dem  öü  nürdl.  Breite  beginnt  der  Bari- 
Stamm  und  mit  der  Verbesserung  des  Bodens  geht 
Hund  in  Hand  ein  Fortschritt  bei  den  darauf  woh- 
nenden Stämmen.  Die  Scene  hat  sich  jetzt  ganz 
geändert  und  statt  der  trostlosen  Sümpfe,  der 
Heimath  der  armseligen  Kitsch,  finden  wir  trockene, 
parkähnliche  Gründe  mit  Bergen  und  darauf  den 
zahlreichen  und  mächtigen  Stamm  der  Baris. 
Männer  und  Weiber  sind  gross  und  musculös,  er- 
stere  gehen  nackt,  letztere  tragen  fusslange  Leder- 
ecliürzen.  Sie  sind  geschickte  Grobschiniede  und 
verfertigen  Spaten,  genan  von  der  Form  des  Pique 
in  den  Spielkarten,  mit  welchen  sie  Handel  treiben; 
auch  bei  diesem  Stamm  (Alb.  N.  I,  S.  87)  sei  das 
WoUhaar  das  einzige  Merkmal  des  Negerblute,  die 
Gesichtszüge  seien  hübsch,  dicke  Lippen  und  Platt- 
nasen fehlen.  Die  Bari  sowie  die  Eingeborenen 
von  Tollogo  und  Ellyria  (ibid.  I,  S.  161)  haben  im 
Allgemeinen  „kugelförmige  Köpfe,  niedrige  Stirnen, 
hinter  deu  Ohren  und  über  dem  Genick  hohe  Schii- 


l)  AU  Pommade  wird  oin  Gemisch  von  Kuhdung  und 
Asche  benutzt. 

Aiehir  fUr  Anthropologin,  Ud.  IXI.  Haft  IL 


del“  l).  Magengegend,  Seiten  und  Rücken  sind  tät- 
towirt  Das  einzige  Haar  am  ganzen  Leibe  ist  ein 
kleiner  Büschel  auf  dem  Wirbel  des  Kopfes,  in  den 
sie  Federn  stecken,  bei  den  Weihern  ist  auch  die- 
ser wegrasirt.  Letztere  tragen  statt  eiues  Feigen- 
blattes eine  kleine  niedliche,  etwa  6 Zoll  lange 
Schürze  von  Glasperlen  oder  kleinen  eisernen  Rin- 
gen, die  wie  ein  PanzeHiemd  gearbeitet  ist,  uud 
als  Hintergehäuge  den  gewöhnlichen  Schwanz  von 
feinen  Lederstreifen  oder  Garnfäden,  Schürze  uud 
Schwanz  an  einem  Gürtel  befestigt,  wie  heim  Stamme 
der  Shir.  — Zu  deu  Baris  gehören  auch  die  Eiu- 
gebornen  von  Tollogo  und  Ellyria  (ibid.  I,  S.  149). 

Achtzig  Meilen  östlich  von  den  kriegerischen 
Baris  gelaugt  man  zu  dem  mächtigen  Stamm  der 
Latukas,  ganz  verschieden  im  Aussehen,  Sprache 
und  Sitten  von  den  vorangehenden.  Ueber  diesel- 
ben bemerkt  Baker  (im  Albert -Nyauzu  I,  S.  181) 
Folgendes. 

„Die  Lutukus  bind  die  schönsten  Wilden,  die 
ich  je  sah.  Ich  muss  eine  Anzahl  von  ihnen ; die 
durchschnittliche  Höhe  betrug  5#  11  */**.  Sie  sind 
aber  nicht  nur  schlank,  sondern  besitzen  auch  eine 
wundervolle  Muskelentwickelung,  haben  schöne 
proportionirte  Arme  und  Beine  und  obgleich  sie 
ausserordentlich  kräftig  sind,  werden  sie  doch  nie 
fleischig  oder  corpuleut.  Die  Kopf  bildung  uud  all- 
gemeine Physiognomie  ist  von  allen  anderen  Stäm- 
men , die  ich  in  der  Nähe  des  weissen  Nils  getrof- 
fen habe,  ganz  verschieden.  Sie  haben  hohe  Stir- 
nen, grosse  Augen,  etwas  hohe  Backenknochen, 
einen  nicht  sehr  grossen , wohlgestalteten  Mund 
und  etwas  Volle  Lippen/  Ihre  Erscheinung,  meint 
Baker,  weise  auf  einen  Galla- Ursprung  hin.  Einen 
specifischcn  Unterschied  der  Stämme  des  weissen 
Nil  habe  er  vom  Anfang  der  Negerstämme  unter 
12°  nördl.  Breite,  bis  Ellyria  unter  4,30®,  entge- 
gen der  Behauptung  der  Händler  von  Chartum, 
dass  sie  die  Stämme  des  weissen  Nil  an  ihrem  in- 
dividuellen Typus  unterscheiden  könnten,  nicht  ge- 
funden; der  wirkliche  Wechsel  finde  erst  dann  uud 
zwar  plötzlich  statt,  wenn  mau  nach  Lutuka  komme 
und  lasse  sich  durch  eine  Vermischung  mit  den 
Gallas  erklären.  — Die  Männer  gehen  ganz  nackt 
und  sind  auffallend  hübsch,  die  Weiber  von  sehr 
gewöhnlichem  Ansehen  und  sehr  gross  (wenige  un- 
ter 5#  7”),  mit  entsetzlichen  Gliedern.  Sie  tragen 
hinten  lange  Schwänze  aus  feinem  Garn  mit  rothem 
Eisenocker  und  Fett  eingorieben,  vorn  Lappen  von 
gegerbtem  Leder;  Schläfen  und  Wangen  sind 
schwach  tättowirt.  Die  vier  Vorderzähne  des  Un- 
terkiefers werden  ausgezogen  und  in  der  durch- 
bohrten Unterlippe  ein  Stift  eingesteckt.  Grosse 


*)  Leider  ist  mit  diesen  B^nchrdbnngen , die  ohne 
jedwede  cr&niologische  Kenntnis*  gemacht  sind,  kaum 
etwas  anzufimgen  und  mit  den  Zeichnungen  nicht  viel 
mehr. 

19 


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146 


Nekrologe. 


Anfmerkramkeit  wird  der  Frisur  der  Minner  zu- 
gewendet.  Während  eine«  Zeitraum«  von  8 bis  10 
Jahren  wird  das  wollige  Haar  mit  Garn  durchwo- 
ben, bis  es  zu  einem  förmlichen  festen  Helm  von 
Filz  geworden  ist,  der  dann  mit  Perlen  etc.  ge- 
schmückt wird.  Die  Gebeine  der  Verstorbenen 
werden  in  der  Nähe  jeder  Stadt  theils  offen,  theils 
in  Töpfen  gesammelt  Gebeine  und  Schädel  bilde- 
ten bis  auf  eine  Viertelmeile  von  jedem  Dorfe  ein 
Golgatha  1 ).  Südwestlich  ven  Latuka  auf  einem 
3,600#  hohen  Plateau  folgen  die  Stämme  der  Ob- 
bo’s  und  Madi’s,  die  durch  ihre  mit  einem  Male 
auftretende  Verschiedenheit  von  den  I^atukas  auf- 
fallen. Die  Eingebornen  von  Obbo  sind  nach  Ba- 
ker (Races  of  the  Nilbasin  p.  234.  — Alb.-Nyanza 
1,  267)  in  Sprache  nnd  äusserem  Ansehen  von  den 
LatukaB  ganz  verschieden.  Sie  lind  völlig  nackt, 
ausser  wenn  aio  in  den  Krieg  gehen , wo  sie  sich 
mit  rothen  und  gelben  Streifen  bemalen  ; das  Fell 
einer  Antilope  oder  Ziege  tragen  die  Männer  wie 
einen  Mantel  über  die  Schulter  geworfen.  Die 
Weiber  sind,  so  lange  sie  nicht  verheirathet  sind, 
ganz  nackt,  die  Verheiratheten  tragen  nur  eine  an 
einem  Gürtel  hängende,  etwa  4"  lange,  2"  breite 
Franse  von  Lederschnittcheu , die  alten  Damen 
eine  Evaschürze  von  Blättern.  Sie  haben  eine  gute 
Gmichtsbildung  und  eine  besonders  schön  gestaltete 
Nase,  die  an  die  Gesichtsbildung  der  Somali-Stämme 
erinnert.  Auch  hier  wird  das  Haar  mit  Garn  ver- 
flochten und  in  eine  platte  Gestalt,  wie  ein  Biber- 
schwanz, gebracht. 

Mit  der  weetlichen  Krümmung  des  Nil  unter 
2,15°  nördL  Breite  ändert  »ich  die  Scene  plötzlich. 
Der  Fluss  bildet  gewissermaassen  die  Grenze  nack- 
ter Wildheit;  auf  dessen  südlichem  Ufer  findet  man 
ein  in  Aussehen  und  Sitten  von  allen  nördlicher 
wohnenden  ganz  verschiedene«  Volk.  Man  ist.  er- 
staunt, aus  dem  rohen  Zustand  der  Wildheit  plötz- 
lich in  eine  Art  von  Halbcivilisation  versetzt  zu 
sein.  In  Unyoro  gilt  Nacktheit  für  unanständig 
und  beide  Geschlechter  sind  mit  Zeug  oder  mit 
trefflich  pruparirten  Häuten  bekleidet.  Sie  sind 
vortreffliche  Schmiede,  machen  Nadeln,  Messer,  Lan- 
zen, Draht,  verfertigen  sich  Fäden,  machen  gutes 
Töpfergeschirr  und  pflanzen  viele  Gewächse  an. 
Ihro  Hütten  sind  auch  rund,  wie  die  der  übrigen 
Stämme,  allein  die  Eingänge  sind  6 bis  7'  hoch, 
nicht  mehr  2'  hohe  Hundelöcher,  in  die  man  auf 
allen  Vieren  hineinkriechen  muss.  Die  Hautfarbe 
ist  nicht  so  schwarz,  wie  die  der  nördlichen  Stämme, 
sondern  dunkelbraun.  Sie  habon  das  wollige 
Haar  der  Neger,  sind  aber  sonst  in  ihrem  Typus 
von  ihnen  unterschieden.  Es  lässt  dies  vermuthen, 
dass  hier  in  der  Richtung  vou  Zanzibar  eine  Ra$cn- 
mischung  stattgefunden  hat.  Dafür  spreche  auch 

*)  Leber  die  BmUsflcnheit  der  Schädel  erfahren  wir 
leider  nichts. 


das  so  plötzliche  Auftreten  der  Bekleidung,  obgleich 
in  dieser  Beziehung  nicht  ausser  Acht  zu  lassen, 
dass  eine  ^lecreshöhe  von  4000/  wohl  von  selbst 
zur  Bekleidung  führt. 

An  den  Ufern  des  Albert -Ny  an  za  westlich  von 
Unyoro  sind  die  Bewohner  völlig  schwarz,  ebenso 
die  Mallegga,  am  westlichen  Ufer  des  Sees.  Im 
äusseren  Ansehen  gleichen  sie  den  Bewohnern  von 
Unyoro,  sprechen  aber  eine  an dero  Sprache.  Uober 
Unyoro  hinaus,  südlich  vom  Aequator,  folgen  dann 
die  von  Speke  und  Grant  besuchten  Gegenden 
von  Uganda  und  Karagewe,  die  seit  alter  Zeit 
durch  Vermittelung  von  arabischen  Händlern  mit 
der  Ostküste  bei  Zanzibar  in  Verbindung  stehen, 
durch  welche  wohl  auch  die  Kenntnis«  von  den 
zwei  Seen , aus  denen  Ptolemäus  den  Nil  kommen 
lässt,  nach  Europa  gelangte.  Zwischen  dem  Aequa- 
tor, bis  zu  welchem  man  von  Süden  her  gelangte, 
und  den  Sumpflftndem  am  weissen  Nil,  welche  dem 
Vordringen  von  Norden  einen  unübersteiglichen 
Damm  entgegensetzten , blieb  daher  ein  weites  Ge- 
biet übrig,  in  das  Baker,  Speke  und  Grant  zum 
ersten  Male  eindrangen.  Ganz  verschieden  von  al- 
len bisher  genannten  Stämmen  in  Gesichtsbildung, 
allgemeinem  Aussehen,  sowie  in  Sitten  (sie  sollen 
Cannibalen  sein)  sind  die  Makkarika’s  westlich 
vom  Albert- Nyan za,  von  denen  Baker  einzelne 
bei  seiner  Rückkehr  in  Gondokoro  sah.  Eben  so 
primitiv  als  die  Stämme  der  Hochebene  Mittel- 
afrikas sei  der  Boden  dieses  Landes,  das  nie  Mee- 
reeboden  war.  £. 


Nekrologe. 

1. 

J.  van  der  Hoeven  in  Leyden,  gest.  am  10.  März 

1868. 

Drei  namhafte  Anatomen  und  Anthropologen, 
welche  Verfasser  dieser  Zeilen  im  Jahre  1863  bei 
einer  Reise  nach  Holland  persönlich  kennen  lernte, 
viele  Tage  in  ihren  CHbinetton  arbeitete  und  ihnen 
näher  trat,  sind  in  rascher  Folge  hinweggestorben: 
Wilhelm  Vrolik,  Halbertsma  und  nun  auch, 
am  10.  März  d.  J.,  der  langjährige  Freund  des  er- 
stereil, der  Lehrer  dos  zweiten  — J.  van  der 
Hoeven. 

Ich  folge  gern  der  Aufforderung  meines  Col- 
legen  Ecker,  den  Nekrolog  auf  van  der  Hoeven 
zu  schreiben.  Was  ich  indem,  mit  dem  äusseren 
Leben  des  Heimgegangenen,  sowie  mit  dem  nicht 
anthropologischen  Theile  seiner  Schriften  wenig  be- 
kannt, zu  bieten  habe,  ist  kaum  mehr,  als  ein  Be- 
kenntnis inniger  Verehrung  und  grossen  Dankes, 


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Nekrologe. 


147 


wie  man  es  dem  Todten  lieber  nachruft,  als  dem 
Lebenden  ausspricht. 

Als  Grundlage  meines  Berichtes  dienen  mir 
die  anthropologischen  Schriften  van  der  Hee- 
ren’s,  der  persönliche  Verkehr  im  Monat  Septem- 
ber des  Jahres  1863,  sowie  ein  Schatz  von  25 
Briefen,  welche  van  der  Hoeven  mir  seit  jener 
Zeit  geschrieben  hat  und  in  welchen  sich  das  gei- 
stige Wesen  diesen  Mannes:  sein  ruhig  waltender 
Kleies,  sein  reges  Interesse  für  den  Fortschritt  in 
allen  Disciplinen  der  Naturwissenschaft  wie  in  allen 
anderen  Gebieten  des  Geisteslebens,  seine  geord- 
nete und  liebevolle  Behandlung  aller  Dinge,  in 
reichem  Maasse  wiederspiegelt1). 

Jan  van  der  Hoeven  war  am  9.  Februar 
1801  zu  Rotterdam  geboren,  studirte  zu  Leyden 
Naturwissenschaft  und  Medizin,  wurde  mit  24  Jah- 
ren Arzt  in  seiner  Vaterstadt,  mit  26  Jahren  Pro- 
fessor der  Zoologie  zu  Leyden  und  starb  daselbst 
als  einer  der  gefeiertsten  Lehrer  dieser  altberühm- 
ten Universität,  am  10.  März  d.  J.,  im  68.  Jahre 
seines  Lettens. 

Was  van  der  Hoeven’»  Stellung  und  Bedeu- 
tung in  dem  Gesammtgebiete  seines  Faches  an- 
langt, so  kann  es  weder  die  Absicht  sein,  in  diesem 
Archive  ihn  von  dieser  Seite  besprechen  zu  wollen, 
noch  würde  dem  Verfasser  dieser  Zeilen  hier  ein 
eingehenderes  IJrtheil  zustehen.  Ich  darf  indess  auf 
die  ungewöhnlich  grosse  Reihe  der  Monographien 
hin  weisen,  in  welchen  van  der  Hoeven  seine 
höchst  zuverlässigen  und  gründlichen  Untersuchun- 
gen, die  sich  auf  wichtigere  Gattungen  fast  aller 
Thierclassen  beziehen,  niedergelegt  hat  und  von 
welchen  hier  nur  die  über  Limulus,  Nautilus,  Lepi- 
dosiren  nnd  Ckam&eleon  genannt  sein  mögen.  Ne- 
lken diesen  reichen  Detailuntersuchungen  verdient 
eine  besondere  Hervorhebung  das  im  Jahre  1827 
erschienene  „Ilandboek  der  Dierkunde“  (in’a  Deutsche 
übertragen  durch  F.  Schlegel  und  R.  Leuckart), 
welches,  von  dem  Standpunkte  ansgehend,  dass 
Zoologie  doch  etwas  mehr  »ei,  als  blosse  Systematik, 
üWall  den  vergleichend  anatomischen  nnd  physio- 
logischen MaasBstab  anlegte  und  hierdurch  die  heu- 
tigestags  sieghaft  dastehende,  sogenannte  „physiolo- 
gische Richtung“  der  Zoologie  mit  begründen  half. 
Unterschätzung  dor  Systematik  konnte  hierbei  Nie- 
mandem ferner  liegen,  als  gerade  ihm,  der  ja  selbst 
„Special ist“  war,  freilich  Specialist  in  fast  allen 
Hauptgebieten  des  Thierreichs. 


*)  Ueber  die  Berechtigung,  Mittheilungen  buh  Briefen 
Verstorbener  machen  za  dürfen,  kann  man  verschiedener 
Ansicht  sein;  gerade  in  diesem  Falle  scheint  ee  mir  ein 
Act  der  Pietät,  eine  Reihe  von  Briefesstellen  nicht  un- 
veröffentlicht zu  lassen.  — Wiederholt  entschuldigt  van 
der  Hoeven  sein  „incorrecte*  Deutsch“,  in  welchem  er 
„seit  mehr  als  20  Jahren  wenig  Ucbung  habe“.  Ich 
glnuhte  indess,  in  den  mitgetheiltcu  Stellen  kein  Wort  än- 
dern zu  dürfen. 


Einen  geringeren  Erfolg,  ohne  Zweifel  nur 
darum,  weil  sie  in  lateinischer  Sprache  erschien, 
erlangte  eine  spätere  Schrift:  „Philosophia  Zoolo- 
gie»u (in’s  Italienische  übersetzt  durch  Professor 
Lessona  und  Dr.  Salvadori),  die  indess,  wie 
Kenner  rühmen,  die  Quintessenz  der  Zoologie  in 
prägnantester  Weise  zusammenfasst. 

Wo»  die  zoologische  Tagesfrage,  die  Descen- 
denztheorie  anlangt,  so  fand  dieselbe  in  van  der 
Hoeven  keinen  Anhänger.  Er  verhielt  sich  hier 
mindestens  sehr  zuwartend  und  skeptisch.  Ich 
weiss  nicht,  in  welcher  seiner  neueren  Schriften 
sich  van  der  Hoeven  etwa  eingehender  auf  diese 
Frage  eingelassen  hat;  in  einem  seiner  Briefe 
(27.  Oct.  1864)  aber  heisst  es:  „Fritz  Müller 

hat,  meiner  Meinung  nach,  für  Darwin  nicht 
viel  erwiesen,  aber  nur  hypothetisch  gestritten. 
Ich  zweifle,  ob  Packer  und  Riecher  Formen  Einer 
Species  sind.  Es  ist  ja  gar  nichts  Ungewöhnliches, 
dass  eine  Species  weit  schärfer  charaktcrisirt  ist 
durch  cf,  als  durch  $ ; ja  bei  einigen  Species  würde 
man  die  Weibchen  an  sich  schwer  trennen  können, 
wenn  nicht  die  Männchen  so  verschieden  wären. 
Unter  Insecten,  ja  selbst  unter  Vertebraten,  ist  es 
nicht  ungewöhnlich;  ich  vermuthe  hier  ein  Gleiches 
bei  diesen  Crustaceen.“  Er  fügt  hinzu:  „Dies  meine 
jetzige  Meinung.  Uebrigens  muss  inan  war- 
ten. Jetzt  schon  die  Wahrheit  der  angeblichen 
Thatsache  anzunehmen,  ist  voreilig.“  Offenbar  sind 
solche  nicht  tendenziöse,  aber  skeptische  Gegner 
für  die  Reifung  der  Descendenztheorie  nützlicher, 
als  der  grosse  Tross  der  ackuollüberzeugten , ten- 
denziösen Zustimmer.  Und  unterm  3.  Januar 
1865  erwiderte  mir  van  der  Hoeven:  „Was  Sie 
über  Milchgebiss  von  Siiugethieren  schreiben,  weiss 
ich  nickt  zu  beantworten.  Wenn  es  so  wäre,  so 
steht  das  Factum  nicht  allein.  Die  Crinoidun  z.  B. 
auf  Stielen,  wieEncrinus  u.  s.  w.,  sind  bleibende 
Jugendformen  von  Comatula.“  — leb  denke, 
dies  ist  Descendenztheorie? 

Die  anthropologischen  Leistungen  van 
der  Hoeven’s  gehören  grossen theils  einer  Zeit 
an,  welche  dem  heutigen,  erfreulichen  Aufschwünge 
dieser  Diaciplin  vorausging;  sie  haben  diesen  Auf- 
schwung aber  sehr  wesentlich  mitbegründen  helfen. 
Zwei  Werke  sind  hier  vorzugsweise  zu  nennen:  die 
„ßijdragen  tot  de  natuurlijke  geschiedenis  van  den 
Negers  tarn“  (Leyden  1842)  und  der  „Catalogus 
crauiorum  diversanim  gentium“  (Leyden  1860). 

Das  erstgenannte  Werk,  welchem  eine  Anzahl 
kleinerer  Abhandlungen  über  den  Schädelbau  afri- 
kanischer Volksstämme  theils  vorausging,  theils 
nachfolgtc,  vergegenwärtigt  uns  ziemlich  vollstän- 
dig den  Standpunkt,  ja  die  Summe  der  damaligen 
anthropologischen  Krauiologie,  und  erörtert  auf 
Grund  genauer,  vom  Verfasser  ausgeftihrter,  heute 
noch  brauchbarer  Messungen  eine  Reihe  von  Fragen, 
welche  durch  ähnliche  Arbeiten  früherer  Autoren  un- 
19* 


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148 


Nekrologe. 


gelost  geblieben.  Nach  einleitenden  Bemerknngen 
über  Ziel  und  Methoden  der  Anthropologie  wird  ein 
Blick  auf  die  Hauptstämme  des  menschlichen  Ge* 
schlechtes  geworfen,  um  dann  zu  dem  Negerst&mme 
selbst  überzugehen.  Hier  folgt  nun  (Cap.  I)  die 
genaue  Messung  von  10  Negerschätleln,  nebst  der 
sehr  lehrreichen  Begründung  der  an  gewendeten 
Messmethode.  Eine  Vergleichung  der  gewonnenen 
Mittelwerthc  mit  solchen  ans  Europäer-  und  Chi- 
neftenschkdeln  bringt  Capitol  II.  Das  dritte  han- 
delt von  der  Grösse  des  Innenraumes  bei  dem  Ne- 
ger- und  Europäerschüdel.  Das  vierte  weist  nach, 
was  die  Messmethode  und  kranioekopischeu  Theo- 
rien von  Car us  für  den  Negerschädel  ergeben. 
Von  besonderem  Interesse  sind  die  beiden  Schltua- 
capitel:  über  die  Raffern  Völker  und  den  Kafifern- 
gchfidel,  sowie  ein  Ueberblick  über  die  geogra- 
phische Verbreitung  den  äthiopischen  Menschen- 
stammes. Einige  vortreffliche  Abbildungen,  — 
Portrait«  und  Umrissbilder  von  lebenden  Negern, 
Negerschädeln  und  Negerhänden  — schmücken 
diese  klassische  Sujirift. 

Wie  methodisch  und  sicher  van  der  Iloeven 
in  dieser  vor  26  Jahren  erschienenen  Arbeit  vorgo- 
gangen  ist,  zeigt  sich,  um  nnr  Eines  zu  erwähnen,  in 
einer  Controvers©  über  das  Gehimgewicht.  In  sei- 
ner berühmten  Abhandlung  über  das  Gehirn  des 
Negers,  Europäers  und  des  Drang  hatte  T ie de- 
in an  n bekanntlich,  gestützt  auf  die  Gewichtebe- 
stimmungen des  Schädelinhalte«  von  186  kauka- 
sischen und  70  Negerschädeln  den  Ausspruch  ba- 
sirt,  dass  es  ein  Irrt  hum  «ei,  zu  behaupten,  dass 
di©  Neger  einen  minder  geräumigen  Schädel  und 
kleinere  Gehirn©  besitzen , als  die  Europäer.  Die- 
sen vielleicht  sehr  gut  gemeinten,  und  zumal  von 
Philanthropen  (die  ihre  Motiv©  freilich  anderswo, 
als  in  dem  Gehirnvolumen , hätten  suchen  sollen) 
willfährig  aufgenommenen  und  fest  gehaltenen  Irr- 
thum widerlegte  van  der  Hoeven  vollkommen 
exact,  einmal  durch  die  von  Ti  ©de mann  unter- 
lassene Mittelziehung  aus  den  von  ihm  selbst  her- 
gebrachten Volum-  (reap.  Gewichta)zifferu,  die 
nun  eine  in  der  That  erhebliche  Differenz  (39,7 
Unzen  für  den  kaukasischen,  37,8  für  den  Neger- 
schädel — d.  i.  ein  Unterschied  von  , .reichlich  */? o 
des  gesammten Gewichtes“)  ergaben j sodann  dadurch, 
dass  dio  von  van  der  Hoeven  hinzu  gefügten  Mes- 
sungen den  Kopfumfnng  des  Europäers  um  20 
Miltiin.  (d.  i.  um  '/is)  grösser  zeigten,  als  den  des 
Negers. 

Was  nun  den  „Catalogus  craniorura44  anlangt, 
eine  kleine,  nur  65  Octavseiten  umfassende  Schrift, 
in  welcher  van  der  Hooven  die  Schädel  seiner 
au  Malayien,  Negern,  Kaffem  und  Hottentotten 
reichen  Sammlung  in  musterhafter  W’eise,  knapp, 
elegant  und  correct,  beschrieben  und  durch  Beifü- 
gung der  Hauptmaasse  erläutert  hat,  so  glaubt  man 
«ich  bei  Durchmusterung  dieses  trefflichen  Büch- 


lein« an  di©  reichen  Schrein©  in  dem  schmalen  Cor- 
ridor  de«  van  der  Hoeven  'sehen  Hauses  zurück- 
versetzt und  wird  bei  den  mannigfachsten  cranio* 
logischen  und  ethnologischen  Studien  Aufschlüsse 
und  Anregungen  finden 1). 

Von  neueren  anthropologischen  Schriften  van 
der  Hoeven’«,  meist  kleineren  Abhandlungen, 
«eien  erwähnt:  „Over  de  taal  en  de  vergelgkande 
t&alkennis,  in  verband  met  de  oatuurlijke  geschie- 
denis  van  den  mensch*  *);  Bcachrijving  van  «chedelB 
van  inboorlingen  der  Carolina-eilanden  (in  Verslagen 
enMededcelingen  der  Koninklijke  Akademie  van  We- 
tenschappen,  Afd.  Xatuurkuude,  S4*  Recks,  Deel  I), 
1865;  Een  Neger- schedel  uit  een  oud  klooster  in 
Zuid-IIolland  afkom&tig.  Eine  ebenso  nützliche, 
als  an  sich  undankbare,  und  darum  um  so  dankens- 
wertere Thütigkeit  entfaltet©  van  der  Hoeven 
in  seinen  „Boekaankondigingen4'  und  „Boekbe- 
schouwingen“,  die  er  mit  grosser  Gleichmässigkeit 
und  Ausdauer  (vorzugsweise  in  „Nederlandsch  Tijd- 
schrift  vuor  Geneeskumle44)  erscheinen  Hess,  und  in 
welchen  er  nicht,  wie  so  oft  geschieht,  einen  blossen 
Auszug  gab , sondern  überall  sein  eben  so  reifes, 
als  mildes  und  unbefangenes  Urtheil  zur  Geltung 
kommen  Hess.  Bei  dem  aufs  Ganz©  und  Allge- 
meine gerichteten  Sinn  des  Verewigten  erstreckten 
»ich  diese  Berichte  anf  Alles,  was  mit  Anthropolo- 
gie in  näherem  oder  entfernterem  Zusammenhang 
steht,  und  bei  dem  regen  Antheil,  den  derselbo 
namentlich  auch  an  den  Personen  nahm,  können  wir 
nnter  anderen  folgende  Schriften  verzeichnen : „Hot 
werken  en  leven  van  Linnaeus.u  (1859);  eine  Le- 
hen «Schilderung  und  Würdigung  A.  v,  Humholdt's 
(1859);  einen  ähnlichen,  kürzeren  Bericht  über  Joh. 
31  filier  (1860);  Le Yensbericht  van  Willem  Vrolik 
(1864);  Bericht  über  K.  E.  v.  Baer’s  Selbstbio- 
graphie  (1866)3). 

Eine  biographische  Skizze,  welche  nur  von 
gelehrten  Leistungen  und  der  äusseren  Gestalt 
eines  Profetsorenlebeos  zu  berichten  hätte,  scheint 
mir  schal  und  von  geringem  Interesse  und  würde 


*)  Be»  neiuer  Arbeit  au  »einen  Schidelachrmnken  ab- 
und  /«gehend  und  mir  Notizen  der  verschiedensten  Art 
zutragend,  sagte  mir  van  der  Hoeven  betreff*  seine» 
Catalugus:  „Das  hat  viel  Mühe  gemacht.“  Und  man 
wird  es  glauben.  Offenbar  ist  der  „Catatogus“  das  Vor- 
bild späterer  ähnlicher,  sehr  nützlicher  Schriften  gewor- 
den, von  welchen  hier  nur  „Mnsee  Vrolik“  psr  J.  L,  Du»- 
st* au  und  der  „Thesaurus  craniorum“  von  J.  11.  Davis 
genannt  sein  mögen.  — *)  Von  dieser  und  einigen  ande- 
ren Abhandlungen  enthalten  die  mir  xu  gesendeten  .Separat- 
abdrücke nicht  die  Angabe  des  Archiv»,  dem  sie  entnom- 
men. — *)  Es  musste  sehr  vrünschenswerth  erscheinen, 
die  Mitwirkung  van  der  Hoeven ’s  auch  für  dieses  Ar- 
chiv (über  dessen  erste»  Heft  er  einen  eingehenden  Bericht 
in  Nederl.  Tijdschrift  geliefert  hat)  zu  gewinnen;  eine 
für  die  Ausfiihrnng  leider  zu  spate  Zusage,  über  die  in 
Holland  erscheinenden  Anthropologien  in  diesem  Archive 
berichten  zu  wollen,  empfing  ich  in  einem  »einer  letzten 
Briefe. 


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Nekrologe.  * 149 


ganz  besonders  bei  einem  Manne,  wie  van  der 
Hoeven,  nicht  am  Platze  sein.  Denn  der  eigent- 
liche Werth  desselben  lag,  so  gross  auch  seine 
wissenschaftlichen  Leistungen  waren,  nicht  in  dem 
Forscher  und  Gelehrten,  sondern  in  dem  Menschen. 
„Homo  Hum,  humani  nil  a me  olienum  puto“,  so 
lautete  van  der  Hooven’a  Devise,  die  er  auch 
seinen  Schülern  durch  Wort  und  Beispiel  warm 
au'a  Herz  legte. 

Die  Äussere  Haltung  van  der  Hoc  von ’s 
hatte  etwas  tief  Ernstes,  durchaus  Gemessenes,  man 
hätte  auf  den  ersten  Eindruck  sagen  mögen  Küh- 
les und  Zurückhaltendes.  Aber  es  leuchtete  den- 
noch überall  so  grosse  Herzensgüte,  so  reges  Inter- 
esse durch,  dass  man  im  Verkehre  nicht  den  minde- 
sten Druck  fühlte.  Je  nüchterner  oftmals  seine 
Aussprüche  klingen  mochten,  um  so  sicherer  machte 
das  Gefühl  der  unbedingten  Aufrichtigkeit  und 
Ueberzeugtheit  von  Allem  was  er  sagte.  So  kri- 
tisch und  skeptisch  er  vielen  Dingen  gegenüber 
erschien,  — es  ist  immer  Anerkennendes,  was 
er  am  liebsten  anssprach.  Seine  Briefe  enthalten 
zahlreiche  Stellen,  die  dies  bezeugen.  So  schrieb 
er  (26.  Aug.  1864):  „R.  Wagner  haben  wir  lei- 
der verloren.  Ich  glaube,  dasß  die  Nachwelt  billi- 
ger über  ihn  urtheilen  wird,  als  der  Zeitgenosse 
in  seinen  letzten  Jahren  that.  Er  hat  viel  geleistet 
und  viel  angeregt.  Seine  vergleichende  Anatomie, 
seine  Icones,  sein  Wörterbuch,  sind  sehr  nützlich 
gewesen  und  sind  es  zum  Theil  noch.  Er  hat  viel© 
Schüler  gebildet.  Was  er  in  seinen  letzten  Jahren  in 
Anthropologie  und  Ethnologie  heransgab,  gehört, 
meiner  Meinung  nach,  nicht  zu  seinen  besseren  Ar- 
beiten.*4 Grosse  Freude  machte  ihm  das  Erscheinen 
der  gesammelten  ethnologischen  Schriften  von 
Itetzius:  „Es  ist  ein  Denkmal  der  PietÄt  des  Her- 
ausgebers und  ein  Denkmal  zugleich  der  Verdienste 
des  hochgeehrten  Vaters“  (Brief  vom  26.  Aug.  1864). 
Von  Xicolucci  schreibt  er  (Juli  1867),  er  scheine 
„in  Italien  nicht  so  bekannt  und  geschützt,  wie  er 
es  verdient“,  und  von  Curt  SprengeFs  Geschichte 
der  Arzneikunde,  dass  er  sie  früher  „auf  Autorität 
Einiger,  welche  sie  vielleicht  selbst  nicht  gelesen, 
zu  gering  angeschlagen.“  Nur  ein  einzigesmal 
habe  ich  heftige  nnd  bittere  Worte  von  »hm  ge- 
hört; es  war,  als  einem  verdienten  Gelehrten  und 
Beamten  grosses  Unrecht  geschah,  und  der  sonst  so 
ruhige  und  jede  Erregung  abhaltende  Mann  schrieb 
(November  1865):  „Wie  schön  doch  die  Dinge  ango* 
ordnet  sind  unter  die  Herrschaft  der  Buchstaben! 
Dabei  kann  der  Verstand  der  höheren  und  niede- 
ren Diener  des  Staates  ganz  ruhig  sein! 44 

Die  Milde  des  Mannes  zeigt  sich  sehr  schön  auch  in 
der  oben  erwähnten  Controverse  mit  Tiedcmann. 
Es  war  ihm  ein  Bedenken,  ob  er  nicht,  indem  er 
Tiedemann  mit  seinen  eigenen  Zahlen  widerlegte, 
dessen  Wahrheitsliebe  zu  beanstanden  scheine.  Und 
hier  kann  Jeder  sehen,  welch’  schöne  Sprache  die 


holländische  ist;  er  sagt  (Negers tarn . pag.  36): 
„Wanneer  ik  gevolgolijk  over  de  resultaten  van 
mijn  onderaoek  men  den  Heer  Tiedemann  ver- 
sehil,  geloof  ik,  dat  ik  mij  allerminst  by  hem  zal 
hebben  tu  verschoonen,  daar  zijne  waarheidsliefde 
hem  voorzeker  die  van  anderen  zal  doen  erkennen. 
Ik  heb  mij,  om  tot  mijn  besluit  te  geräken,  be- 
diend  van  zijne  eigene  waarnemingen.  Het  is  over- 
igens  ongaarne,  dat  ik  hen  tegenspreek,  wier  Ver- 
diensten ik  hoogschat;  maar  de  waarheid  staut  boven 
alle  menschelijk  gezag,  en  elk  onderzoeker  der  na- 
tuur,  beroemd  of  onbekend,  moet  haar  dienaar  zijn.“ 

Von  van  der  Hoeven  konnte  man  lernen, 
wie  eine  wissenschaftliche  Correspondenz,  die  doch 
einerseits  so  fordernd  und  erquickend,  andererseits 
leicht  so  zeitraubend  werden  kann,  dass  sie  die  lite- 
rarische Production  beeinträchtigt,  aufrecht  zu  er- 
halten ist  Wenn  Andere,  in  dem  unausführ- 
baren Wunsche,  ausführlich  zu  schreiben,  nun  gar 
nicht  schreiben,  so  wählte  van  der  Hoeven  den 
besseren  Weg:  er  schrieb  kurz.  Mehrere  seiner 
Briefe  Überschreiton  nicht  das  erste  Blatt 

Ausserordentlich  gross  war  seine  Gefälligkeit 
und  seine  Bereitwilligkeit,  jegliche  Unterstützung 
und  Auskunft  bei  wissenschaftlichen  Arbeiten  zu 
gewähren.  Hier  wurden  seine  Briefe  lang,  und  ich 
habe  mehrere  Beispiele,  dass  ein  in  Beantwortung 
vieler  Fragen  reicher  Brief  am  nächsten  Tage  von 
einem  zweiten  gefolgt  war,  der  noch  weitere  Aus- 
kunft gab. 

Van  dor  Hoeven  reiste  gern  und  besuchte,  zu- 
mal in  früheren  Jahren,  die  Naturforscherversamm- 
lungen verschiedener  Nationen.  Die  deutschen  ge- 
fielen ihm  besser,  als  die  englischen,  wo  man  „nicht 
zusammen  isst  ond  darum  nicht  zusammen  ist.“  Von 
der  Versammlung  zu  Birmingham  schrieb  er  mir 
(Sept  1865):  „In  Birmingham  war  auch  Davis. 
Sonst  habe  ich  keine  Anthropologen  gesehen,  die  doch 
da  waren;  aber  in  England  sehen  eich  die  Mitglie- 
der der  „Association4*  weniger,  als  in  Deutschland  auf 
den  Vereinen,  weil  sie  in  England  nie  zusammen 
speisen  nnd  Jeder  mehr  bei  seiner  Section  bleibt 
Ich  gehörte  zu  Section  D (Naturgeschichte)  und 
Subsection  I)  (Physiologie).44  Von  einer  deutschen 
Reise  schrieb  er  mir  (Herbst  1866)  in  den  Harz: 
„Ilsenburg  ist  mir  bekannt,  am  Fusse  des  Brocken. 
Ich  verblieb  dort  einen  Tag  und  Nacht  und  erstieg 
damals  auch  den  Brocken.  Die  liebliche  Lage  vom 
Gasthof  bei  einem  Teich,  mit  hohen  Bäumen  umge- 
ben, ist  mir  noch  in  lebhafter  Erinnerung.  Mein 
Sohn,  damals  Student  ’),  war  mein  Reisegefährte.44 

Von  politischen  Deductionen  war  van  der 
Hoeven  kein  Freund  and  er  sah  bei  der  jüngsten 


*)  Dr.  J.  van  der  Hoeven,  welcher  io  der  Leopol- 
dina (Hd.  2'JI  eine  treffliche  Beschreibung  des  unter  Nr. 
15Ö  des  „Catalogus"  rurkommeaden  „Cranium  Caffri  de- 
forme“ gegeben  hat. 


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Nekrologe. 


150 

Entwicklung  der  europäischen  Verhältnisse  etwas 
tröb  in  die  Zukunft  Aber  er  besaas  seinen  Hebt 
holländischen  Patriotismus,  und  als  er  mir  einst 
meldete,  dass  Swaving  in  Delft  sei,  unterlieg*  er 
nicht,  hinzuzufhgen : Sie  wissen,  der  Stadt  von 

Leeuwenhoek  und  Hugo  Grotius.  Bei  einem 
mehr  als  achttägigen  Aufenthalte  in  Leyden,  wäh- 
rend dessen  ich  fast  täglich  in  van  der  Hoeven’s 
Hause  arbeitete,  hatte  ich,  überdies  durch  die 
reichen  Schätze  der  anatomischen  Universitäts- 
Sammlung  überwältigt,  das  unter  van  der  Hoe- 
ven’s  Leitung  stehende,  weltberühmte  „Ryka-Mu- 
seura“,  so  sehr  eg  mich  sonst  interessirt  haben 
würde,  immer  und  immer  nicht  gesehen.  Ich  wollte 
täglich  hingehen;  als  dies  am  Abschicdstage  nicht 
geschehen  war.  sagte  van  der  Hoeven  in  seiner 
ihm  eigenen  Weise:  „Es  ist  eine  Schande  für  uns 
und  nicht  ganz  recht  für  Sie.  Aber  gehen  Sie 
schnell  noch  auf s Stadthaus  und  sehen  Sie  das  Bild 
von  van  der  Werff,  dem  Retter  von  Leyden141). 

In  einem  Briefe  vom  3.  Januar  1865  kommen 
die  ersten  Aeusserungon,  welche  auf  eine  Abnahme 
der  Gesundheit  oder  der  geistigen  Frische  hindeu- 
ten. Auf  die  Umlauerhaftigkeit  der  irdischen  Dinge 
verweisen  allerdings  schon  frühere  Briefe;  gleich 
der  erste  (vom  24.  Dee.  1863)  knüpft  an  den  zwei 
Tage  vorher  erfolgten  Tod  W.  Vrolik’s  wehmü- 
thige  Betrachtungen,  und  der  nächst  folgende  an  ein 
von  R.  W a g n e r nur  mit  zitternder  Hand  unterschrie- 
benes Dictat  den  Ausspruch:  „Wo  ich  hinschaue 
unter  Zeitgenossen  sehe  ich  Erinnerungen,  welche 
anmahnen . dass  die  Zeit  vielleicht  auch  für  mich 
bald  da  sein  wird.  Linquenda  tellue!u  Am  3.  Ja- 
nuar 1865  schreibt  van  der  Hoeven:  „Ich  arbeite 
sehr  langsam.  Winter  ist  meine  Arbeitszeit  kauin 
mehr.  Ich  bin  auch  vielleicht  durch  viele  Ge- 
schäfte etwas  abgespannt.“  Am  19.  April  1866: 
„Ich  habe  wenig  Zeit  zu  literarischen  Arbeiten. 
Meine  Vorlesungen  ermüden  mich  mehr  als  früher, 
und  ich  habe  zu  viel  zu  lesen.  Die  Soramerferien 
sind  gewöhnlich  wieder  zu  warm,  und  wenn  es 
warm  ist,  kann  ich  leider  nicht  arbeiten.  So  werde 
ich  dann  ganz  faul.  Jetzt  beschäftigt  mich  Meno- 
branchus*),  ein  Skelet  von  Drom&s  Ardeola  *),  das 
ich  dem  I>r.  Ed.  Rüppell  verdanke  nnd  Stenops 

l)  Der  im  Jahre  1574  die  Bevölkerung  zu  ausharrendem 

Widerstand  gegen  die  belagernden  .Spanier  begeisterte  und 
den  verhungernden  Bürgern,  die  ihn  zur  Uebergabo  zwin- 
gen wollten,  da*  Schwert  auf  seine  Brust  »ctxend,  zurief: 
„Nehmt  mein  Fleisch. — *)  Unterm  20.  Juli  18157  schreibt 
er  von  Blutkörperchen-Messungen,  die  er  bei  Menobran- 
ehus  ausgeführt  und  freut  sich,  au  meine  Alittheilungrn 
(llcnle  und  Pfeufer’a Zeitsehr.,  3.  Reihe.  XX,  S.  22) 
anknüpfend,  dass  die  enge  Verwandtschaft,  welche  er 
„swUchen  Proteus  und  Mcnobnmctu»  in  Skelet,  Ringe- 
weiden, Zungenbein  und  Kivinenapparat  gefunden,  nun 
selbst  aus  den  Blutkörperchen  hervorgehr*.  —  l *  3)  Anno- 
tationes  de  Dromade  Ardeola  Payk..  die  letzte  Arbeit,  die 
ich  von  ran  der  Hoeven  (Jan.  1368)  erhielt,  erschien 

1867  in  der  Leopoldina. 


javanicus.  Ich  hätte  noch  wohl  Material  für  zehn 
Jahre  Arbeit;  aber  die  Arbeitslust  fehlt  und  ich 
werde  wohl  nicht  viel  mehr  beendigen.“ 

Aber  die  Vorlesungen,  die  ihn  übermüdeten, 
die  den  fleissigen  Mann,  der  sich  faul  nennt,  arbeits- 
unlustig machten,  waren  nicht  ohne  Lohn.  Am  1. 
Mai  1866  schrieb  mir  van  der  Hoeven:  „Vor- 
gestern gedacht  ich,  dass  es  vierzig  Jahre  waren, 
seitdem  ich  Professor  ward.  Es  war  ein  Tag  des 
Dankes.  Meine  Zuhörer  hatten  es  vernommen  nnd 
haben  mir  ein  prächtig  eingebundene«,  mit  Silber 
ausgezeichnetes  Album  mit  ihren  Photographieen 
gegeben  und  waren  gestern  in  grosser  Anzahl  auf 
meiner  Lection  zugegen,  um  mich  mit  lautem  Bei- 
fall su  empfangen.  Dadurch  war  ich  gerührt  und 
ich  sprach  einige  Worte,  wobei  sich  das  mir  unge- 
wohnte und  wohl  bei  Studenten  seltene  vorkam. 
dass  meine  Zuhörer  auch  bis  zum  Weinen  getroffen 
waren.  Das  ist  das  Herrlichste,  was  man  leben 
kann,  geliebt  zu  sein,  und  ich  wünsche  das  auch 
Ihnen  zu.  Ich  danke  dafür  meinem  Gott.“ 

Und  nun  sein  letzter  Brief  (6.  Januar  1868). 

„Ich  selbst  bin  kränklich,  meine  Lungen 

leiden.  Bis  an  das  Wintersemester  habe  ich  noch 
Vorlesungen  gehalten,  obgleich  ich  schon  seit  Oc- 
toker  unwohl  war.  Jetzt  hat  die  grosse  Kälte  in 
den  vorigen  sechs  Tagen  mich  wieder  zurückge- 
setzt.  Es  ist  heute  Schnee  gefallen  und  die  Külte 
ist  gemildert;  bald  erwarte  ich  T hau wetter.  Aber 
wir  sind  im  Anfang  Januars,  und  bald  kann  dio 
Kälte  wiederkehren.  Ich  hoffe  aber,  wenn’s  Gott 
gefallt,  so  bald  wie  möglich  meine  Vorlesungen 
fortzuaetzen.  Leider  ist  aber  mein  geliebter 
Schwiegersohn,  Dr.  Kingma,  seit  fünf  Wochen 
sehr  krank.  Er  hat  eine  sehr  grosse  Praxis,  auch 
als  Accoucbeur.  Nun  hat  er,  schon  unwohl,  noch 
zweimal  in  der  Nacht  Entbindungen  gehabt.  Ich 
muss  wirklich  befürchten,  dass  ich  ihn  verlieren 
werde.“ 

Wenigs  Wochen  später  erfuhr  ich  durch  einen 
Brief  von  J.  B.  Davis  die  Nachricht  des  am 
10.  Mürz  erfolgten  Todes  unseres  Freundes.  „So- 
gleich, als  er  mir  über  Unwohlsein  klagte“  (schreibt 
Davis)  »war  ich  besorgt  um  den  Ausgung,  haupt- 
sächlich weil  ich  ihn  vorher  nie  sich  beklagen  hörte. 
Der  Tod  seines  Schwiegersohnes  erschütterte  ihn 
tief“.  — Im  Monat  December  hatten,  wie  mir  Pro- 
fessor Zaaijer,  ein  Schüler  van  der  Hoeven’s, 
schreibt,  mehrere  Anfälle  von  Haamoptoö  stattge- 
funden.  Darauf  folgte,  am  8.  Januar,  der  Tod  des 
Schwiegersohnes,  von  welcher  Zeit  an  van  der 
Hoeven’*  Kräfte  mehr  und  mehr  sanken.  „Wäh- 
rend der  ganzen  Zeit  seiner  Krankheit  war  er  sehr 
ruhig  und  er  hat  nicht  viel  gelitten;  er  fürchtete 
den  Tod  nicht,  den  er  selbst  voraussah.  Stet«  fand 
ich  ihn  noch  mit  einiger  Arbeit  beschäftigt  und 
da*  letztemal  noch  zeigte  er  mir  Abbildungen  aus 
einem  Reisejournale.“ 


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Vermischte  Nachrichten. 


151 


Ich  hatte  gewünscht,  van  der  Hoc  von  durch 
Widmung  einer  Schrift  (deren  Abschluss  mich  so- 
eben beschäftigt)  ein  öffentliche«  Zeichen  meiner 
Verehrung  zu  geben.  Die  letzten  Wort«  seines 
letzten  Briefes  beziehen  sich  auf  meine  an  ihn  ge- 
richtete Bitte.  „Ich  hätte  freilich  lieber  gesehen, 
dass  Ihre  Untersuchung  über  einige  Grundfragen 
der  Anthropologie  bis  zum  Erscheinen  des  zweiten 
Bandes  Ihres  Werkes  „Von  Wachsthum  und  Bau“ 
gewartet  hätte.  Ich  nehme  übrigem?  gern  die  De- 
dication  Ihres  Buches  an.  Von  Dr.  Swaving  (in 
Batavia)  werden  Sie  die  Zustimmung  nicht  in  so 
kurzer  Zeit  erhalten  können ; aber  vielleicht  war- 
ten Sie  nicht  darauf.*4  — - Der  so  unerwartete  Heim- 
gang van  der  Hoeven’s  lies«  mir  bei  Nieder- 
* Schreibung  jenes  Buches  das  Bild  des  trefflichen 
Mannes,  dessen  Namen  es  nun  tragen  wird,  um  so 
lebhafter  vor  Augen  stehen.  Von  diesem  Bilde 
scheidend,  dürfen  wir  ausaprechen: 

Ein  tüchtiger  Forscher  und  Gelehrter, 
ein  treuer  und  geschickter  Lehrer,  ein  ed- 
ler Mensch! 

Halle,  im  Juni  1868. 

H.  Welcker. 


2. 

John  Crawfurd,  der  am  11.  Mai  in  London 
verstorbene  Präsident  der  Londoner  ethnologischen 
Gesellschaft,  war  am  13.  August  1783  auf  der  In- 
sel Islay,  der  südlichsten  der  Hobriden,  aus  einer 
schottischen  Familie  gehören,  studirte  in  Edinburg 
Medizin,  und  ging  1803  als  Militärarzt  nach  In- 
dien. In  dieser  Eigenschaft  kam  er  1808  nach  Pi- 
nang  in  der  Meerenge  von  Malacca,  und  dort  be- 
gann er  sich  auf  das  Studium  der  malayischen  Rav« 
und  ihrer  »Sprachen  zu  verlegen,  wodurch  er  weit- 
hin bekannt  wurde.  Im  Jahro  1811  lud  ihn  Lord 
Minto,  der  damalige  Generalstatthalter  von  In- 
dien, ein  ihn  auf  der  Expedition  gegen  Java  zu 
begleiten,  die  zur  brittischen  Eroberung  dieser  In- 
sel führte.  Crawfurd  wurde  diplomatischer  Resi- 
dent am  Hof  eines  der  einheimischen  Fürsten,  wo 
er  sechs  Jahre  lang  blieb,  und  die  Materialien  zu 
seiner  „History  of  the  Indian  Archipelago“  sam- 
melte, die  er  1820  in  England  herausgab,  wohin  er 
1817  nach  erfolgter  Rückgabe  Java’«  an  Holland 
zurück  gekehrt  war.  Im  Jahre  1821  ging  er  wieder 
nach  Indien,  und  wurde  vom  Marquis  v.  Hastings 
mit  der  diplomatischen  Mission  nach  Siam  und  Co- 
chinchina  betraut,  1823  aber  zum  Statthalter  der 
neuen  Ansiedelung  Singapur  ernannt,  wo  er  drei 
Jahre  blieb  nnd  die  brittische  SouverÄnetät  dort 
eigentlich  begründete.  Im  Jahre  1826  nach  Ben- 


gal zorückgekehrt,  ward  er  vom  Generalstatthalter 
Lord  Am  her  st  zum  Commissionär  in  Pegu  und, 
nach  dem  Friedensschluss,  zum  Gesandten  am  bir- 
manischen Hof  ernannt«  Im  Jahre  1827  kehrte  er 
definitiv  nach  England  heim,  und  lebte  seitdem  sei- 
nen orientalischen  Studien.  Ausser  vielen  bezüg- 
lichen Arbeiten  in  Journalen  oder  Magazinen,  ver- 
öffentlichte er  1852  eine  Grammatik  und  ein 
Wörterbuch  der  malayischen  Sprachen,  und  1856 
ein  gelehrtes  Werk  über  den  philippinischen  Ar- 
chipel. Er  war  eines  von  den  thütigsten  Mitglie- 
dern der  geographischen  und  der  ethnologischen 
Gesellschaft.  Seinem  Privatcharakter  zollt  die 
Times  warmes  Lob.  (Augsb.  Allg.  Zeitung.) 


Vermischt«  Nachrichten, 

l. 

Der  bekannte  freigebige  Amerikaner  Pea- 
body  hat  zur  Gründung  eines  Museums  für 
Archäologie  und  Ethnographie  von  Ame- 
rika 150,000  Dollars  geschenkt,  und  es  soll  das- 
selbe in  nächster  Verbindung  mit  der  Harvard- 
Universität  in  Cambridge  (Massachusetts)  errichtet 
werden.  Die  Leitung  soll  Professor  Jeffries  Wy- 
man  übernehmen. 


2. 

Ueberset zungskunst.  In  Lyell:  das  Al- 
ter des  Menschengeschlechts  etc.,  übersetzt  von 
Büchner,  Leipzig  1864,  heisst  es  S.  228  bei  Be- 
sprechung der  „Alpen  - Irrblöcke  auf  dem 
Jura“  wie  folgt:  „Einer  (dieser  Blöcke),  na- 

mentlich aus  Gneise  und  gefeiert  unter 
dem  Namen  des  „Peter  von  Botu  liegt  etc. 
etc.“  — Der  Stein  heisst  nämlich  Pierre  k Bot 
und  heisst  so,  weil  man  in  seiner  Form  Aehnlich- 
keit  mit  einer  Kröte  gefunden  hat-,  welches  Thier  im 
Neuenburger  Dialekt  „Bot„  heisst.  Das  zu  wis- 
sen kann  man  von  Niemand  verlangen;  wohl  aber 
darf  man  sich  wundem,  dass  ein  Naturforscher  in 
einem  Capitel,  das  speciell  von  Irr-Blöcken  handelt, 
„pierre“  mit  „Peter“  übersetzt. 


3. 

Herr  M.  Klautaeh , Conservator  am  zoolo- 
gischen Museum  hierseihst,  habe  ich  veranlasst, 
Gypsabgüsse  mehrerer  interessanten  Schädel  anzu- 
fertigen und  solche  käuflich  abzugeben.  Ich  bo- 


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152 


Vermischte  Nachrichten. 


am  meisten  dolichocephale  und  am  meisten  opis- 
thognathu  Schädel  von  allen  t die  ich  kenne)  ist  in 
Folge  der  von  Herrn  Professor  Budgc  gewährten 
Erlaulmiss,  den  Schädel  abformen  zu  dürfen,  unter 
diesen  Abgüssen. 

Halle,  24.  Juni  1868. 

D.  H.  Welcker. 

Auf  vorstehende  Anzeige  Bezug  nehmend  erlaube  ich  mir,  folgende  Liste  vorzulegen. 


I.  OypsAbgüsse  von  Schädeln. 

1.  Aymara  Thlr.  2. 

2.  Aravacken-Indianerm „ 2. 

8.  6jährige»  Judenmädchen  (Trigonocephalus)  « „ 2. 

4.  Xeugeltorucr  Trigonocephalu» „ 1. 

6.  Pommerscher  Weber  (Scaphocephalus) „ 3. 

l>.  44jähriger  Mikroccphalus  (G.  Maehrei „ 1.  Sgr.  15. 

7.  Schädel  des  Professor  Philipp  Meckel  (Platycephalus)  .......  Thlr.  2. 

H.  SchädelausgilBBe  (Form  des  bchidelinnenraumes,  also  Gehirn  innerhalb  seiner  Häute). 

s.  Gehirn  de»  5jährigen  Trigonocephalus Thlr.  1. 

9.  » des  neugebornen  Trigonocephalua  „ — Sgr.  15. 

10.  „ des  Pommerscheu  Webers  . „ 1.  „ 15. 

11.  n des  Mikrocephaiua  Maehre * 1. 

12.  w des  Professor  Philipp  Meckel  „ 1. 


merke  hierbei,  dass  diese  Abgüsse  sich  von  der 
Mehrzahl  der  seitherigen  dadurch  auszeichnen,  dass 
sie  dauerhaft  und  sehr  sorgfältig  auageführt  sind, 
so  dass  mehrere  wichtige  Partieen , die  in  der  Re- 
gel fehlen  oder  ungenau  wiedergegeben  zu  sein 
pflegen  (z.  B.  Ränder  des  Hinterhauptsloches,  Gau- 
men und  dergl.),  deutlich  hervortreten.  Auch  der 
durch  die  Abbildung  von  J.  B.  Davis  bekannte 
Scaphoceph&lus  der  Greifswalder  Sammlung  (der 


M.  Klautscli. 


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X. 

Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur 


L 

Urgeschichte. 

(Von  C.  Vogt.) 


Amerika. 


O.  C.  Marsh.  Description  of  an  ancient  scpulchral 
raound  near  Newark,  Ohio.  Americau  Journal 
of  Science  and  arte.  Vol.  42,  Julv  1866. 

Alter  indianischer  Grabhügel. 

The  american  naturalist.  A populär  illustrated 
magazine  of  natural  bistory.  Salem,  Essex  In- 
stitute. Ein  neues,  seit  1867  erscheinendes  Jour- 
nal. Darin  finden  sich  folgende,  anonyme,  hier- 
her gehörende  Aufsätze. 

The  two  earliest  kuown  rate*  of  tuen  iu  Europe.  (Ana- 
lyse den  unter  England  citirten  Aufsätze!«  von  Hawkln*.) 

Charles  Rau.  Indian  pottery.  10  Seiten,  9 Holz- 
schnitte. 

Formen,  die  ganz  mit  den  Formen  und  Verzierungen  der 
rfahlbauten  ühereinstiiniuen.  Siehe  oben  S.  1H. 

Charles  Rau.  Artificial  shell  - deivositn  in  New- 
Jersey. 

Siehe  di«  Ahhnndlung  in  diesem  Archiv,  Bd.  II,  S.  321. 

Wyman,  Flint  instrument»  from  the  island  of 
Regan.  — Verschiedene  geschliffene  und  zum 
Theil  durchbohrte  Stein -Instrumente.  Boston, 
Society  of  natural  history.  Sitzung  vom  2.  Oct. 


1867.  American  naturalist,  Vol.l,  Jantiarv  1868 
Nr.  11,  S.  622. 

Wyman  und  Edward  S.  Morse.  Shell  -heaps 
upon  Gooso-Island  in  Cosco-Bay.  — Boston,  Soc. 
of  natural  history.  Sitzung  vom  2.  Oct.  1867. 
American  naturalist,  Vol.  I,  January  1868,  Nr. 
11,  S.  022. 

Nach  wein  von  alten  KUchenabiallen  (Kjökkenmöddinger) 
dort  und  in  Mount  Deaerl.  Ansammlungen  von  Muschel- 
schalen,  10  bis  15  Fus.h  im  Durchmesser,  3 bis  15  Zoll 
mächtig.  Wenige  Stein-Instrument« , Knochen  des  grossen 
Alk  (Alca  impenni*);  vorzugsweise  Schalen  von  CI*ms(Mya 
arenaria).  Zuweilen  6 bis  7 Zoll  Torf  darüber. 

Jeffries  Wyman.  An  account  of  oome  Kjoekkeu- 
möddings  or  Shell -heaps,  in  Maine  and  Massa- 
chusetts. — American  naturalist,  Vol.  I,  January 

1868,  Nr.  11.  Mit  2 Tafeln  Holzschnittfigaren 
und  zwei  landschaftlichen  Ansichten  in  Holzschnitt 

Erwähnt  zuerst  die  früher  au  (gefundenen;  bei  Damarih- 
colta  (Main«)  von  Jackson  und  Chadbourn«;  auf  St. 
Simon«  Island  (Georgia)  von  Lyell;  bei  Keyport  (New- 
Jeraey)  von  Ch.  Rnu:  von  ihm  selbst  In  Ost -Florida  und 
bei  St.  Johns  in  Florida.  Die  jetzigen  sind  von  Mount 
Deserl  (Frachmana-Bay  in  Maine);  hier  linden  sich  un- 


J)  Alle  Werke,  bei  denen  keine  Jahreszahl  angegeben  ist.  gehören  dem  Jahre  1867  au. 

Archiv  hr  Antbroj-oU  gi<?.  Bd.  III.  Heft  II.  20 


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154 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


ten  stark  zersetzte  Scholen  von  Clam  (Venu*  mercenaria), 
Mu*«et  (Mytilu*  modiolus)  und  Whelk  (liuccinum  undntum), 
darüber  vegetabilischer  schwarzer  Schlamm,  dann  ein  zwei- 
te» Lager  derselben  Muscheln  in  weniger  zersetztem  Zu- 
stande, darüber  Dammerde  und  kleine  Waldbäume  wachsen. 
Die»  als  Beispiel  der  anderen  Fundorte,  Crouch’s  eure  au/ 
Goosc  Island  in  der  Casco  Bay,  Eagle  hill  in  Ipswich 
(Massachusetts),  Cotuit  Port  bei  Barnstable.  Alle  Knochen 
zerbrochen  — es  fand  »ich  ein  Zehenknochen  vom  Men- 
schen, ferner  folgende  Saugelhiere  und  Vögel:  Cervus  ea- 
nadeasis  und  virgiuionus,  Altes  americnnut,  Rangifer  cari- 
bou,  UrBU»  american us,  Cants  lupus  occidentalis,  Cimis  fa- 
miliaris,  Vulpe*  fulvus,  Felis  catiu,  Lulra  canadeinis , Pu- 
torius  vison,  Mustelln  americana,  Mephiti»  mephitica,  Phoca 


vitulina,  Castor  eanadensU,  Arctomys  tnonaz,  Alca  impen- 
nis  und  torda,  drei  Arten  Enten,  Mclcagris  gallopavo,  Ar- 
Uca  herodins.  Zwei  Schildkrötennrten,  Hai,  Kabeljau,  L o- 
phius  americanus  — vun  Schalthieren : Bucrinura  undatuin, 
Pyrula  cariea  und  canaliculata , Ostrea  edulis,  Myn  arena- 
ria,  Venus  mercenaria,  Mytilus  edulis,  Pecten  tenuicosto- 
tu»  und  islandicus,  Mactra.  Dos  einzige  uusgestorbene 
Thier  ist  di«  Alca  impciinU  andere,  wie  Elk  und  wil- 
der Truthahn,  haben  sich  zurückgezogen.  Es  fanden  sieh 
Topfscherbm  ältesten  Modell*,  wenige  Stein  - Instrumente, 
mehr  bearbeitete  Knochen,  einige  mit  rohen  Wiederhaken 
(Harpunen  zum  Fischfang).  iHe  Anhäufungen  seien  viel- 
leicht alt,  künnleu  aber  auch  ein  Alter  von  wenigen  Jahr- 
hunderten haben. 


Belgien. 


Ed.  Dupont.  Dicouvert©  d'objets  gravüs  et  sculp- 
tös  dans  Ie  trou  Magrite  a Pont-k-Leseie.  — Bul- 
let Acad.  Belgique.  Seance  du  3 Aoüt  1867. 

Die  ersten  Kunstgegenstände  aus  einer  belgischen  Renn- 
thierhöhte. Eine  Statuette  und  gekreuzte  Linien  aut  Ge- 
weihstücken. 

Ed.  Dupont.  Sur  l’emploi  probable  de  l’oltgizto 
trouve  Jans  la  couche  de  1‘äge  du  Renne  dans 
la  caverne  de  Chaleux.  — Bullet.  Acad.  Belgique. 
Seance  du  9 Nov.  1867,  pag.  483. 

Glnubt  mit  Lartet,  Christie  und  Fraaa,  dass  der 
rothe  Eisenstein  zum  Färben  der  Haut  diente. 

Ed.  Dupont.  Sur  la  succeaeion  des  temps  qua- 
ternaires,  d’aprea  lee  modificatioDB  observoes  dans 
la  taille  du  silex.  — Bullet.  Academ.  de  Belgique. 
Seance  du  4 Janv.  1868,  pag.  36. 

Die  Höhle  von  Pont-A-Lesse  »ei  nach  der  Fabrikation  der 
Stein-Instrumente  gleichzeitig  mit  Laugen«  haute  und  ent- 


halte neben  zahlreichen  Kennthser-  und  Pferdeknocheu, 
Knochen  vom  Nashorn,  Hyäne,  Höhlenbär  etc. 

d’Omaliua  d’Halloy  et  Van  Beneden.  Etüden 
sur  les  cavernes  du  bois  de  Foy  & Montaigle  par 
Ed.  Dupont  Rapport  n l’Acad.  — Bullet  Acad. 
Belgique.  Seance  du  6 Juillet  1867. 

d’Omalius  d’Halloy,  Van  Beneden  et  Spring, 
titude  sur  une  caverne  gituee  dans  la  Comnmne 
de  Bourignea.  Rapport.  — Bullet  Acad.  Bel- 
giqtie.  Seance  du  8 Mai  1867,  pag.  465. 

Höhle  aus  der  ersten  Eisenzeit. 

H.  Schuermana.  Rapport  adresse  h Mr.  le  Mi- 
niatre  de  l'Iuterieur  sur  la  question  de  Porigine 
des  dolmens  et  autres  moiiuments  do  pierres  bru- 
tas.  — Bruxelles  1868,  23  S. 

Die  Dolmen  »eien  jedenfalls  nicht  von  den  Gelten,  die 
Cäsar  kannte,  errichtet  worden,  sondern  weit  älter. 


Dänemark. 

L.  Müller.  Fortsatte  ßemärkninger  om  Oldtida-  Kopenhagen  1867,  22  S.,  10  Fig. 
symboler  af  Stieme,  Kore-  og  Cirkel-Form. 


Deutschland. 


von  Dückor.  Ueber  heidnische  BegrftbniggsteDen 
im  fotlichcn  Theile  der  Mark  Brandenburg,  ini 
Speciellen  über  dio  Urnengraber  zu  Saarow.  — 
Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Ber- 
lin, HI,  1.  Berlin  1868,  S.  69. 

UmengTnbcr  mit  calcitiirten  Knochen,  einigen  Stein*  und 
Bronxesacbcn  und  kleinen  Glasperlen. 

H.  B.  Geinitz.  Der  internationale  CongresB  für 
Anthropologie  und  vorhistorische  Archäologie  in 
Paris  am  17.  bis  30.  August  1867.  — Sitzungs- 
berichte der  naturf#9chenden  Gesellschaft  lein  zu 
Dresden,  1867,  3.  Oct, 

Bericht  über  dio  Aufstellung  und  die  Verhandlungen  des 

CölgTMttf. 


Klug,  K.  Heidnische  Begräbnisse  tÄtte  bei  I’ötrau. 
(Zeitschrift  des  Vereins  für  Lübeckische  Ge- 
schichte und  Alterthnmskunde , Band  II,  1867, 
Heft  2.) 

F.  Liech.  Pfahlbauten  in  Mecklenburg.  Zweiter 
Bericht.  Mit  3 in  den  Text  gedruckten  Holz- 
schnitten, Schwerin  1867. 

Klägliche  Darlegung  der  von  dem  Sergeanten  Bäsch  in 
Wismar  verübten  Betrügereien,  deren  Opfer  Lisch  war. 
Verauchte  Ausscheidung  des  Gefälschten  und  des  A echten. 
Die  ächten  Fundstiick«  von  Wismar  stimmen  ganz  mit  den 
schweizerischen  überein.  Ein  Pfahlbau,  der  nach  den  dort 
gefundenen  Töpfen  der  ältesten  Eisenzeit  angehören  »oll, 
wurde  von  Dr.  Wiechmano-Kadow  bei  Visufow  unter- 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  155 


«icht.  E*  wurden  dort  nur  Qtflwi,  .sifin^erithr , Schaf- 
knochen und  Haselnüsse  gefunden.  Andere  Pfahlbauten 
bei  Stern  berg  und  Kuchow,  von  v.  Bülow  gefunden. 

Pfahlbauten,  neue,  bei  Zürich.  Leipziger  illustr. 
Zeitung  1868,  Nr.  1288,  S.  166. 

E.  E.  Schmid.  Ueber  einen  Menschen&chädel  aus 
dem  Süsswasaerkalke  von  Greussen  in  Thüringen. 
— Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Gesell- 
schaft, XIX.  Band,  S.  52. 

Prognatber,  von  Gegen baur  untersuchter,  aber  unvoll- 
ständiger Schädel.  Unter  dem  Süsswasserkalke,  der  ausser 
Bo*  primigenius,  Pferd,  Reh,  Hund  oder  Wolf  und  Scltild- 
krötrn  noch  viele  jetzt  in  der  Gegend  vorkommende 
Schnecken  enthält,  liegt  Torf.  Ausserdem  Thongeräthe 
aus  hellgebranntem  Thon,  ein  kammnrtigc*  und  ein  dolch- 


artige* Werkzeug  au*  Knochen.  — Gehört  wahrscheinlich 
der  Brnnzeperiod«  oder  höchstens  der  jüngsten  Steinzeit  an. 

8chuster,  Friedrich  Wilhelm.  Ueber  alte  Be- 
gräbnisstätten bei  Mühlbach.  — (Programm  d. 
evang.  Unt.  Gymn.  zu  Mühlbach,  Jahrg.  1867, 
S.  3—16.) 

C.  F.  Wiberg.  Der  Einfluss  der  claasischen  Völ- 
ker auf  den  Norden  durch  den  Handelsverkehr. 
— Aus  dem  Schwedischen  von  J.  Mestorf.  Mit 
einer  Fnndkarte.  Hamburg  1867. 

Vortreffliche  Zusammenstellung  der  Funde  und  Fundorte, 
aus  welchen  die  alten  Handel*« ege  der  Phönizier,  Etrus- 
ker, Griechen  und  Römer  erschlossen  werden.  Nilsson’s 
Behauptungen  werden  meist  zurück  gewiesen  und  die  Bronze- 
Industrie  der  Etrusker  hervorgehoben. 


England. 


Anciont  Art  in  Peru.  Anthropologie.)  Review, 
Nr.  20,  pag,  120. 

Im  Guano  der  Lob»»- Inseln  fand  man  auf  dem  Boden 
ein  hölzernes  Idol  und  auf  den  Chinca- Inseln  in  32  Fuss 
Tiefe  getriebene  Silberplättcheu,  Fische  vorstellend. 

C.  Carter  Blake.  On  certain  Skulls  from  Round 
Barrows  in  Dorsetahire.  — Journ.  of  Anthrop. 
Soc.,  Vol.  5,  pag.  126. 

Anzeige,  dass  die  Abhandlung  in  den  „Memoirs“  erschei- 
nen werde, 

C.  Carter  Blake.  On  a human  jaw  front  the  Cave 
of  ia  Naulette,  near  Dinant,  Belgium.  — Anthro- 
pological  Review,  Nr.  18  und  19,  pag.  294  bis 
303. 

Kommt  zu  folgenden  Schlüssen  über  die  berühmte  Kinu* 

lade : 

1)  Dass  der  geschichtete  Flusslehiu  unter  der  Tropf- 
steindecke im  Trou  de  In  Kaulette  von  langsam 
wirkenden  Ursachen  erzeugt  sei; 

2)  dass  die  Kinnlade  einem  Menschen  angeliörte,  der 
gleichzeitig  mit  Mammut h und  Nashorn  lebte,  de- 
ren Reste  unter  denselben  Verhältnissen  dort  eiu- 
grbettet  wurden: 

3)  da»*  die  Kinnlade  in  ihren  Charakteren  einige 
Ähnlichkeit  mit  denen  der  nUvischen  Völker  Ost- 
Europas  zeigt ; 

4)  dass  diese  Charaktere  di«  Kinnlade  unterscheiden 
von  den  Menschenresten  aus  dem  Trou  du  Fron- 
tal, welche  der  Kennthirrprriode  angeboren  und 
sehr  den  Kalmuken  unserer  Tage  gleichen; 

5)  dass  einige  Chariiktere  eine  grosse  Ähnlichkeit  und 
selbst  eine  Uebertreibung  der  Charakter*  der 
schwarzen  llncen  und  namentlich  der  Australier  zei- 
gen. 

W.  Boyc.  Account  of  the  discovory  of  a tumulus 
of  the  stone  age  in  the  island  of  Zealand-Den- 
mark.  London,  10  pag.,  2 Fig. 

The  international  Con gross  of  Arckaic  Anthropo- 
loge*. — Anthropol.  Review,  April  1868,  Nr.  21, 
pag.  203. 

Anzeige,  dass  die  nächste  Sitzung  des  Congresses  im 
Jahr*  1 8GB  am  20.  August  unter  dem  Präsidium  von  Sir 


John  Lubbock  (gleichzeitig  mit  der  British  Association) 
statt  linden  wird.  Kurze  UrWftcht  der  bisherigen  Sitzun- 
gen in  Spezia,  Neuchätel  und  Paris. 

Conwell.  Examina tion  of  theAncient  Sepulchral 
Cairnp  on  the  Loughcren  hilla,  County  ofMeath. 
— Proeecdings  of  the  Royal  Irish  Accademy, 
Volume  IX,  Part  IV,  1867. 

Skulpturen  auf  Geräthschaften  und  an  den  Wänden  der 
Höhle. 

Crawfurd.  On  the  antiquity  of  man.  — Transac- 
tions of  the  ethnologic&l  Society  of  London.  New 
series,  Volutne  VI,  S.  233,  1868. 

Crofton,  M.  Denis.  On  vestiges  of  ancient  hu- 
man habitations  in  Poles  Cavern,  Derbyahire.  — 
Proceedinga  of  the  Royal  Irish  Academy,  Volume 
IX,  Part  IV. 

W.  Boyd  Dawkina.  On  the  former  ränge  of  the 
Reindeer  in  Europe.  — Populär  Science  Review. 
London,  Nr.  26,  January  1868. 

Genauere  Nachrichten  über  Fundorte  des  Kennthiers  in 
Grossbritannien.  Dasselbe  soll  mit  Abnahme  der  Eiszeit, 
welche  einer  Aenderung  der  Erdaze  zugesebriebeu  wird, 
von  Hoch-Asien  zu  uns  gewandert  »ein,  ganz  F.uropa  über- 
•chwemmt  haben , von  den  Pyrenäen  hi*  nach  Caithne**, 
dort  noch  11 39  nach  Chr.  gejagt  worden  sein,  sich  in 
Central-Europa  seit  Cäsar’*  Zeit  zurückgezogen  haben  und 
im  14.  Jahrhundert  in  Lappland  und  am  bolhnischen  Golf 
angekutumeu  sein. 

John  Evans.  On  the  worked  flints  of  Pressigny- 
le-Grand  (Iudre  et  Loire).  — Archacologia.  Lon- 
don, Vol.  40,  2 Taf. 

Bildet  die  bekannten  Butterwecke  von  Pressignr  und 
die  daraus  geM'hlagciien  Messer-  uud  Lnnzeiispitzen  ab  und 
resumirt  die  Discussion  darüber. 

John  Evans.  On  the  discovery  of  a hoard  of 
bronze  objectp  at  Camens  in  Saxony.  London 
1867. 

Brouzcgegenstände  von  Caroenx  und  Grossenhayn. 

Gastaldi  and  Keller  on  archaic  Anthropology.  — 
Anthropological  Review,  Nr.  20,  pag.  114. 

20* 


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156 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Anzeige  der  l'ebersetzungen  von  B.  Uastaldi’*  und 
Keller’»  Arbeiten  über  Pfahlbauten.,  Terramare  etc. 

German  archaic  Anthropology.  Anonyme  Ana- 
lyse der  Abhandlung  von  Wanner:  „Dae  Ale- 
mannische Todteufeld  bei  Schlei  theim.“  — An- 
thropological  Review,  Nr.  18  und  19,  pag.  325. 

W.  B.  Hawkins.  On  the  babits  and  condition  of 
the  two  earlieet  races  of  Man.  Quarterly  Journal 
of  Science.  London. 

Allgemeine«  Re#um«  über  die  älteste  Steinzeit  (Manmiuth- 
zeit)  und  die  Bensthicrzeit. 

Howorth.  On  the  Archaeology  of  Bronze.  — 
Transactione  of  the  ethnological  Society  of  Lon- 
don. New  series,  Volume  VI,  S.  72,  1868. 

James  Hunt.  On  the  induence  of  some  kinds  of 
peal  in  destroying  the  hnman  body  as  shown  by 
the  discovery  of  human  remains  buried  in  peal 
in  the  Zetland  islands.  London  1867. 

Jaxnos  Hunt.  Report  on  explorations  into  the  ar- 
chaic Anthropology  of  the  islands  of  Unat,  Bras- 
say  and  the  mainland  of  Zetland.  London  1867. 

W.  L.  Lawrence.  Account  of  the  examination  of 
a chambered  long  barrow  in  Gloucestershire. 
London,  10  S.,  1 Fig. 

J.  P.  Leslie.  Man’s  Origin  and  Destiny  sketched 
from  tbe  Platform  of  the  Sciences.  In  a courso 
of  lectures  dclivered  before  the  Lowell  Institute, 
in  Boston  in  the  winter  of  1865—  1866.  Lon- 
don, Trübner,  1868. 

Seltsam«  Zusammenstellung,  wie  die  Titel  der  elf  Vor- 
lesungen beweisen  mögen : 1.  lieber  die  Classification  der 

Wissenschaften.  2.  lieber  den  Genius  der  alten  und  mo- 
dernen physikalischen  Wissenschaften.  3.  Das  geologische 
Alter  des  MenscUeu.  4.  lieber  die  Würde  des  Menschen. 
5.  lieber  die  Einheit  des  Menschengeschlechts.  8.  lieber 
<ln*  frühere  sociale  Leben  des  Menschen.  7.  lieber  die 
Sprache  alt  Kaceiueugniss.  8.  Der  Ursprung  der  Archi- 
tektur. ft.  Der  Aufbau  de»  Alphabets.  10.  Die  vier  Ty- 
pen der  religiösen  Arbeit.  11.  On  Arkite  srmbolism. 

John  Lubbock.  On  the  origin  of  Civilization  and 
the  primitive  condition  of  Man.  — Transactione 
of  the  Ethnological  Society  of  London.  New  ge- 
nes, Vol.  VI,  S.  328,  1868.  Mackie-Repertorv, 
Nr.  30,  pag.  64. 

Schlusssätze  des  Aufsatzes,  der  besonder*  gegen  Erzbi- 
schof Whately  gerichtet  ist: 

1.  Die  jetzigen  Wilden  stammen  nicht  von  civilisirten 
Ahnen. 

2.  Der  Urzustand  der  Menschheit  wnr  äusserste  Bar- 
barei. 

3.  Einzelne  Raten  erheben  sich  selbst  au*  diesem  Zu- 
stande. 

John  Lubbock.  Adrett  delivered  to  the  section 
of  primaeval  antiquities  nt  the  London  meeting 
of  tbe  archeological  iustitute,  July  1866. 

Kurzes  Rcsutnä  der  Urgeschichte. 

John  Lubbock.  The  early  Condition  of  Man.  — 
AnthropologicAl  Review,  Nr.  20,  pag.  1. 


Vollständiger  Abdruck  einer  vor  der  British  At*nciation 
gelesenen  Abhandlung,  welche  die  alimälige  Erhebung  des 
Menschen  aus  ursprünglicher  Wildheit  darlegt,  nebst  der 
Diskussion  darüber,  in  welcher  die  Behauptungen  de#  Erz- 
bischofs von  Dublin,  Whately,  Jen  Lubbock  bekämpft, 
„abominable  paradox'1  genannt  werden. 

Lubbock,  John  and  Froderic.  On  the  true 
assignation  of  the  Bronze  Weapons,  fnund  in 
northern  and  Western  Europe.  — Transactions 
of  tbe  ethnological  Society  of  London  1867, 
Volume  V,  S.  105. 

W.  C.  Lukie.  Observation«  respecting  tumuli  in 
North  Wiltshire.  London,  3 pag.,  5 Fig. 

Mackie.  A Summary  of  the  discoveries  of  prehi- 
storic  relica  in  the  lakes.  Mackie-Repcrtory,  Nr. 
28,  pag.  127. 

Rroume  von  Dosor’s  Schrift  über  Pfahl  bauten. 

Sven  Nileaon.  The  primitive  Inhabitants  of  Scan- 
dinavia.  Translation  edited  by  Sir  John  Lub- 
bock. London,  Longmans,  1868. 

Da  uns  bi«  jetzt  nur  eine  Analyse  dieses  wichtigen  Wer- 
ke» in  Mockie’a  Repertory  zugekotnraen  ist,  #o  werden  wir 
die  Erscheinung  der  deutschen  oder  französischen  Ausgabe, 
die  beide  angekündigt  sind,  erwarten,  uui  darüber  zu  be- 
richten. 

Sven  Nilßfton.  On  tho  «tone  age  in  Scandinavia. 
Antliropol.  Review,  Apr.  1868,  Nr.  21,  pag.  191. 

Anzeige  der  von  Sir  J.  Lubbock  besorgten  englischen 
Ausgabe,  die  nicht  sehr  günstig  beurtheilt,  aber  mit  einer 
Darstellung  der  Verdienste  Nilsson’a  eröffnet  wird. 

W.  Pengelly.  Exploration  of  Kont’s  Cavern,  De- 
vonshire.  Bericht  über  die  Sitzung  der  British 
Association  in  Mackie-Ropertory,  Nr.  29,  S.  65. 

Di«  Instrumente  aus  Stein  uud  Horn  beweisen,  dass  der 
Men»ch  mit  dem  Höhlenbär.  Hyäne,  Löwen,  Knochen  •Nas- 
horn und  Mammuth  zussm menlebte.  Ein  nicht  näher  be- 
schriebener Menschen**,  häricl  wurde  6 Zoll  unter  der  Ober- 
fläche gefunden. 

Bose.  Collection  of  stone  implements.  Journ.  An- 
thropol.  Society,  Apr.  1868,  pag.  40. 

Erklärung  einer  Sammlung  von  etwa  500  Stücken,  die 
ihrer  Bestimmung  nach  classiticirt  werden.  DUcusmob  dar- 
über in  der  Sitzung  der  Londoner  Anthropologischen  Ge- 
sellschaft. 

Sproat,  Gilbert  Malcolm.  On  the  probability 
of  a Bona  Age.  — Transactions  of  the  ethno- 
logical Societv  of  London.  New  series,  Volume 
VI,  S.  253,  1868. 

Edward  T.  Stevens.  Notice  of  tho  Blackmore 
Museum,  Salisbury,  opened  the  15  Sept.  1867. 

Einzelheiten  filier  dieses,  der  Urgeschichte  gewidmete 
.Museum,  das  mit  Vorträge«  von:  Evans  über  die  ersten 
Xnwchrwpami;  Prestwich  über  das  Diluvium  von  Sa- 
lisbury; Moore  über  den  Moschus  • Ochsen  in  dem  Drift 
von  Wiltslure;  Thurnaiu  über  die  Schädel  der  Rund-  und 
I^snggTäber  in  Wlltahire;  Hoyd  Dawkins  über  die  aua- 
gestorbenen  Säuget  hier«,  die  in  Gressbritannien  mit  dem 
Menschen  lebten,  eröffnet  wurde. 

Lawson  Talt.  Britain  during  the  stone  age.  An* 
thropol.  Review,  Apr.  1868,  Nr.  21,  pag.  221. 


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157 


Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur. 


Anzeige  von  swd  VoclMUfn,  die  G.  Tait  in  Wake- 
held  gehalten  und  worin  er  die  Behauptung  aufgestrllt  hat, 
da»»  Turanicr,  den  jetzigen  Lappen  ähnlich,  die  ersten 
Bewohner  Großbritannien*  gewesen  seien. 

J.  Thurnam.  Further  Researchos  and  Observa- 
tion» on  the  two  principal  Forras  of  Ancient 
British  Skulls.  — Journ.  of  tho  Anthrop.  Soc., 
Vol.  5,  pag.  124. 

Beweis  durch  Messungen  von  70  Schädeln  aus  „Round 
barrow*-  and  67  au*  „Leng  barrows*,  das»  seine  Forme], 
wonach  in  ersteren  Brachycephaleö,  in  letzteren  Dolicboce- 
phalen  begruben  seien,  im  Allgemeinen  richtig  sei,  wenn 
auch  Ausnahme»  stattfänden.  Discnsrion  darüber. 

H.  Vale.  The  Archaeology  of  the  Peak  of  Derby- 
shire.  — TransactionB  of  the  historic  Society  of 
Laucashire  and  Chesliire.  New-Series,  Vol.  7, 
Liverpool. 

Tbore**  Care  bei  Dovedale  gab  Reste  aus  der  geschllffe- 
nen  Steinzeit,  der  römisch* britischen  und  angnUlchsi sehen 
Periode.  Aufzahlung  der  Fundorte  diluvialer  Thiere  im 
HstvfcA. 

Vivian.  British  Association  at  Dundee. 

Berechnet  aus  der  Ih'rke  des  Tropfsteins  auf  römischen 
Resten,  das»  die  Stein- Instrumente,  welche  in  der  Höhle 
von  Kent  bei  Torquay  mit  Elcphanteu  - und  Nashornkno- 
chen gefunden  werden,  ein  Alter  von  264000  Jahren  ge- 
habt haben  müssten.  — Da  die  Filtration  der  knlkfuhren- 
den  Wasser  in  die  Höhle  hinein  notbwcodig  durch  allmä- 
lige  Ausfüllung  der  Spalten  und  damit  auch  der  Absatz 
von  Tropfstein  nach  und  nach  abgenommen  haben  muss, 
m>  scheinen  uns  solche  Berechnungen  nicht  »ehr  bewiesen. 

Carl  Vogt.  On  the  primitive  Periode  ofthe  human 
species.  — Anthropologien!  Review,  Nr.  IG — 19. 


Uebersetzung  des  Artikels  im  ersten  Baude  dieses  Ar- 
chiv». 

Carl  Vogt.  On  Italien  crania.  — Anthropologi- 
en! Review,  Nr.  18  und  19. 

Berichtigung  einiger  Angriffe  von  Niccolucci  und  H. 
Wagner. 

C.  S.  Wako.  On  the  Antiquity  of  Man  and  Cora- 
parative  Gcology.  — Journal  of  the  Anthropol. 
Soc.,  Vol.  5,  pag.  CV — CXI. 

.Sucht  einen  Zusammenhang  zwischen  dem  Alter  der  C«m- 
tinrnte  und  den  VarbÜtaissen  ihrer  Einwohner  nachzu- 
weisen,  woraus  ein  au.«serordentlicbes  Alter  de»  Menschen 
zu  folgern  *e».  In  der  folgenden  Discuasion , woran  Ver- 
schiedene Theil  nahmen,  sucht  besonder*  Carter  Blake 
den  Verfasser  zu  widerlegen. 

J.  D.  Whitney.  A human  skull  discovered  in 
California.  — Anthropological  Review,  Nr.  20, 
pag.  119. 

In  einem  Minenschacht  bei  Altavlü«  in  der  Nähe  von 
Angeln  Calareras  County  wurde  in  einer  Sandschicht,  in 
130  Fuss  Tiefe  und  unter  vier  Schichten  von  vulcoaUchcr 
Asche  verschiedener  Dicke,  welche  mit  Sandschkhten  ab- 
wechseln, ein  nicht  vollständig  erhaltener  Menachensfhidfl 
gefunden,  dessen  Basis  in  eine  Knochen hreccic  mit  Kapillis 
and  Tropfstein  eingebnrken  ist  und  der  dem  Schädel  eines 
..Digger  -Indianer*  sehr  gleichen  »oll.  In  derselben  Schicht 
rinden  sich  Nashorn,  Kamecl  (V)  und  fossiles  Pferd. 

W.  M.  Wylie.  On  the  discovery  of  sepuichral  re- 
mains  at  Veji  and  Praeneato  by  padre  R.  Gar- 
rucci.  — Archaeologia,  Vol.  41,  20  S.,  10  Taf. 

Etruskische  Gräber. 


Frankreich. 


Adrien  Arcolin.  Etüde»  d1  Archäologie  prehisto- 
rique,  l'homme  qunternaire  en  Maconnais,  la  Sta- 
tion de  l'&ge  du  Renne  aSolutre  (Saöne  et  Loire). 
Lyon  1868,  30  pag,,  1 Tafel. 

Unter  dem  Felsen  vou  Salut r£  findet  man  in  den  Wein- 
bergen in  1 Meter  Tiefe  eine  schwarze  Schicht  mit  zer- 
brochenen Knochen  vom  Rennthtcr,  Pferd,  Kiesenhirsch, 
Bison,  Elephant,  Fuchs  und  Mensch.  Dabei  gedengelt« 
Stein-Instrumente,  bearbeitete  Knochen,  Pfeifen  aus  Zehen- 
gliedern etc.  Die««  Herde  sind  mit  breiten,  rohen  Stein- 
platten bedeckt.  Daneben  linden  »ich  ungeheure  Haufen 
von  zerbrochenen  Pferdekuochen  und  in  einiger  Entfernung 
aus  rohen  Steinplatten  zusammengesetzte  Gräber , in  wel- 
chen die  Leiche  auf  einem  Bette  von  zerstampften  und 
cAlcinirten  Pferdeknochen  ruhte,  zwischen  welchen  Knochen 
vom  Rennthier  und  Kiesel.  Die  Schädel  gehören  der  von 
Pruner-Bey  so  bezeichnetrn  mongulniden  Kate  an  und 
wurden  beim  Congresse  in  Pari»  vorgezeigt.  Der  Typ  uz 
der  Stem-Iiutruuieute  ist  derselbe  wie  von  Laugerie- haute 
in  der  Dordogne  und  die  Fauna  unstreitig  die  der  Kenn- 
thierxeit  — oh  aber  die  Gräber  dieser  wirklich  nngehören, 
i#t  durch  die  Funde  noch  nicht  ganz  festgestellt. 

Adrien  Arcelin.  Chronometre  dos  borge«  de  la 
Saöne.  — Mortillet-Materianx,  4“°  Au  nee,  pag. 
39. 

Genaue  Untersuchung  der  Satoe-Ufar  zwi»chen  Cbalons 


und  Trdvoux  mit  folgenden  Resultaten  der  Tiefen  unter 
der  Wiesen  Hä'  Ue. 

1 Meter:  Römische  Alterthümer.  Darunter  graue  Topf- 
acherben  mit  der  Scheibe  gedreht,  mit  Bandeletten  (Eisen- 
zeit). 

1,30  Meter:  Feines  schwarzes  Töpfergcschin-  mit  Linien- 
Verzierung  von  Hand  gemacht,  Spinnwirtcl  von  Thon, 
Bronze-,  keine  Steinwaffon  (Obere  Bronze). 

1.50  Meter:  Das  feine  schwarze  Töpt'erge  schirr  gemengt 
mit  grobem  gelben , worin  Qnarzkürner  mit  Fingerein- 
drücken und  Henkeln.  Stein walten  (Untere  Bronze). 

2 Meter:  Nur  grobes  gelbes  Tüpferge*chirr , ohne  Hen- 

kel; Pfeilspitzen,  geschliffene  Stelnwalfen,  Knochen  lebender 
Thiere,  besonders  Schweine  (Geschliffene  Steinzeit).  Dar- 
unter Id»  zu  3,30  Meter  wenigstens,  nur  seltene  Stein- 
Instrumente. 

4.50  Meter:  Blaue  Mergel  mit  SU*»m  asserschnecken 

und  Elephantcnknocben-  Keine  menschlichen  Ueberreate. 
Daraus  Ixrechnet  Arcelin: 

Kölnische  Periode  ..••••  1500—1800  Jahre. 

Ccltische  Eisen periode  ....  1800 — 2700  Jahre. 

Bronze-Periode 2700 — 3000  Jahre. 

Geschliffene  Steinzeit 3000—4000  Jahre. 

Blaue  Mergel 6700—8000  Jahre. 

Adrien  Arcelin.  Note  stir  les  Antiquität  prehi- 
storiques  de  la  vallee  de  laSaone.  Lyon,  16  pag. 

Berechnet  aus  dem  Umstande,  dass  &n  den  Saune- Ufern 
1 Meter  Lehm  über  den  römischen  und  2 Meter  Uber  den 


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158 


Verzcichuiss  der  anthropologischen  Literatur. 


l'rberreslen  aus  der  jüngsten  Steinzeit  liegen,  für  letalere 
ein  Alter  von  3000— 4000  Jahren. 

Ch.  Aubertin.  Station  de  la  au u ree  de  Ladoix. — 
Mortillet-Matüriaux,  4“*  Annee,  pag,  5. 

Einige  Steinwaffen. 

Ch.  Aubertin.  Dolmen  de  Volnay.  — Mortillet- 
MatÄriaux,  3“*  Armee,  pag.  398. 

Wohl  erhaltener  Dolmen  mit  Deckplatte  von  5 Meter 
Lange  aml  3 Meter  Breite  und  vier  Stiitxplatten.  Mau 
fand  darin  einen  erwachsenen  Schädel,  Kiudenälne,  «er- 
brochene Knochen , Topforherbeo , Pfeilspitze  und  Messer 
aus  Kiesel.  Derselbe  Dolmen  roll  früher  ein  Armband  und 
ein  Schwert  (Bronze  oder  Eben?)  geliefert  haben (V). 

Ch.  Aubertin.  Decouverte  de  ailex  tailles  pur  la 
Montagne  de  Beaune,  au  Climat  dit  en  Roche- 
tain.  - — Rev.  Archeol.  1867,  10m*  Vol.,  pag.  319. 

Robe  Steinwaffen,  Rteinknnnen,  Topfacherben. 

Gcoflroy  cTAult  - Dumesnil.  Recherche«  sur  la 
provenance  de«  granita  qui  ont  »ervi  k «lerer  le« 
monumenta  ditB  celtiques.  — Rev.  Archeol.  1868, 
Vol.  17,  pag.  221. 

Die  Steine,  die  man  benutzte,  wurden  nicht  au»  Brüchen 
geholt,  sondern  sind  dos  Re»ulLat  oberflächlicher  Verwitte- 
rung de»  Granits.  Mnn  benutzt«  sie  auf  dem  Platze  und 
so  wie  sie  waren. 

Aurea.  £tude  des  dimenaion»  de«  haches  en  brouze, 
decouverte»  en  1851  sur  le  territoire  de  la  com- 
mune de  Vauvert  (Gard).  — Ruvue  archeolo- 
gique  1867,  16m*  Vol.,  pag.  184. 

Will  au»  der  Messung  von  6 Bronzcäxten  nach  weisen, 
dass  der  Pied  du  Roi  schon  zur  Broozezrit  Maas«  war. 

Aymand.  Silex  tailles  des  environa  du  Puy.  — - 
Ann.  Soc.  agric.  acienc.  arte  et  commerce  du  Puy. 
Vol.  27,  pag.  183. 

Grab  aus  rohen  Steinplatten  mit  Steinwaffea. 

Alpb.  Baux.  Lettre.  Mortillot-Materiaux,  4m# 
Annee,  pag.  50. 

Verfasser  hat  bei  Auvernier  iin  Neuen burgersee  ein  Gt- 
schirrstück  gefischt,  dessen  Rand  mit  einem  Broiueblatt 
belegt  ist,  so  wie  verschieden«,  in  der  Fabrikation  verun- 
glückte Axt  Hämmer  von  Stein.  Nach  Murtillet  bohrte 
mau  die  Stiellöcher  in  verschiedener  Weise:  in  der  Stein- 
zeit entweder  mit  einem  Kieseistück  von  beiden  Seiten 
her,  »o  das»  es  gleich  ein  Loch  gub,  oder  mit  einem  excen- 
t rischen  Kieselbohrer,  der  einen  Kreis  beschrieb,  so  das» 
in  der  Mitte  des  Loche«  ein  Zapfen  stehen  blich;  in  der 
Bronzezeit  mit  einem  hohlen  Metallcy linder  und  Schmirgel. 

Alex.  Bertrand.  Monuments  primitifs  de  la  Gaule. 
— Monumente  dita  celtiques.  Dolmens  et  Tu- 
mulus.  Paris  1868,  24  S.  De  la  distribution 
des  Dolmens  sur  la  aurface  de  la  France.  12  S. 
und  1 Karte. 

Beschreibung  und  Angabe  der  Yertheilung  dieser  Monu- 
mente, die  »ich  von  den  Küsten,  meist  den  Flussthalern 
folgend,  in  das  Land  hineinzieht. 

Alex.  Bertrand.  Projet  de  claasification  des  bra- 
celota  on  brouzo.  Rev.  Archeol.  1867,  Vol.  15, 
pag.  300. 

Erste  Abtheilung  handelt  von  den  Armringen  der  ächten 
Bronzezeit.  Unterscheidet  18  Formen. 


A.  Boue.  La  source  de  Schüssen  et  aea  plus  an- 
ciens  h&bitauta.  — Bullet.  Soc.  Geologique.  Se- 
ance du  18  Fevr.  1867. 

Mittheilung  über  den  Fund  von  S<'hus«enried. 

A.  Bourjot.  Dolmens  de  PAlgörie.  — Mortillet- 
Materiaux,  41"*  Annee,  pag.  60. 

Nachweis  solcher  Denkmäler  am  Cap  Caxine,  zwi«cheu 
Guyotvillc  und  Cheraga«,  bei  Djelfa  und  Kolnia. 

Ida  von  Boxberg.  Fouille  d'un  tumulus  au  Puy 
de  l’Aiguillc,  domaino  de  Saiut-Prieat  prea  Tülle. 
— Soc.  agric.  science,  arts  et  commerce  du  Puy. 
Vol.  27.  1867,  pag.  146. 

Tumulus  von  6 Meter  Hube  und  20  Meter  Breite  au» 
aufeinander  gelegten  Granitblückeu  mit  wenig  F,rdc  bedeckt. 

In  der  Mitte  verbrannte  Knochen,  Topfscherbcn , zerbro- 
chene BroDzcgegenstände  (Helm,  Armband J,  und  eine  blau 
und  weissc  Glasscheibe. 

F.  Brouillet.  Quelques  mots  sur  l'&ge  de  la  pierre 
en  Poitou.  — Glaneur  Poiturin.  Poitiers,  Mai 
1867. 

Knochen-  und  KieseUxteiager  im  Diluvium  ron  1«  Folie 
und  St.  Benoit  bei  Foitier». 

Virgile  Calland.  Les  monumenta  anteceltiquoa 
de  Pasly  pro»  Soissons.  Prem.  mem.  Soiaaona 
1867,  10  S. 

Allgemeine«. 

Castagnez.  Sur  la  decouverte  d’une  mnraille  gau- 
loise  au  lieu  de  Mursceint  commuue  de  Gras,  de- 
partement  du  Lot.  — Rev.  Archeol.,  Avril  1868, 
pag.  249. 

Ausgrabung  einer  wohlerhaltenen  Mauer,  ganz  w con- 
struirt,  wie  Cäsar  sie  beschreibt. 

Emeate  Chantre.  Haches  en  bronze  du  Nord  du 
Dauphine.  — Mortillet  - Materiaux,  3“*  Anuee, 
pag.  395. 

Die  meisten  Bronzeancheu , Gelte,  Schwerter,  Agraffen, 
Armbänder  finden  sich  ln  den  Torfmooren,  ander«  in  den 
Ackerfeldern. 

L’Abbo  Cochet.  Note  sur  uu  bracelet  gaulois  en 
bronze,  trouve  ä Caudebec - lee - Elbeuf  eti  1865. 
— Rev.  Archeol.  1867,  15“e  Vol.,  pag.  297. 

Die  Armringe  mit  Spiralfedern  gehören  der  gallischen 
Epoche  an. 

L’Abbe  Cochet.  Moules  de  haches  et  de  lancea 
en  bronze,  trouves  ii  Gonfrevilk- POrcher  pres 
Harfleur. 

Gussmetalle  aus  Bronze  ron  Aexten  und  Lanzenspitzen. 

L’Abbo  Cochet.  Decouverte»  n Avesnea  prea  Gour- „ 
n ay.  — Rev.  Archeol.  1867,  15me  Vol,  pag.  64. 

Gräber  aus  der  Zeit  der  Merovinger. 

G.  Cottca.il.  Rapport  sur  les  progiti  de  la  geolo- 
gie  et  de  la  paleontologie  en  France  pendaut 
l'Annee  1866.  — Caen  1867,  48  S. 

Etwa  ein  Drittel  des  Berichte«  ist  dem  Diluvium,  den 
neuesten  .Schichten  und  den  darin  enthaltenen  Menschen- 
resten gewidmet. 

A.  Damour.  Sur  la  composition  des  haches  eu 


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159 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


pierre,  trouvtas  dans  le«  mouuments  celtiques  et 
chez  les  tnbue  sau  vagen.  Second  Memoire.  — 
Rev.  Archeolog.  1867,  Vol.  15,  paff.  249. 

Gicht,  al»  Fortsetzung  «lex  ersten  Abhandlung,  Anal  tuen 
von  Aextcn  aus  Amphibolit,  Aphanit,  Dient,  Sxussunl« 
und  StaurutnL 

A.  Daubree.  Apercu  historique  sur  l’exploitation 
de»  metaux  dans  la  Gaule.  — Rev.  Archeolog. 
Nouvelle  Serie,  9mc  Annee,  Avril  1868. 

Nachweis  von  alten  Minen  und  (»ruhen  auf  Gold,  Silber 
und  Blei,  Zmk,  Antimon,  Kupfer,  Zinn  und  Eisen;  von 
Salinen  und  den  (»agat gruben  iin  Departement  de  l’Aude, 
di«  Material  zu  Schmuck  lieferten. 

Delfortrie  et  Benoit.  Station  palustre  k Bordeaux. 
— Rev.  Archeol.  1868,  Vol.  17,  pag.  169. 

Notiz  über  die  Auffindung  einer  Ashenscbicht  mit 
Austenchalen,  gut  gearbeiteten  Strinwaffen,  Knochenhand- 
haben  etc.  in  der  Stadt  selbst. 

Arnaut  Detroyat.  Gisement  de  silex  ouvres  sur 
les  bords  de  la  Nive.  — Bullet  Soc.  Geolog. 
Seance  du  7 Oct.  1866,  2d*  serie,  Vol.  23,  pag. 
815. 

Knochen  und  Kieselixtelzgcr  bei  Bayou  ne. 

Albert  Dumont.  Note  sur  quelques  monumenta 
de  l’&ge  de  pierre  trouves  en  Grece.  — Rev.  Ar- 
chöol.  1867,  Vol.  15,  pag.  356. 

Aufzählung  der  Reste,  die  sich  in  «lex  Sammlung  von 
Chr.  Kinlav  und  im  Musrum  der  Universität  zu  Athen 
finden. 

Albert  Dumont.  Hache  en  pierre  omulette  de 
la  Grece.  — Mortillet  - Materiaux , 4“*  Annee, 
pag.  9. 

Eine  alte  Steinaxt  ist  später  in  AHgriechenland  als  Amu- 
let benutzt  und  mit  Figuren  und  einer  Inschrift  ver*#ien 
worden. 

Albert  Dumont.  Renseignements  nouveaux  sur 
la  Grece  avant  la  legende  et  avant  l’bistoire.  — 
Revue  Archeologique  1867,  8“*  Vol.  pag.  141. 

Ueberall  geschliffene  Steinwaffen.  Dieser  Periode  gehören 
auch  die  Bauten  von  Santorin  (Therasia)  an.  Die  Pfahl- 
bauten des  See*»  Prxsia*  existiren  noch.  Bei  Chalciz  ein  Olt 
aas  Bronze. 

Faudel.  Sur  la  decouverte  d'ossements  huiuains 
fossiles  dans  le  Lehm  de  la  vallee  da  Rhin  k 
Eguisheim  pres  Colmar.  — Bullet.  Soc.  Geolog. 
Seance  du  5 Nov.  1866,  Vol.  14,  pag.  36,  2 Holz- 
»chnitte. 

Genaue  Beschreibung  der  Fundstätte,  wo  Mammutb,  Bi- 
son und  ein  grosser  Hirschkuocben  gelegen  haben.  Es 
existirt  nur  ein  Stirn-  und  rechte«  Scheitelbein  vom  Men- 
schen, erster«  durch  starkes  Vortreten  der  Augenhrauen- 
bogen,  grosse  Stirnhöhlen , tiefen  .Stirneindruck  und  Flach- 
heit der  Wölbung  dem  Ncandertchädel  ähnlich. 

Faux  cr&ne  des  cavemes.  — Mortillet- Mate- 
riaux, 4ro®  Annee.  pag.  32. 

Versuchte  Mystifikation  der  Anthropologischen  Oesell- 
»* ■haft  io  Paris  mittelst  eine*  Carciben  (?)  Schädels , der 
für  einen  Höhtcnschädel  ausgegeben  wurde. 

H.  do  Ferry.  Note  gur  nne  figurine  en  pierre  de 
Tage  du  Renne,  trouvee  dan»  la  Station  de  Solu- 


tre  (Saone-et-Loire).  — R6v.  Archeol.  1868,  Vol. 
17,  pag.  207,  1 Taf. 

Auffindung  ein«  au«  weichem  Feuerstein  gearbeiteten 
Bruchstücke«,  da*  den  Körper  eines  Wiederkäuers  mit  un- 
ter den  Leib  geschlagenen  Küssen  darstellt.  Der  Kopf 
fehlt.  Die  Steilung  ist  ähnlich  derjenigen,  welche  die  aus 
Rennthierhorn  gearbeiteten  Griffe  zeigen.  Solutr£  ist  we- 
gen seiner  Schädel  etc.  bekannt. 

H.  de  Ferry.  Los  berge»  de  la  Saöne,  chrono- 
metre.  — Mortillet- Materiaux , S"*  Annee,  pag. 
399. 

Am  linken  Sahne-Ufer  zwischen  Touraus  und  Macon  fin- 
den «ich  verschiedene  Ablagerungen  — römische  Ziegel  in 
0,60  Meter  Tiefe,  geschliffene  Steinwalfen  (vielleicht  auch 
Bronze?)  in  1,50  — *2  Meter  Tief»  — beide  in  grauem 
Lehm;  darunter  blauer SüsswassermergeL  welcher  mit  dem- 
jenigen Mergel  iibereiuzustimmen  scheint,  der  in  der  Haute- 
Saöuc  Mammulhknocheu  enthält.  Ferry  setzt  für  dos 
Ende  der  römischen  Periode  «Las  Jahr  40U  nach  Chr.  und 
berechnet  daraus  ein  Alfer  von  43B3  Jahren  für  die  Schicht 
mit  geschliffenen  SleiswafFen  und  5644  — 7305  Jahren  für 
den  Sn  «wassern»  ergel.  (Offenbar  ist  letzterer  Ansatz  des- 
halb falsch,  weil  man  durchaus  kein«  Gewissheit  darüber 
haben  kann,  ob  der  graue  Lehm  unmittelbar  nach  dem 
Süsswaxsermergel  abgelagert  wurde  oder  dieser  letztere 
Jahrhunderte  oder  Jahrtausende  trocken  lag,  was  weit 
wahrscheinlicher  ist.) 

H.  de  Ferry.  Note  sur  une  tete  de  laiico  en  silex 
des  fabriqueß  Charbonniercs  (Saöne-et-Loire).  — 
Rev.  Archeol.  Vol.  15,  pag.  434. 

Nichts  Neues. 

H.  de  Ferry.  L’anciennete  de  Thomme  dans  le 
M&connais.  Gray  1867,  4°.  15  Seiten,  1 Taf.  in 
Folio. 

Aeltcste  Kiesel waffen  bei  Cheragnr-les-Cherrier«,  Cbar- 
boDiiieres  und  Verchiseult.  Höhle  von  Vergissou,  zur  Zeit 
der  Jlöhlenhyäne  nn«i  dw  Mammuth  bewohnt.  — Renn- 
thierstationen  von  Solutre  und  la  Koche-Breguat. 

H.  de  Ferry.  Note  sur  une  tetc  de  lance  en  silex 
des  fabriques  de  Charbonnieres  (Saone-et-Loirc). 
— Revue  Archeolog.  Paris,  Juin  1867,  pag.  434, 
1 Taf. 

Etwas  ungewöhnliche  Form  einer  primitives  Kieselaxt. 

A.  Fouque.  Sur  les  phenomenes  volcaniques  de 
Santorin.  — Comptos  rendu«.  Seance  du  25  Mars 
1867,  Vol.  64,  pag.  666. 

Die  aus  rohen  unbehauenen  Steinen  ohne  Mörtel  gebau- 
ten Wohnungen,  die  wohl  ein  von  Balken  gestütztes  Dach 
hatten  und  in  Therasiu  (Santorin)  gefunden  wurden,  sind 
unzweifelhaft  von  dem  vul panischen  Tuff  bedeckt  und  vor 
Ablagerung  desselben  errichtet.  Sie  haben  keine  Ähn- 
lichkeit mit  griechischen  Atherthümem. 

J.  Garnier.  Note  sur  une  decouverte  d’objeta  en 
bronze,  faite  k C&ix  (Somme),  su  1865.  — Rev. 
Archeolog.  1867,  16“®  Vol.,  pag.  314. 

Aexte,  Schwertztücke , Haarnadeln,  Spiralen,  Scheiben, 

Gumares  te. 

F.  Garrigou.  Note  au  sujet  d’une  photographie 
du  dessin  du  grand  ours  de«  enverne*.  — Bullet. 
Soc.  geolog.  Seance  du  15  Avril  1867,  2da  b6- 
rie,  Tome  24,  pag.  573. 

Behauptet,  eine  von  ihm  io  der  Grotte  von  Massai 


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160 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


(Ariegc)  geturnten«  Zeichnung  aut  einem  Rollitein  Helle 
einen  Höhlenbären  vor.  (Mir  scheint*»  der  braune  Har.) 

F.  Garrigou,  Ltude  stratigraphique  de  la  caverne 
du  Mas  -d’Azil  et  de«  caverne®  de  divor«  igee 
dan»  la  vallee  de  Tarascou  (Arioge).  — Bullet. 
Soc.  geulog.  Seance  du  lr  Avril  1867,  2m#  «er., 
Vol.  24,  pag.  492. 

ln  der  Grotte  von  Mas-d’Azil  fanJen  »ich  drei  Schiebt« 
— * unterste  mit  Höhlenbär  und  Mammuth , zweite  mit 
Reunthier  etc,,  oberste  mit  H&ustbioren.  Au»  den  ver- 
schiedenen Niveaus  der  Höhlen  und  Grotten  von  P radiere», 
Bouicheta,  Bedeillae,  de  la  Vache  sucht  Garrigou  nach* 
zuweisen,  das»  Tier  Epochen  sieh  durch  ihre  Absätze  wohl 
unterscheiden  und  zwar  von  unten  nach  oben;  Höhlenbär, 
llcnnthier,  geschliffene  Stcinwaffea,  Metalle. 

F.  Qarrigou.  Importance  de«  ossemenfc»  casse«  des 
gisement«  paleo-archeologique«  et  du  mode  de 
caasure.  — Bulletin«  de  la  «ociete  d* Anthropolo- 
gie de  Paris,  II.  Serie,  II.  YoL,  S.  284. 

Mittelst  einer  reichen,  der  Gesellschaft  vorgelcgten  Samm* 
laug  sacht  der  Verfasser  nachzuweisen,  da*»  man  jetzt 
wesentlich  di«  Knochen  der  Thier«  zersäge,  während  di«» 
früher  nur  sehr  selten  (Eisen  und  Bronze)  oder  gar  nicht 
(Steinzeit)  geschah  und  da*»  man  bei  den  durch  Instru- 
mente (Stemäzte)  erzeugten  Brüchen  meist  die  Eindrücke 
des  Instruments  sieht.  In  der  darauf  folgenden  Di*cus»ion, 
an  welcher  betender»  Broca,  Quatrcfage»,  Martine 
Theil  nahmen,  wird  darauf  aufmerksam  gemacht,  dos* 
zufällig  erzeugte  Sprünge  (durch  Austrocknen)  und  Brüche 
(durch  Druck  in  der  Erde  etc.)  häutig  den  von  Menschen- 
hand erzeugten  ähneln,  in  einer  späteren  Mitiheilung, 
S.  338  vertheidigt  Garrigou  »eine  Ansichten  mit  guten 
Gründen. 

F.  Garrigou.  Sur  les  os  c.  an  aus  dos  cavernea,  ibid. 
338. 

F.  Garrigou.  L’ Anthropophagie  chez  les  peuplea 
de«  age«  du  Renne  et  de  la  pierre  polie  dans  le« 
cavernes  du  midi  de  la  France,  ibid.  326. 

Nachweis  von  Menscheuknochen , die,  dem  Verfasser  zu- 
folge von  Menschen  zerschlagen  und  benagt  wurden. 

F.  Garrigou.  Sur  Tage  du  bronze  et  du  ier  dans 
les  caverne«  des  Pyrcnees  ariegeoises,  ibid.  184. 

Neue  Grotten  Ln  «Ier  Nähe  von  Tarascou.  In  einer  lan- 
geu  Disciusion  werden  diese  Uebcrreste  dem  Volbsstamme 
der  Sotlaten  (Caesar)  zageschriebeu. 

F.  Garrigou.  Age  du  Renne  dans  la  grotte  del  a 
Vache  (vallee  de  Niaux)  pre«  de  Tarascon  (Ariege). 
Toulouse  1867,  10  S.,  4 Taf.  — Sonderabdruck 
aus:  Bull.  Soc.  hist.  naL,  Toulouse,  Avril  1867. 
Auuales  des  Sciences  naturelles.  Zoologie,  5** 
Serie,  Volume  V III,  1867,  S.  89. 

Di«  100  Meter  über  der  Brücke  von  Tarascon  gelegene 
Grotte  hat  zwei  Eingänge  und  zwei  zusammenhängende 
Kammern  und  vier  Schichten  von  Absätzen.  Unten  gelb- 
licher, tertiärer  Saudlehm  mit  Rollsteinen,  darüber  etwa 
1 Fass  schwarze  Knocbenbreccie  mit  Asche,  Kohlen,  Renn- 
thierkaoehen  (etwa  60,000  Bruchstücke),  bearbeitete  Kno- 
chen, einige  mit  zweifelhaften  Zeichnungen,  Harpunen  etc. 
Darüber  Tropfsteindecke  und  über  dieser  Erd«  mit  Bronze 
und  »ellenen  eisernen  Gegenständen. 

Alb.  Gaudry.  Sur  les  instrumenta  humaiii«  et 
les  oiwement«  d’animaux  trouvus  par  Mr*.  Martin 


ct  Reboux  dann  le  terraiu  quaternalre  de  Pari«. 
— Bullet.  Soc.  geologique.  Seance  du  17  Dec. 

1866,  2d«  aerie,  Vol.  24,  pag.  147. 

Die  mit  den  Steinäxten  nnchgewiesenen  Tbicre  sind  bi* 
jetzt:  Elepha*  primigenius  and  aatiquus;  Rhinoceros  ticbo- 
rbinus,  Equu»  plicidens,  Hippopötamu*  amphibius,  Bos  pri- 
migvulus,  taurus  (?),  Cervas  tarandus,  canadeosi»,  elepha*; 
Su*  scrofa. 

Alb.  Gaudry.  De«  lumieres  que  la  geologie  peut 
jeter  «ur  quelques  pointa  de  Thiatoire  ancienne 
des  Athenion«.  Pari«  1867,  Lary.  Separatabdruck 
au«  dem  grossen  Werke  Anim&ux  fossile«  de 
l’Attique. 

Nachweis,  dass  die  Sagen  vom  Erjmanthischen  Eber, 
Neuiäi  schon  Löwen  etc.  sich  nicht  auf  töeaiie,  sondern  auf 
lebeude  Arten  beziehen. 

Glaneur  du  Haut-Rhin.  Rev.  Archeol.  1868, 
Vol.  17,  pag.  168. 

Im  Artikel  des  Glaneur,  der  hier  abgedruckt  ist,  werden 
zwei  Gräber  aus  der  Bronzezeit  beschrieben,  die  man  bei 
Schoppen w ihr  auffand.  Die  Körper  waren  verbrannt,  die 
Gegenstände  (Armbänder,  Haarnadeln,  Agraffen  etc.)  meist 
zerbrochen. 

Ch.  Grellot  - Balguerio.  Habitat ion  Souterrain© 

fortifiee  de  Mazcrea- Fiac.  — Rev.  Archeol.  du 
Midi.  Toulouse,  Mars  et  Avril  1867,  pag.  220, 
4°.  9 Fig. 

Stammt  au*  der  Eisenzeit. 

R..  Guerin.  Sur  de«  in«truments  en  silex  trouves 
a la  Treiche  pres  Toul.  — Compte«  reudu«  14 
Oct  1867,  pag.  641. 

Grosse  Fundstätte  von  Instrumenten  aus  Kieselkalk  de» 
Jura. 

R.  Guerin.  Recherche«  «ur  le«  braceleta  de  Tau- 
tiquite.  — Journ.  Soc,  d' Archeol.  et  du  Comite 
du  Museo  Lorraio.  lö^Annee,  Mai  1862;  Nancy, 
pag.  72,  1 Taf.,  4®. 

Krläutenmg  der  im  Museum  zu  Nancy  betiudlichen  Arm- 
bänder. 

R.  Guerin.  Dicouvert©  d’une  pointe  de  fluche  en 
obsidieune  et  d’un  vaso  paraiaeant  remonter  k 
Tage  du  bronze,  k Aingeray  (Meurthe). — Compt 
reudus  15  Jul.  1867,  pag.  116. 

Guyot.  Dolmen  et  Allee  cou verte  de  Coh-Coet.  — 
Rev.  Archeolog.  1867,  46me  Vol.,  pag.  230. 

Dolmen  von  6 Meter  Länge  und  3,80  Meter  Breite  bei 
Saint-Jean-Brevelay  (Morbihan). 

Alex.  Hahn.  Note  «ur  les  monuments  dit«  cel- 
tique«.  des  environs  de  Luzoches  (Seine  et  Oisel. 
— Bull.  Soc.  Parisienne  d’ArchüoL  et  d’Hiatoire 

1867,  pag.  69  h 77,  6 Fig. 

Zwei  Dolmen  und  zwei  Menhir.  Discussion  darüber. 

E.  F.  Hamy.  Revue  Anthropologique;  L’hoinme 
tertiaire  iu:  Gazette  hehdomadeire  de  medecine 
et  de  Chirurgie.  Pari«,  3 Janv.  1868,  pag.  1 — 4. 

Discussion  der  verschiedenen  Funde,  besonders  von  angi- 
•ehnittenen  Knochen  — von  Desnorcrs  und  Abbe 
Bourgeois  bei  Saint • Frest  (Frankreich)  in  obersten 


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161 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Schichten,  die  noch  «um  Diluvium  gezogen  werden  können; 
— von  Y u*l  bei  ColJe  del  Yento  in  der  Nähe  von  Sa- 
vona  (Italien)  im  älteren  Pliorcn;  — von  AbW  Delaunay 
bei  Pouanc«  (Maine  - et  - Loire)  im  oberen  Miocen;  — von 
Abbe  Bourgeois  bei  Thenuy  und  Mnrqui«  de  Vibraye 
bei  Seile« -sur- Cher  (beide  Fundorte  im  Loir-et-Cher)  im 
mittleren  Miocen.  Weder  die  Altersbestimmungen  der 
Schichten  noch  die  Deutung  der  Heate  scheinen  mir  ül*cr 
alle  Zweifel  erhaben. 

B.  P.  Hamy  et  E.  Sauvago.  Snr  uu  Kjökken- 
m ödding  decouvert  & 1‘ombouchure  de  laCanche. 
— Bullet.  Soc.  Anthrop.,  2me  Serie,  Volume  II, 
1867,  pag.  362. 

Hügel  bei  Etaple»  (Pas  de  Calais)  die  einen  Halbmond 
von  *260  Meter  Länge  und  15  — 20  Meter  Breite  bilden 
und  au»  mehreren  Schichten  von  Muschelschalen  bestehen, 
zwischen  welchen  Kohle  und  Asche  sich  finden.  Haupt- 
muschel ist  die  Herzmuschel  (Cardinal  edule),  ausserdem 
die  Miesmuschel  (Mrtilus  edulis).  Selten  Telliua  »oUdula, 
Preten  mnzirau»,  Ustrea  edulis,  Pestunculus  pilosua,  Natic« 
castanra,  Knochen  eines  kleinen  Kindes,  der  Ziege  und 
des  Schwell«,  zerschlagen.  Sehr  häutig  Gräten  von  Fi- 
schen, besonders  Schollen,  Kieselinstrumente,  Töpferge- 
schirr. zum  Thcil  aus  der  Bronzezeit.  An  der  Oberfläche 
viele  Gegenstände  aus  Bronze,  selbst  gallo  - römischen  Ur- 
sprungs. 

P.  Hoofer,  De  l’origine  du  Chien.  — Co«mo«  de 
Paris,  29  Mai  1867. 

Ohne  eigene  Beobachtungen. 

Comte  de  la  Hure.  Le«  Conchyliosites  du  Brasil. 
— Rev.  Arch^ol.  1867,  Vol.  15,  pag.  306. 

Musrhelanhäufungen  (Sambaqui)  an  der  ganten  brasilia- 
nischen Küste,  welche  den  Kjökkenmöddinger  gleichen. 
Reste  von  Kannilatenmahlcn  in  einigen.  UcberaJl  Stern- 
warten. 

Hussen.  Osseoients  humains  trouvus  daus  le  di- 
l'jvium  alpin  de  Villay-  Saint-  Etienne,  prug  de 
Toul , et  nouvell«  Station  humaine.  — Comptea 
renduB.  S&tnce  du  2 Avril  1867,  Vol.  64,  pag. 
694. 

Gänzlich  unverbürgte  und  unwissenschaftliche  Notiz. 

Phllibort  Lalande.  Memoire  sur  los  monuments 
prehistorique«  de  ia  Correze.  St.  Jean  d'xVngely 
1867,  53  S.,  1 Tal.,  *• 

Details  über  7 Grotten,  17  Dolmen,  2 Cromleclis  und 
etwa  40  Grabhügel  nebst  Liste  der  sonst  im  Departement? 
gefundenen  Sternwarten. 

Philibert  Lalande.  Nouvelle  Station  de  T&ge  du 
renne  dans  lePerigord  (Grotte  de  Pouzet). — Rev. 
Archeol.  1867,  15mc  Vol.,  pag.  66. 

Unter  einer  Schicht  Detritus  von  10 — 15  Ucntimeter 
Dirke  ein  Heerd  mit  Kohlen,  zerbrochenen  Knochen  von 
Rennt  hier,  Pferd,  Auemch*  (selten);  sehr  viele  bearbeitete 
Rennthiergewcihc  und  Stcingeräthe. 

Ed.  L&rtet.  Fouillee  du  LouoL  — Bullet,  de  la 
soc.  d’Anthrop.  de  Paris,  2“*  ser.,  Vol.  II,  1867, 
pag.  131. 

Forschungen  von  Ollier  de  Marie  hard  in  dieser,  im 
Departement  de  l’Ardeche  gelegenen  Grotte,  deren  unterste 
Schicht  geschlitlVne  Sternwarten,  Mühlsteine.  Knochen  von 
Ochsen  und  Hirschen,  Hunde  etc.  aus  der  Epoche  der 
Pfahlbauten  enthielt.  Auf  einer  Thonscherbe  eine  ein- 
gekratzte Zeichnung  (die  erste  aus  der  Pfahlhauteazcit), 
Archiv  ttlr  Anthropologie.  Bd.  HL  Heft  IT. 


deren  Vordertheil  einem  Ochsen , dos  Hintertheil  einein 
Pferde  gleicht. 

Ed.  Lartet.  Oascment«  fossiles  et  silex  tailles  a la 
Nouvelle  Zelande. — Bullet  Soc.  d’Anthropologie. 
Seance  du  lr  Aoüt  1867,  pag.  475. 

Mit  Knochen  von  Dinornis,  Dingo  und  Phocn  lepionyz, 
die  zum  Theil  ungebrannt,  zum  Tbeil  bearbeitet  waren, 
fanden  sich  Kieselmesser  und  Obsidiansplitter  bei  Wain- 
gongoro. 

A.  Leclorc.  Monuments  drnidiqueB  du  Limousin 
et  de  la  Marche.  — Limoges  1865,  8 S. 

Nicht»  Neues. 

Louis  Leguay.  Fouilles  de  1’ Allee  couverte  d’Ar- 
genteuil.  — Revue  Arch6ol.  1867,  Vol.  15,  pag. 
364. 

Genaue  Untersuchung  diese«  Dolmen,  den  auch  der  in 
Paris  versammelte  Congress  besuchte.  Die  darin  gefunde- 
nen Gegenstände:  Polin«  und  durchbohrte  Instrumente 

von  Stein  und  Knochen,  zum  Theil  mit  ihren  Handhaben, 
Schädel  von  Menschen,  Knochen  von  Biber,  Eber,  Dach», 
Pferd , Hirsch  und  Schildkröte,  waren  in  der  Ausstellung 
aufgelegt, 

Louis  Loguay.  Antiquitos  ante -historiques  et 
gauloi&ps  des  Parisii.  Paris  1867. 

Funde  au»  der  Seine. 

Louis  Leguay.  Sur  divers  objets  de  Tage  de  la 
pierre  provenant  de  divers  ateliers  du  departe- 
ment  de  la  Vienne,  offerts  par  Mr.  Meillet.  — 
Bullet.  Soc.  Anthrop.,  2"*  Serie,  Vol.  2,  pag.  804. 
Proposition  de  Mortillet,  pag.  325. 

Die  Gegenstände  scheinen  meisten»  gefälscht  und  die 
Gesellschaft  beschließt  auf  den  Antrag  Mortillet’s, 
Sendungen  von  Chr.  Meillet  nicht  in  ihn*  Sammlungen 
aufzunehmen. 

Louis  Leguay.  Allee  couverte  d' Argon  te  ui  1.  — 
Bullet.  Soc.  Authropol.,  2“*  Serie,  Vol.  2,  1867, 
pag.  172. 

Anzeigr  der  Entdeckung  und  der  ersten  Ausgrabungen. 
Louis  Leguay.  Allee  couverte  d’Argenteuil.  — 
Bullet.  Soc.  Anthropol.,  2me  serie,  VoL  2,  1867, 
pag.  266. 

Analyse  dei  weiteren,  vollständigen  Forschungen. 

Franpois  Lonormant.  Les  armes  de  pierre  de 
Marathon.  — Revue  Archeolog.,  Vol.  15,  pag. 
145. 

Man  findet  im  Grabhügel  der  in  der  Schlacht  gefallenen 
Griechen  31engen  von  bronzenen  und  »teinernen  Pfeilspitzen, 
letztere  au»  »cliwarzem  Feuerstein.  Nach  Herodot  waren 
die  äthiopischen  Bogenschützen  mit  solchen  Pfeilen  be- 
waffnet. 

Franpois  Lenormant.  L'&ge  de  pierre  en  Grece. 
— Rev.  Archeol.  1867,  15,n*  Vol.,  pag.  16. 
Aufzählung  verschiedener  Fundorte. 

Ch.  de  Linas.  Le  tumulus  de  Fregonville.  — 
Rev.  Archeolog.  du  Midi.  Toulouse,  Mars  et 
Avril  1867.  4".  pag.  213 — 218. 

Hält  die  darin  befindlichen  Bauwerke  für  Reste  einei 
Kapelle  der  Karthager. 

Henri  de  Longpdries.  Des  rouelles  et  des  an* 
21 


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162 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


neaux  antiques  coiisiderea  comme  agents  de  Sus- 
pension. — Rev.  Archeolog.  1867,  16®*  Vol., 
pag.  343  et  397. 

Gewisse  Rundscheiben  and  Ringe,  die  man  für  Pferde- 
»chmuck  gehalten  habe,  seien  Th  eile  des  weiblichen  Co- 
*tüm»  namentlich  gewesen. 

Duc  de  Luynes.  Note  sur  les  fouillea  executees 
a la  Butto-Ronde  pres  Dampierre  (Seine-et-Oi»e). 
Paris  1867,  4°.  21  pag„  19  Tal’. 

ln  einem  Hügel,  der  ein  römisches  Lager  trug,  etliche 
Steinwasen. 

Lyell.  Horarae  fossile  de  Denise.  — Annal.  Soc- 
Hgric.  scient.  des  arte  et  du  couimerce  du  Puy. 
Seance  du  12  Mai  1864,  Vol.  27.  Puy  1867. 

Kritik  von  Ayinard  über  die  betreffenden  Angnben  von 
Lyell  in  dem  Werke  „Antiquitv  of  man".  Lyell  habe 
zwei  Faunen,  die  von  Maloutegrv,  in  welcher  der  Mensch 
vorkoimne.  und  die  ältere  von  Sainxelle»  mit  einander  ver- 
wechselt. 


Henri  Martin.  De  POrigine  des  Monuments  me- 
galithiquee.  — Rev.  Archeolog.  1867,  Vol.  16, 
pag.  377, 

Versuchter  Nachweis,  da«  alle  Dolmen,  im  NordeD  wie 
im  Süden,  von  dch  Olten  abstammen. 

Henri  Martin.  Sur  lec  monuments  megalithiques 
et  Ja  race  qui  les  a construits.  — Bullet.  Soc. 
Anthropoid  2®*  serie,  VoL  2,  1867,  pag.  165. 

Brief,  der  die  Ansicht,  da«s  die  Celten  die  Dolmen  er- 
baut, kur*  reeumirt,  wogegen  AL  Bertrand  Einspruch 
erhebt. 


N.  de  Morcey.  Sur  Pecraaomcnt  des  materiaux 
Eous-jacents  ou  remanies  & la  base  du  limon  de 
Picardie,  depuis  les  haute  plateaux  jusqu'au  voi- 
sinage  du  niveau  de  la  mer  et  sur  P Application 
de  ce  caractere  a la  Classification  de  la  periode 
quaternaire.  — Bullet  Soc.  Geolog.  Seance  du 
19  Nov.  1866,  Vol.  24,  pag.  71. 


Verlader  unterscheidet  in  den  berühmten  Ablagerungen 
des  Sommethnles  folgende  Schichten  von  Oben  nach  Unten. 

) Dünen,  Rollsteine,  Seeschlaaini. 
Abstürze. 

■"  | Alluvioa.n,  Tuff. 

I Alter  und  junger  Torf. 

Erratische  Gebilde  ( Gelber  Thon. 

der  Eiszeit  \ Brauner  Thon  mit  Rollsteinen. 


Alte  Anschwemmun- 
gen während  der  , 
Erosion  der  Thi- 
ler  gebildet 


Alter  Uferstrang  von  Sand  und  Roll- 
steinen bei  Mnr<|uenterTe. 

Rollsteine  und  Sandr  von  Menchecoart, 
St.  At  heul , Moulin  - yuignon  mit 
Kieseläxten  und  FJephantenroiten. 

Halb  gerollte  Kiesel  (Bief  der  Ar- 
beiter). 


Victor  Meunior.  Histoire  de  la  decou verte  de 
rhomme  fossile:  in  Coemos,  Nrs.  vom  10.,  17., 
24.,  31.  August,  7.,  14.,  21.,  28.  September  1867. 

Erzählt  besonders  die  Geschichte  der  Bemühungen  von 
Boucher  de  Perthes. 

G.  de  Mortillet,  Veetiges  d’une  Station  prehisto- 
rique  i Bordoaux.  — Mortillet -Materiaux,  4ro* 
Annee,  pag.  4. 

Unter  den  römischen  Aiterthümern  findet  sieh  eine 


torrige  Schicht  mit  Asche,  Kohlen,  zerbrochenen  and  bear- 
beiteten Knochen  und  Mecresmuscbeln. 

G.  do  Mortillet.  Reunion  des  Dellgues  des  So- 
cietus  eavantes  des  Departements.  Session  de 

1867.  — Mortillet  - Materiaux , 3“*  Annee,  pag. 
387. 

Bericht  über  die  im  April  1863  stattgefundene  Sitzung 
in  Paris,  wo  die  Urgeschichte  ebenfalls  einen  bedeutenden 
Platz  einnahm. 

G.  do  Mortillet.  Sur  la  mäcboire  de  la  Naulette. 
— Bullet.  Soc.  Anthrop.,  2"*  »6rie,  Vol.  2,  1867, 
pag.  431. 

L>ic  berühmte  Kinnlade  wurde  in  derselben  Schicht  mit 
Rhinocero»  tichorhinu*  gefunden,  gehört  also  nicht  der 
Kcnnthierperiode,  sondern  cioer  früheren  Epoche  an,  der 
des  Mammut h. 

G.  de  Mortillet.  Bibliographie  de  PExposition 
universelle  et  du  Congri*  do  Paris.  — Mortillet- 
Materiaux,  3m*  Annee,  S.  402—404. 

Aufzählung  der  bezüglichen  Publikationen:  der  Catologe 
und  zwar  de»  allgemeinen  (Steinzeit  von  Lar t et  und 
Mortillet,  Metalle  von  Adrien  und  Henri  de  Long- 
p4rier)  und  der  «.pedellen  von  Ungarn,  der  Schweiz,  Nor- 
wegen sowie  verschiedener  Journalartikei  und  Broschüren 
von  W.  de  Konvicllc,  Mortillet,  T.  Garrigou,  de 
Longuemas,  Cotteau,  HalUgnen. 

G.  de  Mortillet.  Collection  a vendre.  — Mortil- 
let-Materiaux,  4rae  Aun<k\  pag.  14 — 28. 

Catalog  seiner  Sammlung  au»  urgeschichtliehen  Perioden, 
di«  zu  verkaufen  ist. 

G.  de  Mortillet.  Hache  Phenicienne  en  hronze. 
Rev.  Archeolog.  1867,  16"**  Vol.,  pag.  269. 

Sehr  sonderbar  gestaltete  Rmnzeaxt  von  Tbaro«  in  Sar- 
dinien. Es  rindet  sich  dort  auch  Gold,  Eisen,  Silber,  Glaa 
u.  a.  w.  im  Besitz  von  Pruner-Bey,  der  dort  Ausgra- 
bungen veranstaltet. 

G.  de  Mortillet.  Congres  d’Anthropologie  et  d’ Ar- 
chäologie prehistoriques.  — Mortület-Matcriaux, 
Sept  et  Oct.  1867,  S.  3C9. 

Kurzer  Bericht  über  die  Sitzungen  de»  in  Paris  abgehal- 
tenen Congmse*. 

Feccadeau  de  lTfllo.  Sur  lee  fouilles  faites  dann 
un  gisement  ossiferu  de  Page  du  Renne  a Bruni* 
quel  (Tarn  - et  - Garonne).  — Comptes  rendua. 
Seance  du  18  Mars  1867. 

Anzeige  des  Funde»  von  zwei  Dolchgrifien , Rennthiere 
darstellend,  und  einem  solchen,  der  ein  Mammuth  zeigt. 

Peocadeau  de  l'Isle.  Notice  sur  des  objets  sculp- 
tea  et  graves  des  temps  prehiatoriquea,  trouves 
u Bruniquel  (Tarn-et-Garonne).  — Rev.  Archöol. 

1868,  Vol.  17,  pag.  213,  1 Taf. 

Darstellung  mehrerer  au»  Rcnnthierhorn  geschnitzter 
Dolch  grifft,  wovon  zwei  dos  Rennthier  selbst,  ein  dritter 
ein  Mammuth  darstellen.  Dax  Mammuth  besonder«  ist 
höchst  merkwürdig;  es  stellt  die  vier  Füsse  und  den  Rös- 
sel zusammen. 

Pommerol.  Station  de  Tage  de  pierre  aux  Mar- 
farea-de-Voyre.  Hallet.  Soc.  Anthropol.  de  I’ari», 
2m*  »me,  Vol.  2,  S.  220. 

Sandgrube  au«  folgenden  Schichten  zu»aio mengesetzt: 
Oben  braune  Dammerde  mit  etwas  Sand*  und  Kaikstücken, 


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163 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


etwa  40  Ceatimeter  dick.  Darunter  Sand  in  zwei  Schich- 
ten. oben  grauschwan  mit  Lehm,  unten  gelblich  mit  viel 
Glimmer,  beide  Schichten  mischen  sich.  Darin  an  drei 
verschiedenen  Stellen  Kohle,  Asche,  verbrannte  Knochen, 
von  Hnul  gefertigte  Thongetiu*«,  Steüi-Inatrumentr  (Messer, 
Kratzer,  Axt),  Getreide  (Weizen  und  Gerate).  — • Zeit  der 
Stein- l'tahlbautcn,  Bemerkungen  darüber  von  L.  Leguay 
(S.  227),  der  die  Stellen  für  Verbrennungsstellen  von  Lei- 
chen hält. 

Pommcrol.  Denta  d’Eleplias  primigenius  et  eitex 
taillee  decouverta  d&ns  les  terrmms  quaternaires 
de  la  me  da  Chevalleret  k Paris.  — Bulletins 
Societe  AntkropoL.  2mo  serie,  VoL  2,  1867,  pag. 
358. 

Bestätigung  des  Zusammen  Vorkommen*  von  Kieselixten 
mit  Mauimuthzähneu. 

Laurent  Rabut.  Fouillea  du  ns  les  emplacements 
k pilotis  du  Lac  du  Bourget.  — Rev.  Archeolog. 
1867,  16“*  VoL,  pag.  323. 

Bericht  über  die  Forschungen  bei  Treaaerve,  Grfsine, 
Chitillon  und  Conjux  nm  genannten  See,  die  »ehr  reiche 
Ausbeute  aus  der  Bronzezeit  gewahrt  haben.  Liste  der 
gefundenen  Gegenstände. 

Laurent  Rabut,  Habitations  lacustres  de  la  Sa~ 
voie.  Chambery  1868,  in  4°.  66  S.,  17  Taf. 

Drei  reiche  Stationen  in»  Lac  du  Bourget,  zwei  davon, 
Grta'ne  und  Tresserve,  haben  nur  Gegenstände  aus  der 
Bronzezeit  geliefert,  eine  dritte,  Chitillon,  ausserdem  nach 
ein  Gcfäss,  auf  dem  der  Name  Severinus  cingrgrabon  ist. 

Paul  Raymond.  Dolmen  etCromlechs,  sitaes  dans 
lu  Vallec  d’Ofcsau  (Arrondissement  d'Oloron,  Baa- 
se»-Pyrenees).  — Rev.  AwMsl  1867,  Vol.  15, 
pag.  342. 

Ausmessung  einiger  Steinkreise  (Cromlecbs). 

Reboux.  Rech erch  es  arckeologiques  et  paleonto- 
logiques  faites  dans  lTnt4rieur  de  Paris.  — Bul- 
let. Soc-  geologique.  Seance  du  17  Dec.  1866, 
2d®  Serie,  Vol.  24,  pag.  130. 

Nachweis  von  Steinäxten  mit  Mommutb-,  Nashorn-  etc. 
Knochen  im  Diluvium  von  Paris,  Neuüly,  Larailoi»,  Cllchy, 
Batignolle». 

Xavier  de  ReuiJL  L üge  de  la  pierre  et  Hiomme 
prebistorique  en  Belgiqae,  1868,  78  S. 

Resume  der  Arbeiten  von  Schmerling,  Dupont  und 
Anderen. 

A.  Rhone.  Decouvortes  d’Antiquites  prehisto- 
riqaes  dans  la  Campagne  de  Rome.  Analyse  d’un 
Memoire  de  Mr.  de  Rossi.  — Revue  Archeologique 
1867.  Vol  8,  pag.  48. 

Plinlus  sah  die  SteinwaiTen  für  Donnerkeile  an;  Kaiser 
Augustus  für  Waffen  der  Heroen  und  die  grossen  Knochen 
für  Biesenreate.  Man  brauchte  noch  bei  religiösen  Cere- 
monien  (jus  feciale)  Stein-Instrumente.  Analyse  der  Funde 
bei  Ponte  Molle,  wo  eine  wahre  Werkstätte  von  rohen 
Kicselinstrumenten,  verarbeiteten  Hirschgeweihen  mit  Kno- 
chen ausgestorbener  Thier«  sich  fand.  Zwischen  Yicovaro 
und  C&uUlapo  zwei  Gräber:  Das  obere  mit  Instrumenten 

aus  der  Steinzeit  (geschliffene)  und  zwei  Kurzschädein;  das 
untere  mit  drei  Langscliadeln  und  Knochen  von  Eber, 
Auerocbs,  Hund,  Pferd,  Keh.  — Bronzestation  im  Alhancr- 
gebirgr  bei  der  Quelle  Fcrcntinn. 

C.  Bibelro.  Not«  sur  1«  terraiD  quaternair«  da 


Portugal.  — Bullet.  So«,  geolog.  Seance  du  17 
Juin  1867,  2”*  bot«,  Vol.  24,  p*g.  692. 

Resum4  des  unter  Portugal  analysirten  Werkes. 

Zephirin  Robert.  Fonderie  oeltique  (Age  de 
bronae).  — Revue  Archeolog.  1867,  16“*  Vol., 
pag.  370. 

Notitz,  dass  die  bei  Larnaud  (Jura)  entdeckten  Gegen- 
stände, 70  Kilogramm  wiegend,  im  Museum  von  St.  Ger- 
rnain  aufgestellt  sind. 

M.  E.  de  Ro8si.  Etudes  g£ologico-arch6ologiques 
aur  le  sol  Romain.  — Bullet  Soc.  geolog.  Seance 
du  15  Avril  1867,  Vol.  24,  pag.  578. 

Tableau,  welches  die  verschiedenen  urgeschicht liehen  Ent- 
deckungen  in  Roms  Umgegend  darstellt.  — Fundstätten 
roher  Kieseläxte  bei  Ponte  Molle,  Montioelli,  in  Latium.  — 
Gräber  au*  der  Steinzeit  bei  Ustica.  — Steinwasen  in 
Feldern  gefunden.  — Fa*t  Nicht«  au«  der  Bronzezeit.  — 
Nekropole  aus  der  Eisenzeit  bei  Castello  (Latium).  — Woh- 
nungen bei  Yalle  Marciana  — Ausserdem  erläutert  der 
Yerfasser  «Inen  Plan  der  Katakomben. 

M.  E.  de  Rossi.  Sur  Tage  de  la  pierre  dana  la 
Campagne  de  Rome.  — Bullet  Soc.  Anthropol. 
2®*  aerie,  VoL  2,  1867,  pag.  245. 

Resuu»4  seiner  besonderen,  darüber  erschienenen  Schrift. 
Pruner-Bey  giebt  bei  dieser  Gelegenheit  eine  lebhafte 
Kritik  der  Angaben  Ponzi’s,  der  die  Epoche  des  Renn- 
thiern  bei  Rom  constatirt  haben  will. 

A.  Roujoux.  La  geologie  moderno  et  lea  travaux 
de  Mr.  Lartet  Le  Critique  (Pariser  Journal)  vom 
6.,  13„  27.  Juli  1867. 

Bespricht  die  Verdienste  Lartet’#  um  die  Bestimmung 
der  quaternären  Säugethiere  und  Menschenreste. 

▲.  Roujou.  Remarque»  aur  lea  foyers  de  Ville- 
neuve-SaintrGeorgea.  — Bullet  Soc.  Anthropol., 
2"*  serie,  Vol.  2,  1867,  pag.  236. 

Bel  Gelegenheit  der  Notu  von  Pommcrol  (siehe  den 
Artikel)  veitheidigt  Roujou  seine  Ansicht , dass  die  Fund- 
stätten von  Villencuvc  Herde  gewesen  seien  und  sucht 
wahrscheinlich  zu  machen,  das*  di«  dort  gefundenen,  weni- 
gen menschlichen  Uebcrreste  von  Menschenfresserei  her- 
rühren. 

Bugconi.  Lettre.  Bullet.  Soc.  geolog.  Seance  du 
17  Dec.  1866,  Vol.  24,  pag.  122. 

Kfetcläxt«  mit  Klepbiu,  Bo«  primigeniut,  Cerru,  elaphu. 
und  Rhinocero*  tichorhinus  in  Sani«  Maria  bei  Moutlcelli. 

Gas  ton  de  Saporta.  Temperatur©  de  la  Provence 
k l’epoque  du  Renne.  Mortillet  - Materiaux , 4nM' 
Annee,  pag.  42. 

Nach  den  Schnecken  und  Pflanzen,  die  in  demselben  Tuff 
mit  Stein waffen  aus  der  Kennthierzeit  iu  der  Provence  ge- 
funden werden , war  das  Klima  damals  dort  nicht  kälter, 
aber  weit  feuchter. 

Gaeton  do  Saporta.  Haches  polies  du  Sud-Est 
de  la  France.  Mortillet -Materiaux,  4me  Annee, 
pag.  42. 

Haben  einen  besonderen  Typus,  der  sie  von  anderen 
unterscheidet. 

F.  de  Saulcy.  Dictionnaire  archeologique  de  la 
Gaule.  Epoque  celtiquc.  Klein  in  Folio,  erster 
Fascikcl,  168  S.,  22  Tafeln. 

21* 


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164  Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Enthielt  die  Funde  au*  dem  Diluvium  und  den  Höhlen 
Frankreich*,  die  Dolmen  «u»d  Münzen  und  Inschriften  au* 
der  späteren  gallischen  Zeit. 

F.  do  Sauley.  Fouilles  de  tumulus  dans  los  Vos- 
ges  et  dann  la  Cote  d’Or.  — Rev.  Archeol.  1867, 
Yol.  16,  pag.  417. 

Bronzetumulu*  bei  Sauville  (Vogo6en)  und  bei  Bruilly 
in  Hurgund,  aus  der  Eiseuzeit  bei  Mclaiseq. 

F.  de  Sauley.  Süpultures  avec  incineration  du 
Haut-Rhin.« — Revue  Arch«*olog.,  Paria,  Füvrier 
1868,  pag.  168. 

Bei  Scboppenwihr  zwei  Gräber  mit  Urnen,  worin  ver- 
brannte Knoiheu  und  Bronzegrgcnhtändr , di«  Mortillet 
der  Eisenzeit  zuvehreibt. 

PellegTino  Strobel.  Pierrea  a bassin»  de  l’Ante- 
rique  du  Sud.  Mortillet -Matoriaux,  3mo  Annee, 
pag.  398. 

In  der  Sierm  de  San  lx>ui»  und  b«i  Mendora  sieht  man 
viel«  in  den  Felsen  nusgehöhlte  Borken,  worin  di«  Indianer 
Stirnen,  Kröcht«  und  vielleicht  auch  Erze  zerrieben. 

Pellegrino  Strobel.  Age  de  la  pierro  dans  la 
Republique  Argentine.  Mortillet-Materiaux,  3ra* 
Annee,  pag.  394. 

Steinäxte,  Pfeilspitzen , Scherben  in  den  Sandhügeln  bei 
Buenos- Ayr**,  die  zwei  verschiedenen  Epochen  zugeschrieben 
werden. 

F.  Thioly.  Une  nou volle  Station  de  Tage  du  Renne 
dans  les  environa  de  Geneve.  — Revue  Savoi- 
sienne,  Nr.  1,  20  Janv.  1868. 

Anzeige  einer  von  A.  Favre  entdeckten  und  vom  Ver- 
fasser weiter  Ausgebeuteten  Station  bei  Veyries  am  Fu»w 
des  Saleve. 

F.  Thioly.  L'epoque  du  Renne  au  pied  du  Mont 
Saleve.  Annecy  1868,  15  S.,  1 Tafel. 

Höchst  interessanter  Fund,  der  sich  dem  von  Schüssen- 
ried  an  die  Seite  stellt,  («rosse,  vom  Saleve  abgestürzte 
Frlsmassen  haben  bei  Veyries  ein«  Höhle  gebildet , in  die 
man  hinein  kriechen  musste  und  die  nach  der  Rennthier- 
Periode  dun  h neue  Felsstürze  überdeckt  und  so  intne  t er- 
halten wnrde.  Professor  A.  Favre  von  Genf  fand  dort 
neuerdings  Kirselwaflfen  und  Knochen.  — Thioly  ver- 
folgt« den  Fund  weiter  und  fand  bi*  jetzt  fast  Alles,  wa* 
in  den  Höhlen  von  Perigord  zu  Tage  gefördert  wurde, 
Kietelmesser,  Kratzsplitter,  Pfeilspitzen,  Bohrer  nebst  den 
Kernen,  von  denen  sie  abgesprengt  w urden,  Mei*«el,  Ahlen, 


Nadeln,  Glätter  von  Rennthierhorn  und  einen  am  Ende 
durchbohrten  Commandostab , der  auf  der  einen  Seit«  eine 
Prtanzenzcirhnung  (Farrenkrautllatt?),  auf  der  anderen  die 
eines  Steinbocks  oder  vielleicht  der  Antilope  Saiga  trägt. 
Ferner  viele  zum  Aufhängen  durchbohrte  Schalen  von  einer 
Art  Peetuneulu»  aus  dem  Mittelmcer.  Unter  wenigen,  ihm 
von  Favre  zugesandten  Knochen  erkannte  Rutimeyer, 
dem  eben  eine  grössere  Sammlung  zur  Untersuchung  vor- 
licgt:  Rennthier,  Pferd,  Bo«  primigeniu-i  und  uurns? 
Hirsch  (vielleicht  Mrgaceru»),  Alpenhase,  Kaninchen,  Murmel- 
thier, Dachs,  Schneehuhn. 

de  Verneuil.  Lettre  sur  le  diluvium  pre«  de  Ma- 
drid. — Bullet.  Soc.  geolog.  Seance  du  15  Avril 
1867,  2dc  a6rie,  Vol.  24,  pag.  499. 

Aulzählung  der  Diluvialschichten  am  Mauzanare»  bei 
San  Isidro,  die  18 — 20  Meter  Mächtigkeit  halten,  von  oben 
nach  unten. 

1.  Sand  mit  wenigen  Rollsteinen,  die  keine  Bänke 
bilden. 

2.  Saud  mit  Lehmbänken,  die  tu  Backsteinen  benutzt 
werden.  Darin  das  Skelet  eines  dem  afrikanischen 
ähnlichen  Elephonten. 

3.  RolUtrinbank,  meistens  Granite,  Porphyre  und 
Quarzite,  ohne  gerollte  Feuersteine.  ln  dieser 
wurden  die  Feuersteinätte  gefunden,  also  unter  dem 
Elephantenlager. 

H.  de  la  Villemarqud.  De  Torigine  des  monu- 
ment«  raegalithiques.  — Revue  archüologique. 
Fevrier  1868,  Vol.  17,  pag.  147 — 165. 

Der  Verfasser  leitet,  nach  Sagen,  Legenden  und  alten 
Yolksgedichten,  deren  Text  er  mittheilt,  den  Ursprung  der 
Dolmen,  die  ohne  Zweifel  Grabmonumente  seien,  von  den 
Gelten,  Gaelen,  Galliern  ab.  Andere  glauben  gerade  aua 
diesen  Texten,  welche  die  Erbauung  bald  Riesen,  bald 
Zwergen  zuschrciben , nnchweisen  zu  können,  das*  die  Mo- 
numente weit  älter  sind  und  den  Gaelen  ihre  Bedeutung 
nicht  mehr  bekannt  war. 

A.  de  Zeltner.  Note  sur  les  eepultures  iedienne« 
du  IX-partement  de  Chiriqui  (Etat  de  1‘unsmfi). 
Mortillet-Materiaux,  411—  Anne«,  pag.  64. 

Gräber  mit  Gegenständen  von  Gold  und  Kupfer  und  vie- 
len Stein waflen.  G.  Zeltner  möchte  seine  in  Paris  be- 
findliche Sammlung  verkaufen. 

Zucchi.  Pisa.  Exploration  de  la  grotto  de  T61a- 
mone  dun«  les  M&remmes  de  la  Toacane.  — Bul- 
letins de  la  societc»  d' Anthropologie  de  Paris,  II. 
eerie,  II.  Vol.,  S.  299. 


Italien. 


Francesco  Anca.  Palaeoethnologia  Sjcula.  Pa- 
lermo, 4°.  15  S.,  3 Taf. 

Beschreibung  mehrerer  Höhlen,  worunter  die  wichtigste 
die  von  San  Teodore  :un  Kusse  de»  Monte  Fratello  an  der 
Nordküst«,  Provinz  Messina.  Sicilien  zeichnet  sich  beson- 
der*  durch  zahlreiche  Fluwplerdrcste  au*,  mit  welchen 
Thieren  aber  der  Mensch  nicht  zusammen  gelebt  zu  haben 
scheint  — wohl  aber  mit  Elephanten  (E.  antiquu»,  arrae- 
niacus)  und  mit  Hyänen. 

Bernardino  Biondelli.  Di  una  tomba  Gallo-Ita- 


lica  acoperta  a Sesto-Calendc  aul  Ticino.  — Me- 
ntor. del  Istituto  Lombardo.  Vol.  X,  17  S.,  2 
Taf.  Fol. 

Au*  grossen  Rollsteinen  aufgeschütteter,  im  Boden  ver- 
steckter Grabhügel,  worin  Urnen  mit  Kohlen  und  Aschen, 
Dronzchelm  und  Beinschienen , Eisenach  wert,  Lanze  und 
Pfeilspitze  und  ein  Bronzcgefäa*  mit  Menschen-  uud  Thler- 
tigurrn.  Biondelli  hält  die  Dinge  für  celtisch,  Gozza- 
dini  für  etruskisch,  Mortillet  für  nnnlog  mit  Hall- 
stadt. 


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165 


Verzeichnis  der  anthropologischen  Literatur. 


Igino  Coechi.  L’uomo  foisilo  nell’  Italia  centrale, 
Studie  paleoetnologici.  Milano  1867,  4*.  81 
pag,  21  Fig.,  4 PI. 

Schädel  in  den  blauen  Mergeln  de«  Val  tl'Amo  nahe  bei 
Are»«  im  Seitenthale  Val  Chiana.  In  denselben  Mergeln 
wurden  gefunden  Kohlenatüeke,  eine  Kieselspitze,  Unter- 
kiefer vom  Pferd,  Elcphantenzahn.  Der  iro  Museum  von 
Floren*  befindliche  Schädel  lag  15  Meter  unter  der  Ober- 
fläche. Cocrhi  will  im  Val  d’Arno  drei  Schichtengnippen 
unterscheiden.  Unterer  und  oberer  Pliocrn  und  Poatpliocen, 
letzter»  in  vier  Stockwerke  von  unten  nach  oben  gethcilt: 
1)  Siuswasserbildungen , Torf  und  Mergel  — darin  der 
MrnM-hen»cliJidel;  2)  Wildbachbildungen  — Grand  und 
Sand;  3)  StnmiUldungcu  — weisser  Sand  und  Anschwem- 
mungen; 4)  Auswaschungen.  Der  .Schädel  6elb6t  ist  nur 
eine  Schädeldecke,  über  die  ich  in  meinem  Briefe  an  Ga- 
al al  di  da«  NÖtbigc  gesagt  habe. 

O.  G.  Costa.  Relazione  intorno  agli  ossami  fos- 
aili  di  C&ssioo  et  della  Melfa.  — Rendiconti  Ac- 
cad. scienz.  Napoli. 

In  der  Grotte  von  Co**.ina  Kiese  läute  mit  Knochen  von 
Hyänen,  Elephanten,  Nashörnern  etc. 

Romigio  CreBpellani.  Relazione  intorno  a sepol- 
cri  etruschi  di  Bazzano.  — Monitore  di  Bologna, 
4 Aug.  1867. 

Etruskische  Gräber. 

B.  Gastaldi.  Intorno  ad  alcuni  foasili  del  Pie- 
monte  e della  Toscana,  Breve  nota.  — Memor. 
Accad.  scienze  di  Torino,  Ser.  II,  Vol.  24. 

Lagerung  des  bekannten  Schädels  von  Mezzana-Corti.  — 
Höhlenbär  in  der  Grotte  von  Bosses  belMondovi,  Thal  von 
Corsagl»;  Ochsenknochen  aus  dem  ächten  Diluvium,  Kno- 
chenbreede  von  der  Ins»)  Pinnos*  aus  der  Zelt  des  Höhlen- 
bären. 

B.  Gastaldi«  Alcuni  dati  sulle  punte  Alpine  si- 
tuate  fra  la  Levanna  ed  il  Roccia  melone.  Torino 
1868,  49  S. 

In  der  Terramare  von  Parma  finden  sich  Gefasst  aus 
granatfährendem  Chlorit,  der  von  Saint- Marcel  bei  Aosts 
stammt. 

Giovanni  Gozzadini.  Di  alconi  sepolcri  della 
Necropoli  Felpinea.  Bologna  1868,  16  Holz- 
schnitte. 

Etruskische  Gräber. 

G.  Niccolucci.  Sopra  altre  arrni  ed  UBtensili  in 
pietra  dura  rinvenuti  nell’  Italia  Meridionale.  — 
Rendiconti  Accad.  scienz.  di  Napoli.  Juli  1867. 

Steinwasen  fast  aus  allen  Provinzen  Neapel»,  die  «er- 
streut im  Boden  gefunden  wurden. 


Giuseppe  Ponzi.  Sui  manufatti  in  focaja  rinve- 
nuti all*  Inviolatella  nella  Campagna  Romana  e 
Bull’  uomo  all1  epoca  della  pietra.  — Atti  Accad. 
de’  nuovi  Lincei,  Vol  20,  14  S.,  1 Taf. 
Beschreibung  des  Fundorte»  bei  Rom. 

Giuseppe  Ponzi.  Sulle  tombe  preiatoriche  rin« 
venute  presse  Cautalupo  Mandela  sulla  via  Vale- 
rie- — Atti  Acad.  dei  nuovi  Lincei,  Vol.  21, 
März  1867. 

Gräber  aus  der  Pfahlbantenieit  mit  Hinfc..hknochen. 
Ponzi  fragt,  ob  auch  Rrnnthicr?  Ich  glaube:  Nein. 

Giusoppo  Ponzi.  Sugl’  istromenti  in  pietra  focaja 
rinvenuti  nelle  cave  di  breccie  preeso  Roma  ci- 
feribili  all’  industria  primitiia.  — Atti  Accad. 
dej  nuovi  Lincei,  Vol  20,  8 März  1866,  3 S., 
1 Tafel. 

Kicselwaifeu  von  Ponte  Molle. 

Giovanni  Ramorino.  Sopra  le  caverne  di  Ligu- 
ria  e specialmente  sopra  una  recentemente  sco- 
perta  a Verezzi  preeso  Finale.  — Mein.  Accad. 
scienze.  Torino,  Ser.  II%  Vol.  24. 

Zwei  getrennte  Schichten;  in  der  unteren  Höhlenbär 
und  Hyäne  , mit  Mensch , drei  Hirscharten , Bo*  primige- 
nius;  in  der  oberen  fehlen  die  grossen  Fleischfresser  und 
sind  vorhanden  15  Vogelarten,  worunter  da«  Sehne*-  und 
Auerhnhn,  die  obere  also  der  Renntbicrxoit  angeborig;  das 
Kennthicr  scheint  durch  den  Damhirsch  vertreten. 

C.  Regnoli.  Ricercho  Paleoetnologicho  nelle  Alpi 
Apuane.  Pisa  1867 , 38  S.  mit  14  photographi- 
schen Tafeln. 

Untersuchung  von  70  Grotten  und  Höhlen,  von  welchen 
0 Knochen  von  Thleren  und  Menschen  oder  Instrumente 
bergen,  dir  nnderen  leer  waren. 

• 

Secchl.  Sur  la  docou verte  d’outils  en  piorre  ä si- 
lex  prts  Monticelli.  Rome,  6 3. 

Bestätigt  die  Entdeckungen  in  der  Umgegeud  von  Rom 
von  Ruseoni. 

P.  Strobel  Tracce  del  uomo  della  6tä  della  pie- 
tra tagliata  nel  Trentino.  Verona  1867,  in  18, 
14  pag. 

P.  Strobel.  Oggetti  dell’  4t&  della  pietra  levigata 
invenuti  nella  provincia  de  San  Louis  nelle  Re- 
publica  Argentina.  Parma  1867,  12  S.,  1 Taf. 
Geschliffene  Strinwaflen. 


Portugal. 


J.  P.  N.  Delgado.  Noticia  acerca  das  grutas  da 
Cesareda.  Lissabon  1867,  in  4°.  131  S.,  37. 

Mehrere  Höhlen  mit  Menschenresten.  In  der  grössten, 
Ca*a  da  Moura,  zwei  Schichten;  die  unterste,  hauptsäch- 
lich mit  Kaninchen-  und  Vogrlknochen  und  mehreren 
Fieisclurcsseni,  die  wahrscheinlich  die  Knochen  zus&mmrn- 
schlcppten,  enthielt  nur  wenige  rohe  Stein-  und  Knochen- 
instrumente  mit  Kohlen;  die  oberst«  eine  Menge  von  ge- 
»cbliüencn  Striniiutrumeuten , Toplscherfaen,  Pertunculus- 


schalen  mit  Löchern  darin,  Instrumente  von  Horn  und 
eine  Pfeilspitze  von  Kupfer  (?).  Die  Menschenknocheo 
(wohl  tausend)  von  jungen  Individuen,  zerbrochen.  Del- 
gado schlieast  auf  Menschenfresserei.  Ein  ganzer  Schädel, 
su bdolic hocepbal.  Indez  rephnlkus  = 76,4.  — Die  an- 
dere Grotte,  Lapa-I1  uradn,  luit  einen  so  engen  Zugang,  «lass 
man  durchkriechen  muss , enthält  viele,  vielleicht  von 
Nagern  (?)  benagte  Menschenk noeben , ebenso  die  dritte, 
Cora-da-Mourn. 


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166 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Carlos  Biboiro.  Descripfao  do  terreno  quater- 
uario  dos  bacias  dos  rios  Tejo  S.  Sado.  Lisbona 
1366,  4°.  166  pag.,  29  Fig.  im  Text,  1 Kart«. 
Französische,  von  Dalhunty  besorgt«  l’ebersetzung 
gegenüber. 

Vortreffliche  Arbeit.  Portugal  wird  für  die  Urgeschichte 
ausserordentlich  wichtig.  E s scheinen  »ich  dort  mehr  Ab- 
lagerungen zu  rinden,  als  in  den  meisten  anderen  Ländern. 
Verfasser  theill  die  quaternären  Schichten  in  drei  Gruppen. 
Die  unterste  Gruppe,  aus  tbooigen  Sandsteinen  und  Thon, 
mit  eingesprengten  Mergel-  und  Halbschichten  bestehend, 
ist  deutlich,  alter  wenig  regelmäßig  geschichtet  und  erhebt 
»ich  im  Becken  de«  Tajo  bU  zu  8&0  Meter  über  dem 
Meere  und  tu  zu  400  Meter  Mächtigkeit.  Man  hat  bi» 
jetzt  nur  im  Kalke  Ueberreste  von  SässwauH'nnoUusken 


gefunden,  keine  anderen  Versteinerungen,  dagegen  zahlreiche 
Kieseläxte,  »eibat  in  den  tiefsten  Niveau«.  Verfasser  hält 
dicae  Schichten  für  gleichzeitig  mit  denen  de«  Val  d’Arno 
in  Italien,  von  SU  Priest  in  Frankreich,  Fore«t-bcd  in  Eng- 
land. Die  mittlere  Gruppe  besteht  au«  Gerollen,  grob- 
und  feinkörnigen  Sanden,  durch  ein  rothe»  Ceinent  zu* 
soimuengehalten , nur  in  einzelnen  Lappen  abgelagert, 
»chlecht  geschichtet,  mit  gro««en  Findlingsblocken , welche 
durch  Eisliüsse  transportirt  «ein  müssen,  — auch  darin 
giebt  es  Spuren  des  Menschen,  aber  durchaus  keine  Ver- 
«teincrungen.  Die  obere  Gruppe  zeigt  alte  Strandbildungen, 
rothe  Thon«  von  Quellen  erzeugt.  In  dieser  oberen  Gruppe 
finden  »ich  die  menschlichen  Stationen  und  Kjökkenmisd- 
dinge»  von  A reneira-  de - Roqurte , Cabe^o-d’Arruda,  in 
welchen  besonder«  die  Lulraria  comprc«6a  ata  Haupt- 
nzbrungimuschei  figurirt. 


Schweiz. 


£.  Dosor.  L’homme  fossile  par  F.  Troyon. 

Artikel  in  der  in  NcuchAtel  erscheinenden  Zeitschrift  „Le 
premier  Mars“  vom  27.  October  1867,  worin  der  Verfas- 
ser da«  Troyon '»che  Werk  bespricht  und  krittairt. 

F.  Thioly.  Lee  habitations  l&custres  du  lac  de 


Genfcve.  — Almanach  do  1c  Suiss«  romande,  An- 
ne« 1868. 

Nachweis  von  28  Pfahlbatutationen  ira  Genfer  See  — 
zwei  aus  der  Steinzeit  bei  Thonoa  und  Genf  — die  übri- 
gen au»  der  Bronzezeit. 


Spanien. 


A.  Mach&do.  Deacripcion  d«  algunaa  cavernas  de 
la  Peninsula.  14  S.,  Madrid  1866. 

Amador  de  los  Bios.  La  arqueologia  prehisto- 
rica  en  la  real  Academia  de  la  Historia.  — Re- 
vista  de  bellas  arten,  10  Oct.  1867,  pag.  20. 

Weist  verschiedene  Fundstätten  in  Spanien  nach. 

Buen&ventura  Hemandcs  SaAahuja.  Estudios 
sobre  el  hombre  preistorico  — la  edad  de  piedra 
en  Espanna.  — Revista  de  beilas  artes,  29  Dec. 
1867,  pag.  177. 

Die  Steinwaffen  in  Spanien  könnten  wohl,  nach  dem  Ver- 
fasser, von  HannibaP»  HUlfsvölkern  stammen. 


Vilanova.  El  hombre  foeil.  Confereuciaa  del  Ate- 
neo.  — Revista  de  bellas  artes,  e historioo-ar- 
qucologica.  Madrid. 

In  diesem  von  Tubino  herausgegebenen  Journal  findet 
sich  ein  Ke»um6  der  Vorlesungen  von  Professor  Vilanova 
über  den  fossilen  Menschen. 

Josö  Villaamil  y Castro.  Exploracion  de  tumu- 
Iub  en  Galicia.  — Revista  de  bellaa  artes,  14 
Jan.  1868,  pag.  209. 

Hügelgrab  bei  Mondonido  au»  der  Eisenzeit. 


n. 

Anatomie. 

Von  A.  Ecker. 


Bouvier.  Craniologi«  comparü«  do  Thomm«  et  des 
animaux,  a Taide  do  coupes  verticales  medianes 
du  craue  6Uperposees.  Bulletins  de  la  societe 


d’ Anthropologie  de  Paris,  20*  uerie,  Tome  II,  3. 
551,  1867. 

Broca.  Sur  les  proportions  relatives  des  rnembre« 


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167 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


sup&rieurs  et  de«  raembres  ioftrieurs  che*  ins 
Negres  et  les  Europeens.  Bulletins  de  la  societe 
d’Anthropologie  de  Paris,  2d*  serie,  Tome  II,  S. 
640,  1867. 

Dip  Schlösse,  zu  welchen  Broca  gelangt,  ein«)  iltc  tol- 
lenden: 1)  I>ie  Länge  der  oberen  Extremität  des  Neger» 

itn  Verhältnis»  zu  der  der  unteren  ist  geringer  al*  beim 
Europäer  (geringere  Affenähnliihkeit).  2)  Die  Länge 
de»  Humerus,  verglichen  mit  der  de*  Femur  oder  der  un- 
teren Extremität,  i*t  geringer  heim  Neger  (abermals 
geringere  AffenihnKcbk»it).  3)  Der  Humerus,  verglichen 
mit  dem  Radius,  i*t  beim  Neger  viel  kürzer,  als  beim  Eu- 
ropäer (grössere  Annäherung  zum  AtTentypus).  4)  Das 
l’ebcrmaass  der  Länge  de»  Radius  des  Negers  Ut  zum 
Theil  durch  die  Kürze  de»  Humerus  bedingt,  aber  nicht 
allein.  Der  Radius  des  Negers  ist,  »urh  mit  der  unteren 
Extremität  verglichen,  länger  als  beim  Weis*«.  5)  Die 
obere  Extremität  de*  Negers  zeigt  daher  zwei  entgegen- 
gesetzte Charaktere.  Während  dieselbe  sich  durch  die 
Länge  des  Radius  mehr  als  der  Weisse  dem  Affentypus 
nähert,  entfernt  sie  sich  wieder  mehr  hiervon  durch  die 
Kürze  des  Humerus. 

Broca.  Ca«  singulier  de  trepanation  che«  les  In- 
cas.  — Bulletins  de  la  sociutu  d* Anthropologie 
de  Paris,  2d®  Serie,  Tome  II,  1867,  S.  403. 

Der  VertiuMT  legt  einen  alt«  Peruaner«  hidel  vor,  an 
welchem  die  Trepanation  gemacht  worden  war  und  zwar 
durch  Herausnahme  eine*  viereckigen  Ktiochenxtücks,  und 
der  beweist,  diu*  bei  den  alten  Peruanern  die  Chirurgie 
ein»  ziemlich  vorgeschrittene  war. 

Broca.  Fragments  de  cr&ne  humain  d'Eguisheim. 
— Bulletins  de  la  societe  d’Anthropologie  de 
Paris,  2d*  Serie,  Tomeil,  1867,  S.  129  (s,  Archiv, 
Bd.  II,  S.  366). 

Stirnbein  und  rechte*  Scheitelbein;  dolichncepbal , Arcus 
superriliare*  sehr  stark,  Sinus  frontale»  gm*». 

Broca  et  Thumam.  CräncB  extraits  de  Long- 
Barrows  de  la  grande  Bretagne  par  M.  Thumam. 
Mit  3 Figuren  in  Holzstich.  — Bulletins  de  la 
societd  dT Anthropologie  de  Pari»,  2dc  serie,  Tome 
H,  S.  676,  1867. 

Mittlerer  Index  der  4.  Schädel:  66,4. 

Busk,  G.  Description  of  an  Aino  skull.  Mit  1 Ta- 
fel. — Transactions  of  the  Ethnological  society 
of  London.  New  series,  Vol.  VI,  1868,  S.  109. 

Dolicotephol,  nahezu  orthognath,  phenozvg  (Joihbog« 
in  der  Verticalanrieht  sichtbar). 

Cartor  Blake.  On  certain  skulls  frorn  round  bar- 
rowg  in  Dorsetshire.  — Journal  of  the  Antbro- 
pological  society  of  London,  Vol.  V,  1867,  8.  126. 

Di»  Arbeit  wird  ausführlich  in  den  „Memoire*  der  Ge- 
«eiUchaii  erscheinen. 

Crawfurd,  John.  On  the  Classification  of  the  raoes 
of  man  according  to  the  form  of  the  skull.  — 
Transactiuns  of  the  Ethnological  society  of  Lon- 
don. New  series,  Vol.  VI,  1868,  S.  127. 

Gegen  die  Bedeutung,  die  man  der  Schiidelform  als  unter- 
scheidendem Merkmal  der  Raceu  beigelegt  hat. 

Crawfurd,  John.  On  the  Skin,  the  Hair  and  the 
Eyes,  as  Tests  of  the  Races  of  Man,  ibid.  144. 

Gegenbaur.  Ueber  die  Drehung  des  Humerus.  Mit 


1 Tafel.  Abdruck  aus  der  Jenaischen  Zeitschrift, 
Bd.  IV,  Heft  1. 

Der  Humerus  des  Menschen  erscheint,  wie  bekannt,  um 
»eine  Axe  gedreht.  Ch.  Martins  hat  (Annal.  de  »c.-nat. 
Zoolog.,  »erie  IV,  Tome  8,  1857,  pag.  45)  auf  di»  Wich- 
tigkeit dieser  Drehnng  für  die  Vergleichung  der  oberen 
und  unteren  Extremität  und  anf  ihr  sehr  allgemeine*  Vor- 
kommen bei  Wirbel thieren  aufmerksam  gemacht.  Lucae 
und  Welcher  (dieses  Archiv,  Bd.  I,  S.  273)  haben  ge- 
funden, da**  die  Stellung  des  distalen  zum  proiimalen  Ende 
de*  Humerus,  welche  eben  eine  Folge  dieser  Drehung  ist, 
beim  Neger  eine  andere  sei  als  beim  Europäer.  Gegen- 
baur misst  nun  zunächst  die  normale  Toreiou  beim  Euro- 
päer und  findet  den  Tor*ion*winkel  (Sit  venia  verbo)  im 
Mittel  von  38  Fällen  ss  12®.  Im  fötalen  und  ersten 
Kindesalter  ist  er  bedeutend  grösser  (42®  im  Mittel  von 
19  Fällen).  Daraus  ergiebt  »ich,  das»  die  Torsion  eine 
wirkliche  Wachsthumserscheinung  ist.  Der  bleibende  Zu- 
stand de*  Negers  entspricht  einem  vorübergebenden  beim 
Europäer. 

Gervais.  Recherche«  sur  l'anciennetä  de  l'homme 
et  la  periode  quaternaire.  Paris  1867,  40. 

Beschreibt  und  bildet  ab  eine  Schädeldecke,  die  1867  in 
einem  Grabe  bei  Crespy  anfgefunden  wurde  und  die 
der  Neanderlhaler  »ehr  ähnlich  sein  soll.  Siehe  Mortil- 
let-Matörlnux,  1867,  Nr.  11  und  12,  S.  458,  Fig.  98. 

Guerlain.  Sur  Fensellure  lombo-aacree  des  femmes 
de  Boulogne.  — Bulletins  de  la  soeiät^  d’ Anthro- 
pologie de  Paris,  2*®  serie,  Tome  II,  1867,  8. 105. 

D»r  Verfasser  spricht  sich  gegen  die  Ansicht  von  Du- 
chenne und  Lagneau  (siehe  Archiv,  Bd.  II,  S.  399) 
aus,  dass  die  starke  Lendeneinbiegung  und  Becken neigung 
der  Frauen  von  Boulogne  ein  ethnischer  Charakter  sei.  Ea 
komme  dieselbe  bei  Frauen  jedweder  Abstammung  vor  und 
habe  eine  reiu  mechanische  Ursache,  da*  Tragen  schwerer 
Lasten  und  die  »ehr  steilen  Wege,  finde  «ich  daher  vor- 
zugsweise bei  den  Frauen  der  SchilTleule. 

Hamy.  Description  d’un  crane  de  foetus  micro- 
ccphale  avec  Deformation  intrauterine.  — Bulle- 
tins de  la  societe  d’Anthropologie  de  Paris,  2d* 
s4rie,  Tome  II,  S.  507,  1867. 

Schädel  eine*  mit  mehrfachen  Missbildungen  behafteten 
neugebornen  Kinde*,  sehr  klein,  ganz  asymmetrisch,  mit 
theilweise  verknöcherten  Suturen,  einer  acceasorisrhen  Fon- 
tanelle in  der  Sagittalnabt  etc. 

Jaoquart.  Observations  sur  le  rapport  de  M.  Al  ix 
au  sujet  d’un  memoire  de  M.  Jacqu&rt  intitule: 
de  la  valeur  de  l’oe  «pacta).  — Bulletins  de  la 
societe  d’Anthropologie  de  Paris,  2d*  serie,  Tome 
Ut  S.  595,  1867. 

Polemisches  gegen  Alix. 

Kopemicki.  Description  d’un  nouveau  cr&nio- 
graphe;  etude  eräniographique  des  races.  Mit  Ab- 
bildungen. — Bulletins  de  la  societe  d’Anthro- 
pologie de  Paris,  2^  serie,  Tome  II,  S.  559, 1867. 

Der  Apparat  Ut  nach  der  Idee  des  Huschke’schen  ver- 
fertigt und  besteht  aus  zwei  aufeinander  gelegten  Rahmen 
von  Kupfer,  zwischen  welchen  140  Stahlnodeln  verschieb- 
bar sich  befinden.  Berühren  dieselben  die  Schidelcontu- 
ren,  so  werden  sie  durch  Annäherung  der  beiden  Rahm« 
vermittelst  Schrauben  in  ihrer  Lage  tixirt. 

Llotard.  Note  sur  la  mesure  du  prognathisme  de 
la  face,  & l'aide  du  triangle  facial  (procedc  de  la 


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168  Yerzeichnisa  der  anthropologischen  Literatur. 


double  6querre).  — Bolletiue  de  la  ßociete  d’An- 
thropologie  do  Paris,  2de  Serie,  Tome  II,  1867t 
S.  127. 

Mouat , F.  J.  A few  notes  on  some  Skulls  of  the 
Hill  Tribea  of  Iudia.  — Trausaclions  of  the  Eth- 
nological  societv  of  Loodou.  New  series,  VoL  VI, 
1868,  S.  42. 

Unter  diesem  Namen  pflegt  man  eine  Anzahl  in  gebirgi- 
gen (regenden  isolirt  lebende  Stämme  zu  verstehen , von 
denen  uian  insgemein  anniment,  da**  sie  Ureinwohner  de* 
Landes  seien.  Mau  hat  sie  auch,  im  Gegensatz  zu  der 
übrigen  (arischen)  Bevölkerung  Indiens,  turunische  genannt. 
Sie  »Ind  von  dem  Volk  der  Ebene,  den  Hindu«,  in  viel- 
facher Beziehung  verschieden.  Während  man  aber  ihre 
Sprache,  Sitten  etc.  genau  «tudirt  hat,  ist  deren  Kraniolo* 
gie  soviel  wie  unbekannt,  Verfasser  hatte  Gelegenheit, 
eine  Anzahl  von  Schädeln  dieser  Stimme  zu  untersuchen, 
nämlich  1)  drei  Schädel  von  Singbboom  in  der  Colehan- 
oder  Ho -Gegend,  dem  Centrum  obgenannter  Stämme;  2) 
zwei  Schädel  von  Mishmces  von  Assam;  3)  einen  Schä- 
del eines  Manne«  ans  Khondistaa,  und  4)  den  eines  Be- 
wohners der  Insel  Streehareccott«  an  der  < \>romandel- 
Küstr.  Verfasser  theilt  die  Maaxsv  dieser  Schädel  mit  und 
findet,  dass  sie  darnach  in  zwei  differente  Grupjwn  zerfal- 
len; die  eine,  umfassend  Nr.  1,  3 und  4,  zeigt  die  Hin- 
dufonn  (klein,  dolirhoeephal),  die  andere  (Nr.  2,  Mishiuee«) 
die  mongolische  Form  (gross,  brachrcephal , Gesicht  breit, 
flach).  Die  kraniologUrhe  Untersuchung  unterstützt  daher 
die  allgemeine  Annahme,  dass  alle  diese  Stämme  turani- 
schen  Ursprungs  seien,  keineswegs. 

Nicolucci , P.  Süll’  anthropologia  dcllu  Grtcia. 
G 5 tav.  Napoli  1867,  4°. 

Pruner-Bey.  Critnes  de  Matt  stall  (Aleace).  — 
Bulletin?  de  la  societü  d'Antliropologie  de  Paria, 
2d«  aerie,  Tome  II,  1867,  S.  433. 

Süddeutsche  brachjrcephale  Schädel.  Zeit  unbestimmt. 

Pruner-Bey.  Sur  uu  eräno  humain  trouve  dang 
le  postpliocene  de  la  vallee  d’Arno.  — Bulletina 
de  la  aoeiete  d’Anthropologie  de  Paria,  2de  serie, 
Tome  II,  S.  673,  1867. 

Der  Schädel,  in  ganz  unberührten  «Schichten  von  Cocchi 
in  Florenz  gefunden  [nach  der  Angabe  de»  Autor»  brachy- 
«ephnl  (Index  H6,4)],  ist,  wie  ßruca  aus  der  Abbildung 
nuchweist,  dolk-hoiv-phal.  (Länge  188  Millimeter,  Breite 
144  Millimeter,  Indes  72,72.) 

Pruner-Bey.  Sur  lea  osgementa  de  Yaureal,  ibid. 
S.  680. 

In  der  inegahl bischen  Grabstätte  von  Vaureai  (Seine-et- 
Oise),  welche  Dr.  Caix  de  Saint-Aymour  (ibid.  6Ä4) 
beschrieben,  fanden  sich  Schädel  von  der  vom  Verfasser 
als  mongoloid,  sowie  von  der  von  ihm  als  arisch  (celtisch) 
bezeic Kneten  Form  nebst  einer  dritten  Leihe,  die  weder 
der  einen  noch  der  anderen  Form  angehörten. 

Pruner-Bey.  Ancien  ernne  d’Ardecbe.  — Bulle- 
tin« de  la  gocietä  d’Antliropologie  de  Paria,  2d* 
Herie,  Tome  II,  S.  555,  1867. 

Nach  dem  Verf.  Celtisch,  mit  ibero-ligurUcher  Beimischung. 

Pruner-Bey.  L’Anthropologie  n l’expositiun  uni- 
verselle. — Bulletins  de  la  societe  d’Anthropolo- 
gie do  Paria,  2d®  Serie,  Tome  II,  1867,  S.  401. 

Macht  darauf  aufmerksam,  dass  nn  zwei  w eiblichen  austra- 
lischen Schädeln  der  erste  grosse  Backzahn  des  Unter- 
kiefer» kleiner  «ei  als  der  zweite  (AtfencUarakter). 


Pruner-Bey.  Sur  leg  caracteres  du  crane  basque. 
— Bulletins  de  la  aoeiote  d’Anthropologie  de 
Paria,  2'1®  Serie,  Tome  II,  1867,  S.  10. 

Bekanntlich  hat  Broca  narhgewiesen , du«  die  Schädel 
der  Ba«ken  dolichocephal  »ind,  und  damit  die  Ansicht  von 
Ketxiuo  widerlegt,  «las*  dieses  Volk  den  Rest  einer  tura- 
nischen  (brachyccphnJen)  Urbevölkerung  sei.  Pruner- 
Bey  will  nun  gefunden  haben,  das*  die  Basken*chädel  zwei 
differente  Formen  aufweisen.  Die  ein«  Form  sei  brachy- 
cephal  (Index  80),  das  Gesicht  dreieckig;  die  andere  doli* 
chocephal  (Index  75 — 71),  das  Gesicht  schmal.  Die  erstere 
nennt  er  mongoloid  und  betrachtet  sie  als  „iberisch“,  die 
letztere  («riech«)  als  „celtisch“.  Diese  letztere  überwiege 
über  die  erster«.  — Bei  der  daran  geknüpften  Discu»sion 
vertheidigt  Broca  seine  Anschauung,  giebt  aber  die  Exi- 
stenz abweichender  Formen  zu;  denn  wo  finde  «ich  eine 
reine  Race?  Bei  den  Baaken,  di«  .Schiflahrt  trieben,  konn- 
ten solche  fremden  Formen  um  so  leichter  eingeführt  wer- 
den. Die  eingeborene  Race  aber  sei  die  in  der  Majorität 
vorhandene  dolic hocephale , die  ihre  alte  Sprache  bewahrt 
habe. 

Pruner-Bey.  Dcacription  d’uu  crime  de  Ghiliak 
et  not«  sur  les  Ghiliaks.  — Bulletina  de  la  so- 
cietu  d’Anthropologie  de  Paris,  2dc  Serie,  Tome 
II,  1867,  S.  571. 

Ghiliaks,  ein  nomadischer  Stamm  am  rechten  Ufer  des 
Amur,  der  vom  Fischfang  lebt.  Pruner-Bey  beschreibt 
den  Schädel  genauer  und  findet,  dass  er  einen  Uebergiuig 
bilde  zwischen  dem  mongolischen  Schädel  und  dem  der  Be- 
wohner dt»  Nordens  von  Amerika. 

Sander.  Beschreibung  zweier  Microcephalen-Ge- 
hirno  mit  einigen  Bemerkungen.  Mit  2 Tafeln. 
(Separatabdruck  aus  Griesingers  Archiv  für  Psy- 
chiatrie, 1867.) 

1)  Da»  etwas  über  5 Mouate  alte  Kind  einer  mit  14*/j 
Jahren  schwanger  gewordenen  Mutter  wurde  HO  Stunden 
p.  m.  obducirt.  Das  Kind  hot  in  seinem  Aeusscren  ganz 
das  Bild  des  »«genannten  Aztekentypu*  dar.  Schädel 
auffallend  klein , länglich , von  den  Seiten  her  zusammen- 
gedrückt,  vollkommen  verknöchert , die  Fontanellen  völlig 
geschlossen  (Nähte  deutlich  durchfühtbar).  Das  Gehirn, 
das  leider  nur  mit  schlimmen  Verletzungen  au«  dem  Schä- 
del herausgenomrnen  werden  konnte,  nicht  ganz  170  Gnu. 
schwer.  Die  Windungen  breit  und  plnmp,  Suki  wenig 
tief,  Nehcnwindungrn  kaum  vorhanden.  Klappdeckel  klein, 
vordere  Begrenzung  der  Kom«  Svlvii  von  der  dritten 
Slirawindung  gebildet.  Windungen  des  Lob.  orbitali*  we- 
nig ausgebildet.  In  Betreff  des  Stebbeinschnabeis  Wnierkt 
Sander,  das«  er  sicher  aturk  ausgebildet,  aui  gehärteten 
Gehirn  alter  nicht  mehr  zu  sehen  war.  Einen  solchen  will 
übrigens  Verfasser  auch  bei  Scctionen  von  Europäern,  deren 
Gehirn  sonst  in  jeder  Beziehung  normal  entwickelt  war. 
sehr  stark  ansgrbildet  gefunden  haben.  Scblifenlappen 
gross,  Hinterlnpprn  klein. 

2)  Daran  schließt  Verfasser  die  Beschreibung  des  Ge- 
hirn* des  bekannten  Microeephftlen  Friedrich  Sohn  (vgl. 
Vogt,  diese«  Archiv,  VoL  U,  Taf.  X),  welche*  im  Berliner 
nnntoto.  Museum  aufbewahrt  i«t,  und  wendet  sich  dann  xu 
einer  Kritik  der  von  Vogt  für  die  Annäherung  de*  Micr«- 
repbnlcngehirn*  an  das  Affcngehirn  vorgebraehten  Gründe. 
Von  diesem  giebt  er  die  stärkere  Entwickelung  de»  SiebWin- 
itchnabel»  zu,  betont  jedoch  da»  schon  vorhin  erwähnte 
häufige  Vorkommen  von  Uchcrgängon.  Da*«  bei  den  Alfen 
and  Microcephalen  der  gemeinschaftliche  Stamm  der  Fosaa 
sylvii  ronstant  fehle,  die««  daher  anstatt  Y förmig,  wie 
beim  normalen  Menschen.  V förmig  sei,  bestreitet  der  Ver- 
fasser. Besonders  alter  hebt  Sander  gegen  Vogt  die 
Verkümmerung  der  Lob.  oedpitalea  hervor  und  behauptet. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  169 


dieser  habe  auf  Taf.  X »einer  Tafeln  mit  D einen  Theil 
des  Ccrebcllum  als  Lohn»  ocdpitalU  bezeichnet,  eine  Be- 
hauptung, die,  wenn  richtig,  allerdings  zu  doppelter  Vor- 
sicht bei  auMchlleMlicher  Benutzung  von  Schüdelausgüssen 
mahnt 1).  Die  Ähnlichkeit  des  Microccpbaleogthirns  mit  dem 
Affen  gehiru  halt  der  Verfasser  für  eine  unbewiesene  An- 
nahme, die  nur  auf  den  äusseren  Scheie  begründet  sei,  er 
sieht  in  erstercm  ein  fehlerhaft  entwickelte»  Menxchen- 
gehirn,  dessen  BUdungsgesetz  erst  noch  Aufzusuchen. 

Thurnam.  Further  researches  and  obeervations 
on  tbe  two  principal  forma  of  ancient  british 
Sknlla.  — Journal  of  tho  Anthropol.  society  of 
London,  Vol.  V,  1867,  S.  124. 


Diese  Arbeit,  welche  durch  neues  Material  die  früheren 
Angaben  des  Verfassers  (siebe  dieses  Archiv,  Bd.  I,  S.  281) 
bestätigt,  wird  auifährlich  in  den  „Memolr*“  der  anthro- 
pologischen Gesellschaft  von  London  erscheinen. 

Weisbach.  Die  Schädelform  der  Rumänen.  — 
Sitzungsb.  der  k.  Akad.  der  Wissensch.  in  Wien, 
mathem-naturw.  CI.,  1868,  Nr.  XI,  S.  91. 

Die  Schädel  sind  bnchvcephal  (Index  82),  hoch,  mit  klei- 
nerer Höhle  als  die  meisten  übrigen  österreichisches  Völ- 
ker. Vorderhaupt  in  »ngitUler  Richtung  stark  gewölbt, 
Hinterhaupt  breit,  hoch,  in  jeder  Richtung  flach,  Schädel- 
basis breit,  gross.  Gesiebt  niedrig,  aber  breit,  ortbognath. 


m. 

Ethnographie  und  Reisen. 

(Von  Friedr.  von  Hellwald  und  Dr.  B .) 

Allgemeines. 


Clark,  Hyde.  On  the  propagation  of  mining  and 
metallurgy.  — Transactions  of  the  ethnological 
society  of  London.  New  series,  Vol.  VI,  S.  123, 
1868. 

Crawfurd.  On  the  history  and  migration  of  cul- 
tivated plante  uaed  aa  condiments.  — Transac- 
tions  of  the  ethnologieal  society  of  London.  New 
Beries,  Vol.  VI,  S.  188,  1868. 

Crawfurd.  On  the  migration  of  cultivated  plante 
in  referencc  to  Ethnology.  Sacchariferous  plante. 
Ibid.  S.  318. 

Crawfurd.  On  the  migration  of  cultivated  plante 
in  reference  to  Ethnology.  Articles  of  food. 
Ibid.  8.  178. 

Delboy,  M.  P.  A Rapport  eur  l’homme  et  la  na- 
tu re  au  point  de  vue  de  TEthnographie.  Acteg 
de  la  societe  de  VEthnographie  (Vol.  I,  part  VI), 
1867. 


*)  Mach  ciuer  eben  vorgeaommcncD  Vergleichung  der  Ab- 
bildung von  Vogt,  derjenigen  von  Sander  und  de* Schadet» 
Ausgusses  möchte  ich  aber  dennoch  mehr  der  Vogt’ schm 
Deutung  des  Lappens  D beistimmen.  E. 

Archiv  für  Anthropologie-  Bi  tll.  Heft  II. 


Dünn,  R.  Archaeology  and  Ethnology.  Remark* 
on  soene  of  tho  beariug»  of  Archaeology  on  cer» 
tain  ethnological  problems  and  researches.  — 
Traneactions  of  the  ethnological  society  of  Lon- 
don. New  seriea,  Vol.  V,  S.  305,  1867. 

Maly,  Jacob.  Xaxorny  Atlas.  Narodo-a  dejepis. 
— (Uebersichtlicher  Atlas.  Ethnographie  und 
Geschichte.)  Prag  1867,  quer  4°.  48  Tafeln  mit 
184  S.  Text. 

Pauli,  Carl.  Ueher  die  Benennung  der  Körper- 
theile  hei  den  Indogermanen.  Berlin  1867,  4*. 

Simon  in,  L.  Los  pays  lointains.  Notes  de  voyage. 
La  Californie,  Maurice,  Aden,  Madagascar.  Paris 
1867,  18®.  367  S. 

Whitnoy,  Prof.  The  valuc  of  linguistic  Science  to 
Ethnology.  New  Engländer  (Quarterly),  Januar v 
1867. 

Wiberg,  C.  P.  Der  Einfluss  der  elastischen  Völ- 
ker auf  den  Norden  durch  den  Handelsverkehr. 
Aus  dem  Schwedischen  übersetzt  von  J.  Mestorf. 
Hamburg  1867,  8°. 

22 


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170 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Europa. 

(Von  P.  v.  HoUw&ld.) 


▲dolphi,  Pr.  Eine  Hochzeit  im  Bremenschen. 
(We8termann’a  Monatshefte,  N.  F.  Nr.  36,  Sep- 
tember 1667.) 

Anstod,  Prof.  A fortnight  in  Coreica.  (Belgravia, 
November  1867.) 

Bidermann,  Horm.  Ign.  Die  ungarischen  Ruthe- 
nen,  ihr  Wohngebiet,  ihr  Erwerb  und  ihre  Ge- 
schichte. Innsbruck  1867,  8°.  Th.  II. 

Blatenaky,  Jan.  Obrazky  z Ruska.  (Bilder  aus 
Russland.).  Böhm.  Prag,  B.  Styblo,  1868,  8°. 
78  S. 

Enthalt:  I.  Allgemein«  Betrachtungen  über  Russland. 

II.  Petersburg,  Blick  auf  die  Stadt  und  deren  Bewohner. 

III.  I>ie  Kewa.  IV.  Winter  in  Petersburg.  V.  Russische 
üebethäuser.  VI.  Griecbiech- russische  Liturgie. 

Bogisic,  Balth.  (Das  slavische  Museum.  Gedan- 
ken über  die  Nothwendigkeit  eines  wissenschaft- 
lichen Centralinstitutes  für  alle  slavischen  Völ- 
ker.) Serbisch.  Neusatz  1867,  8°.  69  S. 

Der  Vertaner  leugnet,  dass  in  politischer  und  religiöser 
Beziehung  eine  Einheit  der  alarbchen  Stimme  erzielt  wer- 
den könne;  im  wissenschaftlichen  Gebiete  allein  sei  eine 
solche  möglich,  und  zwar  schlägt  er  als  Vermittler  dieser 
Bestrebungen  die  Errichtung  eine*  Natjonal-Museums  nach 
dem  Muster  des  Nürnberger  gennaniM-beu  Museums  vor; 
die  ethnographische  Abtheilung  dieses  Museums  denkt  aich 
aber  der  Verfasser  viel  ausgedehnter  als  es  in  Nürnberg 
der  Falt  ist,  und  wünscht  namentlich  in  diesem,  als  dein 
lehrreichsten  und  einem  der  wichtigsten  Fächer,  eine  mög- 
lichste Vollkommenheit  angestrebt  zu  sehen. 

Boner , Ch.  Siebenbürgen.  Land  und  Lente. 
Deutsche,  vom  Verfasaer  autorisirte  Ausgabe. 
Leipzig  1867,  8°. 

Jenen,  welche  sirh  für  die  (Mvölker  Europas  interessi- 
ren,  ist  noch  das  Aufsehen  erinnerlich,  welches  de*  Eng- 
länders Boner  Buch  unter  dem  Titel:  Transjlvania,  its 
production  and  its  peoplc,  London  1865,  hervorrief.  Das- 
selbe liegt  uns  nunmehr  in  getreuer  deutscher  Uebcr- 
setzung  vor.  Wir  begnügen  uns  hier  darauf  hinzuweisen, 
dass  Boner  den  merkwürdigen  ethnographischen  Eigen- 
tümlichkeiten Siebenbürgens  und  seiner  gemischten  Ein- 
wohnerschaft ein  sorgfältiges  Augenmerk  widmete. 

Beidel.  Glossaire  du  patois  de  la  Suizse  romaude, 
publie  par  L.  Favrat.  BlU©  1867,  8°.  Ö44  pag. 

Campbell.  Notos  on  the  stature  of  the  Lapps.  — 
Transact.  of  the  ethnological  society  of  London. 
New  series,  Vol.  V,  S.  1,  1867. 

Crawford.  On  Caesar«  account  of  Britain  and  ita 
Inhabitant»  in  reference  to  Ethnology.  — TranB- 
actions  of  the  Ethnological  society  of  London. 
New  series,  Vol.  V,  S.  202,  1867. 

Daily.  Sur  les  Cagoto  des  Pyrenäes.  — Bulletins 
de  la  societ«  d' Anthropologie  de  Paris,  2^*  Serie, 
Tome  II,  1867,  8.  111. 

Das  Wesen  dieser  „rngots“,  eine*  VolkMammes,  den 
m«m  bald  für  eine  besondere  Boot  (Abkömmlinge  der  Go- 


then), bald  für  eine  pathologische  (cretinartigel  Menschen- 
form  gehalten,  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt.  Ver- 
fasser fordert,  da  sie  an  Zahl  sehr  abnehmen  und  vielleicht 
auch,  was  bisher  seilen  geschah,  sich  mit  ihren  Nachbaren 
vermischen,  zu  neueu  Untersuchungen  insbesondere  auch 
der  Schädel  auf.  Vergl.  auch  Bulletins  1861,  8.  401.  E. 

Diez,  C.  Les  Germains.  Etüde*  sur  les  origines 
de  la  nation  et  de  la  litterature  allemande.  An- 
gers et  Paris  1867,  8°.  73  pag.  — (Extrait  des 
Memoire»  de  la  societd  Academique  de  Maine  et 
Loire.) 

Droschor,  Rudolf.  Rockeng&nge,  Lichtenabende 
und  der  Andreasabend  in  Schlesien.  — (Globus, 
Bd.  XII,  1867,  S.  281 — 283.) 

Kurze,  aber  anziehende  Darstellung  mit  Berücksichtigung 
des  mundartlichen  Elementes. 

Drescher,  Rudolf.  Kirchmessfeier  untor  den  deut- 
schen schlesischen  Bauern.  (Schlesisches  Provin- 
zialblatt, herausgegebeu  von  Th.  Oelsner.  Neue 
Folge,  Jahrgang  VI,  1867,  August.) 

Drescher,  Rudolf.  Die  Sagen  vom  Nachtjiger  in 
Schlesien.  (Globus,  Bd.  XIII,  1868,  Heft  IV,  S. 
112—114.) 

Duchinaki.  Introduction  4 l’ethnologie  des  peu- 
ples  ranges  au  norabre  des  Slave».  — Bulletins 
de  la  societo  d’ Anthropologie  de  Paris,  2d*  serie, 
Tome  II,  1867,  S.  271. 

Edward,  Catherine,  Mrs.  (born  Grant).  Missio- 
nary  life  among  the  jews  in  Moldavia,  Galicia 
and  Sileeia.  Memoirs  and  letters.  With  a pre- 
face  by  A.  Moody  Stuart.  London,  Hamilton 
and  Adams,  1867,  8°.  XVI  und  319  pag. 

Engelien,  A.,  und  Lahn,  W.  Der  Volksmund  in 
der  Provinz  Brandenburg.  Sagen , Märchen, 
Spiele,  Sprichwörter  und  Gebräuche.  Berlin, 
W.  Schultze,  1868,  8«  Bd.  I. 

Erbreioh,  E.  Oberschlesische  Volkslieder.  (Schle- 
sisches Provinzialblatt  von  Oelsner.  Neue  Folge, 
Jahrgang  VI,  1867,  August) 

Frisch,  C.  J.  Die  Lappmarken  Schwedens  oder 
Lappland.  (Globus,  Bd.  XII,  S.  107—110.) 

In  diesem  interessanten  Aufsätze  wird  nebst  der  Be- 
schaffenheit und  dem  Klima  de*  Lande*  die  Abnahme  der 
U rein  geborenen  sowie  der  Fortschritt  der  schwedischen  An- 
siedler ausführlich  besprochen;  zum  Schlüße  folgen  lesens- 
wert he  Mitteilungen  über  da*  Brot  und  dessen  Surrogate 
in  Lappland. 

GabelenU,  A.  von  dor.  Skizzen  aus  Siebenbür- 
gen. (Globus,  Bd.  XII,  S.  209— 211,  234—236.) 

Mit  Bezugnahme  auf  Boner1*  bekannte«  Buch,  lebhaft 
und  antuuthig  geschrieben. 

Garcin  , Eugcno.  Les  Franr-ais  du  Nord  et  du 
Midi.  Paris,  Didier,  1868,  8°.  XV  et  483  pag. 


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Verzeichnis  der  anthropologischen  Literatur.  171 


Heller,  B.  Zivot  ua  Rusi.  (Leben  in  Russland.) 
Böhm.  Prag  1868,  8».  260  S. 

Hildebrand,  H.  O.  H.  Lifvet  pi»  Island  ander  sa- 
gotiden.  Stockholm  1867,  8°.  159  pag. 

Hjaltalin.  On  the  civil  Nation  of  the  first  icelandic 
colooists,  with  a short  account  of  some  of  their 
männere  and  customs.  — Transactions  of  the 
ethnological  society  of  London.  New  series,  Vol. 
VI,  S.  176,  1868. 

Howorth.  On  the  origines  of  the  Norfemen.  — % 
Transactions  of  the  ethnological  society  of  Lon- 
don.  New  seriee,  Vol.  VI,  S.  342,  1868. 

Knox.  On  the  oeltic  race.  Anthropological  review. 
London  1868,  VoL  VI,  S.  175. 

Koehler,  J.  A.  E.  Volksbraach,  Aberglauben, 
Sagen  und  andere  Ueberlieferungen  im  Voigt- 
lande, in  BerQcksichtignng  des  Orlagaues  und 
des  Pleissnerlandes.  Leipzig  1867,  8°.  VII  und 
652  S. 

Kok,  J.  Det  danske  Folkesprog  i Sonderjylland 
forklaret  af  Oldnordisk,  Gammeldansk  og  de  ny- 
nordiske  Sprog  og  Sprogarter.  Stockholm  1 867, 
8°.  524  pag. 

Kutzen , J.  Das  deutsche  Land.  Seine  Natur  in 
ihren  charakteristischen  Zügen  und  sein  Einfluss 
auf  Geschichte  und  Leben  der  Menschen.  Bree- 
lau,  Ford.  Hirt,  1867,  8°.  2 Bde. 

Lagnoau  und  Pruner-Boy.  Sur  l’ethnologie  des 
peuples  iberiens.  — Bulletins  de  la  societe  dT An- 
thropologie de  Paris,  2do  serie,  Tome  II,  1867, 
S.  146. 

Lagneau.  Sur  Tanthropologie  de  la  France.  — 
Bulletins  de  la  soctätä  d’Anthropologie  de  Paris, 
2d*  Serie,  Tome  II,  1867,  S.  389. 

Leclercq,  N.  J.  Coutumes  des  pays  duche  de  Lu- 
xembourg et  comte  de  Chiny.  Bruxelles,  Gob- 
baerta,  1867,  4°.  Vol.  I,  VII  et  481  pag. 

Lotst,  A.  Schilderungen  aus  dem  serbischen  Volks- 
leben. — (Globus,  Bd.  XII,  S.  147 — 149,  181 — 
184.) 

Lüsten  bergor.  Der  heilige  Viehhirt  Wendelin  und 
eeine  Verehrung  beim  Hirtenvolk  der  Urschweiz. 
— (Kat hol.  Schweizer  Blitter  für  christl.  Wib- 
sensch.  und  Kunst,  1867,  Nr.  7.) 

Mackenzie,  G.,  Muir  and  Irby,  A.  P.  The  Türke, 
the  Greeks  and  the  Slavons.  Travels  in  the  sla- 
vonic  provinces  of  Turkey  in  Europe.  London, 
Bell  and  Daldy,  1867,  8°.  XXXII  and  687  pag. 

Makuachow,  W.  Die  Slaven  der  Donau  und  des 
adriatißcheu  Meeres.  Statistisch-ethnographisch- 
goschichtliche  Untersuchungen.  (In  russischer 
Sprache.)  St.  Petersburg  1867,  8°.  308  S. 


Mannhardt,  Wilhelm.  Kornd&monen.  Beitrag 
zur  deutschen  Sittenkunde.  Berlin  1868,  8®. 
48  S. 

Martina,  Ch.  Von  Spitzbergen  zur  Sahara.  Sta- 
tionen eines  Naturforschers  in  Spitzbergen,  Lapp- 
land, Schottland,  der  Schweiz,  Frankreich,  Ita- 
lien, dem  Orient,  Aegypten  and  Algerien.  Aus 
dem  Franz,  von  Bartels,  mit  Vorwort  von  Carl 
Vogt,  2 Bde.,  Jena  1868. 

Maurer,  Franz.  Einiges  über  die  Bulgaren.  — 
Ausland,  1867,  Nr.  39,  40,  41. 

Mills,  L.  E.  Glimpses  on  Southern  France  aud 
Spain.  Cincinnati  1867,  16°.  160  S. 

Outondirk,  Frans.  La  Turquie.  Paria,  Ad.Laine, 
1867,  8°.  424  pag. 

Besonders  wichtig  ist  Abtheilung  II:  Geographie,  Ethno- 
graphie et  statistii|ue  (pag.  61 — 260). 

Papadaki.  E.  Die  Insel  Candia.  Einige  Notizen 
über  ihre  geographische,  historische  und  gegen- 
wärtige Lage.  St.  Petersburg  1867,  8°.  87  S. 
Mit  1 Karte. 

Pichler,  Ad.  Streifzüge  in  den  Alpen  Tirols.  — 
(Ausland  1867,  Nr.  46,  48,  49.) 

Obwohl  vorwiegend  touristischen  Inhaltes,  doch  interes- 
sante Streiflichter  auf  Sitten  und  Anschauungen  Je*  Vol- 
kes werfend.  Die  Aufsätze  sind,  wie  alle  au»  der  Feder 
de»  bekannten  Autors,  mit  Humor  gewürzt  und  in  der 
Form  vollendet. 

(Pogatschnigg , Vinoenz.)  Ernte bräuche  (aus 

Kärnten  von  V.  P.)  (Carinthia  1867,  Heft  X, 
& 437—442). 

Rittmanu,  Alex.  Die  Cultur- Krankheiten  der  Völ- 
ker. Brünn  1867,  8«  127  S. 

Rochholz,  Ernst  Ludwig.  Deutscher  Glaube  und 
Brauch  im  Spiegel  der  heidnischen  Vorzeit  Ber- 
lin, Ferd.  Dümmler,  1867,  8°.  2 Bde.  Mit  Sep. 
Tit.:  Band  1.  Deutscher  Unstcrblichkoitsglaube. 
Band  2.  Altdeutsches  Bürger  leben. 

Siehe  ausführliche  Besprechung  in  der  „ Allgemeinen  Zei- 
tung1“ NTr.  92  Beilage  (1.  April  1868). 

Roskiewicz,  J.  Studien  über  Bosnien  und  die 
Herzegovina.  Leipzig  1868,  8°.  438  S.,  1 Karte. 

In  diesem  von  der  Kritik  vielfach  — und  wie  un» 
dünkt  — ungerechter  Weise  angefeindeten  Werke  rindet 
der  Ethnograph  manches  Neue  und  Interessante.  Der  Ver- 
fasser hatte  gegenbtor  Vieler  seiner  Angreifer,  beispiels- 
weise Herrn  Franz  Kunitz  in  Wie«,  den  Vortheil  vor- 
aus, der  Landessprache  vollständig  mächtig  zu  sein,  wo- 
durch er  in  der  Lage  war  schärfer  beobachten  zu  können. 
Wären  die  „Studien“  weniger  trocken  geschrieben,  sie  wür- 
den ob  ihres  reichen,  völksschilderuden  Inhaltes  zweifels- 
ohne ihren  Weg  machen,  denn  der  Autor  hat  die  15  M«- 
uate  seines  Aufenthaltes  in  jenen  wenig  besuchten  Gegen- 
den wahrlich  nicht  unbenutzt  verstreichen  lausen.  Eine 
unpart heii »che  Besprechung  des  Buches  eiehe  in  P et  er- 
mann*» Mittheilungen,  1H68,  Heft  III,  S.  109.  Unsere 
eigenen  Ansichten  auch  über  den  nicht  hierher  gehörigen 
geographischen  Werth  des  Werke»  haben  wir  in  einer  aus- 

22* 


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172  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


tuhrifchen  Recension  in  der  „ALl£.  Zeitung“  vom  22.  und 
23.  Mürz  1368  (Nr.  82  Beilage  und  Nr.  83)  niedergclegt. 

Schmidt- Weissenfols.  Frankreich  und  die  Fran- 
zosen. Berlin  1868,  8*. 

Schueck,  M.  Vurt  land  och  folk.  Skildring  af 
S vorige«  natur  och  innebyggare.  Delen  III,  Gö- 
taland.  Stockholm  1867,  8°.  168  S. 

Simon y,  Friedrich.  Ein  olx-rösterreiehischer  Sa- 
linenort. Ein  Beitrag  zur  Kunde  von  Land  und 
Leuten.  — (Oesterr.  Revue,  1867,  Heft  IX.) 

Stuart.  The  Ylakbe  of  mount  Pindus.  — Trana- 
actions  of  the  ethnological  society  of  London. 
New  serie«,  Vol.  VI,  S.  311,  1868. 


Stuhlmann,  C.  W.  B Unterirdische u in  den  meck- 
lenburgischen Hünengräbern.  — (Globtt«,  Bd. 
XIII,  lieft  3,  S.  94—95.) 

Toeppen,  M.  Aberglauben  aus  Masuren.  Königs- 
berg 1867,  8®.  106  S. 

Nicht  im  Handel. 

Volckmar,  K.  Zur  Stammes-  und  Sagongeschichte 
der  Friesen  und  Chaukcn.  Aurich  1867,  8°. 

, Weatropp,  Hodder.  Notes  on  Italian  Leits.  — 
Transactions  of  the  ethnological  society  of  Lon- 
don. New  series,  VToL  V,  S.  216,  1867. 


Asien. 

(Von  Dr.  B ♦) 


Adams.  Wunderings  of-a  uat uralist  in  India.  Edin- 
burg,  Edmonatone  and  Bouglaa,  1867. 

Ainoa.  Deux  mois  chez  les  aauvagea  Aino«.  (Ar- 
chipel des  Kourilea.)  — Revue  Orientale  Nr.  58, 
186. 

Bastian,  Dr.  A.  Reise  durch  Karabo^ja  nach  Co- 
chincbina.  Die  Völker  de«  östlichen  Asien.  Sta- 
dien und  Reisen.  4.  Band,  Jena  1868. 

Mittheilungen  über  die  kürzlich  wieder  »ufgefundenen 
Teia|t«l  und  Kuinen»tädte  de«  alten  Catnbodu. 

Becker.  Reise  in  der  Kirgisensteppc.  — Bulletin 
de  la  hoc.  imperiale  des  Naturalistea  de  Moscou, 
1868,  S.  163. 

Beicher.  Notes  on  the  Andaman  Islands.  — Trans- 
actions  of  the  ethnological  society  of  London. 
New  aeries,  Vol.  V,  1867,  S.  40. 

Benett.  Rough  notes  of  a visit  to  Daba  in  Thibet 
— Proceedinga  of  the  Royal  geographical  society, 
London,  Vol.  X,  186. 

Bentheim.  Reiseskizzen  aus  dem  ostasiatischen 
Archipel.  — Rifitter  für  lit.  Unterhaltung,  1867. 

Bevolking  van  Java  en  Madura  op  bet  einde 
van  1864.  — Tijdschrift  vor  Xederlandsch  In- 
die,  1867,  II,  pag.  311. 

Bevolking  en  indeolingstaat  van  Java  en  Ma- 
dura, volgens  officiele  opgaven.  ’s  Gravenhage 
1866. 

Bickmore.  The  Ainos  or  Hairy  Men.  New  Hä- 
ven 1868. 

Unterscheidet  (wie  schou  Siebold)  die  Ainos  von  den 
Mongolen,  da  weder  die  Augenlider  schräg,  noch  die 
Backenknochen  herrorstchend  seien. 

Birlinger,  A.  Ein  Pilgerbüchlein.  Reise  nach 
Jerusalem.  — • Archiv  für  das  Studium  der  neue- 
ren Sprachen,  XXII.  1867. 


Birmanie.  La  auglaiee.  — Rev.  Mar.  et  Col., 
Vol  VIII,  1868. 

BoutakofT.  The  Delta  and  Mouth  of  the  Amu 
Darea  or  Oxus.  — Proc.  of  the  Royal  geogra- 
phica! society,  Vol.  XI,  1867. 

Bullock.  Renseignement«  aur  lea  cötes  Sud  du  Ja- 
pon.  — Anoales  hydrogrsphiques  1867,  Bd.  30, 
S.  59,  Paris,  Paul  Dupont. 

Bradshaw.  The  Indian.  Calcutta  1867. 

Brown.  Notes  on  Rangoon.  — Royal  geographi- 
ca! society,  London  1867,  XI. 

Chaigneau.  Coup  d'oeuil  sur  le  royaume  Annum. 
— Annalea  des  Voyages.  Paria  1867,  Juin. 

Clement.  Tribus  Arabes.  Le  globe,  V,  1866. 

Annuaire  «le  la  Cochinchine  franyaiae  pour  l’an- 
nee  1867  et  une  carte  de  la  Baase  - Cochinchine 
(possess,  fran^aises).  Saigon,  impr,  imperiale,  1867. 

Coliingwood.  A boat  journey  across  the  northem 
end  of  Formosa.  — Proc.  of  the  Royal  «oc.  of 
London,  Vol.  XI,  London  1867. 

Coliingwood.  Visit  to  the  Kibalan  village  of  San- 
o-Bay,  North-east  coast  of  Formosa.  — Trans- 
actious  of  the  ethnological  society  of  London. 
New  series,  Vol.  VI,  S.  135,  1868. 

Coliingwood.  Ramblea  of  a Naturalist  on  the 
shores  and  watera  of  the  China  Sea.  London, 
Murray,  1868. 

Colvill.  Land-journev  along  the  shores  of  the  Per- 
rian  Gulf.  — Proc.  of  tho  Royal  soc.  of  London, 
Nr.  XI,  1867. 

Coup  d’oeil  general  sur  le  royaume  An-Nam.  — 
Nouv.  Annal.  des  Voyages,  1867. 

Die  Bevölkerung  wird  «af  20—25  Millionen  geschätzt 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  173 


und  bemerkt,  du«  die  läng»  der  Flüsse  angesiedelten  Fa- 
milien weit  zahlreicher  sind  als  die  entfernter  wohnenden. 

Courcy,  de.  L’empire  du  Milieu.  Paria  1867. 

Schildert  die  Miaotze  als  gedrungener  im  Vergleich  zu 
den  Chinesen,  aber  mit  weniger  regelmässigen  and  eckigen 
Formen. 

Crawfurd.  On  the  physical  and  mental  characte- 
riatics  of  the  Europaean  and  Asiatic  races  of 
man.  — Transactions  of  the  ethnological  society 
of  London,  1867,  Vol.  V,  S.  58. 

Crawfurd.  On  the  supposed  aborigines  of  India 
as  distinguished  from  its  civilized  inhabitanta. 
— Tranaactiona  of  the  ethnological  society  of 
London.  New  Berits,  Vol.  VI,  S.  59,  1868. 

Crawfurd.  On  the  dissomination  of  arabian  raco 
and  longnage.  — Transact.  of  the  ethnolog.  soc. 
of  London.  New  acriea,  Vol.  V,  1867,  S.  298. 

CulleiL  The  Darien  Indians  and  Ship  Canal.  — 
Tranaact.  of  the  ethnolog.  society  of  London.  New 
aeries,  Vol.  VI,  S.  150,  1868. 

Dadian.  I^i  societe  armenienne  contemporaine. 
Paria  1867. 

Dalton.  The  „Kols1*  of  Chota-Nagpore.  — Trans- 
action» of  the  uthnolog.  Bociety  of  London.  New 
aeries,  Vol.  VI,  1868,  S.  1. 

Dass.  Rev.  Ishuree,  Domoatic  manners  and  cu» 
stoma  of  the  Hindoos  of  Northern  India.  Bena- 
res 1866  (2  ed.). 

Dennis,  N.  B.  China  and  Japan.  Triibner  and 
Comp.,  London  1867. 

Devay.  Journal  d’un  voynge  de  lTnde  Anglaise. 
Paria,  Didot,  1867. 

Dickson.  Narrative  of  an  overiand  trip  through 
Honan  from  Canton  to  Ilankow.  — Journal  of 
the  North  - China  Brauch  of  the  Royal  Aaiatic 
society.  New  aeries,  Vol.  I,  Dec.  1864. 

Die  Drawidischen  Völker  Indiens.  — Petennann’s 
Geogr.  Mittheilungen,  1867,  S.  394. 

Duchesne  do  Bellecour.  L etat  politique  et  com- 
merciel  de  la  Chine  et  du  Japan.  — Revue  des 
deux  mondes,  Paris  1867,  AoAt. 

Edkins , the  Rev.  S.  On  the  common  origin  of 
Chinese  and  Mongol  language.  — Revue  Orien- 
tale, Nr.  55. 

Die»«tn,  xhon  «eit  längerer  Zrit  in  Peking  ansässigen 
Missionär,  der  dort  Gelegenheit  fand,  du*  Studium  des 
Mongolische»  and  Mandschu  mit  »einer  gründlichen  KenntnUs 
de*  Chinesische»  zu  vereinige»,  steht  die  erste  Stimme  über 
die  philologisch!*»  Beziehungen  zu,  die  weilerr  Lichtblick« 
*uf  die  ethnographischen  Verhältnisse  zu  werten  versprechen. 

Elliot,  Sir  H.  M.  Ili«tory  of  India.  as  told  by 
its  own  hi&torians  containing  the  Muhamerlan 
period.  Vol.  I,  Trühnf-r  and  Comp.,  London  1867. 

Höchst  werthvolle  Zusammenstellung  der  geographischen, 


ethnographischen  und  historischen  Nachrichten,  die  »ich 
über  das  alle  Indien  bei  den  xnohamedanischen  Schrift* 
stclIern  finden. 

Favre.  Account  of  the  wild  tribe,  inhabiting  the 
Malayan  Peninsula.  London  1867. 

Fonveaux.  Lea  Ru$ses  dans  TAaie  centrale.  — 
Revue  de«  deux  mondes,  LXVIH,  1867. 

Friedei.  See-  und  Strandraub  auf  den  Nikobaren. 
Zur  Anthropologie  der  Natnrvölker.  — Zeitschrift 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  1868,  Band  III, 
S.  97. 

Fytche.  On  certain  aborigines  of  the  Andaman 
Island».  — Transaetions  of  the  ethnological  »o- 
ciety  of  London,  Vol.  V,  1867,  S.  239. 

Drei  Männer.  — Verfasser  findet  die  behauptete  A Ähn- 
lichkeit mit  dem  afrikanischen  Neger  sehr  übertrieben. 
Der  V ordtr kupf  ist  wohl  gebildet,  nicht  xurlickwwehend, 
die  Lippen  nicht  dick  und  vorstehend,  Nasenlöcher  kemes- 
wegs  breit;  das  Ohr  klein  und  wohlgcbildet.  Diu  Haar 
keineswegs  dem  Wollhaar  des  Neger*  gleich  and  offenbar 
in  getrennten  Löckchen  wachsend,  die  kurz  bleiben.  Bart 
sei  gar  keiner  vorhanden.  Hautfarbe  ein  rassiges  Schwarz. 
Hände  und  Küsse  klein  ohne  die  vorstehende  Ferse  des 
Negern.  E. 

Gärtner.  Aus  Japan.  — Zeitschrift  der  Gesell- 
schaft für  Erdkunde,  II,  1867. 

Gavaazi.  Alcnne  notizie  raccoltc  in  un  viaggio  a 
Bucara.  Milano  1867. 

Hailly,  M.  du.  La  France  en  Cochinchiue.  — 
Revue  Mar.  et  Col.,  Vol.  XVIII. 

Jackson.  Iran  and  Turan.  — Anthropol.  review, 
Nr.  21,  London,  April  1868,  & 121. 

Kh&nikof.  Note  sur  le  voyagt.*  dans  l’Arie  centrale 
d’un  olficier  aUemand  au  Service  de  la  compagnio 
anglaise.  — Bull,  de  la  societe  geogr.  de  Paris, 
Octob.  1866. 

KohL  Pilgerfahrt  dua  I^ndgrafen  Wilhelm  de.^ 
Tapfem  von  Thüringen  zum  heiligen  Land  im 
Jahr  1461.  Bremen,  Müller,  1868. 

Krapotkin.  Reisen  im  Olekminsk-Witimschen  Ge- 
biet — Petcrmann’B  geogr.  Mittheil.  1867,  Nr. 
5,  S.  161. 

Die  Tuügusen  im  Witiusthnl  bilden  die  Uebergaagsstuf« 
von  den  wilden  Jägern  in  Urtias-Chingun  zu  ei»cr  höheren 
Stufe  der  CivUbation. 

Lamproy , J.  \ oontribution  to  the  Ethnology 
of  the  Chinese.  — Transaetions  of  the  eihnolo- 
g^cal  society  of  London.  New  aeries,  Vol.  VI,  S, 
101,  1868. 

Lamproy,  J.  Kurther  reraarkR  on  the  Ethnology 
of  the  Chiuose.  — Transactions  of  the  ethnolo- 
gieal  society  of  London.  New  eeries,  Vol.  VI, 
8.  183,  1868. 

Ltturens.  Navigation  et  commerce  du  Yan-tse- 
'ciang.  — Annales  du  commerc.*  exterieuro.  Pa- 
ris 1867,  Nr.  1607. 


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174  Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


Lauth.  Ueber  den  Papyrus  Anastnsi  I oder  Reise 
in  Aegypten  vor  33  Jahrhundert eu  durch  Syrien, 
Phonizien  und  Palästina.  — Sitzungsberichte  der 
Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften,  1867. 

Leje&n.  Voyage  dana  1a  Babylouio.  — Le  tour 
du  rnoiide  1867,  Nr.  395. 

Lenle.  Teping  Tien  kwoh  or  the  history  of  the 
Teping  revolution.  London  1866. 

Im  Gegensatz  zu  dem  diumneu  und  apathiw  hm  Ausdruck 
des  Chinesen,  mit  einer  Mischung  von  «kUvUcber  Schlau* 
heit  noch  vermehrt  durch  den  geschorenen  Kopl',  zeigte  sich 
der  Teping  intelligent,  neugierig  und  wissbegierig. 

Lobscheid,  the  Hev.  W.  The  religiou  of  the 
Dayaks,  collected  aud  translated  into  English 
by  W.  Lobscheid,  and  the  Political,  Social  and 
Religious  Constitution  of  the  natives  on  the  West 
Coast  of  Formosa,  before  and  during  the  occupa* 
tion  of  the  Dutch,  or  a contributiou  to  the  know- 
ledge  of  the  East.  Translated  frora  the  old  Dutch 
works.  Hongkong  1866  (3.  ed.). 

Lockhart.  Notes  on  Peking.  — Journal  of  the 
Royal  geog.  soc.  of  London,  Vol.  XXXVI,  1866. 

Macedo , do.  Pelerinage  aux  lieux  s&ints.  Paris 
1867. 

Malleaon.  Ilistorv  of  the  French  in  Indio.  Lon- 
don 1868. 

Bei  dem  Durwar,  der  zu  der  Gründung  von  Dupleu-Fut- 
tehubad  führte,  wurden  die  Kranzoten  durch  Muzufla  Jung 
mit  der  Herrschaft  des  ganzen  Südindien»  vom  Kibtna- 
Flusse  bis  zum  Cop  ('«murin  helchnt  (1750)  und  würden 
auch  ohne  Clive’s  Siege  die  spätere  Rolle  der  Engländer  ge- 
spielt haben,  wenn  dt«  Regierung  die  weit*chaueudeu  Klöne 
ihres  Gouverneurs  von  Pondichery  kräftiger  unterstützt 
hätte. 

Man,  E.  G.  Southala  and  the  Sonthals.  Calcutta 
1867.  * — (Madras  Journal  of  literature  and  Science. 
Third  series,  Part  II,  Octob.  1866,  Madras  1866.) 

Martou.  Voyage  dans  IHntörieur  de  la  Chine.  — 
BulL  de  la  soc.  G.  de  Paris,  sär.  XIV,  S.  173. 

Bericht  über  Lagrle’a  Eijtedition. 

Moment.  Excursion  dane  le  Kourdistan  Ottoman. 
— Le  globe  V,  1866. 

Michell.  The  RuFrians  in  Central  Asia.  London 
1865. 

Nach  der  Gestalt  de«  Schädel»  und  des  Ausdrucks  der 
üenichuziige  können  die  centralasiatischen  Stimme  geschie- 
den werden  in  Persier,  Mongolen  und  Türken.  Die  Persier 
zerfallen  wieder  in  die  dunkleren  Taidjik  und  di«  helleren 
Galscha.  ln  den  mongolisch -türkischen  und  türkisch  -tin* 
nischen  Misrhracrn  bemerkt  man  sowohl  die  schrägen  Au* 
gen  der  Mongolen  als  die  römische  Nase  des  Kaukasiers. 

Middendorf! ’s  Reise  nach  dem  fiuesersten  Norden 
und  Osten  Sibiriens.  Petersburg  1867. 

Montblanc.  Le  Japon.  — Revue  contemp. , Juin 
1867. 

Muir,  J.  Esq.  On  the  relations  of  the  priests  to 
the  other  classe»  of  Indian  eociety  in  the  Vedic 


age.  — [The  Pandit,  a Monthly  Journal  of  the 
Benares  College,  Nr.  13,  Jan.  1867.  Journal  of 
the  Royal  foc.  of  Great  Britain  and  Ireland.  New 
series,  Vol.  II,  Part  2 (Art.  VIII.)] 

Naorogi  Dadabhoi.  Observation«  on  Mr.  Craw- 
furds  paper  on  the  Europaean  and  Asiatic  races. 
— Transactions  of  the  ethnological  Society  of 
London,  1867,  VoL  V,  S.  127. 

Nöldeke.  Namen  und  Wohnungen  der  Aramäer. 
Ausland  1867,  Nr.  33. 

Oabom.  Notes  ou  Chinese  Tartary.  — Proc.  of 
the  Royal  geog.  soc.  XI,  1867. 

Palgrave.  Reise  in  Arabien.  Aus  dem  Englischen. 
Leipzig  1867. 

Perrot.  De  Galati a,  proviucia  Rornaua.  Lutetiae 
Parisiorum  1867. 

Pctaholdt,  Alex.  Der  Kaukasus.  Eine  naturhi- 
storische sowie  ltuid-  und  volkswirthschafiliche 
Studie  (auBgeführt  im  Jahre  1863  und  1864), 
2.  Band  mit  44  Holzschnitten  und  einer  oro- 
graph.  Karte,  Leipzig  1868,  8°.  (1.  Band  1866 
mit  einer  Ansicht  von  Tiflis  und  einigen  Holz- 
schnitten.) 

Der  erste  Barn!  beschreibt  da*  Laad  und  die  Reisen  in 
demselben.  Die  zweite  int  besonder»  Undwirtbscbafllieher 
Natur,  wird  jedoch  eingeleitet  durch  eine  Skizze  verschie- 
dener Völkerschaften  am  Kaukasus.  Die  TacheUchenjen 
werden  beschrieben  aU  - schlank  und  kräftig* ; ihre  Ge- 
•ichtafarb«  ist  blase,  ihr  Blick  lebhaft  und  Ausdrucksvoll, 
dabei  besitzen  sie  eine  Adlernase  und  stark  prununcirte 
Gesichtszüge. 

Phayee.  On  the  history  of  the  Burinah  race.  - - 
Trausact.  of  the  ethnological  socicty  of  London. 
1867,  Vol.  V,  S.  13. 

Die  preusaische  Expedition  nach  Ostasien.  Ber- 
lin 1866. 

Baddo.  Berichte  über  die  biologisch -geographi- 
schen Untersuchungen  in  den  Kttukasuslände]  n, 

1.  Jahrg.  Reisen  im  mingrelischen  Hochgebirge, 
Ti0is  1866. 

Radde’s  Reisen  und  Forschungen  im  Kaukasus. 
— Petenuanns  geogr.  Mittheil.,  1867,  Nr.  1 u.  3, 
S.  12. 

CUarakteri»lreudc  Untera-biede  mischen  den  AbehattB 
als  Nordländern  und  den  Karatschaizen  als  .Südländern 
(S.  99). 

Radloff.  Die  Berguomaden  des  Altai.  — Globus 
XI,  1867. 

Radlofif.  Die  Sprachen  der  türkischen  Stämme 
Südsibiriens.  (Proben  der  Volksliteratur  der 
u.  s.  w.).  Petersburg  1866,  1.  Theil;  1867, 

2.  Theil. 

Russische  Umschrift  der  Texte  und  deuUcbe  Uebersetxuug 
in  vier  Bänden. 

Rey.  Souvenirs  et  recits  d’un  ancien  missionnaire 
a la  Cochinchino  et  au  Tongking.  Saurs  1867. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  175 


Rawlinson.  On  the  recent  journey  of  Mr.  W.  H. 
Johnson  from  Leh  to  Hehl.  — Proc.  of  the  Royai 
boc.  of  London,  Vol.  XI. 

Richard,  P.  C.  Saigon  et  ses  environs.  — Räv. 
mar.  et  coh,  XVIII.  S.  533,  Paris,  ChaUame  Ainö, 
1866. 

Bichard,  P.  C.  Saigon.  — Rev.  mar.  et  col.,  No- 
vembre  1866. 

Richard,  P.  C.  La  Cochinchine  fran^aise.  — R6v. 
mar.  et  col.,  XXI,  1867,  pag.  406. 

Richard,  P.  C.  Notes  pour  sorvir  a l'öthnographie 
de  la  Cochinchine,  ibid.,  Vol.  XXI,  pag.  92. 

de  Rochechouart.  Souvenir  d’un  voyage  en  Perse. 
Paris  1867. 

Rochefort,  M.  de.  Commerce  d’exploration  de  la 
Perse.  — Nouv.  Ann.  de  V.,  1867. 

▼.  Roaenberg.  Reis  naar  de  zuidoostereilanden. 
Werken  van  het  k.  inatitut  vor  taal-,  land-  en 
volkenknnde  van  Nederl.  Indie,  2 de  afd.,  1867. 

Roataing.  Notes  sur  une  recente  exploration  da 
Haog-kyang  en  Coree.  — Ballet,  de  la  soc.  geog. 
de  Paris,  Fevr.  1867. 

Schick.  Reise  in  das  Phiüsterland.  — Aasland 
1867. 

Schoebel.  Recherches  sur  la  religion  premiere 
de  la  race  Indo-Iranieune.  — Revue  Orientale 
et  Americaine,  Nr.  59,  Vol.  X. 

Shoett.  A contribution  to  the  Ethnology  of  Tey- 
pore.  — Transactions  of  the  ethnologicol  society 
of  London.  New  series,  Vol.  VI,  S.  246,  1868. 

Shoett.  Les  progros  de  la  seiende  geographique 
dans  la  Siberie  Orientale  et  la  Mantchourie 
Russe.  — Nouv.  ann.  des  Voy.,  1867. 

Silver,  Sketches  of  Japanese  männern  and  costoins. 
London  1867. 

Simankow.  Baku.  — Archiv  für  Wissenschaft!. 
Kunde  von  Russland,  XXV,  1867. 

Smith.  A trip  to  Thibet.  — Proc.  of  the  Royal 
geographical  society,  XI,  1867. 

Souvenirs  de  Hud.  Nouv.  ann.  des  voy.,  1867. 

Spiegel.  Aimaks  und  Mazareh.  — Ausland  1867, 
Nr.  32. 

Spiegel.  Das  östliche  Türkest  an.  — Ausland 
1867,  Nr.  42. 

Spiegel.  Das  persische  KönigBbuch.  — Ausland 
1866,  Nr.  44—46. 

Sporer.  Nowaja  Semlä.  Leipzig. 

Sicht  di«  Kälte,  gegen  die  man  sich  schätzen  knun,  der 
tageUmge  Aufenthalt  im  engen,  qualmenden,  stinkenden 
Kaum,  wo  die  Thr.mlanipe  das  Tagesticb*  vertritt,  die  Be- 


wegungslosigkeit, wenn  die  Hütte  im  Schnee  begraben  liegt 
und  der  Sturm  frei  über  die  Lebendigbegrabenen  hinrast, 
die  nagende  Langwelle  und  ihre  Begleiterinnen,  die  Apa- 
thie  etc.  sind  die  eigentlichen  Feinde  des  Ueberwinterers 
auf  Nowaja  Scmlä  (S.  104). 

Simon,  Eugene.  Consul  de  France  ä Ningpo. 
Chine  et  Indo -Chine.  — Annales  du  commerce 
exterieur.  Fevrier. 

v.  TchihatschofTs  Reisen  in  Kleinasien  und  Ar- 
menien 1847 — 1863.  — Ergänzungsheft  zu  Nr. 
20  von  Petermann's  geogr.  Mittheilungen. 

▼.  Tchihatscheff.  Asie  mineure.  Description  de 
cette  contree.  Paleontologie  par  A.  d'Archiac, 
P.  Fischer  et  E.  de  Vcrneuil.  Avec  atlas  in  4. 
Paris  1866. 

Thomson.  Notes  on  Camhodia  and  its  races.  — 
Transactions  of  the  ethnologicol  society  of  Lon- 
don. New  series,  Vol.  VI,  S.  246,  1868. 

Tiflis.  Jahresbericht  des  preusei  sehen  Consulats 
im  preussischcn  Handfisarchiv,  1867. 

Vambery.  Skizzen  aus  Mittelasien.  Leipzig,  F. 
A.  Brockhans,  1868. 

Die  Kirgisen  sind  von  untersetzter,  kräftiger  Gestalt, 
mit  starken  Knochen,  haben  zumeist  kurzen  Nocken,  welcher 
ein  wesentliches  Merkmal  der  Tu r an i er  gegenüber  den 
UnghaUigen  Iraniern  ist,  keinen  besonder«  gnssen  Kopf, 
dessen  Scheitel  rund,  mehr  zugespitzt,  als  tinch  ist  (S.  228). 
Hinsichtlich  des  blondfarbigcn  Türkenstnmme*  in  Südsibi- 
rien  (bei  Cast  reu)  scheinen  die  Burutcn  mit  den  nörd- 
licher wohnenden  l'inun  verwechselt  (S.  227).  Die  Kara- 
kalpake haben  einen  grossen  Kopf  mit  flachem,  vollem  Ge- 
sicht, gro«*«  Augen,  Stumpfnasen,  wenig  vorstehende 
Backenknochen,  ein  glatte»  und  wenig  zugespitrte*  Kinn, 
auffallend  lange  Arme  und  hreite  Hände  (S.  284).  Der 
echte  turkomaniM’he  Typus,  wie  solcher  bei  den  Tekke*- 
Tschaudor  und  bei  den  tiefer  in  der  Wüste  lebenden  Jo- 
rnuten  zu  finden  ist,  beurkundet  sich  durch  einen  mittle- 
ren Wuchs,  verhält nivmäfmig  kleinen  Kopf,  länglichen 
8cU<kl  (da  sie  als  Kinder  nicht  in  der  Wiege,  sondern 
in  einer  ans  einem  Leintnrh  gemachten  Schaukel  gehalten 
werden),  wenig  sich  erhebende  Backenknochen , etwas 
stumpfe  Nase,  längliches  Kinn,  einwärts  gebogene  Küsse 
(wahrscheinlich  in  Folge  de»  Reiten»)  und  besonder«  durch 
die  hellglänzenden  feurigen  Augen;  blonde  Haare  iber- 
wiegen (8.  236);  die  Auswanderung  ans  dem  ältesten  Sitz 
von  Mangi*chlak  begann  mit  den  Salors-  Die  Oexbegen  wer- 
den von  den  Tadschik«  mit  dem  Spottnamen  Jogum-kelle 
(Dickschädel)  belegt.  Auf  Seite  255  findet  »ich  eine  ver- 
gleichende Gegenüberstellung  der  West-Iranler  und  Ost- 
Iranier  in  Ihren  anthrojxriogischen  Merkmalen.  Die  T*chi- 
bar-Ajmak»  (Timuri«,  Teimem»,  Firuzkuhis,  Dächern *chUU) 
sind  (als  iranischer  Abkunft  und  persischer  Zunge)  zu  unter- 
scheiden von  den  Hezareh,  die,  obwohl  persisch  redend,  doch 
turauischen  Ursprungs  sind  und  von  mongolischem  Typus. 

V&mbery.  Sketches  of  Central  Aaia. 

Gleichzeitig  mit  Obigem  erschienene  Uebersctzung  für 
die  Engländer,  denen  der  Verfasser  empfiehlt,  ihren  poli- 
tischen Kinttns*  in  den  Staaten  herzustrllen.  die  zunächst 
bei  dem  Vordringen  Russlands  betroffen  werden. 

Vambery.  Meine  Wandernngun  und  Erlebnisse 
in  Persien.  Pest  1867. 

Enthält  einen  Aufenthalt  in  Ispahan,  ein  Ausflug  nach 
Südpersien,  mit  Beschreibung  der  Ruinenstätten  voo  Schi- 
ras  und  Mittheilungen  über  die  Seete  der  Babi’s. 


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176 


Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur. 


Veniukof.  The  Pamir.  — Journal  of  the  Royal 
geogr.  society,  XXX YI,  1867. 

Well.  Geschichte  der  islamitischen  Völker.  Statt* 
gart  1867. 

Wheeler,  S.  Talboys.  History  of  India.  Yol.  I, 
Trübner,  London  1867. 


Besonder»  d&a  Mahabhoratam  behandelnd. 

Yule.  Cathay  and  the  way  thither.  London  1866. 
(Unter  den  Puhlicationen  der  Uaklnyt  Society.) 

In  der  Reine  des  Friar  Odoric  von  Ponderon*  (1316 — 1330) 
wml  der  chinesische  Gebrauch  der  langen  Nägel  erwähnt  und 
das  Zusatmnendrüclcen  der  Füsse  der  Mädchen,  während 
Marco  Polo  kein»  von  beiden  anführt  (vielleicht,  weil 
besonders  am  Hole  der  Mongolen  verweilend). 


Australien  und  Ooeanien. 

(Von  Dr.  B ) 


Auckland  and  Campbell  Islands.  South  Paci- 
fic. — * Mercantile  Marine  Magazine.  London, 
Juny  1866. 

Auckland.  Les  iles  Campbell,  Antipode  et  Bounty. 
Annales  hydrograpbiques,  1866,4®.  Trim.pag.  502. 

Arbousset.  Tahiti  et  les  iles  adjacentes.  Paris, 
Grassart,  1867. 

Auatralia.  Its  progress  and  destiny.  — National 
Quarterly  Review.  (New-York,  March  1865.) 

Beveridge,  P.  Esq.  A few  notes  on  the  dialects, 
habits,  customs  and  mythology  of  the  Lower 
Murray  Aborigines.  — Transactions  and  procee- 
dings  of  the  Royal  society  of  Victoria,  Yol.  VI. 

Mit  dem  dreizehnten  Jahr  tritt  die  Pubertät  ein,  and 
sind  die  Mädchen  oft  schon  Mütter.  Ein  25-  oder  30jäh- 
riger  ist  bereits  ein  Greis. 

Benitua,  M.  R.  de.  Les  colonies  Australiennee. 
— Nouv.  Annal.  de  Voyag.  1867,  II. 

Der  in  Rallarat  ansässige  Verfasser  beschreibt  die  Ein- 
geborenen als  tief  schwarz,  klein,  schlecht  gebaut,  mit  ab- 
geplatteter Nase,  wetten  Nasenlbchern,  holden  Augen,  sehr 
dicken  Augenbrauen,  schwarzem,  langem  und  »tratfem 
Haar,  und  einem  Gesichtswinkel  nur  wenig  vom  Orang- 
Utang  abweichend. 

Bischof.  Die  Bedeutung  der  Südsee  für  die  mo- 
derne Culturentwickelung.  — Internationale  Re- 
vue 1866. 

Caledonie,  Nouvelle,  Notice«  sur  les  transporta- 

tions  ä la Revue  maritime  et  coloniale  1867, 

XXI,  pag.  350. 

Catalogue  of  the  Natural  und  Industrial  produc- 
tions  of  New  South  Wales.  Sydney  1867. 

Giebt  Schädclinessungen  ton  den  im  Museum  zu  Sydney 
auf  bewahrten  Schädeln  der  Eingeborenen  durch  Üerard 
Krefft. 

Crawford.  On  the  vegetable  and  animal  food  of 
the  natives  of  Australia  in  reference  to  social  Po- 
sition with  a comparison  betwuen  the  Australians 
and  &ome  other  race»  of  man.  — Transactions  of 
the  ethnological  society  of  London.  New  seriös, 
Vol.  VI,  S.  112,  1868. 

Deüssor.  Journey  into  the  interior  of  Australia. 
— Proe.  of  the  Royal  geogr.  hoc.,  VoL  X,  1866, 
S.  129. 


Douglas.  Port  Adelaide.  Baie  Guichen,  baie  Mac- 
donald, cöte  Sud  d’Australie.  — Annales  hydro- 
graphique«  1866. 

Fidji-Inseln.  Schwedische  Colonisten  auf  den  — . 
Peterm.  Mittheilg.  1867,  Nr.  1,  S.  28. 

Garnier.  Excursion  dans  la  partie  sud-ouest  de 
la  Nouvelle-Caledonie.  Mai  1866.  — Rev.  mar. 
et  coL,  Vol.  XIX 

Garnier.  Voyage  dans  la  Nouvelle-Caledonie  (1863 
— 1866).  — Le  tour  du  mondc,  Nr.  401,  1867. 

Gaussin.  Rapport  sur  deux  memoires  de  M.  Les- 
son  ooncernant  l’origine  des  Polyuesiens.  — Bul- 
letins de  la  societe  d1  Anthropologie  de  Paris,  2d* 
sörie,  Tome  II,  1867,  S.  437. 

Guingeot.  Voyage  en  Australie.  Paris  1867. 

Graeff'e.  Reisen  nach  verschiedenen  Inseln  der 
Südsee.  Ausland  1867,  Nr.  48. 

Haash.  Report  on  the  headwaters  of  the  River 
Kakaja.  Christchurch  1866. 

Mit  einigen  Bemerkungen  über  Flor»  und  Fauna  der 
Gletacherregion  Neuseeland». 

Hassonstein.  Das  Seegebiet  und  die  grosse  stei- 
nige Wüste  im  Innern  von  Australien.  — Pe- 
termann's  Mittheilg.  1867,  S.  88. 

Hochßtetter.  New-Zealand.  Stuttgart  1867.  Cotta. 

(Eugliatbe  Uebereetzung  mit  Zusätzen.) 

Jahresbericht  des  preußischen  Consulates  zu  Syd- 
ney für  1867,  Nr.  36. 

Jahresbericht  des  preussischcu  Consulates  zu 
Brisbune  (Queensland)  für  1866.  — Preussisches 
Handelsarchiv  1867,  Nr.  40. 

Jardine.  Exploration  of  Annan  and  Esk  River. 
— Proceed.  of  the  Royal  geographicnl  society, 
IX,  1867. 

Jardine.  Exploration  de  la  riviere  Endeavour, 
Annan  et  Esk.  — Annales  hydrographiques  1867. 

Jean.  Origine  des  Polynesiens.  — ßtudes  relig., 
hist,  et  lit.  1867,  Julv. 

Ireland,  A.  Geograph)-  and  History  of  Occania, 
cumprising  a dotailed  account  of  the  Australien 


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177 


Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur. 


colonie«,  and  a brief  aketch  of  Australian  Poly- 
nesia  and  Antarctica.  Hobart-Town  1867. 

Kitto.  Goldfields  of  Austral  ia.  London,  Wilson, 
1867. 

Knoblauch.  Neu-Caledonien.  Ausland  1867, 
Nr.  41. 

Lamb.  Notes  of  the  country  of  the  head  of  the 
gulf  of  Carpentaria.  — Proc.  of  the  Royal  geogr. 
boc.  of  London,  Toi.  X. 

Loy  alt  y , I/e«  iles.  — Annales  hydrographiques 
1866,  pag.  207. 

Malte-Brun,  M.  V.  d.  Notice  historique  sur  lea 
progres  de  la  colonisation  frangaise  dans  la  Nou- 
velle-Caledonie.  — Nouv.  Ann.  de  Voy.,  1867. 

Im  Jahre  1656  wurde  die  Insel  xuemt  in  ihrer  ganzen 
Länge  von  Europäern  durchzogen. 

Mariannes,  Voyages  aux  iles  de par  la  corvette 

espagnol  Narvaez.  Ann.  bydrogr.  1866. 

Quatrefages.  Note  relative  aux  Polynesiens.  — 
Bull,  de  la  soc.  geogr.,  5m*  Serie,  T.  XII,  1866. 

Renan.  Sur  le*  localites  galiloennes  de  Dalmanou- 
tha  et  Magadan.  — Comptes  rendus  des  seances 
de  TAcademie  des  inscriptions  et  helles-  lettre«, 
Aoüt  1866. 

Richardson.  An  Overland  - Expedition  from  Port 
Denison  to  Cape  York.  — Journal  of  the  Royal 
geogr.  society,  Vol.  XXXVI,  1868. 

Riotxnann.  Wanderungen  in  Australien  und  Po- 
lynesien. 8t  Gallen  1868. 

Enthält  einen  (tauch  auf  der  französischen  Colon  io  auf 


Xeu-Caledonseu.  und  Nachrichten  über  die  in  Melanesien 
gebrauchten  Gerät  hschaiten  (Insel  Mare,  Aneileum,  Tanna, 
Erromnngo,  Vst«,  Api,  Malllcollo,  Espirito  Santo,  Banks* 
Inseln,  Sau  Christoral,  Guadalc&nar).  — Die  platte  Nase, 
die  niedere  Stirn  und  der  breite  Mund  geben  dein  Gesicht 
der  Insulaner  auf  Mallicollo  einen  eigentümlich  tierischen 
Ausdruck  (S.  169). 

Robiquet.  Renseignements  sur  la  Nouvelle-Z^- 
lande.  St.  MaIo  1866. 

Samoan  or  navigator  Islands.  — Nautical  Maga- 
zin 1867,  pag.  106. 

Selwyn  and  Ulrich.  Notes  on  the  physical  Geo- 
graph)*, Geology  and  Mineralogy  of  Victoria,  Ex- 
hibition Essays  Nr.  2.  Melbourne  1866. 

Sikyana  or  Stewart  islands.  — Nautic  Magaz. 
1867,  pag.  609. 

Statiatique  de  la  colonie  de  la  nouvelle- Galle  du 
Sud  pour  1865.  — Le  globe,  T.  VI,  1867. 

Stoll.  Journal  of  an  expedition  from  the  governe- 
ment  camp  Camdon  Harbour  to  the  South  ward 
of  G’enolg  River.  — Journal  of  the  Royal  geogr. 
soc.  of  London,  Vol.  XXXVI. 

Thomson.  Twelve  years  in  Canterbury.  London, 
Low  1867. 

Victoria,  die  Eingeborenen  der  Colonie.... — Zeitg. 
der  Gosel  Isch.  für  Erdkunde.  Berlin  1867,  II, 
S.  474. 

Warburton.  Diary  of  explorations  in  the  Nor- 
thern Portion  of  the  province  Adelaide  1866. 

Watson.  Austral  ia.  Ipswich  1866. 


Afrika. 

(Von  F.  v.  Hellw&ld  und  Dr.  B. ) 


L’Afrique  centrale.  — Revue  moderne  1867,  XLI. 

Angola.  Boletins  e Annals  do  Conselho.  Ultra- 
marino Nr.  119. 

Annuaire  dn  Sennegal  et  dependances  pour  l’annee 
1867.  St.  Louis,  Senegal  1867. 

Aucapitaine,  Henry,  Baron.  Notice  eihnogra- 
phique  sur  ret&blinement  des  Arabes  dans  la 
province  de  C-onstantine.  — Recueil  de«  notice« 
et  mem.  de  la  soctete  archeoL  de  la  province  de 
Constantine  1865. 

Die  Unterschiede  zwischen  den  Ambern  ul»  herrschender 
Ku.tr  und  den  dienenden  Berbern  üngen  an  sich  za  ver- 
wischen mit  der  Einführung  der  türkischen  Herrschaft 
(ISIS),  indem  beide  in  die  ('lasse  der  Unterworfenen 
herabgedriiekt  wurden  und  dann  Mischungen  eingingen, 
wodurch  die  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  ver- 
schwanden. 

Aucapitaine.  Ethnographie,  Nouvelle«  observa- 

Arrhiv  fttr  Anthropologie  Bd.  III.  Heft  II. 


tious  sur  lorigine  de  Berber  - Tamou.  Pari«, 
Challamel,  1867. 

Baker.  The  Nile  Tributariea  of  Abysiinia.  Lon- 
don 1867.  Deutsch:  Die  Kilzuflüaae  Abyasi- 
niens.  Brauuschweig,  Westermann,  2 Bände, 
1868,  8°. 

Beschreibt  die  Reisen  im  Flussgebiet  des  blauen  Nil,  die 
früher  unternommen  sind,  als  die  in  seinem  ersten  i866 
erschienenen  Werke:  The  Albert  Ny  aux  a.  Great  Basin 
of  the  Nile,  siehe  dieses  Archiv  Bd.  II,  S.  123. 

8.  W.  Baker.  The  racea  of  the  Nile  Baain.  — 
Transactions  of  the  ethnol.  soc.  of  London.  New 
serie»,  Vol.  V,  1867,  S.  228. 

Beaumier.  Le  Marse.  — Bulletin  de  la  soc.  de 
g6ogrM  5"“  a£rie,  Tome  XIV,  1867. 

Auaser  dem  Arabischen  bewahren  die  Neger  das  bei  ihnen 
die  Sprache  der  Schwarzen  (El-Guenaoui  oder  Lougha-el- 
Guenanoui«)  genannte  Mandingo  (Man  de)  oder  Bambarra. 

23 


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17$ 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Boraude.  Note  sur  le  Dahomo.  — Bulletin  de  ia 
soc.  de  geogr.  de  Paria,  S,  371,  Nov.  1866. 

Bescow,  E.  G.  Kescminnen  frftn  Egypten,  Sinai 
og  Palest  in  iv,  1850 — 1860,  5.  Upplug.  Stock- 
holm 1867,  12®.  431  pag. 

Beurmann,  Moritx  von.  Vocabulary  of  the  Tigrö 
langu&ge  publiahed  with  a grammatical  sketch 
by  Dr.  Adalbert  Men.  Halle  1868,  8®.  78  pag. 

Aus  der  von  Dr.  Merx  in  Jena  geschriebenen  Vorrede 
ist  tu  entnehmen,  «Ihm  Beurmann  das  Tigr4  von  einem 
Abytrinisihen  Diener  Abu  Bekr  gelernt,  den  er  in  Masso- 
wnh  auf genommen  hatte.  Da»  vorliegende  Vokabular  ent- 
hält etwa  1000  der  notbwendig«trn  Worte  und  wurde  von 
Dr.  Merz,  welcher  an  den  Sprachstudien  seines  verstor- 
benen Freundes  Theil  genommen,  eine  ziemlich  ausführ- 
liche grammatische  Skizze  der  Tigr£-Sprache  hinxugefügt. 

Borei.  Voyage  h la  Gambie.  — Le  globe  1866. 

Boyle.  Kar  away  or  sketches  from  Mauritius. 
London  1867. 

Bürette,  Henry  A.  A visit  to  king  Theodore, 
by  a traveller  lately  returned  from  Gondar.  lx>n- 
don  1867. 

Burkhardt.  Missionen  pna  Madagascar.  0 versa t 
af  H.  Landstad.  Throndjera,  F.  Köhler,  1867,  8°. 

Cahen,  Ab.  Lea  juifs  dans  l’Afrique  septentrio- 
nale.  — Rec.  d.  notes  et  mum.  de  la  soc.  archeol. 
de  Constantine,  Vol.  XI  (1867),  pag.  102 — 208. 

Callaway,  Henry.  Nursery  Tales,  Tradition»  and 
histories  of  the  Zulus.  London  1867,  8°.  Vol.  I. 

Kev.  Henry  Callaway,  mit  den  Mälircheb  der  Zulus 
durch  langjährigen  Verkehr  mit  diesem  Volke  sehr  ver- 
traut geworden,  gab  dieselben  gcsnmmelt  und  im  Zulu- 
Texte  mit  gegeuiibrrstehendrr  englischer  febersetxung  her- 
aus; indem  er  uns  hierdurch  mit  einem  iu**er*t  merk- 
würdigen Stück  Nationailiteratur  bekannt  macht,  leistet  er 
der  ethnographischen  Wissenschaft  keinen  geringen  Dienst; 
sein  huch  picht  einen  klaren  Einblick  in  die  Geihtesrich- 
tong  der  ZulukiiHirm  und  verdient  namentlich  die  Sorgtalt 
betont  tu  werden,  die  in  diesen  Erzählungen  auf  die  styli- 
stische  Darstellung  verwendet  wirft.  Sie  muss  als  ein  be- 
sonderes Zeichen  von  Culturtähigkrit  des  Zulu-Volkes  be- 
trachtet werden. 

Cavo.  Note  sur  Madagascar  et  les  Comorns.  — 
Rev.  mar.  et  col-,  Juni  1867. 

Chaix.  Le  Senegal  et  la  Gambie.  — Le  globe,  V,  1 866. 

Chapman,  J.  Travels  in  the  interior  of  South 
Africa,  comprising  fifteen  years  hunting  and 
trading  experiences,  jourueys  across  the  continent 
from  Natal  to  Walvich  Bay  and  visits  to  Lake 
Ngami  and  the  Victoria  Falls.  Ixmdoo  1868, 
8®.  2 Bande. 

Coignet.  Excursiou  sur  la  cöte  nord-ouest  de  Pilo 
de  Madagascar.  — Bull,  de  la  soc.  de  geogr.  de 
Paris,  Tome  XIV,  1867. 

Noch  der  Mythe  der  Ovas  sind  die  Eingeborenen  Affen 
ohne  Schwant.  „En  coupant  la  queu  du  ringe,  Dieu, 
charrr.4  de  1'excelJente  i44e,  qu'il  venait  d’avoir,  et  qui  loi 
economisait  de  U besoigne,  pou*»x  un  »oupLr:  Ouih.  Or, 


le»  Malgacbea  porteur»,  lomqu’ils  deposent  leur  charge, 
apres  un  trajet  fatigant,  laissent  echapper  le  inrmc  son, 
preure  qu’il*  soot  bien  des  Babakotos,  ä qui  Ton  a coupt 
l'appendice  caudal.  (S.  348.) 

Conway,  D.  Moncure.  The  Negroaa  Artist.  — The 
Radical,  a monthly  Magazine  (Boston),  Sopt.  1866. 

Crawfurd.  On  the  Ethnology  of  Abyssinia  and 
adjacent  Countries. — TransactioDs  of  the  ethno- 
logical  society  of  London.  New  seriee,  Vol.  VI, 

S.  282,  1868. 

Creawick.  Life  amongst  the  Veys.  On  tbe  sylla- 
bic  charactera  in  use  amongst  the  Vey  negrooa. 
— Transactions  of  the  ethnological  society  of 
London.  Newseries,  Vol.  VI,  S.  354  il  260,  1868. 

Deanouy.  Les  etablissementa  fran^ais  de  )a  cöte 
d’or.  — Rev.  mar.  et  col.,  Nov.  1866. 

Dufton,  Henry.  Narrative  of  a journey  through 
Abyssinia  in  1862  — 1863.  With  an  appendix 
on  the  „Abyssinian  captives  queetionw.  London, 
Chapman  and  Hall,  1867,  8®.  XIV  and  337  pag. 

Da*  Buch,  offenbar  wie  so  viele  andere  im  Hinblicke 
auf  die  englische  Expedition  nach  Abessinien  verfasst,  ent- 
hält nichts  Neues;  der  Autor,  ohne  genügende  Vorkennt* 
nisse,  beschreibt  einfach  »eine  Reiseroute,  hat  aber  weder 
in  geographischer  noch  ethnographischer  Richtung  Beob- 
achtungen ungestillt. 

Dinomö,  Abbe.  Resume  des  Operation»  executes 
pur  Pexpedition  onvoyws  cn  1858  par  le  gouv. 
anglais  dans  Pinterieure  de  l’Afrique  Australe.  — 
Nouv.  Annal.  de  V.  par  M.  K.  ch.  Malte -Brun 
1867. 

Duhoussot.  Races  Kabylea.  £tudes  sur  les  Kaby- 
les  du  Djurjura.  — Comptes  rendus  1868,  Tome 
LXVI,  Nr.  13,  S.  685. 

Egli.  Die  Entdeckung  der  Nilquellen.  — Viertel- 
jahrsschrift  der  lutturforschcndeu  Gesellschaft  in 
Zürich,  XII,  1867. 

Ellis,  William,  Madagascar,  revisited  by.  — Lon- 
don, John  Murray,  1867. 

Der  »chon  durch  »eine  ]»olyncsischcn  Untersuchungen  be- 
kannte Verfasser  halte  hei  dem  während  der  Anwesenheit 
in  Madagascar  stattfindenden  Thronwechsel  Gelegenheit  ge- 
habt, die  zur  Eidesablegung  herbeigekommeuen  Gesandten 
und  Stämme  entfernter  Theile  der  Insel  zu  sehen.  RaJoba, 
der  Häuptling  von  Vangiandrano,  wird  beschrieben,  als  dünn 
von  Gestalt,  mit  breitem  und  ziemlich  grossem  Kopf,  etwas 
vorspringenden  Zügen,  kleinen  Augen,  das  Haar  ein  wenig 
grau,  und  die  Glieder  knochig  aber  nicht  rausculos. 

Faidherbe.  Recherchen  Authropologiques  sur  les 
Tombeaux  Megalithiques  de  Rokuia.  — Bulletin 
de  PAcademie  d’Hippoo«,  Nr.  4,  Bone  1868. 

Nach  Angabe  des  Inhaltes  von  14  Gräbern  wrrden  20 
dort  und  anderswo  gefundene  Schädel  libyscher  Troglo- 
dyten  mit  dem  von  den  Köpfen  15  lebender  Berber  (Ka- 
bylen , Chaouia  u.  t>.  w.)  gewonnenen  M uaa.se  verglichen, 
und  der  Autor  stellt  dann  leine  eigenen  Resultate  mit 
denen  Bruoer-Bey’s  zusammen,  der  14  Berber  unter- 
sucht hatte. 


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179 


Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


Foraeman , Die  Transvaalsche  Republik  in  Süd« 
afrika  nach  den  Mitteilungen  des  Schweden  — . 

— Peterro.  geogr.  Mittheilg.  1867,  8.  9. 

Fraaa , Oscar.  Aus  dem  Orient.  Geologische 
Beobachtungen  am  Nil,  auf  der  Sinai  - Halbinsel 
und  in  Syrien.  Stuttgart  1867,  8°. 

WcrtbvoUe*  Buch;  für  uns  insofern  interessant , als  der 
Autor  da»  Bestehen  der  einstigen  Eiszeit  für  die  Sinai-Halb- 
insel nachweist. 

Friach.  Die  Trans vaalische  Republik,  Süd- Afrika. 

— Peterm.  Mittheilg.  1867,  S.  19. 

y.  Fritzach.  Reiiebilder  von  den  canarischen  In- 
seln. 

Reste  vom  jetzt  seltenen  Cedro  io  der  Grabhüble  der 
Guatichen  östlich  von  Teyde. 

Germain.  Madagascar  (cöte  orientale).  Paris  1867. 

Girard,  M.  Ch.  Voyage  dexploration,  sur  le  nou- 
veau Calabar.  — Nouv.  Annales  de  Voy.  1867, 
Tome  I,  pag.  221. 

Grad,  Charles.  Recherches  sur  la  Constitution 
physique  du  Sahara.  — Nouv.  Annales  des  Voy. 
1867. 

Graham.  Glimpse  of  Abyssinia.  London,  Long- 
maus,  1867. 

Grandidier.  Notice  snr  lee  cotes  du  Sud  et  Sud- 
ouest  de  Madagascar.  — BulL  de  la  soc  geogr., 
scrie  XIV,  S.  384. 

Green.  Le  fleuve  Cunene.  — Bull,  de  la  soc.  de 
geogr.  de  Paris,  5"*  Serie,  Tome  XII,  1866. 

Hahn , Tbeophilus.  Die  Xama-Hottentoton.  Ein 
Beitrag  zur  südafrikanischen  Ethnographie.  (Glo- 
bus Bd.  XII,  1867,  S.  238  — 242,  275  — 279, 
304—307,  332—336.) 

Diese  eingehenden  Aufsätze  aus  der  Feder  eines  Mannes, 
welcher  seine  Kindheit  und  Jugendzeit  unter  den  Hotten- 
toten  verlebte,  sind  äussertt  interessant  und  wichtig.  Wir  las- 
sen nachstehend  den  Inhalt  derselben  in  .SchUgwürtem  folgen. 

Die  Samo*  und  ihre  geographische  Verbreitung.  — Ihre 
körperliche  Erscheinung.  — Ihre  Sprach«;  die  vier  Srhnulz- 
Uute;  Declinatum  und  Zahlensystem ; Vaterunser.  — 
Thierfabeln  uud  Erzählungen.  — Der  Zauberer  Heitai- 
Eibib.  — Mythus  vom  Monde.  — Werwolf**«*  hiehten.  — 
Zauberer  und  Amulete.  — Die  Sagen  vom  ersten  Mensrhen. 
— Proben  von  Hottentotenpoesie.  — Rachelieder.  — Di« 
Sklaven.  — Verschiedene  Stämme.  — Gastfreiheit.  — Sit- 
ten und  Gebräuche.  — Phthiropbagfc.  — Stellung  and 
Beschäftigung  der  Frauen.  — Huttenbau.  — Kraale.  — ■ 
Der  Karos».  — Leichenbegängnis«.  — Spurfinden.  — Jagd- 
und  Low  engeschichten.  — Geistige  Anlagen.  — Musik.  — 
Handfertigkeiten.  — Dl«  Nsmas  werden  von  der  Erde 
verschwinden. 

Hanstean,  A.  Poesie«  populaircs  de  la  Kabylie 
et  du  Jurjora.  Texte  Kabyle  et  traduction.  Pa- 
ri« 1867,  8Ö.  XIV  et  475  pag. 

Hartmann.  Erinnerungen  aus  Nubien.  Wester- 
inan n*a  Monatshefte  1867. 

Hausmann.  Souvenir«  du  cap  de  Bonne- Esperance. 
Chlichy  1866. 


Hernandes.  Observation«  sur  la  cöte  ouest  de 
Madagascar.  — Annales  hydrog.,  1866. 

Heuglin,  M.  Theodor  von.  Reise  nach  Abyssi- 
nien,  den  Galla-Luudern,  Ost-Sudan  undChartum 
in  den  Jahren  1861  und  1862.  Jena,  Coste  noble. 
1868,  8®.  XII  und  456  S. 

Weitaus  dua  bedeutendste  von  ailen  neueren  über  Abja- 
»inien  erschienenen  Werken , jedoch  vorwiegend  geographi- 
schen Inhaltes;  das  fünfte  Kaj  itel  befasst  sich  indes*  auch 
mit  Ethnogrupbie  und  bringt  danken*«  erthe  Details  Über 
Religion,  Muhaiuedauer,  Juden,  Qamaaien,  Christen,  chriat- 
liehe  Feste  und  Gebrauche,  Schulen,  Sprachen  und  Ge- 
schichtliches. Eine  ausführliche  Besprechung  dieses  vor- 
züglichen Werkes  erschien  in  Peterm  ann’s  Mittbcilttu- 
gea  1867,  S.  4.13- 

HoUaender.  Farmleben  am  Oranje-Flusse.  — Glo- 
bus XI,  1867. 

Hornberger.  Da«  Ewe-  Gebiet  an  der  Sklaven- 
küste. 

Die  Bewohner  der  Meeresküste  und  die  am  Saum  der 
Lagune  sind  meistens  grosse,  robuste  Gestalten,  während 
sich  im  Inneren  selten  grosse  Leute  tindeo,  und  weiter  im 
tiebirg  gar  nicht. 

Hotten,  John  Camden.  Abyssinia  and  its  peo- 
ple,  or  life  in  the  land  of  proster  John.  London, 
Hotten,  1868,  8°.  VI  and  384  pag. 

Enthält  von  Seite  3H9  — 384  eine  ziemlich  vollständige 
Bibliographie  Uber  Abyssinien,  ist  aber  im  Uebrigen  eine 
blosse  Compilation,  die  nur  für  rin  Laienpublikum  von 
einigem  Werth«  sein  mag.  Ob  der  Verfasser  auch  da» 
Land  aus  Autopsie  kennt,  ist  nicht  gesagt,  scheint  uns 
aber  unwahrscheinlich.  Die  beigegebenen  Bilder  und  Karte 
wären  besser  weggeblieben. 

Jablonski.  Notes  sur  la  geogr.  de  1'ile  de  Zanzi- 
bar. — Bull,  de  la  soc.  de  geog.  de  Paris,  Not. 
1866. 

Jahresbericht  dos  preussischen  Vico-Consulat«  zu 
Chartum  für  1866.  — Preußisches  Handelsar- 
chiv 1867,  Nr.  31. 

Koptendorf,  ein,  auf  Gebel-al-Teir  in  Egypten. 
Globns  XII,  1867. 

Krapf,  Dr.  J.  Lewis.  Travels,  resenrehes  and 
misaionary  Lubours  during  an  18  years  Rttei- 
dence  in  eastern  Africa.  Ix>ndon,  Trübner  et 
Comp.,  1867.  (Wiederabdr.  der  engl.  Ausgabe.) 

Krookow  von  Wiokerode,  Carl,  Graf.  Reisen 
und  Jagden  in  Nordostafrika  1864 — 1865.  Ber- 
lin, Alex.  Duncker,  1867,  8®.  2 Theile. 

Lejean.  Notes  sur  los  XiamXiam.  — Revue  orien- 
tale, Nr.  55. 

Lombardini,  Elle.  Obtervations  sur  l'Hydrogra- 
phie  de  l’Afrique  centra'c.  — Nouv.  ann.  de  8., 
1867. 

Lott.  Haremlife  in  Egypte  and  Constantinopel. 
London,  Bentley,  1867. 

Mage  et  Quintin.  Voyage  de  . . dans  l’inte- 
23* 


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180  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


rictir  de  l’Afrique.  — Revue  maritime  et  Colo- 
niale, VoL  18. 

Besprechung  der  Toul. 

Mtyor.  The  life  of  prince  Henry  of  Portugal,  Bur- 
named  the  Navigator.  London  1868.  Iilustr&ted 
with  map»,  portnut«  etc. 

In  der  Vorrede  werden  die  Manuscript-Documente  be- 
sprochen, worauf  das  Werk  b&sirt  ist,  und  in  der  Unter- 
suchung der  letzten  Publicationen  besonders  die  Ansprüche 
Frankreichs  auf  Priorität  ins  Auge  gefasst,  am  sie  zu  wider- 
legen. Dagegen  nimmt  der  Verfasser  die  romantischen 
Abenteuer  Machin’s  io  Schutz  und  lässt  die  Lage  Ma- 
deira» durch  den  aus  der  Sklaverei  Maroceo*  erkauften 
Matrosen  Morales  dem  portugiesischen  Seemann  Zaren  be- 
kannt werden,  der  Tristan*  Vaz  Teixeyre  auf  seiner  Reis« 
begleitete.  Die  frühe  Bekanntschaft  der  cannrischea  In- 
seln wird  durch  die  päpstliche  Bulle  Nov.  15,  1334  begrün- 
det. Die  Portugiesen , die  (nach  dem  Bericht  llorenti- 
uUcher  KauHcute  in  Sevilla)  auf  der  Canaria  genannten  In- 
sel 1341  landeten,  beschreiben  die  Eingeborenen  als  bart- 
los und  hübsch  im  Gesicht,  mit  hellem  Haar,  das  lang  bis 
/um  Gürtel  herabhing,  kräftig  und  gewandt.  Die  durch 
Gil  Eannes  von  den  Inseln  Nnar  und  Tider  (in  der  Bucht 
von  Arguin)  gebrachten  Gefangenen  werden  von  verschie- 
denen Farbcnschatti rangen  beschrieben,  von  fast  welss  bis 
schwan. 

Mann,  R.  J.  Th©  Kaffer  race  of  Natal.  — Trans- 
actione  of  the  othnolog.  society  of  London.  New 
series,  VoL  V,  1867,  S.  277. 

Michel,  L.  Tunis.  L’Orient  africain.  Paris  1867, 
18«.  340  8. 

Mitterrutzner , J.  C.  Dio  Sprache  der  Bari  in 
Centralafrika.  Grammatik,  Text  und  Wörterbuch, 
ßrixen  1867,  8°.  260  8. 

Mocambique.  Boletinu  e annales  do  Conselho  Ul- 
tramarino,  Nr.  123,  127. 

Nachrichten,  einige,  über  den  fossilen  Hiesen- 
vogel  Epiornis  maximus  von  Madagascar.  (Aus- 
land 1867,  Nr.  40.) 

Negro,  the  Character  and  Destiny  of . . — National 
Quartcrly  Review,  Dec.  1865. 

Neltnez,  M.  (Capitain  adjutant,  Major  au  66®).  No- 
ticcs  sur  les  fouille«  d’El-Mengoub.  pag.  80 — 88. 

EinB  der  mit  zurückgeschlagenen  Beinen  begrabenen  Ske- 
lette, dessen  Abbildung  auf  PI.  IX  gegeben  ist,  hielt  ein 
Stück  Eisen  in  der  Hand. 

Odeflcalchi.  L'Egitto  antico  et  PEgitto  rooderno. 
Alessaudria  1867. 

Lea  Pahouina,  les  Bakalaia,  lee  Boulous  et  les  Ga- 
bonnais.  — Nouv.  ann.  do  V.  1867. 

»Les  Bakalais  sont  ulotrique«  4 poile  rares,  le  vertex  est 
oviilo,  le  prognntiemo  peu  prononee,  le  front  j>eu  fuyant. 
Ln  couleur  de  leur  peau  est  noiritre.“  Die  ihnen  ähn- 
lichen Boulou*  mu  Gabun  bilden  da*  Volk  der  Foogwe 
und  Sbekani.  In  den  »Observation*  de  Vielen  de  St.  >!ar- 
tiu  sur  le*  Pahouina*4  werden  die  Pahouin»  für  einen  durch 
Mischung  veränderten  Zweig  der  Fan  erklärt,  die,  gleich 
den  Fellntah  des  Sudan  durchaus  lehne  Beziehung  zu  den 
Negern  hätten. 


Peacock.  Haodbook  of  Abyssinia.  Longmans, 
London  1867. 

Pollen.  Een  blick  in  Madagaskar.  Leyden  1867, 
Trap. 

Recueil  de  notices  et  mämoiree  de  la  societo  Ar- 
cbeologique  de  la  provinoe  de  Couetantine  1865. 

Reunion.  Annuaire  de  l*tle  de  la..  — 

1867.  Szint-Denis. 

Richemont,  P,  de,  Baron.  Documenta  sur  la  com* 
pagnie  de  Mad&goscar,  precedes  d’une  notice  hi- 
storique,  publies  par  les  soins  de  . . — 

PariB,  Chall&mel  aine,  1867. 

Die  in  Folge  des  am  12.  September  1862  zwischen  der 
Hora- Regierung  und  Frankreich  abgeschlossenen  Vertrages 
am  2.  Mai  1 863  gegründete  Compagnie  de  Madagascar  wurde 
nach  der  Ermordung  Kadnmas  vom  Kaiser  veranlasst,  ihre 
durch  die  Eingeborenen  bestrittenen  Rechte  aufxogeben  und 
löste  »ich  nach  Empfang  der  den  Malgachen  »bgenöthigten 
Entschädigung  (Januar  1H66)  wieder  auf  (26.  Mint  1866). 
Die  während  der  drei  Jahre  ihres  Bestehen«  von  Handels- 
agenten, Ingenieuren  und  Bevollmächtigten  eingesandten 
Berichte  sind  besonders  ausführlich  Uber  die  Provinz  An- 
gontei,  Vohemar  und  den  District  Marantsetra.  Die  neben 
den  Betsimitsarack  Antavarnkn  und  den  Hoyas  im  Korden 
der  Insel  wohnenden  Sakalaren  zerfallen  in  die  Antankares 
zuli  njr  vola  l’otsy  and  die  Siiknlaves  zari  ny  vola  roena, 
aus  welch’  letzterem  Geschlecht  die  Häuptlinge  gewählt 
werden. 

Rigby.  Ou  the  origiu  of  the  Somali  race,  which 
inhabits  the  north -eastern  position  of  Africa.  — 
Transuctions  of  the  ethnological  society  of  Lon- 
don, 1867,  VoL  V,  S.  91. 

Rohlfa,  Gerhard.  Afrikanische  Reisen.  Reise 
durch  Marokko,  Uebersteigung  des  grossen  Atlas, 
Exploration  der  Oasen  von  Tafilet,  Tuat  und  Ti- 
dikeit  und  Reise  durch  die  grosse  Wüste  über 
Rbadames  nach  Tripoli.  Bremen  1868,  8ft.  200  8. 

De  Rougö.  Textes  geographiques  du  temple  d*Ed- 
fou.  — Rev.  archeolog.  1867,  66. 

Roullet,  G.  La  riviere  Como  ou  Gaben  et  les  po- 
pulations  riveraines.  — Nouv.  ann.  des  Voyag. 
1866,  IV. 

Roullet,  M.  G.  Les  Pahouins,  leurs  origine,  lours 
moeurs,  leurs  coutumes.  — Nouv.  annale*  des  voy- 
ages,  August  1867.  Petermanu's  Mittheilungen 
1868,  I,  S.  35. 

Die  aus  dem  Inneren  Afrikas  nach  dem  Gabou  vorge- 
drungenen  Pahouin  haben  die  Stirn  weit  und  abgerundet, 
lebhafte  Augen,  abgeplattete  Nase,  wie  die  anderen  Neger, 
aber  weniger  dicke  Lippen.  Die  Zähne  sind  meist  geteilt 
und  die  Haare  werden  geflochten.  (Der  Verfasser  — Chi- 
rurg der  kaiserlichen  Marine  — spricht  aus  Autopsie.) 

Schwab.  Notes  sur  les  caffres.  — Rev.  orientale, 
Nr.  56. 

Schweinfurth.  Reise  von  Chartum  über  Berber 
nach  Suakim.  — Zeitschrift  der  Gesellschaft;  für 
Erdkunde  zu  Berlin,  II.  Bd.,  1867. 


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181 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Steinthal,  H.  Die  Mande- Neger- Sprachen  psycho- 
logisch und  phonetisch  betrachtet.  Berlin  1867, 

8®.  344  S. 

Tiaaot.  La  Tunisie.  — Revue  Africaine,  Juillet 
1866. 

Tremaux.  Yoyage  au  Soudan  oriental.  — Le  tour 
du  Monde,  Nr.  349. 


Trolle  och  Hagg.  Minnen  och  Anteckningar  fr&n 
ingkorvetten  „Gefle’s“  Expedition  tili  Westkü- 
sten af  Africa  samt  Medelhafvet.  Stockholm  1867. 

Wilson.  Notes  on  the  West  coast  of  Madagascar. 

— Journ.  of  the  Royad  geogr.  soc.,  XXXYL 
Die  Zulu-Xaffern.  Ausland  1867,  Nr.  24. 


Amerika. 

(Von  P.  v.  HeUwald.) 


Belly,  Felix.  A travers  l’Am^rique  centrale,  le 
Nicaragua  et  lec&nal  interoceanique.  Paris  1867, 
8°.  2 Vol.,  923  S.,  1 Karte. 

Boyle,  J.  On  the  free  Indian  tribes  of  Central 
America.  — Transactions  of  tho  ethnologicol  so- 
ciety  of  London.  New  series,  VoL  VI,  S.  207, 
1868. 

Capellini,  G.  Kicordi  di  un  viaggio  scientifico 
nell’  America  Settentrionale  nel  1863.  Bologna 
1867,  8°.  291  S.  mit  Karte. 

Catlin,  Goo.  O-Kee-Pa.  A rcligious  Cereraony 
of  the  Mandans.  London  1867,  4®. 

Charencey,  H.  de.  Affinites  de  quelques  legendes 
americaines  avec  celles  de  Fanden  monde.  Paris, 
Bouchard,  1868,  8®. 

Codman,  J.  Ten  months  in  ßrazil,  with  inci- 
dents  of  voyagce  and  travels.  Boston  1867,  12°. 
208  S. 

Drake,  Samuel.  The  old  Indian  chronicle,  beiug 
a collection  of  exceedingly  rare  tracts,  written 
and  published  in  the  time  of  King  Philip’s  War. 
Boston  1867,  4°.  333  pag. 

Enault,  L.  Reis  door  Middel-  en  Zuid- Amerika . .. 
benevens  eene  schets  van  de  bewoners,  hunne 
zeden  en  gebruiken,  godsdiensten  en  regeerings- 
vormen  tot  op  onzen  tijd.  Leyden,  Noothoven 
van  Goor,  1867,  8°.  , 

Bvrie,  J.  H.  van.  White  supremacy  and  Negro 
Subordination,  or  Negroes  a subordinate  raoe. 
New-York  1868,  12°.  339  pag. 

Girard  de  Bialle.  Sur  la  geographie  des  langues 
et  1a  carte  öthnologique  du  Mexique  de  Don 
Orozco  y Berra-  — Bullet,  de  la  soc.  d’Anthrop. 
de  Paris,  2dü  serie,  Tome  II,  S.  691,  1867. 

Hart,  Ch.  H.  Remarks  on  Tabasco,  Mexico,  occa- 
sioned  by  the  rcported  diseovery  of  rcmains  of 
ancient  cities  being  found  in  that  locality.  Phi- 
ladelphia 1867,  8°.  12  S. 

Hassaureth,  F.  Four  years  omong  Spanish  Ame- 
rican s.  London,  Low.  1868,  8°.  412  pag. 


Hayes.  The  open  Polar  Sea.  New-York  and 
London  1867.  — (Peterm&nn’s  Mittheilg.  1867, 
V,  S.  189.) 

Huyes- Halbinsel  Ut  vom  warmen  Südstrom  bespült  and 
daher  der  an  Pflanzen-  und  Thlerieben  reichste  Theil 
von  (jrinnelland  und  Nordgrünland  an  bi*  Upennark  im 
Süden.  — Ke  geht  die»  auch  daran*  hervor,  da*»  nur  hier 
die  Eskimos  »ich  erhalten  haben,  während  früher  auch 
G rinn  HU  ml  von  ihnen  bewohnt  war,  wie  Haye*  durch 
die  gefundenen  Spuren  bewiesen  hat.  Die  Ealtimo*  «und 
ein  «ehr  sorglose»  und  in  den  Tag  hinein  lebende»  Volk,  und 
sorgen  im  grössten  Ucberflu**  de*  Sommer»  nicht  für  Nah- 
rung im  Winter;  «renn  ««  «inen  Fang  gemacht,  e**cn  sie 
durchschnittlich  12— >15  Pfund  Fleisch  und  Speck  jeden 
Tag;  wenn  nicht,  können  sie  Tage  lang  hungern.  An  der 
Kante  der  Haye*-Halhin*el  ist  Ihnen  der  Fang  von  See- 
thirren, besonders  Walrossen,  von  denen  ein  einzige» 
1500— 3000  Pfund  wiegt,  den  ganzen  Winter  gewiss,  weil 
den  ganzen  Winter  da*  Meer  oflen  bleibt.  Wo  dies  aber 
nicht  der  Fall  ist,  tritt  Hungersooth  ein  und  sie  «terbcn 
allmälig  au».  Eskimo»  würden  selbst  in  Deutschland  aus- 
«terbeu.  da  sie  ohne  im  Sommer  angelegte  VorriUhe  im 
Winter  nicht  genug  Nahrung  finden  würden.  Bk 

Kapp,  Friedrich.  Geschichte  der  deutschen  Ein- 
wanderung in  Amerika.  Leipzig,  Quandt  und 
Händel,  1868,  8®. 

Bd.  1,  Die  Deutschen  im  Staate  New* York  bi*  zum  An- 
fang de«  19.  Jahrhundert*. 

Mantogazza,  P.  Rio  de  la  Plata  e Tenerife,  riaggi 
e studi.  Milano  1867,  8°.  736  8. 

Marti us.  Yölkergem&lde  Südamerikas.  — (Aus- 
land 1867,  Nr.  35—38.) 

An  Martina1  grosses  Werk  anknüpfende,  icsenswertlie 
und  lebendige  Darstellung. 

Mormone,  Lifo  amongthe  ...  and  a march  to  their 
Zion.  With  a chapter  on  the  Indians  of  the 
Plains  and  the  Mountains  of  the  West  By  an 
officer  of  the  U.  S.  Army.  New-York  1868,  12®. 
XV  and  219  pag. 

Müllor,  Dr.  Friedr.  Der  grammatische  Bau  der 
Algonkin -Sprachen,  ein  Beitrag  zur  amerikani- 
schen Linguistik.  — Akad.  der  Wissenschaften. 
Sitzungsbor.  der  phil.-hist.  CK,  LVL  Bd.,  8.  132.) 
Wien  1867,  8®.  28  S. 

Bekanntlich  erstreckt  »ich  die  Wissenschaft  der  Lingui- 
stik — ein  Kind  unsere»  Jahrhundert*  — nicht  über  die 
zwei  an*  nächsten  Weltthelle,  Europa  und  Asien,  hinaus; 
ja  e*  ist  ihr  noch  nicht  gelungen , letzteren  ganz  zu  um- 


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182 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Afrika  und  Amerika  liegen  ta*t  vollständig  noch 
»uiaer  dem  Bereiche  der  Linguistik.  Nun  wir!  Amerika 
zwar  von  einer  einzigen,  der  kupferrothen,  Kac«  bewohnt, 
man  kann  aber  keineswegs  behaupten,  den  diese  Eine, 
wenn  auch  in  viele  von  einander  verschiedene  Mundarten 
zerfallene  Sprüchen  rede.  Es  lasst  sich  nicht  Mognen, 
dass  die  Sprachen  Amerikas  viel»  Gemeinsame  an  sich 
tragen , da»«  jede  derselben  von  einem  cigenthümlichen, 
allen  amerikanischen  Sprachen  innewohnenden  Geiste  — 
dem  der  Einverleibung  — durchdrungen  Ut;  es  ist  aber 
bisher  noch  Niemanden  gelungen,  iu  denselben  eine,  ja  nicht 
einmal  zwei  oder  drei  Sprachfamilien  W issenschaft Urh  nach- 
zuweisen. Unter  solchen  Umständen  müssen  wir  die  Ab- 
handlung Müller1»  über  die  Algonkinspracheu  — die 
nördlichste  der  einheimischen  Indiancnprachen  — als  einen 
willkommenen  Beitrag  zur  Erweiterung  unserer  diesbezüg- 
lichen Kenntnisse  um  so  freudiger  b^grüssen,  als  Dr.  Mül- 
ler seiner  vergleichenden  Darstellung  fünf  amerikanische 
Idiome,  nämlich  die  Sprache  der  Mikuoak,  der  Leuni-Len- 
nape,  der  Cree,  der  Chippewsj’a  und  einen  Algonkindialect 
zu  Grunde  legt. 

Myron,  Angel.  La  Nevada  orientale,  geographie, 
ressources,  climat  et  etat  social.  — Exposition 
universelle  de  1867.  Paris  1867,  12°.  168  S. 

Raimondy.  Leber  die  Campos  Indianer  (Südame- 
rika). — (Ausland  1867,  Nr.  43.) 

Reclus,  Elisee.  Lea  ropubliques  de  lTsthwe  ame- 


ricain. — (Revue  des  deux  mondes  1868,  15 
Mars,  S.  479—498.) 

Richardaon,  Albort  D.  Beyond  the  Mississippi 
front  the  Great  River  to  the  Great  Ocean.  Life 
and  adveutures  on  the  Prairies,  Mountains  and 
Pacific  Coasts.  Hartford  1867,  8°.  572  S. 

Shaw,  J,  Twelve  years  iu  America,'  being  obser- 
vations  on  the  country,  the  people,  institutions 
and  religion,  with  noticosof  slavery  and  the  late 
war,  and  notea  of  travel  through  the  United 
States  and  Canada.  Dublin  1867,  8°. 


Sommer,  W.  Erindringcr  fra  et  ophold  i Ame- 
rika. Kjobenhavn  1868,  8°.  160  S. 

Thomas  and  Galatian.  Saginaw.  Indian  and 
Pioneer  history  of  the  Saginaw  Valley.  East 
Saginaw,  Mich.,  1867,  8°. 

Tsohudi,  J.  J.  v.  Reisen  durch  Südamerika.  3.  IM. 
Leipzig  1867,  8°. 


Snow,  W.  Parker.  Russian  America,  its  physical 
characteristics  and  native  Tribes.  (Hours  at 
home.  New  York,  Juli  1867.) 


IV. 

Zoologie 

in  Beziehung  zur  Anthropologie. 

(Von  L.  Rütimeyer. 


A.  d’Archiac.  Paläontologie  de  la  France.  Paris 
1868.  (Recueil  de  Rapports  sur  les  progres  des 
lettres  et  des  Sciences  en  France.  Publication  faite 
sous  les  auspices  du  Ministre  de  lTnstruction 
publique.  Chap.  IV.  Faune  quaternaire,  depots  des 
plaines  et  des  valläes.  Cavernes  et  breches  os- 
seuses. 

8.  Arlolng.  Contribution  a l’etude  de  rorganisA- 
tion  du  pied  chez  le  cbeval.  — Annalen  des 
Sciences  naturelles.  Zoologie,  Tome  VIII,  1867, 
pag.  55  mit  2 Tafeln. 

Genaue  «natominche  Darstellung  zweier  Fälle  von  über- 
zähligen Fingern  beim  Pferd.  Erster  Fall:  Ausbildung 
ein»  Finger»  mit  drei  Phalangen  am  laueren  GrifTelbein 
de*  Vimlertüw»,  mit  Sehnen  vom  Rndiali*  intern.,  v.  fc*- 
teiuor  coiamun.  digilorum  und  von  den  beiden  Flexoren 
der  Phalangen.  Zweiter  Fall:  Spaltung  von  Phal.  I de» 
normalen  Fingen  und  Ausbildung  von  srmmet rischen 


Knochenpaaren  fUr  Phal.  2 und  3 (wie  beim  Kind)  am 
rechten  Vorderfua».  Der  erste  Fall  also  eine  stärkere  Aus- 
bildung der  noch  heute  in  dem  relativen  Verhältnis»  der 
Griflelheino  normal  angedeuteten  Annäherung  an  den  didac- 
tylen  Fass  des  Hippothcrium.  (Vergl.  meine  „Beiträge  zur 
Kenntnis*  der  fossilen  Pferd«“,  Seit»  114),  der  zweite  Fall 
wohl  pathologischer  Art.  (Authdlrnder  Weise  wurde  nicht 
untersucht,  ob  auch  der  Metacarpu»  innerlich  eine  Spur 
von  Trennung  darhot.)  • 

Bourgignat.  Not«  sur  un  ursus  nouveau  decou- 
vert  dans  la  grando  caveme  du  Thaya  (Province 
de  Constantine).  — Annales  des  Sciences  natu- 
relles. Zoologie,  Tome  VIII,  1867,  pag.  10, 

Im  Norden  Afrika»  »«Uten  hienach  drei  Arten  von  Bä- 
ren zu  linden  »ein.  1.  Eine  noch  unbe»timmte  Art  tV*il 
in  den  Knochenbreccien  von  Oran;  2.  Ur»u*  Faidherbia- 
nu«,  in  Höhlen,  vielleicht  noch  lebend,  in  Algerien:  3.  Ur- 
ea» Crowtheri  in  Marokko. 

J.  F.  Brandt.  Quelques  raots  sur  le  Mamont.  — 


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183 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Annalea  des  Sciences  naturelles.  Zoologie,  Tome 
V,  1866. 

Bestätigung,  daM  die  von  L«rtet  und  de  Vlbraye  ge- 
gebeneu  Darstellungen  von  Elepbant  aas  den  Höhlen  von 
Perigord  sich  auf  du  Maromuth  beziehen. 

Coochi,  Igino.  L’uomo  fossile  nell’  Italia  centrale. 
Yol.  II,  delle  Memorie  della  Societä  italiana  di 
Scienze  Naturali.  Milano  1857,  4°.  mit  4 Tafeln. 

Einlässliche  Unterscheidung  der  pliocenen  and  postplio- 
uenen  Schichten  des  Arno-Thales  and  namentlich  »eines 
oberen  Tbeiles,  von  Val  di  Chiana.  In  der  unteren  Lage 
des  Postpliocen  findet  »ich  der  auf  Tafel  I,  11  abgebildete 
Menu  beim  hüdel  mit  Elephat  primigeoiu».  Cervu»  rury co- 
ro* , Bison  priacu»  and  der  wie  der  Verfasser  vennuthel 
neuen  Speele*  von  Pferd,  Equu«  Lnrteti  Coccht,  abgebildet 
in  Tal.  IV  (nach  dem  Referenten  Equu«  Uaballus). 

Darwin , Ch.  Animais  and  plants  under  Dome* 
stication,  2 Yol.,  London  1868  mit  Holzschnitten. 
Deutsch  unter  dem  Titel : „Das  Variiren  der  Thiere 
und  Pflanzen  im  Zustande  der  Domestication“, 
übersetzt  von  J.  V.  Carus,  Stuttgart  1868 
(b.  oben  S.  138). 

W.  Boyd  Dawkinsund  W.  Ayehford  Sandford. 
The  British  Pleistooene  Mammalia.  Part  1.  In* 
troduction,  pag.  1 — 4.  British  Pleistocene  Feli- 
dae.  Felis  spelaea  (roldfuss,  pag.  1 — 28,  PI.  I 
— V,  London  1 866.  — (Paloeontugraphical  Society, 
Volume  for  1864.) 

Line  nichtige  Untersuchung  »oll  in  einer  Anzahl  von 
Mouograplüern  die  Kenntnis»  der  britischen  pleistocencn  Sau* 
gelhiere,  deren  Ueberreste  in  den  Sammlungen  »eit  der  Pu- 
blicatioa  von  Owen’s  british  fossil  Mammalia  1846  rasch 
angewachsen  sind,  auf  die  Höhe  jetziger  Bedürfnis»«  bringen. 

Die  Einleitung  »acht  die  Bezeichnung  prähistorisch  und 
pleistocen  za  definiten,  bespricht  die  verschiedenen  in  die*« 
Epochen  fallenden  Fundorte  von  Knochen  (Höhlen,  Flosa* 
allurioueo,  Torfmeere)  und  giebt  vorläufige  Listen.- 

1.  Der  ln  der  pleistoc«neii  Periode,  allein  auch  in  der 
tiegenwart  vor  kommenden,  wenn  auch  tbeilweise  bisher  in 
prehutoriMhen  Vorkommnissen  vermissten  Speeles. 

2.  Der  plcistocenen  .Sftugethiere  (53  Spedes,  wovon  17 
erloschen  »ind  und  0 »either  nach  Norden,  3 nach  Süden 
»ich  zurückgezogen  haben,  während  28  noch  im  gemässig* 
len  Europa  leben). 

Al»  erloschen  werden  bezeichnet: 
Machairodu»  latidens. 
frans  spelneus. 

Megncem*  hiberuicu*. 

Cervu»  dicrauios. 

Elephas  auiiquu». 
n primigeniu». 

„ priscutt. 

* meridionalis. 

Hippopo  tarn  us  maior. 

Khinocero*  tichorhinu». 

9 megarhinu«. 

^ leptorhinus. 

„ etrusrus. 

(‘astor  Trogontherium. 

Nach  Norden  gewichen: 

Gulo  luscus. 
ftrnu  tarandu*. 

Alte»  male  bis. 

Oviho*  mosrhitu*. 

Spcrmophilu*  ritiUus. 

^ erythrogenoides. 


Lagomy»  »pelaeu». 

Le  mm  us  ? 

Nach  Süden  gewichen: 

Felis  »pelaea,  Var.  r,  F.  le>o. 

Hvaeua  spelaea,  Var.  v.  H.  crocuta. 

Felis  antiqua  Var.  v.  F.  pardu». 

Der  Tezt  bringt  einen  ersten  Theil  einer  »ehr  einliss* 
liehen  Beschreibung  v.  Felis  »pelaea  Goldf.  Für  die  Treff- 
lichkeit der  Tafeln  kann  die  Bemerkung  genügen,  das»  sie 
von  Dinkel  gezeichnet  »ind. 

W.  B.  Dawkins.  On  theMammalian  Remains  found 
by  0.  Wood,  near  Richmond,  Yorkzhire.  (In 
e.  Art  Kükken-Medding.)  — Quarterly  Journal 
of  the  geological  society  of  London , Vol.  XXI, 
1865,  pag.  193. 

Falconer,  Hugh.  Palaeontological  Memoire  and 
notes  of  the  late  ....  compiled  and  edited  by 
Ch.  Murchison.  London  1868,  2 Bände,  Yol.  I, 
590  Seiten,  34  Tafeln,  16  Holzschnitte.  Yol.  II, 
676  Seiten,  38  Tafeln,  9 Holzschnitte. 

Der  erste  Band  dieses  höchst  ersehnten  Werkes  kann  als 
Text  zu  dem  bisher  blos  von  einem  Verzeichnis»  begleiteten  be- 
kannten Pracht  werk  Fauna  antiqua  siralensis  von  Cautley 
und  Fit  Icon  er  betrachtet  werden  und  gehört  ausschließlich 
der  paUeontologiscben  Literatur  an. 

Der  zweite  Band  ist  fast  ganz  der  plei»tocene n Fauna  ge* 
widmet  und  verdient  hier  insofern  wenigstens  eine  Inhalts- 
anzeige,  als  Falconer  bekanntlich  durch  seine  ausgedehnte 
Bekanntschaft  mit  der  foM>ilen  and  lebenden  Fauna  Asiens, 
sowie  durch  einlässliche«  Studium  der  meisten  europäischen 
Sammlungen  mehr  als  irgend  ein  anderer  Zoo  log  iro  Stande 
war,  die  Uetanrestc  einrr  Fauna  richtig  zu  beurtbeilen, 
welche,  wie  e»  mit  der  europäisch-plristoccnen  der  Fall  ist, 
in  so  hohem  Maa**e  mit  der  heutzutage  noch  in  Indien 
nnd  Ost-Afrika  lebenden  verwandt  ist. 

Die  hauptsächlichen  Artikel  des  zweiten  Bandes,  welche 
sich  mit  prchistorischer  Epoche  befassen,  »ind  folgende 
zum  kleinen  Theil  in  dem  Quarterly  Journal  of  the  Geolo- 
gical society  of  London  bereits  pubiieirte: 

Ueber  die  in  England  fossil  vorkommenden  Spedes  von 
Mastodon  und  Elephant. 

Ueber  die  fossilen  feiierreste  von  Elepha»  meliteneis  und 
anderer  Säuget  hier«  aus  Knochenhöblen  von  Malta. 

Ueber  die  eurofdüBch-plioccncD  und  postpliocenen  Spedes 
de»  Genus  Rhinoccros. 

Ueber  da»  Vorkommen  von  Spenuophilus  in  der  eng- 
lischen Höhlenfauna. 

Ueber  da»  Vorkommen  von  Felis  spelaea  in  England. 

Ueber  die  Uebenreate  angeblich  britischen  Ursprungs  von 
Drepanodon  und  Machairodus. 

Noten  über  llyaena. 

Noten  über  fossile  Spedes  von  Ursu*. 

Noten  über  fossile  Spedes  von  Cervua. 

Ueber  die  Knochenhöhle  von  Brixbom  bei  Torquay. 

Ueber  die  Knochenhöhlen  von  Gower,  Süd-Wale«. 

Ueber  die  Knnchenböhlen  von  Cefnscave,  Nord-Wale«. 

Ueber  die  Knochenkohlen  v«m  Maccagnone  bd  Palermo. 

Ueber  den  Inhalt  der  (lenistahühle  von  Gibraltar. 

Urmensch  und  seine  Zeitgenossen. 

Ober  die  Kinnlade  und  Steinwerkzeuge  von  Moulin- 
Quignon. 

Kunstwerke  de«  Urmcn»chen  in  Europa. 

Ueber  da«  angebliche  Vorkommen  von  Menachenknochcn 
in  den  alten  Flussablagerungen  de»  Nil  und  Ganges. 

Alph.  Favre.  Station  de  Thomme  de  Tage  de  la 
Pierre  k Veyrier  pres  de  Geneve.  — Archive« 
des  Sciences  naturelle«  de  la  ßibliothcque  uni- 
verselle. Mara  1868. 


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184 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Nebel  einigen  Hnurthieren,  wie  Rind,  Pferd,  Rennthier 
hat  Rütimeyer  in  den  Knochen  ton  Veyrier  eine  ganze 
Anzahl  alpiner  Thier«  nathge  wiesen , AJpenhase,  Marmel* 
thier,  Steinbock , Schneehuhn,  sowie  Edelhirsch,  Dach«, 
Kaninchen. 

Prof.  Humphry.  On  sorne  point*  in  the  Anatomy 
of  ihc  Chimpanzee.  — Humphry  and  Turner, 
Journal  of  Anatomy  and  Phywology,  May  1867. 
Mit  Tafel. 

Einlässlich«  Verbleichung  der  hinteren  Extremität, 
Knochen  und  Bandappurat , von  Chimpanzee  und  Mensch. 
Die  ganz«  Ordnung  der  Allen  verdient  eher  den  Kamen 
Chiropoden  al»  Quadrumunen,  indem  ein  Hauptcharakter 
ihrer  Extremitäten  darin  beruht,  da**  der  Unterschied  von 
Hand  und  Fw  („Halter**  und  „Geher-)  nicht  scharf  aus- 
gesprochen ist. 

G.  Lartet.  Kote  on  Ovibo«  moachatns.  — Quar- 
terly  Journal  of  the  Geological  Society  of  Lon- 
don, VoL  XXI,  1865,  pag.  174. 

Bisherige  Fundorte  in  Frankreich:  Perry  (Oise),  Gorge 

d’ Enter  (Dordugne),  Viry -Noureuil  (Aisne),  überall  mit 
menschlichen  Gerälbschallen. 

G.  Lar  tot.  Note  nur  deuxtetes  de  Carnaasiers  fos- 
sile« (Ursus  et  Felis)  et  sur  quelques  debris  de 
Rhinoceros  provenant  des  decouvertes  faites  par 
M.  Bourguignat  dans  les  cavemcs  du  Midi  de  la 
France.  — Annales  des  Sciences  naturelles.  Zoo- 
logie, Tome  VIII,  1867,  pag.  157.  Mit  1 Tafel. 

Beschreibung  einer  neuen  fossilen  Speeie*  von  Baer, 
Ursus  Bourguiguati  Lartet,  verwandt  mit  U.  priacus  Goldf., 
und  eine*  Schädel«  von  Felis  Leopardu*  and  Fo«*ilis  au*  der 
Cavcrne  de  Mars  (Alpes  maritimes),  nebst  Di*cu**i»n  über 
Charaktere,  Synonymie  und  geographi»che  Verbreitung  der 
vier  quaternären  Arten  von  Rhinoceros.  (Rh.  ieptorhinus 
Cuv.,  Merkii  Kaup. , etruacu*  Falc.  und  tichorhinus  Cuv.). 

F.  Thioly.  L’epoque  du  Renne  au  pied  du  Mont 
Sal^ve.  Mit  TafeL  Annecy  1868. 

Sculptirte  Knochen  von  Veyrier. 

Wlnwood  Reade.  The  Habits  of  the  Gorilla.  — 
The  American  Naturalist,  Nr.  4,  Juni  1867. 

Einige  Bemerkungen  über  die  Sitten  diese*  Thierea. 
Nord  grenze  seiner  Verbreitung  ist  Cap  St.  John,  SUdgreuze 
wahrscheinlich  Loango;  wie  weit  es  noch  Osten  ins  In- 
nere geht,  ist  unbekannt.  Der  Goriil  ist  ein  polygamisches 
Wanderthier  von  theilweise  terrestrischen  Sitten,  allein  sein 
Seat  zum  momentanen  Bedarf  auf  Bäumen  bauend. 

Prof.  Rolleston.  On  the  domestic  cata,  Felis  do- 


mestica  and  Mustela  foina,  of  ancient  and  modern 
Times.  — Humphry  and  Turner,  Journal  of 
Anatomy  and  Physinlogy,  Novembre  1867. 

Eine  lebhafte  und  gelehrte,  auch  andere  al*  englische 
Quellen  berücksichtigende  Exegese*  über  die  Mäu  ««feinde 
der  Alten.  Der  Verfasser  vermuthet,  das«  bei  den  Griechen 
und  Römern  der  gemeine  Marder  den  Dienst  unserer  Haus- 
katze verrichtete,  da  kein  Beleg  rorliegt.  das«  letztere,  ob- 
schon  «ehr  früh  in  Egypten  gezähmt  (Herodot,  Buch  Ba- 
roch  etc.),  vor  der  christlichen  Zeit  in  Europa  Hauathier 
wurde.  Nach  einer  Bemerkung  von  Pal  lad  iu*  würden 
Katze  und  Marder  noch  zur  Zeit  von  Theodosiu«  in  Ita- 
lien gleichzeitig  als  Hausthiere  gehalten  worden  sein.  Die 
Katze  hiess  «öorfsj,  der  Marder  yaAi1',  welcher  letztere 
Namen  dann  auch  auf  die  Katze,  die  m Ost- Europa  den 
Marder  ersetzte,  überging. 

L.  Rütimeyer.  Lea  Ossemens  de  la  Caverne  de 
Veyrier.  — Revue  Savoisienne,  25  Avril  1868. 

Zu  der  früheren  Liste  von  Thieren  dieser  Localität  sind 
in  Folg«  fernerer  Zusendungen  hinzugekommeu : Steinbock, 
Gemse,  Bär,  Wolf,  Fuchs,  Storch.  Merkwürdig  ist  die 
Verbreitung  der  einzelnen  Speeie*  nach  Individuen  in  der 
von  Thioly  Ausgebeuteten  und  gänzlich  abgeschlossenen 
Localität:  Pferd  b.  Rind  1.  Rennthier  18.  Hirsch  4. 
Steinliock  8.  Gemse  1.  Murmelthier  4.  Ho*«  4.  lür  1. 
Wolf  2.  Fuchs  1.  Schneehuhn  31.  Storch  1.  Angesicht» 
dieser  heut«  wesentlich  alpinen  Fauna  muss  sich  der  Ver- 
dacht aufdringen,  das*  da*  Rennthier  in  Veyrier  nur  als 
Hausthier  gelebt  hüben  mochte,  wofür  sowohl  seine  starke 
Verbreitung  als  sein  tonst  kaum  erklärlich««  heutiges  Feh- 
len in  den  Alpen  zu  sprechen  scheint. 

L.  Rütimoyor.  Die  Grenzen  der  Thierwelt,  eine 
Betrachtung  zu  Darwin’*  Lehre.  Zwei  Vorträge, 
Herrn  K.  E.  v.  Baer  gewidmet,  72  Seiten,  8°. 
Basel,  Schweighauuer  1868. 

Eine  Besprechung  der  Wirkung  des  gegenwärtigen  Stan- 
de« der  Naturgeschichte  der  Organismen  auf  die  Beurtei- 
lung der  Grenzen  zwischen  Thier  und  PHaaze  einerseits, 
Thier  und  Mensch  andererseits.  a 

Wagner,  Moritz.  Die  Darwinsche  Theorie  und 
da*  Migrationsgesetz  der  Organismen.  München 
1868. 

Eine  inhaltreiche  Abhandlung,  in  welcher  der  Verfasser 
nachweist,  da*»  da«  Gesetz  der  natürlichen  Zuchtwahl, 
welche«  er  in  allen  seinen  Folgerungen  anerkennt,  in  Ver- 
bindung mit  dem  ixolhweudigeo  Migrationsbcstrchrn  der 
Organismen  ausreicht  und  sogar  allein  im  Stande  ixt , die 
Entstehung  von  unzähligen  Arten  und  Abarten  der  Orga- 
nismen zu  erklären.  Allein  Zuchtwahl  und  Migration  be- 
dingen sich  dabei  gegenseitig. 


V. 

Allgemeine  Anthropologie. 

Bartol,  C.  A.  Man’*  Place  in  the  Creation.  — (The  Boardman,  Goo.  D.  The  scriptural  Anthropology. 
Radical,  Boston,  Juli  1867.)  — Baptist  Quarterly.  Philadelphia,  April  1867.) 


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185 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Boltz,  Dr.  A.  Die  Sprache  und  ihr  Leben.  Po- 
puläre Briefe  übor  Sprachwissenschaft.  Leipzig 
1*68,  8°. 

Coudoroau.  Sur  ce  qu'on  entend  par  la  civilisa- 
tion.  — Bulletins  de  la  societe  d Anthropologie 
de  Paris,  2d*  Serie,  Tome  II,  1867,  S.  411. 

Crawfurd.  On  the  plurolity  of  the  races  of  man. 
— Transactions  of  the  ethnological  society  of 
London.  New  series,  Vol.  VI,  S.  49,  1868. 

Crawfurd.  On  the  origin  and  History  of  writtou 
language.  — Transactions  of  the  ethnological 
society  of  London  1867,  Vol.  V,  S.  96. 

Farrar.  Aptitudes  of  race«.  — Transactions  of  the 
ethnological  society  of  London  1867 , Vol.  V, 
S.  115. 

Fdtis.  Sur  un  nouveau  mode  de  Classification  des 
races  humaines  d’apres  lenrs  Systeme«  musicaux. 
— Bulletins  de  la  societe  d' Anthropologie  de  Pa- 
ris. 2d*  serie,  Tome  II,  1867,  S.  134. 

Hardhock.  On  the  dorivation  of  Man  from  theMon- 
key.  — (Atlantic  Monthly,  Boston,  März  1867.) 

Jaeger,  Dr.  GuBtav.  Ueber  den  Ursprung  der 
menschlichen  Sprache.  — (Ausland  1867,  Nr.  42, 

47.) 

LettMtswerth«  Aufsätze , interessant  durch  de*  Autor« 
Beobachtungen  über  die  Articulationen  der  Thier«. 

Lagneau.  Du  recrutement  de  l’armee  sous  le  rap- 
port  anthropologique.  — Bulletins  de  la  societe 
d1  Anthropologie  de  Paris,  2***  Serie,  Tome  II,  1867, 
S.  335,  aus:  Gazette  hebdomaire  de  medecine  et 
de  Chirurgie,  19  Avril  1867,  Nr.  241 

Letourneau.  Sur  les  phases  sociales.  — Bulletins 
de  la  societe  d' Anthropologie  de  Paris , 2d#  serie, 
Tome  II,  1867,  S.  378. 

Lombard.  Influence  de  la  race  sur  la  mortalitc 
selon  les  saieons.  — Bulletins  de  la  societe  d'An- 
thropologie  de  Paris,  2d*  serie,  Tome  II,  1867, 
8.  366. 

Jm  Allgemeinen  unterliegen  io  Afrika  (Algerien)  dir  ein- 
heimj«chen  Racco  (Neger,  Araber)  mehr  im  Winter,  Euro- 
päer im  Sommer;  eben«»  in  Amerika. 

Man  and  the  conditions  that  surround  him;  his 
progress  and  decline,  past  and  present.  New- 
York  1867,  8°.  365  S. 

Müller,  Dr.  Friedr.  Reise  der  österreichischen 
Fregatte  Novara  um  die  Erde  in  den  Jahren 
1857,  1858,  1859.  — Linguistischer  Theil.  Wien 
1867,  4°. 

Professor  Dr.  Friedrich  Müller  war  von  der  kaiser* 
heben  Akademie  der  Wissen  sc  harten  beauftragt  worden, 


da«  von  Hofrath  Dr.  v.  Scberzer  während  der  Novara- 
Keise  gesammelte  linguistische  Material  zu  bearbeiten.  ln 
der  That  konnte  Professor  Müller  über  zahlreiche  neue 
Details  verfügen  und  dergrstalt  dienen  Band  veröffentlichen, 
in  welchem  ursprünglich  beabsichtigt,  eine  anthropologische 
Uebersicht  der  von  der  Novara  besuchtet»  Völker  und 
Stämme  zu  geben.  Scher*  er’»  linguistische Sammlungen 
erwiesen  »ich  jedoch  ab  so  zahlreich,  das«  man  beschloss, 
sie  getrennt  von  dem  anthropologischen  Theile  zu  bearbei- 
ten. Professor  Müller  beabsichtigt  in  dem  vorliegenden 
Werke  nur  uns  mit  den  Idiomen  der  Ton  der  Novara  be- 
suchten Völker  bekannt  ru  machen  und  tbeilt  deshalb  sein 
Buch  in  vier  Abschnitt«:  Die  afrikanischen , indischen, 

australischen  und  malaro  - poly nrsischen  Sprachen.  V on 
den  afrikanischen  Mundarten  behandelt  er  nur  jene,  welche 
nicht  von  Negern  gesprochen  werden,  nämlich  die  Hotten- 
toten,  die  Bantu  und  die  hmnitischen  Idiome.  Am  ma- 
gersten fiel  natürlich  der  Abschnitt  über  die  Sprachen  de« 
australischen  Festlandes  und  Tasmaniens  aus.  Der  erklä- 
rende Text  ist  klar,  deutlich,  ohne  rhetorisebm  Aufwand 
und  bietet  für  jedes,  dem  linguistische  Urographie  nicht 
gänzlich  fremd  ist,  reiche  Details  und  unschätzbare  An- 
haltspunkte wegen  »einer  durchsichtigen  und  kritischen 
OaoMficining  der  Sprachen,  selbstverständlich  so  weit  die« 
unsere  dermaiigrn  Kenntnisse  gestatten.  V*  H. 

Poilorin.  Ce  qtTil  faut  extendr©  par  le  raot  civi- 
lisatiou.  — Bulletins  de  la  societe  d’Anthropolo- 
gie  de  Porisi,  2d*  serie,  Tome  II,  1867,  S.  443. 

Pesch el,  Oscar.  Die  Rückwirkung  der  I Ander- 
gestaltung auf  die  menschliche  Gesittung.  — 
Ausland  1867,  Nr.  39,  40,  43,  47;  1868,  Nr. 
8,  13. 

Pruner-Bey.  Sur  la  languo  euskuara,  parleo  par 
les  Basques.  — Bulletins  de  la  societe  dAnthro- 
pologie  de  Paris,  2d*  serie,  Tome  II,  1867,  S.  39. 

Biecke,  C.  F.  Ueber  den  Ursprung  der  Sprachen, 
Sagen  und  Mythen.  Nordhausen  1867,  8®.  95  8. 

Sprague,  Charles  F.  Darwinian  Theory.  — The 
Atlantic  Monthly.  Boston  1866,  Octob. 

Steinthal.  Ueber  den  Ursprung  der  Sprache.  — 
Zeitschrift  für  Sprachwissenschaft  V,  1,  1868. 

What  is  the  Special  Influence  of  Spiritual  Thought* 
on  the  Human  Physiognomy  and  Character.  — 
Occident  (the)  and  American  Jewish  Advocate, 
Dec.  1865. 

Wkitney,  W.  D.  On  the  teetimony  of  language 
respecting  the  Unity  of  the  Human  Raoe.  — 
(North  Amer.  Review,  Juli  1867,  Boston.) 

Whitney,  W.  H.  Language  and  the  study  of 
language;  a course  of  lectures  on  the  principles 
of  linguistic  Science.  London  1867,  8®.  500  S. 

Wilder,  Alexand.  M.  D.  Intermarriage  between 
kindred.  — American  Eclectic  Medical  Review 
(New  York),  July  1867. 


Archiv  Ifir  Anthropologie.  Bd.  III.  lieft  II. 


24 


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186 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


VI 


Aus  den  Verhandlungen 

1.  Anthropological 

Cleghorn.  Is  the  cbaracter  of  the  Scotch  the  Ex- 
pression of  the  Soil  of  Scotland?  — Journal  of 
the  anthrop.  foc.  of  London.  Sitzung  vom  19. 
Novemb.  1867,  Nr.  20,  January  1868,  S.  XXI. 

Verfasser  rindet  die  Bevölkerung  im  Orten  und  Werten 
Schottlands  sehr  verschieden  und  dass  diese  Verschieden- 
heit in  ursächlicher  Beziehung  zur  Rodenver»t:hiedrnbeit 
«tehe.  Eine  Linie,  die  von  Dutnhurton  gegen  Sandside  io 
Oiithnes«  laute,  theile  Schottland  in  zwei  scharf  getrennte 


gelehrter  Gesellschaften. 

society  of  London. 

geologische  Regionen,  von  denen  die  östliche  dem  Glet- 
»cherlehm  (boulder  clay)  angehöre.  Auf  letzterem  wach- 
sen x.  B.  in  CailhneM  „the  best  cereals,  cattle  and  men44 
um!  wo  er  fehle  „tbe  corn,  cattle  and  men  were  mise- 
rable44. Dies«  Behauptung  fan  \ mehrfache  Gegner,  die 
eher  geneigt  waren  die  Verschiedenheit  als  eine  Racenver- 
•chiedcnhcit  — Galen  und  Angelsachsen  — zu  betrachten, 
von  denen  die  crsiere»  gebirgige,  letztere  Hache  Gegenden 
vorziehen. 


2.  Socidte  d’anthropologie  de  Paris. 


M agitot.  Recherche«)  uthnologiquog  et  statistiques 
sur  leg  altcrations  du  Systeme  dentaire.  — Bul- 
letins de  la  Bocietu  d’Antbropologie  de  Paris, 
2de  serie,  Tome  II,  1,  1867,  8.  71. 

Magitot  hat  die  Verbreitung  der  Zahncarie*  in  ver- 
schiedenen Gegenden  Frankreichs  und  ihre  Ursachen  atu- 
dirt.  E*  liegen  diese  mich  seiner  Mcinuug  weder  in  der 
Nahrung,  noch  im  Wasser  etc.,  soudern  es  sind  ererbte, 
die  Zahiivcrderbniss  somit  ein  Kacencbarakter.  Da  Verlust 
«der  Verderbnis*  der  Zähne  vom  Militärdienst  befreit  und 
Carte*  die  vorzügliche  Ursache  vorgenannter  Mängel  ist, 
so  können  die  Hecrutirungslistrn  über  die  Verbreitung 
derselben  Aufschluss  geben.  Nach  französischem  Geseu 
findet  Befreiung  vom  Militärdienst  statt:  1)  bei  Verlust 

oder  Caries  der  Schneide-  oder  Eckzähne  ln  einem  der 
Kiefer;  2)  bei  Verlust,  Carle»  oder  sonstigem  schlechten 
Zustand  der  übrigen  Zähne.  In  14  Jahren  (1850-1664) 
waren  unter  3,192,612  Untersuchten  26,462  au*  den  ge- 
nannten Ursachen  befreit  (=  VSj  der  Befrei ungs- Ursachen 
wegen  Krankheit).  Darnach  verthei It  sich  die  Caries  nach 
Departement*  *o,  dos*  in  denjenigen,  in  welchen  die  kleine, 
dunkelhaarige , mehr  brachycepbale  (cellische)  Kace  vor- 


herrscht, der  Ztntuud  der  Zähne  überwiegend  gut,  in  de- 
nen, in  welchen  die  grosse,  blonde,  blauäugige  und  mehr 
dulicbocephak  (kymritche)  Racc  vorherrscht,  überwiegend 
schlecht  ist. 

ln  der  an  diese  Mitteilung  sich  knüpfenden  Discussion 
wurde  von  Üm  alias  d'Hnlloy  insbesondere  auf  den  Ein- 
Hns*  der  geologischen  Verhältnisse  aufmerksam  gemacht, 
die  die  vorgenannte  Verteilung  ganz  gut  erklären.  Pru- 
uer-Bey  wies  auf  den  Einfluss  der  Nahrung  hin.  Wäh- 
rend er  die  KleUchnaliruug  in  dieser  Beziehung  für  schäd- 
lich erklärte,  behaupteten  Broca  und  Moussy,  und  ge- 
wiss mit  Hecht  (Referent),  da*  gerade  Gegenteil. 

Woisbach.  Anthropologie  der  Novara.  — Siehe 
Bulletins  de  la  soeiüte  d’Anthropologie  de  Paris, 
2dc  Serie,  Tome  II,  1867,  8.  621;  siehe  auch 
Ausland  1868,  Nr.  5. 

lieber  die  oben  (S.  139  der  Referate)  besprochenen  Mes- 
sungen hat  sich  im  Schnosse  der  anthropologischen  Ge- 
wi Iw-haft  eine  Discussion  eul-oonnrn,  in  deren  Folge  auch 
die  oben  (S.  165)  angeführte  Arbeit  von  Broca  mitge- 
t heilt  wurde. 


3.  Versammlung  der  britischen  Naturforscher  zu  Dundee  im  September  1867. 


Tho  Dundeo  anthropological  Conference.  — 
Anthrop.  Rov.  1868,  Jan.,  Nr.  XX,  S.  71. — Report 
on  Anthropology  at  the  british  association.  Jour- 
nal of  the  anthrop.  soc.  of  London,  Vol.  V,  Jan. 
1868,  Nr.  XX,  8.  III.  — Martina.  La  37to0  reu- 
nion  de  rassociation  britannique  poor  Tavance- 
ment  des  Sciences  It  Dundee,  en  1867.  Revue 
des  deux  mondee,  Vol.  73,  Jan.  1868,  S.  213. 


Nach  mancherlei  Verhandlungen  wurde  von  den  leitenden 
Autoritäten  der  British  Association  eine  Vereinigung  der 
Anthropologie  mit  der  Geographie  und  Ethnologie  in  eine 
SecLiun  beschlossen  und  *o  eine  unerquickliche  Geschieht« 
helgelegt.  Zu  diesem  günstigen  Ausgang  trug  wohl  auch 
die  in  Pari*  erfolgte  Wahl  Murchisou’s  zum  Präsidenten 
de*  im  Jahre  1Ö68  in  England  tagenden  internationalen 
Congresses  für  Anthropologie  und  vorhistorische  Archäolo- 
gie das  Ihrige  bei. 


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DAS  CRÄBERFELO  beim  HINKELSTEIN 

lin ut it  Muiislii'ini  (Hlii'inlii'Surii.) 


Tafel  / 


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DAS  CRABERCELD  beim  HINKELSTEIN 

imweil  Muiittht'im  IKIifinlicssm  ) Tafrt  U 


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ARCHIV 

FÜR 

ANTHROPOLOGIE. 


ZEITSCHRIFT 

fOb 

NATURGESCHICHTE  UND  URGESCHICHTE 

DM* 

MENSCHEN. 


II  KRAU  SCI  KU  KB  RN  * 

TOS* 

C.  E.  V.  Baer  in  St  Petersburg,  E.  Desor  in  Neuenburg, 

A.  Eoker  in  Freiburg,  W.  Hia  in  Basel,  L.  Lindensohmit  in  Mainz, 

G.  Luoae  in  Frankfurt  a.  M.,  L.  Rütimeyer  in  Basel,  H.  Sohaaffhausen  in  Bonn, 
O.  Vogt  in  Genf  und  H.  Weloker  in  Halle. 

Unter  der  Rcdaction 

von 

A.  Eoker  und  L.  Lindenschmit. 


Dritter  Band. 

Mit  in  den  Text  eingedruckten  Hnlxntichnn  und  litbngraphirtou  Tnfelu. 


Drittes  und  viertes  Heft 

(Schluss  des  dritten  Randes.) 


BRAUNSCHWEIG, 

»RUCK  UND  VKIU.AU  VUN  FRIEDRICH  VIKWEU  UND  8ÜHN. 

1 8 6 9. 


INHALT  DES  DRITTEN  UND  VIERTEN  HEFTES. 


Seite 

XI.  Die  durchbohrten  Gerithe  der  Steiuperiode.  Von  Carl  Rau  in  Ncw-York 187 

XII.  Tabellen  zur  Ausschreibung  der  Breiten*  and  Höhenindices.  Von  II.  Welcher 197 

XIII.  Zar  Entwicklungsgeschichte  der  Furchen  und  Windungen  der  Urosshirn-Heinisphären  im  Foetus 

des  Menschen.  Von  A.  Ecker.  Hierzu  Tafel  I— IV 203 

XIV.  üeber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  auf  den  Großhirnhemisphären  des 

Menschen  und  der  Affen.  Von  Dr.  Ad.  Pansch  in  Kiel.  Hierzu  Tafel  V — VIII 227 

XV.  Die  Lehre  Darwin’s  und  die  Anthropologie.  Von  H.  Schaaffhausen  . . 259 

XVI.  Sind  das  Stein-,  Bronze-  und  Eisenalter  der  vorhistorischen  Zeit  nur  die  Entwicklungsphasen  des 

Culturzustandes  eines  Volkes  oder  sind  sie  mit  dem  Auftreten  verschiedener  Völkerschaften 
verknüpft?  Eine  antiquarische  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maack  in  Kiel 267 

XVII.  Kleinere  Mittheilungen,  Referate,  Miaccllen  etc. 

I.  Kleinere  Mittheilungen. 

Antiquarische  Funde  in  Ungarn  und  Krain.  Von  Carl  Griesbach  in  Wien  ♦ . . 297 

II.  Referate. 

1.  Rieh.  Owen.  Derivative  Hypotbcsi»  of  Life.  Ref.  von  L.  Rötimeyer  . 299 

2.  L Agassis.  De  l’Espece  et  de  la  Classification.  Ref.  von  L.  Rötimeyer  300 

3.  E.  Haeckel.  Ueber  die  Entstehung  und  den  Stammbaum  de»  Menschen- 

geschlecht«. Ref.  von  L.  Rötimeyer  301 

4.  E.  Haeckel.  Natürliche  Schöpfungsgeschichte.  Ref.  von  L.  Rötimeyer  301 

5.  J.  B.  Davis.  Thesaurus  craniorum.  Ref.  von  H.  Wolcker  .......  302 

6.  Reise  der  österreichischen  Fregatte  Novara  um  die  Erde.  Anthro- 

pologischer Theil,  dritte  Abtheilung:  Ethnographie  von  Dr.  F.  Müller. 

Ref.  von  H.  Welcker  . 303 

7.  v.  Luschka,  Koch,  Götte,  Görtz.  Anatomische  Untersuchung  eines 

. Buschweibes.  Ref.  von  A.  Ecker 306 

8.  Gerl  and.  Ueber  das  Auasterben  der  Naturvölker 308 

9.  Bleck.  Ueber  den  Ursprung  der  Sprache.  Ref.  von  H.  Schaaffhausen  308 

10.  Wechniakoff.  1)  Ebauche  d’une  economie  de«  travaux  ucientifique*. 

2)  Recherche»  sur  les  condition«  anthropologiques  de  la  production  pcien- 
tifique  et  esthetique.  Ref.  von  II.  Schaaffhausen 312 

11.  v.  Maack.  Urgeschichte  des  Schleswig-Holsteinischen  Landes.  I.  Theil. 

Ref.  von  II.  Schaaffhausen . . 314 

]2.  Nils  so  n.  Das  Steinalter  oder  die  Ureinwohner  des  skandinavischen  Nor- 
dens. Ref.  von  Kreisgerichtsrath  Rosen berg  in  Neu-Ruppin  ....  316 
13.  Schaaffhausen.  Ueber  die  Urform  des  menschlichen  Schädels 321 

III.  Miscellen . 323 

XVIII.  Verhandlungen  wissen schaftlicher  Versammlungen. 

I.  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  Section  für  Anthropologie  und  Ethnologie 
bei  der  42.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in 

Dresden.  Von  H.  Schaaffhausen 327 

II.  Internationaler  Congress  für  Alterthumskundc  und  Geschichte  in  Bonn. 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  Section  für  Urgeschichte.  Von 
H.  Schaaffhausen 332 

III.  Berieht  über  den  internationalen  Congress  für  Anthropologie  und  vor- 

historische Archäologie  in  Paris.  Von  11.  Schaaffhausen 339 

IV.  Verhandlungen  des  internationalen  Cougresses  für  Anthropologie  und  vor- 

historische Archäologie  zu  Norwich 350 

XIX.  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 

I.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt  353 

II.  Anatomie.  Von  A.  Ecker 372 

HI.  Ethnographie  und  Reisen. 

1.  Allgemeines.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien  376 

2.  Europa.  Von  F.  v.  Hollwald  in  Wien 377 

8.  Aden.  Von  Dr.  A.  Bastian  in  Berlin 881 

4.  Australien  und  Oceanien.  Von  Prof.  Meinicke  in  Dresden 390 

5.  Afrika.  Von  Prof.  R.  Hartmann  in  Berlin 392 

Ö.  Amerika.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien 395 

IV.  Zoologie  in  Beziehung  zur  Anthropologie.  Von  L.  Rötimeyer 399 

V.  Allgemeine  Anthropologie  400 


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XL 

Die  durchbohrten  Geräthe  der  Steinperiode. 

Von 

Carl  Rau 

Ln  Xew  York. 


Einige  Archäologen,  unter  denen  Sir  John  Lubbock,  neigen  sich  zu  der  Ansicht,  dass 
dio  in  Europa  vorkommenden  durchbohrten  steinernen  Aexte  und  Hämmer  überhaupt  dem 
Anfänge  der  Bronzeperiode  angehören.  Ohne  Zweifel  sind  manche  der  erwähnten  Geräthe 
jener  Periode  beizuzählen,  da  sie  in  alten  Grabstätten  in  Gemeinschaft  mit  Gegenständen  von 
Bronze  angetroffen  werden,  und  man  überdies  weis«,  dass  überall  steinerne  Waffen  und  Werk- 
zeuge noch  lange  nach  der  Einführung  von  Bronze  verfertigt  und  gebraucht  wurden.  Diese 
Thatsacben  berechtigen  jedoch  keineswegs  dazu,  sämmtliche  mit  Schaftlöchern  versehenen 
Steingeräthe  der  Periode  zuzuschreiben,  in  welcher  die  Anwendung  der  Bronze  bereits  be- 
kannt war;  im  Gegentheil  dürfte  man  aus  der  Art  und  Weise  des  Vorkommens  mancher 
dieser  Gegenstände  und  der  Form  ihrer  Durchbohrung  zu  dem  Schlüsse  gelangen,  dass  sie 
der  eigentlichen  Steinzeit  angehören.  In  dem  von  J.  J.  A.  Worsaae  heransgegebenen  illu- 
8trirten  Kataloge  der  Sammlung  des  Kopenhagener  Museums1)  befinden  sich  elf  Darstel- 
lungen von  durchbohrten  Steingeräthen , welcho  der  Steinzeit  zugeschrieben  sind,  und  die 
Abbildungen  von  Gegenständen  der  Bronzeperiode  beginnen  mit  sieben,  durch  zierliche  Form 
und  äusserst  sorgfältige  Bearbeitung  ausgezeichneten  durchbohrten  Steinäxten.  Obwohl  ich 
nicht  weiss,  unter  welchen  Verhältnissen  diese  der  Stein-  und  Bronzezeit  zugetheilten  Ge- 
räthe gefunden  worden  sind,  so  zweifle  ich  doch  keinen  Augenblick,  dass  der  Herausgeber 
jenes  Kataloge«,  ein  Archäologe  von  anerkanntem  Verdienste,  sich  bei  seiner  Classification  auf 
stichhaltige  Gründe  stützte.  In  verschiedenen,  ausschliesslich  der  Steinzeit  angehörigen  Pfahl- 
bauten sind  durchbohrte  Aexte  und  Hämmer  gefunden  worden,  und  zwar  fünfzig  in  einer 


Vl  Worsaae , Nordiakc  Oldsagcr  i det  Kongdigc  Museum  i Kjöhenhavn,  1359. 

Archiv  für  Authropolügio  B«l.  III.  Heft  J,  24* 


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188 


Carl  Rau 


einzigen  Station,  nämlich  der  von  Nussdorf  am  Uebcrlinger  See.  Desor,  welchem  ich  diese 
Thatsachen  entnehme,  bezeichnet  auch  eine  andere  See-Station  der  Steinperiode,  woselbst 
die  erwähnten  Gegenstände  nur  in  den  oberen  Lagen  der  Fundschicht  Vorkommen,  ein  Um- 
stand, welcher  deshalb  von  Bedeutung  ist,  weil  er,  den  stnfenweisen  Fortschritt  menschlicher 
Geschicklichkeit  während  der  Steinperiode  veranschaulichend,  uns  andeutet,  dass  die  mit 
Schaftlöchem  versehenen  Stcingeräthe  einer  späteren  Phase  jener  Periode  angehören '). 

Eine  genaue  Prüfung  der  Schaftlöcher  europäischer  Stcingeräthe  hat  mich  zu  der  An- 
sicht geleitet,  dass  dieselben  ihre  Entstehung  der  Anwendung  von  zwei  verschiedenen  Bohr- 
methoden, oder  wenigstens  zwei  verschiedenen  Arten  von  Bohrern,  verdanken.  Die  besser 
gebohrten  Löcher  sind  von  gleichmässiger  Weite,  glänzend  glatt,  und  zeigen  in  kleinen  Ab- 
ständen ringförmige  Furchen  oder  Einschnitte,  welche  mit  der  durch  das  Loch  gebildeten 
Kreislinie  parallel  laufen.  Diese  Durchbohrungen  sind,  nach  meiner  Ansicht,  mit  einem  boh- 
len Cylinder,  der  wohl  in  manchen  Fällon  aus  Bronze  bestand,  bewerkstelligt  worden,  und 
ich  möchte  die  auf  diese  Weise  durchbohrten  Stcingeräthe,  zum  Theil  wenigstens,  der  Bronze- 
zeit zuschreiben,  um  so  mehr,  da  sie  in  ihrer  äusseru  Form  nicht  selten  eine  Vollendung 
wahrnebmen  lassen,  die  während  der  eigentlichen  Steinperiode  wohl  kaum  erreicht  wurde. 
Bei  anderen  Werkzeugen  sind  die  Löcher  ebenfalls  mehr  oder  weniger  glatt , ohne  jodoch  die 
eben  erwähnten  ringartigen  Furchen  zu  zeigen,  und  verengen  sich  bisweilen  in  der  Mitte, 
so  dass  hier  eine  Hervorragung  gebildet  wird,  wie  Fig.  14  veranschaulicht.  Diose  Löcher  sind 
augenscheinlich  von  zwei  Seiten  gebohrt,  und  zwar  nicht  mit  oinem  hohlen  Cylinder,  son- 
dern vermittelst  eines  soliden  Körpers,  wahrscheinlich  eines  hölzernen  Stabes.  Die  mit 
solchen  Durchbohrungen  versehenen  Aexto  und  Hämmer  stammen,  nach  meinem  Dafürhalten, 
vorzugsweise  aus  der  Steinperiode.  Bei  jeder  der  erwähnten  Bohrarten  muss  natürlich  die 
Anwendung  von  hartem  Sand  und  von-Wasser  vorausgesetzt  werden,  und  ersterer  ist  über- 
haupt als  das  eigentliche  Bohrmittel  zu  betrachten. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  verschiedene  europäische  Aexte  und  Hämmer  mit  angef&ngenon 
oder  nur  halb  vollendeten  Bohrlöchern  zu  sehen,  und  die  Beschaffenheit  der  letzteren  tmg 
wesentlich  dazu  bei,  mich  in  den  eben  ausgesprochenen  Ansichten  zu  bestärken.  Während 
Fig.  14.  Fig.  15.  Fig.  IG. 


nämlich  einige  dieser  unvollendeten  Löcher,  und  gerade  solche,  an  denen  man  die  ringför- 
migen Furchen  bemerkt,  am  Boden  eine  kegelartige  Hervorragung  zeigen,  die  augen- 
scheinlich auf  ein  hohles  Bohrwerkzeug  hinweist  (Fig.  1 lässt  sich  bei  anderen  (Fig.  lb)  nur 


*)  Desor.  I’nlafittp*.  or  Laousirmu  Constructions  of  the  Lake  of  Xernrhute].  Smithsonian  Report  für  l?ft.r>f 
S.  359.  — Als  Obige*  bereits  niedergeschriebert  war,  erhielt  ich  von  dem  Eigen tbüm er  und  Erforscher  des 
Pfahlwerkes  zu  Hohenhausen,  Herrn  Mossikommer»  einen  Brief,  worin  er  mir  mittheilt,  dass  er  auf  der  ge- 
nannten Stätte,  welche  keine  Gegenstände  von  Bronze  liefert,  im  Jahru  1HG5  einen  uub  Serpentin  gefertigten 
durchbohrten  Hammer  gefunden  hat. 


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Die  durchbohrten  Geräthe  der  Steinperiode.  189 

eine  runde,  sich  verengende  Vertiefung  wahrnehmen,  wie  sie  ein  als  Bohrinstrument  ange- 
wandter Holzstab  hervorbringt Ich  würde  letztere  Behauptung  nicht  so  zuversichtlich  aus- 
sprechen, wenn  mich  nicht  die  Resultate  angestellter  Versuche  hierzu  berechtigten : es  ist  mir 
nämlich  gelungen,  einen  harten  Stein,  ohne  irgend  welche  Anwendung  von  Metall,  mit  einem 
hölzernen  Stabe  vermittelst  Sand  und  Wasser  zu  durchbohren.  Die  Bekanntmachung  des 
hierbei  angewandten  Verfahrens  ist  der  eigentliche  Zweck  dieses  Aufsatzes,  welcher,  wie  ich 
hoffe,  manchen  Archäologen  nicht  unwillkommen  sein  wird. 

Zunächst  will  ich  eine  Beschreibung  meines  Bohrwerkzeuges  (Fig.  17)  geben,  welches  das 
nämliche  ist,  dessen  sich  in  früheren  Zeiten  die  Irokesen  zu  einem  andern  Zwecke,  nämlich 

zur  Erzeugung  von  Feuer  durch  Reibung  bedienten. 
Morgan  hat  dasselbe  beschrieben  und  abgebildot a). 
Es  besteht  aus  einem  rund  gearbeiteten,  etwa  vier 
Fuss  langen  Stocke,  der  oben  einen  Zoll  Durch- 
messer hat,  sich  jedoch  nach  unten  langsam  ver- 
jüngt, und  hier  mit  einer  aus  schwerem  llolze  ver- 
fertigten massiven  Scheibe  versehen  ist,  wodurch 
ihm  die  erforderliche  Schwungkraft  initgetheilt 
wird.  Ein  Bogen  oder  gekrümmter  Stab  von  etwa 
drei  Fuss  Länge,  an  dessen  Enden  eine  starke 
Schnur  befestigt  ist,  bildet  den  zweiten  Theil  des 
Werkzeugs.  Beim  Gebrauche  passt  man  die  Schnur 
des  Bogens  in  einen  quer  durch  die  Mitto  des  oberu 
flachen  Endes  des  Stockes  angebrachten  Einschnitt, 
und  wickelt  sie  in  der  auf  der  Zeichnung  angege- 
benen Weise  um  den  Stock.  Alsdann  fasst  man 
den  Bogen  mit  beiden  Händen  und  drückt  ihn  mit 
einem  heftigen  Rucke  abwärts.  Hierdurch  wird 


Fig.  17. 


I)  Ei  war  mir  von  besonderem  Interesse,  in  einem  Werke  von  Dr.  Gustav  Klemm  (Allgemeine  Cultur- 
wireenschafl,  Weifen  und  Werkzeuge;  Leipzig  1854,  S.  79)  meine  Ansichten  in  gewissem  Grade  bestätigt  zu 
finden,  weshalb  ich  die  betreffende  Stelle  in  den  Worten  des  Verfassers  anfuhre: 

„ln  welcher  Weise  und  mit  welchen  Hülfsmitteln  wurden  diese  zum  Thei!  überaus  harten  Klingen 
durchbohrt?  Man  hat  unfertige  oder  angefengene  Durchbohrungen  gefunden;  ans  dem  kreisrunden  Loch  stand 
ein  Kern  hervor,  der  Gutsmuths  auf  die  Krage  führte:  Wie  durchbohrte  dor  ullo  Germane  seine  Streitaxt? 
(Morgenblatt  1832,  Xr.  253.)  Kr  sprach  die  Ansicht  aus,  dass  die»  mittelst  eines  metallenen  Cylinders  geschehen 
sei,  den  die  Alten  nach  Art  der  zahnlosen  Steinschneidersägen  mit  Smirgel  snwendeten.  Er  fand  eine  loter- 
stötzung  seiner  Ansicht  in  der  grossen  Regelmässigkeit  dur  Löcher,  der  Glätte  ihrer  Innenseite  ond  in  ein- 
gedruckten Windungen,  die  er  als  Spuren  eben  jenes  Cylinders  betrachtete.  Im  Jahre  1840  erhielt  ich  durch 
die  Güte  meines  verewigten  Freundes,  Herrn  Oberhofgerichtsrath*  von  Zehmen,  einen  bei  Wciasig,  unweit 
Camenz,  gefundenen  bronzenen  Cylimler  von  fünf  Zoll  Länge  und  droiviertel  Zoll  Durchmesser,  tjpr  ganz  mit 
edlem,  dunkelgrünem  Roste  bedeckt  ist,  und  von  mir  lange  Zeit  als  du,  Instrument  angesehen  wurde,  womit 
alle  Steinäxte  gebohrt  worden.  Fortgesetzte  Beobachtung  belehrte  mich  jedoch,  dass  neben  dieser  doch  auch 
andere  Methoden  stattgefunden  haben  könnten.  Eine  auf  zwei  Seiten  angebohrte  Steinaxt  meiner  Sammlung 
zeigt  deutlich,  dass  bei  diesem  Exemplar  wenigstens  durchaus  nicht  an  einen  cjdindrischen  Bohrer  tu  denken 
ist,  dass  vielmehr  die  beiden  «mischen  Löcher  mit  einem  festen  Körper  allgemach  mühsam  genug  zu  Stande 
gebracht  worden  sind.“ 

s)  Morgan,  Leaguc  of  the  Iroquoit,  Kodierter  1851,  S.  381. 


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190 


Carl  Rau, 


die  Schnur  abgewickelt  und  der  Stock  nach  link«  gedreht;  aber  durch  die  dem  Stocke  mit- 
getheilte  Schwungkraft  wird  die  Schnur  in  entgegengesetzter  Richtung  wieder  um  denselben 
gewickelt  und  der  Bogen  wieder  in  die  Höhe  gezogen.  Ein  zweiter  Ruck  am  Bogen  be- 
wirkt, dass  der  Stock  sich  nach  rechts  dreht.  Man  fahrt  in  der  angegebenen  Weise  fort, 
und  der  Stock  wird  nun  abwechselnd  in  entgegengesetzten  Richtungen  herumgeschwungen. 
Man  hat  es  ganz  in  seiner  Gewalt,  den  Apparat  langsam  oder  schnell,  gelinde  oder  heftigTar- 
beiteu  zu  lassen ; doch  erfordert  es  einige  Uebung,  denselben  in  wirksamer  Weise  zu  ge- 
brauchen. 

Der  Stein,  an  welchem  ich  meinen  Versuch  anstellte,  ist  ein  flaches,  ovales  Stück  Dio- 
rit  von  grosser  Härte,  nicht  ganz  sieben  Zoll  lang,  etwa  fünf  Zoll  breit  und  in  der  Mitte 
ls , Zoll  (35  Millimeter)  dick.  Ich  wählte  gerade  diese  Gesteinsart,  weil  sie  in  Europa  mit 
Vorliel»e  zu  Aexlen  verwendet  worden  ist  Sie  vereinigt  Härte  mit  Zähigkeit,  und  hat  auch 
in  Nordamerika  den  Indianern  vorzugsweise  den  Stoff  für  ihre  Aexte,  Meissei,  Keile  und 
Stampfer  geliefert  Der  von  mir  gewählte  Stein  ist  so  hart,  dass  die  Spitze  eines  guten 
Federmessers  auf  demselben  keinen  Ritz,  sondern  nur  einen  metallisch  glänzenden  Strich 
hervorbringt  Das  beim  Bohren  angewandte  Material  bestand  in  reinem,  scharfkantigem 
Quarzsande  von  mittlerem  Korne.  Ich  gebrauchte  auch  für  eine  kurze  Zeit  Smirgel ; da  ich 
jedoch  fand,  dass  dieser  die  Arbeit  nicht  mehr  forderte  wie  Sand,  so  fuhr  ich  fort,  den  letz- 
teren anzuwenden. 

Um  den  Beginn  des  Bohrloches  zu  ermöglichen,  befestigte  ich  ein  viereckiges,  anderthalb 
Zoll  dickes  Brettchen,  in  welches  ich  ein  dem  untern  Durchmesser  des  Bohrers  entsprechen- 
des rundes  Loch  geschnitten  hatte,  mit  einer  Schnur  gerade  über  der  Stelle  des  Steines,  wo 
ich  das  Loch  ansetzen  wollte.  Diese  Vorrichtung  habe  ich  überhaupt  fortwährend  beit, (‘halten, 
weil  sonst  der  Bohrer  bei  der  Arbeit  beständig  aus  dem  Loche  herausgesprungen  sein  würde. 
Nach  diesen  Vorbereitungen  konnte  ich  mein  Werk  beginnen,  welches  zwar  nicht  sonderlich 
anstrengend,  aber  über  alle  Massen  zeitraubend  war,  und  meine  Geduld  mehr  wie  irgend 
eine  andere  von  mir  unternommene  Arbeit  auf  die  Probe  stellte.  Ich  konnte  cs  nie  über 
mich  gewinnen,  länger  wie  zwei  Stunden  hinter  einander  zu  arbeiten,  und  oft  legte  ich  den 
Stein  für  Wochen  und  Monate  bei  Seite,  bis  ich  wieder  hinreichende  Energie  gesammelt 
hatte,  um  fortzufahren.  Daher  dauerte  es  zwei  volle  .Jahre,  bevor  ich  die  Durchbohrung  voll- 
endete. Ich  kann  nicht  angeben,  wie  viele  Stunden  ich  im  Ganzen  auf  die  Arbeit  verwandt 
habe,  aber  ich  gelangte  durch  Messung  zu  dem  Resultate,  dass  zweistündiges  angestrengtes 
Bohren  durchschnittlich  das  Loch  nur  um  die  Dicke  einer  gewöhnlichen  Bleistiftlinie  ver- 
tiefte. Die  Arbeit  würde  unvergleichlich  schneller  von  Statten  gegangen  sein,  wenn  ich  statt 
des  harten  Dioritos  eine  weichere  Steinart,  z.  B.  Serpentin,  gewählt  hätte;  es  war  mir  aber 
darum  zu  thun,  meinen  Versuch  an  einem  harten  Gesteine  auszufiihren.  Alle  fünf  oder  sechs 
Minuten  musste  das  Bohrloch  durch  Eintauchen  des  Steines  in  Wasser  gereinigt  werden,  da 
nach  Verlauf  dieser  Zeit  der  Sand  zermahlen  war,  und  mit  dem  Wasser  und  den  abgerie- 
henen Holzthei leben  des  Bohrers  einen  Schlamm  bildete,  der  nicht  ferner  als  Bohrmittcl  taug- 
lich war.  Die  nach  jeder  Reinigung  eingeführte  Quantität  Sand  kam  ungefähr  dem  Inhalte 
eines  Theclöfl'cls  gleich.  Die  Abnutzung  und  daraus  entspringende  Verkürzung  des  Bohrstockes 
war  bedeutend,  weshalb  ich  denselben  zu  wiederholten  Malen  ersetzen  musste.  Der  erste 


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Die  durchbohrten  Gerüthe  der  Steinpcriode.  191 

bestand  aus  zähem  Eschenholze ; zu  den  anderen  verwandte  ich  mit  gleichem  Erfolge  Tannen- 
holz. 

Beim  Beginn  der  Arbeit  zeigte  sich  an  der  Durchbohmngsstelle  eine  glatte  runde  Fläche. 
Diese  erweiterte  sich  allmälig  und  bildete  eine  concave  Vertiefung,  welche  endlich,  als  der 
Stein  lmlb  durchbohrt  war,  eine  conisebe  oder  trichterförmige  Gestalt  annahm.  Jo  tiefer  der 
Bohrer  in  den  Stein  eindrang,  desto  langsamer  ging  die  Arbeit  von  Statten,  weshalb  ich, 
nachdem  ich  die  halbe  Dicko  des  Steines  erreicht  hatte,  auf  der  entgegengesetzten  Seite  ein 
zweites  Bohrloch  ansetzte,  welches  auch  in  der  erforderlichen  Tiefe  dem  ersten  gerade  in 
der  Mitte  begegnete.  Es  war  ursprünglich  meine  Absicht,  ein  Loch  von  etwa  dreiviortel 
Zoll  Durchmesser  zu  bohren;  aber  ich  hatte  die  seitliche  Reibung  des  SandeR  nicht  hin- 
reichend berücksichtigt,  und  so  geschah  es,  dass  die  beiden  entgegengesetzten  conischen  Ver- 
tiefungen, welche  die  Durchbohrung  bilden,  fünfviertel  Zoll  grössten  Durchmesser  erreichten. 
Hätte  ich  einen  um  die  Hälfte  dünneren  Bohrer  gebraucht,  so  würden  dieselben  sowohl  enger, 
als  auch  cylinderformigor  goworden  sein.  Ich  machte  diese  Entdeckung  jedoch  erst,  als  ich 
mit  der  Arbeit  schon  zu  weit  vorgeschritten  war,  um  sie  von  Neuem  zu  beginnen. 

Die  jetzige  Gestalt  der  Durchbohrung  ist  aus  Fig.  18  ersichtlich.  Sio  ist  vollständig  rund 
F'k-  18-  und  glatt,  ohne  jene  Furchen  wahmehmen  zu  lassen,  die  ich, 

wie  schon  bemerkt,  für  die  Merkmale  eines  hohlen  Bohrers 
halte.  Um  die  Aufgabe  durch  Herstellung  eines  vollkommen 
cylinderformigen  Loches  in  erschöpfender  Weise  zu  lösen, 
würde  es  nüthig  Bein,  den  weit  vorspringenden  Rand  zwischen 
den  punktirten  Linien  durch  fortgesetztes  Bohren  zu  ent- 
fernen: eine  Arbeit,  welche  wahrscheinlich  ebenso  lange  Zeit  in  Anspruch  nehmen  würde, 
wie  das  bisher  Geleistete.  Ob  ich  hierzu  hinreichende  Zeit  und  Geduld  haben  werde,  kann 
ich  nicht  sagen;  einstweilen  genügt  es  mir,  vielleicht  eine  der  Methoden  veranschaulicht  zu 
haben,  die  man  in  der  Steinzeit  beim  Durchbohren  von  Stein  befolgte.  Ich  bin  natürlich 
weit  davon  entfernt  zu  behaupten,  der  von  mir  gebrauchte  Apparat  sei  auch  in  vorhisto- 
rischen Zeiten  in  Europa  angewandt  worden;  jedoch  lässt  Bich  die  Möglichkeit  nicht  in  Ab- 
redo  stellen,  denn  ebensowohl  wie  die  Irokesen  ihn  erfanden,  um  Feuer  hervorzubringen, 
können  europüischo  Völker  dahin  gekommen  sein,  sich  desselben  zum  Bohren  zu  bedienen. 
Herr  Desor  hält  es  flir  wahrscheinlich,  dass  ein  Stock,  an  dessen  Ende  Flintsplitter  im  Kreise 
befestigt  waren,  als  Bohrwerkzeug  diente1).  Ein  solches  mag  vielleicht  bei  weichen  Gesteins- 
arten angewandt  worden  sein,  konnte  aber  schwerlich  beim  Bohren  von  harten  Dioriten  und 
Syeniten  dienen.  Ich  habe  selbst  Versucho  gemacht,  und  gefunden,  dass  in  solchen  Fällen 
die  Flintsplittor  schon  bei  den  ersten  Umdrehungen  brechen  und  abspringen.  Aber  von  wel- 
cher Art  auch  die  Mittel  gewesen  sein  mögen,  welche  den  Menschen  des  Steinalters  beim 
Bohren  zu  Gebote  standen,  so  muss  doch  jedenfalls  die  Arbeit  äusserst  zeitraubend  und  be- 
schwerlich gewesen  sein,  und  ihre  auf  mühsame  Weise  zurechtgeschlilTenen  und  durchbohrten 
Qeräthe  müssen  für  sie  einen  sehr  bedeutenden  Werth  besessen  haben.  Dies  deutet  schou 
der  Umstand  an,  dass  nicht  selten  die  mit  Schneiden  versehenen  Hälften  ipier  durch  das 


*)  I'ülafittcb,  S.  350- 


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192 


Carl  Rnu, 


Schafllocb  gebrochener  Steinäxte  gefunden  worden  sind,  welche  man  durch  das  Bohren  eines 
zweiten  SchafUoches  wieder  brauchbar  gemacht  hatte.  — 

In  Nordamerika  war  vor  der  Ankunft  der  Europäer  die  Steinaxt  mit  rings  herum- 
laufender Vertiefung,  Tomahawk  >)  genannt,  das  übliche  Werkzeug.  Durchbohrte  Aexte  oder 
axtartige  Geräthe  kommen  jedoch  ebenfalls,  wenn  auch  selten,  vor.  Die  Figuren  10,  20  und 
21  stellen  Formen  derselben  dar.  Die  meisten  derjenigen,  welche  ich  gesehen  habe,  bestehen 
aus  einem  ziemlich  weichen  grünlichen  Steine  mit  dunkleren  Streifen  oder  Flecken  (nicht  Ser- 
pentin), der  eine  schöne  Politur  annimmt.  Da  sic  mei- 
stens klein  und  besonders  sorgfältig  gearbeitet  sind, 
und  ihr  Material  sie  ausserdem  zum  Gebrauch  untaug- 
lich macht,  so  unterliegt  es  kaum  einem  Zweifel, 
dass  sie  als  Abzeichen  der  Wurde  dienten,  und,  an 
einem  Griffe  befestigt,  von  den  Häuptlingen  gleich- 
sam als  Kommandostäbe  getragen  wurden9).  Ich 
weiss  aus  Erfahrung,  dass  sie  vom  Mississippi  bis 
zur  atlantischen  Küste  verkommen.  Der  eigen- 
tümliche Stein,  aus  dem  sie  bestehen  und  welcher 
ebenfalls  zur  Anfertigung  anderer  kleiner  Gegenstände  benutzt  wurde,  mag  wohl  einen  Tausch- 
artikel gebildet  haben.  Die  Durchbohrungon  dieser  Aexte  sind  äusseret  regelmässig,  und 
rüliren  augenscheinlich  von  hohlen  Werkzeugen  her.  In  vielen  Fällen  sind  die  Bohrringe 
deutlich  wahrzunehmen. 

Ich  muss  jedoch  hier  noch  einer  besonderen  Gattung  von  indianischen  Aexten  Erwäh- 
nung thun,  welche  die  Eigentümlichkeit  besitzen,  nur  theil weise  durchbohrt  zu  sein.  Aller- 
dings habe  ich  dieselben  nicht  häufig  gesehen,  aber  doch  in  hinreichender  Zahl,  um  zu  der 
Ueberzeugung  zu  gelangen,  dass  die  Verfertiger  die  Schaftlöchcr  absichtlich  unvollendet 
Hessen.  Diese  Aexte  bestehen  nicht  aus  dem  soeben  erwähnten,  leicht  zu  bearbeitenden 
Steine,  sondern  aus  härterem  Materiale  ( Varietäten  des  Grünsteins),  und  stimmen  unter  ein- 
ander in  der  Form  überein.  Fig.  22  stellt  in  halber  Grösse  den  Umriss  einer  solchen  dem 
Dr.  Davis  zugehörigen,  aus  Massachuscts  stammenden  Axt  in  zwei  Ansichten  (von  oben  und 
von  der  Seite)  dar.  Das  Schaftloch  ist  durch  Punkto  an  gedeutet.  Die  am  Boden  desselben 


Fig.  19.  Fig.  20.  Fig.  21. 


: Von  tamohienn,  tomehagan,  (cnmhigan,  in  verschiedenen  Dialekten  der  Algonkin* Sprache.  Auf  S.  32t 
im  zweiten  Bonde  de*  „Archivs“  hahe  ich  Abbildungen  von  Tomahawk*  gegeben.  Klastische  Schösslinge  des 
Hickory  oder  einer  andern  Holrart  wurden  um  die  Rinne  der  Axt  gebogen,  und  ihre  Enden,  unterhalb  der 
Klinge  fest  mit  Sehne  umwickelt,  bildeten  den  Griff.  — Einige  amerikanische  Ethnologen,  z.  II.  Schooleraft 
und  Mc  Cullnh,  betrachten  diese  Aezte  als  Werkzeuge  und  nicht  als  Waffen.  Es  ist  jedoch  wahrscheinlich, 
dass  sie  sowohl  za  Zwecken  des  Krieges  als  der  Arbeit  dienten,  wie  es  die  Gelegenheit  erforderte.  Menschen, 
die  ausschliesslich  auf  den  Gebrauch  von  -SCeingeriUhcn  angewiesen  waren,  zeigten  sich  mnthmasslich  nicht 
»ehr  wählerisch  in  der  Anwendung  derselben.  Im  zweiten  Bande  von  Catliu's  bekanntem  Werke  ist  Men- 
BÖn-BO-ah  (die  linke  Hand),  ein  I'iankcshaw-Krieger,  nhgehildct,  den  der  Künstler  mit  einer  gestielten  Stein- 
axt in  der  Iiand  darstellt.  Ein  indianischer  Krieger  ist  bekanntlich  ein  Verächter  der  Arbeit,  weshalb  man 
annchmen  kann,  dass  jener  Indianer  dem  Maler  nicht  gestattet  haben  wurde,  ihn  in  der  angegebenen  Weise 
ahzubildcn,  wenn  er  seine  Steinaxt  nicht  als  ein  Kriegsgerälhe  angesehen  butte. 

J)  Manchen  der  europäischen,  mit  Schaftlöchern  versehenen  Gerüthcn  wird  bekanntlich  eine  ähnliche  Be- 
stimmung sugesohrieben. 


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Die  durchbohrten  GerÜtlie  der  Steinperiode. 


11)3 


befindliche  Erhöhung  stellt  die  Anwendung  eines  hohlen  Bohrwerkzeuge*  ausser  Zweifel. 
Der  Stiel  wurde  wahrscheinlich  so  weit  wie  möglich  in  das  Schaflloch  eingetrieben  und  ausser- 
Fig.  22.  dem  durch  Sehnen  mit  der 


Klinge  verbunden.  Die  in 
der  Seitenansicht  wahrnehm- 
baren Vertiefungen  in  der 
Mitte  der  Axt  scheinen  zur 
Aufnahme  der  Umwickelung 
bestimmt  gewesen  zu  sein. 

Die  SteingeTäthe,  an  de- 
nen sich  die  Geschicklichkeit 
der  Eingeborenen  von  Nord- 
amerika vorzugsweise  kund- 
gibt, sind  indessen  nicht  ihre 


durchbohrten  Aexte,  sondern  jene  merkwürdigen,  theilweiso  aus  den  härtesten  Gesteins- 
arten verfertigten  Pfeifen,  welcho  in  den  alten  Opferhügeln  (sacrificial  mounds)  der  Missis- 
sippi- und  Ohiostaaten,  namentlich  in  Ohio,  gefunden  worden  sind,  und  in  ihrer  Form  von 
den  aus  dem  ziemlich  weichen  rothen  Pfeifensteine  geschnittenen  Pfeifen  der  jetzigen  Indianer 
ganz  abweichen.  Während  die  letzteren  aus  einem  Kopfe  nebst  langem  hölzernen  Rohre  be- 
stehen und  eine  entfernte  Achnlichkeit  mit  dem  türkischen  Tschibuk  haben,  stellen  die  er- 
wähnten älteren  Rauchwerkzenge  Kopf  und  Rohr  in  einem  Stücke  dar.  Die  Herren  Sqnier 
und  Davis  haben  während  ihrer  Untersuchung  der  alten  Erdwerke  des  Mississippithalos  eine 
Menge  dieser  Pfeifen  gefunden  und  in  ihrem  Werke  „Ancieut  Monuments  of  the  Mississippi 
Valley“  (Washington  1848)  abgebildet  und  beschrieben1).  Fig.  23  stellt  eine  einfache  form 

der  altindianischen  Pfeife  ungofähr  in  halber 
Grösse  dar.  Der  Dache,  etwas  gebogene  Fuss 
trägt  in  der  Mitte  den  runden,  zur  Aufnahme 
des  zu  rauchenden  Stoffes  (Tabak  oderein  Sub- 
stitut desselben)  bestimmten  Behälter,  und  ist 
auf  einer  Seite  bis  zur  Höhlung  des  Kopfes 
durchbohrt,  während  er  aut  der  andern  Seite 
den  Griff  bildet,  an  welchem* das  Gerätbo  beim 
Rauchen  gefasst  wurde.  Der  Fuss  ist  fünf 
Zoll  lang  und  fünfviertel  Zoll  breit;  der  Bo- 


i)  I)io  Originale  befinde,,  »ich  jetzt  im  Mackmore-Museum  za  SaHabory  m E^!and  welcher  Anwalt 
Dr.  Davi»  «eine  treffliche  Sammlung  indianischer  Antiquitäten  verkauft  hat.  Ihwelbe  enthielt  zammtl, che 
bei  der  obenerwähnten  Untersuchung  gefundenen  Gegenstände.  Vor  dem  Verkaufe  hatte  ich 
Gelegenheit,  die  Sammlung  zu  -eben  und  mich  mit  dem  Charakter  derselben  auf  da«  Genaue»^  bekannt  zu 
macheu.  — Hat  Klarkmoro-Museum  enthält  nur  archäologische  und  ethnologische  tiegensten  u 
desselben,  Herr  William  Muckmore,  war  kürzlich  in  Amerika  und  wohnte  einer  mi  Dceciii  e * 

Jahres  ^gehaltenen  Sitzung  der  hiesigen  ethnologischen  Gesellschalt  (American  Ethndog.cal  bomety)  > G " 
welcher  ich  den  von  mir  durchbohrten  Stein  vorzeigt.,  einen  Vortrag  über  das  hem,  Bohren  angewandte 
Verfahren  hielt,  und  letzteres  durch  ein  milgebruchtes  Modelt  des  Apparates  vcraneobaulichte. 

Archiv  ftlr  Anthropologie  li<J-  III*  Heft  3. 


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194 


Carl  Rau, 

kälter  bat  eine  Höbe  von  fünfviertel  Zoll,  und  der  Durchmesser  der  Durchbohrung  des  eigent- 
lichen Rohres  beträgt  den  sechsten  Theil  eines  Zolles  (etwa  4 Millimeter).  Zur  Verzierung 
sind  an  der  Oberfläche  kleine  runde  Vertiefungen  angebracht.  Diese  in  einem  Opferhügel 
bei  Chillicothe  in  Ohio  gefundene  Pfeife,  deren  Material  ein  brauner  gesprenkelter  Porphyr 
von  grosser  Härto  bildet,  ist,  gleich  allen  derartigen  Gegenständen,  aus  einem  StUcko  gear- 
beitet. Sie  stellt,  wie  schon  erwähnt,  gewissermasseu  die  Grundform  dieser  Classe  von  Ge- 
räthen  dar;  bei  anderen  wird  der  Behälter  durch  die  Nachahmung  eines  menschlichen  Kopfes, 
in  der  Regel  aber  durch  einen  Thierkörper  gebildet,  und  in  diesen  Fällen  sind  die  bezeich- 
nenden Merkmale  der  Thierarten,  welche  Säugethiere,  Vögel  und  Amphibien  umfassen,  häu- 
fig mit  erstaunlicher  Treue  wiedergegeben.  Die  genaue  Nachbildung  mancher  dieser  Erzeug- 
nisse aus  Stein  würde  in  der  That  einem  Künstler  unserer  Zeit,  trotz  seiner  weit  vollkomm- 
ncron  Workzeuge,  nicht  geringe  Schwierigkeiten  bereiten.  Es  darf  hierbei  nicht  übersehen 
werden,  dass  den  alten  Bewohnern  Nordamerika^  der  eigentliche  Gebrauch  von  Metallen  un- 
bekannt war.  Man  hat  zwar  in  den  indianischen  Hügeln  und  anderwärts  eine  beschränkte 
Zahl  von  kupfernen  Geräthen  und  Zierrathen  gefunden;  allein  das  hierzu  verwandte  Kupfer 
ist  nicht  durch  Schmelzen  aus  Erz  gewonnen  worden:  es  ist  im  Gegentheil  augenscheinlich, 
dass  die  betreffenden  Gegenstände  durch  das  Hämmern  von  Stücken  gediegenen  Kupfers 
erzeugt  worden  sind,  welches  bekanntlich  am  Lake  Superior  in  gewaltigen  Massen  verkommt, 
wo  man  auch  ausgedehnte  Spuren  eines  altindianischen  rohen  Bergbaues  entdeckt  hat1). 
Dieses  gehämmerte  natürliche  Kupfer  ist  so  weich,  dass  es  sich  ohne  Mühe  zerschneiden  lässt, 
und  konnte  daher  nicht  zur  Bearbeitung  von  Steinarten  dienen,  welche  den  Angriffen  der 
besten  Stahlklinge  Trotz  bieten.  Die  meisten  der  Pfeifen  bestehen  aus  harten  Porphyrarten. 
Man  muss  daher  annehmen,  dass  die  Verfertiger  derselben  ihre  Arbeit  durch  unendlich  müh- 
sames Abreiben  und  Schleifen  mit  Sand  und  Wasser  bewerkstelligten;  doch  erklärt  dieses 
Verfahren  nicht  alle  Einzelheiten  der  Ausführung  und  gibt  keinen  Aufschluss  darüber,  wie 
sie  z.  B.  an  den  Vogelfiguren  die  einzelnen  Federn  durch  scharfgesehnittene  tiefo  Linien  au- 
deuteten.  Die  engen  Durchbohrungen  der  Mundstücke  dieser  Pfeifen  sowohl,  als  die  Höh- 
lungen der  Behälter  sind  durchaus  regelmässig  und  zeigen  fast  durchgängig  die  mehrmals 
erwähnten  Bohrringo.  Man  sieht  sogleich,  dass  das  hier  angewandte  Werkzeug  nicht  zwischen 
den  Händen  gedreht,  sondern  vermittelst  eines  Apparates  in  Bewegung  gesetzt  wurde,  und 
es  ist  mehr  wie  wahrscheinlich,  dass  derselbe  ganz  mit  dom  noch  jetzt  von  Uhrmachern  ge- 
brauchten Bohrer  übereinstimmte,  welcher  gewissermasson  die  Achse  einer  am  Umfange  aus- 
gehöhlten  Rolle  oder  Scheibe  darstellt,  und  durch  einen  Bogen  bowegt  wird,  dessen  Sehne 
die  vertiefte  Peripherie  jener  Scheibe  umfasst.  Die  beiden  Enden  dieses  Bohrers  drehen  sieh 
um  feste  Punkte,  deren  einer  durch  das  Bohrloch  gebildet  wird.  Es  wäre  allerdings  gewagt, 
den  früheren  Bewohnern  Nordamerika^  eine  Kenntniss  dieses  Bohrgeräthes  zuzuschreiben, 
wenn  nicht  die  Thatsache  vorläge,  dass  unter  den  Reliquien  der  Indianer  aus  Stein  und 
Knochen  verfertigte  Ringe  Vorkommen,  welche  der  Rolle  des  oben  erwähnten  Bohrers  ent- 


l)  Nur  die  Bewohner  Mexiko'«  und  anderer  Gegenden  im  südlichen  Tlieilo  des  amerikanischen  Kontinente* 
verstanden  es,  Bronze  anzufertigen.  Dass  Eisen  in  Amerika  vor  der  Entdeckung  und  Besiedelung  durch  Euro- 
päer unbekannt  war,  brauche  ich  wohl  kaum  zu  erwähnen. 


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Die  durchbohrten  Gerat  he  der  Steinperiode.  195 

sprechen,  und  höchst  wahrscheinlich  dieselbe  Bestimmung  hatten.  Es  ist  in  der  That  fast  un- 
möglich, ihnen  einen  andern  Zweck  beizumessen.  Diese  Ringe  kommen  in  verschiedenen  Grössen 
vor,  stimmen  aber  in  der  Form  überein.  Sie  sind  an  der  Peripherie  tief  eingefarcht  und  da- 
selbst mit  acht  Durchbohrungen  von  geringem  Durchmesser  versehen,  welche  gleich  weit  von 
einander  ahstchen.  Fig.  24  zeigt  die  Gestalt  eines  solchen  Ringes  in  wirklicher  Grösse. 
Derselbe  wurde  einem  indianischen  Hügel  am  Paint-Croek  in  Ohio  entnommen,  und  befand 

Das  Original,  sehr  sorgfältig  aus  dunkel- 
Fig.  25. 

farbigem  Hornblondegeeteine  gearbeitet,  besteht  jedoch  nur  aus  der  grösseren  Hälfte  des 
Ringes,  und  ich  habe  die  Zeichnung  nach  einem  ergänzten  Gypsabgusse  angefertigt. 

Eine  Prüfung  dieser  Ringe  ermuthigt  mich,  durch  die  beigefugte  Zeichnung  (Fig.  25)  an- 
zudeuten, wie  das  altindianische  Bohrwerkzeug  möglicher  Weise  beschaffen  war.  Der  Ring 
umfasste  wahrscheinlich  eine  massive,  den  Bohrer  haltende  hölzerne  Achse,  an  welcher  er  ver- 
mittelst acht  kleiner  Pflöcke  oder  Stifte  befestigt  war.  Hierdurch  wird  das  Vorhandensein 
der  Löcher  am  Umfange  erklärt.  Mag  nicht  dasselbe  Gorätho  in  alter  Zeit,  während  der 
Bronzoperiode  sowohl  wie  früher,  den  Völkern  Europa's  gedient  haben?  Bei  dem  von  mir 
gebrauchten  Werkzeuge  sind  Schwankungen  des  Bohrstockes,  welche  eine  übermässige  Er- 
weiterung des  Loches  zur  Folge  haben,  unvermeidlich;  sie  fallen  aber  weg,  wenn,  wie  in 
Fig.  12,  das  obere  Ende  sich  um  einen  festen  Punkt  dreht.  Vielleicht  entwickelte  sich  in 
Europa  das  Geräthe  letzterer  Art  aus  dem  minder  vollkommenen,  welchem  der  obere  feste 
Drehpunkt  fehlt.  Der  Fortschritt  der  Menschen  in  technischer  Beziehung  ging  überall  lang- 
sam und  stufenweise  von  Statten,  und  jede  neue  Erfindung  musste  sich  n&turgemäss  auf  vorher- 
gegangeno  Erfahrungen  stützen. 

Die  meisten  Durchbohrungen,  welche  ich  an  indianischen  Stein- 
geräthen  beobachtet  habe,  rühren,  wie  ich  glaube,  von  bohlen  Werk- 
zeugen her ; doch  habe  ich  auch  verschiedene  gesehen,  die  ohne  Zwei- 
fel mit  einem  soliden  Bohrer  bergestellt  worden  sind.  Zur  Erläute- 
rnng  gobo  ich  schliesslich  (Fig.  2C)  die  Seitenansicht  eines  aus  fast 
durchsichtigem  Bergkrystall  bestehenden  Pfeifenkopfes,  der  bei  Bain- 
bridge  in  Ohio  (Ross  County)  in  einem  Tutnulus  gefunden  wurde,  und 
in  den  Besitz  von  Dr.  Davis  gelangte.  Der  Gegenstand  hat  die  Ge- 
stalt eines  nach  unten  sich  etwas  verjüngenden  Fasses,  und  ist  mit 
vollständigster  Regelmässigkeit  geformt  und  sorgfältig  polirt.  leb 
habe  in  dor  Zeichnung,  welche  die  wahre  Grösse  angibt,  absichtlich 

25* 


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196  Carl  Rau,  Die  durchbohrten  Geräthe  der  Steinperiode. 

die  Schattirung  wcggelassen,  um  die  beiden  Höhlungen  andeuten  zu  können,  von  denen  die 
obere  zur  Aufnahme  des  Rauchmaterials  und  die  seitliche  zum  Einstecken  des  Rohre» 
bestimmt  war.  Beide  endigen  in  rundlichen  Vertiefungen,  welche  nur  durch  Anwendung 
eines  soliden  Bohrers  entstehen  konnten. 

Als  hohler  Bohrer  wurde  in  Nordamerika  wahrscheinlich  ein  Stück  des  bambusartigen, 
festen  und  zähen  Rohres  (Arundiuaria  macrosperma,  Michaux)  gebraucht,  welches  fast  über- 
all im  Süden  der  Vereinigten  Staaten  in  reichem  Boden,  namentlich  an  den  Ufern  der 
grossen  Flüsse,  wächst,  und  jetzt  häufig  zu  Pfeifenrohren  und  Angelruthen  verwendet  wird. 
Es  kommt  von  der  Dicke  eine»  Strohhalmes  bis  zu  der  eines  starken  Büchsenlaufes  vor,  und 
erreicht  bisweilen  eine  Höhe  von  25  bis  30  Fuss.  Nach  Entfernung  der  knotigen  Absätze 
bildet  ein  Stück  dieses  Rohres  einen  regelmässigen  hohlen  Cylinder  mit  nicht  übermässig 
starker  Wand,  der  aber  kräftig  genug  ist,  um  als  Bohrer  zu  dienen.  Wie  mir  Dr.  Davis 
mittheilt,  erhielt  der  verstorbene  Dr.  Samuel  G.  Morton  in  Philadelphia,  bekannt  durch 
sein  Werk  über  amerikanische  Schädel,  vor  vielen  Jahren  eine  steinerne  Pfeife  aus  Missis- 
sippi, deren  unvollendete  Höhlung  zum  Theile  mit  einer  vegetabilischen  Masse  gefüllt  war, 
welche  unter  dem  Mikroskope  noch  das  faserige  Gefüge  jenes  Rohres  zeigte.  Man  schloss 
daraus,  dass  sie  von  einem  abgebrochenen  Stücke  des  Bohrers  herrührte.  — Ich  beabsichtige 
übrigens,  die  Tauglichkeit  des  Rohres  durch  Bohrversuche  selbst  zu  erproben. 

Man  kann  in  der  That  die  Geduld  und  Ausdauer  der  früheren  Indianer  nicht  genug 
bewundern,  wenn  man  bedenkt,  dass  bei  ihren  mangelhaften  Hülfsmitteln  die  Ausführung 
eines  einzigen  aus  Porphyr  oder  einer  andern  gleich  harten  Mineralsubstanz  hergestellten 
Gegenstandes  ohne  Zweifel  die  Arbeit  vieler  Jahre  erforderte.  Bei  Menschen  auf  unteren 
Kulturstufen  wird  jedoch  die  Zeit  wenig  gewürdigt-  Nach  Lafitau  verwandte  ein  Indianer 
bisweilen  seine  Lebenszeit  auf  die  Verfertigung  eines  Tomahawks,  ohne  damit  ganz  zu  Stande 
zu  kommen '),  und  Wnllace  erwähnt,  dass  rohe  Stämme  am  Rio  Negro  in  Südamerika  sich 
jahrelanger  Arbeit  unterziehen,  um  einen  der  von  ihnen  als  Schmuck  getragenen  vier  bis 
acht  Zoll  langen  Cylinder  aus  Quarz  zu  schleifen  und  zu  durchbohren.  Ihr  Bohrwerkzeug  ist 
bloss  ein  zwischen  den  Händen  gedrehter  dünner  biegsamer  Stab,  den  sie  mit  feinem  Sande 
und  Wasser  anwenden  *). 

Zum  Schluss«;  noch  die  Bemerkung,  dass  die  vollendeteren  Steingeräthe  der  alten  Be- 
wohner von  Nordamerika,  namentlich  die  erwähnten  Pfeifen,  vielleicht  die  besten  Erzeug- 
nisse der  Kunst  sind,  welche  ein  mit  dem  Gebrauche  der  Metalle  unbekanntes  Volk  hinter- 
lassen  hat,  und  dass  ich  in  den  Sammlungen  Europa’s  nichts  unter  ähnlichen  Verhältnissen 
Entstandenes  gesehen  habe,  das  eine  gleiche  Geschicklichkeit  in  der  Bearbeitung  von  Stein 
offenbart. 


')  Lafitau.  Moeurs  dr«  Sauvnges  Ameriquaia«.  Pari»  172t,  2.  Heb,  S.  HO.  „Souvent  la  vic  d'un  Sanvage 
n’>  suffit  pas;  d’oü  vient  »ju'uu  parcil  meuble,  fut-il  encore  brüte  & imparfait,  eat  un  pretieux  hcritage  pour 
les  enfnnts." 

*)  Angeführt  in  E.  B.  f y 1 u r ‘ « „tleaearchca  into  the  Karly  Ilistory  of  Mankind*.  London  1865,  S.  187. 


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XII. 


Tabellen  zur  Ausschreibung  der  Breiten-  und  Höhenindices. 


Von 

H.  Welcker. 


Nachfolgende  Tabellen  dienen,  wenn  Längen-  und  Breitendimension  eines  Schädels 
bekannt  sind,  zur  unmittelbaren  Ausschreibung  des  Breitenindex  (d.  i.  der  in  Procenten  des 
LängsdurchmesBers  ausgedrückten  Schädel  breite).  In  gleicher  Weise  können  dieselben  zum 
Ablesen  des  Höhenindex  benutzt  werden. 

Es  dürfte  freilich  leicht  vorherzusagen  sein,  dass  die  Bestimmung  des  Breitenindex  nicht 
in  alle  Zukunft  mit  dem  Eifer  werde  betrieben  werden,  wie  dies  zur  Stunde,  und  von 
mancher  Seite  ziemlich  einseitig,  geschieht;  werthlos  und  ganz  unbeachtet  wird  das  Breiten- 
verhältniss  des  Schädels  wohl  niemals  dastclien.  In  zahlreichen  kraniologischen  Werken 
findet  sich  darum  für  jeden  einzelnen  Schädel  die  Ziffer  des  Längs-  und  des  Querdurchmessers 
abgedruckt  (so  in  v.  d.  Hoeven’s  Catalogus,  in  Dusseau’s  Musde  Vrolik);  die  aus  jenen 
beiden  Ziffern  zu  errechnende  procentige  Breite  aber,  die  doch  offenbar  Uber  die  allgemeine 
Schädclgest&lt  einen  weit  unmittelbareren  Aufschluss  gewährt,  als  jene  absoluten  Ziffern  — 
fehlt,  oder  sie  findet  sich  nur  als  Mittelwerth  der  einzelnen  Ra<;en.  Allerdings  ist  die  Einzcl- 
berechnung  jener  Indices,  wenn  die  Meuge  der  untersuchten  Schädel  irgend  grösser  ist,  eine 
äusserst  unerquickliche  und  geisttödtende  Verrichtung;  wiederholt  habe  ich  bei  mir  befreun- 
deten Anthropologen  ganze  Eolioseiten  mit  Ziffern  überdeckt  gefunden  — Ausrechnungen  der 
Breiteninrlices  mittelst  Division,  — eine  Arbeit,  die  ich  mit  Hilfe  meiner  Tabellen  stets  in 
wenigen  Minuten  und  sicherlich  mit  weit  grösserer  Aussicht  auf  Correethcit  für  Hunderte 
von  Schädeln  auszuführen  pflegte.  Ich  entspreche  daher  der  mir  gewordenen  Aufforderung, 
diese  Tabellen  hier  abdrucken  zu  lassen. 

Ueber  den  Gebrauch  derselben  ist  nichts  weiter  beizufügen.  Die  extrem  kleinen  und  die 
extrem  grossen  Breiten-  (resp.  Höhen-)  Ziffern  habe  ich,  um  Kaum  zu  ersparen,  nicht  auf- 
genommen; doch  wird  man  hierdurch  nur  selten  in  die  Lage  versetzt  sein,  einzelne  Indices 
durch  Rechnung  bestimmen  zu  müssen. 


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198 


H.  Welcker 


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Tabellen  zur  Ausschreibung  der  Breiten-  und  Höhenindicea.  201 


181 

182 

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Areltiv  fbr  Anthropologie.  Bd.  III.  Hell  S.  26 


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XIIL 

Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Furchen  und  Windungen 
der  Grosshirn-Hemisphären  im  Foetus  des  Menschen. 

Von 

A.  Ecker. 

(Hierzu  Tafel  I— IV.) 


Alles  was  die  Organe  betrifft,  welche  wir  für  die  materiellen  Substrate  des  menschlichen 
Geistes  zu  halten  berechtigt  sind,  ist  fiir  die  Anthropologio  von  der  grössten  Bedeutung,  so 
vor  Allem  die  Lehre  von  der  Anordnung  der  Hirnwindungen  des  Menschen.  Das  tiefo  Dun- 
kel, in  welchem  man  sich  in  Betreff  dieser  Anordnung  befand,  einigermassen  zu  orhellen,  ist 
bekanntlich  erst  den  vergleichend -anatomischen  Arbeiten  der  neuesten  Zeit  Vorbehalten 
gewesen.  Durch  die  Arbeiten  von  Huschke1)  und  insbesondere  von  Gratiolet*),  welchen 
sich  später  die  von  Huxley'),  Roileston4).  Turner5),  Flower*),  Pansch7)  und 


’)  Huschke,  Schädel,  Hirn  und  Seele.  Jena  1854,  2°. 

*)  Gratiolet.  Memoire  sur  los  plis  cerebraux  de  l’IIomme  et  des  Primates.  Parin  s.  a.  1 Bd.  Text  in  4° 
und  1 Bd.  Atlas  von  13  Tafeln  in  2°.  — Leuret  und  Gratiolet.  Anatomie  comparüe  du  Systeme  nerveux 
considerö  (lans  sca  rapports  avec  l’intelligtnce.  2 Bde.  in  8°  mit  Qinem  Atlas  von  82  Tafeln  in  2°.  Paris  1839 
bis  1867.  (Der  zweite  Theil,  welcher  die  Anatomie  des  Gehirns  des  Menschen  und  der  Affen,  sowie  die  Ent- 
wicklungsgeschichte enthält,  ist  von  Gratiolet  allein  bearbeitet). 

*)  Huxluy.  On  the  brain  of  Ateles  Paniscus-  Mit  1 Tafel.  (Prooeedings  of  the  zoological  soeiety  of 
London.  1861.  Nr.  XVII,  pL  XXIX,  8.  247.) 

4)  Rolloston.  On  the  prämier  pli  do  passagc.  (Natural  history  review.  Vol.  I,  211.)  — On  the  Aftinitios 
and  Differences  between  the  brain  of  man  and  the  broins  of  certain  auimals.  (Medical  times  and  gazette.  1862. 
VoL  I,  Nr.  608,  S.  181.) 

*)  Turner,  W.  The  oonvolotions  of  the  human  cerebrum  topographically  considered.  Edinburgh  1866.  8°. 
— Notes  more  especially  on  the  bridging  convolutious  in  tho  brain  of  the  chimpanze.  Proceedings  of  the 
royal  soeiety  of  Edinburgh.  1 b65  bis  löC6.  8°. 

*)  Flow  er.  On  the  posterior  lobet  of  the  cerebrum  of  the  <|aadrumaiia.  Mit  2 Tafeln.  — Philosophioal 
transactions.  Vol.  152.  London  1863.  8.  185.  Tafel  2 und  8. 

7)  Pansch.  De  sulcis  et  gyris  in  cerebris  simiarum  et  hominum.  Comm.  auat.  pro  venia  legendi. 
Kiel  1868.  4°  mit  einer  Tafel. 

26* 


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204 


A.  Ecker, 

Biselioff1)  anreihten,  ist  die  Uebereinstimmmung  im  Baustyl  der  Hirnwindungen  der  Affen 
mit  denen  des  Menschen  nachgewiesen  und  dadurch  zum  erstenmal  ein  Verständnis»  der  letz- 
teren angebahnt  worden.  Dass  die  Uehertragung  der  gosammtcn  Nomonclatur  der  Win- 
dungen des  Affengehirns  auf  die  des  menschlichen  durch  Oratiolet,  die,  mit  nur  wenigen 
Modificationen,  von  der  Mehrzahl  aller  folgenden  Forscher  angenommen  wurde,  zu  diesem 
Verständnis»  wesentlich  mitgeholfen,  lässt  sich  nicht  läugnen,  es  ist  aber  auch  anderseits  nicht 
zu  verkennen,  dass  eben  hierdurch  in  die  Terminologie  des  menschlichen  Gehirns  mancherlei 
Fremdes  eingeführt  wurde,  was  in  diesem  selbst  gar  keine  Begründung  hat,  wie  z.  B.  die 
Annahme  der  sogenannten  Uebergangswindungen.  Vollständig  wird  ein  jedes  Ding  nur  aus 
sich  selbst  und  etwas  Gewordenes  aus  seinem  Werden  verstanden  und  so  ist  gewiss  die  Ver- 
folgung der  Entwicklungsgeschichte  der  Windungen  derjenige  Weg,  auf  dem  schliesslich  allein 
eine  vollständige  Einsicht  des  menschlichen  Windungstypus  gewonnen  werden  kann;  denn 
wie  ähnlich  auch  das  Gehirn  des  Menschen  dem  der  höheren  Affen  hinsichtlich  seiner  Win- 
dungen sei,  es  bleiben  immer  noch  genug  unterscheidende  Charaktere  übrig.  Es  ist  daher 
auch  dieser  Weg  schon  von  verschiedenen  Forschern,  von  Oratiolet  selbst,  dann  von 
R.  Wagner  und  Reichert  betreten  worden,  und  insbesondere  hat  Bisehoff  in  neuester  Zeit 
in  seiner  Schrift  über  die  Grosshiniwindungen  des  Menschen  eine  Schilderung  des  Ent- 
’ wicklungsganges  der  Windungen  gegeben.  Die  folgende  Darstellung,  die  auf  einer  nicht 
kleinen  Reihe  von  Untersuchungen  beruht,  die  mich  seit  mehreren  Jahren  beschäftigten, 
wird,  wie  ich  glaube  zuversichtlich  hoffen  zu  dürfen,  trotz  der  genannten  vortrefflichen 
Arbeiten  nicht  für  ganz  Überflüssig  erachtet  werden,  und  dies  um  weniger,  als  selbst  in 
der  ausführlichsten  der  eben  genannten  Schriften,  der  von  Bischoff,  das  Capitel  Uber  die 
Entwicklung  der  Windungen  dennoch  ziemlich  kurz  gefasst  ist  (sechs  Quartseiten,  S.  55 — Gl) 
und  dies  insltesondere  in  Betreff  der  späteren  Entwicklungsstadien;  dann  finden  sich  auch 
nicht  aus  allen  Perioden  Abbildungen,  und  durchweg  fehlen  z.  B.  Darstellungen  der  Norma 
verticalis  und  basilnris,  so  dass  ich  hoffen  darf,  auch  durch  die  bildlichen  Darstellungen 
manche  Lücken  auszufüllen.  Ueberhaupt  kann  bei  der  ausserordentlichen  Verschiedenheit, 
welche  hinsichtlich  des  ersten  Auftretens  der  Furchen  sowohl  in  Betreff  der  Art  als  der  Zeit  der 
Entstehung  besteht,  nur  aus  einer  sehr  grossen  Reihe  von  Beobachtungen  sich  das  Unwandel- 
bare ergeben,  und  es  werden  noch  mehrfache  Beiträge  nothwendig  sein,  bis  wir  zu  einem 
sichern  Abschluss  gelangen.  Und  gewiss  kann  es  in  einem  noch  so  wenig  betretenen  Ge- 
biet nur  von  Vortheil  sein,  weun  durch  verschiedene  Augen  gesehen  wird  und  verschiedene 
Stimmen  gehört  werden.  Ich  wünsche  aus  diesen  Gründen  auch  das  Folgende  nur  als  einen 
kleinen  Beitrag  zu  einem  künftigen  System  der  Hirnwindungen  angesehen. 

Ehe  ich  auf  die  Darstellung  im  Einzelnen  eingehe,  will  ich  mir  erlauben,  einige  allge- 
meine Bemerkungen  voranszuschicken , die  sieh  theils  auf  die  Untersuchungsmethodo,  theils 
auf  die  Altersbestimmung  der  Foetus  beziehen.  Um  mit  Sicherheit  über  die  erste  Entstehung 
der  Windungen  urtheilen  zu  können,  ist  neben  der  Untersuchung  wohl  erhärteter  auch  die 
Betrachtung  frischer  Gehirne  nicht  zu  unterlassen.  Zur  Erhärtung  eignet  Rieh  namentlich 

*)  Itischoff.  Die  Großhirnwindungen  des  Merns-hen  mit  Berücksichtigung  ihrer  Kntwicklung  bei  dem 
I'octus  und  ihrer  Anordnung  bei  »Ion  Affen.  Aue  dpn  Abhandlungen  der  k.  bair.  Akademie  der  Wissen- 
schalten.  II.  t‘l.,  X.  Bd.,  II.  Abthlg.  mit  7 Tafeln.  München  1S68.  4°. 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshimhemisphüren.  205 

und  besser  als  der  Weingeist  das  von  Gratiolet  (1.  c.  S.  11)  und  Biscboff  empfohlene  Chlor- 
zink. Durch  starken  Weingeist  — schwacher  ist  zur  Erhärtung  natürlich  nicht  zu  gebrauchen 
— schrumpft  die  Oberfläche  sehr  bald  und  es  sind  dann  oft  die  wahren  Furchen,  besondere 
wenn  sie  noch  in  ihrem  Entstehen  sind,  von  secundären  durch  Runzlung  und  Faltung  ent- 
standenen schwer  zu  unterscheiden.  Die  Abbildungen  in  dem  Atlas  von  Leuret  und  Gra- 
tiolet1), welche  nach  in  starkem  Weingeist  erhärteten  Gehirnen  gezeichnet  sind,  sind  daher 
keineswegs  immer  naturgetreue  Bilder,  weder  was  die  Windungen  noch  was  die  Gesammt- 
form  betrifft.  Erhärtet  man  niiiulich  «las  herausgeuommone  Gehirn  des  Foetus,  sei  es  in  C’blor- 
zink  oder  Weingeist,  so  erleidet  natürlich  auch  die  Gesammtform  sehr  beträchtliche  Ver- 
änderungen, da  das  ausnehmend  weiche  Organ  auf  der  Unterlage  alsbald  sehr  stark  zusammen- 
sinkt und  diese  abgeplattete  Gestalt  dann  beinhalt.  Man  vermeidet  diesen  Nachtheil  einiger- 
maassen,  wenn  man  die  erhärtende  Flüssigkeit  in  dio  Arterien  einspritzt;  am  sichersten  verfahrt 
man  aber,  wenn  man  nach  der  Herausnahme  des  Gehirns  einen  Gipsausguss  des  Schädels 
macht  und  darnach  auf  der  Zeichnung  die  Form  restituirt.  Ich  habe  diese  Methode  in  der 
Regel  angewendet,  es  ist  dabei  jedoch  Folgendes  im  Auge  zu  behalten.  Das  Gehirn  des  Foe- 
tus füllt  in  der  Leiche  den  Schädel  keineswegs  vollkommen  aus,  sondern  es  bleibt  zwischen 
beiden  ein  nicht  unbeträchtlicher  mit  Cerebrospinalflüssigkeit  erfüllter  Raum.  Der  Schädel- 
ausguss  ist  daher  stets  etwas  grösser,  wie  das  im  Schädel  erhärtete  stets  etwas  kleiner  als  das 
frische  Gehirn.  Setzt  mau  die  Gipsabgüsse  in  Wachs  um,  dessen  Volumen  beim  Erkalten 
abnimmt,  so  erhält  man  ziemlich  die  richtige  Grösse-  Solche  Abgüsse,  geometrisch  aufge- 
nommen, sind  meinen  Zeichnungen  zu  Grunde  gelegt  und  darauf,  ebenfalls  nach  geometrischen 
Aufnahmen  des  erhärteten  Gehirns,  dio  Furchen  und  Windungen  eingetragen.  Die  Varia- 
bilität in  der  Entwicklung  der  Furchen  und  Windungen,  sowohl  was  dio  Zeit  des  Auftretens 
als  die  Form  betrifft,  ist,  wie  ein  Ueberbliek  über  ein  nur  einigermnassen  reiches  Material  lehrt, 
eine  sehr  beträchtliche  nnd  wir  finden  oft  zwischen  zwei  vollkommen  gleich  grossen,  ja  selbst 
zwischen  Gehirnen  von  Zwillingsfrüchten  bedeutende  Unterschiede.  Die  Differenzen  erscheinen 
aber  aus  dem  Grunde  noch  viel  bedeutender  als  sie  in  der  That  sind,  weil  die  Altersbestim- 
mungen des  Foetus  häufig  sehr  unsicher  sind,  indem  sie  nur  sehr  oberflächlich,  Dach  ungefährer 
Schätzung  des  Arztes  oder  der  Hebamme  gemacht  werden.  Wie  sich  aus  dem  Vorstehenden 
ergiebt,  werden  die  Angaben  über  dio  Griieso,  welche  das  Gehirn  zu  einer  bestimmten  Zeit 
des  Foetuslehens  hat,  hei  verschiedenen  Autoren  aus  zweierlei  Gründen  verschieden  ausfallen 
nnd  damit  natürlich  sich  auch  die  Ansichten  Uber  den  Zeitpunkt,  in  welchem  gewisse  Furchen 
und  Windungen  auftreten,  sich  verschieden  gestalten.  Die  Maasse  des  Gehirns  werden  ein- 
mal sehr  verschieden  ausfallen,  je  nachdem  man  dieselben  am  frischen  Gehirn,  am  wenig 
oder  stark  erhärteten  oder  am  Schädelausguss  nimmt-  Der  grosse  Wasserreichthum  des  Foetus- 
gehirns  bedingt  eine  sehr  starke  Verringerung  der  Durchmesser  nach  längerem  Liegen  in 
starkem  Alkohol.  Das  Gehirn  z.  B.  eines  siebenmonatlichon  Foetus,  dessen  Grosshirnhemi- 
Sphären  frisch  eine  Länge  von  81  Millim.  hatten,  zeigte  nach  längerem  Liegen  in  Weingeist 
eine  Reduction  dieses  Durchmessers  auf  (>6  Millim.  Umgekehrt  ist  aus  schon  oben  angege- 
benen Gründen  der  Schädelausguss  stets  etwas  grösser  als  das  frische  Gehirn.  Die  zweite 


*)  1.  c. 


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A.  Ecker, 


•20(5 

Veranlassung  der  grossen  Differenzen  in  den  Grössenangaben  des  Gehirns  angeblich  gleich- 
altriger Foetus  bildet  die  schon  erwähnte  grosse  Unsicherheit  in  der  Altersbestimmung. 
Beiderlei  Umstände  sind  sehr  zu  berücksichtigen,  wenn  wir  Maassangaben  oder  Abbildungen 
der  Gehirne  verschiedener  Schriftsteller  mit  einander  vergleichen  wollen.  Ich  habe  beispiels- 
halber an  den  Abbildungen  von  Gehirnen  angeblich  siebenmonatlicher  Foetus,  die  sich  in  den 
Werken  der  nachgenannten  Autoren  finden,  Länge  und  Breite  der  Hemisphären  des  grossen 
Gehirns  gemessen  und  folgende  Zahlen  gefunden: 

Länge  Breite 


1)  Leuret  u.  Gratiolot1)  . 

. 75  . 

. 60  Centim. 

2)  „ „ 

. 7-3  . 

. 4-8 

n 

3)  o „ 

. 7-3  . 

. 50 

„ 

4)  R.  Wagner’) 

. 7-7  . 

. 6-2 

»» 

5)  Reichert’) 

. 7-5  . 

. 50 

» 

«)  „ 

. 7-4  . 

. 50 

n 

7)  Arnold4) 

. 5-2  . 

. — 

n 

8)  Tiedemnnu“) 

. 60  . 

. 4-2 

» 

9)  Bischoff6) 

. 5-4  . 

. — 

n 

Meine  eigenen  Messungen  am  frischen  Gehirn  und  am  Schädelausguss  übersteigen  die 
vorstehenden  Maasse,  die  offenbar  alle  an  erhärteten  Gehirnen  genommen  sind  und  schwan- 
ken zwischen  76  und  83  Centim.  Sowohl  nach  der  Grösse  als  nach  dem  Grade  der  Ent- 
wicklung bin  ich  geneigt,  die  als  siebenmonatliche  bezcichneten  Foetus,  denen  die  Gehirne 
bei  den  drei  zuletzt  genannten  Autoren  entnommen  sind,  für  erheblich  jünger  zu  halten. 

Meine  eigenen  Maasse  sowie  die  Zeichnungen  sind,  wie  schon  erwähnt,  in  der  Regel  und 
wo  nichts  Anderes  boigefligt  ist,  nach  dem  Schädelausgusse  genommen.  Was  die  Alters- 
bestimmung betrifft,  so  habe  ich  einzelne  Foetus  jeder  Periode,  bei  welchen  ich  ganz  unzweifel- 
hafte Angaben  über  das  Alter  besass,  als  Maassstäbe  aulbewahrt  und  darnach  das  Alter  an- 
derer, bei  welchen  die  Angaben  unsicher  waren,  bestimmt. 

Auf  die  Vergleichung  mit  dem  Gehirno  der  Affen,  das  ich  selbstverständlich  ebenfalls  in 
den  Kreis  meiner  Studien  ziehen  musste,  hier  näher  cinzugehen,  habe  ich  absichtlich  ganz 
unterlassen,  um  so  mehr  als  dieses  Heft  des  Archivs  eine  ausführliche  Arbeit  Uber  diesen 
Gegenstand  von  Dr.  Pansch  enthält.  ' 

Wegen  der  von  mir  angewendeten  Nomenclatur  muss  ich  auf  meine  im  Verlage  dieses 
Archivs  erschienene  Schrift’)  verweisen. 

In  den  Tabellen  sind  die  Früchte  verzeichnet,  die  ich  frisch  untersuchen  konnte  und  über 


>)  Leuret  u.  Gratiolct  1.  c.  Tat.  XVI,  XXX,  XXXI. 
a)  lieber  die  typischen  Verschiedenheiten  etc.,  Taf.  I. 

*)  Bau  des  menschlichen  Gehirn*.  Taf.  XIL 

*1  Lehrhuch  der  Physiologie  11.  3.  Taf.  V,  Fig.  23. 

h)  Anatomie  und  ßildungsgcschiebte  de«  Gehirns.  Taf  V,  VI. 

«)  1.  c.  Taf.  IV,  V. 

7!  Ecker,  die  Hirnwindungen  de«  Menschen  nach  eigenen  Fntersnchungen,  insbesondere  über  die  Ent- 
wicklung derselben  im  Foetus  und  mit  Rücksicht  auf  das  Bedürfnis*  der  Aerztc  dargestellt.  Mit  Hobstiriien. 
Braunechweig  lfcdSt  S". 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshirnheinisphären.  207 

die  mir  einige  Angaben  zu  Gebote  standen.  Zahlreiche  andere  zur  Vergleichung  habe  ich 
unserer  anatomischen  Sammlung  entnommen. 

Die  Körperlänge  der  Foetus  ist  mit  dem  Stangenzirkel  vom  Scheitel  zur  Ferse  in  ge- 
streckter Stellung  gemessen.  Alle  Längenmaasso  sind  in  Centimetcrn  angegeben. 


Von  den  Anlagen  der  bleibenden  Furchen  und  Windungen  sind  gewisse  andere  Furchen 
und  Faltungen  der  Hemisphären-Oberfläche  zu  unterscheiden,  die,  wohl  ohne  Zweifel  als  Aus- 
druck eines  raschen  Wachsthums  der  Hemisphärenblasen,  im  3.  bis  4.  Monat  erscheinen,  später 
jedoch,  wie  es  scheint,  ohne  Spuren  zurückzulassen  wieder  verschwinden.  Tiedomann1 *)  er- 
wähnt die  in  der  genannten  Zeitperiode  vorhandenen  Furchen,  hält  sie  jedoch  irrigerweise  für 
die  Anlagen  der  bleibenden.  Schmidt’)  giebt  an,  dass  sich  in  der  Mitte  des  3.  Monats  auf 
der  oberen  Fläche  der  Hemisphären  mehrere  tiefe  und  scharfe  Querfalten  finden,  die  am 
Schluss  des  4.  Monats  wieder  verschwinden  und  fügt  hinzu,  dass  dieselben  in  den  Seiten- 
hirnhöhlen vorstehende  ziemlich  hohe  Wälle  bilden  und  dass  die  Hemisphäronwand  an  der 
Umbiegungsstelle  dieser  dünner  ist  als  sonst  Köllikor*)  ist  derselben  Ansicht  und  findet, 
dass  die  genannten  Furchen,  die  im  4.  Monat  ihre  grösste  Entwicklung  erreichen,  mit  Aus- 
nahme einiger  ganz  bestimmter  Züge,  im  5.  Monat  wieder  verschwinden,  so  dass  im  C.  Monat 
die  Himoberfläche  wieder  vollkommen  glatt  sei.  Bischoff')  behauptet,  dass  alle  die  genannten 
Falten  in  dieser  frühen  Zeit  nur  Kunstproducte  seien  und  durch  Faltung  im  Weingeist  ent- 
stehen. Die  Hemisphären  seien  glatt  bis  zum  Moment  der  Entstehung  der  wahren  Furchen 
und  bei  in  Chlorzink  erhärteten  Gehirnen  entständen  sie  nicht.  Ich  glaube,  dass  dies  in  Be- 
treff einzelner  Faltungen,  die  aber  ein  ganz  anderes  Ansehen  haben,  wohl  richtig  ist,  in  Be- 
treff der  tiefen  Furchen  und  der  dadurch  bedingten  Falten  muss  ich  aber  bei  meiner  oben  aus- 
gesprochenen Ansicht,  verbleiben.  Ich  habe  an  Gehirnen  von  Embryonen  des  3.  Monats,  die 
ich  im  ganz  frischen  Zustande  speciell  hierauf  untersuchte,  die  erwähnten  Furchen  auf  das  Deut- 
lichste, z.  B.  die  der  medialen  Fläche  ganz  so  wie  sie  auf  Taf.  I,  Fig.  3 abgebildet  sind,  wahr- 
genommen. Sicher  ist  aber  am  Ende  des  4.  und  Anfang  des  0.  Monats  die  ganze  äussere 
Oberfläche  der  Hemisphären  wieder  glatt  und  es  sind  nur  die  Fossa  Sylvii , die  schon  früher 
im  3.  Monat  entsteht,  und  einige  Furchen  der  medialen  Fläche,  die  im  Verlauf  des  4.  Monats 
aufzutreten  pflegen,  vorhanden.  Mehrfach  schien  es  mir,  als  bilde  sieh  eine  dieser  letzteren, 
nämlich  die  Fissura  pajrieto-occipitalis  aus  einer  der  temporären  Furchen  hervor,  doch  wage 
ich  dies  nicht  zu  behaupten.  Ich  beginne  der  Vollständigkeit  halber  die  Reibe  der  Dar- 
stellungen mit  dem  3.  Monat 


I)  in.  Monat  (9.  bis  12.  Woche).  Taf.  I,  Fig.  1,  2,  3,  4,  5. 

In  diesem  Monat  erreicht  der  Foetus  eine  Länge  von  6 bis  11  Centim.  (2"  3'"  bis  4"  1'"  P. 
[E.  H.  Weber’)  giebt  als  Körperlänge  für  diese  Periode  2>  3 bis  3",  Hohl0)  2 bis  2'/>,  auch 
3"  an.J  Das  Gewicht  beträgt  nach  Hohl  1 bis  l1',  Lotli. 

Die  Grossbirnhemispliäron  haben  eine  Länge  von  1-9  bis  26  Centim.,  im  Mittel 

■)  1.  o.  S.  153.  — *)  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie,  B<1.  XI,  S.  5t.  — 3)  Entwicklungsgeschichte. 
Leipzig  1881.  S.  233.  — *)  1.  c.  8.  57.  — *)  Hildebrandt- Weber’»  Anatomie,  ftd.  IV.  — Hohl,  Lehr- 
buch der  (leburtshülfe.  Leipzig  1882.  S.  107. 


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208 


A.  Ecker, 


2’5  Centim1).  Die  Hemisphäre  bildet  im  3.  Monat  (s.  Taf.  I,  Fig.  1 und  3)  eine  nach  unten 
concave  halbmondförmige  oder  bohnenfürmige  Blase,  deren  vorderes  Horn  (l'j  den  Stirnlappen, 
deren  hinteres  ( T ) den  Schlüfcnlapi>en  bildet  Die  Aushöhlung  zwischen  den  beiden  Hör- 
nern stellt  ein  qnerlaufendes  Thal  dar,  in  welches  die  von  den  Flügeln  des  vorderen  Keil- 
beins gebildete  Kante,  welche  die  vordere  und  mittlere  Schädelgrube  trennt,  hincinrngt  Der 
Hinterhauptlappen  ist  um  diese  Zeit  noch  nicht  vorhandon.  Derselbe  entsteht  erst  später 
von  dem  convexen  Theil  des  hinteren  Horns  aus  als  eine  Aussackung  oder  Verlängerung  des- 
selben nach  hinten.  Das  vorgenannte  querlaui'ende  Thal  (Fig.  1 S),  um  welches  sich  die  Hemi- 
aphärenblase  herumbiegt,  erstreckt  sich  als  eine  flachere  Aushöhlung  auch  an  der  lateralen 
Fläche  der  Hemisphären  (s.  Fig.  2)  in  ziemlich  senkrechter  Richtung  aufwärts  und  stellt  an- 
fangs eine  ganz  flache  etwa  dreiseitige  Grube  dar,  deren  Spitze  nach  abwärts  gegen  die  Hirn- 
basis, deren  Basis  nach  aufwärts  sieht  Diese  Grube  ist  die  Fossa  Sylvii,  und  deren  Boden  bildet 
die  Insel  oder  den  Stammlappeu.  Die  äussere  Oberfläche  der  Hemisphäre  zeigt  in  der  Regel  eine 
Anzahl  der  oben  erwähnten  Furchen,  die  gemeiniglich  eine  gegen  die  Sylvische  Grube  radiär 
gerichtete  Stellung  einnehmen.  Eine  besonders  tiefe  findet  sich  nicht  selten  noch  hinten,  auf 
dem  Theil  der  Hemisphäre , der  sich  später  zum  Hinterhauptlappen  ausbildet  Aehnliche  F urchen 
finden  sich  auch  auf  der  medialen  Fläche  (s.  Taf.  I,  Fig.  4)  und  es  stehen  diese  in  der  Regel  eben- 
falls radiär  auf  der  den  Balken  umkreisenden  Furche,  welche  Arnold  als  Bogenfurchc  bezeichnet, 
und  münden  in  diese  ein.  Von  bleibenden  Furchen  sehen  wir,  wenn  wir  von  der  Fossa  Sylvii 
absehen,  nur  noch  den  hintersten  tiefsten  Theil  der  eben  genannten  Bogenfurche,  der  sich  zur  Fis- 
sura  Hippocampi  ausbildet  und  einen  in  die  Höhleder  Hemisphären  hineinragenden  Vorsprung 
den  Pos  Hippocampi  oder  das  Ammonshorn  erzeugt  (vergl-  Fig.  3,  4,  5 und  14  der  ersten  Tafel). 

2)  rv.  Monat,  13.  bis  16.  Woche  (Taf.  I,  Fig.  6,  7,  8)1). 

Der  Foetus  erreicht  in  diesem  Monat  eine  Körperlänge  von  14D  bis  16  5 [Centim. 
(=  5"  2’"  bis  6"  2'"),  im  Mittel  14,9.  [E.  H.  Weber6)  giebt  eine  Länge  von  bis  5"  (=  13'6 
Centim.),  Hohl")  eine  solche  von  5 bis  6”  (13'6  bis  164  Centim.)  an].  Das  Körpergewicht 
beträgt  nach  letzterem  Antor  5 bis  8 Loth'  Die  Länge  der  Hemisphären  wechselt  zwischen 
31  und  4 5 Centim.  (Mittel  3'Ö),  Breite  zwischen  25  und  3 7 '). 

In  diesem  Monat  entwickelt  sich  der  Hinterhauptlappen  in  der  oben  (S.  203)  angegebenen 
VV’eise  und  in  demselben  Maasse  als  sich  dieser  entwickelt,  rückt  der  Schläfonlappen , der  bis 
dahin  fast  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Stirnlappen  lag,  mehr  herab.  Schon  dadurch  erhält 
die  Fossa  Sylvii  eine  mehr  schräge  Stellung  und  verläuft  nun  zwischen  Stirn-  und  Schläfen- 
lap|»en  schräg  nach  hinten  und  aufwärts.  Zugleich  beginnt  die  Fossa  Sylvii  in  diesem  Monat 

*)  Hei  Tiedcmann  (l.  c.  Tab.  I,  Fig.  5)  (12.  Woche)  beträgt  die  Länge  1*1;  bei  Lcuret  und  Gratiolet 
(I.  c.  Tab.  XXIX,  Fig.  1 u.  3)  (2'/a  Monat)  IC  Centim.,  bei  Kölliker  (I.  c.  Fig.  10ü?  111)  1*8  und  1*5  Centim* 

3)  Der  Foetus,  dessen  Gehirn  in  Fig.  6,  7,  8 abgebildet  ist,  war  genau  16  Wochen  alt.  Die  Conccption 
wird  auf  da»  Bestimmteste  auf  den  28.  Juli  1866  angegeben;  der  Abgang  der  Frucht  fand  statt  am  13.  No- 


vember 1866  (dem  108.  Tag).  — a)  1.  c.  — ®)  L.  c.  — 7)  Die  Maasse  einiger  anderer  Autoren  sind  die  folgenden  : 

Läuge  Breite 

T jede  mann  (14  Wochen)  (I.  c.  Taf.  II) 2*0  ....  1*8 

Arnold  a.  (13  Wochen)  (Phvsiol.  II,  3,  Taf.  ö)  20 ....  — 

Arnold  b.  (14  bis  15  Wochen) ...  8*0 

Reichert  (14  Wochen)  (Bau  des  Gohrins,  I.  Thl.  XI,  32) 2*5  . . 2*1 

Leuret  und  Gratiolet  (14  Wochen)  (I.  c.  Tal.  XXL\,  Fig.  4, 5,6» . . 2*0  . . . .1*5 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshirnheinisphären.  209 


sich  mehr  zu  begrenzen,  indem,  wie  es  Eeichert  (L  e.  II,  29,  83)  sehr  richtig  schildert,  die 
Gegend  derselben  (des  Stammlappens)  allmälig  ringsum  von  der  Masse  des  Mantels  über- 
wuchert wird.  In  Folge  davon  finden  wir  am  Ende  dieses  Monats  eine  schräg  nach  hinten 
aufsteigende,  ungefähr  elliptische,  oben  abgerundete  und  oben,  unten  und  hinten  von  erhöhten 
Rändern  begrenzte  flache  Grube,  die  nach  unten  und  vom  gegen  die  Schädelbasis  flach  aus- 
läuft. Wie  schon  oben  erwähnt,  finden  sich  in  dieser  Periode  zwar  mancherlei  Furchen  auf 
der  Oberfläche  der  Hemisphären,  die  aber  alle  zu  den  vorübergehenden  zu  zählen  Bind.  Von 
bleibenden  Furchen  ist  nur  die  Fissura  Hippocampi  (h)  zu  erwähnen,  und  dann  entsteht 
häufig  schon  in  diesem  Monat  die  Fissura  parieto-occipitalis  (po  Fig.  8)  mit  ihrer  Fort- 
setzung in  das  Anfangsstück  der  Fissura  calcarina.  Ga  aber  diese  Furche  häufig  auch  erst  im 
folgenden  Monat  auftritt,  soll  sie  dort  ihre  nähere  Betrachtung  finden. 

3)  V.  Monat,  17.  bis  20.  Woche.  Taf.  I,  Fig.  9 bis  13. 

Im  fünften  Monat  erreicht  der  Foetus  eine  Körperlänge  von  28  Centim.  und  dar- 
über, In  den  unten  vorzeichneten  Fällen  schwankte  bei  verschiedenen  Foetus  aus  dem  in 
Rede  stehenden  Zeitraum  die  Körperlänge  von  19  bis  28'5  Centim.  (im  Mittel  24-59)  [E.  IL 
Weber')  giebt  für  diesen  Zeitraum  eine  Länge  von  8 bis  11"  (21'6  bis  29'8  Centim.), 
Hohl’)  eine  solche  von  9 bis  10"  (24  bis  27  Centim.)  an.]  Das  Körpergewicht  beträgt 
12  bis  20  Loth  (Hohl).  Die  Länge  der  Grosshirnhemisphären  schwankte  zwischen  4 5 
und  5'7  Centim.  (Mittel  = 5'1 s). 


Kr. 

Alter 

Körper- 

Liinge 

Breite 

Horizoti-  J 

Liinge 

Breit« 

Bemerkungen 

Wochen 

länge 

des  Kopfes 

eumferetiB 

i der  Hemisphären 

I 



19 

5-6 





50 

33 

II 

— 

195 

— 

— 

— 

4*5 

— 

III 

— 

244 

— 

_ 

— 

4*9 

— 

IV 

18 

24-8 

— 

— 

— 

51 



abgebildet  Taf.  I,  Fig.  9« 

V 

— 

26-5 

6-9 

— 

— 

— 

— 

VI 

— 

26*7 

— 

— 

— 

— 

— 

VII 

20 

2G‘9 

— 

— 

— 

— 

— 

VIII 

20 

28-5 

6-7 

50 

190 

5-7 

4 8 

abgebildet  Taf.  I,  Fig.  10, 11, 12. 

IX 

— 

25‘5 

— 

— 

— 

60 

— 

X 

— 

27-6 

64 

6-5 

20-0 

— 

— 

X! 

19 

22*1 

51 

4-2 

160 

— 

— 

XII 

Mittel 

24-59 

5-5 

Mittel 

51 

1 

')  1.  c.  — *)  I.  c.  — a)  Zur  Vergleichung  setze  ich  die  Maas-!-  einiger  Gehirne  von  angeblich  gleichaltrigen 
Früchten,  die  sich  hei  anderen  Autoren  finden,  her: 


Uioge  Breil«  der  Hemisphtre- 

1)  Tiedemann,  1.  c.  Taf.  111,  Fig.  1,  2,  8 (17  bis  18  Wochen) 3-3 — 

2)  Reichert,  I.  e.  Bd.  J.  Taf.  Xfl,  Fig.  43,  44  (20  Wochen) 4-7 3-4 

3)  I.euret  und  Gratiolet,  1.  c.,  Taf  XXIX,  Fig.  7,  8,  9 (V/2  Monat)  . . 4-8 31 

4)  Gratiolet,  mim.  s.  lea  jilis  cerebraux,  pl.  XI,  12,  3 (18  Wochen) . . . 4'5  ......  . S'S. 

Archiv  ftt r AuUiru|tuiOfio.  Bd.  HL  Heit  9.  27 


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210 


A.  Ecker, 


In  Bezug  auf  die  Entwicklung  der  Rindenorgane  des  grossen  Gehirns  finden  sieh  in 
diesem  Zeiträume  bei  verschiedenen  Foetus  sehr  beträchtliche  Verschiedenheiten,  da  in  diese 
Periode  gerade  die  erste  Entstehung  der  Ilauptfurchen  füllt  und  daher,  je  nachdem  diese 
schon  angelegt  sind  oder  nicht,  das  Aussehen  ein  sehr  verschiedenes  ist. 

1)  Am  Anfänge  dieser  Periode  ist  jedenfalls  die  Oberfläche  der  Hemisphäre  noch  völlig 
glatt  (s.  Fig.  9),  und  nur  bisweilen  scheinen  einige  der  vorübergehenden  Furchen  länger  zu 
persistiren  und  daher  noch  in  diese  Zeitperiode  hinoinzuragen,  wie  z.  B.  eine  gleich  nachher 
zu  erwähnende  Furche  des  Hinterhauptlappens.  Die  Fossa  Sylvii,  doren  Ränder  sich  nllmiilig 
erheben,  stellt  noch  eine  offene  Grube  von  etwa  elliptischer  Gestalt  dar.  An  dem  breiten  An- 
fang dieser  Grube,  da  wo  die  Erhebung  des  Randes  des  Stimlappens  beginnt,  findet  sich  eine 
schwache  Ausbuchtung  nach  vorn,  dio  Andeutung  des  hier  sieb  später  bildenden  vorderen 
oder  aufsteigenden  Schenkels.  Das  Ende  des  hinteren  oder  horizontalen  Schenkels  ist  an- 
fänglich ganz  abgerundet;  der  Boden  derselben,  die  Insel,  geht  unmittelbar  in  die  Subst.  perf. 
lateralis  über.  Die  Fissura  parieto-occipitalis  und  calcarina  sind  vorhanden, 

2)  Etwas  später  entsteht  dann  der  Sulcus  centralis  und  zwar  von  der  Mitte  aus,  nach 
unten  und  oben  vorschreitend  (Taf.  I,  Fig.  10  und  1 1 j ; ferner  der  Sulcus  olfactorius  auf  der  un- 
teren Fläche  des  Stirnlappens  (ib.  Fig.  12,  F.  4).  Am  Schläfenlappen  sind  noch  keine  Furchen 
sichtbar.  Das  oberste  Ende  des  horizontalen  Schenkels  der  Fossa  Sylvii  schliesst  sich,  indem 
die  Ränder  zusaminenriicken,  allmälig  zur  Spalte. 

Eine  besondere  Besprechung  verdionen  noch:  1)  der  Sulcus  occip.  transversus  und 
2)  die  Furchen  der  medialen  Fläche. 

1)  Bischoff  1.  c.  S.  58  bis  60  erwähnt  eine  Furche,  die  Fiss.  perpend.  externa  ((7), 
welche  Ende  des  7.  Monats  entstehe,  senkreoht  über  den  hinteren  Theil  der  Hemisphäre 
herablaufe,  sich  aber  nicht  weiter  entwickle,  auch  nicht  Veranlassung  zur  Bildung  irgend  einer 
bleibenden  Windung  gebe,  sondern  im  8.  Monat  wieder  verschwinde,  ohne  an  der  Bildung  der 
später  an  dem  Hinterhaupt  bemerkbaren  Furchen  theilzunehmcn. 

Es  ist  nun  allerdings  sehr  leicht  möglich,  dass  eine  Furche,  die  nur  während  einer  so 
kurzen  Zeit  existirt,  nämlich  Eude  des  siebenten  Monats  entsteht  und  im  achten  schon 
wieder  verschwindet,  also  vielleicht  im  Ganzen  höchstens  eine  Lebensdauer  von  drei 
Wochen  hat,  einem  Beobachter  entgehen  kann,  und  ich  bin  daher  weit  entfernt,  die  Richtig- 
keit der  Beobachtung  Bisclioff’s  anzwetfeln  zu  wollen.  Dass  diejenige  Furche  jedoch,  dio  ich 
als  Sulcus  occipitalis  transversus  (o)  bezeichne  und  dio  hinter  der  Fissura  parieto-occip. 
gelegen,  medianwärts  von  dem  Gyrus  occip.  primus  (0)  umsämnt  wird  und  häufig  mit  dem 
Sulcus  interparietalis  zusammeufliesst sieh  nicht  in  der  eben  erwähnten  Weise  verhält,  glaube 
icli  aus  wiederholten  Beobachtungen  schliessen  zu  dürfen.  Diese  Furche  finde  ich  in  der 
Mehrzahl  von  Gehirnen  siebcnmonatlicher  Früchte  noch  nicht*),  dagegen  ist  eine  solche  im 
achten  und  neunten  Monat  und  stüiter1)  in  der  Regel  wohl  zu  erkennen  und  verschwindet 
nicht  mehr.  Im  fünften  Monat  habe  ich  dagegen  hin  und  wieder,  bald  allein,  bald  zugleich 


')  Vgl.  Taf.  III.  Fig.  I (o).  T»r.  IV,  Fig.  1 io).  — Vgl.  Taf.  II.  Fig.  1,  5,  «.  — *)  Vgl  Taf.  III.  Fig.  1, 
2,  (!  loj.  Taf.  IV,  Fig.  I,  3.  4 (»). 


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Zur  Entwieklungsgesch.  J.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshirnhemisplmren.  211 


mit  anderen  vorübergehenden  Furchen  vorhanden,  eine  oft  tief  eindringende,  nach  beiden 
Enden  sich  zuspitzende  Spalte  gesehen,  die  ganz  in  der  Richtung  der  von  Bischoff  beschrie- 
benen schräg  über  den  ILinterlinuptlappen  verläuft.  Dass  diese  Furche  später  wieder  ver- 
schwindet, ist  wohl  sicher,  denn  im  sechsten,  siebenten  Monat  ist  au  dieser  Stelle  meist  keine 
Spur  einer  Spalte  sichtbar. 

2)  Von  den  Furchen  an  der  medialen  Fläche  ist,  wenn  wir  von  der  Fissura  Hippocampi 
abschen,  die  eigentlich  nicht  in  diese  Kategorie  gehört,  die  Fissura  parieto-occipitalis 
(po)  die  zuerst  auftretende.  Sie  erscheint  sehr  häufig  schon  im  vierten  Monat  fs.  Taf.  I, 
Fig.  8)  zwischen  anderen  — temporären  — Furchen  und  mit  ihr  der  vordere  Tbeil  der  Fis- 
sura calcarina  (oc),  so  dass  man  dann  eine  Furche  vorfindet,  die  vom  oberen  Rand  des 
Hinterhauptlappens  nach  ab-  und  vorwärts  gegen  den  Schläfenlappen  verläuft,  wie  dies  schon 
Bischoff  (1.  c.  S.  21,  25)  ganz  richtig  angegeben.  Die  hintere  Fortsetzung  der  Fissura  cal- 
carina (g.  Taf.  I,  Fig.  13),  welche  den  Zwickel  (Op)  von  hinten  und  unten  begrenzt,  tritt 
al>cr  sehr  bald,  oft  schon  gleichzeitig  mit  der  vorgenannten  auf,  so  dass  wir  hier  oft  auf 
beiden  Seiten  eines  und  desselben  Gehirns,  oder  an  Gehirnen  ganz  gleichaltriger  Früchte, 
sehr  verschiedene  Bildungen  finden. 

4)  VI.  Monat,  21.  bis  24.  Woche  (Taf.  II,  Fig.  1,  2,  3,  4).  [S.  Tabelle  a.  f.  S.J 

Im  sechsten  Monat  erreicht  der  Foetus  eine  Länge  bis  zu  37  Centim.  und  es  schwankte 
die  Körperläuge  in  don  verschiedenen  Wochen  dieses  Zeitraums  bei  verschiedenen  Foetus 
zwischen  26  und  37  Centim.  (Mittel  — 32-47).  E.  H.  Weber1)  giebt  als  Länge  des  Foetus  in 
diesem  Monat  11 — 14"  (29—38  Centim.),  Hohl’)  12 — 13"  (324 — 35  Centim.)  an.  Das 
Körpergewicht  fand  ich  in  zwei  Fällen  von  812  und  975  Gramm  (Hohl  giebt  % — 1 Pfd. 
375 — 500  Gramm  an).  Die  Länge  der  Hemisphären  wechselte  in  den  in  der  Tabelle  verzeich- 
neten  Fällen  von  5'7  bis  7-6  Millim.  (Mittel  — 6'75);  die  Breite  von  42 — 55  (Mittel  — 5-16). 
Vergleichen  wir  hiermit  dio  Maassangaben  und  Abbildungen  der  Gehirne  von  Früchten  angeb- 
lich gleichen  Alters  bei  verschiedenen  Autoren,  so  finden  wir  folgende  Maaase  für  die  grösste 
Länge  und  Breite  der  Hemisphären. 


Tiedemann  (21  Wochen)  1.  c.  Taf.  m,  Fig.  4,  5.  Taf.  IV,  Fig.  1,  5.  S.  141 

Kölliker  1.  c.  & 234,  Fig.  110 

Schmidt,  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie  XL  Taf.  6 . . . . 
Reichert  1.  c.  I.  Th!.,  Taf.  XU,  Fig.  45,  46,  48. 

a)  Aber  20  Wochen 

b)  24  bis  26  Wochen  (VI. — VII.  Monat) 

Leuret  und  Gratiolet  I.  c.  Taf.  XXIX,  Fig.  13,  14,  15. 

a)  5l/t  Monat 

b)  6 Monat 


L&iige  Breite 
.37.  . . 33 
.4-7...  — 

.50...  — 


. 5-5  . . . 4-2 
. 5-8  . . . 4-3 

1-Änge  Breite 

. 48 . . . — 

. 60  . . . 4L 


»)  1.  c.  - »)  L e. 


27* 


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212 


A.  Ecker, 


Nr. 

Bezeichnung 

Alter 

Kürper- 

länge 

Körper- 
gewicht 
in  Grum- 

Läng»-  | Breiten- 
Durchmeaaer 

Horizon- 
tale Cir- 
tamferrnz 

Länge  | Breite 
der 

Bemerkungen 

Wochen 

men 

dea  Kopfe 

I 

I 

— 

23 

37*0 

- 

81 

6-5 

- 

6-5 

5*5 

«bgebildet  Tat 
n.FIg.1,2,8,4. 

II 

Letzt«  Menses 
Mitte  Scptbr. 
1881.  (Jcburt 

267 

7-8 

65 

6-5 

61 

III 

26.  Febr,  1862. 
Foetus  starb 
10  Min.  p.  p. 

23  bis  24 

3JJÖ 

812 

7-5 

IV 

— 

22  bis  24 

831 

— 

7-7 

6-4 

— 

76 

— ! 

— 

V 

— 

— 

075 

— 

— 

76 

— 

— 

VI 

1 Stunde 

— 

S50 

8*2 

5*6 

22-4 

6‘5 

5‘5 

— 

VII 

— 

21 

26-5 

— 

— 

— 

— 

5-7 

4"2 

— 

VIII 

— 

21 

360 

— 

8*5 

65 

245 

70 

5-5 

— 

IX 

Mittel 

3217 

7-6 

6-0 

67 

Mittel 

6*75 

Mittel 

5*16 

Die  Angaben  in  Betreff  der  Länge  schwanken  somit  zwischen  37  und  60  und  meine 
Messungen  cingescblossen  zwischen  37  und  67,  der  Breite  zwischen  33  und  5D.  Ein  Theil 
dieser  Differenzen  erklärt  sich,  wie  schon  in  der  Einleitung  bemerkt,  dadurch,  dass  die  Maasse 
der  genannten  Autoren  an  erhärteten  und  zwar  in  sehr  verschiedenem  Grade  erhärteten  Ge- 
hirnen genommen  sind,  während  ich  die  meinigeti  am  frischen  Gehirn  oder  am  Ausguss,  welcher 
letztere  noch  etwas  grösser  ist  wie  dieses,  genommen  habe;  jedoch  erklärt  sich  dadurch,  wie 
ich  glaube,  nicht  die  ganze  Differenz.  Ich  glaube  nicht  zu  irren,  wenn  ich  annehme,  dass  die  unter 
1 (Tiedemann)  und  4 (Reichert)  genannten  Gehirne  erheblich  jünger  sind,  als  angegeben. 

An  der  Fossa  Sylvii  hat  sich  jetzt  deutlich  die  Scheidung  in  vordem  und  hin- 
tern Schenkel  nusgebildet  und  dieselbe  hat  dadurch  eine  dreieckige  Gestalt  angenommen. 
Dieselbe  stellt  um  diese  Zeit  noch  eine  ziemlich  weit  offene  Grube  dar,  nur  der  ol»re 
Theil  des  hintern  Schenkels  (S')  ist  schon  zur  Fissur  geschlossen,  der  vordere  Schenkel 
sowie  die  Mitte  der  Grube  ist  noch  offen.  Der  Sulcus  centralis  (c)  ist  noch  nicht  tief 
und  noch  nicht  in  seiner  ganzen  Länge  nngelegt.  Auf  dem  Stirnlappcn  ist  nur  eine  Furche 
bemerkbar  oder  vielmehr  eine  Grube,  die  nach  hinten  breiter  ist  und  mehr  in  senkrechter 
Richtung  verläuft,  während  nach  vorn  eine  in  horizontaler  Richtung  verlaufende  Spalte  davon 
aasgeht.  Es  ist  dies  der  Sulcus  praecentralis  (s,  3)  mit  der  untern  Stirnfurche 
(s.  2).  Bisweilen,  jedoch  keineswegs  immer,  Ist  die  erste  Anlage  dieser  Furche  ganz  radiär 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshimhemisphiiren.  213 

gegen  die  Form  Sylvii  gestellt  und  stellt  dann  deutlich  eine  vordere  primäre  Radiärfurche 
(Reichert,  Bischoff)  dar,  während  sie  in  anderen  Fällen  (vgl.  Taf.  II,  Fig.  2,  /*  und  /*) 
schon  anfangs  eine  winklig  geknickte  Richtung  hak  Was  unter  dieser  Furche  liegt,  gehört  der 
dritten  Stirnwindung  (Ft)  an.  Erste  und  zweite  Stirnwindung  sind  dagegen  noch  gar  nicht 
geschieden.  Bisweilen  fehlen  aber  auch  um  diese  Zeit  noch  die  Furchen  /2  und  /„  und  der 
Stimlappen  ist  noch  ganz  glatt.  Der  Sulcus  olfactorius  (ft)  auf  der  untern  Fläche  ist  vor- 
handen. Am  Scheitellappen  findet  sich  hinter  der  hintern  Centralwindung  eine  schwache 
Einbiegung  am  medialen  Rande  (cm),  welche  vom  obern  Ende  des  Sulcus  calloso-margi- 
nalis  hervorgebracht  ist.  Die  Fissura  parieto-occipitalis  (po),  welche  den  Scheitellappen 
vom  Hinterhauptlappen  trennt,  ist  beiderseits  deutlich.  Die  Fissura  interparietalis  ist 
aus  zwei  Theilen  zusammengesetzt;  einem  vordem  und  einem  hintern  (i p und  ip'J,  die  hier 
noch  ausser  aller  Verbindung  stehen  und  dies  bisweilen  auch  bleiben.  Der  hintere  Theil 
(i p')  gehört  schon,  wenigstens  zum  grossem  Theil,  dem  Hinterhauptlappen  an  und  soll  sogleich 
bei  diesem  besprochen  werden,  der  vordere  (ip)  ist  links  deutlich  ausgeprägt  als  eine  von 
vom  schräg  nach  hinten  und  medianwärts  ziehende  Furche,  rechte  dagegen  nur  durch  eine 
schwache  Einsenkung  angedeutet.  Der  Hinterhauptlappen  ist  bis  auf  eine  Furcho  voll- 
kommen glatt.  Diese  (ip')  1 «.‘grenzt  den  Gyrus  occipitalis  primus  (0|)  laterahvärts  und  bildet 
eine  laternlwärts  convexe  Furche,  die  die  obengenannte  Windung  von  der  zweiten  Hinter- 
hauptwindung (0,)  trennt.  Sie  ist  daher  eigentlich  als  Sulcus  occipitalis  lnngitudinolis  su- 
perior  (V>i)  zu  bezeichnen.  Da  sie  aber  gewöhnlich  mit  dem  eigentlichen  Sulcus  interparietalis 
(ip)  zusammenfliesst,  so  habe  ich  sie  mit  diesem  zusammen  als  eine  Furche  betrachtet,  an 
welcher  aber  genetisch  zwei  Theile  zu  unterscheiden  sind:  1)  der  vordere,  Sulcus  interparie- 
talis ss.  (ip),  der  oberes  und  unteres  Scheitelläppchen  trennt;  2)  der  hintere,  Sulc.  occip.  lon- 
git.  sup.  (ip'),  der  erste  und  zweite  Hinterhauptwindung  trennt.  — Ein  Sulcus  occipitalis 
transversus  ist  an  dem  dargestellten  Gehirn  nicht  vorhanden.  Am  Schläfenlappen  kann 
man  den  obern  Anfang  des  Sulcus  tomporalis  superior  (<,)  unterscheiden,  der,  schon  jetzt 
von  beträchtlicher  Tiefe,  das  obere  hintere  Ende  der  Fissura  Sylvii  umsäumt  und  die  obere 
Schläfenwindung  nach  hinten  begrenzt.  Auf  der  untern  Fläche  ist  die  Fissura  occipito- 
temporalis  inferior  (t,)  deutlich  ausgeprägt  und  trennt  den  Gyrus  occipito-temporalis  me- 
dialis  und  Gyrus  Hippocampi  vom  Gyrus  occ,  temp.  lateralis  ab.  Zwischen  dieser  Furche 
und  dem  Sulcus  temporalis  superior  (<i)  ist  keine  weitere  deutliche  Furche  mehr  vor- 
handen, zweite,  dritte  und  vierte  Schläfenwindung  daher  noch  ganz  ungeschieden;  nur 
einige  schwache  Einsonkungcn  deuten  (rechts  deutlicher)  eine  dritte  Schläfenfurche  an. 
An  der  medialen  Fliicho  sieht  man  die  Fissura  calcarina  ( oc ),  und  hinter  derselben  eine 
Furche,  welche  offenbar  die  noch  nicht  mit  der  Hauptfurche  vereinigten  Schenkel  derselben 
darstellt. 

5)  VH.  Monat,  25.  bis  28.  Woche  (Taf.  II,  Fig.  5,  6,  7). 

In  diesem  Monat  erreicht  der  Foetus  eine  Körperlänge  von  35  bis  38  Centini.  (Mittel 
35‘91.  [Nach  E.  H.  Weber1)  beträgt  die  Körperlänge  in  der  Mitte  dieser  Periode  IG" 


')  I.  c. 


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214  A.  Ecker, 

(44  Centim.)],  nach  Hohl')  14"  (38  Centim.).  Das  Körpergewicht  betrug  in  drei  Fällen,  in 
welchen  ich  die  Wägung  vornahm  (s.  Tabelle/,  937,  1020  und  1055  Gramm  (Mittel  1075'66) 
(Hohl  giebt  für  dieses  Alter  ein  Gewicht  von  l1,  bis  21  , Pfund  = 875  bis  1250  Gramm 
an).  Das  Hirngewicht  betrug  in  zwei  Fällen  (Nr.  I und  II  der  Tabelle)  19!)  und  179 
(Mittel  189)  Gramm  oder  im  Mittel  **/,«,  des  Körpergewichts.  Die  Länge  der  Hemi- 
sphären betrug  im  Mittel,  am  Ausguss  gemessen,  8*2  Centim.,  am  Gehirn  selbst  gemessen 
7*3  Centim.  Wie  schon  oben  in  der  Einleitung  angegeben,  fallen  die  Hausse  des  Gehirns 
sehr  verschieden  aus,  je  nachdem  man  dieselben  aui  frischen  Gehirn,  am  Schädelausguss  oder 
am  erhärteten  Gehirn  nimmt,  und  im  letztem  Falle  wieder  »ehr  verschieden,  je  nach 
dem  Grade  der  Erhärtung.  So  hatte  ein  Gehirn  (Nr.  III  der  Tabelle),  das  nach  dom 
Schädclausguss  81  maass,  nach  längerem  Liegen  in  Weingeist  nur  noch  66  Millim.  Länge. 
Diese  Verhältnisse  sind  bei  Vergleichung  der  Angaben  verschiedener  Autoren  sehr  zu  berück- 
sichtigen. Die  Angaben  der  Hirnlänge  von  sicbenmonatlichen  Foetus  (s.  oben  S.  4),  wohl 
alle  am  erhärteten  Gehirn  gemessen,  schwanken  zwischen  77  und  50  Centim.,  die  meinen 
zwischen  8’3  und  6'6.  Die  ganze  Schwankung  beträgt  also  33  Millim.  Die  weniger  als  60 
Millim.  messenden  Gehirne  (S.  4,  Nr.  7,  8,  9 der  Reihe)  stammen  nach  meiner  Meinung  von 
Früchten,  die  erheblich  jünger  sind  als  sieben  Monate. 


Nr. 

Bezeichnung 

Körper-  1 
gewicht 
in  Gram- 

Lin  gs-  | Breitcn- 
Durchmcsser 

Horizon- 
taler Um- 
fang 

Länge  j Breite 

der 

nirn- 

ge- 

wicht 

Bemer- 

kungen 

men 

de«  Kopfes 

t 

Letzte  * 

i .! 

% 

14 

Mennes  der 
Mutter  16. 
April.  Geburt 
12.  Oct.  1865 

26  ' 

36-4 

1020 

8-2 

05 

25  j 

8*3  (Ausguss») 
7*9.  W.2) 

66 

199 

abgebildet 
Tftf.ll,  Fig- 5. 

II 

352 

057 

84 

6*5 

>4 

8 3 (Ausguss)! 

— 

179 

III 

25  bi«  26 

384) 

ohne  Hiru 

. 750 

- 

- 

1 

81  (Ausguss) 
( 6 6.  W. 

'V* 

lebte  28  Stil. 

26  bi«  27 

85-0 

1055  . 

1 87 

6*6 

25 

- 

- 

V I 

starb  p.  p.  j 

35*5 

- 

8*4  ! 

6*4 

24 

*) 

'7  3 

[*1  (Ausguss) 

| - 

- 

abgebildet 
|T»f.IIt  Fig.  7. 

VI 4 

lebte  2 Tage! 

— 

35*4 

8*4 

67 

235 

- 

; 

| abgebildet 
|T«f,lI,  Fig.  6. 

Mittel 

35,91 

*)  1.  c.  — a)  W.  bedeutet  in  Weingeist  erhärtet.  — 3)  7*6  noch  kürzerem,  7*3  nach  längerem  biegen  in 
Weingeät. 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshirnhemisphären.  215 

Die  Fossa  Sylvii  ist  noch  in  ziemlicher  Ausdehnung  eine  offene  Grube,  deren  Boden 
von  der  Insel  gebildet  wird,  so  der  gemeinschaftliche  untere  Tlicil,  der  vordere  Schenkel  und 
der  Anfangstheil  des  hintern;  der  obere  hintere  Tlicil  des  letztem  ist  jedoch  schon  in  eine 
vollständige  Spalte  verwandelt  Die  Grube  hat  die  Gestalt  eines  gleichschenkligen  Dreiecks, 
dessen  Basis  nach  unten  und  vorn,  dessen  Spitze  nach  hinten  und  oben  sieht  Die  Central- 
furche ist  ausserordentlich  deutlich,  ebenso  die  vordere  und  hintere  Centralwindung,  die  sich 
wallartig  gegen  die  Bänder  der  Spalte  erheben,  um  nach  dieser  hin  steil,  nach  vom  und 
hinten  aber  ganz  allmälig  abzufallen.  Die  beiden  Centralwinduugen  geben  sowohl  am 
obem  als  untern  Ende  durch  bogenförmige  Windungszuge  in  einander  über.  Hinter  dem 
obern  dieser  Bogen,  am  medialen  Rande  der  Hemisphäre,  befindet  sich  ein  durch  das  obere 
hintere  Ende  des  .Sulcus  calloso-margiualis  veranlasster  Einschnitt  (cm). 

Der  Stirnlappen  zeigt  ein  sehr  verschiedenes  Ansehen,  je  nach  dem  Grade  der  Aus- 
bildung der  Hauptfurchen,  die  gerade  in  dieser  Periode  aufzutreten  scheinen,  und  es  gleichen 
daher  kaum  zwei  Gehirne  dieser  Periode  einander  vollkommen.  So  ist  z.  B.  an  dem  abge- 
bildeteu  Gehirn  (Taf.  II,  Fig.  7 und  Nr.  V der  Tabelle)  beiderseits  die  untere  Stirnfurche 
(ft)  mit  dem  Sulcus  pracccntralis  (/,)  angelegt,  von  der  ersten  Stirnfurche  {/,)  ist  rechts 
nur  eine  schwache  Spur,  links  noch  gar  nichts  zu  sehen.  Dagegen  ist  an  dem  Gehirn  des 
andern  Zwillings  (Taf.  II,  Fig.  0,  Nr.  VI  der  Tabelle),  welcher  nach  der  Geburt  noch  zwei 
Tage  lebte,  der  Sulcus  front  sup.  (f\)  beiderseits  und  zwar  links  in  bedeutender  Länge  ange- 
geben. — Von  den  Zwillingen  Nr.  I und  II  der  Tabelle  sind  bei  einem  auf  beiden  Seiten 
beide  Stirn  furchen  angegeben,  beim  andern  (Taf  H,  Fig.  5)  fehlt  die  erste  Stimfurche  links  noch 
ganz.  Dass  die  linke  Seite  in  der  Entwicklung  der  Furchen  und  Windungen  der  rechten  stets 
voraus  sei,  wie  Gratiolet  behauptet  hat,  kann  ich  überhaupt  keineswegs  finden.  Bisweilen 
verläuft  die  erste  Stimfurche  (so  bei  Nr.  III  der  Tabelle)  sehr  schräg  nach  vom  und  median- 
wärts,  die  obere  Stimwindung  entspringt  in  Folge  davon  mit  sehr  breiter  Wurzel  von  der  vor- 
dem Central  Windung,  eine  Anordnung,  die  sehr  an  das  Gehirn  der  Affen  (Cercopithecus 
Semnopithecus  etc.)  erinnert  Auf  der  untern  Fläche  des  Stimlappens  ist  nur  der  Sulcus  ol- 
factorius  deutlich.  Bisweilen  ist  auch  schon  der  Sulc.  orbitalis  angegeben.  Der  Zusammen- 
hang des  Tractus  olf.  mit  der  Insel  ist  meist  noch  sehr  deutlich.  Am  Scheitellappen  er- 
kennt man  beiderseits  eine  tiefe  Furche,  welche  parallel  mit  der  hintern  Centralwindung  ver- 
läuft und  diese  nach  hinten  begrenzt;  ich  will  sie,  tlieils  der  Lage  theils  einer  gewissen 
Analogie  mit  dem  Sulcus  praecontraüs  wegen,  Sulcus  postcentral is  nennen  (Taf.  II, 
Fig.  6,  p c).  Von  derselben  erstreckt  sich  linkerseits  eine  Furche  nach  hinten,  der  vor- 
dere Theil  der  Fisstira  interparietalis  (« p),  die  das  obere  Scheitelläppchen  (P,)  vom  untern 
(P,)  trennt;  rechterseits  ist  ein  Zusammenhang  dieser  beiden  Furchen  nicht  zu  erkennen,  deut- 
lich ist  er  dagegen  an  dem  Fig.  5 abgebildeten  Gehirn.  Der  hintere  Theil  der  Fiasura  interpar. 
(»p')  oder  der  Sulcus  oecip.  long.  sup.  ist  stets  deutlich  vorhanden  und  umsäumt  lateralwärts 
die  erste  Hinterhanptwindung,  steht  jedoch  meist  noch  ausser  Verbindung  mit  dem  vordem 
Theil  des  Sulcus  interparietalis  (ip).  Die  Fissura  parieto-occipitalis  (po)  ist  sehr  tief 
eingeschnitten,  lateralwärts  umsäumt  von  dem  Gyrus  occipitalis  primus  (0|);  der  Hinter- 
hanptlappen  ist  auf  seiner  obern  Fläche  noch  völlig  glatt  und  von  einem  Sulcus  occipitalis 
transversus  ist  in  der  Regel  noch  Nichts  zu  bemerken.  Bei  Nr.  VI  (Taf.  II,  Fig.  6)  ist  linker- 


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216 


X.  Ecker 


seits  und  bei  Nr.  1 (Fi g.  5)  recliterseits  eine  kleino  Einsenkung  vorhanden,  die  vielleicht  als 
Spur  eines  solchen  betrachtet  werden  kann.  Am  Schläfenlappen  erkennt  man  den  Sulcus 
temporalis  superior  (<i),  der  sich  ziemlich  hoch  hinauf  erstreckt  und  mit  einer  zweiten  Furche 
fast  zusammenfliesst , die  den  Gyrus  supramarginalis  vom  Qyrus  angularis  trennt  (Taf.  II, 
Fig.  7);  (in  Fig.  6,  Taf.  II  recht«  sind  dieae  zwei  Furchen  mehr  von  einander  getrennt). 
Die  zweite  und  dritte  Schläfenwindung  sind  noch  ungetrennt,  dagegen  ist  die  Furche, 
wolcho  nuf  der  untern  Fläche  die  vierte  und  fünfte  trennt,  angedeutet. 

6)  vm.  Monat,  29.  bis  32.  Woche  (Taf.  III,  Fig.  1 bis  7). 


Nr. 

Anguben 

Alter 

Körper- 

lÜDg«* 

Körper- 
gewicht 
in  Gram- 

Längs-  Jllreiten- 
Durchroeaser 

Horizon- 
taler Um- 
fang 

Lftnge  | Breite 
der 

Hirn  ge-  | Verhalten  des 
wicht  in  j Ilirngewicht* 
Gram-  zum  Körper- 

] Bemer- 
kungen 

Wochen 

men 

des  Kopfe« 

men 

i gewicht 

1 

Zwillinge, 1 

I 

beide  $ 

I starb  nach 
der  Qeburt 

II  lebte  drei 

- 

41-5 

- 

9-7 

8-0 

29-0 

frisch  8*2 
erhärtet  7*7 

7*0 

- 

- 

abgebildet 
Taf.  III,  Fig. 
1,  2,  4,  6,  6. 

Tage 

Letzte  Men- 
ses der  Mut- 

i 93 

11 

ter  Anfangs 
M*rz  1868. 

420 

- 

93 

- 

- 

8*5 

7*0 

— 

- 

ib.  Fig.  3. 

Geburt  20. 

October  18(58 

. 

IU 

Zwillinge 

41-6 

1490 

8-8 

8-0 

28*3 

8*6  j 

76 

250 

= 16-7  : 100 

— 

IV 

beide  $ 

j 

{so bis  32 

41-4 

1440 

99 

8*2 

28-6 

Ausguss  9*5 
Weingeist  8*6 

290 

= 2014 : 100 

- 

V 

- 

41-0 

1370 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

| Mittel 

41-5 

Die  Fossa  Sylvii  stellt  eine  in  ihrem  mittleren  Theilo  weit  offene  dreieckige* Grube  dar, 
deren  Boden  von  der  Insel  gebildet  wird,  der  hintere  sowohl  (S1)  als  der  vordere  (S")  Schen- 
kel derselben  sind  flagegen  zur  Fissura  geschlossen.  Im  Stirn  lappen  erkennt  man  in  der 
Regel  zwei  Furchen,  einen  Sulcus  frontalis  superior  und  inferior  (/t  und  /,),  mit  der 
letztem  fliesst  der  Sulcus  praecentralis  (/>)  zusammen,  welcher  die  vordere  Ceutral- 
windung  nach  vom  und  von  der  dritten  Stirnwindung  abgrenzt,  so  dass  also  eine  dreistrah- 
lige  Furche  entsteht  (s.  Fig.  2 und  3) , die  aus  einem  senkrechten  Theil  (/,  senkrechte  Stirn- 
furche,  Sulcus  praecentralis)  und  einem  wagereebten  Tlieil  </s  Sulcus  frontalis  inferior) 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grossliirnhemisphiiren.  217 

zusammengesetzt  ist  So  verhalten  sich  z.  B.  die  Furchen  auf  beiden  Seiten  in  Nr.  II  (s.  Fig.  3) 
und  linkerseits  in  Nr.  L Rechterseits  bei  Nr.  II  (s.  Fig.  2)  finden  sich  dagegen  drei  Stirn- 
furchen  und  /3).  Hier  kann  man  zweifelhaft  bleiben,  ob  /*  oder /s  und  /j  als  untere 

Stimfurche  und  senkrechte  Stirnfurche  zu  betrachten  sei.  Bisweilen  erstreckt  sich,  so  in  dein 
vor  mir  liegenden  Gehirn  des  Foetus  Nr.  V,  der  Sulcus  praecentralis  höher  hinauf  und  schneidet 
den  Ursprung  der  zweiten  Stirnwindung  von  der  vordem  Centralwindung  ab.  Durch  diese 
genannten  Furchen  sind  nach  hinten  deutlich  drei  Stirn  Windungen,  obere,  mittlcro  und 
untere,  geschieden,  von  denen  die  letztere  aus  dem  untersten  Theil  der  vordem  Central- 
windung entsteht  und  den  vordem  Schenkel  der  Fossa  Sylvii  im  Bogen  uiusäumt  Die  zweite 
ist  bei  II  (Fig.  3)  rechts  durch  eine  Furche  in  zwei  Arme  gotheilt,  wovon  der  obere  mit  Fi,  der 
untere  mit  Fi  zusammenfliesst.  Nach  vom  gegen  das  vordere  Endo  der  Hemisphären  hat  noch 
keine  deutliche  Scheidung  in  einzelne  Windungen  stattgefunden.  Auf  der  ürbitaltläche  des 
Stirnlappens  ist  nur  der  Sulcus  olfactorius  angegeben,  der  übrige  Theil  der  untern  Flüche  ist 
noch  vollkommen  glatt  — Am  Scheitellappen  ist  am  medialen  Rande  hinter  der  hintern 
Centralwindung  der  durch  das  Ende  des  Sulcus  calloso-marginalis  (cm)  bedingte  Ein- 
schnitt wahrzunehmen.  Durch  die  tief  eindringende  Fissura  parieto-occipitalis  (po) 
ist  der  Scheitellappen  vom  Hinterhauptlappen  getrennt  'Der  Snlcus  interparietalis  ( ip ) 
ist  in  dem  dargestellten  Gehirn  (Fig.  1 von  Nr.  I der  Tabelle)  in  seine  zwei  Tlieile,  einen  vor- 
dem ip  und  hintern  ip',  getheilt  durch  eine  überbrückende  Windung  (*),  welche  vom  Gyros 
angularis  (IV)  zum  Lobulus  parietalis  superior  heraufgeht  Ebenso  verhält  Bich  dos  Gehirn 
der  andern  Zwillingsfrucht  (Nr.  II).  In  zahlreichen  anderen  Fällen  fand  ich  dagegen  die  Fis- 
sura iuterpar.  in  ihrer  ganzen  Länge  ununterbrochen.  Bisweilen  ist  (s.  7.  Monat,  Taf.  II, 
Fig.  6)  hinter  und  parallel  mit  dem  Sulc.  centralis  eine  bald  mehr  bald  minder  tiefe  Furche 
vorhanden,  welche  den  Gyms  centralis  post,  nach  hinten  begrenzt  und  in  der  Regel  mit  der 
Fissura  interparietalis  zusammenhängt  Ich  habe  sie  oben  Sulcus  post-centralis  genannt. 
Durch  die  Fissura  interparietalis  oben  und  das  obere  Ende  der  Fissura  Sylvii  unten  ist  der 
Gyros  supramarginalis  (Pt)  des  untern  Scheitelläppchens  abgegrenzt  Aus  diesem  erhebt  sich 
der  Gyrus  angularis  (Pt),  der  eine  dreifache  Verbindung  eingeht  Nach  oben  hängt  er  durch 
eine  Brücke  (*)  mit  dem  Lobulus  parietalis  superior  (Pi)  zusammen,  nach  unten  geht  er  im  Bogen 
um  die  oberste  Sehläfenfurcho  ((, ) in  die  erste  Schläfenwindung  (7’j)  Uber  und  nach  hinten 
bängt  er  mit  dem  Hinterhauptlappen  und  zwar  insbesondere  mit  der  zweiten  Hinterhaupt- 
windung zusammen.  Am  Hinterhauptlappen  erkennt  man  den  Sulcus  occip.  trans- 
versus  (o)  deutlich,  der  in  dem  abgebildeten  Gehirn  des  Foetus  Nr.  I (Fig.  1)  nicht  mit  der 
Fiss.  iuterpar.  zusammenhäugt.  Dieser  Zusammenhang  existirt  aber  in  dem  Foetus  Nr.  II,  der 
drei  Tage  älter  ist,  sowie  in  einem  andern  mir  vorliegenden  Gehirn  dieser  Periode  (Xr.  V der 
Tabelle).  Am  Hinterhauptlappen  lassen  sich  also  unterscheiden:  1)  eine  ersto  Hinter- 
haupt Windung,  Gyr.  occ.  priraus  (0,)  (erste  Uebergangswindung,  Grat.),  geht  im  Bogen  um 
das  laterale  Ende  der  Fiss.  parieto-occip.  aus  dem  hintern  Ende  des  Scheitellappena  in  den  Hinter- 
haupthvppen  Uber.  2)  Die  zweite  Hinterhaupt  Windung,  Gyr.  occ.  sccundus  (0,),  geht  vom 
Hinterhauptlappen  in  den  Gyr.  angul.  (Pt)  und  in  die  zweite  und  dritte  Schläfenwindung  (Tt 
u.  7’, ) Uber.  Die  beiden  vorgenannten  Windungen  sind  von  einander  getrennt  durch  den  Sulc. 
occip.  long.  (ip'l,  welcher  nichts  anderes  ist  als  die  hintere  Abtheilung  der  Fissura  inter- 

Artlür  fDr  ABtlir©n»logi*.  Bd.  111.  Hell  *.  28 


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218  A.  Ecker, 

parietalis.  3)  Als  dritte  Hinterhauptwindnng  (03)  kann  derTlieil  des Hinterhauptlappens 
bezeichnet  werden,  welcher  durch  den  Sulcus  occipitalis  transversus  (o)  von  der  vorher- 
gehenden Windung  getrennt  wird  und  hinter  dieser  Furche  lateralwärts  verläuft. 

Ara  Schläfenlappen  erkennt  rann  den  tiefem  Sulcus  teinporalis  Superior  (t,),  welcher 
die  obere  Schläfenwindung  (2\)  nach  unten  begrenzt. 

Auf  der  untern  Fläche  des  Schläfen-  und  Hinterhauptlappens  erblickt  man: 

1)  Den  Gyrus  Hippocampi  (//). 

2)  Den  Gyrus  occipito  - temj>oralis  medialis  (Lob.  lingualis  Huschke  Ts). 

3)  Den  Gyrus  occ.  temp.  lateralis  (Lob.  fusiformis  Huschke  Tt);  links  ist  derselbe  ein- 
fach, rechts  dagegen  durch  eine  secundäre  Furche  unterabgetheilt 

4)  Die  Fiss.  occipito-temporalis  inferior  (Fiss.  collateralis  Huxley),  welche  die  beiden  vor- 
genannten Windungszuge  von  einander  trennt, 

5)  Don  Gyr.  occ.  temp.  lat.  (T«),  welcher  lateralwärts  durch  eine  Furche,  die  linkerseits 
sehr  vollkommen,  rechtcrseita  nur  unvollkommen  ausgcbildet  ist,  von  dem  Best  des  Schläfen- 
lnppens  getrennt  ist.  Diese  Furche  entspricht  der  dritten  Schläfenfurcho  (L). 

Darnach  hatten  wir  also  am  Schläfonlappen  deutlich  entwickelt:  1)  den  Gyrus  teinporalis 
superior  (T,) ; 2)  den  Gyrus  temporalis  4 und  5 (T,  und  Tj).  Dagegen  bilden  die  zweite  und  dritte 
Windung  zusammen  nur  einen  breiten  (besonders  links  ganz  ungegliederten)  Windungszug, 
wie  man  das  auch  am  Gehirn  des  Erwachsenen  nicht  selten  zu  beobachten  Gelegenheit  hat. 
Auf  der  medialen  Fläche  (Tuf.  IU,  Fig.  5)  sind  alle  Hauptfurchen  und  Hauptabtheilungen 
deutlich  vorhanden;  eine  weitere  Erklärung  der  Abbildung  ist  kaum  nöthig. 

7)  IX.  Monat,  33.  bis  30.  Woche  (Taf.  IV,  Fig.  1 — 4). 

Foetus  aus  der  30.  Woche,  Ende  des  IX.  Mondsmonats.  Länge  des  Foetus  45  Centim. 


Grösste  Länge  des  Schädelausgusses 10‘5  Centim. 

Grösste  Breite  „ „ 8-2  „ 


Der  Foetus  erreicht  in  diesem  Monat  eine  Länge  von  42  bis  45  Centim.  (E  H.  Weber 
giebt  für  diese  Periode  eine  Länge  von  17"  = 46-5  Ceutinn,  Hohl  eine  solche  von  17  bis  18" 
= 46'5  bis  48-6  Centim.  an). 

Das  Körpergewicht  fand  ich  in  zwei  Fällen  zu  1880  Gramm  (3%  Pfund)  und  2031-25 
Gramm  (4  Pfund  2 Loth).  (Hohl  giebt  4 bis  5*/»  Pfund  an.) ') 

Die  Fossa  Sylvii  ist  zu  einer  Fissura  Sylvii  geschlossen  und  nur  ganz  unten  an  der 
Bifurcation  zwischen  hinterem  (&)  und  vorderem  (S")  Schenkel  liegt  noch  ein  kleiner  Theil 
der  Insel  (J)  unbedeckt. 

An  dem  Stirnlappen  bemerkt  man  1)  eine  Furche  (obere  Stirnfurche,  /i),  welche 
die  obere  oder  erste  Frontalwindnng  (F,)  von  der  mittleren  oder  zweiten  (Fs)  trennt;  2)  den 
Sulcus  praecentralis  (Fig.  2 /,),  welcher  mit  der  untern  Stirnfurche  (/,)  zusammen- 
hängt, so  dass  dadurch  eine  Furche  entsteht,  die  aus  einem  senkrechten  Schenkel  (Sulc.  prae- 
centralis, senkrechte  Stirnfurche)  und  einem  wagerechten  (untere  Stirn  furche)  besteht  Die  letz- 
tere trennt  die  zweite  Stirnwindung  (F*)  von  der  dritten  (Fa);  die  erstere  scheidet  die  zweite 

3 Bas  Uirngewicht  betrug  bei  einem  Foetus  gleichen  Alters  218  Gramm  nnd  verhielt  sich  nun  Körper- 
gewicht von  1880  Gramm  = 15'5  : 100. 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Großhirnhemisphären.  219 

Stirnwindung  von  der  vordem  Centralwindung  (A ),  indem  sie  in  die  Wurzel,  mit  welcher  dieselbe 
von  dieser  entspringt,  tief  einschneidet.  Eine  schwächere  Furche  bedingt  eine  Theilung  der  mitt- 
leren Stimwindung  in  zwoi  Aaste,  wovon  sich  der  eine  (Fj")  mit  der  ersten,  der  andere  (Fj')  mit 
der  dritten  Stimwindung  vereinigt  Diese  letztere  (F’j)  entsteht  aus  dem  untersten  Ende  der  vor- 
dem Centralwindung  (A),  geht  im  Bogen  um  den  vordem  Schenkel  der  Fissura  Sylvii  (£>”) 
herum,  fliesst  mit  dem  lateralen  Ast  der  mittlom  Stirnwindung  zusammen  und  geht  schliesslich 
in  den  lateralen  Windongszug  der  Orbitalfläche  des  Stirnlappens  (Fig.  3,  F'a)  Uber  Die  drei 
Stirawindungen  sind  in  Folge  der  Abwesenheit  von  socundiiren  Furchen  sehr  klar  ausge- 
prägt, die  erste  (FJ  ist  hinten  linkerseits  sehr  breit  und  durch  eine  frontal  verlaufende,  mit 
der  Centralfurche  (c)  parallele  Furche  (/*),  die  mit  der  ersten  Stirnfurche  (fj  zusammen  - 
hängt,  von  der  vordem  Centralwindung  (A)  abgetrennt.  Diese  Furche,  indem  sie  sich  latoral- 
und  abwärts  erstreckt,  trennt  auch  den  Ursprung  der  zweiten  Stimwindung  (Fi)  und  zwar 
auf  beiden  Hemisphären  von  der  vordem  Central windung  ab,  so  dass  dieselbe  (die  zweito 
Stimwindung)  mit  ihrer  Wurzel  von  unten  nach  oben  aufsteigt,  um  sich  dann  plötzlich  in 
einem  rechten  Winkel  nach  vom  zu  wenden.  Diese  Furche  ahmt,  gewissermassen  ein  Stock- 
werk höher,  Lage  und  Verlauf  des  Sulcus  praccentralis  nach;  während  jedoch  dieser  ein  sehr 
constantes  Vorkommen  zeigt,  vermisst  man  jene  in  sehr  vielen  Fällen.  Auf  der  untern  Fläche 
des  Stirnlappens  bemerkt  man  zwei  Furchen,  den  Sulcus  olfactorius  (J\)  und  den  in 
schräger  Richtung  lateralwärts  von  diesem  verlaufenden  Sulcus  ofbitalis  (ft).  Dadurch 
wird  die  Orbitalfläche  des  Stirnlappens  undeutlich  in  drei  Windungszüge  geschieden,  den 
Qyms  rectus  s.  mediaiis,  eine  Fortsetzung  der  ersten  Stimwindung  (F’i),  den  Gyrus  medius 
und  lateralis  (F',  und  Ft),  Fortsetzungen  der  mittlem  und  untern  Stimwindung. 

Am  Scheitellappen  erkennt  man  hinter  der  hintern  Centralwindung  noch  den  vom 
Ende  des  Sulcus  calloso-marginalis  herrührenden  Einschnitt  (Fig.  1 cm).  Der  Sulcus 
interparietalis  (Fig.  1 und  3 ip)  ist  sehr  deutlich  ausgeprägt  und  die  Scheidung  des  Lobu- 
lus  parietalis  superior  (PJ  und  inferior  (PJ  ist  dadurch  eine  sehr  vollkommene.  Der  erstem 
ist  nur  durch  einige  wenig  tiefe  secundäre  Furchen  abgetheilt;  der  letztere  (s.  Fig.  3)  besteht 
aus  zwei  Theilen,  einem  vordem  (Gyrus  supramarginalis  Pt),  welcher  aus  dem  untern  Ende 
der  hintern  Centralwindung  hervorgeht  und  sich,  das  Ende  der  Fissura  Sylvii  ( S *)  umkreisend, 
in  die  erste  Temporal  windung  (TJ  fortsetzt,  und  einem  hintern  (Gyrus  angularis  P,'),  welcher 
sich  aus  der  eben  genannten  Windung  erhebt  und  in  einem  Bogen  um  die  oberste  Schläfen- 
turche  (Sulcus  temporalis  sup.  (t)  in  die  mittlere  Schläfenwindung  (Tj)  übergeht.  Durch  die 
Fissura  parieto-occipitalis  (po)  ist  der  Scheitellappen  vom  Hinterhauptslappen  getrennt. 

Hinterhauptlappcn.  Für  die  richtige  Auflassung  der  besonders  schwer  verständlichen 
Windungen  dieses  Lappens  scheint  mir  die  Betrachtung  von  Gehirnen  in  dem  in  Rede  stehenden 
Stadium  der  Entwicklung  ganz  besonders  instructiv,  Wirsehen  hier  (Fig.  1 und4)  den  Sulcus 
occipitalis  transversus  (o),  in  welchen  von  vom  her  der  Sulcus  interparietalis  (ip)  ein- 
mündet  Von  Windungen  sind  zu  unterscheiden:  1)  Gyrus  occipitalis  primus  (Oi),  welcher 
die  Fissura  parieto-occipitalis  (po)  lateralwärts  im  Bogen  unisäumt  und  den  Zwickel  mit  dem 
Vorzwickel  verbindet  Es  ist  dies  die  Windung,  welche  Oratiolet  als  erste  äussere  Ueber- 
gangswindting  bezeichnet«.  2)  Lateralwärts  von  dieser  verläuft  der  Gyrus  occipitalis  secundus 
(0.)  (zweite  äussere  Uebergangswindung  Gratiolet's).  Dieselbe  entspringt  hinter  dem 

28» 


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220 


A.  Ecker, 


Sulcus  occipitalis  transversus  (o),  verläuft  lateralwärts  von  der  Fissura  interparietaüs  (ipr), 
durch  diese  von  der  vorhergehenden  Windung  getrennt,  zum  untern  Scheitelläppchen  und 
verbindet  sich  insbesondere  mit  dem  Gyrus  angularis  (/V)-  Dieses  hintere  Stück  der  Fissura 
interparietaüs,  das  eigentlich  als  Sulc.  occip.  longitudinalis  Superior  zu  bezeichnen  ist,  tritt 
schon,  wie  wir  sahen,  im  sechsten  Monat  auf  und  fehlt  nie,  während  die  vordere  Abtheilung 
(Sulc  interpar.  ss.)  häufig  stellenweise  überbrückt  ist  Rechterscits  sind  in  unserer  Figur 
(Fig.  1)  die  beiden  Abtheilungen  sehr  deutlich  getrennt  3)  Ein  dritter  Windungszug,  Gyrus 
occipitalis  tertius  (Oj),  zieht  vom  hintern  Ende  der  Hemisphäre  unter-  und  lateral wärts  von 
der  vorigen  Windung  gegen  die  dritte  und  vierte  Schläfenwiudung  (Taf.  IV,  Fig.  4).  Zwischen 
den  eben  genannten  Windungen  finden  sich  Längsfurchen,  die  man  als  Sulci  occipitales 
longitudinales  bezeichnen  kann,  die  untere  (Sulcus  occipitalis  inferior  Oj)  zwischen  der 
dritten  und  zweiten  Occipitalwindung;  die  obere,  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Ocoipital- 
windung,  ist  nichts  anderes  als  das  hintere  Ende  der  Fissura  interparietaüs  (i p') , die  sich 
meist  in  den  Sulcus  occipitalis  transversus  einsenkt.  Das  hintere  Ende  der  Hemisphäre 
ist,  wie  die  Ansicht  von  hinten  (Fig.  4)  zeigt,  der  Punkt  des  Zusammenflusses  sehr  verschie- 
dener Windungszüge,  die  von  hier,  wie  von  einem  Centrum  aus,  divergircnd  nach  vorwärts 
zur  obem,  lateralen,  untern  und  medialen  Fläche  verlaufen. 

Am  Schläfenlappen  ist  der  Sulcus  temporalis  superior  (<,)  sehr  wohl  ausgeprägt 
und  dadurch  die  Scheidung  der  ersten  und  zweiten  Schläfenwindung  (T,  und  21,)  eine  sehr 
vollständige,  und  dies  ist  auch  stets  der  Fall ; dagegen  ist  die  Scheidung  der  zweiten  von  der 
dritten  Schläfenwindung  (T3)  selten  so  deutlich  ausgeprägt,  wie  im  vorliegenden  Falle,  da  die 
zweite  Temporalfurche  (fj)  häufig  nur  durch  kleine  unterbrochene  Einsenkungen  angedeutet 
ist.  Die  vierte  und  fünfte  Temporalwindung  (T,  und  Ti,  s.  Fig.  3)  sind  dagegen  durch  den 
Sulcus  occipito-temporalss  inferior  deutlich  von  einander  geschieden. 

Die  Furchen  und  Windungen  der  medialen  Fläche  zeigen  keinen  wesentlichen  Fortschritt 
gegen  den  8.  Monat,  sind  daher  hier  nicht  nochmals  dargestellt  worden. 


Rückblick. 

1)  Wenn  wir  von  der  Fossa  Sylvii  und  der  Fissura  Hippocampi  absehen,  welehe  letztere 
ebenfalls  mit  den  übrigen  Furchen  nicht  in  eine  Categorie  gestellt  werden  darf,  so  beginnt 
die  Bildung  der  bleibenden  Furchen  in  der  Regel  im  5.  Monat;  jedoch  scheint  in  Bezug  auf 
die  Zeit  des  Auftretens  ein  ziemlich  grosser  Spielraum  zu  bestehen. 

2)  Der  Bildung  der  bleibenden  Furchen  geht  im  3.  und  4.  Monat  die  Bildung  vorüber- 
gehender Furchen  vorher,  die  sowohl  auf  der  lateralen  oben»  als  der  medialen  Fläche  vor- 
handen sind;  auf  der  erstem  zeigen  sie  in  der  Regel  eine  auf  die  Fossa  Sylvii  radiär  gestellte 
Anordnung;  die  hinterste  derselben  ist  oft  sehr  tief  und  persistirt  bisweilen  sehr  lange.  Auf 
der  medialen  Fläche  stehen  die  temporären  Furchen  ebenfalls  radiär  auf  der  Bogenfurche , in 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshimhemisphtiren.  221 

welche  sie  oinmünden;  unter  denselben  markiren  Bich  oft  schon  jetzt  die  bleibendo  Fissur« 
parioto-occipitnlis  und  calcarina. 

3)  Die  primären  tiefen,  bleibenden  Furchen  theilen  die  Oberfläche  der  Hemisphären  in 
eine  Anzahl  von  Bezirken,  welche  erst  später  durch  Auftreten  von  weiteren  sccundären, 
minder  tiefen  Furchen  in  Windungen  zerfallen. 

4)  Die  erste  Anlage  der  Furchen  scheint  — relativ  zu  den  späteren  Furchen  und  Win- 
dungen — im  Allgemeinen  eine  viel  mehr  symmetrische  zu  sein.  Die  Assymmetrie  nimmt 
erst  mit  dem  Auftreten  der  Nebenfurchen  und  Nebenwindungen  überhand.  Grössere  Sym- 
metrie der  Furchen  und  Windungen  darf  daher  wohl  als  Ausdruck  einer  Bildungshemmung 
betrachtet  werden  und  findet  sich  (Gratiolet,  Mömoire  etc.  S.  60)  in  der  That  am  Idioten- 
gehirn. Dass  die  Furchen  und  Windungen  der  linken  Hemisphäre  in  ihrer  Entwicklung 
denen  der  rechten  voraneilen,  wie  Gratiolet  behauptet,  lässt  sich  keineswegs  nachweisen. 

5)  Zwischen  Gehirnen  verschiedener  Foctus  des  gleichen  Alters,  Reibst  Zwillingen,  bestehen 
grosse  Verschiedenheiten  in  Betreff  der  Anlage  der  ersten  Furchen,  nicht  nur  der  Zeit  nach, 
worauf  Bchon  oben  (unter  1)  hingewiesen  wurde,  sondern  auch  in  Betreff  der  Form,  und  es 
wird  daher  einer  noch  weit  grösseren  Anzahl  von  Beobachtungen , als  sie  uns  jetzt  zu 
Gebot  stehen , bedürfen , um  das  der  Spocies  zukommende  relativ  Unwandelbare  von  dem 
mehr  Schwankenden  der  individuellen  Bildung  zu  trennen. 

G)  Die  Fossa  Sylvii  bildet  sich  im  3.  Monat  (s.  oben  S.  208)  als  eine  rinnenformige,  fron- 
tal verlaufende  Einbiegung  der  Hemisphärenblasen;  im  4.  Monat  nimmt 
sie  eine  schräg  nach  hinten  aufsteigende  Richtung  an  und  beginnt  sich 
zu  begrenzen.  Im  5.  Monat  wird  die  Begrenzung  deutlicher,  die  Ränder 
erheben  sich  mehr  und  eine  schwache  Einbiegung  am  vordem  Rande 
deutet  die  Entstehung  des  vordem  Schenkels  an.  Im  6.  Monat  hat  sie 
die  Gestalt  eines  gleichschenkligen  Dreiecks,  im  7.  Monat  entwickelt  sich 
der  vordere  Schenkel  mehr,  der  untere  Theil  der  Grobe  aber  bleibt, 
während  sich  die  Schenkel  schlicssen,  bis  zum  9.  Monat  offen. 

7)  Die  erste  Furche,  die  aufzutreten  pflegt  (im  4.  bis  5.  Monat),  ist 
die  Fissura  parieto-occipitalis,  die  au  der  medialen  Fläche  ent- 
steht und  bald  auch  durch  einen  Einschnitt  am  obern  medialen  Rande 
der  Hemisphäre  erkennbar  ist  Sie  setzt  sich  in  den  vordem  Theil  der 
Fissura  calcarina  fort,  von  welcher  alsbald  auch  der  hintere  Theil 
sich  ausbildet,  wodurch  dann  der  Zwickel  begrenzt  ist.  Bisweilen 
scheint  auch  die  Fissura  calcarina  vor  der  Fissura  parieto-ocoip.  zu  ent- 
stehen, jedoch  bildet  (lies  Verhalten  jedenfalls  nur  die  Ausnahme.  Die 
hinteren  Theilungssclieukel  der  Fissura  calcarina  scheinen  häufig  geson- 
dert zu  entstehen  und  sich  erst  nachträglich  mit  der  Hauptfurche  zu 
Schematische  Darstellung  vereinigen, 
de»  Formenwechse!»  der 

Fissura  Sj-lrii.  3 iiis  9:  8)  Die  Furche,  welche  nun  zunächst  entsteht  im  fünften  Monat  oder 

d^I^ho''ltel!iMis*  10-  au°b  erat  im  Anfang  des  sechsten,  ist  die  Centralfurche,  die  gewübn- 
vulleniicter  Zustand,  lieh  als  eine  Einsenkung  in  der  Mitte  ihres  spätem  Verlaufs  entsteht 


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222 


A.  Ecker, 


and  sich  allmülig  nach  oben  und  unten  fortsetzt  Es  ist  dies  die  mittlere  der  sogenannten 
primären  Kadiärfurchen  (Reichert). 

9)  Die  nun  zunächst  auftretenden  Furchen  der  lateralen  Fläche  zeigen,  wie  Reichert 
zuerst  erkannte,  eine  radiäre  (radiär  auf  die  Fossa  Sylvii  gerichtete)  Anordnung,  allein  diese 
ist  keineswegs  so  constant,  regelmässig  und  deutlich,  wie  es  etwa,  insbesondere  nach  den 
Abbildungen  von  Reichert,  scheinen  könnte.  Die  vordere  dieser  Furchen,  die  aber  meist  die 
Form  einer  winklig  geknickten  Linie  oder  eines  Y hat,  ist  der  Sulcus  praecentralis  (/,) 
mit  dem  Sulcus  frontalis  inferior  (/i)1). 

10)  Die  nun  in  der  Regel  zunächst  auftretende  Furche  ist  der  hintere  Theil  des  Sulcus 
interparietalis  (ip') *),  eine  Furche,  die  identisch  ist  mit  dem  Sulcus  occipitalis  longitudi- 
nal« superior.  Dieselbe  begrenzt  lateralwärts  den  Gyrus  occipitalis  primus  (O,). 

11)  An  dieselbe schliesst  sich  dann  der  vordere  Theil  des  Sulcus  interparietalis  (tp)*). 
Diese  Furche  ist  es,  welche  als  hintere  primäre  Radiärfurche  (6.  bei  Bischof f)  bezeichnet 
werden  kann  und  die , besonders  wenn  sie  frühzeitig  auflritt  und  lateralwärts  weit  herab- 
reicht, wesentlich  zu  dem  Bilde  der  radiären  Anordnung  der  Primärforchen  beiträgt  Vom  vor- 
dem Endo  derselben  geht  häufig  eino  quore  Furche  aus,  die  ich,  der  Analogie  mit  dem  Sulcus 
praecentralis  wogen,  dem  sio  aber  an  typischer  Bedeutung  sicherlich  weit  nachsteht,  Sulcus 
po.stcentralis  genannt  habe. 

12)  Auf  der  medialen  Flächo  entsteht  nunmehr  (im  6.  Monat)  der  Sulcus  calloso-margi- 
nalis  (cm)*). 

18)  Um  dieselbe  Zeit  mit  den  letztgenannten  Furchen  entsteht  auch  in  der  Regel  die 
obere  Schläfen  furche  (<i)‘),  die  zuerst  an  ihrem  künftigen  obern  Ende  auftrittund  von  danach 
unten  fortschreitet;  sie  umkreist,  wenn  ihr  oberstes  Ende  zuerst  auftritt,  das  Ende  der  Fossa 
Sylvii  im  Bogen.  Oft  bildet  sich  auch  jetzt  schon  der  Sulcus  occipito-temp.  inf.  (f,)  *)  aus. 

14)  Im  7.  Monat  tritt  dann  die  oberste  Stirnfurche  auf,  womit  der  Stirnlappen  in  der 
Hauptsache  ungelegt  ist;  weiterhin  tritt  dann,  im  8.  Monat,  durch  Auftreten  der  dritten 
Schläfenfurche1)  eine  weitere  Gliederung  des  Scliläfenlappens  ein,  es  tritt  der  Sulcus  occip. 
transv.  (o)  auf,  so  dass  dann  im  9.  Monat  sämmtliche  Hauptfurcheu  und  Hauptwindungen  an- 
gelegt sind.  Da  dagegen  die  Nebenfurcheu  und  Nebenwindungen  noch  zu  einem  grossen 
Theile  fehlen,  so  stollt  ein  Gohim  aus  dieser  Periode  gewissermassen  ein  schematisches  Bild 
der  menschlichen  Hirnwindungen  dar,  das  für  das  Verständniss  dos  Typus  derselben  ganz  be- 
sonders instructiv  ist, 

15)  Fragen  wir  schliesslich  nach  der  Erkenntnis«  eines  Gesetzes  der  Bildung  der  Furchen 
und  Windungen,  mit  anderen  Worten  nach  einem  Verständniss  derselben  als  noth wendiger 
Folge  gewisser  mechanischer  Vorgänge  des  Wachsthums  von  Gehirn  und  Schädel,  so  ist  wohl 
sicher,  dass  ein  solches,  wie  es  insbesondere  durch  die  treffliche  Arbeit  von  His  für  die 
primitive  Entwicklung  des  Embryo  angebahnt  wurde,  sich  auch  für  diese  Bildungen  eröffnen 
wird.  Für  jetzt  fehlen  uns  noch  die  nothwondigen  Data  zu  einer  solchen  Erkenntnis«.  Am 
ehesten  ist  wohl  die  Entstehung  der  Fossa  Sylvii  in  diesem  Sinn  einem  Verständnis«  eröffnet. 


! I Taf.  H,  Fig.  2.  — *)  ibid.  Fig,  1.  — *)  ibid.  Fig,  1—2.  — *)  ibid.  Fig.  4.  — »)  ibid.  Fig.  2.  — *)  ibid. 
Fig.  3.  - T)  Taf.  III,  Fig.  4. 


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Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Furchen  u.  Windungen  d.  Grosshirnheraisphären.  223 

als  die  Folge  eines  um  die  gewissennassen  ruhende  Axe  des  Stammlappens  ungemein  raschen 
Wachsthums  der  Hemisphären , insbesondere  in  die  Länge , und  die  radiäre  Stellung  sowohl 
der  temporären  als  auch  die  mehr  oder  weniger  dieser  Richtung  sich  nähernde  der  blei- 
benden primären  Furchen  mag  wohl  demselben  Grunde  entspringen.  Ob  die  Anlage  einer 
gewissen  Anzahl  von  Windungen  im  Bogen  um  die  Enden  von  Hauptfurchen,  auf  welche 
Anordnung  Bischoff  (1.  c.  S.  34)  grosses  Gewicht  legt,  einem  Verständniss  nach  dieser  Rich- 
tung zugänglich  ist,  vermag  ich  bis  jetzt  nicht  zu  entscheiden,  jedenfalls  erleidet  dieses 
Gesetz,  wie  Bischoff  (L  c.  S.  60)  selbst  einräumt,  beträchtliche  Ausnahmen.  Von  Bedeutung 
scheint  die  Beziehung  zwischen  der  Anordnung  der  Hauptfurchen  und  dem  Verlauf  der  Hirn- 
arterien,  auf  welche  Reichert  aufmerksam  gemacht  hat.  — Ich  benutze  diese  Stelle,  um 
nochmals  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  ein  Hauptausgangspunkt  von  Längsfurchen  und 
Längswindungen  sich  am  hintern  Ende  der  Hemisphäre,  am  Lobulus  extromus  befindet,  wie 
dies  besonders  deutlich  wird,  wenn  man  die  von  hier  ausgchendon  Furchen  und  Windungen 
auf  eine  Ebene  projicirt;  es  gehen  von  diesem  Punkte  aus  die  drei  Gyri  occipitales,  sowie  die 
Gyri  occipito-temporales  und  die  Zwickelwindung  vorwärts  (vgl.  Taf.  HI,  Fig.  4;  Taf.  IV, 
Fig.6)»). 


<)  S.  auch  meine  oben  (S.  206)  citirte  Schrift  ,,die  Hirnwindungen  etc.'S  S.  36. 


I 


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Erklärung  der  Abbildungen. 

Tftfei  I-IV. 

Taf.  L 3.  4.  und  5.  Monat«  (exc.  Fig.  14.) 

Fig.  1.  Gehirn  eines  Embryo  aus  der  12.  Woche,  von  der  Seite.  F Stirnlappen.  T Schläfenlappen. 
S Fossa  Sylvii. 

Fig.  2.  Dasselbe  von  oben.  Zwischen  den  nach  hinten  aus  einander  weichenden  Hemisphären  sieht 
man  das  Mittelhirn  (Vierhügel)  und  das  kleine  Hirn.  8 Fossa  Sylvii. 

Fig.  3.  Ein  Gehirn  von  ungefähr  gleicher  Grosse  wie  das  vorhergehende,  die  linke  Hemisphäre  von 
der  medialen  Fläche  gesehen.  Zahlreiche  temporäre  Furchen  von  radiärer  Richtung 
münden  in  die  Bogenfurche  ein.  h Fissura  Hippocampi  (hinterer  Theil  der  Bogenfurche). 
U Haken. 

Fig.  4.  Dasselbe  Gehirn,  von  der  lateralen  Fläche  gesehen  und  geöffnet  Man  sieht  die  Vorsprünge, 
welche  die  temporären  Furchen  nach  Innen  erzeugen.  A Ammonshorn,  von  der 
Fissura  Hippocampi  gebildet. 

Fig.  5.  Gehirn  eines  12 wöchigen  Embryo,  in  der  Richtung  der  Linie  ab  Fig.  1.  frontal  durch* 
schnitten.  A Cornu  Ammonis.  /*  Fissura  Hippocampi  auf  dem  Querschnitt  Linkerseits 
erblickt  man  den  der  Einbiegung  der  Fossa  Sylvii  entsprechenden  Streifenhügel  in  Ver- 
bindung mit  der  Hemisphärenwand,  rechts  den  Iiemisphurcnrand,  der  sich  zum  Gewölbe 
um  wandelt 

Fig.  6.  Gehirn  eines  4 monatlichen  Fuetoa  (aus  der  16.  Woche)  von  oben.  8 Ende  des  horizon- 
talen Schenkels  der  Fossa  Sylvii. 

Fig.  7.  Dasselbe  von  der  Seite.  8 Fossa  Sylvii.1) 

Fig.  8.  Dasselbe  im  Medianscbnitt.  po  Fissura  parieto-occipitalis.  li  Fissura  Hippocampi.  R Gy- 
ros Hippocampi.  V Hakenwindung. 

Fig.  9.  Gehirn  eines  £>  monatlichen  Foetus  (aus  der  19.  Woche).  Oberfläche  der  Hemisphären  noch 
ganz  glatt.  8 Fossa  Sylvii.  .S*  hinterer  Schenkel  derselben. 

Fig.  10.  Gehirn  eines  ömonatlichen  Foetus  (aus  der  20.  Woehe).  S Fossa  Sylvii.  c Sulcus  centralis. 

Fig.  11.  Dasselbe  von  der  Seite.  *Sy  hinterer  Schenkel  der  Fossa  Sylvii  8"  vorderer  Schenkel  der- 
selben, eben  angodeutet 

Fig,  12.  Ein  Gehirn  gleichen  Alters  von  unten.  U Hakenwindung.  fA  Sulcus  olfactoriu*.  J Stamm- 
lappen und  dessen  Zusammenhang  mit  dem  Tractus  olfactor.  oc  Fissura  calcarina. 

Fig.  IS.  Dasselbe  median  durchschnitten,  po  Fissura  parieto-occipitalis.  oe  Fisaura  calcarina. 

h Fiasura  Hippocampi.  Gd  Gyrus  dentatus.  f x Fornix.  0»  Zwickel.  27  Haken- 
windung. 

Fig.  14.  Linke  Hemisphäre  eines  7 monatlichen  Foetus,  vor  dem  hintern  Ende  des  Balkens  frontal 
durchschnitten;  der  hintere  Abschnitt  von  vorn  gesehen.  Gf  Gyrus  fornicatus.  A Cornu 
Ammonis.  h Fissura  Hippocampi.  G d Gyrus  dentatus.  f4  Fi&s.  occip.  temp.  inf. 
(Fiss.  collatcralis  Huxley).2)  H Gyrus  Hippocampi 

Die  Bezeichnungen  für  die  Tafeln  II,  111  und  IV  sind  die  gleichen  und  folgen  weiter 

unten  nach. 

Taf.  n.  Fig.  1,  2,  3,  4.  ß.  Monat.  — Fig,  5,  6,  7.  7.  Monat. 

Fig.  1.  Gehirn  eines  6 monatlichen  Foetus  (aus  der  28.  Woche)  von  oben. 

Fig.  2.  Dasselbe  von  der  Seite. 

Fig.  3.  Dasselbe  von  unten. 

Fig.  4.  Dasselbe  median  durchschnitten. 

Fig.  6.  Gehirn  eines  7 monatlichen  Foetus  (aus  der  2$.  Woche),  von  oben  (Tabelle  S.  214,  Nr.  I). 

Fig.  6.  Gehirn  eines  7 monatlichen  Foetus  (aus  der  28.  Woche).  (Tabelle  ibid.,  Nr.  VI.) 

Fig.  7.  Gehirn  eines  Foetus  von  ganz  gleichem  Alter  von  der  beite.  (Tabelle  ibid.,  Nr.  V.) 

*)  Der  vordere  untere  Rand  der  Fossa  Sylvii  ist  in  dieser  Zeichnung  etwas  tu  scharf  ausgeprägt. 

*1  Dieselbe  veranlasst  hier  eine  schwache  Erhebung  im  absteigenden  Horn. 


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225 


T&f.  III.  8«  Monat. 

Fig.  1.  Gehirn  eines  8 monatlichen  Foetus  (aus  der  32.  Woche).  (Tabelle,  8.  216,  Nr.  I.) 

Fig.  2.  Dasselbe  von  der  Seite,  (ibid.) 

Fig.  3,  Gehirn  eine«  Foetus  von  ganz  gleichem  Alter.  (Tabelle,  Seite  216,  Nr.  II.) 

Fig.  4.  Daa  in  Fig.  1 dargeetellte  Gehirn  von  unten  (ibid.). 

Fig.  5.  Dasselbe  median  durchschnitten. 

Fig.  6.  Dasselbe  von  hinten. 

Fig.  7.  Hinterhaupt  lappen  eines  7monatlichen  Foclus,  frontal  durchschnitten,  cp  Cornu  posterius, 
c a Calcar.  avis.  o c Fissura  calcarina. 

Taf.  IV.  9.  Monat. 

Fig.  1.  Gehirn  eines  Foetu»  aut  der  36.  Woche,  von  oben. 

Fig.  2.  Dasselbe,  von  unten. 

Fig.  3.  Dasselbe,  von  der  Seite. 

Fig.  4.  Dasselbe  von  hinten. 


Allgemeine  Erkliirung  der  Bezeichnungen  der  Figuren  auf 
Tafel  II,  III  und  IV. 


J Insel  oder  Stammlappen. 

S Fissura  Sylvii. 

hinterer  oder  horizontaler  Ast  derselben. 

Avr  vorderer  oder  aufsteigender  Ast. 

A vordere  Centralwindung. 

Jt  hintere  Centralwindung. 
c Central  furche. 

Ft  Gyros  frontalis  superior. 

F|  Gyros  frontalis  medius* 

Fj  Gyrus  frontalis  inferior. 
fy  Sulcus  frontalis  superior. 
f3  8olcus  frontalis  inferior. 

/s  Sulcus  praecentralis. 

/4  Sulcus  olfactorius. 

Sulcus  orbitalis. 

Px  Lobulu9  parietal is  superior. 
l‘%  Lobulus  parietalis  inferior. 

P9  Gyrus  supramarginalis. 

Pf  Gyros  angularis. 

ip  Sulcus  interpanetalis,  vorderer  Theil. 

* ;/  Sulcus  interpanetalis,  hinterer  Theil  (Sulcus  ocri* 
pitalis  longitudinalis  superior  o,). 
p c Sulcus  postcentralis. 

Pf  Vorzwickel. 

O * Zwickel. 

Oy  Gyrus  occipitalis  prima«. 

Ot  Gyros  occipitalis  secundus. 

Corrigenda.  Auf  Taf. 


03  Gyros  occipitalis  tertias. 

D Gyrus  deecendons. 

Le  Lobulus  extremus. 
po  Fissura  parieto-occipitalis. 
o Sulcus  occipitalis  transversus. 
oa  Sulcus  occipitalis  inferior. 

Tv  Gyros  temporal»  superior  s.  primus  s.  inframar- 
gioalis. 

T%  Gyros  temporalis  medius  s.  secundus. 

7'a  Gyrus  temporalis  inferior  s.  tertius. 

Ty  Gyrus  occipito-temporalis  lateralis  s.  lobulus  (uni- 
form is. 

Th  Gyrus  occipito-temporalis  medialis  s.  lobulus  lin- 
gualis. 

<j  Sulcus  temporalis  superior. 

Sulcus  temporalis  medius. 
ts  Sulcus  temporalis  inferior. 

1 1 Sulcus  occipito-temporalis  inferior  a.  collateralis. 

c m Sulcus  calloso-marginatis. 

oc  Fissura  calcarina. 

oc'  oberer  Schenkel  derselben. 

o c"  unterer  Schenkel  derselben. 

h Fissura  Hippocampi. 

G f Gyrus  fornicatus. 

H Gyrus  Hippocampi. 

U Gyrus  uncinatus. 

Gd  Gyros  dentatus. 


I,  Fig.  11  ist  statt  co  zu  lesen  c. 

IV,  „ 1 ist  (zweite  Bezeichnung  von  vorn)  statt  F%  zu  lesen  Ff. 

IV,  n 3 (linke  Seite)  ist  statt  Fs  zu  lesen  J. 


Nachricht.  Dr.  Ziegler  in  Freibarg  hat  unter  der  Leitung  des  Verfassers  vorstehender  Arbeit  und  nach 
dessen  Präparaten  eine  Reihe  von  Wachsmodellen  entworfen,  über  welche  ein  diesem  Hefte 
beigegebener  ProspcctuB  nähere  Auskunft  giebt. 

Aiohir  für  Anthropologie  Bd.  1U.  Hi(t  8.  29 


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XIV. 


Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen 
auf  den  Grosshirnhemisphären  des  Menschen  und  der  Affen. 

Von 

D r.  A d.  P a n s o h 

l'rowctor  in  Ki«l  •)- 

(Hierin  Tafel  V— VHI.) 


Die  Lehre  von  den  Grosshirnwindungen  des  Menschen  und  der  Affen  ist  in  der  neuesten 
Zeit  wieder  mehr  in  den  Vordergrund  getreten,  indem  man  einerseits  die  durch  die  früheren 
Untersuchungen  gewonnene  Basis  theils  zu  erweitern  theils  zu  zerstören  bemüht  ist,  ander- 
seits aus  ihr  die  Lösung  schwebender  Fragen  zu  entnehmen  sucht.  Wie  nun  die  Sache  heut- 
zutage liegt,  kann  man  sich  nicht  wundem,  wenn  Manchem  vielleicht  dieses  Thema  abgethan 
und  unwichtig  erscheint,  oder  auch,  wenn  man  es  für  so  schwierig  und  weitläufig  hält,  dass 
nur  der  Specialist  sich  am  Hirn  orientiren  und  den  verschiedenen  Beschreibungen  folgen 
könne.  Aber  Beides  ist  unrichtig;  im  Gegentheil,  es  steht  einer  genauen  namentlich  ver- 
gleichenden Untersuchung  noch  ein  weites  Feld  offen,  und  was  die  vermeintlichen  Schwierig- 
keiten betrifft,  so  müssen  diese  bei  richtiger  Auffassung  vollständig  schwinden,  denn  es  giebt 
in  der  That  ein  natürliches  sogenanntes  Windungssystem  des  Affen-  and  Menachenhirns,  d.  h. 
eine  praktisch  verwerthbare  Eintheilung  der  Oberfläche,  die  nicht  auf  Willkür,  sondern  auf 
genetischer  Grundlage  beruht.  Es  ist  die  Absicht,  in  Folgendem  dieses  nachzuweisen.  Wird 
dabei  auch  Bekanntes  öfters  wiederholt  werden  müssen,  so  gewinnt  doch  Vieles  davon  durch 
andere  Anschauung  einen  ganz  andern  Werth. 

Ehe  ich  nun  auf  die  Sache  selbst  eingehe,  mögen  folgende  allgemeine  Bemerkungen 
noch  vorausgeechickt  werden.  Die  Frage  nach  der  allgemeinen  morphologischen  Bedeutung 
der  Windungen  kann  um*  vorläufig  hier  ziemlich  gleichgültig  sein  — jedenfalls  verdanken  sie 
fast  alle  als  Faltungen  ihren  Ursprung  einem  verschieden  starken  W'achsthum  einzelner  Theile 
der  Oberfläche.  Wo  hier  in  Gestalt  oinor  Linie  eine  (relative  oder  absolute)  Hemmung  eintritt, 

')  Zur  Zeit  als  Aut  und  Naturforscher  bei  der  zweiten  deutschen  Nonlpolexpedition. 

29* 


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228 


Ad.  Pansch, 

da  muss  sich  natürlich,  da  im  Uebrigen  die  Oberfläche  ziemlich  gleichmässig  wuchert  , später 
eine  Furche  bilden.  Fast  immer  nun  legen  sich  die  durch  eine  solche  Furche  getrennten 
Theile  (Wülste)  mit  der  Zeit  unmittelbar  aneinander,  die  Furche  gleicht  keinem  flachen  l’hale, 
sondern  einer  engen  Schlucht. 

Die  Erfahrung  lehrt  ferner,  dass,  wie  auch  bei  allen  Thieren  mit  gefurchten  Hirnen,  die 
Furchen  nicht  alle  zu  gleicher  Zeit,  sondern  die  einen  früher,  die  anderen  spater  sich  bilden. 
Darnach  lässt  sich  sogleich  vermuthen,  dass  die  Furchen  des  erwachsenen  Hirns  selir  ver- 
schiedene Tiefe  haben  werden,  und  es  müsste  die  vorhandene  Tiefe  sogar  Uber  die  Zeit  der 
Entstehung  genauen  Aufschluss  geben  können,  falls  nur  die  Hemmung  entweder  überall  eine 
absolute,  oder  doch  die  relative  Hemmung  an  allen  Stellen  gleichzeitig  gleich  stark  gewirkt 
hätte.  Im  Allgemeinen  scheint  sich  nun  die  Sache  so  zu  verhalten,  wenigstens  weist  eine 
bedeutende  Tiefe  der  Furche  wohl  immer  auf  einen  frühen  Ursprung  hin,  doch  sind  hierüber 
noch  genauere  Untersuchungen  nöthig.  Immerhin  aber  bleiben  die  Tiefenverhältnisse  der 
Furchen  von  der  allergressten  Wichtigkeit;  eine  Beschreibung  der  Iiirnoberfläche,  die  hierauf 
keine  Rücksicht  nimmt,  kann  ich  immer  nur  als  unzureichend  ansehen.  Den  zwischen  zwei 
Furchen  gelegenen  erhabenen  Theil  nennt  man  seines  heim  Erwachsenen  meist  geschlängelten 
Verlaufs  wegen  gewöhnlich  Windung.  Doch  werden  weder  die  kleinsten  noch  die  grössten 
Abtheilungen  damit  bezeichnet,  sondern  ohne  genaue  Begriffsbestimmung  häufig  ganz  will- 
kürlich bestimmte  Complexe.  Die  „Windung"  in  dem  gebräuchlichen  Sinn  ist  hiernach  also 
durchaus  kein  präciser  genetischer  Begriff  und  hat  ausserdem  den  Nachtheil,  dass  sie  (frü- 
heren Anschauungen  freilich  ganz  gemäss)  einen  langgestreckten  und  gebogenen  Theil  bezeich- 
net. Weniger  zweideutig  und  praktischer  erscheint  für  dergleichen  Complexe  die  Bezeich- 
nung „Wulst“.  — Bei  jeder  solchen  Windung  oder  Wulste  ist  es  nun  aber  selbstverständlich, 
dass  sie  von  Furchen  begrenzt  wird  (wenigstens  theilweise),  ebenso  wie  auch  zu  einer  Furche 
nothwendig  zwei  begrenzende  Windungen  oder  Wülste  gehören.  — Es  zeigt  sich  ferner,  dass 
die  grösseren  Furchen  meist  jede  für  sich  entstehen  und  meistens  nicht  in  Verbindung  mit 
einander  treten.  Die  durch  sie  getrennten  Wülste  („Lappen“  oder  „Windungen“)  besitzen 
also  meistens  eine  oder  mehrere  Stellen,  wo  sie  miteinander  Zusammenhängen.  Wir  haben 
damit  also  einfach  einen  Mangel  durchgehender  Trennung  benachbarter  Theile.  (Wie  kann 
man  hier  von  einer  besondere  „Windung"  sprechen,  wonn  man  nicht  etwa  dem  Wort  eine 
ganz  andere  ungebräuchliche  und  oft  unpassende  Bedeutung  beilegen  willf).  — Es  ist  weiter- 
hin aus  Obigem  schon  klar,  dass,  wenn  auch  Furchen  und  „Windungen“  eine  die  andere 
bedingen,  es  doch  rationell  und  das  Einfachste  erscheint,  die  Furchen  zunächst  ins  Auge  zu 
fassen.  Das  wird  der  Verfolg  deutlich  lehren,  und  davon  mögen  Gegner  sich  leicht  über- 
zeugen, wenn  sie  in  dieser  Sache  die  englische  Literatur  mit  der  deutschen  vergleichen,  und 
sich  fragen,  wo  die  besten  Resultate  sind.  — Grössere  Abtheilungen  der  Hemisphäre  hat  man 
seit  langer  Zeit  unter  dem  Namen  von  Lappen  zusammengefasst  und  aufgeführt.  Dass  eine 
eingehende  Beschreibung  und  Nomenclatur  durch  dergleichen  AbtheUungen  erleichtert  werden 
muss,  ist  klar;  ob  solche  gebräuchliche  Eintheilungen  genetische  Berechtigung  haben,  ist  frei- 
lich eine  andere  Frage.  Aber  man  kann  zwei  verschiedene  Begriffe  mit  dem  Namen  „Lappen“ 
verbinden.  Man  kann  nach  den  allgemein  üblichen  Bezeichnungen  der  anatomischen  Hand- 
bücher die  drei  lappenartig  vorspringenden  Theile  der  Hemisphären  so  nennen;  dann  haben 


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Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc.  229 

sio  einen  körperlichen  Begriff  und  stehen  mit  den  einzelnen  „Windungen“  direct  in  keinem 
Zusammenhänge.  Oder  man  nennt,  an  jene  Vorstellungen  freilich  anschliessend,  grossere  Ab- 
theilungen, die  meist  durch  besonders  ausgezeichnete  Furchen  abgegrenzt  werden,  mit  diesem 
Namen;  dann  hat  man  also  einen  Complex  mehrerer  Windungen  und  kann  streng  genommen 
natürlich  nur  Abtheilungen  der  Oberfläche  und  nicht  der  ganzen  Hemisphäre  darunter  ver- 
stehen. Das  Verlangen,  dass  solche  trennende  Furchen  genetisch  von  den  übrigen  ausge- 
zeichnet seien,  ist  ein  gerechtes.  Der  Verfolg  wird  zeigen,  wie  weit  diese  Principion  auch 
praktische  Anwendung  gestatten.  £in  weiteres  Verfahren,  eine  Trennuug  in  Lappen  zu 
bewerkstelligen,  kann  es  nicht  geben  (abgesehen  vielleicht  von  einer  Berücksichtigung  des 
in n (tu  Baues).  Der  Versuch,  solche  Theilungen  von  vornherein  durch  Momente,  die  ganz 
ausserhalb  des  Qchiras  liegen,  z.  B.  die  Nätho  zu  bewirken,  dürfte  Wenige  befriedigen. 

Um  zu  unserm  Ziele  zu  gelangen,  ist  es  nun  unsere  Aufgabe,  möglichst  objectiv  und 
genau  die  Entwicklung  dor  Furchen  zu  verfolgen,  und  zwar  nicht  nur  beim  Menschen  und 
den  verschiedenen  Affen,  sondern  auch  bei  den  übrigen  Säugethieren.  Erst  wenn  dies,  und 
zwar  auch  in  grösserer  Ausdehnung,  geschehen  ist,  können  genügende  Endresultate  gezogen 
werden.  In  Bezug  auf  das  Menschenhirn  liegt  schon  werthvolles,  ein  Urtheil  gestattendes, 
wie  mir  aber  bei  der  Bedeutung  und  dem  Interesse  gerade  dieses  Hirns  scheinen  will , noch 
lange  nicht  ausreichendes  Material  vor.  Ueber  die  Entwicklung  des  Affenhiros  schweigt  die 
Literatur  gänzlich,  doch  war  ich  so  glücklich,  selbst  wenigstens  einige  werth volle  Unter- 
suchungen hierüber  anstellen  zu  können.  Wir  müssen  uns  im  Uebrigen  auf  die  Vermuthungen 
Rtützen,  die  die  Betrachtung  der  Furchentiefe  giebt,  sowie  auf  die  Resultate,  die  die  ver- 
gleichende Anatomie  in  der  langen  Reihe  der  Affen  zu  erlauben  scheint.  In  Bezug  auf  die 
übrigen  Säugethiere  sind  freilich  die  Windungen  schon  in  weitem  Umfange  vergleichend  unter- 
sucht, aber  eine  eingehendere  Gründlichkeit,  wie  wir  sie  heute  nach  den  oben  ausgesprochenen 
Principien  verlangen  müssen,  finden  wir  nirgends.  Für  die  Entwicklungsgeschichte  war  ich 
auch  hier  auf  mich  selbst  angewiesen.  Doch  lag  mir  hier  für  Hund  und  Katze  ein  ziemlich 
genügendes  Material  vor. 

Abbildungen  habe  ich  möglichst  wenige  gegeben , aber  wo  möglich  für  den  einzelnen 
Fall  charakteristische.  Genügende  Anschauung  des  Ganzen  können  meiner  Meinung  nach 
doch  keine  Abbildungen,  sondern  nur  plastische  Nachbildungen  geben.  Was  ferner  die  Art 
der  Behandlung  betrifft,  so  hielt  ich  es  für  das  Beste,  vorläufig  alle  Kritik  zu  vermeiden,  und 
nur  einfach  und  kurz  die  Resultate  meiner  Untersuchungen,  verbunden  mit  dem  bereits  Be- 
kannten, hier  darzulegen. 

Es  scheint  dos  Genügendste,  mit  der  Untersuchung  des  luenschlichen  Hirns  zu  beginnen 
Hier  bietet  sich  ja  der  grosse  Vortheil,  dass  dir  ein  Studium  der  Entwicklung  der  Windungen 
ein  gutes  Material  vorhanden  ist;  freilich  bereitet  dafür  anderseits  die  complicirtere  und  so 
sehr  wechselnde  Ausbildung  der  typischen  Grundform,  wie  sie  bedingt  ist  durch  die  hohe 
Stellung  des  Menschen  in  der  Gruppe  der  Primaten,  nicht  unbedeutende  Schwierigkeiten. 


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•230 


Ad.  Pansch, 


I.  Die  Furchen  des  menschlichen  Hirns. 

1.  Fötales  Hirn. 

Es  würde  nun  durchaus  natürlich  sein,  wollte  man  zunächst  auf  die  erste  Entwicklung 
der  ganzen  Form  der  Grosshirnhemisphären  des  Menschen  eingehen,  um  bo  mehr,  als  sich  die 
unterscheidenden  Hauptcharaktore  des  Primatenhirns  gerade  hier  schon  früh  ausprägen ; doch 
würde  hierbei  zu  viel  Allbekanntes  wiederholt  werden  müssen,  das  zugleich  auch  zu  weit  von 
dem  eigentlichen  Thema  abführte.  Nur  folgende  kurze  Bemerkungen  sind  es,  die  zu  besserer 
gegenseitiger  Verständigung  in  diesem  Punkte  erforderlich  sein  möchten. 

Es  ist  gewiss  ebenso  sehr  rationell  als  auch  praktisch,  die  Oberfläche  zunächst  in  zwei 
Hauptabteilungen  zu  theilen,  die  der  ursprünglichen  innen»  und  äussern  Flache  entsprechen. 
Ebenso  wenig  darf  man  auch  die  Grundform  der  Hemisphäre,  bestehend  in  einem  vordem 
und  untern  (hintern)  Endo  so  wie  dem  sich  später  erst  daran  anschliessenden  hintern  Aus- 
wuchs („hinterer  Lappen“)  nicht  vergessen.  Dennoch  muss  mit  vollem  Recht  darauf  hin- 
gowiesen  werden,  dass  in  letzterer  Hinsicht  durchaus  keine  bestimmte  und  genau  zu  begren- 
zende Abtheilungen  gegeben  sind,  sondern  eben  nur  Regionen  bezeichnet  werden,  die  als 
solche  in  etwaigen  später  auftretenden  Furchen  durchaus  keine  ihnen  von  vornherein  zukom- 
mende Grenzen  finden  können.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich  die  so  verschieden  aufgefasste 
Bezeichnung  der  „Lappen“  vorläufig  noch  ganz  fortgelosscn;  wird  dadurch  die  Beschreibung 
auch  etwa»  schleppender,  so  kann  ich  auf  diese  Weise  doch  objectiver  Vorgehen  und  vermeide 
Missverständnisse  und  Missdeutungen.  Dadurch  bin  ich  freilich  auch  gonöthigt,  den  allgemein 
so  genannten  Stamm-  oder  Centrallappen  zunächst  mit  seinem  älteren  Namen  „Insel“  zu 
bezeichnen.  — 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  können  wir  gleich  eingehen  auf  die  erste  wesentliche 
Acnderung,  die  die  äussere  Gestalt  der  Hemisphäre  bei  den  Primaten  erleidet,  und  die  in 
einer  Difierenzirung  der  äussern  Fläche  in  die  Gegenden  der  „Insel“  und  des  dieselbe  umge- 
benden „Mantels“  (Reichert),  oder  was  dasselbe  sagt,  in  der  Bildung  der  Fossa  Sylvii 
besteht.  Ist  dieser  Proeess  auch  schon  oft  genüg  erörtert,  so  verlangen  doch  einige  in  der 
Folge  sehr  wichtige  Punkte  eine  speciellere  Untersuchung.  Bekannt  ist  es,  wie  ursprünglich 
die  Insel  („Stammlappen")  als  solche  nicht  zu  erkennen  ist,  da  sie  ohne  äussere  Begrenzung 
noch  in  demselben  Niveau  mit  dem  Mautel  liegt  und  gleichmäßig  mit  ihm  fortwächst ; wie 
ferner  aber  sehr  früh  schon  in  der  Ausdehnung  der  späten»  Insel  eine  relativ  bedeutende 
Hemmung  des  Wachsthums  eintritt,  so  dass  sie  dann  (»nit  Ausnahme  des  unten»  Theils  mehr 
und  mehr  gegon  die  übrige  Oberfläche  vertieft  erscheint,  und  vom  Rande  des  wuchernden 
ManteLs  umgeben  den  etwas  gewölbten  Boden  der  Fossa  Sylvii  darstellt.  Wenn  diese  zunächst 
freilich  wohl  als  eine  sehr  in  die  Länge  gestreckt«  Vertiefung  erscheint  (Taf.  V,  Fig.  1),  bietet 
sie  doch  sehr  bnld  die  Gestalt  eines  Dreiecks  mit  der  längsten  Seite  nach  hinten,  der  kür- 
zesten nach  vorn  und  der  einen  Spitze  nach  unten  (innen);  dieses  untere  Ende  liegt  ganz 
an  der  nach  unten  gewandten  Fläche  der  Hemisphäre  (Taf.  V,  Fig.  3).  Häufig  findet  man  nun 
aber  statt  des  Dreiecks  eine  mehr  unregelmässige  Gestalt,  indem  an  der  vordem  Ecke  nicht 
bloss  die  eine,  sondern  neben  einander  zwei,  oft  sogar  drei  kleinere  Ausbuchtungen  »ich  befinden. 


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Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc.  231 

Ganz  vereinzelte  Fälle  ausgenommen  wächst  der  wuchernde  Mantel  nun  mehr  und  mehr 
Uber  die  freie  Oberfläche  der  Insel  hinweg,  und  zwar  wesentlich  von  drei  Richtungen  aus, 
entsprechend  der  vordem,  obern  und  hintern  Seite  der  Grube.  Während,  wie  wir  eben  sahen, 
die  hintere  Seite  es  ist,  die  sich  zuerst  erhebt,  zeigt  später  die  obere  Seite  das  stärkste  Wachs- 
thum, die  vordere  das  geringste,  und  zwar  ist  dieses  am  untern  Ende  derselben  so  gering, 
dass  der  Mantel  hier  im  Niveau  der  Insel  bleibt  und  diese  unmittelbar  in  die  spätere  Substan- 
tia  perforata  mit.  übergeht;  die  eigentliche  an  der  Aussenseite  liegende  vertiefte  Fossa  Syl- 
vii  hat  hier  also  einen  offenen  Ausgang.  Da  nun  ferner  an  den  beiden  oberen  Ecken  der 
Fossa  Sylvii  die  Wucherung  eino  relativ  sehr  geringe  ist,  so  bildet  in  weiterem  Verlaufe  der 
Mantel  hier  drei  (resp.  vier)  lappenartige  Vorsprünge,  die  schliesslich  bis  zu  gegenseitiger 
Berührung  sich  entgegenwachsen  (Taf.  V,  Fig.  8 — 9).  Der  obere  derselben  ist  cs,  dem  man  eine 
besondere  Aufmerksamkeit  widmete,  und  den  man  „operculum“  nannte.  Es  bleiben  somit  von  der 
ursprünglichen  Grube  äusserlich  nur  zwei  (seltener  drei  bis  vier)  Furchen  übrig,  die  selten  (durch 
stärkere  Wucherung  an  den  Ecken)  ganz  oder  theilweise  verschwinden  und  dem  genäherten 
ursprünglichen  hintern  und  vordem  Rande  (beziehungsweise  dem  geknickt  sich  daran  anlegenden 
obern  Rande)  der  ursprünglichen  Fossa  Sylvii  entsprechen.  Diese  zwei  Furchen  verbinden 
sich  an  einem  Punkte,  der  wegen  der  Wucherung  am  vordem  Manteltheüe  meistens  an  der 
äussern  Fläche  liegt.  So  entsteht  also  in  der  Tliat  eine  Furchung  in  Gestalt  eines  Y,  dessen 
Stamm  zum  grössten  Tlieil  quer  an  der  untern  Fläche  verläuft,  während  der  vordere  Arm 
nach  vom  und  oben,  der  hintere  schräg  nach  hinten  und  oben  gerichtet  ist. 

Es  sind  dies  nun  bekanntlich  die  Furchen,  die  man  längst  (freilich  mit  häufiger  Verken- 
nung des  vordem  Astes)  als  Fossa  Sylvii  s.  str.  oder  Fissura  Sylvii  horizontalis  und  Fissura 
Sylvii  ascendcns  bezeichnet  hat  Jene  zuweilen  auftretende  vorderste  Furche  hat  nie  Beach- 
tung gefunden. 

Dass  die  so  in  der  äussem  Oberfläche  der  Hemisphäre  entstandenen  Spalten  genetisch 
Nichts  mit  den  übrigen  eigentlichen  Furchen  zu  tliun  haben,  bedarf  kaum  der  Erwähnung; 
der  ganze  Bildungsgang  ist  ein  verschiedener.  Dem  oben  ausgesprochenen  Principe  getreu 
werde  ich  sie  deshalb  auch  in  der  Folge  nicht  mit  dem  jenen  beigelegten  Namen  „Fissurae“ 
nennen  dürfen,  sondern  lege  ihnen  die  freilich  etwas  umständlichere,  aber  doch  auch  schon 
hier  und  da  gebräuchliche  Bezeichnung  bei,  als  beziehungsweise  „Ramus  horizontalis“  und 
„Ramus  ascendeus“  (beziehungsweise  auch  Ramus  anterior)  fossae  Sylvii. 

Da  nun  doch  die  besprochenen  Veränderungen  zu  den  wichtigsten  Vorgängen  in  der  Ent- 
wicklung der  ganzen  Form  der  Hemisphäre  gehören,  und  ihres  Gleichen  weiter  nicht  haben, 
so  müsste  streng  genommen  auch  durch  die  so  entstandenen  Furchungen  (die  Aeste  der  Syl- 
vi’schen  Grube)  die  Oberfläche  in  einige  Hauptabtheilungen  zerfallt  werden,  die  sich  als 
vordere,  mittlere  (obere)  und  untere  Abtheilung  darstellen  würden.  Oder,  wenn  man  ja 
an  der  ursprünglichen  Form  festhalten  will,  es  würde  jetzt  ein  vorderes  und  unteres  Ende 
der  Hemisphäre  (auf  der  äussem  Fläche)  durch  den  Ramus  hör.  fossae  S.  deutlich  und  in 
grosser  Ausdehnung  geschieden  sein,  wie  auch  allgemein  beschrieben  wird.  Aber  genetisch 
eben  so  wichtig  ist  dann  doch  auch  die  Trennung  jenes  vordem  Theils  durch  den  Ramus 
asc.  f.  S.  in  eine  vorderste  und  mittlere  Abtheilung.  Eine  solche  Beachtung  ist  diesem  Ra- 
mus asc.  aber  nie  geworden,  oder  wo  es  geschah,  lag  ein  arges  M iss  verstände  i ss  zu  Grunde. 


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232 


Ad.  Pansch, 


Um  so  mehr  muss  derselbe  nun  aber  berücksichtigt  werden;  er  mus3  nächst  dein  Ramus 
lioriz.  f.  S.  die  erste  Furche  sein,  die  man  überhaupt  aufzusuchen  hat.  Ich  erlaube  mir,  schon 
hier  zu  erwähnen,  wie  meiner  Meinung  nach  in  dem  Verhalten  uud  Lage  dieser  Furche,  d.  h. 
in  der  relativen  Grösse  der  durch  sie  getrennten  von  vorn  und  oben  die  Insel  überwuchernden 
Mantelparthien,  eines  der  wichtigsten  Verhältnisse  vorliegt,  das  zunächst  und  vor  Allem  bei 
einer  vergleichenden  Untersuchung  in  Betracht  kommen  muss,  und  vielleicht  schon  bald  statt 
vager  Auseinandersetzungen  positive  Resultate  geben  möchte. 

Betrachten  wir  jetzt  die  Veränderungen,  die  in  allmäliger  Zunahme  auf  der  Oberfläche 
selbst  auftreten  und  in  der  Ausbildung  sogenannter  Furchen  und  Windungen  bestehen.  Wie 
die  Fossa  Sylvii  sich  durch  eino  in  grösserer  Ausdehnung  auftretende  relative  Wachsthums- 
hemmung bildete,  so  sind  die  Furchen  Gebilde,  die  durch  linienbafte  (fast  immor  relative) 
Hemmungen  der  Wucherung  entstehen,  wie  früher  bereits  erwähnt  Deshalb  kann  man  nun 
auch  unter  diesen  Furchen  genetisch,  d.  h.  soweit  es  bloss  Art  und  Weise  der  Bildung  betrifft, 
keinen  weitern  Unterschied  anerkennen  Die  einzigen  Verschiedenheiten,  die  zwischen  ein- 
zelnen Furchen  gelten  können,  beruhen  somit  nur  in  der  Zeit  ihrer  Entstehung,  oder  weitere 
Gesichtspunkte  anlangend,  in  dem  grösseren  odor  geringeren  Festhalten  an  einer  bestimmten 
Gestalt  und  Lagerung.  Aber  ee  wird  bald  klar  werden,  wie  alle  solche  Unterschiede  nur 
relative  sind  und  keine  bestimmte  Grenzen  zulassen. 

Suchen  wir  jetzt  die  Entstehung  der  ersten  Furchen  möglichst  genau  und  objectiv  zu 
verfolgen,  und  dabei  innere  und  äussere  Fläche  zugleich  der  Betrachtung  zu  unterwerfen. 
Schon  sehr  frühe,  wenn  sich  eben  eine  deutliche  Umrandung  der  Fossa  Sylvii  gebildet  hat, 
bemerkt  mau  die  Bildung  der  ersten  Furchen,  und  zwar  an  dem  hintern  Tbeil  der  innern 
Fläche.  Hier  zeigt  sich  nämlich  eine  Furchung  von  der  Form  eines  schrägen  Y ; der  eine 
Arm  desselben  ist  nach  obon  und  hinten,  der  andere  nach  hinten  und  etwas  nach  unten 
gerichtet,  während  der  kurze  Stamm  nach  vorn  und  etwas  nach  unten  verläuft  Diese  fötale 
Furchengestaltung  ist  längst  beobachtet  und  beschrieben  worden;  sie  ist  auch  wohl  schon  als 
etwas  primäres  Zusammengehöriges  angesehen  worden.  Dennoch  scheint  sie  auf  zwei  isolirte 
Furchen  zurückgcfübrt  werden  zu  müssen,  die  in  der  Hauptsache  den  beiden  Aestcn  des  Y 
entsprechen.  Zu  welchen  dieser  beiden  der  Stamm  des  Y gehört,  oder  ob  dieser  wechselt 
oder  ob  er  vielleicht  zuweilen  isolirt  entsteht,  wage  ich  noch  nicht  endgültig  zu  entscheiden. 
Dagegen  ist  es  sicher,  dass  in  einer  erheblichen  Zeitdifi'erenz  bald  die  eine,  bald  die  andere 
Furche  zuerst  erscheint;  mau  bemerkt  also  in  den  allerersten  Furchenbildungen  beim  Menschen 
einen  auffallenden  unbestimmten  Wechsel,  auf  den  ich  ganz  besonders  schon  hier  hinweisen 
muss.  — Der  obere  Ast  möge  einfach  Fissura  perpendicularis  (Fiss.  occip.  int  aut.)  heissen, 
der  hintere  Fissura  horizontalis  (=  Fiss.  Hippocampi).  Letztere  Furche  bezeichnet  schon 
jetzt  ziemlich  genau  die  Stelle,  wo  die  eigentliche  mediale  Fläche  in  die  das  Kleinhirn  später 
deckende  sogenannte  untere  Fläche  übergeht.  Die  Fiss.  perpond.  ferner  erscheint  freilich  so 
ungefähr  an  der  Stelle,  wo  man  sich  die  Grenze  zwischen  hinterm  Auswüchse  und  der  übrigen 
Hemisphäre  denken  könnte;  dass  er  übrigens  genau  diese  Stelle  angiebt,  bezweifle  ich  sehr, 
Hesse  sich  auch  wohl  schwer  beweisen.  Die  Fiss.  perp.  reicht  ferner  sehr  bald  bis  an  den 
obern  freien  Rand  der  Hemisphäre  hinan  und  während  ihr  unteres  Ende  sich  mehr  und  mehr 
von  dem  Balkenwulst  entfernt,  zeigt  das  obere  oft  eine  gablige  Endtheilung,  deren  Beachtung 


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Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc.  233 

wichtig  ist  Zuweilen  sind  beide  Furchen  gleich  tief,  aber  meistens,  scheint  es,  mündet  die 
Fiss.  perp.  seicht  in  die  tiefe  Fiss.  horiz.  ein.  Ebenso  reicht  die  Fiss,  horiz.  bald  bis  an  den 
freien  Rand  der  Hemisphäre  und  bietet  häufig  auch  schon  Andeutungen  einer  gabligen  Eud- 
theilung. 

Was  die  an  dom  innern  Ausschnitt  der  Hemisphäre  gelegenen  Theile  betrifft,  auf  die  als 
etwas  verborgen  liegende  meist  wenig  Rücksicht  genommen  wird,  so  haben  sich  auch  diese 
schon  sehr  früh  deutlich  ausgebildet  Die  Furche  die  den  Balken  von  dor  Homisphüre  abgronzt, 
setzt  sich  auf  dem  untern  Ende  der  Hemisphäre  etwas  einwärts  vom  freien  Rande  des  Aus- 
Schnittes  gelegen  nach  unten  und  vorn  fort  und  bedingt  schliesslich  mit  ihrem  Ende  die  Ab- 
trennung des  sogenannten  „Uncus“  von  der  Übrigen  Oberfläche.  Wir  nennen  sie,  den  Englän- 
dern folgend,  Fissura  dentata,  <la  nach  innen  von  ihr  die  sogenannte  (corpus)  Fascia  dentata  liegt 
und  auch  diese  müssen  wir  nothwendigerweise  noch  mit  in  das  Gebiet  unserer  Betrachtungen 
ziehen,  da  sie  der  mit  grauer  Substanz  bedeckten  Oberfläche  angehört.  Schon  sehr  früh  zeigt 
sie  das  charakteristische  durch  kleine  Querfurchen  bedingte  Aussehen.  Von  dem  nach  innen  von 
ihr  liegenden  absteigenden  Schenkel  des  Foraix  finde  ich  sie  nicht  in  der  ganzen  Länge 
getrennt  sondern  diese  trennende  Furche  erleidet  in  der  Mitte  eine  Unterbrechung.  Am 
untern  Ende  hängt  die  Fascia  dentata  etwas  mit  dem  Uncus  zusammen,  der  im  Uebrigen  als 
directo  angeschwollene  Fortsetzung  des  Fornix  sich  darstellt. 

Nicht  lange  nach  dem  Auftreten  der  eben  behandelten  an  der  Innenseite  gelegenen 
Furchen,  zu  einer  Zeit  wo  die  Insel  etwa  halb  bedeckt  ist  uud  damit  die  Fias.  Sylvii  horiz.  als 
solche  schon  etwa  zur  hintern  Hälfte  vollendet  ist,  treten  auf  dor  äussern  Fläche  die  ersten 
eigentlichen  Furchen  auf.  Es  sind  dies  wesentlich  vier  Furchen,  die  fächerförmig  um  die 
Fossa  Sylvii  herumlicgon.  Nennen  wir  Bie  vorläufig  mit  der  einfachsten  Bezeichnung  (Rei- 
chert) die  radiären  Primärfurchen  und  zählen  sie  von  vorn  anfangend  als  erste  bis  vierte. 
Tafel  V,  Fig.  2,  3,  7-9,  11. 

Eine  derselben  (die  vierte)  liegt  auf  dem  hintern  Ende  des  Mantels  parallel  dem  obern 
Ende  des  Rnm.  kor.  fossa«  Sylv.  und  zwar  naher  an  ihm  als  an  dem  freien  untern  Rande 
der  Hemisphäre.  Die  andern  drei  (erste  bis  dritte)  liegen  auf  dem  vordem  Ende  und  zwar 
alle  zwischen  den  beiden  Aesten  der  Fossa  Sylvii,  wo  sie,  mit  ihren  unteren  Enden  ziemlich 
gleichmässig  vertheilt  mit  den  oberen  Enden  etwas  divergiren,  so  dass  sie  mehr  oder  weniger 
schräg  nach  vorn,  gerade  nach  oben  und  schräg  nach  hinten  verlaufen. 

Nach  dem  vorliegenden  Material  möchte  ich  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass  es  die 
zweite  dieser  Furchen  ist  („Fiss.  Rolando“),  die  zuerst,  wenn  auch  nur  wenig  früher  als  die 
anderen  drei  Furchen,  hier  sichtbar  wird  als  eine  schwache  ziemlich  senkrecht  verlaufende 
lineare  Vertiefung.  Eben  diese  ist  es  auch,  die  sich  bei  Vergleich  aller  Hirne  sogleich  aus- 
zeichnet, da  sie  in  erster  Anlage  sehr  wenig  variirt  nud  auch  in  weiterer  Ausbildung  wenig 
abändert.  Von  den  anderen  drei  Furchen  hingegen  findet  man  liei  Vergleich  einiger  Hirne 
fast  nur  die  erste  Anlage  (d.  i.  meist  das  untere  Ende)  einigermassen  constant,  während  dis 
später  hinzukoinineuden  Fortsetzungen  sehr  nach  Lage,  Länge  und  Krümmung  wechseln. 
Auaser  diesen  vier  Furchen  lassen  sich  auf  der  äussern  Fläche  um  diese  Zeit  zwar  noch  hier 
uud  da  einige  Einsenkungen  beobachten,  die  aber  bald  hier  bald  da  ihre  Lage  haben,  oder 
doch  erst  sehr  allmälig  eine  deutliche  Gestalt  annehmen.  Doch  darf  ich  nicht  übergeben, 

Archiv  fOr  Anthropologie.  H4.  HL  Heft  9.  30 


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Ad.  Pansch, 


»34 

dass  nach  einigen  Beobachtern  schon  jetzt  eine  den  hintern  Auswuchs  abgrenzonde  Furche 
(Fiss.  occip.)  wahrzunehnicn  sein  soll,  die  in  ziemlich  querer  Richtung  verläuft.  Ich  selbst 
habe  sie  bis  jetzt  nur  sehr  selten  und  dann  schwach  angedeutet  gesehen,  so  dass  ich  sie  un- 
möglich mit  den  bisher  besprochenen  Furchen  in  eine  Kategorie  stellen  kann.  Kurze  Zeit 
darauf  bemerkt  man  an  der  iunem  Fläche,  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  dem  Balken  und 
dem  freien  obern  Rande  der  Hemisphäre  einige  Eindrücke,  die  sich  bald  zu  einer,  beziehungsweise 
zwei  oder  drei  Furchen  ausbilden,  die  sich,  die  eine  mehr  vor,  die  andere  mehr  grade  über  der 
Mitte  des  Balkens  befinden  (Tafel  V,  Fig.  5 — G).  Endlich  tritt  noch  an  der  untern  das  Kleinhirn 
deckenden  Fläche  fast  constant  ein  Eindruck  auf,  der  sich  in  Kurzem  zu  einer  längslaufenden 
Furche  (Tafel  V,  Fig.  10)  umwandelt.  Rechnet  man  jene  ersteren  wegen  ihres  übereinstimmenden 
Zuges  als  eine  Furche,  so  möge  sie  kurz  innere  Primärfurche,  letztere  dagegen  kuntere 
Primärfurche  heissen. 

Bis  zu  diesem  Stadium  der  Entwicklung  treffen  wir  noch  eine  strenge  Gesetzmässigkeit, 
d.  h.  weniger  in  der  Reihenfolge  des  Auftretens,  als  in  der  Lage  und  Richtung  der  entstan- 
denen Furchen,  und  ich  möchte  es  als  sehr  wahrscheinlich  hinstellen,  dass  fast  bei  allen 
Hirnen  dieses  Alters  (Entwicklungsstadiums)  das  aus  der  bisherigen  Beschreibung  entnom- 
mene Bild  sich  wiederfinden  wird.  Wie  aber  schon  in  der  Bildung  der  Fossa  Sjdvii  sich  früh- 
zeitig eingreifendere  Differenzen  zeigten,  so  sind  auch  diese  bis  jetzt  genannten  Primärfurchen 
nur  in  sehr  verschiedenem  Grade  constant.  Nur  drei  Furchen  sind  es,  die  höchstens  sehr 
geringen  Wechsel  in  ihrer  Erscheinung  zeigen:  Die  Fiss.  horiz.  (Hippoo.),  die  Fiss.  perp.  (oc- 
cip. int)  und  die  zweite  radiäre  Primärfurche  (Fiss.  Rol.);  an  sie  würden  sich  in  zweiter 
Reihe  etwa  die  erste  und  dritte  radiäre  Primärfurche  anschliesson,  und  in  dritter  Reihe  dann 
die  vierte  radiäre  Primärfurche,  die  untere  und  die  innere  Primärfurche  folgen,  sowie  vielleicht 
auch  die  quere  Priinärfurche  (Fiss.  occip.  ext.?).  Aber,  nochmals  sei  es  wiederholt,  weder  aus 
der  Genese  noch  aus  anderen  Eigenschaften  lassen  sich  durchgreifende  Unterscheidungen  ver- 
schiedener Arten  Furchen  bis  jetzt  machen. 

Verfolgt  man  nun  die  Entwicklung  des  Furchungsprocesses  der  Hemisphären  weiter,  so  ist 
es  schwer,  alle  die  einzelnen  Stufen,  die  er  durchläuft,  genau  zu  beschreiben , ja  nach  meiner 
Meinung  auch  ebensowenig  möglich  als  nothwendig.  Wenn  mir  dazu  nämlich  zunächst  noch 
gänzlich  das  nöthige  Material  fehlt,  so  würde  eine  solche  Beschreibung  doch  auch  nur  ein 
weites  Verzeichniss  der  verschiedensten  Möglichkeiten  und  Varietäten  in  der  Ausbildung  der 
einzelnen  Furchen  werden.  Denn  wie  die  allerersten  Furchen  bald  die  eine  bald  die  andere 
zuerst  erschien,  wie  die  sogenannten  Primärfurchen  nur  zum  Theil  einen  durchschlagenden 
Typus  merken  Hessen,  so  nimmt  in  den  nun  folgenden  Furchenbihlungen  das  Variiren  mehr 
und  mehr  zu  und  wird  schliesslich  grösser  als  eine  angenommene  Norm.  Es  bildet  sich  frei- 
lich schliesslich,  wie  wir  selten  werden,  der  allgemeine  Typus  aus,  aber  innerhalb  von  Gesetzen 
der  grössten  Freiheit.  Wir  werden  in  genauerer  Beobachtung  dieser  Freiheiten  wichtige 
Resultate  finden,  die  allein  uns  richtig  leiten  können.  Somit  also  glaube  ich  nach  den  Er- 
fahrungen, die  ich  am  menschlichen  und  namentlich  am  Hirn  der  Caruivoren  gemacht  habe, 
die  Reihe  der  zwischenliegenden  Entwicklungsstadien  übergehend,  mich  sogleich  zum  erwach- 
senen Hirn  wenden  zu  können.  Nur  ein  Stadium  in  der  weitern  Entwicklung  der  Primär- 
furchen möchte  ich  doch  noch  kurz  berühren , weil  in  Bezug  auf  dasselbe  iu  der  Literatur 


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•235 


Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 

mehrere  Abbildungen  exiatiren  und  mir  gerade  einige  sehr  inatructive  Hirne  vorliegen.  Die 
Fortsetzung  des  untern  constanten  Tlieiles  der  ersten  Primärfurche  läuft  entweder  gerade 
nach  oben  oder  mehr  nach  vorn.  Oefters  wendet  sie  sich  auch  in  einem  starken  Bogen  nach 
vorn,  so  dass  sie  schliesslich  horizontal  liegt.  Neben  diesem  noch  vorn  laufenden  Theil  beob- 
achtet man  häufig  noch  einen  nach  oben  gerichteten  Fortsatz;  ersterer  erscheint  auch  wohl 
als  eino  isolirte  Furche.  Da  nnn  um  diese  Zeit  schon  immer  wenigstens  eine  Andeutung 
davon  da  ist,  und  er  weitaus  in  den  meisten  Fällen  mit  dor  ursprünglichen  Primärfurche 
zusammenhängt,  so  scheint  es  mir  nicht  unpassend,  von  einem  „obern  Ast“  und  einem  „vor- 
dem Ast“  der  ersten  radiären  Primärfurche  zu  sprechen.  Ganz  ähnlich  und  fast  symmetrisch 
aber  in  viel  auffallenderen  Abweichungen  bildet  sich  die  dritte  radiäre  Primärfurche  weiter. 
Sie  setzt  sich  mitunter  in  gerader  Richtung  weit  nach  oben  fort,  parallel  der  zweiten  radiären 
Frimärfurcbe , oder  sie  endet  schon  auf  halber  Höbe  und  jene  Fortsetzung  findet  sieb  in 
einer  isolirten  Furche  augedeutet,  oder  sie  setzt  sich  in  einem  Bogen  nach  hinten  fort,  so 
dass  sie  schliesslich  dem  innera  Rande  der  Hemisphäre  parallel  liegt,  oder  wiederum  auch 
dieser  Theil  erscheint  isolirt,  entweder  zugleich  mit  jenem  obem  Fortsatz  oder  ohne  den- 
selben. Also  auch  hier,  wenn  denn  doch  einmal  ein  sogenannter  allgemeiner  Typus  auf- 
gestellt werden  soll,  wird  man  einen  „Stamm“,  einen  „obern  Ast“  und  einen  „hintern  Ast“ 
der  dritten  radiären  Primärfurche  annehmen  dürfen.  Von  der  vierten  radiären  Primärfurche 
bleibt  nur  noch  hinzuznfügen,  dass  sie  freilich  häufig  genug  in  anderen  Richtungen  verläuft, 
dass  sie  meist  aber  doch,  wenn  sie  jenen  Ort  und  Gestalt  einniinmt,  sieb  bald  mit  dem  obern 
Ende  in  einem  Bogen  nach  oben  krümmt. 

2.  Erwachsenes  Ilirn. 

Gellen  wir  jetzt  zur  Betrachtung  des  erwachsenen  Hirns  Uber,  so  haben  wir  an  einer 
möglichst  grossen  Zahl  derselben  (und  diese  Zabl  kann  nie  gross  genug  sein)  zunächst  die 
vom  totalen  Hirn  bekannten  Furchen  wieder  aufzusuchen,  ob  und  wie  sie  sich  verlängert 
haben,  ob  sie  ihre  Gestalt  und  Lage  verändert  haben.  Zweitens  aber  auch  muss  uns  dann 
eine  genauo  Vergleichung  der  übrigen  neu  hinzugekommenen  Furchen,  aber  stets  mit  genauer 
Würdigung  der  Furehentiefe  darauf  hinführen,  ob  wir  unter  diesen  etwa  noch  einige  typische, 
sogenannte  sccundäre  Furchen  finden,  wobei  wir  zur  Bestätigung  möglichst  auf  ihre  erste 
Entwicklung  beim  Fötus  zuriiekzugehen  haben.  Drittens  endlich  würden  wir  vielleicht  aus 
verschiedenen  Gründen  inconstante  kleine  Furchen  zu  verfolgen  haben. 

Was  zunächst  die  Fossa  Sylvii  betrifft,  so  hat  diese  sich  (uiit  ganz  vereinzelten  Aus- 
nahmen) ganz  geschlossen,  d.  h.  es  hat  sich  jene  schon  früher  besprochene  Y förmige  Furchung 
auf  der  äusseru  Fläche  ausgebildet.  Der  Ratn.  horiz-  t S.  ist  so  allbekannt,  dass  ich  hier 
nur  bemerken  will,  wie  sein  oberes  Ende  mehrere,  aber  doch  eigentlich  ganz  unwesentliche 
Verschiedenheiten  zeigt  Sucht  man  jetzt  den  Rain,  ascend.  f.  S.,  so  wird  sieh  dieser  ebenso 
gut  und  ebenso  oft  finden  lassen,  wie  am  fötalen  Hirn  die  vordere  Ecke  der  dreieckigen  Fossa 
Sylvii,  aber  natürlich  wird  man  nur  dann  sicher  gehen,  wenn  man  in  die  Tiefe  der  in  der 
betreffenden  Gegend  liegenden  Furchen  eingoht  und  diejenige  sucht,  die  den  ganzen  über- 
gewucherten Manteitheil  bis  auf  die  Insel  durchsetzt.  Auf  diese  Weise  wird  man  ausserdem 

SO* 


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236 


Ad.  Pansch, 

öfters  noch  eine  zweite  kleinere,  ebenfalls  den  ganzen  Mantelrand  durchsetzende  Furche  finden: 
die  früher  schon  erwähnte,  als  Kam.  ant  f.  S.  bezeichucte  Furche  (bei  jedem  vierten  Hirn 
etwa).  Nach  dem  eben  Gesagten  würde  man  also  eine  nicht  bis  zur  Insel  durchgehende 
Furche  nicht  als  Ram.  asc.  bezeichnen  könuen,  und  daran  muss  man  auch  festhalten.  Wenn 
man  nun  aber  bei  einem  Hirn  eine  solche  Furche  vergeblich  sucht,  so  fehlt  sie  eben,  und  man 
hat  sich  dieses  scheinbar  auffallende  Verhalten  einfach  so  zu  erklären,  dass  hier  der  Mantel 
nicht  wie  gewöhnlich  in  zwei  Thoilen  von  vom  und  von  oben  zu  beiden  Seiten  eines  ge- 
hemmten Punktes  vorwucherte,  sondern  dass  dieses  in  einem  ungetrennten  Tliuile  geschah. 
Die  Fossa  Sylvii  wird  hier  also  nie  ausgesprochen  dreieckig  gewesen  »ein,  sondern  stets  jene 
früheste  längliche  Gestalt  gehabt  haben. 

Wie  aus  den  fötalen  Hirnen  begreiflich  und  auch  aus  den  erwachsenen  ersichtlich  ist, 
hat  dieser  Kam.  ascend.  eine  sehr  wechselnde  Länge  (l/,  bis  2 Cent  im.)  und  Lago  (l1/,  bis 
3'/j  Centirn.  vor  der  Fiss.  Roh).  Immer  also  ist  diese  Furche  kurz,  und  wenn  manche  Autoren 
eine  hoch  hinaufsteigende  und  deshalb  zur  Abtrennung  eines  vordem  Lappens  benutzte 
Furche  als  Fiss.  Sylvii  ascend.  bezeichnen,  so  ist  das  eben  ein  Irrthum,  indem  man  eine  andere 
mit  dem  wirklichen  Ram.  ascend.  höchstens  oberflächlich  verbundene  Furche  (Stamm  und 
aufeteigonder  Ast  der  ersten  radiären  Primärfürche)  für  eine  Fortsetzung  dieser  selbst  ansah. 
Um  so  wichtiger  aber  erscheint  Lage  und  Richtung  dieses  Ram.  asc,  wenn  man  auf  das  rela- 
tive Wachsthum  der  einzelnen  Abtheilungen  des  Mantels  Bein  Auge  richtet,  ein  Punkt,  auf 
den  schon  oben  besonders  aufmerksam  gemacht  wurde  und  auf  den  wir  später  zurück- 
kommen.  (Tafel  VI,  Fig.  15  S und  S'.) 

Gehen  wir  in  derselben  Reihenfolge  wie  beim  Fötus  in  der  Betrachtung  der  einzelnen 
Furchen  weiter,  so  ist  die  Fiss.  horiz.  (Hippoc.)  als  eine  an  der  Grenze  der  sogenannten  untern 
und  innem  Fläche  gelegene  fast  gerade  Furche  längst  bekannt  und  leicht  zu  finden.  Auch 
hier  kann  man  sich  leicht  überzeugen,  dass  sie  nicht  mit  der  Fiss.  dentata  in  Zusammenhang 
steht  Bei  näherer  Untersuchung  findet  man,  dass  meist  der  vorderste  uud  der  hinterste 
Theil  die  tiefsten  sind,  während  sie  hinter  der  Einmündung  der  Fiss.  perp.  (occip.  int.)  am 
flachsten  ist  (Tafel  VI,  Fig.  16  Fp  und  Fh.) 

In  Betreff  der  leicht  erkennbaren  allbekannten  Fiss.  perp.  (occip.  int)  wäre  wohl  nur  zu 
erwähnen,  dass  sie  fast  immer  gahlig  getbeilt  ist,  oft  nur  sehr  wenig  freilich,  doch  oft  auch 
so  sehr,  dass  diese  Theilung  schon  in  halber  Höhe  der  innem  Fläche  beginnt  Mit  dem  einen 
dieser  Aeste  gebt  sie  dann  immer  auf  die  obere  Fläche  über  (ein  Theil,  den  man  unpassend 
öfters  als  Fiss.  occip.  e.\  t.  bezeichnet  hat).  Ferner  ist  sie  sehr  tief,  tiefer  meist  als  die  Fiss. 
horiz.  (Hipp  ),  so  dass  hier,  wie  vielleicht  auch  bei  jener,  nicht  bloss  an  eine  passive  Hem- 
mung, sondern  auch  an  ein  förmliches  Eindringen  in  den  noch  hohlen  Innenraum  der  Hemi- 
sphäre gedacht  werden  kann.  An  lsjiden  Seitenwänden  zeigt  die  Furche  die  mannigfachsten 
Windungen. 

Verfolgen  wir  jetzt  die  sogenannten  radiären  Primärfurchen  auf  der  äussorn  Fläche.  Zu- 
nächst die  erste.  Ihr  unteres  beim  Fötus  als  constant  gefundenes  Ende  suchen  wir  natürlich 
an  der  bekannten  Stelle  zunächst  hinter  dem  Ram.  asc.  f.  S,  uud  finden  hier  auch  immer  eine 
entsprechende,  d.  h.  eine  in  verschiedenem  Grade  aufsteigende  Furche,  die  sieh  vor  etwaigen 
ähnlichen  benachbarten  Furchen  immer  durch  bedeutende  Tiefe  (fast  immer  über  2 Centirn.) 


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237 


Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 

unterscheidet  Sie  ist  meist  die  einzige  Furche  zwischen  dem  Ram.  asc.  f.  S.  und  der  zweiten 
radiären  Primärfurche  (Fiss.  Rol.),  doch  liegt  sie  bald  mehr  nach  vorn  bald  mehr  nach  hinten, 
auch  variirt  ihre  Richtung  einigermassen.  Verfolgt  man  ihre  weitere  Fortsetzung  nach  oben 
hin,  die  wir  schon  beim  Fötus  als  sehr  wechselnd  bezeichnen  mussten,  so  lasst  sich  wohl  als 
allgemeiner  Typus  feststellen,  dass  etwa  2 Centim.  Uber  dem  Ram.  hör.  £ S.  von  diesem 
Hauptstamme  zwei  andere  Furchen  (Aestej  ausgehen,  beziehungsweise  deren  Verlängerung  sind. 
Die  eine  geht  mehr  minder  gerade  nach  oben,  die  andere  nach  vorn  und  häufig  dabei  etwas 
nach  unten.  Bald  erscheint  die  vordere,  bald  die  obere,  bald  auch  beide  als  directe  Fort- 
setzungen, d.  h.  besitzen  dieselbe  bedeutende  Tiefe  von  über  2 Centim.  — Dass  die  in  der 
beschriebenen  Weiso  aufgefasste  Furchung  das  Typische  ist,  wird  bei  objectiver  Betrachtung 
Niemand  bestreiten  können,  obwohl  os  mit  den  bisherigen  Anschauungen  nicht  rocht  uberein- 
8timmb  Dass  bedeutendere  Variationen  im  Typus  Vorkommen,  durfte  schon  nach  den  bisher 
gewonnenen  Resultaten  Niemanden  zweifelhaft  machen;  ebensowenig  geschieht  dem  Ein- 
trag, wenn  an  einzelnen  Dirnen  einer  der  genannten  Hauptbestandteile  absolut  fehlt. 

Die  zweite  radiäre  Primärfurche,  als  Fiss.  Rolando  schon  längst  bekannt,  zeichnet  sich 
leicht  vor  allen  anderen  Furchen  aus,  läuft  schräg  nach  vorn  and  aussen  mit  zwei  bis  drei 
Biegungen,  reicht  oben  bi*  nahe  an  den  freien  Rand  der  Hemisphäre  oder  selbst  bis  auf  die 
innere  Fläche,  noch  unten  bis  nahe  an  den  Ram.  horiz.  f.  S,  fliesst  mit  demselben  aber  höch- 
stens oberflächlich  zusammen.  Auch  sie  zeigt  immer  eine  bedeutendere  (über  2 Centim.)  und 
zwar  gleich  massige  Tiefe.  Sehr  selten  ist  sie  durch  eine  Brücke,  die  selbst  bis  au  die  Ober- 
fläche rücken  kann,  unterbrochen.  Im  Uebrigen  zeigt  sie  bei  verschiedenen  Hirnen  die  grösste 
Uebereinstimmung. 

In  grosser  Aehnlichkeit  und  einer  gewissen  Symmetrie  zur  ersten  zeigt  sich  auch  beim 
Erwachsenen  die  dritte  radiäre  Primärfurche.  Man  findet  auch  hier  eine  etwa  2 Centim. 
tiefe  Furche  in  der  Mitte  zwischen  dem  oborn  Ende  des  Ram.  hör.  f.  S.  und  dem  untern  Ende 
der  zweiten  radiären  Primärfurche  schräg  nach  oben  und  hinten  verlaufend,  und  als  typisch 
kann  und  muss  man  es  bezeichnen,  dass  sie  nach  oben,  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  dem 
oberu  Ende  des  Ram.  hör.  f.  S.  und  dom  freien  obern  Rande  der  Hemisphäre  in  zwei  Furchen 
ausläuft,  von  denen  die  eine  die  besagte  Richtung  ziemlich  fortsetzt,  die  andere  dagegen  in 
etwas  wechselnder  Richtung  nach  hinten  läoft.  Letzterer  „hinterer  Ast“  ist  häufig  getrennt, 
entweder  vollständig  oder  durch  eine  verborgene  Brücke,  variirt  auch  mehr  als  ersterer,  der 
„aufsteigende  Ast“,  der  übrigens  den  freien  obern  Rand  selten  erreicht.  Beide  Ae-ste  zeigen 
auch  häufiger  eine  geringere  Tiefe,  erscheinen  ferner  auch  öfters  als  mehrere  getrennte  tiefere 
oder  flachere  Furchungen  oder  Eindrücke.  So  gross  und  auffallend  diese  Varietäten  scheinen 
mögen,  so  sehen  wir  sie  doch  schon  beim  fötalen  Hirn  ausgebildet  (vgl.  bes.  Tafel  V,  Fig.  H und  9). 

Was  die  vierte  radiäre  Primärfurelie  betrifft,  so  fällt  diese  gewöhnlich  vor  allen  anderen 
in  die  Augen  und  i*t  auch  längst  beachtet  worden  als  „Fiss.  parallola“.  Sie  zeichnet  sich 
auch  durch  eine  Tiefe  aus,  die  die  der  übrigen  Furchen  meist  iibertrittl,  und  liegt  mit  ihrem 
tiefsten  und  constantesten  Theil  unter  dem  hintern  Endo  des  Ram.  hör.  f.  S.,  ihm  ziemlich 
parallel  und  wie  er,  auch  meist  nach  oben  umbiegend.  Aber  dennoch  ist  auch  hier  ein  Ab- 
weichen sehr  gewöhnlich,  indem  die  Tiefenuntersuchung  uns  andeutet,  dass  sie  ursprünglich 
öfters  aus  zwei  getrennten  Anlagen  hervorgegangen  sein  wird,  deren  untere  (vordere)  häufig 


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238  Ad.  Pansch, 

zu  einer  den  sogemvnnten  untern  Lappen  schräg  durchschneidenden  Richtung  neigt.  (Tafel  V, 
Fig.  8 und  9.) 

Damit  hätten  wir  meiner  Ansicht  nach  die  sogenannten  primären  Furchen  der  äussern 
Fläche  fertig  abgehandelt.  Wegen  der  Wichtigkeit  jedoch,  die  der  Sache  beigelegt  wird,  muss 
ich  noch  auf  eine  andere  Furche  hier  eingehen;  ich  meine  die  sogenannte  Fiss,  occip.  ext, 
die  den  hintern  Auswuchs  (Hinterlappen)  von  der  übrigen  Hemisphäre  trennen  soll.  Wie 
es  mir  nun  nur  sehr  selten  hat  gelingen  wollen,  an  totalen  Hirnen  eine  Anlage  zu  solcher 
Furche  zu  finden,  so  kann  ich  auch  ani  erwachsenen  Hirn  an  der  betreffenden  Gegend  keinerlei 
typisch  ausgeprägte  Furche  erkennen.  Ich  meine,  hätte  man  nur  das  menschliche  Hirn  in 
Betrachtung  gezogen,  und  wollte  man  ganz  objectiv  handeln,  so  würde  man  (ich  berück- 
sichtige von  fötalen  Hirnen  nur  die  mir  vorliegenden)  nie  darauf  verfallen,  eine  Fiss.  occip. 
ext  als  eine  den  übrigen  gleichwerthige  oder  überhaupt  als  eine  typische  Furche  hinzu- 
stellen. Freilich  ist  es  wahr,  dass  hier  öfters  eine  querlaufende  Furche  sichtbar  ist,  aber  ent- 
weder ist  sie  meist  sehr  wenig  tief  oder  sie  variirt  bei  verschiedenen  Hirnen  sehr  und  ist 
meistens  sehr  kurz.  Dass  bei  manchen  Hirnen  eine  Furche  vorkommt,  die  der  den  Affen 
zukommenden  sogenannten  Fiss.  occip.  entspricht,  bestreite  ich  somit  nicht,  sondern  nur,  dass 
sie  eine  typische  Furche  des  Menschenhirns  ist. 

Die  innere  Primärfurche  finden  wir  in  der  beim  Fötus  schon  ausgcbildeten  Weise  leicht 
wieder.  Oberflächlich  erscheint  sie  meist  als  eine  ununterbrochene  Furche,  bei  der  Tiefen- 
sondirung  jedoch  bald  ab  aus  zwei  oder  sogar  drei  Theilen  entstanden.  Boi  genauerem  Ver- 
folge bemerkt  man  bei  ihr  jedoch  eine  wesentliche  Verschiedenheit  von  den  bisher  besprochenen 
Furchen ; sie  ist  nämlich  durchaus  nicht  so  tief,  als  man  ihrer  frühen  Entstehung  nach  glauben 
möchte,  und  zugleich  auch  in  den  einzelnen  Abschnitten  von  so  mannigfaltiger  Gestaltung, 
dass  man  hier,  wo  man  längst  doch  eine  ausgeprägte  Furche  sah  und  benannte,  so  recht  die 
Art  und  WTeise  studiren  kann,  wie  sehr  innerhalb  des  Typus  die  Gestalt  im  Einzelnen  variiren 
kann.  — Eben  wegen  dieses  auffallenden  Hin-  und  Herschwankens  und  jener  geringen  Tiefe 
bin  ich  aber  auch  sehr  in  Zweifel,  ob  man  diese  Furche  den  übrigen  Frimärfurchen  gleich- 
stellen darf 

Die  untere  Primärfurche  endlich  verläuft  als  eine  langgestreckte  meist  etwas  winklig 
gebogene  Furche  mitten  über  die  sogenannte  untere  Fläche  (aber  immer  ziemlich  nah  an 
deren  innern  Rande)  von  vorn  nach  hinten.  In  dem  grössten  mittleren  Theil  ist  sie  recht 
tief,  und  dürfte  somit  wohl  immer  leicht  zu  erkennen  sein.  (Fiss.  collateralis.  Huxley.) 

Bis  hierher  wurde  also  versucht  nachzuweisen,  wie  die  beim  Fötus  zuerst  und  in  typischer 
Weise  sich  ausbildenden  Furchen  auch  aus  dom  Gewirre  der  Furchen  beim  Erwachsenen  fast 
in  jedem  Fall  ohne  grosse  Schwierigkeiten  herauszufinden  sind,  sobald  man  nur  richtig  zu 
Werke  geht,  und  vor  Allem,  sobald  man  nur  die  Tiefen  berücksichtigt. 

In  zweiter  Reihe  haben  wir  jetzt  die  übrigen  Furchen  in  Bezug  auf  etwaige  typische 
Lagerung  und  ansehnlichere  Tiefe  möglichst  eingehend  zu  vergleichen.  Hier  ist  es  freilich 
leichter  möglich,  dass  verschiedene  Beobachter  zu  verschiedenen  Resultaten  gelangen.  Es  ist 
in  der  That  oft  schwer  genug,  Regel  und  Ausnahme,  Grundform  und  Abweichung  von  ein- 
ander zu  unterscheiden.  Und  so  möchte  ich  vorläufig  nur  oine  Furche  aufzählen,  die  ich  in 
die  typische  Furchung  der  Oberfläche  glaube  aulnehmen  zu  müssen.  Es  ist  das  nämlich  die 


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lieber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc.  239 

Furche  oder  der  Furchencomplex  der  von  hinten  nach  vorn  verlaufend  in  der  Mitte  etwa 
zwischen  Itam.  ant.  der  ersten  radiären  Primärfurche  und  dem  freien  obem  Rande  der  Hemi- 
sphäre liegt  (Sulcus  front,  superior  und  eine  von  Reichert'a  peripherischen  Frimärfurchen). 
Zwar  kommen  hier  auch  noch  ganz  ansehnliche  Tiefen  vor,  aber  doch  seltener  in  langer  Er- 
streckung, während  die  unregelmässigste  Anordnung  von  zwei  bis  drei  sehr  variirenden 
Furchen  das  Gewöhnliche  ist  Trotzdem  fand  inan  hierin  schon  längst  eine  geeignete  Grenze 
zwischen  zwei  Windungen  (erste  und  zweite  Stirnwindung),  man  fand  hier  stets  eine  wich- 
tige Trennungslinie,  eine  wichtige  Furche,  und  sie  zeigt  bedeutend  mehr  Wechsel  als  einige 
der  oben  genannten  Primärfurchen,  die  bis  heute  von  Manchem  noch  nicht  anerkannt  werden. 

Der  Vollständigkeit  wegen  muss  hier  auch  noch  die  deutliche  Furche  angeführt  werden, 
in  der  der  Tractus  ollactorius  seine  Lage  hat  (Sulcus  olfactorius). 

Im  Uebrigen  würde  man  höchstens  noch  auf  dem  hintersten  Tbeil  der  Hemisphäre  einiger- 
massen  berechtigt  sein,  zwei  weitere  Furchen  als  typische  anzusehen , obgleich  sie  noch  weit 
mehr  in  jeglicher  Weise  variiren,  als  der  eben  besprochene  sogenannte  Sulcus  front,  sup.  — 
Wenn  etwas  von  ihnen  vorhanden  ist,  so  läuft  die  eine  von  vorn  nach  hinten  etwa  gerade 
Uber  die  Mitte  der  äussern  Fläche  des  hintern  Auswuchses;  die  andere  liegt  unter  ihr  und 
der  vierten  radiären  Primärfurche  beiden  parallel  gerichtet  und  etwa  die  Grenze  der  äussern 
und  sogenannten  untern  Fläche  behauptend.  Aber  wie  gesagt,  an  so  manchem  Hirn  wird 
man  beide  vergebens  suchen. 

Soweit  also  Uber  das  Typische  in  den  Furchen  des  Menschonhirns;  auf  eine  genauere 
Beschreibung  derselben  und  eine  Angabe  der  Varietäten  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort. 


n.  Die  Furchen  des  Aflbnhims. 

Eins  der  wichtigsten  Desiderate  für  die  vergleichende  Anatomie  in  der  Anthropologie 
bleibt  leider  noch  immer  eine  genaue  Kenntnis»  der  Entwicklungsgeschichte  der  Alfen.  So 
habe  ich  in  Bezug  auf  das  Gehirn  ausser  der  Ansicht  eines  auch  schon  ziemlich  vorgerückten 
Gibbonhirnes  (bei  Gratiolet)  in  der  Literatur  Nichts  hierfür  finden  können.  Um  so  erfreu- 
licher war  es  mir,  nicht  nur  von  zwei  neugeborenen  Alfen,  sondern  namentlich  auch  von 
einem  noch  ziemlich  jungen  Fötus  die  Hirne  eingehend  untersuchen  zu  können.  So  gering 
dieses  Material  auch  ist,  so  ist  es  doch  schon  hinreichend,  um  gesondert  zunächst  Uber  die 
Entwicklung  des  Alfenhirns  2U  sprechen. 

1.  Furchen  des  fötalen  Hirns.  (Tafel  V,  Fig.  12 — 14.) 

Bei  dem  vorliegenden  Hirne  (angeblich  von  Cebus  apclla  cf  14  Centim.  lang)1)  zeigten 
die  Grosshirnhemisphären  bereits  deutlich  genug  ein  gesondertes  vorderes  und  unteres  Ende. 
Auch  ein  hinterer  Auswuchs  ist  nicht  nur  schon  vorhanden,  sondern  äusserst  stark  ausgeprägt. 


9 Za  grossem  Danke  bin  ich  hierfür  Herrn  Prnf.  Ecker  verpflichtet,  der  mir  den  Fötus  zuaandte,  und 
mit  grösster  Liberalität  ein  eingehendes  Studium  des  Gehirns  und  eiucn  Abguts  der  Schädelhöhle  gestattete. 


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240 


A d.  Pansch, 


Das  untere  Ende  erscheint,  relativ  stark,  das  vordere  relativ  schwach  ausgebildet.  An  der 
innern  Fläche  prägt  sich  schon  eine  deutliche  Grenze  aus  zwischen  einer  spätem  sogenannten 
untern  und  einer  innern  Fläche.  Es  ist  eine  deutliche  Foasa  Sylvü  vorhanden;  die  „Insel“ 
ist  schon  etwas  überdeckt.  Sie  bat  die  Gestalt  eines  sehr  in  die  Länge  gezogenen  Dreiecks, 
dessen  hintere  Seite  sehr  steil  nach  oben  aufeteigt,  während  die  vorderen  Seiten  ohne  eigent- 
lichen Winkel  in  einem  flachen  Bogen  in  einander  übergehen.  Von  hinten  hat  die  Ueber- 
wucherung  des  Mantels  nur  sehr  wenig  stattgefunden,  am  meisten  von  vom  und  oben;  da- 
gegen fehlt  sie  an  der  untern  Seite  fast  ganz.  Die  Insel  geht  also  nicht  nur  unten  in  die 
Subst  perf.  ant.,  sondern  auch  an  der  äussem  Fläche  in  grosserer  Ausdehnung  unmittelbar 
in  die  Fläche  des  Mantels  über.  Ein  Sulcus  dentatus  mit  einer  Fascia  dentata  ist  ausgebildet. 
Im  Uebrigen  bemerkt  mau  an  der  innern  Fläche  nur  eine  einzige  Furche  (Fiss.  horiz.  fiss. 
Hipp.).  Sie  beginnt  naho  hinter  dem  Balken  und  läuft  ziemlich  horizontal  nach  hinten,  bis 
nahe  an  den  freien  Rand  der  Hemisphäre,  wobei  sie  2 Millim.  über  der  untern  Grenze  der 
innern  Fläche  liegt.  Auflallend  dabei  ist  ihre  Tiefe  von  4 Millim.  Sie  muss  also  wahr- 
scheinlich Bchon  sehr  früh  entstanden  sein,  wenn  man  nicht  annchmcn  will,  dass  in  der  Zeit 
nach  ihrer  Entstehung  das  Wachsthum  am  hintern  Auswüchse  der  Hemisphäre  stärker  vor- 
geschritten sei.  Ich  möchte  glauben,  dass  beides  der  Fall  war,  oder  dass  hier  eine  wirkliche 
in  den  Hoblraum  der  Hemisphäre  hineingehende  Faltung  stattfand. 

Auf  der  äussern  Fläche  zeigt  sich  ebenfalls  nur  eine  einzige  Furche,  die  aber  fast  nur 
einen  kurzen  seichten  Eindmck  bildet  Sie  ist  6 Millim.  lang  und  liegt  ziemlich  senkrecht 
and  parallel  der  Fossa  Sylvü  auf  dem  untern  Ende  der  Hemisphäre  (Fiss.  parall.).  Von 
weiteren  Furchen  vermochte  ich  auch  nicht  die  geringste  Spur  aufzufinden,  auch  nicht  an  der 
Grenze  des  hintern  Auswuchses. 

Ich  halte  cs  jetzt  für  das  Geeignetste,  zunächst  das  Verhalten  eines  erwachsenen  Hirns 
derselben  Gattung  mit  dem  eben  gefundenen  zu  vergleichen.  Dazu  liegt  mir  ein  Hirn  von 
Cebus  cirrhifer  vor,  und  ausserdem  kann  ich  Abbildungen,  die  sich  auf  Cebus  apella  beziehen 
(bei  Gratiolet)  benutzen.  Die  Insel  zeigt  hier  eine  ähnliche  Gestalt  wie  beim  Fötus;  doch 
ist  sie  Dach  vorn  zu  verhältnissmässig  stärker  ausgewachsen.  Vom  hintern  Mantelrande  wird 
sie  nur  wenig  bedeckt,  vom  vordem  Rande  aber  in  der  ganzen  Ausdehnung  der  Orbitalfläche 
gar  nicht.  Noch  deutlicher  als  beim  Fötus  verläuft  der  vordere  Rand  als  eine  ununterbrochene 
gerade  Linie,  so  dass  von  einem  vordem  Aste  der  Fossa  Sylvii  absolut  keine  Rede  sein  kann. 
Auf  dem  untern  Ende  der  Hemisphäre  findet  man  auch  hier  nur  eine  einzige,  aber  sehr  lauge 
Furche,  die  deutlich  genug  die  weitere  Ausbildung  jener  fötalen  Anlage  darstellt.  Sie  bat  in 
ihrem  mittleren  jener  fötalen  Furche  entsprechenden  Theile  auch  in  der  That  die  grösste 
Tiefe.  — Jene  beim  Fötus  an  der  innern  Fläche  vorhandene  tiefe  Furche  seheint  dem  Un- 
kundigen auf  den  ersten  Blick  hier  zu  fehlen.  Sie  ist  aber  nur  mehr  an  die  untere  Fläche 
gerückt  und  daneben  ziemlich  nach  unten  ausgebogen.  Ihre  Tiefe  ist  gross,  weit  grösser  als 
bei  der  äussern  Furche.  Die  übrigen  Furchen  haben  wohl  alle  keine  so  grosse  Tiefen  auf- 
zuweisen. 

Die  beiden  neugeborenen  Hirne,  die  mir  vorliegen,  zeigen  bereits  die  Hauptcharaktere 
des  erwachsenen  Hirns,  so  dass  ich  sie  der  Kürze  wegen  hier  übergehen  kann,  und  sie  nur 
bei  einzelnen  wichtigen  Punkten  später  wieder  heranziehen  werde. 


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Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 


241 


2.  Furchen  des  erwachsenen  Hirns  der  Affen. 

Die  Untersuchung  geht  nun  ganz  auf  das  Gebiot  der  vergleichenden  Anatomie  über.  Wir 
haben  also  an  einer  möglichst  grossen  Reihe  und  Zahl  von  Hirnen  das  Constante,  das  Va- 
riirende  und  Art  und  Weise  des  Wechsels  zu  erforschen.  Welche  Furchen  bleiben  noch  sicht- 
bar bei  den  niedersten  furchenarmen  Formen!  In  welcher  Reihenfolge  treten  die  übrigen 
Furchen  in  der  Stufenfolge  der  verschiedenen  Affenformen  auf!  Welche  bieten  immer  eine 
typische  Gestalt  und  welche  eine  wechselnde?  Das  sind  hier  die  wichtigsten  Fragen.  Aber 
nach  den  oben  gemachten  Erfahrungen  in  der  Entwicklungsgeschichte  kommt  eine  andere 
von  derselben  Bedeutung  hinzu:  Welches  sind  di <* tiefsten  Furchen  beziehungsweise  Furchen- 
tbeile  ? 

Es  scheint  mir  tibersichtlicher  und  kürzer  zu  sein,  nicht  die  ganze  Gruppe  der  Affen  und 
Halbaffen  zugleich  abzuhandeln,  sondern  sie  in  einige  Abtheilungen  zu  trennen,  die  mit  dem 
allgemeinen  zoologischen  System  Nichts  zu  thun  haben,  sondern  eben  durch  die  verschiedene 
Ausbildung  der  Furchen,  wie  wir  sehen  werden,  geboten  sind. 

a.  Affen  der  alten  und  neuen  Welt,  mit  Ausnahme  der  Anthropomorphen 
und  der  meisten  Aneturae  Wagn. 

Hier  wie  bei  den  folgenden  Abtheilungen  kann  ich  mich  recht  kurz  fa&sen,  da  es  nur  auf 
die  Hauptsachen  ankommt,  die  geringere  Zahl  der  Furchen  überhaupt  weniger  Zweifel  erlaubt 
und  genauere  Beschreibungen  langst  bekannt  sind.  Bei  dieser  Gruppe  (ich  nenne  sie  im  Ver- 
folg schlechthin  „die  Affen“)  dürfte  sich  wohl  überall  die  Fossa  Sylvii  ähnlich  gebildet  haben 
wie  bei  Cebus.  Die  Insel  wenigstens  zeigt  bei  sorgfältiger  Untersuchung  überall  die  ange- 
gebene längliche  Gestalt,  die  ziemlich  einem  Gurkenkerne  gleicht  Die  Insel  geht  auch  bei 
ihnen  in  weiter  Ausdehnung  unmittelbar  in  die  Orbitalfläche  über,  oder  ist  von  ihr  nur  durch 
eine  seichte  Furche  getrennt  Je  weiter  nach  oben,  um  so  stärker  ist  die  Ueberwucherung. 
Eine  Andeutung  eines  Ramus  ascendons  £ S.  giebt  es  kaum,  höchstens  hier  und  da  eine  kleine 
winklige  Einbuchtung.  Auch  hier  ist  die  Insel  vollständig  überdeckt,  so  dass  der  Ramus 
horiz.  äusserlich  vollständig  einer  gewöhnlichen  Furche  gleicht.  Sie  hält  die  gewohnte  Rich- 
tung ein,  bald  flacher,  bald  steiler,  bald  mehr  gerade,  bald  mehr  gebogen,  wie  es  scheint  ohne 
durchschlagende  Regel.  Zu  beachten  ist  nur  noch  die  scheinbare  Anomalie,  dass  sie  bei  Ate- 
les  viel  weiter  hinaufsteigt  bis  nahe  an  den  obern  freien  Rand.  Bei  genauerer  Untersuchung 
jedoch  stellt  eg  sich  heraus,  dass  ihr  Ende  nur  verschmolzen  ist  mit  einer  andern  Furche 
(vierte  typische  Furche  der  Affen).  Der  Trennungspunkt  ist  häufig  (nicht  immer)  durch  eine 
Brücke  innerhalb  der  Furche  angedeutet. 

Die  eigentlichen  Furchen  anlangend,  so  findet  man  die  so  früh  beim  Fötus  sich  aus- 
bildende Fiss.  horiz.  (Fiss.  Hipp.)  auch  bei  allen  diesen  Affen  in  ähnlicher  Gestalt  und  mit 
eben  derselben  bedeutenden  Tiefe  wie  bei  Cebus.  Ihre  vorderen  zwei  Drittel  oder  die  Hälfte 
bekommt  man  bei  der  Ansicht  von  unten  zu  Gesicht,  der  hintere  Theil  gehört  der  innern 
Fläche  an,  wahrend  das  Ende  sich  bis  auf  die  äussere  Fläche  erstreckt,  wo  es  meist  mit  einem 

Archiv  für  Ambroitulogle.  Bd.  UL  lieft  3.  81 


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242  Ad  Pansch, 

nach  oben  und  einem  nach  unten  gerichteten  Aste  endet,  deren  Länge  keinem  bestimmten 
Gesetz  unterworfen  scheint.  Beide  Aeste  erscheinen  bei  der  Ansicht  von  hinten  als  eine 
senkrechte  Furche.  Nirgends  findet  man  das  vordere  Ende  der  Furche  sich  in  die  sogenannte 
Fissura  dentata  einsenken. 

Auf  der  innern  Fläche  ist  ferner  ausser  derFiss.  horiz.  bei  fast  allen  Affen  noch  eine  andere 
Furche  vorhanden,  die  zwar  im  Einzelnen  sehr  variirt,  dennoch  aber  durch  bedeutende  Tiefe 
besondere  Beachtung  fordert  Bei  Ateles  verläuft  sie,  ungefähr  den  dem  hintern  Auswuchs 
entsprechenden  Theil  abgrenzend,  nach  unten  und  vorn,  beginnt  noch  am  freien  Rande  und 
endigt  in  die  Fissura  horiz.  (Hipp.).  Sie  stimmt  also  so  ziemlich  mit  der  Fiss.  perp.  des 
Menschen  liberein.  Mehr  oder  weniger  abweichend  dagegen  ist  die  Furche,  die  bei  den  übrigen 
Affen  sich  in  dieser  Gegend  befindet  Deifb  erstens  liegt  ihr  unteres  Ende  viel  weiter  nach 
hinten  und  ist  durch  einen  ansehnlichen  oft  sehr  breiten  Zwischenraum  von  der  Fiss.  horiz. 
getrennt,  und  zweitens  greift  sie  mit  einer  bedeutenden  Tiefe  auf  die  äussere  Fläche  über, 
wo  sie  sich  in  eine  dortige  querverlaufende  tiefe  Furche  fortsetzt  Genauer  hierauf  eiugehen 
kann  ich  jedoch  erst  bei  Betrachtung  jener  üussern  Furche,  und  will  hier  nur  bemerken,  dass 
man  öfters  auf  beiden  Wänden  der  Fiss.  perp.  stark  vorspringende  Wülste  bemerkt 

Im  Uebrigen  zeigt  die  innere  Fläche  (s.  str.)  noch  eine  Furche,  die  so  sehr  eonatant  ist, 
und  in  jeder  Beziehung  so  mit  der  innern  Primärfurche  des  Menschen  übereinstimmt,  dass  ich 
sie  nicht  weiter  zu  beschreiben  brauche  und  sie  als  „innere  typische  Furche“  bezeichne.  — 
Ausserdem  sind  höchstens  noch  zu  erwähnen  kleine  im  Einzelnen  sehr  wechselnde  Furchen, 
die  im  Zustande  weitester  Ausbildung  als  ein  Halbkreis  das  untere  Ende  der  Fiss.  perp.  um- 
kreisen. 

Auf  der  äussern  Fläche  dürften  es  ohne  Zweifel  zunächst  fünf  radiär  um  die  Fossa  Syl- 
vii  (beziehungsweise  Insel)  gestellte  Furchen  sein,  die  sich  nicht  nur  immer  vorfinden,  son- 
dern auch  stets  ein  constantes  Gepräge  führen.  Nennen  wir  sie  vorläufig  die  „erste  bis  fünfte 
typische  Radiärfurehe.“ 

Die  fünfte  liegt  auf  dem  untern  Ende  der  Hemisphäre ; wir  kennen  sie  bereits  von  Cebus 
her.  Sie  ist  die  längste  Furche  und  fliesst  oberflächlich  oft  mit  dem  Ram.  horiz.  f.  S.  zu- 
sammen. 

Die  dritte,  die  sogenannte  Fiss.  Rolando,  bedarf  keiner  weitem  Beschreibung. 

Zwischen  der  dritten  und  fünften,  ungefähr  in  der  Mitte,  liegt  die  vierte  typische  Radiär- 
furche. Ihr  vorderes  Ende  liegt  zwischen  der  sogenannten  Fiss.  Rolando  und  dem  Ende  des 
Ram.  horiz.  fossae  S.,  ihr  oberes  Ende  krümmt  sich  nach  hinten  und  mündet  scheinbar 
meistens  senkrecht  in  die  bald  zu  besprechende  typische  Querfurche  („Fiss.  oecip.  ext“)  ein, 
während  man  bei  einem  Eingehen  in  diese  Furche  meist  finden  wird,  wie  sic  noch  eine 
weitere  Biegung  nach  aussen  macht,  ein  Verhalten,  welches  auch  zuweilen  schon  oberflächlich 
sichtbar  ist  (Cebus)  Tafel  VH,  Fig.  18. 

Die  zweite  typische  Radiärfurehe  liegt  mit  ihrem  Haupttheile  (Stamm  l zwischen  dem  untem 
Ende  der  dritten  und  dem  freien  vordem  Rande  der  äussern  Fläche.  Die  Richtung  indes« 
schwankt  einigermassen ; sie  steigt  bis  über  die  Hälfte  der  äussern  Fläche  hinauf,  und  wendet 
sich  hier  plötzlich  nach  vom.  Bezeichnen  wir  dieses  als  „vordem  Ast“,  so  ist  dieser  fast 
immer  vorhanden,  aber  sehr  verschieden  lang.  Vom  obern  Ende  des  „Stammes“  sieht  man 


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Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc.  243 

ausserdem  aber  auch  sehr  häufig  einen  „obem  Ast“  ausgehen , der  aber  ebenfalls  in  Richtung 
und  Länge  starken  Wechsel  zeigt 

Die  erste  typische  Radiärfurche  ist  sehr  constant.  Sie  liegt  zwischen  dem  vordem  Aste 
der  zweiten  typischen  Radiärfnrche  und  dem  freien  Rande  der  Hemisphäre  und  nimmt  die 
Richtung  auf  die  Spitze  der  Hemisphäre  zu.  In  einzelnen  Fällen  vereinigt  sie  sich  mit  dem 
vordem  Ast  der  zweiten  typischen  Radiärfurche. 

Ich  habe  mich  jetzt  zu  einer  Furche  zu  wenden,  die  so  oft  schon  Gegenstand  des  Streites 
war;  es  ist  die  sogenannte  Fiss.  occip.  ext.,  eine  zum  Tlieil  sehr  tiefe  Furche,  die  etwa  das 
hintere  Drittel  der  ganzen  Hemisphäre  abschneidet.  Ich  wiederhole  zunächst  das  Allbekannte, 
dass  eine  solche  Furche  sich  freilich  bei  den  meisten  Affen  vorfindet,  bei  manchen  aber  nur  theil- 
weise,  bei  anderen  fast  gar  nicht  nachzuweisen  ist  Tafel  VIH,  Fig.  44.  Nur  wenn  sie  vollständig 
ausgeprägt  ist,  hängt  sie  direct  und  tief  mit  der  Fiss.  perp.  zusammen ; da  diess  aber  meistens 
der  Fall  ist,  wurde  sie  auch  wohl  als  äussere  Fortsetzung  jener  angesehen.  — Bis  zur  Ein- 
mündung der  vierten  typischen  Radiärfurche  besitzt  sie  immer  eine  bedeutende  Tiefe  und 
ergiebt  sich  leiciit  als  identisch  mit  der  Fissura  perpendicularis  (occip.  int.).  Von  da  an  nach 
aussen  ist  sie  verhältnissroässig  recht  flach,  und  nimmt  die  Tiefe  überhaupt  in  der  Richtung 
nach  aussen  allmälig  alt  An  diesem  letzteren  Theilo  ist  es  namentlich  deutlich  zu  sehen,  wie 
die  Tiefenrichtung  hier  nicht  wie  sonst  senkrecht  in  die  Himmasse,  sondern  flach  nach  hinten 
geht  (operculum).  Dies  ungewöhnliche  Verhalten  und  ein  genaues  Verfolgen  der  verschie- 
denen Variationen,  muss  nun,  wie  mir  scheint,  nothwendig  auf  die  richtige  Anschauung  führen. 
Und  diese  dürfte  so  lauten:  Die  Fiss.  perp.  (occip.  int.)  setzt  sich  nach  oben  hin  verschieden 
weit  fort,  und  erreicht  entweder  die  äussere  Fläche  gar  nicht  (Ateles)  oder  als  kleine  Ein- 
kerbung, oder  endlich  sie  erstreckt  sich,  und  dann  mit  bedeutender  Tiefenentwickiung,  bis  in 
die  vierte  typische  Radiärfurche,  welche  letztere  sich  hinter  dieser  Mündungsstelle  noch  ein 
Stück  weit  nach  hinten  und  aussen  fortsetzt  (Cebus).  So  Ist  es  bei  den  meisten  Affen  der 
GrundplaÄ.  Aber  nun  tritt  bei  sehr  vielen  noch  secundär  eine  Veränderung  hinzu,  durch 
die  dann  erst  das  sogenannte  typische  Affenhirn  als  solches  vollendet  wird.  Sie  testeilt  in 
einer  ähnlichen  localen  Ueberwucherung,  wie  wir  es  hei  der  Insel  sahen.  Die  vordere  Grenze 
dieses  stärker  wuchernden  Theils  liegt  nun  meist  in  Form  eines  Bogens  quer  über  dem  hintern 
Theil  der  Hemisphäre,  und  zwar  gellt  dieser  meistens  eben  hinter  dem  Ende  der  vierten  ty- 
pischen Radiärfurche  vorbei,  während  das  innere  Ende  ganz  nahe  bei  der  Fiss.  perp.  liegt. 
Von  dieser  nach  hinten  convexen  Bogenlinie  aus  erstreckt  sich  die  Wucherung  (operculum) 
bis  etwa  zu  einer  die  beiden  Endpunkte  verbindenden  Geraden,  indem  er  von  einer  hintern 
Dicke  von  circa  2 Miliim.  sich  nach  vorn  zu  zuschärft.  Dieser  ,, Klappdeckel“  legt  sich  also 
über  das  obere  Ende  der  Fiss  perp.  und  das  hintere  Ende  der  vierten  typischen  Radiärfurche 
weg,  während  zugleich  durch  seinen  vordem  freien  Rand  scheinbar  eine  neue  Furche,  die 
besagte  sogenannte  Fiss.  occip.  ext.  gebildet  wird.  Danach  ist  es  klar,  dass  diese  äusserlich 
sichtbare  Furche  nicht  vollständig  einer  der  anderen  Furchen  gleich  zu  setzen  ist,  sondern 
eher  dem  freien  Rande  des  die  noch  halb  offene  Insel  überragenden  Walles  entspricht.  Der 
Grundtypus  der  Furchuug  tritt  also  hei  dergleichen  Hirnen  erst  hervor,  wenn,  wie  bekannt, 
das  operculum  entfernt  wird;  in  dieser  Beziehung  nenne  ich  diese  Wucherung  eine  „sacundäre“, 
wobei  es  leider  aus  Mangel  fötaler  Hirne  dahingestellt  bleiben  muss,  oh  diese  Ueberwucherung 

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Ad.  Pansch 


244 

erst  nach  fertiger  Anlage  der  Fiss.  perp.  und  der  vierten  typischen  Radiärfurche  beginnt,  oder 
ob  beide  Processe  gleichzeitig  vor  sich  gehen.  Dass  sie  jedenfalls  nicht  ganz  früh  ihren  An- 
fang nimmt,  scheinen  mir  die  beiden  Hirne  neugeborener  Affen  zu  beweisen,  wo  (besonders 
bei  einem  Cynocephalus)  das  operculum  entschieden  noch  nicht  vollendet  ist. 

Hebt  man  nun  bei  einer  derartigen  Untersuchung  das  operculum  auf,  oder  besser,  schneidet 
man  cs  ab,  Tafel  VIII,  Fig.  43,  so  mochte  es  öfters  scheinen,  als  befände  sich  an  der  Stelle,  von 
wo  die  Uebcrwucherung  beginnt,  ausserdem  noch  eine  seichte  wirkliche  Furche,  die  dann  aber 
nicht  an  die  Fiss.  perp.  reicht,  und  ebenso  wenig  lateralwärts  die  freie  Oberfläche  erreicht. 
Bei  den  Hirnen  ohne  Klappdeckel  findet  sich  ungefähr  an  der  entsprechenden  Stelle,  aber 
sehr  wechselnd  in  Grösse  und  Richtung,  häufig  eine  seichtero  Furche.  Doch  variirt  sie  viel 
zu  sehr,  um  sie  von  vornherein  eine  typische  nennen  zu  können.  Dennoch  möchte  ich  sie  für 
diejenige  halten,  die  jener  erstgenannten,  vom  Klappdockei  bedeckten  Furche  entspricht. 
Wollen  wir  absolut  bei  den  Affen  von  einer  typischen  hier  befindlichen  queren  Furche  sprechen 
(Fiss.  occip.  ext.),  so  können  wir  sie,  meine  ich,  nur  in  den  eben  bezeichneten  Furchen  wieder- 
finden. 

Auch  eine  „untere  typische  Furche“  müssen  wir  noch  aufnehmen.  Sie  ist  fast  immer  da, 
verläuft  etwa  gerade  über  die  Mitte  der  sogenannten  untern  Fläche  in  einem  nach  aussen 
und  hinten  convexen  Bogen,  geht  nahe  an  das  hintere  Ende  der  Fiss.  horiz.,  zuweilen  selbst 
in  sie  eininUndend,  erstreckt  sich  nach  vorn  aber  wenig  auf  den  eigentlich  vorragenden  Theii 
des  untern  Endes  der  Hemisphäre. 

Dieses  sind  nun  die  Furchen,  die  ich  bei  dieser  Gruppe  als  typische  anseben  möchte,  in 
ähnlicher  Weise,  wie  sich  beim  Menschen  die  constanten  Primärfurchen  darstellten.  Ausser 
ihnen  aber  hat  das  Afienhim  noch  verschiedene  kleinere  mehr  unregelmässig  wechselnde 
Furchen  und  Eindrücke.  Von  diesen  dürfte  am  constantesten  sein  eine  bei  voller  Ausbildung 
das  äussere  Ende  der  sogenannten  Fiss.  occip.  ext.  umkreisende  Bogenfurche,  die  sich  ver- 
schieden weit  nach  hinten  erstreckt,  sehr  oft  um  den  freien  Rand  herum  auf  die  »genannte 
untere  Fläche  streicht  und  gegen  dos  hintere  Ende  der  Fiss.  hör.  hin  läuft  Etwas  höher  hin- 
auf sieht  man  auf  der  äussern  Fläche  wohl  noch  eine  andere  aber  weit  schwächere  Furche 
mit  derselben  Richtung,  oft  genug  aber  auch  nur  eine  ganz  schwache  Andeutung  davon,  oder 
auch  diese  fehlt  ganz. 

Ferner  zeigen  die  höheren  Formen  dieser  Gruppe  über  dem  vordem  Aste  der  zweiten 
und  dem  hintern  Aste  der  vierten  typischen  Furche,  in  der  Mitte  etwa  zwischen  ihnen  und 
dem  obern  Rande  der  Hemisphäre  je  eine  kleine  Furche  oder  Eindruck,  deren  Richtung  meist 
von  vorn  nach  hinten  geht,  die  sehr  häufig  aber  auch  aus  mehreren  vor  einander  liegenden 
Eindrücken  oder  Furchen  zusammengesetzt  siud.  Endlieh  bleibt  noch  zu  erwähnen  eine  ver- 
schieden gut  entwickelte  Furche,  die  unter  der  fiintten  typischen  Furche  auf  dem  untern  Ende 
der  Hemisphäre  verläuft,  und  es  dürfte  vielleicht  hinzuzufügen  sein  eine  kleine  Furchung,  die, 
wenn  sie  vorhanden  ist,  ein  merkwürdig  constantes  Gepräge  zeigt.  Sie  liegt  auf  dem  untersten 
Theii  des  untern  Endes,  etwas  nach  innen  von  der  tiefstim  Spitze  und  ist  von  hinten  nach 
vom  gerichtet.  Bei  der  Ansicht  von  unten  scheint  sie  den  vordem  der  Fom  Sylvii  zuge- 
wandten Rand  des  untem  Endes  cinzukerben,  erreicht  in  Wirklichkeit  aber  die  Fossa  Sylvii 
wohl  selten. 


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Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 


245 


b.  Hirn  der  Anthropomorphen.  (Tafel  VIII,  Fig.  24  u.  25.) 

Wenn  wir  uns  erlauben  dürfen  bei  diesen  Hirnen  von  vornherein  den  Typus  des  eben 
besprochenen  „Affenhirns“  zu  Grunde  zu  legen,  so  erkennen  wir  auf  den  ersten  Blick  nicht 
nur  eine  Aehnlichkeit,  sondern  vielmehr  eine  Uebereinstimmung  mit  demselben,  während  doch 
anderseits  auch  gewisse  Abweichungen  von  vornherein  bemerkbar  werden.  Eine  in’s  Ein- 
zelne gehende  Beschreibung  boi  Seite  lassend,  beschränke  ich  mich  auf  eine  Aufzählung  der 
hauptsächlichsten  Abweichungen.  Zunächst  ist  die  Bildung  der  Fossa  Sylvii  recht  interessant. 
Ausser  dem  normal  verlaufenden  ltamus  horiz.  findet  man  nämlich  sogleich  einen  deutlichen 
Burnus  asc.  Deckt  man  nun  die  Insel  auf,  ao  bietet  sie  eine  sehr  breit  dreieckige  Form  dar, 
und  ist  auch  von  einigen  radiär  verlaufenden  Furchen  bedeckt.  Wichtiger  noch  ist  das  Ko- 
sultat, dass  an  der  ganzen  sogenannten  Orbitalfläche  keine  Ueberwucherung  des  Mantels  statt- 
gefunden liat,  so  dass  hier  also  Insel  und  Mantel  in  demselben  Niveau  liegen.  Der  hier  vor- 
handene Ramus  ascend.  fossae  S.  ist  also  nicht  wie  beim  Menschen  eine  zwischen  zwei 
wuchernden  Lappen  gebildete  Furche,  sondern  nur  der  freie  Band  des  gewucherten  obem 
Lappens.  So  fand  ich  es  aufs  deutlichste  bei  einem  Chimpanse,  und  so  ist  es  ähnlich  auch 
bei  allen  übrigen.  Von  den  typischen  Furchen  fehlt  die  erste  in  den  meisten  Fällen,  und  wenn 
sie  vorhanden  ist,  ist  sie  meist  seicht  und  undeutlich.  Von  der  zweiten  ist  der  Stamm  leicht 
zu  finden  und  ebenso  der  immer  mit  ihm  zusammenhängende  vordere  Ast,  der  obere  Ast 
besteht  ganz  oder  doch  in  dem  grössten  Theil  aus  einer  isolirten  Furche.  Die  dritte  typische 
Furche  (Fiss.  Rol.)  zeichnet  sich  nur  durch  einige  auffallend  starke  winklige  Krümmungen 
von  der  der  Affen  aus.  Von  der  vierten  gilt  zunächst  dasselbe  wie  von  der  zweiten,  d.  h.  der 
obere  Ast  Ist  ganz  oder  zum  grössten  Theil  isolirt,  im  Uebrigon  aber  einem  bedeutenderen 
Wechsel  unterworfen.  Die  fünfte  ist  meistens  an  Länge,  Tiefe  und  Formung  gleich  ausge- 
zeichnet Mit  ihr  hängt  häufig  jene  oben  erwähnte,  das  Ende  der  sogenannten  Fiss.  oocip. 
ext  umkreisende  Bogenfurche  zusammen,  die  hier  leidlich  ausgeprägt  ist  Die  Fiss.  horiz. 
bietet  nichts  Bemerkenswerthes,  dagegen  ist  die  Bildung  der  Fiss.  perp.  und  der  sogenannten 
Fiss.  occip.  ext  um  so  auffallender.  Es  würde  nach  den  beiden  vorliegenden  Hirnen  vom 
Chimpanse  nicht  schwer  sein,  eine  bestimmt  formulirte  Erklärung  dafür  zu  geben.  Ich  Halte 
aber  gerade  diesen  Punkt  für  so  wichtig,  dass  ich  mich  hier  lieber  auf  folgende  kurze  Bemer- 
kungen beschränke,  die  sich  eben  nur  auf  die  Hauptsachen  beziehen,  wie  sie  uns  hier  nöthig 
sind.  Die  Fiss.  perp.  erreicht  meistens  nicht  die  Fiss.  horiz.,  ist  übrigens  ziemlich  tief  und 
steil  gestellt  und  geht  nicht  auf  die  äussere  Fläche  über.  Dagegen  beginnt  eine  quer  Uber 
die  äussere  Fläche  ziehende  tiefe  Furche  schon  mitten  an  der  innern  Fläche,  hängt  auch  mit 
der  vierten  typischen  Furche  zusammen,  und  verhält  sich  überhaupt  ähnlich  wie  bei  den 
Affen.  Bei  einem  andern  Hirn  scheinen  diese  beiden  Furchen  zu  einer  verbunden  zu  sein, 
doch  findet  man  innerhalb  der  Furche  leicht  eine  starke  sie  scheidende  Brücke  (pli  de 
possage  int.  sup.).  Die  äussere  Furche  ist  auffallend  tief  und  genule,  und  hinter  ihrem  lateralen 
Theile  liegt  noch  eine  andere  kürzere  und  seichte,  mit  dem  äussern  Ende  nach  hinten  uin- 
gebogene  Furche.  Ich  muss  darauf  hinweison,  wie  gerade  diese  Verhältnisse  auf  beiden  Seiten 
desselben  Hirns  bedeutend  von  einander  abweichen. 


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24G 


Ad.  Pansch, 


Beim  Hirne  des  Orang  reicht  die  Fiss.  perp.  auf  die  äussere  Fläche  hinauf.  Von  ihr  durch 
einen  deutlichen  Zwischenraum  getrennt  läuft  auf  der  äussem  Fläche  eine  Furche  schräg  nach 
vorn  und  aussen,  und  nimmt  die  vierte  typische  Furche  auf.  Von  den  übrigen  typischen 
Furchen  ist  nichts  Ungewöhnliches  zu  bemerken. 


c.  Hirn  der  „niedern  Affen“. 

Die  meisten  vorher  ausgeschlossenen  Aneturae  Wagu.  und  die  Krallenaffen.  (Tafel  VH,  Fig.  26.) 

Von  diesen  Affen  kenne  ich  leider  aus  eigener  Anschauung  und  Untersuchung  wenig 
Hirne.  Da  nun  ausserdem  die  vorhandenen  Abbildungen  und  Beschreibungen  meist  sehr 
wenig  erschöpfend  sind,  so  müssen  einige  wichtige  Punkte  hier  unentschieden  bleiben. 

An  allen  Hirnen,  das  ist  jedenfalls  sicher,  erkennt  man  leicht  nicht  nur  die  allgemeine 
Form,  sondern  auch  die  eigenthiimliche  Ueberwucherung  der  Fossa  Sylvii,  wie  sie  die  Affen 
uns  zeigten.  Aber  auch  was  die  Furchen  betrifft,  möchte  ich  glauben,  dass  alle  vorhandenen 
Furchen  sich  auf  typische  Furchen  des  Affenhirns  zurückfiihren  lassen.  Charakteristisch  für 
diese  Gruppe  ist  es  nun  aber  eben,  dass  nur  eine  geringe  Zahl  jener  typisch  genannten 
Furchen  vorhanden  sind,  und  so  bietet  es  das  grösste  Interesse,  zu  sehen,  welche  Furchen  hier 
durchgängig  vorhanden  sind,  und  welche  nur  bei  den  höchsten  Vorkommen. 

Diese  Gruppe  schliesst  sich  zunächst  an  Cebus  an;  die  Bildung  der  Fossa  Sylvii  und  die 
Ueberwucherung  der  Insel  von  zwei  ßichtungeu  her  sind  immer  genau  zu  erkennen.  Der 
Anzahl  der  vorhandenen  Furchen  nach  kommt  dann  zunächst  Callithrix  moloch.  Auf  dem 
vordem  Ende  der  Hemisphäre,  nahe  dem  äuasorn  freien  Ramie,  liegt  eine  Furche,  die  wir  viel- 
leicht (?)  der  ersten  typischen  Furche  gleichsetzen  können.  Von  der  zweiten  und  dritten  zeigt 
sich  keine  Spur;  dagegen  sind  die  vierte  und  fünfte  um  so  deutlicher.  Die  vierte  umgreift 
als  ein  ziemlich  regulärer  nach  aussen  offener  Bogen  die  oberen  Enden  der  Fossa  Sylvii  und 
der  fünften  typischen  Furche.  Es  findet  sich  eino  Fiss.  horiz.,  aber  keine  Fiss.  perp.  Die 
untere  typische  Furche  ist  stark,  ebenso  auch  die  oben  angedeutete  Einkerbung  an  der  Spitze 
des  „Schläfenlappens“. 

Hieran  durfte  sich  am  besten  anschüessen  Nyctipithecus;  wenigstens  glaube  ich,  dass  die 
scheinbare  Verlängerung  der  Fossa  Sylvii  hier  nur  dadurch  entsteht,  da«s  die  vierte  typische 
Furche  oberflächlicher  oder  tiefer  mit  ihr  verschmilzt,  und  am  hintern  Ende  sich  nicht  um- 
biegt, sondern  gerade  nach  hinten  geht. 

Koch  auffallender  gestalten  sich  diese  Verhältnisse  bei  Callithrix  sciureus;  denn  hier  reicht 
die  eben  besprochene  Furche  über  die  ganze  iinssere  Fläche  hinweg,  ja  erstreckt  sieh  sogar 
auch  auf  die  innere  Fläche,  aber  nicht  bis  an  die  Fiss.  horiz.  Darf  man  es  vielleicht  so 
ansehon  als  ob  dieses  Ende  die  Fiss.  perp.  wäre?  — Die  Möglichkeit  der  elteu  geiiusserten 
Anschauungen  lässt  sich  nicht  bestreiten,  der  Beweis  dafür  ist  bis  jetzt  aber  noch  nicht  zu 
führen. 

Die  untere  typische  Furche  ist  hei  letzterem  Affen  stark  entwickelt  und  mündet  wie  bei 
höheren  Affen  in  die  B’iss.  horiz.  ein. 

Endlich  folgt  Hapale  Jacchus,  bei  dem  alle  Furchen  fohlen  auf  der  äussem  Fläche,  mit 


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lieber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc.  247 

Ausnahme  vielleicht  einer  schwachen  Andeutung  der  fünften  typischen  Furche.  Dagegen 
finden  wir  eine  deutliche  Fiss.  horiz. 

d.  Hirn  der  Halbaffen.  (Tafel  VIII,  Fig.  27  bis  30.) 

Obgleich  eine  genaue  Beschreibung  dieser  Hirne  noch  nicht  gegeben  ist,  so  beschränken 
wir  uns  hier  doch  auf  das  Nöthigste.  Nehmen  wir  aber  nach  den  vorhergehenden  Betrach- 
tungen vorurteilsfrei  das  Hirn  eines  Lemuren  zur  Hand,  so  müssen  wir  erstaunen  Uber  die 
Uebereinstimmung,  die  es  — und  zwar  namentlich  in  den  Furchen  — mit  dem  des  Ctdlithrix 
moloch  (Fig.  20)  hat.  Eine  eingehendere  Beschreibung  ist  deshalb  unnüthig.  Besonder» 
betonen  muss  ich  aber  auch  hier  zunächst,  dass  die  Ueberwucherung  der  Insel  durch  den 
Mantel  genau  ebenso  vor  sich  gegangen  zu  sein  scheint,  wie  bei  den  niederen  Affen.  Die  Fiss. 
horiz.  ist  kräftig  ausgeprägt;  nahe  hinter  dem  Balken  geht  eine  andere  Furche  von  ihr  aus 
steil  nach  oben;  ich  halte  sie  für  die  Fiss.  perp.  Doch  lässt  sich  dies  ebensowenig  boweisen 
als  es  sich  tadeln  lässt,  wenn  Andere  sie  für  den  obern  Endast  der  Fiss.  horiz.  halten.  Die 
untere  typische  Furche  fehlt  wohl  bei  allen  ganz. 

Bei  Otolicnus  sieht  man  die  fünfte  typische  Furche  sehr  reducirt;  bei  der  vierten  fehlt 
der  hinterste  bogenförmige  Theil. 


HL  Hirn  von  Chiromys.  (Tafel  VIII,  Fig.  31  u.  32.) 

Wie  dieses  Thier  überhaupt  für  den  Zoologen,  so  muss  auch  für  uns  hier  das  Hirn  ein 
besonderes  Interesse  bieten.  Mit  der  grössten  Erwartung  nimmt  man  die  einzige  vorhandene 
Beschreibung  von  Owen  zur  Hand,  und  fragt  sich,  ob  das  Hirn  noch  eine  Verwandtschaft 
mit  den  Affen  und  Halbaffen  habe  oder  nicht  Zu  bedauern  ist  dass  die  Abbildung  und  Be- 
schreibung uns  über  manche  Dinge  nicht  hinreichend  aufklärt;  so  vor  Allem  auch  Uber  die 
Fossa  Sylvii.  Ich  glaube  aber  das  Rechte  getroffen  zu  haben,  wenn  ich  annehroe,  dass  bei 
Chiromys  sich  keine  Fossa  Sylvii  findet  in  dem  Sinne,  wie  bei  den  Affen,  d.  b.  also  keine  durch 
deu  darüber  gewucherten  Mantel  bedeckte  Insoi.  Die  bei  der  Ansicht  von  unten  erschei- 
nenden starken  Lobi  olfactorii,  die  dem  Ganzen  hier  ein  anderes  Aussehen  geben,  scheinen 
damit  Ubcreinzustimmen.  Dieser  Befund  nun  muss  uns  schon  stutzig  machen,  und  bei  Betrach- 
tung der  Furchen  zu  doppelter  Vorsicht  auffordern.  Das  Urtbcil  eines  unbefangenen  Beob- 
achters wird  nun  lauten:  bei  der  Ansicht  von  oben  scheinen  die  Furchen  wenigstens  theil- 
weise  mit  denen  eines  Lemuren  Ubcreinzustimmen,  bei  der  seitlichen  Ansicht  hingegen  fehlt 
alle  und  jede  Aehnlichkeit.  Geht  man  etwas  genauer  darauf  ein,  so  Ist  es  eben  nur  die  eine 
Furche,  die  oberste  der  beiden  Längsfurchen,  die  fast  auffallend  übereinstimmt  mit  der  ver- 
einigten vierten  und  ersten  typischen  Furche  der  Affen,  in  der  Gestaltung,  wie  sio  nament- 
lich bei  Lemur  sich  zeigen.  Für  die  darunter  gelegene  Bogenfurche  und  die  noch  weiter 
unten  befindliche  senkrechte  Furche  bietet  dos  Affenhirn  absolut  keine  Analogiccn.  Von 
grösster  Bedeutung  ist  ferner  die  Notiz,  dass  die  innere  und  untere  Oberfläche  des  Hirns 
glatt  und  furchenlos  ist. 


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24» 


Ad.  Pansch, 


In  weiterem  Verfolge  würden  wir  jetzt  naturgeinäss  die  Hirne  der  Fledermäuse  und 
Insektenfresser  zu  betrachten  haben.  Als  kleine  Hirne  besitzen  diese  aber  keinerlei  Fur- 
chungen, und  wir  dürfen  sie  deshalb  hier  nicht  berücksichtigen.  Dagegen  ist  es  nöthig  einen 
kurzen  Blick  auf  das  Hirn  der  Carnivoren  zu  werfen,  um  zu  sehen,  in  welchen  Theilen  dieses 
sich  hauptsächlich  von  dem  der  Allen  unterscheidet,  ob  einzelne  Furchen  desselben  etwa  auch 
am  Affenhirn  sich  vorfinden,  ob  endlich  vielleicht  Chiromys  eine  gewisse  Uebergangsform 
darstellt. 


IV.  Hirn  der  Carnivoren.  (Tafel  VUI,  Fig.  33  bis  42.) 

lieber  diese  Hirne  habe  ich  eine  grössere  Zahl  von  Abbildungen  gegeben;  ich  habe  dabei 
einmal  passende  Ansichten  zu  gutem  Vergleiche  ausgewählt,  und  dann  auch  namentlich  die 
Entwicklung  der  Furchen  des  Hundehirns,  über  die  bis  dahin  noch  fast  gar  nichts  bekannt 
ist,  etwas  veranschaulichen  wollen.  Genauer  auf  die  Entwicklung  einzugeben,  wird  dadurch 
vielleicht  erspart  und  bleibt  einer  andern  Arbeit  Vorbehalten.  Aber  ein  Punkt  ist  aus  den 
blossen  Abbildungen  schon  zu  ersehen,  und  derselbe  kann  nicht  genug  beachtet  werden.  Die 
scheinbar  so  einfachen  und  einen  gemeinsamen  Typus  so  fest  bewahrenden  Furchen  des  Hunde- 
hirns zeigen  nicht  nur  am  erwachsenen  Hirne,  selbst  schon  bei  einem  Vergleiche  beider  Seiten, 
die  grössten  und  zahlreichsten  Varietäten,  sondern  dergleichen  Varietäten  prägen  sich  oft 
schon  in  den  ersten  Anlagen  der  Furchen  aus.  Von  weiteren  wichtigen  Resultaten,  die  sich 
auch  aus  den  Abbildungen  nachweisen  lassen,  führe  ich  hier  noch  an,  dass  es  nur  wenige  und 
beschränkte  Furchentheile  sind,  die  so  zu  sagen  absolut  constant  Bind  (den  eigentlichen 
Primärfurchen  des  Menschen  vergleichbar);  ferner  dass  die  zuerst  angelegten  Furchen  oder 
Furchentheile  auch  später  die  tiefsten  sind.  In  Bezug  auf  die  Varietäten  hebe  ich  nur  her- 
vor, dass  selbst  die  wichtigsten  Furchen  durch  quere  oberflächliche  Brücken  getheilt  sein 
können,  während  anderseits  benachbarte  Furchen  öfters  mit  einander  verbunden  erscheinen. 
Eine  Untersuchung  der  Tiefen  bringt  aber  immer  Aufklärung  Uber  den  Grundplan.  Nun  ist 
zwar  ein  Hundehirn  und  ein  Affen-  oder  Menschenhirn  sehr  verschieden;  aber  dennoch  ist  die 
Furchenbildung  im  Allgemeinen  bei  beiden  ein  und  derselbe  Process.  Geben  wir  das  zu,  so 
dürfen  wir  auch,  meine  ich,  folgende  Schlussfolgerung  machen:  Die  Anordnung  der  Furchen 
bei  den  Hunden  ist  eine  ebenso  einfache  als  längstbekannte.  Wenn  nun  trotzdem  eine 
genauere  Untersuchung  hier  die  mannigfachsten  Varietäten  und  die  grössten  Freiheiten  auf- 
deckt, so  darf  es  nicht  wundern,  wenn  bei  dem  so  viel  höher  stehenden  und  weit  complieirter 
gefurchten  Menschenhirn  diese  Varietäten  der  Furchengestaltung  so  zunehmen,  dass  ein  eigent- 
licher Typus  oft  sehr  verdeckt  wird.  Wenn  aber  überhaupt  ein  sogenannter  Typus  aufge- 
stellt werden  soll,  so  ist  es  in  Obigem  beim  Menschen  und  Affen  mit  vollständig  demselben 
Rechte  geschehen,  mit  dem  man  dem  Hunde  die  bekannten  drei  Bogonfurchen  zusclireibt. 

Was  die  Furchung  des  Hundehirns  selbst  angebt,  so  besteht  sie  in  der  Hauptsache  freilich 
in  drei  bei  seitlicher  Ansicht  ziemlich  concentrischen  bogenförmigen  Furchen,  von  denen  aber 
nur  die  mittlere  in  ihrem  grössten  Tlieile  eine  eonstunte  Furche  genannt  werden  kann.  Die 
oberste  variirt  dafür  um  so  mehr.  Ferner  muss  uns  auffallen  eine  quere  kräftige  Furche,  die 


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24<» 


Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 

den  obem  Rand  der  äossern  Fläche  tief  einschneidet  Forschen  wir  weiter,  so  setzt  sie  sich  auf 
der  innern  Fläche  fort  und  läuft  in  einem  langen  Bogen,  etwa  die  Mitte  zwischon  dem  Balken 
und  dem  freien  Rande  haltend,  bis  auf  das  untere  Ende.  Ferner  sieht  man  auf  dem  vordem 
Ende  schräg  aufsteigend  eine  deutlich  ausgeprägte  Furche,  und  eine  andere  bildet  nach  unten 
zu  die  Grenze  gegen  den  stark  entwickelten  Tractus  olfactorius.  Von  letzterer  geht  mei- 
stens eine  kürzere  seichte  Furche  nach  oben  und  bildet  gewissermassen  das  Centrum  der  drei 
concentrischen  Bogenfurchen.  Eine  solche  Bildung  der  Fossa  Sylvii,  wie  sie  Mensch  und  Affe 
zeigten,  giebt  es  hier  nicht,  indem  an  der  äussern  Fläche  die  Wucherung  gleichmässig  vor 
sich  gegangen  ist;  ob  man  dennoch  von  einer  Foasa  Sylvii  sprechen  kann,  ist  eine  andere 
Frage.  Jedenfalls  ist  diese  Bildung  sehr  weit  verschieden  von  der  der  Affen,  nnd  hängt  innig 
zusammen  mit  der  jenen  gegenüber  ungeheuren  Ausbildung  der  Riechkolben. 


Nachdem  ich  so  versucht  habe,  die  Furchen  des  Menschen,  der  Affen  und  Halbaffen,  sowie 
auch  der  Hauptsache  nach  die  der  nächstverwandten  Säugothiere,  möglichst  kurz  und  einfach 
zu  beschreiben,  ist  es  die  Aufgabe,  die  Vergleichung  des  Gefundenen  vorzunehmen,  und  dar- 
aus dann  ein  Resultat  zu  ziehen.  Wenn  man  nun  überhaupt  in  der  vergleichenden  Anatomie 
von  gleichwerthigen  Theilen  reden  kann,  so  wird  und  muss  meiner  Meinung  nach  ein  vor- 
urteilsfreier Beobachter  notwendig  die  meisten  der  am  Menschenhim  aufgestellten  „Priinär- 
furchen“  gewissen  der  bei  den  Affen  sogenannten  typischen  Furchen  homolog  setzen.  Statt 
weitläufiger  Auseinandersetzungen  stelle  ich  in  folgender  Tabelle  die  homologen  Furchen  am 


Mensch 

Anthropom  orph . 

Affen 

j Nieder  Affen 

Halbaffen 

Chiromy»  i 

Carnivoren 

Fossae  Sylvii 

dto 

dto 

dto 

dto 

(?) 

S Ham.  horii. 

dto 

dto 

dto 

dto 

— 

— 

S‘  Kam.  ascend. 

dto 

— 

— 

— 

— 

Fh  Fiss.  horis. 
(s.  Hippoc.)  | 

dto 

dto 

dto 

dto 

- 

- 

F p Fiss.  perp. 1 

dto 

dto 

— . — 

— 

? 

r, 

Erste  typ.  Frcb. 

dto  (?) 

dto  (?) 

? 

? 

PrI  erste  rad. 

P*  zweite  typ- 

Primärf.  mit 

Furche  mit  Ram. 

dto 

— 

— 

— 

• — 

Harn,  sup,  u.  ant- 

sup.  (a.  ant.)  ] 

PrII  zweite  radJ 

T,  dritte  typ. 

dto 

Primärf.  (s.  Fis»,  j 

Furche 

Hol.) 

/VIII  dritte  rad. 

T4  vierte  typ. 

dto 

dto  (?) 

dto  (?) 

oberste  Bogen- 

oberste  Bogen- 

Primärf.  mit 

Furche  mit  Kam. 

furche  (?) 

furche  (?) 

Ram.  sup.  n.  post. 

mp. 

— • — 

— 

— 

— 

— 

PrI  V vierte  rad. 

T6  fünfte  typ. 

dto 

dto 

dto 





Primärf.  (F.  pa- 

Furche 

raffe]  i. 

? 

Fiss.occip.?  NB. 

„Fie».occ,M?NB. 

— 

— 

— 

— 

Innere  Primärf. 

dto 

dto 

? 

I innere  Frch.  (?) 

Sulu.  cruc. 

Untere  Primärf. 

dto 

dto 

dto 

dto 

— 

— 

dto?  | 

mittl.  Bogen f. 

(typisch) 

— 

— 

— 

i 

— 

— 

untere  Bogenf. 

Archiv  mr  Antiirvpotoffl«.  IM.  111.  Heft  3.  32 


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250  Ad.  Pansch, 

Hirn  des  Menschen,  der  Affen  und  der  übrigen  in  Betrachtung  gezogenen  Thiere  neben- 
einander 

Aus  dieser  Zusammenstellung  ergiebt  sich  nun  ohne  Weiteres,  dass  Mensch,  Anthropo- 
inorphen  und  .Affen“  nahezu  in  allen  Furchen  Uebereinstimmuug  zeigen,  dass  die  niederon 
Affen  und  Halbaffen  mit  ihnen  manche  Furche  gemeinschaftlich  haben,  sich  im  Uebrigen  aber 
doch  wesentlich  unterscheiden  durch  das  gänzliche  Fehlen  einzelner  und  die  veränderte  Ge- 
staltung anderer  Furchen,  während  Chiromys  und  den  Üarnivoren  die  meisten  Furchen  der 
Affen  abgehen,  und  sie  dafür  einige  andere  ihnen  cigenthumliche  aufzu weisen  haben.  Wenn 
somit  schon  die  eigentlichen  Furchen  diese  grosse  Kluft  zwischen  Affen  und  Halbaffen  einer- 
seits und  Chiromys  und  den  Camivoren  anderseits  deutlich  genug  anzcigen,  so  wird  dioses 
noch  viel  mehr  bestätigt  durch  eine  Betrachtung  der  ganzen  Form  der  Hemisphäre.  Vom 
Menschen  an  bis  zu  den  Halbaffen  Ist  der  Tractus  und  Bulbus  olfuctorius  sehr  dünn  und  klein. 
l!ei  Chiromys  dagegen  zeigt  er  beinahe  vollständig  schon  die  starke  Entwicklung,  wie  sie 
den  übrigen  Säugethieren  (mit  Ausnahme  der  Cetacecn)  eigen  ist.  — Er  nimmt  den  grössten 
Theil  der  untem  Fläche  des  vordem  Ilemisphärenrandes  ein.  — Ferner  fanden  wir  vom 
Menschen  bis  zu  Halbaffen  eine  deutliche  Foasa  Sylvii  und  eine  verborgen  liegende  Insel,  das 
heisst  also:  ein  Theil  der  äussern  Fläche  ist  bei  ihnen  im  Wachsthum  hinter  der  übrigen  Ober- 
fläche zurückgeblieben  und  durch  die  Ueberwucherung  des  Mantels  haben  sich  die  Furchen 
gebildet,  die  man  gewöhnlich  als  Fossa  Sylvii  horizontalis  und  ascendens  bezeichnet.  Bei 
Chiromys  scheint  schon  dasselbe  Verhältniss  obzuwalten,  wie  bei  den  Camivoren  und  den 
übrigen  Säugethieren,  bei  denen  die  äussere  Fläche  der  Hemisphäre  in  allen  Regionen  mehr 
gleichmässig  auswuchs,  und  namentlich  eine  Ueberwucherung  eines  gehemmten  Theils  nicht 
stattfindet  Au  Stelle  der  Fossa  Sylvii  befindet  sich  fast  nur  eine  einfache  Furche,  dio  man 
gewöhnlich  auch  Fossa  Sylvii  genannt  hat  Ausserdem  weiso  ich  noch  hier  auf  die  so  ver- 
schiedene Form  der  ganzen  Hemisphäre  hin,  die  sich  namentlich  in  dem  stark  nach  unten  vor- 
springenden  sogenannten  Schläfenlappen  der  Affen  auaspricht,  der  den  übrigen  Säugethieren 
fehlt.  — Die  Furchen  selbst  betreffend,  so  zeigen  Chiromys  und  die  Camivoren  zwei  bis  drei 
um  die  „Fossa  Sylvii“  gekrümmte  Bogenfurchen,  während  die  Allen  vier  bis  fünf  radiär 
gestellte  Furchen  aufweisen ; doch  sahen  wir  auch , wie  die  „niederen  Affen"  und  Halbaffen 
in  dieser  Beziehung  vielleicht  (f)  ein  Zwischenglied  darstellen. 

Nach  allem  Diesem,  meine  ich  nun,  muss  man,  dem  Bau  der  Grosshirnhemisphären  fol- 
gend, Mensch,  alle  Affen  und  Halbaffen  in  eine  Gruppe  zusaminenfassen,  für  die  wir  am  besten 
den  Namen  „Primaten“  beibehalten.  Chiromys  gehört  entschieden  schon  zu  einer  andern 
Gruppe1),  die  zunächst  durch  die  Camivoren  gebildet  wird,  zu  der  aber  vielleicht  auch  alle 
übrigen  Säugethiere  mit  gefurchten  Hirnen  gerechnet  werden  können.  Die  llauptcharaktere 
des  Primatenhirns  sind  aber  nicht  in  den  Furchen,  sondern  in  der  allgemeinen  Bildung  der 
ganzen  Hemisphäre  zu  suchen.  Man  hat  dafür  also  namentlich  zu  nennen : 1 ) die  besprochene 


’)  Eia  — in  der  Tabelle  (a.  vor.  8.}  bedeutet,  das*  die  Furche  der  betreffenden  Groppe  fehlt ; ein  — . — , da»» 
sie  einem  Theil  der  Groppe  mangelt;  ein  V,  da»*  die  Uomoiogic  zweifelhaft  ist;  durch  NB.  i»t  auf  die  eigen- 
thömliche  Bildung  der  betreffenden  Furche  hingcwieecn.  — a)  Diese»  Uesultat  ist  vielleicht  ebenso  neu,  al*  e* 
fiir  die  systematische  Stellung  dieses  Thiere»  wichtig  sein  dürfte.  Owen  spricht  sich  über  diesen  Punkt  etwas 
undeutlich  aus.  Interessant  ist  ein  Vergleich  mit  der  Katze,  Tafel  VIII,  Fig.  33  und  3t. 


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251 


Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  u.  Windungen  etc. 

eigenthümliche  Bildung  der  Fossa  Sylvii,  2)  der  rudimentäre  Tractus  olfactorius,  3)  der  stark 
vorspringende  Schläfenlappen  und  4)  das  Vorhandensein  eines  hintern  Auswuchses.  — Letz- 
tem Punkt,  der  die  grösste  Bedeutung  hat,  habe  ich  bisher  noch  gar  nicht  erwähnt.  Es 
geschah  dies  nur,  weil  schon  allzuviel  hierüber  geschrieben  ist,  weil  der  Streit  jetzt  erledigt, 
ist,  und  weil  die  Beweisführung  dafür  nicht  zu  unserer  Aufgabe  gehört. 

Gehen  wir  jetzt  die  Furchen  des  Primatenhirns  durch,  so  finden  wir  den  Kamus  hör.  fossae 
Sylvii  als  beinahe  nothwendiges  Resultat  des  besprochenen  Bildungshergangos  bei  allen  Pri- 
maten. Ben  Ramus  ascendens  zeigen  nur  die  Anthropomorphen  und  der  Mensch,  und  eigentlich 
nur  letzterer  in  voller  Ausbildung.  Dem  entsprechend  ist  auch  die  Insel  bei  diesen  breit  drei- 
eckig, bei  Affen  und  Halbaffen  mehr  länglich. 

Von  eigentlichen  Furchen  ist  die  Fiss.  lioriz.  (Hippoc.)  die  wichtigste;  sie  ist  allen  Pri- 
maten eigen  und  hängt  wohl  entschieden  mit  der  Bildung  des  hintern  Horns  des  Seiten- 
ventrikels zusammen.  Eine  ähnliche  Bedeutung  dürfte  auch  der  Fiss.  perp.  foccip.  int.)  zn- 
kommen,  doch  ist  wohl  zu  beachten,  dass  sie  einigen  der  niederen  Affon  und  wenigstens  den 
kleineren  Halbaffen  mangelt 

Auf  der  äussern  Fläche  wiegen  die  radiär  um  die  Fossa  Sylvii  gestellten  vier  bis  fünf 
Furchen  vor.  Welche  von  denselben  vor  den  anderen  bevorzugt  seien,  ist  schwer  zu  sagen: 
die  eine  scheint  durch  diesen,  die  andere  durch  jenen  UHstand  eine  grössere  Bedeutung  zu 
haben.  Genetisch,  sahen  wir,  ist  bei  den  Affen  die  fünfte  typische  Furche  die  erste,  während 
bei  den  Menschen  die  zweite  Primärfurche  der  jener  entsprechenden  vierten  Primärfurche 
vorzugelien  scheint.  — Im  Uebrigon  lassen  sich  nur  Unterschiede  nach  der  mehr  oder  minder 
constanten  Bildung  anführen,  und  dadurch  glauben  wir  auch  zugleich  die  Berechtigung  zu 
haben,  die  primären  Furchen  des  Menschen  und  die  ihnen  analogen  typischen  Furchen  der 
Affen  unter  der  Bezeichnung;  „Hauptfurchen  der  Primaten“  fernerhin  zusammenzufassen. 
Welche  Furchen  nun  aber  und  wie  weit  jode  einzelne  als  solche  Hauptfurchen  hinzustellen 
sind,  ist  schwer  zu  sagen.  Der  Eine  wird  geneigt  sein,  eino  grössere,  der  Andere  eine  kleinere 
Zahl  derselben  zu  billigen.  Gegenüber  der  vorherrschenden  Neigung,  die  Oberfläche  in  mög- 
lichst kleine  Theilo  zu  tbeilen,  möchte  ich  es  gerade  vorziehen,  zuerst  einige,  wenn  es  auch 
nur  wenige  sind,  Hauptabtheilungen  möglichst  sicher  zu  stellen.  So  zähle  ich  denn  drei  aus. 
sere  radiäre  Hauptfurchen.  Die  erste  besteht  aus  Stamm  und  vorderm  Aste  der  ersten 
Primärfurche  des  Menschen  oder  Stamm  und  vorderm  Aste  der  zweiten  typischen  Furche 
der  Affen.  — Die  zweite  radiäre  Hauptfurche  ist  die  sogenannte  Fiss.  Rolando,  d.  h.  die  zweite 
radiäre  Primärfurche  des  Menschen,  oder  dritte  typische  Furche  der  Affen.  — Die  dritte 
besteht  aus  Stamm  und  hinterm  Aste  der  dritten  Primärfurche  des  Menschen,  oder  Stamm 
und  hinterm  Aste  der  vierten  typischen  Furche  der  Affen.  — Die  vierte  radiäre  äussere 
Hauptfurche  sehen  wir  in  der  vierten  Primärfurehe  des  Menschen  und  der  fünften  typischen 
Furche  der  Affen.  — Nur  mit  Zweifel  und  einiger  Unsicherheit  nehme  ich  vorläufig  die  soge- 
nannte Fiss.  occip.  ext  als  „quere  hintere  Hauptfurche“  auf.  Dio  untere  typische  Furche  der 
Affen  und  die  untere  Primärfurche  des  Menschen  bilden  die  „untere  Hauptfurche“  des  Primaten- 
hirns. Die  innere  typische  Furche  der  Affen  und  Primärfurehe  des  Menschen  sind  zwar  ent- 
schieden einander  homolog,  doch  möchte  ich  sie  nicht  unter  diese  sogenannten  Hauptfurchen 
aufnehmen,  da  sie  in  jedem  einzelnen  Falle  gar  zu  verschieden  gestaltet  sind.  Dasselbe  gilt 

32* 


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252 


Ad.  Pansch, 


von  dom  obern  Aste  der  zweiten  sowohl  als  vierten  typischen  Forche,  beziehungsweise  der 
ersten  und  dritten  Primärfurche  des  Menschen.  Auch  die  erste  typische  Furche  stelle  ich 
nicht  als  Hauptfurche  hin,  da  sie  nicht  nur  beim  Menschen,  sondern  auch  bei  den  Anthropo- 
inorphen  meistens  fehlt. 

Diese  typische  Furchung  des  Primatenhims  zeigt  am  besten  etwa  das  fötale  Menschen- 
hirn Tafel  V,  Fig.  8 und  10,  das  Verhalten  der  einzelnen  Hauptfurclien  lässt  sich  etwa 
folgendermassen  angeben:  Die  erste  Hauptfurcho  ist  bei  den  Alfen  typisch  ausgebildet;  den 
niederen  Alien  und  Halbalfen  fehlt  sie;  (oder  ist  die  dort  vorhandene  Furche  ihr  vorderer 
Theil?)  beim  Menschen  variirt  ihr  vorderer  Theil  (Ast)  bedeutend  in  jeder  Hinsicht  — Die 
zweite  Hauptfurche,  als  Fissura  Rolando  bekannt,  ist  eine  bei  den  Alfen  typisch  ausgeprägte, 
sehr  constante  Furche,  dasselbe  gilt  von  ihr  bei  Mensch  und  Anthropomorphen,  nur  dass  sie 
liier  bedeutend  gebogen  ist;  bei  den  niederen  Alfen  und  Halbalfen  fehlt  sie. 

Die  dritte  Hauptfurche  ist  eine  der  ausgeprägtesten  Furchen  des  Alfenhirns  und  wohl 
nie  unterbrochen.  Bei  niederen  Alfen  und  Halh&tfen  ist  sie  meistens  nicht  nur  vorhanden, 
sondern  dann  sogar  eine  der  wichtigsten  Furchen.  (Ist  sie  es  vielleicht,  die  mit  ihrer  hier 
etwas  veränderten  Gestaltung  einen  Uebergang  zu  den  übrigen  Säugethieren  vermittelt??) 
Beim  Menschen  variirt  sie  sehr,  und  namentlich  besteht  ihre  hintere  Hälfte  sehr  oft  aus  einer 
gesonderten  sehr  vielgestaltigten  Furche.  — Die  vierte  Hauptfurche  ist  sowohl  bei  Alfen  als 
auch  bei  Menschen  typisch  und  in  ihrem  Haupttheile  ziemlich  constant.  Sie  fehlt  nur  bei 
Jacchus.  — Die  untere  Hauptfurche  variirt  zwar  in  Einzelheiten  bei  verschiedenen  Species  und 
Individuen,  kann  im  Ganzen  aber  doch  eine  typische  Furche  genannt  werden;  sie  fehlt  nur 
bei  den  kleinsten  der  niederen  Aden  und  bei  deu  Haibaden. 

Die  quere  hintere  Hauptfurcho  bedarf  noch  viel  genauerer  Untersuchungen.  Nach  meiner 
gegenwärtigen  Anschauung,  die  sich  später  gern  noch  ändern  mag,  möchte  ich  so  sagen: 
Typisch  ausgebildet  ist  sie  bei  einzelnen  Aden,  sowie  beim  Orang,  und  hier  und  da  beim 
Menschen ; meistens  fehlt  sie  jedoch  den  Menschen , ebenso  den  niederen  Aden  und  Haibaden 
gänzlich.  Bei  den  meisten  Aden  jedoch  liegt  sie  im  Grunde  der  sogenannten  Fiss.  occip.  ext. 
Letztere  ist  eine  besondere  eigenthümliche  Bildung,  entstanden  aus  der  nach  vorn  gerichteten 
lieber  Wucherung  eines  hinter  der  Gegend  jener  Furche  gelegenen  Theiles  der  Oberfläche. 

Diese  neun  oder  zehn  eben  besprochenen  Furchen  bilden  nun  eino  sichere  unantastbare 
Basis  für  eine  Eintlufflung  der  Oberüäehe  der  Grosshirnhemisphären  der  Primaten;  die  durch 
sie  gegebene  Eintheilung  ist  die  allein  richtige,  und  auf  diese  Weise  durchgeführt,  kann  sie 
auch  volles  Recht  erheben  auf  Wissenschaftlichkeit.  Diese  oder  jene  Anschauungsweise  mag 
sich  mit  erweiterter  Kenntniss  etwas  modificiren,  in  der  Hauptsache  bleibt  sie  unverändert, 
und  wird  die  Zustimmung  aller  derer  finden,  die  Gelegenheit  haben,  eine  grössere  Zahl  Menschen- 
und  Adenhiruo  zu  untersuchen.  Alle  übrigen  Furchen  haben,  obgleich  durch  keinen  bestimmten 
Charakter  von  den  Hauptfurchen  unterschieden,  eine  viel  geringere  Bedeutung;  die  Homo- 
logien zwischen  den  einzelnen  derselben  sind  viel  schwerer  aufzustellen,  viel  leichter  zu  bezwei- 
feln und  anzufechten.  Und  deshalb  thut  man  gut  daran,  sich  zunächst  an  das  Feststehende 
zu  halten;  man  verfolge  erst  einmal  diese  Hauptfurchen,  markiro  sie,  und  fasse  dann  meinet- 
wegen auch  das  Bild  der  durch  sie  getrennten  Abschnitte  der  Oberfläche  ins  Auge.  In  diesen 
Abschnitten  — nennen  wir  sie  zunächst  nur  „Wülste“  — bat  tnan.etwas  Festes,  Sicheres,  auf 


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253 


Ueber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 

dem  man  dann  weiter  arbeiten  kann  und  muss,  während  die  Menge  der  bisher  angenommenen 
„Windungen“  als  wirklich  brauchbare  Abtheilungen  der  Oberfläche  wohl  Niemanden  ernstlich 
befriedigt  haben  und  befriedigen  konnten.  So  lange  wir  es  nur  mit  der  Oberfläckengest&ltung 
zu  thun  haben,  und  noch  von  allen  durch  den  innern  Bau  (Faserung)  gebotenen  Abtheilungen 
absehen,  können  wir  nur  von  einzelnen  durch  Furchen  mehr  oder  minder  getrennten  Ab- 
schnitten reden  (Wulste),  aber  nie  eine  zwei  solche  Abtheilungen  verbindende  Windung  als 
etwas  Primäres,  als  ein  zusammengehöriges  Ganzes  von  vornherein  auflässen  und  Umstellen. 
Später  mag  man  meinetwegen  zu  besserem  Verständniss  dergleichen  „Windungen“  benennen 
und  beschreiben,  aber  man  darf  sie  nie  mit  jenen  durch  wichtige  Furchen  getrennten 
Abschnitten  verwechseln;  deshalb  nennt  man  diese  auch  weit  passender  „Wülste“  (oder 
Läppchen).  Diese  Wulste  würden  sich  also  etwa  in  folgender  Weise  benennen  und  grup- 
piren: 


I.  Aeussere  Fläche. 

1 — 4.  Erster  bis  vierter  Primärwulst,  über  der  Fossa  Sylvii. 

5 — 6.  Fünfter  und  sechster  Primärwulst,  unter  der  Fossa  Sylvii 
(7).  (Hinterer  äusserer  Primärwulst,  hinter  der  hintern  queren  Primärfurche). 

H Innere  Fläche. 

1.  Eigentliche  innere  Fläche. 

8.  Vorderer  innerer  Primärwulst. 

9.  Hinterer  innerer  Primärwulst,  beide  durch  die  Fissura  pcrpendicularis  getrennt 

3.  Untere  Fläche. 

10.  Fascia  dentata. 

1 1.  Innerer  (medialer)  unterer  Primärwulst 

1 2.  Aeusserer  (lateraler)  unterer  Primärwulst,  beide  getrennt  durch  die  untere  Primärfurche. 


Diese  PrimärwüLste  sind  also  bei  verschiedenen  Hirnen  von  Primaten  immer  direct  mit 
einander  zu  vergleichen,  und  will  mau  überhaupt  eine  vergleichende  Untersuchung  des 
Primatenhirns,  oder  verschiedener  Menschenhirne  durchfuhren,  so  muss  es  auf  dieser  Grund- 
lage geschehen.  Welche  Resultate  solche  Untersuchung  giebt,  ist  eine  andere  Frage;  aber  nur 
so  kann  meiner  Meinung  nach  die  so  wichtige  Frage  gelöst  werden,  ob  dieson  Wülsten  über- 
haupt noch  eine  andere  als  die  rein  morphologische  Bedeutung  zukommt,  d,  h.  ob  ihre  ver- 
schiedene Grösse  und  Gestaltung  bloss  zufällig  ist,  oder  ob  sio  einen  physiologischen  Grund  hat 
Da  ich  bei  der  Beschreibung  der  Furchen  genügend  ins  Einzelne  gegangen  bin,  so  halte 
ich  es  für  vollkommen  unnöthig,  jetzt  noch  diese  einzelnen  Wülste  genauer  zu  betrachten. 
Dagegen  haben  wir  jetzt  einzugehen  auf  einigo  Furchen,  die  ich  „Socundärfurchen“  oder 


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254 


Ad.  Pansch, 

besser  gleich  „Nebenfurchen“  nennen  möchte.  Solche  sind:  1)  Der  sogenannte  obere  Ast  der 
ersten  Hauptfurche.  Er  ist  bei  vielen  Affen  vorhanden,  bei  den  Anthropomorphen  und  dem 
Menschen  ebenfalls,  aber  dann  häufig  isolirt.  (Er  ist  es,  der  die  BOgenannte  vordere  Central- 
windung  abgrenzt.)  — 2)  Der  obere  Ast  der  dritten  Hauptftirche.  Von  ihm  gilt  ganz  dasselbe. 
(Bildet  die  hintere  Begrenzung  der  sogenannten  hintern  Centralwindung.)  — 3)  Der  Furchen- 
complex  oder  die  Fnrclie,  die  zwischen  dem  vordem  Ast  der  ersten  Hauptfurche  und  dem  freien 
obem  Rande  der  Hemisphäre  liegt.  Beim  Menschen  und  Anthropomorphen  markirt  sich  diese 
sehr  deutlich,  aber  auch  die  meisten  Affen  zeigen  wenigstens  noch  Andeutungen  davon. 
Diese  Furche  ist  vor  allen  anderen  Schuld  daran,  dass  wegen  ihres  scheinbar  typischen  Ge- 
präges der  wahre  Typus  der  Furchung  missk&nnt  wurde.  — 4)  Als  Nebenfurche  ist  vor  allen 
Dingen  auch,  falls  man  sie  nicht  schon  als  Hauptfurche  rechnen  will,  hier  aufzufUhren  die 
bei  den  Affen,  selbst  den  meisten  niederen  Affen  und  Halbaffen  so  typisch  ausgcbildete  „erste 
typische  Furche“.  Beim  Menschen  und  den  Anthropomorphen  finden  wir  meist  nur  leichte 
Andeutungen  davon,  selten  eine  deutliche  Furche.  — 5)  Eine  oder  mehrere  Furchen,  die  der 
vierten  Hauptfurche  parallel  unter  derselben  liegen.  Beim  Menschen  ist  sie  selten  deutlich, 
ebenso  beim  Drang;  dagegen  zeigt  sie  derChimpanse  öfters  aufs  schönste  und  ähnlich  manche 
Affen.  — 6)  Auch  die  S.  239  beim  Menschen  und  S.  244  bei  den  Affen  angeführten  Furchen 
wird  man  meiner  Meinung  nach  entschieden  als  homolog  anschen  können,  und  als  Neben- 
furchen aufnehmen  dürfen.  („Hintere  obere“  und  „hintere  untere  Nebenfurche“.)  — 7)  Endlich 
ist  als  „innere  Nebenfurche“  noch  aufzuzählen  die  bekannte  Furche  oder  die  Reihe  von 
Furchen,  die  beim  Menschen  und  den  meisten  Affon  zwischen  Balkon  und  dem  freien  obern 
Rande  der  Hemisphäre  liegt. 

Diese  siel>en  „Nebenfurchen“  sind,  es  sei  nochmals  wiederholt,  weder  durch  bestimmte 
Kennzeichen  mit  einander  zu  einer  Gruppe  vereinigt,  noch  auch  durch  sichere  Unterscheidungs- 
merkmale von  den  Hauptfiirchen  getrennt  Immer  aber  sind  sie  relativ  von  ihnen  unter- 
schieden durch  weit  bedeutendere  Variationen  bei  verschiedenen  Species  und  bei  einzelnen 
Individuen.  Billigen  wir  ihre  Aufnahme,  so  zerfallen  also  verschiedene  Primär-  oder  Haupt- 
Wülste  in  Unterabtheilungen  oder  Nebenwülste;  so  der  erste  Hauptwulst  in  einen  obern  und 
untern  Nebenwulst  (bei  den  Affen  etc.),  der  zweite  in  einen  vordem  und  hintern  Nebenwukt; 
ebenso  der  dritte;  der  sechste  wieder  in  einen  obern  und  untern,  und  auf  dem  hintern  Aus- 
wüchse kann  man  häufig  zwei  bis  drei  über  einander  liegende  Nebenwülstc  erkennen.  — End- 
lich der  innere  vordere  Hauptwulst  zerfällt  ebenfalls  in  einen  obem  und  untem  Nebenwulst. 
Somit  hätten  wir  im  Ganzen  17  bis  19  Abtheilungen  gemacht.  Ich  betone  es  aber  noch  ein- 
mal: die  genaue  Homologie  zwischen  den  Nebenwiilsten  zweier  Primaten  ist  oft  sehr  unsicher 
und  möchte  ich  auf  sie  kein  so  grosses  Gewicht  legen,  als  bisher  bei  manchen  dieser  „Win- 
dungen“ geschah.  — Wie  weit  man  ihnen  vertrauen  kann,  namentlich  beim  Menschen,  sollen 
zukünftige  Untersuchungen  erst  darlegen. 

Auf  eine  weitere  Beschreibung  und  Vergleichung  dieser  einzelnen  Wülste  einzugehen, 
kann  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein;  dagegen  muss  ich  noch  von  einer  passenderen  Benen- 
nung dieser  Haupt-  und  Nebenwülstc  sprechen,  damit  weitere  Beschreibungen  nicht  allzu  um. 
stündlich  werden.  Diese  leichter  verständlichen  Bezeichnungen  können  nun  doch  wohl  nur 
von  den  Regionen  des  Schädels  hergenommen  werden,  wobei  von  einer  directen  Abhängig- 


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255 


Ucber  die  typische  Anordnung  der  Furchen  und  Windungen  etc. 

keit  vom  Schädeldach  natürlich  nie  die  Rede  ist  Was  liegt  näher  als  die  beiden  ersten 
Hanptwülste  „obern“  und  „untem  äussem  Stirnwulst“  zu  nennen?  Der  dritte  und  vierte 
heissen  dann  „oberer“  und  „unterer  äusserer  Scheitclwulst“,  der  fünfte  und  sechste  „oberer“ 
und  „unterer  äusserer  Schläfenwulst“;  daran  reiht  sich  dann  noch  ein  „hinterer  äusserer  Wulst“ 
oder  „äusserer  Hintcrhauptswulst“.  Weiterhin  haben  wir  einen  „innern  Hinterhauptswulst“, 
einen  „innern  Stirnscheitel  willst“  und  zwei  „untere  Längsw&lste“,  einen  lateralen  und  einen 
medialen,  an  den  sich  noch  die  Fascia  dentata,  oder  der  „gezähnte  Wulst“  reiht. 

Diese  Bezeichnungen  sind  jedenfalls  ungezwungen  und  greifen  keiner  weitern  Unter- 
suchung vor.  Freilich  mag  es  scheinen,  als  sei  dennoch  wiederum  der  „Fiss.  Rolando“  eine 
ganz  besondere  Bedeutung  beigelegt,  indem  sie  Stirn-  und  Scheitelwülste  von  einander  trennt; 
dagegen  habe  ich  mich  jedoch  bereits  genügend  verwahrt,  muss  aber  um  so  mehr  darauf 
hin  weisen,  wie  nächst  der  „Fiss.  Hippocampi“  die  „Fiss.  Rolando“  die  constanteste  Fluche  der 
Primaten  ist,  und  deshalb  mit  Recht  längst  als  die  beste  Trennungsfurcbe  verwandt  wurde. 

Was  die  durch  die  Nebenwindungen  bedingten  weiteren  Abtheilungen  anbolangt,  so  mag 
man  dieselben  meinetwegen  mit  dem  nun  doch  einmal  eingebürgerten  Namen  der  „Win- 
dungen“ (gyri)  bezeichnen.  In  Folgendem  stelle  ich  dieselben  übersichtlich  zusammen.  Es 
kommen  dann  oft  dieselben  Bezeichnungen  wieder  zu  Tage,  wie  sie  geläufig  sind,  und  man 
konnte  das  tadeln.  Man  vergesse  aber  nur  nicht  die  Hauptwiilste  und  ihre  Bedeutung,  dann 
verliert  jener  Nachtheil  an  Gewicht.  Will  man  aber  ganz  sicher  gehen,  so  kann  man  sich 
auch  leicht  helfen,  und  bezeichnet  die  einzelnen  „Windungen“  nur  als  betreffende  „Theile“ 
eines  Hauptwulste a. 


Uebersicht  der  Einthellung  der  Grosshirnhemlsphärenoberfläche  (des  „Mantels“) 

bei  den  Primaten. 

A.  Aoussere  Fläche. 

I.  Unterer  Stirnwulst  (erster  Hauptwulst). 

1)  unterer  Theil  = unterste  Stirn-  oder  Orbitalwindungen. 

2)  oberer  Theil  = untere  Stirnwindung. 

II.  Oberer  Stirnwulst  (zwoitor  Hauptwulst). 

3)  vorderer  oberer  Theil  = obere  Stirn  Windung. 

4)  vorderer  unterer  Theil  = mittlere  Stirnwindung. 

5)  hinterer  Theil  = hintere  oder  aufsteigende  Stirnwindung. 

III.  Oberer  Scheitelwulst  (dritter  Hauptwulst). 

6)  vorderer  Theil  ==  vordere  oder  aufsteigende  Scheitelwindung. 

7)  hinterer  Theil  = obere  Scheitelwindung. 

IV.  Unterer  Scheitel wulst  (vierter  Hauptwulst). 

8)  unterer  Scheitel  Wulst  = untere  Scheitelwindung. 

V.  Oberer  Schläfenwulst  (fünfter  Hauptwulst). 

'Jj  oberer  Schläfen wulat  = obere  Schläfenwinduug. 


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Ad.  Pansch, 


256 

VI.  Unterer  Schläfenwulst. 

10)  oborer  Theil  = mittlere  Schläfenwindung. 

1 1)  unterer  Theil  = untere  Schläfenwindung. 

[YTI.  Hinterhauptswulst. 

fl  2)  oberer  Theil  = obere  Hinterhauptswindung. 

[13)  mittlerer  Theil  * mittlere  Hinterhauptswindung. 

[14)  unterer  Theil  = untere  Hinterhauptswindung. 

£.  Innere  Fläche. 

a.  Eigentliche  innere  Fläche. 

Vin.  Innerer  Stirnscheitelwulst. 

15)  oberer  Theil  = obere  innere  Stirnscheitelwindung. 

16)  unterer  Theil  = untere  innere  Stirnscheitel  Windung. 

IX.  Innerer  Hintorhauptswnlst 

17)  innerer  Hinterhauptswulst  = innere  Hinterhauptswindung. 

b.  Unters  Fläche. 

X.  Gezahnter  Wulst. 

18)  gezahnter  Wulst  = gezahnte  Windung. 

XI.  Medialer  unterer  Längswulst. 

19)  medialer  unterer  Längswulst  = mediale  untere  Längswindung. 

XII.  Lateraler  unterer  Längswulst. 

20)  lateraler  unterer  Längswulst  = laterale  untere  Längswindung. 

Das  ist  die  Eintheilung,  die  ich  als  Resultat  eines  eingehenden  Studiums  der  Entwicklungs- 
geschichte und  der  vergleichenden  Anatomie  für  die  nothwendig  gegebene  und  allein  richtige 
halten  kann.  — Gern  wäre  ich  hier  noch  auf  eine  Kritik  der  Übrigen  bekannten  Ein- 
theilungen  eingegangen,  und  hätte  die  verschiedenen  Bezeichnungen  mit  einander  verglichen  '). 
Zeit  und  Raum  nöthigen  mich,  dies  einer  spätem  Arbeit  zu  überlassen.  Vor  allen  Dingen 
möchte  ich  aber  Diejenigen,  die  sich  für  die  Sache  intcressiron  und  die  Gelegenheit  haben, 
viele  menschliche  Hirne  zu  untersuchen,  auffordern,  eine  ausgedehntere  Untersuchung  anzu- 
stellen  über  die  Grösse  der  einzelnen  Hauptwülste  bei  verschiedenen  Menschen,  nach  Alter, 
Geschlecht  und  Ra<;e-  Ich  habe  damit  bereits  den  Anfang  gemacht,  doch  ist  mein  Material 
noch  nicht  genügend.  Vor  allen  Dingen  aber  bitte  ich  zum  Schluss  alle  Diejenigen,  die  sich 
mit  diesem  Gegenstand  beschäftigt  haben,  dringend,  obige  Grundeintheilung  einer  strengen 
Kritik  zu  unterwerfen,  und  dann  Mängel  und  Fehler  mit  Gründen  zu  widerlegen,  oder, 
falls  sie  Beifall  findet,  zu  allgemeinerer  Annahme  derselben  beizutragen. 


]t  Gern  hätte  ich  auch  die  kleineren  Abtheilungen , so  namentlich  die  sogenannten  UebergangBwindungen 
näher  berücksichtigt. 


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257 


Erklärung  der  .Tafeln. 


Tafel  V. 


Tafel  TI. 
Tafel  VII. 


Tafel  VUI. 


Fig.  1 — 11.  Verschiedene  Ansichten  fötaler  Menschenhirne.  Fig.  1 und  4,  Fig.  2,  3,  5 und  6, 
Fig.  8 — 10  sind  je  von  einem  und  demselben  Hirn  entnommen.  — Sätnrat- 
liche  Hirne  befinden  sich  auf  dem  Kieler  anatomischen  Museum. 

Fig.  12—14.  Hirn  eines  fötalen,  circa  14  Centim.  langen  Cebus  apella  (?).  (Durch  gütige  Ver- 
mittlung des  Herrn  Prof.  Ecker  mitgetheilt.) 

Fig.  15 — 16  und 


Fig.  17. 


Fig.  18—20. 
Fig.  21. 

Fig.  22. 

Fig.  23. 

Fig.  26. 


Hirn  von  einem  erwachsenen  Manne  (Kieler  Anatomie).  — Geometrische  Zeich- 
nung. — Die  Dicke  der  Furchenstriche  bedeutet  hier  sowohl  als  in  der  Folge 
bei  mehreren  Zeichnungen  die  Tiefe  der  Furchen,  im  Verhältnis!  */l0;  d.  h. 
ist  ein  Strich  1 Millim.  breit,  so  ist  die  Furche  hier  1 Centim.  tief  u.  s.  f.  >). 
Hirn  von  Cebus  cirrliifer.  (Kiel.) 

Cynouephalus  htmadryas,  1 Tag  alt.  (Hamburger  naturh.  Museum.) 

Cynocephalus  hamadryan.  adult.  (Ilambg.) 

Atelcs  paniscus.  Geoffr.  (Hambg.) 

Callithrix  Moloch.  (Nach  Gratiolet.) 


Fig.  24. 

Fig.  25. 

Fig.  27. 

Fig.  28  u.  29. 
Fig.  30. 

Fig.  31—32. 
Fig.  33—34. 


Troglodytea  niger.  Geoffr.  (Hambg.) 

„ „ „ (Kiel.)  Die  Fossa  Sylvü  ist  geöffnet,  um  das  Verhalten 

der  Insel  zu  zeigen. 

Otolicnus  crassicaudatus.  (Hambg.) 

Lemur  mongoz.  (Kiel.) 

Lemur  entta.  (Hambg.) 

Chiromys.  (Nach  Owen.) 

Katze,  erwachsen.  (Kiel.) 


In  folgenden  Figuren  bezeichnet  I,  II,  III  die  drei  Bogenfurchen , von 
die  von  Gratiolet  als  sillon  erucial  beschriebene  Furche.  — Die  Hirne 


unten  beginnend.  — + bezeichnet 
gehören  alle  der  Kieler  Anatomie. 


Fig.  85 — 37.  Hund,  neugeboren. 

Fig.  38 — 10.  Hund,  drei  Tage  alt. 

Fig.  41—42.  Hund,  erwachsen. 

Fig.  43.  Cercopithecus  fuliginosus.  Der  Klappdeckel  ist  abgetragen . 
schraffirt. 

Fig.  4t.  Atelcs  hcelzebuth.  (Nach  Gratiolet.) 


die  Schnittfläche 


*)  Ich  glaube,  dass  auf  diese  Weise  die  relative  Tiefe  der  Furchen  am  besten  veranschaulicht  wird. 
Will  man  die  absolute  Tiefe  mit  angegeben  wissen,  so  kann  dies  sehr  einfach  durch  einige  daneben  gesetzte 
Zahlen  geschehen.  Der  grossem  Deutlichkeit  wegen  sind  diese  hier  jedoch  fortgelassen. 


Allgemeine  Erklärung  der  Bezeichnung  der  Figuren  auf  Tafel  V, 

VI,  VII  und  VIIL 


5 = Ramus  horizontale  fossac  Sylvii. 

6 = Ramus  ascendens  fossae  Sylvii. 

Prl,  JVV  = erste  bis  fünfte  (untere)  Primärfurche. 

Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  III.  Heft  3. 


r,,  T2  etc.  ss  erste,  zweite  etc.  typische  Furche. 
Fh  = Fissura  horizontale  s.  Ilippocarapi. 

Fp  = Yissura  perpendicularis  *.  occipitalis  int. 

33 


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XV. 


Die  Lehre  Darwin’s  und  die  Anthropologie. 


V on 

Hermann  Schaaffhauaen. 

(Gin  an  den  Präsidenten  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  London,  Dr.  James  Hunt, 
am  10.  September  1867  gerichtete»  Sendschreiben  *). 


In  England  ist  in  letzter  Zeit  die  Frage  erörtert  worden,  ob  die  Lehre  Darwin’s  geeignet 
sei,  die  Mannigfaltigkeit  der  Menschenracen  und  den  Fortschritt  des  Menschengeschlechtes  in 
körperlicher  und  geistiger  Bildung  zu  erklären.  Man  darf  einer  Theorie  zu  Liebe  nicht  den 
Erscheinungen  Zwang  anthun,  sondern  es  sind  die  antliropologischen  Thatsachen  vielmehr 
umgekehrt  ein  Prüfstein  für  die  Frage,  ob  der  sogenannte  Kampf  um's  Dasein  und  die  natür- 
liche Zuchtwahl  ein  allgemein  gültiges  Naturgesetz  darstellen.  Die  Untersuchung  der  Menschen- 
racen  bietet  grössere  Schwierigkeiten  als  die  Betrachtung  der  Pflanzen  und  Thiere,  weil  in  der 
geistigen  Thatigkeit  des  Menschen  eine  neue  Kraft  auftritt,  deren  Einfluss  auf  die  mensch- 
liche Organisation  eben  so  hoch  angeschlagen  werden  muss,  als  irgend  ein  anderer,  der  die 
menschliche  Natur  bestimmt. 

Ein  grosser  Theil  der  Merkmale,  wodurch  sich  die  Menschenracen  unterscheiden,  muss 
als  durch  das  Klima  hervorgebracht  betrachtet  werden,  so  die  Farbe  der  Haut,  des  Haares 
und  der  Iris,  Grosse  und  Beschaffenheit  des  Körpers.  Es  ist  die  Physiologie,  welche  den  Be- 
weis für  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  zu  geben  im  Stande  ist,  indem  sie  das  innige  Band 
zwischen  der  Thatigkeit  der  Organe  und  den  Lebensbedingungen  erforscht  hat.  Diese  körper- 
lichen Eigenschaften  der  Racen  haben  manche  Forscher  deshalb  für  unabhängig  von  der  Ein- 
wirkung der  äussent  Natur  gehalten,  weil  sich  in  der  Vertheilung  der  Racen  über  die  Erd- 
oberfläche nicht  immer  diese  Abhängigkeit  nachweisen  lasse  und  dieser  Ansicht  geradezu 
widersprechende  Erscheinungen  sich  beobachten  Hessen.  Die  menschliche  Gestalt  sehe  man 


■)  Vorgelegt  in  der  Sitzung  dieser  Gesellschaft  am  18.  Februar  1868. 
Joly  1868,  p.  CVIII. 


Vgl.  Anthropol.  Review,  London, 

33* 


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•260  Hermann  Scfaaaffhausen, 

gross  in  der  heissen  wie  in  der  kalten  Zone;  die  Farbe  der  Haut  finde  sieh  oft  dunkler  in 
höheren  Breiten  als  in  der  Nähe  des  Aequators,  was  schon  Alex,  von  Humboldt  auffiel. 
Aber  es  ist  leicht,  diese  scheinbaren  Widersprüche  zu  erklären.  Mit  einer  wunderbaren 
Zähigkeit  hält  die  Natur  gewisse  Merkmale,  die  ein  bestimmtes  Klima  in  einer  langen  Seihe 
von  Generationen  hervorgebracht  hat,  auch  unter  anderen  Himmelsstrichen  fest,  und  die  Er- 
haltung solcher  bestimmt  ausgeprägter  Eigentümlichkeiten  durch  die  Fortpflanzung  erweist 
sich  mächtiger,  als  die  umändernde  Wirkung  eines  andern  Klimas,  die  nur  im  Laufe  einer 
ebenso  langen  Zeit  und  unter  denselben  Umständen  sich  wurde  geltend  machen  können,  als 
sie  für  die  erste  Bildung  erforderlich  waren. 

Dass  das  Klima  Eigentümlichkeiten  der  Organisation  hervorbringt  und  dass  diese  auch 
beim  Wegfall  der  klimatischen  Einwirkung  noch  lange  Zeit  mit  Hartnäckigkeit  beibehalten 
werden,  dafür  zeigt  der  Mensch  auffallendere  Beispiele  als  irgend  ein  Thier  oder  eine  Pflanze, 
weil  seine  vollkommnere  Organisation  ihm  oino  grössere  Selbstständigkeit  verschafft  und 
seine  Cultur  die  Einwirkung  klimatischer  Ursachen  beschränkt.  Wenn  keine  Veranlassung  vor- 
handen ist,  die  organische  Bildung  zu  ändern,  so  dauert  sie  nach  einem  Gesetz  der  Stetigkeit 
unverändert  fort.  Diese  Erscheinung,  welche  bei  der  Betrachtung  und  Erklärung  der  Kacen- 
merkmale  uns  überall  begegnet,  stellt  mit  der  Annahme  in  Widerspruch , dass  durch  natür- 
liche Zuchtwahl  und  den  Kampf  ums  Dasein  die  Arten  sich  verändern. 

Die  Schwäche  der  Darwinschen  Lehre  besteht  darin,  dass  sie  den  Einfluss  der  bald 
sich  gleich  bleibenden,  bald  wechselnden  Lebensbedingungen  auf  die  Organisation  viel  zu 
gering  anschlägt.  Sie  kommt  hierbei  mit  sich  selbst  in  Widerspruch,  denn  jene  natürliche 
Zuchtwahl,  welche  die  guten  Eigenschaften  erhält  und  die  schlechten  untergeben  lässt,  setzt 
doch  eine  Anpassung  der  Organisation  an  die  Lebensverhältnisse  voraus,  in  Folge  deren  sie 
erst  eine  gute  genannt  werden  kann.  Wie  kann  man  den  Einfluss  äusserer  Einwirkungen  auf 
die  Organisation  für  unbedeutend  halten,  da  Luft,  Licht,  Feuchtigkeit,  Nahrung  ihre  Lebens- 
mittel sind,  ohne  die  keine  Verrichtung  möglich  ist,  und  von  deren  Maass  die  Thätigkeit.  der 
Organe  abhängt?  • Nur  Verrichtung  und  Uebung  vollenden  die  Bildung  des  Organs,  halten  es 
gesund  und  geben  ihm  grossere  Kraft,  ihr  Mangel  läast  es  verkümmern.  Dio  vorthoilhaften 
Eigenschaften  einer  thierischen  Organisation  können  nur  darin  bestehen,  dass  dieselbe  nicht 
nur  den  Kampf  mit  anderen  Thieren  aushält,  sondern  vor  Allem,  dass  sie  den  .Lebens- 
bedingungen  auf  das  Vollkommenste  angepasst  ist.  In  Darwin’s  Lehre  sind  zwei  Sätze  zu 
unterscheiden  und  ganz  aus  einander  zu  halten.  Der  erste  ist  dio  Umwandlung  der  Arten, 
die  auch  schon  von  Anderen  gelehrt  worden  ist;  sie  wird  in  Folge  der  erschöpfenden  Dar- 
stellung Darwin's  und  der  so  zahlreichen  von  ihm  beigebrachten  Belege  jetzt  auch  von 
solchen  Forschern  angenommen,  die  sie  früher  läugneten  und  bekämpften.  In  der  Verbrei- 
tung dieser  Ueberzeugung  liegt  das  grösste  Verdienst  der  Darwinschen  Arbeit  Der  zweite 
Theil  der  Darwinschen  Lehre  ist  die  Erklärung  dieser  Umwandlung  durch  den  Kampf  ums 
Dasein.  Ein  Vorgang,  der  in  vielen  Fällen  Ursache  der  Umwandlung  und  Fortbildung  der 
Art  sein  mag,  ist  mit  Unrecht  zu  einem  allgemeinen  Gesetz  erhoben,  während  der  Ver- 
änderung der  Lebensbedingungen  kaum  eine  Wirkung  auf  die  Organisation  zugeschrieben 
wird.  Man  kann  dio  Umwandlung  der  Arten  ganz  so  wie  Darwin  behaupten,  aber  in  Bezug 


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Die  Lehre  Darwin’s  und  die  Anthropologie.  2(51 

auf  die  Ursache  derselben  ganz  anderer  Ansicht  sein.  Darwin  vergasa,  dass  es  neben  der 
Veränderlichkeit  der  Arten  auch  eine  Beständigkeit  derselben  giebt1). 

Es  ist  zu  allen  Zeiten  anerkannt  worden,  daas  der  Mensch  einen  Kampf  ums  Dasein  zu 
bestehen  hat  mit  dem  Klima,  mit  der  Thierwelt,  mit  seines  Gleichen.  Dieser  Kampf  ums 
Dasein  ist  aber  nicht  nothwendig  die  Ursache  einer  Verbesserung  der  menschlichen  Nntur,  er 
dient  oft  nur  dazu,  ein  kümmerliches  Loben  zu  erhalten  und  jeden  Aufschwung  zum  Bessern 
unmöglich  zu  machen.  Heute  sehen  wir  wilde  Völker  ihr  armes  Leben  fristen,  wie  sie  es  vor 
4000  Jahren  auch  gethan.  Die  nomadischen  Horden  Mittelasiens  werden  von  Herodot  in 
ihrer  Lebensweise  so  geschildert,  wie  viele  dieser  Steppenvölker  noch  heute  leben.  I>er 
Kampf  ums  Dasein  bringt  in  anderen  Fällen  auf  demselben  Schauplatze  nur  einen  Wechsel 
der  Erscheinungen  hervor.  In  den  Ländern  Mesopotamiens  zwischen  Euphrat  und  Tigris 
wohnten  in  ältester  Zeit  gewiss  nur  rohe  Völker;  dann  entstanden  hier  blühende  Reiche  und 
glänzende  Städte,  jetzt  aber  streifen  durch  die  Ruinen  der  altassyrischen  Tempel  und  Pa- 
läste wieder  raubende  Horden,  deren  Typus  noch  immer  den  Bildwerken  der  alten  Denk- 
male gleicht.  Die  von  den  holländischen  Ansiedlern  von  den  Hochebenen  der  Südspitze 
Afrikas  verdrängten  Hottentotten,  welche  nomadische  Hirten  waren,  sind  in  öden,  unwirth- 
lichen  Gegenden,  wo  sie  zu  einer  ganz  andern  Lebensweise  gezwungen  waren,  entartet  und 
verwildert,  indess  europäische  Gesittung  in  ihren  alten  Wohnsitzen  heimisch  geworden  ist. 
Hier  hat  der  Kampf  ums  Dasein  eine  Race  erniedrigt,  die  andere  aber  unverändert 
gelassen.  So  bietet  der  Kampf  der  Racen  und  der  Völker  mit  einander  ein  sehr  mannig- 
faltiges Schauspiel,  wobei  körperliche  und  geistige  Kraft  oft  mit  entgegengesetztem  Erfolge 
sich  messen.  Wir  sehen  blühende  Reiche  durch  Barbaren  stürzen,  indem  rohe  Kraft  über 
verfeinerte  Cultur  den  Sieg  erlangt;  in  anderen  Fällen  erliegen  die  kräftigen  Söhne  des  Ur- 
waldes den  schwächlichen  Sprösslingen  moderner  Civilisation,  nicht  weil  die  Natur  dem  Starken 
zum  Siege  verhilft,  sondern  weil  die  Kugelfiinte  mehr  vermag  als  Pfeil  und  Bogen,  oder  mit 
anderen  Worten : weil  der  Geist  die  Natur  überwindet  Diese  Kraft,  die  der  Hebel  des  mensch- 
lichen Fortschritts  ist,  kommt  in  der  Thier-  und  Pflanzenwelt  nicht  zur  Verwendung.  Der 
Kampf  ums  Dasein  hat  die  entgegengesetztesten  Folgen,  wie  sie  im  gegebenen  Fall  aus  dem 
Zusammenwirken  einer  ganzen  Reihe  von  Ursachen  hervorgehen;  er  endigt  keineswegs  immer 
mit  dem  Untergange  des  Schwachen,  sondern  starke  und  schwache  Völker  bestehen  seit  Jahr- 
tausenden neben  einander,  wie  in  der  menschlichen  Gesellschaft  Reiche  und  Arme.  Das  Aus- 
sterben der  Wilden,  wo  sie  mit  den  Europäern  in  Berührung  treten,  scheint  überall  da  das 
un venneidliche  Schicksal  derselben  zu  sein,  wo  sie  auf  der  tiefsten  Stufe  menschlichen  Da- 
seins sich  befinden  und  den  Spning  aus  solcher  Rohheit  zum  civilisirten  Leben  nicht  zu 
machen  fähig  sind.  Die  halbwilden  Völker  gehen  aber  nicht  überall,  wo  sie  den  Cultur- 
völkern  begegnen,  zu  Grande.  Nicht  nur  in  Afrika  erhält  sich  seit  Jahrtausenden  der  Neger, 
sondern  sogar  in  seinem  zweiten  Vaterlande,  in  Westindien,  ist  er  trotz  der  Sklaverei  lebens- 
kräftig und  fruchtbar.  Auch  die  Völker  des  mittleren  Amerikas  erhalten  und  vermehren 
sich  zum  Theil  in  unvermiscliter  Nachkommenschaft.  Und  waren  nicht  die  heute  civilisirten 

1)  Vgl.  H.  Sehrtaffh auaen,  lieber  Beutändijfkeit  und  Umwandlung  der  Arten.  Verb,  des  naturhiat.  Ver* 
eine.  Bonn  1«53.  p.  4'iO. 


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262 


Hermann  Sehaaffhausen, 


Völker  Europas  einst  Wilde?  Viele  waren  Caunibalen'  Nicht  selten  haben  r.um  Vortheile 
des  nachwachsenden  Geschlechtes  zwei  Völker  sich  gegenseitig  durchdrungen;  die,  welche  mit 
den  Waffen  unterlagen,  siegten  dennoch  mit  ihrer  Sprache,  ihren  Sitten,  ihrer  Bildung.  Hoch- 
civilisirte  aber  körperlich  erschlaffte  Völker  erlagen  dem  Andrange  roher  kriegerischer  Bar- 
barei!, doch  nicht  ganz,  denn  die  Cultur  des  überwundenen  V olkes  beherrschte  bald  den  Sieger. 
So  geschah  es  in  den  römischen  Ländern  Europas  nach  ihrer  Eroberung  durch  die  norddeutschen 
Volksstämme.  Die  äussere  Form  des  Staates  wurde  durch  die  körperliche  Tapferkeit  der  Eroberer 
neu  gegründet,  aus  dem  innern  Volksleben  der  Unterjochten  aber  trieben  bald  die  alte  Sitte 
und  Geistesbildung  neue  Blüthen,  während  die  Völker  sich  mischten.  Immer  zeigt  sich,  dass 
der  Fortschritt  der  Menschheit  niemals  allein  auf  der  Machtentfaltung  der  rohen  Kraft  beruht, 
so  gewaltige  Ereignisse  diese  auch  in  der  Geschichte  hervorgebracbt  hat,  sondern  auf  dem 
Fortschritte  des  Gedankens,  der  den  Menschen  frei  macht,  und  zwar  vor  Allem  auf  dem  Fort- 
schritte der  Erkenntniss  der  Natur,  der  freilich  auch  durch  einen  Wettstreit  der  Geister  bervor- 
gebracht  wird.  Die  Civilisation , welche  sich  die  rohen  Kräfte  der  Natur  dienstbar  gemacht 
hat,  hat  jetzt  eine  Höhe  erreicht,  dass  ein  Angriff  wilder  Völker  gegen  sie  nicht  mehr  zu 
fürchten  ist,  denn  diese  können  der  verbesserten  Kriegskunst  nicht  widerstehen,  welche  mäch- 
tiger ist,  als  der  persönliche  Muth  und  jene  Tapferkeit,  die  im  Kampfe  von  Mann  gegen 
Mann  in  früherer  Zeit  den  Sieg  entschied.  In  der  Geschichte  der  Bildung  des  Menschen- 
geschlechtes wiederholt  sich  immer  wieder  dasselbe  Schauspiel.  Die  Völker  erscheinen  und 
treten  ab  von  der  Bühne,  die  menschliche  Bildung  aber  geht  ihren  ununterbrochenen  Lauf; 
aus  Zeiten  des  tiefsten  Verfalls  erhebt  sie  sich  wieder  mit  veijüngter  Kraft,  sie  scheint 
bestimmt  nach  und  nach  über  alle  Länder  der  Erde  hinzuziehen;  wo  sie  einst  blühte,  ist  sie 
jetzt  verschwunden,  aber  sie  hat  da  ihre  Stätte  aufgeachlagen , wo  sonst  Rohheit  und  Bar- 
barei herrschten.  Bezeichnend  für  die  Gegenwart  ist  es,  dass  sie  sich  jetzt  weiter  und 
schneller  verbreitet,  als  es  jemals  der  Fall  war,  und  dass  sie  sich  Alles  aneignet,  was  jemals 
der  Mensch  gedacht  und  hervorgebracht  hat.  Todte  Sprachen  und  zerfallene  Denkmale, 
Trümmer  des  Alterthums  und  Reste  der  Urzeit  sind  für  die  Wissenschaft  und  Kunst  un- 
verlorcne  Schätze,  die  in  der  Hand  des  Forschers  neues  Leben  gewinnen. 

Für  den  Fortschritt  der  Menschheit  ist  der  Kampf  derRacen  ein  fast  gleichgültiges  Ereig- 
niss,  weil  er  sich,  soweit  die  Geschichte  zurückreicht,  fast  nur  innerhalb  derselben  Raoe  und 
zwar  der  kaukasischen,  die  auch  die  zahlreichste  geworden  ist,  vollzogen  hat.  Welchen  An- 
theil  in  fernster  Vorzeit  andere  Racen,  etwa  die  äthiopische  und  mongolische,  an  der  Menschen- 
bildung gehabt  haben,  lässt  sich  noch  nicht  fcststellen.  Die  europäische  Bildung  streut  aber 
jetzt  ihr  Saatkorn  in  alle  Länder  und  Zonen  ans.  Soll  man  nun  für  den  unläugbaren  Fort- 
schritt der  Menschheit  von  niederen  zu  höheren  und  edleren  Bildungen  allein  den  Kampf 
ums  Dasein  als  Ursache  denken,  oder  muss  man  nicht  vielmehr  eine  höhere  Weltordnung  in 
der  Natur  wie  in  der  Geschichte  erkennen,  die  den  Menschen  seiner  höhern  Bestimmung  zu- 
führt,  indem  sie  seinen  Geist  zur  Forschung  antreibt  und  in  seine  Seele  das  Vermögen  gelegt 
hat,  über  die  Schranken  der  Organisation  hinaus  nach  idealen  Zielen  zu  streben? 

Darin  bestand  das  grösste  ßildimgsmittel  aller  Völker  und  Zeiten,  dass  die  Besten  der 
Menschen,  die  nicht  etwa  der  Kampf  ums  Dasein,  sondern  ein  glückliches  Zusammentreffen 
günstiger  Lebeusuuistände  hervorgebracht  hat,  solche  erhal>ene  Ziele  dev  Menschheit  hin- 


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2G3 


Die  Lehre  Darwin’»  und  die  Anthropologie. 

stellten,  denen  sie  nachstrebt.  Bei  den  Pflanzen  und  Tbieren  aber  ist  die  Vervollkommnung 
ersichtlich  im  Zusammenhang  mit  den  äusseren  Lebensbedingungen  erfolgt,  welche  mit  den 
Veränderungen  der  Erdoberfläche  in  Wirksamkeit  traten.  Erst  als  sich  Land  über  dem 
Meere  erhob,  konnten  aus  Meerestbiernn  und  Meerespflanzen,  Landthiere  und  Landpflanzen 
entstehen.  Erst  als  es  weite  mit  Vegetation  bedeckte  Ebenen  gab,  konnten  grosse  Pflanzen- 
fresser leben,  erst  in  den  Laubkronen  fruchttragender  Bäume  entwickelten  sich  die  klet- 
ternden Säugethiere,  die  den  Menschen  vorausgingen.  Was  hat  bei  diesen  Fortschritten  der 
Kampf  ums  Dasein  geleistet? 

Der  Kampf  ums  Dasein  kann  demnach  die  Verschiedenheit  der  Menschenracen,  und  seien 
sie  auch  nur  Varietäten,  nicht  erklären.  Man  sollte  aber  erwarten,  dass  ein  Naturgesetz,  das  sich 
für  Pflanzen  und  Thiere  allgemein  gültig  erweisen  soll,  auch  bei  dem  höchsten  Gebilde  der  Natur 
sich  bewähren  müsse.  Auch  die  Lehre  von  der  natürlichen  Zuchtwahl  findet  auf  die  Menschen- 
stämme keine  Anwendung.  Wohl  können  wir  begreifen,  dass  eine  gewisse  Farbe  der  In- 
sekten sich  erhält,  weil  sie  die  Thiere  vor  ihren  Feinden  schützt,  oder  dass  eine  gewisse 
Pflanze  sich  ausbreitet,  weil  ihre  Blüthen  die  Insekten  anziehen,  welche  die  Befruchtung 
erleichtern;  aber  solche  Erscheinungen  lassen  sich  für  das  Menschengeschlecht  nicht  nach- 
weisen.  Sie  haben  in  der  Natur  nur  eine  beschränkte  Wirksamkeit  Wenn  man  sagt,  dass 
die  Zuchtwahl  gewisse  Organe  erhalte,  so  vergesse  man  nicht  dass  die  Organe,  die  sich  erhalten, 
eben  auch  solche  sind,  die  den  natürlichen  Einflüssen  der  Oertlichkeit  der  Kälte,  der  Feuchtig- 
keit dem  Luftdruck,  den  Bodenbestandtheilen  entsprechen,  und  dass  sie  sich  aus  diesem  Grunde 
von  selbst  erhalten  ohne  jede  Zuchtwahl.  Naturereignisse,  welche  im  Laufe  der  Zeit,  viel- 
leicht ganz  allmälig,  die  Lebensbedingungen  änderten,  werden  auch  die  Organisation  der 
Pflanzen  und  Thiere  verändert  haben,  ln  der  Geschichte  unserer  Erde  sind  in  Bezug  auf  die 
Temperatur  ihrer  Oberfläche  die  grössten  Veränderungen  vor  sich  gegangen,  die  mehr  wie  ein 
Kampf  ums  Dasein  oder  eine  Zuchtwahl  auf  die  Organisation  der  Pflanzen  und  Thiere  und 
gewiss  auch  auf  den  Menschen  der  Vorzeit  einen  mächtigen  Einfluss  geübt  haben.  Man 
kann  sich  aber  auch  für  die  Thierwelt  einen  Kampf  ums  Dasein  denken,  der  Jahrtausende 
lang  in  stetem  Wechsel  fortbestand,  wie  etwa  der  zwischen  Raubthieren  und  Pflanzenfressern, 
ohne  dass  die  Organisation  derselben  sich  dabei  veränderte,  oder  eine  nene  Art  daraus  hervor- 
g‘ng- 

Jene  Zuchtwahl,  die  sich  bei  Thieren  häufig  findet,  dass  sich  die  Besten  mit  einander 
begatten,  findet,  wenn  sie  auch  dem  Aristoteles  in  seinem  Staate  vorschwebte,  in  der  mensch- 
lichen Gesellschaft  eine  nur  sehr  beschränkte  Anwendung;  hier  sehen  wir  ganz  andere  Beweg- 
gründe die  Ehen  zn  Stande  bringen,  cs  paart  sich  das  Starke  mit  dem  Schwachen,  das 
Gute  mit  dem  Schlechten.  Die  angeborene  Anlage  zu  Krankheiten  zeigt  deutlich,  dass  siel) 
beim  Menschen  auch  die  Schädlichkeiten  forterben,  ohne  alle  Rücksicht  darauf,  dass  sie  schäd- 
lich sind,  und  ohne  das  Dazwischentreten  einer  Zuchtwahl  der  Natur.  Ueberhaupt  kann  der 
Natur  nicht  eine  solche  Absicht  zugeschrieben  werden,  wie  wir  sie  bei  der  künstlichen  Zucht- 
wahl für  unsere  Zwecke  im  Auge  haben.  Die  natürliche  Zuchtwahl  ist  nur  der  Vorzug  der 
bessern  Organisation,  der  sich  in  vielen  Fällen  bei  der  Fortpflanzung  geltend  machen  wird. 
Die  vortheilhaften  oder  schädlichen  Veränderungen  der  Organisation  werden  aber  immer  in 
nächster  Abhängigkeit  von  den  natürlichen  Einwirkungen  der  Aussen  weit  stehen.  Die  elenden 


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Hermann  Schaaffhuusen, 


204 

abgemagerten  Gestalten  vieler  australischer  Stämme  entsprechen  der  kargen  Lebensweise 
die  sie  fuhren;  sobald  ihnen  bessere  Kost  geboten  wird,  bessert  sich  ihr  ganzes  Aussehen,  ohne 
dass  man  niithig  hat,  eine  natürliche  Zuchtwahl  für  sie  zu  Hülfe  zu  nehmen.  Die  bleichen 
Bewohner  der  vom  Sumpffieber  heimgesuchten  Gegenden  werden  nicht  durch  Zuchtwahl  ver- 
bessert , aber  durch  Trockenlegen  der  Sümpfe.  Die  Vermischung  der  Völker,  Stämme  und 
Racen  durch  Kreuzung  findet  wegen  der  grossem  Verbreitungsfähigkeit  des  Menschen  in 
allen  Klimaten  zwar  viel  häufiger  als  bei  Pflanzen  und  Thieren  statt  und  den  Männern  edler 
Race  fehlt  die  Zuneigung  des  weiblichen  Geschlechts  niederer  Racen  nicht,  aber  eine  Ver- 
edlung wilder  Racen  durch  Bastardzeugung  mit  der  edlen  hat  nur  in  einzeluen  Individuen 
stattgefunden,  aber  nirgendwo  einen  neuen  Menschenstamm  hervorgebracht. 

Merkwürdig  ist,  dass  einige  Forscher,  wie  Huxley  und  Wallace,  in  der  Darwinschen 
Lehre  den  Beweis  finden  wollen  für  den  einheitlichen  Ursprung  des  Menschen.  Andere 
Forscher  folgern  aus  der  Darwinschen  Lehro,  dass  selbst  Mensch  und  Affe  einen  gemein- 
schaftlichen Ursprung  gehabt  haben.  Huxley  hält  die  Verschiedenheiten  der  menschlichen 
Racen  für  so  gering,  dass  die  Annahme  von  mehr  als  einem  Ursprung  überflüssig  wäre;  er 
sagt,  keine  zwei  Racen  seien  so  verschieden  als  Orang  und  Chimpansi.  Ganz  abgesehen  von 
dem  Einwurfe  Hunt's,  dass  mit  Rücksicht  auf  die  Gcistesthätigkeit  Neger  und  Europäer 
mehr  verschieden  sind,  als  Orang  und  Chimpansi,  sind  Malaye  und  Neger  wirklich  in  Farbe 
und  Schädelbau  in  ganz  ähnlicher  Weise  verschieden  wie  die  genannten  Affen.  Dieser  ty- 
pische Unterschied  ist  aber  für  die  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  verschiedenen  Racen  von 
grösserer  Bedeutung  als  der,  welcher  nur  in  dem  verschiedenen  Grade  der  geistigen  Entwick- 
lung besteht. 

Nach  Darwin  stammen  alle  Varietäten,  alle  Species,  alle  Genera  von  einer  Speciee,  deren 
er  mehrere  als  Grundformen  der  organischen  Schöpfung  annimmt.  Aber  ein  grosser  Fehler 
der  Darwinschen  Lehre  ist  die  Voraussetzung  eines  einfachen  Ursprungs  jeder  Species  und 
die  Abläugnung  der  Generatio  aequivoca,  mit  deren  Annahme  ein  mehrfacher  Ursprung 
gleicher  oder  doch  ähnlicher  Entwickluugsreihen  organischer  Formen  in  verschiedenen  Gegen- 
den und  in  verschiedenen  Zeiten  gegeben  ist.  Bei  einer  Mehrheit  des  Ursprungs  können 
zwei  auf  gleicher  Stufe  der  organischen  Entwicklung  stehende  Species  sich  sehr  ähnlich  sein 
und  doch  eine  verschiedene  Herkunft  haben.  Wenn  der  Südseeneger  dem  afrikanischen  noch 
so  ähnlich  sieht,  warum  sollen  sie  nicht  ganz  verschiedenen  Ursprungs  sein  können,  wenn 
im  fernen  Südasien  wie  im  heissen  Afrika  ganz  unabhängig  von  einander  aber  unter  fast 
gleichen  Naturverhältnissen  das  thierische  Leben  sich  von  unvollkommenen  Bildungen  an 
bis  zum  Affen  und  Menschen  entwickelt  bat?  Orang  und  Gorilla  sind  beide  anthropoide 
Affen,  aber  was  beweist  eine  gemeinsame  Abkunft  beider? 

Der  Umstand,  dass  die  ältesten  Ueberbleibsel  des  Menschengeschlechtes  schon  verschie- 
dene typische  Formen  erkennen  lassen,  zeugt  gegen  einen  gemeinsamen  Ursprung  der  Racen. 
Schon  Prichard  meinte,  wenn  es  sich  zeigen  sollte,  dass  die  heutigen  Verschiedenheiten  der 
Racen  in  allen  Zeiten  constant  gewesen  seien,  so  würde  dies  gegen  die  Einheit  des  mensch- 
lichen Geschlechts  sprechen.  Das  Dasein  aller  heutigen  Racen  im  Alterthum  ist  aber  nicht 
erwiesen,  und  die  Bemerkung  Hunt's,  dass  in  den  ältesten  geschichtlichen  Zeiten  die  Racen 
schon  so  gewesen  seien  wie  heute,  ist  nur  im  eingeschränkten  Sinne  wahr,  und  verdient  jeden- 


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Die  Lehre  Darwin’s  und  die  Anthropologie. 

falls  den  wichtigen  Zusatz,  dass  aus  der  vorgeschichtlichen  Zeit  uns  die  Spuren  einer  tiefer 
stehenden  Organisation  des  Menschen  erhalten  sind,  als  wir  sie  heute  finden.  Es  hat  sich 
also  der  menschliche  Typus  im  Laufe  der  Zeit  allerdings  verändert,  und  die  Charaktere  des 
fossilen  Menschen  deuten  nuf  eine  niedere  Abkunft  des  menschlichen  Geschlechtes.  Wenn 
wir  auch  nicht  die  Urbilder  aller  von  uns  heute  unterschiedenen  Eacen  gefunden  haben, 
so  können  wir  doch  aus  ältester  Zeit  zwei  Typen  unterscheiden,  von  denen  der  brachvcephale 
vielleicht  aus  Asien,  der  dolicbocephale  aus  Afirica  seinen  Ursprung  genommen  hat;  ähnlich 
sind  sich  beide  nur  in  dem  gleichen  Mangel  einer  hollem  Hirnentwicklung. 

Die  Annahme  einer  fortschreitenden  Entwicklung  schliesst  eine  Mehrheit  des  mensch- 
lichen Ursprungs  nicht  aus.  Allerdings  muss,  sobald  man  die  Umwandlung  der  Arten  zu- 
giebt,  auch  die  Möglichkeit  des  Ursprungs  aller  Ra  een  von  einem  Stammpaare  zugegeben 
werden;  denn  wenn  aus  einem  Saurier  ein  Vogel  und  aus  einem  andern  ein  Säugethier 
geworden  ist,  so  konnte  aus  einem  Neger  gewiss  sowohl  ein  Mongolo  als  ein  Kaukasier  werden, 
Was  das  Klima  allein  nicht  fertig  brachte,  das  leistete  die  Cultur.  Mit  der  Theorie 
Darwin’s  aber  kann  man  die  Einheit  des  menschlichen  Ursprungs  nicht  beweisen,  denn 
Darwin  vermag  keinen  Gruud  für  die  Ansicht  beizubringen,  dass  alle  Urformen,  die  er  an- 
nimmt,  nur  einmal  sollten  geschaffen  sein.  Auch  für  den  Menschen  kann  es  mehrere  Ent- 
wicklungsreihen, von  räumlich  getrennten  Urformen  ausgehend,  gegeben  haben.  Die  Urzeugung 
lässt  die  ersten  organischen  Keime  noch  heute  tausendfach  in  allen  Zonen  entstehen. 

Nach  Darwin  müssten  mit  der  Verbreitung  des  Menschen  immer  neue  Racen  sich  gebil- 
det hnhen  und  noch  sich  bilden;  aber  die  Erfahrung  lehrt  vielmehr,  dass  die  Verschieden- 
heiten der  Racen  zuro  Theil  verschwinden  durch  den  gleichmachenden  Einfluss,  den  die 
Geistesbildung  nicht  nur  auf  Hirn  uud  «Schädel,  sondern  auf  fast  alle  Lebensverhältnisse  nusübt 
Doch  wäre  es  zu  viel  gesagt,  wenn  man  mit  Wallace  behaupten  wollte,  dass  endlich  alle 
Völker  eine  gleichartige  Race  bilden  werden.  Die  Cultur  wird  die  klimatischen  Unterschiede 
der  verschiedenen  Himmelsstriche  nicht  ganz  verschwinden  machen,  wenn  sie  auch  deren 
Wirkungen  zum  Theil  zu  massigen  im  Stande  ist  Auch  ist  es  ein  doppelter  Irrthum,  wenn 
Wallace  behauptet,  Darwin's  Lehre  führe  zu  dem  scheinbaren  Widerspruche , dass  der 
Mensch  einen  einfachen  Ursprung  habe  und  dass  er  zugleich  in  der  Richtung  zur  Einheit  sich 
entwickle.  Aus  Darwin’s  Lehre  folgt  nur  die  Möglichkeit  eines  einfachen  Ursprungs,  die 
nicht  mit  einem  Beweise  desselben  verwechselt  werden  darf.  Aus  Darwin's  Lehre  folgt  aber 
nicht  im  Mindesten  eine  auf  die  Einheit  des  Menschengeschlechts  gerichtete  Entwicklung, 
sondern  gerade  das  Gegentheil.  Die  ausgleichende  Wirkung  einer  in  allon  Zonen  unter  den 
verschiedensten  klimatischen  Bedingungen  nach  gleichem  Ziele  fortschreitenden  Cultur  hat  Dar- 
win  gar  nicht  in  seine  Betrachtung,  gezogen,  weil  sie  in  der  That  bei  Pflanzen  und  Thieren 
nicht  vorhanden  ist,  sondern  allein  ein  Vorrecht  des  Menschen  ausmacht,  dessen  Entwicklung, 
durch  den  Eintritt  geistiger  und  sittlicher  Kräfte,  denen  entsprechend  sich  seine  Organisation 
gestaltet  einem  andern  und  hohem  Gesetze  zu  folgen  bestimmt  ist. 

So  lange  die  thierische  Natur  im  Menschen  vorwaltet,  werden  Klima  und  Oertlichkeit 
unbeschränkt  ihren  Einfluss  üben,  und  wie  in  der  Pflanzen-  und  Thierwelt  die  grösste  Mannig- 
faltigkeit der  Bildungen  hervorhringen.  Mit  dem  Erwachen  der  Intelligenz  beginnt  eine 
Thätigkeit,  die  auf  gleiche  Weise  in  den  verschiedensten  Ländern  den  Menschen  von  dem 

Archiv  hr  Anthropologie.  BJ.  III.  Heft  %.  34 


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206  Hermann  Schaaf  fhausen.  Die  Lehre  Darwin’s  und  die  Anthropologie. 

Zwange  der  Natur  zu  befreien  strebt,  bis  endlich  auf  den  höchsten  Stufen  der  Cultur  die 
edlere  menschliche  Gesellschaft  nicht  nur  in  Nahrung,  Kleidung  und  Wohnung  Überein- 
stimmende Gewohnheiten  angenommen  hat,  sondorn  auch  durch  ein  gleiches  Denken,  Fühlen 
und  Streben  jene  höhere  Einheit  der  menschlichen  Natur  beweist,  die,  wenn  sio  auch  nicht 
im  ersten  Ursprünge  unseres  Geschlechtes  schon  vorhanden  war,  uns  doch,  was  viel  wichtiger 
Ist,  als  das  glänzende  Ziel  der  menschlichen  Entwicklung  entgegenleuchtet. 


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XVI 


Sind  das  Stein-,  Bronze-  und  Eisenalter  der  vorhistorischen 
Zeit  nur  die  Entwicklungsphasen  des  Oulturzustandes  eines 
Volkes,  oder  sind  sie  mit  dem  Auftreten  verschiedener 
Völkerschaften  verknüpft? 


Eine  antiquarische  Untersuchung 
Von 

Dr.  v.  Maaok 

I*  Hirt  >). 


Die  dänischen  Archäologen  zogen  ans  der  Untersuchung  der  Gräber  ihres  Landes,  welche 
bald  blos  Steingerätb,  bald  nur  bronzene  oder  eiserne  Waffen  und  Werkzeuge  enthielten,  den 
Schluss,  dass  die  Urbewohner  des  Nordens  keine  Metalle  gekannt  und  nur  Stein,  Knochen 
und  Horn  zu  ihren  Waffen  und  Werkzeugen  verarbeitet  habon;  dass  dann  in  späterer  Zeit 
ein  eroberndes  Volk  ins  Land  gedrungen,  welches  die  Bronze  und  die  Kenntniss  ihrer  Bear- 
beitung mitgebraeht,  und  dass  endlich  schliesslich  dieses  Bronzevolk  wiederum  von  einem 
eiserne  Watten  führenden  Volke  unterjocht  worden  sei.  In  Betreff  der  Todtenbestattung  aber 
sprach  man  es  aus,  dass  die  grossen  megalithischen  Steingräber,  oft,  von  künstlichen  Erd- 
kugeln überdeckt,  von  dem  Steinaltervolke  errichtet  seien,  welches  seine  Todten  in  ihnen 
boisetzte,  während  das  Bronzevolk  seine  Leichen  verbrannte,  die  Knochenasche  in  Thon- 
gefässe  sammelte  und  diese,  von  einigen  kleinen  Steinplatten  umstellt,  in  der  Peripherie  jener 
Grabhügel  des  Steinaltervolkes  zu  verscharren  pflegte.  Man  stellte  also  drei  gänzlich  ver- 
schiedene und  zeitlich  getrennte,  durch  verschiedene  Völker  repräsentirte  Cultur- 
stufen  auf.  Jedoch  alsbald  überzeugte  man  sich,  dass  Uebergönge  von  einer  Periode  zur 
andern  stattgefunden.  Man  traf  nämlich  in  manchen  Gräbern  Stein  und  Bronze,  in  anderen 


')  Der  um  die  Archäologie  hoch  verdiente  Mitherausgeber  dieser  Zeitschrift,  Prof.  Lindenschmit,  hat  im 
dritten  Bande  dieses  Archivs  seine  Ansicht  über  das  fragliche  Thema  ausführlich  dargelegt.  Es  wird  daher 
zur  Klärung  dieser  alten  Streitfrage  vielleicht  etwas  beitragen,  wenn  nach  dem  llcchtsgrundsatze  „audiatur  et 
altera  pars“  die  Verhandlungen  weiter  fortgefuhrt  werden. 

34* 


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2(J8 


v.  Maack, 


Stein  und  Einen  oder  Bronze  und  Eisen  oder  wohl  gar  alle  drei  Stoffe:  Stein,  Bronze  und 
Eisen  beisammen  an.  Man  fand  ferner  auch  in  tnegalithischen  Steingräbern  Äschenurnen, 
bald  allein,  bald  neben  Skeletten,  also  mit  beigesetzten  Leichen  zusammen.  Um  nun  unter 
diesen  Umständen  die  Hypothese  von  einem  erobernden  Bronzevolke  entrecht  zu  halten,  nahm 
man  zu  der  Annahme  seine  Zuflucht,  dass  das  siegreiche  Bronzevolk  anfangs  nach  Sitte  der 
Ueberwundonen  noch  grosse  megalithische  Steingräber  errichtet  und  in  ihnen  bald  ver- 
brannt, bald  unverbrannt  seine  Todten  beerdigt  habe,  während  erst  späterhin  die  Sitte  des 
Leichenbrandes  allgemein  üblich  wurde.  Man  bedachte  aber  dabei  nicht,  dass  es  psycho- 
logisch nicht  denkbar  ist,  dass  ein  siegreiches  Volk,  gewohnt,  seine  Todten  zu  verbrennen, 
diese  seine  Sitte,  wenn  auch  nur  zeitweilig  aufgegeben  und  die  Sitte  der  eben  Unterworfenen 
sogleich  angenommen:  grosse  Steingräber  errichtet  und  in  diesen  seine  Leichen  oder  Aschen- 
urneu  beigesetzt  habe.  Lindenschmit  hat  Recht,  wenn  er  bemerkt  (Archiv  für  Anthropologie 
Bd.  III,  S.  114),  dass  dies  willkürlich  und  verfehlt  sei,  weil  in  der  ersten  Zeit  des  Eindringens 
eines  Volkes  von  überlegener  Bildung  die  eingebrachte  Sitte  viel  entschiedener  dem  Brauche 
der  Unterdrückten  gegenüber  festgehalten  wird  als  späterhin,  wo  eher  eine  gegenseitige  Ver- 
ständigung und  Vereinigung  erfolgt.  Uebcrdies  erklärt  jene  Hypothese  über  den  Eintritt 
des  Bronzealters  im  Norden  nicht  die  merkwürdige  Thatsache,  dass  die  Bronzegeräthe  in 
allen  Theilen  der  alten  Welt  im  Wesentlichen  vollkommen  gleichartig  constituirt  sind. 

Man  hat  ferner  behauptet,  dass  eine  Cnlturentwicklung  bis  zum  Ackerbau,  der  Weberei 
und  vielseitigen  handwerklichen  Geschicklichkeiten  unbedingt  abhängig  sei  von  dem  Gebrauche 
der  Metalle,  und  man  hat  daher  dem  Steinaltervolke  diese  Kenntnisse  geradezu  abgesprochen, 
eine  Behauptung,  welche  durch  die  Entdeckung  der  Schweizer  Pfahlbauten  widerlegt  wird. 
Es  haben  — wie  Lindenschmit  (1-  c-  S.  108)  sehr  richtig  bemerkt  — zu  der  Summe  der 
in  der  Schweiz  gefundenen  Culturerzeugnisse  die  Stationen  der  Erz-  und  Eisenzeit  ausser  dem 
importirten  Metallgeräthe  im  Wesentlichen  nichts  weiter  beigebraebt,  was  einen  nennens- 
werthen  Fortschritt  und  eine  bedeutende  Zeitverschiedenheit  von  Jahrhunderten  und  Jahr- 
tausenden zu  begründen  vermöchte.  Daher  sind  die  Metallgeräthe,  die  in  den  Pfahlbauten 
vorliegen,  nicht  als  ein  nnturgeuiässes  folgerichtiges  Ergebnis«  der  vorausgehenden  Bildungs- 
zustände des  Landes  zu  betrachten.  Eine  fremde  höhere  Cultur  brachte  das  Erz  ins  Land, 
aber  das  Erz  keine  höhere  Cultur  dem  Lande.  Die  alten  Bildungszustände,  sobald  sie  sich 
bis  zur  ausreichenden  Beschaffenheit  der  Lebensbedürfnisse  entwickelt  batten,  konnten  einen 
stationären  Charakter  behalten,  so  lange  kein  äusserer  Anstoss  erfolgte  und  so  lange  das 
Eisen  nicht  zu  allgemeinster  und  ausgiebigster  Nutzung  gelangte.  — Es  ist  demnach  die  Zeit 
der  festen  Niederlassung  und  des  Ackerbaues  der  mitteleuropäischen  Völker  nicht  im  Min- 
desten mit  der  Einführung  der  Metalle  in  Verbindung  oder  gar  in  ein  abhängiges  Verhältnis« 
zu  bringen  (L  c.  S.  124). 

Es  ist  daher  ein  folgenschwerer  Irrthum  der  dänischen  Archäologen  gewesen,  wenn  sie 
aus  der  stofflichen  Verschiedenheit  der  Grabgaben  (Stein,  Bronze,  Eisen)  auf  oine  verschie- 
dene Volkstümlichkeit  der  Begrabenen  geschlossen.  Die  Gegner  dieser  Ansicht,  dio  siegreich 
aus  der  Bekämpfung  dieser  Hypothese  hervorgegangen,  sind  aber  in  den  entgegengesetzten 
Fehler  verfallen,  und  haben  daraus,  dass  aus  den  Grabgaben  nicht  auf  eine  verschiedene 
Volkstümlichkeit  der  Begrabenen  geschlossen  werden  könne,  den  Schluss  gezogen,  dass  also 


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antiquarische  Untersuchung.  269 

das  Volk  des  Steinalters  und  der  Bronze-  und  Eisenzeit  ein  und  dasselbe  gewesen.  Aller- 
dings ist  es  falsch,  dass  mit  den  bestimmten  Perioden  des  Steins  und  der  Bronze  verschie- 
dene Völker  in  Beziehung  stehen  müssen,  aber  ebenso  falsch  ist  es,  aus  der  Gleichheit  der 
Grabgaben  auf  die  Einheit  und  Identität  des  Volkes  zu  schliessen.  Zur  Feststellung  der 
Nationalität  einer  Bevölkerung  bedarf  es  eines  ganz  andern  Mittels,  welches  bis  jetzt  in  der 
Archäologie  noch  nicht  in  Anwendung  gebracht  worden  ist.  Doch  darüber  später! 

In  ganz  Europa  und  einem  Theile  von  Afrika  und  Asien  findet  man  Gräber  von  der 
verschiedensten  Bauart,  in  welche  bald  Leichen,  bald  Aschenurnen  beigesetzt  sind,  Gräber, 
die  aber  sämmtlich  darin  Ubereinstimmen,  dass  sie  kein  Metall , sondern  nur  Waffen,  Uten- 
silien, Werkzeuge  und  Schmuck  von  Stein,  Knochen,  Horn  und  Thon  enthalten.  Da  nun  die 
Gleichheit  der  Grabgaben  allein  noch  keinen  überzeugenden  Grund  abzugeben  schien,  dass  die 
Urbewohner  Europas  ein  und  dasselbe  Volk  gewesen,  welches  alsdann  auch  einen  Theil  von 
Afrika  und  Asien  eingenommen  haben  muss,  so  hat  man  sich  bemüht,  um  diese  Einheit  dar- 
zuthun,  einmal  einen  allmäligen  Uebergang  der  verschiedenen  Gräberformen  nachzuweisen, 
und  demnächst  hat  man  den  Zusammenhang  zwischen  der  Bestattungsweise  der  Todten  und 
der  verschiedenen  Nationalität  der  Völker  in  Abredo  gestellt. 

I.  Der  allmälige  Uebergang  der  verschiedenen  Gräberformen  von  der  einfachen  Erd- 
grube bis  zum  Bau  des  megalithischen  Steingrabes  lässt  sich  allerdings  nachweisen.  Denn 
wir  finden  die  einfache  Erdgrube  hier  mit  Steinplatten  ausgesetzt,  dort  ist  die  auf  dem  Ur- 
boden hingestreckte  Leiche  mit  ganz  niedrigen  flachen  Steinen  umstellt  und  mit  Erde  bedeckt; 
die  Steine,  an  Grosso  zunehmend,  bilden  dann  Plattengrähon,  von  denen  der  Uebergang  zu 
den  niederen  sogenannten  Halbdolmen  und  von  diesen  zu  den  Riesenbauten  aller  Art,  frei 
liegend  oder  von  Erdhügcln  überdeckt,  ein  ganz  allmäliger  ist.  Wir  finden  ferner  die  ver- 
schiedensten Bildungsstufen  der  Gefnsse  und  Steingeräthe  bis  zu  den  feingeschliffenen  Mcis- 
seln  und  den  durchbohrten  Stcinhämmem  ohne  allen  Zusammenhang  mit  der  einfacheren  oder 
complicirteren  Art  der  Grabosconstruction.  Die  Erdgräber  enthalten  sowohl  geringere  als 
bessere  Geräthe,  die  Plattengräber  aber  die  rohesten  Gefässe.  Neben  der  verschiedenen  Art 
der  Grabkammern:  Plattengrab,  steinumsetzte  Grabstelle,  einfache  Erdgrube,  findet  man 
sowohl  die  vereinzelte  Lage  des  Grabes  als  auch  die  Vereinigung  einer  kleineren  oder  grös- 
seren Zahl  auf  Friedhöfen.  Alle  Verschiedenheiten  finden  sich  auch  in  den  Gräbern  der  spä- 
teren Zeit;  sie  sind  nach  Lindensclimit  von  untergeordneter  Bedeutung  von  dorGemeinsam- 
keit  des  Gesammteharaktcrs,  von  dem  Zeugniss  einer  Gleichartigkeit  der  Lebensweise  und 
Lebenszustände,  während  der  Dauer  eines  grossen  Zeitraums  mühevollen  und  langsamen 
Bildungsfortschritts  (L  c.  & 113). 

Während  nun  ein  Theil  der  Archäologen,  angeblich  „ans  grübelnder  Unterscheidungslust,“ 
sich  bemühte  in  diese  höchst  verworrene  Masse,  in  dieses  Chaos  eiue  Ordnung  zu  bringen, 
stellte  eine  andere  Partei,  deren  eifriger  Vorkämpfer  Lindenschmit  ist,  den  Grundsatz  auf, 
dass  „bei  der  grossen  Zahl  der  örtlich  und  zeitlich  vortretenden  Verschiedenheiten  der  Gräber 
ein  Einblick  in  so  fern  obliegende  Verhältnisse  nur  zu  gewinnen  sei  nicht  aus  einer  ängstlichen 
und  kleinlichen  Lösung  des  Zusammenhangs  auf  Grund  untergeordneter  Verhältnisse,  nicht 
durch  Unterscheidung  nach  vereinzelten  Merkmalen,  sondern,  da  die  sprechendsten  Zeichen 
nächster  Verwandtschaft  vorliogen,  aus  einem  Alles  umfassenden  Ucberblick,  aus  oiner  Auffin- 


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•270 


v.  Maack, 


düng  des  durchgehend  Gemeinsamen,  einem  Hervorheben  des  Verbindenden  und  Gleichartigen 
(I.  c.  S.  115  und  125).  Allerdings  hat  Lindenschmit  dann  Hecht,  dass  der  Unterscheidung 
nach  vereinzelten  Merkmalen,  eben  von  untergeordnetem  Werthe,  kein  entscheidendes 
Gewicht  beizulegen  sei;  er  macht  auch  mit  Grund  darauf  aufmerksam,  wie  der  Versuch,  die 
Grabdenkmale  ohne  Berücksichtigung  ihres  vor  allen  wichtigen  Inhaltes  allein  nach  Bau  und 
äusseren  Verhältnissen  zu  ordnen,  nur  die  Verwirrung  vollenden  musste,  weil  man  dann  die 
allerältesten  Gräber  mit  den  allerspätesten  in  einer  und  derselben  Abtheilung,  nämlich  jener 
der  Gräber  im  flachen  Boden,  vereinigen  musste.  Auch  ist  die  Gegenüberstellung  der  Hünen- 
gräber und  der  gleichartigen  unterirdischen  Grabkammer  nicht  begründet,  wie  denn  auch  die 
Plattengräber  und  geschlossenen  Steinkisten  der  Grabhügel  sich  im  Wesen  von  der  unter- 
irdischen Grabkammer  nicht  unterscheiden  (1.  c.  S.  115).  Es  ist  daher  auch  unzulässig,  Schlüsse 
zu  ziehen  aus  dem  Uebergang  der  unterirdischen  Steinkammer  zu  der  Steiukiste,  sowie  aus 
der  Vertauschung  eines  umfangreichen  Baues  mit  einem  kleineren  derselben  Construction. 
Man  kann  Lindenschmit  überdies  gern  einräumen,  dass  einerseits  die  einige  40  verschie- 
denen Abtheilungen  für  die  Structur  der  Grabbauten  zum  Theil  auf  kleinliche  und  unwesent- 
liche Differenzen  beruhen,  und  dass  anderseits  die  Versuche,  die  grosso  rudis  indigestaque  moles 
der  Gräber  cinzutheilen  und  zu  ordnen,  mehr  oder  minder  verunglückt  sind,  aber  nimmer- 
mehr kann  die  wissenschaftliche  Forschung  das  Interdict  anerkennen,  welches  Linden- 
Rchmit  ganz  allgemein  ausspricht  gegen  jeden  ferneren  Versuch  der  auf  einen  Complex 
wesentlicher  Differenzen  beruhenden  Unterscheidung  der  Gräber.  Allerdings  ist  es  zweck- 
mässig, uro  sich  über  die  Masse  des  vorliegenden  Materials  zu  orientiren,  um  einen  „Alles 
umfassenden  Ueberblick“  zu  gewinnen,  das  Gemeinsame  aufzusuchen  und  das  Verbindende 
und  Gleichartige  hervorzuheben;  allein  dabei  für  immer  stehen  bleiben  und  jeden  ferneren 
Versuch  der  Classificirung  von  vom  herein  zu  verwerfen,  weil  alle  bisherigen  Versuche  ver- 
unglückt sind,  das  widerspricht  durchaus  der  Weise,  wie  man  in  den  Naturwissenschaften 
zu  Werke  geht.  Wie  viele  verunglückte  Versuche  sind  nicht  gemacht  worden,  die  organischen 
Naturkörper  in  ein  System  einzuordnen,  bis  endlich  Linnde  auftrat  und  den  Grund  legte, 
auf  dem  seine  Nachfolger  weiter  fortbauen  konnten.  Aber  selbst  seine  Aufstellung  der  Classe 
der  Insecten  und  Würmer  war  nur  eine  unvollkommene,  namentlich  konnten  die  letzteren 
nur  negativ  definirt  werden,  als  weissblütige  Thiere,  die  keino  Insecten  sind  (Blumenbach, 
Handbuch  der  Naturgeschichte,  11.  Ausgabe,  Göttingen  1825,  S.  355).  Es  kam  ein  Cu  vier 
und  seine  Nachfolger  und  sondert«  aus  der  Lin  ne 'sehen  Classe  der  Insecten  die  Arachniden 
und  Crustaceen  ab  und  brachte  Licht  und  Ordnung  in  die  Classe  der  Würmer  durch  die  Unter- 
scheidung der  Mollusken,  Radiaten,  Infusorien  u.  s.  w.  So  ist  denn  noch  keineswegs  die  Hoff- 
nung aufgegeben,  dass  auch  die  bunte  Mannigfaltigkeit,  welche  in  der  Gräberwelt  der  Urzeit 
uns  noch  verwirrt,  dereinst  durch  ihren  Cuvier  geordnet  werden  wird.  Dadurch  aber,  dass 
man  einen  allmäligen  Uebergang  der  verschiedenen  Grabformen  nnchweisen  kann,  ist  man 
noch  nicht  befugt,  den  Grundsatz  aufzustellen,  dass  man  von  einem  jeden  Versuche,  sie  zu 
classificiren  abstehen  müsse,  denn  dann  wäre  ja  das  Bestreben  der  Craniologen,  die  verschie- 
denen menschlichen  Schädelformen  zu  sondern,  die  doch  noch  weit  allmäliger  in  einander 
übergehen,  als  die  Gräberforrnon,  ein  durchaus  eitles  und  eine  Craniologie  wäre  ein  Unding. 
Ein  wichtiges  Moment  bei  der  Gräbereintheilung  hat  Lindenschmit  wenig  beachtet,  weuu 


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antiquarische  Untersuchung. 

nicht  gar  zum  Theil  ganz  übersehen.  Es  ist  dies  das  geographische,  ein  Moment,  welches 
Lindcnschmit  doch  sonst  sehr  wohl  beachtet  und  der  Beachtung  empfiehlt,  z.  B.  bei  der  geo- 
graphischen Verbreitung  jener  Ringformen,  die  man  für  Schwurringe  gehalten  (efr.  Andree, 
Globus  XIV,  S.  180).  Es  kommt  gar  nicht  darauf  an,  dass  in  dem  leider!  heutigen  Tages  blos  geo- 
graphischen Begriff  Deutschland  alle  Uebergänge  von  Grabformen  nachzuweisen  sind,  sondern 
die  Thatsache  entscheidet,  dass  einzelne  Grabformen  nur  in  der  Nähe  der  Küste  des  Meeres 
und  längs  dem  (besonders  untern)  Lauf  der  Fliisso  im  westlichen  und  einem  Theile  des  nörd- 
lichen Europas  Vorkommen  (A.  Bertrand);  dass  dagegen  diese  Grabformen  allen  von  der 
See  entfernteren  Binnenländern,  dem  Innern  von  Mitteleuropa  und  dem  ganzen  ÜBten  und 
dem  Hochnorden  dieses  Welttheils  fehlen,  wo  allerdings  einst  auch  ein  Steinalter  geherrscht 
hat,  und  wo  man  dieselben  Grabgaben  aus  Stein,  Knochen,  Hom  und  Thon  findet,  die  aber  nie 
in  jenen  ganz  bestimmten  Grabformen  Vorkommen.  Es  hat  also  in  der  gegenwärtigen  Erd- 
epoche ganz  Europa  in  der  Urzeit  eine  Steinperiode,  die  neolithische,  gehabt.  In  dieser 
müssen  wir  aber  eine  doppelte  unterscheiden,  die  zum  Theil  gleichzeitig  neben  einander  be- 
standen haben.  Die  eine  hatte,  wie  gesagt,  ihren  Sitz  an  den  Meeresküsten  von  West-  und 
einem  Theile  von  Nordeuropa,  wir  wollen  sie  — a potiori  fit  denominatio  — das  inegali- 
thische  Steinalter  nennen,  die  andere  im  Binnenlande  sei  — da  ein  Name  fiir  sie  durch- 
aus nöthig  ist  — als  die  cryptolithische  Steinzeit  bezeichnet').  Zu  dieser  gehören  ausser 
mancher  andern  Grabform  auch  die  einfachen  flachen  Erdgräber  ohne  jeden  Steinbau,  welche 
man  vereinzelt  oder  in  Gruppen  am  Rhein  und  im  südlichen  Deutschland  findet,  und  deren 
Beigaben  und  Waffen  auch  aus  Stein,  Knochen,  Horn  und  Thon  bestehen.  Es  unterscheiden 
sich  also  das  megalithische  und  cryptolithische  Steinalter  nicht  durch  ihre  Grabgaben,  die 
überall  wesentlich  dieselben  sind,  sondern  nur  negativ  durch  den  Mangel  der  gross- 
artigen Steinbauten  im  Gebiete  der  cryptolithischen  Steinzeit,  deren  Abwesen- 
heit im  Rheinlande  ja  Lindenschmit  selbst  bestätigt  (S.  111).  Diese  Eintheilung  hält  sich 
streng  an  die  Thatsachen,  sie  ist  keine  subjectiv  „ergriibelte“,  ob  sie  aber  eine  auf  wesentliche 
Differenzen  begründete  oder  eine  von  untergeordneter  Bedeutung  sei,  das  wollen  wir  jetzt 
untersuchen,  da  ohne  Beweisgründe  darüber  nichts  zu  entscheiden  ist;  denn  das  snbjective 
Meinen  des  Einen  und  das  Nichtmeinen  des  Anderen  über  Wesentliches  und  Unwesentliches 
ist  ganz  irrelevant.  Wenn  es  uns  nun  aber  gelingen  sollte  den  Beweis  zu  führen,  dass  das 
Volk  des  megalithischen  Steinalters  eine  durchaus  verschiedene  Nationalität  von  dem  der  cry- 
ptolithischen Steinzeit  gehabt,  so  wird  man  vielleicht  wohl  einräumon,  dass  die  locale  Unter- 
scheidung diesen  Grabformen  eine  wohlbegründete  und  von  keiner  untergeordneten  Bedeu- 
tung sei,  weil  gebunden  an  eine  bestimmte  Volkstümlichkeit,  an  eine  bestimmte  Oertlichkeit. 
Zur  Erkcnntniss  der  specifischen  Nationalität  einer  Bevölkerung  gehört  aber  die  Kenntniss 
ihrer  Sprache,  denn  diese  ist  das  Hauptcrkennungszoichen  jener  (J.  Grimm).  Hat  nun  das 
Volk  der  megalithischen  Steinzeit  irgend  ein  Sprachdenkmal  in  seinem  Verbreitungsgebiete 
hinterlassen?  Allerdings!  nämlich  einmal  in  Ortsnamen  und  zweitens  in  einzelnen  Wörtern 
und  Bezeichnungen,  welche  in  die  Sprache  der  späteren  Bewohner  des  Landes  übergegangen 

')  Ich  weiw  recht  gut,  welche  Einwendungen  gegen  diesen  Namen  erhoben  werden  können,  doch  habe 
ich  keinen  bessern  zu  finden  vermocht. 


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272 


v.  Mauck, 


Rind.  Wir  bleiben  daher  geistige  Fremdlinge  im  eigenen  Lande,  wenn  wir  die  vorausgegau- 
gcnen  Völker  nicht  verstehen;  kennen  wir  aber  ihre  sprachliche  Fortdauer  und  Fortwirkung, 
so  wird  uns  vieles  klar  und  verständlich,  was  uns  vorher  unbegreiflich  und  unerklärlich  war 
und  was  wir  auf  andere  Weise  nicht  enträthseln  können  (Mone,  die  gallische  Sprache. 
Karlsruhe  1851.  S.  IV).  In  Schleswig-Holstein  und  Dänemark  findet  man  eine  Menge  Orts- 
namen, die  aus  keiner  andern  Sprache  sich  erklären  lassen,  als  einzig  und  allein  aus  dem 
irischen  oder  gaelischen  Idiome.  Einen  vollständigen  Nachweis  dieser  Thataacho  müssen  wir 
einer  besonderen  Abhandlung  Vorbehalten  und  können  hier  nur  eine  Anzahl  Beispiele  an- 
führen. So  leitet  sich  der  Name  Fünen,  Fion-i-a,  ab  vom  gael.  fionn  (sprich  fin),  schön  und  i 
die  Insel,  also  die  schöne  Insel;  die  Schlei,  Sie,  Slia  vom  irischon  le,  lia,  Wasser,  mit  dem  im 
Irischen  häufig  prosthetischen  S , nach  irischen  Grammatikern  dem  Könige  der  Buchstaben ; 
die  Elbe,  Albis  vom  gael.  bais  (sprich  bis),  Wasser  mit  dem  vergrössemden  Pracfix  al,  also  das 
grosse  Waaser;  der  Eridanus  vom  gael.  airdhe  (sprich  erj),  der  Osten  und  dan,  Wasser,  Fluss, 
also  der  Oststrom,  von  dem  ich  den  vollständigen  Beweis  geführt  (Kon  er ’s  Zeitschrift  für 
Geographie,  Bd.  II,  S.  17 — 27),  dass  damit  von  den  gael.  Bewohnern  Britanniens  die  Elbe 
bezeichnet  worden  ist,  während  die  gaelischen  Anwohner  dieaon  Fluss  Albis  nannten ').  Auch 
der  Nebenfluss  der  Elbe,  die  Bille,  sowie  die  Schwale,  welche  in  die  Stör  und  die  Biesten,  die 
in  die  Trave  fällt,  tragen  gaelische  oder  irische  Namen ; denn  Bille,  dessen  alter  Name  Bilen-a 
ist,  leitet  sich  ab  von  bill,  klein  und  ean,  Wasser;  die  Schwale  von  sua,  der  Bach  und  lu,  klein; 
die  Biester  von  bais  (bis),  Wasser  und  der,  klein.  Im  östlichen  Holstein  (Wagrien)  befindet 
sieh  eine  Danau.  Der  Segobergor  Kalkberg  liiess  früher  Alberg,  von  dem  gael.  al,  der  Stein  ’)• 
Auch  manche  Dorfnamen  gehören  hierher,  z.  B.  Kolmar  in  der  Elbmarsch,  vom  gaeL  coill 
(sprich  col),  den  Wald  und  mor,  gross,  der  grosse  Wald  (der  Plöner  See  hiess  früher  Colsee); 
Muxall  in  der  Probstei  von  mogh,  Bauerhof  und  sal,  gross;  Tomby  in  Angeln  von  tom,  Hügel 
und  bi,  klein  u.  s.  w.  Die  zahlreichen  Ortsnamen  auf  — um  pflegt  nmn  aus  dem  Friesischen 
zu  erklären,  allein  sie  kommen  auch  vor,  wo  nie  Friesen  gelebt  haben,  wie  auf  Fünen,  Seeland 
und  im  südlichen  Schweden.  Ueberdie*  bildet  dies  Wort  bisweilen  die  Anfangssylbe  dos 
Namens,  z.  B.  Ommel,  Dorf  auf  Aeröe,  vom  ir.  om,  Bauorhof  und  el,  gross.  Ebenfalls  finden 
sich  im  Dänischen  und  Altnordischen  viele  irische  Wörter,  z.  B.  dän.  und  ir.  bord,  Tisch;  dän. 
mind.  wenig,  gering,  ir.  mean,  klein,  dän  Troel,  gael.  traill,  der  Sklave ; dän.  fork,  die  Heugabel, 
ir.  forc,  dieSpitze;  dän.  pot,  gael  poit,  Topf,  dän.  kop,  Tasse;  gael.  cop,  Becher;  dän.  tusmörke, 
die  Dämmerung;  gael.  tus,  der  Anfang,  also  tusmörke  = der  Anfang  der  Dunkelheit;  altn. 
knörr,  gael.  enarrn  das  KaufschifT;  altn.  skeid,  gael.  scud,  das  Langschiff;  altn.  lam,  gaeL  larnh, 
die  Hand ; altn.  slodi,  quid  quid  post  navem  trahitur,  gael.  slaodadh.  nachschleppon,  slaod,  das 


*)  Da*»  der  Same  Kridanus  nicht  zusammenhängt  mit  den  Samen  der  Dänen,  Dani,  geht,  abgesehen  von 
anderen  Gründen,  schon  aus  der  verschiedenen  Quantität  der  Sylbe  Dan  hervor:  Eridanus . dagegen  Däui. 
— *)  Wenn  Nilston  (das  Steinalter.  Hamburg  1868.  S.  147,  Not.  10),  der  den  Namen  Alberg  in  Holstein 
glaubt  ableiten  an  können  von  dem  lappischen  Worte  all,  hoch,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  einmal  dass 
ans  verschiedenen  Sprachen  wohl  zwei  Substantive  zu  einem  Worte,  aber  nie  ein  Adjcctir  au«  der  einen 
Sprache  mit  einem  Substantiv  aus  der  andern  verbunden  worden  und  demnächst  da*»  die  Germanen  in 
Deutschland  nicht  die  Nachfolger  der  Lappen  gewesen,  wie  es  in  Schweden  der  Fall  war,  wenn  diese  über- 
haupt je  in  Schleswig-Holstein  gehaust  halten,  also  unmöglich  ein  lappisches  Wort  mit  einem  deutschen  ver- 
bunden werden  konnte. 


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antiquarische  Untersuchung.  273 

Floss.  Ferner  die  dänischen  und  altnordischen  Personennamen:  Niels  (gael.  Nial,  der  Schwarze 
Finn  fgaeL  Fionn,  der  Schöne,  der  Blonde),  Oie  (gael.  oil,  alore,  nutrire),  Gorm  (gael.  gorm, 
blau,  edel)  u.  s.  w.  Schon  J.  Grimm  (Geschichte  der  deutschen  Sprache,  S.  41  und  60) 
bemerkt,  dass  das  Nordische  mehr  Gemeinschaft  mit  dem  Keltischen,  das  Hochdeutsche  mehr 
mit  dem  Slavischen  hat.  Auch  im  Plattdeutschen  kommen  viele  gaelische  Wörter  vor.  Da  aber 
in  der  vorliegenden  Frage  nur  die  Ortsnamen  von  entscheidendem  Gewichte  sind,  weil  sie  im 
Lande  selbst  einen  Verkehr  zwischen  verschiedenen  Völkern  beweisen,  während  in  die 
Sprache  fremde  Wörter  von  aussen  her  möglicherweise  recipirt  sein  können,  so  gehen  wir 
an  diesem  Orte  nicht  näher  ein  auf  das  Verhältniss  der  plattdeutschen  zur  irischen  respective 
gallischen  Sprache.  Weil  sich  nun  irische  Ortsnamen  überall  im  deutschen  und  holländischen 
Gebiete  der  megalithischen  Steinzeit  nach  weisen  lassen,  da  ferner  Lluyd  n.  A.  bewiesen, 
daas  viele  Namen  Südenglands  gae  lisch  und  nicht  kymrisch  sind  und  eine  Prüfung  der  Orts- 
namen Frankreichs  gewiss  zu  demselben  Resultate  fuhren  wird,  da  ja  J.  Grimm  (Kleine 
Schriften,  Bd.  II,  S.  125  und  144  fg.)  den  Beweis  geliefert  hat,  daas  die  im  vierten  Jahr- 
hundert n.  Chr.  in  Aquitanien  herrschende  Sprache  sich  mehr  dem  irischen  als  dem  kymrischen 
Idiome  genähert  habe,  so  möchte  wohl  die  Verbreitung  der  Iren  vorläufig  über  einen  grossen 
Theil  des  megalithischen  Steingebietes  in  Europa  nachgewiesen  sein.  Im  zweiten  Theile 
meiner  Urgeschichte  des  schleswig-holsteinachen  Landes  wird  dieses  Thema  noch  ausführlicher 
besprochen  werden,  als  es  hier  möglich  ist.  Bis  nun  Lindenschmit  in  wenigstens  einem 
grossen  Theil  des  europäischen  Gebietes  der  cryptolithischen  Steinzeit  (Mittel-,  Ost-  und  einem 
Theil  von  Nordeuropa)  aus  den  Ortsnamen  ebenfalls  die  frühere  Anwesenheit  der  Iren  oder 
Gaelen  nachgewiesen  haben  wird,  ist  man,  wie  ich  glaube  annehmen  zu  dürfen,  befugt,  aus 
der  An-  und  Abwesenheit  dieses  Volkes  in  dem  Gebiete  des  megalithischen  und  crypto- 
lithischen Steinalters  auf  eine  wesentliche  Differenz  der  megalithischen  Gräber  wie  der 
cryptolithischen  zu  schliessen,  wenn  auch  die  Grabgaben  in  beiden  wesentlich  die  gleichen 
sind  und  die  Plattengräber  in  beiden  Gebieten  Vorkommen,  wo  die  Natur  das  Material 
dazu,  eine  leicht  spaltbare  Steinart,  geliefert  hat.  Während  im  Gebiete  der  crypto- 
lithischen Steinzeit  das  Plattengrab  die  höchste  Entwicklung  des  Gräberbaues  ist,  stellt 
dasselbe  im  Gebiete  des  megalithischen  Steinalters  eine  einfachere  niedere  Form  des 
Grabes  dar.  Im  cryptolithischen  Gebiete  wird  das  Plattengrab  im  Urboden,  wie  zu  Ober- 
ingelheim, angelegt,  während  im  megalithischen  Gebiete,  wenigstens  im  Norden  (Schonen), 
das  Plattengrab  gleich  dem  megalithischen  Steinbau  auf  dem  Urboden  placirt  ist,  ent- 
weder frei  zu  Tage  liegend  oder  von  einem  Tnmulus  bedeckt  Es  lassen  Bich  übrigens 
keine  scharfe  Grenzen  zwischen  beiden  Gebieten  ziehen,  sie  gehen  hie  und  da  in  einander 
Uber,  wie  man  ja  denn  auch  Gräber  der  megalithischen  Steinzeit  bis  nach  Thüringen  und 
Schlesien  hinein  'verfolgt  hat  — Ja  wir  geben  noch  einen  Schritt  weiter  und  würden  kein 
Bedenken  tragen,  auch  da,  wo  in  einem  Lande  Ortsnamen  gaelischen  Ursprungs  sich  naeh- 
weisen  lassen,  die  vormalige  Anwesenheit  dieses  Volkes  anzuerkennen,  wenn  auch  nur  Platton- 
gräber  als  die  höchste  Form  der  Steinaltergräber  sollten  gefunden  werden.  Es  ist  daher  von 
der  grössten  Wichtigkeit,  dass  ein  local-  und  geschichtkundiger  Schweizer  Antiquar,  aus- 
gerüstet mit  den  nöthigen  Spmchkenntnissen,  etwa  Prof.  Pictet  in  Genf,  nach  gaelischen 
Ortsnamen  in  der  Schweiz  eine  Nachforschung  anstelle,  deren  Ergebniss,  den  Indicien  nach 

Archiv  für  Anthropologie.  IM.  UL  Hell  3.  35 


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274 


v.  Maack 


zu  urtheilen  (r.  B.  die  Furka,  vom  ir.  fore.  m.,  die  S[>itze,  die  Bergspitze),  ein  positives  sein 
wird.  Daraus  würde  aber  folgen,  dass  möglicherweise  in  dem  südwestlichen  an  der  Schweiz 
angrenzenden  Theile  Deuschlands,  falls  irische  und  gaelische  Ortsamen  dort  nachzu weisen 
sind  und  ein  Theil  der  Plattengräber  nur  Steinsachen  enthalten  sollte,  ebenfalls  Iren  (Ligu- 
ren)  gehaust  haben.  Plattengräber  allein  wlirden  noch  nichts  beweisen,  denn  diese  könnten 
von  späteren  Rückwanderungen  gallischer  Völkerschaften  oder  von  gallischer  unter  römischer 
Herrschaft  angesiedelten  Colouisten  auf  den  Zehntländereieu  herrühren,  wünlen  dann  aber 
auch  Eisen  und  Bronze  enthalten.  Da  die  Liguren  früher  die  Sitze  der  Rhaetier  und  Vinde- 
liker  eingenommen  haben  (Dunckcr,  Bd.  I,  S.  72),  so  müssen  sich  gaelische  Ortsnamen 
in  der  Schweiz  und  ,dem  südwestlichen  Deutschland  linden.  Es  ist  demnach  ein  wichtiger 
Gegenstand  fernerer  Untersuchung,  ob  die  dem  mcgalithischen  und  cryptolithischen  Stein- 
gebiete gemeinsamen  Plattengräber  nicht  aber  dadurch  in  das  Gebiet  der  cryptolithischen 
Steinzeit  gekommen  sind,  dass  sie  die  Gräber  der  früher  oder  später  eingedrungenen  Liguren 
gewesen.  Wo  die  grossen  Irrblöcke  fehlen,  war  man  gezwungen,  statt  ihrer  grosse  Stein- 
platten zum  Gräberbau  zu  verwenden.  Wenn  es  sich  herausstellen  sollte,  dass  nur  da,  wo 
im  cryptolithischen  Gebiete  Plattengräber  Vorkommen,  auch  gaelische  Ortsnamen  sich  finden, 
so  halten  wir  den  gaelisclien  Ursprung  der  Plattengräber  für  erwiesen.  Lindenschmit  macht 
freilich  gegen  jede  Trennung  der  norddeutschen  Steingräber  von  den  süddeutschen  das  Vor- 
kommen von  Erdgräbern  mit  Steinsachen  und  Leichenbestattung  geltend,  Gräber,  die  sowohl 
in  Mecklenburg  (bei  Plau  und  zu  Roggow)  als  auch  am  Rhein,  zwischen  Bingen  und  Worms, 
und  in  Süddeutschlaud  (am  Hinkelsteiu  bei  Monsheim,  bei  Ober-  und  Unteringelheim,  bei 
Dienheim  und  Herrnsheim , sowie  unweit  Ebringen)  gefunden  worden  sind.  Gewiss  hat 
Lindenschmit  darin  Recht,  dass  im  Rheinlande  viele  solcher  Erdgräber  mit  Steinsachen 
und  Skeletten  bereits  zerstört  worden  beim  Schleifen  von  Anhöhen,  beim  Anlegen  von  Wein- 
bergen u.  s,  w.,  und  dass  die  Entdeckung  der  gewi&s  noch  vorhandenen  durch  den  Anbau 
des  Bodens  mit  Weinpflanzungen  sehr  erschwert  und  fast  unmöglich  gemacht  ist.  Man  kann 
noch  weiter  gehen  und  ohne  Prophotengabe  Vorhersagen,  dass  man  von  ihnen  noch  manche 
in  Süddeutschland,  Oesterreich  und  Ungarn  finden  werde,  da  sie  eine  der  Gräberformen  der 
cryptolithischen  Steinzeit  sind.  So  sind  neuerdings  solche  Gräber  in  Böhmen  bei  Brüx  an 
der  Biela  entdeckt  (Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1868,  Nr.  12,  S.  391).  Aber 
wie  steht  es  mit  diesen  Gräbern  im  Gebiete  des  mcgalithischen  Steinalters?  Es  ist  gewiss 
eine  auflallende  Erscheinung,  dass  in  Dänemark  gar  keine  und  in  Mecklenburg  nur  zwei 
solche  Erdgräber  gefunden  (denn  die  Beweiskraft  des  dritten  Grabes  von  Hohenwieschendorf 
[Lisch,  Jahrb.  III,  S.  366]  bezweifelt  selbst  Lindenschmit),  während  doch  gerade  diese 
beideu  Länder  »eit  über  einem  Menschenalter  in  archäologischer  Hinsicht  so  fleissig  und 
genau  durchforscht  sind,  wie  kaum  ein  anderes  Land.  Doch  prüfen  wir  genauer  die  beiden 
mecklenburger  Erdgräber,  ob  sie  das  beweisen,  was  sie  nach  Lindenschmit  beweisen 
sollen. 

1.  Bei  Plau  (Lisch,  Jahrb.  XII,  S.  400)  fand  man  sechs  Fuss  tief  im  Kiessaude  ein 
menschliches  Gerippe  in  hockender,  fast  knieender  Stellung  mit  etwas  rückwärts  gelehntem 
Oberleibe  und  daneben  eine  Axt  von  Hirschhorn,  drei  Hirschzähne  und  einen  von  einem  Eber. 
So  weit  berichtet  Lindenschmit  gewissenhaft  den  Fund,  er  erwähnt  aber  nichts  von  dem 


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antiquarische  Untersuchung.  275 

Schädel,  der  ein  klares  Licht  über  die  vorliegende  Frage  verbreitet  Man  erhielt  ihn  aller- 
dings zertrümmert,  nur  das  Stirnbein  und  der  Unterkiefer  wurden  fast  ganz  gerettet,  wolche 
Knochen  dann  Lisch  auch  beschrieben  hat.  Allein  es  gelang  später  Schaaffhausen  (Lisch, 
Jahrb.  XXIV,  S.  184)  den  ganzen  Schädel  aus  22  Bruchstücken  wieder  zusammenzusetzen, 
so  dass  wir  jetzt  von  einem  gewiegten  Anatomen  eine  genaue  Beschreibung,  Messung  und 
Abbildung  desselben  (1.  c.  S.  188,  Fig.  4,  5,  6)  besitzen.  Der  Schädel  ist  bracbyeephal  und 
orthognath;  seine  Länge  beträgt  168  Milliin.,  seine  grösste  Breite  138  Millim.,  sein  Index 
cephalicus  ist  also  82,1.  Der  Schädelumfang  ist  445  Millim.,  die  Länge  des  Schädelbogens 
(von  der  Nasenwurzel  über  den  Scheitel  zum  Hinterhauptsloche  gemessen)  380  Millim. , die 
Schädelcapacität,  mit  Hirse  gemessen,  36  Unzen  3*/j  Drachmen  preuss.  Medicinalgewicht.  Vor 
Allem  in  die  Augen  fallend  ist  der  stark  hervorragende  Wulst  der  Augenbrauon  und  die  fast 
ganz  hintenüberliegende  Stirn.  Die  Schädelknochen  sind  dick  — Stirn-  und  Scheitelbeine  in 
der  Mitte  9 Millim.  — dabei  aber  sehr  leicht,  an  der  Zunge  stark  anklebend.  Die  Muskel- 
ansätze  am  Hinterhaupt  und  Uber  dem  Zitzenfortsatz  sind  stark  entwickelt,  so  dass  die 
Schädelbasis  in  der  Breite  von  einem  Zitzenfortsatz  zum  andern  155  Millim.  misst;  alle 
Schädelnähte  sind  ganz  unverknöchert ; der  letzte  obere  Backenzahn  rechts  ist  noch  nicht 
durchgebrochen;  die  Zähne  sind  abgeschliffen,  an  einigen  Mahlzähnen  fast  die  ganze  Krone 
verschwunden;  die  unteren  Eckzähne  sind  viel  gröasor  als  die  Schneidezähne  und  stehen  Uber 
die  Zahnreihe  vor ; das  Foramen  incisivum  am  Oberkiefor  ist  sehr  gross,  Uber  4 Millim.  breit; 
der  aufsteigende  Ast  des  Unterkiefers  geht  rechtwinklig  ab,  ist  breit  und  kurz  mit  stark  aus- 
gebildeten  Rauhigkeiten  für  die  Muskelansätze.  Auf  dem  rechten  Scheitelbein  ist  ein  läng- 
licher Eindruck)  wie  von  einem  Schlage.  Es  ist  also  dies  der  sehr  alte,  normale  Schädel 
eines  Individuums  aus  dem  besten  Lebensalter  (wie  der  noch  nicht  durchgebrochene  eine 
Weisheitszahn  beweist),  mit  auffallend  thierischer  Physiognomie  (die  zurückweichende  Stirn 
mit  den  starken  Augenbranenwülsten,  die  starken  Muskelansätze  der  Knochen  und  die  vor- 
stehenden Eckzähne). 

Welcher  Anatom  wird  nun  aus  der  Beschreibung  dieses  Schädels  dessen  totale  Ver- 
schiedenheit von  den  Schädeln  des  Steinaltervolkes  verkennen?  Selbst  der  Nichtanatom 
Lisch  erklärt  ihn  für  nicht  übereinstimmend  mit  den  Schädeln  der  Steinperiode,  welche 
schmächtig,  nicht  stark  aber  regelmässig  gebildet,  eine  wenn  auch  schmale,  jedoch  hohe  Stirn 
und  nicht  so  starke  Muskelansätze  haben.  Er  vergleicht  den  Plauer  Schädel  mit  einem,  der 
sieben  Fuss  tief  im  Torfmoor  von  Langsdorf  bei  Sülz  gefunden  worden  (Lisch,  Jahrb.  X, 
S.  261)  und  in  der  grossherzoglichen  Sammlung  zu  Schwerin  sich  befindet.  Bei  diesem  Schär 
del  sind  nach  Schaaffhausen  (Lisch,  Jahrb.  XXIV,  S.  187)  die  Knochen  nicht  dick,  aber, 
obgleich  aus  einer  ihrer  Erhaltung  günstigen  Oertlichkeit,  einem  Torfmoor,  herstammend, 
sehr  mürbe  und  folglich  sehr  alt;  die  Nähte  offen,  nicht  verwachsen.  Der  Schädel  ist  klein, 
länglich,  in  der  Norma  lateralis  auffallend  rund.  Wenn  aber  der  Schädel  in  der  Norma  ver- 
ticalis  länglich,  in  der  Norma  lateralis  rund  erscheint,  so  muss  er  nothwendig  ein  steno- 
cephaler  Schädel  nach  Aeby  sein,  d.  h.  seine  Dolichocephalie  ist  begründet  nicht  in  einer 
Zunahme  seiner  Länge,  sondern  in  einer  Abnahme  seiner  Breite.  Die  Stirn  ist  ungewöhnlich 
schmal,  aber  gut  gewölbt;  die  kleinen,  wulstigen  Augenbrauenbogen  berühren  sich  fast  un- 
mittelbar über  der  Nase.  Die  Gegend  der  Pfeilnaht  springt  kieUormig  vor,  wie  an  den  soge- 

36* 


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27ü 


v.  Mauek, 


nannten  kahnförmigen  Schädeln;  das  Hinterhaupt  ragt  stark  hervor  und  zeigt  eine  sehr  ent- 
wickelte, scharfe  Spina  und  einen  starken  Höcker.  Lindenscbmit  wird  nun  in  folge  seiner 
Theorie  gezwungen  sein,  den  Schädel  von  Plau,  der  nicht  pathologisch,  nicht  synostotisch  ist, 
fiir  einen  urgermanischen  zu  erklären , wogegen  aber  die  Craniologie  Protest  einlegen  muss. 
Kr  gehört  nämlich  weder  den  Germanen  noch  dem  megalithischen  Steinaltervolke  an,  wenn 
das  Individuum  auch  in  der  megalithischen  Steinzeit  gelebt  haben  mag.  Mit  dem  dolicho- 
cephalen  Schädel  aus  der  Höhle  des  Neanderthals  kann  er  wegen  seiner  Brachycephalie  nicht 
zusammengestellt  werden;  die  Wulst  der  Augenbrauen  ist  bei  dem  letztem  auch  grösser,  als 
bei  dem  Plauer  Schädel,  welcher  auch  nicht  im  Diluvium  gefunden  worden  ist  Seine  Capa- 
cität  (36  Unzen  3 '/,  Drachmen  per  med.  Gewicht)  ist  der  des  Neanderthaler  Schädels  fast 
gleich,  welcher,  ebenfalls  mit  Hirse  gemessen,  davon  31  Unzen  desselben  Gewichts  fasste. 
Man  muss  aber  nach  Verhältniss  der  fehlenden  Knochen  des  Schädelgrundes  zur  ganzen  Hirn- 
höhle ungefähr  6 Unzen  hinzurechnen,  so  dass  sieh  darnach  ein  Schädelinhalt  von  37  Unzen 
ergeben  würde.  Wohin  ist  nun  aber  der  Plauer  Schädel  zu  bringen?  Wir  halten  ihn,  bis 
wir  eines  Besseren  belehrt  worden,  da  er  dem  megalithischen  Steinaltervolke  nicht  ange- 
hören kann,  für  den  Schädel  des  Volksstammes,  welcher  in  den  Speiseabfallhaufen  eine  Spur 
Beines  einstigen  Daseins  hinterlassen  hat.  Lindenschmit  sieht  nun  freilich  keine  Differenz 
zwischen  diesem  und  dem  Steinaltervolke,  weil  man  in  den  Speiseabfallhaufen  neben  den  ein- 
fachen spabnfdrmigen  Messern  auch  einzelne  schön  polirte  Steingeräthe  gefunden  hat  Er 
stellt  nämlich  den  Grundsatz  auf,  dass  man,  wie  bei  den  Münzfunden,  nach  den  schönsten  und 
am  besten  geschliffenen,  d.  h.  den  jüngsten  Steingeräthen,  die  Zeit  ihrer  Fabrikation  bestimmen 
müsse,  ganz  unabhängig  davon,  ob  sie  die  Mehrzahl  bilden  oder  nur  als  Einzelstücke  mit  einer 
Menge  von  Gegenständen  altern  Charakters  vereinigt  sind  (1.  c.  S.  117  fg.).  Dieser  Grund- 
satz hat  seine  volle  Richtigkeit,  jedoch  nur  für  den  Fall,  dass,  wie  bei  den  Grabfunden,  die 
Steingeräthe  mit  dem  Charakter  eines  jüngem  und  eines  altern  Alters  gleichzeitig  neben 
einander  niedergelegt  sind,  sie  also  aus  derselben  Zeitporiode  herstammen.  Bei  den  Speise- 
abfallhaufen ist  dies  aber  nicht  bewiesen.  Man  ist  darüber  einig,  dass  die  zahlreichen  in 
ihnen  gefundenen  spahnförmigen  Feuersteinmesscr  woggeworfon,  die  höchst  vereinzelt  vor- 
kommenden, schön  gearbeiteten,  geschliffenen  Steinsachen  dagegen  verloren  gegangen  sind. 
Ob  al>er  jenes  Wegwerfen  und  dieses  Verlieren  in  derselben  Zeitopocho  stattgefunden  oder  ob 
nicht  gar  etwa  erst  im  Bronzealter,  wo  man  ja  auch  noch  Steingeräthe  benutzte,  selbige  ver- 
loren gegangen,  das  steht  dahin.  Erst  wenn  nachgewiesen  worden,  dass  jene  schön  geschlif- 
fenen Hämmer,  Aexte  und  Meissel  von  Stein  in  der  Tiefe,  in  den  unteren  Schichten  des 
Speiseabfallhaufens  gefunden  sind,  kann  man  ihr  gleichzeitiges  Verlorengehen  mit  dem  Weg- 
werfen der  rohen  Feueretoinmcsser  einräumen;  findet  man  dagegen  jene  auf  der  Oberfläche  oder 
ganz  oberflächlich  im  Muschellager,  so  ist  es  weit  wahrscheinlicher,  dass  sie  in  viel  späterer 
Zeit  verloren  gegangen  sind.  Dass  diese  Interpretation  keine  spitzfindig  ergrübelte  ist,  beweist 
augenscheinlich  ein  ungeheurer  Speiseabfallhaufen  von  260  Meter  Länge  und  15  bis  20  Meter 
Breite  an  der  Mündung  der  Canche  bei  Etaples  (Pas  de  Calais),  in  welchem  man  nicht  blos 
Scherben  von  Thongefässen  gefunden,  die  zum  Theil  aus  der  Bronzezeit  herstaminen,  sondern 
selbst  solche,  die  gaUo-römischen  Ursprungs  sind  (Hamy  et  Sauvage  im  Bulletin  de  la  So- 
cidtd  d Anthropologie,  2"e  Serie,  Vol.  II,  1867,  pag,  362). 


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antiquarische  Untersuchung.  277 

2.  Der  Fall  von  Roggow  (Lisch,  Jahrb.  IX,  S.  367)  ist  ein  ganz  anderer.  Hier  fand 
man  8 Fuss  tief  unter  der  Oberfläche  in  sehr  trockenem  Sande  oder  im  Orandboden  eine 
Menge  unverbrannter  Leichen  aus  dem  Steinalter.  In  der  Mitte  lag  ein  grosses  menschliches 
Gerippe,  neben  dessen  Haupt  links  ein  Pferdeschädel  und  6 bis  7 spahuformige  Feuerstein- 
messer sich  vorfanden.  Urnen  standen  am  Kopfe  und  zu  den  Füssen.  An  beiden  Seiten  des 
Gerippes  lagen  quer  wenigstens  12  bis  16  andere  Gerippe,  darunter  mehrere  kleine,  alle  mit 
den  Köpfen  dem  grossen  Gerippe  zugekehrt,  die  Füsse  seitwärts  abgewendet.  Alle  Gerippe 
und  Schädel  waren  wohl  erhalten.  Daneben  lagen  Gefassscherben  und  Keile.  Bei  zwei 
sehr  wohl  erhaltenen  und  gut  gebildeten  Schädeln,  deren  Nähte  bei  dem  einen  lose,  bei  dem 
andern  fast  verwaclisen  sind,  waren  die  Zähne  stark  und  kräftig,  kein  Zahn  war  hohl,  obgleich 
alle  Backenzähne  des  altem  Schädels  nach  aussen  hin  bis  zur  Hälfte  der  Krone  abgenutzt 
sind.  — Der  Pferdeschädel  beweist^  dass  das  Grab  nicht  in  die  Zeitperiode  der  Speiseabfall- 
haufen gehört,  wo  dieses  Thier  im  Norden  noch  unbekannt  war.  In  die  megalithiscbe  Stein- 
zeit kann  es  aber  auch  nicht  gesetzt  werden,  oben  wegen  seines  Mangels  an  jedem  Steinbau. 
Es  ist  offenbar  ein  ganz  anomales  Bcgräbniss.  Denn  aus  der  streng  regelmässigen  Lagerung 
der  12  bis  16  Leichen  im  Verhältniss  zu  der  Centralleiche  muss  man  notbwendig  den  Schiass 
ziehen,  dass  sie  alle  gleichzeitig  begraben  worden  sind,  denn  es  ist  undenkbar,  dass  mau 
in  einer  Tiefe  von  8 Fuss  12-  bis  16mal  dasselbe  Grab  geöffnot  habe,  um  jedesmal  eine  neue 
Leiche  beizusetzen  und  zwar  genau  in  demselben  Niveau  und  in  so  bestimmter  Lagerung, 
ohne  die  früher  begrabenen  Leichen  in  Urordnung  zu  bringen.  Bei  einem  gleichzeitigen  Be- 
graben aller  Leichen  konnte  man,  um  das  Verhältniss  der  Centralleiclie  zu  den  übrigen  au- 
zudeuten,  sehr  leicht  auf  den  Gedanken  kommen,  sie  so  auffallend  zu  lagern;  es  ist  aber  nicht 
denkbar,  dass  dies  geschehen,  wenn  die  Leichen  in  grossen  Zeitzwischenräumen  begraben  worden 
sind.  Wir  halten  allerdings  auch  mit  Lindcnschmit  dies  Begräbniss  für  ein  germanisches 
— schon  der  wohl  erhaltene  Zustand  aller  Skelette  scheint  auf  eine  weit  spätere  Zeit  zu 
deuten  — , aber  wie  diese  Leichen  hierher  gekommen,  können  wir  natürlich  nicht  erklären, 
obgleich  mehrere  Möglichkeiten  denkbar  sind.  Es  widerspricht  aber  allen  anerkannten  Regeln 
der  Naturforscbung  auf  ein  vereinzelt  dastehendes,  noch  dazu  ganz  anomales,  Factum  eine 
Fundamentaltheorie  mit  Lindensclimit  gründen  zu  wollen. 

Wenn  nun  auch  Lindenschmit's  Beweisführung  von  der  Einheit  des  Stcinaltervolkes 
in  Nord-  und  Suddeutschland  aus  dem  Vorkommen  der  einfachen  Erdgräber  beiderseits  für 
eine  misslungene  zu  erklären  ist,  so  könnte  man  aber  anderseits  auch  gegen  die  Ansicht, 
dass  die  Gahlen  das  Steinaltervolk  gewesen  und  dass  diese  das  ganze  megalithiscbe  Stein- 
gcbiot  nicht  blos  in  Europa,  sondern  auch  in  Afrika  und  Asien  nach  und  nach  einst  einge- 
nommen haben,  den  Einw&nd  erheben,  dies  sei  nur  für  einen  Thoil  des  megalithischcn  Stein- 
gebiete» in  Europa  nachgewiesen,  der  Schluss  aber  von  einem  Thatt&uf  das  Ganze  sei  nicht  zu- 
lässig. Allerdings  ist  der  linguistische  Beweis  aus  dem  Vorkommen  gaelischcr  Ortsnamen  für 
das  ganze  megalithische  Steingebiet  in  Europa  nicht  vollständig  geliefert,  namentlich  nicht 
für  Spanien.  Nichtsdestoweniger  lässt  der  Beweis  sich  boibringen,  dass  Gaelen  einst  auch 
ansessig  gewesen  auf  der  iberischen  Halbinsel.  Abgesehen  davon,  dass  der  Name  der  Pro- 
vinz Gallicien,  Gallnecia  (und  Portugal?)  darauf  hindeutet,  wird  im  zweiten  Theil  meiner 
Urgeschichte  des  Schleswig-Holstoinschen  Landes  der  Beweis  geführt  werden,  dass  die  Li- 


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278 


v.  Muack, 


garen  und  Gaelen  ein  und  dasselbe  Volk  gewesen.  Die  Liguren  haben  aber,  wie  historisch 
bezeugt  wird,  einst  auf  der  iberischen  Halbinsel  gewohnt,  welche  nach  ihnen  bei  Eratosthenes 
die  ligystische  heisst.  Nach  allen  alten  Nachrichten  sind  die  Iren  (Scoti)  von  Spanien  nach 
Irland  ausgewandert.  Daher  heisst  es:  Scoti  ex  Hispania  in  Hiberniam  pervenisse  in  Omni- 
bus nostris  annalibus  et  fragmentis  metricls  constanti  traditione  celebrantur  (O’Connor,  He- 
rum Hibernicamm  Scriptorea  vetere«,  Vol.  I,  Pars  II,  pag.  25,  cfr.  Eilinburgh,  Pbilosophical 
Journal,  January  1849,  pag.  72;  Prichard,  Researches  III,  pag.  140—149).  Es  ist  also 
bewiesen,  dass  die  Gaelen  das  ganze  niegalithische  Steinaltergebiet  in  Europa  eingenommen 
haben.  Wie  steht  aber  die  Sache  in  Afrika  und  Asien?  Was  Afrika  zunächst  betrifft,  so 
kann  uns  hier  die  archäologische  Untersuchung  eine  vorläufige  Antwort  ertbeilen.  Unter  den 
Steindenkmälern  kommen  die  Menhirs,  die  Cairns,  die  Steinkreise,  sowie  die  Tumuli  bei  sehr 
verschiedenen  Völkern  vor,  und  aus  deren  Anwesenheit  ist  noch  nicht  auf  eine  gleiche  Volks- 
thümlichkeit  zu  schliesscn.  Wenn  man  aber  die  ganz  eigen thümliche  Gräberform  der  grossen 
Dolmens  in  den  räumlich  von  einander  entferntesten  Ländern  (Siidskandinavien,  Nordafrika 
und  Indien)  wieder  antrifft,  so  wird  man  schwerlich  annchmen  können,  dies  sei  blosser  Zu- 
fall, die  verschiedensten  Völker  seien  ganz  unabhängig  von  einander  auf  diese  ganz  charak- 
teristische Grabform  gekommen,  die  Bonst  nicht  vorkommt.  Wenn  nun  aber  in  Afrika  und  in 
Europa  solche  Gräber  mit  Denkmälern  verwandter  Natur  gar  in  einem  Erdhügel  (Tumu- 
lus)  vereinigt  vorgefunden  werden,  so  ist  kaum  ein  Zweifel,  dass  hier  etwas  Nationales 
vorliegt  und  man  den  Zufall  als  bequemen  und  stets  bereiten  deus  ex  machina  nicht  wieder 
dazwischen  treten  lassen  kann.  So  findet  man  z.  B.  in  Afrika,  in  der  Bretagne  und  in  Irland 
die  sogenannten  Galgals  (angeblich  runde  Opferkammem  aus  losen  Steinen)  bisweilen  in  dem- 
selben Erdhilgel  mit  dem  Dolmen  vereinigt,  wie  z.  B.  am  Mano-Lud  bei  Locmariaquer  (Revue 
archdolog.,  1864,  Vol.  X,  p.  355 — 364).  Der  einheimischen  Sage  nach  sind  die  Iren  auch  von 
Afrika  ausgewandert.  Dafür  aber,  dass  die  Gaelen  ihre  Urheimath  in  Asien  gehabt,  legt  ihre 
Sprache  als  Zweig  der  grossen  arischen  Sprachfamilie  ein  unverkennbares  Zeugnis»  ab1). 
Allerdings  ist  unsere  Kunde  von  der  Verbreitung  der  Gaelen  auf  asiatischen  Boden  zur  Zeit 
noch  so  unvollständig  und  lückenhaft,  dass  eine  klare  Einsicht  in  diese  Verhältnisse  jetzt  noch 
unmöglich  ist.  Namentlich  sind  zur  Klärung  dieser  Angelegenheit  die  aus  dem  Semitischen 
unerklärlichen  Ortsnamen  auf  semitischem  Gebiete,  wo  gleichfalls  megalithische  Steingräber 
Vorkommen,  wie  in  Syrien  und  Palästina,  von  einem  gewiegten  Sprachforscher  auf  gaelische 
Wurzeln  zu  untersuchen.  Obermüller  hat  freilich  in  seinem  Wörterbuche  einen  solchen  Ver- 
such bereits  gemacht,  allein  bei  seiner  leichtfertigen,  kritischen  Weise  zu  etyinologisiren  sind 
seine  Resultate  unzuverlässig.  In  geschickteren  Händen  wird  wohl  dieses  Desiderat  der 
Wissenschaft  erfüllt  werden.  Dass  fliese  Aussicht  nicht  ganz  grundlos,  darauf  deutet  der 
Name  de9  Jordan  s hin,  cfr,  Noack,  Von  Eden  nach  Golgatha,  Leipzig  1868,  Theil  I,  S.  101 
in  Verbindung  mit  meiner  Abhandlung:  Der  benisteinführende  Eridanus  der  Alten  in  Koner’s 
Zeitschrift  für  Geographie,  Bd.  in,  S.  17  fg.,  wo  ich  nachgowiesen,  dass  das  Wort  Dan  in 


•)  Die  Hypothese  Benfey’s,  da**  Europa  die  Irhmmlth  der  Indogermanen  gewesen  (siehe  die  Vorrede 
S.  IX  zu  Kick’«  Wörterbuch  der  indogermanischen  Grundsprache,  üöttingen  1868)  ist  jedenfalls  noch  nicht 
einmal  wahrscheinlich  gemacht,  geschweige  denn  bewiesen,  so  das*  wir  sie  hier  können  anbeachtet  lassen. 


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279 


antiquarische  Untersuchung. 

den  Fluasnamen  Kridanus,  Rhodanus,  Khudon  bei  Marcianus  Bd.  II.  S.  39  (die  Düna)  Danus 
(Nebenfluss  der  Rhone),  die  heutige  Dain  oder  Ain)  Danubius,  Tanais,  der  Don  (welcher  bei 
Aberdeen  in  Schottland  mündet)  u.  s.  w.  im  Gaelischen  Wasser  oder  Fluss  bedeutet.  — Nach 
Lindenschmit  (1.  c.  S.  116)  lässt  sich  ein  unverkennbarer  Zusammenhang  der  ältesten  Grab- 
formen mit  denen  der  letzten  heidnischen  und  ersten  christlichen  Zeit  nachweisen.  Die  Fried- 
höfe aus  der  merowingischen  Zeit  geben  Zeugniss  für  die  lange  Dauer  altnationalcr  Sitte. 
Wir  begegnen  unter  den  Franken,  Burgundern  und  Alemannen  theils  vereinzelt,  theils  in 
Mitte  grosser  Todtenl&ger  auch  den  Steinkammem  aus  starken  Blöcken  zusammengestellt  und 
mit  schweren  unbehauenen  Platten  bedeckt  — Steinkammem  aus  starken  Blöcken 
zusammengestellt  und  mit  schweren  unbehauenen  Platten  bedeckt  sind  megalithische 
Steingräber,  und  diese  müssen  sich  natürlich  überall  da  finden,  wo  Franken,  Burgunder  und 
Alemannen  in  das  megalithische  Gebiet  eingedrungen  sind.  Da  aber,  wo  diese  Völker,  z.  B. 
die  Franken  am  Rhein,  das  cryptolithische  Gebiet  besetzten,  da  finde  man  nicht  jene  grosse 
Steinbauten.  Ich  muss  offen  meine  Unkunde  bekennen,  wo  auf  dem  von  den  Alemannen  be- 
setzten Gebieten  Deutschlands  und  der  Schweiz  megalithische  Steingräber  in  unserem  Sinne 
des  Wortes  gefunden  werden.  Wenn  die  Gräber  unweit  Ebringen  aus  dem  sechsten  bis 
achten  Jahrhundert  zum  Verwechseln  ähnlich  sind  mit  den  Plattengräbern  des  Friedhofes  von 
Oberingelheim,  so  beweist  dies  allerdings  die  Zusammengehörigkeit  beider,  aber  durchaus 
nicht  ihre  Zusammenstellung  mit  den  mcgalitliischen  Steingräbern  des  Nordens.  Diese 
kommen  nie  10  Fass  tief  im  Urboden  vor,  wenn  sie  auch  nicht  gar  selten  von  einem  Tu- 
mulus  bedeckt  sind,  dor  über  10  Fuss  hoch  über  dem  Urboden  emporragt,  und  wenn  auch 
nicht  gar  selten  zwei,  drei  oder  mehrere  Hünenbetten,  Hünengräber  und  Steinkammern  nahe 
bei  einander  Vorkommen,  so  ist  deren  Anzahl  doch  nicht  zu  vergleichen  mit  der  auf  den  Fried- 
höfen im  cryptolithiscbcn  Steinalter.  So  wurden  z.  B.  zu  Oberingelheim  auf  je  6 Quadrat- 
klaftor  10  bis  12  Plattengräber  gefunden.  Ucbrigens  bemerke  ich  schliesslich  noch  ausdrück- 
lich, dass  ich  keineswegs  für  das  Gebiet  der  cryptolithischen  Steinzeit  auch  eine  Nationalität 
statuirc;  ich  betrachte  diese  Frage  noch  zur  Zeit  für  eine  offene,  wenn  gleicheine  Bolche  Ein- 
heit sehr  unwahrscheinlich  ist 

IL  In  Betreff  der  Bestattungsweise  bestreitet  Lindenschmit  jeden  Zusammenhang 
zwischen  dieser  — Leichenbeerdigung,  Leichenbrand  — und  der  verschiedenen  Nationalität 
der  Begrabenen.  Er  sieht  im  Leichenbrande  nur  einen  Vorgang,  durch  den  gleich  wie  bei 
der  Beerdigung  der  schauderhafte  Anblick  der  Leichenzersetzung  schnell  beseitigt  werden  soll. 
Man  war  ja  früher  in  Besitz  des  Feuers  gekommen  als  in  den  Besitz  von  Werkzeugen  zum  Gra- 
ben, folglich  wird  man  die  Leichen  früher  verbrannt  als  begraben  haben  — ( a posse  ad  esse  non 
valot  cousequentia)  — ; jedenfalls  „glaubt“  er,  dass  die  Verbrennung  in  eine  ältere  Zeit  hinauf- 
reichen muss,  als  der  Bau  der  Hünengräber,  und  nach  seiner  „Ueberzeugung"  reichen  Leichen- 
brand und  Beerdigung  gleichmässig  in  die  Frühzeit  der  ersten  festen  Niederlassung  der  ein- 
zelnen Stämme  hinauf  (L  c.  S.  113  und  114).  Welchen  Werth  aber  auf  wissenschaftlichem 
Gebiete  jener  Glaube  und  diese  subjective  Ueberzeugung,  sowie  der  Schluss  von  der  Möglich- 
keit auf  die  Wirklichkeit  habe,  das  fühlt  Lindenschmit  selbst  durch  sein  Bekennen,  dass 
der  Leichenbrand  erst  nachzuweisen  sei,  als  man  Thongefässe  hatte.  Daraus  dürfe  man 
aber  nicht  etwa  schliessen,  dass  der  Leichenbrand  erst  seit  dieser  Zeit  Sitte  geworden,  denn 


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280 


v.  Muaek, 


man  finde  in  Grabhügeln  „späterer  Zeit“  die  Asche  der  Verbrannten  einfach  in  einer  vertieften 
Stelle  der  Basis  des  Tuinulns  geschüttet,  woraus  dem  Leser  dann  überlassen  bleibt,  den 
Schluss  zu  ziehen , dass  dies  auch  in  früherer  Zeit  der  Fall  gewesen  sein  mag.  Der  Hypo- 
these Lindensohmit's  liegt  offenbar  die  Ansicht  von  der  Zweckmässigkeit  und  Nützlichkeit 
des  Leichenbrandes  zu  Grunde.  Man  sieht  aber  nicht  ein,  weshalb  man  aus  Zweckmässig, 
keitsgründen  von  der  nicht  minder  zweckmässigen  Beerdigung,  welche  Lindenschmit  doch 
auch  für  die  ursprüngliche  Bestattungsweise  ansieht,  sollte  abgegangen  sein.  Dies  bleibt  ein 
unauflösliches  Räthsel.  Dagegen  klärt  die  Völkerpsychologie  die  Sache  vollkommen  auf.  Es 
ist  eine  allgemein  anerkannte  psychologisch-historische  Thatsache,  dass  jedes  Volk  an  keiner 
■Sitte  so  fest  hält,  wie  an  der  mit  religiösen  Ideen  zusammenhängenden  Todtenbestattung. 
Denn  alle  religiösen  Sitten  sind  der  Veränderung  weniger  unterworfen  als  die  profanen 
( Nilsson,  das  Steinalter.  S.  1 14).  Es  ist  daher  ganz  undenkbar,  dass  ein  Volk  plötzlich  aus  freien 
Stücken,  ohne  alle  äussere  Veranlassung,  auf  den  Einfall  kommen  sollte,  anstatt  die  Leichen 
beizusetzen,  sie  zu  verbrennen.  Wo  ein  solcher  Wechsel  stattgefunden,  da  ist  daraus  zunächst 
der  sichere  Schluss  auf  eine  verschiedene  Religionsansicht,  auf  einen  verschiedenen  Cultus  zu 
ziehen.  Die  Beerdigung  hängt  zusammen  mit  dem  uralten  Cultus  der  unterirdischen,  der 
Leichenbrand  mit  dem  spätem  Cultus  der  himmlischen  Mächte;  während  man  erst  den 
Körper  des  Erdgeborenen  wieder  in  den  Schoss  der  mütterlichen  Erde  senkte,  opferte  man 
ihn  später  dem  Himmel.  Um  nach  Walhalla  zurückzukehren,  Hessen  sich  Odin’s  Gefährten, 
damit  die  Seele  nicht  am  Grabe  klebe,  mit  ihren  Schätzen  verbrennen  und  Cenotaphien 
errichten.  Hier  liegt  die  den  Leichenbrand  begründende  religiöse  Idee  klar  zu  Tage,  „Einer 
Mutter  gleich  hat  die  Erde  den  aus  ihr  Geborenen  in  sich  zuriiekempfangen,  wie  der  Hellene 
denn  den  Todten  als  Jijftijrptoj,  den  der  Mutter  Angehörigen,  bezeichnete.  Daher  darf  den 
unterirdischen  Mächten  ihr  Anspruch  auf  den  Todten  nicht  verkürzt  werden.  Es  steht  dem- 
nach das  Begraben  der  Todten  mit  einer  dustern,  finstern  Lebensansicht  in  Zusammenhang.“ 
(Grimm,  Kleine  Schriften.  Bd.  II,  S.  243  fg.)  Allerdings  ist  der  Leichenbrand  nicht  in  Ver- 
bindung zu  bringen  mit  der  Einführung  des  Erzes,  sondern  mit  einer  Aenderung  in  den  reli- 
giösen Ansichten,  daher  denn  auch  das  Christenthum  das  Begraben  wieder  zur  allgemeinen 
Sitte  erhob,  nicht  aus  blosser  Opposition  gegen  das  Heidenthum,  sondern  weil  es  aufs  Innigste 
mit  seiner  Weltansicht  zusammenhing:  aus  Erde  bist  Du,  zu  Erde  sollst  Du  wieder  werden. 
— Das  megalithische  Steinaltervolk  war  in  späterer  Zeit  durch  Handelsverbindungen  mit 
den  höher  cultivirton  Völkern  des  Mittelmeeres  in  den  Besitz  von  bronzenen  Waffen  und 
Geräthen  gekommen.  Lindenschmit  hat  auf  das  Unwiderleglichste  die  Handelsroute  durch 
die  Schweiz  und  das  Rheinthal  nach  dem  Norden  hin  nachgewiesen  (L  c S.  120  fg.),  Womit 
die  uralten  Nachrichten  zu  verbinden  sind  von  einem  heiligen  Wege,  uqi\  öäog,  welcher, 
von  Italien  über  die  Alpen  führend,  von  allen  angrenzenden  Völkerschaften  für  einen  im 
ewigen  Frieden  liegenden  erklärt  worden  ist.  Der  Zweck  einer  solchen  Ausnahmestellung 
eines  Weges  kann  aber  nur  ein  handelspolitischer  gewesen  sein,  um  den  einen  reichen  Ge- 
winn abwerfenden  Verkehr  mit  dem  Norden  nicht  zu  stören.  Nur  das  gemeinsame  Interesse 
aller  bei  einem  solchen  Verkehr  interessirten  Völkerschaften  konnte  ein  solches  Ueberein- 
kommen  zu  Stande  bringen.  Durch  einen  solchen  Zwischenhandel  auf  dem  Landwege  konnte 
wohl  dio  Bronze  nach  dem  Nonien  gelangen , aber  nicht  die  Bestattungsweise  der  Todten 


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antiquarische  Untersuchung 


281 


total  umgewandelt  werden.  Man  änderte  daher  die  Bauart  der  Gräber  nicht;  in  derselben 
Grabforin  finden  wir  daher  wie  früher  Stein-  jetzt  Bronzesachen,  bald  allein,  bald  neben  dein 
Steiugeräth  und  dabei  das  Skelet. 

Von  der  verschiedenen  Bestatt ungs weise  der  Todten  darf  man  aber  auch  nicht  geradezu 
auf  eine  verschiedene  Nationalität  der  Volker  sckliessen.  Die  dadurch  angedeutet«  Umwand- 
lung in  den  Religionsausichten  kann  nämlich  stattgefunden  haben  ohne  Eindringen  eines 
fremden  Volkes.  So  wissen  wir  z.  B.,  dass,  als  Darius  Hystaspis  durch  eine  Gesandtschaft  die 
Karthager  zu  einem  Bündniss  gegen  die  Hellenen  aufforderte  und  ihnen  Vorstellungen 
machen  liess,  nach  Zarthustra’s  reiner  Lehre,  in  Zukunft,  statt  ihre  Todten  nach  uralter 
semitischer  Sitte  zu  beerdigen,  solche  zu  verbrennen,  die  Karthager  das  Bündniss  zwar  ab- 
lehnten, aber  von  der  Zeit  den  Leichenbrand  zu  üben  versprachen,  zumal  da  das  Mutterland, 
Phoenicien,  als  Provinz  des  persischen  Reiches,  auf  diese  Neuerung  hatte  umgehen  müssen. 
Andererseits  kann  man  aber  auch  nicht  von  der  gleichen  Bestattungsweise  auf  eine  gleiche 
Volkstümlichkeit  schliessen,  wie  denn  beispielsweise  Kelten  und  Wenden  beide  ihre  Todten 
verbrannten.  Wenn  also  weder  die  Verschiedenheit  noch  die  Gleichheit  in  der  Bestattungs- 
weise einen  Beweis  abgiebt  für  die  verschiedene , noch  für  die  gleiche  Nationalität,  so  ist 
Lindenschmit  in  einem  Irrthum  befangen,  wenn  er  meint,  das  Gegenteil  von  der  Hypo- 
these eines  Völkerwechsels  ergebe  sich  daraus,  dass  der  Zusammenhang  der  verschiedenen 
Bestattungsarten  merowingischer  Friedhöfe  mit  denen  der  entferntesten  Vorzeit  sich  ausser 
Zweifel  stellen  lässt  (Lc.  S.  116).  Die  merowingischen  Friedhöfe  gehören  der  Zeit  der  Völker- 
wanderung an,  wo  nicht  blos  die  Völker,  sondern  auch  ihre  Sitten  bunt  gemischt  wurden. 
Beruhte  der  Beweis  von  dem  Völker  Wechsel,  wie  Lindenschmit  zu  meinen  scheint,  einzig 
und  allein  auf  der  verschiedenen  Bestattungs weise,  dann  stände  diese  Lehre  allerdings  aut 
schwachen  Fussen.  Aber  nicht  aus  der  Bestattungsweise,  sondern  nur  aus  der  Sprache  lässt 
sich  eine  verschiedene  Nationalität  erweisen. 

Ein  Hauptargument,  welches  Lindenschmit  für  seine  Hypothese  beibringt,  ist  die 
Thatsache,  dass  bei  gleicher  Bauart  der  Gräber  in  Dänemark  und  Norddcutschland  die  Be- 
stattungsweise eine  ganz  verschiedene  gewesen:  in  Dänemark  vorherrschend  Leiclienbeerdigung, 
in  N’orddeutschland,  Mecklenburg  jedoch  ausgenommen,  vorherrschend  der  Leichenbrand. 
Wie  ist  nun  diese  Differenz  zu  erklären?  Will  man  die  Urgeschichte  eines  Landes  erforschen, 
so  muss  man  vor  allen  Dingen  einen  allgemeinen  Ueberblick  über  die  späteren  Perioden 
der  vorhistorischen  Zeit  sich  erworben  haben,  weil  diese  oft  ein  helles  Licht  auf  die  früheren 
Zeiten  zurückwerfeu,  gleich  wie  man  nach  Thucydides  Bd.  I,  S.  6 aus  der  Gegenwart  die  Ver- 
gangenheit erkennen  kann.  Nun  lässt  sich  ebenfalls  auf  linguistischem  Wege  darthun,  dass  einst 
Kelten,  d.  h.  Kymren,  auf  der  kimkrischen  Halbinsel,  den  dänischen  Eilanden  und  Südschweden 
(Ptolomäus'  skandischen  Inseln)  gehaust  liabAn.  Ortsnamen  sowohl  als  Sprachreste  in  dem 
Idiom  ihrer  Nachfolger  liefern  davon  den  unumstößlichen  Bowei-s,  den  ich  in  meiner  Ur- 
gescliichte  des  Schleswig- Holsteinischen  Landes  darlegen  werde.  Auch  hier,  wie  überall  wo 
Kymren  und  Germanen  zusammungestosseu,  treffen  wir  ausser  rein  keltischen  auch^auf  Orts- 
namen, deren  erste  Hälfte  kymrisch,  dereu  letzte  aber  deutsch  ist,  eine  Erscheinung,  welche 
sich  einfach  dadurch  erklärt,  dass  die  oinwandernden  Germanen  die  keltischen  Ausdrücke  für 
Dorf,  Stadt,  Wasser  u.  s.  w.  für  Nomina  propria  ansehend,  ihnen  eine  deutsche  Bezeichnung 

Archiv  f»r  Anthropologie.  Bd.  Ul.  lief»  1.  36 


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v.  Maack 


‘282 

anhängten.  So  bedeutet  z.  B.  in  dem  Worte  Kisdorf  Kis  ein  Dorf1).  Von  rein  keltischen 
Namen  finden  wir  beim  Plinius:  Mentonomon  (cfr.  meine  Urgeschichte  des  Schleswig -Hol- 
steinischen Landes,  Thoil  I,  S.  35),  Morimarusa  (1.  c.  S.  43),  Cartris  vom  wäl.  carth,  der  äus- 
serste  Theil,  das  Vorgebirge,  und  bei  dem  Geographen  von  Ravenna  den  uralten  Namen 
der  Eider  Dina  (1.  c.  S.  88).  Von  Flussnamen  gehören  hierher  die  Nebenflüsse  der  Elbe,  die 
Stör,  brit.  Ster.,  Fluss,  und  die  Alster,  d.  h.  der  grosse  Fluss.  Auch  viele  Dorfnamen  sind  rein 
keltisch,  z.  B.  Hönkys  (Dorf  im  Amte  Apenrade,  Nordschleswig),  vom  wäL  hen,  alt,  und  kis, 
Dorf,  also  das  alte  Dorf;  Nitcheln  (Dorf  in  Wagrinen),  vom  wäl.  nuchel,  hoch,  erhaben;  Idstedt 
(Dorf  in  Angeln),  einst  unter  dem  alten  Namen  Istathe,  der  Hauptort  Schleswigs,  wo  y der 
wälische  Artikel  ist,  also  die  Stadt  «or’  t'lo^iji»,  entsprechend  dem  spanischen  ystad,  gleich 
wie  das  römische  urbs  (Rom)  und  das  griechische  otfru  und  sroAig  (Athen,  Constantinopel  = Stam- 
bul)  Henstedt  u.  s.  w.  Ein  Verkehr  der  Germanen  mit  den  Kymren  lässt  sich  also  ebenso 
wenig  hier  im  Lande  selbst  in  Abrede  stellen,  wie  in  einem  grossen  Thcile  Norddeutschlands, 
so  dass  folglich  die  Autochthonie  der  Germanen  nichts  ist  als  eine  grundlose  Hypothese.  Auf 
die  zahlreichen  kymrischen  Wörter  im  Dänischen  (ganz  im  Gegensatz  zum  Schwedischen,  wo 
sie  weit  seltener  sind),  wollen  wir  aus  dem  eben  angegebenen  Grunde  nicht  weiter  eingehen, 
nur  können  wir  uns  nicht  versagen,  wenigstens  ein  recht  schlagendes  Beispiel  für  den  Ver- 
kehr im  Lande  der  Kymren  mit  dem  vor  ihrer  Mischung  mit  den  Nordgermanen  rein 
gothischen  Volke  der  Dänen  hier  beizubringen.  Eins  der  ärgsten,  noch  jetzt  gebräuchlichen 
Schimpfwort«  in  Dänemark  ist:  Din  Keltring,  d.  h.  Du  Abkömmling  eines  Kelten!  folglich 
muss  im  Dänenvolke  ein  keltischer  Bestandtheil  enthalten  gewesen  sein.  Nun  wissen  wir  aber, 
dass  die  Kelten  ihre  Todten  verbrannten.  Erst  durch  die  Kymren  kam  der  Leichenbrand 
nach  dem  Norden.  Während  diese  nun  aber  im  Norden  die  in  Thongefässen  gesammelte 
Knochenasche  in  dem  Umkreise  der  Tumuli  der  megalithischen  Steingräber  vergruben  und 
nur  ausnahmsweise  sie  in  Steinkisten  entweder  allein  oder  neben  einer  beigesetzten  Leiche 
stellten,  fand  die  letzte  Bostattungsweise,  die  Beisetzung  der  Aschenumen  in  die  Steinkammer 
vorzugsweise  in  Norddeutschlaml  bei  den  Kymren  Statt.  Lindenschmit  irrt  daher,  wenn 
er  es  auflallend  findet,  dass  die  dänischen  und  deutschen  Systematiker  zur  Erklärung  der 
Thatsaohe,  dass  in  Dänemark  das  Begraben,  in  Norddeutschland  das  Verbrennen  „im  Stein- 
alter“ vorherrschte,  eines  fremden  verschwundenen  Urvolkes  „bedurfte“,  welches  doch  zwei  ver- 
schiedene Begräbnissarten  hatte,  wie  die  später  höher  gebildeten  Einwanderer  und  Eroberer 
(1.  c.  S.  114).  Wir  bedürfen  nämlich  keines  Urvolkes  mit  zwei  verschiedenen  Begräbnissarten. 
Das  Urvolk,  welches  nicht  spurlos  verschwunden,  sondern  wenigstens  theilweise  mit  den 
eindringenden  Kymren  verschmolzen  ist,  übte  nur  die  eine  Sitte  des  Begrabeus;  wo  aber 
in  den  megalithischen  Gräbern  die  Reste  einer  Leichenverbrennung  gefunden  werden,  da 
stellten  die  siegreichen  Ankömmlinge  ihre  Ascnenurnen  in  die  Gräber  der  Ueberwundeneu. 
Doch  bemerkt  Nilsson  (das  Steinalter,  Hamburg  1868,  S.  109)  ausdrücklich,  dass  bei  uns 
(d.  h.  in  Schonen)  noch  in  keinem  Ganggrabe  Spuren  von  gebrannten  Menschenknochen  an- 
getrofl'en.worden  sind.  Dabei  lässt  sich  nun  auch  ein  ganz  allmäligcr  Uebergang  naehweisen: 


I las, eite  thaten  auch  die  ((riechen  t.  B.  in  dem  Namen  An  i steckt,  da»  iriiche  ais,  liügel, 
Berg  und  irisch  bior,  Watser,  also  Bergwawer. 


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antiquarische  Untersuchung.  283 

die  Beisotzung  der  Aschenurnen  in  geringer  Tiefe  im  Grabhügel  des  Steinalte rvolkes  nahe 
seiner  Peripherie,  oder  auf  dessen  Spitze  in  grosserer  Tiefe  oberhalb  der  oentralen  Stein- 
kamuier,  oder  in  einem  Anbau  an  derselben  oder  endlich  in  dieser  selbst  bald  neben  einer 
beerdigten  Leiche,  bald  nach  deren  Entfernung.  Alle  diese  Begräbnissweisen  sind  nicht  an 
besondere  Localitüten  gebunden,  sondern  finden  sich  überall  im  megalithlschen  Steingebiete. 
Während  aber  im  Norden  die  Steingräber  meistens  ungestört  bleiben,  war  dies  im  Süden 
nicht  der  Fall.  Schleswig- Holstein  und  namentlich  Holstein  bildet  das  Uebergangsglied 
zwischen  beiden , so  dass  es  eine  Zeitlang  zweifelhaft  gewesen,  ob  hier  die  nordische  oder  die 
deutsche  Begräbnissweise  vorherrschte.  Wir  finden  durchaus  nichts  Unerklärliches  in  diesen 
Verhältnissen  und  können  daraus  nur  auf  eine  verschiedene  (sociale)  Stellung  der  Ueber- 
wundenen  zu  ihren  Siegern  schliessen.  Und  gleich  wie  wir  ein  megalithisches  Steingrab  mit 
Bronzegaben  allein  oder  in  Verbindung  mit  Steinsachen  neben  einem  Skelette  ’ noch  dem 
Steinaltervolke  beimessen,  ohne  dass  eine  Einwanderung  eines  neuen  Volkes  stattgefunden 
(älteres  Bronzealter),  so  schreiben  wir  jedes  Grab,  worin  Leichenbrand  allein  oder  in  Ver- 
bindung mit  Leichenbeisetzung  vorkommt , möge  dabei  Bronze-  oder  selbst  ausschliesslich 
Steingeräth  gefunden  werden,  den  eingewanderten  Kelten  zu  (jüngeres  Bronzealter);  denn  es 
ist  ja  allgemein  anerkannt,  dass  neben  dem  Bronze-  noch  lange  Steingeräth  in  Gebrauch 
gewesen  und  daher  durchaus  keine  Nothwondigkeit  vorliegt,  dass  jedesmal  in  den  Gräbern 
dieser  Zeitperiode  auch  Bronze  gefunden  werden  müsste.  Diese  erobernden  Einwanderer 
kannten  allerdings  die  Bronze,  welche  ja  aber  auch  bei  dem  Steinaltervolke  bereits  seit  langer 
Zeit  Eingang  gefunden  hatte.  Doch  lernte  man  erst  durch  die  neuen  Ankömmlinge  die  Bear- 
beitung der  Metalle  kennen , wobei  aber  natürlich  der  Import  der  Metallsachen  (von  Gold, 
Bronze  und  selbst  von  Eisen)  aus  den  Mittelmcerländem  nach  dem  Norden  hin  ungestört 
noch  fortdauerte. 

Als  oberstes  Eintheilungsprincip  der  Gräber  der  ruegalithischen  Steinzeit  gilt  uns  also 
die  Bestattungs weise:  Leichenbeisetzung  (Steinzeit  und  älteres  Bronzealter)  und  Leichenbrand 
(jüngeres  Bronzealter).  Bei  der  Leichenbeerdigung  des  Steiualtervolkes  unterscheiden  wir 
demnächst  je  nach  den  Grabgaben  (Stein,  Bronze)  das  Stein-  und  ältere  Bronzealter.  Nur  auf 
diese  Weise  kommt,  ohne  dass  den  Thatsacheu  Gewalt  angethan  wird,  aber  mit  Berück- 
sichtigung a 1 1 e r dabei  in  Betracht  kommenden  archäologischen  Momente,  namentlich  auch 
der  linguistischen,  klares  Licht  und  einfache  Ordnung  in  die  bis  dahin  verwirrte  Masse.  Wir 
haben  damit  einerseits  erklärt,  wie  ohne  Eindringen  eines  erobernden  Volkes  Metall  in  den 
Steingräbern  gefunden  werden  konnte,  nämlich  durch  die  Handelsverbindungen  dos  Steinalter- 
volkes mit  den  Mittelmeerbewohnern,  und  andererseits  die  Behauptung  Lindcnschmit's  wider- 
legt, dass  es  gradezu  unmöglich  sei,  die  Hünengräber  und  HUnenbetten  von  den  übrigen  Grab- 
stätten auf  Grund  des  iu  den  Steingräbern  vorherrschenden  Leicbenbrandes  bei  der  völligen 
Congruenz  des  beiderseitigen  so  charakteristischen  Inhalts  zeitlich  und  national  zu  scheiden 
(L  c.  S.  113). 

Es  bleibt  uns  in  dieser  Hinsicht  nur  noch  übrig  zu  untersuchen,  ob  cs  begründet  sei,  dass 
später  eindringende  erobernde  Völker  die  megalithischen  Gräber  der  Besiegten  für  ihre  Todten 
benutzt  oder  wohl  gar  solche  Gräber  noch  späterhin  errichtet  haben  sollten.  Es  kann,  wie 
bereits  oben  bemerkt,  als  auf  linguistischem  Wege  bewiesen  angesehen  werden,  dass  das  mega- 

36* 


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v.  Maack, 


2*4 

lithiscbe  Steinaltervolk  der  Gaelen  Liguren  gewesen,  die  von  Nordafrika  au*  in  Europa  ein- 
gewandert sind.  Es  mnas  aber  diese  Einwanderung  vor  der  der  Libyer  (Berber)  in  Afrika 
stattgefunden  haben,  weil  sonst  diese  und  nicbt  die  Liguren  nach  Europa  hinUbergedrängt 
worden  wären.  KeinenfalLs  sind  also  die  Libyer  die  ursprünglichen  Erbauer  der  afrikanischen 
megalithischen  Steingräber.  Denn  da,  wie  oben  nachgewiesen  worden,  die  Erbauer  der  afri- 
kanischen und  europäischen  megalithischen  Steingräber  ein  und  dasselbe  Volk  gewesen,  so 
wurden  die  Libyer,  hätten  sie  in  Afrika  solche  Gräber  ursprünglich  errichtet,  auch  in  Europa, 
so  weit  das  megalithische  Steingebiet  sich  erstreckt,  dieselben  erbaut  haben  müssen.  Nun 
rindet  man  aber  von  ihnen  hier,  abgesehen  von  ihren  Niederlassungen  auf  einzelnen  Inseln 
des  Mittelmeeres,  z.  B.  Sardinien  (Pausanias,  cfr.  O.  Müller,  die  Etrusker,  Bd.  I,  S.  183) 
nicbt  die  geringste  Spur,  da  doch  die  Gaelen  überall  in  Ortsnamen  ihren  früheren  Aufenthalt 
documentirt  haben.  Wenn  nun  auch  die  Libyer  nicht  die  Erbauer  der  afrikanischen  mega- 
lithischen  Gräber  gewesen  sind,  so  haben  sie  sie  doch  unbedenklich  für  ihre  Todten  benutzt 
Daher  trifft  man  in  den  nordafrikanischen  Dolmens  in  der  Regel  bronzene  und  eiserne  Waffen 
und  Geräth,  ja  Feraud  (Revue  archeologique,  1863,  Vol.  VIII,  pag.  520  sq.)  fand  in  einer 
Steinkiste  eine  BronzemUnze  der  römischen  Kaiserin  Faustina.  Was  aber  in  Afrika  bei  den 
Libyern  stattgefunden,  das  wird  wahrscheinlich  auch  bei  anderen  Völkern  in  Europa  und 
Asien  der  Fall  gewesen  sein,  da  ein  solches  Benehmen  einem  rohen  Sieger  so  nahe  liegt. 
Es  fragt  sich  aber,  ob  man  auch  sichere  Beweise  dafür  beizubringen  im  Stande  ist  Dazu 
scheint  der  Fall  nicht  gerechnet  werden  zu-  können  von  dem  Krause  (Archiv  des  Ver- 
eins für  Geschichte  und  Alterthümer.  Stade  1864.  Bd.  II,  S.  267  fg.)  berichtet  Man  fand 
nämlich  zu  Fickmühlen  bei  Bederkesa,  Kirchspiel  Flögeln  (Hannover)  in  einem  HUnengrabe 
mit  Steinkiste  eine  kleine  Urne  mit  etwa  70  kleinen  Silbermünzen  von  Vospasianus,  Titus, 
Antoninus,  Pius  und  Philosoplius,  Marcus  Aurelius  (?)  und  der  Kaiserin  Faustina,  Aus  dieser 
Relation  — das  Original  ist  mir  nicht  zugänglich  gewesen  — ist  nun  nicht  zu  ersehen,  ob  die 
kleine  Urne  mit  den  Silbermünzen  in  dem  HUnengrabe  selbst  oder  nur  ausserhalb  desselben 
im  Tumulus  gefunden  worden,  ob  es  eine  Aschenurne  gewesen  oder  nicht.  Nur  für  den  Fall, 
dass  sie  in  der  Steinkiste  selbst  angetroffen,  kann  sie  als  Beweis  dienen,  dass  Germanen  in 
der  römischen  Kaiserzcit  die  megalithischen  Steingräber  für  ihre  Todten  benutzt  haben. 
Dies  ist  aber  höchst  unwahrscheinlich,  denn  Tacitus  (Germania  cap.  27)  sagt  ausdrücklich  von 
den  Germanen:  monumentorum  arduuni  et  operosum  honorem  ut  gravem  defunctis  asper- 
naritur,  d.  h.  die  ihm  aus  keltischen  Landen  wohl  bekannten  Riesengräber  sind  nicht  ger- 
manischen Ursprungs  (Dr.  Hartmann  im  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  1863, 
Nr.  4).  Wenn  nun  aber  auch  die  Germanen  die  megalithischen  Steingräber  nicht  als  Be- 
gräbnissstätten  für  ihre  Todten  benutzten,  so  folgt  daraus  noch  nicht,  dass  die  Kymren,  die 
nächsten  Nachfolger  der  Gaelen,  die  gleiche  Sitte  gehabt  haben.  Im  Gegentheii,  dass  es  bei 
ihnen  in  der  Dis  auf  den  heutigen  Tag  rein  keltischen  Bretagne  noch  in  viel  späterer  Zeit 
(zwischen  den  Jahren  546  und  552  n.  Ohr.)  Gebrauch  gewesen,  in  megalithischen  Stein- 
gräbern Todte  beizusetzen,  dafür  bringt  Lindenschmit  selbst  (1.  c.  S.  116)  nach  Gre- 
gor von  Tours,  Bd.  IV,  S.  4,  einen  recht  schlagenden  Beweis  bei.  Dass  aber  die  Grab- 
kammer zur  Verbergung  ries  flüchtigen  Macliav  (=  M'Liav,  d.  h.  des  Sohnes  von  Liav  [oder 
Leif?],  also  Lefscn  oder  Lehsen)  gegen  seine  Verfolger  errichtet  worden  (wozu  auch  wohl 


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antiquarische  Untersuchung.  2S!» 

keine  Zeit  vorhanden  war),  geht  ans  den  Worten:  aub  terra  in  loco  abscondit  nicht  hervor, 
da  nur  gesagt  wird:  componens  desuper  ex  more  turnulam.  Aus  der  Sitte  einen  Erdhügel 
aufzuwerfen,  darf  man  noch  nicht  auf  die  Sitte  der  Errichtung  von  megnlithischen  Stein- 
gräbern schliessen.  Hätte  der  Chronist  dies  berichten  wollen,  so  würde  er  sich  anders  aus- 
gedrückt haben,  als  blos  zu  sagen:  in  loco  sub  terra,  was  indirect  das  Vorhandensein  eines 
megnlithischen  Grabes  anzudeuten  scheint.  Wenn  aber  die  Kymren  der  Bretagne  die  Dol- 
mens der  Gaelon  fiir  ihre  Todten  benutzt,  so  werden  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Kym- 
ren  Norddeutschlands  dasselbe  gethan  haben.  Wünschenswert!»  ist  es  jedoch,  dass  dies  un- 
zweideutig nachgewiesen  werde,  was  zu  erwarten  steht,  wenn  die  Archäologen  auf  diesen 
Punkt  ihre  Aufmerksamkeit  gerichtet  haben  werden.  Daraus  aber,  dass  aus  jener  Stelle  beim 
Gregor  von  Tours  noch  nicht  zu  folgern  ist,  »lass  um  die  Mitte  des  ü.  Jahrhunderts  n.  Chr.  die 
Kymren  in  der  Bretagne  megalithische  Steingräber  errichteten,  folgt  nicht,  dass  Uber  1000 
Jahr  früher  die  Kymren  hier  in  Norddeutschland  dies  nicht  gethan  haben.  Es  würde  uns 
viel  zu  weit  von  unserer  Aufgabe  abflihren,  wenn  wir  hier  näher  auf  diese  Frage  eingehen 
wollten.  Wir  müssen  daher  auf  unsere  später  erscheinende  Urgeschichte  des  Schleswig-Hol- 
steiniseben  Landes  verweisen,  zumal  da  es  hier  von  untergeordnetem  Interesse  ist  zu  wissen, 
ob  man  noch  im  jüngeren  Bronzealter  megalithische  Steingräber  errichtet  habe  oder  nicht. 

Germanen  haben  es  jedenfalls  nicht  gethan. Wenn  aber  Lindenschmit  sagt  (L  c. 

S.  111):  „Bei  der  Abwesenheit  der  grossen  Steinhauten  im  Rheinlande  müssen  wir  annehmen, 
dass  unser  steinzcitliehor  Adel  nicht  gleiche  Begriffe  von  Standesehre  in  Bezug  seiner  Gräber 
hegte,  wie  der  nordische,  oder  dass  die  rheinischen  Hünen  sich  bei  weitem  keiner  solchen  An- 
zahl bevorzugter  Geschlechter  erfreuon  konnten,  wie  sie  nach  Ansicht  unserer  Antiquare  aus 
der  Masse  von  Steindenkmälern  für  Mecklenburg  und  Hannover  unzweifelhaft  anzunehmen 
ist“:  so  liegt  einem  solchen  Aussprache  die  unerwiesene  Ansicht  zu  Grunde,  dass  alle  mega- 
lithischen  Steingräber  nur  für  einen  kleinen  Theil  des  Volkes,  für  die  Aristokratie  bestimmt 
gewesen,  während  die  groase  Mehrzahl  der  Volksgenossen  in  Sümpfen  und  Sandhügeln  ihre 
letzte  Ruhestätte  gefunden  hätte.  Eine  dichte  Bevölkerung  des  Landes  ist  nicht  zu  beweisen 
und  auch  unwahrscheinlich,  weil  nur  die  Meeresküsten  und  Fjorde,  der  Lauf  der  Flüsse  und 
Landseen,  nicht  das  Innere  des  Landes  bewohnt  gewesen.  Aus  diesem  Grande  und  nach  Ana- 
logie der  späteren  Wanderungen  ist  es  daher  einleuchtend,  dass  das  megalithische  Steinalter- 
volk der  Gaelen  nicht  in  einer  grossen  Masse,  sondern  in  verschiedenen  einzelnen  kleinen 
Clans  sich  längs  den  Westküsten  Europa’s  ausgebreitet  habe  und  in  den  Norden  eingedrangen 
sei.  Bei  der  engen  patriarchalischen  Verfassung  dieser  Clans,  wo  in  der  Urzeit  die  Macht 
und  das  Ansehen  des  Häuptlings  gowiss  noch  nicht  ein  so  überwiegende«  gewesen  wie  in 
späteren  Zeiten,  und  namentlich  aus  religiösen  Gründen,  kann  man  nicht  annehmen,  dass  nur 
das  Haupt  eiues  Clans  und  dessen  Familie  ein  Steingrab  erhalten,  die  übrigen  Volksgenossen 
aber  einlach  in  Sümpfen  und  SandhUgeln  versenkt  oder  verscharrt  worden  seien.  Gegen 
solch’  eine  Annahme  spricht  schon  die  ungeheure  Anzahl  der  Gräber  aus  der  megalithischen 
Steinzeit,  welche,  wenn  sie  nur  die  Grabstätten  der  Aristokratie,  der  Clanshäupter,  gewesen, 
eine  ausserordentlich  starke  Bevölkerung  dos  Landes  voraussetzen  würde.  Auch  sind  die  Bei- 
gaben vieler  Gräber  so  ärmlich  oder  fehlen  wohl  gar  gänzlich,  daas  man  dabei  nicht  an  einen 
Aristokraten  denken  kanu,  der  hier  begraben  worden.  Endlich  ist  die  Ansicht  nicht  begründet, 


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•286 


v.  Maack 


dass  die  megaiithischen  Steingräber  nur  einen  Prachtbau  abgegeben  zur  Bezeichnung  der 
hervorragenden  socialen  Stellung  der  darin  Begrabenen.  Ihr  Hauptzweck  war  vielmehr  dem 
Todten  möglichst  ungestört  eine  gesicherte  Ruhestätte  zu  bereiten.  Denn  davon  hängt  das 
Schicksal  der  Seele,  die  Ruhe  des  Schattens  ab,  der  nicht  eher  zur  Ruhe  kommt,  prius  quam 
sedibus  ossa  quierunt  (Vergib  Aon.  VI,  p.  327).  Dieser  Gedanke  beherrschte  die  uralte 
Welt,  welche  den  Gräbern  Unvorgänglichkeit  zu  leihen  suchte.  In  diesem  Glauben  stellten 
Aegyptens  Pharaonen  den  Riesendeckel  der  Pyramiden  auf  ihr  Grab,  in  diesem  Glauben 
tbiirmten  auch  die  nordischen  Gaölen  die  Riesenblöcke  zu  einer  Grabeskammer  über  einan- 
der auf.  Die  megaiithischen  Steingräber  sind  also  die  Todtenstätten  des  ganzen  gaelischen 
Volkes  und  wo  etwa  Leichenreste  in  Sandlagern  und  Sümpfen  gefunden  werden  mit  Zeichen, 
dass  sie  nicht  aus  späteren  Zeiten  herstammen,  da  sind  es  sicherlich,  wie  das  zu  Plau  gefun- 
dene Skelet  und  der  Schädel  aus  dem  Torfmoore  zu  Sülz,  die  zu  Sklaven  gemachten  Ur- 
einwohner der  Speiseabfallhaufon. 

üeber  das  Verhältnlss  des  Bronze-  zum  Eisenalter  können  wir  uns  viel  kürzer  fassen. 
Dass  ein  eiserne  Waffen  führendes  Volk  das  Bronzevolk  besiegt  habe,  ist  allerdings  ein 
Phantasiegebilde  dänischer  Archäologen.  Denn  im  jüngern  Bronzealter,  d.  h.  bei  den  Kymren 
war  das  Eisen  gewiss  schon  bekannt,  wenngleich  es  nur  ausnahmsweise  als  Waffen  oder 
Schnittwerkzeug  diente.  Selbst  bei  den  Germanen  war  es  noch  selten.  Ferrum  non  superest, 
sagt  Tacitus  von  ihnen.  Den  Zeitpunkt  genau  zu  bestimmen,  wann  es  zuerst  nach  dem  Norden 
gekommen,  ist  unmöglich.  Im  ältern  Bronzealtcr  ist  dies  schon  der  Fall  gewesen.  Von 
einem  ELsenalter  kann  aber  nur  daun  erst  die  Rede  sein,  wenn  eiserne  Waffen  und  schnei- 
dende Werkzeuge  allgemein  in  Gebrauch  gekommen.  Denn  noch  lange  benutzte  man  neben 
dem  Eisen  den  Stein  wie  auch  die  Bronze,  ja  noch  heutigen  Tages  wird  in  China  und  Japan 
die  Bronze  allein  oder  in  Verbindung  mit  Stahl  zu  schneidenden  Werkzeugen  benutzt  (Kings- 
mill  im  Athenäum,  Nr.  2121). 

So  hätten  wir  denn  alle  Ansichten  Lindenschmit's  Uber  das  fragliche  Thema  ausführ- 
lich besprochen  und  können  die  Hanptresultate  unserer  Untersuchung  thcils  in  Ueberein- 
stimmung,  thcils  im  Gegensatz  zu  Lindenschmit  in  folgenden  Punkten  zusammenfassen, 
daran  aber  noeh  einige  weitere  Erörterungen  anknüpfend. 

1)  Ganz  Europa  hatte  einst  in  der  Urzeit  der  jetzigen  Erdperiode  ein  Steinalter,  das 
neolithische,  in  dein  alle  Metalle  noch  unbekannt  waren,  die  Waffen,  Werkzeuge,  Uten- 
silien und  Sehmucksachen  aus  Stein,  Knochen,  Horn  und  Thon  angefertigt  wurden  und  man 
die  Todton  unverbrannt  beerdigte. 

2)  Zuvörderst  muss  man  ein  älteres  und  jüngeres  neolithisches  Steinalter  unter- 
scheiden. Ueber  die  Gründe  zu  dieser  Zweitheilung  des  Steinaltcrs  können  wir  uns  hier  nicht 
des  Breiteren  auslassen;  wir  müssen  auf  den  zweiten  Theil  unserer  Urgeschichte  des  Schles- 
wig-IIolateinischen  Landes  verweisen.  Die  Steingeräthe  des  ältern  neolitbischen  Steinalters 
aus  den  Speiseabfallhaufen  und  den  sogenannten  Küstenfunden  bestehen  hauptsächlich  aus 
den  mit  dem  unpassenden  Namen  Eismeissei  bezeichneten  Werkzeugen  und  aus  Spahnmessern 
von  Feuerstein,  höchst  einfach  und  roh  gearbeitet  und  dabei  ungeschliffen.  Im  jüngeren  nco- 
lithisclien  Steinalter  kommen  freilich  ähnliche  roh  gearbeitete  Stcinsachen  vor,  allein  dabei 
aber  auch  schön  geschliffene,  kunstreich  gearbeitete  Meissel  und  durchbohrte  Aexte  und 


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antiquarische  Untersuchung.  *287 

Hämmer.  Die  Schädelbildimg  beider  Volksstiimme  ist  eine  sehr  abweichende  and  ihre  Be- 
gräbnissweise  eine  verschiedene. 

3)  In  dem  jüngeren  neolithischen  Steinalter  muss  man  eine  megalithische  nnd  eine 
cryptolit  h ische  Steinzeit  unterscheiden.  Das  Fundamentuni  divisionis  ist  die  geogra- 
phische Verbreitung  gewisser  Gräberformen  und  die  damit  parallel  gehende  Nationalität- 
verschiedenheit, welche  auf  linguistischem  Wege  nachzu  weisen  ist. 

4)  Die  Grabgaben  von  Stein,  Knochen,  Horn  und  Thon  sind  in  beiden  Steinzeiten  die- 
selben. 

5)  Item  megalithischen  Steinalter  gehören  die  grossen  Riesenbauten,  in  welche  das  Volk 
seine  Todten  beisetzte:  die  Hünonbetten,  die  Hünengräber  und  Steinkammern  der  Deutschen, 
die  Steendysser  und  Jaettestuer  der  Dänen,  die  Cromlechs,  Barrows  und  Kistvacns  der  bri- 
tischen Inseln,  die  Dolmens,  Alices  couverts,  Grotte«  des  Fdes  u.  s.  w.  der  Franzosen,  die  Cue- 
vas  de  Menga  der  Spanier  und  die  Antas  der  Portugiesen.  Dem  eryptolithischen  Steinalter 
gehören  die  einfachen  Erdgruben  und  die  mit  flachen  Steinen  ausgesetzten  Erdgrüber  an. 
Die  Plattengräber  sind  beiden  Gebieten  gemeinschaftlich,  aber  während  sie  im  eryptolithischen 
Gebiete  die  höchste  Entwicklung  des  Gräberbaues  darstellen , sind  sie  im  megalithischen  nur 
eine  niedere  Form  desselben;  dort  sind  sie  in,  hier  in  der  Regel  auf  dem  Erdboden  imge- 
legt. 

6)  Das  megalithische  Steinaltervolk  sind  die  Gaiilen  = Liguren,  wie  auf  linguistischem 
Wege  bewiesen  ist.  Die  Nationalität  des  eryptolithischen  Steinaltervolkes  ist  noch  völlig  un- 
bekannt. Wahrscheinlich  haben  verschiedene  Völker  das  weite  Gebiet  der  eryptolithischen 
Steinzeit  — Mittel-  und  Osteuropa  und  Nordskandinavien  — in  der  Urzeit  bewohnt 

7)  Die  Thatsache,  dass  die  Plattcngräber  im  Gebiete  sowohl  des  megalithischen  als  crypte- 
lithischeu  Steinalters  Vorkommen,  erfordert  eine  Erklärung.  Man  kann  zuvörderst  ganz  im 
Allgemeinen  die  Vermuthung  aussprechen,  dass  vielleicht  in  beiden  Gebieten  einst  ein  und 
dasselbe  Volk  gehaust,  welches  die  Plattengräber  errichtet  hat  Es  ist  ferner  einleuchtend, 
dass  in  Gegenden,  wo  die  grossen  erratischen  Blöcke  fehlen,  aus  denen  das  Volk  der  mega- 
lithischen Steinzeit  seine  Reibengräber  zu  errichten  pflegte,  diese  nicht  gefunden  werden 
können.  Um  nun  alter  ihren  Todten  eine  vor  allen  Dingen  gesicherte  Ruhestätte  zu  bereiten, 
lag  es  nahe,  das  Grab  aus  grossen  Steinplatten  zu  errichten,  wenn  eine  leicht  spaltbare  Stein- 
art dazu  vorhanden  war.  Alsbald  erkannte  man,  dass  diese  Bauart,  welche  ebenso  gesicherte 
Ruhestätten  für  die  Todten  abgab,  viel  leichter  auszufuhren  sei,  als  die  Errichtung  der  Gräber 
aus  den  ungelieureu  Findlingen.  Man  fing  also  auch  da  an,  wo  leicht  spaltbare  Felsarten 
neben  erratischen  Blöcken  Vorkommen,  bald  Plattengräber,  bald  megalithische  Steingriiber 
zu  errichten.  So  finden  wir  denn  in  Gegenden,  wo  nur  erratische  Blöcke  Vorkommen,  z.  B. 
in  Dänemark,  blos  megalithische  Steingräber  errichtet,  dagegen  dort,  wo  beides,  erratische 
Blöcke  und  eine  leicht  spaltbare  Steinart  angetroflen  werden,  z.  B.  in  England  und  Frank- 
reich, die  Plattengräber  neben  den  megalithischen  Steingräbern.  Sollten  nun  nicht  in  Ländern, 
wo  erratische  Blöcke  fehlen,  die  Liguren  (=  Gaelen),  falls  sie  in  diese  Gegenden  e i nr 
gewandert  sein  sollten,  Plattcngräber  errichtet  haben?  Es  ist  kaum  daran  zu  zweifeln, 
und  nur  das  darf  man  mit  Recht  verlangen , dass  diese  Einwanderung  nachgewiesen  werde. 
Dieser  Nachweis  muss  aber  als  geliefert  erachtet  worden,  wenn  in  dem  Theile  des  crypto- 


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v.  Maack 


lithisclien  Steingebietes,  wo  man  Plattengräber  findet,  eine  Reihe  von  Ortsnamen  vorkommt, 
die  aus  keiner  andern  Sprache  als  aus  dem  Gaelisehen  oder  Irischen  sprachrichtig  und  sacli- 
gemäss  erklärt  werden  können,  während  da,  wo  im  cryptolithUchen  Gebiete  die  Platten- 
gräber fehlen,  auch  derartige  Ortsnamen  nicht  verkommen.  Hier  wird  die  durch  Kritik  ge- 
schulte Linguistik  der  Archäologie  und  Urgeschiohte  noch  einen  grossen  Dienst  leisten  können 
und  die  Zukunft  wird  neigen,  in  wie  weit  diese  Ansichten  begründet  sind  oder  nicht.  Ja 
man  kann  noch  ein  anderes  Beweismittel  zur  Anwendung  bringen.  In  jenem  Theile  des  cry- 
ptolithischen  Gebietes  mit  Plattengräber,  wohin  die  brachycephalen  Slaven  nie  hingekommen 
sind,  x.  B.  nnch  Südwestdeutschland  und  der  Schweiz,  spricht  die  hier  häufig  vorkommende 
Brachycephalie  ihrer  heutigen  Bewohner  noch  augenscheinlich  fiir  eine  ligurische  Beimischung, 
wie  Holder  (Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  II,  S.  51—99)  nachgewiosen  hat.  Auf  solche 
Weise  wird  man  dereinst  den  vollständigen  Beweis  liefern  können,  das»  das  Volk  der  Pfahl- 
bauten in  der  Schweiz  und  Süddeutsehland,  wolches  im  Stein-  und  Bronzealter  so  unverkenn- 
bare Züge  mit  dem  megalithischen  Steinaltervolke  gemein  hat,  auch  Ligureu  gewesen  Bind, 
obschon  hier  in  diesen  Ländern  nur  Platten-  statt  der  megalithischen  Steingräber  vorkommeu. 

8)  Je  nachdem  man  mit  Bronzesachen  zusammen  die  Todten  unverbrannt  oder  ver- 
brannt in  den  Gräbern  antritft,  muss  man  ein  älteres  und  ein  jüngeres  Bronzealter 
unterscheiden.  Dem  Bronzealter  überhaupt  gehören  die  bronzenen  Schnittwaffen  und  schnei- 
denden Geräthe,  sowie  die  bronzenen  und  goldenen  Schmucksachen  an.  Den  Schwertern 
fehlt  durchgängig  die  Parirstnnge.  Es  ist  die  dunkele  Zinnbronze,  die  meistens  von  dunkel- 
grünem edlen  Rost,  Patina  (Aerugo  nobilis),  bedeckt  ist,  der  tief  eingreift.  Alles  Bronze^ 
geräth  ist  gegossen. 

9)  Das  megalithische  Steinaltervolk  erhielt  durch  Handelsverbindungen  mit  den  höher 
cultivirten  Völkern  des  Mittelmeeres  die  Bronze  in  der  Form  von  Waffen,  W’erkzeugen,  Uten- 
silien und  Schmucksacheu  (das  ältere  Bronzealter).  Die  Begräbnisswcise  blieb  vor- 
läufig unverändert  dieselbe,  daher  man  in  den  megalithischen  in  der  Regel  etwas  kleineren 
Steingräbern  auch  unverbrannte  Leichen,  meistens  nur  eiue,  mit  Bronzesachen  allein 
oder  mit  Steingeräth  zusammen  findet.  Ein  Erdhügel  deckt  stets  das  Steingrab.  Beispiels- 
weise führen  wir  hier  die  Grabhügel  bei  Anniso  in  der  Nähe  von  Friedriehsburg  auf  Seeland 
an.  In  einem  grossen  Grabhügel  fand  man  eine  schöne  Steinkiste  mit  einem  Skelette  und 
Bronzesachen  und  in  einem  andern  Hügel  wenigstens  7 — 8 Steinkisten,  die  alle  unverbrannte 
Leichen  mit  Watten  und  Schmuck  von  Bronze  enthielten.  Aehnliche  Funde  kommen  in  Füh- 
nen,  Jütland,  besonders  nördlich  voui  Liimfjord  und  in  Schleswig  vor,  wie  überhaupt  diese  an- 
fangs seltenen  Funde  sich  später  sehr  gehäuft  haben.  Auch  in  Norwegen  auf  Kamme  und 
am  Hafursfjord,  in  Balmuslehn,  in  Schonen,  auf  Gotblnnd  und  Bomliolm  hat  man  solche 
Gräber  entdeckt.  (Oversigl  etc.  for  1659,  S.  108.)  — Dass  aber  die  Steinkisten  mit  unver- 
brannten Leichen  und  den  schönen  Bronzesachen  älter  sind  als  die  Gräber  mit  Leichenbrand 
und  Bronze  gebt  einmal  unzweideutig  daraus  hervor,  dass  in  jenen  Gräbern  sehr  häufig  Steiu- 
gerätho  mit  der  Bronze  zusammen  Vorkommen,  was  beim  Leichenbrand  viel  seltener  ist,  und 
zweitens  daraus,  dass  man  nie  auf  dem  Urboden  eines  Grabhügels  verbrannte  Leichen  mit 
Brotizesachen  und  darüber  ein  Grab  mit  unverbrannten  Leichen  und  Bronze  entdeckt  hat, 
während  umgekehrt  hier  im  Norden  und  auch  anderswo  auf  dem  Boden  des  GrabhügeLs  in 


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antiquarische  Untersuchung.  289 

grossen  Steinkisten  unverbrannte  Leichen  und  darüber  in  demselben  Hügel  in  einer  kleineren 
Steinkiste  Leichenbrand  nebst  Bronze  gefunden  werden.  Auch  verrathen  die  länglichen  Stein- 
kisten mit  Skeletten  und  Bronzesachen  oft  durch  ihre  Lage  und  Beschaffenheit  ihre  enge  Ver- 
bindung mit  dem  Steinalter.  In  dem  sogenannten  B&unhöi  bei  Wester-Agger  fand  man  auf 
dessen  Urboden  eine  grosse  Steinkiste  mit  schweren  Decksteinen;  die  Kiste  enthielt  ein  Ske- 
let nebst  einer  Lanzenspitze  von  Feuerstein  und  quer  über  dieser  Steinkiste  stand  eine 
andere  mit  einer  unverbrannten  Leiche,  wobei  die  Klinge  eines  Bronzedolches  lag.  In  einer 
Steinkiste  bei  Vang  (Amt  Thisted)  in  Jütland,  deren  Boden  mit  gebrannten  Feuersteinen 
bedeckt  war,  fand  man  eine  Leiche,  nach  steinalterlicher  Sitte  in  Ritzender  Stellung  begraben. 
Bei  dem  Skelette  entdeckte  man  Spuren  von  Bronzewaffen  und  dicht  bei  der  Steinkiste  lag 
ein  einigermmwen  erhaltenes  Bronzeschwert,  ln  Mecklenburg  und  England  hat  man  ähnliche 
Beobachtungen  gemacht,  namentlich  hat  das  zuletzt  genannte  Land  die  meisten  Beweise 
geliefert  von  einem  fortwährenden  Zusammenvorkommen  von  Stein-  und  Bronzesachen  bei 
unverbrannten  Leichen  (1.  c.  S.  109).  — In  anderen  Fällen  liegen  die  Skelette  nicht  in  einer 
Steinkiste,  sondern  nur  in  einer  Einfassung  von  kleinen  Steinen  oder  sie  sind  geradezu  von 
einem  Steinhaufen  bedeckt.  Auf  solche  Weise  waren  ungefähr  zehn  unverbrannte  Leichen  auf 
dem  Boden  eines  Grabhügels  bei  Kjeldby  auf  Möen  begraben,  während  mehrere  verbrannte 
Leichen  im  äussem  Umfange  des  Hügels  beigesetzt  waren.  Aehnliche  Gräber  findet  man 
auch  in  Mecklenburg,  bei  Dabei  und  in  Schonen,  z.  B.  zwischen  Lund  und  Malmö,  wo  bei 
den  Skeletten  Bronze-  und  Feuerstoinsachcn  sich  fanden.  Es  giebt  aber  im  ältern  Bronzealter 
noch  andere  Bestattungsweisen  der  unverbrannten  Leichen,  So  findet  man  Skelette  und 
Bronzesachen  in  länglichen  Steinkisten,  welche  aber  nicht  mit  grossen  Decksteinen,  sondern 
unzweifelhaft  mit  Holzplanken  verschlossen  gewesen  sind,  z.  B.  das  Grab  auf  Morsöe  und  das 
bei  Hörning  in  der  Nähe  von  Skanderburg  in  Jütland.  Der  Holzdeckel  auf  der  Steinkiste 
bildet  den  Uebcrgang  zu  einer  ganzen  in  der  Steinkiste  befindlichen  Holzkiste  für  die  Leiche; 
doch  findet  man  von  dem  Holze  natürlich  nur  noch  spärliche  Spuren.  Dies  war  z.  B.  der 
Fall  in  der  Steinkiste  eines  Grabhügels  im  Thiergarten  von  Jägersborg,  wo  bei  dem  Gerippe 
ein  mit  Bernstein  geschmücktes  Bronzeschwert  lag,  welches  sorgfältig  in  einem  gespaltenen 
Holzblocke  wie  in  einem  Kasten  steckte. 

ln  seltenen  Fällen  trifft  man  auch  Eisen  in  Hünengräbern  mit  Steinsachen  und  einem  Ske- 
lette beisammen  an.  Man  muss  diese  Gräber  ins  ältere  Bronzealter  verweisen,  auch  wenn 
sie  keine  Bronze  enthalten  sollten,  weil  das  Eisen  nur  durch  Handelsverbindungen  nach  dem 
Norden  gekommen  sein  kann.  So  z.  B.  fand  Worsaae  (Annales  for  nordiak  Oldkyndighed, 
1838 — 1839,  S.  170fg.)  im  Kirchspiel  Veilby,  Holboeharde,  Amt  Friedrichsburg  auf  Seeland, 
in  zwei  der  grössten  Hünenbetten  Eisen.  In  der  ungefähr  12  Fuas  langen,  G Fuss  breiten 
und  6 Fuss  hohen  Grabkammer  des  einen  Hünenbettes  entdeckte  er  ausser  vielen  Bernstein- 
und  ganz  neuen  Steinsachen  in  der  Mitte  der  Grabkammer  in  einer  Tiefe  von  4 Fuss  ein  2'/» 
Zoll  langes,  2 Zoll  breites,  kruinmgebogcnes,  in  der  Mitte  durchbohrtes  Stück  Eisen  und  da- 
neben einige  kleine  Erdklöse  von  Eisenroat  durchdrungen;  ein  krummer,  halbrunder,  zuge- 
geschliffener  Feuersteinspahn,  4'/«  Zoll  lang,  woran  Eisenroat  zu  bemerken  war,  lag  dicht 
neben  dem  Eisen.  Hier  kann  allerdings  kein  Zweifel  obwalten,  dass  das  Eisen  gleichzeitig 
mit  den  übrigen  Grabgaben  dom  Todtcn  mitgegeben  sei.  Wegen  der  Grösse  des  Grabes  und 

Areblr  fUr  Asthropologl«.  Bd.  III.  Heft  3.  37 


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den  reichlichen  und  kostbaren  Grabgaben  war  der  Begrabene  ein  reicher  angesehener  Mann, 
dem  auch  Elsen,  ein  seltenes  kostbares  Product,  mitgegeben  worden.  — Das  zweite  unter- 
suchte Hünenbett  ebendaselbst  enthielt  zwei  Steinkisten.  In  der  südlichen  traf  man  zwei 
Skelette  an,  welche  bis  auf  wenige  Reste  des  Schädels  und  einige  Zähne  zerfallen  waren. 
Daneben  lagen  verschiedene  Steinsachen,  Reste  vermoderten  Bernsteins  und  ein  2%  Zoll 
langes,  */t  Zoll  breites  Stück  Eisen  in  der  Form  einer  Messerklinge,  welche  mittelst  eines 
Nagels  auf  der  Seite  des  einen  Endes  an  ein  Stück  Holz,  wahrscheinlich  den  Griff,  befestigt 
war,  das  aber  bei  der  Berührung  zerfiel. 

Für  das  ältere  Bronzealter  ist  also  die  Bronze  nicht  ausschliesslich  charakteristisch.  Sein 
Begriff  muss  weiter  gefasst  werden  als  die  urgeschichtliche  Zeitperiode,  in  welcher  in  einem 
megalithischen  Grabe  neben  einem  Skelet  ein  metallisches  Handelsproduct  gefunden 
wird,  sei  dies  nun  Bronze  oder  Eisen  oder  Gold.  Dagegen  kommt  Silber  im  altern  Bronze- 
alter hier  im  Norden  nie  vor,  obgleich  Spanien  im  Alterthum  das  silberreichste  Land  war, 
welches  man  kannte,  und  Phönikier  und  Karthager  dort  Bergwerke  besassen.  Wie  kommt  es 
nun,  dass  durch  sie  wohl  Gold-  und  Erz-  aber  kein  Silbergeräth  nach  dem  Norden  gekommen? 
Diese  Schwierigkeit  hat  bis  jetzt  noch  Niemand  beseitigen  können.  Es  liegt  aber  in  der 
Natur  des  Handels,  dass  der  Kaufmann  seine  Waare  dahin  bringt,  wo  sie  ihm  am  theuersten 
bezahlt  wird.  Nun  wissen  wir  aber,  dass  nach  Agatharchides  (cfr.  Bochart,  Geographia 
saera  p.  158)  in  Arabien  der  Preis  des  Silbers  zehnfach  so  hoch  war  als  der  des  Goldes,  welches 
dort  in  Menge  gefunden  wird  (Heeren's  Werke,  Bd.  XI,  S.  69  • * *),  Ezechiel  27,  22)1).  Es 
lag  also  im  Handelsintercsse  des  semitischen  Volkes,  alles  spanische  Silber  nach  Arabien  und 
nur  Gold  nach  dem  Norden  von  Europa  zu  verfuhren,  wo  dies  schimmernde  Metall  und  noch 
mehr  das  Erz  eine  sehr  gesuchte  Waare  abgab.  Das  unscheinbare,  in  seiner  Wichtigkeit  noch 


<)  Freilich  reden  Diodor  und  Agatharchides  auf  das  Bestimmteste  von  Goldkörnern,  an  denen  Arabien 
»ehr  reich  sei,  wovon  jedoch  das  I-and  jetrt  keine  Spur  enthalt.  Allein  daa  Arabien  der  Alten  reichte  dem 
Strabo  und  dem  Pliniui  über  die  Breite  von  Antiochia  hinauf  und  schloss  die  Gegend  der  südlichen  Vor- 
höhen des  Taurusgebirges  zwischen  dem  Issusbnsen  and  dem  llaleppinischen  Euphrat  ebenso  ein,  wie  daa 
ganre  Ostjordanland  ausdrücklich  Arabien  genannt  wird.  Der  griechisch-römischen  Welt  bis  zur  Kaiserzeit 
war  die  arabische  Halbinsel  so  gut  wie  unbekannt;  sie  wussten  dagegen  um  so  mehr  von  den  Araberstämmen 
im  nördlichen  Syrien,  Diodor  und  Agatharchides  bezogen  nun  aber  die  ihnen  überlieferten  Nachrichten 
von  Goldfundorten  auf  die  Halbinsel,  das  heutige  Arabien,  während  sie  vom  nordsyrischen  Arabien  galten; 
sie  bezogen  auf  das  südarabische  rolho  Meer,  was  entweder  vom  grossen  rothen  d.  h.  phönikischen  Meere  Sy- 
riens oder  von  der  „rothen  Marschwiesc“  der  nordsyrischen  Thay-Araber  galt,  weiche  noch  heut  zu 
Tage  die  Winterzeit  hindurch  als  eia  umfangreiches  Binnenmeer  auftritt  und  die  alte  nordsyrische  Kolchit- 
oder  Chalkis-Landschaft  im  Südosten  von  Haleb  in  früheren  Zeiten  gewiss  in  noch  ausgedehnterem  Maasse 
überfluthete,  alt  dies  heutigen  Tages  der  Fall  ist.  Gerade  in  dieser  Gegend  werden  wir  den  Goldkörnerünss 
des  Debet-  oder  Dedebai-Stammes,  von  dem  Diodor  und  Agatharahides  reden,  wirklich  linden,  während 
dieser  Araheret&mm  auf  der  Halbinsel  vergeblich  gesucht  wird.  (Noack,  Von  Eden  nach  Golgathu.  Leipzig 
1868,  Theil  I,  S.  49.)  Der  Goldreichthum  der  Tauruskette  war  den  Alten  bekannt.  Es  besteht  nun  der  Stock 
des  Amanusgebirges  in  der  nordwestlichen  Orontcaebene  ans  Talk  und  Chlorit,  Quarz*  und  Sandsteinbildungen, 
Glimmerschiefer,  Feldspath  und  anderen  Ueateinen,  deren  trachytische  Formen  von  den  Reieeforuohern  aus. 
drücklich  erwähnt,  werden.  Da  nun  Quarzgänge,  Glimmer-  und  Talkschiefer  und  trachytischo  Gesteinsbiidungen 
als  gewöhnliche  Fundstätten  des  Goldes  gelten,  so  sind  hier  die  Bedingungen  für  daa  Vorkommen  von  Wasch- 
oder Flussgold  vollständig  vorhanden.  Eine  Durchforschung  des  heutigen  Schüttdammes  auf  der  Nord-  und 
Westseite  des  Antiochener  Sce’s  und  eine  genauere  Untersuchung  der  dortigen  Strombette  hat  bisher  nicht 
stattgefundeu  und  bleibt  künftigen  Nachforschungen  Vorbehalten.  (Noack  1.  o.  8.  59.)  In  den  Salzsee  von 


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antiquarische  Untersuchung.  291 

nicht  erkannte  und  nur  noch  selten  vorkommende  Eisen  kam  nur  ausnahmsweise  in  dieser 
Zeitperiode  nach  dem  Norden. 

Endlich  gehört  auch  das  Begraben  in  Einbäumen,  d.  h.  in  grossen  gespaltenen  und  aus- 
gehöhlten Eichenstämmen,  dem  altern  Bronzealter  an.  Bei  der  unverbrannten  Leiche  findet 
man  Waffen  und  Schmuck  von  Bronze,  Gold  und  Stein,  Holzschalen,  Beste  von  Thierfellen 
und  Geweben  u.  s.  w.  In  Holstein  und  zwar  in  Ditmarschen  ist  nur  ein  einziges  derartiges 
Grab  gefunden  Solche  Gräber  kommen  aber  besonders  in  Nordschleswig  (von  Apenrade  an) 
und  in  Jütland  (bis  nach  Viborg  hin)  vor,  z.  B.  in  Bollersleben  und  Uck,  in  Emmerief,  Maug- 
shup,  Skjörebeck  und  Schottburg.  Auch  in  Mecklenburg,  in  Böhmen  und  besonders  in  Eng- 
land kommen  Einbäume  vor.  Diese  beiden  letzten  Begräbnissweisen,  in  Holzkisten  und  Ein- 
bäumen, bezeichnen  das  Ende  der  altem  Bronzezeit,  denn  man  findet  bisweilen  in  ihnen  neben 
der  unverbrannten  Leiche  bereits  verbrannte  menschliche  Knochenroste.  So  lag  in  einem 
grossen  Hügel  bei  Rucliow  in  Mecklenburg  in  dem  gespaltenen  Eichenstanim  eine  unver- 
brannte Leiche  und  dicht  daneben  zwei  verbrannte  (1.  c.  S.  111 — 113).  Auch  Steingräber,  die 
in  einer  Steinkiste  neben  Skeletten  verbrannte  menschliche  Knochen  enthalten,  gehören  der 
Uebergangsperiode  von  dem  ältern  zum  jilngern  Bronzealter  an.  Endlich  kommen  noch 
Steinkisten  mit  unverbrannten  Leichen  vor,  deren  Wiindo,  meistens  im  Innern,  Sculptur- 
arbeiten  aufweisen.  Weil  nun  solches  ohne  Metallwerkzeuge  auszuführen  nicht  möglich  ist, 
müssen  wir  diese  Gräber  dem  ältern  Bronzealter  znschrciben. 

Was  die  Waffen  des  altem  Bronzealters  betrifft,  so  sind  dies  die  schön  verzierten,  vor- 
trefflich gearbeiteten,  zweischneidigen,  schilfblattförmigen  Schwerter,  die  in  der  Mitte  am 
breitesten,  mit  einer  oder  zwei  Längsgrathen  und  kleinen  Handgriffen  ansgestattet  sind. 
Sie  sind  keine  Landesproducte,  sondern  durch  den  Handelsverkehr  mit  den  Südländern  nach 
dem  Norden  gekommen. 

10)  Eine  grosse  Anzahl  Ortsnamen  in  Südskandinavien,  Dänemark,  Norddeutschland,  Hol- 
land, England  und  Frankreich  beweist  die  Einwanderung  der  Kelten,  der  Kymren,  in  diese  Län- 
der. Sie  brachten  den  bereits  im  ältern  Bronzealter  lebenden  Gaelen  die  Kenntniss  von  der  Bear- 
beitung der  Bronze  (das  jüngere  Bronzealter).  Daher  findet  man  jetzt  Gussformen,  Gusszapfen, 
bei  der  Arbeit  verunglückte  und  halbfertige  Bronzesachen,  sowie  Metallklumpen  und  Barren. 

Der  Leichenbrand  wird  jetzt  Sitte.  Die  Knochenaschc  wurde  in  Thongefässen 
gesammelt  und  mit  einer  Stein-  oder  Tlionplatte  oder  einer  flachen  Thonschale  zugedeckt. 
Ausser  der  Knochenaschc  enthalten  ilicso  Urnen  oft  noch  kleine  bronzene  Gegenstände: 
Nadeln,  Pincetten,  Messer,  Hinge,  Spangen  u.  s.  w.  Auf  versc^deno  Weise  wurden  im 
Norden  diese  Aschenuraen  der  Erde  anvertraut.  Bald  benutzte  man  die  grossen  von  Erde 
aufgeworfenen  Grabhügel  des  Steinalters,  in  deren  Seitonwändo  oder  auf  deren  Gipfel  man 


tiebül  verläuft  nun  der  Goldfluss  (Nähr  cd  Dheliah)  des  lieblichen  Betniin-Thales.  Hier  bauslen  die  liebel- 
nder Dcdebai-Araber,  die  Diodor  und  Agatharchidea  bei  einem  Goldfundorte  kannten.  Das  griechische 
Debai  ist  da»  chaldäisch-aramüiache  dahabä  (Gold)  und  in  Dedeb&i  liegt  da»  nicht  semitische  Dösahab  oder 
cbaldäische  Di-dababa  oder  De-dahaba  verborgen.  Hier  beim  Goldstrom  de»  Ilatnün  - Thaies  wird  von  älteren 
Erdbeschreibem  und  Dichtem  ein  arabischer  Goldstrom  genannt,  den  man  auf  der  arabischen  Halbinsel  ver- 
geblich sucht.  (Noack  I.  c,  S.  63.)  Durch  den  speciellen  Nachweis  der  Oertlichkeit , wo  das  Silber  einen 
so  hohen  Werth  dem  Golde  gegenüber  beeaas,  werden  die  Einwürfe  beseitigt,  die  man  etwa  ans  dem  Grunde 
gegen  diusc  Nachricht  erheben  konnte,  dass  nirgends  auf  der  arabischen  Halbinsel  Gold  gefunden  werde. 

37* 


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292  w.  Maack, 

in  einer  Tiefe  von  einigen  Fass  die  Aschenurnen  entweder  einfach  eingruh  oder  — und  dies 
ist  der  allerhäufigste  Fall  — in  einer  von  vier  kleinen  Steinfliesen  errichteten  und  mit  einer 
Steinplatte  zugedeckten  Grabkammer  en  miniature  beisetzte.  Ausnahmsweise  findet  man  die 
verbrannten  Knochen  in  ihnen  loso  hingeschiittet.  In  sehr  vielen  Fällen  errichtete  man  beson- 
dere Grabhllgel.  Diese  sind  im  Allgemeinen  kleiner  als  die  des  Steinalters;  nicht  selten  sehr 
niedrig,  von  rundlicher  Form,  einem  Backofen  ähnlich  (Kegelgräber).  Sie  kommen  auch  im 
Innern  des  Landes  vor.  Oft  liegen  mehrere  kleine  und  grössere  Grabhügel  neben  einander, 
bisweilen  ein  grosser  in  der  Mitte,  von  mehreren  kleinen  umgeben.  Bald  m der  Mitte,  bald 
an  einer  oder  mehreren  Stellen  gegen  den  Umkreis  hin  findet  man  Haufen  grosserer  oder 
kleinerer  Steine,  die  eine  regelmässige  Figur,  ein  Viereck,  ein  Oval  u.  s.  w.  oder  einen  losen 
Haufen  bilden,  welcher  die  Aschenurue  in  einer  Grabkammer  en  miniature  enthält;  oder  eine 
muldenförmige  Vertiefung  ist  von  Steinen  eingefasst,  mit  einer  Mischung  von  Lehm,  Sand 
und  Kalk  ausgesetzt  und  mit  einem  Deckstein  verschlossen;  oder  die  Urne  mit  den  ver- 
brannten Knochen  ist  umgestülpt,  ihr  Boden  nach  oben  gerichtet  und  mit  einem  kleinen  Stein- 
haufen bedeckt.  Oft  entdeckt  man  in  dem  Grabhügel  eine  oder  mehrere  Brandstellen,  die 
durch  Holzkohlenreste,  Aschenstreifen  und  Topfscherben  bezeichnet  sind.  Die  verbrannten 
Knochen  sind  aber  nicht  nuf  der  Brandstelle  des  Urbodens  beigesetzt.  Hier  findet  man  nur 
das  Schwert  oder  die  Waffen  und  den  Schmuck  des  Verstorbenen,  bisweilen  von  Steinen  be- 
deckt und  umgeben.  Die  in  einem  Thongefässe  gesammelten  verbrannten  Knochen  sind  auf 
dem  Gipfel  und  gegen  die  Peripherie  des  Grabhügels  hin  vergraben.  Doch  kommt  auch  der 
Fall  vor,  dass  die  verbrannten  Leichenreste  mit  den  Waffen  und  Schmuck  auf  der  Brand- 
stelle liegen  geblieben,  darüber  ein  Steinhaufen  und  ein  Erdhügel  aufgeworfen  sind.  Auf  lang- 
gestreckten Anhöhen,  z.  B.  auf  der  Skamlingsbank  in  Nordschleswig  und  auf  dem  Bovberg 
in  Jütland  findet  man  bisweilen  ganze  Reihen  von  Urnen  mit  verbrannten  Menschenknochen, 
nebst  Bronzesachen,  aber  ohne  Grabhügel.  Bisweilen  findet  man  hier  im  Norden  die  Aschen- 
urne nebst  den  Beigaben  in  eine  Stein-  oder  Holzkiste  niedergelegt.  In  Steinkisten  von  der 
Länge  eines  Mannes  fand  man  die  verbrannten  Knochen,  in  gewebtes  Zeug  gewickelt,  mit 
Bronzesachen  zusammen  auf  Thierfellen  gelagert.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  gewesen  in  den  Grab- 
hügeln bei  Jägerspriis,  bei  Guldsted  in  der  Nähe  von  Fredorikssund  und  bei  Hvidegaard 
(Weissenhof)  unweit  Lyngby  auf  Seeland,  wo  am  letzten  Orte  eine  sorgfältig  eingenähte 
Pfeilspitze  von  Feuerstein  — wahrscheinlich  ein  Amulot  — gefunden  wurde  (Oversigt  for  1859. 
S.  113).  ln  einem  Grabhügel  bei  Haddeby  in  der  Nähe  von  Schleswig  fand  man  unter  einem 
Steinhaufen  eine  verbrao||te  Leiche  nebst  Feuerstein-  und  Bronzcsachon  und  Spuren  einer 
kleinen  Holzkiste.  Es  ist  daher  die  Aufmerksamkeit  der  Antiquare  darauf  zu  richten,  ob 
nicht,  wenigstens  in  einigen  der  vielen  Grabhügel , welche  unter  einem  Haufen  kleiner  Steine 
verbrannte  Menschenknochen  enthalten,  ursprünglich  kleine  Holzkisten  sich  befunden  haben, 
worin  die  verbrannten  Knochen  gesammelt  worden  (1.  c.  S.  114).  Die  Begräbnissweise  im 
jüngere  Bronzealter  ist  also  im  Norden  eine  sehr  verschiedene.  Nur  ausnahmsweise  stellt  man 
hier  die  Aschenurne  in  die  Steinkammer  selbst,  was  in  Norddeutschland  allerdings  die 
Regel  bildet.  Dieser  Unterschied  deutet  auf  eine  verschiedene  sociale  Stellung  der  Gaelcn 
zu  don  eindringenden  Kymren.  Während  im  Norden  ein  friedlicheres  Verhältnis  alsbald 
zwischen  beiden  Volksstämmen  eintrat,  respectiren  in  Deutschland  die  rohen  Sieger  nicht  die 


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antiquarische  Untersuchung.  293 

Gräber  der  Ueberwundenen,  die  sie  für  ihreTodten  benutzten.  Die  Bronze-  und  Geldsachen  des 
jiingern  Bronzealters  unterscheiden  sich  von  denen  des  altem  dadurch,  dass  wenigstens  zum 
Theil  die  Reinheit  der  Formen  und  des  Styles  abnimmt  Die  Schwerter  haben  grossere 
Griffe  und  sind  weniger  kunstreich  gearbeitet.  Da  der  Handelsverkehr  des  Nordens  mit  dem 
Süden  in  diesem  Zeitraum  gewiss  noch  nicht  unterbrochen  war,  so  kauten  nach  wie  vor  die 
herrlichen  Metallwaffen  und  Geräthe  nach  dem  Norden.  Man  kann  also  aus  dem  Vorkommen 
derselben  in  Gräbern  noch  nicht  den  Schluss  ziehen,  dass  das  Grab  dem  altem  Bronzealter 
angohört  habe;  wohl  aber  ist  es  zulässig,  aus  dem  Vorkommen  der  rohen  gearbeiteten 
Schwerter  und  Waffen  nus  Bronze  und  Schmucksachen  aus  Gold  in  Gräbern  auf  das  jüngere 
Bronzealtor  zu  schlieeeen. 

11)  Endlich  wunderten  die  Germanen  ein.  Es  sind  dies  hier  im  Norden  gothischc 
Völkerschaften,  wozu  auch  die  sieben  Nerthusvölker  des  Tacitus  gehören,  welche  alsdann  von 
Norden  her  von  „Normond“  (den  Nordgermanen),  von  Osten  her  erst  von  {Sachsen  und  später 
längs  der  Südküste  des  baltischen  Meeres  von  Slaven  (Wenden)  theils  verdrängt,  theils  mit 
ihnen  vermischt  wurden.  Der  Beginn  des  Eisenalters  ist  aber  weder  an  das  Auftreten 
dieser  Stamme,  noch  an  das  eines  angeblichen  Eisenvolkes  geknüpft  Nicht  mit  der  Kennt- 
niss  des  Eisens  hat  das  Eisenalter  seinen  Anfang  genommen,  sondern  erst  dann  kann  von 
einem  Eiseualter  die  Rede  sein,  wenn  Eisen  die  bronzenen  Waffen  und  Werkzeuge  all- 
gemein verdrängt  hat.  Im  jüngern  Bronzealter  war  jedenfalls,  im  altem  wenigstens  theil- 
weise  das  Eisen  im  Norden  bekannt  aber  im  ganzen  Bronzealter  noch  nicht  im  allgemeinen 
Gebrauch.  Das  Eisenalter  wird  dadurch  charakterisirt,  dass  das  Grab  in  dem  Urboden  unter 
der  Erdoberfläche  sich  befindet,  so  dass  der  Tumulus  meistens  ganz  fehlt;  im  Stein-  und 
Bronzealter  dagegen  setzte  man  die  Leiche  oder  Aschonurnc  auf  dem  Urboden  bei,  errichtete 
darüber  ein  megalithisches  Grab  oder  schlittete  darüber  einen  seiner  Form  nach  verschiedenen 
Stein-  oder  Erdluigel  auf.  Als  Beigaben  treten  im  Eiscnaltcr  ausser  den  Metallen  des  Bronze- 
alters  das  Eisen  und  Silber  auf.  Die  Art  der  Bestattung  ist  eino  sehr  verschiedene:  bald  ist  die 
Leiche  unverbrannt,  — so  in  Dänemark  — meistens  ist  die  Knochenascho  in  Urnen  bei- 
gesetzt. 

1)  Die  Gräber  des  Eisenalters  differiren  sehr  bedeutend  nach  den  verschiedenen  Län- 
dern. Die  Aschenurnen  findet  man,  oft  in  grosser  Anzahl,  ganz  oberflächlich  neben  einander 
im  flachen  Felde  oder  in  natürlichen  Hügeln  vergraben.  Sie  bilden  einen  grossen  Begräbniss- 
platz  ohne  irgend  eine  äussere  Bezeichnung,  was  nicht  selten  in  Schleswig  der  Fall  ist.  — 
Oft  stehen  zwei  Reihen  Aschenurnen  Uber  einander  mehrere  Fuss  tief  in  der  Erde.  Das 
kommt  in  Mecklenburg,  in  der  Altmark  und  im  wagrischen  Holstein  vor.  Sie  sind  wahr- 
scheinlich wendischen  Ursprungs.  Die  schiisselformigcn  Grabumen  weichen  in  der  Form  von 
den  antiken  ab  und  nähern  sich  dem  modernen  Geschmacke.  Sie  zeigen  einen  schwarzen 
Ueberzug  und  punktirte  Verzierungen  und  stehen  höchst  selten  zwischen  zwei  Steinen  ver- 
packt, höchstens  mit  einem  zugedockt  Man  findet  sie  in  grosser  Anzahl  neben  einander 
(Wendenkirchhöfe).  Ganz  anders  sind  die  Verhältnisse  in  Dänemark,  wo  sie  auch  unter  sich 
differiren.  Bald  sind  die  unverbrannten  Leichen  in  natürlichen  Grand-  und  Sandhügeln  oder 
auch  im  flachen  Felde  begraben,  ohne  Spur,  dass  ein  Grab  hier  vorhanden;  bald  liegt  die 
Leiche  in  einer  kleinen  Steinkiste,  so  gross  wie  der  Todte,  unter  einem  kleinen  aufgeworfenen 


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294 


v.  Maack, 


Hügel.  In  Jütland  und  auf  Bomliolm,  sonst  nirgends  in  Dänemark,  kommen  kleine  runde 
Hügel  vor,  so  gross  wie  sie  jetzt  Uber  unseren  Gräbern  aufgeworfen  werden,  und  zwar  in  grosser 
Zahl  neben  einander,  also  als  Friedhöfe.  In  anderen  Fällen  ward  in  Dänomark  der  Todte  un- 
verbraunt in  einem  sehr  grossen  Hügel  mitsammt  seinem  Pferde  begrelien;  bisweilen  erbaute 
man  aus  Holz  eine  Grabkatnmer,  über  welche  der  Hügel  aufgeworfen  wurde.  Oft  findet  man 
auch  verbrannte  Knochen  nicht  in  Urnen,  sondern  in  kleinen  Steinkisten,  von  Grabhügeln 
bedeckt,  zwischen  den  Knochenresten  findet  man  kleine  eiserne  Sachen:  Zangen,  Messer, 
Scheeren,  Nadeln,  Spangen  u.  s.  w.  So  verschieden  in  Dänemark  die  Völkerschaften  (Gothen, 
Nordgermauen  und  Wenden1)  und  Völkerreste  (Gaelen,  Kymren),  ebenso  verschieden  ist  ihre 
Begräbnissweise  in  der  Eisenzeit. 

2)  Für  das  zweischneidige  Schwert  des  Eisenalters,  welches  am  Griffe  breit,  gegen  die 
• Spitzo  sich  wenig  und  allmälig  verjüngend,  grade  ausläuft,  ist  die  Parirstange  ganz  charak- 
teristisch. Ausser  dem  Eisen  tritt  jetzt  zuerst  das  Silber  auf,  doch  kommen  die  Metalle  des 
Bronzealters:  die  Bronze,  das  Kupfer  und  Gold  auch  noch  vor.  Das  letztere  ist  bisweilen  mit 
Silber  versetzt  (Electrum).  Im  Eisenalter  findet  man  sowohl  die  dunkle  Zinn-  als  auch  die 
helle  Zinkbronze  (Messing).  Dieser  fehlt  der  edle  Rost:  er  ist  hellgrün,  sitzt  ganz  oberfläch- 
lich auf  und  ist  leicht  zu  entfernen.  Bronze,  die  in  Torfmooren  oder  in  Gewässern  gefunden 
werden,  sind  ganz  rostfrei,  sie  mögen  dem  Bronze-  oder  dem  Eisenalter  angehören.  Während 
der  ganzen  Dauer  der  Eisenperiode  erhält  sich  der  Gebrauch  der  Bronze  zu  Schmucksachen. 
Die  Grabgefässe  der  Wendenkirchhöfe  enthalten  Geräthe  von  Eisen  und  Schmucksachcn  von 
Silber,  aber  fast  nie  von  Gold;  die  Zinkbronze  ist  nur  leicht  oxydirt  Was  zu  lang  für  den 
Durchmesser  der  Aschenurnen  war,  z.  B.  die  Schwerter,  bog  man  zusammen.  In  Dänemark 
findet  man  dagegen  bei  den  unverbrannten  Leichen  des  Eiseualters  gar  nicht  selben  goldenen 
Schmuck  und  fast  immer  Gelasse  von  Bronze,  Glas,  Thon  und  Holz.  Die  Gräber  sind  also 
im  Eisenalter  einfacher,  weniger  sorgfältig  und  ansehnlich,  aber  die  Beigaben  kostbarer.  Zu 
diesen  gehören  Thongetässe,  römische  Vasen,  gehenkelte  Gefiis.se  von  Bronze  und  Messing,  rö- 
mische Kasserollen  und  Motallsiebe,  Becher  von  Silber  und  Glas,  Trinkhörner,  hölzerne  Spangen 
mit  messingenen  Charnier,  goldene  und  silberne  Schmucksachen,  Mosaikperlen,  Amulette, 
Spielbricken,  besonders  gläserne,  Metallscheercn  von  Messing  und  Bronze,  bronzene  Sporen, 
seltener  Schwerter,  Aexte  und  Brouzespitzen  von  Eisen,  römische  Münzen,  barbarische  Nach- 
bildungen derselben  in  Bronze,  Silber  und  Gold,  die  durchbohrt  sind,  um  als  Schmuck  getragen 
zu  werden. 

Man  unterscheidet  ein  älteres  und  jüngeres  Eisenalter,  deren  Anfang  und  deren 
Dauer  nach  den  Ländern  sehr  verschieden  ist.  Für  Dänemark  und  Schleswig-Holstein  um- 
fasst das  ältere  Eisenalter  die  fünf  ersten  Jahrhunderte  unserer  Acra,  das  jüngere  geht  in 
Dänemark  bis  zur  Einführung  des  Christenthum.s  um  das  Jahr  1030. 

A.  Das  öftere  Eisenalter  ist  charakterisirt  durch  Begräbnlssplätze  in  natürlichen  Sand- 
hügeln, welche  mehrere  Skelette  enthalten.  Sie  kommen  besonders  auf  den  Inseln,  selten  auf 
der  Kimbrischen  Halbinsel  vor.  Als  Beigaben  kommt  die  dunkle  Zinnbronze  und  alte  ganz- 


0 Auf  Lolland  und  Falster  und  im  südöstlichen  Schleswig  (im  dänischen  Wohid  und  in  der  Landschaft 
Schwansen)  lasseu  sich  aus  den  Ortsnamen  slariache  Ansiedelungen  nachweisen. 


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antiquarische  Untersuchung. 


'>9.r) 

oder  halbrömische  Münzen,  Waffenstücko  und  sonstige  Sachen  vor.  Moorfunde  mit  Sachen 
aus  dem  altern  Eisenalter  und  mit  den  Zeichen  eines  heftigen  Kampfes  findet  man  ziemlich 
häufig  auf  der  Kimbrischen  Halbinsel  und  Kühnen,  z,  B.  im  Moor  von  Allesö  bei  Odensee,  aber 
gar  nicht  auf  Seeland  und  in  Schonen.  Die  sogenannten  angelsächsischen  Runen  gehören 
dieser  Zeitperiodo  an. 

B.  Im  jüngeren  Eisenalter  variiren  die  Gräber  in  den  einzelnen  Gegenden.  In 
Dänemark  sind  es  künstlich  aufgeworfene,  meist  grössere  Erdhügel,  die  bald  Skelette,  bald 
verbrannte  Leichen  enthalten  mit  Waffen  und  Schmuck  vom  Schluss  des  Eisennltors.  Die 
helle  Zinkbronze  und  die  nordischen  Runen  stammen  aus  dieser  Zeit  her  (Worsaae  in  der 
Oversight  for  1859,  S.  95  fg.). 

Nach  dieser  unserer  Darstellung  ist  man  wohl  berechtigt,  die  Behauptung  Linden- 
schmit’s  als  nicht  mehr  zutreffend  abzuweisen,  dass  das  System  des  Stein-,  Erz-  und  Eiseu- 
alters  fiir  alle  Erscheinungen  der  ältesten  Bildungsentwicklung  wohl  hinan  Platz  weiss,  aber 
keine  Auskunft  über  die  wichtigsten  Fragen  (1.  c.  S.  107).  Der  Hypothese  dänischer  Archäo- 
logen gegenüber  hatte  dieser  Ausspruch  allerdings  eine  gewisse  Berechtigung.  Wir  haben 
kein  Hehl  daraus  gemacht,  dass  noch  mancher  Punkt  genauer  zu  bestimmen,  mancher  Zweifel 
zu  lösen,  manche  Lücke  noch  auszufüllen  sei.  Dass  man  aber  auf  diesem  Wege  weiter  ge- 
langen werde,  als  wenn  Alles  in  eine  nebelhafte  Masse  verschwommen  bleibt,  das  ist  kaum 
zu  bestreiten.  Was  aber  Falsches  in  unserer  Darstellung  sein  möchte,  das  wird  alsbald  zu 
Tage  treten.  Citius  emergit  veritas  ex  errore  quam  ex  confusione  (Baco).  Gegenüber  den 
Ansichten  Lindenschmit’s  und  der  dänischen  Archäologen  bewährt  sich  auch  auf  wissen- 
schaftlichem Gebiete  der  Auaspruch,  den  Hngo  Grotius  über  die  religiösen  Parteien  seiner 
Zeit  gethan:  Nulla  secta  est.  quae  omne  vidit  verum,  nulln,  quae  non  aliquid  ex  vero. 

Die  Archäologie  ist  die  Arena,  auf  welcher  die  verschiedensten  Wissenschaften  einen 
Wettkampf  begonnen.  Alier  nur  durch  ein  möglichst  inniges  Zusammenwirken  alles  mensch- 
lichen Wissens  kann  auf  diesem  Gebiete  jede  Einseitigkeit  vermieden  werden;  nur  durch  die 
vereinten  Kräfte  der  Naturwissenschaften  — der  Geologie, .Mineralogie  und  Chemie,  der  Zoo- 
logie und  Botanik,  der  Paläonthologie  nnd  Anthropologie  — in  Verbindung  mit  den  Ergeb- 
nissen der  Arcbäogeographie,  der  Ethnologie,  der  Völkerpsychologie,  der  Kunstlehro,  der  Tech- 
nologie und  namentlich  auch  der  comparativen  Sprachwissenschaft  wird  die  Urgeschichte 
wesentliche  Fortschritte  zu  machen  im  Stande  sein.  Sehr  wohl  ist  mir  das  Misstrauen,  die 
Scheu  und  der  Widerwille  bekannt,  den  Viele  gegen  alle  etymologische  Forschungen  noch 
hegen,  eine  natürliche  Nachwirkung  jener  traurigen  Zeit,  wo  jeder  Laie  die  Etymologie  un- 
wissenschaftlich und  kritiklos  zn  treiben  sieh  berechtigt  fühlte.  Da  ich  Uber  diese  hoch- 
wichtige Angelegenheit  mich  bereits  ausgesprochen  in  dem  Vorworte  zur  zweiten  Auflage  des 
ersten  Theilos  meiner  Urgeschichte  des  Schleswig-Holsteinischen  Landes,  so  darf  ich  hier  wohl 
darauf  verweisen.  So  werthvoll  mancher  archäologische  Fund  immerhin  auch  sein  mag,  so 
sind  doch  die  uralten  Ortsnamen  jedes  Landes  von  nicht  geringerem  archäologischen  Interesse, 
da  in  ihnen  das  verborgene  Land,  das  geheime  Bindeglied  zwischen  Archäologie  und  Geschichte 
enthalten  ist.  Die  Untersuchung  Uber  die  Sprache  und  Bedeutung  der  Ortsnamen  füllt  eine 
Lücke  aus  in  der  Archäologie,  die  auf  keine  andere  Weise  auszufüllen  ist.  Denn  aus  den 
Grabgaben,  aus  der  Gräberform  und  der  Bestattungsweise  der  Todten  lasst  sich  nur  ausnahms- 


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296  v.  Maack,  antiquarische  Untersuchung. 

weise  die  gleiche  >),  fast  nie  aber  die  specifische  Nationalität  der  Begrabenen  nach  weisen. 
Das  aber  ist  ein  Missgriff  einzelner  hoch  verdienter  Archäologen,  dass  sie  Aufgaben  glauben 
lösen  zu  können  mit  Mitteln,  die  dazu  absolut  unfähig  sind.  Wenn  der  Geologe  aus  den 
Lagerungsverhältnissen  des  Fundortes  die  chemische  Beschaffenheit  des  Gefundenen,  der  Che- 
miker aus  den  Bestandtheilen  eines  Metallgeräthes  den  Fabrikationsort,  der  Kunstkenner  aus 
der  übereinstimmenden  Form  der  Gräber,  der  Grabgaben  oder  der  Begräbniss weisen  die  gleiche 
Nationalität  zu  demonstrireu  sucht,  so  ülterschreiten  sie  alle  sainmt  und  sonders  ihre  Com- 
petenz.  Jede  Wissenschaft  hat  in  der  Archäologie  ihr  bestimmtes  Gebiet,  wo  sie  allein  das 
Wort  zu  führen,  die  wissenschaftlichen  Fragen  zu  stellen  und  zu  beantworten,  die  Streitpunkte 
zu  entscheiden  hat.  So  kann  z.  B.  in  dem  ersten  der  obigen  angeführten  Fälle  statt  des  Geo- 
logen nur  der  Chemiker,  im  zweiten  Falle  statt  des  Chemikers  der  Kunstkenner,  im  dritten 
statt  des  Kunstkenners  der  Sprachforscher  die  Aufgabe  lösen,  Möge  demnach  die  streng 
wissenschaftliche,  von  der  Kritik  geschulte  Linguistik  bei  den  Archäologen  eine  freundliche 
Aufnahme  finden;  sie  ist  allein  im  Stande  manches  Käthsel  zu  lösen,  sie  winl  sicherlich  ihre 
Competenz  nicht  überschreiten. 


*)  Nur  in  dem  Kalle,  wo  Grabgabeti  von  ganz  eigcntbümlicher  Form,  die  sonst  nirgends  Vorkommen, 
in  räumlich  weit  von  einander  entfernten  Gräliera  angetrofTen  werden,  darf  man  auf  die  gleiche,  und  unter 
ganz  bestimmten  Verhältnissen  auf  eine  specifische  Nationalität  der  Begrabenen  schlieasen.  So 
findet  man  z.  B.  nach  Kichwald  (Anstand  1868,  Nr.  43,  S.  1020fg.)  in  den  Gräbern  Südrusslands  und  der 
Krim  als  Kleiderschmuck  der  Leichen  viereckige  Goldbleche  mit  der  Abbildung  eines  Hasen  oder  eines  Rei- 
ters, der  einen  Hasen  verfolgt.  Dies  bezieht  sich  offenbar  auf  die  Rettung  des  Volkes  der  Scythen  von  der 
Knechtschaft  der  Perser  durch  einen  Hasen,  wie  Ilerodot  erzählt,  Non  findet  man  aber  auch  in  den  Grä- 
bern an  der  Petschora  bronzene  Figuren  von  Hasen,  Eulen,  Adlern,  Mauerschwalben,  Bären  o.  s.  w,,  alle 
mit  einem  Menschengesiebt  auf  der  Brust.  Dies  ist  die  bildliche  Darstellung  der  Hcclcnwanderung, 
einer  Lehr»,  welche  der  Gete  Samolxis,  ein  Schüler  des  Pythagoras,  zu  den  Scythen  brachte.  Die  Petschora- 
Gräber  sind  also  auch  scythische,  und  die  Geteu  (wie  die  verwandten  Daken)  sind  wohl  Slavun,  denn  Sumolx 
heisst  im  Slavischen:  „er  schwieg“.  Mit  Schweigen  fing  aber  bei  Pythagoras  der  Unterricht  an. 


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XVII. 


Kleinere  Mittheilungen,  Referate,  Miscellen  etc. 


I.  Kleinere  Mittheilungeu. 


Antiquarische  Funde  in  Ungarn  und  Krain 
von  Carl  Griesbach  in  Wien. 

1.  Funde  im  Waagthale,  Ungarn. 

Ara  linken  Waagufer,  nordöstlich  vom  Bade 
Piatyau  gelegen,  befindet  sieh  das  Schloss  Moraran. 
Eine  Hügelkette,  aus  l<öss  zusammengesetzt,  tritt 
dort  aus  dem  Iuorecgebirg©  heraus,  — östlich  vom 
Schlösse  befinden  sich  in  demselben  Ziogelgruben. 
Diese  Lössablagerungen  enthalten  zahlreiche  orga- 
nische Reste,  unter  denen  besonders  Iwmierkenswerth 
Knocbeustücke  von  Elephas  primigenius,  Fragmente 
von  Hirschgeweihen  und  die  gewöhnlichen  Löss- 
schnecken sind. 

Den  Löss  bedeckt  eine  bis  2 Fun?  dicke  Hu- 
musschicht©. Am  westlichen  Theilc  der  Ziegelgrube 
hat  man  nun  vor  ungefähr  drei  Jahren  zwei  Gruben 
in  dem  Löss  aufgedeckt,  die  aber  ganz  mit  Dnmin- 
erde  ungefüllt  waren.  Die  grössere  dieser  Gruben 
ist  von  eiförmigem  Umfange,  15  Fuss  Tiefe  und 
4 Fuss  grösster  Breite,  und  scheint,  nach  der  Form 

Fig.  2-9.  Fig.  29. 


Archiv  für  Anthropologe.  Ul  III.  Heft  S. 


zu  schliesseu,  eine  üetreidegrube  gewesen  zu  sein, 
wie  solche  noch  heute  dort  in  dieser  Gegend  im 
Gebrauche  stehen. 

Die  Dainmerde  in  den  Gruben  und  rund  um 
dieselben  ist  voll  von  Topfschcrben.  3 Fuss  unter 
der  Oberfläche  fand  man  nun  wohlerhaltene  Töpfe 
von  der  eigenthümlinhsten  Form. 

Die  grössere,  Fig.  28,  hat  8 Zoll  Höhe, 

Zoll  Durchmesser  an  der  Oeffnung  und  einen  gröss- 
ten Durchmesser  von  7 Zoll.  Die  zweite  kleinere, 
Fig.  29,  ist  274  Zoll  hoch,  hat  eine  Oeffnung  von 
2*/j  Zoll  und  einen  grössten  Durclimesser  von 
3 Zoll.  — Das  Merkwürdigste  an  diesen  Gefässen 
sind  vier  symmetrisch  angebrachte  Knöpfe,  eigent- 
lich Verdickungen,  Buckeln,  welche  den  GeftsRen 
an  ihren»  grössten  Umfange  ein  viereckiges  Aus- 
sehen verleihen.  Die  ganze  Art  dieser  Buckeln 
deutet  darauf  hin,  dass  wir  es  mit  einer  blossen 
Verzierung  zu  thun  haben,  nicht  dm««  sie  einen» 
bestimmten  Zwecke  gedient  hätten. 

Dngegen  sind  diese  Geschirre  offenbar  aus 
freier  Hund  gemacht  worden  und  zeigen  die  Spur 
eines  Graphitamtriches.  — Nach  Dr.  Kenner’» 
Ansicht  stammen  sic  aus  der  späteren  Zeit  der 
Bronzep  jritwle. 

Sehr  interessant  sind  jedoch  Funde,  die  mau 
spater  an  derselben  Stelle  machte.  Nebst  einer  An- 
zahl von  Topfscherben  und  ganzen  Töpfen,  Fig.  30 
n.  31  (a.  f.  S.),  die  meist  grösseren  Exemplaren  nn- 
geliörten,  fand  man  den  liest  eines  Steingeräthes. 

Es  ist  ein  bearbeiteter  Feuerstein,  der  über- 
einstimmend mit  anderen  Funden,  jene  charakteri- 
stische dreikantige  Form  besitzt.  — Auel»  eine 
Pfeilspitze  aus  Hirschhorn  wurde  dort  gefunden. 

Diese  letzteren  Funde  deuten  ganz  entschie- 
den auf  Steinzeit  hin , was  aber  im  Widerspruche 
stehen  würde  mit  den  früher  gefundenen  Dingen, 

88 


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251 K 


Kleinere  Mittheilungen. 


die  nach  Ur.  Kenner  der  späteren  Bronzeperiode 
angeboren  sollten. 

Ich  will  hier  n:cht  meine  Ansicht  auFsprrcheu, 
ehe  noch  genug  gefunden  wurde,  um  etwas  ganz 
Bestimmtes  darüber  zu  sagen,  jedoch  scheint  es  mir 
nicht  nothwendig,  für  diese  Funde  ein  verschiede- 
nes Alter  anznnchmen.  — Es  kann  hier  ebensowohl 
wie  anderwärts  ein  Hineinragen  einer  Periode  in 
die  andere  statt  gefunden  haben.  Uebrigens  ist  der 
Fig.  30.  Fig.  31. 


Fall  auch  nicht  undenkbar,  dass  diese  Funde  gar 
uicht  demselben  Volke  angehört  hüben,  sondern 
die  Töpfe  aus  der  Bronzeperiode  gleichalteng  mit 
den  Stein  Werkzeugen  sind.  Dos  Waagthal  gehört 
zu  den  Iitndertheilen , welche  auf  dem  Wege  zwi- 
schen der  I)orau  und  dom  Bernsteiuhandelt reiben- 
den Norden  liegt,  und  war  daher  gewirs  oft  von 
Handeltreibenden  Völkern  besucht,  denen  vielleicht 
die  Gegenstände  aus  der  Bronzeperiode  angehörten. 

Für  diese  Ansicht  scheint  auch  ein  weiterer 
Fund  aus  Ober-Ungarn  — von  Also  Kubin  in  der 
Arda  — zu  sprechen,  der  entschieden  der  Bronze- 
periode angehört  und  zwar  von  einem  sehr  ent- 
wickelten Volke  herzurühren  scheint. 

2.  Römergräber  von  Illavngora  in  Krain. 

Schon  seit  langer  Zeit  wusste  man  von  Fun- 
den aus  der  Römerzeit  in  Krain.  Namentlich  die 
Spuren  von  Bauten  und  Wasserleitungen  gehören 
nicht  zu  den  Seltenheiten. 

Südöstlich  von  Laibach  zur  Herrschaft  Zobels- 
berg gehörig,  liegt  das  elende  Dorf  Illavagora.  Es 
besteht  aus  einigen  wenigen  verkommenen  Häusern, 
bewohnt  von  einem  armen  ungebildeten  Volke, 
meistens  Holzhauern,  alle  Slovenen. 

Das  Dorf  besitzt  eine  malerische  Lage,  auf 
einem  Berge  unter  uralten  Eichenbüumen.  Dort 
ist  die  Stelle  eines  römischen  Lagers.  — - Beim 
Ackern  kamen  die  Bauern  oft  auf  behauene  Steino 
und  schon  zu  öfteren  Malen  fand  man  Thongefasse, 
die  aber  alle  verschleppt  wurden. 

Ich  licss  im  Spätherbst  1863  einige  Nachgra- 
bungen machen,  die  von  einigem  Erfolge  begleitet 
waren. 

Das  erste,  was  wir  an  einer  schon  bekannten 
Stelle  fanden,  war  die  Spur  einer  Mauer  aus  be- 


hauenen Steinen.  In  der  Lage  der  Spuren  lässt 
sich  eine  gewisse  Regelmässigkeit  nicht  verkennen, 
und  ich  vurmuthe,  dass  wir  es  hier  mit  einem  alten 
Lager  zu  thun  haben.  Nicht  weit  davon  fanden 
wir  mehrere  Gräber,  d.  h.  es  waren  mit  Steinen 
ausgelegte  längliche  Gruben,  geschlossen  durch  eine 
grössere  unbehauene , unregelmässige  Sandstein- 
platte. Bei  ungefähr  3 Fuss  Länge  und  2 Fass 
Breite  enthielten  sie  drei  bis  vier  grössere  und 
kleinere  Thongeffisse  mit  Asche. 

Die  Gräber  waren  alle  immer  Bchon  mit  Erdo 
ausgefüllt,  was  die  Ursache  war,  dass  wir  viel  mehr 
Scherben  als  ganze  Töpfe  herausbekamen,  da  die 
Leute  sehr  unvorsichtig  beim  Ausgraben  vor  sich 
gingen. 

Die  Gefanse  waren  alle  aus  rothem,  schönem 
Thone,  meist  mit  feinen  edlen  Formen.  Beinahe 
alle  waren  glalt,  nur  wenige  besassen  unten  und 
oben  erhabene  Reifen  von  Thon  als  einzige  Verzie- 
rung. Die  meisten  gingen  ziemlich  enge  zu  und 
waren  mit  einem  durchbohrten  Stöpsel  aus  unge- 
branntem Thone  verschlossen. 

Ich  bekam  drei  ganze  Gefaese  ans  den  Gräbern. 
Ein  grosses  1 Fuss  hohes  und  ein  5 Zoll  hohes  von 
minder  edlen  Formen  befindet  sich  im  Besitze  eines 
Herrn  W.  in  Wien. 

Von  einer  7 Zoll  hohen  Urno  von  edlen  For- 
men gebe  ich  hier  eine  Abbildung,  Fig.  32.  In 
Fig.  32.’ 


diesem  Thongefilsse , dessen  oberster  Raud  beim 
Ausgraben  zerbrochen  wurde,  lagen  zwei  Kupfer-  * 
münzen  von  unbekanntem  Alter,  — letztere  zeigen 
sehr  undeutliche  Umrisse  von  Köpfen  auf  der  Vor- 
derseite. Auch  befanden  »ich  in  der  Asche  mit  den 
üblichen  Mirrhen  eine  durchbohrte  einfach  verzierte 
Kngel  von  Stein,  deren  Zweck  mir  nicht  deutlich 
ist.  Der  durchbohrte  Stöpsel  aus  ungebranntem 
Thone  befindet  sich  ebenfalls  darinnen. 

Später,  als  ich  schon  fort  war,  fand  man  noch 
ein  anderes  Grab,  worin  unter  Thonscherben  auch 
ein  gläsernes  Ge  fass  sich  Imfand. 

Es  soll  von  breiten  Formen  gewesen  sein,  — 
es  gelang  mir  jedoch  uicht,  es  zu  bekommen,  da  es 
gleich  an  den  Grafen  Blaggey  verkauft  wurde. 


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Referate. 


299 

Diese  Roste  dürften  wohl  alle  aus  der  Regicrungs-  eine  bedeutende  Menge  von  Altert  hümern  in  Krain 
zeit  Kaiser  Tiberius  stammen,  aus  dessen  Zeit  herrühren. 


II.  Referate. 


1.  Rieh.  Owen.  -.Derivative  Ilypothesis  of 
Life  and  Species.“  1868. 

Es  bildet  diese  in  mancher  Beziehung  merkwür- 
dige Abhandlung,  die  leider  mehrfach  eine  dein  Ziel 
derselben  wenig  entsprechende  persönlich-polemische 
Färbung  trägt,  das  Schlusscapitel  zum  letzten  Band 
der  „Anatomy  of  Vertebrat«®“  dieses  Verfassers. 

Cu  vier  bewies  in  »einen  Arbeiten  über  Palaeo- 
therium  und  Anoplotherium  durch  Thatsachen  die 
Richtigkeit  der  von  Camper  und  Hunter  nur  als 
Vermuthung  aufgestellten  Ansicht,  dass  Specics  nicht 
permanent  sind.  Weniger  Data  als  über  fossile  Thiere 
besaes  Cu  vier  in  Bezug  auf  das  Verhältnis®  zwi- 
schen erloschenen  und  heutigen  Spocies,  welche 
Geoffroy,  doch  ohne  Beweis,  in  das  Verhältnis®  ge- 
genseitiger Verwandtschaft  stellte  *).  An  diese  Un- 
tersuchungen knöpfen  sich  folgende  Fragen: 

Homologie  oder  Teleologie?  Der  Verfasser 
verwirft  hier  Wunderschöpfung  und  anerkennt  in 
der  Erzeugung  der  Species  die  Wirkung  eines  na- 
türlichen Gesetze®,  das  er  Durivatiou  nennt. 

Thierreihe  unterbrochen  oder  verbun- 
den? Die  jetzigen  Erfahrungen  der  I'alaeontologie, 
weit  vollständiger  als  diejenigen,  die  Cu  vier  zu  Ge- 
bote Stauden,  sind  der  Annahme  einer  Abstammung  der 
einen  Specie®  von  der  andern  günstig;  allein  „ na- 
türliche Auswahl“  erklärt  hier  so  wenig  als  die 
älteren  Worte  „Nisui  formativus“,  „Archaeus  fa- 
ber“  etc.  Alle  diese  Worte  belegen  nur  Alternation 
von  Generationen.  Wichtiger  erscheint  dein  Ver- 
fasser folgende  Anschauung:  Angesichts  der  nicht 
zu  leugnenden  Beziehungen,  welche  z.  B.  Palaeo- 
therium,  Anchitherium,  Hippariou, Equus  zu  einer 
natürlichen  Reihe  verbinden,  ist  es  von  Wichtigkeit, 
dass  gelegentlich  noch  dreizehigo  Pferde  geboren 
werden,  die  uns  dann  monströs  erscheinen,  während 
es  nur  Thiere  mit  vorelterlichen  Eigenschaften  sind; 
allein  eben  hieraus  ergiebt  sich,  dass  solche  Eigen- 

*)  Gegen  diesen  Satx  ist  buchstäblich  nichts  einzuwenden. 
Allein  wenn  inan  die»  »o  ausdriiokt,  so  ist  sa  unbillig,  neben 
dem  einzigen  und  sehr  geschraubten  Geständnis»,  womit  Cu- 
vier  einer  Continuitfct  der  Schöpfung  doch  die  Thür  nicht 
ganz  vcrscblieascn  wollt«  (Jo  ne  pretenda  pas...)  nicht 
auch  den  in  demselben  „Discuurs  rar  los  revolntions  du 
globe“  unmittelbar  vorausgehenden  und  mit  gaiu  anderer 
Bestimmtheit  aufgestellten  Satz  zu  citiren:  „il  n’y  a donc 
dans  les  faits  counus  rien  qnl  puiase  appuyer  le  nioins 
du  monde  Popinion,  que  les  genres  nouveaux . . . Bient  pu 
etre  les  souebes  de  qudqucs-uns  des  animaux  d’aujourd- 
hui“  etc. 


thumliclikeitcn  plötzlich  auftreteu,  nicht  allmälig. 
Man  könnte  durch  Paarung  solcher  Thiere  Hip- 
pariou wieder  herstellen , und  zwar  rasch,  ohne 
Uebergänge.  Also  ist  es  weder  Adaptation , noch 
Natural  Selection,  sondern  nur  unbekannte  Kraft, 
welche  die  Struciur  verändert;  höchst  merkwürdig 
ist  dabei  das  Zusammentreffen  des  einzelligen  Pfer- 
des mit  dein  Menschen.  Üwon  glaubt,  dass  das 
Pferd  für  den  Menschen  bestimmt  und  deshalb  all- 
mälig so  umgewandelt  worden  ist,  wie  es  auch 
ferner  als  Specics  mit  ihm  Schritt  halten,  d.  h-  sich 
verändern  oder  sich  gleich  bleiben  werde  *). 

AuslöRchung  der  Species  durch  Cata- 
elysmen  oder  nach  Gesetzen?  Wenn  hei  Ein- 
führung der  Species  das  Wunder  verworfen  wird, 
so  kann  cs  auch  beim  Erlöschen  nicht  angenommen 
werden. 

Wie  wirkt  das  Gesetz  der  DerivatiouV 
Auch  hier  kommt  der  Verfasser  auf  seine  Ansicht 
einer  intrinseken  Tendenz  der  Organismen,  von 
den  elterlichen  Typen  abznwcichen,  und  setzt  an 
die  Stelle  der  natürlichen  Auswahl,  welche  von  äus- 
seren Einflüssen  abhängig  Bei,  seine  Theorie  der 
Derivation,  die  solcher  äusseren  Antriebe  nicht  be- 
dürfe. 

Epigenesis  oder  Evolution?  Epigenesis  in- 
volvirt  natürliches  Gesetz,  Evolution  Wunder. 

Nomogenie  oder  Thauraatogenie  V Diese 
Frage  umfasst  in  letzter  Instanz  alle  vorhergehen- 
den; sie  bildet  den  Hintergrund  sowohl  der  Discus- 
sion  zwischen  Cu  vier  und  Geoffroy  1830  und  der- 
jenigen zwischen  Pasteur  und  Pouchet  1861,  als 
auch  — angesichts  der  grossen  Analogie  zwischen 
der  Entwicklung  eines  Paramaecium  und  der  Bil- 
dung eines  Ovarialeies  im  Wirbelthier  — des  Strei- 


a)  Kin  durchaus  nicht  bewiesenes  gleichzeitige»  Auf- 
treten von  Mensch  und  einzelligem  Pferd  auch  zugegeben, 
ist  denn  doch  schwer  ahzusehen,  warum  denn  ein  so  gros- 
ser Theil  der  Menschheit  sich  noch  mit  paarigzehigen  lluf- 
thieren  behilft,  statt  auf  das  seit  der  Kocenzeit  alliuülig 
für  ihn  znbereitete  Pferd  zu  greifen,  oder  sollte  gar  lu 
dem  Grad,  in  welchem  dieses  geschieht,  ein  Maasstab  für 
den  Grad  der  Menschheit  liegen V Ebenso  klingt  der  .Satz, 
dass  von  allen  qu&drupeden  Hausthieren  kein»  den  Men- 
schen mehr  gefördert  habe  als  das  Pferd,  doch  wohl  gar 
zu  sehr  nach  KpMOtn.  Auch  der  .Satx,  das«  gleichzeitige 
Species  Schritt  halten  und  x.  B.  der  Gedanke  an  eine  Ver- 
wandtschaft zwischen  Tapir  und  Pferd  , .absurd“  sei,  weil 
sie  heute  coexistiren,  scheint  nichts  weniger  als  fest  zu 
stehen,  da  wir  Belege  genug  von  langltrbenden  und  kurz- 
lebenden  *Sp«cics  haben-  . L.  R. 

88* 


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8UU 


Referate. 


tea  «wischen  Epigunesis  und  Evolution.  Der  Ver- 
fasser bekennt  sich  zu  der  Ansicht  der  Formbildung 
(organischer  Krystallisntion)  in  Folge  heute  noch  vor 
»ich  gehenden  Zusammentrittes  äusserer  und  innerer 
vorher  vorhaudener  Bedingungen,  im  Gegensatz  zu 
einer  Abstammung  von  durch  primäre  Wunder  kraft 
erzeugten  Keimen.  Die  Vorgänge  in  der  unorga- 
nischen Natur  bieten  für  jene  Formbildung  eine 
Menge  von  Analogien  und  zwischen  ihren  Aeuase- 
rungeti  und  den  Aeusserungen  des  „I^bens"  orga- 
nischer Körper  ist  us  nicht  möglich,  andere  als  rela- 
tive Grenzen  zu  ziehen.  Die  nämliche  Ursache, 
welche  Kraft  unter  der  Form  von  Magnetismus, 
Kluktricität,  Wärme  wirken  lässt,  kann  sie  auch  in 
der  Form  von  Leben  wirken  lasten,  wenn  auch  aller- 
dings zwischen  den  Lehensausserungen  von  Proto- 
zoen einerseits,  Pflanzen  und  Thieren  andererseits 
mehr  Analogie  besteht,  als  zwischen  denjenigen 
von  magnatiairtem  Eisen  und  belebter  Sarcode. 
Von  Reflexacten  des  Nervensystems  erheben  sich 
aber  die  Thierc  zu  Gefühls-  und  Willensacten. 
Menschliches  Denken  und  elektrische  Schläge  des 
Zitterrochens  sind  beides  Formen  der  Kraft  und 
zunächst  Aeuaseruug  von  Nervonthätigkeit. 

Schliesslich  weist  der  Verfasser  sowohl  einen 
allfalbgen  Vorwurf  von  .Materialismus"  als  von 
n Idealismus41  ab.  Die  Begriffe  i>atri»tischer  und  mit- 
telalterlicher Theologie  über  Materie  haben  keine 
Geltung  mehr;  Kraft, Widerstand  etc. sind  endlich  me- 
taphysische Begriffe,  die  sich  in  gleicherweise  auf 
sogenannte  materielle  Wirkungen  ausser  uns  als 
auf  immaterielle,  die  von  uns  ausgehen,  anwenden 
lassen  und  einer  weiteren  Analyse  dermalen  unfä- 
hig sind.  Physiologisches  Weiterforscben  über  soge- 
nannte immaterielle  Thätigkeit  unserer  Organe  wird 
überall  auf  den  Widerstand  von  Sätzen  der  dogma- 
tischen Theologie  stossen.  Andererseits  weist  die 
Erfahrung  , dass  Geistrethätigkeit  — wie  der  Ein- 
fluss von  Schlaf,  Medicinen,  Krankheiten  beweist  — 
Ergebnis^  von  Affection  uud  Structurverändemng 
des  Gehirns  ist,  den  Idealismus  ab,  der  eine  im- 
materielle, unzerstörbare  Seele  einer  zerstörbaren 
Materie  gegenüber  stellen  will.  L.  Rütimeyer. 

2.  L.  Agassiz.  ^De  PEspece  et  de  la  Classi- 

fication en  Zoologie“.  Paris  1869.  Eine 

von  F.  Vögeli  unter  Mitwirkung  von 

Agassiz  besorgte  Ueborsctzung  des  zu- 

erst in  Vol.  I.  der  „Contributions  to  tbe 

Natural  History  of  tho  United  States* 
1857,  später  in  besonderm  Abdruck,  Lon- 

don 1859,  erschienenen  nEssay  on  Clas- 

sification.2 * * * * * * * * * * * 14 

Das  Buch  selbst  ist  von  früher  bekannt  nnd  kann 

hier  nicht  zur  Besprechung  kommen.  Allein  es  sind 

ihm  folgende  neue  Abschnitte  beigefügt:  Chap.  I. 

18:  Dualismc  sexuel,  33:  L’äge  primitif  de  l’huma- 

nite.  Chap.  II,  9:  Cat  egories  d’analogies.  Chap.  III, 


7 b:  Darwiuisme.  Classification  de  Haeckol,  wovon 
der  letzte  deshalb  von  Interesse  ist,  weil  wir  hier 
Agassiz  sich  ebenso  unumwunden  wie  Owen  in 
der  vorhin  besprochenen  Arbeit,  wenn  auch  in  ent- 
gegengesetzter Richtung,  über  „ Darwinismus*  aus- 
sprecheu  hören. 

Sehen  wir  von  vorn  herein  ab  von  der  durch 
den  Titel  und  den  Text  nahe  gelegten  Zusammen- 
stellung von  Darwinismus  und  II aecke Pechen 
Stammbäumen,  eine  Zusammenstellung,  die  sich 
sicherlich  sehr  viele  Darwinisten  nicht  gefallen  las- 
sen würden,  so  verwirft  Agassiz  vollkommen,  dass, 
was  ihm  die  Grundidee  des  Darwinismus  zu  sein 
scheint,  den  Organismen  irgend  eine  Tendenz  in- 
wohne, von  elterlichen  Formen  abzuweichen.  Auch 
tritt  er  dem  Darwinismus  mit  der  Anklage  entge- 
gen, dass  er,  ähnlich  wie  die  älteren  naturphiloBO- 
phischen  Systeme,  fast  die  Gesaramtheit  der  bisher 
erworbenen  That Sachen  verläugne,  um  daraus  nur 
das  hervorzuhehen,  was  seiner  Doctrin  dienen  könne, 
und  dann  auf  dieseu  Beweis  ein  rein  ideelles  Ge- 
bäude aufzubauen.  Er  bestreitet  unbedingt,  dass 
eine  Generation  von  der  vorhergehenden  abweiche 
und  ebenso  bestimmt,  dass  die  Geschöpfe  einer  geo- 
logischen Epoche  von  denjenigen  einer  vorherge- 
henden abgeleitet  werden  könnten.  Bietet  auch  die 
von  ihm  zugogebene  eigentümliche  Ausbildung 
jedes  organischen  Individuums  Verschiedenheiten 
dar,  so  bleiben  dieselben  doch  jeweilen  innerhalb 
der  Grenzen  der  Species  *)•  Unter  27,000  Indivi- 
duen von  Neritina  fand  Agassiz  nicht  zwei  unter 
sich  vollkommen  identische,  und  doch  liess  ihn  kein 
einziges  in  Zweifel  über  die  Species,  welcher  es  zu- 
gehöre; die  Variationen  durch  Züchtung  aber  gehö- 
ren einer  andern  Ordnung  der  Dingo  an  und  sind 
denjenigen  im  wilden  Zustande  keineswegs  gleich- 
wertig. Endlich  thut  man  sehr  Unrecht,  wenn  man 
aus  dem  Nachweis  systematischer  Verwandtschaft 
von  Thieren,  innerhalb  natürlicher  Familien,  auf 
physiologische  Verwandtschaft  schlierst J).  Schliess- 
lich führt  Agastis  gegen  die  von  Haeckel  ent- 
worfenen Stammbäume,  sowohl  für  die  Organismen 
im  Ganzen  als  für  die  einzelnen  Abteilungen  der- 

')  Ist  denn  nicht  grade  dien  die  l’etitio  principii, 
welche  bisher  das  Auge  für  alle  Verbindungsglieder  von 
Individuen  verschlossen  hat? 

Ä)  Dass  der  Beleg  von  Blut  Verwandtschaft  zwischen 
den  Speeles  verschiedener  Kpochen  sehr  schwer  w ird  geleistet 
werden  können,  ist  nicht  zu  bestreiten.  Wohl  aber  ist  zu 
bestreiten,  dass  sich  die  synthetische  Richtung,  die  durch 
Darwin  so  mächtig  gefordert  worden  ist  nnd  allerdings 
über  die  Ergebnisse  der  Analyse,  bei  welchen  die  Cu  vier’- 
sehe  Schule  stehen  bleibt,  hinausgeht,  eines  Leitfadens  be- 
diene, der  in  den  Resultaten  der  Wissenschaft  keine  Un- 
terstützung finde.  U eberschreituogen  des  Feldes  der  Beob- 
achtung zu  tadeln,  ist  vollkommen  berechtigt;  warte  man 
aber  andererseits  mit  dem  l'rtheil  über  beide  Richtungen 
ab,  bis  die  von  Darwrin  befürwortete  eine  solche  Arbeits- 
zeit hinter  sich  haben  wird,  wie  die  Cu  vier’ sehe,  so  wird 
es  ihr  an  Facta  voraussichtlich  keineswegs  fehlen.  L.  R. 


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Referate. 


301 


«eiben,  eine  Kritik,  welche  ihr  Urheber  eoransBehen 
konnte  und  gegen  welche  wir  ihm  die  Verteidigung 
überladen  müssen.  L.  Rütiraeyer. 

3.  E.  llaeckel.  Ueber  die  Entstehung  und 
den  Stammbaum  des  Menschengeschlechts, 
Berlin  1868.  (Zwei  Vorträge,  erschienen 
als  Heft  52  und  Ö3  der  Sammlung  ge- 
meinverständlicher wissenschaftlicher 
Vorträge.  Ileruusgegeben  von  Virchow 
und  Holtzendorff.) 

4.  E.  llaeckel.  Natürliche  Schöpfungsge- 
schichte. Gemeinverständliche  wissen- 
schaftliche Vorträge  über  die  Entwick- 
lungslehre im  Allgemeinen  nnd  diejenige 
von  Darwin,  Goethe  und  Latnarck  im 
Besondern,  über  die  Anwendung  dersel- 
ben auf  den  Ursprung  des  Menschen 
und  anderer  damit  zusammenhängender 
Grundfragen  der  Naturwissenschaft.  Ber- 
lin 1868.  Mit  8 Tafeln  Stammbäumen 
der  Organismen. 

Beide  Publiratioueu  sind  wesentlich  Erweite- 
rungen einzelner  Abschnitte  der  früheren  Arbeit 
desselben  Verfassers  („Generelle  Morphologie  der 
Organ isqien-,  2 Bände,  1866),  allein  diesmal  an 
das  grosse  Publicum  gerichtet,  während  die  ge- 
nannte Hauptarbeit  Leser  vorauneetzte,  die  mit  dem 
Boden,  auf  welchem  der  Verfasser  sich  bewegte,  ver- 
traut und  im  Stande  waren,  die  Haltbarkeit  oder 
Unhaltbarkeit  der  darauf  errichteten  Combinationen 
zu  beurtheilen. 

Es  bilden  diese  Werke,  welche  hier  zu  nennen 
die  vortrefflichen  wissenschaftlichen  Arbeiten  des 
genannten  Verfassers  verpflichten,  eine  Art  neuer, 
bisher  kaum  vorhauden  gewesener  Literatur,  die  zu 
bezeichnen  nicht  ganz  leicht  ist.  Der  Verfasser  hat 
sie  gern  ein  verständlich  und  wissenschaftlich  ge- 
nannt; die  Richtigkeit  deB  ersten  Prftdicates  wird 
ihm  Niemand  bestreiten,  allein  auf  das  zweite  wird 
er  im  Ernste  wohl  kaum  selbst  Anspruch  machen. 
EU  könnte  dies  höchstens  begründet  werden,  einmal 
durch  das  wahrhaft  mittelalterlich-formalistische  Ge- 
wand, in  welchem  diese  Bücher  uinhergehen,  sowie 
durch  den  Umstand,  dass  in  ihnen  ohne  Zweifel 
zahlreiche  Ergebnisse  der  Wissenschaft  verarbeitet 
sind.  Allein  der  Verfasser  hat  alle1«  Mögliche  ge- 
than,  um  den  Leser  diesen  Hintergrund  nicht  in 
zu  grosser  Nähe  fühlen  zu  lassen. 

Man  wird  iu  der  Billigkeit  so  weit  gehen  als 
möglich,  wenn  man  diese  Schriften  Entwürfe  nennt, 
Schemata,  wie  sich  der  Verfasser  das  heutige  Wis- 
sen in  der  Zukunft  gruppirt  denkt;  sie  bilden  also 
eine  Art  vou  — wir  wollen  nicht  hoffen  — Zu- 
kunl'tsliteratur,  aber  von  Phantasieliteratur,  wie  sie 
auf  einem  andern  Gebiet  des  Denkens  sich  aller- 
dings einer  großen  Popularität  erfreut,  auf  wissen- 


schaftlichem Gebiete  aber  an  eine  weit  zurücklie- 
gende Vergangenheit  erinnert,  wo  noch  Beobach- 
tungen nur  als  Mörtel  für  die  von  der  Phantasie 
gelieferten  Bausteine  dienten,  während  man  heut- 
zutage gewohnt  ist,  da»  umgekehrte  Verhält n iss  zu 
verlangen.  So  drängt  sich  für  die  zweite  der  oben- 
genannten Schriften  fast  unwillkürlich  als  Parallele 
ein  gleich  merkwürdiges,  damals  freilich  pseudonym 
erschienenes  Buch  auf,  das  in  der  letzten  Zeit  als 
eine  Art  Anfang  des  Darwinschen  Gedankengan- 
ges viel  genannt  worden  ist,  nämlich  Velliamed: 
E'ntrctieiis  d’un  philosophe  indion  avec  un  missio- 
naire  fran^ais  (sur  la  diminntion  de  la  Mer,  la  for- 
rnution  de  la  Terre,  Porigine  de  1‘Homme  etc.),  1748, 
worüber  in  neuester  Zeit  ein  ebenso  comj>etenter 
als  unparteiischer  Kritiker  folgendes  Urtheil  fällte: 
„Main  si,  laissant  de  cöte  la  partie  fantaisiste  de 
son  livre,  ä laquelle  Taute tir  n’accordait  ancune 
importance  reelle,  nous  no  considerons  que  les  quatru 
Premiers  entretions,  nous  trouvons  que  Velliamed 
vaut  rnieux  que  sa  reputation,  qu'il  y a dans  scs 
recherches,  dans  la  suite  et  l’arrangement  des 
faits  beaucoup  plus  d’entente  d’un  veritablc  Systeme 
que  danB  la  plnpart  des  ouvragp*  de  son  temps.u 
Setzeu  wir  an  die  Stelle  von  la  plupart  „viele“,  so 
dürfte  dies  Urtheil  auf  die  „natürliche Schöpfungs- 
geschichte“ um  bo  mehr  Anwendung  finden,  als  wir 
den  hartem  Schlusssatz  von  d’Archiac,  in  welchem 
er  sich  Über  das  Schicksal  von  Büchen)  ausspricht, 
oü  Tinmgination  finit  par  Pemporter  sur  l’observa- 
tion  et  l’experience,  mit  Absicht  unterdrückt  haben. 

Durch  diesen  Vergleich  glauben  wir  dein  Text 
desHaeckel’schen  Buches  kein  Unrecht  gethan  zu 
haben.  Weniger  Löbliches  lässt  sich  von  den  Illu- 
strationen sagen,  von  welchen  man  fast  glauben 
sollte,  dass  rie  dazu  bestimmt  seien,  dem  Buche 
neben  dem  Publicum,  da»  den  Text  liest  und  dann 
im  Nothfall  sich  solche  Illustrationen  selbst  macht, 
noch  ein  zweites  zu  sichern,  dem  man  das  Lesen 
des  Textes  — und  gewiss  mit  Erfolg  — erspartu 
wollte.  Auch  für  diese  könnte  man  Parallelen  aus 
etwas  entlegener  Literatur  beihringen,  doch  wäre 
dies  zuweit  gegangen;  sic  machen  weder  den  Ein- 
druck, auf  die  Dauer  berechnet  zu  sein,  noch  sind 
sie  durchweg  neu.  Sind  doch  die  Zeichnungen  des 
Titelblattes,  freilich  nur  in  manuscripter  Form,  in 
fröhlichen  Freundeskreisen  bekannt  genng  und 
erscheinen  nun  liier  zuerst  als  Empfehlung  „wis- 
senschaftlicher1* Werke«  Auch  die  in  den  acht  Schl uss- 
tafeln  gebotenen  Skizzen  sind  nur  als  Publication 
neu,  während  sie  bisher  höchstens  zu  privater  Orien- 
tirung  und  auch  nur  in  Form  von  Flugblättern, 
die  man  alle  Jahre  mit  verbesserten  vertauschte, 
in  den  Schreibtischen  existirten.  Wirklich  neu  in 
gewissem  Sinn  Bind  nur  einige  dem  Text  oinge- 
fügte  Zeichnungen,  wie  die  zu  Pag.  240  utid  vor 
allem  die  Holzschnitte  zu  Pag.  248. 

Dass  hier  Originnlien  geliefert  würden,  konnte 


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Referate. 


302 

für  ein  Hucli  von  dieser  Tendenz  kein  Mensch  ver- 
langen; wühl  aber  durfte  mau  erwarten,  dass  ein 
Forscher,  der  sehr  genau  weist,  dass  auf  keinem  Ge- 
biete Zeichnungen,  zumal  wenn  so  weittragende 
Schlüsse  darauf  gebaut  werden  sollen,  grössere  Scru- 
pulositüt  und  Gewissenhaftigkeit  erheischen,  uls 
auf  diesem,  seine  Vorlagen  nicht  zu  speculativeu 
Zwecken  willkürlich  inodellireu  oder  geueralisircii 
werde,  wie  dies  bei  Vergleichung  der  Embryos  zu 
Pag.  240  mit  den  zu  Grunde  gelegten  Zeichnun- 
gen aus  Bischoff  (Hund,  vierte  Woche),  Ecker 
(Mensch,  vierte  Woche),  Aga ssiz  (Schildkröte)  etc. 
nachweisalichermassen  geschehen  ist.  Vollends  aber 
kann  das  auf  Seite  248  augewendete  Verfahren, 
wo  ein  und  derselbe,  überdies  unrichtig  interpre- 
tirte  Holzschnitt  dreimal  nebeneinander  und  unter 
drei  verschiedenen  Titeln,  als  Embryo  des  Hundes, 
des  Huhnes,  der  Schildkröte  dem  Leser  vorgeführt 
wird,  nicht  anders  genannt  werden  als  Spieltrei- 
ben mit  dem  Publicum  und  mit  der  Wissenschaft, 
ln  Compilationen  sechster  und  siebenter  Hand 
geht  man  über  derlei  hinweg;  allein  wenn  eine  von 
einem  Mikroskopiker  geschriebene  ^wissenschaft- 
liche1* Schöpfungsgeschichte  sich  solches  erlaubt  und 
im  Text  Pag.  249  dann  überdies  nicht  etwa  diese 
Zeichnungen  als  rohe  Schemata  bezeichnet,  sondern 
hinzufügt:  „Wenn  Sie  die  jungen  Embryonen  des 
Hundes,  des  Huhnes  und  der  Schildkröte  in  Figur 
9,  10,  11  vergleichen,  so  werden  Sie  nicht  im  Stande 
sein,  einen  Unterschied  wahrzu nehmen,1*  so  ist  es 
am  Platze  dagegen  zu  protestiren.  Glücklicherweise 
sind  die  Zeiten  vorbei,  wo  das  Wissen  von  einer 
Kaste  nach  Vorschriften  adminißtrirt  wurde;  wohl 
aber  glauben  wir  noch  au  eine  Verpflichtung,  nir- 
gends verbrieft  oder  beschworen,  aber  in  jedes 
ernsthaften  Forschers  Innerm  lebend,  welche  diese 
Alle  nicht  etwa  unter  den  Ccnsua  einer  Congrega- 
tion,  allein  uuter  allen  Umstünden,  das  Mikroskop 
nicht  ausgenommen,  und  ohne  allen  Vorbehalt  unter 
das  Auge  des  jeweilen  zugänglichen  Grades  von 
Wahrheit  stellt.  r L.  Rütimeyer. 

5.  Thesaurus  craniornm.  Catalogue  of  the 
Skulls  of  the  various  raecs  of  man,  in  the 
collcction  of  Joseph  Barnard  Davis.  Lon- 
don, 1867.  Pag.  I — XVII  und  1 — 374. 
Mit  Masstabellen,  zwei  lithographirten 
Tafeln  und  Öl  in  den  Text  eingedruckten 
Figuren,  meist  Profilbildern  von  Schä- 
deln in  V«  bis  1 % natürlicher  Grösse. 

Dieser  sorgfältig  ausgearbeitete  Catalog  einer 
der  reichsten  Sch&delsammlungen  der  Erde  bildet 
ein  nicht  unwichtiges  Hülfsmittel  des  ethnologi- 
schen Studiums.  Derselbe  verzeichnet  über  1400 
Nummern,  während  die  Morton 'sehe  Sammlung 
nur  1045  Stück  enthält,  Cataloge  berühmter 
öffentlicher  Sammlungen  Englands  1000  nicht  er- 
reichen. (Sehr  viel  armer  au  Raceßchadeln  sind 


die  deutschen  Sammlungen;  so  fand  Referent  in 
den  Jahren  1863  und  1864  in  der  Blumenbach- 
schen  Sammlung  nur  320  Stück;  in  der  Berliner 
Sammlung  incl.  der  Köpfe  von  20  Raceakeleten  209 
Schädel;  zu  München  in  der  anatomischen  und  zoo- 
logischen Sammlung  102.)  Die  Sammlung  von 
Davis,  zum  Theil  begründet  durch  die  in  eie  ein- 
geflossenen Sammlungen  von  E.  B.  Price  und 
Juni  es  Deville  und  später  vermehrt  durch  die 
un  vorzüglichen  Exemplaren  reiche  Collection  von 
Prof,  van  Lidth  de  Jeude  (Utrecht),  wuchs  durch 
zahlreiche  Zuscuduugon  auswärtiger  Gönner  und 
Freunde  zu  einer  so  ansehnlichen  Grösse;  aber 
noch  mehr  als  durch  ihren  Xummemreichthuni  ist 
dieselbe  durch  seltene,  wohlerlndtcne  und  gut  ver- 
bürgte Exemplare  ausgezeichnet.  Besonders  reich- 
lich sind  vertreten  althritische  Schädel,  „Romano- 
Britons1",  Altrömer,  Angelsachsen  (diese  Schädel 
bilden  einen  grossen  Theil  des  von  demselben  Ver- 
fasser mit  Thurnam  in  den  Crania  britannica  be- 
schriebenen Materials).  Reich  ferner  ist  die  Samm- 
lung an  IlinduKchädeln , Mussulmans , Lepcha's, 
Bodo's  und  anderm,  nur  in  wenig  Cabinetten  vor- 
komineiidcn  Völkerschaften  Hochasiens.  Ein  selte- 
ner Besitz  ferner  ist  eine  Reihe  von  140  Kaimka- 
schüdeln  (Referent  hat  in  den  Sammlungen  Deutsch- 
lands und  Hollands  in  Allem  nur  10  Schädel  die- 
ser interessanten  lUce  vorgefunden);  unter  den 
ausgestorhenen  Racen  22  Guanchenschiidel  und  12 
Tasmanier. 

Sehr  dankenswert!)  ist  es,  wenn  zu  derartigen 
Sammlungen,  die  für  die  ethnologische  Forschung 
eiu  Schatz  für  alle  Zeiten  sind,  gute,  die  wesent- 
lichsten Charaktere  möglichst  vollständig  hervor- 
hebende Cataloge  veröffentlicht  werden.  Sie  die- 
nen dem  allgemeinen  Gebrauche  nach  den  ver- 
schiedensten Seiten,  sowie  Denjenigen,  welchen  es 
vergönnt  ist,  die  Sammlung  selbst  zu  untersuchen, 
zur  vollständigeren  Ausnutzung  des  Materials.  Die 
zu  den  einzelnen  Schädeln  gehörigen,  sonst  so 
leicht  sich  verlierenden  Notizen  gowinnen  durch 
den  Druck  eine  unvergängliche  Fixirung. 

Die  Anordnung  des  Catalogs  ist  eine  vorwiegend 
geographische.  Ohne  Zweifel  besitzt  eine  solche 
ihre  Vorzüge  und  sie  geht  an  vielen  Stellen  ob- 
jectiv  und  ohne  Präjudiz  durch,  wo  der  Versuch 
einer  ethnologischen  Ordnung  auf  Schwierigkeiten 
stosseu  würde.  Doch  hat  sie  auch  manches  Miss- 
liche. So  findet  sich  die  Aufzeichnung  der  alt- 
römischen  Schädel  an  sehr  verschiedenen  Stellen 
des  Buches  zerstreut:  — pag.  17  bei  den  altbriti- 
schen Racen,  pag.  73  hei  den  Racen  Frankreichs, 
pag.  88  bei  denen  Italiens,  pag.  103  bei  denen  der 
Niederlande;  eine  Zusammenstellung  dieser  Schä- 
del an  Einer  Stelle  würde  für  die  vergleichende 
Betrachtung  weit  nützlicher  gewesen  sein.  Aehulich 
die  JudenBchädel,  diu  sich  pag.  93  unter  den  races 
of  Italy  finden,  pag.  110  unter  den  niederländischen 


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lieft;  rate. 


303 


Rncen,  pag.  113  unter  den  deutschen  und  pag. 
115  unter  den  polnischen  Raceu  *). 

Eine  kurze  VerbalbeHchreibung  jedes  einzelnen 
Schädels  zu  geben,  verbot  der  Reichthum  der  Samm- 
lung ; doch  ist  der  Catalogus  keine  blosse  Liste ; 
stets  sind  die  wichtigsten  Schädel  in  nasse  beigefügt, 
und  überall,  wo  erhebliche  Besonderheiten  vor- 
karaen,  sind  diese  kurz  und  prägnant  geschildert. 
Diese  Notizen  enthalten  gar  manches  Neue,  inter- 
essante und  wichtige  Data  zur  Morphologie  wie 
zur  Ethnologie.  Ueberall  sind  an  betreffender 
Stelle  eigene  und  fremde  Publicationen  citirt,  und 
inan  dürfte  die  ethnologisch-craniologisehe  Litera- 
tur und  Iconographie  kaum  an  einem  andern  Orte 
so  vollständig  verzeichnet  finden. 

Bemerkenswert h ist  die  Abhandlung , welche 
Verfasser  pag.  49  bei  Aufführung  seines  inter- 
essanten „Neanderthaloid-Skull“  *)  eingeflochten. 
Ebenso  die  Angaben  über  die  künstliche  Schädel- 
formung bei  den  Amerikanern  (pag.  240,  250  und 
an  anderen  Stellen);  die  Angaben  über  die  Guan- 
chen  (pag.  191);  über  allgemeine  Racen Verhält- 
nisse pag.  109  und  vieles  Andere. 

Interessant  sind  die  pag.  310  und  313  gegebe- 
nen Abbildungen  der  ausserordentlich  schmalen 
and  hohen  Schädel  von  „Bist"  und  „Kilala“,  Hy- 
psistenocephalcn  von  verschiedenen  Inseln  Polyne- 
siens; die  Aehnlichkoit  von  Fig.  90  und  91  mit  der 
von  Huxley  (Arch.  f.  Anthr.  I.,  pag.  347,  Fig.  86 
und  SS)  gelieferten  Occipital-  und  Scheitelansicht 
seines  Schädels  B — der  zweifelsohne  zu  dieser 
Schädel gattung  gehört  — ist  zum  Verwechseln 
gross. 

Eine  Bereicherung  unseres  Materials  ist  die  Ab- 
bildung eines  Siamesen -Schädels  (pag.  175);  die- 
selbe erinnert  in  den  meisten  Charakteren,  zumal 
der  ansehnlichen  Schädelhöhe,  der  dentalen  Pro- 
gnathie, Kürze  des  Unterkiefers,  Augenpartie  etc. 
an  den  Chinesentypus.  (Ein  Siamesenschädel  aus 
Bangkok,  welchen  ich  von  meinem  Freunde  Swa- 
ving  erhielt  wohl  der  erste  in  Deutschland  — 
stimmt  mit  Davis’  Abbildung  in  allen  Stücken.) 

>)  An  dieser  .Stell«  citirt  Davis  eine  Abbildung  des 
Schinderhannc*- Schädels  als  .1  udenschädcl,  ein  Irr- 
thum,  der  auf  dem  von  .Seiten  eines  Deutschen  und  alle 
cause*  eelebres  kennenden  Autors  sonderbaren  Irrthame 
HyrtPs  beruht,  welcher  den  Schädel  des  Schinderhannes 
„einen  der  schönsten  Judenschädel“  nennt,  den  er 
jemals  gesehen  (Topogr.  Anat.,  I.,  117).  Ich  seihst  habe 
zur  Fortführung  dieses  Irrthums  möglicherweise  Veran- 
lassung gegeben,  indem  icli  jene  .sonderbar«  Angabe  ab- 
drnckte,  ohne  ihr  zu  wider»  p rechen. 

a)  Mein  verehrter  Freund , welcher  mir  diesen  Schä- 
del (abge bildet  Tlies.  |»ag.  41»)  behufs  einer  Arbeit  über 
den  Neandertlialscltidel  nach  Halle  sendete,  hat  mir  ge- 
stattet, denselben  formen  zu  lassen.  Herr  Conservator 
Klautsch  zu  Halle  a.  S.,  dessen  beachten»  wert  he  Liste 
verkäuflicher  Gypssaehen  sich  pag.  152  des  III.  Bandes 
d.  A.  abgedruckt  findet,  erbietet  »ich,  den  Abguss  des 
Neanderihaloid-Skull  zu  2 Thlr.,  den  Ausguss  der  Schä- 
deihöhle  zu  1 Thlr.  zn  tiefem. 


Zwei  Appendices  behandeln  näher  die  Messun- 
gen. Der  erste  ist  den  Sch&delmossungen  ge- 
widmet und  giebt  eine  Zusammenstellung  der 
Mittelwerthe.  Die  Cajuicität  der  Schädelhöhle  ist 
in  dem  Werke  für  jeden  einzelnen  Schädel  in  „Un- 
zen trocknen  und  reinen  Calais-Sandes*1  angegeben ; 
dass  bei  den  Mittel werthen  (pag.  360)  diese  Aus- 
druckweise in  Cubikzolle  u ingeschrieben  ist,  er- 
höht die  Brauchbarkeit  dieser  Bestimmungen  !). 

Der  zweite  Anhang  giebt  die  Messungen  der 
Racenskelete,  deren  Davis  neun  Stück  besitzt, 
darunter  einen  nordamerikanischen  Indianer,  einen 
Alt-Peruaner,  zwei  Polynesier  und,  eine  Selten- 
heit ersten  Ranges,  einen  Aino. 

Für  alle  die,  welche  in  dem  Schädel  das  für 
die  ethnologische  Diagnose  wichtigste  Bruchstück 
des  Menschenkörpers  sehen,  wird  auch  dieser  Ca- 
talogus  ein  „Thesaurus u sein. 

H.  W elcker. 

0.  Reise  der  österreichischen  Fregatte 
„Novara11  um  die  Erde.  Anthropologi- 
scher Theil,  dritte  Abtheilung:  Ethno- 
graphie, auf  Grund  des  von  Dr.  K.  von 
Scherzer  gesammelten  Materials  bear- 
beitet von  Dr.  Friedrich  Müller,  Profes- 
sor der  orientalischen  Linguistik  an  der 
Wiener  Universität.  Mit  10  photographir- 
ten  Tafeln  und  einer  Karte.  4°,  pag.  I — 
XXX  und  1 — 224. 

Nachdem  im  Jahre  1867  die  zweite  Abtheilung 
des  anthropologischen  Theilcs  des  Novara- Reise- 
werkes, enthaltend  Körpermessungen  von  der  Hand 
Professor  A.  Weisbach’s,  erschienen  ist  (vergl. 
Referat  in  dein  Archiv,  III,  Seite  139), «)  haben  wir 
in  dem  hier  angezeigten  Buche  einen  weiteren  vor- 
trefflichen Beitrag  zum  anthropologischen  Apparate 
zu  begrünen.  Wie  uns  der  Herr  Verfasser  in  dem 
Vorworte  sagt,  wurde  dieser  ethnographische  Band 
anfangs  mit  Herrn  von  Scherzer  gemeinsam  in 
Angriff  genommen,  später,  nachdem  der  letztge- 
nannte Forscher,  welchem  das  Reiseunternehmen 
»eine  Entstehung  und  Förderung  ganz  wesentlich 
verdankt,  sich  anderweitig  in  Anspruch  genommen 
sah,  von  ihm  allein  za  Ende  geführt,  gestützt  auf 
die  von  Scherzer  gesammelten  Materialien,  wie 
auf  die  eigenen  Sammlungen  und  anderweitigen 
Hülfemittel  des  Herausgebers.  Der  von  Scherzer 
zur  Verfügung  gestellte  Apparat  besteht  theils  in 


8)  Kin«  Kcdnctionstabelle  zur  Umsetzung  der  Unzen 
Sand  in  Cubikccntimeter  habe  ich  IW.  1,  pag.  269  des 
Archivs  gegeben,  und  der  verehrte  Herr  Verfasser  hat 
in  einer  jüngst  erschieiiciiL-n  Abhandlung  »eine  Volum  wert  he 
in  Cnblkcentimeter  transponirt  und  die  mittleren  Gehirn- 
Gewichte  für  di«  einzelnen  Völker  berechnet. 

4)  Die  erste  Abthriitmg,  welche  meines  Wissens  di« 
kraniotogische  Ausbeute  der  Xovunt-Kxpcdiruin  zum  Ge- 
genstände haben  wird,  ist  noch  nicht  erschienen. 


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304 


Referate. 


handschriftliche«  Notizen,  welche  der  Reisende  an 
Ort  und  Stelle  aufgenoiirnien,  theils  in  (Korrespon- 
denzen mit  befreundete«  Gelehrten  und  Missionären, 
theils  endlich  in  einer  Reihe  von  seltenen,  meist  i« 
den  Colonion  gedruckte«  Brochüren  und  Zeitungen. 
Diese  Sammlungen  enthalten  eine  Fülle  dos  werth- 
vollsten ethnographischen  Materials,  erstrecken  sich 
jedoch  nur  auf  die  von  der  Novara-  Expedition 
berührten  Völker  und  hier  besonder*  auf  die  Mao- 
ri*», die  Nordamerikaner  und  die  Chinesen. 

Sehr  dankbar  sind  wir  dem  gelehrten  Her- 
ausgeber, duss  er  sein  Werk  nicht  auf  die  von  der 
Expedition  besuchten  Völker  beschränkt,  son- 
dern beinahe  auf  sämmtliche  Nationen  ausgedehnt 
hat.  Es  galt  ihm  um  den  Entwurf  und  die  Be- 
gründung eines  ethnographischen  Systems  vom 
Standpunkte  des  Sprachforscher».  Hören  wir  ihn 
seihst  (pag.  IV): 

„Bekanntlich  begegnen  wir  innerhalb  der  Eth- 
nographie zweien  nicht  immer  miteinander  in  Ein- 
klang stehenden  Richtungen,  einer  naturwissen- 
schaftlichen und  einer  linguistischen.  Soviel  mir 
bekannt,  hat  bisher  nur  di«  erste  Richtung  es  unter- 
nommen, ein  in’s  Einzelne  gehendes  System  auszu- 
führen. Dieses  hat  aber  in  den  seltensten  Fallen 
die  Billigung  der  anderen  Richtung  finden  kön- 
nen, ohne  dass  diese  cs  selbst  unternommen  hatte, 
etwas  Besseres  zu  liefen«  Ich  hielt  es  daher  wohl 
der  Mühe  werth,  als  Sprachforscher  eine  Bearbei- 
tung der  Ethnographie  im  Ganzen  zu  versuchen 
und  diesen  Versuch  sowohl  meinen  Genossen , den 
Sprachforschern,  als  auch  den  Naturforschern  zur 
Prüfung  vorzulegen.*4  Verfasser  verspricht,  diesem 
Gegenstände  auch  in  der  Folge  seine  Kraft  zu  wid- 
men. 

Die  Beurthcilung  der  linguistischen  Motive, 
welche  den  Verfasser  geleitet  haben,  muss  Referent 
dessen  speciellen  Fachgonossen  anheimgeben1);  von 
meinem  Standpunkte  aus  darf  ich  mich  freuen,  auf 
dem  Wege  der  anatomischen,  wesentlich  kraniolo- 
gischen  Gruppirung  (worüber  ich  in  einem  dem- 
nächst erscheinenden  Werke  berichten  werde)  viel- 
fach zu  denselben  ethnologischen  Gruppen  gelangt 
zu  sein,  wie  Verfasser  auf  dom  von  ihm  eingeschla- 
genen, wesentlich  linguistischen  Wege. 

Pag.  VIII  begründet  Verfasser  seinen  Grund- 
satz, dass  -die  einzelnen  Völker  nach  dem  Mo- 
mente der  Sprache  in  Gruppen  zusanimenzustellen 
und  im  System  aneinanderzureihen,  mit  anderen 
Worten  die  Sprache  snmmt  den  an  dieselbe  im  Ge- 
biete des  geistigen  Lebens  sich  knüpfenden  Aeus- 
serungen  zum  Hauptmerkmale  der  Völker  Verwandt- 
schaft zu  erheben“  sind.  „Danach  wäre  die  Ethno- 


*) Von  demselben  Verfasser  erschien  bereits  der  lin- 
guistische Tbell  der  Novara-Bücher.  ein  von  den  Sprach- 
forschern wegen  »einer  grossen  Klarheit  und  Objectivität 
bewunderte»  Werk. 


graphie  als  Wissenschaft  zunächst  nichts  Anderes, 
als  jeno  speciellc  Ethnographie,  welche  man  gewöhn- 
lich mit  dem  Namen  der  linguistischen  belegt.4* 
Es  ist  aber  keineswegs  ausscldiesslich  die  Sprache, 
woraus  Verfasser  seine  Schlüsse  zieht,  sondern  neben 
ihr  auch  alle  übrigen  «unseren  Kundgebungen  des 
geistigen  Lebens  der  Völker:  Poesie,  religiöse  An- 
schauung, Sitten,  Gebräuche,  staatliches  Leben. 
Pag.  XI  kommt  Verfasser  auf  dio  Schwierigkeiten, 
störende,  oft  sehr  verwickelte  und  schwer  überseh- 
bare Einflüsse  zu  sprechen,  in  Folge  deren  das  lin- 
guistische Moment  nicht  so  einfach  über  die  eth- 
nische Zusammengehörigkeit  zu  entscheiden  ver- 
mag. Gegenüber  dem,  was  Verfasser,  gewiss  mit 
Recht,  gegen  die  einseitigen,  auf  ein  einzelnes,  dem 
Körper  entnommenes  Merkmal  gegründeten  anthro- 
pologischen Systeme  und  R4»ceneintheilungen  bei- 
bringt, ist  oh  doch  zweifelhaft,  oh  die  Körperform, 
im  Gegensatz  zur  Sprache,  so  ilexibel  ist,  wie  Ver- 
fasser au  dieser  Stelle  (pag.  XI)  zu  venuuthen 
scheint.  Gerade  bei  dem  vom  Verfasser  angegebenen 
Beispiele,  der  von  der  Körper beachaffenheit  der  ural- 
altaischen  Völker  abweichenden  Körjierform  (resp. 
Schädelform)  der  Osmanli»  und  Magyaren,  würde 
ich  der  Auffassung  des  Verfassers:  „Hier  hat  die 
Sprache  »die«  äusseren  Einflüssen  Trotz  geboten,  die 
Leiber  hingegen  haben  sich  durch  das  fremde 
Blut  uui gewandelt“  — nicht  huitreten  können 
(falls  nicht,  wie  ich  fast  vermuthe,  jedenfalls  aber 
einem  Missverstand« iss  entziehen  möchte,  mit  den 
Worten  „die  Leiber  haben  sich  umgewandelt“,  nicht 
sowohl  eine  Umwandlung,  als  eine  Verdrängung 
gemeint  ist).  Referent  kann  die  Türken  und  Ma- 
gyaren nimmermehr  für  die  leiblich  umgeänderten 
Nachkommen  der  ural-altaiscben  Stämme  ansehon, 
deren  Sprache  sie  überkommen  haben,  ohne  dass, 
wenn  man  irgend  auf  dos  Gros  der  Bevölkerung 
Bezug  nimmt,  ein  genealogischer  und  darum  auch 
kein  engerer  anatomischer  Zusammenhang  besteht. 
Meine  volle  Beistimmung  hat  der  jmg.  XII  näher 
motivirte  Ausspruch,  dass  innerhalb  vieler  Jahrtau- 
sende „der  Riicentypua  sich  nicht  verändert  habe, 
oder  dass  die  Veränderungen  derartig  gering  sind, 
dass  sie  auf  deu  ersten  Blick  gar  nicht  wahrgeuom- 
nien  werden  können.“ 

Sehr  ansprechend  und  reich  an  deu  trefflich- 
sten Gesichtspunkten  ist  die  Darstellung,  welche 
Verfasser  von  dem  Einflüsse  der  äusseren  Form  des 
Landes  und  den  verschiedenen  nmthmasslichen  Cul- 
turherdengiebt  (pag.  XIII  und  folgende);  pag.  XXIII 
bringt  in  tabellarischer  Darstellung  die  „Eintheilung 
der  Menschheit  nach  den  Racen  und  den  durch 
Sprachen  geschiedenen  Völkern.“  Werfen  wir  auf 
diese  Tabelle  «inen  Blick,  so  können  wir  (mit  dem 
Verfasser  pag.  XXVII)  „einen  successiven  Fort  schritt 
in  der  Entwicklungsgeschichte  (der  Völker)  nicht 
verkennen.“  Ich  kann  nicht  umhin,  das  anspre- 
chende Bild  wiederzugoben , welches  Verfasser  in 


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liefe  rate. 


prägnanten  Zügen  von  den  Hauptracen  der  Mensch- 
heit hier  entwirft:  „Auf  der  untersten  Stufe  sehen 
wir  den  Australier,  ein  Wesen,  welches  fast  ans 
Thier  streift,  ein  Wesen  ohne  alle  andere  als  rein 
thierisehe  Bedürfnisse.  Der  Australier  lebt  gleich 
dem  Thiere  meistens  von  der  zufällig  gefundenen 
Nahrung;  er  hat  eine  sehr  mangelhafte  Wohnung. 
Sein  Gemüth  ist  stumpf,  nur  die  Befriedigung  thie- 
rischer  Triebe,  wie  Hunger,  Durst,  Geschlechtslust 
vermögen  es  einigerraaasen  zu  erregen.  Von  be- 
stimmten religiösen  Ideen,  von  der  Verehrung 
bestimmter  Gottheiten  sind  nur  geringe  Spuren  vor- 
handen. — Höher  steht  bereits  der  Papua.  Er 
sammelt  Nahrung  ein,  züchtet  einige  Thiere  und 
bebaut  das  Land,  wenn  auch  Alles  mangelhaft. 
Seine  Hütten  sind  meistens  am  Ufer  aufgebaut  und 
ganz  den  in  Mitteleuropa  an  den  Seen  aufgefnnde- 
nen  Pfahlbauten  ähnlich.  Sein  Gemüth  ist  heiter; 
er  fiudet  auch  an  anderen  Dingen  als  der  Befriedi- 
gung t hierischer  Triebe  seinen  Gefallen.  Sein  Aber- 
glaube hat  eine  bestimmtere  Form;  er  schnitzt  sich 
Götzen  au»  Holz  und  baut  ihnen  Tempel.  — Einen 
höheren  Fortschritt  zeigt  der  Malayo-Polyne- 
sier.  Neben  den  auf  Befriedigung  sinnlicher  Be- 
dürfnisse abzielenden  Einrichtungen  finden  sich 
bereit»  einige  Culturelemente  vor.  Wir  finden  ein 
Familienleben  entwickelt.  Die  einzelnen  Stämme 
werden  von  Häuptlingen  regiert.  Es  lassen  sich 
durch  Sitte  und  Gewohnheit  geheiligte  Gesetze  uach- 
weisen.  Man  baut  Schiffe,  mit  denen  man  sich  ins 
Meer  hin  Auswagt.  Die  religiösen  Ideen  sind  be- 
stimmt ausgeprägt  und  nehmen  bereits  die  Form 
der  Sage  an.  Freude  und  Leid  äussem  sich  in  Ge- 
sängen, welche  im  Gedächtniss  aufbewahrt  werden. 
Der  Einfluss  des  Häuptlings  gründet  sich  nicht  nur 
auf  die  rohe  Gewalt  und  Stärke,  »ondern  theilweise 
auch  auf  dio  Kraft  und  Kunst  der  Rede.  — Noch 
höher  steht  der  Neger.  Seine  Wohnungen  sind 
massiver  und  kunstvoller ; der  Landbau  wird  ungleich 
besser  betrieben.  Ein  bemerkbarer  Fortschritt  zeigt 
sich  besonders  in  der  Industrie  und  im  Handel. 
Der  Neger  baut  grössere  Städte  und  lebt  in  orga- 
nisirten  Staaten.  Er  strömt  nicht  nur  die  augen- 
blicklichen Stimmungen  seine»  Gemüth»  in  Liedern 
aus,  sondern  gieht  sich  auch  der  Reflexion  hin, 
welche  sich  in Sprüch Wörtern  und  Räthseln  aussert.  — 
Der  Amerikaner  ist  im  Allgemeinen  Jäger  und 
Fischer  und  steht  in  dieser  Hinsicht  hinter  dem  Ne- 
ger und  theilweise  auch  hinter  dem  Malayo-Polynesier 
zurück.  Bedenkt  man  jedoch,  cIas»  er  dies  nur  in 
Folge  der  Gestaltung  und  Lage  seines  Landes  und 
der  beschränkten  Hülfsmittel  wurde  und  das»  dort, 
wo  günstigere  Bedingungen  vorhanden  waren,  auch 
eine  nicht  unbedeutende  Cultur  sich  entwickelte, 
so  kann  man  nicht  umhin,  den  Amerikaner  in  Be- 
treff der  letzteren  (wir  erinnern  an  Mexico  und 
Peru)  über  den  Neger  zu  stellen.  Denn  die  Bauten 
und  Bildwerke  der  beiden  Culturstaaten  Amerikas 

Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  in.  Heft  3. 


S05 

übertreffen  Alles,  was  der  Neger  in  dieser  Richtung 
geleistet  hat,  und  die  verschiedenen  Mittel  zur  Be- 
friedigung von  Bedürfnissen,  wie  sie  nur  in  Cultur- 
Staaten  Vorkommen,  sind  »o  umfassend,  dass  Manche 
zur  Erklärung  derselben  fremde  Einflüsse  auneh- 
men  zu  müssen  glaubten.  — Höher  als  der  Ame- 
rikaner steht  der  Ilochasiate.  Obgleich  die  mei- 
sten Völker  diener  Race  Nomaden  sind,  die  nur 
als  Weiterschütterer  eincu  Namen  sich  gemacht 
haben,  so  ist  wiederum  besonders  zweien  der  hier- 
hergehörenden Staaten,  Japan  und  China,  ein  blei- 
bender Name  in  der  Cult  Urgeschichte  zu  Theil  ge- 
worden. Diese  beiden  haben  in  gewisser  Beziehung 
das  Höchste  erreicht;  die  materielle  Cultur  dersel- 
ben steht  der  abendländischen  in  Nichts  noch.  — 
Den  höchstenGrad  ihrer  idealenEntwicklung  erreicht 
die  Menschheit  in  der  mittelländischen  Race. 
In  der  ersten  Zeit  ihre«  geschichtlichen  Auftretens 
(der  Herrschaft  der  semitischen  Völker)  steht  sie 
nicht  höher  als  China.  Erst  mit  dem  Erscheinen 
der  Semiten  und  Indogermanen  bricht  sich  eine 
freie  ideale  Cultnr  Bahn,  die  nach  und  nach  sieg- 
reich alle  Schranken,  welche  Zeit  und  Raunt  ihr 
gesetzt  zu  haben  scheinen,  durchbricht  und  alles 
ihren  Einflüssen  unterwirft.  Durch  sie  ist  es  mög- 
lich, dass  der  Mensch  zu  dem  werde,  als  was  ihn 
die  Sage  der  Semiten  darstellt,  nämlich  einem  Eben- 
bilde Gottes.“ 

Verfasser  führt  nun  iD  dem  eigentlichou  Werke 
(Seite  1 bis  208)  die  einzelnen  Raren  in  specieller 
Darstellung  vor,  und  es  ist  der  Inhalt  auf  folgende, 
bei  den  einzelnen  Völkern  wiederkehrende  Rubri- 
ken vertheilt:  „Land  und  Klima“,  „Fauna  und 
Flora1*,  „Typus“,  „Kleidung,  Wohnung,  Nahrung, 
Geräthe,  Waffen“,  „Geistige  Anlagen“,  „Leben, 
Sitte,  religiöse  Anschauungen“,  „Sprache“.  Der  In- 
halt ist  üW&U  ein  so  reicher,  die  Darstellung  eine 
so  treffliche,  bei  aller  Gelehrsamkeit  und  Schärfe 
der  Kritik  so  schlichte  und  milde,  sie  trägt,  so 
pikant  sie,  der  Natur  des  Gegenstandes  nach,  an 
manchen  Stellen  auch  ist,  überall  das  Gepräge  der 
gewissen haftesteu  Wahrhaftigkeit , so  dass  hier  in 
gleichem  Maasse  den  Forderungen  der  strengen 
Wissenschaft  wie  des  nach  belehrender  Unterhal- 
tung suchenden  Lesers  Genüge  geschieht.  Referent 
muss  es  sich  versagen,  auf  da»  Detail  des  Inhaltes 
einzugehen. 

Als  Anhang  sind  dem  Werke  beigegeben: 
Die  Verzeichnisse  der  von  K.  v.  Scherzer  wäh- 
rend der  Novara- Expedition  gesammelten  ethno- 
graphischen G egen» tän de  und  der  von  v.  Scher- 
zerund Schwarz  gesammelten  Racenschädel  *). 


*)  Zu  Nr.  1.:  „Ein  completes  Bosjes  ma  n-Skelot , 
du*  einzige  Exemplar  in  ganz  Europa,“  bemerke  ich, 
dass  nach  meinen  Skelet  Messungen  die  Berliner  Samm- 
lung unter  Nr.  7193  gleichfalls  ein  „Skelet  eines  Busch- 
manns vom  Cap  der  guten  Hoffnung“  (Etiquctre  von  Job. 
Müller1»  Hand)  hesiut;  und  in  neuester  Zeit  auch  die 

39 


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306 


Referate. 


Die  10  pbotographirten  Tafeln  enthalten  Modelle 
von  javanischen  Hütten,  Waffen,  ein  javanische« 
Dorf,  verschiedene  Idole  und  eine  Reihe  vorzüglich 
schöner  Basreliefs  aus  dem  Tempel  von  Borobudor. 
Endlich  ist  dem  Werke  noch  böigegeben  eine  von 
A.  J.  Kracher  bearbeitete  Weltkarte,  welche 
die  Vertheilung  dar  Völker  durch  Farbendruck  ver- 
anschaulicht. H.  Wclcker. 

7.  Anatomische  Untersuchung  eines  Busch* 
weibes  von  H.  v.  Luschka,  J.  A.  Koch,  Alex. 
Götte  und  Carl  Görtz. 

Im  letzten  Heft  des  Archivs  (111.  1.  2.  143) 
wurden  die  Untersuchungen,  welche  Flower  und 
Murie  an  einem  Weibe  der  genannten  Race  an- 
geltet lt  haben,  im  Auszüge  mitget keilt.  Wir  sind 
heute  in  deu  Stand  gesetzt,  über  eine  zweit«  Unter- 
suchung zu  berichten,  welche  von  Prof.  v.  Luschka 
in  Verbindung  mit  einigen  seiner  Schüler  an  einem 
Weibe  gleicher  Race  unternommen  wurde.  Die 
betreffenden  Arbeiten  der  drei  letzterwähnten  Au- 
toren sind  Inauguraldissertationen , die  unter 
dem  Präsidium  des  genannten  Lehrers  der  Anato- 
mie erschienen  und  der  Redaction  sofort  freund- 
lichat  mitgetheilt  wurden;  die  Titel  derselben  lau- 
ten: 1)  Ueber  da»  Becken  eines  Buschwoi- 

bes  von  C.  Görtz.  Tübingen,  1868.  2)  Ueber 

das  Hirn  eines  Buschweibes  von  J.  L.  A. 
Koch.  Tübingen,  1867.  3)  Ueber  das  Haar 

des  Buschwoibcs  im  Vergleich  mit  anderen  Haar- 
form en  von  A.  Götte.  Tübingen,  1867.  Dazu 
kommt  4)  ein  Aufsatz  von  Prof.  v.  Luschka: 
Die  äusseren  Geschlecht  »tbeile  eines  Busch- 
weibes mit  einer  Abbildung  in:  Monatsschrift 
für  Gehurtskuude.  Band  XXXII.  Heft  5.  1868. 

Der  Gegenstand  der  Untersuchung  ist  das 
Busch  weih  Afandv,  das  auf  seiner  Rundreise  durch 
Deutschland  vielen  Naturforschern  und  Aerzten 
bekannt  geworden  ist.  Dasselbe  starb,  39  Jahr  alt, 
im  Sommer  1866  zu  Ulm  au  einer  Pleuritis  und 
wurde  sofort  auf  die  anatomische  Anstalt  nach 
Tübingen  verbracht  und  dort  nach  verschiedenen 
Richtungen  einer  genauen  Untersuchung  unter- 
worfen. Die  Sprache  des  genannten  Weibes  soll 
durch  eine  fast  ununterbrochene  Folge  von  Schnalz* 
und  Knalllauten  aufgefallen  sein. 

a)  In  Betreff  der  Körperbeschaffenheit 
im  Allgemeinen  finden  sich  folgende  Angaben  : 

Di«  Grösse  beträgt  (Görtz  1.  c.  S.  24) 
4#  2"  3W,  136  Cent.  (Koch  1.  c.  S.  8),  das  Kör- 
pergewicht 101  Pfund  Medicinulgewicht  (Koch 


Tübinger  Sammlung,  welche  den  Leichnam  der  bekann- 
ten „Afandy"  erhielt  (vergl.  dm»  nachstehende  Referat, 
Nr.  7).  — l' übrigen*  enthalten  die  Schädel  der  Ncivara- 
Sammlung,  welche  ich  bereit*  im  Jahre  1863  durch  die 
Liberalität  des  Herrn  von  Scherzer  einer  ausführlichen 
Untersuchung  unterwerfen  durfte,  «ine  grössere  Anzahl 
vorzüglicher  und  seltener  Exemplare. 


1.  c.  S.  8),  75  Pfund  22  Loth  Zollgewicht  (Luschka 
1.  c.  346),  <lio  Farbe  ist  hellbraun,  die  Brüste 
sind  nicht  hängend , der  Hof  hat  einen  Durchmes- 
ser von  1 */*  und  ist  unregelmässig,  eher  concen- 
trisch  als  radiär  gerunzelt . die  Pupille  wenig  vor- 
stehend. Am  Gesicht  ist  die  Plattheit  der  Nase, 
die  Breite  des  Intcrocularraumes  und  das  Vor- 
springen der  Wangenknochen  auffallend.  Die 
Iris  zeigt  eine  bläuliche  Färbung;  das  Ohr  ge- 
fällig gebildet,  keineswegs  affenähnlich,  wie  es 
Cuvier  und  Müller  fanden. 

b)  Skelet.  Der  Schädel  (Koch  L c.  S.  8) 
ist  dolirhocephal  (grösste  Länge  16*5  Cent.,  grösste 
Breit«  12*5  Cent-,  Index  = 70)1),  Beine  Capacität 
(Koch  1.  c#  S.  8)  beträgt  1085  Cubikcent  (36  5 
Wasser).  Das  Gesicht  ist  prognath,  Länge 
10  Cent.,  Breite  10'5  Cent.,  die  Nase  platt,  die 
Nasenbeine  nicht  verschmolzen,  die  Wangenbeine 
stark  vorstehend,  die  Zähno  vollständig  erhalten, 
weis«  und  von  denen  der  Europäer  nicht  abwei- 
chend. In  Betreff  de«  übrigen  Skelets  wird  be- 
merkt, dass  dio  Abweichungen,  welche  verschiede- 
nen Skelettheileu  der  Hottentottenvenus  eigen 
gewesen,  an  der  Afandy  nicht  bemerkt  wurden. 
Das  oorp.  femoria  ist  nicht  breiter,  der  hintere 
Kamm  sogar  sehr  prononcirt,  der  Hals  des  Schen- 
kedhoins  weder  breiter,  noch  weniger  schief,  da- 
gegen weniger  lang,  die  tibia  von  etwa«  plum- 
perer Form  mit  weniger  allegebildeter  crista;  der 
calcaneus  zeigt  einen  längeren  Fersen  fort  satz . wie 
er  den  Negern  und  gewissen  Affen  zukomme,  am 
astragalus  falle  die  zierliche  Form  und  die  gerin- 
gere Convexität  der  obern  Geleukfiäche  auf.  Hu- 
merus schlank,  dio  Ellenbogengruben  nicht  durch- 
bohrt. Die  ganze  Wirbelsäule,  mit  Ausnahme  des 
Halst  heil«,  insbesondere  die  Lendengegend  sehr 
gestreckt.  Die  Köpfchen  der  Rippen,  insbesondere 
der  mittleren,  ungewöhnlich  gross. 

Das  Becken  (Görtz  S.  63)  gehört  der  rund- 
lichen Form  an,  steht  somit  in  Uebereinstimmung 
mit  den  beiden  von  J.  Müller  beschriebenen 
Exemplaren  und  hat  die  grösste  Aelmlichkeit  mit 
dem  von  M.  J.  Weber  (Lehre  von  den  Ur-  und 

*)  Ciürtz  I.  c.  (S.  71  und  Tabelle)  giebt  folgende 
Mtuisse:  1)  Längsdurchmesser  (sut.-naäo-front.  zum 

vonragendsieti  Punkt  de»  Hinterhaupt««!  16‘8.  3)  Quer- 

durc Inn  esse  r (zwischen  Tubera  par.)  13*1.  3)  llo- 

hendufcb  messe  r (vom  vorderen  Rand  de»  foratnen 
mugmmi  zur  Kreuzung  von  Sut.  sagitt.  und  coron.)  12'3. 
4)  lin.  na»o«basilari*  96.  5)  lin.  na»o-inci- 

sivo  (sut.  uwso-frnnt.  — zum  Alveolarraiul  zwischen  deu 
oberen  Schneidetähnen  57).  6)  lin.  incisivo-basila- 

ris  94.  7)  lin.  interjugalis,  Dötanxpunkt:  die  un- 
teren Enden  der  Naht  zwischen  Jochbein  und  Oberkie- 
fer 38.  8)  lin.  naxo-nientalis  101.  9)  Koster’scher 
Winkel  zwischen  4 und  5 70°  38*//.  10)  Camper- 

•cker  Winkel  C6.  11)  Natteiwinkel  140®  ls'.  121 

Loch  winkel  47°  4$'.  13)  Nasen  Winkel  80®  4#.  14) 
Zahnwinkel  91®  5(/.  (NB.  basilar.  = vorderer  Rand 
des  foramen  msgnnm.) 


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Heferate. 


307 


Racenfoffhen  der  Becken  etc.  Taf.  XXVII)  abge- 
bildeten  Becken  einer  37jährigen  Negerin.  Die 
Maasfifi  sind  in  einer  Tabelle  mitgetheilt. 

c)  Gehirn  (Koch  1.  c.).  Gewicht  des  fri- 
schen enthäuteten  Gehirns  28  5*  dasselbe  nach 
jahrelangem  Liegen  in  Weingeist  24  J 6 5-  — 
Maas8e  des  Gehirns  (cLi.des  Schädelinnenraumes 
nach  dem  Gypsausguss):  gröeste  Länge  15*5  Cent., 
Breite  11*5  Cent.,  Höhe  11  Cent.  Verhältniss  des 
Hirngewichts  zum  Köqwrgewicht  = 1 : 43'29. 
(Bei  einem  europäischen  Weibe  von  38  Jahren  be- 
trug dasselbe  uach  Tiedemann  1 : 44*89,  von 
den  sechs  übrigen  europäischen  Weibern  war  nur 
eines  (sehr  mageres)  mit  einem  Verhältniss  von 
1 : 28*45  dom  Buschwcib  überlegen.)  Auf  eine 
nähero  Beschreibung  der  Windungen  der  Gross- 
hirnhemisphären  lässt  »ich  der  Verfasser  nicht  ein 
und  verweist  in  dieser  Hinsicht  auf  das  Handbuch 
der  Anatomie  von  Luschka  (Anatomie  des  Kopfes 
S.  201  und  204),  wosei  bet  das  Gehirn  abgebildet 
ist.  Prof.  v.  Luschka  war  so  freundlich,  dem 
Referenten  die  nach  einer  Photographie  in  natür- 
licher Grösse  gefertigten  Original  Zeichnungen  de« 
grossen  Gehirns  (n.  verticaiis  und  lateralis)  mitzuthei- 
len,  aus  denen  sich  sofort  soviel  erkennen  lässt,  dass 
das  Gehirn  keineswegs  ein  windungsannes  zu  nen- 
nen ist.  Genaueres  Über  die  Windungsverhältnisse 
dieses  Gehirns  hoffen  wir  später  mittheilen  zu 
können. 

d)  Die  äusseren  Geschlechtsthcile 
(v. Luschka,  Görtx  1.  c.  S.  29).  Den  swickelähn- 
lichen  Vorsprung,  als  wolcher  sonst  das  pudendum 
muliehre  zwischen  die  Schenkel  eindringt,  sucht 
man  vergebens,  auch  eine  Absetzung  gegen  Damm 
und  Innenseite  der  Schenkel  fehlt  eigentlich;  der 
mons  veneris  ist  schwach  gewölbt,  die  Farbe 
desselben  nur  um  weniges  gesättigter  als  am 
übrigen  Körper;  die  Behaarung  besteht  nur  auB 
wenigen  und  kurzen  Härchen.  Die  labia  maiora 
sind  unbehaart  und  auf  ein  so  unscheinbares  Mi- 
nimum roducirt,  dass  sie  zu  fehlen  scheinen,  sie 
stellen  nämlich  zwei  ganz  flache  Wülste  dar,  die 
sich  nach  oben  ohne  deutliche  Grenze  in  den 
Schamberg  und  nach  unten  so  allmälig  zur 
Seite  den  Perinaeum  verlieren,  dass  weder  von 
einer  rima  pudendi,  wenn  inan  darunter  die  von 
den  labia  maiora  begrenzte  Spalte  versteht,  noch 
von  einer  Com m iss ur  die  Rede  sein  kann;  die  labia 
minora  liegen  daher  (foetale  Bildung)  frei  und  bil- 
den das  Aequivalent  der  rima  pudendi.  Vom  fla- 
chen mons  veneris  gebt  ein  Wulst  ab  (die  Clitoris), 
26  Millim.  lang,  und  seitlich  von  demselben  ver- 
laufen zwei  nach  oben  convergirende  Rinnen,  die 
als  Andeutungen  der  tiefen  Spalten,  dio  sich  sonst 
zwischen  den  labia  maiora  und  den  Theilen  in  der 
Schamspal  tc  finden,  gelten  können;  eine  sogenannte 
obere  oder  vordere  Commissur  des  Rudiments  der 
labia  maiora  ist  nicht  vorhanden  (fehlt  nach 


Luschka  auch  bei  den  Europäerinnen).  Die  vom 
praeputium  clitoridis  ausgehenden  Nymphen  ha- 
ben eine  Höhe  (=  Abstand  des  augewuchsenen  Ran- 
de« vom  freien)  von  3'85  Cent,  und  eine  Länge 
(d.  i.  des  angewachsenen  Randes)  von  6 Cent. 
Beide  Nymphen,  in  der  Mittellinie  aneinander- 
gelegt, bilden  einen  nasenühnlichen  Vorsprung; 
nach  hinten  uud  unten  stoeaeu  die  beiden  Nym- 
phen im  frcnuluro  vulvae  zusammen. 

e)  Das  Fettpolster  des  GesäBses  (Steato- 
pyga)  (Görtz  1.  c.  S.  50).  Uekei1  die  Höhe  des 
Fettpolsters,  insbesondere  den  Abstand  des  äusser- 
sten  Punkte«  vom  Rückgrat,  finden  sich  in  der 
Literatur  nur  wenige  Angaben.  Barrow  giebt  die- 
selbe in  einem  Falle  zu  14  4 Cent  an,  hei  der 
Hottentottenvenus  betrug  die  Höbe  der  Hinter- 
backen 16*2  Cent  Bei  der  Afandy  überragt  der 
Vorsprung  die  untere  Lendongegend  um  nicht 
mehr  als  7 Cent  Die  Dicke  der  Steatopyga  an 
sieh,  nachdem  sie  etwa  ein  Jahr  in  Weingeist  ge- 
legen, beträgt  in  grösster  Mächtigkeit  4 — 4*5  Cent., 
an  den  meisten  Stellen  3 — 3*5  Cent,  und  an  den 
schwächsten  nur  2 Cent.  Die  Fettmasse  überlugert 
die  regio  glutea  und  sacrococcygea , setzt  sich  auf 
die  regio  coxalis  und  die  Aussentheile  des  Ober- 
schenkels fort  und  verliert  Bich  allmälig  in  einem 
gewöhnlichen  panniculua.  Am  stärksten  zeigt  sie 
sieb  in  der  Gegend  der  Darmbeinkämme  und  über 
den  glutaei  maximi , geringere  Mächtigkeit  findet 
man  auf  dem  Kreuz-  und  Steissbein,  die  schwächste 
in  der  untern  Grenzlinie  des  Gesässes,  wo  wohl- 
beleibte Individuen  kaukasischer  Raoe  eine  grössere 
Dicke  des  Unterhautfettes  erkennen  lassen.  Hier- 
aus geht  hervor,  dass  nicht  nur  die  Menge  des  an- 
gehäuften Fettes  bedeutender,  sondern  auch  die 
Vertheilung  eine  andere  ist,  als  beiden  Europäern, 
denn  bei  diesen  nimmt  die  Stärke  der  Wölbung 
vom  Darmbeim  gegen  sulous  glutaeu*  allmälig  zu, 
bei  den  Hottentotten  dagegen  verflacht  sie  sich 
immer  mehr  nach  unten  gegen  die  hintere  Ober- 
schenkelfläche hin.  Diesem  Umstande  und  dem 
am  Darmbeinkamm  ganz  plötzlich  stattfindouden 
Uebergang  von  der  gröesten  Dicke  zur  gewöhn- 
lichen Panniculus-Mächtigkeit  ist  es  wohl  zuzuschrei- 
ben,  dass  die  Steatopyga  weit  auffallender  und  im- 
ponirender  erscheint,  als  bei  der  nicht  allzu  bedeu- 
tenden Dickendifferenz  zu  erwarten  stand.  In  Be- 
treff der  Structor  der  Steatopyga  hat  der  Verfasser 
Folgendes  wahrgenommen : Beim  Europäer  wird 

der  panniculus  von  den  Gesässmuskeln  durch  die 
fascia  glutaea  getrennt,  welche  über  dem  glutaeus 
medius  zwar  von  ausgezeichneter  Stärke,  sowie  von 
sehnenartigem  Glanze  sich  zeigt,  über  dem  maxi- 
raus  dagegen  sehr  dünn  und  an  den  Fl  ei  sch  bündeln 
adhärirend  ist.  Abweichend  davon  bietet  die  Ge- 
sässbinde  der  Afandy  in  ihrer  ganzen  Ausdeh- 
nung die  Charaktere  einer  wahren  Foscie  dar.  Die 
starke  fibröse  Schicht,  welche  den  glutaeus  maxi- 

89  ♦ 


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308 


Referate. 


tuus  überlagert,  besteht  aus  drei  verschiedenen 
fläckenhaft  ausgebreiteten  Faserzügen.  Zwischen 
diese  fibröse  Platte  and  die  Haut  ist  das  Fettge- 
webe eingeschoben , das  durchaus  nicht  einem  ge- 
wöhnlichen panniculns  adiposus,  sondern  viel  eher 
dem  der  F uns  noble  oder  der  Brust drüso  gleicht ; es 
gehen  nämlich  von  der  fibrösen  Platte  zahlreiche 
Fortsätze  ab , die  mit  dem  Stratum  reticularc  der 
Cutis  verschmelzen,  aber  auch  unter  sich  mannig- 
fachen Zusammenhang  haben.  Die  'Anordnung 
der  bindegewebigen  Blätter  ist  nicht  ganz  unregel- 
mässig. sondern  lässt,  namentlich  in  den  mächti- 
geren Theilen,  deutlich  drei  übereinander  gestellte 
Etagen  bemerken,  die  gegen  die  Haut  zu  an  Höhe 
abnehmen.  Diese  Structur  macht  ee  nach  des  Ver- 
fassers Meinung  allein  möglich,  dass  das  Fettpol- 
ster gerade  nach  oben,  der  Schwere  entgegen,  die 
grösste  Wölbung  hat  und  behält,  und  er  bezeich- 
net deshalb  die  beschriebenen  fibrösen  Blätter  als 
ligamenta  suspensoriu  stcntopjgae. 

f)  Das  Haar  des  Buschweibes  im  Ver- 
gleich mit  anderen  Haarformen.  Der  Ver- 
fasser (dem,  wie  es  scheint,  die  Arbeit  von  Pruner- 
Bey  in  den  mein.  de  la  soc.  d’ Anthropologie  vol.  II. 
1865  über  die  Formen  des  Querschnitts  der  Haare 
bei  verschiedenen  Völkern  unbekannt  geblieben 
ißt),  untersucht  die  Haare  von  Europäer,  Neger, 
Busch  weih,  dann  vom  gewöhnlichen  Landschaf 
und  dem  Rambouilletbock.  In  Betreff  des  Haars 
vou  Neger  und  Buschweib  findet  er,  dass  das  erster« 
vorherrschend  aus  einem  nichtwolligen  Oberhaar, 
das  letztere  bloss  aus  grob  wolligem  Unterhaar 
bestehe.  A.  E. 

8.  Ueber  das  Aussterben  der  Naturvölker. 
Von  Dr.  Georg  Gerland,  Lehrer  am  Klo- 
ster U.  1.  Fr.  zu  Magdeburg.  Leipzig, 
Fleischer,  1868,  X und  145  Seiten. 

Die  traurig  merkwürdige  Erscheinung,  dass 
die  Naturvölker  fast  überall , wo  die  sich  aus- 
breitenden Cultarvölker  mit  ihnen  in  Berührung 
kommen,  gleichsam  vor  denselben  weg  zusammen- 
schmelzen und  mehr  oder  weniger  ganz  weg- 
sterben , hat  man  vielfach  ohne  Weiteres  als  in 
einer  eigentümlichen  Schwäche  derselben,  welche 
sie  die  Berührung  der  geistig  begabteren  Mensch- 
heit nicht  ertragen  lässt,  begründet  erklärt,  wie 
z.  B.  Carus  einen  solchen  ursprünglichen  Gegen- 
satz dieser  verschiedenen  natürlichen  Existenz- 
befahigung  in  der  willkürlichen  Unterscheidung 
von  Tag-,  Nacht-  und  Dämmerungsvölkern,  „die 
wirklich  dem  Untergange  zugewendet  sind*,  aus- 
gesprochen hat.  Im  Gegensätze  zu  einer  solchen 
Erklärung , die  gar  keine  Erklärung  ist , sagt 
Waitz  in  seiner  Anthropologie  der  Naturvölker: 
„Begreiflicher  Weise  ist  das  Aussterben  eines  Vol- 
kes, das  früher  kräftig  und  gesund  gewesen  ist, 
nicht  damit  erklärt,  dass  man  ihm  die  Lebenskraft 


abspricht  oder  einen  ursprünglichen  Mangel  der 
Organisation  zuschreibt,  und  es  hat  an  sich  etwas 
sehr  Unbefriedigendes,  für  eine  so  seltene  und  ab- 
norme Erscheinung  einen  geheimnisvollen  Zu- 
sammenhang anzunehmen,  dem  sie  ihre  Entstehung 
verdanke;  man  wird  vielmehr  hier  wie  überall  nach 
dem  natürlichen  Zusammenhänge  der  Sache  zu 
suchen  haben,  wenn  man  sich  auch  schliesslich  zu 
dem  Geständniss  genöthigt  finden  sollte,  dass  es 
bis  jetzt  nicht  gelingen  will,  denselben  vollständig 
aufzuklären. u 

Dr.  Gerland  in  Magdeburg,  welcher  die 
Fortsetzung  des  eben  citirton,  von  Waitz  unvoll- 
endet zurückgelassenen  grossen  Werkes  übernom- 
men hat,  zweigt  sich  von  dieser  umfangreichen 
Arbeit  in  der  vorliegenden  kleinen  Schrift  die  be- 
sondere Aufgabe  ab , die  Erklärung  jenes  eben  er- 
wähnten dunklen  Zusammenhanges  der  Gründe 
für  das  Anssterben  der  Naturvölker  zu  versuchen. 
Das  reiche  ethnographische  Material,  welches  er 
zum  Zwecke  jener  grossem  Arbeit  durchgearbeitet 
hat,  liefert  ihm  natürlich  auch  zu  dieser  den  be- 
reits gelichteten  Stoff  in  Fülle,  und  er  hat  daraus 
mit  Leichtigkeit  die  zahlreichsten  Daten  aus- 
gehoben und  zusammengestellt,  welche  meist  nur 
allzu  einfach  und  natürlich  erkennen  lassen,  dass 
die  Naturvölker  vielmehr  eine  wunderbare  Unver- 
wüstlichkeit besitzen  müssten,  um  den  auf  sie  ein- 
stürmenden schädlichen  Einflüssen  zu  widerstehen. 
Mag  auch  der  Verfasser  im  Eifer  des  Streben?, 
alles  in  dieser  Sache  scheinbar  Käthselhafte  ganz 
natürlich  zu  finden,  manchmal  etwas  zu  schnell 
eine  vollkommene  Erklärung  jedes  Unheils  gefun- 
den zu  haben  glauben,  mag  man  namentlich  seinen 
eingestreuten  medizinischen  Deductionen  zu  sehr 
den  Dilettanten  anmerken,  im  Ganzen  wird  da- 
durch das  Ergebnis»  der  Schlüsse,  die  er  auB  den 
gesammelten  Angaben  zieht,  gewiss  nicht  hinfällig 
gemacht,  und  man  muss  sagen,  er  hat  Recht,  dass 
kein  Bedürfnis?  für  die  Annahme  einer  geheimnis- 
vollen Naturanlage  der  Naturvölker  zum  Hin- 
schwinden  bleibt. 

Zur  nähern  Bezeichnung  der  Ergebnisse,  welche 
der  Verfasser  schliesslich  hinstellt,  sei  nnr  erwähnt, 
dass  er  zur  Schande  der,  wie  man  sagt,  höher  be- 
gabten europäischen  Culturvölkcr  behaupten  zu 
müssen  glaubt,  ihr  Wüthen  gegen  die  Naturvölker 
überall,  wo  sie  in  den  Ländern  derselben  sich 
niederliessen , sei  unter  den  Ursachen  für  deren 
Hinschwinden  obenan  zu  stellen,  demnächst  die 
grosse  ihnen  eigene  Empfänglichkeit  für  Krank- 
heiten , ihre  grenzenlosen  Ausschweifungen  und 
die  verbreitete  Sitte  des  Kindermordes,  ferner  erst 
Krieg,  CannibaÜBmus  u.  s.  w. 

9.  W.  H.  J.  Bleek,  Ueber  den  Ursprung  der 
Sprache,  heransgegeben  mit  einem  Vor- 
wort von  Dr.  E.  Haeckel,  Weimar  1868. 


zOOS 


Digilizec 


Referate. 


309 


Der  durch  seine  Forschungen  über  afrikani- 
sche Sprachen  rühmlich  bekannte  Verfasser  ver- 
öffentlicht diese  schon  im  Jahre  1853  geschriebene 
Abhandlung,  die  gerade  jetzt  als  zeitgumaas  er- 
scheint, wo  auch  die  Sprachforschung  anfangt,  von 
dem  einer  allgemeinen  Anerkennung  entgegen- 
gehenden Entwicklungsgesetze  der  Natur  Vortheil 
au  ziehen.  Wenn  der  Verfasser  die  Epoche  der 
Menschwerdung  100  000  Jahre  vor  unsere  Zeit- 
rechnung setzt,  so  müssen  wir  bekennen,  dass  wir 
durch  gar  keine  Thateache  zu  einer  solchen  An- 
nahme berechtigt  sind  und  uns  deshalb  auch  jeder 
Schätzung  enthalten  sollten.  Er  meint,  dass  sich 
die  Sprache  der  Thiere  von  der  dee  Menschen 
etwa  wie  der  Blockdruck  der  Chineeen  von  dem 
mit  beweglichen  Typen  unterscheide,  der  sich  aus 
jenem  entwickelt  habe.  Es  sei  erlaubt,  hier  anzu- 
führen, dass  die  Erfindung  der  Buchdruckerkunst 
gerade  in  Mainz  der  hier  so  häufigen  Auffindung 
von  Schriftformen , die  auf  römische  Ziegel  und 
Thonwaaren  aufgedruckt  wurden,  zugeschrieben 
wird.  Die  Gefühlslaute,  die  auch  das  Thiur  besitzt, 
sind  die  Ansätze,  aus  denen  die  menschliche  Sprache 
entstand.  Die  Erhebung  des  Menschen  aus  einem 
niedern  Zustande  ist  nicht  beschämend,  sondern  im 
höchsten  Grade  erhebend  und  hoffnungsreich.  Dem 
Menschen  eigentümlich  ist,  dass  er  mit  Hülfe  der 
articulirten  Rede  die  Errungenschaft  des  Indivi- 
duums zum  Gemeingut  der  Gattung  macht;  darin 
liegt  das  unvergängliche  und  unsterbliche  Leben 
unsere»  Geschlechtes,  was  dem  Thiere  versagt  ist. 
Dadurch  wird  die  Menschheit  zu  einem  Organis- 
mus, in  dem  das  einzelne  Individuum  der  organi- 
schen Zelle  gleicht,  die  für  das  Ganze  arbeitet, 
und  die  Bedoutung  des  Einzeluen  wird  nur  durch 
seine  Theil nähme  am  Leben  des  Ganzen  bedingt. 
Diese  Erkenntnis»  ist  eine  reinere  Quelle  edlen 
Strebe us  als  die  Furcht  vor  Strafe  oder  die  Hoff- 
nung auf  Seligkeit,  welche  Grundsätze  des  Dogma- 
tismus doch  uur  auf  Selbstsucht  begründet  sind. 
Die  persönliche  Fortdauer  ist  nicht  so  zweifellos 
bewiesen , als  dass  der  Glaube  daran  die  sichero 
Grundlage  einer  sittlichen  Lebensanschauung  bil- 
den könnte.  Nicht  nur  das  Christeuthuw,  sondern 
auch  der  Ahnendienst,  eine  der  ältesten  religiösen 
Vorstellungen,  gründen  sich  auf  den  Glauben  an 
die  Unsterblichkeit.  Der  Verfasser  findet  den  Zu- 
sammenhang der  modernen  Theologie  mit  den 
mythologi&cheu  Vorstellungen  der  Vorzeit  und  mit 
der  Verehrung  der  himmlischen  Erscheinungen  in 
der  Bezeichnung  dee  Himmels  als  Sitz  der  Geister- 
welt, während  für  die  ältere  Ahneuverehrung  die 
Unterwelt  der  Aufenthalt  der  Geister  ist.  Dem 
Ahnendienst  huldigen  hauptsächlich  die  Völker, 
welche  die  Präfixpronominalsprachen  reden,  wie 
die  Kaffern,  die  Negerstämme  Afrikas  und  die 
Üceaniens.  Man  wird  dem  Verfasser  nicht  zu- 
geben, dass  aus  der  Verehrung  der  Stammeshäupt- 


linge, die  nach  deren  Tode  fortdauerte,  der  älteste 
Gottesdienst  und  die  Versöhnungslehre  »ich  ent- 
wickelt habe.  Die  aJtindische  Religion  kennt  oben 
so  wenig  den  Hcroendienat  als  die  der  Aegypter  oder 
Perser.  Aber  in  der  der  Griechen  findet  sich  die 
Vergötterung  sterblicher  Menschen.  Die  Natur 
selbst  wird  sich  den  ersten  Menschen  als  eine 
überlegene  Macht  kundgegeben  und  die  Ahnung 
eines  Hohem,  das  zunächst  Furcht  erregte,  geweckt 
haben.  Der  Mensch,  der  sich  bald  als  das  voll- 
kommenste Wesen  der  lebendigen  Schöpfung  er- 
kannte, konnte  auch  dem  grossen  Geiste,  den  er 
verehrte,  nur  menschliche  Eigenschaften  andichten. 
Wie  man  aber  den  Zorn  der  Menschen  durch  Ge- 
schenke begütigen  kann , so  glaubte  man  durch 
Opfer  den  zürnenden  Gott  zu  versöhnen.  Der 
Glaube  an  die  Unsterblichkeit  ist  dem  Wilden  fast 
mehr  ein  Bedürfnis»  seines  Denkens  als  dem  Ge- 
bildeten. Der  Tod  ist  ihm  eino  unbegreifliche  Er- 
scheinung. Sieht  er  doch  überall  in  der  Natur 
Geister  seiner  Einbildung,  erscheint  ihm  doch  das 
Bild  des  Todten  noch  im  Traume!  Psychologische 
Thatsacheu,  die  unverstanden  bleiben,  ehe  die 
Wissenschaft  sie  aufklärt,  haben  einen  grossen 
Antheil  an  den  irrigen  Vorstellungen  der  Men- 
schen von  der  Geisterwelt.  Bio  Geister  der  Ver- 
storbenen wurden  auch  in  Thiergestalten  verehrt, 
z.  B.  als  Schlangen  bei  den  Zulus.  Hierbei  darf 
man  daran  erinnern,  dass  auch  der  im  Alterthum 
so  viel  verbreiteten  Lehre  von  der  Seelenwande- 
rung  die  unbefangene  Beobachtung  zu  Grunde 
liegt,  dass  die  Handlungen  der  Thiere  in  so  vielen 
Beispielen  den  menschlichen  gleichen.  Aus  einer 
geschärften  Beobachtung  des  Thierlebens  entstand 
die  Thierfabel,  nicht,  wie  der  Verfasser  glaubt,  aus 
der  blossen  Vorstellung,  die  Thiere  so  zu  ver- 
menschlichen, wie  die  Sprache  auch  leblose  Dinge 
person ificirt  hat.  In  der  Geschlechtaunterscbeidung 
der  Nomina  erkennt  er  eine  tiefsinnigere  Auffassung 
der  Natur.  In  den  niederen  Sprachen  finde  man 
oft  eine  grosse  Anzahl  solcher  Nominalgeschlechter, 
aber  ohne  Beziehung  auf  den  Geschlechtsunter- 
schied, denn  Mann  und  Weib  stehen  in  demselben 
Geschlechtc.  Wenn  man  die  Dinge  vermensch- 
lichte und  so  anschaute,  als  ob  sie  sich  wie  Mann 
und  Weib  zu  einander  verhielten,  so  musste  dies 
die  Beobachtungsgabe  schärfen,  sagt  der  Verfasser. 
Verhalten  sich  hier  Ursache  und  Wirknng  nicht  viel- 
mehr umgekehrt?  Alle  Völker,  die  in  der  Wissen- 
schaft etwas  geleistet  haben , sprechen  sexuelle 
Sprachen;  alle,  welche  Pr&fixprononiinal&prnchen 
reden,  haben,  wenn  sie  auch  grosse  politische  Ver- 
bände bilden,  auf  geistigem  Gebiete  nichts  Nam- 
haftes vollbracht.  Ihre  Unfähigkeit  liegt  in  dem 
Mangel  einer  poetischen  Auffassung  der  Natur. 
Bei  den  Hottentotten , die  ein  auf  der  niedrigsten 
(Kulturstufe  stehendes  Volk  mit  sexueller  Sprache 
sind,  findet  sich  schon  der  Anfang  einer  religiösen 


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310 


Referate. 


Verehrung  der  Himmelskörper.  Die  de«  Monde«, 
dessen  veränderliche  Lichtgestalt  zuerst  das  Nach- 
denken beschäftigen  musste,  scheint  die  früheste 
Form  des  Gestirndienste«  zu  sein.  Aus  dem  Son- 
nen- und  Monddienst  vieler  amerikanischer  Völker 
schliesst  der  Verfasser,  dass  entweder  ihre  Gultur 
von  Völkern  mit  sexueller  Sprache  herrühre,  oder 
das«  sie  selbst  ursprünglich  diesem  Spruchstamme 
angehört  haben.  Wenn  derselbe  behauptet,  dass 
die  Verehrung  der  Geister  der  grossen  Verstorbe- 
nen auf  die  Naturmachte  sich  übertragen  habe,  so 
glauben  wir  vielmehr,  dass  sich  die  Verehrung  der 
letztem  ganz  unabhängig  von  jener  entwickelt 
hat  Als  eine  höhere  Entwicklung  des  religiösen 
Begriff»  wird  der  Gedanke  der  Versöhnung  be- 
trachtet. Auch  der  Kaffer  fleht  seine  Vorfahren 
an , ihm  zu  vergeben.  Auf  einor  noch  höhern 
Stufe  ßoll  aber  der  Mensch  die  Unmöglichkeit  er- 
kennen, dass  ein  menschenähnliches  Weseu  der 
letzte  Grund  aller  Dinge  sei;  der  Verfasser  nennt 
diese  Vorstellung  eine  theologische  Anmnssuug. 
Das  demüthige  Geständnis*  der  Unzulänglichkeit 
aller  theologischen  Voraussetzungen  wird  ihm  jetzt 
der  Grund  der  rcinsteu  und  tiefsten  religiösen 
Stimmung.  Auch  in  dieser  Darstellung  können 
wir  dem  Verfasser  nicht  Recht  geben.  Der  Mensch 
kann  auch  von  der  Gottheit  nur  menschlich  den- 
ken. Wenn  der  Verfasser  am  Schlüsse  der  Vor- 
rede die  Entwicklung  und  Verfeinerung  der  Go- 
hirnmassen  als  Ursache  der  höhern  Denkfähigkeit 
und  als  das  Ergebniss  einer  andauernden  und 
energischen  Anstrengung  von  mehr  ursprünglichen 
Gebirnfonneu  betrachtet,  so  ist  diese  Annahme 
unserm  physiologischen  Wissen  durchaus  ent- 
sprechend. 

Der  letzte  Grund  alles  Daseins  übersteigt 
unsere  Fassungskraft,  Gott  kann  nicht  als  ein 
nach  einem  Plane  schaffendes  Wesen  gedacht,  das 
Weltall  nicht  als  von  einer  der  menschlichen  ähn- 
lichen Kraft  bewegt  vorgestellt  werden.  Gott  ist 
nicht  der  Anfang,  sondern  das  letzte  Ziel  aller  Er- 
kenntnis«. Die  nächste  Aufgabe  der  Wissenschaft 
ist  deshalb  der  Ursprung  und  die  Zukunft  des 
Menschen.  Während  Max  Müller  die  Sprach- 
forschung der  Naturwissenschaft  zuweist,  hält 
Bleek  die  Erforschung  deB  Ursprungs  des  Mon- 
schen  für  das  Ziel  der  Naturwissenschaft,  die  des 
Entwicklungsganges  der  Menschheit  aber  für  Auf- 
gabe der  Philologie  oder  Geschichte.  Diese  muss 
jedes  Glied  der  Menschheit,  auch  das  niedrigste, 
mit  gleichem  Eifer  der  Forschung  werthhalten, 
wie  die  Zustände  der  höchst  gebildeten  Nationen. 
Die  allgemeine  Philologie  hat  nicht  blos  die  Ent- 
wicklung und  Ausbildung  jedes  Volksstarames  zu 
erforschen  und  was  er  für  die  Menschheit  geleistet 
hat,  sie  muss  es  versuchen,  von  dem  Ganzen  der 
menschlichen  Entwicklung  ein  Bild  zu  gewinnen. 
Die«  ist  nur  dann  möglich,  wenn  die  verschiede- 


nen Zustände  der  Völker  sich  als  aus  einem  und 
demselben  ursprünglichen  Zustande  hervorgegangen 
erweisen.  Auf  diese  Weise  gelangen  wir  auch  da- 
hin, uns  eine  Reihe  vorgeschichtlicher  Zustände 
vorzostellen.  Aus  der  Aehnlichkeit  verschiedener 
Bildungsstufen  folgt  noch  nicht  eine  Blutsverwandt- 
schaft der  Völker;  jene  hängen  hauptsächlich  von 
seiner  Denkweise  ab,  und  diese  offenbart  sich  in 
der  Sprache.  Durch  die  Sprache  hält  der  Mensch 
die  Eindrücke  der  Aussenwelt  fest,  durch  sie  wer- 
den seine  Vorstellungen  klarer,  durch  sie  trennt  er 
sich  selbst  und  seine  Empfindung  von  den  äusse- 
ren Dingen.  Der  Sprache  liegt  die  willkürliche 
Bewegung  zu  Grunde,  die  eine  allgemeine  Eigen- 
schaft des  Lebens  ist,  die  schon  in  dem  Zucken 
de«  Infusoriums  erscheint.  Die  thierische  Bewe- 
gung ist  aber  schon  in  der  des  pflanzlichen  Zell- 
stoffs vorgebildet.  Dos  Emporsteigen  menschlichen 
Wesens  aus  dem  thierischen  Dasein  vermögen  wir 
nur  aus  dem  Vergleiche  der  niedrigsten  Zustände 
der  Menschheit  mit  den  höchsten  Gebilden  der 
Thierheit  zu  erkennen.  Wir  müssen  untersuchen, 
aus  welchen  Fähigkeiten  de«  Thieres  unter  günsti- 
gen Bedingungen  menschliches  Wesen  entspringen 
konnte.  Dass  nicht  jetzt  mehr  aus  thierischer 
Sprachlosigkeit  menschenähnliche  Zustände  sich 
entwickeln  können,  das  soll  aus  gleichen  Gründen 
scheitern,  aus  denen  die  Fortbildung  der  Hotten- 
totteusprache  zur  Stufe  der  indogermanischen  un- 
möglich sei.  Aber  die  überzeugenden  Gründe 
hierfür  werden  nicht  beigebracht.  Von  versteiner- 
ten Thierformen , von  einem  erloschenen  Gestal- 
tungsdrang soll  die  heutige  Forschung  nicht  reden. 
Könnten  wir  die  Bedingungen  schaffen,  wie  sie 
gewirkt  haben , so  würde  ohne  Zweifel  auch  jene 
bezweifelte  Umbildung  wieder  eintreten  können. 
In  dem  Thierc  ist  der  Laut  der  unabsichtliche 
Ausdruck  des  Gefühls.  Mit  dem  Erwachen  des 
Triebes,  dass  dieser  Laut  das  Abbild  der  Aussen- 
welt werde,  war  die  Menschheit  da.  Andere  Laute 
verdanken  dem  Nachahmungstriebe  ihre  Entstehung. 
Die  I*autnachahmung  findet  sich  schon  bei  den  Papa- 
geien; beim  Affen  ist  sie  auf  die  Nachahmung  ähn- 
licher Wesen  beschränkt.  Diese  Behauptung  des 
Verfassers  ist  nicht  ohne  Ausnahme,  wie  sogleich 
angeführt  wird.  Wie  der  Laut  zuerst  durch  die 
Empfindung  hervorgebracht  wird,  bo  wird  er  auch 
bald  die  Empfindung  wecken.  Pie  entsteht  das 
Bewusstsein  vom  Unterschiede  des  Lautes  und  der 
Empfindung.  Das  Wort  als  einfacher  I*aut  ist  also 
zweifachen  Ursprungs,  es  ist  entweder  unmittel- 
bare Wirkung  der  Organe  oder  es  ist  Nachahmung; 
auch  diese  ist  im  Anfang  unwillkührlich.  Das 
Lautsystem,  welches  die  grösste  mechanische  An- 
strengung fordert,  darf  als  das  ursprüngliche  be- 
trachtet werden , denn  der  Trieb  der  Sprach- 
entwicklung geht  dahin,  das  Aussprechen  mög- 
lichst zu  erleichtern.  Die  Einfachheit  einee  Laut- 


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Referate. 


:ui 


system»,  wie  <les  auf  den  Sandwichinseln,  verrÄth 
gewiss  nicht  einen  Urzustand.  Die  Consonanten- 
arinnth  de*  Hawaischcn  ist  gewiss  nicht  ursprüng- 
lich. Die  Sprache  der  Buschmänner  Südafrikas 
übertrifft  alle  anderen  in  der  Stärke  der  za  ihrer 
Aussprache  nöthigen  Kraftausübung,  sie  schnalzen 
nicht  nur  mit  der  Zunge,  sondern  auch  mit  den 
Lippen.  Unsere  moderneu  LautsvBteme  sind  als 
abgeschwächte,  abgeschliffene  Ausläufer  solcher 
ursprünglichen  rauher»  Sprachlauto  anzusehon.  Es 
gieht  gewiss  noch  andere  Ursachen  der  rauhern 
oder  weichem  Art,  die  Sprachlaute  hervorzubrin- 
gen, als  der  vom  Verfasser  allein  betrachtete  Ein- 
fluss des  Gebrauch«  der  Sprache.  Jene  können 
klimatische  oder  im  Körperbau  begründete,  also 
constitutionelle  sein.  In  Gebirgsländern  spricht 
man  rauh,  in  Flachländern  weich.  Es  wäre  zu 
untersuchen,  wie  jene  Laute  der  Buschmannsprache 
mit  denen  der  menschenähnlichen  Affen  verwandt 
sind.  Hackel  hat  bemerkt,  dass  die  Sprache  der 
Affen  bisher  wenig  berücksichtigt  worden  und 
keine  eingehende  Beschreibung  der  von  ihnen  aus- 
gestossenen  Laute  vorhanden  sei;  doch  gieht  er 
an,  dass  er  selbst  in  zoologischen  Gärten  Schnalz- 
laute der  Lippen  und  der  Zunge  beobachtet  habe. 
Bleek  führt  die  Mittheilung  du  Chaillu’s  an, 
dass  in  gewisser  Ferne  die  Laote  des  Chimpanse 
den  Tönen  der  menschlichen  Rede  nicht  unähnlich 
seien.  Es  steht  uns  indessen  eine  grosse  Anzahl 
von  Mittheilungen  zu  Gebote,  die  über  das  Men- 
schenähnliche in  den  Lauton  der  Affen  keinen 
Zweifel  übrig  lassen.  Buffon  führt  an,  dass  alle 
Kapajus  und  Saguins  pfeifen  können,  die  Sajus 
stoßen  die  Sylben  pi,  ca,  ru  lebhaft  aus,  die  Mal- 
brucks  in  Bengalen  rnfeu  hup,  hup,  hup;  der 
Orangutan  lässt  die  Sylben  Yoa-hu  mehrmals  er- 
schallen. Der  Uistiti  hat  seinen  Kamen  von  seinem 
Schrei.  Schreber  sagt,  dass  der  1738  iu  London 
gezeigte  Chimpanse  wie  ein  Kind  geschrien.  Bon- 
tiu*  hörte  den  Pongo  weinen  und  seufzen;  von 
Sack  berichtet,  dass,  als  ein  Jäger  auf  Surinam 
einen  Quattaaffen  schlossen  wollte  und  mit  dem 
Gewehre  an  schlug,  das  Thier  sich  aufrichtete  und 
ho!  ho!  schrie  mit  einer  ro  vollkommen  mensch- 
lichen Stimme,  dass  er  es  nicht  übers  Herz  bringen 
konnte  loszudrücken.  Schikarry  nennt  die 
Stimme  des  Gorilla  ein  rauhes  Bellen;  anguschos- 
»en  lasse  er  ein  erbärmliches  Jammern  hören. 
Nach  W.  Keade  stösßt  der  Gorilla  ein  kurzes 
scharfes  Gebell  aus,  wenn  er  zornig  ist,  Bein  ge- 
wöhnlicher Schrei  sei  klagend.  Nach  Sa  vage 
stowt  das  Männchen  des  Gorilla  einen  Schrei  aus, 
der  wie  Kh-ah,  Kh-ah  lautet.  Brebm  erzählt, 
das»  auf  den  Wanderungen  der  Affen  in  Afrika 
der  Leitaffe  oft  einen  Schrei  hören  lasse,  der  dem 
Angstruf  eines  in  Todesgefahr  schwebenden  Men- 
schen ähnele.  Nach  Ch.  Waterton  ahmt  der 
rothe  Heulaffe  Brasiliens  die  Töne  fast  aller  wil- 


den Thiere  des  Waldes  nach.  Da«  thun  auch 
Wilde,  z.  B.  die  Apatsches!  Bleek  führt  weiter 
aus,  dass  dieselbe  einfache  Empfindung  das  Organ 
zu  verschiedenen  Aeusserungen  veranlassen  könnte, 
die  dann  besser  mit  unseren  mehrsylbigen  als  ein- 
sylbigen  Worten  in  Analogie  gebracht  werden 
möchten.  Die  Ansicht,  dass  die  Sprache  auf  ur- 
sprünglich einsylbige  Wurzeln  zurückzuführen  sei, 
sei  schon  deshalb  eine  verfehlte,  weil  sich  eine 
Menge  «chnllnach&hmendcr  finde,  die  mehrsylbig 
sind.  Der  Verfasser  bemerkt  mit  Recht  , dass  die 
Wiederholung  demselben  Laute«  als  eine  ursprüng- 
liche Gefühlsäußerung  angesehen  worden  muss. 
Sie  findet  sich  im  Zirpen  der  Grille,  wie  im  Ge- 
sang der  Vögel,  wie  im  Bellen  des  Hundes,  im 
Lachen  des  Menschen  und  in  der  Sprache  der  Wil- 
den, z.  B.  der  Oceauier.  Die  ersten  Worte  be- 
zeichneten  nicht  die  Gegenstände  der  Empfindung, 
sondern  waren  nur  der  Ausdruck  der  Stimmungen. 
Dieselbe  Stimmung  konnte  aber  von  sehr  ver- 
schiedenen Gegenständen  bervorgebracht  werden. 
Erst  mit  der  weitem  Entwicklung  unterschied  das 
Bewusstsein  die  einzelnen  Empfindungen  und  die 
dieselben  erzeugenden  Gegenstände.  Nicht  alle 
Gefühle  äussem  sich  durch  einen  Laut;  eg  giebt 
also  die  Stimme  nur  Bruchstücke  des  Empfindung«* 
lebens  kund.  Mit  den  Worten  entwickelt  sich 
aber  das  Bewusstsein  immer  mehr.  Wir  können 
indessen  dem  Verfasser  nicht  sugeben,  dass  es  kein 
Denken  ohne  Sprache  gebe.  Die  Bilder  der  Dinge, 
welche  den  Sinnen  erscheinen,  können  auch  ohne 
Worte  in  Beziehung  zu  einander  gebracht  werden, 
wie  es  gewiß»  vom  Thiere  und  vom  ungelehrten 
Taubstummen  geschieht.  Eine  höhere  Denkt  hä  ti  g- 
keit  ißt  aber  freilich  ohne  Sprache  nicht  möglich. 
Auf  eine  neue  Stufe  hob  »ich  da«  Bewusstsein,  ab 
die  Bedeutung  der  einzelnen  Wörter  enger  be- 
grenzt wurde  und  ueue  Wörter  entstanden.  Der 
sprachliche  Stoff  gelangte  in  sich  selbst  durch  Vor» 
Schmelzung  der  Laute  zur  Erzeugung  neuer  Be- 
standtheile.  Da«  Wort,  welches  ursprünglich  die 
Wirkung  einer  Empfindung  war,  weckte  in  anderen 
Menschen  dieselbe  Empfindung.  Durch  die  Ver- 
bindung bekannter  Wörter  bildeten  sich  Aus- 
drücke für  eine  ganze  Anzahl  bisher  nicht  zum 
Bewusstsein  gekommener  Stimmungen.  Allmälig 
wurde  die  Form  der  Worte  von  den  Empfindungs- 
lauten  verschieden.  Die  anfangs  verworrenen  Be- 
griffe wurden  immer  mehr  gespalten  und  begrenzt. 
Weitere  Spaltungen  wurden  auch  vermittelst  sol- 
cher Laute  bewirkt,  die  an  und  für  »ich  keiuen 
Werth  mehr  hatten,  sondern  ihn  nur  im  Zusnmmeu- 
hange  mit  andern  erhielten.  Es  entwickelte  pich 
bald  ein  vom  Empfmdungslebcn  ganz  getrenntes 
Selbstbewusstsein.  Auch  verursachte  da»  Streben 
nach  leichterer  Aussprache  Abweichungen  de«  Wort- 
lautes von  dem  ursprünglich  ihm  zu  Grunde  liogen- 
tlen  Empfindungslaute.  Mit  dem  Entstehen  des  von 


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312 


Referate. 


dem  Empfinde  ngalaute  lautlich  und  begrifflich 
durchaus  geschiedenen  Wortes  ist  die  Frage  über 
den  Ursprung  der  Sprache  schon  erledigt.  Der 
Verfasser  schließt  mit  einigen  Betrachtungen  über 
die  weitere  Sprachentwicklung  und  die  Scheidung 
der  einzelnen  Redetheile.  — 

Die  vorliegende  verdienstvolle  Schrift  hat  eine 
missbilligende  Beurtheilung  in  den  Göttinger  ge- 
lehrten Anzeigen  vom  10.  März  1869  durch  H.  E. 
erfahren.  Der  Berichterstatter  meint , die  mensch- 
liche Sprache  könne  deshalb  nicht  von  thierischen 
Lauten  abgeleitet  werden,  weil  nicht  nur  der  Laut 
die  Sprache  mache,  sondern  das  Denken  ihre  Grund- 
lage se^  indem  jeder  Satz  auf  zwei  Grundbegriffen 
ruhe,  von  denen  einer  den  Gegenstand  bezeichnet, 
von  dem  die  Rodo  ist,  der  andere  die  Aussage  über 
denselben.  Das  Thier  könne  zwar  zwei  Dinge  mit 
einander  vergleichen,  aber  ihm  fehlten  jene  zwei 
Grundbegriffe;  ein  Denken  im  vollen  Sinne  des 
Wortes  könne  man  ihm  nicht  zuschreiben.  Wie 
geistlos  ist  der  Schluss:  weil  der  Mensch  vollkomm- 
ner  ist  als  das  Thier,  so  kann  er  nicht  aus  ihm 
hervorgegaugen  sein!  Anstatt  zu  glauben,  die 
Sprachwissenschaft  werde  zu  Grunde  gerichtet, 
wenn  man  gewisse  Ansichten  der  neuern  Natur- 
forschung in  eie  einmische,  sind  wir  vielmehr  ge- 
wiss, dass  sie  es  der  Natnrforschung  einmal  danken 
wird,  dass  sie  allein  Licht  in  ihre  dunkelsten  Fragen 
gebracht  hat.  H.  Schaaf fhaueen. 

10.  Th.  Wechniakoff,  Ebauche  d’une  eco- 
notnie  des  travauz  scicntifiquos  etc.  Mos- 
cou  1860.  — Recherches  sur  les  condi- 
tion» anthropologiques  de  la  production 
scientifique  et  esthetique,  I fase.  St.  Pe- 
tersburg 1865  und  II  fase.  Paris  1868. 

Der  Verfasser  hat  sich  in  diesen  Schriften  die 
Aufgabe  gestellt,  die  Leistungen  in  der  Wissen- 
schaft and  Kunst  zn  einem  Gegenstände  anthropo- 
logischer Forschung  zu  machen.  Er  will,  dass  eine 
internationale  Commission  gebildet  werde,  die  nach 
einem  gleichförmigen  Programme  die  Biographieen 
von  Männern  der  Wissenschaft  und  Kunst  ent- 
werfen soll.  Es  sollen  bei  Künstlern  und  Gelehr- 
ten die  Art  ihrer  Geistesthätigkcit  und  alle  Be- 
dingungen ihrer  Entwicklung,  ihre  Herkunft,  der 
Volksstamm,  die  Erziehung,  das  Verhältniss  zu  den 
Zeitgenossen , die  körperliche  Constitution , fest- 
gestellt werden  und  besonders  auf  die  einzelnen 
Theile  des  Gehirns,  zumal  der  Grusshirnhcmisphä- 
ren,  Rücksicht,  genommen  werden.  Schon  Ber- 
ti 1 1 o n (Bullet,  de  la  Societe  d’Anthropologie  de 
Paria,  Fevrier  et  Avril  1868,  pag.  226)  sagt,  dass 
das  nichts  Neues  sei,  was  Wechniakoff  verlange. 
In  der  That  hat  man  die  Biographieen  grosser 
Männer  stets  als  wichtige  Beiträge  zur  Psycholo- 
gie und  Anthropologie  betrachtet.  Wechniakoff 
meint  aber  auch,  die  wissenschaftlichen  Unter- 


suchungen überhaupt  sollten  in  Zukunft  von  Asso- 
ciationen geleitet  werden,  wie  ja  schon  in  der 
Kriegskunst  und  in  der  Industrie  statt  der  Lei- 
stung des  Individuums  die  gemeinsame  Arbeit,  die 
Masaenproduction  eingetreten  sei.  Dagegen  ist  zu 
hemerken,  dass  zwar,  wenn  man  bedenkt,  was  der 
Einzelne  seiner  Erziehung  verdankt  und  wie  alle 
grossen  Leistungen  der  Künstler  und  Gelehrten 
nur  durch  die  Arbeit  ihrer  Vorgänger  möglich  ge- 
worden sind,  die  geistige  Cultur  als  ein  Verdienst 
der  ganzen  Menschheit  angesehen  werden  kann, 
dass  aber  das  Grösste  in  jeder  Richtung  mensch- 
licher Geistesthätigkcit  bisher  immer  nur  von  ein- 
zelnen hervorragenden  Menschen  geleistet  worden 
ist;  und  es  ist  kein  Grund,  zu  glauben,  dass  es  in 
Zukunft  anders  werden  soll.  Wo  es  auf  mecha- 
nische Kraft  oder  blosse  Geschicklichkeit,  zu  der 
man  viele  Abrichten  kann,  ankommt,  da  mag  sich 
dio  Massenarbeit  empfehlen ; für  die  höchsten 
Werke  der  Kunst  und  Wissenschaft  aber  wird 
dio  Persönlichkeit  ihr  Recht  behaupten.  Unzweifel- 
haft giebt  es  in  der  Wissenschaft  Untersuchungen 
und  Beobachtungen,  die  gleichsam  nur  das  Material 
für  die  Gedankenarbeit  herbeischaffen,  welche  zweck- 
mässig von  Vielen,  die  nach  gleicher  Methode  ar- 
beiten, unternommen  werden,  wie  dies  in  neuerer 
Zeit  in  der  Astronomie,  der  Meteorologie,  der  phy- 
sischen Erdbeschreibung,  der  Statistik  geschehen 
ist.  Und  auch  das  Genie  ist  der  wissenschaftlichen 
Zergliederung  fähig;  gegen  die  Annahme,  dass  es 
das,  was  es  leistet,  wie  durch  ein  Wunder  allein 
aus  eigener  Seele  schöpfe,  muss  man  auf  dio  Ein- 
flüsse hin  weisen,  aus  denen  es  seine  Nahrung  ge- 
schöpft hat.  Das  ist  ein  Vorzug  der  neuern  For- 
schung, dass  sie  überall  nicht  nur  das  Fertige  be- 
trachtet und  erklärt  , sondern  dass  sie  zu  zeigen 
sucht,  wie  es  entstanden  ist.  In  diesem  Sinne 
sucht  der  Franzose  Tai  ne  in  seiner  Geschichte 
der  englischen  Literatur  zu  zeigen,  dass  die  Lite- 
ratur eines  Volkes  das  Volk  seihst  ist,  und  dass 
auch  die  geistige  und  moralische  Entwicklung 
eines  Volkes  bestimmten  Gesetzen  unterliege.  Diese 
hat  indessen  schon  Q u o t e 1 e t erforscht.  Nach 
Tai  ne  soll  diese  Entwicklung  durch  drei  Factoren 
zu  Stande  kommen,  durch  die  Rasse,  das  Klima 
und  den  glücklichen  Moment. 

W echniakoff  versucht  Gelehrte  und  Künst- 
ler in  gewisse  Abtheilungen  zu  bringen.  Wie  man 
Pflanzen  und  Thier«  in  Systeme  ordnet,  so  »oll 
auch  die  geistigo  Eigentümlichkeit  des  Menschen 
einer  bestimmten  Ordnung  und  Classe  zugetheilt 
werden.  Er  unterscheidet  eine  polytypiacbe , eine 
monotypische  und  eine  philosophische  Gruppe  und 
spricht  von  einem  scienti fischen,  sociopatliischen 
und  anthropologischen  Typus.  So  wichtig  einzelne 
biographische  Angaben  für  das  Verständnis«  der 
Lebensentwicklung  bedeutender  Menschen  sind 
und  mit  FleisB  gesammelt  werden  sollen,  so  wenig 


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Referate. 


313 


wird  es  gelingen,  für  die  Aeuaserimgen  des  geisti- 
gen Leben*,  das  in  seiner  Freiheit  allen  Gesetzen 
zu  spotten  scheint , ihnen  aber  gewiss  unterworfen 
ist , eine  systematische  Eintheilung  zu  finden.  Es 
ist  das  ein  zu  gewagtes  Unternehmen,  als  dass  es 
einen  Erfolg  haben  könnte;  wenn  irgendwo,  so  hat 
hier  nicht  die  Art,  sondern  das  Individuum  ein 
Hecht  Als  Beispiele  der  polytypischen  Gruppe 
werden  Haller  und  Alexander  von  Humboldt 
hingestellt  Sie  haben  beide  sich  das  Ganzo  der 
menschlichen  Erkenntnis*  anzueignen  gewusst,  der 
eine  hat  die  organische  Natur,  der  andere  die  un- 
organische im  Besondern  erforscht  Haller  war 
ein  frühreifes  Kind,  er  dichtete  die  Alpen  mit 
20  Jahren  und  mit  GO  Jahren  schrieb  er  eine  Bo- 
tanik der  Schweiz.  Dagegen  war  bei  Alexander 
von  Humboldt  mit  11  Jahren  die  Geistesfähig- 
keit  so  wenig  entwickelt,  dass  seine  Mutter  zwei- 
felte, ob  er  etwas  lernen  werde;  seinen  Kosmos 
schrieb  er  zwischen  dem  81.  und  88.  Jahre.  Für 
das  Verständnis«  des  Gelehrten , der  seine  Werke 
in  gleicher  Meisterschaft  in  zwei  Sprachen  schrieb 
und  nicht  nur  ein  tiefsinniger  Forscher,  sondern 
auch  ciu  feiner  Weltmann  war,  ist  es  gewiss  von 
Interesse,  zu  wissen,  dass  Humboldt’»  Mutter 
eine  Französin  war.  Gerade  das  gewählte  Beispiel 
zeigt,  wie  schwierig  es  ist,  zwischen  verschiedenen 
Geistesgrößen  systematische  Vergleiche  anzuBtellcn. 
Als  Beispiele  der  monotypischen  Gruppe  führt  er 
Beckmann,  Fresnel,  Robert  an.  Sie  vertiefen 
eich  in  Specialitäteu  und  erlangen  in  diesen  eine 
Meisterschaft,  ihr  lieben  ist  ein  Enthusiasmus,  eine 
Exaltation,  die  das  Nervensystem  erschöpft  und 
das  Lehen  abkürzt  ln  die  philosophische  Gruppe 
werden  Kant,  Schopenhauer,  Lamurck,  Buf- 
fon,  E.  Geoffroy  Stliilaire  und  Blainville  ge- 
bracht; sie  sind  alle  älter  als  70  Jahre  geworden; 
die  meisten  begannen  erst  im  vorgerückten  Alter 
ihre  philosophischen  Studien.  Lamurck  war  erst 
Soldat,  trieb  dann  Botanik  und  wendete  sich  erst 
mit  50  Jahren  der  Zoologie  zu;  seine  philosophische 
Zoologie  schrieb  er  erst  mit  65  Jahren.  Dutro- 
chet  fing  erst  mit  25  Jahren  seine  medicinischei^ 
Studien  an,  mit  dem  34.  Jahre  beginnen  seine 
wissenschaftlichen  Arbeiten.  Als  eine  eigentüm- 
liche Erscheinung  auf  dem  Gebiete  des  wissen- 
schaftlichen Lebens  werden  Schwann  und  Mayer 
neben  einander  gestellt,  die  durch  Arbeiten  von 
geringem  Umfang  aber  von  grösster  Bedeutung 
sich  einen  berühmten  Namen  erwarben;  der  Eine 
durch  die  Entdeckung  des  zölligen  Baues  der 
thierischen  Gewebe,  der  Andere  durch  die  Auf- 
findung des  Gesetzes  der  Unzerstörbarkeit  der 
Kraft,  die  weitere  Ausführung  ihrer  Entdeckun- 
gen aber  Anderen  überließen.  Dagegen  haben 
Gauss  und  Treviranus  eine  so  lange  Reihe  von 
philosophischen  Arbeiten  geliefert,  wie  es  selten 
der  Fall  ist;  Gauss  schrieb  seine  Theorie  des 

Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  111.  lieft  B. 


Erdmagnetismus  mit  63  Jahren,  Treviranus  seine 
Biologie  zwischen  dem  26.  und  46.  Jahre.  Ueber- 
haupt  ist  das  Alter,  in  welchem  die  Geisteserzeug- 
uisse  reifen,  nach  Art  derselben  verschieden.  I.a- 
grange  entdeckte  seine  berühmte  Methode  de  mu- 
ximis  et  miniinis  mit  25  Jahren,  Schopenhauer 
schrieb  sein  Buch:  die  Welt  als  Wille  und  Vorstel- 
lung, mit  29  Jahren;  Hegel  beendete  seine  Logik 
im  46.  Jahre;  Joh.  Müller,  der  Physiologe,  lie- 
ferte die  umfassendsten  Arbeiten  bis  zu  seinem 
37.  Jahre,  vom  40.  an  stellte  er  sich  beschränktere 
Aufgaben  und  widmete  sich  ausschliesslich  nur 
noch  der  Beobachtung,  aus  dem  grössten  Physio- 
logen wurde  er  der  grösste  Zoologe,  mit  53  Jahren 
vollendete  er  die  achtjährige  Untersuchung  der 
Entwicklung  der  Echinoderroen , mit  57  Jahren 
schon  starb  er.  Die  unermüdliche  und  ange- 
strengte Geistesarbeit  hatte  seine  überaus  kräftige 
Constitution  in  den  letzten  Jahren  geschwächt; 
dieselbe  Ursache  hatte,  was  Wechniakoff  uicht 
zu  wissen  scheint,  schon  in  seinen  jüngeren  Jahren 
einmal,  aber  nur  vorübergebend,  seine  geistige  Ge- 
sundheit gefährdet.  Bemerkenswert!}  ist  vielleicht 
noch  die  Angabe,  dass  Descartes,  Leibnitz  und 
Göthe  langen  Schlaf  nöthig  hatten. 

Den  Untersuchungen  Wechniakoff's  fehlt 
eine  strenge  Ordnung  des  gesammelten  Sofies,  und 
die  als  Beispiele  gewählten  und  verglichenen  Per- 
sonen sind  an  geistigem  Werthe  sich  sehr  ungleich. 
In  einer  zwar  kurzen  über  lichtvollen  Darstellung 
hat  bereits  Quetelet,  den  Wechniakoff  gar 
nicht  anführt,  mit  Hülfe  der  Statistik  Bich  be- 
müht, in  den  Offenbarungen  des  geistigen  Lebens 
der  Menschheit  Naturgesetze  aufzufinden.  (Zur 
Naturgeschichte  der  Gesellschaft,  deutsch  von 
K.  Adler,  Hamburg  1856.)  Er  sucht  die  in- 
tellectuellen  Fähigkeiten  zu  bezeichnen,  die  sich 
zuerst  kundgeben,  den  Zeitpunkt,  wo  sie  ihre  Höhe 
erreichen  und  die  bezüglichen  Entwicklungsgrade 
auf  den  verschiedenen  Altersstufen.  Raphael 
hatte  zwischen  dem  25.  und  27.  Jahre  schon  den 
Gipfel  seines  Talentes  erreicht;  Mozart,  der  mit 
7 Jahren  zu  componireu  angefangen , hatte  im 
30.  seine  Laufbahn  vollendet;  bei  diesem  wie  bei 
Pascal,  der  im  39.  Jahre  starb,  schliesst  er,  das« 
eine  zu  rasche  Entwicklung  der  Phantasie  einen 
nachtheiligen  Einfluss  auf  die  körperliche  Gesund- 
heit geübt  habe.  Er  weist  darauf  hin,  dass  auch 
das  mathematische  Talent  sich  sehr  frühzeitig  ent- 
wickelt. Lagrange  schrieb  die  Berechnung  der 
Variationen  im  18.  Jahre.  Newton  soll  keine 
24  Jahre  alt  gewesen  sein,  als  er  die  Entdeckung 
machte,  die  ihn  mit  Ruhm  umgab.  D’Ampero 
meinte  selbst,  mit  18  Jahren  habe  er  eben  so  viel 
Mathematik  gewusst  als  später;  er  schrieb  vom 
27.  bis  39.  Jahre  rein  mathematische  Werke,  vom 
46.  Jahre  an  folgen  seine  Entdeckungen  über  Elek- 
tricität  und  Magnetismus.  In  der  Regel  entwickelt 
40 


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314 


Referate. 


sieb  bei  den  hervorragendsten  Menschen  (Quete- 
let hätte  sagen  können:  bei  allen  Menschen)  zuerst 
die  Einbildungskraft,  die  jo  nach  der  mehr  oder 
minder  strengen  Richtung  des  Geistes  sich  in  der 
Mathematik  oder  Poesie  Bahn  bricht,  erat  später 
entwickelt  sich  das  Beobachtungstalent,  ao  bei  De- 
candolle,  d'Ampere,  J.  J.  Rousseau.  Das 
Umgekehrte,  ein  Uebergang  von  den  Beobachtungs- 
wisaenschaften  oder  der  philosophischen  Forschung 
zu  der  Kunst  und  den  Werken  der  Phantasie  wird 
nicht  beobachtet.  Das  Talent  verändert  sich  mit 
dem  Alter;  die  Mathematik  beginnt  mit  den  Unter- 
suchungen der  reinen  Mathematik,  geht  über  zur 
angewandten  Mathematik  und  zur  Verbesserung 
der  Methoden  und  nachher  zur  metaphysischen 
Prüfung  dieser  Methoden.  Der  dramatische  Dich- 
ter, der  die  Leidenschaften  wirken  lässt,  kommt 
früher  zur  Ausbildung  als  der  Lustepieidichter,  bei 
dem  eine  feine  Beobachtung  vorausgesetzt  wird, 
welche  mehr  ein  Vorzug  des  Alters  als  der  Jugend 
ist,  denn  die  Ruhe  der  Beobachtung  stellt  Bich  erat 
ein,  wenn  das  Spiel  der  Leidenschaften  im  Busen 
ausgetobt  hat.  Moliere  vermochte  erat  bei  voller 
Altersreife  sich  zur  Höhe  seiner  vorzüglicheren 
Werke  aufzuachwingen.  Das  Gedächtnis»  ent- 
wickelt eich  früher  als  die  Phantasie,  die  Ver- 
nunft reift  am  langsamsten.  Quetelet  hätte  die 
lyrische  Dichtung  als  die  früheste,  der  lebhaften 
Sinnlichkeit  der  Jugend  entsprechende  anführen 
sollen;  das  dramatische  Talent  entwickelt  sich 
schon  nach  dem  20.  Lebensjahre,  der  Werth  seiner 
Leistungen  nimmt,  wie  sich  für  Frankreich  und 
England  nachweisen  lässt,  schon  mit  55  Jahren 
merklich  ab.  Man  kann  hinzufQgen,  dass  die 
epische  Dichtung  aus  der  reichen  Erfahrung,  dem 
gereiften  Urthoil  und  der  gehobenen  Stimmung 
des  Alters  hervorgeht.  Den  Sänger  der  Odyssee 
und  Ilias  hat  man  sich  immer  als  einen  blinden 
Greis  gedacht!  Quetelet  bat  auch  schon  den 
Gedanken  ausgesprochen,  dass  die  intellectuelle 
Entwicklung  der  Menschheit  dieselben  Gesetze 
befolgt  wie  die  des  Individuums. 

H.  Schaaffhausen. 

11.  X.  Dr.  P.  H.  K.  von  Maack,  Urgeschichte 
des  Schleswig  - holsteinischen  Landes. 
I.  Theil,  Kiel  1Ö69. 

Der  Verfasser  betrachtet  in  dieser  zweiten 
Auflage  einer  bereits  1861  erschienenen  Schrift 
die  Geologie,  die  Sprachforschung  und  den  Mythus 
als  die  wichtigsten  Quellen  der  Urgeschichte  eines 
Landes.  Zunächst  stellt  der  Verfasser  mit  grosser 
Sorgfalt  und  Vollständigkeit  die  Thatsachen  zu- 
sammen, welche  den  einstigen  Zusammenhang  von 
England  und  Frankreich  beweisen,  zu  einer  Zeit, 
als  der  Norden  von  Deutschland  schon  bewohnt 
war.  Die  grösseren  Muscheln  de«  fossilen  cardium 
edulc  in  den  gehobenen  Schichten  Jütlands  be- 


weisen nicht  das  wärmere  Meer  der  Vorzeit,  son- 
dern grössere  Rahe  des  Wassers,  als  der  Canal 
noch  geschlossen  war,  wofür  auch  die  am  südlichen 
Ufer  der  Nordsee  von  Westen  nach  Osten  zuneh- 
mende Marschbildung  spricht.  Das  Klima  war 
kälter,  weil  der  nie  unter  7*  sinkende  Golfstrom 
fehlte  und  ein  eiskalter  Strom  des  Polarmeeres 
aus  dem  weisacn  Meere  in  die  Ostsee  ging.  Die 
Hebung  von  Skandinavien  lässt  keinen  Zweifel, 
dase  vor  etwa  drei  Jahrtausenden  ein  grosser  Theil 
Finnlands  vom  Meere  bedeckt  war  und  die  Ostsee 
mit  dem  weisseu  Meere  in  Verbindung  stand. 
Auch  der  Bothnische  Busen  und  das  Kattegat 
standen  in  Verbindung;  in  den  Tiefen  der  schwe- 
dischen Seen  leben  noch  Reste  der  arktischen 
Fauna,  und  die  Wald  Vegetation  Dänemarks  zeigt 
in  ihrem  Wechsel  eine  Milderung  des  Klimas.  In 
alten  Gräbern  findet  man  noch  die  Kohle  eines 
Nadelholzes,  ihm  folgte  die  Eiche,  dann  die  Buche. 
Eine  grosse  Senkung  des  schleswig-holsteinischen 
Landes  fand  Statt,  ehe  die  cimbrische  Fluth  den 
englischen  Canal  durchbrach.  In  dem  im  Hafen 
von  Husum  versunkenen  Birkenwalde  hat  man  ein 
dem  Steinalter  angehöriges  Grab  entdeckt,  welches 
also  vor  der  Senkung  des  Landes  gegraben  war  ; 
eine  Bodenschicht,  womit  die  Cimbrische  Fluth  das 
Land  bedeckte,  die  sogenannte  Stuinahl,  fehlt  je- 
nem Grabe,  also  ist  die  Senkung  des  Landes  vor 
jener  Fluth  eingetreten.  Die  Fluth  war  die  Folge 
allmiUiger  Senkung  des  Bodens;  die  Zeit  des  Er- 
eignisses wird  auch  dadurch  bezeichnet,  dass  der 
Boden  des  Canals  Elephantenknochen  enthält.  Auf 
Amrom  findet  man  Grabhügel,  die  von  jener  durch 
die  Fluth  verbreiteten  Steinschicht  bedeckt,  also 
älter  sind  ab  diese.  Der  Reichthum  England»  an 
Thier-  und  Pflanienarten  ist  ebenfalls  ein  Beweis 
dafür,  dftSB  es  noch  nicht  lange  eine  Insel  ist. 
Forchhammer  fand  in  der  Steinahlschicht  Stein- 
waffen  und  Stücke  gebrannten  Lehms.  Weil  Py- 
th cab  um  das  Jahr  360  schon  durch  den  Canal 
geschifft  ist,  der  Rhein  aber  zur  Zeit  der  Römer 
noch  seine  Mündung  gerade  nach  Norden  hatte,  so 
schliesst  der  Verfasser,  dass  der  Durchbruch  nicht 
früher  als  1000  Jahr  vor  Chr.  geschehen  sei.  Die 
Nachricht,  dass  die  Cimbern  wegen  einer  Ueber- 
schwemmung  ihr  Land  im  Norden  verlassen,  kam 
um  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  nach  Griechen- 
land, und  die  Fluth  hat  also  wahrscheinlich  nur 
einige  Menschenalter  früher  Statt  gefunden.  Er 
berechnet  die  Temperatur  der  Urzeit  dieses  Lan- 
des alB  zwischen  der  Polargrenze  der  Föhre  und 
der  der  Tanne  gelegen  oder  zwischen  1°  und  5°R.; 
seine  Fjorde  sind  die  Wirkung  der  Gletscher.  Die 
frühere  Form  der  cimbrischen  Halbinsel,  zumal  die 
Gestalt  der  Küsten,  wird  durch  den  Nachweis  der 
Hebungen  und  Senkungen  des  Landes,  sowie  durch 
die  Dünenbildung  und  die  klimatischen  Einflüsse 
genau  bezeichnet.  Selbst  die  Ortsnamen  geben 


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Referate. 


Aufschluss  über  die  frühere  Vertheilung  der  Ge- 
wässer. Die  Insel  Oldenburg-Fehmarn  ist  dio  lang- 
gesuchte  Nerthusinsel.  Wenn  bei  Erwähnung  der 
Thatsache,  dass  man  beim  Trockenlegen  des  Haar- 
lemcr  Meeres  keine  Menschenknochen  gefunden 
habe,  diese  viel  vergänglicher  als  die  Säugethier- 
knochen genannt  werden,  so  ist  diese  oft  wieder- 
holte Behauptung,  wenn  man  von  der  Grösse  der 
Knochen  bei  einem  Vergleiche  absieht,  durch  Nichts 
erwiesen.  Im  naseen  Schlamme  aber  erhalten  sich 
Knochen  sogar  sehr  lange.  Der  Nerthusdienat, 
der  auch  am  Pontus,  in  Gallien  und  in  Rom  vor- 
kam, beweist  deutlich  den  Zusammenhang  der 
nordischen  Cultur  mit  dem  Süden.  Der  Verfasser 
zeigt  die  Glaubwürdigkeit  der  alten  Nachrichten, 
dass  Helgoland  einst  viel  grösser  war,  dass  die 
Insel  Banileia  das  heutige  Wesseln,  und  der  bern- 
steinführende Fluss  Eridanus  die  Elbe  sei.  Damit 
stimmt  auch  de«  Pausanias  Angabe,  dass  er  sich 
in  ein  Meer  mit  Ebbe  und  Fluth  ergiesse.  Hee- 
ren hatte  also  Unrecht  mit  der  Behauptung,  der 
Eridanus  sei  ein  fabelhafter  Fluss,  der  nur  in  der 
Sage  des  Volks  und  der  Phantasie  der  Dichter 
existirt  habe.  Viele  Erscheinungen  sprechen  da- 
für, dass  Nord-  und  Ostsee  einst  durch  Eider  und 
Schlei  zusammenhingen,  Cimbrien  also  eine  grosse 
Insel  bildete.  Doch  ist  es  wahrscheinlich,  dass  zur 
Zeit  der  Einwanderung  der  Kelten  in  den  Norden 
Cimbrien  bereits  mit  dem  Feetlande  zusammen- 
gehangen bat.  Der  Verfasser  erinnert  an  ähnliche 
Veränderungen  der  Erdoberfläche  in  Kleinasien, 
für  welche  sich  in  der  heutigen  Beschaffenheit  je- 
ner Gegenden,  aber  auch  in  Nachrichten  der 
Schriftsteller,  die  Beweise  finden.  Kleinasien  hing 
einst  mit  Europa  zusammen  und  wurde  erst  durch 
den  Durchbruch  des  schwarzen  Meeres  zur  Halb- 
insel. Das  Caspische  Meer  stand  durch  das  Axow- 
sehe  mit  dem  schwarzen  Meere  in  Verbindung, 
aber  auch  durch  den  Aralsee  mit  dem  Eismeere. 
Die  durch  den  Hcllespont  einbrechende  Fluth 
musste  vorzugsweise  die  Insel  Euboea  und  Böotien 
treffen,  und  hierher  verlegt  auch  die  Sage  die  Fluth 
des  Ogyges.  Es  wird  ferner  von  dom  Verfasser 
die  in  der  gegenwärtigen  Erdperiode  Statt  gefun- 
dene Hebung  der  ganzen  Ostküste  Holsteins,  die 
Bildung  der  Moore,  die  Kreideformation  als  tieferer 
Untergrund  des  Bodens,  die  von  Jütlaud  bis  zur 
Elbe  hinabgehende  Braunkohlenformation,  die 
frühere  starke  Bewaldung  des  Landes,  der  Wechsel 
der  Baumformen,  endlich  die  Thierwelt  der  Vor- 
zeit besprochen.  Es  werden  genaue  Angaben  über 
das  Aussterben  gewisser  Thiere  zusaniracngestellt 
Wölfe  gab  es  hier  bis  zum  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts. Der  letzte  Luchs  ward  1738  in  Pommern, 
1745  in  Westfalen,  1758  in  Mecklenburg,  1818  im 
Harz,  1826  in  Würtemberg,  1852  in  Schlesien, 
1862  iu  Ostpreussen  erlegt.  Nur  in  Niederöster- 
reich und  Krain  kommt  er  noch  vor.  An  den 


315 

Bären  erinnern  noch  manche  Ortsnamen  Jütlands; 
doch  bezeichneten  die  alten  Deutschen  auch  oft 
den  Eber  als  Bären.  In  Hannover  ward  der  letzte 
Bär  in  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  in  Mecklen- 
burg und  Potumern  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahr- 
hunderts, 1705  der  letzte  am  Brocken  erlegt.  Renn- 
thierknochen finden  sich  bis  nach  Schonen,  aber 
nicht  weiter  nördlich  in  dem  ganzen  Landstrich 
bis  zum  62.  Gr.  nördlicher  Breite,  der  südlichsten 
Grenze  dieses  Thieres  in  Skandinavien.  Das  Elenu, 
der  Elch,  cervus  alcee,  lebte  nach  einer  Chronik 
noch  im  10.  Jahrhundert  in  Flandern,  im  11.  noch 
in  Deutschland  und  Holland.  Der  Scheich  ist  der 
Riesenhirsch,  der  bis  ins  10.  Jahrhundert  in  Deutsch- 
land lebte.  In  Dänemarks  Torfmooren  kommen  alle 
flachstirnigen  Ochsenarten,  aber  auch  der  Wisent 
oder  Auerocbs  vor.  Am  weitesten  verbreitet  war 
der  Ur.  Tacitus  erzählt  (Annalen  IV,  72),  der 
römische  Legat  Olennius  habe,  nicht  zufrieden 
mit  den  Ochsenhäuten,  welche  die  Friesen  bis  da- 
hin als  Tribut  bezahlt  hatten,  von  ihnen  auch  terga 
urorum  verlangt.  Der  Ur  scheint  erst  nach  1550 
ausgerottet  zu  sein;  es  ist  eine  Zeichnung  vou  ihm, 
wahrscheinlich  aus  dem  Jahre  1500,  vorhanden.  Er 
war  glatthaarig  und  kohlschwarz,  mit  weisser  Kinn- 
spitze. In  Mecklenburg  ward  der  letzte  Biber  1819 
erlegt.  In  den  dänischen  Torfmooren  findet  mau 
an  den  Stämmen  der  Esche  die  Spur  seiner  Zähne. 
Das  Pferd,  das  Schaf  und  die  Ziege  kommen  in 
dem  SteinAlter  des  Nordens  nicht  vor.  Auch  die 
grossen  baltischen  Flutlien . welche  den  aus  Kies 
und  Steinen  bestehenden  Landrücken,  denJärawall 
bildeten  und  Öland,  Gothlaud  und  Carland  vou  ein- 
ander rissen,  sowie  Bornholm  von  Pommern  uud 
Schweden,  Rügen  von  Moen  trennten,  fallen  in  eine 
Urzeit,  in  der  Schweden  bereits  bewohnt  war,  denn 
auf  dem  Boden  der  unter  dem  Järawall  liegenden 
Torfmoore  hat  man  roh  gearbeitete  Werkzeuge  aus 
Feuerstein  gefunden.  Das  alte  Baltia  ist  die  jetzige 
Halbinsel  Samland.  Das  Wort  baltas  ist  lettisch 
und  bedeutet  weiss;  es  erklärt  den  Namen  des 
weissen  Meeres  und  beweist  also  auch,  dass  es 
einst  mit  dem  baltischen  zusammenhing.  Die  Insel 
Seeland  ist  in  historischen  Zeiten  grösser  geworden ; 
die  von  Adam  von  Bremen  genannte  Insel  Imbna 
ist  der  jetzt  mit  ihr  verbundene  südwestliche  Theil 
von  Seeland.  Skandinavia  bedeutet  Insel  Scandin, 
das  heutige  Schonen,  für  das  also  auch  sprachlich 
feststeht,  dass  es  eine  Insel  war.  Das  Wort  Scan- 
din heisst  schon  Insel  Scand,  die  Gothen  verstan- 
den es  nicht  und  setzten  Avi  = Insel  hinzu.  Scand 
heisst  aber  gekrümmt,  gebogen.  Ptoleinaeus 
schreibt  wirklich  der  Insel  eine  solche  Gestalt  zu. 
Scandia  ist  dagegen  der  altkeltische  Name  für  die 
cimbrische  Halbinsel,  die  also,  da  Scandia  das 
krumme  I*nd  bedeutet,  zur  Zeit  der  Einwande- 
rung der  Kelten  nicht  mehr  eine  Insel  war.  Bei 
den  I>ongobarden  hiess  Holstein  Mauringa,  Ilaide- 

40* 


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Referate. 


316 

land,  und  das  fränkische  Königsgeschlecht  der  Me- 
rovinger  soll  daher  gekommen  sein.  Der  alte 
Name  Schleswigs  ist  Scoringa,  Uferland.  Die 
Stadt  Schleswig  hat  ihren  Namen  von  der  Schlei, 
Sie.  Le  ist  keltisch  und  heisst  Wasser.  Der  Ver- 
fasser sieht  in  der  von  ihm  wieder  hergestellten 
alten  Geographie  des  schleswigholsteinischen  Lan- 
des die  einzig  sichere  Grundlage  für  dessen  Ur- 
geschichte. Die  cimbrisclie  Halbinsel  ist  die  Brücke, 
über  die  der  Völkerstrom  der  Cimbern,  Longobar- 
den,  Angeln  nnd  Sachsen  sich  ergoss  nach  Süden; 
später  drang  über  sie  das  Licht  germanischer  Cul- 
tur  vom  Süden  aus  in  die  Nacht  der  nordischen 
Barbarei.  Der  in  neuerer  Zeit  so  vielfach  nach- 
gewiesene Einfluss  der  physischen  Natur  auf  den 
Charakter,  auf  die  politischen  und  moralischen  Zu- 
stände der  Völker  war  schon  dem  Plato  nicht  an- 
bekannt. Wie  Ritter  und  seine  Schule  den  Zu- 
sammenhang von  oeographie  und  Geschichte  in 
allen  Weltt heilen  verfolgt  haben,  wie  Buckle  in 
seiner  Betrachtung  der  modernen  Civilisation  den 
Grundsatz:  ^ohne  Naturwissenschaft  keine  Ge- 
schichte" aufsteilte,  so  sehen  wir  in  der  vorliegen- 
den Schrift  den  glücklichen  Anfang  gemacht,  diese 
Methode  durch  eine  Vereinigung  von  Geographie, 
Geologie.  Pulneoontologic , Sprachkunde,  Mythus 
und  historische  Ueberlifferung  auch  auf  die  Er- 
forschung der  Urzeit  anzuwenden. 

H.  Schaaffhausen. 

12.  Das  Steinalter  oder  dio  Ureinwohner 
des  Skandinavischen  Nordens.  Ein  Ver- 
such in  der  comparati von  Ethnographie 
UDd  ein  Beitrag  zur  Entwickelungsge- 
schichte des  Menschengeschlechts  von 
S.  Nilsson  (Hamburg,  1868). 

Der  früheste  Colturzustand  unseres  Erd- 
t Heils  wird  uns  — selbst  wenn  er  nur  für  einen 
eng  begrenzten  Raum  desselben  nachgewiesen 
wird  — vor  anderem  wichtig  erscheinen  müssen, 
zumal  wenn  jene  Nach  Weisungen  von  einem  Vete- 
ran in  der  Alterthumswissenschaft  ausgehen,  der  — 
um  mich  in  unserer  waffen&tnrrenden  Zeit  entspre- 
chend auszudrücken  — den  Dienst  derselben,  wie 
nur  wenige,  von  der  Pike  auf  als  Sammler  und 
Forscher  durchgemacht  hat. 

Sven  Nilsson  muss  als  bahnbrechend  für 
die  jetzt  geltend  gewordene  vergleichende  Methode 
der  Alterthumeforschnng  bezeichnet  werden.  Als 
vor  etwa  30  Jahren  seine  „Skandinaviska  Nordens 
Urinvänare“'  erschienen,  war  er  es  zoerst,  derthat- 
sächlich  davon  auBging,  dass  die  vorhistorische 
Alterthumsforschung  nur  dann  gedeihlich  sein 
könne,  wenn  sie  mit  der  Naturwissenschaft,  apeciell 
mit  deren  Nebenzweigen,  der  Geologie,  Anthropo- 
logie etc.  und  in  Beachtung  des  reichen  ethnogra- 
phischen Materials  Hand  in  Hand  gehe.  Die  von 
ihm  gewonnenen  Resultate  haben  von  Hans  aus 


mannigfache  Anfechtung  erfahren.  Der  Dilettan- 
tismus, der  sich  in  keinem  Wissenschaftszweige 
schon  seit  Jahrhunderten  so  unheilbringend  gel- 
tend gemacht  hat,  als  gerade  in  unserer  vaterlän- 
dischen Alterthumskunde,  nahm  Anstand  an  der 
Charakterisirung  der  Ureinwohner  als  n Wilde“, 
wie  er  noch  heute,  selbst  vom  theologischen  Stand- 
punkte aus , sich  berufen  glaubt , die  Umwand- 
lungstheoric , wiederum  von  einer  einzelnen  miss- 
liebigen Folgerung  ausgehend,  bekämpfen  zu  müs- 
sen, während  die  Wissenschaft  allein,  und  nur 
diese,  die  Richtigkeit  oder  deren  Unhaltbarkeit 
festzustellen  hat. 

Sind  jene  Anfechtungen  auch  durch  ihre  Un- 
haltbarkeit beseitigt,  und  zweifelt  in  Betracht  des 
überaus  reichen  Materials,  welches  uns  die  Gunst 
der  Umstände  aus  dem  Steinzeitalter  erhalten  hat, 
selbst  der  l«aie  nicht  mehr,  dass  ihm  ein  ungeahn- 
ter Blick  in  die  uralten  Anfänge  menschlicher  Cul- 
tur  vergönnt  ist,  so  haben  die  deutschen  Alter* 
thumsforKcber  doch  überaus  selten  Gelegenheit  ge- 
nommen, auf  Nilsson’s,  inzwischen  in  zweiter  Aus- 
gabe erschienenes  Werk  einzugehen.  Einfach  des- 
halb, weil  gewiss  Wenige  die  schwedische  Sprache 
beherrschen,  die  von  Maach  gefertigte  Ueber- 
setzung  aber  auf  Nilssou’s  Veranlassung  nicht 
edirt  wurde,  da  ihm  die  frühere  Ausgabe  des  Ori- 
ginals nicht  genügte. 

Diese  Anstande  sind  nunmehr,  wenigstens  in 
Beziehung  auf  zwei  Abtheilungen  des  Werkes,  be- 
seitigt. Die  erste,  das  Bronzezeitalter  behandelnd, 
erschien  mit  Nachträgen  bereits  in  den  Jahren 
1863  bis  1865.  Sie  ist  bereits  von  Geffroy, 
Claparede,  Maurer  anerkennend  besprochen. 
Es  tnag  deshalb  eine  kurze  Andeutung  des  In- 
halts, in  so  weit  dies  für  die  vorliegende  Aufgabe 
nothwendig,  genügen. 

Der  Verfasser  sucht  ira  Endresultate  darzu- 
thun:  dass  wie  im  ganzen  westlichen  Europa,  so 
speciell  auch  in  den  südlichen  und  westlichen 
Gegenden  des  skandinavischen  Nordens,  der  Cal- 
turzustnnd  des  Steinzeitalters  von  einem  semitischen 
aus  Aegypten  und  Phönicien  stammenden  Volke 
verdrängt  ist,  dass  dieses  den  Sonnendienst  (Baal- 
cultus)  dort  geübt,  und  zwar  lange  vorher,  ehe  ein 
in  das  Eisenzeitalter  zu  setzender  indo-germani- 
scher Volksstamm  den  Odinischen  Walhallacultus 
zur  Geltung  brachte.  Nilsson  geht  bei  seiner 
Beweisführung  von  dem  vielberufenen  Kivikmonu- 
ment  aus,  dem  er  eine  neue  symbolische  Deutung 
giebt,  beachtet  alle  anklingenden  Denkmale  Schwe- 
dens und  anderer  Länder,  besonders  das  Stonehenge, 
die  Grotten  bei  Dowth,  und  NewGrange  in  Irland, 
welche  er  aus  eigener  Anschauung  kennt,  jene  auf 
Gozzo  wie  auch  andere  phöniziechen  Ursprungs.  An 
der  Hand  der  altklassischen  Autoren  verfolgt  er  jede 
Spar,  die  sich  in  der  Form  und  Verzierung  der 
BronzealterthQmer,  in  derSage,  Tradition,  in  Local- 


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Referate. 


317 


namen,  in  alten  Handelsbeziehungen,  in  der  geo- 
logischen Beschaffenheit  und  den  Naturerscheinun- 
gen seine«  Vaterlandes,  in  alten  Sitten  und  Ge- 
bräuchen desselben,  besonders  beim  Betriebe  des 
Ackerbaues  und  der  Fischorei  gezeigt  haben,  oder 
in  leisen  Spuren  noch  heute  zeigen. 

Man  wird  den  Reeultaten  de«  Verfassers  weder 
Originalität  noch  Kühnheit  abeprechen  können. 
Sind  manche  Beweisgründe  auch  bedenklich,  andere 
unhaltbar  und  könnten  andere  wiederum  ergän- 
zend zugefügt  werden,  so  wird  man  selbst  als  ent- 
schiedener Gegner  — wie  ganz  noue  Theoreme  sie 
gar  leicht  erzeugen  — immerhin  den  tiefen  wis- 
senschaftlichen Ernst,  die  Klarheit  und  Mnssigung 
wie  die  Fülle  von  Kenntnissen,  welche  dem  nam- 
haften Naturforscher  und  warmen  Alterthuinsfreunde 
zu  Gebote  standen , höchlichst  anerkennen  müssen, 
selbst  wenn  man  die  erörterte  Frage  für  offen  er- 
klärt. 

Tief  zu  bedauern  ist  nur,  dass  die  Vorliebe, 
welche  lang  gehegte  Geisteski udor  naturgemäss  er- 
zeugen. den  Verfasser  abgebalten  hat,  eine  voll- 
ständige Uebersicht  de«  Bronzezeitalters  rückticht- 
lich  der  Fundstücke  und  Gräber  Skandinaviens  zu 
geben.  Hoffen  wir,  dass  dem  in  der  III.  Abthei- 
lung des  Werkes  nachtragsweise  Genüge  geschieht. 

Ein  solcher  Vorwurf  trifft  das  „Steinalter41 
im  Wesentlichen  nicht.  Der  Verfasser  nennt  auch 
diesen  Theil  seiner  Arbeit  nur  einen  Versuch, 
„eine  unvollständige  Skizze.“  Muss  dem  auch  in 
Betracht  der  thatsächlichen  Leistungen  Nilsson’s 
und  im  Hinblick  auf  die  sorgsame  dritte  Redaction 
seines  Werkes  im  Verlaufe  dreier  Decennien  wider- 
sprochen werden,  so  kann  eine  absolute  Vollstän- 
digkeit bei  der  Jugend  der  ethnologischen  Me- 
thode, bei  der  fast  insularen  Abgeschlossenheit 
Schwedens,  bei  der  b’nvollständigkeit  ethnogra- 
phischer Sammlungen  und  vieler  Alterthumsmuseen, 
deren  Schätze  überdem  in  zusammenhängender 
Folge  durch  Wort  und  Bild  fast  gar  nicht  publi- 
cirt , mithin  dem  eingehenden  Studium  Auswärti- 
ger entzogen  sind,  für  jetzt  überhaupt  nicht  er- 
reicht werden,  zumal  da,  wo  geschichtliche  Quellen 
uns  verlassen.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  er- 
klären sich  die  meisten  der  nachstehend  heregten 
Mängel  von  selbst.  Andere  müssen  freilich  irr- 
thümlicher  Auffassung  zugeschrieben  werden. 

Vor  Allem  wichtig  ist  es,  dass  der  Verfasser 
in  der  Vorrede,  wenngleich  nur  beiläufig,  consta- 
tirt , dass  die  Lubbork’sche  Einteilung  in  eine 
palüolithiscbe  und  neolithisebe  Periode  für  Skandi- 
navien nicht  anwendbar  sei.  Ein  Gleiches  kann 
der  Unterzeichnete  rücksichlich  der  an  Steinalter- 
th ürnern  so  überaus  reichen  Insel  Rügen  aus  lang- 
jähriger Erfahrung  versichern.  Nilsson ’s  Fest- 
stellung, welche  man  dem  Naturforscher  vom  Fach 
gegenüber  nicht  bezweifeln  wird,  ist  um  so  mehr 
zu  beachten,  als  jener  Einteilung,  welche  für 


Frankreich  und  England  ihre  zweifellose  Berechti- 
gung hat,  eine  ausgedehntere  missbräuchliche  An- 
wendung gegeben  zu  werden  pflegt. 

Wenn  Nilsson  aber  gleichzeitig  ausspricht, 
dass  auch  in  Schonen  jene  grobbehauene  dreisei- 
tige Aztform  mit  dicker  Schneide  vorkomme, 
welche  an  die  dänischen  Küstenfunde  erinnere, 
so  wäre  ein  näheres  Eingehen  hierauf  um  so  un- 
erlässlicher gewesen,  als  dieses  im  hohen  Maasse 
rohe  und  unscheinbare  Gerätb,  welches  auch  Hilgen 
reichlich  darbietet,  zu  den  interessantesten  des 
Steinzeitalters,  vielleicht  zu  den  ältesten  Beweis- 
stücken menschlicher  Cultur  in  Nordeuropa  gehört, 
und  weil  es  einen  Ausgangspunkt  für  die  weitere 
Entwicklung  der  Steingeräthschaften  gewährt. 
Seihst  eine  Abbildung  fehlt  auf  den  reich  ausge- 
statteten  16  Tafeln  dee  Werkes,  welche  allerdings 
auch  anderweit  Wesentliches,  z.  B.  Urnenabbilduo- 
gen  (es  ist  nur  eine  Tafel  X,  Nr.  209,  gegeben) 
u.  dergl.  m.  vermissen  lassen,  während  Einzelnes 
entbehrlich,  Anderes  anschaulicher  darzustellen 
war. 

Der  Gang  der  Untersuchungen  ist  im  Uebri- 
gen  folgender: 

Nachdem  der  Verfasser  einleitungsweise  die 
bekannten  Entwicklnngsstadien  der  Menschheit  dar- 
gelegt, stellt  er  im  ersten  Capitel  einen  umfassen- 
den Vergleich  zwischen  den  Waffen  und 
Werkzeugen  wilder  Völkerschaften  und  den 
in  Skandinavien  (Schweden  und  Norwegen)  ge- 
fundenen Alterth ümern  von  Stein  undKno- 
chen  an. 

Obwohl  Nilsson  die  ethnographischen  Mu- 
seen in  England , Frankreich , Dänemark  und 
Deutschland  aus  eigener  Anschauung  kennt,  so  be- 
klagt er,  dass  es  ihm  nicht  gelungen  sei,  für  alle 
Geräthe  der  Steinzeit  Analogieen  aufzufinden.  Um 
so  mehr  muss  es  befremden,  dass  NilB&on  das 
überan 3 reiche  Material,  welches  ihm  die  Schwei- 
zer Pfahlbaufunde  geboten  haben  würden,  ganz 
unberücksichtigt  gelassen  hat.  Er  erwähnt  der- 
selben, wie  in  der  ersten  Abtheilung,  so  auch  im 
vorliegenden  Werke,  mit  keinem  Worte  und  hat 
so  Aufschlüsse  der  mannigfachsten  Art,  welcho  ihm 
namentlich  die  Keller’schon  Berichte,  die  Werke 
von  Desor,  Troyon  und  Anderer  dargeboton  ha- 
ben würden,  ausser  Acht  gelassen.  Er  würde  an- 
dernfalls' in  die  Lage  gekommen  sein,  die  überaus 
wichtige  Frage:  in  wie  weit  die  Bewohner  Skan- 
dinaviens im  Steinzeitalter  nicht  nur  Jäger  und 
Fischer,  sondern  auch,  wie  jene  Pfahlbaubewohner, 
sesshafte  Ackerbauer  gewesen?  eingehender  als  ge- 
schehen zu  erwägen.  Nilsson  deutet  rücksichtlich 
der  Erbauer  der  Ganggräber  nur  leise  an,  dass  sie 
einige  gezähmte  Thiere  besessen,  vielleicht  auch 
etwas  Ackerbau  getrieben  hätten  und  folgert  dies 
mit  Rocht  aus  zweiErdhacken  von  Stein  und  Elenn- 
horn  (Tafel  VIII,  Fig.  180,  181).  Er  übersieht 


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:U8 


Referate. 


aber  hierbei,  dass  diese  Erdhacken  und  eine  dritte 
überaus  bemerkenswerte  aus  der  Zinke  eines 
Hirschgeweihes  gefertigte,  auf  welcher  sich  in  frap- 
panter Bestätigung  der  Höhlenfunde  die  Abbildung 
einer  Hirschkuh  befindet  (Taf.  XV,  Fig.  256  bis 
259)  nicht  in  Gauggrübern  oder  in  alten  gleich- 
zeitigen Wohnstätten,  sondern  sämmtlich  in  Torf- 
mooren Schonens,  also  unter  Umständen  gefunden 
sind , welche  die  frühere  oder  früheste  Zeit  de« 
Steinalters  anscheinend  berühren.  Im  Uebrigen 
enthält  das  erste  Capitel  in  seinen  einzelnen  Ab- 
schnitten einen  Schatz  reicher  Erfahrung,  wie  diese 
nur  im  tausendfältigen  Verkehr  des  eifrigen  Samm- 
lers mit  den  Findern  und  durch  unmittelbare  Auf* 
grabtingen , niemals  aber  in  Museen  oder  Alter- 
thumsschriften allein  gewonnen  werden  kann.  Viele 
seiner  Behauptungen  und  Vergleiche  rücksichtlich 
des  Zweckes,  Gebrauchs  und  der  Classification  der 
einzelnen  Geräthe  und  Waffen  sind  unzweifelhaft 
richtig  und  belehrend.  So  namentlich  die  Behand- 
lung der  mannigfaltigen  Wurfwaflfen  und  Jagdge- 
räthe,  für  welche  die  ethnographischen  Sammlun- 
gen freilich  die  reichsten  Analogieen  darbieten. 
Hohes  Interesse  werden  die  auf  Tafel  IV  reichlich 
gegebenen  Abbildungen  von  Harpunen  und  Fisch- 
stechern  aus  Bein  schon  deshalb  gewähren , weil 
die  in  den  Torfmooren  Schonens  gefundenen  mit 
denen  vom  Feuerlande,  von  der  Hudson  Buy,  von 
Perigord , Seeland  und  den  in  der  Schweizer-Seen 
gefundenen  — hier  freilich  nicht  herbeigezogenen 
— sich  nahezu  decken,  was  bei  diesen,  eine  aus- 
gebildete Combinationsgabe  voraussetzenden  Ge- 
rüthen  der  wilden  Fischer  interessante  Verglei- 
chungspunkte dar  bietet.  Dies  gilt  auch  von  so 

manchem  anderen  Geräth,  beispielsweise  von  den 
mit  Feuersteinschürfen  versehenen  knöchernen 
Wurfpfeilen  (Tafel  VI,  Fig.  122  — 126),  welche 
auch  anderweit  gefunden  sind,  und  den  Angelhaken 
aus  Feuerstein,  welche,  so  weit  bekannt,  bisher 
allein  in  Schonen  vorgekommen.  Andere  Geräthe 
sind  dagegen,  obwohl  sie  zweifellos  auch  im  Vater- 
lande  des  Verfassers  nicht  selten  sind,  gar  nicht 
besprochen,  während  andere  wiederum  in  den  Ab- 
bildungen unzureichend  erscheinen.  So  die  über- 
aus reichlich  und  in  den  mannigfaltigsten  Formen 
verkommenden  Feuersteinspäne  (Fläcker,  prisma- 
tische Messer),  deren  variirende  Schäftung  wir 
jetzt  aus  Pfahlbaufunden  genau  kennen,  die  von 
den  Dänen  sogenannten  Flintknuder,  welche  sich 
ans  einer  amerikanischen  Analogie  bestimmt  er- 
klären, und  die  häufigen,  bisher  wenig  beobachto- 
ten und  deshalb  in  den  Sammlungen  fehlenden 
Schahsteine,  von  denen  nur  eine  unverständliche, 
nicht  charakterisirende  Abbildung  vorliegt  (Tafel 
IX.  Fig.  188).  Der  Vorwurf  kleinlicher  Bedenk- 
lichkeit, der  hier  erhoben  werden  könnte,  beseitigt 
sich  einfach  dadurch,  dass  bei  Ermittelung  des 
Culturzustandes  eines  längst  verschwundenen  Vol- 


kes auch  das  geringste  stumme  Zeichen  seiner  Thä- 
tigkeit  nicht  unbeachtet  bleiben  darf,  weil  nur  bei 
dieser  Voraussetzung  allein  ein  klares  Bild  — in 
so  weit  die»  überhaupt  noch  möglich  — von  sei- 
nem Thun  uud  Treiben  gewonnen  werden  kann. 

Ein  weiteres  Eingehen  verbietet  »ich  hierbei 
schon  durch  den  vorliegenden  Zweck.  Ein  Beden- 
ken kann  jedoch  nicht  unberegt  bleiben,  weil  es 
von  grundlegender  Bedeutung  ist.  Es  handelt  sich 
nämlich  um  die  Theorie,  welche  der  Verfasser  in 
Beziehung  auf  die  zur  Herstellung  der  Steingeräthe 
verwendeten  Werkzeuge  aufstellt.,  Er  ist,  wie 
schon  in  der  früheren  Ausgabe  und  wie  der  wackere 
Thomson  es  war,  der  Ansicht,  dass  die  Steinwaffen 
und  Werkzeuge  vermittelst  demjenigen  Steine  an- 
gefertigt sind,  welche  auf  Tafel  I,  Fig.  1 — 14  ab- 
gebildet erscheinen.  Es  sind  dies  zum  Theil  die- 
jenigen mit  Grübchen  auf  den  Flachseiten  versehe- 
nen meist  rundlichen  Steine,  welche  die  dänischen 
Alterthumsforscher  Tilhuggersteene , andere  volks- 
tümlich Knakesteene  nennen,  zum  Theil  diejenigen 
weberschiffförmigeu  Steine  mit  einem  um  die  Kante 
eingehauenen  Falz  und  mit  einer  leichten  schräg 
verlaufenden  Furche  auf  der  Flachseite.  Was  nun 
die  letzteren  betrifft,  so  giebt  der  Verfasser  selbst 
zu,  (lass  dieselben  niemals  in  einem  Steingrabe  ge- 
funden worden  wären.  Er  führt  demnächst  auch, 
indem  er  von  den  Amuleten  späterer  Insassen 
Schwedens  spricht,  an,  dass  dort  ein  solcher  Stein 
mit  eiserner  Ausfütterung  des  Falzes  gefunden  sei 
(S.  157).  Da  ausserdem  bekannt  ist,  dass  ein  an- 
dere« dänisches  Exemplar  ein  ßronzeband  hatte 
(Thomson,  Anleitung  S.  38),  ein  drittes  in  Bleking 
mit  Alterthümem  aus  dem  Eisenzeitalter  gefunden 
wurde  (Worsaae,  zur  Alterthumskunde  des  Nor- 
dens, S.  12),  so  wird  schon  dadurch  — abgesehen  von 
der  näheren  Motivirung  des  Verfassers  über  die 
Art  des  Gebrauchs  und  die  Entstehung  des  Falzes 
und  der  Furche  — die  aufgestellte  Ansicht  unhaltbar. 
Rücksichtlich  der  Knakesteene  mag  dem  Verfasser  zu- 
gegeben werden,  dass  solche  zu  dem  angegebenen 
Zwecke  in  einzelnen  Fällen  gedient  haben  mögen,  da 
sie  nach  seiner  Versicherung  bestimmte  Spuren  als 
Bohausteino  an  sich  tragen.  Dies  qualificirt  sie 
aber  allgemein  als  professionelles  Geräth  zur  An- 
fertigung der  Steingeräthschaften  nicht.  Will  man 
auch  davon  absehen,  dass  das  Volk  dem  Knake- 
steen  — wie  auch  die  Bezeichnung  selbst  besagt  — 
die  triviale,  aber  wohl  zu  Pachtende,  vielleicht  tra- 
ditionelle Deutung  beilegt,  dass  dieselben  zum  Auf- 
knacken der  Nüsse  gedient,  wozu  sio  sich  in  der 
That  sehr  eignen,  so  ist  es  gewiss  wesentlich,  dass 
derartige  Steine  eben  so  wie  die  webemhiffformi- 
gen , da , wo  Stein alterth Ürner  überaus  häufig  sind, 
z.  B.  auf  Rügen,  zu  den  Seltenheiten  gehören  und 
auf  Werkstellen  selbst,  die  sich  dort  im  ausge- 
dehntesten Maasse  befinden,  sorgsamer  Durchfor- 
schung ungeachtet  niemals  gefunden  sind.  Wohl 


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Referate. 


31» 


aber  habe  ich  dort  kugelförmige  Feuersteine  in 
allen  Stadien  der  Abnutzung  alt«  Klopfsteine  häu- 
Üg  gefunden,  wie  ich  solche  auch  in  der  ehemali- 
gen Sammlung  des  verehrten  Verfassers  zu  Lund, 
in  Kopenhagen  und  in  Holle,  letztere  aus  Amerika 
herrührend  und  den  unsrigen  vollkommen  glei- 
chend, gesehen  habe.  Im  Uebrigen  ist  die  auf 
eigene  Versuche  gestützte  Ausführung  des  Verfas- 
sers hinsichtlich  der  technischen  Behandlung  des 
Steinmaterials  bei  der  Bearbeitung  gewiss  richtig 
und  ist  es  nur  zu  bedauern,  dass  er  als  eifriger 
Jäger  niemals  in  die  Lage  gekommen  ist,  eine 
Werkstelle  aufzufinden,  da  es  solche  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  auch  in  Schonen  giebt.  Mag 
in  früherer  Zeit  auch  der  Einzelne  sein  Geräth 
höchst  wahrscheinlich  selbst  angefertigt  haben,  und 
sind  dann  die  Spuren  hiervon  so  verwischt,  dass 
sie  sich  der  Beobachtung  entziehen , so  ergeben 
die  anderweit  im  Norden  entdeckten  Werkstellen 
doch  zuverlässig,  dass  in  den  letzten  Stadien  de« 
Steinzeitalters  eine  Theilung  der  Arbeit  und  der 
Production  im  Grossen  durch  ausgobildete  Arbeiter 
bereits  eingetreten  war,  wie  ich  seiner  Zeit  nacb- 
weisen  werde. 

Im  zweiten  Capital  wirft  Nilsson  einen 
Rückblick  auf  die  beschriebenen  Alterthü- 
mer  und  sucht  ein  bestimmtes  Resultat 
daraus  zu  gewinnen. 

Mit  gutem  Grunde  wendet  er  sich  zunächst 
gegen  die  Annahme,  dass  die  Steinalterthüroer 
zum  Theil  als  Opfergeräthe,  zum  Tbeil  als  Sym- 
bole betrachtet  werden  müssten. 

Für  diejenigen,  welche  das  einheimische  und 
analoge  Material  jener  Culturperiode  mit  gesundem 
praktischen  Blicke  ansehon,  wären  jene  Ausein- 
andersetzungen freilig  müssig  gewesen . Dem  Laien 
sagt  jene  Theorie  jedoch  ihres  poetischen  Reize« 
wegen  ganz  besonders  zu,  zumal  auch  Alterthums- 
forscher vorgeblichen  Berufes,  denen  der  Gedanke 
an  Weihrauch,  Opfer  und  Zehnten  besonders  wohl- 
gefällig, solche  oft  genug  vertreten  haben.  Nils- 
«on  verkennt  keine«wegs,  dass  auch  in  historischer 
Zeit  Steingerätbe  zu  bestimmten  religiösen  Zwe- 
cken bei  den  Aegyptern,  Juden.  Phöniciern  und 
den  Römern  in  Gebrauch  gewesen  und  weist  dies 
aus  den  alten  Quellen  »peciell  nach.  Er  leugnet 
aber  mit  Recht,  dass  die  Urbewohner  im  rohen 
Kampfe  mit  ihrer  Existenz  hervortretende  religiöse 
Bedürfnisse  gehabt,  wie  der  spätere  Thor-  oder 
Odincultus  solche  voraussetzt.  Die  Alterthums- 
freunde können  dem  Verfasser  nur  dankbar  dafür 
sein,  dass  er  solche  Vorurtheile  auch  rücksichtlich 
eines  auch  den  Gegnern  jener  Theorie  sehr  räth- 
sel haften  Fundstückes  beseitigt  hat  Es  bezieht 
sich  dies  auf  jene  überaus  kleinen  streitaxUormi- 
gen  Gebilde  von  2 bis  3 Centimeter  Länge,  welche 
bei  Lindormabacke  in  grosser  Menge,  auf  Rügen 
aber  als  regelmässige  Beigabe  jedes  Steingrabcs 


Vorkommen  und  die  man,  weil  ein  praktischer  Ge- 
brauch nicht  abzusehen  war,  als  simulacra  armorum 
zu  bezeichnen  pflegte  (Tafel  II,  Fig.  36,  37,  Tafel 
XVI,  Fig.  266—268). 

Nilsson  classiticirt  sie  als  Pfeile  mit  quer- 
liegender Schneide,  was  freilich  befremdlich  klingt 
da  das  ira  Bronzezeitalter  allerdings  gangbares 
später  verlassene  Priucip  breiter  Schneiden  an 
WurfgerÄthen  für  das  Steinzeitalter  bisher  erat  zu 
erweisen  war,  wofür  er  aber  analoge  Beweisstücke 
— so  ein  geschäftetes  Exemplar  aus  dänischem 
Moor  und  ein  mit  gleicher  Steinbewehrung  ver- 
sehener Pfeil  aus  Aegypten  im  British  Museum  — 
beibringt  (S.  62). 

Die  weiteren  in  diesem  Abschnitte  gezogenen 
Folgerungen  beschränken  sich  anf  die  Ausführung, 
dass  die  ehemaligen  Inhaber  der  Steingerätbe  etwa 
denselben  Culturzustand  gehabt,  wie  die  Bewoh- 
ner von  Otaheiti  im  verlaufenen  Jahrhundert,  dass 
sie  als  Jäger  und  Fischer  jeden  ihnen  zugänglichen 
Stoff,  niemals  aber  Metall,  zur  Herstellung  ihrer 
Geräthe  verwendet,  dass  sie,  weil  im  Besitz  von 
Thongefässen , den  Gebrauch  des  Feuers  gekannt, 
Wohnungen  gehabt,  mehr  als  mit  rohen  Fellen  be- 
kleidet gewesen , dass  sie  aber , abgesehen  vom 
Hunde,  keine  Hausthiere  besessen  hätten.  Die  fer- 
nere Folgerung  aber,  dass  sie  keine  Bilder  hinter- 
lassen, keine  Zeichen  und  Bilderschrift  gekannt, 
ist  im  Hinblick  auf  die  mit  Bildwerk  versehene 
Erdhacke  (Tafel  XV,  Fig.  256  — 259)  in  ersterer 
Beziehung  irrthümlich. 

Der  Vergleich,  den  Nilsson  im  dritten  Ca- 
pitel  zwischen  den  in  Skandinavien  (Schwe- 
den-Norwegen) gefundenen  fossilen  Schädeln 
mit  denen  noch  lebender  Völker  anstellt,  ist 
mit  einer  Reihenfolge  von  Schädelabbildungen  be- 
gleitet, von  denen  Sachverständige  ermessen  mö- 
gen, ob  sie  zweckentsprechend  sind.  In  den  auf 
das  System  von  Retzius  gestützten  Resultaten 
geht  Nilsson  mit  grosser  Mässigung  zu  Werke, 
da  einerseits  eine  sehr  intrikate  Materie  vorlag 
und  er  andererseits  bekennen  musste,  dass  das  vor- 
handene Material  für  eine  erschöpfende  Unter- 
suchung unzureichend  sei.  Er  constatirt,  dass,  mit 
Ausnahme  der  kurzköpfigen  Lappen,  alle  Bewoh- 
ner Skandinaviens  von  Alters  her  bis  in  die  Gegen- 
wart hinein  zur  Classe  der  Dolichocephalen  gehör- 
ten, dass  man  dann  und  wann  aber  — und  dies 
ist  überaus  wichtig  — einen  brachycepbalen  Schä- 
del zwischen  Langschädeln  in  zweifellosen  Stein- 
gräbern  gefunden,  dass  man  aber  nichtsdestowe- 
niger gelten  lassen  müsse,  die  Erbauer  derselben 
hätten  irgend  einer  dolichocephalen  Völkerschaft 
angehört,  welche  noch  jetzt  den  grössten  Theil  des 
Landes  bewohnen. 

Im  vierten  Capitel  beschäftigt  sich  Nilsson  mit 
den  Gräbern  des  Steinalters  im  Vergleiche 
mit  den  Gräbern  und  Wohnungen  der  Eskimo. 


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320 


Referate. 


So  gelungen  die  Ausführungen  im  Ein- 
zelnen auch  sind,  so  wäre  es  doch  erwünscht 
gewesen,  wenn  der  Autor  bei  diesem  Anlässe  alle 
Bestattungsweisen , welche  in  der  Steinperiode 
Skandinaviens  Gebrauch  gewesen,  ebenso  eingehend 
behandelt  hätte,  als  die  Fundstücke  der  Gräber 
und  Torfmoore.  Während  die  Gaugbauten  tief 
eingehend  , die  Dös  dagegen  nur  beiläufig  bespro- 
chen werden,  fehlen  beispielsweise  diu  mannigfal- 
tig forinirten  Steenrör  in  Illeking,  welche  wenig- 
stens zum  Theil  dem  Steinalter*  wie  deren  Aus- 
beute erwiesen  bat , angehören.  Die  Ucbergangs- 
periode  ist  überhau pt  nicht  liehaudelt,  während 
eine  ethnologisch  wichtige  Gräherstatistik , sowohl 
rücksichtlich  des  ganzen  Landes,  als  auch  seiner  ein- 
zelnen Thetle,  gänzlich  fehlt.  Abgesehen  aber  von 
diesen  Bedenken  enthält  dieser  Theil  des  Werkes 
eine  Fülle  höchst  schätzbaren  Materials.  Nilssou 
geht  davon  aus,  dass  die  Gräber  der  nicht  sesshaft 
gewesenen  Urbevölkerung  Schwedens  unbekannt 
waren,  dass  dagegen  die  Ganggräber  (gänggrifter) 
und  die  wahrscheinlich  gleichzeitigen  Dolmen  (Dös) 
einem  cultivirtereu  ansässigen  Stamme  sugMchrie- 
ben  werden  müssten.  Mit  vollem  Hechte  bezeich- 
net er  die  erstere  ('lasse  als  Stamm-  und  Familien- 
gräber, du  auch  diu  Steinkisten  Rügens  — Gang* 
gröber  sind  dort  nicht,  nachweisbar  — sollet  in 
ihrer  unmittelbaren  Umgehung  ausserhalb  der 
regelrechten  Steinsetzung  dieselbe  Folgerung  als 
zweifellos  erscheinen  lassen.  Eben  so  wenig  kann 
die  von  Nilsson  umständlich  nochgcwieeene  Aehu- 
lichkeit  der  Ganggräber  mit  den  Winterhütten  der 
Eskimos  bedenklich  sein.  Du  er  eine  Kaceneinheit 
hieraus  nicht  ableitet,  so  folgt  hieraus  für  die  eul- 
turgeschichtliche  Ethnologie  nur  so  viel,  dass  für 
die  Erbauer  beider  gleiche  Lebensverhältnisse  und 
cun  forme  klimatische  Bedingungen  massgebend 
waren.  Nilsson  hat  aber  niebt  nur  die  gleiche 
Gestaltung  jener  Winterhütten  mit  den  Ganggrä- 
bern nachgewiesen,  sondern  auch  die  der  letzteren 
mit  den  Wohnungen  desselben  skandinavischen 
Urvolkes.  Es  ist  ihm  nämlich,  zum  grossen  Ge- 
winn für  die  nordische  Alterthumskunde,  gelungen, 
in  Schweden  mehrfach  alte  Wohnstätten  aufzufin- 
den, welche  den  Ganggräbern  bis  auf  die  man- 
gelnde Steinbedachung , die  bei  jenen  wahrschein- 
lich aus  Holz , Reisig  oder  Rasen  bestanden , voll- 
kommen gleichen.  Da  er  derartige  Wohnungen 
selbst  mehrfach  untersucht  und  der  mitgetbeilte 
Befund,  namentlich  Spuren  einer  Hcrdstelle,  Ge- 
schirrreste  und  gänzlicher  Mangel  an  Menschen- 
gebein  etc.,  die  Richtigkeit  seiner  Ansicht  nicht 
bezweifeln  lässt,  zumal  es  ja  bekannt  ist,  dass 
manche  Völker,wiez.B.dieTapuja,die  den  Leichnam 
zu  einem  ruuden  Ballen  Zusammensein»  üren  und 
ihren  thräuenlosen  Schmerz  dadurch  erklären, 
„dass  sie  ihre  Thränen  fransen“,  die  Hütte  selbst 


als  Grabstelle  benutzen  und  diese  dann  verlassen 
(Spix  und  Martius  III,  1238). 

Nachdem  der  Verfasser  im  fünften  Capitel 
untersucht,  wie  die  Ureinwohner  ihre  Waf- 
fen zur  Jagd  und  zum  Kriege  benutzt  und 
aus  zwei  sehr  interessanten  Fundberichten  dar- 
thut,  dass  zur  Verwundung  eines  im  Torfmoor  ge- 
fundenen Bos  urus  eine  Feuerst  ein  walle  und  zur 
Tödtnng  eines  Menschen  ein  im  Schädel  noch  %’or- 
gefundener  Wurfpfeil  von  Elennhorn  gedient  hät- 
ten, letzterer  auch  nothwendiger  Weise  vermittelst 
eines  Wurfbrette*  geschleudert  sein  müsse,  wenn- 
gleich keine  Reste  von  solchen  bisher  in  Skandi- 
navien aufgefunden  worden  wären,  giebt  er  im 
sechsten  Capitel  Data  für  das  Vorhandensein 
eines  Steinzeit  alters  bei  verschiedenen  Völ- 
kern und  weiset  sodann  nach,  dass  die  sagenhaften 
Riesen,  Zwerge,  Elben,  Wichte,  Troll  u.s.  w. 
ursprünglich  Völker  verschied  euer  Her  kunft 
und  von  verschiedenem  Cultus  gewesen. 

Die  auf  dem  Wege  ethnographischer  Verglei- 
chung umständlich  angetretene,  mit  einem  über- 
aus reichen  Material  versehene  Beweisführung  muss 
dahin  als  gelungen  betrachtet  werden , dass  die 
Zwerge  der  skandinavischen  Sage  die  zauberkun- 
digen  Lappen , die  Riesen  finnische  Einwanderer 
waren,  welche  dem  vorodinischen  Thurcnltus  ob- 
lagen. Der  Aufgabe  des  Verfassers  entsprechend 
ist  hierdurch  wenigstens  für  einen  vcrhältnissmässig 
kleinen  Bereich  die  über  einen  grossen  Theil  un- 
seres Erdballes  verbreitete  »Sage  von  Zwergen  und 
Riesen  erklärt  worden.  Jene  allgemeine  Verbrei- 
tung wird  freilich  Denjenigen  Anfechtungspunkte 
darbieten,  welche  eine  locale  Entstehung  der  Zwerg- 
uud  Riesen-Sagen  auf  historischem  Boden  leug- 
nen, sie  vielmehr  aus  allgemeinen  mythisch  poeti- 
schen Naturanschauungen  ableiten. 

In  dem  Schlüsscapitel  erörtert  Nilsson  die 
Frage  rücksichtlich  der  wahrscheinlichen  Ge- 
staltung der  Skandinavischen  Halbinsel 
zur  Zeit  der  Einwanderung  ihrer  ältesten 
Bewohner.  Im  weiten  Rückblicke  entfaltet  er  ein 
klares  Bild  jener  starrenden  Gletscherzeit,  deren 
Ursache  er,  wie  andere,  in  Schwankungen  der  Erd- 
rinde findet  und  deren  Anzeichen  Nordschweden 
noch  heute  in  leiser  Fortwirkung  darbietet.  In 
farbigen  Umrissen  zeigt  er  sodann  die  — wer 
weil»  wie  langsamen  — Entwicklungsstadien,  die 
den  Boden  seine«  Vaterlandes  zur  Aufnahme  des 
Menschen  geeignet  ninch’en.  Südschweden,  da- 
mals noch  landfest  init  den  norddeutschen  Ebenen, 
bot  diesen  einen  unbehinderten  Zuguug  aus  wärme- 
ren Regionen.  Mit  ihnen  kam  das  Renn,  der  Ur, 
der  Bison  hin  und  her  wandernd.  Sie  und  andere 
wurden  des  Menschen  Jagdbeute,  der  sich  z«  die- 
sem Beh ule  und  dem  Fischfänge  obliegend  in  dich- 
ten Wäldern  an  den  See-  und  Flussufcrn  aufhielt. 


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Referate. 


3-21 


Von  jenen  Urbewohnern  rühren  die  in  den  älte- 
sten Torfmooren  gefundenen  Stein-  und  Knochen- 
ger&the  her,  deren  überaus  hohes  Alter,  die  dabei 
gefundenen  Reste  des  Höhlenbären  bezeugen.  Dass 
jene  ältesten  Moore  sich  vor  dem  bekannten  Ja* 
rawall  gebildet,  kann  nach  der  Ausführung  des 
Verfassers  nicht  bezweifelt  werden.  Er  bringt  die 
Entstehung  desselben  mit  der  Abtrennung  Schwe- 
dens vom  Festlande  vermittelst  eindringender 
Meeres fluthen  in  Verbindung  und  giebt  den  däni- 
schen Kjökkenmöddinger  ihre  Bildung  erst  nach 
Eintritt  jenes  Naturereignisses  und  zwar  mit  gu- 
tem  Grunde,  da  in  ihnen  Rennthierknochen  bisher 
nicht  gefunden  sind , wie  in  den  bei  weiten  älte- 
ren Mooren.  Rücksichtlich  der  dort  im  Vereine 
mit  den  Resten  des  Höhlenbären  ausgegrabenen 
Skelete  von  Reimt  liieren  constatirt  Nilsson  die 
interessante  Thatsache,  dass  diese  einer  ganz  ande- 
ren Racc  angehörten,  als  das  lappländische,  wel- 
ches viel  später  über  Finnland  nach  den  norwegi- 
schen Hochalpen  gekommen,  jene  aber  aus  süd- 
licher gelegenen  Ländern,  die  demnächst  aber  bei 
unterbrochener  Laudverbindnng  wahrscheinlich 
ausgestorben  wären. 

Schliesslich  wirft  Nilsson  die  Frage  auf,  zu 
welcher  Menschenrace  die  ersten  Bewohner  Skan- 
dinaviens gehört  hätten.  Er  lässt  diese  Frage  un- 
entschieden, weil  kein  menschliches  Skelet  bisher 
in  den  ältesten  Torfmooren  gefunden  sei,  wohl 
aber  einzelne  Schädel,  welche  jene  Urbewohner  als 
kur/.köpfige,  deren  letzte  Repräsentanten  die  Lap- 
pen waren,  charakterisirten.  Die  letzteren  hatten 
früher  lange  Zeit  als  Jäger  nnd  Fischer  gelebt,  ehe 
sie  Nomaden  wurden  und  wären  von  einem  lang- 
köpfigen Volkntamme  vernichtet  oder  zurück- 
gedrängt,  der  dann  die  Ganggräber  errichtet,  einem 
höheren  Culturzustande  entsprechend  seine  Speisen 
gekocht,  wie  die  von  Rubä  geschwärzten  Reste 
ihrer  Thongefnsse  auswiesen,  „vielleicht“  auch 
etwas  Ackerbau  getrieben  hätte. 

Die  semitischen  Nachfolger  dieses  namenlosen 
Volkes  sind  in  der  ersten  Abtheilung  der  Urein- 
wohner bereite  besprochen.  Von  dem  kimbrischen 
Volksstamme,  welcher  inzwischen  in  Dänemark  und 
Südschweden  ein-  und  ausgewandert  sein  soll , wie 
von  deu  letzten  Ankömmlingen,  welche  den  odini- 
schen  Walhallaeultus  ins  I*and  gebracht , werden 
wir  in  der  dritten  Abtheilung  des  Werkes  hören. 

Möchte  es  dem  hochbetagten  Verfasser  ver- 
gönnt seiu,  diese  deutschen  Lesern  in  neuester 
Redaction  recht  bald  zugängig  zu  machen.  Auch 
der  in  dor  Vorrede  versprochene  „Beitrag  zur  Ge- 
schichte der  Alterthumskunde  in  Schweden  wäh- 
rend der  letztverfloseenen  35  Jahre"  wird  meinen 
deutschen  Freunden  und  Verehrern  überaus  er- 
wünscht sein. 

Neu-Ruppin.  Rosenberg. 

Arrhl»  für  Atilhmimloul)1.  R<l.  (II.  He  fl  3. 


13.  H.  Schaaff hausen.  Ueber  die  Urform 
des  menschlichen  Schädels,  ein  beim  an- 
thropologischen Congresse  in  Paris  ge- 
haltener Vortrag,  ubgedruckt  in  der 
Festschrift  der  Niederrheinischen  Ge- 
sellschaft für  Natur-  und  Heilkunde  zur 
fünfzigjährigen  Jubelfeier  der  Univer- 
sität Bonn,  1868. 

Der  Verfasser  geht  von  der  Betrachtung  aus, 
dass  die  Lebensformen  nicht  nur  deu  äusseren 
Lebensbedingungen  angepasst  erscheinen,  sondern 
auch  eine  fortschreitende  Entwickelung  bis  zur 
menschlichen  Organisation  erkennen  lassen.  Die 
menschliche  Form  muss  aus  einer  minder  vollkom- 
menen allmählich  entstanden  sein.  Entsprechen 
die  Thatsachen  dieser  Ansicht?  Die  Merkmale 
der  höheren  menschlichen  Bildung  sind  wirklich 
nicht  in  gleichem  Maasse  bei  allen  Racen  vorhan- 
den , sondern  entsprechen  dor  Cultur,  deren  die 
Menschheit  erst  nach  und  nach  theilhaRig  wurde. 
Aber  auch  die  ältesten  Ueberrestc  unseres  Ge- 
schlechts auB  einer  Zeit,  die  dem  Ursprung  dessel- 
ben jedenfalls  etwas  näher  liegt,  tragen  Zeichen 
einer  niederen  Organisation  an  sich;  diese  Beob- 
achtung erscheint  um  so  wichtiger,  als  sie  schon 
an  einer  so  geringen  Zahl  fossiler  Reste  hat  ge- 
macht werden  können.  Die  Bildung  der  Stirn  des 
Neonderthal-Schädels,  Gebiss  und  Form  des  Unter- 
kiefers von  la  Naulette  und  der  Prognathismus 
einiger  kindlicher  Kiefer  aus  der  Steinzeit  West- 
europas Übortreffen  das,  was  wir  von  ähnlichen 
Bildungen  der  lohenden  Wilden  kennen.  Die  Ge- 
setzmässigkeit solcher  Bildungen,  ihre  gegenseitige 
Harmonie,  ihr  fötaler  oder  kindlicher  Charakter 
weisen  die  Deutung  ab,  dass  sic  nur  zufällige  seien. 
Auch  für  das  Skelet  kennen  wir , zumal  aus  der 
Anatomie  wilder  Racen,  als  Merkmale  niederer 
Organisation  die  abweichenden  Verhältnisse  der 
Länge  der  Gliedmassen,  die  von  vorn  nach  hinten 
verlängerte  Form  des  Thorax,  die  geringere  Dre- 
hung des  Oberarmbeins , die  Durchbohrung  der 
Ellenbogengrube  desselben  Knochens,  das  schmä- 
lere Becken  mit  mehr  nufgerichteten  Darmbeinen, 
das  mehr  nach  hinten  vorspringendo  Fersenbein, 
den  der  thierischen  Bildung  näher  steherden  Kehl- 
kopf und  noch  einige  andere  Kennzeichen.  Was 
die  Bildung  des  Schädels  betrifft,  so  fällt  uns  bei 
einigen  aus  der  ältesten  Vorzeit  wie  bei  den  mei- 
sten der  niederen  Racen  die  Dicke  der  Schädel- 
knochen auf,  wodurch  auch  der  Thierschädel  sich 
von  dem  menschlichen  unterscheidet.  Die  Festig- 
keit des  Knochengewebes  wird  auch  von  der  Nali- 
rungsweite  abhängan;  auffallend  ist  die  schon  He* 
rodot  bekannte  weichere  Beschaffenheit  der  Schädel- 
knochen bei  den  Mongolen,  die  auf  einem  Vorherr- 
schen der  Diploe  beruht  und  3ioh  auch  au  Schä- 
deln der  Vorzeit  findet.  Kleinheit  der  Schädel- 
höhle deutet  auf  geringere  Entwicklung  des  Ge- 
41 


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322 


Referate. 


hirns,  dessen  Windungen  in  dienern  Falle  weniger 
zahlreich,  einfacher  und  mehr  vorspringend  sind. 
Der  Neger-  und  Australierschädel , aber  auch  der 
Engis-  undNeanderthaler  Schädel  haben  diese  Eigen- 
schaft. Die  alten  Völker  des  westlichen  und  nörd- 
lichen Europa,  sowie  die  de«  nördlichen  Afrika 
hatten  eine  lange  und  schmale  Scbädelform,  die 
schon  deshalb  für  eine  primitive  gehalten  werden 
darf,  weil  es  durch  Beobachtung  feststeht,  dass  der 
Schädel  seine  letzte,  der  Zunahme  der  Intelligenz 
entsprechende  Vergrösserung  durch  eine  Entwick- 
lung iu  die  Breite  erfährt;  doch  ist  hierfür  nur 
die  Breite  über  der  Schädelbasis  bezeichnend,  nicht 
die  zwischen  den  Scheitelhöckern,  die  vielmehr  der 
weniger  entwickelten  Schädel  form  des  Kindes  und 
des  Weibe«  zukommt.  Ob  in  Europa  ein  braehy- 
cephales  oder  ein  dolichocephales  Volk  daB  älteste 
gewesen,  bleibt  noch  zweifelhaft;  jedenfalls  sind 
die  bisher  bekannt  gewordenen  dolichocephalen 
Schädel  der  Vorzeit  von  roherer  Bildung  als  die 
anderen.  Es  giebt  eine  Reihe  von  Thatsochen, 
welche  beweisen,  dass  eine  sehr  hervortretende 
Dolichocephalie  eine  ursprüngliche,  noch  wenig  ent-  * 
wickelte  Form  des  menschlichen  Schädels  ist.  Der 
Vergleich  der  Hirnformen  niederer  und  höherer 
ftaeen  giebt  denselben  Beweis.  An  der  Gestalt  des 
primitiven  Schädels  nimmt  die  Form  eines  jeden 
einzelnen  Knochens  Theil;  die  Knochen  der  Schä- 
delkapsel betheiligen  sich  aber  in  verschiedener 
Weise  an  der  Verkleinerung  desselben.  Lehrreich 
ist  in  dieser  Beziehung  eine  vergleichende  Betrach- 
tung des  Säugethierschädels.  Die  stärkere  Wöl- 
bung des  menschlichen  Schädels  ist  die  Folge  des 
nach  allen  Richtungen  und  zumal  nach  der  Breite 
mehr  ausgedehnten  menschlichen  Gehirns.  Die 
rohe  Schädelform  erscheint  »1h  eine  Bildungshem- 
muug,  denn  sie  trägt  beim  Erwachsenen  noch  kind- 
liche Zuge  an  sich,  z.  II.  das  Vorbringen  der  Schei- 
telhöcker und  der  Hinterhaupt sschuppc,  die  geringe 
Entwicklung  der  Nasenbeine.  Dieselben  Züge 
hat  der  Affen  Schädel.  Mit  dem  Orangutangschä- 
del  hat  der  des  Malayen  die  grösste  Aehnlichkeit, 
der  deshalb  als  Racentypus  bei  behalten  werden  muss, 
und  nicht  etwa  nur  als  eine  Mittelform  zu  betrach- 
ten ist.  Er  beweist,  dass  <*s  auch  eine  niedere 
Form  des  brachycephalen  Schädels  giebt.  Die 
grossen  Affen  Afrikas  stehen  dem  Neger  näher. 
Duvernoy  und  Agassiz  haben,  wie  der  Verfas- 
ser, die  anthropoiden  Affen  beider  Welttheil©  in 
Bezug  auf  die  Schädelform  mit  den  Menschenracen 
derselben  Länder  verglichen  und  «ie  einander  ähn- 
lich gefunden,  welchem  Ergehn  iss  auch  Bischoff 
beistimmt.  Hierbei  wird  erinnert,  das«  schon 
Blumen  hach  angegeben  habe,  dass  sich  alle  Schä- 
delformen zwischen  zwei  Extremen,  numlich  die 
Äthiopische  und  mongolische  Form  ordnen  Hessen. 
Es  wird  ferner  auf  den  Einfluss  der  Muskelkraft 
für  das  Zustandekommen  der  dolichocephalen  Form 


hingewiesen.  Der  Verfasser  bestreitet  die  Ansicht 
von  Retzius,  dass  die  Dolichocephalie  durch  stär- 
kere Entwicklung  der  hinteren  Lappen  des  grossen 
Gehirns  hervorgebracht  werde  und  eine  höhere 
Form  darstelle.  Wichtig  und  bisher  kaum  be- 
achtet ist  die  Beschaffenheit  der  Schädelnähte,  die 
bei  rohen  Völkern  in  ihrer  gradlinigen  Form  den 
kindlichen  Typus  bewahrt  haben.  Starke  Ver- 
ästelung der  Nahtsacken  deutet  auf  langsames 
Wachsthum  des  Schädels,  kann  aber  auch  krank- 
haft und  durch  Hindernisse  der  Knochenbildung 
hervorgebracht  sein.  Der  Verfasser  bestreitet  die 
Ansicht  Virchow's,  dass  bei  raschem  Wachethum 
der  Kuochen  die  Nähte  zackig  werden.  Zackige 
Nähte  sind  obon  nur  Folge  des  fortschreitenden 
Wachsthums  der  Nahtrander  bei  geringer  Neigung 
zur  Verknöcherung.  Frühzeitiger  Schluss  der 
Nähte  kann  nicht  nur  die  Ursacho  gehemmter  Gei- 
stesentwicklung werden , wie  in  pathologischeu 
Fällen  beobachtet  ist,  sondern  sie  kann  auch  die 
Folge  einer  geringen  Hirnausbildung,  eines  früh  be- 
endeten Wachsthums  des  Gehirns  sein,  wie  beim  Sauge- 
thierschädel  und  dem  der  wilden  Racen.  Gratio- 
let  irrte,  wenn  er  sagte,  dass  bei  den  civilisirteu 
Völkern-  dos  längere  Offenbleiben  der  Nähte  die 
Ursache  ihres  grösseren  Gehirns  sei.  Es  verhält 
sich  umgekehrt.  Die  Nuhte  schliessen  sich  da 
am  Jeichte«ten , wo  sie  einen  linearen  Verlauf  ha- 
ben; darin  liogt  der  Beweis,  dass  Bildung  von 
Zacken  den  Verschluss  verlangsamt.  Auch  lassen 
sich  Gründe  angebon  für  den  verschiedenen  Ein- 
tritt der  Verknöcherung  der  einzelnen  Schädel- 
nahte.  Die  Synostose  der  Nuhte  hat  ohne  Zweifel 
Einfluss  auf  die  dolichocephale  oder  brachycepbale 
Form,  und  führt  in  vielen  Fällen  zur  Schiefheit 
des  Schädels,  wenn  sie  einsoitig  ist  Es  ist  des- 
halb zu  wünschen,  dass  bei  Abbildung  von  Schä- 
deln der  Form  der  Nähte  die  grösste  Aufmerksam- 
keit gewidmet  werde.  Auch  äusserer  Druck  darf 
als  eine  Ursache  früher  Verschmelzung  der  Nähte 
betrachtet  werden , wie  die  künstlich  entstellten 
Schädel  zeigen.  Ein  bezeichnendes  Merkmal  einer 
niederen  Schftdelbildung  ist  der  Prognathismus,  er 
nimmt  mit  dem  Wachsthum  des  Schädels  zu,  weil 
sich  die  Gesicht sknochen  mehr  vergrößern  als  dio 
Schädelbasis.  Er  findet  sich  an  weiblichen  Schä- 
deln der  Vorzeit  häufig,  eine  neue  Bestätigung  der 
Thntsache,  dass  der  weibliche  Schädel  überhaupt 
mehr  primitive  Züge  aufweist  als  der  männliche. 
Vom  Typus  eines  Schädels  ist  der  Grad  der  Ent- 
wicklung desselben  zu  unterscheiden,  was  man 
bisher  ganz  übersehen  hat.  Die  Racenmerkmale 
bestehen  nicht  in  einzelnen  Abweichungen  der  Bil- 
dung, sondern  Bie  bilden  ein  Ganzes.  Das  Vor- 
kommen von  Ruceschädeln  unter  Europäern  konnte 
man  nur  so  lange  behaupten,  als  inan  den  Race- 
typu«  als  oin  Ganzes  aufzufassen  noch  nicht  im 
Stande  war.  Der  Prognathismus  zeigt  eine  auf- 


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Referate. 


323 


fallende  Annäherung  an  die  Thierform  und  zunächst 
an  den  Typoa  des  Affen,  wenn  die  Knochenflüche 
hinter  den  Schneidezflhnen  am  Unterkiefer  schief 
gerichtet  ist,  wie  am  Kiefer  von  la  Naulctte.  Auch 
die  elliptische  Form  des  Zahnbogens  an  einem  fos- 
silen Unterkiefer  von  Grevenbroich  wie  an  vielen 
Malayenschfideln  ist  eine  primitive  Bildung.  Das 
menschliche  Gebiss  giebt  noch  andere  Andeutun- 
gen einer  tiefer  stehenden  Organisation.  Nach 
Owen  hat  boi  den  Australiern  der  Weisheitezabn 
immer  eine  droiwurzelige  Einpflanzung  wie  beim 
Chimpanse  und  Orang.  Dasselbe  findet  sich  an 
Schädeln  der  Vorzeit.  Auch  sind  beim  Neger, 
Australier  und  Malayen  die  Kronen  der  Backen- 
zähne noch  gleichgross;  dass  der  letzte  der  grösste 
ist  wie  beim  Affen , zeigt  der  Kiefer  von  la  Nau- 
letto;  thierisch  ist  auch  die  Form  des  Zahnbogens, 
wenn  er  gleichsam  ein  verlängertes  Viereck  bildet, 
indem  auch  die  Schneidezähne  fast  in  einer  gera- 
den Linie  stehen ; ein  Kafferschädel  in  Erlan- 
gen, den  R.  Wagner  abbildct,  zeigt  sogar 
die  Lücke  zwischen  Eck-  und  Schneidezahn  im 
Oberkiefor.  die  der  Affe  hat.  Die  Kleinheit  der  Na- 
senbeine wird  an  niederen  Racen,  das  Fehlen  de« 
vorderen  scharfen  Randes  am  Boden  der  Nasenhöhle 
auch  an  Schädeln  der  Vorzeit  oft  beobachtet  Starke 
Brauenwülste,  hohe  und  scharfe  Schläfenlinien,  vor- 
springende spina  des  Hinterhauptes,  die  zuweilen 
einen  Knochenkamm  bildet,  der  von  einem  Zitzen- 
fortsatz zum  andern  läuft  sind  Zeichen  einer  rohen 
oder  primitiven  Scbädelbildung.  Wie  so  viele  Ei- 
gentümlichkeiten der  menschlichen  Gestalt  so  sind 
auch  gewisse  Merkmale,  die  den  menschlichen  Schä- 
del vom  thieriachen  unterscheiden,  z.  B.  die  stark 
entwickelten  Zitzenfortsätze,  als  Folgen  des  auf- 
rechten Ganges  zu  betrachten.  Setzt  man  den  mensch- 
lichen Ursch&del  aus  Merkmalen  des  fossilen  und 
des  niederen  Racenschädels  zusammen,  so  bleiben 
zwei  Typen  als  Grundformen  übrig,  die  auch  in  der 
Vorzeit  schon  vorhanden  sind,  der  brachycephale 
und  der  dolichocephale.  Das  Entwicklungsgesetz 
des  menschlichen  Schädels  hat  aber  trotz  dieser 
Verschiedenheit  der  Grundformen  eine  allgemeine 
Gültigkeit.  Der  Schädel  dee  Wilden  hat  Eigen- 
schaften, welche  in  allen  Ländern  dieselben  sind 
und  der  geringen  Ausbildung  der  Geisteskräfte  ent- 


sprechen. Zwei  Einwirkungen  bilden  die  Men- 
schenracen,  das  Klima  und  die  Civilisation!  Diese 
wirkt  aber  mittelbar  auf  alle  Racenmerkmale,  weil 
sie  die  Einflüsse  des  Klimas  beschränken  und  ab- 
ändern  kann.  Dagegen  ist  es  wieder  oft  das  Klima, 
welches  die  Civilisation  erleichtert  oder  zurückhält. 
Während  in  den  verschiedenen  klimatischen  Ein- 
wirkungen eine  Mannigfaltigkeit  des  Typus  begrün- 
det ist,  die  niemals  ganz  verschwinden  kann,  so  ist 
die  geistige  Cultur  das  Mittel  der  Ausgleichung 
und  Annäherung  der  Formen.  Die  anthropoiden 
Affen  Afrika’s  und  Asiens  sind  nicht  so  verschieden 
von  einander  als  die  verschiedenen  Menschcuracen 
dieser  Länder , weil  jene  unter  sehr  ähnlichen  kli- 
matischen Bedingungen  leben  und  diese  durch  alle 
Zonen  sich  verbreitet  haben.  Die  Schädelformen 
sind  noch  nicht  hinreichend  gekennzeichnet  durch 
die  Angabe  der  grössten  Länge  und  Breite,  zumal 
wenn  lieim  Vergleiche  der  Racen  nur  das  relative 
Verbältniss  beider  berücksichtigt  wird.  Die  Breite 
des  Schädels  ist  ein  wichtigeres  Merkmal  als  die 
Länge,  weil  diese  durch  blosse  Vorsprünge  der 
Knochen,  z.  B.  grosse  Minus  frontales  oder  starke 
spina  ocnipitalis  vergrössert  6ein  kann,  die  auf  die 
llirnform  keinen  Bezug  haben,  für  jene  aber  gerade 
diese  bestimmend  ist.  Es  ist  aber  durchaus  nöthig 
anzugeben,  an  welcher  Stelle  die  Breite  des  Schä- 
dels gemessen  ist,  um  den  Werth  dieses  Maames 
beurtheilen  zu  können.  Ein  vollständiges  Bild 
eines  Schädels  können  wir  durch  die  Maasse  allein 
nicht  gewinnen,  Form  und  Beschaffenheit  jedes  ein- 
zelnen Knochens  lassen  erst  die  Stufe  der  Entwick- 
lung eines  Schädels  erkennen.  Ganz  feststehende 
Typen  giebt.  es  auch  in  den  Schädelformen  nicht, 
seihst  die  Dolichooephalie  und  Brachyccphalie  sind 
veränderlich.  Die  Schädelform  kommt  zu  Stande 
durch  den  angeerbten  Typus,  auf  den  Ernährung, 
Klima,  Muskel  Wirkung  und  Geistesbildung  umän- 
dernd gewirkt  haben  können.  Der  Verfasser  hat 
versucht,  die  rohen  Schädel  des  Urmenschen  mit 
Hülfe  der  erkannten  Bildungsgesetze  aus  einzelnen 
Bruchstücken  wieder  aufzubauen,  wir  wünschen  mit 
ihm,  dass  ein  glücklicher  Fund  uns  in  nicht  zu 
ferner  Zeit  die  Bestätigung  der  Voraussetzungen 
und  Schlüsse  der  heutigen  Wissenschaft  in  Bezug 
auf  den  Ursprung  unseres  Geschlechts  bringen  möge. 


III.  Misccllen. 


Antinori’s  und  Piaggia’s  Mittheilungen 
über  die  Negerstämme  der  oberen  Nilländer  und  die 
Njamnjnms.  Aus  dein  Jahrbuche  der  Florentiner 
Geographischen  Gesellschaft.  Petermann,  Mit- 


theilungen. Ergänzungsheft  Nr.  10.  Seite  79  bis 
82.  „ Ausland u 1868.  Nr.  45. 

Beide  Reisende  fuhren  von  Chartom  den  weis- 
sen  Nil  hinauf  bis  zur  Mündung  des  Bahr-el-Gazal. 

41* 


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324 


Misoellen. 


Auf  diesem  Nebenflüsse  und  später  zu  1-ande  vor» 
dringend  kamen  sie  zu  den  Dschiurnegeru.  Der 
Häuptling,  ein  kaum  40jähriger  Mann  von  Eben» 
holzach  würze,  kräftigem  Körperbau  mit  schönen 
Umrissen,  völlig  nackt  bis  auf  ein  sonderbare« 
Gewand,  das  ihm  über  die  Schultern  bis  zum  Nabel 
herabhing,  kam  den  Reisenden  entgegen,  legte  seine 
Waffen  nieder,  fasste  die  Hände  der  Ankömmlinge 
und  spie  in  dieselben  als  Zeichen  des  Willkomms, 
ja  er  ging  in  seiner  Gunstbezeugung  so  weit,  dass 
er  diese  Handlung  auch  gegen  die  Geeichter  seiner 
Gäste  richtete.  Beide  Geschlechter  der  Dschinr- 
neger  gehen  völlig  unbekleidet,  und  nur  die  alten 
Weiber  verhüllen  ihren  Leib  mit  Antilopenfellen. 
Sie  tragen  Zierratheu  in  den  Ohren,  am  Halse  und 
an  den  Fusskuöcheln,  die  verheiratheten  Frauen 
legen  einen  zollbreiten  Gürtel  um,  un  dein  Glasper- 
len und  eiserne  Schmucksachen  hängen.  Die  Frauen 
gemessen  eine  hohe  Stellung,  ihre  Schwäche  ist  den 
Männern  heilig,  ein  Dschiur  wird  nur  im  äusser- 
sten  Falle  eine  Sklavin  schlagen,  geschweige  seine 
Frauen.  Sie  halten  Ziegen,  weil  die  Tsetsefliege  die 
Rinder  vertreibt,  und  bauen  mehrere  Feldfrüchte-, 
auch  schmieden  sie  das  Eisen.  Im  Jahre  1863  kam 
Piaggia  allein  zn  den  Njamnjams,  zu  denen  der 
Schotte  Petherik  im  Jahre  1858  zuerst  gelangt 
sein  will.  Das  Land  ist  waldig  und  reich  bewäs- 
sert. Hier  leben  das  Rhinoceros,  der  Elephant, 
Wildschweine,  verschiedene  Affengattungen,  eine 
Menge  kleiner  Nagethiere  und  Fledermäuse.  Auch 
einige  Anthropoiden  will  Piaggia  gesehen  haben, 
vielleicht  den  Troglodytes  calvus,  den  niger,  viel- 
leicht gar  den  gorilla.  Ein  grosses  Säugethier, 
Aiti  genannt,  scheint  eine  Mittelibrm  zwischen  dem 
Rind  und  Kudu  (Tragelaphus).  Die  Njamnjams 
sind  erst  vor  60  Jahren  aus  dem  Südwesten  in  das 
heutige  Gebiet  eingewandert.  Die  Häuptlinge  tra- 
gen einen  Schurz  aus  Baumrinde,  der  einem  ge- 
webten Zeuge  gleicht,  die  übrigeu  Männer  einen 
Schurz  aus  Thierfell.  Die  meisten  Frauen  sind 
ganz  nackt,  nur  weiter  nach  Norden  tragen  sie  wie 
die  Dornegerinnen  zwei  Lanbbüscbel  als  Schürze. 
Der  Häuptling  verhängt  die  Strafen,  die  im  Ab- 
schneidern von  Ohren  oder  Fingern  oder  im  Verlust 
des  Lebens  bestehen.  Die  Todesstrafe  vollstreckt  der 
Häuptling,  indem  er  auf  den  Schuldigen  mit  den 
Füssen  tritt,  ihm  eine  Schlinge  um  den  Hals  legt- 
und  ihn  erdrosselt.  Die  Hauser  sind  kegelförmig, 
der  Mann  wohnt  allein,  die  Frauen  in  abgesonder- 
ten Hütten.  Sie  haben  ein  Ratlihaus,  wo  die  öffent- 
lichen Angelegenheiten  verhandelt  werden.  Ihre 
Waffen  sind  Pfeile,  Lanzen  und  sichelartige  Messer. 
In  den  Kämpfen  mit  Nachbarvölkern  geht  ihre 
Rachelust  so  weit,  dass  sie  das  Fleisch  der  Erschla- 
genen verzehren,  wovon  Piaggia  selbst  Augenzeuge 
war.  Von  dem  Geschwänztsein  dieses  Negerstnm- 
me*  spricht  er  nicht,  die  Angabe  bezieht  sich  also 
entweder  darauf,  dass  sie,  wie  schon  Tremaux 


angab,  die  Schweife  der  Thierfelle  hinten  am  Gür- 
tel herabhängen  lassen,  oder  dass,  wie  ägyptische 
Aerzte  versichern,  bei  einigen  Individuen  das  Steiss- 
bein  nicht  einwärts  gekrümmt,  sondern  steif  und 
gerade  ist.  Die  Njamnjams  Bind  Elephant.enjäger, 
deren  eie  sich  bemächtigen , indem  sie  das  Gras  in 
Brand  stocken  und  die  Elephauten  gegen  den  Rauch 
treiben,  die  dann  betäubt  und  halb  erstickt  leicht 
mit  Spoerwürfcn  und  Pfeilschüssen  erlegt  werden. 
Auch  die  FiBche  worden  häutiger  als  mit  der  An- 
gelschnur dadurch  gefnngeu,  dass  man  sie  durch  in 
das  Wasser  geworfene  giftige  Früchte  betäubt.  Der 
Häuptling  hält  sich  einen  grossen  Harem,  aber  die 
Frauen  werden  nicht  überwacht.  Zwar  steht  die 
Todesstrafe  auf  jeden  Treubruch,  aber  bei  der  un- 
beschränkten Freiheit  und  bei  der  Verachtung,  die 
den  Angeber  treffen  würde,  ist  ein  Vergehen  kaum 
nachweisbar.  Die  Familienbande  sind  locker.  Die 
Knaben  verlassen  mit  sieben  oder  acht  Jahren  das 
Vaterhaus  und  leben  in  dem  zu  Raths  Versammlun- 
gen bestimmten  Hause,  welches  Jedermann  auch 
als  Obdach  dient.  Der  Mann  nimmt  nur  eine  Frau, 
ist  sie  unfruchtbar,  was  nicht  selten  ist,  so  begehrt 
er  vom  Häuptling  eine  andere.  Der  Umgang  der 
jungen  Leute  scheint  ganz  frei  zu  sein.  Frauen, 
die  geboren  haben , leben  ohrbar  und  Bteheu  in 
hohem  Ansehen.  Auffallend  ist  der  üppige  Haar- 
wuchs der  Frauen,  mit  dessen  Pflege  sie  sich  den 
Tag  über  viel  beschäftigen.  Das  Tätowiren  kennen 
sie  und  durchbohren  die  Nasenscheidewand,  Ober- 
und Unterlippe.  Ihre  Wahrsager  treiben  Krank- 
heiten aus  und  sind  Regenmacher.  Der  Eid  ist 
diesen  Negern  heilig,  sie  öffnen  dabei  eine  Ader  ani 
Arm  und  trinken  gegenseitig  das  austretende  Blut, 
wenn  sie  einen  Vertrag  schlieasen  wollen.  Ihre 
Thonarbeiten  vprrathen  Geschick.  Die  Aus&enwände 
ihrer  Fleischtöpfe  haben  umgekehrte  .Stufen,  die 
von  oben  nach  unten  zu  abnehmen,  so  dass  die 
Flammen  sie  überall  bestreichen  und  das  Wasser 
rasch  siedet.  Als  musikalische  Instrumente  dienen 
ihnen  Thongeftsse  von  verschiedener  Grosso,  die, 
aufgehangen  und  angemessen  geordnet,  mit  einem 
kleinen  Hammer  geschlagen  werden.  Nach  Living- 
s tone  verfertigen  die  Balondaneger  Süllafrikas 
solche  tönende  Gefässe  aus  KürbUschulen.  Aus- 
serdem machen  sie  Trompeten  aus  Klephantenzäh- 
nen  und  eine  grosse  Trommel,  indem  sie  ein  Fell 
über  einen  ausgehöhlten  Baumstamm  spannen.  Das 
Erscheinen  des  jungen  Mondes  wird  durch  ein 
nächtliches  Fest  mit  Tänzen  und  Gesängen  gefeiert. 

Der  Ursprung  der  Berber.  Petermnun,  1860, 
I.  S.  43.  Im  Bulletin  de  racadcm.  d’Hippone  be- 
richtet Chr.  Faidberbe  über  Ausgrabungen,  die  er 
bei  Roknia  in  der  Provinz  Coustantine  (am  West- 
abhatige  des  Djebel  Debagh  im  Kreise  Guelme,  un- 
fern der  Strasse  nach  Jemmape*)  in  einer  Nekro- 


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Miscellen. 


325 


polis  von  3Ü00  megtüi  tischen  Gräbern  hat  vor- 
nehmen 1 aasen.  Die  daselbst  aufgefundenen  Schä- 
del drängten  ihm  die  Ueberzeuguug  auf,  dass  die 
Libyer  oder  Berber  die  Urbevölkerung  des  Atlas 
bildeten  und  dass  sie  weder  mit  den  Augyptern, 
wie  Pruner-Bcy  will,  noch  mit  anderen  afrika- 
nischen Raoen,  noch  auch  mit  den  Semiten  ver- 
wandt sind,  sondern  mit  den  ältesten  Bewohnern 
des  westlichen  Europa. 

Chapmann  erklärt  die  Darnara  für  den 
schönsten  Menschenschlag  in  Südafrika.  Ihre  Hüt- 
ten sind  runde  niedere  Bienenkörbe.  Ihre  Fehler 
sind  Unreinlichkeit  und  Feigheit.  Den  Namaqua- 
Hottentotten  an  Zahl  zehnfach  überlegen,  haben 
sie  sich  doch  von  diesen  unterwerfen  und  ihrer 
reichen  Heerde»  berauben  lassen.  Sie  haben  ibre 
Unterdrückung  durch  eigene  Zwietracht  selbst  ver- 
schuldet. Ein  Namaqna- Häuptling  war  ein  Mann 
von  eiserner  Gerechtigkeit  und  Strenge.  Er  liess 
seine  Tochter,  die  vor  ihrer  Vermählung  schwanger 
geworden  war,  kommen,  hielt  ihr  eine  Strafrede 
und  schoss  sio  dann  nieder.  Seinen  Sohn  strafte 
er  wegen  Feigheit  mit  dem  Tode«  Chapmann 
meint,  die  Missionäre  täten  besser,  unter  wilden 
Völkern  die  Polygamie  nicht  rücksichtslos  ahzu- 
scliaffeu , da  sie  in  den  ersten  Jahrhunderten  des 
Christentums  ja  noch  geduldet  wordeu  sei.  Die 
Namaqua  bereiten  Branntwein  durch  Destillation 
aus  den  wilden  Beeren  einer  Pflanze.  Die  Busch- 
männer vergiften  ihre  Pfeile  mit  dem  Saft  einer 
Käferlaive-  Eine  Pflanze  soll  ihnen  als  Gegengift 
dienen.  Ihre  Zauberer  vertreiben  die  Krankheiten 
mit  denselben  Betrügereien,  z.  B.  dem  Auasaugen 
des  Krankheitsstufles,  wie  es  in  Sibirien,  Nord- 
amerika und  Brasilien  geschieht.  Die  Damaraärzte 
öffnen  eine  Blutader  mit  einem  scharfen  Kiesel; 
auch  zog  ein  Damara  dem  erlegten  Steinbock  das 
Fell  mit  Hülfe  eines  scharfen  Steines  ab.  Uufter 
den  Betschuanen  sind  die  Kaffem  die  edelsten,  je 
weiter  man  von  Natal  nach  Norden  und  Westen 
kommt,  nm  so  tiefer  stehen  die  Stämme;  in  um- 
gekehrter Richtung  werden  die  Buschmänner  im- 
mer achtungs  wert  her,  je  mehr  nördlich  oder  west- 
lich man  ihnen  begegnet.  Ein  grosser  Abstand 
trennt  die  mageren  Jammergestalten  im  Süden  der 
Kalahari  wüste,  die  Livingstone  beschreibt,  von 
den  edlen  Jägernomaden  itn  Damaralande,  die  un- 
abhängig gebliehen  sind.  Die  Buschmänner  östlich 
vom  Ngami-See  übertrafen  an  Sittlichkeit  die 
geschliffeneren  Betschuanen.  Sie  sind  Juger.  Ihre 
Nacktheit  ist  kein  Mangel  der  Sittwiinkeit;  sie 
haben  sehr  strenge  Begriffe  von  Anstand.  Die 
keusche  Buschwüunin  fühlt  sich  durch  Zärtlich- 
keiten eines  Betschuanen -Häuptlings  nicht  ge- 
schmeichelt, sondern  betrachtet  jeden  Umgang 
ausserhalb  ihrer  Race  als  eine  Erniedrigung.  Die 


Batonga  ziehen  der  Tsetsefliege  wegen,  die  ihre 
Eier  in  den  Dünger  der  wilden  Büffel  legt,  nur 
Hunde  und  Hübner.  Die  Frauen  bereiten  hübsche 
Perlenstickereien  und  tragen  einen  Halm  in  der 
Nasen  Scheidewand.  Die  Batonga  beschneiden  ihre 
wilden  Fruchtbäume  zur  Vermehrung  des  Fruclit- 
holzes.  Ihre  Sprache  ist  der  der  Damara  verwandt, 
auch  manche  Gebräuche,  wie  da«  Ausschlagen  der 
Zähne.  Bei  den  Makalnkas,  südlich  vom  Zainbcai- 
fluss,  bewohnen  die  Männer  getrennte  Hütten  und 
der  Häuptling  betritt  nie  das  Obdach  seiner  Frauen. 
Die  MateWe’s  sind  die  Gcissel  Südafrikas,  sie  plün- 
dern die  Dörfer  ihrer  Nachbarn,  erschlagen  Greise 
und  Männer  und  führen  Kinder  und  Frauen  in  die 
Knechtschaft.  (Ausland,  18ti8,  Nr.  47.) 

Von  dem  gewöhnlichen  Malaventypus  unter- 
scheidet man  den  ßattaktypus,  der  sich  mehr  dom 
kaukasischen  nährt.  Urzustände  der  malayischen 
Race  finden  sich  noch  auf  der  Insel  Samoa;  den 
vorgeschrittensten  Zustand  zeigen  die  Maoris  auf 
Neuseeland.  Hauptzügo  des  malayischen  Charak- 
ters sind  Härte,  Grausamkeit  und  Gewinnsucht. 
Einen  Fortschritt  gegen  die  Australier  und  Papuas 
zeigen  die  Mulayen  schon  darin  , dass  sie  täglich 
zu  bestimmten  Zeiten  zwei  Mahlzeiten  halten.  Sie 
sind  unerschrockene  Seeleute,  handeln  gern  und 
nehmen  leicht  fremde  Sitten  an.  Sie  haben  ein 
tiefes  religiöses  Gefühl.  Das  tubu  bezeichnet  einen 
Gegenstand,  den  die  Götter  in  Besitz  genommen, 
der  den  Menschen  unnahbar  ist.  Die  Maoris  be- 
sitzen kosmogoni&che  Mythen,  Fabeln  und  Sinn- 
sprüche.  Auf  den  Zustand  der  Javanen  haben 
fremde  Bildungselemente  eingewirkt.  Da  die  Ja- 
vanen als  Muhamcdaner  kein  Schweinefleisch  essen, 
so  ist  ihro  Hauptnahrung  der  Reis.  Sie  zeichnen 
sich  als  Handwerker  aus.  Vor  dem  13.  Jahrhun- 
dert wetteiferten  die  Javanen  mit  den  Indern  in 
Kunst  und  Literatur,  was  mit  Einführung  des  Is- 
lam aufhörte.  Eigentümlich  sind  ihrer  Sprache 
die  verschiedenen  Redeweisen,  womit  man  gegen 
Höhere,  gegen  Niedere  und  gegen  Gleichgestellte 
spricht.  — Afrika  birgt  eine  grosso  Zahl  von 
Völkern,  die  in  Sprache  und  anderen  Eigentümlich- 
keiten so  verschieden  wie  möglich  sind.  Nicht  nnr 
die  Aegypter , sondern  auch  die  westlich  und  süd- 
lich von  ihnen  lebenden  Dankaii,  Somali,  Galla  und 
andere,  sind  als  eingowanderte  Asiaten  auzuschen. 
Die  übrigen  Afrikaner  Bind  in  vier  Stämme  zu 
bringen:  Neger,  Fulah  und  Nuba,  Käftern,  Hotten- 
totten. Der  Fuluh  unterscheidet  sich  vom  Neger 
durch  einen  mehr  ovalen  und  kleinen  Kopf;  sein 
Haar  ist  lang  und  schlicht;  beim  Nuba  ist  das 
Haar  dünn  und  gelockt,  der  Bartwuchs  stärker  als 
beim  Neger.  Die  Fulahs  sind  eifrige  Muhamcdaner 
und  der  Viehzucht  ergehen.  Der  Schädel  des  Kaf- 
fem ist  langgeA  reckt,  an  beiden  Seiten  abgeflacht. 


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Miscellen. 


326 


Ehrlichkeit,  ein  tiefes  Rechtsgefühl  und  Arbeitsam- 
keit zeichnen  sie  vor  den  übrigen  Racen  Afrikas  aus. 
Das  Haar  der  Hottentotten  wächst  in  getrennten 
Büscheln,  ihr  Schädel  ist  länglich  mit  ausgezoge- 
nem Hinterhaupt  und  kleiner  Stirn.  Die  Bowoh- 
ncr  Afrikas  sind  kaum  über  das  Nomadenthum 
hinausgekommen.  — Die  Cultur  dt»  alten  Mexico 
und  Peru  muss  als  eine  eigentümliche  dem  I.ande 
augehörige  betrachtet  werden.  Die  Eskimo  sind 
nach  Sprache  und  Sehädelbau  als  aus  Asien  einge- 
wandert auzusehen.  Verschlossenheit  und  Ernst 
sind  der  Grundzug  im  Charakter  der  Amerikaner, 
ihre  zahlreichen  Sprachen  sind  in  der  Grundanluge 
übereinstimmend,  ihre  Zahl  beträgt  nur  noch  zwei 
Millionen,  sie  sind  Jäger  und  Fischer.  Es  fehlt 
ihnen  ein  Nutzthier,  da  sic  den  Büffel  nicht  zäh- 
men und  das  Llama  zu  schwach  ist.  Sie  glauben 
an  einen  grossen  Geist  und  an  ein  zukünftiges 
Leben.  (Fr.  Spiegel,  die  ethnographische  Aus- 
beute der  Novara  - Reise.  Ausland,  1868,  Nr.  46 
und  47.) 


Die  Berliner  „Postu,  Januar  1869,  schreibt: 
„Die  wissenschaftliche  Welt  ist  in  beinahe  unerwar- 
teter Weise  durch  die  vor  einigen  Tagen  erfolgte 
Rückkehr  des  Naturforschers  Gustav  Wallis  aus 
Südamerika,  wo  er  während  der  letzten  14  Jahre 
in  tiefster  Abgeschlossenheit  die  noch  fast  unge- 
kannten  Quellgebiete  des  Maranon  bis  über  die 
Hänge  der  Cordilleras  hinaus  forschend  durch- 
schweifte, erfreut  worden.  Leider  haben  die  An- 
strengungeu  der  vieljährigen  Reise  das  Augenlicht 
dieses  kühnen  Mannes  derartig  geschwächt,  dass 
er  sich  gegenwärtig  der  Kunst  Gräfe 's  an  ver- 
trauen, zugleich  aber  vorläufig  jeder  schriftlichen 
Einführung  seiner  schätzenswerthen  Reiseresnltate 
in  die  Wissenschaft  enthalten  muss.  Dennoch  hielt 
ihn  dies  nicht  ab,  am  vorigen  Sonnabend,  dem  geo- 
graphischen Vereine  bierselbst  in  grossen  Umrissen 
ein  Bild  seiner  Reise  zu  entwerfen.  Während  der- 
selben bat  er,  auf  Gebieten,  die  vor  ihm  nie  ein 
europäischer  Fuw*  betrat,  70  bis  80  Indianerstämme, 


deren  Zahl  überhaupt  er  auf  500  schätzt,  beob- 
achtet, und  über  diese  Kinder  der  Natur  eine  we- 
sentlich günstigere  Anschauung  gewonnen  als  die 
bisherigen,  meist  sagenhaften,  oft  lügenhaften  Be- 
richte von  ihnen  verbreiteten;  einen  Thcil  dersel- 
ben fand  er  geradezu  in  einem  Zustand  ungeahnter 
Cultur,  dabei  ehrlich  und  gastfreundlich,  dem 
Ackerbau  und  der  Industrie  mit  einer  Ausdauer 
huldigend,  wie  sie  bisher  von  den  Indianern  des 
heutigen  Amerikas,  die  man  als  räuberische  Noma- 
den kennt,  nicht  bekannt  war.  Bei  einem  anderen 
geringeren  Tlieiie  dagegen  hat  Wallis  Fälle  von 
Anthropophagie  festgestellt,  die  inan  bisher  viel- 
fach bei  den  Indianern  nicht  hat  anerkennen  wol- 
len. Die  uns  in  Aussicht  gestellten  weiteren  und 
detaillirten  Vorträge  und  schriftlichen  Darstellun- 
gen des  Forschers  werden,  ausser  dieser  höchst 
willkommenen  Bereicherung  der  Anthropologie  und 
Ethnographie,  nicht  minder  wichtige  Aufschlüsse 
geben  über  das  Quellengebiet  des  Amazonenstrom* 
und  seiner  Fauna,  vorzüglich  über  seine  üppige 
Flora. u 


Im  Forste  zwischen  Beschino  und  Mönch- 
Motschelnitz  (Schlesien)  sprengte  man  einen  erra- 
tischen Block  von  enormer  Grösse  und  fand  unter 
demselben  in  einer  Tiefe  von  etwa  6 Fuss  einen 
Steinhammer  aus  Serpentin  von  sehr  schöner  Ar- 
beit. (Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit. 
Neue  Folge.  XV.  Jahrgang,  1868.  Nr.  7,  S.  304.) 


Lisch  fand  die  Reste  einer  Gieasstätte  der 
Bronzezoit  im  Torfmoore  v.  Holze ndor ff,  nämlich 
eine  vollständige  bronzene  Gussform  zu  bronzenen 
Wurfgeschossen  (Framea  oder  Celt),  (ibicL) 


* Pfahlbauten  im  Streitzigsee  bei  Neustettin 
und  bei  Sonnenberg  (Erzgebirge).  An  letzterem 
Orte  vier  menschliche  Schädel.  (Ibid.  Nr.  11, 
S.  372.) 


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XVIII. 

Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


I.  Bericht  über  die  Verhandlungen  der 
Section  für  Anthropologie  und  Ethnolo- 
gie bei  der  42.  Versammlung  deutscher 
Nato  r forsch  er  und  A erste  in  Dresden 
vom  18.  bis  24.  September  1868.  Nach 
dem  Tageblatt  der  Versammlung  mit  Be- 
nutzung ergänzender  Berichte.  Von  H. 
Schaaffhausen. 

Auf  Einladung  des  Dr.  Moritz  Weinhold  aus 
Dresden  trat  am  1 9.  September  eine  Anzahl  von  Mit- 
gliedern der  Naturforscher- Versammlung  zusammen, 
um  eine  Section  für  Anthropologie  nnd  Ethnologie  zu 
gründen.  Die  Anwesenden  pflichteten  der  Ansicht 
bei,  dass  die  Wichtigkeit  dieser  beiden  so  nahe 
verwaudten  Wissenschaften  und  der  Mangel  an 
Kaum  für  sie  in  den  bestehenden  Sectionen  die 
Gründung  einer  neuen  Section  nicht  nur  rechtfer- 
tige, sondern  fordere.  Professor  Dr.  V.  Carus 
aus  Leipzig  wurde  zum  ersten,  Staatsruth  Dr. 
Schleiden  zum  zweiten  Vorsitzenden,  Director 
Dr.  M.  Weinhold  zum  Schriftführer  ernannt  In 
der  Sitzung  vom  20.  September  sprach  Carus  über 
die  Aufgaben  der  Anthropologie  und  ihro  noth  wen- 
dige Verbindung  mit  Archäologie  und  Geologie, 
Uber  unsere  geringen  Kenntnisse  in  der  Anatomie 
der  Racen,  die  noch  immer  unzulängliche  Methode 
der  Schädelmcssung  und  über  den  nur  vorsichtigen 
Gebrauch,  den  man,  nach  Max  M&ller’s  Warnung, 
von  der  Spracheuverwandtschaft  der  Völker  machen 
dürfe.  Auch  die  Thatsache,  dass  alle  Iincen  frucht- 
bare Bastarde  liefern , stehe  noch  nicht  fest.  Er 
will  in  Bezug  auf  das  Alter  des  Menschengeschlech- 
tes und  die  in  dor  Vorzeit  mit  ihm  lobenden  Thiere 


auch  die  Völkersagen,  z.  B.  die  vom  Drachen,  berück- 
sichtigt wissen.  Staatsrath  von  Brandt  bemerkt, 
dass  die  Sage  Herodot’s  von  den  Gryphen,  die  im 
Ural  das  Gold  bewachen,  vielleicht  auf  das  Nashorn 
bezogen  werden  könne.  Eine  Stelle  in  der  Anti- 
gone des  Sophokles  deute  auf  Zähmung  des  bos 
primigenius.  Schleiden  meint,  dass  man  mit 
Recht  wieder  zu  der  Ansicht  zurückkohre,  die  alten 
Sagen  für  historisch  wahr  zu  halten;  gewiss  seien 
sie  nicht  blosse  Erfindungen  der  Einbildungskraft. 
Doch  müsse  man  annehmen,  dass  auch  aus  einem 
Fände  eine  Sage  entstehen  könne.  Dr.  Schetelig 
hebt  die  Schwierigkeit  der  Unterscheidung  der 
Menschenracen  hervor  und  glaubt,  dass  individuelle 
Verschiedenheiten  der  Schädel  form  grösser  sein  kön- 
nen, als  die  zwischen  verschiedenen  Raccn.  Die 
Sprache,  die  siel)  nach  den  Lobunsverhaltnissen  ge- 
stalt«1, könne  bei  Völkern  desselben  Urstammes  sehr 
verschiedenartig  entwickelt  sein. 

In  der  Sitzung  vom  21.  September  las  Dr. 
Weiuhold  eine  Mittheilung  von  Fr.  Rohde  über 
den  Ursprung  der  Drachensagen.  Hierauf  sprach 
Dr.  Schetelig  über  Racen  vorschiedenheitcu  im 
Osten  von  Asien.  Es  sei  das  roalayische  und  das 
polynosiache  Element  zu  unterscheiden.  Die  Be- 
völkerung der  Suodainseln  im  malayischen  Archipel 
besitzt  eine  angenehme  äussere  Erscheinung,  ein 
mehr  breites  als  ovales  Gesicht  ohne  vorstehende 
Jochbeine,  und  verräth  eine  kindliche  Natur  mit 
mehr  Neigung  zur  Seefahrt,  als  zum  Ackerbau. 
Beirathen  mit  Europäern  scheinen  fruchtbarzu  sein 
und  die  Race  zu  verbessern.  Die  Arbeitsscheu  der 
Mainyen  begünstigt  die  Einwanderung  der  Chine- 
sen. Der  polynesische  Archipel  ist  schwerer  zu 


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328  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


umgrenzen,  und  auch  die  Beschreibung  dieser  Rate 
nach  Äusseren  Merkmalen  nicht  so  leicht.  Der  phy- 
sische Charakter  ist  noch  kindlicher,  noch  indolen- 
ter. Ein  inniger  Zusammenhang  zwischen  beiden 
Stämmeu  ist  durch  alle  neueren  Forschungen  fest- 
gestellt.  Der  Malayenschüdel  hat  kleine  Jochbo- 
gen, eine  sehr  constante  Basislänge  von  96  bis  98 
Millimeter,  constant  gleiche  Höhe,  sogenannten  fal- 
schen Prognathismus,  meist  flaches  Dach,  Ilinter- 
hauptachuppe  und  Scheitelbeine  bilden  zwei  fast 
senkrecht  gegen  einander  stehende  Ebenen.  Die 
polyneaischen  Schädel,  die  keineswegs  auf  die  Ca- 
rolinen beschränkt  sind,  sind  übermässig  lang,  biß 
200  Millimeter;  auch  in  der  Basis  lang,  sehr  schmal, 
müssig  hoch  und  haben  eine  grosse  Breite  der  Joch- 
bogen. Im  Gegensatz  zu  den  dünnen  malayischen 
Schädeln  sind  sie  immer  schwer  und  massig;  von 
der  Seite  gesehen  hat  ihr  Umriss  eine  Bogenform, 
von  vorn  gesehen  die  Dachform.  Abweichungen 
von  diesem  Typus,  wie  auf  den  Indien  nahen  Ni- 
cobaren, auf  Madagascur  sind  durch  fremde  Ein- 
flüsse erklärbar.  Beide  Raren,  die  tnalayische  und 
polynesische,  werden  durch  die  Sprache  verknüpft, 
durch  die  Schädelbildung  getrennt.  Dr.  Ehlers 
bestätigt  die  Verschiedenheit  beider  Schädel  formen 
und  fragt , woher  die  Schiefheit  der  Malayenschü- 
del  in  der  Blumeubach'schen  Sammlung  zu  Göt- 
tingen komme.  Dr.  Schetelig  erwidert,  der  Ma- 
layenschädel  sei  so  dünn  und  schwach,  dass  er  wohl 
im  Kindeaalter  durch  das  Schlafen  auf  einer  Seite 
abgeplattet  werden  könne,  während  bei  den  starken 
Schädeln  der  Polynesier  eine  solche  Verbiegung 
unmöglich  sei.  Uebergänge  beider  Schädelformen 
seien  nicht  bekannt,  ausser  auf  den  Sandwichinseln. 
Professor  Sch  a aff  hausen  versichert,  dass  er  durch 
die  Untersuchung  der  in  deu  Sammlungen  befind- 
lichen Schädel  zu  denselben  Ergebnissen  gekommen 
sei,  wie  der  Vorredner  durch  seine  auf  der  Reise 
gesammelten  Beobachtungen.  Manche  hätten  nach 
Rudolph i’s  Vorschlag  die  malayiache  Kace  Weg- 
fällen lassen,  aber  sie  habe  einen  ganz  bestimmten, 
gewiss  nicht  durch  Vermischung  entstandenen  Ty- 
pus der  Schädel  form , der  im  allgemeinen  Umriss 
und  einigen  Besonderheiten  sich  am  meisten  dem 
des  Ürang  nähere,  was  in  einer  höchst  auffallenden 
Weise  an  dem  Schädel  einer  blödsinnigen  Malavin, 
die  sieh  im  Museum  von  Leyden  befinde  und  von 
Ilalbertsma  beschrieben  sei,  hervortrete.  Alle 
Auatrolneger , die  Papuas,  Australier  und  Vandie- 
inensländer  seien  mit  einander  in  der  Schädelform 
verwandt  und  von  den  Malayen  verschieden.  Y vans 
hat  darauf  hingewiesen , dass  die  schöne  Körper- 
bildung mancher  Häuptlinge  und  angesehenen  Fa- 
milien des  indischen  Archipels  wohl  auf  arabisches 
B-ut  zurück  geführt  werden  dürfe,  deren  Raub-  und 
Handelszfige  in  diesen  Meeren  Jahrhunderte  lang 
gedauert  haben.  Trotz  der  Affenfthnlichkeit  steht 
der  rundliche  Malayenschüdel.  der  dem  zierlichen 


und  schwachen  Körperbau  der  Race  entspricht,  in 
der  Entwicklung  höher,  als  der  polynesische,  dessen 
Form  durch  eine  starke  Entwicklung  der  Muskel- 
kraft hervorgebracht,  mehr  die  des  wilden  Menscheu 
ist  und  ähnlich  in  ganz  verschiedenen  Gegenden 
und  Zeiten  gefunden  wird,  bei  afrikanischen  Negern 
wie  in  alten  Grabstätten  des  nördlichen  Europas. 
Es  haben  übrigens  nicht  erst  die  neueren  Reisen- 
den , sondern  schon  Cook  und  Förster  die  hell- 
braune und  die  schwarze  Race  auf  den  Inseln  der 
Südsee  unterschieden.  Was  die  Schiefheit  der 
Schädel  asiatischer  Völker  angeht,  so  war  es  schon 
die  Meinung  von  Siebold’a,  dass  sie  bei  den  Ja- 
panern durch  das  Schlafen  auf  einem  für  den  Kopf 
ausgeböhlten  Holzklötze  hervorgebracht  sei.  U al- 
bert sma  erklärt  die  Asymmetrie  javanischer 
Schädel,  die  schon  van  der  Hoeven  auffiel,  als 
nicht  durch  einseitige  Nuht Verschmelzung,  sondern 
durch  äusseren  Druck  auf  den  weichen  Schädel  der 
Kinder,  die  vom  zweiten  Lebensjahre  an  auf  har- 
tem Roden  schlafen,  hervorgebracht.  Von  125 
Schädeln  waren  nur  19  symmetrisch,  */i  der  schie- 
fen Schädel  waren  links  abgeplattet.  Die  Häufig- 
keit der  Asymmetrie  an  Schädeln  Geisteskranker 
verhielt  tüch  zu  der  Gesunder  wie  3:2;  was  für 
einen  Einfluss  derselben  auf  die  Geistesentwicklung 
spricht , wie  auch  F o v i 1 1 e und  Andere  für  die 
durch  Druck  geformten  Schädel  in  Frankreich  be- 
haupten, während  Morton  und  TownBend  diese 
Folge  bei  deu  Indianern  in  Abrede  stellen.  Die 
Weichheit  des  Schädels  asiatischer  Völker,  die  schon 
Ilerodot  kannte,  muss  indessen  wohl  eine  uns  un- 
bekannte Ursache  in  der  Ernährung  dieser  Völker 
haben. 

In  der  Sitzung  vom  22.  September  gieht  Herr 
Staatarath  von  Brandt  nach  seiner  Schrift:  „Zoo- 
geographiache  und  jNkläontologischc  Beiträge**  einige 
Mittheilungen  über  das  Rennthier,  den  Bison  und 
den  Auerochsen.  Das  Rennthier  lebte  nach  dem 
Bericht  der  alten  Schriftsteller  noch  zu  Cäsar’« 
Zeit  in  Deutschland.  Auch  Lartet  hat  sich  die 
Verwechslung  von  Bison  und  Auerochs  zu  Schul- 
den kommen  lassen,  obgleich  er  eigene  Perioden 
darauf  gegründet  hat.  Professor  Schaaffhausen 
fügt  hinzu,  dass  auch  Kunstdenkmäler  und  poe- 
tische Werke,  wie  das  Nibelungenlied,  Andeutun- 
gen von  der  späten  Existenz  jetzt  ansgestorboner 
Thiere  enthielten  oder  gar  deren  Gestalt  in  einer 
rohen  Zeichnung  uns  hinter  lassen  hätten,  und  dass 
die  alten  Grabfunde  in  den  heutigen  Culturlündem 
den  unzweifelhaften  Beweis  der  ursprünglichen 
Wildheit  der  Bewohner  derselben  lieferten.  Auch 
die  alten  Aegvpter  und  Assyrer  hätten  ihr  Stein- 
zeitalter geballt,  das  der  Blüthe  ihrer  Cultur  vor- 
ausgegangeii.  Spring  habe  an  Meuschenknochen 
der  Höhle  von  Chauvaux  die  Zeichen  des  Cauni- 
halismus  finden  wollen,  wa>  der  Redner  doch  nicht 
für  ganz  sicher  hält ; die  Auffindung  von  Farbstof- 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  329 


fen  in  alten  Gräbern  erklärt  er  durch  eine  Stelle 
des  Proper*,  wonach  die  Belgier  und  Britannier 
sich  das  Gesicht  bemalten.  Schaaffhausen  be- 
merkt, da««  unter  den  Schiffern  am  Rhein  da*  Tät- 
towireu  am  Artn  noch  vorkomme;  wie  es  auch  bei  den 
österreichischen  Soldaten  aus  lllyrien  und  Dalmatien 
noch  üblich  sei,  was  Strabo  von  diesem  Volke 
schon  berichtet.  Jedenfalls  werde  durch  die  uene- 
ren  Forschungen  die  so  fern  geglaubte  Urzeit  uns 
näher  gerückt.  Die  so  ausserordentlich  sparsamen 
Ueberreste  dea  Menschen  aus  der  ältesten  Vorzeit 
gestatteten  noch  nicht  ein  sicheres  l’rtheil  über  die 
ältesten  Racen  Europas  und  ihre  Herkunft.  Der 
Ncandorthaler  und  der  Engisschädel  sprechen  ge- 
gen die  Annahme,  das*  in  We&tdeutschlaud  früher 
Rundköpfe,  später  Ijingköpfe  gewohnt  hätten.  Dr. 
Weinhold  führt  an,  e*  sei  die  Ansicht  aller  fran- 
zösischen Forscher,  dass  eine  brachycephalische  Be- 
völkerung von  Ibero-Ligurern  einer  dolichocephali- 
schen  von  Celto-Belgen  vorausgegangen  sei.  Was 
die  erwähnte  Verwechslung  von  Wisent  und  Auer- 
ochs  betreffe , so  werde  dieselbe  leider  noch  jetzt 
im  Dresdener  zoologischen  Garten  begangen.  Dr. 
Häntzsche  erriunert  daran,  dass  nicht  nur  in 
Persien  und  Armenien,  sondern  auch  bei  unseren 
Fleischern  und  Matrosen  das  Tättowiren  noch 
bräucklich  sei.  Professor  Schaaffhausen  ist  der 
Meinung,  dass  das  Tragen  der  Ohrringe  bei  unse- 
ren Damen  seltener  werde,  weil  man  es  als  einen 
Rest  der  alten  Wildheit  ansehe.  Dr.  Brandt 
spricht  davon,  dass  au  weissen  Gypsabgüssen  von 
Schädeln  durch  Lichtreflex  die  Beurtheilung  der 
Form  erschwert  werde  und  schlägt  vor,  diesen  Ab- 
güssen die  Farbe  des  Knochens  zu  geben.  Profes- 
sor Schaaffhausen  sagt,  dass  dies  von  ihm  und 
anderen  geschehe,  und  empfiehlt  dazu  eine  starke 
Abkochung  des  Kaffee.  Schliesslich  spricht  Dr. 
Weinhold  über  die  Begriffe  Anthropologie,  Eth- 
nologie und  Ethnographie,  deren  Gebrauch  bisher 
noch  sehr  schwankend,  oft  sogar  verkehrt  sei.  In 
der  Anthropologie  möge  man  den  psychischen  Tfceil 
nicht  vernachlässigen , da  psychische  Aeusserungen 
in  den  verschiedenen  LebensverhältniKseu  bei  Beur- 
theilung der  Menschenwürdigkeit  und  Cnlturfähig- 
keit  der  angeblich  niederen  Racen  sehr  ins  Gewicht 
fallen. 

In  der  Sitzung  vom  23.  Scptemlwr  legte  Dr. 
P.  Gleis b erg  einen  partiell  mikroeephaleu Schä- 
del und  eiucn  Gvpsahguss  eines  totalen  Kleinkopfes 
vor,  welche  der  Geh.  Hofrath  Professor  Dr.  Rei- 
chen hach  zu  diesem  Zweck  in  der  bereitwillig- 
sten Weise  aus  dem  köuigl.  anthropologischen  Ca- 
binet verabfolgt  hatte.  Gleisberg  bezeichnet  den 
Cretinismus  als  einen  endemischen  angeborenen 
Blödsinn,  wobei  in  dem  verschiedensten  Grade  theils 
die  Schilddrüse,  theils  das  Skelet,  zumal  der  Schä- 
del, tlieils  das  Nervensystem,  besonders  das  Gehirn 
und  seine  Hülle  afficirt  sind.  Die  Schilddrüse  ent- 

Arrhlv  fit r Anthropologie-  Bil.  Tll.  Heft  S 


artet  meist  cystös.  Im  Knochensystem  werden  da- 
gegen alle  Veränderungen  wahrgenommen , welche 
man  auf  entzündliche  Ernährungsstörungen  zurück- 
führen  kann,  nämlich  hyperoetotuebe , osteomala- 
cische,  rhach irische  Vorgänge.  Die  pathologischen 
Vorgänge  im  Nervensystem  sind  gleichfalls  vor- 
herrschend entzündlicher  Natur. 

Diese  drei  Zustände  combiniren  sich  in  jedem 
einzelnen  Beispiel  von  Cretinismus  in  jedem  denk- 
baren Verhältniss,  so  «lass,  während  der  Eine  nur 
kröpfig  ist,  oder  bloss  einen  Buckel  hat.  oder  nur 
insoweit  sich  stumpfsinnig  erweist,  um  als 
Dummkopf“  doch  noch  eine  Stelle  in  der  mensch- 
lichen Gesellschaft  einzunehmen  — der  Andere  deu 
höchsten  Grad  von  ungehorenem  Blödsinn  neben 
rhackitisch  verkrümmten  Gliedern  und  bedeuten- 
der Hypertrophie  der  Schilddrüse  darbietet.  Doch 
steht  der  Blödsinn  keineswegs  in  einem  geraden 
Verhältnisse  zur  Tumcscenz  dieser  Drüse,  da  Fälle 
genug  bekannt  sind,  in  welchen  Kropf  ohne  Blöd- 
sinn und  umgekehrt  besteht. 

Gleisberg  wandte  sich  hierauf  zur  Patholo- 
gie des  Cretinen -Schädels,  indem  er  hervorhebt, 
dass  Klein-  und  Grossköpfe  aus  einer  Quelle  flössen 
und  nur  verschiedene  Grade  ein  und  desselben  Zu- 
standes repr&sentirten. 

Die  Kleinköpfe  würden  vorzüglich  durch  prä- 
mature Verwachsung  der  Schädel knochen  erzeugt, 
wobei  die  Knochen  in  Folge  chronische]*  Entzün- 
dung unter  sieh  verschmelzen,  wodurch  dem  weite- 
ren Wachsthum  des  Schädels,  besondere  dessen 
Raumentwicklung  ein  nicht  zu  beseitigendes  Hin- 
derniss  gesetzt  werde. 

Unter  Umständen  entstehe  hierdurch  eine  be- 
deutende Reduction  des  vordem  Schidelraumes. 
Verwachse  nur  eine  oder  verwachsen  nur  zwei 
Schädeln&hte,  in  diesem  Falle  die  linke  Hälfte  der 
Kranznaht  und  die  rechte  Schuppennaht,  so  ent- 
stehe der  partielle  Kleinkopf.  Tritt  dagegen 
eine  prämature  Verwachsung  fast  sämrotlicher  Nähte 
ein,  so  bilde  sich  der  vollständige  Kleinkopf, 
wobei  der  Schädel  zuweilen  in  eine  missgestaltete, 
kaum  manncefaustgrosse,  dickwandige  Knochen- 
kapsel verwandelt  werde.  Doch  existirten  Beispiele 
von  Kleinköpfen,  in  welchen  die  Schädelknochen 
in  Folge  einer  Sistirung  des  Knochenwachsthums 
über  die  Zeit  der  Reife  hinaus,  selbst  durch  das 
ganze  Leben  unverbunden  blieben.  Oft  handle  es 
sich  hier  um  eine  Coraplication  des  Kleinkopfes  mit 
äusaerm  Wasserköpfe.  — Eine  zu  frühe  Verwach- 
sung der  Basalfuge  (sutura  spheno-occipitalis)  er- 
zeuge die  Kurzköpfe  (ßrackyccphulen). 

Der  zweite  Factor  des  Gehirnleidens  bei  Cre- 
tinen sei  eine  Entzündung  des  Hirns  und  seiner 
Hüllen,  deren  Entstehung  in  daB  Fötalleben  falle 
und  welche  durch  mehr  oder  weniger  profuse  Was- 
aerauBSchcidung  in  den  Spiuuwebeusack  und  die 
Hirnhöhlen,  selbst  in  die  Gehirnsubstanz  das  Ge- 
42 


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330  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


hirnwochsthum  beschränke  und  hierdurch , wo  an 
sich,  die  Schädelform  mannigfach  modifirire.  Auch 
die  Kleinköpfe  sind  fast  durchgängig  Wasserköpfe, 
wenigstens  erwies  sich  der  liquor  ventriculorum 
bis  jetzt  stets  vermehrt.  — Für  die  entzündliche 
Natur  des  Vorganges  spreche  besonders  der  Sec- 
tionsbefund  bei  einem  13  Jahr  in  Spiritus  gelege- 
nen mikrocephalen  Neugeborenen  nach  Virchow. 
Es  zeigten  sich  unverkennbare  Spuren  einer  Me- 
ningitis. 

Die  exsudativen  Processc  deckten  jedoch  kei- 
neswegs die  Ursache  gehemmter  Gehirnentwicklung, 
besonders  würde  dadurch  das  Fohlen  ganzer  Hirn- 
theile,  z.  B.  der  tlmlami  optici,  der  corpora  striata, 
der  emiuentia  quadrigemina,  der  hinteren  (nach 
Lucac  sehr  häufig),  und  der  vorderen  Hirnwin- 
dungen — nicht  erklärt,  vielmehr  müsse  zugestan- 
den werden,  dass  die  Bildungsgesetze  für  diese 
Defectu  noch  nicht  gefunden  wären. 

Professor  Lucac  glaubt,  dass  man  den  Creti- 
nismus  vom  Idiotismus  wohl  unterFcheiden  müsse. 
Er  behauptet,  dass  viele  von  Virchow  als  Cro- 
tinenschädel  beschriebene  und  abgebildete  Sattel-, 
Thurm-,  Quer-,  Kurz-  und  Langköpfe  nicht  dem 
Cretinismus  unterzustellen  seien , möglicherweise 
nicht  einmal  eine  wesentliche  Beeinträchtigung  des 
Gehirns  und  dessen  geistiger  Functionen  bei  dem 
betreffenden  Individuum  bewirkt,  also  keinem  Idio- 
ten angehört  hätten. 

Den  von  G.  vorgelegten  Schädel  der  Frau 
Mappe  (Fig.  33  und  34)  erkennt  Lucae  als  ay- 
nosto tisch  an  wegen  der  geschlossenen  halben 
Kranz-  und  rechten  Schuppennaht,  Die  Ver- 

Fi*.  33. 


Schmelzung  dieser  Nähte  musste  vor  der  Vollen- 
dung der  Schädelentwicklung  stattgefunden  haben, 
denn  nur  auf  diese  Weise  erkläre  sich  das  Zustande- 
kommen der  vorhandenen  partiellen  Mikrocephalie. 
Die  CraniostenoFe  an  diesem  Schädel  müsse  beson- 
ders die  Entwicklung  des  großen  Gehirns  gehemmt 
haben,  was  mit  Vogt’ a Angaben  über  die  Miktoce- 
phalengehirne  recht  wohl  übereinstimme. 

Ein  entzündlicher  Zustand  als  Ursache  der 
prämaturen  Verwachsung  der  Schiidelknochen  sei 
wenigstens  in  manchen  Fallen  zweifelhaft.  Auch 


könne  er  bei  den  Haceschädoln,  ihre  Form  sei  noch 
so  eigenthümlich,  keine  Synostose  als  Ursache  ihrer 
eigeuthümlichen  Form  an- 
nehmen, wie  Virchow 
ausdrücklich  in  der  Ab- 
handlung über  den  Creti- 
nismus  gethan.  — Lu- 
cae hält  eine  prämature, 
d.  h.  vor  der  Pubertät 
eiutretende  Synostosis  su- 
turae  spheno  - oecipitalis 
für  die  häufigste  Ursache 
der  Kurzköpfe  und  theilt 
insofern  Virchow’s  An- 
sicht, welcher  in  dem 
oben  erwähnten  Falle 
eines  kleinköpfigen  Neu- 
geborenen diese  Keil- 
bein • Hinterhauptsnaht 
bereits  verknöchert  fand  und  dies  als  Ursache 
der  Brachycephalie  bezeichnet.  — Nach  Lucae 
hätten  die  Kleinköpfe  eine  überraschende  Aehnlich- 
keit  mit  den  Azteken.  Die  Abbildungen  auf  ame- 
rikanischen Denkmälern  seien  vielleicht  die  von 
Idioten , welche  heilig  gehalten  wurden.  Auch 
heute  treibe  die  unwissende  Bevölkerung  der  Alpen 
einen  ähnlichen  kindischen  Aberglauben  mit  den 
dort  so  gewöhnlichen  Uretinen,  daher  auch  deren 
Namen:  buats,  innocents. 

Professor  Schanffhauscn  spricht  sich  für  die 
Ansicht  aus,  dass  Hydrocephalie  und  Mikrocephalie 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle  hervorgehen.  Es  sei 
naheliegend,  anzunehmen,  dass  der  Mikrocephale 
während  des  Fötallebens  waaserköpfig  war  und  Hirn- 
theile  in  Folge  des  Drucks  geschwunden  seien. 
Noch  einem  Maximum  der  Ausdehnung  herstet  der 
Wasserkopf.  Das  Gehirnwasset  entleert  sich  und 
das  früher  übermässig  ausgedehnte  Gehirn  fallt  jetzt 
zusammen.  Der  Abfluss  kann  durch  eine  der  Fon- 
tanellen oder  Spalten  der  Schädeldecke  geschehen. 
Die  sogenannten  Azteken,  welche  man  vor  Jahren 
in  Europa  herumfühlte,  sind  unzweifelhaft  patho- 
logischer Natur  gewesen.  Kilian  wollte  an  einer 
vertieften  Stelle  des  Hinterhauptbeins  derselben  die 
Spur  des  Spaltes  erkennen,  durch  den  <las  fötale 
Hirnwasser  abgeflossen  sei.  Sie  waren  nach  der  Ge- 
burt sehr  hinfällig  und  schwächlich  und  mit  Ver- 
krümmungen der  Gliedmassen  behaftet,  so  dass  sie  nur 
durch  die  grösste  Sorgfalt  der  Erzieher,  denen  daran 
lag,  die  missgebildeten  Kinder  zu  einer  Erwerbs- 
quelle zu  machen,  am  Leben  erhalten  werden  konnten. 

Sch aaff hausen  bemerkt  ferner,  dass  der  vor- 
gezeigte Schädel  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den 
durch  Druck  entstellten  Peruanerschädeln  habe. 
Auch  an  diesen  zeige  sich  häufig  vorzeitige  Syno- 
stose der  Schädelnähte  an  den  Stellen,  wo  der  kind- 
liche Schädel  dem  Druck  der  den  Kopf  einzwängen- 
den Binden  ausgesetzt  gewesen  sei. 


F»g-  34. 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  331 


Der  vorliegende  Schädel  sei  «war  unzweifelhaft 
partiell  mikrocephnl , aber  doch  in  einem  geringen 
Grade , die  Schädelhöhle  hat»«  noch  eine  ziemliche 
Capacität.  Dafür  spreche  auch  die  Form  des  Wahn- 
sinns, an  dem  die  Frau  gelitten,  indem  Grössen- 
wahu  vorhanden  gewesen  sei,  der  bei  bedeutendem 
Hirnmangel  wohl  nicht  zu  Stande  kommen  köuno. 
W ie  beträchtlich  die  Volumverminderung  des  Ge- 
hirns hei  Mikmcephalen  zuweilen  sei.  beweise  nicht 
nur  der  vorgelegte  Gypsabguss,  sondern  besonder* 
der  31  Jahr  alt  gewordene  Idiot  von  Bückeburg, 
dessen  Gehirn  kleiner  sei  als  das  de»  Chimpanse. 
Keine  Thatsache  zeige  so  deutlich  wie  diese  die 
Abhängigkeit  der  Intelligenz  de*  Menschen  von  der 
Entwicklung  des  grossen  Gehirns. 

Professor  I.ucae  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf 
die  Ansichten  von  C.  Vogt,  der  früher  eine  directe 
.Abstammung  des  Menschen  vom  Affen  behauptet 
habe,  neuerdings  aber  die  Menschen  nur  uls  Vettern 
des  Affen  aufführe,  indem  er  die  Mikrocephalen  als 
den  Stamm  des  .Affen-  und  de*  Menschengeschlecht* 
hinstelle.  In  einem  thatsächlichen  Widerspruche  zu 
dieser  Theorie  stehe  die  Beobachtung,  dass  die 
männlichen  Mikroccphalcn  sehr  kümmerlich  ent- 
wickelte Gesdibrhtsf  heile  haben.  Ueberhaupt 
hätte  Vogt  den  Menschen,  statt  vom  Kleinkopf, 
gleich  von  der  hirnlosen  Missgeburt  herlei ten  kön- 
nen, da  vom  Kleinkopf  bis  zum  Anencephalen  alle 
denkbaren  Mittelglieder  und  Uebergänge  existirten. 

Hieran  schloss  sich  eine  Mitthcilung  des  Pro- 
fessor* Schaaffhausen  über  Zwergbildungeil.  Ein 
Zwerg  von  61  Jahren  zeigte  eine  ganz  bedeutende 
Faltung  des  Gehirn»,  aber  nicht  als  Zeichen  einer 
vorzüglichen  Intelligenz,  sondern  nur  als  Folge 
einer  zu  engen  und  in  vielen  Beziehungen  die  kind- 
liche Form  nicht  überschreitenden  Ilirnkapsel,  welche 
eine  Flachenentfaltung  der  Hirnoberfläche  nur  in 
sehr  beschränktem  Maasse  gestattete,  wrobei  jedoch 
die  Schfiddnähte  offen  geblieben  waren. 

l>r.  Schetelig  bezweifelt  den  Einfluss  der  Ver- 
wachsung der  Schädelnfilite  auf  die  Form  des  Schä- 
dels. Auch  habe  die  vorzeitige  Verwachsung  der 
Basalfuge  eine  solche  Bedeutung  nicht,  da  er  z.  B. 
die  extremsten  Kurzköpfe  mit  noch  nicht  ver- 
wachsener Basal  fuge  beobachtet  habe.  Doch  war 
diese  Brachycephalic  Raconeigenthümlichkeit  und 
nicht  pathologischen  Ursprungs. 

Nach  einer  zwischen  I)r.  Seidlitz  und  Pro- 
fessor I.ucae  geführten  Dbcussion  hebt  dieser  noch 
einmal  hervor,  dass  Vogt  den  Atavismus  als  Ur- 
sache des  Kleinkopfes  betrachte.  Lucao  erkennt 
drei  Momente  als  bestimmend  für  die  Sehftdel- 
form  an:  die  Nähte,  da*  Gehirn  und  die  Muskeln. 
Die  Synostose  komme  nicht  allein  dabei  in  Betracht. 

Schaaffhausen  macht  noch  darauf  aufmerk- 
sam, dass  auch  di©  Form  der  geschlossenen  Nullte 
zu  berücksichtigen  sei  für  die  Feststellung  der  Zeit, 
wann  die  Verwachsung  geschah.  luder  Jugend  wären 


di©  Nähte  einfach,  mit  zunehmendem  Alter  würden 
die  Zähno  immer  langzackiger.  Da  nun,  wenn  die 
Nähte  verschmolzen  sind,  ©in  Ansatz  an  den  Naht- 
zacken nicht  mahr  stattfindet,  so  wird  man  an  der 
Kleinheit  oder  gar  an  dem  Fehlen  der  Zacken  in  der 
fast  immer  noch  erkennbaren  Nahtspur  eine  vorzei- 
tige Verschmelzung  sicher  erkennen.  Lucao  sagt, 
die  Schuppennaht  verwachse  unter  normalen  Ver- 
hältnissen selbst  im  hohen  Alter  nicht,  deshalb  sei 
im  vorliegenden  Falle  die  Nahtverwachsung  unzwei- 
felhaft als  pathologisch  auf/.ufassen  und  nicht  etwa 
als  Alters  Veränderung  zu  deuten,  auch  wenn  di© 
Craniostenose  aus  anderen  Gründen  nicht  so  unzwei- 
felhaft wäre. 

In  der  Schluss-Sitzung  am  24.  September  theilt 
der  Schriftführer  eine  Einladung  de«  Geheimen  Hof- 
raths Reichen bach  zum  Besuche  der  anthropolo- 
gischen Sammlung  mit,  die  im  Zwinger  aufgestellt 
ist.  Dr.Schetelig  hält  hierauf  einen  Vortrag  über 
Schädel  de«  Nordens,  nämlich  Jütlands  und  MöeiiB 
au*  der  Steinzeit.  Die  Schädel  zeichnen  sich  aus 
durch  abgerundete  Form,  durch  sehr  starkes  Her- 
vortreten der  Superciliargegend,  ganz  gerade  ste- 
hende Kiefer,  flach  abgeschliffene  Zähne  und  Vor- 
sprung des  Hinterhaupts.  Individuell  variireu  sie 
sehr,  selbst  die  eine«  und  desselben  Grabes,  also 
wohl  die  einer  Fumilie.  Aus  einigen  50  Schädeln 
konnten  mit  Vorsicht  doch  wohl  einige  Schlüsse  ge- 
zogen werden.  Der  Umfang  derselben  ist  ziemlich 
bedeutend,  er  beträgt  500  bis  550  Millim.  Die 
Abrundung  deutet  eine  gewisse  Cultur  an;  das  Vor- 
springen  des  oberen  Theile*  der  Hinterhaupt  - 
schuppe  findet  sich  nur  bei  Völkern  der  indoger- 
manischen Race,  welche*  anzudeuten  scheint,  dass 
für  eine  höhere  Entwicklung  des  Gehirns  ein  stär- 
kere« Wachsthum  der  hinteren  Lappen  der  Hemi- 
sphäre massgebend  ist.  Für  die  Culturstufe  einer 
Race  sei  das  Verhältnis*  der  Basis  zu  der  Summe 
des  Umfangs  und  der  Höhe  de*  Schädels  wichtig; 
bei  tiefstehenden  Naturvölkern,  stehe  die  Schädel- 
kapRcl  zurück  hinter  der  bedeutenden  Länge  der 
Schädelbasis,  ln  dieser  Beziehung  sei  das  in  Rede 
stehende  Steinvolk  weit  über  die  Polynesier  erha- 
ben. Die  vorgelegten  Steimverk zeuge  sind  beleh- 
rend. In  den  Kjökkenmödding*  finden  sich  unvoll- 
kommnere  als  in  den  Gräbern.  Die  Eintheiluug  der 
Steinzeit  in  zwei  verschiedene  Perioden  sei  aber 
deshalb  doch  unberechtigt.  Jedenfalls  seien  diese 
Instrumente  viel  älter  als  die  Bronzezeit.  Auch  seien 
wir  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  da*«  die  Völker 
der  Steinperiode  in  Dänemark  mit  denen  der  bri- 
tannischen Inseln,  die  man  gewöhnlich  als  Gelten 
bezeichne,  dieselben  gewesen  seien.  Dr.  Wein- 
hold  erwähnt,  dass  die  französischen  Forscher  aller- 
dings eine  rohere  Steinzeit  und  eine  der  polirten 
Steiue  bestimmt  unterschieden  und  dass  es  wichtig 
sei,  zu  wissen,  dass  Werkzeuge  beider  Arten  aus 
derselben  Zeit  stammen.  Professor  Car  ua  bemerkt, 

42* 


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332  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


dass  andere  Werkzeuge  sich  von  den  vorgelegten 
durch  die  Schnittfläche  wesentlich  unterscheiden, 
indem  deren  Hand  nach  den  Angaben  englischer 
Forscher  nicht  geradlinig,  sondern  leicht  Sformig 
geschwungen  sei.  Dr.  Z i n k e i s e n legt  zwei  Schä- 
del vor,  einen  aus  den  Priestergräbern  von  Theben, 
und  einen  andern  aus  Memphis,  der  ein  Alter  von 
wenigstens  2000  Jahren  vor  Christus  halw.  Dr. 
Paul  von  Scydewitz  aus  London  spricht  über 
einen  merkwürdigen  Prager  Schädel  und  wünscht, 
dass  Professor  P o r t a 1 e k in  Prag  ersucht  werde, 
denselben  der  Versammlung  in  Innsbruck  vorzule- 
gen. Der  Schädel  ist  ganz  modern,  der  eines  sieb- 
zehnjährigen Mädchens  der  bessern  (.'lassen ; er  wiegt 
10  Medicinalpfund  und  sieht  wie  ein  steinerner 
Schädel  aus.  Staatsrath  Schleiden  erinnert  an 
einen  ähnlichen  Schädel  »ub  Java  mit  s 'l  Zoll  dicker 
•Schädelkapsel,  der  auch  höchstens  50  Jahr  alt  sei. 
Der  Vorsitzende,  Professor  Carus  aus  Leipzig,  schlägt 
schliesslich  vor,  bei  der  Geschäftsführung  zu  bean- 
tragen, dass  eiue  bleibende  Section  für  Anthropo- 
logie und  Ethnologie  auch  für  die  folgenden  Ver- 
sammlungen deutscher  Naturforscher  und  A trete 
auf  das  Programm  gesetzt  werde,  welcher  Vorschlag 
sich  allgemeinen  Beifalls  erfreute.  S. 

11.  Internationaler  Congress  für  Alter- 
thumskunde  und  Geschichte  in  Bonn,  vom 
14.  bis  21.  September  1808.  Bericht  über  die 
Verhandlungen  der  Section  für  Urgeschichte,  er- 
stattet von  dem  Vorsitzenden  dieser  »Section,  Prof. 
Dr.  Sch aaffh auseii*).  Die  für  die  Verhandlun- 
gen Über  Urgeschichte  im  Programme  aufgestellten 
Fragen  waren  die  folgenden: 

1.  Was  wissen  wir  über  die  Anfänge  der  mensch- 
lichen Cultur,  welches  war  die  Beschaffenheit 
der  ersten  Wohnungen  und  Grabstätten,  der 
Nahrung  und  Kleidung,  der  Waffen  und  Geräthe 
des  Menschen  in  der  Urzeit? 

2.  Welchen  Einfluss  hatte  der  Gebrauch  des  verschie- 
denen Materials,  als  Stein,  Knochen,  Holz,  Gold, 
Bronze,  Eisen  auf  die  ersten  Kunstarbeiten  ? 

3.  Ist  die  Eintheilung  der  Urgeschichte  in  eine 
Stein-,  Bronze-  und  Eisenzeit  für  die  alte  Welt 
allgemein  gültig,  oder  ist  nicht  in  gewissen 
Ländern  die  Eisenzeit  der  Bronzezeit  vorange- 
gangen? 

4.  Giebt  es  Kennzeichen  au  den  Steingerätheu  der 
Höhlen,  durch  welcho  sich  deren  relatives  Alter 
bestimmen  lässt;  ist  dabei  die  mehr  oder  weni- 
ger ausgebildete  sogenannte  Patina  und  dio 
Dicke  der  sie  bedeckenden  Kalksinterschicht 
massgebend  oder  sind  diese  nicht  vielmehr  von 
zufälligen  Umständen  »abhängig? 


*)  Kill  ausführlicher  Bericht  erscheint  in  den  Jahr* 
•►»ehern  des  Vereins  von  Alterthnmfrennrien  am  Rhein- 
184(9. 


5.  Giebt  es  Anhaltspunkte,  durch  welche  >ich  die 
Rennthierzeit  in  Mittel-Europa  bestimmen  lässt? 

6.  Welche  Zuverlässigkeit  haben  die  bisher  gemach- 
ten Schatzungen  des  Alter»  der  Pfahlbauten  und 
sind  die  in  denselben  gefundenen  rohen  Stein- 
geräthe  für  gleichzeitig  mit  denen  aus  den  Höh- 
len zu  halten? 

Sitzung  vom  15.  September:  Nach  eini- 
gen einleitenden,  die  Bedeutung  der  Urgeschichte 
liehen  Forschungen  hervorhebenden  Worten  de« 
Vorsitzenden  hält  Herr  L.  Geiger  aus  Frankfurt 
a.  M.  den  ersten  Vortrag  über  die  Urgeschichte 
der  Menschheit  im  Lichte  der  Sprache,  mit  beson- 
derer Beziehung  auf  die  Entstehung  de»  Werkzeugs. 
Derselbe  behauptet,  dass  für  die  Zeit,  wo  der 
Mensch  noch  ohne  Werkzeug,  ohne  jede  Kunst- 
thätigkeit  war,  die  Sprache  ein  lebendige»  Zeug- 
nis» seines  Daseins  hiutarlassen  habe  und  weist 
auf  die  linguistische  Archäologie  als  auf  eine  neue 
und  wichtige  Methode  der  Untersuchung  auf  die- 
sem Felde  hin.  Der  Mensch  hatte  eine  Sprache 
vor  dem  Werkzeug,  denn  das  Wort,  welches  eine 
mit  einem  Werkzeug  auszuführende  Thätigkeit  be- 
zeichnet, bedeutet  ursprünglich  eine  Thätigkeit, 
die  nur  von  den  natürlichen  Organen  des  Meu- 
schen  ausgeübt  wurde.  Das  Wort  Mahlen  von  der 
indoeuropäischen  Wurzel  Mal  bedeutet  -,mit  den 
Fingern  zerreiben“  oder  „mit  den  Zähnen  zer- 
miilmen“.  So  ist  das  Wort  Mühle  auf  eine  viel 
einfachere  Verrichtung,  das  Zerreiben  des  Kornes 
zwischen  Steinen  zurückführbar,  das  Wort  Malen 
auf  ein  Bestreichen  mittelst  der  Finger.  Sculpo, 
eine  Nebenform  von  scalpo,  bedeutet  anfangs  nur 
das  Kratzen  mit  den  Nägeln.  Die  Sprache  zeigt, 
dass  das  Weben  oder  Flechten  von  dem  Ineinander- 
flechten  der  Baumzweige  und  Sträucher  den  Na- 
men hat.  Das  natürliche  Baumgeflecbt  war  der 
erste  Gegenstand  der  Kunstiibung,  und  eine  Art 
Nestbau  in  den  Zweigen  dichtl>ehiubter  Bäume  war 
vielleicht  die  erste  Wohnstätte  des  Menschen  der 
Urzeit,  wie  nach  Barth  noch  die  Dingdin  in  Afrika 
zum  Theil  auf  Bäumen  leben  ; von  den  Puris  wird 
Aehnliches  erzählt.  (Humbold’s  Schilderung  der 
auf  Bäumen  lebenden  Guarauuos  am  Orinoko,  die 
dem  Kaleigh  nacherzählt  ist,  wird  von  Appun  für 
falsch  erklärt,  der  die  Wohnungen  dor  Guarannos 
wahre  Pfahlbauten  nennt.)  Selbst  die  Hängematte 
der  Südaiuerikaner  erinnert  an  die  Gewohnheit, 
in  den  Zweigen  der  Bäume  zu  schlafen.  (Hierbei 
sei  angeführt,  dass  auch  die  anthropoiden  Affen 
durch  Verflechtung  der  Baumzweige  sich  eine 
(»agerstätte  auf  den  Bäumen  schaffen.)  Geiger 
glaubt,  dass  der  aufrechte  Gang  des  Menschen  sich 
am  naturgemäasesten  aus  einer  früheren  klettern- 
den Lebensart  erkläre  und  dio  Gewohnheit,  den 
Baum  aufwärts  schreitend  zu  umfassen,  die  Hand 
aus  einem  Bewegung»-  zu  einem  Greiforgan  umge- 
bildet habe.  (Die  Erhebung  des  menschlichen  Kör- 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  333 


per*  auf  den  unteren  Gliedmassen,  d.  i.  sein  auf- 
rechter Gang,  kann  nur  durch  seine  Bewegung  am 
Boden,  also  nach  dem  Aufhören  des  Kletterns  ent- 
standen sein,  denn  beim  Klettern  ist  auch  die  un- 
tere Gliedmasse  ein  Greiforgan,  welches  zum  Auf- 
rechtstehen und  Gehen  ungeschickt  ist  Kar  die 
Aufrichtung  des  oberen  Körpers  und  die  Ausbil- 
dung der  Hand  kann  mit  dem  Klettern  in  eine 
Beziehung  gebracht  werden.)  Auch  jetzt  sehen 
wir  für  veränderte  menschliche  Th&tigkeiten  die 
alten  Worte  beibeh&lteu;  wir  lassen  die  Maschine 
nähen,  das  Gewehr  schiessen.  Das  Schiff  war  ein 
ausgehöhlter  Baumstamm,  der  Wagen  ein  abwärts 
rollender  Baumstumpf.  Die  ersten  Werkzeuge  sind 
ohne  Zweifel  mehr  gefunden  als  erfunden,  denn 
sie  sind  niemals  nach  ihrem  Ursprung,  sondern 
immer  nach  ihrer  Verrichtung  benannt  Die  Scheere, 
Säge,  Hacke  sind  Dinge,  die  scheereu,  sägen,  hacken. 
Gerftthe,  die  nicht  Werkzeuge  sind,  werden  hin- 
gegen nach  dem  Stoffe  oder  der  Arbeit  benannt, 
aus  der  sie  hervorgehen.  Der  Schlauch  ist  überall 
als  eine  abgezogene  Thierbaut  aufgefasst.  Die 
Scheere  diente  den  indogermanischen  Nomaden 
wohl  zunächst  nur  bei  der  Schaafechur.  Wir  wis- 
sen aber,  dass  in  der  ältesten  Zeit  die  Schaafe  nicht 
geschoren,  sondern  mit  den  Händen  gerupft  wur- 
den. Die  Scheere  ist  demnach  ursprünglich  ein 
Werkzeug  zum  Schaben,  Kratzen,  Rupfen,  was  an- 
fangs durch  die  menschliche  Hand  geschah.  Ver- 
wandt ist  das  Wort:  scharren.  Man  muBS  primäre 
und  secundäre  Werkzeuge  unterscheiden.  Das 
Werkzeug,  in  seiner  Entwicklung  beobachtet  gleicht 
dem  natürlichen  Organe,  es  hat  wie  dieses  seine 
Umwandlungen,  seine  Differenzirungen.  Schon 
Klemm  machte  darauf  aufmerksam,  dass  der  Boh- 
rer aus  dem  Reibfeuerzeuge  der  Urzeit  entstanden 
sei.  So  entstand  die  musikalische  Saite  aus  der 
Bogensehne,  die  schon  dem  Odysseus,  als  er  sie 
prüfte,  einen  Ton  gab.  Aus  dem  Sonnenschirm 
entstanden  Regenschirm  und  Fallschirm.  Im  An- 
fang war  der  Mensch  ohne  andere  Geräthe  als  die 
er  in  seinen  Organen  besass,  bald  war  er  im  Stande, 
ähnliche  zu  finden  und  zu  nutzen.  Statt  der  hoh- 
len Hand  bediente  er  sich  einer  hohlen  Pflanzen- 
schale. Er  steigerte  seine  Fähigkeiten,  weil  das 
Vermögen,  die  DiDge  wahrzunehmen,  wuchs,  und 
dies  Vermögen  ist  nichts  Geringeres  als  die  Ver- 
nunft selbst.  Das  gegenwärtige  Zeitalter  hat  dem 
Werkzeuge  eine  neue  grossartige  Entwicklung  er- 
öffnet, es  ist  zugleich  dasselbe,  welches  die  An- 
fänge der  menschlichen  Cultur  zum  Gegenstände 
der  wissenschaftlichen  Forschung  macht.  Werden 
wir  die  Nacht  der  Urzeit  jemals  ganz  erhellen? 
Werden  wir  das  Ziel  der  Vollkommenheit,  dem 
wir  zustreben,  jemals  erreichen?  Wir  wissen  es 
nicht.  Aber  die  innere  Stimme  gebietet  uns  nach 
beiden  Seiten  hin  ein  unwiderstehliches  Vorwärts! 


Dieser  Vortrag  gab  Herrn  Geh.  Rath  von  Quast 
Veranlassung  zu  einer  Erwiederung.  Er  bestreitet 
die  Grundanscbauung  des  Vorredners  und  behaup- 
tet, es  gebe  keine  Thatsache,  die  für  einen  rohen 
Urzustand  des  Menschen  beweisend  sei,  die  Kunst- 
forschung zeige  vielmehr,  dass  die  ältesten  Werke 
der  menschlichen  Cultur  von  unerreichter  Voll- 
kommenheit seien.  Der  Mensch  sei  vom  Göttlichen 
herabgekommen,  nicht  umgekehrt.  Geiger  und 
Schau ffhausen  weisen  diese  Behauptung  zurück. 
Der  letztere  hebt  hervor,  dass  man  nicht  nur  in 
fast  allen  Culturländern  als  Denkmale  der  ältesten 
Zeit  die  rohesten  und  einfachsten  Gerät  he  und 
Waffen  gefunden  habe,  sondern  dass  die  Uuberrestc 
des  Menschen  der  Vorzeit  selbst  die  Zeichen  einer 
niedero  Organisation  an  sich  tragen.  Der  Redner 
legt  bei  dieser  Gelegenheit  der  Versammlung  seine 
Schrift:  „Ueber  die  Urform  des  menschlichen 

Schädels,  Bonn  18G8“  vor.  Hierauf  sprach  Prof. 
Zestermann  aus  Leipzig  über  die  Mitteilungen, 
welche  die  klassischen  Schriftsteller  über  den  Ur- 
zustand der  Menschheit  in  Bezug  auf  Nahrung, 
Kleidung  und  Wohnung  machen.  Die  Arkadier 
lebten  von  Gras,  jungem  Laub,  Eicheln  und  Früch- 
ten, später  von  Cerealien.  Anthropophagen  gab 
es  in  allen  Ländern.  Das  Trinken  des  Blutes  wird 
von  den  Scythen  erzählt  und  kommt  noch  im  Ni- 
belungenliede vor.  Der  Urmensch  ging  nackt,  wie 
zum  Theil  noch  die  Ligurier  und  die  Sclaven  der 
Römer.  Die  erste  Kleidung  waren  wohl  Thierfelle; 
die  ersten  Wohnungen  Laubhütten,  wie  noch  im 
vierten  Jahrhundert  in  Deutschland,  oder  Höhlen 
oder  Pfahlbauten.  Die  bezüglichen  Stellen  der  al- 
ten Schriftsteller  stellte  der  Sprecher  zu  Diensten. 
Herr  Staatsrath  von  Eichwald  bemerkt,  dass 
Herodot  Menschenfresser  in  Russland  anführe  und 
zwar  unter  den  nördlichsten  Stämmen  der  Finnen 
und  Samojeden,  welcher  Name  Menschen  bedeutet, 
die  einander  aufiTessen.  Bei  den  Ostiaken,  vom 
Stamme  der  Samojeden,  sei  noch  vor  fünf  Jahren  in 
Folge  von  Hungcrsnoth  das  Verzehren  von  Kin- 
dern vorgekommen.  G.  R.  von  Quast  hält  die 
Anthropophagie  nicht  für  einen  Naturzustand,  son- 
dern für  eine  Verwilderung,  den  Menschenopfern 
Hege  nicht  der  Gedanke  einer  Darbietung  von 
Speise  an  die  Gottheit  zu  Grunde,  sondern  der 
der  Stellvertretung  und  Sühne.  Prof.  Schaaff- 
hausen  weist  darauf  hin,  das«  da«  menschliche 
Gebiss  nicht  dem  der  fleischfressenden , sondern 
dem  der  fruchtessenden  Thiere  gleiche,  und  der 
im  Alterthum  so  weit  verbreitete  CannibaHsmus 
allerdings  als  eine  Verwilderung  der  menschlichen 
Natur  aufzufassen  sei.  Er  erinnert  an  die  in  Kalk- 
sinter eingeschlo*senen  menschlichen  Gebeine  von 
Chauvaux,  an  denen  Prof.  Spring  die  Spuron  den 
CannibaHsmus  hat  finden  wollen;  einige  dieser 
Concretionen  sind  in  der  Aufstellung  des  Congres- 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


ses  zu  flehen.  Das  Trinken  von  Menschen  bl  ut  Fei 
nach  Kruseusteru  noch  bei  den  Marquesas- Insu- 
lanern üblich  gewesen. 

Sitzung  vom  16.  Septem  her:  Herr  Staats- 
rath  von  Eichwald  spricht  über  die  tschudischen 
Al terth Ürner  des  europäischen  und  asiatischen  Russ- 
lands. '/ahlreichu  Denkmäler  einer  laugst  vergan- 
genen Zeit  iiu  Altai  und  Ural.  *owie  in  den  Ebe- 
nen Russlands  werden  einem  alten  Volke  zuge- 
schrieben,  das  in  Sibirien  Tschud  genannt  wird. 
Im  östlichen  Asien  bedeutet  das  Wort  tschud 
fremd,  im  Westen  de«  europäischen  Russland«  be- 
zeichnen die  Russen  noch  jetzt  mit  dem  Namen 
Tschud  Völker,  die  zum  finnischen  Stamme  gehö- 
ren; im  Gouvernement  Olonetz  lebte  noch  vor 
Kurzem  ein  Völkchen , dun  sich  seihst  Tschud 
nannte  und  finnisch  sprach.  Schon  Bayer  sprach 
es  vor  100  Jahren  aus,  dass  das  Wort  Tschud  dem 
griechischen  Scytli  entspreche.  Die  asiatischen 
Finnenstämme,  welche  die  Bereitung  der  Metalle 
kannten,  wurden  von  den  Vordringen  den  turkisch- 
tartarisehen  Völkern  nach  Norden  vertrieben.  Da- 
mit ging  auch  der  grosse  Karawanenhamlel  mit 
den  griechischen  Colonien  am  Nordgestade  des 
Pontu»  zu  Grunde.  Ebenso  ging  es  den  Tachuden 
dea  Ural,  den  Jssedoneu  und  den  Massageten  des 
Ilerodot,  die  das  Kupfer  des  permischen  Kupfer- 
Sandsteins  und  da s Gold  * in  den  Alluviouen  des 
Mjas  gewannen.  Es  finden  sich  in  den  Tschuden- 
gräbern  Waffen  und  Schmuek.-achcn,  die  eine  hohe 
Cultur  verrathen.  Sie  schmolzen  das  Eisen,  ein 
eisernes  Schwert  war  ihnen  Gegenstand  heiliger 
Verehrung.  Dass  die  Scythen  den  Hasen  verehr- 
ten, dessen  Bild  sich  in  ihren  Gräbern  findet,  kam 
daher,  dass  ein  von  einem  Scythen  verfolgter  Hase 
einst  Veranlassung  wurde,  dass  der  den  Scythen 
in  Schlachtordnung  gegenüberstehende  Dari  uh 
da«  Lager  sofort  abbrechcn  und  den  Rückzug  an- 
treten  Hess.  Die  Mythischen  Thierbilder  haben 
oft  ein  Menschengesicht , denn  Zamolxis  hatte 
ihnen  die  Lehre  der  Seelen  Wanderung  gebracht. 
Die  Aorsen  und  Sir&ken  des  Strabo,  die  mit  Baby- 
lon im  Handelsverkehr  standen,  sind  die  heutigen 
Ersen  und  Sirjancn.  Die  Steppenbildcr  Südruss- 
lands,  meist  auf  Grabhügeln,  dienten  zugleich  als 
Meilensteine.  Die  weite  Verbreitung  der  Gelten 
und  Pa&lstäbe  zeigt,  dass  die  Völker  vom  Altai 
und  Ural  immer  weiter  westlich  wandelten.  Auch 
die  Finnen  und  Estben  sind  alte  Tachudenstftmme. 
In  Sibirien  finden  sich  mit  Mammuth-  und  Nashorn- 
knochen auch  die  Rundhämmer,  die  zur  Bearbei- 
tung des  Goldsandes  im  Altai  dienten.  Der  Red- 
ner behauptet,  dass  der  Goldsand  seine  Entstehung 
den  Gletschern  verdanke.  Die  Steinwaffen  scheinen 
am  frühesten  von  den  Gelten  verfertigt  worden  zu 
sein,  die  nach  Plutarch  vom  Süden  des  Ural  nach 
Westen  und  Norden  zogen.  Zuerst  wandelten  sie 


und  die  Gallier,  dann  die  Citnberu,  dann  Germaneu 
und  Gothen,  zuletzt  die  Wenden  nach  dem  Westen 
Europa’«  ein.  Die  aus  Mittelasien  vordrängenden 
Stämme  drängten  die  Tschudeu  nach  Norden,  wäh- 
rend die  kriegerischen  Scythen  nach  der  Donau 
vordrangen  und  als  Ungarn  ein  Reich  gründeten. 
Der  Redner  legt  tschudische  Alterthümer  vor,  einen 
Ringlmmmer  aus  Saudstein,  einen  Celt  und  Paal- 
stab  aus  Bronze,  ein  Messer,  einen  Dolch  und  eine 
Nadel  aus  silberhaltigem  Kupfer,  eine  Schwalbe 
und  einen  Bär  aua  Bronze  mit  menschlichem  Ge- 
sicht, wohl  Amulete,  ein  kleines  Steppenbild  u.  A. 

Hierauf  giebt  Prof.  Peteraen  aus  Hamburg 
eine  kurze  Inh&]teangal>e  seiner  Schrift:  „lieber 
da*  Bronzealter  hei  den  Völkern  des  Altcrthums“. 
Er  stellt  die  verschiedenen  Ansichten  darüber  zu- 
sammen. .1.  Grimm  nannte  das  Bronzealter  ein 
unlösbares  Rätlisel,  Andere  liest  en  die  Bronzecultur 
aus  Asien  in  früher  Zeit  einwandern,  Andere  schrie- 
ben sie  den  Gelten  zu,  oder  den  Griechen,  Etrus- 
kern und  Römern,  Nilsson  aber  den  Phöniziern, 
was  am  wahrscheinlichsten  ist.  Waitz  wollte  sie 
gar  aus  Afrika  herleiten  und  Webel  sah  ihren  Ur- 
sprung in  England.  In  Aegypten  sind  nach 
Brugsch  im  3.  Jahrtausend  v.  Chr.  alle  Metalle 
nachweisbar.  Schon  zu  Homer’»  Zeit  kamen  die 
schönsten  Bronzearbeiten  aus  Phöuizien;  es  wer- 
den schon  eiserne  Geräthe  erwähnt.  In  Italien 
dauert  die  Bronzeze  t bis  zur  Vertreibung  der  Kö- 
nige. Die  einfache  Form  des  Bronzebeils  wird 
zum  PaaUtab  mit  Schaftlappen  und  zum  Celt  mit 
Schaftloch.  Alles  spreche  für  Aegypten  oder  West- 
asien als  den  Ausgangspunkt  der  Bronzecultur  und 
für  deren  Verbreitung  durch  die  Phönizier.  Der 
Bemerkung  von  Dr.  Ebers  aus  Jena,  dass  man  mit 
dem  bronzenen  Ciselirstift  Skulpturarbeiten  in  den 
härtesten  Granit  machen  könne,  fügt  Prof.  Schaaff- 
hausen  die  Angabe  hinzu,  dass  Ilertrand  gezeigt 
habe,  wie  mau  mit  einem  Steinmeissei  solche  ein- 
geschnittene Figuren  in  Granit  machen  könne, 
wie  sie  au  einigen  megalithischen  Monumenten  Vor- 
kommen. Dass  ein  rohes  Volk  diese  hinterlassen, 
dafür  spreche  eine  Mittheilung  von  Hook  er  an 
die  britische  Naturforscher-  Versammlung  dieses 
Jahres,  wonach  unfern  von  Calcutta  ein  halbwilder 
Stamm  von  Eingeborenen  lebe,  der  grosse  Stein- 
monu mente  derselben  Art  errichtet  und  sich  des 
Feuer»  zum  Brechen  der  Steine  bedient.  Geiger 
glaubt,  dass  die  Indogermanen  das  Eisen  früher 
als  die  Bronze  gekannt.  Petersen  bestreitet,  dass 
das  im  Sanskrit  dem  deutschen  Worte  Eisen  und 
dem  lateinischen  Aes  entsprechende  Wort  Eisen 
bedeute,  dieselbe  Wurzel  könne  zur  Bezeichnung 
verschiedener  Metalle  verwendet  worden  »ein. 

Sitzung  vom  1 7.  September.  Graf  Przez- 
diecki  aus  Posen  berichtet,  dass  man  am  Czes- 
zewer  See  hei  Golancz  im  Grosaherzogthuin  Posen 


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335 


Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


Spuren  von  Pfahlbauten  gefunden,  dabei  Thon- 
getasae  aus  schwärzlicher,  nicht  ganz  ausgebrann- 
ter Thonerde  mit  Ornamenten  in  geraden  Linien, 
und  Beile  aus  Grumt  nebst  Knochen  und  Hörnern 
von  Thieren.  Ein  Theil  dieser  Sachen  befindet  sich 
im  archäologischen  Museum  der  Krakauer  Univer- 
sität. Diese  Pfahlbauten  scheinen  im  Zusammen- 
hang zu  stehen  mit  den  zahlreichen  heidnischen 
Grabhügeln  der  Umgegend.  ln  Dobieszewek  ist 
ein  golchee  Grabfeld  200  Magdeburger  Morgen 
gross.  Die  aus  Reisig  geflochtenen  Wände,  die 
man  in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz  gefunden, 
kann  man  noch  heute  in  polnischen  Dörfern  sehen. 
Das  Grabfeld  von  Manieczki  bei  Srem,  von  dem 
«ich  zahlreiche  Funde  im  Museum  der  Philomati- 
schen  Gesellschaft  in  Posen  l>efinden,  zeigte  meh- 
rere Lagen  dicht  ncbcneinauder  liegender  Grab- 
steine, darunter  Thongefösae  mit  schalenförmi- 
gen Deckeln  voll  verbrannter  Gebeine;  um  diese 
Aschenkrüge  sind  verschiedene  kleinere  Gefässe 
von  dunkelrother  Farbe  mit  eingedrückten  Verzie- 
rungen in  Gestalt  von  Schalen,  Flaschen,  Lampen 
herum  gestellt,  ln  der  Mitte  des  Grabfeldes  war 
ein  viereckiger  Raum  voll  von  Kohlenresten,  die 
Leichenbrandstätte.  Schliesslich  legte  der  Redner 
ein  die  Urzeit  betreffendes  Werk  des  Grafen 
C.  Tyszkiewic*  vor.  Director  Rein  aus  Crefeld 
erwähnt  der  Pfahlbaureste  von  Maine  und  an  der 
Niers  hei  Geldern,  in  welchen  Gefässe  von  terra 
Bigillata  gelunden  worden  sind.  Berghauptmann 
Nöggerath  bemerkt,  den  Pfahlbauten  könne  man 
kein  bestimmtes  Alter  zuweisen,  dasselbe  sei  im- 
mer nur  nach  den  darin  befindlichen  Artefakten 
relativ  zu  schätzen.  Herr  von  Blücher  führt  an, 
in  Mecklenburg  seien  Urnen  und  andere  antiqua- 
rische Reste  ganz  unter  denselben  Verhältnissen 
wie  in  Posen  ausgegraben  worden.  Kr  erwähnt 
einer  dort  gefundenen  sehr  grossen  Fibula  und 
eine«  Pfuhles  mit  darau  befindlichem  menschlichen 
Gesiebte.  Herr  J.  Vetter  macht  darauf  aufmerk- 
sam, dass  bei  Laufenburg  am  Oherrbeiu  noch  1293 
ein  Pfahlbaudori  bestanden  habe  aus  von  Holz 
und  Flechtwerk  gebildeten  Fischerhütten.  Die  An- 
gehörigen der  Fischer  wohnten  auf  dem  Lande. 
Er  glaubt,  dass  es  niemals  ein  besonderes  PfaliJbnu- 
volk  gegeben,  sondern  dass  ein  Theil  der  Bevölke- 
rung dem  Fischfang  oblag  und  dazu  seine  Hütten 
ins  Wasser  stellte.  Solche  Fischerhütten  kommen 
jetzt  noch  vereinzelt  vor.  Er  verweist  auf  seine 
beiden  Schriften:  «, Die  Schifffahrt,  Flötzerei  und 
Fischerei  am  Oberrhein,  Karlsruhe  18C4U  und 
„Daa  römische  Ansiedlutigs-  und  Befestigungs- 
wesen, 1868“. 

Der  Vorsitzende,  Prof.  SchaaffhauBen  legte 
hierauf  der  Versammluug  den  Neanderthaler  Schä- 
del und  einige  dazu  gehörige  Skelettheile  vor  als 
das  merkwürdigste  U eberbleibsel  des  Menschen  aus 
der  Vorzeit,  welches  so  mannigfache  Deutungen 


erfahren,  and  von  welchem  selbst  angesehene  For- 
scher so  viel  Irrthümliches  ausgesagt  haben.  Der- 
selbe hält  an  der  in  der  Abhandlung:  „Zur  Kennt- 
nis« der  ältesten  Kncenscliiidel'  (Müller’s  Archiv 
1858)  aufgestellteu  Ansicht  fest,  dass  diese  Gebeine 
für  das  älteste  Denkmal  der  früheren  Bewohner 
Europa'«  zu  halten  seien.  Wie  für  die  Geologie 
die  organischen  Roste  der  verschiedenen  Erdschich- 
ten die  Zeitmesser  seien . so  würden  in  Zukunft 
die  Orgauisationsverhältnisse  des  Menschen  uns 
ein  sicherer  Führer  durch  die  Perioden  der  mensch- 
lichen Urgeschichte  sein.  Die  vorliegenden  Gebeine 
enthielten  den  Beweis  einer  nicht  in  allen,  aber  in 
mehreren  und  wichtigen  Merkmalen  so  tiefstehen- 
den menschlichen  Bildung,  wie  sie  heute  auch  nicht 
bei  den  rohesten  Völkern  angetroffen  wird.  Der 
Innenraum  des  Schädels  ist  durch  die  geringe 
Grösse  aller  die  Schädeldecke  bildenden  Knochen 
erheblich  vermindert,  das  Gesicht  diescR  muskel- 
starken  Menschen  mit  dem  vorspringenden  oberen 
Augen  höh  lonrnnde,  den  tiefliegenden  Augen  und 
der  fast  fehlenden  Stirn  muss  einen  überaus  wilden 
und  thierischen  Ausdruck  gehabt  haben.  Wie 
seine  Reste  in  diese  Höhle  gelangt  sind,  kann 
nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  werden.  Vielleicht 
hat  ihn  der  Tod  darin  überrascht  oder  er  wurde 
von  Andern  darin  begraben.  SteingerAthe  wurden 
nicht  gefunden,  können  aber  leicht  übersehen  wor- 
den sein.  Die  abweichende  Schädelform  ist  weder 
für  künstlich , nach  Art  der  durch  Druck  entstell- 
ten Schädel  rohor  Völker,  noch  für  eine  krank- 
hafte Bildung  zu  halten;  weder  frühzeitige  Ver- 
schliessung  gewisser  Scbädeluäbte  hat  sie  hervor- 
gebracht, wie  Davis  geglaubt  hat,  mich  d*rf  man 
darin  die  eines  Idioten  sehen,  womit  Vogt  sie- 
verglichen  hat.  Merkwürdig  ist  da«  Schwanken 
selbst  namhafter  Forscher  in  der  Ileurtlieilung  die- 
ser menschlichen  Reste.  Mayer  hatte  zuerst  die- 
sem alten  Bewohner  des  Xeanderthales  den  bezeich- 
nenden Xumen  Palaeander  gegeben,  fortgesetzte 
Studien  brachten  ihn  aber  wegen  der  gekrümmteu 
Schetikelknochen  zu  der  fast  Hpaashaften  Ausieht, 
die  Knochen  könnten  von  einem  Kosacken  herrüh- 
ren, der  1814  in  diese  Gegend  gerathe»  und  dort 
umgekommen  sei.  Huxley  sprach  zuerst  seine 
Verwunderung  darüber  aus,  dass  in  dieser  Hirn- 
schale ein  menschliches  Gehirn  sollte  Raum  gefun- 
den haben,  später  aber  behauptete  er,  dass  man 
eine  Reihe  menschlicher  Schädel  finden  könne,  die 
durch  unmerkliche  Abstufungen  vom  Neander- 
thaler  zu  dor  gewöhnlichen  Schädelform  führe. 
Die  tiefe  Stellung  der  Organisation  dieses  fossilen 
Menschen  beweisen  aber  auch  die  übrigen  Skelet- 
theile, sowie  der  Schädelausguss;  es  fehlt  aber  jede 
Berechtigung  zu  der  Behauptung  King’s,  dass 
dieser  Mensch  noch  keine  Sprache  besessen  haben 
könne. 

Prof.  Zestermann  berichtet  nach  einem  ihm 


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336  Verhandlungen  wissenschaftlicher  ' ersannnlungen. 


zugegangenen  Brief  des  ProC  Geinitz  über  den 
Fund  von  Theilen  eines  menschlichen  Skelets  im 
Triebotschthale  bei  Miltitz  in  Sachsen,  welche 
0 Fuss  tief  in  der  obersten  daselbst  auftretenden 
Lehmschicht  beim  Eisenbahnbau  aufgefunden 
wurden. 

Vierte  Sitzung  am  19.  September.  Prof. 
Zeatermann  sprach  über  die  Bestattung  der  Tod- 
ten  in  der  Urzeit.  Die  Balearen  zerstampften  ihre 
Todtcn  und  brachten  diese  Koste  ihrer  Verstorbe- 
nen in  irdenen  Gebissen  zur  Bestattung.  (Diod. 
SicuL  V,  18,  2.  Coli.  V,  17,  1.)  Die  Scytheu  be- 
gruben ihre  Fürsten  uuter  einem  Zelte,  welches 
von  vier  senkrecht  aufgestellten  uud  vier  wage- 
recht aufgelegten  Lanzen  getragen  wurde  und  so- 
mit die  Form  für  die  in  Deutschland  aufgefunde- 
nen steinernen  Grahkamroem  abgab.  Die  Geräthe 
der  Alten  theilt  der  Redner  in  kriegerische  und 
friedliche,  in  Haut*-  uud  Feldgeräthe  und  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  man  wohl  mit  Unrecht  in 
den  meisten  alten  Gerüthen  Waffen  findeu  wolle, 
da  doch  zum  Leben  vor  Allem  der  Ackerbau  nö- 
thig  sei,  folglich  Feldgeräthe  unentbehrlich  seien. 

Unter  den  kriegerischen  Geräthen  seien  die 
fern  wirkenden  die  ältesten,  der  Stein  mit  der 
Hand  oder  Schleuder  geworfen,  der  Pfeil  mit  dem 
Bogen  und  der  Wurfspiesa.  Der  Pfeil  hat  bei  den 
Aethiopen,  nach  llerodot,  Steinspitzen,  derWurf- 
spiess  eine  »ra  Feuer  gehärtete  Spitze  wie  der 
Pfahl,  den  man  nach  altdeutschem  Recht  der  Ehe- 
brecherin ins  Herz  schlug.  Von  Hausgerftthen  er- 
wähnen die  Alten  irdene  Töpfe  mit  Deckeln,  Trink- 
becher von  Buchenholz  oder  aus  den  Schädeln  der 
erschlagenen  Feinde  gemacht.  Dieser  bedienten 
sich  die  Scythen,  nach  llerodot,  und  noch  der 
Longohardenkünig  Al  ho  in  um  580  n.  Chr.  Die 
Trümmer  des  Kieselschiefers  sind  oft  schon  konisch 
von  Natur  und  gehen  wohl  das  Muster  für  die 
Form  der  Messer  und  für  den  Celt.  Die  Bronze- 
meissei,  die  Gelte  sind  nicht  Waffen,  sondern  Ge- 
räthe, mit  denen  man  den  Boden  bearbeitete.  Die 
Alten  erzählen  von  den  wilden  Völkern,  dass  sie 
keine  Gesetze,  keine  Ehe,  keine  Schaam  kennen, 
dass  sie  sich  mit  Roth  und  Weiss  bemalen,  dass  sie 
ihren  Schlachtopfern  die  Kopfhaut  abziehen  und 
an  dem  Zaum  ihrer  Pferde  aufhängen,  dass  sic  die 
Meuschenhaut  auf  Hölzern  nusgespannt  zu  Pferde 
tragen,  (llerodot  IV’,  64.) 

Dr.  Kassier  berichtigt  einen  Irrthum  in  Be- 
zug auf  die  bei  Schussenried  gefundenen  Rennthier- 
kuochcn.  Die  hier  gefundenen  Steingeräthe  sind 
au«  einem  Feuerstein  gefertigt,  der  massenhaft 
auf  den  Aeckern  liegt  und  ohne  Zweifel  von  erra- 
tischen Blöcken  herrührt.  Auf  den  Knochen  von 
SchuKseuried  finden  sich  keine  Skulpturen.  Berg- 
hauptniHnn  Nöggerath  bemerkt,  dass  die  Feuer- 
steine, so  lange  sie  die  Feuchtigkeit  ihrer  Lager- 
stätte besitzen,  sieb  leicht  nach  beliebigen  Rich- 


tungen schlagen  lassen.  Häufig  sind  rohe  wie  bear- 
beitete Feuersteine  mit  einer  weinen  Rinde  bedeckt, 
die  durch  Verwitterung  entsteht,  aber  keinen  Schlun 
auf  die  Länge  der  Zeit  ihres  Liegens  in  der  Erde 
gestattet 

Prof.  Sch aaff hausen  führt  an,  (hiss  man 
durch  in  Belgien  angestellte  Versuche  erfahren, 
wie  man  von  zuvor  nass  gemachten  Feuersteinen 
Stücke  in  joder  Richtung  Abschlägen  könne,  erweist 
auf  die  den  einzelnen  Fundorten  cigcntluimliche 
Form  der  Steinkeilo  hin,  die  bei  Abbeville  eiförmig 
platt,  bei  Spien nes  dreieckig  gestaltet  seien.  Ein 
kleiner  Celt,  wie  er  von  Bronze  in  den  alten  Grä- 
bern Westeuropas  vorkorame,  von  Kupfer  in  de- 
nen der  Tschuden,  werde  im  fernen  Sibirien  noch 
zum  Ausgrabeu  der  Zwiebeln  gebraucht,  ln  Be- 
zug auf  den  Fund  von  Farbstoffen  bei  Schüssen* 
ried  berichtet  er,  dass  Spring  auch  in  belgischen 
Höhlen  dieselben  gefunden  und  glaube,  sie  hätten 
zum  Bemalen  des  Körpers  und  Gesichtes  gedient, 
wie  Properz  dies  von  den  alten  Belgiern  erzähle. 
Der  Redner  fügt  hinzu,  dass  nach  Cäsar  die 
Briten  in  Felle  sich  kleideten  und  sich  blau  färb- 
ten. nach  Herodion  den  Körper  sogar  mit  Thier- 
figuren  bemalten  und  dass  nach  Strabo  auch  die 
Japodeo,  eine  illyrische  Völkerschaft,  den  Körper 
bemalten,  was  noch  hei  den  österreichischen  Sol- 
daten derselben  Gegend  Sitte  sei.  Da*  Tätowiren, 
bei  den  Neuseeländern  am  künstlichsten  geübt,  sei 
als  die  höhere  Ausbildung  dos  bei  so  vielen  Völ- 
kern üblichen  Bemalen*  anzueehen  und  habe  sich 
in  gebildeten  Ländern  noch  bei  gewissen  Hand- 
werkern, z.  B.  den  Schiffern,  in  schwachen  Resten 
erhalten. 

Hierauf  gab  Herr  Otto  Schmitz  eine  Schil- 
derung des  Lebens  der  wilden  Apatschee,  die  er 
aus  eigener  Anschauung  kennen  gelernt,  indem  er 
einige  Monate  nicht  ganz  freiwillig  mit  ihnen  ge- 
lebt hat.  Das  von  ihnen  durchzogene  Gebiet  wird 
ohngefälir  von  den  Flüssen  Rio  grande  del  Norte 
uud  Rio  Colorado  zwischen  dem  80'  und  35°  nördl. 
Breite  begrenzt  und  bildet  eine  meist  steinigte 
Hochebene  von  2000  bis  7000  Fass  über  dem 
Meere,  spärlich  durchschnitten  von  Regenstrom- 
betten, die  im  Laufe  der  Zeit  Rinnen  bi*  1000 
Fuss  tief,  und  700  bis  einige  1000  Fuss  breit  aus- 
höhlen. Das  Strombett  ist  nur  während  der  kur- 
zen Regenzeit  mit  Wasser  gefüllt.  Wo  ange- 
schwcmmtes  Gestein  die  Feuchtigkeit  zurückhält, 
zeigt  der  Thalgrand  grosse  Fruchtbarkeit.  Der 
Himmel  bleibt  10  Monate  lnng  unbedeckt.  Durch 
die  bis  zu  25°  reichenden  Temperaturunterschiede 
bei  Tag  und  Nacht  werden  Luftströme  erzeugt, 
die  beständig  ätzenden  alkul ihaltigen  Staub  vom 
Boden  aufwirbeln.  Im  April  fallen  während  14 
Tagen,  im  October  und  November  während  6 Wo- 
chen Regenschauer;  dann  sprosst  au*  allen  Spalten 
des  Gesteins  das  Gras,  und  Hirsche.  Antilopen,  Berg- 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  337 

schaafe  und  ihnen  nach  Bären,  Coyoten  und  die  herzustellen.  In  kalten  Nächten  sucht  der  Apatache 
Wolfshyänen  verlassen  ihre  Schlupfwinkel  in  den  eine  Vertiefung  im  Boden  oder  baut  sich  mit  Stei- 
Thälern.  Auch  der  Apatache  zieht  jetzt  auf  Raub  nen,  Erde  und  Blättern  einen  18  Zoll  tiefen  und 
aua  gegen  seines  Gleichen.  Um  700  nach  Christ.  3 Fuas  breiten  Kessel,  in  den  er  sich  nackt  hinein- 
zogen  die  Tolteken  vom  mittleren  Mexico  nach  krümmt.  Wer  eine  Decke  oder  oin  Fell  hat,  deckt 
Norden  und  bauten  Städte  bi»  an  den  Rio  grande  sie  über  sich,  aber  dies  ist  kein  Bedürfnis».  Sie 
und  bis  ins  nördliche  Sonora;  sie  fanden  schon  den  scheuen  Alles,  was  einem  Hause  ähnlich  ist  und 
Wilden  der  Steinwüste.  Vielleicht  sind  die  acker-  fühlen  sich  unheimlich,  wenn  sie  nicht  unter  freiem 
bauenden  Pirna  s im  Westen  und  die  Moqui  und  Himmel  sind.  Sio  bemalen  das  Gesicht  mit  rothen 
Zunni-Indianer  die  Nachkommen  der  Tolteken.  und  blauen  Linien,  allgemeiner  Brauch  ist  es  je- 
Unter  dem  Schutze  der  spauischeu  Militärstationen  doch  nicht,  wie  bei  den  Comanohes,  die  in  sittlicher 
Buchten  die  Dominikaner- und  Franziskaner-Mönche  Beziehung  über  dem  Apateche  stehen.  Die  Weiber 
Gesittung  und  religiöse  Begriffe  auch  unter  den  tragen  als  Schmuck  oder  Kleidung  zuweilen  die 
Apatsches  zu  verbreiten,  aber  vergeblich.  Die  zah-  mit  Gehirn  eingeriebaneu  Thierfelle,  die  mit  Stri- 
roen  Indianer,  die  Mexikaner  und  die  Europäer,  eben  verziert  sind,  welche  aber  keine  Bedeutung 
»ie  alle  betrachten  diesen  Wilden  wie  ein  mensch-  haben.  Ihre  Nahrung  besteht  aus  Eicheln,  Erd- 
lich  gestaltetes  Raubthier,  dessen  Vertilgung  schwie-  missen,  Kürbissen,  Bohnen  des  Meekitstrauches, 
rig  ist.  Im  Jahro  18G0  bezahlte  die  mexikanische  Wild,  einschliesslich  der  Ratten,  Mäuse  und  Schlan- 
Regierung  für  jeden  Apatscbekopf  300  Dollars,  gen,  und  au»  den  zu  Schanden  gerittenen  gestoh- 
Spftter  wurde  der  Preis  erniedrigt.  Aber  die  Zahl  lenen  Pferden  und  Eseln.  Das  Fleisch  wird  theils 
der  ein  gelieferten  Skalpe  blieb  gering.  Auf  einer  roh,  theils  am  Spiess  gebraten  verzehrt.  Kanniba- 
Wanderung  von  Chihuahua  nach  St.  Francisco  1 minus  scheint  früher  existirt  zu  haben,  denn  auf 
traf  der  Reisende  50  englische  Meilen  westlich  von  die  dahin  gerichtete  Frage  wurde  dem  Reisenden 
Cooks  peak  unter  33*  nördlicher  Breite  auf  eine  geantwortet,  die  Peintah’s,  ein  nördlich  von  ihnen 
das  Mondfest  feiernde  A patscheban de,  mit  der  er  wohnender  Stamm,  schmeckten  gesalzen  und  taug- 
mehrere  Monate  bis  zum  Colorado  herumzog.  Der  ten  deshalb  nicht  zum  Essen.  Ihre  einzigen  Waf- 
Apatsche  ist  von  kräftiger  Muskulatur,  besonders  fen  und  Hausgerätbe  sind  Pfeilbogen  und  Spiess. 
in  Brust  und  Armen;  das  Bein  ist  weniger  gut  ge-  Die  Spitzen  daran  sind  von  hartem  Holze, Obeidian, 
bildet,  die  Wade  dünn,  der  Fass  nicht  so  platt  wie  Eisen  oder  Kupfer,  welches  sich  gediegen  dort  fin- 
der  des  Negers;  bei  kurzen  Strecken  leisten  sio  det,  selten  von  einer  Art  Bronze,  die  stahlgleiche 
jedoch  Lnglaubliches  in  der  Schnelligkeit  des  Lau-  Härte  und  Elasticität  zeigt  und  durch  Zusaminen- 
fous.  Die  mittlere  Höhe  beträgt  öVi  Fuss,  die  schmelzen  von  Kupfer  mit  grünen  Blättern  herge- 
Frauen  sind  nicht  viel  kleiner.  Das  Haar  ist  bei  stellt  werden  soll.  Zuweilen  gehen  die  Apatsche’s 
beiden  Geschlechtern  von  beinahe  gleicher  Lunge  gauz  vereinzelt  oder  in  kleineren  Trupps  von  etwa 
und  mattschwarzer  Farbe,  cs  hängt  bis  zur  Schul-  10,  ohne  Oberhaupt.  Zu  grösseren  Raubzügen  ver- 
ter.  Der  Schädel  zeigt,  verglichen  mit  anderen  einigen  sie  sich  unter  Häuptlingen.  Während  dio- 
Indianem  in  der  schiefen  Stellung  der  Augenspal-  ser  Zeit  hat  dieser  ein  vorübergehendes  Eigenthum, 
ten  eine  Neigung  zum  mongolischen  Typus.  Die  Er  hat  das  Recht,  eine  Anzahl  Mädchen  für  sich 
Backenknochen  treten  stark  heraus,  der  Mund  ist  allein  zu  beanspruchen,  diesen  wird  ein  Stückchen 
breit,  die  Lippen  schmal.  Das  Auge  iat  nicht  ganz  Thierfell  ins  Haar  geflochten,  dann  sind  sie  für 
das  todte,  dunkelbraune  des  Nord-Indianers,  son-  Andere  unantastbar.  Macht  er  eine  zur  Frau,  so 
dern  gläsern  schillernd,  ähnlich  dem  des  Coyoten,  wird  über  ihrem  Haupte  ein  Bündel  Pfeile  zerbro- 
Dio  Widerstandsfähigkeit  seines  Organismus  gegen  eben.  Ausser  diesem  Häuptlingsrechte  besteht  nur 
Hunger  und  Durst,  Temperaturunterschiede  und  kürzeres  oder  längeres  Zusammenleben  der  Ge- 
Verletznngen  ist  ausserordentlich.  Ein  Schädel  schlechter,  keine  Ehe.  Die  Kinder  bleiben  bei  der 
zeigte  einen  vollkommen  vernarbten  Riss,  das  Loch  Mutter,  bis  sie  selbständig  Früchte  erhaschen,  eine 
von  einem  knochenharten  Knorpelwulst  umgeben.  Ratte  oder  Schlange  fangen  können,  dann  verlie- 
Die  Apatsches  haben  keine  anderen  Aerzte  als  die  ren  sie  »ich  unter  der  Horde.  Meist  werden  sie 
Natur.  Heilkräuter  fand  er  bei  ihnen  nicht,  aber  bis  ins  dritte  Jahr  von  der  Mutter  gesäugt.  Die 
auch  keine  Kranken.  Die  Haut  ist  gelb  bis  roth-  Vermehrung  ist  schwach,  selten  rascher  als  in  drei- 
braun,  wie  die  vom  Sonnenstich  getroffene  Haut,  jährigen  Zwischenräumen,  und  erlischt  sehr  früh 
und  aaaser  dem  Kopfe  ganz  unbehaart;  ihre  leder-  bei  den  Frauen.  Das  Alter  ist  schwer  zu  schätzen, 
artige  Dicke  scheint  ein  Ersatz  der  Kleidung  zu  denn  sie  selbst  kennen  kaum  den  Begriff  des  Jah- 
sein.  Nur  wenn  sich  bei  der  Beute  eine  Decke  oder  re®,  viel  weniger  denken  sie  ans  Zählen  derselben, 
ein  Kleidungsstück  findet,  wird  es  als  Triumph-  Wie  die  Kranken  ohne  Arzt  zurecht  kommen,  so 
Zeichen  getragen.  Sie  gehen  in  der  brennenden  auch  die  Wöchnerinnen.  Meist  vollzieht  diese  selbst 
Sonne  unbedeckt,  doch  wissen  sie,  wie  die  Pirnas,  die  Trennung  der  Nabelschnur  durch  Zerklopfen 
«ich  mit  klebrigem  Thon  eine  kühle  Kopfbedeckung  derselben  zwischen  stumpfen  Steinen ; und  statt 

Archiv  fQr  Anthropologin,  Bd.  m.  Hott  i j q 


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338  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


der  ersten  Wuscht*  bepudert.  eie  das  Kind  mit 
trocknen)  Sande.  Ist  Jemand  dem  Tode  nahe,  so 
wird  er  abseits  getragen,  ist  die  Horde  auf  der 
Wanderung,  so  bleibt  er  zurück.  Todtenklage 
wird  selten  gehört.  Stirbt  ein  Häuptling  oder 
eine  seiner  Frauen,  so  wird  die  Leiche  in  Haut- 
streifen eingewickelt  und  auf  einem  Bergabhang 
nach  der  Sonuenseite  zu  eingescharrt  und  ein  läng- 
licher Erd-  oder  Steinhügel  darüber  aufgcscbüttet. 
Die  Anschauung,  dass  der  Verstorbene  weiter  lebe, 
dass  ob  anderswo  besser  sein  könne  als  hier,  oder 
eine  Vorstellung  des  grossen  Geistes,  wie  sie  bei 
vielen  Indianern  sich  findet,  ist  nicht  vorhanden. 
Das  einzige  Fest,  welches  sie  feiern,  ist  die  Voll- 
mondsfeier. Dazu  werden  verschiedene  Feuer  an- 
geziindet  und  ein  berauschendes  Getränk  aus  dem 
in  KürbiB9chalen  gährenden  Cactussafte  bereitet. 
Jeder  nimmt  eine  Stellung  nach  seiner  Bequem- 
lichkeit ein,  gewöhnlich  liegend,  und  daun  beginnt 
mit  Mondaufgang  ein  gemeinsames  Geheul;  eine 
Nachahmung  von  Thierstimmen.  Es  wird  begon- 
nen mit  dem  Geschrei  des  frassschnüffaludcn  Coyo- 
ten, ähnlich  doiu  Wimmern  kleiner  Kinder;  dies 
schwellt  an  zum  stärkeren  dumpfen  Geheul  des 
Bluthundes,  dann  folgt  der  heisere  Schrei  der 
Wolfrbyäne;  jetzt  wird  es  lauter  und  lauter,  Alles 
heult  durcheinander,  dass  das  Echo  zurückschallt 
oder  eine  entfernte  Coyotenheerde  antwortet.  Dann 
tritt  plötzliche  Stille  ein,  und  statt  der  wüthen- 
den  Stimmen  der  Bestien  tönt  langgedehnt  und 
gleichgültig  das  alberne  Eselsgoschrci.  Nun  er- 
schallt allgemeines  Gelächter  oder  vielmehr  tönen- 
des Gegrinst*  und  der  Rhythmus  beginnt  von  Neuem, 
die  ganze  Nacht  hindurch  bis  zum  Untergang  des 
Mondes.  Die  Apatscben  haben  keine  Hausthiere, 
die  Thiere  werden  geraubt,  auf  der  Flucht  oft 
schon  wundgeritten  und  verspeist.  Die  Thiere  wer- 
den nicht  geschlachtet,  sondern  lebendig  ausein- 
ander gerissen,  ohne  dass  der  A patsche  dabei 
mehr  an  Grausamkeit  denkt,  als  unser«  Köche,  wenn 
sie  den  Aal  schinden.  Trotz  der  vielen  kräftigen 
Gestalten  giebt  es  auch  verkrüppelte  und  verküm- 
merte, die  beim  Ratibzug  Zurückbleiben  und,  wenn 
die  Nahrung  knapp  wird,  verhungern  oder  nieder- 
gemacht  werden,  wenn  sie  nicht  zu  anderen  Stam- 
men flüchten.  Der  Apatsche  besitzt  keinen  Muth, 
er  kämpft  nur  ans  dem  Hinterhalt.  Er  spricht 
wenig,  und  mehr  in  Geberden  als  in  Lauten.  Kr 
kennt  weder  einen  Gruss  der  Begegnung  noch  des 
Abschieds.  Die  Sprache  ist  wie  die  meisten  ame- 
rikanischen mehr  ein  Sprechen  in  Sätzen  als  in 
Worten;  die  Limte  sind  überwiegend  guttural,  so 
dass  eine  laute  Rede  fast  unmöglich  ist;  auch  ein 
Schnalzlaut  kommt  vor,  ähnlich  dem  am  oberen 
Columbia.  Das  Hülfszeitwort  „sein“  existirt  nicht, 
statt  dessen  dienen  die  Personalprnnomina.  Ihr 
Zählsystem  ist  ein  decimales  und  vielleicht  von 
den  spanischen  Priestern  aus  Apatsche- Wörtern 


gebildet.  Die  auf  einem  Gebiete  von  der  Grösse 
Deutschlands  herumschweifenden  Horden  werden 
auf  etwa  5000  streitbare  Männer  geschätzt;  vor 
50  Jahren  gaben  die  Spanier  noch  die  Zahl  der- 
selben zu  20,000  an. 

Herr  Dr.  Ebers  macht  einige  Bemerkungen 
über  den  frühen  Gebrauch  metallener  Werkzeuge 
bei  den  alten  Völkern,  z.  B.  des  Smirgelbohrer« 
beim  Bau  der  ägyptischen  Pyramiden.  Sodann  er- 
wähnt er,  dass  kupferne  Pfeilspitzen  von  grosser 
Härte  in  Yucatan  unter  Anwendung  von  thierischem 
Mist  beim  Schmelzen  hergestellt  würden,  wie  die 
Römer  sich  zu  solchem  Zwecke  des  Ochsenblutes 
bedienten-  Das  decimale  Zahlsystem  der  Apatscben 
hält  er  für  ein  entlehntes. 

Prof.  Schaaffhausen  bezweifelt  die  letztere 
Ansicht,  indem  das  Decimalsystem  nicht  nur  für 
unsere  fortgeschrittene  Cultur  als  das  bequemste 
sich  erweise,  was  mit  der  Stellung  der  Zahlzeichen 
beim  Rechnen  Zusammenhänge,  sondern  auch,  als 
di©  ursprüngliche  Art  zu  zählen,  tust  bei  allen 
wilden  Völkern  gefunden  werde  und  den  Fingern 
der  Hand  entlehnt  sei.  Nach  Gallatin  zählen 
einige  Völker  Contralamerikas  nicht  wie  die  übri- 
gen Amerikaner  mit  5 oder  10,  sondern  mit  20. 
Kölle  fand,  dass  auch  fast  alle  afrikanischen  Zähl- 
systeme mit  5,  10  oder  20  zählen  uud  dass  die 
Zahlwörter  häufig  von  den  Eigenschaften  der  ein- 
zelnen Finger  genommen  seien,  wie  es  auch  im 
Türkischen  der  Fall  sei.  Auch  die  Eskimo  zählen 
nach  Cranz  mit  den  Fingern.  Selbst  die  römischen 
Zahlzeichen  darf  man  für  die  Finger  der  Hand  hal- 
ten, die  V gleicht  der  ausgespreizten  Hand. 

Geh.  Rath  von  Quast  lenkt  die  Aufmerksam- 
keit auf  die  Fund©  bearbeiteter  Knochen  aus  den 
Höhlen  von  Perigord  und  zweifelt,  dass  die  daran 
befindlichen  Skulpturen  das  ihnen  zugeschriebene 
Alter  batten  und  vom  sogenannten  Urmenschen 
herrührten.  Er  wünscht  eine  genaue  mikroskopi- 
sche Untersuchung,  die  vielleicht  Aufschluss  gebe 
über  die  Werkzeuge,  die  dazu  gebraucht  worden 
seien.  Es  bleibe  der  Verdacht  bestehen,  dass  die- 
selben gefälscht  seien. 

Prof.  Schaaffhausen  berichtet,  dass  diese 
Frage  auch  dem  vorjährigen  anthropologischen 
Congresse  in  Paris  zur  Zeit  der  grossen  Industrie- 
ausstellung, in  der  diese  Sachen  zu  sehen  waren, 
Vorgelegen  habe.  An  dem  hohen  Alter  der  bear- 
beiteten Rennthierknochen  Südfrankreichs  könne 
nicht  gezweifelt  werden,  doch  weiche  er  von  der 
Ansicht  seiner  Faohgenossen  in  der  Schätzung  die- 
ses Alters  ab,  worüber  er  sich  bereits  ausgespro- 
chen habe  (Verh.  des  natnrhist.  Vereins  Bonn  18G6. 
Sitzungsbor.  S.  77),  indem  der  Kunststil  einiger 
dieser  Schnitzereien  unverkennbar  auf  den  Einfluss 
einer  gebildeten  Kunstepoche  sch  Hessen  lasse  und 
die  bekannten  Versuche  wilder  Völker  in  solchen 
Darstellungen  weit  übertreffe.  An  der  Acchtheit 


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* Verhandlungen  wissenschaftlicher  V ersammlungen.  33V) 


der  in  so  grosser  Zahl  gefundenen  geschnitzten 
Kennthierknochen  zu  zweifeln , sei  kein  Grund 
vorhanden,  und  dasselbe  gelte  von  der  auf  fossiles 
Elfenbein  geritzten  Zeichnung  des  Mammuth.  Aber 
einige  der  auf  Steinplatten  geritzten  Zeichnungen 
von  Thierbildern,  die  in  Paris  ausgestellt  waren, 
habe  er  für  gefälscht  gehalten,  weil  eine  genaue 
Betrachtung  den  frischen  Strich  des  ritzenden  In* 
strumentes  habe  erkennen  lassen. 

Zum  Schlüsse  hielt  Prof.  Jacobi  aus  Leipzig 
einen  Vortrag  über  den  Ursprung  des  Namens  der 
Teutonen.  Er  glaubt,  dass  derselbe  von  den  an 
Windungen  reichen  Küsten  von  Mecklenburg, 
Holstein  und  Schleswig,  den  Stammsitzen  der  Teu- 
tonen, hergenommen,  also  topographisch  sei,  und 
sucht  in  vielen  deutschen  Wörtern  und  Ortsnamen 
dio  Wurzel:  tüt  oder  dieth  mit  der  Bedeutung 
von  winden,  drehen  u.  s.  w.  nachzuweisen. 


111.  Bericht  über  den  'internationalen  Con- 
gress  für  Anthropologie  und  vorhistori- 
sche Archäologie  in  Paris  vom  17.  bis  30. 
August  1867.  Nach  dem  Compte  rendu 
de  la  2m*  Session  du  Congrvs  Inter- 
nat etc.  Paris  1868*). 

Ara  17.  Aug.  eröffnet©  A.  de  Lojogperier 
die  Sitzungen  im  Amphitheater  der  Ecole  de  inö- 
decine.  G.  de  Mortillct  legte  im  Aufträge  von 
Percira  da  Costa  Abgüsse  von  menschlichen  Re- 
sten und  verschiedene  Gegenstände  der  Urzeit, 
bearbeitete  Knochen,  Pfeilspitzen  aus  Kiesel,  Stein- 
beile, Thonscherben,  eine  bronzene  Dolchklinge  aus 
Portugal  vor;  sie  stammen  aus  der  Grotte  von  Ce- 
sareda  und  aus  den  Dolmen  von  Alcugulo  und  dem 
Diluvium  von  Arruda.  Pruner-Bey  findet  in  den 
Schädeln  und  Unterkiefern  sowohl  den  dolichoco- 
phalen  als  brachycephalen  Typus;  fünf  Unterkiefer 
zeigen  kein  vorspringendes  Kinn  und  einen  Pro- 
gnathismuB  der  Symphyse.  Peignö-Delacourt 
glaubt,  dass  ein  schwerer  Sandsteinblock  von  un- 
bekannter Herkunft  ein  Kopfabschneider  der  Stein- 
zeit gewesen  sei.  Nach  Longperier  spricht  die 
Kleinheit  des  Lochs  gegen  eine  solche  Bestimmung; 
auch  sei  das  Loch  mit  einem  Metall  gemacht;  er 
hält  den  Stein  für  ein  religiöses  Symbol.  Wie  iu 
Aegypten  die  Form  eines  Beils  das  bieroglypbische 
Zeichen  für  Golf  war,  so  kann  die  vergrösserte 
Form  einer  Stein waffe  im  alten  Gallien  ein  Gegen- 
stand der  Verehrung  gewesen  sein.  Bertrand 
bespricht  das  Denkmal  von  Argenteuil  und  äbn- 


•)  Da  <lcr  zweite  ThtU  des  franxöjiisvlieii  Berichts 
(Compte  rendu  de  la  sesiion  etc.)  über  die  Versammlung 
von  1867  erst  in  diesem  Frühjahr  erschienen  ist,  konnte 
eine  Benchterttiittmig  in  dieser  Zeitschrift  nicht  früher 
nnterooinnicn  werden.  Die  Red. 


liehe  bedeckte  Gänge  in  der  Umgegend  von  Paris. 
Metallene  Gerät  he  lassen  sich,  wenn  sie  neben  den 
steinernen  gefunden  werden,  als  später  eingeführt 
erkennen.  G.  de  Mortillet  bemerkt,  dass  man 
in  Argenteuil,  wie  in  den  Dolmen  und  Grotten 
häufig  durchbohrte  Süsswassermuscheln  (unio)  finde, 
auch  an  den  Feuerstätten  als  Reste  von  Mahlzeiten. 
Hebert  führt  an,  dass  zu  St-Acheul  über  den  in 
Müssen  lagernden  Steinkeilen,  gallisch  - römische 
Gräber  sich  fanden  und  darüber  noch  jetzt  ein 
Kirchhof. 

Am  18.  August  wurde  der  Industrieausstel- 
lung ein  Besuch  gemacht  In  der  Gallerte  für  dio 
Geschichte  der  Arbeiten  wurden  die  in  Frankreich 
gemachten  ältesten  Funde  besichtigt,  das  Skelet 
des  Urs us  spelacus  aus  dem  Museum  von  Toulouse, 
die  Steingeräthe  aus  dem  Diluvium  der  Somme, 
der  Seine,  dio  Funde  von  Perigord  und  den  Pyre- 
näen, die  sogenannten  Kerne  von  Grond-Pressiguy 
aus  der  Zeit  der  polirten  Steine,  Gegenstände  aus 
den  Grabstätten,  die  ältesten  Bronzeaachen  aus  den 
Dolmen,  die  Funde  aus  den  Pfahlbauten  Savoyens, 
die  der  Zeit  der  Metalle  angehören.  Die  engli- 
schen Alterthüraer  erläuterte  Frauke,  Worsaae 
die  dänischen,  zumal  die  Kjökkenmüddings.  Q un- 
tre fag  es  kennt  ähnliche  aber  neuere  Muschelhau- 
fen  an  den  französischen  Küsten.  Es  ist  auffallend, 
dass  die  polirten  Stein-  und  Bronzewaffen  Däne- 
marks in  der  Arbeit  viel  vollendeter  sind  als  die 
anderer  Länder.  Auch  aus  Italien,  Russland,  Spa- 
nien und  der  Schweiz  waren  Sachen  der  Vorzeit 
ausgestellt.  Sodann  wurde  die  Sammlung  altügyp- 
tischer  Schädel  angesehen,  die  der  Vicekönig  den  Pa- 
riser Museen  durch  Herrn  Mariette-Bey  geschenkt 
hat,  darunter  73  Schädel  der  IV.  und  VI.  Dynastie, 
die  anderen  aus  der  XI.,  XVIII.  und  späteren  Dyna- 
stien, sowie  aus  der  Ptolemäischen  Zeit.  Von  den 
10  zu  der  Sammlung  gehörenden  Mumienkasten 
wurde  einer  in  Gegenwart  der  Versammlung  ge- 
öffnet, cs  war  der  eine«  thebaischen  Priesters  der 
XXII.  Dynastie.  Unter  dem  rothen  Grabtuch  um- 
gab die  oberste  Lage  von  Binden  176  mal  die 
Mumie,  daun  folgte  ein  zweites  Grabtucb  mit  einer 
Inschrift,  welche  sich  auf  den  Gebrauch  der  Lein- 
wand bezog,  darunter  lag  eine  zweite  Schicht  von 
Binden,  unter  welchen  (Jompressen  lagen,  eine 
dritte  Lage  von  Querbinden  bedeckte  die  Haut, 
von  dieser  durch  eine  Lage  Bitumen  getrennt.  Die 
einzigen  Zierrathen  waren  eine  kleine  Schnur 
blauer  Glasperlen,  ein  Stück  Rinde  mit  zwei  dar- 
auf gezeichneten  Figuren,  vor  dem  Halse  liegend 
und  darunter  eine  Blume  des  Nelumbium. 

Am  19.  August  besichtigte  die  Versamm- 
lung die  anthropologische  Abtheilung  des  Museums 
im  Pfl  ad  zengarten  unter  Führung  des  Dr.  Pruner- 
Bey.  Dieser  weist  auf  dio  Achnlickkeit  des  En- 
gisschädels  mit  einem  weiblichen  Celtenschädel 
hin  und  findet  in  dem  Unterkiefer  von  Moulin- 

43* 


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340  V erhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


Qnignon  den  ligurischen  Typus.  Er  zeigt  3 Esthen- 
schädel,  von  denen  2 die  grösste  LVbercinstim- 
mung  mit  den  ältesten  Schädeln  Westeuropas  zei- 
gen. De  Quatrefages  legt  polirte  Steingeräthe 
aus  Japan  vor.  De  Longperier  sagt,  dass  noch 
heute  die  Japaner  sich  derselben  bedienten;  dort 
wie  in  Mexico  habe  das  Steinalter  noch  nicht  auf* 
gehört,  die  Mexicanerinnen  schneiden  den  Faden 
statt  mit  der  Scheere  mit  dem  Obsidianmesser 
durch.  Unter  den  fossilen  Knochen  der  quaternä- 
ren Fauna  von  Paris  macht  A.  Gaudry  aufmerk- 
sam auf  den  cervus  canadensis,  den  dem  afrikani- 
schen ähnlichen  hippopotamus , das  Rennthier  und 
ein  Pferd,  welches  grösser  ist  als  das  heutige 
wilde  Pferd.  Zwischen  den  Knochen  der  quater- 
nären Fauna  wurden  Kieselgerftthe  gefunden  von 
der  Form  der  von  St  Acheul. 

In  der  Abendsitzung  vom  19.  August  ge- 
denkt C.  Vogt  zuerst  der  Gründuog  diese«  inter- 
nationalen Congresses,  der,  vor  zwei  Jahren  von  eini- 
gen Mitgliedern  der  in  Spezzia  abgehaltenen  Ver- 
sammlung italienischer  Naturforscher  verabredet, 
s*  ine  erste  Vereinigung  im  vorigen  Jahre  in  Neu- 
chatel  unter  dem  Vorsitze  Desor’s  hielt.  Er  schil- 
dert die  Entwicklung  der  neuen  anthropologischen 
Forschung  und  vergleicht  sie  einem  Kinde,  dessen 
Geschrei  Vielen  lästig  fällt.  Diese  Wissenschaft 
sei  noch  nicht  fertig,  sondern  im  Kampfe  begriffen. 
Die  Sicherheit  ihres  Sieges  liege  in  der  Genauig- 
keit ihrer  Beobachtungen,  in  der  Wahrheit  ihrer 
Berichte,  in  der  strengen  Folgerichtigkeit  ihrer 
Schlüsse.  Er  zeigt,  wie  alle  Zweige  der  Natur- 
wissenschaft, aber  auch  Geschichte  und  Sprachfor- 
schung für  die  Anthropologie  unentbehrlich  seien. 
Wie  Materie  und  Kraft  sich  als  unzerstörbar  er- 
wiesen hätten  und  nur  unaufhörlich  sich  verwan- 
delten, so  geschehe  es  auch  in  der  geistigen  Welt. 
Die  Götter  sterben  nicht  plötzlich,  sie  nehmen  nur 
andere  Gestalten  an.  Die  Spuren  der  ursprüng- 
lichen Rohheit  des  Menschen  erkenne  ein  geübtes 
Auge  noch  in  der  civilisirten  Gesellschaft.  Nichts 
sei  unveränderlicher  als  der  häusliche  Herd,  als 
die  lebendige  Ueberlieferung  von  Sitten  und  Ge- 
bräuchen. Es  sei  leichter,  die  Regierung  eines 
Landes  zu  ändern,  als  den  Herd  in  der  Küche  an 
eine  andere  Stelle  zu  setzen. 

E.  Dupont  schildert  die  quaternären  Schielst 
ten  der  Provinz  Namur,  die  älteste  ist  ein 
Flussgeschiebe,  dessen  Ablagerung  wohl  mit  den 
(iletEchern  der  Vorzeit  zusammenhängt,  darüber 
liegt  ein  Thon  mit  eckigen  Steintrümmern  und 
den  Knochen  des  Rennthiers,  und  darüber  Lehm. 
Während  der  Thalbildung  bewohnte  die  Fauna 
des  Mammuth  das  Land,  sie  besteht  aus  etwa  50 
Sauguthierarten.  Vom  Menschen  sind  im  trou  de 
la  Na  ulet  te  ein  Unterkiefer  und  ein  Cubitus  vor- 
handen. Die  Kieielgeräthe  haben  die  Form  derer 
von  Saint- Acheul ; später  erscheinen  geschnitzte 


Knochen,  denen  von  Perigord  ähnlich.  Mit  dem 
Rennthier  werden  nur  rohe  Kieselmesser  gefunden. 
Dieser  Zeit  gehört  die  Begräbnisstätte  in  der 
Höhle  von  Frontal  an.  Auf  die  Rennthierzeit 
folgt  die  der  polirten  Steine.  G.  Pouch  et  glaubt, 
dass  der  Mensch  oft  Ursache  de«  Verschwindens 
gewisser  Thiere  gewesen;  zur  Zeit  der  Römer  lebte 
das  Nilpferd  noch  im  Nildelta,  jetzt  nur  noch  in 
Nubien.  Mortillet  erinnert  an  klimatische  Ver- 
änderungen aU  Ursache  der  Auswanderung ; Gemse 
und  .Steinbock  bewohnten  Perigord  in  Höhen  von 
100  hie  150  Mot.,  jetzt  ist  es  nicht  möglich,  diese 
Thiere  in  Chambery  und  Annecy,  die  300  bis  450 
Met.  hoch  liegen,  einheimisch  zu  machen.  Nilsson 
führt  an,  dass  das  Rennthier  der  Torfmoore  Skandi- 
naviens und  das  der  Lappen  verschieden  sind,  das 
letztere  stammt  aus  Finnland.  Quatrefages  be- 
merkt, dass  nach  Pallas  das  Rennthier  im  vorigen 
Jahrhundert  bis  an  die  Küste  des  Caspischen  Mee- 
res kam;  das  Ausrotten  der  Wälder  hat  seine  Ver- 
breitung nach  Süden  beschränkt.  Vogt  sagt,  dass 
das  wilde  Rennthier  kleiner  sei  als  das  gezähmte, 
auch  das  der  Samojeden  sei  grösser  und  von  an- 
derer Farbe  als  das  der  Lappen.  Bourgeois  be- 
richtet über  den  Fund  roher  Kieeelwerkzeuge  mit 
Spuren  des  Feuers  aus  tertiären  Schichten  von 
Theuay:  uud  über  Einschnitte  von  Menschenhand, 
die  Delannay  auf  Rippen  und  einem  Humerus  de« 
Halitherium  entdeckt  hat  A.  Issel  legt  mensch- 
liche Reste  und  Alterthümer  aus  Ligurien  vor,  des- 
sen Bewohner  Nicolucci  für  von  der  arischen 
Familie  verschieden  erklärt  hat.  Der  erste  falsche 
Backzahn  eines  Oberkieferstückee  aus  pliocenem 
Thon  hat  zwei  Wurzeln;  seine  Richtung  deutet  auf 
Prognathisro.  In  der  Grotte  von  Verezzi,  welche 
Knochen  der  poetplioccnen  Zeit  enthielt,  verriethen 
aufgeschlagene  Röhrenknochen  von  Pflanzenfres- 
sern und  Kohlen  die  Spur  des  Menschen.  Die 
Höhle  von  Menton  ist  reich  an  Steinwerkzeugen ; 
die  von  Finale  enthielt  Menschenknochen,  die  ge- 
brannt und  mit  Kohlenstückchen  zusammengekittet 
waren;  dabei  grobe  Topfarbeiton , aus  der  Hand 
geformt.  Ein  doppel schneidiges  Beil  aus  grünem 
Porphyr  aus  der  Gegend  von  Nizza  ist  ganz  gleich 
solchen,  die  in  Dänemark  gefunden  sind.  Die  auf 
dem  Felde  in  Ligurien  häufigen  Steinbeile  sind 
meist  aus  serpeutinartigem  Gestein.  Der  Gebrauch 
der  Metalle  ist  hier  erst  in  historischen  Zeiten 
durch  die  Gallier,  Etrusker  und  Römer  eingeführt 
worden.  Boyd  Dawkins  sendet  eine  Abhaudlung 
ein,  worin  die  Orte  angegeben  sind,  wo  in  Eng- 
land Spuren  des  Menschen  und  Knochen  ausge- 
storbener  Thiere  in  der  postglacialen  Zeit  zusam- 
men gefunden  worden  sind,  wie  in  den  Kiealagern 
von  Bedford,  im  Flussbett  der  Themse,  in  der 
Kentshöhle,  in  der  von  Wookey.  Marion  schil- 
dert die  quaternäre  Fauna  der  Provence.  Die 
Thiere  des  Nordens  werden  hier  durch  solche  ver- 


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341 


Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


treten,  die  auf  ein  wärmeres  Klima  denten.  Das 
Rennthier  fehlt.  In  der  Höhle  von  Rigabe  finden 
sich  durchbohrte  und  eingeechnittene  Knochen  von 
Wiederkäuern  mit  Retten  der  hyäna  crocuta,  rhi- 
noceros  Merkii,  felis  spelaea,  sus  scrofa,  bos  primig. 
cervnB,  equue  und  lepus  cunic.  Dieser  letzte  diente 
den  Menschen  vorzugsweise  zur  Nahrung.  J.  Des- 
noyer  zeigt  die  Photographie  eines  Stückes  Rohr- 
geflecht, welches  im  Schwemmland  von  Louisiana 
unter  den  Resten  des  fossilen  Elephanten  gefun- 
den wurde.  Schon  Koch  hat  1857  im  Torf  des 
Missuri  angebranntc  und  eingeschnittenc  Knochen 
des  Mastodon  nebst  Steingeräthen  gefunden.  Je- 
nes Rohrgeflecht  wurde  auf  der  Insel  Petite-Anse 
14  Fuss  tief  mit  Stein  Waffen  und  Geräthon  aus 
Holz  gefunden,  wahrscheinlich  Ueberreste  der  Aus- 
beutung des  in  der  Tiefe  vorkommenden  Salzlagen. 
W.  P.  Blake  erwähnt  der  zahlreichen  Steinwerk- 
zeuge, die  mit  Mammuth-  und  Mastodontenknocben 
in  dem  goldführenden  Schwemmlande  Californiens 
Vorkommen;  es  sind  Mörser  und  Stöaser,  G t* fasse 
in  der  Form  grosser  Löffel,  Speer  und  Pfeilspitzen, 
Ringe  von  Stein  u.  a.  Diese  Dinge  sind  mit  einer 
Lavaschicht  bedeckt. 

ln  der  Sitzung  vom  20.  August  berichtet 
Reboux,  dass  in  den  Sand-  und  Kiessohichten  von 
Paris  die  roh  herausgeschlagenen  Kiesclgeräthe 
am  untersten,  die  feiner  gearbeiteten  in  der  Mitte, 
die  polirten  an  der  Oberfläche  Vorkommen,  auch 
schliesst  er  aus  den  Funden,  dass  die  ältesten  Be- 
wohner an  den  Flüssen  wohnten.  Mit  den  rohen 
Kieselwaffen  sollen  Pferd  und  Elephant,  mit  den 
feineren  der  Ochs,  mit  den  polirten  da»  Rennthier 
gleichzeitig  sein.  Roujou  bestreitet  diese  Anga- 
ben. In  den  qnaternären  Schichten  von  Paris  kom- 
men niemals  polirte  Kieselgeräthe  vor,  mit  diesen 
erscheinen  die  gezähmten  Thiere;  das  Rennthier 
lebte  zu  dieser  Zeit  nicht  mehr  in  Frankreich. 
Auch  Worsaae  will  nur  rohe  und  polirte  Kiesel- 
waffen unterscheiden.  E.  Lar t et  verwirft  die 
von  Reboux  gegebene  Reihenfolge  der  fossilen 
Thiere.  Martin  und  Leguay  geben  an,  dass  die 
Kieselgeräthe  oft  auf  dem  Blocke  seihet  ausgear- 
beitet und  dann  von  ihm  getrennt  wurden.  Et.  de 
Rossi  sendet  eine  Mittheilung  ein  über  die  Vor- 
zeit der  römischen  Carapagna.  In  der  quaternären 
Zeit  wohnte  der  Mensch  hier  in  der  Nähe  der  Ge- 
birge, aber  nicht  in  der  Ebene;  daher  die  im  Dilu- 
vium gefundenen  Gegenstände  um  so  mehr  Spuren 
der  Rollung  zeigen,  je  ferner  vom  Gebirge  sie 
gefunden  werden.  Die  Fundstätten  von  Steinwaf- 
fen  sind  zahlreich;  in  der  Nähe  der  polirten  Werk- 
zeuge finden  sich  auch  die  Rochenzähne , von  den 
Alten  glosaopetrae  genannt.  In  der  Heilquelle  von 
Vicarello  hat  man  in  chronologischer  Ordnung  die 
als  Opfer  hineingeworfenen  Gegenstände,  Münzen 
der  Kaiserzeit,  der  Republik,  rohes  Erz,  endlich 
rohe  Gerätho  aus  Kiesel,  der  der  Gegend  fremd 


ist,  aufgefunden.  Br uschi  hat  bei  Cometo  in 
etruskischen  Gräbern  Paalstäbe  aus  Bronze  gefun- 
den. Derselbe  Fund  wurde  an  anderen  Orten  ge- 
macht. Man  darf  schliessen,  dass  Gelte,  Paalstäbe 
und  Kieselmeescr  bei  den  Etruskern  zu  religiösen 
Zwecken  in  Gebrauch  blieben.  An  den  Denkma- 
len der  Eisenzeit , die  man  unter  vulkanischen 
Aschen  des  Alhanergebirges  gefunden,  zeigt  sich 
der  etruskische  Einfluss.  Kürzlich  hat  man  wieder 
am  Berge  Crescenzio  unter  einer  Peperinschichte 
Todtenurnen,  die  in  einer  gewissen  Ordnung  stan- 
den, ausgegraben,  lu  den  Urnen  standen  thönerne 
Aschengefässe  von  der  Form  einer  Hütte.  Allmäh- 
lich verliert  eich  der  etruskische  Stil  und  es  folgen 
römische  Gefaeae.  De  Vogue  legt  ein  Beil  und 
einen  Hammer  aus  Feuerstein  und  eine  durch- 
bohrte Muschel  vor,  die  bei  Bethlehem  gefunden 
sind.  In  Syrien  giebt  es  Grotten,  die  noch  von 
den  Hirten  bewohnt  sind.  Diese  Gegenden,  deren 
Coltnr  2 bis  3 Jahrtausende  älter  ist  als  die  an- 
derer Länder,  hatten  auch  ihr  Steinalter,  und, 
wiewohl  die  Kenntniss  der  Metalle  in  eine  sehr 
frühe  Zeit  zurückreicht,  erhielt  sich  in  religiöseu 
Gebräuchen  das  Andenken  an  dasselbe.  In  Palä- 
stina wurde  die  Beechneidnog  mit  einem  Feuerstein- 
messer geübt,  Jos.  V,  2,  in  Aegypten  der  Einschnitt 
in  die  Leiche  heim  Einhalaamiren  mit  dem  äthio- 
pischen Stein  gemacht.  In  Assyrien  fand  man  in 
den  Fundamenten  des  Palastes  von  Korsabad 
Kieselmesser  mit  anderen  Amuletten.  Die  aus  gros- 
sen unbehauenen  Steinen  errichteten  Denkmale  der 
Hebräer  in  Judäa  scheinen  eine  Ueberlieferung  der 
ältesten  Vorzeit  zu  sein.  Ghabas  sagt,  dass  man 
in  Leyden  einen  äthiopischen  Stein  aufbewahre, 
er  ist  polirt  und  hat  die  Gestalt  des  Halbmonds. 
L.  Lartet  bezieht  sich  auf  seine  1864  mit  dem 
Herzog  von  Luynes  nach  Syrien  gemachte  Reise; 
in  den  Grotten  von  Nahr-el-Kelle  fanden  sie  Feuer- 
stätten, zerbrochene  und  calcinirte  Knochen  und 
Kieselgeräthe,  ähnlich  denen  von  Perigord;  die 
Knochen  sind  aber  von  dort  oder  in  der  Nähe  noch 
lebendeu  Thieren,  z.  B.  Damhirsch,  Steinbock,  An- 
tilope und  Ziege.  Ed.  Lartet  gedenkt  eines 
Steinbeils,  welches  Taylor  von  Babylon  gebracht 
A.  de  Longperier  bemerkt,  dass  der  Palast  von 
Korsabad  im  8.  Jahrhundert  vor  Christ,  gebaut 
sei,  und  dass  man  unter  den  grossen  Stierbildern 
Schmucksachen  aus  edlen  Steinen,  Skarahäen  mit 
phönizischer  Inschrift  und  zwei  Kieselmesser  ge- 
funden habe.  Worsaae  führt  an,  dass  man  in 
der  Sahara  Beile  aus  Feuerstein  und  Bronze,  den 
europäischen  ähnlich,  finde.  Mortillet  sagt,  dass 
die  Bewohner  der  Insel  Elba  Pfeilspitzen  aus  Kie- 
sel, in  Silber  gefasst  als  A malet  tragen  und  dass 
auch  die  Römer  diesen  Aberglauben  kannten. 
Jo  ly  theilt  mit  dass  man  in  einem  Grabhügel  in 
Flandern  sechs  Steinbeile,  im  Kreise  um  das  Grab 
gestellt,  gefunden  habe.  De  L*stic  Bucht  die  An- 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


sicht  su  begründen,  dass  der  Mensch  lange  vor 
dem  Rennthier  in  der  Höhle  von  Bruniquel  erschie- 
nen sei.  Schlagintweit-Sakünlünski  richtet 
folgende  Mittheilungen  an  den  Congress:  die  ein- 
geborenen Stämme  Indiens  zeigen  manche  Ueber- 
einstimmung  mit  deu  vorhistorischen  Uacen  Euro- 
pas, und  verdienen  in  dieser  Beziehung  eine  ge- 
nauere Untersuchung  ihrer  physischen  Constitution. 
Er  verweist  auf  die  photographischen  und  plasti- 
schen Darstellungen  derselben  und  den  7.  Band 
der  Results  of  a seien  tif.  miss,  to  India  and  High- 
Asia.  Der  orientalische  Nephrit  wird  nicht  nur 
in  China,  sondern  auch  in  dem  Künlün,  der  dritten 
Bergkette  Hochasiens,  gefunden;  int  Bruche  ist  er 
weich  und  wird  erst  hart  an  der  Luft.  Die  Glet- 
scher Hochasiens  reichen  bis  zur  Isotherme  von  8 
bis  9°  herab,  während  sie  iu  den  Alpen  nur  bis 
61/*  hinabgehen. 

Am  21.  AugUBt  machte  die  Versammlung 
dem  unter  Direction  von  H.  Bertrand  stehenden 
Museum  in  St.  Germain  einen  Besuch,  dessen  rei- 
cher Inhalt  und  musterhafte  Anordnung  den  all- 
gemeinsten Beifall  fanden.  In  der  Abendsitzung 
sprach  Ed.  Lartet  über  die  Höhlen.  In  einigen 
trifft  man  die  ganze  Dilnvialfauna  an;  in  anderen 
sind  mehrere  dieser  Thierc  verschwunden,  aber  das 
Rennthier  findet  sich  in  grösster  Menge,  die  Ar- 
beiten von  Menschenhand  zeigen  grosse  Fortschritte, 
einige  sind  wahre  Kunstwerke;  eine  dritte  Art  von 
Höhlen  enthält  nur  Knochen  von  Hausthieren, 
zahlreiche  Thonscherben,  die  Steingeräthe  sind  po- 
lirt.  Schon  Homer  erwähnt  der  Grotten  als  Zu- 
flucht der  Menschen;  skandinavische  Sagen  erzäh- 
len, dass  die  Menschen  am  Eingang  ihrer  Höhlen 
seufzten  während  des  Krieges  der  Götten  Die 
Stein  Werkzeuge  des  Diluviums  sind  oft  ganz  gleich 
denen  der  Höhlen.  Die  Höhle  von  Baume  enthält 
Reste  einer  tertiären  Fauna,  aber  keine  Spur  des 
Menschon.  Vor  der  Eiszeit  war  keine  Höhle  vom 
Menschen  bewohnt.  Desnoyers  sagt,  dass  die 
meisten  Höhlen  im  Kalkgebirge  die  durch  das 
\V  asser  erweiterten  Risse  des  Gesteins  seien.  Die 
Ausfüllung  der  Höhlen  kann  durch  Raubthiere  und 
das  Wasser  geschehen  sein;  in  diesem  Fall  können 
Reste  ausgestorbener  Thicre  mit  römischen  Altur- 
thümern  zusammenliegen.  Oder  der  Mensch  selbst 
hat  den  Inhalt  der  Höhlen  zusammengehäuft,  grosse 
Rollsteine,  z.  B.  aus  dem  100  Mut.  tiefen  Thalgrund 
heraufgebracht,  die  ihm  zum  Kochen  des  Wassers 
dienten.  Dr.  Charvet  berichtet  über  dio  Höhle 
La  BuiRse  bei  Grenoble;  sie  enthält  Stein-  und 
Knochengerüthe  und  zahlreiche  Menschenreste  von 
jungen  Leuten.  Die  Schädel  sind  von  den  heuti- 
gen nicht  sehr  verschieden ; an  einem  sind  die 
StirnwulBte  stark  vortretend.  Auffallend  ist  die 
grosse  Dicke  der  meisten  Schädelknochen , ein 
Schädel  ist  in  hohem  Grade  brachycephal.  Die 
Zähne  einiger  Unterkiefer  sind  stark  abgeschliffen, 


der  innere  Rand  der  Kronen  steht  vor;  die  Kiefer 
sind  nicht  prognath.  Die  Muskelansätze  des  Schä- 
dels sind  wenig  entwickelt,  dagegen  die  der  Glie- 
der stark  vortretend;  so  die  des  deltoideus  an  einem 
humerus,  die  fossa  ul  ec  ran  i ist  durchbohrt.  Nach 
Cruveilhier  kommt  diese  Eigenthümlichkeit  zu- 
weilen, nach  Meckel  ziemlich  häufig,  nach  Sap- 
pey  häufig  bei  der  weissen  Rare  vor.  Ist  sie  ein 
Merkmal  niederer  Race,  da  sie  beim  Neger  öfter 
sich  findet?  An  einem  Radius  zeigt  sich  ein  viel 
bezeichnenderes  Merkmal  niederer  Organisation; 
es  ist  nämlich  die  runde  Vertiefung  der  Gelenk- 
fläche des  Köpfchens  vom  Radius  nicht  kreisrund, 
sondern  oval,  das  deutet  auf  eine  weniger  freie  Ro- 
tation des  Vorderarms.  Vom  Affen  an  zeigt  sich 
in  der  Reihe  der  Vierfüsser  diese  Bildung  zuneh- 
mend, weil  sie  der  eingeschränkteren  Bewegung 
dieser  Gliedmasse  entspricht.  War  die  Grotte 
eine  Grabstätte,  birgt  sie  Reste  der  Anthropophagie 
oder  eines  Menschenopfers?  Ein  polirter  Stein  hat 
die  Form  eines  Halbmonds,  ein  menschlicher  Schä- 
delknochen ist  wie  ein  Löffel  ohne  Stiel  gearbeitet 
Maury  glaubt,  dass  man  früher  die  Höhlen  be- 
wohnt und  erst  späterhin  als  Begräbnissorte  be- 
nutzt habe.  Dies  bezweifelt  Vogt,  der  daran  er- 
innert, dass  es  Wilde  gebe,  die  mit  ihren  Todten 
in  derselben  Hütte  wohnen.  Broca  sagt,  dass 
dicke  Knochen  an  alten  Schädeln,  z.  B.  denen  der 
Dohnen,  häufig  seien;  auch  habe  er  gefunden,  dass 
die  Durchbohrung  der  fossa  olecrani  in  alten  Zei- 
ten häufiger  gewesen.  Von  130  Armknochen  des 
südlichen  Kirchhofs  von  Paris  seien  4'/t  Proc.,  in 
der  Höhle  von  Orrouy  seien  von  32  dem  Bronze- 
alter  angehöri gen  8 durchbohrt;  in  diesem  Falle 
sei  es  vielleicht  ein  Merkmal  der  Familie  gewesen. 
Im  Museum  von  Paris  hat  kein  Negerskelet  die 
Durchbohrung  de«  brachium,  die  bei  Hottentotten 
und  Guanchen  gewöhnlich  sei.  Das  Zeichen  habe 
keine  Bedoutung  für  den  Grad  der  Organisation, 
auch  einigen  Affen  fehle  es.  Hamy  führt  an,  dass 
nach  Dupont  an  Oberarmknochen  aus  der  Renn- 
thierzeit 30  Proc.  und  an  solchen  aus  der  Stein- 
zeit von  Grenelle  von  7 nach  Martin  2 durch- 
bohrt waren.  An  den  Knochen  von  Argenteuil, 
von  Vaurcal,  von  Orrouy  waren  es  25  Proc. 
Nach  Sau  vage  gaben  dagegen  die  Skelete  einer 
Grabstätte  aus  dem  17.  Jahrhundert  nur  4,6  Proc. 
Hamy  weiss  keine  Erklärung  für  diese  Erschei- 
nung; er  erwähnt  noch  eines  Negerskcleta  im  Mu- 
seum Orfila,  dessen  beide  hnmerus  weit  durch- 
bohrt sind.  De  Lastic  theilt  mit,  dass  man  in 
einer  Höhle  unter  den  Rennthierknochen  eine 
weisse  pulverige  Masse  gefunden  habe,  die  sich  als 
kohlensaurer  und  phosphorsaurer  Kalk  erwies,  also 
von  einer  Verbrennung  von  Knochen  herrührte. 
Verbrannte  man  damals  schon  die  Todten?  A.  Steu- 
del  erzählt  den  Fund  zahlreicher  Rennthierkno- 
chen bei  Schusaenried;  sie  sind  frisch  zerschlagen, 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


dabei  finden  sich  Reste  des  Vielfrass  und  des  Eis- 
fuchs, rohe  Werk seu ge  aus  Knochen,  z.  B.  Pfeifen, 
ans  Phalangen  gemacht,  auch  Kügelchen  eines  ro- 
then  Farbstoffs;  die  Moose  hat  Schimper  als  ark- 
tische erkannt,  es  sind  hypnum  sarmentosum  und 
aduncum,  die  auch  in  der  Schweiz  jetzt  nicht  Vor- 
kommen. In  Stuttgart  ist  ein  ganzes  Skelet  des 
Rennthiers  von  hier  aufgestellt-  Desor  bezeichnet 
die  Gegend  des  Fundes  als  die  Endmoraine  des 
grossen  Rheingletschers;  die  gestreiften  Kiesel  be- 
weisen die  Gegenwart  eines  Gletschers.  Mit  dem 
Zurückweichen  der  Gletscher  wird  der  Mensch  und 
das  Rennthier  hier  erschienen  sein. 

In  der  Sitzung  am  22.  August  berichtet 
Pruner-Bey,  dass  er  den  humerns  einer  Negerin 
besitze,  der  weit  durchbohrt  sei.  Diese  Eigentüm- 
lichkeit komme  auch  bei  den  Bewohnern  von  Peru, 
Bolivia  und  Mexico,  sowie  den  Calmukken  vor. 
Pruner-Bey  bemerkt  an  den  von  Issel  vorge- 
legten Kieferstücken,  die  kleinen  und  kurzen  Al- 
veolen, und  die  doppelte  Wurzel  des  ersten  Premo- 
laren  im  Oberkiefer,  die  einfachen  Nähte  der  Schä- 
delbruchstücke, das  alles  deute  auf  den  ligurischen 
Typus;  auffallend  sei  die  starke  Rückwärtsneigung 
des  spitzen  KronenfortEatzes  am  Unterkiefer.  Vogt 
bezweifelt  doch  die  Gleichzeitigkeit  dieser  Reste 
mit  der  pliocenen  Schicht,  in  der  sie  gefunden 
soien,  dasselbe  gelte  von  dem  bei  Florenz  durch 
Cocchi  gefundenen  Schädel.  Cotteau  giebt  Werk- 
stätten für  Kieselgeräthe  an  der  Yonne  an.  Hier- 
auf werden  einige  Angaben  von  Spuren  des  t’anni- 
balismus  in  der  Vorzeit  besprochen,  die  aber  alle 
zweifelhaft  erscheinen.  Vogt  unterscheidet  den 
religiösen  Cannibalism  von  dem,  zu  welchem  die 
Noth  zwingt.  Longperier  mahnt  zur  Vorsicht 
im  Urthei).  Die  Eroberer  hätten  den  unterworfe- 
nen Völkern  solche  Dinge  nachgesagt.  Von  den 
Aymaras  hätten  die  Incas  behauptet,  sie  gingen 
auf  allen  Vieren.  Rroca  sagt,  auf  Tahiti  habe  der 
König  das  Recht  gehabt,  das  Auge  der  Geopferten 
zu  essen;  der  erste  Name  der  Königin  Pomare: 
AYmata  bedeute:  „ich  esse  das  Auge“.  Er  sah  ein 
menschliches  Femur  aus  den  Schweizer  Pfahlhaufen, 
in  welchem  die  Markhöhle  vergrössert  und  wie  mit 
einem  Instrument  ausgetieft  war.  Longperier 
glaubt,  dass,  wenn  rann  au9  Menschenknochen  ein 
Werkzeug,  z.  B.  eine  Flöte  gemacht  habe,  dies 
noch  nicht  die  Anthropophagie  beweise.  Nach 
Worsaae  fehlen  sichere  Beweise  für  Authropoplia- 
gie  in  Dänemark.  Doch  erwähnt  er  des  Fundes 
angebrannter  und  nicht  gebrannter  Knochen  aus 
einem  Dolmen,  die  Spring  in  derselben  Weise 
zerschlagen  fand,  wie  die  von  Chauvaux.  Clement 
meint,  dass  an  den  durchbohrten  und  bearbeiteten 
Knochen  von  St.  Aubin  die  Bruchstellen  abgenagt 
seien  und  dass  ihre  Lagerung  gerade  unter  dem 
Fugssteg  des  Pfahlbaues  dafür  spreche,  dass  sie 


vom  Fleische  befreit  senkrecht  in  das  Wasser 
hiuabgefallen  seien. 

Am  23.  August  besichtigte  ein  Theil  der 
Mitglieder  des  Congresses  unter  Führung  von  Le- 
gnay das  megalithische  Monument  von  Argenteuil, 
das  er  erst  im  Januar  entdeckt  hat  Es  ist  ein 
bedeckter  Gang,  dessen  Seiten  mauern  von  kleinen 
Steinen  trocken  au/geführt  sind;  die  Decke  wird 
von  rohen  Steinplatten  gebildet  Man  fand  darin 
5 fast  ganz  erhaltene  dolichocephalo  Schädel,  man- 
cherlei rohe  und  polirte  Kieselgeräthe  zum  Theil 
noch  mit  den  Griffen  aus  Hirschhorn.  Das  Monu- 
ment ist  vor  gänzlichem  Einsturz  geschützt  und 
vom  Staate  angekauft.  In  der  Sitzung  vom 
23.  August  spricht  A.  Bert  ran  d über  die  raegali- 
thischen  Monumente  und  bezeichnet  ihre  Verbrei- 
tung. Sie  sind  Grabmäler  und  finden  sich  meiert, 
zuraal  in  Frankreich,  nur  an  den  Küsten  und  den 
Ufern  grosser  Flüsse.  Sie  enthalten  gewöhnlich 
polirte  Steingeräthe ; die  grössten  und  schönsten 
in  Dänemark,  England  uud  Frankreich  enthalten 
keine  Bronze;  diese  findet  sich  aber  in  den  kleine- 
ren Bauten  dieser  Art  im  südwestlichen  Frankreich. 
In  Afrika  gehören  sie  fast  alle  dem  Zeitalter  der 
Bronze,  selbst  des  Eisens  an.  Maury  legt  Zeich- 
nungen zu  den  Forschungen  Squiers  in  den  Chul- 
pas  von  Fern  vor.  Ph.  Lalande  legt  eine  Karte 
vor  über  die  Monumente  der  Correze  und  des  Can- 
tal,  und  giebt  eine  Beschreibung  derselben.  Pe- 
reira  da  Costa  sendet  einen  Bericht  ein  über  die 
Funde  aus  der  Urzeit  Portugals.  In  den  unter- 
sten Schichten  der  quaternären  Ablagerungen  sind 
rohe  Kieselgeräthe  vielfach,  aber  keine  Reste  des 
Menschen,  der  Thier-  und  Pflanzenwelt  gefunden. 
Nur  in  einer  Höhle  wurden  zahlreiche  menschliche 
Kieferstücke,  die  auf  Prognäthismus  deuten  und 
ein  Schädel  ans  Licht  gebracht.  Im  Jahre  1734 
zählte  ein  Schriftsteller  315  Antas  oder  Dolmen 
in  Portugal,  P.  da  Costa  konnte  nur  39  ausfindig 
machen.  Die  vorgeschichtlichen  Funde  von  Bronze 
sind  w'enig  zahlreich;  die  menschlichen  Uebcrreste 
scheinen  auf  zwei  Racen  zu  deuten,  von  denen 
eine  prognath  war.  De  Longucmar  lässt  eine 
Karte  des  Dep.  der  Vienne  vorlegen,  auf  der  77 
megalithische  Deukmale  verzeichnet  sind.  E.  Car- 
tailhac  giebt  ein  Verzeichnis»  derselben  Monu- 
mente in  Aveyron.  Ob  die  jetzt  frei  stehenden  mit 
Erde  früher  bedeckt  waren,  ist  nicht  zu  entschei- 
den. Inschriften  finden  Bich  nicht,  vielleicht  hat 
das  Wetter  sie  vernichtet.  Die  Todten  sind  zu- 
weilen sitzend  beigesetzt;  oft  finden  sich  in  einem 
Dolmen  bis  20  Skelete,  Männer,  Frauen  und  Kin- 
der, meist  in  einem  ganz  zerstörten  Zustande.  Po- 
lirte Steinbeile  finden  sich  fast  ni«  in  diesen  Grä- 
bern , sondern  grobe  Thonscherben , die  schlecht 
gebrannt,  mit  Fingereindrücken,  Zickzacklinien 
und  gestreiften  Pyramiden  verziert  sind;  ferner 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


Perlen  und  Ziergehänge  aus  Kalk,  Schiefer,  Gype, 
Braunkohle.  Holz,  Muschel,  Knochen,  Zähnen,  selbst 
Menschenzähnen , gebranntem  Thon  und  Bronze, 
Pfeilspitzen  aus  Feuerstein,  denen  aus  den  Pfahl- 
bauten ähnlich.  Diese  Gegenstände  deuten  auf 
eine  höhere  Cultur,  als  sie  aus  dem  Inhalt  der  Dol- 
men und  Höhlen  Südfrankreichs  hervorgeht,  sie 
deuten  auf  ein  neues  Volk,  welches  aus  dem  Nor- 
den Frankreichs  gekommen  ist.  Fast  Vs  der  Funde 
ist  aus  Bronze  und  ahmt  die  Formen  aus  Stein 
genau  nach,  es  sind  aber  nicht  Waffen,  sondern 
Ziergeräthe  daraus  verfertigt,  deren  schöne  Arbeit 
verräth,  dass  sie  eingeführt  sind.  Das  Volk,  wel- 
ches die  grossen  Steindenkmale,  in  denen  es  seine 
Todten  vor  den  Raubthieren  und  vor  der  Zerstö- 
rung durch  die  Menschen  und  die  Natur  schätzen 
wollte,  in  so  grosser  Zahl  baute,  muss  lange  in 
dem  Lande  gewohnt  haben.  Das  Aufhören  dieser 
Bauten  spricht  für  die  Einwanderung  eines  neuen 
Volkes  oder  einer  neuen  Cultur.  Die  arischen  Völ- 
ker kannten  die  Bronze,  als  sie  nach  Westen  ka- 
men und  folgten  vielleicht  den  Erbauern  der  Me- 
galithen. Worsaae  hebt  hervor,  dass  diese  Denk- 
male in  Norwegen,  im  nördlichen  Schweden,  in 
Finnland,  in  Russland,  mit  Ausnahme  von  Esth- 
land,  fehlen.  Auch  in  Thüringen  hat  man  Stein- 
kammern mit  Skeletten  und  Kiese] Waffen  gefun- 
den. Martin  glaubt,  dass  verschiedene  Völker 
solche  Monumente  errichtet,  und  noch  in  histori- 
scher Zeit;  so  die  Hebräer,  ehe  Salomon  die  phö- 
nizische  Kunst  angeführt,  die  Colten,  welche  die 
Erbauer  derselben  iu  Irland  sind,  indem  der  In- 
halt derselben  solche  Ornamente  zeigt,  wie  sie  bis 
ins  Mittelalter  hei  celtischen  Völkern  üblich  wa- 
ren, z.  B.  mit  Punkten  verzierte  Kreise,  Sägezähnc, 
Rauten,  Streifen.  Zuweilen  tragen  die  Menhirs 
lind  Dolmens  auch  Inschriften,  die  man  alß  gälische 
erkannt  hat  Ferguson  hat  die  Grabsuhrift  eines 
Sohnes  der  Königin  Medf  entziffert , die  im  ersten 
oder  zweiten  christlichen  Jahrhundert  gelebt  hat. 
Die  Obelisken,  auf  welchen  die  schottischen  Könige 
ihre  Jagden  und  Kämpfe  einroeisscln  Hessen,  schei- 
nen die  letzte  Form  der  Menhirs  2u  sein.  Auf 
christlichen  Grabsteinen  findet  man  noch  das  Kreuz 
über  dem  alten  Bilde  der  Sonne,  einer  mit  Punk- 
ten verzierten  Scheibe.  Mortillet  berichtet,  dasB 
es  Cromlechs  in  der  Lombardei  gebe.  Worsaae 
sagt,  dass  das  Gold,  welches  man  in  den  Dolmen 
finde,  dem  des  Ural  gleiche.  Oft  hätten  spätere 
Besucher  die  Dolmen  geöffnet;  auf  den  Orkaden 
besage  eine  Runenschrift , dasB  Piraten  dort  gewe- 
sen. Lagneau  glaubt,  dass  die  Verbreitung  der 
Megalithen  der  der  gälischen  Völker  entspreche. 
Sie  sind  sehr  häufig  an  den  Küsten  des  baltischen 
Meeres;  nach  Tacitus  sprachen  die  Oeatyi  die 
Sprache  der  Briten  und  die  Gothinen,  die  das 
heutige  Schlesien  bewohnten,  das  Gälische.  Beide 
Völker  hatten  wie  die  Gallier  als  Symbol  den  Eber. 


Die  Gälen  wohnten  von  den  Küsten  des  Mittel- 
meers bis  nach  Russland.  Die  Namen  Portugal 
und  Gallizien  erinnern  an  sie.  Worsaae  bemerkt, 
dass  Indien  sein  Steinalter  gehabt  habe,  wie  wir, 
und  seine  Dolmen,  die  nach  Fraser  den  unsern 
gleichen,  die  Grabmäler  jener  Zeit  gewesen  seien. 
Dureau  widerspricht  der  Behauptung,  dass  in 
Frankreich  die  Dolmen  sich  nur  an  den  Flüssen 
fanden.  Vogt  und  de  Vihrayo  führen  au,  dass 
zuweilen,  vorspringende  Granitfelsen  mit  Dolmen 
verwechselt  worden  seien.  Martin  macht  darauf 
aufmerksam,  die  Armen  könnten  zu  gleicher  Zeit 
in  die  blosse  Erde  bestattet  worden  sein,  während 
man  den  Vornehmen  Steindenkmale  errichtete. 
Carro  zeigt  einen  Schädel  vor,  der  1842  beiCrecy 
in  einem  Steingrabe  gefunden  ist;  eswareu  etwa  50 
Menschen  in  drei  Lagen  übereinander  unter  einem 
3 bis  4 Fuza  dicken  erratischen  Block  bestattet. 
Die  Schichten  waren  durch  Steinplatten,  die  ein- 
zelnen Todten  durch  aufgerichtete  Steine  von  ein- 
ander getrennt;  die  Todten  hatten  das  Gesicht  nach 
Osten  gerichtet,  mit  Ausnahme  zweier  Kinder.  Man 
fand  noch  Steinbeile  zum  Theil  in  Hirschhorn  ge- 
fasst, einen  knöchernen  Dolch,  ein  Feuerstein messer 
in  ein  Stück  Ochsenrippe  gefasst,  ein  ähnliches  ist 
im  Museum  von  Lausanne,  Amulete  von  Serpen- 
tin und  Scherben  grober  Topfarbeit.  Martin  be- 
hauptet nachträglich,  dass  die  grossen  Denkmale 
der  Bretagne  und  Irlands  nnd  die  kleinen  turnuli 
der  Franche-Comte  zwar  von  derselben  Race,  aber 
aus  verschiedenen  Zeiten  herrührten.  Die  ersten 
hätten  einen  religiösen  Charakter  und  enthielten 
nicht  Geruthe  des  gewöhnlichen  Lebens  wie  die 
anderen.  Die  Bretagne  und  Irland  sind  die  Wohn- 
orte der  ältesten  Cclteiietämme,  die  priesterlicbe 
Einrichtungen  hatten  und  von  einem  kriegerischen 
Celtenstamme  überwunden  wurden.  Stonehenge 
soll  aus  der  späteren  Zeit  der  Druiden  herrühren, 
die  Caesar  schildert.  Weder  die  Iberer,  deren 
Reste  die  Basken,  noch  die  Finnen  können  die 
Megalithen  errichtet  haben ; schon  ihre  gesellschaft- 
liche Verfassung  hat  sic  dazu  nicht  befähigt,  wohl 
aber  die  Gallier. 

Sitzung  vom  24.  August.  Dmitry-Sont- 
zoff  legt  die  Frage  vor,  ob  die  Gleichheit  der 
Steinwerkzeuge  verschiedener  Länder  nur  den 
gleichen  Bildungszustand  derselben,  oder  lebhaften 
Verkehr  unter  ihnen  oder  eine  und  dieselbe  Race 
beweise.  L.  Lartet  bemerkt,  dass  die  den  He- 
bräern zugeschriebeuen  megalithischen  Monumente 
auf  dem  linken  Ufer  des  Jordan  wohl  von  einem 
älteren  Volke  herrührten,  das  die  Bibel  als  ein 
Volk  von  Riesen  bezeichnet.  Girard  de  Riallo 
beschreibt  die  Steinhäuser  dieser  Gegend,  die  aus 
gut  gehauenen  Blöcken  bestehen  und  steinerne 
Thürcn  haben.  Die  heutigen  Bewohner  der  Ledja 
werden  als  Götzendiener  und  wegen  ihres  obecö- 
non  Cult  in?,  der  an  den  der  kananitischen  Astarte 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  345 


erinnert,  Ton  Drusen  und  Mohamedancrn  verachtet, 
l.eguay  meint,  dass  die  Gleichförmigkeit  der  Dol- 
men, der  Mangel  eines  Fortschritts,  in  dieser  Art 
zu  bauen,  für  den  kurzen  Aufenthalt  der  Erbauer 
spreche;  vielleicht  seieu  sie  in  allen  iJLndern  als  die 
Anfänge  der  Architectur  zu  betrachten.  Martin 
glaubt,  dass  das  Fehlen  der  Metalle  in  den  Dolmen 
einen  religiösen  Grund  gehabt  habe.  Nach  Rossi 
gebrauchten  die  Römer  die  Bronze  zu  allen  religiö- 
sen Ceremonien,  als  das  Eisen  längst  bei  ihnen  ein- 
geführt war.  ln  der  östlichen  Tart&rei  habe  man 
kolossale  Menhirs  entdockt,  die  ohne  Zweifel  von 
arischen  Völkern  errichtet  seien.  Desor  weist  auf 
den  allmählichen  Fortschritt  hin,  den  die  Bewohner 
der  Pfahlbauten  erkennen  lassen;  dieser  bezeichne 
eine  andere  Racc  als  jene  war,  die  die  gewaltigen 
Steinbauten  aufführtc;  Waffen  und  Thonarbeiton 
li  essen  eine  fortgeschrittene  Kunst  erkennen.  Wor- 
saae  führt  an,  dass  in  den  Dolmen  Dänemarks  mit 
den  Stein waffen  verbrannte  Knochen  sich  finden, 
während  in  den  Hügelgräbern  mit  den  Bronzewaf- 
fen nur  bestattete  Knochen,  also  ein  durchgreifen- 
der Unterschied  der  Leichenfeier.  Longperier 
und  Andere  bringen  Beispiele  dafür  bei,  diass  man 
in  den  Dolmen  sowohl  grobe  als  feine  Thongefttase 
antreffe. 

Am  25.  August  wurde  ein  Ausflug  nach  Saint- 
Acheul  gemacht.  Im  Museum  von  Amiens  findet 
sich  eine  ganze  Werkst&tte  von  BronzegusssacheD, 
darunter  auch  ein  Sporn  aus  dem  Torf.  De  Mercey 
machte  den  Führer  nach  den  Sandgruben,  er  be- 
trachtet die  auf  der  Kreide  liegenden  drei  Schich- 
ten, ein  graues  Diluvium,  welches  gerollte  Steine, 
fossile  Knochen  und  Feuersteingeräthe  enthält,  als 
vor  der  Eiszeit,  das  rothe  Diluvium  mit  eckigen 
Steinen  ohne  Fossilien  und  Steinwaffen  für  in  der 
Eiszeit  gebildet.  Mortillet  behauptet,  dass  auch 
das  rothe  Diluvium  Stein  waffen  enthalte. 

Am  26.  August  wurde  das  Museum  der  Ar- 
tillerie besichtigt,  das  eine  Abtheilung  für  Urge- 
schichte enthält,  zugleich  eine  Sammlung  von  Waf- 
fen der  heutigen  Wilden,  und  hierauf  die  mexica- 
nische  Ausstellung  im  Ministerium  des  öffentlichen 
Unterrichts.  Hier  begrüsst  der  Minister  Duruy 
die  Gesellschaft  und  Longpör  ier  erklärt  die  Samm- 
lung. Religiöse  Ueherlieferung  erhielt  bei  den  Mexi- 
canern  lange  den  Gebrauch  dor  Steinwerkzeuge. 
Mit  dem  Steinmesser,  tecpatl,  öffneten  die  Priester 
den  zum  Opfer  bestimmten  Menschen  die  Brust. 
Die  Teokalli  sind  ganz  verschieden  von  den  Pyra- 
miden Aegyptens,  sie  waren  Altäre,  diese  Grabmäler. 
Eine  Sculptur  auf  Obsidian  zeigt  die  Zeitrechnung 
der  Mexicaner.  Sie  nahmen  Perioden  von  52  Juh- 
ren  an,  diese  waren  eingetheilt  in  vier  Perioden 
von  13  Jahren,  das  Jahr  hatte  365  Tage  und  18 
Monate  von  20  Tagen.  Die  Mexicaner  hatten  schon 
Stempel  zum  Abdrucken  wie  die  Römer.  Eigen- 
tümlich sind  die  Thongefasse  zum  Verbrennen  von 

ArchiT  fOr  Aotliropolngtc.  B<1.  HL  Heft  fl. 


Räucherstoffen,  welche  auch  die  Aegypter  hatten. 
Die  Flöten  haben  dieselben  Intervalle  der  Töne, 
wie  mau  sie  in  Indien  beobachtet. 

In  der  Sitzung  dieses  Tages  hebt  Quatre- 
fages  hervor,  das«  die  Sitten  und  Gebräuche  der 
heutigen  Wilden  uns  die  Zustände  des  Urmenschen 
erklären  müssten.  Als  Beweis,  wie  voreilig  es  sei, 
aus  dem  verschiedenen  Grade  der  Kunstfertigkeit 
von  Thongefassen  auf  verschiedene  Perioden  zu 
schliessen,  führt  er  an,  dass  die  Melanesier  darin 
sehr  geschickt  seien,  die  Polynesier  aber  damit  ganz 
unbekannt.  Nilsson  spricht  über  die  Bronzezeit 
des  nördlichen  und  westlichen  Europas.  Die  schön- 
sten Bronzegerät.he  finden  sich  nie  gemischt  mit 
dem  Eisen.  Die  Menschen  der  Steinzeit  können  sie 
nicht  gefertigt  haben,  sie  sind  also  eingeführt. 
Auch  zeigt  sich,  dass  die  Bronzesachen  ira  Norden 
mit  der  Zeit  immer  schlechter  wurden.  Die  Grab- 
mäler, die  sie  enthalten,  kommen  immer  in  einer 
gewissen  Zahl  vereinigt  vor,  das  spricht  für  den 
Aufenthalt  von  Familien,  von  Colonien  im  Lande. 
Diese  führten  auch  Metall  formen  mit  sich.  Die  Dop- 
pelspirale  an  den  ältesten  Bronzen  ist  ein  phöni- 
zischcs  Ornament  Es  ist  höchst  wahrscheinlich, 
dass  diejenigen,  welche  das  Zinn  in  England  und 
den  Bernstein  an  der  Ostküste  holten,  auch  die 
Bronze  im  Norden  einführten.  Vor  Homer  und  He- 
siod  spricht  kein  alter  Schriftsteller  von  Bronzt- 
wrtffen;  die  kurzen  Handgriffe  der  Schwerter  deu- 
ten auf  ein  fremdes  Volk.  Die  Monumente  des 
Bronzealters  sind  phönizische;  in  den  Ruinen  der 
von  Nicolucci  beschriebenen  phönizischen  Stadt 
bei  Tarros  in  Sardinien  hat  man  dieselben  Bronze- 
geräthe  in  den  Gräbern  gefunden  wie  in  Skandina- 
vien. Desor  sagt,  dass  er  in  Betreff  der  Bronze- 
sachen der  Schweiz  anderer  Ansicht  sei,  hier  seien 
die  ersten  Bronzegerftthe  die  genauen  Nachahmun- 
gen derselben  Werkzeuge  von  Stein  oder  Knochen; 
sie  sind  überhaupt  verschieden  von  den  nordischen 
und  weniger  kunstvoll;  aber  die  Bronzen  von  Hall- 
stadt  sind  gleich  denen  des  Nordens.  Mit  ihnen 
kommt  aber  das  Eisen  vor.  Mortillet  schildert, 
wie  allmählich  in  Italien  und  iin  südlichen  Frank- 
reich die  Bronze  auftrete.  Nilsson  bemerkt,  dass 
im  Norden  mit  dem  Auftreten  des  Eisens  die  Bronzc- 
geräthe  schlechter  werden.  Martin  sagt,  das,  was 
Nilsson  auf  nordischen  Denkmalen  für  einen  Palm- 
zweig  halte,  sei  das  Farm  kraut,  welches  auch  euf 
gallischen  Münzen  vorkomme.  Longperier  fragt, 
ob  die  Phönizier  in  fremden  Ländern  wohl  Bunten 
errichtet  hätten,  die  in  ihrem  eigenen  Lande  fehl- 
ten; die  Spinde  finde  sich  nie  an  phönizischen  AI- 
terthümern,  wohl  aber  an  ctrurischen.  Franks 
behauptet,  das  Monument  von  Gozzo  hätten  die 
Berber  gebaut;  die  Phönizier  hätten  immer  den  Stil 
anderen  Völkern  entlehnt  und  keine  eigene  Kunst 
gehabt.  Warum  hätten  sie  nur  die  Bronze  und  nicht 
das  Eiseu  den  anderen  Völkern  gebracht,  da  sie  es 

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34 ß Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


kannten?  Virchow  giebt  eine  Zusammenstellung 
der  nun  schon  mehrfach  im  Norden  gefundenen 
kleinen  Bronzewagen»  die  man  den  in  der  Bibel 
beschriebenen  im  Tempel  des  Salomen  befindlichen 
verglichen  hat  und  legt  die  Zeichnung  eines  solchen 
aus  Burg  im  Spreewald  vor.  Broca  lenkt  die  Auf- 
merksamkeit auf  die  chemische  Zusammensetzung 
der  Bronzen.  Nach  Desor  geht  aus  Fellenberg’s 
Arbeiten  hervor,  dass  die  Bronzen  des  Nordens, 
Mecklenburgs  und  Hullstadts  die  gleiche  Mischung 
haben;  die  etruskischen,  griechischen  und  römischen 
seien  unrein  und  enthalten  Blei  und  Zink.  Vogt 
fuhrt.  Wiebel  s Bemerkung  an,  das»  die  Alten  nicht 
die  reinen  Metalle,  sondern  die  Erze  gemischt 
Nach  Schaafhausen  hat  Göben  schon  vor  25 
Jahren  nachgewiesen,  dass  die  Zusammensetzung 
der  alten  ßronzesachen  je  nach  dem  Gebrauch  der- 
selben, sehr  verschieden  sei,  dass  aber  nur  die  römi- 
schen Zink  enthalten. 

Sitzung  am  27.  August.  Es  wird  eine  von 
Houzeau  an  den  Congress  gerichtete  Einladung, 
ira  nächsten  Jahre  in  Belgien  zu  tagen,  vorgelesen 
und  die  Stadt  Mons  vorgeschlagen,  in  deren  Nähe 
Spien nes  liege,  wo  Kieselgerüthe  in  grösster  Menge 
gefunden  werden,  mit  Knochen  des  Elephas  und 
Hhinoceros.  Arceliu  berichtet  über  Aufgrabungon 
an  den  Ufern  der  Saune  und  des  Ain.  In  der  Tiefe 
von  etwa  1 Meter  finden  sich  römische  Reste,  dar- 
unter 2 Meter  tief  polirte  Steingeräthe,  grobe  Topf- 
seberben  und  Knochen  lebender  Thiere.  Für  die 
ganze  Lehiuablagerung  berechnet  er  9-  bis  10,000 
Jahre,  vor  derselben  war  die  Gegend  ein  Sumpf. 
Campagne  zeigt  Stein*  und  Bronzesachen  vom  Pas 
de  Grigny,  darunter  eine  Angel,  Sicheln  und  Na- 
deln auB  Bronze,  ein  zur  Hacke  eingerichtetes  Hirsch- 
geweih. Costa  de  Beauregard  zeigt  Pfahlbau- 
alterthümer  aus  dem  See  von  Bourget,  darunter  sel- 
tene Brouzegeräthe,  eine  Sichel,  wie  sie  in  den  in 
der  Nähe  der  Keufchateler  Pfahlbauten  vorkommen- 
den, von  Clement  als  die  Gräber  dieser  Zeit  ent- 
deckten Steinhügeln,  nebst  Aschen,  Kohlen  und 
anderen  Bronzesachen  sich  finden,  was  Desor  als 
eine  wichtige  Bestätigung  dieser  Deutung  betrach- 
tet Stendel  zeigt  Glasstücke  aus  dem  Constanzer 
See.  Vogt  bemerkt,  dass  die  Glasbereitung  mit 
dem  Schmelzen  der  Metalle  gleichzeitig  gewesen  sein 
müsse.  Mortillet  findet,  dass  jenes  Glas  dem  galli- 
schen gleiche.  Steudol  hält  es  für  das  Bruchstück 
einer  Vase  und  für  phönizisch.  Nach  Lougperier 
haben  die  Phönizier  nur  dunkles  farbiges  Glas  ge- 
macht, kein  durchsichtiges.  Leg  nay  will  eineceltische 
Topfscherbe  mit  einem  Glasfluss  bedeckt  gefunden 
haben  und  eine  Schlacke  so  zugeschlagen,  wie  Feuer- 
steinmesser. Roujou  sagt,  dass  man  in  der  Steinzeit 
nie  Glasschlacken  finde.  E.  Ben oit  berichtet  über  die 
Funde  in  der  Grotte  von  Baume  im  Jura.  Er  betrach- 
tet die  hier  gefundenen  Thiere  als  die  letzte  tertiäre 
Fauna,  in  eine  quaternäre  Bildung  eingeschlossen. 


Der  Anfang  der  quaternären  Epoche  war  die  Eis- 
zeit. Die  von  den  Borgen  herabgefiüchteten  Thiere 
konnten  nach  der  Eiszeit  dahin  zurückkehren.  Der 
Mensch  erschien  erst  nach  der  Eiszeit  auf  dem 
Jura;  au»  der  Erdart  der  ältesten  Töpfe  schliesst 
er,  dass  derselbe  aus  dem  Gebiete  der  Loire  in  das 
der  Saöne  gekommen  sei,  also  von  Westen  nach 
Osten.  Desor  bemerkt,  dass  die  Gletscherperiode 
eine  lange  Zeit  umfasse,  die  Gletscher  sind  zurück- 
gewichen  und  wieder  vorgegangen,  wie  sich  am 
Ufer  des  Züricher-  und  Pfäffikonsees  beobachten 
lasst.  Der  Höhlenbär  reicht  im  Jura  bis  vor  die 
Eiszeit.  Der  Jura  bat  zur  Eiszeit  sein  heutiges 
Relief  gehabt,  es  entstand  gleichzeitig  mit  den 
Alpen.  Nichts  spricht  dafür,  dass  der  Mensch  vor 
der  Erhebung  der  Alpen  da  war.  Lartet  schildert 
die  Thiere,  die  in  der  Eiszeit  in  Frankreich  und 
England  lebten;  im  Mittelmeer  lebten  arktische 
Formen,  Aegypten,  Libyen  und  Griechenland  waren 
wahrscheinlich  noch  unter  Wasser.  Quatrefage* 
fragt,  ob  damit  nicht  erklärt  werde,  weshalb  Nord- 
afrika  nicht  von  Negern  bewohnt  sei.  Vogt  glaubt, 
das»  Europa  zur  Eiszeit  dem  heutigen  Neuseeland 
geglichen  habe,  wo  die  Gletscher  fast  bis  an»  Meer 
reichen,  aber  doch  eine  Palmonflora  besteht.  Eu- 
ropa hatte  ein  Inselklima,  kühle  Sommer  und  warme 
Winter;  die  Sahara  war  noch  ein  Meer,  Finnland 
eine  Insel,  Dänemark  mit  Skandinavien  vereinigt, 
England  mit  Frankreich;  Sibirien,  das  uns  jetzt  die 
kalten  Winde  eeudet,  war  noch  unter  Wasser. 

Am  28.  August  wurde  die  Sammlung  der 
anthropologischen  Gesellschaft  den  Congressmit- 
gliedern  durch  Broca  gezeigt,  und  Vogt  knüpfte 
an  die  hier  befindlichen  Schädelabgüsee  einen  Vor- 
trag überMikrocephalie.  Io  der  Abendsitzuug  spricht 
A.  Gau  dry  zuerst  über  die  mythologischen  Thiere 
de«  Alterthums.  Er  längnet,  dass  die  fossilen  Thiere 
von  Pikerini  den  Künstlern  Griechenlands  die  Mu* 
ater  zu  ihren  Schöpfungen  gegeben  haben  und  zeigt 
die  Verschiedenheit  derselben;  aber  ihr  Bild  mag 
sich  in  den  Ucherlicferungen  aus  der  Vorzeit  erhal- 
ten haben.  Lougperier  sagt,  einige  mytholo- 
gische Thiere,  wie  der  Pegasus,  seien  reine  Phan- 
tasiegebilde, andere  znm  Tbeil  der  Natur  abgese- 
hen, wie  die  Hyder  dem  im  Mittelmeer  häufigen 
Polypen  gleicht,  dem  die  abgeschnittenen  Anne 
nach  wuchsen.  Der  Drache  ist  bei  den  Alten  immer 
nur  eine  Schlange,  erst  in  der  Apokalypse  ist  er 
geflügelt.  Die  geflügelten  Thierge»taltcn  stammen 
aus  der  asiatischen  Kunst  und  hatten  symbolische 
Bedeutung  Schoo  bei  den  Griechen  gaben  sie  zu 
Sagen  Veranlassung,  es  verwüstet  z.  B.  ein  geflü- 
gelter Eber  die  Gegend  von  Clazomene.  Im  Mit- 
telalter kämpfen  dann  die  Heiligen  mit  denselben 
Drachen.  Mortillet  schildert,  wie  in  den  Tcr- 
ramarce  der  Emilia,  welche  Haufen  von  Scherben 
nnd  Küchenabfftllen  sind,  die  Schichten  der  Bronze- 
und  Eisenzeit  regelmassig  übereinander  liegen. 


Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  347 


Graf  Gozzadini  hat  bei  Bologna  189  Gräber  aus 
der  ersten  Eisenzeit  geöffnet;  es  erscheinen  schon 
Thierbilder  auf  den  Vasen.  Der  etruskische  Ein- 
fluss ist  hemerklich.  Zahlreiche  Funde  auf  beiden 
Seiten  der  Alpen,  in  Burgund  und  dem  Elsass  ge- 
hören dieser  Ci  vilisation  an.  Man  darf  diese  Zeit  vor- 
historisch nennen,  denn  die  Gräber  von  Albano  unter 
vulkanischem  Tuff  gehören  ihr  an.  Nach  Franks 
geht  die  Eisenzeit  in  England  200  Jahre  vor  Christo 
zurück.  Desor  nimmt  in  Neuchatel  drei  Perioden  der 
Eisenzeit  an,  die  älteste  vor  unserer  Zeitrechnung, 
die  zweite,  die  gallische,  bis  zum  Anfang  derselben, 
und  eine  dritte,  die  holveto-burgundische.  Long- 
perier macht  darauf  aufmerksam,  dass  das  Eisen 
wohl  oft  nur  deshalb  in  den  Grabfunden  fehle,  weil 
es  leichter  zerstörbar  sei  als  die  Brouze,  oder  wegen 
unkenntlicher  Veränderung  übersehen  werde.  In 
Aegypten  hat  man  Messer  von  gutem  Eisen,  viel- 
leicht von  Stahl,  mit  geschnitzten  knöchernen  Grif- 
fen aus  pharaonischer  Zeit  gefunden;  in  Ehorsabad 
hat  man  zahlreiche  eiserne  Geräthe,  auch  ganze 
Blöcke  dieses  Metalls  gefunden,  die  also  dem  achten 
Jahrhundert  vor  Christo  angehören.  Die  Griechen 
zogen  die  glänzende  Bronze  dem  Eisen  vor,  wel- 
ches Uesiod  schwarz  nennt.  Auch  bei  Persepolis 
hat  man  eiserne  Pfeile  gefunden.  Ilerodot  (I.  67) 
führt  Eisenschmieden  in  Griechenland  an  zur  Zeit 
des  Crösus,  also  im  sechsten  Jahrhundert  vor  Christo. 
Costa  de  Beauregard  spricht  über  ein  grosses 
Grabfeld  bei  Belleville  in  Savoyen  aus  dem  Anfang 
der  Eisenzeit;  er  giebt  demselben  im  Vergleich  zu 
dem  von  VillanoYa,  dessen  ae«  rüde  auf  Numa  hin- 
weist, ein  Alter  von  1000  Jahren  vor  Christo.  Die 
Gräber  enthalten  keine  Waffen,  sie  sind  reich  an 
Bronzesachen  und  Bernstein.  Zwischen  den  Stei- 
nen, die  den  Grabhügel  bedecken,  fand  man  Bruch- 
stücke von  Menschenknochen;  sind  es  Beste  von 
Menschenopfern?  Martin  schildert  die  wiederhol- 
ten Einwanderungen  celtischer  Völker  nach  Frank- 
reich; die  jüngste  fand  Am  Ende  des  vierten  Jahr- 
hunderte vor  Christo  statt,  eine  andere  um  600  vor 
Christo,  eine  ältere  war  die  der  Kimmerier  und  Ve- 
neter, welche  nach  Strabo  von  den  Küsten  des 
schwarzen  Meeres  kamen.  Homer  lässt  die  Vene- 
ter noch  in  Kleinasien  wohnen.  Vor  den  Kimme- 
riern, die  zwischen  dem  sechsten  und  zehnten  Jahr- 
hundert nach  Gallien  kamen,  wohnten  hier  die 
Gaelen,  welche  Spanien  und  Italien  um  1500  vor 
Christo  eroberten.  Geschah  die  erste  Auswande- 
rung der  Gelten  aus  ihrer  arischen  Hei math  vor  der 
Revolution  des  Zoroaster,  so  erfolgte  sie  etwa  2000 
Jahre  vor  Christo.  In  Bezug  auf  die  kloinon  Hand- 
griffe mancher  Bronzewaffen  bemerkt  Guillard, 
dass  noch  im  Caucasu»  Waffen  gemacht  würden, 
deren  Griffe  zu  klein  seien  für  eine  starke  Hand. 
Longperier  sagt,  wir  seien  an  zu  grosse  Griffe 
gewöhnt,  die  alten  Brouze waffen  könnten  immer 
mit  vier  Fingern  umfasst  werden.  V.  Schmidt 


spricht  über  das  Eisenalter  in  Skandinavien,  seine 
Ansichten  sind  niedergelegt  in  seiner  Schrift:  „Le 
Dänemark  ä l'exposit.  univ.  de  1867.  Paris  1868. u 
Longperier  warnt  davor,  Gräber,  in  donen  sich 
keine  Münzen  finden',  für  älter  zu  halten  als  der 
Gebrauch  der  Münzen.  Die  Erfindung  des  Geldes 
sei  nicht  alt  Die  grossen  Reiche  von  Aegypten, 
Babylonien,  Assyrien  hätten  ohne  Geld  bestanden, 
dieses  wurde  zuerst  von  den  Königen  von  Lydien, 
Samos  und  Macedonien,  sowie  von  den  Republiken 
Süditaliens  eingeführt.  In  weiten  Gebieten  Asiens 
und  Afrikas  dienen  Muscheln  oder  Salz  als  Geld. 
Selbst  in  China  zieht  man  die  Barren  der  Münze 
vor.  Vom  siebenten  Jahrhundert  vor  Christo  an  hat 
man  in  süditalischeil  Städten  schöne  Silbermünzen 
geprägt.  In  Bezug  auf  die  in  Hallstadt  gefundenen 
Schwertgriffe  von  Elfenbein  bemerkt  er,  dass  auf 
griechischen  Vasenbildern  des  fünften  Jahrhunderts 
vor  Christo  die  grossen  Griffe  der  Schwerter  weise 
gemalt  »eien,  wie  diese  Farbe  auch  das  Elfenbein 
an  der  Leyer  Anzeige.  Bo  yd  Dawkins  macht 
eine  Mittheilung  über  die  vorgeschichtlichen  Tliiere 
Englands,  die  mit  den  Spuren  des  Menschen  sich 
finden  und  von  den  pleistocenen  oder  postglaciären 
zu  unterscheiden  sind.  Es  sind  in  dieser  Zeit  der 
Höhlenbär,  der  Löwe,  die  Hyäne  and  die  grossen 
Pachydermen  verschwunden;  dagegen  erscheinen  zum 
erstenmale  Schaf,  Ziege  und  boe  longifrons.  Dieser 
verschwindet  mit  der  Ankunft  der  Sachsen  in  Eng- 
land. Er  lebt  noch  im  Pays  de  Galles  und  in  Schott* 
land,  wohin  die  Celto- Römer  sich  flüchteten.  Die 
Sachsen  haben  wahrscheinlich  die  grössere  friesische 
Race  eingeführt.  Der  Riesenhirsch,  das  Rennthier 
und  dasEIenn  sind  vor  der  Ankunft  der  Römer  ver- 
schwunden; diese  brachten  den  Dammhirsch  mit. 
Der  Wolf  wurde  in  England  IS06,  in  Schottland 
1680,  in  Irland  1710  ausgerottet.  Die  vorhisto- 
rische Fauna  der  Bronzezeit,  der  der  geschliffenen 
Steinwaffen,  des  Torfs  und  des  Diluviums  ist  die- 
selbe. Gemse  und  Steinhock  fehlen  in  England,  sie 
müssen  nach  Europa  gekommen  sein,  als  jenes  be- 
reits eine  Insel  war. 

Sitzung  am  29.  August.  Professor  An. 
ßogdanow  legt  seine  Schrift:  „Sur  le  peuple  des 
tumuluh  du  gouvernement  de  Moscou“  vor.  Er 
beschreibt  die  Funde  von  216  Grabhügeln.  Das 
Volk,  das  sie  errichtet,  war  dolichocephal , sein 
Schädelindex  gleich  74;  die  Schädel  sind  sehr  stark 
und  geräumig,  mit  sehr  entwickeltem  Hinter- 
haupt. E.  Sau  vage  berichtet  über  eine  Werk- 
stätte von  Steingeräthen  zu  Alpreck  bei  ßoulogne* 
zur* Mer;  nur  die  rohen  Feuersteine  zeigen  die  Spur 
des  Feuern.  Fl.  Römer  schildert  die  Vorzeit  Un- 
garns und  meldet,  das»  eine  von  der  Academie  in 
Pcsth  ernannte  Commission  für  Archäologie  sich 
mit  deren  Erforschung  befassen  wird.  Die  polirten 
Steinbeile  und  Hammer  worden  vom  Volke  als  Amu- 
lete  noch  jetzt  gebraucht.  Das  Unfertige  vieler 
44* 


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M4K  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


Hronzewaffen  beweist,  das»  sie  im  Lande  gemacht 
wurden;  darunter  sind  Streithämmer  und  Bronze- 
bleche, wie  sie  noch  beim  Landvolk  üblich  sind. 
Die  oft  schön  verzierten  Bronze-  und  Goldgeräthe 
finden  sich  gewöhnlich  frei  in  der  Erde  oder  in 
Töpfen.  Auch  Steingräber  giebt  es;  die  Szekler  und 
Magyaren  üben  noch  heute  den  Gebrauch,  im  Vor- 
beigehen Steine  auf  die  Gräber  zu  werfen.  Das 
ganze  Land  ist  von  alten  Wällen  und  Gräben  durch- 
zogen. Km.  Martin  berichtet  über  den  Fund  zahl- 
reicher Menschenknochen  mit  rohen  Kiesel  gerät  hen 
in  den  Kies-  und  Sundlagern  von  Grenelle:  diese 
Schichten  sind  quaternär  und  enthalten  auch  erra- 
tische Blöcke  in  derselben  Tiefe  von  3 bis  5 Me- 
ter. Mit  den  Menschenknochen,  die  ohne  allen  Knor- 
pel sind,  fanden  sich  die  des  Renhthiers  und  des 
Elephantcn,  auch  aufgeachlageno  Plerdeknochen ; 
sie  lagen  im  gewachsenen  Hoden,  der  in  ihrer  Nähe 
braun  gefärbt  war.  Die  Schädel,  von  denen  einer 
auffallend  dick,  haben  fliehende  enge  Stirnen,  starke 
Stirnwülste  und  Stirnhöhlen,  meist  gerade»  Gebiss, 
die  tibias  sind  schmal,  die  humerus  oft  durchbohrt, 
die  Race  war  raittelgrosa.  Pruner-Bey  legt  die 
vonDupont  in  den  belgischen  Höhlen  gefundenen 
Schädel  vor  und  hebt  die  mongoloide  Form  dersel- 
ben hervor.  Ein  Schädel  von  Bruniquel  ist  eben- 
falls brachycephal , der  Unterkiefer  ohne  Kinn,  die 
Zähne  abgeschliffen,  der  zweite  echte  Mahlzahn 
ebenso  gross  als  der  erste.  Ein  vonTrutat  gefun- 
denes Stirnbein  hat  die  Breite  und  Abplattung  der 
Nasen wurzel , die  dem  Typus  deB  Rennthiermen- 
schen entspricht.  Ferner  zeigte  er  zwei  Schädel  in 
Steingräbern  mit  Kiesclgeräthen  und  abgeschlage- 
nen und  angebrannten  Pferdeknochen  von  de  F erry 
gefunden  vor,  der  weibliche  ist  prognath  und  hat 
vorspringendes  Kinn.  Aelter  als  der  Kennthier- 
men sch,  der  dem  Lappen  gleicht,  ist  der  Unterkie- 
fer von  la  nauletto,  in  dessen  Bildung  Pruner- 
Bey  die  Zeichen  niederer  Organisation  nicht  erken- 
nen will.  Ein  zweiter  Unterkiefer  aus  der  Grotte 
von  Arcy,  mit  Resten  von  Rennthier,  Elephant  und 
Rhinoceros  gefunden,  ist  diesem  ähnlich;  auch  der 
von  Aurignac  ist  auffallend  klein,  wie  auch  andere 
hier  gefundene  Knochen,  z.  B.  ein  17*/j  Centimeter 
grosser  radius,  auf  eine  kleine  Race  deuten.  Dem 
Unterkiefer  von  Moulin-Quignon  ist  einer  von  Hu- 
yeres  ähnlich,  der  einem  weiblichen  Ligureracbä- 
del  angehört.  Der  Typus  des  Rennthiermenschen 
lässt  sich  noch  bis  in  die  Römerzeit  und  bis  in  die 
Catacnmben  von  Paris  verfolgen.  Die  Nachkom- 
men dieser  kleinen  Race  mit  gelbem  Teint  und 
schwarzem  Haar  findet  man  noch  in  Tyrol,  bei 
Genf,  im  Wallis,  in  Savoyen,  im  südlichen  Frank- 
reich, in  Ligurien,  Spanien  und  Portugal,  hier  die 
Abkömmlinge  der  Iberer.  Die  dolichocephale  Race 
erscheint  in  Frankreich  seit  der  Epoche  der  polir- 
ten  Steingeräthe,  im  Torf,  in  den  Höhlen,  in  den 
Steindenkraalen,  in  den  Hügelgräbern.  Diese  Schä- 


delbildung ist  edler  als  die  frühere,  aus  dem  No- 
maden ist  ein  Ackerbauer  geworden,  denn  mit  den 
polirten  Steinen  finden  sich  die  Huustbiere.  Auch 
dieser  Typus  lebt  durch  Civilisation  veredelt  fort. 
Pruner-Bey  bezeichnet  den  1823  von  Ami  Bouä 
aus  dem  Löss  des  Rbeiutbals  gezogenen  Schädel 
als  dolichocephal  und  weiblich.  Auch  den  van  Engis 
hält  er  für  weiblich  und  einem  in  Paris  befindlichen 
weiblichen  Celtenschädel  sehr  ähnlich.  Das  Alter  des 
Neandcrthaler  Schädels  hält  er  für  ganz  unbekannt 
und  findet  auch  in  seiner  Bildung  keinen  Grund, 
ihn  für  selir  alt  zu  halten,  er  gehört  der  arischen 
Race  an,  nur  die  starken  Stirnwulste  zeichnen  ihn 
aus,  die  von  grossen  Stirnhöhlen  herrühren.  Dieso 
bezeichnen  keine  niedere  Organisation,  denn  sie  feh- 
len den  Affen  und  finden  sich  hier  und  da  bei  unse- 
ren Zeitgenossen.  Der  Redner  kennt  sie  an  dem 
Sohne  eines  französischen  Marsclmlla  und  an  einem 
berühmten  italienischen  Arzte.  Das  Stirnbein,  wel- 
ches bei  Colmar  aus  dem  Löss  des  Rheins  gpzogen 
worden,  ist  dem  Xeanderthaler  ähnlich;  es  lag  21  3 
Meter  tief,  dieselbe  Schiebt  enthielt  Reste  ausge- 
storbener Thiere,  die  chemische  Zusammensetzung 
der  menschlichen  Gebeine  war  übereinstimmend  mit 
der  des  Rhinoceros.  Um  die  Zeit  zu  schätzen,  in 
der  die  Arier  uach  Europa  kamen,  erinnert  Pr  un  er 
an  die  Stelle  im  Zendavesta,  wo  es  heisst,  dass  die 
Iranicr  ihre  erste  Heimath,  wo  eiu  ewiger  Frühling 
geherrscht,  verlassen  hätten,  weil  Ahriman  eisigen 
Winter  über  dasselbe  gebracht  habe.  Er  glaubt, 
dass  die  Menschen  denselben  Weg  gegangen  seien 
aus  Asien  nach  Europa,  wiu  die  Thiere. 

Am  30.  August  wurde  Vormittags  ein  Aus- 
flug in  die  Kiesgruben  von  Levallois  uml  üre- 
nellu  bei  Paris  gemacht.  Die  Kieeanschwemmun- 
gen  mit  fossilen  Knochen  und  Kieselgeräthen 
sind  von  der  Seine  gebildet  und  liegen  an  der  con- 
vexen Seite  der  Krümmungen  des  alten  Flusses. 
In  der  Abendsitzung  nahm  zuerst  Broca  das  Wort 
über  die  Raccn  der  Urzeit.  Daraus,  dass  die  mei- 
sten Sprachen  Europas  einen  asiatischen  Ursprung 
haben,  folgt  noch  nicht,  dass  die  Bewohner  Euro- 
pas alle  dorther  gekommen  seien.  Wie  sollten  so 
zahlreiche  und  verschiedene  Völker  in  so  kurzer 
Zeit  aus  einem  und  demselben  Stamme  hervorge- 
gangen sein  V Wir  kennen  in  allen  europäischen 
Ländern  den  Menschen  der  Urzeit,  der  den  Gebrauch 
der  Metalle  nicht  kannte;  die  arischen  Indus  aber 
kannten,  als  sie  nach  Westen  zogen,  bereits  die 
Bronze.  Die  Finnen  und  die  Basken,  deren  Sprache 
nicht  indoeuropäisch  ist,  wurden  für  Reste  einer 
Urbevölkerung  Europas  gehalten.  Retzius  wollte 
auch  im  Schädelbau  zwei  Racen  der  Vorzeit  erken- 
nen, eine  autochthone  brachycephale  und  eine  spä- 
ter eingewanderte  dolichocephale,  die  Indogerma- 
nen. v.  Bär  hatte  die  brachycephalen  Romanen  in 
den  rhätischen  Alpen  als  einen  dritten  Rest  der 
ältesten  Bevölkerung  Europas  angesehen  Die  Ent- 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  349 


deckung,  dass  der  Mensch  während  der  ganzen  qua- 
ternären Zeit  in  Europa  wohnte,  macht  schon  die 
Ansicht  von  Retzius  sehr  unwahrscheinlich.  Wie 
konnte  ein  Volk,  das  in  so  langer  Zeit  von  Skan- 
dinavien bis  zum  Mittelmeer  wohnte,  unverändert 
geblieben  sein,  und  wie  sollte  Europa  während  Jahr- 
tausenden anderen  Kacen  unzugänglich  geblieben 
sein?  Sind  aber  wirklich  die  Volker  vor  der  indo- 
europäischen Einwanderung  braehycephal  gewesen? 
Die  Baskenschädel,  die  Broca  undVirchow  unter- 
suchten, sind  dolichocephal.  His  fand,  dass  die 
brachycephalen  Schädel  der  rhätiechen  Alpen  nicht 
von  der  Urbevölkerung  herrühren,  sondern  von  don 
Alemannen (V)Nicolucci  behauptet  freilich,  dassder 
alte  Ligurcrschidel  braehycephal  sei.  Th urn am 
und  Davis  fanden,  dass  die  älteren  long-borrows 
aus  der  Zeit  der  geschliffenen  Steingeräthe  dolicho- 
cephale  Schädel,  die  späteren  round-borrows  aus 
dem  Bronzealter  mehr  brachycephale  Schädel  ent- 
halten. Selbst  in  Schweden  hat  1h65  von  Duben 
in  einem  Dolmen  der  Steinzeit  19  dolichocephale 
Schädel  gefunden.  Aus  der  quaternären  Zeit  sind 
nur  ein  Schädel  von  Furfooz,  einer  von  Solutrö 
und  vielleicht  einige  von  Bruniquel  brnchycephal. 
Dolichocephal  aber  sind  die  von  Cantalupo,  der 
Neanderthaler,  die  von  Eguisheim,  Lahr  und  En- 
gis,  die  letzteren  drei  gehören  der  Zeit  des  Mam- 
muth  an  (?).  Als  affenähnliche  Bildungen  des  vor- 
geschichtlichen Menschen  giebt  Broca  die  Durch- 
bohrung der  Ellen bogengrube  an,  die  in  Paris  jetzt 
bei  4 bis  5 Proc.  vorkommt,  am  Menschen  der  Vor- 
zeit aber  bei  24  bis  30  Proc.  beobachtet  wird;  ferner 
die  starken  Stirnwulste,  die  Broca  bei  einem  Go- 
rilla auch  mit  ungemein  grossen  Stirnhöhlen  verbun- 
den fand,  und  endlich  die  Eigentümlichkeiten  des 
der  Mammuthzeit  angehörigen  Unterkiefers  von  la 
naulette,  dem  da»  Kinn  fehlt,  der  statt  der  vier  apo- 
physes  geni  eine  Grube  hat  und  sich  durch  die  Dicke 
seines  Körpers,  den  elliptischen  Zahnbogen,  den 
grossen  Eckzahn  und  die  nach  hinten  zunehmende 
Grösse  der  Mahlzähne  auszeichnet.  Der  Mensch 
der  TertiArzeit  wird  uns  noch  deutlichere  Zeichen 
thierischer  Bildung  bringen!  Broca  glaubt  nicht 
an  eine  Umwandlung  der  Arten,  nicht  einmal  der 
Racen.  Wiewohl  er  Abänderungen,  durch  Zeit  und 
äussere  Einflüsse  hervorgekracht,  zugiobt,  ist  er 
doch  der  Ansicht,  dass  sich  die  Racen  seit  ältester 
Zeit  wesentlich  nicht  geändert  haben  und  dass  die 
Herkunft  der  heutigen  Racen  von  einer  Urform 
erst  noch  bewiesen  werden  muss.  Virchow  spricht 
hieranf  über  alte  Schädel  des  nordöstlichen  Deutsch- 
lands. Er  macht  darauf  Aufmerksam,  dass  im  feuch- 
ten Boden  die  Schädelknochen  durch  eine  Art  von 
Auftreibung,  die  das  Gefüge  poröser  macht,  dicker 
werden  und  durch  äusseren  Druck  der  umgebenden 
Erde  zusammengepresst  werden  können;  auch  Pflan- 
zenwurzeln spalten  gleichsam  die  Knochen.  Manche 
alte  Schädel  sind  als  pathologisch,  nicht  als  typisch 


zu  betrachten;  frühe  Nahtverknöcherung  bedingt 
häutig  die  lange  oder  kurze  Schädelform,  wie  sio 
z.  B.  die  Braehycephal  ie  zweier  Baskenschädel  der 
Sammlung  der  anthropologischen  Gesellschaft  von 
Paris  hervorgebracht  hat.  Geisteskrankheit  ist  gel- 
ten bei  grosser  Scliädeldifformität , denn  diese  be- 
weist eine  Ausgleichung,  eine  Compensation  der 
Natur  für  die  gehemmte  Himentwickluug.  Vir- 
chow sah  an  mehreren  dolichocephalen  Schädeln 
die  Pfeilnaht  geschlossen,  er  hält  dies  für  patholo- 
gisch und  individuell.  Er  sah  eine  Verschmelzung 
des  Stirn-  und  Scheitelhöckers  einer  Seite  bei  einer 
Frau,  welche  Difformität  auf  ihr  Kiud  übergegan- 
gen war.  Er  schildert  einen  dolichocephalen  Schä- 
del, der  zwei  bis  drei  Meter  tief  unter  Torf  gefun- 
den ist,  als  typisch  für  Mecklenburg  und  OBtpreus- 
sen;  eine  andere  Form  findet  sieb  in  den  Reihen- 
gräberu  derselben  Gegenden,  die  den  Wenden  zu- 
geschrieben werden.  Auch  diese  ist,  wenn  auch  we- 
niger, dolichocephal,  aber  nicht  brachycephal.  Sind 
sie  deshalb  keine  Slaven,  sondern  Celten,  denen  sie 
gleichen?  Die  Wenden  in  Brandenburg  nennen 
sich  Serben.  Aus  einem  finnischen  Grabe  besitzt 
Vircbow  einen  echt  brachycephalen  Schädel,  der 
ganz  dem  der  heutigen  Ungarn  gleicht.  Sehaaff- 
hausen  hält  einen  Vortrag.  „Ueber  die  Urform 
des  menschlichen  Schädelsu  '),  uud  erhebt  darauf 
Einspruch  gegen  die  von  Pruner-Bey  und  Vogt 
vorgebrachten  Deutungen  des  Neanderthaler  Schä- 
dels, den  er  für  einzig  in  seiner  Art  erklärt,  für 
eine  so  eigentümliche  Bildung,  wie  sie  nirgendwo 
sonst  beobachtet  worden;  die  damit  in  Vergleich 
gebrachten  Schädel  seien  wesentlich  davon  verschie- 
den; die  Schädelbildung  sei  nicht  zufällig,  sondern 
mit  den  übrigen  Skelettheilen  in  Harmonie.  Er 
halte  diesen  Schädel  noch  immer  für  das  älteste 
Denkmal  des  Menschen  in  Europa.  Quatrefages 
bestreitet  die  Vorstellung  einer  nur  iu  einer  Rich- 
tung fortschreitenden  organischen  Entwicklung. 
Er  betrachtet  das  bekannte  Vorkommen  hellgefarb- 
ter  Individuen  unter  den  Negern  als  Beweis,  dass 
dieweisse  Rate  der  schwarzen  vorausgegangen  sei. 
Da  die  Neger  ohne  Ausnahme  aggluünative  Spra- 
chen, also  Sprachen  auf  der  zweiten  Stufe  der  Ent- 
wicklung besitzen,  so  können  sie  nicht  als  die  ur- 
sprünglichste Race  angesehen  werden.  Die  von 
Broca  angeführten  vier  Fälle  reichen  nicht  hin 
zu  der  Behauptung,  dass  der  primitive  Mensch  doli- 
chocephal gewesen  sei.  Die  von  D u po n t gefundenen 
Schädel  sind  den  brachycephalen  Esthenschudcln 
ähnlich,  auch  der  Unterkiefer  von  Moulin-Quignon 
gleicht  diesen.  Er  hält  die  baskische  Bevölkerung 
für  gemischt,  Celten  und  früher  Phönizier  kamen 
in  diese  Gegenden.  Die  semitische  Race  bat  eine 
geringe  Hcrvorragung  des  Hinterhaupts,  das  gilt 


*)  I)s»  Archiv  bringt  ein  au^führlichf*  Referat  »her 
denselben. 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versamnih ingen. 


$50 

auch  von  den  Baskeu.  Er  behauptet  die  Gleichzei- 
tigkeit brachycephaler  und  dolichocephaler  Raren 
und  verweist  auf  seine  Schritt:  „ Rapport  sur  Je« 
progres  de  r Anthropologie.  Vogt  zählt  mu  den 
Schädeln  aus  der  Mammuthzeit  noch  den  aus  dem 
Arnothal,  den  Cocchi  beschrieben,  auch  dieser  ist 
dolichocephal.  Noch  treten  hier  und  da  Züge  der 
ältesten  Schadolbildung  auf,  das  ist  Atavismus. 
Er  glaubt  nicht,  dass  die  weissen  Neger  ein  Beispiel 
dieses  Gesetzes  seien,  sondern  dass  sie  vielmehr  auf 
die  Zukunft  dieser  Kare  deuten.  Er  glaubt  nicht  an 
eine  Abstammung  de»  Menschen  vom  heutigen  Affen, 
aber  beide  können  einen  gemeinschaftlichen  Ur- 
sprung gehabt  haben.  Was  den  Menschen  am  mei- 
sten aoflzeichnet,  ist  die  Grösse  seines  Gehirns;  im 
ersten  Lebensjahre  nimmt  es  nach  Welcher  um  500 
Cubikcentimeter  zu.  Das  Individuum  wiederholt  die 
Entwicklung  der  Art.  Lagneau  bemerkt,  dass  man 
in  der  Lorraine  und  in  dem  Departement  de  la 
CreiiBe  zahlreiche  Brachyoephalen  finde,  die  aber 
▼on  der  turanischen  Race  sehr  verschieden  seien. 
Er  bestreitet,  dass  die  Körpergröße  mit  dem  Klima 
Zusammenhänge.  Gross  seien  die  Skandinavier  wie 
die  Tuareg  der  Sahara,  klein  die  Lappen  und  die 
Mincopies  der  Andamaninseln.  Ein  Mitglied  der 
Verxaramlung  beklagt  es,  dass  die  Frage  nach  der 
Abstammung  des  Menschengeschlechts  nicht  weiter 
verhandelt  werde.  Der  Vorsitzende  erwiedert,  dass 
sie  nicht  auf  dem  Programm  des  Congresses  gestan- 
den habe  und  nur  gelegentlich  berührt  worden  sei. 
Halleg uen  ist  der  Meinung,  dass  man  sie  in  die- 
sem Falle  sorgfältig  hätte  vermeiden  müssen. 

Der  Vorsitzende  E.  Lartet  schliesst  den  Con- 
gress  mit  der  Betrachtung,  dass  auch  solche  Fragen, 
die  eine  Entscheidung  nicht  finden  konnten,  doch 
eine  bestimmtere  Fassung  gewonnen  hätten,  dass 
die  vielseitige  Erörterung  bei  solchen  Versammlun- 
gen das  beste  Mittel  sei,  vorgefasste,  in  der  Einsam- 
keit des  Studiums  gefasste  Meinungen  zu  berichtigen. 
Die  Zukunft  dieser  Versammlungen  sei  gesichert. 
Die  Wissenschaft,  welche  sich  mit  der  Geschichte 
und  dem  Fortschritt  der  Menschheit  befasse,  kenne 
keine  Landesgrenzen  and  keinen  Zwiespalt  der 
Völker,  sie  verfolge  nur  gemeinsame  Interessen. 
Er  ruft  den  Scheidenden  ein  frohes  Wiedersehen  in 
EngUnd  zn.  S. 

IV.  Verhandlungen  des  internationalen  Con- 
gresses für  vorhistorische  Archäologie 
zu  Norwich  im  August  1868. 

Die  Sitzungen  wurden  am  20.  August  vori- 
gen Jahres  mit  einer  Rede  des  Präsidenten  Lub- 
bock  eröffnet,  in  welcher  er  nach  einer  kurzen 
Uebersicht  über  die  bisherige  Geschichte  des  Con- 
gresses und  einer  ehrenden  Erwähnung  des  im 
Laufe  des  Jahres  verstorbenen  Boucher  de  Per- 
thes die  Kintheilung  der  vorhistorischen 
Zeit  in  ein  pala eolithisches.  ucolithieclies, 


ein  Bronze-  und  Eisenzeitalter  zu  begründen 
suchte  und  schloss  mit  einer  warmen  Ermahnung, 
einerseits  die  spärlichen  Reste  dieser  frühen  Zei- 
ten insb.  in  EngUnd  sorgfältig  zu  sammeln  nnd 
zu  studiren  und  andererseits  die  znm  Theil  noch 
in  diesen  Stadien  sich  befindenden  wilden  Menechen- 
racen,  die  in  so  raschem  D&hinschwipden  begriffen 
sind,  vergleichend  zn  beobachten.  In  der  zweiten 
Sitzung  sprach  Tylor  Über  den  Zustand  der 
vorhistorischen  Racen  nach  Beobachtungen 
an  den  heute  noch  lebenden  wilden  Racen. 
Diesem  folgten  drei  Mittheilungen  von  Stuart 
über  die  Steinzirkel,  über  Steinkisten  in 
Aberdeenshire  undRosshire  und  über  Felsen- 
sculpturen  in  Schottland.  Lewis  las  eine  Ar- 
beit über  die  Sarsdenstones  in  Berkshire, 
die  er  für  Cnltusstätten  erklärte.  Hodder- 
Westrop  sprach  über  Felsensculpturen  in 
verschiedenen  Er dtheilen , Lamprey  über  die 
Alterthümer  der  Inseln  des  stillen  Oceans 
und  der  Südsee.  — Die  für  den  dritten  Tag 
projectirte  Excnrsion  nach  den  quaternären  Drift- 
bil düngen  im  Ousethale  müssten  wegen  schlechten 
Wetters  unterbleiben  und  es  wurden  statt  dessen 
verschiedene  Vorlagen  gemacht  und  dieselben  be- 
sprochen, so  durch  Busk  von  Stein  werk  zeugen 
vom  Cap,  durch  Boyd  Dawkins  von  Schädeln, 
Steinwerkzeugen  etc.,  aus  Höhlen  in  Portugal.  — In 
der  vierten  Sitzung  hielt  Iiuxley  einen  Vortrag 
über  die  gegenwärtige  Vertheilung  der 
Men  schon  racen  und  die  Schlüsse,  die  sich  dar- 
aus auf  ihr  Alter  ziehen  lassen.  Er  unterscheidet 
vier  primäre  Gruppen  oder  Racen.  1.  Die  anstra- 
loide  Race;  braun,  Angen  schwarz,  Haare  schwarz 
nnd  schlicht,  Schädel  lang  (Australier,  Bewohner 
von  Doocan  in  Indien , alte  Aegypter).  2.  Die  ne- 
groide Race,  Haut  fast  schwarz,  Haare  schwarz 
wollig,  Schädel  lang  (Bewohner  von  Central-  and 
Südafrika,  incl.  ßuschmanrace,  von  Madagaskar,  Ma- 
lacca  (Lemang),  Philippinen  (Aheten),  Neu-Guinea, 
Neu-Caledonien.  3.  Die  mongoloi'de  Race,  die 
zahlreichste,  umfasst  die  Bewohner  von  Centralasien, 
reinster  Typus:  Kalmücken  und  Tartaren,  in  den 
Polarregionen  Lappen  und  Eskimos,  die  s&mmt- 
lichen  Eingeborenen  Amerikas,  nnd  endlich  die 
der  Inseln  des  stillen  Oceans  zwischen  Van  Die- 
mensland und  Neuguinea,  die  Sandwichinsulaner 
und  Neuseeländer.  4.  Die  xanthochroide  Racc 
schliesslich  erstreckt  sich  von  den  britisohen  In- 
seln bis  nach  China.  Huxley  weist  darauf  hin, 
dass,  während  die  grosse  Verbreitung  der  dritten 
und  vierten  Race  sich  leicht  durch  Wanderungen 
erklären  lasse,  dies  für  die  erste  und  zweite,  deren 
Gebiete  durch  weite  Zwischenräume  getrennt  seien, 
nicht  möglich  sei.  Hier  sei  die  Trennung  durch 
geologische  Veränderungen  der  Erdoberfläche  be- 
dingt worden.  Die  Eintheilung  von  Huxley,  die 
die  sich  schon  in  anderen  Schriften  des  Verfassers 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen.  351 


angedeutet  findet  (vergl.  „on  the  methods  and  re* 
sultsof  ethnology.  Fortnightly  review.  Nr.  III.  1866*1 
— Laing  a.  Huxley,  „ou  the  prehist.  remains 
of  C&ithness“,  siehe  dieses  Archiv  I.  S.  390)  wurde 
nicht  ohne  Widerspruch  aufgenommen.  C.  Vogt 
verwahrt  sich  gegen  das  Zusammenwerfen  von 
I*appen  und  Eskimos  und  hält  die  dritte  und  viert« 
Race  ihr  gemischt.  Broca  betonte  so  z.  s.  einen 
Rückschritt  Iluxley ’s  den  er  macht,  indem  er  den 
äusseren  Charakteren  mehr  Wichtigkeit  zuschreibfc 
als  den  anatomischen  (iusb.  Schädel-)  Charakteren, 
verwahrt  sich  gegen  das  Zusammen  werfen  der  al- 
ten Aegypter  mit  den  Australiern  und  weist  dar- 
auf hin,  wie  die  Melanesier  Charaktere  der  Negroi- 
den und  Australoiden  in  sich  vereinigen.  Nach 
Schluss  der  Discussion  über  diesen  Gegenstand, 
an  der  sich  noch  ipehrere  Forscher  betheiligten, 
legt  Busk  Schädel  ans  den  Windmühlhöhlen  von 
Gibraltar  vor,  mit  Knochen-  und  Stein  Werkzeugen, 
Lartet  Schädel  und  andere  Knochen  aus  den 
Grabstätten  der  Kennthierjftger  in  Perigord,  die 


von  Broca  genau  beschrieben  werden  (h.  Literatur- 
verzeichnis*). — In  der  fünften  Sitzung  spricht 
Kolleston  über  die  in  England  zur  römisch- 
britischen  und  angelsächsischen  Zeit  üb- 
lichen Begräbnissweisen,  Evans  über  die 
Verfertigung  der  Stein we rkzeuge  in  der 
vorhistorischen  Zeit,  Flower  über  vorhisto- 
rische Grabstätten  in  Algerien,  (Beziehung  der 
dortigen  raegalithizcben  Monumente  zu  denen  in 
Europa),  Lukis  über  solche  in  der  Bretagne.  In 
der  sechsten  Sitzung  Spruch  Franks  über 
Stein  werk  zeuge  aus  Japan  (Pfeilspitzen  etc.  von 
Kiesel  etc.),  die  von  den  Japanesen  wie  von  den 
Sbetländern  als  Donnerkeile  betrachtet  werden, 
Boyd  Dawkins  in  einem  sehr  ausführlichen  Vor- 
trage über  die  mit  dem  vorhistorischen  Menschen 
lebenden  Säugethiere.  Mit  der  sieben  teuSitzung 
wurde  der  Congress  geschlossen.  Der  nächste  fin- 
det in  diesem  Jahre  vom  27.  August  bis  zum 
3.  September  in  Kopenhagen  statt. 


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XIX. 

Verzeiehniss  der  anthropologischen  Literatur. 


I 

Urgeschichte. 

(Von  C.  Vogt.) 


Et  umfasst  dieser  Bericht  da«  ganze  Jahr  1888  und 
was  mir  bis  Kode  Mai  1869  xugekoiutnen.  Besonder* 
glaube  ich  auf  dm  Aufschwung  aufmerksam  machen  zu 
mUsaen , welchen  die  urgeschiciitlichen  Forschungen  einer* 
seit*  in  Spanien  uml  Portugal,  andercraeit*  in  Nordamerika 
genommen  haben.  In  letzterem  Lande  hat  ein«  grcssnrtigc 
Schenkung  des_  bekannten  Philanthropen  Peabody  (140000 


Dollar*)  die  Erwerbung  der  Sammlungen  von  Mortillet 
uo«l  Dr.  Clement  in  St.  Aabin  (zum  Tlieil)  far  «einen 
Geburtsort  Salem  ermöglicht-  Die  Kcdaction  drr  Matä- 
rinnx  i*t  von  Herrn  Mortillet,  der  unterdessen  Unter- 
djrector  de*  grossen  Museums  von  St.,  Germoin  - en  - Lave 
geworden,  an  die  Herren  Tr uta t und  Cartailbac  in  Tou- 
louse ii  berge  gangen. 


Belgien. 


Ed.  Dupont.  Notices  preliminairat  sur  lo«  fouilles, 
exdcutecs  sous  leg  annpicea  da  gouveinement 
beige,  d«D8  les  ca  verues  de  Belgique.  Bruxelles 
1867. 

Aufzählung  der  verschiedenen  Abhandlungen  von  Du- 
pont, die  jetzt  in  zwei  Binden  gesammelt  erscheinen 
bullen. 

Ed.  Dupont.  fitude  sur  les  cavoruc*  du  boiü  de 
Foy  & Monthigle  (Belgique).  Bullet.  Acad.  sc. 
Belgique.  Seance  du  7m<*  Mars  1868,  pag.  199 
—224,  4 pl. 

Acht  neue  Höhlen,  worunter  namentlich  eine,  trou  du 
Surcnu,  viele  auf  einander  gelagerte  Schichten  zeigt,  in 
deren  untersten  Höhlenbär,  Hohleahyiue  etc.  mit  Men- 
schenre*ten  Vorkommen.  Obgleich  einige  bearbeitete  Kno- 
chen Vorkommen,  *o  schlirsst  Dupont  doch  aus  den  Kie- 
Archlv  rar  AntMopoloflo,  Bd.  UI.  Heft  3. 


selwaffen  auf  ein«  etwa»  ältere  Periode  als  Hie  der  Höhlen 
von  Pdrfgord.  Au*  dem  Verhältnis*  der  Knochen,  das* 
diese  vom  Menschen  eingeschleppt  wurden,  indem  man  das 
erlegt«  Thier  nn  Ort  und  Stelle  zerlegte  und  nur  die  dem 
Jäger  und  seiner  Familie  nützlichen  Theile  nach  Hause 
brachte. 

De  Hon»  I/homme  fossile  en  Europa,  son  Indu- 
strie, 8 es  moeurs,  «ei  oeuvrea  d’art,  2d#  edition. 
Bruxelles  et  Pari«,  IX  und  436  S. , 100  Holx- 
»ohnitte  und  eine  Chromolithographie. 

Die  den  Brand  einer  Pfahl  baute  darstellende  Chromolithogra- 
phie hatte  füglich  wegbleibeu  können.  Ganz  gutes,  nur  im 
anthropologischen  Theile  höchst  mangelhafte* Re»um£  des  Be- 
kannten au*  der  Steinzeit  und  deren  verschiedenen  Epochen. 
Die  Bronzezeit  ist  sehr  ungenügend  dargcsteilt  und  der  zweit« 
Thell  de*  Werkes:  Influence  de*  loi*  eosmique*  aur  la  cli- 
matologic  et  la  geologic  und  eine  (Jebemtzung  dea  Arti- 

46 


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354 


Verzeichnis*  der  anthropologischen  Literatur. 


kr]*  von  Omboni  in  Mailand  über  Darwin,  ein  volles 
Dritttheil  des  Buches  bildend,  passt  zu  dem  ersten  Theile 
wie  eine  Faust  aufs  Auge. 

H.  Schuermans.  La  pierre  da  Diable  k Jumbos, 
les-Namur.  Liege  1869,  31  S.t  1 Tafel.  Sepa- 


ratabdruck au»:  Bulletin  der  Commission  roy. 
d’Art  et  dTArch£ologie. 

Dissertation  aber  da*  Wort  Dolmen,  wo  es  herkomme. 
Dann  Beschreibung  de*  Dolmen,  der  längst  zerstört  ist 
und  einen  Steinkreit  balle  und  über  den  die  Nachrichten 
so  vag  *md,  dass  eigentlich  gar  Nichts  daraus  zu  entneh- 
men ist. 


Dänemark. 


Engelhardt.  Guide  illostre  du  Mus£e  des  Anti- 
quität du  Nord  ä Copenhague.  40  S.,  46  Fig. 

Vortrefflicher  kurzer  Catolog,  welcher  denjenigen , die 


den  diesjährigen  Congress  in  Kopenhagen  besuchen  wollen, 
sehr  nützlich  sein  wird.  Kr  begreift  Stein-,  Bronze-  und 
Kisensrit,  Mittäter  und  Renaissance.  Di«  Holzschnitte 
sind  ausgezeichnet. 


Deutschland. 


Ernst  Freiherr  von  Bibra.  Di©  Bronzen*  und 
Kupfurlegirungen  der  alten  und  ältesten  Völker 
mit  Rücksichtnahme  auf  jene  der  Neuzeit.  Er- 
langen, Enke,  210  S. 

Wahrhaft  staunenerregrnde  Anhäufung  eigener  und 
fremder  Arbeit,  nebst  Nachweisen  aber  die  Kenntnis*, 
welche  die  Alten  von  den  Metallen  belassen.  Iiu  Allge- 
meinen schlirsat  sich  der  Verfasser  den  Wlbel’schen  An- 
sichten über  die  Bereitung  der  urgeschichthchen  Bron- 
zen an. 

Rudolph  Drescher,  lieber  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Ermittelungen  auf  dem  Gebiete  dos 
schlesischen  Heidcut huuta.  — Berichte  de»  Ver- 
eins für  das  Manen m schlesischer  Alterthümer. 
Breslau.  Zehn  Berichte  seit  1859,  4°.  Vierter 
Bericht  1866,  S.  4,  1 Tafel  mit  Abbildungen  der 
verschiedenen  Gribertypen , Hügel-  und  Flach- 
gräber mit  und  ohne  Steinsetzungen.  Fünfter 
Bericht  1866,  S.  24.  Siebeliter  Bericht  1867,  S. 
72.  Achter  Bericht  1867,  S.  85,  mit  Karte  der 
Fundstätten. 

Genauer  Nachwelt  nämmt  lieber  bekannter  Fundstätten 
io  Schlesien. 

F.  F.  von  Dücker.  Vorgeschichtliche  Spuren  des 
Menschen  am  Wege  nach  Rügen  und  auf  Büge  n 
selbst-  Briefliche  Mittheilungen.  Separatabdruek 
aus  der  Norddeutschen  Allgemeinen  Zeitung, 
16  S. 

Nachrichten  Uber  Kürhenabfülle  aus  der  Pfahlhantenzeil 
am  Petelowar-See  bei  Prenzlau  (Uckermark),  Pfahlbauten 
dort  und  an  der  Olceücektf  ln  der  Nähe,  über  das  Mu- 
seum in  StruUund,  die  Fabrikation«pläUe  von  Feuerstein- 
goräthen  auf  Rügen  selbst,  die  Kisten-  und  Hünengräber, 
falsche  und  acht«  Steingerithe. 

Carl  von  EstorfT.  Brief  an  Professor  E.  Deeor- 
Abdruck  aus  der  Allgemeinen  Zeitung.  Als  Ma- 
nuscript  gedruckt.  Zürich  1869,  15  S. 

Ueber  di«  Algerischen  Dolmen  im  Vergleich  zu  den 
norddeutschen.  Bestreitet  namentlich  die  Ansicht,  dass  die- 
selben einem  Volke  angeboren  und  dass  sie  aus  einer  Pe- 
riode stammen. 


FödiBch.  Archäologische  Funde  in  Böhmen.  An- 
zeiger für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  1868, 
Nr.  11,  S.  372. 

Beschreibung  der  Gräber,  Gräberfunde  von  jBrüz, 
Saaz  etc.,  deren  Schädel  Weisbach  in  diesem  Archiv 
(Bi  II,  8.  SU)  beschrieben  hat. 

Ernst  Friodol.  Die  Kjökkenmöddinger  der  West- 
see.  Zeitschrift  für  Ethnologie.  I,  S.  82. 

Verfasser  fand  auf  der  Insel  Sylt  hei  Hörnum  Torflager 
und  Waldreste,  die  nur  hei  tiefstem  \V.-u*er*tande  frei 
liegen.  Kr  fand  darin  einen  Xetzbeschwerer,  Steimnnser 
und  andere  Feuersteingeräthi-,  Schalen  von  Austern,  Mo- 
diolus vulgaris,  Mvtilus  edulis,  Bucrinum  undatum,  Wasser- 
pflanzen, Reste  von  Hasel,  Föhre,  Espe,  Erle,  Weissdorn, 
Birk«,  Fichte,  Eiche  — vom  Hecht,  Eber  und  Hirsch. 
Es  sind  versunkene  Küchenabfalle.  Warum  Verfasser  and 
Kedadeurc  in  einem  deutschen  Journal  und  Aufsatz  den 
dänischen  Namen  „Westaee*  (der  für  Deutschland  durch- 
aus unverständlich),  statt  des  deutschen  „Nordsee"  ge- 
brauchen, ist  mir  nicht  klar  gewortkn. 

Friederich.  Heber  einige  altdeutsche  Wohnplätze 
in  der  Grafschaft  Wernigerode.  Wernigerode. 
8°.  mit  1 Tafel. 

Alte  Herdstellen  mit  Topfscherben. 

Friederich.  Beitrüge  zur  Alterthumskundo  der 
Grafschaft  Wernigerode,  II.  Beschreibung  und 
Abbildung  der  in  und  bei  einem  Opfer-  und 
Trnltenhiigel  bei  Minsleben  in  der  Grafschaft 
Wernigerode  gefundenen  Alterthümer.  Werni- 
gerode, 1868,  4®.  mit  8 Tafeln. 

H.  B.  Geinitz.  Mittheilung  Über  eineu  Fund  von 
Mauimuth-StosszähneD.  Sitzungsberichte  der  Ge- 
sellschaft Isis  in  Dresden,  1868,  27.  August, 
8.  114. 

Itn  EJsenbuhodunrhschiiitte  am  Huschhade  im  Trkbbch- 
tbale  bei  Mei*scn,  in  den  unteren  Schichten  des  LHluvial- 
Lchmes,  fandeu  sich  Kähne  von  Mammuth  und  Knochen 
des  Bo*  primigenius  (?).  In  den  oberen  Schichten  dessel- 
ben Lehme*  bei  Miltu  im  TrlebLscbthale  ein  Menschen* 
Skelet.  Dr.  Richter  fand  in  der  Umgebung  von  Saalfeld 
Kcucrstfiuinesser , mit  denen  von  Schussenried  überein- 
stimmend. 


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Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur.  355 


Karl  Haupt.  Heidnische  Alterthümer  aus  dem 
Lübener  Kreise.  Ein  Beitrag  zur  Schlesischen 
Alterthomskunde.  Neues  Lauritzische®  Magazin, 
hernusgegeben  von  Struve,  Görlitz.  45.  Baud, 

1.  Doppelheft,  1868,  S.  250—274,  2 Tafeln. 

Urnen  in  Steinsetxungea  bei  Lercheuborn,  Klein-Krirtzcn, 

Heidnuchanxe  bei  Gros»  - Krietxen,  BraochKsdulorf,  Loben, 
neb*t  rein  hyposhetijchen  Randbemerkungen.  — Nach  Al- 
lein, was  ich  in  Schlesien  beobachten  konnte,  lässt  »Ich 
dort  die  Scheidung  der  verse Lieden en  Perioden  nicht  durch- 
führen, sondern  r*  waren  dort  wilde  Völker  noch  lang« 
noch  der  christlichen  Zeitrechnung  heimisch,  die  grössten- 
thcils  Steingeräthe  bttMSM,  aber  auch  hie  and  da  durch 
TnuM'h  oder  Raub  in  deD  Besitz  von  Bronze  und  Eisen 
kamen.  Die  Abhandlung  bestätigt  diese  Anschauung. 

Feodor  Jagor.  Grabstätten  zu  Nipt-Nipa  (Phi- 
lippinen). Zeitschrift  für  Ethnologie,  I,  S.  80. 

Die  früheren  Bewohner  der  Südköste  von  Samar  be- 
gruben ihre  Todten  in  auf  die  See  geöffneten  Uferhöhlen 
in  Holxsärgen  und  »teilten  Geftac  mit  Wallen  und  Ge- 
schmeide dazu.  Vor  30  Jahren  zertrümmerte  ein  fanati- 
scher Pfaffe  die  meisten  Särge.  Jagor  konnte  noch  einen 
Sarg  mit  einer  Mumie  (erwachsen),  einen  Kindersarg  und 
GefiteMcbcrbcn  auftreiben,  die  jetzt  in  Berlin  sich  be- 
finden. 

G.  C.  F.  Lisch.  Emaillirung  der  Schwertgriffe 
und  das  Bronzeechwcrt  von  Retzow.  3 8.»  2 Fig. 

G.  C.  F.  Lisch.  Ueber  die  bronzenen  Hänge-Ur- 
nen  und  Buckel.  5 S.,  4 Figuren.  (Von  Roga 
und  Lübberatorf.) 

Dinge,  die  wohl  der  Eisenzeit  angehören. 

G.  C.  F.  Lisch.  Ueber  das  Alter  der  Eieenperiode 
und  das  Grab  von  Wotenits.  8 S.,  4 Figuren. 

Auf  einem  ThoageHUw  au»  einem  Grabe,  in  welchem 
nu^k-di-m  Schmuckgegenstände  von  Gold  in  etruskischem 
Style  »ich  landen,  siebt  man  Dreiecke  und  Kreuze  aus 
Punkten  zusammengesetzt. 

G.  C.  F.  Lisch,  lletrurißcho  Urne  mit  dem  hei- 
ligen Hakenkreuz«  in  Münthen.  2 S.,  2 Fig. 

J.  Nilsson.  Das  Steinalter  oder  die  Ureinwohner 
des  skandinavischen  Nordens.  Ein  Versuch  in 
der  comparativen  Ethnographie  und  ein  Beitrag 
zur  Entwicklungsgeschichte  des  Menschenge- 
schlechts. Nach  dem  Manuscript  zur  dritten 
Originalausgabe  übersetzt  von  J.  Mestorf.  16 
litbographirte  Taf.  Hamborg,  Meissner,  XXVIII 
und  190  8. 

Unentbehrlich  fiir  Jeden,  der  «ich  mit  Urgeschichte  und 
besonders  skandinavischer,  beschäftigen  will,  obgleich  das 
Buch  in  manchen  Punkten  einen  gewissen  alternden  und 
veralteten  Eindruck  macht.  Wenn  vor  30  Jahren,  wo  die 
erste  Ausgabe  erschien,  die  vergleichende  Methode  und  die 
Behandlung  der  Alterthümer  vom  ethnographischen  Ge- 
sichtspunkte au»  vielleicht  (wenn  uurh  nicht  so  g»o*,  als 
NilsBon  annitntul),  neu  war,  so  Ut  diese  Methode  heute 
die  herrschend*  und  wenn  wir  nicht  irren,  über  Xilsaon 
hinausgegangfn.  Wir  begnügen  uns,  den  Inhalt  der  Ka- 
pitel anzugeben.  1.  Vergleich  zwischen  den  Waffen  und 
Werkzeugen  wilder  Völkerschaften  und  den  in  Skandina- 
vien gefundenen  AlUrthümern  au»  Stein  und  Knochen. 

2.  Rückblick  auf  die  im  vorigen  Kapitel  beschriebenen 
Alterthümer  und  Versuch,  daraus  ein  bestimmte*  Resultat 
zu  gewinnen.  3.  Vergleich  zwischen  den  in  Skandinavien 
gefundenen  fossilen  .Schädeln  und  deren  noch  lebender 


Volker.  4.  Die  Gräber  de«  Steinalter*  verglichen  mit 
den  Wohnhäusern  und  Gräbern  der  Eskimo.  5.  Wie  die 
Ureinwohner  ihre  Waden  auf  der  Jagd  und  im  Kriege  ge- 
brauchten. H.  Dos  Stei nulter  bei  verschiedenen  Völkern. 
Entstehung  der  Sage.  Riesen,  Zwerge,  Unholde  etc.  sind 
ursprünglich  Völker  verschiedener  Herkunft  und  mit  ver- 
schiedenem Cultus.  7.  Die  wahrscheinliche  Gestaltung 
der  skandinavischen  Halbinsel  zur  Zeit  der  Einwanderung 
ihrer  ältesten  Bewohner.  — Die  Tafeln  #ind  leider  in 
künstlerischer  Beziehung  nicht  den  Erfordernissen  der  Zeit 
entsprechend  und  die  Schädel  - Abbildungen  nicht  zu  ge- 
brauchen. 

Christian  Peteraen.  Ueber  das  Verhältnis»  de» 
Bronzcalter®  znr  hirtoriechcn  Zeit  bei  den  Völ- 
kern den  Alterthnra®.  Hamburg  1868.  4®,  24  S. 

Gehaltvolle  Schrift.  Lucretiua  unterschied  schon 
Stein-,  Erz-  und  Eisenzeit.  Verfasser  stellt  mit  grosser 
Gelehrsamkeit  die  verschiedenen  Kenntnisse  zusammen,  die 
wir  au*  Schriftstellern  und  Fuadgegeustiuden  üher  das 
Brouzealter  bei  den  Aegypteru,  Semiten,  Griechen  und 
Italienern  gewinnen  können. 

C.  F.  Riecko.  Diu  Urbewohner  und  Alterthümer 
Deutschland®.  Nebst  einer  Karte  mit  Bandbil- 
dern und  einer  Tafel  Abbildungen.  Nordhauaen, 
184  S.  und  VIII. 

Keltisch  von  vom  bi*  hinten.  Verfasser  verbreitet  sich, 
wie  er  selbst  im  Vorwort  sagt,  „insbesondere  über  die 
Wohnungen  und  Schulzorte:  wie  Hingwälle,  Sackdörfer, 
Pfahldörfer,  Landwehren  etc.,  über  die  alten  Strassen,  über 
Haus-  und  Ackergerith,  Waffen,  Schmucksachen  etc.,  über 
Heiligthümer.  Opferaltlre,  Opferhügel,  Gräber  und  Grab- 
hügel, üher  Sitten  und  Gebräuche.  Dazu  im  Anhänge  die 
Namen  der  UetrlMor,  Berge  und  Wilder,  der  Burgen, 
Städte  and  Dörfer  etc.  von  der  Seetion  Xordbausen  der 
Re vm an u* sehen  Karte  von  l>ent*chland  erklärt.“  Die 
'Ursachen  geben  nur  die  Handhaben  zu  linguistischen 
und  etymologischen  DheaiMB,  zu  deren  Beurtheilung  un- 
sere Kenntnisse  nicht  ausreichen. 

Rückort,  E.  Die  Pfahlbauten  und  Vftlkeruchicb- 
teu  Osteuropa»,  beniwlen  der  Donaufiirstenthü- 
mer.  Würzhurg  1869.  8°. 

Robert  Schweichei.  Ueber  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Sprach-  und  Naturforachung  in  Bezug 
auf  die  Urgeschichte  de»  Menschen.  Leipzig, 
Denicke,  31  S. 

Versucht,  auf  Sprachforschung  und  Anthropologie  ge- 
stutzt, den  Nachweis  zu  liefern,  dass  die  jetzigen  europäi- 
schen Völker  alle  Mischvölker  sind,  von  älteren  Raren, 
von  Kelten,  denen  besonder*  In  Deutschland  eine  bedeu- 
tende Rolle  zugMchriebcn  wird  und  von  neueren  Einwan- 
derern. 

Verzeichnis®  des  unter  dem  Protoctorate  I.  K.  H- 
der  Frau  Kronprinzessin  Friedrich  Wilhelm  ste- 
henden Museum®  Bchlesischer  Alterthümer  zu 
Breslau.  108  S. 

Sehr  reiche  Sammlung,  besonders  an  Urnen  und  einigen 
höchst  merkwürdigen  Bronzeaachen , unter  anderen  ein 
Wagen  mit  Vögeln.  Schade , das»  die«:  Schätze  in  einem 
niederträchtigen  Kdleriocale  unter  Suub  zusammengehäuft 
modern. 

Wankol.  Die  Slouper  Höhle  (in  Mähren)  und 
ihre  Vorzeit.  Mit  10  Tafeln.  Wien  1868.  4°. 
(Ausland,  1868,  Nr.  28,  S.  662.) 

46* 


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356 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Wannen  Nachträge  zu  den  in  Schleitheim  ent- 
deckten Grabaltert hümern.  Schaffhausen  1868.4°. 

Dr.  P.  Wibel.  Der  Gangbau  des  Denghoog’s  bei 
Wenningstedt  auf  Sylt,  — Aufgedeckt,  unter- 
sucht und  in  »einer  allgemeinen  Bedeutung  für 
die  nordisch©  Alterthuinfkunde  geschildert.  — 
Als  29.  Bericht  der  Schleswig- Holstein- Lauen- 
burgischen  Gesellschaft  für  die  Sammlung  und 
Erhaltung  vaterländischer  Alterthümer.  Kiel 
1869,  91  SM  2 Tafeln. 

Wahrhafte  Musterarbeit,  die  durch  Genauigkeit  der  For- 
schung und  DeUilliruug  »ter  Angaben  für  jede  folgende 
Untersuchung  solcher  Denkmale  Leitfaden  »ein  sollte.  Der 
Bau  ist  eine  elliptische,  fast  genau  von  Ost  nach  West 
Orient irte  Kammer  mit  einem  Ausgange  nach  Süden,  ur- 
sprünglich mit  einem  Kruuxc  groswr  Steine  umgeben  und 
mit  einem  Hügel  überschüttet,  nachdem  die  au»  zwölf  Trag- 
iteineu  und  drei  Decksteinen  (der  grösste  etwa  390 Cent aer 
schwer)  bestehende  Wud  mit  rjnrr^Vjbis  3 Fu**  dicken  Mauer 
aus  dünnen,  mit  Thon  verbundenen  Steinen  verschalt  wor- 
den war.  Die  Kammer  hatte  5*/a  bis  6l/a  Fürs  Höhe  im 
Lichten,  der  Gang  nur  3 */i  Fürs.  In  der  Kammer  drei 


durch  Steinsetzungen  getrennte  Abthcilungen , östlich  eine 
Feuerstelle,  westlich  Auhiiufung  platter  Mauerstciue,  in 
der  Milte  Spur  einer  ringförmigen  Steinsetxuug  und  die 
meisten  Fundgegenstande.  Zerstreute  Knochen  eine»  gros- 
sen, ausgewachsenen  Mannes,  sehr  zahlreiche,  rum  Theil 
sehr  schön  aber  nur  mit  geradeü  Linien  ornamrntirt« 
Thonwaaren  mit  sehr  kleinen  Henkeln  (zum  Auf  hängen), 
Stein-Instrument«,  Bernstein-Perlen,  deren  Fundstellen  auf 
dem  Plane  genau  mit  Nummern  bezeichnet  sind.  Wibel 
verbreitet  sich  noch  über  die  Technik  der  alten  Thonwaa- 
ren, die  Bedeutung  der  kreisförmigen  Steinscheiben  (Schleif- 
scheiben), die  Technik  der  Steingeräthe  und  endlich  in 
einem  besonderen  Abschnitte  über  Zweck  und  Alter  Jie*e» 
und  anderer  Gangbaue.  Kr  hält  diesen,  trotz  der  Skelet- 
theile,  wegm  der  Fcaerstelle,  der  Zerstreuung  der  Tlum- 
scheriten,  Gerithe  und  Perlen  und  der  Anwesenheit  von 
Gegenständen  gewöhnlichen  Gebrauches  für  eine  Wohnung 
und  erklärt  sogar  alle  Gangbauteu  für  ursprüngliche  Woh- 
nungen, die  gelegentlich  als  Grabstätten  verwendet  wurden, 
jedenfalls  aber  der  Steinxeit  «ugehöien.  — Die  beiden 
Tafeln  geben  sehr  genaue  Pläne  und  Durchschnitte,  so  wie 
Darstellungen  der  bedeutendsten  Kundgrgen stände.  Im 

Anhänge  wird  noch  ein  Bronze-Grab  bei  Kämpen  auf  Sylt 
beschrieben,  in  welchem  Gegenstände  aus  Bronze  und  Stein 
gefunden  wurden. 


England. 


J.  Mac  Gregor  Allan.  Carl  Yogt’i  Lectures  on 
man.  Anthrop.  Rov.,  April  1869,  p 177. 

„Professor  Carl  Vogt  (so  langt  dieser  Artikel  an)  wird 
▼on  seinen  Landsleuten  der  Darwin  Deutschlands  genannt.'4 
Ich  wüsste  nicht,  dass  mir  irgendwer  in  Deutschland  eine 
so  unverdiente  Khre  hatte  zu  Theil  werden  Inasen.  Zwi- 
schen dem  genialen  Architekten,  der  einen  neuen  auf- 
führt und  dem  Arbeiter,  der  einige  Steine  zu  diesem  Bau 
bringt,  Ut  ein  kolossaler  Unterschied,  den  Niemand  mehr 
unrrkennt,  als  ich  selbst. 

Anthropological  Beview.  April  1869,  p.  136. 
The  Antiquity  of  man. 

Anonymer,  kritischer  Artikel,  besonders  über  Sir  Char- 
les Lyell’»  Werk  gleichen  Titels.  * 

W.  T.  Blandford.  Stone-implements  found  in 
Central-India,  Asiatic  Society  of  Bengal.  Meet- 
ing of  September  1867.  Mackie-Itepertory,  Vol. 
2,  p.  97. 

Bei  Jubbulpoor.  Tfagpoor,  Leoni,  Chanda,  Hajamnndrv, 
Madras,  Aexte,  Kratzer,  Pfeilspitzen  von  Achat  und  Jas- 
pis; das  Material  stammt  aus  dem  benachbarten  Trappge- 
birge,  ln  alten  Anschwemmungen , die  vou  den  Flüssen 
ausgewaschen  werden.  Der  Meusch  habe  in  Indien  mit 
■len  im  Sande  von  Nerbudda  begrabenen  Thierorten  gelebt, 
welche  von  der  jetzigen  Fauna  sehr  verschieden  seien  und 
grosse  Verwandtschaft  mit  der  Fauna  des  Westens  (Afrika 
und  Europa)  gehabt  hätten  — « linde  sieb  darunter  eine 
dem  Boa  primigenius  identische  Ochsenart  — während  die 
jetzige  indische  Fauna  eine  Mischung  vou  afrikanischen 
und  maUyischen  Formen  darstelle. 

J.  Broca.  On  th«  crania  and  bonea  of  les  Evaies ; 
or,  the  ancient  cave-men  of  Perigord.  Anthrop. 
Rev„  Oct.  IS 68,  p.  408. 

Roproduciiou  der  Abhandlung,  die  in  der  ReUt|Uiae  Aqui* 
tanicae  von  Lartet  und  Christ/  in  englischer  und  im 
Bulletin  der  Anthropologische»  Gesellschaft  von  Pari»  in 
französischer  Sprache  erschien.  Siebe  un  letzterem  Ort«. 


J.  H.  Bowker,  Bleck  and  J.  Beddoc.  The  ettvo 
Cannibals  of  South-  Atrien.  Anthropol.  Review, 
April  1869,  pag.  121. 

Schwer  zugängliche  Höhle  in  der  Nähe  vou  Tbaba  Ho- 
sigo  (Trausgariep  euuutrv)  mit  Haufen  von  Knochen, 
Schädeln  etc.  erschlagener  Menschen  (besonders  Kinder  und 
junge  Personen)  erfüllt.  Ander«  Höhlen,  in  dgr  Nähe 
des  Catedon- Flusses,  sind  noch  bewahrt;  ilie  Hrwt^pr  lia- 
best  aber  der  Menschenfresserei  entsagt. 

Busk.  Not©«  reepecting  human  retnaius  discover- 
ed  in  the  Carbe^o  da  Arruda  by  F.  A.  Pereira 
da  Costa  and  in  the  Grutas  da  Cesar£dl  by  J. 
F.  N.  Delgado,  accomp.  with  variou*  remains  of 
human  art.  (Transactions  of  the  ©thnological 
Society  of  London.  Vol.  VII,  new  series,  1869, 
S.  39.) 

Cole.  On  tho  Discovery  of  Cromlechs  in  Southern 
India.  (Transact.  of  the  ethnological  Society  of 
London.  New  series,  Vol.  VII,  1869,  S.  299.) 


Boyd-Dawkina.  On  the  Distribution  of  the  Bri- 
tish poat-glacial  Mamma]«-  Quarterly  Journal  of 


Barnard  Davis.  Thesaurus  Craniorum.  Catalo- 
gue  of  the  skulls  of  the  various  Races  of  men 
in  the  collection  of  J.  B.  Davis.  London,  8 Vol., 
17  S.  Einleitung  und  374  S.  Text. 

Siehe  oben  Referate,  S.  302. 

Boyd-Dawkins.  On  tho  ago  of  the  Mammoth. 
Geological  Magazine,  Vol.  V,  Nr.  7,  July  1868. 

Sucht  noch/ u weisen,  dass  das  M.munuth  nicht,  wie  Fal- 
couer  glaubte,  vor  der  Eiszeit  (in  den  forest  beds  von 
Cromcr)  in  Kugland  existirte,  sondern  dass  es  not  dem 
Moschus-Ochsen,  dem  Reun  und  dem  Knochen»  askorn  ein- 
wauderte. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  357 


tho  Geolog.  Society , May  1869,  pag.  192  — 
217. 

Sehr  genauer  Kicbwtb  aller  in  Hohlen  oder  Sckwemm- 
lagern  Großbritannien*  und  Irlands  nachgewieseucn  Säuge- 
tkiere  mit  genauester  Angabe  di*r  Lornlitäten , Autoritäten 
und  Museen.  Folgen  kritische  Bemerkungen  über  die  Ar- 
ten, über  die  (Traschen  der  ungleichen  Vertheilung,  über 
die  Beziehungen  zu  den  Arten,  die  ror  der  Ei«zeit  lebten. 
Ausgezeichnete  Arbeit,  die  ganze  Bände  in  wenigen  Seiten 
aufwiegt. 

John  Evans.  On  soroe  antiquities  of  stone  and 
bronze  from  Portugal.  (Transactions  of  the  eth- 
nological  Society  of  London.  VoL  VII,  new  se- 
ries,  1869,  8.  45. 

John  Evans.  On  sorae  discoveriee  of  stone  imple- 
monta  in  iough  Neagh,  Ireland.  London.  4°.  12 
S.,  1 Tafel. 

Geschliffene  und  nicht  geschliffene  Stcingvrälhe,  Pfeil- 
spitzen etc. 

Bruco  Foote.  On  the  distribution  of  stono  im* 
plemetita  in  Southern  Indio.  Quarterly  Journal 
of  the  Geoiogical  Society.  November  1868,  pag. 
484,  mit  Karten  und  Durchschnitten. 

Die  GerätbschntWn  aus  Stein,  den  europäischen  ähnlich, 
linden  sich  meist  in  dem  «.genannten  Latent,  einer  Kösteu- 
bildung  von  rotlietu  eisenhaltigem  Thon,  so  wie  in  einigen 
SÜMwasMrbildungen  tu»  Innern. 

John  Wickham  Flower.  On  some  flint  imple- 
ments  lately  found  in  the  valley  of  the  little 
Ouse  river.  Quartorly  Journal  of  the  Geoiogical 
Society.  February  1867,  pag.  45. 

Fundstätte  bei  Thetford.  Dieselben  Formen  wie  bei  St. 
Acbeul. 

J.  S.  Holdon.  Archaic  Anthropology  in  Ireland. 
Anthrop.  Rev.,  April  1869,  pag.  215. 

Die  Abhandlung  wurde  in  Bel  tust  gelesen.  Den»  hier 
cngezci^leii  Bericht  zufolge  sucht  der  Verfasser  narhxu- 
weisen,  dass  die  drei  grossen  Menschcnrerrn , schwär», 
gelbe  und  wdsse,  schon  von  l'rbeginn  an  ezistirt  batten. 

Joseph  D.  Hooker.  Adrema  to  the  british  Asso* 
ciation  for  the  Advancement  of  Science.  Deliver- 
ed  hy  the  President  at  Norwieh.  August  19, 
1868. 

ln  Miner  Eröffnungsrede  der  Sitzung  der  British  Amo* 
ciation  in  Norwieh  berührt  Hooker  die  merkwürdige 
TbaUache,  das*  die  Khssia,  ein  indo  - chinesischer  Yolks- 
stttmm  des  östlichen  Bengalen«,  noch  heute  Dolmen,  Men- 
hirs, Crmnlech*  und  ähnliche  mcgsliüiisrhe  Monumente 
errichtet  aus  Watten,  die  durch  Erhitzung  und  Aufgicssen 
von  kaltem  Wasser  abgespreogt  werden. 

T.  M’K.  Hughes.  On  flint  implementa.  Mnckie 
Repert  May  1868,  pag.  126. 

Genaue  Untersuchung  über  die  ursprünglichen  Gestalten 
der  Feuersteine  und  die  Veränderungen,  die  sie  durch 
Stoss,  Bruch,  Verwitterung  erleiden,  woraus  sich  dann  die 
Chnrakterisirung  der  Bearbeitung  durch  den  Menschen  er- 
giebt. 

Le  Hon's  fossil  man.  Anthropol.  Review,  April 
1869,  pag.  163. 


Kurzer,  kritischer  Artikel  über  das  Werk  von  Le  Hon. 
Siehe  Belgien. 

G.  A.  Lebour.  Kitchen-Midden , in  Britanny,  at 
Doelan.  Anthropol.  Rev.,  Oct.  1868,  pag.  467. 
Mater iaux,  5“e  Annüe,  2da  Serie,  pag.  125. 

Kjökkenmodding  in  der  Bretagne,  von  dem  Verfasser 
und  einem  Herrn  Pcyron  untersucht.  Wenige  Austern, 
dagegen  (ich  setze  die  englischen  Nomen  her,  deren  erncte 
Bedeutung  ich  nicht  kenne)  the  eotnimm  limpet,  the  peri- 
wiukle , the  cockle.  Darnuter,  bedeckt  von  Steinplatten, 
Menschen-  and  Thierknochen,  die  in  Staub  zerfielen. 

J.  P.  Lesby.  Man’«  Origin  and  Destiny,  sketched 
from  the  plateform  of  the  Science».  ln  a couree 
of  lecturcs  delivered  before  the  Lowell  Institute 
in  Boston  in  tho  Winter  of  1865 — 1866.  Lon- 
don, Trübner,  1868,  384  S.,  23  Holzschnitte. 

Sonderbare  Vrnjukkung  voq  Theologie  und  Wissenschaft. 
In  den  Capiteln,  welche  mich  hier  ungeken  (Alter  des 
Menschengeschlecht»  und  Einheit  desselben),  habe  ich  ver- 
gebens eine  neue  Thutsacbe  oder  nur  einen  neuen  Gedan- 
ken gesucht. 

L.  Pigorini  and  Sir  John  Lubbook.  Notes  on 
Hut'urns  and  other  objects  from  Marino,  near 
Alhano,  in  the  provinoe  of  Rome.  London  1869. 
Nichols  and  Sone.  4°.  25  S.,  2 Tafeln  und  Holz- 
schnitte im  Text. 

Beschreibung  und  Abbildung  der  merkwürdigen  Bronze- 
gerätbe,  Idole,  GefiUse  und  namentlich  der  seltsamen  Haus* 
urnen,  die  man  am  angeführten  Orte  gefunden  hat.  Ver- 
gleichung der  letzteren  mit  den  von  anderen  Orten  (Hal- 
bcrsladt,  Oscbenlrbcn  etc.)  stammenden. 

Henri  Prigg.  On  a ground  stone  implcment,  from 
Flempton,  near  Bury  St.  Kdmonds  (Suffolk). 
Journal  of  Antkropolog.  Society,  London,  July 

1868,  cvn. 

Die  Discusakm  läsal  es  in  Zweifel , ob  der  Stein  natür- 
lich oder  künstlich  gestaltet  sei. 

H.  Schaaffhauaon.  On  the  primitive  form  of  the 
human  skull.  Antbropolog.  Review,  Octob.  1868, 
pag.  412. 

Sich«  oben  Referate,  Nr.  13.  8.  321. 

Sterling.  Flint  arrow-heads  and  North  American 
pipes.  Journal  of  the  Anthrop.  Soc.  of  London, 
April  1869,  pag.  CX1I. 

Die  Pfeilspitzen  - und  di«  Pfeifenform  von  Stein  wurden 
auf  Kelby’s  Island  Iw  Eric-See  gefunden.  Di«  Pfeifenform 
hat  die  Gestalt  der  grossen  Schneeeulen. 

John  Stuart,  Recent  progresa  of  Archaeology. 
An  Adress  given  at  tho  openitig  of  tho  mccting 
of  the  Glasgow  Archaeological  Society,  1866, 
27  S.,  4 Tafeln. 

Enthält  Nach  Weisungen  über  Gräber,  Küchennbfälle  und 
ganz  besonders  künstliche  Inseln  (Craunogbes)  in  Schott- 
land, worunter  eine  ganze  Gruppe  in  dem  jetzt  trocken 
gelegten  Sec  von  l>owulton  (Galloway).  Packwerke,  die 
aus  der  Bronzezeit  zu  stammen  scheinen. 


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358 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Frankreich. 


Cte  V.  Adhemar.  Faits  ncraveaux  concorrmnt 
r»ge  da  la  pierre  tailläe.  Toulouse,  Rives  et 
Paget.  4°.  8 S.  Davon  4 mit  Holzschnitten  der 
Gegenstände  und  1 mit  einer  Karte  ausgefüllt 

Geschliffene  und  «tun  Schleifen  vorbereitete  Steinkeile 
vom  Ufer  der  Calonnc  und  der  Sausse,  zweier  Nebenbache 
de»  Cher*  bei  Toulouse. 

Lia  Andaloua  (Louis  Landa).  L’homme  fogeile 
dang  Saöne  et  Loire.  Courier  de  la  Saonc  et 
Loire,  7 Nov.  1867. 

Bei  Chagnjr  wurde  unter  6 Meter  t-ompakten  Lehme», 
Lehmsande«  und  Ei»en»andes,  alle  wohlgwchicbtet,  ein  au» 
rohen  Steinplatten  zusammengesetzter  Gang  gefunden,  der 
nur  einen  Fu**  (0*38  Meter)  im  Lichten  hatte.  I)a»  Ter- 
min zeige  keine  Spur  von  Umgrabung,  müsse  als»  nachher 
abgeselzt  worden  »ein.  In  einiger  Entfernung  habe  man 
in  «lennelbeu  zwei  Stö»*zkhne  von  einem  Elephanten  ge- 
funden. 

Arcelin.  Age  de  la  Station  de  Solutro.  Mortillet- 
Matcriaux,  4“°  Armee,  pag.  108. 

Behuuptet  die  Uebereitititimmung  der  Instrumeut«  mit 
Laugeric- haute  und  Pont-A- Lesse.  Die  geschliffene  Steinaxt 
•ei  celluchen  Ursprung»  und  ringefhhrt. 

Arcelin.  L’Age  de  pierre  en  Kgypte.  Materiaux, 
5“e  Annee,  2d*  Serie,  pag.  136. 

Steingerkthschafteu  bei  Bab  - el  - Moluk  , Kl  - Kob  , Abu- 
Mangn  etc, 

Adrien  Arcelin.  Note  sur  les  antiqnite*  prehisto- 
riques  de  la  valleo  de  la  Saune.  Macon.  16  S. 

Angabe  verschiedener  Stationen:  au»  der  Zeit  de»  Höh* 
lentigers,  der  Hyäne  und  des  Mammuth:  Grotte  von  Ver* 
gisaoo;  au»  der  Hennthierreit : Solutrf;  au»  der  Pfahlbau- 
tenzeit: CharWnniere» , V feine»,  Asnirres  bei  Toumoo, 
au»  der  Bronzezeit;  fast  überall. 

Adrion  Arcelin.  Ftudes  d* Archäologie  prehiato- 
riquM.  Les  berges  de  la  Saöne.  Temps  celtiques, 
fer,  bronze,  pierre  polie.  Lyon  1868.  23  S. 

Die  römischen  Fundstellen  finden  «Ich  in  etwa  1 Meter 
Tiefe  unter  der  Obertiicbo  — der  Fluss  setzte  also 
iu  1500  bi»  1800  Jahren  soviel  ab.  Dies  dient  als 
Chronometer.  Zwischen  1 bi»  1*50  Meter  Gegenstände 
der  Ki ‘cnz.it;  xwiwhen  1*50  bi»  2 Meter  Thonwaarcn 
au*  der  Bronzezeit  — unter  2 Meter  geschliffene  Stein- 
waffen — unter  4 Meter  wenige  Stücke  aus  der  Kenn- 
thierzelt. Uugcführc  Berechnung  aus  diesen  Daten:  Ko- 

mische Epoche : 1500  bi*  1800  Jahre  — Kucnxcit  1800  bis 
2700  Jahre  •—  Bronzezeit  *2700  bi»  3800  Jahre  geschlif- 
fene Steinzeit  3800  bi»  8000  Jahre  - RenntUierzcit  8700 
hi»  8000  Jahre. 

Adrion  Arcelin.  La  Station  de  TAge  du  renne 
de  Solutrc.  Lyon.  30  S.,  1 Tafel. 

Vorläufige  Anzeige. 

Charles  Aubertin.  Hache  en  jadi'ite  -trouvee  » 
Beauno.  Mortillet- Materiaux , 3m#  Annee,  pag. 
465. 

Geschliffene  Steinaxt  aus  Jude  in  2 Fu»a  Tiefe. 

Azam.  Fouilles  a Bordeaux.  Bullet,  de  la  SoC. 
d’Anthrop.  de  Paris.  2d*  Serie,  Vol.  III,  pag.  34. 


KjökkeuiDLidding  mit  Ansternschalen , Kohlen,  Knochen 
und  Feuersteiugeräthen  in  der  Nähe  der  Cathedrwle  unter 
dem  Buden. 

A.  Baudon.  Notice  sur  diverses  deoouvertca  ar* 
chootogiques  du  Canton  do  Mouy  et  territoires 
voiniui.  Beauvais  1867.  14  S.,  5 Tafeln. 

Aufzählung  der  Funde  aus  Stein  und  Bronze. 

E.  Beauvoifi.  Les  epoques  gallo-roraaines  et  de 
la  pierre  a Corberou.  Mortillet-Matöriaux,  3m* 
Annee,  pag.  465. 

Römische  Villa;  iu  der  Kühe  gr*chliff«ne  Stein waffen. 

de  Beifort  et  Broca.  Sepulture  merovingienne 
de  Claye*.  Bulletin  de  la  Sociöte  d’Anthrop. 
de  Paria.  VoL  III,  pag.  205  und  280. 

Zwei  Schädel  von  Kriegern  mit  Lanze,  Scrnmasax  und 
Messer,  einer  dolichoeepluü,  der  andere  brach vrephaL  ln 
gedeckelten  Steinsärgen. 

M.  Beigrand.  Sur  Phintoire  ancienne  de  la  Seine. 
Bullet  de  la  Societo  Geolog.,  2dc  Serie,  T.  25, 
pag.  499 — 524. 

Kesuuie  einer  grösseren  Abhandlung,  das  »ehr  genaue 
Angaben  über  die  Bildung  de»  Dilu>iutu»  uud  Alluviums 
de»  Seine  - Becken»  enthalt.  De»»halb  wichtig,  weit  in 
beiden  Mcuschenrcste  gefunden  werden. 

Beigrand.  Quaternaire  de  Paris.  Sooi^te  geolo- 
gique  de  Paris.  Seance  du  2<k‘  Mars  1868. 

Die  Schichten  wurden  durch  einen  regelmässigen  Strom 
abgelagert  und  man  braucht  zu  ihrer  Bildung  keine  aus- 
•ergewühnlichcn  Fluthen  zu  Hülfe  zu  nehmen.  Ausser 
den  Men*chenre»ten  linden  »ich  in  den  unteren  Schichten 
Flusspferd,  drei  Nashornarten,  der  grase«  Biber  (Trogon- 
tberium)  etc.  In  etwa»  buhen«  Niveau  fand  man  bei 
Momreui)  de«  Elephtt»  «utiijuus,  Rhinoiero»  Mertkii,  Fluss- 
pferd, Auerocbs.  Eher  nnd  einen  neuen  grossen  Hirsch 
(Ccrvus  Belgrsodi)  nach  Bestimmungen  von  Lartet. 

Borthorond  et  Bourjot,  Fouilles  des  Dolmen* 
du  platcau  des  Beni  - M-sbous  pres  Alger.  De- 
dtictioii8  anthropologiques  et  description  de  la 
contree.  Alger.  16  S. 

Alle  dies«  Del  men  sind  nach  Osten  orientirt,  viereckig, 
aus  unbehauenen  Platten  bi»  za  3 Meter  Länge  und  1 [j 
Meter  Breite  gebaut.  — TopfMuerben  liegen  in  einem 
vordem  Winkel;  die  Menschengebcine,  sehr  schlecht  er- 
halten, etwa  einen  Fu»  unter  der  Dodcnfliche  vier  unter- 
einander; dabei  wenige  Gegenstände  (Ringe  oder  Armbin- 
der), meLt  zerbrochen,  rou  Kupfer  (Bronze).  In  einem 
fanden  «ich  Reste  von  wenigstens  8 , in  einem  andern  von 
b Individuell  jeden  Alter»  und  Geschlecht». 

E.  Bcrtrand.  Grane  et  owemente  trouvöa  dans 
une  carrierc  de  Pavenoe  de  Clichy.  Bullet,  de  la 
Soc.  d’Anthrop.  Paris.  Vol.  III,  pag.  329. 

Schenkel,  Schienbein,  Schiidelbrucfastücke  und  Fuvskuo- 
cheu  vom  Menschen  in  einer  Schicht  des  Diluvjnin  von 
Pari»,  die  Msmmuth,  Nashorn,  Pferd,  Aucrochs  etc.  ent- 
hält. Die  Dicke  der  Sch  Welk  nochen , die  nach  Pruner- 
Bey  einem  Weibe  angehören,  »el  »ehr  bedeutend.  — 
Mortillet  behauptet,  die  Knochen  seien  von  einem  Ar- 
beiter in  einer  hubern,  der  Rennthierzeit  an  gehörenden 
Schicht  ursprünglich  gefunden  und  in  der  tiefem  Mam- 


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Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur.  359 


tnuthschicht  verborgen  worden.  — Hainy  hat  andere  Men- 
«chenkuoi'hen,  von  Keboux  gefunden,  aus  der  tiefem  Schicht, 
stellt  also  Mortillet’*  Zweifel,  die  auf  der  Erzählung 
eines  Arbeiten»  beruhen,  in  Abrede,  ln  riner  spätem 
Sitzung  (ibUl.  paß.  408)  bemerkt  Pruner-Bey  über  die 
vorgezeigteo  SehideUtücke,  da«  sie  einem  dolichocephalen 
Weiberscb&del  angehören.  während  Broca  sieb  mehr  der 
Ansicht  xuncigt,  daa»  sie  ron  einem  Manne  summen. 

Fordin.  Bouquinat.  Instruments  en  silex  de 
Vertault  (Cöte  d’Or).  Mortillet -Matorittux,  3“® 
Arniee,  pag.  466. 

Viele  gesrhlUTene  StcinwafTen. 

Bourgeois.  L'homme  tertiaire.  Mortillet -Mato- 
riaux,  4*n*  Annee,  pag.  248. 

An*  dem  unterdessen  erschienenen  Bericht  über  die  Coo- 
grewitzoiig  in  Paris.  Mit  Durchschnitten  des  Termins, 
in  weichem  die  bearbeiteten  Feuersteine  gefunden  wurde», 
die  über  die  Lagerung  keinen  Zweifel  lassen.  Ich  will 
hier  nur  hervorhebca , da*»  die  Steine  in  S.hichten  liegen, 
die  »ich  unter  dem  Sande  von  Orleans  linden,  ln  welchen 
Dinothcrium,  Mastodon,  Amphicvon  — kurz  die  Säuge* 
thiere  von  Eppelsheim  am  Rhein  Vorkommen.  Beigelügt 
sind  (in  natürlicher  Grösse I die  von  Abbe  Delaunay  ge* 
fundeneu  Kippen  von  llalitherium  mit  Einschnitten. 

Bourgeois,  Abbd.  Trane  finnoia  de  Tepoque  m£- 
rovingienno.  Mortillet- Materiaux  , 4m®  Annee, 
pag.  108. 

Der  Verfasser  hat  an  Pruner-Bey  einen  finnischen 
Schädel  aus  einem  Merovingiscben  Grabe  geschickt,  der  de- 
nen von  So]ut*4  »ehr  ähnlich  Ist. 

Bourguignat.  Notice  aur  diverses  cspeces  de  mol- 
lu&quea  et  de  manuniferes  decouvertes  daos  une 
Caverne  prea  de  Veuce.  Paria,  Bouchord-Hyznrd. 

Aus  dem  Funde  einiger  Helix , die  asiatischen  ähneln 
und  eines  Hunde«  (Untergattung  Cuon)  sucht  Bourgui- 
gnat  nachxuweisen,  da»«  unsere  ganze  europäische  Fauna 
von  Asien  her  eingewandert  ist. 

A.  Bourjot.  Grotte  ü silex  tu i lies  dann  la  car- 
riere  Meieion  - <T Are  h la  poiute  Pescade  prea 
d’Alger.  Mortillet -Materiaux,  4'“®  Armee,  pag. 
122. 

Spuren  eines  Herdes  in  einer  Grotte  mit  Asche,  Kohlen, 
zerbrochenen  Knochen  und  zwei  behauenen  Steinwatfen. 

Bourjot.  Promonadea  geologiques  ct  anthropoio* 
gique«  aux  environa  d’Alger.  Alger.  23  S. 

Bekanntes. 

Bourjot.  Decouverte  d’une  grotte  a la  Poiuto- 
Poacade  (prva  Alger)  k la  Carrier«  de  calcaire 
bleu.  Alger.  13  8. 

Die  Grotte  war  mit  einer  Art  trockenen  Mauerwcrks 
und  einer  Steinplatte  geschlosseu  und  die  innere  Erweite- 
rung mit  Steinplatten  gepflastert.  Es  fand  sich  darin; 
ein  Stein-Instrument,  Tiele  zerschlagene  Knochen,  in  wel- 
chen der  Verfasser  einstweilen  mehrere  Antilopen  (rccti- 
cornis,  dorras,  corinna),  den  Steinhock,  das  Mähncnschnf, 
den  bos  primtgenius  erkannt  haben  will.  Ausserdem  Mas- 
sen gegessener  hämisch  necke»  (Helix  aapersu). 

J.  Bourlot.  Ilistoirc  do  Thomme  autediluvien; 
Ages  du  Mammouth,  de  l’oure  des  cavernes  et 
du  renne.  Paria,  Leiber.  58  8. 

Kurze»  und  klares  ßesuuie  ohne  neue  Thatsacben. 

Brasseur  de  Bourbourg.  Quatre  lettre«  aur  lo 
Mexique.  Paris,  Durand.  XX  und  463  S. 


Der  unsterbliche  Verfasser,  der  bekanntlich  das  Sudel- 
heft eine«  mitteldeutschen  Schulbuben  als  indianisches 
Manuscript  vom  höchsten  Intern»«  herausgegeben  hat, 
findet  jetzt  in  einem  mexikanischen  Code*  die  Aufklärung 
aller  Fragen,  welche  di«  wissenschaftliche  Welt  interessi* 
ren.  — Silndfluth,  Ursprung  des  Menschen , der  Sprachen, 
der  Civtlisation  u.  «.  w.  Alle«  recht  ergötzlich  zu  lesen 
und  mit  Holzschnitten  verziert. 

Briart,  Cornet  et  Houaeau  de  Lehaie.  Rapport 
§ur  len  docouvertea  geologiques  et  areh^ologiquea 
faitea  k Spiennea  en  1867.  Mona  1868.  40 
12  Tafeln. 

Genaue  Beachreibung  mit  Abbildungen  und  Durchschnit- 
ten diese«  merkwürdige»  Fundorte«  von  Kiesel  - Instrumen- 
ten, der  offenbar  von  den  ältesten  Zeiten  bi«  zur  Pfahl- 
bautenzrit  zur  Fabrikation  diente. 

Broca.  Crftne  de  Meyrueis  (Losere).  Bullet,  de  la 
Soc.  d’Anthrop.  Paris.  2de  a£rie,  Vol.  III, pag.  129. 

Der  Schädel  stammt  wahrscheinlich  aus  der  Grotte  von 
Meyrueis  oder  Nabriß«*,  di«  von  Höhlenbären  bewohnt  war. 
Er  wurde  auf  dem  Boden  de*  Hnm.cs  eines  Herrn  Ignon 
entdeckt . der  vor  etwa  30  Jahren  die  Höhle  untersucht 
und  dort  einen  Schädel  gefunden  hatte,  seitdem  aber  ge- 
storben war.  Herkunft  und  Lagerung  de«  Schädels  ist 
also  sehr  ungewiss  — Im  Uebrigen  ist  er  sehr  merkwür- 
dig. Uruchycepbal  (Index  84*39);  Cuhik-Inhalt  1406  Cu- 
bikcentiineter.  Alter  Mann,  all«  Nähte  verwachsen.  Stirn 
«ehr  schmal  und  niedergedrückt,  starke  Prognathie  (Cnm- 
per’ncher  Winkel  = 7ü°),  Augenbraurnbogen  sehr  vor- 
springend, grosse  Aebnlichkeit  im  Profil  mit  der»  N «ander- 
sciiiidcl.  Pruner-Bey  findet  Aehnlicbkeit  mit  Caraibeii- 
Schädeln. 

P.  Broca.  Cränea  extraita  do  long-barrowa  de  1 
Grande-Bretagne  par  M.  Tkurnaui. 

Einige  ausgesucht«  dolichocephale  Schädel.  Drei  schöne 
Holzschnitte. 

Broca.  Sur  lea  eränes  et  oaaeuienta  des  Eyziea. 
Bullet  de  la  Soc.  d’Anthrop.  Vol.  111,  pag.  350. 

Länger«  und  genaue,  mit  Holzschnitten  und  Tabellen 
versehene  Arbeit,  deren  Sclilu»*-Re»utu«  ich  hier  mit  den 
Worten  des  Verfasser*  wiedergeb*.  »Wir  linden“,  sagt 
Broca,  „in  der  Rare  von  Kyziee  eine  merkwürdige  Ver- 
einigung vou  Charakteren  höchsten  und  niedersten  Ranges. 
Da«  grosse  Volumen  de«  Gehirns,  die  Entwicklung  der 
StEmgegend,  di«  schöne  elliptische  Form  des  vordem  Thel- 
les  des  Schädclprofils,  die  orthoguathe  Bildung  des  obern 
Gesichtatheilcs,  die  einen  »ehr  offenen  Camp^r’schen  Ge- 
sichtswinkel bedingt,  sind  unzweifelhaft  Charaktere  höherer 
Bildung,  wie  man  sie  nur  bei  Culturracen  zu  Huden  pflegt. 
Auf  der  andern  Seite  würden  die  gross«  Breite  des  Ge- 
sichtes, der  Prognntbisuius  der  Alveolartheile.  die  euorme 
Entwicklung  des  horizontalen  Aste«  der  Kinnlade,  die  Grösse 
und  Rauhigkeit  der  Muskel -Ansätze,  besonder»  der  Kau- 
muskeln, unmittelbar  den  Gedanken  einer  gewaitthitigen, 
brutalen  Kace  auf  kommen  lassen,  wenn  wir  nicht  ausser- 
dem wüssten,  dass  das  Weib  durch  einen  Schlag  mit  der 
Axt  (auf  den  Kopf)  getödtet  wurde  und  dass  der  Greis 
am  Schenkelknochen  die  Spuren  einer  alten,  schweren  Ver- 
wundung trägt.  Dazu  kommt  noch  die  Einfachheit  der 
Nähte  und  ihre  wahrscheinlich  frühzeitige  Verwachsung, 
die  wie  hei  den  barbarischen  Völkern«?»,  von  hinten  nach 
vom  fortschreitet.  Fügen  wir  noch  die  athletisch«  Bil- 
dung und  Grösse  der  Knochen,  di«  ausserordentliche  Ent- 
wicklung der  rauhen  Uni«  am  Schenkel,  die  von  einer 
gewaltigen  Ausbildung  der  Muskelkraft  zeugt,  hinzu  und 
erinnern  wir  daran,  dass  drei  Charaktere,  die  ausseror- 
dentlich« Breit«  de*  Kieferastes,  die  Krümmung  der  EH« 
unter  dem  processn*  curonoideua  und  die  geringe  Tief«  de« 
Kfonenciodruckes  und  endlich  die  Abplattung  der  Schien- 


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360  Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur. 


teilte  mehr  oder  minder  deutlich  affenartig  sind,  *o  haben 
wir  ds*  Bild  einer  Race,  welche  durch  einige  Charaktere 
die  booteten  und  edelsten  Stufen  der  menschlichen  Bil- 
dung erreichte,  durch  andere  aber  **lb*t  unter  die  niedrig- 
sten anthropologischen  Typen  der  Jetztzeit  beratet  leg*  . . . 
Jedenfalls  ist  diese  lUce  gänzlich  von  allen,  bis  jetzt  be- 
kannten, älteren  und  neueren,  verschieden. 

An  diese  Mittheilung  knöpft  sich  eine,  in  den  bis  jetzt 
■ns  sugegangenen  Helten  noch  nicht  beendete  Discusston. 
Pruner-Bcy  (ibid.  S,  416)  behauptet,  dass  die  ausser- 
ordentlichen Charaktere , besonders  die  Abplattung  der 
Schienbeine  (Platycnemie  der  tibia,  wie  Busk  sie  nennt) 
von  Rhnchitismu*  herrühren,  dass  die  Schädel  den  Charak- 
ter der  Nengoloidcn  haben  und  zwar  den  Schädeln  der 
Estben  sehr  ähnlich  sind,  weniger  denen  der  Finnen  und 
gar  nicht  denen  der  Lappen.  Auch  das  Becken  sei  durch 
seine  Breite  dem  der  Ksthen  ähnlich  und  die  Struetur  de« 
Gaumens  zeige , dass  die  Spnn  he  dieser  Höhlenbewohner 
weder  eine  arische,  noch  semitische,  sondern  zugleich  sanft 
und  schwach  gewesen  »ei,  wie  die  finnischen  Idiome  (Ml) 
Schien*  und  Schenkelteine  seien  rhachitisch,  wie  auch  die 
des  Neaaderthale».  Man  könne  da  nicht  von  atTenähulicheu 
Charakteren  sprechen,  die  Schienbeine  des  Gorilla  »eien 
doch  anders.  Broca  (ibid.  S.  433)  erwiedert,  sie  »eien 
ähnlich,  wie  Jedermann  sehen  könne,  nicht  identisch;  die 
durch  Rhachitismus  verunstalteten  Schienbeine  »eien  durch- 
aus ander»  gestaltet,  gekrümmt,  nicht  gerade,  wie  die  von 
Eyzics,  womit  auch  Jules  Guerin  übereinrtinuue;  die- 
selbe Form  sei  häutig  gefunden  worden,  wie  im  Diluvium 
von  CHchy,  in  den  Dolmen  von  Chiunanl  und  Maintenon, 
von  Busk  in  den  Hohlen  von  Gibraltar  etc.  Später 
(8.  454)  geht  dann  Broca  sehr  weitläufig  auf  die  Ver- 
gleichung der  Schädel  von  Kyzies  mit  den  Ksthen  «in  und 
sucht  dieselbe  Punkt  für  Punkt  xurü<  kzuwetsen. 

Victor  Brun.  Notice  aur  les  fouillea  paloontolo- 
giques  de  l’Age  de  pierro  execut^es  ä Bruniquel 
et  Saint  - Antonin.  MontaubAn  1867.  46  S. , 7 
Tafeln. 

Zwei  Fundorte,  nach  den  Besitzern  Lafaye  und  Plan- 
tade  genannt.  Am  ersteren  gedengelt«  Strininstrnment« 
ln  Menge,  am  letzteren  wenig,  in  Ware  zwei  menschliche 
Schädel,  ein  Commandostab  mit  cingravirtena  Tigerkopf  — - 
in  Plantade  ein  Herdstein  und  Pfeilspitzen  mit  Widerhaken. 
In  der  Kühe  auch  eine  Hohle  au»  derselben  Rennthicrxcit 
(Caverat  des  Batut»)  mit  viel  durchbohrten  Klcischfresser- 
tähnra. 

Albert  Bruxard.  De  l’Age  dti  bronxe  dans  l’ar- 
rondinseuiout  deS6mur(C6t«  d’Or).  Semur.  15S., 
1 Tafel.  4«. 

ln  einem  Felde  wurden  acht  Aexte,  unter  den  Wurzeln 
eines  Baume»  bei  Al;«vS*int®-Kcine , Lanzenspitzen,  Aexte, 
Schwert,  Meswr,  Pfeilspitze,  viele  Hinge  und  eine  Platte 
aus  Bronze  gefunden. 

L.  Bunet.  Grotte  Spulende  daun  le  Gard.  Ma- 
turiaux,  2d"  Serie,  Nr.  1,  8.  70. 

ln  der  Nähe  von  Durfort.  Sehr  enger,  kaminähnlicher 
Zugang.  Mehre  vollständige  Schädel,  viele  Knochen,  Per- 
len, Steinmesser,  Aexte,  Pfeife  aus  Knochen,  Lanzcnspitzo 
aus  Brouze  noch  im  Knochen  steckend. 

A.  de  Caix  do  Saint-Aymour.  Rapport  aur  les 
fouilles  du  monuiuent  megalithique  dn  Vauroal 
(Seine- et-Uise).  Bullet,  de  la  Soc.  d’Anthrop.,  2do 
aorie,  Vol.  II,  pag.  664.  Mortillet-Materiaux,  4m* 
Annue,  Mai  1868,  pag.  188. 

War  eine  bedeckte  Allee,  deren  iJccksteine  weggefiihrt 
und  zerstört  sind,  14  Meter  lang  und  2*60  Meter  im  Mit- 
tel h«>cb.  Auf  dem  ursprünglichen  Boden  eine  30  bis  40 


Centimeter  dicke  Schicht  ran  Knochen,  Kieseln,  Kohlen  und 
Instrumenten.  Drei  Kammern:  in  der  vordersten  polirte 
Kleselwaffei),  durchbohrte  Pferderähne,  Ring  von  Fluwpatb ; 
in  der  zweiten  aus>er  den  Kieseln  ein  Gefäs*  von  rothem 
Thon,  fast  cy lindrisch,  oben  etwas  weiter.  20  Centimeter 
hoch,  15  Centimeter  breit;  in  der  dritten  fünf  Schädel,  un- 
ter jedem  ein  Halsschmuck  — Halsband  au*  durchbohrten 
Scheiben  von  Knochen  und  Schiefer,  an  welchen  Amulette 
hingen  von  Jade  mit  durchbohrten  Pferdezähnen.  Pruner- 
Bey  fand  beim  Reinigen  eiues  Schädel*  ein  menschliches 
Schulterblatt  mit  einem  Loche,  in  welches  ein  Ring  ein- 
gesetzt war,  sei  das»  man  es  auf  hängen  konnte  und  wahr- 
scheinliih  um  den  Hals  trug,  wie  noch  jetzt  manche  Völ- 
ker thun. 

Virgile  Call  and.  Lea  monuments  anteceltiques 

de  Paaly.  Argus  Soiaaonnaia  du  1*  Dec.  1867. 

Schichte  im  Diluvium  mit  Kohlen,  Asche,  Knochen  und 
Zähnen  von  Mammuth,  Nashorn,  Hyäne,  Höhlenbär,  Eber, 
Itiesenhimh,  Ochs  und  Pferd.  Alle  Markknochen  zerbro- 
chen. Holte  Steinäxte.  Sei  wahrscheinlich  eine  zusammen- 
gestürzte  Höhle.  Darüber  hat  »ich  zwischen  dem  Verfas- 
ser und  einem  Domherrn,  Abte  Peronne,  eine  sehr  hef- 
tige DI«cu»slon  enUponticu,  ergötzlich  zu  lesen,  in  welcher 
Glauben  und  Wis»cn»chaft  eiunuder  ltart  auf  den  Leib  ge- 
hen, Herr  Ca) Und  aber  das  letzte  Wort  behält. 

Canestrini.  Palafitte  de  Gorzano,  prea  Modene. 
Mortillet-Materiaux,  3**  Annee,  pag.  466. 

Zwei  Schichten:  eine  untere,  breiig,  von  heller  Farbe, 
mit  viel  Kohlendeckeu , eiue  obere,  erdig,  dunkel.  Die 
Pfähle  der  unteren  Schicht , ganz  vermodert , stecken  in 
dem  Untergrund  der  Trrrnmnre,  Canestrini  glaubt,  der 
Teich,  in  welchem  die  Pfahlbaute  stand,  sei  künstlich  ge- 
bildet worden. 

P.  E.  Cartailhac.  Les  civilisationa  primitiven  a 
l’Exposition  de  Paria.  Revue  de  Toulouse,  l'Nov. 
1867. 

Allgemeiner  Ueberblick. 

P.  B.  Cartailhac.  Note  aur  la  grotto  sepulcrale 
de  Saint-Jean-d’Alcaa  pres  Saint- Affrique  (Avcy- 
ron).  Ruvue  archool.  du  midi  de  la  France,  Tou- 
louse, Sept.  1867. 

Grnbgrotte,  in  welcher  sich  »ehr  schöne  Steinwaffen, 
Schmuck  von  Bronze,  Glas-  und  Quarzperlen  nebst  der 
von  Sanibuzy-Luxenfou  (».  d.  A.)  erwähnten  Statuette 
fanden,  die  also  sehr  neuen  Datum«  ist. 

P.  Cazalia  de  Fondouoe.  Congrea  acieutiiique 
de  France.  Session  de  Montpellier.  Compte  roo- 
du.  Materiaux,  2dc  aerie,  Nr.  1,  S.  29 — 37. 

Bericht  über  die  Verhandlungen,  die  sich  anfangs  be- 
sonder» über  di®  Höhlen  und  Grotten  von  ßixe,  Vallon, 
Louoi  etc.  drehten,  später  aber  die  Dolmen  und  ander® 
roegalithiscbe  Monumente  besprechen. 

P.  Cazalia  do  Fondouoe.  Derniers  tempa  de 
l’&ge  de  la  pierro  polie  dans  l’Aveyron.  Mont- 
pellier 1867.  90  Sn  4 Tafeln. 

Die  Grotte  von  Saiut  Jeau-d’Aka*  enthielt  in  feiner 
brauner  Erde  viele  Männer-,  Weiber-  und  Kinderknochen 
sehr  verschiedenen  Alter« , vielleicht  von  hundert  Indivi- 
duen — zwanzig  Schädel  konnten  untersucht  werden  — 
viele  glatt«  oder  gezäbneJte  Pfeilspitzen  und  Meooer  au* 
Kiesel;  kleine  gcschÜtfiMir  Aexte  au»  Serpentin  oder  Jade; 
Itinge,  Perlen  und  Ohrgehänge  au*  Stein,  Gagut,  Alabaster, 
Knochen,  Muschelschalen,  Kupfer  und  Glas  netet  sehr  we- 
nigen Scherten.  In  drei  Dolmen  au»  derselben  Gegend 
fanden  sich  durchaus  dieselben  Gegenstände.  Gimbgrotta 
und  Dolmen  scheinen  also  au»  derselben  Zeit  zu  stammen. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  361 


P.  C&zalU  de  Fondouoe.  Silex  t»ill>«  de  la  IV 

lestine.  Murtillet-Materiaux,  3"*  Annee,  pag.  460. 

Notizen  über  eine  Sammlung  von  gehauenen  und  ge- 
schliffenen Steinwaflen , die  deT  Abbe  Moretain,  Pfarrer 
in  Iirth-Saur  besitzt,  die  ÜieiU  iu  Grotten , ttieil«  auf  dem 
Felde  gelmideu  wurden.  Neuerdings  wurden  auch  einige 
Broiue-Acxtc  (Keile)  gefunden. 

Ernest  Chantro.  Kt  ml  es  pah'o-etbnologiqueR  oa 
rccherchc*  ßeologico-urcht-ologiqucs  «ur  Tindu- 
strie  et  les  rnoeurs  de  Thnmme  des  temps  pre- 
historiques,  dann  le  Nord  du  Dauphine  et  les 
euviroDR  de  Lyon.  Atinal.  Soc.  den  Science*  in- 
dustrielles de  Lyon,  1867,  Nr.  3,  jMtg.  114 — 144. 
1 Doppeltafel,  Nr.  4,  p.  145 — 188,  9 Tafeln.  In 
einen  Band  zusAinmengestellt.  Rapport  von 
llatnv.  Bullet.  Soc.  Anthropol.  Paris , Vol.  III, 
pag.  263. 

Flcbsige  Untersuchung  vieler  Grotten  und  Hohlen,  wor- 
unter die  bedeutendsten  von  la  Halme,  worin  zwei  Ochsen* 
arten,  Kennthier,  Hirsch,  Pferd,  Eber,  Wühlmaus,  Schnee- 
huhn und  Alpenkrähe  mit  Kiesel -Instrumenten,  die  v«n 
Bethens* , von  Hrotel  bei  Crforieuz,  wie  t*  scheint,  aus 
derselben  Zeit  mit  Meuschenresten , die  wahrscheinlich  io 
bockender  Stellung  beigesetxt  waren;  ferner  viele  Stationen 
und  Grotten  aus  der  Epoche  der  geschliffenen  Steinwatlen. 

Ernoat  Chantro.  Nou veile*  etude*  paleo-ethno- 
logiqua*  ou  recherches  geologico- archeol  ogiquoa 
*ur  Tindustrie  et  le*  moeurs  de  Fhomme  des 
temps  antehiatoriquea  de  Tage  d«  la  pierrc  dans 
le  Nord  du  Dauphine  et  les  environs  de  Lyon. 
Paris,  Sary,  4°.  Erste  Lieferung,  1 Tafel. 

Ilcrdstättcn  mit  geschliffenen  Stcingeräthrn,  auf  welchen 
wahrscheinlich  Leichen  verbrannt  und  Lcichcnmahlc  gehal- 
ten wurden  — die  bedeutendsten  bei  Lou varesse  in  der 
Nahe  von  Travers. 

Ernest  Chantro.  Bibliographie  paleo-ethnologique. 
Anhang  zu  dem  früher  angezeigten  Werke  des- 
selben Verfassers  über  Urzeit  in  der  Umgegend 
von  Lyon. 

Cte  Alexis  de  Chasteignier.  De  P&ge  de  pierre 
daun  les  Landes  de  la  Giroude.  Revue  Archeol., 
9“®  Anne*»,  VIII,  pag.  95. 

Man  findet  in  den  I -aride*  meist  nur  Pfeilspitzen  aas 
Stein,  die  besonder*  in  der  Nähe  von  Caatclnau  fabricirt 
wurden  und  zwar  aus  Kiesclgerüllc , die  atu  Mcerchstrande 
nicht  selten  sind. 

Chierici.  Prehistorique  de  Reggio.  Mortillet- 
Materiaux,  4roa  Annee,  pag.  205. 

Ueberstl  Steinwatlen.  Entdeckung  einer  Pfahlbante  in 
der  Terramare  von  la  Mont  ata.  Marzabotto  sei  nicht 
ein  Kinhhof,  wie  Gozzadini  glaubt,  sondern  eine  wahre 
Stadt. 

Ooötano  Chierici.  Tombes  de  Tilge  de  pierre 
taillce  en  Italic.  Matcrinux,  2,,e  Serie,  Nr.  1, 
png.  26. 

In  Sanpolo  eine  etruskische  Bronxcgiessstätte;  darunter 
eine  Pfahlbaute,  noch  tiefer,  Gräber  au«  der  Steinzeit. 

Cbir.  Premiere  grölte  a ailex  taillcs,  signalee  en 
Bretagne.  Mattriaux,  5”1*  Annee,  2d*  serie,  Nr. 
2,  pag.  120. 

Zwei  kn  mm  orige  Grotte  am  westlichen  Ufer  der  Pcnze 
Archiv  fSr  AnUirupologie.  lliL  UL  lieft  8. 


mischen  Guielun  und  St.  TWgonuec.  In  der  vorderen 
schwarze  Kohlenerde  mit  vielen  Steingeriithschnften;  in  der 
hinteren  weniger  in  rot  her  Erde.  Keine  Knochen.  Der 
Charakter  der  Geräthe  ist  der  aus  der  Kennthicrperiodc. 

Henri  de  Cleuziou.  Des  instrumenta  classfo  sous 
le  nom  de  hach  ec  de  pierre  et  hache*  de  bronze. 
Revue  Archeol.,  9m*  Annee,  X,  pag.  264. 

Poetische  Floskeln  über  das  Thema,  da«  die  sogenann- 
ten  Aexte  keine  Streitwagen,  sondern  Arbeitsgerät!»«  waren. 

Cocchi.  Crüne  quaternaire  de  Ja  vallee  d’Arno. 
Mortillet-Materiaux,  4,a®  Annee,  pag.  206. 

Kcsun.«,  mit  Holz«chnitten  über  die  Lagerung  des  von 
Cocchi  bei  Ülmo  entdeckten  Schädels. 

Cochot.  Catalogue  du  Musee  d’nntiquitos  de  Rouen, 
XVI  und  150  S. 

Bedeutend  in  urgeschicht  lieben  FundgrgeiudänJen. 

L’Abbe  Collet.  Tumulus  et  dolmens  de  Quibe- 
ron.  Matcriaux,  5m*  Annee,  2',#  Serie,  Nr.  2, 
pag.  123. 

Auch  hier  in  einem  Dolmen  eine  Bronzeaxt,  somit  nichts 

beMMkdeies. 

L.  Combos.  Sepultures  des  bords  du  Lot.  Mor- 
tillet-Materiaux,  4,n*  Annee,  pag.  275. 

Zwei , eiofncb  in  der  Erde  ausgrhoblte  Gräber  mit  lie- 
gendem Skelet  und  einigen  »ehr  rohen  Topfseherben. 

Combes  de  Fumel.  L’homme  dann  la  vallee  du 
lx>t  nnterieurement  k Tilge  de  Ja  pierre.  Agen. 
7 S.  Mortillet-Materiaux,  4"*  Annee,  Mai  1868, 
pag.  182. 

Möchte  eine  „Knochen zeit“  vor  der  Steinzeit  aufttellen. 
Mortillct  fragt  mit  Hecht,  womit  denn  der  Mensch  den 
Knochen  bitte  bearbeitet»  sollen? 

Congros  international  d1  Anthropologie  et  d’Arcbeo- 
logie  prehistorique*.  Compfc  rcudu  de  la  2J# 
Session.  Parin  1807,  lleinvald,  2d®  Livr.,  440  S. 

Die  meisten  Arbeiten,  welche  dem  Congresse  vorgelegt 
wurden  sind  unterdessen  iu  anderen  Sammelschriften  und 
Werken  erschien«!  oder  haben  auch  «eil  dieser  Zeit  be- 
deutende Modiricntionen  erfahren.  Das  Haupt Interesse  con- 
centrirt  sich  unseres  Trachtens  einerseits  iu  den  Excurslo* 
neu,  zum  Gangtau  von  Argvnteuil,  der  Fundstätte  von  St. 
Acheul  bei  Amiens,  den  Sandgruben  von  Levalloi*  und 
Grenclle,  so  wie  den  Besuchen  der  Aufstellung  (Galerie  de 
Phistoirc  du  travuil),  der  anthropologische!!  und  palhont©- 
logiseheu  Abtbeiluug  im  Jardin  des  ] •lautes,  der  Museen 
von  St.  Germaiu,  vom  Art  liiertest  ah , von  der  Anthropolo- 
gischen Gesellschaft,  — anderseits  in  den  Discussionen, 
worunter  wir  besonder«  die  über  die  ausgewanderteu  und 
ausgestorbencu  Thiere,  über  die  Höblen.  die  Menschenfres- 
serei, die  Dolmens,  die  Bronze,  die  Eisxeit,  die  erste  Ei*eu- 
zeit  und  über  verschiedene  anthropologische  Gegenstände 
erwähnen.  Es  wäre  zu  wünschen,  das*  künftig  diese  Be- 
richte nicht,  anderthalb,  sondern  höchsten*  ein  halbes  Jahr 
nach  den  Sitzungen  erschienen  um  gerade  diesen  Momen- 
ten, wo  die  Geister  auf  einander  platzen,  ihre  Frische  zu 
bewahren. 

Cottouu.  Rapport  sur  l<*s  Maritas  d’histoire  natu- 
relle de  quclquos-unes  des  villes  du  Sud-Ouest 
de  la  France.  Caen  1867,  24  S. 

Aufzählung  der  urgeachichtlicbcu  Sammlungen  in  den 
Musetm  von  Tour»,  Poitiers,  Niort,  Toulouse,  Bugnere»-de- 
BJgorre,  Montnubau. 

46 


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362 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


G.  Cotteau.  Rapport  sur  les  progr&s  de  1a  geo- 
Jogie  et  de  1a  paleontologie  en  France  pendant 
Panne«  1807.  (’aen,  Le  Blanc-IIardel,  51  S. 

Lin  Drittel  «I»  Bericht«»  etwa  behandelt  die  Arbeiten 
im  Felde  der  Urgeschichte. 

Cotteau.  Rapport  sur  de  nouvellea  fouille*  ex6- 
cutees  dann  In  grotte  des  fees,  a Arcy-aur-Cnre 
(Yonne).  Auxerre,  3 S. 

Zwei  Schichten,  dl«  obere  schwärzlich,  mit  rohen  Töpfer» 
»rherben.  Kohle,  Klct-elmesscro;  die  untere,  gelblich  sandig, 
ebenfalls  mit  Kiwlmrssern  ohne  Töpferei  und  Asche  und 
mit  Knochen  von  Uhren,  Hyänen,  Pferden  uud  Ocluen. 

M.  A.  Daubree.  Apercu  hwtoriqu©  sur  l’exploi- 
tation  de-»  metaux  dana  la  Gaule.  Iicvuc  archeo- 
log.,  Avril  1868,  pag.  298 — 313. 

Gold,  Zinn,  Kupfer.  KU-cn  wurden  weit  früher  ausge- 
beutet  als  Silber  und  Blei.  Aufzählung  der  Lagentätten 
nu«  alten  Gruben. 

Daubree.  Rapport  »ur  nne  Collection  d’inBtrumenls 
en  pierre  decouvcrts  tlans  File  de  Java  4t  remon- 
tant ä une  ©poqae  anterieure  k celle  oü  com- 
mcnce,  pour  ce  pays,  Plustoire  proprement  dite. 
( Auszug  des  Ilerichta  von  Daubree  und  Roulin 
mit  1 Tafel  Abbildungen.)  Compt.  rendus,  Tome 
LXYII,  Nr.  26  (28.  Dec.  1868,  S.  1285—1330.) 

Dclesso  et  de  Lapparent.  Revue  de  geologio 
pour  leg  annrat»  1865  et  1866.  Paris,  Dunod, 
VIII  und  293  S. 

Kn t hält  ein  Capitel,  worin  die  Arbeiten  in  den  Diluvial- 
■clihhteit  analysirt  und  aufgeführt  sind. 

Delease  et  de  Lapparent.  Revue  de  göologie 
pour  les  an n 6 es  1864  et  1865.  Paris,  Dunod, 
1866,  279  S. 

Kot  hält  viel«  urgi^iichtlicb-geologisch«  Notizen. 

Albert  Dumont.  Note  sur  quelques  objets  an- 
tiques  con8erves  au  Musoe  de  Beigrade.  Revue 
Arclieolog.,  9“*  Anne«,  XII,  pag.  407. 

Keine  Steinw'aflVn.  — Drei  Bronzeäite. 

Eduard  Dupont.  Nouvelle  caverne  en  Belgiquc 
ä GoycL  Matoriaux,  2J"  Serie,  5"*8  Aunee,  pag. 
140. 

Bei  Naturelle  um  l!fer  de*  Sanuon.  Die  Höhle  itt 
2UO  Meter  lang,  mit  KnochenrrMen,  ntttue.itikh  vmn  Höh- 
lenbären aogefülh.  Am  Eingänge  zahlreiche  Sputen  von 
Mahlzcilrcsten  und  Instrumenten  — darunter  ein  Coui» 
tnandostab  aus  Hennthicrhorn  mit  einer  Zeichnung,  die 
eine  Forellen- Alt  (V)  daratellt. 

Eduard  Dupont.  Age  des  silex  de  Pont*»* Lesse 
©t  de  Laugeri  «-Raute.  Mortillet-  Maloriaux,  3rMI 
Aii nee,  pag.  469. 

Dupont  uutertcheidet,  von  oben  nach  unten,  folgende 
Ablagerungen:  1.  Geschliffene  St  ein  »'allen  — keine  aus- 

gewnnderten  Thier«  mehr.  Lagerung  über  dem  Lehm,  der 
Ziegclerie  uud  dem  Lehm  mit  eckigen  Steinen.  2.  Me*» 
M-r  (Flirfooz,  U Madelaibe).  Ausgewanderte . keine  ausge- 
■torbenr  Th  irre , Lagerung  im  Lehm  mit  eckigen  Steinen; 
die  Pllisnc  hatten  etwa  ihr  heutiges  Volumen.  3.  Geden- 
gelt« Stein« allen  (Laugerie  Haute;  l’ont-A-Lcssc);  au»gcw än- 
derte und  nusgentorbcue  Thier«  (Nashorn,  Hyäne,  Bär)  La- 
gerung im  Lchus,  bi«  30  Meter  ubor  den  jetzigen  Flüssen. 


4.  Gehauen«  Stelnw affen  (Montaigle,  Moustier)  älteste 
Formation. 

C.  van  der  Eist.  La  Belgiquc  primitive.  Agea 
cosmogonique , mythologique  et  fabuleux.  Paris 
1867,  in  18.  152  S.,  1 Tafel. 

Fabeln  ohne  Tbatsnchen 

I/Abbe  Euzenot.  Fouille  faite  au  dolmen  de 
Lex-variel  en  Guidel  (Morbihan).  Materiaiix,  5“* 
Aunee.  2**  s6rie,  Nr.  2,  pag.  122. 

Mit  Kohlen  und  Tupfsckcrbeu,  eine  Bronzenst. 

Faidherbe.  Kecherclies  aothropologiqaes  sur  les 
tombeaux  mvgalithiques  de  Kokuia.  Bon«,  76 
8.,  13  Tafeln. 

Etwa  3Ü00  Dolmen  uud  400  Grotten,  drei  Stunden 
von  Gelina  in  d«r  Provinz  Coiutantin«.  Alle  Graboi  liier 
au«  l’liit ten,  T10  bi»  1*80  Meter  Ing,  0 00  bis  0'80 
Meter  breit,  0*50  Meter  hoch.  Zuweilen  mit  rinem 
SUdnriug  umgeben.  Einige  Grotten  scheinen  auch  zu  Be- 
gräbnissen gedient  zu  haben  — die  meinten  waren  Woh- 
nungen. In  den  Dolmen  findet  man  oft  mehre  (bis  zu  7) 
Leichen  und  zwrar  mehr  in  den  kleineren;  die  grössten 
enthalten  nur  eine,  höchstens  zwei  Lek-ken.  Zu  jeder 
Leiche  eine  Urne  oder  Topf.  In  dreistdg  Dolmen  fand  mau 
nur  einen  Brouzering  in  einem,  und  ein  zerbrochenes  Arm- 
band von  lironze  in  einem  anderen.  Die  Schädel  seien 
denen  der  Berbern  ähnlich. 

A.  Falsan.  Couteau  en  bronze  de  la  Grosne (Saöne 
et  Loire).  Mortillet- Materiaux,  4“18  Annee,  pag. 
273. 

Verfasser  weist  nach,  das*  die  Behauptung  Arculin’s, 
wonach  sich  auf  dem  rechten  Saön«-Uf«r  keine  Gegenstände 
aus  Bronze  und  nur  »ehr  wenig  aus  geschliffenen  Steinen 
fändeu,  falsch  sei. 

Albort  Falsan  ot  Arnould  Locard.  Monogra- 
phie gcologiquo  du  Mont  d’Or  Lyonnais  et  de 
bob  dependancee.  Paris  1866,  500  8.,  5 Tafeln, 
1 Karte. 

Ein«  Abtheilung  dieser,  die  ganze  Geologie  der  Gegend 
umfassenden  Arbeit  bespricht  die  quaternären  Ablagerun- 
gen uud  die  Funde  au»  der  Steinzeit,  welche  in  der  Ge- 
gend von  Lyon  gemocht  wurden.  Namentlich  wird  auch 
die  Meinung  von  Arcelio  widerlegt,  der  glaubte,  die 
beiden  Ufer  der  Saöne  seien,  zur  Stein-  und  Bronzezeit, 
tob  zwei  verschiedenen  Völkern  bewohnt  gewesen,  indem 
auf  dem  rechten  Ufer  nur  sehr  wenig  Steinäxte  und  gar 
keine  lironze , auf  dem  linken  dagegen  sehr  viel  gefunden 
würden.  Die  Verfasser  wiesen  durch  zahlreiche  Fuude 
nach,  da»  dies  irrig  »ei. 

H.  de  Ferry.  Les  giscmenU  archeologtqnee  de* 
bords  de  la  Saöne.  Macon,  Mar»  1868,  4".  168., 

1 Tafel. 

Behandelt  die  an  den  Saöne-Üfern  übereinander  geschich- 
teten Ablagerungen  und  sucht  aus  der  Thatsache,  da»  im 
Jahre  40Ö  nach  Uhr.  der  gross«  germanische  Volker-Ein- 
bruch dort  geschah , die  Chronologie  dieser  Ablagerungen 
festzustellen.  »1  Dreimeter  (zwei  Fum)  Ablagerung  ent- 
sprächen einem  Zeitraum  von  1400  Jahren  und  danach 
datirti-n  die  Brunzestationen  in  1*30  Meter  Tiefe  von  3000 
Jahren  und  mehr;  die  geschliffenen  Steinwarten  (1*80  bis 

2 Meter  Tief«)  von  4000  bi*  5000  Jahren;  der  blaue 
Lehm  (mit  Mnuunuthl  in  3 bi»  4 Meter  Tiefe  von  9000  bi* 
10  000  Jahren. 

de  Ferry.  Scpultures  de  Solutrö  (Saöne  et  Loire). 
Mortillet-Materiaux,  4“°  Annee,  pag.  102. 


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363 


\ cmichnUs  der  anthropologischen  Literatur. 


Aufklärungen  über  die  bekannten  Fundstätten  aus  der 
Kcnnthierzeit.  Es  giebt  zwei  verschiedene  Grabstätten; 
1.  Creux  du  Cbaruier.  Alte  Herde,  Kücheuabfülle  von 
Retinihier,  Pferd,  Elephant.  »ehr  wenige  meuschüclie  Kno- 
chen, besonders  Fingcrglieder.  Daneben  liegen  Haufen  von 
ungebrannten  und  zerstampften  Pfcnleknoihcn,  »Huirf  ge- 
trennt, in  welchen  sich  Skelete  neueren  Ansehen*  (celti- 
»eher  Typus  nach  Pruner-Bcy)  linden.  Südöstlich  von 
den  Küchenabfalle«  und  diesen  Haufen  linden  sieb  Gräber 
aus  rohen  Steinplatten , di«  grossen! heil*  zerstört  «iud. 
Kin  unberührte«  Grab  enthielt:  elu  weibliche*  Skelet  (M»n- 
goloideu-Typu»  tiarh  Pruuer-Bey),  Kcnntbicr- und  Plerde- 
knochen  und  drei  Kieseltnesser.  Der  Körper  lag  auf  eiucr 
aus  xerstamplten  Plerdeknuchea  gebildeten  Aschen  Schicht. 
Die  Platte ii  der  Gräber  sind  dieselben,  die  auch  zu  Herd- 
stclnon  gebraucht  wurden.  2.  Lagerstätte  auf  der  Hube 
des  Felsens  von  Solutre  unter  dem  alten  Schlosse.  Hier 
existirten  ebenfalls  Gräber  uus  roben  Steinplatten,  di«  aber 
bi«  tu  di«  burguudisch«  Zelt  gedient  zu  haben  scheinen, 
indem  man  die  alten  Knochen  heraus  wart'  uud  neu«  Lei- 
chen einsetzte.  Ferry  schliesst  auf  die  Gleichzeitigkeit 
der  Gräber  von  Creux  de  Charnier  mit  der  Kenntbicrpe- 
riode.  — Mortillet  zweifelt  wegen  der  Zusammensetzung 
aus  Steinplatten. 

H.  de  Ferry  et  A.  Arcelin.  L’&ge  du  Renne  en 
Maconuais.  Memoire  Bur  la  Station  du  Clos  du 
Charnier  a Solutre.  Mficon,  42  3 Tafeln. 

Gewiss  einer  deV  bedeutendsten  Funde,  der  seit  langer 
Zeit  gemacht  und  mit  ausgezeichneter  Sachkenntnis«  uus- 
gebeutet  ward«.  Die  Abbundlang,  die  dem  Congress  in 
Korwich  vorgelegt  wurde , resutuirt  Alles  früher  über  die 
Fundstätte  publicirte  utid  bringt  eine  Menge  neuer  That- 
sachen.  Der  Hoden  der  Fundstätte,  die  am  Kusse  eines 
hohen  Felsens  liegt,  ist  bedeckt  mit  Feucrsteinsplittern,  und 
in  der  oberflächliche«  Bodenschicht  bat  man  wenige  Scher- 
ben aus  dem  Mittelalter  uud  au*  den  tieferen  Schichten 
aufgewühlte  Pferde-  und  Kennthierknorben  gefunden.  Erst 
unter  dieser  Schicht  finden  sich  die  urgrschichtiichrn  Ge- 
genstände am  Platz«  und  zwar:  1.  K üchenabl'ille  und 
Herdstätten  von  verschiedener  Grösse,  mit  Massen  von 
ItenntbieTgc weihen  und  Knochen,  Steingeräthcn , Hollste»- 
urn  zum  Zerschlagen  der  Knochen,  Kryxtallcn  und  verstei- 
nerten Muscheln,  die  mau  zusamtuengesucht  lütte  (Spiel- 
werk ?).  Alle  Herd*tättcu  sind  am  Hoden  mit  Steinen  ge- 
plattet und  mit  Steinplatten  gedeckt;  die Kennthirrknochm, 
die  fast  ausschliesslich  die  Haufen  bilden,  sind  wie  frisch; 
einige  Herdstätten  «lud  vorzugsweise  mit  Plerdeknochen 
gebildet,  ln  diesen  linden  »ich  keine  schöner»  Instrumente, 
nur  KtaseDplitter.  Ausser  Kenn,  Pferd,  Mammut h fanden 
sich  noch  Hirsch,  Aueroclis,  Fuchs,  Wolf,  Höhlentiger. 
Eine  schlechte  Zeichnung  eiues  Renn,  auf  weichen  Kiesel- 
schiefer  eiogekratzt.  2.  Haufen  von  Pferdeknochen, 
am  die  Herdstätten  herum,  alle  cnldnirt,  zerbrochen,  zu- 
saimneitgeiilnmpft,  ohne  jegliche  fremde  Beimischung.  Ver- 
fasser berechnen,  dass  mehr  als  2000  Pferde  zur  Herstel- 
lung dieses  Pflaster*  gedient  haben  mögen,  3.  Grab- 
stätten in  Gruppen  und  zwar  verschiedener  Art.  a.  ln 
rohen  Steinkisten.  Viereckig  zuaammcugestellt,  der 
Boden  des  rohen  Sarkophags  wird  von  dem  Plerdeknochen* 
pflaster  gebildet.  Bei  der  Leiche  Kie*»*ltn***er,  Pferde-  und 
Renntliicrkniochrn.  b.  In  der  Erde,  zuweilen  nur  eiu 
kleiner  Stein  zu  Häupteu  oder  Füssen.  c Auf  den 
Herdstätten.  Die  Skelet«,  eines  oder  mehre,  liegen 
über  die  Herde  berubergebogrn  auf  dem  Kücken,  alle  Kno- 
chen vorhanden  und  scheinen  auf  die  noch  heissen  Herde 
henibergelcgt  worden  zu  sein,  da  einige  Knochen  Spuren 
der  Hitze  trugen.  Auf  grown  Herden  liegen  mehre  Ske- 
let« von  Erwachsenen  — uuf  kleinen  Kiuderskelete.  Grebe 
und  Kinder  in  Mehrzahl.  — Nach  Pruner-Bey  gehören 
alle  Mens«  he n re 6t«  der  mongoioidisrhen  Kace  au  und  zwar 
gleich  auch  allen  vier  Typen  der  Kace,  dem  lappischen,  fin- 
nischen, esthiachco  und  Eskimo-Typus.  Auch  seien  Misch- 


linge dieser  Kace  da.  — * Die*  die  Thatsarhen.  Di«  Ver- 
fasser vergleichen  dieselben  mit  anderen  und  kommen  zu 
dem  Schlüsse,  dass  Solutrö  Lager-  und  Begräbnisssülfte 
eine*  tnongolotdiachen  Stammes  aus  der  Hennthierzcit  ge- 
wesen «ei,  im  Alter  etwa  Laugeri« - Haute,  also  der  An- 
fangszeit der  Kennthierejmche , gleich  steh«  und  also  Mn- 
deleinc  und  les  Eyzlea  vorangeh«. 

F.  Fouque.  Troinier  rapport  Bur  une  misaion 
ecientifique  ä Pilo  da  Santoriu.  Paris,  Fovrier, 
30  S.,  G Tafeln. 

Die  lieknnntrn  Mauern,  die  tief  unter  vulkanischem 
Taff  bei  Therasia  entdeckt  wurden,  sind  ohne  Zweifel 
üeberreste  von  Wohnungen,  die  bei  einer  grossen  Erup- 
tion verschüttet  wurden.  ln  den  Töpfen  wurde  viel  Gerate, 
aber  kein  Walzen  gefunden.  Keine  Spur  von  Metall  — 
indessen  »ah  Fou<|u£  ein  Stück  Balken  mit  Zupfen  und 
Einschnitten,  die  so  regelmässig  waren,  ab  »eien  »io  mit 
Stahl-Instrumenten  gemacht.  Uebor  dem  Tuff,  der  diese 
Baurcfete  verschüttet , liegt  eine  Schicht  mit  Töpferacher- 
hn»,  identisch  mit  den  Töpfen  der  Wohnungeu  — unter 
dem  Tuff,  iu  einer  anderen  Schlucht  eine  Schicht  vulka- 
nischer Asche  mit  Scherben,  Ob*idianmes»ern  und  zwei 
kleinen  Hingen  aus  gehämmertem  Golde.  Die  Töpfe  sind 
mit  der  Scheibe  gemacht. 

O.  Fraas.  Kote  sur  une  Station  de  l’äge  du  Renne. 
Annal.  scienc,  natur.,  5m#  Serie,  YoL  8,  pag.  52. 

$chu**enried. 

F.  Garrigou.  Age  du  Renne  dans  la  grotte  de  la 
Vache.  Annal.  scienc.  natur.,  5°'*  Serie,  Vol.  8, 
pag.  89. 

Auszug  der  früher  erwähnten  Abhandlung. 

Paul  Gervais.  Recherche»  sur  l’anciennete  de 
rhomme  et  la  periode  quaternairc.  Pari«  1867, 
4°.  182  S.,  12  Holzschnitte,  19  Tafeln. 

Untersuchung  der  Grabgrotten  von  Koca-blanca  und 
Baillargue*  ira  Departement  de»  Hernult  und  der  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  bewohnten  Höhleo  von  Pontil , Gange» 
(Herault),  von  Bize  (Aude),  von  Mialct  (ünrd).  Nachweis, 
dass  alle  unsere  jetzigen  wilden  Thier«  mit  den  abgestor- 
benen (Mammuth,  Nashorn,  Höhlenbär  etc.)  und  den  Aus- 
gewanderten iKennthier,  Bison  etc.)  zusammen  lebten. 
Bize  gehört  den  älteren  Zeiten  (Höhlenbär  und  RenuthierJ, 
Pontil  dagegen  der  Periode  der  Stein-Pfahlbauten  an.  Unter 
den  «bgebildeten  Menschenresten  findet  sich  ein  Schädel 
aus  einem  Grabe  der  Steinzeit,  bei  Crcspy  gefunden,  der 
dem  Neauderschädel  »ehr  ähnlich  »ieht. 

Girard  de  Rialle.  Age  de  la  pierre  ä Smyrne. 
Mortillet-  Materiaux,  8M  Annoo,  pag.  4 68.  Bul- 
let.  Soc.  Anthrop.,  2d"  Serie,  Vol.  II,  pag.  675. 

Kjökkenmöddiug  auf  dem  Berg  Tliiuu»  bei  Suivrna,  in 
dem  man  eine  geschliffene  Steinaxt  fand. 

Godron.  Prehistorique  do  la  Meurthe  et  laca  des 
Vosgea»  Mortillet -Materiaux,  3““  Atiuee,  pag. 
459. 

Auffindung  von  Steinwaffen  bei  Chalcau-Salin*  (Meurthe). 
In  den  Seren  der  Vogesen  hat  man  bis  jetzt  vergeben* 
nach  Pfahlbauten  gesucht. 

D.  A.  Godron.  L’uge  de  pierre  en  Lorraine. 
Nancy,  20  S.,  1 Tafel.  Mortillet-Materiaux,  4rn,> 
Armee,  pag.  276. 

Aufzählung  aller  Fundstellen  in  Lothringen. 

A.  Gory.  Notice  sur  les  fouilles  eocecutoes  4 la 
chapelle  Saint- Michel  de  Valbunne  pres  Hydroa 
46» 


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364  Verzeicliniss  der  anthropologischen  Literatur. 


(Var)  [>ar  Mr.  lc  duc  deLnvnes.  Pari»  1868,  4°. 
12  6 Taft  ln. 

Steinäxte,  römische,  mittelalterliche  Ding«  durcheinander. 
Zwei  brachyccpbale  Schädel. 

Raoul  Querin.  Lp*  tombellt'a  antöhietoriques  de 
In  töte  de  Malzeville  (1M  Serie).  Nancy  1868, 
14  1 Tafel. 

Warum  man  die««  kleinen  Steinhaufen,  in  welchem  man 
gespaltene  Knochen.  Kohlen,  ruhe  Tnpfscherbcn , einige 
Stcin-lnstrumeute  und  eine  kleine  Bronrrscheibe,  aber  keine 
Spur  von  Merisckenknochea  fand,  für  Gräber  hält,  ist  nicht 
eluzuschen.  Es  waren  offenbar  Herdplätze,  vielleicht  von 
Hütten  überbaut. 

Raoul  Querin.  Lea  objet*  autehij-loriques  du  Mu- 
*4e  Lorrain.  Nancy,  26  S.,  12  Tafeln. 

Aufzahlung  und  Abbildung  der  merkwürdigsten  Gegen* 
stände  nun  der  Stein-  und  Bronzezeit,  die  sich  im  Museum 
von  Nancy  befinden. 

Raoul  Guerin.  Note  sur  un  anueau-eupport  trou- 
v6  du  ns  la  Meurthe.  Nancy,  5 S. 

Thonring  zum  Kinstellen  eine«  Geflsses  mit  konischem 
Boden,  nie  deren  schon  längst  in  Menge  bekannt  sind. 

Alex.  Hahn.  Monuments  celtique.*  des  environs 
de  Lazarette*  (Seine  et  Oise).  Paris  1867,  11  S., 
6 Figuren. 

Einigt*  Dolmen  und  Men-hir,  unter  welchen  namentlich 
di«  sogenannten  Pienv  Turquaise  eine  bedeckte  Grab-Alle« 
von  1*  Meier  Länge  und  2*il5  Meter  Hohe  genau  beschrie- 
ben und  abgebildet  ist. 

D.  Haignore  ot  E.  Sauvage.  Note  aur  une  se- 
pulture  de  Page  de  la  pierre  polie  decouverte 
aux  envin  ns  de  Houlogne  aur  Mer.  Revue  Ar- 
clieolog.,  9"'*  Annüe,  V,  pag.  3G9. 

Sechs  Meter  langer  Gang,  der  zu  der  Grabkaromrr  führt, 
in  welcher  mau  Axt,  Kratzer,  Messer,  Kerne  von  Feuer- 
stein nebst  den  Besten  toii  neun  Individuen  jeden  Alters 
fand,  dir,  dm  Verfassern  zufolge  in  hockender  Stellung 
beigesetzt  waren  und  der  „sogenannten  celtischen  Bare 
angebürten , welche  mit  der  ««genannten  iberischen  oder 
autochtbonen  Kace  leicht  gemischt  waren41  (Siel). 

E.  T.  Hamy.  Etüde  sur  le  erüne  de  l'Olmu.  Bul- 
letin Soc.  Anthrop.  de  l'niia,  2J“  Serie , VoL  III, 
p«R.  112. 

Der  grosse  ßreitendnrc bracher , den  Vogt  angegeben 
(Index  etwa  85)  «ei  duirh  Zerdrückung  entstunden,  rigent* 
lieh  sei  der  Schädel  dohchoccphat  mit  einem  Index  von 
etwa  7».  Obrignts  «ei  er,  wie  Vogt  angegeben,  in  der 
Stirnhällte  -sehr  verschieden,  in  der  hinteren  Hüllte  dage- 
gen dem  Ncandcrarhhdcl  ähnlich.  Kurze  Bemerkungen 
von  Broca  und  Pruner-Bev. 

E.  T.  Hamy.  L'ltomme  de  la  Station  des  Eyzie». 
Costnot*,  Mai  186$,  pag.  10 — 15. 

ttesume  über  den  Fund  von  L.  La  riet  und  di«  Unter- 
suchung der  Knochen  von  Broca  und  Pruncr-Iiey. 

Ilusson.  Examen  compuratif  des  alluvionn  nncien- 
IM»  de  Toni  et  de  quelques  unes  de  edles  du 
btu*Bin  de  )u  Seine  par  rapport  n ranciennete 
de  Phonime.  Comptes  rendus,  11  Novbr.  1867, 
pag.  811. 

Nichts  Neues. 

de  Jouvcncel.  Rapport  sur  un  memoire  de  Mr. 


Niccolucci  nur  Page  de  pierre  en  Italic.  Bullet. 
Soc.  Anthrop.  Paris,  VoL  III.  i>ag.  214. 

Messungen  von  Schädeln  von  Torr«  del  Maina  (Modena) 
und  Cadelhosco  di  Sopra  (Reggio)  au«  den  Mumierr.  Drei 
sind  bracbrcephal  — einer  dolicliocephul  — entere  wer- 
den mit  ähnlichen  aus  Dänemark,  Schweden,  Uruosbritan- 
nien  und  Meudon  verglichen.  Di«  italienischen  Völker  der 
Steinzeit  seien  von  denen  der  Bronzezeit  verschieden  ge- 
wesen. 

Jules  Jullicn.  Koarelles  recherchcs  sur  la  ca- 
vernc  de  Bi/e  (Aude).  Bullet.  Soe.  Authrop.,  2d* 
Serie,  Vol.  II,  pag.  695.  Morfcillut-Materinux,  4,B# 
Amme*  Mai  1868,  pag.  186. 

Unter  der  Tropfstcindcckc  findet  sich  brauner  Knochen* 
lehu  luit  Knochen  von  Menschen,  Höhlenbären,  itenntbicr, 
Pferd,  Bison,  Edelhirsch,  Höhlenhyine,  meist  zerbrochen, 
Instrumente  au»  Rennt  liier horn  (Ahle),  Kiesvlmesser  und 
rohe  Topfscherben. 

Ph.  Lai  an  de.  Ttuimlns  de  la  commune  du  Crcs- 
neneac  (Lot).  Materiaux,  2d*  aörie,  5m*  Annee, 
Nr.  2,  pag,  116. 

Grnbkiiminer  unter  einem  Herdhögel.  Dos  Skelet  lag 
mit  dem  Kopte  ausser  der  Kammer  und  war  von  einer 
Thonschüssd  bedeckt,  die  zerbrochen.  Der  Drckstvin  lag 
unmittelbar  auf  der  Leiche.  (Meines  Erachtens  posthume 
Verschiebung  des  Ganzen.  C.  Vogt). 

Philibert  Lnlande.  Monographie  des  grottea  u 
ailex  tailles  de*  environa  de  Brive.  Moutauban 
1867,  16  S.  Mortillet- Materiaux , 4“*  Anuee, 
Mai  1968«  pag.  185. 

Sieben  Grotten  aus  der  Rennthierzeit  — eine,  Cbet- 
Poure,  gleicholterig  mit  Moustier. 

Ph.  Lolonde.  Decouverte*  de  silex  tailln*  dans 
le  Pörigord.  Materiaux,  2d*  serie,  Nr.  1,  S.  69. 

Aexte,  Kratzer,  Messer.  — Fundort:  lc  Cros  M Milbac. 

Ph.  Lalandc.  Station  do  la  pierre  polie  & Milbac 
(Dordogne).  Mortillet -Materiaux,  4“*  Annee, 
pag.  lll. 

Einige  polirtc  oder  zum  Schleifen  vorgearbeitete  Stein- 
äxte. 

Ph.  Lalande.  Notioe  »ur  la  grölte  de  Pouzef, 
commune  de  TerraesMm  (I)ordogne).  Montnuhau 
ISHs,  12  S„  1 Tafel. 

Grotte  aus  der  Kninthicrxcit. 

E.  Lartet  et  Henry  Christy.  Reliquiae  Aquita- 
nicae.  Das  Work  ist  jetzt  bis  zur  achten  Liefe- 
rung gediehen. 

Ed.  Lartet.  Remarques  sur  la  faune  de  Cro- 
Maguou.  Annal.  scienc.  natur.,  ö1"*  ecrio,  Vol. 
X,  pag.  156. 

Grosser  Bär,  llöhlrnliiwe  (angeschnittener  Erkzahn), 
Wolf,  Fuchs,  Ziesel,  zwei  Hasenjirten , Maimnuth,  Wild- 
schwein. Pferd  (nm  zahlreichsten),  Rennthler , Auerochs, 
Hirsch,  Steinbock,  Kranich.  — In  den  älteren  Grotten  der 
Dordogne  rindet  man  keine  Fischrote,  die  in  den  späteren 
häutig  sind.  Gern*«,  Moschus  - Ochse  und  Saiga  - Antilope 
fehlen  — überhaupt  hat  hart  et  von  letzterer  nie  etwas 
andere»  als  Hunizapfen  gefunden,  woraus  er  schließt,  dass 
dieselben  durch  Tausch  elngeflihrt  wurden. 

L.  Lartet.  Squelettes  huiunins  de  Pepoque  du 


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305 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


renne  des  Kyrie»  (Dordngne).  Mortillet -Hute- 
riftux,  4TOC  Anneu,  puff.  150. 

Bei  QdffeoMt  von  Ei#enbahnnrbeitrn  wurden  ln  der 
Nähe  der  bekannten  («rotte  von  le*  Eyzie»  sieben  Gräber 
entdeckt , die  wahrscheinlich  der  Reunthierzeit  angeboren. 
Fünf  .Skelet«  wurden  zerstört,  zwei  gerettet,  zu  deren  Un- 
tersuchung L.  Lartet  Sohn  vom  .Minister  Duruy  ent- 
•endet  wurde  und  in  der  Sitzung  der  Uelegirteu  der  wis- 
senschaftlichen Gesellschaften  am  I 6.  April  Bericht  er- 
stattete. I)ic  Skelete  lagen  in  der  nackten  Erde  in  gros- 
ser Tiefe , dabei  Halsbänder  von  Muscheln  und  Anmieten 
aus  Elfenbein,  Kiesel  roe*»cr  (nichts  Geschliffene»),  Konnthicr- 
und  andere  Thierknochen.  Hroca  findet  di«  Knochen 
einer  grossen , starken,  dollchocephalen  Menwbennice  mit 
gut  entwickelter  Stirn  ungehörig , die  aber  schief  einge- 
ptlanzte , prognathe  Zähne,  sehr  quer  verlängerte  Augen- 
höhlen und  in  den  Gliedern  manche  niedere  Charaktere 
zeigen.  Prun«r*Bey  findet  in  Schädeln  und  Knochen 
die  Charaktere  der  Kalben  und  (Jnatrrfage»  hält  rum 
Schlüsse  eine  Rede  über  Dolichooephalen  und  Bracbyce- 
phalen. 

Louis  Lartet.  Une  gepulture  des  troglodytes  du 
Perigord  (Cranc-s  den  Eyriea).  Bullet.  Soc.  An- 
thropoid Paris,  Vol.  III,  pag.  335.  (Dieeelbe  Ab- 
handlung findet  eich  in  den  Reliquiae  aquifaui- 
caie,  sowie  in  Mortillet-Materiaux,  7 Holzschnitte. 

Bei  Tavac  ain  Ufer  der  Vezerc.  I>1«  Arbeiten  an  der 
Euenhabu  legten  eine  von  vorspringenden  Felsockichten 
überdeckte  Stelle  blos,  die  neben  vielen  Meuscheuknorhcn 
eine  Menge  von  Ueberresten  au*  der  Kennthierxeit  enthielt. 
Der  überhängende  Fels  wurde  durch  Aufmauerung  eines 
Pfeilers  gestützt  und  da»  Ganze  methodisch  von  Lartot 
Sohn  (Louis)  untersucht.  Es  fanden  »ich  vier  übereinan- 
der liegende  Schichten  von  Asche  und  Kohlen  mit  Instru- 
menten, Steinkernen , Knochen,  durchbohrten  Muscheln, 
Zähnen  und  Elfenbeinstücken  (vom  Mnmmutli)  zu  Hals- 
bändern etc.  lu»  Hintergründe  der  Grotte  die  Menschrn- 
restc  von  5 Individuen , ein  Greis , eine  Frau,  ein  neuge- 
borenes Kind.  Die  Grotte  von  Cro-Magnon  war  Anfang» 
nur  zeitweise,  später  permanent  von  Jägern  su»  der  Kenn- 
thierzeit  bewohnt  und  zulelzt  wurden  im  Hintergründe 
einige  Individuen  begraben.  Die  Thierwclt  (Mamrouth, 
Jlöblenliiwe,  Rennthier,  Auerochs,  Ziesel  etc.)  rbarakteri- 
■irt  die  Periode  ebenso  vollständig,  wie  di«  Inwlrumento- 

Louis  Lartet,  Congrte  international  d’Archeolo- 
gie  prehistorique.  Session  de  Nor  wich.  Compto 
rendu.  Materiaux,  2**®  Serie,  Nr.  1,  S.  5 — 29. 

Sehr  guter  und  vollständiger,  wenn  auch  kurzer  Bericht 
Über  die  Sitzung  de»  Congresse«  im  Jahre  1S6H. 

A.  Laussodat.  Sur  une  muchoire  do  Rhinoceros 
portant  des  entailles  profondes  trouvee  i\  Billy 
(Allier)  d;ina  lea  formationa  d’eau  douce  do  la 
Limagne.  Comptes  rcudus.  Seance  du  13  Avril 
1868.  Mortillet-Materiaux,  4ma  Annec,  pag.  141. 

Die  l’utcrkinnladc  mit  den  Eindrücken  gehört  dem  Rh. 
pleurocero»  «us  der  Molat-seformntion  an.  Die  Eindrücke 
sind,  nach  Mortillet,  nicht  von  Menschenhand,  »ondern 
mit  denjenigen  vergleichbar,  die  man  häufig  nul  den  Roll- 
steinen der  Nagel Huh  findet.  Es  scheint  jetzt  Modo  in 
Frankreich  zu  w erden,  tertiäre  Spuren  de»  Menschen  finden 
zu  wollen,  wie  noch  zwei  andere  ln  Mortillet  pag.  146 
augezeigte  Artikel  von  Garrigou,  Filhol  fils,  L.  llnmy 
und  V.  Mcunier  bezeugen. 

Lauaacdat  und  E.  Lartet.  Sur  une  mfichoiro  do 
Rhitiooeros  portant  des  entaillea  prolondes.  Bul- 
let. Soc.  Authrop,,  Pari«,  Vol.  III,  pag.  313. 


Die  Einschnitte  scheinen  von  Menschenhand  herznrühren, 
us»  um  so  entfallender  ist,  als  die  Kinnlade  aus  den  Süss- 
wawrkalkrn  der  Lünngne  von  BUly  (Allier)  stimmt,  die 
wenigstens  zum  unteren  Mioeen,  wenn  nicht  zu  dem  Kocc-n 
gehören.  Mortillet  weist  später  nach  (ibid.  pag.  406), 
dass  die  Eindrücke  geologischer  Art  und  denen  ähnlich 
sind,  welche  di«  RoUstein«  der  NageUluh  häufig  zeigen. 

Frar^ois  Lenoir.  Note  sur  une  pierre  k polir 
les  hach  es  en  silex,  tronvee  ä Marcilly-le-Hayer 
(Aube).  Troyss,  18  S„  13  Tafeln. 

Gro»»e  Sandsteinblikke,  6000  bi#  7000  Kilo#  schwer,  an 
denen  man  deutlich  Scltleifwannen  und  feinere,  durch  da» 
Schleifen  gebildete  Einschnitte  sieht. 

Ed.  Loydereau.  Lettre  contra  Lia- Andalous. 
Courier  de  la  Saune  et  Loire,  12  Nov.  1867. 

Die  Siosszähne  seien  von  plioceueu  Mastodonten  — der 
Steingang  aus  viel  späterer  Zeit. 

Lindenschmit.  Cimetiere  de  1’ägo  de  la  pierre  polie 
ä Monsheim  pri?s  Worms.  Material»,  ö“*  Anne«, 
2«*a  gerie,  pag-  127,  PI.  6 et  7. 

Guter,  mit  zwei  Tafel*  illustrirter  Auszug  aus  Lindeu- 
Bchmit’a  Abhandlung  ln  diesen»  Archiv. 

A.  de  Longrtemar.  Caverne  a grands  caruaB- 
eiers  du  Loubeau.  Mortillet-Materiaux,  4*"*  An- 
nee,  pag.  84. 

Die  von  Bnbert  de  Jullli  entdeckte  Höhle  liegt  im 
Thale  der  Beronne  nicht  weit  von  Melle  (Deux  - Sevrc*), 
und  zeigt  von  Oben  nach  Unten  folgende  Schichten: 
1.  Erd«  und  von  der  Decke  gefallene  Gcrteinsfragmente, 
darin  Ueberrest«  der  gallo-römischen  Zeit.  2.  Tropfstein- 
decke,  «twa  einen  Fu»s  dick,  durch  den  Fall  der  oberen 
Fragmente  tlieilweise  zerbrochen.  3.  Brauner  Knochen- 
lehm,  «twa  zwei  Fus»  dkk,  darin  Höhlenhiren  und  beson- 
dere Hyänen,  ungemein  viele  Koprolithen. 

de  Longuomar.  Exploration  inethodiquo  des 
grottes  du  Chaffaud  (Vienne).  Paris,  16  S.  und 
8 Tafeln. 

Fünf  Grotten  — davon  eine  nntersucht.  Unter  den 
Tropfstcinerdeo  Kmxheulehmschkhtrn , durch  Tropfatein- 
Ugrr  getrennt.  Alle  enthalten  »ehr  viele  Knochen  vom 
Höhlenbär,  Heine,  Wolf,  Schwein,  Dach»,  Renn,  Hirsch, 
Ochs,  Pferd , Reh  oder  Gern»*.  Beinahe  0O0  KiescUnstru- 
mente,  bearbeitete  Knochen,  roho  Topfscherben  und  Kohlen. 

Duc  de  Luyncs  und  Prunor-Bey.  Note  sur  les 
fouilles  executees  a la  Chapelle  St»  Michel  de 
Valbonne  pres  Hyeres  (Var).  4°.  6 pl.  Bullet. 
Soc.  Anthrop.,  Paris,  Vol.  III.  pag.  314. 

Alfred  Maury.  Des  monument«  do  la  Russio  con- 
nus  8oub  lo  nom  de  TuiiiuIub  Tchoudes.  Revue 
Archeolog.,  9n,#  Annee,  VII,  pag.  29. 

Bericht  über  die  russischen  Monumente,  welche  de* 
allen  Tsehuden  xugeschriebeu  werden  und  mit  Bergwerken 
Id  Beziehung  stehen.  Ea  giebt  deren  verschieden«  Arte*. 
Mogily  — Tumuli  jüngeren  Datums  mit  Leichen  und  Ge- 
räthschaften  von  Kupfer  und  Eisen;  Kopi  — Leichenhügel 
älteren  Datums  nur  mit  Gerktlwcbaften  von  Stein  uud 
Kupfer  (nicht  Bronze).  Diese  au*  einer  Grabkammer  und 
darüber  geschüttetem  Hügel  (Kurgan)  bestehenden  Monu- 
mente, die  im  südlichen  Ruaaland  und  Sibirien  häufig  sind 
und  den  Tsehuden  xugeachricben  werden,  dürfen  nicht  mit 
den  scythfachen  Grabhügeln  der  Krim  und  Tauridien*  ver- 
wechselt werden,  iu  welchen  man  fast  immer  oben  daa 
Pferd,  unten  die  Leiche  des  Krieger»  findet  und  auch  nicht 
mit  den  Sopki  oder  LeichenhUgrln  de*  nördlichen  Ru»»- 


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366  Verzeichniss  der  anthro]>ologischen  Literatur. 


laad»,  welche  den  ft  tunen  seihst  «ukommen.  Mogily  und 
Kopl  linden  »ich  siel*  in  der  Nähe  «Iler  EngrabfO , in 
dflMD  man  auch  Instrumente  gleicher  Art  wie  in  den  Lei- 
chenhügeln gefunden  hat.  Geräthsehaften,  Waffen,  Statuet- 
ten sind  weist  von  Bronze.  l>ic  menschlichen  Figuren  tragen 
eine  hohe,  spitze  Mutze,  haben  grosse  Augen  und  Mund 
— unter  den  d.wge*t  eilten  Thieren  findet  sich  ausser  Renu- 
thier,  Eule,  Mammuth(VV),  Beiher,  Hund,  Eber  auch  da» 
Kaweel  in  Karawane. 

R.  P.  io  Mon.  Fouillca  d’un  tumulus  dang  la  fo- 
ret  da  GirooSt,  commune  de  Quimperle  (Fini- 
gtere).  Revue  arclukdog.,  9™*  Annee,  V»  pag.  364. 

Tu  in  ul  us.  etwa  4 Meter  hoch,  JJ6  Meter  Im  Durchmes- 
ser, mit  einem  inneren  Ikilmen  aus  9 Steiuen  und  einem 
Deckstein.  K»  fanden  sieh  darin  eine  Kette  von  Gold  and 
eine  von  Silber,  drei  Schwerter,  «ine  Unze,  ein  Zelt,  eia 
Dolch  von  Bronze , Amulette  und  Pfeilspitzen  von  Stein. 
Die  Knochen  der  Uirhe  wahrscheinlich  zersetzt  — keine 
Thongeiasse,  noch  Knochen  oder  Kohlen. 

J.  H.  Miehon.  Dolmens  de  la  Palatino.  Mate* 
rinux,  5m#  Auuei-,  2do  serie,  pag.  134. 

Zwischen  vielen  Dolmen  in  der  Jordan»elene  ein  kreis- 
fürntigrs,  5 Meter  im  Durchmesser  habende*  Monument 
nus  grossen  Platten,  in  der  Mitte  eine  viereckige  Grab- 
kammer.  Holzschnitte. 

A.  Morlot.  L’arelieologie  du  Mecklembonrg  d’a- 
prt-s  les  travaux  du  Dr.  Lisch,  comparee  h cello 
de  FEurope  centrale,  lre  partie.  Age  de  la  pierre. 
Zürich,  VI  und  41  S.,  24  Figuren. 

Nichts  Neue*.  Die  Fortsetzung  de*  Werkes  durch  den 
Tod  de*  Verfassers  unmöglich  gemacht. 

Mortillot.  Silex  taillds  de  Spiennes.  Mortillet- 
Materiaux,  4“c  Annee,  pag.  119. 

Re»um6  ül*er  diese  Fundstätte,  die  von  D£*ire  To  II- 
liez  im  Jahre  1847  entdeckt,  von  Evans,  Malaise, 
Cornet  und  Briart,  d'Omalius  d’Halloy  und  de 
Köninck  weiter  nntersucht  wurde.  E»  wurden  dort  von 
der  frühesten  Steinzeit  bis  zur  spätesten  Kieselinstrumeate 
fahricirt,  die  also  in  mehren  übereinander  liegenden 
Schichten  niedergelcgt  sind. 

Mortillet.  Haches  polies  de«  environ«  del^iuviera 
(Eure).  Mortillet-Materiaux,  4me  Annee,  pag.  111. 

Zwei  geschliffene  Steinäxte. 

G.  Mortillet.  Promenade  au  Museo  do  St.  Oer- 
main.  Materiaux,  Nr.  10 — 12,  Octbr.  — Decbr. 
1868. 

Geschichte  und  Catalog  des  Museum»,  nebst  Beschrei- 
bung der  interessantesten  Gegenstände , mit  der  römisch- 
gallischen  Periode  beginnend. 

Mortillot.  Ilomma  tertiairo.  Mortillet-Materiaux, 
4“®  Annee,  Mai  1868,  pag.  179. 

Discassion  über  die  bekannten  Kieselinstrumente,  welche 
Abbe  Bourgeois  in  den  SQsswasserkalken  der  Beauce  zu 
Thenay  bei  Pontleroy  (Loir-et-Chcr)  und  die  ei  «geschnitte- 
nen Rippenstücke  von  Hnlitherium,  die  Abb£  Del  au  na y 
in  den  Faluns  de*  Stein bruchs  von  La  Barriere,  Gemeinde 
Chaze-le-Henri,  bei  Pouance  (Maine-et-Loire)  fanden.  Beide 
Schichten  sind  unzweifelhaft  tertiär.  Dieselben  Discussio- 
nen,  die  erst  durch  weitere  Funde  zu  Ende  geführt  werden 
können , finden  »ich  unter  BetheiJigung  vuu  Mortillet 
und  Roujou  im  Dezemberheft  de»  Bulletin  der  Soci£U* 
aulhropologii|ue. 

G.  de  Mortillet.  L’homme  dans  lea  tempa  gcolo- 


giqueg.  Bullet.  Soc.  Anthrop.,  2d®  Serie,  Yol.  II, 
pag.  658. 

Verfasser  erklärt,  mit  Vorzeigung  der  Gegenstände, 
die  neueren  Funde  vou  Issel,  Bourgeois  und  De- 
launay, welche  da»  Auftreten  des  Menschen  schon  in 
tertiärer  Epoche  in  Europa  zu  beweisen  scheinen.  Er 
erwähnt  zuerst  die  Funde  von  Desnoyers  iu  St.  Prcst, 
wo  mit  Elephas  meridkmali» , Rhinocero»  etniscn»,  Kquu» 
»rvcnsi*.  deren  Knochen  angeschnitten  waren,  bearbeitete 
Kiesel  gefunden  wurden  (Pliocen),  dann  die  von  Issel, 
der  im  pliocenen  Mergel  von  Sarun»  menschliche  Knochen 
fand  und  geht  dann  zu  Abbe  Bourgeois  über,  der  im 
Kalk  von  Beaur«  (mittlere*  Miocen)  Kiesel  faud,  die  auch 
Worsaae  aU  meist  ron  Menschenhand  bearbeitete  Stücke 
atirrkannte.  Abb£  Deluuuay  fand  iru  Steinbruche  Bar- 
riere, Gemeinde  Chase  - le  • Henri  bei  Ponauct  (Maine-et- 
Loirc)  zwei  Kippen  von  Halithrriuui  mit  alten  Einschnitten, 
di«  vor  der  Versteinerung  der  Knochen  gemacht  waren. 
Die  Lagerung  gehört  dem  oberen  Miocen  au.  Nach  allem 
diesem  scheint  jetzt  die  Existenz  des  Menschen  in  die  mitt- 
lere Tertiärzeit  hinauf  zu  ragen. 

G.  de  Mortillet.  Cräne  humain  quateroaire  do 
POlma  Bullet.  Soc.  Anthrop.,  Paris,  S*1*  serie, 
Yol.  III,  pag.  40. 

Präsentation  de*  Abgusses  de»  bekannten  Schädel*  im 
Florentiner  Museum,  der  mit  Feuersteininew^r,  F.irphiinten- 
Stusszuhu  und  Pferdekiefer  (K-juu*  Larteti)  gefunden  wurde. 

Mortillet.  Le  fer  dans  Fantiquite  egyptienno. 
Mortillet-Materiaux,  d®*  Annee,  pag.  210. 

Verfasser  nimmt  von  einem  Feuilleton- Artikel  der  Neuen 
freien  Presse  in  Wien  Gelegenheit,  »ich  für  Lepsin*  aus- 
zu«prechen,  dem  zufolge  die  Aegypter  schon  4000  Jahre 
vor  Cltr.  da»  KU#n  kannten.  Die  Karben  der  Meusel  und 
Aexle  auf  den  Stelen  desselben  Alter»  bewiesen  ei.  Lep- 
siu*  sucht  seinen  Satz  linguistisch  uachsu weisen.  Wenn 
dies  wahr  i»t  (woran  ich  nicht  zweifle) , so  muss  die  Cul- 
tur  der  Pfahlbauten,  die  noch  Heer  afrikanischen  (ägyp- 
tischen) Ursprungs  ist,  lange  vor  4000  Jahren  vor  Cbr. 
«■•gewandert  seiu,  da  die  ältesten  Pfahlbaueru  der  Schweiz 
weder  Eisen  noch  Bronze  kannten. 

Mortillet.  Crane  quatern&ire  humain  d’Eguisheim. 
Ballet.  Soc.  Anthrop.,  Pari»,  Vol.  III,  pag.  405. 

Gypsabguss  de*  bekannten  Schädels  au*  dem  Löss,  des- 
sen Stirntheii  dem  Neamicm-hädel  sehr  äbulich  ist. 

d©  Nadaillac.  Lanciennete  de  l'homme.  Pari«, 
Aubry,  52  S. 

Hübsch  gedruckt. 

Noulet.  Nouveau  giaement  du  renne,  prea  do 
Toulouse.  Coamot,  Mai,  jiag.  12. 

Im  Thale  von  Giron  nicht  weit  ron  GaridccH,  in  7 Me- 
ter Tief«  unter  dem  Boden.  Reuuthier  und  Pferd. 

Jules  Ollior  de  Maricbard.  Sur  une  deconverte 
celt-ibere  decouverte  prea  Saint*  Remote,  Clinton 
du  Bourg  St  Andeol  (Ardeche).  Mortillet  Mate- 
riaux,  4,Be  Annee,  Mai  1868,  pag.  188. 

Skelet  eine»  jungen  Weihes  zwischen  Steinplatten.  Ohne 
andere  Gegenstände.  G.  de  Rochas  lünd  in  einem  an- 
deren Grube  nicht  writ  davon  sechs  Bronzering«  und  ein 
Halsband  au»  w eisten  Steiuperlen  und  durchbohrten  Mu- 
scheln. 

Jules  Ollior  de  Marichard.  Rwhorchea  Bur  Fan- 
cienneto  de  Fhotnmo  dans  les  grottes  do«  envi- 
rons  de  Vallon  (Ardeche).  Privas  1867,  16  S. 


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YTerzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  367 


Mortillet-Materiaux,  4“°  Ann6e,  Mai  1868,  pag. 
187. 

Grotte  von  I.ouoi  au»  der  Zeit  der  geschliffenen  Stein- 
grrätbe  mit  Instrumenten  aus  Stein  und  Knochen  und 
TOjjilV  igcic  hin 

Jules  Ollier  de  Marichard.  Sur  une  sepultore 
celtibere  decouverte  prea  Saint- ltemexe,  Canton 
da  Bourg  Saint  - Andeo  1 (Ardeche).  Ilullet.  Soc. 
Anthrop.,  2<u  Serie,  Vol.  II,  pag.  556. 

ln  30  CentiroMres  ( 1 Fuss)  TSei«  eine  Grabkammer  aus 
zwei  grossen  stehenden  Platten,  mit  kleine»  Platten  ge- 
deckt, darin  ein  Skelet  eines  jungen  Mädchen*.  Den  doli- 
choerphaJrn  Kopf  erklärt  Pruner-Bey  für  einen  Misch- 
ling von  (Viten  und  Iberer- Liguren  (?). 

Enrico  Paglia.  Terraruare  di  Bigarello.  Mortil- 
let-Matmaux,  4m*  Anm'e,  pag.  300. 

Analyse  einer  Abhandlung  von  V.  Giacometti,  der 
auf  dem  linken  Po- Ufer  einige  Kilometer  von  Mantua  die 
Ablagerung  entdeckte.  Ma*itn  von  T ©pfscherben , Stein- 
kernen und  Steingeräthen,  Messern,  PfeiUpitxen  etc.  Kein 
Metall.  Zerspalten«  und  bearbeitete  Knochen  vom  Hirsch, 
Reh,  Eher,  Schwein,  Pferd,  Ochs,  Schaf,  Ziege  und  Hund. 

Peceadeau  de  Tlsle.  Maimuouth  et  Rennes  sculp- 
tes  ü Bruniquel.  Revue  areheolog.,  Mars  1868, 
pag.  213 — 220.  Mortillet-Materiaux,  4“*  Atme«, 
pag.  94,  3 Figuren. 

Die  ungemein  reiche  Fundstätte  ist  innerhalb  der  Ein- 
zäunung der  Eisenbahn  unter  dem  Felsen  von  Montastruc, 
der  eine  Art  tiberbängendes  Dach  bildet.  Abbildung  der 
drei  wunderbaren,  dort  gefundenen  Sculpturen  au«  Kenn- 
thierhorn, Griffe  von  Waffen  bildend,  von  welchen  zwei 
Bcnnthiere  und  eine  dritte  ein  Mammuth  darf  teilt. 

Perrio.  Slpultures  et  crime»  carlovingien»  de 
Villebourg  (Indre-et- Loire).  Bullet  Soc.  Anthrop., 
Paris,  Yol.  III,  pag.  284. 

Drei  Stcinsärge,  in  einem  zwei  Skelete,  keine  Waffen 
noch  Schmuck.  Pruner-Bey,  der  S.  268  die  Schädel 
beschreibt,  findet  in  einem  männlichen  den  Mongoloidan- 
Tvpus,  »m  anderen,  weiblichen,  den  arischen  (deutschen V), 
iu»  dritten,  platyoephalen , den  eines  deutschen  und  im 
vierten  wieder  den  Mongoliden  - Typus  aus  der  Kcnnthler- 
zeit. 

Pommerol.  Gisement  do  l’Age  de  la  pierre  polie, 
situe  prea  du  pout  des  Quatre - Gorgea , dana  la 
commune  de  Gerzat  (Puy-de-Ilome).  Bullet.  Soc. 
Anthrop.,  Paris,  Vol.  III,  pag.  410.  Mortillet- 
Materiaux,  4,nc  Annde,  pag.  267. 

ln  den  untersten  Schichten  einer  Lage  vulkanischen  San- 
des wurden  rund  aufgesetzt«  St*lue,  TopCscherben,  Kohlen 
und  Schädel  gefunden,  aber  wieder  verschüttet.  Die  Ver- 
fasser fanden  bei  späteren  Nachgrabungen  nur  zwei  Stein- 
messer,  Topfscherben,  einige  Knochen  von  Pferd  und  Ocli« 
und  ein  Stuck  Stirnbein. 

Pruner-Bey.  Description  de  cranea  mdrovingiens. 
Ballet.  Soc.  Anthroy.,  Paris,  Vol.  III,  pag.  29S. 

Von  Monlricluod  (LoirMt-Chor).  Zwoi  tinnUrt»  (!)  und 
zwei  cel  tische. 

Pruner-Bey.  Sur  uu  crAne  humaiu  trouve  dang 
le  Poat-pliocene  de  la  Valide  d'Arno.  Bullet,  Sog. 
Anthrop.,  2d*  sdrie,  Yol.  II,  pag-  673. 

Bei  Gelegenheit  des  Werkes  von  Coech»  über  diesen 
Fund  kommt  Pruner-Bey  auf  diesen  Schädel  zu  spre- 
chen and  behauptet,  Coech  i habe  Recht  wenn  er  sage, 


es  sei  der  älteste  Schädel , aber  Unrecht  wenn  er  mit  mir 
behaupte,  er  könne  nicht  mit  anderen  Schädeln  pnridleli- 
sirt  werden.  Kr,  Pruner-Bey  kenne  einen  ganz  ähn- 
lichen, von  Dupont  ln  der  Rennthiergrotte  Trou  de  Ro- 
sette gefundenen,  in  welcher  Beziehung  er  anf  Dupont’s 
Werk,  Sur  Phomme  de  Page  du  Kenne  verweise.  Ich 
brauch«  darauf  nur  zu  bemerken,  dass,  als  Ich  in  Florenz 
Cocchi’s  Schädel  untersuchte,  das  Trou  de  Rosette  noch 
nicht  «ufgedeckt  und  der  Schädel  daran«  noch  durchaus 
unbekannt  war.  Damals,  als  ich  ihn  untersuchte  und 
mit  dem  Lu cae’ sehen  Apparat  zeichnete,  war  Cocchi’s 
Schädel  der  einzige  seines  Typus.  In  einer  nachfolgenden 
Bemerkung  kommt  Broca  auf  di«  Dimensionen  dieses 
Schädels  zurück  und  erklärt  den  Breitendun  htuesser  und 
daraus  gefolgerten  Indes  cephalicus  für  unmöglich.  Broca 
hat  Recht  mit  seinen  Zweifeln  — der  Schädel  ist  so  zer- 
trümmert , dos«  man  den  ßrritcndurcbmeMer  nicht  genau 
messen  kann. 

Prunieres.  Fouille8  ex&utees  dnns  le»  dolmen» 
de  la  Lozere.  Bullet.  Soc.  Anthrop.,  Paris,  Vol. 
III,  pag.  317. 

In  einem  Dolmen  fand  sich  ein  vollständiges  Skelet  mit 
Ringen,  Arm-  und  Bcinbiudern,  Fibulen  aus  P»ronze,  Hals- 
band aus  emaillirtem  Glase,  und  Bruchstücke  von  Fibulen 
aus  Eisen,  nebst  Theilen  feiner  Thongefässe.  Daneben 
Knochen  von  alten  und  jungen  Menschen,  nur  Bruchstücke, 
ancenagt  und  ein  Röhrenknochen  aufgeschtagen.  In  allen 
Dolmen  habe  er  angenogte,  aufgcschlagene  Knochen  mit 
Meaaereinacimitten  gefunden  und  besitze  jetzt  sechs  zu 
Bechern  verarbeitete  Schädel  au»  einem  einzigen  Dolmen. 
— Lartet  und  Broca  betrachten  die  Zahneindrücke  auf 
den  von  Pruni&res  eingesandten  Knochen  eher  als  von 
einem  Nagethiere  herrührend. 

Prunierea.  Sur  les  ossement«  humains  de»  dol- 
ments  do  la  Loztre.  Bullet.  Soc.  Anthrop.,  Pari», 
Yol  III,  pag.  404. 

Eingesandt«  Beweisstücke  überzeugen  Broca,  dass  die 
Knochen  mit  schneidenden  Instrumenten  behandelt  wurden 
sind. 

Pr...,  (Dr.  Prxinieres),  Not«  sur  quelques  de- 
couvertcs  archAologiquc«  faites  dnu»  lea  mon- 
tagues  d’Aubrac  (Loxere).  Revue  Areheolog.  du 
Midi  de  la  France.  Toulouse,  Sept.  1807,  pag. 
17—30. 

Etwas  verwirrte  Auseinandersetzung  von  alten,  aus  Ba- 
»altsäulrn  zusammengesetzten  Häusern  ohne  Fenster , die 
auf  einem  seit  Jahrhunderten  unbewohnten  Plateau  von 
Aubruc  stehen.  Ein  Dolmen  enthielt  Rest«  von  60  mensch- 
lichen Leichen  mit  Kieselinstrumcuten , Gagatperlen  und 
rohen  Thonschcrheu. 

M.  L.  Rabut.  Notice  sur  los  antiquitos  lacustres 
do  la  Savoie.  Dernicres  decouvertes  (1867).  Pa- 
ris 1869,  11  S.,  3 Tafeln. 

Aus  dem  La«  du  Bourget.  Bronze-  und  Eisenzeit. 
Schone  Thongeräthe,  Amulete  aus  Stein,  Sicheln,  Hämmer, 
Hanrzangen , Messer,  Nadeln,  Dolch-  und  Schwertklinge, 
Pfeilspitze  aus  Bronze,  Dolchmesser  und  Wurfspeerspitze 
aus  Eisen. 

Xavier  de  Heul.  L uge  de  la  pierre  et  l’homme 
prehistorique  en  Belgique.  Paria  et  Bruxelles, 
Janvicr  1868. 

Gutes  und  sachkundig»  Resumi  in  11  Capileln:  1*  Pa- 
leoethnograt.hie.  2.  Menschliche  Stationen.  3.  Geschichte 
d«r  Maas.  4.  Die  Höhten.  5.  Die  Epoche  des  Mamiuuth 
und  der  ausgcfitorbenen  Thierarten.  6.  Der  Mensch  zur 
Mainmuthsxeit.  7.  Rcnnthierxelt  — ausgewnndert«  Thiar- 


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368 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


nrtrn.  8.  Der  Mensch  zur  Uennthierzrit.  9.  Dessen  Sit- 
ten. 10.  Epoche  der  gvM'hliilrnen  Stein w allen  oder  der 
heutigen  Arten.  11.  Die  Erbauer  der  Dolmen. 

Bövue  Areht'ologiqne,  9“*  Ad  nee,  XII,  pag.  377. 
Cinictiere  de  Page  de  la  pierre  polie  decouvert 
aur  le«  bord«  du  Rhin  pres  Worms.  Note  do  la 
Redaction,  1 pl. 

Kurze  Notiz  über  die  in  dem  Archiv  beschriebene  Ent- 
deckung Linde  lisch  mit’*,  des  Gräberfeldes  am  liinkel- 
stein  bei  Monsheim. 

Revuo  Archi-ologique,  9“*  Annee,  V,  pag.  469. 

Bei  Polute-Pescade,  6 Kilometer  von  Algier,  wurde  eine 
Höhle  entdeckt , in  welcher  man  zahlreiche  Gegenstände 
aus  Feuerstein,  Herdreste  und  Knochen  von  Antilopen  und 
vom  Milmenschaf  (moutlon  i manchettes)  fand. 

Richard.  Sur  la  decouverto  de  «ilex  taille»  dans 
le  Sud  do  rt\lgdrie.  Alatcriaux,  2da  Serie,  Nr.  1, 
pag.  74. 

Gehaueoe  Stciugeräthe  finden  sich  in  mehren  Oasen 
bei  altbekannten  tjuelleu.  Mortillet  weist  in  einer 
Nachschrift  noch  andere  Fundorte  nach. 

Florian  Römer.  Objets  en  ob  s:  dien  ne  on  Hon- 
grie.  Mortillet-Matcriaux,  4ma  Annee,  pag.  298. 

Steinkerne,  Messer  and  Pfeilspitzen  aus  Obsidian. 

Roujou.  L’lionmie  uiioeene.  Bullet.  Soc.  Anthrop., 
2da  sorie,  Vol.  II,  pag.  658. 

Erkennt  die  Thatsuchcn  an  und  sucht  sie  im  Sinne 
Darwin'*  zu  erklären. 

F.  do  Sambu2y-Lu20D9oc.  Statuette  en  jaia  trou- 
vi*ü  dans  une  caverne  du  Larzac  (Aveyrou).  Re- 
vue archeolog.  du  midi  de  lu  I'rancc.  Toulouse, 
Sept.  1867,  4°.  2 S.,  4 Figuren. 

Die  Statuette  stamme  aus  der  Steinzeit. 

E.  Sauvage.  Sur  une  sepulturo  de  l’Äge  de  la 
pierre  jiolie  des  euvirons  de  Boulogne-sur-Mer. 
Bullet.  Soc.  Anthrop.,  Paria,  Vol.  111,  pag.  179. 

Die  Grubkammer,  hei  ftquihen  gelegen,  hatte  einen  Gang, 
worin  Feuerreste.  Eine  Steinplatte  schloss  d<n  Gang  ge- 
gen die  Kammer  ab.  Man  fand  Steiugerilhe , Kohlen  und 
Beste  von  9 Individuen;  nur  eine  Schideldeckc  erhalten, 
die  dolichoc*)ihal  ist  uud  ccltischcn  Typus  zeigt.  Ein 
prognather  Oberkiefer.  Die  Leichen  (Männer , Frauen,  eia 
Kind)  waren  in  hockender  Stellung  beigesetzt. 

Valdemar  Schmidt.  Le  Dänemark  a 1'F.xposition 
universelle  de  1867,  etudiü  principalement  au 
point  de  vue  de  PArcheologie.  Paris,  Reinvald, 
262  S. 

Ausgezeichnete  Arbeit,  die  an  der  Hand  der  dänischen 
Ausstellung  in  Paris  rine  vollständige  Uebenricht  sänirot- 
lieber  nrgeschichtlicher  und  archäologischer  Funde  sowohl, 
wie  des  jetzigen  Standes  der  Wissenschaft  in  Dänemark 
giebt , die  einzelnen  noch  bestehenden  Controverspankte 
bespricht  uud  somit  ein  wahres  Handbuch  der  dänischen 
Altcrthumskunde  doratellt. 

A.  Sononor,  Crime  humain  do  Grcusson,  Thuringe. 
Mortillot-Materiaux,  4ma  Annee,  Mai  1868,  pag. 
199. 

Der  von  Schmidt  in  der  Zeitschrift  der  deutschen  geo- 
logischen Gesellschaft  erwähnte  Schädel  aus  dem  Süsswas- 
ser kalke  »ei  auf  der  Greiuc  zwischen  den  der  Jetztzeit  ent- 


sprechenden und  den  älteren  Schichten  gefunden  worden, 
welche  Klephauten  und  Nashörner  enthalten. 

A.  Stoudel.  Nouveau  giaeinent  de  mousses  arcti- 
quea  en  Wurtemberg  ä WlldüM.  Muteriaux, 
2da  Serie,  5“a  Annee,  Nr.  2,  pag.  139. 

Bei  Watdsee,  3 Stunden  vou  Schussenried , wurde  20 
Fuss  unter  dein  Boden  dieselbe  Schiebt  nordischer  Moose 
gefunden. 

F.  Thioly.  Sepultures  belvetea  dans  le  Valais. 
Mortillet-Matcriaux,  4“,#  Anueo,  Mai  1868,  pag. 
192. 

Aus  der  ältesten  Eisenzeit.  Skelete  gestreckt,  das  Ge- 
sicht nach  Osten . Meist  Bronxtriuge,  Fibulen  etc.  Wenige 
Eisenringc.  im  Löschen ‘Thal. 

F.  Thioly.  L’^poque  du  renne  au  piod  du  Mont- 
Saleve.  Revuo  savoisienne,  Aunecy  25  Avril. 

Die  in  der  scheu  erwähnten  Grotte  gefundenen  Knochen 
wurden  von  Kütiioeyer  untersucht.  Es  fanden  sich 
etwa  Individuen:  5 vom  Pferd,  1 Itind,  18  Kennthier, 
4 Hirsch,  Ö Stein  Unk,  1 Gern«,  4 Alprnbaso,  4 Murmel- 
thier,  1 brauner  Bär,  2 Wolf,  1 Fuchs,  1 Storch,  31 
Schneehuhn.  Also  ganz  alpine  Fauna.  Kütiiueyer  wirft 
die  Frage  auf,  ob  nicht  Pferd , Bind , Bcnnthier  *chon  ge- 
zähmte Hnusthiere  gewesen  seien  uud  neigt  zur  Bejahung 
derselben.  Mortillet  macht  darauf  aufmerksam , dass 
der  Hund  fehlt , die  Knochen  nur  solchen  Stücken  ■«ge- 
hörten, die  man  von  der  Jagd  nach  Hause  zu  bringen 
pflegt.  Ich  füge  diesen  Gegengründen  bei,  dass  ich  an  den 
Knochen  selbst  keine  Spur  jener  Charaktere  sehen  konnte, 
die  man  den  Knochen  der  Hausthiere  zuschrcibt. 

Trutat  et  Cartailhac.  Congrrs  international  d’Ar* 
cheologie  ot  uTlistoire  a Bonn.  Matoriaux,  2da 
aerie,  5mo  Annee,  Nr.  2,  pag.  93. 

Sehr  kurze  Ueberskht  der  Verhandlungen. 

Trutat  ©t  Cartailhac.  Congris  archeoiogique 
de  France  n Carcaasotine , Perpignan,  Narbonue. 
Novembre  1868.  Matcriaux,  2dv  Serie,  ö“a  Anne©, 
pag.  95. 

Unbedeutende  Verhandlungen. 

Trutat  et  Cartailhac.  Une  visite  au  Muse©  do 
Narbonue.  Materiaux,  2de  Serie,  Nr.  1,  S.  62. 

Aufzählung  uud  Beschreibung  der  dort  aufhewahrten 
Gegenstände  uud  Darstellung  der  merkwürdigeren  auf  zwei 
Tafeln. 

Francisco  M.  Tubino.  Monument  mognlithique 
de  Castilleja  de  Guzman.  Revue  Archeolog.,  9mo 
Annee,  VIII,  pag.  140. 

Grosser  Gangbau  in  der  Nähe  von  Sevilla.  Halbrunde 
Grabkaramcr,  Gang  von  27  Meter  Länge  — im  Inneren 
bis  jetzt  nur  Pfeilspitzen  aus  Bronze. 

Vilanova  o F.  M.  Tubino.  Kxploracion  geologico- 
arqucologica  de  Cerro  Muriano.  Mortillet-Mate- 
riaux,  4,ua  Anne©,  pag.  234. 

Acht  Kilometer  von  Cordova  entfernt  finden  sich  bei 
Cerro  Muriano  alte  Grubenbaue  auf  Kupfer.  Mau  beutet 
jetzt  die  ulten  Schutthulden  aus,  in  dcucu  Steinbiimner 
aus  Diorit  mit  einer  Rinne  im  Umkreis  sich  rinden,  womit 
mau  sie  au  deu  Stiel  band.  Aebulichc  Hämmer  finden 
sich  in  Asturien  nicht  weit  von  Covadonga  an  den  Kupfer- 
minen von  MiJagTo. 


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36S* 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


C.  Vogt.  Snr  ie  crilnc  du  Val  d’Arno.  Bullet. 
Soc.  Anthrop.,  Pari«,  Vol.  III,  pag.  400. 

Unbedeutende  Berichtigungen  einiger  Auuprüche  Pru* 
ncr-Bey’*. 


Ad.  Watelet.  L’Ago  de  pierre  et  les  sepulturc» 
do  PAge  debronze  dana  le  Departement  de  l’Aisne. 
Vervins  18G6,  4°.  3G  S.,  6 Tafeln. 

Monographie  sämmtiicher  Fundstätten  des  Departement«. 


Holland. 


Oldenhuis  Gratama.  Open  Brief  aan  het  Col- 
legie  van  Gedeputoerde  Statin  van  Drcnthe  over 
do  Zorg  voor  en  het  Onderhond  der  Hunnebed- 
den.  Asaen,  van  Gorcum.  68  8. 

Verfasser  rocht  nur  hx  u weisen , da«  der  Staat  Eigenthü- 
iner  der  Hünengräber  lat  und  dass  Ihm  und  der  Provinz 
die  Unterhaltung  derselben  obliegt.  Interessant  sind  die 
angehängten  Mecklenburgischen  Verordnungen,  Ritterschaft 


und  Städte  werden  „gnädigen  Dank“  haben,  wenn  sie  ge- 
fundene Sachen  ein  »enden , den  Pächtern  und  Dort  schäften 
»brr  ist  „bei  scharfer  Ahndung  aufzugeben“  Alles  mit 
Bericht  abzuliefern  „gegen  eine  Entschädigung  für  die 
durch  die  Ablieferung  versäumte  Zeit  nach  Tngelohn,  so 
wie  durch  Erstattung  de»  Metallwcrtlies“  — jedoch  sind 
die  Anitsuntergebenen  „Uber  den  höchst  geringen  Gcld- 
werth  der  meisten  Aherthiltuer  angemessen  zu  belehren.“ 


Italien. 


G.  Canestrini.  Sopra  alcuni  Crani  antichi  sco- 
perti  nel  Trentino  e nel  Veneto.  Annuario  della 
Societa  dei  naturalisti  in  Modena.  Anno  III,  pag. 
145,  2 Tafeln. 

Drei  Schädel  (männlicher,  weiblicher  und  kindlicher)  aus 
einem  SteiogTabe  bei  Rovereto  mit  Fibeln,  Münzen,  Schwert, 
Spinnwirtel.  Di«  Münzen  von  23  vor  Chr.  bis  395  nach 
Chr.  Dollchocephale  Schädel.  „Im  Cootact  mit  anderen 
Völkern,  sagt  der  Verfasser,  namentlich  mit  Hörnern  und 
Venetern,  die  einen  kürzeren  und  niedrigeren  Schädel  hat- 
ten und  durch  Kreuzung  tnlt  diesen  wurde  der  Schädel 
der  Trent iner  kürzer  und  niedriger  und  gewann  die  Cha- 
raktere, die  er  heute  hat  und  die  ihn  zu  «len  bracbyce- 
phaien  stellen.  Indessen  finden  sich  auch  heut  zu  Tage 
noch  Typen,  dl«  vollkommen  mit  den  alten  Schädeln  von 
Rovereto  Übereinst  immen  und  der  von  mir  beobachtete 
Fall  liast  vermuthrn , dass  der  antike  Typus  sich  in  den 
nördlichen  bergigen  Gegenden  de*  Trientiner  Gebiete* 
reiner  erhielt  al*  in  den  südlichen.8  — Ein  Schädel 
au*  der  Fossa  maestra  bei  Verona,  3Va  Meter  tief  in 
einer  schwarzen  Erdschicht.  Weib  von  etwa  54  Jah- 
ren. Index  7A,f».  ln  der  Form  übereinstimmend  mit  den 
jetzigen  Bewohnen. 

Camillo  Marinoni.  Di  Alcuni  oggetti  preiatorici 
trovati  nei  dintorni  di  Crcma,  4 8.,  1 Tafel.  Atti 
Soc.  Ital.  di  scienze  natural.  Milano,  Vol.  XI, 
pavr.  52. 

Steinwaflen  und  Topfscherbeu. 

G.  Niooolucci.  Antichita  dell’  Uomo  nelP  Italia 
centrale.  Iiendiconto  della  R.  Accad.  delle  scienze 
fisiche  e matematidie  di  Napoli.  I’ntscicolo  8, 
Agosto  1868,  4°.  6 S. 

Erneuerter  Nachweis,  dam  der  Mensch  in  Italien  mit 
ausgeMorbcnen  Thierarten  (Elephas  anti<|uus,  meridionalis, 
pritnigeniu»)  zusammen  lebte  und  vor  diu  letzten  Aus- 
brüchen der  ausgebrannten  Vulkan«  Latium’*,  deren  TufTe 
die  Fundorte  theil weise  öberdwken,  die  Halbinsel  bevöl- 
kert«. Verfasser  fand  selbst  Kiescllnstruinente  bei  Pontc- 
molle  und  Tor  di  Quinto  und  führt  die  anderen  Funde, 
die  vorzugsweise  von  Pönal,  Kossi,  Frere  Indes, 
Serchi,  Ceselli  und  Montovani  gemacht  wurden,  an. 


Luig!  Pigorrini.  Catalogo  generale  del  regio  Mu- 
seo d’antichita  di  Parma.  Appendico  I,  4°. 
44  S. 

Guter  Catalog.  Im  Anhang  die  neuen  Erwerbungen. 

Antonio  Stoppani.  Note  ad  uu  corso  annuale  di 
geologia  dottato  per  uso  degli  ingegneri  allieri 
del  reale  Istituto  teclinico  superioro  di  Milauo. 
Ente  Lieferung  1865,  848  8.  Zweite  Lieferung 
1867,  468  S.  Mailand  bui  G.  Ileruardoni. 

ln  der  zweiten  Lieferung  theilt  Stoppaui  die  zur  Ur- 
geschichte gehörenden  Ablagerungen  folgendennacsen  ein. 

N «azoische  Periode  — Nacbtortiirc  (Quaternäre)  Ablage- 
nagM.  AnthropozoUche  Epoche. 

Historische  Zeit.  Eisenzeit. 

Vorhistorische  Zeit.  Bronzezeit.  Jünger«  und  ältere 
Steinzeit.  PleUtocenc  Epoche. 

Eiszeit.  Zeit  der  Tt-rrasden.  Erratische  Gebilde  (Drift). 
Der  Mensch  sei  erst  gegen  Ende  der  Existenz  des  Main* 
mutlis  etc.  und  nach  der  Eiszeit  aufgetreten. 

P.  Strobel.  Di  un  braccialctto  « di  nn  anello 
d'una  forma  particolare  rinvenuti  in  tombe  au- 
tit’he  presao  Rovereto.  Verona,  Oct.  1867,  4 S. 

Weist,  wie  auch  Lindenschmit,  nach,  dass  di«  eigen- 
thümliche  Kiugform  mit  aufgedrehten  spiraligen  Enden  bei 
den  Kötnern  vor  kam. 

Fcllcgrino  Strobel.  Mnteriali  di  paletuologia 
comparata  raccolti  in  Sudanierica.  Parma  1868, 
20  S.,  3 Tafeln.  Erste  Faacikel,  zweite  Liefrg., 
Decbr.  1868. 

lu  den  Paraderos  (temporären  Stationen  wandernder 
Indianer)  von  Patagonien  linden  sich  vollständige  Analoga 
der  Ktkhenabfälle  und  in  deu  jetzigen  wie  in  den  alte» 
St  ein  watlen  nebst  Kno»  hen  und  Muschelschalen  «tc. 

Tinelli.  Palafitto  di  Mombullo  preao  I^ireno.  Atti 
Soc.  Ital.  di  acienze  natural.  Milano,  Vol.  XI, 
pag.  55. 

Pfahlbaute,  wie  es  scheint,  au»  der  Steinzeit. 


Archiv  ftJr  Anthropologie.  Bd.  10.  Heft  4. 


47 


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370 


Verzeichnua  der  anthropologischen  Literatur. 


Nord -Amerika. 


Agassiz.  Antiquity  of  man.  American  naturalist. 
Vol.  II,  May  1868,  png.  166. 

Bericht  aber  einen  Vortrag,  in  der  Boston  Society  of 
natur.  history  im  Öctober  1867  gehalten.  Der  Vortra- 
gende sucht  nachzuweisen , dass  der  Mensch  erat  nach  der 
Zeit  der  grössten  Ausdehnung  der  Gletscher  eibtirte. 

Bush.  Rhcumatism  in  Frcliistoric  tim  es.  Ameri- 
can Naturalist,  VoL  III,  March  I86D,  pag.  55. 

Bush  zeigte  in  der  Pathologischen  Gesellschaft  in  Lon- 
don den  rheumatisch  (?)  erkrankten  Knochen  eines  fossilen 
Khinocero»,  einen  geheilten  Schenkel bruch  eines  Höblcn- 
baren  und  einen  andern  mit  einer  Geschwulst  behafteten 
Knochen  desselben  Thieres. 

Joseph  Jones.  The  aboriginal  Mound-buildcrs  of 
Tennessee.  American  Naturalist,  Vol.  111,  April 
1869,  pag.  57. 

Die  eingeborenen  Indianer  bauten  künstliche  Erdhiigel 
für  Wohnungen,  Begräbnisse,  Verthcidigung  nnd'Cultu*. 
Sie  verehrten  die  Seeen  und  bemalten  die  senkrechten 
KcUufer  der  Flüsse  mit  auf  Cultus  und  Büflcljagd  bezug- 
liehen  Zeiebn ungen.  Pie  Gräber  sind  aus  rohen  Stein- 
platten zusammengesetzt  und  finden  sieh  iu  grosser  Anzahl 
in  Kentucky  und  Tencssee  — Nnsliville  liegt  zum  Thrile 
auf  einem  indianischen  Kirchhofe.  In  manchen  Gräbern 
sind  die  Leieheu  so  eng  als  möglich  zusammen  gepackt,  die 
Knochen  oft  zerbrochen,  manche  Steinkisten  enthalten  nur 
T heile  eiuer  Leiche,  andere  Ueberrcste  von  mehren  Indi- 
viduen. ln  die  kleinen  Kindergräber  wurden  auch  Hunde, 
Kaninchen,  Eichhörnchen,  Wildkatzen  and  wilde  Puter  be- 
graben. Manche  Glätter,  offenbar  von  Häuptlingsfamilien, 
stehen  um  Altäre  — man  fand  darin  schöne  zerschlagene 
Töpferei,  Ornamente  von  Muschelschalen  mit  Sonnenfiguren, 
Idole  ctc.  Pas  Volk  wurde  von  den  Spaniern  bei  der  Er- 
oberung ausgerottet. 

Charles  Bau.  Drilling  in  etone  m ithout  metal. 
Report  of  the  Smitliaonian  Institute  for  1868. 
Washington,  9 S. 

Per  Verfasser  hat  sich  einen  Drillbohrer  aus  Holz  con- 
struirl  und  damit  mittelst  Sand,  in  sehr  harte  Steine  Lö- 
cher gebohrt. 

C.  A.  White.  Kjoekkenmoeddings  in  Jowa.  Ame- 
rican Naturalist,  Vol.  III,  March  1069,  pag.  54. 

Von  J.  Kineraly  am  Des  Moines-Flus»  entdeckt.  Scha- 
len verschiedener  augenscheinlich  gekochter  und  gegessener 
Flus^muscheln  (Arten  von  Unio)  mit  zerspaltc-nen  Hirsch- 
kuochen,  SchildkrutenscUalen,  Steininstrumenten  und  rohen 
Topfscherben. 

Whitnoy.  On  the  freahwater  tortiary  an«l  the  la- 
ter detritical  and  volcaoie  formmtion  of  Califor- 
nia. American  Naturalist,  Vol.  II,  Ocfbr.  1868. 
pag.  445. 

Vortrag,  in  der  American  A»«eiat»on  zu  Chicago  (Au- 
gust 1868J  gehalten,  worin  Whitney  den  Fund  eines 
menschlichen  Schädels  in  Calnvern*  Counlv  in  150  Fuss 
Tiefe  näher  erläutert  und  den  Scliädel  vorzeigt,  der  nach 
Professor  Wyman  denen  der  jetzigen  Indianer  von  Cftli- 
fornKn  gleicht  und  in  den  Charakteren,  in  welchen  er  ab- 
wekbt , sich  den  Eskimos  nähert.  Whitney  war  nicht 
bei  dem  Fund,  setzt  aber  in  die  Wahrhaftigkeit  der  Finder, 
die  er  nennt,  keinen  Zweifel.  Das  Bogtouer  Museum  be- 


sitzt schon  seit  längerer  Zeit  ein  im  Juli  1857  ganz.  In 
der  Nähe  gefundenes  Schidelbruehstück,  das  180  Pus*  tief 
im  Goldsand  zwischen  Mastodooresten  und  KolUteinen  ge- 
funden wurde. 

Whittlesoy.  Antiquity  of  man  in  the  United 
States.  American  Naturalist,  Vol.  II,  Sopt.  1868, 
pag.  386. 

Vortrag  in  der  American  Association  for  the  advance- 
ment  of  Science,  Sitzung  iu  Chicago  im  August  1868. 
Aufzählung  der  Funde.  1.  Mum  h*  lhüg«d  (Kjükkcntnöddiog) 
längs  der  atlsutbcheu  Küste  zwischen  Xeu-fichotüand  und 
Florida.  Nicht  sehr  alt.  2.  Pfeilspitzen  aus  Stein  unter 
einem  Mastodon-Skelet  in  einem  Torflager,  15  Kuw  unter 
dem  Alluvium,  beim  Pomrae-dc-trrrc  Hirer  in  Missouri. 
3.  Steinmesser  von  A.  Scott,  14  Fum  tief  in  Sand  und 
Thon  bei  Giinuc!  Lcads,  Kansas  gefunden.  4.  Drei  Ske- 
lete von  Indianern  iu  einer  Grotte  bei  Light,  Ohio  — auf 
200ü  Jahre  geschätzt.  5.  Ein  von  Meaachenfüsse»  (India- 
nern) abgenutzter  Klotz,  bei  Htgh  rock  Spring,  Saratoga 
in  einer  Tiefe  von  9 Fum  unter  dem  Kegel,  von  Pr. 
Gries  auf  4840  Jahre  geschätzt.  6.  Kupferne  Speerspitzen 
und  andere  Instrumente,  wahrscheinlich  von  den  Grabhügel- 
Erbauern  (mound  - builders)  in  14  Kus*  Tiefe  bei  Brock- 
ville,  l’anada.  von  Dr.  Reynolds  gefunden.  7.  Einige 
Mensdieiukek-le  mit  Steingerithen  in  eiuer  Höhle  hei 
Louisville,  Kentucky  — Kinder  Scowdeu.  8.  Töpferei, 
von  Pr.  Holmes  bei  Cbarlcston , in  Gesellschaft  von 
Mastodon  und  Mrgathcrium  gefunden.  9.  Eine  Kinnlude, 
Zähne  und  andere  Knoche«,  in  quaternären  Conglomcrutcn 
von  Florida,  von  Agas*  ix  10  000  Jahre  gescbätzL.  (Einer 
späteren  Berichtigung  zufolge  im  Alluvial  - Sandstein  bei 
Lake  Monroe,  ohne  dass  man  das  Alter  schätzen  könnte.) 
10.  Feuerherde,  von  Whittleaey  im  alten  Alluvium 
des  Ohio  bei  Portsmouth  iu  einer  Tiefe  tou  20  Kuw  unter 
den  Werken  der  Erbauer  der  Grabhügel  gefunden.  II.  In- 
diancrskelete,  von  Pr.  Dow ler  16  Fuss  tief  im  Alluvium 
hei  Kew-Orleana  gefunden,  von  ihm  unf  150  000,  von  an- 
deren auf  15  UOU  Jahre  geschätzt.  12.  Stück  eines  mensch- 
lichen Beckens  bei  Natcbcz,  Miss,  in  einer  Schicht  mit 
Mastodon,  Megalonyx,  Pferd  etc.  Herkunft  etwas  zweifel- 
haft. 13.  McnscheDschiidel  und  andere  Ueberbieibsel  io 
150  Fua»  Tiefe  in  g .Idlinlitgem  Sand,  Calareras  County  in 
Californien  — Professor  Whitney.  — Professor  Blake 
fügt  hei,  dass  mau  in  California«  häutig  lief  im  Goidsande 
Stein-Instrument v und  MmM-henrrste  findet. 

Joffries  Wyman.  Ou  the  fredi-watcr  Shell-hoapa 
of  the  St  Johns  River,  East  Florida.  American 
Naturalist,  VoL  II,  Uct  1868,  pag.  393,  1 Tafel. 
Nov.,  pag.  457. 

Die  Hügel  liegen  uro  Ufer  de«  St.  John’»  Kluaaes  über 
etwa  150  englische  Meilen  zcrs‘rrut,  zwischen  Pulatka  und 
Salt  Lake  und  bestehen  meist  nur  aus  Schalen  von  Am- 
pullaria  dvpres»a,  Paludiiiu  mnltilineata  und  Unlo  Buckleji 
mit  wenigen  Arten  von  Mvlania  und  Hells,  siuri  bald  rund, 
bald  länglich,  mit  Eichen  und  verschiedenen  Waldbiomen, 
zuweilen  auch  wi'den  Orangen  bewachsen,  die,  wie  Fair- 
bank»  nach  wies,  von  den  Spaniern  ein  geführt  wurden. 
An  der  Seeküste  finden  sich  andere  Hügel  mit  Austrru- 
schaten  und  überhaupt  sind  solche  Hügel  an  allen  Kiisten 
der  Vereinigten  Staaten  sehr  häuft?.  Einige  der  Sin— 
wasterhügel  werden  genauer  beschrieben;  es  fanden  steh 
darin  Herdstelleu , Knochen  vom  Hirsch,  Bär,  Waschbär, 
Opossum,  von  Vögeln,  Schildkröten,  Alligatoren  und  hVi  bcu, 
Topfscherben  mit  Linien -Verzierungen,  Fcucntciogerüthe. 


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371 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 

Töpferei  von  Thon,  meist  ohne  Zuthaten.  Von  den  Eichen  Entdeckung  Amerikas  stehen  mussten.  Die  Knochen  haben 

hat  inan  berechnet,  dass  sie  schon  100  Jahre  vor  der  weniger  organische  Materien  als  Mastodon-Knochen. 


Portugal. 


P.  A.  Pereira  da  Coata.  Monumentos  prehiato- 
ricos.  Descripvao  de  algutis  Dolmtna  ou  Autaa 
du  Portugal.  Li&boa  1868,  4°.  97  S.,  3 Folio- 
tafeln, heigedruckte  französische  Uebersctzung 
von  Dalhunty. 

Nach  einer  langen  Einleitung  kommt  Verfasser  tu  den 
Diluvialgebilden  Portugal«,  die  er  in  drei  Gruppen  schei- 
det, die  unterst«.  Drift  oder  Risperinde,  die  zweite,  wo 
dos  Meer  einige  .Stellen  des  Landes  bedeckte,  endlich  die 


dritte , wo  die  Landest  heile  wieder  auAaurhlen  und  die 
Flüsse  ihr«  Terrassen  bildeten  und  währoud  welcher  Men- 
schen und  ansgestorlcneThierc  e*  bevölkerten.  Das  zweite 
Capital  ist  den  Dolmen  gewidmet,  die  in  Portugal,  wenn 
sie  ireUtehen  , Antas , wenn  in  Hügeln,  Mununhas  oder 
Manilas  heissen.  Man  kennt  in  Portugal  viele  Hunderte. 
Nach  einem  Re»ume  des  in  anderen  lindern  gefundenen 
kommt  Verfasser  auf  diese  zu  sprechen , um  Int  dritten 
Capitol  einige  ausführlich  zu  beschreiben  und  abzubilden. 
Bis  jetzt  fand  man  nur  geschliffene  Steinwaffen  darin. 


Russland. 


Pr.  Schmidt.  Vorläufige  Mittheilungen  über  die 
wissenschaftlichen  Resultate  der  Expedition  zur 
Aufsuchung  eiues  Angekündigten  Mammuthcada- 
vers.  Melanges  biologiqnea,  Acad.  de  St.  Petera- 
bourg,  Tome  6,  April  1868. 

Nachweis  der  geologischen  Bildung  des  Bodens  — der 
marinen  Postpliocenschichteu  mit  einer  Menge  von  Geschie- 
ben und  Versteinerungen  aus  älteren  zerstörten  Gesteinen, 
der  älteren  und  neueren  Süuwasscr-AUuvioncn,  in  welchen 


die  Mammuthe  sich  finden.  Die  Leiche,  um  deren  Willen 
Schmidt  die  lange  Reise  machte,  war  sehr  unvollstän- 
dig.— WolJhaare  und  Borstenhaare  in  Menge.  Schmidt 
grub  selbst  den  Unterkiefer,  die  Schulterblätter  und  ein 
, ganzes  Vorderbein  au«.  Die  Reste  lagen  in  einer  3 Fus« 
mächtigen  Lrhrasrhicht  horizontal,  um  sie  herum  Moose 
(Hypnum),  Weidenblatter,  Stücke  Lirchrnholz , darüber 
Lehmlager  mit  Vegntatkxuachicbten.  Dws  Mammuth  mag 
wohl  dort  gelebt  haben. 


Schweiz. 


De  Bonstetten.  Seeon d Supplement  au  recueil 

d'AntiquitcB  Buissea.  Lausanne  1867,  Fol.  18  S., 
16  Tafeln  col. 

Meist  Gegenstände  aus  Grabhügeln  der  ältesten  Eisen- 
zeit. Der  Verfasser  verneint  phöniziothen,  behauptet  aber 
etruskischen  Einfluss  auf  die  Bronzefabrlkation  der  Schweiz 
und  des  Nordens. 

E.  Desor.  Lo  cimetiere  de  HaUftatt.  8 8.  Ab- 
druck aus  der  ßibliothequo  universelle. 

Analyse  de*  Werke»  von  E.  von  Sacken. 

E.  Desor.  Ago  du  fer.  dans  lo  Canton  de  Xeu- 
chüteL  Le  preuiier  Mars,  Neuchätel,  15  Decbr. 
1867« 

Ueberreste  au»  drei  verschiedenen  Epochen:  au»  der 
ältesten  Eisenzeit  in  Gräbern;  aus  der  gallischen  (gleich- 
zeitig mit  Cäsar;;  aus  der  Pfnhlhaute  von  la  T«'*ne;  aus 
der  helveto-burgundiscbeu  in  Gräbern. 

E.  Deaor.  Le  Tumulos  des  Favargettcs  au  Val 
de  Rus.  Neuchütel,  14  S.,  4 col.  Tafeln. 

Das  Skelet,  welches  der  Tumulus  enthielt,  wurde  leider 
von  dm  Arbeitern  vernichtet.  Kein«  Waffen,  nur  Schmuck- 


gegenstände und  GrraLhe  aus  Bronze , Thon  und  Holz 
(Armbänder!.  Die  grossen , aus  geschlagener  Bronze  be- 
stehenden Kessel,  die  Form  der  Schmuckgegcnstände  stimmt 
mit  Hallstadt  und  den  Hügel  - oder  Kegelgräbern  von 
Deutschland  überein.  — Das  Grab  gehört  also  der  ersten 
Eisenzeit  an. 

P.  Thioly.  Documenta  sur  leB  epoqufli  du  Renno 
et  de  la  pierre  polie  dass  lea  environs  de  Geneve. 
Deacription  d’Objets  de  lTndustrie  huniniue  trou- 
vc«  a Veyrier  pro*  d«  Geneve  et  appartenant  k 
l’epoque  du  renne.  Precedee  d'uue  introductiou 
de  Mr.  C.  Vogt,  37  S.,  15  Figuren.  Deacription 
d’Objets  de  l’epoque  de  la  pierre  trouvefl  sur 
remplaoement  lacustre  des  Kaux-Vivea,  13  8., 
10  Figuren,  Holzschnitte.  Extrait  du  Tome  XV 
du  Bulletin  de  ITnntitut  genevoi*.  Geneve  1869. 

Beschreibung  und  Abbildung  der  hauptsächlichsten  Fuud- 
gegenstände , worunter  besonders  ein  tV-mmandosUb  mit 
Abbildung  vom  Steinbock  und  einer  Pflanze.  In  meiner 
Einleitung  suche  ich  besonder»  die  Ansicht  von  Rü ti- 
me yer,  der  die  Knochen  untersuchte,  zu  bekämpfen,  wo- 
nach Rcnntbicr,  Pferd  und  Ochse  vielleicht  Ilausthicre  ge- 
wesen wien. 


47* 


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372 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Spanien. 


Don  Manuel  do  Gongora  y Martinez.  Anti- 
güedades  prehiatdricas  de  Andalucia,  Monuroen- 
tos,  Inscripciones,  Arraas,  Ustonsilios  y otros  im- 
portantes objetoa  (>erteneciantes  \ los  tiecnpo» 
maa  rcmotos  de  au  poblacion.  Madrid,  Cargo  de 
C.  Moro,  158  S.,  175  Holzschnitte,  2 chromolith. 
Tafeln. 

Eine  neue  Welt  in  prachtvoller  Ausstattung , die  durch 
eine  Subskription  des  Minuten  au!  150  Exemplare  ermög- 
licht wurde.  Wenn  die  ersten  Untersuchungen  schon  *o 
viel  geliefert  haben , so  muss  Andalusien  eines  der  reich- 
sten Länder  für  vorhistorische  und  urgeschichtliclie  Un- 
tersurhungcn  «In.  Leider  werden  die  meisten  Fundstät- 
ten durch  die  Finder  selbst , welch«  Schätze  suchen , rer- 
stört,  was  um  so  mehr  Schade,  als  sich  manche  Gegen- 
stände dort  erhalten  finden,  die  man  anderwärts  vergebens 
sucht.  So  in  Höhlen  Bastgewebe,  wunderbare  Figuren 
runeuäbnlicher  Gestalt  (die  indessen  auch  späterer  Zeit 
angehören  mögen),  eigentümliche  Topfformen,  Leichen  noch 
mit  ihren  Bastsandalcn.  In  einer  Höhle  (Caverna  de  los 
Murcielagos)  ist  man  überrascht , die  charakteristischen 
Formen,  namentlich  der  Knochen  - Instrumente , aus  den 
schweizerischen  Stein  - Pfahlbauten  wieder  zu  finden;  aus 
den  unzähligen  Dolmen  und  Gnugbnuten  kommen  Stein- 
wnfVen  und  Bronze  - Celte , Hinge  etc.  Die  zahlreichen 
Schädel,  die  in  leider  unzureichenden  Abbildungen  (V4  Gros« 
— fast  niemals  Scheitclansicht)  vorgefuhrt  werden,  ver- 
dienten wohl  genaueres  Studium  und  Meriun^en.  Sie 
scheinen  meist  dolichocephal  und  viele  proguath.  Alle 
untersuchten  Dolmen  sind  von  viereckiger  Form,  mit  gros- 
sen Steinen  gepflastert,  die  Leichen  ausgestreckt,  ln  einem 
einzigen  fand  man  ein  Stück  Eisen,  sonst  nur  Stein  und 
Kupfer. 


Francisco  M.  Tubino.  Mußeo  arqueologico  na- 
cional.  Gaceta  de  Madrid,  23.  März  1868.  Mor- 
tillet-Mnterinux,  4m0  Anode,  pag.  175. 

Bei  Ciwtillcja  de  Guzman,  westlich  von  Sevilla,  ein  Tu- 
rn ul  u»  , in  welchem  eine  bi*  jetzt  auf  die  Länge  von 
27  Meter  aufgedeckte  Allee  au*  groben  unbehauenen  Stei- 
nen ohne  Cemeat.  Zwei  durch  Thören  geschlossene  halb- 
rund« Grab  kämmen».  ln  der  Erde  auf  den  Drcksleinen 
30  Pfeilspitzen  aus  Bronze.  Im  inneren  noch  Nichts  ge- 
funden. 

Francisco  M.  Tubino.  Revista  de  Bellas-Artcs  e 
Hiatorico-Arqueologica.  Madrid. 

Neue*  Journal , in  dessen  erstem  Hefte  der  Herausgeber 
«ine  Ucbersicht  der  in  «inem  Vaterlande  gemachten  urge- 
»chichtlichen  Studien  giebt.  V i 1 a n o v a hat  mit  seinen 
Schülern  daa  klassische  Termin  von  San  Isidro  aufs  Neue 
untersucht  und  die  früheren  Resultate  bestätigt;  grosse 
Sammlungen  von  Stcinwaifeu  aus  Südamerika  wurden  ge- 
ordnet; Steinwn(Ten  wurden  gefunden  bet  Tamigona,  Se- 
villa; Vilanova  und  Turbino  geben  Vorlesungen  über 
den  tbsailcn  Menschen ; man  hat  Untersuchungen  von  Grab- 
hügeln und  Höhlen  begonnen. 

Francisco  M.  Tubino.  Estudioe  prehistoricos. 
Cuaderao  1.  Madrid,  128  S. 

Oeffeutlkhe,  populäre  Vorlesungen  über  Urgeschichte, 
die  der  Verfasser  in  der  ökonomischen  Geaellschaft  von 
Madrid  gab  und  die  iheils  allgemeinere  Gegenstände,  1 heile 
Biographien  (Boucher  de  Perthes,  Sir  John  Lub- 
bock),  iheils  üjiedell  spanische  Fundorte  (den  Gaogbau 
von  Castilleja  de  Guzman,  die  alten  Grubenbaue  von  Cem» 
Mariana)  besprechen. 


Ungarn. 

Floris  Roetner  Oskori  müregestet.  Pesth  1866.  Foimlitrt,  von  Jet  ungnrlicboi  Akviemie  hnntugfgcb«». 

GrosB  8».  136  S.,  154  Holm-lmitte.  Anleitung  tum  Studium  Jet  Crgatluoh«  und  Archiologie. 


II. 


Anatomie. 


(Von  A. 

Alix.  Recherche»  sur  la  disposition  de»  lignes 
papillairca  de  la  mnin  et  du  pied,  preceddos  de 
conaiddrations  aur  la  forme  et  !a  fonction  de  cea 
dcux  Organe».  Annalen  des  Science»  naturelles, 
5“e  adrie.  Zoologie.  Tome  VIII,  295  pag.,  Tome 
IX,  5 pag.  Tafel  2.  3,  4,  5. 

Vergleichung  der  Tnstiinien  bei  Mensch  und  Affen. 


Eckor.) 

Bischof!'.  Die  Grosshirnwindungen  des  Menschen 
mit  Berücksichtigung  ihrer  Entwicklung  bei  dem 
Fötus  und  ihrer  Anordnung  bei  den  Affen.  Neu 
uuteraucht  und  beschrieben.  Mit  7 Tafeln.  Aus 
deu  Abhandlungen  der  königl.  bnierischen  Aka- 
demie der  Wissenschaften.  IR  Clnsee,  X.  Band, 
2.  Abtheilung.  Münchon  1868.  4°. 


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Verzeichnisa  der  anthropologischen  Literatur.  373 


Blake,  Carter.  On  a Skull  front  the  Chincha  Is- 
lands. Journal  of  the  Anthropologien!  Society  of 
London,  April  1869,  Nr.  25,  S.  LXVII. 

Länge  16*5.  Breite  13*6.  Index  65*6. 

Brandt,  Alexandre,  jun.  Sur  le  rnpport  du  poida 
du  cervean  a celui  du  corps  ehe*  differente  ani- 
maux.  Bulletius  de  la  Socioto  imperial©  dea  na* 
turuliates  des  Moscou,  1867,  Nr.  4. 

Verfasser  bestätigt  den  Satx  von  Haller  (Hem.  l’hy- 
siol. , IV , 8) , dass  kleinere  Thier«  ein  relativ  gTüwer« 
Gehirn  haben  als  grosse,  durch  Messungen : 1)  an  der  aus- 
gestorbenen  Rhytina  boreulis , 2)  an  Halicore  Ilugong,  und 
3)  an  Manatus  latirostri».  Das  Hirn voluin  (nach  Gype- 
ausgüssen  in  bekannter  Weise  bestimmt)  fand  er  bei 

1)  = 2125,  bei  2)  = 400,  bei  3)  = 423  Cubikcentim. 
I>aruus  (nach  dem  Gehirn  des  Schweina)  das  Hirn  ge  wicht 
berechnet  ergiebt  für  l)  2242,  für  2)  422,  für  3)  448 
Grammes.  I>ie  Länge  de*  Skelets  beträgt  bei  1)  6*34,  bei 

2)  1*87,  bei  8)  2*00  Meter.  Daraus  ergiebt  sich,  da** 
das  Gehirn  im  Verhältnis*  zur  Körperwaasse  bei  2)  7 mal, 
bei  3)  Ömnl  grosser  war  *1»  bei  l).  Den  Hingangs  er- 
wähnten Sata  sucht  nun  der  Verfasser  durch  deu  weiteren 
Krfahrungssutz  zu  erklären,  dass  die  physiologischen  Pro* 
ersse  relativ  um  so  lebhafter  sind,  je  kleiner  das  Thier, 
und  vindieirt  diesem  SaU  auch  eine  Geltung  innerhalb 
des  Menschengeschlecht*.  In  einrm  Anhänge  beklagt  er 
es  mit  Recht,  da**  die  Anthropologie  bi*  jetzt  noch  *o 
wenig  Arbeiten  au&uweiseq  hat , die  da*  relative  Hirnge- 
wicht kennen  lehren  und  glaubt,  obigen  Daten  entsprechend, 
au»  einigen  Nachweisen  entnehmen  zu  können , da»*  das 
Weib  im  Verhältnis*  zum  Körper  mehr  Gehirn  besitzt  als 
der  Mann. 

Broca.  Sur  Iob  cr&nea  basques  de  Saint-Jean- 
de-Lus.  (Bulletin»  do  la  Societo  d’Anthropo- 
logie  de  Paria,  2*1*  Serie,  Tome  III,  1,  1868, 
S.  43.) 

Broca  erhielt  58  baakische Schädel  au*  einem  Beinhaus, 
da*  von  der  Zeit  vor  1532  dntirt.  Broca  wiederholt, 
bevor  er  in  da*  Detail  eingeht,  dos  Wichtigste  über  die 
ßoskcnfmge , wo»  hier  ebenfalls  geschehen  soll.  Die  Bas- 
ken sind  bekanntlich  das  einzige  Volk  Westeuropas,  das 
heutzutage  noch  eine  nicht  indo  • europäische  Sprache 
spricht.  Man  hat  sie  daher  als  die  letzten  und  reinen 
Reste  der  Urbevölkerung  betrachtet,  welche  vor  der  asia- 
tischen Einwanderung  diesen  Theil  Europa*  bewohnte. 
Ketzius,  der  die  Urbevölkerung  Europas  für  brachyce* 
pbal  hielt,  schrieb  diesen  Charakter  auch  den  Basken  zu, 
mehr  der  Theorie  zu  liebe  als  auf  Beobachtung  fassend, 
denn  cs  standen  ihm  keine  authentischen  lUskcnsrhädc)  zu 
Gebot,  Diese  Frage  zu  lösen  hat  bekanntlich  von  1862 
an  Broca  unternommen  Zuerst  erhielt  er  aus  Guipuscoa 
60  Baskenschädel , die  in  der  Mehrzahl  doKehocephal  wa- 
ren (nur  bei  12  überschritt  der  Schädelindex  8ü),  Eine 
zweite  Sendung  von  1 8 Schädeln  ebendaher  bestätigte,  dass 
die  Brachycephalie  bei  den  haskUchen  Schädeln  exceptionoll 
ist.  Virchow  bestätigte  dies  an  6 Schädeln  aus  der 
Umgegend  von  Bilbao.  Ein  Versuch,  die  alte  Theorie  zu 
retten , indem  mau  die  Bewohner  von  Guipuscoa  für  Gel- 
ten erklärte  (Pruner-Bey)  misslang  und  man  ist  jetzt 
berechtigt,  anzunchmen , dass  in  Guipuscoa  nnd  ßiscaya 
die  Brachycephalie  auch  heutzutage  noch  die  Ausnahme 
bildet.  Die  Fälle  von  Brachyirphalie,  die  sich  linden,  sind 
theils  durch  Raccnmischung  bedingt,  theils  »iud  sie  Folge 
von  Naht synostosen  (Virchow).  So  war  der  Stand  der 
Sache  zur  Zeit  des  anthropologischen  Cangre««es  (August 
1867).  Der  Annahme  der  DoHchocephalic  für  den  Bas- 
kenschädel stuml  nur  ein  Factum  entgegen:  aus  dem 
französischen  Baakengebiel  (Saint  Jrun-pied-dc-Port)  lag 
ein  brachycephaler  Schädel  vor  und  Mesjongen  von  Leben- 


den (von  d’Abhadic)  schienen  das  Vorherrschen  der 
Brachycephalie  in  diesem  Gebiet  zu  bestätigen.  Broca 
reiste  nun  selbst  nach  Labourd;  ein  LctVcuodeter  Arzt 
unternahm  Messungen  von  Lebenden  und  hieraus  ergab  sich 
entschiedene*  Vorherrschen  der  Bnu-hycephalie  (riebe  den 
folgenden  Titel).  Zugleich  erhielt  aber  Broca  die  obge- 
nannten  58  Schädel.  Bei  Betrachtung  dieser  (oder  nach 
Ausschuss  eines  abnormen)  57  Schädel  ergiebt  sich  wilört 
das  Vorhandensein  zweier  verschiedener  Typen , eines  doii- 
cbocephnlen  (ganz  gleich  denen  von  Guipuscoa)  und  eine» 
bracbrccphalen,  ersterer  zu  etwa*  mehr  als  */&,  der  zweit« 
zu  fust  der  Rest  besteht  au*  Zwisrhrnformrn.  Da 
«ich  die  charakteristischen  Züge  der  Guipuscoer  Schädel 
auch  lei  riclen  der  brarhycephaleu  Schädel  linden,*  »o 
glaubt  Broca,  das*  die  zwei  Raren  (brachycephale  und 
dolichocephale) , deren  Mischung  vor  dem  16.  Jahrhundert 
die  Bevölkerung  von  Saint  Jean-de-Luz  bildete,  weit  mehr 
durch  den  Sehadelindex  als  durch  sonstige  Charaktere  un- 
terschieden waren.  Die  alten  Bewohner  des  französischen 
Basken!  und«*  waren  nach  Broca’»  Ansicht  Lrachvcephal, 
die  des  spanischen  dolichocephal  und  das  Vorkommen  der 
DnlichocephaJie  bei  enteren  ist  eine  Folge  der  »eit  dem 
16.  Jahrhundert  »tattgeliabten  Immigration  der  enteren  nach 
Frankreich.  Die  Einheit  de*  Baskenstnmmcs  hiernach  noch 
fest  zuhalten  wird  Broca  ziemlich  schwer  und  wir  mä*»en 
es  uns  versagen,  hier  auf  die  ausführlichen  craniologischen 
und  historischen  Erörterungen  einzugeheu,  durch  welche 
dies  geschehen  soll.  — In  der  Discuasion,  die  »ich  hieran 
knüpfte,  bctheihgtco  sich  namentlich  d’ Abbadip,  Qua- 
trefages  und  Pruner-Bey,  welcher  Letztere  stets 
hi’hnuptet  hatte,  dass  die  Basken  ein  gemischter  Stamm 
seien. 

Broca.  Sur  le»  Baaques  de  Saint  Jean-de-Luz. 
(Bulletins  de  la  Societo  d’ Anthropologie  de  Paris, 
2**  serie,  Tome  III,  1,  1868.  S.  9.) 

Die  Iteobachtung  von  Broca  an  der  lebenden  Bevölke- 
rung von  Guipuscoa  bestätigt  die  durch  die  Untersuchung 
der  Schädel  lest  gestellte  ThaUarbe,  das«  die  aponJochen 
Basken  dolichocephal  sind;  die  französischen  dagegen  sind 
zufolge  der  Beobachtung  von  d’Abbadie  in  der  Gegend 
von  Saint  Jean-de-Luz  brachyeephal.  Um  sich  zu  über- 
zeugen, ob  diese  letztere  Angabe  richtig  eei , begab  rieh 
Broca  selbst  nach  Saint  Jean-de-Luz;  cs  ergab  »ich  durch 
die  Beobachtung  an  der  lebenden  Bevölkerung  entschiedenes 
Vorherrschen  der  Brachycephalie  (unter  47  Personen  31 
Brachycephalrn,  10  Dolicboccphaleo,  6 Meanticephuleu). 

Broca.  Vergleichung  des  Schädelindox  am  Le- 
benden und  am  Skelet.  (Bulletin  de  la  Sorbite 
d’Anthropologie  do  Pari«,  2de  serie,  Tome  111, 
1,  1868.  S.  25.) 

Der  Verfasser  auass  an  19  Individuen  (Leichen)  die 
Durchmesser:  a)  des  unverletzten  Kopf*  und  dann 
b)  des  Schädel*  und  fand  da**  da*  Mittel  de*  Index  von 
&)  60*051,  von  b)  78*366  betrug,  so  das*  man,  wenn  man 
Messungen  au  Lebenden  mit  Schädelmesaungen  vergleichen 
will,  von  den  Werthcn  der  erstereu  mindesten*  zwei  Ein- 
heiten abxtehen  muss. 

Broca.  Sur  le«  caracUrcs  erüniens  B«lon  les  aexes. 
(Bulletins  de  la  Societo  d’Anthropologie  de  PariB. 
2dB  serie,  Tonte  IU,  1,  S.  18.) 

Der  Verfasser  hatte  in  ßeiner  Mittheilung  über  die  Bas- 
ken von  Saint  Jean-de-Luz  behauptet,  dass  di«  Dolichoce- 
phalic  hier  beim  weiblichen  Geschlecht  viel  seltener  #el  als 
beim  männlichen,  entgegen  der  Behauptung  anderer  Auto- 
ren in  Betreff  verschiedener  Raren  Europa» , wonach  da* 
weibliche  Geschlecht  im  Allgemeinen  mehr  dolichocephal 
»ei.  Da»  ietxtere  fand  Broca  in  der  Normandie  (Saint 
Amnuld)  an  deu  Schädeln  eine*  alten  Beinhausr?  bestätigt, 
wo  auf  100  mäauüche  Schädel  51  und  auf  100  weibliche 


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374  Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


nur  22  brachyeephale  kamen.  Uroc*  weist  darauf  bin, 
dass  in  gekreuzten  Kacen  sich  die  Charaktere  der  Mutter- 
Rate  nicht  immer  glefchmiaaig  ln  beiden  Geschlechtern 
erhalten ; so  habe  bei  den  Schädeln  in  der  Normandie  der 
Charakter  der  (dolicbocephnlen)  Normannen,  hei  denen  im 
Baskenland  der  der  (brachyccphalen)  -Stammrace  sich  mehr 
im  weiblichen  Geschlecht  erhalten. 

C&lori.  Cerrello  di  an  negro  delU  Guinea , il- 
lustr.  con  8 tav.  Bologna  1866,  40. 

Ein  Referat  über  diese  Schrift,  die  uns  bis  jetzt  nicht 
xugekommen , findet  sich  in : Anthropologien!  revievr, 

Juli  IMS,  Nr.  22,  8.  279. 

Davis , B.  Thesaurus  cranioruiu.  Catalngue  of 
the  skulls  of  tlio  various  races  of  inan  in  tha 
Collection  of  J.  B.  D.  London  1867,  8°.  (sieht» 
oben  die  Referate). 

Davis,  B.  Gontributions  tovrards  determining  the 
weight  of  the  brain  in  different  races  of  man. 
Philosophien!  tninsactious,  1868. 

Daa  Hirngewicht  i»t  aus  der  Schädeleapscitit  berechnet. 
Zu  Grunde  liegt  die  grosse  Schädclsammlung  des  Ver- 
fassers. 

Ecker,  A.  Die  Hirnwindungen  des  Menschen  nach 
eigenen  Untersuchungen  insbesondere  über  die 
Entwicklung  derselben  beim  Fötus  und  mit 
Rücksicht  auf  das  Bedürfuiss  der  Aerzte  darge- 
stellt. Mit  in  den  Text  eingedruckten  Holl- 
stichen.  Braunschweig  1869,  8°. 

Hamy.  Etüde  snr  le  crfine  de  POlmo.  Bulletins 
de  la  soc.  d'Anthrop.  de  Paris,  Tome  III,  pag.  112. 

Von  diesem  bekannten  quaternären  Schädel  de*  Arno- 
thales,  den  Cocchi  genauer  beschrieben,  legte  Mortillet 
(Sitzung  com  23.  Januar)  einen  Abgas«  vor.  Der  Schade], 
dem  Vogt  einen  Index  von  85  zuschrieb  (Cocchi  sogar 
86)  und  der  darnach  hrackrcephal  wäre,  ist,  nach  den 
Abbildungen  von  Cocchi  zu  schiiessen,  dolkkocephai,  und 
dasselbe  ergiebt  auch  die  Messung  des  Abgusses , wonach 
der  Index  ungefähr  73  beträgt. 

Höldor.  Ueber  die  Skelete  insbesondere  die  Schä- 
del der  Gräber  in  Wurmlingen,  in:  Hassler, 
Studien  aus  der  Staatssarumlunp  vaterländischer 
Altcrthümer.  Mit  4 Tafeln  und  2 Holzschnitten. 
Ulm  1868.  Auch  unter  dem  Titel:  Verhandlun- 
gen des  Vereins  für  Kunst  und  Alterthum  in 
Ulm  und  Oberschwaben.  18.  Veröffentlichung. 

Germanische  Schädel. 

Houghton.  On  a hairy  fnmily  in  Burmah.  Tram- 
actions of  the  Ethnological  Society  of  London. 
New  serie*,  Volume  VII.  S.  53. 

Cruwford,  der  1826  Ava  besucht«,  beschrieb  einen 
ungewöhnlich  behaarten  Mann  (.Shwe  - Maong  mit  Namen), 
angeblich  30  Jahre  alt,  an  dein  Stirn,  Wangen,  Augen- 
lider, Nase,  Kinn,  kurz  da#  ganze  Gesicht,  ausgenommen 
den  rothen  Uppen  rund,  mit  feinem,  ailbcrgrauem  Haar 
bedeckt  war,  da«  an  Stirn  und  Wangen  8 Zoll,  an  den 
übrigen  Stellen  etwa  4 Zoll  lang  war.  Ebenso  wer  der 
ganze  Körper,  lläudc  und  Fu*#e  ausgenommen . mit  ähn- 
lichem jedoch  kürzerem  Haar  bedeckt.  — Bemerken»  werth 
war  auch  die  ZahnbilJung  (Backzähne  hatten  sieh  nie 
entwickelt!.  — 1855  sah  Capitain  Jule  die  Tochter  dci 
vorgenannten  iXameus  M-tpboon),  die  dieselbe  Missbildung, 
auch  in  Betreff  der  Zähne  zeigte.  Eine  andere  Tochter 


de*  Shwe  - Maong  war  dagegen  ganz  normal  gebildet.  — 
Das  jüngste  Kind  der  MnphooD  (14  Monat  alt>  zeigte  eben- 
falls schon  den  Region  der  genannten  Eigent  hüraheh keilen. 

Huxley.  On  the  form  of  tbe  ernnium  among  the 
Patagonians  and  Fuegians,  with  some  re- 
marka  upon  American  crania  in  general.  Mit 
Abbildungen.  (Journal  of  anatomv  And  physio- 
logy,  condncted  by  Humphry  and  Turner,  H.  Se- 
rie«, Nr.  2,  Mai  1868,  8.  253.) 

Nach  einer  kurzen  kritischen  Besprechung  der  rraniolo- 
giseben  Untersuchungen  über  amerikanische  Schädel  von 
Morton,  Retxius,  Wilson  und  Meigs,  geht  Huxley 
zu  reinem  Gegenstand  über  und  beschreibt:  1)  den  Schä- 
del eines  Feuer  I ander*  im  College  of  Sorgeoas  labgebil- 
det in  Figuren  2,  4,  0,  8).  Derselbe  i»t  dolk-hocephal 
(Index  74)  und  hat  durch  seine  Lang*,  Vorstehen  d«9  Hin- 
terhaupts, Breite  der  Jochgegeud,  Verstehen  der  Nasen- 
beine und  Tiefe  der  Nasenwurzel  keine  geringe  Ärmlich- 
keit mit  dem  Eskitno-SchidrI.  Auch  in  der  Statur  schei- 
nen die  beiden  Stämme  Übemnxustimmen.  Aus  der 
Vergleichung  der  Knochen  der  Extremitäten  ergiebt  »ich, 
daaa,  bei  fast  gleicher  Länge  der  Schenkelbeine,  das  Dein 
des  Feuerton  der»  wegen  etwa«  grösserer  Lange  der  Tibin 
um  etwas  länger  ist  (30*4  : 29*55)  und  ebenso  die  Arme 
wegen  noch  grösserer  Lange  de*  Radius  (2 1*35  : 19*55). 
2)  Einen  xweiteu  Feuerlander  - Schädel  (jung  und  wahr- 
scheinlich weiblich)  erhielt  Huxley  von  Dr.  (’unning- 
b»m.  Derselbe  ist  breiter  (Index  78),  das  Gesicht  prog- 
nath.  Schadet  Ton  Pntugoniern  besitzt  das  College  of 
Surgrons  zwei  unzweifelhafte,  einen  angeblich  männlichen 
(Index  87)  und  einen  angeblich  weiblichen  (Index  26),  der 
höchst  wahrscheinlich  die  ungewöhnliche  Breite  sowie  die 
Abdachung  des  Hinterhnupts  einer  künstlichen  Mis*»taltung 
durch  das  Wiegenbreit  verdankt.  Ein  dritter  patagoni* 
scher  Schädel  au#  einem  Grabhügel  beim  Fluss  Chupa 
(43°  südl.  Breite,  67°  wcwtl.  Länge)  ist  in  Figuren  1,  3, 
5,  7 abgebildet.  Das  Hinterhaupt  ist  leicht  abgedacht, 
Index  89.  Einen  vierten  (und  fünften , der  jedoch  sehr 
drfeet)  erhielt  Huxley  ebenfalls  von  Dr.  Cunningham. 
Derselbe  (von  der  Gregory- Bny),  von  einem  erwachsenen 
Mann,  ist  künstlich  missstallet.  Nicht  nur  ist  dos  Hinter- 
haupt sehr  flach  und  aisyiumetrisch,  sondern  auch  die  Form 
des  Vorderkopfs  scheint  durch  eine  Stirnbinde  modilicirt, 
so  da»  der  Index  (81)  nur  einen  zweifelhaften  Werth  hat. 
Huxley  glaubt  aus  Vorstehendem  schiiessen  zu  dürfen, 
dass  unter  den  Patogoniern  Brnchyceph.il ie , unter  den 
Feuer!  ändern  Dolichocepbaüe  die  vorherrschende  Kopf-Törin 
ist  und  das*  diese  beiden  neben  einander  ia  der  Südspitze 
von  Amerika  sich  linden.  — Nach  Allem  scheint  dem 
Verfasser  streng  ausgesprochene  Brachyccpbnlie  in  der 
neuen  Welt  beschränkt  zu  sein,  auf:  1)  die  alten  Bewohner 
de*  Mixsissippithnls  (Mound  • builders),  2)  die  Pntngonier 
und  eine  Anzahl  Stämme  Südamerikas  im  Westen  von  Peru. 
— - KutsA.-k.irdf ne  Dolichocephati«  dagegen  findet  sich 
allgemein  bei  den  Eskimos,  herrscht  vor  unter  den  liotb- 
hüuten  Nordamerika»  und  den  Bewohnern  des  Nordens  yn 
Südamerika  und  — wahrscheinlich  — unter  den  Feuer- 
ländern.  Weiter  verfolgt  dann  Huxley  die  Verbreitung 
der  Brnchycophalie  und  Dolichocepbalie  ausserhalb  Ame- 
rikas. 

Kölliker«  Ueber  die  Schädel  der  Südaee-InRulaner 
und  der  Auntralier.  Verhandlung  der  physika- 
lisch - mediciimchcn  Gesellschaft  in  W üraburg . 
Neue  Würzburger  Zeitung,  Nr.  159,  1869. 

Dk  ScbSdtl,  12  an  der  Zahl,  rind  von  I>r.  K.  v. 
Graffe  und  Frau  Amalie  Dietrich  cingesandt  und 
kamen  Herrn  Kölliker  durch  Herrn  C.  Godeffror 
in  Hamburg  zu.  Es  sind  9 Schädel  von  den  Südsee- 
laseln  (6  von  den  Fidschi-Inseln,  2 von  den  Echt- 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  375 


«jaiers-Inwln  und  1 von  den  Hermit-Iuwln).  Davon 
zeigen  7 den  Malaya -Typus,  2 (von  de«  Fidschi-Inseln)  de« 
Papua-Typus  (hypsi-atenDceplutle  Form).  Die  3 Ne  ahoi* 
1 ander  (von  Kockhamptoti  un  der  Ostküste)  zeigen  einen 
»ehr  niederen  Typus.  Sie  sind  kurz , aber  ziemlich  breit 
und  hoch,  progiuith.  Scheitel  kielt iinnig.  Zwei  Italien 
einfache  Nasenbeine. 

Lamprey.  On  a rnethod  of  tncosuring  tho  human 
form  for  tho  tue  ©f  stndenU  in  Ethnology.  The 
Journal  of  the  Ethnologien!  Society  of  London. 
April  1809.  S.  84. 

Hin  Holsrnhmen  ron  7 Fou  Höhe  3 Zoll  Breite  wird 
durch  »usgespannte  Sddenfadrn  in  Quadrat*  von  2 Zoll 
getheilt.  Die  zu  »elende  Person  wird  nackt  vor  diesen 
Kuhmen  gestellt,  so  das»  die  Kussaohle  io  gleicher  Höhe 
mit  einem  der  Querfäden  steht  und  Photographin.  Auf 
dies«  Weise  gewonnene  Photogrephieen  können  cehr  gut 
verglichen  werden. 

Martins.  Sur  la  torsion  de  rhumerus*  Bulletins 
de  la  SocietA  d'Antropologie  de  Paris,  Tome  III, 
pag.  2,  S.  320. 

Meryon.  On  account  of  some  cases  of  arrest  of 
developperoent.  Trnnsactiona  of  the  Kthnolo- 
gical  Society  of  London.  New  aeriee,  Vol.  VII, 
1869,  S.  162. 

Drei  uiikrocrphale  Knaben  in  Dwaetahlre,  Kinder  gesuu- 
der  Eltern  (eine  Schwester  ebenfalls  vollkommen  gesund), 
im  Alter  von  1)  14,  2}  13  und  3)  4 Jahren.  1)  und  2) 
37  Zoll  hoch,  23  und  25  Pfund  schwer,  3)  12  Pfund 
schwer.  Kopfumfaog  (horizontal)  von  1|  und  21  16  Zoll. 
Kleinheit  des  Kopf*  autlallend*  Körper  vorwärts  gebeugt, 
Waden  dünn.  Sie  haben  (bea.  2)  Neigung,  auf  dem  au»- 
seren  Kussrand  zu  geben,  fidlen  deshalb  mit  grosser  Leich- 
tigkeit Bäume  besteigen  (!).  Den  Schädel  betreffend  so  ist 
bet  Nr.  4)  die  grosse  Fonunelle  noch  offen,  und  Verlauf 
der  Pfeil  • und  Lambdanaht  deutlich.  — Hei  keinem  der 
drei  Knaben  befinden  sieh  die  Hoden  im  Scrotum.  Sie 
können  nicht  sprechen,  geben  aber  Laute  von  sich,  die  sie 
unter  sich  zu  verstehen  scheinen  und  wovon  auch  die 
Mutter  viel  versteht.  Sie  sind  nicht  idiotisch,  haben  Nach- 
ahmung* talent. 

Perrin.  Bulletins  de  la  Societe  d’ Anthropologie 
de  Pari«,  Tonte  III,  2do  eurie,  2,  S.  176. 

Kennt  eine  Familie,  in  der  seit  mehreren  Generationen 
einzelne  Individuen  nur  zwei  Schucidczähne  in  der  Ober- 
kiuntade  haben. 

Pommerol.  Recherche«  snr  la  synostoae  des  oa 
du  crAne  coosidoreo  au  point, de  vue  normal  et 
pathologique  chez  les  differentes  ri(«  humainea. 
8°.  116  pag.  2 Tafeln.  Paris  1869. 

Rolloston.  On  the  various  forma  of  the  so  called 
„ccltic“  eranium.  (Journal  of  anatomy  and  phy- 
siology,  conductod  by  Humphry  and  Turner. 
Cambridge  and  London,  II.  seriös,  Nr.  3,  Novb. 
1868.  S.  868.) 

Kollcston  macht  darauf  aufmerksam,  da**  ausser  der 
dolichoci'ph  .Im  Schädclform,  welche  Thurn&ui  als  cha- 
rakteristisch fdr  die  Lsnggräber  (Long  banruws)  bezeichnet, 
no'  h eine  doltchoccphalo  Form  ezistire,  die  von  derselben 
zu  untemcheblin  sei.  Repräsentanten  des  letzteren  Typus 
seien  ein  Abguss  im  Coline  of  Surgcon*  eines  alten  Skan- 
dinavier* (Celtcn)  Nr.  ferner  ein  Ahgus*  eines 

Sehidcls  aus  einem  Grabe  bei  Dinnington  (Vorkshirc)  und 
endlich  32  Schädel  aus  einem  Kirchhof  bei  FriLford  aus 


▼onlchci scher  Zeit.  Diese  letzteren  Schädel  gleichen  den 
genannten  Abgüssen  und  differiren  von  den  «iolichocfphaleu 
Schädeln  der  Langgräber  in  w «entliehe«  Punkten.  Die 
weit  grosse*  Anzahl  von  Schädeln  bejahrter  Individuen 
unter  dm  ersteren  spricht  neben  Anderem  sehr  für  eine 
höhere  Cultur  derselben. 

Sauvago.  Sur  une  eepuUure  de  l’Sge  de  la  pierre 
]K)lie.  Bulletins  du  la  Societe  d’Anlhropelogie 
de  Pari«,  Tome  III,  2.  S.,179. 

Vorlage  eines  Schädels. 

Schetolig.  On  the  native»  of  Formosa.  (Trans- 
actions of  the  Ethnological  Society  of  London. 
New  serie»,  Volume  VII,  1869.  S.  215.)  Mit  2 
Tafeln  Abbildungen  von  Schädeln. 

Der  Verfasser  glaubt,  dass  man  heutigen  Tages  noch 
drei  Katen  von  Eingeborenen  unterscheiden  kann:  l)  Die 
im  Nordosten  au  der  Käst*  und  auf  einigen  kleinen  Inseln 
bei  Kctung  wohnenden,  von  den  Chinesen  Sbrkeran  ge- 
nannt. .Sic  sind  ron  gelber  Hautfarbe,  d.s  Gesicht  breit, 
Haare  und  Augen  dunkel,  Augenlider  woblgebiJdet , oval’ 
breile  Nasenlöcher,  Wangenknochen  vorstehend.  Von  die- 
ser Kace  zeigt  Schetelig  zwei  Schädel  vor.  Dieselben 
(beide  männlich)  sind  dolicbocephal  (Indez  73)  und  ganz 
verschieden  sowohl  von  chinesischen  als  malayischen  Schä- 
deln. Während  diese  in  der  Verticalansicht  der  entwickel- 
ten Tubern  wegen  stets  eck.g  erscheinen,  sind  jene  rein 
oval;  das  .Schädeldach,  das  insbesondere  bei  fast  allen  Ma- 
layen  mehr  Hach  erscheint,  ist  schön  gewölbt;  die  Breit« 
des  Gesichts  in  der  Ebene  der  Jochbeine  Ut  dagegen  grös- 
ser als  bei  den  beiden  genannten  anderen  Raren.  Sc  be- 
te 1 i g tindet , dass  diese  Schädel  am  meisten  denen  der 
Sandw  ich  - Insulaner  gleichen.  Der  zweite  Stamm  (Chin- 
wans  von  den  Chinesen  genannt)  bewohnt  die  Berg«  im 
Norden.  Dies«  sind  kleiner,  zarter,  von  hellerer  Farbe.  Ein 
dritter  Stamm  wohnt  im  Süden;  von  diesem  erhielt  der 
\ertasser  zwei  Schädel.  Diese  hnben  einen  Indes  von  81*4 
und  gleichen  am  meisten  malayischen  Schädeln,  insbeson- 
dere denen  den  Einwohner  der  Philippinen. 

Shortt.  An  account  of  the  Hill  Trib«  of  the  Neil- 
gherries.  (Trannaction«  of  tlie  Ethnologial  So- 
ciety of  London.  New  series,  Volume  VII,  1869. 
S,  23. 

Woisboeh.  Der  Wasserpehalt  des  Gehirns  nach 
Alter,  Geschlecht  und  Krankheiten.  — Separat, 
abdruck  aus  den  medicinisrhcn  Jahrbüchern. 
(Beilage  zum  Wochenblatt  der  k.  k.  Gesellschaft 
der  A erste  in  Wien),  XVI.  Bd.,  4.  und  5.  Heft, 
1868. 

Werfer.  Das  Wangenbein  des  Menschen.  (Dias, 
inaug.,  Tübingen  1869.) 

fjiu  Vorkeniinea  de.  1V.C-  imirjrinnJiH  am  hint.ren  H.nd 
d-,  Jochbein,  hängt  nicht  mit  lewodenea  SchädelfonneD 
zusammen,  elM'nsowcnig  die  Bethriligung  des  Jochbeins  an 
der  Bildung  der  Fis*.  orb.  iuf.  und  di*  Gestalt  dieser. 

Wyman,  Jcflries.  On  tho  mensurement  of  cra» 
nia.  Proceedings  of  the  Boston  nat.  hist  Society, 
Volume  XI,  1868.  Anthropological  Rerlew,  Oe- 
toher  1868,  Nr.  23.  & 345. 

Der  Verfasser  vergleicht  die  Resultate  der  Messung  der 
Schidelcapacität  bei  verschiedenen  zur  Fällung  angewand- 
ten Materialien  (Erbsen,  Schrot,  Bohnen,  Keis.  Hanfsamen, 
grober  Sand,  feiner  Sand)  und  findet,  dass  Erbsen  und 
Schrot  die  gleichmässigolcn  Resultate  gaben  und  daher  die 


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Verzeiclinisa  der  anthropologischen  Literatur. 


376 

bcKlea  räUuBpmilMt  seien,  wihjend  Sand  da»  echleeb- 
teste  sei. 

Wyman,  Jeffrios.  On  the  position  of  the  fornmen 
maRnum.  (Proeoedings  of  the  Boston  natural 
hislorv  Society,  Volume  X,  1868.  Authropologi- 
cal  lte-riew,  April  1869,  Kr.  25,  S.  152.) 

On  dm  ElnlioM  du  ProgMtlmiou«  in  rlimlaiiu,  niis.1 
Wrinan  die  Laje  bl««  im  Verhiltnii»  xum  Seh*delS«- 
Hänu.  Znnäch«  mint  er  die  Unge  diese«  von  Glabeila, 


nun  Hinterhaupt  «Imin  den  Ab*tan<1  d«  vorderen  Rande» 
des  Foramen  roagnum  vom  vonrageiubUn  Funkt  dei  Hin- 
terhaupt«. I>ic  Entfernung  dieser  letzteren  Funkte  im 
Verhältnis»  zur  Gesatuiutlänge  des  Scklddi  giebt  die  Stel- 
lung de*  Foriuneu  maguum  nn  (“  Index  des  FonUBCH 
maguum  Wyman).  Die  GcsammtUnge  z.  B.  = 100,  »o 
hat  der  Weisse  50*0  (20  Fälle),  der  Neger  4ä'7  (17 
Fälle),  der  Hindu  45' 4 (lft  Fälle),  junge  Gorilla  40 
(1),  Gorilla  28*8  (3),  Chiuipans*  21  (1),  drei  junge 
Cbimpanses  39,  35,  2 uud  32. 


in. 

Ethnographie  und  Reisen. 

Allgemeines. 

(Von  Friodr.  von  HeUwald.) 


Agasniz  on  Provinces  of  Creation,  and  tho  Unity 
of  tho  Race.  (The  Biblicol  Repertory  and  Prin- 
coton  Review.  Now-York,  January  1869.) 

Andre«,  Carl.  Die  Veränderung  in  der  gegen- 
oeitigen  Stellung  der  Menschouracon  und  dio 
wirthachaftlichcn  Verhältnisse.  (Globus,  Bd.  XIV, 
S.  17-21.) 

Zeigt  da«  Nutzlose  der  Aufhebung  der  Negersklave«!, 
die  Unbrauchbarkeit  «l«r  freien  «Schwarzen  zur  Arbeit  und  da« 
an  deren  Stellen  Treten  der  ostn.iatiw.hen  Völker,  beson- 
ders der  Chinesen. 

Andre«,  Carl.  Einwirkung  des  Raeoncharaktors 
auf  dio  Religionen  und  deren  Umwandlung.  (Glo- 
bus, Bd.  XIV,  S.  236— 240.) 

Hauptsächlich  nach  dem  Buch«  Leo  van  der  hin- 
dere: I>e  lu  nee  uud  nach  Burnotir*  Aufsatz:  La  di- 
veisit*  den  rdigion«  ln  der  Revue  de»  deux  tnondea  (15. 
August  1868)  bearbeitet. 

Bastian,  Adolf.  DaB  Beständige  in  den  Mcnscheu- 
racen  und  die  Spiolweite  ihrer  Veränderlichkeit. 
Berlin  1868,  8".  300  S.  mit  1 Karte. 

Wie  Alle»  wna  au*  der  Feder  de«  gelehrten  Autor» 
fljr<.*t,  zeugt  auch  die*«*  Buch  von  ungeheurer  Bde-enheit 
und  tiefen  Studien.  Bei  dem  ungemein  reichhaltigen  In- 
halte die»«»  Werke*  m«u  aber  der  Mangel  jedweder  Uuier- 
ablHciluug.  als  da»  Verständnis»  erschwerend,  nelir  empfun- 
den werden.  Die  dem  Buche  beigegelwn«  üebeivichtskarte 
der  ethn«»lngi*chen  Culturkreise  mich  ihrer  ungefähren 
Begrenzung  im  13.  Jahrhundert,  Dt  sehr  klar  und  cUnken*- 
werth. 

Bastian.  Das  natürliche  System  in  der  Ethnolo- 
gie. Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd.I,  Heft  1,  S.  1. 

Bastian.  Beitrüge  zur  vergleichenden  Psychologie. 


THe  Seele  und  ihre  Erscheinungsweisen  io  der 
Ethnographie.  Berlin  1868,  8°. 

Braun,  Julius.  Betrachtungen  über  die  Völker- 
namen. (Globus,  Bd.  XV,  S.  70 — 74.) 

Eye,  A.  von.  Das  bürgerliche  Wohnhaus  in  sei- 
ner geschichtlichen  Wandlung.  Räumers  Histo- 
risches Taschenbuch,  Folge  IV,  Jahrgang  IX, 
1868,  S.  247—362. 

Gerl  and,  G.  lieber  das  Aussterben  der  Natur- 
völker. Leipzig  1866,  «•.  (Siehe  ölten  Referate 
Nr.  8,  S.  308.) 

Guyot,  A.  The  earth  and  iia  inhabitanta.  Inter- 
mediate geography.  New -York  1868,  4°.  90  S. 
mit  Karten  und  Illustrationen. 

Hoffmann,  Hermann.  Untersuchungen  zur  Be- 
stimmung des  Wert hea  von  Species  und  Varietät. 
Ein  Beitrag  zur  Kritik  der  Darwin  sehen  Hypo- 
these« Giessen  1869,  8*.  171  S, 

Jackson.  Iran  and  Turan.  Anthrop.  review,  April 
1868,  Nr.  21,  S.  121. 

Hindere,  Leo  van  der.  I)e  la  raco  et  de  sa  part 
d’intluence  dnn*  les  divers««  raonifestations  de 
Tactivit«  des  peuples.  Bruxelles  1868,  8°. 

Unter  den  Theologen  haben  nur  erst  wenig«  die  Bedeu- 
tung  des  Kncencleroente*  ihr  di«  rcligi«*en  Anschauungen 
uml  deren  Umwandlung  bei  verschiedenen  Völkern  in’» 
Auge  gefiuat;  den  meisten  *in«l  eultur- anthropologische 
Kcnntni-.se  fremd.  Die  anthropologiwben  Thnt*achen  las* 
Min  »ich  mit  vielen  sogenannten  F ww  Urnen  Uldogme«  nicht 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  377 


in  Einklang  bringen  utd  werden  deshalb  bei  Seite  gescho- 
ben oder  ignorirt.  Unter  den  Philosophen  linden  wir 
einige , denen  *cli*-n  ein  Licht  nufgedämmert  ist ; nm  ent- 
schi«iJeii«ten  »her  tritt  «irr  VIüom*  Leo  van  der  Hindere 
in  vorliegendem  Burke  auf,  welche*  von  drui  bisher  »is- 
M-n/w  buttlivh  Erkannten  ausgehend  sich  mit  den  wichtig- 
sten Fragen  der  Menschheit  befiuet.  Die  Darstellung  ist 
nüchtern  und  leidenschaft]«* , da»  Huck  in  jeder  Hinsicht 
ein  lesenswert  hes. 

Missions  wesen,  Das  Englische.  (Beilage  zur  All- 
gemeinen Zeitung.  1869.  Nr.  79.) 

Der  „Time*-  entnommener,  von  der  Rednelion  mit  tref- 
fenden Ulcssen  versehener  Artikel. 

Modern  Ethnology.  (The  Overland  Monthly.  San 
Francisco,  Octobcr  1808.) 

Müller,  Prot  Fried.  Entwurf  eines  Systems 
der  linguistischen  Ethnographie.  (Behm’s  Geo- 
graphisches Jahrbuch.  Bd.  II,  S-  293 — 304.) 

Vorläufiger  Artikel  über  die  vom  Verfasser  in  dein  spa- 
ter erschienenen  ethnographischen  Bande  de#  Novaro- 
Werke*  angenommene  Etutheilung  der  Raven.  Die  Hepar- 
tiliouata  belle  hier  ist  mit  jener  im  Nuvara- Werke  identisch. 

Reise  der  österreichischen  Fregatte  „Novara“  um 
die  Erde  in  den  Jahren  1857,  1858  und  1859. 
Dritte  Abtheilung:  Ethnographie.  Bearbeitet 
von  Friedrich  Müller.  Wien  1808,  4°. 

In  der  Einleitung  zu  diesem  Werke,  womit  eigentlich 
der  Anfang  zu  einer  wissenschaftlich  behandelten  Ethno- 
graphie gemacht  wird,  giebt  Professor  Möller  die  Uaupt- 
grundsätxe  seines  ethnographischen  System«.  Nach  ihm 
hängen  Rare  und  Sprache  im  tiefsten  Grunde  zusammen, 
jk>  < lu.es  letzter«  der  «rstereu  untergeordnet  i»t , ohne  diese 
vielleicht  auKZuiullen.  Dann  behandelt  der  Verfasser  den 
Untergang  der  Kacen  und  Sprachen,  die  Abgeschlossenheit 
und  Up  Veränderlichkeit  der  Raren,  endlich  die  verschiede- 
nen Favtoren,  welche  einen  unverkennbaren  Einfluss  auf 
die  Culturent Wicklung  der  Volker  nehmen.  Müller  rech- 
net hierzu  und  wohl  mit  vollem  Rechte;  Luge  und  Gestal- 
tung de*  Lande«,  Klima,  die  umgehende  Natur  mit  ihren 
Erzeugnissen , Fauna , Flora , insbesondere  die  Nutzt  hier* 
und  Nutzpftanxen.  Auch  hieraus  läset  «ich  abstmhiren, 
dass  ein  gegebener  Culturgrad  zum  geringsten  Theile  Ver- 
dienst de«  Volke*  ist , welche«  ihn  erlangt  hat.  Professor 
Müller  clnsxitixirt  dann  die  Menschheit  nach  Culturstu- 
fen,  stellt  am  niedrigsten  «len  Australier,  höher  die  Kischer- 
und  Jigervblker  Amerikas  und  N’ordaaien»,  noch  höher  die 
verschiedenen  Nomadenvölker,  dann  die  Ackerbauer,  end- 
lich dio  Industrievölker.  Seine  Eintheilung  der  Menschheit 
nach  den  Raren  und  den  durch  Sprachen  geschiedenen 
Völkern  macht  die  fortschreitende  Entwicklung  des  Meo- 
schc ugeschU'c h ta  in  seinen  verschiedenen  Typen  ersichtlich. 
Bei  Behandlung  der  verschiedenen  Völker  im  »preiellen 


Theile  seines  Werkes  geht  Professor  Müller  nach  einem 
recht  zweckmässigen  Schema  vor;  er  beruhtet  über:  Land 
und  Klima,  Fauna  und  Flora,  Typus  des  Volkes,  Kleidung, 
Wohnung  , Nahrung , Gerät  h<> , Waffen  , geistige  Anlagen, 
Leben  , Sitten , religiöse  Anschauungen  (dnrunter  Mythen 
und  Sagen),  endlich  Sprache.  Wo  der  Stoff  cs  gestattet 
oder  erfordert,  ist  diese«  Schema  noch  durch  Einbeziehung 
einiger  Punkte  erweitert. 

Bei  Hcurthcilung  de«  M u 1 I er  ’srhen  Buche«  darf  nicht 
vergessen  werden , das*  dasselbe  seit  länger  denn  einem 
Jahre  vor  «rinera  Erscheinen  schon  im  Drucke  vollendet 
war,  während  das  Erscheinen  selbst  durch  die  Beigabe  der 
allerdings  schonen  und  Übersichtlichen  Karte  verzögert 
ward.  PraftMcr  Müller  konnte  daher  die  allemeuesten 
Forschungen  seinem  Bache  nirht  mehr  ein  verleiben;  um 
so  erfreulicher  muss  für  ihn  s«iu,  dass  eben  Jifiw  Jahr 
die  Bestätigung  von  Manchem  brachte,  was  er  behauptet 
hatte.  So  wissen  wir  jetzt,  dass  die  AYnos  nicht  Mon- 
golen, die  Tibbu«  dagegen  wirkliche  Neger  sind;  die  Mit- 
theilungen des  amerikanischen  Geologen  A.  8.  Bickmor« 
(in  SilHman's  American  Journal  of  srience  and  art*  und 
in  den  Verhandlungen  der  Naturwissenschaftlichen  Gesell- 
schaft zu  Boston)  haben  da*  erster*,  jene  von  RoblTa  da* 
zweite  bestätigt.  Bedauerlich  erscheint , da**  der  Autor 
bei  einer  Arbeit,  die  der  Natur  der  Sach«  nach  eine  com- 
pilatorisehe  sein  muss,  mit  den  Citaten  «einer  Quellen  so 
«ehr  sparen  zu  müssen  geglaubt  hat. 

Saporta,  Gaston  de.  La  paleontologie  appliquöe 
a l’etudo  des  races  humaine*.  „Revue  des  cleux 
inondes“,  I8G8,  Tome  LXXVI,  png.  973 — 1005. 

Soanian.  Essay«  on  the  progress  of  nations  in  ci- 
vilization,  production,  industry,  wealth  ntid  po- 
pulation.  New- York  1868,  12°.  675  8„  II.  Bd. 

Mit  dem  Erscheinen  dieses  zweiten  Band«»  ist  das  Werk 
vollständig. 

Seligmajin,  Prot  F.  R.  Beriobt  über  die  Fort- 
schritte der  IUcenlebre.  (Behm’s  Geographisches 
Jahrbuch,  Bd.  II,  S.  251—293.) 

Strodl,  Dr.  M.  A.  Die  Entstehung  der  Völker. 
Studie  aus  einer  Philosophie  der  Geschichte  in 
drei  Vorlesungen.  Schaff  hausen  1868,  8°. 

Strodl  bekenul  «ich  in  vorliegender  Schrift  als  Schüler 
Scbclling’*  und  folgt  daher  ganz  der  (*onsiructiun  und 
Erklärung  der  Mythologie  und  Vülkerscbeidung,  wie  dieser 
Philosoph  sie  grgcWn.  Tiefsinnig  mögen  diese  Erörterun- 
gen wohl  sein,  wie  weit  sie  indes*  mit  den  Resultaten  der 
naturhutorischen  Forschungen  vcrciubariich , wollen  wir 
nicht  untersuchen. 

Ule,  Otto.  Das  Hinsterben  der  Naturvölker  in 
Berührung  mit  der  Civilination.  „Salon“,  Bd.  III 
(1869),  Heft  1,  S.  54—61. 


Europa. 


Amat  di  San  Filippo,  P.  Delle  colonie  in  Sor- 
degna , specialmente  di  quelle  stuhilite  sotto  il 
govorno  sabando  (1738 — 1824),  e dclla  conve- 
nienza  di  promuovere  la  coloniz/azione  tonte 
principale  Strmnento  di  rifiorime&to  economico 
dell*  isola»  Cagliari  1868,  16°.  32  S. 

Ancient  inscriptions  of  the  Crimcan  Jews.  (The 

Archiv  ftlr  AuthropoJogl«.  Bd.  III.  Heft  S. 


Occident  and  American  Jowish  Advoeate.  Phi- 
ladelphia, Deccmber  1868,  January  1869.) 

Barnoa,  W.  Early  England  and  the  Saxon-Eng- 
lish,  with  so  me  notes  ou  the  father-stock  of  the 
Soxon-Engüsh,  the  Fiisians.  London,  Hussell 
Smith,  1869,  8n.  978  pag. 

48 


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378 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Baudrillart,  H.  L©  luxe  i\  Rome  «ous  1»  repu- 
blique.  „Revue  contemp.“ , Serie  11,  Tome  LXI, 
1868,  pag.  5 — 28,  577 — 600. 

Bidermunn,  H.  J.  I)i©  ungarischen  Ruthenen. 
ihr  Wohngebiet,  ihr  Erwerb  und  ihre  Geschichte, 
Innsbruck  1868,  8°.  Zweiter  Thcil. 

Der  Inhalt  di«»*cr  wichtigen  Arbeit  »erfüllt  in  eine  Ein- 
leitung un«l  zwei  Abschnitte;  von  die*cn  untersucht  der 
erst«  da»  Alter  und  die  Verbreitung« weis«  de*  Ruthenen* 
thuins  in  Ungarn , der  zweite  giebt  ein«  Uebcrsicht  der 
Vertagung*  - und  Verwaltungsgevchkbt«.  Die  Einleitung 
aber  behandelt  einige  der  schwierigsten  ethnouraphisch- 
historischen  Kragen  öber  die  Entstehung  der  Gro**ruwco, 
da»  VerwaudUch»ltsv*rhällni**  dieser  zu  den  Ruthenen, 
den  Ursprung  und  die  Berechtigung  der  Benennung  Kuthe- 
nen.  Herr  Biderninun,  der  »ich  längst  al»  eine  Auto* 
ritäi  auf  dem  Gebiete  ruthenisrher  Geschichte  erwiesen, 
ist  der  Meinung,  welche  er  auf  ein  reiche*  Beweismaterinl 
stützt,  da»«  die  Uro**ru*n?n  eigentlich,  wenngleich  *ie  jetzt 
einen  «lavUchen  Dialect  realen,  finnisch- tatariM-ben  l'r- 
»prung*  sind  und  dem  ruthenöchen  Element  allein , mit 
«lern  sie  in  stete  Berührung  kamen,  ihre  SlavlcitSt  rer* 
danken. 

Birlingcr,  Anton.  So  sprechen  die  Schwaben. 
Sprichwörter,  Redensarten,  Reime.  Berlin,  Dämm* 
ler.  1868,  12*.  180  S. 

Diese»  heitere  Büchlein  ist  auch  ethnographisch  nicht 
unintereftftMiit , der  Autor  hat  mit  vielem  Fleiase  Sprich- 
wörter, Redensarten  und  Reime,  welche  seit  Jahrhunderten 
im  Volke  leben , Bauernregeln , Lebensregeln  und  drrgL 
thcil«  selb«!  gesammelt , theils  au*  alten  Büchern  entlehnt 
und  was  die  Hauptsache  Ist,  soviel  als  möglich  die  Üert- 
lichkrit  bezeichnet,  an  denen  der  eine  oder  der  andere 
Spruch  verkommt. 

Boulogne.  Le  Montenegro,  le  pay«  et  ses  habi- 
tnnts.  Paris  1868,  8°.  115  pitg. 

Brünier,  L.  Kurland.  Schilderungen  von  Land 
und  Leuten.  Leipzig  1868,  8°. 

Campbell,  Th.  Kotes  on  tho  Island  ol‘  Coreica 
in  1868.  London  18G8,  8®.  170  S. 

Chevalier,  Abbe  C.  Promenade«  pittoresques  en 
Touraine,  histoire,  legendes,  monuments.  puy- 
*>ages.  Tours  1868,  8°.  600  S.  Mit  1 Kalte  und 
180  Holzschnitten. 

Clair,  S.  G.  B.  8t.  and  Brophy,  Charles  A.  A 

resident*©  in  Rulgaria;  or  not  es  on  the  resource« 
and  ndminislration  of  Turkey,  the  condition  and 
chni  acter,  manners,  custom«  and  languagt*  of  the 
cliristiau  and  imn^sulman  populations.  London, 
John  Murray,  1869,  8°.  XV  and  426  pag. 

Clarke,  Hyde.  The  Vnrini  of  Tncitus,  or  Wa* 
rings  and  tlicir  rclations  to  english  ethnology. 
Trauend  ions  of  the  ethtuJegical  «ociety  of  Lon- 
don, Vol.  VII*  new  aerif«,  1868,  S.  60. 

Dclamarrc,  Casimir.  Carte  ethnographique  de- 
montrnnt  la  plmaiito  des  langucp,  «if*s  littöratu- 
res  et  des  pouples  slave«.  (Bull,  de  lu  anciete  de 
geographie  de  Puris,  1868,  Vol.  II,  S.  314.) 


Deutschen,  die,  in  den  Ostseeprovinxen.  (Beilage 
zur  Allg.  Ztg.,  1861),  Kr.  10.) 

tiiebt  interessante  Auf*eblii**e  über  die  Lag*  der  Deut- 
srhen  in  den  russischen  Odiweprovilizeu  uiui  die  Russilixi- 
mog«  versuche. 

Daachkow.  Director  der  öffentlichen  Museen  von 
Moscou  und  Houmanzew  etc.  Sammlung  anthro- 
pologischer und  ethnographischer  Artikel  über 
Russland  und  die  Nachbarländer.  (Vortrage,  ge- 
halten vor  der  Eröffnung  der  ethnographischen 
Ausstellung  in  Moskau.)  Erste  Lieferung  (in 
russischer  Sprache)  enthält: 

1.  Weinberg.  Hindu«*  der  ItodenbiMung  und  Boden- 
WftcluifiVnheit  auf  die  Entwicklung  der  inteliectuellen  Fä- 
higkeiten de*  Menschrti. 

2.  Med weden.  Hindu*»  de*  Klima  auf  den  Organis- 
mus des  Menschen  und  die  Entwicklung  der  Krankheiten. 

3.  Prtrowski.  Hindu**  der  Pdauettwdl  auf  die 
Cultur  de*  Menschen. 

4.  Bogdanow.  Bedeutung  der  Craniologie. 

5.  Nikitin.  Die  Hauthcdeckung  dr*  xncnschUcheu 
Körpers. 

6.  K »paust in.  Ethnographie  und  Recht. 

7.  Leuch kow.  Der  Mensch  in  der  Recht »«phäre. 

8.  Uouslaew.  Ethnographische  Hirtinnen  un*errr 
Verfiltern. 

V.  Bub*t.  Bedeutung  de*  Racencharukter»  für  di« 
Volkswirtschaft. 

10.  llUtorisrhe  Bewegung  de*  russischen  Volke». 

11.  Bel i new.  Die  Grossrusseu. 

12.  Sclieb.-ilski.  Putemkm  und  seine  Bemühungen  zur 
Bevölkerung  NeurussUnd». 

13.  Gört«.  Leichmgebniachc  der  Grie«:hea  and  der 
Berthen  de*  kimmer.  iWpborus. 

14.  Schebnlski.  LVI.it  die  Gesetz«  der  musikalischen 
Harmonie  und  die  musikalischen  National  inst  rumentc  bei 
der  ethnographischen  Ausstellung  in  Moskau. 

Eckardt,  Julius.  Die  baltischen  Provinzen  Runs- 
land«.  Politische  und  culturgeHchirhtliche  Bilder. 
Leipzig,  Dunckcr  und  Humblot,  1868,  8°. 

Wenn  auch  auf  politischer  Basis  beruhend,  luit  doch  der 
llaupttbcil  diese*  gediegene«  Werke*  den  Zweck,  den  deut- 
schen Leser  mit  den  wesentlichen  Zügen  de*  Lehen*  in 
den  Ostseegegeudeu  im  Allgemeinen  bekannt  zu  machen, 
während  andere  Abschnitte  diesen  Umrissen  eine  nähere 
Ausfüllung  gehen  und  dem  Lrsrr  durch  die  llittheilung 
churukterbtivchrr  uud  interessanter  Detail»  eine  Einsicht 
in  die  Natur  de»  Landes  und  in  die  inneren  und  äus»cren 
Zustände  der  Bevölkerung  gewähren. 

Eckardt,  Julius.  Baltische  und  russische  Cultur- 
tt uilien  aus  zwei  Jnhrhuuderteii.  Leipzig  1 869,  8®. 

Besprochen  in:  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom 
31.  Januar  lädt),  Nr.  31  und  vom  13.  Mai  18ÖÜ,  Nr.  133. 

En  der«,  Joh.  Nep.  Da«  Kuhlandchcu.  Ethno- 
graphisch - geographisch  - historische  Schilderung. 
Xeutitachein  1868,  8®.  212  8. 

En  drul  at,  B.  Reisebilder  aus  der  romanischen 
Schweiz.  (Global,  Bd.  XIV,  S.  76—79). 

Engolion,  A.,  und  Lolin,  W.  Der  Völkern  und  in 
der  Mark  Brandenburg.  Sagen,  Märchen,  Spiele, 
Sprichwörter  und  Gebräuche.  Berlin , Wilhelm 
Schnitze,  1868,  8°.  Bd.  1 (285  S.)* 

Ethnographisch-statistische  Forschungen  in  West- 


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Vcrzcichniss  der  anthropologischen  Literatur.  379 


russland.  (Petcrmaun’s  Geograph.  Mittheilungen, 

1868,  S.  304) 

Aus  dem  nuaitchen  Jahresbericht  der  kai»erl.  geogra- 
phischen Ocm-'IIm  hart  für  1 Ö67. 

Fahrt,  eine,  nach  Rrikiavik  auf  Island.  (Globus, 
Bd.  XV,  & ‘»7-  10t.) 

Hauptsächlich  nach  dem  Buche  de«  Franxo*rn  No  u garet; 
schildert  Sitten.  Wohnungen  V.  s.  w. 

Filek  v.  Wittinghauscn,  H.  Das  Fürstenthum 
Serbien.  Wien  1869,  8°. 

Friia,  ....  Der  Sainpo  Finnlands  und  des  Lappen 
Zaubert roniniel.  „Magazin  für  die  Literatur  des 
Auslands”,  Jukrg.  1869,  Nr.  18,  S.  263 — 265. 

Frisch,  C.  F.  Die  Luppen  Schwedens  und  ihre 
Lebensweise.  (Globus,  Bd.  XIII,  S.  207 — 209, 
245 — 247.) 

Auszugsweise  nach  «1cm  Schwedin»’!»  gpftchriebenen  Jour- 
nal de«  Petra«  Laestudius  über  «eine  Amtsführung  »In 
Missionär  in  Lappmarken  (2  Theile.  Stockholm  1831  und 
1832.) 

Garcin,  Eugene.  Les  Fran^ais  du  Nord  et  du 
Midi.  Paris,  Didier,  1868,  8W.  XV  et  483  pag. 

Godron,  D.  A.  Ethnologie  de  la  Franc«.  Les 
origineB  des  populations  lorraines.  (Annales  des 
Voyages,  Mai  1868,  S.  179—210.) 

Gorrie,  D.  Summers  and  winters  in  the  Orkneys. 
London  1668,  8®. 

Holler,  Sorvdc  B . ..  Zivot  na  Rusi . . . (Dos  Le- 
ben in  Russland),  böhmisch.  Prag  1868,  8°. 

Helms,  H.  Lappland  und  die  Lappländer.  Eine 
Skizze  aus  dem  hohen  Norden.  Leipzig  1868, 
8®.  200  S. 

Holms,  H.  Finnland  und  die  Finnländer.  Leip- 
zig 1869,  8®. 

Helms,  H.  Island  und  die  Isländer.  Leipzig 

1869,  8°. 

Helms,  Henrik.  Die  Eiswelt  und  der  hohe  Nor- 
den. Grönland,  Lappland,  Finnland,  Island  und 
deren  Land  und  Leute.  Leipzig,  Fritsch,  1869,8°. 

Hempel,  B.  Bei  den  Pichera  im  Voigtlande.  „Gar- 
tenlaube41, 1869,  Nr.  8. 

Hesokicl,  George.  Deutsche  Wander-Bovölkernn- 
gen.  „Salon“,  Bd.  I,  1868,  Heft  6,  S.  718—728. 

Hylten-Cav&lllus,  G.  O.  Wären d och  Wirdarne. 
Elt  forsök  i svensk  ethnologi.  Stockholm  1868, 
8°.  530  S.,  2 Pelen. 

Jackson.  The  race  question  in  Ireland.  Authrop. 
Review,  Januar  1869,  Nr.  24,  S.  55. 

Kanitz,  F.  Serbien.  Historisch -ethnographische 
Reisest udien  aus  den  Jahren  1859 — 1868.  Leip- 
zig 1868,  8°.  768  S.  mit  1 Karte,  20  Tafeln  und 
40  Illustrationen. 


Ei  Ist  an*  über  diese*  prachtvoll  ausgestattete  Buch 
eitie  Recension  in  der  österreichischen  GvmnasinizeltHchrifl 
aus  der  Feder  de»  io  Dingen  der  unteren  Donau  vielbe- 
wanderten Wiener  Prirutdocrnteo  Dr.  Kob.  It 5 * I e r zu 
Gesichte  gekommen.  welche,  soweit  p#  »ich  in  vorliegendem 
Werke  um  Archäologie  luuidclt,  über  dasselbe  eia  höchst 
ungünstiges  Unheil  lallt,  da«  auch  eine  Entgegnung  «len 
Autors  nicht  ubzusrhwächen  vermocht  hat.  Um»  interes- 
»ireu  indessen  mehr  die  uichtnrchiologischen  Tbeile  dp» 
Kanitz' sehen  Werke«  und  du  müssen  wir  denn  constati* 
reu , «lux*  der  Autor  da«  Land  durch  eigene  Anschauung 
keimt , indem  er  dasselbe  »eit  zehn  Jahren  etwa  bereist. 
Was  er  uns  liier  bietet,  int  demnach  auch  zumeist  nur 
eine  Wiederholung  und  neue  Zusammenstellung  von  Auf- 
Witzen,  die  schon  früher  uu»  Herrn  Kanitz*  Feder  getfus- 
*en  und  zur  Veröffentlichung  gelangt  waren.  Ihr  Werth 
lat  »ontiL  allen  Jenen  bekannt . die  »ich  mit  Serbien  einge- 
hender Im* hc haltige ii.  Jedenfalls  sind  zahlreiche  cl biogra- 
phische Detail*  darin  aufgespeichert.  Durchaus  nicht  ein- 
verstanden mit  dem  Verfasser  ziud  wir  in  Bezug  auf  »eine 
Bewunderung  fiir  da«  chri»tJiche  Element  in  der  Türkei; 
wir  glauben,  da**,  wenu  nicht  etwa  politische  Voreinge- 
nommenheit den  Klick  trübt,  leicht  zu  erkennen  ict,  wie 
der  Türke  nl*  Volk  und  als  Mensch  weit  über  dem  christ- 
lichen Siidslaven  stelle,  von  dnaMl  moniliachen  Eigen»ch«f- 
ten  gar  nicht  zu  sprechen.  Wn#  er  von  dem  Siidslaven 
zu  halten  hat,  weis«  Jeder,  der  die  unteren  Donaugegen- 
den besucht  hat.  Die  beigrgebene  Kartenskizze  ist  durch- 
aus ungenügend. 

Kerschbaumor,  Anton.  Reisebilder  aus  Spanien. 
Wien  1869,  8®. 

Kircho.  Die  griechisch-russische  und  ihre  Secten. 
(Globus,  Bd.  XV.  8.  76—80,  115—118,  136— 
139.) 

Behandelt:  die  russische  Geistlichkeit,  ihre  Verfassung 
and  Stellung,  ihr  Leben  und  ihr  Treiben;  die  Verhältnisse 
in  den  Klöstern,  da«  OntenrichUaystem  in  den  geist liehen 
Lehraoiitalten , die  Discipliu  über  die  Zöglinge.  die  Ein- 
nahniei|uellcn  für  Klöster  und  Mönche , die  gegenseitige 
Stellung  von  Staat  und  Kirche,  die  WeltgeLsUichkeit , die 
Stellung  der  Staatskirche  und  der  Regierung  zu  den  Sec- 
ten , die  Einwirkung  griechischer  lliresieei»  und  rntionuli- 
stiftcher  Anschauungen , endlich  die  verschiedenen  Secten 
als  die  Strigolnicks,  Sabbatuiken,  Malukanen  u.  *.  w. 

Klemm,  Gustav.  Aus  dem  Leben  des  Landvol- 
kes in  Südspaniou.  (Globus,  Bd.  XV,  S.  88 — Öl, 
113—115,  115—148.) 

Schildert  die  hauptsächlichsten  Arbeiten  des  andalusi* 
sehen  LandtuauncH  und  Üieilt  zahlreiche  Bauern-  und  Wet- 
terregeln mit. 

Klausnit  zor,  Bob.  Deutsche  Einwanderer  in 
Russland.  (Globus,  Bd.  XI V,  8.  200 — 202.) 

Ein  warnender  Aufsatz. 

Knox.  Ün  the  celtic  race.  Anthropolog.  Review, 
April  1868,  Nr.  21,  S.  175. 

Krause,  Joh.  Hcinr.  Die  Byzantiner  des  Mittel- 
alters in  ihrem  Staats-,  Hof-  und  Privatleben, 
insbesondere  vom  Ende  des  X.  bis  gegen  Endo 
dos  XIV. Jahrhundert!».  Halle,  Sehwetschke,  1869, 
8®.  XXVI  und  422  S. 

Lagneau.  Sur  les  babitants  de  PAveyron  et  les 
Sarrasins  de  France.  (Bulletins  de  la  Societe 
d’ Anthropologie  de  Paris,  2do  Serie,  Tome  III, 
Nr.  2,  pag.  169.) 

48* 


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380 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Latour,  Antoine  de.  Espagne;  trailitions  moeurs 
et  litterature;  nouveliea  etudes.  Paris,  Didier, 
1869,  8°.  375  pag. 

Laube,  Gustav  C.  Die  Ladiner  in  Tirol.  „Mit- 
teilungen der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft 
in  Wien“,  18(19,  Nr.  3,  S.  1(11—166. 

Kurze,  jedoch  nicht  uninteressant«  Skizze  über  die  we- 
nig bekannten,  etwa  ÖÖOO  Kopfe  »tarken  Ladiner  Tirols. 

Loflocq,  Jules.  Etüden  de  mytholopie  celtique. 
Orleans,  H.  Herluiaon,  1869,  8°.  XXII  et  307 
Pftg- 

Leute,  die  fahrenden,  in  Böhmen.  (Beilage  zur 
Allg.  Ztg.,  1869,  Nr.  128,  129.) 

Iutcro*aute  ethnogr*phi*clie  Skizze. 

Literarisches  aus  Tirol.  (AusserordentL  Beilage 
zur  Allg.  Ztg.,  1869,  Nr.  110.) 

Enthalt  die  Anzeige  von  dein  baldigen  Erscheinen  eine* 
groaaen  Werke«  dp«  rühmlich««  bekannten  Professor  Chri- 
stian Schneller  über  die  wilseben  Dlalectc  Südtirols; 
n ludl  Ru*  dieser  Arbeit,  der  Frucht  zwölfjährigen  Sam- 
meln« und  Forschen«,  hervorgehen,  da»  von  einem  wü- 
schen Autocbthonenthum«  wenigsten«  an  der  liukcn  Ktwb 
bi«  zu  den  Jlonli  Derlei  nicht  die  Rede  »ein  köune. 

Lowtb,  G.  T.  Around  the  Kremlin;  or  Pictures 
of  life  in  Moscow.  London  1868,  8°.  354  S. 


Mehwald,  Dr.  Die  Bernsteingevrinnung  an  der 
ost-  und  west.preussischen  Küste.  (Globus,  Bd. 
XIV,  S.  105 — 106.) 

Meier,  H.  Ostfriesland  in  Bildern  und  Skizzen. 
Loer  1868,  8«. 

Menschcnclassen,  gelichtete,  in  Spanien.  (Globus, 
Bd.  XIV,  S.  299—301.) 

Behandelt  die  Cbucta*  auf  der  balearischcn  Intel  Mul- 
lorca  und  die  Vaqueros  de  nizad«  in  Asturien, 

MerzidreB,  A.  La  Societe  fran^aise.  Etüde?  mo- 
rales sur  le  teiups  present.  Paris  1869,  8°. 

Besprochen  in:  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom 
20.  April  1809,  Kr.  110. 

Millingen,  F.  (Os  man  - Seify  - Boy).  La  Turquie 

sous  le  regne  d'Abdul-Aziz  (1869 — 1867).  Bru- 
xelles 1868,  8°.  491  S. 

Nougaret,  N.  Voyage  dana  l’interieur  dolTslande. 
Mit  1 Karte.  (Lu  Tour  du  Monde,  1868,  2'10 
semestre,  S.  113 — 160.) 

Enthält  unter  anderen  auch  hübsche  ethnographisch» 
Skizzen. 

Pierson,  William.  Elektron,  oder  über  die  Vor- 
fahren, die  Verwandtschaft  und  deu  Namen  der 
alten  Preusseo.  Berlin  1869,  8°. 


Maltzan,  H.  Frhr.  v.  Reise  auf  der  Insel  Sardi- 
nien. Nebst  einem  Anhänge.  Leipzig  1869,  16°. 
592  S. 

Die  Insel  Sardinien  i*t  da*  unbekannteste  Stück  Lande« 
von  Europa.  Zumal  in  deutscher  Sprache  war  Über  die- 
se» Eiland  kelu  gcnicssborcs  Buch  vorhanden.  Diese  Lücke 
hat  H.  v.  Maltzan  hier  «ustuUcn  wollen  und  auch  zun» 
Theil  wirklich  aosEeTullt , wenn  er  «ich  auch  ziemlich 
trocken  und  weiUcbichtig  vernehmen  lässt.  Könnte  da» 
Bild  von  Land  uud  Leuten  auf  der  Intel  auch  klarer,  an- 
■prechender  »ein,  w euthält  e»  doch  «ehr  werthvolle  eth- 
nographische Notizen,  gnu*  abgesehen  von  den  ausseror- 
dentlich zahlreiche«  archäologischen  Daten.  Maltzan’» 
Buch  ist  somit  immerhin  da*  Beste  was  wir  über  Sardinien 
besitzen. 

Mannhardt,  Wilhelm.  Korndflmonen.  Buitrag 
zur  deutschen  Sittenkunde.  Berlin,  Ferd.  Dümm- 
ler,  1868,  8*.  48  S. 

Mauror,  Franz.  Bosnische  Zustände.  (Beilage 
zur  Allg.  Ztg.,  1869,  Nr.  91,  92.) 

Eingehender , le*cn*wcrther  Bericht  über  die  Lage  de« 
Volke»  in  Bosnien  und  die  türkische  Verwaltung;  c«n*ta- 
tirt,  da**  nicht  bloss  die  türkische  Centralbation , «ondrrn 
sogar  da»  Türkenthum  unaufhaltsame  Kortachritte  iu 
Busnieu  macht. 

Maurer,  Franz.  Die  TrajansgTäben  in  der  Do- 
brudtfeha.  Mit  1 Karte.  (Ausland,  1868,  Nr,  21, 
S.  488—492.) 

Mehwald,  Dr.  Die  Loddefischerei  im  norwegi- 
schen Lappland.  (Globus,  Bd.  XV,  S.  148 — 151.) 

Die  Lodde  (Mallotus  arcticu«  nnd  Oanneru»  arcticu«)  i*t 
für  die  un  däitdcr  von  br*oniJerrr  Wichtigkeit,  weil  »ie 
der  beste  Köder  für  Dorsche  iat,  und  auf  der  Dorsch- 
lischcrri  beruht  der  Bestand  Norwegisch- Lappland». 


Poitou,  E.  Voyage  cn  Espagno.  Tonra  1868,  8°. 

487  S. 

Polen.  Der  gegenwärtige  Zustand  Russisch-Polens. 
(Hei läge  zur  Allg.  Ztg.,  1869,  Nr.  121,  122.) 

Fasst,  wie  alle  Realpolitik  thun  «ollte,  die  polnische 
Frage  von  der  ethuologi»chcn  Seit®  uud  giebt  werthvoUc 
Audeutuogeu  über  kirchliche  uud  cult ur geschieh Uiche  Mo- 
mente. 

Postlothwaito,  Bd.  Tour  in  Crete  during  the 
insurrections  of  the  Cretans,  1867.  London  1868. 

Rocslor,  Dr.  Hob.  Archäologische  Forschungen 
an  der  unteren  Donau,  f Beilage  zur  Allg.  Ztg., 
1869,  Nr.  68.) 

Berichtet  über  di«  Forschungen  de«  Pariser  Professor 
F.ruot  Desjardiu»  in  der  Wallochri. 

RuefTer,  Eduard.  Die  Balkanhalbin&el  und  ihre 
Völker  vor  der  Lösung  der  orientalischen  Frage. 
Eine  politisch-ethno grap h t sch-mili t Arische  Skizze. 
Bautzen  18G9,  8°. 

Steht  auf  anti-türkischem  Standpunkt«.  Besprochen  int 
Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom  14.  April  1869, 
Nr.  104. 

Sausse,  W.  Land  und  Leute  in  und  um  Guben. 
„Neues  Oberlausitzisches  Magazin“ , Bd.  XLIV, 
1868,  S.  38—45. 

Sebinidt-Weiasenfols.  Frankreich  und  die  Fran- 
zosen. Berlin,  Saceo,  1868,  8°. 

Sleopcr,  M.  G.  Sweden  and  Norway.  Sketches 
and  stories  of  their  scenery,  custoras,  history  le- 
gend». Boston  1868,  16°.  309  S. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  381 


Spielberg,  Otto.  Drei  Tage  unter  den  Kosaken. 

„Zu  Hause“,  Jahrgang  1369,  Holt  VI. 

Spioss,  Balthasar.  Volksthümliches  aus  dem 
Fräukisch-IIennehergischen.  Mit  einem  Vorworte 
von  Heinhold  Bei'lustein.  Wien,  Braumüllur,  1869, 
8».  XVI  uüd  216  S. 

Sprache.  Di«  sardiuiaehe.  (Globus,  Bd.  XV,  S.  56 
—58.) 

Nach  Maltzan’e  Buch  Uber  Sardinien. 

Stengel,  Edmund.  VncalismuB  des  lateinischen 
Elementes  in  den  wichtigsten  romanischen  Din- 
ierten von  Graubünden  und  Tyrol.  Bo uu,  Weber, 
1868,  8°.  64  8. 

Stuhlmann.  C.  W.  Die  wendUchen  Scbwerine. 
Ein  Beitrag  zur  Erläuterung  des  slavisrhen 
Götzendienstes.  (Globus,  Bd.  XV,  8.  82 — 85.) 

Thvilweise  au*  dea  Jahrbüchern  de*  Verein*  für  meck- 
lenburgisch« GeM'hirhtc  und  Altertbuiu*kunde  (Bd.  XXXII) 
augfecogen. 

Stidcuropäische  Reiseskizzen.  (Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung,  1869,  Nr.  4,  7, 
10.) 

Aiuaathigc  Skizzen  von  Madrid,  Liaaabon,  Cintra. 

Swift,  J.  F.  Going  to  Jericho;  or,  Sketches  of 
travel  in  Spain  and  the  Käst.  San  Francisco 

1868,  12p.  447  S. 

Theretanos,  Dionisios.  Ohya  fffpl...  (Einiges 
über  das  Volksleben  der  Hellenen),  neugriechisch. 
Triest  1868,  8°. 

Tozer,  Henry  - Fan  aha  we.  Researches  in  tho 

highlumla  of  Torkey,  including  visits  to  mounts 
Ida,  Athos,  Olympus  and  Pelion , to  the  Mirdite 
Albaniens,  and  otber  remote  tribea.  With  notes 
ori  the  ballads,  title»  and  classiral  superstitions 
of  the  modern  Greeks.  London , John  Murray, 

1869,  8»  2 Vol. 


Union.  Die  iberische.  (Allg.  Ztg.,  1868,  Nr.  299.) 

Hebt  die  liefen  Unterschiede  de«  Volks»  barakters  zwi- 
schen Spanier  und  i”ortugic*cn  hervor. 

Valcic,  A leksander.  Put  u Grekn...  Eine  Reise 
nach  Griechenland  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
die  Insel  Corfu,  kroatisch.  Agram  1869,  4°. 

Vorbroitung.  Die  geographische  Verbreitung  deut- 
scher Ortsnamen  und  ihre  Beziehungen  zu  den 
Wanderungen  germanischer  Stämme.  (Globus, 
Bd.  XV,  S.  48—50.) 

Lehnt  sich  an  Forstmann1 * bekannte*  Borh:  l>i« 
douUcben  Ortsnamen  (Nord  hausen  1463)  an. 

Verkehrsmittel  in  Bosnien  und  der  Herzegovina. 
(Petermunn’s  Geographische  Mittbeil ungen,  1868, 
S.  342—343.) 

Nach  Major  Roskiew  icz  werthvollem  Buche:  Studien 
über  Bosnien  und  die  Herzegovina. 

Vincenti,  de.  Die  wilden  Menschen  im  Hnrdes- 
thalu  in  Spanien.  (Globus,  Bd.  XIV,  S.  329  — 
331.) 

KthnogrnphiMh  wichtiger  Aufsatz;  schildert  die  Verkom- 
menheit, geistige  und  moralische,  der  Bewohner  de*  Hürde*- 
thales,  südlich  von  Ciudad-Rodrig«,  iin  westlichen  Spanien. 

Wolga.  An  der  Wolga.  (Globus,  Bd.  XIV,  S.  289 
—299.) 

Enthält  Angaben  über  die  Tschuwaschen,  und  die  dcut- 
schru  Uolonion,  ihre  (Jeechie.hte  und  ihr  Gedeihen. 

Wormstall,  Joseph.  Ueber  die  Tungern  und 
Bastarnen.  Studien  zur  „Germania“  desTacitus. 
Münster,  Friedr.  Regensberg,  1868,  8°. 

Wormstall,  Joseph.  Die  Herkunft  der  Franken 
von  Troja.  Zur  Lösung  eines  ethnographischen 
Problems.  Münster,  Adolph  Russell,  1869,  8°. 
63  S. 

Wuttke,  Adolf.  Der  deutsche  Volksaberglaube 
der  Gegenwart.  Zweite  völlig  neue  Bearbeitung. 
Berlin,  Wiegand  und  Grieben,  1869,  8°.  XII  und 
500  S. 


Asien. 

(Von  Dr.  Bastian.) 


Abbott.  Xarrativo  of  a Journey  frorn  Herauf  to 
Oiivo,  London  1868. 

Neue  Ausgabe  der  alten  Reis«  (1843,  1856). 

Abich.  Geologische  Beobachtungen  auf  Reisen  in 
den  Gebirgsländern  zwischen  Kar  und  Araxes, 
Tiflis  1867. 

Arnaud.  La  Tulestine  ancienne  et  moderne,  Stras- 
bourg 1868,  8°. 

Arnold.  Front  the  Levant,  the  Black  Sea  and 
the  Danube.  Chapman  and  Col,  London  1868, 
8°.  2 Vol. 

Atkinson.  Steppen  und  Hochgebirge  Sibiriens, 
Leipzig  186*3. 


d’AvriL  L’Arabie  contemporaine,  Paria  1868,  8* 

Mit  der  durch  Kiepert  für  Ritter'*  Erdkunde  gefer- 
tigten Karte.  Der  Vertaner  veruiuthrt,  da««  die  von  Ni«- 
bular  ali  unabhängig  erwähnten  Bcni-Halai,  die  von  ihren 
X Heilbaren  de«  Mosalik  genannten  Glauben*  beschuldigt 
werden,  die  Asyr  sein  kannten,  in  ihrem  1838  durch 
Jomard  bekannt  gewordenen  Wohnsitz«. 

Barns.  On  the  subterranean  supply  of  water  in 
Boloocbistan , Journ.  of  the  R.  Geogr.  Society, 
1867. 

Bastian.  Die  Völker  des  Oestlicben  Asien.  Bd.  V, 
Jena  1869. 

Bcames.  Notas  on  the  Bhojpuri-dialect  of  Hindi, 


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382 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


spoken  in  Western  Behar,  Journal  of  the  Royal 
Asiat  ic.  Society,  Yol.  III,  2,  1868. 

Die  reinste  Form  des  Bbojpuri  findet  sich  in  Chumpa- 
rum  und  örtlichem  Gorruckpore. 

Bewator.  On  Part  of  Mesopotamia  contained 'be- 
tween  Sheriat  el  Beytha  on  the  Tigris  and  Tel 
Ibrahim , Journal  of  the  Royal  Geograph.  So* 
ciety  of  London,  Vol.  XXXVII. 

Die  Ilubl'Cs-Sukhr  (Stciuliuir)  genannte  Ruine  wird  für 
den  mediscUen  Wall  (bei  Xrnoplion)  erklärt. 

Beccari.  Genno  di  un  viaggio  a Borneo,  Bellet, 
della  Soc.  Geogr.  Ital.  I,  1868. 

Bocker.  Reise  nach  dem  Kaukasus,  Bulletin  de 
la  Societe  imp.  de  nab  de  Moscou,  1868,  I,  101. 

Bjooklund.  Esquisses  de  voyage  en  Traus-Cau- 
casie,  Bulletin  de  la  Societe  de  Geogr.,  Y.  Serie, 
XVI,  1868. 

Bei  Baku  ist  die  Mehrzahl  der  Bewohner  persisch,  daun 
kommen  di«  Armenier  und  Juden.  Die  Christen  de*  Lan- 
des geboren  alten  Scctcn  an , und  die  ntssisclte  Regierung 
bat  dort  einen  Niederlaasungsort  flirSeetirer  gefunden.  Un- 
ter den  Mobatuedanern  leigen  sieh  die  pemscLen  Schiiten 
intoleranter,  als  die  türkischen  Sunniten. 

Bidio.  Effects  of  forest  destruction  inCoorg.  Pro- 
coeiL  of  the  Royal  Geogr.  Society,  April  1869. 

Biekmore.  Interior  of  China,  Proceediugs  of  tho 
Royal  Geograph.  Society,  Jan.  1868. 

Skizze  einer  Reise  von  Couton  nach  Haukow. 

Biekmore.  The  Banda  Island,  Procecdingi  of  the 
Royal  Geograph.  Society,  Oct  1869. 

Die  in  Fort  Nanau  (auf  LouUr)  angcLrotTenen  Bugis 
besuchen  daa  Ostende  CVram’s,  die  werthclwn  und  süd- 
westlichen Theile  Keu-Guineaa,  di«  Arru-Gruppe  «and  all 
the  thousand  other  irtanda  bet  wer  n Bund«,  Timur  and 
Austral  in.* 

Biekmore.  Travels  in  the  Island  of  the  East* 
Indian  Archipelago,  I^ondon  1868. 

Black.  On  Chinese  charms.  Journ.  of  the  Ethn. 
Society  of  London,  April  1869. 

Blau.  Die  Wanderungen  der  sabaischen  Vülker- 
stämme  im  zweiten  Jabrhuudert,  Zeitschrift  der 
deutschen  morgen).  Gesellsch.,  Bd.  XXII,  IV. 

Die  *PuQariitu  auf  der  .Sinaihalbln*cl  (bei  l'tol.) 
kannten  in  Zunammenhong  zu  bringen  sein  mit  dm  ara- 
bischen Sagen  von  den  Wanderungen  der  lienu  - Pliaran, 
eines  Zweiges  von  dem  codhiüliM-hett  Stamme  Bali,  von 
denen  es  heisst,  dass  sie  erst  nach  der  syrischen  Grenze, 
nicht  weit  von  Medina,  nachher  nach  Mesopota- 
mien zogen,  von  da  aber  zuriit kkrhrten  und  sich  bei  den 
Erzgruben  im  Gebiete  SJeim,  östlich  von  Mekka,  imsie- 
delten, wo  sie  ihren  Kamen  einer  Ortschaft  Phurrou  Hessen, 
selbst  alter  den  Beinamen  Kl-Cojun , die  Schmiede,  erhiel- 
ten. 

Boach.  Ib  de  welvaart  der  Javanen  onder  bet 
culturstelses  toegenomen  ? Tydschrift  voor  Nederl. 
lud.  1868. 

Booke.  The  maritime  rese&rches  of  Saurabaya  on 
Java,  Naub  Mag.  1868. 


BoutakofF.  The  delta  and  the  mouths  of  tho 
Amu-dario,  Trauslut.  frorn  the  Russian  by  Mich  eil, 
Journal  of  the  Royal  Society  1867. 

BoudichtchefT.  La  region  de  l'Ouisouri,  Bullet 
do  la  Soc.  de  Geographie,  V.  Slt.,  T.  V,  1868. 

Die  Coreaner,  weniger  intelligent  und  unwissender  als  die 
Chinesen,  bilden  eine  von  diesen  ganz  und  gar  verschiedene 
Rare,  dem  Aussehen  sowohl  wie  der  Sprache  nach.  Die 
Giiiaken,  Goldi  und  Orotchonen  verfertigen  alle  ihr«  Uten- 
silien aus  Holz. 

Brobonikow.  Gedanken  über  den  Buddhismus, 
Archiv  für  wissenschaftliche  Kunde  in  Russland, 
XXV. 

Brugsch.  Wanderungen  nach  den  Türkis-Minen, 
Leipzig  1866,  8°. 

Die  Anlagen  der  Minen  reicht  in  rin  hohes  Alterthum 
zurück , und  lässt  itch  bis  auf  die  Regierung  de»  Königs 
Snel'ru  verfolgen  (Hl.  Dyn.).  Beigegeben  sind  Tafeln 
sinaitiseber  Inschrift  für  die  Felswände  im  Wadi  Mukatteb, 
der  Gebet  Hrttnlin  oder  bekritzelte  Berg. 

Brüll.  Notizen  zur  Geographie  Palästinas,  Mo- 
natsschrift für  Geschichte  und  Wissenschaft  des 
Judenthums,  1868,  September. 

Brylkin.  Reisen  im  Gebiete  des  Amurstromes  und 
auf  der  Insel  Sachalin.  Beiträge  zur  Kenntniss 
des  russischen  Reichs,  Petersburg  1868. 

Campbell.  Die  Bodengestalt  Indiens,  Peterroann’s 
Mittheilungen,  Nr.  1,  1868. 

Carpenter.  Six  mouths  in  Indio.  Two  Yolumes, 
London  1868. 


Chabaa.  Voyage  d'un  Egyptien  en  Syrio,  Paris 
1868,  4». 

Chalmera.  The  origin  of  the  Chinese,  London, 
Trübner,  1868,  8°. 

Charmoy.  Cheref  Ouddine,  Cheref  Nameh,  ou 
Fast  es  de  la  uation  Kurde.  Sb  Petersburg,  1868. 

Choctham.  The  Tibetan  route  from  Sinila  to 
Srinagar,  Alpine  Journal  III,  1867. 

Chesney.  Narrative  of  the  Kuphrates  Expedition, 
London  1868. 

Zu  den  früheren  Veröffentlichungen  (in  Bezug  auf  die 
Jahre  1885  bis  |ä:17). 

Coopcr.  Expedition  from  the  Yangtzekiang  to 
Tibet  and  India,  Proreedings  of  the  Royal  Geo- 
graphical  Society,  Ocb  1868. 

Ein  April  20,  18tl8  dntirter  Brief  aua  Tai-taiau-loo,  an 
der  Wertgrenze  China». 

Cotton.  Nine  years  on  the  North-west  Frontier 
of  ludia,  London  1868. 


Carr.  A Collection  of  Telugu  proverbs,  translated, 
illustrated  and  explained,  together  with  some 
Sanscrit  proverbs,  printed  in  the  devanagari  and 
Telugu  characters,  Trübner  and  Comp.,  8°.  Lon- 
don 1868. 


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383 


Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur. 


Cotton.  Communication  between  India  and  China 
by  tho  Line  of  the  liurhainpootir  and  Yongtse» 
Journal  of  the  Royal  GeogTaphical  Society, 
1867. 

Crampon.  Tauris,  Bullet,  de  la  Societe  de  Gvogr. 
V.  S4r.,  T.  VI,  1868. 

Delprat.  Le  Japon,  Paria  1868. 

Dovay.  Journal  d'un  voyagc  dans  lTnde  anglaiae 
et  Paria,  1867. 

Dolder.  Pilgerreise  nach  dem  heiligen  Lande. 
Luzern  1868. 

Doolittle.  Social  lifo  of  the  Chinese,  witk  illu« 
strations.  Ix>ndon  1868,  8®. 

Dorn.  Aus  Baku,  Bullet,  de  PAcademie  Imp.  des 
Sciences  de  St,  Petersbourg.  XII,  p.  165. 

Dowson.  lkhwanu-s  Safa  or  Brothers  of  Puri- 
ty , describing  tho  contention  between  man  and 
baute,  as  to  the  superiority  of  the  human  race. 
Trfibner  and  Co.  in  the  press. 

Barch  Prof.  Dieterici  au»  dein  Arabischen  übersetzt. 
(Die  lauteren  Brüder.) 

Esche.  Ein  deutscher  Kaufmann  auf  der  oataaia- 
tischen  Insel  Sachalin,  Globus,  Band  XII,  Liefe- 
rung 7 und  8. 

Feer.  Lea  Voyageurs  an  Tibet,  Revue  de*  cours 
littcraires,  1868,  Nr.  23. 

Forgusson , James.  Tree  and  aerpent  worein  p 
or  illustrationa  of  mythology  and  art  in  India 
in  thu  finit  und  fourth  eenturien  alter  Christ. 
London,  India  Museum,  1868. 

I)a*  ul*  Dnsyu*  oder  Takshak*  bezeiehnete  Volk,  dn*  in 
den  Sculpturen  von  Sanchi  und  Ainravati  besonders  her- 
vortritt, erscheint  al»  eingeborner  Stamm  (den  Erbauern 
der  Topen  untergeordnet)  und  «I*  Schlangen- Verehrer. 
Daneben  ixt  eine  Race  mit  kurz  gekräuselten  Haaren 
angedeutet.  Das  als  Hindu  bezeiehnete  Volk,  da*  (neben 
Buddha  erscheinend)  auf  der  Sanchi  - Top©  noch  mehr,  ul* 
aut' der  voa  Aniruvali,  den  wythi*ch©n  oder  turanischen 
Chorsktrr  trägt,  ist  die  Mixe  brave  Bengalen»  (a  pmplf 
witb  a certaiu  infusion  of  Arvan  blood  in  their  veins,  hut 
whicb  bftd  become  so  iiupur©  l'roin  mixture  with  that  of 
the  aWrigiiml  tribe*,  who  exi»ted  in  Bengal  before  the  Ar- 
yan Immigration,  timt  the  distinctive  ieatures  of  their 
higher  civilisalion  wer©  almost  lost).  Da»  durch  den 
Schlangeukopfputz  ausgezeichnete  Volk  scheint  zu  dersel- 
ben Rif«  zu  gehören.  Am  nächsten  würden  dem  auf 
den  Scalptur*n  dargestelltcu  Volk©  die  Ghond*  und  ihr© 
verwandten  Stimme  »iidlich  vom  Viudhya  (dravidiacher 
Sprocke)  kommen.  Eine  Inschrift  in  Sant-hi  spricht  von 
einer  Gabe  AmuuJa’s,  Sohn  de»  YasUhta,  unter  der  Re- 
gierung de*  Sri  Katakumi  (10 — 28  p.  d.)  iu  der  Andhra- 
Dy  na*  ty.  Die  Erbauung  der  Tope  selbst  wird  in  die  Zeit 
de*  A*uka  (260  a.  d.)  gesetzt,  die  der  Ainravati -Tope  in 
da*  vierte  Jahrhundert  p.  d.  Neben  dem  al*  Hindu  be- 
reichnctcn  Volke  (mit  turbn  »artiger  Köpft  rächt)  werden  di© 
zur  Zeit  der  Erbauung  unterwürfigen  Eingeborenen  M»I- 
was,  die  nicht  die  übrigen  Gegenstand©  de*  Cultus  (Baum, 
Rad,  Tnsul  u.  ».  w.),  sondern  nur  den  fnnfküptigen  Kaga 
verehren,  bärtig  dargcstellt  aaf  den  Srulpturcn  der  Sau- 


chi  - Top« , als  nicht  • arisch©  Dnsyu»  oder  Takshaka  aus 
Taxila,  dem  Mittelpunkt  der  Schlangenvrrehrung.  Die  De- 
putation der  schirm  tragenden  Figuren  (LXV  der  Amravuti- 
Tope)  wird  für  eine  chinesische  erklärt,  im  Hinblick  auf 
die  diplomatischen  Beziehungen  de«.,  China  durch  Gesandte 
heschickeuden,  König*  Yadj na  Sri  (408  p.  d.),  dessen  Mün- 
zrn  in  der  Nähe  der  Ainravati  - Tope  gefunden  wurden. 
Der  Abdruck  der  verehrten  F9ue  (gleich  den  KuMtapfen 
MuharirtiV)  auf  einem  Zeuge  (1*1.  LX1X,  Amr.-T.)  liefert 
eine  Illustration  zu  dem  Feldzüge  des  kashmirischen  Kö- 
nig* Mihira  kula  (200  p.  d.)  gegen  Ceylon  (nach  dem 
Radjntnmngini).  Auf  1*1.  LXII  (Amr.-T.)  treten  di«  Schau- 
spieler durch  ihre  scharfen  Züge  und  römischen  Nasen  in 
einen  auffallenden  Coat  rast  zu  dem  tatarischen  Gesichta- 
aiiMlruck  der  piattnasigen  Zuschauer  *). 


*)  Litcrnturbericht©  sind  objeetiv  abrufn»sen  und  habe 
ich  deshalb  in  dem  obigen  jede  aubjective  Färbung  vermie- 
den. Da*  vorliegende  Buch  zwingt  in  de**  zu  einigen  Be- 
merkungen über  die  Methode,  da  der  Verfasser  den  induc- 
tiven  Weg  der  Forschung,  den  die  Ethnologie,  wenn  »ie  über- 
haupt Resultate  zu  erlangen  hofft,  noth wendig  zu  gehen  hat, 
nicht  anerkennen  zu  wollen  »cheiot.  Die  nnturwuxenschaft- 
liebe  Grundsteinlegung,  um  fest  und  sicher  zu  sein,  ist  noth- 
wendig  eine  langsame,  ihr  Werk  kann  nicht  übereilt  werden 
und  verlangt  vorsichtige*  L’rtkeil,  häutig  «ine  länger«  Sus- 
pension desselben.  Die  Rechtfertigung  für  den  in  der  Anmer- 
kung Seite  48  gemachten  Vorwurf,  hat  der  Verfaaoer  selbst 
in  der  Anmerkung  Seit«  82 — 83  zugefiigt,  wo  ein  dreimali- 
ger Meinuiigsweclisel  innerhalb  zwei  Jahren  über  einen  Fun- 
damentalste de»  beabsichtigten  Systems  eingesUmden  wird. 
K*  wäre  eben  besser  gewesen,  nicht  jede  noch  Verbesserung 
verlangende  Wahrscheinlichkcil»hrpothe»e  dem  l'ubli«  um  mm 
Bebteu  zu  geben,  sondern  erst  das  endgültig  gereifte  l.’rtheil 
aui  Ende  de*  zweite»  oder,  wenn  man  will,  de*  siebenten  Jah- 
re*. Apre*  tont  nou«  revenon*  *ur  nötre  adage,  qu’il  ne  faul 
pa*  *e  häter  de  genöraliser,  wie  Duponceau  sagt.  Das  Buch 
würde  überhaupt  durch  diie  in  unserer  Zeit  immer  unum- 
gänglicher werdende  Theilung  der  Arbeit  nur  gewonueu  ha- 
ben. Wer  heutzutage  »eine  Anrichten  über  Schlangen-  und 
liauuiverehrung  im  systematischen  Zusammenhang«  vorlcgcn 
will,  der  hat  vorher  ein©  fast  unübersehbare  Literatur,  in  der 
die  dickleibigen  Schriften  von  Kreuzer,  Jabionski,  Kir- 
cher,  Dnpuis,  Sepp,  Mob«,  Kosenmüller,  Gärre», 
Nierup,  Bustorf,  Squier,  Movers  u.  s.  w.  nur  zer- 
streute Pünktchen  bilden,  za  bemeistern  und  zu  abxorbiren; 
denn  wie  viel  Papier  »oll  auf  der  Erde  noch  verschrieben 
werden , w enn  Jeder  wieder  ab  ovo  anfängt?  lumst  kann 
mau  »ich  bei  solchen  Fragen  nur  durch  Herbeitrngen  von 
Rohmaterial  bet  heiligen,  und  wenn  der  zu  derartigen  Streif- 
ziigen  über  di«  alten  Culturlünder  Gerüftete  di©  richtigen 
Quellen  zu  eröffnen  weis*,  so  würde  ihui  sogleich  ein  solch* 
gewaltiger  Strom  eutgegenAuthen,  dass  er  von  vornherein  den 
Gedanken  aufgeb« n müsste,  die»«  naatdos©  Fülle  de*  Materia- 
le» auf  ein  paar  Dutzend  splendid  gedruckter  Seiten  bewälti- 
gen zu  können.  Das»  die  ethnologischen  Bemerkungen,  die 
oben  zum  Theil  wiedergegebeu  sind,  völlig  in  der  Luit 
schweben,  ist  nicht  dem  Verfasser  persönlich  zur  Last  zu 
legen,  sondern  dieser  Vorwurf  trifft  di©  bisherig©  Richtung 
in  der  Ethnologie  überhaupt.  James  Fergnssou  ist  Kunst- 
historiker, als  «ine  der  Mdutett  Autoritäten  unter  denselben 
von  jedem  Indiologen  geschätzt,  und  (abgesehen  Ton  einer 
wiinschenawertheu  Armierung  des  Titels  and  der  Behänd- 
lungswci»©)  hätte  das  Buch  (da*  unter  »einen  Darstellungen 
die  trelHichcn  Aufnahmen  de»  anglo-indiAchen  O/ticier*  Herrn 
Waterhouse  begreift)  keinen  besser  dazu  berufenen  Meist  er- 
bändetj  anvertrnut  worden  können.  Seine  architektonischen 
Bemerkungen  bleiben  sehr  besebtenswerth , wenn  »urh  die 
übrige  Erklärung  fast  durchweg  verfehlt  ist.  Die  bärtigen 
Figuren  im  kurze»  Schurz  mit  ihrem  Feuertopf  (PI.  XXIV) 
siud  di©,  wie  Ve*ant*ni,  Rania  und  hundert  ander«  frommen 


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384 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Frankl.  Dio  Mineralquellen  dea  Kaukasus.  Mit- 
teilungen der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft, 
VIII.  Jahrgang,  Heft  II. 

Erst  jetzt  veröffentlicht. 

Froahüold.  Jourucy  in  the  Caucasus.  Procced. 
of  the  Royal  Geogr.  Society,  April  1869. 

Kasbek  und  FJburx  gehören  zu  Europa,  ala  nördlich  von 
der  WvKnchtid«. 

Friodmann.  Die  ostasiatische  Inselwelt,  Land 
und  Leute  von  Niederländisch-Indien,  den  Sunda- 
Inseln,  den  Molukken,  sowie  Ncu*Guinea,  2 Bde, 
Leipzig,  Spanier,  1868. 


Könige,  mit  Weib  und  Kind  in  den  Wald  gezogenen  Einsied- 
ler (PI.  XXXII),  denen  Laten  mit  aufgrbundenem  Hanrknoten 
beschwerliche  Ilotzhackerdienste  verrichten,  während  eie  »eibet 
die  beständig  in  den  Legenden  erwähnte  Eremitemniätze  tra- 
gen. Der  vermeintliche  „ÜMva-boy“  (l'l.  XXXVI),  dm  ein 
Hindu  (!)  of  rank(!t)  i»  addressing  (!!!)  with  fiis  hnnd  join- 
ned  as  in  supplicalion  (!!!!!)  — möge  Brahma  diese  Ketzerei 
vergeben  — Ut  der  Sohn  de»  Eremitenkönigs,  der  nach  einer 
geläufigen  Brahmanenlegende  nu*  Versehen  von  einem  im  Walde 
jagenden  König  erschossen  wird,  woruuf  »ich  dieser  aua  Reue 
»elb»t  den  Ellern  zum  Sklaven  anbietet.  Die  Einsiedler  wer- 
den oft,  wie  Kapilii,  mit  Hirschgeweihen  dargestelit,  oder  doch 
von  Waldtbieren  Wgleitet  (PL  LXXXVI),  wie  Buddha  icn 
llinichpark  zu  Benare*.  Eine  im  Krischnadicnst  wiederkeh- 
rende  Lnstrntion  der  Heerden  findet  »ich  PL  XXXV  (Hg.  1, 
und  an  die  lasciven  Svenen  bekannter  Dichtungen  jene*  erin- 
nern die  Gruppen  nackter  Frauen  um  den  heiligen  Baum. 
Auch  im  Güten  war  der  damalige  Buddhacultu*  nicht  nur  mit 
Kama’s,  sondern  gleichfalls  mit  KriM'hna's  Atatare  vermengt. 
Cunningham’s  Erklärung  der  Kinnara  (PL  XXIV*  und 
XXVIil)  ist  richtig,  denn  obwohl  ihnen  iu  der  brahmaulschen 
Mythologie  Pferdegesnhter  zugeschricben  werden  (als  Aswa- 
mukhas),  ist  ihre  orthodoxe  Form  in  dieser  brnhmanisch-budd- 
hUtifrchcü  Mythologie  (zu  der  alle  die  Sculpturen  der  Topen, 
der  kam  badischen  und  jaraniwbcn  Tempel  gehören)  die  von 
Menschen  mit  Vogelfüssru,  wogegen  der  Garuda  (VUhnu’s 
Valiana)  einen  Vogel  mit  MensclienfUKsen  darslclit.  Beim  Auf- 
treten des  Pferde»  neben  Avalokitesvara  macht  Forgunon  auf 
■ein  Erscheinen  im  Cuttu»  der  Gh»nd  (».  Hihlop)  aufmerksam. 
Die  Figuren  mit  kurz  kräuselndem  Haar  sind  die  Dagoben  ver- 
ehrenden Buddhisten  (Pt.  XXVIII),  als  ungeschorene  Novizen, 
gleich  dem  Slddhartlin'k  Wagen,  als  er  zu  eigener  Weihe  nuszieht, 
voranschreitenden  Knaben  (PL  XXXIII).  Die  vermeintliche 
Negerfrisur  soll  das  im  Walde  mit  einem  Schwert  kurz  und 
bUschclartig  abgehauene  Haar  bezeichnen  und  dadurch  eba- 
roklrrisiren  sich  die  Snmanero  oder  Novizen,  die  Chno  Nen,  wie 
sie  in  Siam  heissen,  im  Gegensatz  zu  den  Phra  Song,  den 
eigentlichen  Mönchen  «der  Talapoioen,  die  in  den  Sculpturen 
der  Ainravali  - Tope  (Pl.  LXVII1)  mit  geschorenem  Kopf  dar- 
gestellt werden,  ebenso  an  dein  (bald  aufgevchlacenen,  bald  ge- 
schlossenen) Koliquienkmtcn  (IM.  I.XX,  LXX!  u.  s.  wj,  dann 
bei  den  sitzenden  (PL  La  XVII)  oder  stehenden  (Pl.  LXX VI) 
Buddhcn  u.  s.  w.  Auch  die  von  dem  Könige  gespeisten 
Mönche  (PL  LX1)  mit  ihrem  Almosentopf  tragen  lange  Ge- 
wänder, iin  Gegensatz  zu  den  kürzer  geschürzten  Novizen. 
Der  Haarwulst,  wie  er  häufig  nuf  den  "impfen  Buddha’»  er- 
scheint (z.  B.  an  Amravati  auf  PL  LXXX1V)  deutet  auf  den 
nach  der  periodisch  eiagchallenen  Meditationszeit  aus  dem 
Walde  rurückkehrcoden  Heiligen,  der  noch  nicht  wieder  das 
Glattscheeren  hat  vornehmen  lassen  können,  oder  der  vielleicht 
schon  eine  solche  Stufe  der  Heiligkeit  rrstiegen  hat,  dass 
Niemand  würdig  ist,  ihn  zu  seheeren.  Wben  the  ascetic  ut- 
Uins  the  second  rank  (a*  M aha« »rat«),  he  does  not  shave  bis 
hesd  with  razors.  bot  employ*  his  disciple  to  pull  out  the 
hairs  by  the  roots.  Die  siebenköpfige  Schlange  wölbt  sich 


Fryer.  A few  word  concfrning  the  Hill  people 
inlmbiting  tho  forest*  of  the  Cochin-State,  Jour- 
nal of  the  Royal  Asiatic.  Society,  Vol.  III,  Oct, 

Mit  einer  Gruppe  Mulchrrs  photogruphirt. 

Fytch.  French  Expedition  on  the  Camhodia  Ri- 
ver. Proceedingg  of  the  Royal  Geographical  So- 
ciety, May  1868. 

Auszug  aus  einem  Re|»urt  (August  9.,  1897,  Rangun) 
des  Hauptbcvollmärhtigtrn  von  British  Burmah  an  den 
StauUsec  reUir  von  Indien.  Die  französischen  Erforscher 
hatten  anfangs  die  Absicht  »ich  dem  Irawaddy  zuzuwenden, 
in  einer  Nachschrift  (27.  Januar  18Ö8)  wird  indes»  be- 
merkt, dass  sie  die  Richtung  durch  Szechuen  nach  Han- 
kow  eingcschlngen  zu  haben  schienen. 

Fytch.  British  Burmah.  Proceediug»  of  the  Royal 
Geographical  Society,  1868,  July. 

Die  Bevölkerung  vermehrt  sich  durch  stete  Einwande- 
rungen seit  182A,  während  sie  in  den  Domänen  des  Kö- 
nigs von  Burmah  im  Abnehiuen  begriffen  ist. 

Fytch.  Memorandum  on  the  Panthaya  in  Ynnan. 
Proceed.  of  the  As.  Soc.  of  B.,  Dec.  1867. 

Galkino.  Le  Chanat  independant  de  Chegri-Siab, 
dans  le  Turkestan.  Annalea  dea  Vovagea,  Nov. 
1867. 

Galkin.  Ethnographischen  Material  von  Mittel- 
Asien  und  dem  Orenburgiachen  Lande  (russisch). 
St.  Petersburg  1867. 

Garden.  Description  of  Diarbekr,  Journal  of  the 
Royal  Geographical  Society,  1867. 

Theilt  L'ebersetzungen  der  in  den  Thürmen  befindlichen 
Inschriften  mit,  in  denen  die  ayubitischen  Fürsten  den 
Titel  König  von  Rum  (Koum)  und  Armenien  führen. 

Garnier.  Vovage  d'exploration  en  Indo -Chine. 
Revue  mar.  et  col.,  Avril  1869,  Paris. 

Garnier.  Episode  du  voyage  d'exploration  dann 
1'Indo  Chine.  Bullet,  de  la  Soc.  de  Geogr.,  Mai 
1869. 

Besuch  von  Taly. 


sowohl  über  Buddha,  wie  Uber  den  Raja,  steht  aber  beim 
letztem  in  der  »pecioUen  Beziehung  des  königlichen  Ahn’», 
wie  in  Abjhsiuien,  Attika,  mehrfach  in  Amerika  und  Polyne- 
sien, «»wie  vielfach  in  Indien.  Die  Frauen  bew  beiden  sich 
mit  einem  SchUugeukopf,  der  kümgtiche  Aspisschmurk  de» 
L'riius  itn  alten  Aegypten.  Tod's  Nucbrichteu  Uber  Tukshnh 
fuhren  auf  Mythische  Beziehungen  und  wie  weit  die  vedi- 
schen  Erwähnungen  der  Dasyus  auf  ursprüngliehe  Eingebo- 
rene zu  deuten  »eien,  bedarf  erst  einer  genaueren  Bestim- 
mung, da  »ie  auch  »U  au»ge»t<M»eue  Kabul  n a erscheinen  und 
(nach  der  Aitareya  Bruhnmiia)  meistens  von  VUvamitra  stum- 
men. Die  Nag»  oder  Khwa-phyi  (Khan,  Natnumg,  Mithun, 
Tablung,  Angami,  Nowgong,  Teng*a  u.  s.  w.)  bewähren  sich 
durch  ihren  sesshaften  Ackerbau  als  Autuchtbonen.  Die 
kriegerische  Weihe  di«  ('hakravasti  ist  auf  Fig.  2,  PL  LXXI 
ansgedrückt,  und  die  wilden  Reigen  om  das  getragene  Cultus- 
symbol  erinnern  an  syrische  Tenipeldicnsie  Das  Buch  ent- 
hält in  seinen  Abbildungen  eine  reiche  Fundgrube  für  die 
Erforschung  de«  indischen  Alterthuui»  und  Fergusson  hat 
dnreh  seine  Bemühungen  um  die  Veröffentlichung  desselben 
seinen  bisherigen  Verdiensten  ein  neues  hiazuurfügt,  dessen 
Werth  kaum  hoch  genug  angeschlagen  werden  kann. 


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385 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Oentilli.  [Jeber  ogtimlischc  Baudenkmäler.  Mit- 
theilungen  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft 
in  Wien.  Nene  Folge  1868,  Wien,  F.  13.  Geitier. 

Di«  Fundirung  »rhwerer  Ma**rn  auf  cotnpreaftiblein  Ho- 
den ward»1  dadurch  Torgeiionuncn , <Ukr  man  Schacht«  air- 
teufte , sie  ausKuauerte,  mit  Sand  füllte  und  die  Kränze 
dieser  Brunnen  durch  Steinplatten  vou  grosser  Dick«  tu 
einer  Art  pilot  irten  Koste«  verband. 

Gloukhovaky.  Une  eaptivitü  en  Boukharie.  Jour- 
nal de  St.  Petersbourg  1868,  Nr.  92. 

Godwin  - Austin.  Notes  on  the  Pungong  lake 
district  of  Ladakh.  Journal  of  the  Royal  Geo- 
graphien! Society  of  London,  LXXVII. 

Goldamid.  Notes  on  Kastem  Persia  and  Western 
Uuluchistan.  Journal  of  the  Royal  Geogruphical 
Society,  1867. 

Grehan.  Le  royauine  de  Siam.  Paris  1868. 

Grinton,  van  der.  Borneo,  een  kezoek  op  dat 
eiland.  Eindhoven  1867. 

Grinten,  van  der.  Mijne  reis  naar  Ost-Indie. 
Leyden  1868. 

v.  Gorkom.  Bericht  über  die  Cultur  der  China- 
bäu uie  auf  Java.  Flora  1868. 

Godin.  Des  Renseignement«  sur  le  Tibet.  Les 
Mission«  catholiquee,  12  et  13  Sept.  1868. 

Godron.  Une  mission  bouddhiste  en  Amerique 
au  V.  siede  de  l’Ere  chrütieune.  Nouv.  Annal., 
Uctobre  1868. 

Deguigne»’  Auslegung  der  chin«BÜ-ch«n  Erzählungen 
von  Körnung  ula  mul*  Mexico  bezüglich,  wurde  von  Klap- 
rolh  verworfen.  Io  einer  Kritik  derjenigen  Gründe,  die 
äks  negative  Keealtat  ergaben,  wird  hervargcbobei^  da«« 
»ich  sowohl  Ot tuen  vor  der  Zeit  der  Spanier  in  Amerika 
gefunden  (Bo«  mosrhutu»  und  Bo«  americunu»)  und  von 
Gomarn  ein«  Völkerschaft  mit  dom«*tii  iricra  Bwo»  im 
nordwestliche»  Mexico  genannt  wurde,  ul«  auch,  da«  da» 
Kicnn,  ileuen  Weibchen  immer,  da»  Männchen  häufig  ohne 
Hörner  gwehra  wurde,  uu»  der  Entfernung  für  Hirsch« 
hätten  gehalteu  werden  können,  wie  sie  auch  bei  Cabrera 
de  Curduva  Hirachpierde  hlcnt.cn. 

Goodenough.  Route»  between  Upper- Assam  aud 
Western  China.  Proceoding  of  the  Royal  Geo- 
graphical  Society,  Oct.  1868. 

Itinernrien,  di«  1866  in  Ober»  Ab  »am  gesammelt  wurden. 

Grehan.  Le  royaume  du  Siam.  Paris  1868. 

Guerin.  Les  Aborigünrs  do  Püe  de  Form  ose. 
Bulletin  de  la  Societe  de  Geographie,  Juin  1868. 

Während  im  Allgemeinen  jeder  Stamm  einen  »einen 
Nachbarn  ver*!ündlit her»  [Hälfet  redet,  findet  »ich  im 
nördlichen  Dritttheil  der  Insel  eine  Ansammlung  too  Stäm- 
men (nou»  prenon*  *ur  nou*  d’appder  ce  gruup«  du  nora 
de  Morrisouien) , unter  denen  ein  nur  dialcctisch  in  den 
kleineren  Ganzen  veränderte  Sprache  gemeinsam  ist,  die 
Tarnt  - Sprache , di«  an  da*  Tagaliscbe  Luxonk  erinnert. 
Alu  16  bis  17  Stämme  der  Tayalrn  werden  aufgefobrt,  die 
Tspehan.  die  Katariek,  die  Meniho,  die  Mmttaou . die  Se- 
lamou , die  KaTaou,  die  Kouau,  die  Takassan,  die  Kakaou- 
gan,  die  Keoui,  die  Lohuou,  die  Tctounau,  die  Taagaw,  die 
Archiv  f«r  Anthropologie  Bd.  III.  Heft  3. 


Takohara,  die  Malipa,  die  Malikoumo.  Die  angreuzeuden 
Tooucaai  und  Taioukou,  sowie  die  Kala|«i  reden  verschie- 
den, eben«»  die  Mri'ahan,  Kabuuron,  Baouketon,  Mokaina, 
Kaou-lo  und  Shabagala,  obwohl  ihre  Di&Iecte  au»  dem 
Tayaiiachen  abgeleitet  sind.  Lea  aborigene*  de  Formoae 
preamtent,  d*n»  ln  demarche,  heaucoup  du  balancement 
des  quadrutuane»  »uperiear»,  du  Gorilla,  pur  exemplr. 

GuLlck.  Note  sur  les  Mougols.  Jouru.  des  Miss, 
ev.,  Mär/.  1868. 

Häger.  Die  Bugiucsen.  Ausland,  1868. 

Hasper.  Beitrüge  zur  Topographie  der  homeri- 
schen Ilias.  Brandenburg  1867. 

Haaakarl.  Bericht  über  den  Zustand  der  China- 
cultur  auf  Java.  Flora,  1868. 

Hause.  Palästina.  Cassel  1868. 

Heer  klotz.  Die  Orsng  Sek  ah.  Globus,  Bd.  XIII, 
1868. 

Heerklotz.  Reise  und  Aufenthalt  in  Niederlän- 
disch Ostindien.  Öderan  1868. 

Hellwald.  Die  Insel  Geby  in  den  Molukken.  Aus- 
land, Nr.  13,  1868. 

Helmersen.  Beiträge  zur  Kenutniss  des  russischen 
Reichs.  Band  II,  Lieferung  3 (v.  Baer  und  v. 
Helmersen). 

Schmidt*«,  Glehn’»  und  Urvlkin’*  Ketten  im  Ge- 
biete de»  Amurlandea  und  auf  der  Insel  Sachalin. 

Herman.  Hot  onderwys  in  Nederlandsch  Indio. 
Tijdschr.  v.  Nederlandsch  Indie,  1868. 

Holland.  Peninsula  of  Sinai.  ProceedingB  of  the 
Royal  Geographical  Society,  Joly  1868. 

Nebrn  dem  Jebel  Musa  könnte  nur  der  Jcbel  t'm  Alo- 
vrt  Anspruch«  haben  für  den  Berg  Sinai  gehalten  zu 
werden.  Die  falnaitlscheu  Inschriften , die  nicht  auf  die 
Israeliten  bezogen  werden  dürfen,  »ind  alle  mit  Steinen 
eingegraben. 

Do  Hollunder.  Aardrijks  buschriving  van  Neder- 
landsch Oost-Indie.  Amsterdam  1868. 

Hockley.  Notes  on  the  Yangtsekiang.  Procoedings 
of  the  Roval  Geographical  Society,  Vol.  XI,  Nr. 
VI. 

Hood.  Social  life  of  the  Chinese.  London  1868. 

Hooker.  Les  monument*  m^gnlithiques  de  finde 
anglaise.  Revue  des  cours  seien!.,  1868. 

Nach  dem  Vorträge  bei  der  British  Association  über  die 
besonder*  von  Yale  beschriebenen  Denkmale,  die  auch  im 
Drkkhan  verbreitet  »ind. 

Horwortb.  The  Westerly  Drilling  of  NoinAds. 
Journal  of  theEthnol.  Suc.  of  Lond.,  April  1369. 

Hurabort.  Le  Japon.  Tour  du  Monde,  XVI. 

Hunter.  A comparative  Dictionary  of  the  Non- 
Aryan  languoges  of  India  and  High  Asia,  with 
prcliminary  dissertatiou  based  upon  the  Hod- 
gson  List«  and  Vernacular  Mas.  With  Contri- 
butions  from  Her  Maje&ty’s  India  Office  and  Fo- 

4!) 


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386 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


reign  Office,  the  Government  of  Bengal,  the 
Royal  Aaiatic  Society  of  Great  Britain  and  Ir- 
land, and  from'  English  and  Continental  Scho- 
lar». Trübner  and  Comp.,  London,  4d.  1868. 

Zweihundert  englische  Worte  werden  in  125  Sprachen, 
die  in  Gruppen  zutainmcngeurdnel  sind,  wiedergrgeben. 
Di«  Wichtigkeit  einer  genaueren  Kenntnis*  der  eingebore- 
nen Stämme  Indien*  wird  herrorgebobflB , Ws  jetzt  ,.the 
eery  lu*tr*  of  Arvau  discoverirs  threw  the  non  - nryan 
people»  of  India  into  u deeper  »bade.“ 

Hyde  Clarke.  Proto- Ethnie  condition  of  Asia 
Minor.  Journ.  of  the  Ethnolog.  Soc.  of  London, 
April  1869. 

Jagor.  Grabstätten  au  Nipa-Nipa.  Ethnologische 
Zeitschrift,  lieft  I,  1869. 

Jerdon.  The  Mammals  of  India.  London  1868. 

Johnson.  Report  on  bis  joumey  to  llchi,  the  Ca- 
pital of  Kliotan.  Journal  of  the  Royal  Geogra- 
phical  Society  of  London,  Yol.  XXXVII. 

Jou&n.  Ilong-kong,  Macao,  Canton.  Memoire  de 
la  Societo  iinper.  des  Nat.  du  Cherbourg,  XIII, 
1867. 

Justi.  Der  Bundehesch.  Zum  ersten  Male  her- 
•u*  gegeben,  transcribirt,  fibersetzt  und  mit  Glos- 
sar versehen  von  Ferdinand  Justi.  Leipzig,  F. 
C.  W.  Vogel,  1868,  4°. 

Die  Ansicht,  den  Bundehescb  als  eine  Hebert  Tagung  alt 
baktriseher  Kdigionsuhriftco  au  betrachten,  ut  auigegeben 
worden , aber  trotz  seines  neuen  Ursprungs  bewahrt  der 
Bundehesrh  müdc  Bedeutung  für  dir  pnrsisclu1  Weltan- 
schauung  und  vielleicht  für  munchc  rubbinischr  Vorstellun- 
gen, die  »ich  an  jene  anlchnrn.  Ihr  Herausgeber  führt 
»eine  Gründe  an,  wodurch  er  »leb  hat  bestimmen  lassen, 
die  Abfassung  de*  Bund«h«K-h  erat  in»  Xlfl.  Jahrhundert 
zu  versetzen.  Auch  in  sprachlicher  Ifinskbt  scheint  sie 
nicht  viel  früher  angenommen  werden  zu  dürfen.  l>aa 
Pebleri  der  Sassnnidcn  nahm  »eine  Fremdwörter  au»  dem 
Aramäischen  auf,  der  Buudebesch  «brr  hat  neben  diesen 
aramäischen  von  Alten  her  im  Pehlcvi  sich  findenden, 
auch  arabische  Worte  entlehnt. 

KaBentzew.  Beschreibung  der  Kirgis-Kaisaken. 
St.  Petersburg  1867  (russisch). 

Keyzer.  Reizen  over  Java.  Tijdochr.  voor  Ne- 
derlandsch  Indie,  1868. 

Kistner*.  Buddha  and  hi«  doctrine*.  London  1869. 

Kennedy.  Report  of  an  expeditinn  rnade  into 
Southern  Ijiob  and  Cambodia  Journal  of  the 
UoyAl  Geogr.  Society  of  Ixnulon , Vol.  XXXVII. 

ln  Begleitung  de»  Photographen  Thompson,  von  dem 
die  „Aaiji|uitie»  of  Cambodia"  veröffentlicht  wurden. 

Kioport.  lieber  älteste  Landes-  und  Volksge- 
schichte von  Armenien.  Monatsbericht  der  König]. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin,  Mürz 
1869. 

Klaussnitaer.  Aus  der  Provinz  Turkestan  im 
asiatischen  Russland.  Globus  Bd.  XII,  5.  Lie- 
ferung. 


Krapotkin.  Statistischest  aua  Sibirien.  Peterroann’s 
Mittheilungen  18G8,  S.  379. 

Kremer.  Geschichte  der  herrschenden  Ideen  im 
Islam.  (Leipzig  1868.) 

ln  den  über  den  Islam  hinaus  verästelten  Zweigen  und 
Wurzel«. 

Külb.  Pinto’e  abentheuerliche  Reise  etc.  Jena 

1868. 

Wie  Marco  Polo,  der  Millionen  - Manu,  Bruce  und 
Andere  erhält  auch  der  ^hogner*  Pinto  von  der  Nachwelt 
gerechtere  Würdigung,  al*  von  seinen  ungläubigen  Zeit- 
genossen. 

Lamproy.  Notes  of  a journev  in  the  North- West 
neighbourhood  of  Pekin.  Journal  of  tho  Royal 
Geographical  Society,  Vol.  XXXVII. 

Latkin.  Die  Dampfschifffahrt  in  Sibirien.  Peter- 
maun's  Mittheilungen,  1868,  S.  379. 

La  Vieillo.  Le  Japon.  Revue  des  cours  scient. 
1868,  Nr.  26. 

Layro.  Le  Japou  en  1867.  Paria  1868,  Extrait 
de  la  Revue  des  deux  mondes. 

Lenormant.  Memoire  sur  l inscription  dedicative 
du  temple  du  dieu  Vata  k Abian  prea  d’Aden. 
Comp  tos  rendus  de«  seancea  de  l'Acadcmie, 
1868. 

Lenormant.  Manuel d’histoire  ancienne  de  l’Orient. 
18,  Levy  Gis,  Paris  1868. 

Leitner.  Results  of  a tour  in  Dardistan,  Kash- 
meer,  Little  Tibet,  Ladak,  Zansknr  etc.  Trübner 
und  Comp.,  1868. 

Nach  den  Vocabularien  »ollen  di«  ühUghlti-  und  Aston- 
Sjuwchen  zu  der  irauischc»  Sprach fnmilte  gehören,  das 
KalashA-Mandrr  ein«  neu«  Fortbildung  de»  Sanscrit  zu  »ein 
scheinen,  während  da»  /u  keiner  von  beiden  (‘lassen  ge- 
hörige Am  via  und  «loa  Khajuua  vielleicht  tibetischen  Ur- 
sprung» sei. 

Levy.  Drei  nabathäische  Inschriften.  Zeitschrift 
der  deutschen  morg.  Gesellschaft,  XXII. 

Lloyd.  Notes  on  the  Russian  harhours  on  the 
Coast  of  Manchuria.  Journal  of  the  Royal  Geo- 
graphical Society,  VoL  XXX  VII. 

Di«  chinesische  Stadt  Ilung-Chun  (in  der  Nähe  von  No- 
vogorodski)  ist  eine  von  «len  zwei  einzigen  Städten  China1» 
titi  der  Grenze  Core»1»,  wo  «in  Handel  zwischen  Core»  und 
chinesischer  Manschurei  erlaubt  ist. 

Loarer.  L’IIimalaya.  Extrait  du  Bulletin  de  la 
Societe  imp4r.  d’accliniutation,  Fevrier  et  Avr. 
1868. 

Loomia.  Confucius  and  the  Chine««  Classics  or 
Roadings  in  Chinese  Literatur».  Edited  and  com- 
piled  by  Rev.  A.  W.  I.ooniis.  San  Francisco 
1867,  8«. 

Uebersichükhe  Zusammenstellung  u«L  Legge’»  Aus- 
gabe der  ClaMiker  für  den  Verkehr  tuit  den  C hi  neuen  in 
Califoruicn. 


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387 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Lotb.  Pie  Vulkanregion  (HarraV)  in  Arabien. 
Zeitschrift  der  deutsch,  morg.  Gesellschaft,  XXII, 
1868. 

Ludeking.  Sehet«  van  de  Keaidentie  Amboina. 
s’Gravonhage  1868. 

Lühdorf.  Gas  Amurland.  Peterraann’s  Mitthei- 
lungeu,  1868,  S.  825. 

Malte -Brun.  Expedition  franyai&e  de  Mekong. 
Annales  d«  voyages,  Aoüt  1868. 

Nachdem  di«  Expedition  die  der  Erfüllung  ihrer  xchwie- 
rigen  Aufgabe  entgegenstohundeo  Hiadfrnisae  fbrtgrräumt, 
trat  der  TikI  ihre»  Leiters  ein,  worüber  der  Herausgeber 
der  Anuahu  berichtet. 

Marshmun.  The  history  of  India.  London  1868. 

l>jt*  Geschieht«  El  phi  n*tonef*  t'ortziuetzen. 

Marthe.  Die  Wege  des  Landhaudels  zwischen 
Russland  und  China.  Zeitschrift  der  Gesellschaft 
für  Krdkunde,  2.  Bd.,  1867,  4.  Heft. 

Maunoir.  Kauere  Erforschungen  der  Russen  in 
den  Amurländern  und  der  Mandschurei.  Aus- 
land, Nr.  21,  1868. 

Maus«  et  Sauvaire.  De  Karak  ä Chaubak.  Bul- 
letin de  la  Societe  de  la  Geographie,  V.  serio 
XIV,  1867. 

Mechin.  I^ettres  d’un  voyageur  en  Perse.  Bour- 
ges  1868. 

Medhurst.  French  Expedition  from  Camhodia  to 
Yunan.  Proceedings  of  the  Royal  Groogruphical 
Society,  1869. 

Mittheilung  un  die  India  Office  durch  den  cnglUcbcn  Coo- 
*ul  in  Hankow,  der  den  trtinzÜMachen  Oificler  Franyots 
Garnier  am  Ende  »einer  erfolgreichen  Entdeckungsreise, 
die  zwei  Jahr«  und  fünf  Tage  in  Anspruch  genommen 
hatte,  bei  «einer  Ankunft  in  der  Hafenstadt  *ah  am  9. 
Juni  186a. 

Melgunof.  Das  südliche  Ufer  des  kaspischen  Mee- 
res. Leipzig  1868. 

Die  Turkomanen  der  Aul«  bei  Anchurade  (um  Golf  von 
Astrabad)  gehören  zu  den  drei  Hauptstkmmen  Jamut, 
Goklan  und  Teke.  6ic  werden  auch  Tschumur  (Acker- 
bauende) undT»chnrwnr(Tschttlwnr  oder  Tschora)  genannt- 
Dl  hie  in  getrennten  Aul*  noniiutiaireu,  *o  utiteiwerfrn  sie 
zieh  selten  ihren  obersten  Khanen  Riah-aelid  oder  l'nbegt. 
Einen  grö*aereii  Eiutluan  könnte  das  geistliche  Oberhaupt, 
Kozr,  uuBÜben.  Ausser  der  vom  VerfacMr  entworfenen 
Karte  ixt  eine  Karte  des  Khazarischen  Meeres  beigegeben 
aus  dem  pernschen  Manuscript  de*  Nasir-eddin-Tuai. 

Montgomery.  Route  Survey  from  Nepal  to  Lhassa. 
ProceuJings  of  the  Royal  Geographical  Society, 
1868. 

Miltheilung  älter  die  Kcise  eine»  i’undit  in  Nepal  nach 
Lhasa  und  dann  durch  da*  obere  Thal  des  Brahmaputra 
zu  seiner  Quelle.  An  der  folgenden  Discuwiou  nahmen 
ausser  dem  Präsidenten  (Sir K.  MurchUou),  Dr.  Thom- 
son, Dr.  Campbell,  Lord  Strangford,  Sir  Henry 
Hnwliii»on,  Mr.  Cravrford,  Mr.  Saundcrs  Theil  und 
wurde  nodi  ein  Jan.  *29,  1868  datirter  Brief  Muntgome- 
ry’s  au*  IngWrn  vorgelegt.  Kiu  am  12.  April  186ü  vor- 
gelegter Bericht  macht  Miltheiluugen  über  die  Goldfelder 
von  Thok-  Talung. 


Montgoincrie.  Report  on  tho  Trans  - Himalayan 
Exploration» , in  connexion  with  the  Great  Tri- 
gonometrical  Survey  of  India,  during  1865 — 67. 
4°.  Pehra  Doon  1867. 

Montgomerio.  Route  Survey  from  British  India 
into  Great  Tibet  through  the  Lhasa  Territoriea 
and  along  the  upper  course  of  the  Brahmaputra 
River  or  Nari  - chu  - sangpo , made  by  a Pundit. 
Dchra  Doon  1867. 

Murray.  Haudbook  for  Travellers  in  Syria  and 
Palestine,  2 Vol.,  London  1868. 

Neue  AuHgabe,  von  Fachmännern  bearbeitet  oder  aus 
deren  Werken  zusammengeatellt. 

Neubauor.  La  Geographie  du  Talmud.  Memoire 
eouronue  par  rAcadcmio  des  Inscriptions  et 
Belles-I^ettres.  Paris,  Michel  Levy  Freres. 

Au**er  PiUüLina  sind  auch  diejenigen  Länder  aufgenom- 
men, die  in  dem  babylonischen  Talmud  bei  seiner  dortigen 
Abfassung  berücksichtigt  wurden. 

Nook.  Von  Eden  nach  Golgatha.  Leipzig  1868. 

Oserki.  Versuch  einer  Beschreibung  der  geologi- 
schen und  mineralogischen  Schätze  des  Oberlan- 
des von  Trans- Baikulien.  St.  Petersburg  1867. 

Oaburn.  The  holy  land,  past  and  present.  Ix>n- 
don  1868. 

Paris.  Obsorvntions  sur  )a  riviire  de  Kioto.  R6v. 
mar.  et  col.,  Vol.  XXIV,  1868. 

Pauthier.  Memoiree  sur  l’antiquito  de  Thistoire 
et  de  la  civilisation  chinoise.  Journal  As.  1867, 
Sept  — Oct. 

Petermann.  Ueber  die  Diulecto  der  Armenier  za 
Tiflis.  Abhandlung  der  Königl.  Akademie  zu 
Berlin,  1866. 

Perrot.  Exploration  archäologique  de  la  Galatie 
et  de  la  Bithynie.  Paris,  Fol.,  21.  Liefrg. 

Pinaon.  Etudes  orientales.  Lea  castes  du  Sud  de 
linde.  Revue  or.,  2^  Serie,  Nr.  4. 

Pijnappel.  Geographie  van  Nederlandsch  Indie. 
s'Graveuhage  1868. 

Perolaer.  Twanlf  honderd  palen  door  Midden- 
Java.  Breda  1868. 

Pina  de  Saint-Didier.  Note  sur  le  territoire  de 
Dell  (ile  de  Sumatra).  Bulletin  de  la  Societä  de 
la  Geographie,  V.  Serie,  XV,  1868. 

Pflzmayer.  Nachrichten  von  den  alten  Bewoh- 
nern des  heutigen  Corea.  Sonderabdruck  des 
Sitzungsberichtes  der  kaisorl.  Akademie  der  Wis- 
senschaften. Wien  1868,  8". 

Plohn,  v.  Reisebericht  von  der  Insel  Sachalin. 

Beiträge  zur  KcnntnU»  des  ru**i»cben  Reich*. 

Pruner  - Boy.  Description  d*un  erftne  de  Ghiliak 
et  Note  sur  les  Ghiliak.  Bullet,  de  la  Societe 
d’Anthrop.,  21**  Serie,  1867. 

49* 


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3H8 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Pumpelly.  Geological  researche.  in  China , Mon- 
golia  and  Japou.  Contribut.  Smiths,  Nr.  202, 
Washington. 


Rosny,  Leon  de.  Har  la  Geographie  st  rhistoire 
de  la  Coree.  M4m.  de  la  Soc.  d’Ethnogr.,  Rätr. 
Or.,  2110  Serie,  Paris  1867. 


RadloflT.  Die  Sprachen  der  türkischen  Stämme 
Süd  - Sibiriens  und  der  Dsungarischen  Steppe. 
Proben  der  Volksliteratur  der  türkischen  Stämme 
Süd-Sibiriens,  I.  Theil.  Die  Dialecte  des  eigent- 
lichen Altai,  der  Altajer  und  Teleuten,  Lel>ed- 
Tataren,  Schoren  und  Sojonen,  II.  Theil.  Die 
Abakan-Dialecte  (der  Sagai sehe,  Koibalische,  Kat- 
schinzische),  der  Kysyl  - Dialect  und  der  Tacho- 
lym-Dialect  (Küarik).  St.  Petersburg  1866  und 
1868. 

Da*  Vorwort  hciAcr  Bünde,  durch  Professor  Sc  hi  ofner 
geschrieben,  liefert  ergänzende  Parallelen  zu  rrrachicdeijcn 
Stellen  der  Baude.  Die  Sagen  enthalten  eine  Menge  de* 
werthvolUteu  Materials  für  die  ethnologische  Bearbeitung 
der  Stämme,  unter  denen  »io  gesammelt  sind. 

Rasonnet.  Ceylon,  Skizzen  seiner  Bewohner,  sei- 
nes Thier-  und  Pflauzenlebens  in  den  Ebenen 
und  dem  Hochgebirge,  sowie  Untersuchungen 
des  Meeresgrundes  mit  der  Taucherglocke  nahe 
der  Küste,  mit  26  Illustrationen,  1 Liefrg.  Fol. 
Braunschweig  1866. 

Der  Verfuier  dieses  Pracht  werk*  begleitet  jetzt  die 
österreichische  Expedition  nach  Ostasien. 

Ra  wlinson,  Sir  H.  T rad  e- Rout  es  bet  ween  Tu  t kestau 
and  India.  Proceediugs  of  the  Royal  Qeographical 
Society  of  London,  February  1869,  London, 
Wliitehall-Ploce  15. 

Ausrng  aus  einem  Bericht  über  die  Handelet rnssen  xwb 
scheu  Thibet  und  Central  • Asien  .'durch  Herrn  Korsjrth, 
den  mit  der  lieber»  aehung  des  Handels  in  Nord -Indien 
beauftragten  ßegierungsbevolluiichtigten)  und  Mil  theil  untren 
über  die  bcaWichtigte  Reise  des  Herrn  Ha v ward  von 
JelUlabud  durch  das  Chifral-Thal  uad  das  Thal  des  Ovu*. 
Johnson  bat  durch  seine  Reise  die  Existenz  und  offene 
.Strasse  von  Hehl  um  du*  Kuentun-Bcrge  hi*  zu  den  Chang- 
thnng-Ebrnen  nnchgcwicsen , so  dass  RSderkarrtO  vom  Hi- 
uialavü  bis  direct  m die  Ebenen  Central  • Asiens  gelangen 
kannten,  und  Forsyth  hot  weitere  Nachrichten  gesammelt 
Über  die  Changehenmo-  Strasse.  Gegenwärtig  wird  der 
Tbt«  uu*  dem  Innern  Chinaa  nach  Shanghay  und  Canton 
gebracht,  um  nach  Indien  verschifft  zu  werden.  Von 
Bombay  geht  er  und»  Kurrar -hee  und  von  Kurracfaet*  den 
Indus  aufwärt*  in  den  Punjaub,  durch  den  Khaibrr-Pas« 
noch  Kabul,  von  Kabul  nach  Kok  an,  dann  südöstlich  nach 
Kaschgar  und  wird  von  dort  durch  Central- Asien  vertheilt, 
whereas  if  the  propoaed  route  were  opened  out,  the  tea 
from  Assam  would  come  altnost  direct.  Instead  of  msik- 
ing  a cirruit  of  5000  miles,  it  would  po*a  over  about 
500  miles,  from  Assam  through  Tibet  straight  into  thi* 
verjr  countrv  of  Khotan,  Yarkand  and  Kashgar. 

Ru  wlinson,  Q.  History  of  ancient  Pereia. 

Der  vierte  Baud  von  den  fünf  Monarchien  des  Ostens 
(Chaldiia,  Assyria,  Babylouia,  Media  und  Prrsia). 


Saint -Martin,  de.  Apercu  generale  de  Plle  de 
Formoee.  Bulletin  de  laSociete  de  la  Geographie, 
V.  serie,  XV,  1868. 

Bespricht  die  geographischen,  ethnographischen  und  hi- 
storischen Verhältnisse  unter  Beifügung  einer  Bibliogra- 
phie. 

Sandroezki.  Warrens  Ausgrabungen  in  Jrrusa- 
letu.  Petermauu’s  Mittheiluugen,  1868,  S.  290. 

De  Saulcy.  Memoire  nur  la  nature  et  l’Age  re- 
spectif  de  divers  apparcils  dt*  lYnceiutoexlerieur* 
du  Haram  ech-Cherif  de  Jerusalem.  Memoire 
de  l’Iustil.  Impfe,  de  France,  XXVI,  1867. 

Sax.  Ueber  die  babylonische  Urgeschichte  und 
über  die  Nationalität  der  Kuschitcn  und  Chal- 
däer. Zeiiechr.  der  deutschen  morgenländischen 
Gesell»  haft,  XXI,  1868. 

In  der  chnldäischrn  Cuitur  wirkten  drei  Kactoren  zu- 
•ammen.  Acgyptisrhe  Colonialen  brachten  die  Wissen- 
schaften, namentlich  die  Natur-  und  die  Sternkunde,  die 
igvptischr  Philosophie  und  tiotterlehre , die  Bilderschrift 
und  die  Baukunst.  Die  Semiten  nahmen  diese  Elemente 
auf  und  nioditirirtcn  sie  dann  noch  ihrem  und  ihres  Ban- 
des Charakter.  Bald  kam  der  wichtige  Einfluss  der  er- 
obernden Kuschiteu  (wilde  FeUbewohner  der  tartariachen 
Völkerfamilie  aus  der  Urhciroath  am  Hinduku-h)  hinzu. 
Die  kuM-bitischrn  Magier  traten  neben  den  Chaldäern  als 
eine  Prteslerkaste  des  Lande«  auf  und  erhoben  «ich  über 
die  clialdäUihe  Kaste,  welche  u.  *.  w. 

Schlagintwclt  (E.).  Central  - Arien  westlich  vom 
Belurtagh.  Illustr.  d.  Mon.,  1868,  Jun. 

Schlagintwclt  (R.  v.).  Ein  Besteigungsversuch  des 
llu  Gatnin-Gipf  L.  Guea  1868. 

v.  Schlagintwclt -Sakünlünski  (H.  v.).  Keiseu 
in  Indien  und  Hochurien.  Jena  1869. 

Mittheilumren  au»  dem  Reisetagebuch  unter  Benutzung 
der  wissentehaftlichcn  Resultate. 

Schmidt.  Historischer  Bericht  über  die  Thätig- 
keit  der  physikalischen  Abtheilung  der  sibiri- 
schen Expedition  der  kaiserl.  ru&s  geographischen 
Gesellschaft,  Beitrag  zur  Kunde  dt»  ruts.  Reichs, 
XXV. 

Schmidt.  Erläuterungen  und  Bemerkungen  zu 
Hhet’unin’s  Karte  des  Amguin  und  Buneja- Ge- 
biet' *. 

Schott.  Altaiische  Studien.  Abhandlung  der 
Kfuiigl.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin, 
1867. 


Richard.  Notes  pour  »ervir  a Vethnographie  de 
la  Cocbinchine.  Revue  maritime  et  coloniale, 
Septbr.  1867. 

Mit  Scbädclmrsftungcf). 

Rosa.  Vitoit  to  Kej.  Kurrachee  1865. 


v.  Schrenck.  Reisen  und  Forschungen  im  Amur  laude 
in  den  Jahren  1854 — 1856,  Bd.  II,  Lfrg.  3,  Mol- 
lusken. St.  Petersburg  1868. 

Soinpor.  Reisen  in  den  Philippinen,  I.  Theil,  wis- 
»enschaftliclie  Resultate.  1/eipzig  1868. 


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389 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Shorring.  Tbr  Sacred  City  of  the  Hiudas,  1868, 
8®.  London,  Trübner  and  Comp. 

Während  Kergusson  den  Tempel  von  Bhohaueswar  in 
Orina  au*  dem  Jahre  657  p.  d.  ab  älteste*  Denkmal  der 
Hindu-Religion  in  Hindiutnn  ansieht,  glaubt  drr  Verfasser, 
das«  Benares  oder  Kasl  vor  dem  Aufschwung  de«  Buddhismus, 
der  dort  durch  die  Ruinen  von  Sarnuth  bezeugt  wird, 
schon  hrahinaoisch  gewesen.  Die  ältesten  Denkmäler  In- 
diens gehen  in  dm  l'feiiern  Asokas  nicht  über  diu  dritte 
Jahrhundert  a.  d.  hinaus,  und  ihr  Kehlen  i*t  mitunter  dar- 
aus erklärt,  dass  der  indische  und  assyrische  Baustyl  auf 
frühere  Hoizmodelle  deute,  im  Gegensatz  zu  dem  ursprüng- 
lich schon  steinernen  der  Aegvpter. 

Skatscbkof.  Die  geographiBchen  Kenntnisse  der 
Chinesen.  Petermann’n  Mittheilungeu,  X,  1868. 

| Dss  Khuan*«in*ts*  hghi  gun  tu  (Darstellung  der  Völker, 
die  der  in  China  herrschenden  Mndsghu  - Familie  Abgaben 
xahleu)  enthalt  zahlreiche  Abbildungen  von  Frauen  und 
Männern  in  den  Volkstrachten  der  verschiedenen  Länder 
Europa»,  Asiens  und  Amerikas. 

Soubciran  et  Delondre.  De  l’introduction  et  l’ac- 
dimatutiou  des  Chinchon&s  dans  \es  Indes  neer- 
landaiacs  et  dans  les  Indes  britanniques.  Paris 
1868.  Bulletin  de  la  Soc.  im  per.  et  col.  d’aed., 
2a*  st$rie,  IV. 

Sporer.  Die  Seezone  des  Baikasch  -A^kol  und 
das  Sieben -Stromland  mit  dem  Ili-  Becken.  Pe- 
terin&nn’s  Mittheilungen,  III,  VI,  XI. 

Nach  Russischen  Quellen  learbeitet  mit  zwei  Karten. 
Balkasch  und  Alakul  haben  r.orh  in  historischer  Zeit  ein 
einziges  Becken  gebildet , al*  dessen  abgetrenntes  Glied 
sieb  gegenwärtig  letztere  Seengrupp«  darstellt.  Westwärts 
von  Ssnssrk-kul  in  der  Richtung  zur  Nordostspitze  des 
Balk&ftch-hVes  bezeugt  ein  sandiger,  holzhaltiger  Tiefstrei- 
fen, titaktvn-kamkum  den  ehemaligen  Scebodcn  und  wäs- 
serigen Zusammenhang.  Die  Umgebungen  beider  Seen 
zeigen  deutliche  Spuren  jüngst  erfolgten  Austrockacn*. 

Stanley.  Account  of  an  Erabassy  front  Marocco 
to  Spain  1690 — 1091.  Journal  of  the  Royal 
As.  Society,  Vol.  III,  2,  1868. 

Aus  dem  Berichte  des  Gesandten  M ul  er  Isxnael'a. 

Stöbr.  II  vulcano  Tenggher.  Annuurio  della  Soc. 
dei  Naturalist*  in  Modcnu,  II,  1867. 

Swift.  Going  to  Jericho  or  Sketches  of  Travels  in 
Spain  and  in  the  East.  Sau-Francisco  1868. 

Taylor.  Rout«  front  Erzerura  to  Piarbekr.  Pro- 
cecdings  of  the  Royal  Geographical  Society,  Oct. 
1868. 

Unter  den  Ruinen  (mit  Spuren  pelasgi-wber  Bauten)  in 
der  Kälte  vou  Maxgcniu  wurde  eiuc  mit  ft**yri*cben  Cha- 
rakteren in  alt  armenischer  Sprache  geschriebene  Keilin- 
sehrifl  gefunden,  de«  Kuza,  Sohn  des  Arghisti,  who  was 
king  of  the  uiountains  of  Nairi  Arghi*ti  vu  coteropornry 
will»  Snrgon  aud  Senn.»eherib,  Ruxa  with  Ksur  Hsddon 
and  Asshur- bani-pnl  (Sardannpalu»)  660  a.  d.  (*.  Raw- 
linaon). 

Thomas.  Early  Sassanian  In&criptionB,  Seals  and 
Coins.  8°.  Trübner,  1868. 

Tischondorf.  Terro  Sainte.  Saint-Gennaiu  1868. 

Tissot.  Autiquites  de  l’ile  de  Rhodn*.  Revue 
nrcheol.,  Sept.  1868. 


Travels,  the,  of  a Hindoo  in  various  parts  of 
Bengal  and  Upper -ludia,  by  Bholonauth  Chun- 
der  with  an  introduction  by  Talbot  Wheeler, 
Vol.  I und  II,  London  18G9. 

Der  dunkle  Teint,  die  platte  Nase,  die  kleinen  Augen 
der  vedischrn  Da*yu>  sind  noch  an  ihren  Nachkommen 
kenntlich,  au  dcu  äonthal,  di«  (vor  der  Ankunft  der  ari- 
schen Race  im  Puiyaub)  Indien  oder  Cfdar  besetzten. 

Tremenhero.  Lower  Portion  of  tho  Indus.  Jour- 
nal of  tho  Royal  Goographical  Society  of  London, 
VoL  XXXVII. 

Da*  jetzt  südlich  von  Tatta  beginnende  Delta  de*  Indus 
scheint  früher  mehr  östlich  sich  gefunden  zu  haben. 

Vambery.  Ongataische  Sprachstudien.  Leipzig 
1867,  8°. 

Giebt  die  sprach  wissenschaftlichen  Resultate  seiner  mit- 
telasiatischen Reisen. 

Vamböry.  Lehen  und  Treiben  in  der  turkoma- 
nischen  Stadt  Chiva.  Globus,  Bd.  XIII,  Lfg.  1. 

Varannos,  dt»,  1*a  Cochinchine  fran^aise.  Paris 

18Ö8. 

Auszug  aus  der  Revue  dea  doux  Mondes  (1  5.  Februar 
16ÖSX 

Vorechaguino.  Voyago  dans  le*  provincee  du 
Caucaae,  trad.  du  russe  parM“.  et  Md.  le  Barbier. 
Le  Tour  du  Monde,  Nr.  428. 

Verkork  Pistorius.  Jets  over  de  slaven  en  af- 
stammelingc-n  van  elayen  in  de  Padangsche  Bo- 
vou landen.  Tijdachr.  voor  Nederl.  Indie,  1868. 

Vinson.  Le»  castes  du  sud  de  l’Inde.  Nancy  1868. 

Völkel.  Chilkofaki’s  Fahrt  auf  dem  Ssungari, 
1866.  lYtcrni.  Mittheilungen,  1868,  S.  345. 

Watson.  The  People  of  Irulia,  a seriös  of  photogra- 
phic  Illustration».  with  descriptive  letter  press  of  tho 
Races  and  Trihes  ol  Hindustan,  originally  pre- 
pared  under  tho  authority  of  the  Government  of 
India  and  reproduced  by  order  of  the  Secretary 
of  State  for  India  in  Council,  edited  by  J.  For- 
hes  Watson  and  John  William  Kaye,  Vol.  I und 
II,  London,  India  Museum,  1868. 

Die  berücksichtigten  Oertlichkeiten  sind,  da«  Hügelland 
von  Bhaugtilpnre  in  den  Sontbal  (Eingelwrne)  und  Pa* 
haris  (für  Eingeborn«  gehalten),  Behar  in  dcu  Mulllk  (Sun- 
niten), Mumihrah  (Hindu  niederer  Kasl«),  Kujwas,  l).«ndh, 
Ritjlmnsi  (Eingeborne),  Domes  (kostenlose  Hindu),  Sbaha- 
hod  in  den  Ahir  (Hindu);  Paiauiow  in  den  Cheroo  (Kinge- 
Cbota  Nagpore  in  den  Ornon  Colea  (Kmgebom«), 
Hos,  cbrisllicitc  Colea,  Korevrah,  Muudah,  Bhogtah,  Mar- 
waree;  Aa*am  in  den  Kharoti  (Wilde),  MishmU,  Singphu 
(Grenzalanun),  Meree*  (Hüirelstamm),  Khanyang,  Muttuck, 
Sonai,  Doonnrati  (Mischrace),  Knchnri  oder  Budos  (tibetisch); 
Cacliar  in  den  Nagas  (nmberschweiiend),  Kookie*  iRiuber- 
staiom);  Muuipur  in  den  Muuipuree*,  Rhotan  in  den  Bbo- 
tiineaen  (ti luetisch) , Ilbotias,  Lej^cha*  (Elngeb«irne)  mit 
Cheboo-Uma  au»  Sikkim  und  Lama;  Til*et  in  Tibeter  und 
Bhuiias ; Daijwliiu  »«  den  Mecliis  (tnn.s  - hi maiay Ischen 
Ursprungs);  Nepal  in  den  Suowant  (unter  - hlroalayiscben 
Ursprungs),  Limboo»  (Eingebornr),  Magar  (Kriegerstamm), 
Goorung,  Khns  (ühoorka»),  Newars  (Sklavcnbevölkcrung), 
Biinrns  (Zwetg  der  Newar),  Moerroi*  (tibetisch);  f>uda  in 


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390 


Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


den  Eni»  (Rnjputen),  Bhall  Sooltun  (Mahomodaner),  Cho- 
han  (Rftjputcn),  Raj  Kootrur,  Bqjgotees,  Gurgbo**«e»,  Bhur 
(vermut bliche  Eitjgeborne),  Teehur*,  Puce  (Hindu  niederer 
Ka*t*),  Pitthau  (Mahomedaner) , Sy«d  (Nachkomme»  von 
Mobamadaner) , Hobnai  (Hindu);  Benares  in  den  Bhat 
(Hindu),  Gungapootras,  tibautee&s,  Agborees,  Dundee», 
Bhur**,  Mirzapore  von  den  Mirzapore- Hügelleute  (vermutfc- 
lithe  Eingebornc) , 8yud  (von  Mnbomed  abgeleitet!;  Behar 
in  den  Koercea  (Hindu);  Allahabad  in  den  Ugnmlltbi 
(Hindoo) , Pathan  (oder  Afghanen) , Boondelah,  Bairagi, 
Cashmirer  (Sunnitei,  Misser-Brahmin  (VUbnnite);  Morabad 
in  den  Biahaoi  (Hindu),  Bukwt  (wahrscheinlich  Eii.geborne), 
Bbat  (Mohnnii’lanerl,  Nut  (Zigeuner).  Der  Dckkhau  würde 
eine  noch  reichere  Ausbeute  geben,  wenn  man  besonder»  aut 
diejenigen  Stimme  Rückaicht  nimmt,  in  denen  »ich  die 
ursprüngliche  Bevölkerung  zersplittert  bot , und  auf  die 
Varietäten,  die  »ich  unter  den  Kastenacheiduugeu  heran- 
gcbildet  haben.  Die  hier  befolgte  Eluthetlung  ist  ohne 
jede»  Syriern,  und  alud  die  beigeaeUten  Bezeichnungen 
wiedergegeben,  wie  »io  alch  finden,  obwohl  sie  meistens  so 
gut  wie  nichts  au»sagcn , oder  selbst  unrichtiges.  Immer 
bleibt  e*  jedoch  werthroll,  ein  so  reiche*  Material  bei- 
sammen zu  finden  und  das  Syatematisireu  wird  schon  früh 
genug  kommen.  Die  jctxt  in  Aaaaro  »nsäsrigrn  Khauyang, 
die  durch  die  Singpho  von  der  Pctkoe  - Kette  vertrieben 
wurden,  bildeten  einen  der  ältesten  Stimme  Birma**,  wiili- 
rend  des  Königreiches  Proue  in  den  ersten  Jahrhunderten 
vor  unserer  Zeitrechnung.  Ihre  eiccne  Bezeichnung  Hon 
Kam  oder  Mo  Noe  deutet  auf  den  Zusammenhang  mit  den 
Pcguero.  Die  MUser-Brahmancn,  die  Traditionen  von  einer 
Einwanderung  bewahrt  halten,  aiud  uut  Aegypten  (Mizraim) 
in  Beziehung  gebracht.  Die  Bhat  oder  Barden , die  die 
geschichtlichen  Oberlieferungen  in  ihren  Gesängen  hüten, 
hielt  man  früher  für  Abkömmlinge  eines  Cshatrya  und  einer 
Vaiajra-  Mutter , jetzt  heisst  es  sie  seien  einer  BraJimanln 
und  einem  Csbatrya- Vater  entsprossen,  obwohl  es  seit  Pa- 
rasu-Kama  keine  reinen  Cshutrya  mehr  geben  darf. 

W&Uace.  The  Malay  Arcbipelago.  London  ,1869. 


Whooler.  Ten  years  on  the  Euphrates.  Boston 
1808,  16°.  Ann.  Tr.  Soc. 

Wichura.  Aua  vier  Welttheilen.  Breslau,  Mor- 
genstern, 1868,  8*. 

Nach  dem  Tode  des  Verfassers  herausgrgelen , der  als 
Botaniker  die  preussisebe  Ktpeditiou  nach  Uriarien  beglei- 
tete. 

Williams.  Throngh  Burmali  to  Western  China. 
London  1868. 

Schon  früher  zum  Tbeil  im  Asiat.  Journal  of  Bengal 
erschienen. 

Williamson.  Notes  on  Manchuria.  Proceedings 
of  the  Royal  Geographical  Society,  Febr.  1869. 

Die  Manch«  sind  gri&attent  Heils  mich  Norden  gewandert 
und  Chinesen  aus  Shantung  haben  ihren  Platz  eingenom- 
men. Die  zurückgebliebenen  Eingeborenen  gewöhnen  «eh 
iui  ein  sesshaftes  Lehen  und  verähnlichen  sich  den  Chine- 
sen. Einige  der  Ackeren  reden  noch  Manch u,  aber  Alle 
verstehen  die  Mandarin -Sprache  de*  mündlichen  Verkehrs 
und  die  Knaben  lernen  aus  chinesischen  Büchern  in  den 
Schulen,  wie  in  den  anderen  Theilcn  des  Reiches.  In  WNU 
place»  the  youths  are  inrtrueted  in  the  Maoobu  cbnnctcr  atter 
they  are  iu<|uainted  with  the  Chinese,  but  such  iustance* 
are  rare  and  the  language  ia  evident  ly  dyiog  out. 

Wilaon.  The  Vishnu  Puranu.  London  1869, 
VoL  IV. 

Fünfter  und  sechster  Band  werden  folgen. 

Yulo.  Cntliay  and  the  way  thither.  Iioudon  1867, 
8°.  2 Vol. 

Zerboni  di  Spoaetti.  Der  Orient  und  seine  cul- 
turgeschicht liehe  Bedeutung.  Wien  1868,  8®. 

Viel  Gerede,  mit  hie  und  da  treflenden  Ideen  und  rich- 
tig aufgefiustcn  Anschauungen. 


Australien  und  Oceanien. 

(Von  Prof.  Meinicke  in  Dresden.) 


Archer.  The  progress  of  Victoria,  a statistical 
essay.  Melbourne  1867,  8°. 

Baker.  Die  Ermordung  des  Missionar  B.  auf  den 
Fidschiinseln.  Globus,  1868,  Januar. 

Beckor.  Australische  Reiseekizzen.  Ausland,  1868, 
Nr.  8 ff. 

Betrach  taugen  über  die  australische  Natur  von  geringer 
Bedeutung. 

Becklor.  Corrobori.  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis« 
der  Musik  bei  den  australischen  Ureinwohnern. 
Globus,  1868,  Februar. 

Bourgey.  Voyage  ä travers  la  Nouv.  Caledonie 
de  Kanals  & Noumea.  Nouv.  Annal.  des  voya- 
ges,  1867,  Dezember. 

Von  geringer  Bedeutung. 

Brigham.  Notes  of  the  volcanoos  of  the  llawaiian 
islands  with  a history  of  their  various  eruptions. 
Boeton  1808,  12“ 

Cadcll.  Extract  from  a letter  frotu  Capt.  C.  ootn- 


inanding  the  South  australian  exploring  expedl- 
tion  on  the  North  coast  of  Austral  in-  Proceedings 
of  the  Royal  Geographical  Society,  1868,  S.  201. 

Cadcll.  Die  zweite  Northern  Expedition.  Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdknnde  in  Berlin, 
1868,  ThL  3,  S.  74  f.  und  273  f. 

Clarke.  The  auriferons  and  otlier  inetalliferous 
districts  of  Northern  Queensland.  Proceedings 
of  the  Royal  Geographical  Society,  1868,  S.  138. 

Cracknell.  Rxtension  of  electric  Telegraph  lines 
in  Queensland.  Proceedings  of  the  Royal  Geo- 
graphical Society,  1868,  S.  54. 

Dubois.  La  Polynesie,  ses  archipcla  et  ses  raccs. 
Le  CorreBpondant,  1868,  den  10.  Juli. 

Eruptions  of  Mauna  Loa.  Nautic&l  Magazine, 
1868,  September  und  October. 

Piji  islands.  Nantical  Magazine,  1868,  Juni  uml 
Dezember. 


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391 


Verzeichnisa  der  anthropologischen  Literatur. 


Fischer.  Di©  Erforschung  des  australischen  Con- 
tinents.  Tilsit  1867,  4‘*.  (Programm  des  Gym- 
nasiums.) 

Forostier,  Visite  de  la  Bonito  & Tana  et  Vate. 
Nouv.  Annal.  des  voyages,  1868,  Dezember. 

Rein  hydrographischen  Inhalte. 

Garnier.  Voyage  dans  la  Nouv.  Caledonie.  Tour 
du  Monde,  Nr.  444  f. 

E*  lat  die  ForlMitiaiig  der  in  dem  vorigen  Verzeichn!« 
($.  I7ri)  angeführten  Arbeit  und  wenn  «ach  blow  für  die 
Unterhaltung  des  grösseren  l’uhlikutu*  brntioimt,  doch 
nicht  ohne  Interesse  für  die  Kenntnis»  der  Neukaledo- 
nier. 

Garnier.  La  nouvello  Caledouie.  Revue  de«  cours 
litteraireB,  1868,  Nr.  29. 

Garnier.  Note  nur  la  nouvello  Caledonie.  Bulle- 
tin de  la  Societe  de  Geographie,  Thl.  15,  S. 
453  f.  # 

Garnier.  Essay  sur  la  Geologie  do  la  nou veile  Ca- 
ledonie et  sur  »es  ressources  minerales.  Annalen 
des  minus,  1867. 

Garnier.  Lfile  Talti.  Bulletin  de  la  Sociote  de 
Geographie,  1868,  Thl.  2,  S.  447  f. 

Die  Abhandlung  handelt  von  der  Natur  und  den  Be- 
wohnern Tahiti»,  ist  aber  von  geringer  Bedeutung. 

Grad.  Statist  ique  des  colonies  anglaises  en  Au* 
stralie.  Nouv.  Annal.  des  voyages,  April  1868. 

GraofTo.  Reisen  in  der  Südsee.  Ausland,  Thl.  40, 
S.  439  f.  und  41,  S.  529  f. 

Die  Arbeit  enthält  höchst  schätzbare  Nachrichten  über 
bisher  ganz  unbekannte  lnwln  des  stillen  Oceans,  Ninao- 
fou,  Uwea,  Kotuna  und  die  Gruppe  der  sogenannten  Ellice- 
inseln  (die  Laguneninselu  der  englischen  Missionare);  sie 
ut  besonders  wichtig  für  die  natürliche  Beschaffenheit, 
doch  auch  nicht  ohne  Interesse  für  die  Kenutniae  ihrer 
Bewohner,  wenngleich  das  Unheil  des  Verfasser*  die*« 
bctrrflend  nicht  ganz  uugetriibt  »ein  dürfte. 

Graoffo.  Reisen  durch  das  Inner©  von  Vitilevu. 
Ausland,  1868,  Nr.  9. 

Von  dieser  Arbeit,  die  ein  Auazug  aus  einer  von  der 
Schweizer  naturforschenden  Gesellschaft  puhlicirten  Abhand- 
lung Ut,  gilt  UiiMclbe,  was  von  der  vorigen  getagt  ist. 

[GrÖflVathj.  Sterblichkeit  in  Australien.  Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  1868, 
Thl.  3,  S.  373  f. 

[Gröffrath],  Der  Far  north  in  Südaustralien. 
Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  Thl.  3, 
& 368  f. 

[Gr&ffrath].  Die  zur  Coloni©  Wostaustralien  ge- 
hörende Filialcolonie  Nickolbay.  Zeitschrift  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde,  Thl.  3,  S.  375  f. 

[Gr8fTrath|.  Die  von  Hovley  aufgefundene  Over- 
landroute zwischen  Geraldinc  Mine  und  der  neuen 
Ansiedlung  an  der  Nickolbay.  Zeitschrift  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde,  Thl.  3,  S.  281  £ 


[GrftfiYath].  Zur  Statistik  der  australischen  Colo- 
nie  Tasmanien.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde,  Thl.  3,  S.  170  f. 

Haast.  Altitude  sections  of  the  princip&l  routes 
between  the  East  and  Westwasts  of  the  province 
of  Canterbury,  New  Ze&land,  across  the  Sou- 
thern Alps.  Journal  of  the  Royal  Geographieal 
Society,  1868,  S.  328  f. 

Diese  interessante  Arbeit  de»  bekannten  Verfasser*  ent- 
hält eine  übersichtliche  Schilderung  der  btt  jetzt  bekann- 
ten fünf  Pi**«,  welche  da*  Hochgebirge  der  »ogenannteii 
tödlichen  Alpen  Neuseeland*  durrhschnriden , mit  zahlrei- 
chen Hohemucatungvn. 

Haast.  Reisen  von  Christchurch  auf  Neuseeland 
nach  den  Goldfeldern  der  Westküste  im  Jahre 
1865.  Mittheilungen  der  k.  k.  geographischen 
Gesellschaft  in  Wien.  N.  F.  1868,  S.  132  f., 
189  f. 

Eine  genaue,  eben  so  lebhafte,  alt  gründliche  Schilde- 
rung einer  Reite  über  den  nördlichsten  der  fünf  eben  er- 
wähnten Pässe,  den  llarperpa**. 

Haast.  Neueste  Forschungen  in  den  neuseeländi- 
schen  Alpen,  März  und  .April  1868.  Petermann’s 
Mitthoilungen,  1868,  September. 

Vorläufige  Mittheilung  der  Resultate  einer  Entdeckung»- 
rci»e  an  der  Westküste  Neuseeland*  Süden  flokitika. 

Jahresbericht  des  prouseischen  Consulats  zu  Sid- 
ney  für  1866.  PreussiRches  Handelsarchiv,  1868, 
Nr.  28. 

Jahresbericht  des  preußischen  Consulats  zu  Mel- 
bourne für  1865  und  1866.  I’reuBsi&ches  Ilan- 
delsarchiv,  1867,  Nr.  51. 

Jahresbericht  de»  prenssischen  Consulat  zu  Bris- 
bane für  1867.  Preussisches  Handolßarchiv,  1868, 
Nr.  43.  • 

Jahresbericht  des  preussischen  Consulats  zu  Ho- 
nolulu für  1867.  Preussisches  Handelsarchiv, 
1868,  Nr.  5,  45. 

James  islands,  Pacific  ocean.  Naut.  Magazine, 
1868,  October. 

Kennedy.  On  the  soil  and  natural  features  of 
theMidway  island  group.  Naut  Magazine,  1868, 
Mai.  , 

Landsbor ough.  Exploration  of  the  mouth  of  the 
FlinderBriver.  Proceedings  of  the  Royal  Geogra- 
phical  Society,  1868.  S.  56. 

Ein«  Erforschung  der  Mündung  diene*  in  den  Karpenfe- 
riagolf  mündenden  Flusses , deren  Ergebnisse  von  geringer 
Bedeutung  «ind. 

J.  K.  M.  Th©  Mary  Ira,  being  tho  Narrative 
Journal  of  u yochting  expedition  from  Auckland 
to  the  Southsca  islands  and  a pedestrian  tour  in 
r uew  district  of  the  Nowzealand  bush.  London 
1868,  8°. 

Martin.  Noticu  sur  les  ilesliawal.  Paris  1867,  8°. 


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392 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Meinicke.  Die  Penrhyn,  Tokelau  und  Lagunen- 
insein. Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde, 
Thl.  3,  S.  112  f. 

Meinicke.  Major  Warburtons  Entdeckung  des 
unteren  Racku.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde,  1868,  Thl.  3,  S.  1 f. 

Naimayer.  Project  zur  wie«  nacbaftlicheo  Erfor- 
schung Centralaustraliens.  Petermanns  Mitthei- 
lungen, Dezember  1868. 

Kin  Au«ug  aus  rwei  Abhandlungen  Naimayer’«,  die 
der  Royal  Society  in  Melbourne  und  der  Royal  Geogra- 
phical  Society  in  london  vorgelegt  bind,  nicht  ohne  roan- 
nkhfacho  Hypothesen  über  die  Natur  und  Bildung  C«n- 
tralanstmlienx , wie  sie  nirgends  so  bedenklich  und  trüge- 
risch sind  als  in  der  Geographie  Australiens. 

Notes  from  H.  M.  Ships  on  sotne  islands  of  the 
South  pacific  ocean.  Xautical  Magazine,  1868, 
August. 

Oparo.  Die  Australinsel  Oparo  oder  Rapa  im 
grossen  öccan.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde,  Thl.  3,  S.  175  f. 

Oparo.  Die  Insel  Oparo  im  grossen  Ocean  hIb 
Kohlendepot  und  ihre  Stellung  unter  das  fran- 
zösische Protectorat  von  Tahiti.  Petermanna 
Mittheilungen,  1867,  Dezember  und  1868,  Juni. 

Owhyheo,  the  port  of  Hilo  or  Wainkeanbay.  Nau- 
tical  Magazine,  1868,  August. 

Rayn&l.  Dixneuf  inois  aux  lies  Auckland.  Bul- 
letin de  la  Societu  de  Geographie,  Thl.  15, 
S.  468  f. 

Schilderung  des  bekannten  SihüVbruch«  des  Capitain 
Musgrave  an  diesen  Inseln  von  etoem  Augenzeugen. 

Petermann.  Ein  Flussdolta  im  Inneren  von  Au- 
stralien und  die  'neuesten  Entdeckungen  von 
Warburton  und  deutschen  Missionaren.  1866  und 
1867.  Petermann's  Mittheilungen,  Dezember 
1867. 


The  reciprodty  treaty  with  the  Sandwich  islands 
os  a measure  of  state  and  national  politv.  Nau- 
tical  Magazine,  1868,  April. 

Bericht  der  Handelskammer  von  8.  Francesco  über 
diesen  Vertrug. 

Roynold’a.  On  Midway  or  Brooks  islands,  Ocean 
islands  and  Pearl  and  Hermes  reefs.  Xautical 
Magazine,  1866,  Mai. 

Ridley.  Kamilaroi,  Dippil  and  Turubul  lang  tut  ges, 
spoken  by  Australian  aborigines.  Sidney  1866, 
4« 

Di«  drei  genannten  Stämme  «ahnen  uro  oberen  Laufe 
de«  Flu»*«*  Balun  im  südlichen  Theile  der  Colonie  Queens- 
land. 

Rouhaud.  Les  regions  nou veiles,  histoire  du  coui- 
merce  et  de  la  civilisatiou  au  nord  du  l’ocenn 
pacifique.  Paris  1868,  8°. 

Sandwich  islands.  Late  volcanfc  ernption.  Nau- 
tical  Magazine,  1868,  August. 

Sandwich  ialands.  A sketch  at  Hawaii  and  so- 
mething  about  the  Mormons  of  the  S.  J.  Xau- 
tical Magazine,  1868,  Mürz. 

Sandwich  islands.  Tho  S.  J. , their  annexation 
to  America,  as  viewed  by  the  Natives  and  their 
Government.  Nautical  Magazine,  1868,  Juli. 

Southland.  The  provinc*  of  S.,  a new  field  for 
pastoral  and  agricutturial  pursuits.  Invirsargile 
1868,  8®. 

Taylor.  The  part  and  present  of  Newzealand 
with  its  prospects  for  the  future.  London 
1868,  8°. 

The  Volcano  of  Owhyhee.  Xautical  Magazine, 
1868,  Juni. 

Walton.  Projet  de  creation  d’une  colonie  peni- 
tentiaire  aux  nouv.  Hebriden.  Brüssel  1868,  8°. 


Afrika. 

(Von  Professor  R.  Hartmann  in  Berlin.) 


d’Abb&die,  Arnauld.  Douze  ans  dans  la  Haute- 
Ethiopie  (Abyssinie).  Paris  1868,  8°.  Tome  I, 
XJI.  616  8. 

Schildert  die  Bewohner  der  Awolaa  oder  Niederlande, 
der  Woena-Degas  oder  mittleren  und  der  Degas  oder  ab- 
soluten Hochlande,  nach  ihren  typisch«*  Merkmalen. 

Adams,  W.  H.  D.  Valley  of  the  Nile;  its  torobs, 
temples  and  monuments.  London  1868,  8°. 
224  S. 

Ampöro,  J.  J.  Voyage  en  Egypte  et  en  Nubie. 
Paris  1868,  Tome  XXIII.  583  S. 

Schilderungen  des  altagypt Ischen  Kastenwesens.  Bemer- 
kungen über  die  Kunst  und  den  Getterdienst  der  Alten. 


Annuairo  du  Senegal  et  dependances  pour  Pan- 
ne«  1868.  St.  Louis  1868.  167  S. 

Dies  Blstt  i>t  stet«  reichhaltig  an  ethnologischem  Material. 

Baker,  Sam.  Whito.  The  Nile  Tributaries  of 
Abyssinia  and  the  Sword  Hunters  of  the  llumran 
Arabs.  3 4 Edition,  London  1868,  8°.  572  S. 

Knthiilt  Schilderungen  der  äthiopischen  h'omadenstämiiif, 
namentlich  der  Haiurln. 

Bakor,  Sam.  Whito.  Die  Nilzuflüsse  in  Abysai- 
nien.  Forschungsreisen  vom  Atbara  zum  blauen 
Nil  und  Jagden  in  Wüsten  und  Wildnissen.  Auto- 
risirte  deutsche  Ausgabe  von  F.  Stcger.  2 Bde. 
8°.  Braunschweig  1 868. 


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393 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Bailiiere,  H.  En  Egypte,  Alexandrie,  Port-Said, 
Suez,  le  Caire.  Journal  d’un  Jou  riete.  Paria 
1868,  8». 

Beule.  Dicouvert»  a Cyrt-ne.  Journal  de«  Sa- 
vant?,  Mai  1868.  & 273—291. 

Bisson,  Comte  B.  du.  Itinerairo  chez  les  Bazen, 
et  de  Kaasala  ü So  ui» kirn  (1865).  Bulletin  de 
la  Socilte  de  Geographie,  Juillet  1868.  S.  5 — 19. 

Der  durch  *ein«u  utantcuurUchrii  Zug  nach  Taka  be- 
kannte Verfasacr  giebt  im  oben  erwähnten  Aufsätze  einige 
ethnologische  Notizen  ül»er  die  Ba»enn. 

Brenner,  Bich.  Heine  in  den  Galla-Ländern,  1867 
— 1868.  Vorläufige  Mittheilungen.  Petemiann’s 
Mittheilungen,  1868,  Nr.  5,  Mai,  S.  175 — 179. 

Brenner,  Bich.  Forschungen  in  Ost-Afrika,  Das- 
selbe Nr.  10,  October,  S.  361 — 367. 

Brennor,  Bich.  Derniers  renseignements  relatifs 
ä l’expedition  entreprise  par  le  Baron  de  Decken 
dans  l’Afrique  orientale.  Annalea  des  voyagea, 
Novewbre  1868.  S.  161—172. 

Verfasser  giebt  Nachrichten  über  die  Somali  und  Galla 
der  östlichen  Territorien.  Derselbe  hat  einen  «ehr  Intelli- 
genten Knaben,  Djilo  Ware  KrUocnnvnrkn  mit  Namen,  vom 
.Stumme  der  Ktdoldu  - Gala , mitgebracht , welchen  er  zur 
Zeit  in  seiner  Vaterstadt  Merseburg  erziehen  lasst. 

Bourguignat,  J.  B.  Souvenirs  d'une  exploration 
scientifique  dans  le  Nord  de  l’Afrique.  II.  Etüde 
geologique  et  pallontologique  des  hauts  plateaux 
de  T Atlas  entre  Bogh&r  et  Tiharet,  Paria  1868, 
4°.  Planche». 

Census.  ,Der  erste  Census  in  der  Bay-Colonie, 
März  1865.  Petermanns  Mittheilungen,  1868, 
Nr.  1.  S.  14—2$. 

Ei  befanden  sich  zar  Angegebnen  Zeit  in  der  tolonic: 
181  592  Europäer,  81  598  Hottentotten,  100  538  Kaffer». 
132  655  Hiuauto*  und  andere  Eingeborene. 

Castilho,  A.  M.  de.  Deacrip^no  o Roteiro  da 
Costa  Occidental  de  Africa,  desde  o Cabo  de  Es- 
partul  atc  ö das  Agulhas.  Lisboa  1866,  8°.  C. 
Cartag. 

Chaillu,  P.  du.  L’Afrique  sau  vage.  Paria  1868, 
8®.  412  S. 

Französische  Bearbeitung  von  du  ChaillaV  A»hnngo- 
Land  mit  den»  volUtilndigeu  anthropologischen  Anhänge 
Owen**.  Leider  i*t  eit»  Theil  der  begleitenden  Illast  rn- 
tionen  durch  alle  möglichen,  weit  eher  nach  Norwegeu, 
Indien  und  nach  Li  v in  ge  tone1«  Forschungsgebiet  als 
nach  Guinea  pawmicn  dicht1*  verunziert.  Die  Verlngs- 
handlung  hat  «ich  hierdurch  eine»  wahren  Plagiate«  whul- 
dig  gemacht. 

Champollion,  le  jeune.  I^ettres  ecritea  d’Egypte 
et  de  Nubie  en  1828  et  1829.  Nouvelle  edition. 
Paris  1868,  8». 

Chapman,  J.  Travels  in  the  interior  of  South 
Africa;  coraprisiug  fifleen  yearB  huntiug  and 
trading  experiences,  joumey  acroas  the  continent 
from  Natal  to  Walwich  Bay,  and  visita  to  lake 

Archiv,  für  Anthropologin.  Il-J.  HZ.  lieft  8. 


Nyami  and  the  Victoria  falls.  London  1868, 
2 Volume,  8®. 

Reich  an  zoologischen  Notizen.  Messungen  von  Tliier- 
körpern.  In  anthropologischer  Hinsicht  ziemlich 
dürftig. 

Cliorbonneau.  Obeervations  sur  Porigine  et  la 
formation  du  langage  africain.  Revue  africaine, 
Nr.  67,  Janvier  1868.  8.  69 — 78. 

„L’origine  de  Tidiome  africain  cat  La  langue  arsbe  pro- 
preinent  dite*  1 

Cherbonneau.  Excursion  dann  les  ruines  de  Mila, 
Sufevar,  Sila  et  Sigus,  pendant  l’etö  en  1863. 
Constantioe  1868,  8Ü.  64  S. 

(Extrnita  de»  Memolios  de  1a  Sociotä  de  Coustuntine.) 

Daux.  Etudes  sur  Utique  et  sc*  environa.  Me- 
moire lu  ä PAcademie  des  inscriptious  dans  ses 
seances  du  moi»  d’Avril.  Compt.  rend.,  Avril 
1868.  S.  148—177. 

Duemiohen,  Joh.  Die  Flotte  einer  ägyptischen 
Königin  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  vor  unserer 
Zeitrechnung  und  ultägyptisches  Militär  in  fest- 
lichem Aufzuge  auf  einem  Monumente  derselben 
Zeit  abgebildet.  Als  ein  Beitrag  zur  Geschichte 
der  Schifffahrt  und  des  Handels  im  Alterthum- 
Leipzig  1868.  Querfolio.  21  S.,  32  Tafeln. 

Reich  an  ethnologischen  Details  Über  Alliigypten  uud 
die  Küstengebiete  des  rothen  Meere*  zu  jenen  fendiegen- 
den  Zeiten. 

Duhouseet,  E.  Lea  races  Algerien  »es;  los  Kaby- 
les  du  Djour^joura,  Memoire  presente  k l’Aca- 
demie  des  Sciences,  le  30  Mars  1868.  Rlvue 
des  cours  scientif«,  Nr.  19,  Avril  11.  S.  308 — 
312. 

Anthropologische  Arbeit  über  die  sogenannten  Kabylra, 
welche  den  Intendanten,  mit  wutructiven  Abbildungen 
AusgRstatteton  AutVotz  de«  vicJgewAndcrtcn  Verfasser* 
aber  die  groa.se  Kabylio  iin  Tour  du  Monde  ergänzt  und 
»ich  dfrn  Etudes  vntiiropologiques  sur  soivnnte-seixe  irnli- 
gene#  de  l'Alg^rie  des  Dr.  GH  lebe  rt  d 'Hercourt  in 
Mem.  de  la  8oci$t£  Anthropol.  111.  Band  (1868),  S.  1— 
93.  gut  nnreihen  lasst. 

Dufeau,  A.  Fragment  d’un  recit  do  voyage  dans 
la  Hauto-Nubie.  Etudes  rlligieuses,  historiques 
et  litter.  par  des  Peres  de  la  Compagnie  de  Jl- 
sus.  Avril  1868.  S.  453—481. 

Verfasser  »ehildert  den  mibitwhen  Bcduinenslazmn  dev 
Abäbdeh,  welche  nach  ihm  eine  besondere,  zwischen  Aegyp- 
ten» und  Arabern  stehende  Rare  bilden  tollen. 

Ebers,  G.  Aegypten  und  die  Bücber  Moaes.  Sach- 
licher Commentar  zu  den  ägyptischen  Stellen  in 
Genesis  und  Exodus.  Leipzig  1868,  8®. 

Faulkner,  H.  Elephant  haunt«;  being  a Sporta- 
mans  Narrative  of  the  search  for  Dr.  Living- 
atoue.  With  sccnes  of  elephant,  buffalo  and  hip- 
popotamus  hunting.  London  1868,  8®. 

JagdgctchicUtrn  in  Bai dw ln1  «eher  Manier  ohne  wmen- 
schaftlichcD  Werth. 

Feraud,  L.  Tournee  dans  la  province  de  Con- 

50 


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3Ö4 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


staDtine,  1867.  Rüvue  afric&ine , Kr.  67,  Janv. 
1668.  S.  47—60. 

Ethnologische  Schilderung  de*  Staauon  Abd-4-Nür. 

Fritsch,  Gust.  Drei  Jahre  in  Südafrika.  Reise- 
skizzen  nach  Notizen  des  Tagebuches  zusammen- 
gestellt.  Mit  zahlreichen  Illustrationen  nach 
Photographien  und  Originalzeichnungen  des  Ver- 
fassers u.  s.  w.  Breslau  1868,  8°.  410  S. 

Enthält  riete  Bemerkungen  über  die  südafrikanischen 
Eingeborenen,  aovia  eine  Anzahl  *chr  gelungener  Abbll- 
dungen  von  Rncenportrlt»,  Gruppen  u.  «.  w. 

Godard,  Ern.  Egypte  et  Palästina.  Ohsorvations 
medical  es  et  BcientiHques  uv  ec  une  preface  pur 
M.  Chr.  Robin.  Paris  1867,  8°.  XIU,  438  S. 
und  Atl.  in  4°. 

Abhandlungen  über  Krankheiten,  Erziehung  der  Kinder, 
die  Helrath,  geschlechtlichen  Unfug,  Eunuchen,  Haremwc- 
neu;  kurze  Beschreibung  einiger  Rocentvpen  aus  Aegypten, 
Nubien  und  Sudan.  Abbildungen  der  letzteren,  obwohl 
meist  nur  in  l'mrisauianier  darge*tellt , dennoch  recht 
brauchbar. 

Gubcrnatis,  E.  de.  Lottere  sulla  Tunisia,  o spe- 
cialmente  sulla  provincia  di  Susa  e Monostir; 
con  aggiunta  di  due  lettere  nrcheologiche  di  Or. 
Antinori.  Firenze  1868,  16°.  382  S. 

Hahn,  Theopb.  Da«  Land  der  Ovaherero  (Da- 
mara).  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
zu  Berlin,  1868. 

Schilderung  des  merkwürdigen  Gebietes.  Die  botani- 
schen und  zoologischen  Notizen  leiden  mehrfach  an  Unge- 
nauigkeiten. 

Hanoteau,  A.  Poesie»  populoires  de  la  Kabylie 
du  Jurjura,  texte  Kabyle  et  traduction.  Alger 
1867,  1 Vol.  8*. 

Horsten,  O.  Zur  Völkerkunde  Ost-Afrikas.  Secl»- 
tcr  Jahresbericht  des  Vereins  von  Freunden  der 
Erdkunde,  1866.  Leipzig  1868,  S.  113 — 120. 

ücber  geistige  Zustände  und  Sprache  der  Suaheli. 

Linant,  d©  Bellefonds.  L’Esbaye,  pays  habite 
par  les  Arabes  Bicharveh.  Geographie,  ethuolo- 
gie,  mines  dfor.  Paris  1868,  8°.  Atl. 

Schildert  das  physische  und  psychische  Wesen  derBcscluirin. 

Mage,  M.  E.  Voyage  dans  le  Soudan  occidentnl. 
Paris  1868,  gr.  in  8°.  XII.  694  8. 

Ist  reich  an  Bemerkungen  über  die  ethnologischen  Ver- 
hältnisse West-Sudans,  namentlich  über  die  Damnntu,  Ful- 
lan  und  Kunta.  Sehr  instructire,  schön  autge- 
führte  Illustrationen. 

Marietto-Bey , A.  Fouilles  oxe-cut^es  en  Egypte, 
cn  Nubie  et  au  Soudan,  d'apri-s  les  ordres  de  S. 
A.  le  vice-roi  d’Egypte.  Tome  II,  Paris  1868. 
Fol.  113  S.  und  61  Tafeln.  (Baud  I erscheint 
später.) 

Beleuchtet  unter  anderen  die  interessanten  Culturver- 
bältnisse  des  von  Tahorga  gegründeten  Aethiopenreiches, 
im  heutigen  Dar-Schcgieli, 

Markharn,  CI.  R.  ()n  the  phyncal  geogrnphy  of 
the  portion  of  Abyssinia  traverwd  by  english 


expeditionary  force.  Athcnaeum,  Nr.  2131.  S. 
279. 

Nott  and  Gliddon.  Types  of  Mankind:  or  Ktb- 
nological  Researches,  baeed  upon  the  ancient  mo* 
numerits,  paintings,  sculptures,  and  crania  of  ra- 
oes  etc.  IX.  edition.  Philadelphia  1868,  gr.  8*. 
738  S. 

Berücksichtigt  namentlich  die  afrikanische  und  sehr 
eingehend  die  altägyptische  Ethuologie.  Enthält  viele 
Auszüge  aus  8.  G.  Morton’»  hinterlassenen  Papieren. 

Niamniara,  Land  der,  und  die  südwestliche  Was- 
serscheide de»  Nil,  nach  den  Berichten  von  C. 
Pioggia  und  den  Brüdern  Poncet-  Petermann’s 
Mittheilungen,  1868,  Nr.  11,  S.  412—426. 

Werthvolle  Zusammenstellung  «les  über  da»  merkwürdige 
Volk  neuerlich  bekauut  Gewordenen.  Freilich  erscheinen 
die  „IJciiHeiguemcnt*“  des  berüchtigten  bklavenjägvr*  J. 
Poncet  dabei  am  Höchsten  und  unbrauchbarsten.  iHe  ge- 
diegensten Nachrichtcu  Uber  diesen  Gegenstand  ent  halt  uu- 
x weilel  halt  der  von  i>r.  A.  Brehin  in  der  Junisitzung 
1868  der  Ge*eU*chaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  gehaltene, 
aus  den  Nachrichten  von  Th.  v.  Heuglin  bearbeitete 
Vortrag,  weicher  demnächst  gedruckt  erscheinen  wird. 

Oliyier,  M.  G.  Recherche»  nur  l'oritrine  des  Ber- 
beres.  Bulletins  de  TAcadümie  d’Hippoue,  Nr.  5, 
Bö  ne  1868,  8®. 

Macht  den  Versuch,  die  Berbern  (Kabylen)  mit  den 
Ariern  in  verwandtschaftliche  Beziehung  zu  bringen!!). 

Rassam,  R.  Narrative  of  the  British  Mission  to 
Theodore  emperor  of  Abyssinia.  London  1868,  8°. 

Rohlfa,  G.  Von  Magdala  nach  Lolibala,  Sokota 
und  Antalo.  Petermann’s  Mittheilungen,  1868, 
Nr.  9,  S.  313—324. 

Rohlfa,  G.  Der  Aschaugi-See  in  Abywnnien.  Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin, 
1868,  UL  BcL,  S.  229—232. ' 

Hohlf’s  hier  genannte  Arbeiten  cntluvlten  zerstreute 
ethnologische  Bemerkungen. 

Schmidt,  F.  Abriss  der  Schva-Galla-Grammatik. 
Zeitschrift  der  deutschen  Aiorgenl.  Gesellschaft, 
Bd.  XXII,  S.  225—248.  Leipzig  1868. 

Liefert  nebst  Heu  rin  nun'»  GUtaaar  der  Tigre-Sprache 
im  VI.  Jahresbericht  de»  Verein»  von  Freunden  der  Erd- 
kunde zu  Leipzig  (IHtiÜ),  daselbst  188«,  S 31 — 111, 
einen  werthvollen  Beitrag  zur  Kenntnis«  der  ostafrikani- 
»chen  Idiome. 

Stern.  The  captive  Missionary ; being  an  account 
of  onr  imprisonment  and  suffering«  in  Abyssinia. 
London  1868,  8°. 

Die  brutale  Behandlung  der  europliachen  Gefangenen 
und  der  kurze  Feldzug  der  Engländer  in  Abräumen  haben, 
wm?  »ich  Tornuaaehen  liest,  eine  wahre  Fluth  von  »eichten 
Büchern  berrorgerufen , au»  deren  keinem  untere  Wirrea- 
, »chait  auch  nur  den  geringsten  Vortheil  zu  ziehen  vermag. 
Am  interessantesten  sind  in  dieser  Hinsicht  immer  noch 
die  »einer  Zeit,  d.  h.  in  den  Monaten  December  bi* 
Mai  18ÜN  in  den  llluslratcd  London  News  erschienenen 
Abbildungen,  welche  einige  ethnologisch  brnurhhare  Typen 
enthalten  und  jetzt  in  einer  SeparutzusammensleHung  von 
•ler  Redactiou  der  News  zu  bcr!c‘ien  sind. 

Trav.'l»  in  AbyBsiui«  und  the  Galla  country.  Kdi- 


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Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur.  395 


ted  frorn  the  U»  of  the  late  Walter  Plowden, 
by  his  brother#T.  C.  Plowden.  London  1868,8°. 

Reiscmemoirrn  de*  bekannten  weiland  Lika-Jlrnkua*  von 
König  Thexlrü*-Ka*n  von  Harsch,  ohne  wissenschaftlichen 
Werth. 

Wilkinson,  T.  On  tlio  natives  of  Madagascar. 
Journal  of  the  Anthropological  Society,  VoL  V, 
1867.  S.  CLVI  - CUX. 


Wood,  J.  G.  The  natural  history  of  man.  I VoL, 
Africa.  London  1868,  gr.  8°.  V1IL  774  S. 

Viele,  zum  Th  eil  gaas  brauchbare  Illustrationen.  Text 
wenig  Bedeutung. 

Young,  £.  D.  The  aearch  after  Li  vingstone;  a 
diary  kept  during  the  inveetigation  of  his  repor- 
ted  murder.  Re  vis.  by  the  Itey.  H.  Waller.  Lon- 
don 1868,  8°. 


Amerika. 

(Von  F.  v.  Hellw&ld.) 


Agassiz.  A Jouroey  in  Brazil.  Boston  186D,  8°. 
540  Sn  6.  edition. 

Apache  Rate,  The.  (Overland  Monthly.  San  Fran- 
cisco, September  1868.) 

Appun,  C.  F.  Unter  den  Guaraunos  - Indianern. 
(Ausland,  1868,  Nr.  34,  S.  793—796,  Nr.  38, 
S.  801 — 897.) 

Lebhafte , anziehende  Schilderung  von  ethnographischem 
Wert  he  der  Lebensweise,  Sitten  und  Gewohnheiten  der 
Guaraunos-Imlianer. 

Appun,  Carl  Ford.  Aus  dem  Leben  der  Neger 
in  Britisch-Guyana.  (Globus,  Bd.  XIV,  S.  301 — 
304.) 

Schildert  den  Zustand  der  Neger  in  Guyana  vor  und 
nach  Aufhebung  der  Sklaverei.  Appun  hat  mehr  denn 
20  Jlihre  im  nördlichen  Südamerika  gelebt. 

Auswanderung,  die  deutsche,  nach  Brasilien.  (Bei- 
lage zur  Allg.  Ztg.,  1869,  Nr.  52.) 

Befürwortet  lebhaft  die  Au» Wanderung  nach  SüdbraM- 
lieti  und  betont,  eich  auf  Tschudl’s  Reisewerk  stützend, 
das«  Brasilien  das  einzige  Land  sei,  wo  bis  jetzt  der 
nuftwandernd«  Deutsche  »'ine  Nationalität  rein  erhalten 
habe,  während  sowuhj  in  den  Vereinigten  Staaten  al»  in 
Australien  sich  dieselbe  ungeheuer  rasch  ^zersetzt. 

Biahop,  N.  H.  A ThouüAnd  Mi) es  Walk  across 
South  America.  With  Introduction  by  E.  A Sa- 
muels Esq.  Boston  1868,  12°.  310  S. 

Blatenaky,  Jdn.  Obrazky  Ruska.  (Bilder  aus 
Russland),  böhmisch.  Prag,  B.  ßtyble,  1868,  8° 
78  S. 

Boiler,  H.  A.  Among  the  Indians;  cight  yeara 
in  the  Far  West,  1858 — 1866.  Embraring  sket- 
chcs  of  Montana  aml  Salt  Lake.  Philadelphia 
1868,  8«  428  S„  1 Karte. 

Boylo,  Fr.  A Ride  across  the  (Kontinent,  a perso- 
nal narrative  of  wanderiugs  through  Nicaragua 
and  Costa  Rica.  I«ondon  1868,  8°.  2 Bände, 
620  S. 

Ein  Auszug  des  WhttenswUrdigsten  aus  diesem  Buche 
siehe;  Ausland,  180«,  Nr.  21.  3.  481—485;  Nr.  32, 
8.  519—524. 

Brackenridge , H.  M,  Recollections  of  Peraons 
und  Placcs  in  the  West.  Philadelphia  1869,  12°. 
331  S. 


Brasaour,  Charles  Etienne,  de  Bourbourg.  Q untre 
lettros  hut  le  Mexique.  Exposition  abeolue  du 
Systeme  hieroglyphique  mexicain.  La  fin  de  l'Age 
de  pierre.  Epoque  glaciaire  temporaire.  Com- 
menceinent  de  Tuge  de  bronze,  origines  de  la  ci- 
vilisation  et  des  religions  de  l’antiquite , d’apres 
le  Teo-Amoxtli  et  d’autres  documents  mexicaiua. 
Paris  1868,  8°.  483  S. 

Wir  haben  uns  viel  zu  lange  mit  Specialstudien  Uber 
altamerlkamsvhe  Urgeschichte  beechaftigt,  um  uns  die 
Gelegenheit  entgehen  zu  lassen,  fiter  das  vorliegende  Werk 
einige  Worte  zu  sagen.  Andrerseits  mochten  um  unsere 
persönlichen  Beziehungen  zum  Verfasser  eine  derartige 
Besprechung  bedenklich  erscheinen  ln*sen;  doch  handelt 
e*  sich  liier  um  ein  Thema  von  solcher  Tragweite,  dass 
alle  anderen  Rücksichten  dagegen  verrtummcu  müssen. 
Wir  gleich  im  Vorhinein  erwähnen,  dass  unsere  Ansichten 
uiit  jener  de»  Autors  in  diametralem  Widerspruche  »leben. 
Wir  haben  uns  stets  für  da»  Autochthonrnthum  der  Cr- 
Amerikaner  ausgesprochen  und  keinen  Beweis  des  Gegtn- 
theils  kräftig  genug  gefunden , um  unsere  Ansicht  zu  än- 
dern. Weder  Jacob  Krüger,  welcher  Amerika  als  eine 
wotasiatischc  Colooie  betrachtete,  noch  Hsug,  der  eine 
javanische  Sage  von  Zertrümmerung  eines  Continentes 
aufgriff  und  vermut h et«,  dass  im  Vatcrlnndc  der  Ba- 
nane das  älteste  Verbreit  ungssystera  der  Menschheit  zu 
erkennen  sei,  noch  Daumer,  der  rothe  Juden  aus  einem 
Ur-  und  Originalägypten  in  Amerika  kommen  lässt,  noch 
schliesslich  die  Bemühungen  (PalJUwuna),  die  biblischen 
Ueberlieterungcn  mit  den  Thatsaclieii  in  Ueberetasttmtnung 
zu  bringen,  konnten  onc  befriedigen.  Auch  Abbe  Bras- 
seur timt  die»  nicht,  indem  er  den  Spie«»  umkehrt  und 
nunmehr  die  Heimatl*  unserer  abendländischen  Civilbalion 
in  Mexico  sucht.  Wir  stehen  den  Pariser  Verhältnissen 
zu  nahe  uro  nicht  zu  wissen,  da»  der  Abbe  in  vollem 
Rechte  ist,  wenn  er  die  Unabhängigkeit  seiner  Arbeiten 
betont , denn  dort  hat  »ich  langst  die  wissenschaftliche 
Welt  von  ihm  kopfschüttelnd  ab^ew endet;  wir  wissen  auch 
wie  e*  dem  übrigens  gänzlich  unbemittelten  Antor  mög- 
lich ist , so  umfangreiche  Werke  w ie  das  vorlfcgend«  er- 
scheinen zu  lassen . wir  sind  auch  gerne  bereit  nnzuerken- 
nen,  das»  Abbe  Brasseur  unbedingt  zu  den  ersten  Spe- 
ciaüstrn  der  Gegenwart  über  ceatralamerikaabche  Dluge 
gehöre  und  diu»»  dir  Wissenschaft  ihm  für  Vieles  zu  tie- 
fem Danke  verpflichtet  ist;  nichtsdesto  w >•  n igrr  müssen  wir 
e»  bedauern,  das»  seine  Nt  adieu  eine  Richtung  «inge*chla- 
gen  hnben , welche  zu  keinem  Resultat«  führen  können. 
Auch  ist  Brasseur  in*  Irrthuiue,  wenn  er  meint  der 
Erst«  zu  sein,  welcher  die  Behauptung  eine»  amerikanischen 
Ursprungs  unserer Cultur  anfgestellt  hat;  Oberst  Galiudo 
hat  schon  lange  vor  ihm  MitteUmenka  für  die  wirkliche 
Wiege  der  Ovillsation  erklärt ; die«*  ist , nach  ihm , aus 
Central aiuerika  auf  China  und  von  dort  weiter  nach  Wester, 
hin,  zuletzt  auf  Europa  überlangen.  Natürlich  ist  er 
den  Beweis  hierfür  schuldig  geblieben.  Nicht  viel  besser 
50* 


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3‘J6 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


macht  e*  Brasseur.  Kr  glaubt  entdeckt  zu  haben,  dosa 
die  Sagen  von  den  alten  mcxicaniwlicn  Göttern  und  Helden 
mit  den  Umwälzungen  unsere*  Erdballes  in  innigstrr  Ver- 
bindung stehen,  dass  diese  Sagen  aller  Cultunülker  die- 
selbe  Bedeutung  wie  die  Mexieanischeu  hüben  und  von 
den  Amerikanern  auf  die  übrigen  übergegntigen  sind.  Zu 
diesem  Schlüsse  gelangt  er,  indem  er  den  Worten  de» 
s<hon  mehrmals  ödirten , auch  übersetzten  meiicanisrhcn 
Teo  - amoztli  einer  andern  als  den  offenbaren  Sion  unter- 
legte. Dass  die»  eine  rein  willkürlich«  Annahme  ist,  liegt 
auf  flacher  Hand.  Den  Anhang  zu  diesem  Werke  bilden 
vier  »pieee*  jnatiHcativea“:  ein  gedräugter  Auszug  der 
Geschichte  der  Sündrtuth  in  französischer  und  Nahuatl- 
Sprache , kurze  geologische  Erläuterungen  von  St«  Claire 
Dcvillc  zur  mezicaniscben  SUndriuth,  ein  Brief  Catlin’s 
über  yucatekisebe  Monumente , endlich  eine  sehr  Interes- 
sante Sammlung  alter  Gesinge  der  Indianer  in  der  nord- 
amerikanischen  Union.  Dn*  Buch  ist  im  Uebrigen  treff- 
lich geschheben  und  — sicht  man  von  den  besprochenen 
Grundirrthiimern  ab  * — in  hohem  Grade  intcrciaant. 

Brett,  Rov.  W.  H.  The  Indian  tribes  of  Guiana, 
their  condition#  and  habita;  vrith  rcsearche#  in(o 
their  past  history,  Superstition#,  legends,  anti- 
quitiea,  language«.  London  1868,  8°. 

Briefe  aus  Alexico.  (Beilage  zur  Allg.  Ztg.,  1869, 
Nr.  6.) 

Schildert  die  gegenwärtige  Lage  des  Landes  unter  der 
republikanischen  Regierung  dr«  Juarez  and  zeigt,  wie  sich 
dieselbe  nicht  nur  nicht  verbessert,  sondern  verschlimmert 
habe,  seitdem  Mexico  sich  wieder  selbst  überiaweo.  Die 
Ursache  hiervon  iat  lediglich  in  den  Kuccneigenlbümlich- 
keiten  der  Bevölkerung  zu  suchen. 

Brinton,  Daniel  G.  The Myths  of  the  New  World; 
a Treatiae  on  the  Symbolisiu  and  Mythology  of 
the  Red  Race  of  America.  New- York  1868,  8tf. 

Dieses  elegant  ausgestattete  Werk  beschäftigt  sich  aua- 
tckliesslich  mit  den  religiösen  Ideen  jener  ruthen  Rnce, 
welche  täglich  immer  mehr  und  mehr  dahiiwrhwindet;  es 
führt  uns  den  Ursprung  und  die  Entwicklung  dieser  Ideen 
vor;  die  ersten  Not ioneu  von  der  Seele  und  von  Gott,  ihr« 
Entstehung  und  ihren  Zweck,  warum  so  gewisse  Dinge 
Symbol#  wurden  und  beinahe  bei  jeder  Race  mit  denselben 
Ideen  vergesellschaftet  Vorkommen.  Die  Reibenfolg«  der 
Capitel  die-es  sehr  intere«*auten  Buches  ist:  Betrachtun- 

gen über  die  rothe  Race.  — Die  Gottesidee.  — Die  hei- 
ligen Zahlen,  ihr  Ursprung  und  ihre  Anwendung.  — Die 
Vogel-  und  Schlnngrnsymbole.  — Die  Wasser-,  Feuer-  und 
Gewitter- Mythen.  — Die  höchsten  Gottheiten  der  rothen 
Race.  — Die  Schöpfung*»)- then , Sündfluth.  Xuture|K>chen 
und  letzter  Tag.  — Der  Ursprung  des  Menschen.  — Die 
Seele  und  ihre  Bestimmung.  — Das  eingeborne  PriMter- 
thuin.  — Der  Einfluss  der  Naturreligion  auf  das  morali- 
sche um!  sociale  Leben  deT  Race.  Die  Entwicklungen  des 
Autors  sind  leicht  verständlich,  ruhen  auf  wissenschaft- 
licher Ham*  und  sind  von  jenen  frömmelnden  Anschauun- 
gen frei,  welche  amerikanische  Bücher  oft  ungenießbar 
machen. 

Broadhead,  G.  C.  Ancient  Graves  in  Pik«  County. 
(Traneactions  of  the  Academy  of  Science  of  St. 
Loui»,  Yol.  II,  Nr.  2.) 

Browne , J.  Ross.  Adventurea  in  the  Apache 
Country:  a Tour  throngh  Ariroun  and  Nevada, 
with  Notes  on  the  Silver  Regions  of  Nevada. 
New- York  1869,  12«.  535  S. 


Burton,  Richard.  The  Highlands  of  the  Brazil. 
London  1869,  8°.  2 Bde. 

Wenn  Immer  ein  neue*  Buch  von  Burton  erscheint, 
verdient  es  Beachtung.  Der  gegenwärtig»  britische  Consul 
zu  Rio  hat  es  verstanden , «einen  Anrichten  ein«  unter 
Engländern  so  seltene  Unabhängigkeit  zu  wahren  und 
nimmt  schon  dieserhaJb  einen  geachteten  Rang  eiu.  Audi 
in  den  vorliegendeu  zwei  Bändeu  kommen  «eine  Opposition 
gegen  das  ChristenÜium,  seine  Apologie  des  Mohamedanis- 
inus,  der  Polygamie,  der  Neger*klaverci  und  besonders  »ein« 
Geringschätzung  des  Negers  hier  und  da  zum  Durchbruche. 
Als  Uuterhaltungslfctlir«  wird  das  Werk  indes»  kaum  gel- 
ten können  noch  wollen,  denn  es  ist  im  Ganzen  genom- 
men dazu  doch  zu  trocken,  zu  statistisch  und  zu  weitläu- 
fig; der  Mann  deT  Wissenschaft  wird  hingegen  darin  eine 
reiche  Kundgrube  solider  Belehrung  finden,  denn  Burton 
beobachtet  scharf  und  aufmerksam;  auf  das  was  er  sagt, 
ist  Verlass  zu  haben.  Der  erste  Band  dt»  Buche#  be- 
schreibt eine  Reis«  durch  das  brasilianische  Hochland  uadi 
der  roinenreicheo  Provinz  Miuas-Geraes , der  zweit«  eine 
Kahrt  den  ganzen  grossen  .Süo  Francisco  hinunter. 

Auch  Bur  ton  spricht  für  die  europäische  Einwande- 
rung in  Brasilien;  er  eAriärt  die  brasilianischen  Hochland« 
für  ausserordentlich  gesund  und  hebt  mit  besonderem 
Nachdruck  die  Vortheiie  hervor,  welche  die  dortigen  klel- 
ucn  Ortschaften  dem  europäischen  Einwanderer  gewähren; 
ferner  belehrt  er  uns,  dass  die  Deut  sehen,  von  denen  wir 
meinen  sie  allein  erwählen  sich  Brasilien  als  neue  Hri- 
malh,  nur  eiuen  verschwindenden  Bruchthcj)  der  Einwan- 
derer bilden.  Au  zahlreichsten  strömen  Portugiesen  und 
Xordamerikuner  au»  den  SUdsta&ten  zu  uud  selbst  die  Eng- 
länder stellen  noch  ein  stärkere»  Coutingent  als  die  Deutschen. 

Charoncoy,  H.  de.  Affinite#  de  quelques  legen- 
des americain  es  avec  cellee  de  Pancien  monde. 
Paris,  Bouchnrd,  1868,  8°. 

Credner,  Dr.  Herrn.  Aus  den  Urwäldern  am 
Obern  See  in  Nordamerika.  (Globus,  Bd.  XI Y, 
S.  234—236.) 

Enthält  ethnographische  Notizen  über  die  Chippeway- 
Indiaaer. 

Cromony,  J.  C.  Life  among  the  Apache*.  San 
Francisco  and  New- York  1869,  12°.  322  S. 

Dixon,  W.  Hepworth.  Neu  Amerika.  Nach  der 
siebenten  Originalauflage  aus  dem  Englischen 
von  Richard  Oberländer.  Jena  1868,  8*. 

Obwohl  in  die  Form  eine«  Romans  gekleidet,  verdient 
dieses  Buch  in  holiem  Grade  die  Auiiaerksurakrit  de«  Eth- 
nographen , dn  der  Autor  uns  eben  mit  jenem  Thrile  drr 
Xoniamerikiinrr  bekannt  macht,  welche»  andere  Schilderun- 
gen weniger  berücksichtigen.  Die  Mormonen,  Zitterer, 
Bilielcommuntstrn  und  Spirituellsten  sind  es  besonder», 
deren  Geistesleben  Dixon  uns  Vorfahrt  und  mit  rid  An* 
muth  und  Wärme  beschreibt.  Auch  au  scharfsinnigen 
Bemerkungen  fehlt  <•*  nicht.  Bedauerlich  bleibt,  das«  di« 
Uebcrsetzung  nicht  den  Anforderungen  entspricht,  welche 
zu  stellen  dus  Publicum  berechtigt  iat. 

Eastwick,  E.  B.  Venezuela;  or  Sketche#  of  Life 
in  a South-American  Republic;  together  with  a 
hiatory  of  the  loan  of  1864.  London  1868,  8°. 
430  S.,  mit  1 Kart«. 

Engel,  Fr.  Mitthoilungen  über  Venezuela.  (Glo- 
hua,  Bd.  XI V,  S.  114  — 119,  145—148,  184— 
186.) 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  397 


Benchteuswerthc  Beiträge  zur  Kenntnis»  der  socialen 
und  ToikswirtbecliuiUkben  VsrhBtniw.  Die  aus  den 
Rmw*  und  Mi»rhu!igsreriiältni*»rn  entupringende  Verkom- 
menheit der  Zustande  wird  auch  hier  wieder  klar. 

Explorations  in  Peru.  (Frank  Iseslie’s  Illnstrated 
Xewspaper.  New- York,  March  21,  1868.) 

Bericht  über  die  Erforschungen  Sijuicr’s. 

Gabriac,  de.  Promenade  ä travers  l’Amerique  du 
Sud,  Nouvelle-Grenade,  Equateur,  Perou,  Bresil. 
Mit  Sorten.  'Poris  1868,  8°.  810  S. 

Goering,  A.  Ausflug  nach  den  neuen  Guacharo- 
Höhlen  in  der  Venezuelanischen  Provinz  (’uinana. 
(Globus,  Bd.  XIII,  S.  161  — 167.) 

Im  Juni  1867  betuchte  Anton  Goering  am»  Altenburg 
dieee,  einige  Tagereisen  von  Corlpe  entfernten  Höhlen; 
seiner  vorllegendeu  Beschreibung  fugt  er  zwei  Abbildungen 
bei.  Er  fand  dort  in  zahlloser  Meuge  die  seltsamen  Gua- 
chnro«  (Stcatomi#  cnriprn.n»*). 

Goldgräber  und  Indianer  in  Nordamerika.  (Glo- 
bus, Bd.  XIV,  S.  197—200.) 

Schildert  unter  anderem  die  Stimme  de«  Dacotah Volkes 
und  die  l’rairie-Indianer. 

Hailly,  Ed.  du.  Six-mois  ä Terre-Neuve.  „Re- 
vue des  deux  mondes“ , 1868,  Tome  LXXVI, 
pag.  948 — 972. 

Hellwald,  Friedrich  von.  Zur  Geschichte  der 
lateinischen  Race.  (Beilage  zur  AUg.  Ztg„  1869, 
Nr.  2,3,  Hauptblatt  4,  Beilage  Nr.  24,  Haupt- 
blatt 25,  Beilage  Nr.  61,  62,  115,  117.) 

Bemüht  »Ich  die  historische  Entwicklung  der  romani- 
schen Volker  aus  Ihrer  Racenanloge  zu  erklären. 

Helms,  Henrik;.  Grönland  und  die  Grönländer. 
Eine  Skizze  aus  der  Eiswelt.  Leipzig,  Fritzsch, 
1808,  8» 

Du*  Buch  beschäftigt  »Ich  fast  aufurliliesslich  mit  den 
socialen  und  »ittlkbcu  Verhältni*#en  der  Grönländer  iu 
ihrer  heidnischen  Zeit,  der  Mission  geschieht  nur  beiläufig 
in  anerkennender  Weise  Erwähnung.  Die  VolkssitUni  sind 
hübsch  geerhildert;  auch  die  Entdeckung  und  Colonisirung, 
sowie  die  physische  Beschaffenheit  des  Landes  kurz  dar- 
geatellt. 

Hotao,  Friedrich,  Hauptmann.  Land  und  Volk 
in  Mexico.  (Oesterr.  Militärische  Zeitschrift  von 
V.  R.  v.  Strefflcur,  Mai  1868,  S.  214—237.) 

HuuptuiHjin  Hotze  hat  unter  dem  meziennischen  Kaiser- 
reiche de«  Rang  eine*  Oberstlieuteimnt*  bekleidet  nnd  halte 
in  Folge  vielfacher  Verwendung  Gelegenheit  das  metica- 
nische  Volk  in  all  »einen  Schichten  und  . in  den  verschie- 
densten LaodestheUen  zu  beobachte«.  Er  giebt  hier  in 
schlichten  Worten  eine  ziemlich  iiusluhrlkhc  Charakteristik 
der  Bevölkerung  und  ihrer  einzelnen  Gassen,  ohne  jedwede 
Voreingenommenheit,  ohne  jede  politische  Nebenabsicht. 
Die  Charakteristik  i*t  in  eminentem  Grade  wahr  uud  kann 
daher  von  Jedem  mit  Nutzen  gelesen  werden. 

Hutchinson.  The  Tehuelche  Indiam  ofPatagonia. 
The  Transoction«  of  the  ethnoiogical  Society  of 
London.  New  series,  Vol.  VII,  1869,  S.  313. 

Indianer -Kriege.  (Beilage  zur  AUg.  Ztg.,  1869, 
Nr.  101.) 

Diese#  Thema  gehört  ganz  und  gar  t*>»  Gebiet  der  Eth- 
nologie; der  aus  San  Francisco,  Juuuur  1861t  datirte,  kurze 


Aufsatz  bringt  interessante  Einzelnbeiten  und  wchliesst  wie 
folgt;  „Die  weisse  Race  ist  einmal  zum  Herrschen  gebo- 
ren , sie  sieht  in  den  Andersfarbigen  ein  untergeordnetes 
Wesen , Vermischung  kann  nur  ausnahmsweise  dvilixircn- 
den  Einfluss  ausüben,  das  .Schicksal  der  Eingebomeu  Ame- 
rika* atehl  im  schwarzen  Ruch,  uud  wie  sie  längst  von 
den  westindischen  Inseln  verschwunden,  so  wird  der  grosse 
Continent  ihnen  bald  auch  keine  Heimstätte  bieten  können. 

Johnson,  H.  C.  Ross.  Long  vacatioq'in  the  Ar- 
gentine  Alps;  or,  where  to  seltlo  in  the  River 
Plate  States.  London  1868,  8°.  188  S.  mit  1 
Karte. 

Kirchhoff,  Theodor.  Streifzüge  in  Oregon.  (Glo- 
bus, Bd.  XV,  S.  10—13,  44 — 48.) 

Enthält  unter  Anderen  Notizen  über  den  in  Oregon 
herrschenden  vernichtenden  ltacenkrieg  zwischen  Wrjssen 
und  Roth  häuten,  besonder»  den  Snakes-Jndianern. 

Kroysaig,  F.  Amerika  nach  dem  Bürgerkriege. 
„Salon“ , Bd.  II,  1868,  Heft  VIII,  S.  192  ff  X, 
8.  430  ff.  XII,  S.  690—698. 

Krieg,  der,  mit  den  Prairie-  Indianern  Nordameri- 
kas. (Globus,  Bd.  XIV,  S.  161 — 170.) 

Behandelt  recht  ausführlich  die  Stellung  der  Indianer 
gegenüber  den  Wehten,  die  bestehenden  unversöhnlichen 
Contlicte,  sowie  Anlage  und  Begabung  der  Prairiestäiuine. 
Auch  die  Ursocbeu  de»  Ausrotlungskricgea  werden  er- 
örtert. 

Lifo  in  tbe  Argentine  Republio.  (Patnam’s  Month- 
ly  Magazine  of  Literatur«!,  Science,  Art  and  Na- 
tional Interest«.  New-York,  November  1868.) 

Lyoeum  of  natural  history.  (The  American  Athe- 
nacuin.  New-York,  11.  April  1868.) 

Enthält  einen  Vortrag  Squier’s  Uber  seine  Forschungen 
in  Bern. 

Mac  Sherry.  Essays  and  Laetare«;  Early  hiatory 
of  Maryland,  Mexico  etc.  Baltimore  1869,  8®. 

125  8. 

Mantcgazzn,  P.  Le  colonie  europee  nel  Rio  della 
Plata.  (Estrntto  daUaNuova  Antologia.)  Firenze 
1868,  8®.  24  S. 

Marco  y , Paul.  Voyago  a travers  PAmerique  du 
Sud,  de  TOcean  Pacifique  a l'Ocean  atlantique. 
Paris,  Hachette,  1869,  4U.  2 Vol. 

Monschenraoen.  Die  vier  Menschenracen  der  neuen 
Welt.  (Petennann’a  Geographische  Mittheilun- 
gen, 1868,  S.  96—97.) 

Nach  Hepworth-Di  xon's  auch  ethnographisch  wichti- 
gem Romane;  New  America. 

Mohr,  Ed.  Reise*  und  Jagdbilder  aus  der  Süd- 
see,  Californieu  und  Südost  - Afrika.  Bremen 
1868,  8«. 

Aus  der  Weser-Zeitung  besonder*  nbgcdruckL 

Mormons,  Life  among  the  Morroons  and  a march 
to  their  Zion.  With  a chapter  on  the  Indians 
of  the  plaina  and  the  mountains  of  the  West 
By  an  Officer  of  the  United  States  Army.  New- 
York  1868,  12°.  234  S. 


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398 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Faoz,  Don  Bamon.  Travel*  and  Adventares  in 
South  and  Central  America.  New- York  1869,  8°. 

Patino,  Liout.  D.  Journal  d'un  voyage  pur  le 
Parana  entre  Tlncarnation  et  la  Cataracta  de 
Guayra.  (Bullet,  de  la  SocietiS  de  Geograph,  de 
Paris,  Auguat  1868,  S.  113 — 139,  Octobor,  S. 
364—388.) 

Ausführliche  Beschreibung  dieser  1883  vom  Verfasser 
ezplorirteu  Fluasatreeke  mit  Verdolmetschung  der  einhei- 
mUchen  Namen,  Notizen  über  die  Indianer,  einem  kleinen 
VocjiLular  einer  Indianeraprsche. 

Plaasard,  Dr.  L.  Les  GuAraunos  et  le  delta  de 
1‘Orünoque.  (Bullet  de  laSociete  de  Geographie 
de  Paris,  Juni  1868,  8.  568 — 592.) 

Die  Guoraono»,  etwa  10QO0  bis  12000  Köpfe  stark,  cob- 
centriren  »ich  hauptsächlich  auf  das  Oreuoco  - Delta , sind 
ein  Fischer-  und  JÜgervolk  und  sprechen  eine  Sprache, 
welche  von  denen  der  Nachbarvölker  stnrk  abweicht. 

Porter,  T.  C.  Indian  figuree  cut  on  Rocks.  (Pro- 
oeedings  of  thu  American  Philosophicol  Society. 
Philadelphia  1868.) 

Röpubliquo  Argentine,  la.  Documenta  ofßciela, 
Population,  Immigration,  colonien  agricolee,  con- 
cessions  de  terrains,  chemine  de  fer.  Paris  1868, 
8®.  22  S. 

Rio  Grande  do  Sul.  Die  eüdbraailianhcbe  Pro- 
vinz Rio  Grande  do  Sul  und  die  Einwanderung. 
(Globus,  Bd.  XV,  S.  74—75.) 

Auszug  ans  einer  statistischen  Abhandlung  der  zu  Porto 
Alegre  erscheinenden  Deutschen  Zeitung. 

Rost,  Rudolf.  Die  Dakotahsprache.  (Globus,  Bd. 
XIV,  8.  273—275.) 

Nach  der  Grammatik  von  von  der  Üabelcotz. 

Schiictz,  D.  v.  Zur  Ethnographie  von  Peru.  (Glo- 
bus, Bd.  XV,  8.  141—145.) 

Bespricht  Neger,  Mischlinge  und  Chinesen. 

Schultz,  Woldem&r.  Natur-  und  Cultnrstudien 
über  Südamerika  und  seine  Bewohner,  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  der  Colouisationsfrage. 
Dresden  1868,  8°. 

Diese»  nachgelassene  Werk  des  bei  Sadowa  gefallenen 


Forscher»  ist  für  die  Ethnographie  Brasiliens  von  ausser- 
ordentlichem Belang,  zeigt  von  tief  eingehenden  linguisti- 
schen Kenntnissen  und  gipfelt  in  dem  Satz«,  dass  die  bra- 
silianischen Indianer  civUiaationafilhig  »lud. 

Semalld  Hdnö  de.  Note  sur  les  Indiens  de  l’Am6- 
rique  du  Nord.  (Bulletin  de  la  Society  do  G4o- 
grapliic  de  Paris,  1868,  VoL  II,  S.  307.) 

Hiernach  wird  die  indianische  Bevölkerung  der  Vereinig- 
ten Staaten  auf  347 '643  Köpfe  geschützt. 

Sproat,  G.  M.  Scenes  and  studies  of^Svage  life. 
London  1868,  8°.  330  S. 

Enthält  ungemein  schätzet»*  erthe  Mittheilungen  Uber  das 
kleine  Volk  der  Aht  au  der  Westküste  der  Vancouver* 
lnsel.  Auch  bei  Ihnen  macht  sich  eine  beträchtliche  nu- 
merische Abnahme  bemerklicb,  so  das»  auch  sie  dem  Un- 
tergänge geweiht  erscheinen.  Die  Verunstaltung  des  Schä- 
dels in  der  Kindheit  wird  bei  den  Abt  auch,  obschon 
nicht  allgemein  geübt;  desgleichen  ist  die  Sklaverei  ein 
von  jeher  heimisches  Institut  bei  den  Vancouver-Insulanern 
und  tritt  dieselbe  auch  heute  noch  ln  »ehr  harter  Form 
bei  ihnen  auf. 

Südbraallien.  Aus  Südbrasilien.  (Wissenschaft- 
liche Beilage  der  Leipziger  Zeitg.,  1869,  Nr.  6.) 

Behandelt  die  deutschen  Colonien  Südbrasilien»,  l-eson- 
ders  Blumenau  und  Joinville  in  der  Provinz  Santa  Catha- 
rinn,  mit  Benützung  von  Tschudi’s  Reisen  in  Südame- 
rika und  Professor  W.  Koner’*  statistischen  Notizen 
über  die  deutschen  Colonien  evangelischer  Canfesaion  in 
Südamerika  (im  dritten  Bunde  der  Zeitschrift  der  Gesell- 
schuft  für  Erdkunde  in  Berlin). 

Tschudi,  J.  J.  y.  Reisen  durch  Südamerika.  Leip- 
sig  1868,  8°.  4.  und  5.  Band. 

Siehe:  Globus,  1889,  Bd.  XV,  S.  119—122;  „Ausland“, 
186»,  Nr.  I». 

Whympcr.  Uusaian  America  or  „Alaska“,  the  na- 
tives of  the  Youkon  river  and  adjacent  country. 
(Transactions  of  the  ethnological  Society  of  Ix>n- 
don.  New  ecries,  VoL  VII,  1869,  S.  167.) 

Zeltner,  A.  de.  La  ville  et  le  port  de  Panama. 
Paris  1868,  8°.  16  S. 

Zustände  in  den  La-PIata- Staaten.  (Beilage  zur 
Allg.  Ztg.,  1869,  Nr.  71  ) 

Aus  den  Vorträgen  de»  Dr.  G.  A.  Maack,  gehalten  im 
Chnnisrheo  llörsaale  zu  München. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


399 


IV. 

Zoologie 

in  Beziehung  zur  Anthropologie. 

(Von  L.  Rütimcyor.) 


Agassis.  De  l’espece  et  de  la  clasrification  en  7.00- 
logie.  Paria  1869,  siehe  oben  Referate,  Nr.  1. 

Bastian.  Das  Thier  in  seiner  mythologischen 
Bedeutung.  Zeitschrift  für  Ethnologie,  ßd.  I, 
Heft  1,  S.  45. 

L.  Büchner.  Sech  Vorlesungen  über  die  Darwin- 
sche Theorie  von  dor  Verwandlung  der  Arten 
und  die  ernte  Entstehung  der  OrgamemenwelL 
sowie  ttbor  die  Anwendung  der  Umwandlungs- 
theorie  auf  den  Menschen,  das  Verhältnis»  dieser 
Theorie  zur  Lehre  vom  Fortschritt  und  der  Zu- 
sammenhang derselben  mit  der  materialistischen 
Philosophie  der  Vergangenheit  und  Gegenwart, 
ln  allgemeinverständlicher  Darstellung.  Leipzig 
1868. 

Frohachammer.  Uebcr  Darwin’s  Theorie , in 
dessen  Schrift:  Christenthum  und  moderne  Na- 
turwissenschaft. Wien  1868. 

Haeckol.  Natürliche  Schöpfungs  - Geschichte. — 
Stammbaum  des  Menschengeschlechts,  siehe  oben 
Referate,  Nr.  4. 

Haeckol.  Ueber  Arbeitsteilung  im  Natur-  und 
Menschenleben.  (Mit  Titelkupfer  und  Holzschnit- 
ten.) Hell  78  der  Sammlung  gemeinverständ- 
licher wissenschaftlicher  Vorträge  von  R.  Vir- 
chow  und  Fr.  v.  lloltzendorff.  Berlin  1869. 

Hartwann.  Studien  znr  Geschichte  der  Haus- 
thiore.  Zeitschrift  fllr  Ethnologie,  Bd.  I,  Heft  1, 
S.  66,  1866. 

IsokofT,  Note  sur  l’existence  do  TAurochs  ou  Bi- 
son d'Kurope  dans  leg  montagnes  du  Oaucase. 
Annales  des  Sciences  naturelles,  ö*0  serie,  Zoolo- 
gie, Tome  IX.  S.  91.  (Siehe  unter  Noll.) 

G.  Jäger.  Die  Darwinsche  Theorie  und  ihre  Stel- 
lung zu  Moral  und  Religion.  Stuttgart  1869. 

NolL  Der  Anerochs  (Bos  Bison)  des  Kaukasus. 
(Zoologischer  Garten,  IX.  Jahrgang,  Nr.  6,  Juni 
1868,  6.  216.) 

Ist  identisch  mit  dem  littbauis*  hen.  Der  Bison  hat 
also  ein  zweites  Asyl;  i*t  rin  Fichtenwald  heim 

Flrrken  Atzikhar  im  Bezirk  Zelentscbeek.  Die  Hctrdc  be- 
steht aus  circa  1*0  StUck. 


Owen,  Rieh.  Anatomy  of  vertebrales,  Vol.  III. 
London  1868.  Siehe  oben  Referate,  Nr.  2. 

Fr.  Pfaff.  Die  neuesten  Forschungen  und  Theo- 
rien auf  dem  Gebiete  der  Schöpfungsgeschichte. 
Frankfurt  1868. 

W.  Preyer.  Der  Kampf  um  da«  Dasein.  Ein  po- 
pulärer Vortrag.  Bonn  1869. 

Oie»«-,  und  G.  -Jäger1  s (*.  vorstehend),  zwei  trefflich  ge- 
schrieben# Schriften,  welche  von  einem  durchaus  richtigen 
Verständnis*  der  Darwinschen  Lohre  ausgehend  — die 
eine,  deren  Einfluss  auf  ethische,  die  andere  auf  sociale 
1 Gebiete  verfolgend  — alte  Aufmerksamkeit  verdienen,  in- 
dessen einer  einlässlichen  Besprechung  sich  in  einer  nur 
wissenschaftlichen  Zwecken  gewidmeten  Zeitschrift  ent- 
ziehen. 

Dr.  Aug.  Wolamann.  Ueber  die  Berechtigung 
der  Darwinschen  Theorie.  Leipzig  1868. 

Eine  sehr  klar  gehaltene  Besprechung  der  Leistungen 
von  Darwin1!«  Theorie  nebst  einem  Anhang  über  >!or. 
Wngneris  „MigrntionsgeseU“.  (Siche  den  Literaturix*- 
rieht  in  Heft  II,  I8Ü8,  S.  1£4.)  Darwin ’s  Verdienst 
besteht  nicht  in  der  Aufstellung  der  Lehre  von  der  D*- 
scendenz  oder  Transmutation  der  Orgnniaineu ; diese  oder 
d>e  Lehre  von  der  Variabilität  der  Arten  au  die  Stelle  der 
»lteu  Schöpfungshypothese  gesetzt  zu  haben , die  von  der 
UnvrräudcrUchkeit  der  Arten  aosgebt,  ist  das  Verdienst 
von  Lnmarck  and  Geoffroy.  Was  Darwin  that, 
ist  für  di«  Variabilität  der  Arten  eine  andere  Erklärung 
gegeben  zu  haben,  indem  er,  statt  der  äusseren  Lebensbe- 
dingungen, welchen  Lninarck  und  Geoffroy  den  tnodifi- 
eireuden  Einfluss  zuschrieben,  seine  Theorie  der  natür- 
lichen  Züchtung,  also  an  die  Stelle  eine*  Susaern  — ein 
inneres  Motiv  setzte.  Sie  leistet  somit  für  die  Transmutations- 
hypothese  «las,  was  das  Newton'sche  Gravitationsgesetz  für 
die  Oopernicauische  Lehre  von  der  Bewegung  der  Ge- 
stirne um  die  Sonne  leistete,  lu  beiden  Fällen  ist  somit 
nur  eine  natürliche  Hypothese  für  die  richtiger  beurtheilte 
Erscheinung  gegeben,  noch  keineswegs  der  letzte  Grund 
der  Erscheinung  biosgelegt.  Allein  der  Wissenschaft  vom 
organischen  Leben,  die  auf  Boden  der  alten  Schopfnng»- 
hypotheac  ihre  Aufgabe,  die  Beschreibung  der  geschallenen 
Formen  nahezu  erfüllt  hatte,  ist  eine  Zukunft,  erst  auf- 
gfthan. 

Bezüglich  der  Schrift  von  Mor.  Wagner,  erkennt 
Weisbach  vollkommen  an,  dos»  die  Wanderung  und  Iso- 
lirung  der  Organismen  einen  wichtigen  Factor  für  die 
Variation  der  Art  nusmachpn , doch  ist  die»  w eder  neu 
noch  bestritten;  allein  zudem  wurde  eine  Ra  et»  weder  blo* 
durch  Wanderung  erzeugt,  noch  reicht  Wanderung  für  sieb 
allein  aus,  um  eine  Art  zur  Abänderung  zu  zwingen. 
Migration  begünstigt  und  begrenzt  die  Abänderung,  allein 


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400  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


gjc  vermag  nicht,  für  die  natürliche  Züchtung  eine  wei- 
ter zurückliegende  Unterlage  zu  bieten. 

M.  Wileken*  (»nf  Fogartb  in  Bchlosion).  Dar- 
win'« Theorie  in  Beziehung  zur  landwirth- 
echaftlichen  Thierzucht,  1866. 

Der  Verfasser,  bekannt  nicht  nur  als  praktischer  Thier- 
züchUr,  sondern  auch  als  Mitarbeiter  an  mehreren  diesem 
Gebiet  gewidmeten  Zeitschriften,  unterwirft  Darwin1« 


Theorie  einer  Prüfung  und  kommt  zum  Schluss,  dass  die 
laudwirthschaftlkheu  Beobachtungen  und  Erfahrungen  die 
Darwinsche  Theorie  nicht  unterstützen.  (Ein  Ergebnis«, 
das  dem  Referenten  gTüwtentlirils  daher  zu  rührt-n  scheint, 
dass  der  Verfasser  weniger  Darwin1*  eigenen  Gedanken- 
gang, der  überdies  mehrfach  entschieden  missverstanden 
ist,  als  gewisse  auf  Darwin  — zum  Tbeil  wohl  aller- 
dings mit  Unrecht  — ■ sieb  stützende  Theorien  in  der  prak- 
tischen Thierzucht  bekämpft.) 


V. 

Allgemeine  Anthropologie. 


Baltzor,  Dr.  J.  B.,  Professor  in  Breslau.  Ueber 
die  Anfänge  der  Organismen  und  die  Urgeschichte 
des  Menschen.  Fünf  Vorträge  zur  Widerlegung 
der  von  Professor  Dr.  Carl  Vogt  zu  Breslau  ge- 
haltenen Vorlesungen  über  die  Urgeschichte  des 
Menschen.  8°. 

Campbell.  Note  on  the  late  Mr.  Crawfurd’s  pa- 
per  on  the  migr&tion  of  coffee,  ton.  (Transact. 
of  the  ethnologic&l  Society  of  London , Vol.  VII, 
new  aeries,  1869,  *8.  207. 

Crawfurd.  On  the  history  and  migration  of  tex- 
tile and  tinetorial  plante  in  reference  to  Ethno- 
logy. (Tranaactions  of  the  ethnological  Society 
of  London,  Vol.  VII,  new  seriös,  1869,  S.  II) 

Crawfurd.  On  the  history  and  migration  of  cul- 
tivated  narcotio  plante  in  reference  to  ethnology. 
(Transactions  of  the  ethnological  Society  of  Lon- 
don, VoL  VII,  new  seriös,  1869,  S.  78.) 

Crawfurd.  On  the  history  and  migration  of  cul- 
tivated  plante  yielding  intoxicating  potables  and 
oiL  (Transactions  of  the  ethnological  Society  of 
London,  Vol.  VII,  new  series,  1869,  S‘.  92.) 

Crawfurd.  On  the  history  and  migration  of  cul- 
tivated  plauts  producing  coffee,  tea,  cocoa-  (Trans- 
actions  of  the  ethnological  Society  of  London, 
Vol.  VII,  new  series,  1869,  S,  197. 

Crawfurd.  On  the  theory  of  the  origin  of  ape- 
ciee  by  natural  selection  in  the  gtruggle  for  life. 
(Transactions  of  the  ethnological  Socioty  of  Lon- 
don, Vol.  VII,  new  series,  1869,  8.  27.) 


Davis,  B.  Anthropology  and  Ethnology.  Anthro- 
pological  review,  Oetober  1868,  Nr.  23,  8.  394. 

Howorth.  Some  c hange«  of  surface  affecting  an- 
cient  Ethnography.  (Transactions  of  the  ethno- 
logical Society  of  London,  VoL  VII,  new  series, 
1869,  S.  134.) 

Hunt.  On  the  localisution  of  the  functions  of  the 
brain  with  special  reference  to  the  faculty  of 
language.  Anthropological  reriow,  Oetober  1868, 
S.  I,  Januar  1869,  S.  100r 

Jaeger,  Dr.  G.  Ueber  den  Ursprung  der  Sprache. 
(Ausland,  1869,  Nr.  17.) 

Lehnt  sich  an  die  Arbeit  Bleek1  s (Siehe  oben  Referate, 
Nr.  Ü,  S.  ÜÜ8)  an  und  untertützt  dessen  Ansichten  durch  An- 
führung ei^enrr  Beobachtungen.  Dr.  Jneger  hat  über  den 
Ursprung  der  Sprache  schon  18Ö7  eine  Reihe  von  Aufsätzen 
int  „Ausland“  veriitJentliebt. 

Pridoaux.  Gall’s  Organology.  Anthropological 
review,  Januar  1869,  Nr.  24,  S.  76. 

Schumann.  Die  Affenmenschen  Carl  Vogt’*.  Leip- 
zig, Engelmann,  1868,  8°. 

Seidlitz.  Carl  Vogt’s  Affenmenschen  und  Dr.  Alb. 
Schumann’»  Broschüre  über  dieselben,  mit  ein- 
ander verglichen  u.  a.  w.  Dresden  1868,  8°. 

Stearns.  Shell-money  (Muschfll-Geld).  The  ame- 
rican  naturalist,  Vol.  III,  March  1869,  Nr.  1. 

Bespricht  die  Molluske» gebiuse.  die  bei  verschiedenen 
Völkern  <fie  Stelle  des  Geldes  vertreten. 

Verzeichnis«  sämmt lieber  von  der  kaiserl.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  seit  ihrer  Gründung 
big  lotsten  Oetober  1868  veröffentlichten  Druck- 
schriften. Wien,  C.  Gerold,  1869,  8®. 


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REGISTER  DES  DRITTEN  BANDES. 


Sslt« 

Abstammung  des  Menschengeschlecht«  .....  319 

Aexte,  steinerne lßL  US.  167.  192 

Afandy,  Bnscbweib 30ft 

Affengehirn,  Entwicklung  der  Windungen  ....  23fl 

Afrika,  SteinzeitreBte 978,  ‘.»ui 

Afrikanische  Volker 325 

Altersbestimmung  de»  menschlichen  Fötus  ....  üOfi 

Amerikanische  Völker 396 

Anthro|io]ihugiu 396.  333 

A patsche» 

Auerochs 323 

Aufrechter  Gang  deB  Menschen  . 332 

Aassterhen  der  Naturvölker rtftR 

Basken 135 

Batonga 325 

Battaks 325 

Becken  des  Buschweibes 30fi 

Berber,  l'rsprung  dereelhen 39-1 

Bestattuiigs  weise  der  Todten  , L 11b  9fi7.  9ü9.  279. 

28S.  33tL  313 

Betschuancn 325 

Bison  323 

Bohrinstrumento  hei  Bereitung  des  Steingeritbea  1£2 
Breitenindex  des  Schädels  bei  c f und  . . . . Ü5 
Breitenindex,  Tabellen  zu  dessen  Ausschreibung  12Z 

Bronzcaltcr 331 

„ Völker  desselben  .......  267.  2H6 

Bronzewaffen  32C 

Bronzezeit,  Cultur  derselben 32 

Buschmans 325 

Buschweib,  Section  desselben 112.  200.  3Qö 

Cannibalismus 396.  333 

Cataloge  von  Schädelsammlungen 3ü2 

Crawfurd,  Nekrolog 151 

Cretinismus  329 

Crom  lech 2.  314 

Cultur  der  Bronzezeit  HZ.  2(18 

Culturstufen  der  Vorzeit  967 

Damara 825 

Darwinismus 259.  299.  300 

Deutscher  Weiberschadei 511 

Dolmen 31A 

Douiestication  der  Thiere  and  Pflanzen  .....  188 

Donnerkeile  lti 

Durchbohrung  der  Stein  gerät  he 18Z 

fidelst  ei  ne 15 

Eisen,  frühester  Gebrauch  12.  112 

Eisenalter,  Völker  desselben 207.  22§ 


s«iu 

Engisschädel 183.  313 

Entwicklung  der  Furchen  und  Windungen  des  Ge- 
hirns  203.  222 

Eskimos  . 320 

Ethnographische«  System 303 

Fetthöoker  des  Buschweihes  30Z 

Feuerstein 330 

Feuerst einsplittcr,  Lagerstätte  bei  Bramstedt  . . 31 

Finnen 331 

Fossa  olecrani,  Durchbohrung 312 

Fossa  Sylvii,  Entwicklung  derselben  ....  208.  221 
Fötus  des  Menschen,  Entwicklung  seines  Ge- 
hirns   203.  227 

Fränkische  Gräber ! • . UU 

Fühl  ns 325 

Furchen  de«  Gehirns,  temporäre 202 

„ bleibende 22L  222.  233 

„ verschiedene  Tiefe  derselben 228 

„ erstes  Auftreten 209.  210 

„ Verschiedenheiten  im  Auftreten 

derselben 20s.  221 

„ Symmetrie  und  Asymmetrie 221 

a im  Einzelnen  . ML  210.  2LL  212.  213.  215. 

212.  218.  212.  220.  232.  231.  232 

Galen 213.  222.  282 

Gülisehc  Sprachreste  in  der  Schweiz 223 

„ an  Schleswig 972 

» „ auf  semitischem  Gebiete . • 218 

Gal  gal« 2ia 

Gehirn  des  Menschen 203.  222 

„ der  Affen 233 

„ des  Hundes 218 

„ des  Buschweibes 302 

Gehirnwindungen,  Entwicklung  ....  203.  227.  331 

Genitalien  des  Buschweibos 143.  3QZ 

Geräthe,  vorzeitliche 336 

Geschlcchtsuutcrschiede  deB  Schädels 53 

Gesichtsschädel  des  Weibes ?fi 

Gewicht  des  Schädels £3 

Gräberfeld  am  Hinkelstein  bei  Monsheim  ....  101 
Gypsabgüsse  von  Schädeln  und  Gehirnen  ....  151 

Hinkelstein,  Gräberfeld 101 

„ Skeleircstc 122 

Hirnwindungen,  Entwicklung  derselben  . . 203.  222 
Höhenindex,  Tabellen  zu  dessen  Ausschreibung  L2Z 

v.  d.  Iloeven,  Nekrolog 110 

llotteutottcn 825.  326 

Hünengräber 110.  270.  2£Z 


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402  Register. 


Mt« 

Indianer,  Steingerathe 192 

Iren 213. 

Irische  Sprachreste  in  Schleswig 212 

Jütland,  Stcinzeitschadel 231 

Kelten  in  Skandinavien 2*1 

Knochen  aus  den  Höhlen  von  Perigord 33iä 

„ aus  der  Höhle  lu  Bui**e  bei  Grenoble  212 
Körpermessungen  bei  Individuen  verschiedener 

Raccn 122 

Kraniometrie  131 

Kurgane 4. 

Leichenverbrennung  279 

Ligurcn  279.  294.  297 

Linguistische  Methode 295.  SOS.  222 

Mainyen 325.  327.  329 

Maoris 325 

Menhir L 311 

Menschmrocen 259.  SOI.  350 

Merovingisehe  Friedhöfe 231 

Mikrocephalie >129 

Monsheim,  ».  Hinkelstein. 

Naraaqua-IIottentotten 225 

Naturvölker,  Aussterbcn  derselben 309 

Ncandctthtbnhldel 270.  sos.  335.  349.  siü 

Negerstämme  der  oberen  Xilländer 323 

Nekrolog  auf  John  Crawfurd  131 

„ „ J.  v.  d.  Hoevon  ........  14G 

Niederingelheim,  Schädel  von  . 133 

Nilbecken,  Menschenstäinmc  demselben.  . . LLL  223 

Xjumnjams  323 

Oberingelheim,  Schädel  von . 131 

Pfahlbauten  . 335 

Pflanzen,  Domcstication  derselben 133 

Polynesier 22L  323 

Prognathie 13 

Ilacen  des  Menschengeschlechts 301 

Rauminhalt  des  Schädels 02 

Rennthier 32» 

Rennt hierknocheti  in  Schusaenried 333.  313 

Schädel  aus  ultgennunischen  Grabstätten  127.  131.  133 

„ de**  Weibea 59*  Hl 

„ des  Menschen,  Urform 321.  319 

„ von  Plau  in  Mecklenburg 224 

Schädel  abgü«»e  in  Gype  151 

Schadelsammlungen 302 

Schleswig-Holstein,  Urgeschichte  de»  Landes  . . 3H 
Siameaenschädel • 303 


Saiu 

•Skandinavien,  Urbewohner 316,  321 

Skelet  des  Ruschweibe« 300 

Spectesfrage 229.  230 

Sprache,  Ursprung  derselben  ..........  306 

Sprachreste  der  Steinzeit 222 

Stammbaum  des  Menschengeschlechts 301 

Bteinalter 316 

Steinalter,  Völker  desselben 267.  296 

Steinaltervolk,  Einheit  desselben 277.  286 

„ Kintbeilung - 277 

Steincultua . 1 

Steingerathe  der  Indianer 192 

Stein gräber,  Kintbeilung  derselben  . . 270.  283.  296 

Steinwaffen 1(U.  117  Lü.  329 

Steinzeit-Leichen  bei  Roggow  . 277 

„ megalithisclie  und  kryptolithisebe  . 267.  296 

„ -Reste  in  Afrika 279.  231 

„ Sprachreste  derselben 272 

Tubackspfeifen,  steinerne  der  Indianer  ....  123 
Tabellen  zur  Ausschreibung  des  Breiten-  und  Hö- 

henindex 12Z 

Tliongefäne  der  Indianer  ...........  19 

„ in  Krain 293 

Todtenbestattung  . . LLL  292.  292*  229.  2td.  330.  313 

Toltcken  837 

Tomahawk 199 

Töpferei,  indianische  19 

„ vorzeitliche  in  Deutschland 113 

Topfscherben  und  Töpfe  in  Lingurn 292 

Tschadische  Altertbüraer  • 334 

Ungarn,  antiquarische  Funde 297 

Unterkiefer £0 

Urform  des  Menschonschädc]» 821 

Urgeschichte  de»  Menschengeschlechts  . 267.  332.  339 
Urgeschichte  des  Schleswig-IIolsteinschen  Lande«  314 

Ursprung  der  Sprache 309 

Urzeit,  Menschenracen  31G.  319 

Variiren  durch  Domestication I3Ü 

Vorhistorische  Raren  in  Deutschland 134 

Vorhistorische  /eit,  Fint  hei  lang  267.  2sC.  316.  941.  350 

Waffen,  vorzeitliche  ....  336 

Weibcrschädel  39.  111 

Werkzeuge,  Entstehung  derselben 332 

Windungen  de»  Gehirn»,  Entwicklung  . . . 203,  222 
Zerfressenes  Ansehen  exhumirtcr  Knochen  . . . 127 

Zweckmässigkeit  in  der  Natur HZ 

Zwergbildung 331 


Berichtigungen. 

8.  173.  Die  Schrift:  „Cullen.  The  Darien  Indians  and  Skip-Canal“  ist  aus  Versehen  statt  unter:  Amerika, 
unter:  Asien  gekommen. 

8.  218.  Zeile  4 von  unten  statt  Fig.  2 lies  Fig.  3* 

Ferner  ist  auf  den  Tafeln  zu  berichtigen: 

Taf.  Ij  Fig.  11.  Statt  co  lic«  c. 

Taf.  IV,  Fig.  L.  Zeile  2 von  oben,  statt  F2  lie«  Tj', 

Taf.  TV,  Fig.  2.  Linke  Seite,  statt  F,  lies  J. 

8.  301,  Sjwilte  2.  Zeile  11  von  oben  statt  Velliamed  lies  Telliamed. 

8.  392,  Spalte  2,  Zeile  22  von  oben  «tott  Invirsargile  lies  Invercargill. 

8.  306,  Zeile  19  von  unten  statt  incisivo  lies  incisiva. 

8.  324,  Zeilu  4 von  unten  statt  Faidberbe  lies  Faidhcrbr. 


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Taf.  V. 


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Taf.  VEI . 


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PKOSPECTUS 

über  die 

von  I)r.  A.  Ziegler  in  Freiburg  in  Baden 

angeferiigten 

Wachspraparate  Uber  die  Hirnwindungen  des  Menschen. 


Diese  Präparate  wurden  unter  der  Leitung  Ton  Professor  Dr.  A.  Ecker  und  nach  dessen 
Präparaten  angefertigt. 

Wegen  näherer  Nachweise  wird  auf  dessen  Schriften  über  diesen  Gegenstand: 

1)  Die  Hirnwindungen  des  Menschen  nach  eigenen  Untersuchungen  insbesondere  über  die 
Entwickelung  derselben  beim  Fötus  und  mit  Rücksicht  auf  das  Bedürfnis  der  Acrate.  Mit 
in  den  Text  eingedruckten  Holzstichen,  gr.  & Fein  Velinpapier,  geh.  Praia  20  Sgr.  Braun- 
achweig,  1809.  Friedrich  Vieweg  und  Sohn. 

2)  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Furchen  und  Windungon  der  Orosahirnhemiaphären 
im  Fötus  des  Menschen.  Archiv  für  Anthropologie,  Band  III,  Heft  3,  Seite  203,  Taf.  I — IV. 

hingewiesen. 

Serie  I. 

Die  Entwickelung  der  Furchen  und  Windungon  der  Grosshirnhemisphären  im  Fötus  des  Men- 
schen. 14  Präparate. 

Nr.  1.  Gehirn  eines  Embryo  von  12  Wochen  (vergleiche:  Ecker,  zur  Eutwickluugsgeechichtc  der 
Furchen  und  Windungen  der  Grosshiruhemisphären  im  Fötus  des  Menschen.  Archiv  für 
Anthropologie  III,  3.  Taf.  I.  lig.  1,  2,  3,  5. 

Nr.  2.  Dasselbe  im  Medianschuitt,  linke  Hälfte,  ibidem.  Fig.  3. 

Nr.  3.  Gehirn  eines  FötuB  von  4 Monatou  (16  Wochen).  1.  c.  Taf.  I.  Fig.  0 u.  7. 

Nr.  4.  Dasselbe  im  Medianschuitt,  linke  Hälfte,  ibid.  Fig.  8. 

Nr.  5.  Gehirn  eines  Fötus  aus  dem  5.  Monat  (19.  Woche).  1.  c.  Taf.  I.  Fig.  10,  11  u.  12. 

Nr.  6.  Dasselbe  im  Medianschnitt,  linke  Hälfte,  ibid.  Fig.  13. 

Nr.  7.  Gehirn  eines  Fötus  aus  dem  6.  Monat  (23.  Woche).  1.  c.  laf.  II.  Fig.  1,  2 u.  3. 

Nr.  8.  Dasselbe  im  Medianschnitt,  linke  Hälfte,  ibid.  Fig.  4. 


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Nr.  9.  Gehirn  eines  Fötus  auB  dem  7.  Monat  (28.  Woche).  1.  e.  Taf.  II.  Fig.  6 u.  7. 

Nr.  10.  Dasselbe  im  Medianschnitt,  linke  Hälfte. 

Nr.  11.  Gehirn  eines  Fötus  aus  dem  8.  Monat  (32.  Woche).  1.  c.  Taf.  III.  Fig.  1,  2,  4 u.  6. 

Nr.  12.  Dasselbe  im  Median  schnitt,  linke  Hälfte,  ibid.  Fig.  5. 

Nr.  13.  Gehirn  eines  Fötus  aus  dem  9.  Monat  (36.  Woche).  1.  c.  Taf.  IV.  Fig.  1 — 4. 

Nr.  14.  Dasselbe  im  Medianschnitt,  linke  Hälfte. 

Serie  IT. 

Die  Furchen  und  Wendungen  der  Großhirnhemisphären  des  Erwachsenen.  (Siehe  die  Schrift: 
Die  Hirnwindungen  des  Menschen  nach  eigenen  Untersuchungen  insbesondere  über  die  Entwickelung 
derselben  beim  FötuB  und  mit  Rücksicht  auf  das  ßedürfuiss  der  Aerzte.  Dargostellt  von  Prof.  A. Ecker, 
gr.  8.  Fein  Velinpapier,  geh.  Preis  20  Sgr.  Braunschwcig,  1869.  Friedrich  Vieweg  und  Sohn.) 

Nr.  1.  Grosshini  eines  Erwachsenen. 

Nr.  2.  Dasselbe  im  Mediansclmitt,  linke  Hälfte. 

Preise: 

Serie  I.  18  Thlr.  — Serie  II.  10  Thlr. 


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Im  Verlage  von  Ernat  Kühn'»  statistischem  Separat-Conto  in  Berlin  erscheint  und  ist  durch  alle  Buchhandlun- 
gen des  In-  und  Auslandes  ohne  Preiserhöhung  zu  beziehen: 


ZEITSCHRIFT 

DES  KÖNIGE  PREUSSISCHEN  STATISTISCHEN  BUREAUS. 

REDIGIRT  VON  DESSEN  DIRECTOR: 

KÖNIGE.  PliEUSS.  GEH.  OB. -REG. -RATH  Db.  ERNST  ENGEL. 


Die  Zeitschrift  des  königL  preußischen  statistischen  Bu- 
reau*, gegründet  im  October  1860,  befindet  sich  gegenwärtig 
im  VIII.  Jahrgang  ihrer  Existenz.  Wie  die  nachfolgende 
systematisch  geordnete  Uebersicht  der  grösseren  Auf- 
sätze in  den  bis  jetzt  erschienenen  Nummern  lehrt,  verbreitet 
sie  sich  über  alle  Gebiete  des  preußischen  StaatslebenB  und 
vergleicht  dasselbe,  im  Ganzen  wie  im  Einzelnen,  mit  dem  an- 
derer Staaten.  Lediglich  aus  Originalarbeiten  bestehend, 
entnimmt  sie  die  positiven  und  zahlenmäßigen  Grundlagen  zu 
denselben  den  lautersten  und  zuverlässigsten , allermeist  amt- 
lichen Quellen,  die  ihr  im  reichen  Maasse  zu  Gebote  stehen. 
Die  Bibliographie  der  Zeitschrift,  welche  sich  auf  die  neue- 
ren . der  Bibliothek  des  königlichen  statistischen  Bureaus  ein- 
verleibten Werke  erstreckt,  ist  anerkannt,  und  zwar  wegen  de« 
Nachweises  einer  grossen  Menge  amtlicher,  gar  nicht  in  den 
Buchhandel  gelangender  in-  und  ausländischer  Werke,  eine  der 
vollständigsten,  die  es  giebt.  Als  Reoensionsblatt  erfreut 
sich  die  Zeitschrift  des  Rufes  unbedingter  Objectivitat  und 
wirklicher,  den  ganzen  Inhalt  der  zu  beurteilenden  Bücher 
ins  Auge  fassenden  Besprechung. 

Auf  Grund  vorgenannter  Eigenschaften  ist  die  Zeitschrift  ! 


des  königlich  preußischen  statistischen  Bureaus  längst  für  das 
Studium  namentlich  preußischer  Verhältnisse  und  Zustände  un- 
entbehrlich geworden,  und  ihr  Leserkreis  ist  in  Folge  dessen 
von  Jahr  zu  Jahr  gewachsen.  Dazu  kommt,  dass  sie  gleich- 
zeitig die  wohlfeilste  ihrer  Art  ist.  Jährlich  auf  zwölf  Num- 
mern, 40  — 50  Bogen,  berechnet,  hat  sie  diesen  Umfang  noch 
immer  überschritten,  ohne  den  AbonnementspreiB  von  Zwei 
Thalern,  das  sind  1 Vj  Silbergroschen  pro  Bogen,  erhöht  zu 
haben.  Zu  dem  eben  genannten  Preise  ist  sie  durch  alle  Buch- 
handlungen und  Postanstalten  Nord-  und  Süddeutschlands, 
Oesterreichs  und  des  Auslandes  zu  beziehen. 

Von  früheren  Jahrgängen  der  Zeitschrift  werden  der 
II.  bis  VII.  an  neu  hinzutretende  Abonnenten  zum  gleichen 
Preise  von  2 Thaler  pro  Jahrgang  abgegeben;  der  I.  Jahrgang 
ist  bereits  gänzlich  vergriffen.  Einzelne  Nummern  oder  Hefte 
werden  nicht  verabfolgt;  auch  bezieht  sich  das  Abonnement 
| stets  mindestens  auf  einen  ganzen  Jahrgang. 

Wegen  anderweiter  Empfehlung  der  Zeitschrift  kann  auf 
I die  zahlreichen  anerkennenden  Urtheüe  der  Presse  aller  Län- 
I der  verwiesen  werden. 


Systematische  Uebersicht 

der  grösseren  Aufsätze  in  den  bisher  erschienenen  Jahrgängen  der  Zeitschrift. 


I.  Theorie  und  Technik  der  Statistik. 

Die  Methoden  der  Volkszählung  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  im  preußischen  Staate  angewandten  (von  Dr.  Engel)  . 
Die  königL  preußische  Centralcommission  für  Statistik  und  ihr 
Gutachten  über  die  Maasaregeln  zur  Volkszählung  im  Dccember 

1861  (von  Dr.  Engel) 

Die  Bearbeitung  von  Kroisstatistiken  durch  die  königlichen  Land* 
rithe  in  Folge  de«  Ministcrialrescripts  vom  11.  April  1859 

(vom  Regier  uugsrath  Roeekli) 

Gutachten,  die  statistischen  Aufnahmen  über  die  Provinzial-, 
Kreis*  und  Gemeinde- Abgaben  betreffend  (vom  Regierungs- 
rath ßoeckh) 

Actenst ticke,  betreffend  die  statistischen  Aufnahmen  im  Deocm- 
her  1864,  insbesondere  die  Zählung  der  Civil-  und  MiLitair- 

bevölkerung  uud  des  Viehstande« 

Ueber  den  Werth  und  rechten  Gebrauch  der  Statistik  (von  Lord 

Stanley)  

Die  Nationalökonomie  und  Statistik  in  der  französischen  Aka- 
demie der  Wissenschaften 

Da«  Verfahren  bei  der  preussischen  Volkszählung  vom  3.  De- 
cember  1864.  (Nach  den  Berichten  der  königl.  Regierungen 
von  Dr.  G.  F.  Knapp,  mit  Anmerkungen  vom  Rvgierungs- 

rath  Boeekh) 

Acten  massige  Darstellung  der  Vorbereitungen  zu  den  statisti- 
schen Aufnahmen  im  December  1867,  insbesondere  der  Volks- 
zählung im  preussischen  Staate  und  im  norddeutschen  Bundes- 
gebiete. Mltgetheilt  von  Dr.  Engel 


Jahr- 

|F»ug. 

1861 

1861 

1861 

1863 

1864 

1865 

1866 

1867 

1867 


n.  Organisation  der  Statistik. 


Zur  Geschichte  des  königl.  prcussischeu  statistischen  Bureaus. 

Eine  Krinnerungsfeier  seiner  Errichtung  (von  Dr.  Engel)  . 1860 

Ueber  die  Organisation  der  amtlichen  Statistik  mit  besonderer 
Beziehung  auf  Preussen  (von  Dr.  Engel) 1860 


Dh:  Herausgabe  eines  Jahrbuchs  für  preußische  Statistik  durch 
das  königl.  preussiache  statistische  Bureau  betreffend  .... 
Ueber  die  neuesten  Fortschritte  in  der  Organisation  der  amt- 
lichen Statistik  in  Preussen  (von  Dr.  Engel) 

Die  Statistik  im  Dienste  der  Verwaltung,  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  im  preußischen  Staate  bestehenden  Ein- 
richtungen (von  Dr.  Engel)  

Das  statistische  Seminar  des  königl.  preussischen  statistischen 

Bureaus  (von  Dr.  Engel) 

Ueber  den  Zustand  der  amtlichen  Statistik  im  Königreich  Por- 
tugal; Bericht  des  Herrn  Marquis  d’Avila,  königl.  Staats- 
minister a.  D.,  an  den  statistischen  Congress  in  Berlin  ■ . . 


Jahr- 

#»*»#■ 

1861 

1863 

1863 

1864 

1865 


III.  Statistischer  CongresB. 


Bericht  an  die  Vorbereitungscommission  der  V.  Sitzungsperiode 
des  Congressos  über  die  Gegenstände  der  Tagesordnung  der- 
selben (von  Dr.  Engel)  I.  uud  II.  ........... 

Die  Beschlüsse  der  in  den  Tagen  vom  6.  bis  mit  12.  September 
1863  in  Berlin  abgehaltencn  fünften  Sitzungsperiode  des  inter- 
nationalen statistischen  Congresses;  mitgetheilt  und  mit  kri- 
tischen Anmerkungen  versehen  von  Dr.  Engel 

Zur  Erfüllung  der  Wünsche  und  Ausführung  der  Beschlüsse  des 

internationalen  statistischen  Congresse«  von  Berlin 

Der  internationale  statistische  Congress  in  Florenz 

Der  internationale  statistische  Congress  in  Florenz  (von 
Dr.  Engel) 


1863 

1864 

1865 

1866 

1868 


IV.  Statistik  im  Allgemeinen  und  Statistik 
mehrerer  Zwoige. 

Der  Regierungsbezirk  Köln,  ein  statistisches  Gemälde,  entworfen 
auf  Grund  der  die  Jahre  1855—1858  umfassenden  neuesten 

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2 


statistischen  und  VerwaltungHbericbte  der  königlichen  Land* 

räthe  (von  Professor  Helwing) • ■ • • 

Die  wichtigsten  Ergebnisse  des  achten  Ccnsus  der  Vereinigten 

Staaten  von  Nordamerika • • 

Land  und  Leute  des  preußischen  Staats  and  seiner  Provinzen, 
nach  den  statistischen  Aufnahmen  Ende  1661  und  Anfang  1862 

(von  Df-  Engel)  • j * • 

Der  preuasiacbe  Staat  io  seiner  neuen  Gestalt  (von  K.  Brämcr) 


Jahr- 

gang. 

1861 

1663 

1863 

1866 


V.  Statistik  einzelner  Zweigo. 


Territorium.  Phyt*l«rhc  Natur  des  Lande!». 

Das  Klima  des  preussischen  Staats  und  des  angrenzenden  Nord* 
deutscblands,  nach  den  Beobachtungen  des  mit  dem  könig- 
lichen statistischen  Bureau  verbundenen  meteorologischen  In- 
stituts (von  H.  W.  Dove) _•  • 

Die  U Überschwemmungen  in  Deutschland  im  Winter  1861  — 1862 

(von  Prof.  H.  W.  Dove) * 

Die  mitteleuropäische  Gradmessung  und  die  erste  allgemeine 
Conferenz  der  von  den  Regierungen  der  betheiligten  Staaten 
dazu  Bevollmächtigten  in  Berlin  vom  15.  bis  22.  October  1864 

(von  Dr.  Engel) 

Ueber  die  Witterung  des  Jahres  1864  und  des  Winters  von 

1864—1865  (von  H.  W.  Dove) .*  * * * 

Die  Grösse,  Beschaffenheit  und  Besteuerung  der  Fläche  des 
preuwischeu  Staatsgebiets  (von  Dr.  Engel)  I.  und  1L  . . • 
Die  W'itterungserscheinungen  des  Jahres  1865  (von  H.  W.  Dove) 
Ueber  das  Osoo,  mit  Rücksicht  auf  Meteorologie  und  Heilkunde 
(vom  Regierung*-  und  Mcdicinalrath  Dr.  Scbaper)  ♦ . • . 


1861 

1862 

1864 

1865 

1866 
1866 

1867 


haben;  eiue  Denkschrift,  bearbeitet  im  Mmsiterium  für  die 
landwirtschaftlichen  Angelegenheiten  


Jahx- 

1865 


Landwirthsehaft  und  Thieriucht. 


Ueber  den  Uopfenbau  im  preussischen  Staate  (von  Prof.  Hel- 

»in«) 

Die  Viehhaltung  im  preussischen  Staate  von  1816  bis  mit  1858 

(von  l>r.  Engel) 

Die  Getreidepreise,  die  Ernteerträge  und  der  Getreidehandel  im 

preussischen  Staate  (von  Dr.  Engel) 

Der  Weinbau  im  preussischen  Staate  von  1819  bi*  mit  1860 

(von  Dr.  Engel) 

Statistisch«  Mittheilungen  über  don  Zustand  des  Seidenbaues  in 
Deutschland  und  besonders  im  prcocsischen  Staate  am  An- 
fänge des  Jahres  1862  (von  A.  Rot  her,  rector  einer-)  . . . 
Hopfen  bau  und  Rierfabrikation  im  preussischen  Staate  (von 

Prof.  Helwing) 

Geschichtlich-statistische  Darstellung  der  Schafzucht,  deren  Ver- 
edelung und  Vermehrung  im  preussischen  Staate  von  der 
Ehesten  Zeit  bis  zum  Jahre  1825  (aus  dem  Nachlasse  Leo- 
pold Krug’a,  mitgethcilt  vom  Kegierungsrath  B ergiu s)  . . 
Vorläufige  llsuptrvsultatc  der  Viehzählung  im  preussischen 

Staate  am  3.  December  1864  

Die  Ackerbau- Enquete  in  Frankreich  

Zur  lund wirtschaftlichen  Statistik  von  Grossbritannien  .... 
Ueber  die  Entwickelung  der  landwirtschaftlichen  Verhältnisse 
in  Westpreusaen  seit  der  Besitznahme  durch  Friedrich  den 
Grossen  (vom  Regierungsrath  Oe  Ir  ich  s in  Danzig)  .... 
Die  landwirtschaftliche  Statistik 


1860 

1861 

1861 

1861 

1862 

1862 

1863 

1865 

1866 
1867 


1867 

1863 


Bevölkerung. 

Das  Anwachsen  der  Bevölkerung  im  preussischen  Staate  seit 

1816  (von  Dr.  Engel) 

Die  Spracbvcrschiedenheiten  der  Bewohner  des  preussischen 
Staats  nach  den  von  den  königlichen  Regierungen  im  Dccembcr 

1858  uugeatfcllten  Erhebungen  - . . . * 

Die  Aus-  und  Einwanderungen  im  preussischen  Staate,  insoweit 
Nachrichten  darüber  zur  Kenntniss  dor  königlichen  Regierun- 
gen gekommen  sind  (von  Dr.  Engel)  

Die  Volkszählung  am  3.  Dccembcr  1881  (von  Dr.  Engel)  . . 
Die  Sterblichkeit  und  die  Lebenserwartung  im  preussischen 
Staat«  und  besonders  in  Berlin  (von  Dr.  Engel): 

I.  Hauptabschnitt  und  II.  Hauptabschnitt  1—3.  ..... 

Fortsetzung  und  Schluss  

Die  Volkszählungen,  ihre  Stellung  zur  Wimmschaft  und  ihre 
Aufgabe  in  der  Geechichte.  Ein  Vortrag,  gehalten  von  Dr. 

Engel  

Die  vorläufigen  Hauptresultate  der  Zählung  der  Bevölkerung 
dos  preussischen  Staate*  am  3.  December  1861  ...... 

Da«  definitive  Resultat  der  Volkszählung  im  preussischen  Staate 

am  3.  December  1861 - 

Zur  BevolkerungastatUtik  (von  Prof.  Dr.  Wittstein  in  Hannover) 
Die  Ein-  und  Auswanderungen  im  preussischen  Staate  in  don 

Jahrou  1862  und  1863  • 

Vorläufige  Hauptrcsultate  der  Zählung  der  Bevölkerung  de* 

preussischen  Staats  nun  3.  December  1864  

Das  definitive  Resultat  der  Volkszählung  im  preussischen  Staate 

am  3-  December  1864  

Die  Ergebnisse  der  Volkszählung  und  Volksbescbreibung  vom 

3.  December  1864  (von  Dr.  Engel)  ^ 

Gedanken  über  die  französische  Volkszählung  des  Jahres  1866 

ln  Frankreich  (von  Jules  Duval) • • • 

Beiträge  zur  Kenntniss  des  physischen  Lebens  des  preussischen 

Volks  (von  I>r.  Engel) • 

Die  Bevölkerung  von  Frankreich  nach  der  Zählung  vom 

15.  Mal  1869 

U ebersicht  der  vorläufigen  Hauptresultate  der  Zählung  der  Be- 
völkerung des  preussischen  Staats  am  3.  December  1867  . . 
Desgleichen  der  Bevölkerung  in  den  norddeutschen  Bundesstaaten 
und  den  süddeutschen  Zoüvereinsstaatcn  am  3.  December  1867 

Gruudfdgfiithuiii. 

Der  Acker- und  Häuserbau  und  der  Grundcredit  (von  Dr- Engel) 
Die  sociale  und  politische  Verschiedenheit  des  Gruudeigenthum* 

Im  preussischen  Staate 

Veränderungen,  welche  die  spannfähigen  bäuerlichen  Nahrungen 
in  den  sechs  östlichen  Provinzen  der  preussischen  Monarchie 
und  in  der  Provinz  Westfalen  durch  die  Bodenbewegung 
während  des  Zeitraums  von  1816  Ms  Ende  1859  nach  Aus- 
weis der  im  Jahre  1860  aufgenommenen  Matrikeln  erlitten 


1860 

1860 


1860 

1861 


1861 

1862 


1862 

1862 

1862 

1563 

1864 

1865 

1865 

1866 
1867 
1867 

1867 

1868 
1868 

1860 

1861 


Forrtwliihneliaft  und  Jagd. 

Die  städtischen  Forsten  des  Regierungsbezirks  Köslin;  Beitrag 
zu  einer  statistischen  Darstellung  des  Regierungsbezirks  (vom 
Rcgicrungsasscssor  Förster,  Mitglied  des  stau  .Seminars) 

Nach  Weisungen  über  den  Reinertrag  der  Staatsforsten  in  den 
einzelnen  Regierungsbezirken  der  alten  Landestheile  in  einem 
DurchschnltLijahre  aus  den  Jahren  1864,  1865  und  1866  - . 

Fischerei. 

Ueber  die  Lage  der  Seefischerei  in  Belgien  ...  


1865 
1867 

1866 
1866 
1867 


Bergbau. 

Das  Kreiberger  Berg-  und  Hüttenwesen  vor  100  Jahren  und  jetzt 
Vergleichung  der  Holzproduction  und  der  Production  von  Stein- 
kohlen und  Braunkohlen  im  preussischen  Staate.  (Vom 
Königl-  Ober- Berghauptmann  a.  D.  von  Dechen)  .... 

Industrie. 

Die  Hauptrcsultate  der  „Gewerhetabellen*  in  den  Jahren  1846, 

1849,  1852,  1855  und  1858  | 1860 

Die  Pariser  Welt- Industrie  -Ausstellung  im  Jahre  1867  (vom 

Rcgierungsa&sessor  Blenck) I 1865 

Dampf-  und  Wasserkraft  im  Dienste  der  Industrie  des  Regie-  1 
rungsbezirks  Düsseldorf  im  Jahre  1866  1 1368 

OefTent  liehe  Arbeiten. 

Ueber  die  Verkehrseinrichtungen  im  preussbehen  Staate  . . . | 1862 
Die  Eisen-,  Stein-  und  Wasserstrassen  des  preussischen  Staats 

im  Jahre  1862  . - . | 1863 

Die  Grenzen  des  Erfindungsgeistes  im  Transportwesen  (von 

Dr.  Engel) 1864 

Ueber  die  hygienischen  Grundsätze  beim  Hospital  bau 1866 

Dio  vollendeten  und  im  Bau  begriffenen  russischen  Eisenbahnen  1866 

.Münzen.  Maaute  und  Gewichte. 

Die  Gcldprägung  im  preußischen  Staate  von  Trinitatis  1764 
bis  31.  December  (vom  Geheimen  Rochnungsrath  Schmauch)  j 1861 
Stimmen  der  preussischen  Handelskammern  und  kaufmännischen 
Corporatiouen  aus  dem  Jahre  1863  über  den  deutHcb  - fran- 
zösischen Handelsvertrag  und  die  Einführung  des  metrischen 

Maas«-  und  Gcwiehtssystems  . . | 1863 

Neuere  Nachrichten  über  die  Einführung  des  metrischen  Maas* 

und  Gewichtssystems  in  Deutschland  (von  E.)  .......  | 1865 

Handel. 

Die  Ansichten  und  Wünsche  der  Handelskammern  im  preus- 
sischen Staate  über  einige  allgemeine  gewerbliche  Verhält- 
nisse (von  K.  Brämer) | 1862 


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3 


Die  Stimmen  der  preussischen  Handelskammern  und  kaufmän- 
nischen Corporationen  aus  dem  Jahre  1861  über  die  Handels- 
verträge, das  Zollweaen,  den  Vertrieb  inländischer  VVaareo 
ins  Ausland  und  die  Einfuhr  ausländischer  Waarcn  in  den 

preußischen  Staat  (von  Karl  Brünier)  1862 

Die  Weichsel,  ihre  Bedeutung  für  den  Handel  der  Provinz  Preussen  , 
und  die  Stadt  Danzig  insbesondere  (von  Fritz  Hirschfeld)  , 1861 
Die  Ansichten  der  preussischen  Handelskammern  über  einige 
brennende  Fragen  der  Gegenwart  und  jüngsten  Vergangenheit; 
au«  den  Handelskammer-Berichten  für  das  Jahr  1864  (einge- 
leitet von  Dr.  Engel) 1865 

Der  Handel  Belgiens  im  Jahre  1864  . 1865 

Notizen  über  Hamburgs  Handel 1866 

Statistische  Untersuchung  über  dl«*  Wirksamkeit  der  Spaculation 

im  Roggenhandel  während  der  Jahre  1850-— 1867  (von  Dr.  Cohn)  | 1868 

Verkehr. 


Ueber  die  Noth Wendigkeit  einer  Reform  der  Handels-  und  Ver- 
kehrsstatistik (v.  R.  S.) 

Ueber  die  Verkehrseinrichtungen  im  preussischen  Staate  . . . 
Der  Pont-  und  Telegraphen  verkehr  im  preußischen  Staate  wäh- 
rend des  Jahres  1863  

Geschichtliche  und  statistische  Mittbeilungen  über  das  öffentliche 
Fuhrwesen  in  Berlin  (vom  Rcgicrungsassessor  Dr.  Dleterici) 
Die  interkontinentale  Beförderung  der  kön.  grossbritannischen  Post 
Die  Frachtgut-Bewegung  auf  den  preussischen  Eisenbahnen  im 
Jahre  1865 (von  Robert  Simson) 


1861 

1862 

1864 

1865 
1865 

1867 


Geld-  und  Credit-  Institute. 


Die  Thätigkeit  der  preußischen  Bank  im  Jahre  1864  (von 

K.  Brämer) 

Die  Kosmopolitik  der  Börsen  ............... 

Die  Banken  Norddcutscblands  im  Jahre  1865  und  während  des 

Krieges  1866  (von  Julius  Elster) 

Die  Grundcredit- Institute  ln  Preussen  (von  II.  Brämer  mit 
einer  Nachschrift  der  Redaction) 


1865 

1866 

1867 

1867 


Ver<dcherunff3weKrn. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Statistik  der  Feuerversicherung! 

im  preussischen  Staate  (von  L.  Jacobi)  I.  II.  und  III.  . . j 
Beiträge  zur  Statistik  des  Versicherungswesens  im  preussischen 
Staate  (von  Karl  Brämer): 

T.  Feuerversicherung.  II.  Lebensversicherung 

Da*  Feuerversicherungswesen  im  preussischen  Staate  in  den 

Jahren  1863,  1864  und  1865  (von  H.  Brämer) 

Die  Unfallversicherung  (von  Dr.  Engel) 

Da-  Lcbcnsversichcrungswesen  im  preußischen  Staate  in  den 

Jahren  1863,  1864  und  1865  (von  H.  Brämer) 

Materialien  zur  Unfallversicherung  (von  Dr.  Engel) 

Geschichte , Umfang  und  Bedeutung  des  öffentlichen  Feuer  Ver- 
sicherungswesens (von  v.  Hülsen,  Generaldirector  der  Land- 
Feuersocietät  für  das  Herzogtbum  Sachsen)  ....  • • . . 
Die  französische  Verordnung  über  die  Versicherungsgesellschaften 
vom  22.  Januar  1868  


1862 

1863 

1864 


1864 

1866 

1866 

1867 

1867 


18C7 

1868 


Production  und  Consumtion. 

Zur  statistischen  Ermittelung  der  Consumtion  pro  Kopf  der  Be- 
völkerung im  preussischen  Staate  (von  I)r.  Engel)  . . . . 1864 

Materialien  zur  Wein-,  Branntwein-  und  Bierstatisdk  Preussen* 
in  Form  einer  Beantwortung  der  den  Mitgliedern  der  Jury 
der  Pariser  Ausstellung  vorgelegten  Fragen  . 1867 

Preise  und  Löhne. 


Die  Getreidepreise,  die  Ernteerträge  und  der  Getreidehandel  im 

preussischen  Staate  (von  Dr.  Engel) 

Durchschnittspreise  der  wichtigsten  Lebensmittel  im  Kalender- 
jahr 1865  und  in  den  Monaten  Januar  uod  Februar  1866, 

ferner  in  der  Zeit  von  1816— 1865  

Durchschnittspreise  der  wichtigsten  Lebensmittel  für  Menschen 
und  Thiere  in  den  bedeutendsten  Marktstädten  dos  preußischen 

Staats.  Monat  März — Juni  1866  

Desgleichen  für  Juli  und  August  und  Durchschnittspreis  des 

Erntejahres  von  Augnst  1865  bis  ind.  Juli  1866  

Desgleichen  für  die  Monate  September , October  und  November 
Desgleichen  für  Monat  December  1866,  Kalenderjahr  1866  und 

Monat  Januar  1867  

Desgleichen  für  die  Monate  Februar,  März  und  April  1867  . . 


1861 


1866 


1866 

1666 

1866 

1867 

1867 


Detgleichcu  für  die  Monate  Mai,  Juni,  Juli  1867  und  des 

Erntejabres  1866 — 67  

Desgleichen  die  Monate  August  bis  December  und  das  Kalender- 
jahr 1867  umfassend 

Arbeitende  Claasen. 

Ueber  die  Lage  der  Weber bevölkerung  in  Schlesien 

Die  polytechnische  Association  in  Paris  und  der  Handwerker- 
verein ib  Berlin  (von  Dr.  Engel) 

Wirtschaftliche  Sclbsthfllfe. 

Die  Sparkassen  in  Preussen  als  Glieder  in  der  Kette  der  auf 
das  Princip  der  Selbtthülfe  au  {gebauten  Anstalten  (von  Dr. 

Engel).  I.  und  II.  . • . . 

Die  Fabrik  der  Tuchmaoher* Innung  zu  Sagan  (vom  Geheimen 

Regiorangsratb  Jacobi  in  Liegnitz)  

Die  englischen  Land-  und  Baugenossenschaften 

Ein  Reforuiprincip  für  Sparcassen.  Gleichzeitig  ein  Vorschlag 
zur  Abhülfe  der  Hypothekar-Crcditnoth  (von  Dr.  Engel)  • . 

Armenwenen« 

Statistik  der  Armenpflege  im  vormaligen  Herzogtbum  Nassau  : 

Gesundheit.  Gesundheitspflege. 

Miuheilungrn  über  die  Zahl  der  Aerzto  und  der  Apotheken  in 
den  einzelnen  Regierungsbezirken  des  preußischen  Staats  am 
Schluss  des  Jahres  1861 , verglichen  mit  den  entsprechenden 

Za  Lj--:,  des  Jahres  1849  

Die  Cholera- Epidemie  des  Regierungsbezirks  Merseburg  im 
Jahre  1866  (von  Dr.  C.  F.  Koch) 

Kirche  und  Gottesdienst« 

Geschichte  und  Statistik  des  Dissidententhums  im  preussischen 
Staate  mit  Ausschluss  des  der  französischen  Gesetzgebung 
unterworfenen  Thcils  der  Rheinprovinz  (vom  Regierungs- 
asscssor  Georg  von  Hirsehfeld)  I.  II.  u.  III. 

Erziehung,  öffentlicher  Unterricht« 

Beiträge  zur  Statistik  des  Unterrichts,  insbesondere  des  Elemen- 
tarunterrichts in  den  volkreichsten  Ländern  Europas  und 

Nordamerikas  (von  Dr.  Engel) 

Schulpflicht  und  Schulbesuch  in  Berlin  (von  Dr.  Goldschmi  d t) 

Polizei,  Gefängnis* weaen. 

Beiträge  zur  Criminal-  und  Strafanstalts-Statistik  Preussen*  (voml 

Geheimen  Justizrathe Trias t) I.  und  II [ 

Statistische  Notizen  aus  der  Verwaltung  des  königl-  Polizei- 

Präsidiums  zu  Berlin  für  das  Jahr  1802  

Desgl-  für  das  Jahr  1863  

Die  Frequenz  der  Strafanstalten  für  Zuchtbaue-Sträfliogo  in  der 
preußischen  Monarchie  während  der  Jahre  1858  bis  mit  1863 

(von  Dr.  Engel) 

Die  Morbidität  und  Mortalität  in  den  Strafanstalten  der  preussi- 
schen  Monarchie  und  einiger  anderen  Länder  (von  Dr.  Engel) 

Civil-  und  Crlmlnaljustiz. 

Beiträge  zur  Criminal-  und  Strafanstalts -Statistik  Preussensl 
(vom  Geh.  Justizrathe  Triest)  I.  u.  II } 

Armee« 

Resultate  des  Ersatz-Aushebungsgeschäfts  im  preussischen  Staate 
io  den  Jahren  von  1855  bis  mit  1862  (von  Dr.  Engel)  . . 
Noch  einmal  die  Resultate  des  Krsatz-Aushobungsgwchäfts  und 

die  Militairdienut-Steucr  (von  Dr.  Engel) 

Die  Gesundheit  und  Sterblichkeit  der  königlich  preußischen 
Armee  in  dem  18jährigen  Zeitraum  von  1846  bis  mit  1863 

(von  Dr.  Engel) 

Statistische  Notizen  über  Hinterladungagewehre 

Die  Verluste  der  königl.  preußischen  Armee  an  Officieren  und 
Mannschaften , Aerzten  und  Krankenträgern  während  de« 

Feldzuges  1866  

Die  wahren  Verluste  der  königlich  preussischen  Armee  im  Kriege 
des  Jahres  1866  (von  Dr.  Engel)  

Finanzen. 

Kritische  Beiträge  zur  vergleichenden  Finanzstatistik  der  Gross- 
und  Mittelstädten  Europas,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
ihrer  Militärbudget*  (von  Dr.  Engel) 

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1 Jahr- 

1867 

1868 

j 1864 
; 1866 

1861 

I 

1864 

1866 

1867 

1866 


1863 

1S68 

1863 

1864 
1864 


1865 

1867 


1862 

1863 

1863 

1864 

1864 

1865 

1862 

1863 

1864 

1864 

1865 

1866 

1866 

1867 

1862 

i Google 


4 


Resultate  der  Mahl-  und  Schlachtsteuer  in  der  Periode  ton  18381  j jgg^ 
bi«  mit  1861;  eine  Ananzstatistische  Abhandlung  (rom  Re-.  jgg^ 

gierungsasscssor  Hei  nick)  I.  und  II *_  • • ■ • I 

Uebersicht  des  Sollaufkommens  an  directen  Steuern  für  das  Jahr 
1866  und  des  Istaufkommens  an  Mahl-  und  Schlachtsteuer 
für  da«  Jahr  1865  in  den  grösseren  Städten,  Regierungsbe- 
zirken und  Provinzen  des  preußischen  Staats 1866 

Wie  hoch  belastet  in  Preussen  die  Grundsteuer  die  Landwirt- 
schaft? Eine  Zeitfrage  beantwortet  von  Dr.  Engel.  Vergl. 

auch  No.  1 — 3 und  7 — 9 Jahrgang  1866  * ’ 1 

Die  Ergebnisse  der  Ci&ssenstenor,  der  clas»ifidrten  Einkommen-  j 
»teuer  nnd  der  Mahl-  und  Sehlocbuteuer  im  preusaisehen  I 
Staate  (von  Dr.  Engel) j l#68 


Verfassung.  Gesetzgebung. 

Statistik  der  Urwablen  für  das  preußische  Abgeordnetenhaus 
vom  19-  November  1861.  (Bearbeitet  von  R.  Boeckh)  . . 
Die  Ergebnisse  der  Urwablen  für  das  preu3slsche  Abgeordneten- 
haus vom  26.  April  1862  und  vom  20.  Octobcr  1863  (von 

Dr.  Engel)  

Kurze  systematische  Uebersicht  der  Gesetzgebung  des  preußi- 
schen Staats  während  der  Regcntschaftspettude  Seiner  jetzt 
regierenden  Majestät  König  Wilhelm  I.  (von  Prof.  Hel  wing) 
Die  Hauptresultate  der  Urwahlm  für  das  preusaische  Abgeord- 
netenhaus vom  25.  September  1866  


Jihr- 

rong. 

1862 

1862 

1862 

1867 


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ARCHIV 


FÜR 

ANTHROPOLOGIE. 

ZEITSCHRIFT 


FCB 

NATURGESCHICHTE  UND  URGESCHICHTE  DES  MENSCHEN. 

Organ 

der 

deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

Heransgegeben 

von 

0.  E.  V.  Baer  in  St  Petersburg,  E.  Desor  in  Neuenburg, 

A.  Eoker  in  Freiburg,  F.  v.  Hellwald  in  Wien,  W.  His  in  Basel, 

L.  Lindensohmit  in  Mainz,  Q.  Lucae  in  Frankfurt  a.  M.,  L.  Rütimeyer  in  Basel, 

H.  Schaaffhausen  in  Bonn,  C.  Semper  in  WUrzburg,  R.  Vlrohow  in  Berlin, 

C.  Vogt  in  Genf  und  H.  Weloker  in  Halle. 

Redaction: 

A.  Ecker,  L.  Lindenschmit 

und  der  Gencralsecrctair  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 


Vierter  Band. 


187  0. 


Mit  in  den  Text  eingedruckten  IIolzBtichen  und  lithogrnphirten  Tafeln. 


BRAUNSCHWEIG, 


DRÜCK  UND  VERLAG  VON  FRIEDRICH  VIEWEQ  UND  SOHN. 

1 87  0. 


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Die  Herausgabe  einer  Ueberaetrung  in  Cranxbaiacher  und  englischer  Sprache, 
sowie  in  anderen  modernen  Sprachen  wird  Vorbehalten. 


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INHALT 


DES 

VIERTEN  BANDES. 


Hott« 

I.  Steinerne  Ackerbaugeräthe  der  nordamerikani  sehen  Indianer.  Von  Carl  Rau  in  New- York  . . 1 

II.  Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  Von  Ihr.  C.  J.  Wiberg 

in  Gefle.  (Uebersetzt  von  J.  Meatorf)  . . . . 11 

III.  Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  I)r.  v.  Maak.  (In  diespm  Archiv 

Bd.  III,  S.  207.)  Von  L.  Li  nde  tisch  mit  . . . 39 

IV.  I>ie  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen , Iroschrieben  und  in  ihren  Beziehungen  zu  anderen 

Schädeln  des  Nordens  erläutert.  Von  R.  Virchow 55 

V.  Heber  die  Eingefrorenen  Costaricas.  Von  Dr.  Alexander  v.  Frantzius 93 

VI.  Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  lesEyzies  (Höhle  von  Cro-Magnon)  in  Perigord  nebst 

einigen  Bemerkungen  über  da«  Verhältnis«  der  Craniologie  zur  Ethnologie.  Von  A.  Ecker  109 

VII.  Referate. 

1.  Lotzc.  Mikrokosmos.  Ideen  zur  Naturgeschichte  und  Geschichte  der  Menschheit 

Zweiter  Band.  Zweite  Auflage.  Ref.  von  W.  II is 126 

2.  Wibel.  Die  Veränderungen  der  Knochen  bei  langer  Lagerung  im  Erdboden  und  die 

Bestimmung  ihrer  Lagerungs  zeit  durch  die  chemische  Analyse.  Ref.  von  H.  Fischer  128 

3.  Luschka.  Die  Anatomie  de«  Menschen.  Dritter  Band.  Zweite  Abtheilung.  Der 

Kopf.  Ref.  von  H.  We Icker IW 

4.  Bell,  ün  tho  native  race  of  New-Mexico.  Ref.  von  A.  v.  Frantzius 131 

5.  Berendt.  Report  of  Exploration  in  Central- Amerika.  Ref.  von  A.  v.  Frantzius  . 133 

6.  Wallace.  Der  m ilayische  Archipel  134 

7.  Geiger.  Der  Ursprung  der  Sprache.  Ref.  von  E.  Martin 138 

8.  His.  Ueber  die  Bedeutung  der  Entwickelungsgeschichto  für  die  Auffassung  der  orga- 

nischen Natur  139 

VIII.  Kleinere  Mittheilungen 140 

IX.  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 

1.  Verhandlungen  der  Section  für  Anthropologie  und  Ethnologie  bei  der 
43.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Innsbruck.  Sep- 

. tember  1869.  Von  Professor  K.  Sei  i gm  an  u 144 

2.  Verhandlungen  der  die  Anthropologie  einsch  Hessen  den  Section  ltei  der 

Versammlung  der  British  association  zu  Exeter.  August  1869 150 

X.  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 

1.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt.  151 

2.  Anatomie.  Von  A.  Ecker  165 

3.  Ethnographie  und  Reisen 169 

1.  ^ Allgemeines.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien  ................  — 

2.  Europa.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien 172 

3.  Asien.  Von  Dr.  A.  Bastian  in  Berlin 178 

4.  Australien.  Von  Professor  Meinicke  in  Dresden  . . 185 

5.  Oceanicm.  Von  Professor  Meinicke  in  Dresden — 

6.  Afrika.  Von  Professor  R.  Hart  mann  in  Berlin 186 

7.  Amerika.  Von  F.  v.  Hcllwald  in  Wien 190 

XI.  Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  Von  Wilhelm  His.  I.  . 197 

XII.  Ueber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Fasse  der  Chinesinnen.  Von  II.  Welcher 221 

XIII.  Der  stereoskopisch -geometrische  Zeichenapparat.  Von  Dr.  Julius  Jenson,  zweitem  Arzte  der 

Irrenanstalt  Allenberg  (Ostprcussen).  (Hierzu  Tafel  I.)  . . . 231 

XIV.  Der  Fuss  der  Chinesinnen.  Von  Wilh.  Stricker,  Dr.  med.  in  Frankfurt  am  Main 241 

XV.  Die  Menschenfresserei  und  daB  Menschenopfer.  Von  H.  Schaaffkauseu 245 


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VI 


Inhalt  des  vierten  Bandes. 


MW 

XVI.  Ueber  die  verschiedene  Krümmung  des  Schädelrohres  und  über  die  Steilung  des  Schädels  auf 

der  Wirbelsäule  beim  Neger  und  beim  Europäer.  Von  A.  Ecker.  (Hierzu  Tafel  II  und  III.)  287 
XVII.  Her  Fass  eines  Japanischen  Seiltänzers.  Von  Job.  Chris tn.  0.  Lucae.  (Hierzu  Tafel  IV.)  . 813 
XVIII.  Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  Vou  Wilhelm  His.  II 317 

XIX.  Referate. 

1.  Wallace.  Beitrüge  zur  Kenntnis«  der  natürlichen  Zuchtwah'.  Kef.  von  A.  Ecker.  333 

2.  Charles  Darwin.  The  Descent  of  Man  sind  Sslection  in  Relation  to  Sex.  lief,  von 

L.  Rütimeyer 336 

3.  Oscar  Pesch el.  Neue  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde  als  Versuch  einer 

Morphologie  der  Erdoberfläche.  Ref.  von  L.  Rütimeyer 337 

4.  Carl  August  Aeby.  Ueber  die  unorganische  Metamorphose  der  Knochensubstanz, 

dargethan  an  schweizerischen  Pfahlbautenknochen  und  über  den  Grund  der  Unver- 
änderlichkeit der  organischen  Knochensuhstanx.  Ref.  von  H.  Fischer 338 

6.  Archiv  io  per  L’Antropologia  e la  Ktnologia,  pubblicato  840 

XX.  Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen.  Von  H,  Schaaffhausen 341 

XXI.  Kleinere  Mittheilungen 366 

XXII.  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 

1.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt 367 

2.  Anatomie.  Von  A.  Ecker 368 

3.  Ethnographie  und  Reisan 372 

1.  Allgemeines.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien — 

2.  Europa.  Von  F.  v.  Hell wald  in  Wien 376 

8.  Afrika.  Von  Professor  Robert  Hartmann  in  Berlin 386 

« 4.  Amerika.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien  . 388 

5.  Asien.  Von  Dr.  G.  Gerl  and  in  Halle  . . 338 

6.  Australien.  Von  Professor  Me i nicke  in  Dresden 406 

7.  Oceanien.  Von  Professor  M einicke  in  Dresden — 

4.  Zoologie.  Von  L.  Rütimeyer 400 

5.  Allgemeine  Anthropologie.  Von  F.  v.  Hellwald,  L.  Rütimeyer  und  Anderen  . . . 410 


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RÜCKBLICK  UND  VORWORT. 


Als  vor  nunmehr  vier  Jahren  (Mai  18CC)  das  erste  Heft  des  Archivs  für 
Anthropologie  erschien,  sahen  die  Herausgeber  nicht  ohne  einige  Unruhe  der 
Aufnahme  desselben  entgegen.  Sic  mussten  sich  sagen,  dass  in  Deutschland  — ganz 
abgesehen  von  dem,  wissenschaftlichen  Bestrebungen  keineswegs  günstigen  Jahr- 
gang — die  Stimmung,  wenigstens  der  gelehrten  Kreise  im  Ganzen,  der  neu  auf- 
strebenden Wissenschaft  gegenüber  eine  ziemlich  kühle,  fast  ablehnende  sei.  Manche 
Anatomen,  insbesondere  unter  den  die  Mehrzahl  dieser  bildenden  Histologen,  be- 
trachteten (und  thun  dies  zum  Tlieil  heute  noch)  anthropologische  Studien  als  Etwas, 
was  sich  mehr  für  Dilettanten  als  für  ernste  Forscher  schicke,  die  Pulüontologen 
sahen  den  Menschen  als  ganz  ausserhalb  ihres  Bereichs  stehend  an,  und  die  Archäo- 
logen alten  Stils  endlich  entsetzten  sich  förmlich  ob  der  unbefugten  kühnen  Ein- 
dringlinge, welche  die  behagliche  Ruhe  ihrer  Domäne  zu  stören  wagten.  So  waren 
die  Anthropologen  allerseits  nicht  besonders  freundlich  angesehen,  und  ein  kleines 
Häufchen  gleichstrebender  Freunde  war  es  allein,  auf  die  sich  die  Herausgeber 
verlassen  konnten.  Gerade  diese  Verhältnisse  waren  es  aber  auch  wieder,  die  um 
so  dringender  die  Noth wendigkeit  erkennen  Hessen,  sich  ein  eigenes  Organ  zu 
schaffen,  das  nur  den  eigenen  Interessen  diene;  denn  jede  neue  Richtung  hat  mit 
cntgegcnstchendcn  alten  zu  kämpfen,  und  kann  sich  ihre  Bahn  nicht  brechen,  ohne 
links  und  rechts  an-  und  umzustossen,  und  dazu  bedarf  sie  eines  eigenen  Fahr- 
zeugs. Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  heute  die  Verhältnisse  schon  wesentlich 
andere,  bessere,  geworden  sind.  Die  Fortschritte  — ganz  besonders  der  Urge- 
schichte — haben  angefangen,  die  Aufmerksamkeit  auch  der  bis  dahin  Indifferenten 
zu  erregen,  und  die  unverkennbar  in  Zunahme  begriffene  Theilnalime  bewährter 
und  nüchterner  Forscher  an  den  anthropologischen  Arbeiten  hat  es  dahin  gebracht, 
der  jungen  Wissenschaft  allmälig  einen  festen  Credit  zu  verschaffen.  Neben  dem 
<j Archiv  ist  im  vorigen  Jahre  eine  weitere  Zeitschrift  mit  ähnlicher  Tendenz:  die 
-^Zeitschrift  für  Ethnologie  von  Bastian  und  llartmann“,  erschienen,  und  zahlreiche 

a-yv.vO 


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VI 


Rückblick  und  Vorwort. 


populäre  Blätter  sind  bemüht,  den  wissenschaftlichen  Stoff  nach  C.  E.  v.  Bär’s 
Ausdruck  zu  „zermahlen“  und  dem  grossen  Publikum  mundgerecht  zu  machen. 
Ob  das  Archiv  einen  Antheil  an  der  Hervorrufung  dieser  günstigeren  Strömung 
habe,  mag  eine  zukünftige  Geschichtschreibung  entscheiden , die  Thatsaehe  selbst 
wird  jedenfalls  für  dasselbe  ein  Sporn  sein,  auf  dem  betretenen  Wege  weiter  zu 
gehen. 

Mit  besonderer  Freude  begrüssen  es  die  Herausgeber,  dass  ein  Institut  ins 
Leben  getreten  ist,  für  das  sie  von  Anfang  an  das  grösste  Interesse  hegten.  Schon 
im  Jahre  1805  in  Frankfurt  a.  M.  wurde  von  den  dort  zur  Gründung  das  Archivs 
versammelten  Anthropologen  zugleich  auch  die  Gründung  einer  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  lebhaft  besprochen,  und  es  war  nur  die  Erwägung,  dass 
für  ein  derartiges  Unternehmen  die  Zeit  wohl  noch  nicht  hinreichend  vorbereitet 
sei,  welche  sie  abhielt,  sofort  den  Versuch  der  Ausführung  dieser  Idee  zu  machen. 
Was  damals  unthunlich  erschien,  ist  jetzt  Wirklichkeit  geworden.  Die  in  Innsbruck 
angeregte  Bildung  einer  deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 
und  Urgeschichte  hat  am  1.  April  dieses  Jahres  in  Mainz  definitiv  stattgefunden, 
und  die  Herausgeber  haben  die  Genugthuung  gehabt,  dass  das  Archiv  zum  wissen- 
schaftlichen Organ  dieser  Gesellschaft  bestimmt  w'urdc,  und  dass  sich  ihnen  aus  der 
Reihe  der  Mitglieder  derselben  und  der  hervorragendsten  Localvereinc  -weitere 
hochwillkommene  Mitarbeiter  beigesellten.  In  die  Rcdaction  tritt  von  Seite  der 
Gesellschaft  der  Generalsecretür  derselben  ein,  so  dass  dieser  die  directe  Mitwir- 
kung in  allen  sie  betreffenden  Fragen  gesichert  ist. 

Das  Archiv  wird  von  diesem  Bande  an  vierteljährlich  in  Heften  von 
circa  10  bis  12  Bogen  erscheinen,  wovon  vier  einen  Band  und  Jahrgang  bilden 
(das  vorliegende  umfasst  noch  das  erste  und  zweite  Vierteljahrsheft).  Das  von  der 
Gesellschaft  herausgegebene  monatlich  erscheinende  Correspondenzblatt  wird  in 
Viertcljahrsheften  jeweils  dem  Archiv  beigegeben  werden.  Im  Uebrigen  wird  dieses 
seine  frühere  Eintheilung  beibehalten  und  neben  Originalartikeln  Referate,  Berichte 
über  die  Versammlungen  gelehrter  Gesellschaften  und  Versammlungen , kleinere 
Mittheilungen  und  vermischte  Nachrichten  und  endlich  ein  ausführliches  Verzeich" 
niss  der  Literatur  in  allen  Zweigen  des  anthropologischen  Gebiets  bringen. 

Möge  die  Theilnahmc,  die  dasselbe  bui  seinen  ersten  schwierigsten  Schritten  auf 
ziemlich  einsamer  Bahn  begleitete,  ihm  auch  fernerhin  auf  der  mehr  geebneten  aber 
auch  mehr  begangenen  llcerstrassc  nicht  fehlen! 


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T N H-A  L T 


DES 

ERSTEN  UND  ZWEITEN  HEFTES  DES  VIERTEN  BANDES. 


I.  Steinerne  Ackerbaugoräthe  der  nordamerikanischen  Indianer.  Von  Carl  Rau  in  New-York 

II.  L'eber  den  Einfluss  der  Ktrosker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  Von  Dr.  C.  J.  Wiberg  in 

Geflc.  (Uebenetzt  von  J.  Mestorf)  

III.  Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  Vt»n  Dr.  v.  Maak.  (In  diesem  Archiv 

Bd.  III,  S.  267.)  Von  L.  Linden  schm  it  

IV.  Die  altnordischen  Schädel  su  Kopenhagen,  beschrieben  und  in  ihren  Beziehungen  zu  anderen  Schä- 

deln de»  Norden»  erläutert.  Von  R.  Yirehow 

V.  Ueber  dio  Eingeborenen  CofUricM.  Von  Alexander  v.  Frantziu» 

VI.  Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  lea  Eyzies  (Höhle  von  Cro-Magnon)  in  Perigord  nebst 

einigen  Bemerkungen  über  daB  Verhältnis  der  Craniologie  zur  Ethnologie.  Von  A.  Ecker 
VH.  Referate. 

1.  Lotze.  Mikrokoamo*.  Ideen  zur  Naturgeschichte  und  Geschichte  der  Menschheit. 

Zweiter  Band.  Zweite  Auflage.  Ref,  von  W.  II is 

2.  WibeL  Die  Veränderungen  der  Knochen  bei  langer  Lagerung  im  Erdboden  und  die 

Bestimmung  ihrer  Lagerungszcit  durch  die  chemische  Analyse.  Ref.  von  II.  Fischer 
3-  Luschka.  Die  Anatomie  des  Menschen.  Zweite  Abtheilung.  Der  Kopf.  Ref  von 
II.  Welcker 

4.  Bell.  On  tho  native  rare  of  Xew-Mexico.  Ref.  von  A.  v.  Frantzius 

5.  Berendt.  Report  of  Exploration  in  Central -Amerika.  Ref.  von  A.  v.  Frantzius  . 

6.  Wallace.  Der  malayische  Archipel 

7.  Geiger.  Der  Ursprung  der  Sprache.  Ref.  von  E.  Martin.  

L nis.  Ueber  die  Bedeutung  der  Entwicklungsgeschichte  für  die  Auffassung  der  organi- 
schen Natur 

VIIL  Kleinere  Mittheilungen  . . 

IX.  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen 

1.  Verhandlungen  der  Section  für  Anthropologie  und  Ethnologie  bei  der  43.  Ver- 

sammlung deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Innsbruck,  September  1869. 
Von  Professor  R.  Seligmann 

2.  Verhandlungen  der  die  Anthropologie  oinschliesscnden  Section  bei  der  Ver- 

uammlung  der  British  assoeiation  zu  Exeter.  August  1869  

X.  Yerzoiehniss  der  anthropologischen  Literatur. 

1.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt 

2.  Anatomie.  Von  A.  Ecker 

8.  Ethnographie  und  Reisen  

1.  Allgemeines.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien  

2.  Europa.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien 

3.  Asien.  Von  Dr.  A.  Bastian  in  Berlin 

4.  Australien.  Von  Professor  Me i nicke  in  Dresden  

6.  Oceanien.  Von  Professor  M einicke  in  Dresden 

6.  Afrika.  Von  Professor  R.  Hart  mann  in  Berlin 

7.  Amerika.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien  .....  


Mt» 

1 

II 

89 

65 

93 

109 


126 

128 

130 

131 
133 
131 
138 

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140 


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165 
169 

172 

178 

185 

186 
190 


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I. 


Steinerne  Ackerbaugeräthe  der  nordamerikanischen  Indianer. 

Von 

Carl  Rau  in  Newyork. 

Vor  einigen  Jaluen  veröffentlichte  ich  zum  ersten  Male')  Beschreibungen  und  Zeich- 
nungen von  nordamerikanischen  Flintgeräthen , die  sich  durch  Grösse  und  sorgfältige  Be- 
arbeitung auszeichnen , und  augenscheinlich  den  früheren  Einwohnern  beim  Ackerbau  und 
anderen  Erdarbeiten  dienten.  Diese  Werkzeuge  treten  unter  zwei  verschiedenen  Formen 
auf,  welche  Uber  ihre  Anwendung  wenig  Zweifel  lassen,  weshalb  ich  sie  ohne  Zögern  als 
Schaufeln  (shovels)  und  Hauen  (hoes)  bezeichnete.  Die  Schaufeln  (Fig.  1)  bestehen  aus 
ovalen  Flintplatten,  welche  auf  einer  Seite  flach  sind  und  auf  der  andern  eine  leichte,  nach 
dem  Rande  hin  sehr  gleichmiissig  abfallende  Wölbung  zeigen.  Dieser  Rand  ist  ringsum  durch 

Fig.  2. 


gelinde  Schläge  sorgfältig  und  regelmässig  geschärft,  besonders  am  breiteren , die  Schneide 
bildenden  Ende.  Das  hier  abgebildete  Exomplar,  welches  das  beste  meiner  Sammlung  ist, 
hat  etwas  mehr  als  einen  englischen  Fuss  Länge;  die  grösste  Breite  beträgt  fünf  Zoll  und 
einige  Linien,  die  Dicke  in  der  Mitte  otwa  dreiviertel  Zoll.  Andere  sind  schmäler  und  we- 
niger gewölbt.  Die  nächstfolgende  Zeichnung  (Fig.  2)  veranschaulicht  die  Gestalt  einer  der 

i)  Atrricultura]  Implement»  of  th«  North  American  Stonc  Period.  Smithionian  Report  for  1863,  p.  379. 

Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  IV.  Heft  1.  ^ 1 


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2 


Carl  Rau 


Hauen  meiner  Sammlung.  Dieselbe  ist  sieben  und  einen  halben  Zoll  lang,  tost  sechs  Zoll 
breit,  und  in  der  Mitte  ungefähr  einen  halben  Zoll  dick.  Der  gekrümmte  Rand  bildet  eine 
scharfe  Schneide  Diese  Werkzeuge  sind  aus  einer  besonderen  Gattung  von  blaugrauein  oder 
bräunlichem  Flint  verfertigt,  welcher  flachmuschelig  bricht  und  sich  daher  in  grosse  flache 
Stucke  trennen  lässt.  Ich  habe  denselben  nie  anstehend  gesehen.  Die  Ackerbaugerätbe 
meiner  Sammlung  wurden  alle  in  dem  gegen  Westen  vom  Mississippi  begrenzten  Bezirke 
(County)  St.  Clair  im  südlichen  Illinois  gefunden,  mit  Ausnahme  einer  Schaufel,  welche  im 
Jahre  1861  in  St.  Louis  (Missouri)  zum  Vorschein  kam,  als  der  General  Frdmont  Erdwerke 
zum  Schatze  der  Stadt  gegen  befürchtete  Angriffe  der  südlichen  Secessionisten  aufwerfen 
liess.  Die  aus  Illinois  stammenden  Exemplare  wurden  ebenfalls  an  der  Oberfläche  beim  Be- 
arbeiten des  Bodens  oder  nach  heftigen  Regengüssen  entdeckt,  welche  sie  blossgelegt  hatten. 
Schaufeln  sowohl  wie  Haucu  waren  ohne  Zweifel  mit  Stielen  versehen,  und  diejenigen  der 
Hauen  muthmasslich  so  gestellt,  dass  sie  einen  rechten  oder  selbst  einen  spitzen  Winkel  mit 
der  Steinplatte  bildeten , welche  stets  am  oberen  Ende  mit  zwei  Einkerbungen  versehen  ist, 
um  die  Befestigung  zu  ermöglichen  >)• 

Einige  der  Schaufeln,  wie  z.  B.  das  ölten  abgebildcte  Exemplar,  sind  über  einen  Fuss 
lang,  und  gehören  demnach  zu  den  grössten  Flintgeräthen,  welche  bis  jetzt  irgendwo  gefun- 
den worden  sind.  Die  roh  gearbeiteten  uxt-  und  lanzenförmigen  Werkzeuge,  die  man  in  Ge- 
meinschaft mit  den  Knochenresten  des  Mammuths,  des  Nashorns  und  anderer  Geschöpfe 
einer  verschwundenen  Fauna  in  den  Diluvialgebilden  Xordfrankreicbs  und  Englands  entdeckt 
hat,  kommen  ihnen  nicht  an  Grösse  gleich;  auch  haben,  soviel  ich  weiss,  die  Höhlen  der 
Rennthierperiode  im  südlichen  Frankreich  und  in  Belgien,  die  einst  wilden  Jägerstammen 
zum  Aufenthalt  dienten,  keine  aus  Flint  verfertigten  Geräthe  von  gleichem  Umfange  gelie- 
fert. Die  einzigen  derartigen  Gegenstände  von  gleicher  Orösse  sind,  wie  ich  glaube,  jene  in 
den  skandinavischen  Ländern  und  in  Norddeutschland  vorkommenden  grossen,  theilweise  ge- 
schliffenen Flintäxte,  welche  einer  späteren  Periode  der  europäischen  Steinzeit  angeboren. 

Dass  die  von  mir  beschriebenen  nordamerikanischen  Geräthe  wirklich  zur  Erdarbeit 
dienten,  unterliegt  kaum  einem  Zweifel,  denn  abgesehen  von  ihrer  dem  obigen  Zwecke  ganz 
entsprechenden  Gestalt,  lässt  sich  an  ihnen  eine  Abnutzung  wahrnehmen,  welche  auf  die  Art 
ihrer  ursprünglichen  Anwendung  auf  das  Bestimmteste  hinweist.  Es  erscheint  nämlich  der- 
jenige Theil  des  Werkzeuges,  der  beim  Grahen  mit  der  Erde  in  Berührung  kam,  trotz  der 
Härte  des  Gesteines,  gleichsam  polirt,  oder  wie  mit  einer  Glasur  überzogen,  und  überdies 
sind  in  jenen  geglätteten  Stellen  unzählbare  feine  Linien  sichthar,  die  genau  der  Richtung 

■)  Du  Pratz  thut  der  Hauen  der  Eingebornen  von  Louisiana  Erwähnung , deren  «ich  diese  bei  der  Be- 
arbeitung des  Bodens  zum  Behufe  des  Maishnues  bedienten:  „Ces  pioebes  sont  f&ites  nomine  une  L capitaie; 
eile«  tranchent  par  lea  cnlea  du  bout  bas  qui  est  tout  pltrt.“  (Histoire  de  la  Loutsiane,  Paria  1758,  T.  II, 
p.  176.)  Er  giebl  nicht  an  . aus  welchem  Stoffe  der  untere  Theil  der  Hauen  bestand , die  er  jedoch  ausdrück- 
lich als  eine  Erfindung  der  Indianer  bezeichnet.  Vielleicht  hat  «eine  Bemerkung  auf  die  von  mir  tieachriebe- 
neu  Hauen  Bezug,  die  in  der  Tbat  in  einer  ehemals  zu  Louisiana  gerechneten  Gegend  gefunden  wurden.  — 
In  dem  alten  Werke  von  De  Hry  sind  anf  Tafel  XXI  des  zweiten  Bandes  (Frankfurt  a,  M.  1591)  mit  Feldbau 
beschäftigte  Eingeborene  von  Florida  beider  Geschlechter  dargestellt.  Die  Männer  bearbeiten  den  Boden  mit 
Hauen,  wahrend  die  Weiber  säen.  Der  die  Kupfertafel  begleitende  lateinische  Text  (von  Le  Moyne)  gieht 
an,  dass  die  Hauen  aus  Fischknochen  bestanden  (ligonee  e piscium  ossihusl  nnd  an  hölzernen  Stielen  befeatigt 
waren. 


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Steinerne  Ackerbaugeriithe  der  nordumerikanischen  Indianer.  3 

entsprechen,  in  welcher  das  Oerath  den  Boden  durchdrang.  Diese  eigentliümliche  glasurartige 
Glättung  ist  an  allen  wirklich  gebrauchten  Exemplaren  meiner  Sammlung  wahrnehmbar, 
und  ich  habe  sie  ebenfalls  an  den  wenigen  beobachtet,  welche  ich  im  Besitz  Anderer  zu 
sehen  Gelegenheit  hatte.  Werkzeuge  dieser  Art  werden  nicht  sehr  häufig  gefunden,  und  ihr 
Vorkommen  scheint  auf  gewisse  an  den  Mississippi  grenzende  Staaten  beschränkt  zu  sein. 

Vor  Kurzem  wurde  ich  durch  die  Nachricht  überrascht,  dass  man  eine  nicht  unbedeu- 
tende Niederlage  solcher  Gegenstände  in  East  St.  Louis  — früher  Illinoistown  genannt  — 
entdeckt  habe.  Dieser  Ort  liegt  in  St.  Clair  County  in  Illinois,  nabe  am  Mississippi,  und  der 
Stadt  St.  Louis  gerade  gegenüber.  Da»  Ufer  von  Illinois  bildet  hier  den  sogenannten  „Ame- 
rican Bottom“,  eine  fruchtbare,  von  Anhöhen  begrenzte  Ebene,  die  sieb  auf  eine  bedeutende 
Erstreckung  dem  Ufer  entlang  hinzioht,  und  wegen  ihres  Reichthums  an  indianischen  Resten 
mancher  Art  die  Aufmerksamkeit  amerikanischer  Archäologen  von  jeher  in  Anspruch  genom- 
men hat1).  Die  wichtigste  Hinterlassenschaft  der  früheren  Bewohner  dieser  Gegend  sind 
jedoch  die  in  grosser  Zahl  vorhandenen  Erdwerke,  unter  denen  der  berühmte  pyramidenartige 
Bau,  l'ahokia  Mound  oder  Monk's  Mound  genannt,  durch  seine  riesigen  Verhältnisse  beson- 
ders liervorsticht,  und  den  Beschauer  unwillkürlich  an  die  Pyramiden  des  Nilthaies  erinnert*). 

Die  Einzelnheiten  der  obenerwähnten  Entdeckung  erfuhr  ich  durch  Dr.  Patrick  von 
Belleville  (Illinois),  eineD  gebornen  Irländer,  der  mich  schon  seit  vielen  Jahren  in  meinen 
archäologischen  Bestrebungen  auf  das  Freundlichste  unterstützt  hat.  Sobald  er  von  dem 
Funde  hörte,  eilte  er  nach  East  St.  Louis,  um  sich  von  den  näheren  Umständen  an  Ort  und 
Stelle  Kenntuiss  zu  verschaffen,  und,  um  über  gewisse  von  mir  angedeutete  Punkte  Gewiss- 
heit zu  erlangen,  besuchte  er  s)>äter  noch  zu  wiederholten  Malen  den  Fundort,  welcher  nur  vier- 
zehn oder  fünfzehn  englische  Meilen  von  Belleville  entfernt  ist,  und  überdies  durch  eine  Eisen- 
bahn mit  letzterer  Stadt  in  Verbindung  steht  Die  Flintwerkzeuge  kamen  im  Verlaufe  von  Erd- 
arbeiten zum  Vorschein , welche  in  East  St.  Louis  beim  Verlängern  einer  Strasse  unternom- 
men wurden,  und  Dr.  Patrick  erfuhr  alle  Einzelnheiten  von  dem  Unternehmer  der  Strassen- 
arlieit,  Herrn  Sullivan,  welcher  im  Augenblike  der  Entdeckung  gegenwärtig  war,  und  da- 
her als  zuverlässiger  Berichterstatter  angesehen  werden  kann.  Seine  dem  Dr.  Patrick  ge- 


t)  Ich  habe  den  American  Bottom  bereite  im  „Archiv4*  beschrieben.  East  St.  Lome  i»t  der  Ort,  in  dessen 
Nähe  ich  vor  mehreren  Jahren  die  Sporen  einer  indianischen  Töpferei  entdeckte  (Archiv,  Bd.  III,  S.  20). 

*)  Dieser  etwa  sieben  englische  Meilen  östlich  von  East  St.  Louis  gelegene  merkwürdige  Erdbau  hat  die 
Gestalt  einer  stark  abgekürzten  Pyramide  mit  seitlich  angefügter  Terrasse , auf  welche  man  mittelst  eines  ge- 
neigten, auf  beiden  Seiten  schräg  abfallenden  Wege»  gelangt.  Die  Grundfläche  des  Werkes  bildet  ein  Rechteck 
von  700  Kuss  Länge  und  600  Kuss  Breite,  und  bedeckt  denmech  beinahe  8 Acree;  die  obere  oder  Gipfelfläche 
ist  450  Fuse  lang  und  200  Kuss  breit;  die  Dimensionen  der  Terrasse  sind  850  und  160  Kuss.  Mau  ha!  berech- 
net. dass  der  ganze  Bau.  dessen  senkrechte  Höhe  90  Kuss  lieträgt,  eine  Erdmasse  von  beinahe  20  Millionen 
Kubikfuss  enthält.  Allerdings  sind  durch  die  zerstörenden  Wirkungen  der  Jahrhunderte  die  Ecken  und  Kan- 
ten bedeutend  abgerundot  worden,  und  das  Werk  hat  eeine  Regelmässigkeit  thoilweise  verloren;  aber  dennoch 
lasst  sich  die  ursprüngliche  Form  sehr  deutlich  erkennen,  besonders  im  Winter,  wenn  das  verhüllende  Laub- 
werk fehlt.  Auf  der  oberen  Fläche  befindet  sich  ein  geräumiges  Gebäude,  nebst  Brunnen,  Garten  und  dem 
übrigen  Zubehör  einer  Farm.  Das  Werk  ragt  aus  einer  Gruppe  von  kegelförmigen  Hügeln  empor,  von  denen 
einige  eine  nicht  unbeträchtliche  Höhe  haben;  sie  erscheinen  aber  unbedeutend  neben  dem  Riesenbau,  um  den 
sie  gelagert  sind.  Aehnlicbe  pyramidenartige  Erdwerke  werden  im  Süden  der  Vereinigten  Staaten  nogetrof- 
fen; das  hier  beschriebene  ist  jedoch  das  bedeutendste.  Sie  dienten  wohl  hauptsächlich  zu  religiösen  /.wecken, 
wie  die  mezicanieclten  Teocatlis,  denen  sie  sich  auch  in  der  Form  nähern. 

1* 


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4 Carl  ßau, 

gebenen  Aufschlüsse,  weicht?  mir  vom  Letzterem  brieflich  mitgetbeilt  wurden,  sind  in  Nach- 
stehendem enthalten : 

Im  Dccember  1608  stiessen  einige  Arbeiter,  welche  mit  Wegriiumen  von  Erde  zum  Be- 
hüte der  Verlängerung  der  sechsten  Strasse  (Sixth  Street)  in  East  St.  Louis  beschäftigt  wa- 
ren, plötzlich  auf  eine  Niederlage  indianischer  Gegenstände,  bestehend  in  vielen  Flintgeräthen, 
welche  sämmtlicb  den  bereits  erwähnten  beiden  Arten  angehören,  und  in  kleinen  fossilen, 
theilweise  durchbohrten  Seemuscheln,  deren  Menge  ungefähr  dem  Inhalt  eines  amerikanischen 
Scheffels  oder  Busheis  gleichkam.  Dicht  dabei  befanden  sich  einige  Rollsteine  oder  kleine 
erratische  Blöcke,  jeder  von  fünfzehn  lös  dreissig  Pfund  Schwere,  sowie  zahlreiche  Flinlbruch- 
stiieke.  Der  Boden  in  der  unmittelbaren  Nähe  besteht  aus  schwarzer  lehmartiger  Erde,  die 
auf  einer  Schicht  von  sandigem  Charakter  ruht.  Letztere  enthielt  die  genannten  Gegen- 
stände, welche  mit  einer  achtzehn  bis  vierundzwanzig  Zoll  dicken  Lage  der  schwarzen  Erde 
bedeckt  waren.  An  der  Oberfläche  der  Fundstelle  zeigte  aich  üppiger  Rasenwuchs.  Nach 
Sullivan’s  Aussage  lagen  die  Flintgeräthe , Muscheln  und  Blöcke  in  drei  verschiedenen  im 
Sande  ausgehühlten  Vertiefungen,  welche  jetloch  nicht  mehr  wie  einen  Fuss  von  einander 
entfernt  waren,  und  gleichsam  die  Stellung  der  drei  Punkte  eines  Dreiecks  einnahinen.  Sei- 
ner Ausdrucksweise  gemäss  bildeten  die  Flintgegenstände  ein  „Nest“  für  sich,  sowie  auch  die 
Muscheln  und  ebenfalls  die  Steinblöcke.  Während  jedoch  die  Muscheln  und  Rollsteine  dicht 
zusammengehäuft  lagen,  zeigte  sich  eine  gewisse  Regelmässigkeit  in  der  Anordnung  der 
Werkzetigo,  welche  theils  an  einander  lehnend  auf  der  Kante  standen,  theils  übereinander 
geschichtet  waren  und  eine  kreisförmige  Fläche  bedeckten.  Die  ganze  Niederlage  dehnte 
sich  in  keiner  Richtung  über  sieben  bis  acht  Fuss  aus.  Sullivan  versäumte  es,  die  Geräthe 
zu  zählen,  ist  aber  der  Ansicht,  dass  deren  im  Ganzen  siebenzig  bis  funfundsiebenzig  waren, 
nämlich  einige  fünlzig  Hauen  und  etwa  zwanzig  Schaufeln.  Andere  aus  Stein  verfertigte 
Gegenstände,  wie  z.  B.  Pfeil-  und  Lanzenspitzen,  Tomahawks  oder  Aexte  n.  s.  w,,  wurden 
nicht  in  Gemeinschaft  mit  den  Ackerbaugeräthen  gefunden.  Letztere  gelangten  sehr  bald  in 
den  Besitz  von  Einwohnern  des  Ortes,  welche  die  Neugierde  herbcigelockt  hatte,  und  es  ist 
zu  bedauern,  dass  viele,  ja  vielleicht  die  meisten  derselben , in  die  Hände  von  Personen  gefal- 
len sind,  welche  ihren  Werth  nicht  kennen.  Dies  ist  jedoch  gewöhnlich  der  Fall,  wenn  solche 
Funde  gemacht  werden.  Dr.  Patrick  untersuchte  mehr  wie  zwanzig  der  Werkzeuge,  und 
fand,  dass  keines  derselben  benutzt  worden  war,  da  sich  nicht  die  geringste  Glättung  an 
den  Schneiden  wahrnehmen  Hess. 

Die  Fundstätte  liegt  ungefähr  fünfviertel  Meilen  (engl.)  vom  Mississippi  entfernt,  und  hin- 
reichend erhaben,  um  ausserhalb  des  Bereiches  von  gewöhnlichem  Hochwasser  zu  sein.  Aber 
früher,  ehe  das  Flussbett  durch  den  Damm  eingeengt  war,  welcher  das  Illinois-Ufer  mit  der 
Mississippi-Insel,  Bloody  Island1)  genannt,  verbindet,  kann  die  Entfernung  kaum  mehr  wie 
eine  hallte  Meile  betragen  halsen.  — 

Einige  der  in  East  St.  Louis  gefundenen  Geräthe  sind  mm  in  meinem  Besitze.  Sie  be- 
stehen ans  einer  gelblich-brnunen  Abänderung  der  früher  erwähnten  Gesteinsart  und  stimmen  in 


J)  Auf  der  „blutigen  Inte!“  pflegten  in  früheren  Zeilen  die  Amerikaner  der  Nachbarschaft  ihre  Schusa- 
dacile  Huuufechten;  daher  die  IWeiehnuug. 


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Kig.  S. 


. Steinerne  Ackerbuugeräthe  der  iiordnmerikanischen  Indianer.  5 

der  Form  mit  den  von  mir  beschriebenen  Schaufeln  und  Hauen  überein;  bei  den  meisten 
Schaufeln  jedoch  ist  das  der  Schneide  gegenüberstehende  Ende  nicht  abgerundet;  wie  in 
Fig.  1,  sondern  bildet  einen  mehr  oder  minder  spitzen  Winkel.  Bei  allen  sind  die  Schneiden 
durch  leise  Schläge  sorgfältig  geschärft,  und  zeigen  keine  Spur  von  Abnutzung,  woraus  her- 
vorgeht, dass  die  Gerüthe  ganz  neu  waren,  als  sie  der  Erde  übergeben  wurden. 

Die  fossilen  Seemuscholn  sind  allo  kleine  Univalven  und  gehören  fast  ausschliesslich  dem 
Geschlecht«  Melampus  an.  Unter  fast  dreihundert  Exemplaren,  welche  mir  Dr.  Patrick 
übersandte,  befinden  sich  nur  neunzehn,  welche  andere  Gattungen  vertreten;  diese  sind  Co- 
lumbella,  Marginella,  Conus  und  Bulla.  Alle  haben  ein  kalkiges  und  verwittertes  Aus- 
sehen. Sie  wurden  muthmasslich  in  der  Nachbarschaft  erlangt,  und  waren  augenscheinlich 
zum  Aufreihen  und  zur  Herstellung  von  Hals-  und  Armbändern  bestimmt.  Die»  lässt  sich 
aus  der  l'batsache  entnehmen,  dass  manche  der  Melampus-Muscheln  am  untern  Tbeil  eine 
künstliche  Durchbohrung  zeigen  (Fig.  3,  w.  Gr.),  welche  hinreichend  war,  um  das  Aufreihen 
zu  ermöglichen,  da  der  verbindende  Faden  ohne  Schwierigkeit  durch  die  natür- 
liche Oeffnung  der  Muschel  gezogen  werden  konnte.  Bei  einigen  der  Muscheln  lässt 
sich  sehr  deutlich  wahrnehmen , dass  sie  an  der  Durchbohrungsstelle  dünn  geschlif- 
■f  fen  worden  sind,  um  das  Durchlöchern  zu  erleichtern. 

Die  Rollsteine,  welche  einen  Theil  der  Niederlage  bildeten,  waren  wohl  zur 
Verfertigung  von  Geräthen  bestimmt  Ein  Bruchstück  eines  der  Blöcke  befindet 
sich  in  meinen  Händen;  er  besteht  aus  Diorit  — derselben  Gesteinsart,  welche  die  nordame- 
rikanischen Indianer  häufig  zur  Herstellung  ihrer  Aexte,  Meissei,  Stampfer  u.  s.  w.  ver- 
wendeten. 

Es  wäre  nutzlos,  Vennuthungen  über  das  Alter  dieser  durch  Zufall  entdeckten  Hand- 
erzeugnisse der  früheren  ltace  aufzustellen,  da  es  durchaus  an  Anhaltspunkten  fehlt,  um  auch 
nur  annähernd  die  Zeit  zu  bestimmen,  welche  verflossen  ist,  seitdem  sie  vergruben  worden 
sind.  Weit  leichter  ist  es,  von  den  Beweggründen  Rechenschaft  zu  geben,  welche  die  Eigen- 
thümer  der  Werkzeuge  und  der  übrigen  Gegenstände  veranlassten,  mit  ihnen  in  der  angegebenen 
Weise  zu  verfahren.  Ihr  Zweck  war  ohne  Zweifel,  dieselben  zu  verbergen.  Vielleicht 
verbessern  sie  den  Ort  mit  der  Absicht,  zurückzukehren  und  von  ihrem  Eigenthume  wieder 
Besitz  zu  nehmen,  ohne  jedoch  ihr  Vorhaben  ausfiihren  zu  können.  Vielleicht  auch  geschah 
das  Vergraben  in  Kriegszeiten,  während  welcher  sie  getödtet,  vertrieben  oder  in  die  Gefangen- 
schaft gefiihrt  wurden,  und  ihr  „verborgener  Schatz“  lag  ungestört  im  Boden,  vielleicht  Jahr- 
hunderte lang,  bis  der  Spaten  des  irländischen  Arbeiters  ihn  wieder  an 's  Licht  brachte.  Es 
ist  durchaus  kein  Grund  zu  der  Verinuthung  vorhanden,  dass  diese  Niederlage  eine«  jener  reli- 
giösen Opfer  bildete,  wodurch,  wie  die  Untersuchung  gewisser  Hügel  (sacriticial  mounds)  er- 
geben hat,  die  alten  Bewohner  des  Mississippithaies  die  Mächte  zu  versöhnen  oder  zu  be- 
friedigen suchten,  welche  sie  als  die  Lenker  ihrer  Geschicke  betrachteten. 

Aelmlicbe  Niederlagen  fertiger  oder  unvollendeter  Flintgeräthe  sind  wiederholt  in  den 
Vereinigten  Staaten  entdeckt  worden1)  und  Squier  und  Davis  thun  in  ihrem  Werke  „An- 


■)  Uleichfalla  in  Europa;  io  Schottland  z.  B.  wurden  Niederlagen  von  ateinernen  Pfeilepitsen  gefunden. 
Logen,  „The  Scottiah  Gaid“,  London  1831,  T.  I,  p.  339. 


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6 


Carl  Rau, 


cient  Monuments  of  the  Mississippi  Valley“  verschiedener  Funde  dieser  Art  Erwähnung,  un- 
ter denen  der  bedeutendste  in  einer  erstaunlichen  Menge  von  grossen  scheibenartigen  Flint- 
stücken bestand,  die  sie  in  einem  der  Hügel  der  als  „Clark’s  Work“  bezeiclineten  Gruppe  von 
Erdwerken  aut  Paint  Creek  in  Ohio  (Boss  County)  antrafen.  Dieser  Hügel , der  nur  sechs 
bis  sieben  Fuss  Höhe,  aber  einen  Durchmesser  von  mindestens  achtzig  Fuss  hatte,  enthielt 
an  der  Grundfläche  zwei  Uber  einander  geschichtete  horizontale  Lagen  von  dicht  zusammen- 
gestellten  Scheiben  von  runder,  ovaler  oder  herzförmiger  Gestalt,  die  aus  einem  sehr  schönen 
bräunlichen,  mit  Streifen  durchzogenen  Homsteine  verfertigt  sind.  Sie  haben  nicht  alle  die- 
selbe Grösse,  jedoch  sind  sie  im  Durchschnitt  sechs  Zoll  lang,  vier  Zoll  breit  und  dreiviertel 
bis  einen  Zoll  dick,  d.  h.  in  der  Mitte,  da  der  Rand  durch  kräftige  Schläge  in  ziemlich  roher 
Weise  ringsum  zugeschärft  ist.  Ihr  Gewicht  beträgt  in  der  Regel  fast  zwei  Pfund.  Die  Aus- 
dehnung der  beiden  Lagen  dieser  eigentümlichen  Gegenstände  ist  nicht  ermittelt  worden, 
da  man  den  Hügel  nicht  in  seinem  ganzen  Umfang  untersucht,  sondern  sich  damit  begnügt 
hat,  mit  einer  scbachtartigen  Vertiefung  von  sechs  Fuss  Länge  und  vier  Fuss  Breite  nieder- 
zugehen, welche  indessen  Uber  sechshundert  Exemplare  entblösste.  Nimmt  man  an,  dass 
sich  das  Doppellager  über  die  ganze  Grundfläche  des  llügcls  oder  auch  nur  Uber  den  grössten 
Theil  derselben  erstreckt,  so  muss  ihre  Zahl  in  der  That  erstaunlich  sein.  In  der  von  Dr. 
Davis  an  das  Blackmore-Museum  in  Salisbury  (England)  verkauften,  mir  wohlbekannten 
Sammlung  waren  mehrere  dieser  Stücke,  und  ich  besitze  jetzt  selbst  eine  Anzahl  derselben, 

Fig.  4 stellt  eines  meiner  Exemplare  in  halber  Grösse 
dar.  Man  glaubt,  diese  Flintstücke  seien  als  ein 
Sühn-  oder  Dankopfer  der  Erde  übergeben  worden, 
und  die  eigentümliche  Beschaffenheit  des  sie  um- 
schliesaendcn  Hügels1)  begünstigt  allerdings  einiger- 
massen  diese  Ansicht.  Da  sie  jedoch  allem  An- 
scheine nach  keine  vollendeten  Geräthe  darstellen, 
sondern  nur  oberflächlich  zurechtgehauene  Stücke, 
die  ihre  endlicho  Form  erst  durch  fernere  Bearbeitung 
erhalten  sollten,  so  hat  die  Ansicht,  dass  diese  Nieder- 
lage eine  Art  von  Magazin  bildete,  ebenfalls  einige 
Berechtigung.  Manche  der  beschriebenen  Stücke  sind 
den  sogenannten  Flintäxten  ausserordentlich  ähnlich, 
welche  Boucher  de  Perthes  und  Dr.  Rigollot  in 
den  Kieslagern  des  Somme -Thaies  im  nördlichen 
Frankreich  entdeckt  haben’).  Diese  äussere  Aehn- 
lichkeit  ist  jedoch  die  einzige  Uebereinstitninung,  welche  sich  in  Bezug  auf  die  erwähnten 
Steinerzeugnissc  der  beiden  Continente  in  Anspruch  nehmen  lässt,  da  sie  unter  ganz  ver- 
schiedenen Verhältnissen  entstanden  sind.  Während  nämlich  die  rohen  Flintwerkzeuge  des 

M Squicr  and  Davis,  Ancient  Monuments,  p.  154. 

■ Flintgegenitindc,  welche  denen  eus  Ohio  gleichen,  aind  ebenfalls  in  den  Hohlen  dee  ßurdognc-Gebielee, 
namentlich  der  von  Le  Mouatier.  gefunden  worden.  Lartet  und  Chriety  haben  dieselben  in  ihrem  präch- 
tigen Werke  „Reliquiae  Aquitanicae“  abgebüdet  und  beschrieben 


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Steinerne  Ackerbaugeriithe  der  nordamerikanischcn  Indianer.  7 

europäischen  Schwemmlandes  ohne  Zweifel  für  die  niedrige  C'ulturstufe  ihrer  barbarischen 
Verfertiger  Zeugniss  geben , sind  die  in  Ohio  gefundenen  Flintscheiben  als  die  unvollendeten 
Oeräthe  eines  Volkes  zu  betrachten,  welches  Erdwerke  von  erstaunlichem  Umfange  hinterlas- 
sen hat,  und  nicht  nur  höchst  vollkommene  Gegenstände  aus  Flint  herzustellen  verstand, 
sondern  auch  iiberhanpt,  wie  ich  bereits  in  einem  früheren  Aufsatze  nachgewiesen  habe  >),  in 
der  Bearbeitung  von  Stein  ganz  Erstaunliches  leistete.  Doch  zweifle  ich  kaum  an  der  künf- 
tigen Auffindung  amerikanischer  Flintwerkzeuge,  welche  mit  denen  der  europäischen  Dilu- 
vialscbichten  nicht  nur  in  der  Form,  sondern  auch  in  der  Art  des  Vorkommens  Ubereinstim- 
men werden,  da  viele  Anzeichen  die  Bevölkerung  der  westlichen  Hemisphäre  als  uralt  er- 
scheinen lassen,  und  ausserdem  die  Resultate  archäologischer  Forschungen  auf  eine  merkwür- 
dige Aehnlichkeit  in  den  ursprünglichen  Zuständen  der  Menschen  in  verschiedenen  Erdthei- 
len  hinweisen. 

Eine  in  Lapham's  „Antiquities  of  Wisconsin“  enthaltene,  von  Dr.  Hoy  mitgetheilte  No- 
tiz thut  eines  andern  Vorkommens  von  scheibenartigen  Flintstücken  Erwähnung.  Einige 
Arbeiter,  die  in  der  Nähe  von  Racine  (Wisconsin)  einen  Graben  durch  ein  Torfmoor  zogen, 
stiessen  auf  eine  Niederlage  von  etwa  dreissig  Hornsteinscheiben,  welche  zwei  und  einen 

halben  Fuss  tief  im  Boden  unmittelbar  auf  der 
die  Unterlage  dos  Torfes  bildenden  Thonschicht 
ruheten.  Ihr  Gewicht  schwnnkt  zwischen  einem 
halben  und  einem  ganzen  Pfunde.  Einige  dersel- 
ben werden  in  der  Sammlung  des  Smithson- 
schen  Instituts  in  Washington  aufbowahrt. 

Im  Jahre  1860,  während  ich  in  St.  Louis  wohnte, 
wurde  eine  Anzahl  rohgeformter  Flintgegenstände 
von  ähnlicher  Beschaffenheit  an  einer  Stelle  des 
Mississippinfers  zwischen  St.  Louis  und  dem  sechs 
englische  Meilen  weiter  südlich  gelegenen  Orte 
Carondelet  gefunden.  Die  Stücke  lagen  dicht  bei- 
sammen und  waren  wahrscheinlich  durch  den  Ein- 
sturz eines  Theiles  des  Ufers  entblösst  worden. 
Inh  konnte  Uber  ihre  Anzahl  nichts  Bestimmtes 
erfahren,  sah  jedoch  etwa  acht  derselben,  von  denen 
ich  drei  erlangte.  Sie  sind  alle  ungefähr  von  glei- 
cher Grösse,  oval,  am  Rande  nuf  ziemlich  rohe  Art 
zugeschärft,  und  bestehen  aus  weisslichem  Flint. 
In  Fig.  5 gebe  ich  die  Abbildung  eines  meiner 
Exemplare  in  wirklicher  Grösse.  Dasselbe  iBt  in 
der  Mitte  siebenachtel  Zoll  dick  und  wiegt  unge- 
fähr zehn  Loth.  Diese  Stücke  sind  augenscheinlich 
nicht  als  fertige  Gerätbe  zu  betrachten,  sondern 


Fiff.  G. 


*)  Dieses  Arohiv  Hund  III.,  S.  187. 


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8 


Carl  Hau 


als  vorläufige  Formen , aus  denen  später  wahrscheinlich  Pfeil-  und  I^anzenspitzcn  hergestellt 
werden  sollten.  Ihre  jetzige  Gestalt  war  ihnen  ohne  Zweifel  mit  Rücksicht  auf  bequemere 
Fortachftff'ung  und  Rauuierspamiss  gegeben  worden.  Man  glaubt,  dass  Flint  leichter  gespal- 
ten werden  kann,  nachdem  er  einige  Zeit  dein  feuchten  Einflüsse  der  Erde  ausgesetzt  gewesen 
ist,  und  dieser  Umstand  mag  zum  Theil  für  den  Gebrauch  der  Indianer,  ihre  Flintvorräthe 
an  geeigneten  Stellen  zu  vergraben,  als  Erklärung  dienen.  — 

Auf  meinen  frühem  Gegenstand  zurilckkommend , will  ich  bemerken,  dass  das  Auffinden 
von  landwirtschaftlichen  Werkzeugen  der  Indianer  nicht  mehr  überraschen  kann , wie  das 
Vorkommen  anderer  Steingeräthe,  welche  zu  weniger  friedlichen  Zwecken  bestimmt  waren, 
denn  es  ist  bekannt,  dass  viele  der  nordamerikanischeu  Stämme  vor  der  Ankunft  der  Euro- 
päer Mais  und  andere  Xährpflanzen  baueten1).  Die  Maiserzeugung  muss  in  der  Tliat  be- 
trächtlich gewesen  sein.  G&llatin  hat  sich  einige  Mühe  gegeben,  die  Grenzen  im  Osten  der 
Felsengebirge  und  nördlich  von  Mexico  zu  bestimmen,  innerhalb  welchen  Ackerbau  stattfand. 
Dieses  Culturgebiet  wurde  im  Osten  durch  den  atlantischen  Ocean  und  im  Süden  durch  den 
Golf  von  Mexico  begrenzt;  gegen  Westen  erstreckte  es  sich  bis  an  den  Mississippi  und  selbst 
darüber  hinaus  bis  an  die  Prairien;  im  Norden  schwankte  die  Cultnrgrenze  der  klimatischen 
Verschiedenheit  gemäss,  lag  aber  an  der  atlantischen  Küste  in  der  Region  der  Flüsse  Kenno- 
bec  und  Penobseot  im  heutigen  Maine.  Nördlich  von  den  grossen  Seen  trieben  nur  die  Hu- 
ronen  und  einige  verwandte  Stämme  Feldbau.  Den  Üjibways,  welche  im  Süden  des  Lake 
Superior  ihre  Sitze  hatten,  sowie  ihren  Nachbaren,  den  Menoinouies,  lieferte,  wie  es  scheint, 
der  wilde  Reis,  von  den  Franzosen  „follo  avoine“  genannt,  die  wichtigste  Pflanzennahrung»), 
Die  irokesiseben  Stämme,  die  über  den  jetzigen  Staat  Newyork  und  noeb  weiter  verbreitet 
waren,  erzeugten  Mais  in  grosser  Monge,  wie  z.  B.  aus  folgender  Thatsache  hervorgelit:  Im 
Jahre  1067  machte  eine  Heeresabtheilnng  unter  der  Leitung  des  Marquis  de  Nonville  einen 
Einfall  in  das  Gebiet  der  Senecas,  in  Folge  dessen  alle  ihre  Maisvorräthe  verbrannt  oder  auf 
andere  Weise  unbrauchbar  gemacht  wurden,  und  es  sollen  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  weni- 
ger als  400,000  Minots  oder  1,200,000  ßushels  zu  Grunde  gegangen  sein*).  Diese  Schätzung 
mag  allerdings  etwas  übertrieben  sein;  sie  beweist  aber  dennoch,  dass  jene  Stämme  dem 
Maisbau  grosse  Aufmerksamkeit  widmeten. 

Die  Völkerschaften,  welche  die  ehemals  Louisiana  und  Florida  genannten  weiten  Bezirke 
innohntten,  scheint  in  der  Tliat  das  Pflanzenreich  vorzugsweise  mit  Nahrung  versehen  zu  haben. 
Sie  pflanzten  vornehmlich  Mais,  Bohnen,  Erbsen , Kürbisse,  Melonen  und  süsse  Kartoffeln 
(Convolvnlus  batatusj;  Mais  bildete  jetloch  ihr  Haupterzeuguiss.  In  dm  alten  Berichten  über 
den  abenteuerlichen  Zug  des  Spaniers  De  Soto  durch  die  eben  erwähnten  Gegenden  (1539 
bis  1543)  wird  nicht  nur  häufig  der  ausgedehnten  Maisfelder  der  Eingeborenen  Erwähnung 
gethnn,  sondern  es  lässt  sich  aus  jenen  Schilderungen  auch  entnehmen,  dass  De  Soto’s 
Schaar  verhungert  wäre,  wenn  die  Indianer  dieselbe  nicht  mit  Mais  versehen  hätten.  Die 

')  ln  Betreff  der  merkwürdigen  „Gartenbeete1*  (garden-beda)  von  Michigan,  Witconsin  und  Indiana,  die 
eine  ältere  Hodencultur  andeuten,  tmiaa  ieli  auf  Schoolcraft,  Lapham  und  Andere  verwehen. 

*)  Gatlatin,  Nynopeia  of  tho  Indian  Tribea  of  North  America  ju:  Archaeologia  Americana.  Cambridge 
1838,  Vol.  II,  p.  Hd 

*)  Documentary  History  of  New  York.  T.  I,  p.  238. 


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Steinerne  Ackerbaugeräthe  der  nordamerikanischen  Indianer.  9 

Spanier  trafen  auf  ihrem  Marsche  gelegentlich  grosse  Yorrätlie  dieser  nahrhaften  Getreideart 
an,  und  es  wird  unter  anderen  Thatsachen  angeführt,  dass  einer  von  De  Soto's  Offizieren 
in  einem  einzigen  Hause  fünfhundert  Schefiel  Maismehl  nebst  einer  grossen  Menge  Aehren 
fand1).  Es  ist  indessen  zu  berücksichtigen,  dass  gerade  diejenigen  Indianer,  mit  denen  De 
Soto  und  seine  Gefährten  in  Berührung  kamen,  bereits  eine  höhere  (Kulturstufe  erreicht  hat- 
ten, wie  die  weiter  nördlich  hausenden  Stämme.  Sie  waren  nicht  mehr  Jägervölker  im  eigent- 
lichen Sinne  des  Wortes,  sondern  durch  den  Feldbau  an  den  Boden  gefesselt.  Grosse  Ge- 
meinden bildend,  wohnten  sic  in  Häusern,  die  bequemer  waren  als  die  ihrer  roheren  Nach- 
baren, und  lebten  überhaupt,  den  älteren  Schilderungen  zufolge,  in  etwas  geordneteren  Ver- 
hältnissen als  die  letzteren.  Adair,  welcher  im  vorigen  Jahrhundert  viele  Jahre  als  Händ- 
ler unter  diesen  südlichen  Stämmen  zabrochte,  führt  an,  dass  die  Franzosen  von  West-Flo- 
rida und  die  englischen  Ansiedler  von  ihnen  verschiedene  Arten  von  Bohnen  und  Erbsen 
erhielten,  mit  denen  sie  vorher  gänzlich  unbekannt  gewesen  waren.  Sie  zogen  auch  eine 
Art  von  niedrigem  Taback  (small  tobacco),  der  von  den  weissen  Ansiedlern  nicht  gebaut 
wurde.  Die  Weiber  pflanzten  Kürbisse  und  verschiedene  Melonenartcn  in  abgesonderten, 
ziemlich  weit  von  den  Dörfern  entlegenen  Feldern’).  Es  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  die 
früheren  Bewohner  dieser  Gegenden  Fruchtbäume  pflegten;  Bartram  fand  wenigstens  in 
Georgia  und  Alabama  auf  den  Stätten  alter  indianischer  Niederlassungen  verschiedene  Bauin- 
arten,  die,  wie  er  glaubt,  von  den  Eingebornen  ihrer  Früchte  wegen  gepflanzt  worden 
waren  >). 

Die  Florida-Indianer  Hessen,  wie  es  heisst,  zu  De  Soto's  Zeit  ihre  Felder  durch  Kriegs- 
gefangene bearbeiten,  deren  Entweichen  sie  dadurch  verhinderten,  dass  sie  ihnen  die  Sehnen 
an  den  Fersen  durchschnitten  und  sie  auf  diese  Art  theilweisc  lähmten  *)•  Bei  den  meisten 
Ackerbau  treibenden  Stämmen  Nordamerikas  scheint  jedoch  die  Feldarbeit  das  Geschäft  der 
Weiber  gewesen  zu  sein,  da  die  Männer  die  Zeit,  welche  nicht  durch  Jagd  oder  Kriegszüge 
in  Anspruch  genommen  war,  in  unthätiger  Ruhe  hinzubringen  pflegten. 

1 1 Garcilasso  de  la  Vega,  Conqu.'te  de  la  Floride.  Leyden  1731.  T.  I,  p.  230. 

*)  Adair,  Hiatory  of  the  American  Indians.  London  1775,  p.  408. 

»)  Er  führt  an:  the  persimmon,  honey-locust , Chickasaw  plnm,  imilberry , black  walnut  and  shell-harked 
hiccory,  , w hielt  were  cullivated  by  the  ancient»,  on  account  of  their  fruit,  aa  being  wholesome  and  nourish- 
ing  food.“  Travel»  in  North  America.  Dublin  1703,  p.  38. 

•)  Garcilasao  de  la  Vega,  C'onqoMe  de  la  Florida,  T.  I,  p.  286  and  T.  II,  p.  389. 


Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  IV.  Heft  1. 


2 


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n. 

Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die 

Bronzecultur. 

Von 

% Dr.  0.  F.  Wiberg  in  Gefle. 

(Uebenetzt  tob  1.  Meatorf.) 


Eiserne  Waffen  und  Werkzeuge  waren  in  Dänemark,  SUdschweden  und  Norddeutsch- 
land  bis  zum  zweiten  und  dritten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  wenig  bekannt.  Erst 
mit  der  römischen  Herrschaft  am  Rhein  beginnt  auch  für  den  Norden  Europas  die  Eisenzeit; 
doch  hatte  man  in  den  genannten  Landern  längst  begonnen,  die  einem  niedern  Culturstadium 
eigenen  Waffen  und  Werkzeuge  aus  Stein  gegen  solche  aus  Bronze  zu  vertauschen. 

Die  nordischen  Bronzen  bestellen  aus  ungefähr  */io  Kupfer  und  */io  Zinn.  Da  die  ge- 
nannten metallarmen  Länder  weder  Kupfer  noch  Zinn  produciren,  so  muss  die  Bronze,  und 
zwar  als  fertiges  Fabrikat,  daselbst  importirt  worden  sein.  Es  hat  sich  herausgestellt,  dass 
die  griechischen  Bronzen  dieselbe  Mischung  haben  wie  die  nordischen. 

Wir  finden  im  nördlichen,  mittlern  und  westlichen  Europa  mancherlei  schön  gearbeitete  und 
geschmackvoll  verzierte  Bronzewaaren,  wie  z.  B.  Aexte,  Schwerter,  Dolche,  Sägen,  Meissei, 
Schnitz-  und  Rasirmesser , Paalstäbe,  Celte,  Lanzenspitzen,  Schilde,  Homer,  Diademe,  Kronen, 
Kopf- und  Halsringe;  ferner  Armbänder,  Fingerringe,  Fibeln,  Vasen  von  Bronze  und  Gold,  dem 
einzigen  Metalle,  welches  den  Völkern  der  Bronzezeit  ausser  der  Bronze  bekannt  war.  Diese 
Metallfabrikate  bilden  die  Hinterlassenschaft  einer  Culturperiode,  die  wir,  ohne  Rücksicht 
auf  den  ungleichen  Zeitpunkt,  in  denen  sie  in  den  verschiedenen  Ländern  anftritt  (im  Nor- 
den muss  der  Anfang  derselben  einige  Jahre  hinter  Christi  Geburt  zurückverlegt  werden), 
dio  Bronzezeit  zu  nennen  pflegen. 

Ein  berühmter  dänischer  Alterthumsforscher1)  nimmt  an,  dass  die  Schweden,  Dänen, 

lj  Worauae:  Om  Sleawiga  aller  Söndetjyllands  Oldtidsminder,  S.  41  — 44. 

2» 


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12 


C.  F.  Wiberg, 

Norddeutschen , und  zum  Theil  auch  die  Mitteldeutschen,  während  der  Bronzezeit  gleichsam 
eine  Völkergruppe  bildeten,  die  in  der  Metallindustrie  ebenso  hoch  stand  wie  die  meisten 
anderen  Länder,  ja  höher  als  das  westliche  Europa,  wo  die  Ornamentik  der  Bronzegeräthe 
einfacher  ist,  als  iu  den  Ostseeländem.  „Erst  im  Süden  und  SUdosten  Europas:  in  Italien, 
der  Schweiz,  Süddeutschland,  Ungarn  und  Griechenland  — so  äussert  sich  der  Verfasser  — 
zeigen  die  Bronzen  eine  solche  Mannigfaltigkeit  und  Zierlichkeit  der  Form , dass  sie  sich  mit 
den  nordischen  messen  können,“  von  denen  sie  sich  gleichwohl  durch  nicht  geringe,  in  die 
Augen  fallende  Eigenthümlichkeiten  unterscheiden. 

Wir  werden  auf  diese  letzte  Bemerkung  später  zurückkommen  und  erinnern  hier  einst- 
weilen an  eine  andere  Behauptung,  dass  nämlich  dio  im  Norden  gefundenen  Bronzen  nicht 
durch  den  Handel  und  die  Colonien  eines  einzigen  Volkes  (gleichviel  ob  Etrusker,  Griechen, 
Römer  oder  Phönicier)  dahin  gelangt  sein  können. 

Professor  Nilsson  ist  bekanntlich  zur  entgegengesetzten  Ueberzeugung  gekommen,  die 
er  in  seinem  Werke  über  das  Bronzealter1)  näher  erörtert  Er  sucht  nämlich  gerade  die 
Möglichkeit  einer  weiten  Verbreitung  der  Bronzegeräthe  durch  den  Handel  und  durch  Han- 
delsetablissemeuts  zu  beweisen,  und  zwar  durch  den  Handel  und  die  Handelscolonien  der 
Phönicier,  von  welchem  Volke  er  die  ganze  Bronzecultur  ausgehen  lässt  Nilsson’s  An- 
sichten haben  in  wissenschaftlichen  Kreisen  viele  Anhänger,  aber  noch  mehr  Gegner  gefunden. 

Aus  der  Weltgeschichte  wissen  wir,  dass  die  Colonion  der  Phönicier  sich  vor  reichlich 

✓ 

2000  Jahren  Uber  den  Rand  das  Mittelmeerbeckens  ausbreiteten.  Wir  kennen  deren  auf  grie- 
chischen Inseln,  Sicilien,  Sardinien,  an  der  afrikanischen  Küste,  in  Spanien,  vielleicht  auch  in 
Italien  und  Gallien,  bis  nach  den  im  erdumspannenden  Ocean  gelegenen  Kassiteridcn  (Bri- 
tannien). Es  lässt  sich  voraussetzen  und  ist  auch  zum  Thcil  bekannt,  dass  sie  durch  ihren 
Handel  und  ihre  Ansiedelungen  in  diesen  Ländern  auch  die  Bronzecultur  daselbst  einflilirten, 
wobei  indessen  nicht  übersehen  werden  darf,  dass  sie  damals  schon  die  Nutzanwendung  des 
Eisens  kannten  und  selbiges  namentlich  zu  Werkzeugen  für  Metailfabrikatc  verwandten.  Zeug- 
nisse für  eine  80  grosse  Verbreitung  der  phönicischcn  Bronzecultur  finden  wir  bei  den  klassi- 
schen Schriftstellern  und  in  verschiedenen  Funden  an  Münzen  und  anderen  Gegenständen  mit 
phönicischen  Inschriften. 

Sobald  man  aber  für  die  Bronzecultur  in  Mittel-  und  Nordeuropa  phönicischen  Ur- 
sprnng  annimmt,  steht  man  nicht  mehr  auf  sichern:  Boden,  weil  diese  Conjectur  durch  keine 
Beweise  zu  stützen  ist.  Wir  finden  in  den  klassischen  Schriftstellern  keine  dicta  probantia, 
die  als  Belege  dafür  dienen  könnten  und  ebenso  wenig  lässt  sich  diesseits  der  Alpen  ein 
Denkmal  von  unbestritten  phöniciscbem  Ursprünge  nach  weisen J). 

Wir  müssen  den  Ursprung  und  die  Verbreitung  der  Bronzecultur  aus  anderer  Quelle 
herzuleiten  suchen.  Können  wir  nun  einerseits  diese  nicht  mit  Prof.  Nilsson  in  phönici- 
schcm  Handel  und  phönicischen  Colonien  erblicken , so  wollen  wir  doch  andererseits  nicht 
leugnen,  dass  diese  merkwürdige  Cülturperiode  sehr  wohl  and  zwar  am  leichtesten  durch  den 
Handelsverkehr  zu  erklären  ist.  Und  das  ist  was  wir  in  diesen  Blättern  versuchen  wollen. 

•)  Nilsson:  Pas  Hronzealter.  Hamburg  l*M13 — 1SCG. 

*)  Das  Kivik-Mnnumcnt  (s.  Nilsson  *.  a.  0.  S.  9)  und  andere  Denkmäler  der  Vorxeit  im  Lande  Scho- 
nen vermögen  wir  aus  sjmter  zu  ersehenden  Gründen  nicht  eis  solche  snzaerkennen. 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  13 

Wir  haben  uns  schon  früher  dahin  ausgesprochen,  dass  nach  unserer  Ueberzeugung  den 
Griechen  und  Etruskern  ein  bedeutender  Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  Bronzecultur  zu- 
erkannt werden  müsse,  und  wir  glauben  um  so  mehr  dieser  Ansicht  treu  bleibeu  zu  dürfen, 
als  sie  von  den  grössten  Alterthumsforschern  unserer  Zeit  (v.  Sacken,  Kenner,  Linden- 
schmit,  Morlot,  v.  Bonstetten  etc.)  gethcilt  wird. 

Bei  einem  von  uns  angcstelltcn  Vergleich  zwischen  den  Abbildungen  verschiedener  nord- 
und  mitteleuropäischen  und  etruskischen  Bronzen  liess  sich  eine  gewisse  Aehnlichkeit  dersel- 
ben nicht  verkennen,  die  namentlich  auch  bei  einer  Vergleichung  der  Schwerter  unserer 
Bronzezeit  und  deren  Ornamente  mit  griechischen  Sch  Wörtern,  und  den  Ornamenten  einiger 
Vasen  Gross-Griechenlands  aus  der  archäischen  Periode,  stark  in  die  Augen  fiel.  Es  lag  nahe, 
aus  dieser  Aehnlichkeit  auf  einen  möglichen  Zusammenhang  zwischen  der  Bronzeiudustrio 
Gross-Griechenlands  und  Etruriens  und  der  transalpinischen  Bronzecultur  zu  schliessen. 

Wir  haben  denselben  bereits  früher  befürwortet1),  und  sehen  uns  nunmehr  veranlasst, 
den  Gegenstand  zu  abermaliger  Besprechung  aufzunc-hmen  und  ihn  einer  selbstständigen  Be- 
handlung zu  würdigen. 

Ein  bekannter  Schweizer  Alterthumsforscher,  Baron  v.  Bon  Stetten,  Verfasser  eines  Bu- 
ches Uber  die  AlterthUmer  seines  Vaterlandes,  brachte  vor  einigen  Jahren  in  einem  Supple- 
mentbande !)  verschiedene  Abbildungen,  die  für  unsere  Frage  höchst  wichtig  sind.  Oie  von 
uns  vertretene  Ansicht  findet  in  ihm  einen  warmen  Vertheidiger,  wohingegen  er  als  ent- 
schiedener Gegner  der  „Hypothese“  bezüglich  des  phönicischen  Ursprungs  der  Bronzecultur 
auftritt. 

Oer  gelehrte  Forscher  stellt  ein  in  Oänemark  gefundenes  Bronceschwert  (s.  Worsaae: 
Nord.  Olds.  133)  neben  ein  von  einer  griechischen  Vase  abgezeiclinetes  Schwert  (s.  unsere 
Tafel  Fig.  7);  beide  von  der  sogenannten  Lancett-  oder  Xiphosform.  Ersteres,  in  >/,  der  natür- 
lichen Grösse  dargestellt,  muss  ungefähr  2'/,  Fuss  lang  Bein;  letzteres  dürfte,  abgesehen  von 
dein  geringen  Maassstabe  der  Zeichnung,  nicht  Uber  1 > '*  Fuss  gemessen  haben  — die  ge- 
wöhnliche Länge  dieser  Waffe. 

Oieses  griechische  Schwert  ist  keineswegs  das  einzige,  welches  wir  kennen.  Wir  be- 
sitzen viele  ähnliche  in  Copien  von  Vasen , Gemmen  u.  s.  w„  welche  Scenen  aus  der  griechi- 
schen Geschichte  oder  Sage  darstellon,  und  überall,  selbst  auf  etruskischen  Vasen-  und  Wand- 
malereien, welche  griechischen  Stoff  behandeln,  haben  diese  Schwerter  dieselbe  Form. 

Oie  antiken  lancettförmigen  Bronzeschwerter  (Tafel  Fig.  2,  3,  4)  sind  offenbar,  wie  auch 
v.  Bonstetten  glaubt,  eine  entwickelte  Form  des  Jfqpng,  gleichwie  dieses  eine  weitere  Ausbil- 
dung des  Opfermessers  ist,  was  sich  bei  einem  vergleichenden  Studium  der  altgriechischen 
Malereien  gar  nicht  verkennen  lässt  Die  Länge  unserer  antiken  Bronzeschwerter  ist  sehr 
ungleich. 

Oer  Verkehr  mit  asiatischen  Völkerschaften  liess  die  Griechen  Gefallen  an  langen  Schwer- 
tern finden.  Oie  griechischen  Schwerter  sind  im  Allgemeinen  länger  als  die  römischen  von 
gleicher  Form.  Wir  geben  hier  nach  einem  französischen  Autor,  welcher  diese  Waffe  zum 

')  Wiberg:  Der  Einflon  der  klsniecben  Völker  sof  den  Norden  durch  den  Hsmleleverkehr.  .Mit  einer 
Fundknrtc.  Hamburg  1S67.  S.  Iß  u.  ff. 

*)  Second  Supplement  »u  Recueil  d’antiquitea  Suinee  per  le  Harem  de  Bonetetten,  Latuaune  1867. 


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14 


C.  F.  Wiberg, 

Gegenstände  besonderer  Studien  gemacht  *),  die  Abbildungen  zweier  griechischen  Schwerter, 
von  welchen  das  eine,  in  der  Scheide  (Fig.  17),  bei  Niuies  in  Frankreich  gefunden  Ist,  das 
zweite,  von  welchem  der  Fundort  unbekannt,  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  unseren  antiken 
Bronzeschwertern  zei^t. 

Obgleich  bis  jetzt  nirgend  Bronzcschwerter  von  nachweislich  pbönicischem  Ursprünge  ge- 
funden sind,  betrachtet  doch  Nilsson  die  BroDzeschwerter  im  Allgemeinen  als  Producte  phö- 
nicischer  Industrie')  und  Rougemont'),  der  sich  Nilsson  in  manchen  Punkten  anschliesst, 
betrachtet  die  Funde  von  Bronzeschwertern  in  irgend  welchom  Lande  als  unzweifelhafte 
Zeugnisse  für  einstmalige  Handelsverbindungen  desselben  mit  den  Phöniciern.  Man  begeht 
hier  den  Fehler,  als  schon  bewiesen  zu  betrachten,  was  erst  hätte  bewiesen  werden  sollen. 

Herr  v.  Bonstetten  stellt  ferner  zwei  Dolche  zusammen,  von  denen  der  eine  (Tafel 
Fig,  1)  in  Macedonien,  der  andere  in  Skandinavien  gefunden  ist.  (Vergl.  Nilsson  &.  a.  O., 
Taf.  L Fig.  3.)  Die  zwischen  beiden  herrschende  Aehnlichkeit  ist  trotz  der  geringen  Ver- 
schiedenheit der  Griffe  unverkennbar.  Rougemont  erzählt  (S.  214),  dass  das  Museum  in 
Xeufchätel  einen  Dolch  aus  Ithaka  besitzt,  welcher  den  nordischen  Bronzedolchen  vollkom- 
men gleicht,  ein  Umstand,  der  in  seinen  Augen  den  phönicischen  Ursprung  dieser  Waffe 
ausser  Zweifel  stellt;  andere  würden  sich  damit  begnügen,  sie  für  griechisch  zu  halten.  Auf 
der  grossen  Ausstellung  in  Paris  1867  sahen  wir  einen  in  der  alten  griechischen  Colonie  Cu- 
mae  in  Groes-Griechenland  ausgegrabenen  grossen  Bronzedolch,  dessen  Klinge  die  grösste 
Aehnlichkeit  mit  unseren  gewöhnlichen  Bronzeschwertern  hatte4). 

Wir  kennen  noch  eine  andere  Art  von  Bronzedolchen  mit  breiter,  dünner,  triangelfor- 
miger  Klinge  und  glattem  cylindriachen  Griff-.  Sie  sind  im  Norden  nicht  eben  Belten.  Man 
findet  deren  zwei  bei  Worsaae  abgebildet  (Nord.  Olds.  143,  144)  und  einen  bei  Nilsson 
(Bronzealter,  Taf.  II,  Fig.  12).  Auch  in  Sachsen1),  Süddeutschland,  der  französischen  Schweiz, 
und  in  der  Lombardei  (bei  Peschiern)*)  sind  ähnliche  Exemplare  gefunden.  Man  erkennt 
in  ihnen  ursprünglich  griechische  Form.  In  der  Waffensammlung  des  Musde  d' Artillerie  in 
Paris  zeigt  man  nicht  weniger  als  vier  solche  Dolche,  von  denen  drei  aus  Gross-Griechenland 
stammen,  einer  bei  Palermo  gefunden  ist.  Abbildungen  von  diesen  giebt  Lindenschmit 
a.  a.  O.  I : II,  4;  I : XI,  2.  — Lacombe,  welcher  diese  Waffe  mit  Bestimmtheit  für  grie- 
chisch erklärt,  giebt  (PI.  Fig.  10)  eine  Zeichnung  derselben;  LubbockO  thoiit  eine  solche  aas 
Irland  mit,  welche  einen  merkwürdigen  Uebergang  zu  dem  von  Bonstetten  vorgelogten 
inacedonischen  Typus  zeigt.  Dies  ist  um  so  interessanter,  da  man  die  Uebereinstimmung 
der  irländischen  und  italischen,  d.  i.  etruskisch-griechischon  Bronzen,  mehr  und  mehr  zu  er- 
kennen beginnt.  Nilsson  halt  diese  Dolche  für  jünger  als  die  übrigen  Bronzen;  Gründe  für 
diese  Annahme  sind  mir  nicht  bekannt 


*)  Lacombe:  Le«  arm«  et  lea  armures.  Paria  18GB,  pag.  40.  — Vergl.  auch:  Linüonachmit:  die 
Allerth.  u.  h.  V.  II,  I,  Taf.  3. 

7)  Es  iat  gleichwohl  zu  beachten,  dass  Nilsson  zwischen  den  importirten  phönicischen  Bronzen  und  den 
jüngeren  inbindischen  Nachbildungen  derselben  streng  unterscheidet.  I).  l'ebere. 

b Rougemont:  L'Agc  du  Bronze.  Paria  1866. 

*)  Mortillet:  Promeuadet  historn|uea.  p.  141. 

s!  Preuaker:  Blicke  in  di«  Vaterland.  Vorzeit  II,  Taf.  3.  — *)  Rougemont  a.  a.  0.  p.  227. 

1)  Lubbock:  Prehisloric  Times,  p.  18,  Fig.  24. 


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lieber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  15 

Herr  v Bonstetten  setzt  seine  Vergleiche  fort,  indem  er  eine  Laozenspitze  aus  Ita- 
lien aus  seiner  Privatsaminlung  mit  einer  eben  solchen  aus  Dänemark  (s.  Worsaae:  Kord. 
Olds.  189)  zusammenstellt;  ferner  einen  Paalstab  mit  Schaftlappen  aus  dem  Thuner-See  mit 
einem  andern  aus  der  Provinz  Basilicata  am  Busen  von  Taranto  (Süditalien),  s.  Tafel  Fig.  14; 
einen  andern  in  Italien  gefundenen  Celt,  der  am  oberen  Ende  gleichsam  in  einen  Stiel  aus- 
läuft (Fig.  13),  mit  einem  ähnlichen  aus  Dänemark  (Worsaae  a.  a.  O.  179).  Auch  bei  Lub- 
bock  (Prehistoric  Times,  p.  14,  Fig.  9)  finden  wir  einen  eben  solchen  Celt  aus  Irland,  dor 
sich  nur  hinsichtlich  der  Ornamente  von  den  Übrigen  unterscheidet. 

Wir  wollen  hier  an  den  bekannten  Fund  in  Apulien  erinnern,  wo  ausser  einer  Fabrik- 
stätte von  Steinkcilen  oder  Gelten  ')  auch  eine  grosse  Anzahl  bronzener  Celte  gefunden  sind, 
die  hinsichtlich  ihrer  Form  und  Legirung  den  nordischen  durchaus  gleich  sind’). 

Der  letzte  Vergleich,  den  wir  dem  genannten  Werke  des  Herrn  v.  Bonstetten  zu  ent- 
lehnen uns  erlauben,  ist  der  einer  in  Italien  gefundenen  Arm  schiene  (brassard)  mit  einer 
ähnlichen  aus  Mecklenburg.  Es  Hesse  sich  zu  dieser  Classe  von  Alterthümern  auch  dieser  und 
jener  Bronzeschmuck  (prydelse)  des  Kopenhagener  Museums  zählen  (s.  z.  B,  Worsaae  a.  a.O. 
265).  Auch  bei  LindenBch mit  finden  wir  ähnliche  Armscbienen  aus  deutschen  Fun- 
den. Sie  stammen  sämmtlich  aus  Italien  und  dienten  dazu,  den  Arm  beim  Abschiessen  des 
Pfeiles  gegen  die  Reibung  der  Bogensehne  zu  schützen. 

Wir  wiederholen,  dass  die  Aehnlichkeit  der  hier  besprochenen  Bronzewaffeu , trotz  der 
grossen  Entfernung  der  Fundorte  von  einander,  unverkennbar  und  bisweilen  bis  in  die  klein- 
sten Details  nachweisbar  ist.  Diese  AehnHchkeit,  meint  der  Schweizer  Forscher,  dem  wir 
die  Hauptpunkte  der  hier  vorgelegten  Vergleiche  entlehnten,  darf  um  so  weniger  als  eine 
zufällige  betrachtet  werden,  als  es  sich  um  Gegenstände  handelt,  die  mit  Recht  als  Kunst- 
werke gelten  können. 

Finden  wir  hier  einen  unzweifelhaften  Beweis  für  einen  einstmaligen  Zusammenhang  der 
transalpinischen  Bronzecultur  mit  der  Metallindustrie  in  Griechenland,  so  sehen  wir  uns  doch 
gemüssigt  einzuräumen,  dass  das  Verdienst,  die  Bronzecultur  in  dem  innern  barbarischen  Eu- 
ropa begründet  zu  haben,  nicht  den  italischen  Griechen  allein  zugesprochen  werden  darf,  in- 
dem noch  ein  anderes  Volk  der  italischen  Halbinsel  eben  so  grosses,  vielleicht  grosseres  Recht 
darauf  hat  — wir  meinen  die  Etrusker. 

Die  Etrusker  haben  durch  ihre  grosse  vortreffliche  Metallindustrie  und  ihren  Handel 
zu  Wasser  und  zu  Lande  einen  so  grossen  Einfluss  auf  die  CivilLsation  der  im  Korden  der 
Alpen  gelegenen  Länder  geübt,  dass  das  Verdienst,  die  Bronzecultur  nach  jener  Richtung 
ausgedehnt  zu  haben,  wiederholt  ihnen  allein  zuerkannt  worden  ist. 

Die  edlen  Metalle  verarbeiteten  sie  zu  allerlei  Schmuck  und  Toilettensachen  und  zwar 
mit  einer  Meisterschaft , die  derjenigen  der  Griechen  nicht  nachstand.  Das  Eisen , welches 

t)  Der  Verfasser  bezeichnet  hier  denselben  Gegenstand  bald  als  Paalstab,  hald  ata  Celt,  und  wendet  letzte- 
res sogar  auf  Steinkeile  an.  Eine  positive  Jleseichnong  der  einreinen  Geriithe  und  ihrer  verschiedenen  For- 
men scheint  nns,  namentlich  wo  keine  Zeichnungen  vorliegen,  rum  richtigen  Verständniss  durchaus  nothwen- 
dig.  — lieber  die  liedeutung  der  Bronzekeile  für  die  Bronaeperiode  ist  zu  vergleichen  Pfr.  And.  Peter- 
een:  Geber  das  Verhältnis#  des  Bronzealters  zur  historischen  Zeit  bei  den  Völkern  dee  Alterthums.  Ham- 
burg 1668.  D.  Uebcrs. 

*)  Rongcmont  a.  a.  0.,  p.  223. 

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16  C.  F.  Wiberg, 

ihnen  schon  von  altersher  bekannt  war,  dient«  wahrscheinlich  zu  Werkzeugen  für  die  An- 
fertigung der  Metallwaaren.  Eine  grosso  Vorliebe  hatten  die  Etrusker  für  die  Bronze, 
deren  Mischung  von  dem  Zwecke,  zu  dem  sie  verwandt  wurden,  wie  auch  von  den  mehr 
oder  minder  reichlichen  Zinn vorrathen  abhängig  war;  wie  denn  überhaupt  in  der  Legirung 
der  etruskischen  Bronzen  eine  ungleich  grössere  Verschiedenheit  herrscht  als  in  jener  der 
griechischen. 

Bei  der  Anfertigung  grösserer  Gegenstände  pflegten  die  etruskischen  Metallarbeiter  an- 
fangs die  BroDZcplatten  auf  ähnliche  Weise  zusammen  zu  nieten,  wie  die  Sidonier;  auch  ver- 
standen sie  die  Kunst  der  Assyrier,  mittelst  Hammer  und  Stempel  die  einfachen  Ornamente 
einzuschlagen,  die  wir  auf  ihren  Vasen  wahrnehmon.  Der  Brozeguss  beschränkte  sich  zuerst 
auf  kleine  Gegenstände.  Grössere  Sachen  und  die  eigentlichen  Kunstwerke  zu  giessen,  lern- 
ten sie  erst  später. 

Die  letztgenannten  lassen  wir,  als  ausser  dem  Bereich  unseres  Themas  liegend,  unbeach- 
tet und  erinnern  vielmehr  daran,  dass  aus  der  etruskischen  Bronzcindnstric  eine  Menge  Sa- 
chen hervorgingen,  die  für  das  praktische  Leben  von  unmittelbarem  Interesse  sind. 

Unter  den  gegossenen  Waaren  dieser  Art  nennen  wir  Schwerter,  Dolche,  Celte, 
Aexte  und  andere  Werkzeuge  aus  Bronze.  Vasen  und  Hausgeräth,  Schilde,  Har- 
nische, Helme,  Blasinstrumente  u.  s.  w.  wurden  aus  Bronzeblech  gehämmert.  Wie 
diese  Sachen  aussehen,  lehrt  uns  ausser  dem  Inhalte  zahlreicher  Museen  noch  eine  andere  sehr 
merkwürdige  Fundgrube. 

Ein  verdienstvoller  Forscher  des  etruskischen  Alterthums,  Mr.  N oel  Des  Vorgors,  hat 
in  der  alten  Stadt  Caere,  dem  heutigen  Cervetri,  ein  etruskisches  Grab  aufgedeckt,  welches 
in  mehrfacher  Hinsicht  von  hohem  Interesse  ist '). 

Er  führt  uns  in  einen  vollkommen  viereckigen  Raum  von  25  Fuss  Länge  und  Breite,  des- 
sen schlichtes  Dach  von  zwei  Stelen  oder  viereckigen  Pfeilern  getragen  wird.  Ringsumher 
an  den  Wänden  sieht  man  Betten  in  den  Stein  gehauen,  deren  Kissen  und  Laken  mit  Farbe 
übertüncht  sind.  Diese  Betten,  der  Zahl  nach  elf  und  durch  eben  solche  Pfeiler  wie  die  oben- 
genannten von  einander  getrennt,  waren  zu  Ruhestätten  für  die  Todten  bestimmt;  desglei- 
chen einige  freistehende  Steinsärge  in  der  Form  eines  Rechtecks  und  mittelst  eines  Deckels 
verschlossen.  Da«  Bett,  dom  Eingänge  gegenüber,  scheint  für  das  Oberhaupt  der  Familie  be- 
stimmt und  ist  bewacht  durch  zwei  in  den  Stein  gehauene,  colorirte  mythische  Figuren: 
einen  Typhon  und  einen  Cerberus.  Wände  und  Pfeiler  sind  mit  einer  Menge  Hausgeräth, 
Werkzeuge,  Möbel,  Angriffs-  und  Schutzwaffen,  musikalische  Instrumente  u.  s.  w.  bedeckt, 
die  in  erhabener  Arbeit  aus  dem  Stein  gemeisselt  und  mit  den  ihnen  natürlichen  Farben  bemalt 
sind.  Das  Ganze  bildet  ein  äusserst  lehrreiches  Museum , vor  allem  geeignet,  uns  ein  treues 
Bild  der  häuslichen  Einrichtung  und  der  Civilisation  der  Etrusker  zu  geben. 

Diese  bildlichen  Darstellungen  erleichtern  die  Aufgabe,  unter  den  Bronzefuuden  in  Mittel- 
und Nordeuropa  etruskische  Originale  und  Nachbildungen  zu  erkennen,  und  wollen  wir  hier- 
nach zu  einer  Vergleichung  etruskischer  Fabrikate  mit  nordischen  Fundgegen- 
ständen übergehen. 


*)  L’Etrarie  et  le»  Etnwques.  Pari*  1S62  — 186t,  neliat  Atlas. 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  lironzecultur.  17 

Obgleich  die  Mehrzahl  der  bisher  für  ausschliesslich  etruskisch  gehaltenen  Bronzen  hin- 
sichtlich ihrer  Bestimmung  und  ihrer  Formen  Eigentümlichkeiten  zeigen,  welche  sie  als  be- 
sonders für  die  Etrusker  selbst  und  einige  andere  mit  ihnen  auf  gleicher  Culturstufe  stehende 
Völker  geeignet  erscheinen  lassen,  so  ist  doch  leicht  einzusehen,  dass  die  grossen  Fabriken, 
welche  für  den  Verkauf  nach  dum  Auslande  arbeiteten1),  auch  eine  Menge  solcher  Waaren 
liefern  mussten,  wie  sie  von  den  barbarischen  oder  halbbarbarischen  Völkern  des  Binnenlandes 
am  stärksten  begehrt  wurden.  Es  ist  ferner  klar,  dass  gleichwie  unsere  grossen  Fabrikan- 
ten noch  heutigen  Tages  t>oini  Exportgeschäft  den  Geschmack  der  verschiedenen  Völker- 
schaften zu  berücksichtigen  haben,  so  auch  die  etruskischen  Metallarbeiter  sich  nach  dem 
Gescbmacke  der  Barbaren  richten  mussten.  „Diese  Verschiedenheit  des  Styls  und  der  Be- 
handlungsweise, welche  nicht  allein  in  den  Leistungen  der  etruskischen  Keramik,  sondern 
auch  in  der  Erzarbeit  je  nach  Gegenstand  und  Art  der  Bestimmung  zu  Tage  tritt , darf  als 
bekannt  vorausgesetzt  werden,“  sagt  Llndenschmit,  der  Uber  diesen  Gegenstand  viel  ge- 
dacht hat.  Er  erinnert  daran,  dass  nicht  allein  diese  Stylcontraste,  sondern  auch  eine  merk- 
liche Abstufung  in  Hinsicht  auf  Sorgfalt  und  Geschick  der  Ausführung,  sowohl  bei  tuski- 
schen  Arl>eiten  ausserhalb  Italiens  als  bei  einer  Menge  von  Grabfunden  der  italischen  Halb- 
insel, zu  Tage  treten’). 

Unter  den  etruskischen  Bronzen,  welche  nach  dem  Korden  gelangten,  haben  wir  bereits 
früher3)  auf  die  in  den  Pfahlbauten  der  lombardischen  Seen  und  in  den  Terramaralagern  an 
den  Ufern  des  Po  gefundenen  Gelte,  Meissei  und  Paalstäbe  hingewiesen,  welche  den  im 
Korden  gefundenen  durchaus  ähnlich  sind;  desgleichen  auf  die  Sicheln,  Dolche,  Messer  und 
Lanzenspitzen  und  deren  SeitenBtücke  aus  den  Pfahlbauten  der  Schweizer  Seen , aus  Deutsch- 
land und  Skandinavien.  Da  wir  indessen  hierüber  bereits  ausführlich  verhandelt  haben, 
wollen  wir  uns  nur  noch  einige  Zusätze  erlauben. 

Es  giebt  unter  den  Bronzen  kaum  einen  Gegenstand,  der  ausserhalb  des  alten  römischen 
Reiches  eine  grössere  Verbreitung  gefunden  hätte,  als  die  Fibeln  oder  Gewandnadeln.  Sie 
zeigen  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Form  und  dienten  theils  um  dio  Kleider  zu  befesti- 
gen, theils  als  Schmuck.  Am  gewöhnlichsten  ist  eine  Fibulae  mit  vertical  gegen  den  Kadel- 
doru  liegender  langer  Spiralfeder.  Man  trifft  sic  im  Rlicinlando,  in  Hannover  bis  nach  Lüne- 
burg hinauf,  in-  Hallstadt,  Grossbritannien,  Frankreich,  Livland  und  Bohuslän.  Linden- 
schmit  nimmt  für  diese  Fibeln  eiuen  gemeinsamen  und  zwar  altitalischon  Ursprung  in  Au- 
sprach  (a.  a.  Ü.  H.  VH,  3 und  Beilage).  Wir  geben  auf  unserer  Tafel  die  Abbildungen  zweier 
Fibeln  von  anderer  Form.  Fig.  11  ist  iD  Dänemark  gefunden  (vgl.  Worsnae  Kord.  Olds. 
230),  die  andere  bei  Perugia  im  alten  Etrurien  (vgl.  Lindenschmit:  1,  VIU,  3,  7).  Unsere 
Leser  mögen  selbst  urtheilen. 

In  gewissen  etruskischen  Bildwerken,  z.  B.  in  den  Wandmalereien  von  Vulci  (s.  Koel 
des  Vergors,  Atlas)  sieht  man  freilich  Kriegsleute  mit  den  bekannten  kurzen,  lancottförmi- 
gen  Schwertern,  allein  es  ist  klar,  dass  die  etruskischen  Künstler  bei  der  Behandlung  alt- 


„Tuscanica  signa  per  torras  dispersa.“  Plin. 

*)  Linden, chrait  a.  a.  0.  II,  VIII,  Beilage. 

’)  IViborg  a.  a.  0.  S.  19  u.  ff 

Archiv  für  Anthropologie,  Ild.  IV,  fielt  L 3 


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18  C.  F.  Wiberg, 

griechischer  Stoffe  auch  die  altgriechische  Bewaffnung  treu  darstellen  mussten.  Auch  ist 
immerhin  möglich,  dass  etruskische  Waffenschmiede  bisweilen  derartige  Schwerter  fabricirt 
haben.  Es  giebt  übrigens  etruskische  Schwerter  von  ganz  andereT  Form,  die  r.  B.  in  den 
Wandmalereien  von  Caere  Vorkommen  (N.  d.  Vergers  a.  a.  O.  PI.  I — IH). 

Diese  Schwerter  sind,  so  viel  sich  aus  der  Farbe  achliessen  lässt,  theils  von  Eisen  oder 
Stahl,  theils  von  Bronze,  einige  mit  der  Scheide,  andere  ohne  und  messen,  insoweit  die  Länge 
sich  überhaupt  berechnen  lässt,  2 Fuss  7 Zoll.  Sie  sind  zweischneidig,  ungefähr  zwei  Drittel 
ihrer  Länge  gerade  und  danach  in  eine  Spitze  auslaufend,  sonach  der  römischen  Spatha 
ähnlich,  ein  Typus,  der  sich  wahrscheinlich  ans  dem  etruskischen  Schwert  entwickelt  hat. 
Unter  den  transalpinischen  Bronzeschwertem  nähern  sich  viele  dieser  Form.  Wir  geben  hier 
die  Abbildung  eines  solchen  Schwertes  von  Caere,  die  eines  etruskischen  Bronzeschwertes 
von  Hallstadt  und  eines  dritten,  wenn  wir  nicht  irren,  in  Schweden  gefundenen  (vgl. 
Figg.  21  bis  23). 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Römer  ihre  musikalischen  Instrumente,  z.  B.  die  lydische  Metall- 
trompete und  die  phrygische  Doppelflöte  von  den  Etruskern  erhielten.  Erstens  wurde  lituus 
genannt  und  cs  sind  deren  gefunden,  an  welchen  das  Schallende  hakenförmig  gebogen  ist. 
In  dem  Grabe  von  Caere  bemerkt  man  sowohl  diese  wie  die  halbzirkelformigen.  Drei  in 
Dänemark  gefundene  Bronzehömer  finden  wir  bei  Worsaae  (Nord.  Olds.  199  — 201),  und  bei 
Nilsson  ein  ebensolches  aus  einem  Torfmoore  in  Schonen.  Sie  sind  S-förmig,  oder  wie 
Nilsson  sich  ausdrückt:  gekrümmt  wie  das  Horn  eines  Auerochsen1).  Die  Hornisten  des 
Kivik-Monuments  tragen  hingegen  nach  der  von  Nilsson  mitgetheilten  Zeichnung  halb- 
zirkelförmige Hörner.  (Vgl.  Bronzealter  S.  9 und  Taf.  4,  Fig.  50,  S.  145.)  Sowohl  die  nordi- 
schen als  die  etruskischen  Hörner  sind  aus  mehreren  Stücken  zusammengesetzt  und  die  dä- 
nischen obendrein  am  Mundstücke  mit  einer  Reihe  angehängter  Zierbleche  versehen,  wie 
man  deren  unter  den  HaUstädter  Bronzen  findet.  Die  nordischen  Hörner  zeichnen  sich  über- 
haupt durch  feine,  geschmackvolle  Arbeit  aus,  weshalb  ihr  etruskischer  Ursprung  nicht  zu 
bezweifeln  ist. 

Auch  auf  die  bekannten  Bronze  wagen  müssen  wir  hier  noch  einmal  zuriiekkommen. 
Ihren  etruskischen  Ursprung  und  ihren  Gebrauch  als  Räucherfässer  haben  wir  bereits  dar- 
gethau *)  und  sind  nach  einem  eingehenderen  Studium  des  trefflichen  Werkes  von  Dennis*)  in 
unserer  Meinung  nur  bestärkt  worden.  Diese  Ooutarijpfg,  wie  die  Griechen  sie  genannt  haben 
würden,  sieht  man  in  allen  Sammlungen  etruskischer  Alterthümcr  und  in  fast  allen  etruski- 
schen Gräbern,  woselbst  sie  einem  bestimmten  Zwecke  dienten.  Diese  Wagen  mit  ihren  mit 
glühenden  Kohlen  und  Räucherwerk  gefüllten  Schalen  wurden  nämlich  durch  die  Grabkam- 
mer gerollt,  um  diese  mit  Wohlgerüchen  zu  füllen,  eine  Ceremonie,  die  namentlich  bei  den 
Parentalien  stattfand,  welche  alljährlich  in  dem  Grabe  selbst  gefeiert  wurden.  Es  ist  wahr- 


')  Ki  verdient  Beacht«»#,  data,  ao  weit  una  bekannt,  alle  gefundenen  Bronzehörner  nicht  auf  Gräbern, 
sonder«  ans  Mooren  oder  beim  Pflügen  zu  Tage  gefördert  wurden.  Vgl.  „Paa  Ausland “ 1868,  Xro.  32,  S.  761; 
Meck!.  Jahrbücher  I und  III;  Friedr.  Franciac.  Tat.  IX.  D.  Leben. 

*|  Wiberg  a.  a.  O.  8.  22. 

*|  Dennis:  Die  Städte  und  Begribniaaplätze  Etruriena.  Leipzig  1852,  S.  591,  Not  67. 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  19 

acheinlich,  dass  diese  Wagen  aus  den  geplünderten  Gräbern  Etruriens  zur  Zeit  der  Völker- 
wanderung als  Kriegsbeute  nach  Norden,  bis  nach  Skandinavien  hinaufgebracht  sind. 
Durch  den  Handel  werden  sie  schwerlich  eine  so  weite  Verbreitung  gefunden  halten. 

„Wenn  wir  in  Etrurien  Goldfabrikate  finden,  obgleich  dies  Edelmetall  kein  Product  des 
Landes  ist“  — sagt  N.  4 V ergers  a.  a.  O.  S.  255  bia  258  — „wenn  wir  dort  Bernstein  aus  der 
Ostsee  finden,  Elfenbein  aus  Afrika,  Zinn  von  den  Kassiteriden,  Purpur  aus  Tyrus,  Vasen  und 
Amphoren  von  jener  eleganten  Form  und  Reinheit  der  Zeichnung,  welche  den  griechischen 
Künstler  charakterisiren , so  sind  dies  eben  so  viele  Zeugnisse  für  die  ehemaligen  Handels- 
verbindungen dieses  Landes.“  Mit  dem  verschlossenen  Aegypten,  ja  mit  dem  fernen  Indier^ 
sollen  die  Etrusker  Handel  getrieben  haben,  wie  der  Verfasser  aus  dem  Reichthum  an  Sma- 
ragden schlieast,  womit  sie  ihre  Halsketten  zu  zieren  pflegten  und  die  sie  vor  anderen  Stei- 
nen liebten. 

Die  orientalischen  Handelsverbindungen  der  Etrusker,  ihre  orientalische  Herkunft,  als 
Emigranten  aus  dem  alten  Lydien,  mit  dessen  Bevölkerung  sie  hinsichtlich  ihres  Geschmackes, 
ihrer  Kunst,  Religion,  Sprache')  und  Sitten  manche  Gemeinschaft  haben,  erklären  jene 
orientalischen  Eigentümlichkeiten,  die  wir  in  der  Bronzecultur  zu  erkennen  glauben.  Es 
ist  indessen  nicht  der  etruskisch-orientalische  Handel,  auf  den  wir  hier  unsere  Aufmerksam- 
keit lenken  wollen.  Für  unsere  Aufgabe  ist  es  wichtiger,  uns  nach  weiteren  Beweisen  um- 
zusehen, welche  den  europäischen  Handel  der  Etrusker  und  die  Verschickung  der  Fabrikate 
etruskischer  und  griechischer  Metallindustrie  nach  den  nördlich  von  den  Alpen  gelegenen 
Ländern,  ausser  Zweifel  stellen. 

Hier  kommen  uns  die  Aussagen  klassischer  Schriftsteller  und  interessante  Funde  zu 
Hülfe.  Pindar  und  Herodot  sprechen  von  der  heiligen  Strasse  des  Herakles,  die  von 
allen  umwohnenden  Völkern  geschützt  und  geschirmt  wurde.  Polybius  weiss,  dass  zur  Zeit 
als  die  Tyrrhener,  welche  von  den  Griechen  Etrusker  genannt  werden,  noch  in  der  Po-Niede- 
rung wohnten,  zwischen  ihnen  und  den  benachbarten  Kelten  (Galliern)  lebhafter  Handels- 
verkehr gepflogen  wurde.  Angelockt  durch  die  Fruchtbarkeit  des  schönen  Landes,  überfie- 


')  Die  etruikuche  Sprache  iat  weder  ein  phönicischcr  noch  semitischer  Dialect  and  die  Etrusker  sind  keine 
Semiten,  wie  von  Nilseon  behauptet  worden  ist  (a.  a.  0.  S.  91k  Ich  bin  von  einem  sonst  insserst  wohlwol- 
lenden Reoensenten  meines  „Einfluss  der  klassischen  Völker  auf  den  Norden“  etc.  (s.  Alfgr.  Monatsschrift  1868) 
getadelt  worden,  dass  ich  ans  dieser  von  meinem  gelehrten  Landsmann  gegebenen  Auskunft  keinen  Nntzen 
gezogen,  sondern  die  etruskische  Sprache,  die  nunmehr,  Dank  sei  es  deutschem  Fleisa  und  deutscher  Gelehr- 
samkeit, erschlossen,  trotzdem  eine  uns  verschlossene  genannt  habe.  Ich  bedauere,  diese  Freude  nioht 
thcilen  su  können,  weil  sie  mir  verfrüht  erscheint. 

Es  ist  allerdings  wahr,  dass  ein  Deutacher,  Namens  Stickel,  nsch  französischer  Anregnng  ein  Rach  ge- 
schrieben bst,  betitelt:  „Das  Etruskische  durch  Erklärungen  von  Inschriften  und  Namen  als  semitisohe  Sprache 
erwieiCD.  Leipzig  lr-68.“,  und  daas  sich  mehrere  Gelehrte  seinen  Ansichten  angeschlossen  haben.  Allein  es 
ist  auch  wahr,  dass  er  viele  angesehene  Gegner  bat  Unter  diesen  nennen  wir  vor  allen  und  zwar  als  Auto- 
rität: Fabretti,  welcher  in  seinem  grossen  Wörterbuch  altitatischer  Sprachen  sub  voce  EULAT  sagt:  de 
hftc  re  nihil  apta  argumentationo  conclndunt  interpretea,  nee  feliciores  sunt,  qui  voces  etruscas  graviter  repe- 
tunt a radicibos  hebraic».  Die  grosse  Verschiedenheit  der  Uebersetzung,  welche  dieSemitistcn  uns  von  dem 
hier  frsglichen  Sprachmonnment  geliefert  (es  ist  die  Rede  von  einer  ziemlich  umfangreichen  Inschrift  anf 
einem  im  Jahre  1822  bei  Perugia  gefundenen  Slulenstumpfl,  beweist,  wie  wenig  auf  die  Erklärung  dieser  ge- 
hcimnissvollen  Sprache  zu  bauen  iat.  — Ein  neueres  Gerücht,  es  sei  dem  bekannten  Grafen  Coneatabile  ge- 
lungen, den  Schlüssel  zur  etruskischen  Sprache  in  bilinguen  Inschriften  zu  finden,  hat  sich  nicht  bewahrheitet. 

3* 


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20 


C.  F.  Wiberg, 

len  sie  ohne  eigentlichen  Grund  die  ahnungslosen  Tyrrhener  mit  einem  grossen  Kriegsheere, 
vertrieben  sie  aus  der  Po-Ebene  und  nahmen  selbst  Besitz  von  dem  Lande  (Hist-  II,  17.  19). 
Diese  Eroberung  ward  fortgesetzt  von  600  bis  391  v.  Chr.,  weshalb  man  den  etruskisch-kel- 
tischen Handel  bis  in  das  6.  Jahrhundert  v.  Chr.  zurück  verlegen  darf. 

Horaz  (Epist.  H,  2,  180)  singt  von  kleinen  etruskischen  Bronzefiguren,  „tyrrhena  si- 
gilla,“  dem  gewöhnlichen  Schmuck  in  den  Häusern  der  Reichen.  Plinius  erzählt,  dass  die 
etruskischen  Bronzen  über  alle  Länder  verbreitet  waren:  „signa  tuscsnica  per  terras  dis- 
persa.“  Und  wenn  er  Hist  Nat-  XXXIV.  VII,  16  ausdrücklich  sagt  dass  dieselben  in  Etru- 
rien fabricirt  wurden,  so  haben  wir  darin  ein  kostbares  Zeugniss  für  den  wichtigen  Antheil, 
den  die  etruskische  Metallindustrie  an  der  Verbreitung  der  Bronzecultur  nach  dem  west- 
lichen Europa  gehabt  hat 

Grosse  Aufmerksamkeit  verdient,  was  auch  v.  Bonstetten  (a.  a.  0.  S.  9)  hervorhebt, 
dass  in  den  Alpenpässen  Funde  aus  dem  sogenannten  Bronzealter  gemacht  worden  sind.  So 
z.  B.  hat  man,  wie  v.  Bonstetten  uns  mittheilt,  auf  der  Grimsel  in  den  Berner  Alpen 
zwei  Lanzenspitzen  von  Bronze  gefunden,  und  auf  dem  Julier  im  Oborlialbsteinthale  in  Grau- 
bündten  verschiedene  andere  Gegenstände  desselben  Metalls.  Aus  welchem  andern  Grund 
als  dem  der  Handelsinteressen  würde  man  zu  jener  Zeit  mit  so  kostbaren  Waaren  über  die 
Alpen  gezogen  sein! 

Ein  anderer  Schweizer  Alterthumaforscher,  den  wir  bereits  als  einen  Anhänger  der  An- 
sichten Nilssons  hinsichtlich  eines  phönicisclien  Handels  und  phönicischer  Ansiedelungen 
im  Norden  genannt  haben,  kennt  nichtsdestoweniger  einen  alten  etruskischen  Handelsweg 
von  Norditalien  ins  innere  Europa,  den  er  jedoch  von  der  Nordküste  des  Adriatischen  Mee- 
res Uber  den  Brenner  bis  nach  Rügen  führt  (Rongomont  a.  a.  G.  S.  143,  235). 

Wir  haben  früher  darauf  hingewiesen '),  «lass  die  zahlreichen  etruskischen  Funde  in  der 
Sohweiz  und  im  Moselgebiete,  mehrentheils  Kunstwerke  von  unbestritten  etruskischer  Ar- 
beit, den  deutschen  Archäologen  Prof.  Lindenschmit  zu  der  Behauptung  veranlassten,  es 
habe  schon  vor  der  Römerherrschaft  am  Rhein  ein  etruskischer  Handelsweg  durch  jenes  Ge- 
biet gen  Norden  geführt.  Wir  traten  dieser  Ansicht  aus  voller  Ueberzeugung  bei,  weil  sie 
die  einzig  vernünftige  Erklärung  der  etruskischen  Bronzefunde  in  unseren  Gegenden  möglich 
macht  und  wollen  wir  diesem  Punkte  nur  die  Bemerkung  hinzufügen , dass  dieser  Handel 
sich  unsere  Bedünkens  nicht  auf  etruskische  Waaren  zu  beschränken  brauchte,  indem  kein 
Grund  vorliegt,  warum  die  Erzeugnisse  der  Metallindustrie,  welche  derzeit  im  südlichen 
Theile  der  italischen  Halbinsel,  dem  sogenannten  Gross-Griechenland , florirte,  davon  aus- 
geschlossen werden  sollte. 

Es  gilt  hier  die  Strasse  zu  zeigen , auf  welcher  dieser  griechische  Handel , möge  er  nun 
von  Hellas  oder  Gross-Griechenland  ausgegangen  sein,  sich  nach  dem  innern  Europa  be- 
wegte. Adria,  welches  dem  Adriatischen  Meere  seinen  Namen  gegeben,  und  Patavium,  das 
heutige  Padua,  sind  beknnnt  als  Stapelplätze  für  den  vom  Norden  kommenden  und  für  den 
Weitertransport  nach  südlicheren  Ländern  bestimmten  Bernstein,  vielleicht  auch  für  das  Zinn 


')  Wiberg  ».  ».  0.  S.  18. 


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lieber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  21 

von  den  Kassiteriden.  Dahingegen  ist  Altinum  als  Stapelplatz  für  die  aus  SUditalien  kom- 
menden und  nach  dem  Norden  destinirten  Waaren  bekannt.  Vom  8.  Jahrhundert  v.  Cbr. 
an  war  das  Adriatische  Meer  die  Hauptstrasse  für  die  Korinther  und  deren  Colonisten,  die 
Korcyräer,  auf  ihren  Fahrten  gen  Norden  und  wahrscheinlich  auch  für  den  Seeverkehr  Gross- 
Griechenlands  und  Siciliens. 

Der  Reichthum  an  Kupfer,  welcher  das  alte  Bruttium  auszeichnete,  lockte  erst  die  Phö- 
nicier1),  danach  die  Griechen  zur  Anlage  einer  Colonie  an  der  Küste,  wo  mit  der  Zeit  eine 
Metallindustrie  aufblühte,  die  sich  über  die  japygische  und  apulische  Küste  ausdohnte.  Ta- 
rentum,  Brundnsiuni,  des  auf  Sicilien  gelegenen  Syracusae  nicht  zu  erwähnen,  besassen,  nach 
Plinius,  ansehnliche  Fabriken  für  die  Bronzeindustrie  (Plin.  XXXHI,  XXXIV,  ed.  Sillig). 
Wir  erwähnten  bereits,  dass  an  der  Küste  von  Apulien  Bronzecelte  gefunden  seien,  die  den 
nordischen  gleichen,  und  dass  auch  die  Mischung  der  Metalle  dort  der  im  Norden  gleich  sei, 
nämlich  l/n>  Zinn  und  B/xo  Kupfer  (Rougemont  a.  a.  O.  p.  224,  238).  Es  heisst,  Brundusium, 
das  griechische  Brentesion  und  das  heutige  Brindisi , sei  der  Mittelpunkt  für  diese  Industrie 
gewesen,  und  Plinius  berichtet  an  zwei  Stellen,  dass  aus  Jen  Bruudusinischen  Werkstätten 
Spiegel  aus  einer  Mischung  von  Kupfer  und  Zinn  hervorgingen,  die  als  die  schönsten  und 
besten  geschätzt  wurden,  bis  man  in  der  Glanzperiode  Pompejis  Spiegel  aus  Silber  anfertigen 
lernte  (XXXITI,  30  u.  50).  Bronzene  Spiegel  giugen  weit  nach  dem  Norden  hinauf,  wo  sie  sogar 
auf  der  Insel  Oeland  in  alten  Gräbern  gefunden  sind.  Durch  ihren  ausgezeichneten  Hafen 
eignete  sich  die  Stadt  Brundusium  vortrefflich  zum  Ausschiffen  von  Metallwaaren , welche 
nacli  dem  Norden  versandt  werden  sollten. 

Im  8.  Jahrhundert  v.  Chr.  wurden  die  griechischen  Colonien  in  Süditalien  gegründet, 
oder  richtiger:  sie  gewannen  damals  eine  solche  Ausdehnung,  dass  dieser  Theil  der  Halbinsel 
den  Namen  Gross-Griechenland  erhielt,  ln  den  beiden  darauf  folgenden  Jahrhunderten  lern- 
ten die  Griechen  von  den  Lydiern  in  Sardes  die  Kunst  des  Metallgiessens.  Man  kann  dem- 
nach nicht  wohl  die  gross- griechische  Metallindustrie  Uber  das  6.  Jahrhundert  v.  Cbr.  hinaus- 
schieben. 

Die  etruskischen  und  griechischen  Bronzen,  welche  wir  in  Mittel-  und  Nordcuropa  antref- 
fen, waren,  nachdem  sie  von  der  adriatischen  Küste  längs  den  Ufern  des  Po  auf  verschiede- 
nen Strassen  über  die  Alpen  gelangt,  längs  dem  Rhein,  dem  Inn  oder  der  Donau,  nach  ihrem 
jeweiligen  Bestimmungsort  gekommen.  Sie  dienten  anfangs  nur,  das  Gelüsten  der  Barbaren 
nach  blanker  Zier  oder  einer  guten  Waffe  zu  befriedigen;  später  erhielten  sie  höhere  Bedeu- 
tung als  Vorlagen  oder  Muster,  nach  welchen  die  Barbaren  selbst  zu  arbeiten  begannen.  So 
entstanden  an  verschiedenen  Orten  des  innem  Europa  die  vielen  Bronzewerkstätten,  von 
denen  man  noch  heutigen  Tages  in  gewissen  Anhäufungen  von  gegossenen  Waaren,  Guss- 
abfallen, Gussformen  u.  a w.  Spuren  gefunden  haben  will. 

Es  ist  begreiflich,  dass  diese  Waffenschmiede  seihst  mit  dem  besten  Willen  nicht  immer 
den  klassischen  Typus  in  seiner  Vollkommenheit  treu  nachzubilden  vermochten,  vielmehr  in 
Versuchung  geriethen,  zu  ändern  und  zu  carikiren,  der  eine  so,  der  andere  so  — wodurch 


ü Movers:  Die  Phönicier,  II,  2,  342  0,  ff. 


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22  C.  F.  Wiberg, 

denn  die  Eigen  thümlichkeiten  der  Fabrikate  in  den  verschiedenen  Ländern  entstanden 
sind,  bedeutend  genug,  um  sofort  in  die  Augen  zu  fallen,  aber  doch  nicht  so  gross,  dass 
man  nicht  durch  die  verderbte  Form  den  reinen  klassischen  Typus  herauazuerkennen 
vermöchte. 

Es  dürfte  nicht  überflüssig  sein,  hier  einige  Proben  dieses  Individualisirungs-Processes  in 
der  Bronzecultur  vorzulegen.  Und  da  ziehen  zunächst  die  merkwürdigen  Hallstädter  Funde 
unsere  Blicke  auf  sich. 

Wandern  wir  von  dem  alten  Adria  nordwärts,  längs  dem  durch  seine  etruskischen  und 
griechischen  Funde  ausgezeichneten  Etschthale,  danach  eine  Strecke  durch  das  Innthal  und 
auf  irgend  einer  Alpenstrasse  ins  Salzburgische  und  weiter  ins  Salzkammergut  in  Oberöster- 
reich, so  erblicken  wir  am  Fusse  eines  6000  bis  7000  Fuss  hohen  Berges,  am  Ufer  eines  an- 
inutbigen,  eine  Meile  langen  Sees,  den  kleinen  Markt  Hallstadt1). 

Wir  befinden  uns  nun  in  dem  alten  Noricum,  dem  Lande  der  keltischen  Taurisci,  dem 
einstmaligen  Wohnsitze  der  Alauni  — insofern  dieser  Name  nicht  richtiger  Halauni  geschrie- 
ben wird.  Derselbe  weist,  gleich  dem  davon  abgeleiteten  Hallstadt,  auf  die  Salzsiedereien 
hin  — vgl.  das  griechische  als  — welche  hier  ausser  dem  Bergbau  uud  einer  bedeutenden 
Metallindustrie  von  altersher  betrieben  worden  sind. 

Auf  einem  heidnischen  Begräbnissplatz  in  der  Nähe  des  Marktes  sind  in  den  Jahren 
1847  big  1864  über  tausend  Gräber  geöffnet  und  ausser  den  verbrannten  und  unverbrannten 
Leichenresten  gegen  0000  Antiquitäten  zu  Tage  gefördert  worden.  Wir  waren  vor  einigen 
Jahren  so  glücklich , die  bedeutendsten  dieser  Fundstücke  im  k.  k.  Münzen-  und  Antiken- 
cabinettc  in  Wien  in  Augenschein  nehmen  zu  können. 

Diese  Alterthümer,  die,  wie  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  angenommen  wird,  aus  deu 
nächsten  000  Jahren  vor  Christi  Geburt  herstammen , bilden  hinsichtlich  des  Stils  gewisser- 
massen  ein  Zwischenglied  zwischen  den  Bronzen  des  Südens  und  des  Nordens.  Wir  finden 
dort  Schwerter,  Dolche,  Brustplatten,  Gürtel,  Zierbleche,  Ketten,  Fibeln,  Arm-,  Finger-  und 
Ohrringe  u.  s.  w.,  verschiedene  andere  Schmuck-  und  Toilettesachen,  Nähnadeln,  Angel- 
haken u.  s.  w.,  grösstentheils  von  Bronze,  Bernstein  und  Glas;  Kessel,  Schalen,  Vasen  und 
andere  Gelasse  von  Bronze;  bronzene  Deckel  mit  prachtvollen  Thierzeichnungen,  bisweilen 
im  alten  etruskischen  Stil;  endlich  Werkzeuge  von  Bronze  und  Eisen. 

Viele  von  diesen  Sachen  verrathen  etruskischen  Ursprung;  die  meisten  scheinen  jedoch 
Produete  einer  an  Ort  und  Stelle  heimischen  Industrie  zu  sein,  welche  nach  etruskischen  Mu- 
stern arbeitete’).  Die  verschiedene  Legirung  beweist  nichts  gegen  eine  solche  Nachbildung 
— wie  von  einigen  Forschern  behauptet  worden  — selbst  dort  nicht,  wo  man  dem  Kupfer 
Nickel  zusetzte  und  dadurch  eine  den  Etruskern  und  Griechen  unbekannte  Bronzemischung 
erzielte. 

Man  hat  ferner  gesagt,  dass  die  Hallstädter  Bronze  den  Grabfunden  im  Donaugebiete 
und  in  der  Schweiz  am  nächsten  stehen.  In  der  Schweiz  bieten  sowohl  die  Pfahlbauten  als 

*)  r.  Sacken:  Da»  Grabfeld  von  Hallstadt.  Wien  1808;  nnd  Simony:  Die  Alterthümer  vom  Hillatidler 
SftlxberR.  Wien  1851. 

,J)  Morlot:  Quelques  remarques  sur  Hallstadt,  in  Mortillot's  Materiaux  etc.  1865. 


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lieber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  23 

die  Grabfunde  interessante  Analogien.  Am  fernsten  sollen  sie  den  nordischen  Bronzen 
namentlich  den  skandinavischen  stehen. 

Wir  erkennen  dieWichtigkeit  dieses  Urtbeiles  an,  insofern  es  sich  auf  die  Producte  der 
an  Ort  und  Stelle  sich  entwickelnden  Metallindustrie  beschränkt.  Es  ist  indessen  zu  berück- 
sichtigen, dass  man  sowohl  im  alten  Noricum  als  in  Skandinavien  Bronzen  findet,  die  von 
einer  vollendeten  Technik  und  von  einem  so  edlen,  reinen  Geschmacke  zeugen,  wie  wir  ihn 
bei  den  einheimischen  Arbeitern  jener  Zeit  nickt  voraussetzen  können. 

, Gehen  wir  über  die  Donau,  das  Marchfeld  hinauf,  nach  Böhmen,  dem  alten  Wohnsitze 
der  Quaden  und  Markomannen  und  weiter  eine  Strecke  die  Elbe  hinunter,  so  finden  wir  noch 
manche  Spuren  jener  Metallindustrie,  die  wir  in  Hallstadt  aufblüben  sahen.  Armbänder 
und  Gewandnadeln  scheinen  zwar  bisweilen  noch  rein  italischen  Ursprunges  zu  sein;  die 
Form  des  griechischen  Schwertes  aber  ist  entstellt  und  geht  alsbald  in  die  breite  Spatha- 
Form  Uber1). 

In  Ungarn  bleiben  die  Schwerter  dem  griechischen  Typus  treuer,  obwohl  derselbe  ziem- 
lich stark  carikirt  ist.  Die  ungarischen  Bronzeschwerter  zeichnen  sich  aus  durch  Uebertreibung 
der  Formen  und  Dimensionen’). 

Schlagen  wir  dahingegen  einen  andern  Weg  ein:  von  dem  obem  Lauf  des  Po  Uber  den 
grossen  St.  Bernhard,  durch  die  Schweiz,  das  Rheinthal  hinab,  so  finden  wir  auf  diesem  Wege 
— die  eigentlichen  Kunstwerke  unberücksichtigt  lassend  — eine  Menge  kleiner  Bronzen, 
welche  als  aus  den  etruskischen  und  griechischen  Werkstätten  Italiens  hervorgegangen  zu 
betrachten  sind. 

Wir  werden  uns  hier  ausschliesslich  an  die  Bronzeschwerter  halten,  überzeugt,  dass 
das  Resultat  zu  dem  wir  in  Betreff  ihrer  Verbreitung  nach  dem  Norden  kommen  werden,  im 
Grunde  wenn  nicht  für  idle,  doch  für  die  meisten  nach  Norden  geführten  Bronzen  gelten  darf. 
Dass  eine  heimische  Bronzeindustrie  in  den  Spuren  der  vom  Süden  zu  uns  herauf  gedrunge- 
nen sich  nach  und  nach  bei  uns  entwickelt,  haben  wir  bereits  zugestanden. 

Am  See  Viverono  in  der  Provinz  Ivrea  ist  ein  Bronzeachwert  gefunden’),  ohne  Griff 
zwar,  aber  mit  derselben  spathaformigen  Klinge,  die  wir  in  dom  Grabe  von  Caere  finden  und 
als  etruskischen  Typus  bezeichnet  haben.  Im  Pfahlbau  bei  Concise  im  Neufch  Atelier-See 
fand  man  ein  Bronzeschwert  mit  vierfach  gerippter  Klinge  und  einem  Griff,  welcher  in  zwei 
einander  gegenüberstehende  Spiralen  ausläuft4).  Ein  drittes,  bei  Bex  im  Waadtlande  gefun- 
denes, ist  dem  vorbenannten  in  allen  EiDzelnheiten  gleich,  nur  sind  die  Spiralwindungen 
durch  einen  Metallknopf  vereinigt.  (Lindenschmit  I.  III,  3.) 

Gehen  wir  das  Rheinthal  hinunter,  so  finden  wir  dort  mehre  Schwerter  desselben  Typus, 
doch  ohne  Spiral  Verzierung  am  Griffende.  Sie  kommen  vor  in  Karlsruhe,  Worms,  Mainz  und, 
mit  dem  griechischen  Typus  abwechselnd,  am  Rhein  und  Main,  in  Baden,  Würtemberg,  Hes- 
sen, bis  nach  Hannover  hinauf.  (Lindenschmit  I.  III,  3.) 

Vergleichen  wir  diese  Bronzeschwerter  mit  den  Hallstädtern  und  anderen  aus  österrei- 

*)  Wocel:  Böhmische  AltcrthumskuncU*.  Prag  1845,  Taf.  III.  — Prensker  a.  a.  0.  II.  Taf.  III. 

’)  Kenner:  Chronik  der  archäologischen  Fände  in  der  österreichischen  Monarchie  18ö6bisl858,  S.  127  o.ff. 

»)  Zur.  Mitth.  XIV,  1,  Taf.  U,  Fig.  22. 

4)  Zur,  Mitth.  VÜI,  2,  3,  Taf.  III.  Fig.  35,  dem  Hefte  unserer  Fig.  23  nicht  unähnlich. 


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C.  F.  Wiberg, 

chiachen  und  mitteldeutschen  Funden,  so  kann  es  unseroi  Auge  nicht  entgehen,  dass  diejeni- 
gen des  Rheinlandes  von  so  vollendet  schöner  Form  und  Arbeit  sind,  dass  wir  sie  nicht  für 
Producte  einer  heimischen,  halbbarbarischen  Industrie  halten  können,  sondern  sie  aus  den 
italischen  etrusko-griechischoti  Waffenfabriken  herleiten  müssen. 

Nach  einer  genauen  Prüfung  der  in  den  Ostseelandern  (Pommern,  Mecklenburg  und  Skan- 
dinavien) gefundenen  Bronzeschwertern  glauben  wir  von  diesen  dasselbe  behaupten  zu  dürfen. 

In  Pommern  sind  mehrere  Bronzeschwerter  von  etruskischem  Typus  gefunden  worden; 
ob  auch  vom  griechischen,  ist  uns  nicht  bekannt.  In  Mecklenburg  kommen  beide  vor;  viel- 
leicht der  griechische  am  häufigsten.  Man  bemerkt  oftmals  zwischen  den  Verzierungen  des 
Heftes  gewisse  Vertiefungen,  die  mit  einem  Kitt  ausgefüllt  gewesen  sind.  Obwohl  diese  Art 
häufig  im  Norden  vorkommt,  gehört  sie  ihm  doch  nicht  ausschliesslich  an,  weil  ähnliche 
Exemplare  auch  anderswo,  z.  B.  in  Schlesien  und  Baiern  gefunden  sind.  Die  Füllung  bestand 
aus  Kupferasche  und  wohlriechendem  Harze1)-  — Lindenschmit  I.  I,  2;  I.  VII,  2.  — Meck- 
lenb.  Jahrb.  1865,  S.  150  u.  ff. 

Dänemark  ist  reich  an  Schwertern  beider  Art,  die  tlieils  im  Lande  gefunden,  theils  von 
Schonen  herüber  gekommen  sind.  Abbildungen  derselben  findet  man  in  dem  Atlas,  der  Nord, 
antiquar.  Gesellschaft  und  bei  Worsaae:  Nord.  Olds.  Nro.  121 — 137. 

Die  Nilsson's  Werke  beigefdgten  Zeichnungen  in  Schweden  gefundener  Bronzeschwerter 
berechtigen  zu  dem  Ausspruche,  daas  unter  ihnen  und  den  ihnen  nachgebildeten  Dolchen  der 
griechische  Typus  vorherrscht  Von  diesen  Zeichnungen  sind  Fig.  1 bis  5 nach  Originalen  aus 
dem  Museum  in  Stockholm,  7 und  8 aus  dem  Museum  zu  Lund  (Bronzealter  Taf.  1 und  2). 
Von  Schwertern  etruskischen  Typus  besitzt  das  erstgenannte  Museum  nur  ein  Exemplar 
(s.  Nilsson,  Fig.  6,  und  unsere  Taf.  Fig.  23).  Eis  ist  sehr  gerade  und  wie  die  etruskischen 
allmälig  in  eine  Spitze  verlaufend,  und  am  Griffende  mit  den  oben  genannten  Spiralen  ver- 
ziert. Das  Museum  in  Lund  besitzt  zwei  ähnliche  Klingen,  von  welchen  die  eine  der  Länge 
nach  mit  bogenartigen  Figuren  verziert  ist  (Nilsson,  Fig.  9 und  10.) 

Die  Beschaffenheit  der  Form,  Arbeit  und  Legirung,  wenn  nicht  aller,  doch  der  meisten 
dieser  Schwerter,  ist  der  Art,  dass  wir  klassische  Ahnen  für  sie  beanspruchen  müssen. 

Es  ist  mehrfach  beobachtet  worden,  dass  etliche  Bronzegegenstände  hinsichtlich  der  Rein- 
heit des  Stils  und  der  Schönheit  der  technischen  Ausführung  desto  höher  stehen,  je  höher 
hinauf  nach  Norden  sie  gefunden  wurden.  Da  es  indessen  ungereimt  sein  würde,  für  Däne- 
mark und  die  Länder  südlich  der  Ostsee,  welche  weder  Kupfer  noch  Zinn  besitzen,  eine 
Bronzeindustrie  mit  vollendeten  technischen  und  artistischen  Kräften  anzunebmen,  wie  sie 
für  Mitteleuropa  erwiesen  ist,  so  müssen  wir  diese  Tlmtsache  als  die  Folge  einer  directeren 
und  länger  fortgesetzten  Handelsverbioduug  mit  dem  Süden  betrachten,  wo,  wie  wir  gesehen, 
eine  ausgezeichnete  Industrie  der  Art  florirte. 

’)  lieber  dis  „Emaillirong1-  der  iiroiu-.cn , die  Hestandtheile  des  farbigen  Kittos  und  die  in  Gräbern  der 
Bronzezeit  (nach  Lisch  nur  in  Urnen  aus  späterer  Zeit!  gefundenen  Ilarzkucbcn  u.  s.  w.  sind  zu  vergleichen: 
Mecklenb.  Jahrb.  33.  Jabrg.,  S.  131  u.  132  und  Aarböger  f.  Oldkyndb.  v.  Hist.  1868  H.  II,  S.  116,  110,  124. 
Der  Gegenstand  verdient  eine  genaue,  umfassende  Untersuchung.  Dass  die  Compositum  der  Masse  eine  sehr 
ungleiche  ist,  lehrt  schon  ein  einfseber  Schmelzungsversuch.  Gleichartige  Bettandtheile  des  Kittes  bei  gleich- 
artig verzierten  Bronzen  denselben  Stils  aus  verschiedenen  Ländern  würden  den  Schlüssen  auf  einen  gemein- 
samen Ursprung  derselben  grossere  Sicherheit  verleihen-  D.  Uebers 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  25 

Es  ist  ferner  beobachtet  worden,  dass  die  Bronzecultur  im  Norden  keine  allmälige  Ent- 
wickelung verräth,  sondern  plötzlich  in  schönster  Vollendung  auftritt  und  dass  überhaupt  die 
ältesten  Bronzen  die  schönsten  sind,  — eine  neue  Bestätigung  des  von  uns  hingestellten 
Satzes,  dass  nämlich  diese  Bronzen  von  einem  fremden,  in  technischer  und  künstlerischer  Be- 
ziehung hochgebildeten  Volke  nach  dem  Norden  gelangt  sind.  Es  liegt  darin  andererseits 
der  Beweis,  dass  die  jüngeren  schlechteren  Fabrikate  Copien  sind,  in  welchen  eine  junge  hei- 
mische Industrie  ihre  Kräfte  versuchte. 

Für  den  Umfang  dieser  Industrie  des  Alterthums  in  den  verschiedenen  Ländern  sind  die 
Gussformen  besonders  lehrreich.  In  Skandinavien  sind  solche  Formen  zu  Gelten , Sägen, 
Messern,  Paalstäben  oder  Meissein  und  Knöpfen  gefunden  ').  Es  leidet  sonach  keinen  Zwei- 
fel, dass  die  Gegenstände,  die  in  diesen  Formen  gegossen  werden  konnten,  wirklich  im  Nor- 
den angefertigt  worden  sind.  Dasselbe  gilt  von  den  Lanzenspitzen,  die  mit  den  Gussnähten 
gefunden  sind  (Worsaae  a.  a.  O.  212).  Als  ein  skandinavisches  und  norddeutsches  Fabrikat 
möchten  wir  auch  die  mit  Drachschiffen,  Sonnen,  Monden  und  Sternen  verzierten  kleinen 
bronzenen  Rasirmcssor  betrachten ’)  (Worsaae,  171  bis  175;  Lindenschmit  II.  UI,  3,  Fig.  7 
bis  !t),  eine  Ornamentik,  die  kaum  anderswo  als  in  der  Näho  des  Meeres  benutzt  sein  wird 
(Tafel  Fig.  25).  Wir  führen  dies  nur  beispielsweise  an. 

Auffallend  dünkt  es  uns,  dass  bisher  im  Norden  keine  Gussform  für  Schwerter  gefun- 
den ist.  In  Italien  hat  man  die  Qussform  für  Bolche  Schwertgriffe  gefunden*),  wie  Bie  aus  den 
Funden  im  Rheinlande  bekannt  sind  (Tafel  Fig.  5 und  6).  Es  scheint,  dass  dieser  Zweig  der 
Bronzeindustrie  hier  noch  keine  Wurzeln  geschlagen  hatte,  als  die  anbrechende  Eisenzeit  dem 
Nordländer  wenigstens  zum  Theil  andere  Waffen  und  namentlich  auch  andere,  vollkommnere 
Werkzeuge  in  die  Hände  gab. 

Ein  wichtiger  Ein  wand  gegen  unsere  Ansicht,  betreffend  den  griechisch-etruskischen  Ur- 
sprung der  Bronzecultur,  liegt  in  dem  Ausspruch,  dass  dos  in  den  Ländern  im  Süden  der 
Ostsee  (Mecklenburg)  aus  den  Gräbern  der  Bronzezeit  ans  Licht  geförderte  Gold  und  Kupfer 
wenigstens  zum  Theil  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  Gold  und  dem  Kupfer  des  Uralgebir- 
ges zeigt,  wo  man  in  der  That  Spuren  ehemaligen  Berghaues  angetroffen  hat1).  Demnach 
müssten  diese  Bronzen  durch  Russland  nach  dem  Baltischen  Meere  hinauf  gebracht  sein. 
Diese  Behauptung  trifft  indessen  nur  einen  Theil  der  dortigen  Bronzen  und  wir  tragen  kein 
Bedenken,  diese  aus  der  alten  griechischen  Colonie  Olbia  zu  verschreiben,  deren  grosse  Be- 
deutung für  die  Civilisation  der  Ostseeländer  man  zu  erkennen  beginnt.  Olbias  pontisch- 
baktrischer  und  pontisch-haltischer  Handel  eignete  sich  vortrefflich  zum  Transport  dieser 
Bronzewaaren  von  Osten  nach  Westen,  vorausgesetzt,  dass  die  Bewohner  ihnen  die  griechische 
Legirung  und  griechischen  Formen  gaben  oder  geben  Hessen,  welche  diesen  an  der  Ostsee- 

')  Aarböger  f.  Nord.  Oldkyndt,  v.  Hist.  1808,  H.  II,  8.  129.  — Antiquarisk  Tidak.  of  Nord.  Oldskr.  S.  1855 
bis  1857.  S.  86.  . 

*)  Warum  der  Verfasser  gerade  diese  zum  Theil  sehr  schön  verzierten  kleinen  Messerehen  für  inländisches 
Fabrikat  hält,  ist  nicht  wohl  einzusehen,  da  Schiffs-  und  Schlangen-  oder  Drachenomamente  auf  den  griechisch- 
etruskischen  Vasenbildern  oft  genug  Vorkommen.  Das  Schiff  auf  dem  Tafel  Fig.  25  ahgchildeton  Rasirmesser 
erscheint  geradezu  als  eine  mangelhafte  Nachbildung  eines  solchen  auf  einem  Gefass  aus  der  Feoli’schen 
Sammlung  in  Rom.  Vgl.  Gerhard:  Griech.  Vasenh.  hauptaächl.  etrusk.  Fundortes.  Tafel  CCLXXXV  und 
CCLXXXV].  D.  l’ebert. 

*)  Lindenschmit  I.  II,  Fig.  10bisl2.  •)  Worsaae:  Om  Sletw.  eher  Sonderjyliands  Oldtidsminder,  p.  4t. 

Archiv  rar  Autliropotoels , TH.  IV,  Heft  L 4 


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C.  F.  Wiberg, 

käst«  gefundenen  Bronzewaaren  eigen  sind.  Wir  sind  geneigt,  diese  griechische  oder  halb- 
griechische Metallindustrie  in  nahen  Zusammenhang  mit  der  Nutzung  der  reichen  Schätze  an 
Gold,  Kupfer  und  Zinn  zu  setzen,  welche  der  Kaukasus  in  seinem  Schoosse  trägt  und  die  schon 
früh  die  Aufmerksamkeit  der  Griechen  auf  sich  zogen  (Rougemont  a.  a.  O.  S.  87).  Wir  füh- 
len uns  bei  dieser  Untersuchung  unwillkürlich  hingezogen  nach  diesem  reichen  Qebirgslande, 
wo  die  Waffen  der  Männer  und  zum  Theil  auch  der  Schmuck  der  Frauen  noch  jetzt  gewisser- 
massen  an  die  Form  und  Ornamentik  des  Bronzealters  erinnern ').  Es  entgeht  uns  nicht,  «lass 
wir  uns  hier  in  einem  Lande  befinden,  welches  einstmals  das  Material  für  eine  noch  ältere 
Bronzecultur  lieferte,  deren  Spuren  jetzt  aus  den  Ruinen  des  alten  Ninive  und  an  den  Ufern 
der  grossen  Zwillingsfliisse  in  Vorderasien  zu  Tage  treten. 


Herr  Prof.  Nilsson  legt,  um  den  phönicischen  Ursprung  der  Bronzecultur  zu  beweisen, 
grosses  Gewicht  auf  die  Ornamentik  der  Bronzewaaren.  Er  nennt  sie  eine  geometrische, 
weil  sie  aus  geraden  und  krummen  Linien  bestehen , die  zu  geometrischen  Figuren  gebogen 
oder  zusammengesetzt  sind.  Der  gelehrte  Verfasser  führt  folgende  Zusammensetzungen  an: 

1 Die  Spirale. 

2.  Der  Uebergang  von  der  Spirale  zum  Ringe. 

3.  Der  Ring,  einfach,  doppelt,  mehrfach  verdoppelt  und  mit  oder  ohne  Punkt  in  der  Mitte. 

4.  Das  Rad.  » 

5.  Der  Bogen. 

ß.  Die  Zickzacklinie,  einfach  und  doppelt. 

7.  Die  Raute  oder  der  Rhombus,  einfach,  doppelt  oder  dreidoppelt  (S.  das  Bronze- 
alter, S.  4.) 

Die  Liste  scheint  uns  nicht  vollständig.  Wir  glauben  schon  allein  für  den  Norden  noch 
folgende  anfügen  zu  müssen: 

8.  Die  doppelte  Spirale. 

9.  Die  wellenartige  Verzierung. 

10.  Da»  Schiffs-Ornament. 

11.  Das  Drachen-Ornament. 

12.  Die  punktirto  Linie. 

Mit  Hinzuziehung  ausländischer  Bronzen  würden  wir  diese  Liste  noch  um  einige  Figuren 
bereichern  können.  In  der  Anwendung  sind  es  begreiflicherweise  oftmals  die  Zusammenstel- 
lung dieser  Elemente  und  deren  Proportionen  zu  einander  und  dem  Gegenstände,  den  sie  zie- 
ren sollen,  welche  für  die  grössere  oder  geringere  Schönheit  desselben  massgebend  sind. 

Die  phönicische  Ornamentik  bestände  sonach  aus  einer  mehr  oder  minder  geschmack- 
vollen Zusammenstellung  der  genannten  Linien  und  Figuren. 

Um  den  sich  dawider  erhebenden  Zweifeln  entgegen  zu  treten,  wäre  es  richtig  gewesen, 
einige  anerkannt  phönicische  Bronzen  vorzulegen  und  zu  zeigen,  dass  dieselben  mit  den 

ü Vereacbaguine:  Voyage  dans  les  provincea  dnCaucaae  in  „Le Tour  du  Monde“  1868,  p.  192,  19d,  206. 
— Gilles:  Lcttrea  aur  le  Caucaae,  p.  136  u.  ff.,  apricht  von  der  Vorliebe  der  Kaukasier  für  ihre  alten  Wnffen 
und  dem  Geachick  und  dem  edlen  Geschmack  der  Waffenschmiede.  Diese  Waffen  sind  jetzt  allerdings  von 
Stahl  und  Eisen, 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  27 

fraglichen  Zierformen  geschmückt  sind.  Sollte  es  indessen  — wie  es  unsere  Ueberzeugung 
ist  — keine  anerkannt  phönicischen  Bronzen  geben1),  so  hätte  auf  andere  Gegenstände  aus 
der  Hinterlassenschaft  der  Phönicier,  auf  welchen  man  dio  fraglichen  Zierformen  wahrnimmt,* 
hingewiesen  werden  mUssen.  Wäre  auch  dies  nicht  ausführbar,  so  hätte  aus  irgend  einem 
Schriftsteller  des  klassischen  Aiterthums  der  Beweis  geliefert  werden  sollen,  dass  nach  dessen 
Ausspruch  die  Phönicier  ihre  Metallfabrikatc  derartig  zu  verzieren  pflegten.  Von  allem  die- 
sen ist  nichts  geschehen. 

John  Lubbock  sieht  gerade  in  dem  Charakter  der  ornamentalen  Formen  der  Bronze- 
waflen  und  Geräthe  einen  starken  Beweis  gegen  Nilssons  Lehre  von  dem  phönicischen  Ur- 
sprünge der  Bronzecultur.  „Sie  bestehen  fast  ausschliesslich  in  geometrischen  Figuren;  selten, 
wenn  überhaupt  jemals,  bemerken  wir  auf  ihnen  Darstellungen  von  Thieren  und  Pflanzen, 
während  auf  den  von  Homer  beschriebenen  verzierten  Schilden  u.  s.  w.  und  in  den  decora- 
tiven  Elementen  in  SaJomo’s  Tempel  Pflanzen  und  Thiere  reichlich  vertreten  waren“  (Lub- 
bock: Prehistoric  Times  p.  49).  Man  darf  diesem  Zweifel  Lubbock 's  hinsichtlich  der  Iden- 
tität der  nordischen  Bronzen-Ürnamentik  mit  der  phönicischen  ohne  Bedenken  beitreten, 
namentlich  wenn  man  gleich  uns  überzeugt  ist,  dass  es  niemals  einen  Stil  gegeben,  der 
mit  Recht  als  phönicisch  hat  bezeichnet  werden  oder  mit  Recht  den  Phöniciern 
hat  zuerkannt  werden  können. 

Rdnan,  der  bis  jetzt  das  grösste  Verdienst  um  die  Erforschung  des  phönicischen  Alter- 
thums hat,  versichert*),  dass  die  Denkmäler  und  Alterthümer,  welche  man  in  Phönicien  fin- 
det, nichts  weiter  sind  als  Anleihen  und  Copien  von  anderen  Nationen.  Die  Phönicier  ha- 
ben von  den  Aegyptern  entlehnt,  von  der  assyrischen  Kunst  und  deren  Abart,  der  persischen. 
Die  assyrische  und  persische  Cultur  waren  von  der  Hochebene  Irans  und  den  Ufern  des  Ti- 
gris westwärts  bis  ans  Meer  und  in  die  Anatolische  Halbinsel  vorgedrungen,  wo  sie  nicht  nur 
treue  Spiegelbilder  der  eigenen  Cultur,  sondern  auch  andere  neuere  Culturformen  hinter- 
liessen,  die  wir  die  phrygische,  lydUcho  und  lycische  Civilisation  nennen  können.  Alle  diese 
„C'ivilLsationen“  offenbaren  eine  gewisse  Selbstständigkeit,  während  die  phönicische  Cultur 
nur  auf  Kosten  ihrer  mächtigen  Nachbarn  lebt-  Schon  vor  Alexander  geriethen  die  Phö- 
nicier sowohl  im  Mutterlande  als  in  den  Colonien  unter  den  Einfluss  griechischer  Kunst  und 
griechischen  Geschmacks,  welcher  Einfluss  mächtiger  als  jeder  andere  und  nach  und  nach 
ebenso  gewaltig  wie  die  siegreichen  Waffen  des  Feindes,  zur  Vernichtung  der  phönicischen 
Nationalität  beitrug. 

Was  für  ein  selbstständiger  nationaler  Kunststil  Hesse  sich  denn  auch  erwarten  auf  die- 


l)  Ygl.  Petcrsen:  Uebor  das  Verhältniss  des  Bronzealters  z.  bist.  Zeit  etc,  S.  14.  11.  Uebers. 

*)  Ränan  begleitete  bekanntlich  im  Aufträge  des  Kaisers  Napoleon  die  französische  Expedition  nach 
Syrien  (1860  — 1861).  Mit  Hälfe  der  Officiere  und  Mannschaft  wurden  auf  den  wichtigsten  Punkten,  z.  ii.  in 
Byblus  (Geball , Sidou  (Saida),  Tyrus  (Sur),  Aradus  (Ruad),  Marathus  (Amrit)  u.  s.  w.  systematische  Ausgrabun- 
gen betrieben.  Die  zu  Tage  geförderten  Alterthümer  bestanden  hauptaächlich  in  Bauilberreeten  und  deren 
Ornamenten,  Grabkammem,  Sarkophagen,  auf  freiem  Felde  stehenden  Grabdenkmälern,  Schreinen  fär  Götter- 
bilder (ran*)'  FolscnbUdern,  Altären,  Steinen  mit  phönicischen  Inschriften,  menschliche  Häupter  und  Löwen- 
bilder darstellenden  Scnlptnren  n.  t.  w.  Die  Resultate  dieser  grossartigen  Arbeit  hat  Renan  in  einem  Pracht- 
werke niedergelegt:  La  Mission  de  Phenicie,  Paris  1864,  nebst  Fortsetzung.  Dies  allen  Freunden  des  Alter* 
thums  bekannte  Werk  antiqnirt  alle  früheren,  namentlich  Gerhard’«  nach  schlechten  Vorlagen  bearbeitetes 
Werk  über  phönicische  Kunst. 

4» 


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C.  F.  Wiberg, 

sem  schmalen  Landstrich  von  kaum  100  Quadratineilen,  an  einer  felsigen  Küste,  deren  Be- 
völkerung ihre  ganze  Kraft  dem "Handel,  der  Schifffahrt  und  der  Industrie  zuwenden  musste! 

Die  Gräber  der  Phönieier  sind  von  ganz  nnderer  Bauart  als  die  der  Griechen  und  Etrus- 
ker. Es  sind  meistens  lange,  in  den  Felsen  gesprengte  Gänge,  Katakomben,  in  die  von  oben 
eine  Treppe  hinabfllhrt.  Ringsum  an  den  Wänden  sind  reihenweise  über  einander  eine  Menge 
backofenfönniger  Oeffnungen  angebracht,  gerade  gross  genug  für  die  Leichen , die  hinein- 
geschoben wurden.  Bisweilen  findet  man  auch  Nischen  für  Steinsarkophage  darin,  die  neben 
oder  über  einander  gestellt  wurden.  Sie  erinnern  an  die  Gräber  der  Aegypter,  der  Juden 
und  der  ältesten  Christen.  Es  war  bei  allen  semitischen  Völkern  Brauch,  die  Todtcn  unver- 
brannt zu  bestatten,  eine  Sitte,  welche  später  von  den  Christen  beibehalten  wurde '). 

Rdnan  meint  in  den  Gräbern  der  verschiedenen  phönicischcn  Städte  einen  bestimmt 
ausgeprägten  Unterschied  der  Bauart  zu  erkennen  und  unterscheidet,  je  nachdem  er  solche 
in  Byblus,  Sidon  u.  s.  w.  gefunden,  einen  byblitischen,  sidonischen  u.  s.  w.  Stil.  Bei  näherer 
Untersuchung  der  Sache  finden  wir,  dass  der  Unterschied  hauptsächlich  darin  besteht,  dass 
am  einen  Orte  der  ägyptische,  am  andern  der  assyrische  Stil  vorherrscht.  (Rönan  a.  a.  O. 
S.  206.) 

Was  wir  hier  von  den  Katakomben  gesagt,  gilt  auch  von  den  in  denselben  freistehenden 
Sarkophagen.  Unter  dreizehn,  die  wir  im  Museum  des  Louvre  zählten,  waren  einige  in 
ägyptischem,  andere  in  assyrischem  Stil.  In  Sidon  entdeckte  die  französische  Expedition 
eine  bedeutende  Anzahl,  von  denen  jetzt  einige  im  Original  im  Museum  des  Louvre  auf- 
gestellt sind,  andere  abgebildet  in  Rdnan’s  Prachtwerk  Taf.  LIX  u.  LXI.  Sie  haben  alle 
die  Form  einer  Scheide  (gaino)  und  jedes  unbeschädigte  Exemplar  zeigt  am  Kopfende  das 
Haupt  eines  Aegypters  oder  Assyrers  in  halbem  Relief.  Für  den  bei  den  Phöniciern  herr- 
schenden vollständigen  Mangel  an  Originalität  des  Geschmacks  und  Stils  im  höchsten  Grade 
bezeichnend  ist  es,  dass  der  sidonische  König  Eechmunazar  sein  Ruhebett  in  einem  Sarkophag 
von  Syenit  erhalten  hat,  der,  wie  Material  und  Arbeit  bekunden,  in  Aegypten  gemacht  wor- 
den und  dass  der  König  selbst  auf  dem  Deckel  als  Aegypter  dargestellt  ist,  wiewohl  eine 
au  dem  Monument  angebrachte  phönicische  Inschrift  seine  phönicische  Geburt  und  die  hohe 
Würde,  die  er  in  Phönicien  bekleidete,  ausser  Zweifel  stellt.  (Vgl.  Wiberg  a.  a.  O.  S.  25.) 

Diesen  Mangel  an  Originalität  sollte  man  am  wenigsten  in  solchen  Dingen  erwarten, 
welche  zum  Handelsgebiete  gehören,  und  trotzdem  verräth  er  sich  auch  da.  Wie  nahe  liegt 

b Man  sollte  denken,  dass  die  Phönieier,  wenn  tie  durch  Colonien  im  Norden  die  Bronzecultnr  begrün- 
det, dort  auch  ihr«  Begräbnisebniucho  eingeführt  hätten.  Nun  aber  herrscht  zwischen  den  phönicischen  Grä- 
bern und  denen  der  Bronzezeit  ein  himmelweiter  Unterschied. 

Man  wird  einwenden,  dass  das  Volk  der  Bronzeperiode  nicht  immer  seine  Todten  verbrannte,  die  Asche 
in  Urnen  that  und  diese  in  dem  Grabhügel  beisetzte;  dass  es  vielmehr  ein  älteres  Bronzealter  gab,  wo  man 
die  Leichen  unvorbrannt  in  den  alten  Steinkammern  des  Steinalters  beisetzte,  in  langen  Steinkisten,  hölzernen 
Särgen,  Todtenhäumen  u.  s.  w.  Wir  antworten,  dass  dieser  Einwand  die  erwähnte  Verschiedenheit  der  Grä- 
ber nicht  aufhebt. 

Es  scheint  ein  charakteristischer  Zug  der  arischen  Vülkergmppe  zu  sein,  die  Wohnungen  der  Todten  denen 
der  Lebenden  möglichst  treu  nschznbilden  nnd  dem  Verstorbenen  Waffen,  Werkzeuge.  Schmuck  — alles  was 
ihm  im  Leben  nützlich,  nothwendig  nnd  theuer  war,  ins  Grab  za  legen.  Wir  linden  diesen  Brauch,  dem  wir 
manchen  wichtigen  Blick  in  die  alte  Zeit  und  alten  Sitten  verdanken,  nicht  nur  in  den  einfachen  Gangbauten 
im  Norden,  sondern  auch  in  den  oft  mit  grosser  Pracht  aasgestatteten  Gräbern  der  Etrusker  und  Griechen. 
Bei  den  Phöniciern  aber  findet  sich  nichts  dem  Aehnliches. 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  29 

die  Annahme,  dass  das  erste  Handelsvolk  der  alten  Welt,  dasselbe  Volk,  welches  zuerst  das 
Silber  als  allgemeines  Tauschmittel  und  als  Werthmesser  in  den  Handel  einflihrte,  seinen 
Münzen  ein  nationales  Gepräge  verliehen!  Dies  war  gleichwohl  nicht  der  Fall,  Griechische 
Kunst  und  griechischer  Geschmack  behielten  die  Oberhand,  so  dass  z.  B.  carthagische  Münzen 
das  Bildnis»  griechischer  Gottheiten  und  daneben  phönicische  Inschriften  tragen  (Tafel  Fig.  24). 

Das  Wenige  was  wir  von  der  Ornamentik  in  Phönicien  wissen  — wir  umgehen  den 
jedenfalls  unberechtigten  Ausdruck  „phönicische  Ornamentik“  — lernen  wir  aus  ßdnan’s 
trefflichem  Werke  und  den  dazu  gehörenden  mit  grosser  Sorgfalt  ausgeführten  Abbildungen. 

Der  genannte  Verfasser  giebt  uns  mehrere  Proben  einer  Zierform,  die  wir  nach  ihm  als 
„Treppenornament“  (ornement  k gradins)  bezeichnen  möchten.  Es  besteht  in  von  einem 
ebenen  Plan  treppenartig  aufsteigenden  Linien,  die  sich  mit  jedem  Absätze  näher  rücken  und 
endlich  zu  einer  Pyramide  vereinen.  Diese  Treppenpyramide  finden  wir  angebracht  an  dem 
obem  Rande  phöuicischer  Altäre  in  Byblus,  Marathus  und  Aradus;  in  grösseren  Proportionen 
auf  einigen  Grabdenkmälern,  welche  die  Reichen  sich  auf  freiem  Felde  errichten  Hessen;  in 
den  Ruinen  von  Petra;  in  den  Tcrracotten  von  Constantineh  und  auf  dem  Gebiete  des  alten 
Karthago  (Rdnan,  p.  161). 

Dies  Treppenornament  ist  nicht  selten  mit  einer  Blumenleiste  verbunden,  welche  unter 
der  Basis  und  parallel  mit  derselben  hinläuft.  Wir  finden  es  auf  den  phönicischen  Bauresten 
des  alten  Byblus  und  auf  den  Gewändern  assyrischer  Krieger , wie  man  sie  auf  den  Reliefbil- 
dern von  Ninive  dargestellt  sieht  Auf  unserer  Tafel  Fig.  15  geben  wir  eine  Probe  dieser 
Verzierung  nach  Rdnan  Taf.  XX. 

Es  darf  indessen  nicht  verschwiegen  bleiben,  dass  die  Originalität  — wenn  wir  den  Phö- 
niciern  überhaupt  eine  solche  zutranten  — auch  hier  nur  eine  scheinbare  ist  Das  Motiv  ist  den 
grossen  assyrischen  Festungswerken  entlehnt,  was  wir  im  Musde  Assyrien  du  Louvre  auf  einem 
aus  dem  Palaste  Koyundjik  nach  Paris  geführten  BasreUef  zu  entdecken  Gelegenheit  hatten. 

Ein  anderes  auf  antiken  Bronzen  häufig  angebrachtes  Ornament:  die  doppelte  Spirale 
(Tafel  Fig.  20),  würden  wir  gern  als  Eigenthum  der  Phönicier  erkennen,  da  Renan  uns  die 
Zeichnungen  zweier  kleinen  mit  diesen  Figuren  geschmückten  Gegenstände  giebt,  die  nachweis- 
lich in  Phönicien  gefunden  sind:  ein  Scarabäus  und  ein  Amulet,  beide  am  Hafen  in  Gebal, 
dem  alten  Byblus,  gefunden.  Wir  sehen  uns  indessen  gemüssigt,  auch  für  diese  ägyptischen 
Ursprung  zu  beanspruchen,  weil  das  Amulet  mit  einem  Henkelkreuz  geschmückt  ist,  das  aus 
dem  ägyptischen  Alterthum  genugsam  bekannt  und  als  ein  Symbol  des  Lebens  aufgefasst  ist. 
Uebrigens  stimmen  die  Windungen  der  Spirale  auf  dem  Amulet  nicht  genau  mit  denen  un- 
serer antiken  Bronzen.  (Tafel  Fig.  16,  20.) 

Die  Entdeckungen  in  Phönicien  bestätigen  Lubbock’s  oben  erwähnte  Ansicht  hinsicht- 
lich der  Gewohnheit  der  Phönicier,  die  Elemente  ihrer  Ornamentik  aus  der  Thier-  und  Pflan- 
zenwelt zu  entlehnen.  Dieser  Gewohnheit  huldigten  die  phönicischeu  Künstler  sowohl,  wenn 
sie  im  assyrischen  Stil  arbeiteten,  als  wenn  sie  sich  dem  ägyptischen  anschlossen.  Sie  kenn- 
zeichnet die  älteste  Zeit  und  den  hier  vorliegenden  Renaissancestil , welcher  in  die  Zeit  der 
Antoninen  und  selbst  in  die  christliche  Zeit  hineinreicht.  Als  ein  Beispiel  was  die  älteste 
Zeit  in  dieser  Beziehung  zu  leisten  vermochte,  können  wir  die  Katakomben  von  Byblus  und 
Sidon  nennen,  deren  innere  Räume  mit  Blumen  auf  weissem  Grunde  bemalt  sind;  fomer 


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30 


C.  F.  Wiberg, 

einige  Sarkophage,  deren  Deckel  mit  Rauken,  Kränzen,  Blättern,  Ochsen-  und  Löwenköpten 
geschmückt  sind.  (Renan  a.  a.  O.  Atlas  passim). 

Löwenbilder,  freistehend  und  als  architectouisches  Ornament,  sind  nicht  selten,  kommen 
aber  auch  in  Assyrien  häutig  vor.  Vielfach  sieht  man  auch  sogenannte  vaoqpopoi,  Priester- 
statuen, die  einen  Schrein  mit  Götterbildern  tragen;  oder  einen  leeren  vaig  oderThebah  oder 
„Arche“  aus  Stein  mit  einer  Borde  von  Blättern  oder  anderen  Pflanzentlieilen  (Renan,  Atlas 
Pl.  IX,  X).  Bisweilen  findet  man  diese  Figur  in  den  Felsen  gehauen,  das  Bild  eines  jagenden 
Mannes  oder  eines  trauernden  Weibes  umrahmend.  Man  will  hier  griechischen  und  gar 
etruskischen  und  cypriotischcn  Stil  erkennen.  (Ibid.  Pl.  XXXI,  XXXIV,  XXXVIII  etc.)  Ge- 
wiss ist,  dass  nicht  alles  phöniciseh  ist 

Einen  Beweis,  dass  der  Geschmack  an  Darstellungen  aus  dem  Thier-  und  Pflanzenreiche 
sich  bis  in  die  Renaissanceperiode  erhielt,  liefert  eine  zwrei  französische  Meilen  von  Tyrus  ge- 
fundene sehr  schöne  Mosaik,  deren  Anfertigung  in  christlicher  Zeit  durch  eine  griechische  In- 
schrift bestätigt  wird.  Auch  ist  augenscheinlich,  dass  sie  unter  dem  Einflüsse  griechischen 
Kunstgesch mackes  entstanden  ist  Wir  finden  sie  bei  Renan,  Taf.  XLIX. 

Auf  diese  Angaben  fugsend,  können  wir  getrost  Ijehaupten,  dass  die  Phönäcier  der  das 
Bronzealter  charaktörisirenden  geometrischen  Ornamentik  vollkommen  fremd 
waren,  und  deshalb  ist  jeder  Versuch,  den  Bronzen  ihrer  geometrischen  Zierformen  wegen 
einen  phönieischen  Ursprung  beizumessen,  durchaus  unberechtigt. 

Sehen  wir  uns  jetzt  um , ob  wir  die  Quelle  dieser  Ornamentik  anderweitig  zu  entdecken 
vermögen. 

Die  Grundelemente  der  dem  Bronzealter  eigenen  Ornamente  finden  wir 
bei  den  Griechen,  namentlich  während  der  archäischen  Kunstperiode  und  bei 
den  Etruskern.  Zu  dieser  Ueberzeugung  gelangten  wir  während  eines  Aufenthalts  in  Paris 
1867,  wo  sich  die  Gelegenheit  bot,  sowohl  im  Louvre  als  in  der  mit  der  kaiserlichen  Biblio- 
thek zusammenhängenden  antiquarischen  Sammlung  verschiedene  Studien  zu  machen. 

Wir  sahen  dort  einige  Thongefässe  der  genannten  Kunstperiode  (vases  primitifs  grecs), 
unter  denen  eine  mit  Xro.  4709  bezeichnet«  Vase  mit  dunkelbraunen  Zeichnungen  auf  gelb- 
braunem Gruude  unsere  Aufmerksamkeit  ganz  besonders  fesselte.  Der  Leser  findet  Tafel 
Fig.  8 eine  Abbildung  des  obere  Theiles  dieser  Vase,  nach  einer  Zeichnung,  welche  ein  Freund 
voriges  Jahr  für  una  anzufertigen  die  Güte  hatte.  Der  untere  Theil  bietet  nichts  Merkwür- 
diges und  trägt  nur  einige  parallel  mit  dem  Boden  rings  um  das  Gelass  laufende  schlichte 
Linien ; der  obere  Theil  dahingegen  zeigt  uns,  reihenweise  über  einander  .stehend,  gerade  die- 
selben Verzierungen,  die  wir  an  unseren  nordischen  Bronzen  wahreohmen,  und  ausser  diesen 
noch  einige  andere  bekannte  Figuren.  Wir  sehen  da  die  Zickzack-  und  Uebergangslinien, 
den  Kreuz-  und  Pendelstab,  ein  anderes  Ornament,  welches  aus  zwei  gegen  einander  gekehr- 
ten Winkelmaassen  bestellt,  und  zwei  Irisvögel.  Man  vergleiche  diese  Zierformen  mit  denen 
an  den  Gritfon  der  nordischen  Bronzesch werter , Figg.  2,  3 und  4,  und  an  dem  griechischen 
Schwerte,  Fig.  18. 

In  derselben  Sammlung  bemerkten  wir  an  einem  grossen  Krater  dieselben  Drachenzeich- 
nungen oder  S-förmigen  Figuren,  die  wir  so  häufig  an  den  Rasirmessern  und  Bronzeschalen 
der  Bronzezeit  in  Dänemark  und  an  der  Südküste  der  Ostsee  wahrnehmen. 


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Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  31 

An  anderen  Vasen  bemerkten  wir  Zeichnungen  vierftissiger  Thiere  und  zwischen  diesen 
aufgehängte  Kränze.  Wir  nennen  besonders  eine  Weinkanne,  oivo%6 tj,  mit  zwei  Reihen  con- 
centrischer  Ringe  am  Halse,  darunter  durch  Kränze  geschiedene  Löwen  und  Böcke.  Diese 
Kanne  gehört  unzweifelhaft  derselben  Zeit  an  wie  die  vorige  und  weist  gewissennassen  hin 
auf  die  Bronzezeit 

Wir  legen  Gewicht  auf  vorstehende  Notizen,  weil  sie  nichWallein  Licht  über  den  Ur- 
sprung der  Bronzecultur  werfen,  sondern  ausserdem  einen  wenn  auch  noch  so  schwachen  An- 
halt hinsichtlich  der  Zeit  geben  J),  hinter  welcher  zurück  dieselbe  nicht  wohl  nach  Norden  ge- 
langt sein  kann.  Die  Noth Wendigkeit  gewisser  Vorbehalte  bei  einer  derartigen  Zeitbestim- 
mung räumen  wir  gern  ein,  weil  bei  einer  solchen  Berechnung  der  Einfluss,  den  die  Etrusker 
auf  die  nordische  Bronzecultur  geübt,  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden  darf. 

Die  alten  etruskischen  Gräber  enthalten  übrigens  nicht  nur  etruskische,  sondern  auch 
griechische  Alterthümer,  und  da  beide  oft  sehr  ähnlich  sind,  so  hält  es  schwer,  zu  unterschei- 
den was  griechisch,  was  etruskisch  ist.  Jedenfalls  dürfen  wir  behaupten,  dass  sich  auch  bei 
den  Etruskern,  und  vielleicht  am  häufigsten  bei  ihnen , die  Ornamentik  der  Bronzezeit  nach- 
weisen  läset  Dass  sie  die  Spirale  zur  Verzierung  ihrer  Grabgefasse  anwandten,  bezeugen  die 
Haus-  und  Cylinderurnen , welche  bekanntlich  im  Jahre  1817  im  alten  Latium  im  Albaner 
Gebirge  unter  einer  Peperinschicht  gefunden  wurden.  Wir  haben  an  anderem  Orte  ausführ- 
licher darüber  gesprochen  und  wollen  hier  nur  noch  die  Abbildung  einer  dieser  Urnen  brin- 
gen (a.  Tafel  Fig.  19)2),  deren  etruskischer  Ursprung  durch  die  in  den  Gefässen  gefundenen 
etruskischen  Kleinigkeiten  bezeugt  ist  (S.  Wiberg  a.  a.  O.  S.  22.) 


>)  Einen  gewissen  Anhalt  bezüglich  des  Altera  and  der  Herkunft  der  Pariser  Vase  gewinnen  wir  — in- 
sofern äussere  Uebereinstimmung  der  Form.  Ornamentik  n.  a.  w.  zu  Schlüssen  auf  gleiches  Alter  und  Her- 
kommen eines  Gegenstandes  berechtigt  — durch  ein  zweites  dem  vorbenannten  ähnliches  Ge  fas»,  dessen  Alter 
■ich  annähernd  bestimmen  lässt.  Es  wurde  von  L.  Ross  aus  Thera  beimgebracht  und  befindet  sich  jetzt  im 
Prindsen-Palais  in  Kopenhagen.  Eine  Abbildung  dieser  Vase  finden  wir  bei  Conze:  Die  MeÜBchen  Thon- 
gefässe,  als  Vignette  unter  dem  Text.  Sie  ist  aus  sehr  grobem  hellgelben  Thone  mit  brauner  Bemalung, 
circa  74  Ctra.  hoch  und  45  Ctm.  im  weitesten  Durchmesser.  Der  untere  Tbeil  ist  wie  bei  der  oben  beschrie- 
benen mit  schlichten  rings  um  das  Gefügt  parallel  laufenden  Linien  verziert*,  der  obere  Theil  mit  denselben 
geometrischen  Ornamenten:  Spirale,  Zickzack,  Uefeergangslinie,  Mäander,  Raute  u.  s.  w,;  nur  herrscht  mehr 
Mannigfaltigkeit  in  der  Combination  der  Linien  und  sind  die  Vögel  (Ibis?  — Gerhard  bezeichnet  diese  Vö- 
gel als  Kraniche)  zu  vieren  gruppirt.  — Conze  hält  diese  Vase  aus  Thera  für  gleichzeitig  mit  den  von  ihm 
gezeichneten  und  erläuterten  Molischen  Gefässen  , die  von  übereinstimmender  Form , aber  mit  Menschen-  und 
Thicrgestalten  geschmückt  sind,  und  findet  in  den  ornamentalen  Formen  t sowohl  in  den  organischen  als  den 
geometrischen,  assyrische  Anklunge.  Melos  war  vor  den  Doriern  von  Phöniciem  bewohnt.  Hatten  diese 
aus  assyrischer  Kunst  geschöpft,  vererbten  sie  was  sie  gelernt  auf  die  Griechen  und  sind  diese  als  Lehrmei- 
ster der  Etrusker  zu  betrachten  oder  hatten  letztere  selbst  an  der  Quelle  geschöpft?  Sind  diese  Vasen  von 
den  Phönieiern  angefertigt,  so  bleibt  auffällig,  dass  keine  derartig  verzierten  Fabrikate  in  Phönicien  gefunden 
worden  sind.  Der  Grund,  dass  sie  als  kluge  Kaufleute  die  werthvollen  Sachen  nicht  in  die  Erde  vergruben, 
sondern  lieber  zu  Gelde  machten,  ist  uns  nicht  ganz  einleuchtend,  da  man,  wenn  nicht  die  Gegenstände  selbst, 
doch  die  zu  ihrer  Verschönerung  übliche  Ornamentik  an  den  Altären,  Denkmälern  etc.  des  Landes  zu  finden 
erwarten  dürfte.  Eine  Zusammenstellung  der  bekannten  geometrischen  Zierformen  unserer  antiken  Bronzen, 
die  uns  noch  frappanter  scheint  als  die  der  hier  genannten  Vasen,  finden  wir  auf  den  Mänteln  zweier  „Brett- 
spieler“  (Achill  und  Ajax)  auf  dem  Gegenbilde  eines  Prachtge fasset  des  Exekias  im  Vatican.  — S.  Gerhard: 
Etruskische  und  Campanische  Vasenbilder,  Berlin  1^43,  Taf.  E,  Fig.  23,  S.  46;  desgleichen  auf  den  von  Gor- 
hard  herausgegebenen  griechischen  Vasen  hauptsächlich  etruskischen  Fundortes,  namentlich  auf  den  Zeich- 
nungen eines  Ruhekissens.  (Bd.  2,  Taf.  CVIII.)  D.  Uebers. 

a)  Lindcnschmit  I.  X,  Taf.  8.  Fig.  3.  ; 


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3'2 


C.  F.  Wiberg, 

Als  eine  Eigentümlichkeit,  die  bei  der  Untersuchung  der  Vasen-  und  Wandmalereien 
der  etruskischen  Gräber  sofort  in  die  Augen  fallt,  sei  noch  erwähnt,  dass  die  Etrusker  die  zahl- 
reichsten Beweise  für  ihren  Einfluss  auf  die  Ornamentik  des  Bronzealters  auf  ihren  Kleidern 
tragen. 

Die  Zickzacklinie  zum  Beispiel,  die  zwnr  auch  auf  etruskischen  Vasen  und  den  Wand- 
malereien der  Grabkammeriyvorkommen,  findet  man  doch  am  häufigsten  als  Kante  der  etruski- 
schen Tuniken  und  Togen,  wo  indessen  auch  die  Ringlinie  und  die  punktirte  Linie  angebracht 
sind.  Auf  den  Vasenbildern  sieht  man  den  Eierstab  und  die  Wellenlinie  als  Querräuder 
der  Kleiderstoffe  ■).  Die  Griechen  lieben  zu  diesen  Zwecken  vorzugsweise  die  Mäander- 
borde (ä  la  gröcque)  und  zeigen  sich  in  der  Erfindung  neuer  Zierformen  unerschöpflich  und  so . 
vielseitig,  dass  es  schwer  halten  würde,  dieselben  zu  untersuchen,  was  übrigens  fiir  unsere 
Aufgabe  auch  ganz  unnütz  ist. 

Es  wäre  indessen  ein  Irrthum,  wenn  man  annehmen  wollte,  dass  die  Etrusker  diese  Zier- 
rathe  nur  auf  ihren  Kleidern  anwandten:  man  findet  sie  ebenso  häufig  auf  etruskischen 
Bronzeu.  Vor  uns  liegen  die  Zeichnungen  von  Armbändern,  Halsbändern,  einer  Fibula  und 
eines  anderen  unbekannten  Schmuckes,  alle  reich  verziert  mit  der  einfachen,  doppelten  und 
schraffirtcn  Zickzacklinie  oder  abwechselnd  mit  einfachen  und  doppelten  Randlinien,  Ring-  und 
Mäanderleisten,  Bandzierrathen  und  Zeichnungen  von  zwergartigen  Wesen  und  fabelhaften 
Thieren  (Italie  ancienne  I,  pl.  18). 

Es  ist  viel  geredet  und  geschrieben  worden  Uber  die  tiefe  Mystik , die  der  einfachen  Or- 
namentik der  Bronzen  zu  Grunde  liegen  soll.  Wir  verstehen  uns  nicht  auf  diese  Dinge,  glau- 
ben indessen  vom  genetischen  Standpunkt  eine  Erklärung  finden  zu  können.  Am  leichte- 
sten erklärt  man  diese  Figuren,  wenn  man  sich  entschliesst , sie  als  Verkürzungen  gewisser 
auf  etruskischen  und  griechischen  Kunstwerken  vorkommenden  decorativen  Elemente  zu  be- 
trachten — als  eine  Anleihe  des  Kupferschmiedes  von  dem  Künstler! 

Die  concentrischen  Ringe  sind  nach  unserer  Erklärung  nichts  anderes  als  die  Kränze,  mit 
welchen  die  Alten  bei  ihren  Mahlzeiten  und  Trinkgelagen  ihro  Wände  und  Triclinien  zu 
schmücken  liebten.  Die  Ringe  mit  dem  Punkt  in  der  Mitte  dürften  ursprünglich  nichts  an- 
deres vorstellen  sollen  ab  das  auf  etruskischen  Vasen  so  häufig  vorkonunende  menschliche 
Auge;  das  vierspeiehige  Rad  ist  eine  Verkürzung  der  antiken  Biga,  wie  aus  den  gallischen 
Münzen  hervorgeht,  auf  welchen  der  Künstler  eine  Biga  hat  anbringen  wollen,  aber  sichtlich 
die  grösste  Mühe  gehabt  hat,  sie  einige rm aasen  kenntlich  zu  machen1).  Die  bogenförmige 
Verzierung  ist  aus  dem  in  der  griechischen  Architcctur  so  oft  vorkommenden  Eierstabe  ent- 
standen und  die  Spirale  aus  der  Voluta  der  jonischen  Säule  oder  aus  den  in  den  Ornamenten 
der  Alten  häufig  vorkommenden  Rankenverzierungen.  Wir  legen  übrigens  kein  Gewicht  aut 
diese  Muthmassungen  und  geben  sie  nur  als  solche.  Eines  glauben  wir  jedoch  behaupten  zu 
dürfen:  dass  nämlich  die  geometrische  Ornamentik  der  Bronzezeit  ihre  Wurzeln  in 
einer  organischen  hat*). 

*)  Vgl.  die  Abbildungen  bei  Noel  dei  Vergers,  Dennie  und  in  der  Italie  ancienne  im  Univers  pit- 
toresque. 

*1  Meyer:  Beschreibung  der  in  der  Schweis  aufgefundenen  gallischen  Münzen.  Zur.  Mitth.  XV.  I. 

*1  Gegen  diesen  Ausspruch  Hesse  sich  manches  einwenden.  Es  fehlt  in  der  Kunstgeschichte  nicht  an  Bei- 


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lieber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  33 

Wir  uilisscn  zugeben,  dass  eine  solche  Verkürzung  und  Verstümmlung  ein  Frevel  an  der 
Kunst  ist;  allein  liier  handelte  es  sich  weniger  um  den  Schönheitssinn,  als  um  das  Verlangen 
nach  Gewinn.  Für  den  Verkauf  an  die  halbbarbarischen  Völker  Mittel-  und  Nordeuropas  mussten 
die  italischen  Bronzeschmiede  ihren  Waaren  ein  pruukendes  Aussehen  geben,  und  dazu  eig- 
nete sich  die  geometrische  Ornamentik  ganz  besonders.  Sachen  von  wirklichem  Kunstwerthe 
kamen  nicht  au  den  Markt,  schon  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  Barbaren  solche  Hinge 
nicht  zu  schätzen  wussten.  Dahingegen  ist  sehr  wohl  glaublich,  dass  die  an  den  Bronzen 
angebrachten  Verzierungen  oft  als  Zaubermittel  oder  Schutz  vor  bösem  Zauber  von  den  Bar- 
baren in  Ehren  gehalten  wurden,  da  in  ihren  Augen  alle  schöne  Knnst  gewissermassen  als 
Zauberkunst  betrachtet  wurde.  Von  ihrem  Gesichtspunkte  könnte  man  sonach  den  Zierrathen 
wohl  eine  symbolische  Bedeutung  beilegen,  obwohl  sie  von  den  civilisirten  Völkern  jener  Zeit 
kaum  als  solche  geachtet  sein  werden. 


Man  hat  der  Bronzecultur  einen  orientalischen  Ursprung  zuschreiben  wollen.  Auch  wir 
sind  geneigt,  einen  solchen  oinzuräumen  — aus  erster  Hand,  oder  insofern  man  die  Etrus- 
ker und  Griechen  als  die  nächsten  Vermittler  dieser  Cnltur  für  Mittel-  und  Nordeuropa  aner- 
kennen will.  So  aufgefasst,  liegt  die  Frage  bezüglich  des  orientalischen  Ursprungs  der  Bronze- 
cultur eigentlich  ausser  dem  Bereich  unserer  Aufgabe,  Wir  erlauben  uns  deshalb  nur  hier 
daran  zu  erinnern,  dass,  wie  viel  auch  die  Griechen  und  Etrusker  von  den  Phöniciem  gelernt 
haben  mögen,  es  doch  nicht  diese,  sondern  die  Völker  Kleinasiens:  die  Lydier  und  Phrygier, 
sind,  welche  sie  als  ihre  Lehrmeister  anerkennen. 

Wir  wollen  hier  noch  ein  paar  Anmerkungen  beifügen. 

Ungeachtet  aller  Lobeserhebungen,  welche  Homer  den  Phöniciem  wegen  ihrer  grossen 
Ueberlegenheit  in  der  Bearbeitung  des  „Kupfers“  — hier  der  Bronze  — zollt,  scheint,  was 
die  griechisch-italischen  Völker  in  der  Metallurgie  von  ihnen  profitirten,  doch  nicht  weit  her  zu 
sein.  Die  vergleichende  Sprachforschung  liefert  nämlich  der  Archäologie  auf  diesem  Gebiete  das 
unwiderlegliche  Resultat,  dass  den  arischen  Völkerstämmen  schon  vor  ihrer  Berüh- 
rung mit  den  Semiten  die  wichtigsten  Metalle  bekannt  waren. 

Man  darf  mit  voller  Gewissheit  annehmen  — sagt  Max  Müller  in  seinen  Vorlesungen 
Uber  die  Wissenschaft  der  Sprache  (II , 32)  — dass  die  arischen  Stämme  vor  ihrer  Trennung 
Gold,  Silber  und  noch  ein  drittes  Metall:  das  Kupfer,  in  mehr  oder  minder  vermischtem 

spielen,  dass  ein  Volk,  weiches  in  Arabesken  und  ähnlichen  Ornamenten  Vorzügliches  leistete,  in  der  Darstel- 
lung ron  Menschen  und  Thieren  kaum  über  die  sogenannten  „Plankenbilder“  hinaus  kam.  Dass  zu  einer  be- 
friedigenden Darstellung  sachlicher  Gegenstände  eine  grössere  Hebung  des  Anges  und  der  Hand  gebürt,  be- 
stätigen die  Erfahrungen  der  eigenen  Kindheit.  Gegen  die  Aneicht  des  Verfassers  spricht  auch,  dass  man  — 
um  in  seinem  Sinne  an  reden  — die  Originale  und  die  verkürsten  oder  verstümmelten  Copien  oft  auf  dem- 
selben Bilde  neben  einander  findet : neben  dem  Thier-  oder  Menschenauge  die  concentrischen  Ringe : die  ein- 
fachen 'Sterne , Kreuze  neben  den  künstlich  verschlungenen  u.  s.  w.  — Conze  sieht  auch  in  diesen  Grund- 
mustern (den  Sternen,  Blumen,  Ringen,  Rosetten,  Kreuzen  etc.)  assyrische  Elemente.  Oh  ihnen  allen  symbo- 
lische Bedeutung  zu  Grunde  liegt,  ist  schwer  zu  sagen.  Beaehtenswepth  ist  immer,  dass  namentlich  das  Kreuz 
sich  aus  urarischer  und  vielleicht  noch  älterer  Zeit  bis  in  die  Gegenwärt  als  religiöses  Symbol  erhalten  hat; 
selbst  bei  don  Chinesen  lässt  et  sich  als  Zeichen  der  Ehrfurcht  nachweisen  und  hierin  finden  wir  einen  Be- 
weis gegen  diejenigen  Gelehrten,  welche  das  erweiterte  Hakenkreuz  als  vier  verschlungene  Mäander  erklären 
wollen.  (Vgl.  Müller:  Religise  Symboler.  Kjöbenhavn  1861.)  D.  Uebers. 

Areale  für  Aathiopolosle,  Bi.  XV,  lieft  1.  5 


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34 


0.  F.  Wiberg, 


Zustande  gekannt  haben;  das  Eisen  ist  ihnen  dahingegen  erst  nach  der  Trennung  bekannt 
geworden.  Er  stützt  diesen  Satz  durch  den  Umstand,  dass  die  Arier  das  Wort  für  die  Be- 
zeichnung der  erstgenannten  drei  Metalle  aus  dem  heimischen  Sprachschätze,  ihrem  gemein- 
samen Eigenthum,  geschöpft  haben,  wohingegen  das  Eisen  von  jedem  arischen  Volksstamme 
mit  besonderm  Namen  benannt  ist. 

Das  Zinn,  dies  zur  Herstellung  der  edlem  Bronze  unentbehrliche  Metall,  tritt  bei  den 
indo-europäischen  Völkern  unter  verschiedenen  Namen  auf,  die  hauptsächlich  aus  zwei  Quel- 
len entspringen'  und  in  Bezug  auf  die  Herkunft  des  Gegenstandes  auf  zwei  entgegengesetzte 
Weltgegenden  hinweisen:  Indien  und  Britannien. 

Wir  könnten  die  eine  dieser  Quellen  die  indo-griechische  nennen,  aus  welcher  das  in- 
dische Kastira  und  das  griechische  xaOGiteQos  entspringen,  beide  Zinn  bedeutend.  Essei  hier 
bemerkt,  dass  die  Versuche,  Indien  jeglichen  Antheil  an  der  ältesten  Zinn production  abzuspre- 
chen, um  sie  ausschliesslich  auf  Comwallis  zu  beschränken,  uns  keineswegs  fremd  sind.  Es 
war  hierzu  niithig,  die  Inder  ihre  Benennung  des  Zinn3  aus  der  griechischen  Sprache  entleh- 
nen zu  lassen.  Diese  Versuche  sind  indeRs  durch  Pictet  (Les  Origines  indo-europdenues, 
Paris  1859,  I,  p.  177),  als  durchaus  verfehlt,  für  immer  verworfen  worden.  Er  belehrt  uns  zu- 
gleich darüber,  dass  es  im  Sanskrit  nicht  weniger  als  dreissig  verschiedene  Benennungen  für 
Zinn  und  Zinn  und  Blei  zusammen  giebt,  einWortreichthum,  der  sich  schwer  mit  der  von  den 
Semitisten  vorausgesetzten  Unbekanntschaft  der  alten  Inder  mit  der  Sache  vereinen  lässt. 

Der  zweiten  Hauptrolle  der  Bezeichnungen  des  hier  genannten  Metalls  müssen  wir  den 
langen  Namen  der  kelto-germanisch-lateinischen  geben.  Dieselbe  giebt  uns  aus  den  keltischen 
Formen  ystaen  (kymriscli),  stean  (komisch),  stean , sten,  stin  (armorikanisch) , stau,  stain  (ir- 
ländisch) und  staoin  (ersisch),  das  lateinische  Wort  süuinum  (italien.  stagno,  span,  estafio, 
portugies.  estanho,  franz.  dtain)  und  auf  der  andern  .Seite  die  gerni&uischen  Formen  tin  (alt- 
nord., dän.,  engl.),  tenn  (schwed.)  und  das  deutsche  Zinn,  dem  sich  lithauisch  cinnas  und  pol- 
nisch cyna  anschliessen.  Dieser  Derivationsversuch  hat  zuin  wenigsten  den  Werth,  dass  er 
uns  in  Comwallis  den  vornehmsten  Productionsort  desjenigen  Zinns  kennen  lehrt,  welches  in 
Westeuropa  verbraucht  wurde,  womit  wir  jedoch  die  einstmalige  Zinnproduction  in  Spanien 
und  an  der  Westküste  Galliens  keineswegs  in  Abrede  stellen  wollen. 

Nach  diesen  Untersuchungen  bleibt  nicht  viel  mehr  von  den  Phöniciern  zu  holen.  Wir 
kennen  mit  Sicherheit  nicht  mehr  als  zwei  Wörter  auf  diesem  Gebiete,  für  dio  wir  unleugbar  se- 
mitischen Ursprung  annehmen  können.  Es  sind  die  griechischen  Wörter  fiiralXov  und  Oaxxito. 

HttaV.av,  von  dem  wir  den  Gasammtnamcn  für  Gold,  Silber,  Kupfer,  Zinn,  Eisen  u.  s.  w. 
ableiten,  bedeutet  in  der  griechischen  Sprache  ursprünglich  „Grube“,  „Stollen".  Es  kann  mit 
Sicherheit  von  dem  hebräischen  Verbum  Vys  (Mathal),  schmieden,  abgeleitet  werden.  Ebenso 
stammt  das  griechische  Verbum  Ouxxia,  sichten,  durchschlagen , ohne  Zweifel  von  dem  gleich- 
bedeutenden hebräischen  Zeitworte  "z  (ZaQaQ)  und  R3>  (SnQaQ).  Es  Hesse  sich  hiernach 
muthmassen,  dass  die  Griechen  ihre  Grubenterminologie  von  den  Phöniciern  entlehnt  haben. 
(Rdnan:  Histoire  gdndrale  des  langues  sömitif|ues.  Paris  lbfi.t,  I,  206.) 

Ob  das  lateinische  Wort  Marcus,  Hammer,  mit  dem  hebräischen  Zeitworte  pi«  (MuRaQ), 
poliren,  zusamrnenhängt , wollen  wir  nicht  entscheiden;  erinnern  jedoch  daran,  dass  das  he- 
bräische (B'dil),  Zinn,  Blei,  von  dem  man  das  griechische  pwAt’fldos  hat  herleiten  wollen, 


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lieber  den  Einfluss  der  Etrusker  und  Griechen  auf  die  Bronzeoultur.  35 

und  das  griechische  j;pea<>s,  das  von  dem  hebräischen  ynn  (Charuts),  Gold,  herstammen  soll, 
beide  vollgültige  arische  Wurzeln  haben.  Ebenso  unbarmherzig  rauben  die  vergleichenden 
Sprachforscher  der  Theorie  von  dem  phönicischen  Ursprünge  der  Bronzocultur  die  Stütze, 
welche  sie  in  dem  Versuche  finden  konnte,  das  griechische  Wort  xaOöiYfpotr  von  dem  semiti- 
schen rmjep  abzuleiten,  welches  seinerseits  als  ein  Derivat  ans  dem  Sanskrit  erkannt  ist. 
(Fielet  a.  a.  O.) 

Um  den  Phöniciem  indessen  alle  mögliche  Gerechtigkeit  widerfahron  zu  lassen,  wollen 
wir  nicht  verschweigen,  dass  diese  sprachlichen  Untersuchungen  sich  zu  ihren  Gunsten  wen- 
den, sobald  es  sich  um  die  Namen  der  Edelsteine  handelt.  Das  griechische  iaOxig,  lateinisch 
jaspis,  stammt  unbestritten  von  dem  hebräischen  (Jasch'päh);  das  griechische  6cat<pitQog 
von  dem  hebräischen  ”05  (Sapphir);  das  griechische  papaydo;  oder  efiagaySog  von  dem  he- 
bräischen rjj^y  (Raräcjät),  wobei  gleichwohl  zu  beachten  ist,  dass  die  erste  griechische  Form 
dem  primitiven  indischen  Marakata  näher  steht  u.  s.  w.  (Rdnan  a.  a.  O.)  Die  Sache  erklärt 
sich  dadurch,  dass  die  edlen  Steine  erst  durch  den  Handel  der  Phönicier  zu  den  Griechen  ge- 
langten und  dass  diese,  wie  später  die  anderen  Völker  im  Westen,  den  ausländischen  Kost- 
barkeiten die  Namen  Hessen,  unter  welchen  sie  sie  von  den  fremden  Kaufleuten  bekommen 
hatten.  Man  hat  übrigens  gefunden,  dass  diese  Namen,  welche  den  fremden  Ursprung  der 
Edelsteine  bekunden,  nicht  im  Homer  Vorkommen  und  folglich  nicht  früher  auftreten  kön- 
nen. als  im  8.  Jahrhundert  v.  dir.,  über  welchen  Zeitpunkt  hinaus  ein  solcher  Handel  sich 
demnach  nicht  wohl  erstrecken  kann.  (Itdnan  a.  a,  O.) 


Nachträgliche  Bemerkung  der  Redaction. 

Zur  Unterstützung  der  von  Herrn  Professor  Wiberg  zuerst  von  allen  nordischen  Ge- 
lehrten ausgesprochenen  Anerkennung  des  altitalischen  Ursprungs  vieler  skandinavischen 
Bronzefunde  vermögen  wir  seiuer  Abhandlung  einige  weitere  bestimmte  Nachweise  auzu- 
sch  Hessen , auf  welche  es  zur  Feststellung  dieser  Thatsache  vor  Allem  ankommt.  Merkmale 
etruskischen  Styls  der  Metallarbeit  sind  bei  einer  Anzahl  gerade  sehr  wichtiger  Gegen- 
stände des  Kopenbagener  Museums  für  Jeden  der  sehen  will  unverkennbar.  Unter  den 
Waffen  bieten  namentlich  die  Erzschilde  und  von  den  übrigen  Geräthen  einige  Erzgefässe 
ganz  bestimmte  Zeugnisse  für  ihre  Ueberlieferung  aus  dem  fernen  Süden.  Es  lassen  sich  die- 
selben zunächst  an  den  Verzierungen  des  Schildes  Nro.  203,  Worsaae  nord.  üldsager  (Af- 
bildninger  149),  nach  weisen.  Die  runden  Buckeln,  welche  sich  auf  der  platten  Schildfläche 
erheben , finden  sich  weiter  bei  keinen  andern  in  Dänemark  entdeckten  Erzgerätken,  als  bei 
den  grossen  Tromjieten,  Lurer,  Nordisk.  üldsager  Nr.  199  und  201  (Afbildninger  147), 
und  zwar  auf  den  Scheiben,  in  welche  die  Schallöfihung  mündet.  Ganz  abgesehen,  dass  die 
Trompete  überhaupt  nach  den  übereinstimmenden  Zeugnissen  des  Altcrthums  als  eine  Erfin- 
dung der  Tyrrhener  gelten  muss,  so  zeigen  jene  merkwürdigen  Instrumente  noch  eine  wei- 

6* 


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36  Nachtrag  zu  C.  F.  Wiberg:  Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  etc. 


tere  Verzierung,  weiche  auf  ihre  Herkunft  hinweist.  Es  sind  dies  die  ihrem  Mundstück  an- 
gehiingten  Klappen bleclie,  welche  in  massenhafter  Verwendung  bei  den  aipinischen,  nament- 
lich den  hollstädter  und  steierischen  Erzgoräthen  erscheinen,  sich  in  diesen  Gegenden  bis 
heute  noch  teilweise  im  Gebrauch  erhalten  haben,  und  ihre  frühesten  Vorbilder  in  den  hoeb- 
alterthümlichen  etruskischen  Erzarbeiten  finden. 

Ausser  diesen  wichtigen  Beziehungen  ergeben  sich  ganz  unmittelbare  in  dem  Ornamente, 
welches  zwischen  den  erhabenen  Buckeln  des  Schildes  in  punktirten  Linien  dargestellt,  drei- 
mal wiederkehrt.  Es  besteht  dasselbe  aus  vielen  concentrisehen  Kreisen,  von  welchen  nach 
beiden  Seiten  hin  zwei  gekrümmte  Hälse  langschnftbliger  Vögel  auslaufen. 

Diese  Art  von  Verzierung  (T'ig.  6)  kann  durchaus  nicht  etwa  in  die  Reihe  der  überall 
vorkommenden,  allen  Völkern  gemeinsamen  Ornamentmotive  gestellt  werden;  sic  ist  voll- 
Fig.  6.  Fig.  7 Fig.  S. 


Siem  io  Schleswig. 


Gleit»  in  Steiermark. 


kommen  auf  einen  bestimmten  Kreis  von  Denkmalen  beschränkt,  welche  auch  sonst  durch 
Styl  und  Technik  eine  besondere  Gruppe  bilden  und  in  dem  alten  Italien  zunächst  ihren 
Ausgang  haben. 

Es  findet  sich  diese  eigentümliche  Verzierung  noch  in  sehr  charakteristischer  Ausbil- 
dung bei  Grabhügelfunden  der  cimbrischen  Halbinsel  und  zwar  auf  zwei  Erzgefässen  von 
Siem  und  Rönning  (Eigg.  7 und  8)'),  welche  in  Bezug  ihrer  Form,  der  Herstellung 
ihrer  Ornamentlinien  durch  eingeschlagcne  Punkte,  ihrer  Verniethung  durch 
konische  Erzknöpfe  und  die  Art  ihrer  Henkel  mit  den  Funden  von  Erzbleebgefässen 
in  der  Steiermark,  dem  Salzkammergut  und  weiterhin  mit  den  etruskischen  Erzarbeiten  völ- 
lig congruent  erscheinen. 

Die  Vorliebe  für  eine  Verwendung  gerade  von  Vogelgestalten  zur  Verzierung  von  Ge- 
räten und  Gelassen  reicht  aber,  wie  wir  bereits  anderwärts  dargelegt  haben  (Die  Altertü- 
mer unserer  heidnischen  Vorzeit,  Band  IL,  Heft  111),  in  eine  noch  höhere  Vorzeit,  bis  zu  der 
im  Alterthum  so  hochgepriesenen  Gefiissbildnerei  der  Phöniker;  dass  sie  aber  nirgend 
anderswo  von  so  vorwiegender  Bedeutung  war,  als  in  «lern  alten  Italien,  zeigt  schon  ein  Blick 
auf  die  Tafeln  des  Museum  Etruscum  Gregorianum  und  auf  die  altitalischen  Bronzen,  welche 
Kemble  inseinen  Horae  Ferales,  plate  XNX1V,  aus  der  Sammlung  von  Pay'ne-Knight 
darstellt. 

Die  eigentümliche  Bildung  dieser  hier  überall  auf  Schmuckgeräten  und  Gelassen,  im 

■)  Afbildninger  af  Danike  Oldiager  og  Mindcimacrker  ved.  A.  P.  Madien.  Siem  Fandet,  Aalborg  Amt 
Rönninge  Kündet,  Ödeme  Amt. 


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Nachtrag  zu  C.  F.  Wiberg:  Ueber  den  Einfluss  der  Etrusker  etc.  37 

Vollguss  oder  in  getriebener  Arbeit  angebrachten  Vögel,  ist  unverkennbar  dieselbe,  welche 
wir  auch  im  Norden,  wie  überhaupt  in  dem  ganzen  Bereich  des  etruskischen  Handels- 
gebietes finden.  In  Verbindung  häufig  mit  angehängten  Klapperbleidien  bezeichnen  sie  ziem- 
lich genau  den  Umfang  dieses  Verkehrs  und  »eine  Wege  nach  dem  Norden.  An  der  Donau 
reichen  diese  Vogelornamente  'mit  Krotalen  tief  nach  Ungarn  hinab  (Mus.  in  Pesth)  und  sind 
auch  in  Böhmen  (Mus.  in  Prag)  constatirt.  Einfache  wie  gekuppelte  Vogelgcstalten  aus 
Erz  finden  sich  sellistständig  und  als  Verzierungen  von  Ccwandnadeln  im  ganzen  Elbgebiete 
(Mus.  in  Berlin)  und  zeigen  sich  in  Dänemark  wie  in  Deutschland  und  Frankreich  auf  Mes- 
sern und  Werkzeugen  verschiedener  Art,  überall  aber  in  demselben  eigentümlichen  Styl- 
charakter. 

Noch  weiter  im  Norden,  in  Schweden,  begegnen  wir  der  entschiedensten  Gleichartigkeit 
dieser  Vogelornamente  mit  den  alpinischen  und  transalpinischen,  auf  dem  merkwürdigen  in 
Hailand  geftuidenen  Erzschilde,  welcher  einerseits  durch  den  halbmondförmigen  Ausschnitt 
seiner  inneren  Buekclringc  mit  einem  dänischen  Schilde  (Nr.  204  der  Nord.  Oldsager  von 
Worsaae)  übereinstimmt,  andererseits  genau  die  nämlichen  Vogelgestalten  aufweist,  welche 
wir  in  den  Darstellungen  der  Gefasse,  Bloehgnrtel  etc.  auf  Tafel  XXII,  Nr.  8,  XXIV,  Nr.  6, 
7 und  8 des  „Grabfeldes  von  Hallstadt  von  E v.  Sacken“  finden. 

Alle  diese  Thatsachcn  haben  bis  jetzt  noch  nicht  entfernt  die  gebührende  Beachtung  von 
Seiten  der  Systematiker  erhalten  können.  Aus  dieser  Fülle  von  Denkmalen  eines  höchst 
markirten  Stylchnrakters  wusste'  man  im  Allgemeinen  Nichts  weiter  zu  gewinnen,  als  die 
oberflächliche,  für  eine  wichtige  Entdeckung  erklärte  Beobachtung,  dass  die  Bronzen  die- 
ses StyLs,  weil  sie  häufig  bei  Eisengeräthen  gefunden  werden,  dem  Uebergange  der  Bronze- 
periode in  die  Eisenzeit  angehören  müssen. 

L.  Lmdensehmit. 


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Inhalt  der  Tafel* 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10 

11. 

12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 

20. 
21. 
22. 

23. 

24. 

25. 


Macedonischer  Dolch,  nach  v.  Bonstetten. 

Bronzeschwert  aus  Dunemarl; 

nach  dem  Atlas  f.  Nord.  öldk. 


nach  Lin d cnschmi t. 


Bronzeschwert  aus  Deutschland 
Gussform  aus  Italien 
Griechische«  Schwert,  nach  einem  Vasenbilde. 

Griechische  archaische  Vaae  in  der  Kaiserl.  Bibliothek  in  Paris. 
Oinochoe,  nach  der  Gewerbehalle  1865,  Heft  VII. 

Griechischer  Dolch,  nach  Lacornbe. 

Fibula  au«  Dänemark,  nach  Woraaae:  Nord.  Olds. 

Fibula  aus  Italien  (Perugia),  nach  Lind  enschmit. 

Paalstab  au«  Italien 


nach  v.  Bonstetten. 


nach  Henau. 


Phöniciache*  Treppenornament 
Amulet  aus  Fhünicieb 

Griechisches  Schwert  in  der  Scheide,  gefunden  bei  Nimes, 

Griechischei«  Schwert 
Cylinderurne  von  Albano,  nach  Lindenschm  it. 

Bruchstück  eine«  Schildes  aus  Dänemark,  nach  Worsaae. 

Etruskisches  Schwert  aus  Caere,  nach  Noel  des  Vergers. 

Etruskisches  (V)  Schwert  aus  Hallstadt,  nach  ▼.  Sacken. 

Etruskisches  (?)  Schwert  aus  Schweden,  nach  Nilsson. 

Karthagische  Goldmünze,  nach  Müller:  Nuraismatique  de  l'ancicnne  Afrique. 
Altnordisches  Rasirmesscr  aus  Dänemark,  nach  Worsaae. 


nach  Lacornbe  und  Lindenschmit. 


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Archiv  ftir  Antliri>|»ili>ati>  HA  IV  lieft  I.  Zu  S». 


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in. 

Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von 

Dr.  v.  Maak: 

Sind  das  Stein-,  Bronze-  und  Eisenalter  der  vorhistorischen  Zeit  nur  die  Entwicke- 
lungsphasen des  Culturzustandes  eines  Volkes,  oder  sind  sie  mit  dem  Auftreten 
verschiedener  Völkerschaften  verknüpft? 

{Archiv  für  Anthropologie.  XVI.  Band  UT,  Heft  3,  S.  267.) 

V on 

L.  Lindenschmit ■). 


Es  giebt  jetzt  keine  Frage  mehr  in  dem  ganzen  Bereich  unserer  Alterthumsknnde,  welche 
nicht  alsbald  ihre  Lösung  erhielte,  sowie  sie  nur  mit  den  Kelten  in  Berührung  gebracht 
wird.  Wunderbare  Aufschlüsse,  wie  sie  bis  jetzt  für  keinen  der  alten  Stämme  unser»  Welt- 
tbeils  erreichbar  waren,  haben  sich,  wie  man  versichert,  für  jenes  Urvolk  aufgethan,  ja  wir 
finden  zu  unserer  Ueberraschung  das  fern  geglaubte  Ziel  der  Erforschung  vorhistorischer  Zeit 
bereits  erreicht , sobald  wir  uns  nur  nmschauen  und  überzeugen  wollen , dass  jenes  merkwür- 
dige Volk  die  Grundlage  der  europäischen  Menschheit  bildet  und  damit,  wie  Herrn.  Müller 
längst  nachgewiesen,  als  der  Urquell  der  gesammten  neueren  Gesittung  zu  betrachten  ist 
Es  war  auch  wirklich  an  der  Zeit,  endlich  einmal  etwas  Sicheres  in  dieser  alten  Streit- 
frage zu  erfahren.  Uns  schwerfällige  complicirte  Rüstzeug  der  Forschung  arbeitet  fatal  lang- 
sam, um  den  Vorhang  zu  heben,  hinter  welchom  wir  eine  Darstellung  in  lebenden  Bildern 
von  der  Geschichte  und  den  Culturzuständen  der  fernsten  Vergangenheit  schon  so  lange  er- 
warten. Nur  pedantische  Conserjuenz  konnte  sich  dabei  befriedigt  fühlen,  dass  die  Hülle  seit- 

*)  Eine  Wetterführung  rier  Verhandlungen  über  dieee  Frage,  /urnnl  über  ihre  von  Dr.  v.  Maak  vorge- 
schlagene Losung,  können  wir  nicht  für  förderlich  halten,  sowohl  aus  Gründen,  welche  in  den  folgenden 
Bemerkungen  dargclegt  sind,  als  auch  deshalb,  weil  Allee,  was  die  von  Dr.  v.  Maak  vertretene  Ansicht  be- 
trifft, bereits  wiederholt  und  in  ausführlicher  Weise  zur  -Spruche  gebracht  ist.  Specieü  linguistische  For- 
schungen, in  welchen  diese  Auffassung  ihre  wichtigste,  ja  einzige  Begründung  sucht,  finden  anderswo 
vielfache  Gelegenheit,  zur  Kunde  und  Prüfung  der  Fachgenossen  zu  gefangen  — sie  liegen  ausserhalb  der 
nächsten  Aufgabe  des  Archivs  für  Anthropologie.  Die  Redaction. 


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40 


L.  Lindenschinit. 


her  von  Zeit  zu  Zeit  mit  einem  kleinen  Ruck  sich  hob , und  dass  es  uns  bis  jetzt  erst  ver- 
gönnt war,  den  Boden  der  Bühne  und  was  auf  ihm  hermnliegt,  mit  unseren  Blicken  zu  errei- 
chen. uns  von  der  Anwesenheit  der  wilden  Acteurs  wirklich  zu  überzeugen. 

Kein  Wunder,  wenn  damit  die  Ungeduld  der  Wissbegierde  aufs  höchste  gesteigert  wurde, 
und  einige  besonders  eifrige  Forscher  sich  entscblicsscn  konnten,  unter  dem  Vorhänge  durch- 
zuschlüpfen,  um  einen  vollen  Uoberblick  vorweg  zu  erhalten,  und  wir  dürfen  uns  freuen,  dass 
ihnen  dies  so  wohl  gelungen  ist  und  dass  sie  einen  so  mittlieilsamen  Drang  fühlen,  uns  das 
Geschauete  zu  offenbaren. 

Sie  haben  nur  Kelten,  nichts  als  Kelten  gesehen  und  dieselben  nicht  allein  sofort  an  der 
Ursprache  erkannt,  sondern  die  letztere  sogar  verstanden,  da  sie  glücklicherweise  des  jetzigen 
Irischen  und  Kymrischen  vollkommen  mächtig,  zu  einer  schnellem  Verständigung  gelangen 
konnten,  als  dies  umgekehrt  unseren  Philologen  mit  ihrem  homerischen  Griechisch  bei  den 
modernen  Hellenen  gelingen  will. 

Damit  war  aber  eine  Kunde  von  höchster  Wichtigkeit  gewonnen,  die  bis  in  alle  Einzel- 
fragen der  Forschung  um  so  gewisser  Licht  und  Auskunft  gewährt,  als  sich  das  Urvolk  in 
zwei  an  Körperbildung,  Sprache  und  Cultur  merklich  verschiedene  Stämme,  die  Gaelen  und 
Kymren  tlieilt,  und  Alles  was  dem  Einen  fehlt,  bei  dem  Andern  zu  linden  ist. 

Wir  können  jetzt  Alles  erfahren,  mögen  wir  fragen  nach  der  Deutung  dunkler  Worte  und 
Namen  unserer  Sprache,  nach  dem  Ursprung  alter  Rcchtabräuche  oder  der  monumentalen 
Ueberreste  und  Grabfunde  unserer  Vorzeit,  überall  erhalten  wir  schnellen  Bescheid,  und  es 
bängt  nur  von  uns  ab,  uns  belehren  zu  lassen  und  uns  den  Gewinn  eines  geordneten  voll- 
endeten Bildes  der  vorgeschichtlichen  Zeit  anzueignen. 

Gewiss  ist,  dass  wir  in  unserer  beschränkten  Zweifebucht  noch  weit  entfernt  sind,  etwas 
gleichmässig  Fertiges  und  Abgerundetes  entgegonzustellen , und  es  wären,  offen  gestanden, 
gerade  noch  keine  glänzend  und  harmonisch  gruppirten  Resultate  zu  opfern,  wenn  wir  Alles  auf- 
goben  wollten , um  was  sich,  unsere  antiquarische  Forschung  seither  bemühte.  Können  wir 
dies  übers  Herz  bringen,  so  verschlägt  es  im  Grunde  auch  nicht  viel,  uns  des  werthlosen 
Aberglaubens  an  ein  uraltes  Recht  auf  unser  Land  zu  entäussern,  unsere  Vorgeschichte  und 
selbst  einen  Th  eil  unserer  Geschichte  an  die  Gaelen  und  Kymren  abzutreten. 

W as  bedeuten  überhaupt  noch  geschichtliche  Ueberlieferungen  und  die  römischen  Quel- 
len? Die  Sprachwissenschaft  allein  hat  jetzt  die  Existenz  wie  die  Grenzen  der  alten  Völker 
zu  bestimmen,  und  es  ist  uns  schon  wiederholt  auf  das  Nachdrücklichste  dargethan  worden, 
dass  die  Kimbern , die  belgischen  wie  rheinischen  Germanen  aus  unserer  Geschichte  zu  ent- 
fernen sind,  ja  man  hat  uns  gesagt,  dass  die  Deutschen  erst  zur  Zeit  der  Völkerwanderung 
den  Boden  unsere  Landes  und  jenen  der  Geschichte  lietretcn  haben. 

Auch  v.  Maak’s  „antiquarische  Untersuchung“  bestätigt  aufs  Neue  diese  Forderungen 
an  unsere  Resignation.  Nur  der  elfte  und  letzte  Artikel  seiner  Lehrsätze  gedenkt  der  Ger- 
manen, welche  nach  dem  Beginne  dos  Eisenalters  auf  der  kimbrischen  Halbinsel  zu  den  älte- 
ren Gaelen  und  Kymren  einwandem,  bald  aber  durch  Skandinavien  und  Wenden  verdrängt 
und  vermischt  werden.  Wir  erhalten  damit  schon  auf  einem  kleinen  Fleck  Landes  eine  so 
bunte  Völkertafol,  dass  es  sich  allerdings  fragt,  ob  irgend  noch  ein  Gebiet  bliebe,  auf  welchem 
in  höherer  Frühzeit  überhaupt  noch  Deutsche  zu  finden  wären.  Bodenken  wir  ferner,  dass 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  41 

sich  nun  einmal,  wie  uns  versichert  wird,  „nur  auf  diese  Weise  (d.  h.  durch  Einführung 
eines  gälischcn  Urvolks)  klares  Licht  und  einfache  Ordnung  in  die  bis  dahin  ver- 
wirrte Masse  der  Erscheinungen  bringen  lässt",  so  sollten  wir  uns  wohl  endlich  einer 
so  oft  schon  ertheilten  Entscheidung  fügen.  Erhalten  wir  ja  doch  dafür  als  Ersatz  das  er- 
hebende wissenschaftliche  Bewusstsein,  nach  erlangtem  Verständnis»  einiger  Fluss-  und  Dorf- 
namen, fürder  nicht  mehr  „als  geistige  Fremdlinge  auf  eignem  Boden*  umherzuwandeln, 
und  die  Enthebung  von  jeder  Sorge,  weiter  als  bis  zur  Zeit  der  Eisenperiode  bin,  uns  für 
die  Interessen  unserer  Geschichte  und  Alterthümer  ferner  noch  bemühen  zu  dürfen.  Für  die 
weiter  zurückliegenden  Zeiten  ist  schon  gesorgt  und  Alles  in  geeigneter  Weise  an  die  ver- 
schiedenen Völker  vertheilt. 

Es  bliebe  uns  damit  immer  noch  ein  schönes  Stück  Geschichte,  und  dieses  allerdings  rück- 
sichtsvolle Zugeständnis«  an  die  Gcrmauen  verdiente  Anerkennung,  erhöbe  sich  nicht  das 
Bedenken,  dass  die  gegebene  grenze  unmöglich  respektirt  bleiben  könnte.  Was  sollte  aber 
werden,  wenn  uns  die  Vertreter  der  Gaeleu  und  Kymren  auch  bis  in  das  li.,ja  8.  Jahrhun- 
dert heraus  mit  ihren  siegreichen  Waffen  den  irischen  Lexiken  und  Grammatiken  folgen 
wollten  ? Von  ihrem  acht  keltischen  Eifer  ist  Alles  zu  erwarten,  und  an  Beispielen,  wie  weit 
• die  Consequenzen  systematischer  Aufstellungen  führen,  fehlt  es  hier  gerade  am  wenigsten. 
Hat  ja  doch  Leo  die  malborgischon  Glossen  zur  Lex  salica  unbedingt  für  keltisch  erklärt, 
und  die  fränkischen  Frauennamen  Chrodhild,  Grimhild,  Herlind  und  Berta  auf  keltische 
Lautverhältnisse  und  Wurzeln  zurückgeführt. 

„Die  letzte  Entscheidung  Ubor  das  Nordondorfer  Gräberfeld“,  mit  welcher 
Math.  Koch  diesen  alaraannischon  Friedhof  den  Kelten  zu  überweisen  dachte,  zeigt  in  Fra- 
gen des  6.  und  7.  Jahrhunderts  ganz  dieselbe  Zuversicht,  wie  alle  anderen  „Entscheidungen" 
bezüglich  der  rein  keltischen  Erz-  und  Steinperiode , von  den  „entschieden  keltischen 
Bronzen“  Heinr.  Schreiber's  bi*  zu  den  „erwiesen  gälischen  Hünenbotten  und 
kymrischon  Aschenurnen“  v.  Maak’s. 

Zu  allem  Glück  hat  es  mit  diesem  entschiedenen  und  bedrohlichen  Wesen  aller  solcher 
Verfügungen  auf  antiquarischem  Gebiete  wenig  Gefahr.  Seit  mehr  als  vierzig  Jahren  erflies- 
sen  diese  keltischen  Erlasse,  denen  an  Haltung  und  Art  richterlicher  Erkenntnisse  nichts 
fehlt  als  Wirkung  und  Erfolg.  Sie  haben  die  Parteien  abgehört,  die  Gründe  der  Verurtheil- 
ten  erwogen,  widerlegt,  beseitigt,  vernichtet  und  doch  — Wer  gedächte  mich  dieser  mit  so 
viel  Selbstvertrauen  und  Eifer  proelamirten  Resultate  keltischer  Forschungen,  würde  nicht 
das  oft  gebrauchte  Material  immer  wieder  hervorgeholt,  suchte  man  nicht  mit  unerschöpf- 
licher Ausdauer  nach  irgend  einer  Stelle,  wo  dasselbe  eine  Geltung  erhalten  könnte. 

Deshalb  bedürfte  aueb  die  Abhandlung  des  Dr.  v.  Maak  keiner  eingehenderen  Prüfung, 
da  sie  durchweg  nichts  Neues  bringt,  als  eine  abermals  etwa»  veränderte  Gruppirung  der 
Thatsachen  zu  den  vielen  übrigen , welche  zu  Gunsten  einer  fremdartigen  keltischen  Ur- 
lievölkcning  bereits  vorliegen.  Allein  als  Zeichen  eines  frischen  Anlaufs,  welchen  neuerdings 
diese  Bestrebungen  von  allen  Seiten  her  versuchen,  veranlasst  sie  immerhin  einige  Betrach- 
tungen, zu  welchen  ich  mich  von  Seiten  des  Verfassers  schon  dadurch  aufgefordert  sehe,  dass 
derselbe  meiuen  Bericht  über  das  Gräberfeld  bei  Monsheim  (Archiv  f.  Anthrop.  Band  1H, 
S.  101)  zur  Grundlage  seiner  Erörterungen  nimmt,  und  an  eigonthümliche  Auffassungen  mei- 

Archiv  für  Anthropologie»  Bd.  IV,  Heft  I.  (J 


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42 


L.  Lindenschmit, 


ner  Ansicht  vielfache  Berichtigungen  und  Belehrungen  knüpft  Dies  und  der  „Standpunkt 
über  den  Parteien“,  welchen  er  für  sich  in  Anspruch  nimmt,  die  verwiegende  Bedeutung, 
welche  er  der  „Sprachwissenschaft“  für  die  Beurtheilung  urzeitlicher  Verhältnisse  vindicirt, 
verlangen  einige  Verwahrungen  und  Bemerkungen. 

Vor  Allem  muss  ich  es  als  eine  gründliche  Täuschung  bezeichnen,  wenn  v.  Maak  sich 
das  Ansehen  geben  zu  können  glaubt,  von  mir  aufgcstellte  „ Fundamentaltheorien  und  Hy- 
pothesen“ in  Bezug  einer  Urbevölkerung  beseitigen  zu  können.  Dies  ist  schon  deshalb 
durchaus  unmöglich,  da  die  Forschungsrichtung,  der  ich  angehöre,  die  „Partei,  als  deren 
eifrigster  Vorkämpfer“  bezeichnet  zu  werden  ich  die  Ehre  habe,  gerade  die  Beseitigung  aller 
Systeme  und  Hypothesen  anstrebt  welche  seither  die  Beurtheilung  der  Verhältnisse  so  sehr 
erschwert  haben. 

Die  Mittheilung  der  auf  dem  Gräberfeld«  von  Monsheim  gewonnenen  Ergebnisse,  der 
Hinweis  auf  ihre  nahe  Beziehung  zu  anderen  wenig  beachteten  Thatsachen , war  nur  die 
Folge  der  Ueberzeugung  von  der  Nothwendigkoit  einer  Erweiterung  des  Gesichtskreises  der 
Beobachtung,  welche  von  den  Systematikern  seither  in  viel  zu  enge  Grenzen  gebannt  blieb. 

Wenn  ich  dpr  Auffindung  dolichocephaler  Schädel  in  Gräbern  der  Steinzeit  Gewicht  beilegte, 
und  die  Untersuchung  ihres  Verhältnisses  zu  den  gleichartigen  der  Hügel-  und  Reihengräber 
den  Sachkundigen  empfahl,  so  habe  ich  damit  allerdings  den  Ungrund  einer  bisher  herr- 
schenden Vorstellung  von  der  Brachycephalie  der  ältesten  Bevölkerung  unseres  Landen  her- 
vorgehoben, mit  keinem  Worte  jedoch  einen  germanischen  Urtypus  zu  constatiren  versucht. 
Im  Gegenthoii,  ich  gestehe  gern,  dass  ich  nicht  im  Stande  bin,  wie  v.  Maak  es  vermag , Sie- 
ger und  Besiegte  in  den  alten  Gräbern  zu  unterscheiden  und  aus  dem  einzigen  Schädel  von 
Plan  den  Sklaventypus  der  unterdrückten  Urbevölkerung  festzustellen. 

Dass  aber  bei  der  Einseitigkeit  und  Werthlosigkeit  aller  Gründe,  welche  bis  jetzt  für 
die  Behauptung  eines  unablässigen  Völkerwechsels  in  ältester  Zeit  vorgebracht  worden , die 
Möglichkeit  eines  ursprünglich  einheitlichen  Zusammenhangs  der  mitteleuropäischen  Völker 
gerade  im  Interesse  der  Wissenschaft  und  zur  möglichst  allseitigen  Ergründung  dieser  Frage 
immer  noch  aufrecht  zu  halten  ist,  bleibt  auch  nach  der  bestimmtesten  Versicherung  des 
Herrn  v.  Maak  über  ihre  glückliche  Lösung,  unsere  fortdauernde  Ueberzeugung. 

Wir  glauben,  dass  die  Entscheidung  mehr  gefördert  wird  durch  Erweiterung  unserer 
Kenntniss  des  Thatbestandes , durch  sorgsame  Wahl  und  Prüfung  der  Untersuchungsmittel 
selbst,  als  durch  wiederholtes  Probiren,  durch  beständiges  Hin-  und  Herordnen  des  vorhande- 
nen, offenbar  ungenügenden  Materials.  Will  v.  Maak  in  dem  Ausdruck  dieser  Ansicht  ein 
„Interdict  gegen  wissenschaftliche  Classificirung“  erkennen,  so  wünschten  wir  nur,  wir  besäs- 
sen  die  Macht  zu  einem  solchen  Interdict  gegen  jene  Combinationen  zu  vorher  bestimmtem 
Zweck,  gegen  jenes  Herumwürfeln  einer  verhältniasmässig  geringen  Zahl  von  Beobachtungen, 
welches  auch  nicht  entfernt  einen  Vergleich  mit  den  Systemversuchen  der  Naturwissenschaft 
verdient,  denen  es  v.  Maak  ohne  Weiteres  an  die  Seite  stellt- 

Systeme  eines  vollkommen  wissenschaftlichen  Charakters  konnten  sich  wohl  auf  dom 
Gebiete  der  Naturkunde  entwickeln,  auf  welchem  die  Erforschung  eines  in  Fülle  vorhande- 
nen allseitig  zugänglichen  Stoffes  in  demselben  raschen  Fortgang  sich  aushildete  und  erwei- 
terte, als  der  immense  Werth  die  universelle  Bedeutung  ihres  Erfolgs  zu  allgemeinster  Er- 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Munk.  48 

kenntniss  gelangte.  Es  lag  m der  Sache  selbst,  dass  Männer,  welche  den  jeweiligen  Umfang 
dieser  Forschungsergebnisse  vollkommen  beherrschten,  dieselben  auch  zu  gliedern  und 
zu  ordnen  strebten,  und  aus  dem  gewonnenen  Ueberblick  weitem  wissenschaftlichen  Gewinn 
zu  erreichen  bemüht  waren. 

Mussten  diese  Versuche  bei  der  Beschränkung  auch  der  höchsten  menschlichen  Befähi- 
gung unvollkommen  bleiben,  so  daas  sich  der  Fortgang  der  Wissenschaft  gerade  in  der  Be- 
seitigung dieser  als  mangelhaft  erkannten  Aufstellungen  äuasera  konnte,  so  waren  diese  Sy- 
steme immerhin  das  Product  eminenter  Leistungen,  einer  unendlichen  Summe  von  Entdeckun- 
gen und  Wahrnehmungen,  welche  den  ganzen  Erdkreis  umfassten,  und  nur  durch  den  Wett- 
eifer aller  gebildeten  Nationen  zu  erreichen  waren. 

W ie  sich  dagegen  die  Systeme  unserer  Alterthumskunde  verhalten  müssen,  bedarf  nur 
eines  Hinweises  auf  die  Stellung  der  letzteren  als  eine  Hülfswissenschaft.  Was  hier  an  Er- 
gebnissen vorliegt,  welche  als  Bausteine  zur  Bildung  eines  Systems  gelten  können,  verdan- 
ken wir  einer  niemals  hoch  genug  anzuerkenuenden  Hingebung  vereinzelter  Männer,  welche 
die  Bedeutung  dieser  Forschungsrichtung  erkannten  und  die  Theilnahme  für  dieselbe  in  wei- 
teren Kreisen  zu  beleben  wussten.  Aber  eben  so  wenig  ist  zu  verkennen,  dass  die  Versuche 
jeuer  Männer  zur  Bildung  eines  Systems  viel  zu  frühzeitig  unternommen  waren,  und  dass 
ihre  Aufstellung  einer  Stein-,  Bronze-  und  Eisenperiode  im  Allgemeinen  kaum  eine  grössere 
Bedeutung  hat,  als  die  Eintheilungder  Naturproducte  in  ein  Mineral-,  Pflanzen-  und  Thierreich. 

Mit  Allem  was  neuerdings  jener  archäologischen  Classification  zugefligt  wurde,  mit  den 
Unterabteilungen  einer  paläolithischen  und  neolithischen  Zeit  einer  ersten  und  zweiten 
Bronzeperiode,  einer  altern  und  jüngern  Eisenzeit,  ist  nur  ein  weiteres  Fachwerk  aufgestellt, 
ohne  dass  man  über  die  Sachen  selbst,  welche  in  dasselbe  zu  vertheilon  wären,  zu  jener 
Sicherheit  gelangte,  welche  nur  durch  vollkommen  freie  Beobachtung  und  keineswegs  nach 
einem  fertigen  Schematismus  zu  erreichen  ist  Gerade  auf  dem  wichtigsten  Gebiete  der 
Bronze-  und  Eisenperiode  werden  die  Resultate  einer  unbefangenen  Vergleichung  mit 
den  Aufstellungen  einer  im  Voraus  gebildeten  Ansicht  niemals  zu  vereinigen  sein.  Ein 
wesentlicher,  ja  fundamentaler  Nachtheil  ergiebt  sich  aber  für  die  letztere  von  vornher- 
ein aus  dem  Umstande,  dass  die  Beobachtungen,  aus  welchen  sie  hervorging,  nur  das  viel  zu 
beschränkte  Gebiet  der  Küstenländer  der  Nord-  und  Ostsee  umfassen,  und  was  weit  mehr 
noch  bedeuten  will,  dass  man  die  vorhistorische  Zeit  in  vielfacher  Weise  von  der  geschicht- 
lichen ablöste  und  sich  damit  aller  jener  Aufschlüsse  beraubte,  welche  nur  bei  der  letzte- 
ren über  die  Gesetze  und  Bedingungen  der  Bildungsentwickelung  der  Völker  zu  gewin- 
nen sind. 

Sehen  wir  nun  aber,  dass  neu  aufgefundene  Thatsachcn  selbst  in  diese  nach  rein 
stofflichen  Merkmalen  weitläufig  genug  angelegten  Abtheilungen  oft  nicht  ohne  Weiteres 
unterzubringen  sind,  und  dass  neue  eben  so  willkürlich  eingesetzte  Seitenfaclier  für  diesel- 
ben eingefügt  werden  müssen,  so  können  wir  diesem  Rabmenwerk,  mit  dem  man  sich  bisher 
in  völlig  unfruchtbarer  Weise  für  die  Erkenntniss  der  Sachen  selbst  zu  behelfen  suchte,  un- 
möglich die  Eigenschaft  eines  wissenschaftlichen  Systems  zugestehen. 

Mit  der  Einsicht  dieser  verfehlten  Richtung  und  im  Bewusstsein  näher  liegender  Auf- 
gaben hat  sich  denn  auch  die  neuere  Forschung  von  diesem  und  jedem  Schematismus  abge- 

6* 


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44  L.  Lindenschinit, 

wendet  und  alle  ihre  Tlüitigkeit  auf  eine  tiefere  Erkundung  und  Übersichtlichere  Kenntnisa- 
milime  ihres  Gebietes  concentrirt. 

Sind  wir  einmal  so  weit,  dass  wir  ein  Material  beisammen  haben,  welches  an  Verläss- 
lichkeit und  Fülle  mit  jenem  der  Naturwissenschaft  nur  vergleichbar  ist,  so  werden  Bich 
ohne  Zweifel  auch  die  Männer  für  Systeme  finden,  welche  Werth  und  Bedeutung  haben  wie 
jene  ßlumenbach's,  Linnü’s  und  Cuvier's.  Bis  dahin  aber  werden  wir  Alle  und  wohl 
auch  v.  Maak  auf  die  Ehre  verrichten  müssen,  mit  gleichen  Leistungen  auf  antiquarischem 
Gebiete  jenen  Männern  an  die  Seite  zu  treten. 

In  diesem  Sinne  verstehe  ich  das  sogenannte  „Interdict“  gegen  freie  Bewegung  der  For- 
schung. In  der  That  aber  bleibt  es  von  geringer  Wichtigkeit,  ob  einstweilen  noch  so  viele 
Versuche  mit  alten  Völkerzügen,  noch  so  siele  Abtheilungen  nach  geographischem  oder  einem 
andern  Fundamentum  divisionis  gemacht  werden.  So  lange  man  nicht  den  alten  Bereich 
einer  auf  locale  Beobachtungen  beschränkten  Auffassung  verlässt,  dreht  sich  jene  vermeintlich 
freie  Bewegung  der  Forschung  mit  komischer  Gravität  doch  nur  auf  dem  alten  Fleck,  wie 
v.  Maak  mit  seinen  antiquarisch-linguistischen  Theorien. 

Was  jedoch  die  überlegene  Haltung  v.  Maak's  betrifft,  die  erhabene  Stellung,  die  er 
Uber  den  Parteien  und  Secten  der  Antiquare  einnimmt,  die  richterliche  Autorität,  mit  wel- 
cher er  unter  den  Ansichten  und  Resultaten  derselben  aus  dem  Falschen  und  Misslungenen 
das  Wahre  und  Richtige  scheidet  und  zurecht  legt,  so  gewährt  alles  dieses  neben  einer  durch- 
gehend erheiternden  Wirkung  doch  auch  eine  nicht  gerade  erfreuliche  Vorstellung,  wie 
es  um  die  rationelle  Forschungsmethode  derjenigen  bestellt  ist,  welche  uns  Antiquare 
unausgesetzt  auf  das  mustergültige  Verfahren  der  Naturwissenschaft  verweisen  zu  müssen 
glauben.  Recht  vielseitige  Herausforderung  zu  einer  Prüfung  dieser  Berechtigung  liegt  in 
v.  Maak’s  fraglicher  Abhandlung  vor,  es  genügt  aber,  wie  wir  glauben,  nur  der  Blick  auf 
einige  seiner  Entscheidungen  und  Behauptungen , um  aufs  neue  zu  constatiren,  dass  heute 
noch  unsere  Alterthumskunde,  wie  Ktinssberg1)  vor  neun  Jahren  schon  treffend  bemerkte, 
als  ein  Revier  behandelt  wird,  in  welchem  Jedem  freie  Pirsche  zusteht,  der  ein  Gewehr  zum 
Knallen  bringen  kann. 

Wir  können  zunächst  nur  diejenige  Frage  näher  ins  Augo  faasen , welche  die  Contro- 
verse  über  eine  wesentliche  Verschiedenheit  der  alten  Bevölkerung  unseres  Landes  wirklich 
berührt,  die  Untersuchung,  ob  die  von  mir  angedeutete  nahe  Beziehung  mehrerer  nordischer 
Erdgräber  der  sogenannten  Steinperiode  zu  jenen  in  Süddeutschland  aufgefundenen  von  Sei- 
ten der  Forschung  zu  beachten  ist  oder  nicht,  wie  v.  Maak  behauptet.  Betrachten  wir  seine 
Darstellung  im  Allgemeinen  und  Einzelnen. 

Seine  Eintheilung  der  Urzeit  unserer  Erdperiode  in  ein  paläolithisches  und  neolithisches 
Steinalter,  die  Unternbtheilung  des  letztem  in  eine  ältere  und  jüngere  Zeit,  die  erstere  mit 
gespaltenen  Feuersteinmessern  und  Beilen,  die  zweite  mit  geschliffenen  und  gut  gearbeiteten 
Steingeräthen,  ist  die  bekannte. 

Neue  Aufschlüsse  aber  erhalten  wir  sofort  damit,  dass  wir  das  jüngere  neolithischo  Zeit- 
alter in  zwei  weitere  und  zwar  gleichzeitige  Abtheilungen  zu  scheiden  haben,  in  eine 

*)  Wanderungen  ins  germanische  Altertlium  von  Ilcinr.  Künsaberg.  Berlin  1861. 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  45 

megaüthische  and  eine  cryptolithische  Steinzeit,  und  zwar  nach  geographischer  Ver- 
breitung und  damit  parallel  gehender  Nationalität. 

Dein  megalithischen  Steinalter  sind  eigentkiimlich  die  Hünengräber,  Dolmens 
und  die  gleichartigen  Steindenkmale  Englands,  Spaniens  und  Portugals  etc.,  es  hat 
seine  Verbreitung  an  der  Meeresküste  von  West-  und  einem  Theile  von  Nord- 
europa. Dagegen  gehören  dem  cry  ptolithischen  Steinalter  und  dem  Binnenlande  die 
mit  flachen  Steinen  ausgesetzten  Gräber  und  die  einfachen  Erdgräber  ohne  allen 
Steinbau. 

Die  Bestimmtheit  dieser  auf  das  „wichtige  Moment  der  geographischen  Verbrei- 
tung“ begründeten  Entscheidung  wird  jedoch  wieder  durch  das  Zugeständnis  aufgehoben, 
dass  „sich  die  megalithischen  Gräber  bis  nach  Thüringen  und  Schlesien  verfolgen 
lnssen,“  dass  jene  den  Meeresküsten  eigenthümliche  Erscheinung  also  bis  tief  ins  Binnen- 
land reicht,  und  „sich  keine  scharfen  Grenzen  zwischen  beiden  Gebieten  ziehen 
lassen,  die  hier  und  da  in  einander  übergehen,“ 

Aber  auch  noch  eine  weitere  Verbindung  der  beiden  seiner  Ansicht  nach  national 
getrennten  Bereiche  bilden  die  „Plattengräber,  welche  beiden  gemeinschaftlich 
sind.“ 

Er  weias  jedoch  so  viel  mit  Gewissheit,  dass  „dieselben  bei  dem  megalithischen 
Volke  die  niederste  Form  des  Gräberbaues,  bei  dem  cryptolithischen  die  höchste 
Entwickelung  desselben  darstellen,“  eine  Unterscheidung,  in  welcher  wir  leider  nur 
eine  jener  wichtig  thuenden  Phrasen  und  gesuchten  Distinctionen  zu  erkennen  vermögen, 
mit  welchen  man  vollkommen  Gleichartiges,  nach  Form  und  Gehalt  Zusammengehöriges 
nach  Belieben  in  eine  ganz  getrennte  und  selbst  entgegengesetzte  Stellung  bringen  zu  kön- 
nen glaubt.  Seine  Scheidung  megalithischer  und  cryptolithischer  Plattengräber  beruht  einzig 
nur  darauf,  dass  die  nordischen  „in  der  Regel“  auf  der  Erde,  die  südlichen  (immer?)  un- 
ter der  Erde  angelegt  sind. 

Wir  erfahren  weiter,  dass  wir  nur  die  Gaelen  als  das  Volk  des  megalithischen  Zeitalters 
zn  betrachten  haben.  Es  ist  dies  auf  linguistischem  Wege  festgestellt,  wenn  auch  noch  nicht 
für  das  übrige  Europa,  Afrika  und  Asien,  so  weit  die  Dolmens  reichen,  aber  doch  für  Schles- 
wig-Holstein. Hier  hat  es  v.  Maak  übernommen,  alles  Erforderliche  nachznweisen. 

Das  cryptolithische  Volk  ist  noch  völlig  unbekannt  und  bestand  wahrscheinlich  aus  ver- 
schiedenen Stämmen.  Es  wird  uns  jedoch  auch  weiter  mitgetheilt,  dass  selbst  auf  crypto- 
lithischem  Gebiete  möglicherweise  später  oder  früher  Gaölo-Liguren  eingedrungen  sind, 
und  das»  selbst  die  Plattengräber  der  Schweiz  und  Suddeutschlands,  obgleich  in  der  Erde 
angelegt,  mit  jenen  der  cimbrischen  Halbinsel,  die  auf  die  Erde  gebaut  sind,  in  Bezie- 
hung zu  bringen  wären , sobald  man  nur  auch  im  Süden  eine  Untersuchung  der  Ortsnamen 
auf  das  Gälische  ln  die  Hand  nehmen  wollte. 

Wäre  damit  aber  wirklich  etwas  zu  erreichen,  so  müsste  man  über  das  unbekannte  crypto- 
lithische  Volk  scliou  längst  im  Klaren  sein,  denn  wir  haben  in  Süddeutschland  keine  Meile 
Landes,  auf  welcher  nicht  unsere  Linguisten,  je  nachdem  sie  mehr  das  Gälische  oder  Kym- 
rische  bevorzugen,  eine  ganze  Masse  von  giilischen  oder  kymrischen  Ortsnamen  herausgefnn- 
den  haben.  Auf  rein  cryptolithischem  Gebiete,  in  der  Gegend  des  Monsheimer  Gräberfeldes 


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46 


L.  Linde  u sch  mit, 

selbst,  kann  ich  der  Aufforderung  v.  Maak's  um  Nachweise  gälischer  Namen  entsprechen, 
und  zwar  mit  dem  ältesten  Namen  der  Landesbevölkerung  im  Bereiche  der  Vogesen,  mit 
jenem  der  Tribocci,  welcher  von  Niemand  Geringerem  als  C.  Zeuss,  der  höchsten  Autori- 
tät in  keltischer  Sprachkunde,  dein  Verfasser  der  Grammatica  celtica,  als  undcutsch  und 
gälisch  erklärt  ist1).  Dass  Jacob  Grimm  diese  Erklärung  gründlich  beseitigte,  ist  freilich 
eine  andere  Sache  und  gehurt  vor  der  Hand  nicht  hierher. 

Gerade  der  linguistische  Weg,  auf  welchem  v.  Maak  die  nationale  Verschiedenheit  der 
alten  nordischen  und  südlichen  Bevölkerung  entdeckt  hat,  führt  ihn  zu  dem  Gcständniss  der 
Möglichkeit,  ja  zu  der  Annahme  eines  gemeinsamen  Ursprungs  derselben.  Haben  wir  uacli 
seiner  Auffassung  die  Liguren  des  Südens  als  die  Brüder  der  nordischen  Gaelon  zu  betrach- 
ten, so  wäre  damit  gerade  das  festgestcllt,  was  er  bekämpfen  will:  die  Einheit  der  alten  Be- 
völkerung, gleichviel  ob  mit  dem  gegebenen  Namen  die  Sache  richtig  bezeichnet  ist  oder 
nicht. 

Aber  auch  auf  dem  speciell  antiquarischen  Gebiete  hat  der  Verfasser  das  Unglück,  dass 
soine  Behauptungen  gerade  zu  den  seiner  Ansicht  entgegengesetzten  Ergebnissen  führen. 

Zur  Begründung  einer  gänzlichen  Verschiedenheit  der  nordischen  und  süddeutschen  Erd- 
gräber der  sogenannten  Stein|>eriodn  weiss  v.  Maak  genau  darzulogen,  daas  der  Schädel  von 
Plau  „weder  den  Germanen,  noch  dem  megalithischen  Stcinaltervolk  angehört,  wenn  er  auch,“ 
wie  er  zngicht,  „zu  megalithischer  Zeit  gelebt  haben  mag.“  Er  ist  überzeugt,  „dass  er  dem 
Volksstammc  zu  überweisen  sei,  welcher  in  den  Speiseabfallhaufen  die  Spur  seines  Daseins 
liinterlassen  hat“,  und  damit  glaubt  v.  Maak  das  Grab  von  Plau  vollständig  isolirt,  von  jeder 
Beziehuug  zu  anderen  Erscheinungen  getrennt  zu  haben.  Wem  aber  dieser  einzige  Schädel 
für  den  Repräsentanten  eines  ganzen  Volkes  gilt,  der  wird  wohl  auch  die  Art  des  Grabes, 
welchem  er  entnommen  ist,  als  die  Gräberform  der  Zeit  der  Kjökkenmöddings  gelten  lassen 
müssen,  und  wir  hätten  damit  auf  megalithischem  Gebiete  gewiss  eine  grosse  Zahl  sehr 
alter,  ihrer  Art  nach  nur  zulallig  zu  entdeckender  cryptolitliischer  Gräber  vorauszusetzen, 
welche  ohne  allen  Steiubau  und  ähnlich  jenen  in  SUddeutschland  gefundenen,  nach  v.  Maak's 
eigener  Ansicht  bis  in  seine  megalitliische  Zeit  herabreichen  können. 

Zu  derselben  durch  v.  Maak  jetzt  bestrittenen  Annahme  aber  waren  auch  wir  gelangt, 
freilich  auf  anderem  Wege.  Wir  konnten  das  vielbesprochene  Grab  von  Plau  so  wenig  als 
die  eben  so  vereinzelten  rheinischen  Gräber  von  Dienheim  und  Herrnsheim  als  isolirte  Er- 
scheinungen betrachten,  auf  Grund  ihrer  vollkommenen  Uebereinstimmung  mit  jenen  des 
grossen  Friedhofes  von  Monsheim. 

Die  nahe  Verwandtschaft  aller  beruht  auf  einer  Zahl  bestimmter  Merkmale,  welche  die 
Forschung  aus  einer  Reihe  von  Beobachtungen  für  gleichartig  erkannt  hat,  und  nicht  auf 
einer  Beurtheiluilg  der  Schädel,  für  welche  bis  jetzt  die  Zahl  dieser  „cryptolithisehen“ 
Fundstücke  viel  zu  gering  ist,  während  nach  der  Sicherheit  zu  schliessen,  mit  welcher 
v.  Maak  Uber  die  Schädelhilduug  des  megalithischen  Volkes  spricht,  unfehlbar  demselben 
zahlreiche,  noch  unbekannte  Messungen  und  Untersuchungen  von  Crauieu  der  Hünengräber 
vorlicgen  müssen. 


')  C.  Zeuaa:  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbaratämme,  S.  230. 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  47 

Aber  das  Grab  von  Plau  ist  nicht  etwa  das  einzige  cryptolithische  in  dem  nordischen 
Megalithien,  wir  haben  da  auch  noch  die  Gräber  von  Roggow.  Sehen  wir  zu,  wie  v.  Maak 
dieselben  zu  beseitigen  sucht. 

Seiner  Ansicht  nach  kann  diese  Gräbergruppe,  unscrs  Wissens  bis  jetzt  die  erste,  welche 
in  Mecklenburg  entdeckt  wurde,  schon  deshalb  gar  nicht  in  Betracht  kommen,  weil  die 
Grabstellen  „eine  anomale  Lage  haben.“  Diese  Bezeichnung  setzt  unbedingt  die  Kennt- 
niss  einer  überwiegend  grösseren  Anzahl  gleichartiger,  aber  in  ganz  andererWeise  angeord- 
neter Gräber  voraus,  v.  Maak  muss  demnach  wohl  von  solchen  cryptolithischen  Gräbern 
im  Norden  Kunde  haben,  und  hätte  uns  eine  Mittheilung  Uber  dieselben  nicht  vorenthalten 
dürfen.  Auffalligo  und  besondere  Anordnungen  finden  sich  jedoch  erweislich  unter  den 
Gräbern  aller  Zoitperioden. 

Er  weiss  ferner,  dass  diese  Grabstätten  deswegen  nicht  der  megalithischen  Zeit  ange. 
hören  können,  „weil  die  16  Leichen  alle  zugleich  begraben  sind.“  Er  erkennt  dies 
an  der  Regelmässigkeit  der  Richtung  und  der  Zwischenräume  der  Grabstellen. 
Ganz  abgesehen  von  der  gänzlichen  Bedeutungslosigkeit  dieses  originellen  Grundes  für  die 
Altersbestimmung  der  Gräber,  so  kann  er  überhaupt  für  die  Gleichzeitigkeit  der 
Bestattung  nicht  das  mindeste  Gewicht  haben.  Es  müssten  sonst  auch  die  300  bis  500 
regelmässig  neben  einander  gelegten  Todten  der  fränkischen  Friedhöfe  alle  zugleich  begra- 
ben sein,  und  es  wäre  ganz  unmöglich  Lago  und  Richtung  eines  Grabes  ohne  megalithi- 
sche  Blöcke  selbst  für  lange  Zeitdauer  auf  der  Oberfläche  des  Bodens  bemerkbar  zu 
machen. 

Jedenfalls  aber  hält  er  für  sicher,  dass  diese  Gräber  jünger  seien,  als  die  Zeit  derSpeise- 
ubfallhaufen.  Möglich  immerhin,  aber  hören  wir  seine  Gründe. 

Dass  in  diesen  Muschel-  und  Knochenhaufen  anderer  Länder  verhältnissmässig  sehr  spät- 
zeitliche Gegenstände  und  auch  in  Dänemark  sehr  gut  gearbeitete  Steingeräthe  gefunden 
sind,  ist  deshalb  von  geringer  Bedeutung,  weil  „man  darüber  einig  ist,“  dass  die  letz- 
teren dort  nur  durch  Zufall  und  in  späterer  Zeit  verloren  wurden! 

Obgleich  das  Pferd  sonst  überall  bereits  in  sehr  ferner  Frübzeit,  wie  auch  in  den 
ältesten  Pfahlbauten  der  Schweiz  nachgewiesen  ist,  so  darf  ein  mecklenburgisches  Grab,  in 
welchem  ein  Pferdeschädel  gefunden  wird,  doch  nicht  älter  sein,  als'die  Zeit,  aus  welcher 
Pferdereste  in  dänischen  Gräbern  beobachtet  sind. 

Dass  aber  v.  Maak  nicht  das  geringste  Bedenken  findet,  16  Gräber,  alle  nur  mit  Bei- 
gaben von  Steingeräthen,  in  die  Spätzeit  seiner  Eisenperiode,  welche  er  den  Germanen  und 
Wenden  zuweist,  zu  versetzen,  giebt  wohl  das  sprechendste  Zeugniss,  was  man  Alles  zu  Gun- 
sten einer  vorgefassten  Idee  gestattet  hält,  und  was  man  uns  als  Ergebniss  strenger  natur- 
wissenschaftlicher Behandlungswei.se  bieten  zu  dürfen  glaubt. 

Nur  der  Sache  selbst  wegen  berühren  wir  noch  die  grosse  Seltenheit  der  Entdeckung 
solcher  Gräber.  Auffallend,  wie  v Maak  meint,  ist  sie  keineswegs,  da  ihre  äusseren  Merk- 
male in  weit  früherer  Zeit  schon  verschwunden  sein  mussten,  als  jene  der  merovingischen 
Reihengräber,  welche  alle  ohne  Ausnahme  nur  durch  zufällige  Erdarbeiten  entdeckt  wurden. 
Es  bedarf  kaum  des  wiederholten  Hinweises,  dass  selbst  in  dichtbevölkerten  Gegenden,  wo 
jede  Erdscholle  so  zu  sagen  umgekehrt  wird,  äusserst  selten  nur  durch  den  Ackerbau  selbst, 


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48  L.  Lindenschmit, 

sondern  zumeist  durch  Schleifen  von  Anhöhen  durch  die  Eisenbahnhauten  etc.  die  Entdeckun- 
gen herbeigefiihrt  werden. 

In  Hinsicht  einer  ausgedehntesten  Benutzung  des  Bodens  können  aber  gerade  Mecklen- 
burg und  Dänemark  kaum  in  Betracht  kommen,  und  wenn  die  Wissenschaft  dort  noch 
wenig  oder  Nichts  von  Erdgräbern  entdeckt  hat,  so  hat  dies  wie  anderwärts  seinen  Grund 
darin,  dass  sie  ihre  Untersuchungen  nicht  auf  das  Gerade  wohl,  sondern  nach  bestimmten 
äusseren  Merkmalen  unternimmt.  Nur  wenn  die  „Heissige  und  genaue“,  auch  von  uns  aufs 
höchste  anerkannte  Forschung  jener  lünder  ausgedehntere  und  bessere  Hiilfsmittel  zur  Ver- 
tilgung hätte,  als  sie  anderwärts  zu  Gebote  stehen,  wenn  sie  in  den  Besitz  von  Erdsjiiegeln 
und  Wünscheiruthen  zur  Entdeckung  verborgener  Gräber  gelangte,  könnten  allenfalls  höhere 
Ansprüche  an  sie  erhoben  werden,  und  dürften  wir  hoffen,  allein  von  ihr  alle  Aufschlüsse 
zu  erhalten. 

Derselben  Willkür  aber  wie  in  Beurtkeilung  der  einzelnen  Thatsachen  der  Grabfunde 
begegnen  wir  bei  v.  Maak  auch  in  allgemeinen  Fragen.  Wir  brauchen,  um  auf  antiquari- 
schem Gebiete  zu  verbleiben,  nur  das  niichstliegende  Verhältnis»  des  Verbrennens  und  Be- 
grabens  der  Leichen  zu  1 machten.  Keine  dieser  Bestattungsweisen  lässt  sich,  wie  bekannt, 
ohne  Zubülfenahmc  unhaltbarer  Voraussetzungen  mit  einer  der  verschiedenen  Arten  der 
Grabesbeigaben  oder  mit  sonst  einem  Merkmale  in  Verbindung  bringen,  welches  für  eine 
Zeitabtheilung  der  Gräber  bestimmend  wäre.  Es  ist  noch  nicht  gelungen,  eine  von  beiden 
als  durchaus  alieinherrschenden  Brauch  auf  dem  Boden  Deutschlands  nachzuweisen,  oder  auf 
allgemein  gültige  Vorstellungen  und  Lehren  des  germanischen  Heidenthums  zuriiekzutuhron. 

Wer  aber,  wie  v.  Maak,  mit  Berufung  auf  eine  Ansicht  des  Thucydides  und  mit  der 
Ueberaeugung  von  der  Nothwendigkeit  der  Kenntnis»  späterer  Zeiten  für  die  Beurtheihmg 
der  früheren,  an  die  Erklärung  des  Verhältnisses  der  beiden  Bestattung» weisen  herantritt, 
von  dem  sollte  man  wohl  zuerst  erwarten,  dass  er  nicht  aus  eigener  Phantasie,  sondern  aus 
den  Andeutungen  der  historischen  Ueberliefcrung  Aufschlüsse  suchen  werde.  Er  wäre  dann 
wohl  auf  das  wechselnde,  zeitweise  und  örtliche  Vorherrschen  bald  des  einen,  bald  des  an- 
deren Brauches  durch  den  Umstand  hingewiescu  worden,  dass  sich  von  der  Zeit  der  römi- 
schen Nachrichten  bis  zu  jener,  in  welcher  wir  selbstständige  Kunde  von  den  deutschen 
Stämmen  erhalten,  bei-  vielen  der  letzteren  eine  Wandelung  der  Bestattungsweise  vollzog. 
Weder  durch  die  „Völkerpsychologie“,  noch  durch  Gnelen  und  Kymren  erhalten 
wir  eine  Erklärung,  dass,  während  die  nordgermanischen  Stämme  zu  dieser  Zeit  ihre  Todten 
verbrannten,  die  Mehrzahl  der  übrigen  Deutschen  dieselben  zur  Erde  bestatteten,  dass  in  den 
alten  Volksrechten  keine  Spur  des  Leichenbraudes  mehr  begegnet,  uud  jede  Erinnerung  an 
denselben  sogar  in  der  Sage  erloschen  ist,  obschon  dieselbe  bei  epischen  und  tragischen  Zü- 
gen gern  verweilt  Unmöglich  konnte  die  erste  äusserliche  Berührung  mit  dem  Cliristeu- 
tliuin  überall  die  gleiche  Wirkung  äussern,  dass  nicht  nur  die  heidnischen  Alamanneti,  wie 
Gothen,  Vandalen,  Burgunden  und  Langobarden  zur  Bestattung  übergingen,  sondern  selbst 
die  Franken,  bei  welchen  der  Germanenname  am  längsten  haftete,  und  hei  deren  Vorfahren, 
den  Sigambem,  Ubiern,  Bructerern  otc.,  die  Römer  den  Leiclienbrand  fanden. 

Zwischen  der  Zeit  des  Tacitus  aber  und  den  Gräbern  Alarich's,  Albuin’s,  Theo- 
derich's  des  Weslgothen  und  Chi  Id  er  ich ’s  des  Franken  liegt  kein  so  grosser  Zeitraum, 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  49 

als  andererseits  zwischen  dem  Erscheinen  der  Römer  am  Rhein  und  der  Zeit  der  Hünengrä- 
ber. Es  erscheint  deshalb  die  Frage  vollkommen  berechtigt,  ob  sich  ein  ähnlicher  Wechsel 
der  Bestattungs  weise  auch  ohne  Völker  Wechsel  nicht  eben  so  für  die  vorhergehende  Zeit 
annehmen  lässt,  als  er  für  die  spätere  nachweisbar  ist  Jedenfalls  wäre  allen  selbstgeschaf- 
fenen Erklärungen  eine  Untersuchung  vorzuziohen,  welche  aus  einer  umfassenden  Uebersicht 
der  Grabfunde  darüber  Licht  zu  verschaffen  suchte,  ob  den  bestimmten  Nachrichten  des 
Tacitus  über  die  Bestattungsweise  der  Germanen,  auch  nur  fllr  seine  Zeit  eine  allgemeine 
oder  eine  nur  auf  gewisse  Stämme  beschränkte  Geltung  zukommt,  und  ob  sie  etwa  für 
die  früheren  Zustände  des  Volkes  als  massgebend  betrachtet  werden  können,  was  sie  we- 
nigstens für  die  späteren  nicht  sind.  Ungeachtet  seiner  Versicherung  von  der  Abneigung 
der  Germanen  gegen  Steindenkmalc  über  ihren  Todten,  setzt  sich  der  Bau  der  Plattenhäuser 
und  Steinkammern  fort  bis  in  die  Friedhöfe  morovingischer  Zeit,  und  wenn  v.  Maak  für 
diese  Thatsachc  eine  einfache  Erklärung  in  dem  Einflüsse  der  alten  Megalithier  findet,  so 
vergisst  er,  dass  diese  Friedhöfe  seinem  Cryptolithien  angehören,  in  welchem  doch  keinerlei 
megalithische  Gewohnheiten  und  Neigungen  eigentlich  gesucht  werden  dürften. 

Solche  schwierige  und  weitaussehende  Untersuchungen  sind  allerdings  überflüssig  für 
denjenigen,  welcher,  wie  v.  Maak,  anderswoher  vollkommen  Bescheid  weiss  und  mit 
der  Sicherheit  eines  Augenzeugen  über  Alles  ausführlichen  Bericht  giebt,  in  welchem 
wir  nur  eine  einzige  aber  wesentliche  Lücke  finden  gerade  in  der  Erklärung  der  Be- 
gräbnissweise.  Wenn  er  uns  belehrt,  „dass  die  Beerdigung  mit  dem  Cultus  der 
unterirdischen,  der  Leichenbrand  mit  jenem  der  himmlischen  Mächte  zusam- 
menhängt,“ so  vergisst  er  uns  zu  sagen,  welche  Art  von  Cultus  der  Bestattungsweise  sei- 
nes niegalithischen  Volkes  zu  Grunde  lag,  das  seine  Todten  weder  verbrannte,  noch  in  eigent- 
lichem Sinne  begrub,  sondern  auf  der  Erde  unter  Steinhäusern  beisetzte,  ein  Brauch, 
welchem  er  für  die  Scheidung  dieses  Volkes  von  allen  Uebrigen,  doch  so  grosses  Gewicht 
zulegt. 

Etwas  darüber  mitzutheilen  war  immerhin  erforderlich,  denn  nimmt  der  Verfasser  an, 
dass  alle  megalithischen  Denkmale , wie  es  von  einer  grossen  Zahl  derselben  erwiesen, 
mit  Erdhügeln  bedeckt  waren , und  die  Bestattung  der  Todten  hienach  als  eine  förmliche 
Beerdigung  zu  betrachten  ist,  so  wären  diese  Denkmale  ja  unbedingt  zugleich  als 
oryptolithisolie  zu  betrachten,  und  die  ganze  scharfsinnige  Abtheilung  der  Völker- 
geschlechter beruhte  allein  darauf,  dass  die  Grabdenkmale  der  einen  unter  der  Erde,  und 
die  der  anderen  unter  Erdhügeln  errichtet  sind. 

Die  Sache  muss  denn  doch  ihre  eigenthümlichc  Bewandniss  haben,  und  so  viel  ist  gewiss, 
daas  v.  Maak  seiner  Fnndamentaltheorie  einer  Unterscheidung  in  ober-  und  unterirdische 
Gräber  selbst  nicht  einmal  vollkommen  sicher  ist.  Wir  ersehen  die«  auf  das  Bestimmteste 
daraus,  dass  nach  seiner  Ueberzeugung  die  Steinkammer,  in  welcher  nach  der  Erzählung 
Gregors  von  Tours  (IV.  c.  4.)  Macliav  geborgen  wird,  eine  altgaelische  megalithische 
war,  obgleich  sie  sub  terra  angelegt  und  der  Hügel  erst  über  sie  gehäuft  wurde. 

Doch  alles  dieses  ist  Nebensache  im  Vergleich  zu  der  umfassenden  Kunde,  die  der  Verfas- 
ser uns  sonst  zu  schenken  vermag. 

Erbauer  der  Hünengräber,  Dolmens  etc.  war  also  das  Urvolk  der  Gaelen,  welches  von 

AxrhlT  für  A»throt>o:oflle,  Bd.  IV,  lieft  1.  7 


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50 


L.  Lindenschmit 


Afrika  zu  uns  einwanderte,  tmd  zwar  nicht  in  Masse , sondern  in  einzelnen  kleinen  Clans. 
Wir  wissen  genau,  wo  sich  dieselben  niederlieasen  und  wie  sie  die  Berge  und  Flüsse,  Dörfer 
und  Städte  dieser  Gegenden  genannt  haben,  denn  diese  Namen  haben  sie  heutigen  Tages 
noch. 

Jedes  einzelne  Mitglied  des  Urvolks,  und  nicht  der  Häuptling  und  dessen  Geschlecht 
allein,  erhielt  sein  megalithisches  Grab.  Wir  müssen  das  als  gewiss  betrachten  nicht  allein 
wegen  der  „Ungeheuern  Anzahl“  dieser  Steindenkmale,  sondern  auch,  weil  „mit 
denselben  kein  eigentlicher  Prachtbau“  beabsichtigt  war,  sondern  nur  Sicher- 
heit für  die  Todten,  wie  uns  ein  Vergleich  mit  Aegypten  belehrt,  der  allerdings  recht  zu- 
treffend wäre,  wenn  auch  jedes  Mitglied  des  ägyptischen  Volkes  „den  Riesendeckel  einer 
Pyramide“  auf  sein  Grab  erhalten  hätte. 

Die  Gaelen  bildeten  das  zweite  neolithische  Steinalter,  aber  auch  vermittelst  ihrer 
Handelsverbindungen  die  Bronzeperiode  Nro.  I,  und  deshalb  müsste  auch  die  Begräbnissweise 
in  ausgehöhlten  Baumstämmen  als  megalithisch  und  gäliscli  betrachtet  werden.  Als 
das  letzte  Hünengrab  vollendet  war,  erschienen  die  Kymren,  welche,  obgleich  Erzkünst- 
ler und  Begründer  der  zweiten  Bronzeperiode,  doch  keine  Freunde  von  grossen  Grabbauten 
waren  und  ihrer  auch  nicht  bedurften,  da  sie  ihre  Todten  verbrannten.  Die  sociale  Stellung 
der  Gaelen  wurde  jetzt  eine  andere  und  untergeordnete,  im  Norden  zwar  auf  mehr  fried- 
lichem Wege,  in  Deutschland  aber  durch  gewaltsame  Unterdrückung.  Wir  ersehen  dies  dar- 
aus, dass  im  Norden  die  Kymren  weit  rücksichtsvoller  mit  dem  Einsetzen  ihrer  Aschennrnen 
in  die  älteren  megalithischen  Gräber  verführen,  als  in  Deutschland.  Auf  der  cimbrischon 
Halbinsel  und  in  Dänemark  finden  sich  dieselben  nur  indem  Umkreise  dos  Tumulus  bei  den 
Steingräbern  niedergelegt,  in  Deutschland  aber  stellten  sie  die  „rohen  Sieger“  in  die  Stein- 
kammera  selbst,  freilich  hier  wie  dort  nicht  ganz  in  systematischer  gleichartiger  Weise,  wie 
es  zu  wünschen  wäre,  denn  die  Ausnahmen  bilden  eine  bedauerliche  Anzahl.  Dass  aber  diese 
Besieger  des  Urvolks  auch  wirklich  die  Kymren  waren  und  hier  nicht  etwa  schon  gar  an 
dio  Germanen  zu  denken  ist,  bezeugt  Tacitus,  der  uns  den  Abscheu  der  letzteren  vor 
Steindenkmalen  überhaupt  berichtet.  Hier  allein  lässt  v.  Maak  das  Spätere  als  Maass  für 
das  Frühere  gelten. 

Nach  allen  dem  sollen  wir  als  ausgemacht  betrachten,  dass  die  megalithischen  Gräber  mit 
Leichenbestattung  und  Beigaben  von  Stein  und  Bronze  den  Gaelen,  jene  mit  Leichenbrand 
und  Beigaben  au*  Bronze  und  Stein  den  Kymren  zu  überweisen  sind.  Die  einfachen  Erd- 
gräber aber  mit  Stein-  nnd  Knochcngeräthen,  die  weder  bei  den  Gaelen  noch  Kymren  unter- 
gebracht werden  können,  sind  die  Gräber  „der  zu  Sklaven  gemachten  Urbewohner,“ 
welche  bis  auf  den  bracliycephalen  Schädel  von  Plan  und  den  stenocephalen  des  Sülzer 
Moorgrundes  spurlos  abhanden  gekommen  sind. 

Wir  haben  hiernach  neben  dem  Urvolk  der  Gaelen  noch  das  bewusste  verschwundene 
Ururvolk,  welches,  ungeachtet  durch  v.  Maak  als  völlig  überflüssig  beseitigt  (S.  282),  doch  für 
den  Norden  so  unentbehrlich  scheint,  dass  es  bei  jeder  Comßination,  und  somit  auch  bei  der 
seinigen,  unfehlbar  wieder  auftauchen  muss. 

Und  diese  Aufstellungen  sollen  allen  Ernstes  „endlich  die  gewünschte  Ordnung  in  die 
bisherige  Verwirrung  bringen!“  In  diesem  cryptolithischen  Megalithien  und  megalithischen 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  51 

Cryptolithien , sollen  wir  lichtgebende  Entdeckungen  erkennen,  und  diese  für  bestimmten 
Zweck  bereitete  Mischung  von  Forschungsergebnissen  und  willkürlichen  Annahmen,  diesen 
Coinpromiss  zwischen  veralteter  und  neuer  Anschauungsweise , als  erleuchtete  Bestimmung 
des  einzig  Richtigen  betrachten. 

Unbedingt  bleibt  „das  bisherige  Chaos“  einstweilen  noch  viel  aussichtgebender,  als  die- 
ser verunglückte  prätensiöse  Versuch  seiner  Klärung,  welcher  nicht  allein  die  Ergebnisse 
einer  noch  langwierigen  und  umfassenden  Forschung  vorwegnehmen , sondern  derselben  zu- 
gleich bestimmte  Bahn  und  Richtung  vorzeichnen  will. 

Der  ganze  „antiquarische“  Aufbau,  dessen  wesentliche  und  einzige  Stütze  der  Ver- 
fasser selbst  in  dem  sprachlichen  Theil  erkennt,  ist  nur  ein  passend  arrangirter  Hinter- 
grund für  das  Spiel  linguistischer  Phantasmagorien. 

Ueber  die  Tendenz  und  den  „wissenschaftlichen“  Charakter  derselben  nur  noch  einige 
Worte,  die  letzten  in  diesen  Blättern  Uber  die  auf  antiquarischem  Gebiete  lange  schon  ver- 
lassene Keltenfrage. 

Die  Keltomnrfie  ist  zwar  ein  verleugnetes , aber  offenbar  vollkommen  legitimes  Kind 
jener  eigentümlichen  Richtung  deutscher  Gelehrsamkeit,  deren  Fanatismus  für  unparteii- 
sche Beurteilung  nationaler  Verhältnisse  nur  zu  rasch  in  heftigste  und  verkehrteste  Partei- 
nahme umzuschlagen  pflegt.  Wenn  unseren  Nachbarn  der  sogenannte  „berechtigte  Patrio- 
tismus“ auf  dom  Gebiete  der  Forschung  oft  schlimme  Streiche  spielt,  so  ist  es  bei  uns  das 
unberechtigte  Gegenteil,  welches  Verirrungen  veranlasst,  die  für  die  verursachte  Störung 
nur  einen  geringen  Ersatz  in  der  erheiternden  Art  ihres  Auftretens  bieten. 

Nachdem  es  gelungen  schien,  die  deutschen  Völker  durch  die  Annahme  ihrer  weit  spä- 
teren Einwanderung  von  dem  grossen  alten  Keltenstamme  zu  trennen,  und  sogar  in  das 
Verhältniss  einer  Racenfeindschaft  zu  demselben  zu  bringen,  fühlte  man  doch  das  Bedürf- 
nis«, dieser  Behauptung,  welche  nirgend  anderswo  einen  Anhalt  findet,  durch  den  Nachweis 
einer  Verschiedenheit  der  Sprache  eine  tiefere  Begründung  zu  geben. 

Ein  Unglück  blieb  es  zwar,  dass  von  germanischen  Sprachdenkmalen  nicht  das  Ge- 
ringste, von  keltischen  nur  äuaserst  W'eniges,  selbst  aus  römischer  Zeit,  erhalten  war,  doch 
man  wusste  sich  zu  helfen,  und  wunderbar  erscheint  es,  wie  man  mit  einem  Male  zur  Kennt- 
niss  des  alten  Keltischen  gekommen  ist. 

In  der  Sprache  der  Irländer  und  jener  der  Welschen  in  Comwales  und  der  Betragne 
fand  man  die  gesuchten  Aufschlüsse,  die  sich  um  so  ergiebiger  gestalteten,  da  man  hier 
nicht  vereinzelte  dunkle  Sprachreste,  sondern  eine  ganze  noch  lebende  Sprache  zur  Verfü- 
gung erhielt,  welche  ausserdem,  wie  es  scheint,  die  ganz  besondere  Eigentümlichkeit  besitzt, 
seit  mehr  als  2000  Jahren  keine  wesentliche  Veränderungen  erfahren  zu  haben. 

Wir  müssen  nämlich  auf  eine  solche  Ausnahmestellung  des  Irischen  nach  der  Zuversicht 
schliessen,  mit  welcher  die  Spitzen  der  Sprachwissenschaft  dasselbe  sofort  zu  dem  ausgedehn- 
testen Gebrauche  für  Vergleichungen  und  Bestimmungen  von  Wortbildungen  der  ältesten 
Vorzeit  herangezogen  haben. 

Es  erscheint  dies  insofern  einigermassen  bemerkenswert , da  im  Deutschen  wenigstens 
Niemand  ungestraft  die  Verwendung  nenern  Sprachstoffs  zur  Erklärung  älterer  Formen 
wagen  darf,  und  die  Wortbildung  selbst  des  frühem  Mittelalters  nur  mit  Hülfsmitteln  zu- 

7» 


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52  . L.  Lindenschmit, 

gänglich  ist,  welche,  obgleich  das  Resultat  eingehender  Forschung  und  strenger  Kritik,  den- 
noch für  die  älteste  Zeit  keineswegs  Geltung  haben.  Zum  Glück  also  fehlen  diese  Schwie- 
rigkeiten bei  der  „keltischen“  Sprache  der  Iren,  welche  ausserdem  nur  eine  verschwindend 
kleine  Anzahl  Fremdwörter  besitzt  und  selbst  für  Gegenstände  der  Kunst  und  der  Gewerbe, 
überhaupt  für  Bildungsverhältnisse,  die  erst  seit  nicht  gar  langer  Zeit  den  Bewohnern  jener 
Insel  bekannt  geworden,  Bezeichnungen  und  Worte  hat,  welche  nur  aus  einer  Urverwandt- 
schaft mit  den  Culturvölkem  von  Arien  her  ihre  Erklärung  finden.  Ebenso  müssen  wir 
auch  glauben,  dass  gerade  in  Irland  und  bei  den  Herausgebern  der  bretonischen  Sprach- 
denkmale nicht  im  Geringsten  Einwirkungen  nationaler  Eitelkeit  anzunehmen  sind,  und 
müssen  unbedingt  die  strengste,  unerbittlichste  Kritik  bei  Abfassung  der  irischen  Wörter- 
bücher für  die  Ausscheidung  entliehener  Ausdrücke  voraussetzen. 

Um  so  überraschender  bleiben  die  Ergebnisse,  zu  welchen  Jedermann  mit  Hülfe  dieser 
Lexiken  gelangen  kann,  besonders  in  Bezug  auf  Namen  von  Städten,  Bergen  und  Flüssen  etc., 
deren  Erklärung  für  Syrien  und  Aegypten  nicht  mehr  oder  minder  zutreffend  erscheinen, 
als  für  Deutschland  oder  Italien. 

Die  Wirkungen  dieser  in  jeder  Beziehung  neuen  Angriffswaffe  auf  die  alte  Geschichte 
unsers  Landes  musste  deshalb  von  ausserordentlichem  Erfolge  sein.  Schon  im  ersten  An- 
laufe wurde  Belgien,  das  linke  Rheinufer1)  und  die  Donauländer  weggenommen,  wenn  auch 
nicht  Alles  im  fortgesetzten  Kampfe  behauptet  werden  konnte.  J.  Grimm  eroberte  das 
linksrheinische  Gebiet  wieder  zurück,  während  die  Belgier  auf  eigene  Faust  ihren  altnatio- 
nalen  Zusammenhang  mit  den  nördlichen  Germanen  vertheidigten  und  selbst  zum  Angriff 
auf  das  feindliche  Gebiet  übergingen’). 

Nur  in  Süddeutschland  und  hauptsächlich  in  Oesterreich,  wo  man  noch  nicht  genug 
fremde  Völker  im  Lande  hatte,  wollte  man  die  liebgewonnenen  Kelten  nicht  aufgeben  und 
so  war  der  Kampf  noch  nicht  vollständig  entschieden,  als  ein  neuer  Aufschwung  der  kelti- 
schen Studien  in  Frankreich  denselben  frisch  belebte. 

Bereits  haben  nun  die  Süddeutschen*)  die  Mainlinie  überschritten  und  selbst  im  Norden 
hat  eine  Partei  von  keltischen  Gelieimräthen , Professoren,  Pastoren  und  Doctoren  schon  die 
Harzgegend*)  und  das  ganze  Land  bis  nach  Köln  an  der  Spree  den  fremden  Urbewohnern 
wieder  überliefert  Das  Keltenthum  der  Preussen  ist  ohnehin  durch  ihre  Theilnahme  als 
Pransi  an  dem  intendirten  Tempelraub  von  Delphi  beglaubigt4),  und  nach  solchen  Erfolgen 
sind  gewiss  noch  weit  glänzendere  zu  erwarten*),  sobald,  wie  ein  Herr  Rieke  meint,  man 
erst  „noch  zu  grösserer  Sicherheit  und  zu  voller  Aneignung  des  keltischen  Sprachschatzes 
gelangt  sein  wird.“ 


])  C.  Zeuss:  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbarstämme.  — Hermann  Möller:  Die  Marken  dea  Vater- 
land». 

*1  Moke  und  General  R 6 n a r d , de  l'identite  de  Ilace  des  Ganlois  et  des  Germains. 

:;J  W.  Obermöller’s  deutsch-keltisches  Wörterbuch  zur  Erklärung  der  Fluss-,  Berg-,  Orte-,  Gau-,  Völker- 
und  Personennamen  Europas,  Westasiens  und  Nordafrika«  im  Allgemeinen,  wie  im  Hesondern  Deutschlands,  1868. 

‘)  Die  Urbewohner  und  Alterthümer  Deutschlands  tou  Dr.  med.  L.  F.  Ricke.  Nordhausen  1868. 

Ü Die  Pfahlbauten  und  Völkerschaften  Osteuropa«  [§.  11,  S.  38)  von  Dr.  E.  Kückert 

*)  Selbst  Amerika  ist  nicht  mehr  sicher  vor  den  Kelten.  Siehe  Pastor  Frenzei,  der  Beins  oder  Son- 
nendienst anf  den  Anden  oder  Kelten  in  Amerika.  Leipzig  1867. 


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Bemerkungen  zu  der  antiquarischen  Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  53 

Wir  wissen  recht  wohl,  dass  diese  übrigens  sehr  bezeichnenden  Extravaganzen  den 
eigentlichen  Vertretern  der  Sprachwissenschaft  höchst  unbequem  und  lästig  erscheinen  und 
dass  sie  sich  durch  bestimmteste  Zurückweisung  gegen  Anmasslichkciten  verwahren,  die 
jenes  Gebiet  der  keltischen  Ansprüche  weit  überschreiten,  welches,  wenn  auch  nach  sehr 
allgemeinen  und  verschwommenen  Begriffen,  nun  einmal  von  der  historischen  Sprachfor- 
schung nach  dem  Bedürfniss  ihrer  Construction  der  Vorgeschichte  fest  abgesteckt  worden 
ist.  Es  entlastet  dies  jedoch  keineswegs  von  aller  Verantwortlichkeit, 

Man  hat  durch  einseitige  Ueberhebung,  durch  zuversichtliche  Ablehnung  jeder  anderen 
Untersuchungsmittel  als  der  sprachlichen,  durch  dio  weitreichende  Bedeutung,  welche  man 
der  Sprache  einiger  vou  Alters  her  gemischten  Völkchen  beilegte,  eine  Bewegung  hervor- 
gerufen, die  man  unterschätzte  und  nicht  mehr  beherrschen  kann.  Man  sollte  sich  deshalb 
nicht  erstaunt  und  befremdet  zeigen,  wenn  Erscheinungen  wie  die  oben  bezeichncten  auf- 
tauchen, und  mehr  Wust  „aus  dem  Schatz  der  Sprache“  heraufgewühlt  wird,  als  die  unbe- 
rufendsten  Hände  jemals  „aus  dem  tauben  Gestein  der  Ueberlieferung“  zu  Tnge  gebracht 
haben. 

Mainz,  Deeeinber  1869. 


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IV. 


Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen, 

beschrieben  und  in  ihren  Beziehungen  zu  anderen  Schädeln  des  Nordens  erläutert 

Ton 

% 

Rud.  Virohow. 


Ueber  die  Beschaffenheit  der  altnordischen  Schädel  und  die  ethnologische  Stellung 
des  Volkes  oder  der  Volker,  denen  sie  angehörten,  besteht  schon  seit  längerer  Zeit  eine 
nicht  geringe  Meinungsverschiedenheit.  Nilsson  (Skand.  Fauna.  Lund  1835,  p.  43)  hatte 
zuerst  die  Meinung  aufgestelit,  dass  die  ältesten  dieser  Schädel  einer  den  Grönländern  ver- 
wandten Race  angehörten.  Dagegen  wies  schon  Eschricht  (Det  koningl.  Danske  Videnskab. 
Selskahs  Afhandl.  Kjöb.  1841.  VIII.  p.  LV)  nach,  dass  dies  ein  Irrthum  sei  und  dass  die 
Schädel  einer  kaukasischen  Race  zugeschrieben  werden  müssen.  Er  bezog  sich  dabei  haupt- 
sächlich auf  einen  Gräberfund  bei  Stege  auf  der  Insel  Möen,  wo  in  einer  Steinsetzung  ausser 
den  Menschenknochen  Steinwaffen  und  Bernsteinschmuck  gefunden  waren.  Neuerlich  hat 
Nilsson  (Das Steinalter  oder  die  Ureinwohner  des  skand.  Nordens.  Aus  dem  Schwed.  Hamburg 
1868,  S.  84.)  allerdings  seine  frühere  Ansicht  zurückgenommen;  er  hat  auch,  namentlich  auf 
Grund  von  Messungen  v.  Düben  s,  zugestanden,  dass  ein  gewisser  Theil  dieser  Schädel 
dolichocephal  sei,  indess  hält  er  jetzt  die  Meinung  aufrecht,  dass  andere,  mehr  bra- 
chyoephalo  Schädel  den  Lappenschädeln  in  hohem  Maassc  ähnlich  seien.  Letztere  An- 
sicht hat  durch  Vogt  (Vorlesungen  über  den  Menschen.  Giessen  1863.  B<L  II,  S.  117,  320), 
der  sich  auf  Messungen  und  Abbildungen  von  Busk  stützte,  eine  grosse  Verbreitung  ge- 
funden. 

Bei  Gelegenheit  des  internationalen  Congrosscs  für  prähistorische  Archäologie,  der  im 
August  1869  zu  Kopenhagen  abgehalten  wurde,  bildete  diese  Frage  einen  Gegenstand  der 
Vorhandlungen.  In  der  That  konnte  wohl  kein  Ort  günstiger  für  die  Discussion  gerade  die- 
ses Gegenstandes  sein,  als  Kopenhagen,  wo  seit  so  langer  Zeit  mit  der  grössten  Sorgsamkeit 
Alles  gesammelt  worden  ist,  was  die  Vorzeit  betrifft,  und  wo  neben  dem  grössten  Reichthum 


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liud.  V irchow 


an  den  mannichfachsten  Kundgegenständen  auch  eine  lange  Reihe  von  Schädeln  und  zwar 
gerade  aus  Steingräbern  zusammengebracht  ist.  Allein  durch  ein  eigentümliches  Missgeschick 
ist  diese  Seite  der  Forschung  fast  allein  unbearbeitet  geblieben,  und  es  konnte  daher  während 
de»  Congresses  nur  wenig  von  dem  vorhandenen  Material  für  die  Verhandlung  verwertet 
werden. 

Es  war  dies  ein  Grund  für  mich,  eigene  Messungen  zu  veranstalten , anfangs  mehr  zum 
Zwecke  einer  übersichtlichen  Vergleichung,  später  zu  einer  mehr  eingehenden  Untersuchung. 
Die  Zeit  war  mir  nur  kurz  gemessen  und  ich  konnte  daher  nicht  alle  Gesichtspunkte, 
welche  in  Betracht  kommen,  erschöpfen.  Da  ich  nicht  mit  der  Absicht,  Schädelmessungen 
zu  veranstalten,  nach  Kopenhagen  gegangen  war,  so  fehlten  mir  anfangs  die  nötigen 
Messgeräthsehaften,  und  einzelne  der  später  beschafften  liessen  in  einer  oder  der  andern  Rich- 
tung Manches  zu  wünschen.  Indes»  habe  ich  mich  bemüht,  so  correct  als  möglich  zu  ver- 
fahren, wie  ich  später  noch  genauer  ausfübren  werde  Der  grösste  Tbeil  der  Angaben  kann 
daher  als  zuverlässig  gelten;  wo  es  nicht  der  Fall  ist,  werde  ich  es  erwähnen.  Indess  habe 
ich  doch  auch  die  letzteren  nicht  unterdrücken  wollen,  weil  der  etwaige  Fehler  sich  wieder- 
holt und  eine  Vergleichung  der  verschiedenen  Schädel  unter  sich  sehr  wohl  zulässt. 

Es  ist  diese  Vergleichung  namentlich  von  Bedeutung  für  die  grönländischen , lappländi- 
schen und  finnischen  Schädel,  von  denen  sich  in  Kopenhagen  ungewöhnlich  reiche  Samm- 
lungen finden.  Die  Kenntnis.»  dieser  Schädel  ist  an  den  meisten  anderen  Orten  sehr  er- 
schwert durch  die  Seltenheit,  zumal  der  Lap|ienschädcl,  und  cs  erschien  mir  daher  eine 
glciclizeitige  Untersuchung  derselben  um  so  mehr  wichtig,  als  gerade  durch  eine  nach  dieser 
Richtung  ausgedehnte  Vergleichung  ein  definitives  Ergebnis»  sich  erwarten  Hess. 

Erst  nach  dem  Schlüsse  des  Congresses  war  es  mir  möglich,  meine  Messungen,  welche 
sich  auf  71  Schädel,  nämlich  48  au.»  der  Stein-,  3 aus  der  Bronze-  und  6 aus  der  Eisenzeit, 
sowie  li  aus  Lappland,  5 aus  Grönland  und  3 aus  Finnland  erstreckten,  zu  Ende  zu  fuhren. 
Der  Umstand,  dass  ausser  dem  altnordischen  Museum  auch  das  anatomische  und  das  physio- 
logische Museum  neben  ihren  Racenschädeln  Gräberschädel  besitzen,  wirkte  als  erschwe- 
rendes Moment  mit.  Denn  obwohl  sowohl  die  Beamten  des  altnordischen  Museum»,  die  Herren 
Worsaao,  Herbst,  Strunk  und  W.  Schmidt,  als  auch  die  Vorstände  des  anatomischen  und 
des  physiologischen  Instituts,  die  Herren  Schmidt  und  Fan  um,  mir  mit  der  liberalsten 
und  freundlichsten  Zuvorkommenheit  behültlich  waren,  meine  Zwecke  zu  verfolgen,  so  trat 
doch  durch  die  räumliche  Entfernung  der  Anstalten  ein  wesentliches  Hinderniss  ein.  Ich 
habe  daher  keine  Zeit  gefunden , sämmtlicke  alten  Schädel  der  letztgenannten  beiden  Insti- 
tute zu  messen,  sondern  mich  auf  diejenigen  beschränkt,  welche  nachweisbar  der  Steinzeit 
angehören  und  von  denen  einige  dadurch  ein  besonderes  Interesse  darbieten,  dass  sie  schon 
von  Eschricht  beschrieben  sind.  Alle  anderen  Gräberschädel,  über  deren  Fundorte  und 
F und  Verhältnisse  keine  genauen  Nachrichten  erhalten  sind,  sowie  eine  gewisse  Zahl  sehr 
interessanter  Torfschädel  mussten  unberücksichtigt  bleiben.  Auch  von  den  Racenschädeln 
lialio  ich  nur  die  Lappen  sämmtlich  gemessen,  während  ich  aus  der  sehr  grossen  Zahl  der 
Grönländer  und  der  nicht  geringen  der  Finnen  nur  diejenigen  auswählte , welche  sich  durch 
vorzügliche  Conservirung  und  Vollständigkeit  auszeichneten.  Ebenso  war  es  mir  nicht  mög- 
lich, die  durch  Herrn  Steenstrup  im  zoologischen  Museum  gesammelten  Gräbersclüülel, 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 

unter  denen  einzelne  sehr  merkwürdige  sich  befinden,  durchzumessen;  ich  musste  mich  auf 
eine  oberflächliche  Betrachtung  beschränken,  da  ich  zu  spät  von  ihrer  Existenz  Kenntniss 
orhielt.  Ganz  vollständig  ist  also  nur  die  Sammlung  des  altnordischen  Museums  in  meiner 
Arbeit  berücksichtigt 

Aus  dem  Mitgetlicilten  erklärt  sich,  warum  ich  für  die  Verhandlungen  des  internationa- 
len Congresses  von  meinen  Untersuchungen  keinen  Gebrauch  machen  konnte.  Eine  kurze 
Uebersicht  gab  ich  jedoch  bald  nachher  auf  der  Naturforseherversammlung  zu  Innsbruck  in 
der  Sitzung  der  anthropologischen  Section  am  22.  Septbr.  v.  J.  (Tageblatt  Nr.  6,  S.  155).  Die 
nachfolgenden  Mittheilungen,  insbesondere  die  tabellarischen  Zusammenstellungen  der  ge- 
fundenen Zahlen,  sollen  eine  weitere  Ausführung  liefern,  obwohl  auch  diese  nicht  erschöpfend 
Ausfallen  kann,  da  mir  dazu  augenblicklich  die  Zeit  mangelt 

Bevor  ich  jedoch  zu  den  thatsäclüichen  Ausführungen  schreite,  muss  ich  einige  Bemer- 
kungen Uber  die  Art  der  Messungen  voranschicken,  nicht  nur,  um  das  Gegebene  zu  erläu- 
tern und  zu  rechtfertigen,  sondern  auch,  um  in  mancher  Beziehung  eine  allgemeine  Verstän- 
digung anzubahnen.  Letzteres  scheint  mir  namentlich  deshalb  von  Wichtigkeit,  weil  meine 
früheren  Angaben  Uber  Schädelmessung  trotz  mannichfacher  Anerkennung  doch  nicht  allge- 
meine Zustimmung  gefunden  haben,  und  zwar,  wie  mir  scheint,  zum  Theil  deshalb,  weil  man 
ihnen  mehr  einen  Werth  für  pathologische,  als  für  ethnologische  Schädelfonnen  beilegt«. 
Allerdings  bin  ich  in  meinen  Untersuchungen  wesentlich  von  pathologischen  Formen  ausge- 
gangen,  indes»  habe  ich  (Gesammelte  Abhandlungen.  Frankf.  1856,  S.  936)  ausdrücklich  her- 
vorgehoben, dass  das  von  mir  im  Gegensätze  zu  den  meisten  früheren  Craniologen  betonte 
genetische  Princip  auch  auf  die  Racenschädel  Anwendung  finde,  indem  bei  einzelnen 
Völkerschaften  dieser,  bei  anderen  jener  Schädelknochen  stärker  wächst,  und  dass  jede  ethno- 
logische Form  bei  Gelegenheit  in  der  Pathologie  ihre  Aequivalente  habe. 

Aus  dem  genetischen  Princip  heraus  war  ich  zu  der  Schlussfolge  gekommen  (Würzburger 
Verband].  1852,  Bd.  II,  S.  243),  dass  die  Zahl  der  Messungen  an  den  einzelnen  Schä- 
deln bedeutend  über  das  gewöhnliche  Verhältniss  vermehrt  werden  müsse,  dass 
man  namentlich  die  Grenzen  der  einzelnen  Schädelknochen  bestimmen  und  die  einzelnen 
Nähte  messen  müsse.  Dieser  Gesichtspunkt  ist  seitdem  von  der  Mehrzahl  der  Craniologen 
angenommen , jedoch  keineswegs  überall  genügend  ausgebeutet  worden.  Seitdem  ich  mich 
mit  der  Untersuchung  von  Gräberschädeln  beschäftige,  ist  noch  ein  wesentlicher  Grund  für 
diese  Vervielfältigung  der  Messungen  hinzugekommen,  auf  welchen  ich  früher  nicht  aufmerk- 
sam war,  nämlich  der  defecte  Zustand  vieler  dieser  Schädel.  Bald  fehlt  ein  Stück  der 
Oberfläche,  bald  eines  der  Basis,  an  einem  Schädel  sind  die  Kiefer  zerstört,  an  einem  andern 
die  Jochbogen.  In  den  nachfolgenden  Tabellen  bedeuten  die  Lücken  solche  defecte  Stellen; 
wo  sich  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  das  Fehlende  hinzudenken  liess,  ist  zuweilen  eine 
bestimmte  Zahl  mit  einem  Fragezeichen  eingesetzt.  Manche  dieser  Defecte  lassen  sich 
aber  durch  parallele  Maassc  decken,  und  deshalb  ist  es  für  die  Vergleichung  sehr  wich- 
tig, an  den  vollständigen  Schädeln  eine  grössere  Zahl  von  Messungen,  als  unmittelbar  nöthig 
ist,  anzustelleu.  Man  ist  dann  im  Stande,  die  defecten  Schädel  mit  den  normalen  bald  nach 
der  einen,  bald  nach  der  andern  Art  der  Messung  in  Vergleich  zu  stellen. 

Es  gilt  dies  namentlich  für  die  basilnren  und  facialen  Längenmaasse,  deren  grosse 

Archiv  für  Ad  thxopo  I nid c.  Bd.  IV.  Heft  1.  g 


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Rud.  Virehow, 


Bedeutung  ich  früher  (Untersuchungen  Uber  die  Entwickelung  des  Schädelgrundes.  Berlin 
1857,  S.  G9)  dargelegt  habe  und  die  ich  auch  jetzt  noch  utn  so  mehr  betonen  muss,  als  meh- 
rere neuere  Arbeiten  auf  dieselbe  nach  meiner  Meinung  nicht  genug  Werth  legen.  Die  Länge 
der  Schädelbasis  kann  vom  äuasern  Gehörgange  oder  von  dem  grossen  Hinterhauptsloche 
aus  gemessen  werden;  eretero  Messung  ist  deshalb  besondere  wichtig,  weil  sie  auch  an  Leben- 
den angewendet  weiden  kann.  Obwohl  beide  Arten  der  Messung  fast  immer  verschie- 
dene Ergebnisse  liefern,  so  liegen  die  Differenzen  doch  in  so  kleinen  Grenzen,  dass  man  sie 
öftere,  wenn  auch  nicht  ganz  mit  Recht,  übersieht.  Wenn  jedoch , wie  nicht  ganz  selten,  die 
Schläfenbeine  an  einem  Gräberschädel  fehlen,  so  ist  es  gewiss  sehr  nothwendig,  das  Fora- 
men  magnuin  als  Ausgang  der  Messungen  zu  nehmen.  Und  wenn  wieder  das  Foramen  mag- 
num  an  seinem  vordem  oder  hintern  Rande  eingedrückt  ist  oder  der  ganze  Occipital Wirbel 
defect  ist,  so  bleibt  nichts  übrig,  als  sich  mit  dem  Meatus  auditorius  externus  zu  begnügen. 

In  einer  Beziehung  habe  ich  gegen  meine  früheren  Methoden  eine  erhebliche  C'oncession 
gemacht.  Ich  ging  ursprünglich  davon  aus,  überall  möglich  bestimmte  anatomische  Punkte 
als  Grenzen  der  Messung  festzuhalten,  wie  es  nachher  vorzüglich  Welcker  gethan  hat.  Aher 
ich  erkenne  an,  dass  es  ethnologisch  oft  sehr  wichtig  ist,  eine  mehr  künstlerische  Be- 
trachtung zu  wählen  und  dio  hervorragenden  Stellen  ohne  Rücksicht  auf  die  anatomische 
Grundlage  als  Messpunkte  zu  nehmen.  Dies  gilt  namentlich  für  dio  so  wichtig  gewordenen 
Verhältnisse  von  Länge,  Höhe  und  Breite.  Trotzdem  beharre  ich  bei  der  Meinung,  dass  diese 
mehr  plastische  Betrachtung  nicht  ausreicht,  und  dass  sie  erst  durch  die  genetische  Erklä- 
rung wahren  Werth  gewinnt. 

Ich  bemerke  ausdrücklich,  dass  ich  die  gegenwärtig  von  mir  gelieferten  Tabellen  nicht 
als  Muster  betrachte.  Ein  gewisser  Mangel  an  Vorbereitung  und  die  schon  geschilderten 
bedrängten  Verhältnisse  dea  Ortes  erklären  diese  Verwahrung  hinlänglich.  Aber  für  spätere 
Vergleichungen  werden  sie  trotzdem  hoffentlich  sich  als  nützlich  erweisen.  Als  besondere 
wichtig  möchte  ich  namentlich  die  Messungen  der  Breite  der  Nasenwurzel  und  diejeni- 
gen des  Unterkiefers  betrachten,  welche  für  die  Charakteristik  des  Gesichts  von  bestim- 
mendem Werthe  sind. 

Ich  gehe  nun  kurz  zu  einer  Besprechung  der  einzelnen  Maas.se  über; 

1)  Der  grösste  Horizontalumfang  des  Schädels  ist  stets  mit  einem  Bandinaasse  genom- 
men und  zwar  in  der  Art,  dass  nicht  bestimmte,  für  jeden  Schädel  wiederkehrende  Mcss- 
punkte  gewählt,  sondern  jedesmal  der  wirklich  grösste  Umfang  aufgesucht  wurde.  Im  All- 
gemeinen traf  das  Bandmaass  vom  den  untern  Tlieil  des  Stirnbeins  Uber  den  Orbital  rändern, 
hinten  dio  Protubcrantia  occipitalis  externa. 

2)  Dio  grösste  Höhe  des  Schädels  wurde  (ebenso  wie  die  Maassc  3,  11,  12,  14)  bei 
den  ersten  sechs  Schädeln  von  Borreby  mit  einem  Schiebeinstrument  von  Busk  gemessen, 
welches  mir  Herr  v.  Düben  geliehen  batte.  Später  stellte  ich  mir  mit  Hülfe  dos  Herrn 
Panum  eine  analoge  Einrichtung  her,  in  der  Art  , dass  an  einem  horizontalen  Metallstabe, 
der  an  dem  einen  Endo  einen  senkrechten,  feststehenden  Arm  trug,  an  dem  andern  ein 
gleichfalls  senkrechter,  jedoch  verschiebbarer  Ami  angebracht  wurde.  Als  Endpunkte  für  das 
Höhenmaass  wurden  der  vordere  Rand  des  Foramen  magnuin  und  die  höchste  Stelle  des  Schä- 
dels gewählt.  Ich  ziehe  diese  Punkte,  obwohl  sie  keine  Anwendung  für  den  Lebenden  ge- 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen.  59 

statten,  denen  von  v.  Baer  und  His  gewählten  vor,  weil  sie  eine  nicht  bloss  künstlerische 
Bedeutung  haben. 

3)  Die  grösste  Länge  des  Schädels  wurde  anfangs  (vgl.  zu  ‘2)  mit  dem  Busk’schen  In- 
strument, später  mit  dem  Tasterzirkel  gemessen.  Die  Mitte  des  untern  Stirnrandes  und  die 
stärkste  Hervorwölbung  des  Hinterhauptes,  beziehungsweise  (jedoch  nicht  immer)  die  Protu- 
berantia  occipitalis  externa,  stellen  die  Endpunkte  der  Linie  dar.  Wo  eine  besonders  starke 
Entwickelung  der  Supraorbital-Höcker  bestand,  ist  in  Klammern  ein  zweites  kleineres  Maas« 
angegeben,  welches  oberhalb  derselben  genommen  ist, 

4 — 6)  Die  Sagittal-Durchmesser  der  Schädeldachknochen  wurden  mit  dem  Bandmaasse 
zuerst  einzeln  und  dann  zusammen  gemessen.  So  einfach  diese  Ojreration  erscheint,  so 
schwierig  erweist  sie  sich  doch.  In  der  Mehrzahl  der  Falle  stimmte  die  Summe  der  gefun- 
denen Einzelmaaase  nicht  mit  der  durch  directe  Messung  gefundenen  Länge  des  Oosammt- 
maasses  (Schädeldach-  oder  Scheitelbogens).  Es  erklärt  sich  dies  aus  der  grossen  Unsicher- 
heit für  die  Bestimmung  der  Endpunkte  der  einzelnen  Knochen,  welche  durch  das  Ineinander- 
greifen der  Nahtzacken,  durch  theilweisc  Verknöcherung  der  Nähte,  durch  Einschiebung  von 
Naht-  und  Fontaneliknochen  bedingt  wird.  Selbst  das  Anzoiohnen  einer  Bleistiftlinie  an 
den  schliesslich  oft  sehr  willkürlich  gewählten  Endpunkten  hilft  nicht  durchweg,  weil  ein 
anderer  Umstand  störend  eintritt.  Das  Bandrnaass  legt  sich  nämlich  bei  dem  Messen  der 
einzelnen  Knochen  (Stirn-  Scheitel-,  Hinterhauptsbein)  inniger  der  Knochenoberfläche  an, 
es  folgt  genauer  jedem  Vorsprunge  und  jeder  Vertiefung,  während  bei  der  Messung  des  gan- 
zen Scheitelbogens  es  sich  leichter  über  die  Unebenheiten  hinwegspannt  und  daher  in  der  Regel 
kürzer  ausfällt.  Ich  habe  deswegen  gerade  diese  Messungen  stets  mehrmals  wiederholt  und 
darnach  Oorrecturen  eintreten  lassen ; nie  ist  das  Gesammtmaass  durch  blosse  Addition  be- 
rechnet, sondern  stets  ist  es  wirklich  gemessen.  Einige  Mal  ist  es  trotz  wiederholter  Mes- 
sungen nicht  gelungen,  eine  ganz  vollständige  Uobercinstimmung  herbeizuführen. 

7 — 8)  Entfernung  des  Meatus  auditorius  externus  von  der  Nasenwurzel  und  dem  Kinn. 
Das  eine  Ende  eines  Tasterzirkels  wurde  in  den  äussern  Gehörgang  und  zwar  an  den  vor- 
dem Umfang  desselben,  das  andere  an  die  Sutura  naso  frontalis,  beziehungsweise  an  die 
Mitte  des  Unterkiefers,  etwas  oberhalb  des  untern  Randes,  angesetzt 

9 — 10)  Entfernung  des  Foramen  magnum  occipitalc  von  der  Nasenwurzel  und  der  Spina 
nasalis  anterior.  Der  eine  Arm  des  Tasterzirkels  wurde  an  den  vordem  Umfang  des  Fora- 
men occipitale,  der  andere  an  die  Sutura  naso-frontalis,  lieziehungsweise  dicht  unter  die  In- 
sertionsstellc  der  Spina  nasalis  anterior  angesetzt. 

1 1 ) Entfernung  des  Foramen  magnum  occipitale  von  der  Protuberantia  occipitalis 
externa,  beziehungsweise  der  stärksten  Hervorwölbung  der  Qinterhanptssehuppe.  Diese  Entfer- 
nung. oder,  genauer  gesagt,  die  Länge  des  Hinterhauptes  wurde  mit  dem  oben  unter  2)  ge- 
schilderten Werkzeuge  in  dorArt  gemessen,  dass  die  feststehende  Branche  in  das  Hinterhaupts- 
loch eingeführt,  die  bewegliche  gegen  die  Wölbung  der  Stpiama  occipitalis  angedrückt  wurde. 
Der  horizontale  Stab  des  Instruments  wurde  möglichst  der  Horizontalaxe  der  Condyli  occi- 
pitales  artic.  (Proc.  condyloides)  parallel  gestellt.  Indcas  bemerke  ich,  dass  diese  Messung 
zu  manchen  Bedenken  Veranlassung  giebt,  da  sic  mehr,  als  jede  andere , zu  willkürlichen 
Aenderungeii  in  der  Anlegung  der  einzelnen  Abschnitte  dos  Instruments  Gelegenheit  bietet. 

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Rud.  Virchow, 


12)  Grösste  Breite  des  Schädels,  zuerst  mit  dem  Instrument  von  Busk,  später  mit  dem 
Tasterzirkel  gemessen.  Zuweilen  entspricht  das  Maass  der  Entfernung  der  Tubera  parieta- 
lia  von  einander;  meist  liegen  jedoch  die  Ansatzpunkte  tiefer.  Jedenfalls  ist  immer  der 
grösste  Parietal-Durchmesser  gemeint.  Bei  den  Racenschädeln  ist  jedesmal  die  Entfernung 
der  Tubera  parietalia  besonders  gemessen  und  in  Klammern  angemerkt  worden ; daneben 
ist  die  grösste  Entfernung  der  seitlichen  Wölbung  der  Scheitelbeine  hinzugefügt.  Diese 
Maasse  entsprechen  dem,  was  ich  früher  (Gesammelte  Abhand!  S.  916)  den  oberen  und 
unteren  Parietal-Durchmesser  genannt  habe. 

13)  Temporal- Durchmesser,  mit  dem  Tasterzirkel  an  der  Sutura  spheno-parietalis  und 
zwar  an  der  hinteren  Ecke  an  der  Schläfenschuppe  gemessen. 

14)  Mastoidal-Durchmesser.  Während  der  früher  (Gesammelte  Abhandl.  S.  916)  von  mir 
vorgeschlagene  Punkt,  „die  Mitte  der  unteren  Fläche  oder  die  Spitze  der  Zitzenfortsätze“, 
von  «len  meisten  der  späteren  Scbädelmesser  angenommen  worden  ist,  so  bin  ich  hier  inso- 
fern abgewichen,  als  ich  die  Ansatzstelle  des  Proc.  mastoides  gewählt  habe.  Für  die  Gestal- 
tung des  Kopfes  ist  diese  Stelle  von  grösserer  Bedeutung  als  die  erstere,  welche  sogar 
wesentlich  von  der  bald  mehr  senkrechten,  bald  mehr  schrägen  Richtung  des  Fortsatzes  ab- 
hängig ist.  Durchschnittlich  fällt  das  Maass  nach  dieser  Methode  etwas  grösser  ans.  Ge- 
wöhnlich wurde  mit  dem  Tasterzirkel  gemessen  und  die  Branchen  äusserlich  auf  die  Wur- 
zel des  Knochenfortsatzes  aufgesetzt. 

15)  Jugal-Durchmesscr  (Wan  gen  breite),  von  dem  am  meisten  hervortrotenden  Punkte  des 
einen  Jochbeins  zum  anderen  mit  dem  Tasterzirkel  gemessen. 

16)  Maxillar-Durchmesser  (Oberkieferbreite).  Hier  wurden  die  Branchen  des  Instruments 
über  dem  4.  Backenzahn  jederseits,  also  unterhalb  der  Wurzel  des  Proc.  zygomaticus  angesetzt. 

17)  Grösste  Breite  der  Nasenwurzel,  gemessen  mit  dem  Tasterzirkel,  dessen  Branchen 
etwas  unter  der  Sutnra  naso-frontalis  jederseits  an  die  äussere  Seite  der  Spitze  des  Proc. 
frontalis  des  Oberkiefers  angesetzt  wurden.  Dieses  wichtige  Maass  entspricht  beim  Leben- 
den nahezu  der  Entfernung  der  inneren  Augenwinkel  von  einander. 

18)  Unterer  Umfang  des  Unterkiefers,  mit  dem  Bandmaasse  gemessen  von  einem  Win- 
kel zum  anderen. 

19)  Mediane  Höhe  des  Unterkiefers,  mit  dem  Tasterzirkel  von  dem  unteren  Rande  des 
Kiefers  bis  zum  oberen  Rande  des  Alveolarfortsatzes,  die  Zähne  nicht  mitgercchnet,  gemessen. 
Dies  Maass  ist  wegen  der  verschiedenen  Altersentwickelung  des  Alvoolarfortsatzes  etwas  un- 
sicher, indess  doch  nicht  zu  unterschätzen. 

20)  Höho  des  Kieferastes,  vielleicht  genauer  Länge  desselben,  mit  dem  Tasterzirkel  ge- 
messen, dessen  eine  Branche  auf  die  Gelenkfläche,  die  andere  auf  den  hinteren  Umfang  des 
Kieferwinkels  gesetzt  wurde 

21)  Entfernung  (Abstand)  dor  Unterkieferwinkel  von  einander. 

22)  Gesichtswinkel.  Vielleicht  hätte  ich  diese  Rubrik  ganz  unterdrücken  sollen,  denn 
sie  bietet  die  geringste  Bürgschaft  der  Zuverlässigkeit.  Es  fehlte  mir  hier  ein  direct  anzu- 
wendendes  Instrument,  und  ich  musste  mich  daher  mit  einein  gewöhnlichen  Winkeimaass  be- 
gnügen , an  dem  ich  durch  Visiren  die  Einstellung  zu  machen  suchte.  Als  Maass  nahm  ich 
den  modificirten  Campor’schen  Gesichtswinkel,  indem  ich  nicht  die  Stirn-,  sondern  die  Nasen- 


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Die  altnordischen  Schädel  zn  Kopenhagen.  CI 

wur»‘l  als  Ansatz  das  ersten  Schenkels  nahm;  der  zweite  Schenkel  wurde  durch  den 
äusseren  Gehörgang  gelegt,  und  der  Winkel  an  der  Spina  nasalis  anterior  abgelesen.  Ich  gebe 
die  Zahlen  unter  aller  Reservation. 

23)  An  einer  kleineren  Zahl  von  Schädeln,  namentlich  bei  den  grönländischen  und  finni- 
schen, habe  ich  auch  die  Entfernung  der  beiden  Plana  scmicircularia  (temporalia)  von  ein- 
ander bestimmt.  Ich  wurde  dazu  veranlasst  durch  die  Wahrnehmung,  dass  die  obere  Grenze 
dieser  Fläche,  welche  durch  die  Linea  semicircularis  bezeichnet  wird,  sich  bei  einigen  dieser 
Stämme  ganz  ungewöhnlich  weit  heraufschiebt.  Die  grösste  Annäherung  beider  Lineaesemicir- 
culares  an  einander  wurde  mit  dem  Baudmaas.se  gemessen. 

Ditf  Ergebnisse  aller  dieser  Messungen , bei  deren  Aufzeichnung  mir  die  Herren  Stud. 
Salomonsohn  und  Krohn  mit  grösster  Hingebung  hülfreich  waren,  finden  sich  in  den  bei- 
gegebenen sieben  Tabellen  zusammengestellt.  Ueborall  ist  der  Centimeter  als  Einheit  ge- 
braucht. Die  orsten  fünf  Tabellen  enthalten  die  einzelnen  Messungen , und  zwar  die  ersten 
drei  für  die  Schädel  der  Steinzeit,  die  vierte  für  die  Schädel  des  Bronze-  und  Eisenalters, 
die  fünfte  für  die  Racenschiidel. 

In  der  sechsten  und  siebenten  Tabelle  sind  sodann  die  berechneten  Mittelzahlen  zusam- 
mengestellt  und  zwar  zunächst  auf  der  sechsten  für  die  Schädel  der  Steinzeit  nach  den  ein- 
zelnen Fundorten,  auf  der  siebenten  für  sämmtliche  Schädel  nach  den  grossen  Kategorien  der 
prähistorischen  Perioden  und  der  jetzigen  Racen.  Für  die  Borreby-Sehädel  ist  das  Längen- 
manss  nach  den  kleineren  Zahlen  berechnet,  welche  in  Klammern  stehen,  da  es  ungerechtfer- 
tigt schien,  die  grösseren,  nur  durch  die  starke  Entwickelung  der  Supraorbitalbogen  be- 
dingten Maasse  in  Rechnung  zu  ziehen.  Für  die  finnischen  Schädel  sind  bei  der  Breite  um- 
gekehrt die  grösseren  Zahlen  genommen,  welche  dem  untern  Parietal-Durchmesser  entsprechen. 

Sowohl  auf  der  sechsten  als  siebenten  Tabelle  sind  die  kindlichen  und  jugendlichen 
Schädel,  im  Ganzen  sieben,  ausgescliieden,  so  daas  hier  in  Berechnung  gezogen  sind: 

41  Schädel  der  Steinzeit, 

3 „ „ Bronzezeit, 

. 5 „ „ Eisenzeit, 

6 „ von  Lappen, 

5 „ „ Grönländern. 

3 „ „ Finnen. 

Bei  den  Lappen  ist  überdies  eine  doppelte  Berechnung  angestellt,  weil  der  Schädel 
Nr.  58  so  ungewöhnliche  Grössenverhältnisso  darbietet,  dass  es  fraglich  erscheint,  ob  er  noch 
als  normaler  anzuselien  ist  oder  ob  eine  hydrocephalische  Vergrösserung  stattgefunden  hat. 

Dagegen  habe  ich  mich  nicht  für  berechtigt  gehalten,  diejenigen  Schädel  auszuschliessen, 
welche  ich  für  weibliche  zu  halten  Veranlassung  hatte.  Ich  fühle  mich  nicht  im  Stande, 
überall  mit  Bestimmtheit  die  Grenzen  zwischen  männlichen  und  weiblichen  Schädeln  zu  zie- 
hen und  ich  habe  daher  lieber  auf  eine  solche  Unterscheidung  verzichtet,  um  nicht  willkür- 
liche und  daher  zweifelhafte  Trennungen  zu  machen.  Indess  muss  ich  doch  darauf  aufmerk- 
sam machen,  daas  die  berechneten  Mittelzahlen  gerade  für  einzelne  Rubriken  dadurch 
wahrscheinlich  ein  falsches  Bild  gewähren.  Am  meisten  gilt  dies  für  die  Schädel  der 
Bronzezeit.  Von  den  drei  überhaupt  nur  vorhandenon  sind  wahrscheinlich  zwei  weibliche,  und 


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62 


Rud.  Virchow, 


der  dritte  ist  so  defect,  dass  nur  wenige  Maassc  an  ihm  genommen  werden  konnten.  Diese 
sind  aiier  durchweg  ungleich  grösser,  als  die  der  beiden  anderen  Schädel,  und  es  muss  da- 
her wohl  angenommen  werden,  dass  die  berechneten  Mittel  zu  klein  sind.  — Gerade  umge- 
kehrt sind  die  drei  Finnenschädel  gämmtlich  männliche  und  sie  gehörten  offenbar  recht  kräf- 
tigen Individuen  an.  Sowohl  die  einzelnen  Zahlen,  als  die  Mittel  sind  daher  wohl  etwas 
grösser,  als  der  Durchschnitt  aus  einer  reicheren  Anzahl  männlicher  und  weiblicher  Schädel 
ergeben  würde. 

Auch  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  die  Mittelzahlen  für  die  einzelnen  Grupjien  von 
Schädeln  bei  den  verschiedenen  Maassstcllon  derselben  Kategorie  aus  ganz  verschiedenen 
Summen  berechnet  sind.  Viele  Schädel  hatten  keinen  Unterkiefer;  andere  waren  Bi  ande- 
ren Stücken  defect  Bei  den  Schädeln  von  Borreby  ist  die  Länge  aus  25,  die  Höhe  und 
Breite  aus  24,  der  Jugaldurchmcsscr  aus  18,  der  Umfang  des  Unterkiefers  aus  13  Schädeln 
berechnet.  Hätte  ich  alle  dofecten  Schädel  Ausscheiden  wollen,  so  wäre  ein  sehr  wcrthvolles 
Material  unbenutzt  geblieben.  Eine  absolute  Bedeutung  haben  ja  die  Mittelzahlcn  an  sich 
nicht;  ihr  relativer  Werth  wird  nur  massig  beeinträchtigt  durch  das  eingeschlagene  Verfahren, 
und  für  diejenigen,  welche  weiter  eindringen  wollen,  bieten  die  ausführlichen  Tabellen  I 
bis  V alle  Gelegenheit  zu  Correcturen. 

Für  uns  hat  den  Hauptwerth  die  schliessliche  Feststellung  der  Verhältuisszahlen,  wie  sie 
aus  der  siebenten  Tabelle  für  die  Hauptdimensionen  sämmtlicber  Schädel  berechnet  sind. 
Die  nachstehende  Tabelle  A.  mag  dies  sofort  anschaulich  machen: 


Tabelle  A, 


Lappen 

Grön- 

länder. 

Verhalte  in  der 

ohne 

Nr.  68. 

mit 

1 Nro.  58. 

Finnen. 

Hohe  zur  Länge  .... 

77,9  j 

71, J ! 

| 

09,4 

72,3 

75,1 

76j0 

74,0 

73,2 

Breite  zur  Länge  . . . 

77,» 

00,'. 

05.5  I 

09,1 

83,2 

86,1 

71,8 

80,3 

Hinterhauptidängc  zur 
Lange  

32,0 

27,5 

31,5  | 

32,9  # 

30,0 

80,2 

32,4 

32,7 

Höhe  zur  Breite  .... 

100,7 

107,1 

106.0 

104,6 

90,2 

69,2 

103,0 

91,1 

Entfernung  der  .Spina  ua- 
sali*  vom  Kommen  oe-  | 
cipitale  zur  Entfernung 
der  Nasenwurzel  von 
demselben 

93,0 

92,4 

(16,2 

92,3 

93,0 

93,8 

94,0 

90,3 

Es  ergiebt  sich  daraus  auf  den  ersten  Blick,  dass  keine  der  Gruppen  der  anderen  ähnlich 
ist.  Jede  hat  ihre  Maxima  und  Minima  an  anderen  Stellen,  als  die  andere.  Was  insbesondere 
die  uns  vorwiegend  beschäftigenden  Schädel  der  Steinzeit  betrifft,  so  unterscheiden  sie  sich 
Bowohl  von  den  Lappen-  und  Finnen-Schiulcln , als  auch  von  denen  der  Eskimos  in  höchst 
auffälliger  Weise.  Ja,  man  könnte  eher  die  Lappen  und  Finnen  identificiren , woran  doch 
Niemand  denken  wird,  als  etwa  die  altnordischen  Schädel  für  lappische  oder  finnische  erklären. 


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Die  altnordischen  Schiidel  zu  Kopenhagen.  ti3 

Aach  der  Einwand  trifft  nicht  zu,  dass  durch  die  Vereinigung  säinmtlicber  Schädel  der 
Steinzeit  etwa  unzusammenhängende  Gruppen  zusammengeworfen  seien  und  dadurch  ein  fal- 
sch»« Bild  entstehe.  Allerdings  bioton  die  einzelnen,  je  einer  Localität  angehörenden  Grup- 
|>en  unter  einander  nicht  unerhebliche  Verschiedenheiten  dar,  welche  sich  in  den  grossen 
Mittelzahlen  der  Gesammtsumme  nicht  wieder  erkennen  lassen,  allein  keine  dieser  Special- 
gruppen  schliesst  sich  deshalb  mehr  an  eine  der  jetzigen  Hacen  an.  Ich  fuge  zum  Beweise 
eine  Zusammenstellung  der  wichtigsten  Localgnippen  an: 

Tabelle  B. 


Borreby. 

i 

1 SkovB- 
•~4 

Nies. 

Udby. 

Stege. 

Höhe  : Länge  

77,9 

"7,2 

78,1 

77,6 

75.9 

Breite  : Länge  

79,0 

76,2 

75,4 

78.2 

75,9 

Hinterhauptalänge  : Länge  .... 

31,4 

85,9 

90,0 

28,4 

31,8 

Höhe  : Breite 

98,6 

101,3 

103,6 

99,2 

100,0 

Entfernung  der  .Spin»  nasalis  vom 
Formen  magnum  : Entfernung 
der  Nasenwurzel  von  demselben 

91,1 

91,0 

93,2 

101.0  j 

95.8 

Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  ist  hier  die  letzte  Horizontalspalte , welche  ein  von 
mir  hier  zum  ersten  Mal  eingeführtes  Verhältniss  erläutert.  Während  nämlich  die  vier 
ersten  Horizontalspalten,  welche  auch  sonst  viel  angewendet  sind,  sich  »lurchweg  nur  auf 
den  Schädel  beziehen  und  die  Verhältnisse  der  Dolichocephalie,  Brachycephalie  u.  s.  w.  er- 
läutern, lässt  die  fünfte  Horizontalspalte  zugleich  die  Stellung  des  Oberkiefers  zur  Schädel- 
basis (letztere  = 100  gesetzt)  erkennen,  stellt  also  zahlenmässig  Prognathismus,  Orthogna- 
thisrnus  u.  s.  w.  dar,  soweit  sich  ein  solcher  an  der  Wurzel  der  Spina  nasalis  anterior  und 
am  Ansatz  des  Alveolarfortsatzcs  erkennen  lässt.  Von  der  weiteren  Prominenz  der  Alveo- 
larfortsätze und  der  Zähne  selbst,  welche  eigentlich  erst  den  Prognathismus  vollenden,  sehe 
ich  hier  ab;  sonst  müssten  die  Zahlen  weit  grösser  ausfallen.  Bei  den  Eskimos  erreicht  »1er 
Überkieferindex  (so  will  ich  der  Kürze  wegen  die  berechnete  Zahl  nennen)  im  Mittel  94; 
bei  den  Gräberschädeln  von  Stege  erreicht  er  fast  96,  bei  denen  von  Udby  sogar  101.  Nun 
sind  dies  gerade  Schädel  von  der  Insel  Möen,  aus  deren  Gräbern  Nilsson  lappenälmliche 
Köpfe  beschreibt,  während  unsere  Tabellen  ergeben,  dass  sie  weder  in  diesem,  noch  in  irgend 
einem  andern  Punkte  den  Lap|ien  ähnlich  sin»L  Scheidet  man  aber  die  Schädel  von  Möen 
ab,  so  gewinnt  man  für  die  Schädel  von  Borreby  und  Skovsgaard,  den  beiden  wichtigsten 
Fundstellen,  einen  sehr  kleinen  Oberkieferindex. 

Betrachtet  man  das  Schiidelverhältnias,  so  zeigen  die  Tabellen  deutlich,  dass  »lie  Lap- 
pen und  Pinnen  brachycephal,  die  Grönländer  dolichocephal,  die  Stämme  der 
Steinzeit  meso-  oder  orthooephal  mit  grösserer  Hinneigung  zur  Brachycepalie, 
dagegen  die  Schädel  der  Bronze-  und  Eisenzeit  dolichocephal  mit  grösserer  Hin- 


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«4 


llud.  Virchow, 


neigung  zur  Hy psocephalie  sind.  Gerade  die  letzteren  stehen  demnach  den  Grönlän- 
dern ')  cr&niologisch  näher,  als  die  Schädel  der  Steinzeit,  ja  sie  unterscheiden  sich  von  letzteren 
mehr,  als  von  den  erstercn.  Indess  geben  der  Höhen-  und  Breitenindex  doch  so  scharfe 
Unterschiede  zwischen  den  Gräber-  und  Racenschädeln.  dass  es  genügt  darauf  hinzuweisen. 
Wenn  sich  umgekehrt  die  Schädel  der  Steinzeit  der  Brachycephalie  und  damit  den  Lappen 
und  Finnen  nähern,  so  gilt  auch  hier  dasselbe,  wie  vorher:  Höhen-  und  Breitenindex  und 
überdies  das  Verhältniss  von  Höhe  und  Breite  sind  so  verschieden,  dass  keine  Möglichkeit 
einer  Vereinigung  oder  auch  nur  Verwandtschaft  vorhanden  ist.  Am  aulHilligsten  ist  dies 
bei  den  Lappen;  die  Finnen  nähern  sich  den  Schädeln  der  Steinzeit  ungleich  mehr  und  im 
einzelnen  Falle  möchte  es  nicht  immer  leicht  sein,  einen  Unterschied  sicher  auizutinden.  Dio 
Gruppen  aber  trennen  sich  sehr  scharf  und  ich  möchte  auch  hier  gerade  das  Verhältniss  der 
Breite  zur  Höhe  hervorheben. 

Ganz  besonders  zu  bedauern  ist  es,  dass  für  die  Bronze-  und  Eisenzeit  keine  grösseren 
Sammlungen  von  Schädeln  zur  Verfügung  standen  und  dass,  wie  schon  erwähnt,  unter  den 
Bronzeschädeln  die  weiblichen  so  sehr  vorwiegen.  Immerhin  ist  es  höchst  merkwürdig,  dass 
die  Schädel  der  Bronze-  und  Eisenzeit  unter  sich  eine  weit  grössere  Aehnlich- 
keit  haben,  als  mit  irgend  einer  der  anderen  grösseren  Gruppen,  und  dass  auch 
von  allen  Localgruppen  der  Steinzeit  nur  einzelne  sich  ihnen  nähern.  Dahin  ge- 
hören, wie  später  genauer  dargelegt  werden  wird,  die  Schädol  von  Borre,  Frelsvig,  Naes 
(Nr.  30  bis  31)  und  Skovsgaard;  au  letzterm  Orte  wurde  überdies  Bronze  gefunden.  Es 
scheint  durch  diese  Erfahrung  der  Ansicht  Vorschub  geleistet  zu  werden,  nach  welcher  die 
Kenntniss  der  Metallverarbeitung  durch  eine  neue  Einwanderung  eingeführt  worden  ist 

Die  weiteren  Bemerkungen  werden  sich  am  passendsten  an  eine  Betrachtung  der  ein- 
zelnen Ländergruppen  anknüpfen  lassen.  Ich  stelle  an  die  Spitze: 


I.  Die  Schädel  der  Steinzeit. 

Vorweg  bemerke  ich,  dass  bis  jetzt  in  den  Kjökkenmöddinger  keine  Schädel  gefunden 
sind.  Alle  hier  in  Betracht  gezogenen  Schädel  stammen  aus  Gräbern,  in  denen  polirtes 
Steingeräth  niedergelegt  war. 


A.  Gräber  der  Insel  Seeland. 

1)  Borreby,  Soroe  Amt,  im  südwestlichen  Seeland,  ist  die  weitaus  interessanteste  Fund- 
stelle, weil  hier  in  einem  Grabhügel  eine  ganze  Masse  menschlicher  Skelete  aufgefunden  wurde, 
so  dass  (ausser  manchen  anderen  defecten  Stücken)  in  unserer  ersten  Tabelle  25  Schä- 
del von  da  aufgeführt  werden  konnten.  In  der  kurzen  Beschreibung  von  C.  Engelhardt 
(Guide  illuströ  du  Musde  des  antiquitüs  du  Nord  ä Copenhague.  13G8.  p.  6)  heisst  es  davon: 

1)  Dasselbe  gilt  von  der  von  II  i b unter  dem  Namen  des  llohburgs-  oder  römischen  Typus  beschriebenen 
Form  der  altachweizerischco  Schädel,  für  welche  er  im  Mittel  findet:  Höhe  : I,änge  = 78,3,  Breite  : Länge 
— 70,7,  Iiöho  : Breite  = 103,0 


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«5 


Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 

„Das  ganze  Grab  war  angefüllt  mit  den  Skeleten  von  Männern , Frauen  und  Kindern, 
mehr  als  SO  an  der  Zahl.  Noch  tiefer,  etwa  in  der  Mitte  des  Grabes,  fand  man  halb  ver- 
brannte und  gespaltene  Menschenknochen  zwischen  den  übrigen , welche  nicht  die  mindeste 
Spur  von  Anbrennung  zeigten,  zerstreut.  Im  Grunde  lag  eine  Anzahl  gebrannter  Menschen- 
knochen und  die  Ueberresto  eines  Rehs  auf  platten  calcinirten  Steinen  ausgebreitet  und  noch 
mit  Asche  und  Kohlen  bedeckt  Es  ist  daher  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Einweihung 
des  Grabes  zu  einer  Festlichkeit  Anlass  gegeben  hat,  bei  welcher  man  den  Göttern  geopfert 
und  zum  Theil  gegessen  haben  mag  nicht  nur  Rothwild,  sondern  auch  Menschenopfer.“  Auch 
Herr  Worsaae  führte  bei  Gelegenheit  der  Debatten  des  internationalen  Congresses  diesen 
Fund  als  Beweis  der  Anthropophagie  der  altnordischen  Stämme  an  und  erwähnte  besonders, 
eB  sei  die  Masse  der  Skelete  so  dicht  in  einem  mit  einem  grossen  Steine  bedeckten  Raume 
eingeschlossen  gewesen,  dass  nicht  wohl  zu  begreifen  sei,  wie  eine  so  grosse  Zahl  von  mensch- 
lichen Körpern  darin  hätte  Platz  finden  können , wenn  sie  noch  mit  dem  Fleische  bekleidet 
gewesen  wären.  Madsen  (Antiquitös  prdhistoriques  du  Dänemark.  Copenh.  1869,  p.  15, 
PL  XVII  — XVIII)  bildet  die  in  dem  Grabe  gefundenen  Kunstgegenstände  aus  Knochen, 
Feuerstein  und  Thon  ab  und  berichtet  zugleich,  dass  es  sich  um  ein  grosses  Ganggrab  han- 
delte, dessen  Steinkammer  5 Meter  lang,  1 Meter  breit  und  1,60  Meter  hoch  war.  Er  spricht 
nur  von  50  Individuen,  von  denen  sehr  wenige  der  Länge  nach  begraben  waren;  die  meisten 
seien  sitzend  oder  kauernd  bestattet,  da  die  Schädel  zwischen  den  Schenkel-  und  Fusskno- 
chen  lagen.  In  der  Augenhöhle  eines  der  Schädel  steckte  noch  ein  abgebrochener  FouersteinpfeiL 

Ich  habe  diese  Nachrichten  besonders  deshalb  angeführt,  weil  dadurch  die  Frage  ent- 
steht, ob  die  aufgefundenen  und  namentlich  die  aufbewahrten  Schädel  wirklich  der  alten  Be- 
völkerung Seelands  oder  nicht  vielleicht  Kriegsgefangenen  von  ausserhalb  gehört  haben. 
Unter  den  gemessenen  25  Schädeln  befindet  sich  ein  kindlicher  (Nr.  6),  2 jugendliche  (Nr. 
14  und  19),  5 wahrscheinlich  weibliche  (Nr.  17,  18,  20,  21,  23).  Einer  der  letzteren  (Nr.  18), 
sowie  mehrere  der  männlichen  Schädel  (Nr.  9,  24,  vielleicht  2)  zeigen  starke  Spuren  von 
Brand.  Einer  (Nr.  3)  hat  eine  alte  geheilte  Verletzung  an  der  Stirn.  Einer  (Nr.  1),  der 
gleichfalls  sehr  gelb  aussieht,  wurdo  ausserhalb  der  Steinkammer  gefunden.  An  sich  passt 
das  wohl  auf  Kriegsgefangene,  die  man  opferte,  indesa  folgt  daraus  noch  nicht  ohne  Wei- 
teres, dass  dieselben  von  weither  ins  Land  geschleppt  waren.  Bei  dem  damaligen  Zustande 
der  Schifffahrt  war  es  wohl  kaum  möglich,  80  Gefangene  von  weither  zu  transportiren ; wa- 
ren diese  aber  von  derselben  Insel  oder  einer  der  benachbarten , so  gehörten  sie  wohl  auch 
zu  einem  verwandten  Stamme.  Jedenfalls  waren  sie  weder  Lappen  noch  Finnen. 

Unsere  Tabelle  I.  zeigt,  dass  auch  unter  den  männlichen  Schädeln  gewisse  Unterschiede 
sind,  indem  einzelne  schmälere  und  längere,  andere  dagegen  breitere  und  kürzere  Formen 
vertreten.  Letztere  machten  im  Ganzen  auch  den  Eindruck  grösserer  Stärke  der  Entwicke- 
lung. Gewöhnlich  zeichneten  sie  sich  aas  durch  ein  flacheres  und  breiteres  Hinterhaupt  mit 
sehr  grosser  und  hoher  Squarna  occipitalis,  durch  grössere  Höhe  überhaupt  und  dem  ent- 
sprechend durch  einen  beträchtlichen  Scheitelbogen  (Schädeldachbogen);  alle  Breitendurch- 
messer, besonders  der  temporale  und  mastoidale , jedoch  auch  die  facialen  und  submaxilla- 
ren  waren  gross;  ganz  besonders  auffallend  waren  jedoch  die  Superciliarbogen,  welche  stel- 
lenweise zu  wahren  Höckern  ausgebildet  waren  und  den  Schädeln  einen  Ausdruck  von  Wild- 

Archiv  fdi  Anthropologie,  Bi  IV,  Heft  I.  9 


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66 


Rud.  Virchow, 

heit  verleihen,  der  ihnen  eine  ungewöhnliche  Aehnlichkeit  mit  den  Schädeln  der  jetzigen 
Australier  verschafft.  In  mehreren  Fällen  (Nr.  2,  3,  5,  8,  14)  stellten  sich  diese  Zustände  als 
wirkliche  Hyperostosen  von  jedoch  sehr  poröser  (gefässrcicher)  Beschaffenheit  und  unregel- 
mässig hügeliger  Oberfläche  dar.  Nicht  immer  beschränkte  sich  die  Hyperostose  auf  den 
Superciliarrand,  sondern  sie  dehnte  sich  selbst  auf  den  ganzen  Orbitalumfang  aus  (Nr.  2). 
Durch  die  Grösse  der  Auflagerung  geschah  es,  dass  der  Superciliarrand  sich  verlängerte  und 
dachförmig  vorschob,  ja  dass  die  Incisura  supraorbitalis  sich  in  einen  wirklichen  Kanal  ver- 
wandelte (Nr.  6).  Die  Häufigkeit  gleichzeitiger  partieller  Synostosen  und  das  zweimalige 
Vorkommen  stärkerer  Exostosen  (Tubercula)  am  vordem  Umfange  des  Foramen  occipitale 
scheinen  dafür  zu  sprechen,  dass  auch  die  superciliare  Hyperostose  etwas  Pathologisches  an 
sich  hat. 

Der  Oberkiefer  zeigte  zuweilen  eine  geringe  Neigung  zum  Prognathismus,  doch  trat 
dies  in  der  ganzen  Masse  weit  in  den  Hintergrund.  Der  mächtige  Unterkiefer  hatte  meist 
ein  etwas  vorspringendes,  öfters  dreieckiges  Kinn,  zuweilen  eine  im  Ganzen  etwas  vorragende 
Symphyse.  Niemals  theilte  sich  jedoch  der  Prognathismus  den  Zähnen  mit. 

Die  Borreby-Schädel  sind  daher  als  schwach  zur  Brachycephalie  neigende 
mesocephale  und  orthognathe  zu  betrachten.  Die  Abbildungen  und  Beschreibungen 
von  Busk,  welche  Vogt  (a  a O.  S.  118,  Fig.  99  bis  100)  mittheilt,  treffen  nicht  vollstän- 
dig zu.  Wenn  Busk  aus  20  von  ihm  gemessenen  Schädeln  den  Breitenindex  = 78  berech- 
net, so  stimmt  dies  ziemlich  mit  meiner  Rechnung,  welche  bei  25  Schädeln  79  ergab,  aber 
deshalb  sind  die  Borreby-Schädel  weder  rund,  noch  klein,  noch  dieser  Eigenschaften  wegen 
den  Lappenschädeln  ähnlich.  Die  grösste  Längo  der  Borreby-Schädel  beträgt  im  Mittel  18,1, 
die  der  Lappenschädel  17,3;  der  longitudinelle  Schädeldachbogen  misst  dort  38,7,  hier  35,1, 
wovon  auf  das  Stirnbein  dort  13,1,  hier  11,7  fallen;  dem  entsprechend  haben  die  Borreby- 
Schädel  eine  Höhe  von  14,1,  die  Lappenschädel  von  13,0.  Nirgends  sind  zugleich  die  Unter- 
schiede auffälliger,  als  am  Gesicht  Die  Lappen  mit  einer  Nasenbreite  von  2,6  im  Mittel  bieten 
ein  total  anderes  Aussehen  als  die  Borreby-Leute  mit  2,3  Nasenbreito.  Dazu  kommt  der  ganz 
abweichende  Bau  des  Unterkiefers,  der  sich  aus  einer  Vergleichung  der  Zahlen  von  selbst 
herausstellt  Der  Oberkieferindex  der  Lappen  beträgt  93,  der  Borreby-Schädel  91.  Selbst 
in  den  von  Vogt  (a.  a.  O.  S.  321  bis  323,  Fig.  127,  128)  mitgetheilten  Abbildungen  eines 
Lappenschädels  sind  diese  Verschiedenheiten  zu  bemerken,  indess  hat  es  an  sich  seine  Schwie- 
rigkeiten, an  blossen  Abbildungen  selbstständige  Schlüsse  zu  ziehen.  Meiner  Meinung  nach 
fallen  alle  Analogien  zwischen  Borreby-  und  Lappenschädeln  vor  der  directen  Betrachtung 
schon  in  sich  zusammen.  Die  Messung  zeigt  dasselbe  für  die  finnischen  Schädel,  welche  das 
gerade  Gegenstück  der  Borreby-Schädel  bilden.  Die  Höhe  verhält  sich  zur  Breite  bei  den 
Finnen  wie  91,1  : 100,  bei  den  Borreby-Schädeln  = 98,6  : 100;  ebenso  beträgt  der  Höhen- 
index dort  73,2,  hier  77,9.  Bei  den  Finnen  misst  der  longitudinelle  Schädeldachbogen  37,6 
und  die  Hinterhauptsschuppe  davon  1 1,5,  bei  den  Borreby-Schädeln  38,7  und  12,0.  Dafür  be- 
trägt der  Temporaldurchmesser  bei  den  Finnen  12,6,  bei  den  Borreby-Schädeln  nur  12,0.  Was 
der  finnische  Schädel  breiter  ist,  ist  der  Borreby-Schädel  höher. 

2)  Ebenfalls  in  Seeland  bei  Nybölleby  (Smörum  Sogn,  Kjöbnhavn-Amt)  ist  ein  im  Anato- 
mischen Museum  befindlicher  und  unter  A B y 40  inventarisirter  Schädel  gefunden.  Er  lag  in 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen.  67 

einem  grossen  Grabhügel,  Aalehöi  genannt,  ohne  eigentliche  Steinkammer,  jedoch  mit  Flint 
und  anderen  Knochen.  Gegenüber  den  Borrebv-Schädeln  bietet  er  grosse  Verschiedenheiten, 
namentlich  sind  fast  alle  seine  Verhältnisse  ungleich  kleiner;  nur  am  Kieferapparate  und  Ge- 
sicht treten  grössere  Maa&se  hervor.  Der  Höhonindex  beträgt  76,3,  der  Breitenindex  75,7, 
das  Verhältniss  von  Höhe  zur  Breite  100,7;  er  kommt  daher  in  seinen  Verhältnissen  am 
nächsten  den  Schädeln  von  Skovsgaard,  und  er  entfernt  sich  nicht  von  der  Gesammtgruppe 
der  Steinschädel.  . 


B.  Gräber  der  Insel  Falster. 

1)  Bei  Skovsgaard  fand  man  im  Grunde  eines  mächtigen  Steingrabhügels  drei  an  ein- 
ander stossende,  aus  rohen  Steinen  errichtete  Räume,  in  welchen  fast  100  Skelete  und  da- 
neben allerlei  Fundgegenstände  aus  Stein  lagen.  In  der  Decke  einer  dieser  Abtheilungen 
standen  auf  einer  Steinplatte  drei  Urnen,  gefüllt  mit  gebrannten  Knochen,  unter  denen  feine 
Bronzegegenstände  befindlich  waren.  Engelhardt  (1-  c-  p 6)  bemerkt  ausdrücklich,  dass 
dieses  Zusammenvorkommen  von  Stein  und  Bronze  in  Dänemark  sehr  selten  sei.  Nimmt 
man  an,  was  doch  wahrscheinlich  ist,  dass  die  Urnen  mit  den  gebrannten  Knochen  und  der 
Bronze  nicht  erst  später  in  den  Hügel  gebracht  sind,  so  kann  es  fraglich  erscheinen,  ob  über- 
haupt dieses  Grab  noch  der  Steinzeit  zuzurechnen  ist.  Wenn  ich  trotz  dieses  Bedenkens 
den  Bestimmungen  der  dänischen  Alterthumsforscher  folge,  so  muss  ich  doch  für  wahrschein- 
lich halten,  dass  die  Zeit  dieser  Grabsetzung  mindestens  an  die  Grenze  der  Bronzeperiode 
verlegt  werden  muss.  Sehr  nahe  liegt  es,  auch  hier  die  Hunderte  von  Skeleten , welche  in 
den  tieferen  Grabkatnmern  gefunden  wurden,  auf  Menschenopfer  zu  beziehen. 

Aus  der  früher  mitgetheilten  Tabelle  B.  ergiebt  sich  ein  nicht  geringer  Unterschied  die- 
ser Schädel  von  denen  von  Borreby.  Sowohl  der  Höhen-  als  der  Breitenindex  sind  kleiner, 
während  die  Höhe  im  Verhältniss  zur  Breite  ungleich  beträchtlicher  ist.  Die  Hinterhaupts- 
länge ist  im  Verhältniss  zur  Gesammtlänge  bei  diesen  Schädeln  grösser  (35,9),  als  sie  über- 
haupt in  einer  der  Gruppen  unserer  Zusammenstellung  vorkommt-  Es  erklärt  sich  dies  zum 
Theil  durch  das  Vorkommen  eines  hinteren  Fontancllknochens  (Os  interpariotale),  der  für  die 
peruanischen  Gräberschädel  eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt  hat  (Os  Incae).  Durch  die 
verhältnissmässige  Länge  des  Hinterhauptes  entsteht  für  die  Berechnung  der  Schädel  der 
Eindruck  einer  wirklichen  Dolichocephalie,  wodurch  sie  sich  den  Schädeln  dos  Bronzealters 
nähern.  Leider  sind  von  den  100  Skeleten  nur  drei  Schädel  conservirt  und  von  diesen 
scheint  der  eine  (Nr.  28)  weiblich  zu  sein.  Indess  ergiebt  die  Zusammenstellung  auf  Ta- 
belle VI,  dass  in  der  That  die  grösste  Länge  dieser  Schädel  (18,9)  mit  derjenigen  der  Bronze- 
schädel  Ubereinstimmt  und  unter  den  Steinschädeln  nur  durch  die  von  Borre  (19,2)  Ubertrof- 
fen, von  allen  anderen  nicht  erreicht  wird,  dass  ferner  die  Länge  des  Schädeldachbogens 
(39,1)  und  des  Hinterhauptsbogens  (12,6)  die  aller  anderen  Steinschädel  überragt  Trotzdem 
ist  die  grösste  Breite  der  Schädel  von  Skovsgaard  (14,4)  und  die  Breite  der  Nasenwurzel 
(2,4)  verhältnissinässig  sehr  stark,  ja  der  Mastoidal-Durchmesscr  (13,4)  ist  grösser,  als  bei  den 
anderen  Gruppen  der  Steinzeit  Dazu  kam  noch  bei  zweien  (Nr.  26  und  27)  der  Schädel 
eine  auffallend  schräge  Stellung  des  Supraorbitalrandes,  der  nach  innen  gegen  die  Incisura 
supraorbitalis  in  die  Höhe  stieg. 

»• 


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i;8 


Rud.  Virchow, 

2)  Der  eine  Schädel  von  Breininge-Mark,  Horbelev  Sogn,  ist  wesentlich  verschieden. 
Er  macht  den  Eindruck  der  Brachycephalie  und  des  Prognathismus  j zugleich  giebt  ihm  die 
starke  Entwickelung  der  Supraorbitalhöcker  etwas  Wildes.  Die  Berechnung  zeigt,  dass 
hauptsächlich  die  grosse  Höhe  des  Schädels  in  Betracht  kommt : der  Höhenindex  ergiebt 
82,6,  das  Verhältniss  der  Höhe  zur  Breite  ist  = 105,1  : 100,  dagegen  beträgt  der  Breiten- 
index nur  78,6  und  die  Länge  des  Hinterhauptes  32,1  Proc.  der  Gesammtlänge.  Der 
Oberkieferindex  erreicht  94,9.  Dagegen  ist  der  Schädeldachbogen  (36,2)  .verhältnissmässig 
klein. 

3)  Unter  den  drei  Schädeln  von  Naes,  Sönder-Herred , scheint  ein  weiblicher  (Nr.  3) 
zu  sein.  Obwohl  der  eine  dieser  Schädel  (Nr.  32)  den  Eindruck  der  Brachycephalie  macht 
und  in  der  That  den  Breitenindex  von  82,3  ergiebt,  so  sind  doch  die  beiden  anderen  so 
stark  dolichocephal,  dass  im  Oesammtmittel  die  Zahl  75,4,  die  kleinste  unter  allen  Zahlen 
der  Steinschädel,  herauskommt  Es  trägt  dazu  ganz  besonders  der  erste  Schädel  bei,  welcher 
ein  grosses  Os  interparietale  besitzt  und  einen  Schädeldachbogon  von  40,1  bei  einer  Ge- 
sammtlänge von  19,8  und  einem  Horizontalumfang  von  55,0  darbietot  DafUr  beträgt  sein 
Breitenindex  nur  67,1.  In  keiner  der  Localgruppen  zeigt  sich  eine  so  grosse  Verschieden- 
heit der  einzelnen  Schädel;  nirgends  sieht  man  deutlicher,  dass  die  Mittel  und  kleinen  Sum- 
men das  Gesammtbild  nicht  deutlicher,  sondern  undeutlicher  machen.  Jedenfalls  schliessen 
sich  die  beiden  ersten  Schädel  (Nr.  30,  31)  weit  mehr  den  Skovsgaard-Schädeln  und  noch 
mehr  als  diesen,  den  Brcmzeschädeln  an. 

C.  Gräber  der  Insel  Möen. 

1)  Bei  Udby,  Möenbo  Herred,  Praestoe  Amt,  war  in  einem  Hligel  von  100  Ellen  im 
Umkreise  und  5 Ellen  hoch  eine  mit  einem  Deckstein  geschlossene  Steinkammer  mit  einem 
Eingänge  von  Osten  her.  Bei  der  Eröffnung  fand  man  darin  20  Skelete  und  daneben  ein 
Hundsskelet,  Stein-  und  Bernsteinsachen.  Indess  sind  nur  6 Schädel  aufbewahrt,  von  denen 
überdies  1 kindlicher  und  2 jugendliche  mit  noch  offener  Synchondrosis  spheno-occipitalis  bei 
der  Berechnung  ausgeschlossen  wurden.  Ich  bemerke  jedoch,  dass  dies  nur  um  der  Gleich- 
förmigkeit mit  anderen  Gruppen  willen  geschehen  ist,  da  im  Uebrigen  die  zwei  jugendlichen 
Schädel  (Nr.  36  und  37)  nahezu  ausgewaclisen  zu  sein  scheinen  und  zum  Theil  sogar  so  be- 
trächtliche Maas.se  ergeben,  dass  unter  Hinzunahme  derselben  die  Mittel  sich  nur  wenig  er- 
niedrigt haben  würden.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  mit  Ausnahme  des  kindlichen  alle 
übrigen  fünf  Schädel  Schaltknochen  in  der  Lambdanaht,  zum  Theil  sogar  sehr  starke,  der 
erste  überdies  ein  Os  interpariqtale  und  der  vierte  (Nr.  36)  Schaltknochen  in  dem  hinteren 
Theile  der  Pfeilnaht  in  einer  Länge  von  fast  6 Cent,  besitzen.  Obwohl  dadurch  ein  wenig- 
stens zeitweise  verstärktes  Wachsthum  der  Hinterhauptsgegend  angedeutet  wird,  auch  in 
einem  Fake  (Nr.  34)  das  Hinterhaupt  capsulär  vorsprang,  in  einem  andern  (Nr.  38)  sehr 
steil  war,  so  ergiebt  sich  doch  aus  der  Tabelle  B,  dass  diese  Schädel  Bich  mehr  der  Brachy- 
cephalie nähern.  Ihre  Occipitallänge  ist  die  allergeringste  in  der  Gruppe  der  Steinschädel. 
Dagegen  wird  der  Eindruck  eines  gewissen  Prognathismus,  den  die  einfache  Betrachtung 
hervorbringt,  bestätigt  durch  die  Grösse  des  Oberkieferindex  (101),  welche  die  beträchtlichste 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen.  ' 69 

unter  allen  Schädeln  der  Steinzeit  ist  Bei  dem  ersten  Schädel  {Nr.  33)  findet  sich  überdies 
eine  Art  von  Crista  sagittalis  und  frontalis  mit  starker  Vorwölbung  der  Glabella,  offenbar 
bedingt  durch  stärkeres  Wachsthum  in  der  Nahtgegend.  Der  zweite  Schädel  (Nr.  34)  bat 
sehr  starke  Supraorbitalhocker.  — Sieht  man  von  dem  Prognathismus  ab,  so  stehen  diese 
Schädel  denen  von  Borreby  am  nächsten. 

2)  Die  Schädel  des  physiologischen  Museums  stammen  nach  dem  Kataloge  aus  einem 
Steinkammergrabe,  in  dem  ausserdem  Steingeräth  gefunden  wurde.  Die  beiden  ersten  davon 
(Nr.  39,  40)  hat  Eschricht  im  Dansk  Folkeblad,  1837,  Sept,  p.  31)  beschrieben.  Nach  der 
etwas  zweifelhaften  Fassung  des  Katalogs  schien  es,  als  seien  sie  bei  einem  Orte  Hage  ge- 
funden. Indess  bezog  sich  die  erste  Mittheilung  Eschricht's  (Danske  Vidensk.  Selsk.  Af- 
handl.  1841.  VIII.  S.  LV)  auf  einen  bei  Stege  auf  Möen  gemachten  Fund.  Aus  den  Mit- 
theilungen von  Nilsson  (Das  Steinalter.  S.  93,  96.  Taf.  XHI.  Fig.  240.  Tat  XIV.  Fig.  245), 
der  zum  Theil  als  Augenzeuge  berichtet,  geht  hervor,  dass  der  Mann,  welcher  1836  die  Eröff- 
nung des  Grabes  in  Stege  leitete,  Slage  hiess.  Ist  daher  anzunehmen,  was  sich  wohl  durch 
weitere  Nachforschungen  noch  wird  feststellen  lassen,  dass  die  Schädel  Nr.  39  bis  41  von 
Stege  herstammen,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich , dass  auch  der  gleichfalls  von  Eschricht 
aulgestellte  Schädel  des  anatomischen  Museums  (Nr.  43  meiner  Tabelle,  im  Katalog  A B y 33) 
derselben  oder  einer  sehr  nahen  Stelle  angehört.  Ueber  den  Fund  von  Stege  finden  sich 
genauere  Nachrichten  bei  Madsen  (L  c.  p.  14.  PI.  XVI) ; darnach  war  es  ein  grosses  Gang- 
grab, in  welchem  Geräthe  aus  Feuerstein  und  Knochen,  Geschirre  aus  Thon  und  Holz,  sowie 
Bemsteinscbmuck  und  mehrere  Skelete , theils  in  dem  Gange,  theils  in  der  Steinkammer  ge- 
funden wurden.  Nilsson  bildet  einen  der  von  Eschricht  beschriebenen  Schädel  nach  einem 
Gypsabgusse  ab;  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  dies  unsere  Nr.  39,  da  ich  bei  Nr.  40  aus- 
drücklich notirt  habe,  dass  die  Nase  fehlt  Er  parallelisirt  ihn  mit  den  Lappenschädeln,  und 
es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  er  eine  gewisse  äussere  Aehnlichkeit  damit  hat  Ich  habe 
in  meinen  Notizen  den  Gesamm teindruck  durch  die  Bezeichnung  Trochocephalus  (Rundkopf) 
wiedergegeben  und  zwar  bei  drei  von  den  vier  Schädeln;  den  vierten,  bei  dem  das  Hinter- 
haupt stark  vorspringt,  habe  ich  als  „breiten  Dolichocephalus“  angezeichnet.  Indess  ergiebt 
eine  genauere  Maassbestimmung  ganz  abweichende  Verhältnisse  von  denen  der  Lappenschä- 
del. Ein  Blick  auf  unsere  Tabelle  B.  genügt,  um  dies  klar  darzulegen:  der  Breitenindex  die- 
ser Schädel  ist  nur  75,9.  Der  Schädel  Nr.  39  hat  sogar  nur  einen  Breitenindex  von  75,5 
bei  einem  Höhenindex  von  79,5,  und  wenn  auch  bei  dem  Schädel  Nr.  40  der  Breitenindex 
78,1  beträgt  so  ist  dieses  Maass  doch  fern  von  dem  der  LappenschädeL  Selbst  der  Schädel 
Nr.  4,  welcher  die  bemerkenswertho  Breite  von  14,5  erreicht  und  eine  Breite  der  Nasenwur- 
zel von  2,8  zeigt,  hat  doch  nur  einen  Breitenindex  von  73,6.  Es  erklärt  sich  dies  aus  seiner 
absoluten  Grösse:  seine  Länge  misst  19,7  und  sein  Horizontalumfang  55,7,  mehr  als  irgend 
ein  anderer  Schädel  der  Steinzeit  Er  fällt  aLso  in  das  Gebiet  der  Macrocephali  (Kephalo- 
nes).  Das  hindert  jedoch  nicht,  dass  sowohl  er,  aLs  die  gesammte  Gruppe  der  Schädel  von 
Stege,  zu  der  dolichocephalen  Klasse  gehören.  Die  geringe  Höhe  zeichnet  sie  vor  den  übri- 
gen Gruppen  aus. 


*)  Diene  Schrift  habe  ich  nicht  »eibat  cinnehen  können. 


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70 


Rud.  Virchow, 


3)  Der  sehr  defecte  Schädel  de»  anatomischen  Museums  (Nr.  43),  den  ich  schon  in  der 
vorigen  Localgruppe  mit  erwähnt  habe,  schliesst  sich  sehr  eng  an  die  letztere  an. 

4)  Bei  Bor^e,  Möenbo-Herred,  Praestoe  Amt,  also  nahe  bei  Udby,  in  einer  Gegend,  die 
reich  an  Hünengräbern  ist,  fand  man  in  einer  Grabkammer  ausser  zahlreichen  Steinsachen 
die  Schädel  Nr.  44  und  45.  Der  letztere  ist  sehr  defect,  zeigt  aber  durchweg  beträchtliche 
Längen  Verhältnisse;  namentlich  nähert  er  sich  durch  die  grosse  Länge  seiner  Basis  den  Schä- 
deln von  Skovsgaard.  Der  Schädel  Nr.  44  ist  ein  ausgezeichneter  Dolichocephalus  von 
grosser  Länge  und  stark  entwickeltem  Schädeldachbogen.  Beide  Schädel  haben  verhältniss- 
mässig  breite  Nasenwurzeln;  auch  der  Temporal-  und  Mastoidal-Durchmesser  sind  beträchtlich. 

D.  Grab  der  Insel  Langeland- 

Aus  einem  Grabe  bei  Frelsvig  sind  zwei  stark  defecte  Schädel  aufbewahrt,  welche  mit 
denen  von  Borre  im  Uebrigen  viel  Aehnlichkeit  besitzen.  Der  grosse  Schädeldachbogen  des 
ersten  (Nr.  46)  erklärt  sich  zum  Theil  aus  der  Anwesenheit  starker  Schaltknochen  in  der 
hinteren  Fontanelle  und  der  Lambdanaht ; jedoch  ist  auch  zu  bemerken,  dass  bei  beiden  Schä- 
deln der  Sagittalbogen  des  Stirnbeins  sehr  gross  ist. 


Blicken  wir  nun  noch  einmal  auf  die  Schädel  der  Steinzeit  zurück,  so  werden  wir  uns 
der  Thatsache  nicht  verschliessen  können,  dass  sowohl  die  einzelnen  Localgruppen  unter 
sich,  als  auch  die  einzelnen  Schädel  jeder  Gruppe  vielfache  und  nicht  unerhebliche  Verschie- 
denheiten darbieten.  Falster  und  Möen  sind  kleine  Inseln  und  doch  zeigt  ein  Blick  auf  die 
Tabelle  VI,  dass  gewisse  Gräber  auf  beiden  Inseln  mehr  übereinstimmende  Schädel  enthalten 
• haben,  als  die  Grälier  jeder  dieser  Inseln  für  sich  betrachtet  Die  Schädel  von  Skovsgaard 
und  Nacs  auf  Falster,  von  Bonre  auf  Möen  und  Frelsvig  auf  Langeland  stehen  sich  durch 
Grösse  und  Länge  sehr  nahe;  ihnen  Bchliessen  sich  die  freilich  etwas  kleineren  Formen  von 
Nybölloby  auf  Seeland  und  Stege  auf  Möen  an.  Diese  ganze  Gruppe  neigt  mehr  zur 
Dolichocephalie  und  ich  habe  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  in  dem  Grabhügel 
von  Skovsgaard  selbst  Bronze  gefunden  ist  Dagegen  zeigen  die  Schädel  von  Borreby  auf 
Seeland,  von  Breininge  Mark  auf  Falster,  von  Udby  auf  Möen  eine  grössere  Annähe- 
rung an  die  Brachycephalie.  Nirgends  tritt  die  locale  Differenz  so  auffällig  hervor,  als 
bei  den  Schädeln  von  Udby  und  Borre,  welche  Orte  in  derselben  Harde  (Amtsbezirk)  der  In- 
sel Möen  gelegen  sind,  und  von  denen  der  erstcre  mehr  brachycephale,  der  letztere  mehr  do- 
lichocephale  Schädel  geliefert  hat  Bei  der  Analyse  des  Fundes  von  Naes  auf  Falster  habe 
ich  schon  bemerkt,  wie  gross  die  individuelle  Verschiedenheit  der  einzelnen  Schädel  sei,  und 
für  die  anderen  Ortsgruppen  gilt  in  gewissem  Grade  dasselbe. 

Eine  genauere  Bekanntschaft  mit  den  Einzclnheiten  der  Fundstätten  mag  dazu  beitra- 
gen, solche  Verschiedenheiten  aufzuklären.  Sind  Kriegsgefangene  hingeschlachtet,  sind  Men- 
schenopfer gebracht,  so  kann  ja  eine  gewisse  Mischung  von  Volksstämmon  stattgefunden  ha- 
ben. Allein  keine  der  mehr  abweichenden  Formen  berechtigt  uns  anzunehmen,  dass  selbst 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen.  71 

unter  den  Kriegsgefangenen  Lappen,  Finnen  oder  Eskimos  gewesen  sind.  Einer  der  Schädel 
von  Naes  (Nr.  32)  steht  seinem  Breitenindex  (82,3)  nach  zwischen  den  Lappen  (83,2)  und  den 
Finnen  (80,3),  aber  er  hat  einen  Höhenindex  von  82,9  gegenüber  dem  lappischen  von  75,1 
und  dem  finnischen  von  73,2,  und  das  Verhiiltniss  von  Höhe  : Breite  ist  bei  ihm  = 100,6 
: 100,  während  es  bei  den  Lappen  = 90,2  und  bei  den  Finnen  = 91,1  ist.  Ein  anderer  Schä- 
del von  Naes  (Nr.  30)  hat  einen  Höbenindex  von  74,7,  einen  Breitenindex  von  67,1,  einen 
Oberkieferindex  von  92,5  und  eine  Hinterhauptslänge  von  33,3  Proc, ; die  entsprechenden  Zah- 
len bei  den  Grönländern  lauten  74,0  — 71,8  — 94,0  — 32,4.  War  dies  nun  ein  Eskimo- 
Schädel?  Gewiss  nicht.  Das  Verhältniss  von  Höhe  und  Breite  ist  bei  den  Grönländern 
= 103,0  : 100,  bei  dem  Schädel  von  Naes  = 111,8  : 100;  sein  longitudineller  Schädeldach- 
bogen beträgt  40,1 , der  der  Grünländer  37,0.  Wollen  wir  Analogien  zu  dem  Schädel  von 
Naes  suchen,  so  finden  wir  sie  viel  vollständiger  bei  den  Schädeln  des  Bronzealters,  wo  die 
den  obigen  entsprechenden  Zahlen  lauten:  71,4  — 66,6  — 92,4  — 27,5  — 107,1  — 35,9.  Diese 
Zahlen  stehen  den  grönländischen  näher,  als  die  von  Naes,  und  man  könnte  daher  mit  mehr 
Grund  die  Schädel  des  Bronzealters  auf  Eskimos  beziehen,  was  wohl  keinen  Beifall  finden 
möchte. 

Es  scheint  mir  bis  jetzt  unmöglich  zu  sein,  ein  bestimmtes  Urtheil  darüber  abzugeben,  ob 
sämmtliche  Schädel  der  dänischen  Steinzeit  einem  Volke  an  gehört  haben  oder  mehreren,  ln  den 
heutigen  Verhältnissen  bietet  jedes  Volk  Europas  ähnliche  Differenzen  der  individuellen  Schädel- 
formen dar.  Wenn  wir  nun  eine  ähnliche  Mischung,  wie  sie  im  Laufe  der  Culturperioden 
sich  in  Europa  allmählich  vollzogen  hat,  für  die  altnordische  Bevölkerung  kaum  annehmen 
können,  so  ist  doch  nicht  zu  übersehen,  dass  in  roheren  Zeiten  die  Abgrenzung  kleinerer 
Stämme  und  Genossenschaften  möglicherweise  erbliche  Besonderheiten  in  grösserer  Stabilität 
befestigte.  Die  grosse  Häufigkeit  des  Os  interparietale  und  der  Schaltknochen  in  der  Lambda- 
und  hinteren  Sagittalnaht,  welche  wir  verzeichnet  haben,  z.  B.  bei  den  Schädeln  von  Udby, 
könnte  auf  solche  erbliche  Verhältnisse  hindeuten.  Immerhin  verdient  der  Umstand,  dass 
ein  Theil  der  Steinschädel  sich  mehr  zur  Braohycephalie , ein  anderer  mehr  zur  Dolichocepha- 
lie  neigt,  eine  besondere  Aufmerksamkeit,  zumal  wenn  es  sich  darthun  liesso,  dass  die  Grä- 
ber der  mehr  brachycephalen  Schädel  älter,  die  der  mehr  dolichocephalen  jünger  wären. 

Zu  meinem  Bedauern  bin  ich  nicht  im  Stande  gewesen,  meine  Messungen  auch  auf  die 
modernen  Dänenschädel  auszudehnen,  von  denen  die  Kopenhagener  Museen  reiche  Schätze 
besitzen.  Auch  diese  Schädel  zeigen  grosse  individuelle  Verschiedenheiten  und  ich  erwähne 
namentlich  den  Schädel  eines  bekannten  Adeligen  im  anatomischen  Museum,  dessen  wildes 
Aussehen,  namentlich  dessen  kolossale  Supraorbitalhöckcr  jeden  Alterth umsforscher  in  grosse 
Verlegenheit  setzen  würden.  Im  Allgemeinen  habe  ich  den  Eindruck  gewonnen,  dass  der 
neudänische  Typus  sich  am  meisten  den  Borreby-Schädeln  annähert,  also  mesocephal  mit  Nei- 
gung zur  Brachycephalie  ist,  und  ich  möchte  daher  annehmen,  dass  in  der  That  schon  zur 
Steinzeit  die  Ahnen  der  jetzigen  Bevölkerung  im  Lande  gewohnt  haben.  Nirgends  ist  in  Eu- 
ropa eine  solche  Annahme  durch  die  geographischen  und  historischen  Verhältnisse  des  Lan- 
des mehr  gerechtfertigt.  Vielleicht  werden  meine  Mittheilungen  dazu  anregen,  auch  den  mo- 
dernen Typus  des  Dänenschädels  zahlenmässig  genau  festzustellen. 


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72 


llud.  Virchow, 


IL  Die  Schädel  der  Bronzezeit. 

Wor saue  unterscheidet  innerhalb  des  Bronzealters  zwei  Perioden,  je  nachdem  man  die 
Leichen  verbrannte  oder  nicht  verbrannte.  Ersteres  ist  das  Gewöhnliche  und  daher  sind 
Schädel  aus  der  Bronzezeit  überaus  selten.  Im  altnordischen  Museum  zu  Kopenhagen  finden 
sich  nur  drei,  überdies  sehr  defecte  Schädel,  auf  welche  ich  schon  früher  zu  sprechen  kam. 
Sie  stammen  aus  einem  grossen  Grabhügel  bei  Gjerdrup,  Kjöbuhavns  Amt,  Sömme  Herred, 
auf  Seeland,  worin  sich  eine  vier  Ellen  lange  Steinkiste  befand.  Darin  lagen  6 Schädel  von 
Erwachsenen  mit  Sand  bedeckt.  Die  noch  vorhandenen  sind  ausgezeichnet  dolichoce- 
phal.  Der  erste  (Nr.  49)  hat  gar  keine  Tubera  parietalia  und  das  Planum  somicirculare 
reicht  sehr  hoch  hinauf  Sein  Breitenindex  beträgt  69,6,  der  Höhenindex  74,5,  Höhe  zur 
Breite  107,1,  Hinterhauptslänge  zur  Gesammtlänge  29,2,  Überkieferindex  92,4.  Da  die  beiden 
anderen  Schädel  vielfache  Defecte  besitzen,  so  sind  die  hier  erwähnten  Maasse  vielleicht 
etwas  zuverlässiger,  als  die  in  den  Tabellen  verzeichneten  Mittel.  Die  Gesammtverhältnisse 
dieses  Schädels  nähern  sich  dann  noch  mehr  denen  der  zweiten  Eisenperiode.  — Von  den 
anderen  beiden  Schädeln  ist  der  erste  (Nr.  50)  durch  eine  lange  und  stark  vorspringende 
Nase,  eine  flache  Glabella  und  stark  vorspringendes  Hinterhaupt  charakterisirt. 

Bei  der  geringen  Zald  dieser  Schädel  enthalte  ich  mich  für  jetzt  eines  weitem  Eingehens. 
Dass  ähnliche  dolichocepliale  Formen  auch  in  einzelnen  Gräbern  der  Steinzeit  Vorkommen, 
habe  ich  schon  früher  ausgeführt.  Dagegen  muss  ich  noch  anführen , dass  sich  im  physiolo- 
gischen Museum  zu  Kopenhagen  einige  dolichocephale  Torfschädel  finden,  welche  sehr 
bemerkenswerth  sind.  Schon  auf  dem  internationalen  Congresse  zu  Paris  habe  ich  ähnliche 
Beobachtungen  aus  Norddeutschland  erwähnt  (Congrbs  internat  d'anlhrop.  et  d'archdologie 
prdhistoriques.  Paris  1868,  p.  407)  und  meine  Funde  haben  sich  seitdem  noch  vermehrt.  Es 
dürfte  sich  daher  empfehlen,  künftig  eine  genauere  Vergleichung  der  Torfschädel  mit  den 
Gräberschädeln  anzustellen. 

Es  giebt  ausser  den  Schädeln  noch  einzelne  andere  Knochen  der  Bronzezeit  von  ande- 
ren Fundstellen  in  Kopenhagen.  Ich  habe  im  altnordischen  Museum  einige  derartige  Kno- 
chen gemessen,  weil  die  Frage  von  den  kurzen  Schwertgriffen  direct  dazu  auffordert.  Ich 
gebe  diese  Maasse,  obgleich  sie  zur  Beantwortung  dieser  Frage  nicht  genügen.  Das  untere 
Ende  des  Os  femoris  war  an  den  Condylen  9,3  breit  und  9,6  dick;  das  untere  Ende  der  Tibia 

6.3  breit  und  4,0  dick,  ein  Paar  Metatarsalknochen  je  7,6  und  7,3  lang  (Nr.  6.  297).  ln 
einem  anderen  Falle  (Nr.  15278)  zeigte  das  obere  Ende  der  Ulna,  das  kräftig  entwickelt  war, 
eine  Dicke  von  3,3  am  Gelenk;  eben  so  hoch  war  der  Gelenktheil.  Eine  Finger-Phalanx 
(Nr.  1801),  um  welche  noch  ein  Ring  aus  Bronzedraht  snss,  war  4,1  lang,  am  hinteren  Ende 

1.4  breit  und  1,0  dick,  aiu  vorderen  1,1  breit  und  0,6  dick.  Alle  diese  Maasse  machen  den 
Eindruck  einer  zarteren  Entwickelung. 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 


73 


m.  Die  Schädel  der  Eisenzeit. 

Auoh  hier  unterscheiden  die  dänischen  Alterthumsforscher  mehrere  Perioden,  von  denen 
sie  die  erste  auf  das  3.  bis  5.,  die  zweite  auf  das  5.  bis  8.,  die  dritte  auf  das  8.  bis  11.  Jahr- 
hundert unserer  Zeitrechnung  verlegen. 

A.  Erste  Periode. 

1)  Der  er?te  Schädel  (Nr.  52)  aus  Sanderumgaard,  Ansum  Herred,  Odense  Amt,  auf 
der  Insel  Fünen,  ist  schon  von  Escbricht  wegen  seiner  kolossalen  Länge  beschrieben.  Ob- 
wohl daran  eine  offenbar  posthume  Verdrückung  des  Hinterhauptes  auf  der  rechten  Seite  vor- 
handen ist,  so  ist  doch  die  Hauptform  offenbar  erhalten  und  natürlich.  Der  Schädel  hat  die 
kolossale  Länge  von  22,4  und  einen  Längsschädeldachbogen  von  43,0,  wovon  14,2  aufdie  Squarna 
occipitalis  und  15,2  auf  die  Sagittalnaht  fallen,  — höchst  ungewöhnliche  Verhältnisse.  Es 
stimmt  damit,  dass  die  Protuberantia  occipitalis  externa  und  die  Linea  nuchae  überaus  stark 
ausgebildet  sind  und  dass  das  Planum  semicirculare  sehr  hoch  hinaufreicht.  Der  Höhenindex 
beträgt  63,3,  der  Breitenindex  54,8,  Höhe  zur  Breite  = 106,2  : 100,  Hinterhauptslänge  30,8. 

2)  Der  zweite  Schädel  (Nr.  53)  wurde  in  Varpelev,  Stevns  Herred,  Praestoe  Amt,  auf 
der  Insel  Seeland  gefunden.  Die  Beschreibung  des  Fundes  hat  Herbst  (Aunaler  f.  nord. 
Oldkyndighed.  1861.)  geliefert.  In  einem  Sandhügel.  bedeckt  mit  sechs  mächtigen  Steinen, 
war  das  Skelet  horizontal  niedergelegt.  Neben  ihm  fanden  sich  ausser  Thierknochen  römi- 
sche Glasgefasse  mit  Thier-,  Pflanzen-  und  Fruchtbildern  in  verschiedenen  Formen,  sowie 
Bronzegeräth.  Ein  Bronzesieb  mit  seiner  Kasserole  hat  Engelhardt  (L  c.  p.  16,  Fig.  19) 
abgebildet.  An  dem  Schädel  beträgt  der  Höhenindex  72,4,  der  Breitonindox  71,8,  Höhe 
zur  Breite  100,7,  Hinterhauptsindex  33,3.  Auch  hier  ist  das  Hinterhaupt  stark  ausgcbildet, 
die  Protuberanz  sehr  entwickelt,  dabei  die  Supraorbitalhöcker  stark.  An  den  Gelenken  des 
Hinterhauptes  Spuren  von  Arthritis  deformans.  Die  Dolichocephalie  ist  demnach  sehr  ausge- 
sprochen, ohwohl  der  Mastoidaldurchmesser  14,6  beträgt 

3)  Der  dritte  Schädel,  von  Dueaasen,  Nörre  Herred  auf  der  Insel  Bornholm,  ist  gleich- 
falls von  nerbst  (Anu.  f.  nord.  Oldkyndigh,  1849.)  erwähnt  Es  ist  ein  starkknochiger  Do- 
lichocephalus  mit  leichten  Verletzungen  am  Stirnbein.  Leider  gestatten  seine  vielen  De- 
fecte  nur  wenig  Vergleichungen.  Im  Ganzen  steht  er  dem  Schädel  von  Varpelev  näher. 
Sein  Breitenindex  beträgt  72,5,  der  Hinterhauptsindex  31,6.  Der  Scheitelbogen  misst  40, 
woran  besonders  Stirn  (14)  und  Hinterhaupt  (13)  betheiligt  sind. 

Es  ist  ausserdem  zu  liemerken,  dass  bei  allen  drei  Schädeln  eine  zu  ihrer  sonstigen  Grösse 
geringe  Breite  der  Nasenwurzel  vorhanden  ist. 

B.  Zweite  Periode. 

Beide  Schädel  sind  von  Vester  Egitsberg,  Baarse  Herred,  Praestoe  Amt.  Sie  stimmen 
unter  einander  sehr  überein  und  sind  ausgesuchte  Dolichocephali.  Ganz  besonders  gilt  dies 

Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  IV,  lieft  I.  ]Q 


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74 


Ruil.  Virchow, 


von  Nr.  55,  dessen  Breitenindox  G7,l  betragt  und  dessen  Sagittallinie  so  stark  liervortritt,  dass 
ich  ihn  als  Lepto-Scaphoccphalus  in  meinen  Notizen  eingetragen  habe.  Die  Muskelansätze  des 
Temporalis  reichen  so  hoch  hinauf,  dass,  Uber  den  Schädel  gemessen,  der  Abstand  der  Lineae 
semicirculares  nur  9,5  beträgt,  so  dass  der  Schädel  in  dieser  Beziehung  zwischen  den  Grön- 
ländern (7,4)  und  den  Finnen  (13,3)  mitten  inne  steht.  Allerdings  sind  dabei  Synostosen  vor- 
handen, die  wohl  nicht  ganz  ohne  Einfluss  auf  die  Gestalt  des  Schädeldaches  waren.  Die 
Nase  ist  gross  und  sehr  stark  vorspringend,  ebenso  das  Kinn,  wie  denn  auch  der  Unterkie- 
fer eine  sehr  beträchtliche  Entwickelung  darbietet. 

Der  andere  Schädel  ist  ähnlich  und  wenngleich  im  Ganzen  etwas  breiter,  doch  im  Tem- 
poral- und  Mastoidaldurchmeaser  schmaler.  Sein  Schädeldachbogen  ist  fast  um  2 Cent,  län- 
ger und  zwar  besonders  wegen  der  starken  Entwickelung  des  Hinterhauptes.  Der  Hinter- 
hauptsindex  hat  hier  die  ganz  ungewöhnliche  Grösse  von  37,9,  dagegen  beträgt  der  Oberkie- 
ferindex nur  92,3.  Der  in  der  Anmerkung  zur  Tabelle  erwähnte  leichte  Prognathismus  des 
Oberkiefers  muss  demnach  mehr  in  der  Stellung  der  Gesichts-  und  Schädelknochen  zu  ein- 
ander begründet  sein. 

Die  Schädel  der  Eisenzeit  sind  demnach  ausnahmslos  wahre  Dolichocepha- 
len.  Sie  zeigen  ungleich  geringere  individuelle  Differenzen,  als  die  Schädel  der  Steinzeit, 
und  sie  machon  den  Eindruck,  als  seien  sie  einem  anderen  Volke  angehörig. 

IV.  Die  Racenschädel. 

A.  Die  Lappen. 

Von  den  fünf  in  den  Kopenhagener  Museen  befindlichen  Lappenschädeln  scheinen  zwei 
(Nr.  59  und  62)  weibliche  zu  sein.  Einer  (Nr.  58)  hat,  wie  schon  erwähnt,  so  ungewöhnliche 
Grössenverhältniase,  dass  man  versucht  wird,  an  Hydrocephalie  zu  denken,  doch  bemerke  ich 
ausdrücklich,  dass  ein  positives  Zeichen  dieser  Krankheit  nicht  vorliegt.  Dagegen  kann  ich 
nicht  unerwähnt  lassen,  dass  der  Habitus  aller  dieser  Schädel  etwas  Pathologisches  an  sich 
hat  und  an  diejenigen  Racen  unserer  Hausthiere  erinnert,  für  welche  der  Mops  das  Haupt- 
beispiel darbietet.  Bekanntlich  ist  bis  in  die  neueste  Zeit  immer  wieder  die  Frage  erörtert, 
in  wie  weit  die  Rachitis  für  gewisse  Racenverhiiltnisse  bestimmend  sei.  Ich  will  diese  Frage 
keineswegs  entscheiden,  da  ein  grösseres  Material  dazu  gehört,  als  ich  besitze,  indess  scheint 
es  mir  doch  richtig  zu  sein,  dass  die  „Mops-Racen“  der  Hnusthiere,  wie  ich  mich  ganz  all- 
gemein ausdrücken  möchte,  eine  grosse  Verwandtschaft  mit  der  Rachitis  zeigen.  Nirgends 
tritt  die  Theorie  Darwin’s  meines  Wissens  so  nahe  an  die  Lehre  der  menschlichen  Racen 
heran,  wie  gerade  bei  den  Lappen,  unil  es  verdient  eine  ernsthafte  Untersuchung,  ob  nicht 
wirklich,  wie  auch  Gudrault  (Mvm.  de  la  soc.  d’anthrop.  de  Paris.  I.  p.  179)  scbliesst,  un- 
günstige Ernährungsverhältnisso  einem  ganzen  Stamme  einen  erblichen  Typus  aufgedrückt 
haben. 

Der  Lappenschädel  repriisentirt  die  breitesto  Form  der  nordischen  Brachycephalie.  Grosse 
Kürze  des  Hinterhauptes  bei  starker  Entwickelung  der  unteren  Breitendurchmesser  erzeugt 
fast  durchgehende  trochocephale  (runde)  Formen.  Dio  grösste  Länge  des  Schädels  beträgt 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen.  75 

(immer  abgesehen  von  dem  Schädel  Nr.  58)  17,3  im  Mittel,  der  Schädeldaclikogen  misst  nur 
35,1,  die  Länge  des  Hinterhauptes  5,3.  Dagegen  hat  der  untere  Parietaldurchmesser  14,4, 
während  die  Tubera  parietalia  wenig  entwickelt  sind  und  nur  13,5  von  einander  absteheu. 
Trotzdem  reichen  die  Lineae  semicirculares  nicht  hoch  hinauf;  ihr  Abstand  am  Schädel  ist 
sehr  beträchtlich.  Der  Breitenindex  berechnet  sich  auf  83,2.  Auch  der  temporale  (11,8)  und 
mastoidale  (13,1)  Durchmesser  sind  gross,  und  dem  entsprechend  namentlich  die  mittlere 
Schädelgrube  weit,  die  hintere  kurz.  Verhältnissmässig  häufig  erscheinen  Synostosen  der 
Nähte,  namentlich  der  seitlichen.  Unter  den  sechs  Schädeln  haben  vier  eine  Synostose  des 
unteren  (temporalen)  Abschnittes,  einer  zugleich  des  mittleren  Theilcs  der  Kranznaht,  zwei  eine 
Synostose  des  hinteren  Abschnittes  der  Pfeilnaht  Dafür  hat  der  grosse  Schädel  eine  per- 
sistirende  Frontal  naht  ein  anderer  eine  besonders  starke  Glabella,  und  zweimal  finden  sich 
Schaltknochen  der  Lambdanaht 

Das  Gesicht  ist  niedrig  und  verhältnissmässig  breit,  was  einen  mürrischen  oder  leidenden 
Eindruck  macht  Die  Nasenwurzel  ist  ungewöhnlich  breit,  2,6  im  Mittel,  hei  zwei  »Schädeln 
sogar  3,1.  Die  weit  von  einander  stehenden  Orbitae  haben  eine  mehr  viereckige  Gestalt 
Die  Jochbogen  entsprechen  dieser  Breite  wenig;  ihr  Abstand  beträgt  nur  13,6,  bleibt  also 
selbst  unter  dem  Mittel  der  schmalköpfigen  Grönländer.  Auch  der  untere  maxillare  Durch- 
messer und  der  Abstand  der  Unterkieferwinkel  ist  verhältnissmässig  gering,  was  mit  der 
schwachen  Entwickelung  des  Kauapparats  zusammenhängt.  Ganz  besonders  niedrig  ist  der 
Unterkiefer  in  seinem  mittleren  Theile  (2,9);  was  höchst  charakteristisch  ist,  da  selbst  der  grosse 
Schädel  Nr.  58  hier  nur  2,8  misst.  Nur  das  rundliche  Kinn  springt  stärker  vor.  Der  Ober- 
kiefer erscheint  in  Folge  davon  zuweilen  leicht  prognath  und  seine  Sclmeidezähne  greifen 
Uber  die  unteren  vor.  Trotzdem  ist  das  Gesichtsskelet  wesentlich  orthognath. 

B.  Die  Grönländer. 

Der  Typus  des  Eskimoschädels  ist  so  ziemlich  in  allen  einzelnen  Stücken  dem  des  Lap- 
penschädels entgegengesetzt,  gleichwie  er  im  Grossen  und  Ganzen  davon  abweicht.  Ein  ho- 
her Grad  von  Dolichocephalie,  ja  man  kann  sagen,  Leptoscaphocephalie  mit  Prognathig- 
mus  und  kolossaler  Ausbildung  des  Gesichtsskelets  charakterisirt  die  Grönländer. 
Und  auch  hier  scheint  gerade  die  Art  der  Ernährung  bestimmend  eingewirkt  zu  haben.  Der 
fast  ausschliesslich  thierischcn  Nahrung  und  der  grossen  Anstrengung  des  Kauens  entspricht 
die  auffällige  Entwickelung  des  Kauapparates,  die  sich  nicht  nur  in  der  Stärke  und  Grösse 
der  entsprechenden  Knochentheile,  sondorn  und  fast  noefi  mehr  in  der  Ausdehnung  der  An- 
satzflächen der  Kaumuskeln  zu  erkennen  giebt. 

Die  filnf  Schädel,  welche  zur  Grundlage  meiner  specielleren  Betrachtung  dienten  und 
welche  sämmtlich  aus  Omenak  an  der  Westküste  Grönlands  (etwa  71  — 72°  n.  Br.)  stammen, 
wurden  von  mir  aus  einer  grösseren  Anzahl  in  dem  physiologischen  Museum  zu  Kopenhagen 
ausgewählt,  weil  sie  die  am  besten  erhaltenen  und  mit  Unterkiefer  versehen  waren.  Sie 
unterscheiden  sich  jedoch  im  Wesentlichen  von  den  übrigen  in  keiner  Weise.  Zwei  darunter 
(Nr.  64  und  65)  scheinen  weibliche  zu  sein.  Trotz  nicht  unerheblicher  individueller  Diffe- 
renzen stimmen  doch  die  Verbal tnisszahlen  ungewöhnlich  scharf  zusammen. 

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7ti 


Rud.  Virchow, 

Bei  einer  nicht  unbeträchtlichen  Höhe  (der  Index  zeigt  im  Mittel  74)  ist  dio  Breite  sehr 
gering.  Die  absoluten  Maasse  der  letzteren  schwanken  zwischen  12,7  und  13,8  (bei  den  Lappen 
zwischen  14,2  und  14,8,  in  maximo  17,3);  der  Breitenindex  beträgt  im  Mittel  71,8  (bei  den  Lap- 
pen 83,2,  in  maximo  86,1).  Darin  gleicht  der  Eskimoschädel  dem  lappischen,  dass  die  Tubera 
parietalia  sehr  verstrichen  sind,  aber  ihr  Abstand  ist  weit  geringer,  nämlich  1 1,4 — 13,0,  im  Mittel 
12,0  (bei  den  Lappen  12,9 — 13,9,  im  Mittel  13,5).  Dazu  kommt  ein  im  höchsten  Grade  charak- 
teristischer Umstand,  nämlich  die  Höhe  und  die  abweichende  Begrenzung  des  Pla- 
num semicirculare.  In  allen  Fällen  erreicht  die  Linea  semicircularis,  d.  h.  die  obere  Grenze 
dieser  ftir  den  Ansatz  des  grossen  Schläfenmuskels  bestimmten  Fläche,  das  Tuber  parietale; 
in  zwei  Fällen  (Nr.  66  und  67)  überschreitet  sio  sogar  das  Tuber  beiderseits,  so  dass 
dasselbe  ganz  zur  Muskelinsertion  gedient  hat,  — ein  Verhältnis,  für  das  wenigstens  in 
Europa  meines  Wissens  alle  Analogien  fehlen.  In  diesen  beiden  Fällen  war  die  Entfernung 
der  Lineae  semicirculares  von  einander  bis  auf  7,3  und  7,0  Cent,  vermindert;  in  den  anderen 
drei  betrug  sie  einmal  7,5  und  zweimal  7,8.  (Der  oben  erwähnte  Schädel  aus  der  zweiten 
Periode  der  Eisenzeit  zeigte  eine  Annäherung  bis  auf  9,5).  Ihre  grösste  Annähorung  erreichen 
jedoch  die  Lineae  semicirculares  nicht  an  den  Tubera  parietalia,  sondern  dicht  hinter  der 
Kranznaht,  wo  sie  eine  gegen  die  Mittellinie  des  Schädels  cinspringende  Curve  bilden.  Das 
gesammte  Planum  ist  sehr  glatt  und  nur  die  Linea  semicircularis  selbst,  zuweilen  der  nächst 
an  sie  anstosaende  Theil  des  Planum,  bilden  einen  leicht  höckerigen,  gegen  die  Mitteltheile 
des  Schädeldaches  scharf  abfallenden , niedrigen  Wulst.  Zweimal  (Nr.  63  und  67)  fand  sich  “ 
innerhalb  des  Planum  scmicircularo  eine  Synostose  des  temporalen  Abschnitts  der  Kranznaht. 
Jodesmal  erscheint  die  Schläfengrube  ganz  platt 

Aus  der  Tabelle  VII  ist  zu  ersehen,  dass  auch  der  Temporaldurchmesser  des  Eskimoschä- 
dels geringer  ist  (11,2),  als  der  irgend  einer  anderen  meiner  Gruppen.  Der  Mastoidaldurchmeaser 
(12,8)  steht  nur  dem  Schädel  der  Bronze-  und  der  jüngeren  Eisenzeit  (12,6  und  12,5)  nach. 

Umgekehrt  zeichnen  sich  die  Längenma&sse  vor  den  meisten  anderen  aus.  Nur  die 
Schädel  der  Bronze-  und  jüngeren  Eisenzeit  (18,9  und  18,8)  ergeben  höhere  Zahlen  für  die 
grösste  Lange,  welche  bei  den  Eskimos  18,5  beträgt.  Der  longitudinelle  Schädeldachbogen 
(37)  ist  jedoch  bei  diesen  grösser,  als  bei  den  Bronzeschädeln  (35,9),  welche  in  diesem  Punkte 
den  Lappenschädeln  (35,1)  nahe  stehen.  Höchst  auffallend  ist  jedoch  die  starko  Betheili- 
gung des  Hinterhauptes.  Das  Verhältniss  der  Hinterhauptslänge  zur  Gesammtlänge  ist 
= 32,4  : 100.  Von  den  in  der  Tabelle  A.  zusammengestellten  Gruppen  besitzt  nur  die  der 
jüngeren  Eisenzeit  augehörige  eine  grössere  Zahl  (32,9),  und  auch  die  Specialberechnung  der 
Localgruppen  in  der  Tabelle  B.  zeigt  nur  eine  Gruppe  der  späteren  Steinzeit,  die  von  Skovs- 
gaard,  mit  einem  höheren  Index  (35,9).  Dio  Lappen  haben  ein  geringeres  (30,6),  die  Finnen 
ein  höheres  (32,7)  Maass. 

Noch  weit  correcter  und  genetisch  mehr  anschaulich  erweist  sich  die  bezeichnete  Tlmt- 
sache  bei  der  Vergleichung  der  absoluten  Längen.  Diese  lehrt  nämlich , dass  die  Sagittal- 
längen  des  Stirnbeins  (12,7),  der  Scheitelbeine  (12,3)  und  der  Hinterhauptsschuppe  (12,0)  ein- 
ander ganz  nahe  kommen,  während  sonst  in  der  Regel,  selbst  bei  dolichocephalen  Schädeln, 
die  Hinterhauptsschuppe  kürzer  ist.  Auch  bei  den  Finnen  misst  sie  nur  1 1,3,  während  das 
Stirnbein  13,4,  die  Schädelbeine  12,7  zeigen.  Nur  bei  den  auch  sonst  so  merkwürdigen  Do- 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 


77 


lichocephalen  der  älteren  Eisenzeit  misst  die  Hinterbauptsschuppe  im  Mittel  13,3  bei  einer 
Sagittallänge  des  Stirnbeins  von  13,1  und  der  Scheitelbeine  von  13,8.  Die  Schädel  der  jün- 
geren Eisenzeit  haben  nur  ein  Mittel  von  11,5  für  die  Höhe  der  Hinterhauptsschuppe,  da- 
gegen sind  die  Schädel  von  Skovsgaard  auch  hier  zu  erwähnen , welche  bei  einer  Sagittal- 
länge  der  Hinterhauptsachuppo  von  12,6  am  Stirnbein  13,1,  an  den  Scheitelbeinen  13,4  mes- 
sen. Die  überwiegend  occipitalc  Ausbildung  des  Eskimoschädels  tritt  hiernach  deutlich 
hervor,  und  ich  bemerke,  dass  sich  damit  noch  eine  pbysiognomische  Eigentümlichkeit  ver- 
bindet, die  nämlich,  dass  die  Hinterhauptsschuppe  an  der  Linea  semicircularis  occipitalis 
superior  (Linea  nuchae)  fast  winklig  gebogen  ist,  so  dass  der  untere  Theil  mehr  horizontal 
verläuft.  Im  Gegensätze  zu  diesem  Verhalten  des  Hinterhaupts  steht  die  Thatsache,  dass 
die  eigentliche  Basis  cranii  (Entfernung  der  Nasenwurzel  vom  Meatus  auditorius  externus 
und  vom  Foramen  occipitalc)  fast  genau  so  gross  ist,  wio  bei  den  kurzköpfigen  Lappen 
und  den  leicht  brachycephalen  Steinschädeln. 

Am  Gesiebt  harmonirt  mit  der  Dolichocephalie  eine  trotz  der  starken  Entwickelung 
aller  übrigen  Knochen  so  geringo  Breite  der  Nasenwurzel  (2,0),  wie  sie  sich  sonst  nur  als  Mit- 
tel der  Stcinschädel  ergiebt.  Dagegen  ist  der  maxillare  Breitendurchmesser  (6,7)  grösser, 
als  bei  irgend  einer  anderen  Gruppe.  Dem  entsprechend  ist  die  Nasenöffnung  oval  und  hoch, 
und  die  grosso  Orbita  mehr  rundlich.  Letztere  ist  überdies  besonders  ausgezeichnet  durch 
die  wahrhaft  bestiale  Ausbildung  der  Supraerbitalgegend.  Der  obero  Rand  der 
Augenhöhle  ist  nämlich  fast  constant  so  sehr  vergrössert  (verlängert),  dass  die  Incisura 
supraorbitalis  einen  wirklichen  Kanal  bildet  und  dass  noch  Uber  diesen  hinaus  der  Rand 
sich  wie  ein  Dach  verschiebt.  Nächst  der  Gestaltung  des  Planum  semicircularc  ist  dies  der 
am  meisten  thicrische  Zug  des  Eskimoschädels. 

Was  den  Kauapparat  anbelangt,  so  ist  zunächst  der  zum  Theil  sehr  starke  Prognathis- 
mus zu  erwähnen.  Der  Oberkieferindex  (94)  wird  nur  von  der  Schädelgruppe  des  älteren 
Eisenalters  (96,2)  Ubertroffen,  indess  wirkt  seine  Länge  bei  den  Eskimos  viel  mehr,  weil 
die  Höhe  des  Obergesichts  (die  Entfernung  der  Spina  nasalis  von  der  Nasenwurzel)  ungleich 
grösser  ist.  Im  Allgemeinen  stehen  die  Zähne  gegen  einander;  nur  einmal  (Nr.  64)  finde  ich 
hintereinanderstehende  Zähne  notirt  Die  Mitte  des  Unterkiefers  ist  höher  (3,5),  als  in 
irgend  einer  anderen  Gruppe;  ebenso  sind  der  untere  Umfang  dieses  Knochens  (20,2)  und 
der  Abstand  der  Kieferwinkel  von  einander  (10,2)  die  grössten  überhaupt  von  mir  verzeich- 
neten.  Der  Kieferwinkel  erscheint  dabei  sehr  stark  winklig  abgeeetzt. 

Auch  die  Jochbreite  (13,8)  wird  nur  von  derjenigen  der  breitköpfigen  Finnen  übertrof- 
fen. Die  Jochbogen  stehen  mässig  ab.  Das  Jochbein  und  der  Processus  zygomaticus  des 
Oberkiefers  sind  sehr  stark. 


C.  Die  Finnen. 

Auch  bei  den  finnischen  Schädeln  habe  ich  mich  auf  eine  kleine  Auswahl  beschränkt. 
Es  kam  hier  ausser  der  Rücksicht  auf  den  Erhaltungszustand  und  die  Vollständigkeit  der 
Schädel  noch  ein  Umstand  in  Betracht,  den  ich  besonders  hervorheben  möchte,  um  vor  et- 
waigen Irrthümern  zu  warnen.  Gerade  in  Finnland  schieben  sich  die  Lappen  und  die  eigent- 


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78 


Rud.  Virchow, 

liehen  Finnen  so  durcheinander,  dass  eine  sehr  sorgfältige  Scheidung  nothwendig  ist.  Im 
anatomischen  Museum  in  Kopenhagen  findet  sich  eine  gewisse  Zahl  von  Schädeln  aus  Finn- 
land als  finnische  bezeichnet  vor,  die  mindestens  Mischformen  darstellen.  Aebnliches  mag 
auch  anderwärts  Vorkommen.  Ich  habe  mich  daher  auf  drei  Schädel  beschränkt,  bei  denen 
die  Namen  der  Geber,  der  Professoren  llmoni  und  Bonsdorff  in  Helsingfors  eine  besondere 
Bürgschaft  gewährten;  sie  stimmen  mit  anderen,  mir  bekannten,  jedoch  bei  dieser  Gelegen- 
heit nicht  zu  besprechenden  finnischen  Schädeln  überein. 

Der  finnische  Schädel  ist  unzweifelhaft  brachycephal  und  orthognath.  Sein  Breiten- 
index  beträgt  80,3 , ist  also  um  Weniges  kleiner , als  der  der  Lappenschädel.  Da  auch  sein 
Höhenindex  kleiner  ist,  so  stimmt  das  Verhältnis  von  Höhe  und  Breite  bei  beiden  ziemlich 
nahe  überein.  Nichtsdestoweniger  ist  seine  ganze  Erscheinung  eine  wesentlich  verschiedene. 
In  allen  seinen  Theilen  zeigt  sich  eine  kräftige,  man  könnte  fast  sagen,  stolze 
Entwickelung.  Der  Ausdruck  Brachycephalus  (Kurzkopf)  giebt  gerade  hier  leicht  eine 
falsche  Vorstellung;  es  ist  vielmehr  vorwiegende  Breite  bei  verhältnissmässig  be- 
trächtlicher Länge,  welche  diese  Schädel  charaktcrisirt.  Eine  speciellere  Betrachtung 
wird  dies  sofort  darthun. 

Die  grösste  Länge  (18,3  im  Mittel)  erreicht  beinahe  die  der  Eskimoschädel  (18,5);  der 
Schädeldachbogen  (37, C)  ist  sogar  länger  als  bei  den  Eskimos  (37,0).  Auch  das  Verhältniss 
der  Hinterhauptslänge  zur  Gesammtlänge  (32,7  : 100)  ist  grösser  als  bei  deu  Eskimos  (32,4 
: 100).  In  diesen  Beziehungen  nähern  sich  die  Finncnschädel  denen  der  Stein-  und  Eisen- 
zeit. Aber  die  Entwickelung  ist  trotzdem  keine  wesentlich  occipitale.  Die  Sagittallänge  der 
Hinterhauptsschuppe  ist  nur  11,5,  dagegen  die  des  Stirnbeins  13,4,  die  der  Scheitelbeine  12,7. 
In  keiner  anderen  Gruppe  hat  der  Sagittalumfang  des  Stirnbeins  ein  so  hohes  Mittel,  und 
die  Stirn,  obwohl  etwas  schmal,  erscheint  daher  über  den  Tubera  frontalia  hoch.  Dazu 
kommt  die  bemerkenswerthe  Erscheinung,  dass  die  Alae  temporales  des  Keilbeines  sehr  gross, 
besonders  breit , dagegen  die  Squamae  tem[>orales  des  Schläfenbeins  klein  sind.  Es  handelt 
sich  hier  demnach  um  eine  sincipitale  Ausbildung  des  Schädels. 

Was  die  Breite  angeht,  so  sind  fast  sämmtliche  Querdurchmesser  dabei  betheiligt  Die 
grösste  Breite  erreicht  mit  14,7  im  Mittel  das  Maximum  aller  Gruppen.  Dasselbe  gilt  von 
dem  Schläfendurchmesser  mit  12,6.  Nur  der  mastoidale  ist  kleiner  (12,9)  als  der  der  Lap- 
pen (13,1),  der  Stoinschädel  (13,0)  und  der  Schädel  der  ältesten  Eisenzeit  (14,6).  Gegenüber 
den  Lappen  ist  besonders  zu  betonen,  dass  die  Tubera  parietalia  stark  entwickelt 
sind  und  dass  ihr  Abstand  (13,6)  um  ein  Weniges  grösser  ist  Dagegen  reichen  die  sehr 
glatten  Plana  semicircularia  sehr  hoch  hinauf,  jedoch  überschreiten  sie  niemals  die  Tubera 
parietalia,  wenngleich  es  vorkommt,  dass  sie  dieselben  kreuzen  (Nr.  68).  In  keinem  Falle  be- 
trägt die  verticale  Annäherung  der  Lineae  semicirculares  an  einander  mehr  als  13,5  — 13,0 
Cent.,  was  einen  durchgreifenden  Unterschied  gegenüber  den  Eskimos  begründet.  Zugleich 
ersieht  man  daraus,  was  für  die  allgemeine  Crauiologie  von  nicht  geringem  Interesse  ist 
dass  die  Ausdehnung  dieser  Plana  oder  der  Schläfenmuskeln  keine  nothwendige 
Einwirkung  auf  die  Gestalt  dos  Schädels  ausübt. 

In  einem  Falle  (Nr.  69)  fanden  sich  Schaltknochc-n  in  der  Larnbila-  und  Schuppennaht. 
Sonst  sind  die  Knochen  sehr  kräftig.  In  einem  anderen  Falle  habe  ich  besonders  die  starke 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen.  79 

Entwickelung  der  Protuberantia  externa  und  Crista  occipitalia  (Nr.  70)  und  zugleich  die 
grosse  Ausbildung  der  Arcus  superciliares  notirb 

Auch  die  Gesichtsknochen  sind  kräftig.  Die  lange  und  schmale,  stark  vorstehende  Nase 
hat  eine  verhültnissinäsaig  breite  Wurzel  (2,6),  so  dass  sie  in  letzterer  Beziehung  der  Lappen- 
nase gleich  steht,  von  der  sie  sich  doch  in  allen  anderen  Beziehungen  unterscheidet.  Auch  die 
Spina  nasalis  ist  stark.  Der  Oberkiefer  ist  hoch  und  gross ; die  untere  Maxillarbreite  be- 
trägt 6,2,  steht  also  unter  derjenigen  der  Grönländer  (8,7).  Der  Oberkieferindex  beträgt 
nur  90,3,  jedoch  springen  die  Zähne  des  Oberkiefers  etwas  vor.  Die  Jochbogen  sind  ange- 
legt und  etwas  klein;  trotzdem  ist  der  Jugaldurchmesser  (14,0)  der  grösste  in  sämmtlichen 
Gruppen. 

Der  Unterkiefer  ist  im  Ganzen  kräftig,  jedoch  mehr  an  den  Seiteutheilen,  als  in  der 
Mitte.  Hier  beträgt  seine  Höhe  3,1,  ungefähr  so  viel  als  das  Mittel  der  Stein-  und  jüngeren 
Eisenschädel  (3,2  und  3,1)  ergiebt,  dagegen  weniger  als  bei  den  Eskimos  (3,5).  Dafür  ist 
der  Gelenkast  (7,0)  länger  als  bei  den  Eskimos  (6,0),  ungefähr  von  gleicher  Grösse,  wie  an 
den  Unterkiefern  der  Eisenzeit.  Der  untere  Umfang  des  Knochens  (18,1)  ist  sogar  geringer, 
als  in  allen  anderen  Gruppen  und  der  Abstand  der  Kieferwinkel  von  einander  (9,6)  wird  nur 
noch  von  dem  Unterkiefer  der  späteren  Eisenzeit  (9,3)  unterboten.  Es  resultirt  daraus  eine 
mehr  winklige  Stellung  beider  Kieferhälften  zu  einander,  sowie  ein  stärkeres  Vorspringen  des 
Kinns,  charakterisirt  durch  die  Entfernung  des  letzteren  von  dem  Meatus  auditorius  externes 
(13,3),  welche  bedeutender  ist,  als  in  irgend  einer  der  anderen  Gruppen.  Am  nächsten  kom- 
men darin  die  Schädel  der  Steinzeit  (13,2),  während  selbst  der  stark  entwickelte  Kieferappa- 
rat der  Eskimos  ein  geringeres  (12,9),  der  schwächliche  und  mehr  ausgerundete  Unterkiefer 
der  Lappen  ein  sehr  viel  geringeres  (12,2)  Maass  ergiebt. 


Ich  schliesse  damit  meine  Bemerkungen,  so  verführerisch  cs  auch  sein  möchte,  auf  zahl- 
reiche andere  Arbeiten  Uber  Gräber-  und  Racenschädel  einzugehen.  Nur  einen  Punkt  der 
vergleichenden  Anthropologie  will  ich  noch  berühren,  weil  ich  dazu  directe  Veranlassung 
habe. 

N.  G.  Bruzelius  (Svenska  Fomlomningar.  Lund  1860.  II.  S.  15)  findet  bei  einer 
Untersuchung  der  in  Schonen  auagegrabenen  Steinschädel,  dass  sie  mit  den  dänischen  auf  das 
Genaueste  Ubereinstimmen,  und  er  schliesst  daraus,  dass  schon  im  Steinalter  derselbe  Volks- 
stamm Dänemark  und  SUd-Schweden  bewohnt  haben  müsse.  Er  bezieht  sich  zum  Beweise 
dessen  einerseits  auf  einen  von  Worsaae  in  Seeland  gemachten  Fund,  welcher  keiD  anderer 
sein  kann,  als  der  von  Borreby,  andererseits  auf  Schädel,  welche  im  Priestergarten  zu  Hvel- 
linge  in  Schonen  ausgegraben  wurden.  Hier  fand  man  in  einem  Sandhügel  innerhalb  eines 
Kreises  von  grossen  Rollsteinen  8 Skelete,  worunter  zwei  von  älteren  Kindern,  ferner  einen 
ausgezeichneten  Steinhammer,  hübsch  verzierte  7' hon  ge  fasse  und  einen  bearbeiteten  Eberzahn. 
Von  zwei  dieser  Sobädel,  die  jetzt  im  Museum  zu  Lund  sind,  finden  sich  auf  PI.  IV. 
Fig.  5 und  C die  Abbildungen  und  von  dreien  auf  S.  14  die  freilich  nur  unvollständigen  Mes- 
sungen. Darnach  betrug  bei  einem  jugendlichen  Schädel  (Fig.  5)  die  Länge  (von  der  Gla- 


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80 


Rud.  Virchow, 


bell»  zur  Spitze  der  Lambdanaht)  7"  4’",  die  interparietale  Breite  5"  3'",  bei  einem  alteren 
Schädel  (Fig.  6)  die  Länge  7"  2’",  die  Breite  5*  5"',  bei  einem  zweiten,  gleichfalls  älteren 
7"  0'"  und  5"  3'".  Ich  berechne  danach  den  Breitenindex  zu  71,6  — 75,5  — 70,0.  Ist  dies 
richtig,  so  stimmen  diese  Schädel  weder  mit  denen  von  Borreby,  deren  Breitenindex  79  be- 
trägt, noch  mit  denen  der  dänischen  Steinzeit  im  Ganzen,  deren  Breitenindex  77,3  ist  Aller- 
dings sind  diese  Maasse  nicht  ohne  Correctur  zu  vergleichen,  da  Bruzelius  die  intertubcrale, 
ich  dagegen  die  grösste,  in  der  Regel  also  infratuberale  Breite  gemessen  habe,  indess  kann  , 
der  Unterschied  kein  sehr  erheblicher  sein.  Die  Hvellinge-Schädel  sind,  wie  übrigens  Bru- 
zelius selbst  richtig  bemerkt,  entschieden  dolichocephal , wofür  auch  die  Abbildungen  spre- 
chen. Die  starke  Entwickelung  der  Suporciliarbogcn,  der  tiefe  Ansatz  der  Nasenwurzel  und 
die  beträchtliche  Prominenz  der  Nase  erinnern  freilich  an  mehrere  der  Borreljy-Schädel.  Ihre 
sonstigen  Eigenschaften  dagegen  möchten  sie  eher  den  Skovsgaard-Schädeln  annähern. 

Ungleich  ähnlicher  den  Hvellingc-Schädcln  sind  dagegen  die  18G3  bei  Lockeg&rd  in  West- 
gotblaud  in  einem  Ganggrabe  gefundenen  und  von  v.  Düben  gemessenen  Schädel  (Nilsson 
Steinalter,  S.  91,  Taf.  XIII,  Fig.  235 — 238,).  Bei  diesen  berechne  ich  nach  den  von  Nilsson 
mitgetheilten  Maassen  den  Höhenindex  auf  74,7,  den  Broitonindex  auf  72,6,  das  Verhältniss 
von  Höhe  und  Breite  auf  102,8.  Aus  12  Ganggräberscbädeln  berechnet  v.  Düben  selbst  einen 
Breitenindex  von  73,1;  sie  waren  nach  seiner  Angabe,  mit  Ausnahme  eines  einzigen,  sämmt- 
lich  dolichocephal.  Er  vergleicht  sie  daher  mit  den  Schädeln  der  heutigen  Schweden,  von 
denen  sie  sich  hauptsächlich  durch  die  Grösse  der  Superciliarbogen,  die  geringere  Höhe  der 
Orbitae  und  einen  gewissen  Prognathismus  unterscheiden  sollen. 

Die  Mittheilungen,  welche  Ecker  (Crania  Germ,  merid.  occ.  Freiburg  1865.  S.  91)  über 
neuschwedische  Schädel  giebt,  stimmen  damit  erträglich.  Er  giebt  nach  vier  Exemplaren  den 
Höhenindex  zu  73,9,  den  Breitenindex  zu  71,5,  das  Verhältniss  von  Höhe  zur  Breite  zu  96,2 
an.  Allein  es  scheint,  dass  diese  Angalten  als  allgemein  gültige  nicht  betrachtet  werden  dür- 
fen. v.  Düben,  gewiss  ein  competenter  Zeuge,  findet  einen  Breitenindex  von  77,1,  und 
Welcker  (Archiv  tür  Anthropologie,  I,  S.  138),  der  eine  grössere  Zahl  von  Messungen  zu- 
sammenstellt, giebt  für  sich  75,  für  Retzius  und  Pruner-Bey  77,  für  Davis  und  Thur- 
nam  78  an.  Rechnet  man  die  sämmtlichen  von  Welcker  angeführten  49  Schädelmessun- 
gen zusammen,  so  erhält  man  gleichfalls  oinen  Breitenindex  von  75.  Dabei  ist  jedoch  zu  be- 
achten, dass  Welcker  die  interparictale  Breite  misst;  er  selbst  giebt  (S.  139  Anm.),  wenn 
man  die  grösste  Breite  der  Rechnung  zu  Grunde  legt,  77,3  als  Index  an. 

Immerhin  möchte  daher  vorläufig  angenommen  werden  können,  dass  die  schwedischen 
Steinschüdel  mehr  Aehnliclikeit  mit  den  heutigen  Schwedenschädeln,  als  mit  der  Mehrzahl  der 
bis  jetzt  bekannten  dänischen  Steinschädel  besitzen.  Sollte  es  sich  weiterhin  bestätigen,  was 
ich,  freilich  nur  nach  dem  Augenscheine,  erwähnte,  dass  die  heutigen  Dänenschädel  sich  mehr 
zur  Brachvoephalie  neigen,  so  könnte  es  scheinen,  als  ob  jedes  der  beiden  Völker  schon  in 
den  Gräbern  der  Steinzeit  seinen  heutigen  Typus  wiederfindet. 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 


81 


Nachtrag. 


In  dem  soeben  ausgegebenen  Bande  der  Memoire  read  before  the  Antliropological  So- 
ciety of  London  (1670.  Vol.  III.  p.  378)  finde  ich  eine  Abhandlung  des  Präsidenten  dieser 
Gesellschaft,  Herrn  Beddoe,  über  die  Sehädelform  der  Dänen.  Seine  Untersuchungen  sind 
nur  an  Lebenden  und  zwar  Matrosen  und  Scliifisleuten,  28  an  der  Zald,  angestellt,  indess 
für  die  allgemeine  Frage  von  grossem  Interesse.  Sie  bestätigen  dasjenige,  was  ich  oben 
(S.  71)  gesagt  habe.  Im  Mittel  der  28  Fälle  fand  er  einen  Breitenindex  von  80,5;  darunter 
waren  14  Inseldäncn  und  zeigten  einen  Index  von  80,6.  Ein  Blick  auf  meine  Durchschnitts- 
Tabellen  (S.  62,  63)  ergiebt,  dass  dieses  Verhältniss  den  Borreby-Schädeln  am  nächsten 
kommt 

Herr  Beddoe  schildert  mit  einiger  Aufregung  unter  den  Inseldänen  einen  Mann  von 
Möen  (p.  383),  dessen  Erscheinung  von  allen  anderen  „toto  coelo“  abweichend  gewesen  sei. 
Sein  Kopf  erinnerte  ihn  an  die  Schädel  von  Borreby  „in  Möen“.  Unglücklicherweise  liegt 
Borreby  nicht  auf  Möen,  sondern  auf  Seeland,  und  os  dürfte  bei  genauerer  V ergleichung  auch 
die  Aebnlichkoit  geringer  werden. 

Welcker  (Archiv  f.  Anthr.  I.  S.  154)  führt  die  Dänen  mit  einem  Breitenindex  von  76,1, 
einem  Höhenindex  von  71,3  auf.  Da  er  nicht  von  der  grössten,  sondern  der  iutertubcr&len 
Breite  ausgeht,  so  muss  das  Breitenmaass  natürlich  sehr  erhöht  werden. 

Einen  Gräberschädel  von  Stego  (Möen)  nach  einem  Gypsabgusse  bildet  auch  Rctzius 
(Ethnologische  Schriften.  Leipzig  und  Stockholm  1864.  S.  20.  Taf.  III,  Fig.  H)  ab.  Wie 
er  sich  zu  denen  von  Nilsson  (Steinalter  PI.  XU,  Fig.  230  bis  232,  und  PI.  XIII,  Fig.  240) 
verhält,  vermag  ich  nicht  zu  beurtheilen.  Immerhin  ist  es  bemerkenswerth , dass  auch 
Retzius  gegen  die  Lappenähnlichkeit  Bedenken  hat. 

Endlich  hat  Carus  (Atlas  der  öranioskopie.  Leipzig  1843.  Heft  L PI.  VI)  nach  einem 
ihm  von  Eschricht  zugestellten  Schädelabguss  eine  Abbildung  geliefert. ■ Die  von  Eschricht 
gewählte  Bezeichnung:  Homo  aborigo  Daniae  ist  leider  nicht  geeignet,  auf  die  Spur  dieses 
entschieden  mehr  dolichocephalen  Schädels  zu  leiten.  Indess  wäre  es  sehr  erwünscht,  wenn 
einer  der  dänischen  Anatomen  sich  die  Mühe  geben  wollte,  durch  Vergleichung  mit  den 
Originalen  die  genaue  Feststellung  der  letzteren  herbeizufuhren  und  dadurch  neuen  Ver- 
wirrungen vorzubeugen. 


Archiv  fttr  Anthropologie,  B<1.  IV,  Heft  I 


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82 


Tabelle  I. 


Itutl.  Virchow, 


Steil 

Nro.  18,519, 


Durchlaufende  Nummer. 

1. 

IB 

ID 

B 

H 

6. 

B 

B 

B 

B 

Nummer  de«  Katalogs. 

i.  ■> 

II.  ») 

UL  ') 

IV.  ») 

V.  ■) 

VL  •) 

VII.  ■«) 

VIII.  •>) 

IX.  '») 

X.  U) 

Grösster  Horizontalumfang  de» 
Schädels « 

52,0 

54,0 

54.5 

55,0 

53,0 

50,0 

62,3 

63,6 

52,3 

55,0 

Grösste  Höhe  de»  Schädels  . . 

14,1 

15,2 

14,5 

14,7 

14,6 

13,7 

14,8 

15,3 

13,9 

14,7 

(18,6) 

(18,0) 

(18,2) 

(17,9) 

(17.9) 

G Hisste  Länge  des  Schädel»  . . 

17,9 

18,« 

19,4 

19,4 

19.0*) 

17,5 

18,5 

18,5 

18,2 

18,9 

Sogittal-Umfang  des  Stirnbein» 

13,0 

13, 6. 

13, 9| 

13.0. 

12,8. 

13,1. 

13,1 

13, 2| 

18,0 

15,2. 

Länge  der  Sutura  sag 

Sagittal  - Umfang  der  Sqoftma 
occip 

12,9  M 

1 ro 

IW*) 

12,9» 

« 

12, 0* 

12, 4|„ 
f® 
12,0’ 

i« 

12,5  t 

12, o|  « 

N 

1 1,6' 

13,0  g 

10, sl 

13.6  « 
1® 

12,31 

ia-aU 

13, JV 

12,0  co 
Ja 

13,  ß| 

13,0  L • 

S: 

12,0)  1 

Entfernung  de«  Meat.  aud.  ext. 
bi«  Nasenwurzel  ...... 

10,5 

11,0 

11,6 

11,2 

11.2 

9,0 

10,4 

11,7 

10,1 

11,3 

Entfernung  des  Meat.  aud.  ext 
bi«  Kinn 

13,2 

18,9 

13,2 

13,3‘) 

14,2 

9,6 

12,7 

14,4 

12,6 

f 

13,2 

Entfernung  de«  For.  mag»,  bis 
Nasenwurzel 

10,1 

l<y) 

10,9 

10,8 

11,5 

9,1 

9,9 

10,7 

9,7 

10,7 

Entfernung  des  For.  magn.  bis 
Spina  na« 

. 9,1 

10,1 

10,1 

9,6 

10,4 

8,3 

9,2 

9,7  (?) 

8,9 

10,1  r- 

Entfernung  des  For.  mngn.  bis 
Protub.  occip 

5,9 

7,2 

6,3 

6,0 

5,6 

5,0 

6,7 

4,5 

6,4 

5.5  | 

Grösste  Breite  de»  Schädel«  . . 

11,0 

14,8 

15,4 

14,8 

14,4 

18,7 

14,2 

14,9 

14,4 

15,5 

T emporal-Durchraesaer  .... 

11,2 

12,7 

13.2 

12,0 

12,2 

11,1 

11,5 

13,2 

12.8 

- 

Mastoidal-Durchmesser  .... 

12,8 

14,1 

14,2 

13,9 

14,3 

11.6 

13,1 

14,2 

12,9 

14.0 

Jugal- Durchmesser 

13,0 

13,6  (?) 

14,4  (?) 

14,0 

14,2 

11,4 

13,5 

14,5 

13,5 

— 

Maxillar-Durchmesser 

7,5 

7,5 

7,5 

7,1 

7,8 

6,7 

7,1 

7,2 

7,1 

6.7 

Breite  der  Nasenwurzel  .... 

2,5 

26 

2,5 

2,3 

2,9 

2,8 

2,0 

2,4 

2,2 

2,5 

Unterer  Umfang  des  Unter- 
kiefers   . 

19,0 

20,0 

18,5 

*,0 

22,0 

14,4 



22,0 

18,4 

18.5  i 

Mediane  Höhe  de*  Unterkiefer» 

8.3 

3,7 

3^ 

9,4 

3,2 

2,2 

3,2 

3,3 

3,5 

3,3 

Höbe  des  Kieferaste»  ..... 

7,0 

7,0 

— 

6,8 

7,0 

4,5 

— 

- 

6,5 

6,5 

Entfernung  dtt  Unterkiefer- 
wirikels 

10,7 

10.9 

10,8 

10,2 

10,6 

9,1 

__ 

12,1  I 

10,5  (?) 

10,8 

Gesichtswinkel 

70 

69 

74 

70  | 

78 

74 

70 

73 

73 

77 

’)  Außerhalb  d*r  Su-lnluuum«T  gcfundm.  Sehr  gelb.  Dreieckige*  Kinn.  — *9  Oswi  interc»l.  Ismb<1.  — *)  Sehr  gelb.  l!yp*ro».t  >»«■  *. 
gnnien  Umfange  der  Augenhöhle.  Dreieckiges  Kinn.  — 4)  Verletzung  nuf  dem  Stirnbein.  Starke  Supraorbitalhöcker.  Schwach  dre.t  .*• 
Syroph.  ment.  — Sehr  *chwer,  ungewöhnlich  weih« , in  allen  Vertiefungen  und  Nähten  tnit  Gyp*  besetzt.  — *)  Prognatbe  Symph.  tu  »- 
tali*.  — ')  Sehr  gelb.  Höckerige  porü»e  Hvperohtose  des  SupcrriliarbageHs  mit  Verlängerung  des  Margo  «uperc.  und  Bildung  eine* 
»uprnorb.  Sut.  sagitt.  et  lambd.  serratae.  Schwach  dreieckige  Sy  mph.  »nent.  — *)  Starke  Supraorlitulhikker.  — ®)  Kind.  Schwach  dmc 
Symphyse  des  Unterkiefer«.  — ,f>)  Anfang  der  Sutura  frontal-.»  erhalten.  Starke  GUI  eil«.  Dreieckiges  Kinn.  — **)  Starke  Hypcro$tosi% 
ciliar.  Mehr  abgerundetes,  in  der  Milte  schwach  hcnrin-tretemle*  Kinn.  — **)  Synostosi»  temporal)»  duplex  (»pbenofronto-parietaii«),  S-hr  . 
last  t-.r.iun  an  manchen  Stellen  (Feuer V Ki-enV)  Synostosis  n;i|fitlali»  et  mastoidalis  sup.  Dreieckiges  Kinn.  — I*)  Sehr  starke  Protutfr.  t - 
und  Cr»ta  ade.  Mediane  E«o*to*e  am  rordern  Um  lang  de«  Forint,  raagn.  Defect  der  rechten  Sshliienschopj  e.  Unterer  Rand  des  Cnterki  '<  ri 
im  mittleren  Theile  stark  vortretend. 


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seit. 

Jorreby  (Seeland). 


Die  altnordischen  .Schädel  zu  Kopenhagen. 


83 


Tabelle  I. 


m 

n 

D 

16. 

«a 

ID 

22. 

23. 

24. 

i 

XV.  >«) 

FE 

BES 

52,0 

50,5 

i 

61,4 

52,6 

52,0 

49,6 

51,0 

51,0 

50,0 

51,0 

60,2 

55,0 

53.7 

13,8 

14,1 

13,9 

14,4 

13,0 

13,7  (?) 

12,8 

13,8 

12,9 

13,4 

13.9 

14,2 

13,9  (?) 

— 

13,3 

(18,1) 

(17,8) 

(18,0) 

# 

(18,1) 

17,5 

ie,7 

17,9 

16,7 

18,5 

17,2 

17,7 

17,4 

17,3 

16,0 

17,8 

19,4 

17,2 

17,6 

13,6 

12,6. 

13,0. 

12,8, 

13,0, 

13,4. 

>2, <| 

13,2t 

13,' *1 

12,5. 

18,6. 

18,0) 

12,9. 

13,8, 

13,0 

18,0 

i24 

1® 

13,1» 

I **4 

in 

13,üL 

nal 

11,71« 

l 9» 

i2’°U 

12,4  L 

j -1 

P* 

12,0  „ 
* 

12,91  „ 

«6 

13, 4L 

j ^ 

*«| 

12,2 

9 

io’eU 
1 00 

133| « 

r= 

10,7' 

11, V 

12,2* 

11, 3^ 

- 

li.i» 

n.01 

11, 8* 

11,6' 

11,0* 

11,4» 

11,9' 

12.01 

13,ol 

12,21 

10,5 

10,8 

10,4 

11.0 

10,2 

10,8 

10,2 

10,5 

9,9 

10,2 

10.0 

10,4 

10,0 

- 

10.5 

12,1 

- 

- 

- 

12.2 

12,9 

12,4 

- 

- 

- 

- 

- 

- 

10,7 

10,3 

10,0 

10,8 

10,0 

- 

9,8 

9,9 

9,0 

9,6 

9,8 

10,2 

9,1 

- 

- 

10,5 

0,5 

8,9  ; 

9,5 

8,9 

- 

8,6 

9,4 

8,6 

8.5  j 

8,9 

9,3 

8,4 

- 

- 

4,2  , 

i 5,8 

5.5 

5,6  (?) 



3,9 

4,7 

6.8 

5,3 

6,1 

6,0 

7,0  (?) 

6,8 

— 

5.1 

14.6  1 

14,0 

13,7  1 

14,0 

14,9 

13,7 

11.4 

14,4 

18,9 

14,1 

13.2 

14,0 

13,1 

13,8 

11,0 

11,8 

11,4 

12,6 

11,5 

11,0 

12,2 

H.7 

11,3 

— 

11,0 

12,0 

— 

12.0 

12,5 

12,8 

13,0 

13,3 

12,8 

12.8 

13,1 

12,9 

12,7 

— 

; i2-i 

13,0 

11,2 

- 

12,8 

12)S 

13,6 

12,8 

11,4 

12,9 

12,4 

13.2 

— 

11,8 

— 

12,3 

13.0 

11.5 

— 

- 

6,7 

6,7 

6.5 

6,9 

6,7 

6,8 

6,1 

6,5 

6,2 

— 

6,4 

6,8 

5,9 

6.0 

— 

2,4 

2,2 

2,3 

2,6 

2,2 

2,2 

2,5 

2,4  (?) 

2,4 

2,6 

2,2 

2,5 

2,2 

2,5 

2,7 

16,0 

— 

— 

— 

16,0 

19,5 

— 

16.5 

— 



— 

- 

— 

— 

3,1 

.5,2 

— 

— 

— 

3,1 

5,5 

3,3 

2.7 

4.8 

— 

2,6 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

8.5 

_ 

- j 

8,7 

_ 

9.3 

8.6 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

76 

69 

69,5 

77 

76.5 

75 

77 

65,5 

76 

77 

70 

78 

74 

_ 

**)  Jugendlich.  — *Ä)  Leichte  Syoo*to*i*  coroo.  lat.  0*  intcrcal.  latnlwl.  Synost.  Mgitt.  post,  iocomplota.  — **)  SynoaL  oor.  lat.  inf.  Kurxe  un- 
o!|  ständige  Syno*t  sagitt.  post.  Zwei  Exoatnaen  nm  fordern  lTmfang  de*  Kor.  mngn.  — 17)  8ynost.  eor,  lat.  inf.  und  »agitt.  post.  Starke  Arcus  feupetcil,  — 
*)  Stark  prognathe  Symph.  mentalis.  — *'■*)  Synost.  cor.  lat.  duplex,  »ugitt.  ant.  und  coron.  tned.  tarda.  — 30)  Weltlich?  Erhaltene  Sut.  front-,  starke  ra^su- 
Sre  Vortreibung  des  oberen  Titelte»  der  Sijuatna  oedpit.- — 21)  Gros«*  Brandstellen  aa  der  rechten  Temporal-  und-Orbltalgegend.  8yno*t.  »agitt.  j»o»t.  und  UiuIhI. 
up.  Syn.  coron.  lat.  spheno-front.  und  fronto-parletal.  inf.  Weiblich?  — **)  Jugendlich.  — M)  Weiblich?  Defect.  — J<)  Syooat.  splteoo-front.  und  fronto- 
•arlet.  inf.  Weiblich??  — aft)  Os*a  intercalnria  lavnbd.,  font.  ant.,  ]*»st.  und  lat.  Synost.  frontopariet.  inf.  duplex.  Caprul.  Hinterhaupt.  — **)  Seltr  defect  und 
erbrochen.  Stark  prognather  Oboririefcrrnnd.  Weiblich?  — **)  Stark  defect.  Auf  der  rechten  Seite  «ehr  braun  (Feuer).  Sehr  stark  promineute  Nase.  Grosse» 
echt* -eitige*  0*  fontkularc  |to*t. 


1 


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1 


Tabelle  III.*) 

Ku 

d.  Virchow, 

Stein 

Stoen. 

Nr.  1469.  Udby. 

Durchlaufende  Nummer» 

33. 

34. 

35. 

36. 

87. 

38. 

Nummer  dea  Katalog«. 

L ’) 

H.  ®) 

10  (C)  *) 

11  (F)  ») 

V.  (D)  •) 

TI.  ®) 

Größter  Horizontal  - Umfang  de* 

Schädels 

52,3 

51,2 

47,8 

50,0 

62,2 

50,1 

(fröeste  Höhe  des  Schädels . . . . 

14.5 

— 

13,7 

13,4 

13,0 

13  3 

Grösste  Lunge  des  Schädels  . . . 

19,0 

17,9 

17,1 

17,7 

18,8 

16,9 

Sagittal-Umfang  des  Stirnbeins  • . 

13,1  1 

n.M 

12'°U 

13>2U 

1S,8U 

12,51 

Länge  der  Sutura  sagitt 

13,9®)  | 

«■»W 

Mz 

1 0.A  RIO 

11,8  ^ 

I84S 

Sagittal-Umfangd  er  Squama  occipit. 

113  * 

11,2) 

10,2 1 

I "’  J 

18,  lJ 

10,2) 

Entfernung  des  Meat.  aud.  ext. 

bis  Nasenwurzol  ........ 

10,3 

10,2 

9,7 

9,0 

10,4 

9,8 

Entfernung  des  Meat.  aud.  ext. 

bis  Kinn  . 

13,0 

— 

— 

— 

— 

— 

Entfernung  des  For.  magn.  bis 

Nasenwurzel 

10,6 

— 

10,0 

8,5 

9,8 

9.3  l 

Entfernung  des  For.  magn.  bis 

Spina  nasalis  

10,0 

— 

9,0 

7,8 

8,5 

— 

Entfernung  des  For.  magn.  bis 

Protub.  occip. ......... 

5,4 

5,4 

6,2 

6,1 

5,9 

4,6 

Grösste  Breite  des  Schädels  . . . 

13, S 

14,1 

12,6 

13,5 

13,4 

14,1 

Temporal-Durchmcsser 

11,6 

12,0 

10,6 

10,3 

114 

IW 

Mastoidal-Durchmesser 

11,9 

12,7 

12,0 

11,7 

12,5 

IV 

Jugal- Durchmesser 

18,4 

13,7 

— 

— 

— 

— 

Maxillar-Durchmeseer 

6,0 

6,1 

5,9 

5,3 

— 

— 

Breite  der  Nasenwurzel  ..... 

2,4 

2,6 

2,0 

1,9 

2,5 

2,4 

Unterer  Umfang  des  Unterkiefers 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Mediane  Höhe  des  Unterkiefers  . 

3,4 

— 

— 

— 

— 

- 

Höhe  des  Kieferastes 

6,7 

— 

— 

— 

- 

— 

1 

Entfernung  der  Unterkieferwinkel 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Gesichtswinkel  

68 

72 

70 

75 

79 

" 1 

l)  Sut.  «gilt,  und  Mittellinie  dea  Stirnbeins  sehr  vorep  ringend.  O»  interud.  io  der  hinteren  Fontanelle  und  ei»*» 

jederzeit»  in  der  L&mbdaoaht.  Starke  Olabella.  Etwas  prognather  Oberkiefer.  Dreieckiges  Kinn  mit  starkem  medianen  Eü* 

druck.  — 2)  Os  inlercal.  — *)  Starke  Arcus  supereil . CapsulAres  Hinterhaupt  mit  starken  Schaltbeinen  der  Lambdanabu 
Stark  pronather  Oberkiefer.  — 4)  Kindlich.  Offene  Syuchondr.  »pheao-occip.  — fi)  Jugendlich.  Offene  Sy  och.  spheoo-ocop- 
Sehr  grosse  Schaltknochen  der  ganzen  Lambdanaht,  die  »ich  fast  6 Ce n tim.  hoch  in  die  i’feilaaht  fort»etien.  — *)  Jugeodü  b. 

Offene  Synch.  epheno*oecip.  Starke  Schaltknochen  der  Lambdanaht,  insbesondere  ihrer  seitlichen  Abschnitte.  I*? 

Weisheitszahn  ist  entwickelt.  — ')  Sehr  ateiles  und  abgeplattetes  Hinterhaupt  mit  einigen  Schaltknochen  an  der  Spiue  der 
Lambdanabt. 


•)  Tabelle  II.  «iehe  auf  Seite  86. 


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seit. 


Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 


Tabelle  1IL 


85 


1 

7 

Möen. 

Langeland. 

Seeland. 

Stege  (Physiol.  Mut.). 

Anat. 

Museum. 

Borre. 

Frelsrig. 

Nybölleby. 

39. 

40. 

41. 

42. 

43. 

44. 

45. 

46. 

47. 

48. 

Nr.  I.  •) 

Nr.  2.  •) 

Nr.  4.  ») 

Nr.  5 

'*) 

Nr.  A B y 33. 

1 

Nr.  4901. 
>*> 

Nr.  4902. 

Nr.  6276. 
") 

Nr.  6267. 

Nr.  A B y 40. 
■*) 

48,0 

61,0 

55,7 

i 

I 60,0  (?) 

51,0 

64,0  (?) 

49,3 

18,7 

13,5 

13,5 

- 

— 

14,2 

13,6 

— 

13,2 

17,2 

16,9 

19,7 

17,4 

18,1 

16,9 

19,5 

18,5 

18,5 

17,3 

12.D. 

12,41 

15,0] 

i I2’21 

12, 8\ 

*»» 

13,?) 

1S'4  1 

13,4j 

12, 0, 

35,8 

"cT 

12.9  3 

12,81— 

— 

12,0 1— 

u.ofl 

1822)- 

12^1 — 

1 W 

12,11 

10,4^ 

— J 

- J 

nja 

— J 

12,2  J 

- 1 

11,61 

925 

9,3 

10,7 

9,9 

10,7 

10,6 

11,3 

9,9  (?) 

10,8 

10,0 

- 

- 

13,0 

- 

- 

13,6 

- 

- 

- 

12,7 

10,1 

9,4 

- 

- 

- 

10,6 

- 

9,9  (?) 

- 

9,9 

9 » 

8,9  (?) 

- 

- 

- 

10,5 

- 

- 

8,8 

4,7 

6,7 

— 

— 

— 

6.3 

— 

6,4 

‘ 

5,5 

18,0 

1321 

14,5 

14,0 

13,0 

— 

— 

— 

— 

13,1 

11,1 

11,8 

11,7 

11,5 

11,4 

12,1 

— 

— 

— 

11,3 

11,9 

12,3 

13,3 

— 

— 

13,1 

— 

— 

12,3 

12,3 

12,6 

18,0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

12,2 

6,1 

6,5 

6,5 

6,9 

621 

6,5 

6,1 

— 

— 

5,6 

2,3 

2,4 

2,8 

2,3 

2,4 

2,6 

2,6 

— 

2,7 

2,7 

— 

— 

18,7 

— 

— 

18,0 

— 

— 

— 

20,0 

— 

— 

8,1 

622 

8,8 

— 

— 

23 

— 

— 

2,8 

6,2 

8.0 









3,1 







73 

73 

70 

72 

71 

66 

75 

— 

— 

72,5 

*)  Trochocephalus.  Hohe*  Hinterhaupt,  etwa«  kante,  stark  Torspringende,  grosse  Nasenbeine;  starke  Spina  nrut.,  etwas 
ignather  Oberkiefer.  Sehr  breites  Palatum,  4,3  Cent,  messend.  — *)  Trochoceph.  Etwa«  kurze«,  hohes  Hinterhaupt.  Nase 
Jt.  — 10)  Breiter  DolichocephaJu*.  Stark  vonprmgrndes  Hinterhaupt.  — n)  Trochocephalus.  Jung.  — ia)  Ausgeieich- 
•lolichocephal.  Starke  Are.  tuperciliarea.  Platte  Jochbogen.  Starke  Muskelansitze.  — 1S)  Sehr  starke  Schaltknochen  in 
- Lambdanaht  und  der  hinteren  Fontanelle.  — **)  Sut.  front,  persistena.  Verbringendes  Hinterhaupt.  Schwach  progna- 
■r  Oberkiefer.  Vorspringende«,  schwach  dreieckige«  Kinn. 


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86 


Rud.  Virchow, 
Tabelle  II. 
Steinzoit. 


Falster. 

Nr.  17,306. 
Skovsgaard. 

Nr.  18,594. 
Breiniuge*  i 
Mark.  | 

Nr.  4G30. 
Naes. 

Durchlaufende  Nummer. 

26. 

27. 

28. 

29. 

j 30. 

31. 

82. 

Nummer  des  Katalogs. 

i. ') 

II.  ») 

ui. 

•i 

7» 

*> 

.0, 

OröMter  Horijontal-Cmfang  de« 
Schädels 

62,7 

54,7 

63.0 

48,8 

65,0 

60,6 

51,4 

Grösste  Höhe  de«  Schädels  . . . 

14,5 

14,8 

14,6 

14,3 

14,8 

13,7 

14,6 

Grösste  Länge  des  Schädels  . . 

19,4 

19,0 

18,3 

17,3 

19,8 

17,6 

17,6 

Sagittal-Umfang  des  Stirnbeins  . 

13.21 

12.9» 

13,21 

12^1 

13J|(?) 

13,01 

12,6\ 

Länge  der  Sutura  sagitt 

»vU 

12^1« 

13,0  L 

12,0  g 

>2.7  U 

13,0 1; 

SagitUl-Umfang  der  S'juama  oc- 
cipit 

1* 
IW  >) 

h 

13, 3l  *) 

1 10 
13, o) 

1 kJ 

11,4) 

13,9'  6) 

1 io 
lO.ö) 

; 12,21 

Entfernung  des  Meat,  aud.  ext. 
bis  Nasenwurzel 

12,0 

11,4 

u,i 

10,2 

10,9 

10,6 

1 10,9 

Entfernung  des  Meat.  aud.  ext. 
bis  Kinn  • • • 

__ 

12,8 

_ 



_ 

— 

! _ 

Entfernung  des  For.  magn.  bis 
Nasenwurzel  «... 

X 

10,2 

10,1 

9,8 

9,9 

10.7 

10,1 

10,4 

Entfernung  de«  For.  mag.  bis 
Spina  nasal» 

8,9 

9.2 

9,3 

9,4 

0.9 

9,0 



Entfernung  des  For.  magn.  bis 
Protub.  occip.  ........ 

7,1 

6,0 

6,4 

5,5 

6,6 



4,5 

Größte  Breite  des  Schädels  . . . 

19,8 

14,8 

14,8 

13,0  - 

13,3 

13,7 

14.5 

11,4 

12,5 

11,3 

10,6 

12,5  (?) 

14,6 

11,9 

Mastoidal-DnrobmeMer 

13.3 

13,8 

13,4  (?) 

12,1 

12,9 

— 

19,4 

.Tugal-Durchme^s^  ....... 

12,9 

13,0 

V 

13,7  (?) 

— 

— 

Maxillar-Durchmesser 

6,8 

0,2 

0,0  (?) 

6,7 

6,0 

6,3 

— 

Breite  der  Nasenwurzel 

2,3 

2.0 

2.9 

2,0 

2.4 

2,0 

2,4 

Unterer  Umfang  des  Unterkiefers 

— 

18 

— 

— 

— 

— 

Mediane  Höhe  des  Unterkiefers  . 

— 

3,5 

— 

— 

— 

— 

Höhe  de*  Kieferastes 

— 

7,5 

— 

— 

— 

— 

Entfernung  der  Unterkieferwinkel 

— 

10,9 

— 

— 

— 

— 

— 

Gesichtswinkel 

80  (?) 

71  (V) 

1 

09  (?) 

70  (?) 

1 

68 

69 

— 

J)  Doli«  ho,-,  Schmale  Stirn,  Srnost.  coron.  Uter.  duj  1<».  Superciliurraud  och rüg  gegen  «lie  Iuris,  »upraorb.  auf- 
*:eigead.  — *)  Schalt hnochrn  der  hinteren  Fontanelle.  — s)  Dolk'hoceph.  Schriig  nach  innen  aufsteigender  Su  pereil  iarrnnd.  — 
4)  üro'«er  hinterer  Ftwitanellknochen.  — Ä)  l)olichoc*ph.  Weiblieh?  Glattere  Knochen.  Ausgedehnte  Hyperosto*if  e\t.  Sehr 
breite  NiMiivuRtl.  Supereiliurrand  mehr  horizontal.  — **)  Scheinbar  hrachyceph-  Sehr  steil  and  stark  prognath.  Wilde 
Sujht.  iSiurhiigri.  Synust.  »pbeuo  - front«  - purivtuli*.  — *1  Grosser  Dcfect  auf  deu»  Scheitel.  Grosses  0»  fontirularv 
post.,  starke  DoÜcburcph.  Starke  Are.  supercii.  — h)  Kintchhrtolich  de*  Fon  t an  eil  kti  «eben*.  — * °)  [Mithin  ephal  mit  leich- 
te Abplattung  de*  ilintcrhnuptes.  Weiblich  V — lü)  Brachyceph.  mit  abgeplattetem  Hinterhaupt. 


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Die  ult  nordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 
Tabelle  IV. 


87 


Bronce-  Alter. 

Eisenalter  I. 

Eisenaltcr  II. 

Durchlao fende  Nummer. 

49.  >) 

60.  ») 

| 51.  ») 

52. 

*) 

: 53. 

; 

! 54.  *) 

55.  t) 

56.  *) 

Nummer  de»  Katalog». 

Nr.  11,463. 

Nr.  527. 

Nr.  19683 

Nr.  10257. 

Grösster  Horizontal  • Um- 

• 

fang:  des  Schädels  . . . 

60 

50 

— 

- 

54<?) 

53,8 

51,6 

52,5 

Grösste  Höhe  des  Schädels 

13.5 

— 

— 

14,3  (?) 

13.9 

— 

11  (?) 

13,8 

Grösste  Länge  de»  Schädel» 

18,1 

17,9 

20,9 

22,4 

19, 

19,3 

18,9 

18,7 

Sagittal-Umfang  des  Stirn- 

Leins  ......... 

12,0, 

12,1, 

• 12,5  (?) 

13.0 

IM 

»| 

12,8, 

12,6, 

Länge  der  Sutura  sagitt. 

Mg 

12,3  » 

13,5 

15,2 

Ä. 

13,4 

s 

13 1- 

12,6  g 

13^1  « 

Sagittal- Umfan  gd.  Squama 

V 

'o 

€ 

° 

ß 

ß 

occipit 

Entfernung  des  Ment.  aud. 

11,1  < 

11,0» 

14,2 

12,8 

13l 

11,2' 

12,5* 

ext.  bis  Nasenwurzel 

io,r, 

9,7 

— 

IM 

11,0 

10.8 

11,3 

10,2 

Entfernung  des  Mcat.  aud. 

ext.  bis  Kinn 

— 

12,3 

— 

— 

11,8 

— 

— 

12,1 

Entfernung  des  For.  magn. 

. 

bi»  Nasenwurzel  .... 

10,6 

— 

— 

— 

10,8 

— 

_ 

9,2 

Entfernung  des  For.  magn. 

9,8 

8.5 

Entfernung  des  For.  magn. 

bis  Protnb.  occip.  . • • 

6,3 

6,1 

— 

6,9 

6,4 

6,1 

6,3 

7,1 

Grösste  Breite  des  Schädels 

12,6 

12,6 

— 

12,3  (?) 

13,3 

14,0 

12,7 

13,6 

Temporal-Durchmesscr  . 

— 

— 

— 

— 

— 

12,0 

12,2 

11,1 

Mastoidal-Durchmesser  . . 

12,6 

— 

— 

— 

14,6 

— 

12,6 

12,5 

Jugab  Durchmesser . . . . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

13.6 



Maxillar-Durchmesser  . . 

— 

5,4 

— 

— 

6,8 

«,3 

6,8 

5,7 

Breite  der  Nasenwurzel  . 
Unterer  Umfang  des  Unter- 

2,7 

2,0 

— 

2,2 

2,2 

2,4 

2,6 

2,5 

kiefers 

— 

— 

— 

— 

19,2  (?) 

— 

21,6 

18,0 

Mediane  Höhe  des  Unter- 

kiefers 

— 

2,9 

3,0 

— 

2,7 

— 

3,2 

3,1 

Höhe  de«  KieferaEtes  . . 
Entfernung  der  Unterkic- 

5,6 

6,5 

— 

7,1 

— 

7,0 

— 

fcrwinkel . 

— 

- i 

— 

— 

— 

10,2 

8,5 

Gesichtswinkel 

71,6 

66 

— 

71 

1 

69 

63 

69  j 

73 

l)  Senil.  Weiblich?  Dalichocephaltu  ohne  Tuber*  {'.inet,  and  mit  hohem  Pinna  tu  »esnicirr.  Syuoit.  »phrno-fronti?* 
j uriet.  Zahnlos,  ohne  Alveolarforlsätzc.  — -)  Weiblich.  Dolichoceph.  mit  stark  rorspringcnilem  Hinterhaupt,  sehr  flacher 
'ilabella  und  stark  vorsprinecuder  langer  Kaie.  Stark  abgenutzte  und  dciecte  Zähne.  — Jl  IkdichooophnJua.  Sehr  dünne 

Knochen.  — 4)  Kolossale  l'rolub.  occip.  und  Crista  trnnsv.  Posthume  Verdrückung  de»  Hinterhauptes  nach  rechts.  Sehr 
hohe  Linear  icmicirc.  — Sehr  starkes  Hinterhaupt,  starke  Protub.  occip.  und  Are.  »aprocil.  Arthritis  deform,  proe.  con- 
dyl.  occip.  — "l  Starkknochiger  l>olichoceph.  mit  leichten  Verletzungen  am  Stirnbein.  — 7)  Sehr  schmaler  Dolichoceph. 
(Lepto-scaphoceph.)  mit  vollständiger  Synostose  der  unteren  Corou.  uml  beginnender  der  Sagitt.  und  Lombd.  Linea«  semic.  bis 
auf  0,5  genähert.  Sehr  grosse,  prognathe,  zum  Theil  synostotische  Nasenbeine.  Stark  vertretendes  Kinn  mit  leicht  drei- 
eckigem Ansatz.  — ®)  Dolichoceph.  mit  starkem,  breitem  Hinterhaupt  und  leicht  prcgnalhem  Oberkiefer. 


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88 


Rud.  Virchow 
Tabelle  V. 


Lappen. 

Racenschädel. 

Anatomisches  Museum. 

Phyiiol.  Mus. 

Durchlaufende  Nummer. 

67. 

68. 

59. 

60. 

61. 

62. 

Nummer  des  Katalog«. 

A B « 16  >) 

A B a 17  s) 

A 8 • 18  >) 

*) 

i> 

Grösster  Horizontal  * Um* 

fang  defl  .Schädels  . . . 

51,5 

57,6 

50,5 

60,3 

62,5 

49,8 

Grösste  Höhe  de«  Schädels 

13,1 

14,5 

12,6 

13,1 

13,0 

13,5 

Grösste  Länge  des  Schädel« 
Sagittal-Umfang  des  Stirn- 

18,1 

183 

173 

17,2 

17,5 

11,6, 

16,5 

hei  

12,0, 

14,0 

12,6, 

11,4| 

11,1 1 

Länge  der  Sutura  sagitt.  . 
Sagittal-Umfang  d.  Squama 

»v|jg 
10, 6^ 

41,1 

<3. 

"SS 

10,8|  co 

r 

12,2 1 u 
|CJ 

12,0  g 

13,1  1 CB 

l* 

occip 

Entfernung  des  Meat.  aud. 

134' 

11,0' 

11, (P 

11, 4* 
10,8 

u,*l 

ext.  bis  Nasenwurzel  . . 

10,8 

n,i 

10,7 

10,5 

9,8 

Entfernung  des  Meat.  aud. 

ext.  bis  Kinn  . • • * . 

— 

13.2 

— 

— 

133 

113 

Entfernung  desFor.  raagn. 

bi«  Nasenwurzel  .... 

10,2 

93 

9,9 

10,0 

103 

9,6 

Entfernung  des  For.  magn. 

bis  Spina  na«.  ..... 
Entfernung  des  For.  magn. 

8,8 

9,1 

9,4 

9,7 

53 

9,1 

bi«  Protub.  occip.  . . . 

6,9 

6,5 

53 

5,6 

4,4 

( 14,3 

17,3 

14,5 

14,5 

14,8 

14,2 

Grösste  Breitu  de«  Schädels 

1 (12,0) 

(16,5) 

(13,9) 

(13,7) 

(183) 

(18,4) 

Temporal-Durchmesser  . . 

11,5 

14,9 

11,4 

12,0 

123 

11,6 

Mastoidal-Durchmetser  . . 

12,9 

15,4 

12,5 

13,3 

13,8 

13,2 

Jugal- Durchmesser  .... 

— 

153 

— 

133 

14,5 

13,1 

Maxillar-DurchmesBer . . . 

6,2 

6,8 

6,5 

6,1 

7,1 

6,4 

Breite  der  Nasenwurzel  . . 
Unterer  Umfang  des  Unter- 

3,1 

3,1 

2,4 

2,4 

23 

2,5 

kiefern  

— 

18,5 

— 

— 

19,4 

173 

Mediane  Höhe  des  Unter- 

kiefern  

— 

2.7 

— 

— 

23 

2,9 

Höhe  des  Kieferastes  . . . 
Entfernung  der  Uuterkie- 

— 

6,9 

— 

— 

73 

53 

ferwinkel 

— 

10,6 

— 

— 

103 

93 

Gesichtswinkel 

74 

73 

73 

69 

65 

70 

*)  Von  Pnjol«  bei  Kcugis  in  Tonn?ii-Lj»pin»rk.  Synostos.  sagitt.  rofniin  et  posterior.  — *)  Hydroccphalus?  Von  J «tcr 
telauds-Lapinark.  Sutur»  front,  persist. ; Synostosi*  eoronarin  lat.  dupl.  eoiupl. ; «igitt,  post.  inootnpl.  Omui  interc.  Ismld.  — 
s)  Weiblich?  Synost.  coron.  lateralis  dupl.  incompl.  — *)  lleidaifrches  Grub  lei  KlUboigcn  in  Haewoby-Sogu  in  Oatfinnwrkrr. 
Synoatosis  oorou.  dupl.  lateralis.  Os  intercai&re  lumbd.  dextr.  Exostosia  divi  Blumenb.  Vom  Jahre  18&3.  — *J  Fionkscln 
Matrose,  in  Kofienhugcn  gestorben.  Starke  Glabella,  prognathcr  Oberkiefer  mit  stark  übergreifeoden  Zähnen , rundlich  ror- 
springendes  Kino.  Vom  Jahre  1869,  — *)  Weiblich?  Aus  Christisaia.  Synost.  coron.  lal.  comp].,  media  incip. 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 
Tabelle  V. 


8!) 


7)  Stark«  ülabella;  Verlängerung  der  Are.  superci).  unter  Bildung  eine»  Koran»,  supraorbital.  Synost.  cor.  lat.  comjd.; 

bedeutende  Vergröeserubg  de#  Plan.  srmictrc.  bk  auf  eine  Entfernung  von  7 ,8  Cent.  — *)  Weiblich  r Starker  PrognathUm. 

leider  Kieler  mit  hinter  einander  »teilenden  Zahnen;  vorstehende»  Kim»,  Plan.  aemlc.  bi»  auf  7,8  genähert.  — *)  Weiblich ? 

Sehr  starker  r*'ogaathistn.  leider  Kiefer  mit  gegen  einander  steheudeu  Zähnen;  Plan,  »etnicirr.  bis  auf  7.5  genähert  — 

w)  Scnphoccjdutlns ; Plan,  »emicitc.  bi»  auf  7,3  genähert , dicTubera  parktalia  überschreitend. — 1 *)  Beginnende  Synost.  coroit. 

lateral.;  I*lan.  »emicirt.  bi»  auf  7 genähert,  das  Tuber,  überschreitend.  — -  7 * * * *  I2 13)  Vom  Jahre  1839-  Linea«  semicirc.  bis  auf 

13  Cent,  einander  genähert , die  Tubera  kreuzend.  — *■)  Au»  Wasa  Lehn.  Ossa  intercalaria  »ul.  lamlxL  und  »ijnnmos.u-, 

benonder»  linka.  Liueae  »emkirc.  13,5  Cent,  von  einander  entfernt.  Vom  Prof,  llmoni  in  Helsingfor»  geschenkt.  — 14)  Sehr 
«tnrke  Protub.  und  Crista.  oecip;  »ehr  glatte  Plana  »emkirc.  bi*  auf  13,5  genähert;  starke  Art.  »upcrciliare*.  Vom  Pmf. 
Bonsdorf  1843  geschenkt. 


12 


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90 


Ttud.  Vircliow 
Tabelle  VT. 


Mitte!  filr  die  Schädel  der 
.Steinzeit  nach  den  ein- 
7 einen  Fundorten. 


Grösster  Horizontal  - Om- 
fing  de«  Scb&deU  . . . 
Grösste  Höhe  des  Schädels 
Grösste  Länge  de«  Schädels 
Sagittal-U  mi'ang  de®  Stirn* 

beim* 

Länge  der  Saturn  sagitt. 
Sagittnl- Umfan  g d.Sqnonta 
occip.  ........ 

Entfernung  des  MeaL  and. 

ext.  bis  Nasenwurzel  . 
Entfernung  des  Meai.  and. 

ext.  bis  Kinn 

Entfernung  deaFnr.magn. 

bis  Nasenwurzel  . . . 
Entfernung  desFor.  magn. 

bis  Spin«  nas 

Entfernung  des  For.  magu. 

bis  Frotnb.  occip.  . . ♦ 
Grösste  Breite  des  Schädels 
Teraportd-Durcbmeseer 
Mastoidal  'Durchmesser  . 
JugnlrDurchmesser  . . . 
Maxillar-lfurihmesser  . . 
Breite  der  Nasenwurzel  . 
Unterer  Umfang  de«  Unter- 
kiefers   

Mediane  Höhe  de»  Unter- 
kiefers   

Höhe  des  Kioferaute»  . . 
Entfernung  der  Unterkie- 
ferwinkel   


Seeland. 

Falster. 

Müen. 

Langu- 
la nd. 

I 

-o 

o 

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i 

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i 

Üh 

622) 

19,3 

33.1 

48,8 

62.3 

51,9 

51,6 

51,0 

54,0 

14,1 

18,2 

14,6 

14,3 

14,3 

13.9 

13.6 

— 

14.2 

13.6 

19,1 

17,8 

18,9 

17,3 

K3 

17,9 

17,9 

18,1 

19,2 

19,5 

13,1t 

12.0 

18,1 1 

12,8  i 

12,9» 

13.2. 

13,4 

12,4* 

1321 

19,4 

<? 

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13,4  lg 

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12,2 1 , 

12.nl 

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13.6  » 
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12,(K 

11.  oJ 

12,6' 

11*4' 

124!* 

io*oi 

11,2] 

_) 

11,5* 

12,2.! 

10,6 

1CM> 

11,5 

10,2 

10,8 

10,1 

9,8 

10,7 

10,9 

10,3 

12,2 

12,7 

12.3 

- 

- 

18,6 

13,0 

- 

18.6 

— 

10,2 

9,9 

UM) 

9.9 

10,1 

9,9 

9,7 

— 

10,6 

9,9 

9.3 

»fi 

9,1 

",l 

9,7 

10,0 

94> 

- 

10,5 

- 

ö." 

5,5 

«•8 

7,7 

V 

5,1 

5,7 



6.3 

6.4 

14,3 

13,1 

11,* 

13,6 

18,8 

14,0 

13,6 

13,0 

— 

— 

12,0 

112! 

11,8 

10,6 

12,0 

11,0 

11.5 

11,1 

12.1 

— 

13^ 

12.3 

13,4 

12,1 

KU 

12,4 

12,5 

— 

18,1 

— 

133 

122! 

12,9 

13,7 

— 

13,5  j 

12,6 

— 

— 

— 

6,7 

6,6 

'■•,2 

9,7  j 

6,1 

6,0  1 

6,1 

6,2 

63 

— 

2,5 

2,7 

2 1 

•2,0 

2,1 

2,5 

2,5 

2.1 

2.1; 

2,7 

19,3 

20,0 

18,0 

- 

- 

137 

- 

18,0 

- 

3,3 

2,8 

— 

— 

3.1 

3,1 

! 

2,8 



‘■ß 

6,2 

Ifi 

— 

— 

5,7 

6,3 

- 

- 

- 

10,5 

8,0 

10,9 

- 

- 

8,8 

- 

9,1 

- 

*)  Dis  kindlichen  und  jugendlichen  Schädel  Nr,  6,  11  und  19  sind  nicht  mitgererhnet-  — *)  Die  Schädel  Nr.  35, 
36  and  37  find  Dicht  niitgrrrrhnrt.  — 3)  Der  Schädel  Nr.  4*2  ixt  »djmt  ICrchnung  geblieben. 


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Die  altnordischen  Schädel  zu  Kopenhagen. 
Tabelle  VIL 


91 


Mittel  für  die  Schädel 

Stein- 

Bronce* 

Eise  ii- 

Eisen* 

Lappen 

der  einzelnen  Perioden 
und  Racen. 

zeit- 

alter. 

zeit- 

alter. 

zeit- 
alter  I. 

zeit- 
alter  II. 

ohne 
Nr.  58. 

mit 
Nr.  58. 

länder. 

Finnen. 

Grösster  Horizontal  - Um- 
fang des  Schädels  . • . 

52,2 

60.0 

63,9 

62,0 

50,9 

62,0 

52,0 

53,5 

Grösste  Hohe  des  Schädels 

14,1 

13,6 

14,1 

13,6 

18,0 

13,S 

18,7 

13,4 

Grösste  Länge  de«  Schädels 

18,1 

18,9 

20.3 

18,8 

17,8 

17,5 

18,5 

18,3 

Sagittal-Umfang  des  Stirn* 

beins * . 

Länge  der  Sutura  sagitt.  . 

13,1 1 

12,2 

13,1 

18,8 

$ 

12,7 

12,9 

CO 

--1 

11,7. 

g 

si. 

12,7 

12,äU 

13,4, 

12,7  U 

Sagitial-Urafangd.Squaina 

occip 

Entfernung  des  Meat.  aud. 
cxt.  bis  Nasenwurzel  . 

11,9' 

10,6 

p» 

11, oj 
10,1 

13,3 

1U 

11,8 

10,' 

11, ll 

10,5 

J- 

10,6 

i*° 
12, oj 

10,6 

( OJ 

11,5) 

10,6 

Entfernung  des  Meat.  aud. 
ext.  bis  Kinn  * ...  * 

13,2 

12,3 

11,8 

12,1 

12,2 

12,6 

12^ 

13,3 

Entfernung  des  For.  magn. 
bis  Nasenwurzel  . ♦ . . 

10,1 

10,6 

10,8 

9,2 

10,0 

9,8 

10,1 

10,3 

Entfernung  des  For.  magn. 
bis  Spina  nas.  ..... 

9.« 

9,8 

10,4 

8,5 

9,3 

9,2 

9,5 

9,3 

Entfernung  des  For.  magn. 
bis  Protub.  occip.  . . . 

5,8 

5,2 

6,4 

6,2 

5,3 

6,3 

6,0 

6,0 

Grösste  Breite  des  Schädels 

{ 14,0 

12,6 

13,3 

18,0 

14,4 

(13,5) 

14,9 

(14,9) 

13,3 

(12,0) 

14,7 

(13,6) 

Tcraporal-Hurchmewer  . 

11,7 

— 

12,0 

11,6 

11,8 

12,3 

IM 

12,6 

M&stoidal-Durchmea&er 

13,0 

12,6 

14,6 

12,5 

13,1 

13,5 

12,8 

12,9 

Jugal-Lurchmesser  . . . 

12,7 

— 

13,6 

13,6 

14.0 

13,8 

14,0 

Maxillar-Dnrchmesser  . . 

6,6 

6,4 

G,6 

6,2 

6,3 

6,7 

6,2 

Breite  der  Nasenwurzel  . 

2,0 

2,3 

2,2 

2,6 

2,6 

2,7 

2,0 

2,6 

Unterer  Umfang  des  Unter- 
kiefers 

19,1 



19,2 

19,8 

18,4 

18,4 

20,2 

18,1 

Mediane  Höhe  des  Unter- 
kiefers  

3,2 

2,9 

2,7 

3,1 

2,9 

2,8 

3,6 

3,1 

Höhe  des  Kieferastes  . . 

5,9 

6,0 

7,1 

7,0 

6,3 

6,5 

6,0 

7,0 

Entfernung  der  Unter* 
kieferwinkel  

10,1 

- 

. - 

9,3 

9,9 

10,1 

10,2 

9,6 

12* 


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V. 

Ueber  die  Eingeborenen  Costaricas. 

Von 

Dr.  Alexander  von  Frantzius. 


Die  alte  spanische  Provinz  Costarica  hatte  stets  das  herbe  Schicksal  zu  erdulden,  von 
der  spanischen  Krone  als  einer  der  vferthlosesten  Theile  des  ihr  durch  <!ie  Entdeckung  der 
neuen  Welt  zugefallenen  grossen  Reiches  betrachtet  und  demgemäss  behandelt  zu  werden. 
Obgleich  schon  im  Jahre  1502  von  Columbus  entdeckt,  fand  sich  erst  im  Jahre  1570  ein 
Coni)uistador  zweiten  Ranges,  der  dieselbe  eroberte.  Diese  Eroberung  war  jedoch  keine  voll- 
ständige, denn  nach  einem  höchst  beschwerlichen  Streifzug  durch  den  südöstlichen  Theil,  wo 
man  vergeblich  grosse  Goldschätze  zu  finden  hoffte,  setzten  die  Spanier  sich  im  heutigen 
Cartago  fest,  gaben  sich  aber  niemals  grosse  Mühe,  den  übrigen  Theil  des  Landes  zu  erobern. 
Auf  diese  Weise  ist  Costarica  selbst  bis  zur  Unabhängigkeitserklärung  (1821)  weder  durch 
Waffengewalt,  noch  durch  die  Bemühungen  der  Missionäre  in  seinem  ganzen  Umfange  wirk- 
lich erobert  worden. 

Da  der  im  Besitz  der  eingeborenen  Bevölkerung  angetroftene  Goldschmuck  nicht  von 
solchem  Werthe  gewesen  war,  dass  er  die  Habsucht  der  Eroberer  gereizt  hätte,  so  hielt  man 
sich  an  die  Arbeitskraft  der  Eingeborenen.  Schon  von  Panama  und  Nicaragua  aus  hatte  man 
früher,  um  dem  immer  mehr  fühlbar  werdenden  Mangel  an  Arbeitskräften  abznhelfen,  plan- 
mäßige Jagdzüge  gegen  die  Indianerstäinme  von  Costarica  unternommen;  nach  der  sogenann- 
ten Eroberung  aber  wurde  dieses  Vertilgungswerk  der  Eingeborenen  sogar  von  dem  Clerus 
fortgesetzt,  indem  die  Indianer,  welche  im  Bereiche  der  Convente  wohnten,  rücksichtslos  zu 
Sklavendiensten  verwendet  wurden  und  den  ihnen  von  den  Missionären  auferlegten  über- 
mässigen Frolindienston  erlagen. 

Ein  grosser  Theil  Costaricas,  der  ursprünglich  von  einer  äuaserst  dichten  Bevölkerung 
bewohnt  war,  ist  dadurch  vollständig  menschenleer  geworden  und  daher  findet  man  heute 
ineileu weite  Strecken  dichtbewaldeter  Ebenen  und  Gebirge,  die  jetzt  kein  menschlicher  Fuss 
mehr  betritt-  Nur  an  wenigen  Theilen  haben  sich  noch  Reste  der  Urbevölkerung  erhalten, 


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94 


Dr.  Alexander  von  Frantzius, 


die,  obgleich  an  Zahl  gering,  doch  ihre  alten  Eigentümlichkeiten  bis  heutigen  Tages  beibehal- 
ten haben;  unter  diesen  findet  sich  sogar  ein  kleiner  Stamm,  die  sogenannten  Guatusos,  der 
in  absolutester  Abgeschlossenheit  lebend , nur  durch  unzugängliche  Gebirge  und  Sümpfe  ge- 
schützt, bis  heutigen  Tages  sich  seine  völlige  Unabhängigkeit  erhalten  hat. 

Obgleich  die  Schilderungen  der  Zustände  der  Eingeborenen  Costaricas  zur  Zeit  der  Ent- 
deckung des  neuen  Continents  nur  spärlich  sind,  so  zeigen  dieselben  dennoch  eine  grosse 
Uebereinstimmung  mit  den  Zuständen,  wie  sie  heute  bei  den  noch  vorhandenen  Resten  der 
Indianerbevölkerung  angetroffen  werden.  Berücksichtigen  wir  ausser  diesen  historischen  Mitthei- 
lungen auch  noch  die  bis  jetzt  in  C'ostarica  gesammelten  Alterthümer ') , so  kommen  wir  zu 
dem  bisher  wenig  oder  gar  nicht  beachteten  Resultat,  dass  das  heutige  Rio  Grande-Thal, 
welches  gegenwärtig  der  Sitz  der  civilisirten  Bevölkerung  des  Landes  und  zugleich  der  ein- 
zig gut  cultivirte  Theil  desselben  ist,  ehemals  ein  in  ethnologischer  Beziehung  sehr  wichtiges 
Gebiet  bildete,  indem  sich  hier  die  Grenzen  dreier  ihrer  Gesittung  und  Abkunft  nach  sehr 
verschiedener  Stämme  berührten.  Diese  Stämme  waren  die  Chorotegas  und  zwei  andere, 
den  Cucvas  und  den  Chontales  verwandte  Stämme. 

1.  Die  Cuevastämmc. 

Da  die  Spanier  nach  Entdeckung  des  Festlandes  (tierra  firme)  zuerst  mit  den  Cueva- 
indianern  in  nähere  Berührung  kamen,  so  fehlt  es  uns  nicht  an  genauen  Schilderungen  die- 
ses Stammes,  von  denen  die  von  Oviedo,  Andangoya,  Navarette  und  aus  späterer  Zeit 
die  von  Lionel  Wafer  die  wichtigsten  sind.  Da  die  meisten  dieser  Werke  aber  schwer  zu- 
gänglich sind  und  wir  eine  meisterhafte  Zusammenstellung  derselben  in  der  Geschichte  des 
Zeitalters  der  Entdeckungen  von  O.  Peschei  (S.  453  u.  flgde.)  besitzen,  wodurch  uns  ein  vor- 
treffliches Gesammtbild  über  den  Culturzustand  jenes  Stammes  gegeben  ist,  so  verweise  ich 
den  Leser  auf  dieses  höchst  anziehende  Werk. 

Obgleich  man  annimmt,  dass  die  Cuevas,  die  zur  Zeit  der  Entdeckung  zu  beiden  Seiten 
des  Isthmus  von  Darien  wohnten,  auf  der  Südseite  der  Cordillore  von  Verugua  nach  Westen 
hin  sich  nur  bis  G'hame  ausbreiteten ’),  welcher  Ort  als  westliche  Grenze  angegeben  wird , bis 
zu  welchem  der  der  Cuevasprache  ähnliche  Coihadialect  gesprochen  wurde,  so  glaube  ich, 
dass  diese  Grenze  noch  viel  weiter  nach  Westen  und  zwar  bis  zum  Golf  von  Niooya  ausge- 
dehnt werden  muss.  Auf  diese  Vermuthung  führten  mich  zuerst  eine  Anzahl  in  C'ostarica 
vorhandener  indianischer  Ortsnamen  und  andere  im  Volke  gebräuchliche,  der  Cuevasprache 
angehörender  Namen  von  Bäumen  und  Pflanzen.  Als  solche  erwähne  ich:  Ti  bä  (Häuptling), 
ein  Ort  nahe  bei  Heredia,  Parita,  Grenzfluss  zwischen  dem  Dota-  und  Candelariagebirge,  Cu- 
riogre  bei  Pacaca  und  Buriogre  bei  Cartago;  die  Endung  ogre  kommt  häufig  im  C'uevagebiete 


■)  Meinem  Freunde,  dem  norddeutschen  Consul  Fr.  J.ahmann  au«  Bremen,  gebührt  dai  grosse  Verdienst, 
dass  er  zuerst  die  indianischen  Alterthümer  Costaricas  plan  massig  zu  Bammeln  begann,  während  dieselben 
ehemals  als  Curiositaten  in  die  verschiedensten  Hände  kamen  und  so  verschleudert  oder  gar  vernichtet  wur- 
den. Dar  Stadium  dieser  Sammlung  in  den  Händen  eines  sachverständigen  Ethnologen  lässt  uns  gewiss  einst* 
mal«  »ehr  wichtige  Aufschlüsse  erwarten. 

*)  S.  Peschei  a.  a.  0.  S.  502. 


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95 


Ueber  die  Eingeborenen  Costaricas. 

vor;  Pacaca  und  Paquita  (Paco,  der  Leibeigene);  Quepo,  ein  Vorgebirge,  Quibel,  ein  Neben- 
Üussclien  des  Rio  Grande  de  Piris;  ferner  als  Baumnamen:  Espavef  (Herrin)  und  Yra  (Frau). 

Auch  Oviedo1)  giebt  schon  an,  dass  die  Bewohner  der  im  Golf  von  Nieoya  gelegenen 
Insel  Cbara,  die  heute  unter  dem  Namen  San  Lucas  bekannt  ist , die  Cuevasprache  verstän- 
den (entienden  algo  con  la  de  Cueva).  Als  eine  besondere  Eigenthümlichkeit  der  Cueva- 
indianer  wird  ferner  von  mehreren  Schriftstellern  auf  die  ungewöhnliche  Dicke  der  Schädel- 
wandungen aufmerksam  gemacht  Ein  costaricanischer  Goldsacher,  der  viele  der  nördlich 
von  Terraba  bei  Hato  viejo  befindlichen  Indianergräber  untersucht  hatte,  theilte  mir  gelegent- 
lich seine  Verwunderung  über  die  auffallend  dicken  Schädel  mit,  die  er  in  einigen  jener 
Gräber  gefunden  hatte.  Auch  die  ebendaselbst  und  an  mehreren  anderen  Orten  in  Costa- 
rica  gefundenen  Goldarbeiten,  die  ich  im  Laufe  meines  Aufenthalts  daselbst  zu  sehen  Ge- 
legenheit hatte,  zeigten  dieselben  Formen  wie  die  bei  Chiriqui  gefundenen,  welche  ohne  Zwei- 
fel ebenfalls  von  den  alten  Cuevaindianem  herrührcn.  Hauptsächlich  bestanden  dieselben 
in  runden  Platten  von  dünnem  Goldblech,  sowie  in  Figuren  von  der  Gestalt  von  Adlern, 
Fröschen  oder  Monschen.  Viele  dieser  Goldsachen  sind  stark  mit  Kupfer  legirt  und  scheinen 
in  Formen  gegossen  zu  sein.  Die  Legirung  ist  aber  der  Art,  dass  sie  von  den  heutigen  Gold- 
schmieden sehr  geschätzt  wird,  weshalb  der  grösste  Theil  dieser  alten  Goldarbeiten  von  den 
Findern  an  die  Goldschmiede  verkauft,  von  diesen  verarbeitet  wird  und  so  für  immer  der 
Wissenschaft  verloren  geht. 

Besondere  Ueberlieferungen  und  Schilderungen  der  auf  diesem  Gebiete  von  Costarica 
zwischen  dem  Barrancaflusse  und  dem  Golfo  dulce  ehemals  lebenden  Indianer  fehlen  uns  lei- 
der1). Nur  Juarros1)  erwähnt,  dass  der  Missionär  Juan  Pizarro  im  Jahre  1568  von  den 
„Cottoe  und  Queppanos“  ermordet  wurde,  welche  offenbar  die  Bewohner  des  ehemaligen  öfters 
erwähnten  Ortes  Quepos  sind,  in  dessen  Nähe  auch  heute  noch  ein  Flüsschen  den  Namen 
Rio  Coto  führt 

Als  Beweis,  wie  dicht  die  Bevölkerung  zur  Zeit  der  Ankunft  der  Spanier  auf  diesem 
Gebiete  war,  dienen  die  zahlreichen  indianischen  Gräber  (huacas),  sowie  die  Stein-  und  Thon- 
geräthe,  die  in  der  Ebene  von  Pirris  und  Parita,  bei  Quopos,  Terraba  und  Hato  viejo*)  heute 
noch  gefunden* werden,  sowie  die  zahlreichen  ebendaselbst  noch  vorhandenen  Reste  alter 
Cocaoanpfianzungan.  Von  dieser  ehemals  so  zahlreichen  und  dichten  Bevölkerung,  deren 
Ortschaften  einst  Tausende  von  Bewohnern  batten  und  von  denen  die  meisten  jetzt  gänzlich 
verschwunden  sind,  hat  sich  nur  in  Pacaca,  Tavarcia  sowie  in  Boruca5)  ein  kleiner  Ueberrest 
erhalten,  deren  Gcsammtzahl  heute  kaum  die  Zahl  1500  erreicht 

Die  heutigen  Pacaca-  und  Borucaindianer  unterscheiden  sich  von  den  benachbarten  Stäm- 

')  Oviedo,  Ed.  Madrid  1866.  Tome  III,  p.  108. 

*)  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sich  in  einem  Menuscript,  welches  mir  bis  jetzt  noch  nicht  zugäng- 
lich geworden  ist,  manche  diesen  Stamm  betreffende  Mittheilungen  finden  werden.  Unter  den  verschiedenen 
Manuacripten , welche  der  um  die  Kcnntniss  Nicaraguas  wohlverdisnlo  amerikanische  Ethnologe  Squier  zu 
veröffentlichen  beabsichtigte,  finde  ich  auch  den  viel  versprechenden  Titel:  Ausführliche  Erzählung,  Brief  an 
den  König  über  die  Erfolge  von  Juan  Yasqucz  in  den  Provinzen  Neu-Cartago  und  Coetarica  bei  der  Ent- 
deckung und  Unterwerfung  derselben;  vom  Jahre  1562. 

*)  1).  Juarros  Compendio  de  la  hjstoria  de  la  Ciudad  de  Guatemala.  Guatemala  1857.  T.  II,  p.  201. 

*J  Siebe  Petermann'a  Geogr.  Mittheilungen.  1869.  S.  323  u.  figde. 

: , Die  Bewohner  von  Terraba  gehören  einem  andern  Stamme  an;  siehe  weiter  unten. 


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96 


Dr.  Alexander  von  Frantzius, 

men  durch  die  geringe  Grösse,  breite,  untersetzte  Statur,  dunklere  Hautfarbe,  durch  breite 
Gesichter  mit  niedriger  Stirn,  hervorstehenden  Backenknochen  und  breitem  Munde.  Hie  Bo- 
rucaindianer  bedienen  sich  noch  ihrer  alten  Sprache,  deren  genaueres  Studium  gewiss  den 
besten  Aufschluss  Uber  ihre  ethnologische  Verwandtschaft  geben  würde. 

2.  Die  Chorotegas, 

Auch  Uber  die  Zustände  der  Chorotegas,  wie  sio  zur  Zeit  der  Ankunft  der  Spanier 
(1522)  angetroffen  wurden,  fehlt  es  uns  nicht  an  genauen  Schilderungen,  unter  denen  ich 
namentlich  die  von  Oviedo  hervorhebe,  der  einige  Jahre  unter  ihnen  lebte  und  Gelegenheit 
hatte,  die  Cultur  dieses  hochgebildeten  Stammes  durch  eigene  Anschauung  kennen  zu  lernen. 

Bekanntlich  befinden  sich  die  Wohnsitze  der  Chorotegas  auf  dem  schmalen  Landstreifen 
zwischen  der  Lagune  von  Nicaragua  und  dem  Stillen  Ocean;  nördlich  dehnten  sie  sich  noch 
etwas  weiter  bis  zur  Fonsecabai  aus , im  Stiden  aber  bis  Guanacaste  und  bis  zur  Halbinsel 
Nicoya,  hier  wohnten  die  Indianer  dieses  Stammes  rings  um  den  Golf  dieses  Namens  und 
auf  den  in  demselben  gelegenen  Inseln. 

Das  so  begrenzte  Gebiet  war  indessen  nicht  ausschliesslich  von  Chorotegas  bewohnt, 
denn  schon  im  zehnten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  waren  aus  Mexico  ausgewauderte 
Stämme  toltekischer  Abkunft  bis  dahin  vorgedrungen , hatten  sich  zwischen  den  Chorotegas 
niedergelassen,  ihre  eigene  Cultur  und  Sprache  aber  beibobalten,  und  viele  ihrer  Gebräuche  den 
Chorotegen  aufgedrungen.  Auf  dem  bezoichneten  Gebiete  finden  sich  daher  sowohl  chorote- 
gisclie  als  auch  mexicanische  Ortsnamen.  Dem  grossen  Kenner  der  mexicaniscbcn  Sprachen, 
Prof.  Buschmann,  gebührt  das  Verdienst,  zuerst  auf  die  Verschiedenheit  zwischen  der  Cho- 
rotegasspracho  und  dem  Mexicanischen  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Was  die  Sitten  und 
Gebräuche  betriflt , sowie  die  gesellschaftlichen  und  staatlichen  Einrichtungen , so  ist  es  zu- 
weilen sehr  schwer,  zu  entscheiden,  was  ihnen  ursprünglich  eigenthümlich  war. 

In  kaum  glaublich  kurzer  Zeit  wurde  auch  hier  einer  der  bestbevölkerten  Landstriche 
Amerikas  durch  die  kurzsichtige  Grausamkeit  der  Spanier  in  dem  Maasse  seiner  Bewohner 
beraubt,  dass  man  sich  schon  früh  genöthigt  sah,  Negersklaven  einzuführen.  Die  vielen  ge- 
rechten Anklagen  des  muthigeu  und  von  uneigennütziger  Menschenliebe  beseelten  .Mönches 
Las  Casas  beziehen  sich  meistens  auf  die  von  den  Spaniern  in  Nicaragua  verübten  Schand- 
thaten  und  wurden  durch  die  zahlreichen  Grausamkeiten  angeregt,  von  denen  er  während  sei- 
nes Aufenthalts  in  diesem  Lande  nur  zu  oft  Augenzeuge  sein  musste.  Auch  in  Costarica  wurden 
nach  Vertilgung  der  Chorotegas  in  Guanacaste  und  Nicoya  als  Ersatz  einige  Negersklaven 
eingeführt,  weshalb  man  in  Nicoya  und  mehr  noch  in  Guanaohste  jetzt  noch  statt  der  ein- 
stigen Chorotegas  eine  Zamborace  ’)  findet,  der  man  die  Pflege  der  zahlreichen  daselbst  be- 
findlichen Viehhncienden  nicht  gerade  zum  Gedeihen  derselben  anvertraut  hat. 

Meine  Nachforschungen,  ob  sich  in  Nicoya  gegenwärtig  noch  unter  der  äusserst  dünnen 

'}  Sie  sind  in  den  Hauptstädten , im  Innern  des  Landet,  als  Virtuosen  auf  einem  afrikanischen  Instrumente 
bekannt,  welches  Marimba  genannt  wird  und  welches  man  oft  irrtbümlich  als  «len  amerikanischen  Indianern 
eigenthümlich  gehalten  hat.  Livingstone  fand  dieses  Instrument  jedoch  im  Innern  Süd • Afrikas  bei  den  Ba- 
iomlanegera.  S.  dessen  Reise  Cap.  XIV.  (Mission  Travels  p.  203.) 


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97 


Ueber  die  Eingeborenen  Costaricas, 

Indianerbevölkerung  die  Chorotegensprache  erhalten  habe,  hatten  leider  keinen  Erfolg.  Da- 
gegen gelang  es  mir,  eine  Anzahl  chorotegiseher  Ortsnamen  aus  jenen  Gegenden  zu  sam- 
meln, die  einen  Theil  der  von  mir  gesammelten  indianischen  Ortsnamen  aus  dem  ganzen 
Bereiche  der  heutigen  Republik  bilden.  In  Guanacaste  finden  sich  nur  die  Namen:  Chiringa, 
Orori,  Orotina,  Cnribici,  Curubandd,  Chorotega  am  Miravallesvulkan  und  vielleicht  Tilaran. 
Zahlreicher  sind  sie  jedoch  in  Nicoya;  hier  fand  ich  folgende  Namen:  Nicoya,  Morote,  Ma- 
tina,  Rejundores,  Matambü,  Curime,  Nantiüme,  Mararomd,  Diriä,  Talolinga,  Chira,  Tiringote, 
Nandayures,  Canjel,  Nosarä,  Cuiriman,  Cuiriyal,  Samarä,  Musimilldma,  Cautren,  Chorote,  und 
vielleicht  auch  die  Inselnamen:  Caches,  Chara,  Yrca,  Yrco.  Charakteristisch  für  die  Choro- 
tegenworte  ist  das  häufige  Vorkommen  des  Buchstaben  r,  der  in  der  mexicanischen  Sprache 
gänzlich  fehlt. 

Ich  zweifle  nicht,  das»  in  Nicaragua,  wo  die  Zahl  der  Indianer  weit  grösser  Ist  als  in 
Nicoya  und  Guanacaste,  sich  noch  einige  Chorotegendörfer  finden,  deren  Bewohner  ihre  alte 
Sprache  erhalten  haben.  Es  wäre  daher  sehr  verdienstlich , wenn  Reisende,  mit  den  nöthi- 
gen  Sprachkenntnissen  ausgerüstet,  die  Ueberreste  dieser  Sprache  sammeln  würden , ehe  die- 
selben gänzlich  verschwinden,  da  unsere  Kenntnisse  derselben  sonst  bloss  auf  Ortsnamen  und 
ein  dürftiges  Verzeichnis»  einiger  Worte  beschränkt  bleiben  dürften. 

Entsprechend  der  hohen  Cultur  der  Chorotegen,  durch  welche  die  ersten  Spanier  in 
Staunen  versetzt  wurden,  zeichnen  sich  auch  die  Alterthümer,  welche  von  diesem  Volke  her- 
rühren, durch  einen  seltenen  Grad  von  Kunstfertigkeit  aus.  Nirgends  findet  man  daher  in 
Costarica  so  fein  gearbeitete  Steinarbeiten,  als  im  Bereich  der  ehemaligen  Chorotegenbevölke- 
rung.  Vor  allem  sind  es  die  zum  Maismahlen  gebräuchlichen  Mahlsteine  aus  jener  Gegend, 
die  sogar  jetzt  noch  sehr  geschätzt  werden.  Man  hat  an  einigen  Stellen  von  Nicoya  so 
vielo  derselben  gefunden,  dass  die  Besitzer  sie  planmässig  ausgruben,  um  sie  zu  verkaufen. 
Bei  wohlhabenden  Familien  findet  man  daher  heute  noch  hin  und  wieder  derartige  ausge- 
grabene Steine  im  Gebrauch.  Dieselben  zeichnen  sich  durch  bedeutendere  Grösse,  höhere 
Fiisse  und  einen  mit  eigenthümlichen  Verzierungen  versehenen  Rand  aus;  andere  sind  da- 
gegen bedeutend  kleiner  als  die  heute  gebräuchlichen  und  stellen  ein  vierfussiges  Thier  dar. 
Vom  an  der  Platte  befindet  sich  ein  Kopf;  der  Schwanz  des  Thieres  bildet  eine  Schlinge 
und  dient  zugleich  ab  Handhabe.  Diese  Steine  haben  ringsum  einen  hervorragenden  Rand 
und  demgemäss  ist  auch  die  sogenannte  Hand  (mano),  mit  welcher  die  Maiskörner  zerquetscht 
werden,  nicht  wie  bei  den  heute  gebräuchlichen  Steinen  von  walzenförmiger  Gestalt,  sondern 
von  der  Form  eines  Steigbügels.  Wahrscheinlich  dienten  diese  kleinen  zierlichen  Steine 
zum  Cacaomahlen  oder  zum  Zerkleinern  der  bei  ihnen  gebräuchlicnen  Gewürze  oder  anderer 
feiner  Speisen. 

Die  zum  Maismahlen  dienenden  Steine  sind  in  ethnologischer  Beziehung  von  ganz  be- 
sonderer Wichtigkeit , denn  sie  gehören  zu  den  unvergänglichsten  Beweisen  für  die  einst- 
malige Anwesenheit  deijenigen  Stämme,  bei  denen  die  Zubereitung  des  Mais  zu  Tortillas 
mittelst  der  Mahlsteine  Sitte  war.  Nicht  alle  Völker  nämlich,  deren  Hauptnahrungsmittel 
der  Mais  war,  bereiteten  ihn  in  dioser  Weise  zu.  Die  Zubereitung  der  Speisen  gehört  aber 
zu  denjenigen  Gebräuchen,  an  welcho  die  verschiedensten  Völker  stets  mit  einer  merkwürdi- 
gen Zähigkeit  festgehaltcn  haben. 

Archiv  für  Anthropologie,  Ed.  IV,  Heft  I.  18 


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98 


Dr.  Alexander  von  Frantzius, 


In  Bezug  auf  den  Kunstgeschmack,  der  sieh  in  den  iin  Chorotegengebieto  gefundenen 
Sleinarbeiten  ausspricht,  wird  es  die  Aufgabe  späterer  Ethnologen  sein,  die  mexicanische 
Beimischung  und  den  Einfluss  der  rnexieanischen  Cultur,  die  sich  in  vielen  derselben  nicht 
verkennen  lässt,  auszuscheiden.  Diese  Aufgabe  wird  aber  dadurch,  dass  wir  das  Alter  der 
bekannten,  von  Squier  in  Nicaragua,  im  eigentlichen  Chorotegengebiete,  aufgefundenen  ko- 
lossalen Steinfiguren  noch  nicht  kennen  und  noch  nicht  wissen , in  welchem  Verhältnis»  die 
Verfertiger  derselben  zu  den  Chorotegen  standen,  ganz  besonders  schwierig.  Zur  Lösung 
dieser  Aufgabe  bedarf  es  gewiss  weit  ausgedehnterer  Studien  und  eines  weit  vollständigeren 
Materials,  als  das  bis  jetzt  vorliegende. 

In  Costarica  hat  man  keine  Statuen  von  ähnlicher  Grösse  und  Vollkommenheit  wie  in 
Nicaragua  gefunden.  Nur  auf  der  Halbinsel  von  Nicoya  bei  Lepanto1)  fand  man  vor  einigen 
Jahren  ein  steinernes  Götzenbild,  dessen  Abbildung  (Fig.  9)  beifolgt  und  welches  grösser  und 
sorgfältiger  gearbeitet  ist,  als  diejenigen,  die  in  grosser  Anzahl  an  anderen  Stellen  Costaricaa 
gefunden  werden.  Diese  Steinfigur  befindet  sich  gegenwärtig  in  der  archäologischen  Samm- 


Fig.  9 


')  Ucber  eine  andere  bei  Tarielb*  gefundene  Steine  siehe  weiter  anten  S.  103. 


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99 


lieber  die  Eingeborenen  Costaricas. 

lung  su  Mainz.  Obgleich  sie  ziemlich  roh  gearbeitet  ist,  so  zeigt  das  Gesicht  so  charakteri- 
stische Züge,  dass  mau  an  einer  gewissen  Portraitähnlichkeit  wohl  nicht  zweifeln  kann. 

Für  die  höhere  Bildung  und  für  einen  gewissen  Sinn  für  Luxus  spricht  auch  das  häufige 
Vorkommen  des  bei  den  Mexicanern  so  hoch  geschätzten  Cbalchihuitl  (Amazonenstein  in 
Südamerika,  Punarnü  in  Neu-Seeland,  Jade  im  Orient,  Nephrit  und  Saussirit  der  Mineralogen). 
Diese  Steine,  welche  man  bis  jetzt  nur  in  Guanacastc  und  Nicoya,  nicht  aber  im  übrigen  Co- 
starica  gefunden  hat,  sind  äuseerst  sorgfältig  bearbeitet  und  glänzend  polirt;  alle  sind  quer 
durchbohrt,  so  dass  sie,  an  einer  Schnur  hängend,  als  Halsschmuck  getragen  werden 
konnten  ’). 

Die  bei  den  Chorotegen  gefundenen  Thonwaaren  wurden  schon  von  Oviedo  hoch  ge- 
priesen; derselbe  versichert,  „dass  Fürsten  über  ein  solches  Geschenk  nicht  zu  erröthen 
brauchten.“  Die  in  Guanacaste  und  Nicoya  gefundenen  Thonwaaren,  die  ich  zu  sehen  Ge- 
legenheit hatte,  zeichneten  sich  durch  ihre  zierlichen  Formen  sehr  entschieden  vor  denjeni- 
gen anderer  Orte  Costaricas  aus.  Die  auf  ihnen  mit  schwarzem  und  rothen  Ocker  (Curiol) 
angebrachten  Malereien  haben  sich  ganz  vortrefflich  erhalten  und  scheinen  fast  eine  Art 
Hieroglyphenschrift  zu  bilden.  Auch  jetzt  noch  gelten  die  Nicoyaner  für  die  geschicktesten 
Verfertiger  von  Thonwaaren,  obgleich  Arbeiten  wie  die  aus  alten  Zeiten  von  ihnen  nicht 
mehr  hergestellt  werden. 

Goldarbeiten  werden  sicher  bei  einem  Volke  nicht  gefehlt  haben,  welches  eine  so  hohe 
Stufe  der  Cultur  erreicht  hatte.  Zufälliger  Weise  aber  habe  ich  niemals  Gelegenheit  gehabt, 
aus  jener  Gegend  derartiges  zu  sehen ; wahrscheinlich  wohl  deshalb,  weil  die  Spanier  sorgfäl- 
tig danach  gesucht  haben  und  Alles  was  sie  fanden  fortnahmen. 


3.  Die  im  Nordosten  der  Gebirgskette  wohnenden  Jagdvölker. 

Während  die  zum  Cuevastamme  gehörenden  Indianer  schon  einen  gewissen  Grad  von 
Bildung  basassen,  die  C'horotegas  aber  auf  einer  verbältnissmässig  hohen  Bildungsstufe  stan- 
den, finden  wir  im  übrigen  Theile  von  Costarica,  auf  der  nordöstlichen  Abdachung  der  Ge- 
birge, nur  rohe  Jagdvölker. 

Schon  W ap  püus ä)  macht  auf  die  Verschiedenheit  der  Cultprstufe  der  an  der  Südsee 
und  der  an  der  atlantischen  Abdachung  wohnenden  Eingeborenen  aufmerksam,  eine  Verschie- 
denheit, die  sich  nicht  nur  auf  Costarica  beschränkt , sondern  durch  ganz  Mittelamerika  nach- 
zuweisen ist.  Wie  ich  in  einer  Arbeit*)  über  die  klimatischen  Verhältnisse  gezeigt  habe,  ist 
dieselbe  durch  die  klimatischen  Verhältnisse  ihrer  Wohnsitze  bedingt,  weshalb  ihre  Grenzen 
mit  der  Wetterscheide  zusammenfallen.  Auf  der  Südwestaeite  begünstigt  die  Regenzeit  wäb- 


•)  Einige  der  von  mir  gesammelten  bestehen  aus  einem  hellgrünen  Diabas,  andere  aus  einem  schönen 
grünen  Diorit  and  einige  kleine  Stücke  von  Olivenform  aas  bräunlichgrünem  Quarr. 

*)  Handb.  d.  Geogr.  n.  Statistik.  Rand  I.  3.  Abtheil.  Leiprig  1662.  S.  214. 

*)  Versuch  einer  wissenschaftlichen  Begründung  der  klimatischen  Verhältnisse  Central-Amerikas.  — Ko-, 
ner’s  Zeitscbr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde.  Bd.  111.  1868.  S.  316. 

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Dr.  Alexander  von  Frantzius 


rend  der  einen  Hälfte  des  Jahres  das  Wachsthum  [der  Culturpflanzen ; während  die  trockene 
und  fast  regenlose  andere  Hälfte  eine  sichere  Ernte  ermöglicht  und  die  Reinigung  und  Zu- 
bereitung des  Bodens  für  die  folgende  Aussaat  begünstigt.  Auf  der  Kordseite  befördern  die 
weit  häufigeren,  nur  mit  kurzen  Unterbrechungen  fallenden  Regengüsse  das  Wachsthum  der 
Anpflanzungen  zwar  in  noch  höherem  Grade,  was  sich  in  der  weit  grösseren  Ueppigkeit  der 
ganzen  Vegetation  kund  thut;  indessen  macht  das  Fehlen  der  Trockeuzeit  die  Ernte  hier 
fast  unmöglich  und  ebenso  gestattet  es  nicht,  wie  es  auf  der  andern  Seite  üblich  ist,  das  zur 
Reinigung  des  Bodens  nöthige  Abbrennen  de«  verdorrten  Unkrautes.  Die  Eingeborenen  be- 
schränken sich  daher  auf  dieser  Seite  auf  den  Anbau  einiger  weniger  Nahrungspflanzen,  deren 
Ertrag  nicht  an  eine  Trockenzeit  gebunden  ist,  wie  der  Yame,  des  Maniot  und  des  Arum 
esculentum , zu  denen  später  der  jetzt  so  wichtige  Pisang  kam.  Einen  Hauptantheil  ihrer 
Nahrung  bildet  bei  ihnen  daher  die  Ausbeute  der  Jagd  und  Fischerei. 

Wie  alle  Jagdvölker  leben  sie  nicht  in  Städten,  sondern  ohne  staatlichen  Verband  in 
kleinen  Dorfechaften,  häufig  in  beständiger  Fehde,  und  stets  auf  derselben  Stufe  der  Bildung 
verharrend.  Die  Schilderungen,  welche  die  Spanier  bei  ihrem  ersten  Zusammentreffen  mit 
denselben  entwarfen , passen  daher  auch  noch  auf  die  heutigen  Zustände  der  jetzt  freilich 
an  Kopfzahl  nur  noch  sehr  geringen  Ueberreste  derselben. 

So  wenig  es  den  Spaniern  jemals  gelungen  ist,  die  auf  dem  nordöstlichen  Theil  von 
Mittelamerika  wohnenden  Stämme  vollständig  zu  unterjochen,  eben  so  wenig  scheint  dies  vor 
der  Ankunft  der  Spanier  den  Mexicanern  möglich  gewesen  zu  sein,  obgleich  sie  schon  seit 
Jahrhunderten  sds  Herren  des  Landes  zwischen  den  hochgebildeten  Chorotegas  wohnten.  Auch 
hier  haben  die  kriegerischen  Erfolge  der  Spanier  aufs  glänzendste  gezeigt,  dass  es  weit  leich- 
ter ist,  einen  mächtigen  Feind  zu  überwältigen,  sobald  es  geglückt  ist,  seine  Hauptmacht  in 
einem  Treffen  zu  schlagen  und  sich  in  den  Besitz  seiner  Hauptstädte  zu  setzen,  als  ein  an 
Zahl  weit  geringeres  Gebirgsvolk  zu  unterjochen,  welches  sich  bei  der  Verfolgung  stets  in 
schwer  zugängliche  Waldgebirge  zurückzieht,  wo  dem  nachrückenden  Feinde  ein  sicherer 
Untergang  droht. 

Auch  der  friedliche  Verkehr  mit  diesen  unbesiegbaren  Nachbaren  scheint  bei  den  Mexi- 
cauern  vor  der  Ankunft  der  Spanier  nur  höchst  gering  gewesen  zu  sein;  denn  sie  erhielten 
von  den  Mexicanern  den  Behr  passenden  Namen  der  Chontales,  d.  h.  der  Fremden  oder  Aus- 
länder, welche«  Wort  aber  noch  die  Nebenbedeutung  eines  rohen  ungebildeten  Menschen  hat. 
Die  Moxicauer  blieben  auf  diese  Weise  in  solcher  Unkenntnis«  Uber  ihre  Nachbaren  und  deren 
Wohnsitze,  dass  die  Spanier  den  heutigen  San  Juan-Fluss,  der  als  Abfluss  (Desaguadcro)  der 
Nicaragualagune  wie  zu  einer  Hauptverkehrsader  mit  der  atlantischen  Küste  geschaffen  zu 
sein  scheint,  erst  entdecken  mussten,  und  dies  gelang  dem  Diego  de  Machuca,  obwohl  Nica- 
ragua schon  im  Jahre  1522  erobert  worden  war,  erst  im  Jahre  1539,  und  zwar  nach  mehre- 
ren vergeblichen  Versuchen. 

Dass  die  beiden  mächtigen  Culturreiche  der  Azteken  und  der  Incas  bis  zur  Ankunft  der 
Spanier  in  völliger  Unkenntniss  von  dem  Vorhandensein  des  andern  geblieben  waren,  wird 
uns  daher  ebenfalls  weniger  unbegreiflich  und  wunderbar  erscheinen,  wenn  wir  berücksich- 
tigen, dass  zwischen  beiden  weite  Landstrccken  lagen,  deren  Bewohner  auf  ebenso  niedriger 
'oder  gar  noch  tieferer  Culturstule  standen  als  jene  Jagdvölker  Mittelamerikas. 


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Ueber  die  Eingeborenen  Costaricaa. 

Auch  alle  direct  von  der  atlantischen  Küste  aus  versuchten  Unternehmungen  sind 
in  Mittelamerika  sämmtlich  gescheitert,  gleichviel,  ob  sie  darauf  ausgingen,  mit  Waffengewalt 
diese  Ländergebiete  zu  erobern,  oder  in  friedlicher  Weise  von  Mönchen  oder  Colonisten  gelei- 
tet wurden. 

Die  erwähnte  Wetter-  und  Völkerscheide  zieht  sich  in  Costarica  von  dem  im  äussersten 
Nord  westen  der  Republik  gelegenen  Vulkan  Orosi  in  südöstlicher  Richtung  längs  der  Vulkan- 
reihe bis  zum  Irazü,  von  hier  nach  Süden  zum  Dotagebirge  und  dann  Uber  den  Chirripö  und 
Pico  Blanco  bis  zum  Chiriquivulkan. 

Die  historischen  Ueberlieferungen  aus  älterer  Zeit  und  die  neueren  Mittheilungen  von 
Reisenden  über  die  hier  wohnenden  Stämme  und  deren  noch  vorhandenen  Ueberreste  sind 
leider  sehr  dürftig  und  wenig  ausführlich',  sie  haben  daher  zu  vielen  Irrthümem  und.  Ver- 
wechselungen Veranlassung  gegeben ,'  welche  sich  in  den  neueren  Schriften  über  Costarica 
immer  tiefer  einwurzelten. 

Im  Westen  beginnend  finden  wir  am  Rio  Frio,  östlich  von  den  Vulkanen  La  Vieja  und 
Miravalles,  die  Guatusos,  bekannt  wegen  ihrer  merkwürdigen  Beharrlichkeit,  mit  der  sie  von 
jeher  bis  auf  den  heutigen  Tag  jeden  Verkehr  mit  den  Europäern  gemieden  haben,  was  frei- 
lich zur  Folge  gehabt  hat,  daas  wir  sehr  wenig  über  dieselben  wissen,  und  dass  sich  dafür 
eine  Menge  wunderbarer  Geschichten  über  dieselben  verbreitet  haben. 

Da  bis  zum  Jahre  1C66  die  Indianer  dieser  Gegend  in  den  historischen  Ueberlieferungen 
Vottos  oder  Votos  genannt  werden,  später  aber  nur  der  Name  Huatusos  oder  Guatusos  als 
Bezeichnung  derselben  gebraucht  wird,  so  kann  man  wohl  diesen  letztem  Namen  als  eine 
Verstümmelung  des  ersteren  ansehen  und  Vottos  und  OuatuBos  als  einen  und  denselben  Stamm 
betrachten,  um  so  mehr,  da  ihr  feindseliger  Charakter  gegen  alle  fremden  Eindringlinge  schon 
in  den  frühesten  Urkunden  hervorgehoben  wird.  Oviedo1)  theilt  uns  mit,  dass  Martin 
Estete  im  Jahre  1529  bei  seinem  Versuche,  den  heutigen  San  Juan-Fluss  zu  befahren  und 
dessen  Mündung  zu  entdecken,  im  Gebiete  der  Vottos  elendiglich  zu  Grunde  ging.  Später 
findet  sich  der  Name  Votos  in  einem  Actenstücke  vom  Jahre  1666  im  Archiv  von  Cartago. 
Ausserdem  hat  sich  der  Name  auch  als  Beiname  des  Poasvulkans  erhalten,  auf  dessen  Nord- 
seite die  Vottos  ehemals  wohnten,  und  der  daher  diesen  Namen  erhielt  und  heute  noch 
führt. 

Späterhin  ist,  wie  gesagt,  nur  von  den  Huatusos  die  Rede,  die  nach  Pelaez5)  damals 
noch  am  heutigen  San  Carlos-Flusse  lebten,  welcher,  wie  es  scheint,  ehemals  den  Namen 
Rio  Frio  führte.  Auch  aus  dieser  sehr  sorgfältigen  Zusammenstellung  der  bis  dahin  bekann- 
ten historischen  Ueberlieferungen  ersehen  wir,  daas  sämmtliche  im  vorigen  Jahrhundert  ge- 
machten Versuche,  in  das  Gebiet  jener  Indianer  einzudringen,  durchaus  keinen  Erfolg  hatten. 

Die  erwähnten  abenteuerlichen  Mährchen  Uber  die  Guatusos  beziehen  sich  auf  deren  Ab- 
stammung; nach  denselben  sollen  sie  von  europäischen  Flibustiern  abstammen  und  daher 
blondes  röthliches  Haar  und  blaue  Augen  besitzen.  Fred.  Boyle  hat  sie  uns  kürzlich  in 
den  Transact.  of  the  ethn.  Soc.  of  London  (N.  Ser.  VI,  1867,  S.  207)  in  einer  Weise  wieder- 


q Oviedo,  hist.  d.  1.  Ind.  ocoid-,  lib.  XXIX,  Cep.  2. 

>)  Memoria*  para  l.  hist,  del  antig.  Reino  de  Guatemala.  Tom.  111,  p.  141. 


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Dr.  Alexander  von  Frantzius, 


erzählt,  dass  man  fast  zu  glauben  versucht  wird,  er  selbst  sei  von  der  Wahrheit  derselben 
überzeugt.  Sehr  abweichend  von  diesen  dem  ungebildeten  Haufen  entnommenen  mündlichen 
Ueberlieferungen,  deshalb  aber  um  so  werthvoller,  und  besonders,  weil  der  Verfasser  nur 
Selbstgesehencs  berichtet,  ist  die  einfache  Schilderung  des  Capt.  O.  J.  Parker1),  welcher  im 
Jahre  1867  in  einem  Boote  den  Rio  Frio  hinauffubr.  Er  vergleicht  ihr  Aeusseree  mit  dem 
der  Couianches.  Die  neuesten  Mittheilungen  erhielt  ich  kurz  vor  meiner  Abreise  von  Costa- 
rica  im  Anfänge  des  Jahres  1868.  Damals  wareine  Anzahl  Cautschoucsammler  aus  Greytown 
gewaltsam  in  das  Gebiet  der  Guatosos  eingedrungen.  Als  bei  dieser  Gelegenheit  der  Häupt- 
ling derselben  von  ihnen  getödtet  wurde  und  die  übrigen  die  Flucht  ergriffen  hatten,  konn- 
ten die  Angreifer  sich  ungestört  Umsehen.  Dieselben  fanden,  dass  die  Guatusos  in  Bezug  auf 
die  Körperbeschaffenheit  und  ihre  Lebensweise  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  ihnen  be- 
nachbarten, nördlich  von  San  Juan  wohnenden  Ramäindianem  haben;  und  auch  die  von 
ihnen  mitgebrachten  Waffen,  bestehend  in  Pfeilen  und  Bogen,  unterschieden  sich  in  keiner 
Weise  von  denen  der  Ramas. 

Auf  der  grossen  Strecke  zwischen  dem  San  Carlos-Fluss  und  der  Küste  des  atlantischen 
Occans  wohnen  heute  ausser  einigen  wenigen  spanischen  Ansiedlern  keine  Menschen.  Durch 
historische  Ueberlieferungen  ist  nicht  einmal  der  Name  derjenigen  erhalten,  die  hier  einst 
wohnten,  und  doch  war  diese  ausgedehnte  Waldebene  früher  dicht  bevölkert  Am  Toro  ama- 
rillo  fand  Dr.  Diezmann  ganze  Strecken  bedeckt  mit  Resten  von  Thonwaaren;  am  Sarapiqui 
bei  La  Virgen  fand  man  Gräber  mit  kleinen  Stoinfiguren  und  weiter  östlich  in  der  Ebene 
von  Santa  Clara  sollen  dieselben  noch  häufiger  zu  finden  sein.  Am  zahlreichsten  trifft  man 
dieselben  aber  an  der  atlantischen  Küste  und  in  den  höher  gelegenen  Gegenden  am  Fusse 
der  Vulkane  Irazu  und  Turialba,  und  zwar  am  Rio  Blanco,  Plataneres,  Las  Piedras,  Novillo 
und  Destierro. 

Sehr  merkwürdig  sind  die  leider  noch  nicht  von  Sachverständigen  untersuchten  Ruinen 
am  Novilloflusse.  Auf  einer  Ebene  am  Fusse  des  Turialbavulkans , in  einer  sehr  regnerischen 
Gegend,  finden  sich  viele  Mauerüberreste  aus  behauenen  Steinen,  welche  geradlinig  laufen  und 
ehemals  Strassen  gebildet  zu  haben  scheinen;  auch  fand  man  an  verschiedenen  Stellen  zerstreut 
elf  Steinfiguren  in  Lebensgrösse  und  in  sitzender  Stellung.  Diese  Ruinen  nehmen  einen  sehr 
grossen  Raum  ein,  so  dass  die  Stadt,  von  der  sie  herrübren,  wahrscheinlich  sehr  volkreich 
war.  Da  sich  hier  ausser  einigen  Aguacate-,  Sapote-,  Cacaobäumen  und  Pejebaycpalmen  keine 
Bäume  von  hohem  Alter  finden,  der  Boden  vielmehr  mit  der  unter  dem  Namen  Bijao  oder 
Bihai  bekannten  Heliconia  bedeckt  ist,  so  lässt  sich  aus  dieser  Vegetation  nicht  leicht  ein 
Schluss  auf  das  Alter  der  Ruinen  ziehen.  Wahrscheinlich  Bind  dieselben  gleichaltrig  und  von 
demselben  Ursprünge  wie  die  in  Chontales  von  Friedrichstbal  und  Fröbel1)  gesehenen,  aber 
leider  von  denselben  nicht  beschriebenen  Ruinen,  von  denen  ich  im  Jahre  1855  eine  Beschrei- 
bung durch  mündliche  Mittheilungon  eines  Alhajuelensers  erhielt,  der  früher  in  der  Nähe  der- 
selben Goldminen  bearbeitet  hatte.  Sie  befinden  sich  zwischen  Acoyapa  und  Yuyagalpa  und 
sind  so  ausgedehnt,  dass  man  auf  das  einstige  Vorhandensein  einer  Stadt  zu  schliessen  be- 

l)  Frank  Leeliea  illuetr.  Xewapaper.  New  York.  Jan.  25.  1308.  p.  259. 

*)  Journ.  of  the  R.  Gcogr.  Suc.  of  London.  XI.  p.  100.  — J.  Fröbeb  fieven  Yenrc  travol  in  Central 
America.  London  1959.  p.  120. 


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lieber  die  Eingeborenen  Costaricaa.  103 

rechtigt  ist.  Auch  hier  erkennt  man  noch  die  geradlinigen  Strassen  und  einen  ungefähr 
hundert  Schritt  im  Geviert  umfassenden  viereckigen  Platz;  Steinfiguren  von  Manneshöhe  fin- 
den sich  an  mehreren  Stollen  dieser  Ruinen. 

Offenbar  rühren  die  Ruinen  am  Novilloflusse  nicht  von  den  Vorfahren  der  in  der  Nähe 
wohnenden  Jagdvölker  her,  sondern  von  einem  ganz  verschiedenen  Volke,  welches,  wie  die 
Tolteken  und  Mayavölker,  auf  einer  weit  höheren  Culturstufe  stand.  Dies  geht  nicht  nur  aus 
den  an  der  Reventaxonmündung  gefundenen  Gräbern  hervor,  die  aus  behauenen  Steinen  ge- 
fertigt sind  und,  was  wohl  zu  beachten  ist,  aus  einer  Steinart,  die  in  der  Umgegend  nirgends 
angetroffen  wird.  Ganz  besonders  zeigt  sich  der  hohe  Grad  der  Kunstfertigkeit  jenes 
Volksstammes  in  einer  Steinfigur,  welche  ich  im  Jahre  1861  in  Cartago  zu  sehen  Gelegen- 
heit hatte,  und  die  Bpäter  an  die  ethnologiche  Gesellschaft  in  Philadelphia  geschenkt  wurde. 
Sie  war  am  obem  Laufe  des  Reventazon  bei  Turialba  am  Azul  gefunden,  stellte  eine  unge- 
fähr fünf  Fuss  hohe  männliche  nackte  Figur  dar  und  war  so  gearbeitet,  dass  sie  aufgerichtet 
ohne  umzufallen  auf  den  Füssen  stand.  Die  Oberfläche  des  Steines  war  sorgfältig  geglättet, 
er  bestand  ans  einem  dunkeln,  ziemlicli  harten  Griinstein-  Auch  diese  Statue  zeigte  sehr  aus- 
gesprochene Gesichtszügo;  die  niedrige  Stirn,  die  lange  gebogene  Nase'und  der  grosse  Unter- 
kiefer gaben  ihr  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  dem  Gesichte  der  in  Lepanto  gefundenen 
Steinfigur. 

Wenden  wir  uns  weiter  nach  Südosten,  so  kommen  wir  zu  einer  Anzahl  von  Stämmen, 
von  denen  noch  lebende  Ueberreste  vorhanden  sind,  und  über  welche  wir  auch  einige  spär- 
liche geschichtliche  Mittheilungen  besitzen.  Als  Felipe  Gutierrez  im  Jahre  153G  Costa- 
rica  zu  erobern  versuchte,  landete  er  an  der  Mündung  des  heutigen  Pacuarflusses , der  ehe- 
mals den  Namen  Suerre  führte;  von  hier  Hess  er  sich  durch  die  daselbst  wohnenden  India- 
ner in  das  gebirgige  Innere  locken,  wo  er  und  fast  die  ganze  Mannschaft  den  Tod  fanden. 
Unter  den  Wenigen,  welche  dem  Untergang  entrannen,  befand  sich  Hieron.  Benzoni,  der 
Verfasser  der  Storia  del  Nuovo  Mundo.  Durch  ihn  erhielten  wir  die  ersten,  leider  aber  auch 
die  letzten  Mittheilungen  über  die  damals  dort  wohnenden  sogenannten  Suerreindianer,  denn 
sie  verschwanden  bald,  wie  so  viele  ihrer  Bruderstämnie,  vollständig  vom  Erdboden , und  die 
schönen  Ufer  des  Pacuarflusses  blieben  seitdem  unbewohnt.  In  gleicher  Weise  ist  auch  die 
äusserst  fruchtbare,  aller  ihres  verderblichen  Klimas  wegen  gemiedene  Niederung  des  Matina- 
flusses  jetzt  fast  gänzlich  unbewohnt;  von  den  ehemaligen  Bewohnern  findet  sich  nur  am 
oberen  Laufe  des  Chirripö  ein  in  wenigen  zerstreuten  Hütten  lebender,  unter  dem  Namen 
Cbirripöindianer  bekannter  Stamm,  deren  Gesammtzabl  kaum  noch  hundert  erreicht. 

An  dem  Küstenstriche,  welcher  sich  von  der  Matinamündung  bis  Caguita  erstreckt,  leb- 
ten ehemals  die  sogenannten  Blancos,  sogenannt,  weil  sie  sich  durch  ihre  helle  Hautfarbe 
auszeichneten.  Der  genannte  Küstenstrich  heisst  daher  auch  heute  noch  Costa  de  las 
Blancos.  In  Folge  der  Bedrückungen  der  Spanier  zogen  diese  sich  jedoch  schon  im  Anfänge 
des  siebenzehnten  Jahrhunderts  in  das  gebirgige  Innere  bis  in  die  Thäler  der  Nebenflüsse 
des  Sixaula  zurück.  Man  nennt  diese  Indianer  jetzt  gewöhnlich  die  Vicait&s  oder  Bizeitas, 
ein  Name,  der  sich  jedoch  in  den  älteren  Urkunden  nicht  findet.  Da  aber  der  Sixaulafluss 
ehemals  von  den  Spaniern  auch  Rio  de  Estrella  genannt  wurde,  so  findet  man  als  Gesammt- 
namen  derselben  zuweilen  auch  den  Namen  Estrell&indianer.  Auch  der  Name  Talamanca- 


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Dr.  Alexander  von  Frantzius, 


Indianer  bezeichnet  fast  dasselbe,  denn  als  Rodrigo  Arias  Maldonado,  Sohn  des  ehemali- 
gen Qobemadors  Andres  Arias  Maldonado,  im  Jahre  1660  einen  Eroberungszug  gegen 
jene  Indianer  unternommen  und  dabei  sein  ganzes  väterliches  Vermögen  verwendet  hotte, 
erhielt  er  als  Entschädigung  den  Titel  Marquez  de  Talamanca,  seit  welcher  Zeit  das  Gebiet 
vom  ühirripöfluase  bi»  zur  Grenze  von  Veragua  Provincia  de  Talamanca  genannt  wurde. 
Der  Karne  Talamancaindianer  ist  daher  ein  Collectivname , der  sowohl  alle  im  Flussgebiete 
des  Sixaida  wohnenden,  als  auch  die  im  Thale  des  Chanquenaula  wohnenden  Terrbis  um- 
fasst und  daher  keine  ethnologische  Bedeutung  hat;  mit  Vorliebe  bedienen  sich  die  Missio- 
näre dieses  Namens  in  ihren  Berichten. 

Irrthümlich  sind  diese  hier  erwähnten  Namen  in  den  meisten  Schriften  Uber  Costarica 
als  Namen  verschiedener  Stämme  dieses  Landes  aufgeführt  worden. 

In  ethnologischer  Beziehung  verschieden  von  den  Viceitas  sind  die  sogenannten  Terrbis, 
die  seit  Jahrhunderten  mit  den  ersteren  in  unversöhnlicher  Feindschaft  lebten  und  zwischen 
welchen  es  oft  zum  offenen  Kriege  kam.  Schon  dor  ohrwUrdige  Missionär  Antonio  Mar- 
jil  fand  die  Viceitas  im  Jahre  1690  in  einem  Kriege  mit  jenen  Nachbarn  begriffen,  was  ihn 
veranlasste,  sich  zu  den  auf  der  Südseite  wohnenden  Borucaindianern  zu  begeben. 

Dadurch,  dass  eine  ähnliche  Feindschaft  der  Terrbis  auch  mit  ihren  auf  der  Ostseite 
wohnenden  Nachbarn,  den  Valientes,  bestand,  waren  sie  beständig  von  zwei  Feinden  einge- 
schlossen, und  dies  ist  offenbar  der  Grund,  weshalb  sie  trotz  ihres  wilden  kriegerischen  We- 
sens meistens  unterlagen  und  ihre  Zahl  so  sehr  ahgenommen  hat  Ihre  jetzigen  Wohnsitze 
befinden  sich  im  Thale  des  Chanquenaula;  ausser  einigen  Ortsnamen,  deren  Klang  von  dem 
der  Namen  anderer  benachbarter  Stämme  sehr  verschieden  ist,  wissen  wir  fast  Nichts  über 
dieselben. 

Ob  die  ehemaligen  Tojares,  die  Bewohner  der  in  der  Chiriquilagune  gelegenen,  heute 
ganz  unbewohnten,  unter  dem  Namen  Isla  de  Bastimentos  bekannten  Insel,  auch  zu  jenem 
Stamme  gohörton,  Ist  jetzt  schwer  zu  entscheiden.  Sie  werden  ebenso  wie  die  Terrbis  als 
sehr  kriegerisch  und  widerspenstig  geschildert  und  ihre  Zahl  wurde  noch  im  Anfang  des 
siebenzehnten  Jahrhunderts  auf  8000  bis  9000  geschätzt 

Im  vorigen  Jahrhundert  machten  sich  die  Mosquitoindianer  jene  Feindschaft  der  Terrbis 
und  Blancos  zu  Nutze,  indem  sie  erstere  zum  Menschenraub  veranlass ten  und  die  von  ihnen 
geraubten  Blancoindianer  als  Sklaven  an  die  Engländer  nach  Jamaica  verkauften.  Der  auf 
diese  Weise  lange  Zeit  hindurch  getriebene  Menschenraub  wurde  die  Veranla&sung,  dass  die 
damals  noch  dicht  bevölkerte  Kiistengegend  von  den  Blancos  ganz  verlassen  wurde  und  seit- 
dem menschenleer  geblieben  ist 

Obwohl  auf  der  südlichen  Abdachung  der  Gebirge  gelegen,  gehören  die  Bewohner  des 
heutigen  Indianerdorfes  Terrabn  ebenfalls  zum  Stamme  jener  Terrbis.  Dieser  Ort  entstand 
nämlich  erst  im  Jahre  1709  dadurch,  dass  man  einige  Hundert  Indianer  von  der  Nordseite 
auf  einem  nach  jener  Gegend  unternommenen  Streifzuge  gefangen  nahm  und  sie  zwang,  auf 
der  anderen  Seite  des  Gebirges  in  die  Nähe  von  Boruca  überzusiedeln. 

In  den  älteren  Urkunden  werden  die  kriegerischen  Terrbis  Texabas  genannt,  welches 
Wort  zuweilen  auch  Terrabas  geschrieben  wird;  später  veränderte  sich  dieser  Name  all- 
mählich in  Terebas,  Torebis,  Tiribis  und  Terrbis.  Die  heutigen  Terrabaindianer  sollen  sich 


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105 


lieber  die  Eingeborenen  Costaricas. 

daher  jetzt  noch  mit  den  am  Champieuaula  wohnenden  Terrbis  verständigen  können,  wäh- 
rend dio  nahebei  wohnenden  Borucaindiancr  eine  ganz  andere  Sprache  sprechen. 

Sämmtlicho  Berichte  Uber  die  ehemaligen  Blancos  und  heutigen  Viceitas  stimmen  darin 
überein,  dass  sie  sanfte,  friedliche  und  gelehrige  Menschen  seien,  während  die  Terrbis  als 
äusserst  wild  und  kriegerisch  geschildert  wurden.  Obgleich  sich  bei  den  Viceitas  eine 
wohlbegründete  Abneigung  und  Furcht  gegen  Spanier  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  hat, 
sind  sie  Fremden  anderer  Nationen  sehr  zugethan.  Es  leben  daher  Beit  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts eine  Anzahl  fremder  Tauschbändler  unter  ihnen,  welche  die  daselbst  gesammelte 
Sarsaparilla  und  einige  andere  Landesproducte  gegen  verschiedene  europäische  Fabrikate 
eintauschcn. 

Ben  Namen  Biancas  verdienten  sie  mit  Recht,  da  ihre  Hautfarbe  ungewöhnlich  hell  ist. 
Sie  sind  von  grosser  Statur,  kräftig  gebaut  und  zeichnen  sich  durch  einen  sanften  Gesichts- 
ausdruck vor  anderen  Indianern  aus.  Ber  indianische  Typus  ist  bei  den  mit  spanischem 
Blute  gemischten  Abkömmlingen  der  Blancos,  die  in  der  Nähe  der  Städte  unter  dem  civili- 
sirten  Landvolk  ziemlich  zahlreich  leben,  nicht  leicht  zu  erkennen.  Bas  Haupt  tragen  die  Vi- 
ceitas unbedeckt  und  als  Schmuck  desselben  sieht  man  zuweilen  eine  Federkrone.  Die  Frauen 
tragen  als  Halsschmuck  eine  Menge  bunter  Glasperlenschnüre,  oft  von  bedeutendem'  Ge- 
wicht; bei  Männern  dagegen  sieht  man  statt  dessen  die  Eckzäline  vom  Jaguar  auf  einer 
Schnur  gereiht,  sowie  auch  runde  Scheiben  von  Meeresmuscheln,  die  genau  von  gleicher 
Grösse  geschliffen  und  durchbohrt,  wie  Geldrollcn  an  einander  liegend,  ebenfalls  an  einer  Schnur 
gereiht  um  den  Hals  getragen  werden.  Sic  gleichen  vollständig  den  bei  Monsheim  gefunde- 
nen und  in  diesem  Archiv  Bd.  III,  Taf.  II,  Fig.  8 abgcbildeten , in  der  Mitte  durchbohrten 
runden  Muschelscheiben  '). 

Die  technischen  Fertigkeiten  der  Blancos  beschränken  sich  nur  auf  wenige  Zweige  des 
Lebensunterhaltes.  Am  geschicktesten  sind  sie  im  Weben  von  Baumwollenstoffen  und  im 
Flechten  von  Hängematten,  Netzen  u.  dgl.,  die  aus  den  Fasern  einer  Agaveart,  genannt  Ca- 
buya,  und  aus  der  sogenannten  Pita,  einer  in  Centralamcrika  häufig  wachsenden  Bromelincee, 
verfertigt  werden.  Ihre  Waffen , bestehend  in  Pfeil  und  Bogen,  bereiten  sie  aus  verschiede- 
nen dazu  geeigneten  Holzarten. 

Der  Ackerbau,  der  ganz  den  Frauen  überlassen  ist,  spielt  bei  ihnen  eine  ganz  unterge- 
ordnete Rolle  und  beschränkt  sich  nur  auf  den  Anbau  von  etwas  Manhiot,  Pisang  und  Cacao. 
Ihre  Wohnungen  sind  sehr  sorfaltig  aus  unbehauenen  Baumpfählen,  Rohr,  Palmblättem  und 
Schlingpflanzen  gefertigt.  Die  Männer  betreiben  die  Jagd  und  Fischerei.  Die  Fische  wer- 
den entweder  mit  dem  Pfeil  und  Bogen  geschossen  oder  durch  Vergiftung  des  Wassers  gefan- 
gen. An  einigen  Stellen  sind  über  die  rcissenden  Gebirgsströinc  Hängebrücken  aus  Schling- 
pflanzen angebracht,  die  beständig  von  den  Bewohnern  der  betreffenden  Ortschaften  in  Stand 
gehalten  und  alle  Jahre  vollständig  erneuert  oder  ausgcbcssert  werden. 

Wenngleich  unsere  ethnologischen  Kenntnisse  der  Bewohner  Mittelamerikas  noch  äusserst 
mangelhaft  sind,  so  lässt  sich  bei  einem  genaueren  Vergleich  der  vielen  einzelnen  älteren 
und  neueren  Mittlieilungen  eine  grosse  Verwandtschaft  der  an  der  Nordostseite  wohnenden 


i|  Auch  die  durchbohrten  Zähne  von  wilden  Thiercn  fanden  sich  1 <ci  Monsheim.  S.  » a.  0.  Fig.  9. 

Archiv  fttr  Anthropologie.  Ud.  IV.  Heft  1.  14 


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106 


Dr.  Alexander  von  Frantzius, 

Jagdvölker  unter  einander  nicht  wegleugnen.  Wenn  auch  die  Sprache  der  einzelnen  Stämme 
verschieden  ist,  was  ja  bei  Völkern  auf  so  niedriger  Bildungsstufe  weit  mehr  der  Fall  ist 
als  bei  gebildeten,  so  zeigt  die  physische  Beschaffenheit  derselben  und  ihre  Sitten  und  Ge- 
bräuche so  viel  üebereinstiinmendes,  dass  wir  sämmtliche  von  Honduras  bis  zur  Chiriquilagune 
die  Nordostseite  von  Mittelamerika  bewohnenden  Stämme,  die  unter  den  Namen  der  Poyais, 
Toacas,  Coocras,  Woolwas  und  Ramas  bekannt  sind,  sowie  die  auf  costaricanischem  Gebiete 
wohnenden  Guatusos,  Viceitas  nebst  den  Valientes  als  zu  einem  grossen  Stamme  gehörig  be- 
trachten müssen. 

Ausser  dieser  Verwandtschaft  jener  Stämme  unter  einander  glaube  ich  aber  auch  noch 
auf  eine  andere  gemeinsame  Aehnlichkeit  mit  den  ehemaligen  Antillenbewohnem  und  den 
am  Nordrande  Südamerikas  wohnenden  Arowaken  aufmerksam  machen  zu  müssen.  Obgleich 
ein  directer  Nachweis  einer  Verwandtschaft,  schwer  zu  führen  ist,  da  die  ehemaligen  Antil- 
lenbewohner schon  lange  ausgestorben  sind,  so  liegt  bei  der  geringen  Entfernung  und  bei 
der  die  Schifffahrt  begünstigenden  starken  Meeresströmung  im  caribisclien  Meere  die  An- 
nahme, dass  zwischen  beiden  einstmals  directe  Verbindungen  bestanden  haben,  sehr  nahe 
und  um  so  näher,  da  wir  wissen,  dass  sich  unter  beiden  geschickt«  Seefahrer  fanden. 

Peschel’s  Schilderungen  der  ehemaligen  Antilienbewohner  in  seinem  bereits  oben  er- 
wälmten  Werke:  I>as  Zeitalter  der  Entdeckungen,  führten  mich  zuerst  auf  diese  Vermuthung. 
Die  physische  Beschaffenheit  derselben,  der  sanfte  Charakter,  ihre  Lebensweise,  die  Woh- 
nungen, Nahrungsmittel,  sowie  ihre  Kunstfertigkeit  sprechen  sümmtlich  für  eine  solche  Ver- 
wandtschaft. Später  fielen  mir  die  vielen  in  Costarica  gebräuchlichen  Namen  auf,  welche 
der  Tainisprache ')  angeboren  und  Gegenstände  des  gewöhnlichen  Lebens  bezeichnen.  Wenn 
nun  auch  Humboldt  mit  Recht  darauf  aufmerksam  macht,  dass  die  Namen  der  Antillen- 
bewohner erst  durch  die  Spanier  in  ihre  übrigen  Colonien  eingeführt  worden  sind,  so  ist  die 
Anzaiil  dieser  Worte,  besonders  die  Namen  von  Nutzpflanzen  und  solcher  Thierc,  die  fUr 
den  Menschen  ein  gewisses  Interesse  haben,  in  Costarica  so  gross,  dass  ich  geneigt  bin,  ge- 
rade hier  an  einen  directen  Zusammenhang  zu  glauben. 

Wie  ich  oben  zeigte,  stiessen  die  Grenzen  der  Wohnsitze  der  drei  Costarica  bewohnen- 
den und  ethnologisch  verschiedenen  Volksstämme  in  dein  jetzt  dicht  bewohnten  Theile  des 
Landes,  nämlich  im  Rio  Grande-Thale  zusammen.  Indessen  ist  sicher  anzunehmen,  dass  sich 
diese  Grenzen  vor  der  Entdeckung  des  Landes,  je  nachdem  der  eine  oder  andere  Stamm  der 
mächtigere  war,  zeitweise  verschoben  haben;  aus  diesem  Grunde  ist  es  nicht  immer  leicht, 
nur  nach  dem  Fundorte  der  ausgegrabenen  Alterthümer  zu  entscheiden,  welchem  der  drei 
Hauptstäinme  dieselben  angehörten. 

In  den  frühesten  Berichten  der  Spanier  werden  auf  diesem  Grenzgebiete  zwei  Stämme 
genannt,  von  denen  wir,  da  alle  weiteren  Angaben  über  die  Eigentümlichkeiten  derselben 
fehlen,  nicht  wissen  können,  welchem  Volke  sie  angehörten.  Es  sind  dies  die  ehemaligen 
Chomezindianer  und  die  Guetares,  welche  letztere  nach  Oviedo  ein  sehr  kriegerischer  und 

*)  Dr.  C.  F.  Ph.  v.  Msrtiua  Beiträge  zur  Ethnographie  und  Sprachkunde  Amerika!,  Bd.  II,  8.  S17,  und 
Bd.  I,  8.  75Ö.  Die  Taini  find  die  Ureinwohner  von  Haiti.  Die  Sprache  der  Taini  ist  erloschen,  wie  da»  Volk, 
weiches  sie  redete,  aber  mehrere  Worte  klingen  jetzt  noch  in  europäischen  Sprachen  nach  und  sind  weit  ver- 
breitet durch  die  Colonien  der  Entdecker. 


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Ueber  die  Eingeborenen  Costaricas.  107 

mächtiger  Stamm  gewesen  sein  müssen,  denn  er  nennt  den  Golf  von  Nicoya  auch  Golfo  de 
los  Guetares. 

Von  welchem  Volke  die  vielen  Steinringe  herrühren,  die  als  die  Fundamente  der  ein- 
stigen Wohnungen  anzusehen  sind  und  sich  von  sehr  verschiedenen  Formen  besonders  zahl- 
reich an  der  Barranca  finden  und  hier  unter  dem  Namen  der  Trinchera  bekannt  sind,  sowie 
diejenigen  am  Parritaflusse,  ist  ebonso  schwierig  zu  entscheiden. 

Sehr  merkwürdig  und  gewiss  von  hohem  Alter  sind  zwei  mit  menschlichen  Gesich- 
tern bedeckte  grosse  Steinblöcke.  Der  eine  derselben,  der  bei  Albajuelita  liegt  und 
Piedra  de  los  negros  genannt  wird,  ist  ein  Syenitblock  von  ungefähr  20  Fuss  Durchmesser, 
auf  dessen  einer  ziemlich  ebenen  und  nur  wenig  gewölbten  Oberfläche  sich  eine  Anzahl  von 
anderthalb  bis  zwei  Fuss  hoher  menschlicher  Figuren  findet  Diese  Figuren  sind  in  kindisch 
roher  Weise  nur  durch  Umrisse  angedeutet,  die  als  vertiefte  Linien  in  den  Stein  eingemeis- 
»elt  sind.  Von  einem  Kreise,  in  welchem  zwei  Punkte  die  Augen  und  eine  Querlinie  den 
Mund  andeuten,  läuft  eine  gerade  Linie  senkrecht  hinunter,  an  deren  Ende  wieder  ein  ähn- 
liches Gesicht  folgt ; seitwärts  von  dieser  Linie  läuft  unter  dem  Gesichte  jederseits  eine  an- 
dere Linie  herab,  die  sich  in  drei  kürzere  Linien  theilt  und  so  die  Arme  und  Hände  an- 
deutet. 

Sorgfältiger  sind  die  Gesichter  auf  dem  andern  weit  kleineren  Blocke,  der  an  einem 
Nebenwege  seitlich  von  Tresrios  liegt  Auf  diesem  finden  sich  nur  Gesichter;  sie  sind  von 
etwas  viereckiger  Form;  ausser  dem  Querstriche,  der  den  Mund  andeutet,  sind  auch  die 
Augenbrauen  angebracht,  die  in  der  Mitte  nach  unten  convergiren,  sich  über  dem  Munde 
wieder  von  einander  entfernen  und  so  die  Nase  mit  den  Nasenflügeln  andeuten.  Auch  diese 
Figuren,  die  durch  besondere  unregelmässige  Linien  umgrenzt  und  von  einander  getrennt 
sind,  befinden  sich  auf  der  rohen  Oberfläche  dos  unbehauenen  Stcinbloekes.  Die  Verfertiger 
dieser  Zeichnungen  verstanden  demnach  wohl  Linien  in  eine  Steinfläche  einzugraben,  aber 
noch  nicht,  den  Stcinblock  zu  einer  bestimmten  Form  zu  verarbeiten.  Hieraus  muss  man 
gewiss  auf  eine  noch  sehr  niedere  Culturstufe  und  zugleich  auf  ein  sehr  hohes  Alter  der  Ver- 
fertiger schliessen. 

Auch  in  Mittelamerika  haben  gewiss  im  Verlaufe  des  langen  Zeitraumes  seit  dem  Be- 
stehen des  Menschengeschlechts  ebenso  wie  an  vielen  anderen  Stellen  der  Erde  grosse  Ver- 
änderungen der  Wohnsitze  der  Bewohner  stattgefunden.  Wenn  auch  geschriebene  und  münd- 
liche Uebcrlieferungen  über  derartige  Vorgänge  gänzlich  fehlen  und  die  in  der  Erde  ver- 
grabenen Zeugen  erst  in  der  neuesten  Zeit  derselben  entrissen  werden  und  daher  noch  viel 
zu  unvollständig  sind,  um  jetzt  schon  Schlüsse  daraus  ziehen  zu  können,  so  zeigen  die  geogno- 
sti8chcn  Verhältnisse  Mittelamerikas  doch  so  bedeutende,  den  jüngsten  Zeiten  angehörende 
Niveauvcrändorungen,  dass  die  während  jener  Zeit  hier  lebenden  Menschengeschlechter  den 
dadurch  bedingten  Einflüssen  nicht  entgehen  konnten.  Die  Erforschung,  in  welcher  Weise 
die  stets  sich  ändernden  Umrisse  des  Festlandes  in  Mittelamerika  einerseits  die  Auswande- 
rung und  den  Untergang  der  Bewohner,  andererseits  das  Vorrücken  und  Einwandern  ande- 
rer bedingten,  wird  die  Aufgabe  künftiger  Forscher  sein. 


H* 


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VI. 

Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies, 

(Höhle  von  Cro-Magnon)  in  Perigord, 


nebst  einigen  Bemerkungen  über  das  Verhältnis«  der  Craniologie  zur  Ethnologie. 

Von 

A.  Ecker  *). 


Unter  den  Funden  aus  vorhistorischer  Zeit  in  dem  in  dieser  Beziehung  so  reichen  Boden 
des  mittäglichen  Frankreich  hat  mit  Recht  kaum  einer  ein  so  bedeutendes  Aufsehen  erregt, 
als  der  in  der  Ueberschrift  genannte  neueste  derselben.  Es  vervollständigt  dieser  die  früher 
an  anderen  Stellen  der  Dordogne  gemachten  Entdeckungen  nach  einer  sehr  wichtigen  Seite 
hin.  Haben  uns  diese  die  unzweifelhaften  Beweise  des  Zusammenlebens  des  Menschen  mit 
dem  Mammuth  geliefert  und  Uber  die  Sitten  der  alten  Troglodyten  die  interessantesten  Auf- 
schlüsse gegeben,  so  haben  wir  doch  diese  so  zu  sagen  nicht  von  Angesicht  zu  Angesicht  kennen 
gelernt.  Diese  Lücke  ist  nun  durch  die  Auffindung  der  Skelette  und  Schädel  von  les  Eyzies 
in  erwünschter  Weise  ausgefüllt.  Mag  nun  auch  zwischen  der  Periode,  in  welcher  die  Ver- 


>)  Literatur: 

])  L.  Lartet,  Memoire  sur  une  »cpulture  des  anciens  Troglodytcs  du  Perigord.  — Pruner-Bey, 
Description  sommaire  de  reste»  humains  decouverts  dans  les  grottes  de  Cro-Magnon.  — Lartet,  Bcmar*|ues 
sur  la  Faune  de  Cro-Magnon.  Annalen  des  Sciences  naturelles,  V.  s£rie.  Zoologie,  T.  X,  186S,  S.  133 — 160. 

•2)  E.  Lartot  ot  Christy,  ltetiquiae  aquitanicac,  being  eontributions  to  tho  archaeology  and  palaeonto- 
logy  of  Perigord.  London,  40.  1)  VI,  S.  62,  L.  Lartet,  a hurial  place  of  tbe  cave  dweller»  of  Perigord. 

2)  VII,  8.  73,  Pruner-Boy,  an  aceounfc  of  the  human  bonos  found  in  the  cave  of  Cro-Magnon  in  Dordogne. 

3)  VIII,  S.  93,  L.  Lartet,  remarks  on  tbe  fauna  found  in  the  cave  of  Cro-Magnon.  4)  IX,  S,  97,  Broca,  on 
the  human  skull»  and  hone»  found  in  tho  cave  of  Cro-Magnon,  near  les  Eyzies.  6)  X,  S.  123,  Quatrcfages, 
remarks  on  the  human  remains  fron»  the  cave  of  Cro  - Magno».  (Letztere  Arbeit  in  der  mir  vorliegenden 
letzten  (X.)  Lieferung  noch  nicht  vollendet  — Dazu  dio  Tafeln:  A.  XIX  und  XX  (Kieselwerkzeuge),  B.  XI 
durchbohrte  Muscheln  und  Elfenbeinplättchen,  B.  XII  Knochen  Werkzeuge,  C.  I,  II,  IV  und  V Schädel, 
JII  Schädel,  Unterkiefer  und  Rippeu,  VI  humerus,  femur,  tibia,  fibula. 

3)  Bulletins  de  la  Socicte  d’Anlhropologie  de  Paris,  2.  serie,  T.  III,  S.  356 — 392;  S.  416—514;  S.  554 — 574; 

8.  57*— G00. 

4)  Mntt'*riaux  pour  l'histoire  primitive  et  naturelle  de  l'hommo,  5®*  annee,  2.  seric,  Nr.  2,  Fevrier  1869 
S.  97. 


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110 


A.  Ecker 


fertiger  der  Zeichnungen  und  Sclmitzereien  von  la  Madelaiue  u.  s.  w.  lebten  und  derjenigen, 
welche  die  Rennthierjäger  von  les  Eyzies  lebend  sah,  eine  beträchtliche  Spanne  Zeit  liegen, 
indem  dort  das  Rennthier  schon  viel  mehr  vorherrscht  als  hier,  so  haben  doch  wohl  beide 
unzweifelhaft  demselben  Volke  angehört  und  wir  sind  berechtigt,  dio  hier  aufgefundenen 
menschlichen  Reste  als  die  der  Voreltern  derjenigen  zu  betrachten,  denen  man  — ob  durch- 
weg mit  Recht  oder  nicht,  lassen  wir  für  heute  dahingestellt  — die  Kunstwerke  der-liordogno 
in  Reunthiergeweih  zuschreibt 

Wir  halten  es  der  Wichtigkeit  der  genannten  Funde  entsprechend,  auch  in  dieser  Zeit- 
schrift etwas  ausführlicher  über  dieselben  zu  berichten. 

In  den  felsigen  Ufern  des  Flüsschens  Vezere  finden  sich  zahlreiche  Höhlen,  die  theils 
natürliche  Bildungen , theils  von  Menschenhand  gemacht  (oder  erweitert)  sind  und  die  von 
den  allerältesten  Zeiten  bis  auf  den  heutigen  Tag  und  in  der  verschiedensten  Weise  benutzt 
wurden.  Die  Häufigkeit  der  Höhlenbildung  in  diesen  Uferwänden  scheint  dadurch  bedingt,  dass 
die  einzelnen  Schichtendes  nicht  ganz  horizontal  streichenden  Kalkgebirges  in  sehr  ungleichem 
Grade  der  Zerstörung  durch  atmosphärische  Einflüsse  unterliegen  und  verwittern.  In  Folge 
der  allmäligen  Zerbröckelung  einzelner  dieser  Schichten  entstehen  so  theils  längere , horizon- 
tal verlaufende,  schon  von  weitem  sichtbare 
Rinnen  (Fig.  10),  theils  stellenweise  Ueber- 
liänge  und  wirkliche  Höhlen  (Fig.  11)  *)- 
Durch  die  Verwitterung  und  den  allmäligen 
Sturz  der  nicht  mehr  unterstützten  hän- 
genden Schichten  bilden  sich  dann  Schutt- 
haufen, Böschungen  am  Ufer,  durch  welche 
tiefer  gelegene  Rinnen,  Höhlen  und  Ueber- 

Ansicht  des  rechten  Ffcrs  im  Thal  der  Vözcro  mit  den  in 

der  Richtung  der  Schichten  streichenden  riuncufürmigeu  hänge  oft  vollständig  zugedeckt  werden. 


Aushöhlungen  der  Ulerwimde. 
ä Fels  von  Tuyac.  e Gorge  d'Knfer. 

Fig.  11. 

e rf 


So  war  es  mit  der  hier  in  Rede  stehenden 
Höhle  von  Cro-Magnon,  die  etwa  Ö80  Meter 
vom  Flecken  les  Eyzies  entfernt  liegt 
Ohne  den  Kiscnbahnbau,  der  im  März  18GS 
die  Durchbrechung  und  theilweise  Entfer- 
nung einer  solchen  Böschung  nötliig  machte, 
zugleich  mit  der  eines  mächtigen  herabge- 
stürzten Blockes  (c  Fig.  12),  wäre  diese 
__  Fundstätte  vielleicht  niemals  entdeckt 

worden.  Nach  Entfernung  des  Schuttes 
Ansicht  de.  linken  llcr.  vom  Thal  der  Vdzrtc  mit  den  (iFig  I2)  kam  I11aI1  iü  «fc«  der  geUaunton 
gleichen  rinnen  iormigen  Aushöhlungen  der  l ferwände.  , ” 

a Kirche  von  Tuyac.  b Station  von  1«  F.yzies.  c n„hle  partiellen  Rinnen  oder  Höhlen  (/Fig.  12), 
von  Cro-Magnon.  d Fel»  von  Tayac.  e Schloss  von  die  unter  einem  überhängenden  Felsen  hin- 
einlief und  hier  entdeckten  endlich  Arbei- 


■)  Die  Clichc.  der  Figuren  10  bi»  20  verdanke  ich  der  GofUligkeit  de.  Vorstandes  der  Societe  d’ Anthropo- 
logie und  des  Herrn  Ed.  Lartct  in  Paris.  E. 


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Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies. 


111 


ter  die  menschlichen  Reste.  Es  war  ein  glücklicher  Zufall,  der  leider  viel  seltener  ein- 
tritt,  als  man  zu  erwarten  berechtigt  wäre,  dass  die  Eisenbahnbnu -Unternehmer  vernünf- 


tige Leute  waren,  die  die  Bedeutung  des  Fundes  ahnten, 
Fig.  12. 
c 


Querprofil  de*  Thal«  der  Yezere  durch  den  Fels  von  Cro-Majpion, 
a Ei&enlmhndatnm.  b Schutt  Löschung,  e grrosmer  Kalkblock,  d Fel#- 
übcrhnng  (nicht  raobr  vorhanden).  P Kalkfel«,  M Schutthaufen  und 
Anschwemmung  des  Thal  gru  wie». 

e Fela  von  Cro-Älagnon.  / Hohle  von  Cro-Mngnon  mit  ihrem  ebenfalls 
von  Schutt  überdecktem  Dach. 

Die  Ziffern  bedeutet«  metrische»  Maas«. 


den  Arbeitern  ein  „manuin  de 
tabula“  zuriefen  und  an  passen- 
der Stelle  Anzeige  erstatteten. 
Auf  diese  wurde  sofort  vom  Mi- 
nister des  öffentlichen  Unter- 
richts Herr  Lartot  jun.  dahin 
entsendet,  der  nnn  mit  aller 
Sorgfalt  die  weiteren  Ausgra- 
bungen leitete. 

Zunächst  wurde  der  über- 
hängende,  den  Sturz  drohende 
Fels  durch  einen  aufgemauerten 
Pfeiler  ( /Fig.  13)  unterstützt  und 
dann  die  Untersuchung  begon- 
nen. Die  Höhle  von  Cro-Magnou 
ist  durch  einen  Felsiiberhang 
( P Fig.  14)  gedeckt,  der  in  hori- 
zontaler Richtung  etwa  8 Meter 


sich  hinaus  erstreckt  und  eine  Ausdehnung  von  etwa  17  Meter,  hei  einer  Dicke  von  circa  5 Meter, 
besitzt.  Dio  Reste  der  unter  demselben  liegenden  Schichten,  durch  deren  Verwitterung  eben 
F*S-  I3-  die  Höhle  entstanden  ist,  bildeten  auf 

dem  primitiven  Boden  der  Höhle  (den 
liegenden  Schichten)  zur  Zeit  als  die 
ersten  Rennthicrjäger  sie  betraten, 
eine  Schicht  von  mindestens  70  C'cn- 
timeter  (2  */*“)  (A  Fig.  14).  Diese  hin- 

Ansicht  der  Hülilo  von  Cro-Mngnon,  von  dem  Schutt,  ,1er  den  terlieSSen  als  die  SP™  ihres  er^n, 
Eingang  bedeckte,  befreit  und  mit  dem  l’ntcratützungipfciler  (/).  jedenfalls  nur  kurzen  Aufenthalts  eine 

schwärzliche  Schicht  (B  Fig.  14)  von 
etwa  13  Centiineter  (Vj*)  Dicke,  welche  bearbeitete  Kiesel,  Kohlenfragmcntc  und  Thier- 
knochen (zerbrochen  oder  calcinirt)  einschloss.  In  dieser  Schicht  lag  auch  ein  Elepbauten- 
stosszahn , der  schon  bei  dem  Graben  des  Fundaments  für  den  oben  erwähnten  Pfeiler  auf- 
gefundon  wurde.  Auf  dieser  Schicht  lag  eine  weitere  (C  in  Fig.  14),  von  etwa  25  Centimetor 
Dicke,  aus  Kalksteinfragmentcn  bestehend,  welche  im  Lauf  einer  längeren  Zeit,  während 
welcher  die  Höhle  unbewohnt  war,  von  der  Decke  herabgefallen  waren;  dann  folgte  aber- 
mals eino  dünne  Schicht  mit  Kohlen,  Knochen  und  Kieseln  (D  in  Fig.  14)  und  darauf  wieder 
eine  (7i)  von  Kalksteinfragmenten,  etwa  in  der  Dicke  von  nngefähr  50  Centimeter.  Ueber 
diesen  fanden  sich  nun  eine  Reihe  von  Lagen,  die  sich  offenbar  während  einer  längeren 
Bewohnung  der  Höhle  gebildot  haben  mussten.  War  diese  Bewohnung  auch  keine  imunter- 
brochene, so  waren  doch  jedenfalls  die  Zwischenräume,  in  denen  sic  nicht  bewohnt  war,  so  kurz 


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112 


A.  Ecker 


gewesen,  dass  sich  keine  erheblichen  Schichten  von  Kalkateinfragmenten  mehr  ablagern  konn- 
ten. Die  genannten  Lagen  der  „Culturschiclit“,  wie  man  sie  etwa  nach  Analogie  ähnli- 
cher Schichten  in  den  Pfahlbauten  nennen  könnte,  enthielten  in  verschiedenem  Verhältnis« 
Kohlen,  zerbrochene,  verbrannte  und  bearbeitete  Knochen,  bearbeitete  Kiesel '),  insbesondere 
Schabsteine,  Steinkerne,  abgerundete  Stücke  von  Quarz  und  Granit  aus  dem  Flussbett  der  Vdz&ro, 
alle  mit  deutlichen  Spuren  des  Gebrauclis  und  folgten  sich  von  unten  nach  oben  in  folgender 
Weise.  Zu  unterst  eine  Kohlenschicht  ( F Fig.  14)  von  circa  20  Centimeter  Dicke,  dann  ein 
Lager  fetter  röthlicher  Erde  von  30  Centimeter  Dicke  (ibid.  G),  darauf  eine  sehr  ausgebreitete 
Kohlenschicht  (//),  die  in  der  Mitte  60  Centimeter,  gegen  die  Peripherie  hin  etwa  10  Cen- 
timetor und  im  Mittel  50  Centimeter  dick  war.  Diese  Schicht  war  die  reichste  an  Kohle, 
Knochen,  Kiesel-  und  Knochenwerkzeugen  und  kann,  da  sie  offenbar  eine  sehr  lange  Zeit 
repräscntirt , während  welcher  die  Höhle  fortwährend  bewohnt  war,  die  C'ulturlage  x. 
genannt  werden.  Auf  diese  folgte  eine  ebenfalls  noch  Knochen , sowie  Kiesel  - und  Knochen- 
instrumente und  Amulette  enthaltende  Schicht  einer  gelblichen  thonigen  Erde  (/)  und  zu 

Fig.  H. 


Durchschnitt  der  Höhle  ron  Cro-Magnon.  Der  Schnitt  geht  durch  die  Mitte  der  Ilühlo  längs  der 
- Linie  « Fig.  15.  Maassstab  = 1 : 100  (1  Centim.  p.  Meter).  P Dach  der  Höhle.  iV  Riss  in  dem- 
selben. Jt  Schuttböschung,  welche  entfernt  werden  musste.  Der  Unterstützungspfeiler  lr  Fig.  15)  ist 
auf  dieser  Figur  durch  zwei  senkrechte  Linien  angcdcutct. 

A K&lketemfrngrocnte,  den  Boden  der  Höhle  bildend.  B erste  Kohlenschicht.  C Schicht  von  Kalkstein- 
frsgmenten.  D zweite  Kohlenschicht.  E Kalknteinbruchstücko,  in  der  Nahe  der  darüber  liegenden  Knh- 
lenechicht  durch  Fcncr  gerüthot.  F Dritte  Kohlenachicht.  G Rothe  Erde  mit  Knochen  u.  s.  w.  //  Dicke 
Schicht  von  Asche  mit  Knochen  (Haupthecrd).  1 (.leibe  Erde  mit  Knochen  u.  s.  w.  J Dünne  Schicht  ton 
Kies  mit  Tropfsteinincrustationen.  Kaum  sichtbare  Spur  einer  Heerdschicht.  K Kalksteinhruchstücke. 

« Elephantenstosazahn.  I Skelet  des  nlton  Mannes  (Nr.  I).  c Gneisshlock.  d menschliche  Knochen, 
e Kalkstcinblücke,  im  Laufe  der  Zeit  von  der  Decke  herahgestürzt. 

■)  Die  Kieselwerkzenge  sind  abgebildct:  Rcljquiac  aquitanicae,  Tafel  A.  XIX  und  A.  XX,  die  Knocheuwerk- 
teuge  Tafel  B.  XI  und  XII. 


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113 


Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies. 

oberst  endlich  eine  nur  5 Centimeter  dicke  und  nur  wenig  ausgebreitete  Kohleoschicht  (J), 
die  bei  Ankunft  des  Herrn  Lar  tot  nicht  mehr  vollständig  beobachtet  werden  konnte.  In 
dem  obersten  Thei!  der  gelblichen  Schicht  I und  ganz  im  Hintergrund  der  Höhle  lagen  rum 
die  menschlichen  Skelete  nebst  Zubehör,  das  Ganze , eine  kleine  hohle  Stelle  (It),  den  Rest 
der  ursprünglichen  Höhle , ausgenommen , mit  Kaikstembruehstüeken  (A")  bedeckt.  Diese 
letztere  Schicht  enthielt  noch  einige  bearbeitete  Kiesel  mit  ganzen  und  gebrochenen  Knochen 
von  kleinen  Nagetlderen  und  einem  Fuchs.  Endlich  über  allen  diesen  Schichten,  welche  die 
Höhle  erfüllten  und  über  der  Decke  der  Hoble  (P)  selbst  lag  eine  4 bis  li  Meter  <12  bis  Is') 
dicke  Schuttmasse,  die  eine  Böschung  (L)  bildete,  von  einer  Ausdehnung,  die  an  und  für 
sich  schon  auf  ein  »ehr  hohes  Alter  des  darunter  befindlichen  Todtenlagers  hinweist. 

Was  nun  die  menschlichen  Skeletreste  betrifft,  so  lagen  diese  alle  in  einem  Umkreis 
von  etwa  1 Meter  50  Centimetor  und  gehörten  wohl  nicht  mehr  als  fünf  Individuen  an.  Der 
eine,  männliche  Schädel  (Nr.  I,  siehe  unten)  lag  in  dem  Reste  des  freien  Raumes  (6)  der 
Grotte  und  war  daher  Kalkincrustationen  ausgesetzt;  links  davon  lagen  die  Skeletreste 
Fig.  lu.  Fig.  16. 


Onuädriss  d<ir  Hohle  von  Cro-Magnon,  mit  Angabe  der  Lage  der  Durchschnitt  durch  einen  seitlichen 

Skelett'  u.  s.  w.  Thcil  der  Höhle  von  Cro-Magnon  in  der 

r Kalklcls.  X Centraler  und  dickster  Theil  der  Schiebt  H (Fig.  14).  Richtung  der  Linie  tf  (Fig.  15).  . 

Y Basis  des  Unterstützungspfciler*.  n StOÄSzajm  des  Klcphantcn.  Maissstab  — 1 : 100. 

b Schädel  des  alten  Mannes  (Nr.  I|.  4 menachliche  Knochen.  Bezifferung  wie  in  (Fig.  14). 

e Heruntergefalleno  Kalksleinplalten.  m Skelet  de»  Weibes,  «Kno- 
chen eines  Kindes,  n fl  Richtung  des  Durchschnitts  Fig.  14.  dp  Rich- 
tung des  Dnrchschnitts  Fig.  16. 

Die  ZißVro  kedeulea  taeJriMihes  Maas». 

eines  Weib«*  (Nr.  ID  und  neben  diesen  die  eines  noch  nicht  reifen  Kindes.  Die  übrigen 
Skelet  teste  gehörten  Männern  an.  Zwischen  diesen  Knochen  lagen  eine  Menge  von  Gehäusen 
von  Seesclmecken  (bei  300),  meist  von  Littorina  littorea,  alle  durchbohrt;  in  geringerer 
Anzahl,  ebenfalls  durchbohrt,  fanden  sich  Specitnina  von  Purpura  lapillus  und  Turritella 
communis.  Ohne  Zweifel  waren  dies  Schmuckgegenstände,  die  zu  Arm-  oder  Halsbändern 
aufgereiht  waren  •)•  Ebenfalls  in  nächster  Nähe  der  Skelete  fand  sich  auch  ein  ovales  schei- 
benförmiges, mit  zwei  Löchern  versehenes  Stückchen  Elfenbein  (Amulet  ?)*)-  ferner  durch- 
bohrte Zähne,  ein  gespaltener  Gncisblock  mit  abgeebneter  Fläche,  bearbeitet«  Rennthier- 
knochen  und  bearbeitete  Kiesel. 


*)  Reliq.  aquit.  Ü.  PI.  XI,  Fig.  I.  — 8)  Ibid.  Fig,  2,  8,  4. 

Archiv  <lr  Anthropologie,  Btl.  IV,  Hift  IL  15 


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114 


A.  Ecker, 


Was  die  Fauna  der  Höhle  von  Cro-Magnon  betrifft,  welche  von  Ed.  Lart^t  untersucht 
wurde1),  so  besteht  dieselbe  neben  den  vorgenannten  Mollusken  aus  14  bis  15  Säugethieren 
und  einem  Vogel  (dieser  nur  durch  einen  Knochen  repräsentirt).  Von  Camivoren  fand  sich 
ein  grosser  Bär,  jedoch  in  so  wenigen  Fragmenten  (ein  oa  metatarsi  und  zwei  Phalangen),  dass 
eine  genauere  Bestimmung  nicht  möglich  war,  dann  ein  grosses  Raubthier  aus  der  Gattung 
Felis  (Stück  Oberkiefer),  wahrscheinlich  Felis  spelaea;  ferner  der  Unterkiefer  eines  Wolfs 
und  Bruchstücke  vom  Fuchs,  tlieils  unserem  gewöhnlichen  ähnlich,  thoils  davon  verschieden. 
Ausserdem  fanden  sich  der  Femur  eines  nicht  bestimmbaren  Spermophilus,  und  am  Eingang 
der  Höhle  Reste  von  zwei  Hasen.  Dass  in  einer  Lage  der  Culturschicbt  ein  Stück  des 
Stosszahns  eines  Elephanten  (Mammuth)  gefunden  wurde,  ist  schon  oben  erwähnt.  Vom 
genus  Sus,  das  in  Perigord  überhaupt  selten  erscheint,  fanden  sich  auch  hier  nur  zwei 
Molaren  und  ein  unterer  Eckzahn,  die  dem  heutigen  Wildschwein  entsprechen.  Am  zahl- 
reichsten sind  die  Reste  vom  Pferd,  das  offenbar  einen  Haupt- Nahrungsartikel  der  Be- 
wohner von  Cro- Magnon  bildete;  das  Rennthier  dagegen  ist  viel  weniger  zahlreich  als 
in  anderen  Stationen  der  Dordogne  vertreten  und  ebenso  der  Auerochs,  Vom  Hirsch  und 
Steinbock  fanden  sich  nur  einige  Zähne.  Vom  Moschusochsen  und  der  Gemse  fanden  sich 
keine  Knochenreste  in  unserer  Höhle,  obgleich  in  einer  anderen  benachbarten  Station  (Gorge 
d'Enfer),  auf  dem  anderen  Ufer  der  Vdzere,  diese  Thiere  dem  Höhlenvolk  zur  Nahrung  dien- 
ten. Der  einzige  Vogelknochen,  der  sich  fand  (Mittelstück  eines  Humerus),  mag  einem 
Kranich  angehört  haben.  Lartet  macht  hierbei  darauf  aufmerksam,  daas  in  diesen  älte- 
sten Stationen  Vogelknochcn  viel  seltener  sind  als  in  den  relativ  neueren,  in  welchen  das 
Rennthier  vorherrscht  Damit  falle  zusammen,  daas  die  Pfeile  in  den  orsteren  einfache,  in 
den  letzteren  geflügelte  Spitzen  haben.  Ferner  fehlen  in  den  ersteren  auch  die  Fischknochen 
und  die  Reste  der  SaYga-Antilope. 

Die  Skeletreste  des  Menschen  in  der  Höhle  von  Cro-Magnon,  die  sowohl  von  Broca 
als  Pruner-Bey  auf  das  Genaueste  untersucht  wurden,  nehmen  nun  unsere  Aufmerksamkeit 
ganz  besonders  in  Anspruch,  da  in  ihnen  uns  ein  Bild  des  frühesten  vorhistorischen  Menschen 
entgegentritt,  und  verlangen  ein  genaueres  Eingehen.  Die  Mehrzahl  der  gefundenen  Knochen 
gehören  drei  Individuen  an ; ganz  zusammensetzen  konnte  man  jedoch  keines  dieser  Skelete. 
Ausser  den  diesen  drei  Individuen  angehöronden  Knochen  fanden  sioli  noch  unbedeutende 
Schädelreste  eines  Erwachsenen  und  eines  Kindes.  Jedenfalls  waren  daher  wohl  nicht  weni- 
ger als  fünf  Individuen,  wohl  kaum  aber  auch  mehr  in  diesem  Grabe  beigesetzt.  Die  Reste 
der  drei  erstgenannten  Individuen,  die  bei  der  Untersuchung  allein  in  Betracht  kommen, 
gehörten:  1)  einem  grossen  alten  Mann,  in  der  Folge  stets  mit  Nr.  I bezeichnet,  2)  einem 
Weibe  (Nr.  II),  3)  einem  erwachsenen  Mann  (Nr.  III).  Der  Schädel  von  Nr.  I ist  vollstän- 
dig (es  fehlt  nur  ein  Jochbein  und  der  eine  Ast  des  Unterkiefers)  und  gehörte  offenbar  einem 
alten  Mann  an.  Die  Nähte  sind  geschlossen.  Von  den  Zähnen,  die,  wie  aus  dem  Offen- 
sein der  Alveolen  entnommen  werden  kann,  zur  Zeit  des  Todes  noch  vorhanden  waren, 
konnte  nur  einer  (zweite  Backzahn)  aufgefunden  werden,  der  durch  die  bedeutende  Abschlei- 
fung seiner  Krone  ebenfalls  auf  ein  vorgeschrittenes  Alter  hinweist.  Wie  dieser  Schädel  der 


')  Kcliq.  »quit.  VIII,  S.  93. 


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Die  Höhlenbewohner  der  llennthierzeif  von  les  Eyzies.  115 

grösste  ist,  so  sind  such  die  zu  diesem  Schädel  gehörigen  Knochen  (Hüftbein,  zwei  ossa  femoris, 
tibia,  mehrere  Rippen  u.  s.  w.)  sehr  gross  und  massiv.  An  dem  einen  der  beiden  Schenkelbeine 
befindet  sich  unmittelbar  über  den  Condylen  eine  umschriebene,  offenbar  alte  traumatische  De- 
pression mit  Eindrückung  der  compacten  Rinde  in  die  schwammige  Substanz  (ohne  Unterbrechung 
der  Continuität  des  Knochens),  die  nach  Broca’s  Meinung  wohl  durch  ein  stumpfes  Wurfge- 
schoss, vielleicht  aber  durch  den  Stoss  eines  Horns  oder  eines  Elephantenzahns  veranlasst  wurde. 
Nr.  II  sind  die  Reste  eines  Weibes,  welches  Broca  trotz  der  vorgeschrittenen  Verschliessung  der 
Nähte,  da  diese  bei  uncivilisirten  Racen  viel  früher  eintritt,  und  nach  der  Beschaffenheit  der  Zähne 
für  nicht  älter  als  35  bis  40  Jahre  zu  halten  geneigt  ist.  Der  nach  links  und  hinten  unvollständige 
, Schädel  zeigt  im  Stirnbein  einen  während  des  Lebens  entstandenen , möglicherweise  durch 
ein  Feuersteinbeil  veranlassten  penetrirenden  Substanzverlust  Die  zu  diesem  Skelet  gehö- 
rigen Knochen  sind  ebenfalls  sehr  gross  und  stark,  jedoch  viel  weniger  massiv  und  rauh  als 
die  von  Nr.  L Die  mit  Nr.  HI  bezeichnten  Reste  siud  die  eines  Mannes  von  etwa  45  Jahren. 
Der  Schädel  ist  unvollständig,  es  fehlt  das  ganze  Gesicht  und  vom  Cranium  die  Schläfen- 
beine. Diese  drei  Individuen,  wenn  sie  auch  im  Einzelnen,  wie  dies  wohl  nicht  anders  mög- 
lich ist,  zahlreiche  Verschiedenheiten  zeigen,  weisen  doch  so  viel  gemeinsame  Züge  auf, 
dass  man  sie  als  nahe  verwandt  und  zu  einer  und  derselben  Race  gehörig  erkennen  muss 
und  zwar  zu  einer  Race,  die  von  allen  bis  jetzt  bekannten  sehr  verschieden  ist  Was  zunächst 
die  Statur  der  Individuen  betrifft,  deren  Skelete  uns  hier  vorliogen,  so  war  diese  eine  sehr 
grosse  und  übertraf  die  hei  uns  die  Regel  bildende  um  ein  bedeutendes.  Directe  Messun- 
gen der  Länge  des  Skelets  waren  natürlich  nicht  möglich,  da  man  kein  einziges  von  diesen 
vollständig  zusammensetzen  konnte,  und  man  war  daher  darauf  angewiesen,  aus  der  Länge 
einzelner  Knoohen,  die  stets  eine  proportionelle  ist,  die  Länge  des  ganzen  Skelets  zu  erschliessen. 
Bei  dem  heutigen  französischen  Volk  entspricht  nach  der  Messung  der  Gerichtsärzte  ein  Schen- 
kelknochen von  490  Millimeter  Länge  mindestens  einer  Kör|>erlätlge  von  1,80  Meter  (=  5*/»*)  *)- 
Broca  schätzt  nun  die  Länge  des  os  femoris  des  Skelets  Nr.  I im  Minimum  auf  493  Millira. 
(wahrscheinlich  aber  hatte  es  504  Millim.)  und  man  geht  daher  gar  nicht  zu  weit,  wenn  man 
für  den  alten  Mann  Nr.  I eine  Statur  von  mehr  als  1,80  Meter,  also  wohl  nahezu  von  ti'  an- 
nimmt. Eine  solche  Körpergrösse  ist  nun  aber  sowohl  bei  Europäern  als  anderen  Racen 
jedenfalls  selten,  sie  war  dies  aber  wohl  sicher  nicht  bei  dem  Volk  der  Troglodyten,  deren  Reste 
uns  hier  vorliegen,  denn  das  Weib  (Nr.  II)  und  der  erwachsene  Mann  (Nr.  IH)  waren  kaum 
minder  gross.  Es  ist  diese  Thatsache  um  so  bemerkenswerther,  als  der  quaternäre  Mensch 
in  Belgien , nach  den  dortigen  Höhlenfunden  zu  schlicssen , die  heutige  mittlere  Grösse  bei 
weitem  nicht  erreichte,  und  es  hat  der  frühere  Glaubenssatz,  dass  der  vorhistorische  Mensch 
durchweg  von  kleiner  Statur  und  brachycephal  gewesen  sei,  durch  den  Fund  von  les  Eyzies 
einen  weiteren  bedenklichen  Stoss  erhalten.  Nicht  minder  als  durch  die  Statur  zeichneten 
sich  diese  alten  Renntbicijäger  durch  die  Stärke  ihrer  Knochen  aus. 

Was  die  Theile  des  Skelete  im  Einzelnen  betrifft,  so  verdient  vor  allem  der  Schädel 
eine  genaue  Erwähnung. 


1)  Ks  ist  übrigens  von  B r o c a mit  liecht  hcrvorgcholicn , dass  die  Messungen  hierübc  r alle  an  unserer 
Race  angestcllt,  die  Proportionen  aber  nicht  bei  allen  Racen  die  gleichen  sind. 

15* 


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116 


A.  Ecker, 

Die  Schädel  sind  sehr  gross  und  dolichocephal  nnd  die  Dolichocephalie  ist  dabei  keines- 
wegs die  Folge  einer  besonderen  Schmalheit  des  Schädels,  sondern,  da  die  Breite  eine  ziemlich 
bedeutende  ist  (grosser  als  die  der  meisten  brachycephalen  Schädel) , das  Resultat  einer  be- 
deutenden Länge.  Der  Rauminhalt  konnte  allerdings  nur  bei  einem  der  drei  Schädel  (dem 
des  alten  Mannes  Nr.  I)  gemessen  werden,  doch  liess  sich  wohl  erkennen,  dass  derselbe  bei 
den  beiden  anderen  (II,  III)  ebenfalls  ein  bedeutender  war.  Bei  Nr.  I betrug  die  Capacität  (mit 
Schrot  gemessen)  1,590  □ C.,  bei  Nr.  II  darf  man  sie  nach  Broca  wohl  auf  1,450  □ C.,  und  bei 
Nr.  III  auf  nicht  viel  weniger  schätzen. 

Selbstverständlich  ist  hierbei  die  grosse  Statur  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  da  das  Gehirn 
(allerdings  nicht  in  Proportion , denn  grosse  Personen  haben  ein  relativ  kleineres  Gehirn) 
mit  der  Statur  wächst;  jedoch  ist,  alles  dies  wohl  berücksichtigt,  doch  nicht  zu  verkennon, 
dass  die  Rennthieijäger  von  les  Eyzios  sich  durch  ein  sehr  grosses  Hirnvolum  auszeichnen. 
Es  wird  um  so  mehr  erlaubt  sein,  hieraus  einen  günstigen  Schluss  auf  die  Intelligenz  dieser 
Race  zu  ziehen,  als  die  Geräumigkeit  der  Schädelhöhle  insbesondere  im  Stimthcit  des  Schä- 
dels eine  sehr  bedeutende  ist.  Die  Stirn  ist  vertical  gewölbt , besonders  in  der  Medianlinie. 
Die  Länge  des  Stirnbogens  beträgt  bei  Nr.  I 145,  Nr.  II  135  und  Nr.  III  148  C,  übertrifft  also 
um  zwei  Centimeter  das  heutige  Mittel.  Dabei  ist  die  Stirn  auch  in  der  Breite  sehr  wohl 
entwickelt,  gewölbt  Der  Schädelindex  beträgt  bei  Nr.  I 73,  7«,  Nr.  II  71,  7S,  Nr.  III  74,  75, 
im  Mittel  73,  «i,  erreicht  also  nicht  den  mittleren  Index  der  grossen  Reihe  merovingischer 
Schädel,  die  doch  von  den  auf  französischem  Boden  bisher  gefundenen  Schädeln  die  am  mei- 
sten dolichocephalen  sind. 

Die  grösste  Breite  des  Schädels  findet  sich  in  der  Nähe  der  Scheitelhöcker,  während  die 
Schläfengegend  keineswegs  vorspringend  ist.  Die  Arcus  superciliares  sind  bei  den  Männern 
sehr  stark.  Die  Hinterhauptgegend  ist  bei  allen  drei  Schädeln  sehr  wohl  entwickelt,  die 
Protuberantia  occipitalis  jedoch1  klein  oder  fehlend.  Die  Nähte  sind  wenig  gezackt.  Am  Ge- 
sichtstbeil  des  Schädels  Nr.  I ist  besonders  charakteristisch:  1)  das  Tiefeingedrücktsein  der 
Nasenwurzel,  das  dadurch  noch  mehr  hervortritt,  dass  die  Nasenbeine  concav  und  am  untern 
Ende  etwas  naoh  aufwärts  gerichtet  sind.  Das  ganze  Gesicht  erscheint  2)  sehr  kurz  und 
breit,  ist  aber  in  Wirklichkeit  nur  das  Letztere,  und  zwar  fällt  diese  Breite  insbesondere  auf 
die  Jochgegend  (143  Millim.),  und  ist  durch  eine  ungewöhnliche  Breite  der  Augenhöhlen  be- 
dingt! Augenhöhle  44  Millim.  breit,  27  Millim.  hoch).  Der  Index  der  Augenhöhle  (Breite  = 100), 
der  in  der  Regel  70  beträgt,  tieträgt  hier  61,36.  Der  obere  Tbeil  des  Gesichts  ist  sehr  senk- 
recht gestellt,  der  untere  dagegen  erscheintsehr  prognath,  ohne  dass  jedoch  deshalb  die  Schneide- 
zähne (wie  das  aus  der  Stellung  der  Alveolen  hervorgeht)  schief  gestellt  gewesen  wären.  Am 
Gaumengewölbe  bildet  die  Naht  eine  mediane  Leiste.  Der  Unterkiefer ')  ist  besonders  durch 
die  starke  Divergenz  der  beiden  Seitenhälften  ausgezeichnet,  und  unterscheidet  sich  hierdurch 
sehr  auffallend  sowohl  von  dem  Unterkiefer  von  Naulette,  als  dein  der  Affen.  Das  Kinn  ist 
sehr  hervorragend,  die  Aesto  steigen,  obschon  der  Winkel  abgerundet  ist,  ziemlich  senkrecht 
auf  und  sind  von  einer  Breite,  welche  nach  Broca’s  Vergleichungen  von  keinem  europäischen 
Schädel  erreicht  wird,  ja  selbst  nicht  einmal  von  solchen  wilder  ausscreuropäischer  Racen 

')  S.  Reliq.  aquit.  C,  Tafel  III. 


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117 


Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies. 

(z.  B.  Buschmann,  Kaifer,  Japanese).  Durch  diesen  Charakter  stelle  sich,  so  schliesst  Broca, 
der  Schädel  des  alten  Mannes  von  Cro-  Magnon  zwischen  die  wilden  Raoen  und  die  anthro- 
pomorphen  Affen,  von  welchen  letzteren  sich  jedoch  der  Unterkiefer  in  allen  anderen  Bezie- 
hungen ganz  entschieden  unterscheide.  Der  Gesichtstheil  des  weiblichen  Schädels  Nr.  II  (am 
Schädel  Nr.  III  fehlt  das  Gesicht)  lässt  nach  Broca’s  Ausspruch,  obgleich  er  auf  den  ersten 
Anblick  von  dem  oben  beschriebenen  sehr  verschieden  zu  sein  scheint,  doch  die  meisten  Cha- 
raktere des  ersten,  wenn  auch  sehr  gemildert,  wieder  erkennen.  Wie  weit  die  Unterschiede 
durch  das  Geschlecht  bedingt  sind,  wird,  so  lange  man  nicht  mehr  Schädel  kennt,  schwer  zu 
entscheiden  sein.  Jedoch  bleibt,  wenn  man  auch  nur  die  den  beiden  Schädeln  gemeinsamen  Cha- 
raktere in  Betracht  zieht,  immer  noch  Uebereinstimmendeg  genug,  um  dieselben  von  ande- 
ren quaternären  Schädeln,  z.  B.  denen  der  belgischen  Höhlen,  genügend  zu  unterscheiden. 

Von  den  übrigen  Knochon  sind  insbesondere  die  Schenkelbeine  des  alten  Mannes  durch 
ihre  Breite  und  Dicke  bemerkenswerth.  Unter  35  Schcnkelbeinen  aus  dem  alten  Kirchhof 
von  St.  Jean  de  Luz  kam  denselben  in  dieser  Beziehung  keiner  gleich.  Der  auffallendste 
Charakter  der  Schenkelbeine  von  les  Eyzies  liegt  aber  in  der  Linea  aspera,  welche  eine  ganz 
ungewöhnliche  Breite  und  Dicke  und  eine  Stärke  der  Muskelansätzo  besitzt,  wie  Broca  sonst 
niemals  gesehen  zu  haben  behauptet. 

Die  Tibia  ist,  wie  am  besten  an  den  in  Fig.  17  abgebildeten  Durchschnitten  zu  erkennen 

Fig.  17. 

* 

A 

/I 

£ „ 1 £ p jg  t7' 

t Rlischitiscbe  Tibi*  Rhachitiscbe  Tibia 

t.  mit  sagittaler  mit  frontaler  Krümmung 

Krümmung.  (A'  E .V'  normale  Stellung 
. der  Flächen). 

Rami  (Crista  tibi»).  E lateraler  Rand  (Critta  interosaca).  1 media- 
ler Rand.  .V  Lage  de»  Foramen  nutritium.  EN  AmatzfUche  des  M.  tibialiB  posticus.  IN  Ansatzfläche  des 

M.  poplitaeus. 

ist,  in  querer  Richtung  abgeplattet.  An  der  Tibia  des  alten  Mannes,  von  der  nur  das  Mittel- 
stück vorhanden  ist,  die  aber  wahrscheinlich  eine  Länge  von  41  Centimeter  batte,  betrug 
der  sagittale  Durchmesser  (von  ölten  nach  unten  au  drei  Stellen  gemessen)  54,  45  und  31  Mil- 
limeter; der  frontale,  an  derselben  Stelle  gemessen,  37,  27  und  27  Millim.  Vergleicht  man 
damit  eine  Tibia  der  heutigen  Generation,  so  ergiebt  sich,  dass  die  erste^  im  Verhältniss  zur 
Länge  im  sagittalen  Durchmesser  viel  dicker,  im  frontalen  Durchmesser  viel  schmäler  ist. 
Die  Tibia,  wie  wir  sie  bei  der  heutigen  Generation  finden,  hat  bekanntlich  ein  dreieckiges 
prismatisches  Mittelstück,  an  dem  man  drei  Flächen  unterscheiden  kann,  eine  mediale,  eine 
laterale  und  eine  hintere.  Es  ist  nun  besonders  die  letztere,  die  an  den  vorhistorischen  Schien- 


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118 


A.  Ecker, 

beinen  abweichend  gebildet  ist,  jedoch  nur  in  der  obem  Hälfte  des  Knochens.  Diese  hintere 
Fläche,  deren  Kbene  dort  eine  frontale  ist,  erscheint  hier  durch  eine  mittlere  Erhebung  in 
zwei  abgetheilt,  eine  laterale  und  eine  mediale,  die  beide  in  mehr  sagittaler  Richtung  ver- 
laufen, so  dass  die  Tibia  eigentlich  nur  zwei  Flächen  und  zwei  Rändor  zeigt.  Dieser  Cha- 
rakter ist,  wenn  auch  in  viel  geringerem  Grade,  schon  wiederholt  an  Skeleten  aus  vorhisto- 
rischer Zeit  wahrgenommen  worden,  so  z.  B.  an  solchen  aus  dem  Diluvium  von  Montmartre, 
aus  Dolmen,  aus  den  Höhlen  von  Gibraltar,  fehlt  dagegen  denen  der  belgischen  Höhlen  der 
Rennthierzeit.  — Die  drei  vorhandenen  Ossa  humeri  zeigen  nichts  Auffallendes;  die  Fossa 
olecrani  ist  nicht  durchbohrt.  An  derülna  ist  die  geringe  Tiefe  der  Fossa  sigmoidea  auffallend 
und  unter  dieser  zeigt  der  Knochen  eine  ziemlich  ausgesprochene  Krümmung,  deren  Concavi- 
tät  nach  vorn  sieht,  und  unterhalb  welcher  der  Knochen  ganz  gerade  verläuft.  Am  Kreuz- 
bein fallt  die  bedeutende  Breite  auf  ; dasselbe  zeigte  (bei  Nr.  HI)  in  seinem  obem  Theil  einen 
Qnerdurchmesaer  von  1 Iß  Millim.,  der  nur  sehr  selten  erreicht  wird,  das  Becken  ist  in  Folge 
davon  sehr  weit. 

Ich  bin  in  der  Schilderung  der  Skeletreste  der  alten  Rennthieijäger  insbesondere  der 
Darstellung  von  Broca  gefolgt  und  will  nun  dieser  zunächst  die  Schlussfolgerungen,  diederseihe 
au»  seinen  anatomischen  Untersuchungen  zieht,  anschliessen.  Vor  allem  weist  Broca  auf  den 
Umstand  hin,  dass  bei  dieser  Rare  eine  merkwürdige  Vereinigung  von  hohen  und  niederen 
Charakteren,  wie  sie  sonst  nicht  combinirt  sich  finden,  vorkomme.  Das  grosse  Hirnvolumen, 
die  Entwickelung  der  Stirngegend,  die  orthognathe  Bildung  des  obem  Gesichtstheils,  seien 
ohne  Zweifel  ebenso  viele  Attribute  einer  hohem  Stellung,  während  die  enorme  Breite  des 
Gesichts,  der  alveolare  Prognathismus,  die  Breite  des  Unterkieferastes  mit  den  rauhen  Mus- 
kelerhabenheiten auf  ein  rohes,  gewaltiges  und  barbarisches  Volk  binweisen.  Von  gleichem 
Charakter  sei  die  bedeutende  Entwickelung  der  Linea  aspera  am  Os  femoris  und  die  Form  und 
die  frühe  Verscbliessnng  der  Nähte.  Ja,  einzelne  Bildungen  des  Skelets  zeigen  sogar  eine 
entschiedene  Annäherung  an  die  antbropomorphen  Affen.  So  die  Breite  des  Unterkieferastes; 
So  nähern  sich  die  Scbenkelbeino  des  alten  Mannes  von  Cro-Magnon  durch  ihre  Breite,  nicht 
aber  durch  ihre  Dicke,  den  Schenkelbeinen  dieser.  Noch  weniger  Aelmlichkeit  bestehe  in 
Betreff  der  Länge,  da  die  Ossa  femoris  der  Affen  absolut  und  relativ  kürzer  sind  als  die  des 
Menschen.  Die  Tibia  nähere  sieb  durch  ihre  Abplattung  ebenfalls  einige rmassen  denen  der  drei 
genannten  Affen,  ebenso  die  Ulna  durch  ihre  Krümmung.  Dass  diesen,  eine  niedrigere  Stel- 
lung anzeigenden  Bildungen  in  der  That  auch  barbarische  Sitten  entsprachen,  gehe  auch  noch 
aus  anderen  Umständeu  hervor,  so  aus  der  eben  erwähnten  Verwundung  am  Schenkelbein 
des  alten  Mannes,  der  Verletzung  am  Stirnbein  des  weiblichen  Schädels  u.  a.  m.  Und  diese 
Combination  von  höheren  intellectuellen  Anlagen  mit  brutaler  physischer  Gewalt  begreife  sieb 
am  Ende,  wenn  wir  bedenken,  wie  diese  Menschen  inmitten  undurchdringlicher  Wälder, 
umgeben  von  gewaltigen  Thieren,  wie  das  Mammuth,  und  nur  mit  Steinwnffen  versehen,  in 
einem  steten  schweren  Kampfe  um’s  Dasein  leben  umssten.  Ihre  Schädel  und  Hirnorganisation 
befähigte  sie  aber,  wenn  auch  nach  langer  Barbarei,  aus  diesem  Kampfe  als  Sieger  hervor- 
zugehen, und  jenen  Grad  industrieller  und  künstlerischer  Ausbildung  zu  erringen,  den  uns 
die  Funde  von  la  Madelaine  u.  s.  w.  anzunehmen  nöthigen.  — In  einer  hiervon  sehr  verschie- 
denen Weise  iiussert  sich  der  zweite  Forscher,  der  diese  Ueberreste  zum  Gegenstand  seines 


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119 


Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies. 

Studium»  gemacht  hat,  Pruner-Bey.  Diejenigen  Charaktere  des  Skelets,  in  welchen  Broca 
eine  morphologische  Eigentümlichkeit,  eine  niedere  Form  und  Hinneigung  zum  Affentypns 
erkennt,  erklärt  Pruner-Bey  für  Folgen  pathologischer  Einflüsse,  der  Rhachitis,  und  während 
Broca  sich  sorgiältig  hütet,  einen  Versuch  der  ethnologischen  Classification  dieser  alten  Peri- 
gordianer  zu  machen,  erklärt  Pruner-Bey  dieselben  für  „mongoloid“  und  zwar  demselben  Volks- 
stamm angehörig,  wie  die  heutigen  Esthen.  — Man  sieht,  die  Anschauungen  der  beiden 
Hauptforscher  gehen  ziemlich  weit  auseinander,  und  es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass  die 
beiden  Kämpen  in  der  Discussion  bisweilen  ziemlich  hart  aneinander  geriethen.  Aber  auch 
hier  zeigte  es  sich  wieder,  in  welch’  manierlicher  Weise  man  in  französischer  Sprache  seinem 
Gegner  Sachen  ins  Gesicht  sagen  kann,  die  inan  im  Deutschen  nur  mit  Umschreibung  zu 
sagen  wagen  würde.  So  sagt  Broca,  um  seinen  Standpunkt  gegenüber  dem  von  Pruner-Bey 
zu  bezeichnen , ganz  einfach : „Je  subordonne  les  theories  aux  faits  et  mon  savant  collbgue 

subordonne  les  faits  aux  thdories“.  An  der  Discuasion  betheiligten  sich  noch  Bertilion, 
Lagneau,  Gaussin,  Bertrand  und  — schriftlich  — Guerin  und  Welcker,  die  »ich  alle  im 
Wesentlichen  für  Broca’a  Anschauungen  erklärten. 

Was  zunächst  nun  den  ersten  Streitpunkt  betrifft,  die  Frage,  ob  die  eigenthiimlichen 
Formverbältnisse  der  Extremitätenknochen  als  Folgen  pathologischer  Prooesse,  und  zwar  der 
Rhachitis,  wie  Pruner-Bey  will,  oder  aber  als  Ausdruck  einer  eigentümlichen  niedriger  ste- 
henden morphologischen  Bildung  zu  betrachten  seien,  welche  Ansicht  Broca  verteidigt,  so 
wird  Wohl  kaum  Jemand  im  Ernste  glauben,  dass  die  Pruner-Bey’scho  Ansicht  festzuhalten 
sei,  und  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  der  Urheber  derselben  froh  wäre,  wenn  er  diese  Be- 
hauptung, die  er  nun  nimmer  so  leicht  los  werden  kann,  und  die  doch  kaum  zu  halten  ist, 
nicht  aufgestellt  hätte.  In  seiner  Kritik  dieser  Hypothese  weist  Broca  zunächst  auf  die  be- 
kannte Thatsache  hin,  dass  die  Rhachitis  die  Entwickelung  des  Skelets  hemme  und  dass  daher 
bei  solchen,  die  in  der  Jugend  rhachitisch  gewesen,  das  Skelet,  auch  nach  vollständiger  Hei- 
lung der  Krankheit,  den  morphologischen  Typus  (die  Proportionen)  des  Kindes  beibehalte. 
Nun  sind  aber  die  Arme  der  Kinder  im  Verhältnis»  zur  ganzen  Statur  und  zu  den  Beinen 
länger  als  beim  Erwachsenen,  und  so  ist  es  auch  bei  solchen  Erwachsenen,  die  in  der  Jugend 
rhachitisch  waren.  Dieses  Proportionsverhältniss  hängt  nun  aber  natürlich  nicht  von  einem 
excessiven  Wachstimm  der  obern , sondern  vielmehr  von  einem  Zurückbleiben  der  untem  Ex- 
tremitäten ab.  Will  man  daher  nach  einem  rliachitischen  Schenkel  - oder  Schienbein  die 
ganze  Statur  berechnen,  so  muss  man  dies  im  Auge  behalten  und  die  Statur  etwas  höher  an- 
setzen. Daraus  ergiebt  sich  aber  nun , dass,  wenn  der  einstige  Besitzer  von  Femur  und  Tibia 
des  Skelets  Nr.  I rhachitisch  gewesen  war,  seine  Statur  mehr  betragen  haben  musste  als  die 
oben  angenommenen  sechs  Fuss.  Das  scheine  doch  etwas  viel,  meint  Broca  schliesslich,  fUr  einen 
Rhachitischen,  die  doch  sonst  das  Material  für  die  Tambour-majors  nicht  zu  liefern  pflegten  I — 
Dass  die  Schienbeine  von  les  Eyzies  platt  sind  und  dass  dies  die  rhachitischen  Tibia«  auch 
sind,  ist  ganz  richtig,  allein  zwischen  beiden  besteht  doch,  wie  Broca  darthut  und  jeder  Kun- 
dige zugeben  muss,  ein  sehr  grosser  Unterschied.  Die  rhachitischen  Schienbeine  sind  näm- 
lich offenbar  nur  platt  in  Folge  der  Krümmung,  welche  sie  durch  die  Erweichung  erlitten 
haben.  Die  «Schienbeine  unserer  Troglodyten  sind  aber  ganz  gerade.  Ferner  ist  die  rhachi- 
tische  Deformation  niemals  nur  auf  die  obere  Hälfte  des  Knochens  beschränkt,  sondern  be- 


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120 


A.  Ecker, 


Fig.  18. 


trifft  mehr  den  ganzen  Knochen,  das  Eigenthümliche  der  Conformatiou  der  Schienbeine  von 
leg  Evzies  liegt  aber  nur  in  der  obern  Hälfte;  ferner  ist  bei  rhachitischer  Abplattung  der 
Tibia,  da  diese  eine  Folge  der  Krümmung  ist,  immer  auch  die  Fibula  mit  gekrümmt  und  abge- 
plattet, während  hier  die  Fibula  ganz  normal  ist.  Endlich  ist  die  Art  der  Abplattung  bei 
beiden  eine  ganz  verschiedene.  Stellt  man  Querschnitte  des  obern  Drittheils  der  Tibia  eines 
gesunden  Individuums  der  heutigen  Bevölkerung,  eines  Rkachitischen  und  unserer  Troglody- 
ten  zusammen,  so  ergeben  sich  nach  Broca  folgende  Unterschiede:  1)  Bei  der  normalen  Tibia 
der  heutigen  Bevölkerung  ist  das  Mittelstück  in  seinem  obern  Theile  dreieckig,  die  Crista  tibia 
(Fig.  17,  Nr.  I A ) ist  subcutan,  der  mediale  Rand  (ibid.  I)  ebenfalls,  der  laterale  (ibid.  E),  die 
Crista  interossea,  ist  ganz  von  Muskeln  bedeckt;  dadurch  sind  drei  Flächen  abgetheilt,  von 
denen  hier  insbesondere  die  hintere  in  Betracht  kommt.  Auf  dieser  (s.  Fig.  18)  verlauft  eine 

j,.;K  Linie,  die  Linea  poplitaea  (pp),  von  der 

Mitte  dieser  geht  eine  zweite  (jf)  ge- 
rade abwärts  gegen  den  lateralen  Rand. 
Dadurch  entstehen  auf  der  hintern  Flä- 
che drei  Abtheilungen,  eine  (Pop)  für 
den  Ansatz  des  M.  poplitaeus,  eine  zweite 
(Flech.  comm.)  für  den  des  M.  flexor  di- 
gitorum  communis,  eine  dritte  (J amb.  post.) 
für  die  Insertion  des  M.  tibialis  posticus. 
Etwa  am  Kreuzungspunkt  der  zwei  Li- 
nien liegt  das  Foramen  nutritium  (N). 

2)  Bei  der  Tibia  von  les  Eyzies 
(Fig.  17,  Nr.  2)  ist  nach  Broca  die 
hintere,  sonst  in  frontaler  Ebene  lie- 
gende Fläche  gleichsam  in  zwei  abge- 
theilt, wovon  die  eine  (i?A') lateral wärts, 
die  andere  (IN)  median wärts  sieht  und 
die  beide  in  mehr  sagittaler  Richtung 
liegen.  So  ist  die  Tibia  (im  obern  Theil) 
von  beiden  Seiten  abgeplattet  und  hat 
eigentlich  nur  zwei  Flächen  und  zwei  Rän- 
der. Die  eine  dieser  Flächen  (Fig.  17  u.  19), 
die  laterale  (AEN),  ist  der  ganzen 
Länge  nach  von  einer  Linie  durchzogen, 
der  Crista  interossea  (E),  welche  weiter 
unten  in  den  lateralen  Rand  übergeht. 

Anaatzüächc  des  Muse,  tibialis  anti-  vor  dieser  Linie  liegt  (AE),  ent- 
etu. E Criirta  interoasea  Jamb.  ...  , 

po't.  Ansatzfläche  de  M.  tibiali«  8Pr‘«ht  der  lateralen  Flache  unserer 

panticu».  ppf  jf  wie  in  Fig.  18.  Schienbeine,  was  dahinter  liegt  (EN), 

dem  lateralen  Theil  der  hintern  Fläche. 

Die  mediale  Fläche  ( AIN ) ist  im  ganzen  abgeplatteten  Theil  der  Tibia  ebenfalls  breiter,  in 


Gewöhnliche  Tibia  von 
hinten. 


Laterale  Fläche  einer  Tibia  von  le» 
Eyrie*.  A Critta  tibiae.  Jamb.  anl. 


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121 


Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies. 

der  untern  Hälfte  derselben  erkennt  man  den  medialen  Rand  (7)  ganz  deutlich,  nach  oben  hin 
wird  er  aber  allmälig  undeutlich  und  verschwindet  endlich  bis  auf  eine  von  kleinen  Rauhig- 
keiten gebildete  Linie,  durch  welche  die  mediale  Fläche  in  zwei  Abtheilungen  getbeilt  wird, 
wovon  die  vordere  (AI)  der  medialen  Fläche  der  gewöhnlichen  Schienbeine,  die  hintere  (7N) 
dem  medialen  Theile  der  hintern  Fläche  dieser  entspricht.  Was  den  hintern  Rand  betrifft, 
so  findet  sich  ein  solcher  nur  in  der  obern  Hälfte  des  Mittelstiicks.  Oben,  über  dem  Foramen 
nutritium  ist  er  dick  und  rund,  weiter  unten  tritt  er  allmälig  als  ein  Kamm  deutlicher  her- 
vor, verwischt  sich  aber  dann  mehr  und  mehr  und  geht  etwa  in  der  Mitte  dos  Knochens  in 
den  lateralen  Rand  über.  Broca  fügt  dem  bei,  dass  diese  Beschreibung  nicht  nur  für  die 
Tibias  von  les  Eyzies  gelte,  sondern  auch  für  viele  andere  aus  vorhistorischer  Zeit,  und  mit 
geringen  Modificationcn  auch  für  die  der  anthroponiorphen  Affen. 

Was  endlich  3)  die  Abplattung  der  Schienbeine  durch  Rhachitis  betrifft,  so  findet  sich  eine 
solche  nur  dann,  wenn  (wie  gewöhnlich)  die  Krümmung  eine  seitliche,  in  frontaler  Ebene 
liegende  ist.  Die  Convexität  der  Krümmung  sieht  dann  medianwärts  und  ist  vom  me- 
dialen Rand  des  Knochens  gebildet,  die  Concavität  sieht  lateral wärts  und  wird  vom  latera- 
len Rande  gebildet.  Bei  der  selteneren  Krümmung  in  einer  sagittalen  Ebene  fehlt  nach  Broca 
eine  eigentliche  Abplattung.  Der  Knochen  ist,  wenn  auch  dünner  im  frontalen  Durchmesser, 
doch  immerhin  noch  dreieckig. 

Den  Beschreibungen  von  Broca  kann  ich  auf  Grund  meiner  Vergleichungen  nur  beistim- 
mon  und  muas  mich  ebenfalls  entschieden  gegen  die  Rhachitistheorie  von  Pruner-Bey  aus- 
sprechen. Dagegen  möchte  ich  die  Grenzen  zwischen  der  ersten  und  der  zweiten  Form  kei- 
neswegs so  scharf  ziehen.  Man  findet  auch  in  der  heutigen  Bevölkerung  und  bei  ganz  gesunden 
Individuen  häufig  genug  Schienbeine,  welche  denen  von  Eyzies  in  ihrer  Form  sehr  nahe 
kommen,  und  es  finden  sich  zwischen  der  ersten  und  der  zweiten  Form  alle  möglichen  Ueber- 
gänge,  wie  dies  aus  den  (inFig.  20  a.  f.  S.)  bezeichneten  Umrissen  erhellt,  von  denen  Nr.  I die 
eines  kräftigen  Mannes ')  aus  hiesiger  Gegend,  Nr.  H die  einer  Frau  darstellt.  Dieselben 
nähern  sich  der  Form  von  Eyzies  bei  weitem  mehr  als  die  Schienbeine  eines  jungen  Austra- 
liers (Nr.  HI)  und  einer  Australierin  (Nr.  IV)  vom  Murray-Fluss,  deren  Skelete  unsere  anthropo- 
logische Sammlung  besitzt.  Es  ist  daher  immerhin  möglich,  dass  die  in  Rede  stehenden  Form- 
abweichungen  wenigstens  zum  Theil  nur  individuelle  sind  und  daher  jedenfalls  rathsam,  noch 
weitere  Funde  abzuwarten. 

Den  zweiten  Differenzpunkt  zwischen  Broca  und  Pruner-Bey  bildet  die  vom  letzteren 
Forscher  gewagte  bestimmte  ethnologische  Diagnose,  während  der  erstere  eine  solche  durch- 
aus vermeidet  Die  Schädel  der  Esthen  sind  es,  mit  welchen  nach  Pruner-Bey  die  unserer 
Troglodyten  in  so  auffallender  Weise  übereinstimmen,  dass  er  diese  demselben  Volksstamme 
zurechnen  zu  müssen  glaubt  Es  würde  mich  zu  weit  führen , wollte  ich  hier  die  ganze  Dis- 
cussion  über  diesen  Gegenstand  in  allen  ihren  Einzelnheiten  reproduciren,  und  ich  muss  mich  daher 
auf  die  Hervorhebung  dos  Wichtigsten  beschränken.  Was  zunächst  den  Himschädel  betrifft, 
bo  hebt  Pruner-Bey  als  das  am  meisten  charakteristische  Merkmal  desjenigen  ethnologischen 
Schädeltypus,  welchen  er  den  . mongoloiden  “ nennt  und  der  eben  den  beiden  in  Rede  stelien- 

*)  Der  «sgittsle  Durchmnsner  dieser  Tibi»  betrugt  40  Millim.,  der  frontale  22  Millim..  einer  mehr  dreiecki- 
gen  Tibia  32  und  24  Millim. 

AreMv  für  Anthroj>«totf4,  IW.  IT.  Haft  II.  iß 


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122 


A.  Ecker, 


den  Schädelformen  gemeinsam  zitkommen  »oll,  die  sogenannte  ogivale  (ogive  — gothischer  Ge- 
wölbbogen)  Form  des  Kopfes  hervor,  d.  h.  eine  Form,  bei  welcher  das  Gesicht  breit  ist  und 

Fig.  20. 


k 


Querschnitt  der  Tibis.  Nr.  1 eine»  starken  Manne»  au«  der  Gegend  von  FreibuTg.  Nr.  II  einer  Krau,  eben- 
daher. Nr.  III  eine»  Australiers  vom  Murray-Fluss  (Südaustralien).  Nr.  IV  eines  Weihes,  ebendaher. 

A vorderer  Rand  (Crista  tibiae).  E lateraler  Rand  (Crista  interossea).  J medialer  Rand.  .Y  Lago  des  Fora- 
mon  nutritium.  Alle  vier  Schienbeine  sind  in  die  gleiche  Lage  gebracht,  in  welcher  die  Linie  a b vom  late- 
ralen mm  medialen  Rand  verläuft.  (Vergl.  damit  Fig.  17,  Nr.  1 und  2). 


der  Schädel  nach  oben  dachförmig  (en  dos  dane)  zugeht.  Dass  nun  aber  diese  Form  bei 
irgend  einem  der  Schädel  aus  der  Höhle  von  Cro-Magnon  deutlich  ausgeprägt  sei,  wird  von 
Broca  bestritten;  bei  keinem  derselben  sei  eine  dachförmige  Zuschrägung  des  Schädeldachs 
der  ganzen  Länge  nach  vorhanden;  Nr.  I habe  nur  an  der  Stirn  eine  kleine  Andeutung  davon, 
während  dia  Scheitelnahtgegend  eher  abgeplattet  sei,  Nr.  II  zeige  eine  leise  Andeutung  einer 
dachförmigen  Gestalt  in  der  vordem  Hälfte  der  Pfeilnaht,  Nr.  III  nirgends.  Was  die  Esthen- 
Schädel  betreffe,  so  finde  sich  nur  an  einem  der  in  Paris  befindlichen  Exemplare  (Nr.  4)  eine 
Andeutung  davon.  Dass  der  von  Huek  abgebildete  Esthcnschädcl,  der  sicherlich  ein  charak- 
teristisches Exemplar  der  Race  ist,  sie  nicht  zeigt,  zeigt  ein  Blick  auf  die  Abbildung  in  der 
Schrift  des  genannten  Gelehrten.  Broca  bemerkt  hierbei  übrigens,  und,  wie  ich  glaube,  ganz 
mit  Recht,  dass  solche  partielle  Bildungen  sich  sehr  häufig  und  bei  sehr  verschiedenen  Stäm- 
men, — und  wie  ich  hinzufügen  möchte  — insbesondere  beim  männlichen  Geschlecht  fin- 
den. Ich  habe  in  meinen  C'rania  Germania»  merid.  occ.  mehrere  solche  Schädel  abgebildet.  In 
einem  sehr  wichtigen  Punkt  zeigt  sich  dagegen  nach  Broca  zwischen  den  beiden  Schädolroi- 
hen  ein  nicht  zu  verkennender  Unterschied:  die  Schädel  von  Eyzies  sind  dolichoccphal , die 
Estheoschädel  nicht.  Von  den  Esthensehädeln  (4  cf  1 9),  die  in  Paris  zur  Vergleichung  Vor- 
lagen, sind  die  4 <f  entschieden  brachycephal  (Index  zwischen  80,66  und  82,77;  Mittel  =81, 82). 


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Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  von  les  Eyzies.  123 

Der  weibliche,  den  Broca  nicht  für  rein  hält,  hat  dagegen  nur  einen  Index  von  75,82,  und 
das  Mittel  aller  fünf  beträgt  daher  nur  80,69.  Ich  füge  dem  bei,  dass  der  von  Huek  abge- 
bildete Schädel  (in  der  Abbildung  gemessen)  eine  Länge  von  16,7,  eine  Breite  von  13,4,  also 
einen  Index  von  80,4,  wie  ihn  zahlreiche  unserer  süddeutschen  Schädel  zeigen  (Mittel  von 
100  Schädeln  83,0)  aufweist  Von  den  Schädeln  von  los  Eyzies  dagegen  hat  der  eine  Nr.  I 
einen  Index  von  73,7«,  Nr.  II  von  71,72,  Nr.  III  74,75,  das  Mittel  aller  drei  beträgt  also  73, 41. 
Eine  Index-Differenz  von  circa  7 ist  aber  eine  so  bedeutende,  dass  sie  wohl  au  sich  genügt, 
zwei  Schädelgruppen  von  einander  zu  trennen,  und  Broca  spricht  daher  auch  seine  Ansicht 
dahin  aus,  dass  dieselbe  einen  absoluten  Unterschied  zwischen  den  zwei  verglichenen  Grup- 
pen licgründe.  Eine  directe  Vergleichung  der  Capacität  der  beiden  Schädelreiben  war  nicht 
möglich;  Broca  schliesst  aber  aus  verschiedenen  Umständen  zueammengenommen , dass  die 
Capacität  der  Troglodyten  - Schädel  jedenfalls  um  15«  „ grösser  ist  als  die  der  Estlienschädel. 
Das  Wenigste  dieses  Plus  kommt  offenbar  auf  die  Breite,  das  Meiste  auf  Höhe  und  Länge. 

Broca  hebt  dann  weiter  die  Verschiedenheiten  hervor,  welche  das  Gesichtsprofil  der  bei- 
den Schädelreihen  wahrnehmen  lässt  Von  der  stark  vorspringenden  Glabella,  dem  tiefen 
Nasenwurzeleinschnitt,  dem  starken  Vorsprung  der  Nasenbeine,  Zügen,  die  so  charakteristisch 
sind,  insbesondere  für  den  Schädel  Nr.  I von  les  Eyzies,  von  all’  dem  finde  sich  nichts  an 
den  Schädeln  der  Esthen,  ebensowenig  von  dem  alveolaren  Prognathismus,  den  die  Troglo- 
dyten-Schadel,  au  welchen  das  Gesicht  erhalten  ist,  wahrnehmen  lassen.  Dagegen  fällt  mir 
an  der  Huek’schen  Abbildung  die  Breite  des  Untorkieferastes  (42,2  Millim.)  auf  und  begründet 
eine  gewisse  Aehnlicbkeit  mit  den  Schädeln  von  les  Eyzies.  Die  Aelmlichkeiten,  die  einem 
unbefangenen  Beobachter,  der  keine  anderen  Vcrgleichungsobjecte  hat  als  die  Abbildungen 
der  Schädel  von  les  Eyzies  in  den  Reliq.  aquitan.  und  den  Annales  des  sc.  nal.  und  die  mit 
diesen  auf  gleiche  ('  , natürliche)  Grösse  gebrachte  Abbildung  des  Esthenschädels  von  Huek 
allein  auiiällen  und  als  eine  gewisse  Uebereinxlimmung  begründend  gelten  können,  sind  nach 
meiner  Meinung  die  Breite  des  Gesichts  in  der  Jochgegend  und  die  Breite  und  Niedrigkeit 
der  Augenhöhlen.  Die  Uebereiuxtimmung  zwischen  den  beiden  Schädelgruppen  ist  daher 
nur  eine  sehr  geringe  und  es  stimmen  damit  auch  die  Angaben  vonWelcker  über  denEsthen- 
schädel  im  Wesentlichen  überein. 

Ausser  craniologischeu  Gründen  hat  aber  Pruner-Bey  für  seine  ethnologische  Classifica- 
tion der  Troglodyten  von  Cro-Magnon  keine  angeführt,  weder  historische  noch  archaeologi- 
sche,  wohl  aber,  wie  bemerkt,  merkwürdigerweise  einen  linguistischen;  er  schliesst  nämlich 
aus  der  Form  des  Gaumens  der  Bewohner  von  Cro-Magnon,  dass  sie  weder  einen  arischen 
noch  einen  semitischen  Dialekt  gesprochen,  sondern  eine  Sprache,  die  „ zugleich  weich  und 
schwach“  war,  und  das  seien  die  finnischen  Idiome. 

Uebcrblickt  man  die  ganze  Argumentation  von  Fruuer-Bey,  so  kann  man  sich  des  Ein- 
drucks nicht  erwehren,  dass  der  ihm  von  seinen  Gegnern  gemachte  Vorwurf,  seine  Behaup- 
tungen seien  Consequenzen  seiner  vorgefassten  Theorieen  mehr  als  Beiner  Beobachtungen,  nicht 
ganz  ohne  Begründung  Bei.  Die  alte  Retzius’sche  längst  widerlegte  Hypothese,  dass  die 
Urbewohner  Europas  den  Lappen  ähnlich,  klein  und  brachycephal  gewesen  seien,  scheint  in 
der  That  von  ihm  nicht  ganz  aufgegeben  zu  sein.  Nur  hat  er  die  nicht  mehr  zu  haltende 
Brachycephalie  durch  einen  andern  Charakter,  „mongoloider  Typus“  genannt,  ersetzt  und 

16* 


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1-24 


A.  Ecker,  • 

in  diesem  Charakter  stimmen  nach  ihm  die  entschieden  dolickocephalen  Perigordiner  mit  den 
entschieden  brachycephalen  Ijvppen,  den  ebenfalls  — wenn  auch  weniger  — brochycephalen 
Finnen  und  den  (nach  ihm)  doliehocephalen  Esthen  überein.  Dass  die  heutigen  Estlien  klein, 
die  Perigordiner  sehr  gross  sind,  glaubt  Prnner-Bey  damit  erklären  zu  können,  dass  die 
heutigen  Kstben  unter  hartem  Druck  und  in  sehr  schlechten  Verhältnissen  leben. 

Es  zeigt  das  vorstehend  Mitgetheilte  wieder  einmal  recht  deutlich,  wie  wenig  wohlgethan 
es  ist,  wenn  man  gewisse  Schädelformen  sofort  mit  gewissen  bestimmten  Völkergruppen,  heu- 
tigen oder  erloschenen,  in  Verbindung  bringt  und  annimmt,  die  beiden  müssten  sich  decken. 
Der  Begriff  eines  Volkes  ist  keineswegs  ein  für  lange  Zeiträume  so  fester  und  unwandelbarer, 
sondern  ist  so  zu  sagen  in  beständigem  Fluss  begriffen,  und  wir  wissen  gar  nicht,  ob  die  Con- 
glomerate,  wie  sie  sich  zu  einer  gewissen  Zeit  als  Volk  darbieten,  mehr  primitiver  oder  aber 
sehr  secundärer  Natur  sind.  Die  Sprache  wechselt  gewiss  sehr  leicht  und  das  relativ  Festeste, 
was  alner  der  Mischung  und  Kreuzung  aucli  nicht  widerstehen  kann,  ist  das  Knochengerüst.  — 
Wie  hat  sich  z.  B.  der  Rahmen  des  sogenannten  griechischen  Volkes  seit  dem  Alterthum  rnit 
anderm  Inhalt  gefüllt?  Und  gewiss  war  das  bei  sehr  vielen  anderen  Völkern  ganz  ebenso, 
nur  dass  wir  nicht  so  viel  davon  wissen,  als  eben  hier.  Einen  Schädel  cel tisch , griechisch, 
esthisch,  germanisch  zu  nennen  muss  man  daher  — wenigstens  heutzutage  noch  — flir  verfehlt 
halten.  Zur  kurzen  Bezeichnung  von  Schädelformen  wähle  man,  wie  His  und  Referent  es  ge- 
tban,  Namen  von  Fundorten  oder  von  Grabstätten,  halte  aber  vorläufig  jederzeit  craniolo- 
gisclro  und  ethnologische  Classification  scharf  ans  einander.  Der  Fachmann  weiss,  was  er 
unter  solchen  Bezeichnungen  zu  verstehen  hat  und  alle  anderen  Nebenbedeutungen,  die  durch 
ethnologische  Benennungen  von  Schädelformen  unzweifelhaft  hereinkommen  und  alle  bloss 
subjectiven  und  für  andere  unfassbaren  Bezeichnungen  werden  dadurch  vermieden. 

Was  hat  man  nicht  Alles  unter  „celtisehem“  Schädel  verstanden,  fast  so  vielerlei  als 
unter  „celtisch“  überhaupt,  und  was  wissen  wir  heute  eigentlich  von  celtisehem  Schädel?  Für 
jetzt  wenigstens  ist  wohl  die  Craniologie  noch  nicht  so  weit,  um  Diagnosen  der  genannten 
Art  aufstellen  zu  können.  Es  ist  dieselbe  eine  noch  junge  Wissenschaft  mit  keineswegs 
sichern  Methoden  und  einem  schwierigen  Boden,  aus  dem  sich  das  Gold  nur  mühsam  Korn  für 
Korn  heben  lässt  Nichts  ist  für  ihren  Credit  schädlicher  als  das  Aufstellen  solcher  unzei- 
tiger Diagnosen.  Man  arbeitet  damit  nur  jenon  populären  ethnologischen  Autoren  in  die  Hände, 
welche,  weil  ihnen  die  Craniologie  nicht,  wie  sie  erwartet  hatten,  sofort  einen  Registratur- 
kasten darbot,  in  welchem  sie  die  Völker  bequem  nach  ihrer  Schädelform  einreihen  konnten, 
nun  die  Bestrebungen  dieser  Wissenschaft  verspotten,  und  indem  sie  die  Forscher  auf  die- 
sem Gebiet  durch  witzig  sein  sollende  Benennungen,  wie  „Cnlvarienberger“  u.  ».  w.  bezeich- 
nen, die  Lacher  im  grossen  Publikum  auf  ihre  Seite  zu  ziehen  suchen.  Man  kann  sich  dies, 
wenn  man  auf  dem  richtigen  Wog  voranschreitet,  ruhig  gefallen  lassen;  eine  Ethnologie,  die 
nicht  eine  anatomische  und  eine  linguistische  Grundlage  hat,  wird  nie  auf  den  Namen  einer 
Wissenschaft  Anspruch  machen  können. 

Zu  unserm  eigentlichen  Gegenstand  zurückkehrend  glauben  wir,  dass  man  sich  vorläufig 
wird  darauf  beschränken  müssen,  die  Race  von  les  Eyzies  nach  ihren  anatomischen  Charak- 
teren zu  schildern  und  ihre  nicht  geringen  Eigentümlichkeiten  zu  constatiren,  ohne  sofort 
den  Versuch  zu  machen,  sie  einer  früheren  oder  heutigen  Völkergruppe  einzureihen.  — Daas 


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Die  Höhlenbewohner  der  Rennthierzcit  von  les  Eyzies.  125 

die  Bewohner  von  Cro-Magnon  auf  einer  sehr  nietlern  Stufe  der  Cultur  standen,  geht  aus  der 
Beschaffenheit  ihrer  Kiesel-  und  Knochen  Werkzeuge  hervor,  und  dass  ihre  Sitten  barbarische 
waren  aus  den  Spuren  der  Knochen  wunden  an  den  Skeleten  der  Troglodyten , denn  wenn 
auch  die  Verletzung  an  dem  Schenkelknochen  des  alten  Mannes  (Nr.  I)  etwa  durch  einen 
Zufall  auf  der  Jagd  herbeigeführt  sein  konnte,  so  ist  doch  kaum  zu  bezweifeln,  dass  der  Sub- 
stanzverlust  am  Stirnbein  des  weiblichen  Schädels  durch  einen  gewaltigen  Wurf  oder  Stoss 
und  wahrscheinlich  durch  ein  Steinbeil  veranlasst  wurde  und  die  in  der  Nähe  dieses  Skelets 
gefundenen  Reste  eines  unreifen  Foetus  lassen  überdies  noch  annohmen,  dass  die  Frau  schwan- 
ger war,  als  sie  getödtet  wurde. 

Die  Tbiere,  die  zugleich  mit  den  Bewohnern  der  Höhle  lebten,  sind  oben  namhaft  ge- 
macht. Ob  jedoch  aus  dem  Auffindcn  dos  Mammuthzahncs  ein  Schluss  auf  Gleichzeitigkeit 
der  Existenz  des  Mammuth  mit  denselben  gemacht  werden  darf,  ist  doch  wohl  noch  zu  be- 
zweifeln ; auch  heute  kommt  es  vor,  dass  an  Orten , wo  Mammuthzähne  nicht  so  selten  sind, 
wie  z.  B.  bei  uns  im  Löss  des  Rheinthals,  Knaben  solche  in  ihre  Wohnungen  und  Unter- 
sehliipfo  bringen.  Viel  wichtiger  sind  in  dieser  Beziehung  die  oben  (S.  113)  namhaft  gemach- 
ten Elfenbeinplättchen,  da  sie  wohl  kaum  aus  anderem  als  frischem  Elfenbein  gemacht  werden 
konnten. 

Lartet  nimmt  an,  dass  die  alten  Rcnnthierjäger  diese  Ilölde  vielleicht  anfänglich  nur 
als  ein  Stelldichein  bei  der  Jagd  Vienutzten,  wo  sie  ihre  Beute  vertheilten,  später  aber  dieselbe 
bleibend  bewohnten,  bis  der  Boden  sich  nllmälig  hob  und  die  Wohnung  dadurch  unbequem 
wurde.  Darauf  wurde  sie  wahrscheinlich  verlassen,  um  endlich  noch  einmal  besucht  und  als 
Grabstätte  verwendet  zu  werden.  Dann  war  die  Höhle  vielleicht  noch  einige  Zeit  lang  Füch- 
sen zugänglich  und  wurde  endlich  ganz  allmälig  durch  den  herabfallonden  Schutt  zugedeckt 
und  für  die  folgenden  Jahrtausende  abgeschlossen. 


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ft 


VII. 

Referate. 


i 

Mikrokosmus.  Ideen  zur  Naturgeschichte  und 
Geschichte  der  Menschheit.  — Versuch  einer 
Anthropologie  von  Hermann  Lotze.  2.  Bd. 
2.  Aufl.  Leipzig  1869.  Bei  S.  Hirzel. 

Der  Umstand,  dass  das  Werk  in  2.  Auflage 
vorliegt,  kann  eine  Anzeige  desselben  überflüssig 
erscheinen  lassen.  Auch  behandelt  es,  trotz  der 
Titel  Übereinstimmung  mit  unserem  Archiv,  nur  zu 
einem  kleinen  Theil  die  Fragen,  deren  Verfolgung 
sich  das  letztere  bis  dahin  zur  Aufgabe  gestellt 
hat  Wenn  Schreiber  dieser  Zeilen,  einer  Auf- 
forderung der  Kedaction  folgend,  gleichwohl  die 
Besprechung  übernimmt,  so  erfüllt  er  damit  we- 
sentlich eine  Pflicht  der  Dankbarkeit  gegen  den 
hochverehrten  Verfasser,  aus  dessen  Schriften  er, 
wie  noch  mancher  andere  naturwissenschaftliche 
Arbeiter,  seit  seiner  Studienzeit  reichliche  Förde- 
rung empfangen  hat 

II.  Lotze’s  erstes  literarisches  Wirken  füllt 
in  den  Beginn  der  Vierziger  Jahre,  d.  h.  in  die 
Zeit,  da  die  Naturforschung,  der  schädigenden 
Ueber griffe  der  Schulphilosophie  müde,  von  dieser 
bereits  Bich  abgewandt,  und  ihr  des  Bestimmtesten 
die  fernere  Gemeinschaft  gekündet  hatte.  Bei  An- 
wendung rein  speculativer  Methoden  ist  es  Lotze 
nichtsdestoweniger  gelungen,  von  Anfang  an  in 
nnturforBchenden  Kreisen  offene  Aufnahme  und 
dankbares  Gehör  sich  zu  sichern.  Allerdings  waren 
die  ersten  Schriften  (die  allgemeine  Pathologie, 
Leipzig  1842,  2.  Aufl.  1848,  die  Aufsätze  über 
Leben  und  Lebenskraft,  über  Instinct,  über 
Seele  und  Seelenleben  in  R.  Wagner’s  Hand- 
wörterbuch, die  allgemeine  Physiologie,  Leip- 
zig 1851  und  die  medicinische  Psychologie, 
Leipzig  1852)  zunächst  an  Mediciner  adressirt,  und 
sie  behandelten  grosseutheils  ein  speciell  naturwis- 


senschaftliches Material.  Dieser  Umstand  würde 
indess  kaum  hingereicht  haben,  Lotze’s  Schriften 
unter  Naturforschern  und  speciell  unter  Medicinem 
zu  verbreiten,  hätten  Bie  nicht  zugleich  durch  tiefere 
Vorzüge  sich  Geltung  verschafft.  Diese  Vorzüge 
lagen  einerseits  in  einer,  jeglichen  Schulapparat 
verschmähenden  ungemein  schönen  Sprache , und 
sodann  vor  Allem  in  einem,  durch  gediegene  Vor- 
studien begründeten  tiefem  Verst&ndniss  für  natur- 
wissenschaftliche Aufgaben  und  naturwissenschaft- 
liche Fragenstellung.  So  sehen  wir  Lotze,  der 
Autorität  hochgefeierter  Naturforscher  entgegen- 
tretend, sofort  den  Kampf  zu  Gunsten  einer  conse- 
quent  mechanischen  Lebensauffassung  unternehmen, 
einen  Kampf,  den  er  im  Verein  mit  der  gleichzeitig 
Aufblühenden  physikalisch*  physiologischen  Schule 
rasch  zum  siegreichen  Endo  geführt  hat.  Auch  im 
weiteren  Verlauf  seiner  Arbeiten  hat  Lotze  wieder- 
holt die  Fachphysiologen  auf  das  Wirksamste  se- 
cundirt.  Ich  erinnere  nur  an  die  bekannte  Lehre  von 
den  Localzeichen,  welche  gegenüber  der  älteren  un- 
klaren Auffassung  von  ßildreproductionen  im  Ge- 
hirn ein  so  erheblicher  Fortschritt  der  Sinnesphy- 
siologie geworden  ist;  ferner  an  die  Kritik  der 
Pflüger’schen  Versuche  über  die  sensorischen  Func- 
tionen des  Rückenmarks,  welche  zum  fruchtbaren 
Princip  von  der  materiellen  Erziehung  unserer  ner- 
vösen Centralorgaue  geführt  hat. 

Nicht  an  medicinische  Fachmänner  allein,  auch 
nicht  bloss  an  Naturforscher,  sondern  an  ein  wei- 
teres Publikum  denkender  Leser  ist  der  Mikrokos- 
mus gerichtet,  wovon  der  zweite  der  drei  Bände 
znr  Besprechung  vorliegt.  Der  Verfasser  hut  sich 
die  Aufgabe  gestellt,  in  diesem  Werke  „Reflexionen 
zu  sammeln  über  die  Bedeutung,  welche  dein  Men- 
schen und  dem  menschlichen  Leben  mit  seinen  be- 
ständigen Erscheinungen  und  dem  veränderlichen 
Lauf  seiner  Geschichte  im  grossen  Ganzen  der  Xa- 


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128 


Referate. 


tur  zukomiut.’*  Dabei  sicht  ihm  als  letztes  Ziel  die 
bleibende  Versöhnung  mechanischer  und  idealer 
* Naturauffassung  vor  Augen.  Die  bezeichnet©  Auf- 

gabe hat  Lotzo  in  reichlichem  Maasse  erfüllt.  In 
wie  weit  er  seinen  Lesern  auch  zur  Erreichung  des 
Endzieles  vorholfen  hat,  steht  nicht  in  meiner 
Macht  zu  entscheiden.  Nicht  jeder  Leser  bringt 
jenes  Bedürfniss  mit  nach  Versöhnung  des  bezeich- 
neten  Gegensatzes,  und  gerade  der,  der  es  tiefer 
empfindet,  wird  wohl  kaum  durch  das  blosse  .Stu- 
dium eines  Werkes,  und  wäre  es  auch  daa  vortreff- 
lichste, das  Ziel  erreichen;  cs  wird  ihm  nicht  er- 
spart bleiben,  auf  dem  langsamen  Wege  seiner 
Lebensentwickelung  den  subjectiv  befriedigenden 
Abschluss  zu  erstreben.  Mag  also  der  eine  oder 
der  andere  Leser  den  Mikrokosmus  unbefriedigt 
aus  den  Händen  legen,  weil  er  sich  in  der  ange- 
strebten  Hauptfrage  nicht  über  den  Standpunkt 
eines  rceignirenden  Zuwartens  hinaus  gefördert 
findet,  so  wird  doch  keiner  ohne  reiche  Anregung 
von  dem  Buche  scheiden.  Die  verschiedensten  an 
die  Stellung  des  Menschen  in  der  Natur  anknüpfen- 
den Probleme  finden  darin  ihren  Platz  und  eine 
ungemein  vielseitige  Beleuchtung.  Keichthuru  an 
Gedanken,  scharfe  Kritik,  fein  psychologische  Be- 
obachtung und  glänzende  Darstell ungs weise,  das 
sind  die  Eigenschaften,  welche  das  Buch  auszeich- 
nen, und  die  beinahe  eine  jede,  einzeln  herausge- 
rissene  Seite  zu  eiuer  genussreichen  Lectüre  machen. 
Eben  der  reiche  Inhalt  macht  es  auch  schwer,  Ein- 
zelnes hervorzuheben.  Soll  ich  aus  dem  vorlie- 
genden Bande  Abschnitte  namhaft  machen,  welche 
speciell  den  anthropologischen  Leser  interessiren, 
so  kann  ich  im  vierten  Buch  die  Capitol  2 und  3, 
„die  Natur  aus  dem  Chaos“  und  „die  Einheit  der 
Natur“  nennen , im  fünften  Buch  das  Capitel  von 
der  Sprache  und  im  sechsten  Buch  die  Capitel  vom 
menschlichen  Naturell  und  voii  den  Sitten  und  Ge- 
bräuchen, welche  letztere  ganz  besonders  reich  an 
ansprechenden  Bemerkungen  sind.  Für  manchen 
Leser  mag  auch  die  Kritik  morphologischer  Sym- 
bolik Interesse  darbieten,  sowie  der  Nachweis  von 
der  Leerheit  aller  der  Bestrebungen , welche  dou 
reichen  Lebensinhalt  durch  Einzwingen  in  einige 
schematische  Formeln  zu  vergeistigen  meinen. 

Zum  Schlüsse  noch  eine  Bemerkung:  der  vor- 
liegende Band  nennt  sich  eine  zweite  Auflage;  so- 
weit ich  indoss  verglichen  habe,  ist  er  ein  unver- 
änderter Abdruck  der  ersten  Ausgabe.  Diese  ist 
im  Jahre  1858,  also  unmittelbar  vor  dem  Anbruch 
jener  Bewegung  erschienen,  welche  die  organische 
Naturforschung  so  tief  erregt,  und  welche  auch 
speciell  dem  Aufblühen  der  Anthropologie  einen 
Anstops  gegeben  hat.  Von  der  ganzen  durch  Dar- 
win eingeleiteten  Bewegung  des  verflossenen  Jahr- 
zehntes Bagt  der  neue  Band  Nichts,  auch  auf  die 
wichtigen  Arbeiten  der  neuen  Sinneslehre  wird  mit 
keinem  Worte  hingewiesen.  Es  ist  die»  zu  be- 


dauern, denn  gewiss  hätte  es  manchen  Leser  ge- 
freut, die  Stimme  eines  so  besonnenen  und  mit  so 
tiefem  Verständnis«  begabten  Kritikers  wie  Lotze, 
über  diese  Fragen  und  über  ihre  bereits  stehend 
gewordene  Behandlung  su  hören.  Ein  Eingehen 
auf  den  Gegenstand  hätte  den  Verfasser  allerdings 
zu  einer  weitergehenden  Umarbeitung  des  Buches 
genöthigt,  und  diese  zu  vermeiden,  mochte  er  seine 
persönlichen  Gründe  haben.  Der  Mangel  ist  zu 
verschmerzen  und  auch  in  der  unveränderten  Form 
wird  der  neu  erscheinende  Mikrokosmus  seinen 
Einfluss  auf  die  heranwachsenden  Generationen  zu 
bewahren  vermögen.  Von  denen  aber,  die  ihn  ein- 
mal kennen  gelernt  haben , wird  ihn  fernerhin  ein 
Mancher  gleich  einem  Freunde  schätzen,  zu  dessen 
bildendem  Umgang  man,  auch  nach  längeren  Un- 
terbrechungen , auf  Zeiten  immer  wieder  gern  zu- 
rückkehren wird.  Hi  s. 


II. 

Dr.  F.  Wibel,  Die  Veränderungen  der  Knochen 
bei  langer  Lagerung  im  Erdboden  und  die  Be- 
stimmung ihrer  Lagerungszeit  durch  die  che- 
mische Analyse.  Ein  chemischer  Beitrag  zu 
geologischen  und  archäologischen  Forschungen. 
Herausgegeben  von  K.  \V.  M.  Wiebel.  Wis- 
senschaftliche Abhandlung  zum  Osterprogramm 
des  Akad.-  und  Realgymnasiums.  Hamburg 
1869.  4.  45  Seiten. 

Aus  den  bisher  besonders  durch  v.  Bibra 
publicirten  Analysen  von  Menschen-  und  Thier- 
knochen, deren  wenige  sich  auf  fossile  beziehen, 
ist  die  spontane  Umwandlung  der  Knochensubstanz 
nicht  wohl  zu  entnehmen.  Weit  lehrreicher  müssen 
desfalsige  Untersuchungen  an  Knochen  au»  den 
neueren  und  neuesten  Formationen  erscheinen,  da 
hier  weniger  von  einem  Einfluss  des  umgebenden 
Gesteins  die  Rede  ist.  F.  Wibel  hat  deshalb  sein 
Augenmerk  auf  die  gegenwärtig  eine  so  grosse 
Rolle  spielenden  Knochenhöhlen,  -Schichten,  Küchen  - 
abfälle,  Gräber  gewendet  (ähnlich  wie  Couerbe 
u.  A.).  Er  verwundete  zu  seinen  Analysen  nur 
menschliche  intacte  Knochen  von  wohl  bekannten 
Lagerstätten  und  suchte  vorzüglich  die  Gesichts- 
punkte festzustellen,  nach  welchen  aus  dem  Sta- 
dium der  Zersetzung  auf  die  Zeit  ihrer  Ablagerung 
möglichst  zuverlässige  Schlüsse  zu  ziehen  wären. 

Im  Ganzen  wurde  hierbei  der  Weg  einge- 
schlagen,  den  Fresenius  bei  der  Untersuchung 
des  Knochenmehles  ein  hält  Bezüglich  der  sorg- 
fältigen und  umsichtigen  Erwägung  der  einzelnen 
Analysen-Resultate  müssen  wir  den  Leser  auf  die 
Schrift  selbst  verweisen. 

Bei  den  Veränderungen,  welche  die  Knochen 
nach  dem  Tode  des  Thicres  erleiden,  kommt  ihre 


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Referate. 


129 


feste,  flüssige  und  gasförmige  Umgebung  in  Be- 
t rächt,  ferner  der  Umstand,  ob  der  Knochen  eben 
einfach  in  Zerfall  geräth  oder  dem  Process  der 
sogenannten  Versteinerung  anheimfällt,  wobei  unter 
Erhaltung  der  Form  seine  Substanz  mehr  weniger 
vollständig  einer  andern  weichen  muss.  Erste  res, 
d.  h.  der  Zerfall,  ist  der  in  den  oberen  Erdschichten 
gewöhnliche  Vorgang,  Letzteres  in  den  Schichten 
älterer  und  den  Sintern  neuer  Formationen. 

Zur  richtigen  Beurtheilung  der  Veränderungen 
bedarf  es  aber  vor  Allem  einer  genauen  Kenntniss 
der  ursprünglichen  Substanz  der  Knochen  und  der 
an  frischen  Knochen  lebender  Thiere  vorbild- 
lichen Verschiedenheit  je  nach  den  Theilen  des 
Skelets,  nach  Geschlecht,  Alter  u.  s.  w. 

F.  Wibel’s  Schrift  zeichnet  sich  nun  vor  so 
manchen  anderen  dadurch  vortheilhaft  aus,  dass  sie 
dem  Leser  nicht  zumuthet,  aus  den  Details  das 
Facit  selbst  zu  ziehen,  sondern  klar  und  bündig 
ihm  die  gewonnenen  Resultate  Schritt  für  Schritt 
zusammenfasst  und  vorlegt.  So  hebt  er  als  we- 
sentliche  Ergebnisse  folgende  hervor : 

1.  Bei  der  Veränderung  der  Knochen  im  Erd- 
boden treten  weder  wesentlich  neue  Körper  hinzu, 
noch  bilden  eich  aus  den  vorhandenen  neue  che- 
mische Verbindungen. 

2.  Die  erste  Hauptveränderung  der  Knochen 
im  Erdboden  besteht  in  der  Abnahme  der  organi- 
schen Substanzen,  auszudrücken  durch  den  ,, orga- 
nischen Quotienten1*. 

3.  Die  zweite  wird  durch  dio  Abnahme  des 
Calcium -Carbonates  (Kreide)  gegenüber  dem  Cal- 
ci umphosphat,  nden  Kreidequotienten ‘"f  dargestellt. 

4.  Die  dritte  besteht  in  eiuer  theilweiseo 
Umwandlung  des  Knorpels  in  stickstoffarmere  Sub- 
stanz und  wird  durch  deu  „Stickstoffquotienten11 
ausgedrückt. 

ln  obigen  Quotienteu  prägen  sich  dio  Unter- 
schiede eines  fossilen  Knochens  von  einem  glei- 
chen frischen  aus.  Nun  können  aber  auch  noch 
die  Lagerstätten  bei  sonst  gleichen  Knochen  ver- 
schiedene Grade  der  Veränderung  bedingen.  Die 
organische  Substanz  wird  vorzugsweise  unter  dem 
Einflüsse  von  Luft  und  Wasser,  die  anorganische 
durch  das  Wasser  und  die  darin  gelösten  Salze 
vernichtet  Die  Lagerstätten  der  Knochen  werden 
deshalb  sich  füglich  trennen  lassen  in  solche  mit 
Luftzutritt  (freie  Erde  nahe  der  Oberfläche ; Wohn- 
und  Grabkammern,  Särge,  Knochenhöhleu)  gegen- 
über jenen  ohne  Luftzutritt,  wie  z.  B.  die  freie 
Erde  in  bedeutenderer  Tiefe,  Küchenabfalle,  Pfahl- 
bauten, Torf, Moor,  Knochenschicliten.  Marchand’s 
Analysen  von  Knochen  des  Höhlenbären  auß  ver- 
schiedenen Niveaus  der  Gailenreuther  Höhle  liefern 
für  obige  Sätze  den  factischen  Beweis.  Starker 
Luftzutritt  kann  eine  rasche  Zersetzung  herbei- 
fuhren, worauf  ein  grosser  Stickstoffquotient  bei 
, 'einem  organischem  (Quotienten  deuten  würde. 

ArohlV  fttr  Anthropologie.  Bd_  IV.  H«ft  11. 


Der  Kreidequotient  kann  eventuell  höher  als 
im  betreffenden  frischen  Knochen  sich  ergeben, 
wenn  während  der  Zersetzung  Zufuhr  von  Calcium- 
carbonat stattfand  (solche  von  Phosphat  ist  nicht 
erweislich).  Die  Lagerstätten  sind  sonach  auch  zu 
unterscheiden  in  solche  ohne  Petrification  (freie 
Erde,  Wohn-  und  Grabkammern,  Särge,  Küchen- 
abfälle, Pfahlbauten,  Moor,  Torf)  und  in  solche 
mit  Petrification  (Knochenhöhlen , Knochen- 
schichten). 

Während  die  obigen  Resultate  sich  auf  die 
Untersuchung  von  Menechenknochen  gründen,  wur- 
den auch  Knochen  von  Thieren  in  Betracht  ge- 
zogen und  dabei  ermittelt,  dass  verschiedene  le- 
bende Gattungen  und  Arten  aller  Altersstufen  in 
Betreff  der  Analyse  der  Knochen  geringere  Unter- 
schiede zeigen,  als  wenn  man  solche  von  mehreren 
Individuen  gleicher  Species  und  gleicheu  Alters 
untersucht.  Beim  menschlichen  und  thierischen 
Skelet  ist  der  Unterschied  in  der  Zusammensetzung 
der  langen,  der  platten  und  der  kurzen  Knochen 
besonders  bedeutungsvoll. 

Die  Thierknochen  finden  sich  häufig  eigent- 
lich versteinert,  wobei  ausser  der  Verminderung 
der  organischen  Substanz  gegenüber  dem  Calcium- 
phosphat noch  die  höhere  Ziffer  des  Calciumcarbo- 
nats und  -Sulfats  besonders  iu  Betracht  kommt.  — 
Knochen  gleicher  Lagerstätten  zeigen  meist  auch 
sehr  ähnliche  Quotienten,  lu  Kalkschichten  älterer 
Formationen  erhöht  sich  die  Zunahme  an  Calcium- 
phosphat, im  Runtsandsteiu  tritt  an  die  Stelle  des 
gänzlich  weggeführten  Calciumcarbonats  das 
Sulfat. 

Rücksichtlich  dos  wichtigen  Punktes  der  aus 
der  chemischen  Analyse  zu  entnehmenden  Zeit 
der  Lagerung  findet  F.  Wibel,  dass  wenn  zu- 
nächst nur  das  relative  Alter  zweier  Objecte  ver- 
glichen werden  will,  der  Forscher  hier  bei  älteren 
geologischen  Formationen  leichteres  Spiel  habe 
wegen  der  gleichartigeren  und  regelmäßigeren  Ab- 
lagerungen im  Vergleich  mit  Tertiär-  und  Quar- 
tär-Gebilden. 

Die  von  anderen  Chemikern  als  hierfür  maasB- 
gebend  aufgestellten  Gesichtspunkte  kann  Wibel 
nicht  adoptiren,  wendet  vielmehr  auch  iu  diesem 
Betreff  seine  schon  früher  entwickelten  Principien 
gleichinässig  wieder  an,  indem  er  behauptet,  bei 
der  Altersbestimmung  fossiler  Knochen  seien  neben 
gewissen haftester  Ermittelung  ihrer  Art  und  Masse 
eben  wiederum  erstlich  die  Lagerstätte  von  Bedeu- 
tung (ob  etwa  Versteinerung  oder  Luftzutritt  im 
Spiele  war),  ferner  das  Aufsuchen  des  Organischen, 
des  Stickstoff-  und  des  Kreidequotienten. 

Bei  fossilen  Thierknochen  fallt  freilich  we- 
gen des  ganz  fehlenden  Stickstoffquotienten  diese 
Bestimmungsart  weg;  der  Verf.  beschränkt  sich 
jedoch  auch  grundsätzlich  hierin  auf  Menschen- 
knochen und  verwerthet  die  brauchbaren  Analysen 

17 


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130 


Referate. 


in  Tabellen  (wobei  z.  B.  die  Zahl  0,20  als  orga- 
nischer Quotient  bei  einem  Humerus  Andeuten  soll, 
dass  in  demselben  das  Verhultniss  der  organischen 
Substanz  zum  Calciumphosphat  nur  J/j  vom  ent- 
sprechenden Verhältniss  im  frischen  Humerus  be- 
trage). 

Er  zieht  nun  aus  seinen  Studien  folgende 
Schlüsse  für  die  Altersbestimmung  aus  der  Analyse: 

1.  Je  kleiner  einer  der  Quotienten,  desto  älter 
wird  im  Allgemeinen  der  analysirte  Knochen  sein. 

2.  Sind  bei  zwei  verschiedenen  Knochen  die 
sämmtlichen  Quotienten  des  einen  übereinstimmend 
kleiner,  als  die  des  andern,  so  ist  jener  der  ältere. 

3.  Knochen,  deren  drei  Quotienten  überein- 
stimmen, lassen  auf  gleiches  Alter  schliessen. 

4.  Wo  alle  sechs  Quotienten  je  unter  einander 
ungleich  oder  ein  Paar  unter  sich  gleich,  die  beiden 
anderen  im  selben  Sinn  ungleich  sind,  entscheidet 
die  Majorität  über  das  Alter. 

5.  Stellt  sich  bei  zwei  Knochen  ein  Paar  der 
Quotienten  unter  sich  gleich  heraus  und  die  beiden 
anderen  entscheiden  in  entgegengesetztem  Sinn 
über  das  Alter,  so  wird  der  Stickstoffquotient 
massgebend , wofern  Gleichheit  zwischen  organi- 
schen und  Kreidequotienten  sich  ergibt,  oder  aber 
es  wird  der  Kreidequotient  massgebend,  sofern  die 
Stickstoffquotienten  harmoniren. 

0.  Bei  der  Vergleichung  zweier  Knochen  aus 
Lagerstätten  einerseits  mit,  andererseits  ohne  Luft- 
zutritt wird  in  erster  Linie  der  Kreidequotient,  in 
zweiter  der  Stickstoffquotient,  erst  in  dritter  der 
organische  Quotient  massgebend. 

Bei  der  Vergleichung  seiner  aus  chemischen 
Studien  geschöpften  Ergebnisse  über  das  Alter  der 
Knochen  mit  archäologischen  Altersbestimmungen 
scheint  dem  Verf,  die  chemische  Methode  sich  bis 
jetzt  als  zuverlässig  bewährt  zu  haben. 

Für  absolute  Altersbestimmungen  hält  der 
Verf.  die  Zeit  noch  nicht  gekommen  und  vorwahrt 
sich  mit  Recht  gegen  vorfrühe,  wissenschaftlich 
nicht  begründete  Schlussfolgerungen.  Derselbe 
wird  bei  in  Aussicht  gestellten  späteren  Arbeiten 
leicht  Gelegenheit  finden,  sich  darüber  auszuspre- 
chen, wie  sich  bei  den  verschiedenen  Veränderungen 
der  Knochen  die  Eigenschaft,  an  der  Zunge  zu 
hängen,  ergibt,  was  in  vorliegender  sehr  werth- 
voller  Schrift  noch  nicht  geschah. 

Freiburg.  Fischer. 


III. 

Die  Anatomie  des  Menschen,  in  Rücksicht 
auf  die  Bedürfnisse  der  praktischen  Heil- 
kunde bearbeitet  von  Dr.  Hubert  v.  Lusch- 
ka, Prof,  der  Anatomie  zu  Tübingen.  3.  Bd., 
2.  Abtheilung:  Der  Kopf.  Tübingen  1867. 

Es  ist  hier  nicht  die  Aufgabe,  über  ein  Werk 
zu  urtheilen,  dessen  Inhalt  grösst enthei  1b  ausser- 


halb der  Strebungen  dieses  Archivs  liegt  und  über 
dessen  Vortrefflichkeit  überdies  das  einstimmige 
Urtkeil  der  Aerzte  und  Anatomen  längst  entschie- 
den hat.  Doch  interessirt  es  uns,  zu  verfolgen,  in 
wie  weit  das  im  Gebiete  des  anatomischen  Theiles 
der  Anthropologie  von  uns  Beigebrachte  in  den 
Lehrbüchern  der  specielleu  Anatomie  Aufnahme 
und  Anklang  findet  und  welcher  Gestalt  die  Skizze 
der  anatomischen  Thatsachen  ist,  die  in  jene  Werke 
übergeht.  Ist  manche  Wahrnehmung  allgemein 
oder  speciell  anatomischen  Inhaltes,  weil  gelegent- 
lich einer  anthropologischen  Forschung  gemacht 
und  publicirt,  von  den  Referenten  über  reine  Ana- 
tomie übersehen  worden,  haben  mehrere,  den  so- 
genannten rein  praktischen  Bedürfnissen  dienende 
Autoren  sich  geradezu  abweisend  verhalten,  so  ist 
es  dem  Herausgeber  des  oben  genannten  Buches 
nachzurühmen,  dass  er  in  seinem  reichhaltigen, 
nach  allen  Seiten  hin  erschöpfenden  Werke  auch 
nach  der  genannten  Richtung  hin  Vollständigkeit 
angestrebt  hat. 

Nicht  ganz  mit  Unrecht  hat  man  der  neuoren 
Anthropologie  eine  etwas  einseitige  Behandlung 
des  Schädels  zum  Vorwurfe  gemacht;  doch  hoffe 
ich,  man  werde  es  nicht  als  ein  Zeichen  eines 
solchen  Standpunktes  ausdeuten,  wenn  unser  Re- 
ferat, nachdem  es  die  früheren,  die  Anatomie  des 
Rumpfes  umfassenden  Bände  des  genannten  Werkes 
vorübergehen  Hess,  nun  mit  einer  Berichterstattung 
über  den  dem  Kopfe  gewidmeten  Abschnitt  an- 
hebt; erscheint  ja  doch  selbst  dein  rein  anato- 
mischen Standpunkte  „das  Haupt  de«  Menschen**, 
wie  LuBchka's  Werk,  Seite  1,  beginnt,  als  „das 
Wesentlichste  der  ganzen  Organisation“. 

Nach  allgemeinen  Bemerkungen  über  den 
Kopf,  über  die  Haltung,  Beweglichkeit,  über  das 
Gewicht  und  die  Grösse  desselben,  geht  Verf.  auf 
die  Schädelmessung  ein  und  findet  für  die  Zwecke 
des  Arztes  das  von  v.  Baer  gegebene  Schema, 
welches  Seite  5 näher  erörtert  wird,  am  meisten 
empfehlenswert)).  Seite  7 beschäftigt  sich  mit  den 
allgemeinen  Verhältnissen  der  Kopfform,  es  wird 
des  Baer 'schon  „cruuium  medium  totius  geucris 
humani“  mit  der  procentigen  Breite  von  80  und 
der  Unterscheidung  in  Dolicho-  und  Brachycephali 
gedacht.  Was  die  Liste  der  brachy-  und  dolicho- 
cephalen  Völker  anlangt,  welche  Luschka  (S.  7) 
„mich  C.  Vogt’s  Zusammenstellung“  giebt,  so  darf 
ich  die  Verantwortung  der  Un Vollständigkeit  und 
etwaigen  sonstigen  Mängel  dieser  meiner  ersten 
Zusammenstellung  unmöglich  meinem  Collegen 
Vogt  überlassen,  und  hätte  es  auch  ausserdem 
Heber  gesehen,  wenn  Verf.  statt  dieser  noch  sehr 
unvollständigen  (auf  Tafel  XVII  in  „Wachsthum 
und  Bau“  niedergelegten)  Liste,  welche  Vogt 
S.  59  seiner  „Vorlesungen“  wiedergiebt , das  weit 
reichhaltigere,  auf  die  Mcesuug  von  mehr  als 
1300  Schädeln  sämmtlicher  in  den  Cabinette’e 


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Referate. 


131 


Deutschlands  and  Hollands  vertretenen  Racen  ba- 
sirte  Tableau,  welches  ich  in  diesem  Archive,  I,  135, 
gegeben  habe,  benutzt  hätte. 

Seite  9 werden  die  Unterschiede  der  prog- 
nathen  und  orthognathen  Gesichtsbildung  bespro- 
chen, es  geschieht  des  Camper'schcn  Gesichtswin- 
kels und  des  zuerst  von  Virchow  als  wichtig  er- 
kannten Sattelwinkcls  Erwähnung.  Betreffs  des 
Sattelwinkels  bezeichnet  Verf.  es  als  nachgewiesen, 
„dass  das  Keilbein  um  so  stärker  geknickt,  der 
Keilbein winkel  also  um  so  kleiner  ist,  je  senk- 
rechter die  Zähne  stehen dass  dagegen  der 
Winkel  um  so  größer  wird,  je  prognather  der 
Kieferapparat.  — Eine  Schilderung  der  Ge- 
schlechtseigenthümlichkeiten  des  Schädels  findet 
sich  Seite  11.  Bei  Betrachtung  der  Alters-  und 
Wachsthumsverhältnisae  wird  die  mit  Prognathie 
verbundene  Dolichocephalie  des  Kindesschädels  be- 
stätigt; Verf.  erwähnt  die  Angabe  Schaaffhau- 
sen'a  über  eine  zwischen  dem  sich  entwickelnden 
Kindesschädel  und  dem  Menschcnschädel  der  ver- 
schiedenen historischen  und  vorhistorischen  Epochen 
bestehenden  Analogie.  Die  anthropologische  Über- 
sicht echliesst  mit  Angaben  Ober  die  künstliche 
Schädelformung  der  Flatheads  und  Altperuaner 
und  einer  Zusammenstellung  der  von  Virchow 
und  Lucae  aufgestellten  pathologischen  Schädel- 
formen. 

Aber  auch  in  der  weiteren  Darstellung  des 
Werkes,  inmitten  der  Behandlung  den  rein  anato- 
mischen Materials,  hat  LuBchka  zahlreiche  anato- 
mische Beiträge,  welche  in  anthropologischen  Wer- 
ken und  Abhandlungen  sich  zerstreut  vorfinden, 
nicht  verloren  gehen  lassen.  Es  ist  nicht  Aufgabe 
dieses  Referates,  dem  Verf.  in  das  weitere  Detail 
zu  folgen,  und  ich  beschränke  mich  gegenüber  den 
zur  Anthropologio  in  näherer  Beziehung  stehenden 
Daten  auf  die  Erwähnung  der  wenigen,  bei  welchen 
ich  mit  Verf.  nicht  ganz  übercinstimme. 

Seite  27  wird  das  ob  interparietale  als  ein 
„rhomboidaler  Knochen"  bezeichnet  und  auch  in 
Fig.  VII  als  ein  vierseitiger  Knochen  mit  einer 
oboren,  zwei  seitlichen  und  einer  unteren  Spitze 
abgebildet,  während  das  os  iuterparietale  (seu  tri- 
quetrum),  soweit  Referent  bekannt  ist,  allgemein 
als  jener  dreiseitige , durch  die  „sutura  transversa 
occipitis“  abgetrennte  Knochen  aufgefasst  zu  wer- 
den pflegt,  dessen  unterer,  horizontaler  Rand  in 
derjenigen  Richtung  liegt,  welche  durch  die  be- 
kannten, als  Nahtreete  oftmals  am  Schädel  sichtbar 
bleibende  „snturae  mendosae“  (deren  rechtsseitige 
in  Luachka’s  Fig.  VII,  weit  abwärts  von  dem 
dort  als  os  iuterparietale  bezeichnten  Knochen, 
wiedergegeben  ist)  angedeutet  wird.  Seite  72  wird 
dieser  Zustand  des  Hinterhauptsbeines  genau  ge- 
schildert und  bemerkt,  dass  nicht  er,  sondern  der 
in  Fig.  VII  abgebildete  Fontaneliknochen  dem  os 
interparietale  der  Thiere  entspreche. 


Von  der  Synchondrosis  interspbeno- 
idalis  wird  Seite  59  gesagt,  dass  sie  beim  Neu- 
geborenen entweder  „noch  vollständig  erhalten", 
oder  schon  theil weise  OBaificirt  sei;  ich  habe  das 
entere  niemals,  sondern  constant  das  letztere  ge- 
funden (Arch.  I,  S.  115). 

Auf  derselben  Seite  heisst  cs  von  der  Basi- 
larfuge  (Synchondrosis  sphenobasilaris),  dass  ihre 
Ossification  „erst  mit  dem  13.  Lebensjahre  beginnt14. 
Ich  habe  dies  niemals  gefunden,  dagegen  bei 
zahlreichen  18-  bis  20jährigen  Individuen  die 
Basalfuge  noch  durchaus  un  verknöchert  und  nach 
der  Maceration  und  Weglösung  des  Knorpels  stets 
einen  durchgreifenden,  Millimeter-  bis  Linienbreit 
klaffenden  Spalt  bildend , so  dass  ich  einen  Sohft- 
del  mit  ossificironder  Basalfuge  für  „19-  bis 
20  jährig“  nehme. 

H.  Welcher. 


IV. 

Dr.  A.  W.  Bell.  On  the  Native  Race  of  New- 
Mexico.  (The  Journal  of  the  Ethnolog.  Soc. 
of  London.  Vol.  I.  Nro.  3.  Octobor  1869. 
pag.  222  — 274). 

Der  Verfasser  giebt  uns  in  dieser  Arbeit  eine 
naturgemässe  und  befriedigende  auf  eigene  genaue 
Ortskenntnis«  gegründete  Aufklärung  über  den 
bishor  so  rätselhaften  Ursprung  der  Bewohner 
von  Neu-Mexiko,  über  die  merkwürdigen  Bauwerke 
derselben,  ihre  Verwandtschaft  mit  den  Mexikanern 
und  über  ihre  Traditionen,  nach  denen  sie  einst 
von  Norden  her  eingewandert  sein  sollen. 

Die  sehr  reiche  Literatur  über  diesen  Gegen- 
stand ist  gewiss  ein  hinreichender  Beweis,  wie  sehr 
jene  großartigen  und  wohlerhaltenen  Baudenk- 
mäler von  jeher  die  Ethnologen,  sowie  Sprach-  und 
Geschichtsforscher  beschäftigt  haben,  ohne  dass  es 
jedoch  den  Bemühungen  derselben  gelungen  wäre, 
den  bis  jetzt  darüber  liegenden  Schleier  des  Ge- 
heimnisses zu  lüften.  In  wie  fern  der  Verfasser 
hierin  glücklicher  gewesen  ist,  als  seine  Vorgänger, 
werdeu  wir  aus  seiner  Arbeit  selbst  ersehen. 

Derselbe  giebt  uns  zuerst  eine  möglichst  ge- 
naue statistische  Angabe  über  die  Bevölkerung  von 
Neu-Mexiko.  Ausser  den  sogenannten  Pueblo- 
indiauern  und  den  wilden  Navajos  und  Apache», 
die  uns  in  der  Folge  hauptsächlich  beschäftigen 
werden,  leben  hier  gegenwärtig  auch  noch  viole 
Mexikaner  und  Amerikaner,  d.  h.  Vereinigte  Staa- 
tenbürger, jenen  ersteren  an  Zahl  fast  um  das 
Doppelte  überlegen. 

Die  im  Rio  Grandethal  bei  Santa  Fo  wohnen- 
den halbcivilisirten  Puebloindianer  zeichnen  sich 
durch  ihr  stilles,  schweigsames  Wesen  und  durch 
ihre  Arbeitsamkeit  sehr  vorteilhaft  vor  den  Roth- 
h&uten,  d.  h.  den  rothen  Indianern  der  Ebenen 

17* 


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132 


Referate. 


Nordamerikas  aas.  Von  dieser  einstmals  so  mach* 
tigen  Nation  existiren  aber  gegenwärtig  nur  noch 
fülnf  kleine  Ueberreste:  die  eigentlichen  Pueblo- 
indianer, die  Zuüiindianer,  die  Sieben-Moquiindia- 
ner,  die  Primas  im  Oilathale  und  die  südlich  von 
diesen  wohnenden  Papagos.  Im  ganzen  Gebiete 
derselben  findet  man  überall,  wo  nur  irgend 
Wasserleitungen  vorhanden  waren,  auch  die  so 
häufig  beschriebenen  Ruinen  der  sogenannten  Casas 
grandes  und  volkreicher  Städte.  Bell  unterschei- 
det dreierlei  Ruinen : erstens  zum  Theil  sehr  wohl- 
erhaltene mehrstöckige  indische  Festungen,  dann 
unter  spanischer  Herrschaft  gebaute  Gebäude  (Kir- 
chen) und  drittens  Gebäude,  von  denen  nur  die 
Grundmauern  vorhanden  sind.  Nördlicher  als  im 
Thale  des  Rio  de  San  Juan  kennt  Bell  keine 
Ruinen,  wohl  aber  südlicher,  im  Rio  de  Chelly,  im 
Canon  do  Chaco  und  besonders  schöne  und  grosse 
Ruinen  am  Rio  Gila. 

Die  genannten  fünf  Stamme  lebten  stete  im 
Kriege  mit  den  wilden  Navajos  und  Apaches.  Von 
ersteren  wurden  sie  von  Norden  und  Osten  her  be- 
ständig belästigt,  wobei  die  Navajos  sich  als  grosse 
Räuber  namentlich  der  Viehheerden  zeigten.  Seit 
1663  jedoch  sind  dieselben  von  den  Truppen  der 
Vereinigten  Staaten  besiegt  und  nach  dem  Rio  Pe- 
cos  versetzt  worden.  Bell  hält  die  Navajos  für 
verwilderte  Abkömmlinge  der  alten  Städtebauer 
und  nicht  der  nordamerikanischen  Rothh&ute.  Als 
Zeichen  früherer  Cultur  findet  man  bei  ihnen  noch 
die  Webekunst  in  sehr  hoher  Vollkommenheit. 

Während  im  Norden  und  Osten  von  Neu- 
Mcxiko  die  Navajos  Schrecken  und  Verwüstung 
hervorriefen,  so  befolgen  die  Apaches  dasselbe  Plün- 
derungssystem im  Süden  sowie  in  Arizona  und  So- 
nora; ohne  aber  wio  jene  dabei  das  Leben  der 
Geplünderten  zu  schonen,  zeichnen  sie  sich  im  Ge- 
gentheil  durch  rohe  Grausamkeit  aus. 

Die  Spanier  schützten  Anfangs  die  betrieb- 
samen Bewohner  Neu -Mexikos,  die  sich  vorher 
selbst  vor  den  L ebet  Hillen  der  Apaches  geschützt 
hatten , durch  die  unter  dem  Namen  Presidio«  be- 
kannten militärischen  Posten.  Auf  diese  Weise 
blühte  das  Minenwesen  und  die  Viehzucht  schnell 
empor.  Als  aber  die  spanische  Macht  später  zu 
sinken  begann,  und  die  Truppen  von  hier  zurück- 
gezogen wurden,  so  blieben  jene  Gegenden  unbe- 
scliützt  und  wurden  von  ihren  alten  räuberischen 
Feinden  allmälig  ganz  und  gar  verwüstet-  Ob- 
gleich die  Vereinigte  Staatenregierung  seit  1854 
die  Verpflichtung  ein  gegangen  war,  die  Apaches 
zu  verhindern  in  Mexiko  einzufallen  und  zu  rauben, 
so  war  sie  nicht  im  Stande,  diese  Verpflichtung  zu 
erfüllen,  da  die  Apaches  ihre  Raubzüge  mit  solcher 
Schnelligkeit  und  Gewandtheit  anszuführen  und 
sich  in  ganz  unzugängliche  Gebirgshühen  zu  ver- 
bergen wissen,  dass  die  Verfolgungen  derselben 
vollständig  vereitelt  werden. 


Auf  eine  ausführliche  Schilderung  der  Ruinen 
lasst  Bell  die  alte  Geschichte  der  Entdeckung 
dieser  Gebiete  folgen,  wobei  er  auch  manche  bisher 
noch  unbekannte  Quellen  benutzen  konnte.  Ans 
den  verschiedenen  Berichten  über  die  während  der 
Jahre  1526  bis  1582  ausgeführten  Expeditionen 
unter  Jose  de  Vnsconzales  (1526)  Cabeza  de  Vnca 
(1527),  Fray  Marco  de  Ni$a  (1539),  Fr.  Vasquei 
de  Coronado  (1540)  und  Antonio  de  Espejo  (1562) 
geht  hervor,  dass  im  sechzehnten  Jahrhundert 
allein  im  Rio  Grandethal  eine  grössere  Bevölkerung 
lebte  als  jetzt  in  ganz  Neu -Mexiko  und  Arizona 
zusammen. 

Bell  kommt  nun  zu  dem  wichtigen  Schluss, 
dass  die  Städtehauenden  Indianer  als  Vorposten- 
plänkler  der  aztekischen  Race  anzusehen  sind,  die 
zu  der  Zeit,  als  diese  vereinigt  und  in  der  Fülle 
ihrer  Macht  dastand,  von  den  südlichen  Provinzen 
Mexikos  wahrscheinlich  in  getrennten  Abtheilungen 
aufbrachen  und  verschiedene  Dialekte  sprechend 
in  jene  nördlich  gelegenen  Länder  eindrangen  und 
sie  zu  colonisiren  versuchten. 

Der  Weg  war  ihnen  von  Natur  durch  die 
physikalische  Geographie  jener  Gegenden  vorge- 
zcichnet,  nämlich  durch  die  Provinz  Sinaloa  in 
Sonora  westlich  von  den  Cordilleren  zum  Thal  des 
Rio  Gila  und  dann  nordwärts  bis  zum  Canon 
grande  des  Colorado.  Einige  folgten  dem  Rio  Gila 
bis  zur  Mündung  durch  die  Wüste  und  dann  den 
Colorado  aufwärts  und  scheinen  mit  den  hier  an- 
getroffenen Stimmen  fraternisirt  zu  haben.  Daher 
fand  Alarcon  1540  hier  verschiedene  Stämme.  Der 
Hauptstrom  der  Einwanderer  aber  wendete  sich 
nach  Norden.  Dio  Apaches  wurden  bei  dem  all- 
maligen  Vordringen  in  die  Gebirge  getrieben,  da 
man  aber  nicht  iin  Stande  war,  sie  zu  überwältigen 
und  zu  unterjochen,  so  bauten  die  Einwanderer  zum 
Schutz  ihrer  reichen  Ansiedelungen  die  befestigten 
Städte.  Dieses  System  des  Schutzes  und  der  Ver- 
theidigung  gelang  ihnen  so  gnt,  dass  Fray  Marco 
und  Vosquez  Coronado  mitten  durch  diese  Districte 
geführt  wurden,  die  jetzt  verwüstet  sind  und  wo- 
selbst erst  wieder  in  der  Mitte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  von  den  Plünderungen  der  Apaches 
die  Rede  war.  Die  Städtebauer  wurden  in  ihrem 
Fortschritte  nach  Norden  durch  den  Pueblo-Creek, 
die  Aztek-Mountains,  den  San  Francisco  Peak  und 
durch  dio  Canones  vom  Colorado  und  Flaxfluss, 
welche  vereinigt  einen  300  engl.  Meilen  fast  von 
Ost  nach  West  fliessenden  langen  Golf  bilden,  im 
Westen  und  Nonien  aufgehalten.  Sie  wendeten 
sich  daher  nach  Osten  den  Colorado  chiquito  ent- 
lang aufwärts  bis  zu  seinen  Quellen  und  gründeten 
die  Königreiche  von  Cevola  (Hauptstadt  der  Zuüis), 
drangen  dann  ins  Navajoland  ein  und  schützten 
cs  ebenfalls  durch  den  Bau  von  Städten  (Sieben 
Moqnis,  Ruinen  von  Canon  de  Chaco  und  VaUe  de 
Chelly).  Noch  weiter  vordringend  kamen  sie  von 


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Referate. 


133 


den  Quellen  des  San  Juan  ins  Rio  Grandetbal,  wo 
sie  noch  weit  geeignetere  Terrains  zum  Anbau  an- 
trafen. Nun  drangen  sie  allmülig  flussabwärts, 
also  von  Norden  kommend  ihrer  Sage  gemäss 
vor,  gründeten  die  Stadt  Taos  und  bevölkerten  da» 
schöne  Thal  so  dicht,  das»  nur  im  üussersten  Osten 
und  Westen  au  den  Grenzen  Befestigungen  nöthig 
waren.  Endlich  gelangten  sie  weiter  im  Süden  bis 
zu  El  Pa5o,  Laguna  de  Gusmann  und  Casas  Gran* 
des,  and  so  geschah  es,  das*  da»  daselbst  wohnende 
Volk  mit  Recht  dem  Reisenden  Bartlott  sagen 
konnte,  sie  wären  von  Norden  gekommen  und  ihre 
Festungswerke  seien  von  Montexuma  erbaut  worden. 

So  löst  sich  da»  Rüthsei,  dass  die  Städtebau- 
enden  Indianer  von  Neu-Mexiko,  nachdem  sie  die 
Erinnerung  an  die  frühere  Einwanderung  von  Alt- 
Mexiko  verloren  hatten,  die  Verehrung  Moute- 
sama's  beibehielten  und  einen  Grad  von  Civili- 
sation,  der  in  Nordamerika  gan*  unbekannt  ist, 
besitzend,  dennoch  sagen  konnten,  sie  seien  von 
Norden , von  den  Quellen  des  Rio  Grande  gekom- 
men. 

So  weit  haben  sie  Recht,  sind  aber  im  Irrthum, 
wenn  sie  zu  beweisen  suchen,  sie  seien  vom  Nord- 
westen Amerikas  (sogar  von  Kamtschatka)  gekom- 
men und  hätten  die  ungastlichen  Gegenden  des 
oberen  Colorado  durchwandert  und  ihre  Städte- 
bauer und  Montezuma  seien  von  endogener  Her- 
kunft 

Ara  Schlüsse  seiner  Arbeit  berührt  Bell  noch 
die  Frage,  ob  die  jetzige  Entvölkerung  eine  Folge 
der  Verschlechterung  des  Landes  durch  geologische 
und  meteorologische  Einflüsse  sei  oder  ob  sie  durch 
menschliche  Vernachlässigung  der  Bodenverhält- 
nisse hervorgebracht  sei  und  neigt  sich  der  letz- 
teren Ursache  zu.  Die  Entholzungen  von  Seiten 
der  Spanier  behufs  der  Minenarbeiten  und  die  Sitte 
der  Apaches,  die  Wälder  anzuzönden,  haben  die 
Berge  entwaldet,  dadurch  versiegten  die  Quellen, 
die  Wasserleitungen  blieben  ohne  Wasser  und  das 
Land  wurde  trocken  und  unfruchtbar.  Wir  haben 
demnach  auch  hier  wieder  einen  wichtigen  Beitrag 
zu  der  von  Li  obig  angeregten  Ansicht  von  der 
vermeintlichen  Bodenerschöpfung  als  Ursache  des 
Verfalls  der  Cultur  ehemals  mächtiger  Reiche  (siehe 
J.  Conrad  Liebig’a  Ansicht  von  der  Bodener- 
schöpfung. Jena  1864).  Auf  der  der  Arbeit  bei- 
ge/ügten  Karte  sind  leider  die  Abschattirungen  der 
Gcbirgsverbältnisse  vom  Lithographen  so  dunkel 
gehalten  worden,  dass  da»  so  wesentliche  Verständ- 
nis» der  physikalischen  Geographie  dieser  Gegen- 
den ganz  verloren  geht  und  die  Ortsnamen  nur 
mit  der  grössten  Mühe  zti  lesen  sind. 

A.  v.  Frantzius. 


V. 

Report  of  exploration  in  Centralamerica  by  Dr.  C. 
H.  Berendt.  (Annual.  Report  of  the  Board  of 
Regents  of  the  Smithsonian  Institution  for  the 
year  1667.  Washington  1868.  pag.  420  — 
426). 

Dr.  H.  Berendt  aus  Danzig,  der  früher  schon 
einige  Zeit  als  Arzt  in  Nicaragua  und  Mexiko  ge- 
lebt und  von  hier  einige  Arbeiten  in  Petermann’s 
Geographischen  Mitteilungen  veröffentlicht  hatte, 
unternahm  im  Jahre  1865  eine  wissenschaftliche 
Reise  nach  Peten  und  Chiapas,  um  hier  seine  ethno- 
logischen and  geographischen  Untersuchungen  über 
die  Mayavölker  zu  erweitern,  ganz  besonders  aber 
deren  Sprache  behufs  der  Herausgabe  eines  Wör- 
terbache« an  Ort  und  Stelle  zu  studiren. 

Anfs  beete  vom  Sroithson’schen  Institut  in 
Washington  ausgerüstet,  begab  er  sich  nach  Belize, 
wo  ihm  vom  Gouverneur  und  Kroningenieur  durch 
Rath  und  Belehrung  jede  gewünschte  Unterstützung 
zu  Theil  wurde,  besonders  aber  erhielt  er  von  dem 
englischen  Missionär  AL  Henderson,  der  der 
Mayasprache  kundig,  schon  verschiedene  Schriften 
veröffentlicht  hatte  und  ebenfalls  mit  der  Her- 
stellung eines  Mayawörterbuches  beschäftigt  war, 
manche  für  seine  Zwecke  werthvolle  Beitrüge.  Im 
Januar  1866  fuhr  Berendt  den  Belizcflass  hinauf 
bis  Pedro  Buenavistn,  wo  er  einen  Monat  auf  Trä- 
ger warten  musste.  Die  hier  wohnenden  Indianer 
hassen  die  Mexikaner  und  Spanier,  sind  aber  an- 
deren Fremden  sehr  freundlich  gesinnt. 

Die  Ilauptstrasse  von  hier  bis  Peten  führt 
durch  unbewohnte  Waldebenen.  Die  Sierra  de 
Yucatan  der  Karten  existirt  demnach  gar  nicht. 

Der  bewohnte  Theil  von  Peten  ist  nach  allen 
Seiten  hin,  in  einem  Umkreise  von  sechs  bis  zehn 
Tagereisen,  durch  unbewohnte  dichte  Waldungen 
von  den  ferner  liegenden  bewohnten  Gegenden  ge- 
schieden. Berendt  wählte  das  20  engl.  Meilen 
von  der  fast  im  Petensee  gelegenen  Hauptstadt 
Flores  entfernte  Indianerdorf  Sacluk  zu  seinem 
Aufenthalt  und  machte  von  hier  aus  Ausflüge  bis 
zum  Rio  Pasion,  wobei  er  Gelegenheit  hatte,  die 
beiden  zur  Mayasprache  gehörigen  Dialekte,  den 
der  Petenindianer  und  den  der  am  Rio  Pasion 
wohnenden  Lacandones,  zu  studiren  und  zu  ver- 
gleichen; auch  traf  er  hier  zufällig  Indianer  von 
Cahabon  und  Coban,  durch  welche  er  in  Stand  ge- 
setzt wurde,  sein  Vocabularium  der  Quecchisprache 
zu  bereichern,  welche  zwischen  dem  Isthmus  von 
Tehuantepec  und  dem  von  Honduras  gesprochen 
wird. 

Von  allen  Indianern  dieses  Theiles  von  Cen- 
tralamerika  verdienen  die  Lacandones  das  grösste 
Interesse.  Einst  eine  zahlreiche  und  mächtige  Na- 
tion, machten  sie  im  Verein  mit  den  Manches  und 


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134 


Referate. 


Acalanes,  welche  beide  jetzt  vollständig  ansgerottet 
sind , den  erobernden  Spaniern  viel  zu  schaffen ; 
und  obgleich  sie  nie  gänzlich  unterjocht  wurden, 
so  sind  sie  jetzt  auf  eine  ganz  unbedeutende  Zahl 
zusammengescbmolzen,  die  an  den  Quellen  und  im 
Thale  des  Hio  Paaion  lebt. 

Einigo  alte  Schriftsteller  unterscheiden  die 
östlichen  von  den  westlichen  Lacandones  und  es 
scheint  in  der  That,  dass  beide  verschiedenen  Stäm- 
men angehöreu,  indem  die  letzten  an  den  Grenzen 
des  mexikanischen  Staates  Chiapas  wohnend,  eine 
verschiedene  Sprache,  das  sogenannte  Putum  oder 
Chol  sprechen,  welches  zu  einer  dem  Maya  ver- 
wandten Sprachfamilie  gehört.  Die  Erzählungen 
von  Stephens,  von  einer  grossen  unzugänglichen 
Stadt,  beziehen  sich  auf  diese  westlichen  Lacan- 
dones, welche  sich  ebenso  sehr  von  dem  Verkehr 
mit  den  Weinen,  als  von  dem  mit  den  östlichen 
Lacandones  fern  halten. 

Diese  letzteren  sind  ein  harmloser  Stamm, 
leben  in  offenen  Palmblätterhütteu,  bauen  das  Feld, 
pflanzen  Zuckerrohr  und  Sisalhanf  (von  Fourcroya 
Jaquiniana)  und  jagen  mit  llogen  und  Pfeilen,  die 
mit  Steinspitzen  versehen  sind.  Obgleich  ßie  ge- 
tauft sind  und  gern  ihre  Gebete  hersagen , so 
hängen  sie  doch  dem  Heideuthum  an  und  leben  in 
Polygamie,  indem  sie  so  viele  Frauen  nehmen,  als 
sie  kaufen  oder  stehlen  können. 

Bercndt  hatte  einen  kleinen  Waisenknaben 
angenommen,  und  da  er  ausserdem  bald  ihre  Sprache 
erlernt  hatte,  so  gewann  er  schnell  das  Vertrauen 
und  die  Freundschaft  der  Lacandones,  die  ihm  bei 
seinen  Ausflügen  oft  wesentliche  Hülfe  leisteten 
und  vom  grössten  Nutzen  waren. 

Als  Berendt  im  Oetober  1866  seine  Reise 
weiter  nach  Westen  fortsetzen  wollte,  und  von  Be- 
lize aus  die  nöthigen  Reisemittel  erwartete,  war 
durch  die  zwischen  den  Indianern  und  der  eng- 
lischen Colonie  in  Folge  des  mexikanischen  Krieges 
ausgebrochenen  Unruhen  jeder  Verkehr  mit  jenem 
Orte  abgeschnitten,  wesshalb  sich  derselbe  ent- 
»chliessen  musste,  nach  Tabasco  zu  gehen.  Nur 
mit  seinen  wichtigsten  Papieren  versehen,  begab  er 
sich  ira  April  1867  nach  Tenoaique  und  San  Jnan 
Baulista,  der  Hauptstadt  von  Tabasco,  und  benutzte 
die  unterdessen  begonnene  Regenzeit  zur  Unter- 
suchung des  Csumasinta  und  besuchte  die  Ruinen 
von  Palenque.  In  dieser  Gegend  sammelte  er  Vo- 
cabulurien  der  Putum  und  Tzendalspruche,  die  in 
Chiapas  gesprochen  wird,  sowie  auch  vom  Chontal 
von  Tabasco. 

Privatgeschäfte  führten  ihn  darauf  nach  den 
Vereinigten  Staaten,  aber  im  Sommer  1868  kehrto 
er  wieder  noch  Tabasco  zurück,  um  seine  Forschun- 
gen zu  erweitern  und  seine  naturhistorischen  Samm- 
lungen, die  er  zurückzulassen  gezwungen  war,  ab- 
suholcn. 

Vor  seiner  Abreise  nach  Tabasco  hat  Berendt 


der  amerikan.  cthnolog.  Gesellschaft  ein  von  ihm 
angefertigte«  analytisches  Alphabet  für  die  mexi- 
kanischen und  centralamerikani scheu  Sprachen  über- 
geben, welches  von  der  Gesellschaft  im  Jahre  1869 
veröffentlicht  wurde1).  Mit  Hülfe  dieses  Alphabets 
ist  die  richtige  Aussprache  der  in  jenen  Gegenden 
gebrauchten  Sprachen  sehr  erleichtert.  In  den 
Worten  derselben  giebt  es  eine  Menge  feiner  Ab- 
stufungen in  den  Nasen-,  Gaumen-  und  Zischlauten 
sowie  in  Bezug  auf  die  Länge  und  Kürze  der  Vo* 
cale,  deren  Kenntnis*  und  Beachtung  beim  Lernen 
jener  Sprachen  von  der  grössten  Wichtigkeit  ist, 
da  viele  Worte  nach  diesen  feinen  Unterschieden 
eine  ganz  verschiedene  Bedeutung  erhalten. 

Nach  einem  Briefe  des  Reisenden  vom  21.  No- 
vember 1868  an  die  genannte  ethnolog.  Gesellschaft 
hat  derselbe  seitdem  viele  neue  werthvolle  Manu- 
scripte  der  Mayasprache  aufgefunden,  darunter  eine 
wichtige  unter  dem  Namen  Libro  de  Chilam  Balam 
bekannte  Schrift. 

A.  v.  Frantziue. 


VI. 

Der  malayische  Archipel,  die  Heiroath  des 
Orang-utan  und  des  Paradiesvogels.  Reiseer- 
lebnisse und  Studien  über  Land  und  Leute 
von  Alfred  Russol  Wallace.  Autorisirte 
deutsche  Ausgabe  von  A.  B.  Meyer.  Braun- 
schweig. 1869.  2 Vul.  8°. 

Obschon  der  Hauptzweck  der  Wanderungen 
des  unternehmenden  Reisenden  die  Sammlung  von 
Insccten  und  Vögeln  war,  ao  konnte  es  doch 
nicht  fehlen,  dass  ein  so  guter  Beobachter  auch 
auf  anderon  Gebieten  Gelegenheit  fand,  sein  Talent 
zu  erproben,  und  so  ist  diese  Reise  auch  für  die 
Anthropologie  von  Wichtigkeit,  und  zwar  nach  zwei 
Richtungen  hin.  Einmal  durch  die  darin  nieder- 
gelegt pn  Beobachtungen  über  die  Menschen- 
racen  dieses  Archipels  und  dann  durch  die 
Nachrichten  über  die  I .ebensweise  des  dort  heimi- 
schen anthropoiden  Affen,  des  Orang-utan. 

1.  Was  das  Erstere  betrifft,  so  mögen  wohl 
seine  Ansichten  einigermaßen  von  seinen  Anschau- 
ungen über  die  geographischen  Verhältnisse  des 
inalayischen  Archipels  beeinflusst  sein,  obgleich  er 
sagt,  dass  er  schon,  ehe  er  die  Ueberzeugung  er- 
langt hatte,  dass  die  östliche  und  westliche  Hälfte 
des  Archipels  zu  verschiedenen  Haupt-Erdregionen 
geboren,  sich  veranlasst  gesehen  habe,  die  Nationen 
des  Archipels  unter  zwei  scharf  geschiedene  Racen 
zu  gruppiren.  Wie  dem  nun  sei,  immerhin  sind 
die  vom  Verf.  mitgetheilten  Beobachtungen  und 


*)  Analytical  Alphabet  for  tlie  Siesiran  and  Central- 
Americnn  Langaace»  by  C.  II.  Berendt.  New-York  180#. 


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Referate. 


135 


die  vom  Verf.  mitgetheilten  Beobachtungen  und 
die  daraus  gezogenen  Schlüsse  der  Beachtung  der 
Anthropologen  im  höchsten  Grade  werth.’ 

Es  war  zuerst  G.  W.  Earl,  der  nachwies, 
dass  ein  seichtes  Meer  die  grossen  Inseln  Sumatra, 
Java  und  Borneo  mit  dem  asiatischen  Festland 
verbinde,  mit  welchem  auch  die  Naturproducte 
dieser  Inseln  übereinstimmen,  während  ein  ähn- 
liches seichtes  Meer  Neuguinea  und  einige  der  an- 
grenzenden Inseln,  alle  charukterisirt  durch  die 
Anwesenheit  von  Beutelthieren , mit  Australien 
verbinde.  Wallace  hat  diese  Behauptung  geuauer 
im  Einzelnen  geprüft  und  glaubt  nun , auf  die 
Vergleichung  der  Naturproducte  gestützt,  eine 
Linie  ziehen  zu  können,  welche  die  Inseln  der- 
gestalt von  einander  trennt,  dass  die  eine  west- 
liche Hälfte  sich  ganz  an  Asien  anschliesst,  wäh- 
rend die  Östliche  Australien  zugetbeilt  werden 
muss.  Dieorstcre  nennt  er  den  indoinalayischen, 
die  letztere  den  austral-malayischen  Archi- 
pel. Diese  Trennungslinie  verläuft  zwischen  den 
Inseln  Bali  und  Lombos,  dann  zwischen  Borneo 
und  Celebes  und  wendet  sich  dann  zwischen  den 
Molukken  und  Philippinen  östlich.  Diese  beiden 
Hälften  des  Archipels  sind  nun  nach  Wallace  auch 
von  zwei  scharf  geschiedenen  Mensch enracen  be- 
wohnt, die  westliche  von  der  malayischen,  die 
östliche  von  der  Papuarace.  Die  Trennungslinie 
dieser  beiden  Kacen  fällt  jedoch,  wohl  ohne  Zweifel 
in  Folge  des  wanderlustigen  Charakters  der  Ma- 
layen,  mit  der  vorerwähnten  Dicht  ganz  zusammen, 
sondern  liegt  etwas  weiter  östlich , sie  verläuft 
nämlich  zwischen  den  Inseln  Timor  und  Rotti, 
geht  westlich  um  die  Insel  Sumba,  dann  zwischen 
Sumbawa  und  Floris  durch,  von  da  östlich  durch 
die  Insel  Buru,  längs  der  westlichen  Küste  der  Mo- 
lukken hinauf  und  flieset  im  Norden  dieser  mit 
der  erstgenannten  Linie  zusammen. 

A.  Was  nun  dieMulayen  betrifft,  so  unterschei- 
den sich  die  ächten  malayischen  Kacen  von  andern, 
welche  lediglich  ein  malayisches  Element  in  ihrer 
Sprache  haben,  durch  eine  grosse  Einförmigkeit 
in  ihren  physischen  und  intellectuellen  Eigen- 
tümlichkeiten, während  sie  grosse  Unterschiede 
in  ihrer  Civilisation  und  Sprache  zeigen.  Die 
Schilderung  zunächst  der  Körperbeechaffenheit,  die 
Verf.  als  die  für  alle  gütige  giebt,  ist  die  folgendo  : 
Die  Farbe  aller  dieser  Stamme  ist  hellröthlich- 
braun,  mit  mehr  oder  weniger  olivunfarbigem  An- 
flug. Das  Haar  ist  ausnahmslos  schwarz,  straff  und 
von  ziemlich  grober  Textur,  so  dass  jede  hellere 
Tinte  oder  jede  Welle  oder  Locke  darin  einen  fast 
sichern  Beweis  für  die  Vermischung  mit  fremdem 
Blut  abgiebt.  Das  Gesicht  ist  fast  ganz  ohne  Bart 
und  Brust,  Arme  und  Beine  sind  frei  von  Haaren. 
Ihre  Statur  ist  ziemlich  gleich  gross  und  stets  be- 
trächtlich unter  dem  Durchschnitt  der  europäischen; 
der  Körper  ist  stark,  die  Brust  gut  entwickelt,  die 


Füsse  klein,  dick  und  kurz,  die  Hände  klein  und 
ziemlich  zart.  Das  Gesicht  ist  ein  wenig  breit 
und  neigt  zur  Flachheit,  die  Stirn  gerundet,  die 
Brauen  niedrig,  die  Augen  schwarz  und  leicht 
schief  stehend;  die  Nase  ziemlich  klein,  nicht  her- 
vorragend, sondern  grade  uud  gut  geformt,  die 
Spitze  ein  wenig  gerundet,  die  Nasenlöcher  breit 
und  leicht  aufgeworfen,  dio  Backenknochen  ziem* 
lieh  hervorstehend,  der  Mund  gross,  die  Lippen 
breit  und  schön  geschnitten,  aber  nicht  hervor- 
stehend, das  Kinn  rund  und  wohlgebildet. 

Ihrem  Charakter  nach  schildert  Wallace  die 
Malayen  als  sehr  zurückhaltend,  blöde,  misstrauisch. 
Der  Malaye  ist,  sagt  unser  Autor,  nicht  demon- 
strativ. Die  Gefühle  der  Ueberraschung,  der  Be- 
wunderung, der  Furcht  werden  nie  offen  zur  Schau 
getragen  und  wahrscheinlich  auch  nicht  tief  em- 
pfunden. Kr  spricht  langsam  und  überlegend, 
spricht  und  singt  nie,  wenn  er  allein  ist;  wenn 
Mehrere  zusammen  in  einem  Canon  rudern,  so 
singen  sie  gelegentlich  ein  monotones  und  klagen- 
des Lied.  Wirkliches  Scherzen  ist  seiner  Natur- 
anlage ganz  zuwider.  Eine  Verletzung  der  Eti- 
quette  oder  irgend  einen  Eingriff  in  seine  persön- 
liche Freiheit  oder  in  die  eines  Andern  empfindet 
er  besonders  tief.  Die  hohem  Classen  der  Malayen 
sind  nach  unserzn  Gewährsmann  ausserordentlich 
höfliche  Leute  und  sie  haben  alle  das  ruhige  Wesen 
und  die  Würde  des  besterzogenen  Europäers.  Doch 
ist.  dies  vereinbart  mit  einer  rücksichtslosen  Grau- 
samkeit und  Verachtung  des  menschlichen  Lebens, 
welches  die  dunkle  Seite  ihre»  Charakters  ausmacht. 
Es  erklärt  dies,  wie  frühere  Reisende  die  wider- 
sprechendsten Berichte  über  den  Charakter  dieses 
Volkes  geben  konnten.  Die  Malayen  bestehen  nach 
Wallace  aus  einem  grossen  und  oinigeu  kleineren 
halbcivilisirten  Stämmen  und  einer  Anzahl  solcher, 
welche  man  Wilde  nennen  kann.  1.  Die  eigent- 
lichen Malayen  bewohnen  die  Halbinsel  Mabika 
und  fast  alle  Küstengegenden  von  Borneo  und 
Sumatra.  Sie  sprechen  alle  die  malayische  Sprache 
oder  Dialekte  derselben,  sie  schreiben  mit  ara- 
bischen Buchstaben  und  sind  ihrer  Religion  nach 
Muhamedaner.  Von  diesen  ächten  Malayen  er- 
zählt der  Verfasser  im  Verlauf  seiner  Schilde- 
rungen manche  charakteristische  Züge;  so  sagt  er 
von  den  Einwohnern  von  Palembaug  (Sumatra): 
„Die  Eingeborenen  sind  ächte  Malayen,  sie  bauen 
nie  ein  Haus  auf  dem  Trocknen,  wenn  sie  Wasser 
finden  und  gehen  nirgends  zu  Fass  hin,  wenn  sie 
den  Ort  in  einem  Kahn  erreichen  können.“  Diese 
„seefahrenden“  Eigenschaften  erklären  Vieles  in  der 
weiten  Verbreitung  der  Malayen  (I.  S.  174).  Und 
weiter  (S.  179)  hei  einer  andern  Gelegenheit  spricht 
Verf.  seine  Meinung  dahin  aus,  dass  die  Malayen 
ursprünglich  ein  seefahrendes  und  wasserliebendes 
Volk  gewesen  sind,  welches  seine  Häuser  auf  Pfo- 
sten am  Wasser  aufbaute  und  nur  allmählig  land* 


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13G 


Referate. 


einwärts  zuerst  die  Flüsse  und  Bäche  hinauf  und 
dann  in»  trockene  Innere  gewandert  ist.  2.  Die 
Javaner  bewohnen  Java,  einen  Thoil  von  Sumatra, 
Mudura,  Bali  und  oinen  Theil  von  Lombok;  sie 
sprechen  die  javanische  und  die  Kawi- Sprache, 
welche  sie  mit  eigenen  Buchstaben  schreiben.  Sie 
sind  jetzt  Muhamedaner  auf  Java,  aber  Braminen 
auf  Bali  und  Lombok.  3.  Die  BugiB  sind  die 
Einwohner  des  grössten  Theila  von  Celebes  und 
daB  Volk  von  Sumbawa  scheint  ein  verwandtes 
zu  sein.  Sie  sprechen  die  Bugis-  und  Mangkassar- 
Sprache  in  Dialekten  und  haben  zwei  von  ein- 
ander verschiedene  Buchstaben,  mit  welchen  sie 
diese  schreiben.  Sie  sind  alle  Muhamedaner.  Als 
eine  vierte  grosse  Race,  die  aber  Verf.  nicht  aus 
eigener  Anschauung  kennt,  kann  die  der  Ta* 
galen  auf  den  Philippinen  bezeichnet  werden 
(von  denen  viele  jetzt  Christen  sind  und  die  das 
Spanische  so  gut  als  ihre  eigene  Sprache,  das  Ta- 
gala,  reden),  und  als  eine  fünfte  die  Molukken- 
Malayen,  welche  hauptsächlich  Ternate,  Tidur, 
Batchian  und  Amboiua  bewohnen.  Sie  siud  olle 
Muhamedaner,  aber  sprechen  eine  Menge  seltsamer 
Sprachen,  welche  aus  den  Bugis-,  den  juvanischeu 
und  anderen  Sprachen  der  wilden  Stämme  der 
Molukken  zusammengesetzt  scheinen.  Eine  sechste 
Abtheilung  bilden  die  wilden  Stämme;  dos  sind 
die  Dajaks  von  Borneo,  die  BattakB  und  andere 
wilde  Stämme  vou  Sumatra,  die  Jakuns  der  ma- 
layischen  Halbinsel,  die  Ureinwohner  von  Nord- 
Celebes,  der  Sula- Insel  und  eines  T heiles  von 
Buru.  Von  den  Dajaks  giebt  er  an,  dass  ihre 
Durch&chnittsgrbgse  bedeutender  sei  als  die  der 
Malaven,  allein  beträchtlich  unter  der  der  meisten 
Europäer  bleibe;  ihre  Formen  seien  gut  propor- 
tionirt,  Hände  uud  Füsse  klein  und  sie  erreichen 
selten  oder  nie  den  Körperuinfang , den  man  oft 
bei  Malayen  uud  Chinesen  sehe.  In  Betreff  ihrer 
intellectuellen  Capacität  ist  Verfasser  geneigt,  die 
Dajaks  über  die  Malayeu  zu  stellen;  was  ihren 
mor&ÜHchen  Charakter  betrifft,  sollen  sie  unzweifel- 
haft höher  stehen.  Sie  sind  nach  unserin  Autor 
einfach,  ehrlich,  lebhafter,  geschwätziger,  weniger 
geheim nissvoll  und  weniger  misstrauisch  als  die 
Malayen.  — In  einem  Punkt  scheint,  wie  uns  dünkt, 
die  ethnographische  Anschauung  uuaers  Autors  et- 
was mehr  als  billig  von  seinen  geographischen  An- 
sichten beeinflusst;  er  sagt  einmal,  die  malayiBche 
Race  als  Ganzes  gleiche  zweifellos  sehr  genau  der 
ostasiatiBchen  (mongolischen)  Bevölkerung  von  Siam 
bis  nach  der  Mautschurei  und  fügt  zum  Beweise  bei, 
er  habe  auf  der  Insel  Bali  chinesische  Händler  ge- 
sehen, welche  die  Sitten  jenes  Landes  angenommen 
hatten  und  kaum  von  den  Malayen  unterschieden 
werden  konnten,  und  auf  der  andern  Seite  habe  er 
Eingeborene  von  Java  gesehen,  welche,  was  ihre 
Physiognomie  anlangt,  sehr  gut  für  Chinesen  gel- 
ten konnten. 


B.  Sehr  verschieden  vou  der  malayischeu  ist 
nun  die  Papua- Race.  Die  Farbe  des  Körpers 
ist  tief  schwarzbraun  oder  schwarz;  sie  erreicht 
zwar  nie  das  Kohlschwarz  einiger  Negerracen,  aber 
nähert  sich  demselben  manchmal.  Das  Haar  ist 
sehr  oigenthümlich  rauh,  trocken  und  gekräuselt 
und  wächst  in  kleinen  Büscheln  oder  Locken, 
welche  in  der  Jugend  sehr  kurz  und  compakt  Bind, 
aber  später  zu  einer  beträchtlichen  Länge  aus- 
wachsen  und  die  coinpakte  gekräuselte  Perrücke 
bilden,  in  welcher  des  Papuas  Stolz  und  Ruhm 
besteht.  Das  Gesicht  ist  mit  einem  Barte  von  der- 
selben krausen  Art  wie  das  Kopfhaar  geschmückt. 
Die  Arme,  die  Beine  und  die  Rrnst  sind  mehr  oder 
weniger  mit  Haaren  gleicher  Art  bekleidet.  In 
seiner  Statur  übertrifft;  der  Papua  entschieden  den 
Malayen  und  ist  dem  Durchschnittseuropäer  viel- 
leicht gleich  oder  selbst  überlegen.  Die  Beine  sind 
lang  und  dünn  und  die  Hände  und  Füsse  grösser 
als  bei  den  Malayen.  Das  Gesicht  ist  etwas  ver- 
längert, die  Stirne  flach,  die  Brauen  sehr  hervor- 
stehend, die  Nase  gross,  ziemlich  gebogen  und 
hoch  und  die  Oeffnungen  derselben  hinter  der  ver- 
längerten Nasenspitze  verborgen;  der  Mund  ist 
gross,  die  Lippen  dick  und  aufgeworfen;  das  Ge- 
sicht liAt  daher  in  Folge  der  grossen  Nase  im 
Ganzen  ein  mehr  europäisches  Aussehen  als  das 
des  Malayen  und  die  eigentümliche  Form  dieses 
Organs,  die  hervorstehendeu  Bruueu  und  der  Cha- 
rakter des  Haares  auf  dem  Kopfe,  im  Gesicht  und 
auf  dem  Körper  setzen  uns  in  den  Stand,  die  bei- 
den Racen  auf  einen  Blick  zu  unterscheiden.  Verf. 
bemerkt  dabei,  dass  die  eigentümliche  Form  der 
Nase  steta  auch  in  den  Figuren  dargestellt  werde, 
welche  sie  als  Schmuck  für  ihre  Häuser  schnitzen, 
oder  als  Amulette  um  den  Hals  tragen.  Referent 
kann  dem  beifügen,  dass  an  den  als  Siegestrophäen 
aufbewulirten  Schädeln  dasselbe  stattfindet;  er  be- 
sitzt einen  derartigen  Schädel  aus  der  Torres- 
strassu,  an  welchem  eine  Nase,  aus  Ilolz  geschnitzt, 
und  Augen  aus  Muschelschalen  angebracht  sind. 
Die  erstere  zeigt  ebenfalls  vollkommen  die  eben 
beschriebene  gebogene  Form. 

Die  moralischen  Charakteristiken  scheinen  ihn 
nach  Wallace  eben  so  deutlich  von  dem  Malayen 
zu  unterscheiden,  wie  seine  Gestalt  und  seine  Ge- 
sichtszüge. Er  ist  impulsiv  und  demonstrativ  in 
Sprache  und  Handlung.  Seine  Erregungen  und 
Leidenschaften  drücken  sich  in  Schreien  uud  Ge- 
lächter, in  Geheul  und  ungestümen  Sprüngen  aus. 
Die  Schilderung  der  ersten  Papuas,  die  Wallace 
sah,  als  er  in  einem  Boot  von  Matigka&sar  nach 
den  Aru-Inseln  reiste  und  eine  Anzahl  Papua's  der 
Kci-Inseln  an  Bord  kamen  (Bd.  II,  S.  1G3  der 
Uebersetsung)  ist  eino  so  plastische,  dass  wir  ganz 
besonders  darauf  aufmerksam  machen.  Der  Gegen- 
satz dieser  unruhigen  wilden  Horde  gegen  die 
ernsten  Malayen  ist  ein  so  grosser,  dass  Wallace 


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Referate. 


137 


sagt:  „wenn  ich  blind  gewesen  wäre,  so  hätte  ich 
sicher  sein  können»  das«  diese  Inselbewohner  keine 
Malayen  sind.  Nicht  einer  der  vieraig  schwarzen 
nackten  hässlichen  Wilden  konnte  auch  nur  einen 
Moment  still  sein.  Sie  drückten  ihre  Zufrieden* 
heit  durch  Grinsen  und  Schreien  aus»  wälzten  sich 
auf  Deck  hin  und  her  und  stürzten  sich  kopfüber 
über  Bord.  Schulknaben  an  einem  unerwarteten 
Feiertage,  Irländer  auf  einem  Jahrmarkt  oder  See- 
kudetten  am  I*aude  geben  nur  eine  schwache  Vor- 
stellung Ton  der  übermässigen  thierischon  Freude 
dieser  Menschen. * — und  weiter  — „die  Malayen 
kamen  mir  hierbei  vor,  wie  eine  Gesellschaft  be- 
scheidener und  wohlerzogener  Kinder,  in  welche 
plötzlich  eine  Schaar  wild  sich  balgender,  ausge- 
lassener Knaben  hineinbricht,  deren  Betragen  höchst 
außergewöhnlich  und  sehr  ungezogen  zu  Bein 
scheint.“ 

Die  typischen  Papuas  bewohnen  Neu -Guinea, 
die  Kei-  und  Aru-Inseln  mit  Misole  Salwatti 
und  Wageu,  dann  Timor  und  Samoa- 

C.  Zwischen  diesen  beiden  ungemein  acharf 
geschiedenen  Racen,  den  Papuas  und  den  Malayen 
zerstreut,  wohnen  nun  noch  eine  Anzahl  von  Völ- 
kerschaften, die  mit  keiner  der  beiden  Racen  ganz 
übereinstimmen  und  die  man  al«  intermediäre 
Racen  bezeichnen  kann.  Zu  diesen  rechnet  Wal- 
lace  die  Bewohner  der  nördlichen  Halbinsel  von 
Dschilolo  (Alfuren  v.  Sahoe  und  Galela),  die  von 
den  Malayen  fast  ganz  verBchicden  seien  und  eben- 
so von  den  Papuas  (grosB  und  wohl  gebaut,  mit 
papuanischen  Gesichtszügen  und  krausem  Haar, 
bärtig  und  am  Körper  haarig,  aber  eben  so  bell 
in  der  Farbe  wie  die  Malayen).  Dieser  ähnlich  sei 
die  eingeborene  Race  von  Ceram.  Auf  der  Insel 
Buru  scheinen  zwei  Racen  zu  existiren,  die  eine 
der  eben  erwähnten  gleich,  die  andere  klein,  mit 
rundem  Gesicht  und  malayischer  Physiognomie.  — 
Während  die  Titnorescu  und  die  Bewohner  von 
Samoa  den  Charakter  der  Papuas  zeigen,  sollen 
dagegen  die  der  westlich  von  diesen  gelegenen 
Inseln  Sawu  und  Rotti  sehr  verschieden,  sowohl 
von  den  Malayen  als  den  Papuas,  sein  und  mit 
ihren  schön  geformten  Zügen,  den  graden  dünnen 
Nasen  und  ihrer  klaren  braunen  Gesichtsfarbe  mehr 
Hindus  ähneln,  oder  der  Race,  die  durch  eine  Mi- 
schung des  Hindu  oder  Araber  mit  dem  Malaypn 
hervorgebracht  ist  Die  schwarzen  wollhaarigcn 
Racen  dev  Philippinen  (Negritos)  und  der  malay- 
i sehen  Halbinsel  (Semängs)  hat  Verf.  nicht  selbst 
gesehen,  glaubt  aber,  dass  sie  wenig  Verwandt- 
schaft mit  den  Papuas  haben,  mit  denen  sie  bis 
jetzt  zusammengestellt  worden  seien. 

Die  Trcntiungsliuic  der  beiden  Hauptracen, 
der  roalayischen  und  der  Papuarace,  haben  wir  oben 
angegeben,  ebenso,  dass  Wallace,  wie  wir  glau- 
ben, der  Natur  einige  Gewalt  anthnend,  die  erstore 
mit  den  ostasiatischen  Racen  zusammenwirft.  Was 

Arehlr  für  Anthropologie.  Bd.  IV.  M«ft  IL 


nun  aber  den  östlich  von  dieser  Linie  gelegenen 
Thoil  des  Archipels  betrifft,  so  ist  Wallace,  auf 
Grund  seiner  eigenen  und  fremder  Beobachtungen 
geneigt,  anzunehmen , dass  eine  in  allen  ihren 
Hauptzügen  mit  den  Papuas  identische  Race  auf 
allen  Inseln  bis  nach  Osten  auf  den  Fidschi-Inseln 
an  getroffen  werde;  jenseits  dieser  sei  die  braune 
polynesische  Race  oder  ein  intermodianer  Typus 
überall  hin  über  den  stillen  öcean  verbreitet.  Wei- 
ter bemerkt  aber  dann  Verf.,  dass  „die  braune 
und  die  schwarze  polynesische  Race  sich  einander 
genau  gleichen.  Ihre  Gesichtszüge  sind  fast  iden- 
tisch, so  dass  Porträts  eines  Neuseeländers  oder 
Otateitiers  oft  genug  dazu  dienen  können,  einen 
Papua  oder  Tirooresen  darzustellen,  indem  die  dunk- 
lere Farbe  und  das  krausere  IIoAr  der  letzteren 
die  einzigen  Unterschiede  ausmachen. u Verf.  hält 
also  die  Braunen  und  Schwarzen,  die  Papuas,  die 
Eingeborenen  von  Dschilolo  und  Ceram,  die  Fid- 
schi-Insulaner, die  Einwohner  der  Sandwich-Inseln 
und  die  von  Neuseeland  alles  für  variirende  For- 
men einer  grossen  oceanischen  oder  polynesischen 
Race  und  die  zahlreichen  intermediären  Formen, 
welche  auf  den  zahlloBcji  Inseln  des  stillen  Oceans 
Vorkommen,  nicht  für  das  Resultat  einer  Mischung, 
sondern  für  wirklich  intermediäre  oder  Ueber- 
gnngsracen.  Von  der  Verwandtschaft  der  Papuas 
mit  der  australischen  Race,  die  doch  eigentlich  fast 
die  nothwendigste  Conaequenz  seiner  Theorie  wäre, 
spricht  Wallace  merkwürdiger  Weise  gar  nicht. 
Wir  müssen  überhaupt  gestehen,  das«  in  dieser 
letzteren  Frage  unser  Autor  den  Boden  des  beob- 
achtenden Naturforschers  etwas  zu  sehr  verlassen 
zu  haben  scheint,  dessen  Aufgabe  es  vielmehr  ist, 
dio  unterscheidenden  Merkmale  sorgfältig  aufzu- 
suchen, als  Racen  nach  jedenfalls  lange  nicht  ge- 
nügend erkannten  Charakteren  zusammen  zu  werfpn. 

In  einem  Anhang  (Schädel  und  Sprachen  der 
Menschcnracen  des  malavischen  Archipel)  kommt 
endlich  Verf.  auch  auf  die  craniologiBchen  Unter- 
schiede zu  sprechen.  Craniologische  Studien  hat 
der  Verf.  auf  seiner  Reise  nicht  gemacht  , auch 
scheint  ihm  die  Anatomie  überhaupt  ziemlich  fern 
zu  liegen.  Das  Material  zu  den  in  diesem  Anhang 
gemachten  Vergleichungen  lieferte  ihm  dus  Werk 
von  Davis  (Thesaurus  Craniorum).  Er  nahm  drei 
Maasse  heraus,  die  Capacität,  den  Schädclindex  und 
den  Höhonlängenindex,  und  verglich  diese  bei  83 
malavischen  Schädeln,  28  Papuas  (darunter  vier 
ächte,  der  Rest  von  den  Solomons-  u.  den  Fidschi- 
In&eln  etc.),  156  Polynesier,  23  Australier,  72  Ne- 
ger. Die  einzigen  Schlüsse,  welche  er  aus  seiner 
Tabelle  ziehen  zu  können  glaubt,  sind  die,  dass 
die  Australier  die  kleinsten  Schädel,  die  Poly- 
nesier die  grössten  haben;  Neger,  Malayen  diffc- 
riren  nicht  wesentlich  in  der  Grösso.  Die  Austra- 
lier haben  die  längsten  Schädel,  dann  dio  Neger, 
die  Papuas,  die  Polynesier  und  die  Malayen.  Die 

18 


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138 


Referate. 


Australier  haben  auch  die  niedrigsten  Schädel, 
dann  die  Neger,  die  Polynesier  und  Papuas  mit 
beträchtlich  höhern  und  gleichen  und  die  Malaycn 
mit  den  höchsten.  Ganz  richtig  fügt  Wallace  am 
Schlüsse  bei:  „Es  scheint  daher  wahrscheinlich, 
dass  wenn  wir  eine  viel  ausgedehntere  Keihe  von 
Schädeln  hätten,  die  Durchschnittszahlen  uns  ziem* 
lieh  zuverlässige  Racencharaktere  geben  würden, 
wenn  sie  auch,  in  Anbetracht  der  bedeutenden  indi- 
viduellen Verschiedenheiten,  in  einzelnen  Beispielen 
nie  etwas  nützen  und  auch  nicht,  wenn  eine  nur 
tnässige  Zahl  verglichen  werden  kann. 

II.  Die  zweite  Reihe  der  für  uns  interessanten 
Mittheilungen  bezieht  sich  auf  den  Orang-utan 
oder  Mias,  wie  ihn  die  Eingeborenen  nennen,  über 
dessen  Lebensweise  natürlich  jedwede  genauere 
Mittheilung  ein  besonderes  Interesse  in  Anspruch 
nimmt.  Wallace  war  so  glücklich,  einen  ganz 
jungen  weiblichen  Orang-utan  zu  bekommen  und 
denselben  nahezu  drei  Monate  am  Leben  zu  er- 
halten und  zu  beobachten.  Im  Vergleich  mit  einem 
jungen  Affen  (Macacus  cynomolgua),  den  Verf.  zu 
ihm  in  denselben  Kasten  setzte,  benahm  sich  der 
kleine  Orang,  was  Unbehülflichkeit  und  Unarten 
betrifft,  entschieden  sehr  anthropoid.  Auch  über 
die  Sitten  des  erwachsenen  Thiers,  von  denen  er 
17  erlegte,  theilt  Verf.  manches  Interessante  mit, 
in  Betreff  dessen  wir  aber  den  Leser  auf  das  Buch 
selbst  verweisen  müssen  (Bd.  I.  Cap.  4). 


VII. 

L.  Geiger,  Der  Ursprung  der  Sprache.  Stuttgart. 
1869.  XXX.  282.  SS. 

Der  Ursprung  der  Sprache,  diese  Frage,  die 
von  jeher  die  kühnsten  Denker  beschäftigt  hat, 
musste  ein  neues  Interesse  gewinnen,  seitdem  die 
Naturwissenschaft  der  Erforschung  der  Urzustände 
des  Menschengeschlechts  ihre  tiefste  Thcilnahme 
zugewandt  hat.  Auf  der  andern  Seite  hat  die 
Sprachwissenschaft  in  nnserm  Jahrhundert  eine 
ganz  audere  Gestalt  uugenoniinen : an  die  Stelle 
der  früheren  etymologischen  Spielerei  ist  die  Sprach- 
vergleichung getreten,  die  in  den  scheinbar  gröss- 
ten Abweichungen  das  Resultat  einer  nach  stren- 
geu  Gesetzen  fortschreitenden  Entwicklung  nach- 
gewiesen  hat.  Wesentlich  von  der  letzteren  Seite, 
von  der  Sprachwissenschaft  aus , deren  bisherige 
Ergebnisse  er  sicher  beherrscht,  geht  Geiger  dar- 
auf aus,  das  in  den  Naturwissenschaften  so  mäch- 
tige Princip  der  Entwicklung  auch  auf  die  Unter- 
suchung des  ältesten  Sprach  bestände»  nnzuwenden 
und  in  immer  kleineren  Kreisen  die  Entstehung 
der  Sprache  und  damit  der  Vernunft  auf  einen 
Punkt  zurückzuführen. 


Doch  verfolgen  wir  die  Ged&ukenreihe  des 
Verf.  nach  seiner  Anordnung.  Der  I.  Abschnitt 
bespricht  die  bisherigen  Versuche,  den  Ursprung 
der  Sprache  zu  erforschen.  Das  Ergebnis^  ist  die 
Aussichtslosigkeit  der  bis  jetzt  eingeschlagenen 
Wege,  ein  Ergebniss,  das  von  der  Sprachwissen- 
schaft seihst  ausgesprochen  ist,  indem  sie  wohl  die 
Aufgabe  anerkennt,  den  ältesten  Sprachbestand 
darzustellen,  hier  die  Wurzeln,  dort  die  Beziehungs- 
elemente und  ihre  Bedeutung  zu  bezeichnen,  da- 
gegen die  Frage  unbedingt  zurückweist,  wurum 
diese  oder  jene  Laut  verbin  düng  diese  oder  jene 
Bedeutung  habe.  Die  Vertreter  der  Sprach  Wissen- 
schaft glauben  hier  den  Boden  des  beweisbaren  zu 
verlassen  und  damit  über  die  Grenzen  der  Wissen- 
schaft hinauszugehen. 

Geiger  wagt  diesen  Schritt,  indem  er  zu- 
nächst (II.)  eine  allerdings  verbreitete  Ansicht 
über  den  Spracbzustand  der  vorhistorischen  Zeit 
vernichtet.  Die  Meinung  war  bisher,  dass  die  Wur- 
zeln, das  letzte  Ziel,  welches  die  Sprachforschung 
erreicht  hntte,  mit  einerlei  Lauten  auch  einerlei 
Bedeutung  verbunden  hätten.  Gewiss  mit  vollem 
Recht  weist  Geiger  dies  zurück:  ein  solcher  Ruhe- 
puukt,  von  dem  die  spätere  Entwicklung  der  Be- 
deutungen ausgegangen  wäre,  ist  nicht  denkbar; 
wie  in  den  spätesten,  so  muss  auch  in  den  frilhäteu 
Zeiten  eine  stetige,  wenn  auch  unmerkbar  lang- 
same Veränderung  stattgefunden  haben. 

Sehr  schön  wird  (III.)  als  der  Hebel  dieser 
Bewegung  die  Verwechselung  nachgewiesen.  Die 
Analogie  ist  cs,  welche  von  einem  Begriffe  zum 
andern  überleitet  Indem  der  Mensch  die  Ver- 
schiedenheit der  bemerkten  Gegenstände  wahr- 
nimmt, indem  er  das  ursprünglich  allein  erfasste 
allgemeine  Bild  von  den  Besonderheiten  trennt, 
erweitert  er  sein  Sprachgebiet.  Das  hauptsäch- 
lichste Mittel  seiner  Wahrnehmungen  aber  ist  der 
Gesichtssinn;  durch  das  Wachst  hum  der  Empfin- 
dungen dieses  Sinnes  geht  die  Sprachentwicklung 
vor  sich;  ja  Geiger  will  auf  sie  den  letzten  Ur- 
sprung der  Sprache  zurückführen. 

Was  wird  nun  zuerst  wahrgenommen?  Diese 
Frage  behandelt  der  IV.  Abschnitt.  Es  sind  überall 
die  Bewegungen  und  zwar  vor  allem  die  mensch- 
lichem. Keine  eher  aber  als  die  deß  menschlichen 
Antlitzes,  das  Schliesßen,  Verzerren  etc.  des  Mun- 
des. „Das  erste  Sprachobject  trifft  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  mit  demjenigen  selbst  zusam- 
men wodurch  es  zum  Ausdrucke  kam:  es  war  eine 
dem  ersten  Sprachscbrei , der  ersten  Sprachbewe- 
gung  vielleicht  völlig  gleichende  gesehene  und 
gehörte  Bewegung  eines  menschlichen  Mundes*1 
(Seite  165). 

Der  V.  Abschnitt  bespricht  das  Verhältnis«, 
in  welchem  die  menschliche  Sprache  und  Vernunft 
zu  den  Fähigkeiten  der  Thiere  steht.  Den  Haus- 
thieron  wird  wenigstens  ein  beschränktes  Verständ- 


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Referate, 


130 


niss  des  menschlichen  Wertes  zugewiesen,  der  In* 
etinct  der  Biene  dagegen  als  etwas  durchaus  ver- 
schiedenes aufgezeigt.  Es  schließen  allgemeine 
Betrachtungen  über  das  Wesen  der  Vernunft  und 
die  Behauptung  eines  Wachsthums,  welches  sie  von 
den  niederen  Stufen  zu  der  Höhe  geführt  habe,  in 
der  wir  sie  in  den  grossen  Geistern  unseres  Ge- 
schlechtes bewundern. 

Soweit  die  Grundzüge  des  Buches,  wenn  es 
uns  möglich  gewesen  ist,  ihnen  mit  wenigen  allge- 
meinen Worten  gerecht  zu  werden.  Von  der  Fülle 
feiner  Bemerkungen,  die  theils  als  Ausführungen 
im  Texte,  theils  als  Belege  in  den  Anmerkungen 
sich  finden,  konnte  hier  auch  nicht  eine  Probe  ge- 
geben werden.  Der  Sprachforscher  wird  sie  ebenso 
dankbar  aufnehmen,  als  der  Anthropologe  aus  ihnen 
die  Ergebnisse  der  jetzigen  Sprach  Wissenschaft  er- 
fahren wird. 

Freiburg  i.  B.  Ernst  Martin. 


VIII. 

Hi s,  Ueber  die  Bedeutung  der  Entwicklungsge- 
schichte für  die  Auffassung  der  organischen 
Natur.  (Bectoratsrede,  gehalten  in  Hasel  am 
4.  November  1869.)  Leipzig.  1869.  8#.  40  S. 

Der  um  die  Entwicklungsgeschichte  so  sehr 
verdiente  Verf.  hat  in  dieser  Schrift  die  Bedeutung 
der  interessanten  Ergebnisse,  zu  welchen  ihn  seine 
Studien  über  die  allerersten  Entwicklungsvorgftnge 
beim  Hühnchen  führten,  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen genauer  dargelegt  und  die  Beziehungen,  in 
welchen  die  Entwicklung  der  Individuen  zur  Ent- 
wicklung der  Species  steht,  einer  Betrachtung 
unterzogen.  Bekanntlich  waren  die  ersten  Vor- 
stellungen, die  man  sich  über  Entwicklungsvor- 
gänge machte,  sehr  mechanischer  Art,  wie  auch 
aus  den  eingeführten  Bezeichnungen:  Einstülpung, 
Ausstülpung,  Faltung  etc.  hervorgeht,  und  Forscher 
wie  Bär  und  Bischof f sahen  sich  veranlasst,  ge- 
gen eine  zu  mechanische  Auffassung  von  Vorgängen 
zu  plaidiren,  die  reine  „Wachsthumserscheinungen“ 
seien.  Dass  dieses  langsame  Wachsthum  selber 
nun  aber  in  der  That  doch  ein  durch  mechanische 
Gesetze  beherrschter  Vorgang  ist,  das  nachgewiesen 
zu  haben  ist  das  grosse  Verdienst  des  Verfassers, 
und  die  mechanischen  Grundgesetze  des  Wachs- 
thums des  Keims,  die  er  hierbei  gefundon  hat 
überraschen  in  der  That  durch  ihre  Einfachheit 
sowohl  als  durch  ihre  weitgreifende  Herrschaft. 
Aus  dom  fundamentalen  Faltenwurf  des  blatt- 
förmigen Keims,  der  in  Folge  des  nicht  überall 


gleichmäßigen  Wachsthums  nach  mechanischen 
Gesetzen  an  bestimmten  Stellen  entstehen  muss, 
resultirt  mit  zwingender  Xothwendigkeit  die 
ganze  spätere  Gestaltung  des  Embryo,  und  die 
kleinste  Differenz  in  der  Anlagu  dieser  primitiven 
Faltungen  kann  die  grössten  Verschiedenheiten  im 
späteren  Bau  bedingen.  „So  wird  dadurch, 
dass  wir  von  der  Gestaltung  als  von  der 
abgeleiteten  Function  auf  das  Wachsthum 
als  die  Grundfunction  zurückgehen,  nicht 
nur  die  Geschichte  individueller  Körpor- 
hildung  zu  einem  mechanischen  Problem, 
sondern  es  erscheint  auch  die  Beziehung 
der  verschiedenen  organischen  Formen  zu 
einander  in  einem  neuen  sehr  viel  verein- 
fachten Lichte.**  — So  müsse  schliesslich  das 
Wachsthum  jedes  organischen  Keims,  als  ein  nach 
Zeit  und  Baum  streng  normirter  Vorgang,  einen 
mathematischen  Ausdruck  besitzen,  in  welchem  die 
Wachsthumsgeschwindigkeit  jedes  Punktes  in  ihrer 
Abhängigkeit  von  der  Zeit  und  von  der  Lage  be- 
stimmt ist.  Auch  das  grosse  Reich  organischer 
Gestalten  sei  der  Herrschaft  der  Zahlen  nicht  ent- 
zogen, gelte  doch  diese  selbst  in  den  weit  höheren 
Sphären  physischen  Lehens.  Verf.  weist  dann  dar- 
auf hin,  wie  sich  durch  diese  mechanische  Auf- 
fassung die  lange  abgebrochene  Verbindung  zwi- 
schen morphologischer  und  physiologischer  Betrach- 
tungsweise wieder  herstelle,  wie  die  Begriffe  von 
Typus  and  Homologie  nun  nicht  nur  eine  histo- 
rische, sondern  eine  mechanische  Bedeutung  be- 
kommen, wie  das  Prinzip  der  Einheit  (Harmonie 
des  Typus)  erst  jetzt  eine  schärfere  Begründung 
erhalte  und  wie  erst  jetzt  ein  physiologisches 
Verständnis»  der  Homologieen  ermöglicht  werde. 
Der  Darwinschen  Lehre  gegenüber  bemerkt  der 
Verf.,  dass  wenn  die  genealogische  Verwandtschaft 
der  organischen  Wesen  wirklich  in  jener  Alles  um- 
fassenden Ausdehnung  bestehe,  wie  sie  die  Theorie 
statuirt,  die  typischen  und  entwicklungsgeachicht- 
liehen  Uebereinntim  raun  gen  allerdings  als  selbst- 
verständliche Consequenzen  erscheinen.  Aus  die- 
sen aber  auf  die  Blutsverwandtschaft  zurückzu- 
schliessen,  möchte  von  dem  Augenblick  an  nicht 
mehr  gestattet  sein,  da  sich  Aussicht  eröffnet, 
„die  verschiedenen  Entwicklungsrichtungen  als  er- 
schöpfende Verwirklichungen  eines  mathematisch 
bestimmbaren  Kreises  möglicher  Wachsthnmsweisen 
zu  erkennen.  Auch  die  Krystalle  der  unbelebten 
Natur  lassen  sich  nach  ihren  Formen  in  Reiheft 
ordnen,  ohne  dass  wir  deshalb  diesen  Formenreihen 
die  Bedeutung  von  Entwicklungsreihen  zuzuachrei- 
ben  versucht  sind.“ 


13* 


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VIII. 


Kleinere  Mittheilungen. 


1.  Die  Chiloten.  Aur  einem  Schreiben  von  Dr. 
Carl  Martin,  Arzt  in  Puerto  Montt  (Süd- 
chile), 20.  December  1869. 

....  Wir  sitzen  hier  in  einem  der  von  den 
Culturcentren  entferntesten  Winkel,  an  einem  der 
Endpunkte  der  grossen  Postlinien,  die  dio  Erde 
überziehen.  Unsere  Bevölkerung  besteht  aus  eini- 
gen Beamten  und  Auswürflingen  der  chilenischen 
Oligarchie , aus  einem  bunten  Gemisch  von  Seeleu- 
leuten  und  Krämern  aller  Kationen,  welche  eben- 
falls die  spanische  Sprache  als  Umgangssprache 
benutzen  — darunter  Vollblutneger,  Hindus,  Nord- 
amerikaner, Norweger,  Böhmen  u.  s.  f.  — aus  einer 
festgescblossenpn  deutsch-evangelischen  und  einer 
deutschen  katholischen,  von  den  Jesuiten  geleite- 
ten Gemeinde,  und  endlich  aus  einem  alle  anderen 
Classen  an  Zahl  überwiegenden,  aber  ausserordent- 
lich schwankenden  Contingente  chilenischer  Holz- 
arbeiter und  sonstiger  Tagelöhner,  von  allen  ande- 
ren verachtet«  Parias.  Sie  sind  fast  rein  indiani- 
scher Abkunft , gehören  aber  zu  den  von  den  fest- 
ländischen Indianern  tief  verachteten  Indianern 
der  Inseln,  dio  sich  nicht  wie  die  Arnucaner  und 
Patagonier  von  Jagd  und  Feldfrüchten,  sondern 
hauptsächlich,  den  Feucrläudern  entsprechend,  von 
Seeauswürfen , Muscheln,  Schnecken,  Tang  u.  s.  w. 
nähren.  Sie  werden  nach  der  lusel  Chiloe,  von 
welcher  sie  meist  kommen,  Chiloten  oder  dem  Stande 
nach  Peones  oder  TrabAjadores  de  len*  genannt. 
Ihnen  stehen  alle  anderen  als  Caballeros  gegen- 
übe#, am  meisten  feindlich  oder  wenigstens  exclu- 
siv die  echten  Chilencr  aus  dem  Norden. 

Diese  Chiloten  scheinen  nun  noch  nicht  so 
sehr  weit  über  die  Lebensweise  der  Pfahlbauten- 
bewohner hinaus  zu  sein.  Sie  wohnen  gern  am 
Meeresstrande,  beschäftigen  sich  dann  sehr  viel 
mit  dem  Aufsuchen  und  Ausgrabon  der  sehr  gros- 
sen und  zahlreichen  Seethiere,  die  sie  fast  alle  essen, 
entweder  roh  oder  auf  sehr  verschiedene  Weise 
zubereitet.  Besonders  beliebt  ist  bei  ihnen  eine 
Festlichkeit,  „curanto4*  genannt,  dio  darin  besteht, 


dass  in  die  Erde  heisse  Steine  geworfen  werden, 
darauf  alle  möglichen  Seethiere,  sowie  andere  Spei- 
sen, besonders  die  hier  ausserordentlich  üppig, 
auch  wild  gedeihende  Kartoffel,  „papa“,  dieStarom- 
nahrung  der  Feuerländer  nnd  Chiloten ; darauf 
wieder  heisse  Steine.  Sonst  werden  die  Muscheln 
und  Schnecken  aus  ihren  Schalen  und  Gehäusen 
genommen,  an  Binsen  aufgereiht  und  über  dem 
stetB  brennenden  Feuer  (von  dem  ja  auch  Feuer- 
land seinen  Namen  hat)  geräuchert  oder  auch  mit 
Pfeffer,  namentlich  dem  „Azi4*  genannten  rothen 
Pfeiler  genossen.  Wo  solche  Chiloten  gewohnt 
haben,  da  erkennt  man  die  Stätte  an  dem  Küchen- 
abfalle,  den  überaus  zahlreichen  Resten  von  Mü- 
cheln oder  Schneekenschalen,  die  grosse  Haufen 
bilden  und  fast  die  ganze  Küste  bedecken,  auch 
weit  einwärts  den  Zügen  dieser  Leute  folgen. 

Die  Chiloten  find  recht  gute  Seefahrer,  sowie 
sehr  kräftige,  ausdauernde  Holzhauer  und  Träger. 
Im  Frühjahr,  September  bis  Januar,  kommen  sie 
herüber:  mit  jedem  Südwinde  habe  ich  ihre  klei- 
nen hübschen  Segler,  „Lanchas“,  von  den  gegen- 
überliegenden Inseln  her  überfahren  gesehen.  Von 
hier  gehen  sie  dann  meist  an  der  Küste  entlang 
oder  gleich  ins  Land  hinein  und  suchen  Alercale 
oder  Schläge  von  Alercebäumen.  Es  sind  dies 
grosso  Waldbäume,  die  in  botanischer  Hinsicht  dun 
Cy pressen  nahe  stehen , aber  auch  einige  Aehnlich- 
keit  mit  unseren  Fichten  haben*).  Ein  ursprüng- 
licher Alercenwald  muss  aber  etwas  düsterer  und 
kahler  als  ein  Fichtenwald  sein,  da  die  Bäume  viel 
grösser  und  stärker  sind  und  viel  weniger  Laubtragen, 
da  sich  ferner  ihre  Wurzeln  über  der  Erde  thei- 


•)  Alerce  (sti  deutsch  „Lärche“,  ein  Wort  wohl  des- 
selben Summe*  mit  Alerce)  »st  sicher  eine  Araucarla-Art; 
denn  Rinu*  and  Ln  rix  kommen  bekanntlich  aut  der  südlichen 
Hemisphäre  nicht  vor  und  werden  durch  andere  Gattung™ 
vertreten.  Den  Namen  Alerce  (Lärche)  gaben  die  Spanier 
diesem  Daum  ohne  Zweifel  wegen  einer  gewissen  Achnlkb- 
keit  desselben  mit  dcT  ihnen  takaunten  Lürch«. 

Di«  Red. 


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Kleinere  Mittheilungen.  141 


Jen  und  ausbreiten  und  ihre  Rinde  sehr  heil  ist. 
Neulich  habe  ich  zum  ersten  Male  einen  freilich 
schon  behauenen  Alercal  gesehen.  Welch  öder  An» 
blick!  Weithin  nichts  ab  weisse,  grau  und  schwarz 
angekohlte  Stämme,  die  ihre  abgestorbenen  Aeate 
wie  klagend  in  die  stille  Luft  streckten.  Darunter 
ein  wildes  Gewühl  von  abgehauenen , umgefallenen 
Räumen,  frischen  oder  verkohlten  Spänen,  wildver- 
flochtenen Wurzeln  über  dem  tiefen  Sumpfe  oder 
den  braunen  Watsserpf ätzen.  Die  Alorcetannen 

wachsen  nämlich  immer  auf  sumpfigen  Terrassen 
zwischen  grünem  ürwalde,  wie  er  die  Abhänge 
der  Bergrücken  bedeckt.  Durch  solchen  Urwald, 
aus  vielen  Laubbäumen  aller  Art,  bambusartigem 
Rohre  uud  wunderbar  schönen  Schlingpilauzen  und 
Schmarotzern  verfilzt,  hauen  sich  die  Holzhauer 
durch;  sie  machen  sich  Wege,  indem  sie  über  Berg- 
abhänge, Abgründe,  Sümpfe,  Bäche,  Wasserfalle 
u.  s.  w.  Bäume  mit  eiugehauenen  Stufen  und  Trit- 
ten hinlegeu,  die  freilich  für  Stiefel  sehr  schlüpfrig 
zu  »ein  pflegen.  Im  Alercale  selbst  machen  sie 
sich  Pinta,  indem  sie  die  abgefallenen  und  abge- 
storbenen Aeste  abbrennen.  Dann  hauen  sie  die 
passenden  Bäume  um  und  bearbeiten  sie  an  Ort 
uud  Stelle  unter  einer  improvisirteu  Bretterhütte, 
entweder  zu  Vigos  (Balken)  oder  Tablilios  (Pfosten), 
zu  Mochoe  (Eisenbahnschwellen)  oder  Tnblas  (Dach- 
schindeln), von  denen  jede  Sorte  genaue  Länge, 
Breite  und  Dicke  haben  muss,  kein  Astloch,  keinen 
Sprung,  noch  irgend  einen  Fehler  habcu  darf. 
Dann  werden  die  Vigos  von  Ochsen  weggoschlcift, 
die  übrigen  Holzstücke  aber  auf  dem  Rücken  getragen. 
Für  den  Ochsentransport  müssen  natürlich  beson- 
dere Wege  hergerichtet  werden,  für  den  Transport 
der  übrigen  Gegenstände  dienen  die  erwähnten 
Naturbrücken,  auf  denen  kolossale  Lasten  (ein  Chi- 
lote  trägt  mehr  als  ein  Pferd)  meilenweit  in  schnel- 
lem Laufe  auf  tfchwankenden  Balken  hin,  über 
grosse  uragefallene  Bäume  weg,  fortgetragen  wer- 
den. An  der  nächsten  bewohnten  Stelle  verkaufen 
oder  vertauschen  dann  die  Chiloten  das  Holz  an 
den  sogenannten  „Patron1*.  Sie  arbeiten  nämlich 
nie  selbstständig,  sondern  immer  im  Aufträge  eines 
Händlers,  am  liebsten  eines  deutschen  Colonisten. 
So  hat  sich  ein  ganz  eigentümliches  Fendalver- 
hält niss  ausgehildet.  Jeder  Colonist  besitzt  mehr 
Land  als  er  selbst  bebauen  kann,  die  meisten  auch 
sogenannte  Vorderchacaras,  hinter  denen  grosse 
Hinterländer  liegen,  zu  welchen  der  Weg  von  ihrem 
Giundstück  aus  führt  Auf  diesen  Ländereien  nun 
beschäftigt  er  als  sogenannte  „Inquilinos“  Arbei- 
ter, meist  Chiloten,  als  Tagelöhner,  Viehhirten  und 
gewöhnlich  als  Holzhauer.  Den  Lohn  zahlt  er 
fast  immer  zum  grössten  Theil  in  Waaren  aus,  von 
denen  er  stets  viel  vorräthig  hat:  Brot,  Fleisch, 
Baumwollen-  und  Wollenzeuge,  Branntwein  u.  s.  w. 
Er  nimmt  dafür  das  Holz  in  Empfang,  zeichnet  es 
mit  seiner  Marke , einem  Stahlstempcl , der  am 


Rücken  eines  Beiles  angebracht,  jedem  Stück  an  alle 
Flächen  eingeschlagen  wird,  so  dass  man,  ohne 
das  Stück  unverkäuflich  zu  verkleinern , sie  nicht 
wieder  unkenntlich  machen  kann.  Daun  wird 
das  Holz  entweder  ans  Meer  geschleift,  oder  bei 
den  Colonien  am  See  auf  diesem  in  Flössen  nach 
dem  Puerto  Varaa  gebracht,  hier  auf  Wagen  auf 
dem  recht  guten  Fahrwege  nach  unserem  Hafen 
gefahren,  da  von  den  Kaufleuten,  meist  Deutschen, 
dem  eigentlichen  Kerne  unserer  deutschen  Ge- 
meinde, in  Speicher,  „Bodegas",  gelegt  und  dann 
nach  dem  Norden  von  Chile,  nach  Bolivia  oder 
Peru  verkauft  Das  Alerceholz  ist  nämlich  ein  aus- 
gezeichnetes Bauholz.  Da  es  nicht  fault,  ist  es 
ausgezeichnet  zu  Eisenbahnschwellen , zu  Häusern, 
Dächern  u.  s.  w.  zu  verwenden.  In  neuerer  Zeit 
hat  man  es  auch  mit  Vortheil  nach  Europa  gebracht, 
da  es  das  beste  Holz  zu  Violin-  und  anderen  Re- 
sonanzkästen sein  soll,  auch  sehr  gut  zum  Ausklei- 
den resonnireuder  Säle,  Kirchen  u.  s.  w.  zum  Her- 
stellen resonuirender  Fussbodcn. 


2.  Nach  einer  mündlichon  Mitteilung,  die  mir 
Emil  v.  Schlagintweit  machte,  deflniren  dio 
Chinesen  dio  Kaukasior  als  „Leute  mit  tief- 
liegenden Augen  und  stark  vortretenden 
Nasen.“  — Von  dem,  was  fremden  Völkern  an 
uns  fremdartig  erscheint,  fällt  ein  Licht  zurück  auf 
die  wesentlichen  Eigentümlichkeiten  jener.  Unter 
den  tiefliegenden  Augen  ist  aber  offenbar  nur  die 
relativ  zur  Nasenwurzel  tiefe  Lage  gemeint,  das 
starke  Vortreten  der  Nase  von  ihrer  Wurzel  aus, 
die  eine  so  stark  vorspringende  Kante  bildet  (am 
meisten  bei  der  Antike),  dass  bereits  bei  Betrach- 
tung von  7i  Profil  das  Auge  der  abgewendeten 
Seite  verdeckt  liegt,  während  bei  vielen  Mongolen, 
Malnyent  Hottentotten  etc.  die  Nasenwurzel  bo  ver- 
tieft ist,  dass  dieselbe  bei  der  Profilstallung  vom 
Augapfel  überragt  wird.  Sehr  auffällig  wird,  worauf 
mich  der  vortreffliche  (kürzlich  verstorbene)  Bild- 
hauer v.  der  Launitz  aufmerksam  machte,  dieses 
Verhaltniss  dadurch,  dass  man  am  Schädel  mit  einem 
Faden  von  Thränenbein  zu  TbräDenbein  über  den 
Nasenrücken  hin  misst,  wobei  der  Faden  bei  den 
Hochnäsigen  Völkern  einen  fast  geradlinigen  Ver- 
lauf nimmt,  während  er  bei  den  edleren  Formen 
eine  gewaltige  Krümmung  macht.  Ich  habe  dieses 
Moass  bei  den  verschiedenen  Racen  genommen  und 
beträchtliche  Unterschiede  zwischen  .geradem 
Maasse  der  Augenscheide wandsbreite“  und  dem  zu- 
gehörigen Bogenmaasse  gefunden.  Bei  dem  deut- 
schen Schädel  betragen  beide  im  Mittelwertbe  26 
und  40  Mm.  (Diff.  14),  beim  Chinesen  24  und  32 
(Diff.  8).  — 

Sehr  naiv  ist  die  Schilderung,  welche  ein 
Sandwich-Insulaner  von  den  ersten  Weissen, 
die  er  sah,  gegeben  hat.  Auf  Grund  einer  „Ge- 


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142 


Kleinere  Mittheilungen. 


schichte  des  Archipel«“,  welche  eingeborene  „Stu- 
denten der  Schule  zu  Lahainea  Cula“  niederge- 
schrieben,  wie  «ie  dieselbe  au«  dem  Munde  der  äl- 
testen Eingeborenen  gehört,  thcilt  das  „Ausland“ 
(Jahrg.  1865,  Nr.  49)  einen  Aufsatz  Uber  Cook'« 
Schicksale  mit,  welcher  S.  1154  folgende  Stelle 
enthält:  „Die  Hawaiianer  hatten  gefragt,  wie  das 

Aeussere  des  Schiffes  sei,  und  er  (irgend  ein  Sand- 
wich-Insulaner) beschrieb  die  Masten , die  Segel 
und  die  Flaggen.  Sie  fragten  dann,  wie  die  Men- 
schen aussahen ; er  erwiderte;  Die  Menschen  sind 
Weisse,  sie  haben  eine  lose  Haut  und  eckige  Köpfe, 
sie  sind  Götter,  sie  sind  Vulkane,  denn  Feuer  kommt 
ihnen  zum  Munde  heraus;  ihre  Seiten  enthalten 
Beutel  mit  Schätzen,  Beutel,  die  tief  in  den  Leib 
hineingehen.  Aus  diesen  Löchern  ziehen  sie, 
wenn  sie  die  Hand  hineinstecken,  Ahle,  Messer, 
Eisen.  Halsbänder,  Nägel,  kurz  alle  möglichen  Sa- 
chen hervor.“  Diese  Schilderung  wirft  nun  aller- 
dings weder  auf  den  Körperbau  der  Weisseu,  noch 
der  Sandwichs  ein  Licht,  da  fär  den  guten  Insula- 
ner der  Satz:  „Kleider  machen  Leute“,  in  einer 
unerhörten  Ausdehnung  Geltung  hatte.  H.  W. 

3.  Eine  Bemerkung  A.  ▼.  Hum  hol  dt ’s  über 
die  Stellung  und  Bildungsf&higkeit  der  Neger  (in 
einem  Briefe  an  Burmeister)  ist  interessant  ge- 
nug, bo  dass  der  Schenker  jenes  Briefes  die  Pub- 
lication  derselben  wohl  gestatten  wird.  An  Aus- 
sprüche Burmeister'«  Anknüpfend,  schreibt  Hum- 
boldt unterm  11.  August  1853: 

„Das«  der  schwarze  Mensch  sich  nie  über  die 
dienende  Stellung  erheben  werde,  ja  der  alte  sym- 
bolische Ausdruck  von  der  Annäherung  zur 
Affennatur,  sind  Stellen,  die  mich  sehr  gekränkt 
haben,  auch  hat  mich  S.  533  wenig  beruhigt.  Ich 
habe  sechs  Jahre  lang  viele  tausend  Neger  beob- 
achten können,  auch  viele  in  meinen  Diensten  ge- 
habt, und  mein  Essai  politique  sur  l’Isle  de  Cuba 
zeugt  von  der  Lebhaftigkeit,  mit  der  mich  dieser 
Gegenstand  mein  ganzes  Leben  lang  beschäftigt 
hat.“ 

Die  interessante  Abhandlung,  welche  Schaaff- 
hausen  (Arch.  I,  pag.  161)  „über  den  Zustand  der 
wilden  Völker“  gegeben  hat,  enthält  (p.  171)  eine 
ergreifende  Schilderung,  welche  den  warmen  An- 
theil  erkennen  läs^t,  den  A.  v.  Humboldt  an  dem 
Geschicke  der  Völker  nahin,  deren  Loos  es  i»t,  der 
Cultur  Europas  zum  Opfer  zu  fallen. 

In  einem  Artikel  in  der  «Wes.  Ztg.“  spricht 
sich  Gerhardt  Rohlffs  über  die  Civilisationsfahig- 
keit  der  Neger  folgendermaasseu  aus:  „Die  Be- 

völkerung von  Lagos  ist  überwiegend  schwarzer 
Race,  dass  die  wenigen  Weisseu,  vielleicht  hundert 
an  der  Zahl,  ganz  darunter  verschwinden.  Diese 
Schwarzen  sind  wieder  von  den  verschiedensten 
Stämmen,  obwohl  Yoruba-  und  Sabu-Leute  vor- 


wiegend vorhanden  sind.  Man  glaube  indes«  nicht, 
dos«  die  schwarze  Bevölkerung  eine  niedere  Stufe 
einnimmt,  wie  denn  überhaupt  der  schlechtweg 
ausgesprochene  Grundsatz,  die  schwarze  Bevölke- 
rung sei  gar  nicht  der  Civilisation  fähig,  ein  sehr 
schlecht  hasirter  ist.  Freilich  haben  die,  welche 
sich  zu  dieser  Ansicht  bekennen , sich  wohl  haupt- 
sächlich auf  die  schwarze  Bevölkerung  Amerikas 
bezogen,  aber  von  einer  seit  Jahrhunderten  durch 
Sklaverei  unterdrückten  Bevölkerung  Schlüsse  auf 
eine  ganze  Race  ziehen  zu  wollen,  wäre  ebenso  un- 
sinnig und  lächerlich , als  wollte  man  der  ganzen 
europäischen  Familie,  weil  gerade  die  Griechen 
ihre  eben  errungene  Freiheit  weder  ertragen  noch 
benutzen  können,  politische  Unmündigkeit  vorwer- 
fen. Doch  es  würde  zu  weit  fuhren,  dies  Thema 
hier  zu  behandeln,  genug,  dass  ich  als  Beispiel  an- 
führe,  dass  Herr  Philippi  mir  unter  anderen  Zu- 
tritt zum  Hause  James  verschaffte,  welches  eben- 
falls einem  Schwarzen  gehört,  der  ein  bedeutendes 
Colonialwaarengeschäft  betreibt.  Seine  Frau,  Mrs. 
James,  ebenfalls  eine  Schwarze,  und  die  einst  dazu 
bestimmt  war.  einem  Engländer,  der  den  König 
von  Dahome  besuchte,  zu  Ehren  geopfert  zu  wer- 
den, dann  aber  auf  Wunsch  des  Weissen  befreit 
wurde  und  jetzt  in  Lagos  eine  der  liebenswürdig- 
sten Salondumen  ist,  hatte  mehrere  Male  die  Güte, 
die  schönsten  und  schwierigsten  Sonaten  und  Sym- 
phonien von  Mozart  und  Beethoven  uns  vorzu- 
spielen.“ H.  W. 


4.  Notiz  über  das  Alter  der  Todtenmasken. 

Nach  einer  Angabe  Vasari’s  gilt  Verocchio 
1433 — 1488)  ziemlich  allgemein  als  der  Erste,  der 
es  versuchte,  Theile  von  lebenden  Menschen  und 
Leichnamen  in  Gyps  abzuformen ; insbesondere  ist  es 
Rumohr  (Italienische  Forschungen,  II , 304),  der 
jenen  Ausspruch  V&sari’s  so  bestimmt  genommen 
hat,  während  Vasari,  genau  besehen,  nur  sagt, 
da««  Verocchio  „einer  der  Ersten  war.  welche 
dieses  Verfahren  in  Anwendung  brachten.“  Immer- 
hin könnten  angebliche  Todtenmasken  von  Men- 
schen, die  früher  gelebt,  nach  jenen  Angaben  Va- 
sari1« und  Rumohr's  als  zweifelhaft  erscheinen. 
Ich  habe  dies  Bedenken  betreffs  der  Torngiani- 
schen  Maske  aufgeworfen  (Jahrb.  der  deutschen 
Dante-Gesellschaft,  1,  8.  40),  und  ohne  Zweifel  ist 
jene  Altersfrage  von  einigem  kritischen  Interesse 
für  die  anthropologische  Forschung.  Auch  Norton 
(On  the  original  Portrait«  of  Dante,  Cambridge, 
Massachusetts,  1865)  erklärt,  über  da«  Alter  jene« 
Gebrauchs  nicht  ganz  sicher  zu  sein,  spricht  jedoch 
die  Vermuthung  aus,  dass  eine  «o  einfache  Kunst 
wohl  auch  bereits  in  einer  frühem  Zeit  geübt  wor- 
den sein  könne.  Niemand,  soweit  ich  herumfragte, 
vermochte  mir  diese  Vermuthung  zu  bestätigen. 


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Kleinere  Mittheilungen.  143 


doch  geschah  dies  zuletzt  durch  eine  'Stelle  bei 
PliniuH  (nat.  hist.  1.  XXXV,  153):  „Hominis 

autem  imagiuem  gypso  e facie  ipsa  primus  omnium 
expresait  ceraque  in  eam  formarn  gypsi  infuaa  emen- 
darc  instituit  Lysistrutus*  (330  v.  Chr.).  Hier- 
mit ist  allerdings  nicht  direct  ausgesprochen , dass 
der  Abdruck  dem  Todten  entnommen  wurde; 
aber  diese  letztere  Praxis  ist  offenbar  die  leichtere, 
und  sie  konnte  nicht  ausbleiben,  wenn  die  andere 
geübt  wurde.  H.  W. 


5.  R.  C.  May  ne,  über  die  Patagonier  (Athe- 
näum 11.  Septbr.  1869.  — Petermann's 
Mitthlg.  1869.  X.  385). 

Mehrere  wurden  gemessen, einer  maass  6*10*. 
mehrere  6'  4",  im  Durchschnitt  aber  überschreiten 
sie  nicht  dua  Maas»  von  5'  10"  bis  1 1",  also  nur 
um  4 bis  5"  die  mittlere  GrÜBse  der  Engländer. 

, Zweierlei  trage  dazu  bei,  die  Grösse  bedeutender 
erscheinen  zu  lassen:  1)  Die  Tracht . die  langen 

Mäntel  von  Guanacofelien  (Frauoukleidcr  machen 
einen  Mann  immer  grösser  erscheinen).  2)  Ihre 
Gewohnheit,  auf  Felsen,  neben  ihrcu  winzigen  Hüt- 
ten stehend , die  vorüburfahrenden  Schiffe  zu  be- 
trachten. 


6.  Kant  und  die  Descendenztheorie. 

in  Kant’s  pragmatischer  Anthropologie  (Ge- 
sammtauBgabe  seiner  Werke  in  X Bänden,  Leipzig 
1839,  eoL  X,  S.  371)  findet  sich  folgende  Stelle: 
Waa  nmg  doch  die  Natur  hiermit  für  eine 
Absicht  haben , dass  sie  das  Kind  mit  lautem  Ge- 
schrei auf  die  Welt  kommen  lässt,  welches  doch 
für  dasselbe  und  die  Mutter  im  rohen  Naturzu- 
stände von  äusserster  Gefahr  ist?  Denn  ein  Wolf, 
eiu  Schwein  sogar  würde  ja  dadurch  angelockt,  in 
Abwesenheit  oder  bei  der  Entkräftung  derselben 
durch  die  Niederkunft  es  zu  fressen.  Kein  Thier 
aber  ausser  dem  Menschen  (wie  er  jetzt  ist)  wird 
beim  Geboren werdeu  seine  Existenz  laut  ankün- 
digen; welches  von  der  Weisheit  der  Natur  so  auge- 
geordnet  zu  sein  scheint,  um  die  Art  zu  erhalten. 
Man  muss  also  unnchmeu,  dass  in  der  früheren 
Epoche  der  Natur  in  Ansehung  dieser  Thierclasse 
(nämlich  des  Zeitbilds  der  Kohigkeit)  dieses  Laut- 
werden  des  Kindes  bei  seiner  Geburt  uoch  nicht 
war;  mithin  nur  später  eine  zweite  Epoche,  nach- 
dem beide  Eltern  schon  zu  derjenigen  Cultur,  die 


zum  häuslichen  Leben  nothweudig  ist,  gelangt  wa- 
ren, eingetreten  ist;  ohne  dass  wir  wissen:  wie  die 
Natur  und  durch  welche  mitwirkende  Ursachen 
sie  eine  solche  Entwickelung  veranstaltete.  Diese 
Bemerkung  führt  weit,  z.  B.  auf  den  Gedanken: 
ob  nicht  auf  dieselbe  zweite  Epoche,  bei  grossen 
Xaturrevolutiouen,  noch  eine  dritte  folgen  dürfte. 
Pa  ein  Orang-outang  oder  eiu  Cbinipanse  die  Or- 
gane, die  zum  Gehen,  zum  Befühlen  der  Gegen- 
stände und  zum  Sprechen  dienen,  sich  zum  Glieder- 
bau eines  Menschen  ansbildete,  deron  Innerstes  ein 
Organ  für  den  Gebrauch  des  Verstandes  enthielte 
und  durch  gesellschaftliche  Cultur  sich  allmählich 
entwickelte. 


7. Anthropologisches  Laboratorium  inParis. 

Broca  kündigt  die  Gründung  eines  anthropo- 
logischen Laboratoriums  in  der  ecole  pratique  an; 
ausgestattet  mit  den  nöthigen  Instrumenten  und 
einer  Bibliothek.  (Bulletins  du  la  soc.  d’Anthrop. 
de  Paris.  2.  Ser.  T.  IV,  p.  99.) 


8.  Peabody  Museum  of  amorican  Archaeo- 
logyand  Ethnology  (Curator  Prof.  Wv mau). 

Dasselbe  hat  durch  den  Ankauf  dreier  euro- 
päischer Sammlungen,  von  G.  Mortillct  in  Paris 
(circa  3000  Nummern),  Wilmot  J.  Kose  in  Däne- 
mark (1559  Nummern)  und  Dr.  Clement  in  der 
Schweiz,  ein  ungemein  reiches  Material,  insbeson- 
dere zur  Vergleichung  des  Steinalters  der  alten 
und  neuen  Welt  erhalten.  (S.  second  annual  re- 
port  of  tho  trustees.  Boston  1869,  p.  80.) 


9.  American  Association  for  the  advance- 
ment  of  Science. 

Die  18.  Jahresversammlung  fand  vom  18.  bis 
25.  August  18G9  zu  Salem  (Massach  ) statt.  Auf 
derselben  wurde  die  Bildung  einer  neuen  Section 
für  Archäologio  und  Ethnologie  beschlossen. 


10.  Die  culturhistorische  Sammlung  des 
verstorbenen  Prof.  Klemm. 

In  Leipzig  hat  sieh  ein  Coniite  gebildet,  wel- 
ches einen  Aufruf  zu  Beiträgen  erlässt,  um  obenge- 
nannte Sammlung  für  Deutschland  zu  erhalten. 


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IX. 

Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen*). 


i. 

Verhandlungen  dor  Section  für  Anthropo- 
logie  und  Ethnologie  bei  der  13.  Ver- 
sammlung deutscher  Naturforscher  und 
Aerzte  in  Innsbruck  vom  16.  bis  24. Sep- 
tember 1869,  nach  dem  Tageblatte  der  Ver- 
sammlung nebst  ergänzendem  Bericht«.  Von 
Prof.  F.  R.  Seligmann. 

Die  Naturforscherversaramlung  in  Dresden 
hatte  auf  Veranlassung  Dr.  M.  Wein  hold ’s  eino 
neue  Seotion  für  Anthropologie  und  Ethnologie 
gegründet  (Archiv  III,  S.  327  ff.)  und  damit  war  ein 
Impuls  gegeben , der  iin  nächsten  Jahre  weitrei- 
chende Folgen  hatte.  In  Innsbruck  wurde  nicht 
nur  sogleich  zur  Bildung  der  Section  geschritten, 
unsere  Wissenschaft  wurde  der  Gegenstand  eines 
allgemeinen  Vortrages,  dessen  zündende  Wirkung 
in  diesem  eigentümlichen  Lande  wohl  das  merk- 
würdigste Ereigniss  dieser  durch  eigentümliche 
Vorfälle  bezeichneten  Versammlung  war.  Die  An- 
thropologie, oder  doch  aufs  engste  damit  ver- 
bundene Fragen,  begleiteten  sie  von  Anfang  bis 
zu  Ende. 

Al»  Schlöroilch  in  der  Abschiedsrede  zu 
Dresden , auf  die  gewählte  Hauptstadt  des  glau- 
bensstarken Tirol  deutend,  über  den  Unterschied 
zwischen  der  Zerstörung  des  Aberglaubens  durch 
das  Studium  der  Mathematik  und  der  Erhaltung 
des  Idealen,  welches  keine  mathematische  Behand- 
lung gestatte,  sprach  und  mit  der  Hoffnung  schloss, 
dass  die  Mehrzahl  auf  dieser  Basis  sich  vereinigen 
würden , war  es  kaum  vorauszusehen , dass  gerade 
der  schroffe  Zwiespalt  dort  iin  scharfen  Kampfe 

*)  Eiucn  Muxfütirlfchrreii  Bericht  über  die  Versammlung 
de*  intemntionalen  C&ngmgr»  xu  Kopenhagen  hoffen  wir  ira 
nächsten  Hefte  £eben  xu  können.  D.  Hcd. 


hervortreten  werde,  freilich  ohne  dass  im  allge- 
meinen Rausche  der  Genüsse  der  wundervollen 
Natur  irgend  Jemand  dabei  zu  Schaden  kam  — 
Wunden  fühlt  man  eben  nicht  im  Feuer  der  Er- 
regung — ; ob  aber  für  später  und  gerade  dort 
dadurch  genützt  wurde,  das  muss  die  Zukunft 
lehren. 

Schon  in  der  Festschrift  (zu  Ehren  der  43. 
Versammlung  u.  b.  w.,  herausgegeben  von  Prof. 
He  in  bol  d und  Prof.  v.  Barth,  Innsbruck,  Wag- 
ner, 1869)  hat  einer  der  geistvollsten  Anhänger 
der  Darwin* sehen  Theorie,  Prof.  Kerner  (in  der 
Abhandlung  „die  Abhängigkeit  der  Pflanzen  gestalt 
von  Klima  und  Boden  ein  Beitrag  zur  Entstehung  und 
Verbreitung  der  Arten,  gestützt  auf  dio  Verwandt- 
srlmftaverhältuisso , geographische  Verbreitung  und 
Geschichte  der  Cytisusarteu“,  einer  Schrift,  weichein 
klassischer  Weise  den  Einfluss  des  Medium  auf 
Umbildung  der  Arten  darlegt)  seine  Richtung  aus- 
gesprochen. Die  Rede  Helmholts's  in  der  ersten 
allgemeinen  Sitzung  „über  die  Entwickelungsge- 
schichte der  neueren  Naturwissenschaft*1  bezeich- 
net scharf  den  Punkt,  um  den  diese  sich  jetzt  be- 
wegt. Das  Gesetz  der  Erhaltung  der  Kraft,  hier 
in  Gegenwart  des  Entdeckers  ausgesprochen,  wurde 
bis  iu  seine  letzten  Consequenzen  verfolgt,  das  ist 
in  seiner  Bedeutung  für  die  Processe  des  Lebens, 
und  indem  er  dabei  auf  Darwin 's  Lehre,  als  des 
vermittelnden  Gliedes,  um  die  Zweckmässigkeit  des 
Baues  und  der  Verrichtungen  de«  lebenden  Orga- 
nismus auf  natürlichem  Wege  zu  erklären,  hinwies, 
wurde  ausgesprochen,  der  Deutsche  habe  keine 
Furcht  vor  den  Consequenzen  der  ganz  erkannten 
Walirhcit.  ,Und  nun  trat  der  geniale  Entdecker 
des  zweiten  grossen  Naturgesetzes  selbst  auf  und 
sprach  über  die  noth wendigen  Consequenzen  und 
Inconsequenzen  seiner  Lehre.  Indem  er  sich  gegen 
ihre  Anwendung  auf  dem  geistigen  Gcbioto  erklärt. 


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145 


Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


sagte  er,  in  der  Physik  sei  die  Zahl  Alles,  in  der 
Physiologie  wenig,  in  der  Metaphysik  nichts!  Der 
Satz  von  der  Erhaltung  der  Kraft  gelte  zwar  auch 
in  der  Physiologie,  der  lebendige  Organismus  könne 
weder  Materie  noch  Kraft  erzeugen  oder  vernich- 
ten, aber  Zeugung  und  Erzeugung  haben  kein  phy- 
sikalisches Analogon  und  weder  Materie  noch  Kraft 
vermögen  zu  denken.  Des  französischen  Physikers 
A.  Hirn  drei  Kategorien  von  Existenzen  seien 
eben  so  schön  wie  wahr,  nämlich:  Materie,  Kraft 
und  Seele.  Ohne  die  von  Gott  präatabilirte  ewige 
Harmonie  zwischen  der  subjectiven  und  objectiven 
Welt  wäre  unser  Denken  unfruchtbar.  So  hörten 
wir  hier  zuerst  von  einer  Verbindung  der  Leib- 
nitz'echen  Theorie  mit  dem  physikalisch  - chemi- 
schen Determinismus  der  französischen  Schule,  der 
in  Claude  IJernard  für  die  Physiologie,  iu 
Pro  ca  für  die  Anthropologie  seine  Hauptreprä- 
sentanten hat  und  ohne  die  Leibnitz'sche  Theo- 
rie ein  Doppelwesen  ohne  Zusammenhang  aus  dem 
menschlichen  Organismus  macht  Die  Wichtigkeit 
dieser  Lehre  für  die  französische  Anthropologie 
dürfte  diese  Auseinandersetzung  entschuldigen. 

Erste  Sections-Sitzu  ug,  den  20.  Septem- 
ber. Prof.  Wildauer  hatte  die  constituirende 
Sitzung  eröffnet  und  C.  Vogt  wurde  mitAcclama- 
tion  zum  Vorsitzenden  ernannt.  Derselbe  sprach 
nun  über  das  Alter  der  KjÖkkenmöddin ger 
und  ihr  Verhältniss  zu  den  Hünengräbern,  mit 
Vorzeigung  von  Fundgogenständen  von  Sölar  am 
Roeskilde  Fiord.  Nachdem  er  die  verschiedenen 
Thierroste,  welche  den  Hauptbestandteil  dieser 
Küchenabfalle  bilden,  besprochen  und  hierbei  her- 
vorgehoben  hatte,  dass  sich  weder  vom  Rennthier 
oder  Pferde,  noch  von  irgend  einem  andern  Haus- 
tiere, mit  einziger  Ausnahme  d<8  Hundes,  von 
welchem  ziemlich  zahlreiche  Knochen  vorgefuoden 
wurden,  eine  Spur  nachweisen  lasse,  ging  er  auf 
die  Beschreibung  der  in  den  Kjökkenmöddings  vor- 
kommenden Werkzeuge  von  geschlagenem  Steine 
über,  die  fast  durchgängig  ihrer  Form  nach  dem 
Beile  oder  Mcssertypus  angehören.  Dass  die  Woh- 
nungen, von  welchen  die  Kjökkenmöddinger  hor- 
rühren,  das  ganze  Jahr  hindurch  bewohnt  oder 
doch  benutzt  worden  seien,  gehe  daraus  hervor, 
dass  Geweihe  und  Bezahnungen  in  den  verschie- 
densten Entwickelungsstadien  aufgefunden  worden 
seien.  Der  Archäologe  Worsaae  schreibe  diese 
Kücheuabfüllc  den  Urbewohnern  Dänemarks  in  ih- 
rem primitivsten Culturzustande  zu  und  glaube  das 
Zeitalter  derselben  sei  dem  der  Hünengräber  mit 
den  schönen  geschliffenen  Stein  Waffen  weit  voran- 
gehend. Steen  strup  hingegen  beurteile  als 
Geologe  das  Alter  dieser  Funde  nach  den  jüngsten 
denselben  angehörigpn  Gegenständen.  Nun  fän- 
den sich  in  den  Kjökkenmöddings  auch  einzelne 
geschliffene  Steine,  die  nicht  später  hineinge- 
kommen sein  können.  Die  Sache  verhalte  sich  nam- 

Archlr  für  Anthropologie.  1kl.  IV.  Heft  11. 


lieh  folgendeniiaassen:  Die  Hünengräber  nun, 

jene  bald  überwölbten,  bald  ilachgedeckten,  mit 
Lehm  auRgekleidotenGrabkamuiern,  enthielten  schön 
und  gut  gearbeitete  Gegenstände  von  geschliffe- 
nem Steine,  dann  und  wann  auch  Bronzegegen- 
stände,  dann  Knochen  von  Pferden  und  von  einem 
von  Nilsson  für  einen  Hund  (Spitz)  erklärten 
Thiere.  Dieser  Hund  steile  sich  jedoch  als  eine 
Fuchsart  heraus,  dio  in  dio  Hünengräber  später 
eingedrungen  sei  und  nach  Steenst rup’a  Ansicht 
die  übrigen  Knochen  von  Haustieren  eingeschleppt 
habe.  Steenstrup  weiso  ferner  nach,  dass  viele 
von  den  in  den  Kjökkenmöddings  aufgefundeuen 
rohen  Sfeininetrumenten  aus  geschliffenen , durch 
Zerschlagen  derselben  entstunden  seien,  da  sie 
stellenweise  noch  die  deutlichen  Spuren  des  Schlif- 
fes an  sich  trügen.  Diese  Betrachtungen  hätten 
den  genannten  Forscher  nun  dahin  geführt , die 
Kjökkenmöddinger  für  gleichzeitig  mit  den  Hünen- 
gräbern anzusehen  und  sich  die  Verschiedenheit 
der  aufgefundenen  Werkzeuge  durch  die  Annahme 
zu  erklären,  dass  die  Einen  den  an  der  Küsto  von 
Jagd  und  Fischerei  lebenden  Armen,  den  Prole- 
tariern der  Urzeit,  angehörten,  welche  die  zerbro- 
chenen Re>»te  der  wertvollen  geschliffenen  Stein- 
instruincnte  zu  benutzen  gezwungen  waren,  die 
Hünengräber  aber  im  Innern  des  Landes,  mit  ih- 
ren weit  vollkommneren  Werkzeugen  seien  die  der 
Aristokraten  deraelbun  Epoche.  Nachdem  Dr.  Sche- 
tolig  Zweifel  auBgedrückt  hatte,  dass  die  Kjökken- 
möddinger feste  Ansiedelungen  gewesen  seien,  und 
Prof.  Koner  auf  die  Funde  von  Knochennadeln  hin- 
gewiesen, welche  doch  Gewerbfleias  bezeichnten, 
sprach 

Prof.  Semper  über  Sitten  und  Gebräuche 
der  Bewohner  der  Pelew- Inseln.  Er  beweist, 
dass  diete  ein  relativ  bereits  ziemlich  hoch  culti» 
virteB  Volk  seien  und  nur  mit  Unrecht  zu  den 
w wilden“,  im.  primitivsten  Zustande  befindlichen 
Völkern  gezählt  würden,  durch  dis  auf  Beobach- 
tungen während  eines  mehrmonatlichen  Aufenthalts 
unter  diesen  Insulanern  gestützte  Darstellung  ihrer 
staatlichen  Verfassung  und  ihrer  socialen  Zustände, 
sodann  der  religiösen  Uebungeu  dieses  Volkes.  End- 
lich erzählt  er,  anknüpfend  an  die  Beschreibung 
dor  bildlichen  Darstellungen  (gemalten  Basreliefs), 
welche  au  den  für  den  Priesterkönig  und  die  Ver- 
sammlungen der  Stammesfürsten  bestimmten  Woh- 
nungen angebracht  sind,  drei  mit  historischen  Er- 
innerungen durchflochtone  Sagen  dieses  Volkes. 
Die  erste  von  der  Entstehung  der  sieben  verschie- 
denen , auf  diosou  Inseln  im  Gebrauche  stehenden 
Geldsorten , die  zweite  von  einer  abenteuerlichen 
Reise  der  vier  Fürsten  nach  der  Wohnung  der 
Sonne,  die  dritte  endlich  dio  Werbung  um  eine 
Frau  von  der  Sonrol-Insel.  Von  höchstem  ethno- 
logischen Interesse  ist  hierbei  dio  Schilderung 
eines  diese  Hochzeit  darstellenden»  phallischeu 

19 


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14« 


Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


Schnitzwerkes , das  eine  fast  geniale  Kraft  obscö- 
uer  Darstellung  bezeugt. 

Auf  eine  Interpellation  des  Herrn  Dr.  Sche- 
telig  mit  Beziehung  auf  seine  Arbeit  über  die  drei 
Racen  auf  Formosa  spricht  sich  Prof.  Semper  da- 
hin aus,  dass  die  Beimischung  von  mnlayischem 
Blute  bei  den  Pelew-lnsulanern  kaum  sehr  bedeu- 
tend sein  dürfte,  wohl  aber  sehr  vielcB  auf  eine 
starke  Vermischung  mit  der  Papuarace  hindeute. 

Bevor  wir  zur  zweiten  Sectionssitzung  über- 
gehen, buben  wir  noch  über  die  schon  aogedeutete 
Rede  Vogt 's  in  der  zweiton  allgemeinen  Sitzung 
einige  Worte  zu  sagen.  Es  war  nicht  hlosa  das 
meisterhafte  Zusammendrängen  des  ganzen  anthro- 
pologischen Materials  in  den  kurzen  Zeitraum  einer 
Stunde,  nicht  bloss  die  unvergleichliche  Vir- 
tuosität des  Vortrages,  welche  den  leisesten  Ton 
bis  in  die  fernsten  Räume  des  nicht  kleinen  Thea- 
ters dringen  lies»,  es  war  die  Kühnheit  mancher 
Sätze,  die  hier  wohl  seit  undenklichen  Zeiten  Nie- 
mand auszusprechen  gewagt  hat  „Die  Ergeb- 
nisse der  neuern  Forschung  in  der  Urge- 
schichte“ war  der  Titel  des  Vortrages.  Ihr  Kern, 
dass  nicht  die  Geschichte,  sondern  die  Naturwis- 
senschaft die  Urgeschichte  zu  erhellen  habe  und 
dass  dies  Angefangen  habe  zu  geschehen,  seitdem 
die  Geologie,  Palaeontologie  und  Anatomie  sich  mit 
ihr  beschäftigen.  Er  theilte  dann  in  kurzen  Zügen 
die  Resultate  des  Kopenhagcner  Congresses  mit. 
Wir  haben  schon  oben  das  in  der  Sectionssitzung 
von  Vogt  selbst  genauer  Detaillirto  angegeben. 
Dass  der  Mensch  die  eigene  Entwickelung  in  der 
Hand  habe,  dass  er  durch  seine  eigene  Arbeit  sich 
fortbilde,  um  zum  Ziele  zu  gelangen,  das  seiner 
Vervollkommnung  gesteckt  sei,  damit  schloss  er 
unter  niebt  enden  wollenden  Beifallsbezeuguugen. 

Zweite  Sitzung,  den  22.  September. 
Prof.  Strobel  aus  Parma,  über  Paraderos  in 
Patagonien.  Durch  eino  Mittheilung  Darwin’s 
über  die  Auffindung  von  Feuersteiupfeilen  auf  der 
Insel  Chelechuel  veranlasst,  machte  er  in  Begleitung 
des  Schweizers  Clarnz  in  der  Umgehung  von  Pa- 
tagoncs  weitere  Nachforschungen  und  stiess  hierbei 
auf  nur  oberflächlich  von  Sand  überdeckte,  bei  star- 
kem Winde  völlig  blossgelegte  Anhäufungen,  be- 
stehend aus  Ueberbleibseln  von  Mahlzeiten,  Thon- 
scherben, Pfeilspitzen,  Messern,  Schabern  u.  dgl. 
Werkzeugen  aus  ungeschliffenem  Steine,  die  stel- 
lenweise bis  zu  ein  Meter  mächtig  in  dortiger 
Gegend  als  Paraderos  bezeichnet  werden  (von  pa- 
nr,  sich  auf  halten).  Er  hat  in  einer  derselben 
ein  ganzes  Skelet  und  mehrere  Schädel  vonbrachy- 
hypsicephalem  Typus  aufgefunden.  Die  Thonscher- 
ben  rühren  vou  Geschirren  her,  die  offenbar  mit 
der  Hand  und  nicht  auf  der  Drehscheibe  geformt, 
am  offenen  Feuer  und  nicht  im  Ofen  gebrannt 
worden.  Difc  an  denselben  eingeritzten  Verzie- 


rungen stellen  ausschliesslich  geometrische  Figuren 
dar.  Geschliffene  Stein  gegenstände  sind  keine  ge- 
funden worden.  Man  könne  jedoch  für  das  süd- 
lichste Süd-Amerika  den  Unterschied  zwischen  der 
archftolithiBchen  Periode  (der  geschlagenen  Steine) 
und  neolithischen  Periode  (der  geschliffenen  Steine.) 
nicht  festhalten,  da  überhaupt  südlich  von  dem  im 
Centruni  der  Pampaa  gelegenen  San  Luis  geschlif- 
fene Steinwerkzeuge  nicht  vorkämen,  obgleich  es 
an  polirbarrn  Steinen  in  jenen  Gegenden  nicht 
fehle.  Selbst  bis  in  die  Gegend  von  San  Luis 
schienen  die  Werkzeuge  aus  polirtem  Steine  nur 
aus  dem  höher  cultivirten  Peru  godrungen  zu  sein. 
Es  sei  daher  auch  nicht  gest-attet,  diese  Paraderos 
wegen  des  Mangels  an  geschliffenen  Steinwerk- 
zeugen für  älter  zu  halten  als  andere  Funde  mit 
polirteu  Stein  gegenständen.  Es  war  dies  die 
schönste  Erläuterung  zu  dem,  was  Vogt  in  der 
ersten  Sitzung  über  Stoenstrup’a  Ansicht  über 
das  Alter  der  Kjökkenmöddinger  vortrug.  Ueber 
das  absolute  Alter  dieser  Vorkommnisse  glaube 
er  mit  Bestimmtheit  nur  angeben  zu  können, 
dass  selbe  aus  der  Zeit  vor  der  Invasion  der 
Europäer  herrühren  müssten , da  «ich  weder  die 
Patagonier  noch  die  Pampas-Indianer  heutzutage  der 
Sternwarten  bedienten  und  ihre  Bewaffnung  aus 
dem  Lasso  oder  Wurfstrick,  der  Bola  oder 
Schien  ler  und  der  Lanze  bestehe,  während  Pfeil 
und  Bogcu  seit  der  Einführung  des  Pferdes  ver- 
drängt worden  seien.  Sowohl  die  Feuerländer 
als  die  Indianer  des  Chaco  benützten  noch  gegen- 
wärtig den  Pfeil  als  Waffe,  das  Pferd  jedoch  nicht. 
Derartige  Paraderos  fänden  sich  jedoch  auch  längs 
der  Meeresküste  bis  Buenos-Ayres  und  seien  auch 
aus  Brasilien  schon  seit  längerer  Zeit  bekannt.  Sie 
entsprächen  im  Ganzen  vollkommen  den  Kjökken- 
inöddings  des  skandinavischen  Nordens.  Interpellirt 
wegen  der  Körpergrösse  dieses  Volkes  sagt  er,  es  sei 
noch  immer  auffallend  hochgewachsen  uud  das  Rei- 
ten sei  ohne  Einfluss  darauf  geblichen.  Präsident 
Vogt  theilt  mit,  in  der  Sammlung  des  Schweizer 
Reisenden  Claraz  befinde  sich  ein  gewaltiger 
Unterkiefer;  dies  veranlasst  den  Berichterstatter, 
auf  das  im  Innsbrucker  anatomischen  Museum  be- 
findliche Riesmskelet  des  Waffenträgers  Ferdi- 
nand s von  Tirol  Aufmerksam  zu  machen,  dessen 
Unterkiefer  ungewöhnlich  stark  entwickelt  sei. 
Prof.  Langer  in  Wien  habe  auf  die  eigentüm- 
liche Form  der  Kiefer  bei  Riesen  aufmerksam  ge- 
macht.. Prof.  Virchow  sagt,  dass  der  Unterkiefer 
in  solchen  Fällen  mehr  eine  Curve  als  einen  Win- 
kel bilde.  Meyer  aus  Zürich  erwähnt,  dass  im 
dortigen  Museum  ein  besonders  durch  Grobkörnig- 
keit auffallendes  Skelet  sich  befinde. 

Abdallah  Bey  (Dr.  Hammerschmidt)  zeigt 
h euersteinworkzeuge  aus  der  Jarym-Burgns-Höhle 
bei  Konstantinopel,  von  denen  es  zweifelhaft, 
ob  sie  alt  oder  modern,  tla  dergleichen  noch 


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147 


Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


jetzt  von  der  Bevölkerung  beim  Dreschen  gebraucht 
werden. 

Sodann  trägt  Seligmann  über  Exostosen 
an  Peruaner  Schädeln  vor.  In  der  Sitzung  der 
mathematisch  - naturwissenschaftlichen  Classe  der 
kaiserlichen  Akademie  zu  Wien  vom  17.  März 
1804,  Anzeiger  Nr.  8,  habe  er  seine  Entdeckung 
von  Exostosen  am  Eingänge  des  aussern  Gehör- 
ganges  an  Peruaner  Schädeln  vorgelegt.  Er  sagte, 
dass  diese  Exostosen  nur  an  einer  bestimmten  Pe- 
ruaner Schädel  form  Vorkommen,  nämlich  an  der  cy- 
1 indrisch- langgestreckten  (durch  Bindeuumwicke- 
lung  hervorgebrachten),  die  er  die  Titicacaform 
benannte  (weil  Pentland  die  ersten,  noch  jetzt 
seltenen,  Schädel  dieser  Art  vom  Titicaca-Seo  nach 
Europa  brachte  und  sie  damals  nur  in  Peru  vor- 
zukommen schienen),  zum  Unterschied  von  der  an- 
deren durch  Pressung  zwischen  zwei  Brettchen 
hervorgebrachten  Peruaner  Form  (die  derFlathead 
Form  der  Nordamerikaner  ganz  gleich  ist),  welche 
häufig  vorkommt  und  an  welchen  diese  Exostosen 
nicht  vorhanden  sind.  Referent  konnte  damals 
nichts  über  die  Ursache  dieser  pathologischen  Er- 
scheinung sagen , die  an  nicht  peruanischen  Schä- 
deln noch  viel  seltener  ist.  (Welcker  hat  sie  seit- 
dem an  eitiigcn  Marqiiesas-Scliädeln  nachgewiesen, 
und  nur  in  wenigen  Schriften  über  Ohrenheilkunde 
war  darüber  etwas  zu  finden,  bevor  Referent  dar- 
auf aufmerksam  machte.)  Er  glaubt  jetzt  die  Ur- 
sache der  Häufigkeit  dieser  Erscheinung  bei  den 
Peruanern  entdeckt  zu  haben;  sie  wirft  ein  eigen- 
tümliches Licht  auf  die  socialen  Verhältnisse  Perus 
vor  der  Eroberung  und  zeigt,  dass  die  bis  jetzt  so- 
genannten Inca-Schädel  fälschlich  diesen  Namen  tra- 
gen. Referent  hat  vor  inehr  als  30  Jahren  jenen 
merkwürdigen  sogenannten  Avaren  - Schädel , der 
bei  Grafenegg  oberhalb  Wien  in  einem  Av*arenring 
gefunden  worden,  mit  Erlaubniss  des  Besitzers  (des 
Grafen  Bruuner)  abformen  lassen,  die  Abgüsse 
sind  seitdem  vielfach  verbreitet  worden , mannich- 
fache  Abbildungen  und  Abhandlungen  verschiede- 
ner Verfasser,  wie  Wilde,  Fitzinger  und  An- 
derer, und  die  verschiedenen  Ansichten  über  die 
ausserordentliche  Ähnlichkeit  diesen  Schädels  mit 
jenen  Peruanern  sind  bekannt.  Aehnlicho  fanden 
sich  seitdem  an  mehreren  Orten  in  Europa,  der 
merkwürdigste  ist  iu  diesem  Archiv  beschrieben 
und  abgebildct  *).  Den  Weg  der  Verbreitung  die- 
ser Schädelformung  von  Peru  bis  in  das  Innrre 
von  Frankreich  aufzufinden,  beschäftigte  Referent 
zuerst  durch  lange  Zeit,  er  glaubt  auch  diesen  auf- 
gefunden zu  haben  und  beh&lt  sich  die  Veröffent- 
lichung für  ein  anderes  Mal  vor.  Iu  Wien  das 
Hyrtl'sche  Museum  durchsuchend,  fand  er  andern 
mit  der  Aufschrift  Cochabamba  bezeichnten  Exem- 
plare zuerst  grosse  Exostosen ! Zu  Nürnberg  unter- 

*)  Baud  I,  S.  75. 


suchte  er  die  im  Besitze  Baron  Bibra’s  befind- 
lichen Prachtexemplare  (deren  eines  er  von  dem 
freundlichen  Besitzer  als  Geschenk  zu  bekommen 
das  Glück  hatte),  die  aus  den  Abbildungen  in  der 
Abhandlung  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wis- 
senschaften bekannt  sind.  An  drei  Schädeln 
fand  er  jene  Exostosen,  der  vierte,  der  be- 
kannt ist  durch  die  sehr  verbreitete  Nachbil- 
dung aus  Papiermache,  hat  sie  nicht  — seine 
Glätte , Beine  weichen  Formen  zeigen , dass  es 
ein  Weiberschädel  ist.  Was  ist  nun  die  Ur- 
sache dieser  sonst  so  seltenen  Erscheinung?  Die 
Schädelpressung  kann  es  nicht  sein , die  Flut- 
headform  ist  eine  viel  gewaltsamere,  sie  giebt  häu- 
fig dem  Gehörgange  sogar  eine  schiefe  Form  und 
verschmälert  ihn  auch,  aber  nie  zeigen  sich  jene 
erbsen  ja  bohnengrosseu  Auftreibungen , welche 
den  Gehörgang  bis  auf  eine  schmale  Spalte  verengen. 
Die  specifische  Form  der  Pressung  der  Titicaca- 
Schädel  kann  es  auch  nicht  sein,  denn  die  Avaren- 
Schädel  haben  die  Exostosen,  wie  gesagt,  nicht. 
Referent  durchforschte  nuu  die  spanischen  Schrift- 
steller über  die  Eroberung  Peru».  Hier  fand  er 
endlich  Aufschluss  in  der  bisher  von  Allen  über- 
sehenen Stelle  des  Lopez  de  Gomara  in  seiner 
Erzählung  vou  der  Feier  der  jungen  Prinzen. 
Alle  Inca-Söhne  und  die  Kinder  der  Vornehmen 
überhaupt,  die  das  16.  Jahr  ihres  Alters  erreicht 
hatten,  wurden  zu  einem  mehrere  Wochen  dauernden 
Feste  zusammen  berufen  und  hier  für  ihre  künftige 
hohe  Stellung  vorbereitet;  Wettlaufen,  Ringen,  Ent- 
behrungen der  härtesten  Art  hatten  sie  durchzu- 
machen, und  zugleich  die  Ceremonie  der  Ohrdureh- 
Btechung.  An  beiden  Ohren  wurden  die  Ohrläppchen 
durchlöchert  und  durch  fortwährendes  Einlegen  von 
Metallstiftcu  rasch  so  erweitert,  dass  in  denselben 
Scheiben  aus  Gold  oder  Silber  von  der  Grö*Be  einer 
durchschnittenen  Orange  eingebracht  werden  konn- 
ten ! Diese  Ordenszeichen  wurden  das  ganze  Le- 
ben hindurch  getragen.  Die  Spanier  nannten  diese 
Männer  Orejones,  Grosaohren.  Wir  finden  wohl  bei 
vielen  anderen  Völkern  Verlängerung  dieses  Theiles 
in  Folge  von  Durchbohrung  durch  Pflöcke  u.  s.  w„ 
aber  der  verlängerte  Theil  bleibt  schlaff  und  fällt 
zusammen,  wenn  der  Pflock  herausgenommen  wird. 
Hier  war  es  anders ; das  vergleichsweise  späte  Al- 
ter, in  welchem  die  Operation  stattfund,  die  kör- 
perliche und  geistige  Aufregung  durch  die  Wett- 
kämpfe, die  Entbehrungen,  der  fieberhafte  geistige 
und  körperliche  Zustand,  die  kurze  Zeit,  in  welcher 
die  Erweiterung  vollbracht  sein  musste,  leiteten 
einen  entzündlichen  Process  an  diesen  Theilen  ein; 
Beweis  dessen  nun  jene  Stelle  des  spanischen  Au- 
tors, welche  lautet:  Es  wäre  fast  unmöglich 

zu  glauben,  dass  dieser  Theil  des  Ohres 
die  so  schweren  grossen  Scheiben,  ohne  zu 
zerreissen,  tragen  könnte,  wenn  er  nicht 
bis  zur  Dicke  eines  kleinen  Fingers  ange- 

19* 


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148  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


schwollen  wäre.  Also  ein  krankhafter  Pro- 
cessi der  den  Knorpel  und  endlich,  da  die  ein* 
wirkende  Ursache  nie  aufhörte,  auch  das  Pe- 
riost des  Gehörganges  ergriff  und  so  die  Kno- 
chenauftreibungen  veranlagte.  Ist  die  Vermu- 
tliung  richtig,  so  ergiebt  sich  Folgendes:  Alle 
Peruaner-Schädel  der  Titicaca-Form  mit 
diesen  Exostosen  müssen  männliche,  von 
mehr  als  16  Jahr  alten  und  der  vornehmen 
herrschenden  Kaateangehörigen  Individuen 
sein;  ferner:  die  früher  sogenannten  Inca- 
Schädel  (Flatheadform)  haben,  wie  schon 
oben  bemerkt,  bis  jetzt  fälschlich  diesen 
Namen  getragen.  Weiborßchüdel  haben  keine 
Exostoson,  die  M ännerachüdel  haben  sie 
auf  beiden  Seiten,  wenn  auch  in  ungleicher 
Grösse.  Das»  eine  solche  Aristokratie  trotzdem 
für  das  Wohl  des  Volkes  nicht  ganz  harthörig 
war.  ergiebt  sich  daraus,  das»  eine  noch  so  schmale 
Spalte  genügt,  um  das  Gehör  intact  zu  erhalten. 
Referent  fand  dies  hei  einem  ähnlichen  Falle  an 
einem  Lebenden,  dessen  Beobachtung  er  der  Freund- 
lichkeit eines  Collrgen,  I)r.G ruber,  Docent  der  Oh- 
renheilkunde an  der  Wiener  Universität,  verdankt. 

Referent  legte  hierauf  ein  Instrument,  das 
er  Clivoiueter  nennt,  vor,  das  dazu  dienen  soll, 
die  Länge  und  Neigung  des  Clivus  am  Schädel  zu 
messen , ohne  denselben  öffnen  zu  müssen.  Der 
Schädel  wird  mit  dem  ilinterhnuptsloche  gegen 
das  Licht  gewendet,  auf  der  Seite  liegend  fest- 
gemacht  (am  besten  in  einer  gewöhnlichen  Servietten- 
presse ein  gespannt);  das  Instrument  besteht  aus 
einem  festen,  mit  einem  hammerähnlichen  Vorsprung 
(a)  versehenen  längeren  (Al  und  einem  kürzeren 
beweglichen,  mit  einem  Gradbogen  fest  verbunde- 
nen, an  jenem  verschiebbaren  Arme  (B).  Der 
längere  Arm  wird  cingeführt  und  an  die  Sattel- 
lehne angehakt,  sodann  die  Clivuslänge  markirt, 
während  am  kurzen  Arme  ausserhalb,  durch  den 
verschiebbaren  Zahn  Oil,  die  Länge  des  Basalthuiles 
des  llinterhauptknochens  festgestellt  wird,  in  dem- 
selben Momente  zeigt  der  Zeiger  auf  dem  Gradbogen 
den  Winkel  an,  in  dem  diese  beiden  Knochenober- 
flächcn  zu  einander  stehen,  die  Correctur,  welche 
wegen  des  auf  dem  kürzeren  Arme  verschiebba- 
ren Zahnes  nöthig  ist,  wird  später,  nach  Her- 
ausnahme des  Instrumentes  und  Zusammcnkhtppen 
desselben  auf  dem  Gradbogen  abgelegen;  was  der 
Zeiger  unter  Null  anzeigt,  wird  zur  früheren  Zahl 
hinzu  addirt,  wenn  er  über  Null  zu  stehen  kommt, 
wird  dies  abgezogen.  Trägt  man  laugen  und 
Winkel  auf  die  entweder  in  Lucae’s  Weise  (durch 
den  Diopter  auf  der  Glastnfcll  oder  durch  den 
Dingraphen  gemachte  Seitenansicht  des  Schädels 
ein,  so  wären  auch  andere  Winkel  leicht  zu  con« 
struiren.  Referent  will  da»  Instrument  noch  da- 
durch verbessern , dass  der  an  die  Sattellehne  an- 
zu hakende  Vorsprung  durch  eine  Vorrichtung  noch 


innerhalb  des  Schädels  loslösbar  wird,  wodnrch 
Alles  noch  rascher  und  bequemer  ginge.  Der  Win* 
Fig.  21. 


Clivometer  von  Scligtnann. 

kel  des  Clivus  und  Hinterhauptsloches , so  wie  die 
Neigung  von  diesem  zur  horizontalen  Ebene  könnten 
auch  so  gemessen  und  eingetragen  werden.  Es 
folgten  nun: 

Virchow’s  Mittheilungen  über  die  altnor- 
dischen Schädel  zu  Kopenhagen J). 

Dritte  Sitzung,  den  23. September.  Prof. 
Glatter,  der  als  Präsident  der  Scction  für  öffent- 
liche Gesundheitspflege  in  den  Sitzungen  seiner 
Section  schon  mehrfache  Daten  über  lUcenverhAlt- 
nisee  in  Oesterreich  gegeben,  da  er  besonders  in 
Ungarn  vielfach  Gelegenheit  gefunden,  um  Erfah- 
rungen über  „ Einfluss  des  Raum-Momentes 
auf  biotische  Verhältnisse4*  zu  machen,  giebt 
nun  eine  Reihe  von  Beispielen:  In  Lemberg  lebe 

eine  italienische  Colonie,  deren  italienische  Acrzte 

*)  Wir  verweisen  In  dieser  Heriehung  nuf  den  AuIVäU 
von  Prof.  Vlrchow  in  dio^rtn  Heft  (?.  6,*»). 


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Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


eben  so  viel  Aderlässen,  wie  in  Italien,  es  schade 
den  Patienten  nicht  das  Geringste  und  sic  nehmen 
8 bis  10  Pfund  Blut  (!).  Den  Polen  bekomme 
dies  aber  sehr  schlecht.  Die  Serben  vermehren 
sich  in  ihrem  Vaterlande  fortwährend  bedeutend, 
in  den  nördlichen  Gegenden  von  Mohacs  gingen 
sie  dem  Aussterben  ontgegen.  Die  Juden,  zahlreich 
überall  durch  leichte  Geburten  und  wenig  Todes- 
fälle der  Kinder,  seien  durch  diese  Ubiquität  beson- 
ders für  den  Handel  geeignet.  (In  der  Sitzung 
für  öffentliche  Gesundheitspflege  hatte  der  Kcduer 
erwähnt,  die  wenigen  Todtgeburten  seien  Folge 
des  weiteren  Beckens  der  Jüdinnen.)  Jüdische 
Kaufleute  leben  daher  länger  als  christliche. 
Jüdische  Schneider  hingegen  sterben  früher 
als  christliche.  Bei  den  Ungarn  seien  wenig  Ge- 
burten, viel  Todesfälle,  daher  sie  vor  den  SJaven 
weichen.  Trotz  der  sehr  starken  Beimischung  tür- 
kischen Blntes  erhalte  sich  der  ursprüngliche  fin- 
nische Typus  dennoch  in  ziemlich  ausgesprochener 
Weise,  wie  die  auffallende  AehnJichkeit  der  unga- 
rischen mit  den  finnischen  Schädeln  beweise. 
Die  Slovaken  seien  sehr  lebensfähig  trotz  der 
schädlichen  Behandlung  der  Kinder  (sie  geben 
den  Säuglingen  Branntwein).  Die  Wenden  wä- 
ren hohe  Staturen  mit  kleinen  Köpfen.  Die 
Humanen  seien  leichteren  Gewichts,  ihr  Gehirn 
ziemlich  leicht,  ihre  Zähne  häufig  cariös.  Die 
Polen  werden  von  allen  Epidemieen  stärker  er- 
griffen als  die  Ruthenen.  Bei  Spaniern  und  Ita- 
lienern werden  Wunden  leichter  brandig.  Der 
Redner  glaubt,  dass  es  sehr  erspriesslich  wäre, 
wenn  eine  anthropologische  Gesellschaft  die  „Ein- 
flüsse des  Raum- Momentes1*  in  Betracht  ziehen 
würde,  die  Gründung  tarier  solchen  Gesellschaft  in 
W’ien  sei  schon  früher  in  Anregung  gebracht  wor- 
den, aber  nicht  zur  Ausführung  gelaugt. 

Prof.  Vogt  schreitet  nun  zur  Begründung  sei- 
nes Antrags  auf  Gründung  einer  allgemeinendeut- 
schen Gesellschaft  für  Anthropologie,  Eth- 
nologie und  Urgeschichte.  Es  sei  hierbei  man- 
cherlei Verhältnissen  Rechnung  zu  tragen,  so  nament- 
lich dem  Umstande,  dass  Deutschland  keinen  Cen- 
tralpunkt  habe,  wie  in  Frankreich  Paris,  in  Eng- 
land London  einen  solchen  bilde.  Bereits  beim  Zu- 
sammentreten  jenes  Kreise«  von  Fachmännern,  wel- 
che zur  Herausgabe  des  Archivs  für  Anthro- 
pologie schritten,  sei  der  Gedanke  der  Grün- 
dung einer  solchen  Gesellschaft  nach  verschie- 
denen Seiten  hin  erörtert  worden.  Zunächst 
und  vor  Allem  handle  es  sich  darum , das  In- 
teresse für  diesen  Zweig  der  Naturwissenschaft 
allseitig  anzuregen , Theilnahme  in  den  wei- 
testen Kreisen  zu  erwecken  und  Kräfte  für  das 
Unternehmen  zu  gewinnen.  Es  sei  auf  die 
Bildung  von  Localvereinen  hinzuwirken,  die 
Aulegung  von  Localsammlungen  zu  veranlassen. 
Er  habe  sich  mit  mehreren  Herren , als  den 


149 

Professoren  Virchow,  Semper,  Koner  u.  s.  f. 
besprochen  und  glaube  sich  im  Einverständnisse 
mit  denselben  für  die  Aufstellung  eines  provisori- 
schen Ausschusses  au  «sprechen  zu  sollen . welcher 
einen  Aufruf  zur  Bildung  einer  allgemeinen  Ge- 
sellschaft und  von  Localgeaellachofteo  zu  erlassen 
hätte.  Jedenfalls  müsse  man  im  Auge  behalten, 
dass  die  Hauptversammlung  den  obwaltenden  Ver- 
hältnissen nach  nur  eine  Wanderversammlung  sein 
könnte.  Referent  weist  darauf  bin , dass  zum 
Theil  sehr  bedeutende,  der  Oeffentlichkcit  ge- 
widmete Sammlungen  in  den  deutschen  Provinzen 
Uest erreiche,  vor  Allem  in  Salzburg  und  Linz,  be- 
ständen, wahrend  mit  Bedauern  ausgesprochen 
werden  müsse,  dass  dasselbe  in  Wien  nicht  der 
Fall  sei,  wo  die  Schätze  der  Coo k’ sehen  und 
Natterer’schen  Sammlungen,  Beit  Jahren  in  Kisten 
verpackt,  jeder  wissenschaftlichen  Verwertbung  ent- 
zogen seien.  Prof.  Virchow  spricht  sich  dahin 
aus,  dass  die  Organisation  der  Gesellschaft  erst  aus 
ihr  selbst  hervorgehe,  dass  das  einleitende  Gönnte 
nicht  au  einen  Ort  zu  binden  wäre  und  dass  bei 
der  Zusammensetzung  desselben  möglichst  die  ver- 
schiedenen Stämme  berücksichtigt  werden  möchten. 
Bei  der  hierauf  erfolgenden  Abstimmung  spricht 
sich  die  überwiegende  Mehrzahl  für  die  beantragte 
Einsetzung  eines  provisorischen  Ausschusses  aus, 
wählt  C.  Vogt,  Virchow,  Koner,  Semper, 
Seligmann,  Pichler,  Hussa  und  bestimmt,  dass 
Prof.  Semper  in  Würzburg  die  centrale  Leitung 
übernehme. 

Vierte  und  letzte  Sitzung,  Freitag, 
den  2 4.  September.  Präsident  Vogt  giebt  die 
von  Vilanova,  Professor  der  Geologie  in  Madrid, 
ihm  roitgetheilten  Daten  über  einen  Mikrooephalen 
iu  Spanien,  Vincenzo  Oris  y Codina,  bekannt. 
Derselbe  sei  1813  in  Castilion  del  Duca  (Provinz 
Valencia)  geboren  und  biete,  wie  nachfolgende 
Sch Mdchn aasse  zu  beweisen  schienen , ein  merk- 
würdiges Beispiel  von  Mikrocephalie.  Gesichts- 
winkel 5!)’',  Schädel  umfang  0,40 ra,  oberer  Bogen 
0,19m,  I«öngemlurchmesser  0,14“,  Breitendurch- 
messer 0,12  Er  sei  klein,  nur  etwa  1 Meter 
hoch.  Die  Brustglieder  sehr  lang,  mit  dem  Ru- 
diment eines  sechsten  Fingers  an  jeder  Hand ; die 
Beine  kurz  mit  einer  sechsten  Zehe  an  jedem  Fusse; 
der  Körper  ganz  mit  laugen  Haaren  bedeckt;  sein 
Charakter  eher  sanft  und  furchtsam,  in  Zorn  ge- 
bracht serreiise  er  seine  Kleider,  ohne  Anderen 
Leid  zuzufügen.  Kr  könne  nicht  sprechen,  gehe  in 
Sprüngeu  und  seine  Grimussen  seien  «ehr  ausdrucks- 
voll. An  diese  Beschreibung  und  die  Vorzeigung 
der  Photographie  knüpft  noch  Redner  die  Bemer- 
kung, dass  das  Alter  (56  Jahr)  und  die  Rudimente 
sechster  Finger  und  Zehen  sehr  auffallend  seien, 
da  Mikrocephalen  in  der  Regel  kein  höhere«  Alter 
erreichten  und  derartige  Bildungen  mit  Mikroce- 
phalie sonst  nicht  verbunden  seien. 


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150  Verhandlungen  wissenschaftlicher  Versammlungen. 


Prof.  Strobel  aus  Parma  macht  interessante 
Mitteilungen  über  die  Tcrramara-Lager  (Tcrra- 
mura  für  Terra  margu , Mergelerde).  Dieselben 
sind  Anhäufungen  mergelartiger  Erde,  die  stahl- 
reiche organische  Reste  und  grosse  Mengen  von 
Scherben  enthalten,  von  sogenannten  keltischen 
Töpfer waaren.  Sie  fänden  sich  in  Oberitalien 

und  zwar  im  Po-Thale  von  Piacensa  abwärts. 
In  der  Hauptsache  erwiesen  sie  sich  als  aufge* 
häufte  Küchonabfölle , welche  von  einer  vorhisto- 
rischen Bevölkerung  herrühren,  doch  enthalten 
sic  auch  Spuren  von  Wohnungen , ja  man  finde 
manchmal  deutliche  Ueberrestc  des  Heerdes  und 
der  Hütte.  Die  vegetabilischen  Reste  stammen 
nicht  von  See-  oder  Sumpf-,  sondern  s&mmtlicb 
von  Landpflanzen.  Die  animalischen  Beste  ge- 
hören theils  wilden , theils  Hausthieren  an ; es  fin- 
den sich  Eber,  Hirsch,  Reh,  Torfhuud,  Torf- 
schwein, Torfschaf,  Torfkuh,  die  Ziege,  das  Pferd 
und  in  den  höheren  Schichten  auch  der  Esel.  Auch 
Reste  von  Mollusken  und  Insekten.  Was  die 
Artefacten  betreffe,  so  sei  besonders  eine  charakte- 
ristische mondformige  Gestalt  der  Geschirrhenkel 
hervorzuheben,  die  sich  sonst  nirgends  wiederfinde. 
Die  Verzierungen  andenTöpferwaaren  sind  geometri- 
sche. Die  Werkzeuge,  fast  suiumtlich  Bronze,  nur  we- 
nigeEiaen, stimmen  vollkommen  mit  den  in  den  schwei- 
zerischen Pfahlbauten  gefundenen  überein.  Fibulae 
sind  nur  wenige,  Spiralbänder  keine  ausgegraben 
worden.  Grabstätten  sind  keine  entdeckt  worden, 
wohl  aber  sind  in  der  Nähe  eines  Terraraara- 
I.agers  zwei  Schädel  von  brachycephalem  Typus 
aufgefunden  wordeu.  Den  gegebenen  Anhaltspunk- 
ten nach  müsse  das  Volk,  von  dem  diese  Anhäu- 
fungen herrührten,  Jugd,  Viehzucht  und  Feldbau 
betrieben  haben,  mit  Fischerei  scheine' es  sich  gur 
nicht  abgegeben  zu  haben.  In  den  Provinzen  Parma 
umlReggio  (in  derEmilia)  stellen  sich  die  Terramara- 
lager  nur  als  Fortsetzungen  der  Pfahlbauten,  über 
denselben  entstanden,  heraus.  Sie  scheinen  in  künst- 
lichen Wasserbassins  errichtete  Seeburgen  (Cran- 
noges)  zu  sein.  Prof.  Chierici  in  Reggio  habe  nun 
die  Verinuthung  aufgestellt,  dass  alle  Terramara- 
lager  der  Ebene  Pfahlbauten  enthalten  hätten, 
welche  Anschauung  vorzüglich  in  der  Beobachtung 
ihre  Stütze  finde,  dass  man  in  den  Terramaralagern, 
gewissermaassen  als  Kern  derselben,  mit  Erde  ver- 
mischte Holzüberbleibsel  finde,  welche  auf  verfaulte 
Pfähle  Bchliesscn  lassen.  Durchschnitte  durch  die- 
sen Kern  ergäben  auch  die  Gestalt  von  Pfahlbau- 
ten. (Prof.  Strobel  theilte  dem  Berichterstatter 
noch  später  mit,  die  Terramara-Erde  werde  als  eine 
Art  Gunno  von  den  Bauern  benutzt,  was  ebenfalls 
dafür  spricht,  dass  es  meist  Küchcnnbfälle.) 


Der  Präsident  spricht  sich  zum  Schluss  über 
jene  eigenthümlicheu  halbmondförmigen  Gegen- 
stände aus,  welche,  von  Einigen  als  Symbole  eines 
Mondcultus  aufgefasst,  wohl  Nichts  als  Kopfkis- 
sen sein  dürften,  welchen  jene  eigentümliche 
Form  nur  gegeben  worden  sei,  um  den  llaarputz, 
der,  wie  die  langen  Nadeln  bewiesen,  ebenso  wie 
noch  jetzt  bei  vielen  wilden  Völkern,  sehr  hoch 
gehalten  worden  sei,  zu  schonen. 

Nach  der  Sitzung  verfasste  der  Ausschuss  den 
Aufruf  zur  Bildung  der  deutschen  Gesellschaft  für 
Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte,  wel- 
cher in  der  letzten  Nummer  des  Tageblattes  ver- 
öffentlicht wurde. 


II. 

Verhandlungen  der  die  Anthropologie  ein- 
schliessemlen  Section  bei  der  Versammlung  der 
British  association  zu  Exeter.  August 
1869. 

Prof.  Busk,  Präsident,  eröffnete  die  Sitzung. 
Vorträge  wurden  gehalten : 1)  von  John  Lubbock, 
über  den  Urzustand  der  Menschen  (woran  sich  eine 
längere  Discnssion  knüpfte).  2)  Duncan,  über  die 
Funde  bei  Cro-Magnon  in  Perigord  (gegen  die 
Gleichzeitigkeit  von  Mensch  und  Mammuth).  3) 
Lane  Fox,  über  Kieselwerkzeuge  iro Themsetbale. 
4)  Dumbletou,  Entdeckung  einer  Seeinsel  (Pfahl- 
bau) in  Südwallis.  5)  Spencer  Cobbold,  Über 
sogenannte  fossile  Menschenaugen  aus  Peru  (nach 
Owen  Augen  von  Sepia).  6)  Sir  Edw.  Beicher, 
über  Steinwerkzeuge  von  Rangoon.  7)  Duncan 
Gibb,  über  die  Armuth  Canadas  an  urgeschicht- 
liclien  Resten.  8)  Dendy,  über  den  Zustand  des 
Menschen  in  der, Urzeit.  9)  Lewis,  über  megali- 
thisehe  Monumente.  10)  Bonwick,  Ursprung 
der  Tasmanien  II)  King  über  die  Eingeborenen 
von  VancouveFs  Insel  und  British  Columbia  (mit 
Bemerkungen  über  die  verschiedenen  Formen  der 
künstlichen  Missstaltung  der  Köpfe).  12)  Hall, 
über  diu  Eskimos,  betrachtet  in  ihrem  Zusammeu- 
haug  mit  dem  Alter  der  Menschheit  (Verfasser  hält 
es  für  unabweisslich,  dass  dieses  Volk  aus  der  mioce- 
nen  Zeit  stamme,  da  in  der  arktischen  Region  noch 
ein  mildes  Klima  herrschte).  13)  Duncan  Gibb, 
an  obstacle  to  human  longevitv  beyond  seventy 
yoars.  (Bei  allen  Personen  über  70  Jahre  Btehe 
der  Kehldeckel  vertieft],  Personen  mit  hängender 
Epiglottis  werden  nicht  so  alt!)  14)  Drake, 
menschliche  Reste  in  dem  Kies  von  Leicestershir*). 
15)  Hall,  die  Art,  wie  die  alten  Bewohner  von 
Devon  ihre  Kiesel  bearbeiteten.  (Anthrop.  review. 
October  1869,  p.  414.) 


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X. 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur'). 


I 

Urgeschichte. 

(Von  C.  Vogt.) 

Der  Bericht  umfasst  Alle«,  was  mir  vom  Juni  1869  bis  Mitte  März  1870  zugekommen.  Da  die 
Betheiligung  an  urgeschichtlichen  Studien  mehr  und  mehr  um  sich  greift,  so  muss  ich  bemerken,  dass 
ich  zwar  stets  die  Verpflichtung  anerkenne,  Werke  und  Abhandlungen,  welche  in  einer  der  vier  Cultur- 
sprnchen  (Deutsch,  Englisch,  Französisch,  Italienisch)  erschienen  sind,  zu  analysiren,  dass  ich  mich  aber 
nicht  für  verbunden  erachte,  noch  in  das  Gebiet  derjenigen  Sprachen  hinüberzugreifen,  die  entweder 
durch  zu  geringe  Verbreitung  oder  durch  zu  wenige  Betheiliguug  an  der  allgemeinen  Cultur  - Entwick- 
lung der  Menschheit  verhindert  sind,  mehr  als  locale  Aufmerksamkeit  zu  beanspruchen. 


Belgien. 


E.  Dupont.  I.e»  Imtons  de  commandement  de  la 
caverue  deGoyet.  Aead.  des  Sciences  de  Belgique, 
Vol.  27,  pag.  274.  — Materiaux,  2d*  Serie,  öTO# 
Annee,  pag.  318. 

Zwei  Stücke  io  derselben  Grotte,  du*  ein«  ohne  Zcich-' 
nuiiir,  auf  dem  andern  lä*At  »ich  eine  Forelle  erkennen. 

A.  Spring.  Snr  les  divers  modes  de  fortuation 
des  depöts  ossifere«  dnns  les  cavernes;  ä propos 


d'ossements  decouverts  dans  le  Rocher  de  LiveB 
pres  Namur.  — Bullet.  Acad.  de  Belgiquc,  2dfl 
S«rie,  Tome  XX,  Nr.  8. 

Xarhweis,  da»»  Knochen  in  viele  Höhlen  durch  Was- 
ser ringe»,  bwetntul  oder  »chon  bestandene  hager  umge- 
schwemmt  wurden;  da»»  andere  durch  Fleischfresser,  andere 
durch  Menschen  in  verschiedenen  Zeiten  und  manche  un* 
zugängliche  Spalten  durch  Raubvögel  ungefüllt  wurden, 
die  selbst  Reste  von  Ertrunkenen  dorthin  «chleppten. 


Dänemark. 


O.  Blom.  Analyse  de  quelques  arme»  datant  de 
la  preniiere  periode  de  lVtge  de  fer.  Metnoircs  de  la 
Societe  de»  Antiquaires  du  Nord.  Nouvelle  Serie, 
1868,  pag.  158. 

Nachweis,  das»  unter  den,  meist  au»  weichem  Eisen  ver- 
fertigten Schwertern  der  ersten  F.Ueuxeit  sich  auch  welche 
au«  Stahl  befinden. 

*)  Beiträge  in  den  Literaturverzeichnissen  von  anderen  als 
den  NamenscliitTeni  der  betrefienden  Autoren  verseilen. 


C.  Engelhardt.  Coupe  de  bronzo  cmoille  du  Jut- 
laud  eu  Dänemark.  — Mein,  de  la  Soc.  des  Anti- 
quare» <lu  Nord.  Nouv.  Ser,  1868,  pag.  151, 1 Taf. 

Au*  dem  Torfmoor  von  Malt  bock  zwischen  Ribe  und 
Holding  in  zwei  Meter  Tiefe.  Diese  prachtvolle,  mit  Blät- 
tern and  gezähnU-n  emaiilirten  Linien  vertierte  Schale 
«tack  in  einem  Thungefäas.  Au*  der  ersten  Eisenzeit. 

den  in  der  Ucberschrift  genannten  Hauptbcurbeitern  sind  mit 


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YeraeichnUs  der  anthropologischen  Literatur. 


152 

C.  Engelhardt.  Sur  1«  trouvaille de Vimose.  Mein, 
de  I«  Societe  de»  Antiquaire»  du  Nord.  Nouvello 
•Serie,  1SI17,  pug.  S9. 

Torfmoor  bei  Odern*.  Fund  au.«  der  ersten  Eisenzeit. 
Scfrlrt  in  Wolliloff  ringchüllt , Agraffen,  Fibeln,  Ringe  etc. 
aus  Kiwi»,  Braue,  Silber,  Schwerter  au#  Holx  (Modelle) 
und  Stahl,  Römische  und  Runen*  Inschriften,  Kämme,  Töpfe, 
Schüsseln.  Mmcr,  Würfel,  Sporen,  Sensen,  Pferd**  je  schirre 
— kur*  Alle»  was  zu  einem  Haushalt  eines  reichen  Man- 
ne# und  Krieger*  gehört.  Iler  Fond  dürfte  in  das  dritte 
bis  fünfte  Jahrhundert  nach  Chr.  zu  setzen  »ein. 

J.  G.  M&cDsen.  Antiquites  prehistoriqueB  du  Dä- 
nemark. L’ag<?  de  la  pierre.  Copcnhague  1869, 
1 Vol.  Fol.,  19  S.,  45  Taf. 

Ausgezeichnete  Radiruugen  mit  inhaltsreichem  Text. 

A.  Morlot.  Sur  le  paseiige  de  Tage  de  la  pierre 
ä Tage  du  Bronze  et  nur  lea  nietaux  employes 
ditna  l’Age  du  bronze.  — Mein,  de  la  Societe  de» 
Antiquaires  du  Nord.  Nouvello  Serie,  1866, 
pag.  23. 

Mau  finde  zwar  Gegenstände  aus  rothero  Kupfer,  diesel- 
ben hätten  aber  stet»  einen  Beisatz  von  Zinn  und  rührten 
nur  davon  her,  da*#  man  letztere#  gespart  habe;  man 
könne  kein  besonderes  Kupferalter  siatuirrn,  selbst  nicht 
in  Ungarn,  wo  viele  Kupferwicben  vorkämen,  ln  der  äch- 
ten Bronzezeit  bähe  mau  von  Metallen  nur  Gold,  Kupfer 
und  Zinn  gekannt.  Das  nordische  Gold  sei  eingeführte* 
Flussguld  und  da  eiuige  nordische  Stücke  Platin  enthielten, 
wahrscheinlich  au#  dem  Ural.  Zinn  in  reinem  Zustand 
außerordentlich  selten  — IloixgefiUs  mit  Zinnnägeln  ver- 
ziert aus  Dänemark  — in  der  Schweiz  einige  Gussstücke: 
Kupfer,  rein  nur  als  Gussstücke.  Bronze  von  »ehr  ver- 
schiedenen Proportionen.  Man  habe  »eiten  in  doppelte 
hohle  Gussfonuen  oder  in  San«!  gegossen,  sondern  meist  in 
Thonformen  um  ein  Kaoimile  von  Wachs  (cn  cire  pcrduel, 
•ins  durch  das  eingegossene  Metall  M'hmelze  — deshalb  seien 
selten  rwei  Gelte  ganz  identisch.  Man  veraland  nicht  da# 
Metall  zu  bohren  noch  zu  schweissen;  man  hämmerte  es 
aber  sehr  gut. 

O.  Rygh.  L»  prämiere  periode  de  läge  de  fer  on 
Norvege.  — Mein,  de  la  Societe  de»  Autiquairee 
du  Nord.  Nouv.  Serie,  1868,  pag.  196. 

Etwa  500  Gegenstände  aus  der  ersten  Eisenzeit  seien  in 
verschiedenen  öffentlichen  (Christiaoia , Bergen,  Dronthcim, 
Arvndal)  und  privaten  Museen  zerstreut.  Die  meisten 
stammen  aus  Gräbern;  nur  wenige  römische  Münzen  dabei. 


In  den  meisten  Grabhügeln  verbrannte  Leichen,  Urnen  aus 
Bronze  und  Thon.  Runen  - Inschriften.  Die  Fundstätten 
gehen  bis  über  den  Polarkreis  hinaus  und  es  scheine,  als 
bezeichne  die  spätere  Eisenzeit  eine  plötzlich  hereiubrecheudc, 
von  der  erstell  verschiedene  CiviUsntioo. 

J.  J.  Worsaae.  Sur  quelquea  trouvaille*  de  l äge 
de  brouze  faites  dans  des  tourbicres.  Memoire» 
de  la  Societe  des  Antiquaires  du  Nord.  Nouvelle 
Serie,  1869,  pag.  61.  Auszug  in  Materiaux  2d* 
Serie,  5“#  Anne«,  pag.  285 — 296. 

Verfasser  zählt  die  verschiedene»  grossen  Funde,  die  so- 
wohl im  Norden  als  anderwärts,  in  Torfmooren  und  Seen 
gemacht  wurden,  auf  — er  zeigt,  dass  die  meisten  Gegen- 
stände neu,  ungebraucht  sind,  noch  die  Gussränder  besitzen ; 
dass  andere  absichtlich  gebogen,  gebrochen  «»der  unbrauch- 
bar gemacht  worden  sind;  dass  man  ähnliche  Gegenstände 
in  den  Gräbern  findet,  und  sciiliesst  daraus,  dass  ‘diese  An- 
häufungen meist  religiöse»  Gebräuchen  zuzusehreiben  sind, 
die  in  den  Feldern  und  Torfmooren  Opfergaben,  die  in  den 
Gräbern  Speise-  und  Trankopfern  für  die  Götter. 

J.  J.  Worsaae.  De  quelques  Antiquite«  Norvt- 
gienneB.  — Hem.  de  la  Soc.  de«  Antiquaires  du 
Nord.  Nouv.  Serie,  1868,  pag.  185. 

Bisher  habe  man  im  Korden  bi*  in  die  Schulbücher  hin- 
ein als  feststehend  angenommen , «Inas  Finnen  oder  Lappe» 
die  ersten  Bewohner  gewesen  seien  (Steinzeit) , das*  dann 
Gelt«*»  mit  Bronze  und  dann  Skandinavier  (Aryer)  mit 
Eisen  gekommen  seien.  In  Norwegen  sei  man  noch  weitei- 
gegangen und  habe  gelehrt,  «lass  Norwegen  gnr  keine  Stein- 
und  Bronzezeit  gehabt  habe,  dass  die  wenigen  Gegenstände, 
die  man  au*  diesen  Epochen  an  den  Küsten  Bude,  aus  der 
Fremde  gebracht  worden  seien,  da*»  «iie  Skandinavier 
(Aryer)  zucist  vom  Nonien  her  gekommen  seien  und  das 
Eisen  nach  Dänemark  gebracht  hätten.  Das  Alles  »ei  nicht 
wahr.  Man  habe  in  Norwegen  Schleifsteine,  Steinkerne  etc. 
entdeckt,  Beweise,  dass  man  dort  Strinwaffen  fahricirt  habe; 
ebenso  Brouze , da  Gussstätten  entdeckt  worden  seien  — 
die  ältesten  Gegenstände  au»  Eisen  fänden  sich  im  .Süden, 
die  neueren  im  Norden  von  Norwegen  — diese»  sc»  also 
von  Süd  nach  Nord  colonisirt  worden. 

J.  J.  Worsaae.  Om  Betydningen  af  vore  störe 
Moeefand  frn  de  aeldro  Jernalder.  Kjöbenlmveu 
1868. 

J.  J.  WorBaae.  Om  Mammen -fandet  fr«  Heden- 
■kubeta  Stutniugstid.  Kjöbenhaven  1869.  18  S„ 
9 Tafeln. 


Deutschland. 


Ablagerungen  von  Speiseresten  der  Crraenscheu 
in  den  Vereinigten  Staaten  Nordamerikas.  (Aus- 
land 18G9,  Nr.  40.) 

(Jeher  die  grossen  Haufwerke  von  Speiseresten  der  ame- 
rikanischen Ureinwohner  entnimmt  da*  .Ausland“  den  treff- 
lichen „Mnirriauv  |*our  Phistoire  primitive  et  naturelle  «le 
1‘hummc  pnr  M.  M,  Tr U tot  et  Cartailha«:*  (Juli  und 
August  1H69)  folgende  Notizen: 

Grosse  Anhäufungen  von  Muschelschalen  befinden  sich 
auf  einer  Insel  nördlich  von  dein  Meerbusen  du  Franfai», 
Wim  Mont-Dtaert  in  Maine.  Dann  lie-gen  Holzkohlen  und 
bearbeitete  Gegenstände  von  Stein  und  Knochen.  Am  Mont- 
Desert  fand  man  einige  Fragmente  von  Töpfergeschiiren 
mit  leichter  Verzierung.  Zweiter  Fuudpunkt:  Crouch** 


Cove  auf  Goose  Island  im  Meerbusen  von  Ca#co,  15  eng- 
lische Meilen  nordöstlich  von  Portland.  Muschel hügel  be- 
decken hier  eine  UWrtlKche  von  mehr  als  500  tjuadratfu*-. 
Mctallgegcnatände  kein**,  nur  »ehr  selten  Steingerät  he.  Alle 
Anzeichen  deuten  auf  sehr  hohes  Alter  hin.  Dritte  Fund- 
stelle: Eagle  llill  in  Ipswich  (Massachusetts)  am  Rande 
eine*  kleinen  Hafenplatze#.  Mus*helh«igel  B Kuss  hoch, 
10  Fuu  im  Üurcbme«-er.  Mau  fand  hier  einen  rundlich 
zuge*<hlngcnen  Stein  mit  einer  Rinne  und  zwei  bi-arbeitete 
Knocbrn*tücke.  Vierter  Fundort:  Cotuit  P«irt  bei  der 

Stn«lt  Bnmstaple  südlich  vom  Cap  Cod.  MusehrtnbUge- 
rungen  bedecken  etwa  100  Acre*. 

Vergleicht  man  diese  Ablagerungen  mit  ihrem  Inhalte 
nn  Gerätben  mit  den  bekannten  Beschreibungen  der  uralten 
Kjökkenmöddinger  in  Dänemark , so  tritt  uns  die  grosse 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  153 


Wahrscheinlichkeit  entgegen , des«  die  Lebensweise  der  II* 
testen  Bewohner  der  nordamerikanischen  Küsten  ziemlich 
ebenso  beschulten  wer  wie  sie  e«  in  Dänemark  gewesen 
ist.  liier  wie  dort  haben  »ich  diese  Urbewohner  vorzüg- 
lich von  der  Beute  der  Fischerei  und  der  Jagd  ernährt. 
Nur  die  tiefsten  Spuren  der  Cultur  sind  in  der  sparsamen 
Hinterlassenschaft  ihrer  Händearbcit  erkennbar.  F.  v.  H. 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  drei  Sectio- 
nen  dos  Internationalen  Congresses  für  Alter- 
thum&knnde  und  Geschichte  zu  Bonn  vom  14. 
bis  21.  September  1868.  1.  Verhandlungen  der 
I.  Section  für  Urgeschichte. 

Siebe  dieses  Archiv,  Bd.  III,  S.  332. 

Reinhold  Bibor.  Carl  Vogt’s  Naturwissenschaft- 
liche Vorträge  Über  die  Urgeschichte  des  Men- 
schen. Ein  Leitfaden  für  Carl  Vogt’s  Audito- 
rium. Elbing  1870. 

Der  Zusatz  «um  Titel  mag  wohl  ein  Aushängeschild  für 
den  Verkauf  de*  Schn  fleh*  ns  »ein,  das  einige  Einwürfc 
gegen  meine  Vorlesungen  zu  form  ul  Iren  suchL. 

Julius  Ernst  Födisch.  Die  heidnischo  Todton- 
bestattung in  Böhmen,  16  S. 

Sehr  übersichtliche , kurze  und  klare  Darstellung.  Dol- 
men giebl  e»  in  Böhmen  nicht  t dagegen  zwei  Arten  alter 
Gräber,  Hügelgräber  und  Flachgrährr.  Die  ersteren  sind 
Stein&nhiufungen  ohne  Mürtelverbindung,  Geröll-  oder  Erd* 
aufschüttungen  in  Gestalt  eine»  Kegel»  oder  Kugelabschnit- 
tes, Bestattung  verbrannter  und  unverbrannter  Leichen 
im  Hügel , Beigabe  von  Metall.  In  einem  Grabe  war 
nur  der  Kopf  verbrannt,  der  Körper  erhalten,  ln  den 
Hügelgräbern  Urnen,  Waffen  und  Schmuck  von  Bronze,  Gold 
und  Bernstein , seltener  von  Eisen.  Typus  der  älteren 
Bronzeperiode.  Mit  einer  Frau  ein  Eichhörnchen  (Lieb- 
lingstbier)  mit  bestattet.  Niemals  römische  Gegenstände, 
dagegen  Objecte,  die  auf  Zusammenhang  mit  dem  *Udö»l- 
lichen  Europa  über  Macedonien  hinab  deuten:  Rcgenbogen- 
schüsseln  und  Silbermünzen  mit  celtischen  Namen,  barba- 
rische Nachahmung«-»  macedonischer  Münzen.  In  Hügeln 
nur  aus  Erde  aufgrthiirmt,  findet  »ich  häufiger  Eisen  und 
Gegenstände  etruskischer  oder  römischer  Technik  (Phale- 
rae  etc.).  — Flach«-  Gräber ‘verschiedener  Art  scheinen  zur 
Bestattung  de»  gemeinen  Volkes  gedient  zu  haben.  1.  Vier- 
eckig länglich , an  den  Seiten  mit  Steinplatten  ausgelegt, 
mit  einer  Steinplatte  geschlossen.  Meist  nur  Objecte  aus 
Stein,  Knochen  und  Horn,  zuweilen  auch  Bronze.  2.  Kreis- 
runde Gräber  in  der  Erde,  kessel-  oder  cyliiwlrrforroig.  am 
Boden  mit  Steine«  oder  gebranntem  Thon  ausgeh-gt.  Gros- 
ses Todtenfeld  dieser  Art  bei  Xc-hasitz  zwischen  Saaz  und 
Brüx.  Dort  Urnen  und  Skeletgräber  — nie  Eisen,  selten 
Bronze,  massenhaft  Mahlsteine,  Steinäxte,  Thonwirtel  and 
Instrumente  aus  Knochen,  einige  eigentümlich , andere 
durchaus  deucn  der  Pfahlbauten  ähnlich.  3.  LanggräWr 
mit  Skeleten,  Todtenfelder  mit  Bronze  und  Eisen.  4.  Ur- 
nen , einfach  in  die  Erde  gestellt.  Bronze  und  Eisen  da- 
bei. (Die  Schädel  aus  den  ältesten  Gräbern  sind  alte  sehr 
dolicbncephal,  Hohberger  Typus,  also  germanisch  — die 
au«  den  jüngeren  br&chycepbal . den  jetzigen  Czecheu- 
Sc  bä  di*  In  ähnlich.  C.  V.) 

Antonin  Fric.  0 Dezenach  Prac«.  Praze  1868. 

Von  einem  in»  Czcebische  übersetzten  Deutschen,  Dr. 
Ant.  Fritsch. 

FriodoL  PalftolithiBche  Flint  Werkzeuge  aus  dem 
Havel  - Diluvium  zwischen  Potsdam  und  Ilavels- 
berg.  — Sitzung  der  Berliner  Anthropologischen 
Gesellschaft,  15.  Januar  1870. 

Areliir  rar  Anthropologie.  Bd.  IV.  Heft  II. 


Zwei  Feuerfttcinmesfrer  au»  den,  die  Mamrauthfauna  ent- 
haltenden Rothkies-Ablagerungen  der  genannten  Gegend. 

Fund  alter  Gerippe  auf  Bornholm.  (Globus,  Bd.  XV, 
S,  190.) 

Bericht  über  den  Fund  von  11  alten  Gerippen  in  der 
Nähe  von  Rönne,  die  aus  der  Vikingerzcit  herrühren  sollen. 

F.  v.  H. 

R.  Hartmann.  Ueber  Pfahlbauten,  namentlich  der 
Schweiz,  so  wio  über  noch  einige  andere,  die  Al- 
terthumskunde betreffende  Gegenstände  I.  — 
Zeitschrift  für  Ethnölogie,  2.  Jahrgang,  S.  1 — 30, 
2 Tafeln. 

Vortreffliches  Resumt  und  kritische  Sichtung  der  be- 
kannten Thatsachen  und  Anaiehten.  Hinsichtlich  der  Ta- 
feln and  Restaurationen  der  Pfahlhäuser  möchte  ich  nur 
Eines  bemerken:  Wenn  Hartmann  nicht  an  Schornsteine 
glaubt  (ich  auch  nicht),  so  glaube  ich  auch  nicht  an  Fenster. 
Primitive  Wohnungen  erhalten  nur  durch  die  Thiirc  Licht. 

Victor  Hehn.  Culturpflanseu  und  Hausthiere  in 
ihrem  Uehergang  aus  Asien  nach  Griechenland 
und  Italien  sowie  in  das  übrige  Europa.  Histo- 
risch-linguistische Skizzen.  Berlin,  Bornträger, 
1870,  456  S. 

Ueber  den  Werth  und  Inhalt  dieser  Skizzen  steht  uns 
kein  Crtheil  zu  — • wie  man  aber  dem  Lauch  und  der 
Quitt« , dem  Pfau  und  Fasan  eigene  Capitel  widmen  kann, 
während  di*  Cerealien,  Hund  und  Pferd  nur  nebenbei  er- 
wähnt werden,  ist  unserer,  freilich  durch  höhere  Philologie 
nicht  geschärften  Einsicht  unzugänglich.  Von  den  Pfahl- 
bauten nagt  der  Verfasser  (3.  411)  „da»  einzige  Neue,  das 
Ihre  Untersuchung  geliefert  hatte,  sei  die  Priorität  des 
Ackerbaues  vor  den  Metallen“. 

Alois  Hussa.  Ueber  das  Alter  des  Menschenge- 
schlechtes. Klagenfurt  1869,  28  S. 

Recht  gute,  populäre  Auseinandersetzung  der  bis  zur 
Bronzezeit  reichenden  Thntsachen. 

Klein,  Herrn.  J.  Geologische  Alterahcrechnungen 
des  Menschengeschlechtes  und  ihr  Werth.  (Glo- 
bus, Bd.  XV,  S.  328-330,  301—363.) 

Autor  misst  denselben  gur  keinen,  oder  doch  nur  sehr 
geringen  Werth  bei.  F.  v.  H. 

Vincens  Knauer.  Carl  Vogt  und  sein  Auditorium. 
Drei  Vortrage  gehalten  in  Wien  vor  einem  den 
höchsten  und  intelligentesten  Kreisen  angehöri- 
gen  Publikum.  Wien  1870,  60  S. 

Den  römisch-katholischen  Styl  und  Ton  nach  Abraham 
n Santa  Clara  muss  man  sich  schon  gefallen  lassen.  Nur 
dagegen  muss  ich  prot***t»ren , dass  der  Verfasser  in  »einer 
blühenden  l’nwi*#enheit  einen  Genossen,  I>r.  Wilhelm 
Knauer  in  Graz  als  Entdecker  von  Verhältnissen  und 
Berechnungen  über  die  Eiszeit  bezeichnet,  die  längst  weit 
gründlicher  und  ausführlicher  und  zwar  vor  fast  30  Jahren 
von  Adh£mar  publicirt  und  lu  allen  Lehrbüchern  behandelt 
worden  sind. 

K.  Th.  Liebe.  Dis  Knocheulager&tätte  von  Pah- 
ren im  RcuBsischeu  Oberlande.  Zeitschrift  für 
die  ge&ammten  Naturwissenschaften  von  Giebel 
and  Siowert,  Januar  1870,  S.  33.  Neue  Folge, 
Band  I. 

In  einer  Spalte  Im  Clymenien-Kulk  Lehm  mit  Klephas 
primigenius,  Canis  »pelaeus,  Con  us  taramlus,  Ronasu»  Bison, 
Bo*  primigenius,  Equus  fossilD,  Lepus  timidus.  Sonst  gar 

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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Nichts,  als  ein  vielleicht  von  Menschen  zugespitzter  Me- 
tatarsus - Nebenknochen  vom  Pferd.  Die  Kuhrenk nochen 
vor  der  Einbettung  zerschlagen.  Wahrscheinlich  lebte  also 
der  Mensch  in  dortiger  Gegend  mit  Maminuth , Rennthler 
und  Aueroch*.  (Wenn  sich  dies  bestätigen  sollte,  »o  wäre 
dies  die  östlichste  Fundstätte  in  Deutschland.  C.  V.) 

Maack.  Urgeschichte  des  schleswig-holsteinischen 
Landes.  Kiel  1869,  8°.  Zweite  verm.  Auflage. 

Erfreulich,  «lass  das  vortreffliche  Werk  schon  eine  zweite 
Auflage  gefunden. 

Mestorf , J.  Das  urgeschiohtliche  Schleswig  - hol- 
steinische Land.  (Globus,  Bd.  XVI,  S.  214 — 216, 
234—236,  264—266.) 

Nach  Maack1 1 trefflichem  Werke  Uber  diesen  Gegen- 
stand. 

Mestorf,  Dr.  Aus  deu  „Reieeerinncrungen“  des 
schwedischen  Archäologen  Nübsod.  (Globus,  Bd. 
XV,  s.  110—113.) 

Behandelt  die  Verfertigung  von  Stringeräthschaften  in 
vorgeschichtlicher  Zeit,  die  steinernen  Pfeil«  der  Eskimos, 
die  Frainea  der  Germanen , dann  den  Zustand  des  Alter- 
thumsmuseum  in  Kiel  und  die  Privatmuseeu  in  England. 

F.  v.  5. 

Mestorf,  J.  Ein  Gangbau  auf  der  Insel  Sylt. 
(Globus,  Bd.  XV,  S.  296—298,  332—334.) 

Aiuzug  aus  Wibtl'n  Schrill. 

Christian  Pcterson.  Spuren  des  Steinalters,  wel- 
che sich  bis  in  die  Zeiten  der  beglaubigten  Ge- 
schichte erhalten  haben.  Hamburg  1868,  4S. 
16  S. 

„ln  religiösen  Gebrauchen  und  in  dem  aus  Missdeutung 
derselben  entstandenen  Aberglauben,  sagt  der  Vrrfasaer, 
erhält  sich  stets  länger,  was  sonst  im  Leben  sein«  Bedeu- 
tung verloren  hat.*  — Belm  Einbalsamiren  wurde  der 
er«te  Schnitt  bei  den  Aegyptern  mit  einem  „AetbiopUcben 
Steine“  gemacht.  Lanzen,  Pfeilspitzen,  Messer  uns  Feuer- 
stein waren  in  Aegypten  im  Gebrauch.  Die  Juden  vollzo- 
gen die  Beschneidung  mit  einem  Steinmesser,  die  Punier 
zerschlugen  den  Kopf  de»  Opferthieres  mit  einem  Stein. 
Jupiter  Feretrius  hatte  als  Symbol  einen  Stein  — Jupiter 
Lapis.  Jupiter  schleuderte  Donnerkeile  — Steinkeile,  beim 
Schwören  warf  man  einen  Stein,  beim  Scblie**en  eines 
Bundes  tödtete  man  das  Opferthier  mit  einem  StMnme**«r. 
Sprichwort:  Inter  sacra  saxumque.  Edda  und  Saga  ken- 
nen Steinbeile  und  Pfeile  im  Gebrauch  des  Aberglaubens. 
Thor’»  Mjblner  ist  ein  Steinhammer  — Indra’«  Hammer 
ebenfalls.  Als  die  Aryer  sich  trennten , kannten  sie  Erz, 
Kupfer,  Gold,  wio  Grimm  sprachlich  nachwies,  nicht  Eisen 
und  Silber. 

F.  von  Bongemont.  Die  Bronzezeit  oder  die  Se- 
miten im  Occident  Uebersetzt  von  Aug.  Keerl. 
Gütersloh  1869. 

Vermehrte,  aber  nicht  verbesserte  l'ebcrsetzung  de*  be- 
kannten Buches. 

Oscar  Schmidt.  Munnelthiere  bei  Grats.  — 
Sitzungsberichte  der  Akademie.  Wien,  VoL  63. 

Am  Kainerhügcl  hart  bei  Grat*  wurde  ein  alter  Murmel- 
thierbau in  1200  Fus*  Meereshöhe  gefunden,  der  offenbar 
aus  einer  Zeit  stammt,  wo  Flora  und  Fauna  der  Hochge- 
birge in  die  Ebene  hinabgin^en.  (Den  Tlioukugelti  nach 
zu  schliesspn  Ist  es  Aretomjs  Bobnc.  C.  V.)  (Siehe  Ar- 
chiv, Vul.  I,  S.  378). 

Oscar  Schmidt.  Das  Elenn  mit  dem  Hirsch  und 


dem  Höhlenbären  fossil  auf  der  Grebenzer  Alpe 
in  Obersteier.  Sitzungsberichte  der  Akademie. 
Wien,  Vol.  37. 

Höchst  merkwürdiger  Kund  in  einem  Schlunde,  dem 
„wilden  Loche“,  wenigstens  3000  Kuss  über  dem  Meere. 
Ein  IS  Klafter  tiefer  Schacht  führt  zu  einer  schiefen  Höhle, 
deren  Eingnng  vereist  ist.  Nur  ein  Individuum  jeder  Art, 
offenbar  sind  die  Thlere  hiheingestürzt.  Der  Klennschädcl 
mit  dom  Geweih  ist  prachtvoll  erhalten. 

Schuster,  Oscar.  Die  alten  Heidenschanzen 
Deutschlands.  Dresden  1869,  8°. 

Diese  »ehr  gründliche  Arbeit  ist  zuerst  in  &treffleur’s 
Oesterreichischer  Militärischer  Zeitschrift  erschienen  und  dann 
vom  Verfasser,  einem  künigl.  sächsischen  Offizier,  selbst- 
ständig als  Buch  herausgegeben  worden.  Dem  Autor  stan- 
den offenbar  gediegene  archäologische  und  linguistische 
Kenntnisse  zu  Gebote,  wie  denn  die  ganze  Schrift  wohl  da» 
Vollständigste  sein  dürfte,  waa  wir  über  diesen  Gegenstand 
besitzen.  Einen  Auszug  dieser  Arbeit  findet  man  im  „Aus- 
land“ 1869,  Nr.  41,  S.  977—978.  F.  v H. 

Stcinzeitalter/  da*,  auf  den  griechischen  Inseln. 
(Ausland,  1869,  Nr.  48.) 

Bericht  über  die  von  Herrn  J.  Fouquä  geleiteten  Aus- 
grabungen auf  Theresia,  welche  zur  Entdeckung  eines  un- 
ter einer  20  Meter  mächtigen  Tuffschiebt  begrabenen  Hau- 
se* führten,  das  ollem  Anscheine  nach  aus  der  Steinzeit 
stammt.  Wenigstens  lie«  sich  unter  den  darin  aufgefun- 
denen Gerithrn  keine  Spur  von  Bronze  oder  Eiaeu  bemer- 
ken; man  fand  Thougefässe,  Werkzeuge  aus  gespaltenem 
Obsidian,  zwei  kleine  goldene  Hinge  und  ein  menschliches 
Skelet,  da*  jedoch  leider  aus  Unvorsichtigkeit  zerstört 
wurde;  endlich  die  Gebeine  von  drei  Wiederkäuern  (Schafen 
oder  Ziegen).  * F.  v.  H. 

Thierwelt,  die,  und  die  Menschenspuren  in  der 
Kent-Höhle  bei  Torcjuay.  (Ausland,  1869,  Nr.  48.) 

Uralte  Feuersteingeräthe  in  eiuer  ineioeänen  Ge- 
bir  geschieht.  (Ausland,  1869,  Nr.  51.) 

Notiz  über  die  Funde  von  Abb&  Bourgeois. 

Virchow.  Ueber  Rennthierfunde  in  Norddeutsch  - 
land.  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie  etc. 
Sitzungsbericht  vom  12.  Februar  1870.  Zeit- 
schrift für  Ethnologie,  1870.  — Sitzungsbericht 
der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  19.  Oc- 
tober  1869. 

Virchow.  Die  Pfahlbauten  im  nördlichen  Deutsch- 
land. — Sitzungsbericht  der  Berliner  Gesellschaft 
für  Anthro]>ologie,  11.  December  1869. 

Sehr  lehrreicher  und  erschöpfender  Vortrag,  der  viele 
neue  Verhältnisse  aufweist.  Mit  Ausnahme  der  Pfahlbau- 
ten von  Wismar  und  einer  Stelle  am  Soldiiier  See,  wo  vier 
Feuersteinine**er  gefunden  wurden,  gehüreu  alle  Pommeri- 
schen und  Neumärkihchen  Pfahlbauten  (Daher,  Persanzig, 
Schwachen walde  etc.)  unzweifelhaft  der  Eisenzeit  an  und 
sind,  nach  Werkzeugen  und  besonder«  der  Ornamentik  der 
TopfgerMthe  zu  schliesaen  synchronistisch  mit  deu  Burgwäl- 
len derselben  Gegenden.  Die  Conztniction  ist  anders,  als 
bei  den  schweizerischen  Pfahlbauten  — sie  stehen  auf 
quadratischen  Holzkasten,  die  ab  Fundamente  dienten.  Das 
Töpfergeschirr  dieser  Pfahlbauten  und  Burgwälle  ist  stets 
mit  horizontalen,  geraden  und  gewellten  Linien  verziert,  nie 
mit  geraden  oder  schrägen.  Bei  Schwachen  waldt  wurde 
viel  Bronze  gefunden  und  Töpferei  von  feinerer  Technik  — 
sonst  ist  die  Bronze  sehr  seiten.  Wenig  Reste  pflanzlicher 
Nahrung:  Haselnüsse,  Weizen,  Apfel  — in  Scbwnchcnwalde 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Kirsch-  und  Pftaumenkerne , von  welchen  aber  zweifelhaft, 
ob  eie  der  Culturschlcht  angehören.  Wenig  Knochen  von 
Jagdthieren:  Eber,  Hirsch,  Keh,  Biber,  Elenn.  Letzteres 
wird  in  keiner  historischen  Quelle  als  Jagdthier  der  Mark 
oder  Pommerns  erwähnt.  Haoathirrknocben  in  grossen 
Möwen:  Hand,  Ziege,  Schaf,  Kind,  Pferd  und  Torisch  wein  — 
letzteres  identisch  mit  der  noch  bi*  vor  einem  Jahrhundert 
in  Dänemark  gezüchteten  Race.  Horn-  und  Knocbcngerä- 
the,  worunter  besonders  ein  Kamm. 

Carl  Vogt’»  Vorträge  aber  die  Urgeschichte  der 
Menschen.  Gehalten  im  Saale  dee  deutschen  Ca- 


155 

sino  in  Prag  im  Februar  1870.  Herausgegeben 
vom  deutschen  Vereine  zur  Verbreitung  gemein- 
nütsiger  Kenntnisse.  Prag  1870,  12°.  56  S. 

Walther,  Fh.  A.  F.  Die  AlCerthOmer  der  heid- 
nischen Vorzeit,  innerhalb  des  Groesherzogthuma 
Hessen,  nach  Ursprung,  Gattung  und  Oertlichkeit 
besprochen.  Darmstadt (H. Brill),  1869,8°.  115S. 
mit  1 archäologischen  Karte. 


England. 


Duke  of  Argyll.  Primeval  Man:  an  Examination 
of  some  recent  Specnlations.  Strahan  et  Comp., 
2.  edition,  1869. 

Der  edle  Herzog  hat  eine  Lanze  gegen  Alle  eingelegt, 
welche  behaupten,  dass  der  Mensch  sich  von  ursprünglicher 
Wildheit  zu  höherer  CivitUation  emporgehoben  habe.  I>i« 
ersten  Menschen  waren  Ideale;  durch  Vermehrung  wurden 
sie  zur  Auswanderung  gezwungen,  worden  um  so  roher, 
je  weiter  *ie  gingen,  vergaben,  was  sie  wussten  und  wur- 
den endlich  Wilde.  Das  iat  der  Kernsatz,  um  den  sich  der 
ganze  Band  dreht,  der  vorzugsweise  gegen  Sir  John 
Lubbock  gerichtet  i*t.  Dieser  replicirte  auf  der  Ver- 
sammlung in  Eieter  (August  1869,  Anthropologien!  Keview, 
Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  415)  und  in  Folge  dessen  entspann 
sich  eine  lange  Discussion , die  Derjenige  lesen  mag,  der 
sich  für  die  Art  und  Weise  intereasirt,  wie  in  England 
Dinge  behandelt  werden,  in  welche  der  Bibelglauben  hin- 
eingezogen  werden  kann. 

J.  G.  AtkinBon.  On  Cleveland  Gravo-hills.  — 
Journal  «f  the  Anthrop.  Society,  Vol.  VII,  pag.  113. 

Im  Thale  de*  Kak  viele  Grabhügel  mit  Cruen  und  ver- 
brannten Knochen.  Keine  Spur  von  Metall. 

John  D.  Baldwin.  Prehistoric  nations;  or  En- 
quiries  conceming  some  of  the  Great  Peoples 
and  Civilisations  of  Antiquity  and  their  relation 
to  a still  older  Civilisation  of  the  Ethiopians  or 
Cushites  of  Arabia.  I*ondon  1869. 

C.  Carter  Blake.  On  the  Macana  of  the  Abori- 
gines  of  Central  America.  — Anthropol.  Review, 
Vol.  VIII,  Nr.  28,  pag.  100. 

Macana  heisst  ein  dem  Celt  oder  Falstab  ähnliches  In- 
strument aus  hartem  Holz,  «las,  in  einen  Stab  befestigt, 
als  Pflug  und  Spaten  dient.  VeTfiwscr  wünscht  eine  rich- 
tige Ableitung  des  Wortes.  In  Nicaragua  sah  Verfasser 
eine  Indianerin  mit  einer  Axt  aus  Diorit  Mais  auf  einem 
Mühlsteine  zerquetschen.  Die  Indianerin  wollte  sie  nicht 
verkaufen  — cs  sei  ein  Donnerkeil.  * 

Chamock.  On  Locmariaker.  — Journal  of  the 
Anthrop.  Society,  Vol.  VII,  pag.  121. 

Beschreibung  der  megalithiscben  Denkmäler  der  Umge- 
bung* 

W.  C.  Dendy.  On  the  primaevnl  status  of  Man. 
Anthropol.  Review,  Vol.  VII.  Nr.  27,  pag.  423. 

tieharnischte*  Manifest,  vorgetra^cn  bei  der  Versamm- 
lung in  Ezeter,  mit  dem  Motto:  Die  Männer  des  Glaubens 
müssen  mehr  untersuchen,  die  Männer  der  Wissenschaft 
mehr  glauben.  Lange  Discussion , bei  welcher  mehre  An- 


thropologen sich  gegen  den  Vorwurf  des  Unglaubens  ver- 
wahren. 

Sir  W.  Denißon,  On  attempt  to  approxim&te  the 
Antiqnity  of  man  by  induetion  from  well  esta- 
blisbed  facta.  2.  Edition,  1868,  22  S. 

Dumbleton,  Discovery  of  a Lake  Island  in  South 
Wales.  — AnthropoL  Review,  YoL  VII,  Nr.  23, 
pag.  422. 

Ptablbaute,  ähnlich  den  schweizerischen. 

P.  M.  Duncan.  Human  remains  in  the  Cave  of 
Cro-Magnon,  in  the  Valley  of  the  Vettere.  — An- 
thropol. Review,  Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  422. 

Die  Mammuthknochcn , die  man  mit  Rennthier-  und 
Measchenrestcn  zu*ammengefund«n , seien  von  Rennthier- 
jigern  gefunden  und  als  Merkwürdigkeit  nach  Hause  ge- 
bracht worden. 

J.  W.  Flower.  Notices  of  a Kjökken-Mödding  in 
the  Island  of  Herrn.  — Journal  of  the  Anthrop. 
Society,  Vol.  VII,  pag.  115. 

Auf  der  Westküste  dieser  kleinen,  hei  Guerntey  liegen- 
den Insel,  etwa  10  Fuss  über  dem  Hochwasser,  60  Fuss 
lnng,  2 bis  3 Fu»  dick.  Hauptsächlich  Schalen  von  Pa- 
tella, Haliotis,  My*,  Mvtilus,  Austern;  Knochen  von  Schaf, 
Ocha,  Pferd,  Schwein,  Ziege,  etlichen  Vögeln  und  Fischen. 
Dabei  cylindrischr  Ziegel,  andere  von  römischer  Arbeit, 
einige  runde  Steine  (Hämmer,  keine  Messer  oder  Aezte), 
einige  Spindelsleine,  eine  kleine  Bronrenadel , ein  eiserne» 
Instrument,  ein  kleiues  Glasstiick.  Die  Cromleclis  der  In- 
sel scheinen  weit  älter.  — Dieser  Rüchenabfall  aus  der 
Römerxeit. 

Col.  A.  Lane-Fox.  Bronze  Bpear  from  Lough 
Gur.  — Ethuological  Society  of  I*ondon , Vol.  I, 
pag.  36  mit  Abbildung. 

Bronzespeer  mit  goldenen , verzierten  Ringen  uro  die 
Dille  und  mit  fast  fünf  Fuss  langem  Schaft  vom  Holze  der 
Sumpf-Eiche  — aut  dem  Torf  des  Lough  Gur  bei  Lime- 
rick in  Irland.  Der  Schaft  ist  geschnitzt,  nicht  gedreht. 

Col.  A.  Land  - Fox.  On  some  flint  implements 
found  Associated  with  Roman  remains  in  Oxford- 
shirc  and  the  Isle  of  Thanet.  — Journal  of  the 
Ethnolog.  Society  of  London,  Vol.  I,  pag.  1 — 12. 
1 Tafel. 

In  der  Nähe  eines  römischen  Verthcidlgungtwalles , De- 
vil’s  oder  Grinset  Dyke  genannt , zwischen  ^ eodvtock  und 
Clmrlburr  fanden  »ich  an  verschiedenen  Stellen  zwischen 
römischen  Alterthüroern,  Vnsenscbcrben  etc.,  Kratzer,  Pleil- 
20* 


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156 


Verzeicliniss  der  anthropologischen  Literatur. 


spitzen,  Messer  und  ähnliche  Feuersteinibatrumente,  wie 
mnn  sie  auch  häufig  mit  Bronze  zusammen  findet.  In  einem 
Brunnen  hei  St.  Peters  auf  Her  Insel  Thnnet  wurde  ein» 
ähnliche  Vergesellschaftung  gefunden.  Die  alten  Britten, 
namentlich  die  Sklaven,  mögen  wohl  noch  zur  Römerzeit 
Steingeräthe  gebraucht  haben. 

Lane-Fox,  A,  Remarkä  on  Mr.  H.  Wntropp’s 
Paper  on  Cromlechs.  With  a map  of  the  world, 
shewing  the  distribution  of  megalithic  raonu- 
ments.  (Journal  of  the  Ethnological  Society  of 
London,  1869,  S.  59 — 67.) 

Oberst  A.  Lane-Fox  macht  Bemerkungen  zu  dem 
Aufsätze  von  Westropp  (siehe  diesen)  ober  die  mega- 
lithischen  Bauten , indem  er  theilweise  denselben  ergänzt, 
theilweise  aber  aus  den  vnrluindcncn  Thatsachen  andere 
Schlüsse  zieht.  Dohnen,  C römisch* , Menhirs  u.  s.  w.  fin- 
den sich  nämlich  ausser  an  den  von  Westropp  angeführ- 
ten Orten  in  der  Nähe  von  Tripolis  and  längs  der  Küste 
ostwärts;  auch  bei  SJurxuk,  auf  den  Inseln  Malta  und 
Gozxo,  auf  den  Canaren,  an  der  ganzen  Nordküste  Afrikas 
bis  Tanger.  Auch  in  der  persischen  Provinz  Farsistäu  und 
zu  Dar  ab,  ferner  im  Süden  des  Ka»pi-Sce  zwischen  Tauris 
und  Kaibin  wurden  Steinkreise  beobachtet,  lieber  ganz 
Südindien  vom  Nerbudda  bis  Cap  Comorin  sind  sie  zer- 
streut und  höchst  wahrscheinlich  auch  über  Oberindien. 
Onstatirt  sind  sie  auf  Ceylon.  Auf  der  asiatisch-indischen 
Inselwelt  scheinen  sie  zu  fehlen;  wir  treffen  sie  erst  wieder 
auf  den  Kidschi-Inaeln , auf  Streng’«  Island,  Paadscn,  Oster- 
insel und  Waihu,  sowie  auf  Tinian  unter  den  Ladronen. 

Fassen  wir  aber  die  Verbreitung  der  Megalithen  ln  Eu- 
ropa genauer  in's  Auge:  sie  kommen  vor  in  Andalusien, 
in  Aleratejo  und  Beira,  »eiten  in  Estramaduru,  Trnz  os 
Monte*  und  Minho;  in  Frankreich  vorwiegend  wenn  nicht 
auMcbliesstich  in  den  südlichen  und  westlichen  Departe- 
ment«, Aveyron,  Cantal,  Tarn,  Tarn  et  Garonne,  Arrit-g«, 
in  der  Nähe  von  Pcrpignan,  im  Poitou  und  in  der  Bretagne, 
in  Euro  et  Loire  und  in  der  Umgebung  von  Paris.  In 
England,  Schottland  und  Irland  treten  sie  häutig,  aber  vor- 
züglich an  den  Westküsten  auf;  endlich  in  Dänemark,  in 
den  oberen  Provinzen  von  Holland  und  Deutschland  und 
der  südlichen  Spitze  von  Schweden,  »o  wie  an  der  Ostküste 
de»  baltischen  Meeres,  einschließlich  Esthland,  Livland  und 
Kurland.  Nur  vereinzelt  wurden  sie  in  Thüringen,  in  der 
Schweis  und  hei  Sesto  Calende  bemerkt. 

Zusammengehalten  mit  ihrem  außereuropäischen  Auf- 
treten gelangt  der  Verfasser  zu  dem  Schlüsse,  dass  ein 
gemeinsamer  Ursprung  der  Megalithen  errichtenden  Völker 
höchst  wahrscheinlich  sei,  so  wie  da»»  die  Orte  ihres  Vor- 
kommens zusammenfallen  mit  den  Wegen,  welche,  wie  wir 
wissen,  die  Clvilbation  in  historischer  Zeit  eingewhlagen 
hat  ; während  andererseits,  wo  sie  fehlen,  zumeist’ nuch  da* 
Licht  der  Cultur  niemals  hingedrungen  »ei.  Wenn  sie  auch 
nicht  Einem  Volke  angehüren,  so  haben  sie  doch  gewiss 
einen  gemeinsamen  Ursprung. 

Auch  als  Grahmonumente  will  sic  Oberst  Lane-Fox 
nicht  gelten  lassen,  er  meint  vielmehr,  dass  sie  als  Ver- 
sammlungsorte für  die  Volksobersten  dienten,  welch  letz- 
tere dann  wohl  auch  wahrscheinlich  dort  bestattet  wurden. 
Je  mehr  wir  die  Cultur  der  Ureinwohner  unseres  Erdballes 
untersuchen,  schließt  der  gelehrt«  Offizier,  desto  mehr 
erkennen  wir,  dass  sie  sich  nach  einem  Plane  ausgebreitet 
habe,  analog  jenem,  welcher  bei  der  Entwicklung 
der  Arten  beobachtet  wurde,  und  desto  klarer  wird 
es,  dass  die  Untcmirhungsmothode  m diesen  Gcbietqp  die- 
selbe systematische  Methode  sein  sollte,  wrlrho  wir  bei 
Beobachtung  der  Phänomene  im  Thier-  und  Pflanzen  reiche 
nnwenden.  (F,  v.  H.) 

Lane-Fox,  Colonel.  Flint  implementn  in  the 
Vrtlley  of  the  Tbamee.  — Anthropolog.  Review, 
Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  422. 


Bei  Acton  und  an  anderen  Orten  auf  früheren  Hochter- 
rassen des  Flusse*. 

Sir  Duncan  Gibb.  On  the  paucity  of  aboriginal 
mouuuicnta  iu  Cannda.  — Anthropolog.  Review, 
Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  423. 

Anfsuchnng  der  Gründe,  weshalb  man  in  Canada  Nicht* 
findet. 

Canon  Greenweil.  Yorkshire  Tumuli.  Grand 
Dißcoveries  near  ßridlington.  — Anthropological 
Review,  Vol.  VIII,  Nr.  28,  pag.  10 1. 

Bericht  über  Oeffnung  zweier  sehr  grosser  Grabhügel  in 
Kadstone.  Kein  Metall;  verbrannte  und  unverbrannle  Lei- 
chen; mehrfache  Begräbnisse  in  demselben  Hügel;  viele 
Stein-Instrument«,  worunter  grosse  Hämmer;  Triukschalen 
von  sehr  eleganter  Form  etc. 

Canon  Greenweil.  Prehistoric  reniain*.  — Jour- 
nal of  the  Ethnolog.  Society,  Vol.  I,  pag.  205. 

Untersuchung  von  allen  Strassen,  Befestigungen,  Grab- 
hügeln, Druidcnkreisen  und  Pfahlbauten  in  Northumber- 
land,  meist  au«  der  Bronze-  und  Eisenzeit. 

T.  M.  Hall.  Method  of  forming  the  flint  flakee 
uaed  by  the  early  inbabitants  of  Devon.  — An- 
thropolog. Review,  Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  427. 

Neu«  Beschreibung  der  längst  bekannten  Methode,  Feuer- 
steinmesser abzusprengeo. 

F.  W,  Hayden.  Observation«  in  regard  to  Indian 
history.  — Journal  of  the  Ethnological  Society, 
Vol.  I.  pag.  332. 

Viele  Indiancrstirome  am  Missouri  lebten  früher  in  Erd- 
hütten. Bei  solchen,  sehr  alten  Dörfern  findet  man  Mas- 
sen von  Steingeräthkchaften. 

James  Hunt.  On  Carnac  in  ßrittAny.  — Journal 
of  the  Anthropol.  Society,  Vol.  VII,  pag.  123. 

Beschreibung  des  Monumentes.  Eine  lange  Discusdion 
entspinnt  sich  über  die  heutigen  Bretagner,  die  Bedeutung 
der  Namen  u.  «.  w. 

International  Congress  of  Prehistoric  Archaeologr. 
— Tranaactions  of  the  third  Session  which  opened 
nt  Norwich  on  the  20th  August  and  closed  in 
I/ondon  on  the  28th  August  1868.  London, 
Longtnans,  Green  and  Comp.,  1869,  419  S. 

Stattlicher  Band  mit  vielen  Tafeln  und  Holzschnitten, 
der  sämmtliche  beim  Congres»  in  Norwich  gelesene  Abhand- 
lungen und  die  Btattgehabten  Discussionen  wiedergiebt. 

Harry  Jones.  Notes  of  some  discoveries  in  Bar- 
ton Mere,  near  Burg  St.  Edmonds.  — Journal 
of  the  Ethnological  Society,  Vol.  I,  pag.  199. 

Im  Moor  und  zwar  in  der  torfigrn  Schicht  über  dem 
Kreidemergel  Knochen  und  Geweihe  von  Bo*  longifron«, 
Schaf  oder  Ziege,  Schwein,  Hirsch,  Ur,  Hund  oder  Wolf 
und  Hase,  einige  bearbeitet,  Scherben  von  der  Hand  gefer- 
tigt, Feuentcimnewer  und  Kratzer.  In  höherem  Niveau 
eine  Lanzenspitze  von  Bronze.  Spuren  eine«  Pfahlbaue», 
Pfähle  durch  zerstossene  Feuersteine  befestigt  und  in  den 
Kreidemerge!  eingetrreben. 

Lauth.  The  Iron  Age  in  Egypten.  — Anthropol. 
Review,  Vol.  VIII,  Nr.  28,  pag.  105. 

Da*  Wort  lla  — ■ Eisen  — linde  sich  schon  auf  Monu- 
menten 4000  Jahre  v.  Uhr. 

A.  L.  Lewis.  Reminiäcences  of  a Viaifc  to  Lock- 


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Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur. 


157 


mariaker  and  Gavr  InU.  — Journal  of  the  An- 
thropolog.  Society,  Vol.  VII,  pag.  122. 

Bekannte*,  »aiuentlULi  über  die  in  die  Steine  gehauenen 
Linieu  im  Dolmen  von  Gavr  Iois. 

A.  L.  Löwin.  Mogalithic  Monuments.  — Anthro- 
pological  Review,  Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  424. 

Der  gleiche  Plan  auf  der  ganzen  Lange  der  Verbreitung 
*on  Indien  bi*  Grossbrilannieu  (und  weiter  C.  V.)  zeige 
auf  Erbauer  desselben  Stammes. 

Sir  John  Lubbock.  On  stone  iraplements  front 
the  Cape.  — Journal  of  the  Ethnoiogical  Society 
of  London,  Vol.  I,  pag.  51,  1 Tafel.  Uebersetzung 
in  Materiaux  2*®  Serie,  Ü“*  Armee,  pag.  44. 

Messer,  Kratzer,  Pfeilspitzen . Schleudersteine  von  »ehr 
roher  Arbeit,  von  C.  J.  llusk  and  Langham  Dale  zwi- 
schen der  TnM-Bai  und  der  False-Rai  am  Cap  der  guten 
Hoffnung  im  Treibsandc  gefunden.  Gleichen  in  der  Form 
häufig  de«  Stücken  von  St.  Acheul. 

Scott  Moore.  Pre-glacial  man  and  ge-ological 
chronology.  In  8*.  Vol.  XII,  120  pag.,  3 Tafeln. 
Dublin  1868. 

Uns  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  — Berechnungen  vom 
religiösen  Standpunkt  aus. 

Poacock.  On  a Barrow  at  Cleatham.  — Journal 
of  the  Anthropolog.  Society,  Vol.  VII,  pag.  113. 

ln  der  Mitte  de*  grossen  Hügels  Kohlen  eine*  Scheiter- 
haufens mit  verbrannten  Knochen , eine  uragestnrzte  Urne 
voll  Kohlen.  Mehrere  stehende  Urnen  mit  verbrannten  Kno- 
chen. Einige  Fc-uersteinsplitter,  der  Hügel  au*  Sand,  den 
man  in  Körben  herbeigetrugen,  aufgeschüttet. 

Major  George  Godfrey  Pearse.  On  the  excava- 
tion  of  * large  raised  Stone  Circle  or  Barrow 
near  the  village  of  Wurreegaon,  one  milc  from 
the  military  Station  of  Kamptee,  central  provin- 
ce»  »f  India.  — Journal  of  the  Ethnol.  Society. 
Vol.  I,  pag.  207. 

In  eineu»  Tumulu*  in  Reihen  gestellte  Ofasse,  Skelete, 
Ger&the  von  Gold,  Eisen,  Stahl  - — auch  Kokosnuss.  Da» 
l'ulturvolk,  von  welchem  die  Gegenstände  stammen,  ge- 
höre weder  den  Buddistrn  noch  den  Hindus,  weder  den 
Griechen  noch  den  Christen  an  — wahrscheinlich  der  Aera 
von  Menu,  1200  v.  Clir. 

Fengolly.  Fifth  Report  of  the  Committee  on  the 
exploration  of  Kenl's  Cavern.  — Anthropologien! 
Review,  Vol.  VII,  Nr.  27,  pag.  431. 

Fortsetzung  der  Untersuchungen,  die  wieder  Mauen  ton 
Knochen  und  Instrumenten  geliefert  haben.  Boyd  Daw- 
kin«  weist  nach,  dass  verschiedene  Schichten  vorhanden 
sind,  aus  verschiedenen  Epochen.  — Während  der  Bildung 
der  obersten,  schwarzen  Schicht  hätten  Cannibalen  die 
Höhle  bewohnt.  Darunter  fänden  sich  Knochen  vom  Viel- 
tem**, Biber,  einem  grossen  Hosen  etc. 

Pengelly.  On  the  Archaic  Authropology  of  tho 
South- West  of  Englaud.  ~ — Anthropolog.  Review, 
VoL  VII,  Nr.  26,  pag.  242. 

Auszug  an*  einer  Abhandlung  über  die  Höhle  von  Brix- 
bam,  welche  in  den  Verhandlungen  der  „Üevonshire  Asso- 
ciation for  the  advancement  of  Science,  literuture  and 
arts“  erschienen  ist.  Merucbenresle  mit  Knochen  ausge- 
storbener  Thierarten  in  den  tiefsten  Schichten,  die  älter 
sind  «1»  der  -»uhmarine  Wald  von  Torbay,  der  sich  über 
Cornwaili»  fortsetzt  und  dort  oft  von  mächtigen  Ablage- 
rungen überdeckt  i»t,  in  welchen  man,  in  einer  Tiefe  von 


♦0  und  55  tu»*  menschliche  Schädel  fand,  wovon  einer  in 
Penzance  anfbewrahrt  Ut. 

Scotland.  Monumental  Stoues  in  Scotland.  — 
(Jouruul  of  the  Ethnoiogical  Society  of  London, 
1869,  S.  204.) 

J.  Sinclair  Holden.  On  a dolichocephalic  Cra- 
nium  from  Gienarm,  County  Antriro.  — Journal 
of  the  Anthropolog.  Society,  Vol.  VII,  pag.  155. 

Dolichocephaier  alter  Schädel  mit  stark  entwickelten 
Augenbraueubogen. 

Don  Alfonso  StoiTens.  On  some  stone  implements 
from  the  Island  of  San  Jose.  — Journal  of  the 
Ethnolog.  Society  of  London,  Vol.  I,  pag.  67. 

Ein  deutlicher  Prrlrahiadlrr , St.ff.m,  lies,  .uf  4er 
Insel  Sun  Jo*,  in  der  Hiutiuru-Uueht  eine»  der  ralilreichen 
überw»ch.enen  Uriher  Silben  und  fand  darin  viele  i rlmi- 
tive  Stelnwaflen. 

CoL  Meadows  Taylor.  On  prehistoric  Archaeo- 
logy  of  India.  — Journal  of  the  Ethnol.  Society, 
Vol.  I,  pAg.  157. 

Ausführliche  Aufzeichnung  seiner,  so  wie  der  bisherigen 
Arbeiten.  Iiabiugton  veröffentlichte  zuerst  im  Jahr«  1H20 
einen  Aufsatz  über  Dolmen  (Kodey  Kuli*  oder  Pundoo 
Koolie*  genannt)  in  Malabar.  Unter  dem  Decksteine  fan- 
den sich  Urnen  mit  Metmhenbeincn,  ln  von  fern  gebrach- 
ten Sand  eingestellt.  Dabei  Eisengerithe  und  Waffen.  In 
den  Xilgberries  fanden  Harkne*»  und  Oongrcve  Tumuii 
mit  Steinkreisen,  darinnen  Steinkisten  mit  Urnen  und  Waf- 
fen. Gong  re  re  hielt  sie  für  »kvtbisch.  — Verfuhr  un- 
tersuchte lu  I>ekhnn,  Provinz  Torapur.  Hier  sind  thetis 
entb'.üwt  stehende  Dolmen,  theil»  Cainu.  Nach  den  Kun- 
den theilt  Taylor  di«  Erbauer  in  zwei  Clazaen;  die  einen 
begruben  ihre  Todlen  und  brachten  dabei  Menschenopfer ; 
die  anderen  verbrannten  die  Todtrn  und  begruben  die 
Asche  in  Cairns  oder  setzten  sie  in  Urnen  bei.  Im  Moor 
von  Twizell  (Grafschaft  North uraberl and  in  England)  fand 
Taylor  dieselbe  Anordnung  — im  Cairn  einige  Fu»«  unter 
der  oberriäche  die  Deckplatte,  darunter  die  Urnen  mit 
Knochen,  Asche  und  Kohle,  vermischt  und  eingestellt  in 
rotbe,  von  fern  hergebrachte  Erde.  Bei  Vibut  Haill  und 
Shuhpoor  timschlirsscn  56  ungeheure  Granitsteine  (grösser 
als  bei  Kurnak)  einen  weiten  Kaum  mit  einem  Tumulua.  — 
Bel  Hyderabad  cairns,  in  denen  man  Töpferei,  Glocken, 
Speer-  und  Pfeilspitzen  von  Bronze  fand.  Grosse  Gruppen 
(bei  Tau»endl  wurden  von  Oberst  Doria  auf  dem  Wege 
von  Hyderabad  nach  Mozulipalam  entdeckt;  Bell  fand  in 
Narkael-pulli  neben  einem  Skelet  in  hockender  Stellung  «in 
Stück  Eisen.  Im  District  von  Bellary  ähnliche  Bauten, 
die  hier,  wie  anderwärts,  Zwergen  zugeschrieben  werden, 
heraer  bei  Tooljapoor,  Nagpore,  Cromlech»  tm  Xirtoul 
Jungie  am  Wunla.  Taylor  neigt  sich  der  Meinung  zu, 
alle  diese,  den  europäischen  »o  ähnliche  Grebstätten 
stammten  von  Turaniern,  nicht  von  Arven».  Die  Völker, 
bei  denn»  man  sie  finde,  sprächen  Dravi‘di*ch,  diu  mit  Ta- 
mulisch  and  Tarturuch  verwandt  seL  Soduu»  zählt  Taylor 
die  Fundstätten  von  Stringerithen  und  Palstäben  auf:  hei 
I.ingsoogoor  Messer  und  Pfeilspitzen,  ähnlich  den  Mexica- 
nischcn,  bei  Jabbelpoor  etc. 

John  Thurnam.  0n  ancient  British  Barrows,  eape- 
cially  those  of  Wiltshire  und  the  adjoining  couii- 
tiea.  Part  I,  Long  Barrow».  — Archaeologia, 
Vol.  XLII,  1869.  Besame  in  Nature,  Nr.  18, 
March,  1870,  pag.  460,  Tome  L 

Zwei  Classen  solcher,  in  Wütxhire  sehr  häufiger  Gräber, 
einfache  und  gekammerte.  Die  Long -Barrow»  liegen  stets 
vereinzelt  auf  Höhen.  — Die  einfachen  sind  100  bis  400  Kuss 


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158  Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


lange , 30  bi«  bO  Fu*s  breite,  3 bi«  Vi  Kuss  hohe 
Hage],  meist  von  0*t  nach  Weil  orientirt;  die  Grabgegen- 
ständ«- tiuden  dich  im  Hügel  etwa  aaf  dem  Niveau  de» 
Bodens;  umher  ist  der  Grund  durch  die  Aushebung  der 
zur  Aufschüttung  uöthigeu  Krde  vertieft.  Man  findet  nur 
rohe  SteinwafTen , rohe  Topfscherben,  Knochen  von  Boa 
longifron»  oder  brachycero»,  Hirsch,  Eber  in  den  ursprüng- 
lichen Beisätzen , über  welche  der  Hügel  aufgeschüttet 
wurde.  Dagegen  findet  man  oft  Gegenstände  aus  späteren 
Zeiten  in  die  oberen  Theile  der  Hügel  eingegvuben. 

John  Thurnam.  Further  Researches  and  Obser- 
rations  on  the  two  principal  forms  of  Ancient 
british  Skulls.  — Memoirs  of  the  Anthropolog. 
Society  of  London,  Vol.  III,  S.  4,  Tafel  1 u.  2. 

Neue  Beweise,  das»  in  den  Long-Barrowa  dolichocephnle, 
in  den  Round- Barrowa,  die  einer  späteren  Zeit  angeboren, 
brachycephale  Schädel  verkommen;  das«  die  enteren  der 
Steinzeit,  letztere  der  Bronze-  und  Eisenzeit  angehören; 
ersten  seien  wahrscheinlich  iberier  (wie  auch  die  Basken); 
letztere  Galen  oder  Belgier. 

Alfred  R.  Wallace.  The  measurement  of  geolo« 
gical  time.  — Nature,  Nr.  17  et  18,  24.  Febr. 
und  3.  March  1870. 

Vollständige»  Resuraä  der  Frage  und  Beleuchtung  der 
astronomischen  Argumente,  welche  für  das  alternative  Wie- 
tierkehren  von  Eiszeiten  beigrbrucht  worden  sind. 

Weatropp,  Hodder  M.  On  Cromlechs  and  Me- 
galithic  Structnre».  — (Journal  of  the  Ethnolog. 
Society  of  London,  1869,  S.  53 — 59.) 

Es  darf  jetzt  wohl  al»  erwiesen  angenommen  werden, 
meint  der  Autor,  dass  es  allgemeine  natürliche,  jeder  Race 
gemeinsame  Instincte  gebe,  wonach  die  Menschheit  in  ge- 
wissen Klimateo  und  in  einem  gewissen  Stadium  der  Cul- 
tur  dieselben  Dinge  in  derselben  Weise  ausfuhrt,  ohne  vor- 
hergegangene Berührung  mit  oder  Unterweisung  von  jenem, 
welche  zuerst  so  gethan  haben.  Beweis  hierfür  die  iden- 
tischen Formen  der  Feuerstein-  und  Stelngeräthe  auf  der 


ganzen  Welt,  dann  die  Urnumcntik,  das  Zickzack  u.  s.  w. 
Ein  weiterer  Beleg  »eien  die  Gvabmonu  mente.  Ihre 
einfachste,  rudimentärste  Form,  der  Tumulus,  ist  über  die 
weite  Erde  zerstreut.  Beinah«  eben  »n  weit  »eien  die  nie 
galithischen  Bauten  verbreitet;  sie  finden  sich  auf  den 
englischen  Inseln,  in  der  Bretagne,  sehr  häufig  in  Schwe- 
den und  Dänemark,  zu  Saturnia  in  Etrurien,  in  Spanien, 
auf  Sardinien  und  den  balearischen  Inseln;  in  verschiedenen 
Theilen  Indien«,  besonder»  in  den  centralen . Gebieten  der 
Ncermul  Jungle,  an  der  Küste  von  Malabar,  beim  Kliasia- 
Volke  in  dem  Fürstenthutne  Sorapur,  dann  bei  Veilort  ln 
der  Präsiden tschaft  Madras;  endlich  bei  Chittore  in  Nord- 
Arcot.  Aach  in  Afrika  treffen  wir  diese  merkwürdigen 
Bauten,  zwischen  Algier  und  Sidi-Ferruch , an  den  Quellen 
des  Bumarmuk  bei  Constantine  und  in  Tunesien  bei  Sidi- 
Busi  im  Nordosten  von  Hydra!» , Welled  Agar  und  Lhuys. 
Weitere  Fundstätten  sind  noch  der  Caucaaua  und  die  Step- 
pen der  Tatarei,  die  Ufer  des  Jordan  und  Palästina  über- 
haupt, Arabien  (bei  Kaaim),  endlich  unter  den  Südsee-ln- 
•eln  auf  Penrhyo  Island  und  schliesslich  in  Peru.  Dass 
alle  diese  Bauten  Grabmonumente  gewesen,  geht  aus  den 
Knochen  und  anderen  Sepulchralgegenständen  hervor,  die 
unter  ihnen  gefunden  wurden. 

Alterthumskundtge  geben  ferner  zu,  dass  die  primitiven 
Racen  den  Bau  von  Tempeln  nicht  kannten;  gleich  den 
amerikanischen  Indianern  beteten  sie  den  grossen  Geist  an, 
ohne  ihm  Tempel  zu  errichten,  die  schon  «in  höhere«  Cul- 
turstadium  andeuten.  Der  Verfasser  stellt  dann  aus  den 
bekannten  historischen  Quellen  di*  Beweise  für  seine  An- 
sicht zusammen,  dass  die  megalithische  Bauten  auülihren- 
den  Völker  sich  alle  auf  einem  der  tiefsten,  wenn  nicht 
dem  tiefsten  Standpunkte  menschlicher  Gesittung  befunden 
haben.  Bei  den  meisten  herrschten  Anthropophagie,  Po- 
lyandrie,'Menschenopfer  und  sonstige  barbarische  Zustände. 
Er  gelangt  endlich  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  megalithischen 
Bauten  weder  den  Kelten  noch  den  Skythen  oder  sonst 
einem  Volke  eigentümlich  waren,  sondern  als  das  Resultat 
der  Bestrebung  primitiver  uncultivirter  Völker  zu  bctrachtrn 
sind,  möglichst  dauernde  Grabstätten  zu  schaffen,  und  da*« 
sie  von  Menscheu  errichtet  wurden,  die  ein  natürlicher  Trieb 
bewog,  sie  ln  der  einfachsten,  folglich  in  alten  Ländern 
identischen  Form  zu  erbauen.  (F.  t.  H.) 


Frankreich. 


A.  Arcolin.  Influence  Egyptienne  pendant  rage 
du  bronze.  — Materinux,  2J*  Serie,  5ra®  An  nee, 
pag.  376. 

Die  Bronze  war  in  Aegypten  schon  zur  Zeit  der  ersten 
Drnastieen,  also  vor  mehr  als  6000  Jahren  in  Anwendung 
und  allgemein  verbreitet.  Zu  jener  Zeit  herrschte  in  West- 
europa und  vielleicht  überall  in  Europa  noch  die  Steinzeit. 
Man  kann  sich  also  fragen,  ob  nicht  die  europäische  Bron- 
zefabrikation von  der  ägyptischen  abstnmme.  Dafür  »pre- 
chen  die  gleichen  Formen  der  Aezto  und  Gelte,  der  Lanzen 
und  Pfeilspitzen , der  Dolchklingen  — während  die  längere 
Sch  wert  kl  Inge  den  Aegvptern  fehlt.  Ausserdem  hatten  sie 
eine  Menge  eigentümlicher  Gcritbe,  deren  Analoga  bi* 
jetzt  im  Occident  noch  nicht  gefunden  wurden,  während 
wir  andererseits  Diuge  haben,  die  nicht  in  Aegypten  Vor- 
kommen. Vielleicht  «eien  die  Pelasgier  die  ersten  Verbrei- 
ter der  Bronze  in  der  Umgegend  de*  Mitieimecre*  gewesen, 
später  die  Phönizier. 

A.  Arcelin.  Gisements  de  l äge  de  pierre  de  Beth- 
Saour  (Palestine).  — Matcriaux,  2J*  Serie,  5'“° 
An  nee,  pag.  237. 

Zwei  Arten  von  Ablagerungen,  Schutt  «n  den  Abhängen 
und  Grotten.  KJeselweriueuge,  mit  unvollkommener  Schlei- 


fung, schlecht  gearbeitete  Töpferei,  Pferdeknochen.  Gräber 
au*  der  Bronze-  und  Eisenzeit. 

Emilo  Arnaud.  Ktudes  prehistoriqups  sur  1« 
Premiers  vestiges  de  rindustrie  humaine  ei  la  fin 
de  la  p^riode  qaatemaire  dans  le  Sud  - Eet  de 
Vaucluse,  13  S.,  6 Tafeln.  Paris,  Savy.  — Mate- 
riaux,  5“®  Anne«,  2do  Serie,  pag.  225. 

I-igcr*tItte  von  Baoumo  dei  peyrard*  bei  Apt;  Pferd, 
Steinbock,  Hirsch,  Kaninchen,  Antilope  dorca»  (?) ; Kiesel 
vom  Typu*  von  Mousticr. 

Bailleau.  Grotte  des  fee«  de  Chatelpcrron.  — Ma- 
terial) x,  2do  S6rie,  5m®  Annee,  pag.  384. 

Die  Höhle  hat  zwei  Ordnungen , von  welchen  nur  di« 
eine  intakt,  to  dieser  zwei  Schichten,  die  ober«  enthält 
Knochen  von  jetzigen  Thiercn,  die  untere  von  Pferd,  Ocb«, 
Bison,  Hirsch.  Gemse,  Rennthier,  Ziege  oder  Steinbock, 
Wolf,  Kochs,  Hohlen -Bär,  -Hyäne.  -Löwe  und  Maramtith. 
Fiir  den  Menschen  beweisen  die  »erbrochenen  Knochen, 
einen  oder  zwei  Steiokerne,  ein  xugeapitzter  >li»trifu»*kno- 
chen  vorn  Aucrocbs  und  zwei  pnlirtc  Ohrknöchclchen  (?). 
Auch  ein  Unterkiefer  vom  Aueroch*,  welchen  der  Mensch 
benagt  bähe.  Verfasser  will  Naguugen  de»  Menschen  leicht 


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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur.  159 


von  denen  durch  Thiere  unterscheiden.  Die  Beschreibung 
der  Unterschiede,  die  er  statuirt,  lässt  aber  eher  aut'  einen 
Nager  scbliesseu.  lieber  und  neben  den  Grotten  Heerde, 
dabei  Stücke  von  Stotsrähnen  vom  M aramut  h,  durchbohrte 
Zähne,  bearbeitete  Knochen,  Kieaelinstruineote  rohester 
Form  und  Eisenocker  (zum  TatuirenV).  In  grösserer  Tiefe 
und  in  einer  Ecke  der  Höhle  Hjänenkoth  in  Menge  mit 
benagten  Kennthierknochen. 

Abbe  Bourgeois.  Nonvelle  affirmation  de  l’homtne 
tertiaire.  — Materiaux,  2d*  Serie.  5"*  Anne«, 
p»g.  297. 

Der  Fundort  bei  Pont-Leroy  zeigt  von  oben  nach  unten 
folgende  Schichten:  1)  Dämmende  =0*30  Meter;  2)  Damm- 
»nie  mit  quaternären  Elementen  = 0*20  Meter;  8)  Faluns 
mit  Muscheln  und  gerollten  Knochen  von  Nashorn , Masto- 
don und  Dinotherium  = 0*60  Meter;  4)  Kalk  von  Heuucc, 
dicht , an  der  Oberfläche  von  Phola»  dimidiata  durchbohrt 
= 0*30  Meter;  5)  Mergelicher  Kalk  von  Beauce,  in  den 
unteren  Schichten  fühlet  sich  da*  vierxehige  Rhlnocerod 
(Aceratherium)  = 4 Meter;  6)  Schicht  mit  bearbeiteten 
Feuersteinen  =s  0‘R0  Meter.  — Woraaae,  Lartet, 
Yaldcmar  Schmidt,  Hetgrand,  Mortillet,  sind 
alle  der  Ansicht,  das»  die  Feuersteine,  von  welchen  viele 
im  Feuer  waren , von  Menschenhand  geschlagen  wurden. 

J.  B.  Bourguignat.  IBatoire  do  monuments  me- 
galithiques  de  Roknin,  pres  de  Hammam-Neskou- 
tin,  4®.  99  pag.,  Karte  und  9 Tafeln.  — Mate- 
riaux, 2d*  Serie,  5“*  Anne©,  pag.  192. 

Monographie  der  schon  im  vorigen  Jahresberichte  (siche 
Faid  herbe)  erwähnten  Dolmen  von  Koknia.  Nach  den 
Mollusken  und  einem  ägyptischen  Wciberakclct  aus  der 
Zeit  der  17.  und  10.  Dynastie  (Herberin)  schätzt  Bour- 
guignat da»  Alter  dieser  Dolmen  zwischen  2000  bis  1000 
vor  Chr.  — Wir  müssen  gestehen,  dass  wir  diesen,  obgleich 
mit  sehr  grosser  Zuversicht  vorgetragenen  Berechnungen 
wenig  Vertrauen  schenken. 

Bourjot.  Excurrion  a la  grotto  de  la  Point©- Pe- 
*cade  et  determination  des  eapeces  animales  de 
cette  Station.  — Materiaux,  2de  Serie,  5**  Anne«, 
pag.  422. 

Die  dort  gefundenen  Knochen  wurden  von  Gervais, 
Lartet  und  Pomel  bestimmt.  Büffel,  Pferd,  Knochen 
von  Antilopen  in  der  Grosse  der  Dorcas , Bär,  Hyäne, 
Katze,  Stachelschwein. 

Bruzard.  Fotiilles  dans  les  tumulus  de  Geuay  pres 
Semur.  — Revue  Archeolog. , Nouv.  Serie,  10"* 
Anne«,  pag.  360. 

Bronzezeit. 

X/OuiB  Büchner.  Traduit  par  Ch.  Letoorneau.  — 
LTlouitm*  seien  la  Science,  sott  passe,  son  present, 
aon  avenir  ou:  D\m  venons-nous?  — Qui  som- 
mes-noui?  Oü  allons-nous?  — Paris,  Reinwald, 
1870,152  Sn  Holzschnitte.  Premiere  partie:  D’oü 
venons-nous? 

Populäre  Vc.lesungen. 

Calland.  Torabea  gauloise*  et  prehistoriques  du 
SoisBonnais.  — Materiaux,  2d“  Serie,  ö**  Annee, 
png.  274.  — Society  authropoL  de  Paris.  Seance 
du  3 et  17  Juin.  Fortsetzung  S.  281. 

Weiberschädel  nu»  der  Bronzezeit  (?),  Manns-  und  Wei- 
berschädel an«  der  geschliffenen  Steinzeit  j brachyrephnl, 
»ehr  hoch.  Schien-  und  Oberarmbeine.  Nach  Calland 
giebt  es  drei  Arten  von  Gräbern  in  der  Umgegend  von 


Soitson*  au*  der  Steinzeit:  II  Dolmen,  früher  zahlreich, 
jetzt  meist  zerstört;  2)  Halb -Dolmen,  grosse  Grabstätten 
nu*  rohen  Steinplatten,  mit  vielen  Skeleten,  roher  Töpferei 
und  Steinwnffcn  — in  einem  hat  man  aber  Bronzegegtn- 
stände  getroffen;  3)  Grubheerde  — die  zusatnmeugeknick- 
ten  Skelete  liegen  auf  Ascbenhaufen.  Kerner  Gräber  und 
Grabgrotten  au*  der  Bronzezeit,  bei  Cboisy  - au  - Bar  und 
Orrouy  — endlich  die  obere  Schicht  des  Kirchhofes  von 
Cbainemjr  datirt  au*  der  ersten  Eisenzeit.  Ueber  Grotte 
von  Orruuy  entspinnt  »ich  eine  Diwu**ion.  — Mortillet 
behauptet,  die  von  Calland  als  Rronzestationen  bezeich- 
net en  Gräber  gehören  der  ersten  Eisenzeit  an. 

Calland.  Une  Station  do  l’äge  de  bronze.  — R£- 
vue  Archeologique,  Nouv.  Serie,  10m*  Armee, 
pag.  130,  2 Holzschnitte. 

Todtenfeld  bei  Bethunde«  in  der  Nähe  von  Compiegne 
(Aisne).  l’nverhraunle  Leichen  in  geringer  Tiefe,  zu  Häup- 
ten  je  zwei  Töpfe  roher  Arbeit.  Ein  Topf  und  ein  ein- 
facher Halsring  erhalten. 

Calland.  Antiquitea  prebiatoriques  do  Chasse- 
my,  do  Vauxrot  et  de  Bethondes.  — Materiaux, 
2do  8erie,  5“*  Annee,  pag.  413. 

Bei  Vauxrot  Grälier  mit  zusammengekauerten  Leich- 
namen auf  einer  Asclwnschicht.  Noch  andere  Gräber  aus 
der  Bronzezeit  in  demselben  Thal  — nur  vage  Angaben. 

A.  Caraven.  Quaternaire  et  haches  polies  du  Tarn. 
— Materiaux,  2d*  Serie,  5“*  Annee,  pag.  410. 

Hohe  Aexte  bei  Montan*;  geschliffene  bei  Gourre. 

Cazalie  de  Fondouce.  Congres  international  de 
Copenhague.  — Materiaux,  2dc  Serie,  5me  Annee, 
pag.  410,  504;  6mo  Anne©,  pag.  7.  — Revue  des 
Cours  scientifiqucB,  7“*  Annee,  Nr.  11  et  13. 

Ziemlich  vollständiger  Bericht  über  die  Verhandlungen 
-und  Eicursionen. 

C&salis  de  Fondouce  et  J.  Ollier  de  Marichand. 
La  grotte  de«  morts  pres  Durfort  (Gard).  — Ma- 
teriaux, 2d*  S6rie,  5“*  Annee,  pag.  249 — 261. 

Grabgrutte  aus  der  Ucb«*rgang**eit  xwischen  .Stein-  und 
Bronzezeit,  wahrscheinlich  nur  von  einer  Familie  nährend 
mehrerer  Generationen.  Im  Tropfstein  vier  menschliche 
Schädel.  In  einer  Kammer  im  Lehm  etwa  B0  Kieze^nstru- 
m eilte  (Lanzen-  und  Pfeilspitzen,  Messer),  Ahlen  und  Meis- 
sei von  Knochen,  sehr  viel  durchbohrte  Fangzähne  v0n 
Wolf,  Hund,  Fuchs,  Eber,  Perlen  au*  Knochen,  Steinen  und 
rothem  Kupfer,  Knöpfe  aus  Alabaster,  wenige  rohe  Topf- 
»eherben,  keine  Thierknochen,  Menschcnknnchen  von  etwa 
50  Individuen.  ' 

BL  Cherbonneau.  Nouvoaux  dolmens  en  Algerie. 
— Materiaux,  2*°  Serie,  5"®  Annee,  pag.  410. 

In  der  Provinz  Constantine  bei  Sigousse. 

L’Abbe  CoUet.  Lob  Menhirs  monuments  fune- 
raires.  — Materiaux,  2dt  Serie,  5®#  Annee,  pag. 
3S3. 

Hat  unter  einem  solchen  Stein  bei  Locmarin  auf  Quibc- 
rou  Steinpflaster,  Töpfe  und  Asche  gefunden,  also,  schließt 
er,  war  hier  ein  Grab,  also  müssen  olle  Menhirs  Grab- 
denkmäler seit».  (Im  alten  Testamente  kommen  mehrere 
Stellen  vor,  welche  beweisen,  dass  man  rohe  Steine  als 
Denkzeiehrn  für  verschiedene  Begebenheiten  aufrichtete. 
Warum  also  nicht  anch  auf  Gräber?  C.  V.) 

Daubree.  Exploitation  d'etain  remontant  u uno 
epoque  immeraoriale.  — Comptca  reudus,  Tome  63, 


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160 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


pag.  1137.  — Materiaux,  2d#  Serie,  5“*  An- 
nita, pag.  261. 

Iu  der  Nahe  der  Kaolin  - Gruben  von  ln  l.izollc  (Allier) 
findet  sich  ein  oberflächlicher  Quarzsaod  mit  Zinnerz,  der 
einst  ausgebeutet  wurde. 

Deherain.  Annuaire  scientifique.  Paris,  Maason, 
1870.  — Anthropologie,  Sciences  prehistorique, 
Res u me  de  la  question  par  le  Doetour  Daily, 
pag.  185—217. 

Recht  gutes  und  verständiges  llesum4. 

Delanouo.  Sacrum  humain  aasociu  k des  ossements 
d’elephanta.  — Bullet,  de  la  Societe  de  Geologie 
de  France,  2de  Sürie,  Tome  XXV,  pag.  683.  — 
Materiaux,  2d*  Serie,  5me  Annue,  pag.  146. 

Bei  Villen  - l’louich , zwischen  Cambrai  und  Marcouing, 
wurde  im  Diluvium  mit  Elcphantcn  ein  menschliches  Becken 
gefunden. 

Abbe  Delaunay.  Atelier  de  läge  de  pierre  h 
Saint-Leger-du-Malzieu  (Ixjzere).  — Materiaux, 
2^  Serie,  Gmm  An  neu,  pag.  34. 

Steingeräthe  in  Masse,  von  gleichen  Formen  wie  ln  l’res* 
signy.  Die  Kedaction  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die* 
ses  Lager  noch  bis  zur  ZeiL  der  Fabrikation  der  Flinten* 
steine  nusgebeutet  wurde. 

Delfortrie.  Camp  de  P&go  de  la  pierre  polie. 
Kpoque  pruhistoriqne.  Station  de  Cabiao  (Gi- 
ronde). Bordeaux  1869,  7 S. , 2 »ehr  schlechte 
Tafeln. 

Das  llateiu  war  von  den  ältesten  Zeiten  her  strategi- 
scher Funkt.  Ent  Steinmenschen,  dann  Römer,  dann  Mit- 
telalter (Schloss  tod  Montauban).  Unter  der  Dämmende, 
worin  Alles  gemischt  ist,  eine  schwarze  Schicht  um!  ganz 
in  der  Tief«  eine  graue,  welche  Gerätbe  geliefert  haben, 
die  denen  der  Pfahlbauten  aus  der  Steinzeit  ganz  analog 
sind. 

Faidherbe,  General.  Necropole  megalithiquo  do 
Muzela.  — Materiaux,  2d"  Serie,  5rao  Annee, 
pag.  222. 

Etwa  '.2000  Dolmen,  ähnlich  denen  von  Roknia,  aus  Plat- 
ten von  Kalk,  viele  mit  Cromlechs  oder  Steinringen.  Einige 
Gräber  aus  übereinander  gelegten  Platten.  Fünf  wurden 
geöffnet ; es  fand  sich  nur  Erde  und  Maasen  von  Schnecken. 

Faidherbe,  Gonöral.  Xouveaux  indices  de  P&gc 
de  pierre  cn  Berberie.  — Materiaux , 2de  Serie, 
5“*  Annee,  pag.  224. 

Aufzählung  einiger  Funde  von  Steinwaflen. 

Faidherbe,  General.  Origine  des  Libyens  ou 
Berberes.  — Materiaux,  2d®  Serie,  511*  Anne«, 
pag.  418. 

E*  »eien  zwei  Racen  zu  unterscheiden  — eine  schwarze, 
autorhthoue,  eine  blonde,  von  Gibraltar  her  eiuge wunderte, 
die  bis  Aegypten  vorgedrungen  sei. 

de  Ferry.  L’ontillage  de  la  tribu  de  Solutre 
(Saöne-et-Loire).  — Materiaux,  2d#  Serie,  5“*  Ali- 
nea, j»ag.  469 — 477. 

Instrument«  aus  dem  bekannten  Gräberfeld«  der  Renn* 
tbierzeit.  Lanzen-  und  Pfeilspitzen,  sehr  genau  beschrie- 
ben. Fortsetzung  später,  (ich  muss  gestehen,  das»  die 
Abbildungen  mich  viel  eher  un  die  ähnlichen  Feuerstein- 
klingen ans  dein  Norden,  welche  mit  den  geschliffenen 
Aexten  zugleich  im  Gebrauch  waren,  erinnern.  C.  V.) 


Louis  Figuier.  L’annee  fceieutifiqueet  industrielle. 
Paris.  Hachette,  1870. 

Enthält  im  Capitel:  „Histolre  unturelle*  einige  aus  ver- 
schiedenen Journalen  abgesebriebene  Notizen  au»  der  Urge- 
schichte. 

Louis  Figuier.  L’Homme  priinitif.  446  S.  Pa- 
ris, Hachette,  1870,  30  Taf.  Viele  Holzschnitte. 

Brillant  ausgestattetes  Buch,  dessen  Text  die  gänzliche 
Unkenntnis»,  des  Verfassers  auf  jeder  Seite  darlegt.  G.  Fi- 
guier ist  der  ins  Französische  übertragene  Zimmermann. 

Georges  Finlfty.  L’Archoologie  prehistorique  en 
Suisse  et  en  Grece.  Athenes  1869,  4 Tafeln. 
Neugriechische  Broschüre.  Analyse  in  Ruv.  Ar- 
chuolog.  Nonv.  Surie,  IO®*  Annue,  pag.  296. 

Aus  der  Vergleichung  mit  den  Pfahlbauten  der  Schweiz 
schließt  der  Verfasser,  dass  Griechenland  dieselbe  Periode 
durchgemacht  habe.  Pfahlbauten  im  See  Prasin«,  Copais. 
in  den TbesaalUchen  Seen;  Steiuwaffen  (Messer,  Pfeilspitzen, 
Serpentinäxte)  an  vielen  Orten. 

Ed.  Flouet.  Xoticc  archuologique  «ur  le  camp  de 
Chassey  (Saöne-et- Loire).  — Materiaux,  2J#  Serie, 
5m*  Annee,  pag.  395. 

Lager,  durch  von  grossen  Steinen  gebildete  Wäll*  be- 
festigt, das  bis  in  die  römische  Zeit  benutzt  und  durch 
Anlegung  von  Cisterneu  etc.  mbcaMTt  wurde.  In  der 
Nähe  Gräber,  die  schon  früher  geöffnet  wurden  und  wo 
man  Gegenstände  von  Stein  und  Bronze  getänden  bat.  Im 
Lager  selbst  Steinäxte,  Messer,  Kratzer,  Pfeilspitzen,  Töpfe- 
reien etc.  vom  Tvpu»  der  geschliffenen  Steinzeit. 

Gallea.  Menhirs  nou  funurnireB.'  — Materiaux, 
24*  Serie,  ö“*  Anne«,  pag.  426. 

Bestreitet  die  Behauptung  von  Abb6  Co  Ile  t und  führt 
nach  Letourneux  an,  dass  früher  in  Kabylien,  bei  ge- 
meinsamen Berathungen  der  Stämme,  jeder  Stamm  einen 
Stein  aufrichtete,  so  dnts  ein  Kreis  gebildet  wurde.  Ward 
ein  Stamm  dem  Beschlüsse  untreu,  m>  wurde  sein  Stein 
umgeworfen. 

Garrigou  et  Duportal.  Ages  de  TOurs,  du  Renne, 
de  ln  pierre  polio  et  des  Dolmens  dan*  le  de  par- 
tement du  Lot  — Bullet  de  la  Societe  de  Geol. 
de  France,  Tome  XXVI,  pag.  461  — 481.  — 
Resumc  in  Materiaux,  2d*  Serie,  B"1®  Annee.  pag. 
162. 

Eine  Menge  von  Grotten  und  Höhlen,  thcils  au*  der 
Zeit  des  Höhlenbären,  thcils  aus  der  de*  Rennthier».  Einige, 
wie  die  von  Pelisstä,  haben  Ablagerungen  au*  beiden  Epo- 
chen übereinander;  in  einigen  anderen  (Cuzoul  de  Mousset) 
wurden  zerschlagene  und  calcinirtc  Men  schenknochen  gefun- 
den (Cannihnlistnu*).  Die  ältesten  Grotten  »eien  die  buch- 
sten, die  jüngst  bewohnten  die  niedersten.  Ed.  Lartet 
behauptet , dass  diese  Unterschiede  nicht  immer  stichhaltig 
seien.  Garrigou  hält  sein  Gesetz  aufrecht. 

Carl  Griesbach.  Antiquitos  de  la  vallee  de  la 
Vnag(Hongrie).  — Materiaux,  2de  Serie,  6m*  An- 
nita, pag.  36. 

Uebersetzung  der  in  diesem  Archiv  Band  III.,  Heft  III. 
erschienenen  Mittheil ung. 

Hamy  et  Lenormant.  L’ftge  de  pierre  en  Egypte. 
— Materiaux,  2dc  S£rie,  6“B  Annee,  pag.  27. 

Auf  d*m  Plateau  des  Djebel-et-Moluk  viele  Steingeräthe 
auf  der  Oberfläche. 

Le  Hir.  Pointe  de  fluche  donnta  au  Musüe  de  St. 


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1«1 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Gorvais  par  Mr.  Merignäe.  — R^vue  Archdolog. 
Nouy.  Serie,  10“*  Ann4e,  pag.  359. 

Wurde  mit  21  Anderen  in  einem  aus  Steinplatten  gebil- 
deten Grab«  in  Piouvenez  Lochrist  (Bretagne)  mit  einem 
Bronzedokhe  zusammen  gefunden. 

Indes  (le  fröre).  Sur  la  formation  de«  tufa  des 
environs  de  Rome  et  sur  uns  caverne  k ossemente. 
Ballet,  de  la  Sociöt«  de  Geologe  2a*  Serie,  Tome 
26,  1869,  Nr.  1,  pag.  11. 

Am  südlichen  Abhänge  de»  Monte  deile  Givie  in  der  Nah« 
von  Ponte  Salani  findet  sich  ein«  ausserordentlich  reiche 
Knochenhohle,  die  in  den  jüngsten  geschichteten  Tufflagern 
des  Berges  ausgehöhlt  ist.  Sie  hat  mehrere  Kammern  und 
ist  von  Füchsen  bewohnt.  Man  unterscheidet  von  oben 
nach  unten  folgende  Schichten:  1.  Schwärzliche  Darum* 

erd*  mit  Landtchnecken  und  von  Füchsen  eingeachleppten 
Thierknochen.  2.  Eisenhaltiger  Sand.  3.  Grauer  Sand. 
4.  Schwarze  Knie  mit  grossen  Knochen.  5.  Grauer  Sand 
mit  vieleo  Fischgräten.  Nachgewiesene  Arten:  Igel,  Maul- 
wurf, Facha,  Wolf,  vier  kleine  Fleischfresser  (Marder  und 
Vlverriden),  Höhlenbväne,  wilde  Katze,  Fuchs (V),  Hvper- 
felis  (eine  neue  Gattung  von  der  Grösse  des  Löwen)  mit 
einem  Prämolaren,  einem  Rrisszahn  und  einem  Backenzahn 
in  beiden  Kielern,  Ratte,  Wühlmaus,  Biber,  Stachelschwein, 
llasr,  Klephant  (V),  Rhinoeeros  megarhintu,  Pferd,  Schwein, 
Hirsch  (sechs  Arten?),  Damhirsch,  Renn  (sehr  zweifelhaft), 
Reh,  ein  sehr  kleiner  Wiederkäuer,  Bos  primigrnius,  viel« 
Vögel,  Landschildkröten,  Frösche,  Kröten,  Fische.  Der 
Mensch  hat  wahrscheinlich  die  Höhle,  wenn  auch  nur 
kurze  Zeit  bewohnt  — Strinmcsser  und  bearbeitete  Knochen 
beweisen  die«. 

N.  Joly.  Haute  antiquite  du  Genre  humaiu.  Dis- 
cour».  — Memoire«  do  l'Academie  de  Toulouse, 
7m*  Serie,  Volume  I. 

Sehr  allgemein,  seblie**t  mit  den  Worten:  Gott  ist 

ewig,  der  Mensch  aber  sehr  alt! 

A.  Issel.  Rapport  sur  le«  recentes  deeouverto«  et 
publications  en  Ligurie.  — Materiaux,  2Ü8  Serie, 
6m®  Annee,  pag.  38, 

Viele  neue  Fundstätten  bei  Carrare,  Dego,  Pinna,  Dol- 
cedo  etc.  Die  Liguren  seien  noch  zur  Kötnerzeit  wilde 
Barbaren  gewesen.  (Dtodor.) 

M.  Lotournoux.  Cntalogue  de«  monuments  pre- 
historiques  de  l’Algerie.  — Materiaux,  2d • Serie, 
5m8  Anuäe,  pag.  427. 

Methodischer  und  wie  es  scheint  sehr  vollständiger  Ca- 
talog  der  Monumente  (Dolmen,  Tumuli,  Höhlen  and  Grot- 
ten), sowie  der  Fundstätten  von  Stein,  Bronze  und  Töpferei. 

Lochon.  Xoto  «ur  deux  gquelettes  de  l’Age  de  la 
pierre.  — Revue  Savoisienne,  IO“18  Annee,  31 
Aoftt  1869,  pag.  63. 

Zwei  Skelete  unter  einem  grossen  Granitblock  bei  Stoby 
oberhalb  Thonon.  Dolichocephal,  einer  mit  Stirnnaht.  Der 
ehrenwerthe  Dortor  glaubt,  heut  zu  Tage  komme  die  Stirn- 
naht bei  Erwachsenen  nicht  mehr  vor. 

L.  de  Mal&foaae.  Etüde  sur  le«  dolmen«  de  la 
Loztre.  — Materiaux,  2^*  Serie,  5m*  Annee,  pag. 
321. 

Wenigstens  100,  die  meisten  auf  einem  Plateau,  le»  Caus* 
■cs  genannt.  Aus  dem  Boden  entnommenen  Kalk  pUllen 
gebildet,  bald  frei,  bald  hnlbbedeckt,  einige  mit  seitlichem 
Kingarg,  keine  mit  vollständigem  Tumulu*.  Man  rindet 
die  Knochen  im  Inneren  meist  unter  grossen  Steinen  ver- 
borgen, zuweilen  von  *«br  vielen  Individuen,  mein  nurGe- 
Arcblv  rar  AnUuwpotogla.  Bd.  IV.  ncfl  II. 


genstände  von  Stein.  Horn,  Knochen,  durchbohrte  Zähne 
und  Muscheln  (zu  Halsbändern),  selten  welch«  von  Bronze. 

M.  Marinoni.  Nouvelle  Station  do  Tage  du  bronze 
en  Lorabardie.  — Materiaux,  2do  Serie,  ö1“"  An- 
nee, pag.  415. 

Bei  Capriano  im  Torf,  Haarnadeln,  Fibeln,  Armbänder, 
Ohrgehänge  etc. 

Elie  Massenat.  Objet«  gravös  et  sculpte«  do  l’Au- 
gerie-basse  (Dordogne).  — Materiaux,  2d#  Sörie, 
5"*  Annee,  pag.  348. 

Neue  Nachgrabungen  an  der  schon  bekannten  Fundstätte 
haben  geschnitzte  und  gezeichnete  Knochen  und  Rennlhier- 
geweihe  in  Menge  ergeben.  Die  Deutungen  der  beigefüg- 
ten Figuren  scheinen  zuweilen  etwas  sehr  gewagt;  wie 
man  aus  60  rohen  Zeichnungen  von  Menschen,  wie  sie  hier 
gegeben  sind,  schliesocn  will,  dieselben  seien  brachycephal 
gewesen,  ist  mir  nicht  gauz  klar. 

G.  de  Mortillet.  Essai  d une  Classification  de« 
caverne«  et  de«  Station«  «oua  abri,  foudee  «ur  les 
produits  de  Tindustrie  huniaine.  — Comptea  ren- 
du»,  Tome  68,  lr  Mar«  1869.  — Materiaux, 
2d*  Serie,  5roo  Annee,  pag.  172 — 179.  Mit  Holz- 
schnitten. 

Nimmt  folgende  Perioden  an:  l)  Moustiers  (ältest« 

Epoche,  dazu  Coeuvre.  Somme- Thal  etc.) ; 2)  Solutre  (dazu 
Lungerte  haute,  Pont  k LcsBe);  3)  Aurignac  (dazu  Cro- 
Magnon);  4)  Madeleine  (dazu  les  Eyzies,  Laugerie  hasse, 
Furfooz,  Schussenried).  Wir  glauben  solche  Eintheilungen 
sehr  verfrüht. 

G.  de  Mortillet.  Chronologie  prebistorique.  — 
Materiaux,  2d0  Serie,  5“*  Annee,  pag.  314. 

Erhebt  sich  und  wie  uns  scheint  mit  Recht,  gegen  die 
Schlüsse  und  chronologischen  Bestimmungen,  welche  Bour- 
guignat  aus  den  Weicbthieren  bei  Koknia  und  namentlich 
aus  Hella  aspersa  geschöpft  hat. 

F.  P&rente&u.  Le  fondeur  du  Jardin  des  plante« 
de  Nantes  et  «on  confrerc  do  Rezc,  Attribut ion« 
celtiques  et  gallo-rotnaine«.  32  pag.,  3 Tafeln, 
Photographie  und  Holzschnitte.  — Materiaux, 
2**  Serie,  5n,<  Annee,  pag.  190. 

Verschiedene  Brouzegegen&tände , Aezte,  Armbänder, 
Schwerter,  Dolche  etc. 

Ed.  Piotto.  Les  acpulture«  pröhistoriques  de  Chaa- 
semy.  — Materiaux,  214*  Serie,  5“*  Annee,  pag. 
413. 

Gräber  au»  der  jüngsten  Steinzeit,  Bronze-  und  Eisen- 
zeit. Vorläufige  Anzeige. 

Prunor-Boy.  Anthropologie  de  Solutre.  Micon 
1869,  4°.  40  S.,  4 Tafeln.  — Auszug  in  Mate- 
riaux, 2d*  Serie,  5m*  Annee,  pag.  478 — 492. 

Die  pyramidale  Schädelform  Blumenbach’s  wird  nun 
die  Mongoloide  genannt.  Der  Hauplcharakter  diese*  Schä- 
del* besteh«  im  Gesichte,  das  von  vorne  betrachtet,  eine 
rhomboidal«  Form  habe.  — Di«  Spitzen  der  beiden  Dreiecke 
werden  durch  die  StlYn  und  di«  Unterkiefennitt* , di«  seit- 
lichen Ecken  durch  die  vorstehenden  Backenknochen  gebil- 
det. Darauf  hin  werden  nun  In  den  Schädeln  TOB  Folutr* 
olle  möglichen  Typen  der  Mongolen rac*  unterschieden : 
Lappen,  Finnen,  Esthen,  Eskimos,  Hochnordi»che  Asiaten, 
so  dass  wir  dort  eine  wahre  Musterkarte  der  jetzt  auf 
weite  Strecken  zerstreuten  Mongoloiden  hätten.  Nebenbei 
werden  für  Besonderheiten  der  Bildung  pathologische  1 r- 
sachen,  wie  Bhacbitisums  in  der  Kindheit,  der  im  Uehri* 

21 


* 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


162 

gen  die  Leute  nicht  verhindert  habe,  »ehr  muskelkräftig 
su  werden,  angerufen;  Dinge,  die  in  der  Discu(*ion  über 
Cro  - Magnon  längst  widerlegt  wurden.  Endlich  kommt 
Pruner-Bey  von  Stufe  xu  Stufe  bi»  ru  dem  Schlu*»e, 
da«  man  die  alten  zahnlosen  Leute  mit  Bouillon,  Eiern, 
Blut,  Mark  und  Hirn  genährt  habe! 

Pruner-Bey.  £tudes  nur  les  cränes  de  Roknia.  — 
Materiaux,  2d®  Serie.  5me  Annee,  pag.  202. 

Zwei  Drittel  der  Schädel  gehören  Kabylen  oder  Herbe- 
ren; ein  Neger,  zwei  Mischlinge,  ein  alt  - ägyptischer 
Weiberschädel, 

Charles  Bau.  Leg  uatensiles  en  argile  des  Indiens 
de  l'Amerique  du  Nord.  — Materiaux.  2de  Serie, 
5raB  Armee,  pag.  205—222. 

Genaue  Untersuchungen  über  die  Töpferei  der  Indianer 
Nordamerikas  von  «len  ältesten  bis  in  die  jetzigen  Zeiten. 
Im  Allgemeinen  gleichen  dieselben  den  aus  Gräbern  in 
Deutschland  hervorgeholten  Töpfen. 

Beboux.  Polissoirs  et  aepnltures  prehiatoriqueB 
des  environs  de  Paris.  — Materiaux , 2d#  Serie, 
5,n#  Annee,  pag.  407. 

Leguay  vervollständigt  die  Mittheilung,  wonach  man 
schon  viele  grosse  Schleifsteine  (für  Stein instrumente)  ge- 
funden hat.  Dolmens  im  Park  von  Maintcnon. 

Beboux.  Faune  quaternairo  du  bassin  de  Paria. 

— Materiaux,  2de  Serie,  6me  An  nee,  pag.  29. 

Aufzählung  der  im  Pariser  Sehwennngebilde  aufgefunde- 
nen Säugethiere. 

Beboux,  Onsements  huiuaina  fossiles.  Sepultures. 

— Materiaux,  2*”  Serie,  5na  Annee,  pag.  284.  — 
Societe  Anthropolog.  de  Paris,  Seance  du  13  Juin. 

Menschenreetc  aus  dem  Diluvium  von  Pari*;  Lagerung 
zweifelhaft.  Schädel  aus  einem  Grabe,  das  vielleicht  der 
geschliffenen  Steinzeit  angehört,  von  Hamv  untersucht; 
dolichocephaler  Schädel,  sehr  gerades  Kreuzbein. 

Felix  Regnaul t.  De  Panthropologie  des  pouples 
primitift.  Fouilles  dans  la  grottes  do  Montes- 
quieu (Anege).  — Materiaux,  2dB  Serie,  5m*  An- 
nee, pag.  495. 

ln  der  Höhle  fanden  sich  neben  Knochen  von  Hyänen, 
Bär,  Rennthier  etc. , Kiesel-  und  Knocheninstrumenten, 
auch  zerbrochene  Menschenknocben,  welche  Verfasser  als 
Beweise  für  Kannibalismus  ansiebt,  ln  einer  Note  erklären 
Tr  u tat  und  Cartailhac,  dass  die  ihnen  übersandten 
Stücke  aie  oicht  überzeugt  haben. 

Abbe  Richard.  Silex  tailles  du  Nord  de  l’Algerie. 

— Materiaux,  2d"  Serie,  5"*  Annce,  pag.  433. 

Bei  Suoueli  und  am  Cap  Matifou,  Kratzer,  Messer, 

Nudel. 

Eug.  Robert.  Tonjours  deB  silex  travaillea.  (Sta- 
tion celtique  de  Luthernay.)  Paris  1868,  8 S. 

Uns  oicht  zu  Gesicht  gekommen. 

Tromoau  do  Roohebrune.  Etüden  prehiatorique«, 
anthropologiquea  ct  archeologiques  dans  le  de- 
partement  de  la  Charente.  76  S.,  4 Taf.  Paris, 
Savy.  — Matüriaux,  2d*  Serie,  5“°  An  nee,  pag.  345. 

Künstlich  ausgearbeitete  Grabgrotten,  die  Leichen  ausge- 
streckt zwischen  Steinen,  viele  Kinderskeleto , geschUffeue 
St riu. ixt  und  Bronzegegenftändr.  Schädel  dolichocephal  und 
prognstb. 


A.  Roujou.  Fraude  des  ouvriera  de  Paris;  sablie- 
ree  de  Levollois.  — Materiaux,  2de  Serie,  öw#  An- 
nee, pag.  409. 

Roujou  warnt  vor  Betrügereien,  welche  sich  die  Arbeiter 
von  Lerallois  zu  Schulden  kommen  lassen , indem  sie  foa- 
silc  Knochen  bearbeiten,  Aexte  schleifen  etc. 

A.  Roujou.  S^pulturea  de  Tuge  du  fer  d^conver- 
te«  sur  la  butte  du  Trou  d’Enfer.  — Materiaux, 
2'u*  Serie,  ö"1*  Annee,  pag.  319. 

Drei  oder  fünf  Skelete,  Füsse  nach  Süden,  von  Mühl- 
steinen umgeben,  in  0'80  Meter  Tiefe,  dabei  Ringe  von 
Eisen  und  Bronze,  Schwert  von  Eisen,  Eiaenplatten , eine 
Münze  von  Bronze  gallischer  Herkunft. 

A.  Roujou  ©t  Vacquor.  Station  de  lAge  de  la 
pierre  polie,  decouverte  u Athis  (Seine-et-Oise). — 
Materiaux,  2dfl  Serie,  5“f  Armee,  pag.  497. 

Am  Ufer  der  Seine  finden  sieb  auf  den  quaternären 
Bildungen  erst  eine  Schicht  von  Holztorf,  darüber  gelb- 
licher Lehm,  worin  die  Fundreste  au»  der  geschliffenen 
Steinzeit,  darüber  die  Dammerde.  Es  sind  Uerdstätten, 
in  denen  bis  jetzt  nur  wenige  Gegenstände  gefunden  wur- 
den; Töpferei,  Messer,  Kratzer,  Kerne  aus  Feuerstein,  einige 
bearbeitete  Knochen. 

Roulin.  Instrument  en  cuivre  trouvo  a Copiapo 
(Chili).  — Revue  Archeolog.  Nouv.  Serie,  10me  An- 
ne©, pag.  358. 

Aus  einem  alten  Grabe.  Es  ist  ein  gegossener  und  ge- 
brauchter Meissel  aus  reinem  Kupfer , der  eine  Dille  zum 
Eintttecken  des  Stieles  hat.  Sehr  dick,  lang  und  schwer  — 
scheint  zum  Bearbeiten  von  Stein  verwendet  worden  zu 
sein. 

Valdemar  Schmidt.  Homme  tertiaire  de  Thenay. 
— Materiaux,  2dl  Serie,  &"*•  An  nee,  pag.  163. 

Schmidt  hat  «üe  Lagerstätte  von  Tlienay  bei  Pont-le- 
Voy  (Loir-et-Cher)  besucht,  wo  Abbe  Bourgeois  bearbei- 
tete Kiesel  aus  der  mittleren  Tertiärzeit  gefunden  hat. 
Schmidt  bestätigt  die  Lagerung,  unter  dem  Kalk  von 
Bcnuce  und  die  Bearbeitung  durch  Menschenhand. 

H.  Schuermans.  La  pierre  du  diable  a Jambes, 
Les-Namur.  — Materiaux,  2d®  Serie,  5mo  Annee, 
pag.  400. 

Philologisch- historische  Untersuchungen  über  Worte  und 
Namen. 

Leon  VaiUant.  Note  aur  quelques  objets  Ooea- 
niens  dont  la  matiere  pamit  empruntee  k des  co- 
quilles  de  la  famille  des  Tridacnideea.  — — Mate- 
riaux,  2dB  Serie,  5mB  Annee,  pag.  165. 

Armbänder  aus  Tridacna-Sctuilen.  Aexte  dieser  Art  gleit 
es  genug  von  allen  Inseln,  wo  keine  geeigneten  Steine  sich 
linden.  Ich  habe  solche  bei  Godeffrov  in  Hamburg  und 
C.  Semper  in  Würzburg  gesehen. 

Leon  Vedel.  Dolmen  de  la  Kairie.  — Materiaux, 
2de  Serie,  5"*  Annee,  pag.  435. 

In  der  Ard^che  — zerbrochene  Knochen,  sonst  nicht«. 

Carl  Vogt.  Sur  lea  lesultats  des  recherchee  pre- 
historiqueF.  — Materiaux,  2de  Serie,  G"1*  Annee, 
pag.  12. 

Uebcrsetzung  meiner,  auf  der  Versammlung  der  deut- 
schen Naturforscher  in  Innsbruck  am  22.  September.  1809 
gehalteneu  Rede. 


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163 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


C.  Vogt.  Do  la  dornest iention  du  boeuf,  du  che- 
val  et  du  renue  k l’cpoque  du  reuna.  — Matö- 
riaux,  2**  S4rie,  5“*  Annee,  pag.  267. 

Abdruck  der  Einleitung  zu  der  Broschüre  Thioly’*  über 
die  Grotte  von  Veyrier.  (Siehe  den  vorigen  Bericht.) 

H.  Wankel.  Caverne  oesifere  en  Moravie.  — Ma- 
töriaux,  2*"  Serie,  5“*  Anm'e,  pag.  204. 

Grotte  in  Beyci  * Skala  bei  Josephstadt.  Höhlenbär, 
Pochydcrmen,  Wiederkäuer  mit  Menschenknochen. 

Whitney,  Lettre  a Mr.  Deaor.  — Bullet,  de  la 
Societe  de  Geolog.,  Tome  26,  1869,  pag.  676. 

In  Californien  linden  sich  Reste  vom  Menschen  und  Spn- 
ren  seiner  Arbeit  in  tertiären  Schichten,  älter  als  die  Gla- 
cialpcriode,  älter  als  Mastodon  und  Elephant,  aut  einer 
Zeit,  wo  Fauna  und  Flora  ganz  verschieden  waren  und  seit 
welcher,  iu  deu  krvstallinischen  Gesteinen  der  Gegend, 
Auswaschungen  von  800  bis  1000  Meter  Vcrticalhöhe  Statt 
hatten. 

Wyman  et  Morse.  Lea  Kjökkenmöddings  en  Ame- 
rique.  — Materiaux,  2d"  Serie,  5™*  Annße,  pag.  389. 


ln  der  Nähe  von  Mount  Desert  (Maine).  Zwei  Schich- 
ten, getrennt  durch  eine  Schicht  von  etwa  einem  halben 
Zoll  Datnmerde  mit  Rnllkienda.  Hauptsächlich  Mva  »re- 
naria  mit  Mytilus,  Burdnum  undntum,  Trltoniuui  decem- 
costatum , Katicn  heros. , Kohle,  Feucrsteingeräthe , Pfeil- 
spitzen, bearbeitete  Knochen,  Wirtel,  sehr  wenige  Scherben. 
— Bei  Crouch’s  Cave  auf  Goose  Island , ausserdem  Beste 
von  Aloe  iropennis,  Helix  unidentata  und  multidentata, 
Venu«  mert-entria  jetzt  sehr  selten.  — Eagle  Hill  bei  Ips- 
wich (Musuchussetts):  fast  nur  Mva  areuaria.  Cortuit 
port  bei  Balstable  — sehr  reich  an  Renten,  auch  ein  Stück 
Menschenknochen.  Liste  der  gefundenen  Spedes:  Mensch, 
Cervus  canadensisr  virginianus ; Alces  americanns;  Raneifer 
caribou;  Urans  americanus;  Canls  occidentalis )?);  Vulpes 
fulrus;  Felis;  Lutra  canadensls;  Pntorio*  rison;  Must  eia 
amerirana;  Mtphitis  mephitlca;  Phoca  vitulina;  Castor  ca- 
nadensu;  Arrtomja  roonan;  Alca  impenn!*,  tordn;  Anas 
drei  Arten;  Meleagris  gallopavo;  Ardea  herodlan;  Schild- 
kröten zwei  Speer««;  Hai;  Morrhua  americana;  Lophius 
americanus;  Buccinum  undatum;  Pyrula  carica,  canäliru- 
lat«;  Östren  edulis,  Mvtiltu  edulU;  Mva  nreaaria;  Venu» 
mcrcenaria;  Pecten  tenuic&statu* , Ulandirus;  Mactra. 


Holland. 


Hartogh  Heys  van  Zoutereon.  De  Voorhisto*  Wesentlich  nach  meiDen  Vorlesungen, 

rische  Mensch  in  Europa.  Gravenhago  1869. 


Italien. 


Capollini.  Antropofagia  in  Italia.  — Gazctta  dell1 
Emilin,  Nr.  314,  11  Nov.  1869. 

In  einer  Grotte  nuf  der  Insei  Palmaria  Im  Golf  von 
Spezzla  fand  Capellini  zwischen  Thierknochen  zerschla- 
gene und  caldnirte  Menschenknocben,  namentlich  von  einem 
Weibe  und  einem  Kinde  zwischen  7 und  8 Jahren,  mit 
Kohlen  und  Asche.  Issel  fand  ähnliches  in  der  Grotte  von 
Finale. 

E.  Celesia.  Le  Teogonie  dell1  antica  Liguria. 
Genova. 

Einige  Felsblöcke  bei  Finale,  im  Val  Pia  und  am  .Tnnar« 
sollen  Symbole  von  Gottheiten  gewesen  »ein. 

B.  Gastaldi.  Jconografia  di  nlcuni  oggetti  di  re- 
rnota  antichita  rinvenuti  in  Italia.  Torino. 

Steinwaffen,  Atxte  etc.  von  Nizza,  aus  dem  Lsteron-  und 
Var-Thal. 

Conto  Giovanni  Gozzadini.  Di  ulteriori  sco- 
perti  neir  antica  Necropoli  a Marzabotto  nel  Bo- 
lognese. Bologna  1870,  Fol.,  93  S.,  17  Tafeln. 

In  der  Nähe  der  Station  Marzabotto  an  der  Eisenbahn 
von  Bologna  nach  Pistoja  liegt  auf  einem  Hiigel  am  Ufer 
de»  Rcno , der  hier  eine  Biegung  macht , eine  sehr  ausge- 
dehnte Necropole  mit  Hunderten  von  Gräbern,  die  einen 
Flächen  raum  von  700  Meter  Länge  und  350  Meter  Breite 
bedecken.  Der  Grund  gehört  dein  Ritter  Ariu,  dessen 
Schloss  unmittelbar  am  Rande  der  Necropole  liegt  und  der 
mit  dem  Verfasser  weitläufige  Nachgrabungen  veranstalten 
lies».  Gräber  und  nufgefuudene  Gegenstände  gehören  un- 
zweifelhaft , wie  Gozzadini  narhwies,  der  etnukLudicn 
Cultur  an.  Gozzadini  publicirte  im  Jahre  1865  zuerst 


einen  Baud  (ICH)  S.,  20  Tafeln)  unter  dem  Titel:  Di  un* 

antica  Necropoli  u Marzabotto  nel  Beloguese,  dem  jetzt 
dieser  Nachtrag  folgt.  Wir  können  dem  Verfasser  iu  die 
Einzelheiten  über  die  Gegenstände  nicht  folgen , machen 
aber  darauf  aufmerksam , da  ein  Besuch  dieser  Necropole 
und  des  Museums  im  Schlosse  von  Herrn  Arin  in  dem 
Programm  des  Congre*»c*  zu  Bologna  in  Aussicht  genom- 
men ist.  Kicotucci  hat  die  Schädel  untersucht  (22,  dar- 
unter 15  männliche,  und  giebt  die  Resultate  seiner  Unter-, 
auchung  S.  öS  — 80)  in  folgenden  Worten;  Mittelgroße 
orthognathe  Schädel,  die  StirnhSlfte  vorwiegend  über  die 
hintere  Hälfte;  Stirn  hoch  und  Geeicht  etwas  klein;  Nase 
mittelgms»;  Augenbrituenbogen  vorstehend;  Augenhöhlen 
quadratisch,  gerade,  weit  auseinander  stehend;  Ueaichtsform 
eher  quadratisch  als  viereckig;  Index  789.  Nico  Intel 
kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  diese  Schädel  mit  denen  der 
jetzigen  Bevölkerung  oder  der  Umbrer  am  übereinstimmend- 
sten seien,  während  sie  sich  von  * den  ächt  etruskischen 
au*  Vejo,  Tnrquinia,  Ce  re,  Chiust,  Voltcrra  etc.  60  wie  von 
den  ligurischeu,  römischen  etc.  wesentlich  unterscheiden. 
(Die  wenigen  Schädel,  welche  ich  zur  Zeit  bei  Graf  Goz- 
zadini »al».  haben  in  der  That  keine  Aebniichkeit  tnit  den 
etruskischen  — über  den  Typus  der  Urabrlschen  Schädel 
biu  ich  aber  noch  immer  nicht  im  Klaren.  C.  V.) 

Issel,  A.  Sopra  le  caverne  di  Liguria,  e princi- 
pnl mente  sopra  una  rccentemente  scoperta  a Ye- 
reszi  presse  Finali  del  Prof.  Giov.  Ramoriuo,  ac- 
compagnatada  una  memoria  aulle  coucliiglie  delle 
breocie  e caverne  ossifere  della  Liguria  occiden- 
tale.  — (Memorie  della  R.  Acnd.  delle  scienze  di 
Torizio.  Serie  II,  tonio  24,  Parte  I.) 

21* 


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164 


Verzeichnisa  der  anthropologischen  Literatur. 


Camillo  Marinoni.  Le  abitaxioni  lacaxtri  e gli 
avanzi  di  umana  industria  in  Lombardia.  Milano 
1868,  4».  53  9n  7 Tafeln. 

Vortreffliche  Arbeit.  Man  hat  iu  der  Lombardei  noch 
keine  Spuren  de*  Menschen  aus  der  Zeit  de«  Höhlenbären 
und  de«  Kennthier»  gefunden,  dagegen  viele  Stationen  au» 
der  jüngsten  Steinzeit,  Übergangszeit , Bronze-  and  Eisen- 
zeit.  Meist  sind  es  Pfahlbauten  in  Seren  und  Torfmooren. 
Eine  üclxrsichukarte  giebt  »immtluhe  Stationen,  mit  ver- 
schiedenen Farben  bezeichnet;  kleine  Specialkärtchen  zeigen 
die  Stationen  der  Seeen  von  Pasiano,  Annoue,  Garda,  Va* 
re6e,  Monate  und  der  Umgegend  von  Croma.  Heine  Stein* 
bauten,  nur  drei;  Desenzano  und  San  Felice  im  Garda-Sce, 
C'jpresseninsc]  im  See  Pasiano;  «He  übrigen  gemisrht  oder 
Bronzezeit  mit  Ausnahme  von  zwei  Riseosiationeit:  Sesto 

(.‘ulende  und  GolasrCva  am  Langen* See.  Tbongefässe  und 
Geräthe  au«  Stein,  Horn,  Knochen  und  Bronze,  wesentlich 
mit  denen  der  Schweizer  Pfahlbauteu  übereinstimmend. 


Giustiniani  Nicolucci  Antropologia  dell’  Etru- 
ria.  Napoli  1869,  4*.  7 Tafeln. 

Ausgezeichnete  Arbeit  in  jeder  Hinsicht.  19  Schädel 
6tanden  Nicolucci  zu  Gebote,  von  Cere,  Tan|uinia,  Vulci, 
Vejo,  Cbiusi,  Perugia,  Volten«.  Er  rindet  dieselben  im 
Mittel  dolichocephal  (Index  385).  Mittelzahl  der  12  doli- 
chocephalen  76*8,  <ler  7 brachycep  Kalen  82’2.  (Die  von 
mir  in  Florenz  gemessenen  geboren  unter  die  letzteren 
C.  V.).  Nicolucci  giebt  genaue  Beschreibungen  und 
Messungen , so  wie  Vergleichungen  mit  dem  römischen 
Schädel,  so  wie  mit  6 Phünizischen  Schädeln  und  findet  die 
dollchocephalen  Etrusker  letzteren  verwandt , aber  doch 
verschieden  genug,  nm  das  Zusammen  werfen  beider,  wie 
Pruuer*Bey  gethan,  zu  tadeln.  Etrusker  seien  wohl  nicht 
reine  Semiten,  sondern  bitten  sehr  alte  Arische  und  Turm* 
nische  Beimischungen. 

Luigi  Pigorini.  Origine  e Progreaai  del  Regio 
Museo  d’Antichitk  di  Parma  e dei  R.  R.  Scan  di 
Velleja.  Parma  1869,  4°.  44  S. 


Nord  - Amerika. 


Ch&rleB  C.  Jonee.  Ancient  tum  ul  i in  Georgia. 
Worcester  1869. 

Georgien  ist  voll  von  Steinhügeln  und  roh  constmirten 
Steinwällen,  die  von  einer  alten , verschwundenen  Bevölke- 
rung Zeugnis»  geben.  Die  Tumuli  finden  sich  meist  in 
Flusslhäleni  und  Niederungen  und  an  der  Seeküste.  Es 
gäbe  zwei  Classen  davon,  ältere,  den  „Mound  buüdera“  an- 
gehörig,  die  vor  den  Indianerstämtnen,  welche  man  bei  der 
Entdeckung  fand,  den  Boden  bewohnt  hätten  und  jüngere, 
von  diesen  Stämmen  {Creeks,  Cherokee«,  Natchy  , Museo- 
gulgees  u.  a.)  und  deren  Vorfahren  errichtet«.  Die  älteren 
identisch  mit  den  Monumenten  im  Tfaale  des  Mississippi. 
Beschreibung  eines  Feldes  an»  Etownh.  Centraler,  künst- 
licher Erdhügel,  80  Fus*  hoch , mit  quadratischer  Bails. 
Früher  grosse  Bäume  darauf.  Daneben  hohe  Terrassen, 
kleinere  Hügel  20  bl»  40  Fuss  hoch,  rund  oder  fünfeckig. 
In  der  Umzäunung  bat  man  gefunden;  Idole,  etwa  einen 
Fuss  hoch,  eiue  menschliche  Figur  in  sitzender  Stellung 
zeigend,  die  Knie  zum  Kinn  heraufgezogen ; Pfeifen,  Stein- 
platten, Muschel-Ornamente,  Schmuck  von  Silber  und  Gold. 
Die  grossen  Bäume  standen  «bon  auf  den  Hügeln,  als  die 
Europäer  in  das  Land  kamen.  Auf  dem  grossen  Hügel 
Spuren  von  Altären.  An  einem  anderen  Orte  fand  man 
im  HaupthUgel  aber  nahe  nn  der  Oberfläche  Indianerske- 
lete . die  später  eingegraben  waren.  Da  die  Indianer  nie 
Idole  hatten,  so  sind  diese  Moundbuilders  älter,  standen 


aber,  nach  Allem  zu  schliesaen,  hoher  in  (Zivilisation  ab  die 
Indianer.  Diese  letzteren  hinterliessen  verschiedene  Monu- 
mente : Beobachtungvhügel  (Mound»  of  observation),  bei  den 
Ksthbänsem  der  Stimme;  Iläupllingshügel  (ChiefUin 
mound*),  grosse  Hügel  mit  einem  Skelet  darin,  meist  in 
bockender  Stellung;  Familien-  oder  Stammeshügel  (Family 
or  Tribe  mound«)  meist  mit  verbrannten  Leichen;  Schalen* 
biigel  (Shell  • Heaps  und  Shell  - Mound*)  Kiichcnabfälle,  in 
welchen  die  Indianer  der  Küste  auch  ihre  Todtcn  begruben. 

Stimpson.  Remark«  opon  tho  Shell  - mound«  of 
West* Florida,  particularly  thoeo  of  Tampa  Gay. 
— American  naturaltBt.,  Vol.  III,  Nr.  10,  pag. 
658. 

Seien  grosse  Hügel  aber  nicht  Kücbenabfälle,  sondern 
künstliche  aus  Muscheln  zusauimeogehäufte  Wälle  zum 
Schutz  gegen  die  Sturm tiuthen , die  man  »uecetsiv  erhöht 
habe,  wie  ans  den  Kohlen-  und  Aschenlagen  hervorgehe, 
die  sich  darin  xeigtrn.  — An  der  Mündung  des  Manatee 
finde  sich  in  der  Mitte  eine«  dreUsig  Fu*s  hohen  Hügels 
eine  drei  Kuss  dicke  Muschelschicht  mit  Fisch-  und  Schild- 
krötenknochen, aus  Muscheln  gemachten  Instrumenten, 
(kein  Stein),  Kohle.  Der  Mangel  an  Stein  - Instrumenten 
sei  um  so  auffallender,  ab  sich  deren  in  einer  Schicht  auf 
der  Höhe  des  Hügel»  fänden. 


Schweden. 


Oscar  Montoüus.  Remains  from  the  Iron  age  of 
Scandinavia.  Parts  I et  II.  Stockholm  1869,  4®. 
66  und  26  S.,  8 Tafeln. 

Der  erste  Tbeil,  Fundstätten  und  Beschreibung  der  Ge- 


genstände enthaltend,  englisch  — der  zweite,  die  Schluss- 
folgerungen, schwedisch! 

Nilason,  8.  Bidrag  tili  bronekuUurens  hiatoria  i 
Skandinavien.  Stockholm,  Bonnier  (1869),  8®. 
31  S. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


1«5 


Schweiz. 


Boger  de  Guimpe.  Recberchea  sur  l'Origine  de 
la  I>omeaticite  des  eepece».  Lausanne  1869,  86  S. 

Veriaiwr  diecutirt  zurrst  die  Quellen:  Quaternäre  Ab- 
lagerungen au»  der  Mammuth*  und  Rennthierzrit,  Kjokken- 
mödding*.  Pfahlbauten,  die  Wandgemälde  der  Hypogien, 
Sprache,  Traditionen,  Bibel,  da»  letzte  Bach  von  Darwin 
und  geht  dann  zu  den  einzelnen  Thieren  über:  Kind,  Esel, 
Hund,  Pferd,  Kameel,  Elephant , Kennthier,  Lnma,  Katze, 
Ziege,  Schaf,  Schwein  und  behandelt  nur  die  hauptsäch- 
lichsten. Die  alten  Semiten  besissen:  Kind,  Ziege,  Schaf, 
Esel,  Kameel  — die  primitiven  Arver  die  drei  ersten,  aber  Eael 
und  Kameel  nicht,  dagegen  Hund,  Pferd  und  Schwein.  Vor 
der  Trennung  habe  man  also  nur  Rind,  Ziege  und  Schaf 


gehabt  — nach  der  Trennung  der  Semiten  und  Arver  bit- 
ten die  enteren  Esel  uud  Kameel,  die  letzteren  Hund, 
Pferd  und  Schwein  als  Haust hir re  gewonnen.  (Wie  die 
Hunde,  von  verschiedenen  lUcen,  in  di«  nie  semitisch  an- 
gesehenen ägyptischen  Hypogien  kommen,  wird  uns  nicht 
gesagt.  C.  V.).  Menschen  und  Hausthiere  Europas  stamm- 
ten aus  Hocbasien  und  da  die  Bibel  sage,  dass  Gott  die 
Hausthiere  geschulten  habe,  so  müsse  es  auch  so  sein. 
Amen. 

Froderic  de  Bougemont.  L’homme  primitif. 
47  S.  in  12*.  NeochAtel  1870. 

Bibclgläubiges  Geschwätz. 


H. 

Anatomie. 

(Von  A,  Eekor.) 


Bertilion.  Sur  les  Lapons.  Bulletins  de  la  hoc. 
d’Anthrop.  de  Paria,  ser.,  T.  IV,  1.  S.  52. 

Die  kraniologisL'lien  Angaben  laairen  auf  der  Untersu- 
chung tpd  fünf  Schädeln  des  Pariser  Museums.  Danach 
ist  der  Lnppeuschädel  auffallend  breit  uud  kurz,  dabei  aber 
von  ziemlich  bedeutender  Capacitat  (Mittel  der  b = 1482 
Cubikcentlm.),  das  Kommen  niagnum  viel  breiter  als  beim 
Schädel  de»  Parisers  (der  als  Vcrgleichaobject  diente).  Die 
weiteren  Verhältnis« , insbesondere  des  Gesichts,  müssen 
in  den  Tabellen  nachgesehcn  werden. 

Broca.  Remarques  aur  len  ossemeots  des  cavemes 
de  Gibraltar.  Bulletins  de  la  hoc.  d’Anthrop.  de 
Pari»,  2d*  rfr.,  T.  IV,  1.  S.  146. 

Broca  zeigt  und  bespricht  einen  Femur  und  eine  Tibia 
aus  den  genannten  Höhlen,  welche  von  Herrn  Busk  der 
Gesellschaft  geschenkt  wurden.  Der  entere  entspricht  durch 
seine  starke  Unen  a.«pern.  die  letztere  durch  ihre  Abplat- 
tung ganz  demselben  Knochen  von  les  Erlies  (siehe  oben 
S.  116).  Aö  einer  crönsereu  Zahl  der  gleichnamig«!  Kno- 
chen, die  Broca  in  London  sah,  fand  er  die  gleiche  Be- 
schaffenheit , so  dass  also  dieser  Charakter  gewissen  vor- 
historischen Katen  allgemein  zugekommen  zu  sein  scheint. 
Zwei  Schädel  aus  einer  diese-  Höhlen  (Genista-Höhle)  sind 
dolichocepbal  und  ähneln  sehr  denen  der  heutigen  Bevölke- 
rung von  Guipuzcoa.  Ein  dritter  aus  einer  anderen  Höhl« 
(Judge-Uave)  ist  davon  sehr  verschieden.  Ein  .vierter  nicht 
aus  eineT  Höhle,  sondern  aus  freiem  Boden  und  einem  sehr 
festen  Erdreich  scheint  viel  älter  als  die  vorhergehenden 
und  ist  durch  einen  hohen  Grad  von  Dolkhocephalie,  kleine 
niedere  Stirn,  Prognatliisrous  etc.  ausgezeichnet. 

Broca.  Nonveaux  inatruments  craniographiquea. 
Le  cadre  ü rnaxima  et  le  compas  d’epaiseeur 
micronietrique.  Bulletin*  de  la  hoc.  d’Anthrop.  de 
Paris,  2d'  »er.,  T.  IV,  1.  S.  101. 

Er»te re*  ist  ein  Holzrahmen,  in  weichem  sich  zwischen 
den  zwei  grnduirten  Seit rnschenk ein  ein  Querbalken  Zut- 
un d atu .hieben  lässt.  1 Retenrnt  verwendet  zu  diesem  Zweck 


(Cran.  Genu.,  S.  4)  zwei  bewegliche  Drahtnetze].  Da» 
zweit«  ist  rin  Tasterzirkel,  bestimmt  zur  Ausmessung 
kleiner  Distanzen  de»  Gesichts.  An  dem  den  Armen  ent- 
gegengesetzten Ende  sind  zwei  kleine  Arme  angebracht, 
deren  Distanz  immer  den  vierten  Theil  der  Distanz  am 
graduirten  Querbalken  beträgt. 

Broca.  Sur  le  atercographe,  nouvel  Instrument 
eräniographique  dentine  a deuriner  tous  les  de- 
taila  du  relief  des  corps  solides.  Momoires  de  la 
soc.  d’Anthrop.  de  Paris,  T.  III,  fase.  2,  S.  99, 
Taf.  VI,  1869. 

Bekanntlich  hat  der  Verfasser  im  Jahre  1861  einen  Krn- 
niograpben  bekannt  gemacht  (I.  c.  T.  I,  S.  348,  Taf.  VII). 
Das  obengenannte  Instrument  ist  eine  Verbesserung  des 
letzteren;  es  ist  der  einarmige  Vorderarm , der  an  einem 
und  demselben  Querbalken  den  die  Conturen  umkreisenden 
Stift  und  den  zeichnenden  Bleistift  trug,  hier  in  zwei  Arme 
getrennt , wovon  der  ein«  den  Stift , der  andere  den  Blei- 
stift trägt.  Einen  Vortheil  der  Aufnahme  mit  diesem  In- 
strument gegenüber  dem  mit  dem  Diopter  Lu  ca« ’s  findet 
Broca  insbesondere  darin,  dass  man  damit  anch  die 
tirlergelegenen  von  anderen  Thcilen  maskirten  Umrisse 
des  Schädels,  z.  B.  Im  Profil  die  von  den  Warzenfort- 
sitzen etc.  gedeckten  Tbeile  der  Medianebene  aufnehmen 
und  somit  also  senkrechte  Durchschnitte  der  Schädel  eher 
entbehren  kann.  Weiter  beschreibt  Broca  verschiedene 
Versuche,  einen  Diopter  mit  horizontaler  Aze  zu  con- 
slruiren. 

Davis,  J.  B.  Description  of  the  Skeleton  of  an 
Aino  Woman  and  of  three  skull»  of  Men  of  the 
parne  race  *).  Mem.  of  the  Antbropolog.  Society, 
Vol.  IU,  S.  21.  Mit  2 Taf. 

Davis  vergleicht  dieses  Skelet  mit  denen  einer  Euro- 
päerin (Sömnienng,  tab.  scelet.  fern.)  und  zweier  australi- 


*)  Von  <l«r  Insel  Ycsso. 


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166  Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


scher  Weiher,  wovon  da»  eine  iu  des  Verfassers  besitz  ist, 
während  das  andere  von  Referent  beschrieben  wurde.  Do* 
Aino-Skelet,  von  einem  Weib  von  ungefähr  '25  Jahren,  hat 
eine  Höhe  von  1522  Millimeter.  — Schädel  wohlgebildet, 
von  ziemlich  europäischem  Aussehen.  Die  Knochen,  ins- 
besondere  der  Extremitäten,  »ehr  robust. — Der  Humerus  ist 
länger  beim  europäischen,  die  ganze  ohere  Extremität  aber 
länger  heim  AYno-Skelet.  Femur,  besonders  aber  Tibia  und 
Fibula  sind  bei  letzterem  auffallend  kurz,  das  Hecken 
schmaler  und  enger,  ln  den  beiden  letztgenannten  Cha- 
rakteren nähert  sich  das  Skelet  dem  des  männlichen  Go- 
rilla. Die  Knochen  der  australischen  Skelete  sind  von  dem- 
selben, insbesondere  durch  ihre  auffallende  Dünne  und 
Schmächtigkeit  unterschieden , was  ganz  besonder»  vom 
Hecken  gilt.  — Die  Maassc  aller  drei  Skelete  sind  in  einer 
Tabelle  verzeichnet.  — In  Betreff  der  drei  männlichen 
.Schädel  von  Ainos  bemerkt  der  Verfasser,  dass  sie  im  Gan- 
zen auffallend  europäischen  Schädeln  gleichen  und  jeden- 
falls von  den  ostasiatisclieu  sehr  verschieden  sind.  Damit 
stimmeu  die  Aussagen  der  Reisenden  überein,  welche  das 
Aussehen  der  Ainos  sehr  europäisch  gefunden  haben  (La 
Perouse,  v.  Kruseastern,  Hnbershnm).  Eine  Ta- 
belle der  Schädelmnasse  findet  sich  S,  8.  Der  Verfasser 
beleuchtet  dann  noch  die  verschiedenen  Angaben  über  die . 
Statur,  die  Hautfarbe  und  die  Behaarung.  Es  ergiebt  sich 
aus  einer  Vergleichung  derselben,  dass  die  Ainos  von  YewA 
im  Allgemeinen  von  kleiner  Statur  (1573  Miliitn.  = 5 Fas* 
2*/j  Zoll  be<L)  sind  und  sich  insbesondere  durch  kurze 
Beine  ausieichnen,  und  dass  die  Farbe  ihrer  Haut  schwarz- 
braun ist.  Di«  Behaarung  am  Körper  im  Allgemeinen 
scheint  nicht  stärker  zu  sein,  als  die  vieler  Europäer,  wenn 
sic  auch  Bart-  und  Kopfhaar  ziemlich  lang  wachsen  lassen. 

Davis,  J.  B.  Account  of  tlie  skull  of  a Ghiliak. 
Appendix  to  thearticle  on  the«celeton  audskulla 
of  Ainos.  — Mem.  of  the  Anthropologie»)  Society 
of  London,  Vol.  III,  S.  366.  Mit  l Tafel. 

Dieser  Schädel  eines  GhUiak  (eines  Volksstamme* , der 
die  Insel  Sacchah*  und  die  Gegend  der  Auiuruiündung  etc. 
bewohnt)  ist  schon  von  Pruner-Bey  (Bullet,  de  U So- 
cietÄ  rTAnthropolog. . 2d*  Serie,  Tome  II,  pag.  571)  be- 
schrieben. — Derselbe  gehört  einem  Mann  von  circa  35 
Jahren,  ist  dolichocejh.il  und  hat  eine  Capacität  von  100 
Cubikfuss  (entsprechend  einem  Hi  rüge  wicht  von  1400  Gram- 
men). Das  Gesicht  ist  breit  und,  insbesondere  in  der 
Waugengegead  sehr  flach,  der  Raum  zwischen  den  Augen- 
höhlen breit  und  flach,  der  ganze  Schädel  niedrig  und 
breit,  die  Stirn  ziemlich  nieder.  Der  Schädel  Ist  von  dem 
der  Aino«  durchaus  verschieden  und  zeigt  auch  keine  aus- 
gesprochene Aehnlichkeit  mit  den  Schädeln  anderer  asia- 
tischer Volksstämme. 

Durand  de  Gros.  La  torßion  de  rhumeru*  et 
les  origines  animale«  de  Thomtne.  — Bulletins 
de  la  Societe  d’Anthropolog.  de  Paris,  2de  Serie, 
Tome  III,  S.  523. 

O.  ▼.  Franque.  Heber  die  weiblichen  Becken  ver- 
schiedener Menechenracen.  Mit  6 Tafeln.  Scan- 
zoni's  Beitruge  zur  Geburtskunde,  Bd.  VI,  8.  164 
bis  218. 

Nach  einer  kritischen  Uebereicht  der  bisherigen  verglei- 
chend - anthropologisc  hen  Becken- Untersuchungen  beschreibt 
der  Verfasser:  1)  Da»  Becken  einer  Flachkopf  ■ Indianerin 

von  der  Vancourer  - Insel , womit  ein  männliches  de*  glei- 
chen Stammes  verglichen  wird.  2)  Das  einer  Malnjin. 
3)  Da*  einer  Chinesin.  4)  Da»  einer  Negerin  au»  Afrika, 
5)  Da»  einer  I'aj>uanegerin  von  Ostwest  - Louzon  (Philip- 
pinen). 6)  Ein  Mischling«beckeii  unbestimmter  Herkunft. 
7)  Da«  Bei  keu  eine»  weiblichen  Gorilla  Nr.  1)  2)  3)  4) 
und  7)  befind i-ii  »ich  in  der  nnatomi«chen,  Kr.  0)  in  der 


Sammlung  der  geburtshilflichen  Klinik,  Nr.  5)  in  der  de» 
Professor  Semper  in  Würxburg.  Säimntlichc  genannte 
Becken  sind  in  verkleinertem,  leider  nicht  bei  allen  gleich- 
mäßigem M aaaaatab  abgebildet. 

Die  Resultate,  zu  welchen  der  Verfasser  gelangt  ist, 
fasst  derselbe  in  folgender  Weise  zusammen:  1.  Die  Zahl 
der  bekannten  genau  untersuchten  und  gemessenen  Becken 
verschiedener  Raten  ist  noch  zu  klein,  um  daraus  bestimmte 
Schlüsse  auf  die  Becken  dieser  Raten  ziehen  zu  können, 
mit  Ausnahme  der  malayiscben  Race;  die  Becken  dieser 
Raten  wurden  von  Allen  in  den  Hauptpunkten  so  überein- 
stimmend beschrieben  lJ , dass  man  wohl  mit  Recht  daraus 
einen  Schluss  auf  die  Beschaffenheit  de»  weiblichen  Beckens 
dieser  Race  ziehen  kann.  Die  wichtigsten  Eigentümlich- 
keiten desselben  sind:  Feinerer  zarterer  Knochenbau,  starke 
Neigung  der  Darmbeinscbaufeln  noch  aussen  und  besonders 
geringere  Differenz  zwischen  dem  geraden  und  queren 
Durchmesser  des  Beckeueinganges , so  dass  letzterer  nur 
wenig  grösser  als  der  erste  ist,  immerhin  aber  noch  grös- 
ser bleibt.  Was  die  Becken  der  Negerinnen  betrifft, 
von  welcher  Race  nächst  der  malayUchen  die  meisten 
Becken  bekannt  sind*),  so  stimmen  die  einzelnen  Beschrei- 
bungen desselben  l»Dgo  nicht  so  überein3).  Virf—  «r 

glaubt,  d**s  sich  einstweilen  nur  soviel  sagen  lässt,  da»* 
das  Becken  der  Negerin  im  Ganzen  weniger  geräumig  ist 
als  das  der  Europäerin,  und  dass  der  gerade  Durchmesser 
des  Einganges  relativ  grösser  ist  als  hei  dieser. 

2.  Die  Grösse  der  Becken  scheint  nach  den  vorliegen- 
den Untersuchungen  von  Süden  nach  Norden  zuzuuehme«, 
dagegen  scheint  bei  den  südlicheren  Völkern  die  Conjugata 
im  Verhältnis»  rum  Qaerdurchmesser  an  Länge  ztua- 
■ehuicn. 

3.  Ein  Uebergnng  von  dem  Becken  der  menschenähn- 
lichen Aden  zu  dem  des  menschlichen  Weibes,  noch  viel 
weniger  eine  Aehnlichkeit  zwischen  beiden  kann  bis  jetzt 
nicht  coustatirt  werden.  Nach  der  Beschaffenheit  des 
Becken»  Ist  der  Ausspruch,  dass  der  Abstand  zwischen 
menschenähnlichen  Affen  unJ  den  auf  der  niedrigsten  Stufe 
stehenden  Menschen  kleiner  sei  als  zwischen  dem  letzteren 
und  dem  Europäer,  nicht  gerechtfertigt. 

Gillobort  d’Horcourt.  Ltudea  anthropologique* 
sur  76  Indigcnes  de  1’ Algen«.  — Mem.  de  la 
Societo  d’Anthropol.  de  Pari«,  Tome  IIl,  Fase.  1* 

S.  1. 

Die  Untersuchung  umfasst  17  Berber  - Kabylen  (13  cf, 
4 $ ),  6 Moxubitrn,  8 Mauren  (4  (f , 4 ^j,  23  Araber 
der  Stämme  (18  & . 5 $),  12  Neger  (10  <f , 2 $ } und 
6 Juden  (2  cf,  4 $)  und  betrißt  Statur  und  Proportio- 
nen, Kopfform  (fast  alle  doli*  hocephal , einige  sehr),  Farbe 
und  Haare,  Augen  und  Haut,  Tättowiruug  et«. 

Gould,  Benj.  Apthorp.  Investigation  iu  the  railitary 
and  antkropological  ßtatistiea  of  american  soldiet  s. 
New  York.  Published  for  the  United  States  Sani- 
tär)' Commission  by  Sturd  & Houghton.  Cam- 
bridge, Riveraide  Press  1869,  8°. 

Diele»  Werk  bildet  erneu  Theil  der  „Sanitäre  Memoir*  of 
the  war  of  rebettioa  collected  and  published  by  the  United 
States  Sanitaiy  Commission"  und  enthält  einen  grossen 
Reicht  hum  wcrthvolleu  statistischen  Materials  über  die  Kör- 
pcrheschnifenheit  von  Euroj>äern,  Negern  und  Indianern, 
wie  schon  daraus  entnommen  werden  kann,  dass  Statur, 
Alter,  Heimnth  von  1%  Million  Menschen  darin  verzelcb- 


*)  Bis  jetzt  sind  38  solcher  Becken  näher  beschrieben. 
*)  15. 

*)  Wohl  mit  zum  grossen  TbeÜ,  weil  unter  dem  Namen 
Neger  gar  verschiedene«  zu»ammengvfasst  wird.  Ref. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


net  bind.  Wir  erwähnen  vorläufig  «Uesen  wichtigen  Beitrug 
zur  vergleichenden  Anthropologie  nur  kurz  und  behalten 
uns  vor,  später  ausführlicher  darauf  zurück  zu  kommen. 

Hamy.  De  L’epine  nasale  anterieure  dann  Tordre 
des  Primate«.  — Bullet,  de  la  Societe  d’ Anthro- 
pologie de  Paris,  2de  Serie,  Tome  IV,  S.  13. 

Die  Mittheilung  int  besonder*  gegen  die  Behauptung  von 
A i i x gerichtet , da**  die  Spina  nn*.  ant.  nur  dem  Men- 
schen zukiüue,  dem  Aden  fehle.  Hamy  weist  nach,  dass 
dieselbe  auch  an  manchen  sehr  proguathen  menschlichen 
Schädeln  fehlt  oder  ganz  rudimentär  ist , während  umge- 
kehrt dieselbe  bisweilen  bei  Anthropomorpheu  und  selbst 
noch  bei  anderen  Säugethieren  vorkorame. 

Hamy.  Note  sur  leß  ossements  humains  trouves 
dank  le  tumulus  de  Genay.  — Bullet,  de  la  So- 
ciety d’Anthropol.  de  Paria,  2d*  Serie,  Tome  IV, 
S.  91.  (lieber  den  Tumulus  selbst  von  ßruzard, 
ibid.,  S.  89.) 

Die  Schädel,  dolichocephal  (Index  73*62)  zeigen  den  Ty- 
pus der  sogenannten  neolithischen  duhchocepbalen  (eelti- 
•chen,  Pruner-Bcy)  Race. 

Meigß.  Description  of  a human  skull  in  the  Col- 
lection of  the  Stnithsonian  Institution.  — Annual 
report  of  the  board  of  regenia  of  the  SmithF,o- 
nian  Institution.  Washington  1868,  S.  412. 

Gefunden  1866  in  einer  FeDcnspalt«  am  Illinois.  Gleicht 
keiner  der  heutigen  eingeborenen  Kaccn  und  gehört  daher 
wahrscheinlich  einem  früheren  Bewohner  so. 

Mühlreiter.  Anatomie  des  menschlichen  Gebisses 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Bedürfnisse  der 
Zahncrsatzkunde.  Leipzig  1870,  8°.  Mit  58 
Figuren  in  Holzschnitt. 

Sorgfältige  Beschreibung  der  Zähne,  die  auch  den»  Cra- 
niologen  erwünscht  «ein  dürfte. 

Nathuaius.  Sur  la  forme  du  cheveu  considcree 
commc  carncteristique  des  rares  hutnaines.  Brief 
an  Sanson.  — Bulletins  de  la  Sociute  d’Anthrop. 
de  Paris.  2d*  Serie,  Tome  III,  S.  717. 

Nathusiu»  behauptet  für  den  Menschen  wie  für  die 
Thiere  den  Mungel  jede*  ursächlichen  Zusammenhanges  zwi- 
schen Kräuselung  und  Form  des  Querschnittes  der  Haare. 
Nathuaius  will  die  Genauigkeit  der  Beobachtung  von 
I'runer-Bey,  wonach  diese  Form  charakteristisch  für  die 
einzelnen  Menschenrncen  sei,  nicht  bestreiten,  glaubt  aber 
doch,  daN  dieser  Forscher  zu  schnell  generaltsirt  habe. 
Nut  hu  »ins  glaubt , das«  inan  die  Haupt  unterschied«, 
ebenso  wie  bei  den  Thiercn  in  der  Haut,  dass  man  in 
»pecie  bei  gekräuseltem  Haar  des  Menschen  auch  die 
spirale  Form  des  Haarfollikel«  finden  werde.  Auch  wäre 
zu  untersuchen,  ob  sich  nicht  ramifirirte  Follikel  tliiden, 
•1.  h.  mehrere  Follikel  ln  der  Art  verbunden,  dass  sie  nur 
eine  Oeffnang  haben,  aus  der  mehrere  Haare  hervorkom- 
men, wie  sich  dies  bei  wolligem  Haar  von  Thicren  findet. 

Nopvou.  Annal.  des  sc.  nat.  Zoolog.,  5m*  Serie, 
Tome  XII,  1869,  S.  326. 

Hut  vergleichende  Untersuchungen  über  die  Pacini- 
«eben  Körperchen  des  Menschen  [Europäer  und  Südameri- 
kaner  (Charruai]  und  mehrerer  Affen  ljunger  CbimpontA, 
Cercopithecus  m«na,  Cynocephalo*  «pbinx,  t'ebus  tp.  r)  an- 
gcstellt  und  gefunden,  dass  die  des  Menschen  unter  an- 
deren die  grössten,  «las*  sie  regelmässig  elliptisch  oder 
bimförmig  gestaltet  und  mit  den  zahlreichsten  Capsein 
versehen  sind,  und  dass  von  denen  der  Affen  die  desChim- 
pansF  sich  am  meisten  denen  des  Menschen  nähern  , dann 


167 

die  des  Cercopithecus,  de»  Cynocepbalu«  und  endlich  de* 
Cebua. 

Nieolucci.  Anthropologin  dell’  Etruria.  Napoli  ' 
1869,  4°,  mit  7 Tafeln. 

Während  bekanntlich  Buer,  Wagner,  Prüner-Bey 
den  etruskischen  Schädel  für  dolichocephal  halten,  erklären 
ihn  Retzius,  Vogt  und  Audere  für  brachrceplud.  Der 
Verfasser  hat  19  etruskische  Schädel  verglichen,  die  aus 
Vejo,  Cere,  Tarquinia,  Vnlci,  Cbiusi,  Perugia  und  Volterra 
»lammen;  von  zweien  ist  die  Herkunft  nicht  bekannt.  Alle 
(mit  Ausnahme  von  einem)  sind  männliche.  Unter  diesen 
Schädeln  finden  sich  12  dolichoccphnle  (03°)  und  7 brachy- 
cephale  (37®).  Unter  8 Schädeln  au*  Tarrjuinia  waren  nur 
2 brachycephale.  Diese  19  Schädel  werden  nun  genauer 
beschrieben  und  insbesondere  mit  römischen  und  phönici- 
schen  verglichen.  Mit  diesen  letzteren  seien  die  dolicbo- 
cephalen  Etrusker  verwandt. 

Pranor-Bey.  Deuxieme  Serie  d’observatious  mi- 
croscopiques  sur  la  chevelnre.  — Memoires  de  la 
Societe  d’Anthropologie  de  Paris,  Tome  III,  S.  78. 

Rochot.  Eesai  d’une  monographic  du  type  du 
Romain  anciun,  d’apres  des  etudes  faites  pendant 
un  sejour  h Rome  sur  les  sculptures  antiques  et 
sur  la  pnpulation.  — Memoires  de  la  Societe 
d'Anthropologie  de  Paris,  Tome  III,  Fase.  2,  S.  127. 

8znith  and  Turner.  Observation«  on  sorae  uegro 
crania  from  Old  Calabar,  Westafrica.  — Journal 
of  uuatomy  and  physiology  ed.  by  Ilumpbry  and 
Turner,  2 Serie»,  Nr.  IV,  Mai  1869,  S.  385. 

Schädel  von  Old  Calabar  sind  schwer  zu  erhalten , da 
die  Leichen  sorgfältig  beerdigt  werden  und  der  Ort,  wo 
dies  geschieht,  .geheim  gehalten  wird.  Die  acht  vorliegen- 
den rou  Dr.  Robb  eingcachickten  Schädel  wurden  von  im 
Wald  liegenden  Skeleten  erhalten.  Es  *ind  die*  die  Rr*te 
von  Sklaven,  deren  Leichen  man  in  da*  GehUach  geworfen, 
wo  sie  rasch  faulen  und  von  wilden  Thicren  verzehrt  wer- 
den. Die  Sklaven  aber  stammen  zum  TheU  von  den  Völ- 
kern des  Niger-Delta  (Quorra)  im  Westen  vom  Croaa-River, 
dem  HuupUtrom  des  Calabar,  zuiu  Theil  aus  dem  Daten 
von  Old  Calabar,  Entere  sind  Ibo*  (Eboes),  die  östlichen 
»lud  die  Neger,  die  man  in  Westindien  Moros  nennt.  Die 
Mehrzahl  der  Schädel  gehört  nach  Robb’*  Meinung  Ibos 
an.  Von  den  8 Schädeln  sind  4 männlich  (A.  B.  F.  li.), 

4 weiblich  (C.  D.  1L  G.).  Die  Schädel  sind  all«  dolicho- 
cephnJ  (Index  70  bis  78).  A.  B.  erwachsen,  einander  «ehr 
ähnlich,  seitlich  abgeflaebt,  Vorderkopf  dachförmig  und  zu- 
rückweichend, Arcus  superdl.  und  glabellu  wohl  murkirt, 
prognath , Index  73  und  70,  Capacität  84  und  87.  — 

F.  von  einem  8 bis  10  Jahre  alten  Knaben.  — H.  von 
einem  Erwachsenen,  asymmetrisch,  Index  75,  Capacität  93.  — 

Die  4 $ Schädel  sind  alle  von  Erwachsenen;  mit  Aus- 
nahme von  E.  (sub-brachycephal.  Index  78)  alle  dolicho* 
cephal  (Iudex  70  . 72  ■ 73),  Capacität  65  bi*  87.  — Bei 
allen  Schädeln  «lud  die  Nahtzähne  sehr  einfach  und  ist  die 
Ala  magna  mit  dem  Scheitelbein  verbunden.  — Dariell 
gab  (Journal  of  the  Ethnological  Society  of  Londou,  1848) 
Nachrichten  über  die  Eingeborenen  von  Old  Calabar.  Dar- 
nach zeigen  diese,  obgleich  sie  da*  dicke,  ro«6*ive  Craninm, 
den  schmalen  convexen  Vorderkopf,  seitlich  eomprimirten 
Schädel  nnd  vorstehende  Kiefer  haben,  doch  nicht  mehr 
die  dicken  Lippen  und  die  plutte  Nus«  und  andere  Kigen- 
thümlichkeiten  der  Kroo- Neger  (die  den  ausgesprochensten 
Negertypus  besitzen),  und  damit  stimmen  auch  die  Schädel 
überein. 

Thuraam.  Further  rosearches  and  observationa 
on  the  two  principal  form  8 of  ancient  british 


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168 


Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur. 


skull?.  From  the  mein,  of  the  Anthropolog.  So* 
ciety  of  London,  Vol.  III,  S.  4L  Mit.  2 Tafeln. 

VerliuMiH  lasst  die  Hauptresultate  seiner  Untersuchungen 
ln  folgenden  Sätzen  zusammen.  1.  Die  Schädel  au«  den 
ursprünglichen  Beisetz  ungern  in  den  Long  - Harro  w*  von 
WUtshire  und  Gloucester&bire  und  dem  südlichen  England 
überhaupt  siud  ausgesprochen  dolichocephal  (mittlerer  In- 
dex 71).  Noch  kein  brachycepholer  Schädel  mit  einem 
Index  Ton  80  oder  darüber  ist  in  ziehen  Grabstätten  ge- 
funden; nur  Wcrkzruge  von  Stein,  Knochen,  Horn;  kein 
Metall,  keine  verzierte  Töpferarbeit.  Dies«  Grabstätten 
gehören  daher  der  Steinzeit  an.  2.  Die  Schädel  au*  den 
ursprünglichen  Beisetzungen  in  den  Kound-Barrowf.  derselben 
Gegend  sind  mehr  oder  minder  brachycrphal  (mittlerer  Index 
81).  ln  den  Gräbern  linden  »ich  mit  oder  ohne  Werkzeu- 
gen von  Stein  solche  von  Bronze  und  — aber  selten  — 
von  Eisen;  sie  gehören  daher  der  Bronzezeit  oder  der 
Uebergangsperlode  (zur  Eisenzeit)  an.  3.  Schädel  ans 
späteren  Beisetzungen  in  den  oberen  Schichten  der  Long- 
Barrowa  gleichen  meist  denen  der  ursprünglichen  Bei- 
setzungen der  Kundgräber.  4.  Der  Volksstamm  mit  doli- 
chocephalcm  .Schädel  war  der  ursprüngliche,  der  früheste, 
von  dom  Grabmonumrnte  erhalten  sind.  Er  begrub  seine 
Todtcn  ganz  und  fast  ohne  Lciclu-nbrand , bcsass  Ileorden 
von  kleinem  kurzhöroigrn  Kind  (Bo*  longifron»  oder  bra- 
chycero»),  jagt«  Hirsch  und  Bür  und  hatte  barbarische 
Sitten,  indem  er,  wenn  auch  nicht  anthropophag , doch 
Menschen  opferte.  3.  Diesem  folgte  eine  brachyce-phale 
kräftigere  und  mehr  civilisirte  Bevölkerung  von  höherer 
Statur,  welehe  bald  die  herrschende  wurde.  Der  Leichen- 
brand  herrschte  hier  bei  weitem  mehr  Tor.  Die  barbari- 
schen Sitten  ihrer  Vorfahren  wichen  milderen  und  Ackerbau 
mit  mehr  timten  Niederlassungen  scheint  nllmälig  Platz  gc- 
grifien  zu  hohen,  ft.  Es  ist  nicht  bewiesen  und  nicht 
wahrscheinlich , das»  der  frühere  (dolichocephale)  Stamm 
von  dem  späteren  ( brach ycephalcn)  ausgerottet  wurde.  Es 
ist  viel  wahrscheinlicher , dass  er  in  Sklaverei  gerieth 
oder  schliesslich  mehr  nach  dem  Innern  und  nach  Westen 
getrieben  wurde.  Eine  Vermischung  der  Hinte  beider  in 
späteren  Grabstätten  int  wohl  sicher. 

Dem  früheren  und  dolichocephalen  Stamm  schreibt  Thur- 
nam  einen  iberischen,  dem  späteren  brach vcephaleu  eiben 
gallischen  oder  belgischen  Ursprung  zu. 

Vircbow.  Ueber  die  Schädel  der  älteren  Bevöl- 
kerung der  Philippinen,  insbesondere  über  künst- 
lich  verunstaltete  Schädel  derselben.  — (Sitzungs- 
bericht der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropo- 
logie, Ethnologie  und  Urgeschichte.  Zeitschrift 
filr  Ethuologio,  Jahrgang  1870,  S.  7.) 

Sämmtliche  Schädel,  16  an  der  Zahl,  wurden  von  G. 
Jagor  mitgebracht.  Die  künstliche  Mhsstaltung  gleicht 
gnnz  der  der  Klatheads  des  nordwestlichen  Amerika.  Von 
5 Schädeln  nus  der  Höhle  von  Lanang  findet  diese  Mi**- 
stnltung  namentlich  bei  einem  in  ausgezeichnetem  Grade 


statt,  während  ein  anderer  keine  Spur  von  Mimtaltung 
zeigt  und  die  3 übrigen  dieselbe  iu  sehr  verschiedenem, 
jedoch  viel  geringerem  Grade  aufweisen.  Von  2 Schädeln 
aus  der  Höhte  von  Nipa-Nipa  zeigt  der  eine  die  Difformi- 
tat  in  hohem  Grade,  der  andere  kaum  eine  Andeutung 
davon.  V'irchow  constatirt  auch  für  die  nicht  oder  kaum 
veränderten  Schädel  einen  ungemein  hohen  Breitenmdex 
(hei  dem  erstgenannten  von  Lanang  von  89*1),  so  dass  kein 
Zweifel  besteht,  dass  die  Bevölkerung,  die  jedenfalls  einer 
sehr  lauge  vergangenen  Zeit  angehört,  eine  eminent  bra- 
chvcephale  war  und  mit  den  Kegrito«  etc.  der  Philippinen 
nicht»  zu  thun  hat.  Leider  ist  nur  1 Schädel  von  einem 
heutigen  Einwohner  vorhanden  (von  Ysarog  auf  Luzon),  der 
von  den  Uöhlcnschädeln  entschieden  ah  weicht  und  eine  ge- 
wisse Ähnlichkeit,  insbesondere  mit  Dajak  - Schädeln  hat 
(Index  78*9).  Sechs  .Schädel  aus  einer  anderen  Höhle  von 
Nipa-Nipa  gehören  offenbar  einer  mehr  modernen  Gruppe 
an,  wie  auch  dadurch  bestätigt  wird,  das»  2 davon  syphi- 
litisch sind.  Virchow  findet  die  Übereinstimmung  zwi- 
schen diesen  und  den  von  G.  Jagor  mit  gebrachten  Por- 
trait» sehr  gross.  Auch  diese  sind  breit  (Index  83*3).  Zwei 
weitere  Schädel  von  Nipa  - Nipa  sind  davon  ziemlich  ver- 
schieden, doch  zeigen  alle  16  Schälle]  unter  sich  eine  nä- 
here Beziehung  als  zu  irgend  einer  benachbarten  Rare.  «> 
das«  man  nicht  umhin  kann,  alle  einer  und  derselben 
grossen  Familie  zuzuzählen. 

Weisbach.  Gehirn  gewicht,  Capacität  und  Umfang 
des  Schädels  in  ihren  gegenseitigen  Verhältnis- 
sen. — (Separatabdruck  aus  den  mediciniachen 
Jahrbüchern  [Beilage  zum  Wochenblatt  der  k.  k. 
Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien]),  XVII.  Band, 
II.  Heft,  1869. 

Die  Resultate  seiner  Untersuchung  fasst  der  Verfasser  in 
folgenden  Sätzen  zusammen:  l)  die  Grösse  der  Schädel- 

höhle, des  Gehirugewichtes  und  Umfanges  des  Schädel» 
müssen  in  den  einzelnen  Fälleu  durchaus  nicht  Hand  in 
Hand  mit  einander  gehen;  2)  trotz  der  Incongruenz  im 
Einzelnen  nimmt  aber  doch  im  Allgemeinen  mit  der  Grösse 
de6  Schidelinnenrauroes  auch  der  Um  tang  und  das  Gehirn  - 
gewicht  zu,  nur  ist  die  Zunahme  bei  jedem  dieser  äfaasse 
eine  verschiedene;  3)  das  gegenseitige  Verhalten  zwischen 
Rauminhalt,  Gehirngewicht  und  Umfang  ist  ebensowohl 
nach  der  Grösse  de*  Schädel*  als  nach  Alter,  Geschlecht 
und  höchst  wahrscheinlich  auch  nach  der  Rare  veränder- 
lich und  daher  eine  für  alle  Schädel  ohne  Unterschied  gü- 
tige Berechnungsweise  des  wahrscheinlichen  Gehirngewich- 
tes aus  dem  Rauminhalte  und  noch  viel  weniger  au*  d«m 
Umfang  nicht  zulässig;  4)  zur  Berechnung  des  wahrschein- 
lichen Gehirngewlrhtes  eines  Schädels  kann  unter  Berück- 
* sichtigung  seiner  Grösse,  de«  Alters,  Geschlechtes  und  der 
Race  nur  der  Rauminhalt  mit  einiger  Verlässlichkeit  und 
Annäherung  nn  die  Wahrheit  verwendet  werden,  indem  der 
horizontale  Umfang  zu  weit  von  der  Wirklichkeit  abwei- 
chende Resultate  giebt. 


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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


169 


m. 

i * 

Ethnographie  und  Reisen. 

Allgemeines. 

(Von  Friedr.  von  Hollwald.) 


Agassis.  On  Provinces  of  Creation,  and  tbe 
Unity  of  Race.  (Biblical  Repertory  and  Princ«- 
ton  Review.  New  York,  Jan.  1869.) 

Bäcker,  Louis  de.  De  l’origine  du  langage,  d’a- 
pree  la  Genese.  Paris  1869,  8®.  51  8. 

Baldwin,  John  B.  Pre  - historic  nation»;  or,  In- 
quiries  concerning  sotne  of  tho  Great  People»  and 
Civilizationa  of  Antiquity.  New  York  1869,  12°. 
414  S. 

Baum-  und  Sclilaugendienat.  Ueber  den  — (Ausland 
1869,  Nr.  51.) 

Eine  Besprechung  des  Fcrgunon 'sehen  Werke»,  der 
sieb  zu  dem  Schlüsse  berechtigt  glaubte,  der  Schlangen-  » 
dienst  sei  dem  arischen  und  semitischen  Völkerkreise  als 
ein  fremder  Tropfen  von  einem  „tunmischen  Volke“  beige- 
mischt  worden.  Sehr  gut«  Aufzählung  jener  Völker,  wo 
Schlangen-  und  Baumdienst  üblich  war.  Widerlegung  der 
Fergusson’schcn  Hypothese,  wonach  die  indischen  Dravi- 
da»  in  eingewanderte  Tursnier  und  altangeseasene  Einge- 
bome  zu  spalten  wären. 

Becq  de  FouquIöreB,  L.  I*es  jeux  des  Anciens, 
leur  description,  leur  origine,  leurs  r apport»  uvec 
la  religion,  l'hiatoire,  los  arts  et  les  mocura.  Pa- 
ria, C.  Reinwald.  1869,  8°.  VIII  & 460  pag.  Re- 
ccna.  „Pbilolog.  Anz.“  1869,  Nr.  8,  8.218—221. 

Benfey,  Thood,  Geschichte  der  Sprachwissenschaft 
und  orientalischen  Philologie  in  Deutschland. 
München  1869,  8®. 

Besprochen  in  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung“  vom  19. 
September  1869,  Nr.  262  und  20.  September,  Nr.  263. 

Bimsen,  Emst  von.  Die  Einheit  der  Religionen 
im  Zusammenhänge  mit  den  Völkerwanderungen 
der  Urzeit  und  der  Geheimlehre.  Berlin,  Mit- 
scher und  Rösteil,  1870,  8®.  2 Bde. 

Demmin,  August.  Die  Kriegswaffen  in  ihrer  hi- 
storischen Entwicklung  von  der  Steinzeit  bis  zum 
18.  Jahrhundert.  Leipzig  1869,  8°. 

I>icscs  Buch  soll  den  bisherigen  Mangel  einer  Geschichte 
der  Wolfen  als  Zweig  der  Culturgrschichtc  ersetzen  und 
drm  Archäologen,  dem  Künstler  und  dem  Sammler  ein 
nützliches  Handbuch  sein.  Es  ist  wohl  wesentlich  für  den 
Letzteren  bestimmt,  wie  es  denn  auch  von  einem  Sammler 
verfasst  ist.  Der  Abriss  der  Geschichte  der  Wolfen,  womit 
es  beginnt,  ist  indes»  gar  dürftig  und  oberflächlich.  Di« 
folgenden  Artikel,  welche  die  einzelnen  ethnologischen  und 
Archiv  rtlr  Anthropologie.  Bd.  IV.  nett  II. 


historischen  Perioden  behandeln , sind  es  kaum  minder, 
viele  etymologische  Erklärungen  scheinen  uns  sehr  zweifel- 
haft, Unrichtigkeiten  in  Namen  und  Benennungen  dienen 
ebenfalls  nicht  zur  Zierde  des  Buches.  Immerhin  dürfte 
dasselbe  nützlich  und  willkommen  sein,  denn  es  herrscht 
unter  den  Liebhabern  und  Sammlern  gerade  auf  diesem 
Gebiete  eine  erstaunliche  Unwissenheit  und  Begriffsverwir- 
rung, die  oft  schmählich  ausgebeutet  wird. 

Denison,  Will.  On  Permaneoce  of  Type  in  tbe 
human  race.  (Journ.  of  the  ethnol.  Soc.  of  Lon- 
don, 1869,  S.  194—199.) 

Fiske,  John.  The  Genesis  of  language.  (The 
North  American  review.  Boston,  Octob.  1869.) 

Flint,  Austin.  The  Physiology  of  Man;  designed 
to  represent  the  existing  State  of  physiological 
Science  a»  applied  to  tbe  functions  of  the  human 
body.  New  York  1870,  8®.  526  S. 

Fortlago,  Dr.  C.  Acht  psychologische  Vorträge. 
Jena  1869,  8®. 

Besprochen  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom 
7.  August  1869,  Nr.  219. 

Gladstone,  Will.  Ewart.  Juventus  Mundi,  the 
Gods  and  Men  of  the  llomeric  Age.  London 
1869,  8®. 

Ueber  diese«  sehr  gelehrte  Werk  des  bekannten  englischen 
Staatsmannes  bringt  das  „Journal  of  the  Ethnological  So- 
ciety of  London“  1869,  S.  321 — "331  aus  der  Feder  de* 
Herrn  Hy  de  Clarke  eine  eingehende  Rcccnsinn,  die  sich 
vorwiegend  mit  drm  ethnologischen  Theil  des  Buche*  be- 
schäftigt und  die  Suppositionen  Gladstone’s  über  die 
Sprache  und  Cultur  der  Pelasger  geradezu  über  den  Haufen 
wirft.  Dabei  werden  der  Werke  <it»  Herrn  ▼.  Hahn  ge- 
dacht, auf  welche  sich  ü ladstöne  hauptsächlich  gestützt; 
die  Amiirhirn  des  Kervnsenten  über  die  alten  Pelasger, 
Albanesen  und  Illyrier  sind  jedenfalls  sehr  lesenswert!». 

Gottschall,  Dr.  Rud.  Die  mystisch  - socialen  Ge- 
meinden der  Gegenwart.  (Unsere  Zeit  1869,  I, 
S.  342—363,  499 — 525.) 

Anknüpfend  an  Dixon’a  „Neu  Amerika“  und  „Seelen- 
braute“  sowie  an  And.  J.  Daris’  „Reformator  und  Zauber- 
stab“,  werden  hier  mit  lebendigen  Farben  die  eigentümlichen, 
am  das  sexuelle  Leien  sich  drohenden  Lehren  der  „Zitlerer“, 
der  Köuigaberger  Mucker,  der  englischen  Lampeterbrüder, 
der  amerikanischen  Spirituellsten  und  Mormonen  in  rer- 
Stand IKher,  belehrender  Weise  geschildert. 

Hayes,  Dr.  J.  R.  Negrophohia  „od  the  brain“ 
in  white  Men ; or,  an  Essay  upou  the  Origin,  Pro- 
22 


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170 


Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur, 


gre*s,  mental  and  physical,  of  the  Negro  Rate. 
Washington  1869,  8°.  35  S- 
Hermann,  Conrad.  Philosophie  der  Genchichte. 
Leipzig,  Fr.  Fleischer,  1870,  8°.  VIII  nnd  6668. 

Es  thut  uiu  »ehr  leid,  von  diesem  Buche  Tor  Allem  sa- 
gen xu  müssen,  es  wire  besser  ungeschrieben  geblieben. 
Bekämpfen  lässt  sich  dasselbe  eigentlich  nicht,  denn  es 
steht  a priori  auf  ganz  unannehmbarer  Basis.  Wir  begrei- 
fen, wenn  idealistische  Träumer  gegen  die  Starrheit  der 
materialistischen  Uhren  ankämpfen,  und  lassen  — obgleich 
w ir  persönlich  anders  darüber  denken  — diesen  Standpunkt 
gelten,  so  lange  er  «ich  beschränkt  die  naturwissenschaft- 
lichen Anschauungen  auf  jenem  (Jebiete  zu  bestreiten,  wo 
sie  überhaupt  noch  anfechtbar  sind , wie  x.  B.  aui  dem 
Felde  der  Psychologie.  Dass  aber  im  19.  Jahrhunderte 
noch  ein  derartiges  Werk  geschrieben  werden  könne,  wo 
von  den  Naturwissenschaften  gänzlich  Umgang  genommen 
wird,  sollte  man  kaum  für  möglich  halten.  Buckle  schon 
beging  den  an  verzeihlichen  Fehler  die  Lehren  der  Ethno- 
logie zu  missachten,  er  hat  aber  wenigstens  den  übrigen 
Einflüssen  der  Natur  auf  die  Menschheit  einen  gehörigen 
Platz  eingeräumt.  Letzteres  geschieht  indessen  im  Buche 
de*  Professor  Hermann  nur  in  sehr  oberflächlicher 
Weise  und  die  anthropologisch-ethnologischen  Beobachtungen 
ignorirt  er  gänzlich.  Aber  noch  au»  einer  anderen  Kück- 
skht  verträgt  das  Werk  vom  naturwissenschaftlichen  Stand- 
punkte keine  Kritik-  Trotzdem  nämlich  die  gesummten 
Naturwissenschaften  schon  seit  Jahren  gegen  die  Teleologie 
Sturm  laufen,  wird  auch  die«  verschwiegen,  ja  das  ganze 
Werk  auf  teleologischer  Basis  aufgebaut  und  naiv 
genug  eingestanden , dass  wenn  der  Verfasser  dies  nicht 
thüte , er  überhaupt  keine  Veranlassung  hätte  sein  Buch 
zu  schreiben.  Die  mit  jeder  teleologischen  Auffassung  ver- 
bundene Krage  über  den  F.ndzweck  des  Menschengeschlech- 
tes lässt  Hermann  gerade  so  unbeantwortet  wie  seine 
Vorgänger  und  dies  ist  »ehr  natürlich;  er  kennt  ihn  eben- 
sowenig wie  wir.  W"ic  richtig  sagte  in  dieser  Hinsicht  doch 
Schiller:  Der  Zweck  des  Menschengeschlechtes  sei  uns 
schlechterdings  verborgen,  weil  sein  Endzweck  dem  des 
Universums  untergeordnet  sei,  der  Zweck  des  Theils  aber 
nur  au»  dem  Ganzen  heraus  erkannt  werden  könne;  da 
aber  der  Zweck  des  Universums  uns  verhüllt  ist,  so  sei 
die  Harmonie,  die  Vernunft,  die  wir  in  die  Geschichte  bin- 
einfegen,  nur  in  unserem  Kopfe;  der  Zufall  rolle  die  Welt- 
geschichte; da»  Geschlecht  entwickle  sieh  nach  den  Ge- 
setzen der  Notbweudigkeit.  Professor  Hermann  bitte 
also  jedenfalls  die  HegePsrhe  Geschichtsanschauung  nicht 
über  den  Haufen  zu  .verteil  versuchen  und  nicht  stet*  in 
so  hohen  idealistischen  Sphären  schweben  sollen,  welche 
beispiris weise  Ursache  sind,  dass  im  ganzen  griechischen 
Altcrthumc  bei  ihm  nur  von  Kunst  die  Rede  ist,  so  das« 
beinahe  der  Leser  in  dir  schalkhafte  Versuchung  kommt  zu 
glauben,  die  Griechen  hätten  an  gar  nichts  linderes  gedacht 
und  xu  denken  gehabt  als  an  die  Kunst  und  das  Ideal. 
Da**  dem  nicht  so  war,  darüber  sind  wir  beruhigt,  so 
gerne  wir  der  Kunst  die  ihr  gebührende  Stelle  einraumen. 
Die*  nur  «o  beiläufig.  Nicht  ungerügt  können  wir  ferner 
die  »tylistisrhe  Unart  lassen  auf  jeder  Seite  mindestens 
4 bis  5mal  die  Redeweise  „an  und  für  sich-  abwechslungs- 
halber untermischt  mit  „an  sich-  — mitunter  auf  nur 
wenige  Zeilen  zusjunmengetirängt  — dem  Leser  beixubrin- 
gen.  Dies  ist  „an  und  für  sich-  unangenehm. 

Ho  worth,  H.  H.  Werterly  Drifting  of  Nomade. 
(Journal  of  the  ethnol.  Society  of  London  1869, 
8.  12—27.) 

Verfasser  behauptet,  das*  nur  durch  ein  genauen  Stu- 
dium der  historischen  Begebenheiten  Schlüsse  auf  vorhisto- 
rische Ereignisse  möglich  seien.  Zu  diesem  Behufe  unter- 
zieht er  die  Wanderungen  asiatischer  Nomadenvölker  gegen 
Westen  in  der  Zeit  vom  V.  bis  zum  XIX.  Jahrhundert 


einer  eingehenden  historischen  Untersuchung,  die  in  der 
vorliegenden  Schrift  als  ein  »ehr  gedrängter,  nackter  und 
trockener  Abriss  der  Geschichte  jener  Völker  erscheint,  die 
sich  seit  dem  V.  Jahrhundert  über  die  südlichen  Meppen 
Russlands,  Polen,  die  Ebenen  von  Ungarn,  Persien  und 
Kleinasien  ergossen  haben.  Er  heginnt  mit  den  Kalmyken. 
Nach  ihren  Cesicblszügen , Sprache,  Sitten,  Kleidung  and 
Religioa  führen  sie  uns  an  dos  westliche  China  zurück. 
In  Europa  bilden  sic  gegenwärtig  eine  isolirte  Völkerinsel; 
ihre  Religion  ist  jene  der  tibetanischen  Buddhisten,  ihre 
Züge,  ihre  Sprache  sind  mongolisch.  Die  Kalmyken,  auch 
Elenthes  oder  Ulöten  genannt,  zerliefen  eiaat  in  drei  Zweige: 
in  die  Tschugaren,  welche  jetzt  zerstreut  westlich  vom 
Altai  bis  zum  Balchasi'h  See  hausen;  die  Koschoten,  die 
früher  da»  Königreich  Tnngut  inne  hatten  und  von  zwei 
Chan»,  dem  einen  in  Tibet,  dom  anderen  in  Tangut,  beide 
unter  dem  Dalai  Lama  stehend,  regiert  wurden;  endlich 
die  europäischen  Kalmyken,  genannt  Torguten  und  Der  beten. 
Verfasser  geht  nunmehr  auf  die  üstnanen  über;  er  giebt 
einen  Abriss  ihrer  Geschichte  und  weudet  sich  den  Usbe- 
ken Turan»  zu;  hier  schliesat  er  sich  der  Ansicht  Klip- 
roth’s  an,  wonach  die  Uzbekeu  au»  dem  Kaptwbak  stam- 
men. Vor  Ankunft  derselben  waren  die  Turcomanen  die 
herrschende  Rare  m Transoxiana.  Diese  Turcomanen,  die 
sich  mit.  der  Tadschik  - Bevölkerung  der  Städte  gekreuzt 
hatten , waren  keine  Mongolen , wie  sie  sich  selbst  manch- 
mal nannten,  »onderc  den  Türken  nabesiebende  .Stämme. 
Ihr  grösster  Held  war  Timur,  Ton  dc66on  gewaltigen  Erobe- 
mngszügen  der  Verfasser  rin  chronologisches  Gemälde  ent- 
wirft. Sie  sind  für  den  Ethnologen  interessant,  denn  rie 
müssen  die  verschiedenartigen  asiatischen  (Zivilisationen 
unter  einander  ln  Berührung  gebracht  haben, 

Die  Tataren  waren  Mongolen,  darüber  stimmen  all«  (Juri- 
len  überein ; die  heutigen  Talarrn,  wenigsten*  die  Bewohner 
der  kleinen  Tatarei  und  des  Westen*  sind  es  nicht;  diese  sind 
typische  Türken  und  sprechen  eine*  der  reinsten  türkischen 
Idiome.  Der  Held  der  allen  mongolischen  Tataren  war 
Dschinghix  ■ Chan , dessen  Heer  indes*  nur  zum  kleinsten 
Theil  au»  Mongolen  bestand , die  vielleicht  darin  die  Ari- 
stokratie bildeten;  die  Massro  waren  zumeist  Türken. 

Die  Schwierigkeiten  der  turanischen  Ethnologie  sind  sehr 
gro «»,  da  da6  Land  von  zahlreichen  Raccn  mit  noch  zahl- 
reicheren LTnterablheilungrn  bewohnt  war.  Nach  de*  Ver- 
fassers Ansicht  sind  alle  diese  Raccn  unter  einander  mehr 
oder  minder  verwandt;  sie  liesseo  sich  alle  unter  Blumon- 
bach1*  Mongolen  claasihrirrn.  Dos  Substratum  dieser 
Stämme  sind  die  Ugrier;  die  Türkeu  wären  Ugrier  mit 
persischem  und  germanischem  Blut,  die  Mongolen  hingegen 
Ugrier  mit  chinesischem  Blute  gemischt.  Die  Buriäten 
im  Norden  des  Baikal  wären  eine  Uebergaugsrace  und  di« 
Khalchas-Mongolen  ähnlich;  die  Karakalpaken  endlich  eine 
Mischung  von  Türken  und  Mongolen  mit  einem  früheren 
sibirischen  Stamme. 

Huber,  Johannes.  Philosophische  Probleme. 
(Augsburger  Allgemeine  Zeitung,  13.  Juni  1869, 
Nr.  164,  Beilage,  14.  Juni,  Nr.  165,  15.  Juni, 
Nr.  166,  Beilage.) 

Streng  philosophische  Abhandlungen,  wie  die  vorliegende, 
welche  an  eine  Schrift  von  Melchior  Mayer:  Die  Fort- 

dauer nach  dem  Tode.  Leipzig  18Ö9,  H°  tuiknüpft,  haben 
eigentlich  in  ua*errr  Bibliographie  keine  Stelle,  and  würden 
wir  ihrer  auch  nicht  erwähnen,  wenn  darin  Dicht  directe 
Angriffe  gegen  die  exacten  Wissemithaflen,  nämlich  die 
Naturwissenschaften,  und  zu  diesen  zählt  unstreitig  die  An- 
thropologie, enthalten  wären.  Fiir  eine  Abwehr  dieser  An- 
schuldigungen i*t  hier  nicht  der  Raum  geboten  und  so  be- 
gnügen wir  un»  damit  darauf  hinzuweisen,  das»  die  Natur- 
wissenschaften mit  ihren  materialistischen  Tendenzen  den 
Geist  nicht  läugnen , wenn  sie  denselben  unwiderruflich  an 
die  Materie  knüpfen.  Wir  wissen  sehr  wohl,  dass  hier 
noch  manche  Probleme  zu  lösen  sind  und  glauben , da» 


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171 


Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


gerade  die  Erforschung  de«  Denkprocrsses , und  hierauf 
läuft  ja  Alle«  hinaus,  seinerzeit  eint*  Hfl up tauf gab«  der 
Anthropologie  bilden  wird,  Ueberrancheud  ist,  das*  der 
Autor  bei  «einen  Retleiiim«*«  über  die  Selbständigkeit  de« 
Denken«  von  den  Resultaten  der  wi««enscbal'tlicben  Phreno- 
logie keine  Notiz  nimmt,  so  wie  auch  die  «o  klare  und 
deutliche  Schrift  Oeltlmann’i:  „Die  Erkenntnis«lehre  als 
Naturwissenschaft“  keine  Beachtung  findet.  In  dem  geradezu 
Epoche  muchenden  Buche  E.  Hurtrn an n’t  „Philosophie  des 
Unbewussten“,  welches  nebenbei  bemerkt  die  Dur w in* «ehe 
Theorie  der  Zuchtwahl  rückhaltlos  in  die  Philosophie  ein- 
führt, lassen  sich  gleichfall»  viele  Waffen  gegen  die  von 
Herrn  Huber  vorgebrarhien  Argumente  holen.  So  weit 
es  bisher  gestattet  ist  die  Verhältnisse  zu  überblicken,  ha- 
ben die  Ansichten  der  idealistischen  Philosophen  «ehr  we- 
nig Aussicht  auf  weitere  Bestätigung  durch  die  Wissen- 
schaft , während  für  die  naturwissenschaftliche  Weltan- 
schauung die  Beweise  sich  stets  mehren  durften.  Einsichts- 
volle Historiker,  wie  Buckle  z.  Lt.  (womit  demselben  in- 
des* keineswegs  in  Allem  das  Wort  geredet  sein  soll)  haben 
schon  mit  diesen  Thatsachen  gerechnet  und  beispielsweise 
die  Freiheit  de«  menschlichen  Willen*  als  unhaltbar  ganz 
fallen  gelassen.  Weser  letzteren  widerspricht  ohnedies  das 
sogenannte  Gesetz  der  grossen  Zahlen,  da*  von  idealistischer 
Seite  her  keine  Erklärung  findet.  Wir  meinen  demnach 
die  Naturwissenschaften  gehen  nicht  zu  weit,  wenn  «ie  den 
Geist  an  die  Materie  fesseln;  c*  wäre  interessant  die  Frage 
beantwortet  zu  hören,  wo  nach  Ansicht  der  Idealphilosophen 
der  „Geist“  seinen  Sitz  gehabt  bähe  in  jenen  Zeiten  als 
die  Erde  noch  nicht  von  Menschen  belebt  wnr.  Wenn 
endlich  Herr  Huber  da«  Umsichgreifen  der  materialistischen 
Anschauungen  bedauert , so  lässt  sich  darauf  nur  mit 
Schopenhauer  und  Harlmaun  erwidern,  dass  die  Wis- 
senschaft rücksichtslos  nach  Wahrheit  forsclie,  unbekümmert 
darum  ob  da«  was  sie  findet  dem  in  der  Illusion  des  Trie- 
be* befangenen  Gefühlsurtbell  behagt  oder  nicht. 

Huxley’fl  Eintheilung  der  Menachenracen.  (Globus 
Bd.  XVI,  S.  62 — 63.) 

Jaeger,  Dr.  G.  Ueber  den  Ursprung  der  Sprache. 
(Ausland  1869,  Nr.  17.) 

Jellinek,  Ad.  Der  jüdische  Stamm.  Ethnogra- 
phische Studie.  Wien,  Herzfeld  und  Bauer, 
1869,  B1». 

Besprochen  (von  K.) , „Magazin  für  die  Literatur  des 
Auslandes“,  1869,  Nr.  8,  S.  112—113. 

Jewoll,  J.  S.  Geologieal  Evidence«  of  the  Anti- 
quity  of  Man.  (Methodist  Quarterly  Review. 
New  York,  Jan.  1869.) 

Klöone,  B.  H.  Onze  voorouders  volgens  de  theo- 
rie  van  Darwin  en  het  Darwin isme  van  Winkler, 
’a  Hertogenbosch,  Bugaerts,  1869,  8°.  VI  A 176 
blz. 

Littrow,  Heinrich.  Ueber  den  Tanz  und  über 
Volkstänze.  I*aibach,  Jgn.  v.  Kleinmayer,  1869, 
8°.  34  S. 

Malfatti,  B.  Scritti  geografici  ed  etnografici.  Mi- 
lano 1869,  8°.  603  S. 

Enthält  als  hierher  gehörig:  Ueber  da*  Olima  als  eth- 
nographischer Factor.  Kraniotogie  und  Ethnographie.  Di« 
Neger- Rare, 

Marriage.  The  history  And  philosophy  of  Mar- 
riage;  or  Polygamy  and  Monogamy  Compared. 


By  a Christian  Philantropist.  Boston  1869,  8*. 
256  S. 

Meignan,.,..  Le  monde  et  l’homuie  primitif  se- 
lon  laBiblo.  Paris,  Victor  Palme,  1869,  8*.  XVII 
& 403  pag. 

Montolius,  Oscar.  FrAn  jurn&ldcrn.  Akaderuisk 
afhandling.  Stockholm,  Haeggström,  1869,  4°. 

Neger.  Können  Neger  weias  werden?  (Natur  1869, 
S.  72.) 

Quatrefages  beantwortet  die*«  Frage  bejahend  in  der 
„Revue  de*  cours  »cientifiijue»“ . 

Poschel,  Dr.  O.  F.  Ueber  die  Wanderungen 
der  frühesten  Menschen  stamme.  (Ausland  1869, 
Nr.  47.) 

Geht  von  der  Ansicht  nus,  «laa«  die  Inteln  erst  von  den 
F Mtlaaden  au*  bevölkert  wurden  und  stellt  die  Hy|*otbc*c 
auf,  der  Uraita  d«r  Menschheit  sei  jedenfaU*  in  der  alten 
Welt,  möglicherweise  in  dem  problematischen,  südlich  von 
Indien  gelegen  habenden,  nunmehr  versunkenen  „Lemuria“ 
zu  suchen. 

Poschel,  Dr.  O.  P.  Uebor  den  Mann  im  Mondo. 
Eino  ethnographische  Musterung.  (Ausland  1869, 
Nr.  45.) 

Aeusserst  dankenswert)»  und  übersichtliche  ZuMUumru- 
»tellung  aller  Fabeln  und  Ansichten,  jtu  welchen  bei  den 
verschiedensten  Völkern  das  Aussehen  de*  Mondes  Veran- 
lassung gegeben.  Die  Belesenheit  des  gelehrten  Verfassers, 
die  «ich  selbst  auf  anscheinend  so  geringfügige  Dinge  er- 
streckt, kann  nicht  genug  bewundert  werden, 

Poschel , Dr.  O,  Einfluss  der  Lnndergestalten 
auf  die  mensc^iche  Gesittung.  — 8.  Ueber  die 
Zone  der  Religioosstifter.  (Ausland  1869,  Nr.  18.) 
— 9.  Die  Lockmittel  des  Völkerverkehr«.  (Aus- 
land 1869,  Nr.  43.) 

Von  diesen  Aufsätzen  kann  mau  keinen  Auszug  geben; 
man  mos*  «ie  eben  selbst  lesen.  Nicht  genug  dringend 
können  wir  den  Herrn  Autor  auffordern,  die«c  Aufsätze 
gesammelt  in  einem  Buche  erscheinen  zu  lasten,  wie  er 
dies  für  Beine  „Neue  Probleme  der  vergleichenden  Erd- 
kunde“ gethan- 

Pfannensclmiid , Dr.  Heinr.  Das  Weihwasser 
im  heidnischen  und  christlichen  Cultus,  unter  be- 
sonderer Berücksichtigung  des  germanischen  Al- 
terthums. Hannover  1869,  8®. 

Indem  der  Verfasser  dem  Wege  nachgeht,  auf  welchem 
das  Wusiier  au.«  seinem  elementaren  Dasein  als  Symbol  in 
das  geistige  Gebiet  gehoben  wurde,  handelt  er  von  dessen 
«acralem  Gebrauch  bei  Heiden  und  Juden,  geht  dann  auf 
deu  Wasser-,  Quell-  und  Brunnencult  vorzugsweise  bei  den 
Germanen  über  und  giebt  sodann  deu  Begriff  des  Weih- 
wassers in  der  christlichen  Kirche,  und  zwar  in  solcher 
Weise,  dass  man  erkennt,  wie  im  Entwicklungsprozess  de« 
Cultus  und  Dogmas  bestimmte  Gesetze  bildend  gewirkt 
haben  und  noch  wirken.  Da.«  umfangreiche  Material  ist 
mit  Umsicht  und  Geschick  verarbeitet , die  Darstellung  ist 
gefällig,  das  Ganze  sicht  unter  der  Weihe  des  Gedanken*. 
So  dürfen  wir  zuversichtlich  «ein  neues  von  ihm  angekün- 
digtes Werk:  „Die  heidnischen  und  christlichen  Erntefest« 
in  Nfedersachsen“  mit  Spannuug  erwarten. 

Prehistorio  Remaios.  (Journ.  of  the  ethnol.  Soc. 
of  London  1869,  8.  205 — 206.) 

22* 


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172 


Verzeiehniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Racenfrage.  Zor  Raten  frage.  (Globus,  Bd.  XV, 
S.  281—283.) 

Nach  Professor  Müller  und  J.  Lamprey  über  die  au- 
gebliche Verwandtschaft  von  Hottentotten  nnd  Chinesen. 

Randolph,  Dr.  P.  B.  Pre-Adamite  Man:  demon- 
atrating  the  Existance  of  the  human  Raco  upon 
this  earth  100*000  years  ago.  Boston  1869,  12®. 
408  S. 

Ratzel,  Fritz.  Die  Schädeltheorie.  (Natur  1869, 
8.  212—214,  227—230,  236—239.) 

Rokitansky,  Dr.  Carl.  Die  Solidarität  alles  Thier- 
lebens.  Wien  1869,  8». 

Rosny,  Leon  de.  Rapport  annuel  fait  a la  8o- 
ciete  d’ethnographie  aur  ses  travaux  et  aur  lea 
progres  dea  Sciences  ethnographique«  pondant 
l'annee  1866—1867.  Paria  1869,  8°.  23  Seiten. 
(Extr.  du  Nr.  11  dea  actea  de  la  Soc.  d’ethnogr., 
2m0  serie,  T.  2.) 

Royer,  Clemence  Mad,  Origine  de  Thommo  et 
des  aoeietes.  Paria,  Guillaumin,  1870,  8°. 

Rüge,  A.  Reden  über  die  Religion,  ihr  Entstehen 
und  Vergehen  an  die  Gebildeten  unter  ihren  Ver- 
ehrern. Berlin  1869,  8®. 

Alle  Götter  bind  NaturgöUer,  alle  Religionen  Naturreli- 
gionen. Der  Wissenschaft  kann  es  nicht  darauf  ankotnmen, 
den  Gott  Indra,  Zeus,  Jehovah  za  lkugneu,  sondern  nur 
seine  Entwicklung  zu  verstehen  und  zu  erklären.  Die 
Theologie  Ut  nnch  Peuerbach  Anthropologie,  die  Natur- 
götter find  in  die  Wolken  phantaflirte  Menschen.  Dies 
einige  der  leitenden  Grundideen  dieser  Reden,  die  indess 
im  Uehrigcn  kein  besonderer  Fortschritt  sind.  Rüge  ist 
und  bleibt  Idealist;  damit  ist  der  Wissenschaft  nicht  ge- 
dient; diese  verlangt  vor  Allem  klare,  nüchterne  Unter- 
suchungen selbst  dort  wo  es  »ich  um  so  ideale  Dinge  han- 
delt wie  das  besprochene  Thema  ist.  Siebe  Rccension  der 


Augsburger  Allgemeinen  Zeitung  vom  15.  Mai  1869, 

Nr.  135. 

Rumpolt,  Dp.  H.  B.  Das  natürliche  System  der 
Sprachlaute  und  sein  Verhältnis»  zu  den  wichtig- 
aten  Cultursprachen.  Halle  1869,  8°.  227  S. 

Ruskin,  John.  The  queen  of  the  air:  heilig  a 
study  of  the  greek  mytha  of  cloud  and  storm. 
London,  Smith,  1869,  8®.  VIII  & 199  pag. 

Schleiden,  Dr.  M.  J.  Ueber  den  Darwinismus 
und  die  damit  zusammenhängenden  Lehren.  (Un- 
sere Zeit  1869,  I,  S.  50—71,  258—277,  606— 
630.) 

Außerordentlich  klar«,  übersichtliche  Darstellung  der 
Darwinschen  Lehre  und  der  daraus  entspringenden  Con- 
»equenxen. 

Silberschlag.  Ueber  Eidringe.  (GlobuB  Bd.  XV, 
S.  233—234.) 

Kurze  Notiz  über  den  Gebrauch  derselben  bei  Griechen 
und  Römern. 

Sterne,  C.  Der  medicinische  Aberglaube  unserer 
Zeit.  „ Sonntagsblatt“  (herausgegeben  von  Fr. 
Duncker),  1869,  Nr.  37. 

Thompson,  J.  P.  Man  in  Geneais  and  Geology; 
or,  the  Biblical  Account  of  Man ’s  Creation,  tested 
by  Scientific  Thoories  of  bis  origin  and  antiquity. 
New  York  1869,  12«  150  S. 

Vogt,  Carl.  Von  Congress  zu  Congress.  (Köl- 
nische Zeitung  1869.) 

Diese  im  Lauf«  de*  Septembers  erschienenen  Brief«  sind 
eb«n  so  anziehend  als  belehrend.  In  der  dem  berühmten 
Verfasser  eigentümlichen  fesselnden  Schreibweise  werden 
die  beiden  CongresM  zu  Kopenhagen  und  Innsbruck  ge- 
schildert und  von  deren  wissenschaftlichen  Resultaten  eine 
geistreiche  Analyse  entworfen. 


Europa. 

(Von  Friedr.  von  Hellwald ) 


Aachener,  die,  Mundart.  (Beilage  zur  Allgemei- 
nen Zeitung  vom  27.  October  1869,  Nr.  300.) 

Dieser  Aufsatz  knüpft  an  Dr.  Jos.  Müll  er’  s Bach: 
„Prosa  und  Gedichte  in  Aachener  Mundart .**.  Aachen  1669, 
6°,  2 Theile,  au  und  bemerkt  sehr  richtig,  dass  diese  Mund- 
art gleichsam  der  Reflex  der  geographischen  Lage  sei.  ihre 
überwiegende  Analogie  weise  auf  jene  niederdeutsche  Mund- 
art hin , die  sich  als  eine  besondere , in  engerem  Sinne 
Deutschlands  fremde  Sprache  constituirt  hat , nämlich  auf 
die  holländische;  eine  Analogie,  die  »ich  nicht  etwa  auf  die 
Wörter  beschränkt,  sondern  den  gedämmten  grammatikali- 
schen Bau  umfasst.  Aber  auch  die  romanischen  Sprachen 
sind  nicht  ohne  Einwirkung  geblieben.  Wenn  einzelne 
Wörter  die  spanische  Herrschaft  in  den  Niederlanden,  na- 
mentlich die  in  den  belgischen  Provinzen,  und  die  spanisch« 
Occupation  Aachens  in  Erinnerung  rufen,  so  sind  di«  fran- 
zösischen Anklänge  sehr  häutig.  Oberdeutsche  kommen 
neben  denselben  nicht  wesentlich  in  Betracht. 

Althaus,  Friedrich.  Englische  Charakterbilder. 
Berlin,  Docker,  1869,  8°.  2 Bde. 

Der  /weite  Band  ist  nufserordentlich  wichtig  für  die 
Darstellung  de»  Volksthuni»  im  „Merry  Old  England“,  durch 


die  Abhandlung:  „Zur  Geschichte  der  englischen 

Volk  »spiele“  (3,  259—494). 

Arnold,  Dr.  W.  Cultur  nnd  Recht  der  Römer. 
Berlin  1868,  8®. 

Besprochen  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom 
8.  Juni  1869,  Nr.  15». 

Bannistor,  John.  A GloBsary  of  Cornish  names, 
local  and  family,  ancient  and  modern , celtic  and 
teutonic.  Tmro  (Cornwall)  1869,  8®.  I.  Theil, 
64  & 

Beauvois,  E.  Lea  antiquites  primitives  de  la  Nor- 
vege.  (Ammles  des  Voyages,  Octub.  1869.) 

Bertillon.  Ltudos  sur  la  Baviere.  (Bullet,  de  la 
soc.  d’Anthrop.  de  Paris,  2*1*  s£rie,  T.  III,  S.  516.) 

Bertillon.  Populations  Beiges.  Bemerkungen  zu 
einer  statistischen  Arbeit  über  Belgien  im  Dict. 
encyclop.  des  sciences  medicales.  (Bulletin  de  la 


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Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur.  173 


Societe  d’AnthrupoL  de  Paris,  2d*  Serie,  T.  III, 
S.  634.) 

Blind , CarL  Hellenic  national*!  ty  and  the  East* 
(Putn&m's  Monthly  Magazine.  New  York,  No- 
vember 1869.) 

Boulogne,  Dr.  A.  Le  Montenegro,  le  payts  et  ses 
habitants.  Paris  1869,  8°.  115  S. 

Bradaska,  P.  Die  Slaven  in  der  Türkei.  (Peter- 
mann’s  Mitth.  1869,  S.  441  — 458  mit  1 Karte.) 

Höchst  wichtige , flclssjge  und  dauken*werthr  Arbeit. 
Sie  rectiticirt  lu  vieler  Hinsicht  die  verdienst volle  ethno- 
graphische Karte  vonLejean,  die  »«inerzeit  gleichfalls  von 
Dr.  r et  ermann  heraus  gegeben  wurde.  Koch  ProtVwwr 
Brudaska  beciiTeru  »ich  die  Slaven  in  der  Türkei  auf 
8Va  Millionen;  die  Gesummt bcv öl kerung  de»  Reiche»  schaut 
er  auf  16  Miliioneu.  Eigentliche  Türken  und  Griechen 
sind  nur  je  1 Million  vorhanden , Rumänen  hingegen 
4*200  000;  den  Rest  von  1*300  000  bilden  die  Schldpetoren 
(Albanesen),  ltabei  zeigt  der  Verfasser  in  kurzen  aber 
deutlichen  Worten,  wie  60  trotz  ihrer  numerischen  Ueber- 
Irgcnheit  e»  kommt , da**  die  Slaven  die  l'nteijochten  in 
der  Türkei  sind,  und  legt  dabei  viel  Unbefangenheit  und 
Unpartheilichkeit  an  den  Tag.  Kr  geht  sodann  auf  die 
Behandlung  der  zwei  grossen  («nippen  über,  in  welche  die 
türkischen  Slaven  zerfallen : die  Bulgaren  und  die  Krnoto- 
Serben.  Die  Bulgaren,  ein  MUchvolk,  entstanden  aus  Sla- 
ven und  urmluchen  Bulgaren,  schätzt  er  auf  6 Millionen, 
so  dass  sie  allein  mehr  denn  ein  Drittel  der  liesammtbe- 
völkeruug  bilden,  den  weiteren  Rest  von  2*/j  Millionen 
machen  die  Kroaten  und  Serben  aus.  Ueberdies  bemüht 
•ich  der  Verfasser  die  geographischen  Grenzen  der  einzel- 
nen Gruppen  so  genau  als  möglich  zu  prücisircn.  Niemand, 
der  »ich  mit  den  Verhältnissen  de»  europäischen  Oneutes 
vertraut  machen  will,  darf  diese  Schrill  übersehen. 

Broca.  Nouvelles  recherches  sur  1’ Anthropologie, 
de  1»  Franco  en  general  et  de  la  Baase  Bretagne 
en  particulier.  (Meinoires  de  la  societe  d! Anthro- 
pologie de  Paris,  T.  III,  fase.  2,  1869,  S.  147.) 

Bulgarien.  Der  Vampvr  in  Bulgarien.  (Globus 
Bd.  XV,  S.  218—219.) 

Mittheilungen  über  den  an  den  Vampvr  sich  knüpfenden 
Aberglauben  bei  verschiedenen  Völkern,  besonder*  bei  den 
Bulgaren.  Daran  schliesst  sich  noch  die  Notiz  (S.  220): 
„Ein  Unheil  über  das  bulgarische  Volk“ , dom  Werke  von 
St.  Clair  und  Bropby  entnommen,  welches  nicht  beson- 
der« schmeichelhaft  für  die  Bulgaren  klingt.  Weiter  über 
den  Vampyrglauben  linden  wir  5.  285  eine  Notiz,  densel- 
ben im  Peloponnes  schildernd. 

Carnarvou,  Earl  of.  Reminiscences  of  Athens 
and  Morea.  Extrakts  from  a Journal  of  travels 
in  Greeco  in  1839.  London  1869,  8°.  261  S. 
mit  1 Karte. 

Cenac-Moncaut.  Lettre«  a MM.  Gaston  Paris  et 
Barry  Rur  les  Geltes  et  les  Genuains,  les  chauta 
historiques  basques  et  les  insenptions  g&sconnes 
de  Convence.  Paris  1869,  8°.  56  S. 

Chodzko,  Alex.  Grammaire  paleoslave,  suivie  de 
toxtes  paleoslave«.  Paris  1869,  8*.  276  $. 

Culturbild,  ein,  aus  Süditalicn.  (Globus  Bd.  XVI, 
S.  169—171.) 


Demattio,  Dr.  Portunato.  Origine,  forraazione 
ed  elementi  della  lingua  itahana.  Innsbruck 

1869,  8<>. 

Besprochen  iu  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  vom 
8.  October  1869,  Nr.  281. 

Deprot,  Louis.  En  Antriebe.  Paris,  L.  Ilachette 

1870,  8».  234  pag. 

Dieterich,  Dr.  U.  W.  Uunen-Sprach-Schotz,  oder 
Wörterbuch  über  die  Ältesten  Sprachdenkmale 
Skandinaviens  in  Beziehung  auf  Abstammung  und 
Begriffsbiidung.  Stockholm  und  Leipzig.  8°. 
387  S. 

Dilke,  Charles  Wentworth.  Greater  Britain,  a 
record  of  Travel  iu  euglish  - speuking  countries 
during  1866  and  1867.  London  1869,  S».  2 Bde. 

Diese«  Buch  geht  von  der  Überschwenglichen  Ansicht 
aus,  dass  di«  angio  - sächsische  Koce  bestimmt  sei,  alle  an- 
deren von  der  Erde  zu  verdrängen  und  allein  zu  herrschen. 
Chile,  La  l'lata  und  Peru  müssen  schliesslich  englisch  wer- 
den. Die  rothe  Indiauerrac« , welche  gegenwärtig  <lie»e 
Länder  einnimmt,  kann  sich  nicht  gegen  unsere  Colonialen 
behaupten.  Die  Zukaufl  der  Tafelländer  Afrika»,  Japan«, 
Chinas  ist  eben  so  klar.  — Wir  gestehen,  uns  will  dieselbe 
keineswegs  so  klar  bedüuken , wie  Herrn  Dilke.  Der 
ehren wrrthe  Autor,  eioer  der  Haapteigenthümer  de*  lon- 
doner Athenäum*,  Ende  1868  ziun  ParbmcnUmitgliedc  für 
den  neurreirten  Burgflecken  Chaise*  erwählt,  früher  einer 
der  känigl.  CommusKr*  für  die  londoner  internationale 
Ausstellung  u.  s.  w, , scheint  trotz  aller  dieser  schönen 
Eigenschaften  sich  des  Studium»  der  Ethnologie  nur  sehr 
wenig  beflissen  zu  hoben.  Wie  kann  er  z.  B.  das  gut  con- 
»totirt«  Anwachsen  der  rothen  Rare  und  da»  allmälige  Ver- 
schwinden der  Weissen  in  den  Ländern  Centrulamerikoa 
und  Peru»  mit  seiner  Theorie  in  Einklang  bringen?  Wie 
▼erhält  es  sich  mit  der  ungeheuren  Sterblichkeit  der  Wes- 
sen in  Ostindien?  K»  scheint  «I»  ob  dimatlsdie  Rücksich- 
ten lär  Herrn  Dilke  nicht  bestehen.  In  seineiL  Idealismus 
hält  er  den  Menschen  für  einen  Kosmopoliten , was  heut- 
zutage wohl  kein  Ethnologe  mehr  gelten  Lassen  wird, 

Durand  (d©  Gros).  AryH*  et  Tourans.  Bulletins 
de  la  Soc.  d’Anthrop.  de  Paris,  2d®  serie,  T.  IV, 
S.  28. 

Durand  (de  Gros).  Une  excursion  anthropolo- 
gique  dans  rAveyron.  Bulletins  de  la  Sociötä 
d’Anthropologie  de  Poris,  2d*  serie,  T.  IV,  S.  193. 
Ehrlich,  H.  Rumänischer  Charakter  und  rumä- 
nische Charaktere.  „Magazin  für  die  Literatur 
des  Auslandes“  1869,  Nr.  23  (S.  336  — 337), 
Nr.  24. 

I.  Dos  Volk  (Nr.  23). 

Ettmüllor,  Dr.  Ludw.  Altnordischer  Sagen. schätz 
in  neun  Büchern,  übersetzt  und  erläutert.  Leip- 
zig 1870,  8«.  488  S. 

Etzel,  Anton  von.  Vagabondenthum  und  Wan- 
derleben in  Norwegen.  Ein  Beitrag  zur  Cultur- 
und  Sittengeschichte.  Berlin,  Carl  He v mann, 
1870,  8”.  127  S. 

Europe.  The  primitive  Races  of  Europe.  (Natio- 
nal quarterly  Review,  New  York,  Septbr.  1869.) 


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174 


Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur. 


Ficker,  Adolf.  Die  Völkerstäuime  der  Suter- 
reichisch  - ungarischen  Monarchie,  ihre  Gebiete, 
Grenzen  und  Inseln.  Historisch,  geographisch 
und  statistisch  dargcstellt.  Wien  1869,  8*.  mit 
4 Karten,  98  S. 

Besprechungen  dien?«  interessanten  Büchleins  sieb«  in: 
Globus  Bd.  XV,  S.  lilö,  Beilage  der  Allgemeinen  Zeitung 
vom  1.  Juni  1861* , Nr.  152.  dann  in  den  Mitthrilurigen 
der  k.  k.  geoeruph.  Gesellschaft  in  Wien,  1869,  8,  585. 

Förster,  C.  Das  russisch«  Lapplund  und  seine 
Bewohner.  (Petermann’s  Geograph.  Mitth.  1869, 
S.  137  — 139.) 

Wir  entnehmen  diesem  kurzen  Aufsätze,  da«*  die  Süd- 
kiiste  der  Halbinsel  Kola  wenig  aber  durchgehend«  von 
Kus«en  bewohnt  wird,  während  deren  nördliche  (legenden 
etwa«  mehr  von  Menschen  betreten  und  im  Winter  von 
den  nomadisirenden  Lappländern  durchzogen  wird.  Die 
Hauptbeschäftigung  der  Bevölkerung  ist  Fischfang,  etwas 
Perlenfischern  und  Jagd  auf  wilde  Gänse  und  Enteu,  auf 
Seehunde  und  Bären.  Die  Karelen,  ein  out  nur  weuig  In- 
telligenz ausgestattete*  Volk,  hat  «einen  eigentlichen  testen 
Wohnsitz  südlich  von  dem  Kaudal aksky  -Golf. 

Froshfield,  D.  W.  Travels  in  the  Central  Caucn- 
aus  and  Rashan,  including  visita  to  Ararat  and 
Elbruz.  London  1869,  8°.  522  S.  mit  1 Karte. 

Enthält  viele  ethnographische  Angaben  über  die  Osseten 
und  Hvanen.  Sehr  leseuBwerthe  Auszüge  dieses  interessan- 
ten Werkes  brachte  da«  „Ausland“  1869,  Nr.  40,  41,  42. 

Frit*,  J.  N.  Die  Slouraken,  eine  ethnographische 
Skizze.  (Globus  Bd.  XV,  S.  270—273.) 

Gabelontz,  Alb.  v.  der.  Sebenico  und  die  Fülle 
der  Kerka  in  Dalmatien.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  204 
—206.) 

Enthält  eine  Schilderung  der  Morlakcn- 

Girard  de  Rlalle.  Sur  les  Scythes.  Bull,  de  la 
Soc.  d’Anthrop.  de  Paris,  2d*  Serie,  T.  IV,  S.  46. 

Godron,  A.  Les  original  ethnologiques  des  po- 
pulations  prussionncs.  (Ann.  d.  Voy..  I)ecbr.  1868.) 

Goehlert,  J.  V.  (Jeher  keltische  Ortsnamen  in 
Niederösterreich.  (Mitth.  der  k.  k.  geogr.  Gesell- 
schaft in  Wien,  1869,  S.  279  -286.) 

Da««  in  dem  Lande  unter  der  Enns  «eit  den  ältesten 
Zeiten  Kelten  ansässig  gewesen  sind,  unterliegt  wohl  kaum 
einem  Zweifel  mehr,  würden  uns  auch  die  römischen  Ge- 
schichtschreiber hierüber  nicht  berichtet  haben.  Ali  die 
Körner  siegreich  in  Noricum  vordrangrn , fanden  sie  die 
Kelten  gewiM  «<  hon  io  zahlreichen  Ortschaften  ansässig, 
deren  Namen  mit  der  Ausbreitung  römischer  Cultnr  und 
Sprache  oftmalig  romankirt  wurden.  Goehlert  ist  diesen 
Spuren  narbgegangen  und  hat  gefunden , du*«  bei  Betrach- 
tung der  räumlichen  Ausdehnung  der  keltischen  Ortsnamen 
•kh  zeige,  wie  diese  zumeist  in  Gebirgsgegenden  und  an 
den  Ufern  der  Donau  und  der  anderen  Flüsse  des  Landes 
Vorkommen,  während  *ie  in  den  Ebenen  der  ehemaligen 
Viertel  unter  dem  Wiener  Walde  und  unter  dem  Mnnharts- 
berge  viel  spärlicher  erscheinen. 

Gonxenbaoh,  Laura.  Sicilianisclji'  Märchon.  Aus 
dem  Volksraund  gesammelt , horuuHgogoben  von 
Otto  Hartwig.  Leipzig,  Engelmann,  1870,  8°. 
2 Bände. 


Graokoslavon , diu,  im  Königreiche  Hellas.  (Glo- 
bus  Bd.  XV,  S.  189.) 

Wie  natürlich,  antigriechisch. 

Griechische  und  sicilische  Vasenbilder , herausge- 
geben  von  Otto  Benndorf.  (Allgemeine  Zeitung 
vom  16.  Juni  1869,  Nr.  167,  Beilago.) 

Gubornatis,  A.  do.  Storia  comparata  degli  usi 
nuziali  in  Italia  e presso  gli  altvi  popoli  indo- 
europei.  Milano,  E.  Treves.  1869,  8*.  220  pag. 

Haeseler,  CbarleB  H.  Across  the  Atlantic.  Let- 
ter» from  France,  Switxerland,  Gurmany,  Italy 
and  EnglamL  Philadelphia  1868,  8°.  398  S. 

H&rborts,  H.  Deutsches  Land  und  deutsches  Volk. 
„Sonntagablatt“  (herausgegeben  von  Fr.  Duncker), 
1869,  Nr  44. 

I.  Volksleben  in  Ostfriesland. 

Hazlitt  , W.  Carew.  English  pro verbs.  London, 
Russell  Smith,  (869,  8®.  505  pag. 

Hartogh  Heys  van  Zoutc veon,  EL  De  voorhisto- 
rische  Mensch  in  Europa.  ’sGravenhage  1869,8*. 

Henrich,  H.  Mittheilungen  über  Spanien.  (Glo- 
bus Bd.  XVI,  S.  71—73,  87—90.) 

Henrich,  H.  Die  Maja  und  die  Cigarrera.  Sitten- 
bild aus  Südspanien.  (Globus  Bd.  XV,  S.  247 — 
250,  267—270.) 

Hervet,  E.  I/Etbuographio  de  la  Pologne.  Notice 
sur  les  travaux  de  Madame  Severine  Duchinska, 
lue  * la  Societe  d?Kthnographie  de  Paria  datis  *a 
Seauce  du  15  Mars  1869.  Paris  1869,  8°.  488. 

Joyce,  P.  W.  The  origin  and  history  of  Irish 
nawes  of  placea.  Dublin  1869,  8°. 

Kalisch,  Ludwig.  Fahrten  in  der  europäischen 
Türkei.  (Kölnische  Zeitung  1869.) 

1.  Ku«t*chuk.  II.  Die  bulgarischen  Aufstände.  UI.  Mid- 
had  Pascha. 

Kattner,  Etwart.  Zustände,  Kämpfe  und  Leiden 
iu  den  deutschen  Ostseeprovinzen.  (Unsere  Zeit 
1869,  II,  S.  561—582,  667—686,  921—948.) 

Auf  («rund  des  neueren,  ziemlich  stark  angebsufteo  Ma- 
terial cs  ausgearbritete  Aufsätze,  die  grosse  Sachkenntnis* 
verrathen.  Auch  hier  wohnen  wir  wieder  dem  erbitterten 
Kampfe  zwischen  zwei  ethnologisch  verschiedenen  Elemen- 
ten bei:  dem  ^ennanischrn  und  dem  «Uvischen. 

Kelsiew,  W.  Galizien  und  Moldau.  Roisebriefe. 
St-  Petersburg  1868,  8*.  251  S.  (Russisch). 

Krause,  Dr.  J.  H.  Die  Byzantiner  des  Mittelalters 
in  ihrem  Staat«-,  Hof-  und  Privatleben,  insbeson- 
dere vom  Ende  des  10.  bis  gegen  Emde  de»  14. 
Jahrhunderts  nach  den  byzantinischen  Quellen 
dargestellt  Halle  1869,  8*. 

Empfehlenswcrthcs  Buch , welche*  mit  seltener  histori- 
scher Gründlichkeit  ein  Volk  schildert,  dessen  Geschichte 
bisher  so  stark  vernachlässigt  wurde.  Eine  ausführliche 
Recensiou  siehe  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 
vom  Juni  1669,  Nr.  159. 


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175 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Kulemann,  Rud.  Die  Zigeuner.  (Unsere  Zeit 

1869,  I,  S.  843—871.) 

Ein  im  grossen  Ganzen  s*hr  danken»  wertlier  Aufsatz,  welcher 
so  ziemlich  Alles  resurairt  w«  wir  Über  dies«!  riLhselhnJlr, 
aus  Indien  zu  uns  gekommene  Volk  wissen,  ln  manchen  Punk- 
ten müssen  wir  dem  Autor  indes«  streng  entgegrutreten.  Wir 
kennen  die  Zigeuner  gleichfalls  aus  eigener  Anschauung,  und 
glauben  ganz  im  (Gegensätze  zum  Verfasset,  durchaus  nicht 
an  die  Möglichkeit  ihren  Charakter  umzubilden.  Wir 
kennen  Zigeuner,  die  man  vollständig  civillairt  nennen  darf, 
die  sieh  mit  Gesrhirk  im  sehwanen  Krack  bewegen;  sie 
bleiben  aber  doch  immer  Zigeuner  und  verrathen  dies  je- 
den Augenblick.  Völlig  verunglückt  müssen  wir  den  Ver- 
gleich mit  der  Negcrrare  betrachten,  der  auf  thataächlicher 
Unkenntnis«  der  Verhältnisse  beruht.  Dieselbe  hat,  und 
besonders  nicht  in  erster  Linie  in  Nordamerika,  keine  Zu- 
kunft. Alles  waa  der  Autor  anfUhrt  «tönt  die  ThaUarhc 
nicht  um,  dass  seit  der  Rmaucipatum  der  Neger  diese  sich 
m erstaunlichem  Mau»«*  vermindern.  Von  den  1865  vor- 
handenen 4 Millionen  Sklaven  leben  heute  kaum  mehr 
2 Yj  Millionen  und  e»  lässt  »ich  die  Zeit  berechnen , wo 
kein  Einziger  Schwarzer  mehr  im  Umonsgebiete  leben 
wird.  Und  man  verkenne  es  nicht;  es  ist  dies  der  grösste 
Nutzen,  welchen  die  Union  au*  der  Kegeremandpa- 
tion  gezogen  hat,  wenn  sie  den  „schwarzen  Bruder*  losge- 
worden  ist,  der  niemals  den  Boden  der  Vereinigten  Staaten 
hätte  betreten  sollen , zu  seinem  und  zu  dci  Landes  Heil. 
Als  Sklave  war  er  das  Motiv  zu  ewigem  Zwiste,  als  freier 
Bürger  ist  er  das  entsittlichendste  Element,  welches  die 
Union  in  sich  aufnehmen  könnt*,  ln  Afrika  sind  jedenfalls 
die  Elemente  zn  seinem  Gedeihen  vereinigt  und  wenn  er 
eine  Zukunft  hat,  so  ist  es  hier.  Du  Cbaillu  bezweifelt 
aber  selbst  dies. 

Kurachat,  Fried.  Wörterbuch  der  Lithauischen 
Sprache.  I.  Theil;  Deutsch  - Lithauisch.  Halle 
1869,  8«. 

Lammert,  G.  Volksmedicin  und  m edi  ei  ni  scher 
Aberglaube  io  Bayern.  Wüntburg,  F.  A.  Julien, 
1869,  8«.  273  S. 

Landes.  Diu  Lande«,  ihr  Boden,  ihre  Cultur  und 
ihre  Products;  die  Einwohner  und  ihre  Sitten. 
(Globus  Bd.  XIV,  1868,  S.  373—375.) 

Landstoinor , Carl.  Erntogebrüueke  in  einigen 
Gegenden  Niederöaturreichs.  („Abendstunden“, 
Jahrg.  1869,  Heft  IV,  S.  58—82.) 

Landstoinor,  Carl.  Reste  des  Heidenglaubens  in 
Sagen  und  Gebrauchen  des  nieder  österreichischen 
Volkes.  Krems  1869,  8°. 

Langue.  La  Langue  Wallonne.  (Trübuer’s  Ame- 
rican and  literury  Record.  London  1869,  Nr.  51.) 

Lesenswerther  Aufsatz:  das  Wallonische  ist  kein  verdor- 
benes Französisch , sondern  es  ist  vielmehr  so  wie  dieses 
ein  Dialect  der  alten  langue  d’oil.  Dem  Aufsätze  ist  ein 
bibliographisches  Verzeichn  iss  von  in  wallonischer  Spruche 
geschriebenen  Büchern  angebängt. 

Latrobo,  John  H.  B Hints  for  Six  Months  in 
Europe;  being  the Programme  of  »Tour  through 
Parts  of  Franc«,  Italy,  Austria,  Saxony,  Prussia, 
the  Tyrol,  Switzerland,  Holland,  Belgium,  Eng- 
land and  Scotland  in  the  Summer  of  1868.  Lon- 
don 1869,  8®. 


Ganz  unwichtig.  Eine  äusserst  günstige  Hrcension  dieses 
Buche«  »ichi-  im  Londoner  Athenäum,  Nr.  2195,  vom  20. 
November  1Ä69. 

Leist , A.  Deutsche  und  elavische  Pflanzensagen. 
(Globus  Bd.  XVI,  S.  122  — 124,  198—201.) 

Luzel,....  Cbants  populaires  de  la  Basso -Bre- 
tagne, recueillis  et  traduita.  Paria,  Franck, 

1869,  8°. 

Martin.  Sur  l’clcment  rosse  en  Europe.  (Bulletins 
de  la  societe  d’Anthropologie  de  Paria,  2d*  serie, 

T.  in,  S.  606.) 

Maurer,  Franz.  Mittheilungun  über  Bosnien. 

(Ausland  1869,  Nr.  43,  49,  50.) 

1.  Die  Bosniaken.  2.  Die  spanischen  Juden. 

Mauror,  Franz.  Eine  Reise  durch  Bosnien,  die 
Saveländor  und  Ungarn.  Berlin,  Carl  Heymann, 

1870,  8°.  431  S. 

Verfasser  gehört  zu  jener  CUsae  von  l(ei*ebeschreibern, 
welche  mit  grosser  Gewissenhaftigkeit  das,  was  sie  wirk- 
lich erfahren  und  erlebt  buben,  dem  Leser  mittheilen.  Er 
verschmäht  es  durch  kleine  Kunstgriffe  und  Selbsttäuschung 
seinen  Reisebericht  auszuschmücken,  und  doch  weis«  er  den 
Leser,  dem  es  darum  zu  thun  ist,  sich  von  Land  und  Leu- 
ten eine  klare  Vorstellung  zu  verschalen,  an  sich  zu  fes- 
seln, und  man  folgt  ihm  gern  auf  seiner  Wanderung.  Der 
Inhalt  de»  Werkes  ist  kurz  folgender:  Durch  Oesterreich, 

Kroatien,  die  westliche  Militärgrenze,  Bosnien,  Rückreise, 
die  östlich*  Militärgrenze.  Sehr  ungenehm  berührt  der 
ruhige,  wohlwollende  Charakter,  von  dem  der  Verfasser 
beseelt  ist  und  welcher  sich  in  der  ganzen  Schilderung  von 
Land  und  Leuten  bekundet. 

Mendelssohn  - Bartholdy , Dr.  Carl.  Die  Insel 
Kreta  und  der  nationale  Krieg  gegen  die  Türken. 
(Unsore  Zeit  18C9,  I,  S.  481  — 499;  II.  8.  321  — 
349.) 

Sehr  eingehende,  auch  ethnologisch  wichtige  Schilderung 
der  kriegerischen  Ereignisse  auf  Kreta  seit  Anfang  dieses 
Jahrhunderts.  Verfasser  steht  auf  Seile  der  Griechen,  kann 
aber  trotzdem  nicht  umhin , ein  dem  Charakter  dieses  Vol- 
kes wenig  schmeichelhaftes  Gemälde  zu  entwerfen.  Was 
au#  allein  hervorgeht,  ist,  dass  auf  Kreta  ein  Raren  kämpf 
ausgefochten  wird,  wo  der  Sieg  unserer  Meinung  nach  der 
höheren,  reineren  Race  verbleiben  wird.  Und  dir**  ist 
die  griechische  sicherlich  nicht. 

Meyer,  Leo.  Die  Gothiscbe  Sprache.  Ihre  Lant- 
gestaltung  insbesondere  im  Verhältnis  zum  Alt- 
indischen, Griechischen  und  Lateinischen.  Berlin 
1869,  8°.  780  S. 

Montolius,  Oscar.  Remains  fron»  the  iron  age  of 
Scandinavia.  Stockholm  1869,  4°. 

Morosi , Giusoppo.  Studi  sui  dialetti  greci  della 
terra  d’Otranto,  preceduti  da  una  raccolta  di 
canti,  loggende,  proverbi  e indovinelli  nei  dia- 
letti raedesimi.  Lecoe  1870,  4°.  214  pag. 

Müller,  Friedrich.  Beiträge  zur  Kenntnis«  der 
Rom-Sprache.  Wien,  Staatsdr.,  1869,  8Ö.  Ans 
dem  Sitzungsbericht«  der  kaiserl.  Akademie  der 
Wissenschaften. 


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176  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Müller,  Gustav.  Preussisch-Lithauen  and  die  Li- 
tauer. (Globus  Bd.  XVI,  S.  25—28,  59—61.) 

Siche  darüber  noch  Ibid.  8.  143. 

Ortsnamen.  Die  geographische  Verbreitung  deut- 
scher Ortsnamen  und  ihre  Beziehung  zu  den 
Wanderungen  germanischer  Stämme.  (Globus 
Bd.  XV,  S.  48—50.) 

Patterson,  Arthur  J.  The  Magyar»,  their  country 
and  Institution».  London,  Smith,  1869,  8°.  2 VoL 

Beinsberg -Düringsfeld,  O.  Frhr.  v.  Pastrovics 
in  Dalmatien.  (Ausland  1869,  Nr.  47.) 

Beinsberg-Düringsfeld,  Otto  Frhr.  v.  Der  Bar- 
barossagl.iube.  („IllustrirUs  Leipziger  Zeitung1*, 
Nr.  1381,  Bd.  UH,  1869,  S.  499.) 

(Ridgway,  William).  Pictnres  of  hungnrian  life. 
London  1869,  8*.  401  S. 

Bobertson,  J.  A.  The  gaelic  topography  of  Scot- 
laud  and  what  it  proves  explained;  witli  tnuch 
historical,  antiquarian  and  deacriptive  information. 
Edinburgh  1869,  8°.  mit  1 Karte. 

Bochat.  Sur  la  degenerescence  de  certaines  races 
irlaudaiaes.  (Bulletin»  de  la  aoc.  d'Authropol.  de 
Paris,  2d*  Serie,  T.  III,  S.  622.) 

Bochet.  Essai  d’une  monographie  du  type  du  Ro- 
main auciun,  d'spre»  des  etudes  faites  pendaut 
uu  sejour  a Rome  gur  leR  sculpture»  antiques  et 
8ur  la  population.  (Memoire«  de  la  societe  d’ An- 
thropologie de  Paris,  T.  III,  fase.  8,  1869,  S.  127.) 

Bosini,  C.  Scene  dol  vivere  romsno.  („Nuova  an- 
tologia  di  scionze  lettere  edartia,  Anno  IV,  1869, 
fase.  IX  Settembre.) 

Bougemont,  Frod.  de.  Die  Bronzezeit  oder  die 
Semiten  im  Occident.  Deutsch  von  C.  A.  Keerl. 
Gütersloh  1869,  8®. 

Diese  IMicrscLzanjc  de»  vor  zwei  Jahren  erschienenen 
wichtigen  Werke«  von  Rouge  di  ont  Ist  vom  Verfasser 
selbst  betrSchtliih  vermehrt  and  durchgesehea  worden. 
Eine  kuite  aber  faehgemksee  Besprechung  siehe  Ausland 
Nr.  41.  s. 

Bubhou,  die,  und  Livland.  .Beilage  zur  Allgemei- 
nen Zeitung  vom  21.  August  1869,  Nr.  233.) 

Russland.  Die  Dcutschenlressor  in  Russland.  (Glo- 
bus Bd.  XVI,  S.  138—140.) 

Saint  Clair  und  A.  Brophy.  Residente  in  Bul- 
garin; or,  note»  on  the  resources  and  administra- 
tion  of  Turkey,  the  condition  and  character,  man» 
ners,  custotns  arid  language  of  the  Christian  und 
mussulman  |>opu)ations , with  refereuce  to  the 
Eastern  question.  London  1869,  8°.  442  S. 

8ax,  C.  Geographisch-ethnographische  Skizze  von 
Bulgarien.  (Mitt.h.  der  k.  k.  geogr.  Gesellschaft 
in  Wien,  1869,  S.  449—482.) 

Nach  amtlicher  türkischer  Angabe  und  eigener  An* 
»chauun,'  behandelt  der  Autor  kurt  die  wioiinUtralive  Ein* 


theiluug , die  Gewisser , Gebirge  and  Landesprodacte , •©- 
dauu  ausführlicher  die  Bevölkerung  nach  ihren  statistischen 
und  ethnographischen  Verhältnissen,  endlich  die  Orts  künde 
und  die  Communicationen  de»  Donau- WilajeU. 

Schatr.mayr,  Emil  Nord  und  Süd.  Geographisch- 
ethnographische  Studien  und  Bilder.  Braun- 
schweig,  H.  Bruhu,  1869,  8°.  VI  und  162  S. 

Nach  dm  trefflichen  Vorarbeiten  von  Riehl,  Kutsen, 
Daniel  und  Gude  zur  deutschen  Landeskunde,  war  es 
nicht  schwer  eine  Schuft  über  deutsche  Verhältnisse  und 
Menschen  ahxuiasscn,  die  nicht  allzu  gelehrt  und  doch  auch 
nicht  gar  zu  tlach  wäre.  Indes«  wollen  wir  da«  Verdienst* 
liebe  au  diesen  „geographisch  * ethnographischen“  Studien 
keineswegs  unterschätzen.  Trotz  allen  Gemeinplätzen  und 
Trivialitäten,  die  man  mit  in  den  Kauf  nehmen  muss,  wird 
diese  Schrift  ihren  Weg  narhen,  denn  sie  bringt  gar  Man- 
cherlei de*  Alten  und  Neuen,  auch  viele  recht  gute  Beob- 
achtungen und  glückliche  KinfiiJc. 

Schlangonverehrung  in  den  Pyrenäen.  (Globus 
Bd.  XVI,  S.  80.) 

Schneller,  Christian.  Ueber  die  volkamundart- 
liche  Literatur  der  Romanen  in  SüdtyroL  (Im 
Programm  XX  de»  k.  k.  Staats -Gymnasiums  zu 
Innsbruck  1869,  S.  3 — 20.) 

Beeten,  die,  der  Duchoborzen  und  Malakanen  in 
Russland.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  273—280.) 

Siebenbürgen.  Eine  Rückschau.  (Beilage  zur 
Allgemeinen  Zeitung  vom  28.  August  1869,  Nr. 
240,  29.  August,  Nr.  241,  30.  August.  Nr.  242.) 

Ethnologisch  interessant.  Die  Zahlen  Verhältnisse  der  «n- 
zrlnen TolkldilUU  stellen  sich  wie  felgt:  Ungarn  300*000, 
Sxekler  210  000,  Sachsen  200  000,  Walachei»  1*110*000. 

Skizzen  aus  der  kleinen  Walachei.  (Globus  Bd.  XV, 
8.  289—296,  321—328.) 

Stark,  F.  Keltische  Forschungen.  I.  Keltische 
Namen  im  Verbrüderungsbuche  von  St.  Peter  in 
Salzburg.  Wien  1869,  8°.  2 Bde. 

Stoub,  Ludwig.  Ueber  deutsche  und  zunächst 
bayerische  Familiennamen.  (Beilage  zur  Allge- 
meinen Zeitung  vom  28.  September  1869,  Nr.  271, 
29.  September,  Nr.  272,  5.  October,  Nr.  278, 
6.  October,  Nr.  279.) 

Stuhlmann,  C.  W.  Sympathien  und  verwandte 
abergläubische  Gewohnheiten  in  Mecklenburg. 
(Globus  Bd.  XV.  S.  242-246.) 

Sehr  ausführlicher,  lesenswert  her  Aufsatz. 

Sutermeister,  Otto.  Dio  schweizerischen  Sprich- 
wörter der  Gegenwart.  Aarau,  J.  J.  Christen, 
1869,  8°.  XII  und  152  S. 

Talvy,....  Die  Kosaken  und  ihre  historischen 
Lieder.  („Westermann’a  illustrirte  deutsche  Mo- 
natshefte- 1869,  Heft  VIII,  S.  467-474.) 

Thomson,  Dr.  Willi.  lieber  den  Einfluss  der  ger- 
manischen Sprachen  auf  die  finnischlappischen. 
Eine  sprachgeschichtliche  Untersuchung.  Aus 
dem  Dänischen  übersetzt  von  E.  Sievers.  Halle 
1869,  8®. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


177 


Nicht  allein  di«  Sprachforscher,  sondern  auch  die  Kthno- 
logen  und  Historiker  können  aus  diesem  Werke  des  jungen 
dänischen  Gelehrten  etwas  lernen-  llei  der  überaus  grossen 
Zähigkeit  de«  finnischen  Stamme«  dürfen  wir  uns  nicht 
wundern  gar  alte  germanische  und  lithauische  Laut-  und 
Wortgebilde  im  Finnischen  wohl  eiskalten  zu  «eben;  aber 
nirht  bloss  sprachliches  Fremdgut  hat  «ich  in  alter  Gestalt 
hei  den  Finnen  erhallen , wir  linden  eine  ganze  Reihe  der 
schönsten  «Itgefmanischen  Mythen  mehr  oder  minder  kennt- 
lich auf  finnischem  und  esthnischem  Buden  verbreitet, 
während  dieselben  auf  germanischem  Boden  längst  verhallt 
sind. 

Thüringerwald.  Die  slavischen  Ortsnamen  des 
Thüringerwalde«  und  der  umliegenden  Gegenden. 
(Ausland  1869,  Nr.  29.) 

Tobler,  T.  Alte  Dialectproben  der  deutschen 
Schweiz-  St.  Gallen,  Huber,  1869,  8°. 

Toscana,  Ludwig  Prin*  von.  Die  Balearen,  in 
Wort  und  Bild  geschildert.  1.  Bd.  Die  alten  Pi- 
thyuxen.  Leipzig  1869.  Fol.,  310  S.  mit  50  Ta- 
feln in  Farbendruck,  2 Tafeln  in  Holzschnitt  und 
40  in  den  Text  gedruckten  Holzschnitten.  (Nicht 
im  Buchhandel.) 

Vor  unseren  Augen  liegt  ein  Band  seltener  Schönheit 
und  Vollkommenheit.  Von  Reiselust  getrieben  und  ausge- 
stattet mit  gründlicher  wissenschaftlicher  Bildung  besuchte 
im  Sommer  und  Herbste  1867  Erzherzog  Ludwig  von 
Toscana  die  wenig  gekannte  Inselgruppe  der  Balearen.  In 
dem  vorliegenden  Werke  — einem  Prachtwerke  ln  des 
Wortes  vollster  Bedeutung  — giebt  der  in  Anonymität 
»ich  hüllende  Autor  eine  Monographie  jener  Eilande , die 
auf  mehrere  Binde  berechnet  erscheint;  denn  hier  sind 
bloss  die  alten  Pllhyusen,  nämlich  Iviya  und  dos  kleine  For- 
mentern abgehandelt.  Nicht  zu  viel  verspricht  das  Titel- 
blatt, welches  sie  in  Wort  und  Bild  geschildert  sein 
lässt;  in  der  Tbat  hat  der  geübte  Stift  des  Prinzen  mit 
rastluser  Emsigkeit  Funkt  um  Funkt,  Seencrie  um  Scenerle 
auf  das  Fapier  geheftet  und  sich  alle»  dessen  bemächtigt, 
was  ihm  typisch,  eigentümlich  erschienen  und  xura  besse- 
ren Verständnis*  der  schriftlichen  Darstellung  forderlich 
däuchtc.  Die  technische  Ausführung  dieser  Skizxen  lässt 
keinen  Wunsch  übrig.  Rote  da»  Buch  nichts  andere*  als 
diese  künstlerischen  Beilagen,  es  wäre  Verdien*!  genug; 
wer  jedoch  mit  dem  eigentlichen  Inhalte  selbst  nähere 
Bekanntschaft  macht,  bt  freudig  erstaunt,  auch  hier  des 
Neuen , Interessanten , Wissenswürdigen  so  viel  zu  linden, 
als  es  »ich  kaum  von  irgend  einer  Monographie  erwarten 
lässt.  Wir  dürfen  bei  dieser  Gelegenheit  betonen , da.«* 
da«  Inhaltliche  dieses  Buches  in  Fetertusnn’s  Geogra- 
phischen Mittheilungen  1186$)  eine  ebenso  anerkennende 
als  schmeichelhaft«  Kritik  erfahren  hat.  In  der  That  wird 
man  auf  jeder  Seite  gewahr,  wie  der  Autor  noch  eigener 
Beobachtung  und  Anschauung  schildert,  wie  er  nach  allen 
Richtungen  hin  forschend  mühsam  die  Detail*  zusammen- 
getragen  hat  zu  seiner  umfassenden  Arbeit.  Die  Fauna 
und  Flors,  die  Kigenthämllchkeiten  des  Bodenreiief»  so  wie 
jene  der  Sitten  und  Gebräuche  der  schlichten  Inselbewohner 
werden  mit  gleicher  Gewissenhaftigkeit,  mit  gleicher  Liebe 
und  Sorgfalt  behandelt , dem  Leser  ein  nach  jeder  Bezie- 
hung hin  erechöpfendes  Gemälde  jener  einsamen  Ingel  lande 
entrollend,  in  klar  fasslicher,  gewandter  Sprachweine,  nicht 
ohne  einen  gewissen  poetischen  Hauch,  welcher  wissen- 
schaftlichen Arbeiteu  auf  dem  Gebiete  der  Erd-  und  Völ- 
kerkunde einen  ganz  besonderen  Reiz  zu  verleihen  pflegt. 
Mit  Einem  Worte,  das  Buch  ist  uubaetreitbar  das  Beste 
und  Vollständigste  was  jemals  über  die  Balearen  überhaupt 
geschrieben  wurde , und  es  bleibt  nur  zu  wünschen , da*.* 
der  Autor  sich  entschlossen  möge,  durch  eine  billige  Volks- 
A ehir  ftlr  Anthropologie,  hd.  IV.  Haft  II. 


auagabe  wenigsten*  den  Text  dem  gr#**cn  Publikum  zu- 
gänglich zu  machen. 

Tozor,  H.  Fanshaw©.  Researches  in  the  High- 
lands of  Turkey;  including  Visite  to  Mount  Ida. 
Athoft,  Olympus  and  Pelion,  to  the  Mirdite  Alba- 
niens. London  18C9,  8°.  2 Vol. 

Völkerkart©.  Auf  der  ungarischen  Völkerkarte. 
(Presse  vom  18.  Januar  1870.) 

Voratman,  R.  Volksfesten.  Levden.  Jac.  Hazen- 
berg,  1869,  8°,  50  S. 

Warsberg,  Alex.  Frh.  ▼.  Ein  Sommer  im  Orient. 
Wien  1869,  8°. 

Unter  den  zahlreichen  Reisewftkcn , di«  über  den  Orient 
vorliegm , i*t  un«  kaum  ein*  vor  Augen  gekommen,  wel- 
che* bei  gleich  nuziehender  Darstellungsgahe  m>  viel  in* 
structiv  Belehrende*  böte.  Es  ist  eine  Apologie  der  viel- 
fach verkannten  Zustande  de*  Osmnneiireiche»  im  Gewände 
ebenso  würdevoller  als  auf  gründlichster  Durchforschung 
der  Verhältnisse  beruhender  Mässigung.  Da»  Resultat  der 
darin  medergrl egten  Beobachtungen  , für  die  grosse  Mehr- 
zahl völlig  neu,  dünkt  uns  im  Grossen  und  Ganzen  eine 
ebenso  gelungene  als  glänzende  Ehrenrettung  des  „kranken 
Mannes“.  Au»  Warst  erg’»  Buch  kann  man  viel  lernen, 
mancherlei  Vorartbeile  werden  dadurch  zerstreut  und  be- 
schwichtigt. Eine  eingehende  Rcceusion  siehe  in:  Wissen- 
schaftliche Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1869,  Nr.  56. 

Wattenbach,  W.  Eine  Ferienreise  nach  Spanien 
und  Portugal.  Berlin  1869,  8°.  348  S. 

Um  diesem  Buche  gerecht  zu  werden,  darf  man  nie  ver- 
gessen, dass  der  Verfasser  nur  giebt,  wo*  ihm  bei  flüch- 
tiger FerienreUe  auf-  und  cinfiel;  vom  eigentlichen  Volks- 
leben kann  er,  wie  er  selbst  sagt,  wenig  berichten.  Ein 
Virtuose  im  Reisen  und  Beschreiben  ist  er  eben  nicht.  In 
Spanien  fand  er  sich  offenbar  weniger  leicht  zurecht  als  ln 
Portugal;  der  Aufenthalt  in  Lisoatan,  Cintra,  Oporto  u.  s.  w. 
ist  ungleich  gehaltreicher  ausgefallen  ah  jener  in  Madrid, 
Barcelona,  Valencia,  wo  er  wenig  Glück  hatte.  Im  Ganzen 
aber  lautet  »ein  l'rtheil  über  die  Spanier  nicht  ungünstig. 
„Man  hat4*,  schreibt  er  am  Schlosse,  „auch  in  Spanien 
angefangen  zu  arbeiten  und  nachzudcnkcu , man  hat  viel 
gelernt  aus  der  Geschichte  der  letzten  JabrxeliiMuIe , und 
ich  will  es  hier  noch  einmal  wiederholen,  da«  es  ein  gro- 
ber Irrthum  Ist,  wenn  das  spanische  Volk  als  verkommen 
und  abgestorben  bezeichnet  wird.  Bevölkerung,  Anbau, 
Gewerbe , Wohlstand  und  Bildung , Alle*  ist  in  einem  ste- 
tigen und  bedeutenden  Aufschwünge  begriffen , der  sich 
durch  Zahlen  schlagend  narbweisen  liaat  und  der  viel  mehr 
in  die  Augen  fallen  würde,  wenn  man  nicht  eben  gar  so 
viel  nachzuholer»  hätte“. 

Waugh.  Edw.  Irish  sketches.  Manchester  1869, 

8°.  130  S. 

Woinhold,  Dr.  Carl.  Die  deutschen  Monatsnamen. 
Halle  1869,  8®. 

Wcsko,  M.  Esthnische  Volkslieder.  „Europa“ 
1869,  Nr.  24. 

Wiedemann,  F.  J.  Die  E-<<then insein  in  den  let- 
tischen Kirchspielen  Marienburg  und  Schwane- 
hurg  in  Livland.  Ein  Nachtrag  zu  dem  Artikel 
des  verstorbenen  Akademiker»  Sjögren  vom  11. 
Juli  1849  „Zur  Ethnographie  Livlands.“  (Bul- 
23 


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178 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


letin  de  FAcad.  Imp.  des  Sciences  de  St.  Peters* 
bourg,  Tome  XIII,  Nr.  5,  S.  497 — 524.) 

Vorzugsweise  linguistischen  Inhalts. 

Zerboni  di  Spoaetti,  W.  A.  v.  Bukarest  und 
«eine  Bewohner.  (Unsere  Zeit  1869,  II,  S.  278 — 
304.) 


Sehr  lebhaft*,  anziehende  Schilderung  der  «»cialen  Ver- 
hältnisse iu  der  rumänischen  Hauptstadt;  auch  ethnogra- 
phisch sehr  interessant. 

Zustände  im  Königreich  Hellas.  (Globu»  Bd.  XVI, 
S.  11  — 13.) 


Asien. 

(Von  Dr.  Bastian.) 


Andrco  (K.).  Die  Yerkehrsverh&ltuisse  in  Cen* 
tralusien.  Der  Welthandel,  1869. 

Andrea  (R.).  Die  Nippon fahrer.  Leipzig  1869. 

Armiuijon.  II  Gi&ppone.  Genova  1869. 

Aroaud.  La  PaleBtine  ancienne  ot  moderne.  Strass* 
bourg  1868.  Les  Armeniens  dans  FArmenie 
Turquo.  Bullet,  de  la  Societe  de  Geograph., 
Novembre  1869. 

Le«  manage*  M»nt , pcur  la  plupart,  d'une  merveilieaae 
flconditfr.  Beaucoup  de  femrne*  onl , A t reute  ans,  une 
disaine  d’eut'anU. 

Anaelori.  La  Persia  descretta.  Napoli  1868. 

Baker.  The  rifle  and  the  honnd  in  Ceylon.  Phi- 
ladelphia 1869. 

Balwin.  Prehistoric  nations.  London  1869. 

Bastian.  Die  Völker  des  östlichen  Amerika. 
Bd.  V.  Jena  1869. 

Boal.  Travels  of  Fa* Haan  and  Sung-Yun,  transl. 
fr  um  the  Chinese.  London  1869. 

Beooari.  II  commercio  Chinese  nel  1865,  Cenni 
geografici,  1869. 

Beicher,  Sir  E.  Stone  implements  from  Rangoon. 
Report  of  the  39  Meeting  of  the  Br.  Ass.  Exeter 

1869. 

Nur  angexeigt. 

Bell.  The  Oxus  and  the  Indus.  London  1868. 

Boke.  The  Habitation  of  Abrain.  Athen.  Nr.  2162. 

Benoist  de  Grandiero.  Souvenirs  de  Campagne 
ou  les  ports  de  Fextrcme  Orient,  dübuts  de  l’Occu- 
pation  franyatee  en  Cochinchine.  Paris  1869. 

Bjoerkland.  Eequisses  de  voyage  en  Transcau- 
ca»ie,  trad.  de  Fallern,  par  J.  Laverriere.  Paris 
1869. 

Biancardi.  Brani  di  nna  lettera  da  Hongkong. 
Bullet,  della  Soc.  geogr.  ital.,  Fase.  3. 

Bidie.  On  the  Effects  of  foreHt  destruction  in 
Coorg.  Proceed.  of  the  R.  Geogr.  Soc.,  VoL  III. 

Bickmore.  Sketch  of  a journey  from  Canton  to 
Hankow.  Journal  of  the  R.  Geograph.  Society, 
Vol.  XXXVIII. 


Bickmore.  Travels  in  the  East  Indian  Archipe- 
lago.  London  1868. 

Bowers.  ßhamo  Expedition.  Rangeon  1869. 

Braun.  Die  Grotten  der  Tbemud.  Ausland  1869, 
Nr.  4. 

Brocklehurst.  The  Sooroo  Route  from  I.eh  to 
Cashmere.  Alpine  Journal  1869. 

Beames.  On  the  Magar  language  of  Nepal.  Jour- 
nal of  the  R,  Anthrop.  Society. 

The  Magar  i*  a languagr  of  the  Tibetan  family,  and  the 
race  who  »peak  it  probably  cunie  originaltr  from  the  ncigh- 
bourhood  of  Lhasa,  in  Kantern  Tibet  (having  Icft  their  ori- 
ginal hoine»  before  the  pronuuciatiOD  of  D-Taang,  the  pro- 
vince  of  «hieb  Lhasa  in  the  capital,  and  Kham  had  decli- 
ned  in  auy  marked  degree  from  the  dassicol  Standard). 
Kalling  under  tJhoorka  inllueoc-o  a*  they  advanced  we»t- 
wnrd»,  they  added  to  their  voembulary  a large  number  of 
Hindi  word»,  and  Soma  intiections,  so  thal  we  bare  Tibetan 
gramtnatical  idcas  carried  out  with  halb  Tibetan  and  Aryan 
material*,  as  well  ns  Hindi  grnmmaLical  idea»  carried  out 
with  Aryan  and  Tibetan  tnuterials. 

Bradley.  Bangkok  Calendar  (1868).  Bangkok 
1868. 

The  ProvtncM  and  States  of  Siam.  Journey  to  and  from 
Cheangmai.  A trip  of  the  fall«  of  the  Menam.  Tribnte  trees 
of  gold  and  silver  Lao*  State»  tributary  to  Siam.  Männer 
and  customs  of  the  Cheangmai  Laos.  Near  and  dialant 
tnember*  of  the  Royal  family  etc.  etc.  etc. 

Bort.  The  Land  and  it«  story  or  the  sacred  hi- 
storieal  Geography  of  Palestine.  New  York  1869. 

Bush.  Pony  Ride  in  Kamschatka.  Overland  Mail, 
San  Francisco  1869. 

Büchele.  Japan.  Der  Welthandel,  1869. 

Braun.  Gemälde  der  ruohammedauiseken  Welt. 
Leipzig,  F.  A.  Brockhaus,  1870. 

Durch  die  im  östlichen  Theil  de*  NwairiergebirgM  woh- 
nenden Seelen  der  Ixmaelier  führen  die  Naxairicr,  deren 
StiAer  iro  Osten  die  Burg  Xassaria  bei  Kufa  bewohnte,  auf 
die  Karmaton  oder  Ismaeller  zurück. 

Campbell,  G.  On  tho  Races  of  India,  aa  traced 
in  existing  tribes  and  castes. 

Die  al*  vernichtet  geltenden  Kschatryas  mögen  noch  in 
den  Katree»  des  l'unjaub  zu  erkennen  »ein.  Small  in 
number  tut  they  are,  it  i*  perfecily  axtonishing  how  pro- 
minent individual»  of  them  harr  heen  in  the  histary  of 
different  parts  of  India.  Name  u dtstinguished  Hindoo  and 
there  srem»  to  be  a very  great  probability , that  he  will 
turn  out  to  be  a K bat  ree.  They  wer«  the  braina  and  .i* 


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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


recting  gentus  of  the  whole  Sikh  power,  a very  lurge  Pro- 
portion of  Runjeet  Sing’#  goveruon»  (he  of  Multnn  &od 
others)  were  K hat ree*,  Akber’s  linanee  minister,  Todar 
Mull , famous  for  the  settlcment  of  Bengal  and  other  pro- 
vinces,  was  a Khatrre,  Chandroo  Lall,  the  uotorious  mini- 
ster of  the  Nizam,  wu  n Khatree,  so  was  Jotee  Perahad, 
the  well  koown  commivumat  contractor  of  Agra.  ln  Mo- 
gul time*  a K hat  ree  wm  Oothw  of  Badakahan,  beyond 
the  Himainyiu,  and  many  others  might  bc  nntned. 

Campbell,  Dr.  A.  Od  the  Lopchas.  Journal  of 
the  R.  Soc.  of  London,  VoL  I,  1869. 

Die  Le|tcbas  tbeilen  «eh  in  die  Hong  (von  jeher  in  Sik- 
kim) und  in  die  Kliamba,  die  von  jenseits  der  tibetischen 
Berge  aus  Kbaiu  ei nge wandert. 

Carne,  de.  Le  royanme  du  Cambodge.  Revue  dee 
dcux  Mondes  1869. 

Carne,  de.  Exploration  du  Mekong.  Rfivue  des 
deux  Mondes  1869. 

C&samian.  Voyage  faite  ä l’ile  de  Bourbon  par 
Philippe  Petit- Radel  en  1794.  Bulletin  do  la 
Society  des  Sciences  et  des  Arte  de  la  Reunion, 
Annee*  1865—1866. 

Ceccaldi.  Decouvertes  archeologiques  de  Chypre. 
R^vue  archüol,  Nouv.  Ser.,  T.  XIX,  1869. 

Chunder  (Bholanauth).  The  Travels  of  a Hin- 
doo  to  various  parts  of  Bengal  and  Upper  India. 
London  1868»  2 Vol«. 

Clark.  On  the  Connection  of  the  Prehistoric  and 
historic  ages  in  Western  Asia.  International 

congress  of  Preh.  Arch.  1868, 

Cortambert.  Note  sur  le  Sundarban.  Bullet,  de 
la  Societe  de  Geograph.,  Aoüt  1869. 

Noch  Bloch  wann  scheint  die  Entvölkerung  den  Sun* 
darban  (von  Rainey  ul«  schöner  Wald  erklärt)  mehr  den 
Mugs  uml  Portugiesen,  als  den  Cv  cloneu  zur  uschreihen. 

Cotta,  v.  Reise  nach  dem  Altai  im  Jahre  1868. 
Ausland  1869. 

Cotta.  Die  Steppen  Westsibiriens.  Ausland  1869. 

Delitsoh.  Darschilling.  Aus  allen  Welttheilen 
1869. 

Dickson.  Japan.  London  1869. 

Kinrehcndc  Mittheilungan  über  die  staatlichen  Zustande. 

Doagodins.  Extraits  de  lettres  (Teha-man-tong, 
tribu  dos  Arrous).  Bullet,  de  la  Soctätt:  de  Geo- 
graphie, 1869. 

Outre  1«  Grand  Chef  («ur  le  Lan-Uan  -kiang)  qui  e»t 
ordinairrment  un  Mos*ot  Im  Lissou  ont  encore  de  petita 
chefs  indieenc».  Die  Zauberer  (Mou-ma)  der  Loutze  ver- 
treiben die  bösen  Geister. 

Elliot.  On  the  Population  of  India.  Journal  of 
the  Ethnol.  Society,  Vol.  I,  Nr.  2,  1869,  July. 

Wie  der  Gond-  Stamm  der  Gottas  begraben  die  Arriyan 
oder  Malai-aniaar  (in  Travaacore)  iu  Cromlech,  gleich  denen 
in  Coitnbatore,  aus  vier  Steinen  und  einem  bedeckenden 
aufgerichtet.  Die  Pandu  - Kulis  genannten  Gräber  in  S6d- 
Indien  werden  den , meist  buddhistischen  Hirtcustämmeo 
zugeschrieben. 


179 

EUiot.  On  the  Sepulchral  Romains  of  Southern 
India. 

Die  (länglichen)  Pandu -Kulis  sind  oft  durch  eine ‘Stem- 
plet* ‘Q  Kammern  getheilt.  Neben  den  Topi-K;il* 
(Mutzensteine)  finden  sich  die  Kodi-Kal  (Kodi  oder  Schirm) 
mit  unterirdischen  Kammern  (an  der  Malabai^Küste).  Die 
(unter  horizontalen  Steinen)  stellenden  Urnen  der  dm  Cu- 
rumbar«  (die  als  Buddhisten  von  dem  Chola-Könlg  Tanjore's 
bekriegt  wurden  im  VI.  Jahrhundert  v.  Ohr.)  zugrschrie- 
benen  Denkmale  der  Neilgheri-HögeJ  enthalten:  fragmenls  of 
hurnt  bone,  gold  Ornaments,  mctal  cup«  and  tazzos,  iron 
(or  more  rarely,  brooze)  impleuicnts,  as  knivr«,  *pear- 
beads,  aickles,  razor»  etc.,  roized  with  a little  fine  black 
or  brown  mould. 

Franks.  Stone  age  en  Japan.  International  Con- 
greaa. 

Die  besonder»  auf  Niphon  gefundenen  Steinsachen  (l»ar- 
bed  arrow  heads  with  or  without  iaugs,  spindle  formed 
spear  heads,  knire»  or  sernper»,  and  axen  or  cclta)  werden 
von  den  Japane»eu  als  Reste  mythischer  Heldenzeit  ge- 
schätzt, 

Favre.  Not«  eur  la  langue  des  aboriginoa  de  l’ile 
t ormose.  Bulletin  de  la  Sociute  de  Geographie, 
V.  Serie,  T.  XVI. 

Feer.  Le*  peuplades  'du  Brahmaputra  et  d’Ira- 
vadi.  Revue  de*  Cours  littur.,  Nr.  45,  1869. 

Fiedler.  On  the  Ri*e,  Progress  and  future  Pro- 
epects  of  TcaCultivation  in  British  India.  Jour- 
nal of  the  Stat.  Society,  Vol.  XXXII,  1869. 

Foote.  On  Quarzite  Implements  of  Palaeolithic 
Typua  from  the  latente  Formation  of  the  East 
Coast  of  Southern  India.  International  Congress 
of  Prehistoric  Archaeology,  1868. 

Forsyth.  On  the  Transit  of  tea  from  North- 
Wost-India  to  Eastern  Turkestan.  Proceed.  of 
the  R.  Geograph.  Society,  Vol.  XIII,  1869. 

Frenoh.  The  Russo  - Indian  Question.  London 
1869. 

FreBhflold.  Travels  in  the  Central  Caucasus  and 
Baehan.  London  1869. 

A false  Impression  in  given  by  de-cribing  the  ruin6  of 
Bozrah  , Kunawat , Sawesdeh  and  Shuhba , in  fact  those  of 
K»nian  provincia)  towns,  as  Giant  citie*.  It  is  not  of  Og, 
Hut  of  tbc  Antonincb,  not  of  the  Israelitist  but  of  the 
Saraccnic  conquest,  tbat  raost  modern  travelJer*  in  the 
Hauraa  will  bc  reminded, 

Freshfiold.  Besteigung  des  Kasbeck  und  ElbruH. 
Ausland  1869. 

Freyer.  A fow  words  concerning  the  hill  people, 
inhabiting  tbe  forest*  of  Cochin  State.  Journal 
of  the  R,  A».  Society,  New  Serie  III,  1868. 

Foeberry.  On  some  of  the  Mountain  tribea  of  the 
N.  W.  Frontier  of  India.  Journal  of  the  Ethnol. 
Society,  Vol.  I,  pag.  2,  1869. 

Die  Leah  Posh  Kahr  schwören  den  Eid  bei  feierlichen 
Vergleichen  über  einem  als  Zeugen  aufgesetzten  Steine. 

Garnier.  Voyage  d’exploration  en  Indo-Chinew 
Revue  marit.,  T.  XXV,  1869. 

23* 


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180 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Qarnier.  Une  episode  des  voyage*  de  la  Commis- 
sion franyaise  dans  Flndochine.  Revue  des  couxs 
litteraire,  1869. 

Garnier.  Nute  sur  l'exploration  du  cours  du  Cam- 
bodge.  Bullet,  de  la  Soc.  de  Geograph.,  V.  Ser., 
T.  XVII,  1869. 

Gapp,  Les  connaiasances  geographiques  des  Chi* 
noin.  Anuales  de»  Voyages  1869,  T.  III. 

Nach  den  Mtttheilungeu  SkatschkoTs  von  dar  kaiaerl. 
Geographischen  Gcnelbchaft  zu  Petersburg. 

Gardner.  Kotes  ou  a Journey  front  Ningpo  to 
Shanghai.  Proceed.  of  the  K.  Geograph.  Society, 
Y«L  XIII,  1869. 

Gaudry.  Geologie  de  File  de  Chypre.  Extrait. 
do  Mem.  de  la  Soc.  Geolog,  de  France,  2‘1"  Ser., 
T.  VII,  1869. 

Gormain.  Quelques  mots  sur  FOman.  Paris  1869. 

Gimelle.  La  Cochiuchine  geogrnphique  et  medi- 
cal e.  Paris  1869. 

Glardon.  Mon  voyage  aux  Indes  orientales.  Lau- 
sanne 1869. 

Girard,  France  et  Chine.  Paris  1869,  2 Vols. 

I*s  Chino»  ont  k uint  biuanc , la  t.;t«  »jiheriqne , le 
front  decouvert  *t  fuyant,  le  vUnge  plot  et  <*n  losange, 
le»  reus  noir»,  le»  paupiere*  oblique»,  les  xmrcil»  relevfs 
ä leur»  eztremlks,  (e  nez  aplatl  i la  rächte,  et  le»  nun  ne» 
feartee»,  U bouche  mcdiocre,  le»  levre»  epai»»e«,  »an»  etre 
proeudnenteH  m IVure» , le»  deuta  inckive*  vertical« , le» 
oreille»  grande*  et  dftacMe»,  la  bnrbe  rare,  et  le»  cheveux 
noir»  et  lukanU.  Leur  taille  est  moveune  et  par  la  pe- 
titesae  des  pied»,  des  rnaias  et  de*  os,  ils  resaetnblent  & la 
plupart  de*  Asintique».  Ausai  faut-il  un  oeil  eierte  pnur 
ie*  dktinguer  de*  klantcbou«,  que  In  conqucte  i mele» 
panui  eus. 

Goldamid.  Report  on  a Overland  Journey  from 
Bagdad  to  Couatantinopel.  TransAct.  of  the  Bom- 
bay Geograph.  Society,  VoL  XVIII,  1868. 

Goodenough.  Letter  on  Route«  between  Upper 
Assam  and  Western  China.  Proceed.  of  the  R. 
Geograph.  Society,  ToL  XII,  1868. 

Grandidier.  Vovage  dans  lee  provinces  meridio- 
nale*  de  Finde.  Le  Tour  du  Monde,  Kr.  470. 

Guerin.  Vocabulnire  du  dinlect  Tayal.  Bullet,  de 
la  Society  de  Geograph..  V.  Serie,  T.  XVI. 

Gutschmid,  v.  De  Temporum  notis  quibus  Eu- 
sebius utitur  in  Chronicis  Cauonibua.  Kiliae  1868. 

Summnm  corum  quae  disputavimu»,  ita  complecteumr,  ut 
praeceptum  tnulnmus  annorum  Ku*ebianoruiu  tum  usita- 
tioribu»  cakuli»  rotte  romjHmendornin. 

Guerin.  La  description  de  Philistie.  Paris  1869. 

Die  Hy]x>tb«»e , welche  die  Casludum , von  deuen  die 
Capthorim  und  Philister  stammten,  in  dn*  Nildeltu  »eUt, 
erhält  Beitall. 

Hägor.  Die  Bugineaen.  Ausland  1868,  Nr.  15. 

üüntzBcko.  Spocialstatistik  von  Persien.  Zeit- 


schrift der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde. 
1869. 

Von  den  fünf  Millionen  der  Einwohner  sind  30  Procent 
Noutiuleu,  30  Procent  Stldtebe wohncr , 40  Procent  Land- 
bewohner. 

Hayward.  Route  frorn  Jellalabad  to  York  and 
through  Chitral,  Badakslian,  and  Pamir  Steppe. 
Proceed.  of  the  R.  Geogr.  Soc.,  Vol.  XXXVIII, 
1869. 

Haug.  Charakter  der  Pehlewi-Spracho.  Sitzungs- 
herichto  der  königlich  Bayerischen  Akademie  der 

. Wissenschaften  au  München,  1869,  Bd.  I,  S.  2. 

Die  Pehl*wi»cbrift  ist  bis  ins  drill«* , die  Sprache  selbst 
bi*  ins  vierte  rorchrist liehe  Jahrhundert  hinauf  zu  ver- 
folgen. 

Hellwald.  Die  Russen  in  Ceutralasien.  Eine  hi- 
storisch-geographische Skizze  mit  einer  Ueber- 
siehtskarte.  Wien  1869. 

Von  den  verschiedenen  Zielen,  die  Pumland  in  Asien 
verfolgen  kann , ist  da»  sicherste  das  Erstreben  der  Han- 
del* * Hegemonie  in  Asien  und  damit  der  Eintritt  in  den 
Welthandel. 

van  Hedemann.  Schets  van  de  bewerkiug  en  de 
huishoudelijke  inrichting  der  tinmijnen  op  Bil- 
liton.  Tijdschr.  van  Nederlandsch  Indie  1869, 
Deel  II. 

Henning.  Abriss  der  Geographie  Palästina«.  Pro- 
gramm des  Gymnasiums  zu  Graudenz,  1868. 

Holland.  On  the  Peninsula  of  Sinai.  Journal  of 
the  R.  Geograph.  Society,  Vol.  XXXVIII,  1868. 

Holland.  Kecent  Exploration»  in  the  Peninsula 
of  Sinai.  Proceed.  of  the  R.  Geograph.  Society, 
Vol.  XIII,  1869. 

Holländer,  de.  Aardsikjsbeschrijving  van  Xeder- 
lan tisch  Oost-Indie.  Amsterdam  1866. 

Huc.  Souvenirs  d’nn  voyage  dans  la  Tartario  et 
le  Thibet  (1844  — 1846).  ö,B*  Edition.  Paris 
1869,  T.  I. 

Humbort.  Le  Japon  illnstre.  Paris  1870. 

Die  Besiedelung  der  von  Aicioe  bewohnten  Inseln  wird  auf 
die  warmen  Strömungen  de*  Südens,  die  von  der  Meerenge 
Malacca»  und  Sundnx  her , die  japanischen  Küsten  treffen, 
zurückgeführt , indem  auch  di«*  ersten  Entdecker  der  Por- 
tugiesen (1642),  »owie  (1645)  Pinto  auf  solchem  Wege 
dortlau  gelangt  »eien. 

Hydo  Clarko.  On  the  Progress  of  Turkey.  Rep. 
of  the  Br.  As-,  1868. 

Jackson.  The  Aryan  and  Semite.  Anthropologi- 
c«l  Review,  1869. 

Ibn  Da«ta.  Berichte  über  die  Chazaren,  Burtassen 
Bulgaren,  Madscharen.  Slaven  und  Russen.  Pe- 
tersburg 1^69. 

Jagor.  Grabstätten  zu  Xipa-Nipa.  Zeitschrift  für 
Ethn..  Bd,  I,  1869. 

Jonkina.  Kotes  on  the  Burmese.  Route  from  As- 


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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


»am  to  tlie  Hookong  Valley.  Proceed.  of  tbo  R. 
Geograph.  Society,  Vol.  XIII,  1869. 

Jephson  and  Elmhirst.  Our  life  in  Japan.  Lon- 
don 1869. 

John,  St.  On  the  Elevation  of  the  Country  be- 
tween  Bushire  and  Teheran.  Journal  of  the  R. 
Geograph.  Society,  Vol.  XXXVIII,  1868. 

Jonge , de.  De  opkomst  van  det  Nederlanduch 
Gey-.ag  en  Oost-Indie.  s'Gravonhuge  1869. 

Juillard.  Souvenirs  d’un  vovagc  en  Chine.  Mont- 
beliard  1869. 

Keyaer.  Reizen  over  Java.  Tijdschr.  van  Neder- 
land&ch  Indio  1868,  Deel  II. 

Khanikof,  do.  Samarkand,  llullut.  de  la  Societd 
de  Geograph.,  V.  Serie,  T.  XVII,  1869. 

Khanikof  de.  Instructions  doniukm  ii  M.  Deyralle 
pour  un  voyage  dans  le  Laztatan  et  l'Adjara. 
Bulletin  de  la  Socict«  de  Geographie,  V.  Seide, 
T.  XVII. 

Kind.  Bilder  aus  Griechenland.  Die  Natur,  1869. 

Kiepert.  Ueber  ultceto  Landes-  und  Vorge- 
schichte in  Armenien.  Monatsberichte  der  Berliner 
Akademie  der  Wissenschaften  1869. 

I)an  ursprüngliche  Verbrriiungt^biet  de«  echt  armeni- 
schen (d.  h.  de«  von  Medern  uiul  Ferkern  zimichnt  mit 
dem  N .mit! u Anninu  bezeichnet«!],  in  der  eioheimU-chen 
Tradition  durch  Anuenak  von  Haik  abgeleiteten!  Stamme» 
«eigt  sich  beachränkt  auf  das  mittlere  Stromgebiet  de« 
Araxes  oder  die  Kbene  Airarat  mit  den  si«  unmittelbar 
im  U»t,  Nord  und  West  umgebenden  Berglnndschaften. 

Kiepert.  Bemerkungen  über  die  Erklärung  des 
Rückzugs  der  Zehntausend.  Zeitschrift  der  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde,  Bd.  IV,  S.  6,  1869. 

Die  Skytliinen  könnten  ein«  dem  in  vielen  Stimmen 
ab  Soldtruppen  im  Perserreich«  dienenden  Skvthcnvolke 
augehörige  (’olonie  «ein,  die  von  «ien  Königen  zum  Schot« 
de«  Bergwerksdisiricte*  angesiedclt  war. 

Knowlton,  The  Population  of  the  Chinese  Em- 
pire. Notes  and  Qoeries  en  China  and  Japan, 
Vol.  II,  Nr.  6. 

Kohl.  Die  Ueberlandrouten  aus  Indien  nach  China. 
Ausland  1869. 

Koordera.  Jets  uit  de  Xiilatenshap  van  Rapporten 
over  Soedaneeche  Volksboekjef . Aanteekeni  ngen  op 
een  Reis  door  Zuid- Bantam.  Reis  door  Soekapara, 
Bezoek  by  de  Badoes.  Reis  door  Tjirebon.  Loos 
opmerkingen  op  een  Uitstapjcn  door  de  Zuide- 
lijke  een  Weetelijke  Districten  van  Tjandjoer. 
Tijdschr.  tot  Tital-,  Land-  en  Volkeskunde,  Nr. 
2—3,  1870. 

Laude.  Etudes  statistiques  «nr  la  population  des 
etablissements  de  Pondichery  et  de  Karikal.  Pon- 
dichery  1868. 

Lejoan.  Excurrion  h la  reckerche  de  Gordium. 


181 

Bullet,  de  la  Sociätä  de  Geograph.,  V.  Serie, 
T.  XVII,  1869. 

Lemere.  Cochincbine  fran^aise  et  Royaumo  Cam- 
bodge.  Paris  1869. 

Lemere.  Coup  d’oeil  aur  la  Coch inchine  et  le 
Camhodge.  Annales  des  Voyages , Fevrier  1869. 

Tou«  1«  an*  la  crue  de«  eaux  commence  ver*  le  ha 
d’Avril  «i  rinoodation  *e  r£pnnd  par  un«  multitudr  «Par- 
royo*  (ju«4|u*au  mois  d’Octobra).  Ce»t  poimjuoi  le«  mai* 
Cumbodiiiennc«,  «ont  con*truita  sur  pilot ih.  A Phnom- 
penh,  le  uiveau  de  Beau  «’elev«  <Pane  dizaine  de  metre*. 

Van  Lennop.  Asia  minor.  London,  Murray, 
2 Vol. 

Loch  (H.  Brougham).  Personal  narrative  of  ac- 
cideoti  during  Lord  Eigins  second  Embassy  to 
China.  London,  Murray. 

Login.  Roads , Raiiways  and  Canals  for  India. 
London  1869. 

Lombard.  La  terre  de  ßascac.  Le  Globe  1868. 

Lynch.  Lotter  on  Consul  Taylor’s  Journey  to  the 
Source  of  the  Euphrates.  Proceed.  of  the  R.  Geo- 
graph. Society,  Vol.  XIII,  1869. 

Maltzan,  v.  Erinnerungen. aus  Mekkha.  Globus 
1869. 

Maltzan,  v.  Von  Wrede’s  Reisen  in  Hadbramant. 
Globus  Bd.  XVI,  1869. 

Mittbrilungcn  nu*  dein  noch  unveröffentlichte»  Munu- 
acripte  der  1843  unternommenen  Kej«en. 

Manning.  Ancient  an<T  Modiaeval  India.  Lon- 
don 1869,  2 Vota. 

Marsh.  The  Teneeseean  in  Persia  and  Koordi- 
stan.  Philadelphia  1869. 

Marthe.  Ssemenofs  Forschungsreisen  in  den 
Trans- Ilischen  Alatau  und  zum  Issykul  (18Ö6 — 
1857).  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft  für 
Erdkunde,  1869. 

Massias.  Un  voyage  dans  les  tners  de  finde.  Pa- 
ris 1869. 

F.  Mayers.  Illustrations  of  the  Lamatat  System 
in  Tibet,  drawn  from  Chinese  sources.  Journal 
of  the  R.  Geograph.  Society,  Vol.  IV,  p«g.  L. 

Die  CorresjMmd«»*  de«  in  Tibet  «tatiouirten  Bevollmäch- 
tigten ( 1840- — lt*44)  mit  Kaiser  Tao  Kwang  Uber  die  Kin- 
kürperung  des  neuen  Dalai  Lama  (1841). 

Morowether.  Report  doscrihing  the  Places  visi- 
ted  between  Aden  and  Suez.  Tran— ct.  of  tlio 
Bomb.  Geograph.  Society,  Vol.  XVIII,  1868. 

Mork.  Acht  Vorträge  über  den  Pendschab.  Bern 
1869. 

Michcil.  The  Jaxartes.  Jounal  of  the  R.  Geo- 
graph. Society,  Vol.  XXXVIII,  1868. 

Mich  ela,  des.  Essais  sur  les  afänitcti  de  la  civi- 


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182 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


lifation  chez  los  Annamitcs  et  chez  les  Chinois. 
Paris  1869. 

Montgomerie.  Report  of  tbe  Route-Snrvey  made 
by  a Pundit  from  Nepal  to  Lhasa.  Journal  of  tbe 
R.  Geograph.  Society,  VoL  XXXVIII,  1809. 

Montgomerie.  Report  of  tbe  Trans- U imalayan 
Explorations  (1867).  Proceed.  of  the  R.  Geogr. 
Society,  Vol.  XIII,  1869. 

Moonshee.  On  Gilgit  and  Chitral.  Proceed,  of 
the  K.  Geograph.  Society,  Vol.  XIII,  1869. 

Mordtmann.  Hekatompylos.  Sitzungsbericht  der 
Münchener  Akademie  der  Wissenschaften  1869. 

Mouhot . Voyages  dum«  les  royaumes  de  Siam  et c. 
Paris  1868. 

Aus  dem  Englischen  übersetzt. 

Nerval.  Voyage  en  Orient.  Paria  1869,  2 Vols. 

Novius.  Our  Life  in  China.  New  York  1869. 

Neviua.  China  and  the  Chinese.  New  York  1869. 

Niomann.  Mededeelingen  omtnent  de  AlfoerKche 
Taal  van  Noordoost  Coleb«««.  I.  Vergelijkeude 
Woordeulist,  au«  verschiedenen  Dialecten  der  Mi- 
uabasa  und  angrenzendem  Roluäng  Mongoudou, 
zusammengestellt.  Bijdr.  tot  de  Taal-,  Land-  en 
Volkenkuude.  Deel  IV,  2 — 3,  1870. 

Noack.  Eine  kritische  Revision  der  biblischen 
Geographie.  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft 
für  Erdkunde  1869. 

Oberländer.  Formosa.  Der  Welthandel  1869. 

Oliver.  ExcursionB  in  tbe  South  of  China.  Jour- 
nal of  Travel  and  Natural  history,  Vol.  I,  1869. 

Paris.  Une  excursion  ä Kioto.  R6vne  maritim., 
T.  XXVI,  1869. 

Palmer.  The  new  survey  of  Sinai.  Athen  1869. 

Poarso.  Excavation  of  a Stone  circle  near  Kam- 
ptoe.  Journal  of  the  Ethu.  Society,  Vol.  I,  pag.  2, 
1869. 

Dm  neben  Ki»en  gerät  hm  gefundene  Skelet  zerfiel  heim 
Anrlikren.  Tbe  people  ©f  Wqnvgun  «aid , that  the  har- 
row  (De«  kulla  or  God’s  circle)  may  bave  beeo  of  the 
time«  of  the  Gowlees  or  Cowherd*. 

Pegraib.  Renseignmnont«  sur  la  colonie  juive  de 
Tien-liang.  Bullet,  de  la  Societe  de  Geograph., 
Öctobro  1869. 

Zwanzig  jüdische  Familien  wohnen  in  dem  Houa-rJaen* 
miao  genannten  Quartier  der  Stadt. 

Popys.  Visit  to  the  King  of  Burtuah.  Colburn's 
New  Monthly  Mag.  1868. 

Perrot.  Exploration  archeologique  de  la  Gala- 
tie  etc.  Paria  1869,  Livr.  22. 

Pfisinaier.  Nachrichten  von  den  ulten  Bewohnern 
Corcaa.  Sitzungsbericht  der  Wiener  Akademie 
der  Wissenschaften.  Philos. -hist.  CI.,  Bd.  L1I. 


Pijnappel.  De  rikjs- instell) ng  van  onderwijs  en 
Indische  Taal-,  Land-  en  Völkerkunde.  «’Gravon- 
hage  1868. 

Pinson.  Ktudes  orientales.  Les  Carte«  du  Sud 
de  l'Inde.  Revue  orientale,  2dp  Serie,  Nr.  4. 

Pistorius.  Uet  Maleische  dorp.  Tijdschr.  van  Ne- 
derlandsch  Indic  1869. 

Plancbet.  Larchipei  des  Philippiner.  Revue  den 
deux  Mondes  1869. 

Plath.  China  vor  4000  Jahren.  Sitzungsbericht 
der  königl.  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 
1869,  Heft  L 

Der  Darstellung  der  alten  Zeit  Ut  vornehmlich  das  Cap. 
de*  »tbu-King  Yükung  zu  Grunde  gelegt,  au*  den  an- 
dern «pater  abgetansten  Cap.  Yao-tien  und  Schangschu 
aber  die  darin  eut  haltcnm  Tbatsacben  ohne  die  Einkleidung. 

Plath.  Ueber  die  Rechnungsweiso  der  alten  Chi- 
nesen. Ausland  1869. 

Plath.  Die  Beschäftigungen  der  alten  Chinesen. 
München  1869. 

Porter.  The  Giant  Cities  of  Bashan.  Philadelphia 

1869. 

Porter.  Five  Years  in  Damascus.  London  1868, 
Murray,  new  edition. 

Pumpelly.  A cross  America  and  Asia.  London 

1870. 

Von  den  in  Bain  Gol  getroffenen  Mongolen  heisst  es; 
Coosidering  the  «amenes«  of  Ufe,  of  climate  and  of  pur* 
«uiu,  whkh  eiists  through  Mongolin,  it  i*  retnarkable,  that 
this  people  should  show  the  divenitr  of  type«  of  fort«, 
that  wo  lind  among  thrm.  Certain  charnctemtk*  »re 
common  to  thoin  all.  Of  medium  «t  Atu  re,  rather  obore 
that  of  the  northem  Chinese,  they  bad  the  almond  eye«, 
preminent  cheek  bone»,  the  scauty  heard,  without  whiskera, 
«hielt  all  are  murlcrtl  poinls  of  the  Mongotian  rac«.  Tbcre 
U perhap»  tuore  diversity  in  Uie  ihm«  than  in  any  olher 
feature  (Humen  notieed , «me  with  regulär,  some  with 
reallv  aquiline  Bose« , ihough  in  general  the  uose  bad  «o 
little  prominente , that,  wheu  iooked  for  in  the  prutile,  1t 
was  entirclv  hidden  by  the  prominent  cheeks).  Tbe  featu- 
re«  (in  Chinese  and  Mougoliau  face*)  are  the  same,  tbough 
more  delicately  ihinelled  and  »oftened  down  in  the  China- 
man  (in  the  Southern  province«  in  a more  effeminate 
mould). 

J.  G.  T.  Riodol.  Bijdrage  tot  de  Keuuis  der  Ta- 
leu  en  Dialekten  voorkomende  op  de  Eilanden 
Luzou  of  Lcsoeng.  Panai  of  Hong- llong,  Balan- 
gini,  Solog,  Sangi  alsmede  opNoord-  en  Midden- 
Celubos. 

Giebt  Sprachproben  au«  den  «panischen  Besitzungen , so- 
wie nus  Celebe«  und  eine:  Dialektologische  Haart  (aantoo- 
Dende  de  Verspreiding  der  taleu  en  dialekten  van  Noord  en 
Midden  Selebe«).  De  in  de  Minehasa  aanwezige  hoofddia- 
Ickten  zijn  de  Tooeoenboeloesche , de  Tooeoensenscbe  en  de 
Toooeii|»akewasche,  de  vorige  tongvalleu,  zooal«  de  Tooeoaa 
SingalM-hc,  de  Langkooeanscbe , de  BeiitenaiiMzhe  eo  de 
Toneoeb  Sinuch«  zyn,  van  mindere  beteekenis  en  Joor  ver- 
mengiug,  de  erste  inet  het  Tooeoenboeloescb , en  bet  Tooe- 
oetueiiM-h  de  drie  lautste  met  he  Tooeoenboeloeaeh , Tooe- 
oenpakewnsch  en  Mongondooesch  than*  zeer  verbastered. 
Het  Tooeoenboeloeaeh , dal  in  algemcene  spraakkundige 


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183 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


ontwikkeling  op  <irn  voorgrund  »ta*t,  scheibt  der  ursprüng- 
lich» Dialcct  in  der  Minahaba  zu  sein. 

Ransonnot,  ▼.  Skizzen  aus  Ostindien.  Wester- 
mann's  illuetrirte  Monatshefte  1869. 

I>ie  Todah,  deren  Sprache  (von  Metz)  für  einen  Diniert 
de»  Kan«re*i»chen  erkürt  wird,  babeu  mit  den  Naira,  den 
Singaleaeu  und  den  Himalaya- Bewohnern  Vieluiäunerei  ge- 
mein. Ihr  Glockengott  erinnert  an  die  javnnüche  Kt.*«»o- 
gonie,  in  der  der  Schöpfergott  den  Glocken  ton  als  noch 
Älter  anerkennt. 

Raviai,  de.  Apercu  sur  le  cultc  de  Krichna.  Saint- 
Queutin  1869. 

Rawlinaon,  H.  On  trade  Route«  betwecn  Türke- 
stau  and  India.  Proceed.  of  the  E.  Geograph. 
Society,  VoL  XIII,  1809. 

George  Rawlinaon.  A Manual  of  Ancient  Hi- 
story.  Oxford  1869. 

Behandelt  im  I.  Buche  die  a»iati»che  und  al'riknninche 
Geschichte  hi»  Cynt»,  im  II.  Buche  Persien  bis  Alexander 
von  Miiccdonien,  im  III.  Buche  Griechenland,  im  IV.  Huche 
die  macedonische  Monarchie,  im  V.  Buche  Bom. 

Rialle,  de.  L’Anti-Libau.  Bullet,  de  la  Societe 
de  Geograph.,  V.  Serie,  T.  XVI. 

Rockerath.  Ebal  et  Garizim  montes.  Programm 
des  Gymnasiums  zu  Neuss  1868. 

Ross.  Memorandum  of  Notes  on  Mekran.  Trans- 
act. of  the  Bombay  Geograph.  Society,  Vol.  XVIII, 
1868. 

Rosny,  de.  Sur  la  geographio  et  l’histoire  de  la 
üoree.  Revue  orientale  1869. 

Rouband.  Contributious  k Tauthropologie  de 
lTnde.  Archive«  de  medecine  navale  1869,  Jan- 
vier. 

Rouband.  Races,  laugucs  et  castes  de  l inde  me- 
ridiouale.  Revue  de  cours  scientif.  1869,  Nr.  37. 

Rüge.  Die  Volksstämme  Arabiens.  Aus  allen  Welt- 
theilen  1869. 

Sachau.  Contributions  to  the  knowledge  of  Par* 
see  Literature.  Journal  of  the  R.  As.  Society, 
Vol.  IV,  I. 

The  reviral  of  Parsec  literature  in  India  pmcee-leJ  from 
Karman,  where  the  Icamed  trndition  always  wo»  kept  more 
free  fron»  foreign  induencc,  and  dates  at  the  earliext  from 
the  end  of  the  XIII.  Century. 

Schiofnor.  Herrn  Professor  Wassiljew’s  Vorrede 
zu  seiner  Russischen  Uebersotzung  von  Täraua- 
thas  Geschichte  des  Buddhismus  in  Indien,  deutsch 
mitgetheilb  St.  Petersburg  1869. 

Di*  Cariputn»  und  Maudjalptjnna  (tu  deren  Helmath  Nä- 
Inndu  errichtet  wurde)  zuge»cbrieb«net>  Abhidharmn*  in  wen 
v Gramme  ixen , das»  »le  im  nordweetlichen  Indien , der  Ilei- 
rnath  der  Abhidharnuu,  geboren  »eien. 

Schiefnor.  Taran&tha’s  Geschichte  de«  Buddhis- 
mus iu  Indien.  Aus  dem  Tibetischen  übersetzt. 
St.  Petersburg  1869. 

Da«  ostUche  Indien  bezieht  aus  drei  Theilen,  Bhangala 
und  Üdivita  gehören  zu  Aparäntaka  und  hei»»en  der  östliche 


Tbeil  von  Apnrantakn.  Die  nordöstlichen  Länder  Kama- 
n‘»pa,  Tripara  und  Humid*  heissen  Girivartu , d.  h.  berg- 
umkriinzt.  Von  da  nach  (.Men  gehend,  an  der  Seite  de» 
Xonl^eUrge» , sind  dir  N'sngnta  - Länder  [der  Nagns],  da*, 
dem  ücean  anliegende  Land  Pukham  [Pttgan  oder  Birma], 
Balgu  [Drama  - Könige  von  Tongu , das  lft07  «eine  (Jute 
h Innigkeit  verlor]  u.  ».  w.,  da»  Land  Kakhang  (Arrakhan), 
Hongs*  vati  (Pegu)  und  die  übrigen  Thfeile  de»  Reiche« 
Munjang  [sianivsi*cher  Shan],  femrr  Tuchampa  (der  Ma- 
laien-.StAat  Cochinchina»),  KainiHidM-ha  und  die  übrigen. 
Alle  die»»  werden  im  Allgemeinen  Kok»  (Kokki  nagan»  bei 
Ptolem.  von  der  Koka-Palme]  genannt. 

Schlagint  weit,  v.  Die  Verwaltung  Britisch  In- 
diens. Globus  1868. 

Schlagiotwoit,  ▼.  Indisches  Kastenwesen.  Er- 
gänzungshlatt,  IV,  1869. 

Schmarda.  Das  Hochland  in  Neuwaria  (Ceylon). 
Westermanns  illustrirte  Monatshefte  1869. 

Schweizer.  Erlebnisse  der  protestantischen  Mis- 
sion in  Vorderindien.  Bern  1868. 

Sempor.  Die  Philippinen  und  ihre  Bewohner. 
Würsburg  1869. 

Neben  anziehenden  Schilderungen  eine  aufkürende  Be- 
sprechung der  ethnologischen  Verhältnisse. 

Siremonds.  La  «ericulture  dans  Plude.  Revue 
des  cours  «cientif.  1869,  Nr.  35. 

SkattachkofT.  Connaissance«  Gengraphique«  des 
Chinoin.  Bullet,  de  la  Societe  de  Geograph.,  Sep- 
ternbre  1869. 

Da«  von  Loaze  ((*83  p.  d.)  verfasste  Taiping  hoan  yu 
Iu  nimmt  bei  Beschreibung  der  Provinzen  auf  die  Zustande 
unter  den  Tang  Rücksicht. 

Sowerby.  Memorandum  on  the  Geological  action 
on  the  South  Coast  of  Kattyawar.  Transact.  of 
the  Bomliay  Geograph.  Society,  Vol.  XVIII,  1868. 

Steyn-Parve.  De  Britisch  - Indische  spoorwegen 
(1867).  Tijdscbr.  van  Nederlandsch-lndid  1869. 

Stanley.  The  three  voyages  of  Vasco  da  Gazna 
and  bis  viceroyalty  (Ilacklnyt  society). 

Von  den  Hitfre  heisst  es,  das«  sie  in  Blut  und  Sitte  »ehr 
veredelt  gewesen  und  nie  zu  Mohren  bekehrt , wie  da»  ge- 
meine Volk  (bei  den  Bemühungen  der  Mabomednuer  den 
Kastenunterschied  za  verwischen). 

Steinmann.  Das  Gebiet  in  Hcrakloa  Pontica. 

. Rostock  1869. 

Stöhr.  Der  Vulkan  Tengger.  Dürkheim  1868. 

8trcckor.  Beitrage  zur  Geographie  von  Hochar- 
ntenien.  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft  für 
Erdkunde  1868. 

Ein  starke»  eiserne»  Thor  »oll  »len  Haupteingang  der 
Demirkale  verschlossen  haben , Id»  es  vor  etwa  40  Jahren 
vou  den  Einwohnern  de»  nahen  Städtchens  Chini*  dorthin 
trausportirt  wurde.  . 

Strecker.  Geber  die  wahrscheinliche  Form  de« 
Wan-See«. 

Dm  laugen&rtige  Wa»»er  de»  See»  wird  von  den  Einge- 
bornen  zum  Reinigen  der  Wäsche  benutzt  und  entfernt  den 


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184 


Verzeichnis*»  der  anthropologischen  Literatur. 


Schmutz  rasch,  verlangt  aber,  wegen  Färbung  der  W Sache, 
nachher  ein  flüchtige»  Einseifen  um!  Ausspülen. 

Sooboda.  The  seveu  Cliurches  of  Asia.  London 

1868. 

Sterry.  I*e  Golf  de  Petschora.  Annal.  Hydrog., 
1 Trim.  1869. 

La  population  <*»t  notuade,  n'a  pas  de  W>sidence  fixe,  et 
errr  «Jan*  I«  pay*  ä la  rtdinche  des  meilleure*  piiturages 
pour  ars  tronpeam  des  renne».  Elle  scmble  apparteuir  & 
La  raee  wunoicde,  dont  eile  a le  tvpe,  c’est-i-dir*  la  petite 
taillc,  le  vittge  aplati,  le»  pomtnettes  eaillante*,  de  petit* 
yeux,  de*  cheveux  noirs  et  raidcs  et  un  tvint  d’un  jaune 
brun. 

TchibataohefF.  Un  page  nur  l’Orient  1868. 

Der  Panther,  zur  rSmiachcn  Zeit  häutig  in  Lycien,  Ly- 
caouien,  Pnmphylien  und  Ciliciea , ist  jetzt  in  Kleiunsien 
»eiten  und  noch  mehr  sind  der  Tiger  und  Löwe  rer- 
achvrnnden,  der  (mehr  als  ein  anderes  Thier),  „otfre  pesnnpl« 
«Tun  deplaceanent  considerable  de»  limite»  considirable»  de 
son  domaine  geograpbi<pie,“  da  er  früher  nicht  nur  in  Syrien 
und  Mesopotamien,  sondern  auch  In  Europa  verbreitet  war. 
Die  Lüweujugden  Hulaghu»  auf  den  eisigen  Höhen  zwischen 
dem  üxui*  und  der  Stadt  Hulk  (r.  Hammer),  sowie  das 
Vorkommen  der  Löwen  (nach  G£rard)  auf  den  Herzen 
von  Aures  (wo:  1c  tninimum  du  froid  atteint  10  degrfo 
centigrado*  au-deMous  du  Z*ro)  beweise  seine  Fähigkeit, 
niedrige  Temperaturen  zu  ertragen. 

TsckihatsckefT.  Aaie  Mineure.  Geologie.  Paris 
1869. 

TBChihatscheff.  Asie  Mineure.  Paläontologie. 
Pari*  1869. 

Thomson.  La  Perse.  Bullet,  de  la  Societe  de 
Geograph.,  Juillet  1869. 

Die  Stadtlmvölkerong  wird  auf  ungefähr  eine  Million 
angeschlagen. 

Taylor.  Route  from  Erzeroum  to  Diarbekr.  Pro- 
ceed.  of  the  R.  Geograph.  Society,  Vol.  XII,  1868. 

Taylor , Moad.  The  Prehistoric  Archaeology  of 
India.  Journal  of  the  Ethn.  Society,  Vol.  I,  S.  2, 
1869. 

Die  Kodey  Kulis  (Scbinnsteine)  oder  Topie  Kuli*  (Hat- 
steinet in  Malabar  gelten  als  von  Zwergen  aufgerichtet 
(nach  Babington),  ebenso  die  L’roiulech  bei  Acheny  (nach 
Congreve).  ln  Sorapocr  the  Crouilech»  wen  closed  on 
three  »ide»,  the  south-we*t  front  beiug  open;  the  Kistvaens 
were  closed  an  all  four  »ide»,  andbotli  wen  coverod  at  the 
top  by  monolith  »lab*  of  large  »ize.  Wie  in  den  Neilgherry- 
Hügeln  (unter  den  Tliatawar*  oder  Todas)  »ind  die  Crom* 
lech  und  Kbtvaen  (bei  Rajtin  Kolloor)  von  Zwergen  (Morie*) 
aufgerichtet.  uU  Morie  Munnr  ( Morie*  - Häuser)  und  iufl 
BelUry  * DUtrict  von  xwerghaften  Mohorie*.  In  SotUpOOT 
waren  die  Todten  theils  begrabeu,  tbciU  verbrannt.  L. 
Sw  in  er  discovered  (I8fi6)  flint  knives,  arrow  he  ml»  and 
chipped  fliot*  near  Jubbuljloor. 

Trump p.  Die  VerwandtsckaftsvcrliiUtnisHe  des 
Pushtu.  Zeitschrift  der  deutschen  morgenlündi- 
schen  Gesellschaft,  Bd.  XXHI.  S.  1 und  2. 

I>a*  Pu-htu  stellt  »ich  als  die  erste  [.'ebergang**tufe  der 
indischen  zu  den  iranischen  Sprachen  dar.  mit  noch  vor- 
wiegendem Prakrit -Charakter,  und  diesem  Resultat  entspricht 
au*-h  die  Stellung  der  Afghanen  zwischen  den  iranischen 
und  indischen  Völkern , soweit  sie  in  der  Geschichte  zu 
verfolgen  »lud. 


Vambdry.  On  the  Uigurs.  Report  of  Meeting  of 
the  Brit  Assoc.  at  Norwich  1868. 

Die  1’igur  der  Gctxt  V0D  «ioer  gemischten  Bevölkerung 
aus  Türken,  Mongolen  und  Kaltnükkrn  bewohnten)  chinesi-  ' 
»eben  Tatarei , bildeten  zuerst  (aus  Entlehnungen  von  den 
Kestorianern)  eine  Schrift  für  da»  Türkische. 

Vambery.  Familienleben  im  islamitischen  Osten. 
Globus  Bd.  XV,  1869. 

Vambery.  Shaw  and  Hayward  in  Ostturkestan. 
Globus  Bd.  XVI,  1869. 

Vambery.  Kleider  und  Schmuck  der  ostislamiti- 
sehen  Volker.  Westornuutn’s  illustrirte  Monats- 
hefte  1868,  November. 

Vambery.  Fortschritte  Russlands  in  Centralasien. 
Unsere  Zeit  1869. 

Vambery.  Ilerat.  Unsere  Zeit  1869. 

Vambery.  Die  Handelsvcrhaltnisge  zwischen  Ost- 
Indieu  und  Ost-Turkestan.  Der  Welthandel  1809. 

Vereschagnulne.  V oymge  dann  lea  provinces  du 
Caucase.  l.e  Tour  du  Monde.  Nr.  485. 

Voth.  De  verpanding  vau  akkers  of  Java.  Tijd- 
echrift  vau  Nederlandsch-Indie  1869. 

Vogt.  Det  heilige  Land.  Kristiania  1868. 

Wallacc.  The  Mulay  Archipclago.  London  1869. 
Uehemctzt  durch  A.  B.  Meyer,  Braunschwoig 
1869. 

Eine  hauptsächlich  für  zoologische  Zwecke  unternommene 
Reise , die  «Her  auch  für  die  Ethnologie  werthvolle  Brob- 
aehtungen  enthält.  Der  Uebersetzer  wird  binnen  Kurzem 
dieselben  Gegenden  besuchen. 

Wangemann.  Reise  durch  das  gelobte  Land.  Ber- 
lin 1869. 

Wüatenfeld.  Wohnsitze  und  Wanderungen  der 
arabischen  Stämme.  Güttingen  1868. 

Weber.  Ueber  die  Krisbnajanmöshtami  (Krishna’s 
Geburtsfest).  Aus  den  Abhandlungen  der  königl. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  1867. 

Die  Feier  des  Geburtafeste*  Kritlma'»  hat  ihren  Schwer- 
punkt in  der  Schilderung,  respective  bildlichen  Darstellung 
desselben  als  eine*  Säuglinge»  nn  der  Mutterbrust,  und  in 
der  dnrau  geknüpften  Verehrung  dieser,  als  in  einem  Kuh- 
stall,  respective  Hirten han*e,  auf  einem  Rnhel>ett  ruhend 
dargesteiitcu  Mutter  *clb»t,  welche  ihn,  den  „Herrn  der 
Welt“  in  ihrem  Schoo**;  getragen  hat. 

Weber.  Ueher  eine  Episode  im  Jainimi  Bhnrnta. 
Monatsbericht  der  königl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Berlin,  Januar  1869. 

Parallele  zu  einer  Sage  von  Kaiser  Heinrich  UI.  und 
dem  Gang  zum  Eisenhammer. 

Wyts.  Lee  iles  Frsncaises  du  Golf  de  Siam.  An- 
nale»  Hydrogr.,  2 Trim.  1869. 

Die  Bewohner  von  Phu-quoe  zeichnen  »ich  als  Seeleute 
und  Scbiffsbauer  au». 


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185 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 

Yule.  The  Travels  of  Marco  Folo.  London.  Mur-  Zaehokko.  Das  Jordanthal.  Mittheilnngen  der 
ray,  1869.  k.  k.  Geographischen  Gesellschaft  zu  Wien,  Bd.  X, 

1867. 


Australien. 

(Von  Prof.  Meinicko  in  Dresden.) 


de  Beauvoir.  Au&tralie.  Vovnge  autour  du  monde. 
Paris  1869. 

Bonwick.  The  last  of  the  Taswanians  or  the 
black  war  of  Vandietnensland.  London  1869. 

Buck.  Die  britisch  -australische  Kolonie  Tasma- 
nien. Hamburg  1 870. 

Cadell.  Exploration  of  tho  nortbern  territory. 
States  papers  of  South  Australia  Nr.  24.  Ade- 
laide 1868. 

Christmann.  Australien.  Geschichte  der  Ent- 
deckungsreisen und  der  Kolonisation.  Leipzig 
1870. 

Eine  Compilation  ron  Berichten  von  verschiedenem  Werth, 
doch  nicht  ohne  Sorgfalt  und  mit  Liehe  gearbeitet. 

Fischer.  Die  Erforschung  des  australischen  Kon- 
tinents. Programm  des  Gymnasiums  zu  Tilsit. 
Tilsit  1868. 

Kl  ist  die  Fortsetzung  eine«  früheren  Programms,  allein 


,ohne  gründliche«  Quellenstudium  entworfen  und  nicht  ohne 
erhebliche  Fehler. 

Landsborough.  Exploration  in  the  neighbour- 
hood  of  the  Norman  river  Settlement  in  the 
Golf  of  Carpentaria.  Proceedings  of  the  royal 
geograpliical  Society,  Theil  13,  S.  52  f. 

Queensland  and  her  Kanaka  labourern.  Nautical 
Magazine  1869,  S.  349  f.  und  407  f. 

Die  Artikel  enthalten  ausführliche  in  einer  Veraunmlung 
in  Sydney  vorgetragenc  Berichte  über  die  in  neuerer  Zeit 
in  der  australischen  Provinz  Queensland  Sitte  gewordene 
Einführung  Ton  Arbeitern  nu«  den  Inselgruppen  Melane- 
siens, die  im  Grunde  nicht  viel  besser  als  eine  Wiederein- 
führung der  Sklaverei  ist. 

Rattray.  Notes  on  the  physical  geography,  cli- 
mate  and  capabilities  of  Somerset  aud  the  Cape 
York  peninrala,  Australia.  Journal  of  the  royal 
geographica!  Society,  Theil  38,  S.  370  f. 

Schmarda.  Skizzen  aus  Australien;  in  Wester- 
mann’s  Monatsheften  1869,  Septemberheft. 


Oceanien. 

(Von  Prof.  Meinicke  in  Dresden.) 


Bochtinger.  Ein  Jahr  auf  den  Sandwichinseln. 
(Hawaiische  Inseln).  Wien  1869. 

Das  Werk  enthalt  einen  Bericht  über  den  Aufenthalt 
des  Verfasser«  in  den  Hawaii-Inseln,  der  hauptsächlich  von 
den  Bewohnern  dieser  Inselgruppe  handelt,  ohne  dabei  viel 
und  erheblich  Neues  zu  bringen. 

Easter  Island.  South  pacific  ocean.  Mercantile 
Magazine  1869,  S.  44. 

Ein  kurzer  allem  «ehr  Interessanter  Bericht  über  den 
Be»ueh , den  das  englische  Kriegsschiff  Topaxe  1868  auf 
der  Osterinsel  (Rapanui)  machte;  namentlich  sind  die  Mit- 
theilungen Uber  die  bekannten  Altcrthümer  auf  dieser  Insel 
von  Werth. 

Garnier.  La  nouvelle  Calodonie  depuis  sa  de- 
couvorte  jusqu’ä  sa  priso  de  posaeHsion  par  1a 
France.  Revue  contemporaine  1869,  Juliheft. 

Gaudi  n.  Do  la  ponsibilitö  d'une  vaste  colonisa- 
tion  dans  l’Oceanie.  Paris  1869. 

Gorland.  Die  Bevölkerung  der  australischen  In- 
sel weit  Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  1868, 
S.  257  f. 

Oer  Aufsatz  handelt  von  der  Einthellung  der  Bewohner 
der  Inseln  des  stillen  Oceans. 

do  la  Hantiere.  Souvenirs  de  la  nouvelle  Cale- 
donie.  Voyage  sur  la  cöte  orientale.  Un  coup 

Archiv  fttr  ioUiropolofiir.  M.  IV,  Heft  II. 


de  main  chez  les  Kanacks.  Piloupilou  & Na* 
nionmi.  Paris  1868. 

Die  Koloniairung  der  Vitiinseln  and  Dr.  E.  Gr&f- 
fe’s  Reise  im  Innern  von  Vitilevn;  in  Petermann’s 
Mittheilungen  1868,  Februarheft. 

Man  vergleiche  dazu:  Die  Fidschiinseln  und  die  poiynesi- 
sehe  Compagnie ; in  der  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft 
für  Erdkunde  1869,  zweite*  Heft. 

Lord  Lyttelton.  Two  lectures  on  a visit  to  the 
Canterbury  colouy  in  1867 — 1868.  London  1869. 

Meinicke.  Die  Niederlassungen  der  Europäer  auf 
den  Inseln  des  stillen  Oceans.  Globus  1869, 
8.  85  f.,  107  f. 

Betrachtungen  über  die  Entdeckung  dieser  Inseln  durch 
die  Europäer  und  ihre  Verbreitung  Über  sie,  wie  die  dar- 
aus hrnrorgrgangenen  Niederlassungen  namentlich  der  eng- 
lischen und  der  französischen  Regierung. 

Meinicko.  Die  Neukaledonier.  Globus  1869, 
S.  161  f.  und  193  f. 

Bemerkungen  zur  Ethnographie  von  N eukal edonien , die 
sich  an  die  von  Garnier  in  der  Zeitschrift  Tour  du  monde 
mitgethviltcn  Berichte  anlehuen. 

A raonth  in  Fiji,  being  a series  of  letters  by  a 
recent  viaitor.  Melbourne  1868. 

Sie  sind  ursprünglich  io  einer  Neuseeländischen  Zeitung 
erschienen. 

24 


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186  Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Montrond.  Lee  missions  en  Oceanie  au  XIX* 
Siede.  Rouen  1869. 

Newzealand  and  its  goldfields.  Black  wood*$  Ma- 
gazine 1869,  Märzheft. 

Notos  oii  the  voyage  from  Southampton  via  Pa- 
nama to  Newzealand.  Nantical  Magazine  1869, 
Februarheft.  Man  vergleiche:  das  Ausland  1869, 
Nr.  14. 

Der  Aufsatz  enthält  nicht  uninteressante  Mittheilungen 
über  die  im  südlichen  Theil  de»  Üeeans  liegende,  wenig 
bekannte  Insel  Rap*  und  ihre  Bewohner. 

Noticos  sur  la  trän sportation  ä la  Guyana  fran- 
gaise  et  ä la  nouvtdle  Caledonie.  Paris  1869. 
Man  vergleiche  dazu  den  Aufsatz:  la  trannpor- 
tation  et  la  colonisation  penitentiaire  ä la  nou- 
velle  Caledonie  in  den  Annalen  de  voyagee  1869, 
Theil  3.  S.  5 f. 

E*  sind  amtliche  Mittbeilungen  über  die  seit  vier  Jahren 
eingeführte  Deportation  von  Verbrechen»  und  Anlegung  von 
Verbrechercolon ien  in  Neukalcdonien.  Die  Resultate  schei- 
nen allerdings  befriedigend  zn  sein;  indessen  ist  e*  Joch 
sehr  zweifelhaft,  ob  der  Versuch  besser  gelingen  wird  als 
in  Australien. 

Staley.  On  the  geography  and  recent  volcanic 
eruption  of  the  Sandwich  Islands.  Journal  of 
the  royal  geographical  Society,  Th.  38,  S.  361  f. 

Strehtz.  Aus  dem  Tagebuch  eines  Goldgräbers 
in  Neuseeland  in  den  Jahren  1863  — 1867. 
Ausland  1869,  Nr.  31  und  36. 

A visit  to  Hawaii.  Nautical  Magazine  1869, 
S.  141  f.  Daran  schliesst  sich:  a ride  over  the 
lavafields  from  Kawaihae  to  Kona  in  the  island 
of  Owhyhce:  ebendaselbst  S.  243  f. 

Wait*.  Anthropologie  der  Naturvölker  mit  Be- 
nutzung der  Vorarbeiten  des  Verfassers,  fortge- 
setzt von  Dr.  Gerland.  Fünfter  Band:  die  Völker 
der  Südsee.  Zweite  Abtheilung:  die  Mikronesier 
und  nordwestlichen  Polynesier.  Leipzig  1870. 

Die»  Werk  Ut  oltae  Zweifel  da«  bedeutendste,  welches 
seit  langer  Zeit  Uber  die  Ethnograplüe  der  Völker  de*  stil- 
len Ocean*  erschienen  ist.  Wuitz  hat  «ein  berühmtes 
Werk  unvollendet  gelassen  und  ist  nach  der  Herausgabe 
der  ersten  Abtheilung  des  fünften  Bandes  gestorben;  die 
Fortsetzung  and  Vollendung  desselben  hat  sein  Schüler, 
Dr.  Gerland  in  Magdeburg,  übernommen  und  hier 


eine  Arbeit  geliefert,  die  ganz  im  Geist  und  Sinn  seines 
Lehrers  und  mit  derselben  Gründlichkeit  und  Sorgfalt  ab- 
getanst ist , welche  die  früheren  Tlieile  dieses  bekannten 
Buches  auszeichne«.  Der  grösste  Theil  de»  vorliegenden 
Heftes  enthält  eine  Schilderung  der  Mikronesier , die  erste, 
welche  jemals  von  den  Bewohnern  der  im  nordwestlichen 
Thelle  de*  stillen  Ocean*  liegenden  Inseln  entworfen  ist; 
die  Polynesier  und  Melanesier  sollen  dem  nächst  folgen. 
Allerdings  wird  da*  mannigfache  Wiederholungen  mit  »ich 
fuhren,  da  die  Völker  des  üceans  alle  eine  nicht  geringe 
Menge  von  geistigen  und  körperlichen  Eigenthümlichkeiten, 
Sitten  und  Gebräuchen  gemein  haben , di«  es  vielleicht  ge- 
rechtfertigt hätten  erscheinen  lassen , wenn  der  Verfasser 
er*t  eine  allgemeine  l'ebersicbt  über  alle  Qreanirr  gegeben, 
dann  bei  den  einzelnen  Völkern  die  Abweichungen  und  Be- 
sonderheiten hervorgehoben  hätte.  Indessen  kann  man 
mit  dem,  was  hier  über  die  Mikronesier  geliefert  ist,  wohl 
zufrieden  -ein ; o*  fehlt  auch  nicht  au  einzelnen  feinen  Be- 
merkungen , wie  z.  B.  die  (S.  1 50)  über  die  beiden  Arten 
der  Bestattung,  die  der  Verfasser  ganz  richtig  mit  de« 
Veränderungen  in  Verbindung  setzt,  welche  sich  in  den 
religiösen  Anschauungen  dieser  Völker  «tn  Laute  der  Zeiten 
zugetragen  haben,  eine  Verbindung,  die  «Ich  bei  der  Erwä- 
gung der  ]M>]yne»i*chen  Verhältnisse  noch  bestimmter  erge- 
ben wird.  Der  Rest  des  Heftes  enthalt  den  Anfang  der 
Polynesier.  Zunächst  handelt  der  Verfasser  von  den  Be- 
wohnern der  weit  zerstreuten  Inseln,  die  sich  zwischen  den 
Snlotnonsinseln  und  den  Markesa»  ausdehnen,  und  in  denen 
er  bei  der  Einwanderung  versprengte  und  in  der  Entwick- 
lung »tehen  gebliebene  Stämme  der  Polynesier  zu  finden 
glaubt.  Der  Beweis  dafür  scheint  jedoch  nicht  gelungen; 
namentlich  »st  das,  was  über  die  Abstammung  der  Bewoh- 
ner der  Tokelau-  und  Ellkemselu  angeführt  »st  (S.  177), 
nicht  beweisend,  der  Verfiuwr  hat  die  ganz  bestimmten 
Angabe«  der  Missionare  nicht  gehörig  beachtet  und  vor 
allem  die  merkwürdige  Nachricht  Griff«’*,  da**  man  auf 
Nui  (und  daher  sicher  auch  auf  Kanone«  und  Nanomanga) 
die  Sprache  der  Gilbertinseln  spricht,  übersehen.  Was  end- 
lich die  westlichsten  dieser  Inseln  (Rotaraa,  Tnkopis  u.  s.  w.) 
betrifft,  so  wird  es  doch  wohl  die  Verbindung  mit  den 
Melanesiern  sein,  welche  die  Rirenthiimlii  hkeiten  ihrer  Be- 
wohner erklärt.  I)en  Schluss  de*  Heftes  bilden  Betrach- 
tungen über  die  Einwanderung  der  Polynesier  und  die  dar- 
auf bezüglichen  Sagen  und  Traditionen,  die  sich  unter  ihnen 
erhalten  haben.  Man  muss  dem  Verfasser  in  dem  bei- 
»thmnrn,  was  er  gegen  die  bekannten  Ansichten  Schir- 
ren’* sagt,  wie  auch  darin,  dass  er  die  Versuche  Haie», 
aus  diesen  Sagen  eine  Geschichte  zu  machen,  zurückweiset; 
allein  er  hat  doch  den  sagenhaften  Charakter  dieser  inter- 
essanten Doc umente  nicht  hinreichend  hervorgehoben.  Auf- 
fallend ist , da*»  der  neuesten  Untersuchung  über  diesen 
Gegenstand,  des  Werkes  de»  französischen  Naturforscher» 
Quatrofage:  les  Polynesien»  et  leura  migration».  sowenig 
die  Sache  dadurch  auch  gefördert  ist . keine  Erwähnung 
geschieht.  Wn*  endlich  tun  Ende  (S.  22  lj  über  die  Ab- 
stammung der  Bewohner  der  westlichen  Paumotu  gesagt 
Ut,  dürfte  nicht  richtig  sein. 


Afrika. 

(Von  Professor  R.  Hartmann  in  Berlin.) 


About,  E.  Le  Fellah.  Souvenirs  d'Egypte.  Pa- 
ris 1868,  gr.  8°. 

Allain,  E.  Saint  Paul  de  Loanda  et  le  pays  d’An- 
gola.  Bullet,  de  la  Societe  de  Geographie,  5“* 
Serie,  1869,  pag.  162. 


Androo,  R.  Abessinien.  Das  Alpenland  unter  den 
Tropen.  Leipzig  1868,  8°. 

Gut  geschriebenes  Sammelwerke hen  Im  Sinne  der  bekann- 
ten Otto  Spam  er’ sehen  Collection  von  Reifebeschreibun- 
gen. Einige  der  nach  Originalzeichnuogen  von  K.  Kretscb- 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


mer  nu».;oriibrten  Holzschnitte  sind  für  «ie«i  Ethnogra- 
phen ganz  brauchbar. 

Aubert  Koche , L.  Kapport  nur  Petat  sanitaire 
et  medical  deg  travailJeurs  et  des  etablissements 
du  caual  de  l’isthmo  de  Suez  du  1er  juin  1868 
au  1er  juiu  1869.  (Journal  l’lsthme  de  Suez« 
15~®  Juli  1869,  pag.  237.) 

Wichtige  medizinisch  - statistische  Nachweise,  au«  denen 
auch  die  Anthropologie  Nutzen  ziehen  kann.  Verfasser 
behauptet,  da»«  der  Kanalbau  von  Suez  das  China  kühler, 
aber  feuchter  mache,  eine  Bemerkung,  welche  übrigen« 
mehrereraeita  auch  für  Mittelägypten  bei  den  zwischen 
1862  bi#  1867  gesteigerten  Bewässcrungsarbciteu  (vermehr- 
ter Baumwollen-  und  Heisbau!)  gemacht  worden  sein  soll. 

A Tauchers.  Pere  Leon  des.  Extrait  dune  lettre 
ä M.  Antoine  d’Abbadie.  Royaurne  de  Guera, 
20ao  Avril  1866.  (Bulletin  de  Ja  Societe  de  Geo- 
graphie de  Paris,  5me  Serie,  Tome  XVII,  1869, 
pag.  39. 

Bemerkungen  über  die  leider  noch  so  wenig  gekannten 
Bewohner  von  Kafa  und  Nachbarländern. 

Aymöfl.  Rri*ume  du  voyage  d'exploration  de  PO- 
göoue.  Bulletin  de  la  Societö  de  Geographie  de 
Paris,  5ra*  Serie,  Tome  XVII,  1869,  pag.  417. 

Geographisch  «ehr  wichtig,  für  unsere  Zwecke  dagegen 
sehr  dürftig. 

Beltramo,  Giov.  Grammatica  della  lingua  Denka. 
Bolletino  do  la  Societa  Geografica  ituliana,  Fase. 
II,  III,  1869. 

Gewährt  im  Verein  mit  deu  entsprechenden  Arbeiten 
Kaufmann'»  und  M i 1 1 c r r u t z n e r fs  ein  brauchbare« 
sprachwissenschaftliche«  Material,  l'ebrigen#  ist  für  die 
Darstellungen  beider  Forscher  die  Nichtanwendung  mehr 
übereinstimmender , den  Gebildeten  aller  Nationen  zugäng- 
licherer Schriftzeichen,  etwa  nach  den  Systemen  von  L«p- 
• ius,  Barth,  Bleek,  FtohlPs  und  Auderen,  nur  zu 
bedauern. 

Benedetti.  Lei  iles  Espagnoles  du  golfe  de  Gui- 
nee, Fernando  Po,  Corisoo,  Annabon.  Bulletin 
de  la  Societe  de  Geograph.,  6“#  Serie,  Tome  XVII, 
1869,  pag.  66. 

Borgia,  E.  Sopra  an  viaggio  acientifico  di  Ca- 
millo Borgia  nella  reggenza  di  Tunisi.  Bolletino 
della  Societä  Geograöca  italiana,  Fase.  III,  1869, 
pag.  457. 

Bowker,  Bleek  undBoddoe.  The  cave-cannibals 
of  South  - Africa.  (Anthropo)ogical  Review,  Xr. 
XXV,  1869.) 

Gewisse  Busutofamilien  betreiben  noch  jeut  den  bereits 
von  Arbouset  und  Dauma*  geschilderten  Kannibalismus. 

Chabaesioro.  Le  Kef  akhdar  et  «es  ruines.  Revue 
Africaine,  Xr.  74. 

Decken,  C.  C.  von  der.  Reisen  in  Ogtafrika  in 
den  Jahren  1859  bis  1865.  I.  Band,  Reisen  von 
1859  bis  1861,  bearbeitet  von  0.  'Kenten,  klein 
4°.,  360  S.  mit  13  Tafeln,  25  Holzschnitten  und 
3 Karten.  Leipzig  1869.  III.  Band.  Wissen- 
schaftliche Ergebnisse.  Erste  Abtheilung:  Säuge- 
thiere,  Vögel,  Amphibien,  Crustaceen,  Mollusken 


und  Echinodormen.  Bearbeitet  von  W.  C.  H. 
Peters,  J.  Cabanis,  F.  Hilgendorf,  Ed.  v.  Murtens 
und  C.  Semper.  Mit  35  lithographirten  Tafeln, 
zumeist  in  Buntdruck.  Lex.  8M. 

Im  ersten  Baude  der  Kciscbesrhreibung  einige#  Material 
für  die  Kenntnis#  der  von  dem  kühnen  Hebenden  berühr- 
ten Völker.  Im  dritten  Bande  reiches  zoologische# , von 
hervorragenden  Fachleuten  bearbeitete#  Material. 

Devereux,  W.  C.  A cruise  in  tha  „Gorgon“;  or 
eightaen  months  on  H.  M.  S.  „Gorgon“,  engagod 
in  the  suppruarion  of  the  slave  trade  on  tha  East 
coaat  of  Africa;  including  a trip  up  tho  Zambcwi 
with  Dr.  Livingstone.  London  1869,  8°. 

Duomichen,  Job.  Resultate  der  auf  Befehl  Sr. 
Majestät  des  Königs  Wilhelm  I.  von  Preussen 
im  Sommer  1868  nach  Aegypten  ent '•endeten 
archäologisch  - photographischen  Expedition.  I. 
Theil.  Fol.,  30  S.  und  57  lithographirte  Tafeln. 
Berlin  1869. 

Der  von  B.  Graser  bearbeitete  Theil  dieses  neuen 
reichhaltigen  Werke#  des  unermüdlichen  Acgvptologen  über 
die  Entwicklung  der  altägy pti.chen  Marine  ist  von  % 
hoher  culturgeschichtlkher  Bedeutung.  Der  von  K.  Hart- 
mann  bearbeitete  Tbeil  über  die  auf  den  das  Werk  be- 
gleitenden Tafeln  (nach  Denkmälern)  dargrat eilten  Säuge- 
thierv  und  V&gvi  macht  besonder#  auf  die  Dornest kirungs- 
versuche  wilder  Thiere  (z.  B.  des  Cani«  pictus  Dram.) 
durch  di«  Alten  aufmerksam. 

Devoulx,  A.  Lea  £dißces  religieusc*  de  Pancicu 
Alger.  Revue  africaine,  Nr.  73. 

Flad,  J.  M.  Zwölf  Jahre  in  Abessinien  oder  Ge- 
schichte des  Königs  Thendoros  II.  und  der  Mis- 
sion unter  seiner  Regierung.  Basel  1869,  8°. 

Einseitiger  Standpunkt , wie  er  von  einem  so  arg  miss- 
handelte« und  überdies  mit  der  Ethnologie  wenig  vertrau- 
ten Manue,  wie  Flad,  kaum  ander#  erwartet  werden  darf. 
Der  nmhärlsche,  den  ungeheuren  Schwierigkeiten  seiner 
Aufgabe  erlegene  Held  soll  erst  noch  «einen  unparthelischen, 
von  Lobhudelei  wie  von  Gehässigkeit  gleichmäßig  freiblei- 
benden Geschichtsschreiber  finden. 

Find.  J.  M.  Tho  Falashas  of  Abyssinia.  With  a 
Preface  by  Dr.  Krapf.  Translated  by  S.  P.  Good- 
hart.  London  1869,  12°.  92  S. 

Flad,  J.  M.  Kurze  Schilderung  der  bisher  fast 
unbekannten  Abesainischen  Juden  (Falaacha). 
Basel  1869,  8°.  95  S. 

Es  erscheint  vom  ethnologischen  Standpunkte  aus  »ehr 
bedenklich,  da#  schon  früher  von  d'Abbadie  und  vom 
Referenten  als  ein  Aguuvolk  erkannte  Volk  der  Falaschas, 
deshalb,  weil  e#  einige  an  die  der  Juden  erinnernde  Ge- 
brauch« beibehalteu , als  ächte  ubyssini  sch«  Israeli- 
ten, womöglich  als  eingewandcrlc  Söhne  der  jüdischen 
Stämme,  zu  bezeichnen. 

Gormain,  A.  Note  gnr  Zanzibar  et  la  cötc  orien- 
tale de  PAfrique.  Bulletin  de  la  Societe  de  Geo- 
graphie, 5m®  Serie,  Tome  XVI,  1868,  pag.  530. 

Hohn,  Job.  Die  Ovahererö.  Zweite  Aktheilung. 
Zeitachrift  der  Gesell  ge  hilft  für  Erdkunde  zu  Bur- 
lin.  4.  Band,  3.  Heft,  S.  226. 

So  verdienstlich  de#  jungen  Hahn  Arbeiten  über  di« 
Damnra  im  Allgemeinen  auch  »rin  mögen,  so  bleibt  denn 

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188 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Hoch  wiii«1  Idee,  die  Hottentotten  von  einer  altigyptUchen 
Kolonie  ableiteu  zu  wollen,  mit  das  Stärkste,  wa»  neuer* 
ding*  in  ethnologischer  Speculation  geleistet  worden,  und 
da*  will  doch  sicherlich  viel  sagen. 

Hahn,  Jos.  Die  angebliche  Verwandtschaft  zwi- 
schen Chinesen  und  Hottentotten.  Globus,  Bd. 
XV,  1869,  S.  281. 

Eine  Ableitung  der  Hottentotten  Ton  den  Chinesen,  oder 
umgekehrt,  wie  solche  von  mancherlei  Seite  her  versucht 
worden,  erscheint  uns  mindesten»  ebenso  abgeschmackt, 
al*  die  oben  berührte. 

Hahn,  Th.  Ein  Rocenkarapf  im  nordwestlichen 
Theile  der  Cap-Region.  Globus,  Ild.  XIV,  1868, 
S.  203,  245,  279;  Bd.  XV,  1869,  S.  13,  50. 

Interessante,  auf  eigener  Anschauung  beruhende  Dar* 
»tellungeii. 

Halevy,  J.  Excursiou  chez  les  Falasha,  en  Abye- 
sinio.  Bullet,  de  la  Societ«  de  Geograph,  de  Pa- 
ris, 6m*  Serie,  1869,  pag.  270. 

Ohne  Bedeutung. 

Hartmann,  R.  Die  Stellung  der  Funje  in  der 
afrikanischen  Ethnologie,  vom  geschichtlichen 
Standpunkte  aus  betrachtet.  Zeitschrift  für  Eth- 
nologie. I.  Jahrgang,  1869,  S.  280,  2 Tafeln. 

Priem rt  die  von  deu  Funje  unter  den  Stammen  Inner- 
afrika» behauptete  Stellung  nach  eigenen  Untersuchungen 
hauptsächlich  gegen  G.  Lcjoan.  (Oft.  Bullet,  de  la  Soc. 
de  Geograph,  de  Pari»,  1805,  pag.  238.) 

Haurigot,  S.  Quiuze  mois  en  Senegambie.  An- 
nales  des  voyages,  1869,  Tome  I,  pag.  5. 

Hendecourt,  L.  d'.  L’Expedition  d’Abyssinie  en 
1868.  Revue  des  deux  Mondes,  Avril  1869, 
pag.  529. 

Geschichtlichen,  gut  geschriebenen  Inhalte». 

Horve,  E.  L ile  de  la  Rüunion  et  la  question  co- 
loniale. Revue  des  deux  Mondes,  1869,  FtSvrier. 

Heu  gl  in,  Th.  v.  Reise  in  das  Gebiet  des  Weissen 
Nil  und  seiner  westlichen  Zuflüsse  in  den  Jahren 
1862  bis  1864.  Nebst  Abbildungen  in  Holzschnitt 
und  einer  Karte.  Mit  einem  Vorworte  Ton  A. 
Petermaun.  Leipzig  und  Heidelberg,  1869,  IX. 

Einige  Bemerkungen  über  Denk«,  Xjam-Xjutn  und  an- 
dere Stimme  de»  Gebietes.  HoleschnittdarütcUungen  von 
Wallen  und  Geräthen  der  Xjam-Njarn. 

Hoploy,  H.  Under  Egvptian  Palms;  or  Tbrec 
Bachelor’s  Journeying  on  the  Nile.  London  1869, 
320  S. 

In  anspruchslosem  Tone  gehaltene»,  angenehm  geschrie- 
bene« Tuui  Ment uch  de*  übrigens  gewohnten  Genres. 

Huot,  P.  Hot  lot  der  zwarten  in  Transvaal.  Mo- 
dedceligen  omtremt  de  slavery  ou  wreedheden  in 
de  Zuid- Afrikaansche  republiek.  Utrecht  1869, 
4en,  135  bl.,  8«. 

Jaokol,  C.  A.  Ouze  bczittingun  op  de  Kust  van 
Guinea.  Met  een  schetnkaartje  volgens  het  trak- 
taat  van  5 Maart  1867.  Amsterdam  1869, 
gr.  8°, 


Los  ilos  Fortunees  ou  archipel  des  Canaries, 

2 Vol.  Bruxelles  1869,  8°. 

Laccrda,  J.  Exarne  das  viages  do  Doutor  Living- 
■tone.  Lisboa  1868,  457  S. 

Das»  in  dem  VaUrinnde  eine»  Mugelhae»,  Vasco  da 
Gim»  und  Aifonso  d’Albuquerque  eine  gewisse 
Eifersucht  auf  einen  so  erfolgreichen  Heisenden,  wie  Li- 
vingstone,  herrscht,  Ut  menschlich  erklärlich,  obwohl 
auch  unserm  unpartheiischen  Urt  heile  nach  gewiss« , von 
dem  berühmten  Pfadfinder  den  Portugiesen  gegenüber  be- 
gangene ludiscretionen  nicht  ganz  lobenswert!)  erscheinen. 

Lambert,  P.  Notice  sur  la  ville  de  Maroc.  Lis- 
boa 1868,  ö“*  Serie,  Tome  XVI,  pag.  430. 

Lotourneau.  Peuplades  athees  dans  le  voisinage 
des  sources  du  Nil.  Bullet,  de  la  Societä  d’An- 
thropolog.,  Tome  III,  1868,  pag.  122. 

Der  Verfasser  rocapitulirt  Baker'»  bekannte»  religio*«* 
Zwiegespräch  mit  dem  Latuka  - Häuptling  Commoro.  So 
hoch  wir  auch  Sir  S.  W.  Baker  schätzen,  so  möchten 
wir  in  Bezug  auf  erwähnte*  Gespräch  denn  doch  der 
schlichten  Logik  de#  „Löwen  der  Bari*4  den  Preis  zuerken- 
nenl  Letourneau  hatte  (Bullet,  de  la  Soui»t6  d'Anthrop. 
de  Paris , 1 869)  übrigen*  nicht  nöthig  gehabt , au»  dieser 
etwa»  gar  zu  hochkirchlith  gehaltenen  Mittheilung  de« 
tapferen  Schotten  die  Existenz  von  „Atheisten“  in  jenen 
Gegenden  darthun  zu  wollen.  Im  Gegentheil  ist  gerade 
hier  bei  Schiltuk , Denka , Bari  und  Gala  eine  auflallende 
Neigung  zuui  Deismus  bemerkbar. 

Mage,  E.  Voyage  dann  le  Soudan  Occidental  1863 
— 1866.  Poris  1869,  Tome  X,  693  S.  Vergl. 
auch  Le  Tour  du  Monde,  1868,  Tome  I,  S.  1 — 
112. 

In  ethnologischer  Beziehung  höchst  reichhaltig.  Den 
Werth  der  vortrefflich  ausgeführten  Illustrationen  wird 
namentlich  der  mit  afrikanischen  Verhältnissen  Vertraute 
zu  würdigen  wissen.  Da»  ganze  Werk  ist  eine  wahre 
Zierde  der  französischen  Publizistik. 

Maltzahn,  H.  v.  Sittenbilder  aus  Tunis  und  Al- 
gerien. Leipzig  1869,  8°. 

Maltzahn,  H.  v.  Schilderungen  aus  Tunesien. 
Globus,  Bd.  XVI,  1869,  S.  8,  28. 

Gewandte,  anregende  Bearbeitung  eines  interessanten 
Stoffe*  durch  den  energischen,  Heutigen  und  vielseitig  ge- 
bildeten Keisenden,  der  nunmehr  luanuiglich  wohl  bekannt 
geworden. 

Mann.  Statistical  Notes  regarding  tho  Colony  of 
Natal.  Journal  of  the  Statistical  Society,  Vol. 
XXXII,  1869,  pag.  1. 

Markham,  CI.  R.  A history  of  the  Abyssinian 
Expedition,  witb  a chapter  containing  an  Account 
of  the  Mission  and  Captivity  of  Mr.  Kassam  and 
his  Companions.  By  Lieut.  W.  F.  Prideaux. 
London  1869,  445  S. 

Mauch,  K.  Dritte  Roiso  im  Innern  von  Afrika, 
8.  Mai  his  18.  October  1868.  Peter  mann»  Mit- 
t bedungen,  1869,  S.  154,  188. 

Munsinger,  W.  Journey  across  the  Great  Salt 
Lake  Desert  from  Hanfila  to  tho  Foot  of  the 
Abyssinian  Alps.  Proceediogs  Royal  Geogra- 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


phical  Society,  Volume  XIII.  1869,  paff.  219. 
Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Enlkuude  zu  Ber- 
lin, 1869,  S.  *157. 

Nachtigal.  Reise  von  Tripoli  nach  Murzuk  in 
Fesan.  Globns,  Bd*  XVI,  1869,  Nr.  6,  S.  90 — 
93;  Nr.  7,  S.  109—110. 

Briefe  Uber  KcUezurüstung,  Bodcnboaciuiflenbcit  u.  «.  w., 
ohne  ethnologischen  Inhalt. 

Naphegyi,  G.  Among  the  Arabs : a Narrative  of 
Ad  venture»  in  Algeritt.  Philadelphia  1868. 

Narodove.  Jizni  Afriky.  Die  Völker  Südafrikas. 
Nach  den  neuesten  Qu  eilen  bearbeitet  von  S.  B. 
H.  Matice  lidn.  8.  Jahrgang,  Nr.  2,  205  S. 
Prag  1869. 

Osio,  E.  La  spedizione  inglesc  in  Abyasinia.  Pa- 
gino  del  gioruale  di  viaggio.  Firenze  1869, 
58  S.,  8*. 

Paris,  E.  Q.  Vingt-deux  rnois  de  colonne  dans 
Je  Sahara  algerien  et  en  Kabylie.  Paris  1869, 
94  S.,  8®. 

Perry,  A.  Cartbage  and  Tunis;  Part  and  Present. 
Providence  1869,  560  S.,  8°. 

Petherick,  Mr.  and  Mrs.  Travels  in  Central- 
Africa  and  Explorations  of  the  Western  Nile  Tri- 
butaries. 2 Volume.  London  1869,  600  S.,  8°. 

Sonderbare  Ansichten  über  die  Bevölkerung  Imurafrika*. 
Graurige  Abenteuer,  nicht  zu  glauben,  ohne  zu 
lesen! 

Pollen,  Pr.  P.  L.  et  D.  C.  van  Dam.  Recher- 
ches  sur  la  Faune  de  Madagascar  et  de  ses  de- 
pcndancos.  I.  Partie.  Relation  de  voyage  par 
Fr.  P.  L.  Pollen.  Leyden,  Steenhoff,  1869. 

Pob,  N.  Eene  Stern  uit  Zuid-Africa.  Mededee- 
lingeu  betreffende  den  maatschappeligen  en  gods- 
dienstigen  toestand  der  Kaap  - Kolonie.  Breda 
1868,  8«. 

Prideaux,  W.  P.  A journey  tbrough  the  Sou- 
dan  and  Western  Abyasinia,  with  reminiscences 
of  captivity.  lllustrated.  Travels  ed.  by  Bates. 
Part  IV,  V,  VI. 

Basaam,  Hormudzd.  Narrative  of  the  British 
Mission  to  Theodore,  King  of  Abyasinia;  with 
notices  of  the  couutriee  traversed  from  Massauah, 
througl»  the  Soodän,  tho  AuihAra  and  back  to 
Atiuesley  Bay,  from  Magdala,  2 Voh,  8°.  706  Sn 
Illustrat.  London  1869. 

Es  ist  auffällig,  wie  aimerordentlich  wenig  ethnologi- 
scher Gewinn  »ich  au»  den  vielen  bi»  jetzt  übrr  droabys- 
wnischen  Feldzug  geschriebenen  Büchern  ziehen  Die 

unblutigen  Zusammenflüsse  der  Inva«on*truppeu  mit  den 
Kingeboruen,  MArachbeschwerden . uninteressante  Sporting- 
Abenteuer,  langweilige,  schon  hundertmal  dargeatelite  Ver* 
hamllungen , einige  wenige  geographische  Aufnahmen,  da» 
scheint  Alle»,  wo»  in  nlle  den  von  Diesem  und  Jenem  nie- 
dergc»chriebeoen  Memoiren  steckt.  Von  irgend  einer  ge- 
diegenen ernst  - wissenschaftlichen  Abhandlung  ist  derma- 


189 

len  noch  keine  Hede  gewesen.  Ras»  am 's  Buch  befriedigt 
nach  dieser  Richtung  ebensowenig,  als  die  anderen  schon 
früher  aufgezählten. 

Boado,  W.  W.  La  cöte  d’or.  Bullt- 1.  de  la  So- 
ciett*  de  Geographie,  5m*  Sdrie,  1869,  pag.  383. 

Rohlfs,  G.  Titulaturen  und  Würden  in  einigen 
Centralnegerländern.  Zeitschrift  der  Gesellschaft 
für  Erdkunde  zu  Berlin,  Jahrgang  1869,  S.  228. 
Wichtig*  Arbeit. 

BohlPs,  G.  Die  christlichen  Wunderbauteu  zu 
Lalibala  in  Abyssinien.  Globus,  Bd.  XIV,  1868, 
8.  364. 

Du»  Kinxigc  ron  Geh.lt  la  der  neoeeteu  PuhlicUtik  über 
Abessinien. 

Stahl,  Arth.  Im  Lande  der  Pharaonen.  Reise- 
bilder aus  Aegypten.  Wien  1869,  8®. 

l>ie  pseudonyme  Verfasserin  zeigt  »ich  vielfach  nl»  ge- 
schickte Beobachtend  und  was*  wir  von  ihr  über  Harem- 
lebcn  u.  dergl.  gelesen  haben,  war  keineswegs  übel, 
t 

Schneider,  O.  Der  climatische  Kurort  Algier. 
Dresden  1869,  8®. 

Zieht  auch  die  Abstammung , Sitten  und  Gebrauche  der 
Einwohner  in  Betracht. 

Schwab,  M.  Memoire  sur  l’ethnographie  de  la 
Tunesie.  Paris  1868,  8°. 

Schweinfurth,  G.  Briefe.  Chartum  10.  Decem- 
ber  1808  und  Faschoda  2.  Februar  1869.  Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  1869, 
8.  311. 

Reich  an  ethnologischen  Bemerkungen  über  Bagara, 
Schiliuk  u.  s.  w. 

Seckendorf,  v.  Meine  Erlebnisse  mit  dem  eng- 
lischen Expeditionscorps  in  Abyssinien  1867  bis 

1868.  Potsdam  1869,  gr.  8®. 

Stumm,  F.  Meine  Erlebnisse  bei  der  englischen 
Expedition  in  Abyssinien,  Januar  bis  Juni  1868. 
Frankfurt  a.  M.  1868,  gr.  8®, 

Stern,  H.  A.  The  Captive  Missionary;  bring  an 
Account  of  tho  C-ountry  and  People  of  Abyasinia. 
London  1869,  410  S.,  8°. 

Taurin.  Lettre  k M.  Ant.  d’Abbadie.  Bullet,  de 
la  Societe  de  Geographie  de  Paris,  Tome  XVII, 

1869,  S.  311  — 316. 

Notizen  über  die  Bevölkerung  de*  Tchauia  und  von 
Schon. 

Vignerol,  Ch.  do.  Ruines  romaint«  de  l’Algerie. 
(Subdivision  de  Höne.)  Paris  1868,  gr.  8®.  av. 
10  pl. 

Vignerol,  Ch.  de.  La  Kabylie  du  Djurdjura. 
Paris  1869,  8®.  av.  7 pl. 

Ville.  Voyage  d’exploration  dans  les  bussin s du 
Hodna  et  du  Sahara.  Paris  1869,  8®. 
Waldmeyer,  Th.  Erlebnisse  in  Abyssinien  in  den 
Jahren  1858  bis  18G8,  2.  Aufl.  Basel  1869,  8®. 


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190 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Waldmeyor,  Th.  WürtcrsAramluDg  aus  der  Agau- 
Spraclte,  8*.  Basel  1868. 

Wangomann.  Eiu  Reise-Jahr  in  Südafrika.  Ber- 
lin 1868,  gr.  8#. 


Wangomann.  Wichtigkeit  Ostafrikaa  für  verglei* 
chendo  Sprachforschung  und  Ethnographie.  Aus- 
land, 1869,  Nr.  40. 


Amerika. 

(Von  F.  v.  Hellwald.) 


▲dvielle,  V.  Lea  Etata-Unis  de  Venezuela.  Paris 
1869.  8".  14  S. 

Alaska.  Die Telegraphen-Expedition  auf  dem  Ju- 
kon  in  (Petermann«  Geograph.  Mittheil.  1869, 
S.  861—365). 

Enthält  eine  kante  Notiz  Über  die  Bewohner  de#  Lande»; 
diese  gehören  zwei  Raten  uni  den  Eskimo-  und  den  In- 
dianern. E*.kiuHw,  schön,  athletisch,  intelligent,  gut  gebaut, 
bewohnen  die  Küsten,  gehören  zu  denselben  Stimmen  wie 
jene  in  Grönland,  an  der  Nord*  und  Ostküste  von  Amerika 
und  auf  den  Aleuteu.  Sprache  sehr  ähnlich,  oft  identisch. 
— Indianer  im  Innern  de#  Landes . unterscheiden  sieh 
durchaus  von  den  Eskimos,  habeft  keinen  Verkehr  mit 
ihnen  und  stehen  ihnen  in  vieler  Hinsicht  nach. 

Aldherre  Fed.  et  Mendiolea,  M.  Lob  Indios  de 
Yucatan.  (Bol.  de  la  Soc.  de  Geogr.  y eatad.  de 
la  republ.  Maxie.  1869,  T.  I,  S.  73 — 82.) 

Eigentlich  eine  Geschichte  der  Kampfe  zwischen  den  In- 
dianern und  Neimen  in  Yucatan.  Man  hat  hier  zwei 
Arten  Indianer  zu  unterscheiden;  die  Indios  barbaro*  und 
die  Indios  pocifieos;  von  enteren  erfahren  wir,  du-*  die 
Ausrottung  aller  Wcissm  auf  der  ganzen  Halbinsel  ihr  Ziel 
ist;  von  letzteren,  da*»  sie  zwar  friedlich  aber  in  tiefster 
Versumpfung  leben;  e*  findet  »ich  bei  ihnen  keine  Spur 
der  Kenntnis»  von  Irgend  einer  Regierung  oder  Gottheit. 

AmoenitatGB  uiuericanac.  (Globus  Bd.  XV,  S.  253 
—255,  287 — 288.) 

.Sitten  Schilderungen. 

Appun,  Carl  Ferd.  Zu  Kuss  nach  Brasilien, 
( Ausland  1869,  Nr.  20,  21,  22,  33,  34.) 

Enthält  Notizen  Uber  die  Indianer. 

Appun,  Ford.  Am  Rapuuuni.  (Ausland  1869, 
Nr.  46,  47,  48.) 

I.  Von  Yakutu  nach  dem  Berge  Vivi. 

Aube.  Note«  nur  rAineriqiie  du  Sud.  (Revue  ma- 
ritime et  coloniale.  Aoüt  1869,  S.  822  — 850, 
Septembre  1869,  S.  199 — 221.) 

Behandelt  sehr  eingehend  die  staatlichen  und  »ocialen 
Verhältnisse  von  Chile. 

Audouard,  O.  A travers  l'Amerique.  I,e  Fsr- 
West.  Paris  1869,  18».  376  S. 

Ausrottung  der  Indianer.  Ein  Blick  auf  da.  Volk 
der  Mandanen.  (GloW  Bd.  XVI,  S.  1—7,  17— 
22.) 

Inhalt : Die  Kriege  der  Nordainerikaner  mit  den  braunen 
Leuten.  — Die  Mandanen.  — Ihre  religiösen  Vorstellun- 
gen. — Die  .Sag«  von  einer  grossen  Fluth  und  die  auf 
letztere  bezüglichen  Feierlichkeiten.  — Der  grosse  Kahn 
und  der  Teuqx'lwigwam,  — Das  religiöse  Fest  O-Kitpa. — 
Die  grosse  Pfeife  und  der  oberste  Zauberer.  — Die  Waf- 
fen»'acht  und  die  Rückkehr  der  Gewisser  in  ihr  Bett.  — 
J>er  Tanz  zur  Herbeischadhng  der  Büffel.  — Die  Ver- 


jagung  de»  bösen  Geiste».  — Die  grosse  Marterprobe  der 
jungen  Krieger.  — Festmahl  der  Büffel.  — Ein  Weib  al* 
Häuptling.  — Eiu  Blick  auf  die  Geschichte  und  den  Un- 
tergang der  Mundatien. 

Bell,  A.  W.  Üu  the  native  raccs  of  New- Mexico. 
(Journal  of  the  ethuol.  Society  of  London  1869, 
& 222  -274.) 

Der  Verfasser  unterscheidet  vier  Racen  in  Neu  Mexico: 
Die  Amerikaner,  die  Mexicaner,  die  Pueblo  - Indianer  und 
die  wilden  Indianer.  Er  beschäftigt  »ich  hauptsächlich  mit 
diesen  beiden  letzteren  Gruppen  und  schildert  eingehend 
die  Pueblo-Indianer  mit  ihrer  Eintbeiluug,  ihren  Wohnhäu- 
sern. Dialekten  und  religiösen  Anschauungen,  dann  di« 
verwandten  Stämme  der  Zuni,  Moqui,  Piinn»  und  I’apagos- 
Indianer.  Auch  über  die  Apaches  und  ihre  Raubzüge,  die 
Mojaves  und  Kargos  sind  interessante  Detail*  mitgetheilu 
Ferner  wendet  der  Autor  sein®  Aufmerksamkeit  den  Spuren 
der  «ztekischcn  Einwanderung,  den  Ruinen  am  Rio  Colo- 
rado fhiijuito,  der  alten  azteki*c.ben  Stadt  t'evola  und  den 
vielbeschricbenen  Ruinen  der  Cosa*  Grandes  am  Rio  Gila 
sowie  jener  aiu  Rio  Grande  zu.  Die  ganze  Abhandlung 
ist  in  hohem  Grade  )e*ensw«rth  und  reichhaltig  au  Details 
verschiedenster  Art. 

Boll,  William  A.  New  tracks  iu  North- America. 
London,  Chapman  & Hall,  1869,  8°.  2 Vol. 

Bell,  W.  A.  Ten  daya’  journey  in  Southern  Ari- 
zona. (Dlnfltr.  Travels  ed.  by  Bates  1869,  Part 
V,  S.  142—148.) 

Belot,  G.  de.  La  verite  .nur  le  Honduras.  Etüde 
historique,  geographique,  politique  et  comnier- 
ciale  nur  l'Amerique  centrale.  Paris  1869,  8°. 
95  S.  mit  2 Karten. 

Bornouilli,  Gust.  Briefe  aus  Guatemala.  (Peter- 
mann’a  Mittbeilungen  1869,  S.  424 — 432.) 

Behandelt  di«  soriulen  Zustände,  die  Ureinwohner,  näm- 
lich die  Indianer  und  das  Lehen  in  der  Hanptetudt,  ohne 
wesentlich  Neues  loitzulheUeu;  dagegen  werden  die  meisten 
Ansichten  über  dm  Indianer  bestätigt.  Nur  zwei  Punkte 
verdienen  Erwähnung:  die  sprichwörtliche  Verschlossenheit 
de»  Indianer»  gilt  nur  gegenüber  von  Fremden;  unter  sich 
sind  sie  schwatzhaft.  Die  Ausicbt  hingegen , das»  das 
Schicksal  der  Ureinwohner  des  Norden»  auch  jene  des  Sü- 
dens trciFcn  werde,  können  wir  nicht  theilen,  da  es  bekannt 
i»t,  wie  in  C'entralamerikn  der  rothe  Mann  »ich  vermehrt, 
der  wei#se  dagegen  vermindert. 

Binkord,  E.  The  Mamraoth  Cave  and  its  doni- 
zens,  a complcto  descriptivo  guidv.  Ciuciuuati 
1869,  8*.  96  S. 

Biondelli,  B.  Glossarium  aztoco  - latinuin  et  la- 
tino-nztocuni.  Milano  1869,  4°.  260  S. 

Da*  Vollständigste  und  Beste  was  bisher  auf  diesem  Ge- 
biete geleistet  worden  ist.  Da*  Buch  ist  nur  in  200  Exem- 
plaren abged  ruckt  worden. 


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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


191 


Bishop , Mrs.  H.  E.  Minnesota,  then  and  now. 
St.  Paul’»  (Minnesota)  1869,  8°.  100  S. 

Biackmoro,  Will.  ()n  tlie  North  American  In- 
dians: a sketch  of  some  of  the  Ilostiie  Tribes  to- 
gether  witli  a brief  «ocoant  of  General  Sheridan’» 
campaign  of  1868  ugainst  the  Sioux,  Cheyenne, 
Arapahoe,  Kiowa  and  Cothanche  Indians.  (Journ. 
of  the  ethnol.  Soc.  of  London  1869,  S.  287— 320.) 

K*  i*«*  dies  eigentlich  eine  Geschichte  der  Incliancrkriege 
in  den  Vereinigten  Staaten;  der  Verfasser  steht  auf  Seite 
der  Yankee*  und  erkürt  da»  Verschwinden  der  rot  hm  Riwe 
d.  h.  ihre  Ausrottung  durch  die  namenlosen  Gräuel  ge- 
rechtfertigt, welche  die  Indiauer  begangen  haben.  Kr  führt 
die  Ansichten  vieler  competenter  Männer  über  die  Roth* 
häute  an,  die  alle  zu  deren  Ungutsten  lauten.  Wir  haben 
gegen  diese  Anschauung  weoig  et nzu wenden,  donn  die  Grau* 
samkeiten  der  Indianer  können  nicht  in  Abrede  gestellt 
werden;  die  historische  Unparteilichkeit  erfordert,  nur  zu 
sagen,  dass  stet»  die  Wcisaen  zuerst  die  Veranlassung  zu 
Zwistigkeiten  boten,  wa*  dann  bei  dein  grausamen  Naturell 
der  rothen  Rare  zu  den  erwähnten  Gräuelthatrn  führte. 
Auch  können  einzelne  Fälle  nmnhaft  gemacht  werden,  wo 
die  Weisaen  an  Grausamkeit  den  Rothbäuten  nicht  nach- 
standen. 

Blenty,  H.  lie  territoire  d’Altoaka  et  le«  colonies 
da  Nord-Ouest  de  l'Ameriqae.  (Revuo  de«  deux 
mondeg,  Per.  II,  Tome  81  (1869),  p*g.  997— 
1020.) 

Box,  M.  J.  Adveuturea  and  Explorations  in  Old 
and  New  Mexico.  New  York  1868,  12°.  344  8. 

Braco,  C.  L.  The  New  West:  or,  California  in 
1867— 1868.  New  York  1869,  12°.  373  S. 

Brasseur  de  Bourbourg.  Lettre  a Mr.  Lean  de 
Rosny  Bur  la  decouverte  de  documents  relatif«  a 
la  haute  autirjuite  americaine  et  Hur  le  dechiffre- 
ment  et  1 Interpretation  do  l’Ecritur©  phonetique 
et  figurative  de  la  langue  Maya.  Paris  1869,  8°. 
20  S.  (Extrait  dos  Memoires  de  la  Societe  eth- 
nographique.) 

Brown,  Rob.  Friends  in  high  latitudes.  (Corn- 
hill  Magazine,  July  1869,  8.  52 — 67.) 

Schilderung  der  Grünländer. 

Brown , B.  On  the  vegetable  producta  used  by 
the  North  West  American  Indiane  ae  food  and 
medecine,  in  the  arte  and  in  Buperstitioua  rites. 
(Transact.  of  the  Boten  io.  Soc.,  Vol.  IX,  S.  378— 
396.) 

Busch.  Dr.  Mor.  Geschichte  der  Mormonen.  Leip- 
zig 1869,  8°. 

Californion.  Die  japanischen  Ansiedler  in  Cali- 
fornien.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  48.) 

Siehe  ferner  hierüber  Ibid.  S.  111. 

Californion,  Aua.  (Allgemeine  Zeitung  vom  27. 
August  1869,  Nr.  239.) 

Carron  de  Floury,  S.  E.  L.  Notas  geologica«  y 
estadifcticas  sobre  Sonora  y la  Baja-  California. 


(Hol.  de  laSoc.  de  geogr.  y estadist.  de  la  republ. 
Mexic.  1869,  Tonio  I,  44— 52,  112—118.) 

Knthält  auch  einige  Angaben  über  die  Indianer  der  So* 
rjorn,  nämlich  die  Onaea»,  die  Yaqufs , die  Mavo»,  die  Se- 
rif und  endlich  die  Apachen.  Wir  erfahren,  das*  die  Serie 
die  einzigen  sind,  die  noch  den  l*arbarischen  Gebrauch  ver- 
gifteter Pfeilspitzen  beibehaltea  haben. 

Catawba  Indiauer.  (Globus  Bd.  XV,  S.  190.) 

Diese  in  Südcarolina  lebenden  Indianer  waren  im  Februar 
1HÖ9  auf  85  Köpfe  zusnmmengeschiaolzen. 

Catlin  b<*i  den  Nayas,  Plattköpfen  und  Krahen- 
Indianorn.  (Globus  Bd.  XV,  8.  363 — 368.) 

Die  Xayas  oder  Nag«*.  Ihr  Ilauptnahrungsmittel  i»t 
der  Uch»,  den  sie  sehr  leicht  fangen.  Manche  Männer 
und  Frauen  tragen  hölzerne  Pflöcke  oder  Klötze  in  der 
Unterlippe  wie  die  brasilianischen  Botokuden.  pfeifen  aus 
schwarzem , geglättetem  Steine , gleich  dem  Rohre  mit 
hUbsch  auHgetUhrtcn  Figuren  verziert.  Zeichnungen  der 
Navos  ganz  verschieden  von  jenen  anderer  amerikanischer 
Stämme.  Mukeotaoz  wie  hei  anderen  Völkern  Nord-  und 
Südamerika*  kommt  auch  bei  ihnen  vor. 

Plattköpfe.  Orego  o - 1 ndtan  er.  Diese  grosse  Grupp« 
bat  etwa  30  rnterabtheilnugrn.  An  drt>  Dalle«  de*  Co- 
luinbiastroines  wahre  Musterkarte  verschiedener  Stämme: 
Klatsnps,  Tschinuk«,  Klickutals,  Walhtwallus,  Nezpcrcea  und 
Spokans.  Auch  der  Oregon-  und  Columbia- Indianer  iat 
kein  Jäger,  sondern  Lac  höfischer  und  Wurzelgräber.  Auch 
diese  Stimme  verschwinden  rasch;  1830  — 1850  «Urion 
63  Procent;  1347  zählte  ein  Stamm  noch  sechs  Köpfe; 
beute  ist  keine  Spur  mehr  übrig.  Diese  Indianer  kennen 
keine  Kriegerweise,  keine  Kinlheilung  nach  Stamuisymholen 
(Totem«),  keine  Vorstellung  von  einem  grossen  Geist! 

Die  Krihen-Iudianer,  Upsaroka*  oder  Crown  ge- 
hören zur  Dakotah-  oder  Sioux-Gruppe  und  sind  »ehr  statt- 
lich, Sie  sind  Reiter  und  jagen  deu  Büffel;  haben  aber 
Ton  den  Blattern  entsetzlich  gelitten,  so  dass  kaum  noch 
einige  tausend  Köpfe  von  ihnen  übrig  sind. 

Chaix,  P.  Conquöte  du  Chili  par  Valdivia.  (Lo 
Globe,  Getii*vo,  T.  VII,  S.  61 — 107.) 

Entölt  manches  über  die  Araukaner. 

Chinese  discoverios  of  America.  (Athenaeum.  Lon- 
don 11.  December  1369.) 

Unter  diesem  Titel  bringt  das  Athrnacum  die  Nachricht, 
welche  auch  in  die  meisten  Blätter  de«  Continente*  über- 
gegangen  ist,  dass  ein  sicherer  J.  Hanlny  zu  Han  Fran- 
cisco die  Entdeckung  gemacht  habe,  Amerika  wäre  von  den 
Chinesen  schon  vor  1400  Jahren  entdeckt  worden.  Wir 
würden  diese  Notiz  mit  Stillschweigen  Übergangen  haben, 
wenn  wir  es  nicht  für  eine  unsterbliche  Blamage  hielten, 
das*  eine  Zeitschrift  vom  Range  de*  Atbeuaeum*  sich  zur 
Verbreitung  dieser  Nachricht  hrrgiebt  und  nicht  zu  wissen 
scheint,  dass  diese  sogenannte  Entdeckung  schon  1761  von 
De  Guignes,  dem  bekannten  Sinologen  gemacht  wurde 
und  eine  heut«  noch  nicht  cutscbiedene  Streitfrage  bildet, 
über  die  schon  entsetzlich  viel  Papier  verschrieben  worden 
ist.  Wir  haben  weder  Lust  noch  Raum  uns  hier  zum 
Nutz  und  Frommen  der  Atheuaeum -Gelehrten  »uf  eine 
Aufzählung  der  einschlägigen  Literatur  einzulassen;  wir 
begnügen  uns  darauf  hinzuweisen,  das*  schon  Klap- 
rolh  gegen  De  Guigne»’  Entdeckung  nufgetreten  ist  und 
in  nllerneuester  Zeit  für  dieselbe  einige  Schriften 
erschienen  sind,  die  jedenfalls  Beachtung  verdient  hätteu; 
es  sind  dies  Neumann:  Ostasien  und  Westamerika  in  der 
Zeitschrift  für  Allgemeine  Erdkunde,  April  1864;  Gast. 
d’Eichthal:  Etüde  sur  le*  origines  bouddique*  de  la 
civil  Nation  americaine.  Pari*  1858,  8°.;  endlich  Dr.  A. 
Godron:  t’ne  Mission  bouddiste  en  Amerique  nti  V*"« 
Siede  de  l’ere  chretieune  in  den  Annales  des  Voyage«. 


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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


October  1868.  Auch  Dr.  Andrce  in  seinem  Globus  hat 
die  Frage  ventilirt  und  cs  muss  jedem  mit  amerikanischen 
Dingen  Vertrauten  komisch  Vorkommen,  eine  so  alte  Streit- 
trage  als  Neuigkeit  mit  so  grossem  Knute  uufgewännt  zu 
sehen. 

Cochut,  A.  Insurrection  eubaine.  (Rövue  dea 
deux  Mondes,  16  Novbr.  1869.) 

Cromony,  J.  C.  Life  aniong  the  Apache«.  San 
Francisco  &,  New  York  1869,  12(>.  322  S. 

Cubanische,  die,  Frage.  Studie  eines  Augenzeu- 
ge». (Augsburger  Allgera.  Zeitung  vom  10.  Juli 
1869,  Nr.  191  Beilage.) 

Beschäftigt  »ich  eingehend  mit  der  Ethnographie  dieser 
Insel. 

De  Costa,  B.  F.  The  pre-Columbian  diacovery  of 
America  by  the  Northmen,  illuntrated  by  trans- 
Intions  from  the  icelandic  Sagas.  Albany  1868, 
8°.  178  S. 

Do  Costa,  B.  F.  Lake  George:  ita  scenes  and 
characteriatics,  with  glimpses  of  the  olden  timen. 
New  York  1869,  12*  182  S. 

Doutrelaine.  Rapport  aur  les  ruinea  de  Mitla. 
(Archive«  de  la  Commission  acientifique  du  Mexi- 
que.  Paria,  Tome  III,  S.  104  — 111.) 

Genauer  Bericht  mit  topographischen  Aufnahmen  der 
Alterthumcr  von  Mitla,  welch  letztere  ganz  ruit  jenen  von 
Dupaix  und  Castaneda  stimmet*.  Oberst  Doutrelaine 
aagt,  da»*  der  Anblick  dieser  Ruinen  nichts  ImjMinirendea 
habe,  das»  dagegen  die  darin  herrschende  Harmonie  bewun- 
der ns werth  sei.  Noch  seiner  Ansicht  sind  sie  nicht  viel 
vor  der  Zeit  der  Conqmsta  erbaut  werden,  keinesfalls  aber 
reicht  ihr  Alter  Uber  das  VII.  oder  VIII,  Jahrhundert  zu- 
rück. Oberst  Doutrelaine  findet  in  diesen  Altert humern 
eine  bemerkeuswertbe  Analogie  mit  jenen  von  Ninive. 

Doutrelaine.  Rapport  sur  la  pierre  de  Tlalne- 
pautla.  (Arch.  de  la  Cornm.  acient.  du  ftexique, 
Tome  QI,  S.  111—120.) 

Doutrelaine.  Rapport  sur  un  manuscrit  de  la 
collection  Boban.  (Arch.  de  la  Coinm.  acient.  du 
Muxique,  Tome  III,  S.  120 — 133.) 

Dieses  Manuskript  enthalt  unter  Anderem  auch  den  nx- 
tekischeu  Calendcr. 

B&&or8.  H.  Erindringer  fra  Mexico.  1869,  8*. 
328  S. 

Einströraen  der  Chinesen  iu  das  MissisBippithal 
und  die  Südstaaten  der  Union.  (Globus  Bd.  XVI, 
S.  69—71.) 

Wird  •)»  der  Mann  der  Noth Wendigkeit  und  der  Zu- 
kunft. — als  Ersatz  für  den  Neger  — dargestcllt.  Siche 
ferner  noch:  Ibid.  8,  127. 

Einwanderung  in  die  Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika.  (Globus  Bd.  XV,  S.  124 — 125.) 

Die  Einwanderung  1868  betrug  über  New  York  213*686 
Personen,  darunter  101  *ybtf  Deutsche,  so  das«  diese  beinahe 
die  H lüfte  der  ganzen  Einwandereruhl  betragen.  England 
steht  als  drittes  Land  auf  der  Liste,  während  Frankreich 
nur  3000  Seelen  stellte.  Der  Uauptstrum  der  Auswande- 
rung richtete  »ich  nach  Illinois;  nach  diesem  Staate  kom- 
men Wisconsin,  Ohio,  Jowa,  Minnesota  und  Michigan;  we- 
nige nur  gingen  nach  Indiana  und  Utah.  Siehe  hierüber 


ferner:  Amtlicher  Bericht  über  dje  Einwanderung  der 

Deutschen  nach  Nordamerika  (Globus  Bd.  XVI,  S.  94),  wo- 
nach Letztere  gegenwärtig  dm  fünften  Tbeil  der  Gesammt- 
bevülkeruug  der  Union  bilden,  dann  S.  208. 

Engel,  Franz.  Caracas,  die  Hauptstadt  von  Ve- 
nezuela. (Globus  Bd.  XV,  S.  210 — 212,  234 — 
236.) 

Engel,  Franz.  Erlebnisse  und  Anschauungen  aus 
dem  tropischen  Südamerika.  (Unsere  Zeit  1869, 
II,  S.  349—377,  603 — 624.) 

I.  Auf  dem  CaUtmnbo.  II.  Zalozar  de  las  Palm». 

Erdhügel,  alte,  in  den  Rocky  Mountains.  (Globus 
Bd.  XVI,  S.  206—207.) 

Nach  dem  New  York  Dav  Book  vom  18.  September 
1869  bat  man  Erdinound»  im  südlichen  Utah  entdeckt,  die 
mit  jenen  des  Mississippithaies  grosse  Aehnlichkeit  besitzen; 
in  denselben  traf  mun  mancherlei  Ueberreste,  die  von  einer 
gewi.M«n  Kunstfertigkeit  der  Erbauer  zeugen.  Diese  Mounds 
iu  Utuh  sind  die  ersten,  welche  man  im  Westen  der 
Kettengebirge  gefunden  hat. 

Fisher,  Morton  C.  On  the  Arapahoes,  Kiowaa 
and  Comanchcs.  (Journal  of  the  ethnol.  Soc.  of 
London  1869,  S.  274—287.) 

Recht  unterhaltend  geschriebene  Abhandlung,  die  aber 
unseres  Ermessens  nach,  nicht  viel  Neues  bringt. 

Foster,  Dr.  J.  W.  The  Mia&iaaippi  Valley,  ita 
phyeical  geography,  including  sketchea  of  the  to- 
pography,  botauy,  climato,  geology  and  mineral 
resourcea,  and  of  the  progreea  of  development  in 
population  and  material  wealth.  Chicago  & Lon- 
don 1869,  8'».  460  S. 

Frantzius,  A.  v.  Der  aüdüstliche  Theil  der  Re- 
publik Costarica.  ( Petermann’a  Geogr.  Mittheil. 
1869,  S.  323—330.) 

Der  vorwiegend  geographischen  Arbeit  dieses  ll rissigen 
und  gelehrten  Forschers  entnehmen  wir  di«  Not»,  das«  sich 
bei  Uato  Viejo  «ine  grosse  Menge  von  Indiunergräbem  vor* 
findet.  Aehnhch  wie  die  Guacas  in  dem  nahe  gelegenen 
Chiri(|ui  enthalten  sie  aus  Gold  gefertigte  Figuren.  Auch 
der  übrige  Inhalt  wie  die  Steintiguren  und  die  Construction 
der  Gräber  au»  Steinplatten  deuten  darauf  lun , dass  die 
Verfertiger  dieser  Gräber  demselben  Stamme  angehürten, 
wie  die  alten  Bewohner  von  Chiriqui  und  dass  der  zur 
Zcit  drr  Entdeckung  über  den  ganzen  Isthmus  von  Dariea 
verbreitete  Stamm  der  durch  eiuen  gewissen  Grad  von 
Cultur  ausgezeichneten  Cueva • Indianer  (siehe  Peschei, 
Geschichte  dw  Zeitalters  der  Entdeckungen,  S.  4S3  ff.)  sich 
nördlich  bis  an  den  Kuss  des  Dota-Gebirges  erstreckte. 

Fuonto,  D.  G.  de  la.  Cenao  de  la  poblacioo  en 
la  repuhlica  argentina.  Buenos  Ayrea  1869,  4°. 
42  S. 

Fulton,  A.  R.  The  Free  Land  of  Jowa;  being  an 
accuruto  deacription  of  the  Sioux  City  Land  Di- 
strict;  a general  view  ofJowa;  her  reaourcea  and 
advantages.  Des  Meines  (Jowa)  1869,  8°.  Mit 
1 Karte. 

Gil,  Bomoro.  Memoria  nbn  et  estado  »ocial  y 
moral  que  tuvierou  los  mexicanos  bajo  el  impe- 
rio  azteca,  y au  organizacion  bajo  el  gobierno 
colonial.  (Bol.  de  la  Soc.  de  geogr.  y.  estad.  de 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


1»  republ.  Mrxic.  1869,  Torao  1,  8.  257 — 264, 
313—321,  427—433,  478—486.1 

Fleissige  und  recht  duukeuswcrlbe  Zusammenstellung 
Alles  dessen,  was  wir  über  die  socialen  Verhältnisse  des 
allen  Aztekenrriche*  wissen.  Verfasser  beginnt  mit  einer 
Beschreibung  des  alten  Tcnochtitlan , geht  dann  über  auf 
die  öffentliche  Verwaltung,  die  Vertheilung  des  Landes  im 
Reiche  zwischen  Gemeinden  und  Eiuzcluen,  die  Zusammen- 
setzung der  aztekiscbm  Familie  und  wendet  sich  dann  den 
Verhältnissen  der  Coloninlcpoche  zu.  Er  erörtert  die  Re- 
gierung und  Verwaltung  Xeuspanicn»  mit  besonderem  Hin- 
blick auf  die  eiubeimUcbr  indianische  Bevölkerung,  die 
Territorialvertheiiuug  zu  Gunsten  der  Ein  getan neu,  die  Or- 
ganisation der  indianischen  Familie  unter  der  Colonialregie- 
rung und  endlich  die  Bestrebungen  der  Missionäre  iu  Bezug 
auf  Unterricht  und  Ctvilisation  der  Indianer.  Das  Ganze 
ist  in  sehr  hübschem  Style  verfasst  und  wenn  mau  auch, 
wie  es  bei  Spaniern,  namentlich  bei  amerikanischen  Spaniern 
nun  einmal  nicht  anders  ist  viel  Phrase  dabei  mit  in  den 
Rauf  nehmen  muss,  so  wird  diese  Arbeit  doch  von  Ameri- 
kanisten schwerlich  übersehen  werden  dürfen. 

Guillemin-Tarayro.  Noten  archeologiques  ei  eth- 
nographiquea.  Veitiges  laisses  par  le*  migrations 
ainericaities  dans  le  Nord  du  Mexique,  'Archiv, 
de  la  Coram.  scient.  du  Mexique,  Tome  III , pag. 
341—470.) 

Eine  büchst  wichtige  und  durchaus  werUnrolIc  Arbeit, 
wie  das  Meiste , was  in  den  „Archive*  de  la  Commission 
scientifique  du  Mexiijue*  enthalten  »st.  Herr  E.  Gui llerain 
Taravre  war  von  der  französischen  Regierung  zwar  nur 
mit  der  Erforschung  der  mexicanischen  Bergwerksdistricte 
in  mineralogischer  Hinsicht  beauftragt  und  hut  sic  h dessen 
in  »einem  „Rapport  sur  l’Exploraiion  minerajogjijue  des 
lügions  meiicaiues"  entledigt , wovon  die  vorliegenden  Noti- 
zen eigentlich  nur  den  Anhang  bilden;  allein  er  hat  e* 
sich  nicht  entgebeu  lassen  nebstbei  auch  aut  dem  Gebiete 
der  Archäologie  and  Ethnographie  thätig  zu  sein,  ln  ho- 
hem Grade  dnnkenswerth  sind  seine  geuauen  lupograpbi- 
schen  Aufnahmen  jener  merkwürdigen  Buurvste,  welche  in 
einer  nordsiidlirhcn  Richtung  auf  dem  Höhenzuge  der  brei- 
ten mexiranischen  Cordillerenanschwellung  sich  erheben 
und  die  Spuren  der  einstigen  Völkerwanderung  iu  jenen 
Regionen  zu  erkennen  gestatten.  Die  von  Herrn  Guille- 
min  Tarayre  untersuchten  und  hier  beschriebenen  Denk- 
male und  folgende:  Die  Ohms  gründe«  de  Chihuahua; 

Babicora;  Maxathm ; Sahuaripn;  die  Ruinen  bei  Z&pe;  Chal- 
chibuites;  Val  de  Suchil;  SncriHrioa;  die  Ruinen  de  la 
Quemada  am  Cerro  de  los  Kditicio*  bei  Zucntecas;  Teul; 
Jolisco;  die  Ruinen  um  .See  Chapala  und  im  Thule  von 
Mexico;  der  Cerro  de  Ijm  Nuvnjns  mit  seinen  Obsidianmi- 
nen. Ausserdem  gieb!  er  noch  einige  Notizen  über  vor- 
historische Alterthüiner  und  da*  Steinzeit  alter  in  Amerika 
im  Allgemeinen.  Weiter  wendet  er  weh  der  Ethnographie 
zu  und  theilt  die  Notizen  mit,  welche  er  bei  seinen  Streif- 
zögen über  die  verschiedenen  Stämme,  dunen  er  begegnet 
Bt,  gesammelt  hat;  es  findet  »ich  hierin  ziemlich  viel  lin- 
guistische» Material,  wenn  auch  hier  und  da  clie  Werke  von 
Pimente]  «tark  benutzt  erscheinen.  Die  Völkerschaften, 
über  welche  wir  hier  Detail»  erfahren,  sind:  Die  Indianer 
von  Cniifomien  (Tulares  und  Mohares),  jene  von  Nru-Mrxico 
(die  Seboschonies , Waahoes,  PaH-Utahs),  die  Apachen  (mit 
Angaben  über  ihre  Sprache  und  Zahlensystem),  dir  Indianer 
der  Sonor»  (nämlich  die  Yociuis,  Mayo*.  Punas,  Papagos, 
Scris,  wieder  mit  Bemerkungen  über  die  Idiome  dcrOpata* 
and  Rima?  sowie  über  da«  Zahlensystem  der  enteren),  die 
Tarhumare»,  die  Tcpebuane*,  über  deren  Sprache  Herr 
Guillemin  rin  kleine*  Vocabular  angelegt  und  die  auffiü- 
leode Bemerkung  gemocht  haben  will,  dass  einzelne  Worte  sich 
textuel  mit  derselben  Bedeutung  im  Slaviachen,  namentlich 
im  Russischen  wiederitndrn,  die  Otomis,  von  deren  Sprache 
Archiv  für  Anlhroi>o]o([ie,  öd.  IV.  Heft  IX. 


193 

er  die  von  Professur  Dr.  E.  Buschmann  in  Berlin  langst 
widerlegte  Angabe  inacht,  das*  sie  einaylbig  sei,  und  die 
Tarasquen.  Daran  achlic»at  er  ni>ch  seine  Reflexionen  über 
die  ulten  Mexicancr  und  »eine  Beobachtungen  über  die  heu- 
tige Bevölkerung  de«  Landes. 

Hayes.  Aus  der  Nordpolarreine  des  I>r.  Hayen. 
(Globus  Bd.  XV,  S.  225—233,  257—265.) 

Enthält  Einiges  über  die  grönländischen  Eskimo«. 

Hall,  James.  Legend*  of  the  West:  sketebes  illu- 
strative of  thu  Imbits,  occupaiion,  privationa, 
adventures  and  Sports  of  the  Pioneern  of  the  West 
Cincinnati  1869,  12“. 

Hay,  Guillortno.  Antigiiedades  de  la  Frontera. 
(Boletin  de  laSociedad  de  geogralia  y estadiatica 
de  la  republica  Mexicana  1869,  Torao  I,  8.  29.) 

Knüpft  an  4Üe  Entdeckung  von  Ruinen  aui  Ufer  de*  Rio 
Colorado  Chico  and  Arizona  an,  um  auf  den  Zusammenhang 
zwischen  amerikanischer  Cultur  und  jener  de«  alten  Conti- 
nentes  hinzu  weisen. 

Hensol,  R.  Die  Coroados  der  brasilianischen  Pro- 
vinz Rio  Grande  do  Sul.  (Zeitschrift  für  Ethno- 
logie 1869,  Bd.  1,  S.  124—135.) 

Die  Coroados  genannten  Indianer  linden  sich  gegenwärtig 
fast  nur,  in  mehr  oder  weniger  eukivirtem  Zustande,  an 
drei  Punkten:  bei  Koaohay  am  oberen  Uruguay  in  der 
Nahe  der  Mündung  de»  Rio  Po*«o  fundo;  in  dm  Campos 
do  meio  und  bei  der  Militärcolonie  Caaeroa,  die  in  Matto 
portugucz  auf  der  Grenze  zwischen  den  Campos  do  meio 
und  denen  der  Vaccaria  gelegen  i«t. 

Hippeau,  C.  L’education  deB  femroes  et  des  af- 
franchis  eu  Amerique,  depuis  la  guerre.  (Revue 
des  deux  Mondes  1869,  livre  du  15  $ept.,  pag. 
450—476.) 

Hutchinson,  Th.  J.  The  Parana,  with  incidents 
of  the  Paraguayau  war  and  South  American  re- 
collections  from  1861 — 1868.  London  1868,  8°. 
468  8.  mit  Karten. 

Auszüge  daran»  siehe  im  „Ausland'4  1869,  Nr.  10  und 

12. 

Huxley.  On  the  ethnology  and  archaeology  of 
North  America.  (Journal  of  the  cthnol.  Soc.  of 
London  1869,  8.  218—221.) 

Theilt  die  einheimische  Bevölkerung  Amerikas  in  zwei 
growen  Gruppe:  in  jene  der  Arctogral  - Völker  oder  E*qui- 
maux  und  in  jene  der  Austro-Columbiscben  Stämme,  näm- 
lich der  Indianer.  Erster«  hält  der  hrittisebe  Gelehrte  für 
cingewandert,  Letztere  für  autochthon. 

Indian  Relict*.  (Bulletin  of  the  Essex  Institute. 
Salem,  Mars,  Febr.  1869.) 

Indianer,  die,  der  Vereinigten  Staaten.  (Ausland 
1869,  Nr.  46.) 

Im  Gegensätze  zu  den  Indianern  Central-  und  Südame- 
rika« gehen  die  Rothhautr  der  nordamerikanischen  Republik 
in  Berührung  mit  der  angelsächsischen  Rnce  unaufhaltsam 
der  gänzlichen  Vernichtung  entgegen.  Zar  Zeit  der  Ent- 
deckung des  ConUncntü  mögen  sie  ihrer  15  Millionen  Köpfe 
gewesen  sein,  jetzt  Uxirt  man  sie  auf  etwa  300*000.  In 
Califoraieu  waren  1849  ihrer  noch  100*000,  jetzt  sind  sie 
auf  30*000  herabgesunken.  Krieg«  unter  den  einzelnen 
Stämmen  und  mit  den  Weissen,  Schnaps,  die  Pocken,  Sy- 
philis und  andere  Krankheiten , sowie  der  fatalistische  Ein- 

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Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


m 

tluiis,  <len  die  Berührung  mit  der  Cultur  der  Blartgeaichter 
übt , haben  ihr«  Wirkung  getlian;  jährlich  nimmt  auch 
diw«  klein«  Zahl  noch  ab.  Der  Unterschied  der  Raren 
und  ihre  pliy*i»ehe  Abneigung  gegen  einander  ist  der  Art, 
das»  der  Indianer  der  angelsächsischen  Zivilisation  unzu- 
gänglich bleibt.  Einzelne  Ausnahmen  beweisen  nur  die 
Wahrheit  der  Regel.  Sehr  häutig  sind  jene  Fälle,  wo  an- 
scheinend civiliaJrte,  physisch  und  iutellectucll  sehr  begabt« 
Kothhaute  bet  vorkommender  Gelegenheit  in  den  Zustand 
moralischer  Verwilderung  zuriieksanken.  Zweifellos  ist  jede 
Hoffnung  eitel,  das  Gemiitta  de«  Indianen  mit  europäischer, 
oder  richtiger  amerikanischer  Cultur  zu  versöhnen.  Jede* 
Unrecht,  das  «einem  Stamm  oder  «einer  Rare  geschah,  em- 
pfindet er  aU  persönliche  Beleidigung.  Wiedervergeltung 
und  Blutrache  machen  nber  einen  Theil  seines  Sittrngesetzes 
aus.  Daher  jene  ewigen  GrenzfeHden , zu  denen  nur  zu 
häutig  die  Weinten  den  ersten  Anlass  geben.  Der  vorlie- 
gende Aufsatz  beleuchtet  noch  in  eingehender  Weise  die 
schmachvoll«  Weis«,  in  welcher  der  rotbe  Eingebonie  so- 
wohl von  der  Regierung  als  von  den  Webten  der  Vereinig- 
ten Staaten  hehnndelt  wird. 

Indianerkrieg  in  Nordamerica.  (Glohu*  Bd.  XV, 
8.  94.) 

Jone»,  Dr.  Joseph.  The  aboriginnl  Moundbuil- 
ders  of  Tennesnee.  IThe  American  Nataralist. 
Salem,  April  1869.) 

Jonveaux,  Erailo.  L’Ameriqne  actucllo,  preeedue 
d'utie  introdnetion  par  Kd.  Labouluye.  Paris, 
Charpentior  1869,  8®.  339  pag. 

Kennedy,  A.  J.  Iji-Plata,  Braz.il  and  Paraguay 
during  the  present  war.  London,  Edw.  Stanford, 
1869,  8°.  VIII  & 278  pag. 

Krisis,  die,  unter  den  Mormonen.  (Globus  Bd.  XVI, 
S.  297—299.) 

Lodo,  Luis  F.  Munoz.  Algunas  ideas  para  un 
libro  Kobro  lenguaa  asintico-americauas.  (Bol.  de 
la  Soc.  de  geogr.  y cstadist.  de  la  republ.  Mexic. 
1869,  Torno  I.  S.  31—83.) 

Verfasser  glaubt,  da**  Amerika  ursprünglich  von  Asien 
au»  bevölkert  wurde  und  meint  durch  das  Studium  der 
asiatischen  Sprachen  diese  Frage  enUcheiden  zu  können. 

Leouzon,  le  Duc.  Rapport  siur  lee  antiquites  mexi- 
caiuo«  conservess  a Copunhague.  (Arch.  de  la  Comm. 
acient.  du  Mexique,  Tome  III,  pag.  147 — 165.) 

Genaue  Aufzählung  der  im  Museum  der  Socift*  des  an- 
tiquaire»  du  Nord  zu  Kopenhagen  gesammelten  und  auf- 
be wahrten  Alterthüincr. 

Mac  Cluro,  A.  K.  Three  Thoueand  Milea  througli 
the  Rocky  Mountains.  Philadelphia  1869«  8®. 
456  S. 


Melgar,  J.  M.  Antigüedude«  ruexicanaa.  (Bol.  de 
la  Soc.  d*1  geogr.  y entad.  de  la  republ.  Mexic., 
Tomo  I,  S.  292—297.) 

In  der  Näh«  von  San  Andre*  Tuxtla  ward  vor  mehreren 
Jahren  ein  colo*saler  Kopf  au*  Granit , wohl  über  2 Vara* 
(inexica  tusch«  Eilen)  hoch  uu* gegraben , der , von  ausge- 
zekhneter  UildhauerarWit  . den  Auasagen  des  Vcrfkum 
zufol.’*  höchst  auffallend  den  äthiopischen  Tjrpu*  trug. 
Herr  Melgar  glaubt  darauf  hin  und  auf  eine  Stelle  Bo- 
turinl**  gestützt,  dass  in  früheren  Zeiten  ein  Zusammen- 
hang zwischeu  Amerikas  und  Afrika,  Bevölkerung  bestan- 
den habe,  ja  da*»  Neger  in  ältester  Zeit  den  Boden  Ame- 
rika» betreten  haben  müssen. 

Mexico.  Eiu  Blick  auf  Mexico.  (Globus  Bd.  XV, 
S.  337—339.) 

Ethnologische  Würdigung  d«r  dortigen  Verhältnisse  *«it 
dem  Sturze  de»  Kaiserreiches.  Daran  schliesst  «ch  di« 
Notiz : BsMsUnpfr  in  Mexico.  Ibid.  Bd.  XVI,  S.  139. 

Mission  ßckntiiiquc  au  Mexique»  dnns  FAmerique 
centrale.  Paris,  Impr.  imp.  1869,  4®. 

Linguislique:  Vol.  1.  Bras*«ur  de  Bourhourg,  Ch. 
Manuacrit  Troano.  Etüde*  *ur  le  srst^me  graphique  et  la- 
langn«  de*  Maya*  1809,  4®.  Vol.  1.  Eine  Besprechung 
diesp*  Bucht?*  siehe:  Ausland  1870,  Kr.  12. 

Morgan,  Lewis  H.  Indian  Migrations.  (The 
North  American  Review.  Boston,  Octbr.  1869.) 

Murray,  Will.  H.  H.  Adventures  in  tbc  Wilder- 
ness; or,  Camp  Life  iu  the  Adirondack*.  Boston 
1869,  12°.  236  S. 

Neugranada.  Dr.  Alfons  Stübel  in  Neugranada. 

. (Globus  Bd.  XV,  8.  239—241;  Bd.  XVI,  S.  156 
—167») 

Bespricht  unter  anderem  die  Reste  alt  indianischer  Kunst 
hei  San  Agu*(in. 

New  York.  Ein  Blick  auf  die  Bevölkerung  von 
New  York.  (Globus  Bd.  XV,  S.  265  - 267.) 

Bespricht  Deutsch«  und  Irländer,  die  Tenementhäittcr 
und  di«  Kellerwohnungen,  die  Höhlen  de»  Verbrechens. 

Paraguay.  Enthüllungen  über  Paraguay.  (Globus 
Bd.  XV.  S.  204—207.) 

Zeigt  die  gräulichen  socialen  Zustände  in  jener  »ogenasn- 
teu  Republik. 

Paraguay.  Der  Krieg  gegen  Paraguay.  (Unsere 
Zeit  1809,  I,  S.  241—258,  681—692;  II,  8.  24 
—39,  416—437,  821—836.) 

Ausführliche  Schilderung  de*  gaumen  Kriege*  mit  Berück- 
sichtigung d«r  geographischen  und  ethnologischen  Momente. 

Parkman,  Francis.  The  discovery  of  the  Great 
West.  An  historioal  account.  London,  Murray, 
1869,  8*.  XXI  A 425  pag. 

Payno,  Man.  Raza*  indigenas.  Rancherias  de  la 
Sierra  Madie.  (Bol.  de  laSoc.  de  geogr.  y ostad. 
de  la  republ.  Mexic.,  Tomo  I,  S.  496 — 505.) 

Ziemlich  eingehende  und  jedenfalls  lesenswerthe  ethno- 
graphische Skizze  der  im  Staate  Teia#,  im  Thal«  de*  Rio 
Grande  und  de*  Rio  Colorado  lebenden  indianischen  Jäger- 
stämtue. 

Payno,  Man.  Ensayo  de  una  hietoria  de  Michoa- 
can.  (Bol.  du  la  Soo.  de  geogr.  y estad.  de  la 


MaRaachusetts.  Lectures  on  the  Early  history  of 
Magsachuactts.  Boston  1869,  8®.  498  S. 

Mastorman,  G.  Fr.  Seren  oventful  yeara  in  Pa- 
raguay. A narrative  of  personal  cxperiunce 
nraongfit  the  Paraguayans.  London  1869,  8°. 
365  S.  mit  1 Karte. 

Einen  dein  Athenueum  entimmtueuen  Auszug  die*«*  di« 
Tjtiiui«  de*  nunmehr  getödtelen  Dictatorx  Lopez  von  Pa- 
raguay lu  den  grellsten  Farben  schildernden  Buche*  siehe: 
Ausland  180b,  Nr.  41,  dann  Nr.  40. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


republ.  Mexic.  1869,  Tomo  I,  S.  619 — 632,  713 
— 729.) 

Cs  wäre  sehr  ia  wünschen , dass  Provinzialgeschichten 
im  Style  der  vorliegenden  über  die  verschiedenen  Gebiels- 
tbeile  verfasst  würden,  welche  eitut  die  cultivirten  Indianer’ 
Stämme  Innegehabt.  Nur  auf  solche  Weise  wird  es  mög- 
lich  werden  , das  Gewirrt  der  mexicanischen  Geschichte  zu 
losen,  was  bisher  noch  keinem  Schriftsteller — auch  Herrn 
Abb4  Brasseur  de  Bourbourg  nicht  — gelungen  ist. 
Uebersichtlichkeit  und  Klarheit  mangeln  noch  allerorta 
und  trüben  den  Einblick.  Eine  löbliche  Ausnahme  macht 
Payno's  Arbeit.  Wir  lassen  den  Inhalt  dessen,  was  bisher 
erschienen  ist,  hier  folgen : 

Lage , Ausdehnung  und  Fruchtbarkeit  von  ftlichoacan. 
Ureinwohner.  Alte  Sagen.  Sicuiracha  der  Jäger.  Nieder' 
lag«  der  Chichimcken.  — Tarignran.  König  von  Txintzont- 
ian-  Die  Inseln  des  Sees.  Allianz  der  chithimekischen 
Anführer  mit  dem  König  der  Inseln.  — Gründung  von 
P&tscaarft.  Kriege  zwischen  den  Tarasken  und  Chichime- 
ken. Tnriacuri  beherrscht  das  gnnz#  Gebiet  von  Micho*- 
can,  theilt  e»  in  drri  Reiche  nach  seinem  Tode.  — Sitten 
der  Tarasken.  Versuch  einer  raichoacauischen  Chronolo- 
gie. — Religiöse  Ueberliefrningen.  Gesetzgebung.  Cere- 
monien  bei  Krankheit  und  Tod  der  Könige,  — Krieg.  Un- 
glücklicher Feldzug  AzayaratPs  gegen  die  Tarasken.  In- 
vasion und  Triumph#  Moctezoma’s  11.  — Noch  einige  Worte 
über  die  Sitten  der  Tarasken.  Expeditionen  der  Spanier 
in  Miehoacau.  Regierung  des  Christof  von  Olid.  Reich* 
thünier  de«  Landes. 

Pen&ft-Golf,  der,  in  der  Magalhaes-Straasa  (Aus- 
land 1869,  Nr.  41.) 

Enthält  Angaben  über  die  Patagonirr  und  Feuerländer. 

Petitol,  P.  Coup  d'ot'il  nur  la  Nouvelle  Bretagne. 
Etüde  Bur  la  nation  montagnaise.  Tradition« 
judaiquee  de«  Montagn&is.  (Aus  den  „Missioue 
catholiquea“  in  „Annale«  des  Voyages“,  Februar 
1869,  S.  204—231.) 

Enthält  Specielle»  über  Charakter,  Sprachen  und  Reli- 
gion der  nordamerikanischen  Indianer. 

Pim,  B.  and  Dr.  B.  Seemann.  Döttings  on  the 
roadside  in  tbe  isthmus  of  Darien  in  the  years 
1861  and  1865.  (Journal  of  the  Royal  Geogr. 
Soc.  of  London,  Vol.  36,  1868,  S.  69  — 110.) 

Den  Nachrichten  über  die  Bewohner  wird  ein  Vocabuiar 
der  Cuna- Sprache  beigegeben.  Das  abenteuerliche  Leben 
in  jenen  Ländern  schildert  der  Capitän  Bedford  Piin  von 
der  königlichen  Kriegsmarine,  während  Dr.  Seemann  den 
botanischen  und  zoologischen  Theil  bearbeitet  hat.  Das 
Buch  ist  mit  guten  Kurten  versehen  und  Überhaupt  hübsch 
aus  gestattet. 

Puritaner  und  Quäker  in  Massachusetts.  (Glo- 
bua  Bd.  XV,  S.  305—307.) 

Bappiaten.  Die  comraun intische  Secte  der  Rap- 
pisten  in  Economy.  (Globun  Bd.  XVI,  S.  182  — 
184.) 

Riggs  and  Wiliiamson.  Hymne  in  tbe  Dakota 
Latiguage.  Edited  by  Bigge  and  Williameon. 
New  York  1869,  18®. 

Saco.  L’esclavage  ä Cuba  et  la  revolution 
d'Eepngiie.  Traduit  par  L.  P.  Adrien  de  Mont- 
lue.  Paris  1869,  8«.  23  S. 

ßömaLlö,  Renö  de.  Relation  d’un  voyage  dans  la 


195 

Patagonie  septentrionale  dans  loa  annecs  1862 
et  1863  par  D.  Gnillermo  Cox.  (Bull,  de  la  Soc. 
de  geogr.  de  Paris  1869,  Tome  II,  S.  57 — 62.) 

Vorliegender  Aufsatz  ist  ein  Referat  über  ein  Werk  von 
dem  bekannten  Reisenden  Cox,  welches  in  den  Annaies  de 
la  Universidad  de  Chile  erfebienen  ist,  wovon  über  Herrn 
S£iualle  nur  der  in  dem  Augustheft#  1863  dieser  Publi- 
catlon  enthaltene  zweite  Theil  zu  Gesichte  gekommen  ist. 
Wir  entnehmen  diesem  Aufsatze  Einiges  über  die  patago- 
nischeu  Völkerschaften;  Cox  unterscheidet  deren  fünf: 

1.  Die  Pehuenchen;  sie  sprechen  das  Araucanische, 
theilcn  sich  in  nördliche:  Pieun  • Pehuetichen  und  in  süd- 
liche: Huilli  - Pehuenchen ; sie  wohnen  von  der  Provinz 

Mendoza  bia  zum  Limay  - Flusse;  ihr  Name  kommt  von 
pehucn  = Fichte  und  ehe  = Volk,  weil  sie  früher  Cor- 
dillrrenthäler  bewohnte«,  wo  Nadelholz  wuchs.  Unter  allen 
Stämmen  haben  die  Pehuenchen  am  meisten  Neigung  zu 
einer  bodenaässigen  Lebensweise.  Im  Typus  ukhern  sic 
sich  dem  Araucaner:  Gesicht  Aach,  Backenknochen  vorste- 
hend, Teint  kupferartig,  Anblick  wild,  Nase  kurz,  Mund 
aufgeworfen,  Bart  keinen,  Haar  dicht. 

*2.  Die  Pampas  oder  Tohuelchen,  zwischen  Limas 
und  Chupat;  leben  im  Norden  mit  den  Huilli  - Pehuenchen 
vermischt;  ihre  rauhe  Sprache  hat  keine  Ärmlichkeit  mit 
dem  Chilenischen.  Sie  sind  die  grösstrn  unter  den  Patu- 
goniern,  doch  wurde  ihre  Grösse  stark  übertrieben;  sie  ha- 
ben kaum  s«chs  englische  Fuss.  Wahre  Nomaden , Jäger, 
Diebe  und  Strandräuber.  Breitschulterig , stark,  in  den 
Formm  massiv,  Kopf  gross  und  rückwärts  etwas  abgeplat- 
tet, Gesicht  breit  und  viereckig,  Backenknochen  wenig  vor- 
stehend, Augen  horizontal,  .Stirne  klein,  Augenbrauen  dicht, 
Lippeu  ungeheuer  stark  aufgeworfen  , Nase  platt  und  mit 
sehr  otTenen  Nasenlöchern.  Ihn*  Zahl  dürfte  Ö00Ü  kaum 
übersteigen. 

3.  Zwischen  dem  Chupatflusse  und  Cap  Hoorn  leben 
zwei  Tehuelchen  -Stämme,  die  sich  nur  durch  die  Sprache 
unterscheiden. 

4.  Die  Huaicurus  am  Nordufcr  der  Magalhaes-Strasse, 
scheinen  von  den  Tehuelchen  und  Fuegiem  abzustammen ; 
ihre  Sprache  scheint  mit  dem  Idiom  der  endeten  verwandt. 

5.  Die  Fuegier,  die  Cox  nicht  persönlich  hat  kennen 
lernen. 

Alle  diese  Völker  haben  krumme  Beine;  sie  sind  gebome 
Reiter;  ihre  Nahrung  ist  ausschliesslich  Fleischnahrung. 
Ehebruch  ist  selten,  Fruchtabtreibung  dagegen  sehr  häufig. 
Es  besteht  ein  Glauben  an  ein  höheres  Wesen  und  an  ela 
zukünftiges  Leben , natürlich  in  grasa«m  Aberglauben  ein- 
gehollt,  in  welchem  Zauberei  eine  grusae  Rolle  spielt. 

Seward.  Alaskian  Reeourcee  and  social  conditione 
of  the  Native«.  Front  Mr.  Seward's  Speech  at 
Sitka.  (The  Alaska  Herald.  San  Francisco  1869, 
1.  Octbr.) 

Seymour,  Rieh.  Arth.  Pioneering  in  the  Pam- 
pas; or  the  First  Four  Years  of  a Settlor’s  Ex- 
perience  in  the  La  Plata  Camps.  London  1869,  8°. 

Besprochen  im  Londoner  Atbenarum  Nr.  2196  vom  20. 
November  1869. 

Shakers.  Die  Communistensecte  der  Shakers  in 
Nordamerika.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  252—253.) 

Simcmin,  L.  Le  Grand  Quent  des  Etats- Unis.  Le« 
pionniers  et  les  Peaux-Rouges,  les  colons  du  Pa- 
cifique.  Paria  1869,  18®.  368  S.  mit  1 Karte. 

Bquier,  E.  Geo.  Serpent  worship  in  America. 
(Atheuaeum,  London,  25.  December  1869.) 

Diesem  Briefe  des  uns  befreundeten  Gelehrten  ist  zu 


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196 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


entnehmen,  Jaas  auch  in  Peru  Jas  Bild  der  Schlang«  da« 
vorzüglichste  Symbol  für  die  Gottheit  der  Erde  gewesen  ist. 

Stettens,  Alfons.  On  some  Stone  Implemente 
from  ihe  island  of  San  Jost*.  (Journal  of  the  Eth- 
ndogical  Soc.  of  London  1869,  s.  07.) 

Kurzer  Bericht  über  Ausgrabungen,  die  in  einem  Grabe 
vorgenoturaen  wurden  und  Stein  Werkzeuge  zu  Tage  fürder- 
ten.  Die  ganze  Insel  ist  mit  Scherben  von  Tüpfergeachirr 
bedeckt. 

Streifzüge  in  Florida.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  97 — 
102,  113—119.) 

Thompson,  George.  The  war  in  Paraguay,  with 
a historical  sketch  of  the  country  and  ita  people. 
London,  Lougman,  1869,  8°.  X & 347  pag. 

Uncia,  J.  8.  Antigüedades  en  el  distrito  de  Tux- 
tepec.  (Bol.  de  la  8oc.  de  geogr.  y estadist.  de 
la  republ.  Mexic.  1869,  Tomo  1,  S.  30.) 

Notixen  über  das  sogenannt«  CaatUlo  de  Moctezuma  und 
über  die  natürliche  Festung  von  Soyaltepec. 

Uruguay.  Zur  Charakteristik  der  Bewohner  von 
Uruguay.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  221  — 223.) 

Behandelt  IleuUche,  Dezentes,  Gauchos  und  Geistliche. 

Uruguay.  The  Eastern  Rcpublic  of  Uruguay. 
(Xautical  Magazine,  April  1869,  S.  172 — 182, 
Mai,  8.  234—243.) 

Abriss  der  Geographie,  Geschichte  und  Statistik  des 
Lande«. 


Wochsthum  und  Bedeutung  des  deutschen  Ele- 
ments in  Nordamerika.  (Globus  Bd.  XVI,  S.  286.) 

Wagnor,  Moriz.  Naturwissenschaftliche  Reise  im 
tropischen  Amerika.  Stuttgart,  Cotta,  1870,  8°. 
632  S. 

Whympor,  Fr.  Travel  and  ad  venture  in  the  Ter- 
ritory dT  Alaska,  forraerly  Ilussian  America,  now 
ccded  to  the  United  State«,  and  in  various  parts 
of  the  North  Pacific.  London  1868,  8C.  347  S. 
mit  1 Karte.  Deutsch  von  T.  Steger,  Brauuschweig 
1869,  8°. 

Auszüge  aus  diesem  interessanten  Buche  brachten  das 
„Ausland“,  daun  der  Globus  Bd.  XVI,  8.  43 — 47,  56—58, 
75-77,  105  10«. 

Wickham,  G.  H.  Notes  of  a journey  among  the 
Woolwa  and  Moskito  Indians.  (Proceed.  of  the 
Royal  Geogr.  Soc.,  Vol.  XIII,  Nr.  1 , S.  58—63.) 

Beschreibt  die  Indianer  am  Blewtields-Kiver. 

Zukunft  des  deutschen  Elemente«  in  Amorika. 
(Globus  Bd.  XVI,  S.  318—319.) 

Zunahme  des  irischen  Elementes  im  Yankeelande. 
(Globus  Bd.  XV,  8.  221.) 

Zustände  unter  den  Mormonen  am  grossen  Salz- 
see. (Globus  Bd.  XVI,  8.  9—11.)*) 


*)  Anmerkung.  Der  Literaturbericht  über  Zoologie  folgt  in  einem  der  nächsten  Hefte. 


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FÜR 

ANTHROPOLOGIE. 

ZEITSCHRIFT 

• V.  > 

»Oh 

NATURGESCHICHTE  UND  URGESCHICHTE  DES  MENSCHEN. 


Organ 

der 

. deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

Ucrausgegcben 

TOD 

0.  E.  V.  Baer  in  St.  Petersburg,  E.  Desor  in  Neuenburg, 

A.  Eoker  in  Freiburg,  F.  V.  Hellwald  in  Wien,  W.  His  in  Basel, 

L.  Lindensehmlt  in  Mainz,  G.  Luoao  in  Frankfurt  &.  M.,  L.  Rütimeyer  in  Basel, 

H.  Sohaaffhausen  in  Bonn,  0.  Semper  in  Wiirzburg,  R.  Virchow  in  Berlin, 

G.  Vogt  in  Genf  und  H.  Welcher  in  Halle. 

Redaction: 

A.  Eoker,  L.  Lindensehmlt 

und  der  Generalsecrotair  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 

Vierter  Band. 

1 87  0. 

Mit  in  den  Text  eingedruekten  Holzet  ichen  nnd  lithographirten  Tafeln. 


Drittes  Vierteljahrsheft 


BRAUNSCHWEIG, 

DRUCK  ÜXD  VERLAG  VOX  FRIEDRICH  VIKWEO  UND  SOHN. 

1871. 


ANKÜNDIGUNG. 


Daa  Archiv  für  Anthropologie  hat  eich  die  Aufgabe  gestellt,  für  die  einzelnen  Arbeiten 
auf  dem  weiten  Gebiete  dieser  Wissenschaft,  dio  bisher  in  anatomischen,  medicinischen  und  archäologi- 
schen Zeitschriften  und  in  den  Denkschriften  gelehrter  Gesellschaften  sich  zerstreuten,  einen  Vereini- 
gungspunkt  zu  bilden  und  so  insbesondere  auch  die  bis  dahin  sich  sehr  fernstehenden  Gebiete  der  Natur- 
und  der  Alterthumsforschung  einander  zu  n&hern.  Ferner  will  dasselbe  einen  möglichst  vollständigen 
IJeberblick  über  den  jeweiligen  Zustand  der  geflammten  Disciplin  gewähren. 

Um  die  bezeichneten  Zwecke  zu  erreichen,  wird  das  Archiv  sowohl  Originalarbeiten,  als 
Auszüge  aus  fremden  Arbeiten,  Übersetzungen,  Heferate  und  zusammenhängende  über- 
sichtliche Darstellungen  der  neuen  Arbeiten  bringen  und  überdies  durch  ein  fortlaufendes  mög- 
lichst vollständiges  Literaturverzeichniss  den  Leser  in  deu  Stand  setzen,  dem  Gange  der  Wissen- 
schaft auf  das  Genauste  zu  folgen.  Durch  die  Eröffnung  einer  Rubrik  für  kleinere  Mitteilungen 
und  dadurch,  dass  dem  Archiv  vou  nun  an  das  (monatlich  erscheinende)  „Correepondenz  blatt “ der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  regelmässig  beigegehen  wird,  erhalten  die  Leser  des  Archivs 
auch  sofortige  Keuntniss  von  kleineren  Beobachtungen,  Funden  etc.,  sowie  von  den  Verhandlungen  der 
einzelnen  Localvereine. 

Das  Archiv  erscheint  vierteljährlich  in  Heften  von  10  bis  12  Bogen  in  Quart,  wovon  vier 
einen  Band  bilden,  wo  immer  es  nöthig  erscheint,  mit  guten  Abbildungen  versehen. 

Beiträge  für  das  Archiv,  sowie  Druckschriften , um  deren  jeweils  baldige 
Zusendung  im  Interesse  der  Vollständigkeit  des  Literaturberichts  dringend  ersucht 
wird,  bittet  man  an  A.  Eoker  in  Freiburg  L B.  (Baden)  oder  an  die  Verlags- 
handlung zu  senden. 


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XL 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

Von 

Wilhelm  His. 


L 

Es  ist  ein  altes  Problem  der  Anthropologie,  welches  ich  in  den  nachfolgenden  Blattern 
zur  Sprache  bringe,  und,  indem  ich  dies  thue,  kann  ich  nicht  eine  neue  Lösung,  selbst 
nicht  eine  neue  Fragestellung  verheisseu.  Einer  Lösung  sind  wir  im  Grunde  kaum  viel 
näher  gerückt,  als  die  Philosophen  dos  griechischen  Alterthums,  und  es  ist  die  Fragestellung 
durch  Jahrtausende  wesentlich  dieselbe  geblieben,  wenn  sie  aucii  in  den  Detailpunkten 
heute  einer  weit  schärferen  Präcision  fähig  erscheinen  mag,  als  früher.  — Welchen  Antheil 
nimmt  der  Mann,  welchen  das  Weib  an  der  Erzeugung  eines  neuen  Individuums, 
und  wie  sind  beide  im  Stande,  körperliche  und  geistige  Eigenschaften  auf  ihre 
Nachkommenschaft  zu  Überträgen!  So  etwa  mussten  die  Menschen  fragen,  sobald  sie 
Uber  das  Räthael  der  Zeugung  nachzudenken  begannen,  und  so  fragt  ja  noch  die  heu- 
tige Wissenschaft.  — Solch  ehrwürdigen  Problemen  gegenüber  mag  es  vielleicht  am  Platze 
erscheinen,  völlig  zu  resigniren,  bis  einmal  die  Gunst  der  Zeiten  mit  neuen  Angriffspunkten 
auch  neue  Aussicht  auf  erfolgreiche  Behandlung  eröflhen  wird.  Indess  ist  für  die  Dauer  die 
Behauptung  derartig  zurückhaltender  Stellung  nicht  möglich,  denn,  wo  eine  Frage  mit  so 
vielen  anderen  in  so  inniger  Weise  verbunden  ist,  da  wird  sie  sich  immer  und  immer  wieder 
zeitweise  in  den  Vordergrund  drängen,  und  so  entsteht  für  eine  jede  Epoche  neuerdings  die 
Noth Wendigkeit,  sich  mit  der  gestellten  Aufgabe  ins  Klare  zu  setzen,  und  ihr  gegenüber 
Position  zu  nehmen.  Von  solchem  Gesichtspunkt  ausgohend,  habe  ich  versucht,  im  Nach- 
folgenden einen  historischen  Ueberblick  der  wichtigeren  Zeugungstheorien  zusammenzustellen. 
Durch  Zurückgehen  auf  Quellen  und  auf  Motive,  hoffe  ich  den  Loser  dafür  entschädigen  zu 
können,  dass  er  vielfach  Bekanntes  mitgctheilt  erhält. 

Von  den  Theorien,  welche  das  Alterthum  über  die  geschlechtliche  Zeugung  organischer 
Wesen- aufgestellt  hat,  sind  zwei  unserer  besonderen  Aufmerksamkeit  würdig,  weil  sie  in 

25* 


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198 


Wilhelm  His, 


der  That  zwei  Hauptrichtungen  repräsentiren,  nach  welchen  die  Lösung  des  Räthscls  gesucht 
werden  kann.  Beide  haben  sich  denn  auch  ihrem  wesentlichen  Inhalte  nach  bis  in  die  ge- 
genwärtige Zeit  erhalten,  oder  sie  sind,  richtiger  gesagt,  mit  zeitgemässen  Modificationen 
versehen,  zu  wiederholten  Malen  jeweilen  wieder  neu  aufgestellt  worden.  Die  eine  der  beiden 
Theorien  scheint  zur  Zeit  des  Hippokrates  allgemeine  Verbreitung  besessen  zu  haben,  die 
andere  hat  ihren  Urheber  in  Aristoteles. 

Nach  der  ersten  Theorie,  die  ich  kurz  als  hippokratische  bezeichnen  will,  bildet  das 
Weib  ebensowohl  Samen  als  der  Mann.  Der  Keim  entsteht  beim  Zusammentreffen  männ- 
lichen Samens  mit  weiblichem,  und  die  Aelinlichkeit  des  erzeugten  Geschöpfes  mit  den 
Erzeugern  rührt  davon  her,  dass  der  Same,  von  allen  Tbeilen  des  Körpers  geliefert,  eine 
Art  von  repräsentativem  Extract  des  letztem  darstellt  In  der  Schrift  „über  Luft,  Lage  und 
Wasser“  spricht  Hippokrates  zwar  nur  kurz,  aber  doch  sehr  bestimmt  diese  Ueberzeugung 
aas.  Nachdem  er  die  künstliche  Bildung  sehr  langgezogener  Schädel  bei  den  Anwohnern 
des  Azow’schen  Meeres  geschildert,  behauptet  er,  es  sei  die  Langköpfigkeit  schliesslich  erb- 
lich geworden,  und  er  begründet  dies  mit  folgenden  Worten:  „der  Same  nämlich  strömt  von 
allen  Tbeilen  des  Körpers  her,  und  ist  gesund  oder  ungesund,  je  nachdem  die  Theile  ge- 
sund oder  ungesund  sind.  Wenn  nun  von  Kahlköpfigen,  von  Blauäugigen  und  Schielenden 
ebenfalls  Kahlköpfige,  Blauäugige  und  Schielende  herkommen,  und  dasselbe  auch  von  der 
übrigen  Körperbildung  gilt,  warum  sollte  von  einem  Langkopf  nicht  auch  ein  Langkopf 
entstehen?“ 

Der  Gedanke  von  dem  Ursprünge  des  Samens  aus  dem  ganzen  Körper  wird  in  dem  un- 
ächten  hippokratischen  Buche  „de  Genitura“  (Tlsgi  rovrjg)  systematisch  ausgeführt  Die  Haupt- 
stelle daselbst  lautet  in  der  Uebersetzung  also:  „Der  Same  des  Mannes  kommt  von  einer 
Ausscheidung  des  kräftigsten  Theiles  der  gesummten  Körperflüssigkeit  Der  Beweis  für  die 
Ausscheidung  des  Kräftigsten  liegt  darin,  dass  wir  durch  die  Geschlechtsthätigkeit  geschwächt 
werden,  trotz  der  sehr  geringen  Menge  des  ausgegebenen  Stoffes.  Die  Sache  verhält  sich 
aber  so:  es  treten  Gefässe  und  Nerven  vom  ganzen  Körper  her  in  die  Pudenda,  und  wenn 
sie  hier  etwas  gerieben  werden,  sich  erwärmen  und  anfüllen,  entsteht  eine  Art  von  Kitzel,  und 
in  Folge  dessen  Wollust-  und  Wännegefuhl  im  gesummten  Körper.  Wenn  aber  die  Pudenda 
gerieben  werden,  und  der  Mensch  sich  bewegt,  erwärmt  sich  die  Flüssigkeit  im  Körper,  breitet 
sich  aus,  wird  von  der  Bewegung  geschüttelt  und  schäumt,  wie  auch  alle  übrigen  Flüssig- 
keiten schäumen,  wenn  sie  heftiger  geschüttelt  werden.  So  aber  scheidet  sich  beim  Menschen 
der  kräftigste  und  fetteste  Theil  von  der  schäumenden  Flüssigkeit  ab  und  tritt  zum  Mark; 
zu  diesem  nämlich  führen  Bahnen  aus  dem  gesammten  Körper  und  breiten  sich  aus,  vom 
Gehirn  in  die  Lenden,  in  den  ganzen  Körper  und  ins  Mark.  Ebenso  gehen  Bahnen  aus 
dem  Mark  hervor,  so  dass  Flüssigkeit  in  dasselbe  eintreten  und  aus  ihm  nustreten  kann. 
Wenn  aber  der  Samen  ins  Mark  gelangt  ist,  so  tritt  er  von  da  in  die  Nieren,  denn  dahin 
steht  ihm  der  Weg  durch  die  Gefässe  offen,  und  wenn  die  Nieren  verschwärt  sind,  wird 
zuweilen  auch  Blut  mitgenommen.  Von  den  Nieren  aus  tritt  er  mitten  durch  die  Hoden 
in  die  Pudenda.  Hierher  gelangt  er  aber  nicht  auf  demselben  Wege  wie  der  Urin,  sondern 
er  besitzt  eine  eigene  Bahn,  die  der  des  letztem  benachbart  ist.“ 

Wenn  wir  absehen  von  den  etwas  verwickelten  Bahnen,  die  dem  Samen  zugewiesen 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

■»■erden,  so  lässt  sich  dieser  Darstellung  eine  grosse  Einfachheit  und  Consequenz  nicht  ab- 
sprechen. Auf  einem,  allerdings  etwas  grob  mechanischen  Wege  macht  sie  den  Versuch,  alle, 
den  Zeugungsact  begleitenden  Vorgänge  unter  einen  gemeinsamen  Gesichtspunkt  zu  bringen, 
und  zu  erklären.  Hinsichtlich  der  Aehnlichkeit  muss  nun  aber  die  Erklärung  noch  ein  Meh- 
reres  leisten,  da  das  Problem  ein  verwickeltes  ist.  Es  kann  ja  die  Frucht  dem  Vater  sowohl 
als  der  Mutter  gleichen,  und  während  sie  das  Geschlecht  nur  von  dem  einen  der  beiden 
Erzeuger  zu  haben  vermag,  so  kann  die  sonstige  Aehnlichkeit  verschränkt  auftreten,  es  kann 
der  Sohn  der  Mutter,  die  Tochter  dem  Vater  vorzugsweise  ähnlich  sein.  Diese  Schwierig- 
keit wird  von  den  Urhebern  der  Theorie  wohl  eingesehen  und  kühn  zu  lösen  versucht.  Zu 
dem  Zwecke  wird  bei  jedem  Geschlecht  ein  doppelter  Samen,  ein  stärkerer  und  ein  schwä- 
cherer, angenommen.  In  den  ächt  hippokratischen  Schriften  finden  sich  nur  kurze  Andeu- 
tungen darüber,  so  in  dem  Aphorismus  V.  48:  „foetus  masculi  quideni  dextris,  foeminae  vero 
in  sinistris  magis“  *).  Weit  ausführlicher  sprechen  sich  darüber  aus  das  Buch  de  Geniturn 
und  dasjenige  über  die  Diät.  Ersteres  Buch  sagt  : 

„Bald  ist  der  Samen,  welcher  vom  Weibe  geliefert  wird,  kräftiger,  bald  schwächer.  Das- 
selbe gilt  auch  von  demjenigen  des  Mannes.  Und  es  enthält  der  Mann  sowohl  weiblichen 
als  männlichen  Samen,  und  ebenso  das  Weib.  Der  Mann  aber  ist  kräftiger  als  das  Weib,  so 
muss  er  nothwendig  aus  dem  kräftigeren  Samen  gezeugt  werden.  Die  Sache  aber  verhält 
sich  so:  Wenn  von  Beiden  kräftigerer  Samen  ausgeht,  wird  die  Frucht  eine  männliche,  wenn 
aber  schwächeier,  so  wird  sie  eine  weibliche.  Wenn  viel  mehr  schwacher  Samen  da  ist, 
als  kräftiger,  wird  letzterer  überwältigt,  und,  indem  er  dem  schwachen  sich  beimengt,  liefert 
er  ein  Weib.  Wenn  aber  der  kräftigere  reichlicher  vorhanden  ist,  als  der  schwache,  wird 
dieser  besiegt,  und  geht  in  einen  männlichen  Körper  über.  Es  ist  wie  wenn  Jemand  Wachs 
und  Fett  mengt,  und  vom  Fette  mehr  zufugend,  die  Substanzen  am  Feuer  flüssig  macht-  So 
lange  3ie  flüssig  sind,  ist  nicht  zu  ersehen,  welche  von  beiden  Substanzen  überwiegt.  Wenn 
sie  aber  gerinnen,  so  wird  es  sofort  ersichtlich,  daas  das  Fett  dem  Wachs  an  Menge  voran- 
steht So  verhält  es  sich  auch  mit  männlichem  und  weiblichem  Samen.  Dass  aber  beim 
Weibe  wie  beim  Manne  sowohl  weiblicher  als  männlicher  Samen  vorkommt,  das  ergiebt  sich 
aus  offenkundigen  Thateachen.  Denn  viele  Weiber  haben  ihren  eigenen  Männern  Mädchen 
zur  Welt  gebracht;  nach  dem  Umgänge  mit  Anderen  aber  erhielten  sie  Knaben,  und  ebenso 
erzeugten  jene  selben  Männer,  von  welchen  die  Weiber  Mädchen  empfangen  hatten,  männ- 
liche Nachkommenschaft,  wenn  sie  zu  anderen  Weibern  übergingen,  und  diejenigen,  welche 
von  ihren  Weibern  Knaben  erhielten,  erzeugten  mit  anderen  Weibern  weibliche  Nachkommen- 
schaft. Hieraus  geht  aber  klar  hervor,  dass  der  Mann  sowohl,  als  das  Weib  männlichen 
nicht  minder,  als  weiblichen  Samen  enthalten;  denn  diejenigen,  welche  weibliche  Nachkom- 
menschaft erhielten,  bei  denen  wurde  der  kräftige  Samen  von  der  Menge  des  schwächeren 
überwältigt,  und  sie  erzeugten  Mädchen.  Die  aber  Knaben  zeugten,  bei  denen  wurde  der 
schwächere  Samen  überwältigt  und  es  entstanden  männliche  Nachkommen. 


t)  Hiermit  stimmt  auch  V.  36:  Mulieri  atertim  gestanti,  si  altera  mamma  gracilis  fiat,  gemellos  gestans 
alteram  abortit.  Et  si  qoidem  dextra  gracilis  fiat  masculum,  si  vero  sinistra  foemellam;  sowie  der  Satz  im 
VI.  Buch  der  Volkskrankheiten,  daas  die  Männer,  deren  rechte  Hode  hervorsteht,  Knaben  erzeugen. 


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200 


Wilhelm  His, 

Von  demselben  Manne  gebt  aber  nicht  immer  kräftiger  Samen,  noch  auch  immer 
schwacher  aus,  sondern  dies  wechselt  mit  der  Zeit  Dasselbe  gilt  vom  Weibe,  so  dass  man 
sich  nicht  wundern  darf)  dass  dieselben  Weiber  mit  denselben  Männern  bald  männliche,  bald 
weibliche  Kinder  erhalten.  In  derselben  Weise  verhält  es  sich  auch  hinsichtlich  des  männ- 
lichen und  des  weiblichen  Samens  bei  Tbieren.  Und  was  den  Samen  des  Mannes  sowohl,  als 
den  des  Weibes  betritft,  so  stammt  er  vom  ganzen  Körper,  und  da  er  von  den  schwachen 
Theilen  schwach,  von  den  kräftigen  Theilen  kräftig  geliefert  wird,  so  muss  sich  dieselbe 
Vertheilung  in  der  Frucht  wiederlinden.  Und  der  Körpertheil,  aus  welchem  beim  Manne 
mehr  in  den  Samen  überging,  als  beim  Weibe,  der  wird  mehr  dem  väterlichen  ähnlich  wer- 
den. Zu  welchem  aber  mehr  vom  Weibe  kam,  der  wird  mehr  dem  mütterlichen  gleichen. 
Es  ist  aber  nicht  möglich,  dass  die  Frucht  in  allen  Theilen  der  Mutter  gleiche,  dem  Vater 
aber  in  gar  Nichts,  noch  kann  sie  auch  umgekehrt  jener  völlig  unähulich  sein,  sie  muss  viel- 
mehr nothwendig  beiden  Erzeugern  in  gewissen  Theilen  gleichen,  da  der  Samen,  aus  dem 
die  Frucht  entsteht,  von  beiden  Körpern  stammt.  Die  Frucht  wird  aber  von  beiden  Erzeugern 
demjenigen  ähnlicher  sein,  welcher  mehr,  und  aus  einer  grösseren  Anzahl  von  Körpertheilen 
zur  Aehnlichkeit  beigetragen  hat.  Zuweilen  aber  geschieht  es,  dass  die  Tochter  zum  grossem 
Theile  dem  Vater  mehr  als  der  Mutter  gleicht,  und  der  Sohn  zuweilen  mehr  der  Mutter  als 
dem  Vater.  Alles  hier  Vorgebrachte  beweist  aber,  dass  beim  Weibe  sowohl  als  beim  Manne 
männlicher  nicht  minder  als  weiblicher  Samen  vorhanden  ist.“  — Laut  dem  Verfasser  der 
Schrift  können  übrigens  auch  kräftige  Eltern  schwache  Kinder  haben,  wenn  die  Beschaffen- 
heit des  Uterus  Verhältnisse  darbietet,  welche  für  die  Ernährung  der  Frucht  ungünstig  sind, 
i ; Nach  einer  andern  Seite  wird  der  oben  ausgeführto  Gedanke  von  zwei  Arten  von  Samen 
in  dem  Buch  Uber  die  Diät  ausgefuhrt.  Dieses  Buch,  welches  gleichfalls  den  uuächten  hippo- 
kratischen Schriften  bcigezählt  wird,  basirt  auf  der  Lehre  des  Heraklit,  wonach  alle  Wesen 
aus  Feuer  und  aus  Wasser  hervorgehen1).  Die  Darstellung  ist  hier  viel  schematischer  gehalten, 
als  im  Buche  de  Geuitura,  und  während  in  diesem  das  Bestreben  unverkennbar  ist,  eine 
Theorie  zu  schaffen,  welche  die  bekannten  Thatsachen  verknüpft,  müssen  in  jenem  vielmehr 
die  Thatsachen  der  Theorie  sich  anpassen.  „Die  Weiber,  so  heisst  es  im  ersten  Buche  von 
der  Diät,  entwickeln  sich  mehr  aus  dem  Wasser  und  aus  kalter,  feuchter  und  weicher  Nah- 
rungs-, sowie  Getränk-  und  Lebensweise,  die  Männer  aber  mehr  aus  dem  Feuer,  d.  h.  aus 
trockener  und  heisser  Nahrungs-  und  Lebensweise.  Wer  daher  ein  Mädchen  erzeugen  will, 
der  soll  eine  wässerige  Kost  gebrauchen,  wer  aber  einen  Knaben  bekommen  will,  der  hat 
eine  feurige  Lebensweise  zu  befolgen.  Und  zwar  gilt  dies  nicht  allein  vom  Manne,  sondern 
auch  vom  Weibe,  denn  nicht  das  allein  trägt  zum  Wachsthum  bei,  was  vom  Manne  ausge- 
schieden wird,  sondern  auch  was  vom  Weibe  stammt,  aus  eben  jenem  Grunde.“ 

Weiterhin  heisst  es:  „Wenn  es  geschieht,  dass  von  beiden  Theilen  männliche  Körper 
abgeschieden  werden,  so  wachsen  sie  sofort,  und  es  entstehen  Männer  von  mächtigem  Geiste 
und  kräftigem  Körper,  wofern  sie  nicht  durch  die  spätere  Ernährungsweise  beeinträchtigt 
werden.  Wenn  aber  vom  Manne  männlicher  Samen  ausgeht,  vom  Weibe  weiblicher,  und  der 
männliche  überwiegt,  so  wirddfe  schwächere  Seele  der  stärkeren  beigemengt,  da  sie  unter  dem 

'!  Ignii  omni*  Bemper  movere  pote«t,  aqua  cmnia  semper  autrire. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  201 

Vorhandenen  nichts  Verwandteres  vorfindet.  So  nimmt  die  kleinere  die  grössere,  und  die 
grössere  die  kleinere  in  sich  auf,  und  gemeinschaftlich  üben  sie  die  Herrschaft  aus  über  das 
Vorhandene.  Und  es  wächst  der  Körper  des  Hannes,  der  weibliche  wird  verringert  und  zu 
anderen  Geschicken  ausgeschieden.  Und  die  also  Entstandenen  sind  zwar  minder  ausge- 
zeichnet als  Jene,  alter  weil  die  männliche  Ausscheidung  das  Uebergewicht  erhielt,  so  werden 
doch  Männer  erzeugt,  die  den  Namen  mit  Recht  verdienen.  Wenn  mm  aber  vom  Weibe 
männliche  Ausscheidung  und  vom  Manne  weibliche  stammt,  und  die  männliche  das  Ueber- 
gewicht erhält,  wächst  sie  iu  derselben  Weise  wie  oben,  und  die  weibliche  wird  vermindert. 
Die  Erzeugten  aber  sind  Androgyni,  d.  h.  weibliche  Männer,  welche  mit  Recht  diesen  Namen 
verdienen.  Und  die  Männer,  nach  diesen  drei  Weisen  erzeugt,  unterscheiden  sich  von  ein- 
ander durch  das  Mehr  oder  Weniger  des  Mauuseins,  wpgen  der  Temperirung  der  wässerigen 
Theile,  wegen  der  Nahrung,  der  Erziehung  und  der  Gewöhnung. 

Das  Weib  aber  wird  in  gleicher  Weise  erzeugt.  Wenn  von  beiden  Tbeileu  Weibliches 
ausgeschieden  wird,  entstehen  Weiber  von  durchaus  weiblichem  Geist,  und  zu  allem  Weiblichen 
geschickt.  Wenn  vom  Weibe  weiblicher,  vom  Manne  männlicher  Samen  stammt,  und  der 
weibliche  überwiegt,  so  entwickelt  sich  dieser  letztere,  die  Weiber  werden  kühner  als 
jene,  gleichwohl  aber  schön  und  wohlgesittet.  Wo  aber  vom  Manne  weiblicher  Samen  aus- 
geschieden wird,  vom  Weibe  männlicher,  und  der  weibliche  bleibt  Meister,  so  entwickelt  er 
sich  desgleichen,  und  die  entstehenden  Weiber  werden  noch  weit  kecker  als  jene,  und  heissen 
alsdann  Viragines.“  „So  aber  Jemand  bezweifelt,  dass  eine  Seele  mit  der  andern  sich  mischen 
könne,  der  entbehrt  des  Verstandes,“  fügt  der  Verfasser  bei,  und  vergleicht  das  Verhältnis* 
der  beiden  Seelen  domjenigen  zweier  ungleich  stark  glühender  Kohlen,  die  auch  zu  dem- 
selben Feuer  sich  untrennbar  vereinigen,  wenn  da«  Feuer  Nahrungsstoff  erhält.  Die  Möglich- 
keit aber  der  Zwillingsbildung  wird  auB  der  zweifächerigen  Natur  des  Uterus  abgeleitet. 

Wenn  der  Verfasser  des  Buches  von  der  Diät  mit  dem  des  Buches  de  Genitura  in  der 
Annahme  zweier  Samen  Ubereinstimmt,  so  weichen,  wie  man  sieht,  beide  doch  darin  weit 
von  einander  ab,  dass  der  Letztere  der  entstehenden  Seele  den  Hauptantheil  an  der  Körper- 
bildung  zuschreibt,  während  Jener  eine  weit  materiellere  Form  der  Erklärung  gewählt  hat. 

Was  nun  Hippokrates  selbst  betrifft,  so  hat  derselbe  die  Annahme  von  dem  Ursprünge 
des  Samens  aus  dem  ganzen  Kör] km-,  wie  wir  oben  sahen,  ausdrücklich  adoptirt,  gleichwohl 
liegt  kein  Grund  vor,  ihn  als  deren  eigentlichen  Begründer  zu  betrachten.  Unter  anderm 
scheint  aus  der  Art,  wie  Aristoteles  dagegen  auftritt,  hervorzugehen,  dass  die  besagte  Hy- 
pothese in  jener  Zeit  eine  weitere  Verbreitung  besass  ■).  Auch  wird  von  einem  sehr  nahen 
Zeitgenossen  des  Hippokrates,  nämlich  von  Demokrit,  berichtet,  dass  er  den  Samen  aus 
dem  ganzen  Körper  hergeleitet  habe’).  Jedenfalls  scheint  die  Annahme  eines  besondere 


*)  Hierüber  vergl.  man  Coate:  Hiatoire  generale  et  perticuliire  de  1»  Generation  I,  pag.  IMS.  Code 
glaubt.  Aristoteles  halte  den  Hippokrates  nur  au»  Achtung  nicht  persönlich  genannt,  während  Aubert 
in  der  Einleitung  zu  der  mit  Wimmer  herausgegebenen  Geichichtc  der  Zeugung  von  Ariatotele»  pag.  7 
die  oben  vertretene  Ansicht  aufspricht. 

*)  Plutarch  de  placitis  philoaophorum.  V.  3.  ed.  ßndaeus.  Ba>Q.  1531.  pag.  152,  Pythagoras  geniturnm 
e*»e,  inquit,  probissimi  sanguinis  »pumam,  alimenti  retrimentum,  utsonguinem  quoque  et  meduliam.  Alcmaeon 
oerebri  partem.  Plato  vertebraü#  metlullae  deflnrium.  Epicurus  convubum  quiddam  a corpore  et  anima. 
Democritus:  ex  toti»  prodit  genitura  corporibua,  praecipuisquc  eorum  partibu».  veluti  caruoeis fibrie et  ossihtia. 

Archiv  Mr  Anthropologie.  Bd.  IV.  H«ft  I1L  0(J 


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202 


Wilhelm  His, 


weiblichen  Samens  weit  älter  als  Hippokrates,  denn  sie  wird  von  Plutarch  schon  dem 
Pythagoras  zugeschrieben.  Die  Bedeutung  der  rechten  und  der  linken  Seite  für  das  Ge- 
schlecht der  Frucht  sollen  nach  demselben  Gewährsmann  Parmcnides  und  Anaxngoras 
behauptet  haben ')■  Der  Gedanke  scheint  ein  sehr  naheliegender  zu  sein,  und  er  lebt  be- 
kanntlich noch  weit  verbreitet  in  unsertn  heutigen  Volksglauben  fort.  — Ganz  allgemein 
war  Übrigens  die  Annahme  von  einem  weiblichen  Samen  in  der  vorhippokratischen  Zeit 
nicht.  So  flihrt  Aristoteles  den  Anaxagoras  als  Vertreter  einer  Ansicht  an,  wonach  der 
Mann  allein  den  Samen  und  das  Weib  blos  den  Ort  der  Entwickelung  gewährt.  Noch  früher 
findet  diese  Ansicht  Ausdruck  in  einer  Stelle  der  Eumeniden  des  Aeachylus,  auf  die  ich 
von  befreundeter  Seite  bin  aufmerksam  gemacht  worden.  Es  spricht  Apollo  bei  Vertheidi- 
gung  des  Muttermörders  Orestes  (Vers  611  u.  ff.): 

.Es  ist  die  Mutter  deseen,  den  ihr  Kind  sie  nennt, 

Nicht  Zeugerin,  nur  Pflegerin  eingeeaeten  Keimes; 

Es  zeugt  der  Vater,  aber  sie  bewahrt  da«  Pfand 

Dem  Freund  die  Freundinn,  wenn  ein  ('Ott  es  nicht  verletzt. 

Mit  sichrem  Zeugnis«  will  ich  das  bestätigen: 

Denn  Vater  kann  man  ohne  Mutter  sein;  Beweis 
Ist  durt  die  eigne  Tochter  des  Olympiers  Zeus, 

Die  nimmer  eine»  Mutterschoosses  Dunkel  barg, 

Und  edler  Kind  gebar  doch  keine  Göttin  je.“ 

(Uebers.  von  Droyseu,  S.  147,  3.  Aufl.) 

Wenn  wir  der  oben  besprochenen  hippokratischen  Zeugungstheorie,  besonders  der  im 
Buche  de  Genitura  ausgefUhrten,  das  Verdienst  lassen  müssen,  dass  sie  consequent»  klar  und 
nach  verschiedenen  Seiten  hin  ihren  Gegenstand  erfasst,  so  leuchtet  doch  sofort  ein,  dass  sie 
nur  dem  Menschen  und  allenfalls  noch  den  Siiugethieren  angepasst  ist»  auf  die  übrige  Thier- 
welt aber,  und  vor  allem  auf  die  Pflanzenwelt  nicht  mehr  anwendbar  erscheint.  Mit  seinem 
universellen  Geiste  hat  denn  auch  Aristoteles  dies  sofort  erkannt,  und  neben  den  übrigen 
schwachen  Seiten  der  Theorie  gerade  diesen  Mangel  an  Allgemeinheit  in  überlegener  Weise 
angegriffen.  Ich  theile  den  Hauptabschnitt  seiner  Kritik  in  extenso  mit*): 


*)  Plutarch,  de  plac.  phil.  V.  7,  und  Aristoteles,  von  der  Zeugung.  Buch  IV,  I.  c.  261:  „Einige,  wie 
Anaxagoras  und  andere  Naturforscher,  meinen,  dass  dieser  Gegensatz  gleich  Anfangs  in  dem  Samen  liege. 
Von  dem  Männchen  nämlich  komme  der  Same,  das  Weibchen  aber  gewähre  den  Ort.  und  das  Männchen 
komme  aus  der  rechten  Seite,  das  Weibchen  aus  der  linken,  und  ebenso  «eien  im  Uterus  die  Männchen  auf 
der  rechten,  die  Weibchen  auf  der  linken  Seite.*1  Von  letzterer  Behauptung  hat  bereits  Aristoteles  die  that- 
sächliche  Unrichtigkeit  erwiesen.  Andere  waren  übrigens  noch  weiter  gegangen,  und  hatten  angegeben,  durch 
einseitiges  Unterbinden,  oder  bei  Thieren  durch  Abschneiden  eines  Testikels  habe  mau  es  in  der  Gewalt,  das 
Geschlecht  der  Nachkommen  willkürlich  zu  bestimmen.  Sehr  treffend  bemerkt  dazu  Aristoteles:  „Aber 
diese  Behauptung  ist  unwahr,  vielmehr  hat  man  nach  WahrscheinlichkeiUgründen  vorausgesetzt,  was  geschehen 
müsse,  und  vorausgeurtheilt,  das«  es  so  sei,  ehe  man  die  Thatsache  beobachtet  hatte  (und  ohne  zu  wissen, 
dass  diese  Organe  l>ei  der  Zeugung  gar  nichts  zur  Hervorbringuug  weiblicher  und  männlicher  Jungen  bei- 
t ragen)“  1.  c.  269.  Allerdings  verwirft  im  Hinblick  auf  die  Elements rtheorie  selbst  Aristoteles  die  Bedea« 
tung  der  Körperseilo  für  das  Geschlecht  nicht  vollständig,  worüber  man  das  Original  nachsehen  mag.  Man 
vergleiche  ferner  das  VII.  Buch  der  Geschichte  der  Thiere,  edit.  Aubert  und  Wimmer,  Bd.  II,  ^47,  wo  der 
Verfasser  (nach  Aubert  und  Wimmer  nicht  Aristoteles  selbst,  sondern  ein  aus  ihm  schöpfender  Schrift- 
steller) das  Zusammentreffen  des  Aufenthalts  in  der  rechten  Uterusseite  mit  männlichem  Geschlecht  u.  s.  w. 
für  inoonatant  erklärt. 

*)  Nach  der  Uebersctzung  von  Aubert  und  Wimmer  Seite  71. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  203 

„Da  nun  Manche  behaupten,  dass  der  Samen  vom  ganzen  Körper  kommt,  so  müssen  wir 
zunächst  untersuchen,  wie  es  sich  damit  verhält.  Es  sind  ungefähr  vier  Gründe,  welche  man 
dafür  anführen  kann.  Erstens  die  .Stärke  des  Lustgefühls,  denn  die  Lust  ist  grösser,  wenn 
dieselbe  Empfindung  vielfältiger  ist;  sie  ist  aber  vielfältiger,  wenn  sie  allen  Theilen,  als 
wenn  sie  nur  einem,  oder  wenigen  zukommt.  — Zweitens:  dass  aus  Verstümmelten  wieder 
Verstümmelte  entstehen,  denn  weil  ein  Tlieil  fehlt,  so  könne,  sagt  man,  von  diesem  kein 
Samen  kommen,  und  der  Tlieil,  von  dem  kein  Samen  komme,  könne  demnach  auch  nicht 
entstehen.  — Dazu  kommt  drittens  die  Aehnlichkeit  mit  den  Erzeugern,  denn  die  Kinder 
werden  ihren  Eltern  ähnlich  geboren,  sowohl  im  ganzen  Körper,  als  auch  in  den  einzelnen 
Theilen.  Wenn  nun  davon,  dass  der  ganze  Körper  ähnlich  ist,  der  Grund  darin  liegt,  dass 
der  Same  von  dem  Ganzen  kommt,  so  wird  auch  für  die  Aehnlichkeit  der  Theile  der  Grund 
darin  liegen,  dass  von  jedem  Theile  etwas  herkommt.  Endlich  scheint  es  auch  folgerichtig 
zu  sein,  daas  wenn  es  ein  Erstes  giebt,  aus  welchem  das  Ganze  wird,  es  ebenso  Etwas  gebe, 
aus  welchem  jeder  Tlieil  wird,  daher,  wenn  es  einen  Samen  giebt  für  jenes  Ganze,  auch  jeder 
einzelne  Theil  seinen  besondern  Samen  haben  wird.  Diese  Meinung  stützt  sich  auf  folgende 
Erfahrungen:  Die  Kinder  werden  ihren  Erzeugern  ähnlich,  nicht  allein  in  angeborenen,  son- 
dern auch  in  später  erworbenen  Merkmalen.  Denn  der  Fall  ist  vorgekommen,  dass  wenn 
die  Eltern  Narben  hatten,  ihre  Kinder  an  derselben  Stelle  das  Zeichen  der  Narbe  hatten, 
und  in  Chalcedon  zeigte  sich  bei  dem  Kinde  eines  Vaters,  welcher  auf  dem  Arme  ein  Brand- 
zeichen hatte,  derselbe  Buchstabe,  nur  verwischt  und  nicht  scharf  ausgeprägt.  Dies  sind 
ungefähr  die  Gründe,  weshalb  Manche  überzeugt  sind,  dass  der  Santen  vom  ganzen  Körper 
kommt. 

Wenn  man  aber  diese  Ansicht  näher  prüft,  so  ergiebt  sich  vielmehr  das  Gegentheil,  denn 
es  ist  nicht  schwer,  die  Behauptung  zu  widerlegen,  und  ausserdem  stösst  jene  Ansicht  noch 
auf  andere  Widersprüche.  Erstens  ist  die  Aehnlichkeit  kein  Beweis  dafür,  dass  der  Samen 
vom  ganzen  Körper  herkommt,  da  die  Abkömmlinge  auch  in  der  Stimme,  den  Nägeln,  Haaren 
und  in  der  Bewegung  ähnlich  sind,  von  welchem  allen  doch  Nichte  herkommt.  Manches 
haben  auch  die  Eltern  noch  nicht  zu  der  Zeit,  wo  sie  erzeugen,  z.  B.  die  grauen  Haare  oder 
den  Bart.  Ferner  gleicht  man  den  Grosseltern,  von  welchen  Nichts  bergekontmen  ist.  Denn 
die  Aehnlicbkeiten  pflanzen  sich  durch  mehrere  Geschlechter  fort,  wie  dies  in  Elia  bei  einem 
Mädchen  der  Fall  war,  welche  mit  einem  Mohren  Umgang  hatte,  indem  nicht  ihre  Tochter, 
sondern  der  Sohn  der  letzteren  von  schwarzer  Farbe  war.  Dasselbe  Verhältniss  zeigt  sich 
auch  bei  den  Pflanzen,  bei  denen  ja  offenbar  der  Samen  auch  von  allen  Theilen  herkommen 
würde.  Viele  Pflanzen  haben  aber  manche  Theile  gar  nicht,  manche  kann  man  hinweg- 
nehmen und  manche  wachsen  nach.  Ferner  kann  auch  der  Samen  nicht  von  den  Fruchthülleu 
herkommen,  und  doch  zeigen  auch  diese  dieselbe  Gestalt.  Ferner  muss  man  fragen,  kommt 
der  Samen  nur  von  einem  jeden  der  Gewebe  (gleichartigen  Theile),  als  da  sind  Fleisch, 
Knochen,  Sehnen,  oder  kommt  er  auch  von  den  Körpertheilen  (ungleichartigen  Theilen),  z.  B. 
dem  Gesicht  und  der  Hand!  Denn  nimmt  man  an,  dass  er  nur  von  jenen  kommt,  so  gleichen 
die  Abkömmlinge  doch  gerade  mehr  in  letzteren  den  Eltern,  im  Gesicht,  an  den  Händen  und 
Füssen.  Rührt  also  die  Aehnlichkeit  in  diesen  Theilen  nicht  davon  her,  dass  der  Samen  von 
allen  Bestandtheilen  kommt,  so  ist  nichts  entgegen,  dass  auch  die  Aehnlichkeit  in  jenen 

20  • 


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W i 1 li  e 1 in  H i s , 


äu4 

Theileu  nicht  davon  berriihrt,  dass  der  Samen  vom  ganzen  Körper  herkommt,  sondern  von 
einer  andern  Ursache.  Nimmt  man  aber  an,  dass  er  nur  von  den  Körpertheilen  herkommt, 
so  giebt  man  zu,  dass  er  nicht  von  allen  Bestandtheilen  herkommt.  Richtiger  wäre,  dass  er 
vou  jenen'  herkommt,  denn  jene  sind  früher  vorhanden  und  die  Körpertheile  sind  aus  den 
Geweben1)  zusammengesetzt,  und  die  Aehnlichkeit  im  Gesiebt  und  in  den  Händen  ist  nicht 
ohne  die  im  Fleisch  und  in  den  Nägeln.  Nimmt  man  aber  drittens  an,  der  Samen  komme 
vou  beiden  Ordnungen  von  Bestandtheilen,  wie  sollte  dann  die  Erzeugung  stattfinden?  Denn 
die  Körpertheile  sind  aus  den  Geweben  zusammengesetzt;  käme  also  der  Samen  von  diesen, 
so  hiesse  dies  so  viel,  als  dass  er  von  jenen,  und  von  ihrer  Zusammensetzung  herkommt. 
Man  vergleiche  den  Körper  mit  einem  Namen,  kommt  etwas  von  dem  ganzen  Namen,  so 
kommt  es  von  jeder  Silbe,  und  kommt  es  von  diesen,  so  kommt  es  auch  von  den  Buchstaben, 
als  den  Elementen  dor  Silben,  und  von  deren  Zusammensetzung.  Wenn  also  Fleisch  und 
Knochen  aus  Feuer  und  dergleichen  bestehen,  so  würde  man  bis  auf  die  Elemente  zurück- 
gehen  müssen,  denn  wie  wäro  es  möglich,  dass  der  Samen  aus  der  Zusammensetzung  herkäme? 
und  doch  könnte  ohne  diese  keine  Aehnlichkeit  stattfinden.  Wenn  aber  irgend  ein  Spä- 
teres dio  Zusammensetzung  bewerkstelligt,  so  wird  dieses  die  Ursache  der 
Aehnlichkeit  sein,  nicht  aber,  dass  der  Samen  vom  ganzen  Körper  herkommt 
Ferner,  wenn  sich  die  Organe  im  Samen  von  einander  getrennt  finden,  auf  welche  Weise 
können  sie  leben?  wenn  sie  aber  Zusammenhängen,  so  hätten  wir  schon  ein  kleines  Thier.“ 

Nachdem  nun  Aristoteles  die  Ansicht  des  Empedokles  bekämpft,  wonach  ein  jedes 
der  beiden  Eltern  nur  einen  Theil  der  Körperbestandtbeile  liefere,  wendet  er  sich  zur  Wür- 
digung von  Wachsthum  und  Ernährung,  auch  hier  mit  vortrefflichen  Argumenten  kämpfend, 
so  fragt  er  z.  B.:  „Alsdann  auf  welche  Weise  sollen  diese  Theile,  welche  vom  ganzen  Körper 
hergcknmmen  sind,  wachsen?  Anaxagoras  sagt  ganz  richtig,  dass  Fleisch  aus  der  Nahrung 
zum  Fleisch  hinzutrete;  wie  wollen  nun  diejenigen,  welche  dies  nicht  annehmen,  aber  be- 
haupten, dass  der  Samen  vom  ganzen  Körper  komme,  die  Vergrösserung  durch  Hinzutreten 
eines  Verschiedenen  erklären,  wenn  das  Hinzugekommene  unverändert  bleibt  ? Wenn  aber 
das  Hänzutretende  sich  zu  verändern  vermag,  warum  kann  nicht  von  Haus  aus  der  Samen  so 
beschaffen  sein,  dass  aus  ihm  Blut  und  Fleisch  werden  knun,  ohne  dass  er  selbst  Fleisch  und 
Blut  zu  sein  braucht?  Denn  auch  so  läast  sich  das  Wachsthum  nicht  erklären,  dass  die  Zu- 
nahme weiterhin  durch  Mischung  geschieht,  wie  beim  Wein,  wenn  man  Wasser  hinzugiesst 
Denn  nach  solcher  Ansicht  wäro  ursprünglich,  da  der  Samen  noch  unvermischt  war,  jeder  Theil 
gerade  am  meisten  und  reinsten  in  ihm  gewesen,  nun  aber  gestaltet  er  sich  vielmehr  später 
erst  zu  Fleisch  und  Knochen  und  jedem  der  anderen  Theile.  Dio  Meinung  aber,  dass  irgend 
ein  Theil  des  Samens  Sehne  sei  oder  Knochen,  übersteigt  unsere  Begriffe.“ 

Weiter  heisst  es;  „Ferner  entstehen  manche  Thiere  weder  aus  Thieren  derselben,  noch 
aus  solchen  verschiedener  Art,  wie  die  Fliegen  und  die  Arten  der  sogenannten  Höhe.  Aus 
diesen  entstehen  Thiere,  die  aber  nicht  mehr  von  ähnlicher  Bildung  sind,  sondern  eine  Art 
Würmer.  Offenbar  können  nun  dergleichen  Abkömmlinge,  welche  von  amlerer  Gestaltung 
sind,  nicht  dadurch  entstehen,  dass  der  Samen  dazu  von  dem  ganzen  Körper  herkommt“ 

'j  Wenn  ich  hier  die  Ausdrücke  Gewebe  und  Körpertheile  für  gleichartige  und  ungleichartige  Theile 
•uhetituire,  »o  i*t  die«  im  Grunde  nur  eine  (YberseUung  in  uu#ere  gegenwärtige  Fachsprache. 


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205 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

Gehen  wir  nun  zur  eigenen  Zeugnngstheorie  des  Aristoteles  Uber,  so  lässt  sich  diese 
kurz  dahin  ausdrücken,  dass  das  Männchen  den  Anstoss  der  Bewegung  (upZ'l  Z’IS  xtvtjatuj) 
giebt,  das  Weibchen  aber  den  Stoff.  Mit  Hülfe  verschiedener  Bilder  sucht  Aristoteles  die- 
sen Gedanken  anschaulich  zu  machen ; so  vergleicht  er  einmal  die  Zeugung  mit  der  Gerin- 
nung der  Milch  durch  das  Lab,  bei  welcher  die  Milch  den  Stoff’,  das  Lab  aber  das  Princip  der 
Gerinnung  abgebe,  oder  wiederum  mit  dem  Guss  einer  Wachskugel  in  einer  Form,  oder  dem 
Schaffen  einer  Bettstelle  aus  Holz  durch  den  Zimmermann  u.  s.  w ■).  „Und  es  muss  gleich 
Anfangs  der  eine  Theil  des  Stoffes  beisammen  sein,  ans  welchem  der  erste  Keim  gebildet 
wird,  der  andere  Theil  aber  fortwährend  hinzukommen,  damit  die  Frucht  wachse.“  Als  den 
Stoffbeitrag,  welchen  das  Weib  an  das  Erzeugnis*  abgiebt,  sieht  Aristoteles  die  Katamenicn 
an,  und  es  ist  bekannt,  wie  er  bereits  die  Menstruation  des  menschlichen  Weibes  mit  den 
Blut-  und  Sehleimabgängen  parallelisirt  hat,  welche  zur  Zeit  der  Brunst  bei  Thieren  beob- 
achtet werdeu. 

Besonders  deutlich  zeigt  die  nachfolgende  Stelle,  wie  Aristoteles5)  den  männlichen  und 
den  weiblichen  ADtheil  an  der  Zeugung  auffasst:  „Indem  aber  der  Samen  eine  Ausscheidung 
ist,  und  sich  in  der  Bewegung  beßndet,  kraft  welcher  das  Wachsthum  des  Körpers  durch  die 
Vertheilung  der  letzten  Nahrung  geschieht,  so  formt  er,  wenn  er  in  den  Uterus  gelangt  ist, 
und  setzt  die  im  weiblichen  Körper  vorhandene  Ausscheidung  in  die  Bewegung,  in  der  er 
sich  befindet;  denn  auch  jene  ist  eine  Ausscheidung,  und  enthält  das  Vermögen  zur  Bildung 
aller  T’heile,  nicht  aber  die  Tbeile  in  Wirklichkeit.  Sie  enthält  auch  die  Möglichkeit,  solche 
Theile  zu  bilden,  durch  welche  das  Weibchen  vom  Männchen  sich  unterscheidet,  denn  sowie 
aus  Verstümmelten  bald  Verstümmelte  werden,  bald  nicht,  ebenso  werden  aus  Weibchen  bald 
Weibchen,  bald  nicht,  sondern  Männchen.  Das  Weilrchen  ist  nämlich  gleichsam  ein  ver- 
stümmeltes Männchen  und  die  Katamenien  Samen,  der  aber  nicht  rein  ist,  denn  es  fehlt  ihm 
noch  eines,  das  Princip  der  Seele.  Daher  enthält  bei  den  Thieren,  welche  Windeier  legen, 
das  sich  bildende  Ei  die  Theile  beider,  nber  das  Princip  fehlt  ihm,  weshalb  es  nicht  lebendig 
und  lieseelt  wird,  denn  dieses  bringt  der  Samen  des  Männchens  hinzu.  Sobald  aber  die  im 
Weibchen  vorhandene  Ausscheidung  dies  Princip  empfängt,  wird  sie  zum  Keime.“  Hinsicht- 
lich der  hier  erwähnten  Windeier  ist  hervorzuheben,  dass  ihre  Erklärung  Aristoteles  und 
seinen  Nachfolgern  deshalb  viel  zu  tliun  gegeben  hat,  weil  sie  sich  das  Ei  erst  in  Folge  der 
Befruchtung  gebildet  dachten.  Eine  ganz  ähnliche  Schwierigkeit  ergab  sich  bekanntlich 
später  fiir  die  Erklärung  jungfräulicher  Corpora  lutea,  und,  wie  die  Erklärer  hier  darauf 
verfallen  sind,  die  Jungfrauen,  bei  denen  Corpora  lutea  gefunden  wurden,  einer  aufgeregten 
Phantasie  zu  beschuldigen,  so  ist  man  auf  den  Gedanken  gekommen,  jungfräulichen  Hühnern, 
welche  Windeier  legen,  erotische  Gedanken  vorzuwerfen,  „naud  improbo  etiam  Plinii  seh- 
tentiani,  qui  mutua  inter  se  libidinis  imaginatione  ova  talia  «mcipere  dixit.  Omnioo  etenim 
verisimile  est,  materiae  seminalis  redundantiam  ingentem  pruritum,  ae  tintillationem  in  parti- 
bus  genitalibus  excitare,  unde  postmodum  sese  concepisse  imaginentur,  maxime  si  altera 
foemella,  ut  quaudoque  fit,  alteram  ineat,"  (Aldrovandi  Omitliolog.  lib.  XIV.) 

Im  zweiten  Buche  seiner  Zeugungsgescliichte  sucht  nun  Aristoteles  auch  die  meta- 

*1  1.  c.  109,  115.  — *)  Von  der  Zeugung:,  II.  Buch  in  der  Uebersetzung  von  A.  u.  W,  S,  153. 


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Wilhelm  His, 


206 

physische  Begründung  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  zu  geben.  Unter  Verweisung  auf 
dos  Original  hebe  ich  aus  dieser  Begründung  blos  die  nachfolgenden  Sätze  hervor:  „Die 
Natur  der  Geschöpfe  lässt  die  Ewigkeit  nicht  zu,  sonach  ist  das  Werdende  soweit  ewig  als 
es  vermag.  Der  Zahl  nach  vermag  es  nicht  ewig  zu  sein,  aber  der  Art  nach  kann  es  ewig 
sein;  deswegen  giebt  es  sich  wiederholende  Geschlechter  der  Menschen  uud  Thiere  und 
Pflanzen.  Da  aber  das  Weibliche  und  das  Männliche  deren  Ursprung  sind,  so  kann  das 
Weibliche  und  das  Männliche  in  den  Wesen,  die  eins  von  beiden  sind,  nur  um  der  Zeugung 
willen  sein.  Insofern  aber  die  erste  bewegende  Ursache,  in  welcher  der  Begriff  und  die 
Form  liegt,  ein  Höheres  und  Göttlicheres  ist,  als  der  Stoff,  so  ist  es  auch  besser,  dass  das 
Höhere  vom  Niederen  getrennt  ist  Deswegen  ist  überall  da,  wo  es  angeht,  und  soweit  es 
angcht,  das  Männliche  vom  Weiblichen  getrennt.  Denn  ein  Höheres  und  Göttlicheres  ist  das 
Prineip  der  Bewegung,  welches  als  Männliches  dem  werdenden  Geschöpfe  zu  Grunde  liegt, 
indem  das,  was  als  Weibliches  zu  Grunde  liegt,  nur  der  Stoff  ist.  Um  die  Zeugung  zu  be- 
werkstelligen, kommt  das  Männliche  mit  dem  Weiblichen  zusammen  und  mischt  sich  mit  ihm, 
denn  sie  ist  ein  Erzeugnis«  beider  ')•“ 

Indem  nun  Aristoteles  die  successive  Bildung  der  Organe  ins  Auge  fasst  kommt  er 
zum  Ergebnisse,  dass  die  vom  Samen  ausgehende  Bewegung  fortwährend  neuen  Theilen  sich 
überträgt.  „Es  ist  aber  der  Fall,  dass  ein  Erstes  ein  Zweites  bewegt  und  ein  Zweites  ein 
Drittes,  wie  boi  den  wunderbaren  Automaten.  Die  ruhenden  Theile  der  letzteren  besitzen 
nämlich  eine  gewisse  Fähigkeit,  und  wenn  eine  äussere  Kraft  den  ersten  Theil  in  Bewegung 
setzt,  so  wird  sofort  der  nächste  in  thätige  Bewegung  versetzt.  So  wie  nun  bei  den  Auto- 
maten jene  Kraft  gewissermassen  bewegt,  ohne  zur  Zeit  irgend  einen  Theil  zu  berühren, 
nachdem  sie  jedoch  früher  einen  berührt  hat,  auf  ähnliche  Weise  wirkt  auch  das  von  dem 
Samen  Kommende,  oder  was  den  Samen  bereitet  hat,  so  dass  es  zwar  einen  Theil  berührt 
hat,  nun  aber  nicht  weiter  berührt.  . . . Der  Samen  aber  ist  ein  solches  Wesen,  und  hat  ein 
solches  Bewegungsprincip,  dass,  wenn  der  Anstoss  der  Bewegung  aufhört,  ein  jeder  Theil,  und 
zwar  als  ein  beseelter  wird.“  Das  bewegende  Prineip  des  Samens  nennt  Aristoteles  seine 
Seele,  und  er  ertheilt  ihm  eine  solche,  wie  er  sie  allen  Theilen  des  Körpers  zuertheilt.  „Denn 
es  giebt  weder  ein  Angesicht  noch  Fleisch  ohne  Seele,  sondern  man  wird  diese  Theile,  wenn 
sie  abgestorben  sind,  nur  uneigentlich  mit  dem  Namen  Angesicht  und  Fleisch  benennen, 
wie  dies  mit  den  aus  Holz  bestehenden  geschieht.“  Dürften  wir  hier  das  Wort  #>t fjrij  mit 
Leben  anstatt  mit  Seele  übersetzen,  so  wiirde  die  Aufstellung  der  x f’ejt)  des  Samens  sofort 
zu  einem  Satze  der  heutigen  Physiologie.  — Als  ffptsmxij  oder  Ernährungsseele  de- 

finirt  Aristoteles  genauer  das  dem  Samen  innewohnende  Prineip.  Anima  vegetativa  hat  es 
späterhin  auch  Harvey  genannt. 

Ich  unterlasse  es,  Aristoteles  auf  den  Boden  der  Elementen-  und  Tomperaturlehre  zu 
folgen.  Diese  ist  ja  für  uns  so  absolut  fremdartig,  dass  wir  nicht  mehr  im  Stande  sind, 
uns  eine  Vorstellung  von  dem  zu  machen,  was  die  Alten  mit  den  Ausdrücken  wann  und 
kalt,  feucht  und  trocken,  luftig,  schaumig  u.  s.  w.  verstandeu  haben.  Wir  können  uns  kaum 
denken,  weshalb  z.  B.  das  Gehirn  kalt  und  feucht  sein  soll,  oder  warum  die  rechte  Seite 


»1  1.  c.  139. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  207 

des  Körpers  wärmer  als  die  linke  genannt  wird.  Es  spielen  bekanntlich  diese  Temperatur- 
begriffe in  der  gesummten  wissenschaftlichen  Literatur,  bis  ins  17.  Jahrhundert  hinein,  die 
hervorragendste  Rolle,  und  auch  in  den  klarsten  Gedankengängen  begegnen  wir  ihnen  von 
Zeit  zu  Zeit  plötzlich  als  einer  unüberstcigbaren  Schwelle. 

Durch  den  grossen  Vorsprung  an  thal-sächlichen  Kenntnissen  und  durch  seine  scharfe 
geistige  Ponetrationskraft  war  Aristoteles  dahin  geführt  worden,  die  ältere  materielle 
Auffassung  der  Zeugung  zu  verwerfen,  und  eine  neue  dynamische  Auffassung  an  die  Stelle 
zu  setzen.  Allein  den  Anforderungen  seiner  Zeit  gegenüber  war  es  mit  der  blossen  Auf- 
stellung eines  allgemeinen  Princips  nicht  gethan.  Es  musste  das  letztere  auch  ins  Einzelne 
durcbgefUhrt,  und  zur  Erklärung  der  gegebenen  Thatsachen  verwendet  werden.  Dieser  For- 
derung hat  sich  Aristoteles  vorzugsweise  im  vierten  Buch  seines  Werkes  über  die  Zeugung 
unterzogen.  Aus  naheliegenden  Gründen  mussten  seine  Ableitungen  etwas  unbestimmt  und 
dunkel  bleiben,  und  sie  vermochten  nicht  die  plastische  Anschaulichkeit  zu  erreichen,  welche 
die  alte  Theorie  gerade  den  Einzelfragen  gegenüber  behauptet  hatte.  Ausserdem  aber  ent- 
hält auch  die  principielle  Aufstellung  des  Aristoteles,  wonach  der  Mann  die  formende 
Bewegung,  das  Weib  blos  den  Stoff  giebt,  eine  auffallende  Lücke,  denn  sie  scbliesst  den 
erblich  übertragbaren  Formungsantlieil  der  Mutter  aus.  Hier  ist  er  dem  offenbaren  That- 
bestand  gegenüber  zu  besonderen  Hiilfshypothesen  genöthigt,  die  neben  der  Anwendung 
der  Teni|>eratureiilehre  als  die  schwächsten  Seiten  seiner  Darstellung  erscheinen.  Aristo- 
teles' Gedanketigang  bei  Erklärung  der  Aehnlichkeiten  ist  am  schärfsten  in  den  folgenden 
paar  Sätzen  ausgesprochen:  „Bei  der  Zeugung  wirkt  sowohl  die  Art  als  auch  das  Indivi- 
duum. alter  letzteres  in  höherem  Grade,  denn  dies  ist  das  Substantielle  (i)  oval«),  Und  das 
Werdende  wird  zwar  im  Wesen  von  einer  gewissen  Beschaffenheit,  aber  von  einer  indivi- 
duellen, und  dies  ist  das  Substantielle.  Daher  rühren  die  Bewegungsantriebe  von  den 
Kräften  her  in  den  Samen  aller  dieser,  und  dein  Vermögen  nach  auch  die  der  Vorfahren, 
alter  in  höherem  Grade  derjenigen,  die  dem  Betreffenden  in  der  Abstammung  näher  stehen.“ 

Aristoteles  nimmt  nun  aber  auch  das  Vorhandensein  von  Widerständen  für  die  vom 
Samen  ausgehende  Bewegung  an.  Die  Kraft  des  Samens  kann  abgeschwächt,  oder  über- 
wältigt werden,  und  hiernach  kommt  es  nun  zum  Umschlag  der  Formen  in  diejenige  früherer 
Generationen,  oder  auch  zu  einem  Umschlagen  des  Geschlechtes.  „Individuen,“  so  sagt  er 
an  einer  Stelle1),  „sind  z.  B.  Koriskos  und  Sokrates.  Weil  aber  alles,  was  aus  seiner 
Natur  heraustritt,  sich  nicht  in  ein  Zufälliges,  sondern  in  ein  Entgegengesetztes  umwandelt, 
so  muss  auch  Dasjenige,  was  bei  der  Zeugung  nicht  bewältigt  wird,  ausarten,  und  zum  Ent- 
gegengesetzten werden,  in  der  Richtung  hin,  in  welcher  das  Erzeugende  und  Bewegende 
nicht  Meister  geblieben  ist.  Hnt  es  nun  in  seiner  Eigenschaft  als  Männliches  nicht  bewältigt, 
so  entsteht  ein  Weibchen,  ist  es  aber  als  Koriskos  oder  Sokrates  nicht  Meister  geblieben, 
so  entsteht  ein  Kind,  welches  nicht  dem  Vater,  sondern  der  Mutter  gleicht . . . Auf  ähnliche 
Weise  verhält  es  sich  mit  den  ferneren  Möglichkeiten,  es  findet  nämlich  immer  ein  Uebcr- 
gang  und  Fortschreiten  zum  nächsten  Vorfahren  statt,  sowohl  auf  väterlicher,  als  auf  mütter- 
licher Seite.  Die  einen  Bewegungsantriebe  sind  der  Wirklichkeit  nach  vorhanden,  die  anderen 


*)  l.  c.  p»g.  SOI. 


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208 


Wilhelm  His, 

der  Möglichkeit  nach.  Der  Wirklichkeit  nach  die  des  Erzeugenden  und  der  allgemeinen 
Form,  z.  B.  des  Menschen  und  des  Thieres,  der  Möglichkeit  nach  die  des  Weibchens  und 
der  Vorfahren.“  Aeussere  Bedingungen,  Nahrung,  Luft,  Wasser  können  auf  die  Natur  der 
Frucht  Einfluss  haben.  „ Harte  und  kalte  Wässer  verursachen  theils  Unfruchtbarkeit,  theils 
die  Erzeugung  von  Weibchen.  Dieselben  (äusseren)  Ursachen  sind  es  auch,  derenthalben  die 
Kinder  den  Eltern  bald  ähnlich,  bald  unähnlich  sind,  und  manchmal  dem  Vater,  manchmal 
der  Mutter,  sowohl  im  ganzen  Körper  als  in  den  einzelnen  Theilen  gleichen,  und  derent- 
willen sie  mehr  den  Eltern  ähnlich  sind,  als  den  Vorfahren,  und  wiederum  mehr  diesen,  als 
irgend  welchen  beliebigen,  und  wegen  deren  die  Knaben  dem  Vater,  die  Mädchen  aber  der 
Mutter  gleichen,  Manche  aber  Keinem  unter  den  Verwandten,  doch  überhaupt  noch  einem 
Menschen,  Einige  auch  endlich  der  menschlichen  Gestalt  nicht  mehr,  sondern  einer  Miss- 
gestalt. Auch  der,  nämlich,  welcher  seinen  Eltern  nicht  mehr  gleicht,  ist  ge- 
wisserinaassen  schon  eine  Missgestalt;  denn  die  Natur  ist  bei  solchen  schon 
etwas  aus  der  Art  herausgetreten.  Der  Anfang  dazu  geschieht  darin,  dass  ein  Weib- 
liches statt  eines  Männlichen  gebildet  wird,  jedoch  ist  dies  der  Natur  unentbehrlich,  weil  die 
Art  derjenigen  Thiere,  wo  Männchen  und  Weibchen  gesondert  sind,  erhalten  werden  muss.“ 

Ich  verlasse  Aristoteles  und  gehe  zu  Galen  über.  Galen  hat  die  Zeugungslehre  nicht  . 
gerade  mit  Vorliebe  behandelt.  Es  wird  ihm  durch  seinen  streng  teleologischen  Standpunkt 
eine  unbefangene  Betrachtungsweise  des  Gegenstandes  erschwert,  und  er  tritt  geradezu  mit 
einer,  gewissen  Scheu  an  denselben  heran.  So  betont  er  besonders  im  Scblusscapitel  des 
Buches  de  foctuum  formatione  die  Schwierigkeit  irgend  welcher  Erklärung  der  Körperbildung 
zu  finden,  die  zugleich  von  der  Zweckmässigkeit  des  Körperbaues  Rechenschaft  gebe '). 

Etwas  einlässlicher  geht  Galen  in  dem  Buch  de  Semine  in  den  Gegenstand  ein2).  Er 


l)  „Ego  vero  »icut  fabricam  nostris  corporis  oatendi.  euramam  opificia  et  aapientiam  et  potentiam  prae  »e 
ferre,  ita  demonstrari  mild  a philoaophia  velim,  utrum  ia  opifex  Deua  aliquis  ait  et  sapiens  et  potena,  qu;  et 
intellexerit  priue,  quäle  uniuacujueque  animalis  corpua  esset  fabricandum,  et  deinde  quod  proposuerat  poteutia 
fuerit  asaecutua;  an  anima  a deo  diveraa.  Neqne  enim  natarae,  quae  appellatur,  aubatantiam,  «irc  corporea,  aive 
incorporea  ea  ait,  ad  eummum  aapientiae  dicent  pervaniase,  quam  ne  ulla  quidero  sapientia  esse  praeditam  in- 
quitrot,  unde  eam  ita  inartificioae  in  foelnum  formatione  ae  geasiaae  credendum  non  est.  Hoc  enim  ab  Epicuro 
aliiaque,  qui  aine  providentia  omnia  fieri  opinantur,  andiente»  nullam  fidem  adhibemus“ 

lind  im  weiteren  Verlaufe:  „Kateor  itaqne  de  foetunm  fonnatrice  causa  ambigere:  nam  cum  aummam  in 
Horum  fabrica  et  aapientiam  et  potentiam  videam,  non  posauw  exiatimare,  eam  quae  in  aemine  eat  animam 
ab  Aristotele  vegetalem,  concnpisoibilem  a Platone,  a Stoicia  ne  animam  quidem  prursum,  *ed  naturam  ap* 
pellatam  foetum  ipaum  formore:  cum  non  modo  aapiena  non  eit,  aed  omni  prnreus  ratione  carere  videatur. 
Cum  autem  rurtua  aimilitndinem,  quam  tilii  habent  cum  parentibua  apecto,  ab  bac  opiuione  non  longe  di- 
rcraua  ab  eo,  ac  post  partum  in  reliqua  vita  corpua  uoatrum  a rationali  anima  diapensari  vix  credo,  cum  ante- 
quam  diaaectione  exploremua,  neqne  partes  corporis,  neque  ipaarum  formatiouea  cugnoacamua,  Adde  qnoque, 
cum  quidam  mihi  ex  Platonicia  magiatris  diceret.  animam  quae  per  totum  inundum  diffusa  eat,  foetum  furmare, 
artem  quidem  et  potentiam  quae  fuetnum  fabricae  adhibita  eat  dignam  ea  esae  existimabam;  nunqnam  tarnen 
adduci  potui,  ut  crederem  rcorpionee,  phalangia,  muacaa,  culicea,  viperas,  vermes,  lumbricoa,  pytilaa  ab  eadem 
fingi,  ac  formari,  prope  ad  impietatem  accedere  hanc  opinionem  ratua;  neqne  praetere»  materiae  animam 
tantam  artem  aasecutam  fuisae,  credibile  videtur.  Tantum  igitur  hoc  haben,  quod  de  causa  animabum  forma- 
trice  aaacrere  posse  existimem,  quod  summa  in  ea  ar«,  aummaque  aapientia  ineat,  quodque  poatea  quam  für- 
matuin  corpua  fuerit  Universum,  id  in  toto  vitae  curriculo  tribua  motuum  principii»  ex  cerebro  p«r  nervo*  et 
mnaculoa,  ex  Corde  per  arteria»,  e je eure  per  venaa  gubernetur;  quae  aint  haue  principia  manifeste  non  »um 
uu'u»  eunatituere“. 

*)  Auch  im  XIV.  Buch  „de  L’»u  partium“  entwickelt  Galen  seine  Generation»- Theorien. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  209 

tritt  hier  allenthalben  Aristoteles  entgegen,  allein  trotz  der  weiter  fortgeschrittenen  ana- 
tomischen Detailkenntnisse  zeigt  er  sich  nicht  entfernt  auf  der  Höhe  seines  grossen  Vor- 
gängers. Das  Durchlesen  seiner  Abhandlung  hinterlässt  vielmehr,  trotz  mancher  vortreff- 
lichen Beobachtungen  und  Bemerkungen  den  peinlichen  Eindruck,  den  wir  empfinden,  wenn 
uns  ein  bedeutendes  thatsächliches  Material  in  gekünstelter  Verknüpfung  vorgeführt  wird. 

Folgendes  sind  die  Grundzüge  des  Galen’schen  Zeugungssystems:  Der  männliche 
Samen  wird  von  dem  Uterus  aufgenommen.  Hier  dehnt  er  sich  aus,  legt  sich  den  üterus- 
wandungcu  an,  und  gerinnt  nunmehr  an  seiner  Aussenfiäche.  Die  also  entstehende  Membran 
ist  das  Chorion.  Die  Verbindung  des  gerinnenden  Samens  mit  dem  Uterus  geschieht  am 
innigsten  au  den  Gefässöffnungen,  und  von  da  aus  bezieht  auch  weiterhin  der  Samen  fort- 
während Blut  und  arteriellen  Spiritus  aus  den  mütterlichen  Gelassen.  Eine  erste  Gefahr 
für  die  Conception  liegt  darin,  dass  die  sich  bildende  Membran,  wegen  der  zu  grossen  An- 
ziehungskraft des  Uterus,  platzen  kann,  was  geschieht,  wenn  der  Samen  zu  wässerig  und 
schwach  ist.  In  diesem  Falle  fiiesst  der  letztere  wieder  ab.  — Der  männliche  Samen  reicht 
nun  aber  nicht  aus  zur  Erfüllung  "der  ganzen  Utcrushöhle.  Während  er  von  unten  her  ein- 
dringt,  kommt  ihm  von  den  Tuben  her  der  weibliche  Samen  entgegen,  der  die  Uterushörner 
auskleidet.  Dieser  verbindet  sieh  mit  jenem  durch  membranöse  Brücken,  aus  ihm  entstehen 
die  Allantois,  und  ausserdem  dient  er  zur  Ernährung  des  männlichen  Samens.  Nunmehr 
bildet  sich  innerhalb  des  Chorion  die  Anlage  des  Körpers,  es  entstehen  nämlich  zuerst  das 
Oehirn,  das  Herz  und  die  Leber.  Jenes  als  das  Centrum  des  Nervensystems,  das  Hera  als 
der  Mittelpunkt  der  Arterien,  und  die  Leber  als  deijcnige  der  Venen.  Das  Hera  als  das 
heisseste  aller  Organe  entsteht  aus  dem  aufgenommenen  arteriellen  Spiritus,  und  wie  eine 
flackernde  Flamme  beginnt  es  zu  schlagen1).  Die  Leber  entsteht  aus  dem  dickeren  Blute, 
das  Gehirn  aber  aus  dem  Samen.  Aus  dem  letzteren  entstehen  weiterhin  auch  die  Nerven 
und  die  Gefässwandungen,  indem  der  fest  gewordene  Samen  von  Lücken  durchbrochen 
wird,  ferner  entstehen  aus  ihm  die  Membranen  und  die  Sehnen.  Sein  zäherer  Theil 
liefert  sodann  das,  zur  Aufnahme  der  Hautausscheidungen  dienende  Amnion,  und  seine 
festesten  Bestandteile  endlich  dienen  zur  Bildung  der  Knochen.  Die  Muskeln  dagegen  ent- 
stehen unmittelbar  aus  Blut1). 

Hinsichtlich  der  Bildung  des  Samens  verwirft  Galen  die  alte  Vorstellung  von  seinem 
Ursprung  aus  dem  ganzen  Körper,  er  lässt  denselben  durch  Kochung  des  Blutes  entstehen. 
Diese  geschieht  in  der  Vasa  spermatica,  in  deren  unteren  windungsreiehen  Abschnitten  man 
bereits  im  Stande  sein  soll , den  Uebergang  des  Blutes  in  Samen  wäbrzunehmen.  In  Be- 
treff der  Aehulichkeiten  unterscheidet  Galen  drei  Ordnungen:  die  generelle  Aelmlichkeit 
(roü  ildiog),  die  persönliche  (rr/g  (iopq> tjg)  und  die  Geschleehtsübereinstimmung.  Es  stammt 
die  generello  Aelmlichkeit  aus  der  Substanz,  aus  welcher  das  Geschöpf  zuerst  bereitet 


])  Arteriae  ad  alteruni  calidius  viacua  perinfraut,  quod  ob  eximiam  caliditatem  quasi  ilamiua  quaedam 
asaiduo  ntoveri  non  desintt,  sed  rnutua  reciprocatione  semper  disteuditur  et  contrahitur. 

s)  Wie  die  Tein  peru  tu  rieh  re  des  Galen,  so  spielt  l»ekauntlio1t  aueb  seine  Lebre  von  den  Partes  sjiermulicae 
und  parte»  aanguineae  in  der  Literatur  der  nachfolgenden  Epochen  eine  hervorragende  Rolle,  und  ihre  Dis- 
cussion  bildet  bis  ins  16.  und  17.  Jahrhundert  hinein  das  Hauptobject  der  Gewebelehre.  — Man  vergleiche 
i.  U,  die  von  Coiter  herausgegebenen  Eallopischen  Vorlesungen  de  parlibus  eimilaribus. 

Archiv  für  Anthropologe.  Bd.  IV.  Haft  111.  27 


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210 


Wilhelm  His, 

•wurde1),  die  persönliche  Aehnlichkeit  aber  hängt  ab  von  der  Gestaltungskraft  des  Samens. 
Nun  verhalten  sich  darin  väterlicher  und  mütterlicher  Antheil  nicht  übereinstimmend.  Der 
väterliche  Samen  ist  von  geringer  Mengo  aber  von  beträchtlicherer  Kraft,  der  weibliche  von 
grösserer  Menge  aber  geringerer  Kraft,  daher  die  Mutter  auch  für  die  Art,  der  Vater  aber 
für  die  Aehnlichkeit  der  Form  bestimmend  wirkt.  Indess  kann  die  Aehnlichkeit  auch  un- 
gleich nach  den  Eltern  vertheilt  sein,  so  dass  für  gewisse  Theile  der  Vater,  für  andere  die 
Mutter  maassgebend  wird.  Dies  ist  aus  einer  ungleichmässigen  Mischung  der  beiden  Samen- 
flüssigkeiten zu  erklären.  Am  interessantesten  ist  die  Erklärung,  welche  Galen  für  die 
Bildung  des  Geschlechts  giebt  Er  geht  hier  von  der  anatomischen  Wahrnehmung  aus,  dass 
beim  Weibe  dieselben  Sexualorgane  vorhanden  sind,  wie  beim  Manne,  nur  liegen  sie  im 
Innern  des  Körpers  statt  an  dessen  Aussenseite,  und  sie  sind  theilweise  schwächer  ent- 
wickelt.’). Nun  werden  im  Allgemeinen  Theile,  die  später  aussen  liegen,  ursprünglich  als 
innerliche  angelegt,  wie  z.  B.  die  Zähne  im  Kiefer,  die  Augen  hinter  den  geschlossenen 
Liedern.  Zur  Hervortreibung  solcher  Theile  bedient  sich  die  Natur  des  Feuers  und  der 
Luft.  Mit  den  Sexualorganen  gelingt  die  Hervortreibung  nur  beim  warmen  männlichen 
Fötus,  während  beim  kälteren  weiblichen  die  Organe  innen  bleiben*).  Die  ungleiche  Tempe- 
ratur beider  .Seiten  ist  auch  der  Grund,  weshalb  die  rechte  Seite  zur  Bildung  von  männ- 
lichen, die  linke  zu  der  von  weiblichen  Früchten  verwendet  wird. 

Ich  unterlasse  es  selbstverständlich,  die  Erörterungen  zu  verfolgen,  welche  die  Zeugungs- 
lehro  in  den  philosophischen  und  medicinischen  Schriften  des  Mittelalters  erfahren  hat,  und 
mit  Ueberspringung  eines  grossen  Zeitraumes  gehe  ich  sofort  zu  der  Periode  über,  in  welcher 
die  Wiederaufnahme  der  Beobachtung  auch  das  Hervortreten  neuer  Gesichtspunkte  mög- 
lich gemocht  bat. 

Den  Ausgangspunkt  neuer  entwiekelungsgeschichtlieher  Studien  finden  wir  in  Italien. 
Nachdem  bereits  Fallopia4)  und  Arantius*)  der  Anatomie  des  Fötus  ihre  Aufmerksam- 
keit zugewendet  batten,  wurde  von  Ul.  Aldrovandi*)  und  von  Volcher  Coiter7)  zuerst 
wiederum  die  Entwickelung  des  Hülincbens  im  Ei  zum  Gegenstand  wissenschaftlicher  Be- 


')  Moribua  et  facultatibu*  animas  idoncum  corpus  prnepurat  natura:  mores  vero  et  facultates  ex  substan- 
tiae  temperamento  ineitos  habet,  und«  ipsiue  prima  generatio  exatitit.  Gal.  de  aetnine  II,  2. 

Ut  triam  aimilitadinam  tria  principia  habeamns:  generis  animalia  ex  aubatantia,  undc  fit,  formae  ex  se- 
minis  motione,  maris  Tel  fneminae  ex  utrorunque  principioram  lemperatnra-  1.  c.  II,  5. 

’)  Omoia  igitur  genitalia  membra  eadem  esse  in  maribua  et  foeminia  videntur:  niai  qoatenaa  differunt  vcl 
situ,  quod  haec  intra,  illa  extra  abdominia  membranam  collncata  sant,  vel  magnitodine,  quem  admudum  de 
praeputio  et  tcetibus  modo  dicebamus.  Nam  et  quae  toatibns  nlimentum  praeetant  vasa  ab  iiadem,  et  venia 
et  arteriia  proficiaeantur,  eimili  modo  etiam  quae  ad  penem  et  prneputiura  in  maribua  tendunt,  illis  respon- 
dent,  quae  ad  collum  Uteri  et  cunnum  in  mulieribua  pertingunt;  initia  item  vaaorum  vulvis  aümeutum  deffr- 
rentium  eadem  aunt  cum  iia,  quae  virile  aerotum  ainnt ; neque  in  online  nervnrum  diacrepantia  ulla  in  utriaque 
rejieritur  aed  ab  iiadem  apinae  loci»,  tum  in  maribua  quam  in  foemiuia  promanant.  1.  c.  cap.  5. 

3)  Auffallend  äst  e»,  daaa  hier  Galen  rein  theoretiach  argumentirt,  und  die  ursprünglich  hohe  Lage  de* 
Hodens  nicht  ala  Factum  zu  kennen  acheint. 

•I  Fallopia,  Obaervationee  anat.  Vcnet.  1561. 

r,|  Arantiua,  de  hnmano  foetu  opuscutum.  Hom  1564. 

*1  U.  Aldrovandua  im  2.  Tbeil  der  Ornithologie.  Bonon.  1GOO  (Lib.  XIV.). 

7)  Voleber  Coiter.  Externarmn et  internamra  corporis bnmani  partium  tabulae  Xorimberg.  1678.  Aldro- 
vandi (geb.  1522)  warJAltersgenoese  des  Fallopia.  Seine  Beschreibung  von  der  Entwickelung  des  Hühnchens 
ist  als  Beigabe  der  naturhistorischen  Beschreibung  de«  nülmergeachlechts  ziemlich  summarisch  gehalten.  ,U. 


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211 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

obachtung  gemacht  und  bald  trat  Fabricius  ab  Aquapendente1)  in  deren  Fussstapfen. 
Noch  sind  es  keine  einschneidende  Entdeckungen,  welcho  diese  ersten  Arbeiten  zu  Tage 
fördern,  allein  zunächst  handelt  es  sich  darum,  den  Beobachtungsstaudpunkt  des  Aristo- 
teles wieder  zu  gewinnen.  Fabricius,  der  einen  bedeutenden  Schritt  auf  dieser  Bahn 
gethan  bat,  nennt  seine  Schrift  geradezu  eine  Art  von  Commentar  zu  Aristoteles5).  Auch 
m der  Auffassung  der  Befruchtung  als  eines  dynamischen  Actes,  bei  welchem  der  Samen  den 
Anstoss,  das  Ei  (die  Chalaze)  die  Materio  giebt,  schliosst  sich  Fabricius,  im  Gegensätze  zu 
den  meisten  Aerzten , wiederum  dem  Aristoteles  an.  Im  Uebrigen  aber  ist  er  diesem  in 
seiner  ganzen  Denkweise  viel  weniger  verwandt  als  dem  Galen,  dessen  Methode  er,  wie 


Aldrovandtu  ovi  puJIuIationem  ex  suis  ofaservationihns  denci ipait.  qua  in  re  ad  Ariatotelis  autori tafeln  potius, 
quam  experientiain  ipsam  collima»«u  videtur"  sagt  Harvey  von  ihm,  während  er  von  Coiter  beifügt:  „Quippe 
«ödem  tempore  V.  Coiter,  Bononiae  «legen*.  ejuadem  l'üssis  praeceptoris  aui  (ut  ait)  hortatu  quotidie  ova 
incubata  apperuit,  plunrnaque  rer©  elucidavit,  «ecu«  quam  ab  Aldrovando  factum  ast,  quae  tarnen  hunc latere 
non  potuerant.*  Coiter  setzt  die  Zeit  seiner  unter  Atdrovandi  gemachten  Beobachtungen  in  das  Jahr  1564. 
Es  handelt  sich  um  eine  einzige  Beobach tungsreihe  an  23  Eiern,  deren  Ergebnisse  er  kurz,  aber  klar  und 
ohne  theoretische  Zusätze  beschreibt. 

Aua  der  Bcacbreibung  Coiter'*  theilo  ich  beispielsweise  mit,  was  Bich  auf  die  ersten  Anfänge  der  Keim- 
hildung  bezieht:  „iu  primi  diei  ovo  vidi  luteum  coDsequutura  circulum  album,  non  admodum  magnum,  in 
cujus  medio  ej indem  coloris  punctum  s.  orbiculuin  (Pander’scher  Keim);  ex  circulo  fluebant  dno  germini, 
quorum  alter  crassior  et  longior  altero  exietebat  (Fetzen  des  Keimwall ea?).  — Secuudo  die  . . . vitelli  media 
pars  candidior  reliqua  parte  cernebatur,  in  medio  conspexi  quid  srmini  simile.  Punctua  et  circulus  inventi 
sunt  sub  membrana  involvente  ovi  substantiam,  atqne  fibris  quibusdam  sangtiineis  a<l»pcrsi.  — Tertio  die  ... 
punctua  s.  globulus  sanguineuB,  in  vitello  ante  Inventua,  jam  in  albumine  potius  repertua,  manifeste  pulsabat, 
fundehatque  unutn  venae  ramum,  ut  ex  colore  judienre  quivimus,  qui  in  duos  •cissui  multos  emisit  rumus- 
culos,  qui  circuli  modo  pulaantem  punctum  ambiere.  Hi  ramuBculi  «uffulciebantur  membrana  tenuissima,  quae 
tum  mutiere,  tum  subetantia  secundinam  exprimebat.  Tre*  itaque  repertae  Bunt  membranae,  quarum  prima 
putamini  adscribitur,  MCunda  ovi  univereae  substautiae  | Dotterbaut),  tertia  secundinae  (Keimhaut).  Sehr  gut 
wird  auch  weiterhin  die  Umwachsung  des  Dotters  durch  die  gefasstragende  Keimhaut  beschrieben. 

l)  Fabricius  ab  Aquapendente  de  formatione  ovi  pennatorum  et  polli  Padua  1621  poatlium  erschienen. 
Das  andere  embryol.  Werk  de  formato  foetu  ist  im  Jahre  1600  herausgekommen.  Ein  Hauptwerth  des  Fa- 
bricius ’ sehen  Werkes  liegt  in  den  Tafeln,  wolche  die  Entwickelungsstadien  des  Hühnchens  im  Ei  vortreff- 
lich darstellen.  „F&briciuB  a.  Aq.  fabricam  pullt  in  ovo  picturis  potius  oetendere,  quam  verbis  explicare  ma- 
lmt“ sagt  Harvey  von  ihm. 

*)  Quae  libenter  tan<|uam  commentaria  seu  expositionem  in  capita  ab  Aristotele  de  ovo  couseripta  con- 
»tituenda  candido  lectori  centerem  ac  proponerem,  ni  invitus  a summo  omniura  proeceptore  interdum  de- 
fleetere  coactus  essen».**  — Bekanntlich  hat  Fabricius  sich  verfuhren  lassen,  die  Chulazen  des  Vogeleies  für 
den  weiblichen  Keim  anzusehen.  ln  ähnlicher  Weise  hatte  Aldrovandi,  einem  damals  herrschenden  Volks- 
glauben gemäss,  die  Chalnzen  für  den  Samen  de»  Holm»  angesehen.  Die  Bedeutung  der  Cicatricula  für  die 
Erabryobildung,  schon  von  Coiter  angebahnt,  ist  erst  von  Harvey  gehörig  durchgeführt  worden.  — Auch  sonst 
enthält  die  Schrift  de»  Fabricius  noch  verschiedene  Beobachtungsfehler,  wie  z.  B.  die  Angabe  über  die  frühe 
Bildung  der  Knochen,  über  die  gleichzeitige  Bildung  von  Herz  und  Leber  u.  s.  w.  Wie  Haller  vennuthet, 
so  rühren  dieselben  davon  her,  dass  Fabricius  »eine  Beobachtungen  erst  in  späteren  Jahren  bearbeitet  hat 

In  die  Zeit  der  Veröffentlichung  der  posthumen  Schrift  des  Fabricius  fallen  auch  die  Schriften  des 
Aemilius  Parisanus,  eines  venetianiaehen  Arztes.  Ich  kenne  sie  nicht  aus  eigener  Anschauung.  Nach 
Haller  (Bibi.  anat.  I,  360)  ist  ein  erster  Theil  in  Venedig  1623  erschienen  unter  dem  Titel  Nobiliura  Exer- 
citationum  LXX1I  etc,  und  umfasst  die  Capitel:  de  gemtalium  semine,  de  aimihtudiue  parentum,  de  calido 
innato,  de  materie  foetu»  et  causis  eandetu  efficientibus,  de  procrcationis  modo  et  online  ctc.  Dem  Bande 
folgten  später  noch  einige  weitere*  „Spiata  volumina  peripateticae  ratiociuiationis  pleno,  abtque  experimento“ 
nennt  »io  Haller,  während  Harvey  (Exerc.  18)  den  Beobachtungen  des  Parisanut  nicht  alles  Verdienst 
abspricht.  „Parisanus  sententiam  Fabricii  de  chalnzis  abunde  refutavit,  ipsemet  tarnen  in  circulis  quibusdam 
et  partium  principalium  foetus  punctis  manifeste  hallucinatur.  Videtur  etiam  obaervasse  principium  foetug, 
aed  quid  esset  ignerasse,  cum  a'it.  punctum  album  in  circulorum  medio  galli  semen  esse,  ex  quo  fit  pullus.“ 

27* 


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212 


Wilhelm  His 


die  meisten  seiner  Zeitgenossen,  in  Durchführung  einer  bis  ins  minutiöse  Detail  sich  er- 
streckenden Teleologie  befolgt.  Besonders  darin  aber  zeigt  er  sich  noch  tief  in  der  Galen  - 
sehen  Schule  befangen,  dass  er  zur  Erklärung  der  verschiedenen,  bei  der  Entwickelung  be- 
obachteten oder  vermutheten  Vorgänge  eine  grosse  Zahl  besonderer  Kräfte  aufbietet,  die  er 
ohne  weitere  Beziehung  neben  einander  arbeiten  lässt  *). 

Bei  Fabricius  findet  sich  nun  bereite  der,  später  zu  so  grosser  forensischer  Bedeutuug 
gelangte  Begriff  der  Aura  seininalis,  wenn  auch  nur  in  beschränkter  Anwendung,  und  nicht 
unter  diesem  Ausdrucke.  Da  sich  nämlich  Fabricius  aus  dem  Augenschein  zur  Annahme  be- 
rechtigt glaubt,  dass  der  Samen  des  Hahnes  weit  von  der  Bildungsstelle  der  Ch&l&zen  liegen 
bleibe,  so  muss  er  für  die  Vogel befruchtung  eine  Distanzwirkung  desselben  annehmen.  Aus- 
drücklich erkennt  er  darin  einen  Gegensatz  zwischen  den  Oviparen  und  Viviparen-Geschöpfen, 
indem  er  bei  letzteren  noch  eine  materielle  Betheiligung  des  Samens  an  der  Körperbildung 
aufrecht  halt*). 

An  Fabricius  schließt  sich  in  der  Zeitfolge  sein  grosser  Schüler  Harvey  an,  welcher 
durch  viele  Jahre  seine  Mussestnnden  entwickelungsgeschichtlichen  Studien  gewidmet  hat. 
Die  Anfeindungen,  welche  Harvey  aus  der  Publication  der  Circulationslehrc  erwachsen 
waren,  machten  ihm  wenig  Muth,  mit  neuen  Entdeckungen  hervorzutreton,  und  erst  gegen 
das  Ende  seines  Lebens  entschloss  er  sich,  auf  das  Zureden  des  befreundeten  Herausgebers 


J)  „Trei  primum  aetiones  sunt,  quae  io  ovo  avi  supposito  apparent.  Prima  est  puili  generatio,  teeuoda 
ejus  accretio,  tertia  nutritio  »uncupatur.  Prima,  hoc  eet  generatio  propria  est  ovi  actio;  Becunda  et  tertia, 
vidclicet  accretio  et  nutritio  majori  ex  parte  extra  ovum  tuccedunt,  tarnen  in  ovo  inchoantur  et  quoque  per- 
fieiuntur.  Quae  actionee  a tribus  facultatibns  dimanant,  teil,  generatrice,  autrieo  et  nutritoria,  lio  eas  tria 
opera  facta  consequuntur.-  Jode  dieser  Facultät  zerfallt  nun  wieder  in  eine  Anzahl  von  weiteren  Facultäten, 
so  z.  B.  besteht  die  facultas  nutritoria  in  einer  facultas  attractrix,  retentrix,  concoctrix  und  expultrix.  Die 
facultas  generatrix  besteht  ans  einer  f.  immutatrix  und  formativa.  „Prima,  quae  tum  immutatrix  appellatur, 
facultas  tota  naturalis  est,  et  sine  ulla  cognitione  ugit  etc.  Altera  vero  quae  formatrix  dicitur  ...  longe  no- 
bilior  est  et  summa  sapientia  prnedita,  de  qua  propterea  Aristoteles  dubitavit  an  divinioris  esset  originis,  et  a 
calido,  frigido,  humido  et  sicco  res  diverw».  Nam  re  vera  genito  v.  g.  j>er  alteratricem  oculo,  ponere  postea 
ipsum  in  capite  non  in  calcaneo,  et  rotundum  illi  praebere  Hguram  non  quadrangulam  aut  uliam  etc.,  haeo 
opera  non  nuturalitcr  se<l  cum  elcctione  ct  cognitione  atque  intellectu  potius  facta  videntur.  Videtur  liquidem 
formatrix  facultas  cxactam  habere  cognitionem  et  providentiam  tum  futurae  aotionis,  tum  usus  cujusquam 
partis  et  organ»,  praeridens  quippe  quasi  infinita  sapientia  prnedita,  oculos  ad  videndum  esse  comparatos, 
visioni  vero  idoneos  futuros,  si  in  eminenti  loco  consistant,  nt  tanquam  de  specula  cuncta  prospicere  et  col- 
lustrare  possiut  etc. 

a)  Elicitur  ex  dictis  difTerentia  inter  ovipara  et  vivipara  penes  generationis  causas.  Differunt  enim  quae 
ex  ovo  ab  iis  quae  ex  semir.e  tiunt,  ex  eo  quod  ovipara  materiam,  ex  qua  corpormtur  pullus  distinctam  et 
eeparatam  habent  ab  agente;  vivipara  autem  Bimul  et  causam  efficientero  et  materialem  habent  adjunctam  et 
concorporatam.  Agens  enim  in  oviparis  semen  Galli  est  in  pennato.  quod  in  ovo  neque  est,  neque  esse  potest, 
raateria  vero  est  chalaza,  fx  qua  corporotur  foetus;  ambo  dittaot  per  inultum  spatium.  Nam  chalaza  vi- 
tello  jam  formato,  et  in  secundum  uteri  Bpatium  cadenti  accedit,  et  ovo  integro  adjungitur;  contra  üalii  semen 
propc  podicem  consistit,  et  per  longissimum  spatium  a chalaza  diatat,  Bua  tarnen  facultate  irradiante  et  uterum 
et  totum  foecundat  ovum.  At  fernen  in  viviparo  et  materia  o*t,  et  agens  et  in  uno  corpore  utrunque  con- 
sistit. Ex  quih us  videre  videor,  Aristotelem  »ententiara  suam,  de  causis  generationU  a paucis  receptam  Un- 
quam  veram  in  oviparis  attulisse.“  Von  der  befruchtenden  Wirkung  des  Vogelsamens  sagt  Fabricius:  „id 
facere  sua  facultate,  seu  spiritali  suhstantia  irrudiante.“  Kr  denkt  sich  nämlich  der  Samen  des  Hahnes  werde 
in  dem  von  ihm  entdeckten  Blindsacke  (der  bursa  Fabricii)  anfhewahrt,  und  wirke  von  hier  aus  durch  seine 
Ausdunstung  auf  den  Uterus  und  auf  die  in  diesem  eich  bildenden  t'halazen.  Die  Nichtigkeit  der  Ansicht 
hat  Harvey  dadurch  dargethan,  dass  er  zeigte,  die  Bursa  enthalte  niemals  Samen,  und  komme  überdies  dem 
Hahne  ebenso  gut  zu  als  der  Henne. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  213 

G.  Ent  hin,  sein  lange  zurückbeh&ltenes  Manuseript  drucken  zu  lassen').  Von  diesem  war 
ihm  in  den  politischen  Wirren  ein  grosser  Theil , der  unter  Anderem  die  Entwickelungsge- 
schichte der  Insectcn  umfasste,  vorloren  gegangen. 

Wenn  uns  bei  Fabricius  noch  Überall  die  Befangenheit  in  den  alten  Denkformen  und 
in  den  alten  Schulbegriffen  gegeniibertritt,  so  finden  wir  H&rvey’s  Schrift  von  einem  völlig 
neueu  und  freien  Geiste  durchweht  und  mit  Recht  nennt  sie  Haller  ein  unsterbliches  Werk. 
Schon  die  Vorrede  kann  als  eine  Musterdarstellung  naturwissenschaftlicher  Methode  gelten*). 

Seit  Aristoteles  hatte  Niemand  mehr  ein  so  bedeutendes  entwickelungsgeschichtliches 
Material  beherrscht,  als  Harvey.  Die  Entwickelung  des  Hühnchens  im  Ei  hatte  er  des 
eingehendsten  studirt,  er  hatte  durch  das  Entgegenkommen  Karl’s  I.  Gelegenheit,  reich- 
liche Beobachtungen  Uber  die  Entwickelung  von  Hirschen  und  Daramhirschen  anzustellen, 
dazu  kamen  seine  Beobachtungen  über  die  Entwickelung  von  Reptilien,  Fischen,  Insecten 
und  Weichthieren,  worauf  er  im  erhaltenen  Theil  seiner  Schriften  wiederholt  hinweist,  und 
reichliche  Untersuchungen  menschlicher  Früchte.  Wie  Aristoteles,  so  erfasst  auch  Har- 
vey seine  Aufgabe  in  einem  weiten  Sinn  und  durch  seine  umfassende  Behandlungsweise 
wird  er  zu  Gesichtspunkten  allgemeinster  Natur  geführt. 

Die  bekannteste  von  Harvey’s  Verallgemeinerungen  ist  der  Ausspruch:  „Omne  vivum 
ex  ovo.“  Wir  pflegen  in  der  Regel  diesen  Satz  als  Negation  einer  „Generatio  aequivoca“ 
aufzufassen;  dies  war  indess  nicht  sein  ursprünglicher  Sinn,  denn  Harvey  theilte  noch  voll- 
kommen den  herrschenden  Glauben  an  eine  elternlose  Zeugung  von  Insecten  und  Würmern 
aus  faulenden  Substanzen.  Was  Harvey  mit  seinem  Satze  ausdrückon  wollte,  das  war  die 
Uebereinstimmung  in  der  Natur  aller  organischen  Keime.  Nach  der  Autorität  von  Aristo- 
teles hatte  mau  für  die  Entstehung  organischer  Wesen  neben  der  Urzeugung  folgende  Fort- 
pflanzungsnonnen angenommen:  für  die  Pflanzen  die  Fortpflanzung  durch  Samen,  für  die 
Thiere  die  Fortpflanzung  durch  lebendige  Junge,  die  durch  Eier  und  die  durch  Würmer. 
Den  Unterschied  vom  Wurm  und  vom  Ei  hatte  Aristoteles  dahin  deftnirt,  es  sei  das  Ei 
ein  Keim  der  nur  zum  Theil  zum  Aufbau  des  Embryo,  zum  andern  Theil  aber  zu  dessen 
Ernährung  diene,  während  der  Wurm  (dxolijl)  ganz  in  der  Bildung  des  Embryo  aufgehe *). 
In  dies©  Mannigfaltigkeit  von  Entstehungsweisen  sucht  nun  Harvey  dadurch  Einheit  zu 
bringen,  dass  er  den  Begriff  des  Eies  weiter  fasst,  als  er  bis  dahin  gefasst  worden  war. 
Er  definirt  nämlich  das  Ei  als  eine  mit  Entwickelungsfahigkeit  begabte  Substanz.  Primor- 
dium  vegetale  nennt  er  es,  eine  körperliche  Substanz,  welche  dem  Vermögen  nach  Leben 
besitzt,  und  die  durch  die  Wirkung  eines  inneren  Principes  die  Gestalt  eines  organischen 


')  Exercitatioiiea  de  Generatione  animatjum.  London  1651.  Harvey  starb  1667  im  Aller  von  79  Jahren. 

*)  „Quare  ahsque  recto  sensu«  adminicnlo,  crebris  observationibm,  certaqne  experientia  adhibito,  de  phan* 
tasmatia  et  apparentiis  mente  nostra  compreheneis,  perperam  judicabimns.  ln  omni  nernpe  dieciplina,  diligena 
obaervatio  requiritur,  et  sensu«  ipae  saepe  consulendns  esrt.  Propria  inquam  experientia  nitendum  est,  non 
aiiena;  qua  eine  nemo  idoneue  nllina  naturalis  disciplinaa  auditor,  aut  de  iia  qnae  de  generatione  dicturna 
•um  aeqtms  judex  fucrit;  siquidem  ista  oitra  experientiam  et  anatomicam  peritiam,  haud  melius  intellfxcrit, 
quam  eaecut  natut  de  colonun  natura  et  diserimine,  aut  «urdus  de  aonis  jndicaverit.  Quapropter,  cordate 
lector,  nolo  mihi  de  Generation!  animalium  acribenti,  qnicqnam  credas,  ipsos  oculos  tuoe  mihi  teatee  et  judicea 
appeilo.“ 

*)  Aristoteles,  Geachichte  der  Thiere,  L 6 und  V.  1. 


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214 


Wilhelm  His 


Körpers  annehmen  kann1).  Harvey  führt  nun  im  Einzelnen  die  Berechtigung  einer  aus- 
gedehnteren Anwendung  der  Bezeichnung  Ei  durch.  Zunächst  geschieht  dies  für  die  scolices 
des  Aristoteles.  Diese  unterscheiden  sich  nicht  von  einem  Ei,  denn  auch  sie  sind  blosse 
Wacbsthumsanfange  und  nur  dem  Entwickelungsvermögen  nach  als  Thiere  zu  bezeichnen*). 
Für  die  lebendig  gebärenden  besteht  aber  gleichfalls  die  Berechtigung,  die  im  Uterus 
sich  bildende  Anlage  ein  Ei  zu  nennen.  Beim  menschlichen  Weibe  ist  diese  in  den  ersten 
Monaten  wenig  von  einem  Vogelei  verschieden*).  Wie  das  Ei,  so  besteht, auch  die  intrauterine 
Frucht  (Conceptus)  Anfangs  aus  einer,  von  einer  Membran  umschlossenen  Flüssigkeit4),  in 
welcher  sich  das  Thier  unter  dem  Einfluss  des  Entwickelungsprincipes  in  derselben  Weise 
bildet,  wie  das  Hühnchen  ans  dem  Ei“).  Ncmpe  ovum  est  conceptus  foris  expositus,  undc  pul- 
lus  procreatur;  conceptus  est  ovum  intus  manens,  doncc  foetus  debitain  in  eo  perfectionem 
acquisiverit,  caetera  vero  conveniunt,  sunt  enim  primordia  vegetabilia  etanimalia  in  potentia.* 
Allein  auch  von  den  Pflanzensamen  gilt  Aebnliches  wie  vom  Ei,  daher  man  in  der  thierischen 
Zeugungslehre  die  Bezeichnung  Samen  richtiger  für  das  entwickelungsfahige  Product  der 
Zeugung,  als  für  den  männlichen  Zeugungsstoff  anwenden  würde. 

ln  Harvoy's  gesummter  Darstellung  sind  cs  nicht  sowohl  die  von  seinen  Vorgängern 
bevorzugten  anatomischen  Gesichtspunkte,  als  vielmehr  die  physiologischen,  welche  in  den 
Vordergrund  treten,  und  so  ist  auch  die  schöne  Definition  des  Eies  in  der  25.  Exercitatio 
eine  durchaus  physiologische.  .Est  enim  ovum  conceptus  aliquis  a inare  et  foetnina  pro- 
ficiscens,  utriusque  pariter  virtute  praeditus,  ex  quo  unum  fit  animal.  Neque  est  principium 
duntaxat,  sed  fructus  quoque  et  finis;  principium  scilicet  prolis  generandae,  frnctus  autem 
utriusque  parentis  — ceu  finis  quem  in  generationc  sibi  proponunt  et  origo  foetus  futuri.  Vi- 
detur  etiam  ovum  medium  quid  esse,  non  modo  quatenus  principium  et  finis  est;  sed  tan- 
quam  opus  utriusque  sexus  commune  et  ex  utroque  compositum,  quod  materiam  et  facul- 
tatem  opificem  in  se  continens  utriusque  virtutem  habet,  qua  alterutri  similem  foetum  pro- 
ducat.  Est  quoque  medium  inter  aniinatum  et  inanimatum,  neque  vita  prorsus  donatum 


l)  „Hit  autem  omniliul  (sive  sponte,  aive  ex  aliis,  sivo  in  altis  vel  partibus  vel  exerementi«  eornm  pntre- 
ecentibus  onanier)  id  commune  est,  ut  ex  principio  aliquo  ad  hoc  idoneo,  et  ah  efficiente  iutemo  in  eodem 
principio  vigente  gignantur.  Adeo  ut  omnihns  viventihus  principium  insit,  ex  quo  et  a quo  proveniant. 
Liceat  huc  noliis  primordium  regotale  uominare;  ncmpe  substantiell,  quandam  curpoream,  vilam  hahentem 
potentia;  vel  quoddani  per  sc  exintens,  quod  aptum  sit,  in  vegetativam  fornmm  ab  intento  principio  ojieninte 
mutari.  Quäle  ncmpe  principium  ovum  est,  et  plantarum  semen.  Tale  etiam  viriparorum  conceptus  et  insec- 
torura  «vennis**  ab  Aristoteles  dictus.  diversa  seil,  diversorum  virentium  primordia. “ Exorcit  62.  In  der 
Exercit.  1 heisst  es:  .Nos  autem  asserimua,  omnia  umnino  enimslia  etiam  vivipara  atque  hominem  adeo 
ijieuin  ex  ovo  progigni  primosqne  eornm  conceptus,  e quibus  foetus  Hunt  ova  quaedaui  esse,  ut  et  somina 
plantarum  omnium.  ldeoque  non  inepte  ab  Empudocle  dicitur:  Oviparum  genas  arboreum,*1 

*)  Si  vero,  prout  h-s  ad  seusum  se  bubet,  distinguere  liceat,  partus  duae  solum  sunt  species,  siquidem 
omnia  animalia  aliud  animal  vel  acta  pnriunt,  vel  potentia.  Qtiae  actu  animal  pariunt,  vivipara  dicuntur; 
quse  potentia  vivens,  ovipara,  Quodlibet  enim  primordium  jHdentia  vivens  nos  (cum  I'abricio)  ovum  appel- 
laudum  judicamus,  vermemqne  Aristoteli  dictum,  ab  ovo  minime  distinguimus;  tum  qnia  ad  ocnlnm  sie 
apparet,  tum  etiam  quia  rationi  id  videtur  consonum.  Primordium  enim  vegetale,  quod  potentia  vivit  est 
etiam  potentia  animal...  (Ovum  et  vennis)  inter  se  convcninnt,  quod  eint  ambo  partes  non  viventes,  sed  po- 
tentia solum  animalia;  ambo  itaque  sunt  ova." 

3)  Conceptus  mnlieliris  primis  gestationis  raensibus  ab  ovo  vix  quidqnam  discrepat.  Exerc.  68. 

* j Man  vergl.  hierüber  den  Abachnitt  de  Uteri  metnbranis  et  humoribus  und  die  Excre.  63. 

*)  Uterus  expositus  nennt  Harvey  das  Ei  an  anderer  Stelle. 


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215 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

est  oeque  eadem  omnino  privatur.  Inter  parentes  et  liboros,  inter  cos,  qui  fueruut  et  qui 
futuri  sunt,  media  via  sive  transitus  est,  cardoque  et  contrum,  circa  quod  generatio  totius 
generis  vertitur.  Terminus  est  ex  quo  omnes  (galli  et  gallinae)  oriuntur  et  ad  quem,  ceu 
finem  a natura  sibi  propositiun,  tot»  vita  nituutur.  Ita  fit  ut  individua  quae<|ue,  dum  speciei 
gratia  sua  similia  procreant,  in  aevum  perdurent.  Est,  iliquam  ovum  hujus  aeternitatis 
periodus,  nam  haud  facile  dixeris  utrum  ovum  pulli  ex  eo  nati  gratia,  an  hic  illius  causa 
factus  fuerit. 

Ovum  itaquo  est  corpus  naturale,  virtute  animali  praeditum,  principio  nempe  motus, 
transmntationis,  quietis  et  conservationis.  Est  denique  ejusmodi,  ut  ablato  omni  impedimento 
in  formarn  animalis  abiturum  sit;  nec  magis  gravia  omnia  remotis  obetaculis  deorsum  ten- 
dunt,  aut  ievia  sursum  moventur,  quam  Semen  et  ovum  in  plantam  et  animal  insita  a natura 
propensione  feruntur.  Estque  semen  (atque  etiam  ovum)  ejusdem  fructus  et  finis,  cujus  est 
principium  atque  efficiens '). 

Die  Generationstheorien,  welche  zur  Zeit  Harvey’s  Geltung  besessen,  waren  diejenigen 
des  Aristoteles  und  die  des  Galen.  Letztere  besonders  war  die  in  medicinischen  Kreisen 
herrschende.  Allgemein  wurde  da  noch  die  Frucht  aus  der  Vermischung  zweier  Samern 
flüssigkeiten  abgeleitet,  und  das  Ueberwiegen  der  einen  oder  der  andern  Flüssigkeit  sollte  die 
Entscheidung  geben  für  die  grössere  Aehnlichkeit  nach  der  Seite  des  Vaters,  oder  der  Mutten 
Dabei  wurde  noch  immer  grosses  Gewicht  gelegt  auf  die  Ableitung  gewisser  Körpertbeile  aus 
dem  Samen,  anderer  aus  dem  Blute.  Das  Gehirn,  die  Gefasse  und  die  Knochen  z.  B.  wurdeii 
als  Partes  spermaticae,  die  Muskeln  und  das  Fett  als  Partes  sanguineae  bezeichnet.  Mit  diel 
sen  alten  Vorstellungen  bricht  nun  Harvey  vollständig,  und  an  der  Hand  der  Beobachtung 
tritt  er  den  Aristoteles’schen  sowohl  als  den  Galen'schen  Lehren  gegenüber ’).  Um  die 
Stellung  zu  verstehen,  welche  Harvey  in  der  Generationsfrago  einnimmt,  ist  es  nöthig,  sieb 
seine  ^tatsächlichen  Kenntnisse  von  den  ersten  Entwickelungsvorgängen  zu  vergegenwär. 
tigen.  In  ihnen  liegt  der  Schlüssel  für  die  Fortschritte  sowohl,  als  für  die  voi  hängniwollon 
Seiten  seiner  Auffassung.  ihu  nn'vi 

Aus  denselben  Gründen,  welche  in  der  Hinsicht  noch  heute  maassgebend  sind,  hat  Hap- 
vey  seine  eingehendsten  Entwickclungsstudien  am  Hühnerei  angestellt.  Er  hat  dessen  Bib 
düng  von  den  unmessbar  feinen  Anfängen  im  Eierstock  (den  papnlae  s.  sudamina,.  wie  er  rno 
nennt)  bis  zuin  Austritt  aus  der  Cloake  verfolgt,  und  im  Gegensatz  zu  Fabrioius  die  (Ko*, 
tricula  als  die  scheu  im  Ovarium  angelegte  Stätte  der  Keimbildung  erkannt^  AU>  erste 
,ßl-  >!)  oui'i  tU 

>)  Die  Nothwendigkeit,  dae  Leben  de«  Individuum»  nur  ala  Tbeilerscheinung  des  Leben»  der  Generation 
za  betrachten,  wird  besonders  in  der  27.  Exercit.  bervorgehoben:  _Et  sire  animam  ovo  dnessO  diosmca  eive 
non  dicimns,  ex  hoc  tarnen  circnitu  der«  patet,  nliquod  principium  esse  istius  revolutionier  ft  gftUina  ad  onun 
et  ab  ovo  denuo  ad  gallin&m,  quod  aempiternitatem  iis  impertiat.  Estque  id  ipsum  vautoce  Aristetelef 
aualogon  eleuiento  stellarum,  facitque  ut  parentes  gencrent  eorumque  seuiina,  sive  ova  fooeeudu  aint;  ideraque, 
Protei  instar,  tarn  parentihus,  qnara  ovis  sub  diversis  formte  semper  inest.  Quemadmodum : enini'  mens,  sive 
Spiritus,  qui  ingeutem  hanc  molem  continuo  agitat,  eundem  aolem  oricnlem  ac  occidentem  per  diverssruni 
terrarum  plagas  perpetuo  circumagit,  ita  paritor  in  gencre  gallineceo,  vis  entbea,  sive  principium  dfvitium, 
modo  virtus  plastica,  modo  nutritive,  modo  auctiv«  dicitur;  conservfttivs  autem  et  vegetativa  semper  habetur 
modo  etiftm  gallinae,  modo  ovi  formam  refert,  permanet  tarnen  eadem  illa  virtus  in  avternum.' 

*)  Man  vergl.  die  Exerc.  31  und  33.  füiein.ii'p  «s>v  so / 

*)  Fehricius  batte  xwar  die  Cicatricula  gekannt,  er  glaubte  indess,  sie  sei  Sir  dir  Entwickelung  un- 


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216 


Wilhelm  His, 

Folge  der  Bebrütung  schildert  er  nun  die  Vergröeserung  der  Cicatricula  und  die  Bildung 
concentrischer  Kreise  um  sie  herum.  In  der,  etwa  fingerungelgrossen  Cicatricula  kommt  es 
zur  Scheidung  von  zwei  verschieden  gefärbten  Regionen  und  nach  Grösse,  Form  und  Ansehen 
gewinnt  sie  hiermit  eine  Aehnlichkeit  mit  dem  Auge.  Harvey  vergleicht  das  innere  Feld 
der  Pupille,  und  nennt  zu  dieser  Zeit  die  Cicatricula  geradezu  das  Auge  des  Eies  (ob  quam 
similitudineru  oculum  ovi  uominavimus).  Allein  auch  darin  besteht  Uebereinstimmung  mit 
dem  Auge,  dass  eine  krystallhelle  Flüssigkeit  inmitten  der  Kreise  vorhanden  ist,  welche 
von  einer  zarten  Membran  umhülit  wird.  Diese  Flüssigkeit  erhält  den  Namen  Colliqua- 
mentum1),  sie  ist  nach  Harvey  der  erste  Stoff  für  die  Bildung  des  Embryo.  Vom  dritten 
Tage  ab  wird  der  Saum  des  Colliquamentes  von  einem  feinen  Blutstreif  umgeben,  und  in 
seinem  Centrum  tritt  vom  vierten  Tage  ab  das  Punctum  saliens  auf,  das  von  nun  an  in  an- 
haltender Thätigkeit  verbleibt,  und  von  dem  aus  die  Anfänge  der  Venen  als  roth  verzweigte 
Streifen  ausgehen.  Die  Blut-  und  Gefässaulagen  sind  die  ersten  Körperanlange,  und  zwar 
scheint  das  Blut  noch  früher  als  die  Pulsation  da  zu  sein.  Das  Punctum  saliens  aber  besitzt, 
wie  ein  selbstständiges  Wesen  (auimalis  instar),  sofort  seine  eigene  Empfindlichkeit,  denn 
durch  Berührung  wird  es  zu  lebhafter  Thätigkeit  gebracht,  Abkühlung  setzt  diese  herab, 
gelinde  Erwärmung  steigert  sie,  ja  die  bereits  erloschene  kann  durch  Auflegen  des  wannen 
Fingers  wieder  hervorgerufen  werden.  Erst  vom  fünften  Tage  ab  werden  neue  weitere 
Körpertheile  sichtbar.  Der  neu  gebildete  Körper  ist  noch  sehr  klein,  und  von  wurmähn- 
lichem Ansehen.  Aus  einem  Würmchen  entstehen  überhaupt  alle,  auch  die  höheren  Thiere’). 
Der  Rumpf  lagert  sich  den  ersten  Gelassen  an,  wie  ein  umgekehrter  und  etwas  gebogen 
verlaufender  Schiffskiel,  und  zeigt  noch  keine  Spur  von  Rippen  oder  von  Extremitäten, 
während  an  dem,  etwas  mächtigeren  Kopfe,  von  der  Seite  gesehen,  drei  mit  klarer  Flüssig- 
keit gefüllte  Blasen  sichtbar  sind,  von  welchen  die  eine  das  Auge,  die  zweite  das  Grosshirn, 
die  dritte  das  Ccrebellum  darstellt.  Noch  ist  der  Körper  durchscheinend,  ohne  Gewebsschei- 
dung  (similaris)  und  von  schleimiger  oder  von  schimmelähnlicher  Consistenz.  Harvey  hält 
seine  erste  Anlage  für  einen  an  der  Aussenfläche  der  Gefasse  entstehenden  Anflug  und  ver- 
gleicht seine  Bildungsweise  geradezu  der  Bildung  des  Schimmels  an  feuchten  Orten.  Dabei 
verwirft  er  ausdrücklich  den  Gedanken,  dass  die  übrigen  Theile  gleichzeitig  mit  dem  Blute 
entstanden,  und  Anfangs  unsichtbar  geblieben  sein  könnten,  vielmehr  hält  er  das  Blut  für 
die  Primogenitur  des  Körpers,  für  dasjenige,  was  in  der  Entstehung  allem  Uebrigen  voran- 
geht, demgemäss  ist  die  Entwickelung  der  höheren  Thiere  als  eine  Epigenese  zu  bezeichnen, 
als  eine  Gestaltung  durch  successive  Entstehung  und  Anlagerung  der  Theile.  Diese  Ent- 

vresentlich  and  hielt  sie,  wie  dies  such  der  von  ihm  ertheilte  Namen  besagt,  für  die  Narlie  des  abgerissenen 
Ovarialsfietee.  — Was  die  Bildung  der  Eier  im  Eierstock  betrifft,  so  scheint  Harvey  die  ersten  Anfänge,  die 
papulae,  als  primär  mütterliches  Product  angesehen  zu  haben.  Dit-ao  Anfänge  erfahren  aber  durch  die  Befruch- 
tung schon  im  Eierstooke  den  Trieb  zur  weiteren  Entwickelung.  Die  vollständige  Unabhängigkeit  der  Eibil- 
dung von  der  Befruchtung  hat  Harvey  nicht  cingesehen,  trotzdem  dass  ihm  die  äussere  Befruchtung  der 
Fische  wohl  bekannt  war  (vergl.  Exerc.  40). 

*)  Iden  hunc  liipiorem,  oeufuro,  sive  eolliquamentura  candidnm  appello,  quasi  nimirum  pars  albnminis  a 
calore  fusa  et  colliquata,  separatim  folgeret,  etveluti  pars  spirituoea,  magisque  cocta  a reliquo  ulbumino  tunica 
propria  distingneretur,  et  inter  utnimque  liquorem  (vitellura  seil,  et  albumen)  posita  esset.  Exerc.  15. 

-}  Not  vero  quorumlibet  animalium  generationem  eodem  modo  fieri  docebimus;  omnia  nimirum  animaiis 
etiam  perfeeta,  simüiter  ex  vermiculo  gigni. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

stebung  neuer  Theile  geht  mit  dem  Wach stlium  so  sehr  lland  in  Hand,  dass  beide  Vor- 
gänge nicht  von  einander  getrennt  werden  können,  und  auch  die  Ernährung  des  entstehenden 
Körpers  ist  mit  dem  Wachsthum  in  einer  Weise  verknüpft,  welche  jede  Scheidung  von 
Wachsthums-  und  Ernährungsmaterial  als  eine  willkiihrliche  erscheinen  lässt.  — Im  Gegen- 
satz zur  Epigenese  der  höheren  Thiere  steht  nach  Harvey  die  Metamorphose  der  Insecten. 
Bei  diesen  gestaltet  sich  dor  Körper  durch  Ausscheidung  seiner  Theile  aus  einem  aufge- 
speicherten  Material.  Das  Material  ist  vor  dem  Körpertheile  da,  während  bei  der  Epigenese 
der  höheren  Geschöpfe  mit  dem  Material  sofort  auch  der  Theil  gegeben  ist  *).  — Des  alleren t- 
schiedensten  aber  verwirft  Harvey  die  alte  Eintbeilung  der  Körperbestandtheile  in  Partes 
spermaticae  und  partes  sanguineae.  Alle  Theile  gehen  aus  demselben  Bildungsstoffe  hervor 
und  die  Ausprägung  der  Gewebe  geschieht  durch  nachträgliche,  in  Folge  der  Ernährung 
eintretende  Scheidung  einer  ursprünglich  gleichartigen  Substanz8). 

Bei  der  ausserordentlichen  Klarheit  und  Tiefe,  mit  welcher  Harvey  sein  Beobach  tun  gs- 
material  durchdacht  hat,  muss  man  beklagen,  dass  ihm  gerade  in  einigen  der  entscheidendsten 
Punkte  BeobachtungslUcken  geblieben  sind.  Bei  etwas  günstigeren  Untersuchungsergebnissen 
hätten  die  durch  ihn  ungebahnten  Fortschritte  noch  viel  entscheidender  in  den  Gang  der 
Wissenschaft  einschneiden  müssen,  als  dies  in  Wirklichkeit  geschehen  ist.  Coiter's  Beob- 
achtungen sind  in  mancher  Hinsicht  glücklicher  gewesen.  In  seinen  so  wenig  zahlreichen 
Untersuchungen  ist  Coiter  dahin  gelangt,  schon  am  zweiten  Tage  das  Herz  zu  sehen,  und 
vom  dritten  Tage  ab  auch  die  Keimhaut  als  selbstständige  Trägerin  der  Blutgefässe  wahr- 


>)  Constat  pulli  generationem  ex  ovo  fieri  potiua  per  epigenesin,  quam  per  metamorphoeio,  neqoc  omnea 
ejus  partes  simul  fabricari  sed  suecestive,  atquo  ordine  emergere;  eundemque  aimul,  dum  augetur  formari,  et 
augeri  dum  fonnatur,  parteaqoe  alias  aliia  prioribua  supergenerari  et  diatingui;  principiumque,  »ugmentum  et 
perfectinem  procedcre  per  modum  Crescendi,  tandemque  exoriri  foetum  ....  Denique  in  generatione  per 
metaraorphoain  totum  in  partes  distribuitur  et  diacernitur,  per  epigenesin  vero  totum  ex  partibua  certo 
ordine  componitur  ac  conatituitur. 

Quemadmodum  nempe  apex  ex  glande  protuberans,  sumpto  incrcmento,  in  radicem,  lignnm,  meduUam, 
curiieem,  virgulta,  turione»,  frondca  floros  ac  fructua  distinguitur  et  formatur,  tanderaque  arbor  evadit,  ita 
pariter  se  habet  pulli  in  ovo  procreatio.  Cicatrieuh»,  sive  parva  macula,  futuri  acdilicii  fundamentum  au- 
getur in  oc  ul  um,  aimulquc  distinguitur  in  colliquamentum,  in  cujus  centro  punctum  sanguineum  pul- 
aana  enaacitur,  una  cum  venarum  ratnificationc;  his  mox  superoritur  nebula,  ac  primum  futuri  corporis  con- 
crementum,  quod  etiara,  prout  augetur,  dividitur  senaim  et  distinguitur  in  partes,  non  aimul  omnea,  aed  alias 
poat  alias  nataB,  et  ordino  quasque  buo  emergentes.  Und«  coclurtunus  igitur:  In  corum  animalium  gene- 
ratione,  qua«  per  epigenesin  procreantur  et  partite  formantur  (qualiter  pullua  in  ovo)  non  quaeremla  est  materia 
alia  ex  qua  foetua  eorporetur,  et  alia  und«  primum  nutriatur,  atque  augeatur,  nam  endem  materia  ex  qua  fit, 
nutritur  etiam  et  augetur  et  vice  versa,  qua  nutritur  primum  et  augetur  ex  eadem  quoque  pullus  in  ovo  enn- 
atituitur-  Exerc.  44. 

#)  Nam  ex  qua  materia  pars  prima  pulli,  eive  minima  ejus  portiuncula  oritur,  ex  eadem  quoque  totua 
pullua  naacitur,  unde  prima  sanguinis  guttula  inde  etiam  tota  ejus  massa  per  generationem  in  ovo  provenit; 
a quo  membra  ßive  corporis  orgaua  consistunt  et  fiunt  ab  eodem  etiam  partes  corum  omnea  »imilares  nempe 
cutis,  caro,  vena,  mernbrana,  nervös,  cartilago  et  o«  originem  trahunt.  Pars  enim  quae  prior  erat  mollis  et 
carnosa,  dum  augetur  ab  eodem  alimento  fit  mms,  ligatnentum,  tendo;  quae  mombraua  erat,  fit  tunica,  et 
quae  cartilago  fuerat,  postea  epina,  vel  ob  evadit,  ex  eadem  nempe  materia  aimilari  diveraimode  alterata. 
Neque  onim  corpuB  siroilare  mistum  (quod  ex  elcmentis  constare  vulgo  creditur)  ex  clemontia  seorsnm  primo 
existentibua,  dein  compositio,  unitis  et  alteratis  gignitur,  nec  eompositione  ox  compareutibus,  sed  ex  hoc  raisto 
transmutatn  aliud  miatum  gignitur  et  efPormatur.  Nimirum  ex  colliqunmento  fit  Banguis,  ex  aanguine  corporis 
moles  exsnrgit,  quae  similarifl  ab  initio  et  tanquam  gluton  spermaticum  cernitur,  inde  autem  partes  per  di* 
visionem  obscuram  deline&ntur  primo,  posteaque  organa  fiunt  et  distinguuntur  (Exerc.  44). 

An-atr  rar  Anthropologie.  IM.  iv.  lieft  lil.  28 


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21H 


Wilhelm  His, 


zunehmen.  Bei  Harvey  fallt  nicht  allein  die  Beobachtung  des  Herzens  später,  sondern,  was 
wichtiger  ist,  die  klare  Wahrnehmung  des  membranäsen  Keimes  fehlt  ihm  überhaupt,  und 
er  kommt  statt  dessen  zu  der  etwas  unglücklichen  Aufstellung  des  Colliqu&mentes,  womit 
er  Anfangs  offenbar  die  klare  Flüssigkeit  der  Keiniliöhle,  späterhin  aber  die  Amnionflüssig- 
keit im  Auge  hat.  Harvey  lässt  daher  den  Begriff  des  Keimes  ganz  fallen,  und  im  sonst 
gerechten  Streite  gegen  Galen’sche  und  Aristoteles'sche  Vorurtheile  schüttet  er  somit 
das  Kind  mitsammt  dem  Bade  aus1). 

So  lange  man  das  Verfahren  nicht  kannte,  den  Keim  durch  Ausschneiden  vom  Dotter 
zu  isoliren  und  gereinigt  auf  eitler  Glasplatte  auszubreiten,  ein  Verfahren,  das  erst  Malpighi 
erfunden  hat,  so  lange  waren  auch  solche  Unsicherheiten  entschuldigt,  und  noch  mehr  ent- 
schuldigt ist  natürlich  das  Factum,  dass  Harvey  ebensowenig  als  Fabricius  den  Samen  des 
Hahnes  in  den  inneren  Genitalien  weiblicher  Thiere  wiederzufinden  vermocht  hat.  Um  nun 
gleichwohl  väterlichen  und  mütterlichen  Einfluss  bei  der  Befruchtung  zu  erklären,  und  um 
auch  die  Wirkung  einer  einzigen  Begattung  auf  die  Fruchtbarkeit  zahlreicher  Eier  verständ- 
lich zu  machen,  nimmt  Harvey  an,  der  Samen  entwickele  eine,  in  die  Entfernung  sich 
fortpflanzende  Berührungswirkung,  die  schliesslich  auf  die  Eianlage  dos  Eierstocks  sich 
übertrage.  Er  nennt  dieso  Wirkung  geradezu  ein  Contagium  und  vergleicht  sie  auch  der 
Wirkung  von  Gährungserregern.  Durch  sie  wird  in  der  Eianlage  des  Eierstockes  deren 
eigentkümliehes  Leben  oder  deren  Anima  vegetativa,  wie  er  es  nennt,  erweckt  Das  reifende 
Ei  gewinnt,  einem  aufwachsenden  Sohne  gleich,  scino  Selbstständigkeit,  vermöge  deren  es 
vom  Eierstocke  sich  ablost,  sich  seinen  Weg  nach  Aussen  bahnt  und  schliesslich  jene  Ent- 
wickelungsbahn durchläuft,  die  zur  Bildung  des  fertigen  Geschöpfes  hinfuhrt  *). 

In  seinen  Beobachtungen  Uber  die  Zeugung  der  Säugethiere  kam  Harvey  zu  Resultaten, 
welche  mit  den  otien  besprochenen  über  Vagelen twiekelung  sehr  nahe  Ubereinstimmtcn. 
Dem  Ovarium  allerdings  glaubte  er  hier  keine  Bedeutung  zuschreiben  zu  können,  weil  er 
zur  Brunstzeit  der  Thicro  keine  Anschwellung  derselben  wahrzunchraen  vermochte.  Un- 
mittelbar nach  stattgehabter  Begattung  fand  er  bei  Hirschkühen  keinen  Barnen  im  Uterus, 
ja  die  anatomischen  Verhältnisse  Hessen  ihm  ein  solches  Eindringen  völlig  undenkbar  er- 
scheinen. Die  einzigen  Folgen,  die  in  der  ersten  Zeit  nach  dem  Bespringen  durch  den  Hirsch 
zu  erkennen  waren,  bestanden  in  einer  Auflockerung  der  Uterusschleimhaut  und  in  Bildung 
von  Falten,  die  nach  Form  und  nach  Consistenz  den  Gehirnwindungen  vergleichbar  waren. 
Erst  nach  mehreren  Wochen  war  im  Uterus  ein  häutiger  Sack  von  Spinnenwebfeinheit  zu 
erkennen,  das  Chorion,  in  dem  etwas  später,  innerhalb  besonderer  Hülle  (dem  Amnion)  das 

Hape  ut  »imul  turnt  ‘et  augentur,  creecnnt  et  tranaformantnr,  ordineque  obaerrato  in  parle*  diatingn- 
untur  ita  nullt  ii»  immediata  materia  praeexistena  adcat  (qualia  statui  aolet  aeminum  marii  et  foeminae  mixtio, 
Tel  sangui»  menstrubs,  vel  aliqua  ori  portiuncula)  ex  qua  foetua  corporetur,  »ed  simul  ao  fit,  ac  paratur 
materia,  augetur  etiam  et  furtnatur  «liquid;  quam  primum  nutrimentnm  adest,  adeat  quoqQe  id  quod  eo  alatur 
(Exerc.  44). 

s)  Et  licet  ovorum  priniordia  (quaa  papulaa  esse  diximua  et  aemen  railii  referre)  vitellario  per  vena»  et 
arterias  cobaereant  -quemadmodum  plantis  sua  seraina  «dnaacuntnri  ideoque  partes  gallinao  easo  videantur, 
et  reliquarnm  partium  morn  vivt-re  et  nutriri,  manifestum  tarnen  est,  ut  semina  a plantis  separata  non  am- 
plius  earum  partea  ccnsentnr.  ita  nec  ora  ad  maturitatem  jam  perducta,  foeennda  reddita  et  a vittellario 
abrupta,  gaüinae;  partea  haud  ulterius  aeatitnanda  esse,  sed  instar  filii  emaneipati,  suique  juris  facti 
propria  anima  guhernari  et  rrgetari- 


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219 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

klare  Colliquament  wahrgenommen  wurde.  Daun  erschien  inmitten  des  Colliquamentes  das 
rothe  Punctum  saliens  mit  seinen  Gefässzweigen,  und  bald  darauf  die  ersten  wurmälmlichen 
Spuren  des  Körpers.  Noch  waren  diese  Anfänge  weich  und  durchscheinend,  dann  aber  folgte 
die  schärfere  Gliederung  und  nach  bestimmter  Reihenfolge  traten  allmählig  neue  TheQe  zu 
den  früher  vorhandenen  hinzu. 

Wenn  diese,  für  die  ersten  Bofruchtungsfolgen  so  eminent  negativen  Ergebnisse  die 
Zweisamentheorie  des  Galen  sowohl,  als  die  Menstrualtheorie  des  Aristoteles  völlig  un- 
haltbar erscheinen  Hessen,  so  musste  es  Harvey  schwer  werden,  an  ihrer  Hand  eine  neue 
Theorie  aufzustelleu.  Väterlicher  und  miitterUcher  Erbliehkeitsemfluss  waren  als  feststehende 
Thatsachen  zu  erklären,  und  doch  waren  die  materiellen  Träger  dieses  Einflusses  durch  die 
Beobachtung  nicht  zu  erfassen.  Res  sane  cst  tenebrarum  plena,  et  tarnen  auilebimus  «.liquid 
problematice  proponere,  ut  non  solum  sententias  alienas  eliminatnm  isse,  sed  et  nostram  quo- 
(jue  aliquo  modo  in  medium  attulissc  videamur.  Quae  tarnen  a me  super  hac  re  dicentur, 
non  ita  accipi  velim,  quasi  eadem  e tripode  prolata  existimem,  aut  aliorum  omnium  suflragia 
extorquere  cupiatn,  sed  libcrtatem  illam,  quam  nliis  libenter  concedimus  nobis  ctiam  jure  merito 
poscimus,  ut  quae  in  obscuris  rebus  veri  similia  videntur,  ea  pro  veris  aflerre  liceat,  dorn  e 
manifeste  de  eorum  falsitate  constet  So  drückt  sich  Harvey  im  Schlusscapitel  seines  inhalts- 
reichen Werkes  aus,  und  der  Hypothese,  die  er  nun  folgen  lässt,  kann  sicherlich  dos  Verdienst 
eines  äusserst  geistreichen  und  originellen  Gedankens  nicht  abgesprochen  werden.  Durch  die 
Begattung  wird  das  Weib  nach  Körper  und  nach  GemUthsverfassung  umgewandelt,  vor  Allem 
aber  ist  es  sein  Uterus,  welcher  von  der  Umwandlung  ergriffen  uud  zum  Punkte  höchster 
Reifung  geführt  wird.  Da  der  Uterus  nun  aber  in  diesem  reifen  Zustande  die  Beschaffenheit 
des  Gehirns  annimmt,  so  hindert  nichts,  auch  auf  eine,  unter  diesen  Umständen  dom  Gehirn 
ähnliche  Function  zu  schliessen,  und  so  kann  die  Conception  das  Uterus  einer  geistigen  Con- 
ception  des  Gehirns  verglichen  werden.  Beiderlei  Conceptionon  sind  immateriell,  beide  die 
Ursprünge  aller  Körperbewegung,  jene  der  vegetativen,  diese  der  animalen  Reihe  derselben, 
und  wie  die  Gehimconccption  den  von  ihr  ausgehenden  Werken  ihre  Gestalt  aufdrückt,  so  tliut 
es  auch  die  Conception  des  Uterus  gegenüber  dem  Ihrigen.  Der  Conception  des  Gehirns  folgt 
der  Antrieb  zur  Bewegung  (Appetitus),  ebenso  folgt  auf  die  Conception  des  Uterus  dessen  Ent- 
wickelungstrieb, und  während  jener  durch  ein  äusseres  begehrungswürdiges  Object  (ab  appeti- 
bili  externo)  angeregt  wird,  so  wird  auch  die  Conception  des  Uterus  hervorgerufen  durch  den 
Mann,  tanquam  appctibili  maxime  naturali.  Es  mag  leicht  sein,  den  Gedanken  Harvey’s 
zu  verspotten,  bei  dem  damaligen  Stand  der  Dinge  war  er  gewiss  nicht  unberechtigt,  und 
in  der  Rciho  der  Gonerationstheorien  erscheint  er  sicherlich  als  einer  der  allerinteressantesten. 

Ich  kann  Harvey  nicht  verlassen,  ohne  noch  der  Stellung  zu  gedenken,  die  er  in  der 
Zweckmässigkeitslehre  eingenommen  hat.  Die  Zweckmässigkeit  in  der  Organisation  des 
werdenden  Geschöpfes  ist  ja  der  Punkt,  welcher  allen  Generationstheorien  die  Hauptschwie- 
rigkeit in  den  Weg  gelegt  hat,  und  an  welchem,  wie  das  Beispiel  der  Evolutionslehre  zeigt, 
manche  der  glänzendst  begabten  Köpfe  gescheitert  sind.  Diesem  so  kitzlichen  Problem 
gegenüber  bewahrt  Harvey  die  volle  Ruhe  und  Sicherheit  des  Forschers.  Entwickelung, 
Wachsthum  und  Ernährung  des  Körpers  erscheinen  ihm  als  die  blossen  Glieder  in  jener  weit 
grösseren  Reihe  von  Vorgängen,  welche  die  gesammte  Schöpfung  beleben.  Alle  diese  Vor- 

28' 


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220  Wilhelm  His,  die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

gange  sind  der  Ausfluss  eines  gemeinsamen  Principes,  mag  man  dieses  Gott,  mag  man  es  die 
schaffende  Natur,  mag  man  es  die  Weltsoclo  nennen,  und  ein  Zeichen  unserer  Beschränktheit 
ist  es,  wenn  wir  kunstvolle  Gedanken  einem  jeden  Vorgang  glauben  unterlegen  zu  müssen, 
den  die  Natur  vollendet,  wie  es  eben  ihr  vorgoschriebener  Gang  einmal  mit  sich  bringt  ‘). 


if  Quoniam  igitur  in  pulli  fabrica  ars  et  providentia  non  minus  ducescunt,  quam  in  hominis  actotiu«  mundi 
creatione.  necesse  est  fateamur  in  generatione  bominiB  causam  efticientem  homine  supuriorem  et  praestantiorem 
dari;  vel  facultatem  vegetativam,  sive  eam  animae  partem  quae  bominem  fabricat  et  conservat  multo  excel* 
lentiorem  et  diviniorem  esse,  magisque  similitndinem  Dei  referre,  quam  partem  ejuB  rationalem,  cujus  tarnen 
excellentiam  miris  laudibua  supra  omnos  omnium  animatium  facultates  extollimus;  tanquam  quae  jua  et  im* 
perium  in  illas  obtineat,  cuique  cuncta  creata  famulentur.  Vel  »altem  fatendum  est,  in  naturae  operibus  neo 
prudentiam,  ncc  artificium,  necque  intellectum  inesse;  sed  ita  solum  videri  conceptui  nostro,  qui  secundum  artes 
nostras  et  facultates  (ceu  exemplaria  a nobismet  ipais  mutata)  de  rebus  naturae  clivinis  judicamus;  quali  principia  na* 
turae  activa,  effectus  ibos  eodem  modo  produeerent,  quo  nos  opora  nostra  artificialia  solemus,  consilio  nempe 
et  disciplina  ab  intellectu  sive  mente  acquisita.  At  vero  Natura,  principium  rnotus  et  quietis  in  omnibus  in 
quibus  cst  et  anima  vegetativa  prima  cujuslibet  generationis  causa  efficiens,  movot  nulla  facultate  acqui* 
sita  (sicut  nos)  quam  vel  artis  vel  prudentiae  nomine  indigitemus,  sed  tanquam  fato,  seu  mandato  quodam 
secundum  leges  operante;  simili  nempe  impetu  modoque,  quo  levia  sursum,  gravia  deoraum  feruntur.  Scilicet 
facultas  parentum  vegetativa  eodem  modo  generat,  temenque  tandom  ad  formam  foetus  pertingit,  quo  aranea 
rctia  sua  ncctit,  aviculae  nidos  exstruunt,  et  ovis  incubant  caque  tuentur,  apes  et  formicae  babitacula  paraut 
et  alimoniam  in  futuros  usus  recondunt.  Naturaliter  nempe  et  oonnato  ingenio,  non  autem  providentia,  dis. 
ciplina  et  consilio  quiequara  agunt.  Nam  quod  io  nobis  operationura  artificialium  principium  est,  diciturque 
ars,  iotellectus  aut  providentia,  id  in  naturalibus  illis  operibus  est  natura  tquae  autodidactoe  e*t  et  a neniinc 
edoctusj  quodque  illis  connatum  ct  insitum  id  nobis  acquisitum.  Ideoque,  ad  artificialia  qui  respiciunt,  baud 
aoqui  reruru  naturalium  aestimatores  habendi  sunt,  liquidem  potius,  vice  veraa,  sumpto  a natura  exemplari, 
de  rebus  arte  facti*  judicandum  est.  Artes  enim  omnea  imitatione  quadam  naturae  comparatae  sunt,  nostra* 
que  ratio  sive  intellectns,  ab  intellectu  divino  in  operibus  suiR  agrnte  profluxit.  Qui,  cum  habitu  perfecto  in 
nobis  existit,  quasi  altera  anima  adventitia  et  acquisita  eummi  et  divinissimi  agentis  imaginem  suscipiens, 
Operation«!  sive  effectus  similes  producit.  Quapropter  rem  recte,  pieque  (mea  quidem  senteutia)  reputaverit, 
qui  rcrum  omnium  generationcs  ab  eodem  illo  aeterno  atque  omnipotente  numino  deduxerit,  a cujus  nutu 
rcrum  ipsarum  universitas  dependet.  Nec  magnopere  litigandum  censeo,  quo  nomine  primmn  hoc  agens  com- 
pellandum,  aut  venerandum  veniat  (cui  Domen  orano  venerabile  debetur)  sive  Deus,  »ivo  natura  natnrans, 
sive  anima  mundi  appelletur.  Id  enim  omnes  intelligunt,  quod  cunctarum  rcrum  principium  sit  et  finis, 
quod  aoternum  et  omnipotens  existat,  omniumque  autor  ct  creator  per  varias  generat ionum  vicissitudines, 
caducas  res  mortalium  conservet  ac  perpetuet,  quod  ubique  praesens,  singulis  rcrum  naturalium  operibus  non 
minus  adsit,  quam  toti  universo,  quod  numinc  *suo,  sive  providentia,  arte  ac  mente  divina  cuncta  animalia 
procreet.  Exercit.  49. 


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xn. 


Ueber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Püsse  der  Chinesinnen. 

Von 


H.  Welcker. 


I 

Aus  dem  Apparate  eines,  Schiffscapitäna , welcher  China  wiederholt  besuchte,  habe  ich  ein 
aus  Thon  gefertigtes  Modell  eines  chinesischen  Frauenfusses  erhalten,  welches  trotz  einer 
gewissen  Leerheit  und  schematischen  Natur  seiner  Formen  das  Wesentliche  und  Charakteri- 
stische der  durch  die  bekannte  Unsitte  entstehenden  Dilformitnt  allen  mir  zugänglichen 
Indicien  nach  so  genau  zur  Darstellung  bringt,  dass  ich  der  Versuchung  nicht  widerstehen 
konnte,  den  Modellirspatel  zur  Hand  zu  nehmen  und  nach  Maa&sgabe  der  Formen  des  mit 
dem  Fleische  dargestellten  Kusses  das  zugehörige  Skelet  zu  modelliren.  Es  ist  freilich 
selbstverständlich,  dass  Sicheres  über  das  Spociellere  der  Verkümmerung  der  einzelnen 
Knochen,  Uber  die  Destruction  der  Gelenke  und  Bänder  sowie  der  Muskeln,  nur  durch  dio 
Zergliederung  wirklicher  Füsse  gewonnen  werden  kann,  und  ich  hoffte  durch  meine  Arbeit 
auch  zunächst  nur  eine  allgemeine  Orientirung  Uber  jene  Veränderungen  zu  erlangen.  Aber 
meines  Wissens  liegt  eine  Zergliederung  eines  Cbinesenfusses  in  der  Literatur  nicht  vor '). 
Zu  Gunsten  meiner  Constraction  aber  darf  erwähnt  werden,  dass  Wiederholung  der  Modellirung 
immer  zu  wesentlich  demselben  Resultate  führte;  cs  war  gar  nicht  möglich,  wenn  nmu  anders 
den  Formen  der  Vorlage  folgen  wollte,  dem  Fersenbein  und  den  Knochen  des  Fussrückens 
merklich  andere  Verbiegungen  und  Ineinanderschiebungnn  zuzuthcilen,  als  dies  in  meinem  Mo- 


')  Die  mir  befreundeten  Anthropologen,  hei  welchen  ich  in  dieser  Beziehung  Erkundigungen  einzog,  ant- 
worteten,  da»  ihnen  Anatomisches  über  den  Chinesenfuss  nicht  bekannt  sei ; das  Einzige,  was  ich  erhielt,  war 
die  Photographie  eines  getrockneten  Kusses  einer  Pariser  Sammlung.  Hyrtl,  der  in  seinem  llandbucho  der 
topographischen  Anatomie  eine  ausführliche  Erörterung  des  Cbinesenfusses  gegeben  hat,  sagt,  dass  „Modelle“ 
sich  fast  in  allen  Sammlungen  befinden  (?) ; von  wirklichen  Küssen  sagt  er  nichts.  — Was  ich  in  der  Kolgc 
über  Zergliederungen  chinesischer  Küsse  in  Erfahrung  brachte,  folgt  in  dem  unter  II  beigefügteu  Nachtrage. 


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222 


IL  Welcker, 


delle  (Kig.  26)  geschehen  ist.  Hierzu  kommt  aber  noch  eine  zweite  Gewähr.  Meinem  Collegen 
Ecker  verdanke  ich  die  Mittheilung  der  lebensgrossen  Photographie  eines  Chinesenfusses, 
welcher  sich  zu  Paris  in  der  Sammlung  von  Val  de  Gracc  befindet1).  Leider  ist  das  Skelet 
dieses  Kusses  durch  die  grossentheils  noch  aufsitzende  Haut  nicht  in  allen  Einzelheiten  ver- 
ständlich; soweit  man  indess  nach  der  Abbildung  urtheilen  kann»  stimmt  dasselbe  mit  dem 
von  mir  entworfenen  Skelet  so  vollkommen,  dass  ich  durch  jene  Abbildung  zu  keinerlei  Ab- 


Fig.  22. 


Chinesinnen,  narb  in  China  auf  Iteiepnpier  gemalten  BiMer». 


Änderungen  veranlasst  wurde.  Nicht  wenig  endlich  kam  mir  die  treffliche  Schilderung  zu 
Statten,  welche  Hyrtl  von  der  Schnürung  der  chinesischen  Küsse  gegeben  hat. 

Was  Abbildungen  anlangt,  so  entspricht  da*  von  M acartney  mitgetheilte  Protilbild  de*  nackten  Kusses 
einer  Chinesin  im  Allgemeinen  unserem  Modelle,  doch  lasst  dasselbe  seiner  Kleinheit  wegen  die  näheren  Details 
nicht  hinlänglich  erkennen.  Gleiches  gilt  von  den  Zeichnungen,  welche  sich  im  Globus  (IM.  X,  S.  84)  finden; 
dieselben  scheinen  n>  gedacht,  als  wäre  der  Kuss  nicht  eingeknickt,  sondern  der  Länge  nach  ineinandergeschoben. 


*)  Das  Blatt  trägt  die  Aufschrift : „Photographie  de  grandeur  naturelle  d'une  Jambe  de  Chinoise  dont  )e 
pied  est  deforme  artificiellement.  rapportee  par  Mr.  Io  Dr.  Suaier,  1861.4* 

2)  Gesandtschaftsreise  nach  China.  Berlin  1798.  1.  Theil,  S.  308. 


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Ueber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Küsse  der  Chinesinnen.  223 

Das  unserer  Darstellung  zu  Grunde  liegende  Modell,  welches  Fig.  24  nach  geometrischer 
Aufnahme  in  1 , natürlicher  Grösse  darstellt,  ist  aus  rothem  Thone  gearbeitet  und  mit  einem 

aus  Seidenstoffen  kunstvoll  zusammengenähten  und 
mit  Stickereien  verzierten  Pantöffelchen  versehen. 
Dass  dieses  Modell,  wenn  cs  in  das  ihm  genau 
anpassende  Pantöffelchen  eingeführt  ist  (Fig.  25), 
mit  den  Frauenfiissen  der  bekannten  auf  Reispapier 
gemalten  chinesischen  Bilder  (von  welchen  ich  eine 
werthvolle  Reihe  — darunter  Fig.  22  und  23  — zu- 
gleich mit  dem  Fuasmodelle  erhielt)  vollkommen 
Uberei nstimmt,  ist  ein  weiterer  Beweis  dafür,  dass  das- 
selbe die  wesentlichen  Charaktere  der  Verunstal- 
tung getreu  wiedergiebt '). 

Die  Betrachtung  unseres  Modells,  so  wie  alles 
Dasjenige,  was  wir  über  den  Modus  der  chinesi- 
schen Fusstoilette  wissen,  lehrt,  dass  es  sich  um 
eine  äusserste  „Streckung“,  anatomisch  gespro- 
chen: um  eine  Plantarflexion  des  Kusses,  zugleich 
aber  — und  dieses  ist  offenbar  das  tiefeingreifendste  Moment  der  gesammten  Verunstaltung  — 
um  eine  Einknickung  des  Kusses  handelt,  bei  welcher  das  Hinterende  des  Fersenbeines 
nach  abwärts  geknickt  und  dem  Mittelfusse  entgegengebogen  wird*).  Fussrücken  und 
Schienbein  befinden  sich  hiernach  in  einer  und  derselben  Flucht,  so  dass  die  grosse  Zehe  na- 
hezu senkrecht  nach  abwärts  ragt,  während  die  vier  kleineren  Zehen  vom  Aussenrande  des 
Fusses  her  unter  die  Sohle  geschlagen  sind.  Der  Theil  des  Fusses  aber,  welcher  dessen 
Hinterrand  bilden  sollte,  die  Ferse,  ist  nach  unten  zu  liegen  gekommen. 

Diese  Verhältnisse  waren  massgebend  bei  der  Herstellung  des  in  Fig.  26  und  27  (a.  f.  S.) 
abgebildeten  Knochenfusses.  Gemäss  der  gesammten  Einrichtung  des  Skeletes  und  der 
Bänder  sowie  nach  der  Art  und  Weise  des  Schnlirens  muss  die  Ebene,  innerhalb 
welcher  die  Längsachse  des  Fusses  ihre  hauptsächlichste  Knickung  erfährt  (geringere 
Biegungen  vertheilen  sich,  wie  dies  auch  unser  Modell,  Fig.  27,  ausdrückt,  auf  verschiedene, 
weiter  nach  vorn  gelegene  Stellen),  in  die  Vorderenden  des  Sprung-  und  Fersenbeines  fallen; 
die  Linie  A C in  Fig.  27  (Längsachse  des  Vordcrtheiles  des  Fusses)  rückt  in  Folge  des  Schnü- 
rens  nach  a C,  die  Linie  B C (Achse  der  Ferse)  nach  b C.  Die  einzelnen  Knochen,  zugleich 
zwergliaft  bleibend,  richten  sich  in  ihrem  Waclisen  zur  Herstellung  dieser  abnormen  Fuss- 
gestalt  ein,  wobei  C'alcaneus  und  Talus  die  grösseste  Formverändorung  erleidon. 

Werfen  wir  nochmals  einen  Blick  auf  Fig.  26  und  27,  so  lege  ich  auf  das  Speciellere  der 
dort  gewählten  C'onfiguration  der  einzelnen  Fu&swurzel-  und  Zehenknochen  (die  übrigens  auch 

M Eine  noch  sicherere  Bestätigung  erhielt  ich  während  dea  Druckes  dieser  Abhandlung.  Ich  hatte  Gelegen- 
heit, das  Modell  sweien  Chinesen  vorzulegen,  welche  dasselbe,  in  freudiger  Ueberraschung  nach  allen  Seiten 
hin  sorgfältig  musternd,  als  „a  very  good  Imitation“  beeeichneten. 

2)  Es  bedarf  kaum  der  Erinnerung,  dasa  nicht  eine  rasche  Knickung,  wobei  ein  Theil  zerbrochen  oder 
auch  nur  unmittelbar  verbogen  würde,  gemeint  ist.  Es  handelt  sich  um  die  Erzielung  des  Wachsens  der 
Theile  in  gebogener  Richtung. 


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224 


H.  Welcker, 


an  den  chinesischen  Füssen  nach  Verschiedenheit  der  Anlage  und  der  Behandlung  grosse 
Verschiedenheiten  zeigen  mögen)  selbstverständlich  keinen  Werth;  wie  ich  iudess  die  einzel- 
nen Knochen  in  die  C'ontouren  des  chinesischen  Modells  auch  vertheilen  mochte:  immer 
Fig.  26.  Fig.  27. 


' H 


Skelet  eines  ChinesenfusaoB  (construirt).  Die  rothen  Linien  gehören  einem  normalen  Fraueofusse  an. 

>/8  nat.  Grösse. 

kam  das  Hinterende  des  Fersenbeines  genau  so  unter  den  übrigen  Fuss  zu  liegen, 
wie  bei  einem  normalen  Fusse  der  Haken  eines  Hakenschuhes  unterhalb  der 
Ferse  liegt.  Die  Chinesin  geht  also  bei  nahezu  senkrecht  gerichteten  Mitte lfussknochen 
auf  den  verkümmerten  und  grossentheils  verbogenen  Fusszehen ; das  Hinterende  des 
Kusses  ruht  auf  einem  doppelten  Absätze  — einmal  auf  dem  untergebogenen 
Fersenhöcker,  und  dieser  auf  dem  Absätze  des  Schuhes  (vgl.  Fig.  26  und  27). 

Man  könnte  daran  denken,  ob  die  starke  Uiegung,  welche  der  Fusb  zumal  an  seinem  AusHenrando  erleidet, 
nicht  etwa  durch  Luxation  (des  Würfelbcincs  unter  da«  Vorderende  de« Fersenbeines)  erfolge;  aber  die  Hand- 
Verbindungen  der  Fu«*wurzelknocheu  sind  viel  au  fest,  als  das«  man  ein  Auseinanderrücken  der  Gelenkflächen 
erwarten  durfte.  Können  wir  aber  eine  Luxation  d«*B  Caleaneo-Cuboidalgelenkes  nicht  xugeben , so  ist  es  bei 
der  nahezu  «enkrechten  Richtung,  in  welche  die  Achse  des  Ferseuhöckers  (bc,  Fig  27)  geruthen  ist  und  bei  der  gleich* 
zeitigen  Abwärtsbiegung  des  Vorderthciles  dca- Kusses  eine  nothwendige  Forderung,  dass  die  für  das  War- 
felbein  bestimmte  Gelenkfläche  de»  Calcaneus  ihre  rechtwinkelige  Lage  zur  Längsachse  de« 
Knochens  aufgebe;  sie  muss  sich  schräg  stellen,  statt  nach  aufwärts  schräg  abwärts  gerichtet  «ein,  mit 
anderen  Worten,  es  muss  hinter  dieser  Gelcnktläche  ein  keilförmige«  Stück  Knocheumasse , dessen  Spitze  nach 
oben  zu  denken  ist,  ansfallen.  Die  Stelle  dieses  Ausfalles  oder  der  „Knickung“  wird  ziemlich  dicht  hinter  die 
Gelenkflächo  treffen. 

Die  Soblenlänge  unsere«  Modells  (also  des  Kusses,  nicht  des  Schuhes)  beträgt  kaum  die 
halbe  Länge  eine»  normalen  Frauenfusses;  von  der  Spitze  der  grossen  Zehe  bis  zu  dem  Theile 
der  Ferse,  welcher  zum  Hinterrande  des  Fusses  geworden  ist,  messe  ich  92  Millimeter;  von 
der  Spitze  des  Schuhes  bis  zur  hinteren  unteren  Ecke  des  Absatzes  nur  60  Millimeter. 

Vergleichen  wir  nun  mit  dem  Modelle  die  oben  erwähnte  Pariser  Photographie,  deren 
gleichfalls  auf  Vs  verkleinerte  Copic  ich  beifiigo  (Fig.  28),  so  macht  letztere  in  mehrfacher 
Beziehung  einen  erheblich  anderen  Eindruck.  Doch  liegt  dies  wesentlich  nur  darin,  dass  in 


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lieber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Filsse  der  Chinesinnen. 


•225 


dem  getrockneten  Präparate  der  Fuas  — in  störendem  Widerstreit  mit  dem  chinesischen  Ha- 
bitus — in  DorsalUexioti  geratheii  ist,  eine  Stellung,  welche  ich  in  keinem  der  mir  bekannt 


Fig.  28. 


gewordenen  Bilder  von  Chinesinnen  gefunden  habe, 
und  welche  diesen  in  Folge  der  Destruction  ihrer 
Fiisse  kaum  möglich  oder  geläufig  sein  dürfte.  Orien- 
tirt  man  die  Unterschenkelknochen  so,  wie  ich  die- 
selben in  den  chinesischen  Bildern  durchgehend«  finde 
(vgl.  Fig.  22  und  23)  und  wie  ich  es  in  Fig.  28  durch 
beigefdgto  punktirte  Linien  angodeutot  habe  und  fügt 
man  den  Umriss  einer  Sohle  und  des  Absatzes  hinzu, 
so  treten  die  uns  durch  unser  Modell  geläufig  gewor- 
denen Formen  völlig  übereinstimmend  hervor. 

Weiterhin  ist  der  Pariser  Chinesenfuss  ansehn- 
lich grösser,  wiewohl  die  Gegeneinanderknickung 
des  Vordertheiles  und  der  Ferse  einen  hohen  Grad 
erreicht,  die  zur  Anwendung  gekommene  Schnü- 
rung mithin  sicherlich  eine  durchgreifende  war. 
Sollte  unser  Modell  unter  natürlicher  Grösse  aus- 
Fuss  einer  Chinesin.  Getrocknetes  Präparat  üer  geführt  sein  oder  vielleicht  nur  einem  Kind  erfasse 

entsprechen? 

Die  Photographie  dos  Pariser  Präparates  hat 
von  der  Spitze  der  grossen  Zehe  biR  zum  Hinter- 
rande des  Fusses  134  Milümeter,  mit  den  frischen  Weichthoilen  wird  man  140  Millimeter  an- 
nehmen dürfen;  für  die  untere  Sohlenlinie  des  zugehörigen  Schuhes  !)0  Mm.  Nun  aber  giebt 
Hyrtl  als  Maass  eines  chinesischen  Schuhes,  dessen  Trägerin  er  in  Wien  selbst  gesehen,  „nur 
2 Zoll“  Länge  der  Sohle,  d.  i.  nur  54  Millimeter,  an ; unser  Modell  stellt  sich  hiernach  zwi- 
schen jene  beiden  Dimensionen;  in  seiner  Kleinheit  würde  somit  kein  Gegengrund  liegen, 
dasselbe  als  das  Modell  eines  erwachsenen  Frauenfusses  gelten  zu  lassen'). 

Ich  schliesse  mit  der  Wiedergabe  einiger  Stellen  ans  der  Literatur,  welche  auf  Autopsie 
beruhende  Angaben  über  unsern  Gegenstand  enthalten.  Hyrtl’s  Schilderung  (a.  a.  0.  II,  633) 
lautet: 


Sammlung  von  Val  de  Grüco  zu  l’uri«. 
Nach  einer  in  natürlicher  Grösse  aofgenommo- 
nen  Photographie  auf  ’/s  verkleinert. 


„Die  unsinnigste  Verunstaltung  (1er  Füssc,  ilie  dem  Verluste  derselben  gleich  zu  setze»,  ist  die  gewaltsam 
erzwungene  Verkrüppelung  derselben  bei  den  Frauen  der  höheren  Stände  in  China.  Die  Mantacliu  - Tataren 
huldigen  dieser  Sitte  nicht,  welche  aut  Schmeichelei  erfunden  worden  sein  soll,  um  einer  Prinzessin,  welche 
mit  Klumpfuiscn  geboren  wurde,  lange  vor  dem  glücklichen  Zeitalter  der  Tenotomie , glauben  zu  machen 
data  alle  Weiber  solche  Füsae  hätten  und  die  Sache  somit  ganz  in  der  Ordnung  aei.  Die  ltebltlsae  der  vor- 
nehmen Chineeinnen  machen  das  Gehen  auf  ebenem  Boden  zur  Qual,  das  Laufen  unmöglich  und  das  Stiegen- 
Auf-  und  Absteigen  so  beschwerlich,  dass  chinesische  Hausfrauen  gewöhnlich  nur  Erdgeschusso  bewohnen, 
wenn  sie  den  Luxus  eines  Hausträgera  nicht  bestreiten  können.  Modelle  verunstalteter  Filsse  von  chineeiechen 
Damen  befinden  sich  fast  in  allen  anatomischen  Sammlungen.  Der  seidene  Schah , welchen  mir  Madame 
Chung-Atai  aus  Canton  bei  ihrem  Aufenthalte  in  Wien  rum  Geschenk  machte,  hat  eine  Soblo  von  nur  2 Zoll 


')  Anch  die  oben  erwähnten  beiden  Chinesen  acceptirten  dasselbe  als  die  lebensgrosse  Copie  des  Fusses 
einer  „erwachsenen  chinesischen  Dame.“  — (Zn  bedauern  äst,  dass  die  Maasse  der  in  dem  nnter  II  folgenden 
Nachtrage  erwähnten  Fasse  von  den  Autoren  nicht  angegeben  wurden.) 

Archiv  fflr  Anthropologin.  Rd.  IV.  Hift  111.  29 


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22G 


H.  Welcker, 

Länge  und  */4  Zoll  Breite. Aas  der  Mitteilung  eines  Arztes , welcher  längere  Zeit  auf  Tschusan  »tatio- 

nirt  war,  erfuhr  ich  Folgendes  über  die  Art  und  Weise  der  Fussumstaltung  nach  chinesischen  Schönheitsbegrif- 
fen. Die  Operation  zerfällt  in  zwei  Perioden.  Die  erste  beginnt  im  Verlauf  deB  zweiten  Lebensjahres  des 
Kindes.  Die  Zehen  werden  durch  lange,  in  allerhand  Touren  um  den  Fuss  gezogene  Bandstreifen  gegen  die 
Fusssohle  hinabgebunden.  Kur  die  grosse  Zehe  wird  geschont.  Die  immer  fester  und  fester  geschnürte  Ban- 
dage bringt  cs  endlich  dahin . dass  das  Kind  mit  der  Dur&alHäche  der  Zehen  auftritt.  Die  Füste  mehrerer 
Kinder,  welche  mein  Freund  in  dieser  Periode  untersuchte,  waren  heiss,  roth  und  schmerzhaft.  N ach  und 
nach  verlieren  die  Zehen  ihre  Eigenschaften  als  selbstständige  Glieder  und  bilden  eine  mit  der  Fusssolile  ver- 
schmolzene, ungetheilte  Masse.  Dieses  ist  bereits  im  nächsten  Jahre  der  Fall,  in  welchem  der  zweite  Theil 
der  Operation  beginnt,  wenn  die  Eltern  sich  nicht  mit  dem  ersten  begnügen,  was  nur  bei  Leuten  der  niede- 
ren Stände  der  Fall  ist.  Der  Fuss,  mit  der  grossen  Zehe,  wird  non  im  Bogen  allmählich  so  gekrümmt,  dass 
die  grosse  Zehe  so  nahe  als  möglich  an  die  Fcrso  kommt.  Diese  Procedur  ist  viel  schmerzhafter,  als  die  vor- 
hergegangene und  bringt  vielen  schwächlichen  Kindern  den  Tod.  Sie  unterbleibt  deshalb  von  Seiten  solcher 
Eltern,  welche  ihre  Kinder  nicht  geradezu  in  Lebensgefahr  stürzen  wollen.  Die  Bandage  wird  nie  gelockert, 
sondern  von  Monat  zu  Monat  immer  fester  und  fester  angezogen.  Wurde  das  Ziel  der  beabsichtigten  Ver- 
krüppelung erreicht,  so  besteht  der  Fuss,  von  unten  gesehen,  bloss  aus  einem  Stücke  grosser  Zehe  und  einem 
Stücke  Ferse,  zwischen  welchen  beiden  eine  Schwiele  liegt.  Die  Waden  schwinden  und  werden  spir.delbeinig. — 
Eine  chinesische  Mutter  vertraute  einem  anderen  europäischen  Arzte  ein  auf  diesen  Theil  chinesischer  Fonnen- 
schönheit  sich  beziehendes  Toilettenmittel.  Bei  Mädchen  aus  dem  Volke,  welche,  um  den  Fqbs  doch  etwas 
gebrauchen  zu  können,  ihre  grosse  Zehe  nicht  so  dicht  an  die  Ferse  herangezogen  haben,  wie  es  bei  den  Rei- 
chen der  Fall  ist,  und  deshalb  keinen  ganz  schönen,  d.  i.  kleinen  Fuss  besitzen,  wird  dieser  Mangel  an  Vollkom- 
menheit bei  festlichen  Gelegenheiten,  insbesondere  aber  bei  der  Hochzeit  dadurch  ersetzt,  dass  unter  dem  Fasse 
ein  Stück  Kork  von  der  Form  des  kleinsten  Fasses  befestigt  und  dieses  dann  mit  dem  Schuh  bekleidet  wird.“ 

In  einem  Aufsätze  des  Globus  (Jahrg.  18C6,  S.  34)  heisst  es: 

„Diese  Mode  reicht  schon  ins  hohe  Alterthum  hinauf.  Die  Chinesen  selbst  erzählen,  eine  Prinzessin 
habe  ausserordentlich  kleine  Füsse  gehabt  und  dadurch  die  Aufmerksamkeit  und  den  Neid  anderer  vornehmen 
Frauen  erregt.  Und  wenn  sie  selber  dieser  Schönheit  sich  nicht  rühmen  konnten,  so  sollten  doch  ihre  Töchter 
derselben  theilhaftig  sein.  So  geschah  es.  und  die  Mode  griff  im  Fortgange  der  Zeit  immer  weiter  um  sich, 
und  heute  sind  reiche  wie  arme  Leute  kleinfussig,“ 

„Zwischen  dem  vierzehnten  und  achtzehnten  Monate  beginnt  die  Operation.  Die  Füsse  werden  mit  zwei 
Leinwandbinden,  dem  Tschan-pu  und  dem  Tschio-pu,  umwickelt,  und  zwar  so,  dass  die  vier  kleinen  Zehen 
unter  die  Sohle  gebogen  werden,  die  grosse  Zehe  aber  frei  bleibt,  ähnlich  wie  wenn  wir  eine  Hand  ballen, 
aber  den  Daumen  in  seiner  natürlichen  Stellung  lassen.  Ein  Mädchen  ohne  verkrüppelte  Füsso  findet  nicht 
leicht  einen  Manu;  ihm  fehlt  ja,  nach  chinesischen  Begriffen,  eine  Hauptschönheit.  Die  aber,  welchen  eie 
nicht  mangelt,  können  ihre  Beinmuskeln  nicht  üben,  bekommen  keine  Waden,  ihre  Beine  sind  wie  Stelzen  und 
der  Gang  bleibt  wackelnd.“ 

_ — Die  Chinesinnen  laufen,  trotz  dieser  kleinen  Füsse,  sehr  rasch  und  sicher1);  ja  sie  haben  ein  Bewe- 
gungsspiel, bei  welchem  man  einander  hölzerne  Tellerscheiben  oder  auch  Bälle  zuwirft.  Bei  uns  in  Europa 
schleudert  man  dieselben  mit  dem  Ballholze  zurück;  die  Chinesinnen  aber  bedienen  sieb  statt  derselben  der 
Sohlen  ihrer  kleinen  Schuhe.  Uebrigens  haben  wir  mehrfach  gelesen,  dass  in  neueren  Zeiten  die  Mode  der 
Verkrüppelung  in  manchen  vornehmen  Familien  nicht  mehr  beobachtet  wird.“ 

Von  Interesse  ist  auch  eine  Schilderung,  welche  Ed.  Hildebrandt  (der  berühmte  Maler 
der  Aquarellen)  von  unserem  Gegenstände  entwirft  (Reise  um  die  Welt,  II,  S.  91): 

„Bei  meinen  Malcrstudien  gewahre  ich  so  Manches,  was  für  gewöhnlich  den  Blicken  der  Fremden  entzo- 
gen wird.  Ich  rechne  dahin  die  kleinen  Krüppelfüsse  der  Chinesinnen,  die  sie  höchst  ungern  ohne  die  übliche 
Bandage  zeigen.  Als  ich  in  der  Nachbarschaft  einer  Familie,  die  eben  ihr  Frühstück  einnahm,  meinen  Schirm 
aofgespannt  hatte  und  eifrig  zu  arbeiten  anhub,  bemerkte  ich  plötzlich,  dass  die  Hausmutter  ihre  Füsse  aus 
dem  engen  Futteral  zog,  das  ich  kaum  einen  Schuh  za  nennen  wage,  und  eine  kleine  Wunde  bepflasterte. 
Der  verunstaltete  Fuss  glich  einem  Huf.  Der  Landessitte  nach  werden  beide  Füsse  der  kleinen  Mädchen  im 
S.  oder  4.  Lebensjahre  mit  Bandagen  und  Bambusscheitern  förmlich  geschient,  bis  sie  diese  Zwerggestalt 

*)  Dieser  bestimmten  Aussage  gegenüber  scheint  IIvrtFs  Angabe,  dass  das  Laufen  „unmöglich“  sei,  nicht 
ganz  zuzutreffen ; an  sich  ist  jedenfalls  die  Möglichkeit  raschen  und  sicheren  Laufens  bei  schwankendem  und 
unsicherem  Gange  nicht  abzuweisen. 


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227 


Ueber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Füsse  der  Chinesinnen. 

annehmen.  Es  ist  unbegreiflich,  weshalb  man  selbst  in  den  unteren  .Ständen,  die  doch  ihr  Leben  lang  auf  aus- 
dauernde Arbeit  angewiesen  sind,  die  Tochter  auf  diese  Weise  verstümmelt,  die  ihnen  Bewegung  und  Beschäf- 
tigung über  alle  Maasen  erschwert.  Wie  oft  habe  ich  die  Frauen  der  Gärtner  an  ihren  Stöcken  umherhumpeln 
oder  schneckenartig  auf  den  Knieen  zwischen  den  Beeten  hinkriechen  und  Unkraut  auBjäten  sehen.  Unter  den 
Tataren  hat  die  Unsitte  nicht  um  sich  gegriffen,  die  Füsse  ihrer  Frauen  sind  wohlgebildet  und  ihre  Gangart  ist 
so  elastisoh,  wie  die  einer  Pariserin.  Aller  Mühsal  ungeachtet  sind  die  Chinesinnen  stolz  auf  diese  Fussstümpfc. 
In  der  poetischen  Landessprache  heisst  das  verstümmelte  Glied  Küm-leen,  d.  h.  goldene  Wasserlilie.“ 

Pag.  12:  „Die  eleganten  Damen,  denen  wir  in  dieser  Stadt  (Hongkong)  häufiger  begegneten,  bedienen 
sich  bei  ihren  künstlich  verkrüppelten  kleinen  Füssen  der  Stöcke;  sie  würden,  da  sie  auf  den  Zehen  gehen, 
sonst  fortwährend  in  Gefahr  schweben,  niederzufallen.“ 

Nach  einem  Wiener  Blatte  hat  in  jüngster  Zeit  ein  Arzt  der  französischen  Gesandtschaft 
in  Peking,  Dr.  G.  Mo  rache,  Mittheilungen  über  uuseren  Gegenstand  gemacht,  welchen  ich, 
jener  Quelle  folgend,  Nachstehendes  entnehme: 

Es  giebt  nach  den  Provinzen  verschiedene  V erfahr  ungs  weisen  beim  Binden  des  Kusses  und  im  Ganzen 
zwei  Grade  desselben,  indem  nämlich  entweder  klos  die  Zehen  verkrüppelt  werden,  oder  auch  das  Fersenbein 
senkrecht  gestellt  wird,  ln  den  reichen  Familien  beginnt  die  Verunstaltung  mit  dem  4.,  bei  andern  mit  dem 
6.  oder  7.  Lebensjahre.  Zunächst  wird  der  Fuss  geknetet,  dann  werden  die  vier  kleinen  Zehen  mit  Gewalt 
gebeugt  und  durch  eine  Binde  von  5 Centim.  Breite  mittelst  Achtertouren  in  dieser  I*age  erhalten.  Täglich 
wird  die  Binde  erneuert.  Dan  Kind  trügt  einen  ziemlich  hoch  reichenden  Schnürstiefel,  der  sich  nach  vorn 
zuspitzt  und  eine  platte  Sohle  ohne  Absatz  hat.  — Vorstehendes  Verfahren  giebt  nur  den  in  den  Nordpro- 
vinzen üblichen,  gewöhnlichen  Fuss.  Zur  Herstellung  der  zweiten,  eleganteren  Form  legt  man,  wenn  die  blei- 
bende Beugung  der  Zehen  erreicht  ist,  unter  den  Fuss  einen  halben  Cylinder  von  Metall  und  führt  nun  die 
Binden  um  den  Fuss,  auch  wohl  um  den  Unterschenkel,  in  der  Absicht,  dessen  Muskeln  au  einer  der  beabsich- 
tigten Gestaltung  feindlichen  Wirkung  zu  hindern.  Bei  jeder  Anlegung  der  Binden  presst  die  Mutter  aus 
allen  Kräften  Fersenbein  und  Zehen  über  dem  Halbcylindor  zusammen  und  führt  auf  dicec  Weise  wo  möglich 
eine  Dislocation  des  Kahnbeines  herbei,  ja  sie  sollen  mit  einem  Steine  nachhelfen,  um  das  Kahnbein  zu  zer- 
schmettern, in  manchen  Provinzen  cs  ganz  hcrausnehmen.  Der  so  misshandelte  Fass  wird  in  einen  Stiefel 
mit  stark  convexer  Sohle  gesteckt.  Ist  die  Binde  gut  angelegt,  so  hört  nach  einigen  Jahren  der  Schmerz  auf 
und  die  Empfindlichkeit  des  Kusses  ist  soweit  ertödtet,  dass  kaum  noch  etwas  Gefühl  besteht.  Solche  Frauen 
sind  indess  nicht  im  Stande  zu  gehen,  wenn  der  Fuss  nicht  gebunden  und  nicht  unterstützt  ist. 

In  Tschusan  hat  Lockart  nie  ein  Weib  gesehen,  das  normale  Füsso  hatte,  während  er  in  C'anton  und  Ma- 
cao viele  solche  sah-  Im  Ganzen  schien  cs  ihm,  als  ob,  auf  dem  Lande  wenigstens,  dieso  Unsitte  nicht  so  viel 
Schaden  brächte,  als  zu  erwarten  wäre;  er  sah  starko,  gesunde  Frauenzimmer  mit  eingezw&ngten  Füssen  leicht 
und  anscheinend  schmerzlos  mehrere  Meilen  zurüeklegen.  — Wenn  man  von  den  Sagen  absieht,  welche  den 
Ursprung  dieser  Unsitte  in  die  Zeit  von  1100  vor  Christi  zurückverlegen,  so  variiren  die  historischen  Angaben 
zwischen  dem  Kaiser  Yang-ti,  695  nach  Uhr.  und  Li-Yuh,  901  bis  976  nach  Uhr.  Eine  Vererbung  im  Sinne 
Darwin’s  hat  da»  achthundertjährige  Schnüren  nicht  hervorgebracht;  die  Füsse  der  kleinen  Mädchen  in  China 
sind  völlig  normal  gebaut. 

Wir  wundern  uns  über  den  Gebrauch  einer  so  geschmacklosen  und  mit  so  vielen  Unbe- 
quemlichkeiten verbundenen  Verstümmelung,  doch  wir  vergessen,  dass  es  weit  edlere  Organe 
sind,  welche  durch  die  hei  uns  gebräuchliche  Art  des  Scbnürens  verkümmert  werden.  Aber 
es  giebt  Dinge,  über  die  das  Publikum  Belehrung  gar  nicht  will.  Vergeblich  hat  Soeinmer- 
ring')  gegen  das  Schnüren  geschrieben,  vergeblich  hat  Hogarth  in  den  Umriss  der  Venus 
eine  Schnürbrust  eingezeichnet  *) , vergeblich  haben  begeisterte  Jünglinge  mit  anderem  Plun- 
der die  Schnürbrust  gar  verbrannt  — die  Unsitte  blieb.  Die  Chinesinnen  aber  werden,  so- 
bald die  europäische  Cultur  das  Reich  der  Mitte  noch  ferner  aus  dem  Gleichgewichte  bringt, 
das  Schnüren  ihrer  Füsse  aufgeben  und  — den  Thorax  schnüren. 

*)  Ueber  die  Wirkungen  der  Scbnürbrüste.  Mit  einer  Kupfertafel.  Berlin  1793.  b°,  84  Seiten. 

*)  Auf  dem  Bilde  „Taste  in  high  life,“  mit  der  Unterschrift  „the  Mode.  1742*. 


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H.  Welcker 


II. 

Angaben  englischer  Chirurgen  über  den  Chinesenfuss. 

Meine  Vennutliung,  «lass  die  Museen  derjenigen  Nationen,  welche  durch  iliro  Scbiftlührt 
seit  längerer  Zeit  in  Berührung  mit  China  gekommen  sind,  Filssc  von  Chinesinnen  enthalten 
möchten,  ja  dass  auch  in  der  Literatur  bereits  Mittheilungen  Uber  das  Nähere  dieser  Diffor- 
mitat  vorliegen  müssten,  hat  sich  bestätigt.  Durch  die  Aufmerksamkeit  meines  chirurgischen 
Collegen  Prof.  R.  Volkmann  bin  ich  mit  einer  Anzahl  von  Abbildungen  und  Beschreibungen 
bekannt  geworden,  welche  die  englischen  Chirurgen  über  diesen  Gegenstand  gegeben  haben. 
Ich  glaube  nicht  zu  irren,  dass  diese  Mittheilungen  der  Kenntnissnahme  der  Anthropologen 
und  Kthnnlogen  entgangen  sind,  und  es  mag  darum  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn 
ich  hier  dasjenige  zusannnens teile,  was  ich  in  dieser  Richtung  mitgotheilt  finde. 

John  llilton  in  seinem  Werke  „On  the  Influence  of  mechanical  and  physiological  Rest", 
j.'lk,  London  1 8t>3 , zielit.  den  Chinesenfuss  als  ein  Beispiel 

dafür  heran,  dass  lange  fortgesetzte  Unthätigkcit 
eines  Gelenkes  keineswegs  mit  N’othwendigkeit  eine 
krankhafte  Veränderung  desselben  zur  Folge  habe. 
Die  von  ihm  gegebene  Abbildung  (Fig.  29)  hat  eine 
überraschende  Achnlichkcit  mit  unserer  Fig.  2G.  Die 
betreffende  Stelle  bei  Hilton  (pag.  313)  lautet: 

„Eb  bat  Fiel]  getroffen,  dass  die  Universität  jetzt  reich  an 
Chinesen Füssen  ist,  und  ich  ftihro  Ihnen  ein  gutes  Exemplar  zur 
Unterstützung  meiner  Ansicht  vor.  Fig.  29  ist  die  Abbildung 
eines  in  Weingeist  aufbewahrten  Präparates.  Ich  vrei«»  nicht, 
wie  alt  die  Dame  war,  aber  nach  dem  Ansehen  der  Knochen 
darf  man  mit  .Sicherheit  annehmen,  dass  sie  das  Alter  der  Pu- 
bertät erreicht  oder  bereits  überschritten  hatte.  Nun,  diese  Ge- 
lenke »iml  grgeneinandergedrangt  seit  20  oder  30  Jahren , und 
doch  sind  die  Gelenkflächen  in  normalem  Zustande  und  ihre 
Structur  hat  nicht  im  geringsten  gelitten. u — — lu  einem 
Senkrechter  Durchschnitt  des  Fusecs  einer  chi-  Briefe,  den  ich  von  Dr.  Barder  empfing,  *»gt  dieser:  Bl)ie 
nesischen  Dame,  nach  Hilton,  Fig.  l>2.  (Jelcnkfläcbfn  des  Chinesen fueses  sind  mikroskopisch  vollkotn- 

Präparat  des  College  ol  Surgeons.  men  gesund.“  Auch  eines  von  Brenshv  Cooper  beschriebe- 

1 Tibia,  2 Astragahis,  3,  SCalcaneue.  4 Navicu-  neu  Präparates  gedenkt  Hilton,  dessen  (ietenko  nirgends  eine 
Inre,  ff  Cuneiformu  primuni.  Aucbyluse  zeigten. 

Die  wohl  zuerst  von  Little  (On  Deform itios,  p.  107)  hervorgehobene  Aclmlichkeit  der 
chinesischen  DifTormitat  mit  der  nicht  angeborenen  Form  von  Talipes  calcaneuB  (eine  Miss- 
bildung, bei  welcher  die  Fersen  senkrecht  nach  abwärts  gerichtet  sind,  so  dass  das  Indivi- 
duum auf  dem  Hinterende  der  Ferse  steht»  während  der  Vordcrthcil  des  Fuseeo  trotz  einer 
starken  Abwartebiegung  hoch  zu  liegen  und  ausser  Berührung  mit  dom  Boden  kommt)  veran- 
lasst W.  Adams,  in  seinem  preisgekrönten  Werke  „Club-foot“  (London  1866),  unserem 
Gegenstände  eine  ausführliche  Betrachtung  zu  widmen.  Wir  lesen  dort  (p.  340): 


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229 


Ueber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Fiisse  der  Chinesinnen. 

„In  dem  Museum  de#  Royal  College  of  Surgepns  findet  sich  eine  Reihe  von  elf  Präparaten  (Nr.  884«  bis 
£•84*  des  Dcscriptive  Cntalogue  of  the  Path.  Specim.,  Suppl.,  Vol.  1),  gefertigt  aus  den  Füssen  von  vier  Chi- 
nesinnen, welche  die  anatomischen  Kigenthürolichkeiten  dieser  merkwürdigen  Difi'ormität  erläutert, 
welche  durch  künstliche  Mittel  — ich  kenne  nicht  genau  die  bestimmte  Art  des  Verfahrens  — entweder 
durch  festes  Verbinden,  oder  durch  eine  andere  zutaramend  rückende,  in  frühester  Jugend  und  eine  längere 
Zeit  während  des  Wachsens  in  Anwendung  gebrachte  Gewalt  — erzeugt  wird.  Diese  Präparate  sind  in  Spi- 
ritus aufbewahrt  und  in  einigen  Durchschnitten  sind  die  veränderten  Verhältnisse  der  Knochen  und  Gelenke 
dargestellt.  Fig.  30  und  3!  teigen  die  innere  und  äussere  Ansicht  eines  dieser  P'üsse,  und  man  wird  fin- 

Fig.  80.  Fig.  31. 


Fuss  cinrr  chinesischen  Dame.  Museum  des  College  of  Surgeon«,  Nr.  8S4e. 
(Nach  Adams,  a.  a.  O. , Fig.  74  und  75.J 


den , dass  der  allgemeine  Charakter  der  Difi'ormität  in  mancher  Hinsicht  Aehnlichkeit  hat  mit  den  schwe- 
reren Fallen  von  nicht  angeborenem  Talipes  calcaneus,  paralytischen  Ursprungs.  Der  Höcker  des  Fer- 
senbeines ist  so  weit  herabgedrängt,  dass  er  gerade  nach  unten  ragt,  und  der  Körper 
dieses  Knochens  hat  eine  senkrechte  Richtung,  zusammenfallcnd  mit  der  Längslinie  des  Beines.  In 
Fig.  31  sieht  man  die  Achillessehne  ftach  gegen  die  hintere  Ebene  des  Knöcholgelenkes  anliegen  und  sodann 
gerade  nach  abwärts  zu  dem  Fersenhöcker  herabtreten.  Der  vordere  Theil  des  Fussen  ist  von  dom  querlau- 
fenden Tarsalgelenka  aus  nach  unten  gebogeu,  so  dass  der  Fuss  in  seiner  Längsrichtung  zusammengefaltet 
ist;  das  Knöchclgelenk  und  das  quere  Fusagelenk  sind  die  Hauptcentrcn  der  Bewegung.  Die  Phalangen  der 
vier  aasseren  Zehen  sind  krallenartig  einwärts  gebogen  und  seitwärts  gerichtet  nach  der  Mittellinie  der  Fuss- 
sohle.  Die  zugehörigen  Metatnrsalknochen  sind  nach  der  Seite  zusammengedrückt;  die  der  grossen  Zebe 
allein  bleiben  gestreckt  und  geben  dein  zusamtnonge ballten  und  verdrehten  Fuss  eine  spitze  Form.  Dies  zeigt 
sich  gut  in  Fig.  30,  desgleichen  in  Fig.  32.* 

Noch  eine  fünfte  Abbildung  habe  ich  beizuftigen , entnommen  dem  citirten  Werke 
Little’s.  Diese  Zeichnung  eilten  vollständig  skeletirten Fusses  hat  eine  ganz  auffällige  Aelin- 
Fig.  32.  Fig.  33. 


Abguss  des  Kusses  einer  Chinesin.  Museum  desi  Künstliches  Skelet  de»  Fusses  einer  Chinesin. 

University  College,  Nr.  4599.  (Adams,  Fig.  7ß.)  (Nach  Littlc,  Ou  Deformitiea,  Fig.  67.) 


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230  H.  Welcker, 

lichkeit  mit  der  oben  unter  Fig.  28  wiedergegebenen  Photographie  des  mit  den  WeichtheUen 
getrockneten  Pariser  Präparates,  und  eben  diese  Aehnlichkeit  verbürgt  es  uns,  dass  bei  der 
künstlichen  Zusammensetzung  des  von  Little  abgebildeten  Fusses  die  einzelnen  Tarsal  - und 
Zehenknochen  nicht  in  falsche  Lagen  gekommen  sind.  (Andere  dürfte  es  sich  mit  Tibia  und 
Fibula  verhalten.)  Zu  Little’s  Abbildung  bemerkt  Adams  (S.  342): 

„Diene  Abbildung  ist  in  einer  wichtigen  Beziehung  verschieden  von  allen  anderen  erwähnten 
Exemplaren,  indem  sie  nämlich  den  Fersenhöcker  in  derselben  Höhe  mit  den  Zehen  darvtellt,  bei  aufrechter 
Stellung  des  Beine«,  während  doch  in  den  oben  gegebenen  Zeichnungen  und  in  allen  den  Exemplaren,  welche 
ich  untersucht  habe,  der  Fersenhöcker  so  sehr  über  der  Höhe  der  Zehen  liegt,  dass  es  für  dio  Dame  nöthig 
wird,  einen  Schuh  mit  einem  1 bis  2 Zoll  hohen  Absätze  zu  tragen,  und  ich  glaube,  dass  die  Schuhe  dieser 
Damen  stets  einen  Absatz  von  jener  Höhe  besitzen." 

Wir  sehen,  Adams  nimmt  an  derselben  ungeschickten  und  das  Charakteristische  der  chi- 
nesischen Diftbrmität  verwischenden  Orientirung  des  Präparates  und  der  Zeichnung  Anstoss, 
welche  ich  oben  an  jener  Pariser  Photographie  gerügt  habe,  und  lässt  es  sich  einige  Mühe 
kosten,  darzuthuii,  dass  Little's  Zeichnung  trotz  der  hohen  Lago  ihrer  Fusssehen  — ein  Chi* 
nesenfuss  ist  *). 

Gehen  wir  davon  aus,  dass  bei  der  künstlichen  Zusammensetzung  des  in  Fig.  33  abge- 
bildeten Fussskeletes  die  Knochen  des  Unterschenkels  in  eine  falsche  Stellung  gebracht  wur- 
den, welche  nach  Massgabe  der  in  Fig.  28  von  mir  eingcfilgten  punktirten  Linien  zu  verän- 
dern wäre  und  dass  das  ganze  Präparat  um  einen  Winkel  von  mindestens  30  Graden  nach 
vorn  zu  neigen  ist,  so  steht  diese  Zeichnung  mit  keinem  einzigen  der  Charaktere  in  Wider- 
spruch, welche  wir  als  diejenigen  des  Chinosenfusses  kennen  lernten,  namentlich  ist  eine 
grosse  Uebereinstiinuiung  mit  dem  von  Hi  1 ton  gegebenen  Durchschnitte  (Fig.  29)  unverkennbar. 
Ich  muss  es  übrigens  dahin  gestellt  sein  lassen,  ob  nicht  Little  von  der  Ansicht  ausgegangen 
ist.  dass  die  von  ihm  gewählte  Orientirung  seines  Präparates  der  Haltung  des  Fusses  im  le- 
benden Zustande  entspreche;  es  wäre  dies  allerdings  eine  höchst  auffällige  Annahme,  doch 
scheint  ihn  auch  Adams  so  verstanden  zu  haben4). 

Little  giebt  dem  von  ihm  abgebildeten  Chinesenfüsso  die  Unterschrift:  „Artificial  Talipos 
calcaneus“  und  fugt  hinzu  (p.  168): 

„Ich  besitze  keine  anatomische  Abbildung  des  Präparates  eines  von  der  Natur  erzeugten  Talipes  calcaneus, 
<la  ich  keine  Gelegenheit  hatte , diese  Form  nach  dem  Tode  zu  aeciren ; aber  wir  können  die  Zeichnung  de« 


D Es  wird  von  Adams  herbeigezogen , dass  die  kleinen  Schuhmodelle  chinesischer  Arbeit,  welche  sich  in 
verschiedenen  Museen  finden,  alle  den  erhöhten  Absatz  zeigen,  während  die  innere  Sohle  von  den  Fersen  zu 
den  Zehen  hin  nuch  abwärts  ausgeschweift  sei.  Da  diese  Modelle  jedoch  unächt  sein  könnten,  so  versuchte 
A.  die  Thataache  der  Schriigrichtung  der  Fas  stöhle  an  don  Füssen  der  Gemahlin  eines  chinesischen  Riesen 
festzustellen.  welcher  damals  in  London  Vorstellungen  gab,  erreichte  jedoch  seinen  Zweck  nicht,  „wegen  des 
Willens  des  Riesen  und  seiner  Frau,  nicht«  zu  thun  zu  haben  mit  den  Doctoren.“  Indessen  lies«  sie  ihre 
Füsse  von  dem  Publikum  sehen , „den  Rist  und  die  Knöchel  mit  einem  enganschliessenden  Beinkleid  verber- 
gend. Der  Schuh,  der  auch  mit  ausgestellt  wurde,  muss  4l/s  Zoll,  der  Absatz  war  1 Zoll  hoch,  die  Sohle  war  ab- 
hängig von  der  Ferse  zur  Zehe.*  Dieses  Maas»  der  Sohle,  114  Millimeter,  d.  i.  mehr  als  das  Doppelte  der  von 
Hyrtl  notirten  Ziffer,  würde  für  eine  Chinesin  auffitllig  gross  sein.  Cebrigen«  macht  die  Bonderbare  Rücksicht, 
„Rist  und  Knöchel“  zu  verbergen,  sowie  ihre  Scheu  vor  den  Doctoren,  diese  Chinesin  etwas  verdächtig. 

2)  Dieselbe  Stellung  der  Unterschenkel  kn  ochen  und  dieselbe  Orientirung  des  Fusses  zum  Horizonte,  wie 
Little's  Exemplar,  zeigt  eine  Abbildung,  welche  ich  J.B.  Davis  verdanke  (entnommen  Bransbv  Cooper’s 
„Anatomical  Dascription  of  the  foot  of  n Chinese  female,“  Phil.  Trans.  1829,  p.  265),  Tibia,  Fibula  und  Cal- 
canous  sind  hier  genau  so  gestellt,  wie  in  Fig.  28  und  33,  die  Zehen  wie  in  Fig.  31. 


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Ueber  die  künstliche  Verkrüppelung  der  Fiisse  der  Chinesinnen.  231 

Fu>nke)et>  der  Chinesin  vergleichen  mit  dem  Modelle  der  extremsten  Form  von  Talipes  calcaneus,  und 
wir  werden  die  Aehnlichkeit,  wenn  nicht  die  volle  Gleichheit  des  Knochenbaues  in  beiden  Fillon  erkennen, 
mit  Ausnahme  den  Verhaltens  der  vier  kleineren  Zehen.  Die  künsüiche  Missntaltung  iet  durch  festes  Schnüren 
des  Kusses  im  frühen  Kindesalter  und  durch  Unterschlagen  der  kleineren  Zehen  unter  die  Sohle  bewirkt.  Diese 
Behandlung  bedingt  ohne  Zweifel  eine  beschwerliche  Bewegung  deräohlo;  das  Individuum  ist  genöthigt,  aus- 
schliesslich auf  der  Sohle  zu  gehen“  (?) ; „die  vorderen  Muskeln  des  Unterschenkeln  gewinnen  das  l ebergewicht 
und  bewirken  eine  Erhöhung  des  Fussrückens;  die  Muskeln  und  Bänder  der  Fusssohle  steigern  die  Wölbung 
des  Fussrüokens  und  hiermit  die  Concavität  der  Sohle,  die  Wadenmuskein  werden  atrophisch  und  kraftlos  und 
machen  die  Analogie  mit  Talipes  calcaneus  vollständig.“ 

Man  wird  zugeben  dürfen , dass  das  relative  Lagenverhältniss  der  einzelnen  Knochen  z u 
einander  in  beiden  Fällen  ein  sehr  ähnliches  ist,  aber  die  Richtung  der  Längsachse  des  Vor- 
dertheiles  des  Fusses  ist  in  beiden  Formen  eine  sehr  verschiedene  (bei  Talipes  calcaneus 
horizontal,  bei  dem  C'hinesenfusse  stark  abwärts  gerichtet,  so  dass  die  Ferse  des  hohen  Ab- 
satzes bedarf  — ein  Unterschied,  den  bereits  Adams  (a.  a.  O.,  p.  343)  hervorgehoben  hat). 

Es  scheint  mir  sehr  zweifelhaft,  ob  an  dem  bis  zum  Uebermasse  geschnürten  Fusse  die 
von  Little  angenommenen  Muskelwirkungen  neben  der  Schnürung  einen  Einfluss  auf  den 
Skeletbau  gewinnen  können',  namentlich  scheint  mir  dies  von  den  durch  die  Umknickung 
des  Fusses  völlig  erschlafften  Muskeln  der  Fusssohle  schlechthin  unmöglich.  — 

Die  hier  gegebene  Zusammenstellung  von  Abbildungen  setzt  uns  in  den  Stand,  die  Zu- 
fälligkeiten der  Form,  welche  an  den  Chinesenfüssen  Vorkommen,  als  solche  zu  erkennen 
und  das  Typische  und  Constante  der  Verunstaltung  mit  Sicherheit  aufzufassen. 

Vergleichen  wir  dieselben  untereinander,  so  zeigt  das  unter  Fig.  29  abgebildete  Spiritus- 
präparat, sowie  der  Oypsabguss  Fig.  32,  den  zwischen  Ferse  und  Fussballen  vorkommenden 
Raum  weit  vollständiger  von  jener  hufartigen  Schwiele  ausgefUllt  und  die  gesammte  Fusssohle 
dadurch  weit  mehr  geebnet,  als  dies  in  Fig.  30  und  31  der  Fall  ist,  welche  durch  die  gehöhlte 
Form  ihrer  Sohle  (die  allerdings  theUweise  durch  die  Entfernung  der  Sohlenhaut  bewirkt  ist) 
weit  mehr  mit  unserem  Thonmodelle  (Fig.  24)  übereinstimmen. 

Die  Abwärtsrichtung  der  grossen  Zehe  und  die  gestreckte  Richtung  ihrer  Phalangen, 
welche  die  beiden  Londoner  Präparate  Fig.  29  und  32,  und  (sofern  wir  sie  in  die  richtige  Lage 
bringen)  Fig.  28  und  33  in  durchgreifender  Uebereinstimmung  zeigen,  lassen  Fig.  30  und  31 
vermissen.  Denn  einmal  laufen  hier  die  Metatarsalknochen  und  Phalangen  der  grossen  Zehe 
keineswegs  in  Einer  Flucht,  sondern  cs  findet  sich  eine  erhebliche  Dors&lflexion  der  Zohen- 
glieder.  Sodann  aber  hat  Adams  diese  Füsso,  so  sehr  er  an  der  fehlerhaften  Orientirung  von 
Little’s  Zeichnung  Anstoss  nimmt,  gleichfalls  (wie  die  von  ihm  in  Fig.  31  angebrachte  Ho- 
rizontale zeigt)  nicht  ganz  richtig  orientirt;  dieselben  stehen  keineswegs  so  senkrecht,  wie 
sie  bei  senkrecht  gedachter  Tibia  sich  zeigen  müssten  und  vertragen  nicht  die  Unterschiebung 
des  chinesischen  Absatzes.  (Ich  habe  in  Fig.  30  eine  Sohlenlinie,  wie  ich  sie  für  richtig  halte,  * 
beigefügt.)  Uebrigens  repräsentirt  der  von  Adams  zur  Abbildung  ausgewählte  Fuss  (Fig.  30 
und  31)  keineswegs  den  höchsten  Grad  der  chinesischen  Difformität;  kleine  Zehe  und  Fersen- 
höcker sind  einander  weitaus  nicht  so  nahe  gekommen,  wie  in  Fig.  24,  29,  32  und  33. 

Es  gereicht  mir  zur  Freude,  dass  ein  so  sonderbar  abweichendes  Skelet,  wie  das  des  Chi- 
nesenfusses,  sich  nach  dem  blossen  Modelle  der  mit  den  Weichthoilen  besetzten  Gliedmasse 
in  so  vollkommener  Weise  construiren  liess,  und  dass  Fig.  27,  welche  den  Mechanismus  der 
chinesischen  Fusstoilette,  wie  das  Erzeugniss  derselben,  mit  einem  Blicke  übersehen  lässt,  durch 


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232  H.  Welcker,  Ueber  die  kiinstl.  Verkrüppelung  der  Fiisse  der  Chinesinnen. 

die  Kenntnissnahme  des  wirklichen  Skelets  sieh  keiner  nennenswerthen  Abänderung  bedürf- 
tig zeigt.  Die  verschiedenen  nach  wirklichen  Chinesenfüsseu  gefertigten  Zeichnungen  (Fig.  28 
bis  33)  bestätigen  die  Richtigkeit  der  in  der  Vorlage  von  Fig.  26  und  27  gewählten  Anordnung 
der  einzelnen  Knochen  fast  durchgehende;  und  da  in  Folge  der  Beliandlungswcise  jener  Prä- 
parate keine  der  unter  Fig.  28  bis  32  gegebenen  Abbildungen  für  sich  allein  eine  volle  Ueber- 
sicht  über  den  gesammten  Skeletbau  des  Chinesenfusses  gewährt,  und  auch  Fig.  33  — air- 
gesehen von  der  fehlerhaften  Orientirung,  zum  Unterschenkel,  wie  zum  Horizonte  — in  der 
Deutlichkeit  der  einzelnen  Knochengrenzen  Manches  zu  wünschen  übrig  lässt,  so  wird  man 
nel>en  jenen  nach  der  Natur  aufgonommenen  Bildern  auch  unseren  Figuren  26  und  27  eine 
Stelle  gönnen. 

Am  wenigsten  genau  in  manchen  Einzelheiten  scheint  das  von  nur  construirte  Skelet 
gerade  mit  dem  Präparate  zu  stimmen,  in  welchem  die  Knochen  am  vollständigsten  bloss  lie- 
gen,— mit  dem  in  Fig.  33  abgebildcten  Präparate  Little’s.  Dass  das erstere überall  gerundetere 
Formen,  einen  mehr  schematischen  Habitus,  der  in  Fig.  33  abgebildete  Fuss  dagegen  mancherlei 
Vorsprünge  und  individuelle  Ausprägungen  zeigt,  ist  völlig  in  der  Ordnung.  Aber  wie  ver- 
hält es  sich  in  Fig.  33  mit  der  von  mir  angenommenen  Knickung  des  Calcaneus?  Leider 
sind  die  Contouren  in  Little’s  Abbildung  gerade  an  der  betreffenden  Stelle  wenig  deutlich. 
Wenn  in  Little’s  Zeichnung  als  Ausdruck  des  von  Fersen-  und  WUrfelbein  gebildeten  Ge- 
lenkes diejenigen  Linien  aufgefasst  werden  dürfen,  in  deren  Richtung  ich  in  der  Wiedergabe 
der  Figur  eine  mit  o bezeichnet«  punktirte  Linie  angebracht  habe,  so  fände  sich  eine  Knickung 
genau  an  derselben  Stelle,  wie  in  meinem  Modelle;  sollte  das  Gelenk  aber  mehr  rückwärts 
(in  der  Richtung  der  Linie  b)  liegen  — und  es  ist  mir  dies  nach  Little’s  Zeichnung  fast 
wahrscheinlicher  — so  wäre  die  Form  des  Calcaneus  allerdings  eine  etwas  andere,  im  Wesent- 
lichen indes»  darum  ein  Unterschied  nicht  vorhanden.  Das  Fersenbein  würde  dann  nicht  so- 
wohl eine  Knickung  inmitten  seines  Körpers,  sondern  mehr  vorn,  dicht  hinter  seiner  vor- 
deren Gelenkfiäche,  erlitten  haben,  der  Knochen  mithin  in  der  Profilbetrachtung  nicht  eine 
winkelige  Verbiegung  seiner  Längsachse,  sondern  nur  eine  Abwärtsbiegung  seiner  vor- 
deren Gelenkiläche  darbieten.  Es  stimmt  dies  vortrefflich  mit  den  Worten  von  Adams, 
dass  bei  senkrecht  gestelltem  Körper  des  Fersenbeines  der  vordere  Theil  des  Fusses  „von  dem 
querlaufenden  Tarsalgelenke  aus“  nach  unten  gebogen  sei. 

Halle,  4.  April  1870. 


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XIII. 


Der  stereoskopisch  - geometrische  Zeichenapparat. 


Von 

Dr.  Julius  Jensen, 

zweitem  Arzte  der  Irreuznetalt  Allenberg  (OstpreuMcn). 
(Hierzu  Tafel  I.) 


Beschäftigt  mit  einer  Arbeit,  die  Gehirne  von  sechs  verschieden  geisteskranken  Indivi- 
duen zu  zeichnen,  auszumessen  und  genauer  zu  beschreiben,  musste  es  mir  darauf  ankommen, 
die  Windungsverhältniase  des  Hinterh&uptlnppens,  die  ich  bei  den  von  mir  untersuchten  Ge- 
hirnen entschieden  einfacher  fand,  als  sie  von  den  Autoren  beschrieben  wurden,  durch  Zeich- 
nungen wiederzu geben.  — Dem  stellten  sich  aber  nicht  unerhebliche  Schwierigkeiten  entgegen. 
Nur  eine  Zeichnung  von  hinten,  unten  und  innen  konnte  den  an  sie  gestellten  Anforderungen, 
sämmtliche  Furchen  und  Windungen  jenes  Lappens  möglichst  übersehen  zu  lassen,  genügen. 
Eine  solche  Zeichnung  aber , wie  wir  sie  finden  auf  S.  35  des  trefflichen  Leitfadens  von  Prof. 
Ecker  ’),  ist,  das  wird  mir  ein  Jeder  zugeben  müssen,  nur  für  den  klar  verständlich,  der  ent- 
weder ein  Präparat  zur  Hand  hat,  sei  es  auch  nur  das  Modell  eines  Gehirns,  an  dom  er  sich 
die  betreffenden  Partien  aufsuchen  kann,  oder  für  einen  solchen,  dem  die  Verhältnisse  bereits 
so  klar  Rind,  dass  er  in  die  wiederzugebendc  Himgegend  sofort  sich  hinein  zu  versetzen  im 
Stande  ist.  Diesen  beiden  wäre  aber  auch  mit  einer  hinreichend  klaren  Beschreibung  schon 
gedient,  während  eine  Zeichnung  hauptsächlich  für  die  nothwendig  sein  wird,  denen  beides, 
das  Präparat,  wie  das  genügende  Verständnis«  der  Verhältnisse  abgelit. 

Ich  habe  mich  nun  vielfach  bemüht,  eine  derartige  Zeichnung  herzustellen , ohne  dass  es 
mir  gelungen  wiiro,  über  die  einfach  schematische  Darstellung  Ecker's  hinauszukommen.  Es 
fehlte  eben  allen  Zeichnungen  die  Körperlichkeit,  ohne  welche  die  drei  verschiedenen , wie- 
derzugebenden Hachen,  Convexität,  mediale  und  Unterflächo,  nicht  nuseinandorzuhalten 
waren. 

*)  Alexander  Ecker,  die  Hirnwindungen  des  Menschen  etc.  Braunschweig,  Friedr.  Vieweg  und 
Sohn,  1869. 

Arolilv  rar  Aathropotofjto.  Bd.  IT.  II«ft  III.  gQ 


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234 


Julius  Jensen, 

Aber  gerade  die  Körperlichkeit  war  gewiss  auf  dem  Papier  völlig  genügend  wiederzu- 
geben, wenn  cs  gelang,  das  Object  stereoskopisch  darzustellen.  Bekanntlich  erzielen  die 
stereoskopischen  Bilder  dadurch  ihre  Überraschend  plastischen  Effecte,  dass  das  rechts  gelegene 
Bild  das  Object  mehr  von  rechts  gesehen  wiedergiebt,  während  das  links  gelegene  das  Object 
zeigt,  wie  es  nur  mit  dem  linken  Auge  gesehen  sich  ausnehmen  würde.  Gemeiniglich  werden 
derartige  stereoskopische  Ansichten  mit  Hülfe  der  Photographie  hergestellt,  indem  die  darzu. 
stellenden  Gegenstände  einmal  mehr  von  rechts,  das  andere  Mal  mehr  von  links  her  aufgenom- 
men werden. 

Mir  stand  aber  für  meine  Zeichnungen  kein  photographischer,  überhaupt  kein  anderer 
Apparat  zu  Gebote,  als  der  Lucae’sche  Zeichenapparat.  Perspectirisch  mit  demselben  zu 
zeichnen,  mit  feststehendem  Diopter,  nach  Fortnahme  des  Fadenkreuzes,  hatte  ich  noch  nicht 
versucht.  Der  Gedanke  lag  mir  deshalb  näher,  aus  verschiedenen  Gesichtspunkten  zwei  geo- 
metrische Zeichnungen  von  dem  betreffenden  Object  zu  entwerfen  und  abzuwarten,  welchen 
Effect  dieselben  unter  dem  Stereoskop  hervorbringen  würden. 

Anfangs  wurde  das  Object  selbst,  der  Bequemlichkeit  und  leichteren  Handthierlichkeit 
halber  nur  der  Gypsabguss  einer  Hemisphäre,  das  eine  Mal  mehr  noch  links,  das  andere  Mal 
mehr  nach  rechts  geneigt,  und  beide  Male  auf  dieselbe  Glasplatte  gezeichnet  — Der  ste- 
reoskopische Effect  war  aber  gleich  Null.  Die  Bilder  deckten  sich  nicht,  oder  nur  so  schlecht, 
dass  von  einer  körperlichen  Anschauung  nicht  die  Bede  sein  konnte.  Das  Object  war  näm- 
lich beim  Verrücken  und  Verändern  seiner  Lage  auch  etwas  gedreht  worden  und  in  Folge 
dessen  waren  die  Bilder  vollständig  verzerrt. 

Ich  dachte  schon  daran,  einen  oben  offenen  Kasten  zu  construiren,  der  um  eine,  zwei 
gegenüberliegende  Seiten  seiner  Grundfläche  halbirende  Axe  drehbar,  das  Object  durch  Sand, 
Schrotkömer  oder  dergleichen  fLxirt  aufnehmen  sollte.  Drehte  man  nun  den  Kasten  selbst 
um  jene  Axe  einmal  mehr  nach  links , das  andere  Mal  nach  rechts , so  wäre  dadurch  das  Ob- 
ject auch  nach  links  und  rechts  geneigt,  eine  ungewollte  Drehung  desselben  um  eine  andere 
Axe  aber  ausgeschlossen  worden. 

Für  Schädel,  wie  für  Gyps-  oder  Wachsmodelle  hätte  dieser  Apparat  vielleicht  genügt 
Eia  Gehirn  selbst  indessen,  auch  bei  der  vorzüglichsten  Härtung,  hätte  eine  solche  Neigung 
nach  rechts  und  links  wohl  kaum  ertragen,  ohne  nicht  in  sich  selbst  auch  etwas  sich  zu  ver- 
schieben, so  dass  dadurch  die  Bilder  wieder  unklar  geworden  wären. 

Sollte  ein  Apparat  zur  Zeichnung  von  Gehirnen  conatruirt  werden,  so  musste  dio  Ver- 
schiedenheit der  Bilder  auf  eine  Weise  erzielt  werden,  bei  der  das  Präparat  selbst  in  seiner 
einmal  angenommenen  Lage  möglichst  unberührt  blieb.  Das  geschah  aber,  wenn  man  die 
Contouren  des  Objects  nicht  auf  eine,  sondern  auf  zwei  gegen  einander  geneigte  Glasflächen 
projicirte.  Zu  dem  Zweck  wurde  ein  dachartiger  Apparat  construirt,  der  auf  den  Lucae’schen 
Zeichentisch  aufgesetzt  werden  konnte.  Das  Dach  wurde  durch  zwei  Glasplatten  gebildet, 
und  der  von  ihnen  eingeschlossene  Winkel  war  so  gewählt,  dass  die  Ebenen  der  Platten  die  auf 
das  Object  convergirenden  Sehaxen  senkrecht  durchschnitten.  Der  durch  die  auf  dom  Object 
sich  schneidenden  Sehaxen  gebildete  Blickwinkel  war  aus  der  Entfernung  des  Objects  vom 
Auge,  wie  dieselbe  durch  die  Höhe  des  Orthographen  plus  dem  Abstand  des  Objects  von  der 


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Der  stereoskopisch -geometrische  Zeichenapparat.  235 

einzelnen  Glasplatte  bedingt  war,  auf  18°  coustruirt;  der  Winkel  der  beiden  Platten  zu  ein- 
ander war  mithin  1 62°. 

Die  Theorie  erschien  sehr  plausibel.  Die  Praxis  bewies  aber  ihre  Hinfälligkeit.  Hätte 
es  sich  um  porspectivische  Bilder  gehandelt,  so  wäre  mit  der  Theorie  vielleicht  etwas  an- 
zufangen gewesen,  wenn  schon  der  nach  ihr  construirte  Apparat  auch  da  zum  mindesten 
unbequem  gewesen  wäre.  Die  geometrische  Zeichnung  ergab  aber  mit  Hilfe  dos  Appa- 
rates so  differente  Bilder,  dass  sie  niemals  zu  einem  einzigen  zusammengebracht  werden 
konnten. 

Natürlich.  — Wie  schon  der  Augenschein  lehrte,  waren  die  beiden  Diopteren  des  rechts 
und  links  aufgesetzten  Orthographen  beim  Zeichnen  der  einander  zugewandten  Partien  der 
Bilder,  also  der  ganz  nach  rechts  gelegenen  auf  dem  linken,  der  links  gelegenen  auf  dom 
rechten  Bilde  zwar  um  den  mittleren  Augenabstand  von  einander  entfernt;  beim  Zeichnen 
der  rechts  gelegenen  Partien  des  rechten  Bildes  indessen,  die  doch  die  entsprechenden  Par- 
tien des  linken  Bildes  unter  dem  Stereoskop  decken  sollten,  rückten  sie  um  die  ganze  Breite 
dos  Objects  weiter  auseinander.  Der  eingeschloasenc  Winkel  war  mithin  zu  klein  gerathen. 
Ich  wollte  nun  versuchen  durch  allmäliges  Erheben  der  einen  Glasplatte  ihn  zu  vergrössern 
bis  der  passende  Winkel  ausprobirt  sein  würde,  als  ich  vorher  noch  zu  untersuchen  beschloss, 
was  daraus  würde , wenn  das  Präparat  das  eine  Mal  auf  eine  der  schrägen , sodann  auf  die 
horizontale  Glasfläche  des  Zeichentisches,  auf  der  jene  schräge  aufgestellt  war,  gezeichnet 
wurde.  Und  siehe  da , der  Erfolg  war  überraschend.  Noch  als  sie  auf  der  Glasplatte  waren, 
gelang  es  mir  — ich  kann  ohne  Mühe  stereoskopische  Bilder  auch  ohne  Apparat,  einfach  durch 
Parallelstellimg  der  Augenaxen  zur  Deckung  bringen  — die  beiden  neben  einander  gelegten 
Zeichnungen  zu  einem  durchaus  körperlichen  Bilde  zu  vereinigen.  Als  sie  später  auf  Papier 
abgepaust  und  alsdann  richtig  zusammengesetzt  waren,  musste  Jeder,  dem  ich  das  Blatt 
unter  den»  Stereoskop  vorlegtc,  und  der  überhaupt  im  Stande  war,  stereoskopisch  zu  sehen 
(Leute  deren  Sehschärfe  auf  beiden  Augen  wesentlich  verschieden  ist,  sind  dazu  bekanntlich 
nicht  im  Stande),  die  fast  greifbare  Körperlichkeit  des  Bildes  anerkennen. 

Seitdem  habo  ich  nach  dieser  Methode  zahlreiche  Zeichnungen  von  Gehirnen  und 
Schädeln  angefertigt,  und  mich  dabei  von  der  Brauchbarkeit  derselben  noch  weiter  über- 
zeugt. 

Um  nun  auf  diese  Weise  möglichst  bequem  zeichnen  zu  können,  habe  ich  mir  einen  be- 
sonderen Apparat  anfertigen  lassen.  Der  Lucae’scbe  Zeichentisch  mit  seiner  l1  , Meter  lan- 
gen, 3 „ Meter  breiten  Glasplatte  ist , wenn  es  nur  darauf  ankommt , Schädel  oder  Gehirne  zu 
zeichnen,  übermässig  gross  und  dadurch  etwas  unbeholfen.  Eine  Glasplatte,  einen  Fuss  im 
Quadrat,  genügt  für  solche  Zwecke  vollkommen.  Darauf  hin  ist  der  stereoskopisch-geo- 
metrische Zeichenapparat  gebaut. 

Er  besteht  aus  einer  ^«zölligen  Grundplatte  dd,  aus  deren  Mitte  eine  kreisrunde  Oeff- 
nung  von  etwa  5"  Durchmesser,  die  sich  nach  unten  zu  etwas  verengt,  ausgesägt  ist.  Die 
Länge  der  Grundplatte  beträgt  12*/«",  die  Breite  14".  Auf  diese  Grundplatte  sind  die  beiden 
Seitenwände  a und  a'  mit  1 1 jzölligen  Holzschrauben  angeschraubt.  Diese  Scitenwändo  1 1 
dick,  sind  bestimmt,  die  beiden  Glasplatten  b und  V zu  tragen,  von  denen  b horizontal,  genau 
6"  höher  als  die  Grundplatte  dd,  die  zweite  b'  aber  schräg  gelegen  ist,  und  zwar  so,  dass  sie 

SO* 


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236  Julius  Jensen, 

mit  b einen  Winkel  von  circa  7“ ')  einscbliesst.  Der  beigegebene  Aufriss  Fig.  34  wird,  wie  ich 
glaube,  diese  Verhältnisse  genügend  klar  machen. 

Um  nun  diesen  Apparat  transportabel  und  leicht  verpackbar  zu  machen,  sind  die  beiden 
Seiteuwände  bei  c,  c im  Winkel  durchsägt  — oder  richtiger,  sie  bestehen  ans  zwei  im  Winkel 
zusammengepasston  Thülen  — und  drehen  sich  hier  in  starken  Cbamieren , so  dass,  wenn  die 
Platten  b,b'  aus  ihrer  Lage  berausgenommen  und  in  den  für  sie  gelassenen  Raum  bei  ec  ein- 
geschoben sind,  die  beiden  Seitenwände  sich  derart  zusammenklappen  lassen,  dass  aus  Fig.  34 
Fig.  35  entsteht’).  Dadurch  ist  der  doch  gewiss  als  intransportabel  zu  bezeichnende  Lucae’- 


Fig.  34. 


Fig.  34  und  35.  Ansicht  de*  stervosknpisch-genmetrisrhen  Zeiehenapparats  von  Jensen,  Fig.  34  aufgestcllt, 
Fig.  35  zusammengelegt.  l)ie  Krklftrung  der  Buchetuben  siehe  im  Text. 

')  In  der  vorläufigen  Mittheilung  im  Pentralbiatt  Nr  13,  1870,  hutte  ich  den  Winkel  auf  etsra  10®  angege- 
ben. Spätere  genauere  Versuche  zeigten,  dass  10“  zu  viel  und  die  passende  Winkelgrütse  um  7“  herum  gele- 
gen sei. 

*)  I>ie  Idee,  den  Lucao'schen  Apparat  zum  Zusammenklappen  einzurichten,  stammt  übrigens  von  meinem 
Freunde  itr.  Ad.  Pansch  her,  der  1808  gesprächsweise  mich  auf  die  Unbehclfenhcit  des  ursprünglichen  Lu- 


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Der  stereoskopisch -geometrische  Zeichen apparat.  237 

sehe  Zeichentisch  zu  einem  Kasten  zusammengeschmmpft,  der  1 2 ■/»"  lang,  14"  breit  und 
ungefähr  31 hoch,  etwa  den  Dimensionen  eines  Folianten  entspricht.  Einen  solchen  Appa- 
rat kann  man  für  die  Bei.se  in  einen  etwas  geräumigen  Koffer  packen , und  später  zum  Ge- 
brauch in  einem  anatomischen  Museum  ohne  sondere  Muhe  sich  nachtragen  lassen.  — Damit 
beim  Transport-  die  bei  c e hineingeschobenen  Platten  bb'  nicht  an  der  anderen  Seite  wieder 
herausgleiten  können,  sind  hier  die  Nuthen  ee  durch  eingeleimte  Klötzchen  auf  '/»"  geschlossen. 

Soll  der  Apparat  gebraucht  werden,  so  stellt  man  ihn  am  bequemsten  auf  ein  etwas  brei- 
tes Fensterbrett  — sonst  auf  einen  Tisch  in  der  Nähe  des  Fensters  — nnd  zwar  am  besten 
so,  dass  die  hohe  Seitenwand  links,  die  niedere  rechts  zu  stehen  kommt,  sodann  richtet  man 
die  zusammengelegten  Seitenplatten  auf,  zieht  die  Glasplatten  b und  b'  hervor,  und  legt  sie  an 
ihren  Ort.  Ist  das  Ganze  genau  gearbeitet,  so  bilden  die  '^zölligen  Glasplatten  die  Streben, 
welche  die  beiden  Seiten  wände  so  kräftig  aus  einander  halten,  dass  ein  etwaiges  Verrücken  des 
Apparates  in  sich  selbst  gar  nicht  möglich  ist.  Ist  die  Arbeit  weniger  genau,  so  kann  man 
auch  dann  noch  durch  hie  und  da  zwischen  geführte  kleine  Keile  die  nöthige  Festigkeit  des 
Ganzen  herstcllen.  Will  man  Gehirne  von  oben,  unten,  von  der  medialen  oder  einer  Seiten- 
fläche zeichnen,  oder  soll  die  Seitenansicht  eines  Schädels  aufgenommen  werden,  so  kann  man 
den  Apparat  flach  auf  die  Unterlage,  das  Fensterbrett,  den  Tisch  etc.  hinstellen.  Söll  aber 
das  Gehirn  von  vom  oder  von  hinton  (bei  welcher  Stellung  die  Vorkehrungen  um  das  Gehirn 
in  dieser  steilen  Lago  zu  halten,  einigen  Raum  beanspruchen),  der  Schädel  von  vorn,  hinten, 
oben  oder  unten  gezeichnet  werden,  so  muss  der  Apparat  hohl  gestellt,  zwei  Klötzchen,  ein 
paar  Bücher,  oder  auch,  wie  sie  dem  Verfasser  dienen,  zwei  Mauerziegel  untergelegt  werden. 
Alsdann  nämlich  kommt  die  aus  der  Grundplatte  ausgesägte  kreisrunde  Oeffnung  in  Anwen- 
dung. Diese  Oeffnung  bedingt  nämlich  einmal  eine  genügend  fest«  Lage  des  zu  zeichnenden 
Schädels  in  jeder  gewollten  Stellung,  — zumal  wenn  man  noch  einige  Klötzchen  mit  drei- 
und  rechteckigem  Querschnitt  zu  Hilfe  nimmt,  — so  dass  dadurch  der  Einspannrahmen  Lu- 
cae’s  überflüssig  wird;  sodann  erweitert  diese  Oeffnung  den  für  jene  Durchmesser  der  Schädel 
zu  niedrigen  Kaum  zwischen  Grund-  und  Glasplatte  bis  zur  Genüge. 

Man  zeichnet  jetzt  in  gewohnter  Weise  unter  Leitung  des  Orthographen  zuerst  auf  die 
obere,  schräge  Platte  das  untergelegte  Object.  Am  saubersten  lässt  sich  auf  dem  Glase  mit 
den  in  der  letzten  Zeit  überall  aufgekom menen  sogenannten  Uwl-pens  zeichnen,  deren  nach 
imteu  hakenförmig  umgebogene  Spitze  das  Schmieren  am  besten  vermeiden  lässt.  Giebt  die 
Tusche  auf  der  Platte  nicht  recht  an , so  ist  das  ein  Zeichen , dass  auf  derselben  eine  diinne, 
durch  Wasser  nicht  entferubare  Fettschicht  sich  gebildet  liat:  — einige  Tropfen  Ammoniak 
beseitigen  dies  Hinderniss  mit  Leichtigkeit.  — 

Nachdem  die  Zeichnung  auf  der  schrägen  Platte  beendet,  wird  diese  abgehoben  und  das 
unterdess  nicht  gerührte  Object  auf  die  horizontale  Fläche  in  derselben  Weise  gezeichnet. 
Ist  auch  diese  Zeichnung  fertig,  so  nimmt  man  das  Präparat  fort  und  stellt  an  dessen  Stelle 
den  kleinen  8"  langen,  5"  hohen  Spiegel,  dessen  man  sich  schon  beim  Zeichnen  zur  Beleuch- 
tung der  vom  Licht  abgewandten  Partien  bedient  hat  Dieser  Spiegel  stand  zu  letzterem 

cae'acben  Zeichentisches  und  die  leichte  Ausführbarkeit  einer  deraitigen  Verbesserung  aufmerksam  machte. 
— Demselben  Freunde  verdanke  ich  auch  den  mitgezeichneten  ftrthographen ; er  hat  mir  denselben  in  die- 
ser vereinfachten  und  doch  alten  Anforderungen  genügenden  Form  anfertigen  lassen. 


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238  Julius  Jcnsen, 

Zweck  ziemlich  steil,  jetzt  legen  wir  ihn  flacher  unter  die  Glasplatte,  so  dass  er  das  Licht 
auf  deren  Unterfläche  reflectirt.  Stellen  wir  auf  die  Glasplatte  selbst  ein  Buch  oder  einen 
andern  intransparenten  Gegenstand,  der  das  auffallende  Licht  abfangt,  so  kann  man  die  Zeich- 
nung auf  gewöhnliches  Schreib-  oder  Zeichenpapier  mit  vollkommener  Deutlichkeit  durehpau- 
sen.  Ebenso  wird  dann  die  Zeichnung  von  der  andern  Platte  abgepaust.  War  der  Apparat 
wie  beschrieben  aufgestellt,  so  dass  die  Platten  nach  rechts  convergirten,  so  muss  das  auf  die 
schräge  Platte  projicirte  Bild  unter  dem  Stereoskop  rechts  zu  stehen  kommen. 

Handelt  es  sich  nur  um  einzelne  Partien  des  Gehirns,  wie  etwa  um  jene  Windungen 
des  Hinterhauptlappens , so  können  die  Bilder  schon  in  natürlicher  Grösse  unter  das  Stereo- 
skop gebracht  werden.  Zeichnungen  vom  ganzen  Gehirn  wie  vom  Schädel  hingegen  müssen 
erst  entsprechend  verkleinert  werden.  Verfasser  bedient  sich  dazu  eines  gut  gearbeiteten 
Storchschnabels,  mit  dessen  Hilfe  die  Zeichnungen  bei  einiger  Uebung  rasch  und  sicher  auf 
halbe,  drittel  oder  viertel  Grösse  gebracht  werden  können.  — Man  würde  unzweifelhaft  ebenso 
gut  und  leicht  nach  der  von  Prof.  Landzert1)  vorgezogenen  Methode  die  Zeichnungen  ver- 
kleinern können.  Nur  müsste  man  mit  meinem  Apparat,  der,  da  die  Entfernung  der  Glas- 
platte von  der  Grundplatte  nur  6",  die  Höhe  des  Diopters  ebenfalls  fast  6"  beträgt,  nur  eine 
Verkleinerung  bis  auf  die  Hälfte  gestattet,  will  man,  wie  es  bei  Schädeln  und  bei  entwickel- 
ten Gehirnen  nöthig  ist,  eine  noch  stärkere  Verkleinerung  haben,  die  Zeichnung  doppelt  um- 
zeichnen. Dabei  aber  dürften  sich  die  Fehler  häufen,  und  da  bei  stereoskopischen  Zeichnun- 
gen schon  geringe  Fehler  erheblichere  Verzerrungen  zu  Wege  bringen,  so  hat  man  dieselben 
hier  auf  das  möglichst  geringe  Maass  zu  beschränken. 

Auf  dieso  Weise  nun  sind  die  beigelegten  Zeichnungen  (Taf.  I)  angefertigt  Man  braucht  nur 
ein  Stereoskop  darauf  zu  setzen,  um  sicli  vom  körperlichen  Effect  zu  überzeugen.  Der  Schädel 
(Taf.  L Fig.  1 u.  2)  ist  der  einer  blödsinnigen  Littlmuerin,  die  ohne  hereditäre  Disposition  im  3Gten 
Lebensjahr  unter  den  Erscheinungen  einer  activen  Melancholie  erkrankte,  später  in  secundären 
Blödsinn  verfallen  war,  und  welche,  44  Jahre  alt,  23.  April  18G9  an  Phthisis  pulmon.  starb. 
Er  Ist  ausgewählt,  weil  er,  als  einem  mehr  und  mehr  aussterbenden  Völkerstamme  angehörig, 
für  die  Leser  des  Archivs  für  Anthropologie  vielleicht  nicht  ohne  Interesse  ist.  Das  von  hinten 
und  etwas  von  unten  gesehene  Gehirn  (Taf.  I,  Fig.  3)  stammt  von  einer  ebenfalls  secundär  blödsin- 
nigen 58jährigen  Frau,  und  zeichnet  sich  durch  seine  Kleinheit  (die  Hemisphären  wogen 
frisch  915  Grm.)  wie  durch  die  Einfachheit  seiner  Windungen  (zumal  im  Stimlappen)  aus. 
Auffallend  und  auf  dieser  Ansicht  recht  gut  zu  übersehen  ist  die  quere  Hinterhauptsfurche, 
die  auf  beiden  Beiten,  zumal  aber  rechts,  bogenförmig  verläuft,  einen  zugeschärften  hintern 
Rand  zeigt  und  so  den  durch  sie  abgetrennten  hintern  Theil  des  Hinterhauptlappens  in  ein 
den  Affen  bekanntlich  eigenthümliches  üperculum  verwandelt.  — 

')  Siehe  dieses  Archiv  Bd.  II,  Heft  1,  S.  4:  I>ie  vom  Gisse  abgepauste  Zeichnung  wird  unter  den  Glas- 
tisch  gelegt  und  durch  den  ziemlich  in  der  Mitte  nuf  das  Glne  gestellten  Diopter  (ohne  Fadenkreuz)  die  Con- 
touren  dieser  Zeichnung  auf  dem  Glase  mit  Tusche  nachgefahren.  Her  Diopter  bleibt  hierliei  natürlich  fesl- 
etehen.  Von  der  Entfernung  des  Glases  vom  Diopter  und  des  Glases  von  der  Zeichnung  hängt  der  Grad  der 
Verkleinerung  ab. 


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239 


Der  stereoskopisch  - geometrische  Zeichenapparat. 

Was  den  Werth  dieser  stereoskopisch-geometrischen  Zeichenmethode  anlangt,  so 
wird  es  kaum  nöthig  sein,  viel  darüber  zu  sagen,  zumal  ich  in  der  glücklichen  Lage  bin, 
Andere  fUr  mich  reden  zu  lassen. 

Prof.  Theodor  Landzert  kommt  in  seiner  gründlichen  Untersuchung  (1.  c.)  der  Frage: 
„Welche  Art  bildlicher  Darstellung  braucht  der  Naturforscher!“  zu  dem  Resultate  Prof. 
Lucae’s:  „wir  verlangen  die  geometrische  Zeichnung  für  naturhistorische  Gegenstände;“  nach- 
dem er  vorher  die  „rein  stereoskopischen“  Bilder  hauptsächlich  deshalb  vorbeigegaugen  ist, 
weil  sie  wohl  nicht  „ohne  viele  Umstände  und  Kosten  darzustellen  wären,“  und  weil  ihre 
Construction  (die  rein  d.  h.  die  perspectivisch-stereoskopische  C'onstruction)  „der  perspecti- 
vischen  Verkürzung  zu  viel  Spielraum  giebt.“ 

Hier  sind  nun  geometrische  Zeichnungen,  an  denen  Messungen  etc.  angcstellt  werden 
können,  — wie  man  an  den  Zeichnungen  sieht,  wird  da3  Object  so  gelegt,  dass  die  eine 
Zeichnung  den  Anforderungen  einer  geometrischen  in  allen  Dingen  entspricht;  — und  zu- 
gleich stereoskopische  Zeichnungen,  das  heisst  solche,  die  uns  die  körperlichen  Verhältnisse 
des  Objectes  in  fast  greifbarer  Weise  Wiedergaben.  Dieselben  sind  ohne  viele  Mühe  und 
Kosten  angefertigt  und  zeigen  als  geometrische  nicht  die  störenden  Verkürzungen  der  per- 
spectivischcn  Abbildungen.  Es  sind  in  ihnen  also  alle  Vortheile  der  geometrischen  mit 
denen  der  stereoskopischen  Methode  vereinigt,  cs  sind  stereoskopisch-geometrische 
Zeichnungen. 


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Erklärung  der  Tafel  I. 


Fig.  1.  Stm-oakopisch-geometrische  »Seiten- Ansicht  des  Schädels  einer  blödsinnigen  Litthauerinn. 

Fig.  2.  Desgleichen,  von  vorn. 

Fig.  3.  Stereoskopisch-geometrische  Ansicht  des  Hinterbauptlappens  vom  Gehirn  einer  blödsinnigen  Frau. 


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XIV. 


Der  Fuss  der  Chinesinnen. 

Von 

Wilh.  Stricker, 

Dr.  rned.  in  Frankfurt  am  Main. 


Der  gewölbte  Fuss,  pied  cambrd  der  Franzosen,  ist  mit  Recht  immer  für  eine  Schön- 
heit gehalten  worden,  denn  der  regelmässige  Bau  des  BrUckengewölbes  zwischen  Ferse  und 
Zehenballen  befähigt  allein  zum  elastischen,  ausdauernden  Gang.  Die  Eindrückung  dieses 
Gewölbes,  welche  öfter  als  man  ahnt,  in  der  Jugend  durch  den  Zwang  übermässigen  Lasten- 
tragens (Kindermädchen,  Lehrjungen)  hervorgebracht  wird  (erworbener  Plattfuss) '),  ist  unter 
dem  Namen  Plattfuss  ein  lästiges  Hinderniss  der  Fortbewegung.  Die  Mode  hat  schon  wieder- 
holt in  früheren  Jahrhunderten  und  jetzt  wieder  durch  hohe  Absätze  diesen  Bogen  stärker 
zu  wölben  unternommen,  man  hat  dies  mit  einem  gewissen  Recht  eine  chinesische  Mode 
genannt,  denn  auch  der  chinesische  Damcnfuss  bewirkt,  wenngloich  auf  anderem  Wege, 
eine  Verrückung  des  Schwerpunkts  des  Körpers  nach  vorn,  indem  er  die  Ferse  erhöht.  Indeas 
dürfte  eine  nähere  Betrachtung  der  chinesischen  Methode  von  Interesso  sein,  zumal  da  wir 
neuerdings  von  dem  Arzt  der  französischen  Legation  in  Peking,  Dr.  G.  Moracho*)  nähere 
Nachrichten  erhalten  haben , welche  die  Mittheilungen  ergänzen,  welche  englische  Missions- 
ärzte  in  einem  150  bis  200  Meilen  südlicher  gelegenen  Gebiet  gesammelt  haben s),  in  Tschu- 
san,  Hongkong,  Schanghai  und  Macao.  Die  in  Rede  stehende  Misshandlung  des  Kusses  ist 
nicht  gleich  häufig  im  chinesischen  Reiche;  mehr  vorwaltend  im  Süden,  wo  die  chinesische 
Bevölkerung  reiner  ist  und  mehr  Wohlstand  herrscht,  als  im  Norden,  wo  die  Tataren  ver- 
walten, denen  diese  Sitte  verboten  ist,  denn  die  Beamten  dürfen  keine  Frau  mit  verkrüp|>ei- 
ten  Füssen  heirathen  und  in  den  kaiserlichen  Palast  zu  Peking  findet,  von  der  ersten 
Kaiserin  bis  zur  letzten  Zofe,  keine  solche  Frau  Eingang.  Unter  der  chinesischen  Bevölkerung, 

’)  L.  Reumann,  der  erworbene  Plattfu»,  im  Archiv  für  klinische  Chirurgie  XI,  1869. 

*)  G.  Morsche,  Pekin  et  eee  habitans.  Paria  1869. 

;J  W.  Lockbart,  der  ärztliche  Missionar  in  China,  a.  d.  E.  übersetzt  von  Dr.  H.  Bauer.  Würz  borg  1863. 

Are  hl»  nr  Aütb/Opolojfie.  Bd.  IV.  lieft  III.  3] 


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‘242 


Willi.  Stricker, 


auch  de«  Nordens,  ist  die  Sitte  so  allgemein,  dass,  wenn  die  barmherzigen  Schwestern  in 
Peking  bei  Kindern,  welche  sie  länger  in  ihrem  Hospitale  verpflegen,  den  Fuss  seiner  freien 
Entwickelung  überlassen,  sie  dieselben  dadurch  zum  Cölibat  verdammen.  Es  giebt  nach  den 
Provinzen  verschiedene  Verfahrungsweisen  beim  Binden  des  Fusses  und  im  Ganzen  zwei  Grade 
desselben,  indem  nämlich  entweder  bloss  die  Zehen  verkrüppelt  werden  und  das  Fersenbein 
in  seiner  horizontalen  Lage  bleibt,  oder  das  Fersenbein  senkrecht  gestellt  wird.  Die  Ope- 
ration des  Kindes  selbst  wird  bei  den  niederen  Classen  von  der  Mutter,  bei  den  besseren  Ständen 
von  eigenen  Frauen,  welche  in  der  Familie  unterhalten  werden,  ausgeführt.  In  den  reichen 
auf  schöne  Töchter  eitlen  Familien  beginnt  die  Verunstaltung  der  FUsse  mit  dem  4.,  bei 
anderen  mit  dem  6.  oder  7.  Lebensjahre. 

Man  beginnt  die  Operation,  indem  der  Fuss  geknebelt  wird;  die  vier  kleinen  Zehen  wer- 
den mit  mehr  oder  weniger  Gewalt  gebeugt  und  durch  eine  baumwollene  oder  seidene  Binde 
5 bis  6 Centimeter  breit,  1 bis  l'/i  Meter  lang,  welche  in  sogenannten  Achter-Touren  um 
den  Fussrücken  und  die  Ferse  geführt  wird,  in  dieser  Lage  erhalten.  Eine  zweite,  darüber 
gelegte  Binde  dient  dazu,  die  untere  in  ihrer  Lage  zu  erhalten.  Täglich  werden  die  Binden 
neu  angelegt  und  immer  fester  angezogen;  zwischen  je  zwei  Verbänden  wird  der  Fuss  mit 
Alkohol  gewaschen,  um  die  Bildung  wunder  Stellen  zu  verhüten. 

Während  dieser  Zeit  trägt  das  Kind  einen  ziemlich  hoch  reichenden  Schnürstiefel,  der 
sich  nach  vom  zuspitzt  und  eine  platte  Sohle  ohne  Absatz  hat.  Das  bisher  beschriebene 
Verfahren  giebt  nur  den  in  den  Nordprovinzen  üblichen  gewöhnlichen  Fuss;  will 
eine  Mutter  ihre  Tochter  mit  einem  eleganten  Fuss  beglücken,  so  legt  sie,  wenn  die  blei- 
bende Beugung  der  Zehen  erreicht  ist,  unter  den  Fuss  einen  halben  Cylinder  von  Metall  und 
führt  nun  die  Bänder  um  den  Fuss,  auch  wohl  um  den  Unterschenkel,  in  der  Absicht,  dessen 
Muskeln  an  einer  der  beabsichtigten  Gestaltung  feindlichen  Wirkung  zu  hindern.  Bei  jeder 
Anlegung  der  Binden  presst  die  Mutter  aus  allen  Kräften  Fersenbein  und  Zehen  über  den 
Halbcylinder  zusammen  und  führt  auf  diese  Weise  wo  möglich  eine  Dislocation  des  Kahn- 
beins herbei,  ja  sie  sollen  mit  einem  Steine  nachhelfen,  um  das  Os  naviculare  zu  zerschmettern, 
und  in  manchen  Provinzen  es  ganz  herausnehmen. 

G.  Klemm  (Culturgeschichte  VI,  23)  giebt  an,  dass  er  in  seiner  Sammlung  Abgüsse  von 
chinesischen  Damenfüssen  besass,  welche  mit  4 5 s Zoll  nur  etwa  die  Hälfte  der  Länge  eines 
normalen  kleinen  Damenfusses  erreichten.  Der  so  misshandelte  Fuss  wird  in  einen  Stiefel 
mit  stark  convexer  Sohle  gesteckt.  Dass  dies  Verfahren  äusserst  schmerzhaft  ist , bedarf  kei- 
ner besonderen  Bemerkung;  aber  die  Schmerzhaftigkeit  hält  auch  lango  an,  besonders  wenn 
die  Binde  nicht  gleichmässig  angelegt  war.  Dann  treten  beim  Gehen  Anschwellung  und 
grosse  Schmerzhaftigkeit  des  Fusses  auf;  das  Knöchelbein  ist  immer  empfindlich. 

Ist  aber  die  Binde  gut  angelegt,  so  dass  der  Druck  gleichmässig  einwirkt,  so  hört  nnch 
einigen  Jahren  der  Schmerz  gänzlich  auf  und  die  Empfindlichkeit  des  Fusses  ist  soweit 
ertödtet,  dass  in  den  zusammengedrückten  Theilen  kaum  noch  etwas  Gefühl  besteht  Solche 
Frauen  sind  nur  nicht  im  Stande  zu  gehen,  wenn  der  Fuss  nicht  gebunden  und  niebt  unter- 
stützt ist. 

Die  anatomische  Beschaffenheit  des  Fusses  wird  folgendermassen  umgeändert  Der 
Calcaneus  wird  (meist)  senkrecht  gestellt,  dadurch  wird  der  Knöchel  höher  gedrängt,  es  tritt 


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Der  Fuss  der  Chinesinnen. 


243 

Talipoa  calcaneus  ein;  die  vier  eingebundenen  Zehen  werden  im  erwachsenen  Alter  Haut- 
platten,  welche  unter  dem  Ballen  der  grossen  Zehe  zusammengefaltet  liegen.  Der  Körper 
ruht  auf  der  Fersenspitze  und  dem  Ballen  der  grossen  Zehe,  durch  diese  Balancirung  des  Kör- 
pers worden  die  Bewegungen  im  Fussgelenk  aufgehoben,  selbst  im  Kniegelenk  beschränkt, 
die  Chinesin  geht  aus  den  Hüften , im  ärgsten  Falle  hat  sie  den  Gang  eines  Amputirten  auf 
seinen  Stelzen.  Die  Folge  davon  sind  Atrophie  der  Beinmuskeln,  durch  mangelnde  Bewegung 
Schwäche  und  Blutarmuth,  jedoch  Neigung  zur  Fettbildung.  Nach  den  Erfahrungen  der  eng- 
lischen Aerzte  kommen  viele  Fracturen  in  Folge  dieser  UnbehüWichkeit  vor,  Caries  und 
Nekrose  der  so  gemisshandelten  Knochen  aber  doch  seltener  als  man  erwarten  sollte. 

In  Tschusan  hat  Lockhart  niemals  ein  Weib  gesehen,  welches  normale  Füsse  hatte,  wäh- 
rend er  in  Canton  und  Macao  viele  solche  sah.  Im  Ganzen  schien  es  ihm,  als  ob,  auf  dem 
Lande  wenigstens,  diese  Unsitte  nicht  so  viel  Schaden  brächte,  als  zu  erwarten  wäre;  er  sah 
starke  gesunde  Frauen  mit  eingezwängten  Füssen  mit  Leichtigkeit  und  anscheinend  schmerz- 
los, mehrere  Meilen  weit  gehen. 

Dem  Berichte  des  Dr.  Parker  Uber  das  Hospital  von  Canton  entnimmt  Dr.  Lockhart 
einen  Fall  aus  dem  Jahre  1847,  wo  durch  zu  scharfes  Binden,  als  die  Binden  nach  14  Tagen 
schrecklicher  Schmerzen  gelöst  wurden,  bei  einem  7jährigen  Mädchen  die  Zehen  missfarbig 
gefunden  wurden.  Beide  Füsse  stiessen  sich  brandig  unter  den  Knöcheln  ab,  das  Mädchen 
wurde  gerettet.  Später  erfuhr  Parker  von  ähnlichen  Fällen. 

Was  das  Motiv  zu  dieser  eingewurzelten  Sitte  betrifft,  so  glaubt  Morache  es  in  der 
eingebildeten  oder  wirklichen  Beziehung  der  verkrüppelten  Füsse  zu  den  Geschlechtsthei- 
len  zu  finden.  Er  führt  in  dieser  Hinsicht  an,  dass  nicht  einmal  der  Mann  den  cntblössten 
Fuss  seiner  Frau  sehen  darf,  dass  von  ihm  zu  reden  ebenso  verjsint  ist,  wie  bei  anderen  Völ- 
kern von  den  Geschlechtstheilen ; dass  auf  anständigen  chinesischen  Gemälden  der  Wciberfuss 
immer  unter  dem  Kleid  verborgen  ist,  während  er  auf  erotischen  gezeigt  wird.  Christliche 
Chinesen  beichten,  sie  hätten  nach  den  Füssen  der  Frauen  gesehen,  und  aus  Downing') 
wissen  wir,  dass  die  öffentlichen  Mädchen  auf  den  „Blumenschiffen“  dem  Vorüberfahrenden  ihren 
nackten  Fuss  zeigen,  um  ihn  anzulocken.  Im  Zusammenhang  mit  der  durch  den  Mangel 
an  Bewegung  bedingten  Fettleibigkeit  fand  Morache  ein  grösseres  Fettpolster  am  Mons  vene- 
ris  und  dickere  Schaamlippen  bei  den  Chinesinnen,  als  bei  den  Tartarinnen. 

Eine  ethnographisch  merkwürdige  Betrachtung  macht  Lockhart.  Er  meint,  man  müsse, 
da  dieser  Gebrauch  mindestens  gegen  800  Jahre»)  bestehe,  zufolge  der  Darwinschen  Theorie 
annehmen,  dass  in  Folge  davon  eine  nationale  Veränderung  hervorgegangen  sei,  aber  man 
beobachtet  nichts  der  Art,  vielmehr  sind  die  Füsse  der  kleinen  Mädchen  in  Bezug  auf  Gröase 
und  Gestalt  ganz  naturgemäss. 


')  Downing,  der  Fremdling  in  China;  überxetit  von  Richard.  Aachen  1841,  I.  131. 
a)  Wenn  man  von  den  Sagen  absieht,  welche  den  Ursprung  diese«  Gebrauchs  in  die  Zeit  von  1100  vor 
Christo  xurückverlegen,  so  variirvn  die  historischen  Angaben  zwischen  dem  Kaiser  Yang-ti,  693  nach  Chr.,  und 
dem  Li-Yuh,  961  bis  976  nach  Chr. 


81* 


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XV. 


Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

Von 


H.  Schaaffhauaen. 


Erfüllen  uns  nach  gewisse  dunkle  Stellen  in  der  Bildungsgeschichte  der  Menschheit  mit 
Ekel  und  Grausen,  so  ist  deren  Betrachtung  zur  Beurtbeilung  der  menschlichen  Natur  doch 
unerlässlich.  Der  schreckhafte  Eindruck,  den  die  Untersuchung  derselben  hervorruft,  wird 
durch  das  beruhigende  Gefühl  versöhnt,  dass  solche  Zustände  der  Rohheit  nur  eine  der  ersten, 
und,  wie  es  scheint,  eine  nothwendige  Stufe  der  Entwickelung  der  Völker  bezeichnen  und  dass 
sie  vorilbergehen,  um  milderen  Sitten  zu  weichen.  Wir  wenden  uns  mit  Abscheu  weg  von 
einem  Schauspiel,  das  uns  gleichwohl  den  Werth  der  Bildung  und  ihrer  Wohlthaten  nur  in  um 
so  glänzenderem  Lichte  zeigt.  Es  wird  kaum  einen  anderen  Gegenstand  der  anthropologi- 
schen Forschung  geben,  der  uns  so  überzeugend  wie  dioser  die  fortschreitende  Veredlung  der 
menschlichen  Natur  vor  Augen  stellt,  die  Manche  immer  noch  läugnen,  indem  sie  das  lebende 
Geschlecht  nur  für  den  entarteten  Abkömmling  besserer  Vorfahren  halten.  In  letzter  Zeit 
ist  in  verschiedenen  gelehrten  Versammlungen  die  Anthropophagie  der  Vorzeit  zur  Sprache 
gekommen,  und  es  sind  so  irrige  Urtheile  über  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  dieser  Er- 
scheinung und  der  mit  dem  Cannibalismus  oft  in  Verbindung  stehenden  Menschenopfer  gefallt 
worden,  dass  es  auch  zeitgemäss  ist,  mit  Hülfe  der  uns  zu  Gebote  stehenden  zahlreichen 
neuen  Berichte  und  Mittheilungen  die  über  diesen  Gegenstand  geäusserten  Meinungen  und 
Ansichten  einer  allseitigen  Prüfung  zu  unterziehen. 

Die  Menschenfresserei  ist  nicht  eine  ursjTrüngliche  Naturanlage  des  Menschen,  denn  die- 
ser ist,  wie  die  anthropoiden  Affen,  nach  seinem  Gebisse  ein  Fruchtesser.  Die  starken  Kiefer 
dieser  Affen,  die  gegen  eine  vegetabilische  Nahrung  zu  sprechen  scheinen,  sind  ihnen  zum 
Zerbeissen  der  harten  Baumfrüchte  nötliig,  von  denen  sie  leben.  Die  Hauptnahrung  des 
Gorilla  ist  die  Nuss  einer  Amomumart  und  nach  Wallace  lebt  der  Orangutang  vorzugsweise 
von  der  Durianuss,  die  eine  starke  und  stachelige  Schale  hat.  Von  Natur  ist  der  Mensch 
also  nicht  einmal  zur  Fleischnahrung  bestimmt  Da  nun  der  Genuss  des  Menschenfleischcs 


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246 


H.  Schaaffhausen, 

unter  (len  heutigen  Wilden  noch  so  allgemein  verbreitet  ist  und  uns  in  der  ältesten  Geschichte 
aller  Volker  begegnet,  so  müssen  wir  für  diese  Rohheit,  die  bei  den  Thieren  nicht  ihres  Glei- 
chen hat,  besondere  Gründe  suchen.  Vielleicht  liegen  dieser  scheusslichen  Entartung  bei  den 
verschiedenen  Völkern  nicht  immer  dieselben  Ursachen  zu  Grunde.  Man  hat  den  Ursprung 
des  Canuibalismus  in  der  äussersten  Hungersnoth  finden  wollen.  Diese  Meinung  hat,  wie 
schon  Pauw,  auch  Burmeister1)  geäussert.  Schon  G.  Förster*)  bemerkt  indessen  mit 
Recht,  dass  man  die  Menschenfresserei  auch  da  finde,  wo  es  nicht  an  anderer  Nahrung  fehle. 
Er  glaubt,  dass  den  wilden  Menschen  die  Rachsucht,  die  in  eine  Raserei  ausarte,  dazu  bringe. 
Dass  indessen  die  Noth  in  einzelnen  Fällen  unzweifelhaft  dazu  getrieben  hat,  dafür  lassen 
sich  zahlreiche  Beispiele  anlühren.  Schon  Herodot*)  erzählt  ein  solches.  Als  in  dem  Heere 
des  Cambysos  auf  dem  Zuge  durch  die  Wüste  Hungersnoth  eintrat,  da  loosten  je  zehn,  und 
verzehrten  den,  welchen  das  Loos  traf.  Auf  Island  haben  die  Weiber  der  Feejees  in  Zeiten 
der  Noth  ihre  Kinder  vertauscht,  um  nicht  die  eigenen  zu  verzehren.  Die  Feuerländer  sollen 
im  Winter,  wenn  tiefer  Schnee  liegt  und  die  Lage  derselben  eine  verzweifelte  wird,  das  älte- 
ste Weib  erwürgen,  um  sich  von  ihrem  Fleische  zu  sättigen.  Man  hat,  um  eine  thierische 
Nahrung  für  sie  zu  schaffen , die  Einführung  der  Kaninchen  in  ihr  Land  empfohlen*).  Dass 
die  Indianer  des  nördlichen  Amerika  in  Hungerjahren  die  Leichname  ihrer  nächsten  Ver- 
wandten verzehren,  berichtete.  Franklin,  dass  die  Bewohner  der  Hudsonsbay  durch  Hunger 
zun  Canuibalismus  getrieben  wurden,  Ellis.  In  dem  strengen  Winter  von  1856  haben  die 
Indianer  in  den  Ebenen  am  Salzsee  vielfach  ihre  eigenen  Kinder  verzehrt,  um  ihr  Leben  zu 
erhalton.  Wer  kennt  nicht  die  entsetzlichen  Geschichten  Schiffbrüchiger,  die,  dem  Tode  nahe, 
darum  losen,  wer  von  ihnen  sterben  Boll,  um  das  Leben  der  Anderen  nooh  für  einige  Zeit  zu 
fristen!  Auf  Neuseeland  soll  die  Unsitte  erst  nach  dem  Aussterben  der  grossen  Vögel  des 
Landes  herrschend  geworden  sein,  und  in  der  Einführung  des  Schweins  hat  man  hier  wie  auf 
anderen  Inseln  der  Südsee  das  sicherste  Mittel  erkannt,  dieselbe  abzuschaffen.  Es  ist  falsch, 
wenn  mau  gesagt  hat,  das  Thier  vergreife  sich  niemals  in  dieser  Weise  an  seiner  eigenen  Art. 
denn  der  Hunger  weckt  zuweilen  auch  in  den  Thieren  den  naturwidrigen  Trieb , die  eigenen 
Jungen  aufzuzehren.  So  wird  es  von  dem  Bären,  dem  Wolfe,  der  Katze  und  sogar  von  pflanzen- 
fressenden Thieren  erzählt*).  Wenn  die  Sau,  sagt  Burdach,  vor  dem  Wurfe  hungrig  war  und 
die  Nachgeburt  verschlingt,  so  wird  ihro  Gier  geweckt  und  sie  frisst  dann  oft  auch  das  Junge 
Dass  aber  bei  wilden  Völkern  in  der  Menschenfresserei  auch  eine  Befriedigung  der  Rache  gefun- 
den wird,  kann  nicht  bezweifelt  werden,  denn  wenn  der  erlegte  Feind  auch  noch  aufgezehrt 
wird,  dann  ist  er  gänzlich  vernichtet  Ein  Kriegslied  der  Mohikaner  beginnt  mit  den  Wor- 
ten: „Lasst  uns  trinken  das  Blut  und  essen  das  Fleisch  unserer  Feinde!“  Noch  im  Nibe- 
lungenliede, dessen  Ursprung  damit  in  eine  sehr  ferne  Vorzeit  hinaufgerückt  wird,  löschen 
die  burgundischen  Ritter  ihren  Durst  mit  dem  Blute  ihrer  Feinde.  Hagen  sagt  den  erschöpf- 
ten Kampfgenossen,  das  Blut  der  Erschlagenen  werde  sie  mehr  stärken  als  Wein;  sie  werden 
jedoch  davon  nicht  berauscht,  wie  der  tibetanische  Held  in  der  indischen  Gesarsage.  Wenn 
man  von  dem  sich  sättigen  kann,  welchen  man  hasste,  so  befriedigt  man  zugleich  die  Rache 
und  den  Hunger. 

J)  Geolog.  Bilder,  I.eipiig  IBM,  I,S.189.  — aJ  Sammtl.  Schriften.  Leipzig  1843,  I,  S.  405.  — *J  HerodotJII.25. 
— •)  Ausland  1861,  Nr.  43.  — 6)  Burdach,  d.  l'hysiol.  als  Erfahningtwimcnscbaft.  Leiptig  1838,  III,  S.  133. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  247 

Wie  das  Rachegefühl  die  niederen  Volksklassen  aufzustaclieln  im  Stande  ist,  haben  noch 
neuere  Zeiten  gelehrt.  In  Paris  hat  man  im  Jahre  1617  Leber  und  Lunge  des  Marschalls 
d’Ancre,  im  Haag  1672  das  Herz  des  de  Wit  gefressen,  der  als  ein  Feind  der  Oranier  bei 
einem  Aufstande  ermordet  ward.  R.  von  Steiger  schildert  die  Gräuelscenen,  die  sich  bei  der 
letzten  Belagerung  von  Measina  zutrugen.  Es  wurden  mehrere  Soldaten  zu  Tode  gemartert, 
sie  wurden  lebendig  in  Stücke  gehauen  und  ihr  Fleisch  auf  dem  Platze  der  Giudecca  gebra- 
ten und  feil  geboten,  und  zwar  das  der  Schweizer  zu  einem  höheren  Preise  als  das  der  Nea- 
politaner. Hie  Köpfe  dieser  Opfer  wurden  auf  Bajonetten  in  den  Strassen  der  Stadt  umher- 
getragen, die  Aufrührer  verzehrten  sogar  die  rohen  Zungen  dieser  Unglücklichen  mit  Brod 
und  trugen  abgeschnittene  Oliren  an  den  Knopflöchern  ‘).  Bei  den  rohen  Völkern  wird  der 
Gebrauch,  das  Fleisch  und  Blut  des  erschlagenen  Feindes  zu  verzehren,  noch  durch  einen 
besonderen  Umstand  bestärkt,  nämlich  durch  den  viel  verbreiteten  Aberglauben,  dass  man 
die  Eigenschaften  desjenigen  erlange,  von  dessen  Fleisch  man  esse.  So  glaubten  die  Maoris 
den  Muth  und  die  Tapferkeit  ihrer  Feinde  zu  erben,  wenn  sie  dieselben  verzehrten.  Wäh- 
rend des  letzten  erst  1868  beendigten  Krieges  zwischen  den  Basutos  und  den  holländischen 
Boers  des  Oranje- Freistaates  frassen  jone  jeden  Weissen,  der  in  ihre  Gewalt  fiel,  weil  sie 
wähnten,  dass  dadurch  deren  Muth  in  ihren  Leib  übergehen  würde.  Diese  Vorstellung  findet 
sich,  wie  es  scheint,  im  Volksaberglauben  aller  Länder,  sie  ist  uns  auch  in  der  alten  deut- 
schen Volksheilkunde  erhalten.  In  einem  solchen  Volksbuehe  aus  dem  16.  Jahrhundert  heisst 
es:  „Der  Spiritus,  der  aus  dem  Gehirn  eines  Menschen  gezogen,  stärkt  sehr  das  Gehirn;  ein 
Bein  von  dem  Herzen  eines  Hirschen  oder  Asche  von  dem  Vorherzen  eines  Ochsen  erquicken 
das  Herz  des  Menschen;  Oel  von  Menschenhänden  dienet  wider  die  Gicht  an  Händen,  Oel  von 
den  Füssen  wider  dio  Gicht  der  Füssen.“  Eine  Ursache  des  Cannibalismus  scheint  man  bis 
jetzt  fast  ganz  übersehen  zu  haben  und  doch  ist  ihr  gewiss  in  vielen  Fällen  ein  überwiegen- 
der Einfluss  zuzuschreiben,  der  auch  die  Hartnäckigkeit  des  Bestehens  dieser  Unsitte  erklärt. 
Das  Menscheufleisch  ist  nämlich,  wie  aus  einer  ganzen  Reihe  von  Zeugnissen  hervorgeht, 
ausserordentlich  wohlschmeckend  und  sein  Genuss  eine  Leckerei.  Nach  Juvenal  und  Galen 
hat  es  einen  dem  Schweinefleisch  ähnlichen  Geschmack  und  der  Erstere*)  sagt,  wer  einmal 
Men.schenfleiscli  gekostet  habe,  esse  nichts  lieber  als  dieses;  er  wirft  den  Aegyptern  vor,  dass 
sie  das  Fleisch  von  Schafen  und  Ziegen  meiden,  das  Essen  von  Menschenfleisch  aber  erlauben. 
In  einer  Sage  der  Irokesen  fragt  Manitu  den  Jäger,  warum  er  seines  Gleichen  verzehre. 
Weil  sein  Fleisch  besser  ist,  antwortet  dieser,  als  das  vom  Elenn  und  Büffel  und  weil  es 
thörigt  sein  würde,  den  Leichnam  seines  Feindes  den  Wölfen  und  Füchsen  zu  überlassen. 
Ein  Missionär  erzählt,  dass  er  auf  Neuseeland  zu  einer  alten  kranken  Frau  gekommen  sei, 
die  nicht  mehr  habe  essen  wollen  und  jede  Nahrung  verweigerte.  Auf  die  dringende  Frage, 
ob  sie  denn  sich  keine  Speise  vorstellen  könne,  zu  der  sie  noch  Lust  habe,  erwiederte  sie 
zögernd,  oja,  zu  etwas  hätte  ich  wohl  Appetit!  Als  der  Missionär  darauf  bestand,  dass  sie 
es  sage,  sprach  sie:  Ich  möchte  die  Hand  eines  Kindes  am  liebsten  essen,  aber  Niemand  wird 
mir  zu  lieb  ein  Kind  einfangen  und  tödten!  Oldendorp  erzählt,  dass  ein  Negersklave  auf 
St.  Thomas  einen  Verbrecher  vom  Galgen  schnitt,  um  einmal  wieder  Menschenfleisch  zu  essen. 


t)  Zeitung  „Deutschland“,  8-  December  1857.  — *)  Sitir.  XV,  11  und  87. 


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248 


H.  Schaaffhausen, 


Auch  Q.  Förster1)  führt  Beispiele  an,  die  für  den  Wohlgeschmack  desselben  sprechen.  In 
mehreren  Fällen,  wo  die  Menschenfresserei  als  Verbrechen  bei  Europäern  vorkam,  wirdLocker- 
haftigkeit  als  die  Ursacho  derselben  angegeben.  Gaub  und  Petit  erwähnen  einer  Frau,  die 
Kinder  auffing , schlachtete  und  verzehrte.  Grüner  erzählt  dasselbe  von  einem  Schäfer  zu 
Berka  in  Sachsen.  Als  eine  krankhafte  Neigung  müssen  wir  den  Trieb  bezeichnen,  wenn  er 
bei  Schwängern  beobachtet  wurde.  Im  Jahre  1553  soll  in  Brettenburg  eine  schwangere  Frau 
ihren  Mann  getödtet  und  während  sie  ihn  verzehrte,  drei  Söhne  geboren  haben.  Dasselbe  Ver- 
brechen soll  1562  eine  schwangere  Frau  zu  Droissig  begangen  haben.  Diese  Begierde  scheint 
sich  zuweilen  bis  zum  Wahnsinn  steigern  zu  können.  Die  Morton'sche  Sammlung  in  Phila- 
delphia bewahrt  den  Schädel  eines  schottischen  Seemanns,  der  auf  van  Diemensland  Men- 
schenfresserei übte  und  deshalb  gehängt  wurde.  Nach  Aussage  des  Wundarztes  soll  er  toll 
gewesen  sein.  Ich  verdanke  einem  älteren  Freunde  die  Mittheilung,  dass  ein  ihm  bekannter 
Herr  v.  W.  aus  Neisse  in  Schlesien  so  sehr  das  Blut  liebte,  dass  seine  Frau  sich  in  jedem 
Jahre  einmal  zur  Ader  Hess,  damit  er.Blut  trinken  konnte.  Es  war  indessen  nur  Gewinnsucht, 
wenn  ein  Bäcker  in  Paris  Pasteten  mit  Menschenfleisch  verfertigte,  wozu  ihm  ein  Barbier  durch 
Mord  die  Leichen  lieferte.  Bei  einigen  rohen  Völkern  hat  die  Anthropophagie  unzweifelhaft 
eine  gottesdienstliche  Bedeutung,  was  nicht  überraschen  kann,  da  sich  in  den  religiösen  Ge- 
bräuchen leicht  uralte  Sitten  erhalten.  Eine  solche  Beziehung  wird  man  vermuthen  können, 
wenn  der  Grad  der  Bildung  eines  Volkes  mit  einem  so  grausamen  und  rohen  Schauspiele  im 
Widerspruche  steht  und  wenn  dasselbe  nur  bei  besonderen  Festen  in  Verbindung  mit  dem 
Menschenopfer  noch  vorkommt.  Ganz  irrig  wäre  die  Annahme,  dass  die  Menschenfresserei 
in  der  Regel  mit  dem  Menschenopfer  Zusammenhänge;  bei  dem  heute  unter  den  Wilden  aller 
Länder  noch  herrschenden  Cannibalisnms  ist  dies  sehr  selten  der  Fall.  Wir  sehen,  dass  sehr 
verschiedene  Ursachen:  der  Hunger,  das  Rachegeiühl,  der  Aberglaube  und  die  Leckerei  uns 
zur  Erklärung  der  abscheulichen  Gewohnheit  zu  Gebote  stehen  und  es  wird  in  jedem  beson- 
dern  Falle  die  eine  oder  die  andere  leicht  nachzuweisen  sein.  Wir  müssen  denen  Recht 
geben,  welche  den  mit  Mord  verbundenen  Cannibalismus  als  eine  Entartung  der  Natur  betrach- 
ten, zu  der  das  Thier  nicht  einmal  fähig  ist,  wie  denn  überhaupt  das  menschliche  Geschlecht 
uns  grausamer  und  wilder  erscheint  als  das  Thier,  wenn  wir  betrachten,  wie  im  Kriege  die 
Menschen  sich  massenhaft  hinschlachten  oder  bei  schon  gebildeten  Völkern  ein  blutiges  Gesetz 
den  Todesschmerz  des  Verbrechers  noch  durch  ausgedachto  Qualen  zu  verlängern  sucht. 

Bei  den  Völkern  des  Alterthums  herrschte  Menschenfresserei  sehr  allgemein.  Herodot 
nennt  alle  gegen  Norden  wohnende  Völker  Menschenfresser.  In  Indien  führt  er  als  solche 
die  Koletier  an,  welche  die  Leichname  ihrer  Eltern  essen,  und  die  Padäer,  die  nicht  nur  die 
alten  Leute,  sondern  auch  die  jungen,  wenn  sie  krank  wurden,  tödteten,  um  sie  zu  verzehren. 
Immer  wurden  die  Männer  nur  von  den  Männern,  die  Weiber  von  den  Weibern  gegessen. 
Bei  den  Massageten  am  Araxes  wurden  ebenfalls  die  alten  Leute  von  den  Angehörigen  versjieist, 
die  Kranken  aber  begraben  ’) ; die  Issedonen , die  neben  ihnen  wohnten , Hessen  zwar  die 
Alten  eines  natürlichen  Todes  sterben,  dann  schnitten  aber  die  Verwandten  ihr  Fleisch  mit 
dem  von  Thieren  zusammen  und  verzehrten  es  ’).  Die  Scythen  verlangten  von  jedem  jungen 


’)  A.  ».  0.,  I,  406.  — »)  Herodot  I,  216.  — •)  Ebend.  IV,  20. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  24l> 

Krieger,  dass  er  von  dem  Blute  des  ersten  Feindes,  den  er  tödteto,  trinke;  sie  zogen  dem 
erlegten  Feinde  die  Haut  ab,  gerbten  sie  und  hingen  sie  am  Sattel  als  Handtuch  auf,  oder 
sie  nähten  mehrere  solcher  Häute  zu  einem  Mantel  zusammen.  Andere  zogen  dem  Feinde  die 
Haut  vom  rechten  Arme  sainmt  den  Nägeln  ab  und  spannten  sie  als  Ueborzug  über  den 
Köcher1)-  Strabo  hat  eine  bessere  Meinung  von  den  Scythen,  er  beruft  sich  auf  Hesiod, 
Homer  und  Aeschylus,  welche  die  pferdemelkenden  Scythen  ein  gerechtes  Volk  nennen; 
er  sagt,  wir  halten  sie  für  die  einfachsten  und  arglosesten  Menschen  und  für  viel  sparsamer 
und  genügsamer,  als  wir  selbst  sind,  obgleich  unsere  jetzige  Lebensweise  fast  bei  allen  Völ- 
kern eingedrungen  Ist  und  sie  verschlimmert  hat,  indem  sie  Schwelgerei,  Wollust  und  Betrü- 
gerei in  schrankenloser  Weise  bei  ihnen  einfuhrte.  Man  sieht,  dass  Strabo  die  Scythen,  wie 
Tacitus  die  Germanen  und  mancher  neuere  Beobachter  die  wilden  Völker,  die  er  antrnf,  für 
besser  hielten,  als  sie  waren,  weil  sie  sich  den  Ausschweifungen  und  Lasbernr4BCultm'  noch 
nicht  ergeben  hatten.  Eratosthenes  führt  an,  dass  Homer  die  Scythen  nicht  gekannt  habe; 
damals  sei  der  Pontus  unschiffbar  gewesen  und  habe  Axenos  geheissen,  wegen  seiner  .Stürme 
und  der  Wildheit  der  umwohnenden  Völker,  bosonders  der  Scythen,  welche  die  Fremden 
geopfert,  ihr  Fleisch  gegessen  und  die  Hirnschädel  derselben  als  Trinkgefasse  gebraucht  hätten. 
Nachher  sei  er  Euxenos  genannt  worden,  nachdem  die  Jonier  an  seinen  Küsten  Städte  ange- 
logt  hatten.  Auch  Plinius*)  erzählt  von  Menschenfressern,  die  10  Tagereisen  nördlich  vom 
Borysthencs,  dem  heutigen  Dnieper  wohnen.  Sie  trinken  aus  Menschenschädeln  und  tragen, 
wie  die  heutigen  Indianer  den  Scalp,  die  Kopfhaut  des  getödteten  Feindes  mit  den  Haaren 
als  Mantel  vor  der  Brust.  Strabo*)  nennt  auch  die  Einwohner  von  Jerue,  das  ist  Irland, 
welche  wilder  sind  als  die  Britannier,  Menschenfresser  und  Grasfresser,  sie  halten  es  für  löblich, 
ihre  verstorbenen  Eltern  aufzuzehren,  und  vermischen  sich  öffentlich  nicht  nur  mit  anderen 
Weibern,  sondern  auch  mit  ihren  Müttern  und  Schwestern.  Nach  Diodor  verzehren  die 
Irländer  das  Fleisch  der  besiegten  Feinde4).  Sodann  führt  Strabo  an,  dass  das  Menschenfres- 
sen, wie  von  den  Scythen,  so  auch  in  Folge  von  Hungersnoth  bei  Belagerungen  von  den 
Galliern,  Iberern  und  noch  anderen  Völkern  erzählt  werde.  Er  bestätigt  die  Aussage  des 
Ilerodot  über  die  Massagoten,  dass  sie  es  für  den  besten  Tod  hielten,  wenn  sie  im  Alter 
mit  Schaffleisch  zusammengchackt  und  verspeist  würden,  mit  dem  bemerkenswerthon  Zusatze, 
dass  sio  sich  auch  öffentlich  begatteten.  Dieser  thierischen  Rohheit  aber  nicht  der  Men- 
schenfresserei worden  noch  die  heutigen  wilden  Bewohner  der  Andamaninseln  im  bengalischen 
Meerbasen  beschuldigt.  Strabo  berichtet  auch  von  den  Derbikern  am  Kaukasus,  dass  die 
Männer,  die  über  70  Jahre  alt  sind,  geschlachtet  und  von  den  nächsten  Verwandten  gegessen, 
die  alten  Weiber  aber  erwürgt  und  begraben  werden.  Die  griechischen  Mythen  von  Saturn 
und  Tantalus,  von  Procno  und  Atreus  deuten  auf  den  Genass  des  Melisehenfleisches.  Der 
Riese  Polyphem  auf  Sicilien,  dessen  Homer  gedenkt,  verschlang  die  Fremdlinge,  die  an  die 
Küste  verschlagen  wurden.  Er  hat  bereits  sechs  Gelahrten  des  Odysseus  zerhackt  und  ver- 
zehrt, bis  es  diesem  gelingt,  sich  und  die  Anderen  zu  retten.  Dass  selbst  die  Griechen  in 
ältester  Zeit  das  Fleisch  der  Besiegten  assen,  spricht  schon  Barthelemy  in  der  Einleitung  zur 
Reise  des  Anacliarsis  aus.  Deutlich  weist  eine  Stelle  in  der  Ilias  des  Homer“)  darauf  hin,  wo 

>)  Heroüot  IV,  64.  — *)  Plin.  Ilist.  nat.  VII,  22.  — *)  Strabo  IV,  201.  — *)  Diodor  Sio.  VI.  16.  — 
»)  II.  XXII,  846. 

Aff-Iil*  für  Anthropologe,  IM.  ZV.  Heft  1 11.  3$} 


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250 


II.  Schaaffhausen, 


Achill  es  dem  Hektor  zurtift:  .Dass  doch  Zorn  und  Wuth  mich  erbitterte,  roh  zu  verschlin- 
gen Dein  zerschnittenes  Fleisch  für  das  Unheil,  das  Du  mir  brachtest'/  Mehrfach  werden 
die  Cannibalen  als  Höhlenbewohner  geschildert.  So  spricht  Virgil  ')  von  einem  Ungeheuer, 
das  er  llalbmensch  nennt,  es  wohnte  am  Ausflusse  der  Tiber  in  einer  Höhle,  wohin  es  Menschen 
zog  und  mordete.  Auch  der  arzneiliche  Gebrauch  frischen  Menschenblutes  lässt  auf  einen  ehedem 
häufigeren  Genuss  desselben  schliessen.  Aulus  Gellius  und  Lucian  sagen,  dass  man  in  Scy- 
thien  das  Menschenfleisch  für  die  gesundeste  Speise  halte.  Im  ganzen  Alterthum  gilt  das 
Menschenblut  als  ein  Mittel  gegen  die  Fallsucht,  wie  Plinius  und  Aretaeus,  Celsus  und 
die  Kirchenväter  Tertullian  und  Minutius  Felix  bezeugen.  Plinius*)  erwähnt  der 
Bäder  von  Menschenblut,  die  in  Aegypten  als  Heilmittel  gegen  den  Aussatz  galten.  In  dem 
Pseudo- Jonathan,  einem  chaldäischen  Zusätze  zu  den  fünf  Büchern  Mosis,  heisst  es,  dass  der 
König  von  Aegypten,  der  an  der  Auszehrung  krank  lag,  befohlen  habe,  die  Erstgeborenen 
der  Kinder  Israels  zu  todten,  um  sich  in  ihrem  Blute  zu  baden.  Nach  einer  Erzählung  des 
Cedrenus  rief  Constantia  der  Grosse,  der  am  Aussatze  litt,  in  Rom  die  berühmtesten 
Aerzte  zusammen;  einige,  die  Juden  waren,  riethen,  er  müsse  sich  im  Blute  säugender  Kin- 
der baden.  Man  versammelte  wirklich  eine  Schaar  von  Frauen  mit  ihren  Kindern  im  Pal- 
laste; als  diese  aber  in  lautes  Wehklagen  ausbrachen,  verzichtete  der  Kaiser  auf  die  Anwen- 
dung des  Mittels.  Ghillany  macht  darauf  aufmerksam,  wie  noch  in  dem  deutschen  Volksbuche 
„der  arme  Heinrich“  von  Hartmann  von  der  Aue  ein  Arzt  aus  Salerno  erklärt,  es  gebe  nur 
ein  Mittel  für  den  Aussatz,  nämlich  das  Herzblut  einer  reinen  Jungfrau,  die  sich  entschliesse, 
für  den  Aussätzigen  zu  sterben.  Derselbe  Schriftsteller  woist  darauf  hin , dass  bis  in  die 
neuere  Zeit  mit  dem  Genüsse  von  Menschenfleisch  abergläubische  Vorstellungen  verknüpft 
woidcn  sind.  In  Bayreuth  wurde  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ein  Mann  hinge- 
riehtet,  der  den  Glauben  hatte,  er  werde  fliegen  können,  wenn  er  neun  Herzen  von  Kindern, 
die  noch  im  Mutterleibe  getragen  werden,  fresse.  Er  hatte  bereit«  acht  schwangere  Frauen 
umgebracht  und  dio  Herzen  der  Kinder  warm  und  zuckend  gegessen  *).  In  China  soll  sich 
der  Gebrauch  des  Menschenfleisches  als  eines  Mittels  gegen  gewisse  Krankheiten  bis  jetzt 
erhalten  haben;  es  werden  Mordthaten  begangen,  um  frisches  Menschenfleisch  oder  Menschen- 
galle sich  zu  verschallen.  Auch  in  den  zahlreichen  Beispielen  der  Menschenfresserei,  die  uns 
aus  dem  Alterthum  berichtet  werden,  ist  es  bald  die  Noth,  bald  der  Aberglaube,  bald  die 
Rohheit,  welche  als  Ursache  derselben  angegeben  werden.  Sueton  gedenkt  der  Menschen- 
fresser, die  hVauen  und  Kinder  essen.  Valerius  Maximus4)  tadelt  die  Rohheit  der  Spanier, 
die  in  belagerten  Städten  dio  Gefangenen  nicht  nur,  sondern  die  Weiber  und  Kinder  verzehr- 
ten. Diese  Erscheinung  ist  unter  rohen  Völkern  so  verbreitet,  dass  man  nicht  nöthig  hat, 
dieselbe  mit  Ghillany  ans  dem  Einflüsse  der  Wütigen  Gebräuche  der  Phönizier  zu  erklären. 
An  diese  aber  werden  wir  erinnert,  wenn  Livius1)  erzählt,  dass  Hannibal  seine  Soldaten, 
um  sie  wild  und  kriegerisch  zu  machen,  Mnnachcnflcisch  essen  lehrte.  Es  ist  auch  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  die  Menschenopfer  der  alten  Hebräer  mit  dem  Genüsse  von  Menerhenfleiscb 
und  Blut  verbunden  waren.  Solche  Opferschmiiuso  werden  den  Kananitern  vorgeworfen  und 


*)  Aeneii  VIII,  192.  — s)  Iliat.  nat.  XXVf.  4.  — *}  Meissner,  Skixzen,  XIII  Samml.  S.  107.  — 4)  Vsl 
Maxim.  VII,  6,  — *)  I.is.  XXIII,  9. 


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251 


Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

verschiedene  Stellen  <ler  Schriften  des  alten  Testamentes  deuten  darauf 1 j . In  den  Mosaischen 
Büchern  wird  vom  Trinken  des  Blutes  der  Erschlagenen  gesprochen  '■')  und  vom  Verzehren 
ihres  Fleisches  und  dom  Zermalmen  ihrer  Qebeine  3).  Aus  der  Stelle  bei  Ezechiel4):  „Du 
hast  Menschen  gefressen  und  dein  Volk  kinderlos  gemacht“,  darf  man  schliessen,  dass  die 
Hebräer  die  Kinder,  welche  sie  opferten,  auch  gegessen  haben. 

Wenn  die  Schrecken  und  Gräuel  des  Krieges  als  Drohung  Jehovas  geschildert  werden, 
so  wird  auch  das  Essen  des  Fleisches  dev  nächsten  Angehörigen  wie  eine  bekannte  Sache  an- 
l£  geführt Unter  den  entsetzlichen  Dingen,  welche  die  vom  Hunger  Gequälten  nicht  ver- 
schmähen, wird  auch  die  Nachgeburt  der  Frauen  genannt,  die  freilich  von  mongolischen  Völker- 
schaften als  ein  Leckerbissen  verzehrt  wird.  Bei  dem  Aufstande  der  Juden  unter  Trajan, 
11  den  Dio  Cassius  beschreibt"),  trat  unter  anderen  Gräueln  auch  die  Menschenfresserei  in 
erschreckender  Weise  auf.  In  den  Mithramysterieq,  die  Heliogabal,  welcher  früher  syrischer 
Priester  war,  im  3.  christlichen  Jahrhundert  noch  foierte,  wurde  ein  Knabe  geschlachtet,  aus 
seinen  Eingcweiden  geweissagt  und  von  ihm  gegessen.  Dem  Simon  und  Magus,  sowie  dem 
Apollodorus  von  Tyana  wurden  solche  Opfer  nachgesagt,  und  die  ersten  Christen  wurden 
häufig  von  den  Heiden  beschuldigt,  dass  sie  Kinder  schlachteten.  Ghillany  bemerkt,  dass 
wohl  in  einzelnen  Fällen  die  neu  bekehrten  Christen  noch  alte  jüdische  Gebräuche  mögen 
geübt  haben.  Die  Lehre  von  einem  Gemessen  des  Leibes  und  Blutes  Christi  im  Abendmahle 
konnte  aber  gewiss  nicht  als  eine  Billigung  jener  blutigen  Gebräuche  erscheinen,  die  beson- 
ders in  Phönizien,  Syrien  und  Chaldäa  üblich  waren,  wiewohl  sie  daran  erinnerte.  Bemer- 
k enswerth  ist,  dass  in  der  Genesis  zuerst dem  Menschen  als  Speise  nur  Pflanzen  bestimmt 
sind,  erst  nach  der  Sündtluth  sind  ihm  auch  Fleischspeisen  erlaubt  *).  Die  hinzugefügte  War- 
nung, dass  das  Fleisch  nicht  mit  seinem  Blute  gegessen  werden  soll,  deutet  auf  das  Ver- 
schlingen des  rohen  Fleisches.  Noch  an  mehreren  anderen  Stellen  der  mosaischen  Bücher 
wird  der  Genuss  des  Blutes  verboten  ’).  Ausdrücklich  wird  derselbe  bei  den  Opfern  ver- 
boten 10).  A1b  ein  Abfall  von  Jehova  wird  es  bezeichnet,  dass  unter  Saul  das  Volk  das  Fleisch 
der  erbeuteten  Thiere  mit  Blut  ass  ,l).  Bei  den  Christenvorfolgungen  in  der  römischen  Zeit  musste 
man  durch  Trinken  von  Opferblut  beweisen,  dass  man  sich  zum  Heidenthum  bekannte. 
Noch  heute  aber  legen  fromme  Juden  das  Fleisch,  ehe  sie  es  kochen  oder  braten,  eine  Stunde 
ins  Wasser  und  eine  Stunde  in 's  Salz,  damit  das  Blut  herausziehe. 

Nach  dem  Zeugnis»  des  heil.  Hieronymus,  der  von  330  bis  420  n.  dir.  lebte,  darf  man 
schliessen,  dass  sich  die  Menschenfresserei  der  nordeuropäischen  Völker  in  einzelnen  Fällen 
lange  erhalten  hat.  Derselbe  erzählt1*),  dass  er  als  Knabe  in  Gallien  Scoten,  eine  britan- 
nische Völkerschaft,  Menschenfleisch  habe  essen  sehen.  Wenn  es  weiter  in  diesem  Berichte 
heisst:  „Et  cum  per  silvas  porcorum  greges  et  armentorum  pecudumquo  reperiant,  puerorum 
nates  et  feminarum  papillas  solere  abscindero  et  has  solas  ciborum  dclici&s  arbitrari,"  so  haben 
Holtzmann  und  Andere  diese  Bezeichnung  gewisse?  Körpertheile  mit  Unrecht  auf  den  Men- 
schen bezogen,  es  sind  die  Körpertheile  der  angeführten  männlichen  und  weiblichen  Thiere 

•)  Buch  <1.  Weigl».  12,  3 und  14,  22.  Sacharja  9,  7.  — *)  4.  Buch  Mo*.  23,  24.  — s)  4.  Buch  Mos.  24,  8.  — 
4)  Ezechiel  3(5,  13  und  14.  — 6)  5.  Bucli  Mos.  28,  53  und  3.  Buch  26,  29.  Jeremias  19,  9.  — *)  Dio  Cassius  1.XVII1, 
32.-7)  i.  Buch  Mus.  1,  29.  — «)  1.  Buch  Mob,  9,  3.  — *)  3.  Buch  Mo«.  3,  17  und  17,  10  und  13.— ,0)  3.  Buch  Mos. 
7,  26.  — n)  1.  Buch  Samuel.  14.  32  und  33.  — **)  S.  Euaeb.  Hieronym.  Ed.  Par.  1815,  Op.  II,  335. 

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H.  Schaaffhausen 


zu  verstehen.  Holtzinann  '),  der  mit  Recht  diese  Stelle  auf  die  von  Strabo  und  Diodor 
geschilderten  Iren  bezieht,  denn  im  3.  und  4.  Jahrhundert  werden  die  Bewohner  Irlands 
Seoti  genannt,  sagt  geradezu,  dass  diese  nach  des  Hieronymus  Bericht  Hinterbacken  von 
Knaben  und  Weiberbriiste  für  Leckerbissen  halten.  Knie  andere  Lesart  dieser  Stelle,  die 
auch  Prichard1)  und  nach  ihm  Spring  anführen,  nennt  das  Volk  Attacoti;  da  aber  Hiero- 
nymus von  den  Scoten  auch  andere  Rohheiten  erzählt,  wie  dass  sic  Gemeinschaft  der  Weiber 
hätten  und  nach  Belieben  wie  die  Tliiere  sich  vermischten,  so  ist  die  Lesart  Scoti  wohl  die 
richtige.  Einige  Handschriften  haben  statt  puerorum  nates:  pastoruni  nates,  womit  also  in 
sehr  bestimmter  Weise  eine  Verstümmelung  menschlicher  Wesen  bezeichnet  wäre.  Es  ist 
aber  wahrscheinlich,  dass  diese  Aenderung  des  Wortes  erst  durch  die  irrige  Auslegung  der 
Stelle  veranlasst  worden  ist  Das  Vorkommen  der  Menschenfresserei  zur  Zeit  des  Hierony- 
mus ist  nicht  unglaublich,  die  damit  verbundene  angebliche  Verstümmelung  menschlicher 
Körper  wird  von  keinem  alten  Schriftsteller  berichtet  und  kommt  bei  keinem  wilden  Volke 
vor.  Nur  die  Abvssinier  schnitten  den  Besiegten,  ohne  sie  zu  tödten,  die  Genitalien  ab  und 
nahmen  sie  als  Trophäen  mit  Doch  wird  auch  neuerdings  die  Stelle  mehrfach  auf  den  Menschen 
bezogen,  so  vonPetcrsen  in  einer  dem  anthropologischen  Congres.se  in  Kopenhagen  gemachten 
Mittheilung,  sowie  in  einem  französischen  Aufsatze  über  den  Cannibalismus  der  Vorzeit®), 
liier  wird  die  Anführung  der  Thiere  so  verstanden , als  hätte  Hieronymus  sagen  wollen , wie- 
wohl das  Land  an  Thieren  reich  ist,  ziehen  sie  doch  das  Fleisch  des  Menschen  vor.  Aus  dem 
Mittelalter  ist  uns  noch  ein  auffallender  Bericht  über  Menschenfresserei  aus  Noth  erhalten. 
Abdnllatif,  ein  arabischer  Arzt  aus  Bagdad,  dessen  Werk  SylveBtre  de  Sacy  übersetzt 
hat,  schildert  eine  um  das  Jahr  1200  in  Aegypten  wegen  des  Ausbleibens  der  Nilübersehwem- 
muug  ausgebrochene  Hungersnoth.  Eltern  verzehrten  ihre  Kinder  oder  boten  sie  zum  Ver- 
kauf aus;  man  aas  die  abscheulichsten  und  ekelhaftesten  Dinge  und  wühlte  sogar  die  frischen 
Gräber  auf.  um  die  Leichname  zu  verzehren.  Kinder  und  Erwachsene  wurden  geraubt  und 
geschlachtet.  Später  waren  die  grausamsten  Strafen  erst  lange  nachher  im  Stande,  diesen 
Abscheulichkeiten  Einhalt  zu  thun.  Schon  im  7.  Jahrhundert  soll  Menschenfresserei  in  Folge 
eines  Misswuchses  in  Europa  epidemisch  geherrscht  haben.  Nach  Thiers  herrschte  auch  um 
1020  unter  König  Robert  in  Frankreich  eine  fürchterliche  Hungersnoth , so  dass  Menschen- 
fleisch gegessen  wurde.  Selbst  während  der  im  Jahre  1868  in  Algier  nusgebrochenen  Hun- 
gersnoth griff  die  Menschenfresserei  unter  den  Eingeborenen  um  sich.  Das  Kriegsgericht  zu 
Blidah  verurtheilte  einen  Mann  zum  Tode,  der  in  weniger  als  einem  Monat  sechs  Menschen 
getödtet  und  aufgefressen  hatte.  Am  4.  Januar  1866  wurde  er  erschossen4).  Bis  in  die  neue- 
ste Zeit  haben  Schiffbrüchige,  die  dem  Hungertode  nahe  waren,  zu  diesem  Mittel  gegriffen, 
um  ihr  Leben  bis  zur  möglichen  Rettung  zu  fristen.  Koch  im  Februar  1866  ist  auf  dem 
Wrack  des  Excelsior,  der  in  der  Kordsee  vor  der  Insel  Juist  scheiterte  und  im  Deeember  1866 
auf  dem  Wrack  der  Ocean  Queen,  die  in*der  Ostsee  vor  der  kuriseben  Nehrung  in  Trümmer 
ging,  Monschenfleisch  gegessen  worden.  Beides  waren  englische  Schiffe  *).  Am  ö.  Januar 


l)  A.  Ilnlticmann,  Kelten  und  Germanen,  Statte.  1855.  — *)  Priohnrd  a.  a.  0.  III,  1,  S.  152.  — 3t  Le* 
mondet,  Revue  lioli.l,  24,  nmrs  1*70.  — p Römer  Zeitan^r.  21  Januar  1869.  — ’’)  H.  A.  Schumacher,  rur 
ltc'tung  Schit)  hrüchiger.  Emden  1*69. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  253 

1867  wurde  aus  Königsberg  in  den  Zeitungen  berichtet,  dass  nach  heftigen  Stürmen  bei  Xid- 
den  ein  russisches  Schiff  ohne  Steuer  und  Mast  in  dem  elendesten  Zustande,  mit  noch  zwei 
Leuten  und  dem  Leichname  eines  dritten  an  Bord,  geborgen  worden  sei.  Die  Geretteten 
erzählten,  dass  sie  14  Tage  hindurch  auf  der  See  umhergetrieben  seien  und  täglich  sich  dio 
Bemannung  gelichtet  habe,  zuletzt  sei  für  die  noch  Lebenden  die  höchste  Noth  eingetreten, 
da  die  Nahrungsmittel  gänzlich  ausgegangen  waren.  Vier  Mann  waren  noch  auf  dem  Schiffe, 
als  eines  Tages  einer  durch  das  Herunterfallen  einer  Kette  getödtet  wurde.  Der  Hunger  der 
übrigen  hatte  den  höchsten  Grad  erreicht  und  zwei  derselben  machten  sich  an  den  Leichnam, 
indem  sie  aus  demselben  Stücke  schnitten  und  verzehrten.  Den  Dritten  erfasste  dabei  ein 
solches  Grausen,  dass  er,  um  dem  Hungertode  zu  entgehen,  sich  in  dio  See  stürzte  und  den 
Tod  fand.  Die  Leiche  des  Matrosen,  die  den  anderen  zur  Nahrung  gedient  hatte,  wurde  in 
Nidden  beerdigt.  Wie  häufig  mögen  diese  Fälle  sein,  ohne  dass  eine  Nachricht  davon  zu  uns 
gelaugt!  Scheitern  doch  allein  an  den  deutschen  Küsten  jährlich  im  Durchschnitt  110  Schiffe 
mit  600  Menschen.  Der  Genuss  des  Fleisches  Gestorbener  muss  allerdings  gestattet  sein,  wenn 
dadurch  das  Leben  Anderer  gerettet  werden  kann.  Nur  in  diesem  Sinne  können  wir  der 
Aeiisserung  Försters  beistimmen,  wenn  er  sagt:  „so  sehr  es  auch  unseror  Erziehung  zuwider 
sein  mag,  so  ist  es  doch  an  uml  für  sich  weder  unnatürlich  noch  strafbar,  Mensehenfleisch 
zu  essen.  Nur  um  deswillen  ist  es  zu  verbannen,  weil  die  geselligen  Empfindungen  der 
Menschen  liebe  und  des  Mitleids  dabei  so  leicht  verloren  gehen  können.“  Ein  viel  zu  scho- 
nendes Urtheil  über  dio  Menschenfresserei  hat  aber  A.  von  Humboldt  gefällt,  indem  er 
behauptet,  dass  die  Vorwürfe  des  Europäers  von  dem  Indianer  nicht  anders  aufgenommen 
würden , als  wenn  uns  ein  Brahmine  vom  Ganges  den  Genuss  des  Thierfleisches  verbieten 
wolle.  Es  giebt  merkwürdiger  Weise  einen  Fall,  wo  der  Genuss  des  dem  eigenen  Körper 
entzogenen  Blutes  ein  Verlängerungsmittel  des  Lebens  sein  kann.  Ein  französischer  Forscher, 
Anselmier1)  hat  nämlich  gefunden,  dass  Thiorc,  die  man  verhungern  lässt,  um  dio  Hälflo 
der  Zeit  länger  leben,  wenn  man  ihnen  von  Zeit  zu  Zeit  durch  kleine  Aderlässe  Blut  entzieht 
und  es  ihnen  zu  trinken  giebt.  Er  nennt  dieses  Selbstessen  Autophagie  und  es  ist  nach  die- 
se:' Erfahrung  sehr  wahrscheinlich,  dass  ein  Verschütteter  sein  Lehen  auf  diese  Weise  länger 
wird  erhalten  können,  so  lange  vielleicht,  bis  Kettung  für  ihn  möglich  wird. 

Blicken  wir  auf  die  heute  lebenden  wilden  Völker’),  so  erfahren  wir,  dass  der  Cannibn- 
lisnnis  noch  in  ausgedehntem  Maosse  unter  ihnen  verbreitet  ist,  dass  er  sich  gewohnheits- 
mässig  noch  bei  allen  Racen  und , Europa  ausgenommen,  in  allen  Ländern  findet.  Viele 
schämten  sich  der  Unsitte  im  Umgänge  mit  den  Europäern  und  legten  sie  ab,  andere  leug- 
neten selbst,  dass  ihre  Vorfahren  sie  geübt.  Burmeister  hörte  die  Versicherung  eines  Skla- 
venhändlers, dass  die  Schwarzen  keine  Menschenfresser  seien,  die«  habe  man  nur  erfunden, 
um  die  Misshandlungen,  die  man  an  ihnen  übe,  zu  rechtfertigen.  Am  zahlreichsten  sind  dio 
Nachrichten  über  die  Menschenfresserei  der  Siidsceinsnlaner  und  Cook  wunderte  sich , wie 
unter  so  sanften  Völkern  ein  solcher  Gebrauch  herrschen  könne.  Die  faule  und  diebische 
Bevölkerung  von  Neukalcdonien  bekriegte  sich  gegenseitig  in  der  äussorsten  Noth,  um  Qefan- 


>1  Heule  und  Pt’eufer,  Zeitßchr.  8.  II. , IX,  2.  — *>  Vgl.  II.  Schaaffhausen.  Leber  den  Zustand  der  wil- 
den  Volker.  Archiv  f.  Anlhrop,,  1hl.  I,  S.  172. 

* 

V 


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254 


H.  Schaaffhauscn, 


geue  zum  Frass  zu  gewinnen,  und  ein  Häuptling  erklärte  verwundert,  er  habe  nicht  gewusst, 
dass  man  kein  Menschenfleisch  essen  dürfe.  Die  Neukaledonier  betrachteten  mit  der  grössten 
Lüsternheit  die  nackten  Arme  und  Beine  der  jungen  Matrosen  des  Schiffes  von  Dumont 
d’Urville.  Sie  befühlten  dieselben  mit  den  Händen  und  riefen  dabei : Kaparek ! mit  welchem 
Worte  sie  einen  Leckerbissen  zu  bezeichnen  schienen.  Selbst  die  Androhung  des  französischen 
Gouverneurs  der  Insel,  dass  er  jeden  Fall  von  Menschenfresserei  als  einen  Mord  ansehen  und 
bestrafen  werde,  hat  dieselbe  noch  nicht  ganz  beseitigen  können.  Die  Bewohner  der  Sal- 
inonsinseln  brachten  im  Jahre  1845  den  Missionären  ein  Kind  zum  Verkaufe  mit  der  Bemer- 
kung, dass  es  gut  zu  essen  sei.  Der  Vater  des  Königs  Niuriki  von  Futuna  soll  nicht  weniger 
als  1000  Menschen  verzehrt  habeD,  so  dass  nach  seinem  Tode  die  Häuptlinge,  um  dem  Unter- 
gang der  ganzen  Bevölkerung  vorzubeugen,  in  Uebereinstimmung  mit  Niuriki  den  Entschluss 
fassten,  dass  fortan  kein  Mensch  mehr  sollte  geopfert  oder  verzehrt  werden.  Aus  dem  gleichen 
Grunde  war  wohl  auf  den  Sandwichinseln  die  Darbringung  von  Menschenopfern  nur  dem 
Könige  erlaubt1).  Er  hatte  auch  das  Vorrecht,  das  Auge  des  Geopferten  zu  essen*).  Der 
erste  Name  der  Königin  Pomare  war  Aimata,  dies  bedeutet:  „ich  esse  das  Auge.“  Das  Wort 
erinnert  also  an  jene  Schmause,  bei  denen  man  den  einen  oder  andern  Körpertheil  als 
Leckerbissen  bezeichnet«.  Als  solchen  betrachten  auch  die  Neuseeländer  die  Augen  eines 
Menschen.  Dagegen  sagte  der  alte  König  von  Titaway  schon  im  Jahre  1687  den  Holländern, 
der  best®  Bissen  seien  die  Wangen  und  die  Hände.  Als  die  rohesten  und  blutgierigsten  unter 
den  Sudseevölkern  werden  die  Bewohner  der  Fidschiinseln  bezeichnet,  über  deren  Menschen- 
fresserei Matthew,  Seemann,  Egerström  u.  A.  berichtet  haben.  Auf  Nukahiva  gelten 
Häuptlinge  und  Priester  als  höhere  Wesen.  Wenn  ein  Priester  Begierde  nach  Menschcnfleiscb 
hat,  so  versetzt  er  sich  unter  mancherlei  Gaukeleien  in  Schlaf  und  sagt  dann  aus,  was  der 
Geist  ihm  eingegeben.  Er  bezeichnet  einen  Mann  oder  eine  Frau,  die  daun  eingefangen  und 
geschlachtet  werden.  Hat  ein  Marquesaner  einen  Feind  niedergemacht,  so  schlägt  er  ihm 
ein  Loch  in  den  Kopf,  aus  dem  er  sein  warmes  Blut  trinkt  Alle  Schädel,  die  Kruscnatern 
auf  Nukahiva  erhandelte,  hatten  ein  eingeschlagenes  Loch.  Auch  die  Neuseeländer  tranken 
das  warme  Blut  ihrer  erschlagenen  Feinde.  Im  Jahre  1857  brachten  die  Zeitungen  folgende 
Schrockensgcschichte:  es  befanden  sich  327  chinesische  Auswanderer  aus  Hongkong,  Männer, 
Weiber  und  Kinder  auf  einem  englischen  Schiffe,  um  nach  Sydney  zu  gehen,  als  das  Schiff 
bei  der  Insel  Rossel  in  der  Südsee,  etwa  500  Meilen  von  Neuseeland,  Schiffbruch  litt.  Es 
war  am  29.  September.  Dem  Kapitän  gelang  es  nur  mit  äusserster  Anstrengung,  die  Passa- 
giere ans  Land  zu  bringen,  wo  er  sie,  so  gut  es  eben  ging,  mit  den  nothwendigsten  Lebens- 
mitteln versorgte.  Er  selbst  steuerte  mit  8 Matrosen  auf  einem  Boote  von  der  Insel  weg, 
um  auf  dem  weiten  Ocean  ein  Fahrzeug  aufzusuchen , das  sich  der  verlassenen  Chinesen  an- 
nähme. Erst  am  15.  October  trafen  sie  einen  Scbooner,  der  sie  nach  Neukaledonien  brachte, 
von  wo  sofort  der  französische  Dampfer  Styx  nach  der  Insel  Rossel  abgeschickt  wurde.  Ei' 
traf  erst  am  8.  Januar  daselbst  ein  und  erfuhr,  dass  sämmtliche  Chinesen  und  die  bei  ihnen 
zurück  gelassenen  Matrosen  von  den  Eingeborenen  ermordet  worden  seien.  Nur  ein  einziger 
Chinese  hatte  die  Metzelei  überlebt,  aber  da  Niemand  an  Bord  dt«  Schiffes  chinesisch  ver- 


’)  E.  Miclielie,  di#  Völker  der  Südsee.  Münster  1847.  — *)  Archiv  für  Anthrop.  Bd.  HI,  180SI,  S.  WS. 


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Die  Mensehenfresserei  und  das  Menschenopfer.  255 

stand,  vernahm  man  erst  später,  dass  die  abgeschlachteten  Schiffbrüchigen  zu  einem  Canni- 
balenschmnuse  gedient  hatten.  Wir  besitzen  den  Bericht  einiger  französischer  Soldaten,  die 
sich  kurze  Zeit  in  Gefangenschaft  der  Kanaken  auf  den  Sandwichinaeln  befanden  und  dort 
der  Zubereitung  und  Auftischung  eines  ihrer  Kameraden  beiwohnten.  Zuerst  hackte  man 
ihm  den  Kopf  ab  und  hing  den  Körper  eine  Stunde  lang  an  einen  Baum  auf,  um  das  Blut 
ablaufen  zu  lassen.  Während  dessen  wurde  ein  über  vier  Fuss  tiefes  und  drei  Fuss  breites 
Loch  in  die  Erde  gegraben  und  mit  Steinen  ausgelegt.  In  der  Höhlung  wurde  ein  Feuer 
angezündet  und  nachdem  es  halb  niedergebrannt  war,  mit  einer  Steinlage  bedeckt.  Den 
Menschen  weideten  die  Cannibalen  aus  und  schnitten  den  Körper  in  fusslange  Stücke;  Fiis.se 
und  Hände  wurden  als  ungeniessbar  bei  Seite  geworfen.  Sodann  wurden  diese  Stücke  auf 
Blätter  des  tropischen  Ilosenbaumes  gelegt  und  mit  Zuthaten  versehen,  als  Cacaonüasen,  Ba- 
nanen und  anderen  Gewächsen  von  köstlichem  Aroma.  Darauf  schnürte  man  das  Ganze  in 
einen  Ballen  zusammen  und  senkte  diesen  in  die  Grube,  aus  welcher  man  den  Rest  des 
Feuers  entfernt  hatte.  Zwischen  den  heissen  Steinen  liess  man  dann  das  Mahl  eine  Stunde 
lang  schmoren.  Frauen  erhielten  von  dem  Gerichte  nichts,  das  ausschliesslich  für  Krieger 
bestimmt  war1).  Man  sieht,  bei  diesen  Völkern  ist  der  Cannibalismus  eine  Feinschmeckerei, 
ein  mit  überlegter  Kunst  erhöhter  Genuss  des  lüsternen  Gaumens.  So  wird  es  verständlich, 
dass  sich  die  Anthropophagie  häufig  bei  Volksstämmen  findet,  die  ihren  Nachbarn  geistig 
überlegen  sind,  wie  bei  den  Battas  auf  Sumatra,  die  eine  selbst  erfundene  Schrift  besitzen, 
bei  den  Fidschiinsulanern,  die  in  der  Kunst  der  Töpferei  sich  vor  allen  anderen  Völkern  der 
Südsce  auszeichnen.  Eine  gute  geistige  Begabung  wird  auch  von  den  Maoris,  den  Fannegern 
und  den  Niam-Niains  gerühmt.  Dagegen  sind  die  Minkopies,  die  Eingeborenen  der  Anda- 
mauinseln,  über  deren  thierische  Lebensweise  wir  durch  den  Bericht  eines  indischen  Sepoy 
unterrichtet  sind  und  die  R.  Owen’)  auf  die  niedrigste  Stufe  menschlicher  Bildung  stellen 
will,  keine  Cannibalen.  Nach  A.  Lortsch  *)  kommt  auch  bei  den  australischen  Wilden  die 
Menschenfresserei  nur  in  den  seltensten  Fällen  vor  und  wird  sehr  geheim  geübt  Doch 
wurde  1862  ein  Freund  desselben  von  ihnen  ermordet  und  aufgegessen.  Bei  Hungersnoth 
graben  sie  nach  drei  Tagen  ihre  Todten  wieder  aus,  um  sie  zu  essen.  Dem  überwundenen 
Feinde  Bcbneiden  sie  nur  das  Nierenfett  heraus,  um  sich  damit  einzureiben  und  so  die  Stärke 
des  Besiegten  zu  gewinnen.  Von  den  Alfurus  der  nördlichen  Molukken  theilt  J.  Kögel1) 
mit,  dass  sie  zuweilen  daa  Fleisch  der  erschlagenen  Feinde  gemessen  sollen.  Ueber  die 
Battas  auf  Sumatra,  deren  blutige  Gebräuche  Junghuhn5)  geschildert  hat,  haben  wir  neue 
Mittbeilungen  von  Bicktnore  ‘).  Sie  sind  noch  heute  Menschenfresser  und  es  ist  etwas  ganz 
Gewöhnliches  für  die  in  Siboga  an  der  Westküste  Sumatras  wohnenden  Fremden  zu  hören, 
dass  in  den  benachbarten  Bergen  ein  oder  mehrere  Eingeborene  gegessen  worden  seien. 
Nicht  aus  Mangel  an  Nahrung  üben  die  Battas  jetzt  den  abscheulichen  Gebrauch,  denn  es 
fehlt  ihnen  nicht  an  Wildpret  und  an  Zuchtvieh,  auch  nicht  aus  Rachsucht,  sondern  aus 
Leckerei.  Der  RadHchah  von  Sipirok  versicherte  dem  Statthalter  von  Padang,  dass  er  nie 

*)  Bonner  Zeitung.  17.  Sept.  1869.  — s)  R.  Owen,  On  the  Mincopie*.  Report  of  the  Brit.  Asaoc.  f.  tb. 
Advanc.  of  So,  1801.  — 3]  Aasland,  16856,  Nr.  30.  — *)  Ausland,  1856,  Nr.  31.  — 5)  Vgl.  Archiv  f.  Anthrop. 
Bd.  1,  S.  174.  — *)  S.  Bickmore,  Reisen  im  ostindiachen  Archipel  in  dem  Jahre  1865  bis  06.  Aus  dem  Eng- 
lischen. Jena  1869.  - 


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256 


II.  Schauffhausen, 

etwas  Kostbareres  gegessen  habe  als  Menschenfleisch.  Der  Ursprung  der  Unsitte  wird  auf 
folgende  Weise  erzählt  Ein  Radschah  beging  ein  grosses  Verbrechen,  aber  Niemand  wollte 
cs  wagen,  einen  Fürsten  zu  bestrafen.  Nach  langer  Berathung  wurde  endlich  beschlossen, 
ihn  hiuzurichten , aber  jeder  aus  dem  Volke  sollte  ein  Stück  von  seinem  Leichnam  essen, 
damit  auf  diese  Weise  Alle  an  seiner  Bestrafung  Thcil  nähmen.  Sie  fanden  nun  diesen 
Schmaus  so  schmackhaft,  daas  sie  beschlossen,  wenn  wieder  ein  Verbrecher  hingerichtet 
würde,  ihn  ebenfalls  zu  essen.  So  ist  es  gekommen,  dass,  wer  des  Ehebruchs,  des  mitter- 
nächtigen Raubes  oder  eines  hinterlistigen  Angriffs  sich  schuldig  macht,  oder  wer  in  Gefan- 
genschaft geräth,  lebendig  zerschnitten  und  verzehrt  wird.  Man  bindet  das  Opfer  mit  aus- 
gestreckten  Armen  an  einen  Baum,  wie  uns  ein  Missionär,  der  eine  solche  Hinrichtung  eines 
Diebes  sah,  berichtet  hat.  Der  Mann,  welcher  bestohlen  worden  war,  erhielt  zuerst  das 
Messer  und  schnitt  sich  das  Stück  aus  dem  Leibe,  welches  ihm  das  liebste  war;  der  Radschah 
nahm  das  zweite,  die  anderen  folgten.  Die  Hände  und  die  Augen  gelten  als  die  grössten 
Leckerbissen.  Das  warm  dampfende  Fleisch  wird,  um  es  zu  würzen,  in  Pfeffer  und  Salz 
getaucht.  In  früherer  Zeit  soll  man  das  Fleisch  gebraten  oder  gekocht  haben.  Das  Fleisch 
der  Malayen  soll  am  besten  schmecken.  Die  kühne  deutsche  Reisende,  Frau  Ida  Pfeiffer, 
die  sich  unter  diese  Wilden  wagte,  liessen  sie  nur  deshalb  imgefährdet  zuriiekkehren,  weil  sie 
dieselbe  für  eine  Hexe  hielten '). 

Ueber  die  heutige  Verbreitung  des  C'annibalismus  unter  den  Indianern  Amerikas  war 
man  lange  ungewiss,  denn  die  meisten  Stämme  leugneten  diesen  Gebrauch  ihrer  Vorfahren, 
die  zur  Zeit  der  Entdeckung  des  Landes  doch  fast  alle  Cannibalen  waren.  So  macht  sich 
Brom  me1)  dos  grössten  Irrthums  schuldig,  wenn  er  schreibt:  „ob  wirklich  je  die  Menschen- 
fresserei bei  den  Indianern  Nord  - Amerikas  zu  Hause  war,  ist  eine  Frage,  die  fast  mit  Be- 
stimmtheit zu  verneinen  ist,  was  auch  frühere  Berichterstatter  darüber  erzählen.  Nur 
drückende  Hungersnoth  konnte  einen  Stamm  bewegen , Menschenfleisch  zu  gemessen , und 
wahrscheinlich  ist  es,  dass  die  Atacapas,  diesen  ihren  Namen  „Menschenfresser“  nur  von 
einem  einzigen  Beispiele  der  Art  erhalten  haben.“  Gleichwohl  führt  Bromme  den  Bericht 
von  Golden  an,  dass  die  Irokesen  ihre  Gefangenen  verzehrten  und  dieOttawas  das  Blut  ihrer 
hingerichteten  Feinde  tranken,  sowie  die  ausführliche  Nachricht  Henry ’s  über  einen  Eng- 
länder, der  1700  von  den  Indianern  Canada’s  nufgegesHen  wurde,  und  die  Angabe  der  Archaeo- 
Ibgia  amerikana,  Vol.  I,  p.  353,  dass  unter  den  Miamis  ein  Ausschuss  von  sieben  Kriegern  bestan- 
den habe,  welche  die  Menschenfresserei  öffentlichen  Vorschriften  zu  Folge  zu  vollziehen 
hatten  und  zu  ihrem  letzten  Cannibalenfeste  einen  Bewohner  von  Kentucky  schlachteten. 
Nach  jenen  Berichten  sollen  alle  Indianer,  welche  Menschenfleisch  gegessen,  dariu  Uberein- 
stimmen, dass  es  ein  köstliches  Mahl  und  dass  das  Fleisch  der  Engländer  weit  schmackhafter 
nls  das  der  Franzosen  und  Spanier  sei.  Das  Alles  hält  Bromme  für  Erfindung  der  Missionäre, 
für  Verliiumdung,  welche  das  schändliche  Betragen  der  Europäer  und  ihrer  Nachkommen 
gegen  die  Indianer  entschuldigen  soll.  In  der  gerechten  Entrüstung  Uber  die  treulose  Behand- 
lung des  rothen  Menschen  durch  den  Weissen  liessen  sich  Bromme  und  Andere  in  ihrem 


’)  Vgl.  Magazin  für  di»  Literatur  de«  Auslandes,  1869,  Nr.  48.  — !)  Tr.  Bromme,  Gemälde  von  Nord- 
Amerika,  Stuttgart  1862,  Bd.  I,  8.  214. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  257 

Urtheile  über  den  sittlichen  Zustand  dieser  Wilden  tauschen.  Alexander  von  Humboldt 
fand  noch  um  Cassiquiare  den  Gebrauch  MenschenHeiach  zu  essen.  Der  Stamm  der  lonk- 
ways  an  der  Grenze  von  Texas  schlug  im  Jahre  1851  die  Kitschies,  der  Häuptling  derselben 
wurde  gebraten  und  bei  einem  Festmahl  verzehrt1).  Dobritzhoffer  *)  sagt,  dass  alle  India- 
ner in  Brasilien  und  Paraguay  vor  ihrer  Bekehrung  zum  Christenthum  Menschenfresser  waren. 
Sie  zogen  es  jedem  Wildpret  vor,  so  dass  sie  oft  ein  heftiges  Verlangen  danach  anwandelte. 
Die  Ureinwohner  Brasiliens  mästeten  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  ihre  Kriegsgefangenen 
lange  Zeit,  sie  verheiratheton  sie  sogar  mit  ihren  Töchtern  und  Schwestern,  um  die  so  ent- 
standenen Kinder  später  ebenso  zu  futtern  und  zu  schlachten.  Wilh.  Piso,  der  im  Jahre 
1637  mit  G.  Marcgrav  nach  Brasilien  ging,  berichtete  schon,  dass  die  brasilischen  Völker 
ihre  eigenen  Kinder  auffrässen  und  von  den  lebenden  die  Nabelschnur®).  Lery  erzählt,  dass 
die  Weiber,  die  man  den  Gefangenen  gebe,  entweder  die  Wittwen  der  Erschlagenen  oder  die 
Schwestern  derselben  seien.  Die  zum  Opfer  bestimmten  und  gemästeten  Unglücklichen  neh- 
men vorher  selbst  an  dem  Trinkgelage  Theil  und  erhalten  dann  mit  der  Keule  den  Todes- 
streieh.  Der  Körper  wird  zerschnitten  und  dann  die  Theilo  geröstet.  Auch  die  Frau  des 
Erschlagenen  nimmt  Theil  an  dem  Mahle4).  W.  von  Zimmermann  erinnert  daran,  dass 
die  nördlichen  Indianer  viel  grausamer  gegen  ihre  Opfer  verfahren  als  dio  Südamerikaner, 
indem  sie  dieselben  vorher  martern.  Jene  macht  die  Jagd  gefühllos,  während  der  Tropen- 
bewohner ein  sanfteres  Leben  ftihrt.  In  dem  ethnologischen  Museum  zu  Kopenhagen  befindet 
sich  ein  grosses  Oelgemälde,  auf  dem  eine  Schwarze  abgebildet  ist,  die  in  einem  Korbe 
Stücke  Mcnschonflcisch  trägt.  Ich  habe  darüber  nur  erfahren  können,  dass  es,  wie  die  übri- 
gen Bilder  daselbst,  um  das  Jahr  1641  von  dem  holländischen  Maler  Ekhout  gemalt  worden 
sei  und  sich  wahrscheinlich  auf  Südamerika  beziehe,  wo  er  sich  mehrere  Jahre  aufgehalten 
hat  B.  A.  Lallemant®)  versichert,  dass  es  am  Rio  negro  in  Brasilien  noch  Cannibalen 
gebe,  die  ihre  Feinde  brieten  und  verzehrten.  Von  den  Araras  am  Rio  da  Madeira  sei  es 
vor  einigen  Jahren  amtlich  in  Rio  de  Janeiro  berichtet  worden.  Ebenso  sei  vor  Kurzem  die 
an  einem  Weissen  geübte  Menschenfresserei  der  Botokuden  des  Rio  doce  von  einem  Augen- 
zeugen, der  bei  dem  entsetzlichen  Anblicke  entfloh,  erzählt  worden.  Eine  spätere  Mitthei- 
lung*) bestätigt,  dass  die  Brasilianer  noch  Menschenfresser  sind.  Ein  Botokude  sagte,  wir 
essen  Affen,  warum  nicht  Menschen,  wenn  sie  todt  sind!  Es  wird  darauf  hingewiosen,  Hass 
es  den  Brasilianern  an  leicht  zu  jagenden  Thieren  fehle,  denn  das  Pekari  ist  sehr  scheu  und 
der  Tapir  flüchtet  ins  Wasser,  während  die  Nordamerikaner  auf  Bisons,  Hirsche  und  Biber 
Jagd  machen,  den  Bewohnern  der  Cordilleren  die  Lamas,  den  Südafrikanern  die  Antilopen 
in  zahlreichen  Heerden  zu  Gebote  stehen.  So  scheint  Mangel  an  Fleischnahrung  in  Brasilien 
wie  auf  den  Siidseeinseln  eine  Ursache  des  Cannibalismus  zu  sein,  und  für  solche  Gegenden 
wird  die  Einführung  und  weitere  Vorbreitung  dos  Schweines  ein  wahrer  Segen  und  ein  Mittel 
zur  Cnltor  sein;  es  hält  die  Seereise  von  allen  Thieren  am  besten  aus,  ist  im  Fressen  nicht 
wälderisch  und  kommt  auch  im  Urwalde  leicht  fort.  Unter  den  amerikanischen  Völkern 


r!  Ausland,  1851,  Nr.  158.  — 3l  0.  Klemm,  Allg,  Cnlturwiseenschafi.  II.  Leipzig  1655.  S.  173.  — -'t  De 
utriiisquc  Indiae  hist.  nat.  et  med.  1.  XIV.  Amtl.  1658.  — 4)  W.  v.  Zi  mm  ermann,  die  Erde  und  ihre  Bewoh- 
ner, Stuttg.  18 JO.  7.  Theil,  S.  45.  — ft)  Ausland,  1860,  Nr.  49.  — ®)  Aualand,  1664.  Nr.  35. 

Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  IT.  Heft  III.  33 


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258 


H.  Schaaffhausen, 


hatten  es  die  Caraiben  so  weit  gebracht,  dass  sie  Knaben  raubten  und  entmannten,  utn  sie, 
wie  Capaunen,  fett  zu  füttern.  Das  Fleisch  der  Spanier,  versicherten  sie,  schmecke  schlecht, 
es  sei  sehr  bitter  und  wer  davon  esse,  werde  krank.  Auch  die  Feinschmecker  auf  den  Neu- 
Hebriden  geben  an,  dass  das  Fleisch  der  Farbigen  besser  und  nicht  so  salzig  schmecke,  wie 
das  der  Weissen,  und  die  Afrikaner  im  Sudan  behaupteten  nach  liatuta  dasselbe.  Die  Carai- 
ben und  Arowaken  schnitten  spätor  dem  besiegten  Feinde  nur  den  Arm  ab,  trockneten  ihn 
am  Feuer  und  legten  bei  den  Freudenmahlcn  auf  jeden  Kossabikuchcn  ein  Stück  Wild  und 
ein  Stückchen  von  dem  Menschenarm.  Der  Missionär  C.  Quandt  fügt  hinzu:  die  Arowaken 
essen  es  nur  mit  Widerwillen. 

Ueber  den  Cannibalismus  in  Afrika  hatten  wir  lange  Zeit  nur  ältere  Nachrichten;  ver- 
einzelten Angaben  neuerer  Reisenden  wurde  kein  Glaube  geschenkt.  So  sagt  Waitz1):  „Ab- 
gesehen von  einzelnen  Beispielen  im  Kriege  und  von  den  öffentlichen  Festen  in  Dahomey, 
bei  denen  das  Essen  von  Menschen  fleisch  nach  Norris  ein  wesentlicher  Theil  der  Feier  selbst 
ist,  giebt  es  neuerdings  nur  zweifelhafte  Fälle  von  Cannibalismus  in  den  Negorländem.  Trotz 
verschiedener  Nachrichten  ist  es  hinreichend  festgestellt,  dass  die  Neger  sich  gegenseitig  als 
Cannibalen  bei  den  Weissen  zu  verleumden  pflegen,  um  diese  vom  weiteren  Vordringen  ins 
Innere  abzuschrecken.“  So  urtheilt  auch  Hecquard.  Dagegen  vermuthet  Russegger,  es 
gebe  wohl  doch  wegen  der  immer  wioderkohrenden  Erzählung  der  Eingeborenen  irgendwo 
ein  Cannibalenvolk.  Waitz  thcilt  diese  Ansicht  nicht,  weil  der  Cannibalismus  von  den  Negern 
überall  mit  Abscheu  betrachtet  werde  und  meint,  die  weite  Verbreitung  der  Sage  erkläre  sich 
aus  der  Vorliebe  des  Nogors  für  das  Ungeheuerliche  und  Wunderbare,  wofür  auch  die  Fabeln 
von  Zwergen  und  geschwänzten  Menschen  sprächen.  Der  Erwähnung  wertb  ist  wohl  die 
Thatsache,  dass  das  Wegführen  so  vieler  Neger,  die  nie  wiederkehren,  durch  Weisse,  das 
Betasten  ihres  Körpers  anf  den  Sklavenmärkten  die  Neger  des  Binnenlandes  auf  den  Gedan- 
ken brachte,  die  Weissen  seien  Menschenfresser.  Ibn  Batuta,  der  grösste  arabische  Reisende 
im  14.  Jahrhundert,  spricht  von  einem  Volke  menschenfressender  Neger  in  Centralafrika. 
Er  erzählt,  dass  sie  bisweilen  nach  Melli  im  Sudan  kommen  und  bei  einer  solchen  Gelegenheit 
eine  vom  Sultan  ihnen  geschenkte  Sklavin  verzehrten,  dass  sie  den  Busen  und  die  Hände 
der  Frauen  für  die  grössten  Leckerbissen  am  menschlichen  Leibe  erklärten , dagegen  das 
Fleisch  der  Weissen  als  unreif  verschmähten.  Pigafetta  theilt  in  der  nach  den  Mittheilungen 
des  Portugiesen  E.  Lopez  verfassten  Beschreibung  des  Königreichs  Congo  mit,  dass  jenseits 
dieses  Landes  ein  Volk  von  unglaublicher  Wildheit,  die  Anziquen,  lebe,  die  einander  aufessen 
und  weder  Freunde  noch  Verwandte  schonen.  „Ihre  Fleischläden  sind  mit  Menschenfleisch 
gefüllt  statt  mit  Ochsen-  oder  Schaaffleisch , denn  sie  essen  die  Feinde,  die  sie  im  Kampfe 
gefangen  nehmen.  Sie  mästen , schlachten  und  verzehren  auch  ihre  Sklaven , wenn  sie  nicht 
glauben,  einen  guten  Preis  für  sie  zu  erhalten;  überdies  bieten  sie  »ich  zuweilen  aus  Lebens- 
müdigkeit  seihst  als  Speise  an,  denn  sie  halten  es  für  etwas  Grosses  oder  für  das  Zeichen  ’ 
einer  edlen  Seele,  das  Loben  zu  verachten.“  Das  erinnert  an  Strabo’s  Bericht  über  die 
Massageten.  Von  den  Jaggas,  die  jenseits  Angola  wohnen  und  wohl  ein  den  Anziquen  ver- 


J1  Th.  Waitz,  Anthropologie  der  Naturvölker.  II.  Leipiig  1SS0.  h.  IGfi. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  25!l 

wandtes  Volk  sind,  wird  im  17.  Jahrhundert  von  A.  Battell  und  Anderen  in  gleicher  Weise 
erzählt,  dass  sie  in  ihren  Fleischerläden  Menschenfleisch  feil  halten.  Sie  sollen  zu  solcher 
Wildheit  von  einer  Königin  erzogen  worden  sein,  die,  um  sie  in  ihrer  Grausamkeit  zu  bestär- 
ken, sich  selbst  den  Säugling  von  dor  Brust  riss  und  in  einem  Mörser  zerstampfte.  Aus  die- 
sem Brei  liess  sie  eine  Salbe  kochen  und  bestrich  sich  und  ihre  vornehmsten  Krieger  damit 
unter  dem  Vorgeben,  dies  schütze  gegen  Todesgefahr  und  mache  unbezwingbar.  Die  Jaggas 
mussten  von  ihren  Kindern  ähnliche  Salben  bereiten,  sie  mussten  geloben,  Menschenfleisch  zu 
essen , weil  nur  dieses  den  grössten  Math  und  die  grösste  Stärke  gebe.  Von  der  Tochter  des 
Königs  von  Angola,  die  Herrscherin  und  Priesterin  der  Jaggas  war,  wird  noch  berichtet,  dass 
sie  ihre  Liebhaber  vor  Entdeckung  ihres  geheimen  Umgangs  mit  eigener  Hand  den  Göttern 
opferte •),  Huxley  ’)  hat  aus  der  im  Jahre  1598  in  Frankfurt  a.  M.  erschienenen  Ausgabe  des 
Werke«  von  Pigafetta  das  Bild  eines  Fleischerladens  der  Anziijuen  at drucken  lassen  und 
macht  darauf  aufmerksam,  in  wie  vielen  Einzelheiten  diese  Angaben  mit  dem  Anfangs  mit 
Misstrauen  aufgenommenen  Berichte  des  du  Chaillu  über  die  Fanneger  am  Gaboon  überein- 
stimmen. Dieser  erzählt:  „Es  begegnete  uns  eine  Frau,  die  ein  Stück  eines  menschlichen 
Schenkels  trug,  genau  so  wie  wir  zu  Markte  gehen,  und  von  dort  einen  Braten  oder  ein 
Beefsteak  mitbringen  würden.  Als  ich  einmal  mit  dom  Könige  sprach,  brachten  einige  Frauen 
einen  Leichnam,  den  sie  in  einer  benachbarten  Stadt  gekauft  batten  und  der  jetzt  getheilt 
werden  sollte.  Ich  konnte  sehen,  dass  der  Mann  an  einer  Krankheit  gestorben  war.  Die 
Leichen  von  Personen,  die  an  einer  Krankheit  gestorben  sind,  zu  essen,  ist  eine  Art  C'anni- 
balismus,  von  der  ich  nie  gehört  hatte,  so  dass  ich  beschloss,  nachzufragen,  ob  dies  wirklich 
Sitte  oder  nur  ein  Ausnahmsfall  sei.  Sie  sprachen  ohne  alle  Scheu  von  der  ganzen  Sache, 
und  ich  erfuhr,  dass  sie  beständig  die  Todten  von  dem  Oslieta-  Stamme  und  diese  dagegen 
die  von  den  Fan  kaufen.“  In  seinem  zweiten  Berichte  sagt  du  Chaillu*)  noch  von  den  Fan- 
negern: sie  schlachten  keine  Menschen,  sondern  verzehren  nur  solche,  welche  von  benachbar- 
ten Stämmen  gekauft  und  eines  natürlichen  Todes  gestorben  sind.  Für  einen  ganzen  Leich- 
nam geben  sie  einen  Elephantenzalm.  Mensehenfleisch  wird  auch  von  Weibern  umhergetragen 
und  in  mehr  oder  weniger  grossen  Stücken  verkauft.  Wenn  die  Fanneger  mit  den  Volks- 
stämmen verwandt  sind,  über  die  uns  die  Nachrichten  aus  dem  14.  und  15.  Jahrhundert  über- 
liefert sind,  so  läge  hier  der  Fall  vor,  dass  im  Laufe  der  Jahrhunderte  eine  Milderung  der 
rohen  Sitte,  Menschenfleisch  zu  essen,  eingetreten  sei.  In  einem  Briefe  vom  30.  Mai  18Ö9  hatte 
Livingstone  ans  Udschidschi  geschrieben,  dass  er  im  Begriffe  sei,  in  ein  von  menschenfres- 
senden  Negern  bewohntes  Land  zu  reisen,  so  dass  man  beim  Ausbleiben  fernerer  Nachrichten 
in  Sorge  Ulier  sein  Schicksal  gerieth.  Bei  den  Aschantis,  bei  denen  Menschenopfer  noch 
immer  in  schauderhaftem  Masse  gebracht  worden,  ist  dennoch  der  Genuss  des  Menschen- 
fleisches selten.  Bowdich  4)  giebt  an,  dass  die  Ketiachmänner,  welche  dem  Heere  folgen,  eini- 
gen Feinden  das  Herz  ausschneiden , und  mit  Zaubersprüchen  und  geweihten  Kräutern  alle 
die  davon  essen  lassen , welche  noch  nie  einen  Feind  zuvor  getödtet  haben.  Man  vertraute 


■)  W.  von  Zimmermann,  a s.  (>.,  1.  Thl.,  S.  91.  — s)  Th.  H.  Huxley,  Zeugnisse  für  die  Stellung  de* 
Menschen  in  der  Natur,  deutsch  von  V.  Carus.  Braunschweig.  19113,  S.  02.  — 3)  A journey  to  Ashaogo  Land. 
London  1887.  — *}  Orube,  Geographische  Charakterbilder.  II.  Leipzig  1853,  S,  280. 

33* 


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2<;o 


H.  Schaaffhausen, 


ibin  als  ein  Geheimnis*,  dass  der  König  und  seine  Grossen  das  Herz  eines  berühmten  Feindes 
unter  sich  getheilt  hätten.  Grosses  Aufsehen  erregte  in  .neuester  Zeit  die  Mittheilung  Uber 
Anthropophagenhöhlen  im  Lande  der  Basutos  in  Siidostafrika  *)■  Bowker  ging  mit  seinen 
Begleiten!  von  Thaba  Bosigo  aus  durch  ein  enges  Thal  aufwärts,  längs  dun  Boreabergen  nach 
der  alten  verlassenen  Mission  Caua,  wo  Eingeborene  als  Führer  nach  den  zwei  Meilen  ent- 
fern teil  Höhlen  mitgenommen  wurden.  Nun  ging  es  auf  Händen  und  Füssen  einen  steilen 
Pfad  hinab,  nicht  ohne  Gefahr,  bis  sic  aut  einen  kleinen  Grasplatz  kamen,  wo  man,  ohne 
sich  zu  halten,  stehen  konnte.  Von  hier  sah  man  in  eine  grossartige  aber  ausserordentlich 
wilde  Landschaft,  Unter  einem  Uberhängonden  Felsen  lag  die  Höhle,  deren  Eingang  einen 
weiten  von  der  Natur  gewölbten  Bogen  bildet.  Sie  ist  etwa  130  Yards  hoch  und  100  Yards 
breit.  Hie  Hecke  ist  vom  Rauch  der  Feuer  geschwärzt,  welche  die  früheren  Bewohner  der- 
selben angezündet  hatten.  Auf  dem  Boden  lagen  Haufen  menschlicher  Gebeine  theils  über- 
einander geschichtet,  theils  überall  zerstreut  und  vor  der  Höhle  auf  dem  Felsenabhang  war 
der  Grund  ganz  weiss  von  bleichenden  menschlichen  Knochen  und  Schädeln , diese  waren 
besonders  zahlreich  und  meist  solche  von  Kindern  und  jungen  Personen.  Diese  Ueberresto 
erzählten  nur  zu  deutlich,  wozu  sie  hatten  dienen  müssen,  denn  sie  waren  zerhackt  und  in 
Stücke  geschlagen,  wie  es  schien  mittelst  stumpfer  Beile  oder  geschärfter  Steine.  Hie  Mark- 
knochen waren  gespalten,  die  Gelenkenden  nber  ganz  geblieben.  Nur  sehr  wenige  Knochen 
zeigten  Spuren  des  Feuers,  zum  Beweise,  dass  man  die  gekochte  Speise  der  gebratenen  vorzog. 
Mit  seltsamen  Gefühlen  durchwanderte  er  die  grausige  Grabstätte  und  betrachtete  Alles  mit 
Aufmerksamkeit.  Man  zeigte  ihm  eine  Stelle  mit  rauhen  unregelmässigen  Stufen,  dio  in  das 
Innere  der  Höhle  zu  einer  dunkeln  Gallcrie  führten;  hier  sagte  inan  ihm,  wurden  dio  unglück- 
lichen Schlachtopfer  aufluiwahrt,  bis  auch  an  sie  die  Reihe  kam.  Es  war  unmöglich  von  hier 
zu  entrinnen,  ohne  durch  die  Mitte  der  Höhle  zu  kommen.  So  schrecklich  dios  Alles  erschei- 
nen muss,  so  giebt  es  doch  für  Wilde,  die  vom  äussersten  Hunger  getrieben  werden,  ihre 
gefangenen  Feinde  zu  tödten  und  zu  verzehren,  eine  gewisse  Entschuldigung.  Aber  mit  die- 
sem Volke  verhielt  es  sicli  anders,  denn  es  liewohnte  ein  fruchtbares  und  an  Wild  reiches 
Land.  Aber  trotz  alledem  machten  sic  nicht  blos  Jagd  auf  ihre  Feinde,  sondern  Einer  stellte 
dem  Andern  nach  und  viele  ihrer  Gefangenen  gehörten  dem  eigenen  Stamme  an,  und,  was 
schlimmer  ist,  wenn  cs  an  anderen  Opfern  mangelte,  vergriffen  sie  sieh  an  ihren  eigenen  Wei- 
hern und  Kindern.  Ein  träges  oder  zanksüchtiges  Weib  wurde  schnell  beseitigt,  ein  Kind, 
das  immer  schrie,  wurde  still  gemacht,  Kranke  und  Schwache  wurden  schnell  ums  Leben 
gebracht.  Solche  Gräuel  herrschten  bei  diesem  Volke,  und  wiewohl  man  angieht,  dass  es  seit 
vielen  Jahren  den  Cannibalismus  aufgegeben,  so  überzeugte  sich  der  Berichterstatter  doch, 
dass  einige  der  menschlichen  Gebeine  ein  sehr  frisches  Aussehen  hatten,  dieselben  gehörten 
einem  grossen  und  starken  Manne  an  mit  sehr  festem  Schädel,  an  den  Gelenkenden  war  noch 
Fett  bemerkbar,  er  schien  erst  vor  einigen  Monaten  seinem  Schicksal  erlegen  zu  sein.  Diese 
Höhle  ist  oino  der  grössten  in  der  Gegend  mul  wurde  als  der  Hauptsitz  der  Cannibalen 
bezeichnet,  aber  die  ganze  Gegend  vom  Moluta  bis  zum  t'aledon,  auch  ein  Theil  vom  Fluss- 


M The  läve-lannibal«  of  Suuth-Africa,  by  J.  II.  Bowker.  Pr,  Bleek  and  Pr.  J.  Beddoe.  Anthrop. 
Beview  XXV,  (i.  121. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  261 

gebiet  des  Putesana  war  vor  30  Jahren  von  Menschenfressern  bewohnt,  die  der  Schrecken  der 
nniwohnenden  Stämme  waren.  Sie  schickten  Jäger  aus,  die  zwischen  den  Kelsen  und  Büschen 
in  der  Nähe  von  Pfaden  oder  Tränkeplätzen  sich  in  den  Hinterhalt  legten  und  die  vorbei- 
kommenden Krauen  und  Kinder  oder  Reisenden  auffingen.  Noch  sind  viele  dieser  alten 
Cannibalen  am  Leben.  Bowker  wurde  mit  einem  bekannt,  der  etwa  60  Jahre  alt  war  und 
noch  in  der  Nähe  wohnte.  Als  er  jung  war  und  in  der  Höhle  hauste,  fing  er  auf  einem 
seiner  Ausflüge  drei  junge  Weiber,  von  diesen  nahm  er  die  schönste  zu  seiner  Gefährtin,  und 
verspeiste  die  anderen.  Er  besuchte  auch  mehrere  Cannihalenhöhlen  nahe  den  Quellen  des 
Caledon,  diese  sind  noch  bewohnt,  aber  die  Gräuel  haben  aufgehört.  Boi  einer  derselben 
erzählte  ihm  ein  alter  Wilder,  dass  er  vordem  wohl  30  Menschen  gekocht  habe,  er  schien 
nicht  zufrieden  damit,  dass  man  die  alte  Lebensweise  abgeschafft  hatte.  Einst  wurde  mit 
anderen  Gefangenen  auch  ein  junges  schönes  Mädchen  in  die  Höhle  gebracht.  Man  schonte 
sie  und  sie  wurde  das  Weib  eines  der  Cannibalen.  Nach  einiger  Zeit  vernahm  ihr  Vater, 
dass  sie  noch  lebe,  und  mit  Hülfe  eines  Missionärs  gelang  es  ihm , sie  gegen  ein  Lösegeld 
von  6 Oclisen  zu  befreien.  Aber  sie  blieb  nicht  lange  zu  Hause,  sondern  verschwand  wieder. 
Eie  war  aus  eigenem  Entschlüsse  zu  den  Kreunden  in  der  Höhle  zurückgekehrt.  Früher 
waren  auch  die  Löwen  in  dieser  Gegend  häufig  und  zogen  zuweilen  das  Men.schenfleisch  dem 
der  wilden  Thiere  vor.  Das  entmenschte  Volk  legte  Fallgruben  an,  in  die  es  als  Köder 
lebende  kleine  Kinder  setzte,  deren  Geschrei  den  Löwen  lockte,  der  dann  in  die  Falle  ging, 
aber  das  Kind  verschlang.  Eine  alte  Frau  bei  Thaha  Bosigo  erzählte  ihm,  dass  man  sie  als 
Kind  in  eine  Fallgrube  gelegt,  die  Löwen  seien  aber  nicht  gekommen  und  so  sei  sie  gerettet 
worden.  Die  Bewohner  aller  dieser  Höhlen  sind  Unterthanen  des  Häuptlings  Moschesch,  den 
es  grosse  Anstrengung  kostete,  den  CannibalismuB  bei  ihnen  auszurotten.  Endlich  gelang  es 
ihm ; die  früheren  Menschenfresser  sind  Viehzüchter , zum  Theil  auch  Viehdiebe  und  selbst 
Ackerbauer  geworden.  Diesem  merkwürdigen  Berichte  hat  Dr.  Bleek  Folgendes  hinzugefügt: 
lieber  diese  Cannibalen  nordöstlich  von  Thaba  Bosigo  geben  auch  Arbousset  und  Daumas1) 
Nachricht,  sowie  Edw.  Solomon*).  Nach  diesem  waren  vier  Stämme  dem  Cannibalismus 
ergelten,  wovon  zwei  zu  den  Betschuanas  und  zwei  zu  den  Kafirs  gehören.  Sie  sollen  erst 
Cannibalen  geworden  sein  durch  die  verheerenden  Kriege,  welche  vor  50  Jahren  diese  Ge- 
genden Afrikas  heimgesucht  haben.  Nachdem  die  Begierde  nach  Menschenfleisch  einmal 
erwacht  war,  wurde  der  Genuss  auch  dann  nicht  aufgegeben,  als  die  Noth  vorüber  war.  Es 
ist  jedoch  auch  möglich,  dass  der  Cannibalismus  in  diesen  Gegenden  weit  älter  ist.  Die  ein- 
heimische Literatur  der  Zulus  und  iler  Betschuana  enthält  eine  Menge  von  Anspielungen 
auf  die  monschenfressenden  Amazimu  und  Marimo.  In  den  von  Dr.  Callaway  herausgege- 
benen Ammenmährchen  der  Zulus  spielen  Riesen  und  menschenfressende  Hexen  dieselbe 
Rolle  wie  in  unseren  europäischen  Sagen.  In  einer  Geschichte  wird  erzählt,  wie  ein  Monn, 
der  von  den  Cannibalen  ergriffen  ist,  es  zu  machen  weiss,  dass  diese  nicht  ihn,  sondern  ihre 
eigene  Mutter  aufessen.  Wie  ein  Eingeborener  dem  Dr.  Callaway  berichtete , lebten  die 
Amazimu  von  anderen  Menschen  abgeschieden  in  den  Bergen.  Als  das  Land  verwüstet 

Ü Arbousset  et  Daumas,  Relation  dün  royage  d'explorat-  au  Nord-est  de  !a  Cd.  du  Cap  de  Bonne- 
Ksptr.  Paris  1842,  VII,  pag.  105.—  *)  E.  Solanum,  Two  Lecturea  on  tbe  native  tribee  of  the  Interior.  Cap« 
Town,  1855,  p.  02. 


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262 


II.  Schaaffhausen, 


war  und  grosse  Ilungersnoth  herrschte,  entstand  die  Begierde  nach  Menschenfleiseh.  Die, 
welche  Uber  andere  herfielen  und  sie  verzehrten,  nannte  man  Amazimu,  d.  h.  die  Gefrässigen. 
Diese  Leute  wurden  bald  als  ein  besonderes  Volk  betrachtet,  welches  auf  Menschen  Jagd 
machte.  Sie  hatten  ihro  Aecker  und  Heerden  und  Häuser  verlassen  und  wohnten  in  Höhlen. 
Hierher  brachten  sie  ihre  Opfer  und  zogen  dann  wieder  auf  Beute  aus.  Trafen  sie  einen 
Menschen,  der  allein  war,  so  lockten  sie  ihn  und  thaten  freundlich  mit  ihm,  so  dass  er  nichts 
Böses  ahnte,  bis  sie  Uber  ihn  herfielen.  Mit  Anderen  kämpften  sie.  Viele  flohen  vor  ihnen, 
weil  ihr  Aussehen  schrecklich  war,  aber  die  Amazimu  waren  schnell  im  Laufe  und  holten  sie 
ein.  Dr.  Callaway  befindet  sich  aber  in  dem  Irrthum  zu  glauben,  diese  Erzählungen  von 
Cannibalen  in  Südafrika  seien  meist  nur  Erinnerungen  an  die  Einfalle  der  Sklavenjäger. 
Dr.  Boddoo  gicbt  noch  folgenden  Zusatz  zu  diesen  Nachrichten:  „Ein  Engländer,  der  die 
Höhlen  im  Decembor  1868  besuchte,  bemerkt,  dass  die  Cannibalen  den  Menschen  nach  einer 
gewissen  Regel,  wie  der  Fleischer  das  Schaaf,  in  Stücko  hieben;  jeder  Schädel  ist  mit  einem 
Beil  in  der  Gegend  der  Nasenwurzel  auseinander  gehauen,  die  Kiefer  wurden  weggeworfen 
und  das  Hirn  durch  ein  in  den  Schädel  geschlagenes  Loch  herausgenommen;  die  Rippen 
wurden  durchgeschlagen  in  den  Kochtopf  gethan,  die  langen  Knochen  gespalten,  um  das 
Mark  herauszunehmen.  An  vielen  Knochen  war  der  Knorpel  noch  vorhanden  und  man  sah 
die  Spuren  des  Messers,  womit  am  Schädel  das  Fleisch  in  Streifen  war  abgelöst  worden.  Die 
Europäer,  die  in  dem  Angriff  auf  Thaba  Bosigo  fielen,  wurden  sofort  gefressen  in  dem  Glau- 
ben, dass  ihr  Muth  in  den  Leib  derer  übergehe,  die  sie  verschlangen.  Ein  Basuto  gab  an, 
dass  die  Cannibalen  Weiase  und  Schwarze  von  anderen  Stämmen  verzehrten,  aber  keine  Hot- 
tentotten und  keine  Mischlinge.  Sie  assen  Herz  und  Lelier,  thaten  das  Ilirn  in  einen  Lappen 
und  brieten  es  in  heisser  Asche,  dies  geschah  in  guter  Jahreszeit,  wenn  Mangel  herrschte 
assen  sie  den  ganzen  Körper.  Noch  im  letzten  Kriege  wurden  alle  Weisse,  die  in  ihre  Hände 
fielen,  verzehrt.  So  versicherte  der  Basuto,  der  selbst  nie  Menschenfleiseh  gegessen,  aber 
Andere  es  hatte  essen  sehen.“  Diese  Mittheilungen,  deren  Wahrheit  ohne  allen  Grund  ange- 
zweifelt  worden  ist1),  sind  um  so  werthvollor,  als  sie  Uber  den  entsetzlichen  Gebrauch  so 
viele  Einzelnheiten  enthalten,  wie  sie  uns  aus  keiner  andern  Nachricht  bekannt  geworden 
sind. 

Es  muss  auffallen,  dass  aus  dem  Festlande  von  Asien  die  Berichte  Uber  Menschenfresserei 
«ähr  selten  sind.  Die  schon  im  fernsten  Altertbume  zu  hoher  Entwickelung  gekommene  Cul- 
tur  hat  hier  früher  zur  Abschaffung  so  roher  Gebräuche  geführt  als  in  anderen  Ländern. 
Wie  später  die  Römer  vielfach  bei  europäischen  Völkern  grausame  Sitten  beseitigt,  so  halten 
die  alten  Perser  dies  bei  den  asiatischen  Völkern  gethan.  Hat  doch  die  Lehre  des  Zoroaster 
auch  auf  die  Religion  der  Hebräer  mit  ihrem  blutigen  Gottesdienste  während  der  babyloni- 
schen Gefangenschaft  ihren  heilsamen  Einfluss  geübt.  Aber  es  fehlt  doch  nicht  an  Andeutun- 
gen, die  auf  eine  frühere  Verbreitung  des  Caimibalismus  in  Asien  schliessen  lassen.  Martin 
Behaim  erzählt  schon  14f)2  von  dem  Königreich  Dageram  auf  Java,  dass  man  dort  die  Kran- 
ken bei  Zeit  erstieke  und  die  Freunde  das  Fleisch  desselben  mit  grosser  Freude  verzehren 
damit  es  nicht  den  Würmern  zu  Theil  werde.  Die  Battns  auf  Sumatra  sollen  nicht  malayi- 


'(  Ausland.  1669,  Nr.  41. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  263 

sehen , sondern  indoeuropäischen  Ursprungs  sein.  Auch  ihr  Cannibalismus  lässt  sich  weiter 
zurückverfolgen , als  es  in  den  bereits  angegebenen  neueren  Nachrichten  geschehen  ist.  Der 
Venezianer  Conti  berichtet  schon  im  15.  Jahrhundert  von  den  Bewohnern  Sumatras,  die  er 
Barech  nennt,  dass  sie  Menschenfleisch  essen  und  mit  Menschenschädeln  Handel  treiben, 
indem  sie  sich  ihrer  statt  des  Geldes  bedienten.  Im  vorigen  Jahrhundert  erzählt  Marsden 
die  Hinrichtung  der  Verbrecher  und  Gefangenen  in  ähnlicher  Weise  wie  die  neueren  Reisen- 
den, doch  wird  das  Opfer  erst  durch  Lanzenstiche  tödtlich  verwundet,  und  die  Wildheit  Ein- 
zelner ist  so  gross,  dass  sie  mit  den  Zähnen  demselben  das  Fleisch  vom  Leibe  reissen.  Beson- 
ders wichtig  aber  ist  und  scheint  auf  die  ältesten  indischen  Gebräuche  bezogen  werden  zu  dürfen, 
dass,  wie  Leyden  angiebt,  die  Battas  selbst  versicherten,  dass  sie  häufig  ihre  eigenen  Ver- 
wandten, wenn  sie  alt  und  schwach  werden,  verspeisen,  und  zwar  nicht,  um  ihren  Geschmack 
zu  befriedigen,  sondern  um  eine  fromme  Sitte  zu  vollbringen.  Schwache  und  der  Welt  über- 
drüssige Leute  sollen  zuweilen  ihre  eigenen  Kinder  einladen,  sie  zu  essen.  Eine  solche  Person 
besteigt  zur  Zeit  der  Citronenemte  einen  Baum , um  welchen  sich  Freunde  und  Angehörige 
versammeln  und  einen  Todtengesang  anstimmen  des  Inhalts:  „Die  Zeit  ist  gekommen,  die 
Frucht  ist  reif,  sie  muss  herab.“  Das  Opfer  steigt  dann  herunter,  erleidet  den  Tod  und  wird 
bei  einem  feierlichen  Mahle  verzehrt  Vielleicht  darf  man  auf  die  Battas,  der  Aehnlicbkeit 
des  Namens  wegen,  die  Stelle  des  Horodot  *)  beziehen,  woriu  er  sagt,  dass  ein  östlich  woh- 
nendes indisches  Volk,  die  Padäer,  die  Kranken  tödte  und  Vorspeise.  Nach  Leyden  fand 
Menschenfresserei  auch  hei  einer  Bettlerklasse  in  Bengalen  und  anderen  Gegenden  Indiens,  die 
Agorah  Punth  genannt  wird,  statt.  Zimmenannn’)  bemerkt,  dass  diese  Nachriohten  einiges 
Licht  auf  die  den  Zigeunern  früher  vorgeworfene  Menschenfresserei  werfen,  die  eine  alte  aus 
Indien  mitgebrachte  Sitte  gewesen  sein  könnte.  Schon  Grellmann  hat  diese  den  Zigeunern 
in  Ungarn  gemachte  Beschuldigung  in  Zweifel  gezogen.  Crawfurd*)  hält  selbst  den  indi- 
schen Ursprung  der  Zigeuner  für  zweifelhaft  Mehrfach  aber  ist  von  den  eingeborenen  Stäm- 
men Indiens  der  Cannibalismus  berichtet  worden,  wie  auch  das  Menschenopfer  bei  ihnen  noch 
nicht  ganz  verschwunden  ist  Nach  Gairdner  lebt  50  Stunden  von  Calcutta  in  den  Bergen 
noch  eine  Völkerschaft,  die  dem  Genüsse  von  Menschen  fleisch  nicht  widerstehen  kann.  In 
dem  neuen,  auf  Kosten  der  ostindischen  Regierung  herausgegobenen  Werke  von  J.  Larbes 
und  J.  W.  Kaye  über  die  Völker  Indiens  werden  die  Aghori,  gewiss  derselbe  Stamm,  den 
Leyden  Agorah  nennt  aLs  Cannibalen  bezeichnet,  sie  trinken  aus  Menschenschädeln.  Dabei 
wird  an  das  romanische  Wort  ogre  erinnert,  welches  Menschenfresser  bedeutet  Nach  Ellis 
sollen  auch  die  Navas  in  den  Gebirgen  Hinterindiens  in  Hungerjahren  Menschen  verzehren. 
Ueber  den  Cannibalismus  mongolischer  Völker  ist  wenig  bekannt.  Wenn  Jakuten  und  Tungusen 
die  Nachgeburt  ihrer  entbundenen  Weiber  gebraten  oder  gekocht  gemessen,  so  geschieht  dies  aus 
religiösem  Aberglauben.  Auch  die  alten  Hebräer  und  brasilianische  Wilde  assen  dieselbe.  Nach 
einer  älteren  Nachricht  •)  soll  das  Wort  Samojede  „Selbstesser“  oder  „Menschenfresser“  bedeuten, 
nach  Adelung  ist  es  finnisch  und  heisst:  „Suinpfbewohner“,  nach  Leb  rb  erg  russisch  und  bedeu- 
tet „S&lmenesser“.  Die  Ostiaken,  vom  Stamme  der  Samojeden,  haben  vor  einigen  Jahren  noch. 


i)  Herodot  III,  99.  — *)  W.  von  Zimmermann  o.  a.O..  17,  Thl.,  $.  50.  — Ausland,  1863,  Nr.  43. — 
M Prichard,  Naturg-  des  Menschengeschlechts,  HI.  2.  Leipzig  131?.  S.  442. 


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264 


H.  Schaffhausen, 


wie  von  Eichwald  ')  berichtet,  bei  einer  Hungersnoth  ihre  eigenen  Kinder  verzehrt.  Dass  bei 
Belagerungen  und  Hungersnoth  schon  im  vierten  und  fünften  Jahrhundert  vor  Chr.  in  China 
Menschenfresserei  geübt  wurde,  ist  aus  altchinesischen  Schriften  kürzlich  mitgetheilt  worden '). 

Es  war  keine  unrichtige  Voraussetzung,  wenn  inan  bei  Auffindung  von  Resten  des  Men- 
schen aus  der  ältesten  Vorzeit  auch  Bcwoise  des  Caunibalismus  zu  finden  erwartete,  denn 
auch  in  vielen  anderen  Beziehungen  gleicht  der  Urmensch  Europas  dem  heutigen  Wilden  und 
die  ältesten  Sagen  der  Menschheit  gedonken  dieses  Gräuels.  Ich  hatte  schon  früher  es  aus- 
gesprochen *) , dass  man  die  Sitten  der  noch  jetzt  lebenden  wilden  Völker  benutzen  müsse, 
um  sich  ein  Bild  von  den  Anfängen  unserer  eigenen  Cultur  entwerfen  zu  können,  und  als 
man  die  merkwürdigen  üeberbleibsel  des  Menschen  in  einer  Höhle  des  Neandcrthales  fand, 
bemerkte  ich,  dass  dieselben  ein  unerwartetes  Licht  auf  dio  Nachrichten  der  alten  Schrift- 
steller über  die  früheren  Bewohner  des  nördlichen  Europa  werfen , die  meist  als  Cannibalen 
geschildert  werden,  und  dass  sie  ans  den  geschichtlichen  Hintergrund  der  noch  im  Volke 
lebenden  Sagen  und  Mährchon  vom  Menschenfresser  erkennen  lassen1).  Auch  Lubbock  und 
Quatrefages  haben  später  darauf  hingewiesen , dass  man  die  Lebensweise  des  Urmenschen 
aus  den  Zuständen  der  heutigen  Wilden  zu  erklären  habe. 

Wenn  aber  W.  Grimm*)  die  Sage  von  Polyphem,  die  sich  auch  in  Persien  und  der  Tar- 
tarei, bei  den  Serben  und  Rumänen,  bei  den  Estlien  und  Finnen,  in  Norwegen  und  Deutsch- 
land wiederfindet,  nur  als  ein  Beispiel  der  Verbreitung  und  Fortdauer  dichterischer  Ueber- 
lieferung  bezeichnet  und  der  Meinung  ist,  dass  die  ganze  Dichtung,  gleich  der  Sage  von 
Riesen  und  Zwergen , den  Kampf  der  Elemente  in  der  Natur,  den  des  Himmels  und  der 
Unterwelt,  der  Gewalt  und  der  List  schildere,  so  übersieht  der  gelehrte  Sprachforscher  dabei, 
dass  diese  Sage  wohl  als  eine  Erinnerung  an  den  von  Höhlenbewohnern  wirklich  ausgeübten 
Cannibalismus  zu  betrachten  ist,  die  von  dem  dichtenden  Volksgeiste  nur  ein  mythisches  Ge- 
wand erhalten  hat.  Das  eine  Auge  des  Cyklopen  bedeutet  nach  Grimm  das  göttliche  Welt- 
auge, die  Sonne.  Auch  Odin  ist  einäugig  und  auf  der  Akropolis  von  Argos  stand  ein  altes 
geschnitztes  Uolzbild  des  Zeus,  welches  zwei  gewöhnliche  Augen  und  ein  drittes  auf  der  Stirn 
hatte  *).  Die  übereinstimmende  Form  der  Sage  bei  den  genannten  Völkern  beweist  den 
gemeinschaftlichen  Ursprung.  Auch  andere  griechische  Mythen  finden  sich  bei  nordischen 
Völkern  wieder;  in  der  norwegischen  Sage  von  drei  Riesen,  die  nur  ein  gemeinschaftliches 
Auge  haben,  sind  die  drei  Gräen  wieder  zu  erkennen,  in  der  Finstemiss  lebende  Jungfrauen, 
die  nur  ein  Auge  haben,  das  sie  sich  leihen  *).  Deutlicher  noch  als  die  Sage  von  Polyphem  ist 
das  deutsche  Mährchen  vom  Menschenfresser,  der  drei  Kinder  schlachtet  und  einsalzt,  die 
dann  der  h.  Nikolas  wieder  lebendig  macht,  auf  solche  Gräuel  zu  beziehen,  die  der  Einführung 
des  Christenthums  weichen  mussten. 

Die  thatsächlichen  Beweise  für  den  Cannibalismus  der  Vorzeit,  der  ein  Gegenstand  der 
Verhandlungen  des  anthropologischen  Congresses  in  Paris  war*),  sind  noch  nicht  so  zahlreich 


J)  bericht  über  den  internst,  Congresa  für  Allertbumsknnde  und  beschichte  in  Bonn,  1868,  S.  14.  — *1  Aua- 
land,  1800,  Nr.  61.  — *)  lieber  die  Entwickelung  des  Menschengeschlecht*.  Amtl.  Bericht  über  die  Versammlung 
der  Naturforscher  und  Aerrte  in  Bonn  ira  Jahre  1867.  — *J  Müller'a  Archiv,  1858,  V.  — 6)  Philosophische  und  histo- 
rische Abhandlungen  der  kdnigt.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  aus  dem  Jahre  1857. — f)  Pausanias  II, 
21,  3.  — ~j  Aeschylua,  Prometh.  707.  — Cungrea  intemation.  d'Anthrop.  ct  d'Archeol.  p rehist  Paris  1868. 
p.  158. 


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265 


Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

vorhanden,  als  es  häufig  angegeben  wird,  und  bei  der  Deutung  derartiger  Beobachtungen  ist 
die  grösste  Vorsicht  nüthig.  Die  erste  Angabe  machte  Spring,  der  zwischen  den  seit  1842  in 
der  Höhle  von  Chauvaux  gefundenen  Knochen  von  noch  lebenden  Thieren,  als  vom  Ochs,  Hirsch, 
Schaaf,  Schwein,  Hase,  Hund,  Marder,  kleinen  Nagern  und  Vögeln,  menschliche  Gebeine  ent- 
deckte, von  denen  die  Markknochen  ebenso  wie  die  der  Tbiere  in  grössere  und  kleinere  Stücke 
zerbrochen  waren,  wie  um  das  Mark  herauszunchmen,  und  zerstreut  umher  lagen.  Es  fanden 
sich  nur  Knochen  von  Kindern  und  jungen  Personen,  aber  kein  Knochen  eines  Erwachsenen, 
ferner  Stücke  gebrannten  Thonos  und  Holzkohlen;  in  einem  Scheitelbein  steckte  eine  Stein- 
waffo.  Er  schloss  aus  diesen  Zeichen , dass  hier  ein  Fall  von  Cannihalismus  der  alten  Belgier 
vorliege,  prüfte  alter  wiederholt  seine  Beobachtungen  und  veröffentlichte  sie  erst  nach  einer 
Reihe  von  Jahren  ').  Dennoch  bleiben  in  Bezug  auf  diese  Deutung  noch  einige  Zweifel  übrig. 
In  dem  Berichte  wird  nicht  gesagt,  dass  die  Knochen  vorzugsweise  der  Länge  nach  gespalten 
seien,  wie  es  zu  geschehen  pflegt,  um  das  Mark  herauszunehmen,  auch  findet  sich  keine  Spur 
des  schabenden  Messers  im  Markkanal.  Die  Bruchflächen  sind  nicht  abgerundet,  weil  die 
Knochen  nicht  im  Wasser  fortgerollt  waren;  aber  können  sie  nicht  in  der  Höhle  begraben  und 
durch  Raubthiere  oder  herabgestiirzte  Steine  später  zerbrochen  worden  sein?  Dass  einige  Kno- 
chen angebrannt  und  verkohlt  gewesen  seien,  wird  in  dem  Berichte  nicht  gesagt,  wiewohl  in 
neueren  Anführungen  des  Fundes  davon  die  Rede  ist*).  Spring  sagt  vielmehr,  dass  die  Auf- 
findung des  unveränderten  Knochenknorpels  in  vielen  Stücken  durch  Stas  ihn  überzeugt  habe, 
diese  Knochen  seien  nicht  durch  das  Feuer  calciuirt,  was  er  vorher  wegen  ihrer  leichten  und 
mürben  Beschaffenheit  vermuthet  hatte.  Aber  auch  der  fast  gänzliche  Mangel  organischer 
Materie  in  fossilen  Knochen  beweist  nicht,  dass  dieselben  durch  das  Feuer  calcinirt  sind, 
indem  der  Zutritt  von  Wasser  und  Luft  allein  ihnen  dieselbe  entziehen  kann.  Erst  durch 
eine  briefliche  Mittheilung  Spring’s  an  mich  vom  25.  August  dieses  Jahres  erfahre  ich,  da&s 
wirklich  einige  Knochenstücke  die  Spuren  des  Feuers  an  sich  tragen,  indem  sie  zum  Theil 
verkohlt  sind.  Auch  diese  Thatsache  ist  für  den  Cannihalismus  noch  nicht  entscheidend. 
Ich  selbst  Bprach,  als  bei  Uelde  in  Westphalen  im  Felde  zwischen  grossen  aufgerichteten  Steinen 
eine  bedeutende  Anzahl  menschlicher  Knochen,  die  alle  zerbrochen  und  zum  Theil  der  Länge  nach 
gespalten  waren  und  deutlich  frische  Bruchflächen  mit  mürben  Rändern  und  alte  acharfrandige 
unterscheiden  Hessen,  mit  Feuersteinmessern,  knöchernen  Geräthen  und  durchbohrten  Thier- 
zähnen nebst  aufgeschlagenen  Pferdeknochen  gefunden  wurden,  die  Vermuthung  aus,  dass 
uns  hier  der  Rest  eines  Cannibalenschmauses  aufbewahrt  sei,  bis  ich  aus  einem  späteren  von 
mir  erbetenen  genauen  Berichte  über  die  Art  der  Auffindung  erfuhr,  dass  7 Jahre  früher 
dieselben  Gebeine  der  alten  Grabstätte,  unter  denen  sich  auch  solche  von  Kindern  befanden, 
bereits  einmal  ausgegraben  worden,  und  von  den  Landleuten,  weil  diese  die  erwarteten 
Schätze  dabei  nicht  fanden,  in  Stücke  geschlagen  und  wieder  begraben  worden  seien.  Da 
man  also  früher  die  festen  Theile  der  Knochen  mit  Gewalt  zerschlagen  hatte,  während  bei 
der  letzten  Auffindung  vielfach  die  Knochen  an  ihren  mürben  Stellen  zerbrochen  waren,  so 
erklärten  sich  alle  Umstände  des  Fundes1).  Vogt  wagte  nicht,  einen  zerschlagenen  mcnsch- 

b Bullet  de  l'Aoad.  royale,  XX,  S.  Bruxellea  1853,  p.  427.  — 2t  Revue  des  cours  scientif.  de  1&  France  et 
de  l’Etranp.  Paris,  12  F6rr.  1870.  — a)  Verhandlungen  des  naturbistorischen  Vereins.  Bonn  1866.  Correspon- 
denzblatt  8.  64. 

Archiv  Ar  Anthropologie,  B<J  IV.  Hoft  III.  £4 


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266 


H.  Sc huaff hausen 


liehen  Radius,  den  Messikomer  bei  Robenhausen  gefunden,  als  ein  sicheres  Zeichen  desCanni- 
balismus  zu  deuten.  Dasselbe  gilt  von  den  zerbrochenen  und  zerstreut  aufgefundenen  Men- 
schenknochen, die  Roujou  bei  Villeneuve-Saint- Georges  in  der  Nähe  von  Feuerstellen , wo 
auch  Thierknochen  lagen,  gefunden  bat.  ln  der  Höhle  von  Bruniquel  fand  de  Lastic  einen 
Schädel  mit  eingeritzten  Streifen  auf  der  Oberfläche,  als  sei  das  Fleisch  von  ihm  mit  einem 
scharfen  Werkzeug  abgeschabt  worden.  A.  de  Longpdrier  warnt  davor,  in  jedem  zerbrochenen 
oder  bearbeiteten  Menschenknochen  einen  Beweis  des  Cannibalismus  finden  zu  wollen.  Er 
macht  auf  eine  merkwürdige  Art  der  Bestattung  aufmerksam ; in  Corsika  bat  man  cylindri- 
sche  Kriige  gefunden,  in  denen  man  die  vorher  zerbrochenen  Gebeine  der  Todten  bestattete 
und  sie  dann  dem  Feuer  aussetzte.  Auch  erwähnt  er  einen  sehr  alten  menschlichen  Knochen, 
aus  dem  man  eine  Flöte  gemacht  hatte.  Wenn  er  aber  anführt,  dass  man  aus  Resten  jugend- 
licher Personen  schon  deshalb  nicht  auf  religiösen  Cannibalismus  schliessen  dürfe , weil  man 
zu  Menschenopfern  Greise  bestimmt  habe,  so  kann  diese  Angabe  nur  in  beschränktem  Sinne 
richtig  sein;  wir  wissen,  dass  bei  vielen  Völkern  gerade  das  Opfern  von  Kindern,  Jünglingen  und 
Jungfrauen  üblich  war.  Clöment  fand  in  den  Pfahlbauten  von  St.  Aubin  durchbohrte  und 
bearbeitete  Menschenknochen,  sie  lagen  unter  dem  Eingang  in  den  Pfahlbau,  bIb  seien  sie, 
vom  Fleische  befreit,  senkrecht  ins  Wasser  hinabgefallen;  der  Berichterstatter  meint,  dass  die  mit 
den  Weichtheilen  versehenen  Körper  von  der  Strömung  würden  fortgeführt  worden  sein.  Broca 
sah  ein  menschliches  Femur  in  der  Sammlung  von  Clümcnt,  an  welchem  die  Markhöhle  ver- 
grös8ert  und  wie  mit  einem  Instrument  ausgetieft  war.  Worsaae  theilte  dem  anthropolo- 
gischen Congresse  in  Kopenhagen  mit,  dass  er  einen  Dolmen  bis  unter  den  Deckstein  so  mit 
Menschenknochen  ungefüllt  gefunden  habe,  dass  man  schliessen  musste,  es  seien  hier  nicht 
Leichen  sondern  Knochen  bestattet  worden.  Am  Boden  zeigten  sich  Spuren  dos  Feuors  und 
angebrannte  Thierknochen.  Nicht  fern  von  jenen  lagen  zerstreut  in  der  Grabkammer  auf- 
geschlagene und  angebrannte  Menschenknochen.  Die  aufgeschlagenen  sahen  nach  dem  Ur- 
theile  Springs  gerade  so  aus  wie  die  aus  der  Höhle  von  Chauvaux.  Steenstrup  be- 
merkte indessen,  dass  die  langen  Knochen  der  Säugethiere  oft  von  selbst  beim  Verwittern 
sich  der  Länge  nach  spalteten,  und  dass  zum  Beweise,  sie  seien  im  frischen  Zustande  aufge- 
schlagon,  man  die  Spur  des  Schlages  finden  müsse.  Die  Schädel  aus  diesem  Dolmen,  die  ich 
in  Kopenhagen  sah,  waren  an  einzelnen  Stellen  stark  verkoldt,  im  Uebrigen  aber  unver- 
ändert, was  mehr  für  eine  zufällige  als  für  eine  absichtliche  Verbrennung  spricht.  Worsaae 
möchte  diese  Bestattung  eher  auf  ein  Menschenopfer  als  auf  Cannibalismus  beziehen.  Zur 
Annahme  des  letzteren  sind  Spuren  des  Feuers  an  den  Knochen  keine  nothwendige  Bedin- 
gung, wir  wissen,  dass  einige  Menschenfresser  wie  die  Basutos  das  Menschenfleisch  gekocht 
gemessen,  andere  gemessen  es  roh.  Auch  die  Samojeden  verzehren  das  Mark  der  frischen 
Rennthierknochen  im  rohen  Zustande.  Neuerdings  glaubt  Garrigou1)  in  der  Grotte  von 
Montesquieu- Avantes  Spuren  der  Anthropophagie  gefunden  zu  haben.  Es  lagen  Knochen 
von  Wiederkäuern  und  vom  Menschen  zusammen,  die  in  derselben  Weise  aufgcschlagen  sind, 
doch  sind  auch  feine  Striche  eines  schneidenden  Werkzeugs  daran  sichtbar,  einige  sind  zur 
Hälfte  verkohlt.  Die  menschlichen  Reste  sind  Stücke  des  Schädels  und  der  Glicdmassen- 

! Comptes  reiädua,  24  Jan.  1 870, 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  267 

knochen,  an  diesen  ist  der  Markkanal  künstlich  erweitert.  Auch  in  einer  Grotte  auf  der 
Insel  Galmeria  wurden  Steinwerkzeuge,  Thier-  und  Menschenknochen  von  solcher  Beschaffen- 
heit zusammen  gefunden  *),  dass  sie  nach  Capellini  mit  Wahrscheinlichkeit  als  Beweise  der 
Anthropophagie  anzusehen  sind. 

Das  Menschenopfer  ist  bei  allen  rohen  Völkern  ein  Theil  des  Gottesdienstes  und  erhält 
sich  oft  bis  in  eine  Zeit,  wo  dieselben  in  jeder  anderen  Beziehung  schon  einer  vorgeschrit- 
tenen Cnltur  theilhaftig  sind,  denn  die  Fortbildung  religiöser  Ideen  und  Gebräuche  geschieht 
viel  langsamer  als  jeder  andere  Fortschritt  des  menschlichen  Geistes.  Mau  hat  behauptet, 
dem  Menschenopfer  liege  die  Vorstellung  zu  Grunde,  dem  Gotte  Nahrung  und  Genuss  darzu- 
bieten. Dass  es  sich  beim  Opfern  von  Thieren  so  verhält,  ist  sehr  wahrscheinlich,  denn  das 
Opferfleisch  wird  bei  Homer  wie  bei  Moses8)  mit  Salz  bestreut,  um  es  schmackhafter  zu 
machen,  und  der  Duft  des  bratenden  Fleisches  wird  als  dem  Gotte  wohlgefällig  geschildert, 
os  ist  in  Fett  gewickelt  und  Wein  darauf  gesprengt  *).  Häufig  mögen  diejenigen,  welche  Men- 
schenopfer darbrachten,  vorher  Menschenfleisch  gegessen  haben;  die  gottesdienstliche  Hand- 
lung wurde  vielleicht  deshalb  eingeführt , um  den  hässlichen  Gebrauch  auf  seltene  Fälle  zu 
beschränken.  Oft  wird  auch  bei  Menschenopfern  von  dem  Blute  getrunken  und  von  dem 
Fleische  gegessen  und  im  alten  Testamente  werden  die  Menschenopfer  geradezu  Speise  der 
Götter  genannt  Auch  hat  schon  F.  A.  Wolf4)  wie  viele  neuere  Schriftsteller  das  Menschen- 
opfer auf  den  Cannibalismus  zurückzufÜhren  gesucht  Man  wird  indessen  nicht  in  Abrede 
stellen  können,  dass  es  oft  nur  eine  blutige  Grausamkeit  und  ein  wildes  Rachegefuhl  ist, 
welches  den  überwundenen  Feind  dem  Kriegsgotte  zu  Ehren  schlachtet  Alle  Menschenopfer 
sind  gewiss  nicht  aus  dem  Cannibalismus  entstanden.  Vielen  liegt  die  Vorstellung  der  Sühne 
zu  Grunde.  Wie  man  einen  Zürnenden  oder  den,  welchen  man  beleidigt  hat,  mit  Geschenken 
überhäuft  um  seine  Gunst  wiederzugewinnen,  so  opfert  man  freiwillig  das,  was  einem  das 
Liebste  ist,  um  den  strafenden  Gott  zu  versöhnen,  um  ein  Unglück  abzuwenden.  Die  Erstlinge 
der  Pflanzen  und  Thiere  werden  ihm  dargebracht  oder  der  neugeborene  noch  von  keiner 
Schuld  befleckte  Säugling  oder  die  reine  Jungfrau,  In  dem  Judenthum  wird  dieser  Gedanke 
sehr  bestimmt  ausgesprochen,  denn  der  alte  Gott  der  Juden  ist  ein  zürnender  Gott,  den  man 
fürchten  soll  Im  Buche  Sohar  heisst  es:  der  Tod  des  Gerechten  versöhnt  die  Sünden  der 
Welt1).  Selbst  Origenes  glaubt  noch,  dass  bei  grossen  Landplagen  der  freiwillige  Tod  eines 
frommen  Mannes  die  Gottheit  versöhnen  könne4).  In  den  religiösen  Vorstellungen  unserer 
Zeit  sind  die  letzten  Spuren  dieser  Anschauung  noch  nicht  verschwunden,  werden  aber  einer 
höheren  Auffassung  des  göttlichen  Wesens  weichen  müssen.  Wenn  Plato  sagt:  Heute  sehen 
wir,  dass  Menschen  geopfert  werden,  während  man  einst  nicht  einmal  vom  Binde  essen  mochte 
und  den  Göttern  keine  Thiere  opferte T),  so  konnte  er  nur  altindische  Satzungen,  die  den 
Fleischgenuss  verboten,  im  Sinne  haben  und  kannte  die  Verbreitung  der  Menschenopfer  bei 
wilden  Völkern  nicht.  In  edlem  Eifer  ruft  Plutarch  aus:  Nein,  keinem  der  Wesen  über  uns 
ist  ein  so  verbrecherisches  Opfer  wohlgefällig;  es  walten  nicht  Typhonen  und  Giganten,  son- 


i)  Le»  Monde»,  1870.  Nr.  5.  — »)  3.  Buch  Mo»  2,  18, — s)  Odjruee  III,  457.  — 4|  F.  A.  Wolf,  T*rmi»ehto 
Schriften.  Halle  1802,  8.  271.  — •)  Ofrörer,  Philo  II,  198.  — *)  Origene»  contra  CeU.  I,  p.  549.  Ed.  Pari».  — 
T)  Plato,  De  legibus  VI,  22. 

34* 


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268  H.  Schaaffhausen, 

dem  ein  Vater  über  Götter  und  Menschen  thront  über  ans,  Thorheit  ist  es,  an  niedere  Götter 
zu  glauben,  die  sich  an  Menschenblut  und  Menschenmord  weiden. 

Dass  in  der  alten  Geschichte  Aegyptens,  welches  mit  Indien  um  die  Ehre  streitet,  die 
älteste  Wiege  der  menschlichen  Cuttur  zu  sein,  mehr  von  der  Abschaffung  der  Menschenopfer 
als  von  ihrem  Bestehen  berichtet  wird,  kann  nicht  überraschen.  Nach  Manethon  wurden 
bis  zum  König  Amasis  in  Aegypten  täglich  im  Tempel  zu  Heliopolis  drei  Menschen  dem  Typhon 
verbrannt.  Als  Amasis  die  Hyksos  vertrieben  hatte,  schaffte  er  diese  Opfer  ab  und  liess  statt 
der  Menschen  täglich  drei  Kerzen  verbrennen.  Nach  Diodor  waren  die  Menschenopfer  bei  den 
Aethiopiern,  die  Homer  die  besten  der  Menschen  nennt  und  von  denen  Herodot1)  sagt,  das» 
man  sie  in  Aegypten  für  die  schönsten  und  grössten  Menschen  halte,  so  in  Abnahme  gekom- 
men, dass  nur  alle  600  Jahre  zwei  Menschen  geopfert  wurden;  diese  wurden  aber  nicht  ge- 
tödtet,  sondern  in  einen  Kahn  auf  einen  Strom  gesetzt,  der  nach  Süden  floss.  Derselbe 
Schriftsteller  berichtet,  dass  die  Könige  von  Aegypten  ehemals  am  Grabe  des  Osiris  Menschen 
mit  rotlien  Haaren  geopfert  hätten,  weil  man  glaubte,  dass  sie  dem  Typhon  glichen9).  Flutarch 
erzählt,  dass  man  in  Aegypten  an  die  Stelle  des  zu  opfernden  Menschen  einen  Stier  gesetzt 
habe.  Diesem  wurde  ein  Siegel  aufgedrückt,  auf  dom  ein  Mensch  in  knieeuder  Stellung,  die 
Hände  auf  den  Rücken  gebunden,  mit  einem  Messer  an  dor  Kehle  abgebildet  war.  Der 
König  Busiris  aber  soll  Fremde  als  Opfer  geschlachtet  und  von  ihrem  Fleische  gegessen  haben. 

Ueber  die  allgemeine  Uebnng  der  Menschenopfor  bei  den  alten  Hebräern  hat  uns  mit 
Anführung  der  zahlreichsten  Belege  aus  den  mosaischen  Schriften  Ghillany4)  aufgeklärt. 
Das  Menschenopfer  war  ein  durch  Moses  anerkannter  und  wesentlicher  Theil  des  öffentlichen 
Gottesdienstes  während  der  ganzen  Dauer  der  Reiche  Juda  und  Israel  bis  in  die  Zeit  der 
babylonischen  Gefangenschaft.  Erst  den  späteren  Propheten  gelang  es,  dasselbe  abzuschaffen. 
Der  alte  Gott  der  Juden  ist  ein  Gott  des  Zornes  und  der  Tücke,  dessen  Flüche  uns  mit 
Schauder  erfüllen1).  Es  kann  uns  nicht  wundern,  wenn  seine  Altäre  von  Menschenblut 
rauchten,  wie  die  der  benachbarten  Völker,  der  Cananitcr,  Babylonier  und  Phönizier.  Es  ist 
ein  grosser  Irrthum,  wenn  Scherr4)  und  Andere  behaupten,  die  alten  Juden  hätten  an  kein 
böses  Princip  geglaubt.  Dass  die  fünf  Bücher  Mosis  einen  sehr  verschiedenen  Ursprung 
haben,  und  wahrscheinlich  mit  Benutzung  der  ältesten  Aufzeichnungen  erst  in  der  babyloni- 
schen Gefangenschaft  entstanden  sind,  dass  dio  herrschende  Priosterkaste  aber  bemüht  war, 
die  nun  eingeführten  Gesetze  bis  auf  Moses  zurückzuführen,  um  ihnen  ein  grösseres  Ansehen 
zu  geben,  dass  also  der  Geist  der  späteren  Propheten  auf  die  ältesten  Zeiten  übertragen 
wird,  das  darf  als  durch  die  kritischen  Forschungen  der  neuern  Zeit  bewiesen  angesehen  wer- 
den. Wie  soll  Moses  der  Verfassor  der  mosaischen  Urkunde  sein,  da  sein  eigener  Tod  darin 
berichtet  wird,  und  die  Sprache  derselben  ebenso  vollendet  ist  wie  die  aus  den  letzten  Zei- 
ten des  Reiches  Juda.  Dio  strengen  Verbote  gegen  Götzendienst  und  Menschenopfer,  denen 
das  ganze  Volk  ergeben  war,  können  nicht  wirklich  von  Moses  erlassen  sein,  denn  als  Moses 
vom  Sinai  herabkommt , befiehlt  er  selbst  Menschenopfer.  Aaron's  Söhne  werden  geopfert. 
Auch  hatte  ja  Gott  selbst  dem  Abraham  befohlen,  seinen  Sohn  Isaak  zu  opfern.  Ghillany 

ü Herodot  III,  20.  — *)  Diodor,  Sicul.  I,  88. — *)  F.  W.  Ghillany,  die  Menschenopfer  der  alten  Hebräer. 
Nürnberg  1812.  — *)  8.  Buch  Mo».  26,  24.  6.  Bach,  28,  67.  — 4)  Scherr,  Geschichte  der  Religion.  Leipzig  1860, 
II,  S.  116. 


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269 


Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

deutet  auch  die  Stelle,  wo  Jehova  dem  Moses  befiehlt,  die  Häupter  des  Volkes  vor  der  Sonne 
aufzuhängen  '),  a's  Menschenopfer,  und  erinnert  daran,  wie  in  anderen  Priesterstaaten  de« 
Alterthums,  zumal  in  Meroe,  nach  des  Diodor  Bericht  der  König  geopfert  wurde.  Er  ver- 
muthet  sogar,  dass  Aaron,  der  von  Moses  auf  den  Berg  Hör  geführt  wird,  wo  er  stirbt,  von 
Moses  sei  geopfert  worden.  Auch  Moses  stirbt  auf  dem  Berge  Abarim,  der  dem  Baal  Feor 
heilig  ist,  was  einem  Vordachte  über  die  Art  seines  Todes  Raum  giebt.  Wenn  die  Propheten 
stets  den  herrschenden  Götzendienst  als  einen  Abfall  vom  Glauben  der  Väter  bezeichnen, 
so  fehlt  uns  jeder  Beweis  für  die  Annahme,  die  alten  Hebräer  hätten  einst  eine  reinere  Re- 
ligion gehabt,  sie  übton  vielmehr  den  grausamen  Gottesdienst  aller  ihnen  stammverwandten 
Völker.  Wie  kann  die  Uebung  einer  besseren  Religion,  zu  der  sich  schon  ein  ganzes  Volk 
erhoben,  wieder  bis  zu  den  Gräueln  des  Menschenopfers  herabsinkon  und  zwar  so,  das3  auch 
der  Versuch  einer  Wiedererhebung  scheitert?  Das  wird  in  der  Geschichte  nirgends  beobach- 
tet, wohl  aber  ist  das  Gegentheil  die  Regel,  nämlich  dass  die  Barbarei  der  Bildung  vorher- 
geht. Mag  auch  der  Monotheismus  bei  einzelnen  Nomadenstämmen  der  patriarchalischen  Zeit 
Bich  schon  früh  entwickelt  haben8)  und  in  Aegypten , wo  Moses  erzogen  und  nach  Manethon 
ein  Priester  von  Heliopolis  war,  bewahrt  und  weiter  gebildet  worden  sein,  so  haben  doch 
erst  die  späteren  Propheten  eine  reine  Gottesverehrung  aufgestellt  und  es  ist  bedeutsam,  dass 
das  Auftreten  derselben  in  dieselbe  Zeit  fallt,  in  der  sich  die  Lehre  des  Zoroaster  in  Medien 
und  Persien  verbreitete.  Wiewohl  auch  Renan  erklärt,  dass  der  Monotheismus  sich  in  der 
Geschichte  Israels  schon  ein  Jahrhundert  vor  der  babylonischen  Gefangenschaft  deutlich  nach- 
weisen  lasse,  so  wird  doch  fast  allgemein  zugegeben,  dass  der  alte  Glaube  der  Juden  erst  durch 
den  Einfluss  der  Zondreligion  in  Babylon  sich  veredelt  und  die  Vorstellungen  von  guten  und 
bösen  Engeln,  von  Himmel  und  Hölle,  von  Auferstehung  der  Todten,  von  Unsterblichkeit  und 
Weltgericht  in  sich  aufgenommen  habe.  Den  Bestrebungen  der  Propheten,  den  blutigen 
Götzendienst  auszurotton,  kam  auch  die  Herrschaft  der  Perser  zu  Hülfe,  die  kein  Menschen- 
opfer und  kein  Bild  der  Gottheit  duldeten.  Jeremias 3)  eifert  gegen  die  Menschenopfer,  ebenso 
Ezechiel  <);  dieser  sagt,  dass  Jehova  den  Juden,  angeblich  um  sie  zu  züchtigen,  in  der  Wüste 
ein  Gesetz  gegeben  habe,  welches  nicht  gut  gewesen  sei,  nämlich  das  Gesetz,  die  Erstgeburt 
zu  opfern.  Auch  Micha 5)  tadelt  diese  Opfer,  Mehrfach  fordert  Jehova  das  Opfer  der  Erst- 
geburt von  Mensch  und  Vieh'*)  Baal  und  Moloch  werden  als  die  Gottheiten  genannt,  deneu 
Menschenopfer  gebracht  werden,  einige  Stellen  sprechen  von  Menschenopfern,  ohne  einen  Gott 
namhaft  zu  machen;  meist  wird  nicht  einem  Gotte,  sondern  den  Göttern  dies  Opfer  gebracht. 
Jeremias  sagt,  dass  die  Juden  dem  Baal  Kinder  verbrennen.  Jesaias’)  deutet  auf  Kinder- 
opfer, die  unter  grünen  Bäumen  gebracht  werden  und  mit  geschlechtlichen  Ausschweifungen, 
wahrscheinlich  zu  Ehren  der  babylonischen  Aschera,  verbunden  sind.  Derselben  Opfer  gedenkt 
Ezechiel*).  Ghillany  macht  darauf  aufmerksam,  dass,  wenn  von  Menschenopfern  in  Thälem 
die  Rede  ist,  dieses  auf  Abwaschen  der  Hände  und  Geräthschaften  mit  fliessendem  Wasser 
deute.  Der  Gräuelbissen,  von  dem  in  den  Schriften  der  Propheten  die  Rede  ist9),  darf  auf 
den  gottesdienstlichen  Genuss  des  Menschondeisches  bezogen  werden.  Nur  zwei  Könige  Judas, 

*)  4.  Buch  Mu«.  26,  4.  — -*)A.  Röville,  la  religion  primitive  düsrael.  Revue  des  deux  mondes  t. 83.  Paris  18e9. 
p.  76.  — *)  Jeremias  19,  6 und  32,  36.  — 4)  Ezechiel  20,  25.  — 6)  Micha  6,  7.  — *)  2.  Buch  Mos.  13,  2 und  22, 
29  und  30.  — ’)  Jesaias  67,  3.  — B)  Eseehiel  16,  36.  — *)  2.  Buch  der  Könige  18  bis  23. 


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270 


H.  Schaaffhausen, 


Hi. skia  und  Josia  ')  versuchen  den  babylonischen  Götzendienst  abzuachaffen , aber  es  gelingt 
ihnen  nicht.  Schon  Hiskia’s  Sohn  Manassee  führt  den  Götzendienst  wieder  ein  und  opfert 
Beinen  Sohn.  Unter  Josia  findet  man  endlich  eine  angeblich  uralte  im  Tempel  aufbewahrte 
schriftliche  Urkunde,  welche  das  neue  Gesetz  bestätigen  soll;  aber  auch  Josia's  Sohn  that 
„was  dem  Herrn  Übel  gefiel,  wie  seine  Väter  gethan  hatten“.  Wie  hat  man  je  daran  zweifeln 
können,  dass  die  alten  Juden  eine  bo  blutige  Religion  bekannten!  Ghillany  entwirft  ein 
erschreckendes  Bild  der  ohne  Unterlass  geübten  Menschenopfer.  Abraham  opfert  den  Isaak, 
Moses  opfert  seinen  Sohn,  zur  Feier  der  Gesetzgebung  auf  dem  Sinai  veranstalten  die  Israe- 
liten ein  grosses  Menschenopfer.  Aarons  Söhne  Nadab  und  Abihu  werden  geopfert.  Zur 
Sühne  Jehova’s,  der  eine  Fest  gesandt  hat,  sterben  israelitische  Hauptleute  den  Opfertod,  den, 
wie  es  scheint,  Aaron  und  Moses  selbst  erleiden.  Josua’)  opfert  die  gefangenen  Könige, 
Jephtha  opfert  seine  Tochter.  Samuel  opfert  eigenhändig  den  gefangenen  wehrlosen  Agag, 
den  König  der  Amalekiter.  Als  David  die  Bundeslade  nach  Jerusalem  bringt,  wird  Usa 
geopfert.  David  opfert  die  Kriegsgefangenen,  die  er  auf  den  Boden  hinstrecken  lässt  und  mit 
der  Messschnur  zur  Hinrichtung  abmisst.  Zur  Abwendung  der  Hungersnoth  lässt  David*) 
Saul’s  männliche  Nachkommen  opfern.  Von  diesem  WTUthenden,  der  die  gefangenen  Feinde 
zersägen,  mit  eisernen  Keilen  zerstückeln  und  verbrennen  liess,  können  die  Psalmen  nicht 
herrühren,  deren  erhabener  Inhalt  uns  erbaut.  Menschenopfer  finden  unter  Salomo  statt  und 
unter  den  Königen  im  Reiche  Israel.  Elia  schlachtet  mit  eigner  Hand  450  Priester  des  Baal. 
Die  Menschenopfer  bleiben  unter  den  Königen  im  Reiche  Juda,  wie  in  der  babylonischen  Ge- 
fangenschaft! Alles,  was  die  Juden  cberem,  „verbannt“,  nannten  und  dem  Jehova  weihten, 
musste  getödtet  werden,  zumal  die  Kriegsgefangenen  *).  Die  Uebereinstimmung  des  israeliti- 
schen Gottesdienstes  mit  dem  babylonischen  und  phönizischen  geht  aus  allen  uns  erhaltenen 
Berichten  hervor.  Jehova  ist  ursprünglich  der  Sonnengott;  er  wird  mehrmals  ein  fressend 
Feuer  genannt;  Moses  verbot  von  ihm  ein  Bild  zu  machen.  Auch  im  Tempel  zu  Hieropolis 
in  Syrien  war  kein  Bild  des  Sonnengottes,  nur  sein  Thron,  auch  die  Syrer  durften  kein  Bild 
von  Sonne  und  Mond  machen , weil  sie  am  Himmel  sichtbar  waren  *).  Ebenso  war  im  Tem- 
pel des  Sonnengottes  Bel  auf  dem  babylonischen  Thurm  kein  Bild  des  Gottes,  aber  ein  Lager 
und  ein  Tisch*),  und  auch  die  Perser  hielten  es  für  thörigt,  Götterbilder,  Tempel  und  Altäre 
zu  errichten,  sie  brachten  auf  den  Gipfeln  der  Berge  Opfer  und  riefen  den  ganzen  Kreis  des 
Himmels  als  Zeuge  an’).  Herodot’s  Beschreibung  des  Tempels  in  Babylon  passt  auf  den  in 
Jerusalem,  dort  wie  hier  gab  es  einen  grossen  und  einen  kleinen  goldenen  Altar,  auf  jenem 
wurden  grosse  Thiere,  auf  diesem  nur  Milch  saugende  Geschöpfe  geopfert.  Der  Altar  der  He- 
bräer hatte  vier  Stierhörner,  dazwischen  brannte  das  ewige  Feuer.  Erst  Moses  befahl  ihn  aus 
Stein  und  Erde  aufzurichten,  ursprünglich  war  der  Brandopferaltar  aus  Kupfer  und  hohl,  und 
erinnert  an  die  Molochbilder  der  Phönizier,  in  deren  Bauche  die  Opfer  verbrannt  wurden. 
Jehova  wurde  von  den  Israeliten  häufig  unter  dem  Bildo  des  Stiers  verehrt.  Das  ursprüng- 
liche Bild  des  Baal  bis  zur  babylonischen  Gefangenschaft  war  eine  steinerne  Säule,  vielleicht 
ein  Phallus.  Bis  zur  Eroberung  Jerusalems  standen  vor  dem  Tempel  die  beidon  Phallen  mit 


')  Jesaja*  65,  4.  — •))  Jesu»  10,12.  — *)  2.  Bach  Samnelia  21,  9.  — *)  S.  Bach  Ho*.  27,  28  and  20,  16.— 
•)  Luaina  de  dea  Syr.  34.  — •)  Herodot  1,  181.  — ’)  Horodot  I,  181. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  271 

den  Granatäpfeln,  als  Symbole  des  alten  Götzendienstes.  Herodot  fand  noch  im  5.  Jahr- 
hundert vor  C'hr.  in  Palästina  Säulen  mit  weiblichen  Schamgliedern,  die  Sesostris  hatte  er- 
richten lassen.  Wie  David  vor  der  Bundeslade  tanzte,  so  gab  es  im  Baaldienst  Musik  und 
Tanz.  Wie  die  Juden  trauerten  die  Phönizier  in  Sack  und  Asche;  und  wie  sie  hielten  auch 
die  Aegypter.  das  Schwein  für  unrein.  Wenn  Moses  den  Priestern  gebietet  Hosen  zu  tragen, 
um  die  Scham  zu  bedecken  so  deutet  dies,  wie  Gbillany  meint,  auf  Entblössung  der  Scham 
im  Dienst  des  Baal-Peor.  Die  Propheten  sind  noch  nackt,  wenn  sie  prophezeien,  wie  von 
Saul  erzählt  wird.  Wie  nach  Herodot  die  babylonischen  Weiber  sich  zu  Ehren  der  Aschers 
Preis  geben,  was  man  mit  Böttiger  für  einen  Ersatz  des  Menschenopfers  halten  kann,  so 
verbietet  Moses  *)  den  jüdischen  Frauen  sich  um  Lohn  Preis  zu  geben  und  diesen  Lohn  für 
den  Tempel  zu  bestimmen,  wie  es  noch  in  Indien  geschieht.  Das  Paschafest  der  Hebräer  ist  das 
phönizische  Fest  des  Saturn,  dem  Menschenopfer  gebracht  wurden;  später  vertrat  das  Oster- 
lamm die  Stelle  eines  Menschen,  wahrscheinlich  eines  unschuldigen  Kindes.  Ein  Thieropfer  als 
Ersatz  des  Menschenopfers  kommt  im  Alterthum  wie  bei  wilden  Völkern  häufig  vor.  Gott  sendet 
dem  Abraham  einen  Widder,  den  er  statt  des  Isaak  schlachtet,  in  Griechenland  wird  statt 
der  schönen  Helena  eine  Kuh,  statt  der  Iphigenia  ein  Hirsch,  statt  des  Plirixus  ebenfalls  ein 
Widder  geopfert.  Das  Verbot,  dass  dem  Paschalamme  kein  Bein  gebrochen  und  das  Fleisch 
nicht  roh  gegessen  werden  durfte,  bezieht  Gbillany  mit  Recht  auf  den  Genuss  des  Tohen 
Fleisches  und  Markes  in  der  ältesten  Zeit.  Dass  vom  Paschalamme  mindestens  ein  Stück 
von  der  Grösse  einer  Olive  gegessen  werden  musste,  als  wenn  es  ein  Gegenstand  des  Abscheus 
sei,  und  dass  Frauen  nicht  gezwungen  waren,  davon  zu  essen,  deutet  auf  Gebräuche,  wie  sie 
beim  Menschenopfer  üblich  sind.  Wenn  Justinus  Martyr  angiebt,  dass  das  Paschalamm 
bei  der  Zubereitung  zum  Mahle  mit  zwei  Bratspicsscn  durchbohrt  wurde,  welche  mit  einan- 
der ein  Kreuz  bildeten,  so  darf  man  auch  diesen  Umstand  als  auf  die  Kreuzigung  eines 
Menschen  hinweisend  deuten  ').  W as  vom  Paschalamme  übrig  blieb,  musste  verbrannt  wer- 
den. Noch  heute  pflegen  dio  Juden  beim  Osterfesto  alles  Hausgerätlie  durch  Feuer  zu  reini- 
gen, und  die  Erstgeborenen  müssen  fasten.  Die  runde  Form  der  Ostcrbrode  stellt  wohl  die 
Sonnenscheibe  dar.  Zur  Zeit  der  Römer  wurden  noch  am  Paschafcste  von  den  Juden  Ver- 
brecher hingerichtet ■•).  Apion  erzählt,  dass  der  König  Antiochus  von  Syrien,  als  er  im 
Jahre  169  vor  Chr.  den  Tempel  in  Jerusalem  plünderte,  in  einem  heimlichen  Gemache  des- 
selben einen  Menschen  fand,  den  man  mästete,  um  ihn  zu  opfern.  Auch  Strabo  erzählt, 
dass  noch  zu  seiner  Zeit  in  Syrien  und  Phönizien  einige  der  in  den  Tempeln  dienenden  Skla- 
ven gemästet  und  geopfert  wurden.  Die  häufige  Anwendung  der  Menschenopfer  im  jüdischen 
Alterthum  erklärt  den  noch  iin  Mittelalter  vorkommenden  Verdacht,  die  Juden  schlachteten 
Christenkinder,  um  deren  Blut  zu  gemessen.  Der  Gedanke,  durch  ein  Menschenopfer  Un- 
glück abzu wenden,  kommt  in  der  jüdischen  Geschichte  mehrmals  vor.  Der  Moabiterkönig 
Mesa  opfert  auf  den  Mauern  einer  belagerten  Stadt  seinen  eigenen  Sohn,  worauf  das  Heer 
der  Juden  abzieht.  Josephus  erzählt,  dass  noch  bei  der  Belagerung  Jerusalems  durch  Titus 
eine  vornehme  Jüdin  ihr  eigenes  Kind  als  Opfer  geschlachtet  habe.  Auch  den  Tod  Jesu  be- 


1)  2.  Buch  Mob.  28,  42.  — 5.  Buch  Mot.  23,  17.  — *)  ühillany,  a.  a.  O.,  8.  527.  — *)  Joseph,  contra 

Apiouu  12,  8. 


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272 


H.  Schaaffhausen 


trachteten  die  Juden  als  einen  Opfertod,  er  wurdo  am  Paschafeste  gekreuzigt  und  der  Hohe- 
priester Kaiplias  hatte  vorhergesagt,  dass  er  fUr  das  Volk  sterben  würde  mit  den  Worten: 
cs  ist  besser,  dass  ein  Mensch  sterbe  für  das  Volk,  als  dass  das  ganze  Volk  zu  Grunde  gehe. 
Die  Beschneidung,  die  bei  den  Juden  das  Zeichen  des  Bundes  war,  die  aber  auch  bei  anderen 
Völkern  vorkommt,  wird  von  vielen  Schriftstellern  als  ein  Rest  des  Menschenopfers  angesehen. 
Anstatt  das  Kind  zu  opfern,  würden  von  ihm  nur  einige  Tropfen  Blutes  vergossen.  Dass 
dieses  an  den  Geschlechtstheilen  geschehe,  erkläre  sich  daraus,  dass  man  dieselben  für  heilig 
gehalten,  wie  der  Pballusdienst  zeige.  Beim  Eidschwur  der  alten  Hebräer  berührte  man  sich 
gegenseitig  die  Scham  ').  Diesen  Gebrauch  hatten  auch  die  Araber.  Dass  im  Lateinischen 
„tcstis“Hode  und  Zeuge  bedeutet,  dass  im  Deutschen  das  Wort  „zeugen“  die  beiden  Bedeutungen 
hat,  erklärt  sich  auf  diese  Weise.  In  manchen  Fällen  erscheint  die  Beschneidung,  wie  auch 
Movers  aunimmt,  als  ein  Ersatz  für  die  Entmannung,  und  diese  war  in  vielen  Priesterstaa- 
ten des  Alterthums  eine  mildere  Form  des  Selbstopfers.  Nach  Origen  es  mussten  sich  in 
Aegypten  nur  die  Priester  und  Gelehrten  beschneiden  lassen.  Merkwürdig  ist,  dass  ein  Hot- 
tentottenstamm nach  le  Vaillant  die  Beschneidung  so  übt,  dass  ein  Hodc  ausgeschnitten  wird. 
Dass  die  Castration  bei  den  Juden  nicht  ungewöhnlich  war,  kann  man  daraus  sch  Hessen, 
dass  Moses  sie  verbot’).  Wie  in  den  religiösen  Vorstellungen  des  Alterthums  die  Hingabe 
der  Jungfrauschaft  als  ein  Ersatz  für  das  Opfern  der  Jungfrau  selbst  gegolten  haben  mag, 
der  oft  einem  noch  milderen  Gebrauche  wich,  nämlich  dem,  dass  sich  die  Frauen,  wie  in  Ba- 
bylon, einmal  im  Tempel  Preis  geben  mussten,  so  opferten  Männer  statt  des  Lebens  die 
Mannbarkeit.  Die  Priester  der  syrischen  Göttin  in  Hieropolis  verstümmelten  nach  Lucian 
sich  selbst  und  unter  den  Juden  erhielt  sich  die  Selbstentmannung  bis  in  die  christliche  Zeit  *). 
Noch  Origenes,  der  berühmte  Kirchenvater,  übte  als  Jüngling  dieselbe  an  sich  selbst  aus 
religiöser  Schwärmerei.  Das  unschmcrzbafte  Opfern  eines  andern  Körpertlieils,  das  Abschnei- 
den von  Haupt-  und  Barthaar,  zumal  das  Verbrennen  desselben  kam  bei  allen  alten  Völkern 
vor  und  hat  noch  heute  bei  christUchen  Orden  eine  symbolische  Bedeutung.  Indessen  hat 
die  Beschneidung  noch  eine  andere  Ursache.  Philo  sagt  von  ihr,  dass  sie  in  heissen 
Gegenden  den  Anthrax  verhüte.  Bei  Bewohnern  heisser  Himmelsstriche  ist  sie  seit  den 
ältesten  Zeiten  in  Gebrauch.  Ilerodot4)  bemerkt,  dass  die  Kolchier,  Aegypter  und 
Aethiopier  die  einzigen  unter  allen  Menschen  seien , die  von  jeher  die  Schamglieder  be- 
schnitten. Die  Kolchier  am  Schwarzen  Meere,  mit  schwarzer  Haut  und  krausem  Haar, 
waren  von  äthiopischer  Abkunft , denn  sie  waren  die  Nachkommen  einer  Heeresabtheilung 
des  Sesostris.  Da  eine  zu  enge  Vorhaut  ein  nicht  seltener  Bildungsfehler  ist,  der  zu 
Krankheitszuständen,  zur  Phimose  und  Paraphimose  des  männlichen  Gliedes  Veranlassung 
giebt,  welche  durch  Entzündung  und  Eiterung  eine  Verstümmelung  des  Geschlechtsorgans 
zur  Folge  haben  können,  so  ist  es  überaus  wahrscheinlich,  dass  man,  da  im  Alterthum  die 
Priester  auch  die  Aerzte  und  Gesetzgeber  waren,  eine  diätetische  Anordnung  durch  die  got- 
tesdienstliche Bedeutung,  die  man  ihr  gab,  sicher  gestellt  hat,  wie  es  auch  bei  anderen  reli- 
giösen Gebräuchen,  z.  B.  den  Waschungen,  der  Fall  war.  In  diesem  Sinne  ist  es  nicht  ganz 
ohne  Grund,  wenn  man  von  der  Beschneidung  gesagt  hat,  dass  sie  die  Fortpflanzung  befor- 

*>  1.  Buch  Mo*.  21,  2.  — fl)  6.  Buch  Mo*.  23,  1.  — ’)  Evang.  Matthä«!  19,  12.  — *)  Herudot  II,  104. 


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273 


Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

dere.  Während  bei  den  Aegyptern  die  Bosclmoidung  im  14.  Jahre  geschah,  also  nm  die  Zeit 
der  Geschlechtsreife,  wo  sich  das  Hinderniss  einer  zu  engen  Vorhaut  bemerklich  machen 
wird,  übten  die  Hebräer  sie  am  8.  Tage.  In  diesem  Umstande  sowie  in  der  Ceremonie 
nach  der  Beschneidung  sieht  Ghillany  eine  Erinnerung  an  das  Opfer  der  Erstgeburt.  Nach 
Kircher  taucht  der  Rabbi  den  Finger  in  einen  Becher  voll  Wein  und  steckt  ihn  dem  Kinde 
in  den  Mund  mit  den  Worten:  Gott  sprach  zu  dir:  lebe!  Nun  nimmt  er  Wein  in  den  Mund, 
saugt  das  Blut  aus  der  Wunde  und  spuckt  es  aus.  Jedenfalls  ist  dieses  Verfahren  für  die 
rasche  Verheilung  der  Wunde  zweckmässig,  dass  es  an  den  Genuss  des  Opferblutes  erinnere, 
ist  doch  fraglich.  Andere  lassen  das  Kind  Uber  ein  Gefäss  mit  Wasser  halten,  dass  das  Blut 
hineinlaufe,  und  die  Umstehenden  waschen  dann  ihr  Gesicht  mit  dem  Blutwasser.  Wenn  noch 
heute  der  Jude  seinen  Erstgeborenen  nebst  einigem  Gelde  auf  den  Tisch  vor  den  Rabbiner 
legt  und  auf  dessen  Frage,  was  ihm  lieber  sei,  das  Geld  oder  der  Sohn,  antwortet:  der  Sohn! 
und  für  die  zugelassene  Losung  dankt,  und  dann  der  Priester  spricht:  du  gehörst  mir,  dem 
Priester  des  Herrn , deine  Eltern  jedoch  haben  dich  zu  lösen  beschlossen , so  verstehen  viele 
den  Gebrauch  als  einen  Loskauf  des  Kindes  vom  Priesterstande,  Ghillany  sieht  auch  hier 
eine  Lösung  vom  früheren  Opfertod.  Das  Ansehen  der  Beschneidung  erhielt  sich  bis  zu  den 
Anfängen  des  Christenthums.  Die  Judenchristen  warfen  den  Hcidenchristen  vor,  dass  sie 
nicht  beschnitten  seien,  und  die  Apostel  Petrus  und  Paulas  ordneten  noch,  der  alten  Sitte  sich 
fügend,  solche  Beschneidungen  an. 

Wenn  in  Babylon  Baal  als  eine  Leben  schaffende  Gottheit  verehrt  ward , so  stellte  bei 
den  Phöniziern  und  Karthagern  Moloch  eine  dem  Menschen  feindliche,  Alles  zerstörende  Ge- 
walt dar.  Dieser  Gott  ist  der  Saturn  oder  Kronos  der  Griechen , der  seine  eigenen  Kinder 
frisst,  was  schon  Diodor  auf  die  ihm  gebrachten  Kinderopfer  bezieht.  Man  opferte  dem  Saturn 
in  ältosten  Zeiten  die  Erstgeburt,  seine  Priester  waren  verschnitten  und  trugen  rotlie  Kleider. 
Alljäbrig  feierten  die  Phönizier  ein  Fest  mit  Menschenopfern.  Die  zu  opfernden  Kinder  wur- 
den durch  das  Loos  bestimmt;  später  kauften  die  Carthager  fremde  Knaben,  die  sie  erst  füt- 
terten und  dann  opferten  Da  dieser  Betrug  entdeckt  wurde,  opferte  man,  als  Agathokles 
Carthago  bekriegte,  200  Knaben  der  angesehensten  Familien  auf  einmal  und  noch  300  Er- 
wachsene opferten  sich  freiwillig.  Früher  hatte  Gelon  den  Carthagern  nur  unter  der  Bedin- 
gung Frieden  bewilligt,  dass  sie  aufbörten,  dem  Saturn  Kinder  zu  schlachten.  Schwebte  der 
Staat  in  Gefahr,  so  opferte  nicht  selten  der  König  seinen  Sohn  mit  eigner  Hand.  Nach 
Klitarch  wurden  in  Carthago  die  Kinder  lebend  der  Bildsäule  des  Saturn  in  die  glühenden 
Arme  gelegt,  die  sich  dann  erhoben  und  das  Opfer  in  den  feurigen  Schlund  herabfallen  liessen. 
Aus  dem  Zucken  der  Glieder  desselben  und  aus  dem  Lächeln  des  Gesichts  wurde  geweissagt. 
Auch  auf  Creta  und  Sardinien  wurden  diese  Opfer  gebracht.  . Auch  Plutarch1)  berichtet, 
dass  die  Carthager  dem  Saturn  die  eigenen  Kinder  opferten,  und  dass  diejenigen,  welche  kin- 
derlos waren,  den  Armen  ihre  Kinder  abkauften,  um  sie  wie  Lämmer  oder  junge  Vögel  abzu- 
schlachten.  Die  Mutter  stand  dabei,  ohne  eine  Thräne  zu  vergiessen  oder  einen  Seufzer  ver- 
nehmen zu  lassen.  Gab  sie  ein  Zeichen  des  Schmerzes,  so  war  das  Opfer  umsonst,  aber  das 
Kind  wurde  dennoch  getödtet.  Rings  um  die  Bildsäule  des  Gottes,  in  der  das  Kind  verbrannte, 


*)  Diodor  XX,  14.  — a)  l’lutarch  da  iupentit.  13. 

Archir  for  Anthropologl»,  Bit  IV.  Urft  ln.  3£ 


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274 


H.  Schaaffhnusen, 

machten  Flöten  und  Pauken  eine  lärmende  Musik,  damit  man  das  Schreien  und  Wehklagen 
nicht  hören  konnte.  In  ähnlicher  Weise  geschahen  nach  dem  Rabbi  Simeon  die  Opfer  der 
Hebräer.  Wenn  Strabo  anführt,  dass  die  Priesterinnen  im  Tempel  der  Artemis  zu  Casta- 
bala  mit  blossen  Füssen  über  glühende  Kohlen  gehen,  so  scheint  statt  des  Feuertodes  später 
nur  ein  Hindurcbführen  durch 's  Feuer  Gebrauch  geworden  zu  sein  ’).  Dieser  Ausdruck 
kommt  auch  in  den  mosaischen  Schriften  vor  und  wie  es  schon  auffallend  genug  ist,  dass 
man  bei  der  Entdeckung  von  Amerika  im  Jahre  ISIS  auf  der  Insel  Carolina  im  mexika- 
nischen Meerbusen  eine  hohle  Mctallstatue  von  ungeheurer  Grösse  fand,  und  in  dersel- 
ben Ueberbleibsel  verbrannter  Menschenopfer*),  so  berichtet  Clavigoro,  dass  die  neuge- 
borenen Knaben  der  Mexikaner,  nachdem  sie  die  Wassertaufe  erhalten,  viermal  durch 
ein  Feuer  gezogen  würden.  Diese  sowie  viele  andere  Züge  der  mexikanischen  Cultur  lassen 
die  Nachricht  dos  Diodor*)  wichtig  erscheinen,  dass  ein  phönizisches  Schiff  nach  einer  fernen 
Insel  verschlagen  worden  sei.  Tertullian  *)  erzählt,  dass  Tiberius  die  Priester  des  Saturn 
in  Carthago  aufhängen  liess,  weil  sie  fortfuhren,  Kinder  öffentlich  zu  opfern  und  dass  in 
Nordafrika  noch  im  3.  christlichen  Jahrhunderte  dem  Saturn  Menschenopfer  gebracht  worden 
seien.  Wir  erkennen  eine  Milderung  der  alten  blutigen  Sitte,  wenn  Lucian  die  Verehrung 
der  syrischen  Göttin  schildert,  für  die  man  an  Bäumen  Opfertbiere  und  Menschenfiguren 
aufhing,  dann  Brennholz  herumschichtete  und  das  Ganze  anzündete.  Auch  die  Araber  opfer- 
ten in  alter  Zeit  dem  Sonnengott  nur  reine  Wesen,  wie  der  Opferspruch  besagt:  „diese  aus- 
erlesene Jungfrau,  dir  ähnlich,  bringen  wir  dir  dar“  *).  Zu  Mohammeds  Zeit  noch  opferten 
sie  dem  Moloch  an  jedem  siebenten  Tage,  dem  Jupiter  an  jedem  Donnerstag  einen  säugenden 
Knaben.  Mohammed  selbst  erzählt,  dass  sein  Vater  zum  Opfer  bestimmt  gewesen,  aber  sein 
Tod  durch  ein  Opfer  von  100  Kamelen  gelöst  worden  sei.  Häufig  war  bei  den  Arabern 
das  Lebendigbegraben ; aus  mehreren  Stellen  des  Koran  geht  hervor,  dass  die  Sitte  allgemein 
herrschte,  die  neugeborenen  Mädchen  zu  verscharren.  Auch  die  Perser  übten  dieses  Opfer. 
Die  Gemahlin  des  Xerxes  lässt  12  Menschen  lebendig  begraben,  um  sich  die  Götter  der 
Unterwelt  geneigt  zu  machen. 

Auch  die  griechische  Götterlehro  enthält  Andeutungen  jener  alten  Gräuel,  die  in  allen 
Ländern  der  Geschichte  der  menschlichen  Cultur  vorausgingen.  Zeus  selbst  wurde  ab  Kind 
nur  dadurch  gerettet,  das  Rhea  dem  Saturn  statt  seiner  einen  in  ein  Ziegenfell  gewickelten 
Stein  zum  Verschlingen  gab.  Nach  Horaz  schafft  Orpheus  das  Essen  von  Menschen  fleisch 
ab*).  Die  Ungeheuer,  welche  Menschen  vertilgen  und  von  Heroen  bekämpft  werden,  sind 
die  mit  Blut  befleckten  Götzenbilder  einer  alten  Religion  des  Schreckens,  die  auszurotten  die 
eines  Helden  würdige  That  ist.  Theaeus  tödtet  den  Minotaurus  auf  Creta,  der  als  Mensch 
mit  einem  Stierkopfe  dargestellt  wird,  und  dem  die  Athener  alle  9 Jahre  7 Jünglinge  und 
Jungfrauen  senden  mussten.  Auch  der  Talos  auf  Creta,  der  vordem  auf  Sardinien  wohnte, 
war  wohl  ein  ehernes  Molochbild;  er  umkreiste  täglich  dreimal  die  Insel,  und  wenn  er  einen 
Fremden  entdeckte,  dann  sprang  er  in  das  Feuer  und  kam  glühend  heraus,  er  fasste  dann 
den  Fremden  und  drückte  ihn  an  seine  Brust,  bis  dieser  unter  Schmerzenslauten , die  einem 


*}  Strabo  XII,  2.  — *)  Münter,  Religion  der  Carthager.  Copenb.  1821,  S,  10.  — a)  Diodor  V,  19. — 
*)  Tertullian  Apol.  9.  — *)  Gesenius,  Comm.  zu  Jca.  IX,  330.  — *)  Horst,  de  arte  poet,  391. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  275 

Lachen  ähnlich  waren  und  die  man  daher  das  sardinische  Gelachter  nannte,  starb.  AU 
im  Jahre  590  vor  C'hr.  zur  Sühne  von  Athen  Epimenides  aus  Creta  Menschenblut  verlangte, 
bot  sich  der  Jüngling  Kratinos  freiwillig  zum  Opfer  dar,  mit  ihm  starb  sein  Freund  Ctesibios, 
der  sich  nicht  von  ihm  trennen  wollte  ').  Phalaris,  der  Tyrann  von  Agrigont,  Hess  einen  ehernen 
Stier  verfertigen,  der,  wenn  er  glühend  gemacht  und  ein  Mensch  hineingeworfen  ward,  zu 
brüllen  schien,  wenn  dieser  schrie;  dies  Stierbild  hatten  die  Carthager  aus  Sicilien  geraubt, 
mussten  es  aber  dem  Scipio  wieder  herausgehen  ’).  Vielfach  wurden  in  Griechenland  dem 
Dionysos,  der  nach  Herodot  der  Osiris  der  Aegypter  ist,  Menschenopfer  gebracht,  zumal  auf 
Chios,  Lesbos  und  Tenedos,  in  Arcadien  und  Böotien.  Er  wurde  zuweilen  mit  einem  Stier- 
kopf, oder  doch  mit  Hörnern  abgebildet,  im  Tempel  zu  Kyzikos  stand  sein  Bild  als  Stier. 
In  Achaja  wurde  immer  der  Aelteste  vom  Geschlecht«  des  Kytissoros  dem  Zeus  geopfert, 
wenn  er  das  Ratliliaus  betrat,  weil  jener  den  Atliamas  gerettet  hatte,  der  als  Sühnopfer 
für  das  Land  geschlachtet  werden  sollte’).  Menschenopfer  waren  auch  Kriegsgebrauch. 
Bei  der  Bestattung  des  Patroklus  opferte  Achill  12  Troer,  vielleicht  waren  cs  aber  im 
Kampf  Gefallene.  Herodot  erzählt  auch,  Menelaos  habe,  als  er  die  Helena  heimholte, 
zwei  eingeborene  Knaben  um  günstigen  Wind  geopfert.  Der  messenische  Feldherr  Ari- 
stomenes  opfert  dem  Zeus  300  Menschen.  Noch  vor  der  Schlacht  bei  Salamis  opfert  The- 
mistoeles  dem  Dionysos  drei  vornehme  gefangene  Perser.  Als  er  dor  Gewohnheit  ge- 
mäss, erzählt  Plutarch  ’),  vor  der  Schlacht  auf  seinem  Schiffe  opferte,  brachte  man  ihm 
drei  gefangene  Jünglinge  von  schöner  Gestalt,  in  prächtiger  Kleidung,  Verwandte  des 
persischen  Königs.  Als  sie  in  den  Kreis  der  Versammlung  traten,  schlug  das  Opfer  in 
helle  Flamme  auf  und  rechter  Hand  niesste  einer  der  Griechen.  Der  Wahrsager  Euphranti- 
des  erkannte  diese  günstigen  Zeichen  und  erklärte,  das  Troffen  werde  für  die  Griechen  gün- 
stig sein,  wenn  Themistocles  die  drei  gefangenen  Jünglinge  sogleich  dem  Dionysos  opfern 
wolle.  Themistocles  erschrak  über  den  unmenschlichen  Befehl  und  trug  Bedenken,  ihn  aus- 
zuführen. Aber  der  Pöbel,  sagt  Plutarch,  der  bei  grossen  Gefahren  und  in  bedenklichen  Um- 
ständen immer  lieber  auf  ungeheure  Dinge  rechnet  als  auf  vernünftige  Anstalten,  fing  an,  den 
Namen  der  Gottheit  auszurufen,  führte  die  Gefangenen  zum  Altar  und  zwang  seinen  Feld- 
herrn das  Opfer  vollenden  zu  lassen,  wie  der  Wahrsager  es  befohlen  hatte.  Vor  der  Schlacht 
bei  Leuktra  träumte  Pelopidas  von  dem  Sühnopfer  einer  blondon  Jungfrau,  dor  Scher  liess 
aber  ein  herbeispringendes  woisses  Fohlen  als  das  Opfer  gelten.  Schon  Cecrops  untersagt 
dos  Opfern  beseelter  Geschöpfe.  In  Sparta  schaffte  Lycurg  die  Menschenopfer  ab,  die  man 
der  taurischen  Artemis  gebracht  hatte;  er  liess  die  Jünglinge,  die  früher  getödtet  wurden, 
nur  am  Altar  geissein,  bis  Blut  denselben  bespritzte4);  Plutarch  sah  manche  in  Folge  der 
Gelsselung  sterben,  und  noch  zu  Tertullian’s  Zeit  bestand  der  Gebrauch  6).  Auf  der  taurischen 
Halbinsel  wurden  die  Fremden  geopfert,  die  das  Land  betraten,  welches  seinen  Namen  von 
der  stierköpfigen  Göttin,  der  Astarte,  hatte.  In  dem  Dienste  der  Diana  Aricina  musste  der 
Oberpriester  seinen  Vorgänger  eigenhändig  opfern;  später  bestimmte  man  dazu  einen  ent- 
laufenen Sklaven,  dessen  Leben  doch  verwirkt  war.  Die  Bewohner  einer  Stadt  in  Böotien 


I)iugBn.  Laert.  I,  10  and  Athenäen«,  XIII,  p.  602.  C.  D.  — *)  Cicero  in  Verr.  IV,  33.  — *)  Herodot 
VII,  197.  — 4)  Plutarch,  Tbemittocl.  13.  — 6)  Cicero,  Tusc.  qnacst.  I,  14.  — *)  Tertullian  ad  Martyr.  4. 

35* 


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£76 


II.  Schaaflhausen, 

opferten  nach  dem  Befehl  des  delphischen  Orakels  jährlich  einen  schönen  Knaben,  später 
statt  dessen  eine  Ziege ; die  Bewohner  von  Tenedos  statt  eines  Menschen  später  ein  neugebo- 
renes Kalb,  dem  sie  dadurch  ein  menschliches  Ansehen  gaben,  dass  sie  ihm  Schuhe  anzogen 
und  die  Kuh,  die  es  geworfen,  wie  eine  Wöchnerin  pflegten.  In  Athen  und  in  anderen  Städ- 
ten wurden  an  einem  gewissen  Tage  arme  Leute  oder  Verbrecher,  die  man  vorher  mästete 
und  in  festlichen  Kleidern  einen  Umzug  halten  liess,  als  Sühnopfer  getödtet.  In  Arkadien 
fanden  noch,  nach  der  Angabe  des  Porphyrius,  bis  ins  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  die  lycäischen 
Menschenopfer  statt;  auf  Cypem  schaffte  erst  Hadrian  sie  ab. 

In  der  römischen  Geschichte  fehlen  die  Menschenopfer  nicht,  doch  sind  sie  schon  seltener 
geworden.  Die  Tarquinier  schlachten  300  gefangene  Römer  als  Opfer.  Livius  erzählt,  dass 
man  bei  grossen  UnglUcksfallen  zu  Menschenopfern  seine  Zuflucht  nahm.  Als  Hannibal  vor 
Rom  stand  und  Vestalinncn  entehrt  waren,  wurden  zwei  Menschenpaare,  ein  Gallier  und  eine 
Gallierin , ein  Grieche  und  eine  Griechin  lebendig  auf  dem  Markt  in  Rom  begraben ').  In 
Latium  wurde  Saturn  durch  Menschenopfer  verehrt,  die  man  von  der  Milvischen  Brücke  in 
Rom  mit  brennenden  Fackeln  hinab  in  die  Tiber  stürzte.  Später  wurden  statt  dessen  aus 
Binsen  geflochtene  oder  aus  Wachs  gefertigte  menschliche  Puppen  von  den  Vestalinnen  in  die 
Tiber  gestürzt*).  Als  ein  Beispiel  wie  heute  herrschende  Volksfeste  oft  aus  einer  fernen  Ver- 
gangenheit herstammen,  in  der  sie  eine  ganz  andere  Bedeutung  hatten,  sei  erwähnt,  dass 
die  Feier  des  Carnevals,  die  aus  Italien  an  den  Rhein  verpflanzt  wurde,  sich  aus  den  römischen 
Saturnalien,  dem  Feste  der  allgemeinen  Gleichheit  und  Freiheit  entwickelt  hat.  Der  Carneval 
begann  in  den  rheinischen  Städten  früher  stets  mit  einem  Fackelzuge,  der  nach  einem  Um- 
züge durch  die  Stadt  sich  auf  die  Brücke  begab  und  einen  aus  Stroh  gefertigten,  mit  bunten 
Lappen  behängten  Hanswurst  in  den  Fluss  stürzte.  Dieser  Hanswurst  ist,  ein  merkwürdiges 
Beispiel  des  Wechsels  der  menschlichen  Dinge,  im  Laufe  der  Zeiten  aus  dem  dem  Saturn 
bestimmten  Menschenopfer  hervorgegangen!  Nach  Macrobius  *)  wurden  auch  bei  anderen 
Festen,  an  denen  man  in  alter  Zeit  Kinder  auf  den  Kreuzwegen  geopfert  hatte,  später  Pup- 
pen dafür  aufgehängt.  Wenn  bei  der  Bestattung  vornehmer  Römer  Gladiatorenkämpfo  statt- 
fanden und  einige  auf  dem  Platze  blieben,  so  wurden  sie  als  Sühnopfer  für  die  Seele  des 
Verstorbenen  angesehen.  Wie  geläufig  den  Römern  die  Vorstellung  sühnender  Opfer  war, 
zeigt  das  Selbstopfer  des  M.  Curtius  und  das  der  beiden  Decier,  doch  ist  ihre  geschichtliche 
Wahrheit  zweifelhaft.  Noch  unter  Caesar  wurden  in  Rom  bei  einem  Aufstande  von  den  Prie- 
stern des  Mars  zwei  Menschen  geopfert4).  Wenn  die  Priester  der  römischen  Bellona  sich 
Arm  und  Schulter  mit  Messern  blutig  ritzten  und  ihr  Blut  der  Göttin  opferten,  so  fand  statt 
dessen  in  älterer  Zeit  gewiss  ein  Menschenopfer  statt.  Wie  Sallust  erzählt,  soll  Catilina 
mit  seinen  Verschworenen  einen  Knaben  geopfert  und  gegessen  und  das  Blut  unter  Wein  ge- 
trunken haben,  um  ihren  Eid  zu  bekräftigen.  Wenn  man  ein  Bündniss  schloss,  ritzte  man 
die  Haut  und  liess  das  Blut  zusammenlaufen,  dann  mischte  man  Wein  dazu  und  trank  es. 
So  berichtet  Herodot  von  den  Lydiern,  Medern  und  Babyloniern,  Tacitus  von  den  Arme- 
niern. Den  Römern  bleibt  der  Ruhm,  zuerst  durch  ein  Gesetz  die  Menschenopfer  abgeschafft 

1 1 Livius  XXII,  67.  — *)  I.aclantius,  Instit.  I,  21  und  Ovid  Fast.  V,  021.  — *)  Macrobius,  Saturn-  1, 
7.  — •)  Dio  Csssius,  XLIII,  24.  — 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  277 

EU  haben.  Im  Jahre  97  vor  Chr.  oder  657  der  Stadt  verordnete  ein  Senatebeschluss,  dass 
kein  Mensch  mehr  geopfert  werden  soll  *).  Augustus,  Tiberius  und  Hadrian  erneuerten  das 
Verbot.  Aber  Nero,  durch  einen  Cometen  erschreckt,  bringt  noch  Menschenopfer,  Commo- 
dus  opfert  einen  Menschen  mit  eigner  Hand  und  Heliogabal  lässt  in  ganz  Italien  Kinder  vor- 
nehmer  Familien  zusammensuchen,  um  sie  in  den  syrischen  Mysterien,  in  die  er  als  früherer 
Oberpriester  des  Tempels  in  Emesa  eingeweiht  war,  zu  opfern.  Die  Kirchenväter  versichern 
sogar,  dass  in  Rom  noch  im  vierten  christlichen  Jahrhundert  dem  Jupiter  latialis  Menschen- 
opfer gebracht  wurden. 

Alle  barbarischen  Völker  des  Altcrthums  opferten  Menschen  und  zunächst  weihten  sie 
die  gefangenen  Feinde  ihrem  Kriegsgotte.  Von  denScythen  berichtet  es  Herodot  *),  von  den 
Bewohnern  der  pyrenäischen  Halbinsel  Strabo.  Die  Lusitaner  weissagten  aus  den  Einge- 
weiden  der  Gefangenen  und  zwar  zuerst  aus  dem  Hinfallcn,  wenn  der  Priester  sie  in  den 
Leib  gestochen  hatte.  Die  Belgier  hieben  einen  zum  Opfer  bestimmten  Menschen  von  hinten 
mit  dem  Schwerte  durch  und  weissagten  aus  seinen  Zuckungen;  andere  schossen  sie  mit 
Pfeilen  nieder  und  hefteten  sie  in  den  Tempeln  ans  Kreuz  oder  sie  verbrannten  Tbiere  und 
Menschen  auf  Scheiterhaufen.  Das  Wahrsagen  aus  den  Eingeweiden  der  Geopferten  wird 
auch  von  den  Briten  erzählt1 * *).  Nach  Cicero  wurden  Menschenopfer  noch  zu  seiner  Zeit  in 
Gallien  geübt 4).  Sie  opferten  Verbrecher  den  Göttern.  Grosse  von  Weiden  geflochtene 
Götzenbilder  wurden  mit  Menschen  gefüllt  und  dann  verbrannt.  Auch  Vornehme,  die  ge- 
fährlich erkrankt  waren,  gelobten  für  den  Fall  ihrer  Genesung  ein  Menschenopfer  und  voll- 
zogen es  zuweilen  noch  während  der  Krankheit  selbst1).  Nach  Justin*)  opferten  die  in 
Griechenland  eingefallenen  Gallier  sogar  ihre  Frauen  und  Kinder.  Wenn  Strabo  von  den 
Germanen  sagt,  sie  seien  jetzt,  was  die  Gallier  einst  gewesen,  so  wird  bei  ihnen  nicht  ge- 
ringere Rohheit  geherrscht  haben.  Nach  Tacitus  brachten  die  Germanen  dem  Merkur  an 
gewissen  Tagen  Menschenopfer;  bei  den  Semnonen,  dem  ältesten  und  edelsten  Stamme  der 
Sueven,  wurde  ein  solches  Opfer  zu  einer  bestimmten  Zeit  in  einem  heiligen  Haine  gebracht ’). 
Nach  Adam  von  Bremen  wurde  die  Eiche,  unter  welcher  geopfert  ward,  durch  Menschen- 
blut eingeweiht  und  der  Körper  dos  Geopferten  daran  gehängt.  Nach  der  Schlacht  im  Teu- 
toburger Walde  opferten  die  Cherusker  auf  dem  Schlachtfeld  eine  grosse  Zahl  gefangener 
Römer  und  hingen  ihre  Leichen  an  den  Bäumen  auf.  Während  die  Scythen  von  100  Gefan- 
genen einen  opferten,  tödteten  die  Sachsen  den  zehnten  Mann  und  zwar  unter  grossen  Mar- 
tern ").  Noch  im  Kriege  mit  Karl  dem  Grossen  schlachteten  sio  auf  dem  Harze  die  gefange- 
nen Franken  dem  Wodan.  Harms1)  erzählt  von  einem  Menschenopfer,  welches  der  heil. 
Landolf,  ein  Apostel  der  Sachsen,  auf  einem  Steinaltar  vollziehen  sah.  Als  Quelle  dieser 
Nachricht  giebt  er  eine  Handschrift  auf  der  Lüneburger  Rathsbibliothek  an,  die  er  aber  bei 
einem  späteren  Besuche  nicht  mehr  vorgefunden  hat.  Sie  hatte  den  Titel:  Res  gestae  Lan- 
dolfi,  apostoli  Sahzonum,  qui  Horzae  ripas  adhabitabant.  Petersen  fordert  die  Gelehrten 


1)  Plin.  hist,  natur.  XXX,  1.  — *)  Herodot  IV,  62,  71,  94  lind  V,  5.  — «)  Tscit  Anna).  XIV,  30.  — 

*)  Cicero  pro  Fontej.  10.  — B)  Caesar,  de  belto  gall.  VI,  16.  — *)  Justin  XXVI,  2.  — T)  Tacit.  Germ. 

9 und  39.  — *)  Mone,  Geschichte  des  Heidenthums  im  nördlichen  Europa,  Leipz.  und  Darmst.  II.  1823, 

S.  58.  — *)  Harms,  Goldene  Aepfel  in  silbernen  Schalen.  Hermaunsburg  1867. 


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278 


H.  Schaaffhausen, 

auf,  der  verlorenen  Handschrift  nachzuspüren  ').  Die  Franken  losten,  wer  als  Opfer  ster- 
ben sollte,  der,  welchen  das  Loos  traf,  galt  für  einen  Liebling  der  Götter.  Auch  die  Frie- 
sen opferten  Verbrecher  bei  ihren  Festen.  Dass  die  Germanen  auch  Kinder  geopfert,  wie 
Schütz  behauptet  hat,  ist  nicht  nachzuweisen.  Nach  Fhilastrius  peitschten  die  Gelten 
ihre  Opfer  oder  schlugen  sie  an  einen  Stein,  bis  sie  todt  waren.  Die  Priesterinnen  der  Cim- 
bern  todteten  die  Gefangenen  mit  dem  Schwerto  Uber  einem  ehernen  Kessel,  in  den  sie  das 
Blut  auslaufen  Hessen  ’).  Die  Gothen  hingen  die  Häute  der  Geopferten  an  den  Bäumen  auf, 
und  opferten  noch , als  sie  schon  zum  Christenthum  bekehrt  waren  ’).  Die  alten  Preusson 
opferten  vor  der  Schlacht  und  weissagten  aus  den  Strömen  des  Blutes,  sie  opferten  einen 
Theil  der  Gefangenen  nach  dem  Loose,  auch  Jungfrauen  und  Kinder.  Sie  verbrannten  einen 
gefangenen  feindlichen  Heerführer  mit  Pferd  und  Waffen  ihren  Göttern.  Auch  bestieg 
zuweilen  der  Oberpriester  CreiwiUig  den  Scheiterhaufen  als  Opfer  für  das  Volk4).  Die 
Preussen  brachten  bis  in  das  13.  Jahrhundert,  bis  zu  ihrer  späten  Bekehrung  zum  Christen- 
thum noch  Menschenopfer*).  Dass  bei  diesen  Völkern  auch  der  Genuss  von  Fleisch  und 
Blut  der  Geopferten  vorkam,  dafür  giebt  cs  mehrere  Anzeichen.  Die  Estben  auf  der  Insel 
Oesel  raubten  an  fremden  KUsten  Knaben,  die  sie  mästeten,  dem  Thor  schlachteten  und 
dann  brieten  und  verzehrten.  Noch  im  Jahre  1221  schnitten,  wie  Mone  anfuhrt,  die 
Esthen  dem  dänischen  Vogte  Hebbus  das  Herz  aus  dem  lebendigen  Leibe,  rosteten  und 
assen  es,  damit  sie  desto  tapferer  gegen  die  Christen  kämpfen  könnten.  Tacitus')  spricht 
von  Opfermahlen,  und  Karl  der  Grosse  erlässt  noch  ein  Verbot  der  sogenannten  Teufelsmahle 7). 
Auch  Snorro  und  Gregor  von  Tours  sprechen  von  Blutmahlcn  der  nordischen  Völker.  Diese 
zeichneten  sich  vor  anderen  durch  blutige  Gebräuche  aus.  Zu  Upsala  wurde  aUe  9 Jahre  ein 
9 Tage  dauerndes  Fest  gefeiert,  während  dessen  99  Menschen  und  99  Thiere  geopfert  wurden. 
Ein  schwedischer  König  opferte  neun  Söhne  dem  Odin,  ein  norwegischer  Fürst  zwei  der 
Göttin  Horgabrud.  Der  schwedische  König  Domalder  wurde  bei  einer  Hungersnoth  dem  Odin 
geopfert,  weil  er  seinen  Vater  getödtet  hatto  *}.  Ohne  Zweifel  wird  auch  der  durch  die  Phö- 
nizier, vielleicht  schon  2000  Jahre  vorChr,  nach  dem  Norden  Europas  gebrachte  Baalskultus •) 
die  Menschenopfer  daselbst  verbreitet  haben.  Die  in  Meklenburg,  Schonen,  Brandenburg,  der 
Niederlausitz  und  in  Schlesien  gefundenen  ehernen  Kesselwagen14)  haben,  wie  Nilsson  ge- 
zeigt hat,  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  in  der  h.  Schrift  beschriebenen  Opferwagen  im 
Tempel  des  Salomo,  den  ein  Phönizier  gemacht  hat,  und  waren  gewiss  Opfergeräthe.  Der 
Wagen  der  Göttin  Hertha,  der  mit  Kühen  bespannt  auf  einer  Insel  der  Ostsee  umhergefahren 
wurde  “),  erinnert  an  die  Bundcslade  der  Hebräer.  Ja,  deutet  nicht,  wie  Nilssou  glaubt,  der 
Name  Lucifer,  den  die  Christen  dem  Teufel  gaben,  auf  den  alten  Sonnengott ! 

Sehr  gewöhnlich  war  bei  vielen  Völkern  das  Menschenopfer  bei  der  Bestattung  eines 
vornehmen  Mannes  und  häufig  war  es  in  diesem  Falle  ein  freiwilliges.  J.  Grimm1*)  hat  über 

*)  Gotting.  Gelehrt.  Anz.  15.  Septbr.  1859.  — *)  Strato  VII,  2.  — *)  Procopius  II,  25  und  Clavigero, 
Geschichte  von  Mexiko  II,  S.  588.  — 4)  Mone,  ft.  n.  0.  I.  S.  91.  — 4)  M.  Ch.  Hartknoch,  AU  und  Neues 
1’reuMCu,  Frankfurt  und  Isnpzig  1684,  S.  228  und  288.  — •)  Tftcit.  Ann.  I,  65.  — *)  Capit.  de  part.  S»xoo. 
21.  — 4)  II.  F.  Hummel,  Compond.  deutsch.  AJtorth.  Nürnberg  1788.  S.  88.  — *}  Nilsson,  das  titeiuftlter 
des  skandinavischen  Nordens,  deutsch  von  Mestorf.  Hamburg  1868.  — lö)  Yirchow,  Congrbs  d’Authro* 
pologie.  Paris  1868,  p.  251.  — **)  Tacitus  Germ.  40.  — **)  J.  Grimm,  Ueber  das  Verbrennen  der  Leichen. 
Iterlin  1850. 


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279 


Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

diesen  Gebrauch  viele  Nachrichten  zusammengestellt.  Schon  bei  den  Griechen  liessen  sich 
zuweilen  die  Frauen  mit  dem  Gatten  verbrennen.  Wenn  die  Scytlien  am  Borysthenes  einen 
König  begruben,  wurde  eine  seiner  Frauen  erdrosselt  und  mit  bestattet,  auch  der  Weinschenk, 
^ der  Koch,  der  Harschall  und  der  Bote  nebst  Pferden  und  Schmuck geräthen.  Nach  Verlauf 
eines  Jahres  wurden  50  Diener  und  eben  so  viele  Pferde  getödtet,  allen  der  Leib  aufgeschnit- 
ten und  ausgeweidet,  dann  mit  Stroh  gefüllt  und  wieder  zugenäht;  so  wurden  sie  auf  Rad- 
felgen und  Stangen  wie  Reiter  um  das  Grab  gestellt.  Bei  den  Galliern  wurden  Thiere, 
Knechte  und  Schützlinge  mit  dem  Herrn  verbrannt.  Bei  den  Thrakern  wurde  die  Frau  von 
des  verstorbenen  Mannes  nächstem  Freund  getödtet  und  mit  begraben.  Bei  den  Herulern 
war  die  Mitbestattung  der  Frauen,  die  sich  erhängen  mussten,  noch  im  6.  Jahrhundert  nach  Chr. 
Sitte,  bei  den  Wenden  wurden  sie  noch  im  8.,  bei  den  Polen  noch  im  10.  Jahrhundert  mitver- 
brannt. Guagnini  sah  sogar,  wie  bei  den  Sarmaten  noch  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
vornehme  Todte  mit  Pferden,  Waffen,  zwei  Hunden,  einem  Falken  und  einem  treuen  lebenden 
Diener  verbrannt  wurden.  So  geschah  es  in  der  Edda  auf  Sigurds  und  Brunhildcns  Scheiter- 
haufen. Mone1)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  sich  in  slavischen  Qrabumen  oft  Schädel- 
knochen von  mehreren  Menschen  finden,  welcher  Umstand  entweder  auf  zufällige  gemeinsame 
Bestattung  oder  wahrscheinlicher  auf  die  Sitte  schliessen  lasse,  dass  der  Knecht  mit  dem 
Herrn,  der  Vasall  mit  dem  Fürsten  verbrannt  worden  sei.  Der  Araber  Ibn  Foszlan  *)  be- 
schreibt auf  seiner  in  den  Jahren  921  und  922  gemachten  Reise  von  Bagdad  zum  Könige 
der  Slaven  die  Leichenfeier  eines  russischen  Grossen  an  der  Wolga,  der  er  zusah.  Ist 
ein  armer  Mann  gestorben , so  bauen  sie  ein  kleines  Schiff,  legen  ihn  hinein  und  ver- 
brennen es  Jenen  legten  sie  in  ein  solches  Grab,  über  das  sie  ein  Dach  schlugen  für 
10  Tage,  bis  sie  seine  Kleider  angofertigt  hatten.  Seine  Habe  theilten  sie  in  drei  Theile, 
einen  erhielt  die  Familie,  für  einen  wurden  die  Kleider,  für  einen  berauschende  Getränko 
angeschaflt.  Mädchen  und  Diener  werden  gefragt,  wer  von  ihnen  mit  dem  Herrn  sterben 
wolle.  Meist  sind  es  die  Mädchen,  die  es  thun.  Bei  jenes  Mannes  Tode  war  es  auch  ein 
Mädchen,  welches  sagte:  „ich  will.“  Sie  wurde  nun  von  zwei  anderen  bewacht,  blieb 
aber  fröhlich,  trank  und  sang.  Als  der  Tag  des  Verbrennens  gekommen  war,  zog  man  das 
Schiff  des  Verstorbenen  an’s  Ufer  und  ein  altes  Weib,  das  sie  don  Todesengel  nennen,  brei- 
tete gesteppte  Tücher,  Goldstoffe  und  Kopfkissen  darin  aus.  Der  Todte  wurde  in  ein  präch- 
tiges Gewand  gekleidet  und  unter  das  Sohiffszelt  gelegt;  berauschendes  Getränk,  Früchte, 
Kraut,  Brot,  Fleisch  und  Zwiebeln  wurden  zu  ihm  gelegt,  auch  ein  in  zwei  Theile  geschnitte- 
ner Hund,  alle  Waffen  und  zwei  mit  Schwertern  zerhauene  Pferde,  die  vorher  gejagt  waren, 
bis  sie  von  Schweisse  troffen ; ebenso  zerhieben  sie  zwei  Ochsen,  einen  Hahn  und  ein  Huhn. 
Das  dem  Tod  geweihte  Mädchen  wurde  nun  auf  den  Händen  von  Männern  dreimal  empor- 
gehoben, das  erstemal  sagte  sie:  „sieh,  hier  sehe  ich  meinen  Vater  und  meine  Mutter“,  das 
zweitcmal;  „sieh,  jetzt  sehe  ich  alle  meine  verstorbenen  Anverwandten  da  sitzen“  und  das  drit- 
temal : „sieh,  dort  ist  mein  Herr,  er  sitzt  im  Paradiese,  das  Paradies  ist  so  schön,  so  grün,  bei 
ihm  sind  die  Männer  und  Diener,  er  ruft  mich;  so  bringt  mich  denn  zu  ihm.“  Nun  reichten 


’)  Mone  s.  n.  0.  11,  S.  200,  — *)  N.  Karamsin,  Geschichte  des  russischen  Reiches,  deutsch  von 
v.  Hauenschild.  III  B.  Riga  1823.  S.  245. 


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280 


H.  Schaaffhausen, 

sie  ihr  eine  Henne  hin,  deren  Kopf  sie  Abschnitt  und  wegwarf;  die  Henne  warf  sie  in’s  Schiff. 
Dann  zog  sie  ihre  beiden  Armbänder  aus  und  gab  sie  dem  Weibe,  das  man  den  Todesengel 
nennt  und  das  sie  morden  wird.  Die  Beinringe  reichte  sie  den  zwei  ihr  dienenden  Mädchen. 
Hierauf  hob  man  sie  auf  das  Schiff,  Männer  mit  Schildern  und  Stäben  reichten  ihr  einen 
Becher  berauschenden  Getränkes,  den  sie  singend  leerte.  Damit  nahm  sie  Abschied  von  ihren 
Lieben.  Noch  ein  Becher  wurde  ihr  gereicht,  den  sie  auch  nahm  und  ein  langes  Lied  an- 
stimmte. Die  Alte  hiess  sie  nun  eilen  und  in’s  Zelt  treten,  wo  ihr  Herr  lag.  Das  Mädchen 
schien  jetzt  bestürzt  und  unentschlossen,  sie  steckte  nur  den  Kopf  zwischen  Zelt  und  Schiff 
hinein,  da  fasste  die  Alte  sie  beim  Haupt,  brachte  sie  in’s  Zelt  und  trat  selbst  ein.  Die  Män- 
ner begannen  mit  den  Stäben  auf  die  Schilder  zu  schlagen,  dass  kein  Laut  der  Schreienden 
gehört  werde,  der  andere  Mädchen  erschrecken  und  abgeneigt  machen  könnte,  auch  einmal 
mit  ihren  Herren  in  den  Tod  zu  gehen.  Dann  traten  sechs  Männer  in's  Gezelt,  streckten  sie 
an  des  Todten  Seite  nieder,  indem  zwei  ihre  Füsse,  zwei  ihre  Hände  fassten  und  die  Alte 
ihr  einen  Strick  um  den  Hals  legte,  dessen  Ende  sie  den  beiden  anderen  Männern  reichte. 
Mit  einem  grossen  breitklingigen  Messer  selbst  hinzutretend,  stiess  sie  dem  Mädchen  das 
Messer  zwischen  die  Rippen  ein  und  zog  es  wieder  aus.  Die  beiden  Männer  aber  würgten 
es  mit  dem  Stricke,  bis  es  todt  war.  Empörend  ist  es,  wenn  der  Berichterstatter,  der  die 
Russen  als  ein  schmutziges  und  wollüstiges  Volk  darstellt,  noch  anführt,  dass  jene  sechs 
Männer,  die  das  Mädchen  halten  und  erdrosseln,  ihm  zuvor  noch  alle  beiwohnen.  Solch  eine 
Unthat,  sagt  Grimm,  ist  der  altnordischen  wie  altdeutschen  Sitte  fremd.  Der  nächste  An- 
verwandte zündete  endlich  nackend  und  rückwärts  das  Schiff  an,  dann  warfen  die  übrigen 
brennende  Scheite  Holz  auf  den  Haufen  und  in  einer  Stunde  war  Alles  verbrannt.  Ein  ande- 
rer Araber  schildert  die  Bestattung  der  Könige  bei  den  Slaven  fast  ganz  so  wie  Herodot  die 
bei  den  Scythen  *)•  Dass  der  Holzstoss  rückwärts  angezündet  wird,  geschieht  auch  bei  der  in- 
dischen Leichenfeier,  wo  die  Verwandten  um  den  Scheiterhaufen  wandeln  und  über  ihre 
Schulter  Holzstücke  in’s  Feuer  werfen.  Die  bis'  heute  noch  nicht  ganz  ausgerottete  indische 
Wittwenverbrennung  ist  durch  kein  Gesetz  vorgeschrieben,  sondern  freie  Entsehliessung.  Die 
Wittwe,  die  ihrem  Manne  im  Tode  folgt,  sühnt  die  Sünden  desselben,  ihr  ist  in  jener  Welt 
die  höchste  Glückseligkeit  verheissen,  während  sie  in  dieser  nicht  wieder  heirathen  darf,  auch 
nichts  von  ihrem  Manne  erbt,  sondern  von  ihren  Verwandten  unterhalten  werden  muss. 
Viele  wollen  lieber  in  dieser  hochherzigen  Auflassung  des  unauflöslichen  Bandes  der  Ehe  den 
tieferen  Grund  der  Sitte  erkennen,  als  annehmen,  dass  man  damit  die  Vergiftungen  der  Män- 
ner durch  ihre  Frauen  habe  verhüten  wollen.  Grimm  sagt  mit  einer  gewissen  Bewunderung: 
„Nicht  allein  Wittwen  verbrennen  sieh  mit  dem  Gemahl,  auch  Eltern  folgen  der  Leiche  des 
geliebten  Sohnes,  der  Jüngling  der  Geliebten.  Unheilbare  Kranke  veranstalten  selbst  ihro 
Verbrennung.  Barbarisch  und  grausam  sollten  also  nicht  die  heidnischen  Völker  heissen, 
deren  Ehefrauen  mit  den  Männern  verbrannt  werden  durften,  sondern  die  christlichen,  unter 
denen  liaufenweis  Ketzer  und  Hexen  unmenschlich  der  Flamme  überliefert  wurden;  jenes  be- 
ruhte auf  einem  geheiligten  Band  der  Natur,  dies  auf  der  Priester  verblendetem  Eifer.“  Wohl 
finden  wir  diesen  letzteren  Wahn  um  so  entsetzlicher,  weil  er  in  eine  schon  hoch  gebildete  Zeit 

*)  Vergl.  Archiv  für  Anthropologie  I,  S.  175. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  281 

fallt,  aber  barbarisch  and  grausam  bleibt  auch  das  Selbstopfer  der  heidnischen  Völker,  deren 
Rohheit  wir  daran  erkennen,  dass  sie  den  Werth  des  Lebens  noch  nicht  schätzen;  in  beiden 
Fällen  ist  ein  falscher  Glaube,  dieser  Feind  des  menschlichen  GefUhls,  der  vor  keiner  Unthat 
zurückschreckt,  die  Ursache  des  Gräuels.  Schon  die  mohammedanischen  Mongolen  hatten  die 
Wittwenverbrennung  in  Indien  untersagt  und  den  Bemühungen  der  englischen  Regierung  ist 
es  zu  danken,  dass  sie  beinahe  ausser  Gebrauch  ist  ; bei  den  geringeren  Kasten  kam  sie  längst 
in  Vergessenheit.  Nach  van  Bohlen  war  in  den  Jahren  von  1815  bis  1824  die  geringste  jähr- 
liche Zahl  der  Selbstverbrennungen  378,  die  höchste  839.  Nach  Hodges  wurde  das  Opfer 
am  letzten  Tage  durch  Opium  berauscht;  in  feierlichem  Aufzuge  mit  Musik  nähert  sich  die 
Wittwe  dem  Scheiterhaufen,  auf  dem  die  Leiche  des  Mannes  liegt;  wenn  dieser  bereits  in 
Gluth  steht,  schüttet  sie  Oel  über  sich  und  den  Todten  und  stürzt  sich  in  die  Flammen. 
Betäubende  Musik  übertöut  dos  Wimmern  der  Sterbenden.  Vor  einigen  Jahren  noch  erklärte 
in  einem  etwa  25  Meilen  von  AUahabad  ontfemten  Dorfe  die  Wittwe  eine«  Barbiers,  ihren 
Manu  nicht  überleben  zu  wollen.  Sie  widerstand  allen  Abmahnungen  ihfer  Freunde  und 
Verwandten  und  liess  einen  Scheiterhaufen  errichten,  auf  welchen  sie  sich  setzte  und  die  Leiche 
ihres  Gatten  auf  ihre  Kniee  nahm.  Vorher  hatte  sie  ihre  Kleider  und  ihre  Haare  einölen  lassen, 
Reissbündel  wurden  hinter  ihr  und  an  ihren  Seiten  bis  zum  Gürtel  aufgeschichtet.  Sie  be- 
wahrte die  ruhigste  Haltung  und  ertheilte  selbst  den  Befehl,  die  Reissbündel  anzuzünden.  Die 
Flammen  umzüngiiten  sio  schon,  als  sie  sich  nooh  mit  den  Zuschauern  unterhielt,  sie  liess  kei- 
nen Schmerzensruf,  nicht  einmal  einen  Seufzer  laut  werden,  bis  der  Ranch  das  freiwillige 
Opfer,  das  in  wenigen  Secundon  erstickt  sein  musste,  vor  den  Augen  Aller  verhüllte ln 
diesem  Jahre  hat  wieder  eine  Wittwen-Verbrennung  in  Indien  stattgefunden.  Die  englischen 
Behörden  erhielten  zu  spät  Nachricht,  um  den  Vorgang  hindern  zu  können.  Die  Verwandten 
der  Selbstmörderin  sind  zu  7 Jahren  Einsperrung  verurtheilt,  weil  sie  dieselbe  zur  That  über- 
redet hatten  und  jeder  Bewohner  des  Dorfes,  welcher  dem  entsetzlichen  Schauspiele  zugesehen, 
hat  eine  dreijährige  Gefängnissstrafe  zu  verhüsseii  ’).  Bei  den  Sivaiten,  die  ihre  Todten  nicht 
verbrennen,  weil  sie  das  Feuer  für  heilig  halten  und  nioht  verunreinigen  wollen,  kam  die 
Selbstverbrennung  der  Wittwen- nicht  vor,  sondern  das  Lebendigbegraben.  Die  Wittwe  setzte 
sich  in  das  Grab  und  nahm  die  Leiche  des  Mannes  in  ihren  Arm,  dann  verdeckte  man  ihr 
das  Gesicht  mit  einem  Tuche , und  nachdem  man  das  Grab  bis  Uber  ihren  Hals  zugeschüttet, 
reichte  man  ihr  ein  betäubendes  Gift,  brach  ihr  schnell  das  Genick  und  bedeckte  Alles  mit 
Erde.  Oder  es  war  über  der  Gruft  des  Mannes  ein  Gerüst  errichtet,  welches  einen  grossen 
und  schweren  Korb  mit  Erde  trug,  die  Wittwe  trat  in  die  Gruft  unter  dos  Gerüst,  auf  ein 
Zeichen  wurden  die  Stützen  entfernt  und  die  herabstürzende  Erde  begrub  das  Opfer  *).  Die 
grosse  Bewegung,  die  zur  Herstellung  der  alten  Vcdaroligion  von  einflussreichen  indischen 
Gelehrten  aasgeht  und  auf  Abschaffung  des  Polytheismus,  des  Kastenwesens  und  der  Vielwei- 
berei gerichtet  ist,  wird  auch  don  Wittwonverbrennungcn  den  letzten  Stoss  geben.  Die  Veda- 
religion lehrte  den  Glauben  an  einen  wohltliätigen  Gott,  aber  der  Glaube  der  Ureinwohner, 
in  dem  die  Furcht  vor  den  Dämonen  und  die  Versöhnung  mit  denselben  der  Hauptgedanke 


*)  Kölnische  Zeitung,  24.  März  1*66.  — s)  Donner  Zeitung,  1.  Mai  1870.  — *)  T.  Zimmerinann,  a.  a.  0., 
Io.  Th.,  S.  152. 

Archiv  für  Anthropologie,  BdL  IV*.  Ilgfl  IH.  <j|j 


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282 


H.  Schaaffhausen, 

war,  verunreinigte  die  reinere  Gotteslehre  der  Eroberer.  Der  Santal  hat  keinen  Begriff  von 
einem  wohlthätigen  Gotte,  seine  Religion  ist  eine  Religion  'des  Schreckens.  Doch  haben  sie 
die  Menschenopfer,  die  sie  früher  brachten,  abgesehaflt.  „Wie  können  wir  Menschen  opfern,“ 
sagte  ein  Santal,  „heutzutage  sind  dio  Menschen  theuer ; wer  könnte  ihren  Preis  zahlen !“  Bis 
zum  Jahre  1790  machten  sie  alljährig  Raubzüge  in  das  Tiefland.  Dann  Hessen  sie  sich  gegen 
Lohn  zur  Vernichtung  der  wilden  Thiere  gebrauchen  und  verlockt  durch  hohen  Lohn  und 
leichte  Rente  machten  sie  endlich  Ländereien  urbar  und  gründeten  einen . Bauernstand  in 
Birbhum  *).  ln  Zeiten  des  Mangels  bringen  noch  zuweilen  die  Priester  von  Nieder-Bengalen 
wie  vor  3000  Jahren  den  Dämonen  Kinder  zum  Opfer  dar.  Die  Menschenopfer  der  Khonds 
mussten  bis  in  die  letzten  Jahre  von  der  englischen  MUitärmacht  unterdrückt  werden1),  und 
obgleich  in  vielen  Gebräuchen  eine  Milderung  der  alten  Rohheit  eingetreten  ist,  wie  wenn  zu 
Ehren  der  Göttin  Kali  Menschen  an  einen  Pfahl  gebunden,  aber  wieder  frei  gelassen,  oder  von 
einem  Felsen  hinabgestossen  werden,  nachdem  sie  vorher  an  einSeil  gebunden  worden  sind1),  so 
beklagt  doch  noch  1866  ein  Engländer  es  in  der  Times4),  dass  beim  Dschaggemautfeat  in  Orissa 
durch  Nachlässigkeit  der  Polizei  schon  wieder  mehrere  Menschenopfer  vorgekomnien  seien. 
Grosse  Menschenopfer  bei  der  Leichenfeier  waren  auch  in  anderen  Ländern  Asiens,  z.  B.  in 
Assam , üblich.  Der  Perser  Muhamed  Kazim  *)  sagt  darüber : wenn  ein  V ornehmer  oder  ein 
Raja  stirbt,  so  wird  eine  weite  Gruft  für  ihn  ausgegraben,  in  welohe  sie  seine  Weiber,  sein 
Gefolge,  seine  Diener,  Hausgeräthe  und  Kostbarkeiten  in  Gold  und  Silber,  Elephanten,  Klei- 
der und  Lebensmittel,  Lampen  mit  vielem  Oel  und  einen  Fackelträger  mit  ihm  begraben. 
Nach  Barrow  *)  wurden  vormals  auch  am  Grabe  der  vornehmen  Chinesen  die  Sklaven  und 
Beischläferinnen  geopfert,  statt  deren  man  jetzt  papierene  Menschenfiguren  gebraucht.  Der 
Kaiser  Canghi  erliess  ein  Verbot  gegen  die  Sitte,  am  Grabe  seiner  Mutter  vier  Mädchen  zu 
opfern,  obgleich  sich  solche  dazu  wilUg  fanden.  Auch  das  merkwürdige,  der  Sprache  nach 
mit  den  Berbern  verwandte,  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  ausgerottete  Volk  der  Guanchen 
auf  den  kanarischen  Inseln,  dessen  einfache  Sitten  und  glückliches  Dasein  gerühmt  waren, 
welches  keine  Metalle  kannte,  den  Acker  mit  Ochsenhörnom  pflügte  und  seine  Todten  als 
Mumien  in  Felsenhöhlen  beisetzte,  brachte  nach  Cadamosto  bei  der  Thronbesteigung  eines 
Fürsten  Menschenopfer,  die  sich  zuweilen  freiwillig  darboten. 

Ehe  wir  die  Uebung  der  Menschenopfer  bei  den  heutigen  Wilden  aufsuchen , begegnet 
unser  Blick  noch  der  entsetzlichen  Grausamkeit,  mit  der  die  Azteken  in  Mexiko  ihren  Götzen 
viele  Tausende  auf  einmal  hinschlachteten.  Nur  die  Schlächtereien  der  westafrikanischen 
Neger  und  der  phönizischc  Cultus  des  Alterthums  bieten  Aehnliches.  Dieser  ist  vielleicht 
nicht  ohne  Zusammenhang  mit  jener  rätbselhaften  Cultur  in  Mittelamerika.  Der  mexikanische 
Priester,  der  ein  rothes  Gewand  trag,  wie  dio  Priester  des  Saturn,  fing  das  Blut  der  geschlach- 
teten Menschen  auf,  mischte  es  mit  Mehl  und  gab  es  den  Gläubigen  zu  kosten.  Erst  später 
soll  man  sich  daran  gewöhnt  haben,  auch  die  GUeder  des  Geopferten  zu  verzehren.  Nach 
CTavigero  steckte  der  Priester  das  Herz,  das  er  seinem  Opfer  aus  dem  Leibe  riss,  dem 
Götzen  mit  einem  goldenen  Löffel  in  den  Mund  und  bestrich  die  Lippen  desselben  mit  dem 

')  llunter,  Annals  of  rural  Bengal,  Aunlaud  1869,  Nr.  21.  — *)  Vergl.  Archiv  für  Anthropologie,  I,  S.  177. 
— 3j  Colebrooke,  Asiat,  research.,  VIII,  p.  47.  — •)  Aualand,  1666,  Nr.  42.  — “)  v.  Zimmermann,  a.  a.  0„ 
12.  Th.,  8.  141.  — üarrnw’s  iteisen  in  China.  Hamburg  1005,  II,  8.  260, 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  283 

Blute.  Von  dem  Körper  aasen  die  Mexikaner  nur  Arme  und  Beine,  das  Uebrige  ward  den 
Thieren  vorgeworfen  oder  verbrannt. 

Das  durch  seine  Menschenopfer  berüchtigte  Königreich  Dahomey  wurde  wiederholt  von 
Europäern  besucht,  welche  die  Gräuel  am  Hofe  de« Königs  mit  ansahen ').  Duncan,  der  1846  dort 
war,  fand  den  Zugang  zum  Palaste  mit  Schädeln  gepflastert,  die  Thore  und  Mauern  damit  verziert* 
sogar  dem  Spazierstocke  des  Königs  fehlt  dieser  Schmuck  nicht!  Dieser  trank  mit  Duncan  auf 
die  Gesundheit  der  Königin  von  England  den  Champagner  aus  einem  Menschenschädel.  Wenn 
er  Europäern  Audienzen  giebt,  so  werden  Hinrichtungen  veranstaltet  und  ihnen  das  Ehrenamt 
eines  Scharfrichters  angeboten.  Duncan  sah,  wie  ein  alter  Neger  von  jedem  Geköpften  das 
Blut  auffing  und  warm,  wie  es  aus  den  Adern  kam,  trank.  Zum  Gedächtnis«  der  Vorfahren 
des  Königs  wird  ein  Fest  gefeiert,  welches  das  Fest  des  Tischdecken«  der  Vorfahren  heisst. 
Das  Volk  hat  die  Meinung,  das  auf  den  Gräbern  in  Strömen  vergossene  Blut  werde  von  den 
Geistern  der  Ahnen  genossen.  Noch  im  Jahre  1866  brachten  die  Zeitungen  die  Nachricht 
von  einem  grossen  Menschenopfer,  welches  der  König,  als  er  gegen  die  Aschantis  in  den 
Krieg  zog,  brachte,  er  liess,  um  sich  des  Wohlwollens  der  Götter  für  seinen  Feldzug  zu  ver- 
sichern, 200  Menschen  hinschlachten,  die  dritte  Gräuelthat  dieser  Art  in  demselben  Jahre. 
E.  Bowdich  ’),  der  1817  zu  den  Aschantis  kam,  sagt,  dass  die  zum  Opfer  bestimmten  Men- 
schen vor  der  Hinrichtung  misshandelt  werden  und  ein  ihnen  durch  die  Backen  gemessenes 
Messer  tragen.  Erat  wurde  ihnen  die  rechte  Hand  abgehauen,  dann  sägte  man  ihnen  den 
Kopf  ab.  Beim  Tode  eines  Königs  müssen  alle  Menschenopfer,  die  während  seiner  Herrschaft 
für  Unterthanen  gebracht  wurden,  wiederholt  werden.  Bei  der  Leichenfeier  des  letzten  Kö- 
nigs wurden  drei  Monate  lang  jede  Woche  200  Sklaven  geopfert.  Zur  Todtenfeier  seiner 
Mutter  schenkte  der  König  3000  Schlachtopfer,  die  fünf  grössten  Städte  des  Landes  lieferten 
jede  100,  die  kleineren  Städte  jedo  10  Schlachtopfer.  Der  deutsche  Missionär  Halleur,  der 
sieben  Jahre  in  Westafrika  weilte,  giebt  an,  das»  beim  Tode  der  Mutter  des  König«  400  Mäd- 
chen sterben  mussten  und  sechs  Wochen  lang  jeden  Morgen  und  jeden  Abend  2 Mädchen 
geopfert  wurden.  In  Kumassi  ist  ein  Ort,  der  nie  von  Monschenblut  trocken  werden  darf. 
Aber  die  Aschantis  glauben,  dass  im  Menschen  ein  Geist  lebe,  der  den  Tod  überdauert,  und 
die  Opfer  gehen  mit  Gleichgültigkeit  ihrem  Schicksal  entgegen.  Ueber  das  am  6.  November 
1864  in  Abomey  gefeierte  Fest  der  Menschenopfer  gab  ein  ausWhydah  nach  Paris  gerichteter 
Brief  eine  genaue  Schilderung  *).  Acht  Tage  vor  dem  Feste  hatte  der  König  bekannt  machen 
lassen,  es  würden,  um  die  Geister  seines  Ahnherrn  und  seines  Vaters  zu  ehren,  40  Gefangene 
des  besiegten  Stammes  der  Akankas  auf  dem  Marktplatze  geopfert  werden.  Mehrere  Euro- 
päer, die  sich  in  Abomey  befanden,  baten  den  König  in  einer  Audienz,  auf  dieses  schreckliche 
Opfer  zu  verzichten.  Der  König  erklärte  aus  Rücksicht  auf  die  Europäer  die  Zahl  der  Opfer 
auf  12  zu  beschränken.  Am  5.  November  liess  der  König  28  von  den  schon  an  Pfeilern  fest- 
gebundenen  Gefangenen  in  das  Gefängniss  zurückbringen;  die  übrigen  vernahmen  ihr  Schick- 
sal mit  der  vollständigsten  Gleichgültigkeit  Der  König  kündigte  ihnen  noch  an,  dass  zwei 
durch  seine  eigne  Hand  sterben  würden.  Diese  wählte  der  Bruder  des  Königs  aus;  sie  muss- 


’)  Yergl.  Archiv  für  Anthropologie,  I,  S.  175.  — *)  A.  W.  Grube,  Geographische  Charakterbilder,  II. 
loipzig  1855,  S.  266.  — 5)  Bonner  Zeitung  10.  Februar  1865. 


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284 


H.  Schaaffhausen, 


ton,  um  der  Ehre  würdig  zu  sein,  die  Nacht  im  Tempel,  vor  den  Götzen  auf  der  Erde  liegend, 
zubringen.  Am  Tage  der  Hinrichtung  wurden  sie  mit  auf  dem  Rücken  zusammengebundenen 
Händen  auf  den  Markt  geführt,  wo  der  König,  von  seinem  Hofstaat  umgeben,  auf  dem  Throne 
gass.  Mitten  auf  dem  Platze  stand  ein  grosses  silbernes  Becken , welches  das  Blut  der  Opfer 
aufnehmen  sollte.  Der  König  ergriff  nun  eines  seiner  Schwerter  und  schlug  den  beiden  Ge- 
fangenen, die  sich  an  dem  Becken  aufgestellt  hatten,  den  Kopf  ab,  in  Folge  dessen  die  Menge 
laute  Beifallsrufe  erhob.  Die  10  anderen  Opfer  wurden  von  dem  Oberpriester  geköpft,  der 
jedes  Haupt  in  die  Hände  nahm  und  es  dem  Volke  zeigte,  das  jedesmal  ein  wildes  Brüllen  er- 
tönen liess.  Als  Alles  beendigt  war,  stürzte  sich  das  Volk  auf  die  Leichname,  zerstückelte  sie 
und  beschmierte  sich  mit  ihrem  Blute.  Die  12  Köpfe  wurden  an  den  Mauern  des  königlichen 
Pallastes  aufgehängt.  Dieses  Schauspiel  findet  in  Abomey  jedes  Jahr  drei  bis  viermal  statt, 
und  dasselbe  geschieht  in  den  Königreichen  Abe  o,  Koto,  Ashanti  und  Benin.  Auch  ist  es  noch 
Sitte  unter  den  westafrikanischen  Negern,  dass  auf  dem  Grabe  eines  Vornehmen  seine  liebsten 
Sklaven  getödtet  worden,  man  schlägt  sie  mit  einem  Elephantanzahne  ins  Genick.  In  Congo 
wetteifern  die  Lieblingsweiber  dor  Grossen  um  die  Ehre,  mit  ihren  Männern  begraben  zu  weiden. 
Mit  Recht  macht  W&itz  ')  darauf  aufmerksam,  dass  man  die  den  Göttern  dargebrachten  Men- 
schenopfer wohl  von  denen  unterscheiden  müsse,  welche  man  zu  Ehren  der  Verstorbenen  ver- 
anstaltet, um  ihnen  das  Gefolge  nnd  die  Dienerschaft  nachzusenden,  der  sie  im  andern  Leben 
bedürfen.  Er  stellt  zahlreiche  Beispiele  von  Menschenopfern  bei  den  Negern  zusammen,  welche 
in  einigen  Gegenden  durch  die  Bemühungen  der  Missionäre  seltener  geworden  oder  abgeschafR 
sind.  In  Benin  sind  die  sonst  sehr  zahlreichen  Menschenopfer  durch  den  Sklavenhandel  in 
Abnahme  gekommen,  es  ist  die  einzige  Wohlthat,  die  man  von  ihm  rühmen  kann.  Durch  ihn 
erhielt  das  Menschenleben  einen  Werth;  aber  auch  der  mohammedanische  Glaube  hat  die 
blutigen  Gebräuche  unterdrückt,  in  den  nördlichen  Ncgerlandem  sind  sie  verschwunden,  so 
weit  der  Islam  vorgedrungen  ist.  In  Galam  hat  man  in  alter  Zeit  vor  dem  Hauptthore  der 
Stadt  bisweilen  einen  Knaben  und  ein  Mädchen  lebendig  begraben,  um  die  Stadt  uneinnehm- 
bar zu  machen  und  ein  König  der  Bambarra  hat  dieses  Opfer  einst  im  Grossen  ausführen 
lassen.  Aehnliche  werden  bei  Gründung  eines  Hauses  oder  Dorfes  von  mehreren  Stämmen 
gebracht.  Die  Fantis  und  Andere  bringen  an  jedem  Neumond  ein  Menschenopfer.  In  Lagos 
wird  allgemein  ein  Mädchen  lebendig  gepfählt,  um  ein  fruchtbares  Jahr  zu  erhalten.  In  Yar- 
riba  opfert  man  nur  Verbrecher.  In  Bonny  wird  alle  drei  Jahre  die  schönste  Jungfrau 
geopfert;  der  Priester,  welcher  die  Kriegsgefangenen  schlachtet,  heisst  vom  Nacken  derselben 
ein  Stück  ab,  die  Glieder  werden  zerschnitten,  in  einem  Kessel  gekocht  und  zum  Essen  ver- 
theilt. Unter  den  Indianern  Amerikas  sind  die  Menschenopfer  selten  geworden.  Auf  den 
Südaeeinseln  sind  sie  noch  häufig  und  oft  mit  dom  Cannihalismus  verbunden.  Die  als  Can- 
nibalen  berüchtigten  Fidschiinsulaner  bringen  bei  allen  Unternehmungen  Menschenopfer,  die 
Weiber  dürfen  aber  kein  Menschenfleisch  verzehren.  Wenn  ein  neues  Canoe  in’s  Meer  ge- 
lassen wird,  so  werden  zehn  Menschen  darauf  geschlachtet,  damit  es  mit  Monschenblut  ge- 
waschen werden  kann  s). 


*1  Tb.  Waitz,  Anthropologie  der  Naturvölker,  II.  Leipzig  1860,  S.  1U7.  — *)  J.  C.  Prichard,  Natur- 
geschichte des  Menschengeschlechts,  IV.  Leipzig  1848,  S.  200. 


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Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer.  285 

Wenn  uns  ein  Seefahrer ')  berichtet,  dass  die  Waffen  der  Bewohner  von  Nukahiva  alle 
mit  Menschenhaar  verziert  und  an  den  meisten  Stücken  ihres  Hausgcrathcs  Zierrathen  von 
Menschenknochen  angebracht  waren,  dass  zur  Zeit  einer  Hungersnoth  Männer  ihre  Weiher 
und  Kinder  ihre  abgelebten  Eltern  erschlagen,  das  Fleisch  derselben  backen  und  schmoren  und 
es  mit  dem  grössten  Wohlgefallen  verzehren  und  dass  selbst  die  sanft  scheinenden  Nukabive- 
rinnen,  deren  Blicke  nichts  als  Wollust  atbmeu,  wenn  man  es  ihnen  nur  erlaubt,  Theil  an  die- 
sen schrecklichen  Mahlzeiten  nehmen,  so  wird  es  uns  schwer,  darüber  zu  entscheiden,  wel- 
ches Schauspiel  entsetzlicher  ist,  ob  der  von  Wilden  geübte  Cannibalismus,  wie  er  sich  auf  den 
vom  menschlichen  Verkehre  so  lange  abgeschlossenen  Eilanden  der  Südsee  unter  Volksstäm- 
men entwickeln  konnte,  deren  körperliche  Schönheit  schon  Cook  bewunderte  und  deren  Gei- 
stesgaben  in  vielen  Fällen  sich  durch  schnelle  Aneignung  europäischer  Gesittung  als  vorzüglich 
erwiesen  haben,  oder  das  Menschenopfer,  welches  seit  Jahrtausenden  nicht  nur  hoi  rohen,  son- 
dern auch  bei  gebildeten  Völkern  der  religiöse  Wahn  gefordert  hat.  Man  preist  die  Religion, 
weil  sie  den  Menschen  erziehen,  weil  sie  ihn  bessern  und  heiligen  soll,  aber  wie  oft  hat  sie 
statt  dessen  seine  Hände  mit  Blut  besudelt!  Giebt  es  einen  schlagenderen  Beweis  dafür,  dass 
auch  der  religiöse  Glaube  nicht  unverbesserlich  ist,  dass  vielmehr  der  menschliche  Geist  auch 
in  Bezug  auf  die  Vorstellungen  von  den  ewigen  Dingen  erst  aus  der  Nacht  schreckhafter 
Träume  sich  zum  Lichte  einer  reineren  Anschauung  des  Göttlichen  emporgerafft  hat!  Wie  der 
Aberglaube  roher  Völker,  wie  der  Gottesdienst  des  Alterthums,  wie  der  Teufelswahn  des 
Mittelalters  ihre  Opfer  forderten,  so  liefert  die  religiöse  Uebcrspannung  selbst  unter  gebilde- 
ten Menschen  auch  heute  noch  neben  den  Beispielen  der  traurigsten  geistigen  Verkümmerung 
auch  Fälle  der  freiwilligen  körperlichen  Verstümmelung  oder  selbst  derTödtung.  In  wenig  ge- 
bildeten Ländern  bilden  sich  sogar  ganze  Sekten,  die  in  einer  solchen  ßichtuug  des  Geistes  ihr 
Heil  zu  finden  glaüben.  Im  vorigen  Jahrhundert  starben  in  Russland  Tausende  durch  reli- 
giösen Selbstmord.  Im  Jahre  1861  kamen  noch  sechs  Fälle  in  einer  solchen  Sekte  vor,  die 
keine  Popen  hat.  Atn  weissen  Meer  soll  ein  ganzes  Dorf  den  Scheiterhaufen  bestiegen  haben. 
Diesen  Tod  nennen  sie  die  Feuertaufe,  welche  alle  Sünden  reinigt.  Eine  andere  Sekte  übt  die 
Selb9tentmannung.  Die  Sabarovani  entmannen  jeden  nach  dem  Erstgeborenen  erzeugten 
Knaben;  sie  lmben  sich  aus  Russland,  wo  die  Regierung  die  Ausübung  dieses  Cultus  verboten 
hat,  in  die  Donaufurstenthümer  gezogen;  hier  dienen  diese  Unglücklichen  später  häufig  als 
Kutscher  in  den  grösseren  Städten ; besonders  in  Bucharest  trifft  man  sie  an , wo  sie  eine 
Gemeinde  bilden  und  treu  Zusammenhalten. 

Das  traurige  Gemälde,  welches  die  Betrachtung  der  Menschenfresserei  und  des  Menschen- 
opfers vor  uns  aufrollt,  muss  denen  vor  Augen  gehalten  werden,  welche  in  dem  Wilden  mit 
dem  Vorurtheile  Rousseau’s  nur  den  unverdorbenen  Sohn  der  Natur  zu  sehen  meinen,  aber 
auch  denen,  die,  geblendet  durch  den  Glanz  grosser  Tkaten  und  Charaktere  und  den  einer  hoch 
ausgebildeten  geistigen  Befähigung,  wie  sie  sich  in  Kunst  und  Sprache , in  Philosophie  und 
Staatsleben  ausspricht,  das  Alterthum  nur  bewundern  und  die  klassischen  Völker  uns  in  jeder 
Beziehung  als  Muster  dor  Humanität  hinstcllen  wollen.  Ein  noch  grösserer  Ruhm  als  der 
der  geistigen  Befähigung  ist  der  der  Sittlichkeit  und  des  strengen  Bechtsgcfühlcs,  worin  wir 


ü J.  von  Krusen  Stern,  Krise  um  die  Welt,  1.  Berlin  1811.  S.  258. 

»6* 


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286  H.  Schaaffhausen,  Die  Menschenfresserei  und  das  Menschenopfer. 

allen  vorausgegangcnen  Völkern  und.  Zeitaltern  überlegen  sind  und  die  man  mit  Unrecht  für 
nicht  vervollkommuungsfahig  erklärt  hat.  Erat  wenn  der  feine  Sinn  für  das  Edle  und  Men- 
schenwürdige, wie  es  Einzelne  auch  im  Alterthume  schon  empfunden  haben,  zur  allgemeinsten 
Verbreitung  gelangt  und  gleichsam  zu  einer  öffentlichen  Meinung  geworden  ist,  wenn  die  hö- 
here Schätzung  des  Menschenwerthes  nicht  nur  in  den  Sitten,  sondern  auch  in  den  Gesetzen 
aller  gebildeten  Völker  einen  Ausdruck  gefunden  hat,  so  dass  sie  auch  den  Niedrigsten  unter 
den  Schutz  des  Rechtes  und  der  Freiheit  stellen  und  seihst  dem  Verbrecher  das  Mitleid  nicht 
Versagen,  wenn  Alles,  was  als  thierische  Rohheit,  als  brutale  Grausamkeit  vergangener  Zeiten 
unser  verfeinertes  Gefühl  mit  Abscheu  erfüllt,  aus  den  Anschauungen  der  Menschen  und  aus 
dem  Leben  der  Gesellschaft  getilgt  sein  wird,  dann  haben  wir  auf  der  Balm  der  menschlichen 
Entwicklung  einen  der  grössten  und  segensreichsten  Schritte  zurückgelegt.  Die  Zeichen  der 
Zeit,  in  der  wir  leben,  verkiiudcn  es  laut,  dass  wir  diesem  Ziel  entgegengehen. 


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ARCHIV 

FÜR 

ANTHROPOLOGIE. 

ZEITSCHRIFT 

Füll 

NATURGESCHICHTE  UND  URGESCHICHTE  DES  MEN8CHEN. 

Organ 

% der 

deutschen  Gesellschaft  iur  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

Herauegegeben 

* von 

0.  E.  V.  Baer  in  St  Petersburg,  E.  Desor  in  Noucnburg, 

A.  Eoker  in  Freiburg,  F.  v.  Hellwald  in  Wien,  W.  HlB  in  Basel, 

L.  Lindenschmlt  in  Mainz,  G.  Luoae  in  Frankfurt  a.  M.,  L.  Rtitimeyer  in  Basel, 

H.  Schaaffhausen  in  Bonn,  C.  Semper  in  Würzburg,  R.  Virchow  in  Berlin, 

O.  Vogt  in  Genf  und  H.  Weloker  in  Hallo. 

Redaction: 

A.  Eoker,  L.  Lindenschmlt 

und  dar  GoneraUeerotair  dar  deutschen  nnthropologiachen  Gaiellsohaft. 

Vierter  Band. 

Mit  in  den  Text  eingedruckten  Holxstichon  und  lithogrxpbirteu  Tafeln. 


Viertes  Vierteljahrsheft 

(Ausgegeben  Augunt  1871.) 


BRAUNSCHWEIG, 

DBÜCK  DND  VERLAG  VON  FRIEDRICH  VIEWEO  UND  SOHN. 

187  1. 

*■  * 'f*hk  i 


ANKÜNDIGUNG. 


Das  Archiv  für  Anthropologie  hat  eich  die  Aufgabe  gestellt,  für  die  einzelnen  Arbeiten 
auf  dem  weiten  Gebiete  dieser  Wissenschaft,  die  bisher  in  anatomischen,  medicinischen  und  archäologi- 
schen Zeitschriften  und  in  den  Denkschriften  gelehrter  Gesellschaften  sich  zerstreuten,  einen  Yereini- 
gungspunkt  zu  bilden  und  so  insbesondere  auch  die  bis  dahin  sinh  sehr  fernstehenden  Gebiete  der  Natur- 
und  der  Altertumsforschung  einander  zu  nähern.  Ferner  will  dasselbe  einen  möglichst  vollständigen 
Ueberblick  über  den  jeweiligen  Zustand  der  gesummten  Di.sciplin  gewähren. 

Um  die  bezeichncteu  Zwecke  zu  erreichen,  wird  das  Archiv  sowohl  Originalarbeiten,  als 
Auszüge  aus  fremden  Arbeiten,  Uebersetzungen,  Referate  und  zusammenhängende  über- 
sichtliche Darstellungen  der  neuen  Arbeiten  bringen  und  überdies  durch  ein  fortlaufende«  mög- 
lichst vollständiges  Literaturverzeichniss  den  Leser  in  den  Stand  setzen,  dem  Gange  der  Wissen- 
schaft auf  das  Genauste  zu  folgen.  Durch  die  Eröffnung  einer  Rubrik  für  kleinere  Mittheilungen 
und  dadurch,  du>s  dem  Archiv  von  nuu  an  das  (monatlich  erscheinende)  „Correspondenzblatt“  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  regelmässig  beigegeben  wird,  erhalten  die  Leser  des  Archivs 
auch  sofortige  Kenntnis«  von  kleineren  Reobncht ungen,  Funden  etc.,  sowie  von  den  Verhandlungen  der 
einzelnen  Localvereine. 

Das  Archiv  erscheint  vierteljährlich  in  Heften  von  10  bis  12  Rogen  in  Quart,  wovon  vier 
einen  Rand  bilden,  wo  immer  es  nöthig  erscheint,  mit.  guten  Abbildungen  versehen. 

Beiträge  für  das  Archiv,  sowie  Druckschriften,  um  deren  jeweils  baldige 
Zusendung  im  Interesse  der  Vollständigkeit  des  Literaturberichts  dringend  ersucht 
wird,  bittet  man  an  A.  Ecker  in  Freiburg  i.  B.  (Baden)  oder  an  die  Verlags- 
handlung zu  senden. 

il  m In  Folge  des  Krieges  ist  auch  die  Ausgabe  unserer  ließe  verzögert  worden , und  auf  das 
erste  und  zweite  Viertel  jahrsheft  des  vierten  Bandes  (erschienen  im  Mai  1870) 
ist  im  Laufe  des  Jahres  1870  kein  weiteres  gefolgt;  das  dritte  Vierteljahrsheft  erschien 
April  1871,  und  das  vierte  gege unartige  seid i esst  erst  den  Band  uh.  Von  jetzt  hoffen 
wir  die  Hefte  regelmässig  vierteljährlich  erscheinen  lassen  zu  können , und  es  wird  das 
nächste  (fünfter  Band,  erstes  Heß)  im  Monat  November  ausgegeben  werden . 

Die  Redaction. 


INHALT  DES  VIERTEN  HEFTES  DES  VIERTEN  BANDES. 

«eit« 


XVI.  Heber  die  verschiedene  Krümmung  de«  Schädel  rohre«  nnd  über  die  Stellung  de*  Schädel«  auf 

der  Wirbelsäule  beim  Neger  und  beim  Europäer.  Von  A.  Ecker.  (Hierzu  Tafel  11  und  III.)  287 
XVII.  Der  Fuss  eine*  Japanischen  Seiltänzers.  Von  Job.  Christ u.  G.  Lucac.  (Hierzu  Tafel  IV.)  . 313 
XVIII.  Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  Von  Wilhe  m His.  II 317 

XIX.  Referate. 

1.  Wallace.  Beiträge  zur  Kenntnis*  der  natürlichen  Zuchtwahl.  Ref.  vou  A.  Ecker.  333 

2.  Charles  Darwin.  The  Descent  of  Man  and  Seite tion  in  Relation  to  Sex.  Ref.  von 

L.  Rütimeyer 335 

3.  Oscar  Peschei.  Neue  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde  ata  Versuch  eiuer 

Morphologie  der  Erdoberfläche.  Ref.  von  L.  Rütimeyer.  337 

4.  Carl  August  Aeby.  Ueber  die  unorganische  Metamorphose  der  Knochcnsubetanx, 

dargethan  an  Bchweizcri«cheii  Pfnhlluiutenknochcn  und  über  den  Grund  dert'nver- 
Andcrlichkeit  der  organischen  Knochensubstanz.  lief,  von  H.  Fischer 338 

5.  Archiv  io  per  L’Antropologia  e la  Ktnologia,  pubblicato  840 

XX.  Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen.  Von  II.  Schaaffhau »en 341 

XXI.  Kleinere  Mittheilungen 355 

XXII.  Verzeichnis«  der  nuthropolog.m  heil  Literatur. 

1.  Urgeschichte.  Von  C.  Vogt 857 

2.  Anatomie.  Von  A.  Ecker 368 

3.  Ethnographie  und  Reisen 372 

1.  Allgemeine«.  Von  F.  v.  Ilellwald  in  Wien — 

2.  Europa.  Von  F.  v.  Ilellwald  in  Wien 1 t . 375 

H.  Afrika.  Von  Professor  Robert  Hartman n in  Rerlin 865 

4.  Amerika.  Von  F.  v.  Hellwald  in  Wien 388 

5.  Asien.  Von  Dr.  G.  Gerland  in  Halle 388 

0.  Australien.  Von  Professor  Mcinicke  in  Dresden 406 

7.  Ocennicü.  Von  Professor  M einicke  in  Dresden — 

4.  Zoologie.  Von  L.  Rütimeyer . . . 400 

5.  Allgemeine  Anthropologie.  Von  F.  v.  Hellwald,  L.  Rütimeyer  und  Anderen  . . . 410 


iy  Google 


XVI. 


Ueber  die  verschiedene  Krümmung  des  Schädelrohres  und 
über  die  Stellung  des  Schädels  auf  der  Wirbelsäule  beim 
Neger  und  beim  Europäer. 

Von 

A.  Ecker. 

(Hieran  Tafel  II  nnd  III.) 


Wenn  mui  den  Schädel  eine«  Negers  neben  dem  eines  Europäer»,  beide  ohne  Unter- 
kiefer, auf  einer  horizontalen  Unterlage  aufetellt,  so  erkennt  man  sofort,  dass  die  Punkte 
der  Schädelbasis,  mit  welchen  dieselben  auf  der  Unterlage  aufruhen,  bei  beiden  verschiedene 
sind.  Eh  fiel  mir  dies  schon  vor  längerer  Zeit  auf,  als  ich  die  Negerschädel  unseres  Museums, 
welche  dasselhe  aus  dem  Nachlass  des  in  Cairo  verstorbenen  Prof.  Billiarz  aci]uirirt 
hatte,  ordnete  und  aufstellte. 

Es  war  klar,  dass  dies  nur  eine  Folge  einer  ganz  verschiedenen  Stellung  der  Flächen 
der  Schädelbasis  bei  beiden  Racen  sein  konnte,  und  sehr  wahrscheinlich,  dass  eine  derartige 
Verschiedenheit  auch  nicht  ganz  ohne  Einfluss  auf  die  Stellung  des  Schädels  auf  der  Wirbel- 
säule werde  bleiben  können.  Ich  verfolgte  daher  die  Verhältnisse  etwas  genauer  und  ergab 
sich  mir  hierbei  auch  zum  Theil  schon  Bekanntes,  so  stiess  ich  doch  auch  auf  Anderes,  was 
bisher  noch  kaum  eine  Berücksichtigung  gefunden;  zudem  stellte  sich  Manches  in  neuem 
Zusammenhänge  dar,  so  dass  — insbesondere  da  die  Zahl  der  zur  Untersuchung  benutzten 
Schädel  (ÖO  Neger-  und  50  Europäerschädel)  eine  immerhin  beträchtliche  ist  — das  Ergebnis» 
meiner  Untersuchungen  der  Mittheihmg  wohl  nicht  unwerth  erscheint  '). 

Pie  Tlmtsacben  sind  in  Kürze  folgende: 


*}  Eine  kurze Mittheiluiiz  dieser  Bentiachtunpen  gab  ich  in  der  nnstom.-medic.  Section  beider  Versa mm- 
I n n ir  dei  ich veixcrischen  Naturforscher  zu  Nenchatcl-  August  I8IW. 

SD** 


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288 


A.  Ecker, 


I.  Stellt  man  den  Schädel  eines  Europäers ')  ohne  Unterkiefer  auf  einer  ho- 
rizontalen Unterlage  auf,  so  ruht  der  Schädel  auf:  1)  auf  dem  Zahnbogen  (arcus  den- 
talis)  und  zwar  meist  dem  ganzen,  seltener  nur  auf  den  Schneidezähnen  oder  Backzähnen  allein 
oder,  wenn  die  Zähne  fehlen,  auf  dem  Zahnfächerbogen  (arcus  alveolaris);  2)  auf  dein  un- 
tersten Theil  der  Hinterhauptsschuppe  *),  von  der  Linea  nuchae  inferior  an  bis  zum  hinteren 
Rand  und  dem  hinteren  Theil  des  Seitenrandes  des  Foramen  magnum,  bald  mehr  der  ersteren, 
bald  mehr  der  letzteren  Grenze  nahe.  3)  Auf  den  Warzen-  und  Griflelfortsätzen  ruht  der 
Scliädel  bisweilen,  wenn  diese  nämlich  sehr  gross  sind,  ebenfalls  auf.  4)  Die  Gelenkfort- 
sätze des  Hinterhauptbeins  dagegen  berühren  die  horizontale  Unterlage  nicht, 
sondern  liegen  stets  frei,  oft  ziemlich  hoch  über  derselben.  Bei  50  süddeutschen  Schädeln 
schwankte  die  Erhebung  von  1'/»  bis  105  Millimeter  und  betrug  im  Mittel  .V67  Millirn. 
(Fig.  37). 

n.  Stellt  man  dagegen  den  Schädel  eines  Negers»)  in  gleicher  Weise  auf  (Fig.  36),  so 
Fig.  36.  Fig.  37. 


niht  derselbe  auf  folgenden  Punkten  auf:  1)  auf  dem  Zahnbogen  (arcuB  dentalis);  bisweilen 

nur  auf  dem  hinteren  Theil  desselben,  den  Backzähnen;  im  Fall  des  Fehlens  der  Zähne  auf 
dem  Zahnfächerbogen  (arcus  alveolaris).  2)  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  auf  den  Gelenk- 
fortsätzen des  Hinterhauptbeins  und  zwar  entweder  auf  diesen  allein  oder  zugleich  auf 
den  Seitenrändern  oder  dem  hinteren  Rand  des  Foramen  magnum.  Bei  26  von  50  Neger- 
schädeln fand  das  Aufruhen  in  der  el>engenannten  Weise  statt  In  einer  kleineren  Anzahl 
von  Fällen  (24  von  50)  berührten  die  Gclenkfortsätze  die  horizontale  Unterlage  ebenfalls 
nicht,  waren  aber  doch  jedenfalls  viel  weniger  ülier  derselben  erhaben,  als  beim  Europäer. 
Das  Mittel  der  Erhebung  bei  diesen  24  Fällen  beträgt  l'U6  Millirn.,  steht  also  weit  unter 
dem  Mittel  der  Europäer.  Ziehen  wir  jedoch  das  arithmetische  Mittel  von  allen  30  Neger- 
schädeln,  so  beträgt  das  nur  094  Millirn.  gegen  5'67  beim  Europäer,  und  die  Extreme  beim 


9 Die  meisten  der  verglichenen  europäischen  Schädel  waren  solche  von  Süddeutschen,  insbesondere  von 
.Schwarzwalderu  (brachycephal). 

*)  Die  Stellen,  mit  welchen  diese  aufrnht,  sind  verschiedene.  Hei  bedeutender  Tiefe  der  Fossae  ccrebelli 
und  dadurch  bedingter  starker  Verwölbung  derselben  nach  aussen  in  Form  der  sogenannten  Protuberantiae 
eerelodli  sind  es  diese,  weiche  auRiegeu.  Ist  dagegen  die  Crista  oceipitalis  stark  entwickelt,  so  findet  das 
Aufruhcu  auf  dieser  statt. 

*)  Sämmtliebe  in  der  lieifolgenden  Tabelle  Xr.  I veraeielineten  BO  X'egersuhadel  stammen  aus  Nordest- 
afrika,  mit  Ausnahme  von  Nr.  1 und  XV.  37. 


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Krümmung  des  Schiidclrohres. 


289 


Neger  sind  0 und  5 gegen  l'ü  und  lO'ö  beim  Europäer.  3)  Auf  dem  Warzen-  und  Griffel 
fortsatz  ruht  der  Schädel  auch  bisweilen  auf,  jedoch  verändert  dies  die  übrigen  Verhältnisse 
nicht.  4)  Der  untere  Tlieil  der  Schuppe  des  Hinterhauptbein»  liegt  gewöhnlich  frei  und 
berührt  die  horizontale  Unterlage  nicht ').  Zu  diesen  Messungen  bediente  ich  mich  eines  in 
horizontaler  Ebene  nuf  drei  Füssen  befestigten  Brettchens  von  beigezeichneter  Gestalt  (Fig.  38  J, 
Fi».  3«,  auf  welches  der  Schädel  ohne  Unterkiefer  aufgestellt 

A wird.  Gewöhnlich  stelle  ich  denselben  auf  die  quadra 

tische  Abtheilung  A A A A , ragen  jedoch  die  Warzen- 
und  Griffolfortaätze  stark  hervor,  so  das»  sie  die  Unter- 
lage berühren,  so  schiebe  ich  den  Schädel  auf  die  schma- 
lere Abtheilung  aana  zurück,  so  dass  die  genannten 
Fortsätze  seitwärts  fallen  und  der  Schädel  dann  nur 
auf  den  näher  der  Mittellinie  gelegenen  Theilen  (Gelenk- 
fortsätzen, Hiliterhauptsschuppe)  aufndit.  Durch  die  Spalten  oo  bewegt  sich  ein  Millimeter- 
Maassstab  auf-  und  abwärts,  mit  welchem  man  die  Erhebung  der  Gelenkfortsätzc  über  der 
horizontalen  Unterlage  misst 


*)  Wie  nothwendig  hei  allen  derartigen  Prägen  die  Vergleichung  einer  grösseren  Anzahl  von  Schädeln 
ist,  um  alle  durch  Vermischung,  Alter,  Geschlecht,  Individualität  u.  s.  w.  in  die  Kaccncharaktere  eingefuhr- 
ten  „Störungen“  »u  eliminiren,  geht  auch  au»  diener  Untersuchung  wieder  hervor.  Wäre  diese  zufällig  nur 
auf  die  Jir.  27  his  50  der  Tabelle  I beschränkt  geblietien,  so  wären  die  Schlösse  theilweise  andere  geworden. 


Are  Mt  fB?  Anthropologie,  Bd.  IV,  Heft  IV. 


37 


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2»0 


A.  Ecker 


Tabelle  1. 

Negerschädel. 

Sämmtliche  Schädel,  mit  Ausnahme  von  Nr.  I und  Nr.  37  stammen  aus  Nordostafrika. 
Alle  sind,  ohne  Unterkiefer,  auf  einer  horizontalen  Unterlage  aufgestellt  und  ruhen 
vorn  auf  dem  Zahnbogen  auf. 


2 

i 

& 

s 

ü 

Nr. 

Nummer 
des 
l’ata- 
log*  *)• 

Bezeichn ung  des  Schädels. 

Die  Gelenk- 
fortsätze  des 
Os  occip.  ru- 
hen auf  der 
horizonta- 
len Unter- 
lage auf. 

Die  Gulenk- 
fortsutze 
ruhen  nicht 
auf.  Erhe- 
bung über 
der  horizon- 
talen Unter- 
lage in  Mil- 
limetern.- 

Bemerkungen, 

1 

1.  1 

Schädel  eines  Negorskelets  (vom 
See  Nyassv),  s.  Ecker,  Freib. 
naturf.  Gosel  loch.  Berichte  11. 
1861. 

— 

Der  Schädel  fällt  leicht  hinten- 
über, ruht  dann  auf  den  Gelenk- 
fortflätzen  und  dem  hintern  Rande 
des  Forinten  magnum. 

2 

I.  3 

Schädel  eines  Eunuchenskelets, 
ahgebildet  und  lieschrieben  von 
A.  Ecker:  Zur  Kennt  ui**  des 
Körperbaus  schwarzer  Eunu* 
| chen.  Abhandlg.  der  S e ticke n- 
berg’schen  Gesellseh.  in  Frank- 
furt av  M.  1hl.  V,  Taf.  XXII,  S.  100. 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  Znhn- 
bogen  und  den  grossen  Warzen- 
fortsätzen; fallen  letztere  seit- 
wärts, auf  emterem  und  den  Ge- 
lenkfort Ȋtzen. 

3 

1 4 

Schädel  de«  Rumpfskclets  eines 
Negers. 

- 

Gelenkfortsätze  sehr  vorstehend. 

4 

V.  21 

Schädel  eines  Negers  aus  Obeid 
(Kordofun). 

- 

— 

5 

V.  18 

Schädel  eines  Nuhanegers , ub» 
gebildet  und  beschrieben  von 
A.  Ecker:  Schädel  nordostafrik. 
Völker.  Abhandlg.  d.  Sencken- 
berg’schen  Gesellseh.  in  Frank- 
furt a*M.  1hl.  VI,  Separat*  h- 
druck,  S.  10,  Taf.  VI. 

0 

V.  19 

Desgleichen,  ibid.  8.  11. 

- 

- 

; V.  30 

1 

Negerschädel. 

j Der  Schädel  ruht  auch  noch 
auf  dem  hinteren  Rande  des 
Foramen  magnum  und  den 
! Spitzen  der  Warzenfortsätze  auf. 

’)  L>er  anthropol.  Sammlung  der  Universität  Freiburg. 


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Ordnungszahl. 


Kriünraung  des  Schädelrohres. 


291 


Nr. 


Nummer 

des 

Cata- 

loga. 


Bezeichnung  des  Schädels. 


Die  Gelenk- 
fortafctss  des 
Os  occip.  ru- 
hen auf  der 
horizonta- 
len Unter- 
lage auf. 

Die  Gelenk- 
fort  «ätze 
ruhen  nicht 
auf.  Erhe- 
bung ül>er 
der  horizon- 
talen Unter- 
lage in  Mil- 
limetern. 

Bemerkungen. 

- 

Der  Schädel  fällt  leicht  hinten- 
über. 

- 

Der  Schädel  fällt  leicht  hinten- 
über. Gelenkfortsütze  »ehr  vor- 

- 

stehend. 

. - 

Der  Schädel  ruht  zugleich  auf 
dem  hinteren  Theile  des  Seiteii- 
randc»  des  Foramen  magmun. 

Ih?r  Schädel  ruht  auf  (Zahnl»o- 
gen  und)  den  Warzenfortsätzen; 
lässt  mau  letztere  seit  wart»  fallen, 
auf  den  Gelenkfortsätzen  und 
dem  hinteren  Theile  de«  Seiten- 
rande«  des  Foramen  magnum. 

Der  Schädel  fällt  leicht  hinten- 
über, ruht  dann  auf  Proc.  coudyl. 
und  unterem  Theile  der  Schuppe; 
nach  vorn  gewendet  auf  Zahn- 
bogen und  Griffelforteätzen ; 
lässt  man  diese  seitwärts  fallen, 
auf  Zahnbogcu  und  Gelenkfort- 
sätzen ; Hmterhauptaachuppe 

hoch  ül>er  dem  Boden. 

- 

— 

- 

Gelenkfortsätze  sehr  vorstehend. 

- 

Ik*r  Schädel  fällt  leicht  hinten- 
Ühir  und  ruht  dann  auf  den 

Gelenkfortsutzen , den  Warzen- 
fortaätzen  und  den  Tubera  ce- 
rebelli.  um  die  Spitze  der  Pme. 
niastoidei  nach  vorn  gedreht, 
auf  Zahnbogen,  Gelenkfortsätzen 
und  Warzenfortsätzen. 

37* 

10 


12 


13 


V.  17 


V.  7 


V.  10 


V.  11 


V.  9 


Schädel  eines  Negers  von  Te- 
gern  (?).  Ecker:  Schädel  uord- 
ostafr.  Völker.  I.  ©.  Taf.  IX. 

S.  15. 

Schädel  eines  Negers  von  Dar* 
Fertit 


Schädel  eines  Negers  von  Teg- 
geleh,  vergl.  Ecker,  I.  c. 
Taf.  VII,  S.  12. 

Schädel  eines  Negers  von  Teg* 
geleh.  Ecker,  ihid.  S.  13. 


Schädel  eines  Neger»  von  Ko  bi 
(Darfur).  Ecker,  ibid.  S.  20. 


Schädel  eines  Negers  von  Dar- 
fur. 


14 

V.  1* 

Schädel  eines  Neger»  von  Ha- 

madja.  Ecker,  ibid.  III,  S.  7. 

15 

V.  3« 

Negerschädel  (bezeichnet  Ka- 

fina). 

16 

V.  27 

Negerschädel. 

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292 


A.  Ecker 


i 

§ 

c 

ü 

o 

' 

Nr. 

Nummer 

de« 

Cata- 

log». 

Bezeichnung  des  Schädels. 

Die  Geleok- 
fortaitzc  des 
Os  occip.  ru- 
hen uuf  der 
horizontu- 
len Unter- 
lage uuf. 

Die  Gelenk- 
fortsätze 
ruhen  nicht 
auf.  Erhe- 
bung über 
der  horizon- 
talen Unter- 
lage in  Mil- 
limetern. 

Bemerkungen. 

17 

V.  28 

Negerschädel. 

— 

— 

18 

V.  58 

Schädel  eines  Negerknaben , 10 
bis  12  Jahr  alt. 

Der  Schädel  ruht  zugleich  auf 
dem  hinteren  Rande  des  Kom- 
men magnum , den  Tu  Infra  ce- 
rebelli  und  den  Spitzen  der 
W arzen  fortsätze. 

18 

V.  52 

Schädel  eines  Negerknaben, 
circa  9 Jahr  alt  (bezeichnet  An* 

— 

Gelcnkfortaätze  sehr  vorstehend. 

20 

V.  85 

Negerschädel. 

- 

- 

21 

V.  30 

Negerschädel. 

Der  Schädel  ruht  zugleich  auf 
dem  hinteren  Rande  des  Kom- 
men magnum. 

22 

V.  37 

Negerschädel. 

- 

- 

23 

V.  31 

Negerschädel,  klein,  sehr  pro- 
gnath.  Die  zwei  mittleren  olieren 
Schneidezahne  mit  gefeilten 
Einschnitten. 

Der  Schädel  ruht  zugleich  auf 
den  Spitzen  derProc.  mastoidei. 

24 

V.  32 

Negerschädel , »ehr  prognath. 
Schneidezähne  des  Ober-  und 
Unterkiefers  spitz  gefeilt. 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  Zahn- 
bogen und  den  Warzenfort- 
sätzen; lässt  man  letztere  seit- 
wärts fallen,  auf  ersterem  und 
den  üelenkfortaätzeu. 

25 

V.  56 

Negerschädel , etwas  difform. 
Pfeil-  und  Kranznaht  geschlos- 
sen bei  offener  Synchondr.  sphe- 
no-basilaris. 

. 

Griffelfortaätze  sehr  gross.  — 
Schädel  fallt  leicht  hintenüber, 
liegt  daun  auf  den  Geleukfort- 
sätzen  und  dem  hinteren  Rande 
des  Koramen  magnum  auf. 

2G 

V.  48 

Negerschädel. 

- 

. 

- 

27 

V.  26 

Schädel  «fine*  schwarzen  Eunu- 
chen. Siehe  Ecker:  Zur  Kennt- 
niss  des  Körperbaues  schwar- 
zer Eunuchen,  1.  s.  c.,  S.  109, 
Taf.  XXII  und  XXIII. 

05 

Der  Schädel  ruht  auf  der  Spitze 
der  Warzenfortsätze  und  dem  — 
sehr  vorstehenden  — hinteren 
Seitenrande  des  Koramen  ma- 
guum.  Ohne  da*  starke  Vomte- 
hen  diese*  Randes  würdeu  die 
Gelenkfortsätze  die  Unterlage 

berühren. 

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Krümmung  des  Schädel  roh  res. 


293 


1 

p 

a. 

s 

fl 

■£ 

Nr. 

Nummer 

des 

Cata- 

logB. 

Bezeichnung  des  Schädels. 

FHe  Gelenk- 
fortsätce  des 
Os  occip.  ru- 
hen auf  der 
horizonta- 
len Unter- 
lage auf. 

Die  Gelenk- 
fortsätze 
ruhen  nicht 
auf.  Erhe- 
bung über 
der  horizon- 
talen Unter- 
lage in  Mil- 
limetern. 

Bemerkungen. 

28 

V.  6 

Schädel  eine*  Negers  von  Dar- 
Fertit.  Siehe  Ecker:  Schädel 
nordostafr.  Völker,  1.  c.  Taf.  II, 
S.  6. 

1 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  hin- 
teren Theile  des  .Seitenrandes 
de»  Foramen  inagnum. 

29 

V,  29 

Negerschädel. 

1 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  hin- 
teren Rande  des  Foramen  ina- 
gnum. 

30 

V.  50 

Negerschädel. 

1 

Der  Schädel  ruht  auf  den  War- 
zenfortsätzen und  dem  unteren 
Theile  der  Schnppe;  fallen  erstere 
seitwärts,  auf  dem  hinteren  Rande 
des  Foramen  magnum.  Die  Ge- 
len kfortsätze.  obgleich  sie  den 
Boden  nicht  berühren,  sehr  vor- 
stehend. 

31 

V.  55 

Negerschädel. 

1 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  hin- 
teren Theile  des  Seitenrandes 
des  Foramen  magnum,  der  sehr 
vorsteht.  Proc.  condyloidei  vor- 
stehend. 

32 

V.  84 

Negerschädel.  Die  mittleren 
oberen  Schneidezähne  mit  ge- 
feilten Einschnitten. 

1 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  hin- 
teren Rande  des  Foramen  ma- 
gnum. 

33 

V.  33 

Negerschädel,  jugendlich,  sehr 
prognath. 

1 

Der  Schädel  ruht  auf  den  gros- 
sen Warzeufortsätzen , fallen 
diese  seitwärts,  auf  dem  hinteren 
Rande  des  Foramen  magnum. 

34 

V.  57 

Negerachädel. 

1,5 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  vor- 
stehenden hiutereu  Theile  des 
Seitenrandes  des  Foramen  ma- 
gnum- 

36 

V 48 

Negerschädel. 

1,8 

Der  Schädel  ruht  auf  den  War- 
zenfortsätzen ; fallen  diese  seit- 
wärts, auf  dem  hinteren  Rande 
des  Foramen  magnum. 

SU 

1 

V.  14 

Schädel  eines  Negers  aus  Fa- 
zogl. 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  sehr 
vorstehenden  hinteren  Theile  des 
Seitenrandes  des  Foramen  ma- 
gnum. 

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A.  Ecker, 


■294 


2 

i 

& 

9 

s 

c 

5 

Nr.  ( 

Nummer 

de» 

Cnta- 

log». 

Bezeichnung  des  Schädel». 

Die  Gelenk- 
fortaätze  des 
Ob  occip.  ru- 
hen auf  der 
horizonta- 
len Unter- 
lage auf. 

Die  Gelenk- 
fortsä tzc 
ruhen  nicht 
auf.  Erhe- 
bung über 
der  horizon- 
talen Unter- 
lage in  Mil- 
limetern. 

Bemerkung*1  u 

37 

V.  1 

Schädel  eine»  Negers  aus  Boruu. 

1,5 

Der  Schädel  ruht  auf  den  War- 
zen fortsäUen;  fallen  diese  seit- 
wärts, auf  dem  »ehr  stark  aus- 
geprägten hinteren  Theile  de» 
Seitenrande»  des  Foramen  tua- 
gnum. 

38 

V.  5 

Schädel  eines  Negers  au»  Dar- 
Fertit  Siehe  Ecker:  Schädel 
nordostafr.  Volker,  1.  c.  Taf.  I, 
S.  5. 

2 

Der  Schädel  liegt  auf  den  Tu- 
bern cerebelli  auf. 

39 

V.  13 

1 Schädel  eine»  Neger»  aus  Fa- 
zogl.  Siehe  Ecker,  1.  e.  Tb.  IV, 
8.  8. 

2 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  sehr 
vorstehenden  hinteren  Theile 
des  Seitenrandes  des  Foramen 
magnum. 

40 

V.  40 

Negerschüdel,  schwer,  hoch,  pro- 
gnath.  Lücke  zwischen  den 
zwei  oberen  mittleren  Schneide- 
zähnen; die  zwei  unteren  mitt- 
leren Schneidezähne  fehlen. 

2 

Der  Schädel  fallt  leicht  hinten- 
über, ruht  dann  auf  den  War- 
zenforta&tzen  und  den  Tubera 
cerebelli,  nach  vorwärts  gewen- 
det auf  enteren  (und  Zahnbo- 
gen); Proc.  mast,  seitwärts  fal- 
lend, auf  dem  hinteren  Kunde 
des  Foramen  magnum. 

41 

V.  44 

Negerschädel , jung.  Den*  sap. 
noch  nicht  durch. 

2 

Der  Schädel  ruht  auf  dem  hin- 
teren Theile  de»  Seitenrande» 
de»  Foramen  magnum; 

42 

V.  23 

Negenchidel,  »ehr  schmal,  lang, 
hoch  und  prognath. 

2 

Auf  den  Tubera  cerebelli; 

43 

V.  22 

Schädel  eines  Negers  von  Taka. 
Ecker,  1.  c.  Taf.  VIII,  S.  14. 

2 

Auf  Tubera  cerebelli  und  dem 
hinteren  Theile  de»  Seitenran- 
dea  de»  Foramen  magnum; 

44 

V 3 

Schädel  eines  Galla.  Ihid.  Taf.  XI, 
S.  19. 

2 

Auf  den  Warzenfortsätzen ; wenn 
diese  seitlich  fallen,  auf  den  Tu- 
bera cerebelli; 

45 

V.  2 

Desgleichen,  ihid.  S.  16. 

2 

Desgleichen ; 

40 

V.  24 

Negerschädel. 

8 

Auf  den  Warzenfortsätzen , fallt 
, leicht  hintenüber;  wenn  diese 
1 seitlich  fallen,  auf  dem  hinteren 
Theile  de»  Seitenrande«  des  Fo- 
ramen magnum. 

47 

IV.  45 

Negerschädel. 

8 

Desgleichen. 

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Krümmung  des  Schädelrohres.  295 


5 

6 
S 
3 

Xr. 

Nummer 

de» 

CtttH* 

log*. 

Bezeichnung  de»  Schädel». 

IHe  Gelenk- 
fortsätze  des 
Os  occip.  ru- 
hen auf  der 
horizonta- 
len Unter- 
lage auf. 

J Oie  Gelenk- 
fortsätze 
ruhen  nicht 
l auf.  Erhe- 
bung über 
der  horizon-  1 
1 tnlen  Unter- 
lage in  Mil- ! 
li  niete  rn.  j 

Bemerkungen. 

48  1 

V.  51 

Schädel  eines  Negerknaben, 
circa  8 Jahre  alt 

8 

Der  Schädel  ruht  auf  den»  hin- 
teren Theil  des  Seitenrandes 
de»  Foramen  magnum. 

49  ! 

IV.  25 

Negerschädel. 

4 

Desgleichen.  Proc.  condyluidei 
sehr  vorstehend. 

5ü 

V.  15 

Schälle]  eines  Negers  vom  Te- 
gem-gebel-Gnl,  1.  e.  Taf.  V,  s. 

1 5 1 

Auf  dem  hinteren  Theile  de» 
Seitenrandes  des  Foramen  ma- 
gnum. 

Immerhin  sind  demnach  diese  Unterschiede  bedeutend  genug,  und  es  war  mir  daher  sehr 
auffallend,  beim  Nachschlagen  in  der  betreffenden’  Literatur  derselben  kaum  Erwähnung 
• gethan  zu  finden. 

Es  ist  fast  nur  Sömmoring *).  der  etwas  davon  beobachtet  hat,  jedoch  scheint  ihm 
gerade  das  wesentlichere  Moment  entgangen  zu  »ein.  Er  sagt  (1.  c.),  das  Foramen  magnum 
scheine  beim  Neger  etwas  weiter  hinten  zu  liegen,  als  bei  uns,  und  eine  Folge  hiervon  sei, 
dass,  wenn  man  einen  Mohrenschädel  ohne  Unterkiefer  auf  eine  ebene  Fläche  lege,  dieser  so 
sehr  hinten  aufliege,  dass  die  Zähne  die  Fläche  nicht  berühren,  sondern  um  mehr  als  einen 
Zoll  höher  gehoben  werden,  während  die  europäischen  Schädel  sich  meist  allemal  nach  vorn 
neigen  und  eben  so  gut  auf  den  Zähnen  als  hinten  aufruhen.  Dieses  von  Sömmering  an- 
gegebene Hintenüberfallen  des  Negersehädels  findet  allerdings  in  manchen  Fällen  statt  und 
ist  in  einzelnen  dieser  durch  die  starke  Entwickelung  der  Gelenkfortsätze  bedingt,  indem 
diese  dann  das  Hypomochlion  eines  zweiarmigen  Hebels  bilden;  in  anderen  Fällen  findet  aber 
ganz  dasselbe  in  Folge  einer  starken  Entwickelung  der  Processus  mastoidei  statt,  und  in  noch 
anderen  Fällen  sind  die  Gelenkfortsätze  vorstehend  und  auf  der  Unterlage  aufruhend,  ohne 
dass  jedoch  das  genannte  HintenUbcrfallen  des  Schädels  stattfindet  In  der  übrigen  Literatur 
fand  ich  die  abweichende  Stellung  der  Condylen  nur  selten  erwähnt  In  der  anthropologi- 
schen Gesellschaft  von  Paris  wurde  bei  Gelegenheit  der  Mittheilung  über  neu-caledonische 
Schädel  von  Bourgarel*)  bemerkt,  dass  sie  in  einzelnen  F'ällen  auch  auf  einem  oder  beiden 
Condylen  aufruhen  (in  2 Fällen  unter  20);  ferner  bemerkt  Broca3)  in  seinem  Aufsatz:  «Sur 
les  projections  de  la  töte  etc.“  bei  Gelegenheit  der  Bestimmung  seiner  Horizontal-Ebene,  dass 
die  Schädel  auf  einer  horizontalen  Unterlage  hinten  bald  auf  den  Warzenfortsätzen,  bald 
auf  den  Bosses  ccrebelleuses  oder  selbst  auf  der  unteren  Fläche  der  Condylen  aufruben. 

’)  Semmering,  Ueber  die  körperliche  Verschiedenheit  des  Neger»  vom  Europäer.  Mainz,  1784.  §.  51 
and  52. 

*|  Bulletins  de  la  societe  d’Anthropologie  de  Pari*.  I,  450. 

»t  Il>id.  III,  517. 


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296  A.  Ecker, 

Pruner-Bey ')  giebt  als  Charakter  dea  Negerscbädels  „verlängerte,  schmale  und  sehr  geneigte 
Condylen“  au. 

Wie  wir  oben  sahen , ragen  also  beim  Negerschädcl  die  Gelenkfortsätze  viel  stärker 
hervor,  so  dass  bei  Aufstellung  der  erstercn  auf  einer  horizontalen  Unterlage  dieselben  ent- 
weder auf  dieser  aufruhen  oder  sich  wenigstens  viel  weniger  über  dieselbe  erheben,  als  beim 
Europäer.  Biese  stärkere  Hervorragung  ist  nicht  etwa  die  Folge  einer  stärkeren  Entwickelung 
dieser  Fortsätze,  sondern  vielmehr,  wie  insbesondere  Medianschnitte  zeigen,  nur  das  Resultat 
einer  hei  beiden  Racen  verschiedenen  Stellung  der  Schädelbasis.  Die  Ebene  des  Foramen 
magnum  bildet  mit  der  Ebene  des  Clivus  beim  Neger  einen  viel  kleineren  Win- 
kel, als  beim  Europäer;  mit  anderen  Worten:  die  Schädelbasis  ist  an  der  Berührungs- 
stello  der  beiden  genannten  Ebenen  viel  stärker  geknickt,  als  beim  Europäer.  Es  erhellt 
dies  aus  der  Vergleichung  der  auf  Taf.  11  und  III  in  Fig.  1 bis  8 abgebildeten  Medianschnitte, 
die  mit  dem  Lucae'schen  Apparate  aufgenommen  und  um  die  Hälfte  verkleinert  sind*). 
Wie  beistehende  Talwdle  ("Nr.  II  a.  f.  S.)  zeigt,  schwankte  beim  Neger  in  12  Fällen  der 
genannte  Winkel  (Condylcnwinkel)  von  100"  bis  lÄS”  und  betrug  im  Mittel  113’5".  Beim 
Europäer  variirte  derselbe  in  20  Fällen  von  117°  bis  140°  und  das  Mittel  betrug  1 28'2<‘. 

Es  ist  klar,  dass  die  Gelenk fortsätze  des  Hinterhauptbeines,  die  sich  in  der  Nähe  der 
Spitze  des  genannten  Winkels  befinden,  weit  mehr  vorstehen  werden,  wenn  dieser  einem 
rechten  sich  nähert  als  wenn  er  ein  weit  oflener  stumpfer  ist.  Ein  Blick  auf  die  Abbildun- 
gen (Taf.  II  und  III)  lässt  die  genannten  Unterschiede  sehr  deutlich  erkennen  und  zugleich 
wahrnehmen,  dass  die  Gelenkfortsätze,  wenn  nmn  die  Schädel  in.  die  aufrechte  Stellung  bringt, 
mehr  nach  vorn  geneigt,  d.  h.  mit  dem  vorderen  Ende  abwärts  gewendet,  sind,  ein  Umstand, 
der  sofort  autfallen  muss.  Die  Schädel,  bei  welchen  der  genannte  Winkel  am  kleinsten  ist, 
sind  in  der  Regel  zugleich  auch  diejenigen , bei  welchen  die  Gelenkfortsätze  auf  der  horizon- 
talen Unterlage  aufruhen,  während  jene,  bei  welchen  diese  hoch  stehen , meistens  einen  sehr 
grossen  Condylenwinkel  aufweisen. 

Alle  die  verglichenen  und  in  den  Tabellen  verzeiclmeten  Schädel  sind  völlig  normale. 
Bei  Schädeln  mit  sogenannter  eingedrückter  Schädelbasis  kann  die  Erhebung  der  Condylen 
über  die  horizontale  Unterlage  natürlich  eine  viel  bedeutendere  werden.  Diese  abnormen 
Schädel  hisse  ich  hier  ganz  ausser  Betrachtung*).  Bei  normalen  Schädeln  tritft,  wie  Boo- 
gard  (1.  c.)  richtig  angiebt,  eine  von  der  Nasenwurzel  zu  der  hinter  dem  Foramen  magnum 
gelegenen  Unterfläche  des  Hinterhauptbeins  gezogene  Linie  den  hinteren  Rand  de«  Foramen 
magnum  selbst,  während  bei  den  Schädeln  mit  eingedrückter  Basis  das  hintere  Ende  dieser 
Linie  hinter  den  Rand  des  Foramen  magnum  lullt. 

Dass  diese  verschiedene  Knickung  der  Schädelbasis  bei  den  genannten  Racen  mit  ande- 
ren Eigenthümlichkeiten  des  Schädels  theils  als  bedingendes  Moment,  theils  als  Folge  in 

')  Memoire«  de  ta  «ocicte  d’ Anthropologie  de  Paris.  I,  300. 

2)  Kiue  Anzahl  anderer  SchädeldiirchscliniUc  hildetc  ich  einfach  dadurch  ab,  dass  ich  dir  Schnittfläche 
zuerst  mit  einer  Gummilösung,  dann  mit  Tusche  bestrich  und  nachher  auf  einem  feuchten  Papiere  mit  ge- 
hörig weicher  Unterlage  abdruckte.  f)ic  ( und  vl.'n  wurden  durch  einen  mit  einem  Bleistift  versehenen  Winkel 
nachträglich  Umrissen. 

*)  Vergl.  über  diese  Veränderung  des  Schädels  insbesondere  Boogard,  Die  Eindrückung  der  Schädelbasis 
durch  die  Wirbelsäule.  Nederlandsch  Tijdschr.  ISttä,  fl.  Afd.  p.  81  und  Schmidt’«  Jahrbücher  IH05,  Bd.  1A7 
Nr.  fl,  S.  AS»,  woselbst  auch  die  übrige  Literatur  über  diesen  Gegenstand  vollständig  angegeben  ist. 


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Krümmung  des  Schadelrohrs.  297 

nächster  Beziehung  stehen  werde,  war  von  vornherein  anzunehmen  und  wird  durch  die 
Untersuchung  bestätigt. 


Tabelle  II 
Condylenwink 

Neger. 

eL 

Tabelle  IH. 
Condylenwin 

Europäer. 

k e 1. 

fcc 

c _ 
s M 

-3  3 

u 

Bezeichnung 

Con- 

dyleu* 

winkel 

Erhebung  der 
Condyli  occ. 
über  der  Hori- 
zontalehene 

■ 

u 

9 2 

■% " 
U 

O 

Bezeichnung 

Coo- 

dylen- 

winkel 

Erhebuug  der 
Condyli  occ. 
über  der  Hori- 
zontalebene 

I 

1 

Neger 

100° 

0 

i 

Schwede 

117 

i 

2 

* 

110» 

0 

2 

Schwarzwälder 

120 

4 

3 

9 

110» 

0 

3 

Schwaniwülder 

120 

. 7 

4 

„ (bez,  :Kafina) 

1IO0 

0 

4 

Bretsgauer 

131 

— 

5 

n 

111» 

0 

5 . 

Brei»gauer 

121 

— 

6 

n (Aahantee) 

113» 

0 

6 

Schwarzwilder 

122 

9 

7 

„ (Darfur) 

115» 

0 

7 

Schwarzwälder 

124 

4 

8 

j» 

116* 

3 

8 

Breingauer 

125 

- 

9 

ji 

116» 

1 

9 

' BreiBgauer 

126 

8 

-10 

„ (Borna) 

117» 

1-6 

i° 

| Schwarzwälder 

127 

2 

11 

1» 

120» 

1-6 

11  i 

Schwarzwälder 

128 

— 

12  ! 

„ (Kuogl) 

135» 

2-0 

12 

Norddeutscher 

129 

ß 

Mittel 

13 

Schwabe 

130 

10 

113  6 

14 

Schwarzwnlder 

130 

— 

15 

Schwarzwälder 

133 

10 

16 

Sch  war*  wälder 

134 

6 

’ 

17 

Schwarzwälder 

135 

— 

18 

Schwarzwälder 

137 

— 

19 

Schwarzwälder 

140 

] — 

20 

Schwarzwälder 

145 

105 

Mittel 

1 

1 

1282 

1 

Ist  der  Schädel,  wie  vorher,  auf  der  horizontalen  Unterlage  aufgestellt,  so  erscheint  bei 
den  Schädeln  mit  kleinem  Condylcnwinkcl,  also  den  Negerschädeln: 

1)  Das  Hinterhaupt  steiler  aufgerichtet,  höher  UW  der  horizoutalen  Ebene  gelegen, 
während  es  hei  den  Schädeln  mit  entgegengesetzter  Bildung  auf  dieser  aufruht. 

2)  Ferner  ist  die  Ebene  des  Fortunen  magnutn  zu  der  Horizontalebene  so  gestellt,  dass 
sie  beim  Neger  mit  derselben  entweder 

a)  einen  nach  hinten  offenen  Winkel  bildet  (Taf.  II,  Fig.  1,  Nr.  13  der  Tabelle  I);  oder 

b)  mit  derselben  vollkommen  oder  nahezu  parallel  steht  (Taf.  III,  Fig.  5,  Nr.  22  der 
Tabelle  I;  oder 

c)  endlich  einen,  jedoch  immer  kleinen,  nach  vom  offenen  Winkel  bildet  (Taf.  II, 
Fig.  3;  Taf.  HI,  Fig.  7,  Nr.  15  und  16  der  Tabelle  I), 

Archiv  für  Anthropologie,  Ed.  IV.  Heft  IV.  gg 


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■2!l»  A.  Ecker, 

während  die  beiden  Ebenen  beim  europäischen  Schädel  immer  einen  nach  vorn  offenen 

und  jeweils  viel  grösseren  Winkel  bilden.  (Taf.  II,  Fig.  2,  4;  Taf.  III,  Fig.  6,  8.) 

Das  Fortunen  magnuin  ist  also  allerdings  beim  Neger  im  Ganzen  mehr  nach  hinten  ge- 
richtet und  der  Winkel  zwischen  unterer  und  hinterer  Schädelfläche,  der  sich  beim 
Europäer  ungefähr  am  hinteren  Rande  des  Foramen  magnum  findet,  fällt  beim  Neger 
schon  mit  dem  Condylen winkel  zusammen. 

Aus  dem  bisher  Mitgetheilten  ergiebt  sich,  dass: 

1)  geringere  Erhebung  der  Gelenkfortsätze  Uber  der  horizontalen  Unterlage, 

2)  kleinerer  Condy lenwinkel  und 

3)  steilere  Stellung  des  Foramen  magnum  nach  hinten 

stets  zusammen  Vorkommen  und  liir  die  untersuchten  Negerschndel  gegenüber  den  europäi- 
schen immerhin  etwas  Charakteristisches  bilden.  Man  wird  daher  wrtfcl  annehmen  dürfen, 
dass  es  in  der  Race  begründete  Unterschiede  sind.  Bekanntlich  war  es  Daubenton,  der 
zuerst  auf  dio  Eigeuthümlichkeiten  der  Stellung  des  Foramen  magnum  beim  Menschen 
gegenüber  der  bei  den  Thieren  aufmerksam  machte.  In  seinem  „Memoire  sur  les  dilfdrences 
de  la  Situation  du  grand  trou  occipital  dans  l'hommo  etdans  ies  animauxJ  ')  (gelesen  am  I.  Sep- 
tember 1704  in  der  französischen  Academie)  sagt  er,  beim  Menschen  liege  in  Folge  seines 
aufrechten  Ganges  das  Foramen  magnum  beinahe  in  der  Mitte  der  Schädelbasis,  d.  h.  es  sei 
von  dem  vorderen  Kieferrand«  kaum  mehr  entfernt , als  von  der  hinteren  Schädelfläche, 
ferner  unterscheitle  sich  das  Foramen  magnum  dadurch  von  dem  der  Thiere,  dass  seine  Eben? 
(welche  er  über  dessen  hinteren  Rand  und  die  Gelenkfläche  der  Uelenkfortsätze  legt),  wenn 
man  sie  verlängert,  unter  den  Augenhöhlen  Austritt.  Sie  liege  in  einer  fast  horizontalen 
Ebene,  welche  dio  verticale  des  Körpers  und  Halses  bei  vollkommen  aufrechter  Stellung  des 
Kopfes  rechtwinklig  schneidet.  Bei  den  meisten  Thieren  liege  das  Hinterhauptloch  am  hin- 
teren Theile  des  Schädels  und  das  Hinterhaupt  rage  nicht  über  dasselbe  hinaus',  die  Ebene 
desselben  sei  eine  verticale  oder  wenig  nach  vorn  oder  hinten  geneigte.  Von  allen  Thieren 
unterscheiden  sich  in  dieser  Beziehung  die  Alfen  am  wenigsten  von  tlen  Menschen  untl  von 
diesen  wieder  die  ungescliwänzten  oder  eigentlichen  Affen.  Doch  gebe  es  auch  geschwänzte 
Affen , wie  z.  B.  der  Sapajou,  die  darin  nicht  mehr  vom  Menschen  verschieden  seien , als  der 
dem  Menschen  ähnlichste,  der  Orang-Utan.  Dass  auch  innerhalb  des  Menschengeschlechts 
Verschiedenheiten  in  der  in  Rede  stehenden  Richtung  stattfinden,  darüber  findet  sich  bei 
Daubenton  keinerlei  Andeutung.  Hierauf  bat  wohl  zuerstSömmering  aufmerksam  gemacht. 
In  der  oben  citirten  Schrift  (§.  51)  sagt  er,  das  Foramen  magnum  scheine  beim  Neger  weiter 
hinten  zu  liegen,  als  beim  Europäer,  und  vermuthlich  sei  das  die  Ursache,  dass  der  Mohren- 
schädel, wie  oben  Seite  295  erwähnt,  ohne  Unterkiefer  auf  eine  horizontale  Unterlage  gestellt, 
sich  anders  verhalte  als  der  des  Europäers. 

Seit  dieser  Zeit  sind  Verschiedenheiten  in  der  Stellung  des  Foramen  magnum  beim 
Neger  und  Europäer  mit  mehr  oder  weniger  Bestimmtheit  angenommen  und  als  Eigen- 
thünilichkeiton  der  Race  betrachtet  worden.  Vor  allem  ist  es  HuxleyJ),  der  auf  die  Ver- 

9 lli-teire  de  I'acadtmic  royale  de»  peienee«.  Armee  17(11.  Avec  lea  memoire»  de  mathemalii|ue  et 
de  j'hypiyue  I "ir  la  meine  annec.  Daris  1707.  4rt.  p.  .VIS..  — Jl  lluxley,  Zcngnitifl  f , 1 1*  <1  u‘  Stellung  des 
Menschen  in  der  Natur.  Au»  dem  Enffliachen  von  V.  Caru».  flraunpehwetg , 1*08.  8.  170. 


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Krümmung  des  Schüdelrohrs.  299 

schiedenheiten  aufmerksam  macht  um!  zeigt,  dass  in  den  prognathen  Schädeln  die 
Ebene  des  Foramen  tnagnum  mit  der  Schädelbasisaxe  einen  kleineren  Winkel 
bilde,  als  bei  den  orthognathen.  Aebv  '}  dagegen  will  der  steileren  Stellung  desForamen 
magnmn  (er  spricht  nur  von  dieser)  durchaus  keine  so  wichtige  Bedeutung  zugeschriebeu 
haben,  wie  ich  sie  oben  annelunen  zu  müssen  glaubte  (d.  h.  die  einer  Raoeneigeuthümlichkeit), 
sondern  glaubt,  dass  die  Schwankungen  in  dieser  Beziehung  nur  individueller  Natur  seien; 
insbesondere  finde  auch  — womit  er  sich  insbesondere  gegen  Huxley  wendet  — keine 
nähere  Beziehung  dieser  Stellung  zum  Prognathismus  statt  Es  halte  schwer,  ein  bestimm- 
tes Gesetz  aufzustellen  und  es  scheine  nur  eine  — freilich  vielfach  gestörte  — Beziehung 
zwischen  Foramen  magnmn  und  Hinterhaupt  zu  liestehen,  in  der  Weise,  dass  Kürze  des 
Hinterhaupts  zu  steilerer  Aufrichtung  des  Foramen  magnum  führen  würde. 
Aeby  betrachtet  das  erstere  Moment  als  die  Ursache  des  letzteren.  Ohne  das  Vorkommen 
zahlreicher  Variationen  im  Geringsten  lüugnen  zu  wollen,  möchto  ich  doch  behaupten,  dass 
die  beiden  genannten  Momente  die  nothwendige  Folge  einer  gemeinsamen  Ursache  sind 
und  auf  einer  RaconeigenthUmlichkeit  beruhen.  Welches  diese  sei,  diese  Frage  soll  weiter 
unten  genauer  erörtert  werden ; vorher  haben  wir  noch  eine  andere  zu  beantworten. 

Wir  haben  bisher  nur  die  Stellung  des  Schädels  ohne  Unterkiefer  auf  einer  horizontalen 
Unterlage  (der  Linie  II H Tafel  II  und  III)  ins  Auge  gefasst.  Diese  Linie  fällt  aber  keines- 
wegs mit  der  Horizontalen  zusammen,  in  welcher  der  Schädel  im  Leben  auf  der  Wirbelsäule 
im  Gleichgewicht  aufruht,  und  es  entsteht  nun  also  die  weitere  Frage:  Wie  verhalten  sich 
die  beiden  Schädelformen  in  Betreff  dieser  Horizontalen?  Diese  Frage  haben  wir  in  die 
folgenden  zu  zerlegen:  1)  Welches  ist  im  Lebon  bei  aufrechter  Stellung  des  Körpers  die 
Horizontal-Ebene,  in  welcher  der  Kopf  auf  der  Wirbelsäule  aufruht?  2)  Wie  verhält  sich  zu 
dieser  Ebene  die  Ebene  des  Foramen  magnum?  3)  Finden  in  den  genannten  Beziehungen 
Verschiedenheiten  zwischen  dem  Neger  und  dem  Europäer  statt? 

ad  1.  Bestimmung  der  Horizontal-Ebene.  — Es  ist  bekannt,  dass  die  Ansichten  hierüber 
ziemlich  auseinandergingen  und  dass  eben  deshalb  auf  dem  Anthropologencongress  in  Göt- 
tingen im  Jahr  18C1  der  Versuch  gemacht  wurde,  eine  Vereinbarung  zu  erzielen,  um  insbesondere 
in  der  bildlichen  Darstellung  der  Schädel  eine  die  Vergleichung  leicht  gestattende  Gleich- 
mässigkeit  einzuführen.  C.  E.  v.  Baer  sprach  sich  bei  der  hierbei  stattfindenden  Discussion 
in  folgender  Weise  aus’):  Bei  vollkommen  ruhiger  Haltung  des  Kopfes,  so  dass  er  mit  ge- 
ringster Anstrengung  der  Muskeln  auf  dem  Atlas  ruhe,  wechsle  zwar  bei  verschiedenen  Per- 
sonen die  Horizontale  etwas,  immer  aber  verlaufe  sie,  von  der  Ohröffnung  aus  gezogen, 
höher  als  der  Boden  der  Nasenhöhle  und  schwanke  etwa  zwischen  dem  oberen  und  unteren 
Drittheil  derselben.  Er  fand  diese  Linie,  indem  er  sich  und  Andere  vor  einen  senkrecht 
befestigten  Spiegel  stellte  und  bei  ruhiger  Haltung,  so  dass  der  Kopf  mit  geringster  Anstren- 

i)  Acby,  Pie  Scbädelformen  des  Menschen  und  der  Alfen.  Leipzig  1HÖ7,  4°.  — Aeby  misst  bekanntiieh  die 
Länge  des  Hinterhaupts  in  folgender  Weise:  Auf  der  Verlängerung  seiner  Grundlinie  nach  hinten  werden 
awei  Senkrechte  gezogen,  wovou  die  eine  den  vorstehendsten  Punkt  des  Hinterhaupts  tangirt,  die  andere  den 
vorderen  Rand  des  Foramen  magnum  trifft.  Pie  Pistanz  zwischen  beiden  Linien  gieht  die  Länge  des  Hin- 
terhaupts. L c.  S.  17. 

*)  Bericht  über  die  Zusammenkunft  einiger  Authroiwlogen  in  Göttingen  von  C.E.  von  Baer  und  IL  Wag- 
ner. Leipzig  1861.  S.  36. 

38* 


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300 


A.  Ecker, 

gung  der  Muskeln  auf  dem  Atlas  ruhte,  in  das  Bild  der  Pupille  des  eigenen  Auges  sah  odei1 
sehen  liess.  Da  nun  diese  Baer'scbe  Linie  mit  der  Jochbeinlinie,  d.  h.  mit  einer  durch  den 
oberen  Rand  des  Jocbbogens  gelegten  Linie  ziemlich  UbereiDstimmt,  so  wurde  auf  dem 
genannten  Anthropologencongress  vereinbart,  diese  Jochbeinlinie  als  Horizontale  anzunehmen 
(Tat.  II  und  HI,  Linie  ZZ).  Broca ')  dagegen  hat  eine  andere  Linie  als  Horizontale  auf- 
gestellt  Dieselbe  geht  als  Tangente  Uber  den  vorstehendsten  Punkt  der  unteren  Fläche  der 
Gelenkfortsätze  des  Hinterhauptbeins  und  über  den  unteren  Rand  des  Zahnlächerbogens 
(Arcus  alveolaris)  zwischen  den  Schneidezähnen  hindurch *).  Broca  ist  ebenfalls  der  Ansicht, 
dass  bei  aufrechter  Stellung  des  Körpers’  diejenige  Stellung  des  Kopfes  die  natürliche  sei , in 
welcher  die  Sehaxe  horizontal  verläuft,  und  hält  dafür,  dass  die  Horizontal-Ebene,  in  welcher 
der  Kopf  im  Leben  auf  dem  Atlas  aufruhe,  durch  die  vorgenannte  Linie  angegeben  werde. 

ad  2 und  3.  Eine  Vergleichung  der  beiden  oben  genannten  Linien  bei  einer  Anzahl  von 
europäischen  Schädeln  ergiebt  sofort,  dass  dieselben  (die  ich  kurz  als  die  Baer’sche  und 
die  Broca'sche  bezeichnen  will)  nie  oder  nur  höchet  selten  einander  parallel  laufen,  sondern 
mit  einander  einen  nach  vorn  offenen  Winkel  bilden.  In  14  Fällen  wechselte  dieser  Winkel 
von  9°  bis  15°  und  betrug  im  Mittel  der  14  Fälle  1211“. 

Bei  dem  Negerscbadel  dagegen  verlaufen  die  beiden  Linien  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
parallel  und  bilden  nur  selten  einen  erheblichen  Winkel  mit  einander.  Von  12  Fällen  betrug 
das  Mittel  der  Neigung  der  beiden  Linien  nur  1'9°. 

Aus  diesen  Thateachen  ergiebt  sich  zweierlei:  einmal,  daas  für  den  europäischen  Schädel 
mir  die  eine  der  beiden  Linien  die  richtige  sein  kann  und  dann,  dass  in  Betreff  der  Stellung 
des  Schädels  zu  der  Horizontalen  zwischen  dem  des  Negers  und  dem  des  Europäers  gewich- 
tige Unterschiede  statthaben  müssen. 

Betrachten  wir  nun  zunächst,  wie  sich  die  einzelnen  Theile  des  Schädels  zu  den  genann- 
ten Linien  stellen,  so  ergiebt  sich  Folgendes: 

I.  Broca'sche  Linie. 

A.  Beim  Europäer*).  1)  Dieselbe  verläuft  über  den  untersten  Theil  der  Hinterhaupts- 
schuppe, durchschneidet  dieselbe  oder  tangirt  sie  mindestens.  2)  Der  Winkel, 
welchen  diese  Linie  mit  der  Ebene  des  Foramen  magnum  bildet,  ist  stets  ein  nach 
vorn  offener,  ziemlich  beträchtlicher,  der  im  Mittel  von  12  Fällen  24ö  beträgt- 
3)  Die  Jochbeinlinie  bildet  mit  derselben  elienfälls  einen  nach  vom  offenen , ziem- 
lich grossen  Winkel. 

B.  Beim  Neger*).  1)  Der  hintere  Rand  des  Foramen  magnum  und  der  untere  Theil 
der  Hinterhauptsschuppe  sind  stets  über  dieser  Linie  gelagert  und  zwar  2 bis 
17  Millimeter  darüber  (im  Mittel  von  12  Fällen  7 Milliro.).  2)  Mit  der  Ebene  des 
Foramen  magnum  bildet  diese  Linie  entweder:  a)  einen  nach  hinten  offenen  Winkel 
(unter  12  Fällen  in  2),  oder  b)  sie  läuft  damit  parallel  (unter  12  Fällen  in  4), 


')  Hulk’tins  «le  la  Bociet£  d’Antbropolojrie  de  Paris.  III,  S.  520. 

•)  Niehe  Tuf.  II  und  III  die  Linie  B Ii 

3)  Vergl.  Tal’.  II,  Fijf.  2 und  4 und  Taf.  III,  Fig,  6 und  8. 

*)  Yerjrl.  Taf.  II,  Kig.  1 und  3,  Taf.  III.  Fijj.  5 und  7. 


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Krümmung  des  Schiidelrohrs. 


301 


oder  sie  bildet  (unter  12  Fällen  in  6),  wie  beim  Europäer,  einen  nach  vorn  offenen 
Winkel,  der  aber  stets  viel  kleiner  ist,  als  bei  diesem,  c)  Die  Jochbeinlinie  läuft 
mit  derselben  parallel  oder  fast  parallel. 

II.  Baer’sche  Linie  (<L  h.  eine  mit  der  Jochbeinlinie  parallele,  die  Gelenkfortsätze  des 
Hinterhauptbeins  tangircnde  Linie).  Dass  diese  Linie  beim  Neger  meist  parallel 
mit  der  vorhergehenden  länft,  jat  schon  erwähnt.  Sie  berührt  also  meist  den  Rand 
des  Arcus  alveolaris  anperior  oder  entfernt  sich  nicht  weit  davon  nach  aufwärts, 
wahrend  der  vordere  Rand  der  Hinterliauptsschuppe  mehr  oder  minder  hoch  über 
derselben  liegt.  — Beim  Europäer  dagegen  tangirt  oder  schneidet  diese  Linie  die 
Hinterhauptschuppe  und  tritt  vorn  meist  in  gleicher  Hohe  mit  dem  Boden  der  Nasen- 
höhle oder  wenig  tiefer  aus. 

Hiernach  lässt  sich  nun  nicht  verkennen  — und  es  erhellt  dies  aus  einer  Vergleichnng 
der  Figuren  auf  Taf.  II  und  III  und  beistehender  Fig.  39  auf  das  Evidenteste,  dass  es  den 
89-  Anschein  hat,  als  habe  bei  den  beiden  Racen  gleich- 

sam eine  verschiedene  Drehung  der  die  Schädel- 
capsel  zusammensetzenden  Tlieile  'um  eine  Quer- 
\ achse  nach  vor-  oder  rückwärts  stattgefunden. 

• Um  die  hierbei  stattfindenden  Vorgänge  rich- 

tig zu  verstehen,  ist  es  nöthig,  sich  an  die  Urform 
der  Schädelwirbel  zu  erinnern.  Ein  jeder  Schädol- 
wirbel  hat  die  Gestalt  eines  Keils  *) , dessen  Basis 
im  Bogen,  dessen  Spitze  im  Körper  liegt.  Denken 
wir  uns  den  Schädel  aus  drei  solchen  Elementen 
zusammengesetzt,  so  bilden  diese  zusammen  ein 
gebogenes  Rohr  (OSFV  der  Figur  39)  als  Fort- 

„ , , , , ....  , . Setzung  des  geraden  Wirbelrohres  (W).  Eine  mäch- 

Schem»  der  hypothetischen  Drehung  der  \\  irbel- 

•eminente  beim  Neger  und  beim  Europäer.  ^S6  Entwicklung  der  Bogen  muss  nothwendig  (der 
Rothe  Conturen:  Europäer.  Schwarte  Con-  Keilform  wegen)  die  Krümmung  dieses  Rohres  ver- 
telwirbcl, F Stirnwirbel,  V vierter  Wirtel  (Vo-  starken,  eine  schwächere  sie  abflachen.  Es  ist  nun 
mer),  W Wirbeiaftule,  / Fortunen  magnum,  nicht  zu  verkennen,  dass  es  den  Anschein  hat,  als 
c stelle  der  GelenkforUit«.  de»  Hinter-  habo  fc*.;  (ler  einen  Raee  das  Eine,  bei  der  anderen 
hanptbems. 

das  Andere  stattgefunden. 

Beim  Neger  hat,  so  nehmen  wir  an,  das  Schädelrohr  eine  schwächere  Krümmung  erlitten 
und  ist  eben  deshalb  kürzer.  Im  Einzelnen  scheinen  folgende  Vorgänge  dieses  Resultat  her- 
vorzubringen: A.  Es  hat,  bei  relativ  mehr  fixirtem  Basaltheil,  eine  Rotation  des  Bogens  des 
hintersten  Segments  (0)  nach  vor-  und  aufwärts  stattgefunden,  eine  Bewegung,  die  ihrerseits 
wieder  bedingt  erscheint  durch  eine  geringere  Entwicklung  eben  dieses  Bogentheils.  Noth- 
wendige  Folgen  dieser  Rotation  sind:  1.’  die  steilere,  nnch  hinten  gerichtete  Stellong  der 
Ebene  des  Foramen  magnum;  2.  die  Erhebung  des  Negerachüdels  nach  hinten  und  die 
Lagerung  der  Hinterhauptsschuppe  über  der  Horizontalen  ( HU)  und  Uber  der  Broca'schen 


')  Vergl.  »ach  Aeby,  Die  Sch idel formen  u.  ».  w.,  S.  8. 


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302 


A.  Ecker, 


Linie  [B  B);  3.  die  stärkere  Knickung  der  Schädelbasis  in  der  (legend  der  Gelenkfort- 
sätze ( c ) und  das  hiervon  abhängige  stärkere  Vorstehen  derselben , so  dass  sie  bei  einem 
ohne  Unterkiefer  auf  einer  horizontalen  Unterlage  aufgestelltcn  Schädel  diese  berühren 
oder  doch  nur  wenig  darüber  erhaben  sind;  4.  der  kleinere  Condylenwinkel,  B,  Eine 
entgegengesetzte  Drehung  scheint  der  vordere  Schädelwirbel  (F)  erlitten  zu  haben,  näm- 
lich eine  Rotation  nach  vor-  und  aufwärts,  und  cs  ist  diese  wohl  ebenfalls  wieder  der 
Ausdruck  einer  geringeren  Entwicklung  des  Bogentheils  des  vordersten  Wirbels.  Durch 
diese  beiden  Bewegungen,  durch  welche  gewiaserinassen  ein  Zusammenschieben  der  Bogen- 
theile  (in  der  Richtung  der  Pfeile  in  Fig.  30)  .stattfindet,  wird  natürlich  die  Krümmung 
des  Schädelrohres  sehr  verflacht.  C.  Eine  ganz  notliwendige  Folge  dieser  Formveränderung 
ist  nun  aber  auch  eine  ganz  andere  Stellung  des  Gesichtsskelets.  Bilden  die  Körper  der  drei 
Schädel wirbel  (OSF)  einen  flacheren  Bogen,  so  muss  nothwendig  der  an  diese  vorn  sich  an- 
schliessende Körper  des  letzten,  vierten  (leeren)  Wirbels,  der  Vomer  ( V),  ebenfalls  eine  andere 
Richtung,  nämlich  eine  mehr  nach  vor-  als  abwärts  gewendete  erhalten  und  mit  demselben 
auch  das  ganze  Gesichtsskelet.  Der  Prognatbisinus  steht  also  mit  den  erwähnten  Rotationen 
der  Elemente  der  Schädelcapsel  in  einem  genauen  ursächlichen  Zusammenhang  und  hängt 
hiernach  in  erster  Reihe  von  der  Gestalt  der  Schädelbasis  ah.  Dass  der  Entwicklungsgrad 
der  Kiefer  auf  den  Grad  des  Prognathismus  mitbostiminend  eiuwirke,  ist  dadurch  nicht  aus- 
geschlossen. Es  findet  diese  Stellung  des  Gesichtsskelets  ausser  in  dem  Prognathismns  ihren 
Ausdruck  auch  in  dem  Winkel,  welchen  Pars  basilaris  des  Hinterhauptbeins  und  Vomer*) 
zusammen  bilden  Wir  wollen  diesen  Winkel  Schädel-Gesichtswinkel  nennen,  obgleich 
er  dem  von  Huxley  (1.  c.)  so  genannten  nicht  ganz  vollständig  entspricht*).  Ein  Blick  auf 
die  Fig.  40  zeigt,  dass  dieser  Wmkel  osv  bedeutend  grösser  ist,  als  der  Winkel  o's'r' 
und  einen  Ausdruck  giebt  für  die  verschiedene  Krümmung  des  Schädelrohres.  Hit  der  genann- 
ten Stellung  des  Gesichtsskelets  hängt  es  nun  auch  zusammen,  dass  beim  Neger  die  Jochbein- 
linie (ZZ)  nicht  in  einem  weit  offenen  Winkel  von  der  Broca’schen  Linie  (B B)  vor-  und 
aufwärts  gerichtet  ist,  sondern  mit  derselben  (utrallel  läuft,  oder  doch  nur  in  einem  kleinen 
Winkel  davon  abweicht  Mit  der  Grösse  dieses  Winkels  wächst  die  prognathe  Beschaffen- 
heit des  Gesichts  und  es  hat  den  Anschein , als  würde , um  bei  der  mechanischen  An- 
schauung zu  bleiben,  mit  zunehmender  Grösse  desselben  das  Oberkiefergeriist  immer  mehr 
nach  vorwärts  gedrängt,  während  mit  der  orthognathen  Beschaffenheit  des  Gesichts  derselbe 
stetig  kleiner  wird. 

Beim  Europäer  erscheint  das  Schädelrolir  länger  und  daher  stärker  gekrümmt.  Wie  aus 
Fig.  39  auf  vor.  S.  erhellt,  hat  es  den  Anschein,  als  sei  bei  ziemlich  gleichbleibender  Stellung 
des  mittleren  Schädelwirbels  (S)  der  hintere  Schädel  wirbel  ( <>)  durch  Rotation  um  eine  Quer- 
achse nach  rück-  und  abwärts,  der  vordere  ( F)  durch  eine  ähnliche  Rotation  nach  vor-  und 

*)  Oder  die  Flügelfortsätxe  de»  Keilbein»,  ws»  ziomlädi  auf  ein»  horauskommt.  Pie  schrägere Stellung 
der  Fliigelfortiätzc  de»  Keilbein»  beim  Neger  erwähn«  auch  Hyrtl.  Betrachte«  man  die  ßasi»  eine«  Neger, 
achädeia  und  eine*  europäischen,  »o  fallt  sofort  auf,  da«»  bei  ersterem  die  untere  Fläche  der  Pur»  ha- 
«ilnri»  des  Hinterhauptbeins  und  der  hintere  Band  de»  Vomer  flach  in  einander  übergehen,  lici  letzterem  einen 
Winkel  bilden. 

*1  Man  erhält  dieien  Winkel  (o*r).  wenn  mnn  die  Axe  der  Par»  busilari»  de,  Hinterhauptbeins  (o,  o'  Fig  40) 
und  de»  hintern  Hände»  de*  Vomer  (c,  c'  Fig.  40)  nach  oben  verlängert. 


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Krümmung  des  Schädelrohrs. 


303 


Abwarts  gedreht.  Diese  Drehung  erscheint  aber  nur  als  Ausdruck  einer  mächtigeren  Ent- 
wicklung der  Bogentheile  dieser  Wirbelsegmente.  Durch  die  Rotation  des  hinteren  Schüdel- 
segments  (0)  nach  rück-  und  abwärts  erhält:  1.  die  Ebene  des  Foramen  niagnum  eine 
mehr  nach  vor-  und  aufwärts  gerichtete  .Stellung;  2.  sinkt  die  Hinterhauptschuppe  unter 
oiler  doch  auf  die  Horizontale  H II  (und  die  Linie  B B)  herab;  3.  vergrossert  sich  der 
C'ondylenwinkel  (siehe  Tabelle  HI,  S.  297)  und  durch  die  Rotation  des  vorderen  Schädel- 
segments  (F)  nach  vor-  und  abwärts  erhält  natürlich  auch  der  vierte  Wirbel,  der  Vo- 
mer  ( V) , eine  mehr  gerade,  nach  abwärts  gehende  Richtung,  und  die  Folgen  hiervon  sind: 
a)  ein  kleinerer  Schädelgesichtswinkel  (o‘  s'v');  b)  die  Oeffnung  eines  Winkels  zwischen  der 
Jochbeinlinie  {ZZ)  und  der  Linie  TI  B ; und  endlich  c)  als  gemeinsamer  Ausdruck  dieser 
Vorgänge  eine  mehr  orthognathe  Stellung  iles  Gesichts.  Die  beistehende  Figur  40,  in  welcher 

Fig.  40. 


Fmrisse  des  Medianschnitts  der  Schädel:  A eines  jungen  süddeutschen  Mädchens  (Tat.  111, 
Fig.  6)  (rothe  Schraffiruug)  und  B eines  Negers  aus  I>ar-Fur  (Tuf.  II,  Fig.  1)  (schwarze 
Conturen)  übereinander  gezeichnet,  so  dass  die  Axen  der  Keilbeinwirbel  (de«  Keilbeinkür- 
pers)  bei  beiden  parallel  laufen.  Die  geknickten  punktirteu  Linien  o,  s,  v (roth  hei  A, 
schwarz  hei  Ji)  stellen  die  Schädetbasisaxe  dar,  welche  aus  den  Abschnitten  o (Axe  der 
Pars  Ijasilaris  osBis  occipitis),  * (Axe  des  Keilbeinkörpen)  und  <>  (Axe  des  Vomer)  besteht. 
o,s,  v schwarz  (Neger);  f/ s' v'  roth  (europäisches  Mädchen). 


ein  charakteristischer  Negcrschädel  (Schädel  eines  Negers  aus  Dar- Für,  Tabelle  I,  Nr.  13, 
Taf.  II,  Fig.  1 und  Fig  36,  Seite  288)  und  der  Schädel  eines  wohlgebauten  jungen  süd- 
deutschen Mädchens  über  einander  gezeichnet  sind,  lässt  klar  erkennen,  daas  die  Eigentüm- 
lichkeiten der  beiden  Schädelformen  durch  die  Annahme  der  beschriebenen  Drehungen  der 
verschiedenen  Schädelsegmente  um  Querachsen  sich  am  ungezwungensten  erklären  lassen. 
Die  beiden  Schädel  sind  so  gestellt,  dass  die  Achsen  des  Keilbeinkörpers  (der  beiden  Keil- 
beinwirbel) beider  Schädel  parallel  laufen. 


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304 


A.  Ecker, 


Wenn  im  Bisherigen  von  einer  Drehung  der  Segmente  der  Schädclcapsel  um  quere  Achsen 
gesprochen  wurde,  so  ist  damit  selbstverständlich  nicht  behauptet,  dass  zu  irgend  einer  Zeit 
der  Entwicklung  des  Schädels  ein  derartiger  mechanischer  Vorgang  wirklich  stattgefunden 
habe.  Es  ist  dies  eben  ein  hypothetisches  Bild , unter  welchem  sich  alle  wichtigen  Eigen- 
tümlichkeiten der  beiden  Schiidelformen  zusammenfassen  lassen  und  das  wohl  auch  der 
Eigenschaften  einer  guten  Hypothese  nicht  ermangelt,  da  es  einerseits  die  geschilderten 
Eigentümlichkeiten  genügend  erklärt,  ohne  andererseits  in  directem  Widerspruch  mit  wohl- 
begründeten Thatsachen  zu  stehen.  Alle  die  einzelnen  Vorgänge,  welche  zusammen  den 
Eindruck  einer  Rotation  der  Segmente  der  Schädelcapsei  nach  vorn  oder  hinten  hervorrufen, 
zu  ermitteln,  das  muss  freilich  späteren  Untersuchungen  Vorbehalten  bleiben. 

Die  vorstehende  Deutung  der  hauptsächlichsten  Differenzen  zwischen  Neger-  und  Europäer- 
schädel, zu  welcher,  wie  mir  scheint,  eine  unbefangene  Betrachtung  derselben  fast  mit  Not- 
wendigkeit drängt,  stimmt,  wie  man  sieht,  in  den  Hauptpunkten  mit  der  von  Huxley  ver- 
tretenen Anschauungsweise  des  Unterschieds  zwischen  niederen  und  höheren  Säugethier-  und 
Menschenschädeln  überein.  Huxley1)  weist  nach,  dass,  wie  Medianschnitte  der  Schädel 
zeigen,  bei  niederen  Säugetieren  die  Schädelbasisaxe  (ab  der  beistehenden  Figur  41) 
(basi-cranial  axis,  d.  i.  eine  Linie,  die  vom  hinteren  Ende  der  Pars  basilaris  des  Hinterhaupt- 

Kifj.  41. 


Medi&aachaitte  der  Schädel  vom  Biber,  Maki  und  Pavian  nach  Uuxley,  1.  a.  c.  8.  167. 


')  1.  c.  S.  167  u . ff. 


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305 


Krümmung  de»  SchKdclrohra. 

beitis  zum  vorderen  Ende  des  Keilbeinkörpers  am  oberen  Ende  der  Keilbein  -Siebbein-Naht 
in  der  Mittellinie  verläuft)  iin  Verhältnis»  zur  Länge  der  Scbädelhöhle  viel  länger  ist,  als 
bei  höheren,  und  dass  im  Zusammenhang  hiermit  die  Ebene  des  Foramen  magnum  (6  e)  und  der 
Lamina  cribrosa  (<f  «)  des  Siebbeins  viel  mehr  der  senkrechten  Stellung  sich  nähern,  während  die 
Gesichtsbasisaxe  («/)  mit  der  Schädelbasisaxe  (ab)  einen  ganz  stumpfen  Winkel  bildet.  Bei 
gleichbleibender  Schädelbasisaxe  sehe  man  daun  bei  höheren  Tbieren  die  Schädelhöhle  sich  ver- 
längern, den  Schädel  dadurch  sich  wölben,  während  die  Ebene  des  Foramen  magnum  und  der 
Siebplatte  sich,  jene  nach  hinten,  diese  nach  vorn  her&lisinkend,  mehr  der  horizontalen  Stellung 
nähern  und  der  Winkel  zwischen  Schädelbasisaxe  und  Gesichtsaxe  (Schädelgesichtswinkel) 
«ich  zunehmend  verkleinert.  Huxley  (1.  c.S.  168)  fügt  bei,  es  sei  klar,  dass  die  Schädelbasisaxe 
eine  relativ  fixirte  Linie  sei,  um  welche,  wie  man  sich  ausdrlicken  könne,  die  Knochen  des 
Gesichts  und  der  Seiten  und  Deeken  der  Schädelhöhle  sich  nach  unten  und  nach  vorn  oder 
hinten,  je  nach  ihrer  Lage,  drehen,  In  ganz  ähnlicher  Weise  wie  die  Schädel  niederer  Säuge- 
thiere  von  höheren  und  dem  des  Menschen,  so  seien  auch  die  prognathen  menschlichen 
Schädel  von  den  orthognathen  verschieden.  Ausführlicher  spricht  sich  Huxley  Uber  diesen 
Punkt  jedoch  nicht  aus.  An  einem  andern  Orte  ■)  spricht  derselbe  von  der  Drehung  der 
ganzen  Schädelcapsel  nach  vor-  oder  rückwärts  beim  menschlichen  Schädel. 

Von  einer  Drehung  der  Schädelcapsel  hat  auch  Aeby’)  gesprochen,  ohne  ihr  jedoch  die 
Bedeutung  einer  RnceneigenthUmlichkeit  bcizulegen,  während  solches  wohl  ohne  Zweitel  die 
Meinung  Huxley's  ist.  Er  sagt  (die  Schädelfornien  in  s.  w.  S.  18):  die  Schwankungen  in  der 
Stellung  des  Foramen  magnum  werden  durch  eine  Verschiebung  des  Himschädel»  im  Ganzen 
veranlasst  und  die  Drehungsaxe  liege  im  vorderen  Endpunkt  »einer  Grundlinie,  welche  letz- 
tere bekanntlich  vom  vorderen  Bande  des  Foramen  magnum  zum  Foramen  coecum  gezogen 
wird.  Man  sieht,  das»  diese  Drehung  der  ganzen  Schädelcapsel  etwas  ganz  anderes  ist,  als 
die  Drehung  der  einzelnen  Segmente,  wie  wir  sie  oben  beschrieben  haben. 

Wenn  wir  nun  aber,  wozu  wir  wohl  vollständig  berechtigt  sind,  das  Schädelrohr  als  ein 
gekrümmtes  Rohr  lietrachten,  an  dessen  vorderem  Ende  sich,  die  Krümmung  fortsetzend,  als 
vierter  Wirbelkörper  der  Vomcr  ansetzt,  so  ist  wohl  klar,  wie  dies  auch  von  verschiedenen 
Autoren  eingeräumt  wurde,  das»  die  Axe  der  Basis  dieses  Rohres  (die  Wirbelkörperaxe) 
ebensowenig  als  die  des  Rohre»  selbst  eine  gerade  Linie  sein  kann.  Es  kann  daher  weder  die 
Huxley ’sche  Schädelbasisaxe  noch  die  Aehy’sche  Grundlinie  die  wahre  Axe  der  Schä- 
delbasis darstellen.  Diese  muss  vielmehr  eine  geknickte  Linie  sein,  welche  aus  drei  im  Win- 
kel aneinander  gefügten  Geraden  besteht,  wovon  die  hinterste  (o)  durch  die  Mitte  der  Pars 
hasilaris  des  Hinterhauptbein«,  die  zweite  (s)  durch  die  Mitte  des  Keilbeinkörpers  (hinterer 
und  vorderer  Keilbeinwirbelkörper)  und  die  vordere  (r)  durch  den  Vomer  parallel  mit  seinem 
hinteren  Rande  verläuft  Ich  habe  dieselbe  in  Fig.  40  anzugeben  versucht.  Der  Bestimmung 
derselben  im  Erwachsenen  steht  freilich  das  Schwinden  der  Sphenooccipitalfuge  im  Wege, 
immerhin  aber  wird  eine  der  Mitte  der  Knochen  möglichst  nahe  laufende  Linie  die  Axe  rich- 
tiger darstellen  als  eine  willkürlich  gezogene  Gerade,  welche  den  Hinterhauptswirbelkörper 

t)  Huxley,  Ueber  zwei  extreme  Formen  des  menschlichen  Schädels.  Dieses  Archiv  I,  S.  345. 

*1  Acby,  1)  Eine  neue  Methode  zur  Bestimmung  der  Schfldelformen  von  Menschen  uud  Säugethieren. 
Braunschweig  1.402.  S.  3(1.  2)  Die  Schädelfornien  der  Menschen  uud  der  Affen.  Leipzig  1867.  S.  18. 

Archiv  fflr  ADihrupnlogi«.  Bd.  IV.  Hei«  IV. 


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30ß  A.  Ecker, 

zwar  ziemlich  längs  seiner  Achse  durchzieht,  dagegen  den  Keilbeinkör]>er  schräg  durchschnei- 
det— Es  ergiebt  sich  also  auch  aus  meinen  Untersuchungen,  dass,  wie  es  Welcker*) 
richtig  ausgedriickt,  Prognathisnius  mit  Länge  und  gestrecktem  Verlauf  der  Schädelbasis, 
Orthognathismus  mit  Kürze  und  starker  Einknickung  derselben  Zusammentritt!..  — 

Alle  die  durch  die  beschriebenen  Drehungen  der  Schädelwirbel  bedingten  Eigentümlich- 
keiten des  Negerschädels  sind  als  ebenso  viele  Annäherungen  an  den  thierischen  Typus,  zu- 
nächst au  den  der  Affen,  zu  betrachten,  so  z.  B.  die  höhere  Stellung  der  Hinterhauptsschuppo 
über  der  Horizontalen,  die  Stellung  der  Ebene  des  Forainen  tnagnum  nach  hinten,  der  Pro- 
gnathismus  u.  s.  w.,  nur  für  den  Condylen winke!  kann  dies  nicht  mit  demselben  Recht 
behauptet  werden.  Das  Mittel  dieses  Winkels  beträgt  beim  Neger,  wie  oben  (S.  297,  Ta- 
belle II)  angegeben,  im  Mittel  113*5“,  beim  jungen  Orang  dagegen  120“,  beim  Gorilla  122", 
beim  alten  Orang  128°. 

Wir  haben  die  als  Resultat  einer  verschiedenen  Drehung  der  Schädelwirbel  anzuschen- 
den  verschiedenen  Schädelformen  bis  dnhin  bloss  an  und  für  sich  betrachtet  Es  entsteht 
nun  die  weitere  Frage,  ob  zugleich  mit  der  verschiedenen  Conformation  der  Ebene  der  Schä- 
delbasis nicht  auch  in  der  Tliat  eine  andere  Stellung  des  Schädels  auf  der  Wirbelsäule  vor- 
handen sei.  Um  auf  diese  Frage  eine  Antwort  zu  geben,  genügt  es  nicht,  den  knöchernen 
Kopf  allein  zu  betrachten;  es  ist  nötliig  denselben  mit  summt  den  Weichthcilen  an  der  Leiche 
und  die  Stellung  dea  Kopfes  am  Lebenden  in's  Auge  zu  fassen. 

Um  mir  über  diese  Punkte  eine  klarere  Anschauung  zu  verschaffen,  nahm  ich  an  der 
frischen  Leiche  eines  sehr  wohlgebauten  Mädchens  von  22  Jahren  zunächst  das  Profil  de» 
ganzen  Kopfes  mit  dem  Lucae’schen  Apparat  auf.  Alsdann  trennte  ich  genau  in  der  Mittel- 
linie vom  Domfortsatze  des  zweiten  Halswirbels  über  den  Scheitel  bis  unter  das  Kinn  sämrnt- 
liche  Weiehtheile  bis  auf  den  Knochen  durch  und  präparirte  sie  auf  der  einen  Seite  sorgfältig 
bis  auf  den  Knochen  weg,  so  dass  auf  dieser  Seite  der  knöcherne  Kopf  bloss  lag.  Dann  nahm 
ich  mit  demselben  Apparat  sowohl  nochmals  die  äusseren  Conturen  als  das  Profil  de»  knö- 
chornen  Kopfes  auf  und  zeichnete  die  beiden  Aufnahmen  auf  Pauspapier.  Die  Profilconturen, 
aufeinander  gelegt,  deckten  sich  vollkommen  und  es  konnte  so  die  Stellung  der  einzelnen 
Knochen  zur  Frofilcontur  ermittelt  werden.  Brachte  ich  mm  den  Kopf  in  eine  Stellung, 
welche  mau  nach  den  Beobachtungen  am  Lebenden  als  die  bei  aufrechter  Stellung  natürliche 
bezeichnen  kann,  und  stellte  die  Zeichnung  in  gleicher  Weise  auf  (Fig.  42),  so  ergab  sich,  dass, 
wenn  inan  die  Broca’sche  Linie  als  die  Horizontale  anninimt,  das  Gesicht  viel  mehr  nach 
aufwärts  gewendet  erscheint,  als  dies  bei  vollkommen  ungezwungener  Stellung  des  Kopfes 
der  Fnll  ist  und  dass  man  der  Wahrheit  näher  kommt,  wenn  man  als  Horizontale  die  Joch- 
beinlinie  oder  Baer'sche  Linie  wählt  und  eine  mit  dieser  parallele,  die  Gclcnkfortsätze  tan- 
girendo  Linie  zieht.  Diese  trifft  aber  dann  nicht  den  unteren  Rand  des  Processus  alveolaris, 
sondern  vielmehr  das  obere  Drittheil  desselben  oder  auch  wollt  den  Boden  der  Nasenhöhle 
selbst.  Die  durch  diese  Linie  gelegte  Ebene  betrachte  ich  als  die,  in  welcher  der 
europäische  Schädel  im  Leben  auf  den  Gelenkfortsätzen  aufruht.  Da,  wie  wir 
oben  gesehen,  die  Broca’sche  Linie  beim  Europäersebädel  mit  dieser  einen  nach  vorn  offenen 

i)  Vorjrl.  Welcher,  Wachsthum  und  Bau  des  Schädel#.  S.  40.  Anm. 

»)  1.  c.  S.  47. 


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Krümmung  dt«  Schädelrolirs.  307 

Winkel  bildet,  so  verläuft  die  erstere  demnach  schräg  nach  vor-  und  abwärts.  Dass  sich  der 
Negerschädel  iu  dieser  Beziehung  anders  verhalten  werde,  musste  man  schob  von  vorn- 

Fig.  42. 


•Silhouette  eines  jungen  (süddeutschen)  Mädchens  von  22  Jahren,  mit  eiugezeichuctem  Schädel , in 
aufrechter  Stellung.  Z Z Jochhein- Linie.  B B Broca’sche  Linie,  e (ielenkiortsatz  des 

Hinterhauptbeins. 

herein  deshalb  vermuthen,  weil  hier  die  beiden  ebeugenannten  Linien,  die  Jochbeinlinie  und 
die  Broca’sche  Linie,  in  der  Regel  parallel  verlaufen.  Um  aber  auch  in  Bezug  auf  den 
Neger  eine  direktere  Anschauung  zu  erhalten,  benutzte  ich  eine  Gelegenheit,  die  sich  mir 
während  des  Krieges  bot.  In  einem  badischen  Lazareth  starb  ein  in  tler  Schlacht  bei  Wörth 
schwer  verwundeter  Turko-Soldat  an  Pyaemie.  Derselbe  hatte  fast  vollkommenen  Negertypus; 
die  Haut  war  fast  ganz  schwarz,  das  Haar  wollig  ').  Ich  präparirte  und  zeichnete  nun  den 
Kopf  (Fig.  43,  a.  f.  S.)  ganz  in  derselben  Weise  wie  den  des  vorgenannten  europäischen  Mädchens 
und  brachte  denselben  in  eine  Stellung,  die  der  im  Leben  hei  vollkommen  ruhiger  aufrechter 
Stellung  eingenommenen  möglichst  nahe  kam.  Ein  einfacher  Blick  auf  die  Zeichnung  ergab, 
dass,  wenn  man  hier  die  ßaer’sche-  (Jochbein-)  Linie  als  die  Horizontale  annimmt,  das 

■)  lieber  «eine  engere  Heimath  konnte  ich  leider  nichts  herausbringen,  da  deraelbe  nur  «ehr  wenig  fran- 
zösisch verstand.  .Sein  Name  war  Abdal!ah*hen-I*ein  und  er  diente  iiu  2.  Turku- I.init-n-In  hinters*-- Regiment. 

89* 


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A.  Ecker, 


30X 


Gesicht  eine  ganz  unnatürliche,  gewaltsam  nach  oben  gewendete  Stellung  erhält  Die  natür- 
liche Horizontale  filr  diesen  Kopf  ist  vielmehr  eine  Tangente  der  Gelenkfortsätze,  welche 

Fi«.  43. 


Silhouette  eine«  Neger«  (Turku),  mit  eingezeichnetem  Schädel,  iu  aufrechter  Stellung. 
/,  /j  Jochbein-Linie.  -Y  X Ebene,  in  welcher  der  Sehädel  im  Leben  auf  der  Wirbelsäule 
uufruht.  c tieleukforUatä  de«  Hinterhauptbein«. 


etwas  Uber  dem  Boden  der  Nasenhöhle,  etwa  an  der  Grenze  zwischen  unterem  und  mittlerem 
Drittheil  der  Apertnra  pyriformis  austritt  Diese  Linie  ist  in  beistehender  Fig.  43  mit  2t  2t 
bezeichnet.  Die  Joclibeinlinic  und  die  Broca'sche  verlaufen  dagegen  in  dieser  natürlichen 
Stellung  nach  vorn  und  abwärts  geneigt.  Dass  diese  Stellung  die  richtige  ist,  ergiebt  sich 
auch  ganz  deutlich  aus  einer  Vergleichung  dieser  Figur  mit  den  l>eistelienden  Umrissen 
(Fig.  44  und  45)  von  Negerköpfen.  Es  sind  diese  nach  genau  im  Profil  aufgeiftmimenen  Pho- 
tographien gemacht,  die  ich  von  Herrn  Potteau  in  Paris  ac<|uirirt  habe.  Ziehe  ich  auf 
diesen  Umrissen  durch  dieselben  Punkte  des  Gesichts,  welche  bei  der  Silhouette  dos  Turko 
(Fig.  43)  von  der  natürlichen  Horizontalen  („VA’)  getrofTen  werden,  eine  Linie  (2t  2t),  so  ergiebt 
sich  unzweifelhaft,  dass  beim  Neger  die  Baer’sche  und  Broca’sche  Linie  (/.'/■  und  BB)  nach 
vorn  upd  abwärts  geneigt  sind  und  dass  die  natürliche  Horizontale  mit  diesen  Linien  einen 
Winkel  bildet 


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HO't 


Krümmung  des  Schädel  roh  rs. 

Dies  erhellt  besonders  auch  ans  der  Fig.  4f>,  in  welcher  ich  (mit  Benutzung  der  Fig.  43) 
den  Schädel  des  Negers  von  Dar-Fur  (Taf.  II,  Fig.  1)  in  natürlicher  Stellung  gezeichnet  habe. 

Aus  dem  Vorangehenden  ergiebt  sich  somit,  dass  der  Negerschädel  nach  vorn  beträcht- 
lich mehr  gesenkt  ist,  als  der  europäische,  d.  h.  weniger  aufrecht  stellt,  was  sich  unter 
Anderem  deutlich  darin  ausdrUckt,  dass  der  Längsdurchmesser  des  Schädels  von  dem  vor- 
Fig.  44.  Fig.  4ö. 


Profil  eine«  Negers  in  aufrechter  Stel-  Profil  eines  Negers  in  aufrechter  Stet* 

lung  (nach  einer  Photographie)1).  lung  (nach  einer  Photographie)3). 


stehendsten  Punkt  des  Hinterhaupt«  zur  (Jlabel)a  beim  Neger  nach  vor-  und  abwärts  geneigt 
erscheint,  während  er  beim  Europäer  (siehe  Fig. 42)  nahezu  in  horizontaler  Richtung  verläuft*). 

Fig.  4<>.  Es  ist  diese  Stellung  wohl  zunächst  dadurch  be- 


ider Schädel  de»  Negers  von  Dar-Fur 
(Taf.  II,  Fig.  1),  nach  den  Ergebnissen  der 
Fig.  43,  in  das  liestchtsproh]  eingexeichnet. 


dingt,  dass  durch  die  geringere  Entwicklung  des 
Bogenthcils  des  Hinterhauptwirbels  das  Foramen 
nmgnuiu  allerdings  relativ  mehr  nach  hinten  ge- 
rückt erscheint,  so  dass  die  Hauptmasse  des  Schä- 
dels vor  die  Wirbelsäule  zu  liegen  kommt.  Dies 
ist  evident,  wenn  man  auf  der  natürlichen  Hori- 
zontalen ( ZZ ) des  Schädels  Nr.  (>  (Taf.  III)  einen 
Perpendikel  errichtet,  der  den  vorderen  Rand  des 
Foramen  niagnum  trifft  und  einen  ebensolchen  auf 
der  natürlichen  Horizontalen  (NN)  des  Schädels 
Nr.  1 (Taf.  II).  Man  sieht  dann,  dass  an  ersterem 
durch  denselben  der  Schädel  ziemlich  halbirt  wird, 
während  an  dem  Negerschädel  fast  * 3 des  Schä- 
dels vor  und  nur  */a  desselben  hinter  diese  Linie 


l)  Die  Bezeichnung  lautet:  Belub-Ben-Masiuioud , 24  ans,  sohlat  de  ln  1«™  dasse  au  2**  Tirailleura  alge- 
riens,  ne  au  Beni  Alestein  (b’oudau). 

-)  Bei.:  Kmliarik-bel-Kreir,  23  an»,  Negre,  ne  ä Bernou  (-Soudan),  Tirailleur  algcrien. 

3)  Vielleicht  ist  dadurch  auch  die  Angabe  bedingt,  die  ich  irgendwo  gelesen,  dass  das  äussere  Ohr  beim 
Neger  höher  stehe  als  beim  Europäer. 


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310 


A.  Ecker,  Krümmung  des  Sehädelrobrs. 

zu  liegen  kommt.  J J;us  Balanciren  des  Schädels  auf  der  Wirbelsäule  muss  dadurch  allerdings 
schwieriger  werden  und  es  müssen  nothwendiger  Weise  andere  Einrichtungen  vorhanden 
sein,  welche  dieses  Missverhältniss  wieder  einigermassen  aasgleichen.  Als  solche  darf  man 
wohl  die  kräftige  Naekemimskulatur  und  den  relativ  kürzeren  Hals  der  Neger  betrachten, 
worauf  insbesondere  Burmeister1)  aufmerksam  gemacht  hat.  Ob  ein  stärkeres  Ligam. 
nuchae  vorhanden  ist,  ob  andere  Bänder  stärker  sind,  ist  nicht  bekannt;  auffallend  war  mir 
nur  an  verschiedenen  Negerschädeln,  dass  der  hintere  Rand  des  Foranien  magnutn  mit  starken 
Rauhigkeiten  versehen  war,  so  dass  vielleicht  das  Lig.  obtur.  post,  atlant.,  das  sich  hier  an- 
setzt, beim  Neger  stärker  entwickelt  ist. 

Da  dieso  Senkung  des  Schädels  nach  vorn  ebenfalls  eine  niedrigere,  thierähnliche  Bildung 
darstellt,  darf  man  wohl  behaupten,  dass  nahezu  alle  Eigenthiimlichkeiten  des  Negerschädels 
zugleich  Annäherungen  an  eine  niedere  thierische  Form  darstellen. 


Anhang  zu  S.  308  und  300. 

Während  ich  die  Correctur  des  voranstehenden  Artikels  besorgte,  erhielt  ich  die  von 
Herrn  Dauimann  in  Hamburg  ausgeführten  Photographien  von  Afrikanern,  die,  da  sie  eben- 
falls genau  im  Profil  und  en  fa»,e  aufgenommen  sind,  Vergleichungen  sehr  wohl  gestatten. 
Nr.  1 der  Reihe  (Varlien,  Zanzibar-Neger  vom  Wasualieli-Stamm)  ist  im  Profil  in  zwei  Aus- 
gaben, Cabinet-  und  Visitenkartenformat  vorhanden.  In  erstgenannter  Aufnahme  ist  das 
Gesicht  unnatürlich  nach  oben  gewendet,  während  es  in  der  zweiten  so  ziemlich  die  natür- 
liche Stellung  inno  hat.  Zieht  man  an  diesen  beiden  Photographien  Linicu  durch  dieselben 
Punkte  des  Profils,  welche  bei  den  Figuren  43,  44,  45,  4fi  von  solchen  getroffen  werden,  so 
wird  man  sich  von  der  Richtigkeit  des  oben  Gesagten  ebenfalls  überzeugen  können.  In  Nr.  12 
(Said , Zanzibar-Neger)  scheint  die  Stellung  des  Kopfes  ziemlieh  die  natürliche,  während  sie 
dagegen  bei  Nr.  1 1 (Ferrusz,  Zanzibar-Neger)  offenbar  wieder  eine  unnatürliche  ist,  ebenso  in 
Nr.  1"  (Uledi,  Zanzibar-Neger)  und  — wenn  auch  in  geringerem  Grade  — in  Nr.  5 (Said- 
Beu-Mnza,  Zanzibar-Neger),  Nr.  4 (Vigdlin,  Zanzibar-Neger)  und  Nr.  7 (Monsüt,  Neger). 

*)  Darmeister,  peologinclie  Itildcr-  l.eipzip  )S5Ü.  II.  Duad,  S.  119  u.  tl. 


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Erklärung  der  Tafeln  II  und  III. 


Summtliche  hier  abgebildete,  in  der  Medianlinie  durchsagte  Schädel  sind  mit  dem  Lu cao’ sehen  Apparat 
aufgenommen  und  dann  um  die  Hälfte  verkleinert. 

Die  Bezeichnung  ist  bei  allen  die  gleiche:  9 

H II  Horizontalebene,  auf  welcher  der  Schädel  ohne  1’nterkiefer  aufruht. 

Z Z Jochbein-Linie. 

B B Broca’sche  Linie. 

F F Ebene  des  Foratnen  magnuin. 

C C Clivut- Ebene. 

N JV  (in  Fig.  1,  Taf.  II.)  Horizontale,  in  welcher  der  Negerschädel  im  Leben  auf  der  Wirbelsäule 
aufrnht. 

Tafel  11. 

Fig.  36.  Schädel  eines  Negers  aus  Darfnr  (Tabelle  I,  Nr.  13). 

Fig.  37.  Schädel  eines  kräftigen  Mannes  aus  Süddeutschlaud  (Schwarzwälder). 

Fig.  38.  Schädel  eines  jungen  Negers  (Tabelle  I,  Nr.  15). 

Fig.  89.  Schädel  eines  kräftigen  Mannes  aus  Süddeutschhuid  (Breisgau). 

Tafel  HI. 

Fig.  40.  Schädel  eines  Negers  (Tabelle  It  Nr.  22). 

Fig.  41.  Schädel  eines  jungen  Mädchens  aus  Süddeutsch laud  (Breisgau). 

Fig.  42.  Schädel  eines  Negers  (Tabelle  I,  Nr.  16). 

Fig.  43.  Schädel  eines  jungen  Mannes.  Deutscher. 


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XVII. 

Der  Fuss  eines  Japanischen  Seiltänzers. 


Von 

Joh.  Christa.  G.  Lucae. 


(Hierzu  Tafel  IV.) 


Eins  der  pikantesten  Themata  der  wieder  von  Neuem  hei  manchen  Fachgenossen  sich 
zeigenden  naturphilosophischen  Richtung  betrifft  die  Abstammung  des  Menschen,  und  es  bildet 
die  Frage:  ob  der  Mensch  und  die  Alfen  in  Eine  Ordnung  des  Systems  zu  vereinigen  oder  ob 
das  terminale  Ende  der  Hinterextremität  des  Arten  mehr  eine  Hand  oder  ein  mehr  dem  Men- 
schenfusse  gleiches  Gebilde  seif  — einen  hauptsächlichen  Stützpunkt  für  dieses  Thema.  Dm  das 
charakteristische  Gebilde  der  Menschheit,  den  Fuss,  das  vollkommenste,  einzige  und  aus- 
schliessliche Stützorgan,  dem  Handfuss  des  Arten  auch  in  functioneller  Beziehung  näher  zu 
bringen,  und  daher  die  nahe  Verwandtschaft  dos  Menschen  mit  den  Arten  überzeugender  zu 
machen,  finden  wir  unter  Anderem  auch  den  bei  manchen  Völkern  vorkommenden  Gebrauch: 
den  Fuss  zu  verschiedenen,  sonst  der  Hand  zukommenden  Verrichtungen  zu  verwenden,  von 
diesen  Gelehrten  noch  besonders  hervorgehoben. 

So  wird  uns  angeführt,  dass  die  chinesischen  Bootsleute  mit  Hülfe  der  grossen  Zehe  das 
Ruder  führen,  die  bengalischen  Handwerker  weben,  die  Carajas  Angelhaken  stehlen,  oder  die 
barfüssigen  Soldaten  auf  Java  ihren  auf  dem  Boden  ausgezablten  Sold  mit  den  Füssen  auf- 
nehmen. Ebenso  kommt  es  bei  den  Schilfern  auf  dem  Nil,  sowie  bei  japanischen  Seiltänzern 
vor,  dass  sie  das  Seil  mit  den  beiden  ersten  Fuaszehen  erfassen. 

Wenn  wir  nun  auch  wohl  öfter  barfiissige  Kinder  vom  Lande  allerlei  kleine  Verrichtun- 
gen mit  den  Zehen  ausftihren  sahen,  oder  auch  zuweilen  Leute,  welche  an  den  Oberextremi- 
täten missbildet  sind,  allerlei  feine  Handarbeiten  mit  den  Zehen  verrichtend,  sich  für  Geld 
schon  lassen , so  ist  doch  immer  der  Gedanke , dass  eine  ganze  Bevölkerung  ohne  Noth  (die 
näheren  Umstände  kennen  wir  freilich  nicht)  bei  manchen  Verrichtungen  den  Fuss  der  Hand 
substituirt,  für  uns  einigormassen  überraschend.  Unwillkürlich  knüpft  sieh  hieran  die 
Vorstellung  einer  ungewöhnlich  beschaffenen  und  in  etwas  veränderten  Fussbildung.  Wissen 

Archiv  für  Aitthropolugl*.  B<L  IV.  Hefl  IV,  40 


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314 


Joh.  Christn.  G.  Lucae, 


wir  ja  doch  aus  Erfahrung,  dass  Leute,  welche  schwere  Arbeit  in  einer  bestimmten  Richtung 
lange  ausführen,  eine  gewisse  Stellung  der  Glieder  für  immer  behalten.  Schmiede,  welche 
schwere  Hämmer  fuhren , sind  nicht  mehr  im  Stande,  die  Finger  der  Hand  oder  die  Arme 
vollkommen  zu  strecken. 

Als  im  Jahr  1867  eine  Truppe  Japanesen,  welche  Europa  durchwanderte  und  in  grös- 
seren Städten  als  Seiltänzer  etc.  sich  producirte,  auch  zu  uns  kam,  war  es  mir  um  so  mehr 
von  Interesse,  den  Fuss  eines  solchen  genauer  zu  untersuchen,  als  eine  Arbeit  über  „Hand 
und  Fuss“  in  vergleichend  anatomischer  Hinsicht  mich  einige  Zeit  vorher  beschäftigt  hatte. 

Es  gelang  mir,  das  hervorragendste  Mitglied  dieser  Truppe  zur  Untersuchung  seines 
Fusses  durch  Geld  zu  bewegen. 

An  dem  Fusse  im  Allgemeinen  war  nur  eine  geringe  Aushöhlung  der  Planta  sowie  eine 
Einsenkung  des  Gewölbes  nach  innen  wahrzunehmen,  welche  Form  man  mit  dem  Namen 
„Plattfuss“  bezeichnet.  Rücksichtlich  der  Länge  und  der  Stellung  der  Zehen  war  nur  zu  be- 
merken , dass  die  zweite  Zehe  etwas  höher  stand  als  die  erste,  welches  durch  die  Ansicht  des 
Profils  auf  der  medianen  Seite  deutlich  wird.  Wenn  nun  aber  diese  Stellung  der  zweiten 
Zehe  dadurch,  dass  diese  bei  dem  Erfassen  eines  Gegenstandes  höher  gestellt  wird  als  die 
erste,  unsere  Aufmerksamkeit  mehr  als  sonst  verdient,  so  habe  ich  doch  zu  bemerken,  dass 
sich  an  den  Füssen  von  Europäern  und  Europäerinnen,  und  falls  diese  wegen  des  Tragens  von 
Schuhen  hierfür  ohne  Bedeutung  Bein  sollten,  an  dem  Abguss  eines  Negerfusses  sowie  an  den 
Fussen  der  Antiken  diese  erhöhte  Stellung  der  zweiten  Zehe  wiederfindet  und  daher  hier 
nicht  als  etwas  Besonderes  erwähnt  werden  kann. 

Anderseits  findet  sich  auch  in  der  Entfernung  der  ersten  Zehe  von  der  zweiten  und  in 
einer  etwa  grösseren  Bucht  zwischen  beiden  bei  ruhiger  Stellung  nichts  Auffallendes.  Der 
Fuss  eines  italienischen  barfuss  laufenden  Bauernjungen,  welcher  auf  der  Tafel  zugleich  mit  ab- 
gebildet ist,  zeigt  diese  Bucht  keineswegs  kleiner.  Es  würde  übrigens  selbst  die  Vergrösserung 
dieser  Bucht  bei  dem  Japanesen  nichts  Auffallendes  haben,  wenn  man  bedenkt,  dass  diese 
Leute  Sandalen  tragen,  welche  mittels  eines  Riemens  an  den  Fuss  befestigt  werden.  Dieser 
Riemen  ist  an  ein  Stück  Eisen  geknüpft  , welches  senkrecht  von  der  Sandale  zwischen  der 
ersten  und  zweiten  Zehe  aufsteigt  und  dieselben  also  immer  mehr  als  bei  uns  cs  der  Fall 
ist,  trennt. 

Bemerkonswerth  war  aber  doch  der  höhere  Grad  der  Fähigkeit,  mit  welcher  die  erste 
Zehe  von  der  zweiten  abducirt  werden  konnte;  freilich  nicht  ohne  dass  erstere  etwas  gehoben 
wurde.  Es  gelang  nämlich , dem  Japanesen  ganz  freiwillig  die  beiden  Zehen  fast  2 Cent, 
weit  von  einander  zu  entfernen.  Ein  anderes  Individuum  der  Gesellschaft  brachte  die  Ent- 
fernung der  Zehenspitzen  höchstens  auf  12  Mm. 

Die  Bildhauer  Herren  Prof.  Kaupert  und  Petri  dahier  hatten  die  Güte,  mir  diesen  Fuss 
in  zwei  verschiedenen  Stellungen  abzuformen,  und  die  geometrischen  Abbildungen  dieser 
Abgüsse  finden  sich  auf  der  hinten  angefügten  Tafel  IV.  Die  eine  stellt  den  Fuss  in  vollkom- 
menster Ruhe  frei  schwebend,  indem  nämlich  das  betreffende  Bein  im  Knie  unterstützt  war, 
vor1)’  Diesem  gegenüber  habe  ich  den  Fuss  des  Italieners  auf  den  Boden  gestützt  zurVerglei- 


')  Taf.  IV.  In  der  oberen  Reihe,  rechts  und  in  der  Mitte. 


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315 


Der  Fass  eines  Japnnesischen  Seiltänzers. 

cbung  dargeatellt ').  Der  zweite  Abguss  zeigt  uns  den  Kuss,  indem  er  ein  rundes  Stück  Holz  mit 
den  Zehen  umgreift.  — Ist  nun  auch  über  den  ersten  nichts  weiter  zu  erwähnen,  als  das  was  oben 
schon  angeführt  ist,  so  gieht  uns  dagegen  dieser  zweite  Abguss  mehr  Gelegenheit  zu  einigen 
Bemerkungen.  Während  hier  die  erste  und  zweite  Zehe  ein  Stückchen  Holz  von  14  Jim. 
Durchmesser  halten,  stehen  die  beiden  gegenseitig  zugekehrten  Ränder  an  ihrem  vorderen  Ende 
12  Mm.  auseinander  (in  der  Ruhe  waren  diese  Stellen  nicht  ganz  5 Mm.  von  einander  entfernt). 

Der  ganze  Fuss  befindet  sich  in  Supination,  d.  b.  in  der  Beugung  mit  gehobenem  inneren 
Rande.  Die  Sehne  des  Tihialis  antiens  ist  stark  gespannt,  weniger  deutlich  die  Sehne 
des  Tibialis  posticus.  Die  grosse  Zehe  ist  abducirt  und  in  Folge  dessen  tritt  der  Abductor 
pollicis  an  der  medianen  Seite  dos  Fusses  aufgeschwollen  hervor,  und  wir  bemerken  die  Haut 
hier  gefaltet  Zugleich  mit  der  Abduction  sehen  wir  die  grosse  Zehe  im  höchsten  Grade  der 
Flexion,  so  dass  sich  die  Haut  der  Planta  in  ihrem  inneren  vorderen  Theile  sehr  stark  in 
Falten  zeigt  Ausser  der  grossen  Zehe  ist  aber  auch  diu  zweite  in  hohem  Grade  flectirt  und 
mit  ihrer  unteren  Fläche  und  ihrem  vorderen  Ende  medianwärts  gegen  ihre  Nachbarin  ge- 
neigt Allein  nicht  nur  diese,  sondern  auch  die  dritte  und  vierte  Zehe  sind  wie  die  vorige 
flectirt  und  nach  innen  gerichtet  Neben  dem  Flexor  h&Uucis  longus  und  brevis  sind  also 
auch  die  Flexores  quatuor  digitomm  mit  den  Lunihricalen  und  den  Adductoren  in  vollster 
Thätigkeit. 

Hier  sehen  wir  wohl  zur  Genüge,  wio  woit.  dieser  Fu.ss  davon  entfernt  ist,  ein  der  Hand 
analoges  Gebilde  zu  sein,  und  welche  Anstrengungen  er  macht,  wenn  er  als  Greiforgan  ver- 
wendet werden  soll.  Damit  die  zwei  ernten  Zelten  ein  Holzstückehen  von  IV,  Cent.  Durch- 
messer festhalten,  entsteht  eine  krampfhafte  Spannung  über  den  ganzen  Fuss.  Wir  sehen 
hier  die  Supinatoren,  die  Gruppen  der  Flexoren , die  Adductoren  neben  einem  Abductor  in 
lächerliclister  Collegiaütät,  und  zwar  an  dom  Fusse  eines  Individuums,  welches,  von  Jugend 
an  zum  Seiltänzer  gebildet,  gewöhnt  wurde,  mit  seinen  Zelten  zu  greifen.  Dass  ein  Organ 
für  ein  anderes  eintreten  kanu  und  es  oft  zu  einer  erstaunenswerthen  Fertigkeit  in  dieser 
ihm  fremden  Verrichtung  bringt,  seiteu  wir  wohl  öfter.  Der  in  Rede  stehende  Fuss  gehört 
jedoch  nicht  dazu.  — Immer  werden  1)  der  ein  Gewölbe  bildende  lange  Tarsus,  2)  die  fünf 
an  einander  befestigten  Metatarsen,  3)  die  kurzen  Zehen  mit  4)  dorsaler  Flexion  an  den 
Metatarseu  *)  den  Fuss  nur  als  einziges  Stützorgan  ebarakterisiren,  während  1)  der  kurze 
Carpus,  2)  die  muldenförmig  gestellten  Jletacarpen,  von  denen  der  erste  den  übrigen  oppo- 
niren  kann,  3)  die  langen  Finger  mit  4)  volarer  Flexion  an  den  Metacarpen,  stets  die 
Charaktere  für  die  Hand,  als  das  einzige  Greiforgan,  abgebon.  Mit  welchem  von  bei- 
den Gebilden  hat  nun  alter  das  terminale  Ende  an  der  Hinterextremität  des  Affen  mehr 
Aehnlichkeit?  Ich  sage  mit  dem  zweiten;  denn  während  cs  mit  letzterem  drei  und  ein  halb 
von  den  angeführten  Eigenschaften  gemein  hat,  zeigt  es  mit  dem  ersten  nur  den  hinteren 
Theil  des  Tarsus  (nämlich  Talus  und  Calx),  und  sonst  nichts  in  Uebereiustimmung. 


Taf,  IV.  ln  der  unteren  Reihe,  rechts  und  in  der  Mitte.  — 0 In  meiner  Abhandlung  „Hand  und  Kusu*-, 
Senckenbergiache  Abhandlungen  186h,  bildet  eich  öfter  Carpo-  Metacarpal-  und  Tareo-Metatareal-Golenk  etatt 
Pbalango-Metacarpal-  und  Pbalango-Metatarsal-Gelenk  gedreckt. 


40* 


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Erklärung  der  Tafel  IV. 

1.  Der  Fubb  eine»  Japanischen  Tänzers  in  der  obersten  Reihe  und  links  nuten. 

2.  Der  Fass  eines  Italienischen  Knaben  (in  der  unteren  Reihe  rechts  und  in  der  Mitte)  anf  einer  Platt« 
stehend. 


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XVIII. 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

Von 

Wilhelm  His. 


n.  *) 

Ilarvey  steht  für  die  Gencrationalehre  am  Wendepunkt  alter  und  neuer  Zeit.  In  der 
Unabhängigkeit  seiner  Denkweise  und  in  der  Handhabung  wissenschaftlicher  Methoden  mo- 
dern im  besten  Sinne  des  Wortes,  ist  er  durch  seine  eigenen  Beobachtungen  doch  nur  bis  an 
die  Schwelle  der  neueren  Zeit  geführt  worden.  Schlag  auf  Schlag  folgen  sich  einige  Jahr- 
sehnte später  jene  Arbeiten , welche  durch  Enthüllung  ungeahnter  Tbatsachen  auch  den  Ge- 
danken neue,  und  vielfach  verführerische  Wege  eröffnet  haben.  Von  verschiedenen  Seiten 
her  gleichseitig  wird  nun  versucht,  der  Zeugungslehre  einen  frischen  Unterhau  su  geben,  und 
binnen  Kursein  erhebt  sich  jener  merkwürdige  Wettstreit  der  Meinungen,  welchor  auch  im  Ver- 
lauf des  verflossenen  Jahrhunderts  das  Interesse  weitester  Kreise  in  Anspruch  genommen  hat. 
Studien  Uber  den  Säugethiereierstock  geben  der  einen,  die  wunderbare  Entdeckung  der  Samen- 
fäden einer  andern  Gedankenrichtung  den  Anstoss,  fernere  Motive  ergeben  sich  aus  neuen 
Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  'l'hiere  im  Ei,  und  ebenso  aus  der  Auffindung  der 
bis  dahin  völlig  ungeahnten  Welt  infusorieller  Bildungen.  Die  Bewältigung  dieses  raannich- 
faltigen  und  gleichzeitig  in  die  Wissenschaft  dringenden  Stoffes  nimmt  von  den  bedeutendsten 
Geistern  in  Anspruch,  und  manche  derselben  sind  bemüht,  ihre  Zeugungstheorien  zugleich  zum 
Angelpunkt  allgemeinster  Weltauffassungen  zu  erheben.  — Für  die  Darstellung,  die  ich  mir 
vorgenommen  habe,  ist  es  erforderlich,  die  verschiedenen  oben  angedeuteten  Richtungen  nach 
ihrer  Entstehungsgeschichte  getrennt  zu  betrachten  und  dann  den  Verlauf  ihres  Kampfes  in’s 
Auge  zu  fassen. 

Die  Bedeutung  des  menschlichen  und  des  Säugethiereierstockes  für  die  Zeugungsvorgänge 
war  von  Anfang  an  schwer  zu  verstehen  gewesen.  Die  Formübereinstimmung  mit  den  männ- 


»)  Siehe  Nr.  XI,  S.  197  diesea  Bandes. 


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318 


Wilhelm  Ilis, 


liehen  Hoden,  und  noch  mehr  das  ülrereinstimmende  Verhalten  der  Gefasse  und  der  Nerven 
1] litten  schon  seit  Herophilus  dahin  geführt,  jene  Drüse  als  dem  Hoden  gleichwertig 
anzusehen  und  sie  als  weiblichen  Hoden  zu  bezeichnen  ').  Immerhin  stellten  sich  einer 
weitern  Durchführung  der  Parallele  anatomische  Verschiedenheiten  in  den  Weg,  welche 
um  so  erheblichere  Schwierigkeiten  bereiten  mussten,  je  mehr  die  Sorgfalt  der  Unter- 
suchung wuchs.  So  mochte  schon  die  von  Fatlnpia  erkannte  Discontinuität  zwischen  Tuba 
und  Drüse  nicht  recht  mit  der  vermeintlichen  Function  stimmen.  Noch  mehr  Schwierigkeit 
aber  machten  die  Verschiedenheiten  in  der  Structur  der  männlichen  und  der  sogenannten 
weiblichen  Hoden.  Die  mit  Flüssigkeit  gefüllten  Bläschen  im  Innern  der  letzteren,  welche 
schon  Vesal  gesehen  hatte,  wurden  zwar  von  Einigen  als  Samenbehälter  angesprochen  J), 
aber  doch  hatte  gerade  Fallopia,  als  derjenige  unter  den  älteren  Anatomen,  der  sie  am 
sorgfältigsten  beschrieb,  ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  der  Vergleich  ihres  Inhaltes  mit 
Samen  nicht  passe  *).  Einzelne  kamen  denn  auch  dahin,  den  weiblichen  Geschlechtsdrüsen 
überhaupt  jegliche  Bedeutung  für  den  Zeugungsvorgang  abzusprechen.  Dies  tbat  z.  B.  Har- 
vey,  welcher  sie  der  männlichen  Prostata  oder  auch  den  Mesenterialdrüsen  verglich,  und  sich 
in  Betreff  ihrer  geringen  Bedeutung  auf  den  Umstand  stützte,  dass  sie  im  Gegensätze  zu  dem 
männlichen  Hoden  und  auch  im  Gegensätze  zu  den  Ovarien  oviparer  Thiere  bei  der  Brunst  sich 
nicht  vergrösserten.  Fast  zu  gleicher  Zeit  (IMS)  bezeichnet«  auch  Caspar  Hoffman n 4),  ein 
warmer  Anhänger  Aristotelischer  Lehren,  die  Testes  muliebres  als  blosse  Cadavera  testium, 
d.  h.  als  Organe,  welche,  wie  die  männlichen  Brustwarzen,  bloss  der  Erinnerung  halber  da 
seien.  Allerdings  konnte  man  mit  Recht  derartig  negativen  Deutungen  jeweilen  das  Factum 
entgegenhalten,  dass  die  Entfernung  der  weiblichen  Hoden,  gerade  so  wie  diejenige  der 
männlichen,  beim  betreffenden  Individuum  die  Zeugungskraft  zerstört,  ein  Factum,  das  nicht 
nur  durch  die  Erfahrungen  der  Schweineschneider,  sondern  in  einem  Falle  sogar  durch  eine 
Erfahrung  am  menschlichen  Weibe  bekräftigt  war. 

So  dauerte  es  lange  Zeit,  bis  der  naturgemässe  Gedanke  herangereift  war,  die  Testes 
muliebres  des  Menschen  und  der  Säugethiere  den  Kierstöcken  der  Oviparen  zu  vergleichen. 
. Stenon  5)  sprach  zuerst  diesen  Vergleich  aus  (lt>67)  und  fast  gleichzeitig  mit  ihm  J.  v.  Horne, 


1 1 Per  Wortlaut  der  Paratellung  de*  Herophilus  findet  eich  im  2.  Huche  Galen*  de  semine  cap.  1. 

*)  So  unter  den  Späteren  noch  von  Wharton.  Adenngraphia , London  1656.  Wbarton  hält  merkwür- 
diger Weise  daa  Ligamentum  orarü  für  den  weiblichen  Samenleiter,  während  er  den  Tuben  die  Bedeutung 
xnertheilt,  entweder  als  Luftröhren  des  f'terue  (Spiracula)  xu  dienen,  oder  den  männlichen  Samen  aufzunehmen 
und  nach  den  weibliehen  Hoden  au  fuhren. 

3)  Omnea  anatomici  ono  ore  axaerunt,  io  teetibus  foeminarum  aemen  fieri,  et  quod  semine  referti  reperiun* 
tur , quod  ego  nuuqumn  videre  potui,  quamvia  non  levam  operam,  ut  hoc  cognoiccrem,  adhibuerim.  Vidi  qui- 
dem  in  ipsis  quasdam  velnti  vesicaa  aqua  vel  huraore  aqneo,  alias  luteo,  alias  vero  limpido  turgentes;  aed  nun- 
quam  semen  vidi,  nisi  in  vaais  ipsis  spermatiris  vel  deletoriis  vocatia. 

*)  Caepar.  Hoffmans:  Institutionen  medio,  üb.  H.  c.  44. 

6)  Stenos's  Ausspruch  findet  sieh  in  der  Schritt:  „Klementorum  Myologiae  epecimen  sive  Museub-rum 
deacriptio  gcometrica,  eni  accedunt  canis  Carchariae  disaeclum  enput  et  diseeetns  piscis  ex  canum  genere“. 
Florenz  1687.  „ln  eadem  Itajae  asatome  coinmuncm  opinionem  seeutua  de  utoro  dixi,  illum  id  omne  viviparia 
praestare,  quod  ab  ovario,  oviductu.  ovo  exspectant  ovipara.  Inde  vero  oum  viderim  viviparornm  testes  ova 
in  se  continere,  cura  eornndem  uterum  itidem  in  ahdomen  ovidnetus  instar  apertum  notarim,  non  amplius  du- 
bito,  quin  mnlierum  testes  ovario  analogi  sint,  qnocunque  demum  modo  ex  testilius  in  uterum  sive  ipsa  ova 
sive  ovis  contenta  materia  transmittatur,  ut  alibi  ex  profetso  ostendem , si  quando  dabitur  partium  genitaüum 
analogiam  exponere,  et  errnrem  illum  tollere,  qua  mulierum  genitalia  virorum  genitalibas  analog»  crcduntur.“ 


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Die  Theorien  der  geschieht liehen  Zeugung. 


319 


während  bald  darauf  R.  de  Graaf  die  Aufgabe  übernahm,  den  mehr  beiläufig  ausgesproche- 
nen Gedanken  seiner  beiden  Vorgänger  zu  begründen  und  durch  methodisch  angestellte  Un- 
tersuchungen wissenschaftlich  sicher  zu  stellen.  In  seiner,  nach  Plan  wie  nach  Durchführung 
gleich  vortrefflichen  Schrift  !)  liefert  er  nämlich  in  erster  Linie  eine  sorgfältige  Beschreibung 
der  weiblichen  Genitalien  überhaupt,  und  im  besonderen  der  Ovarien.  Diese  letzteren  ver- 
folgt er  durch  ihre  verschiedenen , nach  Alter  und  nach  Sexualthätigkeit  wechselnden  Ent- 
wickelungszustände.  Speoiell  studirt  er  die  Follikel,  oder  die  Eier,  wie  er  sie  nennt,  er  macht 


v.  Hör  ne  äussert  seine  Gedanken  zuerst  in  einem  an  W.  Rolfink  gerichteten  Briefe  vom  6.  März  1668. 
Den  Anlass  zu  dem  Briefe  gab  de  Graaf’ s erste  briefliche  Mittheilung  über  seine  Entdeckungen  hinsichtlich 
der  männlichen  Uenitalorgane.  v.  Hörne  theilt  nun  behufs  der  Priorilätsconstatirung  die  Ergebnisse  seiner 
eigenen  Arbeiten  mit  und  spricht  sich  hinsichtlich  der  Ovarien  also  aus;  „Quid  ergo  inquies  festes  conferunt 
mulieribus?  Plurimum  profecto  et  proinde  cum  IIofTmanno  (Instit.  lib,  II.  cap.  44)  non  sunt  habendi  pro  cada- 
veribus  testium,  imo  ab  ipsis  totum  genemtionis  opus  materiale  dependet;  quod  enim  est  ovarium  in  oviparis, 
sunt  testes  muliebres,  utpote  qui  perfecta  ova  intra  se  contineant,  humore  scatentia,  et  pellicula  propria  cir. 
cumcincta,  qualia  udhtic  domi  aaservo  inilata.  Quomodo  autem  haec  ova  intra  uterum  auscipiantur  et  actucntur 
a semine  virili  postea  in  tractatu  meo  exponam.  Neque  enim  res  ea  tarn  absurda  videbitur,  ac  prima  fronte 
apparet,  praesertim  apud  eos  qui  tubae  uterinae  (in  brutis  vocantnr  cornua)  constitutionem  norunt,  aperta 
enim  est  intra  uterum,  atque  altera  sui  extremitate  flatum  liquorumque  infusum  emittit  eeseque  expandit,  di* 
ductu  fimbriarum,  instar  orificio  tubae  aeneae;  porro  magis  probabile  erit  hoc  dogma  iis,  qui  legerunt  aut  ob* 
servaruut,  aliquando  foetum  intra  hasce  tubas  repertum  luisse.“  — v.  Horne’s  Brief  ist  in  der  Defensio  Partium 
genitalium  von  de  Graaf  abgedruckt,  nachdem  er  zuvor  unter  dem  Titel  „Prodromus  obeervationum  suarum 
circa  partes  genitales  in  utroque  sexu.“  in  Leyden  separat  erschienen  war.  Auch  Swammerdam  druckt  ihn 
unter  Beifügung  vort  Noten  ab  in  der  Schrift  „Miraculum  Natnrae  sive  Uteri  muliebris  fubrica“,  Leyden  1672. 
Zar  ausführlichen  Darlegung  seiner  Arbeiten  kam  v.  Home  nicht,  indem  er  zwei  Jahre  nach  Publication  des 
Briefes  starb.  — De  Graaf  hat  seine  Bearbeitung  der  weiblichen  Genitalien  spater  als  v.  Ilorne  begonnen. 
Die  Vorzeigung  seiner  ersten  Zeichnung  an  Swammerdam  datirt  er  in’s  Jahr  1670.  Seine  erste  gedruckte 
Publication  darüber  ist  ein  an  L.  Schacht  gerichteter  Brief  vom  Mai  1671.  ln  dem  ärgerlichen  Prioritäts- 
streit, der  sich  nach  v.  Horne’s  Tode  /.wischen  Swammerdam  und  de  Graaf  erhoben  hat,  spielt  die  rich- 
tige Interpretation  der  Ovarien  eine  weniger  hervorragende  Rolle,  andere  anatomische  Dinge  treten  darin 
mehr  in  den  Vordergrund.  Immerhin  wirrt  Swammerdam  dem  de  Graaf  ungenauer  Weise  auch  das  vor, 
dass  er  in  jener  Sache  seinen  Vorgänger  nicht  genannt  habe.  v.  Ilorne  gegenüber  nimmt  übrigens  S w .im- 
mer d a in  den  Hauptantbeil  an  dem  neuen  Gedanken  für  sich  in  Anspruch.  AU  junger  Doctorand  nach  Ley- 
den kommend,  war  er  mit  v.  Home  in  freundschaftlichen  Verkehr  getreten  und  hatte  diesem,  besonders  bei 
der  Untersuchung  der  Genitalien,  vielfach  aasistirt.  Da  nun  v.  Horue  im  Prodromus  seiner  nicht  gedachte, 
so  nahm  er  nach  dessen  Tode  den  Anlas«  seiner  Streitschrift  gegen  de  Graaf  wahr,  um  auch  seine  Rechte 
an  den  Entdeckungen  v.  Horne’s  zu  behaupten.  Hinsichtlich  der  Ovarien  lautet  die  Stelle  (Mirac.  naturae 
cap.  III.):  „Primum  in  quo  industriam  n ob  trara  exerccbamus,  uterus  muliebris  erat,  in  quo  examinando  cum 
tubas  Fallopianas  conferrcm  cum  infundibulo  avium  et  cornubus  uteri  in  quadrupedibus , quae  ova  habent, 
qualia  »unt  chamaeleontea,  ranae,  lacertac,  salaroandrae  aquaticae  et  plura  alia,  qoorum  nonnulla  vtvipara  sunt, 
ut  lacertae,  disquirere  me  cum  coepi  essetne  aliquod  in  mulierum  ovarium,  vel  quid  aliud  ovario  simile.  Etenim 
cum  testiculi  mulierum,  si  structuram  eorundem  respicias,  magnam  cum  aliorum  animantium  testiculis  con- 
venieritiam  haheant,  et  via,  qua  semen  ad  uterum  deferatur,  careant;  nec  tarnen  eo  minus  Anatomicorum  ante- 
signani  N.  Coiter,  Beslerus  aliique  vesicularum,  vel  glandularum,  semine  repletarum,  mentionem  faciant, 
ubi  exitus  nullus  patet;  tandem  D.  v.  Ilorne  rnecum  sensit  vesiculas  illas,  qua«  nos  ova  vocabamus,  per  tubas 
Fallopianas  in  uterum  deferri  idque  ob  praedictaro  convcnientmm  tubarum  cum  infundibulo,  ovi  ductu  et 
cornubus  aliorum  animalium,  nec  non  piscium  et  insectorum  quorundam.  Interim  — deprehendimus  ova  (vac* 
carum)  cocta  instar  albuminis  gallinacei  concrescere.“  Das  Datum  der  Arbeiten  verlegt  Swammerdam  schon 
in  das  Jahr  1666.  Er  und  ▼.  Hörne  wurden  durch  die  Schrift  Stenon’s  überrascht,  setzten  sich  indess  in 
•ehr  freundschaftlicher  Weise  mit  diesem  auseinander.  Der  arme  de  Graaf  kam  weniger  glücklich  weg.  Die 
harten  Angriffe  des  hypochondrischen  Swammerdam  nahm  er  so  schwer  auf,  dass  er,  wie  Leeuwenhoek 
(Brief  an  Garden)  und  Haller  angeben,  aus  Kummer  darüber  kur/  darauf  starb  (1673). 

»)  R.  de  Graaf  de  Mulierum  nrganis  geuerationi  inservientibus  tractatus  novus,  demonstrans  tarn  hominea 
et  animalia  caetera  omnia  quae  vivipara  dicuntur,  haud  minus  quam  ovipara  ab  ovo  originem  ducere.  Leyden 
1672. 


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320 


Wilhelm  His, 


auf  ihre  wechselnde  Grösse,  auf  den  Gefassgehalt  ihrer  Wand,  auf  ihre  Herauslösbarkeit  aus 
dem  Eierstocke,  sowie  auf  die  Gerinnbarkeit  ihres  Inhaltes  beim  Kochen  aufmerksam; 
ferner  betont  er  die  Allgemeinheit  ihres  Vorkommens  und  ihre  grosse  Uebereinstirainung  mit 
den  Follikeln  des  Vogeleierstockes  *).  Bei  diesen  anatomischen  Darlegungen  bleibt  indess 
de  Graaf  nicht  stehen,  sondern  er  geht  auch  den  Veränderungen  im  Eieratocke  nach,  welche 
an  den  Austritt  der  Eier  sich  knüpfen,  sucht  weiterhin  die  ausgetretenen  Eier  im  Eileiter  auf 
und  giebt  die  Geschichte  ihrer  Ucberleitung  nach  dem  Uterus. 

Schon  in  früherer  Zeit  waren  von  Coiter  unter  der  Bezeichnung  drüsiger  Körper  die  Oe- 
bildc  beschrieben  worden,  welche  heutzutage  den  Namen  der  Corpora  lutea  tragen.  Sie  wer- 
den von  de  Graaf  als  Producte  der  geplatzten  Follikelwand  erkannt.  Ihre  Anzahl  kommt 
immer  der  Menge  der  sich  entwickelnden  Jungen  gleich,  indem  jedas  derselben  einem  aus- 
getretenen Ei  entspricht.  Nach  de  Graafs  Darstellung  reiht  sich  die  Bildungsgeschichte 
der  fraglichen  Körper  in  folgender  Weise  dem  Gesam  int  verlaufe  der  Befruchtung  ein  *):  Der 
männliche  Samen  oder  dessen  feinster  Bestan« Itheil , die  sogenannte  Aura,  dringt  durch  die 
Tuben  bis  zum  Eierstock,  und  hier  bis  zu  den  Eiern  vor.  Die  Berührung  zwischen  Samen 
und  Eierstock,  sowie  die  richtige  Ueberleitung  der  Eier  in  die  Tuben,  geschieht  in  Folge  der 
Umfassung  des  Ovariums  durch  die  Fimbrien,  von  welchen  überdies  einige  stets  dem  Ovariuni 
anhaften  *).  Ist  einmal  die  Befruchtung  der  Eier  im  Ovarium  erfolgt,  so  kommt  es  zwischen 
ihren,  stark  sich  vascularisirenden  Häuten  zur  Ausscheidung  einer  gelben,  angeblich  drüsigen 
Masse.  Die  Höhle,  in  welcher  das  Ei  liegt,  wird  in  Folge  davon  verkleinert,  das  Ei  selbst 
zusammengedrückt  und  schliesslich  aus  dem  Ovarium  herausgepresst.  Dieser  Austritt  ge- 
schieht drei  oder  vier  Tage  nach  der  Begattung;  die  Austrittsöffuung,  von  einem  erhabenen, 
papillen artigen  Rand  umgeben,  bleibt  kurze  Zeit  offen,  und  erlaubt  von  Aussen  die  Einfüh- 
rung einer  Sonde,  dann  schliesst  sie  sich,  uud  auch  die  innere  Höhlung  quillt  zu. 


*)  Ova  in  omnium  animaliurn  gonere  reperiri  contidenter  asserimus  quandoquidem  ca  non  taotuifl  in  avj- 
1ms,  j iscibus,  tarn  oviparia  quum  viviparia,  eed  ctiani  in  quadrtipedibus,  ac  ipao  homjne  evidentisaime  conspi- 
oiautur.  ln  avibua  ac  piscibue  ova  reperiri,  cum  unieuique  not  um  ait,  non  cat  qnod  probemus;  in  cuniculi« 
autern,  leporibua  canibna,  pordi,  ovibue,  vaccis  et  reliquia  animalibus  a nobis  diascctis  ca  vesicularum  ad  in- 
star, ut  in  avibua  ovorum  germina  solent,  aeae  dissecantium  ocnlia  exhibent;  quae  in  tosticulorum  auperficie 
exiatcutia,  communem  tunicam  hinc  inde  suldevant,  ntque  ita  per  eam  aliquando  transpnreut,  ac  ai  brevioti 
ex  i tum  minarentur  (p.  ‘209  der  Ausgabe  der  Opera  omnia  von  1677).  — Communis  itaque  foemellarum  testi- 
culorum  usua  cst,  ova  generare,  forere,  et  ad  maturitatem  promovere;  aic  ut  in  mulicrihua  eodem,  qno  rolu- 
crum  Ovaria,  mutiere  fungantur;  hinc  potius  mnlierum  ovaria  quam  testet  appellanda  veniunt;  siquidetu  liullam 
similitudincm  tum  forma,  tum  contento  cum  virilibua  testibus  proprie  sic  dictis  obtinent  (ibid.  p.  302). 

*)  Quae  vero  aecundum  naturain  aliquando  tantum  in  mulierum  testibus  inveniuntur,  sunt  globuli,  qui 
glandularum  conglobatarum  ad  instar,  ex  multis  particulis  a centro  ad  circuinferentiam  recto  quasi  ductu  ten- 
dentibus  conllautur  et  propria  membranu  obvolvuntur.  Hob  globulos  non  omni  tempore  in  foemellarum  testi- 
culia  exiatere  dit  imua,  quia  post  coitum  tantum  in  illis  deteguntur,  unua  aut  plures,  prout  animal  ex  illo  cun« 
greasu  unum  aut  plurea  foetua  in  luccm  ©det.  Neque  illi  adhuc  in  omnibus  aut  ejuadem  generis  animalibus 
semper  eodem  modo  ae*e  babent;  in  vaccis  enin»  flarum  in  ovibna  rubrum,  in  aliia  cineritium  oolorem  sor- 
tiuntur;  praeterea  aliquot  post  coitum  diebus  tenuiori  aubstautiu  praediti  «unt,  et  in  euo  medio  limpidum  liquo- 
rem  membrana  incluRum  coutinent,  quo  una  cum  membrana  forus  propulso,  exigua  solum  in  iis  capacita» 
superest,  quae  eensim  ita  aboktur,  ut  postreim»  gestationis  mensibus  ex  solid»  tantum  aubstantia  conflari  vi- 
deutur;  ennixo  jam  foetu  globuli  illi  rursus  imrninuuntur  ac  tandem  evuuescunt. 

*)  Diese,  die  Fimbriae  ovarii  der  neueren  Anatomen,  werden  von  de  Graaf  auf  verschiedenen  Tafeln  gut 
dargestellt. 


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321 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

Pas  ausgestossene  Ei  gelangt  nun  in  den  Eileiter  und  wird  durch  ihn  nach  dem  Uterus 
geführt.  Für  diesen  Durchtritt  spricht  nicht  nur  das  analoge  Verhalten  bei  den  Vögeln,  son- 
dern ausserdem  das  Vorkommen  einzelner  Fälle  von  Tubarschwangerschaft , und  noch  ent- 
scheidender die  directe  Beobachtung.  — Der  direete  Nachweis  der  Ueberleitung  der  Eier 
erscheint  bei  de  Graaf  von  ganz  besonderem  Interesse,  und  er  wird  mit  grosser  Sicherheit 
geführt.  Von  den  ersten  Momenten  nach  der  Begattung  nämlich  bis  zur  Bildung  des  Foetus 
untersucht  de  Graaf  bei  Kaninchen  die  Ovarien,  den  Inhalt  der  Eileiter  und  denjenigen  des 
Uterus  ’j.  Schon  am  dritten  Tage  gelingt  es  ihm,  im  Eileiter  und  im  Beginn  der  Uterus- 
hörner die  ausgestossenen  Eier  aul'zulinden,  obwohl  diese  laut  der  beigefugten  Zeichnung  kaum 
1 Millimeter  iin  Durchmesser  fassen.  Am  vierten  Tage  sind  die  auffindbaren  Eier  bedeutend 
weiter  gerückt,  und  sie  lassen  in  ihrem  Innern  eine  zweite  Blase  (die  Keimblase)  erkennen. 
Am  siebenten  Tage  sind  sie  schon  mehr  als  erbsengross,  und  während  sie  Anfangs  nur  lose 
in  den  Uterus  eingelagert  waren,  verwachsen  sie  nunmehr  mit  diesem, und  können  in  der 
nächstfolgenden  Zeit  nicht  mehr  .ohne  Verletzung  isolirt  werden.  Am  neunten  und  noch  deut- 
licher am  zehnten  Tage  sieht  sodann  de  Graaf  die  ersten  Spuren  des  Embryo  auftreten, 
welche  im  Verlauf  einiger  Tage  die  bestimmteren  Fötalformen  annehmen. 

Diese  Untersuchungen  de  Graaf’s  sind  ob  ihrer  Feinheit  höchst  bewundernswert!),  und 
mit  ihnen  ist  auch  de  Graaf  seiner  Zeit  weit  voraus  geeilt.  Volle  80  Jahre  später  ist  Haller 
bei  seinen  mit  Kuhleman  an  mehr  denn  40  Schafen  augestellten  Nachforschungen  nicht  im 
Stande  gewesen,  vom  Ei  und  vom  Foetus  vor  dem  siebenzehnten  Tage  etwas  aufzuiinden, 
und  erst  unserem  gegenwärtigen  Jahrhundert  blieb  es  Vorbehalten,  die  volle  Bestätigung  von 
de  Graaf's  Ergebnissen  zu  liefern.  Von  den  Zeitgenossen  wurden  de  Graafg  Schriften  so- 
fort mit  grossem  Interesse  aufgenommen.  Kaum  einen  Monat  nach  ihrem  Erscheinen  (am 
24.  April  1GT2)  fragt  schon  der  bekannte  Secretär  der  königlichen  Gesellschaft  in  London, 
II.  Oldenburg,  bei  Malpighi  brieflich  an,  was  er  und  was  die  übrigen  Italiener  von  den 
Behauptungen  de  Graaf's  hinsichtlich  der  menschlichen  Eier  halten.  Malpighi  spricht  sich 
in  seiner  Antwort  in  durchaus  anerkennendem  Sinn  aus,  und  führt  zu  de  Graaf’s  Gunsten 
einige  eigene  unterstützende  Beobachtungen  an  ’).  Eine  Opposition  hat  allerdings  nicht  lange 
auf  sich  warten  lassen.  So  trat  schon  1G7G  Hier.  Barbatus  gegen  de  Graaf  auf  mit  der 
Behauptung,  dessen  angebliche  Eier  seien  bloss  Drüsen  *),  und  wenige  Jahre  später  erschien 

*)  in  dem  für  den  dritten  Tag  beschriebenen  Falle  fand  de  Graaf  rechts  drei  eröffnet^  Follikel  und  auch 
drei  Eier,  wovon  eines  ini  Eileiter,  zwei  im  Beginn  der  Cterushorncr  waren;  link«  dagegen  fand  sich  auf  drei 
offene  Follikel  nur  ein  Ei,  gleichfalls  ira  Beginn  den  Uterushornes. 

a)  Admodum  probabilem  puto  tanti  viri  positionem,  etenim  certurn  ent  in  foemineis  testibus  ova  reperiri, 
etiam  in  nuper  nati^brutorum  infantibus  etc.  Memini  me  in  nobili  rouliere  ovum  in  tuha  exiguum  obaervasae 
et  nuper  prae  manibus  habui  mulichris  mol  uv  inchoamentum,  quod  ovum  erat  et  exteriua  mirabili  contextura 
pollebat.  (Ma)p.  Opera  Ornnia  Lugd.  Hatav.  1667.  Bd.  II.  p.  09.)  Viel  eingehender  ist  die  Darstellung  Mal- 
pighi’* in  seinem  Briefe  vom  1.  November  1681  an  Jac  Spon,  Op.  ornnia  I.  p.  213.  Nach  einer  sehr  gründ- 
lichen Schilderung  des  Baues  der  Corpbra  lutea,  in  welcher  Malpighi  deren  Substanz  uh  wahrscheinlich 
drüsig  bezeichnet  und  mit  der  Substanz  der  Nobennieren  vergleicht,  entscheidet  er  «ich  dahin,  dass  die  Folli- 
kel wohl  nicht  die  eigentlichen  Eier  seien,  sondern  Materialanhäufungen  zur  Bildung  der  Corpora  lutea,  ln 
diesen  soll  das  eigentliche  Ei  sich  entwickeln  und  durch  die  vorhandene  Oeifnung  ausgestossen  und  in  die 
Tuben  gebracht  werden. 

Hier.  Barbatus  de  formatione,  organisatione,  couceptu  et  nutritione  foetus.  Patav.  1676;  ihn  bekämpfte 
zu  Gunsten  de  Orilfi  C.  Bartholinus  d.  J.,  de  Ovariis  mulierum.  Rom  1677. 

Archiv  Rlr  Anthropologie.  Bd.  IV.  Heft  IV.  41 


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322 


Wilhelm  H i s , 

als  gewichtiger  Gegner  A.  v.  Leeuwenhoek  mit  zahlreichen  Versuchen  auf  dem  Kampf- 
plätze, dem  sich  dann  später  gleichfalls  mit  eigenen  Versuchen  der  Königsberger  Professor 
Th.  Jac.  Hartmann  angeschlossen  hat  ’). 

Eine  Schwierigkeit  bietet  de  Graaf's  Darstellung,  welche  ihm  selbst  nicht  entgangen 
war,  und  welche  denn  auch  den  Gegnern  seiner  Auffassung  einen  Hauptangriflspunkt  ge- 
liefert hat.  Es  ist  dies  der  starke  Grössenunterschied  zwischen  den  reifen  Eiern  des  Ovariums 
und  denjenigen  der  Tuben,  de  Graaf  selbst  schätzt  die  letzteren  zehnmal  kleiner,  als  die 
ersteren,  und  um  dies  zu  erklären,  nimmt  er  zu  der  oben  bereits  erwähnten  Vermuthung  Zu- 
flucht, dass  nach  der  Befruchtung  die  Eier  durch  die  wuchernde  Aussenhaut  des  Follikels  ver- 
kleinert würden.  Wenn  auch  de  Graaf  der  Gedanke  eines  besonderen,  von  der  Follikel- 
wand getrennten  Eies  vorgeschwebt  haben  mag,  und  wenn  auch  Malpighi  einen  ähnlichen 
Gedanken  noch  bestimmter  ausgesprochen  hat,  so  vermochten  die  älteren  Forscher  mit  ihren 
Hülismitteln  über  djesen  wichtigen  Punkt  doch  noch  nicht  in’s  Klare  zu  kommen,  und  be- 
kanntlich ist  auch  Klarheit  erst  von  dem  Moment  an  erreicht  worden,  da  v.  Baer  im 
Innern  des  Follikels  das  eigentliche  Säugethierei  entdeckt  hat. 

So  unerwartet  manchen  Zeitgenossen  die  Angaben  de  Graaf’s  Uber  das  Säugethierei 
kommen  mochten,  so  sollten  sie  an  Wunderbarkeit  noch  Ubertroffen  werden  durch  die  Ent- 
deckung der  lebenden  Samenfaden  beim  Menschen  und  bei  Thieren.  Die  erste  Mittheilung 
des  neuen  Fundes  geschah  im  November  1677  in  einem  von  Leeuwenhoek  an  den  damaligen 
Präsidenten  der  Royal  Society,  Lord  Viscount  Brounker,  gerichteten  Briefe.  Ham  hatte 
Leeuwenhoek  Samen  eines  gonorrhoischen  Mannes  gebracht,  und  dieser  vermochte  alsobald 
Ham ’s  Angabe  zu  bestätigen,  dass  die  überbrachte  Flüssigkeit  eine  Unzahl  lebender  Ge- 
schöpfe enthalte’).  Hierdurch  angeregt  untersucht  Leeuwenhoek  auf  dns  Wiederholteste 
den  gesunden  männlichen  Samen,  und  findet  darin  ohne  Ausnahme  jene  Wesen  wieder, 
deren  wohl  tausend  auf  die  Grösse  eines  Sandkornes  gehen.  Er  giebt  nun  eine  Beschreibung 
ihrer  Form  und  Bewegungsweise,  sowie  der  sonstigen  im  Samen  aufgefundenen  Bestondtheile 
(kleinere  Korner,  Krystalle  u.  s.  w.).  Gedanken  über  die  Bedeutung  der  gesehenen  Gebilde 
werden  noch  keine  ausgesprochen,  vorerst  scheint  ihnen  Leeuwenhoek  keine  Bedeutung  für 
die  Zeugung  zuzuschreiben,  weit  mehr  Gewicht  legt  er  auf  die  Beobachtung  angeblicher 


1 } Pbil.  Jac.  Hartmann  Je  generatione  viviparorum  ex  ovo,  Berlin  1690,  abgedr.  in  Haller’«  die*.  aelect. 
Bd.  VI. 

’)  Philo?.  Traneactiona  v.  Jahre  1678,  Nr.  142  (nicht  Nr.  148,  wie  Ilallar  angiebt).  „Hic  Dotninu«  Ham 
me  eeeundo  iuvieene,  «ecum  in  lagnncula  vitrea  eemen  viri,  Gonorrhoea  laboranti«,  apontc  deetiliatum  attulit, 
dicen«,  se  post  panciasimaa  temporia  minutiaa  . . . animalcnla  viva  in  eo  obaervaaee,  <juae  caudata  et  ultra 
24  boroa  non  viventia  jndicabat.  Idem  referebat  ae  animalcnla  ubaervaaae  rnortua  poat  aamptam  ab  aegroto 
Terebinthinam.  Materiam  praedictam  fiatulae  vitreae  immiaeam  praeaente  D.  Ham  ohaervavi,  quaadarnqite  in  ea 
creaturaa  vivente«,  at  poet  decuraum  2 aut  3 horarum  eandum  aolua  materiam  obaervana  mortuaa  vidi.  — Kan- 
dem  materiam  (aemen  virile)  non  aegroti  alicnjua,  non  diuturna  conacrvatione  comiptam,  vel  poet  aliquot  mo- 
menta  rluidiorern  factam,  »cd  aani  viri  atatim  poat  ejectionem,  ne  interlabentibua  quidein  sex  arteriae  pulsibua 
aaepiuacule  ohaervavi,  tantamqne  in  ca  viventiom  animaiculorum  multitudinem  vidi,  ut  interdom  plura  quam  1000 
in  magnitudine  arenae  aeae  moverent."  Leeuwenhoek  lindet  nöthig  Iteieulugen,  dass  er  anf  Pubiication  »ei- 
ner Beobachtungen  verrichte,  falle  Brounker  glauben  könnte,  aie  möchten  anetöeeig  eracbeinen:  -Kt  ai 
veetra  Nobilitaa  judicet,  haec  vel  nanaeam,  vel  acandalum  eruditia  paritura,  aubnixe  rogo,  Xobilitae  veetra  aibi 
»olt  reaervet,  et  ubi  conaultum  duoit  vel  promat  vel  aappHmat.’' 


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323 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

Gefässe  undNorven  im  Samen,  welche  die  präformirtcn  Theile  des  spateren  Leibes  sein  sollen  *). 
Der  Herausgeber  der  Philosophie«!  Transactions  ‘/Spricht  gegen  letztere  Behauptung  in  sei- 
ner Antwort  an  Leeuwenhoek  •)  ernstliche  Bedenken  aus,  indem  er,  auf  Harvey  und 
de  Graaf  sich  berufend,  die  Existenz  präformirter  Körpert  heile  im  männlichen  Samen  für 
undenkbar  half  Er  macht  auf  die  Möglichkeit  von  Verwechselungen  aufmerksam  imd  fordert 
Leeuwenhoek  vor  Allem  auf,  seine  Beobachtung  am  Samen  von  Thieren  zu  wiederholen. 
In  den  folgenden  Briefen  bestätigt  Leeuwenhoek  das  Vorkommen  der  Spermatozoen  im 
Samen  des  Hundes  und  des  Kaninchens  und  zeigt,  dass  sie  durch  Wasser  rasch  getödtet  wer- 
den. An  seinen  Gefässen  hält  er  fest,  ohne  indess  seinen  C'orrcspondenten  zu  überzeugen. 
Leou  wenboek  findet  nun  nach  einander  die  Samenfaden  der  Insecten,  der  Fische,  der  Frösche 
und  der  Vögel.  Diese  Allgemeinheit  des  Vorkommens  kann  natürlich  nicht  ohne  Einfluss  auf 
seine  Gedanken  hinsichtlich  der  Bolle  der  Fäden  bei  der  Zeugung  sein.  Die  ersten  Andeu- 
tungen giobt  er  in  einem  Briefe  vom  22.  Januar  Kitt 2 83  *).  Darin  verwirft  er  des  entschieden- 
sten die  Existenz  von  Eierstocks-  und  Eileitereiern  bei  Säugethieren  und  beim  Menschen. 
Jene  erscheinen  zu  gross,  um  den  Eileiter  zu  durchlaufen,  sie  sind  überdies  im  Ovarium  fest- 
gewachsen  und  können  demnach  blass  für  Gefassausscheidungen  gehalten  werden.  Die  Eilei- 
tercier  aber,  die  ja  viel  kleiner  sind  als  die  angeblichen  Eiorstockseier,  können  höchstens  Reste 
des  männlichen  Samens  oder  Socretanhäufungen  der  Tuben  sein.  Dafür  leitet  nunmehr  Leeu- 
wenhoek den  Embryo  von  seinen  Sainenthierchcn  ab,  und  zwar  stammt  je  ein  Foetus  von 
einem  Thierchen.  Die  Spermatozoen  bestimmen  nach  ihm  das  Geschlecht,  und  entsprechend 
den  zwei  Geschlechtern  glaubt  er  beim  Menschen  und  bei  Thieren  je  zwei  Arten  von  Samenthier- 
clien  gefunden  zu  haben.  Allerdings  lässt  sich  gegen  die  Ableitung  der  Frucht  aus  einem  ein- 
zigen Spermatozoen  die  Einwendung  machen,  dass  ihrer  doch  unendlich  viele  vorhanden  sind. 
Allein  es  verhält  sich  damit  wie  z.  B.  mit  den  vielen  Tausenden  von  Samenkernen  eines 
Apfelbaumes,  von  welchen  nur  einzelne  die  günstigen  Bedingungen  der  Weiterentwickelung 
erreichen,  während  die  übrigen  aus  Mangel  an  Licht,  an  Nahrung  oder  aus  anderen  Gründen 
verkümmern. 


*)  Jam  quod  ad  partea  ipsas  ex  quibus  crassam  seminis  materiam,  quosd  majorem  aui  partem  conshterc, 
saepius  cum  admimtione  obeervavi,  ca  sunt  tarn  varia  ac  multa  omnis  generis  magna  ac  parva  vasa.  ut  nulle* 
dubitem , ca  esse  nervös  arterias  et  venas:  imo  in  tanta  multitudine  baec  vasa  vidi,  ut  credam  me  in  unica 
aemiuis  gutta  plura  obeervaasc,  quam  Anatomico  per  integrum  diem  subjactum  aliquod  eceanti,  occurrunt.  Qui- 
bus  viais  lirmiter  credebam  nullo  in  corpore  bumano  jam  formato  esse  vasa,  quae  in  aemine  virili,  bene  con- 
etituto  non  reperianlur.  Scmel  mihi  imaginabar,  me  videre  figuram  quandam  ad  magnitudinem  arenac,  quam 
internae  cuidam  corporis  uoetri  parli  comparare  poteram. 

a)  Ks  war  diea  Nehem.  ßrew,  welcher  nach  dem  im  September  1677  erfolgten  Tode  Oldenburg'*  die 
Nummern  137 — 142  der  Philoe.  Transaetions  herausgegeben  bal.  Ks  trat  dann  bis  16311  eine  Pause  oin,  die 
durch  die  Lectiones  Cotlerianao  und  die  Philos.  Collecliona  von  H.  Uooke  ausgefullt  wurde,  beide  Sammlun- 
gen enthalten  iiriefe  von  Leeuwenhoek. 

*)  Vom  Januar  1678.  Adeo  nt  semen  maria  nihil  aliud  eit,  quam  vehiculum  Spiritus  cujusdam  summe  vo- 
latilis  ac  animslie  et  oonceptioni,  id  e»t  ovo  foemioco  contactum  vitalem  imprimentis. 

*)  Plulos.  Transaetions  Nr.  146,  p.  76.  Hut  aa  to  generation , tho  1 have  formcrlv  been  very  reserved  in 
declaring  iny  thoughts  thereof,  yet  being  now  furtlier  instructed  by  manifold  Kxperienoe,  I dare  venture  to 
affirm  it,  ratber  to  come  from  an  Animalculc  (such  aa  I find  not  only  in  hnman  seed,  but  that  of  all  birds, 
beats,  tishes  and  Inaecta)  than  an  Kgg.  And  the  rather  for,  aa  1 find  in  the  seed  of  a Man,  aa  also  of  a dog 
two  different  sorts  of  Animalculee,  answaring  the  different  sexos  of  Male  and  Femalc. 

41* 


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324 


Wilhelm  His, 

Die  Beobachtung  der  äusseren  Befruchtung  bei  Fröschen  und  bei  Fischen  führte  sodann 
Leeuwenhoek  auf  den  Gedanken,  dass  ifh  Dotter  der  eierlegenden  Thiere  nur  ein  einziger 
Punkt  zur  Aufnahme  der  Spermatozoen  geeignet  sein  möge,  und  das»  daher  ein  Zusammen- 
strom von  Tausenden  erfordert  werde,  damit  einer  das  Ziel  erreiche  ')•  Leeuwenhoek  be- 
mühte sich  wiederholt,  sowohl  beim  Hühnerei,  als  bei  den  kleinen  Eiern  von  Flöhen  und 
Läusen  die  eingedrungenen  Sperniatozoen  aufzufinden,  allein  wegen  der  zahlreichen,  das  Ge- 
sichtsfeld trübenden  Dotterelemente  ohne  Erfolg  *).  Sein  Glaubensbekenntnis«  fasst  er  zu  dem 
schon  im  Alterthum  formulirten  Satz  zusammen , dass  die  Frucht  einzig  vom  männlichen 
Samen  abstammt,  und  dass  die  Mutter,  sei  es  im  Ei  bei  Eierlegenden,  sei  es  im  Uterus  bei 
Lebendiggebärenden  nur  den  Ort  des  Wachsthums  und  die  Nahrung  gewahrt.  Als  Beleg 
hierfür  gilt  ihm  dio  Erfahrung,  dass  graue  Kaninchenböcke  mit  weissen  oder  mit  schwarzen 
Weibchen  gepaart  stets  nur  graue  Junge  erzeugen  sollen. 

In  den  nächstfolgenden  Jahren  dehnt  Leeuwenhoek  seine  Untersuchungen  noch  nach 
verschiedenen  Richtungen  aus.  Zunächst  führt  er  für  Fische,  Vögel  und  Saugethiere  den 
Nachweis  der  Präformation  der  Spermatozoon  im  Hoden,  und  er  bezeichnet  daher  dies  Organ 
als  deren  Bildungs-  und  Aufbewahrungsstätte.  Ausdrücklich  nimmt  er  dabei  seine  ältere 
Behauptung  zurück,  als  ob  dio  Entstehung  jener  Wesen  erst  nachträglich  im  Samen  geschehe, 
sowie  er  auch  jene  früher  beschriebenen  angeblichen  Gefässknäuel  im  Samen  fallen  lässt. 
Nach  Lecuwenhock's  Ueberzeugung  besitzen  die  Spormatozoen  einen  ebeuso  verwickelten 
Bau  als  der  reife  menschliche  Körper;  immerhin  gesteht  er  zu,  dass,  wenn  er  auch  oft  geglaubt 
habe,  Kopf,  Arme  und  Beine  zu  erblicken,  er  doch  nie  zu  Sicherheiten  in  derartigen  Beobach- 
tungen gelangt  sei.  Es  sei  daher  zu  warten,  bis  einmal  ein  hierzu  günstigeres  Object  sich  werde 
finden  lassen.  Bei  der  Abstammung  der  Frucht  vom  Vater  kann  der  Einfluss  der  Mutter, 
wie  er  doch  in  der  Aehnlichkeit  der  Kinder  mit  der  Mutter  und  besonders  in  der  Bastard- 
bilduug  vorliegt,  nur  erklärt  werden  durch  die  Natur  der  gewährten  Nahrung.  — Zwischen 
der  Erzeugung  von  Pflanzen  aber  und  derjenigen  von  'filieren  besteht  der  Unterschied,  dass 
jene,  weil  zur  Begattung  unfähig,  Samen  erzeugen  müssen,  welche  zugleich  auch  die  Rolle 
des  weiblichen  Eies  übernehmen. 

Eine  folgende  sehr  sorgfältige  Untersnchungsroiho  setzt  sich  zur  Aufgabe,  die  Zeugungs- 
vorgänge speeiell  bei  Sängethieren  zu  erforschen.  Durch  Frost  wird  die  Bewegungüfahigkeit 
der  Fäden  des  Hundesamens  aufgehoben,  sonst  aber  erhält  sich  diese  während  mehr  denn 
sieben  Tagen.  Dies  führt  auf  den  Gedanken,  dass  beim  menschlichen  Weibe  die  eigentliche 


■)  Brief  vom  26.  Juli  1663,  mitgetbeilt  in  Sr.  162  der  Philo».  Tranaact. 

sl  Sun  etiAmri  in  animaiculo  ex  semine  raaicuio,  unde  ortum  e»t  fignram  animali»  conapicere  necquearou», 
»Hamen  aati»  «uperqne  certi  ea»e  poMumus,  fignram  animali»,  ex  qua  animal  ortum  mt,  in  aniroalcnlo  qood  in 
eernine  maacutu  reperitur  conulueam  jacere,  »ive  esae.  Etwas  naiv  klingt  die  Aufforderung  de»  Actnar»  der 
Royal  Soc.  vom  .lehre  16IM  R.  Waller:  „8i  nnqiiaTn  adeo  fueria  felix , ut  animalcoia  «ominis  maaculini  in 

ovo  foemineo  observare  potuen»,  ejii»  rei  communicatione  uoa  totoa  tibi  divinciea.  Fierique  posset,  ut  ova 
maectorum  e»aent  idonea,  in  quibua  animalcuta  quaerantur,  qnia  »nnt  minora  ovis  aliarum  creaturarum , io 
proinde  in  ii»  animalcnia  non  tarn  lenge  quaeri  debent“  Leeuwenhoek  antwortet  darauf,  die  Inaccteneier 
»eien  an  und  Ihr  Bich  wehl  klein,  aber  im  Vergleich  zu  einem  Samenthiereben  doch  noch  ungemein  gross, 
und  e«  möchten  die  letzteren  eher  zu  finden  »ein,  wenn  der  Eiinhalt  an»  einer  klaren  Flüssigkeit  bcstAnde, 
wa»  nicht  der  Fall  »ei.  Er  werde  »ich  übrigen«  alle  Mühe  geben,  daa  Gewünachte  zu  finden. 


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325 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

Conception  nicht  mit  der  Begattung  zusammonzurallen  brauche,  sondern  um  S bis  10  Tage  ihr 
nachfolgen  könne.  Es  wird  dazu  vorausgesetzt,  dass  einer  von  den  vielen  eingedrungenen 
Spermatozoen  einen  ganz  bestimmten  Punkt  erreichen  müsse,  welcher  zu  dessen  Entwicke- 
lung geeignet  sei,  oder  vielleicht  auch,  dass  die  Vorbereitung  des  Uterus  zur  Aufnahme  und 
Bebrütung  der  Spermatozoen  an  einen  gegebenen  Zeitpunkt  sich  knüpfe.  Gegenüber  den 
viel  wiederholten  Angaben  von  Harvev  '),  dass  der  Samen  nicht  in  den  Uterus  eindringe  und 
der  darauf  begründeten  Lehre  einer  Aura  seminalis,  führt  Leeuwenhoek  mit  Hülfe  des 
Mikroskope»  den  wichtigen  Nachweis  vom  Eintritte  der  Samenfaden  in  den  Uterus  und  von 
deren  allmähliger  Wanderung  durch  die  ganze  Länge  der  Tuben.  Der  Nachweis  wird  mit 
grosser  Sorgfalt  sowohl  für  Hunde,  als  für  Kaninchen  geliefert.  Bei  letzteren  findet  Leeu- 
wenhoek unmittelbar  nach  der  Begattung  Massen  von  lebenden  Samenelementen  im  Beginn 
des  Uterus,  aber  keine  in  dessen  Hörnern  und  in  den  Tuben , wogegen  sie  nach  sechs  Stun- 
den bereit*  durch  die  ganze  Länge  des  Rohres  sich  ausgebreitet  haben.  In  der  Vagina  finden 
sich  nur  Epithelialschuppen. 

Viel  weniger  glücklich  als  mit  den  Spermatozoen  ist  Leeuwenhoek  mit  den  Eiern:  bei 
Schafen,  Hunden  und  Kaninchen,  welche  kurz  nach  der  Begattung  getödtet  wurden,  findet  er 
zwar  im  Ovarium  geschlossene,  mit  Flüssigkeit  gefüllte,  sowie  frisch  aufgebrochene  Follikel, 
allein  von  Eiern  in  den  Tuben  vermag  er  Nichts  zu  erkennen,  und  doch  glaubt  er,  es  hätte 
ihm  kein  Körper  entgehen  können,  grösser  denn  ein  Blutkörperchen.  Erst  nach  einigen 
Tagen  begegnet  er  im  Uterus  von  Schafen  und  von  Kaninchen  kleinen  Körpern  von  Sand- 
korn- und  von  Gerstenkorngrösse,  in  deren  einem  (von  einem  angeblich  seit  drei  T#geu  be- 
sprungenen  Schaf  stammend)  er  sogar  schon  den  Kopf  mit  den  Augen  und  dio  Wirbelsäule 
erkannt  hat.  Nach  alledem  erscheint  Leeuwenhoek  die  Behauptung  de  Graaf's  vom 
Uebergang  der  Eierstockseier  in  die  Tnben  auch  noch  jetzt  völlig  unhaltbar.  Es  sprechen 
ihm  dagegen:  die  geringen  Dimensionen  der  Tuben  gegenüber  den  grossen  der  Eierstocks- 
follikel,  die  Verwachsung  der  letzteren  mit  dein  Eierstocksgewebe , die  Unfindbarkeit  der  an- 
geblich ausgesaugten  Eier  in  den  Tuben  gleich  post  coYtum,  und  der  Umstand,  dass  die  Grös- 
scncntwickelung  der  Sängethierovarien  der  sexuellen  Entwickelung  nicht  parallel  geht.  Diese 
Organe  sind  schon  bei  jungen  Thieren  verhältnissmässig  ebenso  gross  als  bei  erwachsenen, 
sie  enthalten  auch  beim  ganz  jungen  Kalb  schon  gefüllte  Follikel,  und  zur  Zeit  der  Puber- 
tät und  der  Brunst  ist  keine  besondere  Anschwellung  an  ihnen  zu  beobachten. 

Die  rundlichen  Körper,  welche  als  erste  Anfänge  der  Frucht  in  den  weiblichen  Organen 
gefunden  werden,  denkt  sich  Leeuwenhoek  aus  den  Spermatozoen  dadurch  entstanden, 
das*  diese,  an  der  gehörigen  Stelle  des  Uterus  angelangt,  wachsen  und,  einer  Kaulquappe 
ähnlich,  ihren  Schwanz  abwerfen,  womit  sich  vielleicht  auch  eine  Häutung  verknüpft.  Die 
Möglichkeit  einer  vollständigen  Organisation  eines  sehr  kleinen  Körpers  ist  aus  der  That- 
snehe  zu  ersehen,  dass  ein  sehr  kleiner  Embryo  schon  alle  seine  Organe  besitzt.  Auch  er- 
scheint es  Leeuwenhoek  wahrscheinlicher,  dass  die  Seelen  der  Spermatozoen  unmittelbar 
in  diejenige  des  Embryo  übergehen,  als  dass  sie  zuerst  eine  Wanderung  in  einen  anderen 
Körper,  das  Ei,  vornehmen,  und  so  gehe  auch  bei  der  Entwickelung  des  Hühnereies  der  Stoff 


')  Brief  in  Nro.  174  der  Philo..  Trausact. 


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326 


Wilhelm  His, 

des  Eies  in  das  Samenthierehen  über,  nicht  aber  die  Seele  des  letztem  in  das  Ei.  Aus  den« 
Gesclilechte  der  Samonthierchen  bestimme  sich  das  Geschlecht  des  werdenden  Geschöpfes,  die 
Unfruchtbarkeit  eines  Mannes  aber  folge  nicht,  wie  man  bis  dahin  geglaubt,  aus  dessen  zu 
grosser  Kälte,  sondern  aus  dom  Mangel  an  lebenden  Spermatozoon  im  Samen 

Die  besprochenen  Briefe  Leeuwenboek’s  fallen  in  die  Jahre  1677  bis  1684.  In  den 
nächstfolgenden  Jahren  hat  er  die  Samenuntersucbungcn  über  andere  Arbeiten  mehr  zurück- 
treten lassen.  Indess  kommt  er  bei  polemischen  Anlässen  doch  wiederholt  auf  dieselben  zu- 
rück. 1693  setzt  er  sich  mit  Garden,  einige  Jahre  später  mit  Hartsoeker,  Lister  und 
mit  Flantade  auseinander,  und  endlich  behandelte  er  den  Gegenstand  noch  in  seinem 
höheren  Alter  während  der  Jahre  1715  und  1716  in  einigen  an  Leibnitz  und  an  Boerhaave 
gerichteten  Briefen.  Obwohl  in  diesen  späteren,  zur  Widerlegung  gemachter  Einwendungen 
entworfenen  Briefen  Leeuwenhoek  vorzugsweise  auf  seine  älteren  Untersuchungen  Bezug 
nimmt,  so  enthalten  doch  auch  sie  noch  verschiedene  neue  Beobachtungen,  so  Uber  das  erste 
Auftreten  der  Spermatozoon  bei  jungen  Widdern  und  bei  jungen  Halmen,  über  die  Lebens- 
dauer der  Fischspermatozoen  u.  A.  Auch  sind  ihnen  einige  Abbildungen  beigegeben,  die  vor 
den  älteren  durch  weit  grössere  Naturtreuo  sich  auszeichnen.  Hinsichtlich  der  Spermatozoen- 
bildung  im  Hoden  glaubt  Leeuwenhoek,  dass  sie  am  ehesten  durch  eine  rapide  Fortpflan- 
zung der  im  Hoden  zurückgebliebenen  Wesen  erklärt  werden  könne,  da  einerseits  eine  Urzeu- 
gung derselben  undenkbar,  und  andererseits  die  enorme  Production  derselben  von  einem 
Jahro  zum  andern  bei  Fischen  leicht  erweisbar  sei.  Diese  Hypothese,  die  Leeuwenhoek 
ausdrücklich  nur  als  solche  giebt,  ist  nicht  weit  von  der  Wahrheit  entfernt,  sobald  wir  den 
reifen  Spermatozoen  die  samenbildeuden  Kellen  substituiren.  Etwas  bedenklicher  allerdings 
ist  eine  andere  Angabe,  wonach  die  Samenfäden  des  Schafes  schon  die  Gewohnheit  haben 
sollen,  schaaren weise  einigen  Leithammeln  nachzuschwimmen.  Es  Ist  dies  vielleicht  die  ein- 
zige Angabe,  hinsichtlich  deren  man  Leeuwenhoek  der  Unvorsichtigkeit  zu  zeihen  vermag, 
denn  im  Uebrigen  bewährt  derselbe  durch  die  gesammtc  Reihe  von  Untersuchungen  hin- 
durch seine  eminente  Forscherbegabung,  Auch  da,  wo  derselbe  Hypothesen  aufstellt,  verliert 
er  sich  nie  in's  Abenteuerliche,  und  er  ist  immer  bemüht,  soweit  wie  nur  möglich,  seine  An- 
sichten tliatsächlich  zu  prüfen,  und  die  früher  gemachten  Beobachtungen  neu  zu  bestätigen 
und  zu  erweitern.  Das  beste  Zeugniss  für  Leeuwenbock’s  grosse  Wahrheitsliebe  liegt  jeden- 
falls darin,  dass  er  trotz  der  grossen  Verlockung,  der  er  ausgesetzt  war,  doch  niemals  eine 
innere  Organisation  der  Spermatozoen  beseliriebcn  und  selbst  seine  Gedanken  darüber  immer 
nur  mit  einer  gewissen  Zurückhaltung  mitgetheilt  hat.  Was  aber  die  Polemik  Leeuwen- 
hoek’s  gegen  de  Graaf  betrifft,  so  liefert  eben  diese  eine  Illustration  zu  der  öfters  wieder- 
kehrenden Erfahrung,  wonach  zwei  fortschrittliche  Neuerungen  sich  gegenseitig  in  ihrer  Ent- 
wickelung stören,  wenn  sie  zu  nahe  beisammen  entstellen,  ehe  noch  die  eine  oder  die  andere 


*)  Quidam  hnud  indoctus  dominus  ante  aliquod  tempus  me  invisens,  ratiocinando  (andern  perveniehamus 
ad  generationem , ei  inter  alia  ratiocinia  de  quodara  doraino  verba  fiebant,  in  cujus  semine  maseuio  nulla  re* 
periebantur  animalcula;  unde  illum  dominum  veteranum  sive  etneritum  esse  mititem  in  militia  Veosrii  esse 
concludebamus,  jam  propagationi  minime  aptum,  cum  idem  domiuus  ante  aliquot  annos  diveraos  procreaaset 
liberos;  unde  liquido  conat&t,  generationem  sive  propagationem  viri  dependere  ab  optima  viventium  creatura* 
rum  in  semine  ipsius  dispositione. 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung.  327 

gehörig  Wurzel  gefasst  hat,  Leeuwenhoek  glaubt  seine  neuen  Erfahrungen  auf  Kosten 
de  Gr&af’s  zur  Geltung  bringen  zu  müssen,  während  man  hinwiederum  vom  entgegengesetz- 
ten Lager  aus  den  Werth  der  Leeuwenhoek'schen  Beobachtungen  zu  vernichten  gestrebt 
hat,  indem  man  die  Spermatozoen  völlig  leugnete  oder  sie  als  accessorische  Bestand theile 
des  Samens  darstellte  !). 

Viel  weniger  Zurückhaltung  in  ihren  Behauptungen  als  Leeuwenhoek  beobachteten 
einige  seiner  Zeitgenossen,  so  vor  Allem  der  öfters  neben  ihm  genannte  Nicolas  Hartsoeker. 
Hartsocker  verstand,  wie  Leeuwenhoek,  die  Kunst  Glas  zu  schleifen,  und  er  hat  schon 
im  Jahr  1678  rnit  seinen  Gläsern  die  Samenfaden  des  Hahnes  gesehen;  indess  hat  er  erst 
im  Jabr  1694  in  seinem  Essay  de  Dioptrique  selber  etwas  darüber  publicirt  *).  Seine  Be- 
schreibung ist  sehr  oberflächlich  und  auch  die  Abbildung  mehr  als  primitiv  (s.  Fig.  47  a.  f.  S.), 
um  so  weiter  gehend  dagegen  die  Interpretation.  Jedes  Spermatozoon  enthält  nach  H&rt- 


J)  M.  List  er  behauptete,  die  Spermatozoen  dienten  bloss  dazu,  um  beim  Manne  den  uothigen  Geschlecht«* 
kitxel  zu  erregen.  Gegen  Leeuwenhoek’*  Ansicht  vom  Uebergang  derselben  in  den  Embryo  wendet  er 
hauptsächlich  ein,  sie  müssten  dann  zweimal  alt  werden  und  zeugen,  erst  als  Würmer  nämlich,  und  dann  als 
Menschen,  und  ebenso  müssten  sie  erst  eine  Wurmeeele  und  dann  eine  Menschenseele  haben ; auch  sollte  ihre 
grosse  Beweglichkeit  im  Widerspruch  stehen  mit  ihrer  embryonalen  Natur.  Daher  glaubt  Lister,  sie  seien 
eine  Art  von  Kntozoen  (M.  Lister  de  humoribus  im  cap.  de  semine),  Mangel  (Theatr.  anat  11,  29)  meint,  die 
S|>ermatozoen  seien  fadenförmige  Gerinsel  des  Samens,  die  als  Ausgüsse  der  feinen  Samenkanälchen  sich  ge- 
bildet haben.  Verheyen  erklärt  sie  für  leblose  Körper,  welche  von  den  unsichtbaren  Spiritus  genitales  her- 
umgetrieben werden;  und  Vallisnori  endlich  schreibt  ihnen  die  Rolle  su,  die  Gerinnung  des  Samens  zu 
hemmen. 

a>  Hartsoeker  hat  sich  die  Priorität  der  Spermatozoenentdeckung  vindicirt,  und  es  ist  darüber  zwischen 
ihm  und  Leeuwenhoek  zu  einigen  Auseinandersetzungen  gekommen.  Seine  Berechtigung  dazu  war  jeden- 
falls nur  gering.  Im  Journal  des  Scavans  1078,  Nr.  XXVIII,  p.  332  findet  eich  ein  Auszug  aus  einem  Briefe 
von  Huygens  an  die  Acadömic  Royale.  Mittelst  der  aus  Holland  mitgebrachten  Mikroskope  hat  er  die  da- 
mals viel  besprochenen  Thierchen  im  Pfefferaufpuss  gesehen.  „On  pourrait  dire  que  cce  animaux  sVngendrent 
par  quelque  corruption  on  fermentation , mais  ily  en  a une  aut  re  »orte,  qui  doivent  avoir  un  aut  re  principe. 
Comme  sunt  ceux  qu’on  decouvre  avec  le  microscopo  dan»  lu  semence  des  animaux,  leequels  semblent  etre 
nes  avec  eile,  et  qui  sont  en  si  grande  quantite,  qu’il  seroble  qu’elle  en  ost  presque  toute  composee.  11s  sunt 
tous  d’une  matiere  transparente.  11s  ont  un  mouvement  fort  visto  et  leur  figure  est  »emblable  ä celle  qu’ont 
les  grenouilles,  avant  que  leura  pieds  soient  formen.  Cette  derniere  döcouverte,  qui  a öte  faite  en  Hollande 
pour  la  prämiere  fois  mo  semblo  fort  importante  et  propre  i*  donner  de  l’occupation  ä ceux  qui  recherchent 
avec  soin  la  generation  des  animaux.“  Hier  wird  Hartsoeker  nicht  genannt  uud  die  Entdeckung  bereits  als 
eine  in  Holland  populäre  behandelt.  Dagegen  kommt  Huygens  in  Nr.  XXX,  pag.  855  auf  die  Mikroskopo 
zurück,  wovon  er  eine  Abbildung  giebt;  er  bezeichnet  Hartsoeker  als  deren  Vervollkommnet  und  sagt  dann 
im  Vorbeigehen:  „II  en  a trouvö  (sc.  des  petita  animaux)  (lau»  la  semence  du  coq,  qui  ont  paru  ä peu  pres  de 
cette  meine  figure,  qui  est  fort  differente,  commc  l’on  voit*  de  celle  qu’ont  ccs  petita  animaux  dans  la  semence 
dos  autres,  qui  ressemblent,  cotome  nous  l’avons  remarque  ä des  grenouilles  nnissantes.“  Auf  diese  Notiz  beruft 
sich  16  Jahre  später  Hartsoeker  in  seinem  Essay  de  Dioptrique,  pag.  223,  wenn  er  sagt,  er  glaube  zuerst  die 
Sampiitbiere  gesehen  zu  haben.  Leeuwenhoek  widerlegt  diesen  Anspruch  in  einem  Briefe  an  H.  v.  Zoelen 
vom  16.  Januar  1699,  und  wahrt  Ilara  die  Ehre  der  ersten  Entdeckung.  („Viro,  quem  ob  singulärem  mo* 
destiam , jndicium  politisaimum  ac  in  coeptis  assiduitatem  magni  aemper  feci,  oumque  inter  inultos  mortalium 
aptiseimum  duxi  ad  naturae  arcana  investiganda.“)  Leeuwenhoek  reprodneirt  bei  dem  Anlass  einige  der 
ersten  Actcnstücke.  In  den  1708  erschienenen  Conjectures  Fhyaiqucs  und  in  Recueil  de  plusieurca  pieces  de 
Physiquo  vom  Jahr  1722  bespricht  Hartsoeker  die  Samenfäden,  ohne  der  Priorität  der  Entdeckung  zu  ge- 
denken, und  erst  in  dem  sieben  Jahre  nach  Leeuwenhoek’ s Tod  1730  herauHgekommenen  Coura  de  Phy- 
sique  nimmt  er  den  Streit  noch  einmal  auf,  und  unter  Klagen  über  Leeu wenhock’s  Persönlichkeit  behauptet 
er,  schon  1674  die  Samenfaden  gesehen,  aber  aus  Schamhaftigkeit,  nicht  cingestanden  zu  halten.  Ich  kenne 
diese  letzte  Schrift  nur  aus  dem  Referat  in  Haller’s  Bibi.  an.  I.  663.  Hartsoeker  war  kein  unbegabter 
und  ein  jedenfalls  ideenreicher  Kopf,  aber  das  Conjecturenmachen  stand  ihm  näher  als  das  Beobachten,  und  er 
darf  in  der  Hinsicht  LecJuwenhoek  nicht  an  die  Seite  gestellt  werden. 


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328 


Wilhelm  II  is, 

aoeker  ein  männliches  oder  weibliches  Geschöpf  von  der  entsprechenden  Art.  Dieses  dringt 
nach  erfolgter  Begattung  durch  die  vorhandene  einzige  Oeffnung  in'a  Ei  ein,  ein  Vorgang, 
Fig.  47  und  48.  der  auch  beim  menschlichen  Weibe  statt  hat.  Sofort  nach  dem 

Eintritt  achliesst  sich  die  Oeffnung  und  verweigert  jedem  nach- 
folgenden Spermatozoen  den  Eintritt.  Sollten  indess  zwei  zu- 
gleich eingedrungen  sein,  so  kommt  es  zur  Bildung  einer  Meu- 
strosität.  Mittelst  seines  Schwanzendes  wächst  das  kleine  Ge- 
schöpf im  weiblichen  Ei  fest,  sein  Schwanz  nämlich  enthält 
die  Umbilikalgefasse,  und  dos  Ei  spielt  die  Rolle  der  Pla- 
centa.  Das  junge  Wesen  besitzt  im  Spermatozoon  beistehende 
Lage  (Fig.  48),  und  stösst  sich  schliesslich  bei  der  Geburt  mit  sei- 
nen gegen  die  Placenta  angesteumiten  Füssen  aus  dem  Ge- 
fängniss  seiner  nullen  heraus.  — Indem  Hartsoeker  der 
mittlerweile  durch  Malebranche  ausgefuhrten  Evolutions- 
theorie einige  Grundgedanken  entlehnt,  argumentirt  er,  dass 
ein  jedes  männliche  Samenthier  wieder  eine  Unzahl  anderer 
männlicher  und  weiblicher  Thiere  in  seinem  Innern  enthalte, 
welche  unendlich  klein  sind;  diese  enthalten  abermaLs  noch  klei- 
nere und  so  fort,  so  dass  die  ersten  Männchen  zur  Zeit  der  Schö- 
pfung zugleich  mit  all  den  Wesen  derselben  Sjiecies  geschaffen 
worden  sind,  welche  bis  an  das  Ende  der  Welt  werden  erzeugt 
worden.  Aehnliches  gilt  nicht  nur  von  den  Thieren,  sondern 
auch  von  den  Pflanzen,  deren  Samen  bereits  die  jungen  Pflan- 
zengenerationen, eine  in  der  andern  eingeschlossen  enthalten. 
Hartsoeker  hat  seine  Ansicht  vom  Eintritt  der  Samenfaden 
ins  Ei  und  von  ihrem  Anwachsen  daselbst  mittelst  des  Schwan- 
zes noch  mehrfach  wiederholt l).  Er  glaubt,  es  besitze  auch  das 
menschliche  Ei  eine  Cicatricula,  dieselbe  sei  eine  kleine  Zelle,  in 
welche  das  Spermatozoon  einzudringen  vermag  ’).  Bei  dem  An- 
lass bemerkt  Hartsoeker,  wie  es  von  Interesse  wäre,  eiueu 
Versuch  bei  Säugetbieren  über  künstliche  Befruchtung  anzustellen. 
Den  Ursprung  der  Samenfäden  führt  er  Anfangs  zurück  auf  Luft 
und  Nahrung,  von  da  sollten  sic  in’s  Blut  und  durch  dessen 
Vermittelung  in  den  Hoden  kommen;  später  zieht  er  diese  Vermuthung  wieder  zurück,  und 
überträgt  die  Spormatozoenbildung  der  plastischen  Seele  des  Körpers. 

Hartsoeker’»  oben  reproducirte  Zeichnung  ist  die  etwas  kühne  Illustration  einer  zuge- 
standetieu  Hypothese.  Zu  derselben  Zeit  aber  erschien  eine  kaum  minder  kühne  Zeichnung, 

*)  So  in  der  Suite  des  Conjectures  physit|nes , Amsterdam  1708,  septieme  discour*  sur  ia  Generation,  pag. 
105  u.  f.,  im  Recueil  de  pluaieures  pieces  sie  Physiquc,  Utrecht  1722,  pag.  191,  und  im  Cosirs  de  Phyaique, 
Hase  1730. 

')  „Peut  nvoir  ie  bonheur  ou  plutnt  le  matheur  de  s’iatroduire.* 


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Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

welche  als  Ausdruck  wirklicher  Beobachtung  sich  einzufiihren  suchte.  Ein  gewisser  de  la 
Planta  de»  unter  dein  Namen  Dalepatius  schreibend,  behauptete  nämlich  in  einem  an  den 
Herausgeber  der  Nou veiles  de  la  republique  des  lettres  gerichteten  Briefe  die  Entpuppung 
Fig.  49.  eines  Spennatozoen  unmittelbar  gesehen  zu  haben,  und  soll  das  entpuppte  Ge- 
schöpf laut  beistehender  Figur  völlig  ausgebildet  und  mit  vollständigen  Extre- 
JJL  initäten  versehen  gewesen  sein  J).  Plant ade's  Behauptung  hat  wohl  von  An- 
fang  an  wenig  Gläubige  gefunden,  immerhin  hat  es  Leouwenhoek  der  Mühe 
\lt  werth  gehalten,  sie  in  einem  besonderen  Schreiben  zu  widerlegen,  einem 
Schreiben,  das  deshalb  von  Interesse  ist,  weil  Leeuwenhoek  darin  kritisch 
Uber  mikroskopische  Beobachtung  sich  ausspricht,  und  über  seine  eigenen  Untersuchungs- 
methoden einige  Angaben  macht. 

Einer  der  beachtenswertheren  unter  den  gleichzeitig  mit  Leeuwenhoek  lebenden  Ge- 
nerationstheoretikern war  Boerhaave’s  Lehrer»  Carl  Drelincourt  in  Leyden.  Der- 
selbe hat  mehrere,  und  zwar  vorzugsweise  kritische  Schriften  über  die  Generationslehre  ge- 
schrieben*). Von  ihm  macht  Blumenbach  die  Bemerkung,  or  habe  allein  262  grundlose  Hy- 
pothesen über  das  Zeugungsgeschäft  aus  den  Schriften  seiner  Vorgänger  zusammengestellt, 
und  nichts  sei  gewisser,  als  dass  sein  eigenes  System  die  263.  ausmache.  Drclincourt's 
System  ist  darin  originell,  dass  es,  ohne  der  Spermatozoon  zu  gedenken,  die  Drelincourt 
nicht  gekannt  zu  haben  scheint,  doch  von  einer  Beweglichkeit  der  Samenatome  spricht,  und 
den  Embryo  aus  einem  geordneten  Zusammentreten  der  ins  Ei  eingedrungenen  Atome  ab- 
leitet3). Diese,  von  Drelincourt  salzig  genannten  Atome,  von  deren  Eindringen  ins  Ei  er 


*)  Quis  autem  crediderit  talibus  sub  animalculis  corpua  bumamnn  latitnro?  Quod  tarnen  ipsimet  propriia 
oculis  vidimus.  Dum  enim  omnia  quam  accurutisaime  observaremus , unum  soso  prudit  animalculum,  cetcris 
paulo  majus,  quod  cuticulam.  cui  inclusum  fucr&t,  exuerat.  Howe  animalculum  liquido  exhibebat  femur  utrutn* 
que  nudum,  crura,  pectus  brach) um  utrumque,  cutis  paulo  altius  protracta  instar  pilei  caput  tegebat.  Sexus 
vero  discrimen  dignoseere  non  potuimua.  Dum  hocce  animalculum  cuticulam  auam  mutabat  moriebatur. 

*)  Drelincourt  de  Conceptu  adveroaria,  Leyden  1662;  de  Conceptu  Conceptu«,  Leyden  1686;  de  fexnina- 
rum  ovia  historicae  et  criticae  lucubratione»,  Leyden  1684,  und  verschiedene  andere  kleine  Schriften.  Ich 
habe  übrigens  nicht  gefunden,  woher  ltluinenbach  obige  Zahl  genommen  hat. 

3)  de  conceptu  conceptus  perioche  XXIX.  Masculum  itaqae  seinen  speculor  atotuis  salinia  turgeecenB  et 
quidem  activiaaimia  et  ab  unirerao  corpore  decidui«,  nec  non  muttiplici  genitalium  organorum  apparatu  ita 
aubactis,  ut  plurimia  partium  ideia  impraegnentur.  Foeminarum  deincepa  ova  contemplor  liquore  erystulliuo 
diäten  tu.  et  pellicula  ducttli  porosisaima  dupliciqup  munita  ....  Tertio  demum  maritalem  copulam  perlustro 
et  aeincn  masculum  universi  corporis  volut  cpileptica  vibratione  in  vaginam , inque  nteri  cervicem  internam 
atque  adeo  in  ipsum  uteri  funduni  impetu  qnodam  eftVrri  percipio  aemen  enim  tpiritibua  universe  tnrget  atque 
spumeacit.  At  spiritunin  eat,  irapetus  suos  exercerc  et  ntorinac  cervici*  ringulas  perrumpere  clauatra,  quo  in- 
timius  in  uterum  imunpant.  latia  praelihati*  ovum  concipio , hac  v.  g.  mulcibri  venere  ab  ovario  in  uteri 
fandum  utque  devolvi.  Masculas  in  super  atomnt  innumeras,  attendo  acido-aalinas ; et  illaa  quidem  activisrima« 
atque  adeo  mobiliBsimaa  ac  in  simul  penetrantisaimaa  contemplor.  In  uterum  igitur  aasurgunt  et  ovum  inibi 
orbiculatim  et  aasultim  impetunt,  atque  ita  porulos  ejus  quoquo versus  subcunt  ...  fit,  ut  inibi  milliarine  »esc 
constipent  non  tumultuoee  quidem  aed  mira  et  inenarubili  serie  riüguli  «eso  in  illos  ordines  varios  atque  varios 
referant,  qnot  ipsis  nurnmai  generis  humani  aator,  cujus  digitua  hic  aingulariter  clucet,  ex  auorum  motuum 
atque  figurarum  varietate  stupenda  prneatituit  . . . Stet  ergo  rat  um  atque  sanoitam  ai>ud-noB,  maaculum  aemen 
embryonis  esse  principium  aetivum  insimul  atque  materiale,  foeminenm  vero  pawivum  duntaxat  atque  nutriti- 
vutn.  Anklänge  an  diese  Darstellung  finden  sich  noch  bei  ßoerhaave,  obwohl  er  die  Sperroatozoen  an  die 
Stelle  der  Atome  setzt.  „Itaque  masculinum  aemen  animalculU  vivis,  Beatens  maxima  vi,  summo  calore  forte 
ot  ingenti  copia  spiritaum  animalium  incitatum,  convulsiva  uteri  constrictione  retuntura,  calefactum,  agitatum 
ovo  occurens  parle  vivaci  incredibiliter  parva  intrat  per  dilatatos  tum  poros  glandulosae  factae  membranulae 
Archiv  für  Bd.  IV.  Heft  IV.  42 


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Wilhelm  His 


eine  »ehr  plastische  Beschreibung  giebt,  stammen  aus  dem  Ueberacbuss  der  sämmtlicheu  Kör- 
pertheile  und  sind  mit  deren  Ideen  imprägnirt.  Nur  sie  sind  das  active  Princip  der  Embryo- 
bildung, das  mütterliche  Ei  liefert  die  Stätte  der  Entwickelung  und  die  Nahrung. 

Gegen  Drelincourt  und  gegen  die  70  zu  Gunsten  des  menschlichen  Eies  von  ihm  an- 
geführten Gewährsmänner  hat  Leeuwenbook  das  oben  analysirte  Schreiben  gerichtet,  wel- 
ches durch  den  Nachweis  vom  Eindringen  des  Samens  in  Uterus  und  Tuben  die  Eilehre  völlig 
vernichten  sollte.  Der  Einfluss  dieser  Lehre  war  übrigens  nicht  so  leichten  Kaufes  zu  besei- 
tigen, und  bald  hatte  sich  Leeuwenhoek  auch  derjenigen  zu  erwehren,  welche  seine  eigenen 
Entdeckungen  mit  denjenigen  de  Graaf’s  zu  combiniren  strebten.  Den  ersten,  keineswegs 
ungeschickten  Versuch  solch  einer  Combination  machte  Georg  Garden  von  Aberdeen  im 
Jahre  1GD0')-  Die  Arbeiten  von  Harvey,  Malpighi  und  de  Graaf  führen,  wie  Garden 
bemerkt,  dahin,  alle  Thiere  aus  dem  Ei  abzuleiten,  d.  h.  vom  weiblichen  Zeugungsmaterial, 
und  dem  männlichen  die  blosse  Rolle  des  Anstosses  zu  übertragen.  Nun  glaubt  alter  Garden, 
ein  jedes  Thier  stamme  von  je  einem  männlichen  Samenthiere,  welches  zu  seiner  Entwicke- 
lung des  weiblichen  Eies  bedürfe.  Es  müsse  zu  dem  Behuf  in  die  Cicatricula  und  zwar  in 
deren  Centrum  eindringen,  und  diese  sei  wahrscheinlich  so  gebaut,  dass  sie  nicht  leicht  meh- 
rere Spennatozoen  aufnehmen  könne.  Zwischen  Säugethierei  und  Vogelei  sei  der  Unter- 
schied, dass  jenes  ausschliesslich  aus  einer  Cicatricula  nebst  Colliquament  bestehe.  Die  Exi- 
stenz der  Säugethiereier  sei  aber  deshalb  anzunehmen,  weil  für  die  Entwickelung  des  Embryo 
überhaupt  ein  Nest  von  Nöthen  sei,  und  weil  man  sich  eine  einzelne  Conception  gar  nicht 
denken  könnte,  wenn  der  Aufenthalt  im  Uterus  an  und  für  sich  zur  Entwickelung  der  Sper- 
matozoen  genügend  wäre.  Auch  stehe  der  sich  entwickelnde  Embryo  Anfangs  mit  dem 
mütterlichen  Uterus  gar  nicht  in  Verbindung.  Eudlicli  sprächen  für  die  Bildung  der  Eier  im 
Eierstocke  die  zuweilen  vorkommenden  extranterinen  Schwangerschaften,  sowie  die  consta- 
tirte  Unfruchtbarkeit  castrirter  weiblicher  Thiere.  Für  dio  Abstammung  des  Embryo  aber 
aus  einem  Samenfaden  führt  Garden  die  Aehnlichkeit  an,  welche  ein  solcher  mit  den  von 
Malpighi  abgebildeten  ersten  Rudimenten  des  Foctus  besitze.  Garden  denkt  sich,  es  finde 
der  Eintritt  des  Spermatozoeu  in’»  Ei  schon  im  Ovarium  statt,  und  er  beseitigt  den  Einwnnd 
der  Verschiedenheiten  im  Durchmesser  der  Eiorstockseier  und  demjenigen  der  Tuben  durch 
die  Bemerkung,  es  hätten  schon  de  Graaf  und  Malpighi  den  Nachweis  geliefert,  dass  die  Fol- 
likel des  Eierstocks  nicht  das  wirkliche  Ei,  sondern  zu  dessen  Aufndbmo  bestimmte  drüsige 
Behälter  darstellten,  aus  welchen  dann  das  wirkliche  Ei  durch  Bersten  entleert  werde. 

Die  von  Garden  versuchte  Vermittelung  zwischen  Ei  und  Samentheorien  steht,  wie  wir 
jetzt  wissen,  in  mehreren  Hauptpunkten  der  Wahrheit  sehr  nahe,  und  sie  zeichnet  sich  von 
verschiedenen  ähnlichen  Versuchen  durch  ihre  maassvolle  Durchführung  aus5).  Schon  Hart- 


ovi,  ibi  retinctur,  suntinetur,  fov.-tur,  nutritur,  omhilien  suo  acereacit,  reliqna  minus  vivacia  animah-ula  aufiocat 
aieque  conceptua  factus  Mt  <^ui  ergo  fieri  potest  in  omni  »llo  loco,  ubi  «einen  tale  i) lud  ovuiu  alluit  . , . . 
tarnen  ut  forte  non  improbabile  perfect isa in» um  conceptum  ficri,  binis  hia  in  utemm  enden»  tempore  aimut  de- 
latia  commietisi|uc.“  (Boerhaave  InMit.  medic.  §.  673.  Ausgabe  von  1730.) 

l)  Philo«.  Tranaaetions  Nr.  172,  apältcr  in  einem  directen  Briefe  an  Leeuwenhoek  vom  Jahre  1683.  Des 
Letzten»  Antwort  iat  unbedeutend  und  enthalt  keine  neuen  Beobachtungen. 

5)  Merkwürdig  ist  das  theologische  Argument  (iarden’a  zu  Gunsten  dos  llervorgehena  des  Embryo  aua 
dem  männlichen  Samenfaden.  „This  giere  a new  light  to  the  first  prophecy  concerning  the  Messias,  that  tho 


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331 


Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

soekor  ist  in  der  Hinsicht  über  <las  Erlaubte  weit  hirmu.sgegangen,  und  einige  nachfolgende 
Schriftsteller,  wie  z.  B.  Andry  *),  sind  in  solch  willkürlichen  Darstellungen  nicht  hinter  ihm 
zurückgeblieben.  Man  ist  versucht,  diesen  Uebertreibungen  die  Schuld  beizumessen,  weshalb 
die  Annahme  von  dein  Eindringen  der  Samenfaden  ins  Ei  nicht  bleibend  zur  allgemeinen  Gel- 
tung gelangt  ist.  Indes«  hat  gerade  die  Theorie,  durch  welche  jene  Annahme  während  län- 
gerer Zeit  siegreich  aus  dein  Felde  geschlagen  wurde,  die  Theorie  der  Evolution  in  Ausma- 
lung ungesehener  Dinge  noch  wesentlich  mehr  geleistet,  als  die  Sperma tozoentheorien  Loeu- 
wenhoek's  und  Garden'«,  ja  selbst  als  diejenige  von  Hartsoeker.  Die  Spermato- 
zoon waren  doch  noch  fassbare,  nachweislich  belebte  Körper,  denen  man,  so  lange  die  Be- 
dingungen einfacheren  Lebens  unbekannt  waren,  eine  feinere  Organisation,  wie  z.  B.  Mus- 
keln, Sehnen  und  innere  Organe  zuzuschreibeu  wohl  berechtigt  war.  Die  Wortführer  der 
Evolutionisten  aber  sind  bald  dahin  gelangt,  organisirte  Wesen  mit  unendlich  vielen  einge- 
schachtelten Generationen  nachfolgender  Wesen  da  zu  behaupten,  wo  auch  den  besten  Mikro- 
skopen jegliche  Spur  eines  sichtbaren  Körpers  abhanden  gekommen  war. 

Unter  den  hervorragenden  Männern,  welche  die  Spermatozoentheorie  in  mehr  oder  min- 
der gemässigter  Form  beibehielten , sind  Boerhaave,  Leibnitz  und  unter  den  Späteren 
J.  Lieutaud  zu  nennen.  Boerhaave  und  Lieutaud  haben  Beide  die  Ansicht  vom  Ein- 
tritte der  Samenfaden  in’s  Ei  und  von  seiner  Ausbildung  zum  Embryo  vertreten1).  Leibnitz 
hat  die  Spermatozoon  für  seine  Monadenlehro  zu  verwerthen  gesucht,  und  sie  für  unsterbliche 
Wesen  erklärt,  welche  bei  der  Zeugung  mit  einem  ausgedehnteren  Leihe  sich  umkleiden  und 
eine  vernünftige  Seele  erlangen  *). 


seed  of  the  vornan  »hall  brisc  the  kead  of  the  serpent,  all  the  rest  of  the  mankind  boeing  thus  most  properl jr 
and  truly  the  seed  of  the  man.“ 

l)  Nie.  Andry  de  la  Generation  des  Vers  dans  le  Corps  de  Thommc,  Paris  1700.  An  der  Stolle,  wo  das 
Ei  vom  Ovarium  sich  abl«3st,  bleibt  eine  Oeffnung,  durch  welche  die  Samenthierchen  eintreten.  Von  diesen 
hat  nur  eines  im  Innern  Platz.  Fj  rollt  »ich  nach  seinem  Eintritt  zusammen  und  drückt  mit  seinem  Schwanz 
eine  an  der  Oeffnung  befindliche  Klappe  zu,  indem  es  so  den  Uebrigen  den  Eintritt  versperrt.  Auch  Andry 
vertritt  wie  Hartsoeker  der  Einschachtelung  der  kommenden  Generationen  im  Leibe  jedes  Spermatozoen, 

a)  Boerhaave.  Instil,  medic.  oben  dtirt.  Jos.  Lieutaud,  Elements  Physiologiae,  Amsterdam  1749, 
pag.  213.  „Miasmata  viveutia“  nennt  Lieutaud  mit  einem  hübschen  Ausdruck  die  Spermatozoen.  Einen 
eifrigen  Anhänger  hat  die  Spermatocoentheorie  auch  in  G.  Phil.  Berger,  dem  Uebersetzer  von  Vallisneri, 
gefunden. 

s)  Leibnitz  spricht  sich  darüber  an  verschiedenen  Orten  aus,  so  in  der  Theodicee,  Buch  I,  §.  91,  und 
Buch  III,  397;  weit  eingehender  in  dem  1718  geschriebenem  Aufsätze:  „Prineipes  de  la  Nature  et  de  laGra^e 
fondeo  en  Raison“  (Opera  omnia,  Genevae  1768,  pag.  36).  „Los  recherches  des  modernes  noas  ont  appris,  et 
la  raison  Tapprouve,  que  les  vivans,  dont  les  Organes  nous  »ont  cunrtus,  c’ert  a dire  les  plante«  et  les  ani- 
maux,  ne  viennent  d’une  putrefaction  on  d’un  chaos,  comroe  les  Anciens  Pont  cru,  mais  de  eemences  prefor- 
mees  et  par  consequent  de  la  transformation  des  et  res  preexistants.  II  y a des  petit-s  animaux  dans  les  ae- 
mences  des  grands,  qui  par  le  moyen  de  la  conception,  prennent  uu  revetomeut  nouveau,  qu'its  sapproprient 
et  qui  leurs  donnc  moyen  de  se  nourir  et  de  s'aggrandir,  pour  passer  sur  an  plus  grand  theätre  et  faire  la 
propagation  du  grand  animal.  II  est  vrai  que  les  ftmes  des  animaux  spe-rmatiques  humains  ne  sont  point  rai- 
Bonnahles,  et  ne  le  deviennent  que  lonquc  la  conception  determine  ccs  animaux  ä la  nature  humaine.  Et 
comrao  les  animaux  gencralemcnt  ne  naissent  point  entierement  dans  la  conception  ou  generation,  il  ne 
perissent  pas  ontierement  non  plus  dans  ce  que  nous  appellons  mort;  car  il  est  raisonnable,  que  ce  qui  ne 
commcncc  pas  naturellement,  ne  finiaae  pas  non  plus  dans  l’ordre  de  la  nature.  Ainsi  quittant  lenr  masque 
ou  leur  guenille,  ils  retournent  seulement  a un  theätre  plus  subtil,  oü  ils  peuvent  pourtant  etre  auasi  sensibles 
et  ausei  bien  reglos  que  dans  le  plus  grand.  Et  ce  qu'on  viont  de  dire  des  plns  grand«  animaux,  a encore 
lieu  dans  la  generation  et  la  mort  des  animaux  spermatique*  plus  petits,  ä proportion  desquels  ils  peuvent 

42* 


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332  Wilhelm  His,  Die  Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung. 

passer  poor  grand»,  car  tout  va  dans  l’infini  dans  1g  monde.  Ainsi  non  seulemcnt  lea  am  ei,  maia  encore  lea 
animaux,  sont  ingenerables  ct  imperivsable»:  ils  ne  sollt  que  developpes,  envetope«,  ravetus,  dcpouilles,  trans- 
formes;  lea  ames  ne  quittent  jamais  tout  leur  corps  et  ne  passent  point  d?un  corpa  dnns  un  uutre  corps  qui 
leur  soit  entiorement  nouveau.  II  n’y  a donc  point  de  Metempaychose  maia  il  y a Metamorphose,  lea 
animaux  changent,  prennent  et  quittent  seulement  des  parties;  ce  qui  arrive  peu  a peu  et  par  petites  p«  reelles 
insensibles,  maia  continuellement  dans  la  nutrition,  et  tout  d'un  coup,  notablement,  maia  rarement  dsns  la 
conception,  ou  dans  la  murt  qui  font  acquerir  ou  perdre  tout  a la  fois.“  — In  einem  früheren  Brief  an 
Bourguet  (1715)  hatte  sich  Leibnitz  geiiuwert,  er  könne  nicht  bestimmt  versichern,  dass  die  von  ihm 
■tatuirten Saroenthierchen  mit  den  von  Leeuwenhoek  gesehenen  identisch  seien,  indes«  habe  er  auch  keinen 
Grund  das  üegentheil  zu  behaupten.  Kr  nimmt  Leeuwenhoek ’a  Partei  gegen  Bourguet  und  wahrt  be- 
sonders dessen  Bedeutung  als  Beobachter.  — Die  Rolle  des  Kies  als  Reeeptaoulum  für  die  Entwickelung  der 
Sa  ment  hier©  erscheine  ihm  noch  die  wahrscheinlichste.  „Cependant  je  n’oaerai  pas  a*turer  que  votre  sentiment 
soit  faux,  qui  va  a soutenir  que  l’animal  ii  transformer  est  d«*jii  dans  Poeof,  quand  la  conoeption  sc  fait.  Mais 
ropinion  qu’il  y ent  re  par  la  conception  parait  plus  vraisemblabte.  Ne  decidona  donc  rien  d’un  ton  trop 
affirmatif,  et  surtout  ne  traitons  point  mal  un  homme  comme  Mr.  Leeuwenhoek,  ii  qui  le  public  doit  des 
grames  pour  les  peines  qu’il  ü priB  dans  ses  recherches.“ 


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XIX. 

Referate. 


1.  Wallace  (Beiträge  zur  Kenntnis*  der  natürlichen 
Zuchtwahl.  Deutsch  von  A.  B.  Meyer.  Er- 
langen 1870),  hat  in  2.  Essays  Betrachtungen 
über  den  Einfluss  der  natürlichen  Zuchtwahl 
auf  die  Entwicklung  der  Menschheit  an  gestellt, 
die  der  höchsten  Beachtung  des  Anthropologen 
werth  sind.  Der  erste  Aufsatz  ist  betitelt: 

1.  Die  Entwicklung  der  menschlichen 
Racen  unter  dem  Gesetse  der  natürlichen 
Zuchtwahl. 

In  demselben  giebt  Wallace  zuerst  eine  kurze 
Darstellung  der  Theorie  der  natürlichen  Zuchtwahl 
bei  Thieren  und  fragt  dann,  ob  dieselbe  wohl  auch 
auf  den  Menschen  angewandt  werden  könne?  Ein 
jedes  Thier  (Individuum)  muss  allen  Bedingungen 
seiner  Existenz  genügen;  eine  leichte  Verletzung 
eines  pflanzenfressenden  Thieres  macht,  dass  es  dem 
Raubthiere  zur  Beute  fällt,  die  Kraftabnahme  eines 
Raubthieres  verdammt  dasselbe  zum  Hungertode. 
Natürliche  Zuchtwahl  hält  daher  alle  auf  ziemlich 
gleicher  Stufe.  Ganz  anders  ist  dies  beim  Menschen, 
wie  wir  ihn  jetzt  sehen.  Er  lebt  social  und  hat 
Sympathien;  weniger  robuste  Gesundheit,  geringere 
Kraft  als  im  Durchschnitt  hat  nicht  sofort  den 
Tod  zur  Folge;  denn  es  findet  eine  Arbeitsteilung 
statt,  die  schnellsten  Individuen  z.  B.  jagen,  die 
schwächeren  sammeln  Früchte,  und  die  Nahrung 
wird  bis  zu  einem  gewissen  Betrage  ausgewechselt 
oder  getheilt  und  so  die  Wirkung  der  natürlichen 
Zuchtwahl  gehemmt.  Dadurch  also  verlieren  die 
physischen  Eigenschaften  an  jener  Bedeutung,  die 
sie  bei  Thieren  haben,  dagegen  werden  notwen- 
diger Weise  geistige  und  moralische  Eigenschaften 
einen  wachsenden  Einfluss  auf  das  Wohlbefinden 
der  Race  haben,  und  diese  Eigenschaften  sind  es 
nun,  welche  Gegenstand  der  natürlichen  Zuchtwahl 
werden.  Wenn  langsame  Umänderungen  in  der 


physischen  Geographie  oder  dem  Klima  eines  Lan- 
des es  für  ein  Thier  notwendig  machen,  dass  sich 
seine  Nahrung.  Bekleidung,  Bewaffnung  ändern,  so 
kann  das  nur  durch  eine  correspondirendc  Verän- 
derung in  Beiner  eigenen  Körperstructur  oder  sei- 
ner innern  Organisation  geschehen;  es  tritt  also 
natürliche  Zuchtwahl  ein;  beim  Menschen  ist  dies 
nicht  der  Fall,  er  verfertigt  sich  selbst  seine  Klei- 
der und  Waffen,  er  associirt  sieb,  und  die  Fähigkeit 
dies  zu  thun,  wird  durch  die  Zuchtwahl  ausgebildet. 
So  hat  der  Mensch  durch  seine  Fähigkeit,  sich 
Kleider,  Waffen,  Werkzeuge  zu  machen,  der  Natur 
jede  Macht  genommen,  die  äussere  Form  seines 
Körpers  langsam  aber  beständig  zn  ändern.  Thiere 
müssen  ihren  Körper  raodificiren,  der  Mensch  passt 
sich  den  Verhältnissen  durch  seine  intellectuellen 
Eigenschaften  an.  Von  der  Zeit  an,  da  beim  Men- 
schen sociale  und  sympathische  Gefühle  uuftreten, 
wird  sein  Körper  nicht  mehr  von  der  Zuchtwahl 
afficirt,  sondern  nur  der  Geist,  und  es  ist  ein  Fort- 
schritt der  geistigen  Organisation,  der  fortan  unter 
ihrem  Einfluss  Statt  hat.  In  Folge  des  Umstan- 
des, dass  die  Kraft,  die  bis  dahin  den  Körper  mo- 
dificirt  hatte,  jetzt  ihre  Thätigkeit  auf  den  Geist 
übertragen  hat,  konnten  Racen  durch  die  harte 
Disciplin  eines  unfruchtbaren  Bodens  und  einer 
rauhen  Jahreszeit  fortschreiten.  Unter  diesem  Ein- 
fluss konnte  sich  eine  voraussichtigere  und  socia- 
lere  Race  entwickeln,  als  in  jenen  Gegenden,  in 
welchen  die  Erde  einen  immerwährenden  Vorrath 
vegetabilischer  Nahrung  producirt-  Thatsache  ist 
es  ja,  dass  zu  allen  Zeiten  und  in  jedem  Erdtheil 
die  Bewohner  gemässigt  erer  Gegenden  denen  der 
heissen  überlegen  gewesen  sind , und  dass  alle 
grossen  Invasionen  und  Platzveränderungen  von 
Racen  mehr  von  Nord  nach  Süd  als  umgekehrt  ge- 
gangen sind,  und  ebenso,  dass  kein  Beispiel  einer 


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Referate. 


334 

ursprünglichen  intertropischen  Civilisation  existirt. 
Und  dasselbe  grosse  Gtteti  der  Erhaltung  begün- 
stigter Racen  im  Kampfe  um*«  Dasein  führt  zum 
unvermeidlichen  Aussterbcu  der  niedrigeren  und 
geistig  unentwickelteren  Bevölkerungen,  mit  denen 
Europäer  in  Berührung  kommen. 

Nur  in  einem  Punkt  statuirt  Wallace  die 
Fortdauer  einer  auch  auf  den  Körper  wirkenden 
natürlichen  Zuchtwahl,  nämlich  in  Betreff  der  Farbe 
der  Haut  und  der  Farbe  und  Beschaffenheit  der 
liaurc,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  Dar- 
wiu  habe  gezeigt,  dass  die  Farbe  der  Haut  in 
Correlation  stehe  mit  constitntionellen  Eigentüm- 
lichkeiten, so  dass  die  Empfänglichkeit  für  gewisse 
Krankheiten  oder  das  Freisein  davon  oft  von  mar- 
kirten  äusserlichen  Charakteren  begleitet  wird. 
Wallace  meint  nun,  es  sei  aller  Grund  vorhanden, 
anzunehmen,  dass  dies  auch  auf  den  Menschen  ge- 
wirkt habe  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  noch 
zu  wirken  fortfahre.  Au  Orten,  wo  gewisse  Krank- 
heiten vorherrschen,  werden  jene  Individuen  wil- 
der Racen,  welche  ihnen  unterworfen  sind,  rapide 
ausBterben,  während  die,  welche  constitutioneil  frei 
von  ihnen  sind,  die  Krankheit  überleben  und  dio 
Stammväter  einer  neuen  Race  abgeben  werden. 
Diese  begünstigten  Iudividuen  werden  wahr- 
scheinlich durch  Eigentümlichkeiten  der  Farbe 
und  Haare  unterschieden  sein,  und  so  können  viel- 
leicht diese  Kacenunterschiede  hervorgerufen  sein, 
welche  nicht  eine  Beziehung  zu  der  Temperatur 
allein  oder  zu  anderen  Schädlichkeiten  des  Klimas 
zu  haben  scheinen.  Dem  Leser  wird  es  nicht  ent- 
gehen, dass  sich  Wallace  hier  plötzlich  aus  seinem 
vorsichtigen  Gedankengang  heraus  aut  das  Gebiet 
der  Wahrscheinlichkeiten  und  Vermutungen  ver- 
irrt und  dass  die  Erklärung  der  genannten  Racen- 
eigenthümlichkeiten  eine  ziemlich  gewaltsame  ist. 
Wallace  versucht  nun,  auf  seine  obige  Beweis- 
führung gestützt,  die  Widersprüche  zu  lösen, 
welche  noch  immer  in  Betreff  der  Frage  bestehen, 
ob  der  Menseh  ursprünglich  nur  eine  oder  aber 
viele  Arten  gebildet  habe,  und  beantwortet  dieselbe 
dahin,  dass  der  Mensch  ursprünglich  einmal  eine 
homogene  ltace  gebildet  habe,  dies  aber  zu  einer 
so  weit  zurückliegenden  Zeit,  dass  er  zwar  die  Ge- 
stalt, aber  kaum  noch  die  Natur  des  Menschen 
hatte.  Zu  dieser  Zeit,  und  ehe  seine  intellectuellen 
Eigenschaften  ihn  über  den  Zustand  der  Thiere 
erhoben  hatten,  war  sein  Körper,  ebenso  wie  der 
der  Thiere,  den  Abänderungen  der  natürlichen 
Zuchtwahl  unterworfen,  und  zu  dieser  Zeit  müssen 
diejenigen  Modificntionen  in  der  Structur  und 
ln— wn  Form  entstanden  sein,  die  wir  an  ihm 
keimen.  Von  der  Zeit  an  aber,  da  sich  der  Geist 
inehr  entwickelte,  blieb  der  Mensch  hinsichtlich  der 
Form  und  Structur  der  meisten  Theile  des  Körpers 
fast  stationär;  die  physischen  Eigenschaften  fixirten 
sich,  der  Fortschritt  war  von  da  an  ein  nur  gei- 


stiger. Wallace  glaubt  daraus  auf  ein  sehr  hohes 
Alter  des  Menschen  schliessen  zu  dürfen,  so  dass 
sein  Ursprung  wohl  in  die  Tertiärzeit  hinauf  rei- 
chen dürfte.  Ferner  scheint  sich  ihm  aus  diesen 
Thatsachen  in  Bezug  auf  die  Suprematie  de«  Men- 
schen zu  ergeben,  dass  er  ein  Wesen  für  sich  ist, 
da  er  allein  durch  seinen  Geist  den  Wirkungen 
der  natürlichen  Zuchtwahl  zu  entgehen  vermag. 
Weiterhin  misst  er  diesen  Ergebnissen  auch  einen 
Einfluss  zu  auf  unsere  Anschauungen  von  der  zur 
künftigen  Entwicklung  des  Menschen  und  meint, 
wir  hätten  allen  Grund  zu  glauben,  dass  der 
Mensch  durch  eine  Reihe  von  geologischen  Perio- 
den hindurch  existirt  haben  kann  und  ferner  fort- 
fahreu  kann  zu  existiren,  welche  alle  andere  For- 
men des  thieri sehen  Lebens  wieder  und  wieder 
verändert  sehen  werden,  während  er  selbst  unver- 
ändert bleibe,  ausgenommen  Kopf  und  Gesicht, 
Hautfarbe,  Haar  und  Proportionen.  Sind  diese 
Schlüsse  richtig,  so  schliesst  Wallace  dieses  Ca- 
pitel,  so  müssen  die  höheren  (intellectuelleren  und 
moralischeren)  Racen  die  niedrigeren  ersetzen,  und 
die  Kraft  der  natürlichen  Zuchtwahl  muss  zu  einer 
immer  vollkoramneren  Anpassung  der  Fähigkeiten 
des  Menschen  an  die  Verhältnisse  der  umgebenden 
Natur  und  an  die  Bedürfnisse  des  socialen  Staates 
führen.  Während  seine  äussere  Form  wahrschein- 
lich immer  ungeändert  bleiben  wird  (ausser  in  der 
Entwicklung  jener  vollkommenen  Schönheit,  welche 
aus  einem  gesunden  und  wohlorganisirten  Körper 
resultirt),  kann  seine  geistige  (Institution  fortfah- 
ren sich  zu  vervollkommnen,  bia  die  Erde  wieder 
von  einer  einzigen  nahezu  homogenen  Race  be- 
wohnt sein  wird,  von  welcher  kein  Individuum 
den  edelsten  Mustern  existirender  Menschlichkeit 
nachsteht.  Ein  Fortschritt  gegen  ein  solches  Ziel 
bestehe,  wenn  auch  ein  sehr  langsamer.  Da  aber 
der  Mittelmäßige,  wenn  nicht  der  Niedrigstehende 
(in  Intelligenz  und  Moral)  zweifellos  im  Leben  am 
besten  fort  komme  und  sich  am  schnellsten  ver- 
mehre, so  lasse  sich  der  im  Ganzen  und  Grossen 
unzweifelhaft  stattfindende  stetige  und  permanente 
Fortschritt  nicht  aus  „dem  Ueberleben  des  Pas- 
sendstenu erklären,  sondern  man  werde  zu  dem 
Schlüsse  gedrängt,  dass  dies  eine  Folge  der  ein- 
geborenen fortschreitenden  Kraft  jener  herrlichen 
Eigenschaften  sei,  welche  uns  so  unermesslich  weit 
Über  unsere  Mitgeschöpfe  erheben  und  uns  zugleich 
den  sichersten  Beweis  liefern,  dass  es  edlere  und 
höhere  Existenzen  als  wir  selbst  sind,  giebt,  von 
denen  diese  Eigenschaften  hergeleitet  sein  mögen 
und  denen  wir  immer  zustreben  können. 

2.  Der  zweite  Aufsatz  behandelt:  Die  Gren- 
zen der  natürlichen  Zuchtwahl  in  ihrer  An- 
wendung auf  den  Menschen. 

Jede  Veränderung  geschieht  nur  inaoweit,  als 
es  dem  Wesen  zum  Vortheil  gereicht  und  natür- 
liche Zuchtwahl  hat  keine  Macht,  Geschöpfe  über 


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Referate. 


335 


die  Mitgeschöpfe  zu  erheben  oder  Modificationen 
hervorzurufen,  welche  dem  Besitzer  schädlich  sind. 
Wenn  sich  daher  beim  Menschen  Charaktere  fin- 
den, welche  ihm  beim  ersten  Auftreten  schädlich 
gewesen  sind,  so  können  sie  nicht  durch  natürliche 
Zuchtwahl  hervorgerufen  sein.  Wenn  Modificatio- 
nen Auftreten,  die  im  Anfang  nutzlos  oder  schäd- 
lich, später  nützlich  und  sogar  wesentlich  werden, 
so  weise  dies  anf  einen  Geint  hin,  der  dio  Zukunft 
vorhersehe  und  vorberei te,  und  es  sei  die  Auf- 
suchung einer  neuen  Kraft  zur  Erklärung  von 
Thatsachen,  welche  der  Theorie  der  natürlichen 
Zuchtwahl  gemäss  sich  nicht  ereignen  sollten,  voll- 
kommen gerechtfertigt  und  wissenschaftlich.  Im 
Einzelnen  behandelt  der  Verfasser  seinen  Gegen- 
stand in  Abschnitten  mit  den  folgenden  Ueber- 
schriften: 

1.  Das  Gehirn  des  Wilden  ist  grösser 
als  es  zu  sein  braucht. 

Von  dem  Satz  Ausgehend,  dass  das  Gehirn- 
volum einen  Maassstab  der  Intelligenz  abgehe,  fin- 
det Wallace  dasselbe  bei  Wilden,  sowohl  jetzigen 
als  prähistorischen,  auffallend  hoch  im  Verhältnis« 
zu  den  Leistungen  und  Bedürfnissen  des  Besitzers. 
Der  Wilde  besitze  ein  Gehirn,  das,  wenn  es  culti- 
virt  und  entwickelt  wird,  fähig  ist,  Arbeiten  zu 
verrichten,  die  weit  über  denen  stehen,  die  es  je- 
mals im  Leben  wirklich  verrichtet,  und  es  müssen 
daher  alle  moralischen  und  intellectuellen  Fähig- 
keiten immer  latent  vorhanden  sein.  Ein  Gehirn, 
wenig  grösser  als  das  des  Gorilla, * würde  für  die 
begrenzte  Geisteeentwicklung  des  Wilden  vollkom- 
men genügt  haben,  und  das  grosse  Gehirn,  welches 
er  thateächlich  besitzt,  kann  sich  daher  nicht  durch 
eines  jener  Gesetze  der  Evolution  allein  entwickelt 
haben,  deren  Wesenheit  die  ist,  dass  sie  zu  einem 
Grade  der  Organisation  führen,  welcher  genau  den 
Bedürfnissen  jeder  Art  proportional  ist,  aber  nie 
über  diese  hinausgeht. 

2.  Die  nackte  Haut  des  Menschen. 

Die  haarige  Bedeckung  des  Körpers  der  Erd- 
saugethiere  als  Schutz  gegen  die  Strenge  des  Kli- 
mas und  besonders  gegen  den  Regen  ist  ausnahms- 
los der  Wirbelsäule  oder  der  Mitte  des  Rückens 
entlang  immer  dichter  und  stärker,  und  unter  dem 
Gesetze  der  natürlichen  Zuchtwahl  hätte  diese  Ein- 
richtung sicherlich  nur  dann  verschwinden  können, 
wenn  sie  positiv  schädlich  geworden  wäre.  Beim 
Menschen  ist  nun  die  Ilaarbedcckung  fast  ganz 
verschwunden  und  zwar  am  vollständigsten  eben 
auf  dem  Rücken.  Nun  sehe  man  aber,  dass  die 
nackt  gehenden  Wilden  zu  allererst  eine  Bedeckung 
für  Schultern  und  Rücken  sich  zu  verschaffen  su- 
chen durch  Ueberhfingcn  von  Fellen  etc.,  und  erst 
viel  später  im  Interesse  der  Schamhaftigkeit  sich 
zu  decken  unternehmen.  Der  Wilde  fühlt  also  den 
Mange]  der  Haarbedeckung  am  Rücken  und  es 
lässt  sich  also  nicht  denken,  dass  diese  vortheil- 


hafte  Einrichtung  durch  natürliche  Zuchtwahl  ver- 
schwunden sei.  Es  betrachtet  ferner  Wallace: 

3.  Füsse  und  Hände  des  Menschen  als 
Schwierigkeiten  für  die  Theorie  der  natür- 
lichen Zuchtwahl,  indem  die  Umwandlung  des 
Greif-Fasses  in  den  Geh-Fuss,  des  Daumens  in  die 
grosse  Zehe  eine  sehr  strenge  Zuchtwahl  erforderte, 
während  es  schwer  einzusehen  sei,  wab  der  frühe 
Mensch,  als  ein  Thier,  durch  den  aufrechten  Gang 
allein  ge  wonneu  haben  sollte;  so  besitze  die  Hand 
latente  Fähigkeiten  uud  Kräfte,  welche  nicht  nur 
von  Affen,  sondern  auch  von  Wilden  unbenutzt 
bleiben,  nnd  habe  ganz  das  Aussehen  eines  Organs, 
welches  für  den  civilisirten  Menschen  vorbereitet 
worden  sei.  Aehnliche  Bemerkungen  macht  der 
Verfasser  in  Betreff 

4.  der  menschlichen  Stimme  und 

5.  verschiedener  geistiger  Eigenschaften 

und  der  Moral.  E. 


2.  Charles  Darwin.  The  Descent  of  Man  and 
Selection  in  Relation  to  Sex.  2 Bde.  mit  Illu- 
strationen. London  1871-  — Die  Abstam- 
mung des  Menschen  und  die  geschlechtliche 
Zuchtwahl.  Aus  dem  Englischen  von  I.  V.Carns, 
I.  Band.  Stuttgart  1871. 

Obwohl  Darwin  schon  in  seinen  früheren 
Schriften  seine  Schlussfolgerungen  über  Ursprung, 
Verwandtschaft  und  Abstammung  der  Species  ohne 
allen  Vorbehalt  für  einzelne  derselben  gebildet 
hatte,  so  schien  es  ihm  doch  ansreichend,  nur  an- 
zudeuten, dass  dieselben  auch  auf  den  Ursprung 
und  die  Geschichte  des  Menschen  Licht  werfen 
müssten.  Notizen,  die  er  während  vieler  Jahre 
über  diese  letztere  Frage  gesammelt,  blieben  da- 
her bisher  unveröffentlicht,  um  nicht  dadurch  die 
Vorurtheile  gegen  seine  Ansichten  zu  vermehren. 
Da  dieses  Motiv  durch  die  rasche  Verbreitung, 
deren  sich  die  I^ehre  von  der  Entstehung  der  Spe- 
ciea  erfreute,  als  beseitigt  erscheint,  so  veröffent- 
licht der  Verfasser  nun  diese  Untersuchungen,  die 
sich  über  folgende  Fragen  erstrecken:  Ob  der 
Mensch  wie  jede  andere  Species  von  irgend  einer 
früheren  Form  abstamme,  welches  die  Art  seiner 
Entwicklung,  welches  der  Werth  des  Unterschiedes 
zwischen  den  sogenannten  Menschenracen.  Ueber- 
dies,  da  bei  der  Diffcrenzirung  der  Menschenracen 
eine  grosso  Rolle  der  „sexuellen  Auswahl“  zuzu- 
koramen  scheint,  so  wurden  deren  Wirkungen  auch 
bei  allen  übrigen  Geschöpfen  mit  Einlässlichkeit 
besprochen. 

Die  neue  Schrift  bildet  insofern  eine  wesent- 
liche Ergänzung  der  beiden  letzten  Darwin 'sehen 
Werko,  und  namentlich  des  Buches  über  die  Ent- 
stehung der  Arten , und  zerfällt  in  zwei  getrennte 
Abhandlungen,  wovon  die  eine  die  Abstammung 
des  Menschen,  die  zweite  die  Principien  und  dio 


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336 


Referate. 


Form  der  sexuellen  Auswahl  in  der  gosain raten 
Thierwelt  bespricht. 

Für  die  Vergleichung  der  körperlichen  Eigen* 
schäften  des  Menschen  mit  demjenigen  der  Thiere 
sind  Anhaltspunkte  genug  vorhanden;  die  Analo- 
gien, welche  auf  einen  gemeinsamen  Ursprung  hin- 
deuten, werden  daher  nur  kurz  aufgezählt,  und  es 
wendet  sich  der  Verfasser  rasch  zu  der  Verglei- 
chung der  geistigen  Fähigkeiten  von  Mensch  und 
Thieren.  Die  Untersuchung  bewegt  sich  somit 
nicht  mehr  auf  dem  Bodeu  objectiv  constatirbarer 
Thatsachen  und  namentlich  auch  nicht  mehr  auf 
unparteiischem  Grunde.  Dennoch  folgt  sie  durch- 
aus der  in  den  berühmten  früheren  Büchern  ange- 
wendeten Methode.  Das  neue  Buch  macht  den  Ver- 
such, die  naturhistorische,  im  weiteren  Sinne  die 
historische  Methode  auf  die  Gebiete  des  Intellectes 
und  der  Moral  in  ähnlicher  Weise  wie  auf  körper- 
liche Eigenschaften  anzuwenden.  Eine  Art  Ueher- 
gang  zwischen  beiden  Gebieten  bildet  die  Sprache, 
deren  Entwicklung  und  Geschichte  in  vielen  Be- 
ziehungen derjenigen  organischer  Geschöpfe  parallel 
geht  (Monogamie,  Kampf  ums  Dasein , Kreuzung). 

Aber  selbst  die  Untersuchung  der  moralischen 
Eigenschaften  des  Menschen  lasst  die  Anwendung 
dieser  Methode  zu.  Darwin  sucht  zu  analysiren, 
was  darin  erstlich  aus  früheren  Quellen  ererbt  sein 
mag  und  was  der  Mensch  als  solcher  erworben, 
ferner  was  durch  Gesellschaft,  Beispiel,  Gewohn- 
heit raodificirt  wurde.  Als  älteren  Ursprungs  und 
somit  ererbt  scheinen  sich  namentlich  die  persisten- 
teren und  obno  Reflexion  zur  Wirkung  gelangen- 
den, auch  bei  Thieren  nicht  fehlenden  Resultate 
von  UueigennUtzigkeit  und  Selbstverleugnung  (Fa- 
milien- und  Mutterbebe)  zu  erweisen,  die  sich  von 
den  eigentlich  moralischen  Autrieben  nur  schwer 
abtrennen  lassen.  Aber  auch  die  letzteren  lassen 
sich  schliesslich  grösstentheils  auf  Entwicklung  von 
socialen  Instinkten  zurückführeu,  wie  sie  bei  vielen 
Thieren  auch  nicht  fehlen;  und  von  der  bei  wilden 
Völkern  nur  noch  wie  bei  Thieren  instinktiv  vor- 
handenen Unterscheidung  dessen,  was  der  Gemein- 
schaft der  Heerde  (des  Stammes)  dient,  führen 
Gradationen  zur  Erkenntniss  dessen,  was  der  Na- 
tion und  endbeh  was  der  Species  dient.  Ausdeh- 
nung des  Bewusstseins  der  Gemeinsamkeit  und  so- 
mit auch  des  Gefühls  der  Pflicht  über  die  Species 
hinaus,  ..Humanität  gegen  Thiere“  ist  selbst  beim 
Menschen  eine  sehr  späte  und  bei  weitem  nicht 
allgemeine  Acquisition.  ln  dieser  Entwicklung 
moralischer  Aufgaben  und  Wirkungen  haben  nun 
freilich  Vorurtheile  der  Menschen,  Gewohnheiten, 
Isolirung  in  Racen  mannigfache  Verirrungen  ein- 
geführt, aber  andererseits  ist  sie  unter  Mitwirkung 
des  gleichzeitig  w achsenden  Intellects  und  der  da- 
durch möglich  gewordenen  Mittheilung  durch 
Sprache  und  Schrift,  durch  Erziehung  und  Ver- 
erbung mächtig  gefördert  und  von  dem  Grade 


bloss  vererbter:  Instinkts  bis  zum  Ergebnis  von 
Reflexion  und  Vergleichung,  bis  zur  Fähigkeit  der 
Beurtheilung  vergangener  und  künftiger  Motive 
(Pflicht,  Gewissen,  Reue)  gesteigert  worden. 

Der  zweite  Theil  der  Schrift  bespricht  ein  in 
der  Geschichte  der  Organismen  th&tiges  Princip, 
das  schon  in  dem  Buch  über  den  Ursprung  der 
Speoies  (Cap.  4-)  angedeutet  worden  war,  die  sexu- 
elle Zuchtwahl.  Wie  där  Kampf  ums  Dasein  die 
„natürliche  Auswahl“  mit  allen  ihren  Folgerungen 
bedingt,  so  bewirkt  der  Kampf  der  Männchen  um 
den  Besitz  der  Weibchen  Mitbewerbung  und  somit 
eine  schliesaliche  Diüerenzirung  zunächst  innerhalb 
der  männlichen  Individuen  einer  Species.  So  er- 
worbene Merkmale  der  Männchen  sind  aber  durch 
fortwährende  Wiederholung  der  Auswahl  einer  fort- 
währenden Steigerung  und  durch  Vererbung  selbst 
einer  theilweisen  Uebertragung  an  die  weiblichen 
Nachkommen  fähig,  und  führen  somit  zu  analogen 
und  oft  noch  rascheren  und  auffälligeren  Ergeb- 
nissen, wio  die  natürliche  Auswahl,  um  so  mehr, 
da  die  beiderseitigen  Erfolge  sich  in  der  Regel  zu 
comuliren  pflegen. 

Wie  in  den  dem  Nachweis  der  natürlichen  und 
der  künstlichen  Zuchtwahl  gewidmeten  früheren 
Schriften,  so  hat  Darwin  auch  für  diese  Abhand- 
lung über  die  sexuelle  Auswahl  eine  erstaunliche 
Menge  von  Materialien  mit  sorgfältigster  Literatur- 
angabe gesammelt,  wofür  man  überaus  dankbar 
sein  muss.  Nichtsdestoweniger  dürfte  die  weite 
Anwendung  dieser  besonderen  Art  der  Auswahl 
selbst  bei  Vielen  auf  Widerstand  stossen,  die  der 
Darwinschen  Anschauung  über  Auswahl  unter 
den  organischen  Individuen  im  Allgemeinen  durch- 
aus zugethan  sind.  Einerseits  stützt  sich  das  Prin- 
cip sexueller  Selection  des  Allerwesentlichsten  auf 
Voraussetzungen  Über  Vererbung,  die  in  dieser 
Form  und  Ausdehnung  sich  schwerlich  allgemeiner 
Zustimmung,  namentlich  von  Seite  der  Embryo- 
logen, erfreuen  werden,  wenn  auch  die  Hypo- 
these der  Vererbuug  einzelner  Merkmale  auf  cor- 
respondireude  Altersstadien  von  Eltern  und  Nach- 
kommen und  die  davon  abgeleiteten  Folgerungen 
über  die  Vertheilung  solcher  Merkmale:  an  Indivi- 
duen verschiedenen  Geschlechts  auch  bei  anderwei- 
tiger Deutuug  bestehen  könnte.  Noch  ernsthafteren 
Widerstand  von  derselben  Seite  dürfte  auch  schon 
die  Erklärung  der  Vertheilung  secundürer  sexueller 
Merkmale  auf  die  beiden  Geschlechter  finden,  um 
so  mehr,  da  der  primäre  oder  besser,  der  effective 
Geschlcchtsunterschied , dadurch  nicht  verständ- 
licher gemacht  wird. 

Einwendungen  sehr  analoger  Art  lassen  sich 
auch  von  Seite  der  Paläontologie  erwarten.  Hat 
liierte  auch  seit  längerer  Zeit  gewisse  Reihen  von 
Thatsachen , sei  es  an  erloschenen , sei  es  an  noch 
lebenden  Geschöpfen  alter  Typen  coustatirt,  welche 
mit  den  Folgerungen  Darwin’»  über  sexuelle  Aus- 


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Referate. 


337 


wähl  überein  stimmen,  so  wird  sie  doch  kaum  ge- 
neigt sein,  die  ganze  Kette  von  hierher  gehörigen 
Erseheinungen  von  diesem  Principe  abzuleiten. 
Schon  jetzt  mag  zwar  von  Seite  der  Paläontologen 
vielleicht  zugegeben  werden  können  — was  frei- 
lich Darwin  nicht  so  allgemein  formulirt  — dass 
secundire  sexuelle  Verschiedenheiten  bei  gewisson 
Säugethiergruppen  um  so  ergiebiger  ausfallen,  als 
diese  jüngeren  Perioden  angehören,  oder  umge* 
kehrt,  dass  die  sexuelle  Diflerenzirnng  der  Indi- 
viduen in  gleichem  Maaase  abnimmt,  als  wir  ältere 
(seien  es  erloschene  oder  noch  erhaltene)  Typen  von 
Säugethieren  untersuchen.  Aber  auch  das  dürfte 
als  eine  blosse  Folge  eines  Gesetzes  erscheinen,  das 
sich  nicht  nur  mit  grösserer  Sicherheit  detiniren 
lässt,  sondern  auch  ein  weit  grösseres  Gebiet  von 
wohlconstatirten  Thatsachen  beherrscht:  das*  näm- 
lich die  Vertreter  des  weiblichen  Geschlechts  so- 
wohl in  ihren  verschiedenen  individuellen  Alters- 
Btadieu,  wie  in  der  geologischen  Geschichte  des 
Genus  sich  weniger  von  dem  .Stammtypus  entfernen, 
man  möchte  sagen,  dass  sie  als  Individuen  wie  als 
Repräsentanten  des  Genus  eine  kürzere  Entwick- 
lungsbahn  durchlaufen,  als  die  Träger  männlichen 
Geschlechts  (worüber  Referent  eine  grosse  Zahl  von 
Thatsachen  aus  der  geologischen  Geschichte  der 
Wiederkäuer  mitget heilt  zu  haben  glaubt).  Eiue 
solche  Formulirung  stimmt  alsdann  zu  sehr  mit 
nicht  minder  weitgreifenden  Categorien  paralleler 
Thatsachen  überein,  um  nicht  einen  beiden  gemein* 
sameu  Gesichtspunkt  zu  verlangen;  dahin  gehört 
die  geringere  Diflerenzirung  der  Individuen  eines 
oder  der  zwei  Geschlechter  auf  niedrigeren  Organi- 
sationsstufen in  einer  und  derselben  Clause,  ferner 
die  fortwährende  Differeuzi ruug  von  Besitzthum 
oder  mindestens  von  Merkmalen  des  Stammes  bei 
den  geologischen  Descendenten  Eines  Stammes, 
wozu  vor  Allem  die  Vergleichung  des  Gebisses  in 
den  fossilen  und  lebenden  Säugethieren  aller  Ord- 
nungen eine  reiche  Fülle  von  Belegen  bietet. 

Es  ist  schwer  den  Gedanken  abzuweisen,  dass 
Thatsachen  von  so  grosser  räumlicher  und  zeit- 
licher Ausdehnung  nicht  Tondenzen,  Richtungs- 
linien oder  wie  man  es  nennen  mag,  verrathen,  die 
zugleich  tiefer  und  auch  weiter  zurückliegen,  als 
die  Auswahl  der  Individuen,  sei  es  die  instinctive, 
die  in  jedem  Individuum  mit  der  Geschlechtsreife 
neu  erwacht,  oder  die  ganz  unwillkürliche  äussere 
(„natürliche“),  welcher  die  Geschöpfe  auch  nur  als 
Einzelwesen,  als  Individuen  unterliegen.  Ifeber 
solche  wohl  kaum  auf  das  Individuum  beschränkte, 
sondern  vielleicht  viel  grösseren  Lebeuskreisen  ge- 
meinsam eingeborene  Kichtungslinien  Vornmthnn- 
gen  aufzustellen,  ist  hier  nicht  der  Ort,  um  so  we- 
niger, als  Referent  sich  hierüber  schon  anderwärts 
ausgesprochen  hat. 

Das  Gesagte  mag  genügen,  um  anzudeuten, 
dass  beide  Thcile  des  neuen  Werkes  von  Darwin 

Archiv  för  Anthropologie.  BdL  IV.  Heft  IV, 


sich  des  engsten  an  dessen  beide  letzten  Publica* 
tionen  anschlieesen  und  wesentlich  zum  Ausbau  des 
in  denselben  aufgerichteten  grossen  Gebäudes  die- 
nen. Wie  die  strenge  Methode  der  beiden  früheren 
Schriften  erwarten  Hess,  ermangeln  auch  die  in 
dem  neuen  Buche  ausgesprochenen  Ansichten  der 
Consequenz  in  keiner  Weise.  Der  erste  Theil  der 
Buches,  dessen  Ziel  auch  den  Haupttitel  lieferte, 
kann  zwar  in  Beziehung  auf  sein  Endergebnis 
kaum  als  neu  erscheinen;  der  Schluss  der  Unter- 
suchung, wenn  ihn  auch  die  beiden  früheren  Schrit- 
ten kaum  angedeutet  haben,  war  von  dem  Publi- 
cum längst  gezogen  und  es  darf  daher  nicht  be- 
fremden, wenn  sich  im  Moment  des  Erscheinens 
des  neuen  Werkes  die  Tagesliteratur  gleich  auf 
dies  Endergebnis  geworfen  hat.  Für  das  gross* 
Publicum,  das  von  wissenschaftlichen  Untersu- 
chungen erst  Notiz  nimmt,  wenn  sie  an  „mensch- 
liche“ Lehrsätze  zu  streifen  beginnen  und  Ergeb- 
nisse derselben  wie  momentane  Geetäudnisse  de* 
nuncirt,  über  welche  das  momentane  Gefühl  jede« 
Einzelnen  sein  Verdict  zu  fallen  berechtigt  sei.  war 
diese  Abhandlung  sogar  entbehrlich.  Aber  auch 
diejenigen  Leser,  die  dem  bisher  am  Tage  liegen- 
den Gedankeugunge  Darwin’s  methodisch  nach- 
zugehen gewohnt  waren,  mussten  wohl  einen  guten 
Theil  des  von  Darwin  hier  über  das  Gebiet  des 
Körperlichen  hinaus  fortgesetzten  Weges  selbst 
schon  gemacht  haben,  und  werden  daher  vielfach 
auf  Gedanken  stoeaen,  die  ihnen  nicht  fremd  sind. 
Um  so  mehr  dürfen  wir  hoifen,  dass  ähnlich  wie  es 
hauptsächlich  die  strenge  Methode  war,  welche  auf 
dem  der  sinnlichen  Beobachtung  noch  zugänglichen 
Gebiet,  dem  die  früheren  Schriften  gewidmet  waren, 
schon  so  reichliche  bleibende  Frucht  gebracht  hat, 
sie  bo  auch  auf  dem  viel  schwierigem  Gebiete 
naturhistorischer  Psychologie  einen  Leitfaden  zu 
geduMigem  und  cousequentem  Forschen  abgeben 
möge.  R üti  in  e vor. 

3.  Oscar  PeseheL  Neue  Probleme  der  vergleichen- 
den Erdkunde  als  Versuch  einer  Morphologie 
der  Erdoberfläche.  Leipzig  1870.  Mit  38  Holz- 
schnitten. 

So  allgemeiner  Art  auch  die  einstweilen  er- 
kannten Beziehungen  zwischen  Anthropologie  und 
Geographie  sind,  so  fehlt  es  doch  nicht  an  Winken, 
dose  die  schon  jetzt  um  80  grosse  Zeiträume  zu- 
rückgeächobene  Geschichte  des  Menschen  mit  der 
Zeit  immer  reichlichere  und  directere  Berührung 
mit  den  jüngeren  Phasen  der  Erdgeschichte  werde 
entdecken  lassen;  und  wenn  die  Thier-  und  Pflan- 
zengeographie schon  oft  mit  gutem  Erfolg  für  die 
Lösung  ihrer  schwierigsten  Probleme  die  Anhalt- 
punkte in  dor  Geschichte  der  Veränderungen  der 
Erdoberfläche  gesucht  haben,  so  mag  eine  kurze 
Besprechung  der  oben  angezeigten  Schrift  in  einer 
anthropologischen  Zeitschrift  nicht  unmotivirt  er* 
43 


338 


Referate. 


scheinen.  Zudem  darf  wohl  von  vornherein  eine 
„Morphologie“  der  Erdoberfläche  die  Kreise,  die 
«ich  mit  Morphologie  des  Organischen  befassen, 
nicht  gleichgültig  lassen. 

Dos  Buch  zerfällt  in  eine  Anzahl  von  Mono- 
graphien von  verschiedenem  Charakter.  Ein  Theil 
derselben  ist  sehr  passend  bezeichnet  mit  dem  frei- 
lich nur  einer  Abhandlung  besonders  beigelegten 
Titel:  ge< »graphische  Homologien,  und  geht  auch 
oft  über  diese  Absicht  hinaus  zu  dem  Versuch,  für 
zerstreute  Erscheinungen  allgemeine  Gesetze  auf- 
zufinden, ein  Ziel,  das  den  Namen  vergleichende 
Erdkunde  wohl  verdient.  (So  die  Capitel  Fjord  Bil- 
dungen, Ursprung  der  Inseln.  Deltabildnngen,  Bau 
der  Ströme  in  ihrem  mittleren  Lauf.)  Ein  anderer 
Theil  int  wesentlich  geologischen  und  physikalisch- 
geographischen  Inhalts  (Abhängigkeit  des  Flächen- 
inhalts der  Festlande  von  der  mittleren  Tiefe  der 
Weltmeere,  Anfeteigen  der  Gebirge  an  Festlnnd- 
rändern,  Aufsteigen  und  Sinken  der  Küsten,  Ver- 
schiebungen der  Welttheile,  Thalbildungen,  Wüsten, 
Steppen,  Wälder).  Ein  Aufsatz  endlich:  Thier- 
und  Pflanzenwelt  der  Inseln,  bespricht  speciell  die 
geologische  Geschichte  der  Organismen. 

Dass  eine  reichliche  Beherrschung  des  geogra- 
phischen Materials  und  einer  ausgedehnten  Litera- 
tur dem  Buche  zu  Grunde  liegt,  dafür  bürgt  schon 
der  Name  des  Autors,  des  Verfassers  des  „Zeit- 
alters der  Entdeckungen“  und  des  Kedacteurs  des 
„Auslandes“,  und  allerdings  bietet  das  Buch  )>ei 
vortrefflicher  Darstellung  einen  überaus  reichen 
Stoff  zur  Belehrung  und  reichliche  Anregung  zu 
eigenem  methodischen  Denken  über  Tbatsaohen, 
die  leider  noch  häufig  genug  bloss  dem  Gedächt- 
nis« einregistrirt  zu  werden  pflegen. 

So  grossem  Verdienst  kann  daher  durch  einige 
Einwendungen  kein  Abbruch  geschehen.  Eine  erste 
bezieht  sich,  und  nicht  ganz  unwesentlich,  auf  den 
Titel.  Einmal  werden,  wie  in  aller  Erdkunde, 
doch  Phänomene  an  einem  und  demselben  Körper 
geschildert,  theil»  in  vorwiegend  räumlicher,  wofür 
allerdings  der  Name  geographische  Homologien  sehr 
gut  passt,  theil»  in  zeitlicher  Beziehung  (Geologie, 
physikalische  Geographie),  wahrend  wir  bisher  den 
Titel  Morphologie  doch  eher  auf  Multiple  von  Kör- 
pern anwendetm,  deren  gemeinsamer  Boden  ausser- 
ordentlich viel  verborgener  liegt,  als  an  dem  Object 
des  in  Rede  stehenden  Buches;  und  auf  den  Titel 
„neu“  darf  wohl  theilweise  die  vortreffliche  Art 
der  Behandlung  Anspruch  machen , nicht  aber  die 
Methode  oder  gar  die  Formulirung  der  Probleme 
selbst  (auch  abgesehen  davon,  dass  die  heutige  Geo- 
logie, sowie  die  so  mächtig  anwachsenden  An- 
schauungen der  Thier-  und  Pflanzengeographie 
wesentlich  auf  solchen  Problemen  ruhen).  Nicht 
nur  haben  in  neuerer  Zeit  die  Werke  von  Lyell, 
Dana,  Darwin.  Wallace  und  Anderen  sich  viel- 
fach dieselben  Aufgaben  mit  vollster  Klarheit  ge- 


stellt, sondern  auch  der  Ausspruch,  das.«  Karl  Rit- 
ter nie  eine  »Aufgabe  der  vergleichenden  Erkunde 
gelöst  habe,  klingt  in  derThat  seltsam,  denn  wenn 
Bie  Bich  in  seinen  riesigeu  Arbeiten  nicht  gerade  der- 
artig isolirt  darstellen,  so  ist  doch  offenbar,  dass 
manche  derselben  nicht  nur  in  ihm  und  manchem 
seiner  Schüler  (Fr.  Hoffmann,  Guyotet),  son- 
dern schon  in  früherer  Zeit  (R.  Förster,  Buf- 
fo n etc.)  thätig  waren. 

Zu  Einwendungen  mehr  sachlicher  Art  könn- 
ten manche  Capitel  des  Boches  selbst  einladen,  was 
den  dominirenden  Gesichtspunkt,  von  dem  der  noch 
heute  so  häufig  als  spröde  beurtheilte  Stoff  behan- 
delt wdrd,  nicht  heruntersetzt.  Doch  würde  cs  hier 
kaum  am  Platze  »ein,  in  geologische  und  zoologi- 
sche Details  cinzugehen.  Mag  somit  auch  der  spe- 
cielle  Fachmann,  Geologe,  Zoologe  etc.  mit  Einzel- 
heiten oft  nicht  einverstanden  sein,  so  wird  Nie- 
mand ein  Buch  unbefriedigt  bei  Seite  legen,  das  in 
bequemstem  Rahmen  Fragen  von  bo  weittragender 
Wirkung  mit  trefflicher  Klarheit  behandelt,  und 
vor  Allem  werden  Viele  mit  Dankbarkeit  gegen 
den  Verfasser  entdecken,  was  ihnen  vielleicht  bis- 
her fremd  war,  dass  Landkarten  allerdings,  von  so 
umfassenden  Standpunkten  aus  betrachtet,  zu  histo- 
rischen Gemälden  werden  können.  Rütimeyer. 

4.  Carl  August  Aeby.  1)  Ueber  die  unorga- 
nische Metamorphose  der  Knocbensub- 
stanz.  dargethan  an  schweizerischen 
Pfahlbautenknochen.  Inauguraldissertation. 
Bern,  1870.  8*.  47  Seiten.  2)  Ueber  den 
Grund  der  Un  verä ndorlichkeit  der  orga- 
nisch eil  Knochcnsubstanz.  Centralblatt  d. 
med.  Wisaenach.  1871.  Nr.  14. 

Der  Verfasser  scheint  von  der  1809  erschie- 
nenen F.  Wibe Fichen  Schrift,  welche  in  Bd.  IV, 
Heft  II,  pag.  128  dieses  Archivs  besprochen  wuidc, 
noch  keine  Kenntniss  gehabt  zu  haben  und  stellt 
in  Abschnitt  1.  (Einleitung)  — im  Hinblick  dar- 
auf, dass  aus  früheren  Analysen  fossiler  Knochen 
der  Wissenschaft  noch  wenig  Nutzen  erwachsen, 
vor  Allem  noch  keine  schlagenden  Unterschiede 
zwischen  fossilen  und  frischen  Knochen  geboten 
worden  seien  — als  leitenden  Gesichtspunkt  für 
seine  Arbeit  den  Nachweis  hin,  dass  man  den  Um- 
wand lungaprocess  der  Knochen  auf  die  Wirkung 
derjenigen  Factoren  zurückzubeziehen  habe,  welche 
im  Mineralreiche  als  Umwnmllungsstoffe  überhaupt 
eine  •wesentliche  Bedeutung  gewinnen.  Denn  in 
den  Knochen  liege  ein  anorganisches  Gebilde  mit 
organischem  Substrat  vor  und  in  ihrer  Umsetzung 
müsse  man  im  Allgemeinen  die  rück-  oder  vor* 
Bchreitende  StoffmetamorphoRe  der  Mineralwelt  er- 
blicken. 

Bezüglich  der  physikalischen  Charaktere  der 
Knochen  verweist  dfcr  Verfasser  auf  Rütimeyer’a 
Fauna  der  Pfahlbauten. 


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Referate. 


339 


Io  Abschnitt  II.  (Methode  der  .quantita- 
tiven Analyse)  legt  Aeby  dar,  dass  er  — da 
die  Knochen  eich  von  den  Phosphoriten  des  Mine- 
ralreiche zum  Theil  nur  durch  den  Leimgehalt  un- 
terscheiden, den  bei  jener  Gruppe  ungewandten 
analytischen  Gang  als  den  zuverlässigsten  ein  ge- 
halten und  neben  den  Kalksalzen,  als  den  wesent- 
lichen Bestaii dthei len,  noch  dem  Gehalt  an  Eisen, 
Fluor,  Mangan  und  Schwefelsäure  seine  besondere 
Aufmerksamkeit  geschenkt  habe.  Bezüglich  der 
Speciclleron  Angaben  über  die  Methode  möge  der 
Leser  sich  in  der  Abhandlung  selbst  orientircu. 

In  Abschnitt  III.  erörtert  der  Verfasser  die 
normale  Zusammensetzung  der  Knochen, 
und  kann  sich  hierbei  in  Folge  seiner  Untersuchun- 
gen von  54  reeeoten  und  fossilen  Knochen  nicht, 
mehr  mit  der  früher  dem  Kalkpbosphat  derselben 
beigelegten  Formel  3 CaO  PO3  befreunden,  nimmt 
vielmehr  ein  überbn-Hisch  phosphorsaures  Sulz  an, 
wofür  ihm  besonders  der  Umstand  zu  sprechen 
scheint,  dasR  das  relative  Verhältnis*  von  Kalk  zu 
Phosphorsäure  auch  dann  dasselbe  bleibt,  wenn 
durch  das  Auftreten  von  mehreren  Procent en  Fluor 
in  den  Knocheu  sich  eine  Apatit  ähnliche  Mischung 
einstellt. 

Aeby  bemerkt,  dass,  Abgesehen  vom  Kohlen- 
säuregehalt, sich  drei  Reihen  von  phosphorsauren 
Kalksalzen  ergeben,  welche  durch  ihr  regelmässiges 
Auftreten  eine  Verschiedenheit  in  der  animalischen 
Function  erkennen  lassen.  Die  erste  Reihe  findet 
er  besonders  durch  die  Substanz  der  untersuchten 
Kiefer-  und  Zahn  knocheu , die  zweite  durch 
die  Röhrenknochen,  die  dritte  durch  den  Zahn- 
schmelz repräsentirt , und  letztere  entspräche 
dr’m  gewöhnlichen  basisch  phosphorsauren  Kalk; 
das  Zahlenverhältniss  wäre  5*4  und  0*8  überschüs- 
siger Kalk  neben  je  84  Proc.  3 CaO  PO6. 

Interessant  ist  hierfür  die  Beobachtung,  dass 
sich  in  alten  Pfuhlbauten  häufig  der  Zahuschmelz 
in  das  schöne  dunkelblaue  Mineral,  Vi vianit  (was- 
serhaltiges Eisenphosphat),  umgewandelt  zeigt,  wäh- 
rend da»  angrenzende  Zahnbein  vou  den  durch- 
aickernden  eisenhaltigen  Wassern  wohl  Eisen,  je- 
doch kein  Phosphat  aufgenommen  hatte. 

Die  Magnesia  glaubt  der  Verfasser  vermöge 
»einer  deefallsigeu  näher  angegebenen  Versuche  als 
koblen8Aurcs  Salz  in  den  Knochen  annehmen  zu 
müssen,  ebenso  das  Eisen  und  Mangan.  Die  bei 
den  Analysen  sich  ergebende  Schwefelsäure  dage- 
gen hält  er  für  meist  senundäres  Product  bei  der 
Zersetzung  der  organischen  Substanz , nicht  für 
primären  Knochenhestandtheil. 

In  Abschnitt  IV.  bespricht  Aeby  die  Meta- 
morphose todter  Knochen.  — Frische  und  fos- 
sile Knochen,  bezüglich  ihres  Leimgehaltcs  ver- 
glichen, ergeben  keinen  Unterschied.  Die  Men- 
Bchonknochen  aus  der  Steinperiode  zeigten  noch 
ihren  vollen  leimgehalt.  Den  Grund  für  die  rela- 


tive Abnahme  des  letzteren  in  den  Knochen  der 
Uausthiere  erkennt  der  Verfasser  in  dem  Umstande, 
dass  jene  von  den  Pfahlbauem  abgekocht  waren ; 
die  gekochten  unterscheiden  sich  von  den  unge- 
kochten durch  geringere  Mengo  Luim , mindere 
Festigkeit,  durch  Biegsamkeit  uud  hellere  Farbe. 

An  Knochen  aus  Höhlen,  Kalkschichten  u.  *».  w. 
wird  der  Leim  oft  durch  knhlensauren  oder  Schwe- 
felsäuren Kalk  ersetzt,  wodurch  deren  Festigkeit 
modificirt  sein  kann. 

Gegenüber  jenen  mehr  mechanischen  Verän- 
derungen der  Knochen  kommt  nun  bezüglich  der 
chemischen  Umsetzung  derselben  deren  Fluor- 
gehalt besonders  in  Betracht.  Aus  der  erwähnten 
Beobachtung,  dass  auch  beim  Hinzutritt  ganzer 
Procente  Fluor  das  relative  Verhältniss  von  Kalk 
und  Phosphorsäure  unverändert  bleibt,  schlieest 
Aeby  auf  eine  Wechselwirkung  von  Fluoralkalien 
der  Gewässer  mit  dem  überhasisch  phosphorsauren 
Kalk  und  Bildung  eines  Doppelsalzes  von  basisch 
phosphorsaurein  Kalk  mit  Fluorcalcium;  ferner 
nimmt  er  verschiedene  desfallsige,  bisher  über- 
sehene Sättigungsstufen  an,  worunter  die  Verbin- 
dung 

(84  3 CaO  PO6 
j 5 CaO 

ein  Mittelglied  zwischen  Apatit  uud  dem  gewöhn- 
lichen basisch  phosphorsauren  Kalk  repräsentirt, 
dessen  Um  wand)  uugsstufen  sich  vollständig  verfol- 
gen lassen. 

Aus  einem  Fluorgehalt  der  Knochen  auf  deren 
sehr  hohes  Alter  zu  schlicsseii,  sei  man  nicht  he- 
roehtigt;  solche  aus  Pfahlbauten  zeigen  tbeiia 
3 bis  4 Proc.  und  darüber,  theils  nur  1 biß  2 Proc. 
Fluor.  Als  Agens  bei  der  Verbreitung  dieses  Stoffes 
im  Boden  sieht  Aeby  die  organische  Substanz  an; 
Knochen  von  Stellen,  w'o  letztere  nicht  ins  Spiel 
kommt,  z.  B.  aus  Diluvialgerölleil,  zeigen  nur  ge- 
ringe Spuren  davon. 

An  dieselben  Bedingungen  sei  auch  das  Auf- 
treten von  Eisen  und  Mangan  gebunden;  alle 
fiuorhaltigen  Knochen  enthalten  auch  Eisen,  die 
fiuorfreien  keines;  Knochen  aus  Diluvialgeröllen 
geben  w'eisse  Asche,  Pfahlbautenknocheu  rothe. 
Der  Verfasser  findet  interessante  Analogien  in  die- 
sen Umsetzungen  der  Knochen  mit  den  Pseudo- 
niorphuaeubilduugen  de*  Mineralreichs,  nämlich  von 
Eisen-  und  Mangnncarbonat  nach  Kalkcarhonat, 
und  zwar  bei  den  Knochen  allermeist  ohne  Eisen- 
phoBphatbeimengung. 

Ein  erheblicherer  Gehalt  gewisser  Knochen- 
aschen  an  Schwefelsäure  wartet  noch  der  Aufklä- 
rung. Mangan  kommt  besonders  den  Knochen 
aus  Torf  zu. 

Als  Facit  aus  Beinen  Untersuchungen  zur  Un- 
terscheidung sehr  alter  und  neuer  Knochen  be- 
trachtet Aeby  das  Verhältniss,  dass  die  ersteren 
vermöge  der  Verbreitung  des  Gypses  und  des  Eiu- 

43‘ 


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340 


Referate. 


fiusses  der  Kohlensäure  durchweg  magnesiaarm 
seien;  die  Pl'ahlbautenknochen  erscheinen  daneben 
oft  »ehr  reich  an  Fluor  und  Eisen,  jene  aus  Torf* 
a Magerungen  auch  an  Mangan. 

Schliesslich  wirft  der  Verfasser  mit  Recht 
noch  einen  nufklai  enden  Rück  auf  die  einschlägigen 
Bedingungen  der  Bildung  von  Phosphoritlagern 
neben  Eisen*  und  Manganerzen  in  den  Erdschich* 
ten,  und  sucht  so  die  Verhältnisse  im  Kleinen  und 
im  Grossen  in  einem  wissenschaftlichen  Zusammen- 
hang aufzufassen  ]). 

An  dieses  Capite)  schliesst  sich  dann  die  Auf* 
führung  der  Analysen  selbst;  nach  den  drei  oben 
angeführten  Categorien  geordnet  und  am  Endo 
folgt  eine  Reihe  näherer  Mittheilungen  von  H.  Dr. 
Uhlmann  in  Müncheubuchsee  über  die  Fund- 
stätten der  vom  Verfasser  analysirtcn  Zähne  und 
Knochen.  — 

Im  Centralblatt  für  die  medicinischen  Wissen- 
schaften 1871  Nr.  14  äussert  sich  Aeby  noch  über 
den  Grund  der  Unveränderlichkeit  der  organi- 
schen Knochensubstanz,  weiche  vollende  unter 
Wasser  Jahrtausende  lang  sich  conservirt.  ln  ganz 
frischen  compacten  Knochen  fand  er  11  bis  12 
Procent  Wasser  und  durchschnittlich  28  Procent 
organische  Substanz;  die  letztere  bedarf,  um  sich 
zu  zersetzen,  der  Aufnahme  von  Wasser,  welches 
eben  in  der  Knocheninasse  spärlich  und  nach 
dessen  Versuchen  chemisch  gebunden  wie  Krystall- 
wftsser  Auftrete. 

Die  Knochen  dürfen  demnach  als  trockenes 
Gewebe  angesehen  werden,  welches  da,  wo  keine 
Waseeraufnahme  stattfinden  könne,  eben  auch  nicht 
faule.  Die  Starrheit  der  anorganischen  Knochen- 


l)  Ob  derselbe  mit  »einer  in  der  ganzen  Schrift  con- 
»iquent  durchgeführte!»  Schreibweise  Oxid,  Oxidul,  anstatt 
Oxyd,  Oxydul,  Pruselyten  machen  werde,  wollen  wir  bezwei- 
feln. 


Substanz  gestatte  keine  Volumvermehrung,  welche 
bei  Wasseraufnahme  von  Seite  des  Knorpel»  ftlr 
sich  cintreten  würde,  während  heim  Digeriren  fein* 
gepulverter  frischer  Knochen  wirklich  Quellung  vor 
sich  gehe.  — Aeby  vergleicht  den  Knochen  dem 
unter  W'asser  gepressten  Schwamm,  der  erst  unter 
Beseitigung  des  Drucks  sich  mit  Wasser  füllt;  so 
erkläre  sich  demnach  auch  die  Conservation  der 
Pfahlbautenknochen  unter  Wasser. 

H.  Fischer  in  Freiburg. 

5.  Archivio  per  L’Antropologia  e la  Etuolo- 
gia,  puhhlicato:  per  la  parte  antropologica  dal 
Dr.  Paolo  Mantegazza  Prof.  ord.  di  Antropo- 
logia  nel  R.  Ist.  di  St.  Sup.  in  Firenze;  per  la 
parte  etnologica  dal  Dr.  Felice  Finzi  Prof.  lib. 
di  Assiriologia  nel  R.  Ist.  di  St  Sup.  in  Fi- 
renze. Primo  voluine  Fascicolo  primo.  Fi- 
renze. 1871.  8*. 

Mit  Freude  begrüssen  wir  das  Erscheinen  eiuer 
italienischen  Zeitschrift  für  Anthropologie,  und 
erkennen  darin  nicht  nur  eiuon  Beweis  für  die  stei- 
gende Bedeutung  unserer  Wissenschaft,  sondern 
auch  für  das  zunehmend  rege  wissenschaftliche  Le* 
beu  unserer  südlichen  Nachbarn.  Das  vorliegende 
erste  Heft  enthält:  1)  einen  einleitenden  Aufsatz 
von  Finzi:  Anthropologie  und  Ethnologie. 
2)  Eine  Frage  der  socialen  Psychologie,  von 
Alexander  Herzen.  3)  Mantegazza,  überden 
Index  cephalospinalis  beim  Menschen  und  den 
anthropomorphen  Affen,  und  eine  Methode, denselben 
zu  bestimmen  (mit  1 Tafel).  4)  Derselbe,  eine 
Bemerkung  über  den  Index  cephalospinalis. 
ö)  Lombroso,  Existenz  einer  Fotsa  occipita- 
1 i m median  a im  Schädel  eines  Verbrechers.  6)Boc- 
cardo,  über  die  Ursachen,  welche  die  rela- 
tiven Verhältnisse  der  Geschlechter  in  der 
Statistik  der  Geburten  bestimmen.  7)  Gi- 
glioli,  die  Tasmanier  (mit  Tafeln). 


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XX. 

Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 

bericht  über  den  internationalen  Congress  für  Anthropologie  und  vorgeschichtliche 
Alterthumsforschung  in  Kopenhagen  vom  27.  August  bis  5.  September  1861*. 

Von  H.  Sohaaffhausen. 


Es  ist  wohl  selten  eine  Gelehrten- Versammlung 
abgehalten  worden . die  so  grosse  Erwartungen 
erregt  und  heim  Schlüsse  alle  Theilnehmer  mit  so 
vollständiger  Befriedigung  erfüllt  hatte,  wie  die  in 
Kopenhagen.  Es  war  der  vierte  der  anthropolo- 
gischen Con  grosse,  von  denen  der  erste  1866  in 
Neufchutel , der  zweite  1867  in  Pari»,  der  dritte 
1868  in  Norwich  stattgefunden  hatte.  Der  nächste 
wird  voraussichtlich  in  diesem  Jahre  in  Bologna 
tagen.  Die  Versammlung  in  Kopenhagen  zählte 
337  Mitglieder,  darunter  aber  nur  111  Ausländer. 
Es  war  nicht  nur  der  ütarraschende  Heichthum 
und  die  zweckmässige  Einrichtung  der  Sammlun- 
gen. unter  denen  mit  Rücksicht  auf  die  Arbeiten 
des  Congresses  vor  Allem  das  Museum  für  nordi- 
sche Alterthüiger,  die  ethnologische  Sammlung,  das 
in  einem  neuen  Prachtbau  aufgestellte  vergleichend 
anatomische  Museum,  das  des  physiologischen  In- 
stituts und  die  kuusthistorische  Sammlung  in  der 
Ko8enburg  zu  neunen  sind,  es  war  auch  nicht  nur 
die  Anwesenheit  namhafter  Forscher  aus  allen  Ge- 
bieten der  Natur-  und  Alter thumswissenschaft,  was 
diese  Versammlung  zu  einer  so  glänzenden  machte, 
suudorn  die  überaus  gastfreundliche  Aufnahme,  die 
allen  Fremden  zuTheiiward  und  an  der  alle  Kreise 
der  Bevölkerung  sich  betheiligten,  die  Hochachtung, 
welche  das  dänische  Volk  bei  dieser  Gelegenheit 
der  Wissenschaft  in  so  auffallendem  Maasse  entge- 
genbrachte, hob  von  Anfang  an  die  Stimmung  der 
Versammelten.  Der  König  wohnte  der  feierlichen 


Eröffnung  des  Congresses  mit  seinem  gansen  Hof- 
staate bei  und  gab  demselben  königliche  Feste, 
aber  auch  der  Geringste  im  Volke  schien  den  Ge- 
lehrten-Congress  als  eine  Ehre  zu  betrachten,  die 
dem  Lande  zu  Theil  ward.  Wau  da«  that kräftige 
Volk  der  Dänen  in  Kunst  und  Wissenschaft  gelei- 
stet, wird  stets  Bewunderung  finden;  für  die  in 
diesem  Lande  verbreitete  Bildung  spricht  schon  die 
eine  Thatsache  hinreichend,  dass  Dänemark  bei 
einer  Bevölkerung  von  noch  nicht  zwei  Millionen 
23  literarische  und  wissenschaftliche  Zeitschriften 
besitzt. 

Die  Sitzungen  des  Congresses  fanden  in  der 
stattlichen  Aula  des  Universitätsgeb&udes  statt,  in 
dessen  Vorräumen  Privatsammlungen  ausgestellt 
und  Abbildungen  der  bemerken swerthesten  Gegen- 
stände ans  den  Museen  von  Flensburg,  Dublin, 
Christiania  und  Stockholm,  sowie  Ansichten  der 
bedeutenderen  Dolmen  Dänemarks  aufgehängt  wa- 
ren; dieselben  wurden  in  zweckmässiger  Weise 
durch  Ausflüge  zu  sehenswerthen  Denkmalen  und 
Fundstellen  in  der  Umgegend  unterbrochen.  In 
einer  Vorversaminlung  war  der  Beschluss  gefasst 
worden,  die  Verhandlungen  in  französischer  Sprache 
zu  führen.  In  der  That  bestand  die  Mehrzahl  der 
auswärtigen  Mitglieder  aus  Franzosen,  und  die 
Abstimmung  musste  also  zu  ihrem  Vortheil  ausfal- 
leo,  während  von  de»  anwesenden  Dänen  freilich 
viele  da«  Französische  nicht,  fast  alle  aber  das 
Deutsche  verstanden.  Eh  hätte  wohl  dem  geraia- 


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34  2 


Verlmndlungen  gelehrter  Versammlungen. 


nischen  Lande  besser  angebunden,  wenn  den  Deut- 
schen deutsch  zu  roden  verstauet  gewesen  wäre. 
Ein  Nachklang  politischer  Verstimmung  gegen 
Deutschland  war  hierin  bemerkbar.  Es  verstoßet 
aber  geradezu  gegen  den  Sinn  internationaler  Ver- 
sammlungen, dass  eine  Nation  für  sich  ein  Vorrecht 
verlangt  und  dass  nicht  Jeder  in  seiner  Sprache 
reden  soll.  Die  Zuhörer  mögen  dafür  sorgen,  dass 
sie  ihn  verstehen. 

Der  amtliche  Bericht  über  die  Verhandlungen 
des  Congresses,  der  in  französischer  Sprache  in 
Paris  gedruckt  werden  sollte,  wird  bei  den  obwal- 
tenden politischen  Zuständen  gewiss  nicht  bald  zu 
erwarten  sein.  Es  hat  deshalb  der  Berichterstat- 
ter, der  gern  für  das  Archiv  einen  vollständigen 
Anszug  der  Verhandlungen  geliefert  hätte,  geglaubt, 
uiit  einer  übersichtlichen  Darstellung  der  wichtig- 
sten Arbeiten  des  Congresses  nicht  langer  warten 
zu  dürfen.  Die  Bedeutung  der  Versammlung  bat 
sieh  auch  d&riu  kundgegeben , dass,  abgesehen  von 
den  gleichzeitigen  Mitthoilnngcn  in  den  grösseren 
deutschen  Blättern,  die  Kölnische  Zeitung  eine  aus- 
führlichere Schilderung  derselben  von  C.  Vogt,  die 
Revue  des  cours  scicntif  de  la  France  et  de  I'Etran- 
ger,  Fevrier  1870,  eine  solche  von  Cazalis  de 
Fondouce,  einem  der  Secretäre  des  Congresses, 
die  Revue  des  deux  inoudes  vom  15.  April  und 
l.Mai,  eine  von  A-de  Quatrcfages,  gebracht  hat. 
ln  besonderen  Schriften  haben  Desor,  Souvenirs 
du  Danemarck,  Bienne  1870,  und  Eug.  Dognee, 
TA rcl Ideologie  prehistoriqne  etc.,  Bruxelles  1870 
über  denselben  berichtet.  Worsaae,  der  Vor- 
sitzende des  CoDgresaet»,  wiea  in  der  Eröffnungsrede 
daraufhin,  was  die  Alterthumsforschung  den  dä- 
nischen Gelehrten  verduuke  und  wie  diese  Studien 
durch  die  Natorforsohnng  gefördert  worden  seien. 
Der  Beginn  der  menschlichen  Cultur  liege  jetzt  in 
sei ü eil  einzelnen  Abschnitten  uns  deutlich  vor  Au- 
gen. In  den  nordischen  Ländern  hätten,  entfernt 
von  den  Eroberungen  der  römischen  Waffen,  die 
nationalen  Denkmäler  des  Alterthums  unversehrt 
sich  erhalten  können.  Was  die  Speiseabfallhaufen 
der  ältesten  Vorzeit,  der  Torf,  die  Grabkammern 
Ulis  aufbewahrt  haben,  das  findet  sieh  jetzt  verei- 
nigt in  den  Museen  Kopenhagens.  Er  gedenkt 
des  grossen  T ho  in  neu,  des  Gründers  dieser  natio- 
nalen Sammlungen,  deiu  es  nicht  beschieden  war, 
in  dieser  Versammlung  zu  erscheinen,  sein  Geist 
möge  in  ihr  walten!  Quatrefages  lenkte  in  sei- 
ner Erwiederung  den  Blick  auf  den  König  Fried- 
rich VII.,  den  Beschützer  und  Kenner  der  Archäo- 
logie, der  mit  Thomsen  gearbeitet  und  Schätze 
der  Wissenschaft  in  Friedrichsburg,  da»  leider  spä- 
ter der  Brand  zerstörte,  aufgeh&uft  hatte. 

Aus  den  Verhandlungen,  die  am  28.  August 
begannen,  sind  folgende  als  die  wichtigsten  her- 
vorzu heben.  Bruzelius  spricht  über  die  Schwan- 
kungen des  Boden 8 in  Skandinavien.  Nilsson 


habe  nach  einem  Manuscripte  vom  Jahre  1070 
einoa  untorweeriseken  Torflagers  an  der  Küste  von 
Schonon  geda.ht,  das  nach  seiner  Schätzung  etwa 
2000  Jahre  vor  Christus  vom  Meere  verschlangen 
worden  sei.  Neuere  Arbeiten  im  Hafen  von  Ystad 
haben  in  dem  ein  Torflager  bedeckenden  Meersande 
Meermuscheln  und  eine  Menge  von  Schiffst  rümmern 
und  Gegenstände  zu  Tage  gefördert,  deren  Alter 
Dicht  über  500  Jahre  zurückreicht,  also  ist  das 
Untersinken  des  Torfes  nicht  älter.  Unter  dem 
Torf,  der  Wurzeln  und  Baumstämme  und  Land- 
Schnecken  enthält,  liegen  Sand-  und  Thunschichten 
und  Steine,  die  einer  Moräne  angehören.  In  die- 
sem thonigen  Sande  wurden  Steingeräthe  gefunden, 
die  verloren  gegangen  sind  und  zwei  Knochenplatteu 
von  einem  Messerstiel,  die  kunstreich  geschnitzt 
ßi nd  und  am  Ende  iu  einen  Drachenkopf  aiislaufeu. 
Diese  Arbeit  gehört  dem  9.  bis  11.  Jahrhundert, 
dem  Anfänge  der  christlichen  Zeit  im  Norden  ati. 
Desor  und  Vogt  bemerken  iu  Bezug  auf  die  An- 
sicht , das»  die  Senkung  der  Küste  von  Schonen 
mit  der  Erhebung  von  Skandinavien  in  ursächlicher 
Verbindung  stehe,  eine  solche  balancirende  Bewe- 
gung des  Bodens  sei  durchaus  nicht  wahrscheinlich ; 
Hebungen  und  Senkungen  fänden  sich  oft  dicht 
neben  einander  und  könnten  von  localen  Ursachen 
herrühren.  Vogt  glaubt  ferner,  dass  das  aus  den 
Gerithen  berechnete  Alter  der  sie  umschließenden 
Schichten  nicht  sicher  sei,  weil  manche  Gegenstände 
durch  ihre  Schwere  allmülig  tiefer  sinken  könnten. 
Nach  Hebert  durchsinken  Holle  eine  die  Sund- 
schichten  niemals  uud  die  geringste  Sandachicht 
über  dem  Torf  würde  gehindert  haben , das*  das 
Messer  tiefer  sank.  Er  zieht  aus  den  Mittheilun- 
gen von  Bruzelius  nur  dio  wichtige  Folgerung, 
dass  die  Senkung  des  Bodens  an  der  Küste  von 
Schonen  in  500  bis  600  Jahren  10  Fuss  betragen 
habe.  Beim  Vorzeigen  ein«  Mammuthzahoes  aus 
dem  Sande  von  Fünen  bemerkt  Capellini,  dass  er 
dem  Elephaa  armeniacus  anzugebören  scheiuv,  des- 
sen Schmelzleisten  dicker  als  die  des  El.  priiuig. 
und  an  den  äusseren  Enden  etwas  gedreht  seien. 
In  Toscana  findet  er  sich  im  neuereu  Torf  mit  dem 
Bison  priscus.  Desor  erwähnt,  da-Hi^in  die  Mam- 
inuthruüte  immer  nur  im  wieder  ungeschwetnmten 
I-ande,  niemals  im  Gletscherschlamme  findo,  das 
Thier  habe  also  erst  nach  dem  Rückzuge  der  Glet- 
scher gelebt.  Hebert  schliesst  aus  dem  Umstande, 
dass  man  in  Dänemark  diu  Spur  des  Menschen  zur 
Zeit  der  grossen  Säugethiore  noch  nicht  gefuuden 
habe,  dass  das  Land  damals  vou  Menschen  noch 
nicht  bewohnt  gewesen  sei. 

Am  30.  August  wurde  ein  Ausflug  nach  Sola- 
ger  gemacht,  das  fast  an  der  Mündung  des  Roes- 
kildefjords  in  dasCattegat-,  beim  Dorfe  Ly  na*  liegt. 
Auf  der  fast  vierstündigen  Fahrt  über  den  Fjord 
sah  man  auf  beiden  Ufern  alte  Tnmuli  in  grosser 
Zahl,  Auf  dem  Muschelhaufen  selbst,  einem  der 


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Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen.  343 


bekanntesten  dänischen  Kjökkeumöddings,  war  ein 
tiefer  Quergtaben  angelegt,  der  das  Innere  bloss- 
legte  und  der  ganzen  Gestdlschaft  Gelegenheit  gab, 
nach  merkwürdigen  Fnndstücken  zu  gr&hen.  In 
einem  Zelte  lagen  die  Steingeräthe  und  Knochen 
geordnet,  die  zuvor  beim  Anlegen  des  Grabens  ge- 
funden waren,  darunter  zwei  geschliffene  Heile  von 
schwarzem  Schiefer  und  drei  Hundekiofer,  welche 
beweisen,  dass  auch  der  Hund  gegessen  wurde. 
Vielleicht  war  diese  Stelle  des  hohen  Ufers  einst, 
zur  Niederlassung  ausgesucht,  weil  sie  gegen  Süden 
gerichtet  war  und  Schutz,  gegen  die  kalten  Nord- 
winde bot.  Die  Kohlenreste,  die  geschwärzten 
Steine  und  ungebrannten  Knochen  lassen  keinen 
Zweifel,  dass  hier  Reste  menschlicher  Mahlzeiten 
vorliegeu  und  nicht  etwa  nur  natürliche  Haufen 
von  Muschelschalen.  Auffallend  war  dem  Bericht- 
erstatter, dass  die  beiden  Schalen  der  Auster  in  den 
meisten  Fällen  zusammenlagen  und  am  feinen  Rande 
ganz  unverletzt  waren,  als  seien  sie  nie  geöffnet 
gewesen  und  dass  das  glatte  Innere  niemals  geritzt 
erschien,  wie  e§  zu  erwarten  wäre,  wenn  das  Weich- 
thier mit  Hülfe  eines  Kieeelmessers  aus  der  mit 
Gewalt  geöffneten  Schale  entfernt  worden  wäre. 
Doch  finden  sich  kleine  Kieeehnesser  mit  einem 
ganz  abgerundeten  Ende,  die  wie  Au stern löflel  auB- 
sehen.  Ain  nächsten  Tage  lenkte  Nilsson  noch 
einmal  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Bodenschwan- 
kungen  in  Skandinavien.  Zu  Anfang  des  verflos- 
senen Jahrhunderts  erzählten  alte  Robben fiinger, 
dass  die  Felsen,  auf  denen  sie  in  ihrer  Jugend  See- 
hunde erlegt  hätten,  sich  so  sehr  über  das  Wasser 
erhoben  hätten , dass  diese  Thiere  sie  nicht  mehr 
besteigen  konnten.  Celsius  schloss  daraus,  dass 
vor  einigen  Jahrtausenden  ganz  Skandinavien  aus 
dem  Meere  emporgestiegen  sei  und  liess  die  Höhe 
des  Wasserspiegels  durch  Marken  an  den  Felsen 
bezeichnen. 

hn  Jahre  1820  Hess  die  schwedische  Akademie 
die  voll  Celsius  gemachten  Zeichen  prüfen  und  es 
ergab  sich,  dass,  je  weiter  man  gegen  Norden  ging, 
die  Zeichen  sich  um  so  mehr  über  den  Meeresspie- 
gel erhoben.  Seit  1816  sammelte  Nilssou  selbst 
Thatsachen  dieser  Art.  Viele  Fischer  versicherten 
ihn , mit  ihren  Booten  da  nicht  mehr  fahren  zu 
können , wo  sie  in  ihrer  Jugend  noch  Fahrwasser 
fanden.  Bei  Fyembake  ist  eine  Klippe,  die  1630 
noch  nicht  vorhanden  war.  Vor  20  Jahren  erzählte 
ein  Greis,  dass  er  in  seiner  Jugend  sie  nicht  grös- 
ser als  ein  Hut  gesehen  habe;  1844  fand  sie 
Nilsson  zwei  Fubb  hoch  über  das  Wasser  erhoben. 
Er  mauss  auch  die  schon  von  Lin  ne  gemessene 
Entfernung  eines  durch  die  Landung  Karl’«  XII. 
berühmt  gewordenen  Steines  von  der  Südküste 
Schonens  und  fand  sie  vermindert.  Nilsson  er- 
wähnt noch,  dass  man  im  Hafen  von  Ystad  eine 
Keule  aus  Bronze  gefunden  habe,  die  er  für  etrus- 
kisch hält,  er  glaubt,  dass  die  etruskischen  Erzeug- 


nisse etwa  600  Jahre  vor  Chr.  nach  dem  Norden 
gekommen  seien.  Dogn£e  theilt  die  Untersuchun- 
gen Roujou's  über  das  Alter  der  polirten  Stein- 
werkzeuge von  Villeueuve  St.  George  bei  Paris  mit. 
In  einer  am  Ufer  der  Seine  gelegenen  Ablagerung 
unterscheidet  man  drei  Schichten,  die  oberste  ent- 
hält Sachen  aus  Bronze,  in  der  zweiten,  einem  gel- 
ben Thone,  liegen  1 bis  3 Meter  tief  Aschenreste 
mit  Steingerithen , Topfacherbeu  und  zerbrochene 
Knochen  vom  Hund,  Schwein,  Hirsch,  Ziege,  Castor, 
von  einer  grossen  und  einer  kleinen  Ochsenart;  in 
der  dritten  sind  menschliche  Werkzeuge  sehr  selten. 
ZurZeit  der  geschliffenen  Steine  war  die  Seine  viel 
breiter  als  heute,  ihr  Wasser  erreicht  die  Stellen, 
die  sie  damals  umgewühlt,  nicht  mehr.  An  hier 
gefundenen  Menschenknochen  vertu uthet  Roujou 
die  Spuren  des  Kannibalismus.  Spring  wird  auf- 
gefordert, seine  Beobachtungen  an  den  Knochen  von 
Chuuvaux  mitzutheilen.  Er  erzählt,  dass  er  neun 
Jahre  laug  seine  Schlüsse  geprüft,  ehe  er  sie  ver- 
öffentlicht habe.  Der  Mensch  von  Ch&uvaux  ist 
jünger  als  der  von  Engis,  denn  cs  fehlen  die  Reste 
des  Mnmmnth  und  des  Höhlenbären  in  seiner  Nähe; 
es  finden  sich  nur  Bolche  von  Wiederkäuern,  vom 
Schwein,  von  Vögeln  und  Fischen.  Die  Menschen- 
knochen sind  fast  nur  solche  von  Frauen  und  Kin- 
dern; die  Knochen,  welche  Mark  enthalten,  waren 
zerbrochen,  einige  der  Lange  nach  gespalten,  andere 
ungebrannt.  Das  Mark  der  Knochen  ist  so  wohl- 
schmeckend, dass  auch  hei  den  heutigen  Canuibalen 
nur  der  Häuptling  dasselbe  verzehrt.  Das  Fleisch 
von  Frauen  und  Kindern  galt  wohl  als  das  zarteste 
und  saftigste;  vielleicht  mästete  man  die  Gefangc- 
nun  überwundener  Stämme  und  speiste  sie  hei  gros- 
sen Festen.  Anthropophagie  kam  nach  dem  Zeug- 
niBs  des  h.  Hieronymus  (?)  noch  im  4.  Jahrhundert 
in  Gallien  vor.  Worsaae  wagt  nicht  zu  behaup- 
ten. dass  sich  iu  Dänemark  Beweise  für  den  Can- 
nibalisrous  gefunden  hätten.  Aber  es  war  die  Grab- 
kammer eines  Dolmen  ganz  mit  Knochen  gefüllt, 
die  nicht  mit  den  Fieischtheilen  konnten  hineiu- 
gelegt  worden  sein;  einige  zerbrochene  und  ange- 
brannte Knochen  lagen  zerstreut  in  der  Grabstätte. 
Er  glaubt,  dass  dies  eher  die  Reste  eines  Opfers 
als  die  eines  Cannibaleuschmausee  sind.  Am  Bo- 
den fanden  sich  Kohlen  sowie  angebrannte  Thier- 
knochen. Auch  einige  der  theils  runden,  theiln  lan- 
gen Schädel  trugen  Spuren  des  Feuers.  Konnten 
diese  Geheine  nicht  von  alten  Begräbnissplätzen 
zusammengelesen  und  dann  hier  in  einem  gemein- 
samen Grabe  bestattet  worden  sein,  wie  mau  sie 
später  in  den  Beinhäusern  der  Kirchhöfe  aufbe- 
wnhrle?  Hildebrand  sprach  hierauf  über  die 
Dolmen  in  Westgothland,  sie  sind  aus  grossen  Stein- 
platten gebaut  und  bildeu  oft  mit  Steinblöcken 
überdeckte  Gänge  von  50  Fu«s  Länge.  Gegen 
Osten  ist  der  Eingang.  Alles  ist  mit  schwarzer 
Erde  gefüllt,  welche  die  Knochen  einschliesst.  Ein 


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344 


Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


Erdhügel  bedeckt  das  Ganze,  und  grosse  Steine 
stehen  zuweilen  auf  demselben.  In  den  letzten 
Jahren  wurden  sechs  dieser  Grabhügel  geöffnet  \ 
meist  fanden  sich  mittelst  Steinplatten  kleine  Grab- 
kammero  gebildet,  von  denen  jede  2 oder  3 Ske- 
lete enthält;  zuweilen  lagen  die  Knochen  so  durch 
einander,  als  hätte  man  nicht  ganze,  sondern  zer- 
stückelte Leichname  bestattet.  Einmal  war  ein 
Schädel  mit  einer  zweiten  Hirnschale  bedeckt.  Viel- 
leicht wurden  solche  Grabstätten  zu  verschiedenen 
Zeiten  benutzt  and  dann  die  früher  Bestatteten  zu- 
sammengehäuft. Fast  alle  Schädel  waren  dolicho- 
cephal.  Die  Thierknochen  sind  vom  Schafe,  Schwein, 
Ziege,  Pferd,  Hundj  Wolf,  Fuchs,  Vielfrass,  Castor 
und  Dachs.  Dabei  liegen  Kiese) messer  und  sorg- 
fältig gearbeitete  Stein  Werkzeuge,  Kratzer,  Pfeil- 
und  Lan zenspitzen,  durchlöcherte  Nadeln,  Haarna- 
deln, Angelhaken,  Ohrgehänge  aus  Knochen,  Bern- 
steinperlen.  durchbohrte  Thierzähne.  Diese  Gräber 
gehören  also  in  die  Zeit  der  geschliffenen  Steinge- 
räthe.  Tubino  schildert  die  megalithischun  Denk- 
male Andalusiens,  zumal  den  Opferstein  bei  Ronda, 
sowie  die  Grotten  von  Mengal  und  la  Pastora.  Er 
glaubt,  dass  Spanien  sein**  erste  Bevölkerung  über 
Gibraltar  erhalten  habe.  Fraas  thcilt  mit,  dass 
man  auch  in  Obersch waben  Speiseabfälle  finde,  die 
wie  die  Kjökkenmöddings  Feuerstein  messer,  aber 
statt  der  Muscheln  Knoqjien  enthalten,  aber  nicht 
vom  Hirsche,  der  Ziege,  dem  Schweine,  sondern 
vom  Renn,  Vielfrass,  Polarfuchs,  Bär  nebst  Schnecken 
und  Moosen  der  Polargegenden.  Die  markhaltigen 
Knochen  sind  zerbrochen,  die  Rennthiergeweihe  oft 
bearbeitet.  Diese  Ueberreste  sind  also  Älter  als  die 
dänischen.  In  UntcrRchwabe»  sind  Mammuthkuo- 
eben  im  Lehm  so  häufig,  dass  man  die  Orte  nennen 
müsste,  wo  sie  sich  nicht  finden.  Mit  ihuen  gräbt 
man  die  Reste  des  Rieseuhirsches , des  Bos  priscus, 
des  Höhlenbären,  dea  Pferdes  aus.  Im  Stuttgarter 
Museum  befindet  sich  ein  Mcnschenschädel , der  im 
Jahre  1700  mit  Mammuthknochen  gefunden  sein 
soll. 

ln  der  Abeudsitzung  berichtet  Gu  er  in  über  die 
vorgeschichtlichen  Aiterthümer  de»  östlichen  Frank- 
reichs. Die  Grotte  von  St.  Reine  bei  Tool  ist  reich 
an  Bärenknochen,  gegenüber  finden  sich  Menschen- 
knochen, Pfeilspitzen  aus  Feuerstein,  durchbohrte 
Muscheln,  Pfriemen  aus  Knochen,  Ringe  aus  Bronze. 
Die  Gräber  von  Malzevillo  bestehen  in  Haufen  gros- 
ser Steine,  in  deren  Umgebung  Knochen,  Stein  Waf- 
fen, Topfscherben  und  Bronzesachen  gefunden  wer- 
den. Im  Thal  der  Meurthe  sind  Spuren  von  Pfahl- 
bauten, auf  den  Höhen  findet  man  Steinbeile  von 
dreieckiger  Form.  Auch  in  den  Vogesen  giebt  es 
Grabstätten  aus  der  Bronzezeit  mit  Meitselu,  die 
wir  Gelte  nennen;  ein  schöner  Beiuring  von  daher 
wird  vorgezeigt.  Boi  Wallerfangen  hat  man  ähn- 
liche gefunden,  die  die  Vereiussammlung  in  Bonn 
aufbewahrt.  Bei  Nancy  hat  man  in  einer  Sand- 


grabe kürzlich  zahlreiche  Skelete  mit  offenen  Bron- 
zeringen  an  den  Schenkeln,  den  Armen  und  am 
Halse  entdeckt.  Hierauf  hält  Sch aaffhau s en  einen 
Vortrag  über  die  Methode  und  die  Hauptergebnisse 
der  vorgeschichtlichen  Forschung,  in  dem  er  insbe- 
sondere die  Eiszeit,  die  Höhlenfunde  und  das  Un- 
sichere der  bisher  üblichen  Zeitbestimmung  für  die 
einzelnen  Abschnitte  der  Urgeschichte  bespricht  '), 
Die  Erwähnung  eines  in  einem  Lavablocke  zu 
Plaidt  bei  Andernach  am  Rhein  gefundenen  Stückes 
geschmiedeten  Eisens  giebt  Hebert  Veranlassung, 
das  *ünglaub)iche  eines  solchen  Fundes  zu  beleuch- 
ten; die  Richtigkeit  der  Thatsache  vorausgesetzt, 
werde  ein  solches  Lavastück  eher  vom  Vesuve  als 
von  einem  erloscheucn  Vulkane  des  Rhein thales  her- 
rühren. Odobesco  hat  mit  Urechia  die  Walla- 
chei und  Moldau  erforscht  und  legt  Nachbildungen 
durchbohrter  Kugeln  und  Scheiben  vor,  welche 
Worsaae  für  Webstuhlgewichte,  Vogt  für 
Schwungstaiiie  von  Steinbohrern  hält,  ferner  polirte 
Steinbeile  aus  Diorit  und  Serpentin.  Die  ganze 
Wallachei  ist  von  Wällen  durchzogen,  die  älter  sind 
als  die  römische  Herrschaft , weil  die  römischen 
Heerstra&sen  in  sie  eingeschnitten  sind.  Auch  viele 
meist  noch  nicht  geöffnete  Tumuli  finden  sich  im 
Lande,  die  kleinsten  sind  römischen  Ursprungs;  die 
grossen  sind  älter  ab  die  Wälle  uud  scheinen  die 
Richtung  alter  Heerstrassen  zu  bezeichnen,  wahr- 
scheinlich sind  sie  von  gleichem  Alter  wie  die  in 
Ungarn,  in  welchen  man  so  schöne  Funde  aus  der 
Bronzezeit  gemacht  hat.  Auch  manche  Höhle  war- 
tet uoch  der  Erforschung.  Eine  Darstellung  auf 
der  in  Rom  stehenden  Säule  des  Trajan  läset  ver- 
muthen,  dass  man  uoch  Pfahlbauten  entdecken  wird. 
Desor  glaubt  indessen,  dass  das  Bild  auf  dor  Tra- 
janssäule  eher  blosse  Wachthäuser  darstelle,  wie  sie 
noch  an  der  Donau  zu  sehen  seien;  bei  den  Pfahl- 
bauten habe  man  die  Pfähle  nicht  über  dem  Was- 
ser gesehen. 

In  der  Sitzung  vom  1.  September  gab  Steen- 
strap eine  ausführliche  Schilderung  seiner  Unter- 
suchungen über  die  däuischen  Küchenabfalle.  An- 
fangs habe  man  diese  Muschelhaufen  nur  für  ge- 
hobene Seeufer  gehalten.  Aber  in  diesem  Falle 
würde  eine  grössere  Zahl  von  Arten  der  Muschel- 
thicre  vorhanden  sein,  während  doch  fast  nur  vier 
Vorkommen,  die  auch  alle  ausgewachsen  sind  und 
eine  so  verschiedene  Lebensweise  haben,  dass  ihre 
natürliche  Vereinigung  an  einem  Ort  unerklärlich 
bliebe.  Auch  finden  sie  sich  meint  nur  einige  Fuss 
über  dem  Meerenspiegul.  woraus  geschlossen  werden 
müsste,  dass  seit  ihrer  Bildung  weder  ein  beträcht- 
liches Steigen  noch  Sinken  der  Küste  stattgefuudcn 
hätte.  Aber  mau  entdeckte  bald  in  diesen  Haufen 


*)  Dieser  Vortrag  wird  im  Archive  abgedrucku 


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Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


rohe  Feuersteingeräthe,  Wirbelthierknochen  und 
vom  Feuer  angebr&nnte  Steine,  grobe  Topfscher- 
ben,  Nadeln  und  Ahle  von  Knochen,  Kämme  mit  3 
oder  4 Zinken,  wie  sie  die  Grönländer  beim  Ver- 
fertigen ihrer  Netze  gebrauchen.  Der  Umstand, 
dass  die  Strandmuscheln  fehlen,  deutet  auf  Fische- 
rei in  der  Tiefe.  Man  möge  diese  Muschelhaufen 
also  für  Halteplätze  der  Urbewohner  halten,  die 
hier  die  Beute  der  Jagd  und  des  Fischfangs  ver- 
zehrten, hauptsächlich  aber  von  Weichthieren  des 
Meeres  lebten,  deren  Schalen  sich  um  ihre  Hütten 
anhüii ft en.  Einige  dieser  Haufen  sind  3 Meter 

mächtig  und  mehr  als  100  Meter  lang,  sie  sind  be~ 
sonders  häufig  an  den  Küsten  des  Kattegat.  Wor- 
saae,  Forchhammer  und  Steenstrup  waren  be- 
auftragt, diese  Muschelhaufen  zu  untersuchen  und 
haben  deren  mehr  als  50  durchforscht.  Unter  den 
Muscheln  unterscheidet  man  13  Arten,  aber  vier 
sind  vorherrschend,  nämlich  Ostrea  edulis,  Cardium 
edule,  Mytilus  edulis  und  Littorina  littorea,  die 
anderen  sind  sehr  Belten,  in  Soelager  kommt  noch 
am  häufigsten  Nassa  reticulata  vor.  Die  Muscheln 
von  Cardium  und  Littorina  sind  viel  grösser  als 
die,  welche  heute  in  dieser  Gegend  leben  und  die 
Auster  ist  fast  ganz  im  Kattegat  verschwunden. 
Verminderung  des  Salzgehaltes  ist  wahrscheinlich 
die  Ursache  beider  Erscheinungen.  Steenstrup 
schützt  in  jedem  (^uadratfuss  des  Muschelhaufens 
10  bis  12  Wirbelthierknochen.  Unter  den  Fischen 
sind  die  häufigsten  Clupea  harengus,  Gadus  calla- 
rias,  Pleuronectes  limanda  und  Muraena  anguilla, 
unter  den  Vögeln  der  Auerhahn,  Tetrao  urogallus, 
der  sich  von  Fichtenzapfen  nährt  und  Dänemark 
verlassen  hat,  seit  die  Fichte,  deren  Reste  in  den 
Torfmooren  liegen,  in  diesem  Lande  der  Eiche  und 
der  Buche  Platz  gemacht  hat.  Der  wilde  Schwan, 
der  nur  im  Winter  noch  nach  Dänemark  kommt, 
der  grosse  Pinguin,  Alca  impennis,  der  liier  fast 
gar  nicht  mehr  vorkommt,  sind  in  zahlreichen  Re- 
sten vorhanden,  während  andere  jetzt  gewöhnliche 
Arten,  z.  B.  Schwalbe,  Storch,  Sperling,  sowie  unser 
Hausgeflügel  ganz  fehlen.  Die  häufigsten  Säuge- 
thiere  sind  der  Edelhirsch,  die  Ziege  und  das 
Schwein,  seltener  sind  Bär,  Hund,  Fuchs,  Wolf, 
Marder,  Fischotter,  Meerschweinchen.  Robbe,  Was- 
serratte. Castor,  Lux,  wilde  Katze,  Igel,  Maus.  Der 
Hund,  der,  wie  es  scheint,  auch  gegessen  wurde, 
war  gezähmt,  was  Steenstrup  selbst,  ehe  seine 
Reste  gefunden  waren,  au*  der  Art  nnd  Weise  er- 
kannte. wie  die  Knochen  benagt  sind.  Die  langen 
Knochen  sind  gespalten,  um  das  Mark  herauszu- 
nehmen, andere  Knochen,  zumal  die  des  Hirsches, 
sind  zu  Werkzeugen  verarbeitet.  Die  Kiesel geräthe 
sind  meist  lange  Messer,  dieraehr  sägend  als  schnei- 
dend wirkten;  die  glatte  Oberfläche  der  knöchernen 
Werkzeuge  muss  durch  geschliffene  Meusel  hervor- 
gebracht sein,  mit  denen  man  arbeiten  konnte,  wie 
mit  einem  Hobel.  Steinkerne  beweisen  die  Anfer- 

Archiv  Iöt  Anthropologe.  Bd.  IV.  Hefl  IV. 


tigung  von  Werkzeugen  an  Ort  und  Stelle.  Von 
Metallen  findet  sich  keine  Spur.  Steenstrup 
schließet,  dass  die  Urbewohner  diese  Plätze  wäh- 
rend des  ganzen  Jahres  bewohnten  und  nicht  nur 
als  Nomaden  sie  besuchten.  Der  Schwan  deute  auf 
den  Winter,  die  Hirschgeweihe  und  die  Gebisse 
junger  Thiere  gehörten  allen  Jahreszeiten  an.  Aber 
der  Schwan  kann  damals,  wenn  das  Klima  kälter 
war,  länger  dort  geweilt  haben;  eine  beständige 
Niederlassung  ist  auch  heute  nicht  die  Sitte  der 
unter  ähnlichen  Verhältnissen  lebenden  wilden  Völ- 
ker. Steenstrup  hält  das  Volk  der  Kjökkemnöd- 
dings  für  gleichzeitig  mit  dem  der  Dolmen  und 
vielleicht  für  nicht  verschieden  von  ihm , als  nur 
in  der  Lebensweise.  Auch  die  Dolmen  können 
Wohnungen  gewesen  nein.  Wenn  in  diesen  die 
Rente  unserer  Hausthiere  vorherrschen,  ao  fragt  sich, 
ob  diese  mit  den  Todten  dort  bestattet  worden  sind, 
es  können  Füchse  und  andere  kleine  Raubthiere 
sie  dahin  geschleppt  haben.  Die  grossen  Lanzen- 
Rpitzen  und  Beile  der  Dolmen  deuten  doch  darauf, 
dasn  ihre  Erbauer  die  grossen  Thiere  erlegten,  deren 
Reste  in  den  Muschelhaufen  sich  finden.  Worsaae 
theilt  diese  Ansicht  nicht,  er  hält  die  Kjökkenmöd- 
dings  für  die  ältesten  Denkmale  des  Landes,  die 
den  Anfang  des  Steinalters  bezeichnen,  während 
die  Dolmen  dem  Ende  desselben  augehftren.  Die 
wenigen  polirten  Geräthe  in  den  Muschelhaufen 
stammen  aus  der  letzten  Zeit  derselben,  die  dem 
Anfang  der  Dolmen  nicht  fern  war.  In  Moilgaard 
fand  sich  nicht  eine  geschliffene  Waffe.  Eine  glatte 
Oberfläche  der  Knocb  engerät  he  kann  auch  der 
schabende  Kieeelsplitter  hervorbringen.  Die  Dol- 
men erweisen  sich  überall  nicht  als  Wohnungen, 
sondern  als  Grabstätten,  ln  fast  allen  Ländern  hat 
man  jetzt  die  mit  den  Thieren  des  Diluviums  und 
die  mit  dem  Rennthier  gleichzeitige  menschliche 
Industrie  in  ihren  Erzeugnissen  kennen  gelernt, 
diese  gleichen  genau  denen  dor  Kjökkenmöddings. 
Niemals  enthalten  die  Dolmen  solche  Geräthe.  Die 
ersteren  zeigen  nur  den  Hund  als  gezähmt,  in  den 
anderen  finden  sich,  wie  in  allen  Dolmen  Europas 
und  wie  iu  den  Schweizer  Pfahlbauten,  die  Haus- 
thiere. Merkwürdig  ist  noch  der  Umstand,  dass 
die  rohen  Werkzeuge  der  Kjökkenmöddings  in  Nor- 
wegen, Schweden,  Finnland  und  Russland  fehlen, 
wo  die  der  späteren  Zeit,  die  geschliffenen,  sich 
finden.  Fast  allgemein  nimmt  man  an , dass  die 
Finnen  und  Lappen  im  äussersten  Norden  Europas 
die  letzten  Abkömmlinge  der  europäischen  Urbe- 
wohner seien.  Aber  die  ältesten  Funde  hat  man 
im  südwestlichen  Europa  gemacht  und  je  mehr 
man  sich  dem  Norden  nähert,  um  so  mehr  gehören 
sie  den  späteren  Zeiten  an.  Dänemark  scheint  vor 
dem  Ende  der  Rennthierzeit  gar  nicht  bewohnt 
gewesen  zu  sein , dieser  gehören  die  Kjökkenmöd- 
dings an,  während  im  übrigen  Europa  schon  die 
Zeit  der  polirten  Steingcräthe  herrschte.  Norwegen 
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34t> 


Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


und  Schweden  wurden  später  bevölkert  als  Däne- 
mark, nämlich  erst  zur  Zeit  der  polirten  Werkzeuge 
oder  der  Dolmen,  deren  letzte  Spuren  an  den  Küsten 
Finnlands  verschwinden.  Darauf  erst  folgte  da« 
Volk  der  läppen  und  Russen,  deren  älteste  Reete 
also  einer  späteren  Zeit  angehören.  Es  fehlt  ein 
Beweis  für  die  Annahme,  dass  die  Lappen  ein  sehr 
altes  Volk  seien.  Dänemark  hat  nicht  von  Russ- 
land und  vom  Korden  aus,  sondern  aus  dem  mitt- 
leren und  östlichen  Europa  seine  erste  Bevölkerung 
erhalten.  Dupont  spricht  über  die  belgischen 
Höhlenfunde.  Er  trennt  die  Rennthierzeit  sehr 
bestimmt  von  der  der  geschliffenen  Werkzeuge;  er 
unterscheidet  in  Belgien  drei  Perioden  der  Stein- 
zeit, erstlich  die  des  Mamrnuth,  Rhinoceroe,  Höh- 
lenbären und  der  Hyäne  mit  eiförmigen  Steinbeilen, 
darüber  liegen  in  gelbem  Thon  die  Reete  vom  Renn* 
thier.  vom  Yielfrass,  der  Gemse,  dem  Murmelthier, 
die  Kennthiergoweihe  sind  mit  Zierrathen  geschnitzt, 
ähnlich  wie  die  von  Perigord,  die  Feuersteine  ha- 
ben die  Form  von  Messern;  darüber  liegt  ange- 
schwemmter Boden  mit  geschliffenen  Geräthen,  die 
Thiere  sind  Ochs,  Ziege,  Schwein.  Dosor  zweifelt, 
ob  man  die  Dolmen  einer  bestimmten  Epoche  zu- 
weisen könne;  soll  aber  ein  rohes  Volk,  das  nur 
den  Hund  gezähmt  hatte,  die  Lust,  die  Zeit  und 
die  Kraft  gehabt  haben , solche  Monumente  aufzu- 
richten? Hat  irgendwo  ein  halbwildes,  nicht  acker- 
bauendes Volk  solche  erbaut?  Enthalten  die  Dol- 
men nicht  auch  kunstreiche  Bronzceachcn  und  in 
Algier  sogar  Eisen?  Schaaffhausen  erinnert  an 
die  Mittheilung  von  Hooker,  wonach  in  Bengalen 
ein  halbwilder  Stamm  von  Eingeborenen  lebt,  der 
grosse  Steinmonumente  errichtet,  die  den  Dolmen 
gleichen.  Sie  gebrauchen  das  Feuer,  dessen  Gluth 
die  Felsen  spaltet,  zum  Brechen  der  Steine.  In 
Nordeuropa  war  die  Mühe  geringer,  weil  man  die 
erratischen  Blöcke  benutzte.  B er  trän  d theilt 
Desor's  Meinung.  Die  Werkzeuge  derMammuth- 
zeit  sind  eigentümlich,  auch  die  der  Rennthierpe- 
riode; von  da  nn  aber  wird  es  schwer,  Unterschei- 
dungen zu  machen;  jeder  Fortschritt  der  Bildung 
beweist  aber  nicht  einen  Wechsel  der  Race,  er  be- 
zeichnet nur  eine  weitere  Entwicklung  der  mensch- 
lichen Fähigkeiten  uud  dasselbe  Land  kann  neben 
den  Erbauern  der  Dolmen  so  rohe  Stämme,  wie  die 
der  Kjökkenmöddings  besessen  haben.  In  Frank- 
reich gehören  die  Dolmen  einem  Volksstamme  an, 
der  von  Norden  kam  und  sich  zwischen  den  Urbe- 
wohnern niederliess.  Im  Süden  machte  derselbe 
einen  weiteren  Culturfortschritt,  indem  er  die  Bronze 
annahm.  Freiherr  von  Dücker  legte  nnn  Knochen 
und  Steingeräthe  auB  Westphalen  vor.  Petersen 
theilt  einige  Stellen  der  klassischen  Schriftsteller 
über  Anthropophagie  mit  und  Baron  von  Breugel 
berichtet  über  alte  Feuerheerde , die  man  in  Fries- 
land  bei  Utrecht  entdeckt  hat.  Es  sind  1,50  Meter 
liefe  und  ebenso  breite  Löcher,  in  deren  Mitte  eine 


Granitplatte  liegt,  dabei  fand  man  Steinbeile,  Pfeil- 
spitzen und  Steinkugeln. 

Am  2.  September  berichtet  zuerst  Quatre- 
fages  über  ganze  Hügel  von  Austersch&len  an  den 
Küsten  Frankreichs,  die  aber  neueren  Ursprungs 
sind,  es  hat  jedoch  der  Herzog  von  Luynes  bei 
Hyeree  Muschelhaufen  mit  Kieselgeräthen  gefunden, 
die  den  dänischen  durchaus  gleichen.  Cazalis  de 
Fondouce  schildert  die  Todtengrotte  von  Darfort 
im  G&rd  - Departement  und  dio  Grabstätte  von  la 
Roquuttf,  deren  Inhalt  der  Zeit  der  Dolnmn  ange- 
hört und  die  ein  Mittelding  zwischen  megolithischer 
und  cyklopischer  Bauart  ist.  Lerch  zeigt  Bronze- 
funde aus  Russland,  die  in  ihren  Formen  überhaupt 
ganz  verschieden  sind  von  denen  des  westlichen 
Europa.  Eigentümlich  sind  die  ans  einem  Stücke 
gegossenen  Dolche.  Die  russischen  Tumuli  gehö- 
ren dem  Uebergange  des  Bronzealters  in  das  Eisen- 
alter an,  sie  enthalten  bronzene  Pfeile  und  eiserne 
Lanzenspitzen.  Sparen  rotlier  Farbe  lassen  ver- 
muten, dass  das  Volk,  dessen  Todte  hier  bestattet 
sind,  sich  den  Körper  bemalte.  Auch  die  Dolmen 
der  Krimm  enthalten  eiserne  und  bronzene  Geräte. 
Hildebrand  spricht  über  Felsenbilder  in  West- 
gotbland,  es  sind  Schiffe  und  kämpfende  Krieger 
darauf  dargestellt.  Waffen  und  Zierrathen  deuten 
auf  die  Bronzezeit.  Derselbe  zeigt  einen  mensch- 
lichen Unterkiefer  aus  einem  schwedischen  Dolmen; 
derselbe  ist  sehr  dick,  am  ersten  wahren  Backzahn 
16l/j  Millimeter  stark,  der  Körper  ist  niedrig,  das 
Kinn  nur  in  der  Mitte  des  Knochens  vorspringend, 
am  untern  Rande  zurückweichend,  welche  Merkmale, 
wie  Schaaffhausen  hervorhob,  als  die  einer  pri- 
mitiven Form  zu  bezeichnen  sind.  Nach  Lorange 
finden  sich  an  den  Felsen  Norwegens  ähnliche  Bild- 
werke wie  die  geschilderten  in  grosser  Zahl.  Wor- 
saae  macht  auf  das  Work  von  ßrunius  über  diese 
Sculpturen  aufmerksam,  er  glaubt,  dass  Steinmeissei 
am  tauglichsten  seien  fllr  diese  Art  von  Arbeit. 
Desor  findet  zwischen  diesen  Zeichnungen  und 
denen  der  Dolmen  eine  grosse  Verschiedenheit,  das 
Wichtigste  scheint  ihm,  dass  sich  auf  denselben 
menschliche  Figuren  befinden,  die  nach  seiner  Mei- 
nung im  Bronzealter  nicht  Vorkommen.  Ilertrand 
hebt  hervor,  dass  Darstellungen  des  Menschen  in 
der  homerischen  Zeit  sehr  gewöhnlich  waren,  die 
doch  mitten  in  die  Bronzeperiode  falle.  Neuerdings 
hat  man  ein  solches  Felsenbild  über  dem  See  von 
Merveilles  bei  Monaco  beschrieben,  man  sieht  dar- 
auf die  dreieckigen  Dolche  der  Bronzezeit-  Graf 
Ouvaroff  sagt,  dass  schon  vor  20  Jahren  in  den 
Memoiren  der  Petersburger  Akademie  solche  Sculp- 
turen aus  Russland  veröffentlicht  worden  seien.  Do 
Mortillet  licos  ‘dem  Congresse  einen  Vorschlag 
zugeken,  die  Höhlen  nach  den  Werkzeugen,  die  sich 
darin  finden,  in  folgender  Weise  einzutheilen : 
1.  Epoche  von  Mouatier,  die  Steinbeile  sind  man- 
delförmig, die  Feuersteinsplitter  sind  platt  auf  der 


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347 


v erlmndlungen  gelehrter  V ersammlungen. 


einen  Seite  und  scharf  zugehauen  auf  der  andern, 
knöcherne  Geräthe  fehlen  fast  gänzlich.  2.  Epoche 
von  Solutre,  die  mandelförmigen  Steinbeile  fehlen, 
die  FeuerBteinmeflser  sind  auf  beiden  Seiten  und  an 
beiden  Enden  fein  zuge&chärft,  die  kleinen  Splitter 
und  die  Knochengeräthe  sind  selten.  3.  Epoche 
von  Aurignac,  Pfeil  - und  Lanzenspitzen  sind  von 
Knochen  oder  Kennthierhorn,  sie  sind  unten  ge* 
spalten,  um  den  schräg  zugeeehnittenen  Schaft  auf- 
zunehmen. 4.  Epoche  von  la  Madeleine,  die  Pfeil- 
und  Lanzenspitzen  sind  unten  spitz  und  sitzen  im 
Schaft,  viele  Geräthe  sind  mit  eingeritzten  oder 
geschnitzten  Thierbildern  verziert.  Häufig  sind  die 
kleinen  Feuersteinsplitter  und  massenhaft  die  Ueber- 
bleibeel  des  Rennthiers.  Hierauf  folgt  die  Zeit  der 
geschliffenen  Steinwerkzeuge.  Cartailhac  berich- 
tet über  die  Dolmen  des  südlichen  Frankreichs,  zu- 
mal die  von  Grailhe  im  G&rd  - Departement.  Es 
finden  sich  sehr  fein  gearbeitete  Pfeil-  undl.anzen- 
spitzen  aus  Feuerstein,  Ziergeräthe  aus  Knochen, 
Kernstein  und  Bronze:  einige Metallgerftthe  ahmen 
genau  die  Form  der  Steingerftthe  nach.  Die  Er- 
bauer der  Dolmen  in  Südfrankreich  sahen  den  An- 
fang der  Bronzezeit.  Graf  Przezdziecki  giebt 
Nachricht  über  die  Vorzeit  Polens.  Die  Höhlen 
von  Potock  zwischen  Krakau  und  Warschau  ent- 
halten Mammuthknochen.  Im  nördlichen  Weichsel- 
gebiet  finden  sich  vereinzelte  Grabhügel;  die  heid- 
nischen Litthauen  errichteten  solche  bis  zum  Ende 
dee  4.  Jahrhunderts  über  den  verbrannten  Gebeinen 
ihrer  Fürsten.  Im  südlichen  Gebiete  dieses  Stromes 
scheinen  sie  älter  zu  sein  und  sind  in  Reihen  ge- 
ordnet. Sie  enthalten  Bronzesachen,  denen  in  Eu- 
ropa ähnlich.  An  einem  llalsbando  hängen  in  klei- 
nen Ringen  Glöckchen  und  Halbmonde.  An  den 
Flussufern  erheben  sich  wie  in  Sümpfen  und  Wäl- 
dern alte  Erdburgen.  Auf  das  Steinalter  weisen 
Hämmer  und  Beile  aus  Syenit,  Diorit  und  Granit. 
Erratische  Blöcke  dienen  oft  als  Grabsteine,  ln 
Aschenumen  trifft  man  Bernstein-  und  Glasperlen; 
bei  Nakel  in  Preussisch  - Polen  ist  ein  Pfahlbau,  in 
dem  Steinwerkzenge , Thierknochen  und  Töpfe  ge- 
funden worden.  Fraas  zeigt  Bronzefunde  aus 
einem  Torfmoor  Würtembergs,  darunter  ein  Diadem, 
welches  aus  sechs  über  einander  gelegten  Reifen  be- 
steht. 

In  der  Abendeitsung  dieses  Tages  gab  Vila- 
nova  eine  Uebersicht  der  vorgeschichtlichen  Funde 
in  Spanien.  Er  schildert  die  quaternären  Schich- 
ten von  S.  Isidoro,  welche  bisher  die  ältesten  Spu- 
ren de«  Menschen  geliefert  haben.  Unter  einer 
dem  rotben  Diluvium  des  nördlichen  Frankreichs 
gleichenden  Ablagerung  liegt  eine  Schicht,  welche 
unmittelbar  auf  der  tertiären  Bildung  ruht  und 
Hämmer  und  Beile  aus  Quarzit  nach  Art  derer  von 
Abbeville  enthält.  Reste  vom  Eleph.  meridional., 
Hippopotamus,  Rhinoceros  haben  meist  eine  höhere 
Lage,  ln  einem  Einschnitte  der  Eisenbahn  zu  Po- 


sadas  hat  man  den  Kopf  dee  Eleph.  armeniacus  und 
daneben  Feuerstein waffen  gefunden.  Auch  an  an- 
deren Orten  wurden  ähnliche  Funde  gemacht.  Höh- 
len im  Kalkgebirge  sind  zahlreich  im  Süden  und 
Nordosten  von  Spanien ; sie  enthalten  Kieselsplitter, 
Kieselmesser,  Schabsteine  und  aus  späterer  Zeit 
Pfeilspitzen  gleich  deoen  der  Schweizer  Pfahlbau- 
i ten  und  sogar  römische  Topfscherben.  In  den 
Dolmen  liegen  geschliffene  Beile  aus  Diorit  und 
Menschenknochen,  in  den  Tumuli  Bronsebeile.  In 
alteu  Kobaltgruben  hat  man  Steinhämmer  gefun- 
den. Derselbe  zeigt  ein  menschliches  Stirnbein 
aus  einem  Dolmen;  wiewohl  der  Sinus  frontalis  auf- 
gebrochen,  kann  man  einen  starken  Stirnwulst  ver- 
muthen,  es  zeigt  sich  eine  Spur  von  Stirnkiel  und 
der  Arcus  temporalis  geht  hoch  hinauf  und  ist  stark 
entwickelt.  Hierauf  legt  Vilanova  die  Photogra- 
phie eines  Mikrocephalen  Namens  Vincent  Orti  vor, 
der,  55  Jahre  aJt,  im  Irrenhause  zu  Valencia  lebt. 
Seine  Geinüthsart  ist  eher  sanft  und  furchtsam  als 
böse;  in  Zorn  gebracht  zerreisst  er  seine  Kleider, 
ohne  Auderen  ein  Leid  zusufügen.  Er  ist  etwas 
mehr  als  1 Meter  gross.  Sein  Gesichtswinkel  be- 
trägt 59",  sein  Schädelumfang  400,  der  obere  Schä- 
delbogen misst  190,  die  Länge  140,  die  Breite  120 
Millimeter.  Die  Arme  sind  sehr  lang  und  haben 
das  Rudiment  eines  sechsten  Fingers  an  jeder  Hand; 
die  Beine  sind  kurz,  mit  einer  sechsten  Zehe  an 
jedem  Fass.  Der  ganze  Körper  ist  mit  langen 
Haaren  bedeckt.  Diese  Mittheilung  veranlasst  Vogt, 
seine  Ansichten  über  Mikrocephalie  auseinander  zu 
setzen,  die  er  als  einen  Fall  von  Atavismus,  als 
einen  Rückschlag  zu  der  unvollkommenen  Bildung 
betrachtet,  in  der  wir  den  Ursprung  des  Menschen 
zu  suchen  haben.  Bei  der  Mikrocephalie  ist  die 
Entwicklung  des  Gehirns  gehemmt,  so  dass  die 
entsprechenden  Tbeile  des  Schädels  die  Bildung 
des  Affen,  nicht  die  des  Menschen  zeigen  und  zu- 
gleich treten  die  Kiefer  mehr  vor  wie  beim  Neger, 
der  Übrige  Köper  ist  aber  menschlich  gebildet  Der 
Unterschied  des  Negers  vom  Weissen  wird  erst  im 
Laufe  der  Entwicklung  deutlich,  mit  dieser  gehen 
beide  Formen  nach  verschiedenen  Richtungen  aus- 
einander, dieselben  müssen  rückwärts  verfolgt  in 
einem  gemeinsamen  Ursprung  Zusammentreffen. 
Ebenso  ist  es  mit  dem  Menschen  und  dem  Affen, 
der  junge  Chimpanse  gleicht  mehr  dem  mensch- 
lichen Kinde  als  der  alte  dem  Erwachsenen.  Beide, 
Mensch  und  Affe,  haben  eine  gemeinsame  Abstam- 
mung von  einem  Ahnen,  der  tiefer  stand  als  der 
Affe.  Auch  die  Aeusserungen  des  geistigen  Lebens 
der  Mikrocephalen  erinnern  nach  Vogt  an  das  Be- 
nehmen der  Affen.  Quatrefages  hebt  hervor, 
dass  eine  pathologische  Bildung  nicht  mit  einer 
normalen  niederen  Organ isationsstufe  gleichgestellt 
werden  könne.  Niemals  könne  die  Mikrocephalie 
als  ein  primitiver  Zustand  des  Organismus  gedeutet 
werden.  Der  Berichterstatter  giebt  zu  erwägen, 
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Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


dass  die  Mikrocephalen  mangelhafte  Organismen 
sind,  die  sich  nicht  fortpflanzen,  die  von  der  Natur 
bestimmt  sind,  wieder  zu  Grunde  zu  gehen,  und 
also  nicht  als  Entwicklungsstufen  betrachtet  werden 
können.  Ein  gesundes  Thier  ist  entwicklungsfähig, 
nicht«  aber  eine  menschliche  Missgeburt;  die  Ent- 
wicklung des  Menschen  aus  einem  Affen  ist  eine 
Möglichkeit,  deren  Auuahme  nichts  im  Wege  steht, 
die  aus  einem  Mikrocephaleu  ist  ganz  undenkbar. 
Baron  Düben  theilt  hierauf  seine  Beobachtungen 
über  die  Schädelbildung  der  alten  skandinavischen 
Völker  mit.  Es  giebt  etwa  60  Schädel  der  Vorzeit 
in  den  Sammlungen  von  Dänemark  und  Schweden; 
aber  nicht  alle  sind  von  sicherer  Herkunft.  Unter 
diesen  Schädeln  giebt  es  dolichocephale,  bracbyce- 
phale  und  Mittelformen.  Das  Kopenhagener  Mu- 
seum besitzt  Schädel,  deren  Index  78  bis  71*1,  im 
Mittel  75'7  beträgt  Die  Schädel  aus  einem  Dol- 
men von  Westgothland  hatten  im  Mittel  einen  In- 
dex von  73'I , einer  aber  war  sehr  brachycephal 
mit  einem  Index  von  80.  Es  gab  also  in  der  Vor- 
zeit dieselben  Unterschiede,  die  wir  heute  kennen, 
doch  sind  unter  den  alten  Schädeln  die  langen  häu- 
tiger als  die  kurzen.  Als  besondere  Kennzeichen 
derselben  führt  er  an:  die  starken  Augenbrauen- 
bügen, die  vorspriugenden  Nasenbeine,  das  Vortre- 
ten der  Backenknochen , das  wie  ein  Scliildbuckel 
abgesetzte  Hinterhaupt,  die  sehr  entwickelten  Naht- 
zacken,  zumal  der  S.  lambdoidea,  die  damit  zusam- 
menhängende Häufigkeit  der  Schaltknochen,  das  ge- 
rade Gebiss,  ein  leichtes  Vorspringen  des  Oberkie- 
fers über  die  untere  Kinnlade,  die  stark  abgenutzten 
Zähne  selbst  au  jugendlichen  Schädeln.  Er  schreibt 
nach  einigen  Andeutungen  dem  alten  Volke  eine 
mittlere  Grösse  zu.  Die  Ellenbogengruben  sind 
zuweilen  aber  selten  durchbohrt,  die  Schienbeine 
oft  säbelförmig  znsamm engedrückt.  Aus  Allem 

txhlieaat  Düben,  dass  die  alte  Bevölkerung  der 
heute  lebenden  sehr  ähnlich  war.  Vogt  erinnert 
daran,  dass  man  bis  jetzt  angenommen  habe,  die 
nordischen  Schädel  der  Steinzeit  seien  brachycephal 
und  näherten  sich  dem  Typus  der  Luppen,  dass  die 
dolichocephaleu  ent  mit  dem  Eisen  nach  Skandina- 
vien gekommen  seien,  und  dass  man  den  Schädel- 
typus der  dazwischen  liegenden  Bronzezeit,  wegen 
der  Sitte  der  Leichenverbrennuug,  nicht  kenne. 
Dieser  Irithum  müsse  aufgegeben  werden,  es  zeige 
sich  in  der  That  in  den  Museen , dass  der  dolicho- 
cephale Typus  der  herrschende  sei.  Die  falsche 
Meinung  sei  dadurch  veranlasst  worden,  dass  die 
beiden  ersten  im  Norden  gefundenen  Schädel  der 
Vorzeit  zufällig  brachycephal  gewesen  seien.  Der 
Berichterstatter  knüpft  an  diese  Verhandlungen  fol- 
gende sie  ergänzende  Bemerkungen.  Nilsson  war 
durch  die  Aehnlichkeit  der  in  Dänemark  und  Schwe- 
den aufgefundenen  steinernen  Gerathe  der  Vorzeit 
mit  denen  der  Grönländer  und  Eskimos  zu  der 
Meinung  veranlasst  worden,  als  seien  die  Urbewoh- 


ner Skandinaviens  ein  den  Eskimos  verwandtes 
Volk  gewesen.  Esch  rieht  zeigte  aber  im  Jahre 
1841,  dass  die  altnordischen  Schädel  von  denen  der 
Eskimos  durchaus  verschieden  seien.  Nilsson 
schrieb  schon  damals  einige  der  alten  Schädel  den 
Lappen  zu,  und  man  hielt  Lappen  und  Eskimos 
für  Völker  desselben  Stammes.  Ketzius  lehrte 
nun  1812  in  seiner  Abhandlung  über  die  Schädel- 
form der  Nordbewohner  den  grossen  Unterschied 
zwischen  dem  Lappen-  und  Eskimoschädcl  kennen, 
indem  er  jenen  als  brachycephal  und  orthoguath, 
diesen  als  dolichocephal  und  prognath  bezeichnet«. 
Er  hat  gegen  die  Ansicht  Nilsaon's,  dass  einige 
Schädel  der  Urbewohner  Skandinaviens  lappischen 
Ursprungs  seien,  kein  weiteres  Bedenken,  als  dass 
er  angiebt,  die  Schädel  der  Steinzeit  hätten  grös- 
sere Zitzenfortsätze,  und  die  liinterhauptaschuppe 
sei  nicht  so  abschüssig  als  an  den  von  ihm  beschrie- 
benen Lappenschädeln.  Er  fügt  aber  hinzu,  diese 
Abweichungen  könnten  durch  verschiedene  Lebens- 
weise und  verändertes  Klima  bedingt  sein.  lietzius 
schildert  nach  16  Schädeln  aus  dem  Museum  des 
Carolinischen  Instituts  den  Typus  der  Lappen  wie 
folgt:  die  Schädel  sind  klein  und  dünnwandig,  die 
Scheitelansicht  zeigt  eine  kurze  Eiform,  die  Seiten 
des  Schädels  sind  gerundet,  die  Schläfengegend  ge- 
wölbt; der  grösste  Breitendurchmesser  liegt  nicht 
zwischen  den  Scheitelhöckern,  sondern  tiefer.  Die 
Hinterhanptssclinppe  bildet  einen  kleinen  Höcker, 
die  Spitze  derselben  liegt  hoch,  die  Zitzenfortsätze 
sind  klein , alle  Muskelansutze  sind  schwach  ent- 
wickelt. Der  Scheitel  rit  hoch  gewölbt,  die  Brauen- 
wulste wenig  entwickelt,  die  Oeffhung  der  Augen- 
höhlen fast  viereckig,  die  Nasenwurzel  breit,  die 
Zahnwurzeln  und  der  Alveolarfortsatz  des  Ober- 
kiefers kurz,  der  Unterkiefer  klein  und  niedrig. 
Eschricht  giebt  in  Beincr  Mittheilung  über  die 
Gerippe  der  Hünengräber  (Amtlicher  Bericht  der 
Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
in  Bremen  1844,  S.  92),  nachdem  er  den  Grönlän- 
derschädel beschrieben , folgende  Schilderung  des 
einen  von  drei  aus  Hüueugrähern  der  Insel  Möcn 
gewonnenen  Schädeln,  mit  denen,  wie  er  anführt« 
andere  in  den  folgenden  Jahren  gefundene  mehr 
oder  weniger  übereinstimmten.  Der  Schädel  ist 
auffallend  klein,  besonders  der  Gesiohtstheil.  Die 
Schädelhöhle  hat  uineu  recht  bedeutenden  Umfang, 
ist  dabei  rund  und  in  allen  Richtungeu  fast  gieich- 
mässig  entwickelt,  nur  das  Hinterhaupt  ist  sehr 
kurz,  wodurch  das  Hinterhaupts] och  ganz  nach  hin- 
ten zu  liegen  kommt.  Das  Gesicht  und  die  Augen- 
höhlen sind  ungewöhnlich  klein,  die  Augenbrauen- 
bogon  dagegen  sehr  gross,  die  Nasen knochen  stehen 
stark  hervor  und  zwischen  Augenbrauen  bogen  und 
Nasenknochen  ist  eine  so  tiefe  Einsenkung,  dass  sie 
den  Zeigefinger  eines  Erwachsenen  in  sich  aufneh- 
men kann.  Die  Spuren  der  Gosiehtsmuskeln  sind 
im  Allgemeinen  stark  ausgeprägt,  die  Zahnhöhlen- 


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Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


runder  stehen  wenig  vor,  die  Zähne,  die  hier 
meist  fehlen,  sind  an  solchen  .Schädeln  meist  quer 
abgenutzt;  an  einem  der  Köpfe  fanden  sich  noch 
einige  festsitzeude  dunkelbraune  Haare)!).  Esch* 
rieht  hält  es  für  gewiss,  dass  diese  Reste  einem  von 
dem  jetzt  im  Norden  Europas  einheimischen  Stamme 
der  Gothen  verschiedenen,  aber  kaukasischen  Volke 
angehören.  Gegen  die  Meinung  Nilsson’»,  dass 
es  Lappen  gewesen  seien,  die  dieser  nicht  zur  ark- 
tisch* mongolischen  Race  rechnet,  bemerkt  er  nur, 
dass  die  Lappen  jetzt  keine  hoben  Grabhügel  auf- 
werfen und  dieselben  in  Ländern  fehlen,  die  früher 
von  Lappen  bewohnt  waren.  Später  erhielt  er  aus 
Möen  ganz  anders  geformte  Schädel , von  bedeu- 
tender Länge  zumal  sehr  verlängertem  Hinterhaupt, 
ln  der  genannten  Mittheilung  ist  ein  runder  Schä- 
del aus  der  Steinzeit  von  Möen  und  ein  davon 
gauz  verschiedener  von  der  Insel  FyÖr  (jetzt  im 
Museum  für  nordische  Alterthümer)  abgebildet,  der 
um  Hinterhaupt  einen  Knochenstachel  hat  und  mit 
Geräten  von  Gold,  Silber  und  Bronze  gefunden 
ist-  Sein  Femur  von  20*/i  Zoll  deutet  auf  eine 
Körpergrösse  von  6 Fuss  3 Zoll.  In  neuerer  Zeit 
berührte  C.  Vogt  diesen  Gegenstand  und  sagte  in 
seinen  Vorlesungen  über  den  Menschen,  1863,  II, 
S.  323  abweichend  von  seiner  Aeusserung  in  Kopen- 
hagen, dass  unter  den  Schädelzeichn uugen  der  dä- 
nischen Steinzeit  von  Busk  einige  seien,  die  den 
lappländischen  fast  genau  entsprechen.  Nilsson 
endlich  bemerkt  auch  noch  in  seinom  letzten.  1868 
ins  Deutsche  übersetzten  Werke  über  die  Urein- 
wohner des  skandinavischen  Nordens,  die  Brachy- 
ccphalie,  die  den  Lappen  zukomme,  sei  die  zweite 
Hauptform  der  jetzigen  skandinavischen  Schädel 
und  man  habe  dann  und  wann  Schädel  dieser  Form 
in  einem  Steingrabe  zwischen  den  dolichocepholen 
gefunden;  er  bildet  zwei  solcher  Schädel  von  der 
Insel  Möen  ab,  Tafel  XII,  230  und  XIII,  210,  deren 
Aehnlichkeit  mit  neuen  Lappenschädeln,  die  dane- 
ben gezeichnet  sind,  ganz  unverkennbar  und  über- 
raschend ist.  Bereits  hei  der  Naturforscher- Ver- 
sammlung zu  Innsbruck  1870  gab  Virchow  einen 
kurzen  Bericht  über  seine  Untersuchung  der  alt- 
nordischen Schädel  zu  Kopenhagen , worin  gesagt 
ist  (Tageblatt  S.  1 55),  dem  lappischen  Schädeltypus 
komme  der  der  dänischen  Grabechädel  auch  nicht 
entfernt  nahe  und  die  beiden  unter  diesen  sich  dar- 
bietenden Formen  könnten  doch  wohl  von  einem 
Volke  herstammen.  Eine  eingehende  auf  Messun- 
gen beruhende  Untersuchung  dieser  Schädel  ver- 
öffentlichte dann  Virchow  im  Archiv  für  Anthro- 
pologie, Bd.  IV,  1870,  S-  55.  Auffallend  erscheint 
doch  die  aus  dieeen  Messungen  sich  ergebende  Häu- 
figkeit der  Brachycephalie.  Die  25  Schädel  von 
Borreby  bezeichnet  er  als  schwach  zur  Brachyce- 
phalie  hinneigende  mesocephale  und  orthognathe 
Schädel,  einer  von  Na  es  ist  ein  Brachycepbale  mit 
einem  Index  von  82*3.  Auch  die  drei  von  Falster 


gehören  zn  den  Brachycephalen ; ebenso  die  sechs 
Schädel  aus  den  Gräbern  von  Udby  auf  Möen. 
Virchow  findet  von  den  vier  Schädeln  von  Möou, 
welche  die  anatomische  Sammluug  aufbewahrt,  nur 
drei  rund,  doch  haben  sie  nur  75*9  Breitenindex. 
Er  vermuthet,  dass  der  von  Nilsson  nach  einem 
GypBabgusse  abgebildete  Schädel  von  Möen  der 
mit  Nr.  39  bezeichnet«  der  Sammlung  des  physio- 
logischen Museums  sei  und  sagt  nur,  es  lasse  sich 
nicht  läugneu , dass  er  eine  gewisse  äussere  Aehn- 
lichkeit mit  dem  l^appeuschädel  habe.  Die  übrigen 
der  4 1 Schädel  der  Steinzeit , die  er  untersuchte, 
also  nur  drei,  sind  dolichocephal!  Virchow  selbst 
fügt  hinzu,  der  Umstand,  dass  ein  Theil  der  Stein- 
schudel  mehr  zur  Brachycephalie  ein  anderer  zur 
Dolichoeepholie  neige,  sei  einer  besondem  Aufmerk- 
samkeit werth,  zumal  wenn  es  sich  darthun  Hesse, 
dass  die  ersten  älter,  die  anderen  jünger  seien.  Er 
glaubt,  dass  der  neu -dänische  Typus  am  meisten 
den  Borreby  - Schädeln  sich  an  nähere,  also  wesoce- 
phal  mit  Neigung  zur  Brachycephalie  sei  und  dass 
also  schon  zur  Steinzeit  die  Ahnen  der  jetzigen 
Bevölkerung  im  Lande  gewohnt  hätten,  welche 
Annahme  nirgends  mehr  als  hier  durch  die  geogra- 
phischen und  historischen  Verhältnisse  des  Landes 
gerechtfertigt  sei.  Die  Lappenähnlichkeit  der  Bor- 
reby-Schädel  läugnet  er  entschieden. 

Der  Berichterstatter  hat  seinen  kurzen  Auf- 
enthalt in  Kopenhagen  auch  zu  einer  Durchsicht 
der  Schädelsammlungen  benutzt,  die  ihn  in  Bezug 
auf  die  Steinschädel  zu  einem  von  den  Ansichten 
Vogt*»  und  Virchow’s  abweichenden  Urtheil  ge- 
führt haben.  Die  Messung  allein  giebt  keine  voll- 
ständige Bestimmung  des  Schädels,  man  müsste 
jeden  Punkt  an  demselben  mit  dem  entgegenstehen- 
den verbinden  und  messen  und  die  eigentümliche 
Krümmung  und  Grosso  der  einzelnen  Schädel-  und 
Gesichtsknochen  mit  Zahlen  darstellen,  um  dies 
Ziel  zu  erreichen.  Da  dies  nicht  ausführbar  ist,  so 
kann  die  übliche  Messung  nur  als  eine  Ergänzung 
der  Beschreibung  eines  Schädels,  als  der  genaue 
Ausdruck  für  einige,  bei  Weitem  nicht  alle  Grössen- 
vcrhältniese  des  Schädels  gelten.  Wenn  wir  im 
Leben  zwei  Menschen  nach  ihrer  Familienähnlich- 
keit betrachten,  so  fällt  es  uns  nicht  ein,  den  Mans- 
stah  zur  Hand  zn  nehmen  und  ihnen  Gesicht  und 
Kopf  zu  messen;  das  Auge  beurteilt  nach  einem 
Gesammteindruck  die  Aehnlichkeit  oder  Unähnlich- 
keit in  zutreffender  Weise;  ein  geübtes  Auge  sieht 
dabei  freilich  richtiger  und  mehr  als  ein  ungeübtes. 
Die  Aehnlichkeit  vieler  der  runden  Schädel  der 
Steinzeit  mit  denen  der  Lappen  ist  ganz  unzwei- 
felhaft. Es  giebt  ausser  den  von  EBchricht  und 
Retz i us  bezeichneten  Eigentümlichkeiten  noch 
andere,  die  das  Gesammtbild  der  lappischen  Ge- 
sichts- und  Schädelform  vervollständigen,  und  die- 
ses beweist  für  die  Aehnlichkeit  und  Stammver- 
wandtschaft einzelner  Schädel  mehr  als  die  um 


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Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


einige  Millimeter  verschiedene  Länge  und  Breite 
oder  Höhe  derselben.  Man  untersuche  die  Leben- 
den; in  derselben  Familie,  zwischen  Geschwistern 
findet  man  erhebliche  Unterschiede  dieser  Schädel- 
maasso,  wo  zugleich  die  grösste  Aehnlichkeit  der 
Gcsichtszügo  und  der  übrigen  körperlichen  Bildung 
besteht  und  wo  die  verschiedene  Schädelform  der 
Eltern  diese  Abweichungen  nicht  erklärt;  das  Ver- 
hältnis« der  Länge  zur  Breite  de«  Schädels,  also 
der  sogenannte  Schädelindex,  ist  die  am  meisten 
individuelle  Eigentümlichkeit  desselben,  die  frei- 
lich bei  rohen  Völkern  viel  weniger  ausgeprägt  ist 
Retzius  spricht  demnach  mit  Unrecht  den  Satz 
aus,  dass  das  Gesicht  des  Schädels  für  die  Beurtei- 
lung desselben  weniger  Werth  habe  als  die  Hirn- 
schale. Ohne  die  dolichocephalen  Schädel  zu  be- 
rücksichtigen, die  den  altgermaniBchen  gleichen 
und  wohl  den  Cimbern  und  Goten  zuzuschreiben 
sind,  sei  über  die  rundlichen  Schädel  der  Kopen- 
hagener  Sammlungen  das  Folgende  hier  mitgetheilt. 
1)  Im  physiologischen  Institut  ist  ein  alter  Dänen- 
schadel  der  Steinzeit,  der  eine  unverkennbare  Aehn- 
lichkeit mit  einem  dort  befindlichen  Lappenschädel 
hat;  dasselbe  gilt  von  zwei  Schädeln  von  Möon, 
von  denen  der  eine  ganz  rund,  der  andere  ein  sehr 
langer  Schädel  ist,  bei  dem  jedoch,  eine  gewiss 
auffallende  Thateache,  die  lappische  Gesichtsbildung 
mit  der  des  andern  übereinstimrat.  Sie  haben  auch 
beide  eine  Andeutung  von  Stirnkiel  und  den  glat- 
ten Nasengrund,  der  ohne  Crista  in  die  Gesichts- 
fläche übergeht,  wie  beim  Affen,  ein  sehr  bezeich- 
nendes Merkmal  roher  Schädelbildung;  ferner  sind 
bei  beiden  allo  Nähte  offen.  Ausserdem  sind  noch 
mehrere  alte  Dänenschädel  von  ovaler  Form  hier 
vorhanden,  die  folgende  sie  dem  Lappentypus  nä- 
hernde Eigenschaften  haben:  den  meist  kleinen 
Schädelraum,  die  hochgestellte  Hinterhauptsschuppe, 
die  hohe  Scheitelwölbung  mit  etwas  vorspringender 
Pfeilnaht,  den  tiefen  Einschnitt  der  Nasenwurzel, 
die  viereckigen  Oeffnungen  der  Augenhöhlen,  das 
gerade  GebisB,  den  kurzen  Oberkiefer,  den  runden 
Zahnbogen,  das  Hache  Gaumengewölbe  und  den 
wie  nach  aussen  umgelegten  Alveolarrand  des  Ober- 
kiefers, dessen  erster  Prämolar  meist  zwei  Wurzeln 
bat.  2)  Im  anatomischen  Museum  sind  drei  rund- 
liche, nur  wegen  der  vorspriDgenden  Occipital- 
kapcel  ovale  Grabechädel,  davon  zwei  aus  Jütland 
mit  Brauenwülsten  und  sehr  entwickelter  Spina 
occipitalis;  ferner  ein  illtor  und  zwei  neuere  dä- 
nische Schädel,  die  sich  gleichen;  sie  zeigen  wenig- 
stens einige  der  angegebenen  Eigentümlichkeiten, 
z.  B.  den  runden  Z&hnbogon  und  das  von  vom 
nach  hinten  auffallend  verkürzte  Gaumendach. 
Ferner  finden  Bich  hier  zwei  Gypsschädel  nach 
Grabfunden  aaf  Möen,  es  sind  die  Abgüsse  der  bei- 
den erwähnten,  im  physiologischen  Institute  be- 
findlichen Schädel,  von  denen  der  eine  mit  deut- 
licher Lappenform  ein  Kurzkopf,  der  andere  mit 


derselben  Gesicbtsbildung  ein  Dolichocephale  ist. 
Bemerkens werth  ist  der  Abguss  eines  Schädels  von 
Meudon,  von  Robert  als  Type  celte  bezeichnet; 
es  ist  derselbe  Schädel  wie  der  der  alten  Dänen, 
er  ist  hoch  und  kurz  und  hat  dieselbe  Gesichtsbil- 
dung, den  kurzen  Oberkiefer,  das  gerade  Gebiss, 
den  runden  Zahnbogen  des  Oberkiefers,  der  mit 
seinem  untern  Rande  ringsum  nach  aussen  vor- 
springt. Ich  finde  in  meinen  Aufzeichnungen  über 
die  alten  Schädel,  die  ich  bei  Robert  in  Bellevue 
bei  Paris  im  Jahre  1866  gesehen,  Folgendes:  „Ein 
kleiner  weiblicher  Schädel  mit  platter  Nase,  kur- 
zem Oberkiefer,  Stirnnaht,  sehr  ausgezackten  Näh- 
ten von  Pressy  St.  Oise;  ein  grösserer  männlicher 
Schädel  mit  demselben  Oberkiefer,  auch  mit  Stirn- 
naht und  stark  abgesebliffenen  Zähnen.  Sie  waren 
von  Robert  als  Bataverschädel  bezeichnet,  weil  eine 
der  Grabstätten,  wo  sio  gefunden,  im  Lande  der 
Bellovaken  gelegen  ist.  Diese  Gebeine  lagen  in 
Steinsärgen  und  hatten  eiserne  einschneidige 
Schwerter  neben  sich.  Ein  celtischer  Schädel,  kräf- 
tig gebaut,  aber  brachycephal , hinten  wie  platt 
gedrückt,  mit  einfachen  Nähten,  in  einem  Stein  grab 
1845  gefunden.“  Dieser  ist  wahrscheinlich  das 
Original  jenes  Abgusses.  Ein  anderer  mit  diesen 
gefundener  Schädel  war  sehr  lang.  Robert  war 
der  Ansicht,  die  Todten  seien  in  sitzender  Stellung 
beerdigt  worden,  denn  einmal  fand  sich  das  Manu- 
brinm  sterai  im  Fnramen  roagnum.  Dieselbe  Ver- 
muthung  sprach  Madsen  in  Bezug  auf  die  im 
Ganggrabe  von  Rorreby  Bestatteten  aus,  dass  sie 
sitzend  oder  kauernd  beigesetzt  seien,  weil  die 
Schädel  zwischen  den  Schenkel-  und  Fussknochen 
lagen.  In  der  Sammlung  von  Robert,  der  eine 
Reise  nach  Sibirien  und  Lappland  gemacht  hatte, 
befanden  sich  auch  zwei  Lappenschädel,  und  es  fiel 
mir  deshalb  das  lappisch -mongolische  Aussehen 
jener  Bataver-  und  Celtenschädel  um  so  mehr  auf. 
Erst  nach  meiner  Rückkehr  von  Kopenhagen  kam 
mir  die  diese  Schädel  betreffende  Mittheilung  von 
RetziuB  zu  Gesicht,  der  in  seinem  Aufsatze  „über 
die  Schädelform  der  Iberier“,  Müller  8 Archiv  1847, 
S.  499,  vgl.  Retzins,  Ethnologische  Schriften  1864, 
S.  62  das  Folgende  sagt:  „Unter  den  von  Serres 
bei  Meudon  und  Marly  1845  ausgegrabenen  Schä- 
deln mit  steinernen  Geräthon  ist  einer  klein  nnd 
rund  und  stimmt  mit  den  beiden  von  Escbricht 
nnd  von  Nilsson  bei  Stege  in  einem  alten  Grab- 
hügel gefundenen  überein.“  In  der  That  ist  eine 
vollständigere  Uebereinstimmung  der  von  Retzius 
mitgethoilten  Hauptmasse«  des  Schädels  von  Marly 
nnd  des  von  Stege  gar  nicht  denkbar.  Er  führt 
weiter  an,  dass  jener  Schädel  auch  einem  von 
Wilde  abgebildeten  vorweltlichen  irländischen  aus 
der  Gegend  von  Dublin  und  noch  zweien  ebenda- 
selbst im  Phönixpark  gefundenen  gleiche,  die  auch 
Prichard  als  tur&niscbe  bezeichnet  hat;  dann  er- 
wähnt er  Nilsson ’s  Ansicht,  dass  die  kleinen 


Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen.  351 


Schädel  älter  seien,  and  äussert  die  Meinung,  dass 
die  runden  Formen,  die  man  jetzt  im  endlichen 
Frankreich,  in  Schottland  und  Irland  antreffe,  von 
den  Iheriern  herstammten.  Serres  und  Robert 
haben  in  den  Compt.  rend.  de  l’Acad.  des  Sciences 
T.  XXI,  p.  607  die  fast  vollständige  Ucbereinstim- 
mung  der  Grabstätte  von  Meudon  mit  den  skandi- 
navischen auseinandergesetzt  und  es  kann  gar  nicht 
bezweifelt  werden,  dass  ein  den  alten  Dänen  ver- 
wandtes Volk  sich  auch  im  Westen  Europas  ver- 
breitet hat.  — Von  Esch  rieht  werden  Gelten  als 
älteste  Bewohner  Dänemarks  angeführt  und  als 
geschickte  Schmiede  bezeichnet,  sie  wurden  von 
den  eingewanderten  Gothen  bekämpft.  Prichard 
sagt,  Natur/?,  des  Menschengeschi.  III,  1.  S.  55,  die 
Ueberreste  der  celtischen  Sprache  beweisen,  dass 
die  Gelten  ein  Zweig  des  indo  - europäischen  Stam- 
mes waren;  sie  kamen  also  aus  dem  Osten.  Wenn 
sie  den  teutonischen  Stämmen  im  Norden  Deutsch- 
lands vorausgingen,  so  müssen  sie  an  den  Ufern 
des  baltischen  Meeres  mit  den  Jotunen  oder  Fin- 
nen in  Berührung  gekommen  Bein,  welche  die  teu- 
tonische Race  später  im  Besitz  von  Skandinavien 
fand.  Arndt  und  Andere  nahmen  geradezu  an, 
dass  die  Gelten  zum  Theil  eine  finnische  Race  seien. 
3)  In  dem  Museum  für  nordische  Altcrthümer  fin- 
den sich  die  Schädel  de«  grossen  Ganggrabes  von 
Borreby  auf  der  Insel  Seeland,  die  unter  einander 
sehr  ähnlich  sind;  die  rohe  Gesichtsbildung  mit 
den  starken  Brauenwülsten  und  der  fliehenden 
Stirn  giebt  ihnen  einen  wilden  und  von  dem  lap- 
pischen Gesicht  sehr  verschiedenen  Ausdruck,  der 
au  die  rohe  Form  dolichocephaler  Briten-  und  Ger- 
manenschädel  erinnert,  aber  die  rundliche  und 
breite  Form  des  Schädels,  dessen  Index  im  Mittel 
nach  Virchow  79  betragt,  das  fast  gerade  Gebiss, 
die  bei  einigen  hochgestellte  Schuppe,  auch  die  oft 
langzackigen  Nähte  mit  Schaltknochen  nähern  die 
Borreby schädel  doch  wieder  der  brachyceph&len, 
lappisch  - mongolischen  Bildung.  Starke  Augen- 
brauenhöcker kommen  auch  bei  den  Kalmücken 
vor.  Wir  würden  an  eine  Mittelform  denken  dür- 
fen, wenn  wir  etwas  Sicheres  über  das  Gesetz  der 
durch  Racenlareuzung  entstehenden  gemischten 
Schädelform  wüssten.  Neben  dem  sehr  langen 
Schädel  von  Sanderümgaard  aus  dem  Eisenalter, 
der  222 Vs  Mm.  lang  ist  und  nach  meiner  Schä- 
tzung 140  Mm.  breit  war,  und  Beine  auffallende 
Länge  zum  Theil  der  vorspringenden  Hinterhaupts- 
schuppe,  nicht  einer  Verdrückung  im  Grabe  ver- 
dankt, die  nur  den  untern  Theil  der  Hinterhanpts- 
sebuppe  an  einer  Seite  verbogen  hat,  aber  an  dem 
starken  und  breiten  Wulst  der  hochgehenden  Linea 
temporal»  den  starken  Druck  erkennen  lässt,  den 
die  Schläfenmuskeln  auf  ihn  geübt  haben,  und 
neben  zwei  walzenförmigen  Schädeln,  wie  sie  in 
Deutschland  unter  den  Germanenschadeln  Vorkom- 
men , befinden  sich  noch  in  dieser  Sammlung  meh- 


rere kleine  Schädel  der  Steinzeit,  die  ohne  die 
über  den  Umriss  des  Hinterhauptes  plötzlich  vor- 
springende  Hinterhauptasch uppe  in  hohem  Grade 
brachycephal  sein  würden.  Viele  zeigen  eine  auf- 
fallende Höhe  der  hinteren  Scheitelgegend  und  eine 
hochgestellte  Schuppe  des/ Hinterhaupts  und  häu- 
figes Vorkommen  von  Schaltknochen  in  der  Lambda- 
naht. Einer  hat  ein  Loch  in  der  Mitte  des  Schei- 
tels; es  ist  nach  dem  Tode  gemacht  und  ausge- 
schliflen,  wie  das  normale  Knochengewebe  im  Um- 
fang desselben  und  der  am  Rande  des  Loches  nicht 
verdünnto  Knochen  zeigen;  es  diente  wahrschein- 
lich dazu,  den  Schädel  mit  einem  Querholz  als 
Trophäe  aufzuhängen.  So  thun  es  noch  heute  viele 
wilden  Völker.  Jener  alte  Fund  lässt  uns  aber  an 
die  Schilderung  Strabo’s  denken,  wenn  er  erzählt: 
„Die  Belgier  haben  den  Gebrauch,  wenn  sie  aus 
einem  Kriege  zurückkehren , die  Köpfe  ihrer  er- 
schlagenen Feinde  an  den  Nacken  der  Pferde  auf- 
zuhängen  und  sie  zur  Schau  über  ihren  Ilausthüren 
anzunageln.  Posidonius  sagt,  er  habe  dies  oft 
gesehen.  Die  Köpfe  der  getödteten  Vornehmen 
bestreichen  sie  mit  Gedernöl  und  bewahren  sie  auf.“ 
i)  In  der  Sammlung  des  Prof.  Stoenstrup  sah 
ich  endlich  noch  mehrere  alte  Dänenschädel,  die  in 
d»r  runden  Schädelforra  sowie  in  der  Gesichtsbil- 
dung  mehr  oder  weniger  den  I*appentypus  wahr- 
nehmen Hessen;  sie  verriethen  eine  bessere  Hirn- 
entwicklung als  andere  dolichocephale  Schädel,  die 
mich  an  den  Bau  der  iu  den  deutschen  Reihengrft- 
bern  bestatteten  Germanen  erinnerten.  Noch  am 
meisten  unterscheidet  sich  das  Gesicht  der  Stein- 
schädel von  dem  der  heutigen  Lappen  durch  die 
stärkeren  Brauenhöcker  und  die  mehr  vorspringende 
Nase.  So  sind  denn  die  bracbyoephalen  Schädel 
in  den  Sammlungen  Kopenhagens  zahlreich  genug 
uud  die  Lappenahulichkeit  vieler  derselben  so  be- 
stimmt ausgesprochen,  dass  mit  allem  Recht  von 
einer  den  I>appen  nahverwandten  Urbevölkerung 
des  Landes  die  Rede  sein  kann.  Dies  Ergebniss 
der  Craniologie  stimmt  mit  den  ältesten  geschicht- 
lichen Nachrichten  überein  und  wird  durch  die 
vergleichende  Sprachigrschnng  bestätigt.  Ob  aber 
diese  I*appen  oder  ein  anderes  Volk  die  grossen 
St  ein  denk  male  errichtet,  dies  zu  entscheiden  muss 
weiteren  Untersuchungen  Vorbehalten  bleiben.  N i 1s- 
so n giebt  an,  dass  auch  in  den  skandinavischen 
Torfmooren  zuweilen  Schädel  gefunden  worden  seien, 
die  dem  lappischen  Stamme  anzugehören  schienen  *)• 


*)  Ich  selbst  besitze  durch  die  Güte  der  Fräulein 
Msstorf  einen  Schädel,  der  in  der  Kudener  Niede- 
rung iu  Holstein  In  12  Fürs  Tiefe  unter  Torf  und 
Hehlick  auf  dein  Sande  gefunden  wurde;  er  ist  rund- 
lich, die  Schläfen  stark  gewölbt,  und  wiewohl  die  Hin- 
terhauptmehuppe  sackartig  vorspringt , lietrngt  sein 
Iudex  doch  8.1*5,  «bis  Gesicht  entspricht  indessen  nicht 
ganz  dein  der  Lappen.  Vergl.  N ilssou.  Jlas  Kteinalter. 
Hamburg  1868.  8.  146. 


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352 


Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


Bruzelius  erklärt«  mir  persönlich,  (lass  mehrere 
der  in  Schonen  gefundenen  und  in  Lund  aufhe- 
wahrten  alten  Grabsehädel  klein  und  rundlich  seien, 
wiewohl  dies  aus  eeineu  Messungen  nickt  mit  Sicher- 
heit hervorgeht.  Ich  pflichte  Virchow  bei,  wenn 
er  die  Ansicht  ansspricht,  dass  auch  die  heute  un- 
ter den  Dänen  am  meisten  verbreitete  Schädelform 
die  brachycephale  sei.  Breite  Gesichter,  ein  ge- 
wisses Vortreten  der  Augenbrauengegend,  hohe, 
etwas  fliehende  Stirnen  sieht  mau  häutig.  Der  im 
anatomischen  Museum  bewahrte  Dänenschädel  aus 
dem  vorigen  Jahrhundert,  mit  starken  Braaenwül- 
steil,  liegender  Stirne  und  überhaupt  schlecht  ent- 
wickeltem Hirntheil  gleicht  in  der  That  dem  Ty- 
pus von  Borreby,  wie  auch  Virchow  angiebt.  ln 
der  Sammlung  des  Herrn  Schölling  in  Hamburg 
sab  ich  ebenfalls  einen  kleinen  Schädel  mit  starken 
Brauen  Wülsten,  der  von  einem  alten  Kirchhofe 
Hamburg'»  stammte  und  den  kleinen  nordischen 
Schädeln  sehr  ähnlich  war.  Unter  den  zahlreichen 
in  Deutschland  gefundenen  Germanenschädeln  aus 
der  Römerzeit  oder  den  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderten, die  mir  durch  die  Hände  gingen  oder 
die  beschrieben  worden  sind,  begegnet  man  fast 
nur  der  dolichocephaleu  Form;  ein  anderes  gilt  von 
den  mir  bekaunt  gewordenen  Schädeln  der  älteren 
Vorzeit.  Doch  besitze  ich  von  einer  römischen 
Grabstätte  in  Cöln  einen  runden  hohen,  dem  bra- 
chycephalen  Typus  der  alten  Dänen  gleichenden 
Schädel;  noch  mehr  gilt  diese  Aehnlichkeit  von 
einem  im  Musoum  von  Wiesbaden  befindlichen 
runden  Schädel  mit  Stirnnaht,  auch  in  Bezug  auf 
die  Gesichtsbildung.  Auch  dieser  stammt  aus  der 
Böwerzoit.  Auch  in  Dänemark  herrschon  also  in 
der  Steinzeit  die  brachyceplialen  Formen  vor,  wie 
es  die  Messungen  Virchow’s  in  überraschender 
Weise  ergeben,  später  in  dem  Bronze-  und  zumal 
in  dem  Eisenalter  sind  die  Langköpfo  die  Regel, 
und  os  finden  sich  ßeispiolo  der  stärksten  Dolicho- 
ceph&lie.  In  letzter  Zeit  hat  die  Fruge  nach  der 
Race  der  Rennthiermenschen  in  Frankreich  und 
Belgien  die  Forscher  viel  beschäftigt.  Die  von 
Dupont  in  der  Höhle  von  Frontal  gefundenen  bei- 
den Schädel  werden  zu  den  Bracbycephalen  ge- 
zählt, von  dem  einen,  der  weiblich  ist  und  progna- 
thes  Gebiss  hat,  kann  diese  Bezeichnung  kaum  als 
richtig  gelten,  wohl  aber  von  dem  andern,  dessen 
Index  nach  meiner  Messung  80'6  beträgt  und  des- 
sen korzer  Oberkiefer,  gerades  Gebiss,  Form  des 
Zahnbogens  und  der  Augenhöhlen,  weniger  aber 
das  Hinterhaupt  an  die  Bildung  der  Lappen  erin- 
nern. Noch  entschiedener  zeigt  sich  ein  mongoli- 
scher Typus  nach  Pruner-bey  an  einigen  der  mit 
diesen  zugleich  aufgefundenen  Schädelbruchstücke. 
Die  von  Dupont  erforschte  Höhle  von  Rosette  lie- 
ferte einen  noch  mehr  brachycephnlen,  aber  unvoll- 
ständigen Schädel  mit  einem  Index  von  86.  Bei 
Professor  van  Hone  den  sah  ich  1860  ein  Os  fron- 


tale, hei  Bois  d’Angres  im  Diluvium  gefunden,  des- 
sen Stirnwulste  wie  beim  Mongolen  schief  von 
innen  nach  aussen  und  aufwärts  gerichtet  waren. 
Das  Stirnbein  von  Abbeville,  welche«  mir  Quatre- 
fages  in  Paris  vorlegte,  gehört  einem  Brachyce- 
phalen  an,  ea  ist  breit,  in  der  Gegend  der  Sut  coro- 
nalis  etwas  eingedrückt,  die  Nasenwurzel  ist  eben- 
falls breit,  die  Glabelln  wie  blasig  aufgetriebeu,  die 
Nasenbeine  platt,  die  Braueuwülste  kleiu.  Der  von 
mir  beschriebene  Schädel  von  Bamberg,  welcher 
18  Fass  tief  gefunden  wurde,  lässt,  obgleich  er 
durch  einseitige  Synostose  in  hohem  Grade  schief 
ist,  doch  die  brachycephale  Form  erkennen,  Bein 
Index  ist  89*1.  Auch  der  von  mir  geschilderte, 
bei  Plau  in  Mecklenburg  mit  knöchernen  Geräthen 
ti  Fuss  tief  im  Kies  gefundene  Schädel  (vgl.  Mül- 
ler’« Archiv  1858,  S.  453),  dessen  Fund  eine  ho- 
ckende Stellung  der  Leiche  wahrscheinlich  machte, 
ist  rund  und  hat  ein  gerades  Gebiss;  denselben 
Typus  zeigt  das  Bruchstück  eines  mit  vielen  an- 
deren Gebeinen,  die  hockend  bestattet  waren,  in 
dem  Kegelgrabe  von  Schwaan  gefundenen  Schädels. 
Vielleicht  gehört  hierher  auch  die  im  grossen  Torf- 
moor bei  Fehrbellin  gefundene  Hirnschale,  die  für 
ein  Trinkgefass  gehalten  wird  und  nach  Masch 
ganz  dem  Schädel  von  Plau  gleichen  soll.  Jahrbuch 
des  Vereins  für  mocklenb.  Gesch.  XIV,  1849,  S.  301. 
Endlich  erwähne  ich  der  alteu  Grabstätte  von  Uelde 
in  Weetphalen  aus  der  Steinzeit.  Unter  einer 
grossen  Zahl  von  Schädelbruchstücken,  die  mehr 
als  20  Menschen  angehörten,  befinden  sich  mehrere, 
aus  denen  auf  brachycephale  Form  geschlossen  wer- 
den kann,  an  den  Gesicbtsknochen  sind  breite  Na- 
senwurzel, flachgestellt o Nasenbeine,  kurze  Ober- 
kiefer, platter  Nasengrund,  kleine  Zitsenfortsätze 
solche  Merkmale,  welche  auch  an  den  kleinen  run- 
den Schädeln  des  Nordens  Vorkommen.  Es  darf 
also  wohl  nach  allen  diesen  Fanden  die  Behaup- 
tung aufgestellt  werden , dass  von  den  ältesten 
Schädeln  der  Vorzeit  in  Europa  bei  Weitem  die 
meisten  Rrachycephalcn  sind.  Als  Ausnahmen  die- 
ser Regel  sind  also  der  Ncanderthaler-,  der  En  ge- 
schadet und  einige  andere  zu  betrachten.  In  Ko- 
penhagen war  Gelegenheit  gegeben,  eine  andere 
Frage  in  Ueberlegnng  zu  ziehen,  die  oft  aufgeetellt 
und  verschieden  beantwortet  worden  ist,  ob  näm- 
lich Lappen  und  Finnen  zu  einem  Volke  gehören 
oder  von  ganz  verschiedener  Herkunft  sind,  diese 
Indogormancn,  jene  Mongolen.  Retzius  hält  die 
Finnen  mit  Andern  für  die  Nachkommen  der  Scy- 
then.  Schon  Schoffor  sagte  aber  in  seiner  I.ap- 
ponia  1673,  sie  seien  dasselbe  Volk,  ihre  Verschie- 
denheit müsse  der  Lebensweise  und  dem  Klima  zu- 
geschriebeii  werden.  Die  zahlreichen  historischen 
Belege  für  die  Verwandtschaft  beider  Stämme  hat 
Prichard  zusammengestellU  Allerdings  ist  der 
Schädelbau  beider  verschieden,  doch  nicht  so  sehr, 
dass  nicht  eiue  Abstammung  der  Finneu  von  deu 


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Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


Luppen  möglich  wäre.  Auch  Virchow  nennt,  wie 
Kctzius,  den  Finnensch&del  brachycephal  und  or- 
thognath,  welches  auch  die  allgemeine  Form  des 
Lappenschädels  ist,  den  Breitenindex  giebt  jener 
zu  H0'3,  dieser  zu  80‘9  an.  Ketzius  sagt:  «der 
FinnenBchädel  unterscheidet  sich  vom  Lappenschä- 
del durch  stärkeren  Knochenbau,  grössere  Augen- 
brauenhöcker, .stärkere  Zitzenfortsätze,  er  hat  ein 
längeres  Gesicht  und  ein  kugelrundes  Hinterhaupt, 
die  Scheitel höckcr  liegen  mehr  nach  hinten  und 
zwischen  ihnen  liegt  die  grünste  Schädelbreite“. 
Dagegen  erinnert  die  breite  Nasenwurzel,  die  vier- 
eckige, wenn  auch  grössere  Getön ung  der  Augen- 
höhlen, das  gerade  Gebiss  an  den  Lappen.  Betrach- 
tet man  die  Abweichungen  genauer,  so  köunen  sio 
alle,  auch  die  von  Virchow  angeführte  Hache 
Schläfengegend,  auf  stärkere  Muskelwirkung  bezo- 
gen werden.  Die  vorBpringenden  Augen  brau en- 
wulhte  und  Scheitelbeinhöcker  des  Finnen  können 
schon  deshalb  nicht  als  unterscheidende  Kaconmerk- 
male  betrachtet  werden , weil  sie  auch  bei  den  den 
Lappen  stammverwandten  asiatischen  Mongolen, 
z.  B.  den  Kalmücken  und  Kosacken,  verkommen. 
Das  grössere  Gesicht  der  Finnen  deutet  auf  eine 
höhere  Gestalt  derselben;  der  längere  Kiefer  giebt 
aber  auch  der  Oeffnung  der  Augenhöhlen  eine  an- 
dere Form,  er  zieht  den  untern  Rand  gleichsam 
herab  und  macht  sie  grösser.  Ehe  Langer  darauf 
aufmerksam  machte,  duss  hei  den  Kiesen  die  Höho 
der  Kiefer  bedeutend  vorgrössert.  ist,  war  mir  an 
Lebenden  wie  an  Ilacesckädeln  eine  Beziehung  der 
Länge  des  Oberkiefers  zur  Länge  der  Gliedmassen 
uufgefallen,  man  wird  dadurch  an  die  Deutung  der 
Kiefer  als  Kopfglieder  erinnert.  Die  Zwergbildung 
macht  indessen  von  diesem  Gesetz  eine  Ausnahme, 
im  Gesicht  der  Zwerge  fallt  gerade  die  Breite  de« 
Raumes  zwischen  Muud  und  Nase  auf.  Die  kurzen 
Kiefer  der  Lappen  und  der  runden  alten  Dänen- 
schädel lässt  auf  geringe  Körpergrösse , die  schwa- 
chen Muskeleindrücke  auf  geringe  Körperstärke 
schlieeseu;  damit  stimmen  die  ältesten  Nachrichten 
über  die  Urbewohner  Dänemarks , die  als  ein  un- 
kriegerisches Volk  bald  den  Eroberern  erlagen.  Denkt 
man  sich  einen  den  Lappen  verwandten  Stamm, 
der  durch  andere  Lebensweise  seine  Ernährung 
verbesserte,  eine  höhere  Körpergestalt  erlangte, 
seine  Muskelkraft  durch  Uelmng  stärkte  und  Fort- 
schritte in  der  geistigen  Entwicklung  machte,  so 
genügen  diese  Einflüsse,  um  die  Schädelform  in  der 
Weise  nmzu gestalten,  wie  sie  uns  bei  den  Finnen 
entgegentritt.  Die  Verwandtschaft  der  Lappen  mit 
den  asiatischen  Mongolen  kann  gar  nicht  in  Zwei- 
fel gezogen  worden.  Schon  Hetzius  fand  den 
Kalmiickenschädcl  von  stiirkerm  Knochenbau  als  den 
der  Lappen  und  den  Oberkiefer  grösser  und  brei- 
ter, aber  in  der  Hauptform  diesem  ähnlich.  Der 
Kosackenschädol  dos  anatomischen  Museums  in  Ko- 
penhagen hat  schwerere  dickere  Knochen,  aber  die- 

Art’hir  für  Anthropologie.  BS.  IT.  Heft  IT. 


selbe  Stirnbildung  und  Form  des  Oberkiefer«  und 
der  Wangenbeine  wie  der  der  Lappen  und  alten 
Dänen,  auch  den  glatten  Nasengrund,  seine  grösste 
Breite  fällt  aber  zwischen  die  Scheitel höcker. 

In  der  Abendsitzung  des  Cougresses  am  2. 
September  sprach  noch  Lorange  über  die  ältesten 
Denkmale  Norwegens;  er  findet  es  auffallend,  dass 
man  daselbst  wohl  einige  Stoiuwaflen,  aber  keine 
einzige  Grabstätte  derselben  Zeit  gefunden  habe. 
Auch  die  Spuren  des  Ilrouzealters  sind  sehr  selten. 
Aber  mehrere  Gräber  haben  eiserne  Waffen  und 
goldene  Scbmucksacheu  geliefert. 

Am  3.  September  sprach  zuerst  Nilsson  über 
die  Darstellung  menschlicher  Figuren  auf  dem  Mo- 
uumuute  von  Kivik  in  Schonen,  welches  er  der 
Bronzezeit  zuschreibt.  Dafür  spricht  schon  die 
Form  der  Wurf  heile,  die  neben  der  Pyra- 
mide des  Baal  abgebildet  Bind;  sie  sind  die  vom 
Sieger  der  Gottheit  dargebrachten  Weihgeschenk  e. 
In  einem  zweiten  Grabhügel  dieser  Gegend  fanden 
sich  auf  dem  sogenannten  Willfurasteine  dieselben 
Zeichnungen  und  ein  Stück  ebenso  verzierter  Bronze. 
Hebert  liest  hierauf  eine  Abhandlung  Nilsson’s 
über  den  Aufenthalt  der  Phüuizier  in  Nordeuropa. 
Desor  entwickelt  seine  Zweifel  in  Betruff  der  Auf- 
stellung einer  Bronzezeit.  Man  habe  örtliche  Vor- 
kommnisse zu  allgemein  gedeutet.  Wie  wird  sie 
eingeschränkt,  wenn  auch  der  geringste  Fund  von 
Eiiien  zur  Annahme  der  Eisenzeit  berechtigt!  Näher 
zu  erforschen  bleibt  immer,  woher  die  kunstreichen 
Bronzearbeiten  gekommen  sind,  die  man  beim  alten 
Alesia,  in  Hallstadt,  in  Ligurien  findet;  der  Handel 
damit  muss  vor  deu  Römern  durch  ganz  Europa 
verbreitet  gewesen  sein,  der  Mangel  an  Münzen 
aber  lässt  vermuthen , dass  dieser  Verkehr  vor  das 
4.  Jahrhundert  vor  Christ,  fallt,  denn  zu  dieser 
Zeit  waren  die  macedoniüchen  Münzen  schon  allge- 
mein in  Gebrauch.  Desor  sacht  den  Sitz  dieser 
Industrie  in  Oberitalien.  Bertrand  pflichtet  die- 
sen Betrachtungen  bei,  auch  in  Frankreich  sind  die 
schönen  Bronzogerätho  immer  von  Eisen  begleitet, 
selten  findet  mau  sie  allein.  Martin  glaubt,  dass 
das  erste  Eisenalter  in  Westeuropa  den  Namen 
«gallisches  Zeitalter“  tragen  müsse,  weil  die  Gal- 
lier damals  nicht  nur  in  Frankreich,  sondern  auch 
in  Oheritalien  und  ira  Donauthale  herrschten.  En- 
gelhard schildert  die  Eisenzoit  in  Dänemark,  zu- 
mal die  Funde  in  den  Torfmooren  und  Sümpfen 
Schleswigs;  es  lässt  sich  beweisen,  dass  eine  inlän- 
dische Metallindustrie  bestand;  zwischen  dem  3. 
und  5.  Jahrhundert  hat  aber  die  Kunst  Rückschritte 
gemacht.  Die  eisernen  Geräthe  ahmen  deutlich  die 
Form  der  bronzenen  nach.  E.  Chantre  legt  Bein 
Werk  über  das  Bronzealter  im  Norden  der  Dau- 
phine und  in  der  Umgebung  von  Lyon  vor;  von 
Interesse  sind  die  Funde  zahlreicher  zerbrochener 
Bronzesachen,  die  unzweifelhaft  zum  Umschmelzen 
bestimmt  waren,  sie  fanden  sich  in  der  Mitte  einer 
45 


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354 


Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen. 


Feuerstelle  und  zwischen  Bruchstücken  von  Töpfen; 
auch  hat  man  Bronzebarren  gefunden.  Er  berich- 
tet noch  über  eine  Arbeit  von  Perrin  über  Pfahl- 
baufunde in  Savoyen,  die  sich  im  Museum  von 
Chambery  befinden.  Quatrefagea  legt  den  Plan 
eines  alten  Lagers  bei  Cambo  in  den  Pyrenäen 
vor,  das  er  den  Iberiern,  nicht  den  Römern  zu- 
scbreibt.  Freiherr  von  Dücker  erwähnt  der  zahl- 
reichen Spuren  von  Pfahlbauten  in  den  Seen  Nord- 
deutsch lands,  deren  Pfähle  bei  niederm  Wasser  zum 
Vorschein  kommen.  Lerch,  Schaaffhausen  und 
Dupont  geben  Nachricht  über  das  Auffiuden  von 
Farbstoffen  in  alten  Grabstätten,  welches  auf  ein 
vordem  auch  in  Europa  übliches  Bemalen  des  Kör- 
pers schließen  lässt.  Schaaffhausen  schliesst 
hierauf  seinen  in  einer  früheren  Sitzung  begonnenen 
Vortrag.  Urechia  macht  hierauf  noch  Mitthei- 
lungen Ober  das  Eisenalter  in  der  Moldau.  Eine 
Reihe  von  bereits  angemeldeten  Vorträgen  konnte 
wegen  vorgerückter  Zeit  nicht  mehr  gehalten  wer- 
den, dieselben  werden  aber  in  dem  amtlichen  Be- 
richte über  die  Verhandlungen  des  Congresses  ab- 
gedruckt werden.  Es  wird  nun  beschlossen , die 
nächste  Versammlung  in  Bologna  abzuhalteu  und 
Graf  Gozzadini  zum  Vorsitzenden,  Graf  Cone- 
stahilc  und  Profeesor  Capellini  zu  Geschäftsfüh- 
rern derselben  ernannt.  Worsaae  schliesst  den 
Congress  mit  einigen  Worten  über  den  für  die  ar- 
chäologischen Studien  erlangten  glänzenden  Erfolg 
der  Verhandlungen.  Vogt  dankt  im  Namen  der 
Versammlung. 

Die  beiden  folgenden  Tage  wurden  noch  zu 
Ausflügen  benutzt,  um  cinigo  der  alten  dänischen 
Grabdenkmale  zu  besichtigen.  Dieselben  sind  ent- 
weder Steingräber  mit  länglichem  Hügel,  Lang- 
dysaer,  oder  solche  von  runder  Gestalt,  Rund-dyssor 
oder  grosse  Grabkammern,  Riesenstuben , Jaette- 
stuer  genannt,  auch  diese  sind  mit  einem  grossen 
Erdhügel  bedeckt,  dessen  Lehm  nicht  gelten  mit 
zerschlagenen  scharfkantigen  Kieselsteinen  ver- 
mengt ist,  um  Füchse,  Dachse,  Maulwürfe  und 
Scharrmäuse  von  den  Geheinen  der  Todton  fern  zu 
halten.  Zu  den  letzteren  gehört  das  Grabmal  von 
öem,  welches  am  4.  September  besucht  wurde.  Ein 
Gang  von  3 Meter  Länge  führt  von  Südwesten  her 
in  das  Innero.  DiesoB  ist  so  geräumig,  dass  20 
Personen  darin  aufrecht  stehen  können.  Einige 
glauben  deshalb,  dass  diese  Monumente  ursprüng- 
lich zu  Wohnungen,  und  später  erst  zur  Bestattung 
der  Todten  gedient  hätten,  was  indessen  wenig 


wahrscheinlich  ist.  Die  Wände  de«  Innern  sind 
durch  aufrecht  stehende  grosse  Steinplatten  gebil- 
det, deren  Zwischenräume  sorgfältig  mit  kleinen 
Steinen  ausgefüllt  Bind;  grosse  Platten,  die  mit 
ihrer  flachen  Seite  nach  unten  liegen,  bilden  die 
Decke.  Meist  sind  erratische  Blöcke  zu  diesen 
Bauten  verwendet  , hier  in  Öem  erkennt  man  an 
ihnen  deutlich  die  GletscherschlifTe.  Schon  vor 
100  Jahren  wurden  in  Dänemark  diese  Steindenk- 
roale  eröffnet.  Cazalis  de  Fondouce  führt  einen 
solchen  Bericht  aus  Panckoncke’s  Journal  de  polit. 
et  de  litterat.  vom  20. März  1778  an:  Bei  Odensee 
in  Fünen  fand  man  im  Felde  einen  Stein  von  un- 
geheurer Grösse,  als  man  ihn  in  Stücke  schlag,  kam 
eine  alte  Grabstätte  zum  Vorschein , die  von  vier 
anderen  Steinen  gebildet  war;  das  Innere  war  läng- 
lich viereckig  und  die  Wände  mit  Kieselstücken 
von  der  Form  der  Feuersteine  ausgekleidet,  diese 
waren  so  dicht  mit  einander  verbunden,  dass  man 
sie  für  eine  Fläche  halten  konnte;  im  Innern  fand 
man  Steinmesser  und  keilförmige  Steingerüthe,  also 
wohl  Steinbeile,  die  so  schneidend  waren  an  der 
scharfeu  Seite,  dass  man  das  Holz  eines  dicken 
Baumes  damit  zersplittern  konnte.  Nach  der  Be- 
trachtung des  Dolmens  bewirthete  in  dem  Herthathal 
unter  alten  Eichen,  wo  nach  Tacitus  der  Göttin 
Menschenopfer  gebracht  wurden,  der  Graf  von 
Holstein-Lethraborg  die  Gesellschaft,  die  dann 
auch  in  seinem  Schlosse  die  liebenswürdigste  Auf- 
nahme fand. 

Ara  5.  September  wurde  ein  Ausflug  zum  Dol- 
men von  Trollesminde  im  Norden  von  Seeland  ge- 
macht. Er  ist  100  Fugs  lang  und  30  Fuss  breit, 
die  nm  denselben  aufgestellten  Steine  bilden  ein 
Viereck.  Die  Grabkammer  ist  klein  und  war  nur 
zur  Aufnahme  eines  Todten  bestimmt;  sie  liegt  an 
der  östlichen  Seite  des  Hügels,  ein  zu  derselben 
führender  Gang  war  nicht  vorhanden.  Als  man 
den  obersten  Stein  von  Erde  entblösst  hatte,  fand 
sich,  dass  er  auf  zwei  Steinen  schwebend  ruhte. 
Zuweilen  findet  man  über  den  Gebeinen  und  Stein- 
waffen in  den  Dolmen  Aschenurnen  nufgestellt;  sie 
beweisen,  dass  daselbst  später,  in  der  Bronzezeit 
eine  zweite  Bestattung  statt  gefunden  hat.  Von 
hier  ging  es  an  der  schönen  Ruine  der  Friedrichs- 
bnrg  vorbei  nach  Elseneur  und  Marienlyst,  wo  eine 
den  Gästen  bereitete  glänzende  Tafel  zum  letzten- 
mal die  Mitglieder  des  Congresses  vereinigte,  de- 
nen der  Aufenthalt  in  Kopenhagen  unvergesslich 
bleiben  wird. 


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XXI. 


Kleinere  Mittheilungen. 


llistorische  Notiz  zur  Lehre  von  der  Speeiesbildung, 
mitgetheilt  von  W.  II  is. 

Bei  Aufzählung  der  Vorgänger  Darwin’ s 
pflegt  man  bis  anf  Lamarck  zurückzugehen,  wel- 
cher im  Beginn  unseres  Jahrhunderte  die  Um  Wand- 
lungsfähigkeit der  Species  gelehrt  und  hauptsäch- 
lich mit  Herbeiziehung  der  äussem  I^ebensbedin- 
gung  zu  begründen  versucht  hat.  Im  Verlauf  der 
in  diesem  Archiv  abgedruckten  Arbeit  über  die 
Geschichte  der  Zeugungstheorien  bin  ich  auf  einen 
älteren  Vorläufer  Darwin1»  gestoßsen,  welcher 
nicht  allein  das  Princip  der  Urobildbarkeit  der  For- 
men, sondern  geradezu  das  der  Speeiesbildung 
durch  Züchtung  auaspricht.  Es  ist  dies  der  be- 
kannte Präsident  der  Berliner  Akademie,  Mauper- 
tuis.  Derselbe  hat  im  Jahre  1746  anonym  ein 
elegant  und  offenbar  für  ein  grosseres  Publikum 
geschriebene»  Schriftchen:  „Venus  physique  ou  le 
negre  blancu  herausgegeben,  welches  eine  Darle- 
gung der  verschiedenen  Zeugungstheorien  enthält !). 
Das  dritte  Capitel  des  zweiten  Abschnitts  ist  über- 
schrieben: „Production  de  nouvelles  espices“,  und 
ich  erlaube  mir  nachfolgend  die  bemerkenswerthe- 
sten  Sätze  daraus  mitzutheilen.  Dieselben  klingen, 
trotzdem  dass  sie  vor  125  Jahren  geschrieben  sind, 
durchaus  modern,  und  das  einzige,  was  man  darin 
vermissen  wird,  ist  eine  allgemeinere  Durchfüh- 
rung des  Princips  der  Mitbewerbung  im  Kampf  ums 
Dasein.  Ich  sage  eine  allgemeinere  Durchführung, 
denn  für  den  besonderen  Kall  des  Menschen  macht 


*)  Venus  rhysique,  mein  KxcmpUr  ohne  Drucknrt  und 
Autornamen,  ist  vom  Jahre  1751  und  ab  6.  Auflage  bezeich- 
net. Nach  Haller’*  Bibi.  an.  erschien  die  1.  Auflage  1746. 
(Dies  scheint  kaum  glaublich;  die  uns  vorliegende  Ausgabe 
ist  als  5-  bezeichnet  und  vom  Jahre  1747.  Kcd.J  Kr  bemerkt 
dazu:  Cujus  fdurimue  sunt  editiones  etiun  sab  titalo  le 
negre  blaue.  Wie  die  Schreibweise,  so  ist  auch  die  Aus- 
stattung eine  zierliche.  Dies  Büchlein  ist,  wie  ans  dem 
Text  hervorgeht,  bei  Anlass  eines  in  Paris  vorgeieigten 
Negeralbino*  geschrieben  worden. 


Maupertuis  allerdings  von  dem  Princip  der  Mit- 
bewerbung Gebrauch,  und  erläutert  an  dessen  Hand, 
dass  hässliche  und  missgestaltete  Menschen  weni- 
ger leicht  sich  fortpflanzen  können  als  achönge- 
baute.  Im  Uobrigen  aber  misst  er  dem  Zufall 
jene,  boi  der  Specieaentwicklung  bestimmende 
Rolle  zu,  welche  man  jetzt  mit  Darwin  dem  mit- 
bewerbenden  Kampf  ums  Dasein  zuzutheilen  pflegt. 

„Ce  n’est  point  au  blanc  et  au  noir  que  se 
n'duisont  lee  Varietes  du  genre  humain,  on  en 
trouve  mille  autres;  et  eellea  qui  frappent  le  plus 
notre  vue,  ne  coütent  peut-etre  pas  plus  ä la  Na- 
ture, que  edles,  que  nous  n’aper^evons  qu’ä  peine. 
St  Pon  puuvait  s’ou  assurer  par  des  expcriences 
decisives,  peut-etre  trouverait  on  aussi  rare  de 
voir  naitre  avec  des  yeux  bleus  un  enfant,  dout 
tous  les  anevtres  auraient  eu  les  yeux  noirs,  qu’il 
Pest  de  voir  naitre  un  enfant  blanc  de  parenta  ne- 
gres. 

Les  enfants  d’ordinaire  ressemblent  k leurs 
parens,  et  leB  varietes  meine  avec  lesquels  ils 
naissent  sont  souvent  des  effeta  de  cette  ressem- 
blance.  Cos  Varietes,  si  on  les  pouvait  auivre, 
auraient  peut-Hres  leur  origine  dans  quelque  an- 
cetre  inconnu.  Elles  se  perpetuent  par  des  gene- 
rations  repeteee  d'individus,  qui  les  ont;  et  s'offa- 
cent  par  des  generations  d'individus,  qui  ne  les 
ont  pas.  Mais  cc  qui  est  peut-etre  encore  plus 
ctonnant,  c'cat,  apres  une  interruption  de  ces  Va- 
rietes, de  les  voir  reparaitre;  de  voir  Penfant  qui 
ne  reesemble  ni  ä son  pere,  ni  u sa  mere,  naitre 
avec  les  traits  de  son  ayeul.  Ces  faits,  tout  mer- 
veilleux  qu'ils  aont,  aont  trop  frequens  pour  qu'on 
les  puisse  revoquer  en  doute. 

La  Nature  contient  Io  fonda  de  toutos  ces 
Varietes,  mais  le  hazard  ou  Part  lea  mettent  en 
oeuvre.  C’est  ainsi  qne  touB  ceux,  dont  Pindustrie 
a’&pplique  ä aatisfaire  le  goüt  des  curieux  sont, 
pour  ainsi  diro  createurs  d’especes  nouvelles.  Nous 
voyons  paraitre  des  rayea  de  chiens,  de  pigeona,  de 
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356 


Kleinere  Mittheilungen. 


serins  qui  nVdaiont  point  auparavant  dans  la  nature. 
Ce  nVmt  eto  d’abord  que  den  individus  fort  ui  ts; 
Turt  et  los  generations  repetee»  eu  ont  fait  dee 
especes.  Le  fameux  Lyonnais  creait  tous  los  aus 
queli ju’  eepfcoe  nou veile,  ot  detruisait  celle  qui 
n'etait  plus  h la  mode.  11  corrigeait  les  forme«  et 
variait  les  couleurs  il  & invente  los  especes  de 
PArlequin,  du  Mopse  etc.  Pourquoi  Part  so  boruo- 
t-il  aux  animaux?  Pourquoi  ces  sultans  binar* 
dans  des  serails.  qui  ue  renferment  que  des  femmes 
de  toutes  les  especes  connue«.  ne  se  font  il  pas 
faire  des  especes  nouvelles?  Si  j'etais  mluit  comme 
eux  au  seul  plaisir  que  peuvent  dünner  la  forme 
et  les  traits,  j’aurais  bientot  recours  i»  ces  Varie- 
tes.  Si  nous  ne  voyons  pas  se  fornier  parmi 

nous  de  ces  especes  nouvelles  de  beautes,  nous  ne 
voyons  que  trop  souvent  des  productions,  qui  pour 
le  Physicien  sont  du  memo  gerne,  des  rages  de 
louches,  de  boiteux,  de  goutteux,  depbysiquee;  mal- 
heureusement  il  nefautpas  ponr  leur  etablissement 
une  longue  suite  de  generations.  Mais  la  sage 
nature  par  le  degout  qti’elle  a inspire  pour  ces 
defauts.  n’a  pas  voulu  qu’ils  se  perpetuassent;  les 


beautes  sont  plus  süreraent  hereditaires , la  taille 
et  la  jambe  que  nons  admirons,  sont  Pouvrage  de 
plusieurs  generations  ou  Pon  s’est  applique  k les 
formen 

Un  Roi  du  Nord  e«t  parvenu  a olever  et  ä 
embellir  sa  nution.  11  avait  un  goüt  excessif  pour 
les  boimnes  de  haute  taille  et  de  belle  fignre;  il 
les  attirait  de  par-tont  d#ns  son  royaume;  la  for- 
tune  rendait  heureux  tous  ceux  que  la  nature  avait 
formes  grauds.  On  voit  aujourd’hui  un  exemple 
singulier  de  la  puissance  des  rois.  Cette  nation  se 
distingue  par  les  taille«  les  plus  avantageuses  et 
par  les  fi  pures  les  plus  reguliere«,  C’est  ainsi  qu’on 
voit  s’elover  une  foret  au  dessus  de  tous  le«  boi«, 
qui  Penvironnent , si  l’ocil  attentif  du  maitre  Pap- 
plique  a y cultiver  des  arbres  droits  et  bien  choisis. 
Le  chene  et  l’orme  porös  des  feuilloges  le»  plus 
verds,  poussent  leur  branches  jusqu'au  del;  Paigle 
seul  en  peut  atteindre  la  eime.  Le  succe«seur  do 
ce  roi  (es  ist,  wie  man  sieht,  Friedrich  II.  gemeint) 
embellit  aujourd'hui  la  foret  par  les  lauriera*  les 
myrtes  et  les  fleurs.“ 


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XXII. 

Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


I 

Urgeschichte. 

(Von  C.  Vogt.) 

Der  Bericht  umfasst  Alles,  was  mir  bis  Ende  März  1871  zugekomnien.  Er  dürfte  diesmal  etwas 
mager  au&fallen.  Die  wissenschaftliche  Production  in  unserem  Gebiete  hat  seit  dem  Bcgiuue  des  Krieges 
in  Frankreich  gänzlich,  in  Deutschland  grossentheils  gefeiert.  In  England  hat  die  Etlinological  Society 
unter  II  uxley’s  Vorsitz  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen,  während  durch  den  Tod  vonDr.  James 
Hunt  die  Anthropological  Review  wahrscheinlich  eingegangen  ist  und  nur  das  Journal  of  Anthropology 
als  Organ  der  Gesellschaft  weiter  erscheint.  In  Deutschland  zeichnet  sich  die  Berliner  Gesellschaft  durch 
besondere  Thätigkeit  aus,  während  die  Wiener  Gesellschaft,  die  leider  nicht  mit  der  allgemeinen  deutschen 
Gesellschaft  in  Verbindung  getreten  ist,  weniger  hervortriti.  Mit  besonderer  Freude  darf  man  das  Er- 
scheinen eines  neuen  Organes  in  Italien  unter  Leitung  von  Mantegazza  und  Finzi  begrüssen.  Möge 
das  Archivio  per  1‘Antropologia  e laEtnologia  unter  seinen  Landsleuten  wie  in  der  Fremde  die  Aufnahme 
finden,  die  es  verdient  und  zu  weiterem  Wirken  nöthig  hat. 


Deutschland. 


Benecke.  Zwei  altperuanische  Schädel.  Berliner 
A nthropologische  Gesellschaft,  9.  Jnli  1870.  (Zeit- 
schrift für  Ethnologie,  Vol.  II,  S.  455.) 

Südlich  tot»  Yqnlqne,  aus  einem  Grabe  in  jetzt  unbe- 
wohnbarer waszerloser  Gegend.  Künstlich  deform irt. 
Dabei  ein  mit  einem  Loch  durchbohrter  Stein  (Netzbe- 
schwerer 7)  und  halbverkohlte  Gegenstände. 

L.  Büchner.  Die  Stellung  des  Menschen  in  der 
Natur,  in  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft. 
3 Theile. 

Populäre  Vorlesungen. 

Boue,  Dr.  Ami.  Aufzählung  von  Tumuli  oder 
alten  Grabhügeln  in  der  europäischen  Türkei. 
(Mittheil,  der  Anthropolog.  Gesellschaft  in  Wien, 
Bd.  I,  S.  156  — 158.) 

Breuner,  Graf  A.  Archäologischer  Fund  bei  Kamp 
in  Niederösterreich.  (Mittheil,  der  Anthropolog. 
Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  1,  S.  42.) 

Fund  einer  keltischen  oder  arari sehen  Handmahlmühle. 

Copcland.  Ueber  Steinwerkzeuge  und  Schädel- 
funde in  Ostgrönland.  Berliner  Anthropologische 
Gesellschaft,  15.  October  1870. 

Viele  alto  Winterhütten  auf  Klein  - Pendulom  und 
Clavering-lnsct,  darin  zerbrochene  Gegenstände.  Ganze 
in  Gräbern.  Schöne  Pfeilspitzen  aus  Stein,  Messer«, 
Pfeil-  und  Lanzenspitzen  aus  Knochen,  durchbohrte  Wal- 
rossaähtie.  Die  Gräber  mit . Steinkreisen  umgehen;  Ske- 
lette in  hockender  Stellung  darin. 


von  Dechen.  Geschliffene  Steinbeile  von  Saar- 
brück  und  Trier.  (Correepondenzblatt  Nr.  8. 
Dezember  1870.) 

von  Düeker.  Fundgegenstände  aus  westphäliachen 
Höhlen.  Berliner  Anthropologische  Gesellschaft, 
12.  März  1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd. 
II,  1870,  S.  170.) 

St  rin  Werkzeuge  und  bearbeitete  Knochen  aus  den 
Höhlen  von  Balve,  Klusenstein,  Friedrichshulde  und 
hohlem  Stein.  Vlrehow  legt  unzweifelhaft  gesägte 
Hirschhorngeweihe  vor  aus  der  Käaenbecker  Höht«. 

von  Düoker.  Rcnnthierreste  aus  dem  Hönnethale, 
Berliner  Anthropologische  Gesellschaft , 14.  Mai 
1870,  8.  272. 

Legt  eine  grosse  Menge,  seiner  Meinung  nach  ab- 
sichtlich zerschlagener  Stücke  von  jungen  Kennthierge- 
weihen  vor. 

von  Düeker.  Ueber  die  W estphftl »sehen  Knochen- 
höhlen. Berliner  Anthropologische  Gesellschaft, 
10.  Dezember  1870. 

Referat  noch  nicht  beendet.  Hält  «eine  Ansicht  über 
deutliche  Mene  wpuren  aufrecht. 

Ebers.  Ueber  die  ethische  Stellung  der  alten  Aegyp- 
ter.  (Correspondenablatt  Nr.  2,  Februar  1871.) 

A.  Ecker.  Die  Höhlenbewohner  der  Rennthier- 
zeit von  les  Eysieft.  (Archiv  für  Anthropologie, 
Bd.  IV,  S.  109.) 


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358 


Verzeichnis  der  anthropologischen  Literatur. 


Engelhardt.  Die  Steingräber  in  Dänemark  und 
Schweden.  (Correspondenzblatt  Nr.  1 , Januar 
1871.) 

E.  Fisoher.  Ein  in  grosser  Tiefe  gefundenes  Kno- 
chengeräth.  Berliner  Anthropologische  Gesell- 
schaft, 15.  October  1870. 

Knochensäge  von  2 Dcclnictcr  Länge  unter  5 Kuss 
Tort*  und  10  Fuit  Kalk  darunter,  in  Georgenhuf  bei 
Neustrelitz  gefunden.  Macht  den  Eiudruck,  wie  ge- 
wisse Instrumente  aus  der  Kennthierzeit  Südfrankreichs. 

Fonck.  Die  Indier  des  jetzigen  Chile  von  sonst 
und  jetzt.  Berliner  Anthropologische  Gesellschaft, 
2.  April  1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd. 
II,  S.  284.) 

Vergleichung  der  untergegangeuen  Bevölkerungen 
mit  der  jetzigen.  Der  Nachweis  von  Kuchenabfallen 
(Curantos)  besonders  interessant. 

Foster.  Alter  des  Menschen  in  Nordamerika. 
(Correspondenzblatt  Nr.  8,  Dezember  1870.) 

Friedei,  Ernst.  Ausgrabungen  bei  Ystad.  (Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin 
1870,  V.  Bd.,  S.  182—183.) 

Fuhlrott.  Höhle  von  Grevenbrück.  (Corrospon- 
denzblatt  Nr.  8,  Dezember  1870.) 

R.  Hartmann.  Studien  zur  Geschichte  der  Haus- 
siere. (Zeitschrift  fflr  Ethnologie.  I.  Das  Ka- 
mee!, Bd.  I,  S.  66,  232,  353;  Bd.  II,  123.  Das 
Rennthier,  Bd.  II,  S.  211.) 

Durch  Form  und  Inhalt  gleich  ausgezeichnete  Ab- 
handlungen, die  auf  alle  bezüglichen  Kragen  cingehen 
und  die  man  iiu  Einzelnen  nachles^n  muss. 

Hartmann.  Schanze  am  Daher  See.  Berliner  An- 
thropologische Gesellschaft,  9.  Juli  1870.  (Zeit- 
schrift für  Ethnologie,  Bd.  II,  S.  468.  Plan  im 
Holzschnitt.)  , 

Knochen,  meist  von  liauMhieren,  zum  Theil  bearbei- 
tet, Topfsi-herbcn , Eisem-lchel.  Die  Ornamente  mit  de- 
nen der  Scherben  von  den  Burgwüllen  identisch. 

Hauchocorne.  Chemische  Untersuchung  der 
Schlacken  von  den  oberlausitzischen  Bergwällen. 
Berliner  Anthropologische  Gesellschaft,  9.  Juli 
1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd.  II,  S.  461.) 

Aus  dieser  Untersuchung , sowie  aus  weiter  von 
Alex.  Braun  undVircbow  vorgcbraehten Thatsadien 
geht  unzweifelhaft  hervor,  dass  dio  Wälle  durch  An- 
brenuen  der  mit  Holzscheiten  versetzten  Unsaltstücke 
geschmolzen  wurden.  Wahrscheinlich  stammen  sie  aus 
der  Eisenzeit. 

Hans  Hildebrand-Hildebrand.  Gesichtsurne  aus 
Cvperu.  Holzschnitt.  Berliner  Anthropologische 
Gesellschaft,  15.  October  1870. 

Befindet  sich  in  Wien. 

Hoaius.  Rennthierreate  auf  dem  akademischen 
Museum  zu  Münster.  Berliner  Anthropologische 
Gesellschaft,  9.  Juli  1870.  (Zeitschrift  für  Eth- 
nologie, Bd.  II,  S.  457.) 

'Meuten*  bei  Correction  der  Flussbetten  gefiirnii-n. 
Mit  einem  .Stücke  wurden  Mammuthknoehen , ein  Bi- 
bcrscliädel , rohe  Topische rben , geschliffene  Steinwaffen 


und  bearbeitete  Hirschgeweihe  gefunden.  Es  scheint 
mir  unzweifelhaft,  dass  man  es  hier  mit  Allnviatschich- 
teu  zu  tliun  hat , in  welche  aus  zerstörten  Diluvial- 
scbichten  Knochen  hineingewaschen  wurden. 

L.  Kleinwächter.  Schädel  aus  einer  alten  Grab- 
stätte in  Böhmen.  12  S.,  4 Holzschnitte. 

Bei  Saaz  gefunden.  Dolichocephal. 

Könyöki.  Muschel  berge  in  Ungarn.  (Correspon- 
denzblatt  Nr.  3,  Juli  1870.) 

Kunth.  Funde  aus  vorhistorischer  Zeit  in  der 
Umgegend  von  Berlin  und  Rom.  Berliner  Anthro- 
pologische Gesellschaft,  2.  April  1870.  (Zeitschrift 
für  Ethnologie,  Bd.  II,  S.  237.) 

l’olirtes  Feuersteinst  fick  und  Schleifstein  aus  Sand- 
stein vom  Kreuz  berge.  Bericht  über  Kossi’s  und 
Ponzi’s  Funde  aus  der  Steinzeit  bei  Rom. 

von  Lodebur.  Ueber  die  roeis.selartigen  Bronze- 
werkzeuge der  vaterländischen  Altorthumskunde. 
Berliner  Anthropologische  Gesellschaft.  12.  Fe- 
bruar 1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd.  II, 
1870,  S.  166.) 

Der  Celt  oder  Pslstsb  sei  die  Framea  der  alten 
Deutschen. 

R.  Lepsiua.  Ueber  die  Annahme  eines  sogenann- 
ten prähistorischen  Steinalters  in  Aegypten.  Mit 
einer  photographischen  Tafel.  Berlin  1870.  Se- 
paratabdruck aus  der  Zeitschrift  für  ägyptische 
Sprache  und  Altertlmoiakuude,  August  1870. 

Fcucrstcinuu'sser  aus  Gräbern  finden  sich  iu  Berlin. 
Die  Feuersteinknollen  springen  unter  dem  Einflüsse  der 
Temperatur  Wechsel.  Ob  ab»*r  die  von  Arcelin,  Le* 
nur  man  t und  Hamy  gefundenen  Gegenstände  nnch 
Lepsius'  Ansicht  Natur-  oder  Kunstprodukte  sind,  ob 
derselbe  eine  Steinzeit  für  Aegypten  annimmt  oder 
nicht,  ist  mir  wenigstens  nicht  klar  geworden. 

Lindonschmit.  Bemerkungen  zu  der  antiquari- 
schen Untersuchung  von  Dr.  v.  Maak.  (Archiv 
für  Anthropologie,  Bd.  IV,  S.  39.) 

J.  M.  Das  ältere  Eisenalter  in  Skandinavien. 
(Correspondenzblatt  Nr,  7,  November,  Nr.  8, 
Dezember  1870.) 

Mannhardt.  Ueber  die  Pomerelli  Rehen  Gesichts- 
urnen. Berliner  Anthropologische  Gesellschaft, 
14.  Mai  1870,  S.  244. 

Die  »ogeriannte  Kunen-Urue  von  Danzig  sei  eben  Call* 
eiue  Gesichtsurnc.  Manu  har  dt  sucht  aus  der  Form 
de»  Bartes,  der  Ornamente,  der  Darstellung  einer  Kauri- 
Muschel  (Cypriua  moneta  etc.)  nachxuweisen , dass  die 
mit  Virchow  in  die  Uebergaogszeit  zwischen  Bronze- 
und  Eisenzeit  zu  setzenden  Gesiclitsumcn  orientalischen, 
speciell  alt-phönik »sehen  Ursprungs  seien. 

L.  Moyn.  Wahrscheinlich«  Pfahlbauten  am  Kq* 
den-See.  Berliner  Anthropologische  Gesellschaft. 
16«  October  1870. 

Im  südlichen  Holstein.  Im  See  östlich  von  Burg 
und  zwischen  Burgsalz  und  Kuden  dichte  Ffahkoin- 
plexc,  dazwischen  unendlich  viele  Knochen  und  13  Lei- 
chen in  aufrechter  Stellung.  Die  aufbewahrten  Aachen 
au*  dem  späten  Mittelalter. 

Much,  Dr.  Mathaua.  Geber  die  urgcschichtlichen 


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359 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Ansiftdlungcn  am  M&unhartsgebirge.  (Mittb.  der 
Anthrop.  Gecellscb.  in  Wien,  Bd.  I,  S.  131 — 139.) 

Karl  MüllenhofF.  Deutsche  Alterthumskunde. 
Bd.  I.  Mit  einer  Karte  von  Kiepert.  Berlin  1870. 
(Correspondenzblatt  Nr.  2,  Februar  1871.) 

Chr.  Petersen.  Noch  einmal  die  Framca  unserer 
Vorfahren.  (Correspondenzblatt  Nr.  1 , Januar 
1871.) 

Carl  R&u.  Steinerne  AckerbaugerAthe  der  nord- 
amerikanischen  Indianer.  (Archiv  für  Anthro- 
pologie, Bd.  IV,  S.  1.) 

Sandberger,  F.  lieber  die  bisherigen  Funde  im 
Würzburger  Pfahlbau.  (Archiv  des  historischen 
Vereins  in  Wtirzburg  1870.) 

SohaafThauaen.  Von  Ilm.  v.  Dücker  aus  Urnen 
bei  Saarow  gesammelte  Reste.  (Correspondenz- 
blatt  Nr.  8,  Dezember  1870.) 

SchaafHinußon.  Instrumente  aus  dem  See  von 
Warnitz  in  der  Neumark.  (Correspondenzblatt 
Nr.  8,  Dezember  1870.) 

SchaafThausen.  Aelteste  Ansiedelungen  am  Laa- 
cher-Se«.  (Correepondenzblatt  Nr.  8,  Dezember 
1870.) 

SchaafThausen.  Höhlenuutersnch  ungen.  (Corre- 
spondeuzblatt  Nr.  8,  Dezember  1870;  Nr.  1, 
Januar  1871.) 

O.  Schuster.  Die  vorhistorische  Archiologic.  — 
Sitzungsbericht  der  Isis  in  Dresden  1670,  S.  21. 

Präsidial  - Vortrag  der  neu  gegründeten  Section  der 
Gesellschaft,  der  vortrefflich  die  Aufgaben  resumirt, 
welche  sich  die  Forschung  in  diesem  Gebiete  stellen 
muss. 

C.  Sompor.  Die  Steinzeit  in  der  östlichen  Hemi- 
sphäre. (Correspondenzblatt  Nr.  6,  October  1870.) 

C.  Semper.  Spuren  der  Bronzezeit  bei  Homer. 
(Correspondenzblatt  Nr.  2,  Februar  1871.) 

Simony,  Fr.  Die  Pfahl  werke  bei  Kammer  und 
Litzelberg  im  Attereee.  (Mittheil,  der  Anthrop. 
Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  I,  S.  70 — 72.) 

F.  Strobel.  Beiträge  zur  vergleichenden  Ethno- 
logie, gesammelt  in  Südamerika.  (Zeitschrift  für 
Ethnologie,  Bd.  II,  1870,  S.  111  und  S.  273.) 

.Sehr  intrresNantt*  Vergleichungen  der  Pfahlbauten, 
Rancho*  (Wohnungen),  Thongeschirre , Werkzeug«  aus 
Stein,  Leder  gerät  he,  Nahrungsmittel  und  Zierrathen  der 
Bewohner  der  Plant  - Staaten  mit  analogen  Erscheinun- 
gen au*  urgeschichtlicher  Zeit. 

Virchow.  Besuch  der  Westphalischen  Knochen- 
höhlen. Berliner  Anthropologische  Gesellschaft, 
11.  Juni  1870,  S.  359. 

ln  der  llalver  Höhle  mehre  Schichten.  In  der  ober- 
sten kleine  Stückchen  Holzkohle,  Feuersteinsplitter,  ge- 
schlagene Knochen — ausserdem  sc  hon  früher  gefunden, 
zwei  Münzen,  die  letzte  von  1001  nach  Chr.  Topf- 
scherben, Feuersteindolch,  Knoclienmoisscl  etc.  Offenbar 


gemischte  Schicht.  Darunter  eine  bis  zu  3 Kuss  mäch- 
tige graue  mürbe  Erdschicht  — Rennthierschicht.  Kno- 
ebeu-  und  Geweihstücke  in  Massen,  scharf  zerschlagene 
Knochenstückchen  anderer  Thiere,  Laubholzkoble  — 
aber  keine  anderen  Spuren  vom  Menschen.  Dritte 
Schicht.  Leb  mach  lebt  mit  scharfkantigen  Kalk-  und 
Kiiochenfragmetiten.  Vierte  Schiebt.  Kollsc hiebt  — lvalk- 
und  Knochenfragment«  gerollt.  Fünfte  Schicht.  Lehm 
mit  wenigen  Steinen  und  Knnchen  — gerollt.  Sechste 
Schicht.  10  bis  12  Fusa  mächtige  Mammuthscbicht. 
Knochen  und  Zähne  meist  gerollt,  mit  Dendriten,  die 
Aber  scharfe,  geradlinige  Eindrücke  weglaufen.  Auch 
«in  glatter,  scharfkantiger  Kieselschiefer  mit  Atubiicli- 
t «ingen.  wie  Schlagmarken.  Sechste  und  siebente  Schiebt* 
Brauner  und  gelblicher  Lehm  mit  wenigen,  meist  Fuas- 
wurzelk  noeben,  nicht  vom  Mammuth.  Von  3 bis  7 
keine  zwingenden  Menschen  beweise.  Höhle  uhyäne  in 
Balve  nicht  vorhanden,  dagegen  mit  Höhlenbär  in  den 
anderen  sehr  häufig,  die  vor  der  Rennthierzeit  wie  e» 
scheint,  aosgefüllt  waren.  — In  der  Klusensteiner-  oder 
Fcldhofahöhle  deutliche  Mensclienspurcn ; ein  Glätter  (?) 
aus  Knochen  and  früher  Steingeritthe.  — Die  hier  ge- 
wonnenen Resultate  sind  sehr  wichtig  und  Virchow 
hat  »ehr  Recht , wenn  er  auf  fernere  Untersuchungen 
in  dieser  methodischen  Weise  dringt. 

R.  Virchow.  Uebcr  Reunthierfunde  in  NorddeuUch- 
land.  Berliner  Anthropologische  Gesellschaft,  12. 
Februar  1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd. 
n,  1870,  S.  162.) 

Der  Bericht  kam  mir  erst  nach  Schloss  des  vorigen 
Literat urbc richte*  zu,  *o  dass  ich  dort  nar  die  Anzeige 
geben  konnte.  Virchow  weist  nach,  dass  auf  einem 
grossen,  von  der  Elbe  bis  über  den  Nicracn  nach  Russ- 
land reichenden  Gebiete  im  Diluvium  Rcnuthiergeweihe 
gefunden  wurden,  ebenso  in  der  Balver  Höhle  utid  von 
von  Dücker  hei  Rüdinghausen  in  Westphalen  ln  einer 
Felsspalte.  Letztere  gehören  alle  jugendlichen  Thicreu 
an.  Der  Ansicht  von  Dücker’*  gegcnül>er,  dass  Spu- 
ren menschlicher  Thätigkeii  an  diesen  Stücken  mit  Be- 
stimmtheit zu  erkennen  seien,  sagt  Virchow,  dass 
dies  mit  Sicherheit  nicht  fcstzustellcu,  w enn  auch  wahr- 
scheinlich, sei. 

R.  Virchow.  Ueber  Gesichtsurnen.  Berliner  An- 
thropologische Geeellachaft,  12.  März  1870.  (Zeit- 
schrift für  Ethnologie  1870,  Bd.  II,  S.  73.) 

Deutsche  Aschenurnen,  den  etrurisehen  Kanopen 
ähnlich.  Die  einen  am  Rhein,  die  anderen  in  Pome- 
rellen.  Genaue  Aufzählung  der  bekannten  Funde.  Holz- 
schnitte, welche  die  wichtigeren  darstellen.  Ausser  dem 
Gesichte  auch  Thierzeichnungen  und  eigenthümliche 
Liniencombmatkmcn.  Darin  und  daran  Bronze,  Bern- 
stein, Glaskorallen  — vielleicht  auch  Eisen.  .Stammen 
au*  der  spätesten  Bronzeperiode. 

R.  Virchow.  Weitere  Mittheilungen  über  Ge- 

aicht&urnen.  Berliner  Anthropologische  Gesell- 

schaft, 11.  Juni  1870,  S.  346. 

Ob  die  Zeichen  auf  der  Mannhardt’schen  soge- 
nannten Runen -Urne  Schriftxctohen  sind?  Rüdiger 
sagt  Ja,  Müllen  hoff  Nein. 

R.  Virchow.  Ueber  alte  Höhlen  Wohnungen  auf 
der  Biachofsinsel  bei  Königswalde.  Berliner  An- 
thropologische Gesellschaft,  9.  Juli  1870.  (Zeit- 
schrift für  Ethnologie,  Bd.  II,  S.  470. 

Die  Cultnrscbicht  bestellt  au»  einzelnen,  keilförmig 
bi»  zu  6 Fuss  in  die  Tiefe  gehenden  Vertiefungen,  die 
mit  Töpfen  und  Topfresten, Thierknochen,  Kohle,  Asche, 


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360  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Heordstcinen  etc.  erfüllt  sind.  Die  gefundenen,  doli- 
chocephaleu  Skelette  wurden  später  hinein  begraben. 
Es  fanden  sieh:  Mühlsteine.  Werkzeuge  uns  Feuer- 
stein, Knochen,  Geweihen,  Sprudelsteine.  Die  Kno- 
chen und  Zähne  stammen  von  Bär,  Eien»,  Eher,  Tori- 
schwein, Schaf,  Kind,  Ziege,  Hirsch,  Keh,  Fuchs,  Katze 
(Hauskatze ?),  Wassermaas,  Gnus,  Ente,  Huhn,  Fisch- 
schuppen uud  Gräten.  Samen  von  Rispenhirse  und 
einem  Polygunum,  kleiner  als  Buchweizen.  — Ein 
Topfboden  mit  durch  einen  Stempel  aufgedrücktem 
Kreuze,  die  Hühnerknochen,  der  Buchweizen  und  die 
Hauskatze  (?)  lassen  starke  Zweifel  au  dem  hohou  Alter 
dieser  seltsamen  Fundstätte  aufkommen. 

R.  Virchow.  Uobor  dio  gebrannten  Steinwille 
der  Obcrlaueitz.  Berliner  Anthropologische  Ge- 
sellschaft, 14.  Mai  1870,  S.  257. 

Aufzählung  der  bekannten  Lucalitäten.  Genaue  Un- 
tersuchung des  Burgwalls  auf  dem  Bromberg  bei  Weis- 
aeuberg.  Die  Steinniassen  waren  mit  Holzscheiten  durch- 
steckt, die  durch  Brand  zerstört,  meist  zu  Asche  ver- 
brannt, seltener  verkohlt  sind.  Die  Asche  ging  in  den 
verglasten  Basalt  ein.  Die  Erdwälle  und  Schanzen  der 
Lausitz  stehen  nicht  mit  diesen  Schlacken  wällen  in  Be- 
ziehung — erster«  dürften  von  Slave»  (Wenden),  letz- 
tere vielleicht  von  Germanen  herrühren. 

K.  Virchow.  Lagerstätten  aus  der  Steinzeit  in 
der  oberen  Huvelgegend  und  in  der  Niederlau- 
sitz. Berliner  Anthropologische  Gesellschaft,  11. 
Juni  1870,  S.  352. 

Im  Zehdcniker  Forst  bei  Kibbck  pyramidale  Haufen 
aus  geschlagenen  .Steiucn,  2 bi*  3 Kuss  im  Durchmes- 
ser, l*/j  hi»  Fusa  hoch,  dazwischen  Kohle,  schwarze 
kuhlichc  Erde,  Fenerateinsplitter,  Messer,  Kerne  — auch 
eine  grob  polirte  Steinaxt,  ein  Wetzstein,  rohes  Topf- 
geschirr, wenige  angebrannte  Knochen.  Heerde  von 
Taunenkohle , auch  einige  Spuren  von  Eisenschlacken, 
wahrscheinlich  direct  aus  dem  Boden  herrührend.  — 
Bei  Go!s«ei]  (Niederlausitz)  ebenfalls  in  einer  Sanddiine 
ganz  ähnliche  Gegenstände,  aber  ausserdem  auch  noch 
Bronze  und  Eisen,  zum  Theil  moderne  Ding«.  Virchow 
macht  noch  besonders  auf  Steine  mit  dreiflächiger  Zu- 
spitzung der  convexen  Oberfläche  aufmerksam,  von  de- 
nen er  einen  Holzschnitt  giebt.  Aeimlichc  Fundstätten 
au  den  Jahnbergen  bei  Nauen,  bei  Mimptsch  etc. 

R.  Virchow.  Pfahlbau  im  Lübtovr See  bei  Cöslin. 
Berliner  Anthropologische  Gesellschaft,  9.  Juli 
1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd.  II,  S.  454.) 

Hummer  ans  Hirschhorn,  McisseJ  aus  Knochen.  Bron- 
zen« Armringe  und  Spindelstcine  aus  Thon  nebst  zer- 
schlagenen Knochen. 

R.  Virchow.  Ueber  eine  besondere  Art  geschlif- 
fener Steine.  Berliner  Antbroj alogische  Gesell- 
schaft, 9.  Juli  1870.  (Zeitschrift  für  Ethnologie, 
Bd.  II,  S.  453.) 

Di«  dreiflächigen  Steine  aus  der  Lausitz  sind  unzwei- 
felhaft durch  roh«  Bearbeitung  und  Schleifung  entstanden. 

R.  Virchow.  Dio  altnordischen  Schädel  zu  Coj»en- 
liagc-n.  (Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  IV,  S.  55.) 

R.  Virchow,  Geglättete  Knochen  zum  Gebrauche 
beim  Schlittschuhlaufen  und  Weben.  Berliner 
Authro]K>logiMjhe  Gesellschaft,  5.  November  1870. 

Die  an  den  Enden  durch  bohrten,  geglätteten  Knochen 
e-cieu  Schiitt»chuhc , die  nicht  durchltahrten  noch  jetzt 
in  Litthuuen  zum  Glitten  der  Gewebe  benutzt.  In 
Holland  und  Islaud  waren  früher  solche  Knochenschlitt- 


schuhe im  Gebrauch;  in  den  Schweizer-Pfahlbauten  wie 
in  denen  von  Pommer»  hab«  man  welche  gefunden. 
(Professor  J eit toi  es  besitzt  einen  solchen  von  Olniütz. 
C.  V.) 

R.  Virchow.  Ueber  ein  Gräberfeld  au»  römischer 
Zeit  in  Ostpreussen.  Berliner  Anthropologische 
Gesellschaft,  15.  October  1870. 

Bei  Gruneiken  auf  der  Grenze  von  Litthauen  und 
Masuren.  Zwei  Hügel  mit  vielleicht  ICK)  Gräbern,  iu 
gelbeui,  höchstens  5 Kuss  tiefem  Sande.  Urnen  mit 
runden  Steinen  umlegt,  roh  gearbeitet,  mit  Kuocl)«n- 
Stückchen,  kleinen  Gegenständen  aus  Bronze,  Eisen, 
Reniäteinscheih«»  und  Gluskornlleti  gefüllt,  auch  einig« 
Münzen,  di«  bis  zu  Uoustantius  reichen  (361  nach  Chr). 
Unter  den  Gegenständen  besonders  eine  schöne  au* 
Messing  (Kupfer  und  Zink)  gebildete,  mit  Silber  einge- 
legte Fibula.  Wichtig  für  Urgeschichte,  weil  das  Ur- 
ncntnutcrial  sehr  roh  war. 

H.  Wankel.  Schreiben  an  Professor  Ilyrtl.  — 
Sitzungsbericht  der  Wiener  Akademie,  Bd.  53, 
25.  Juni  1868,  mit  einer  Tafel. 

Bericht  über  einen  Fund  von  Menschenknochen  in 
der  Bycükala  - Höhle  bei  Adamsthal  in  Mähren.  Ein 
Stück  Kieferknochen  zeigte  dieselbe  Zusammensetzung 
wie  die  Bäreaknochcn  aus  der  Slouper-llöhie. 

H.  Wankol.  Der  Menscheuknochenfund  in  der 
Byciskala* Höhle.  (Mittheilungen  der  Wiener 
Anthropologischen  Gesellschaft,  Nr.  4.) 

Die  Eingangshalle  der  Grotte,  dio  sich  bei  Adams- 
thal  in  Mähren  befindet  und  einige  »Seitcostrecken  der- 
selben sind  theils  von  feinem  Sand,  theil#  von  Schotter 
ausgcfüllt,  der  offenbar  vom  Wasser  eingespült  wurde, 
ln  diesem  fanden  sich  die  Menscbenknochen  mit  Topf- 
s -herben  uud  Silbermünzen.  Darunter  weisslicbcr,  un- 
zusammenhängender  Kalk  und  unter  diesem  eine  Koh- 
lenschicht. Im  Inneren  fand  sich  unter  dem  mir  Hau#- 
tliierknnchen  vermischten  Schotter,  Knochenlehm  mit 
Höhlenbär.  Offenbar  ist  in  der  Höhle  durch  spätere 
Wassereinbrüche  Alles  unter  einander  geworfen. 

Westphälischo  Höhlenfundc.  Berliner  Anthropo- 
logische Gesellschaft,  2.  April  1870.  (Zeitschrift 
für  Ethnologie,  Bd.  II,  S.  240.) 

Eine  aus  den  Herren  Beyrich,  Uartmann,  Knnth 
und  Virchow  bestehende  Commission  spricht  sich  da- 
hin aus,  dass  die  von  Herrn  v.  Docker  vorgelcgtei» 
Stücke  zum  Theil  zwar  beweisen,  dass  der  Mensch  in 
der  Steinzeit  die  Höhlen  bewohnte,  nicht  aber,  dass  er 
mit  den  grossen  Säugern  dort  zusammen  lebte. 

Westphälischo  Keimthierfunde.  Berliner  Anthro- 
pologische Gesellschaft,  11.  Juni  1870,  S.  347. 

Ein«  Commission  der  Gesellschaft  berichtet,  dass  die 
vorgelegten  Stücke  junger  Uenuthiergewcibe  nicht  so 
deutliche  Spuren  der  Bearbeitung  durch  den  Menschen 
zeige,  als  eine  frühere,  ebenfalls  von  Herrn  r.  Ducker 
gemachte  Zusendung. 

F.  Wibel.  Bericht  über  die  Ausgrabung  eines 
Heidenbügels  hei  Ohlsdorf.  17  Sn  I Tafel. 

Tumulus  mit  «igenthümlicher  innerer  SeinuM*tzung 
eine  kleine  Kammer  überwölbend,  uud  de  Leichtuam, 
eines  etwa  5jährigen  Kindes  enthaltend,  von  welchem 
nur  noch  Th  eil«  de#  Kopfes  und  ein  Röbronknot  hen- 
stück  vorlmndeu  sind.  Die  übrigen  Knochen  wahr- 
scheinlich durch  wühlende  Thier«  weggeführt.  Einige 
wenige  Stücke  aus  Bronze. 

C.  J.  Wiborg.  Ueber  don  Eiutluss  der  Etrusker 


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361 


Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur. 


und  Griechen  auf  die  Bronzecultur.  (Ueberaetzt 
von  J.  Mestorf.)  Archiv  för  Anthropologie,  Bd. 
IV,  S.  11. 

Wurmbrand,  Gundacker  Graf.  Untersuchung 


der  Pfahlbauten  im  Sulzkaramergut,  knochenfüL- 
render  Höhlen  in  Steiermark  und  eines  alten 
Grabfeldes  in  Croatien.  (Mittheil,  der  Authmp. 
Gesellschaft  in  Wien,  Bd.  I,  S.  145 — 156.) 


England. 


Jarnos  Bonwick.  On  the  origine  of  Tasmaniens 
geologically  cousidered.  (Journal  of  the  EthuoL 
Society  of  London,  Vol.  II,  pag.  121.) 

Ks  ixt  jetzt  Mode  in  England , mit  dem  versunkenen 
südlichen  Continente  als  dessen  Haupt  reit  Australien 
sieh  darstellt . Conjectural  - Naturgeschichte  zu  treiben. 
Bon  wie k sucht  die  jetzt  ausgestorbenen  Vandiemens- 
Länder  von  N’euholland  abzuleiten.  Huxley  widerlegt 
ihn  und  weist  sie  zu  Ncu-Caledonien. 

W.  Boyd  Dawkins.  On  the  diacuvery  of  flint 
and  eitert  uuder  a submerged  forest  in  West-So- 
merset. (Journal  of  the  Ethnol.  Society  of  Lon- 
don, Vol.  II,  pag.  141.) 

Der  Wald , der  unter  der  Fluthlinie  liegt  und  von 
blauem  Mergel,  Moder,  Schlamm  und  Rollsteinen  be- 
deckt ist,  besteht  aus  Kicheii-,  Ellern- , Eschen-  und 
llaselnussstänimen ; darunter  fanden  sich  behauene  Kener- 
steinaplitter. 

W.  Boyd  Dawkins.  On  the  discovery  of  platyo- 
nemic  men  in  Denbigahire  with  Notes  on  the 
human  remaiua  l»y  Professor  Buflk.  (Journal  of 
the  Ethnol.  Society  of  Londou,  Vol.  II,  pag.  440. 
Holzschnitte.  1 Tafel.) 

Hohle  im  Kohlenkalk  bei  Perthi  Chwareu  östlich  von 
Curwen.  LVberraate  von  wenigstens  16  Menschen  jeden 
Alters  und  Geschlechts,  meist  jung.  Zerbrochene  Kno- 
chen vom  Haushund,  Fuchs,  Dachs,  Schwein,  Reh, 
Hirsch,  Schaf  oder  Ziege,  knrzhörnigem  Rind  (Bos  lon- 
gifrons).  Pferd,  Wasserratte,  Hbh-,  Kaninchen,  Adler(V), 
Ochs,  Schaf  und  Schwein  waren  am  häufigsten,  fast 
alle  von  jungen  Thlerco.  Ferner  menschliche  Uet»«r- 
reste  in  der  Höhle  von  Cefb,  bei  St.  Asaph  mit  den- 
selben Thieren  und  in  einem  Tumulu*  mit  Allee  und 
Grabkammer  bei  Cefn.  — Busk  beschreibt  genau  die 
Menschenknochen,  giebt  Beschreibungen  und  Messungs- 
tabellcn  von  zehn  mehr  oder  minder  vollständigen  Schä- 
deln nnd  geht  dann  besonders  genauer  Hilf  die  säbel- 
förmigen (platycnemischen)  Schien  beim«  ein,  die  er  mit 
denen  von  Gibraltar,  Cro-Magnon  und  anderen  Orten 
aus  Frankreich  vergleicht , deren  Art  der  Zusammen- 
drückung eine  andere  sei.  So  findet  er  in  dieser  Bildung 
weder  einen  Racen- Charakter,  noch  eine  Annäherung 
an  die  Atfenbildung,  da  die  menschlichen  Schienbeine 
noch  starker  abgeplattet  seien,  als  die  des  Gorilla. 

B.  Caulfield.  Note  on  a tmpposcd  Oghain  In- 
scription,  from  RtU*Ülan,  Co.  Cork.  (Journal  of 
the  Ethnol.  Society  of  London,  Vol.  II,  pag.  400. 
1 Tafel.) 

Die  Zeichen,  welche  der  Verfasser  für  eine  Inschrift 
hält,  sind  nach  der  wohl  richtigen  Ansicht  von  Oberst 
Laue  Fox  nichts  als  Ritzen,  durch  das  Schleifen  von 
Waffen  und  Gerätlisc  haften  entstanden. 

Cole.  Illustration«  of  ancient  buildings  in  Coah- 
mir.  London.  (India  Museum  18G9.  Archeolo- 
gical  Survey  of  India.) 

Archiv  fax  Anthropologie.  bd.  IV.  Heft  IV. 


George  Pinlay.  Obeorvatiuns  on  Prehistoric  An- 
tiquitiea  in  Switzerlund  and  Groeoe. 

Christian  D.  Ginsburg.  The  Moabit-Stone-  a 
fac-Mimile  of  the  original  inscriptiou  with  an 
english  translation  and  a historical  and  critical 
commentary.  London  1870. 

Hin  U*/i  Fus*  hoher  Basalt  block  vom  Missionar  Klein 
bei  Dibnti  1 868  entdeckt.  Die  Araber  zersplittern  ihn, 
um  die  Stücke  als  Anmiet  zu  behalten.  Der  französi- 
sche Comtul  Ganneau  entzifferte  zuerst  die  phötibüsche 
Inschrift.  Scheint  etwa  aus  9‘N)  bis  930  vor  Chr.  zu 
stammen. 

Bev.  William  Greenwoll.  On  the  Opening  of 
Grime’e  grave*  in  Norfolk.  (Journal  of  the  Eth- 
nological  Society  of  London,  Vol.  II,  pag.  419. 
2 Tafeln.  1 Grundplan.) 

Die  Umgegend  von  Brandon  in  Suffolk  hat  von  der 
ersten  Steinzeit  im  Pencrsteingeräthe  geliefert  und  noch 
heute  werden  dort  Flintensteine  fabricirt.  Verfasser 
beschreibt  ausser  den  gewöhnlichen  Instrumenten  aus 
der  neolit bischen  Zelt  die  alten  Gruben  und  Gallerieen, 
mittelst  welcher  man  die  Feuersteine  aus  den  Kreide- 
»chicliteu  ausbeutete. 

Sir  George  Grey.  On  quartzito  iniplemunt»  from 
the  Cape  of  good  hope.  (Journal  of  the  Ethnol. 
Society  of  London,  Vol.  II,  pag.  39.) 

Lauzen  - und  Pfeilspitzen , sowie  Nteinscheibeu  , die 
nach  der  Vermuthung  eines  Herrn  Uowker,  der  sie 
fand,  in  die  Ohrlappeti  eingesetzt  wurden. 

Dr.  Julius  Haast.  0n  certain  prehistoric  retunins 
discovered  in  New-Zoaland,  and  on  the  nature 
of  the  deposits  in  which  they  occured.  (Journal 
of  the  Ethnological  Society  of  London , Vol.  II, 
pag.  110.) 

Der  Sage  nach  kamen  die  Maories  vor  etwa  500 
Jahren  in  Canoes  »w*  dem  Norden  und  fanden  die 
Inseln  Neuseelands  unbewohnt  Die  Moa  ■ Arten  (Di- 
nornU)  seien  »chon  lange  vor  dieser  Colonisation  von 
einer  anderen  Rnce  ausgerottet  gew  esen,  die  Dr.  Ilaast 
Moa -Jäger  nennt  und  die  ebenso  wie  die  Maories,  ihre 
Nahrungsmittel  in  Krdlöchem  kochten,  worin  auf  heis- 
sei» Steinen  Dampf  erzeugt  wurde.  In  diesen  Mow 
üefen  finde  man  rohe  Stciuwaffen . ähnlich  denen  von 
Amiens.  In  Bruce  Boy  wurden  auf  dem  Grunde  einer 
Goldgrube  in  15  Fass  Tiefe  ein  grschliffener  Steinkeil 
und  ein  Schleifstein  gefunden,  und  zwar  mitten  iiu  Hoch- 
waldc. 

Col.  A.  Lano  Fox.  On  the  threatenod  dcatruc- 
tion  of  the  British  earthworks  near  Dorchester, 
Oxfordsbire.  (Journal  of  the  Ethnol.  Society  of 
Loudon,  Vol.  II,  pag.  412.  1 Tafel.) 

Jammer  über  eine,  vom  Grundbesitzer  beabsichtigte 
Zerstörung  zweier  Erd  werk«,  die  in  der  Nähe  von  Dur- 
46 


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362 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


ehester  auf  beiden  Ufern  der  Themse  liegen  und  ln 
denen  Stein*  und  Bronzegerät  he  gefunden  wurden* 

CoL  A.  Lane  Fox.  On  the  opening  of  twoCairna 
near  Bangor,  North- Wales.  (Journal  of  the  Eth- 
nolog. Society  of  London,  Vol.  11,  pag.  306.) 

liu  Tuinulus  eine  Steinkiste  und  iu  dieser  eine  Urne 
und  Pfeilspitzen,  die  aber  nicht  mm  Feuerstein,  sondern 
aus  Ffldspathgesteineu  der  Umgegend  gemacht  sind. 
Dieselbe  Tbatsache  wiederholt  sich  öfter.  Professor 
HatusaV  beschreibt  genauer  die  Gesteine,  aus  welchen 
die  lustrumeute  gemacht  sind:  Sandstein.  Trapp,  Grün- 
stem, Porphyr  etc.  ln  anderen  Grabhügeln  von  Wales 
fand  man  auch  Bronze. 

Col.  A.  Lane  Fox.  On  the  proposed  exploration 
of  Stonehenge  by  a Committee  of  the  british  As- 
sociation.- (Journal  of  the  Ethnolog.  Society  of 
London,  Vol.  II,  pag.  1.) 

Verfasser  fand  in  den  bekannten  Ruinen  von  Stone- 
henge Feucrsteiiuplitter  und  kommt  dadurch  auf  den 
Gedanken,  duss  Gräber  du  sein  möchten.  Die  british 
Assoeiatlon  hat  eine  Commission  mit  Untersuchung  und 
Anfgrahungen  beauftragt.  Der  Besitzer  des  Grunde.«,  Sir 
Edmund  Antrobns,  will  aber  die  Erlaubnis»  nicht 
geben. 

Col.  A.  Lane  Fox.  Note  on  the  aae  of  the  New- 
Zeal&nd  Mere.  (Journal  of  the  Ethnol.  Society 
of  London,  VoL  II,  pag.  106.) 

Nachweis,  dass  di«  unter  dem  Namen  Mer«  oder 
Patta-  Patia  von  den  Neuseeländern  gebrauchte  Stein- 
waffe von  dem  Ceh  abstammt  und  als  Handwaffe  be- 
nutzt wird,  mit  welcher  sie  den  am  Haar  gefassten 
Feinde  den  Schädel  hinter  dem  Ohre  «instuttsen.  Wich- 
tig wegen  des  Vorfindons  ähnlicher  urgeschichtllchcr 
Waffen. 

Captain  Th.  Löwin.  The  Hill  - tradts  of  Chitta- 
goagf  and  the  Dwellers  therein.  Bengal  Printiug 
Company,  Calcutta. 

L.  A.  Lewis.  Notes  on  the  bmldera  and  the  pur- 
poaes  of  megalithic  monuments.  (Journal  of 
Antbropology,  Vol  I,  Januar  1871,  pag.  286.) 

Die  »(»genannten  Alignements,  wie  Caruac  in  der 
Bretagne , die  Cromlechs  oder  Steinkreise , die  Menhirs 
seien  religiösen  Zwecken  bestimmt  gewesen,  namentlich 
Üpferplätze;  unter  den  l>oluien  könne  man  vielleicht 
zwei  (.'lassen  unterscheiden,  die  einen  Grabkammern, 
die  anderen  seien  auch  wohl  Opfernrte,  vor  welchen 
der  eigentliche  Opferafra  r gestanden  habe. 

Sir  John  Lubbock.  Denen  ption  (»f  the  Park  Cwm 
Tumulus.  (Journal  of  the  Ethnolog.  Society  of 
London,  Vol.  II,  pag.  416.  1 Grundriss.) 

Der  Park  Cwm  liegt  auf  der  llalbiunul  Go  wer  bei 
Fenmaen  Der  60  Kuss  lange,  .VoKu»*  breite  und  etwa 
f»  Kuss  hohe  Grabhügel  hat  einen  südlich  gerichteten 
Eingang,  der  in  «inen  centrslen  Gang  führt,  mit  wel- 
chem 4 Grahkammeru.  jederzeit*  swei  rechtwinklig  in 
Verbindung  stehen.  Nr.  I enthielt  3 oder  4 Skelete 
und  Topfsoberben , Nr.  2 nur  swei.  iui  Ganzen  Beste 
von  24  Individuen,  eines  von  gigantischer  Grösse,  Män- 
ner und  Weiber,  drei  Kinder.  Ein  ilirschzahri,  einige 
Topfscherben,  sonst  Nichts. 

Bov.  R.  J.  Mapleton.  Report  ou  prehistoric  re- 
mains  in  the  neighbourhood  of  the  Crinan  Canal, 


Argyllshire.  (Journal  of  the  Ethnolog.  Society 
of  London,  VoL  II,  pag.  146.) 

1.  Petruglypheii.  — Meist  kreisförmige,  zuweilen 
hufeiseu-  oder  uferenfüriuige  Zeichnungen  iu  die  Thal- 
wände  eingehauen.  2.  Menhirs.  Sehr  viele  — eine 
Gruppe  von  siehen  Steinen  heissen  die  Odin  • Steine. 
Viele  haben  eingebauene  Zeichen  oder  napflnrmige  Ver- 
tiefungen. 3.  C'airns  und  Gräf»er.  a.  In  den  ältesten 
Steinkisten  begrabene  Leichen,  keine  Instrumente,  rohe 
Thonscherbeu,  In  einer  jüngeren  Steinkiste  von  glei- 
cher Form  verbrannte  Knochen  von  8 bis  10  Körpern, 
b.  Grabkammern.  Unter  einem  breiten  Grahhügel 
(Cairn)  die  Kammer,  etwa  15  bis  16  Fuss  lang,  aus 
rohen  Stein-  und  Deck  platten,  der  Hingang  gegen  Nord- 
osten gerichtet,  der  Innetirauni  hi  drei  Abteilungen 
getheilt.  Urnen  mit  verbrannten  Knochen.  Steingcrä- 
then,  Pfeilspitzen,  c.  Oberflächliche  Steinkisten,  etwa 
3V3Fuss  lang.  Fiu*  breit.  Urnen,  verbrannte  Kno- 
chen, Steiageräche.  In  einer  «iu  vollständiges,  unter- 
branntes Skelet,  d.  Aelmliclte  Steinkisten,  einige  Fuss 
unter  der  Oberfläche.  Bronzegegenitände.  e.  Steinkreise, 
in  deren  Mitte  Körper  ohne  Kiste  begraben  sind 
4.  Wohnungen,  s.  Cranuugs  — einzelne  Pfahlbauten 
in  den  Seen,  keine  I>örler.  Steinberge.  Zerbrochene 
Hirschknodien;  ein  Ruder  iu  Form  eines  Speers,  b.  Du  ns. 
Hohe,  kreisförmige  Befestigungen  auf  den  Hügeln  aus 
Steinen  gcthümiL.  c.  Ein  verglastes  Fort  auf  einem 
Hügel  au  der  Sec.  d.  Ein  Brough(?)  mit  7 bis  8Fu» 
dicken , cyclopischen  Wällen  und  mehrern  Kammern. 
IliriM-hkuli-  und  .Schweineknochen  im  Sande  des  Gran- 
des. e.  Hin  gestürzte  Wohngrotre  an  der  See,  die  be- 
wohnende Familie  dadurch  getödtet.  Ein  eeltischer 
Schädel  erhalten.  Hirsch knochen,  Herdstein  mit  Kohlen 
und  Asche,  _ Feuorsteinkratzer.  f.  Ein  Atelier  von 
Feueratcingcräthen  im  Moos. 

Bov.  R.  J.  Mapleton.  Note  on  a Cist  with  en- 
graved  »tone«  on  tho  PoltAlloch  eatate,  County  of 
Argyll.  (Journal  of  the  Ethnological  Society  of 
London,  Vol.  II,  pag.  340.) 

Steinkiste  mit  verhrannteii  Knochen,  worin  zwei 
Steine  mit  Figuren  sich  fanden,  welche  Lane  Fox  für 
Gassinodelle  hält. 

C.  Monkman.  On  disooveriee  in  reccnt  deposila 
in  Yorkahire.  (Journal  of  the  Ethnolog.  Society 
of  London,  Vol.  II,  pag.  157.) 

Im  oberflächlichen  Thoti  des  Hügels  von  Kclsca  Feuer- 
»teinmesscr  and  Kerne.  Bei  York  im  Sande  eines  Ki- 
senkslmeinsclmiUea  geschliffen«  Stciuwsffen.  Eben  sol- 
che im  Flussschlamme  des  Thaies  von  Pickering. 

Lieut.  8.  P.  Oliver.  Report  on  tho  present  atatc 
and  condition  of  prehistoric  remains  in  tho  Chan- 
nel Inlands.  (Journal  of  the  Etlmol.  Society  of 
London,  Vol.  II,  pag.  45.  10  Tafeln  und  2 Ta- 

bellen.) 

Sehr  genaue  Arbeit  mit  Ansichten,  Gnindplfinen  und 
tabellarischen  Uebersichti-n  über  die  Dolmen.  Cmmlechs 
und  M«nbirs  der  Canal  • loAeln,  die  leider  häutig  von 
Matrosen  und  Steinbrechern  zerstört  worden  sind. 

Our  Domestic  Animal».  1.  The  hörne.  (Journal 
of  Anthropol.,  VoL  1,  Jnly  1870,  pag.  65.) 

Rcsumirender  Artikel  über  da.-  Werk  von  Pietre- 
ment  und  die  betreffenden  Abschnitte  von  Darwin's 
Werk  über  die  Haust  hie  re,  und  Ovren's  Abhsndluogen 
über  fossile  Pferd«. 

B.  Owen.  Description  of  the  Cave  of  Bruuiquel 
and  its  orgnnic  retnains.  London  1870. 


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363 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


J.  P.  Phair.  Not««  on  the  diacovery  of  Coppor» 
Celta  at  Buttivant,  Co.  Cork.  (Journal  of  the 
Ethnol.  Society  of  London,  Vol.  II,  pag,  402.) 

Waren  in  einer  Fclaenspalte  versteckt. 

Prof.  Const&ntin  Schlottmann.  The  Moabit« 
Stone:  a Contribution  to  Hcbiew  Archaeology. 
( Trane)  ated  froni  tbe  German.  London,  TrUbner 
and  Comp.) 

E.  H.  Squier.  Observation»  on  the  Geograpby 
and  Archaeology  of  Peru.  London,  Trübner  and 
Comp. 

Edward  F.  Stevens.  Flint  Chips:  a guide  to 
prehistoric  Archaeology.  London  1870,  593  S. 
(Journal  of  Anthropol.,  Vol.  I,  October  1870,  pag. 
164.) 

Mit  125  Holzschnitten  geschmückter  CataJog  der 
Sammlungen  in  Salisbury,  der  durch  die  Erläuterungen 
de*  Verfasser»  eine  Art  von  Handbuch  der  Urgeschichte 
geworden  ist. 

Thurn&m,  Dr.  J.  Kurt  her  Researches  on  Ancient 


British  Skulls.  2 plates.  in  8°.,  b.  d.  Williams  et 
Norgate.  London. 

Tylor,  E.  B.  Researches  into  the  Early  history 
of  mankind  and  the  developpement  of  civilisation« 
2.  edit  in  8°*  336  pag.,  J.  Murray,  London  1870. 

E.  Villin.  Professor  H.  Niccolucci’s  Anthropology 
of  Etruria.  (Journal  of  Anthropol.,  Vol.  I,  July 
1870,  pag.  79.) 

Gutes  Kesume  über  Niccolucci’a  Abhandlung  in 
dem  Werke  von  Uozzadini.  (Siebe  den  vorjährigen 
Bericht.) 

Waring.  Stone- Monuments,  Tuuiuli  and  Orna- 
ments of  remote  ages.  London,  108  Tafeln,  4". 

Schlecht  aasgeführte , unkritisch  zusammengestcllo* 
Tafeln , meist  nur  Copieen  enthaltend.  Ist  das  Geld 
de«  Ankaufes  nicht  werth. 

Wood,  Rev.  J.  G.  Illustrated  Natural  history  of 
man  being  an  account  of  the  uncivilised  races  of 
man.  With  illustx.,  Vol.  II,  gr.  in  8Ä.  Routledge 
et  Sons.  London  1870. 


Frankreich. 


L’dge  de  la  pierrc  en  Egypte.  Mat^riaux,  2d*  Se- 
rie, 6me  Annee,  Mars  1870,  pag.  102. 

Analyse  einer  DiseuSaton  über  die  Steinzeit  in  Aegyp- 
ten, welche  am  23.  December  186Ü  in  der  Anthropolo- 
gischen Gesellschaft  von  Paris  Statt  hatte. 

B&bert  de  JuiU4.  Lottre  k M.  de  Longuemar 
sur  des  fouilles  operees  k la  Doie  (Deux-Sevres), 
in  8".,  4 p.,  1 pl.,  in  4°.  Extrait  du  Bulletin  de 
la  Societu  de«  ant.  de  l'Ouest. 

A.  Baatian.  Du  culte  de  la  pierre  dans  l’Ethno- 
graphic.  (Mntcriaux,  2d*  Serie,  Tome  V’,  pag.  407 
et  Tome  VI,  Avril  1870,  pag.  153. 

Uebersetzung  des  deutschen  Aufsatze». 

Ch.  Bazin.  Note  sur  deux  ateliers  de  silex  tailles 
k Fumerault  et  aux  Fleyx  (Yonne).  (Materiaux, 
2d*  Serie,  6m®  Annee,  Fovrier  1870,  pag.  87.) 

Zwei  Lncalitäten  bei  Saint  - Aubiu  - Chateau  - Neuf; 
Kerne,  Messer,  Pfeilspitzen,  Kratzer  etc. 

Bruzard.  Rapport  sur  le  Tumulus  de  Genay,  pro« 
Semur.  Semur:  VardoL 

Büchner,  Dr.  Louis.  L’homme  nelon  la  Science, 
son  passe,  son  present,  son  avenir,  ou,  D’oü  ve- 
nons-nous?  Qui  sommes-nous?  Oü  allons-nous? 
— 1™  partie,  Paris,  C.  Reinwald,  1870,  in  8®. 
151  pag.,  nombreuses  gravnres  sur  bois. 

Cazalis  de  Fondouce.  Compte  rendu  du  Congrta 
international  d1  Archäologie  et  df Anthropologie 
prehistorique«  du  Copenhugue.  Douzieme  Partie. 
Les  Museos  de  Copetthague.  (Materiaux,  2da  Se- 
rie, Mars  1870,  pag.  113,  Mai  1870,  pag.  218.) 

Mit  Holzschnitten  illustrirto  Notizen  über  die  Museen 
für  Anatomie  und  Zoologie,  für  nordische  Alterthümcr 


und  Ethnographie  in  Kopenhagen,  sowie  über  die  Mu- 
seen von  Christiania,  Stockholm  und  Lund. 

ErneBt  Chantro.  Sur  les  palnfitte«  du  lac  de  Pa- 
ladru  (Iaere).  (Materiaux,  2d®  Serie,  Avril  1870, 
pag.  177.) 

Pfahlbauten  auf  eiuem  Bodeu,  der  jetzt  durch  Tiefer- 
loguug  des  See*  trocken  liegt,  früher  aber  zwei  Meter 
Wasser  über  sich  batte.  Küchenabfällc  aller  Art : Kno- 
chen von  Hund,  Kind,  Hirsch,  Schaf,  Ziege,  Pferd, 
Schwein, Wildschwein  — letzteres  am  häufigsten;  Kerne 
von  Kirschen,  Pflaumen.  Pfirsichen;  Nüsae,  Haselnüsse, 
Eicheln.  EUettgeräthschalten  aus  der  Zeit  der  Mero- 
winger und  Karolinger  — also  verbal tnissmässig  sehr 
neuen  Datums,  was  indessen  auch  schon  die  Nüsse  und 
Pflrsichkcrm*  beweisen. 

Chauvet.  Station  de  Tage  do  pierre  polie  a Pons 
(Charent-e-Inferieure).  (Materiaux,  2“*  Serie,  6m® 
Annee,  Fevrier  1870,  pag.  88.) 

Einig**  polirtc  Steinäxte  im  BodcD;  in  einer  Steinkiste 
einige  Skelete,  zwei  kleine  Steinäxte  und  einige  Messer. 
Sehr  oberflächliche  Notiz. 

L’Abbe  Collet.  Silex  taillen  et  Kjökkenmöddings 
en  Bretagne.  (Materiaux,  2d*  Serie,  Avril  1870, 
p.  204.) 

Zwischen  Plouharmd  und  Quiberon  gehauene  Stein- 
äxte in  einer  gelben  Lehmschicht.  Bei  St.  Pierre  Mu- 
schelschalen, gespaltene  Knochen,  Asche  und  Heerd* 
steine  mit  Topfccherben.  Vorläufige  Anzeige. 

G.  Cotteau.  Rapport  nur  los  progreg  de  la  geo- 
logie  et  de  la  paleontologie  en  France  pendant 
1868.  L«  Puy  1869,  52  pag. 

Gieht  zugleich  eine  liebe rsicht  der  franzöabchen  Lei- 
stungen in  der  Urgeschichte.  Cotteau  hält  die  von 
Abbe  Bonrgois  Im  Miocen  gefundenen  Kiesel  für  von 
Menschenhand  gefertigt. 

46* 


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3«4 


\ erzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Belaunay,  Abbe,  Un  atelier  de  Tage  de  pierre 
h Saint- Leger-du-Malzien.  (Extrait  du  Courrier 
de  la  Lozere,  iu  80n  6 pag. 

E.  Delfortrie.  Lee  ossemeuta  eotailles  et  stries 
du  miocene  Aquitanien.  (Actes  de  la  Societe 
Linneennc  de  Bordeaux,  Vol.  XXVII,  1869,  3 pag., 
i pt. 

Die  Streifen  und  Ritzen  auf  den  Knochen  rührten 
nicht  von  Feuersteinmeswrn,  sondern  von  Zähnen  ver- 
schiedener Meerfifche,  namentlich  von  Sargt»  «errat us 
her,  der  in  denselben  Schichten  vorkommt. 

M.  Belfortie.  Epoqne  prehistorique  Station  de 
Cubzac  (Gironde),  Camp  de  Tuge  du  la  Pierre 
polie.  Bordeaux : Gounouillon. 

C.  Desor.  Un  bracelet-  et  un  porte-monnaie  lacu- 
streg.  (Materiaux,  2**  Serie,  Mai  1870,  pag.  246.) 

Kin  von  Morigen  am  Bielenee  stammende*  Armbund 
an*  Bronze  scheint  mit  Hülfe  «rählerner  Instrumente 
gravirt  zu  sein.  Die  Ringe  von  Bronze  sind  wahrschein- 
lich von  Gold  — um n 6ud«t  sie  häutig  auf  einem 
grösseren,  agraffenartig  schtiessenden  Ringe  aufgcreilit. 

Frotward,  Emilien  et  Charles,  L.  Note  gur  une 
grotto  runfermant  des  re&tcs  humaius  de  lYpoque 
paleolithique,  deren ' verte  h Bagn&reß-dc-Bigorre. 
Bagneres  1870,  in  8°. , 24  pag.,  1 pl. ; (extr.  du 
Bullet,  de  la  Society  Raniond.) 

Em.  et  Ch.  L.  Frosaard.  Note  aur  la  grotte 
d’Aurenaan , Pyruneep.  A ge  du  Kenne.  (Mate- 
riaux,  2d*  Serie,  Mai  1870,  pag.  205.) 

In  oberen,  jetzt  zerstörten  Grotten  Knochen  des  Mani- 
mutb,  Cr,  Höhlenbär,  Hyäne  und  Löwe.  Keine  hpur 
des  Menschen.  Am  Passe  des  Hügels  13  Meter  über 
dem  Adonr,  eine  Grotte,  gänzlich  gefüllt,  prei  Schich- 
ten. Oben  gelber  Lehm  mit  Lands  hnecken.  Darunter 
eine  graue  oder  schwane  Schicht  von  Kohle  und  Asche 
gefärbt,  mit  Knochen  und  Menschetirestcn.  Am  Boden 
gelber  plastischer  Thon  mit  Rollsteinen  und  GesteinB- 
fragraentcü , ohne  Mensche  nspnren.  In  Her  mittleren* 
Caiturachlcht  »erbrochene  und  ent  markte  Knochen,  von 
La  riet  und  M ilne- Kd ward*  ( Vögel}»  bestimmt.  Am 
häutigsten  Ochs  und  Himch,  seltener  Rennthier,  ausser- 
dem: Igel,  Dachs,  Bär,  Maulwurf,  I Iris,  Marder,  Otter, 
Wolf,  Puchs,  Wildkatze,  Maus,  Kber,  Pferd,  Reh,  Gemse, 
Ziege,  Steinbock,  Lämmergeier,  Alpendohle,  Krähe, 
Schneehuhn,  Kröte,  Forelle,  Karpfen,  Barbe.  Helix 
nemoralis,  Imrtensb,  Zonites  olivetornm,  Cyclostoma 
elegans  und  eine  nach  Bon rgu igna t neue  Art:  Po- 
mntias  Frossardi.  Reste  eines  zusummengekauerten, 
wahrscheinlich  begrabenen  Metischenskelets , ausserdem 
noch  Bruchstücke  von  Schädeln  und  Kiefern.  Die  ge- 
wöhnlichen Instrumente  an*  Stein,  Knochen,  Kennthii-r- 
und  Hirschgeweih.  Zwei  Stücke  mit  Zeichnungen;  auf 
dem  einen  zwei  Steinbücke  kenntlich,  auf  dem  anderen 
vielleicht  ein  Pferdukopf.  Viel  rother  Eisenocker.  Ein 
in  fünf  Fragmente  gesprungene»  Stück  rothen  Bern- 
stein«. 

Foulon  Menard,  Dr.  Jh.  Lea  Mouline  primitifs, 
ln  etude  archeologique  «ur  le  territoire  de  Gue- 
rande,  Vannee,  Forest  et  Grimaud  1869,  in  8°., 
19  pag.,  2 pl. 

Faul  Gervais.  Restes  fossiles  du  glouton  recu- 


eillia  en  France.  (Materiaux,  2de  Serie,  Juin 
1870,  pag.  284.)- 

In  der  Grotte  von  Pouvcnt  (Haute -Sanne)  mit  Wolf 
nnd  Schakal. 

J.  G.  (Goaaelet).  Le  prötendu  homme  fossile  de 
Villers-Plouich  prus  Cambrai.  (Materiaux,  2d*Ser., 
Avril  1870,  pag.  202.) 

Ein  Kreuzbein,  da»  dom  Höblenlöwen,  aber  nicht  dem 
Menschen  angehört. 

Comte  J Gosxadini  et  Dr  J.  Wioolneel.  N0u- 
Telles  fouille»  k Marzabotlo.  (Materioux,  2'1*  Sa- 
rie,  Jnin  1870,  pag.  269.) 

Rnumi  de»  im  vorigon  Litentturberichte  («Mi-  Ii«. 
Ilen)  erwähnten  Werkes. 

Hahn.  Cachette  de  fondeur  de  bronzc  k Lusar- 
ches.  (Materiaux,  2d*  Serie,  Mar«  1870,  pag.  150.) 

Etwa  2 Fn«  unter  der  Erde  lagen  in  einem  Haufen 
So  Gegenstände,  meist  Bruchstücke  oder  im  Guss  »tss- 
ratben. 

E.  T.  Homy.  Note  gur  len  osgemenU  humaing 
trouvög  dAns  le  pliocene  införieor  de  Savone. 
(Materiaux.  2d*  »Serie,  Avril  1870,  pag.  167.) 

Zweifelt  »ehr  an  der  Authenticitit  des  von  Issel  bei 
ST  , del  in  dcr  Nih«  von  Savona  gefundenen 

»Skeletes.  Die  Charaktere,  die  man  für  alt  erklärt  habe, 
seien  es  nicht  und  wahrscheinlich  sei  dl«  Leiche  in  dem 
uiioecneu  Thon  eingegraben,  also  später  hinein  gebracht. 

E.  T.  Homy.  Paläontologie  humaine.  Pari»  1870. 
Auch  als  Anhang  zu  der  neuesten  fran  zwischen 
Ausgabe  von  Lyell. 

Vortrefflich«  Monographie,  die  alle  hehannlcn  Resal- 
utc  »ijcanioKnstrlli  und  kririmh  rieht«. 

Ph.  Lalnnda.  Trouraille  de  braoelets  en  bronze 
«ans  1«  commune  de  Saint-Gerona  (Cantali.  (Mu- 
b'rionx,  2J«  Serie,  6—  Annee,  Fivrier  1870  pag 
96.)  1 * 

Geaclilooaruc,  kleine  Brumeringe,  entwodrr  auf  einem 
gekrümmten  Kl.en.rab  oder  auf  einem  gröwereu  Brou- 
zenng  anfgereilit,  die  sich  agraffenartig  acliliesaen.  Aehn- 
liehe  Kunde  In  Dänemark.  Auf  einem  Granit  in  der 
*““«  land  «ich  ein  eingravirre»  Bild  eine»  Hinge.,  ein 
ebensolche»  auf  dem  nmürlicben  Sockel,  auf  welchem 
diu  Uranitplutte  ruht«. 

Lartet,  Ed.  and  H.  ChrUty.  Reliqniae  aquita- 
nica«:  hv.  X,  pag.  125  — HO  and  121  — 132, 
plate»  A.  XXIX— XXXII;  B.  XVII  et  XVIII. 

Loui»  Loguay.  Poliwoir  prebistoriqur,  type  nou- 
veau. (Materiaux,  2d*  Serie,  6",a  An  nee,  Mnrs 
1870,  pag.  108.) 

«O  Centimeter  lang,  spindelförmig , au«  feinem  Sand- 
stein. 

Letronne,  Tombeileg  den  haute«  Pyrenöes.  (Ma- 
teriaux,  2d*  Serie,  Mai  1870,  pug.  216.) 

^ ‘»Häufig«  Anzeige.  In  den  Gemeinden  Bartres  und 
Ossun  hei  Lourdes  9S  Grabhogol.  Im  luneren  eine 
Steinkiste.  Bei  den  darin  enthaltenen  .Menschenkno- 
chen, Asche,  Thierknuchen  und  Gcrwthschaftcn  aus 
Bronze. 

Letournoau,  Ch.  Anthrojiophagie,  Encyclopödie 
ögnörale,  10*  livraiaon,  pug.  361  k 368. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  • 365 


ßir  Charles  Lyell.  I.’anciennotö  de  Hlomme  prou- 
vöe  par  la  Geologie.  Traduit  par  M.  Chaper. 
(Deuxieme  edition  augmcntöe  d’un  Pröda  de  Pa- 
läontologie humaine  par  E.  P.  Hamy.  592  und 
372  St.  182  und  114  Holzschnitte.  Paris,  Hail- 
iiere 1870.) 

Da»  Werk  von  Uaniy  ist  eine  werthvolle  Zugabe  zu 
demjenigen  von  Lyell.  Beide  sind  indessen  auch  ab- 
gesondert zu  haben. 

Marchant,  Dr.  Louis.  Note  >ur  des  hnmeeons  en 
bronxe  trouvös  dans  la  Saone,  pröcüdöe  de  re- 
cherches  compamtives  anr  cea  instrumenta  de 
pL'che  dang  lea  temps  antehistoriquen,  dann  Tanti- 
quitö  proprement  dite,  et  a l'epoque  actnelle. 
Paris,  C.  Reinwald,  et  Dijon  1870,  gr.  in  4% 
13  pag.,  1 pl.  litli.  (Tire  A 150  exempl.). 

Morel.  Note  sur  la  decouverte  ä Lignon  d'une 
sepulture  de  Tage  de  la  pierro,  ö pag.,  1 pl.  litb., 
Society  des  Sciences  et  Arts  de  Vit  ry-le- Francois. 

G.  de  Mortillet.  Bruche  de  Genay.  (Materiaux, 
: 2 d*  Serie,  6““  Annee,  Fevrier  1870,  pag.  99.) 

Bei  Senior  (CÄt«d*Or)  Kiesel-Instrumente  vom  Typus 
von  Le  MoiiKtier  mit  Ochs,  Pferd,  Mamtnuth*  Hirsch, 
Kcnnthier,  Grustdiirsch,  Hyäne,  Wolf.  Zahlreiche  Feuer- 
spuren. Keine  Topfscherben. 

Noulet,  Dr.  J.  B.  Des  cryptss  d’approvisionneroent 
a propos  de  trois  sonterrsins  de  Saint-Paul  (Lot- 
et-Garonne).  Toulouse  1870,  in  8°.,  34  pag., 
grav.  sur  bois,  extrait  de  la  Revue  archöol.  du 
Midi. 

Jules  Ollier  de  Marichard.  Les  grottes  et  mo- 
numents  mögalithiques  du  Vivarais.  Paris,  F. 
Savy , 1869.  70  8.  Viele  Kupfer.  Reeuniö  in 

(Materiaux,  2d®  Serie,  Juin  1870,  pag.  262.) 

Aufzählung  von  Grotten  tu*  der  Zeit  des  Höhlen- 
bären (unbewohnt);  Wohnungsgrotten  ans  der  geschlif- 
fenen Steinzeit  '(l.ouol  bei  Walions;  Demes  südlich  von 
Lonoi;  Chaaumdou  und  de  la  Vache,  ebenfalls  in  der 
Nähe);  gemauerte  Grotten  aus  der  Ebenzeit.  Zwischen 
500  bis  000  Tumult  im  südlichen  Vivarais,  die  schön- 
sten in  der  Ebene  von  Javande*.  Einige  aus  der  Stein- 
zeit (die  eigentlichen  Dolmen),  die  meisten  Tuiuuli  aus 
der  Bronzezeit,  einige  aus  der  Eisenzeit,  ln  der  Grotte 
von  Demi  einige  Knochen,  von  einem  Weibe  stam- 
mend , die  mit  einem  scharfen  Instrumente  zerhauen 
worden  sind. 

Perrault,  Erneut.  Not«  nur  un  foyer  de  Tilge  de 
pierre  polie  de«  ouvert  au  camp  de  Chaaaey,  26  p. 
in  8°.,  8 planches  double«.  Dans  les  Materiaux 
d’archöologie  de  Saöne-et-Loire. 

Porrin.  Etüde  pröhistorique  sur  la  Savoie,  apecia- 
leraeut  a l'epoque  lacustre.  (Aga  de  Bronze.) 
Cbarabery  1870.  Atlas  de  20  pl , gr.  4°. 

Vortreffliche  Abbildungen  der  Fundgegeiiständc,  mei- 
stens aus  den  Pfahlbauten  des  Lac  de  Bourgct. 

C.  A.  Pietrement.  Les  origineB  du  cheval  dome- 
ntique.  Paris,  E.  Donnand,  1870.  487  S. 

•Sehr  ausführliche  Darstellung.  Nach  dem  Verfasser 
exbtirten  mehrere  Kacvn  wilder  Pferde  in  Europa,  die 


während  der  Steinzeit  gejagt  wurden.  Dann  wurde 
das  Pferd  gezähmt  von  den  Arvern  und  Scythcn  (Tu- 
raniern)  mehr  als  2000  Jahre  vor  Ohr.  In  China  wurde 
das  gezähmte  Pferd  eingeführt  — aber  schon  zu  Yao’s 
Zeit  (2350  vor  Chr.)  waren  die  Hauspferde  in  China 
sehr  zahlreich,  ln  Aegypten  ward  es  eirigeführt  durch 
die  Hykros  (3000  Jahre  vor  Chr.);  bei  den  Hebräern 
durch  David;  Assyrier  und  Phönicier  hatten  es  lange 
vor  den  Juden,  selbst  vor  den  Aegyptem.  In  Arabien 
ward  es  erst  gegen  Christi  Geburt  verbreitet. 

E.  Piette  et  de  Ferry.  Sepulture  polyaudrique 
de  THöpitnt  prös  Ilumigny  (Ardennea).  (Mate- 
riaux, 2dt  Serie,  Avril  1870,  pag.  187.) 

Trapcxoidales  Grab,  4 Meter  laug.  2 und  21/..  Meter 
breit,  von  rohen  aufeinander  geschichteten  Steinplatten. 
Die  14  bis  16  Skelete  neben  einander  in  zwei  Reihen, 
die  Köpfe  längs  den  beiden  Langxeiten.  l/t-ichen  jeden 
Alters-  Dicke  rot  he  Haare  erhalten.  Geschliffene  Kie- 
selixte. Gegenstände  aus  Hirschhorn,  darunter  zwei 
becherartige  Gefnsschen. 

Quatrofagoa,  A.  de.  Congres  international  d’ar- 
cheologie  prehistorique.  (Extrait  de  la  Revue  des 
Deux-Mondes.  ln  8°.,  56  pag.,  Paria  1870.) 

L’Abbe  Richard.  Dücou  verte  d'in.ntrujuents  de 

l'&ge  de  pierre  en  Arabie  et  en  Egypt«.  (Mate- 
riaux, 2d*  Serie,  Mai  1870,  pag.  248.) 

Zählt  folgende  Legalitäten  auf  : Am  Fussa  des  Sinai, 
bei  Cairo  in  der  Nähe  des  versteinerten  Walde«;  bei 
Theben;  bei  El-Bire,  «Irin  alten  Bccrotli,  zwölf  Kilome- 
ter von  Jerusalem. 

A.  Roujou.  Silex  taillö  decouvert  en  Auvergne 
dana  le  miooene  aupörieur  par  Mr.  Charlea  Tardy. 
(Materiaux,  2d*  Serie,  6,,,#  Annee,  Fevrier  1870, 
pag.  93.  Holzachnitt.) 

Nach  Mortillet'*  Zeugnis»  und  der  Ansicht  der 
Zeichnungen  ist  das  roh  ziigehauene  Steiniue>ser  uii- 
zweifelhafi  von  Menschenhand  gefertigt.  Ich  besitze 
ein  sehr  ähnliches  Stück  von  8t.  Acheul.  Wenn  das 
Stück  wirklich  sich  an  seiner  ursprünglichen  Lagerstätte 
fand  und  nicht  später  auf  irgend  eine  Weise  hineinkam, 
so  ist  es  ein  überzeugender  Beweis  für  die  Existenz 
Instrumente  verfertigender  Menschen  in  der  Molassen- 
periodt*.  Die  Schichtenfolgi-  am  Fundorte  bei  Aurillac 
ist  von  Oben  nach  Unten  folgende:  1.  Ati»chwemmun- 
gen  der  Ebene.  2.  Anschwemmungen  der  Thalwäude. 
(In  diesen  beiden  Schichten  wurden  schon  Stein waffen 
gefunden.)  3.  Jüngerer  Basalt.  4.  Aeltere  Anschwem- 
mungen. 5.  Tracliyt-Cuiiglomerut  mit  Braunkohlen,  die 
Hauptmasse  des  Cautal  bildend.  6.  Congtomerai  mit 
Knochen  von  Dinotheriuiu,  Mnchairudu«  etc.  Hier  w urde 
ds*  Steiiuuesser  gefunden.  7.  Aelterer  Basalt.  Darunter 
ältere  miocene  und  «ocene  Schichten  bis  zuiu  Granit. 
Die  Fuiidscliicht  wäre  also  gletchalterig  mit  den  Kno- 
chenfuuden  von  Eppelsheim  am  Rhein. 

A.  Roujou.  Station  de»  Hautea  - Bornes  (Seine), 
age  de  la  pierre  polie.  (Materiaux,  2dn  Serie, 
Avril  1870,  pag.  194.) 

Unter  dem  Humus  Sparen  von  Heerdcn,  geschliffene 
Steingeräthe , grob*  und  feine  Topfscherben  mit  Orna- 
menten, Knochen  von  grossem  und  kleinem  Rindvieh, 
Hirsch,  Eber,  Schaf  oder  Ziege. 

A.  Roujou.  Station  de  Villeneuve  St.  George«.  — 
Anthropophagie  u Tage  de  bronze.  (Materiaux, 
2d*  Serie,  6“®  Annee,  Mars  1870,  pag.  111.) 


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366  • Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Nach  den  Entdeckungen  Pommerol’s  gehörte  di« 
bekannte  Station,  die  unzweifelhafte  Beweise  des  Can- 
nibalismus  bietet,  der  Bronzezeit  an. 

A.  Roujou  ot  P.  A.  Julien.  Note  aur  des  striea 
obaervees  aur  de«  blocs  de  grea  de  Fontainebleau, 
de  meuliere  de  la  Brie,  de  silez  et  de  calcaire 
grossier  engages  d&us  lea  alluviona  des  enviroaa 
de  Paria.  In  4°.,  1 p.  (C-omptes  rendus  de  l’A- 
cademie  dea  Science«,  7 Mars  1870.) 

Ph.  Salmon.  Grotte  aepulcrale  de  Buno- Bonne- 
vaux  et  menhir  de  Milly  (Seine  et  Oise).  (Maie- 
riaux,  2de  Serie,  Avril  1870,  pag.  181.) 

Grabgrott«  unter  einem  grossen  Sandsteine,  2 50  Me* 
ter  laug  und  breit  und  etwa  1'30  Meter  hoch  , mit  ro- 
hen Steinen  geplattet  und  seitlich  aufgemauert.  Eine 
Oeffnung  gegen  Süden,  (in  Ganzen  sollen  40  Skelette 
darin  gewesen  sein  von  Individuen  verschiedenen  Al- 
ters, wovon  nur  ein  ununtersuebter  Schädel  erhalten. 
Einige  Leichen  verbrannt.  Feuerspurvn  in  der  Grotte. 
Drei  rohe  Thongefäaso  ohne  Ornamente,  zerbrochen. 
Stein  warten , zum  Tbeil  geschliffen,  Pfeilspitzen,  eine 
Nadel  ohne  Üehr  aus  Knochen. 


H.  Schuermana.  Notice  aur  lea  mota:  Dolmen, 
Menhir,  Cronilech  etc.  (Materiaux,  2**  Serie, 
Annee,  Ferner  1870,  pag.  79.) 

Philologisch  • historische  Abhandlung. 

Col.  Moadows  Taylor.  L’Archeologie  prehiato- 
rique  de  Finde.  (Materiaux,  2d®  Serie,  ö"16  Annee, 
Fövrier  1870,  pag.  53—79,  2 pl.) 

L'ebersetxung  des  Aufsatzes  im  Journal  of  the  Ethno- 
logical  Society,  Vol.  1,  pag.  157  (siehe  Archiv  für  An- 
thropologie, Bd.  IV.). 

TiBsot.  Sur  lea  monumenta  prehistoriquea  de  l’Al- 
gerie.  (Materiaux,  2d*  Serie,  6™*  Anne,  Ferner 
1870,  ]»ag.  90.) 

Die  Dolmen  in  der  Nabe  von  Constantine  seien  meist 
von  SteinkrvLscu  umgeben,  die  an  mehren  Orten,  wie 
t'ebwrreste  eine*  runden  Tburmes  ausaähen.  Daraufhin 
identificirt  der  Verfasser  konische,  aus  platten,  in  eigen- 
thümliclier  Weise  zerschlagenen  Steinen  gebildete  Hü- 
gelgräber, die  sieb  in  der  Sahara  Anden  und  Keschern 
oder  Dschcddar  von  den  Arabern  genannt  werden,  mit 
den  Dolmen  und  den  bekannten  grossen,  aus  gehauenen 
Steinen  gebildeten  Grabdenkmalen , wie  das  sogenannte 
„Grab  der  Christin41  bei  Algier. 


Holland. 


H.  Hartogh.  Heys  van  Zouteven.  — De  *voorhi- 
atoriache  Mensch  in  Amerika.  52  S.  Holzschnitte. 

Nach  einer  Uebersicht  der  Funde  von  Nord-  und 
Südamerika  geht  Verfasser  besonders  auf  die  höchst 
merkwürdige  Thatsache  ein,  dass  sich  auf  den  Hainen 
von  Paieuque  Basreliefs  finden,  weiche  offenbar  elephan* 
tenartige  ThlttfC  darstellen.  Namentlich  zwei  vom  Ver- 


fasser gegebene  Abbildungen  (nach  Waldeck's  Werk 
Monuments  ancietu  du  Mexiqun  et  du  Yucatan)  sind 
unverkennbar  durch  Rüssel  und  Schlappohren.  Da  nun 
iu  Amerika  kein«  «lephantenartigc  Thier«  mehr  Vor- 
kommen, so  schlieast  Verfasser,  dass  den  Erbauern  sol- 
che bekannt  gewesen  «In  müssen,  das  Volk  also  wahr- 
scheinlich das  Mastodon  kannte.  Mir  fallt  dabei  auf. 
dass  die  Stosazähnc  fehlen. 


Italien. 


Giuseppe  Bellucci.  Avanzi  dell*  epoca  preisto- 
rica  doll’  uomo  nol  territorio  di  Terni.  Milano 
1870.  (Atti  della  Societa  italiana  di  scienze  nn- 
turali,  Vol.  XIII,  faac.  II,  1870.) 

Cultumchicht  un  der  Basis  des  Monte  S.  Angioto,  in 
der  Nähe  der  berühmten  Wasserfalle,  in  l'/f  bis  3 '/* 
Meter  unter  der  Oberfläche,  grossentlieils  aus  Küchen- 
abfüllcn  bestehend;  rohe  Topfscherben,  Fragmente  un- 
ge»chUftem*r  .Stein -Instrument«,  zersth  (»geile  und  etit- 
marktc  Knochen , einige  zerbrochene  Instrumente  aus 
Hirschhorn;  Kohle  und  Asche.  Im  Hoden  der  Ebeuo 
von  Temi  dagegen,  wo  früher  der  Velino  flow,  finden 
sich  mehre  Cul  tu  (Schichten  über  einander  — über  dem 
Lehm  römische  Gefssse,  Münzen,  Bronzen;  darunter 


roh«  Topfscherben , Bronze  und  Eisen,  fein  gearbeitete 
Feuersteinuie&ser  und  Knochen  von  l!au»thicron. 

Giancarlo  Conoatabilo.  Dei  monumonti  di  Pe- 
rugia etrusca  e romana.  Perugia  1855 — 1870, 
4 Vol.  Atlaa  von  108  Tafeln. 

Folice  Fitnsi.  Di  alcuni  recenti  atudi  intorno  all’ 
archeologia  etrusca.  Firenze.  Separatabdruck  aus 
dem  Septeraberhefte  der  Rivista  europaea.  Ana- 
lyse der  Werke  von  Conoatabilo  und  Gozzadini- 

Giorgio  P.  Marsh.  L’Uomo  et  la  Natura;  Os&ia 
la  superficie  terreslre  modifurata  per  opera  dell' 
uomo.  In  16°.  650  p.  Firenze,  Barbara. 


Nordamerika. 


Charlos  C.  Abbott.  Aboriginal  relie  from  Tren- 
ton,  New-Jeraey.  (American  Naturalist,  Vol.  IV, 
August  1870,  pag.  380.  Holzschnitt. 


Eigentliümlich  geformter,  gebohrter  und  geschlifleuer 
Grunstein , der  beim  Ackern  in  der  Erde  gefunden 
wurde. 


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367 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Edward.  E.  Chever.  The  Indians  of  California. 
{American  Naturalist,  VoL IV,  May  1870,  p.  129.) 

Mil  Holzschnitten  gezierter  guter  Aufsatz  über  das 
Leben  dieser  Indianer,  ihre  Wohnungen  und  Werkzeuge, 
deren  Verfertigung  und  Gebrauch  einiges  Licht  auf  die 
Werkzeuge  der  »Steinzeit  wirft. 

J.  W.  Poster.  On  the  Antiquity  ofMan  in  North 
America.  40  8.,  6 Tafeln,  Holzschnitte.  Separat- 
abdruck  aus  den  Verhandlungen  der  Chicago  Aca- 
demy of  Sciences 

Der  bekannte  Schädel  tou  Californien,  ein  geschliffc- 
ne*  Stein-Instrument  von  dort  aus  30  Kuss  Tiefe ; Korb- 
gedecht  aus  Binsen  in  Louisiana  zwei  Kuss  unter  Kle- 
[ihantenknocheii;  menschliches  Becken  im  Lös«  bei 
Natchez;  beim  Mastodon-Skelet  im  Osage-Thal,  das  jetzt 
im  British  Museum  aufgestellt  ist,  fand  Dr.  Koch  Kohle 
und  Feuersteinlanzen.  Mit  dem  Menschen  lebten  also 
in  Amerika  der  Klephant  (K.  americanus),  das  Mastodon 
(M.  giganteum),  der  grosse  Biber  (Castoroides  Ohioensis), 
da«  Mrgathenum,  Megalonyx  etc.  Aus  späterer  Zeit; 
der  Schädel  von  New -Orleans,  von  Dow  Irr  bekannt 
gemacht.  Dann  kamen  die  ilügelbauer  (Monnd-buildersh 
die  Ausiedlungen  beuusen  , Mais  bauten  , Stein  - Instru- 
mente fabricirten,  das  natürliche  Kupfer  bearbeiteten, 
Handel  trieben,  Gew'ebe  strickten  und  Senlptnren  ans 
Thon  machten , die  von  einem  ziemlich  ansgebitdeten 
Kunstsinn  zeigten.  Besonders  interessant  ist  ein  Gv- 
faas,  einer  Feldflasche  ähnlich,  das  einen  Kopf  und 
Hals  darstellt  (Tafel  22,  Fig.  1 und  2).  Der  Kopf  zeigt 
du  Profil  einer  europäischen  Bäuerin  mit  etwas  aufge- 
stülpter Spitznase,  aber  durchaus  Dicht  das  eines  India- 
ner». Eine  andere  Statue  stellt  einen  knieenden  und 


geknebelten  Gefangenen  dar.  Beide  Gegenstände  ge- 
funden etwa  7 Meilen  von  Beimont  in  Missouri.  End- 
lich erwähnt  Koster  noch  die  Küchenabfalle  an  der 
atlantischen  Küste. 

J.  W.  Poster.  Deecriptions  of  certain  Stone  and 
C-opper  implemente  ueed  by  the  Mound-Buildere. 
Dem  vorigen  Artikel  angeheflet. 

Geschliffene  und  meist  an  dem  einen  Ende  durch- 
bohrte längliche  Perlen  von  Spiegeleisen;  Messer,  Lan- 
zen and  Pfeilspitzen , Ahle  und  Mcissel  von  Kapfer* 
Die  Aexte  den  ursprünglichen  Steinbeilen  ähnlich. 

J.  J.  H.  Gregory.  Indian  stone  implements.  (Ame- 
rican Naturalist,  Vol.IV,  October  1870,  p*g.  483.) 

Sucht  aus  den  Fundstätten  die  Gründe  darzulegen, 
weshalb  man  an  manchen  Orten  viel«  in  der  Fabrika- 
tion zerbrochene  Werkzeuge  finde  (Atelier«),  an  anderen 
nicht.  Die  Steinäxte  seien  offenbar  die  Modelle  der 
spiitereu  MetaJIäxte  gewesen. 

J.  P.  Joffrios.  The  Natural  History  of  the  human 
race«.  (Illust.  Roy.  ln  8®.,  360  pag.  New  York.) 

E.  G.  Squier.  Observation«  of  a colloction  of 
Chalchihuitls  from  Mexico  and  Central  America. 
(American  Naturalist,  Vol.IV,  May  1870,  p.  171.) 

Mit  dem  obigen,  lumussprecblivhcn  Nauien  bezeichnet 
man  geschnittene  Steine,  meist  au«  grüner  Jade, -die 
von  den  alten  Völkern  berstammen,  welche  Mexiko  und 
Centralamerika  bewohnten.  Der  Charakter  der  Figuren 
und  Ornamente  stimmt  mit  denjenigen  der  Sctilpturtn 
von  Palenque  überein. 


Russland. 


G.  von  Helmersen.  Studien  über  die ßtu- 

des  sur  lee  blocs  erratiquee  et  les  formations  di- 
lu  viennes  de  la  Kussie.  Gr.  in  4®,  IV — 136  pag., 


avec  10  pl.  lith.  Saint- Pötersbourg  1869,  Leip- 
zig Voss. 


Schweiz. 


E.  Desor.  Souvenirs  du  Dänemark.  Le  Congres 
anthropologique  et  prehistorique  de  Copenhague 
en  1869.  (Conference  faite  k la  Sociötä  d’utilitö 
publique  de  NeufchAtel.  Bien  ne  1870.  In  8®. 
32  pag.) 

Ferdinand  Keller.  Helvetische  Denkmäler.  II. 
Die  Zeichen  - oder  Schalensteine  der  Schweiz. 
Zürich,  Höhr,  1870,  4®.  20  8.,  5 Tafeln. 

Findlinge  mit  rundlichen , unregelmässig  gestellten 
Vertiefungen , die  mit  Feuerstein  Werkzeugen  ausgehüblt 
scheinen  und  selten  mit  Kinnen  combinirt  sind.  Die 
Steine  sind  nicht  künstlich  aufgestellt  — mail  hat  nie- 
mal« etwas  in  ihrer  Nähe  noch  unter  ihnen  gefunden. 
Nach  Keil  er 's  Ansicht  haben  die  Schalen  an  sich 
keine  Bedeutung  und  nur  den  Zweck,  den  Stein  als 
monnmentalen  zu  bezeichnen.  — Ich  muss  gestehen, 
dass  ich  den  Wildenstein  (Pierre  des  serritgto»)  bei  St. 
Luc  im  Val  d'Annivier«,  der  auch  Tafel  IV  nbgebildet 
ist  und  den  ich  wohl  zehn  Mal  untersucht  habe,  nicht 
für  ein  Kunstproduct  halte,  sondern  glauben  muss,  dass 


die  napffönuigen  Vertiefungen  durch  Verwitterung  von 
Eisenkies  entstanden  sind.  Keller  vergleicht  dieSculp- 
turen  der  Dolmen  etc.  mit  diesen  Denkmälern. 

Alphonse  Favre.  De  l’existence  de  Thomme  ä 
l’epoque  tertiaire.  (ArchiveB  de«  «cieoce«  de  1& 
Bihlioth.  universelle,  Fevrier  1870.  Materiaux, 
2,lfl  Serie,  A%*ril  1870,  pag.  172.) 

Kesume  der  bekannten  Thatsachen.  Die  Kiesel  von 
Thenay  könnten  durch  die  Einwirkung  der  Sonnenhitze 
gesprungen  sein.  Aehnliches  Zerspringen  hätten  T>e- 
aor,  Escher  und  Fraas  in  Algerien  und  Aegypten 
beobachtet. 

Edmund  Follonborg  und  A.  Jahn.  Diü  Grab- 
hügel bei  Allen  lüften  (Conto»  Bern).  Zürich  1870, 
4*.  16  S.,  3 Tafeln. 

Sehr  genaue  Untersuchung  zweier  Grabhügel  aus  der 
älteren  Eisenzeit,  di«  Reste  «ine»  Wagens,  eiserne  Be- 
schläge, Bmnsegegenstände  und  schön  gearbeitete  Gold- 
bleche lieferten. 


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368 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Albr.  Müller.  Die  ältesten  Spuren  des  Menschen 
in  Europa.  Basel  1871. 

Populärer  Vortrag,  ein  gute«,  gedrängte«  Resume 
enthaltend. 

Homi  de  Sausaure.  La  grotte  du  8ce  prüs  Ville- 
neuve.  Station  anissu  du  Renne.  (Archiven  des 
Sciences  de  la  Bibliotheque  universelle.  Juin  1870.) 

Uerr  Taillefcr,  der  schon  die  Rennthiergrotte  von 
Veyrier  bei  Genf  entdeckte,  fand  eine  andere  bei  Villa* 
neuve.  Menschliche«  Skelet  ohne  Schädel  unter  einer 
Decke  von  Macadam.  Die  Grotte  mit  durch  Kalkinfil- 
tration  xnaamtncngehackenem  Sand  ansgefüllt.  Darin 
zerbrochene  und  entmarkte  Knochen  (200  bis  300  Stücke) 
Fingerknocben  und  Schädclstücke  vom  Menschen,  Renn* 
thier,  Steinbock,  Bär,  Fuchs,  Alpenhaae,  Adler,  Schnee- 
huhn — also  dieselbe  alpine  Fauna  wie  bei  Veyrier; 
einige  rohe  Topfsicherbcn;  Kratzer  und  Feuersteinmesser. 

F.  F.  (Thioly).  L’honime  fossile  en  repnnse  ä 


THomme  primitif  de  Frederic  de  Rougemont.  Ge« 
neve  1870. 

Streitschrift  gegen  den  bekannten  frommen  Verfasser. 

F.  F.  Thioly.  Note  sur  des  sepultures  de  la  pre- 
tniero  öpoque  de  fer  dans  le  Valais.  Indicateur 
d’antiquitos  suisaea.  Zürich  1870.  (Bulletin  de 
Tlnstitut  national  Genevois,  Tome  XVI.  21  S., 
6 Tafeln.  Mat6riaux,  2d#  Serie,  Avril  1870,  pag. 
184.) 

Steingräbvr  ohne  Erhöhungen  dos  Bodens-  In  der 
Stadt  Sitten  selbst  ein  Kirchhof,  beim  Aasgraben  von 
Fundamenten  aufgefunden.  Die  Gegenstände  entspre- 
chen den  Funden  von  Hallstatt.  Die  Schädel  gehö- 
ren dem  Typus  von  Sitten  an. 

F.  F.  Thioly.  Un  bracolet  et  porte  - monnaie  la- 
custre  avec  figures,  dans  le  Rame&u  de  sapin, 
Fevrier  1870. 


Spanien. 


W.  Mc.  Pherson.  The  Woman’s  Cave.  Hoch  4°. 
6 8.,  9 Tafeln,  1 Photogr.,  Cadix. 

In  der  Nähe  der  warmen  Bäder  von  Alhama  hei 
Granada  findet  sich  etwa  2500  Fass  über  dem  Mfeh» 
und  170  Kuss  über  dem  Flusse  Mnrchau  eine  Höhle, 
la  Cueva  de  la  Mujer  genannt.  Der  weite,  Ton  Feme 
sichtbare  Eingang  macht  sic  zur  Wohnung  geeignet. 
In  der  Nähe  finden  sich  Sternwarten.  Topfscherben  mit 
Henkeln  und  Linienverzivrungcn , eine  vielleicht  mit 


einer  Sonne  (?h  Steinmesscr,  durchbohrte  und  zu  Instru- 
menten verarbeitete  Knochen  machen  etwa  den  Kindruck 
des  Uebergangs  zwischen  Stein  und  Bronze.  Doch 
wurde  kein  Metall  gefunden  — dagegen  ein  mensch- 
liches, nicht  grosse«  Stirnbein. 

D.  Juan  Vllanova.  Origen  y antigüedad  del  Horn« 
bre.  (Plusietirs  articles  dans  le  Boletin- Re vista 
de  la  Universidad  de  Madrid,  1869.) 


Zum  Schlüsse  muss  ich  noch  bemerken,  dass  mir  eine  russische  Abhandlung  zugekommen  ist,  die 
nach  den  beigegebenen  Figuren  zu  achliosscn,  von  Gesichtsurnen  handelt.  C.  V. 


n. 

Anatomie. 

(Von  A.  Ecker.) 


Aeby.  Der  Bau  des  menschlichen  Körpers  mit 
besonderer  Rücksicht  auf  seine  morphologische 
und  physiologische  Bedeutung.  Ein  Lehrbuch 
der  Anatomie  für  A erste  und  Studirende.  Mit 
zahlreichen  Holzschnitten.  Leipzig  1869,  1.  und 
2.  Lieferung. 

Für  den  Anthropologen  dürfte  besonders  die  die  Km>* 
ch«*n lehre  enthaltende  erste  Lieferung  von  Interesse  sein 
und  in  dieser  wieder  die  auf  zahlreichen  eigenen  Beob- 
achtungen gestützte  und  durch  treffliche  Abbildungen 
erläuterte  Darstellung  des  Schädelskelets.  Ob  dieselbe 
In  gleichem  Maa-we  für  den  Unterricht  angehender  Mo- 
dieiner zweckentsprechend  sei,  ist  eine  Frage,  die  wir 
hier  nicht  näher  zu  erörtern  haben. 

Beddoe.  On  the  headforin  of  the  Daues.  (Memoirs 
oJ  the  Anthropological  Society  of  London.  London 
1870,  VoL  III.  S.  378.) 

Die  Untersuchungen  sind  nur  an  Lebenden  angestellt, 


und  zwar  an  28  Matrosen  und  •Schiffsleuten ; nebst  der 
Kopfform  ist  Aller,  Statur,  Karbe  der  Haare  und  Augen 
angegeben.  Mittel  des  Schädelindex  80  5. 

Beddoe.  0n  the  stature  and  bulk  of  man  in  tho 
British  isles.  Nebst  einem  Anhang:  Stature  and 
bulk  of  the  Irish.  (Memoirs  of  the  Anthrop.  Soc. 
of  London.  London  1870,  Vol.  III.  S.  384.) 

Beddoo.  On  tho  physical  clmractcrs  of  the  iuha- 
bitants  of  Bretagne.  (Memoirs  of  the  Anthrop. 
Society  of  l<ondon.  London  1870,  Vol.  III.  S*  359.) 

Biachoff.  Lieber  die  kurzen  Muskeln  des  Daumens 
und  der  grossen  Zehe.  Mit  1 Tafel,  8°.  (Sitzungs- 
berichte der  k.  baier.  Akademie  der  Wissenschaf- 
ten 1870,  I,  8,  mit  1 Tafel.) 

Ih«r  Verfasser  sucht  aus  der  Anatomie  der  Affen  das 
Verhältnis«  beim  Menschen  zum  Verständnis*  zu  brin- 
gen und  unterscheidet  an  der  Hund  neben  Abduc- 


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Verzeichnis:,  der  anthropologischen  Literatur.  369 


tor  brevis  und  Opponent  einen  Flexor  brevis  mit 

2 Köpfen i wovon  der  mediale  jedoch  schwach  ent- 
wickelt ist  und,  in  die  Tiefe  gedrängt,  als  sogenannter 
Interossrus  I Auftritt,  einen  Adducfor  obliquns  und 
truna versus;  am  Kuss,  nebst  Abductor,  Flexor 
brevis  (zweiköpfig),  Add nc tor  (desgleichen). 

BiachofF.  Ueber  das  Gehirn  oiues  Chimpanse.  Mit 

3 Tafeln.  (Sitzungsbericht  der  k.  baier.  Akade- 
mie der  Wissenschaften  1871,  I,  S.  98.) 

Blake,  Carter.  Note  ön  the  skull»  found  in  the 
round  barrowsof  the  south  of  England.  (Memoire 
of  the  Anthropological  Society  of  London.  Lon- 
don 1870,  YoL  OL  & 114.) 

I)er  Verfasser  bestreitet  die  allgemeine  Gültigkeit  der 
Angabe  von  Thur  na  in,  dass  in  deu  Rundgrähern  des 
südlichen  Englands  die  brachycephak*  Schädel  form  vor- 
wiege und  meint,  bevor  man  »ich  einen  Schloss  erlau- 
ben dürfe,  müsst»*  vorher  eine  viel  grössere  Anzahl  von 
Schädeln  aus  den  Rnndgräbern  sowohl  als  den  I.atig- 
gräberu  gemessen  werden. 

Blake,  Carter.  Note  on  a »kull  from  the  Cairn 
of  Get,  Caithness,  discorered  by  Joeeph  Andereon. 
(Memoire  of  the  Anthropol.  Society  of  London. 
London  1870,  Vol.  UI.  S.  243.) 

Broadbent.  On  the  cerebral  convolutions  of  a 
Deaf  and  Durnb  Woman.  Mit  2 Tafeln.  (Journ. 
of  Anatomy  and  Physiology  by  Humphry  and 
Turner,  2.  Serien,  Nr.  6,  London,  Mai  1870. 
S.  218.) 

Broca.  L’ordru  des  Primates,  parallele  anutomtque 
de  l'liomme  et  des.Singes.  Paris  1870,  8°.  176S. 
mit  zahlreichen  Figuren  in  Holzstich.  (Separatab- 
druck aus  den  Bullet,  de  laSoc.d’Anthrop.  de  Paris.) 

Brühl.  Myologi scheu  über  die  Extremitäten  des 
Chirapanse.  — Junges  $ Exemplar,  2'  hoch,  mit 
noch  sammtlichen  20  Milchzähnen.  (Wiener  me- 
dicinische  Wochenschrift  1871,  8.  3 und  ff.) 

Busk.  Description  of  and  remarks  upon  an  an- 
cient  calvaria  from  China  which  hae  been  sup- 
poaed  to  be  that  of  Cotifacius.  (Journal  of  the 
Ethnological  Society  of  London,  Vol.  II,  Nr.  1, 
April  1870.  S.  73  mit  Tafel  XL) 

In  der  Industrie  - Ausstellung  von  186‘J  fnnd  sich  in 
der  chinesischen  Abtheilung  unter  deu  Goldschmieds* 
und  Juwden&rbeiten  eine  reich  in  Gold  und  Juwelen 
gefasste,  mit  Schriftzeichen  versehene  menschliche  Schä- 
deldecke (beschrieben  und  gbgcbildet  in  Waring  Dia* 
sterpicces  of  industrial  art,  Vol.  111,  pag.  291),  die  aus 
dem  kaiserlichen  Sommerpalast  in  China  stammen  »oll. 
I>er  Schädel  ist  dolichoccphal  und  von  dem  chinesischen 
Durchschnittaschädel  sehr  verschieden.  Es  liege  kein 
Grund  vor,  an/unehmen,  dass  derselbe  etwas  mit  Con- 
fucius zu  thun  habe. 

Clason.  Om  Menniskohjernans  vindlar  och  firor  i.  c. 
Ueber  die  Windungen  und  Furchen  des  mensch- 
lichen Gehirns,  mit  2 Tafeln,  8°.  «Upsala  1868  !). 
(Aftryck  ur  Upsala  Univereiteta  Areskrift.) 

*)  Diese  Schrift,  welche  die  Jahreszahl  1868  trägt, 
ist  erst  im  Juli  1870  und  zwar  durch  den  Autor  selbst 
zu  meiner  Kenntniss  gelangt. 

Archiv  (Ur  Anthropologie.  BJ.  IV*.  Heft  IV. 


Cloland.  An  inquiry  into  the  variatious  of  the 
human  skull , particularly  in  the  antero-posterior 
direction.  Mit  10  Tafeln,  4*.  (Separatabdruck 
aus  den  Philosophien]  Transactions  1870.) 

Henaol.  Die  Schädel  der  Coroados,  mit  1 Tafel. 
(Zeitschrift  für  Ethnologie,  11.  Jahrgang,  1870, 
Heft  3,  S.  196.) 

Humphry.  A case  of  assymetry  of  tho  two  halves 
of  the  body.  Mit  1 Tafel.  (Journal  of  Anatomy 
und  Physiology  by  Humphry  and  Turner,  2.  Se- 
rie«, Nr.  6,  London,  Mai  1870.  S.  226.) 

Jensen.  Die  Furchen  und  Windungen  der  mensch- 
lichen Grosshirn-Hemisphären.  Mit  1 Tafel.  (Se- 
paratabdruck aus  der  Zeitschrift  für  Psychiatrie. 
Band  XXVII.  Berlin  1870.) 

Kleinwächter,  Dr.  L.  Schädel  aus  einer  alten 
Grabstätte  in  Böhmen,  beschrieben  und  gemessen. 
Prag.  Selbstverlag  des  Vorfassere,  8°. 

Derselbe  wurde  in  einer  heidnischen  Grabstätte  in 
der  Nähe  der. Stadl  Naaz  gefunden  und  gleicht  den  von 
Weisbach  im  Archiv  für  Anthropologie  (Ild.  II,  S.  285) 
vom  gleichen  Fundort  besehrieb« ne n dolichoccplmlen 
(RetlieNgräber-)Schädcln,  abertrifft  dieselben  aber  noch 
im  Punkt«  der  Doliehocephalie. 

Kopernicki.  Anatomiczno-antropologiczno  postrzt*- 
zenia  uad  Murzynem  i.  e.  Anatomisch-anthropo- 
logische Beobachtungen  an  einem  Neger.  Krakau 
1870,  8°. 

Ali  Mardschjar , 35  Jahre  alt,  Hciiuuth  unbekannt, 
wahrscheinlich  Darfur  »der  Kordofau,  wurde  als  Kind 
in  Constautinopel  gekauft,  starb  im  Spital  zu  Colza. 
Grösse  1*61  Meter.  Farbe  «ohwärzlich-ehoeoladenbraun 
(Farbentabelle  der  Pariser  Anthropologischen  Gesell- 
schaft, Nr.  41 — 48),  hii  einigen  Steilen  (Rauch,  Nabel, 
Gesclilechistheile)  viel  dunkler  (Nr.  48),  Scrotum  und 
Penis  ganz  schwarz,  an  den  Weichen  viel  heiter  (Nr. 
43 — 37),  II and  flache  und  Fuauohlc  lichter.  Am  Thorax 
und  den  Extremitäten  fanden  sich  kleine  Narben  und 
von  diesen  waren  die  ältesten  so  schwane  wie  die  um- 
gehende Haut,  die  neueren  blasser.  Kopfhaare:  Wolle. 
Von  den  Muskeln  wird  erwähnt,  dass  weder  die  Mas- 
sel eren  dicker  und  runder  noch  die  M.  stylohyoidei 
weniger  entwickelt  waren,  wie  dies  Somme  ring  uud 
Serres  behaupteten.  Das  ganze  Gehirn  hatte  ein 
Gewicht  von  1105  Grm.,  das  grosse  Gehirn  von  955 
Grm.  (rechte  Hemisphäre  480,  linke  475  Grm.),  Cere- 
beltum  mit  Pons,  und  Med.  obl.  150  Grm.  Die  Farbe 
der  grauen  und  weissen  Substanz  unterschied  sich  durch- 
aus nicht  von  der  des  Gehirns  einer  wallachischen  Frau. 
Der  Verfasser  bestätigt  die  Beobachtung  von  Sömme- 
ring,  dass  die  Nerven  des  Negers  im  Verhält- 
nis zur  Masse  des  Gehirns  dicker  sind  als  die 
des  Weissen.  Hiervon  machten  nur  eine  Ausnahme  der 
Opticus,  Trochlearis,  Acusticus,  Accesaorius,  Hypoglus* 
«us,  l'lnaris,  Saphenus  und  Peroneus,  welche  bei  beiden 
(zur  Vergleichung  diente  der  Körper  eines  Wallachen 
von  ganz  gleicher  Giöase  und  Beschaffen  heit)  gleich  und 
der  N.  facialis,  der  beim  Neger  dünner  war.  Der 
Kehlkopf  weniger  vorragend,  mehr  von  weiblicher 
Form*).  — Nabel  tiefer  gelegen  als  gewöhnlich  (18 


*)  Die  Beobachtungen  von  D.  Gibb  (Archiv  für  An- 
thropologie, Bd.  II,  8.  109)  waren  dem  Verfasser,  wie 
es  scheint,  nicht  bekannt. 

47 


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370 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Ccntim.  vom  l*roe.  xipb. , IS  Ccntim.  vom  Os  publs). 
Gesell  lccbtstheile:  Sc  rotuni  ganz  schwant,  Pen!« 

Iieschnitteit,  ungewöhnlich  dick  und  lang;  im  hcrabhäii- 
gendcn  Zustand  muss  er  14  Centint.  auf  31/*  bis  4% 
Cent  im.  Dicke;  im  erigirten  war  er  17%  Ccntim.  lang, 
4 bis  5Va  Centim.  dick;  Kielte!  breit,  tonisch;  Bulbus 
urethrae  gross,  Muskeln  des  Penis  sehr  stark.  Ohr  von 
mittlerer  Grosse,  wenig  vorragend,  langer  als  breit, 
Ohrläppchen  wenig  getrennt;  Muskeln  wohl  entwickelt. 
Am  Auge  keine  Spur  von  N’ickhaiit;  an  der  Sclerotica 
rings  um  die  Cornea  ein  1 */j  Meter  breiter  schwärzlicher 
Streifen.  Die  lin ml  im  Verhältnis«  zur  Statur  ziemlich 
klein,  Finger  im  Verhältnis«  zur  Handfläche  lang,  die  Zwi- 
schenfingerfalte (wie  von  van  der  lloeven  beobachtet) 
länger  als  beim  Kumpiitr,  reicht  bi»  sm  Zweidrittel  der 
Länge  der  Grundphalanx.  F«SS  ziemlich  breit,  nicht 
so  platt,  wie  sonst  bei  Negern,  Ferse  nach  hinten  nicht 
auffallend  vorragend;  grosse  Zehe  entschieden  kürzer 
als  die  zweite. 

Langer.  Negeraehüdel  mit  überzähligen  Zähnen. 
Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft 
in  Wien,  I.  Hand,  Nr,  5,  16.  Decemher  1870.) 

Langer  erwähnt  die  von  Söm inering  und  M mo- 
nier jr  beobachteten  Fälle  und  beschreibt  eitlen  weitern, 
in  welchem  5 überzählige  Zähne  an  einem  Negerschädel 
sich  finden.  In  beiden  Kiefern  finden  sich  jederseits 
anstatt  3,  4 Mah’.zähne;  die  letzten  in  der  Ueihe  (eben 
die  überzähligen)  sind  etwas  kleiner.  Der  5.  überzählige 
Zahn  ist  ein  Backenzahn,  der  sich  im  linken  l'nterkiefer 
median  wärt«  an  der  Spalte  zwischen  den  beiden  norma- 
len Backenzähnen  befindet. 

Langer.  Ueber  Geaicht&bilduug.  (Mittheilungen 
der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  I.  Bd., 
Nr.  8,  28.  Mai  1870,  S.  47.) 

Von  dem  Satz  ansgehend,  dass  alle  individuellen  und 
Hacenuntcrscliicde  Wachsthums-Mudilicationen  sind,  ver- 
folgt der  Verfasser  zuerst  den  typischen  Hergang  in  der 
Bildung  des  Knochengerüstes  des  Gesichts,  indem  er 
Mann  und  Neugeborenen  vergleicht.  Aus  dieser  Unter- 
suchung ergiebt  sich,  dass  das  Gesicht  in  allen  Dimen- 
sionen mehr  zunimint  als  der  Hirnschädel,  am  meisten 
in  der  Hohe,  weniger  in  der  Breite,  am  wenigsten  in 
der  Tiefe.  Die  Höhe  betreffend,  so  nimmt  das  Wachs- 
tbum  von  oben  nach  unten  zu,  insbesondere  wächst  die 
Breite  unten  mehr  als  oben , lateral  w ärt*  mehr  als  in 
der  Mitte  und  auch  in  der  Tiefe  wächst  das  Gesicht 
unten  am  meisten.  Darauf  betrachtet  der  Verfasser  die 
Variationen  und  ihre  morphologische  Deutung.  Die 
Höhe  betreffend,  so  ergab  sich,  «lass  auch  hier,  in  Be- 
treff der  Proportionen  innerhalb  dieser,  die  normalen 
Waehstbums  verhält  niste  maassgebeud  sind,  so  dass,  je 
länger  das  Gesicht,  desto  kleiner  im  Verhältnis»  die 
Höhe  der  Augenregion , desto  grösser  die  Miindregion, 
desto  grösser  der  Abstand  der  Augen-  und  Mundspalte. 
In  Betreff  der  Gesichtsbreite  macht  Langer  die 
Bemerkung,  dass  dieselbe  weit  mehr  vom  Schädel  (so- 
wohl Stirnbreite  als  Basisbrette)  abhänge  als  von  der  Breite 
der  Kiefer.  Maximale  Jochbeinbreiten  kommen  z.  B.  nie 
zusammen  vor  mit  kleinen  Stirnbreiten  und  ein  schma- 
ler Unierkicfrrwinkelahstand  und  ein  in  Folge  davon 
scharf  zugespitztes  Kinn  lasse  immer  auf  eine  schmale 
Schädelbasis  schliossen.  In  Betreff  der  zahlreichen  ein- 
zelnen  Angaben  über  das  Profil  müssen  wir  auf  den 
sehr  lesciiswerthen  Aufsatz  selbst  verweisen. 

Lombroso.  Eeiatenzn  di  unn  fossa  occipitale  me- 
diana ad  cratiio  di  un  cnminalo.  (Archivio  per 
PAntropologia  e la  Etnologia,  I,  1.  S.  63.) 

An  diesem  Schädel  fehlt  die  Crista  occipitulis  interna 
und  von  der  Crista  transversa  läuft  jederseits  neben  der 


Protuberantia  occip.  interna  eine  Knocbenleiste  herab. 
Die  beiden  Leisten,  anfangs  parallel , dann  divergirend, 
verlieren  sich  gegen  den  hinteren  Umfang  des  Kommen 
niaguuw  hin  und  sohliebsen  eine  23  Mitlim.  breite,  34 
Miliim.  lange  und  11  Milliro.  tiefe  Grube  ein.  Aeus- 
serlich  war  ander  betreffenden  Stelle  eine  entsprechende 
Krhölmng  wahrzumduuen,  «u  w elcher  der  Knochen  »ehr 
verdünnt  erschien.  Lombroso  bemerkt,  du**  sich  we- 
der beiRurkovv,  noch  Otto,  noch  Heul«  ein  Beispiel 
dieser  Anomalie  erwähnt  linde  und  weist  darauf  hin, 
dass  dieselbe  wohl  mit  einer  Entwicklungshemmung  de« 
Ccrcliellum  In  ursächlichem  Zusammenhänge  stehe,  bei 
dem  zwischen  der  16.  Woche  und  dem  6.  Monate  der 
Wurm  im  Verhältnis«  zu  den  Hemisphären  vorwiegend 
entwickelt  sei.  Der  Schädel  der  Lemuren  zeige  dieselbe 
Anordnung,  nicht  aber  der  der  höheren  Affen. 

Mantegazza.  Dell’  indice  eefalo-spiiiale.  (Archi- 
vio per  PAntropologia  et  la  Etnologia,  I,  1.  Fi- 
renze 1871.  8.  40.) 

Der  Verfasser  untersuchte  an  30  Schädeln  verschie- 
dener Kaceu,  10  trachycepbaten , 10  mesoceplialcu,  10 
dolichoccphalen:  1.  Das  Verhältnis«  zwischen  In- 
dex des  Foramen  magnum  und  Schädeliudex 
(Index  des  For.  magn.  = Verhältnis«  zwischen  Länge 
und  Breite).  Um  das  Verhältnis«  anschaulich  zu  ma- 
chen, stellt  Maiitcgazza  in  einer  ersten  labeile  diese 
30  Schädel  nach  dem  Scbädelindex,  der  von  91*8  bi*  65*7 
variirt,  auf,  in  einer  zweiten  nach  den»  Index  des  Ko- 
mmen magunui , der  von  93‘3  bis  69°  wechselt.  Di« 
Reihenfolge  in  beiden  Tabellen  ist  nun  keineswegs  die 
gleiche;  so  z.  B.  steht  Nr.  30  (der  letzte)  der  ersten 
Tabelle,  in  der  zweiten  schon  unter  Nr.  14.  2.  Ver- 
hältnis* zwischen  Circum fereuz  des  For.  occip. 
und  Capucitit  de»  Schädel*.  Während  dieses  Ver- 
hältnis», letztere  = 100  genommen,  bei  Affen  zwischen 
42  und  22  schwankt,  wechselt  dasselbe  beim  Menschen 
nur  zwischen  9 und  5 (3  bei  einem  Hydrocephaios). 
Mantegnzza  ist  der  Ansicht,  dass  die  Zahlen  6 bis  7 
(als  Ausdruck  des  genannten  Verhältnisses)  einer  der 
um  meisten  constant$n  menschlichen  Charaktere  »ei,  der 
den  Menschen  von  den  anthropoiden  Aö'en  und  um  so 
mehr  von  den  übrigen  Säugetliicreu  scharf  trenne.  3. 
Messung  des  Lumen  de«  For.  occi|fttale;  dos 
Verhältnis»  dieses  M Hasses  zur  Uapacitüt  des  Schädels 
bezeichnet  Mantegazza  als  Iudex  cephulospinali* 
und  betrachtet  es  als  den  Ausdruck  des  Verhältnisses 
zwischen  Rückenmark  und  Gehirn.  Im  Mittel  beträgt 
dieser  Index  hei  100  menschlichen  Schädeln  19*19 
(von  40  ^ Schädeln  18*48,  ÖO  o*  Schädeln  19*66), 
Ml  n im  um  13*49,  Maximum  26,94.  Unter  8 Schä- 
deln anth  ropomorpher  Affen  war  die  höchste  Zahl 
8*36  bei  einem  jungen  Gorilla. 

Mantegazza.  Unn  nota  Süll’  iudice  oefalo-spinale. 
(Archivio  per  PAntropologia  et  la  Etnologia,  I,  1. 
Firenze  1871.  S.  59.) 

Meynert.  Ueber  Unterschiede  im  Gehirnbau  de« 
Menschen  und  der  Säugethiere.  (Mittheilungen 
der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien,  1.  Bd., 
Nr.  4,  16.  September  1870,  S.  79.) 

Der  Masse  nach  bilden  beim  Menschen  die  Hemi- 
sphären 73°,  das  Stainmhirn  10  ö,  das  kleine  Hirn 
10*5  de«  ganzen  Hirngewichts.  — Zun»  Verständnis«  der 
Form  unterschiede  weist  der  Verfasser  zunächst  auf 
die  Entwicklung  der  Hemisphären  blasen  hin  und  den 
an  diesen  iin.-enförmigen  Hohlknospen  w'ahmehmhtmi 
Gegensatz  einer  äussern  schildförmigen,  convexen  und 
einer  Innern  ringförmigen  Fläche.  Dieser  (den  Stiel 
umgebende)  Ring  zerfällt  in  einen  hintern  Halbriug  (Bo- 


371 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


gen Windung)  and  «inen  schwachem  vordem  I Riech  lap- 
pen). ln  Uciu|  auf  die  relative  Entwicklung  dieser 
beiden  Flachen  stehen  sich  einerseits  Mensch  und  Allen, 
andererseits  die  übrigen  Siugethiere  gegenüber,  indem 
bei  letzteren  die  innere  Oberfläche  sich  überwiegend 
entwickelt,  so  dass  Kiechlappen  und  Bogen windung  von 
aussen  sichtbar  werden,  an  erstem  die  äussere , die 
eigentliche  Hemisphärenoberflüche  mit  ihren  Windungen- 
Das  Stirnende  der  G rosshirn lappen , also  der  unter  der 
Stirn  liegende  Theil  wird  bei  beiden  Gruppen  von  ver- 
schiedenen Gehimthcilen  gebildet.  Die  äussere  convexe 
Fläche  erhält  nun  durch  Verwachsen  der  Mitte  mit 
dem  Liu«ch kern  ebenfalls  die  Gestalt  eines  Halbrings, 
und  es  bildet  sich  so  Insel-  und  Irwindungsbogen.  Wie 
nun  beim  Menschen  die  Halbkugeln  über  das  ganze  Ge- 
hirn, die  äussere  Fläche  derselben  über  die  innere,  so 
überwiegt  im  Bereich  der  itissern  Fläche  die  Gegend 
der  Insel  über  die  übrigen.  Mevnert  führt  als  einen 
weiteren  Grund  dafür,  dass  hier  der  Sitz  des  psychi- 
schen Sprachvermogens  zu  suchen  sei,  auch  noch  an, 
dass  das  Pferd  — dem  man  eine  grössere  receptive 
Befähigung  in  dieser  Richtung  zuschreihen  dürfe,  ande- 
ren Saugethieren  gegenüber  eine  besser  entwickelte  In- 
sel besitze.  Durch  das  Auftreten  der  Centralspalte  wird 
dann  bei  der  anthropoiden  Gruppe  das  Stirnhim  abge- 
grenzt,  das  beim  Menschen  42°  der  ganzen  Hemisphäre 
«us  macht,  und  dessen  Km  Wicklung  mit  dem  des  Linsen- 
kenis  und  des  Xucleus  isudatu*  gleichen  Schritt  hält. 
(Linsriikern , N'nclen»  caudatus  und  Insel  bilden  zusam- 
men beim  Menschen  hfl0,  Affen  40°,  Roh  33"  des  Statu  m- 
liirns).  In  diese  Gebiete  setzt  Meynert  den  Sitz  der 
von  Erlernung  und  Erfindung  beherrschten  bewussten 
Bewegungen  (der  Arbeit)  und  findet  es  in  dieser  Be- 
ziehung bezeichnend,  dass  mitten  unter  den  Sängethie- 
ren  wieder  bei  einem  Thiere,  das  sich  durch  seine  me- 
chanische Geschickliclikeit  auszeiebne,  nämlich  beim 
Klephanten  eine  Centralspalte  und  Abgrenzung  des 
Stirnhirns  auftrete.  Auch  innerhalb  des  menschlichen 
Geschlechts  bestehen  in  dieser  Richtung  bekanntlich  Un- 
terschiede und  Meynert  ist  geneigt,  die  Begünstigten 
als  Arbeitsvolker  zu  bezeichnen.  In  Betreff  der  Basis 
des  Gehirns  weist  Meynert  insbesondere  auf  die  fol- 
genden Unterschiede  hin.  1.  Die  überwiegende  Ent- 
wicklung des  Kusses  über  die  Haube  der  Hirnschenkel 
(Kuss  zu  Haube  beim  Menschen  = 1:1,  Affe  =1:3, 
Keh  = 1 : t»),  die  damit  zusammenhängt,  dass  der  er- 
ster« die  bewussten  B«weguug»impiil»«  leitet.  2.  Die 
Höhe  des  Pott»  Varoli  beim  Menschen,  ihm  Niedrigkeit 
bei  den  Saugethieren-  3.  Das  durch  geringere  Ent- 
wicklung der  Brücke  bedingte  Auftreten  oder  Blowlic- 
gen  de«  traprxoidcn  Körpers  bei  letzteren.  4.  Die 
starke  Entwicklung  und  das  äusserliche  Hervortreten 
der  Oliven  beioi  Menschen.  Alle  diese  Eigenthümlicb- 
koiten  stehen,  wie  der  Verfasser  nach  weist,  in  innigem 
Zusammenhang  mit  dem  Entwicklungsgrad  der  Hemi- 
sphären; «eine  harmonische  Abhängigkeit1*,  — 
so  drückt  sich  der  Verfasser  aus,  — „von  den  auf 
der  höchsten  Stufe  des  Organbaues  stehenden 
Grosshirnhalbk ttgelu  durchklingt  alle  Stufen 
desselben“. 

Meynert.  Ueber  die  Methode  der  Gehirnwägun- 
gen. (Mittheilungen  der  Anthropologischen  Ge- 
sellschaft in  Wien,  I.  lid.,  Nr.  5,  17.  Deceraber 
1870. — Vergl.  auch:  Vierteljahrsscbrift  für  Psy- 
chiatrie von  Leidesdorf  und  Meynert.  Neuwied 
1868.) 

Gicht  die  Schnitte  an,  durch  welche  am  zweckmässig- 
sten  die  mehr  selbständigen  Gehirntheile  zum  Zwecke 
isolirter  Wägung  von  einander  getrennt  werden.  Mey- 
nert trennt  zunächst  Kleinhirn,  Gehirnmantcl  und 


Staramgebivt,  den  Gehirnmantel  wieder  in  Stirn-,  Schei- 
tel-, Hinterhaupt-  und  .Schläfenlappen;  das  Stammte- 
hlet  in  Stammiappen,  Nehhiigel,  Vierhügelgegend,  Brücke 
und  verlängertes  Mark. 

Quain’s  Lehrbuch  der  Anatomie.  Deutsche  Origi- 
nalausgabe, nach  der  siebenten  von  Shnrpey,  Al- 
lan Thomson  und  John  Clelund  besorgten  Aus- 
gabe des  Originals,  bearbeitet  von  C.E.E.  H off- 
mann. Erlangen  1869,  I,  1,  2. 

Die  bekannten  Vorzüge  dieses  englischen  Werke.«  sind 
in  der  Bearbeitung  von  Hoffman  n durch  sorgfältige 
Benutzung  der  deutschen  Literatur  noch  erheblich  ver- 
mehrt. 

Stieda.  Zur  Anatomie  des  Jochbeins  des  Menschen. 
(Reicheres  und  Du  Boi*  - Reymonds  Archiv  für 
Anatomie  etc.  1870,  S.  112.) 

Bestätigt  di«  Annahme,  dass  der  Processus  luargina- 
11»  keine  Kacen  — sondern  nur  eine  individuelle  Eigen- 
thüinlichkcit  ist. 

Virehow.  Menschen-  und  AfTensehädel ; mit  6 Holz- 
schnitten. (.Sammlung  gemeinverständlicher  wis- 
senschaftlicher Vorträge  von  R.  Virehow  und  J. 
von  Ilol zendorff,  IV.  Serie,  Heft  96.  Berlin 

1870,  8«) 

Treffliche  Darstellung  der  Verhältnisse;  der  Microce- 
phale  ist  auch  für  Virehow  ein  durch  Krankheit  theil- 
Weiso  veränderter  Mensch  aber  kein  Affe. 

Wake.  The  physical  characters  of  the  Australian 
Aborigiue«.  (Journal  of  Anthropology.  London 

1871,  Nr.  III,  January.) 

Weiabach.  Die  Schädelform  der  Rumänen,  mit 
3 Tafeln,  4r>.  (Separatabdruck  aus  den  Denk- 
schriften der  kaiserl.  Akademie  in  Wien  1869, 
XXX.  Band.) 

Der  Verfasser  fasst  am  Schlüsse  die  Resultate  seiner 
Untersuchung  folgenderiuuasscii  xusaatmen:  Der  Schä- 
del der  Rumänen  besitzt  hei  mittlerer  Grusse  seiner 
Höhle  und  nicht  starkem  Knochenbau  «in«  ausgespro- 
chen hoch- braehyceplutle , gegen  die  Stirn«  und  Basis 
wenig  verschmälerte  Form  und  io  sagittaler  und  eoro- 
n«ler  Richtung  eine  starke  Wölbung;  »ein  Vorderhaupt 
ist  breit  und  kurz,  in  sagittaler  Richtung  sehr  stark 
gewölbt  und  hat  sehr  weit  auseinander  liegende  Stirn* 
höckcr;  sein  ebenfalls  sehr  breites  nnd  kurzes  Mittel- 
haupt hat  breit«  flache  Seitenwaudbeine , hoch  nach 
oben  und  weit  auseinander  gerückte  Scheiteihöcker  und 
«inen  in  querer  und  schräger  Richtung  stark  gewölbten 
Scheitel,  der  nach  vorn  nur  wenig  sich  verschmälert, 
niedrige  Schläfenschuppen  und  eine  lange  flache  Seiten- 
wand ; das  breite  Hinterhaupt  ist  hoch,  durch  stine 
Abflachung  in  jeder  Richtung  ausgezeichnet  und  von 
einem  kurzen  Zwischenscheitelhein  aber  einem  langen 
Keceptaculum  gebildet.  Die  Schädelbasis  ist  lang,  gross 
und  breit  mit  grossem,  sehr  breitem  rundlichen  Fora  men 
rnagnum,  weit  auseinander  liegenden  Foramitta  stylo- 
mastoidea  und  nahe  aneinander  gerückten  Foramina 
ovalia.  Gesicht  auffällig  durch  die  geringe  Höhe,  da- 
für aber  sehr  breit;  nach  unten  und  oben  von  den  sehr 
stark  gebogenen  Jochbeinen  bloss  wenig  verschmälert, 
im  Ganzen  «Iso  mehr  gleichroässig  breit;  Nasenwurzel 
sehr  breit;  Augenhöhlen  klein,  niedrig  und  seicht; 
Choanen  klein,  schmal;  Gaumen  kurz,  sehr  breit;  Un- 
terkiefer klein,  flach  gekrümmt,  mit  kleinen,  breiten 


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372 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


aber  stark  geneigten  Arsten.  N’orma  verticalis  breit 
und  rundlich-oval,  Schläfen  stark,  Hinterhaupt  schwach 
gewölbt;  Norma  occipitali*  rundlich  bis  abgerundet 
fünfeckig. 


Weißbach.  Die  Supraorbital  Windungen  des  mensch- 
lichen Gehirns.  Wiener  medicinische  Jahrbücher, 
XIX.  (Wiener  Zeitschrift,  XXVI,  2 u.  3),  S.  88. 


m. 

Ethnographie  und  Reisen. 

Allgemeines. 

(Von  Frladr.  von  Hollwald.) 


Acton,  Will.  Prostitution  considered  in  its  Mo- 
ral, Social  and  Sanitär}'  aspects.  London  1870, 
8*.  2.  edition. 

Ahrens,  H.  Naturrecht  oder  Philosophie  der 
Rechte  und  des  Staates.  Auf  dem  Grunde  des 
ethischen  Zusammenhanges  von  Recht  und  Cultur. 
Wien  1870,  I Bd. 

Andree,  Karl.  Zur  Kennzeichnung  der  Mischlinge 
aus  verschiedenen  Menschonracen.  (Globus,  Bd. 
XVII,  S.  9 — 13,  106—110.) 

Sehr  Icsenswcrthc  Darstellung  des  Beweises,  dass  die 
Natur  die  Hybridität  der  Mensehenracen  nicht  begün- 
stige; Mischlinge  sind  kein  harmonisches  Produkt.  Ks 
ist  ferner  ein  reiner  Wahn  za  glauben,  dass  die  Civili- 
sutiun  mächtiger  sei  als  di«  Natur. 

Anfänge,  Die,  der  menschlichen  Gesittung.  ( Aus- 
land 1870.)  1.  In  der  vorgeschichtlichen  Zeit, 

Nr.  9.  2.  In  der  Gegen wurt  bei  wilden  Völkern, 
Nr.  10. 

Anfänge,  Leber  die,  der  geistigen  nnd  sittlichen 
Entwicklung  des  menschlichen  Geschlechts.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  44.) 

August,  Otto.  Die  sociale  Bewegung  auf  dem  Ge- 
biete der  Frauen.  Hamburg  1870,  8*. 

Besprochen  im;  «österreichischen«  teeonomist  1870,8.76. 

Baltzer,  Ed.  Das  Buch  von  der  Arbeit  oder  die 
menschliche  Arbeit  in  persönlicher  und  volks- 
wirthschaftlicher  Beziehung.  Nordhausen  1870, 
8».  199  &,  2.  \ ui!. 

Blind,  Karl.  Noch  etwas  über  den  Tanz  in  alter 
Zeit  („Neue  Freie  Presse*,  Nr.  2010,  3.  April 
1870,  Morgenblatt.) 

Boltz,  August.  Das  Fremdwort  in  Beiner  cult ar- 
historischen  Entstehung  nnd  Bedeutung.  Berlin 
1870,  8». 

Dies  Scbriftchen  ist  der  Abdruck  eines  Vortrags,  den 
der  bekannte  .Sprachforscher  seinerzeit  zu  Wiesbaden 
gehalten  hat.  In  historischen  Zügen  «teilt  es  dar  wie 


die  Völker  die  Erzeugnisse  des  Bodens,  der  Gewerbe  etc. 
und  folglich  deren  Benennungen  von  einander  entlehnt 
haben,  nnd  wie  solche  Vorgänge  sich  noch  täglich  fort- 
setzen. Aus  dem  wirklichen  und  w Ähren  Bedürfnis* 
entwickelt  es,  welche  Art  von  Fremdwörtern  nuthwen- 
dig  und  der  Einbürgerung  wertb,  welche  als  überflüs- 
sig und  entbehrlich  zu  vermeiden  sind.  In  detu  Büch- 
lein ist  ein  reicher  Inhalt  zusammengedrängt,  fast  in  zu 
grosser  Fülle  für  den  beschränkten  Kaum. 

Buneen,  ErnBt  v.  Die  Einheit  der  Religionen  im 
Zusammenhänge  mit  den  Völkerwanderungen  der 
Urzeit  und  der  Geheimlehrc.  Berlin  1870,  8*. 
2 Bände. 

Cannibalisraus  der  vorhistorischen  Höhlenbewoh- 
ner. (Ausland  1870,  Nr.  7.) 

Cannib&lismuB.  Nochmals  über  den  Cannibalis- 
wus  der  ältesten  Menschenrocen.  (Ausland  1870, 
Nr.  21.) 

Kurze,  der  französischen  Zeitschrift  Los  Mondes  ent- 
nommene Notiz  des  Professor  8p  ring. 

Caxenove,  Ldonce  de.  La  guerre  de  rhumanite 
au  XIX“*  siede.  Paris  1869,  8*. 

Cox,  George  W.  The  Mythology  of  the  Aryan 
Nation  s.  London  1870,  8°.  2 Bde. 

Die  Namen  der  griechöchen  Mythologie  existirten  tu 
ihrer  Mehrzahl  vor  der  Trennung  der  arischen  Stämme; 
auch  der  Ursprung  mythischer  Personen  ist  in  jener 
Urzeit  zii  linden.  Cox  glaubt  an  einen  gemeinsamen 
Ursprung  der  europäischen  Mythologien  und  hält  die 
Sprache  der  Vedas  für  ihre  gemeinsame  (Quelle.  Der 
Sonuenmythos  wird  durch  Cox  umständlich  erklärt, 
doch  blribt  immerhin  die  Frage,  ob  demselben  nicht 
etwas  Zwang  aiigethnn  sei.  Eine  ausführliche  Anzeige 
dieses  Werkes  siehe  im  Globus,  Bd.  XVIII,  8.  185— 
18h,  200—202. 

Europäus,  D.  E.  D.  Die  Stammverwandtachalt 
der  meisten  Sprachen  der  alten  und  australischen 
Welt.  Die  Zahlwörtertabelle,  I.  St.  Petersburg 
1870. 

Franta,  Const.  Die  Naturlebre  des  Staatesais  Grund- 
lage aller  Staat* Wissenschaft.  Leipzig  1870,  8#. 


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Verzeichnis  der  anthropologischen  Literatur.  373 


Versuch  die  Staatswisserischaft  auf  die  Naturlehre  zu 
basiren.  Besprochen  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen 
Zeitung*4  1870,  Nr.  250. 

Frauenfrago.  Die  Frauenfrage  in  den  verschie- 
denen Culturländern.  (Unsere  Zeit  1870,  I.  S. 
542.) 

Recht  gute  ausführliche  l'ebersicht  des  Stadiums,  in 
welchem  sich  dermalen  diese  Frage  in  den  verschiede- 
nen Ländern  befindet,  jedoch  ohne  jedwedes  A »lehnen 
an  einen  anthropologischen  Hintergrund;  der  Autor  ist 
demnach  für  die  Kmancipation  der  Krauen. 

Fröbel,  Jul.  Die  Wirthschaft  dos  Menschenge- 
schlechts. Leipzig  1870,  8*.  I.  Theil. 

Der  Autor  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  ohne 
ein  Verständnis«  des  Zusammenhanges  vrirtbschaftlicher 
Vorgänge  das  Verhältnis«  des  sittlichen  Ideals  zur  Wirk- 
lichkeit gar  nicht  zu  verstehen  sei  und  behandelt  dem- 
nach die  öconomiseben  Fragen  aus  diesem  Gesichtspunkte 
mit  logischer  Schärfe  und  Wärme. 

Fünf  Jahr«»  auf  einer  Raine  um  die  Erde.  (Ausland 
1870.)  1.  Die  Schreckeuszeit  in  Arizona,  Nr.  15. 
2.  Wunderungeu  in  Japan,  vornehmlich  nufJeseo, 
Nr.  16.  3.  Wanderungen  in  Sud-  und  Nordchina, 
Nr.  17. 

Treffliche  Auszüge  aus  dem  interessanten  Werke  de# 
Amerikaners  PumpeJly:  A cross  America  and  Asm, 

Haidinger,  W.  R.  v.  Das  Eisen  bei  den  Kampf- 
Spielen.  (Mittheilung  der  anthropologischen  Ge- 
sellschaft. Wien,  Bd.  I,  S.  63 — 69.) 

Sehr  interessante,  lesenswerthe  Abhandlung  des  nun- 
mehr verstorbenen  Naturforschers. 

Hehn,  Victor.  Culturpflanzen  und  Hausthiere  in 
ihrem  Uebor  gange  aus  Asien  nach  Griechenland 
uud  Italien,  sowie  in  das  übrige  Europa.  Histo- 
risch - linguistische  Skizzen.  Berlin  1870,  8°. 

456  S. 

Besprechungen  und  Auszüge  dieser  trefflichen  Arbeit 
siehe  iui  „Ausland11  1870,  Nr.  17  und  in  der  „Beilage 
zur  Allgemeinen  Zeitung“  1870,  Nr.  97. 

Henne  Am  Rhin,  Otto.  Culturgeschichte  der 
neuen  Zeit.  Leipzig  1870,  8°.  I.  Band. 

Da«  vorliegende  Werk , dessen  erster  Band  das  Zeit- 
alter der  Reformation  behandelt,  liefert  eineu  anschau- 
lichen t'eberblick  dessen,  was  geschehen  ist,  um  Bildung 
und  Gesittung  im  fortschreitenden  Ringen  mit  der  kirch- 
lichen Barbarei  und  den  zerstörenden  Leidenschaften 
der  herrschenden  Machthaber  an  deren  Stelle  zu  setzen. 
Wenn  es  dem  Autor  auch  widerstrebt  fertige  Urthelle 
ungeprüft  aufzunehmen,  weil  sic  seiner  Anschauungs- 
weise näher  liegen  sollten  als  andere,  so  wird  der  be- 
sonnene Denker  doch  mit  seiner  radikalen  Gesinnung 
kaum  übereinstimmen.  Dagegen  ist  eine  andere  ver- 
dienstliche Seite  des  Buches  die  gelungene  Art  Popu- 
larismnig  des  Stoffes. 

Hommaire  de  Hell,  Addle.  A travers  le  monde. 
La  vie  orientale  — la  vio  creole.  Paris,  Didier, 
1870,  8°. 

Honeggor,  J.  J.  Grundsteine  einer  allgemeinen 
Culturgeschichte  der  neuesten  Zeit.  Leipzig  1870, 
8".  I.  Band. 

Der  erste  Band  behandelt  die  Zeit  des  ersten  Kaiser- 


reiches. Besprochen  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen 
Zeitung“  1870,  Nr.  225.  % 

Howorth,  H,  H.  On  the  westerly  Drilling  of  No- 
mades,  from  the  fifth  to  the  nineteenth  Century. 
(Journal  of  the  Ethnol.  Society  of  London  1870. 
S.  83—95,  182— 192,  469—476.) 

Fortsetzung  der  schon  im  vorigen  Jahre  begonnenen 
Untersuchungen;  behandelt  diesmal  die  Kumauicr  und 
Petschcnegen , die  Circaasicr  und  weissen  Khazarcn , 
uud  endlich  die  Ungarn. 

Howorth,  H.  H.  On  a frontier-line  of  Ethnology 
and  Geology.  (Journal  of  the  Eth nolog.  Society 
of  London  1870,  S.  131—137.) 

Da*  Studium  der  Ethnologie  lehrt,  daas  ihre  grossen 
Unterabtlicilungen  ziisamnienfallen  mit  den  grossen  zoo- 
logischen und  botanischen  Provinzen.  Mit  der  weitaus- 
gedehnten Wanderung  der  indo-europäischen  Völker  ist 
eine  grosse  Veränderung  in  der  Fauna  und  Flora  jener 
Gegenden,  wohin  sie  sich  gewendet,  liand  in  Hand  ge- 
gangen. Der  Verfasser  entwickelt  dann , wie  die  ugri- 
sche  Race  genau  jenen  climatiscben  und  sonstigen  Be- 
dingungen entspricht , welche  in  der  Geologie  die  vor- 
historische Periode  bildeten. 

Huxley,  T.  H.  On  the  geographical  Distribution 
of  tbe  chief  Modifications  of  Mankiud.  (Journal 
of  the  Ethnol.  Society  of  London  1870.  S.  404 — 
412.) 

Der  Lritische  Gelehrte  unterscheidet  vier  llaupttypen, 
und  zwar  den  australnidischon,  den  negroidi- 
schen,  xanthochroischen  und  mongoloidischen 
Typus.  Kiue  farbige  Weltkarte  zeigt  die  Vcrtheilung 
und  Gruppining  der  Raccn  nach  Huxley’s  System. 

Jäger,  Dr.  G.  Nachtrag  zu  der  Theorie  über  den 
Ursprung  der  Sprache.  (Ausland  1870,  Nr.  16.) 

Erklärt  als  eine  der  zur  Sprachbildung  notii wendigen 
Bedingungen  die  aufrechte  Haltung  und  die  zweibeinige 
Gangart  hei  Menschen  und  Vögeln. 

Lindnor,  Dr.  G.  A.  Ideen  zur  Psychologie  der 
Gesellschaft  als  Grundlage  der  Social  Wissenschaft. 
Wien  1870,  8°. 

Lottner.  Ueber  die  Genealogie  der  indo-europäi' 
sehen  Völker.  (Ausland  1870,  Nr.  41.) 

Maurer,  Franz.  Ueber  das  Alter  und  die  Bewoh- 
ner der  Gruben-  und  Höhlenwohnungen.  (Ausland 
1870,  Nr.  27.) 

Anknüpfend  an  die  von  den  Fachmännern  behauptete 
GJeichalterigkeit  von  Pfahlbauten  und  Grubcnwohnun- 
gen,  wird  hier  — wie  uns  dünkt  mit  Erfolg  — der 
Beweis  zu  führen  versucht , dass  die  Bewohner  jener 
Grubenbauten  unsere  deutschen  Vorfahren,  nnd  zwar 
die  Zeitgenossen  des  Taeltus  gewesen  sind. 

Menzel,  Wolfgang.  Die  vorchristliche  Unsterb- 
lichkeitslehre. Leipzig  1870,  8°.  2 Bde. 

Dus  Ergebnis«  der  30jährigen  Forschungen  MonxePs 
ist,  dass  die  heidnischen  Cnsterbiichkeitslebren  keines- 
wegs au«  einer  Iroffenborung  an  die  Heiden  hervorge- 
gatigen  NM , noch  das#  sie  nach  einem  angeblichen 
Plane  Gottes  die  christliche  Lehre  vorbereitet  haben. 
Sie  sind  vielmehr  vollkommen  selbständig  für  sich,  durch- 
aus naiv,  naturwüchsig  und  verschiedenartig  hervorge- 
gangen  ans  der  Gefühls-  und  Denkweise  sehr  verschie- 
denartiger Völker.  Das  meiste  Neue  finden  wir  in  dem 
Theil* , der  die  altdeutsche  Unsterblich  keitelehre  behan- 


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374 


Verzeiehniss  der  anthropologischen  Literatur. 


delt.  Dagegen  durften  in  Manchem  etymologische  Be- 
denken wachgerufen  werden. 

Meyer,  Jürgen  Bona.  Philosophische  Zeitfragen. 
Bonn  1870,  8°. 

Inhalt:  Die  Philosophie  und  unsere  Zeit.  — Kraft 
und  Stofl’.  — Zweck  und  Ursache.  — Die  Entstehung 
der  Arten  (Darwinismus).  — Die  Rangordnung  der  or- 
ganischen Wesen.  — Thier  und  Mensch.  — Seele  und 
Leib.  — Die  Temperamente.  — Der  Wille  und  seine 
Freiheit.  — Das  Gewissen  uud  die  sittliche  Weltord- 
nung.  — Die  Zukunft  der  Seele.  — Religion  und  Phi- 
losophie in  unserer  Zeit.  — Die  philosophischen  Systeme 
und  die  Zukunft  der  Philosophie.  Eine  eingehende, 
kritische  Anzeige  dieses  Werkes  Jasen  wir  in  der  Bei- 
lage der  Allgemeinen  Zeitung  1870,  Nr.  286. 

Külior,  Friodr.  Beiträge  zur  Kenntnis«  der  Rom- 
Sprache.  Wien  1869,  8*. 

Besprochen  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung“ 
1870,  Nr.  164. 

Müller,  Friedr.  Ueber  die  Bedeutung  der  Sprache 
für  die  Naturgeschichte  des  Menschen.  (Mitthei- 
lungen der  anthropologischen  Gesellschaft.  Wien, 
Bd.  I,  S.  111  — 117.) 

Müller , Friedr.  Ueber  das  Alter  des  Menschen 
vom  ethnologisch  - anthropologischen  Gesichts- 
punkte. (Mitth.  der  anthrop.  Gesellschaft.  Wien, 
Bd.  I,  S.  140—145.) 

Professor  Malier  berechnet  den  Zeitraum,  innerhalb 
dessen  der  Mensch  sich  aus  dem  Zustande  thierischer 
Rohheit  zu  der  Höhe  menschlicher  Gesittung  emporge- 
arbeitet hat,  auf  etwa  12000  Jahre.  Das  wirkliche 
Alter  dos  Menschen  lässt  sich  aber  nicht  berechncu. 


Nadeln  und  Nähkünste  bei  wilden  Völkern  der 
Vorzeit  und  der  Gegenwart.  (Ausland  1870,  Nr. 
26.) 

Aus  Lartet’s  und  Christy’s  Reliqulae  und  Aqni- 
tanlcac. 


Nissern,  Heinr.  Das  Templum.  Antiquarische  Ab- 
handlungen, mit  astronomischen  Hülfstufeln.  Ber- 
lin 1869,  8®. 


Besprochen  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung1" 
870,  Nr.  207. 


Omalius  d'Halloy,  J.  J.  d\  De«  racea  huraaines, 
ou  elements  dethnographie.  Cinqoicine  edition. 
Bruxelles,  Mucquardt,  1869,  8°.  151  pag. 

Owen,  Bob.  Dale.  Moral  Physiology;  or,  a brief 
and  plain  Tre&tise  on  the  Population  Question. 
New  York  1870,  12®.  88  8.  10lh  Edition. 


Peschol,  O.  Ueber  den  Einfluss  der  Ortsboschaf- 
fenheit  auf  einige  Arten  der  Bewaffnung.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  19.)  * 

Eine  der  werth vollsten  ethnographischen  Abhandlun- 
gen, van  «taumntwerther  Gelehrsamkeit;  wie  alle  Ar- 
beiteu  Pesch«]’»  hat  sie  den  grossen  Fehler,  dass  sie 
sich  nicht  excerpiren  lässt,  weil  Alles  darin  yon  gleichem 
Wertb«  ist;  man  muss  sie  «?b«n  selbst  lesen. 

Roed , J.  Man  and  Woman,  Equal  but  Unlike. 
Boston  1870,  12°.  78  S. 


Reinsberg  - Düringsfeld.  Ethnographische  Ver- 
gleiche. (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  253—254.) 

Interessante  Zusammenstellung  der  Redeweisen  der 
verschiedenen  Völker  zur  Bezeichnung  der  Seltenheit 
und  des  Alters. 

Reinsberg -Düringsfeld,  Otto  Frhr.  von.  Der 
erste  F&steneonntag.  („Leipziger  Illugtrirte  Zei- 
tung1*, Nr.  1392,  Bd.  LIV,  1870,  S.  171.) 

Reville.  Histoire  du  diable.  Strassburg  1870,  12°. 

Reyhongs,  Capt.  Aua  allen  Welttlieilen.  See-, 
Wald-  und  Landnchaftebilder.  Leipzig,  Dürr, 
1870,  8®.  Bd.  I. 

Rivet,  Felix.  Influence  de«  idees  economiques  sur 
la  civilisation.  Paris  1870,  8°. 

Buch  voll  geistreicher  Ideen  und  auch  mitunter  rich- 
tiger Ansichten,  jedoch  von  antimaterialistischer  Ten- 
denz durchweht.  Für  den  Anthropologen  von  nur  un- 
tergeordnetem lute resse. 

RoskoH,  Gustav.  Geschichte  de«  Teufels.  Leip- 
zig 1869,  8®. 

Sehr  ausführliche  Besprechung  dieses  hochinteressan- 
ten Werkes  siche  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zei- 
tung“ 1870,  Nr.  296,  297,  298. 

Sacken,  E.  Frhr.  v.  Instruction  für  die  Eintra- 
gung und  Eröffnung  der  Tumuli.  (Mittheil,  der 
Anthropologischen  Gesellschaft  zu  Wien,  Band  I, 
8.  38—42.) 

Enthält  nichts  Neues. 

Schul tzo,  Fritz.  Der  Fetischismus.  Ein  Beitrag 
zur  Anthropologie  und  Religionsgeachichte.  Leip- 
zig, Carl  Wilfferodt,  1871,  8®.  292  S. 

Sittliche,  der,  Fortschritt  der  Menschheit.  (Allge- 
meine Zeitung  1870,  Nr.  1,  2.) 

Sehr  lesenswert  hc  Abhandlung,  welche  zeigt,  wie  es 
mit  dem  sogenannten  sittlichen  Fortschritt  bestellt  ist. 

Solbrig,  A.  Die  Geisteskrankheit  im  Zusammen- 
hänge mit  der  jeweiligen  Culturbewegung.  (All- 
gemeine Zeitung  1870,  Nr.  116,  117.) 

Sprachwissenschaft  uud  Sprachvergleichung.  (Un- 
sere Zeit  1870,  1,  S.  770—783.) 

Bringt  nichts  Neue«;  zweifelt  an  der  Möglichkeit  einer 
einzigen  Ursprache  des  Menschen geschlochts. 

Strutt,  Elizab.  The  feminine  Soul:  its  Nature 
and  attributea.  Boston  1870,  12°.  199  S. 

Thomas,  Louis.  Bilder  aus  der  Länder-  und  Völ- 
kerkunde. Zweite  vermehrte  Auflage.  Leipzig, 
Ernst  Fleischer,  1870,  8*.  472  S. 

Thrailkill,  John  W.  The  Cause«  of  Infant  Mor- 
tality.  St.  Louis  1870,  16®.  62  S. 

Tononi,  G.  Dell’  origine  e del  fine  delP  uomo 
secondo  Petnografia.  („Rivista  universale“  1870. 
Heft  VII.) 

Tylor,  Edw.  B.  The  Philosophy  of  Religion  among 
the  Lower  Races  of  M&nkind.  (Journal  of  the 
Ethüol.  Society  of  London  1870.  S.  369—382.) 


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375 


Verzeichnis»  der  anthropologischen  Literatur. 


Behauptet,  «luss  di«  Existenz  von  absolut  religions- 
losen  Völkerschaften  nicht  erwiesen  sei.  Solche  sind, 
wenn  überhaupt  zu  finden,  unter  den  schon  erloschenen 
oder  höchstens  unter  den  noch  am  wenigsten  gekann- 
ten Völker«  unseres  Erdballes  zu  suchen. 

Ursachen.  Die  Ursachen  der  Prostitution  und  die 
Möglichkeit  ihrer  Verminderung.  Berlin  1870,  8°. 

Wells,  S.  B.  The  illustrated  nlmnnac  of  phreno- 
logy  and  pbysiognomy  forl870.  New  York  1870, 
12".  77  8. 

Westropp , Hodder  M.  On  the  enrliest  pha&cs 
of  Civilizution.  (Journal  of  the  Ethnol.  Society 
of  I*ondon  1870.  S.  324.) 


White,  Carlos.  EcceFemina.  An  attempt  to  solve 
the  Woraan  Question.  Hannover  1870,  16°.  258  S. 

Zeitschätzung.  Gegen  die  Zeitschätzung  der  dä- 
nischen Altert humsforschcr.  (Ausland  1870,  Nr. 
20.) 

Nach  einer  kritischen  Abhandlung  in  der  Quartcrly 
Review,  April  1870;  gipfelt  darin,  dass  ein«  chronolo- 
gische Abschätzung  der  Altert  Immer  gegenwärtig  noch 
nicht  möglich  ist. 

Zeller,  E.  Das  Recht  der  Nationalität  und  die 
freie  Selbstbestimmung  der  Völker.  (Preußische 
Jahrbücher.  Berlin  1870,  Bd.  XXVI,  12.  lieft.) 


Europa. 


Allmers,  Hermann.  Römische  Schlendertage.  Ol- 
denburg 1869,  8°. 

Besprochen  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung“ 
lb69,  Nr.  16. 

Alphen,  Ihr.  van.  Reieverhaleu  en  indrnkken  uit 
Jerland  *tNoord«i  van  Wallis  enz.  Een  dagboek 
met  aanteekeningen.  ’sGravenhage  1869,  8°. 
344  S. 

Alterthümor  in  Corawallis.  (Ausland  1871,  Nr.  5.) 

Althirns,  Friedrich.  Englische  Charakterbilder. 
Berlin  1869,  8n.  2 Bde. 

Besprochen  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung“ 
1870,  Nr.  161. 

Anthropoph&gen.  Die  alten  Anthropophagen  in 
Chauvaux.  (Globus,  Bd.  XVU,  S.  365—366.) 

Nach  Spring. 

Andree,  Karl.  Unsere  deutschen  Grenzen  und 
unsere  Nachbarn.  (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  B4 — 
60,  71 — 76,  90—93.) 

Belasst  sich  unter  Anderem  mit  den  vlaamschen  und 
holländischen  SprachverhältnUsen , mit  jenen  von  Lim- 
burg und  Luxemburg.  So  sehr  der  deutsche  Patriotis- 
mus des  Verfassers  Anerkennung  verdient,  so  Hessen 
sich  doch  vom  wissenschaftlichen  Standpunkt  gar  ge- 
wichtige Einwendungen  gegen  seine  Ausführungen 
macheu. 

Andree,  Richard.  Elsässer  Beiträge.  (Globus, 
Bd.  XVIII,  S.  135—137,  150—153,  166—168, 
183—185,  198—200,  215—217,  232—234.) 

Sebastian  Münster1«  Schilderung  des  Elsasses.  — 
Die  keltische  Periode.  — Keltische  Ortsnamen.  — Alte 
Stcimienkmäler.  Menhirs,  Dolmen  u.  s.  w.  im  Elsas*. 
— Römische  und  fränkische  Periode.  — Vereinigung 
des  Elsasses  mit  Deutschland  870.  — Vcrwaltungsinanss- 
regcln  and  was  damit  zusamraenliängt.  — Der  Wider- 
stand des  Unbewussten.  — Die  Sprachgrenze.  — Ro- 
manische Thal  er  der  Vogesen.  — Markirch.  — Sage 
aus  dem  Urbisthale.  — Romanische  Dialectprob«.  — 
Statistik  der  Deutschen  und  Franzosen  im  Eisass.  — ■ 
Feldbau.  — Weinbau.  — Der  Elsässer  Bauer.  — HÄu- 
serbnu.  — Kuukelstnhen.  — Elsässer  Mundarten.  — 
Das  festliche  Jahr  im  Eisass.  — Die  Wochentage.  — 


Hochzeiten,  — Volksaberglaube.  — Gespenstert  hier«.  — 
Sprichwörter.  — Religiöse  and  kirchliche  Verhältnisse. 

— Die  Juden. 

Andreo,  Richard.  Vergleich  der  Volksbildung  in 
verschiedenen  europäischen  Ländern.  (Globus, 

Bd.  XVII,  S.  25—28.) 

Behandelt  Prcaasen,  Oesterreich,  Frankreich,  Italien, 

England. 

Armenier.  Die  katholischen  Armenier.  (Allgem. 

Zeitung  1870,  Nr.  69.) 

Atklnson,  J.  C.  On  the  Danish  Element  in  the 
Population  of  Cieveland , Yorkshire.  (Journal  of 
the  Ethnolog.  Society  of  London  1870.  S.  351  — 

366.) 

Nach  der  Ansicht  Atkinson's  tritt  das  dänische  # 

Element  besonders  an  Ort*  und  Eigennamen  hervor. 

Sehr  interessant  sind  die  daran  geknüpft«!!  Bemerkun- 
gen des  Isländers  II j altaiin. 

Ausartung.  Die  Ausartung  der  deutschen  Sprache 
in  überseeischen  Ländern.  (Globus,  Bd.  XVII, 

S.  71—72.) 

Beschäftigt  sich  vorwiogend  mit  den  Auswüclisen  der 
deutschen  Sprache  in  Australien. 

Auswanderer.  Deutsche  Auswanderer.  (Allgem. 

Zeitung  1869,  Nr.  342.) 

Axhoim.  Die  Insel  Axholm.  (Globus,  Bd.  XVII, 

S.  310—311.) 

Nach  einem  Berichte  Edward  Peacock’s  in  der 
Anthropologien!  Review,  April  1870. 

Axon,  Will.  E.  A.  Th«  literature  of  the  Lan- 
cashire  Dialect.  (Trübnor’a  American  and  Orien- 
tal litcrary  Record.  Juni  1870.) 

Badischen.  Aus  dem  badischen  Grenzland.  (All- 
gemeine Zeitung  1870,  Nr.  258.) 

Baltische  Briefe.  (Allgein.  Zeitung  1870,  Nr.  180, 

181,  202,  300.) 

Bamborgor,  L.  Material  zur  Völkerpsychologie. 
(Allgemeine  Zeitung  1870,  Nr.  305,  306;  1871, 

Nr.  23,  24,  25,  26,  32,  33,  34,  37,  38.) 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


37(5 

Ausserordentlich  wichtige  Aufsatz«,  welche  die  Ent- 
stehung des  deutsch-französischen  Krieges  vom  ethnolo- 
gischen Standpunkte  erklären. 

Bartholomew , E.  G.  Seven  mönths  in  the  Ba- 
learic  Islands.  (Illastrated  Travel«  ed.  by  Bates, 
Part  IX,  1869.) 

Bayldon , George.  An  elementary  grammar  of 
the  Old  Norso  or  icelandic  language.  London, 
William«,  1870,  8®. 

Bemmolon,  P.  v.  Luxemburg.  Nimegen  1871,  8°. 

Bemmelen , P.  v.  Luxetnburgsche  Nationalität 
en  taal.  (De  Nederlandsche  Spcctator  1871 , 31 
Dezember.) 

Berarose’a  Guide  to  Derbyabire.  A complete  hand- 
book  for  the  county,  containing  bistorica),  bio« 
gruphical  and  antiquariau  not. es.  London  1869, 
8°.  392  S. 

Bern&rdakifl,  A.  N.  Le  präsent  et  l’avenir  de  la 
Grece.  Paris  1870,  8°.  75  S. 

Extrait  du  Journal  des  Economtatcs,  da  15  juin 
187Q. 

Bemhardi,  Carl,  Spracbkarte  von  Deutschland. 
Cassel  1870. 

Besprochen  in  der  „Beilage  znr  Allgemeinen  Zeitung4 
1870,  Nr.  347. 

Beruh ardi,  Dr.  Carl.  Die  Sprachgrenze  zwischen 
Deutschland  und  Frankreich  ermittelt  und  erläu- 
tert. Cassel  1871,  8®. 

Bewegung  der  Bevölkerung  in  den  grössten  Staa- 
ten Europas  1861  bis  1865.  (Oesterreichischer 
Oeconomist  1870,  Nr.  36.) 

Blackburn,  H.  Normandy  picturesque.  London 

1869,  8«.  281  8. 

Boockh,  Richard.  Der  Deutschen  Volkszahl  und 
Sprachgebiet  in  den  europäischen  Staaten.  Ber- 
lin 1870,  8°. 

Man  wäre  beinahe  versucht  dies  treffliche  Werk  den 
Vorläufer  des  Krieges  1870  bis  1871  zu  nennen;  auf 
die  wissenschaftliche  Ermittlung  des  deutschen  Sprach- 
gebietes folgte  die  Richtigstellung  desselben.  — Anzei- 
gen siehe:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zei- 
tung 1870,  Nr.  8,  dann  in  iVterntann'i  («eographi- 
schen  Mittheilungen  1870,  8.  163—105. 

Boeckh,  Rieh.  Die  natürlichen  Grenzen  Deutsch- 
lands gegen  Frankreich.  (Unsere  Zeit  1870,  II, 
S.  353—372.) 

Brasche,  Dr.  Otto.  Beitrag  zur  Methode  der 
Sterblichkeitsberechnuug  und  zur  Mortalitätsata- 
tiatik  Busslands.  Würzburg  1870,  8®.  60  S. 

Brennecke,  Dr.  W.  Die  Länder  an  der  unteren 
Donau  und  Constantinopel.  Hannover  1870,  8®. 

Hicscs  Werk  wird  mit  Nutzen  von  Jenen  gelesen 
werden,  welche  »ich  über  Rumänien  unterrichten  wol- 
len, ein  Land,  das  der  Verfasser  indes»  mit  unverdien- 
ter Vorliebe  behandelt.  Auch  die  Schilderung  von  Con- 
stautinopel  ist  sehr  anziehend. 


Bryant,  W.  C.  Lettre«  front  tbe  East  London 
1669»  8®.  264  S. 

Burgartz,  Franz.  Das  Montavon  und  seine  Be- 
wohner. („Tourist“,  Jahrgang  II,  1870,  S.  497 
—512.)  * 

Busk,  R.  H.  The  lakes  of  Western  II  ungary  und 
the  d wellers  on  their  banke.  (Ulustruted  Travels 
1870,  Part  17.  S.  138—141.) 

Campbell,  J.  P.  On  current  british  Mythology 
and  oval  traditiona.  (Journal  of  the  Ethnological 
Society  of  London  1870.  S.  325 — 340.) 

Enthält  einige  noch  unpublicirte  Sagen. 

Canalinsoln,  dio.  (Ausland  1870,  Nr.  24,  S.  572 
bis  574.) 

Enthält  interessante  Schilderung  der  ethnologischen 
Momente  dieser  Eilande. 

Chareneey,  H.  de.  Recherches  sur  lea  norns  d’ani- 
maux  domestiques,  de  plante«  cultivees  et  de 
metnux  chez  les  ßasques  et  les  originee  de  la  ci- 
vilisatinn  ettropeenne.  Paris  1869,  8°. 

Christ,  Dr.  H.  Ob  dem  Kernwald.  Schilderungen 
aus  Obwaldens  Natur  und  Volk.  Basel  1869,  8°. 
205  S. 

Angezeigt  in:  Beter  man  u?»  Geographischen  Mittheh 
lungcn  IS7Ü,  S.  269. 

Cloasby , Bich.  An  Icelandic-English  dictionary, 
chiefly  founded  on  tbe  collections  madc  from 
proee  works  of  the  12^  — 14th  centuries  by  the 
late  — , enlarged  and  completed  by  Gudbrand 
Vigfusson.  Oxford  1869,  Part  I. 

Eingehend  besprochen  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen 
Zeitung  1870,  Nr.  6,  7. 

Cotta,  Bernh.  v.  Reise  in  Südrussluud.  (Ausland 

1869,  Nr.  50,  51.) 

Cox,  8.  8.  Search  for  Winter  Sunbeatns  in  Rivieru, 
Corsica,  Algiers  and  Spain.  New  York  1870,  8f. 
442  S. 

Culturstudien  in  den  englischen  Gerichtshöfen. 
(All gern.  Zeitung  1870.) 

1.  Zur  Fniucn-Kmancipution,  Nr.  51.  11.  Goldene 

Jugend,  Nr.  140. 

Delamarre , Theodore.  Note  sur  la  grammaira 
paleoslave  de  M.  Alexandre  Chndzko.  (Bulletin 
de  la  Societu  de  Göogruphic  de  Paris,  Janvier 

1870,  pag.  58—60.) 

Delamarre,  Casimir.  Les  peuplos  Slaves  et  les 
Mo&covitea,  d'apres  Viquesnel.  (Bulletin  de  la 
Societe  de  Geographie  de  Paris.  Juin  1870,  pag. 
469—189.) 

Ein  leider  bisher  nicht  vollendeter  Aufsatz,  welcher 
das  hohe  Verdienst  besitzt,  die  Franzosen  über  da»  Sla« 
venthnm,  das  die  Wenigsten  von  ihnen  kennen,  einge- 
hend zu  belehren.  Für  DtflUob«  ist  wenig  Neue*  darin. 

Delitsch,  O.  Frankreichs  innere  Macbtverhält- 
nisse.  Beitrag  zur  geographischen  Orientirung. 


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377 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


(Aus  allen  Welttheilen  1870,  Nr.  48,  S.  377 — 
379.) 

Vergleichendes  über  die  natürlichen  Hül&quelleii,  Er- 
trug des  Bodens,  Industrie,  Handel,  VoJkscharakter  und 
Volksbildung  in  Frankreich  und  Deutschland,  auch  mit 
Hinweis  auf  die  bekannte  Thataache,  dass  in  Frank- 
reich die  relative  Zahl  der  Geburten  in  stetiger  Abnahme 
begriffen  ist. 

Deacovich,  Dr.  J.  Di©  Bocche  tli  Cattaro.  (Mit- 
theilungen der  Geograph.  Gesellschaft  zu  Wien 
1870.  S.  20 — 27.) 

Der  Verfasser,  der  zwei  Jahre  hindurch  als  Bezirks- 
und Lazaretharzt  in  Castelnuovo  angestellt  war,  schil- 
dert Land  und  Leute  nach  eigenen  Beobachtungen. 

Deöjardins,  Ernest.  Geographie  d©  la  Gaule,  dV 
pres  la  Table  de  Peutinger.  Paris  1869,  8°. 

Deutacho,  das,  Sprachgebiet  in  Frankreich.  (All- 
gemeine Zeitung  1870,  Nr.  214.) 

Deutecho  und  tschechische  Bauprnhäu&er  in  Böh- 
men. (Globns,  Bd.  XVII,  S.  311 — 313.) 

Nach  einem  Aufsätze  in  den  „Mittheilungen  de*  Ver- 
eins für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  1870.“ 

Deutsche  Sprach©  und  Literatur  in  Galizien.  (Glo- 
bus, Bd.  XVII,  S.  330.) 

Deutschen.  Di©  Deutschen  in  den  Oatseeprovin- 
*en.  ( Allgemeine  Zeitung  1869,  Nr.  10.) 

Deutsches  Nationalgefühl.  (Allgemeine  Zeitung 

1870,  Nr.  334.) 

Deutschland.  Slid  und  Nord  in  Deutschland,  nach 
Schatzinavr.  (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  327.) 

Deutschlands  Westgrenze.  (Wissenschaftl.  Beil, 
der  Leipziger  Zeitung  1870,  Nr.  66.) 

Nach  einem  gleichnamigen  Aufsätze  des  I>r.  Otto 
Delitsch  in  „Aus  allen  Welttheilen“. 

Douglasa,  John  Sholto.  Die  Römer  in  Vorarl- 
berg. Thüringen  1870,  4®.  67  8. 

Recht  werthvolle  Abhandlung,  dio  in  drei  Tbeilo  zer- 
fallt. Der  erste_  befasst  »ich  mit  den  Ureinwohnern  der 
Alpen,  den  Uhätiern  und  Kelten,  der  Stein-,  Bronze- 
und  Eisenzeit  nebst  den  Pfahl banleuten;  der  zweite  giebt 
ein  gelungenes  Bild  der  RötnerherrschaJt  in  Vorarlberg, 
wiihrend  der  dritte  sieb  ausschliesslich  mit  den  im 
Lande  Vorgefundenen  Denkmalen  und  Altcrthümern 
aus  der  Kümerzeit  befasst.  Vier  Tafeln,  darunter  drei 
photographische,  s.hmücken  das  reich  ausgestattete  Buch. 

Draganchich,  A.  v.  Rnnjaluka  und  Ilihao  in  Bos- 
nien. (Mittheilungen  der  Geographischen  Gesell- 
schaft zu  Wien  1870,  S.  265 — 270.) 

Nur  von  geringem  ethnographischen  Werth.  • 

Düringsfold,  Ida  und  Otto.  Hochzeitsbuch. 
Brauch  und  Glaub©  der  Hochzeit  bei  den  christ- 
lichen Völkern  Europas.  Leipzig,  J.  G.  Bach, 

1871,  4°.  272  8.  mit  Illustrationen. 

Dünger,  H.  Ueber  Dialoct  und  Volkslied  des 
Voigtlands.  Plauen,  Neupert,  1870,  8®. 

Ebrard,  August.  Handbuch  der  raittclgalischen 
Sprache,  hauptsächlich  Ozrian’s.  Wien,  1870,  8®. 

ArchiT  für  Anthropologie.  Bd.  IV.  Heft  IV. 


Die»«»  Buch  hilft  einem  iühlbaren  Bedürfnisse  der 
Linguisten  ab.  Ein  Fachmann,  Dr.  Antenrietb  in 
Erlangen,  sagt  von  ihm,  dos»  es  durch  seiuc  bündige 
Klarheit,  vomparative  Methudc  und  durch  di«  glück- 
liche Vereinigung  dieser  Eigenschaften  mit  praktischer 
Brauchbarkeit  reiche  Früchte  der  Anregung  und  Bolch- 
rung  tragen  werde. 

Eckardt,  Jul.  Russlands  ländliche  Zuständ©  Beit 
Aufhebung  der  Leibeigen ichaft.  Leipzig  1870,  8®. 

Anzeige  in  der  „Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung“ 
1870,  Nr.  234. 

Eden,  Charles.  The  Serra  da  Kstrella  and  its 
Records.  (The  Alpine  Journal.  London,  Novem- 
ber 1870,  VoL  V,  Nr.  31.  S.  122—128.) 

Eggor,  Prof.  Alois.  I>ic  Alpen  in  der  deutschen 
Heldensage.  (Jubrb.  des  österr.  Alpen  - Vereins 

1870,  8.  327 — 329.) 

Kurze  Notiz. 

Eisei,  Robert.  Sagenbuch  des  Voigtlandes.  Gera, 
Griesbach,  1871,  8®.  483  S. 

Eisass.  Aus  dem  schönen  Elsasa.  (Allgem.  Zei- 
tung 1870,  Nr.  224,  300,  307,  338,  339,  340; 

1871,  Nr.  20.) 

Elsase.  Zur  Gcistesgeschicht©  des  Elsasses.  (All- 
gemeine Zeitung  1870,  Nr.  241.) 

Frankreichs  heutige  Nordgrenze.  (Allgem.  Zei- 
tung 1870.) 

1.  Le*  trui»  K wehes,  Nr.  256,  257.  2.  Deutsch  - Lo- 
thringen , Französisch  Luxembourg,  Nr.  260,  261.  3. 
Französisch  Flandern,  lieanyan  und  Artois,  Nr.  272, 
273. 

Frischbier,  H.  Hexeuspruch  und  Zauberbann. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Aberglaubens  in 
der  Provinz  Preussen.  Berlin,  Enslin,  1870,  8°. 
167  S. 

Garst,  D.  J.  Origines  des  Bosques  de  France  et 
d'Espagnu.  Paris  1869,  18°. 

Gerard,  F.  A.  F.  De  germaansebe  herkomst  der 
Beigen.  („De  Toekomst“,  Jahrgang  XV.  Brüssel 
1871,  Febr.-Heft,  S.  78—84.) 

Du»»  diu  Vlamingon  ihn-m  Ursprünge  nach  Ger- 
manen sind,  ist  eine  wohl  allgemein  anerkannte-  That- 
saehc;  dass  aber  der  w allonische  Theil  der  Bevölke- 
rung Belgien»  gleichfalls  von  den  Deutschen  abstamme, 
ist  weniger  bekannt.  Dies  zu  beweisen  müht  sich  der 
belgische  Geueralkriegsauditor  Gerard  in  vorstehend«!» 
Aufsatze  ab,  und  zwar  auf  Grundlage  „historischer 
Thatsachen.“  Da»  Land,  welches  von  Cäsar  Belgien 
genannt  wird,  bestand  au»  zwei  Tbeilen,  welche  ein 
grosser,  von  den  Ufern  der  Musel  bis  nahe  zurSecküsto 
»ich  erstreckender  Wald  trennte;  dieser  Wald  hiesa 
„Ardnenna“  (De  bello  gall.  VI.  29.  33)  und  erhielt 
»pater  den  Namen  „Car bona ria“.  Auf  diese  geogra- 
phische Gestaltung  nun  baut  der  Verfasser  seine  Hypo- 
thesen, — doch  nein,  sein  — System.  Für  ihn  gilt  «» 
als  ausgemacht,  dass  Germanen  aus  den  sumpfigen  Ge- 
genden zwischen  den  Weser-,  Ems-  und  Rheinniündun- 
gen  Belgien  bevölkern  kamen,  wro  sie  nur  die  leichten 
Flussübergänge  zu  bewerkstelligen  hatten,  während  ge- 
gen die  Gallier  der  Urwald  eine  natürliche  Schranke 
zog  und  diese  überdies  weniger  Grund  hatten  ihr  an- 

48 


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378 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


genehmes  Land  zu  verlas*«» , als  die  in  Sümpfen  woh- 
nenden Deutschen.  — Vor  einigen  Jahren  hat  ein  bel- 
gischer Gelehrter  — Dr.  J.  Nolet  — gleichfalls  an 
der  Hand  der  Geschichte  den  Nachweis  geliefert,  dass 
umgekehrt  die  Vlamingeu  — Gallier,  was  für  ihn  gleich- 
bedeutend mit  Kelten,  — seien.  Nun,  da  ist  man  wirk- 
lich verlegen,  wem  man  den  Vorzug  geben  solle. 

Oerbol,  Nie.  v.  Russisches  Unterrichtswesen.  (Un- 
sere Zeit  1870,  II,  S.  262—277.) 

Gorbel,  Nie.  v.  Das  russische  Sectenweson.  (Un- 
sere Zeit  1870,  II,  S.  45—52.) 

Kurze,  aber  dankenswerthe  Skizze. 

Gorbel,  Nie.  v.  Der  Moskowitismus.  Zur  Cha- 
rakteristik der  jetzigen  russischen  Zustände.  (Un- 
sere Zeit  1870,  I,  S.  413.) 

Sehr  belehrend,  jedoch  mit  Vorzugs  weiser  Berücksich- 
tigung der  Gegenwart. 

Gorbel,  Nie.  v.  Nationale  Sprichwörter  der  Fran- 
zosen. (Ausland  1870,  Nr.  47;  1871,  Nr.  4.) 

Gorbel,  Dr.  Nie.  v.  Die  Stadt  Riga  und  ihr  Bür- 
gerthum. (Ausland  1870,  Nr.  25.) 

Gute  Schilderung  de*  Volkscharakters.  Riga  mahnt 
heute  noch  an  das  alte  ilanseatenthum. 

Gosittungs- , die  niedrige,  und  Bildungsstufe  in 
Frankreich.  (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  241- — 245.) 

Mit  Uebersichtstafeln. 

Glennie,  J.  S.  St.  Arthurian  Localities;  their  hi- 
storical  origin,  chief  country  and  Fingalian  rela- 
tions.  London  1869,  8°.  140  S. 

Goohlort,  J.  Vino.  Boiokeltische  Ortenamen  in 
Böhmen  vergleichsweise  zusammengestellt.  (Mit- 
theilungen der  Geographischen  Gesellschaft  zu 
Wien  1870,  8.  145—153.) 

Gonzenbach,  Laura.  Sicilianische  Mührchcn,  aus 
dem  Volksmuude  gesammelt.  Mit  Anmerkungen 
Reinhold  Köhler’s  und  einer  Einleitung,  heraua- 
gegeben  von  Otto  Hartwig.  Leipzig  1870,  8*. 
2 Bände. 

Ausführliche  Besprechung  in  der  Beilage  zur  Allge- 
meinen Zeitung  1670,  Nr.  11. 

Gordon,  J.  Obrazki  Galicyjskie.  (Bilder  aub  Ga- 
lizien.) Sanok  1869,  8°.  245  S. 

Grogoroviua,  Ford.  Corsica.  Stuttgart  1870,  8°- 
2 Bände.  Zweite  Auflage. 

Kritik  in  der  Bcitnge  zur  Allgemeinen  Zeitung  1870, 
Nr.  350. 

Gross,  K.  Ilolzlondsagen.  Sagen,  Mährchen  und 
Geschichten  aus  den  Vorhergen  des  Thüringer 
Waldes.  Leipzig,  Wartig,  1870,  8*. 

Griechische  Räuber  an  den  asiatischen  Gestaden 
des  Marmarameereg.  (Ausland  1871,  Nr.  6.) 

Hüringsflscheroi.  Die  Ilaringsßscherei  an  der 
südwestlichen  Küste  Schwedens.  (Globins,  Bd. 
XVII,  8.  285—286.) 

Theilt  hiniges  über  die  Geschichte  diese*  Erwerbe- 
zw  eigen  mit. 


Hager,  Dr.  Arth.  Die  Bekehrung  Mecklenburgs. 
Schwerin  1870,  8f.  22  S. 

Hahn,  Dr.  J.  G.  v.  Reise  durch  die  Gebiete  des 
Drin  und  Wardar.  Wien  1869,  4*. 

Harcourt,  R.  Rumble*  through  the  British  Isles. 
New  York  1870,  12®.  349  S. 

Hartmann,  Horm.  Bilder  aas  Westphalen.  Osna- 
brück, Rackhorst,  1871,  8®. 

Eine  anziehende  Zusammenstellung  der  Sagen,  Volks- 
und  Familienfest«},  Gebräuche  uud  Aberglauben  des 
ehemaligen  Fiirstcuthum«  Osnabrück,  — ein  Stuck  Cul- 
lurgeschichte,  da»  snh  zu  lebendigen,  abgerundeten  Bil- 
dern gruppirt  uud  neben  anziehender  Unterhaltung  einen 
festen  Kern  in  sich  schliesst,  der  es  für  die  Völkerkunde 
dauernd  werthvoll  macht. 

Haulteville,  F.  de.  La  nationalite  Beige  ou  Fla- 
mands  et  Wallons.  Gand  1870,  8°. 

Haupt,  Josot  Die  dakische  Königs-  und  Tempel- 
burg auf  der  Columna  Trajana.  Wien  1870,  4°. 
36  S. 

Die  Verstellung  von  einer  glcichmässigcti , slawischen 
(arischen)  Bevölkerung  de*  europäischen  Russland  ist 
grundfalsch,  wie  schon  von  Mehreren  bewiesen  ist  (z.  B. 
Duchinsky,  H.  Martin,  ViqucBnel).  Wer  sich 
nun  gründlich  über  die  Bevölkerungsverhältnisse  von 
Ungarn,  Dacicn , Sarmatien  iu  der  ersten  christlichen 
Zeit  und  über  die  Beziehungen  dieser  Länder  zu  ger- 
manischen Stämmen  unterrichten  will,  der  lese  die  tief- 
gdehrto  Schrift  des  Wiener  Cknualeten- 

Haurowitz,  H.  v.  Erinnerungen  an  Corfu  im 
Sommer  1869.  Wien  1870,  8®. 

Hausmann,  Rieh.  Das  Ringen  der  Deutschen  und 
Dänen  um  den  Besitz  Estlands  bis  1227.  Leip- 
zig 1870,  8°. 

Hellwald,  Ford.  von.  Einiges  über  holländische 
Volkssitten.  Ein  Beitrag  zur  Ethnographio  der 
Niederlande.  („Ausland1*  1870,  Nr,  9,  10,  S.  208 
—212,  231—233.) 

Behandelt  einige  holländische  Gebräuche,  die  thrils 
in  Verfall  zu  gerutben  beginnen,  theils  schon  völlig  aus- 
ser Lebung  gekommen  sind  (Kraarokloppers,  Maibäume, 
Bcksnyden  [Messerkampfj , Bolineukünig , Koppermaan- 
dag,  Klapperman). 

Hellwald,  Friedr.  von.  Zur  Geschichte  der  ger- 
manischen Race.  (Allgem.  Zeitg.  1870,  Nr.  288.) 

Houzey  Leon  und  H.  Daumet.  Mission  archöo- 
logique  de  Macüdonie.  Paris  1869  in  Fol. 

Hoohptettor,  F.  v.  Reise  durch  Rumelien  im 
Sommer  1869.  (Mittheilungen  der  Geographischen 
Gesellschaft  zu  Wien  1870,  S.  193—212,  350— 
358,  545—552,  585—606.) 

Behandelt:  1.  -Das  östliche  Thracien  von  Constanti- 

nopel  bis  Adrianopel.  2.  Adrinnupd.  3.  Von  Adria- 
UOpel  über  Jamboli  nach  Burgus.  4.  Von  Hnrga*  am 
schwarzen  Meere  dem  Balkan  entlang  nach  Pliilippopel. 
— Vorwiegend  geographisch. 

Hochstettor,  F.  v.  Aus  dem  Innern  der  europäi- 
schen Türkei.  (Ausland  1870.) 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


1.  StiukoT,  Nr.  36.  2.  Das  Kloster  von  Rilo-Dagli, 
Nr.  37.  3.  Sofia  und  der  Witosch,  N'r.  38.  4.  Ein  Ge- 
birg*übcrg«ng  zwischen  Sofia  und  Wranja,  Nr.  39.  — 
Die«*  sehr  wichtigen  Aufwitze  halten  einen  mehr  geo- 
graphischen ab  ethnographischen  Werth. 

Hochstettor,  F.  v,  Kisaolik  und  Bein  Rosenöl. 
(Ausland  1871,  Nr.  6.) 

HÖft,  F.  Ueber  Ursprung  und  Bedeutung  unserer 
geographischen  Namen  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Umgegend  von  Rendsburg.  Rends- 
burg 1869,  8°. 

Höhne,  D.  Der  Romanismus  gegenüber  dem  Ger- 
manismus. Zwickau  1871,  8".  24  S. 

Hörmann,  Dr.  L.  v.  Vorarlberger  Volkslieder. 
(Alpenfreund  1870,  Bd.  I,  S.  140  ff.) 

Hörmann,  Dr.  Ludw.  v.  Die  Wursengraber.  (Al- 
penfreund 1870,  Bd.  II,  S.  360 — 362.) 

Hörmann,  L.  von.  Mythologische  Beitrüge  aus 
W&lachtirol  mit  einem  Anhänge  walschtirolischer 
Sprichwörter  und  Volkslieder.  („Zeitschrift  der 
Ferdinand,  für  Tirol  und  Vorarlberg1*,  Folge  III, 
Heft  XV,  1870,  S.  209—244.) 

HÖrmann,  L.  von.  Volksbräucbe  der  Alpenlftn- 
der.  („Alpenfreund4,  Bd.  II,  1870,  S. 310—336.) 

Inhalt:  I.  Die  Klüpfebnachtc.  II.  I)cr  Weihnachts- 

zeiten. 

HÖrmann,  Angolika  von.  Tirolische  Pflanzen- 
sagen.  („Der  Alpenfreund“,  Bd.  I,  1870,  S.  229 
—257.) 

HofTmann,  Fridolin.  Bilder  römischen  Lebens. 
Münster,  Russell,  1871,  8°.  515  S. 

HoffWoiler,  G.  F.  v.  Sicilien.  Schilderungen  aus 
der  Gegenwart  und  Vergangenheit.  Leipzig 
1870,  4'*. 

Holtzmann,  Ad.  Altdeutsche  Grammatik.  Leip- 
zig 1870,  8°. 

Siehe  Beilage  zur  Allgem.  Zeitung  1870,  Nr.  195. 

Hopf,  CarL  Die  Einwanderung  der  Zigeuner  in 
Europa.  Ein  Vortrag.  Gotha,  F.  A.  Perthes, 
1870,  8°.  47  S. 

Horgtanz.  Der  Horgtanz  in  Skandinavien.  (Glo- 
bus, Bd.  XVII,  S.  175.) 

Am  südlichen  Ufer  der  Ljusne-Elf  in  Schweden,  Ge- 
fieborglän,  am  berüchtigten  llorgaberg,  der  sich  schon 
durch  seinen  Namen  ab  vorchristliche  Opferstatte  knnd- 
giebt,  üblich  und  bis  heute  ab  Hanebupobka  erhalten. 

Huxley.  Ueber  die  ethnographische  Abkunft  der 
Bevölkerung  Grossbritouniens  und  Irlands.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  6.) 

Jfihns,  Max.  Wodan  als  Jahresgott.  („Grenzbo- 
ten“ 1871,  vom  3.  und  17.  Februar.) 

Jahrbuch,  Ostfriesiscbes,  Altes  und  Neues  aus 
Ostfriesland.  Emden,  W.  Hayuel,  1870,  kl.  4°. 

Enthält  einzelne  ethnographische  Aufsätze:  „Die  Zi- 


379 

geuner  in  Ostfriesland“  (Bd.  I,  S.  36—43).  Sagen  und 
Aberglauben  aus  Ostfriesland  (Bd.  1,  S.  62 — 66.) 

Jassy.  Die  alte  Bojarenstadt  Jassy.  (Unsere  Zeit 
1870,  I,  S.  188—200.) 

Lebhafte,  farbenreiche  Schilderung. 

. JaxQ  - Dombicki,  J.  v.  Der  westliche  Theil  von 
Bönnien;  ethnographisch-handelspolitische  Skizze. 
(Mitteilungen  der  k.  k.  Geograph.  Gesellschaft 
1870,  S.  162—176.) 

Statistisches  über  den  Trawniker  Kreb. 

Industrie-Ausstellung.  Nationale  Industrie-Aus- 
stellung in  St.  Petersburg.  (Allgemeine  Zeitung 
1870,  Nr.  173,  185,  187.) 

Juncke,  Fr.  Die  Pflalzer-Colonien  im  Kreise  Cleve. 
Ein  Beitrag  zur  Culturgeschichte  des  Rheinlan- 
des. (Aus  allen  Welttheilen  1870,  Nr.  51,  S.  405 
—408.) 

Kagal.  Der  Kagal  in  den  jüdischen  Gemeinden 
Russisch -Polens.  (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  251 — 
252.) 

Der  Kagal  ist  die  Regierung  der  Gemeinde,  der  Ge- 
meinderath. 

Kanitz,  F.  Die  öeterreichische  Militärgrenze.  (Leip- 
ziger lllustrirte  Zeitung,  28.  Mai  1870,  S.  405 — 
406.) 

Kanitz,  Franz.  Die  herrschende  Race  der  Türkei 
auf  uusereu  ethnographischen  Karten.  (Mitthei- 
lungen der  Anthropologischen  Gesellschaft  zu 
Wien,  Bd.  1,  S.  60 — 63.) 

Kattner,  Edward.  Polnisch-Livlaud,  eine  ethno- 
graphische Studie.  (Magazin  filr  dio  Literatur 
dos  Auslandes  1870,  Nr.  31,  S.  446—447.) 

Kerschbaumer,  A.  Reisebilder  aus  Skandinavien. 
Wien  1870,  8®. 

Kimmerier  und  Skythen.  (Ausland  1871,  Nr.  4.) 

Kiat»  Leopold.  Dänisches  und  Schwedisches, 
Mainz,  Kirchheim,  1869,  8°.  524  S. 

Ein  mit  behaglicher  Breite,  aber  ganz  im  ultramon- 
tanrn  Geiste  geschriebene«  Buch;  der  Verfasser  ist  ein 
Pfarrer  in  Schwaben.  Daher  bt  «ueh  den  kirchlichen 
Verhältnisse»!  der  nordischen  Reiche  eine  ungebührende 
Beachtung  gewidmet,  welche  überdies  häufig  nur  zu 
Ausfällen  gegen  das  Heiinathland  benutzt  wird.  Aus- 
«erdeiu  wendet  der  Verfasser  den  Schulxuatänden  und 
allen  jenen  Momenten,  welche  mie  dem  Glauben  in 
Verbindung  gebracht  werden  können,  eine  besondere 
Aufmerksamkeit  zu.  Was  er  an  politisch  - historischen 
und  an  kmhengeschichtlichen  Uebersuhteu  bietet,  bt 
ebenfalls  gänzlich  vom  Parteigeiste  durchweht.  Das 
Werthvolbt*  in  Kiat’s  Buch  sind  die  topographischen 
Schilderungen,  unter  denen  man  mehreren  recht  leben- 
digen Städtebildern  wie  einzdiien  treffenden  Skizzen 
au»  dem  Volksleben  begegnet.  Dies  gilt  aber  vorzugs- 
weise von  Schweden;  denn  K ist ’s  .Schilderung  Däne- 
marks, welche  sich  eigentlich  auf  die  Städte  Copcn« 
hagen  und  Küskilde  beschränkt,  bt  dürr  und  farbcnlos, 
mehr  ein  „Bädecker“  denn  eine  Rebebeschrcibung.  Im 
Allgemeinen  wäre  die  Anlage  des  Buches  keine  üble 
gewesen,  die  engherzige,  gehässige  Parteiauffassung  des 
48* 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


380 

Autors  hm  aber  «in  widerliches  Zerrbild  'daraus  ge- 
macht. 

Knapp,  G,  F.  Die  Sterblichkeit  in  Sachsen.  Leip- 
zig 1869,  8°. 

Besprochen  im  „Oesterreich Ischen  Oeoonomist"  1870, 
S.  107. 

Kohl,  J.  G.  Episoden  aus  derCultur-  und  Kunst- 
geschichte Bremens.  Bremen  1870,  4°. 

Band  11  ist:  -Denkmäler  der  Geschichte  und  Kunst 
Bremens.“  Entbnographisch  sehr  interessant. 

Koppel,  Fr.  Madrid,  ein  spanische«  Städtebild. 
(Globus,  Bd.  XVII,  S.  273 — 279,  289—294,  305 
—310.) 

Giebt  unter  Anderen  interessante  Volkstypen. 

Lappländische,  die,  Industrieausstellung  zu  Trom- 
sö.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.  366—367.) 

Mittheilung  der  25^  Hauptpunkte  oder  Ausstellungs- 
abtheilungen; sie  gewähren  ein  treffliche*  Bild  lapplän- 
dischen Lebens  uud  Schaffens. 

Leben.  Da«  eheliehe  lieben  in  England.  (Maga- 
zin für  die  Literatur  des  Auslandes,  und  abge- 
druckt im  Owterr.  Oeconomist  1871,  Nr.  4.) 

Lecour«  C.  J.  La  prostitution  ä Paris  et  n Lon- 
dres,  1789  — 1870.  Pari»,  P.  Aaselin,  1870,  8®. 
372  pag. 

Le  je  an,  Quill.  Exploration  en  Turquie  drEurope. 
(Bulletin  de  la  Societe  Geographie  de  Paris,  Avril, 
Mai  1870,  pag.  370 — 377.) 

Handelt  über  die  Mirditen. 

Lejean,  G.  Reise  in  der  europäischen  Türkei. 
(Fetermann’s  Geographische  Mittheilungen  1870, 
S.  288—293.) 

Letnac,  Vicomte  de.  Souvenirs  et  impresaions  de 
voyago  en  Italie.  Paria  1870,  8°.  128  8. 

Liliencron,  R.  y.  Die  historischen  Volkalieder  der 
Deutschen  vom  13.  bis  16.  Jahrhundert,  gesam- 
melt und  erläutert.  Leipzig  1870,  8".  IV.  Bd. 

Diener  Baud  bringt  die  historischen  Volkslieder  vom 
Reichstage  KU  Augsburg  1530  bis  zum  Kode  des  gros- 
sen deutschen  Krieges  1554.  Mit  diesem  ersten  Reli- 
gionskriege ist  die  buchst«  Blüthc  de#  deutschen  Volks- 
lebens bereits  geknickt  und  das  historische  Volkslied 
verliert  schon  damals  seiucn  Schwung,  artet  mehr  und 
mehr  in  trockene  Zeitangabericht«  aus.  — Sieh«  darüber 
Sybcl’s  Historische  Zeitschrift  1871.  Erstes  Heft. 

Linton,  W.  Scenery  of  Greece  and  its  islands. 
London  1870,  4°. 

Lloyd,  L.  Peaaant  life  in  Swedeo.  London  1870 

8°.  486  S. 

Longwy.  Die  Grafschaft  Longwy.  (Allgemeine 
Zeitung  1871,  Nr.  26.) 

Maltzan,  H.  v.  F.  Reise  auf  der  Insel  Sardinien, 
Leipzig  1869,  8°. 

Eingehend  besprochen  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen 
Zelrnng  187u,  Nr.  128,  1211. 


Martini,  Stefano.  Saggio  intorno  al  dialetto  li- 
gure.  Sanremo,  C.  Puppo,  1870,  8°.  92  pag. 

Mattlaon,  Hiram.  Romanism:  its  General  Decline 
and  its  Present  condition  and  Prospecta  in  the 
United  States.  New  York  1870,  8°.  91  S. 

Maurer,  Franz.  Mittheilungen  au&  Bosnien.  Die 
Zigeuner.  (Ausland  1870,  Nr.  2.) 

Maurer,  Franz.  Eine  Reise  durch  Bosnien,  die 
Saveländer  und  Ungarn.  Berlin  1870,  8°.  435 
&,  1 Karte. 

Maurer , Franz.  Bilder  von  der  österreichischen 
Militärgrenze.  (Allgemeine  Zeitung  1870,  Nr.  171, 
172,  173.) 

Maurer,  Franz.  Reiseskizzen  aus  Bosnien.  (Un- 
sere Zeit  1870,  II,  S.  89 — 114.) 

Enthält  viele  ethnographische  Notizen. 

Maurer,  J.  C.  Ilochzeitsbräuche  aus  Tirol.  („Der 
Alpen  freund“,  Bd.  I,  1870,  S.  138 — 140.) 

Meinicke,  Dr.  Island  und  seine  Bowohner.  (Glo- 
bus, Bd.  XVIII,  S.  345  —350,  360—365.) 

Von  ethnographischem  Werth. 

Meissner.  M.  J.  Volksaberglaube  und  sympathe- 
tische Curen  im  lierzogthum  Altenburg.  (Globna, 
Bd.  XVII,  S.  103—106.) 

Ethnographisch  sehr  interessant. 

Mestorf,  J.  Die  skandinavischen  Felsenbilder. 
(Globus,  Bd.  XVII,  S.  360—362.) 

Auf  den  Grund  der  Arbeiten  ilolmberg’s,  Bru- 
Dius’  und  II t Idebrand's  kurz  aber  übersichtlich  dar- 
g es  teilt;  mit  Abbildungen. 

Müller,  J.  Der  Aargau.  Seine  politische,  Rechts-, 
Cultur-  und  Sitton- Geschichte.  Zürich,  Schul- 
theas, 1870,  8®. 

Erscheint  lieferungsweise. 

Müller,  G.  Das  kurische  Haff,  seine  Umgebung 
und  deren  Bewohner.  (Aus  allen  Welttheilen,  I. 
Jahrg.,  Nr.  25,  26.) 

Muagrave,  G.  A rarable  into  Brittanv.  I^oodon 
1870,  8«.  2 Bde. 

Nadeschdin,  P.  Die  Natur  und  die  Völker  des 
Kaukasus  und  seiner  nächsten  Umgebungen,  (ln 
russischer  Sprache.)  St  Petersburg  1869, 8*'.  413  S. 

Nationalitäten-Bewegungen  in  Ungarn.  (Allge- 
meine Zqitung  1870,  Nr.  72.) 

Nazarener.  Die  Nazarener  in  Ungarn.  (Allge- 
meine Zeitung  1870,  Nr.  152.) 

Nicholae,  Dr.  T.  The  Influence  of  the  Norman 
Conquect  on  the  Ethnologv  of  Britein.  (Journal 
of  the  Ethnological  Society  of  London  1870,  S. 
384—399. 

8«hr  interessante  und  lesenswert  he  Abhandlung. 

Nicoluccl,  Giustiniano.  Antropologia  doll'  Etru- 
ria.  Memoria.  Napoli  1869,  4°.  60  pag. 


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381 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Niedermair,  Dr.  Der  Öberösterreichische  Bauer. 
(Tourist  1870,  S.  22—27.) 

NoÖ,  Heinrich.  Wanderstudien  an  südlichen  Völ- 
kerscheiden. (Wien.  Neue  freie  Presse  1870.) 

Eine  Reihe  xwar  fcuillctonistisch  gehaltener,  aber 
»ehr  interessanter  Aufsätze. 

Noö,  Heinrich.  Dalmatien  und  seine  Inselwelt 
nebst  Wanderungen  durch  die  schwarzen  Berge. 
Wien,  Pest  und  Leipzig  1870,  8*. 

Vorwiegend  »nn  ethnographischem  Interesse,  gewährt 
einen  guten  Einblick  in  die  Verkommenheit  der  dalma- 
tinischen Laudesbewohner.  Die  vom  Verfasster  der 
Oesterrelchischen  Regierung  dies  bezüglich  gemachten 
Vorwürfe  werden  in  Peter  mann  ;s  Geographischen 
Mittheilungen  1970,  8.  267—268  mit  folgenden  treffen- 
den Worten  zurückgewiesen:  „Die  ganze  Weltgeschichte 
„zeigt  es,  dass  ein  Volk  durch  Rcgieningsmaassrvgeln 
„nur  ausser»;  langsam  zu  ändern  ist , manches  Volk 
„wohl  auch  gar  nicht.  Warum  macht  der  Verfasser 
„nicht  die  Venetianer  verantwortlich,  die  doch  viel  län- 
„ger  über  Dalmatien  herrschten  und  die  nach  seinen 
„eigenen  Aussagen  die  Wälder  niedergeschlagen  haben, 
„also  ein  gutes  Theil  der  Schuld  an  der  jetzigen  kiim- 
„merlichcn  Naturbeschaffenheit  tragen?  Es  ist  ein  gros- 
„ser,  von  »ehr  Violen  und  leider  auch  von  sehr  Mäch- 
tigen getheilter  Irrthum,  dass  ein  versumpftes  Volk 
„nur  der  cirilisirten  Form  in  Verwaltung  und  Justiz- 
„pdege  bedürfe,  um  die  moderne  Cultnr  anzunehmen; 
„Griechenland  und  Mexiko,  die  ganze  Geschichte  sollten 
„doch  diesen  Irrthum  endlich  verscheucht  haben.“  Sehr 
ausführliche  Besprechung  siehe  in  der  Beilage  zur  All- 
gemeinen Zeitung  1870,  Nr.  278,  280. 

Oesterreich  und  das  Nation alitatcurecht.  Eine 
culturhistorische  Studie,  von  einem  Altösterrei- 
cher. Stuttgart  1870,  8°. 

Oesterreich  und  die  Nationalität.  (Allgemeine 
Zeitung  1870,  Nr.  201.) 

Osenbrüggen,  Prof.  Ed.  Die  Oebirgssagen.  (Jahr- 
buch des  Schweizer  Alpenclubs,  V,  Jahrg,  Bern 
1809.) 

Pallaveri,  D.  Greta.  Brescia  1869,  8°.  184  S. 

Panslaviarnua  im  Gegensätze  zum  Allslaventhum 
und  der  politischen  Bedeutung  der  polnischen 
Bevölkerung  uusserhalb  der  russischen  Zwing- 
herrschaft.  Strassburg  in  Pr.  1870. 

Paspati,  Alex.  G.  Etüde»  sur  les  Tchinghianes 
ou  Bohemiens  de  PEmpire  Ottoman.  Constanti- 
nople  1870,  8". 

Der  bekannte  Orientreisende  li.  Viimhery  hat  dieses 
Buch  im  Londoner  .Athenäum“  1870,  Nr.  2249,  S.  719 
besprochen  und  im  Globus,  B<1.  XVIII,  S.  279  — 281 
einen  Auszug  unter  dem  Titel:  Die  „Zigeuner  in  der 
Türkei“  veröffentlicht. 

Patterson,  Arthur  J.  The  Magyar«,  their  country 
and  their  institutions.  London  1869,  8°.  2 Bde. 

Ausführliche,  sachgeiuässe  Besprechung  dieses  Werkes 
siehe  in  den  „Mittheilungeu  der  k.  k.  Geographischen 
Gesellschaft  in  Wien“  1870,  8.  324 — 329. 

Poetz,  Hartwig.  Culturhistorische  Einblicke  in 
die  Alpen wirthschaft  des  Chicm-  Gaues.  (Allge- 
meine Zeitung  1870,  Nr.  18*1.) 


Perrot,  G.  Souvenirs  d’un  voyage  chez  lee  Slaves 
du  Sud  1868.  (Tour  du  Monde  1870.  S.  241  — 
320.) 

Petzet,  C.  Skizzen  bub  Russisch -Polen.  (Globus, 
Bd.  XVII.) 

1.  Warschau.  S.  200 — 203.  2.  Die  Fabrikstadt  Lodz, 
S.  298-300. 

Pfaff,  Adam.  La  grande  nation  in  ihren  Reden 
und  Thaten  von  Anfang  bis  Ende  des  Krieges 
verglichen  mit  den  Reden  und  Thaten  des  deut- 
lichen Volks.  Cassel  1870,  8“. 

I.  Bis  zur  Capitulation  von  Sedan. 

Philipps,  Geo.  Die  Einwanderung  der  Iberer  in 
die  pyrenaische  Halbinsel.  (Sitzungsbericht  der 
k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  1870, 
8«.  46  S. 

Eingehende  Untersuchung  des  bekannten  Historiker». 
Sie  enthält:  I.  Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Nach- 
richten der  Griechen  und  Römer  von  den  Wanderungen 
der  Völker.  — II.  Einwanderung  der  europäischen  Be- 
völkerung an»  Asien.  — III.  Asien  als  die  Urheimat h 
der  Iberer.  — IV’.  Untersuchung  der  Frage,  auf  wel- 
chem Wege  die  Iberer  in  die  pyrenaische  Halbinsel 
eingewandert  »ind.  a.  Einwanderung  der  Iberer  aus 
Asien  auf  dein  Lundwege.  b.  Einwanderung  der  Iberer 
aus  Asien  auf  dem  Seewege,  c.  Exeurs  über  die  iberi- 
sche Bevölkerung  des  südlichen  Galliens,  d.  Einwan- 
derung der  Iberer  aus  Amerika.  — V.  Namen  der  äl- 
testen Bevölkerung  Jlispaniens.  — VT.  Muthmaasslicbe 
Art  und  Weise  der  Niederlassung  der  Iberer  auf  der 
pyreuäischen  Halbinsel,  Das  Resultat  dieser  Untersu- 
chungen ist,  dass  die  Iberer  zu  .Schiffe  nach  ihrem  neuen 
Vaterland  gelangt  sind. 

Pichler,  Adolf.  Der  lateinische  Bauer.  Eine 
Erzählung.  (Alpen freund  1870,  Bd.  II,  S.  49  ff., 
117  ff.,  183  ff.) 

Pioraon,  Dr.  Will.  Aus  Russlands  Vergangenheit. 
Culturgeachichtlicbc  Skizzen.  Leipzig  1870,  8°. 
219  S. 

Siehe  darüber  Beilage  zur  allgemeinen  Zeitung  1870, 

Nr.  133. 

Pi  et,  Franqais.  Recherches  sur  l’ile  de  Noirmou- 
tier. 

Das  kleine  Werk  ist  nicht  im  Buchhandel  erschienen 
und  nur  in  wenigen  Exemplaren  vertheilt  worden. 
Globus,  Bd.  XVII,  S.  205  bringt  einen  kurzen  Auszug 
daraus. 

Piqucre,  P.  J.  Grammatik  der  türkisch -osmani- 
«chen  Umgangssprache.  Wien  1870,  8n.  354  S. 

Populär  Tale»  of  Hindostau  and  Germany.  (Eng- 
lish  Esaaya,  Vol.  III.  S.  1 — 41.) 

Radies,  P.  v.  Die  Volkapoeaie  der  Gotschewer. 
(Tagespresee,  Nr.  41  vom  10.  Februar  1871.) 

Räuber.  Die  Räuber  in  Griechenland.  (Globue, 
Bd.  XVII,  S.  272.) 

Ransonnet,  Ludwig,  Baron.  Alt«  Sitten  und 
Sagen  im  Salzkam mergutc.  („Jahrbuch  deaösterr. 
Alpen  Vereins“,  Bd.  VI,  1870,  S.  169  — 179.) 

, Reiches  ethnographisches  Material  während  eines 


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382 


Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur. 


achtzehnjährigen  Aufenthaltes  im  Satzkammergute  ge- 
sammelt. 

Rausch,  Dr.  Friedr.  Geschichte  und  Literatur  deB 
rliÄ to-romanischen  Volkes  mit  einem  Blicke  auf 
Sprache  und  Charakter  desselben.  Frankfurt  a. 
M.  1870,  8". 

ln  den  sonnigen  Thälcm  Graubündten»,  an  den  Quell- 
tiüssen  des  Rheins  und  in  dem  Gebiete  zwischen  diesen 
und  den  Ufern  des  jungen  Inn.  ja  selbst  östlicher,  die 
Schweizer  Grenze  überschreitend,  in  einigen  Thälcm 
Tirols,  findet  man  ein  Romanisch  redendes  Volk  , des- 
sen Sprache  dem  Deutschen  auf  den  ersten  Blick  dazu 
bestimmt  scheint,  einen  vermittelnden  U ebergang,  sozu- 
sagen eine  Brücke  herzustelleu  von  seinem  Idiom  zu 
dt-rn  des  nach  etwa  einer  von  Chur  aus  südöstlich  ge- 
richteten Tagereise  schon  beginnenden  Italien.  Es  ist 
dies  das  merkwürdige  Volk  der  Rhäto- Romanen,  wel- 
ches lange  Zeit  hindurch  in  der  Wissenschaft  nicht 
jene  Beachtung  gefunden  hat,  die  es  unstreitig  verdient. 
Erst  in  jüngster  Zeit  haben  eitrige  Männer,  vorwiegend 
Deutsche,  sich  mit  diesem  eigetithümlichen  Volksstamme 
beschäftigt,  und  erst  vor  wenigen  Monaten  hat  ein  Werk 
die  Presse  verlassen , welches  dem  Charakter  und  der 
•Sprache,  sowie  der  Literatur  der  Rhäto  - Romanen  eine 
eingehende  Betrachtung  widmet.  — Schon  seit  den 
scharfsinnigen  Arbeiten  eines  Lorenz  Diefenbach 
und  Friedrich  Diez,  des  unsterblichen  Vollenders 
der  romanischen  Sprachwissenschaft , ist  das  gegenwär- 
tig vou  den  Rhäto-Romnmu  Gruubündtens  gesprochene 
Idiom,  das  WgtMKIIt  Clmrwälsshe  (il  Romaunsch)  als 
eine  vollständig  rumänische  Sprache  erkannt,  die  als 
gleichberechtigte  Schwester  des  Portugiesischen , Spani- 
schen, Provenvalischvn , Altfranzösischen,  Italienischen 
und  Daco- Romanischen  dasteht.  Ebenso  alt  wie  diese 
ältesten  Glieder  der  romanischen  Gruppe  ist  anderer- 
seits das  Churwälsche,  durch  nationale  und  locale  Ver- 
hältnisse arg  behindert,  nicht  im  Stande  gewesen,  wäh- 
rend seiner  reifenden  Entwicklung  irgendwie  gleichen 
Schritt  zu  hnlteu  mit  den  obengenannten,  insbesondere 
später  so  rasch  auf  blühenden  romanischen  Zungen,  wie 
dem  Italienischen,  Spanischen  und  Neufranzösischen. 
Ununmtösslich  aber  steht  es  fest,  dass  dasselbe  ebenso 
wie  jene  aus  der  Zertrümmerung  des  lateinischen  Idioms 
hervorgegangrn  ist.  — Ethnologisch  sind  die  Khäto- 
Rumanon  nicht  minder  interessant  als  in  linguistischer 
Hinsicht.  Allerdings  haben  in  dieser  Richtung  weit 
weniger  Untersuchungen  stattgefunden , so  dass  unser 
Wissen  noch  ein  ziemlich  lückenhaftes  ist.  Die  Krage, 
ob  und  wie  weit  die  heutigen  Rlmto-Romauen  mit  den 
Uhätiem  (Rätern)  der  Alten  in  Zusammenhang  stehen, 
können  wir,  weil  zu  weit  führend,  hier  nicht  näher 
belcucbdh,  ziemlich  sicher  ist  cs,  dass  dieselben  aus  der 
Vermischung  der  Kötner,  welche  in  den  Jahren  16  bis 
12  vor  Clir.  die  Unterwerfung  der  Alpenländer  vollen- 
deten und  ihre  Herrschaft  in  denselben  bis  in  die  Zei- 
ten der  Völkerwanderung  behaupteten,  mit  der  damals 
in  jenen  Gebieten  ansässigen  Bevölkerung,  die  uns  von 
den  alten  Autoren  als  Rhäticr  bezeichnet  wird,  entstan- 
den sind.  Der  Komani.-irnngs  - l’mcess  dieser  Rhäticr 
scheint  verhältnissmässig  ziemlich  rasch  vor  sich  gegan- 
gen zu  sein,  denn  als  im  6.  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung die  Ostgothen  unter  ihrem  vielbesungenen 
Führer  Dietrich  von  Bern  (Theodorich  von  Verona)  die 
Alpen,  besonders  das  heutige  Tirol,  überschwemmten, 
fanden  sie  dasselbe  ganz  romanisch.  Es  unterliegt  kei- 
nem Zweifel,  dass  die  Rhäto  - Romanen  einst  eine  weit 
grössere  Ausdehnung  besessen  als  heute,  dass  sie  von 
den  Quellen  des  iiinter-Klieincs  bis  ins  Pnsterthal,  von 
den  oberitalieniaehcu  Seen  bis  zum  deutschen  Meere 
(Bodcn.'cc)  und  au  den  Lech  sich  ausgebreitet  haben. 
Noch  jetzt  erinnern  zahlreiche  Ortsnamen , über  ganz 


Tirol  zerstreut,  au  diese  ehemalige  Ausbreitung  der 
Rhäto  - Romanen,  von  welchen  sogar  noch  Bluts-  und 
Sprachvorwandte  sich  in  den  Ladinern  der  südöstlichen 
Thälcr  Tirols  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  haben. 
Allein  die  Rhäto -Romanen  — ein  Mischvolk  — unter- 
lagen im  „Kampf  ums  Dasein“  den  kräftigeren  germa- 
nischen Stämmen,  die  — eine  reine  Race  — von  Nor- 
den als  Bajuwaren,  im  Innthal  von  Süden  her  als  Lan- 
gobarden im  Etachthal  keilförmig  in  sie  eindrangen, 
sie  zersetzten  und  schliesslich  auf  die  einsamen  Hoch- 
thäler  beschränkten,  wo  sie  bis  in  die  Gegenwart  ihr 
Dasein  fristen.  Ihre  »Sprache  jedoch,  gleichwie  ihr 
»Stamm,  ist  dem  germanischen  Elemente  gegenüber  noch 
immer  in  der  Abnahme  begriffen  und  vermag  im  -Süden 
auch  nicht  dem  Italianismus  zu  widerstehen.  Die  Rhäto* 
Romanen  sind  ein  untergehendes  Geschlecht  und  eines 
der  lehrreichsten  Beispiele,  wie  der  „Kampf  ums  Dasein“ 
auch  in  der  Ethnologie  und  Menschengeschichte  Mia 
Recht  behauptet. 

Rechtssitton  bei  den  Basken.  (Globus,  Bd.  XVII, 
S.  300—302.) 

Nach  zwei  Aufsätzen  von  Eugene  Cordicr  im 
„Bulletin  trimeatrlcl  de  la  Societe  Kauiond“. 

Reinsberg-Düringsfeld.  Aberglauben  der  Küsten- 
nnd  Inselbewohner  Dalmatiens.  (Globus,  Bd.  XVII, 
S.  380—382.) 

Reinsberg  -Düringsfeld,  Frhr.  v.  Der  Vogel* 
glaube  in  der  Ukraine.  (Ausland  1871,  Nr.  9.) 

Reinsberg- Düringsfeld,  Othon,  Baron.  Tradi- 
tion b et  legende«  do  la  Belgique.  Description 
des  fötes  religieuses  et  civiles,  usage»,  croyances 
et  pratiqueB  populaireB  de«  Beiges  onciens  et  mo- 
dernes. Bruxelles,  Ferd.  Claotwen,  1870,  8Ö.  2 
Volume. 

Reise.  Kine  Heise  durch  Russland.  (Allgemeine 
Zeitung  1870.) 

I.  Nowgorod,  Nr.  89.  II.  Moskau,  Nr.  91,  92,  93, 
94.  III.  Kumk  und  Kijew',  Nr.  95.  IV.  Dnjcpr - Rebu- 
und  Steppctifuhrt,  Nr.  100.  V.  Am  Pontus  und  iti  Bes*- 
arabien,  Nr.  104. 

Reise-Eindrücke  in  Siebenbürgen.  (Allgemeine 
Zeitung  1870,  Nr.  25,  20.) 

Rouchlin,  Horm.  Dos  italienische  ßrigantonthum. 
(Unsere  Zeit  1870,  II,  S.  146—167,  237—252.) 

Eingehende  Behandlung  dieser  Cultnrcrscheinung  hei 
romanischen  und  «Umsehen  Völkern. 

Richtor,  Albert.  Deutsche  Heldensagen  des  Mit- 
telalters. Leipzig  1870,  8°.  2 Bde. 

Besprechung  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 
1870,  Nr.  361. 

Ritchie,  Anna  Cora.  Italinn  Life  and  Legend«. 
New  York  1871,  12®.  299  S. 

Ritz,  R.  Ueber  einige  Ortsbenennungen  nnd  Sa- 
gen des  Eringerthales.  (Jahrbuch  des  Schweizer 
Alpenclub.  Born  1870,  8.  366 — 380.) 

Riva  am  Garda  See.  (Allgemeine  Zeitung  1870, 
Nr.  233,  234.) 

Rochau,  A.  L.  v.  Geschichte  des  deutschen  Lan- 
de« und  Volkes.  Berlin  1870. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  383 


Buge,  Dr.  SophUB.  Das  Land  Kehdingen.  (Ans 
allen  Weltt heilen,  I.  Jahrgang,  Nr.  1,  6.  October 

1869,  S.  6—8.) 

Kurze  Notizen  über  diese  Landschaft  hu  der  Unter* 
Elbe  und  ihre  Bewohner,  mit  zwei  Originalubbitdungen. 

Rullmann,  W.  Politisch-sociale  Zustände  und  na- 
tionale Bestrebungen  in  Finnland.  (Unsere  Zeit 

1870,  II,  S.  322—334.) 

Russische  Culturskizzen.  (Wissenschaftliche  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung  1870,  Nr.  82,83,84.) 

Behandelt:  1.  Die  russischen  Kronhnuertt.  2.  Die 

Kosaken.  3.  Die  sibirischen  Kirgisen  und  die  ursprüng- 
lich unter  der  russisch  - amerikanischen  Compagnie  ge- 
standenen Inselbewohner. 

Russisches,  ein,  Volksmährchen.  (Globus,  Bd.  XVII, 

S.  383.) 

Russland  und  die  slavischen  Stumme.  (Allgemeine 
Zeitung  1870,  Nr.  186,  187.) 

Ruthenen.  Die  Ruthenen  in  Galizien;  ihre  eth- 
nographische und  politische  Stellung.  (Globus, 
Bd.  XVII,  S.  39—42,  58 — 61.) 

Anzahl  der  Ruthenen  in  Oesterreich.  — Der  Name. 
— Physische  Eigenschaften.  — Haus  und  Trachten.  — 
Kein  Bürgerstand.  — Kirche  und  Schänke.  — Volks- 
glauben. — Volkspoesic.  — Sprach«  und  Schrift.  — 
Hussen  vom  reinsten  Wasser.  — Gegcnsatx  zu  den  Po- 
len. — Niedriger  Stand  der  Cultur. 

Ruthenen.  Die  ungarischen  Ruthenen.  (Allge- 
meine Zeitung  1871,  Nr.  21.) 

Saint  Germain,  Leonard  de.  Itinöraire  descrip- 
tif  et  historiqne  de  la  Corse.  Paris  1870,  8®. 

Der  Verfasser  hat  die  historisch  wie  ethnographisch 
leich  merkwürdige  und  noch  viel  zu  wenig  gekannte 
usel  Corsica  wiederholt  zu  Fass  und  ohne  Empfeh- 
lungsbriefe durchwandert  und  mit  offenen  Augen  Land 
und  Leute  beobachtet,  die  Geschichte  dieser  Insel  zu 
Käthe  gezogen  und  so  ein  ebenso  zuverlässiges  als  un- 
terhaltendes Gemälde  der  früheren  und  jetzigen  Sitten, 
Gebräuche  und  Lebensrerbältnisse  auf  Corsica  entworfen. 

Sallaberry,  J.  D.  J.  Chants  popul&ires  du  pays 
bauijue.  Bayonne  1870,  8°. 

Sapiski  der  Kaiserlich  Russischen  Geographischen 
Gesellschaft.  Ethnographie,  I.  Bd.,  redigirt  von 
L.  N.  Maikoff.  (In  rassischer  Sprache.)  St  Pe- 
tersburg 1869,  8®.  841  S. 

Inhalt:  A.  N.  Trimoff.  Die  Begriffe  der  Bauern 
des  ( )r  In  AP sehen  Gouvernements  über  die  physische  und 
geistige  Natur.  J.  J.  Nos  so  witsch.  Kleinrussische 
Sprichwörter.  — Weisariusiscbo  Ruthscl.  N.  S.  Seht- 
schukln.  Die  Volksbelustigungen  int  Gouvernement 
Irkutsk.  Die  Murman'sche  und  Ter’seht  Küste  nach 
dem  .Buche  des  grossen  Grundrisses  (Kniga  baljscliago 
tscherteaha).  P.  P.  Tsehubinski.  Umrisse  der  Rechts- 
bräuche und  Rech t »begriffe  Kleinmsslands.  A.  N.  W «•- 
selowski.  Geographische  und  ethnographische  Mitthei- 
lungen von  Italienern  über  Altrussland. 

Schmeling,  C.  Astrachan,  seine  Umgebung  und 
Bevölkerung.  (Natur  1870,  N.  4,- 5.) 

Kurzer  historischer  Rückblick  , dann  Ueberachau  der 
verschiedenen  Nationalitäten,  welche  die  Einwohner- 
schaft Astrachan«  bilden,  besonders  der  Armenier. 


Schneller,  Dr.  Christ.  Die  romanischen  Volks- 
mundarten  in  Südtirol.  Gera  1870,  8°. 

Kecension  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 

1869,  Nr.  344.  * 

Schnitzler,  J.  H.  L 'Empire  des  Tsars  an  point 
actuel  de  la  Science.  Paria  1869,  8°.  IV.  Bd. 

Receusion  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 

1870,  Nr.  3,  4.  * 

Sechseläuten , das.  (Allgemeine  Zeitung  1870, 

Nr.  9b.) 

Socto.  Die  Socte  der  Morelstschikis  in  Russland. 
(Globus,  Bd.  XVII,  S.  47.) 

Senn,  W.  Charakterbilder  Schweizerischen  Lan- 
des, Lebens  und  Strebens.  Nach  den  besten  Mu- 
sterdarstellungen  der  schweizerischen  und  aus- 
ländischen Literatur  und  eigenen  Beobachtungen 
zu  einer  bildenden  LectÜre  für  Jedermann  bear- 
beitet. Glarus  1870,  4°. 

»Siehe  darüber:  Petermann’s  Geographisch«)  Mit- 
theilungen 1870,  S.  2G9. 

Serben.  Die  Serben  an  der  Adria.  Ihre  Typen 
und  Trachten.  100  Tafeln  in  Buntdruck  und 
circa  60  Bogen  Text.  Leipzig  1870,  Fol. 

Sieherer.  Lorelei.  Plaudereien  Über  Holland  und 
seine  Bewohner.  Leyden  1870,  8°.  2 Bde. 

In  einer  Reibe  von  zwölf  im  lebhaftesten  Dialog  ge- 
schriebenen Plaudereien  bringt  der  Verfasser  (Gymna- 
»ial-Profe»or,  ein  seit  vielen  Jahren  in  Holland  ansäs- 
siger Deutscher)  alle  Phasen  der  socialen  und  Natur- 
Verhältnisse  der  Niederlande  in  treffender  Weise  zur 
Anschauung;  ja,  nicht  die  geringste  Aensscrung  des 
holländischen  Votkswcsens  ist  dabei  übersehen.  Vom 
farbenprächtigen  .Städtebild  bis  herab  zur  Einrichtung 
der  Trekachuite,  und  vom  ärmlichen  vegetirenden  Da- 
sein des  Scheven inger  Fischers  bis  hiuauf  zum  ent- 
wickeltsten geistigen  Leben  auf  den  hotländi*  hen  Uni- 
versitäten, findet  Alles  an  gehöriger  .Stelle  seine  einge- 
hende Besprechung,  seine  klare,  vorurtheilsvolle  Wür- 
digung. Kurz,  man  kann  sagen,  ohne  zu  schmeicheln, 
dass,  wer  Sicherer’s  Lorelei  gelesen,  ein  ebenso  rich- 
tiges wie  ungeschminktes  Bild  von  «Holland  und  seinen 
Bewohnern**  in  sich  aufgenommen  hat.  Eine  eingehende 
Kecension  steht  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 
1870,  Nr.  120. 

Siegfriedbilder.  (Globus«  Bd.  XVII,  S.  319.) 

Sitzungsberichte  der  Kaiserlichen  Gesellschaft  für 
Naturwissenschaften,  Anthropologie  und  Ethno- 
logie bei  der  Universität  zu  Moskau.  (In  rassi- 
scher Sprache.)  Moskau  1870,  4°. 

Darunter  sind  von  besonderem  Interesse  die  Abhand- 
lung über  die  erratischen  Steine,  welche  als  Material 
zum  Ptlastem  der  8t ras« n in  Moskau  dienen  uud  die 
Fundorte  derselben  in  der  Umgegend  der  .Stadt,  von 
Tschurowski,  dann:  Bericht  von  Treiland  über 
seine  ethnographische  Reise  ins  Land  der  Letten. 

Skizzen  und  Sagen  aus  Salzburg.  Von  Dr.  H.  Z. 
(„Der  Tourist“,  Jahrgang  II,  1870,  S.  97*— 106, 
113  — 125,  222—249.) 

Sklaverei.  Die  Sklaverei  im  osm&nischen  Reiche. 
(Globus,  Bd.  XVII,  S.  333—335.) 

Gnte  Charakteristik  des  orientalischen  Sklaventhums. 


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384 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


slavonion.  Durch  Sluvonien  und  die  Militürgrenze. 
(Globus,  Bd.  XVIII,  S.  1—7,  17—24,  33—39.) 

Politische  und  nationale  Stellung  der  Südslaven.  — 
Donautahrt  und  Puaatenbilder.  — Ksaek,  die  dreitei- 
lige Stadt.  — Völkern»  »chang.  — Latifundien.  — Aeua- 
•cre  Erscheinung  der  Bauern.  — Princip  der  Geachlecht*- 
geiueinstcliaft  bei  den  alteu  Slaven.  — Mangel  an  Ver- 
kehrsmitteln. — Da*  projectirte  Eisenbahnnetz-  — Bil* 
rlungMiistände.  — Aberglauben.  — Mängel  der  Justiz.  — 
Hauscommunion  oderZudruga.  — Ihre  Vor-  und  Nach* 
tfaeUe.  — Slavonien*  Holzreichthum.  — Vuka.  — Zi- 
geuner. — Diakovar.  — Bischof  Strosamaycr  und 
»citie  nationale  Thätigkdt.  — Die  Auflösung  der  Mili- 
tärgrenze. — Staatsrechtliche  und  geschichtliche  Ver- 
hältnisse. — Zigeunerlager  bei  Verpolje.  — Keichthum 
der  Greinte.  — Daten  über  den  Ackerbau,  die  Holz- 
productiun,  den  Vivliatand  und  die  Mineralschätze.  — 
Typen  in  Gartschin.  — Die  Save,  ein  südslavischer 
Fluss-  — Handel  auf  der  Save.  — Grenzcordon.  — 
Regulirung  der  Sav*.  — V ferscenerien.  — Türkisch* 
Brod.  — Bosnische  Tänzerinnen. 

Sonklar,  Carl  von.  Ueber  einige  Namen  im  Ge 
birge.  (Jahrbuch  tlee  österr.  Alpen  vereine  1870 
S.  331—333.) 

Spiess,  Otto.  Ein  Streifzug  ins  Arnautluk.  (Mit- 
theilung der  Geographischen  Gesellschaft  in  Wien 
1870,  S.  385  ff.) 

I)«r  Verfasser  nahm  als  Ingenieur  an  den  Kuenbahn- 
Tracirungen  in  der  Türkei  im  Herbst  1869  Tbeil.  Sein 
Aufsatz  ist  nicht  spccieil  wissenschaftlich,  sondern  all- 
gemein schildernd. 

Stark,  1t.  Wandertage  in  Südbaiern.  (Die  Vier- 
teljahrsachrift  1870,  Nr.  130.) 

Statistik.  Die  amtliche  Statistik  in  Ungarn. 
(Ousterreichiachcr  Oeoonomist  1870,  Nr.  28,  32.) 

Stöger,  Eriedr.  Das  Eisass  mit  Deutsch- Lothrin- 
gen. Land  und  Leute.  Leipzig,  Quandt,  1871, 
8°.  95  S. 

Sterblichkeit  der  Kinder  in  Frankreich.  (Ausland 
1870,  N.  15.) 

Streifsüge  durch  Deutsch  - Höhnten.  (Allgemeine 
Zeitung  1870,  Nr.  179,  180,  181.) 

Studien  über  keltische  Sprachen  und  Alterthümer. 
(Globus,  Bd.  XVIII,  S.  159—160.) 

Talbot,  Ed.  Europa  den  Europäern.  Uebersetzt 
aus  dem  Französischen.  Zürich  1869,  8°. 

Türkei.  Aus  der  Türkei.  (Allgemeine  Zeitung 
1870,  Nr.  104,  149,  153,  170,  183.) 

Urtheile.  Englische  Urthcile  über  Frankreich  und 
Deutschland.  (Ausland  1871,  Nr.  9.) 

Vedovi,  Dr.  T.  La  Bosnia.  Mantova  1869,  8°. 
53  S. 

Vedovi,  Dr.  T.  Cenni  sul  Montenegro.  Mantova 

1869,  8*.  45  S. 

Verua.  Südtirols  Vorwälachung.  (Alpenfreund 

1870,  Bd.  I.  8.  358—365.) 


Viquesnel,  A.  Recherche«  hisioriqnea  sur  quel- 
ques points  de  rhiatoire  generale  des  peuples 
slaves  et  de  leura  voisins,  les  Turcs  et  lea  Fin- 
uois.  Paris,  Arthus  Bcrtraud,  1869,  4°. 

Vorwiegend  ethnographisch;  enthält  auch  drei  Kar- 
ten, wovon  eine  vorzügliche  ethnographische.  (E*  bil- 
det eigentlich  den  Anhang  zit  Viquesnel’»  „Vorige 
da»»  In  Turquie“.) 

Vlamiacho  Protestation  gegen  Französirnng.  (Ma- 
gazin für  die  Literatur  des  Auslandes  1870.) 
Völkerwanderungen.  Die  Völkerwanderungen  in 
Istrien.  (Allgemeine  Zeitung  1870,  Nr.  196.) 
Volk  und  Volkaleben  in  Neurussland  von  J.  M. 
(Globus,  Bd.  XVII,  a 138—141.  169—173;  Bd. 
XVIII,  S.  169—173,  234—238.) 

I.  Der  Gegensatz  ron  Gros»-  und  Kleinnmcn.  II. 
Sitten  und  Gebräuche  in  Neiirudaland-  HI.  Die  Diener- 
schaft auf  dein  Lunde.  — Kleinrussische  Melodien.  — 
Bestrafung  de»  Diebstahls.  — Die  Schänke  und  ihr 
Einfluss.  — Tänze.  — Die  cheinulige  Frohnarbeit.  — 
•Schafschuren.  — Spitznamen. — Aberglaube. — Leichen- 
acker.  — WAiiderungslust.  IV.  Arbeitskraft.  — Man- 
gelhafte Ernährung.  — Anlage  und  geistige  Befähigung. 

— Die  Poltawzy.  — Luge  der  Gutsbesitzer.  — Die 
Kleinrussischo  Sprache.  — Warner-  und  Steppcnklima. 

— Die  .Schneeorkane.  — Sunität» Verhältnisse.  — Spin- 
nen und  Taranteln.  — Ruin  der  polnischen  Edelleute. 

— Schlusabetracbtungen  über  die  Zustände  der  Bauern. 

Volkszählung.  Ein  Ergehn  iss  der  vorjährigen 
Volkszählung.  ( Oesterreich  »eher  Occonomiat  1870, 
Nr.  15.) 

Vonbun,  Dr.  A.  Die  Montafoner  Krautschneider. 

(Alpenfreund  1870,  Bd.  I,  S.  69  ff.) 

Wagner,  Prof.  Dr.  Adolf.  Elsas«  und  Lothrin- 
gen und  ihre  Wiedergewinnung  für  Deutschland. 
Leipzig  1870,  8®. 

Besprochen  in  der  Wissenschaftlichen  Beilage  zur 
Leipziger  Zeitung  1870,  Nr.  74. 

Walzor,  Rud.  Bilder  aus  dem  kämtnerischen 
Volksleben.  (Tourist  1870,  S.  390 — 392.) 

Walachen.  Die  Walachen  in  Griechenland  als 
Räuber  und  als  Hirten.  (Globus,  Bd.  XVII,  S. 
363—365.) 

Sprach  vergleichend. 

Waldeck,  M.  Vom  Xordsceatraud  zum  Wüsten- 
sand. Gulturgeaahichtlicha  Bacher  aus  Deutsch- 
land, Italien  und  Aegypten.  Berlin  1870,  8®. 

Wales  and  ita  people.  A trip  through  the  princi- 
pality  to  learn  aoraething  about  the  country  and 
the  natives.  Wrexham  1869,  12°.  56  S.  * 
Wallmann,  Dr.  Hoinr.  I)an  Reif  machen  in  Ober- 
Pinzgau  und  Lungau.  (Jahrbuch  des  Österreich. 
Alpenvereins  1870,  S.  329 — 331.) 

ln  Pinzgau  und  Lungau  besteht  die  Sitte,  da»  auf 
freien  Orten  Feuer  angezündet  werden,  in  deren  Folge 
über  da»  ganze  Thal  ein«  Rauchdecke  »ich  ausbreitet, 
durch  welche  di«  Reifbildung  gehindert  und  die  aufge- 
hende Sonne  nicht  durchscheinen  »oll. 


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385 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Wattonbach,  Dr.  W.  Die  Siebenbürger  Sachsen. 
Heidelberg  1870,  8*. 

D«r  Heidelberger  Professor  hat  sich  einige  Zeit  in 
.Siebenbürgen  aufgehalten  und  als  Frucht  seiner  Reise 
die  vorliegende  Schrift  geboten-  Nebst  einem  guten, 
wenn  auch  gedrängten  Ucberbllck  der  Geschicke  der 
sächsischen  Nation  in  ^Siebenbürgen,  schildert  der  Autor 
ihre  dcrnialigcn  Zustände  und  geht  auch  auf  die  poIl- 
tische  .Stellung  der  Sachsen  zu  den  übrigen  Nationali- 
täten ein.  Obwohl  wir  ini  grossen  Ganzen  mit  Wat- 
tenbach in  seinen  Anschauungen  über  letzteren  Punkt 
übereinstimmen,  will  uns  indes«  bedünken,  dass  er  einer 
vollkommen  richtigen  Auffassung  gesammtosterreichi- 
•cher  Verhältnisse  — die  für  einen  Nicht  Österreicher 
allerdings  nur  sehr  schwer  verständlich  sind  — nicht 
völlig  gewachsen  i*t.  Eine  eingehende  Recension  finden 
wir  in  der  Beilage  znr  Allgemeinen  Zeitung  1870, 
Nr.  121. 

Watterich,  Dr.  Der  deutsche  Namen  Germanen 
und  die  ethnographische  Frage  vom  linken  Rhein- 
ufer.  Paderborn  1870,  8°. 

Weatropp,  Hodder  M.  On  the  Trihal  System 
and  Land  Tenure  in  Ireland  under  the  Brehon 
La ws.  (Journal  of  the  Ethnological  Society  of 
London  1870.  & 342—351.) 

Prächtiger  Ueberhlick  der  socialen  Zustände  in  Irland 
vor  der  Anglosächdschcn  Invasion. 

Wiokede,  J.  v.  Die  Bedeutung  des  Panslavismus 


für  Deutschland  und  das  einzige  Mittel  zur  Ab- 
wendung der  dadurch  drohenden  Gefahr.  (D. 
Vierteljahraschrift  1870,  Nr.  130.) 

Wocel,  Joh.  Erasmus.  Die  Bedeutung  der  Stein- 
und  Bronzealterthümer  für  die  Urgeschichte  der 
Slaven.  Prag  1869,  8°. 

Aufschluss  über  dieses  wichtige  Work  giebt  im  Aus- 
land 1870,  Nr.  23,  8«  541 — 542  der  Aufsatz:  Wohnorte 
und  Urgeschichte  der  Slaven. 

Yovanovics,  Vladimir.  Lee  Serbe®  et  la  mission 
de  la  Serbie  dans  l’Europe  d’Orient.  Paris,  La- 
croix,  1870,  8°.  325  pag. 

Zohlicko,  Dr.  Adolf.  Die  politischen  und  socia- 
len Zustande  Galiziens.  (Unsere  Zeit  1870,  Bd. 
I,  s.  657—681,  818—838;  Bd.  II,  8.527— 563.) 

Inhalt:  Das  Land  Galizien  und  seine  Bewohner  von 
den  ältesten  Zeiten  an.  — Die  Socialen  und  Colturver- 
hältmwe  Galiziens.  — Die  politischen  Kämpfe  in  Gall- 
*ien  unter  Oesterreich. 

Zingerle,  Prof.  Dr.  Ant.  Die  deutschen  Gemein- 
den im  Fersinathale.  (Alpenfrennd  1870,  Bd.  I, 
S.  209—216.) 

Zorn,  Theodor.  Aberglauben  bei  den  Mönchgu- 
torn  auf  der  Insel  Rügen.  (Globus,  Bd.  XVIII, 
S.  86—88,  106—108,  123—124.) 


Afrika. 

(Von  Robert  Hartmann.) 


About,  E.  Le  Fel  Iah.  Souvenirs  d’Egypte.  2 Edit. 
Paris  1869,  8®. 

Zeichen  der  Zeit  für  Frankreich , dass  es  daselbst 
möglich  gewesen,  dieses  trostlose  Machwerk  be- 
kanntlich eines  der  rohesten  Klopffechter  de«  „Chauvi- 
nisme*,  in  zweiter  Auflage  erscheinen  zu  lassen. 

Adams,  Andr.  Leith.  Notes  of  a naturalist  in 
the  Nile  valley  and  Malta  a narrative  of  explora- 
tion  and  research  in  connection  with  the  natural 
history,  Geology  and  Archeology  of  the  Lower 
Nile  and  the  Maltese  Islands.  Edinburgh 
MDCCCLXX. 

Dies  in  mehrfacher  Beziehung  interessante  Buch  ent- 
hält einige  Rückblick«  auf  di«  Bevölkerung  Alt-  und 
Neuägvpteits. 

Amero,  C.  L’Afrique  äquatoriale : les  sources  du 
Nil  et  Texp4dition  militaire  et  scientifique  diri- 
gee  par  Sir  Sam.  Baker.  (Revue  contemporaine 
1869,  Novembre.) 

Anderson,  B.  Narrative  of  a journey  to  Musardu, 
the  Capital  of  the  Western  Mandingoes.  New 
York  1870. 

Wenn  auch  Verfasser  keineswegs  auf  den  Namen 
eines  Ethnologen  Anspruch  erheben  darf,  so  gewährt 
uns  sein  Buch  dennoch  manchen  interessanten  Einblick 
in  das  Leben  der  westlichen  Schwarzen  .Sudans. 


Aymee,  A.  Exploration  de  POgoway.  (Recherche« 
göographiquea  et  ethnographiquee  nur  le  bassin 
duGabon.  Revue  marit.  et  colon.,  XXVIII,  1870, 
pag.  525.) 

Baker.  Exploration  des  affluents  abyssiniens  du 
Nil.  (Le  Tour  du  Monde  1870,  pag.  129  ff.) 

Auszugsweise  Bearbeitung  des  schon  früher  von  uns 
besprochenen  Original  Werkes,  mit  zum  Thell  ganz  hüb- 
schen Illustrationen. 

Baker.  Letter  from  the  White  Nile.  (Athenaeum 
1870,  Nr.  2240.) 

Enthält  nichts  Neues. 

Beaunier,  A.  Premier  Etablissement  des  Israe- 
lites  a Timbouktou.  (Bulletin  do  la  Societe  de 
Geograph.  V Serie,  XIX,  1870,  pag.  347.) 

Baron,  A.  Voyages  en  Nubie,  en  Abyssinie,  en 
Egypte  etc.  de  Bruco  et  Mungo- Park.  Limoges 
et  Iale  18G9.  (Bibliotheque  röligieuse.) 

Gehaltlose  Compilation. 

Bechtinger,  J.  Ost -Afrika.  Erinnerungen  und 
Miscellen  aus  dem  abyssinischen  Feldzuge.  Wien 
1870. 

Recht  frisch«  Schilderungen  abyssinischen  Lehens.  • 


Andry,  F.  L'Algerie,  promenadc  historique  et  Berlioux,  E.  F.  La  traite  orientale;  hietoire  des 
topographique.  2 edit.  Lille  1870.  chasses  Dt  l'homme  organisees  en  Afrique  depuis 

Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  IT.  lieft  IV.  49 


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386 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


quinze  ans  pour  les  marches  de  TOrient.  Pari® 
1862,  8°. 

Bizemont,  H.  de.  Lettre  d.  Korosko,  21  Mai 
1870.  (Bullet,  de  la  Sociäte  de  Geogr.,  V Sfsrie, 
XIX,  1870,  pag.  490.) 

Brenner’»,  R.  Expedition  nach  Ostafrika.  (Puter- 
ntann *s  Mittheilungen  1870,  S.  161.) 

Einzelne  ganz  interessante  Notizen. 

Carröre,  F.  Le  Senegal  et  son  avenir.  Bordeaux 
1870. 

Chaillu,  P.  du.  Equatorial  Africa,  with  an  account 
of  the  racea  of  Pigmiea.  (Journal  of  the  Ameri- 
can Geogr.  and  Statist.  Soc.,  II,  1870,  pag.  99.) 

Die  Existenz  von  Menschen  einer  constunt  niedrigen 
Ntntur  in  Afrika  ist  unbestreitbar  aus  neuester  Zeit  auclt 
wieder  durch  8c h weinfurth  erhärtet  worden. 

Chavanne,  J.  Eine  Mineralquelle  in  der  Oase 
Ksur,  Algerische  Sahara.  (Petermann’s  Mitthei- 
lungen 1870,  S.  301.) 

Cook,  H.  Notes  on  the  Climate  and  Geology  of 
Abyssinin,  (Proceed.  of  the  Royal  Googr.  Soc. 
XIV,  1870,  pag.  158.) 

Craig,  J.  Un  apor<;u  du  Maroc.  (Bullet  de  la^ 
Soc.  de  Geogr.,  V Ser.,  XIX,  1870,  pag.  177.) 

Dormoy,  E.  Souvenirs  de  voyage.  Un  voyage 
ä Theben  et  dans  la  Haute- Egypte.  (Revue  con- 
temporaine.  Nouv.  Serie,  II,  1870,  pag.  481.) 

Erskine,  St,  V.  W.  Joumey  of  exploration  to 
the  motith  of  the  River  Limpopo.  (Journal  of 
the  Roy.  Geogr.  Society,  XXXIX,  1869,  p.  233.) 

Faidherbo , L.  Collection  complete  des  inscrip- 
tionn  numidiques  llibyques)  avec  des  aper^us 
ethnograpliiquea  sur  les  Numides.  Lille  1870. 

Faidherbo,  L.  lieber  den  Ursprung  der  Berbern. 
(Zeitschrift  für  Ethnologie  1870,  S.  1.) 

Eingehende  Besprechung  dieses  an  sich  sehr  schwie- 
rig zu  lösenden  Themas. 

Flora,  A.  Aerztliche  Mittheilungen  aua  Aegypten. 
Wien  1869,  8°. 

Gutes  klimntologUchra  und  medicinisch  • statistisches 
Material,  namentlich  über  Suez. 

Fonoin.  L’Afriquo  australe  d’apres  les  voyagee 
recents.  Bayonne  1869. 

Forgäch,  Graf  A.  Uebcr  die  Dolmen  in  Algerien. 
(Ausland  1870,  Nr.  46.) 

Gatell,  J.  L’Ouadnoun  et  le  Tekna,  tt  la  cöte  oc- 
cidentale  du  Maroc.  (Bulletin  de  la  Societc  de 
Geogr.,  V Serie,  XVIII,  1869,  pag.  257.) 

Gevrey,  A.  Essai  sur  les  Comore*.  Poiidichery 
1870,  8°. 

Gill,  J.  The  Emigranta  Guide  to  the  South  Afri- 
can  gold  fields.  London  1870,  8®. 


* 

Goguel,  E.  Les  juifs  d’Egypte  devant  l’Ere  chre- 
tienne.  Strasbourg  1869,  8n. 

Häckol,  E.  Eine  Besteigung  des  Pik  von  Tene- 
riffa. (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
zu  Berlin  1870,  S.  1.) 

Hahn,  Jos.  Gegenwärtiges  Verhältnis«  der  Na- 
znaqua  zu  den  Hererd.  (Zeitschrift  der  Gesell- 
schaft für  Erdkunde  1870,  S.  468.) 

Beleuchtet  die  Raceukümpfe  zwischen  den  räuberischen 
Natua  und  den  ihre  Freiheit  so  muthig  vertheidigeudcti 
Dum  am  oder  Hererd. 

Hahn,  Theoph.  Das  hottentottische  Tsuigoab  und 
der  griechische  Zevg.  Daselbet  S.  452. 

Weist  unter  gleichzeitiger  Aufklärung  der  eigentlichen 
Bedeutung  des  Wortes  Tsuigoab  jede  Verwandtschaft 
desselben  mit  dein  Worte  Zeus  entschieden  und  in  über- 
zeugender Weise  zurück. 

Hahn,  Th.  Die  Sprache  derXamo.  Halle  1870.  8°. 

Enthält  sehr  dankenxwerthe  Nachrichten  über  die 
ethnischen  Verhältnisse  Südafrikas. 

Hahn,  Th.  Die  Buschmänner.  Ein  Beitrag  zur 
afrikanischen  Völkerkunde.  (Globus,  Bd.  XVIII, 
1870,  V.) 

Beleuchtet  die  ethnologische  Stellung  dieser  früher  so 
oft  als  „verkommene  Hottentotten“  geschilderten  Men- 
schen. 

Hamm,  W.  Skizzen  vom  Nil.  (Unsere  Zeit  VI, 
1,  1870,  S.  681,  750.) 

Hartmann,  R.  Die  Steppengebiete  Nordost- Afri- 
kas. (Weatermann’s  illustrirte  Monatshefte  1870, 
Octoherheft.) 

Beschreibung  und  Abbildung  der  nordosf  afrikanischen 
Nomaden  in  Nubien  und  Sennär. 

Hartmann,  R.  Die  Ptoembari  und  Ptoemphanae 
des  Plinius.  (Zeitschrift  für  Ethnologie  1870, 
S.  136.) 

Ueber  muthmaassliche  alte  Wohnsitze  der  Funje  und 
über  den  Hundecultus  der  Afrikaner. 

Hartogh  Heys  van  Zouteveen.  La  foret  petri- 
fiee  du  caire,  le»  collinesde  tessons  de  poterie  de 
ln  Baese-Egypte  et  la  premiüre  cataracte  du  Nil. 
(Archive*  nuerlandaises  d.  scienc.  exact.  V,  1870, 
pag.  238.) 

Henkel.  Der  Handel  mit  den  farbigen  Racen  in 
Afrika.  (Der  Welthandel  1870,  S.  85.) 

Holland  and  Hosier.  Record  of  the  Expedition 
toAbyssinia.  Coropiled  by  Order  of  the  secretary 
of  State  of  War.  2 VoL,  London  1870,  4°. 

Sehr  genaue  Darstellung  aller  geschäftlichen  Vorbe- 
reitungen und  Ereignisse  des  viel  besprochenen  Krieges, 
einig«  zoologische  und  dergleichen  Anhänge,  übrigens  in 
rein  ethnologischer  Beziehung  ohne  Interesse. 

Hochetetter.  Madeira.  Gesammelte  naturwissen- 
schaftliche Vorträge.  Wien. 

Hübner,  A.  Bergmännisches  vom  Tatin.  (Zeit- 
schrift der  Gesellsch.  für  Erdkunde  1870,  S.  198.) 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  * 387 


Schilderungen  de»  socialen  Elendes,  welche»  die  Gold- 
sucht unter  enttäuschten  Gurabusinos  angerichtet  hat. 

Klunzinger,  C.  B.  Blicke  in  das  Hauswesen  einer 
Landstadt  Ober&gyptens.  (Ausland  1870,  Nr.  16.) 

Nach  Beobachtungen  wahrend  eines  mehrjährigen 
Aufenthaltes  an  Ort  und  Stelle  sehr  anregend  abgefasst. 

Livingatone,  Ch.  Discovory  of  a New  Channel 
through  tho  Forcado«  River  to  the  town  of  Warro. 
(Proceedings  of  the  Royal  Geographical  Society, 
XIV,  1870,  pag.  166.) 

Livingatone,  Ch.  Die  Höhlenbewohner  in  Kusu 
(Mittheilungen  der  Wiener  geographischen  Ge- 
sellschaft 1870,  S.  334.) 

Livingatone  will  in  Rua,  nördlich  von»  Moero-See, 
einen  Volksstamm  gefunden  haben,  der  in  unterirdischen 
Höhlen  lebt.  Diese  «ollen  voll  Thierzeichnungeu  sein. 
Grant  erwähnt  nun  der  Auslassungen  seines  eingebo- 
renen Begleiters  Manu»  über  solche  Höhlen  südlich 
vom  Tanganyika-See,  in  welche  sich  die  Bewohner  von 
YVambwet)  dächten,  sobald  sie  von  Sulus  angegriffen 
werden. 

Magnani,  R.  lln  viaggio  a Tuuisi,  N&rrazione. 
Parma  1870,  8°. 

Maltzan,  H.  v.  Reis«  io  den  Regentschaften  Tu- 
nis und  Tripolis.  3 Bde.  Leipzig  1870,  8°. 

Maltzan,  H.  v.  Ein  Gerichtstag  auf  der  Insel 
Dscherba  in  Tunesien.  (Globus  1870,  Nr.  3 ff.) 

Maltzan,  H.  v.  Schicksale  und  Wanderungen  eines 
deutschen  Renegaten  in  Nord -Afrika.  (Globus 
1870,  Nr.  19  ff.) 

Maltzan,  H.  v.  Arabische  Sagen  über  Alexandrien. 
(Ausland  1870,  Nr.  41.) 

Maltzan,  H.  v.  Eine  südarabische  Colonie  in  Cairo. 
(Ausland  1870,  Nr.  46.) 

Maltzan , H.  v.  Aus  dem  Reiche  des  Khedive. 
(Magazin  für  die  Literatur  dos  Auslandes  1870, 
Nr.  46  ff.) 

Freiherr  v.  Maltzan,  ein  begeisterter  Anhänger  der 
Ethnologie,  weis»  uns  immer  Werthvolles  und  Inter- 
essantes auf  unseren»  Felde  zu  bieten.  Derselbe  bat 
sich  auch  bemüht,  das  Physische  der  von  ihm  beobach- 
teten Stämme  aufzufasMen  und  in  geschickter  Form  wie- 
derzugeben. 

Marno,  E.  Von  Famnka  nach  Fadnsi.  (Mitthei- 
lung der  Wiener  geographischen  Gesellschaft  1870, 
S.  557.) 

Schrecklich  zu  lesen,  wie  die  Amam- Neger  ihre 
Schurzfelle  aus  Menschenhaut  machet»,  eine  zwitschernde 
Sprache  reden  und  wie  die  guten  Funj«  von  Dull-Jum- 
jum  und  Dutl-Migmig,  mit  denen  Referent  so  harmlos 
und  freundlich  verkehrte,  höchst  wahrscheinlich 
Menschen  fressen.  „Wenigstens  gesteht  es  der  acht- 
jährige Barum,  den  ich  (Msrno)  besitze,  ganz  offen.“ 
l’eber  da»  Volk  von  Fadari  lässt  uns  Verfasser  in  sei- 
nem kärglichen  Berichte  völlig  im  Luklaren  — vielleicht 
nicht  ohne  Absicht. 


Martin,  C.  Die  Insel  S.  Vicente.  (Zeitschrift  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  1870,  8.  372.) 

Meulemans,  A.  L Empire  du  Maroo  et  »es  relations 
commerciales  avec  la  Belgique,  2 ed.  Bruxelles 
1870,  8« 

Miasionsbildor.  Achtes  Heft.  Sierra  Leona  und 
Yoruba.  Stuttgart  1870,  gr.  8". 

Monforand,  P.  de.  LTlo  de  la  Reunion  et  les  tra- 
vailleurs  etrangers,  seines  de  la  vie  creole.  Auch 
1870,  8°. 

Mouvement  des  uais&ances  et  des  döoeg  en  Egypte, 
de  1867  ä 1868.  (Journal  de  la  Societe  de  Sta- 
tistique  de  Paris  1870,  pag.  74.) 

Nachtigal,  G.  Briefe  aus  Murauk  vom  Januar 
1870.  (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
1870,  S.  265.) 

Nachtigal,  G.  Reise  nach  Tibesti.  (Zeitschrift 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde  1R70,  S.  69.) 

Nachtigal,  G.  Reise  zu  den  Tibbu -Rcschada. 
(Peteruiaun’8  Mittheilungen  1870,  8.25,  47,  273.) 

Nachtigal , G.  Die  Tibbu.  Ethnograph.  Skizze. 
(Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  1870, 
S.  216,  289.) 

Nachtigal,  G.  Die  Tibbu  - Reschäde  in  Tibesti, 
ihr  Charakter  und  ihre  Sitten.  (Global,  Bd.  XVIII, 
Nr.  I,  XIII.) 

Nachtigal  liefert  uns  «ine  ganz  vorzügliche  Mono- 
graphie über  «las  in  mehrfacher  Beziehung  so  interes- 
sante hinsichtlich  seiner  ethnischen  Stellung  bisher  noch 
so  wenig  bekannte  Volk  der  Tibbu. 

Noble.  The  Cape  and  its  people  and  other  Essays 
by  South  African  Writers.  Cape  Town  1869,  8°. 

Oliver,  S.  P.  On  the  Ilovaa  and  other  characte- 
ristie  tribea  of  Madagascar.  (Memoire  of  tho  An- 
thropol.  Society  of  London  1870,  pag.  1.) 

Rcade , W.  Report  of  a Journey  to  the  Upper 
Watera  of  the  Niger  from  Sierra  Leona.  (Pro- 
ccedinga  of  the  Royal  Geographical  Society  1870, 
pag.  185.) 

Roeluß,  E.  Our  trip  to  Egypt  as  guests  of  the 
Viceroy,  at  tho  opening  of  the  Suez  Canal.  (Put- 
nam’s  Monthly  Magazine  1870,  March.) 

Reclus,  E.  Voyage  au  Caire  et  dans  la  Haute 
Egypte-  La  Philosophie  positive  1870,  pag.  127.) 

Reisen  des  Rabbi  Mordokhai- Abyserar  nach  Tim- 
buktu.  (Petermfton’s  Mittheilungen  1870,  S.  335.) 

Relazione  sommaria  del  Viaggio  nel  mar  Rosso 
dei  Sigu.  Antinori,  Beccari  e Insel.  (Bollet. 
dolla  Soc.  Geogr,  Italiana  1870,  pag.  43.) 

Rohlfs,  G.  Land  und  Volk  in  Afrika.  Berichte 
aus  den  Jahren  1865  bis  1870.  Bremen  1870,  8°. 


Manch,  K.  Reisen  in  Südafrika.  (Petermann’s 
Mittheilungen  1870,  S.  1,  92,  139.) 


Rohlfg,  G. 
Nr.  49.) 


Audjila  und  Djalo. 

49* 


(Ausland  1870, 


# 


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388 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Es  erscheint  kuura  nöthig,  erst  noch  «nf  das  ethno- 
logische Interesse  naher  hinzu w eisen , welches  Rohlf’s 
.Schriften  im  Allgemeinen  darbieten. 

Roasi , E.  B.  Geografia  medica  dell1  Egitto.  Li- 
vorno 1870,  8*. 

Rougö,  J.  de.  Textes  geographiquea  du  teinple 
d’Edfou.  (Revue  Archeolog.  1870,  pag.  1.) 

Wichtig  für  die  Ethnologie  Allägyptens  und  der  Nach- 
barländer. 

Schauenburg,  P.  R.  Note  sur  la  Scnügambie. 
Strasbourg  18C9,  8°. 

Sklavenhandel  in  den  ostafrikanischen  Gewässern. 
Ausland  1870,  Nr.  7. 

Sibree,  J.  Madagaecar  and  it»  People:  Notea  of 
a Four  Months  Reridence,  with  a Sketch  of  the 
History,  Position  and  Prospects  of  Mission  Work 
AQiongst  the  Malagsy.  London  1870,  8°. 

Stilling,  H.  C.  Reise  i Aegypten.  Med  20  Af- 
bildninger.  Kopenhagen  1870,  gr.  8°. 

Taglioni,  Ch.  Deux  raois  en  Egypte,  journal  d'un 
invit£  du  Kedive.  Paris  1870,  12". 

Die  Eröffnungsfeierlichkeit  des  Suczcanal»  hat  Veran- 
lassung zur  Entstehung  einer  Menge  von  Büchern,  Flug- 


schriften und  Journalartikeln  gegeben.  Ihnen  wohnt 
entweder  nur  ein  specifisches  handelspolitisches  und 
volkswirtschaftliches  Interesse  inne,  oder  aber  sie  blei- 
ben unter  der  Fläche  einer  seichten  Touristenliteratur, 
so  dass  wir  ans  hier  die  Mühe  und  den  Raum  sparen 
können,  jene  Artikel  einzeln  aufzu führen. 

Taurin.  Lettrea  ä M.  d’Abbndie  (sur  le  pays  Galla 
de  Finfinni).  (Bulletin  de  la  Sociätä  de  Geogr., 
V Serie,  XIX,  1870,  pag.  381.) 

Bietet  nicht  so  viel  ethnologisches  Material  dar,  als 
die  in  C.  Harris’  liighiauds  ofAethiopia  angeführten, 
sehr  dankenswertheu  Nachrichten  über  die  im  Süden 
von  Schoa  wohnendeu  Orma. 

Tauzior,  H.  Itincraire  de  Ruscic&da  k Hippone. 
(Bulletin  de  l’Academie  d Hippone,  Böne,  Nr.  7, 
8.) 

Taylor,  B.  Central  Afrika.  New  York  1870. 

Ein  Buch,  welches  in  der  Touristenliteratur  über  Ost- 
Centralafrika  einen  der  besseren  Plätte  einni turnt. 

Trincia,  T.  Viaggio  del  Padre  Filippo  da  Segni 
daTripoli  di  Barberia  al  Bornou  nel  1850.  (Bol- 
let.  della  SocietA  geogr.  ItuL  1870,  pag.  137.) 

Volk,  da«,  der  Corooas  an  der  Südwestküate  von 
Afrika.  (Globus,  Bd.  XVII,  1870,  Nr.  15.) 


Amerika. 

(Von  P.  v.  Hellwald.) 


Alaaka-Gebiet.  Neuere  Forschungen  im  Alaska- 
Gebiet.  (Ausland  1870,  Nr.  4.) 

Aldea.  Petro  Ruiz.  Los  Araucanoe  y sus  coatum- 
bres.  Anjele«  1868. 

Alsop.  Geo.  A chnracter  of  the  Province  of  Ma- 
ryland. Described  in  four  distinct  Parts.  Also 
a small  trentise  on  the  wild  and  naked  Indians 
(or  Susquehanokes)  of  Maryland,  their  Customs, 
Mannen,  Absnrdities  and  Religion.  New  York 
1869,  8f.  126  S. 

Amerika.  Skizzen  aus  Amerika.  (Ausland  1870.) 
1.  Die  zuridi munde  Corruption  in  den  Vereinigten 
Staaten,  Nr.  12.  — 2.  Commerzielle  Conventionen,  Nr. 
12.  — 3.  Der  Humbug  in  der  Geschäftswelt,  Nr.  13. 

— 4.  Scblussbemerkuugen,  Nr.  13. 

Amerika.  Streifzüge  unter  den  Indianern  im 
nordwestlichen  Amerika.  (Globus,  Bd.  XVII,  S. 
113—119,  S.  129—135.) 

•Sagoskin’a  Expedition  nach  dem  Yukon.  — Das 
Fest  des  Versenkens  der  Blusen  ins  Meer.  — Die  Ma- 
laimiuten.  — Der  Handelspotte»  Nulnto.  — Nordlich- 
ter. — Die  Co  Yukon  Indianer.  — Ermordung  eines 
Engländers.  — Fischfang  und  Rennthicrjagd.  — Fi- 
scherdörfer am  Yukon.  — Station  Ncwikargut.  — Teu- 
felaust reiben.  — DieTanana  Indianer  bei  Nuklukayette. 

— Die  grosse  Stamm  gruppe  der  Thlinkith  oder  Kölni- 
schen. — Die  Stämme  des  Wolfes  und  des  Kuben. 
Totem«.  — Sitten,  Gebräuche,  Aberglauben,  Industrie. 

— Der  Mythos  von  Jeschi,  dem  Schöpfer  aller  Dinge. 

— Fluthsage. 


Amcrikaniachon , die,  ZeitungeD.  (Ausland  1870, 
Nr.  29.) 

Nach  Chambers  Journal.  Culturbistorisch  interes- 
sant. 

Ande«,  The,  and  the  Amazoo.  (Harpcr’s  New 
Monthly  Magazine.  New  York,  Febr.  1870.) 
Appun,  Carl  Ferd.  Am  Rupununi.  (Ausland.) 

I.  Von  Yakutu  nach  Pirara  (1870,  Nr.  2,  3), 

II.  Walor&ipuru,  der  Teufelsfelsen  (Nr.  34,  85). 
Enthält  einiges  Ethnographisches  über  die  Macnschi 

Indianer. 

Appun,  C.  F.  Ilamikipang,  der  Urari-Berg.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  42,  43.) 

Werthvolle  Bemerk nngen  über  das  indianische  Pfeil- 
gift „Urari“. 

Appun,  C.  F.  Die  Indianer  in  Britisch- Guyana. 
(Ausland  1871.)  1.  Die  Indianerstimme  der 

Küste.  Nr.  6,  7,  8. 

Appun,  C.  F.  Unter#den  Tropen.  Wanderun- 
gen durch  Venezuela,  am  Orinoeo,  durch  Britisch- 
Guvana  und  am  Am&zonenstrome,  1849  — 1868. 
Jena,  Costenoblo,  1871,  8°.  Bd.  I. 

Dieses  bedeutsame  Werk,  dem  Prinzen  Adalbert 
von  Preussen  gewidmet,  ist  die  Frucht  eines  zwanzig- 
jährigen Studiums  der  Natur  und  Menschen  in  den 
Gegenden  de»  tropUchcn  Südamerika,  welche»  der  Ver- 
fasser im  Auftruge  der  englischen  Regierung  bereist 
bat.  Herrliche  Vegctationsimsichtcn , nach  den  ausge- 
zeichneten Gemälden  des  Verfassers  gefertigt,  schmücken 


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389 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


das  Werk  . dessen  erster  Band  sich  ausschliesslich  mit 
der  Republik  Venezuela  befaßt. 

Appun,  C.  F.  Die  Getränke  der  Indianer  Guya- 
nas. (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  268—271,  299— 
302,  315—317.) 

Schildert  in  interessanter,  anschaulicher  Weise  die 
Zubereitung  der  Lleblingsgctränkc  der  südamorikani- 
sehen  Indianer,  besonders  des  aus  Manihot  utilissima 
Pohl,  gewonnenen,  berauschenden  Paiwari,  des  Paiwa 
und  des  Casiri.  Letzteres  besteht  aus  Mais,  Bataten 
und  Zuckerrohrsall.  Bemerkenswert!!  ist , dass  die  In- 
dianer Guyanas  fast  kein  einziges  Getränk  haben,  von 
dem  nicht  bei  dessen  Fertigung  einzelne  Bestandteile 
die  Kauapparate  ihrer  Weiber  passirt  wären.  Nicht 
minder  spannend  und  ethnographisch  werthvoll  ist  die 
Schilderung  eines  Trinkgelages  der  Macuschi  Indianer. 

Appun,  C.  F.  Fische  und  Fischfang  in  Britisch- 
Guyana.  (Ausland  1870,  Kr.  47,  48,  49.) 

Appun,  C.  F.  Eine  Nacht  am  Rio  Takuta  in 
Britisch-Guyana.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.  92 — 96.) 

Auffetand,  der,  auf  Cuba.  (Allgemeine  Zeitung 
1870,  Nr.  187.) 

Aufstand  der  Kuli»  in  Peru.  (Globus,  Bd.  XVIII, 
S.  284—286.) 

Schildert  die  traurige  Lage  der  chinesischen  Kulis. 

Aufstand,  der,  in  Mexiko.  (Allgemeine  Zeitung 
1870,  Nr.  88,  91. 

Seit  der  traurigen  Katastrophe  vom  19.  Jnni  1867 
gelangen  nur  spärliche  Nachrichten  aus  Mexiko  zu  uns; 
was  dieselben  jedoch  aussagen , könnte  zur  hoben  Be- 
friedigung des  Referenten  gereichen,  der  es  unternommen 
hatte,  die  Geschichte  des  mexikanischen  Kaiserreiches 
zu  schreiben  und  von  gewisser  Seile  den  herbsten,  wü- 
thigsten  Tadel  «Iber  sich  ergehen  lassen  musste,  weil  er 
es  gewagt  hatte,  di«  dortigen  Verhältnisse,  besonders 
die  ethnischen , richtig  zu  beurtheilou , diu  Dinge  bei 
ihrem  wahren  Namen  zu  nennen  und  die  ganze  mora- 
lische Versumpfung,  die  schwindelhaAe  Hohlheit  und 
Phraseologie,  vorzüglich  der  sogenannten  Liberalen 
hloszii legen , welche  es  einzig  und  allein  ihrem  l’artei- 
nameti  zu  danken  hatten,  wenn  sie  von  der  unwissen- 
den europäischen  Presse  in  di«  Wolken  erhoben  wurden. 
Es  ist  eine  ganz  unumstößliche  Tbatsuche  — di«  kein 
aufrichtig  sein  wollender  Kenner  mexikanischer  Ver- 
hältnisse negiren  wird  — dass  der  einzige,  in  europäi- 
schem Sinne  anständige,  honnette  Mann  im  Lande  — 
Maximilian  war.  Die  vorliegenden  aus  Colima  da- 
tirten  Briefe  haben  uns  diese  Thateache  wieder  recht 
lebhaft  ins  Gedächtnis*  gerufen.  Sie  schildern  mit 
deutschem  Freimut!)  die  elende  Wirtschaft  des  von 
unseren  Journalen  so  hoch  gepriesenen  Republikaners 
Juarez,  nrid  zeigen,  wie  seil  Zertrümmerung  des  Kai- 
serreiches das  Land  nicht  nur  nicht  die  geringsten  Fort- 
schritte, sondern  entschiedene  Rückschritte  gemacht  hat. 
Wir  wissen  sehr  wohl,  dass  seit  1867  eine  Menge  sehr 
freisinniger  Gesetz«  in  Mexiko  votirt  wurden  sind,  wohl 
um.  zu  zeigen,  wie  wenig  liberal  das  Kaiserreich  gewe- 
sen; dies  ist  aber  Alles  vollkommen  werthlos  in  einem 
Lande,  wo  es  nicht  möglich  ist,  auch  nur  Einem  Ge- 
setze Achtung  zu  verschaffen.  Die  Hauptfrage , das 
Räoberweeen , hat  unter  der  liberalen  Republik  in  ge- 
radezu erschreckender  Webe  überhand  genommen,  und 
dadurch  jede  sowohl  moralische  als  materielle  Hebung 
des  Landes  in  di«  weiteste  Ferne  gerückt.  E*  würde 
steh  sehr  der  Mühe  verlohnen,  eine  detaillirte  Geschichte 
der  Regierung  des  Juarez  zu  schreiben  and  die  Paral- 


lelen mit  dem  so  rasch  verdammten  Kaiserreich  zu  zie- 
hen; die  vorliegenden  Artikel  wären  treffliches  Material 
zu  solcher  Arbeit. 

Aufstand,  der,  in  der  Redriver-Colon ie.  (Allge- 
meine Zeitung  1870,  Nr.  5.) 

Dieser  Aufsatz  gewährt  ein  sehr  gutes  Bild  der  neue- 
sten im  nördlichen  Theile  Amerikas  vor  sich  gegange- 
nen staatlichen  Veränderungen,  und  giebt  eine  kurze 
Geschichte  des  Redriver  Settlement. 

Aufstand,  der,  am  Winnipeg  See,  (Allgemeine 
Zeitung  1870,  Nr.  16.) 

Sehllesst  sich  an  den  Aufrufe  in  Kr.  5 der  Allgemei- 
nen Zeitung  an  und  schildert  in  Kürze  die  Ursachen 
des  Aufwandes.  Auch  hier  sind  ethnologische  Verhält- 
nisse ausschlaggebend. 

Beade,  J.  H.  Life  in  Utah.  New  York  1870,  8°. 
540  S. 

Bell,  W.  A.  New  traeks  in  North  America.  A 
Journal  of  travel  and  adventure  whilat  engaged 
in  the  aurvey  for  a Southern  railroad  to  the  Pa- 
cific Ocean  during  1867 — 1868.  London  1869, 
8y.  2 Vol. 

W.  A.  Bull  hatte  sich  der  Expedition  zur  Nivelli- 
rung  zweier  Eisenbahnlinien  von  Kausas  durch  Neu 
Mexiko  und  Arizona  nach  CaLifornien  angeschlossen, 
verliess  aber  dieselbe  in  Arizona!  um  durch  die  mexika- 
nische Provinz  Sonora  nach  dem  catiforniBcben  Golf 
und  zu  Schiff  nach  San  Francisco  zu  reisen.  In  dem 
vorliegenden,  prächtig  ansgestatteten  zweibändigen  Werke 
schildert  Bell  die  Geschichte  und  die  Ergebnisse  der 
Expedition.  Nach  einer  sehr  lesenswerthcn  physisch- 
geographischen  Einleitung  über  den  Westen  der  Ver- 
einigten Staaten  folgen  vorzügliche  Naturschilderungen, 
Erzählungun  von  Abenteuern , interessante  ethnogra- 
phische Abschnitte  über  die  wilden  und  bulbcivilisirten 
Indianer  in  Neu  Mexiko  und  .Arizona,  mit  statistischen 
Nachweisen,  ergötzlichen  Aufschlüssen  über  mexikanische 
Zustände,  Geschichtliches  u.  s.  w. 

Borendt,  Horm.  Analytical  alphabet  for  the  Me- 
xico!) and  Central  American  languages.  New 
York  1869,  8°.  80  S. 

Der  durch  seinen  langjährigen  Aufenthalt  in  Amerika 
und  seine  verschiedenen  Arbeiten  rühralichst  bekannte 
deutsche  Forscher  macht  in  der  vorliegenden  kleinen 
Schrift  den  Versuch,  ein  zur  genauen  Lautwiedergabo 
der  meisten  amerikanischen  Idiome  geeignetes  Alphabet 
aufzustellen. 

Boll&ert,  Will.  Examination  of  Centralainerican 
Hieroglyph».  (Jahrbuch  1870  der  Londoner  an- 
thropological  Society.) 

Auszug  davon  im  Ausland  1870,  Nr.  30. 

BowIob  , Samuel.  The  Switzerland  of  America. 
A Summer  Yacation  in  the  Park»  und  Mountains 
of  Colorado.  Springfield,  Mas».  1869,  8°.  166  S. 

Boyer,  C.  La  röpublique  Argentine.  Population, 
Immigration,  colonies  agricoles.  Paris  1869,  8°. 

Brassour’a  Entzifferung  der  yucatekischen  Hiero- 
glyphen. (Ausland  1870,  Nr.  12.) 

Br&aaeur  do  Bourbourg.  Manuscrit  Troano. 
Etudes  sur  le  systfeme  graphique  et  la  langue  des 
Mayas.  Paris  1870,  4°.  Bd.  II,  517  S. 


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390 


verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Brinton,  D.  G.  The  national  Legend  of  the  Chahta- 
Muakokee  Tribea.  Morriaania,  New  York  1870,  8°. 

Diese  Abhandlung  ward  ursprünglich  im  Historical 
Magazine  veröffentlicht  und  befasst  aich  mit  einer  we- 
nig bekannten  Sage  der  Creek  oder  Muakokee  Indianer. 

Brinton,  D.  G.  Contributions  to  a grammar  of 
the  Muskokec  language.  Philadelphia  1870,  8°. 

Brinton,  D.  G.  The  ancient  phonetic  alphabet  of 
Yucatan.  New  York  1870,  8*. 

Kitte  klare  und  saebgemägs«?  Darlegung  des  phoneti- 
schen Alphabets  nach  Diego  de  Landa. 

Browne,  J.  Boss.  Reigen  und  Abenteuer  im 
Apachenlande.  Jena  1870,  8°. 

Burton,  R.  P.  Leiters  from  the  battle-fields  of 
Paraguay.  London  1870,  8°.  500  S. 

Byington,  Cyrus.  Grammar  of  the  Choctaw  Lan- 
guage. Edited  from  the  original  Mas.  in  the 
Library  of  the  American  Philosophical  Society  by 
I).  G.  Brinton.  Philadelphia  1870,  8°.  209  S. 

Mr.  Byington  war  Missionär  bei  den  Cboctaws  und 
starb  18t>8;  die  vorliegende  »ehr  werthvolle  Grammatik 
hinterliess  er  zum  grössten  Theilc  vollendet;  das  Feh- 
lende ergänzte  der  uns  befreundete,  seit  Jahren  mit 
amerikanischer  Ethnologie  beschäftigte  Herausgeber. 

Canons.  Die  Hochebenen  Canons  in  den  Unions* 
gebieteu  westlich  von  Rio  Grande.  (Ausland 
1870,  Nr.  21.) 

Nach  dem  Werke  Bell’«:  New  tracks  in  North 
America. 

Charencey , H.  de.  Le  pronom  peraonnel  dans 
les  idiotnes  de  la  famille  Tapachulane-Huasteque. 
Caen  1868,  8°. 

Charencey , H.  de.  Essai  de  dechiffrcinent  d’un 
fragment  d'inscription  palenquöenne.  Paris  1870, 
8". 

Chester,  J.  Pransatlantic  sketches  in  the  West- 
Indios,  South  America,  Canada  and  the  United 
States.  London  1870,  8°.  414  S. 

Chile,  Aus.  (Wissenschaftliche  Leipziger  Zeitung 
1870,  S.  35,  295.) 

Berichtet  über  die  Stellung  der  Deutschen  in  Chile, 
welche  in  Valdivia  den  Ton  angeben,  beklagt,  dass  seit 
mehr  denn  10  Jahren  die  Einwanderung  nach  Chile 
ganz  und  gar  stocke,  polemislrt  gegen  Gerstäeker, 
uud  berichtet  über  die  Jesuiten,  deren  Niederlassung 
und  Bekämpfung  durch  die  nordamerikauische  Tractat- 
g<* Seilschaft,  die  indes«  unserer  Meinung  nach  nicht  um 
Ein  Haar  besser  ist,  als  die  Jesuiten. 

Chile  iu  der  Gegenwart.  (Wissenschaftliche  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung  1870,  Nr.  51.) 

Auszug  aus  Dr.  Fonck’s  gleichnamiger  Arbeit. 

Chinesen  in  Californien.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.47 
—48,  208;  Bd.  XVIII,  & 46.) 

Auszug  aus  den»  Berichte  de«  Schutz  verein«  für  die 
Chinesen  in  Californien.  Es  wird  darin  unter  Anderem 
miiget heilt,  dass  die  Chinesen  das  Sprachstudium  eifrig 
j'tb-K  n und  darunter  sieh  viel  mit  dem  Deutschen <9 
beschiiftigen. 


Codman,  J.  Ten  months  in  Brazil.  With  noteg 
on  the  Paruguayan  war.  Edinburgh  1870,  8®. 
223  S. 

Colorado- Wüste,  die.  (Ausland  1871,  Nr.  4.) 

Corruption,  über,  in  der  amerikanischen  Gesell- 
schaft. (Ausland  1870,  Nr.  39.) 

_ Eröffnet  einen  traurigeu  Hinblick  in  die  bis  in  die 
höchsten  Schichten  der  amerikanischen  Gesellschaft 
dringenden  Curmption,  und  wäre  zur  Lee tu re  besonder* 
für  Jene  geeignet,  welche  bei  jeder  passenden  und  un- 
passenden Gelegenheit  nicht  verfehlen,  uns  Europäern 
die  Vereinigten  «Staaten  ab  Muster  binzustellen. 

Dali,  WilL  H.  Alaska  and  its  Resources.  Boston 
1870,  8«.  627  S. 

Dieses  durch  di«  Fülle  seines  Inhaltes  gewichtige 
Werk  ist  die  Ergänzung  zu  dem  Buche  von  Whymper 
über  Alaschka,  welches  schon  seit  Jahr  und  Tag  in 
Aller  Bänden  ist.  Während  bei  Letzterem  wir  auf 
wenig  Seiten  die  Beschreibung  der  Keise  auf  dem  Yu- 
kon nebst  einem  Kapitel  über  den  Werth  Alascfakas 
sowie  über  den  asiatischen  Ursprung  der  Eskimo«  zu- 
sammengedrängt Anden  und  der  Best  sich  auf  das 
übrige  Amerika  bezieht,  ist  da»  Dail’sche  Werk  fast 
ausschliesslich  dem  Territorium  Alaschka  gewidmet;  es 
giebt  auf  »einen  ersten  240  Sehen  ebenfalls  die  Beschrei- 
bung der  Reise,  sehr  reich  und  gut  illustrirt,  alsdann 
in»  zweiten  280  Seiten  starken  Theii  zusamraenfaasende 
Abhandlungen  über  die  Topographie,  Erforschungs-  und 
Handelsgeschichte,  Eingeborenen,  Klima  und  Bodenbe- 
nuttung,  Geologie  und  nutzbare  Mineralien,  Fischereien, 
Pelzhandel  und  andere  Ressourcen  Alaschka»,  endlich 
in  einem  Kapitel  verschiedene  Notizen  über  Kritisch 
Columbia  uud  das  nordöstliche  Asien.  Den»  zweiten 
Theii  schliesst  »ich  ein  80  Seiten  umfassender  Anhang 
au,  mit  statistischen  Tabellen  über  Bevölkerung  und 
Pelzhandel,  »ult  meteorologischen  Beobachtungen,  einem 
Position« - Verzeichntes  unter  Angabe  der  Autoritäten, 
mit  Vocahulsrien,  Verzeichnissen  von  Tbieren  und  Pflan- 
zen, endlich  mit  einer  dankeiuwerthen  Bibliographie 
und  einem  nicht  minder  dankenswertheu  Sachregister. 

Dali , W . EL  On  the  distribution  of  the  untive 
Lribea  of  Alaska  and  the  adjacent  territory.  (Pro- 
ceedingB  of  the  Amer.  Association  for  the  Advau- 
cement  of  Science  1869.  Cambridge  1870.) 

De  Costa.  The  Northmen  in  Maine.  A critical 
exmnination  of  tho  views  of  Dr.  J.  G.  Kohl , and 
a chapter  on  the  Discovery  of  Massachusetts  Bay. 
Albany  1870,  8°.  146  S. 

D©  Costa,  B.  F.  The  Northmen  in  America.  (Jour- 
nal of  the  Americ.  Geograph,  and  Statist.  Society. 
New  York  1870,  Vol.  II,  Part  2,  S.  40—54). 

Kurze,  auf  die  Identlfizirung  der  Oertlichkeitcu  Be- 
zug uehmende  Geschichte  der  Normannischen  Kutdec klin- 
gen an  der  Ostküste  von  Nordamerika  im  Anfang  de« 
11.  Jahrhunderts,  mit  einer  Karte  des  Cape  Cod,  wi« 
es  im  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  war. 

Degener,  L.  Aua  Guatemala.  (Aus  allen  Welt- 
teilen 1870,  Nr.  32,  S.  249—252.) 

Dolitsch,  Dr.  O.  Aus  dein  fernen  Westen.  Skizze. 
(Aus  allen  Welttheilen  1870,  Nr.  35,  36,  37.) 

Das  I-and.  die  Entwickelung  des  Bergbaues,  Land- 
bau,  Iudustrie,  Bevölkerung,  die  PactAu-Uabn. 


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391 


VerzeicUniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Eisenbahnfahrt,  eine,  nach  Californien.  (Ausland 
1871,  Nr.  1.) 

Entvölkerung,  die,  der  Ackerbaugegenden  in  Neu- 
England  und  die  Wanderungen  in  den  Südstaa- 
ten  der  Union.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.  62  — G3.) 

Auszüge  aas  amerikanischen  Blättern. 

Ernst-,  A.  Proben  venezuelanischer  Volksdichtung. 
(Globus,  Bd.  XVIII,  S.  9—12.) 

Textangaben  mit  dentscher  Uebersetzung. 

Ernst,  A.  Bemerkungen  über  das  Delta  des  Ori- 
noco  und  die  Gunraunen.  (Globus,  Bd.  XVII, 
S.  316—318.) 

Beschreibt  die  Wohnungen  der  Guaraunen  (oder  rich- 
tiger Guara-nno).  Diese«  Volk  wohnt  durchaus  nicht 
in  den  bekannten  „Luftschlössern“,  die  man  ihm  auge- 
dichtet  bat;  es  erbant  steh  vielmehr  ganz  solide  Hütten, 
doch  selten  in  grosser  Entfernung  von  den  Flnssufera. 

Eyth,  Max.  Wonderbnch  eines  Ingenieurs.  Hei- 
delberg, Winter,  1871, 8".  2 Bände.  Band  II. 
Amerika. 

Fetischdienst  in  einer  christlichen  Kirche  zu  New 
Orleans.  (Globus,  Bd.  XVHI,  S.  88-89.) 

Zeigt  wie  die  Neger  in  Nordamerika  allmälig  zum 
Fetischismus  zurückkehren. 

Flomming.  Das  Delta  des  Rio  Mira  in  Columbia. 
(Ausland  1870,  Xr.  3.) 

Das  nach  seiner  Natur  und  Production  hier  geschil- 
derte, löQ  Leguas  grosse  Flussdclta  erzeugt  haupt- 
sächlich Zucker,  Bananen,  Kakao  n.  A.  Di«  meisten 
Einwohner  leben  zerstreut  über  das  Land,  nur  drei 
kleine  Dörfer  giebt  es  dort:  Cabo  Manglares,  Manglares 
und  Boca  Grande. 

Fonck,  Dr.  Frz.  Chile  in  der  Gegenwart.  In 
einem  Vortrage  geschildert.  Berlin  1870,  8°. 
50  S. 

Diese  kleine  Schrift  zerfallt  ausser  dem  Vorworte  in 
zwei  Abschnitte.  Im  «raten  giebt  der  Verfasser  eine 
geographische  l'ebersicht  von  Chile,  im  zweiten  behan- 
delt er  dessen  .Staatsleben;  im  Ganzen  befürwortet  er 
lebhaft  die  deutsche  Auswanderung  nach  der  Provinz 
Valdivia. 

Forbes,  D.  On  the  Aymara  Indians  of  Bolivia 
and  Peru.  (Journal  Ethnological  Society  of  Lon- 
don 1870,  S.  193—306.) 

Die  Aymaras  sind  ohne  Frage  eines  der  interessan- 
testen Indianervölker.  Sie  haben  ihre  Sprache  bewahrt 
bis  auf  die  Gegenwart.  Ihr  Charakter  ist  ungemein 
zäh  uud  sich  gleich  geblieben  bis  auf  heute;  die  alten 
Anschauungen  uud  Sitten  sind  zumeist  unverändert. 
Gegenüber  den  Weissen  wie  den  Mischlingen  bilden  die 
Aymaras  einen  Miliarien  Gegensatz  und  sind  beiden 
schon  öfters  gefährlich  geworden.  Sie  bewohnen  den 
Nordwesten  von  Bolivia  und  den  Süden  von  Pen».  Die- 
ses ganze  Gebiet  ist  Hochland  mit  einer  Minimalhöhe 
von  10 000 Fott  über  dem  Meere;  am  nördlichen  Ende 
des  Avmaragebietes  liegt  der  Titicaca- See , dessen 
gesammtes  Küstenland  eine  Heimatb  der  Aymaras 
gewesen,  die  man  deshalb  auch  als  Titicaca * Itace  be- 
zeichnet. Aeltere  Spanier  nennen  sie  Colla -Indianer, 
weil  sie  die  Golla  suvo  bewohnten.  Die  Aymaras, 
von  den  Incas  bezwungen,  zahlten  Tribut,  sind  aber 
nicht  dem  Reiche  einverleibt  worden,  nahmen  die  Spra- 
che der  Quechuas  nicht  an,  hielten  »ich  isolirt,  trugen 


ihr  Joch  nur  widerwillig,  w urden  aber  allemal  geschla- 
gen, wenn  sie  sich  gegen  die  Peruaner  erhoben.  Unter 
den  Spaniern  war  ihr  Schicksal  sehr  bedauernswert!], 
denn  niemals  sind  Negersklaven  tyrannischer  behandelt 
worden.  Ihre  Zahl  schmolz  dadurch  zusammen;  auf 
jedem  Schritte  findet  man  verlassen«  Dörfer.  Nach 
Vertreibung  der  Spanier  dauerten  di«  inneren  Fehden 
in  Peru  und  Bolivia  fort;  die  überwiegende  Mehrzahl 
der  reinen  Indianer  betheilig?«  »ich  nicht  dabei,  blieb 
abseit  als  Zuschauer,  lies»  über  sich  ergeben,  was  eben 
kam.  Ihre  Zahl  wuchs  wieder  an;  allmälig  wurden  sie 
sich  ihrer  Macht  bewusst  und  nahmen  den  Kacenkampf 
auf.  Die  Aymaras  hegen  einen  ingrimmigen  tiefen 
Hass  gegen  ihre  W «lasen  Unterdrücker.  Die  Verfas- 
sung erklärt  sie  zwar  für  frei,  doch  sind  sie  kaum  bes- 
ser daran  als  Leibeigene;  sie  zahlen  eine  Jahrc&abgabe 
von  4 bis  10  bolivianische  Dollar  per  Familie.  An  der 
Spitze  der  Commune  stebt  als  Alraldc  ein  Indianer; 
Gemeindeangelegenheiten  ordnen  nie  selbständig,  ver- 
theilen die  Ländereien  nnter  sich  nach  Bedarf.  In 
Pen»  ist  der  Tribut  der  Indianer  aufgehoben  worden. 
An  Strassen,  Brücken,  Kirchen  u.  s.  w.  aber  müssen 
sie  ohne  Bezahlung  arbeiten. 

Gesammtzahl  der  Aymaras  */4  Millionen  Köpfe: 
1956  in  Bolivia  (in  11  Provinzen)  441*746;  1864  aber 
467*867;  in  Peru  379*834  Kopfe;  Schätzung  indess 
wahrscheinlich  um  100  000  zu  hoch. 

Körperbau  kräftig,  massiv,  durchschnittlich  5' 3"  eng- 
lisch, selten  6' 4".  Augen  klein,  schwarz  oder  tiefbraun, 
Schultern  breit,  Rumpf  lang,  Beine  kurz,  Fuss  klein, 
Brustkasten  stark ; niemals  beleibt.  Gesichtgprofil  gut, 
Nase  gebogen,  Mund  nicht  sehr  gross,  Lippen  nicht 
sehr  aufgeworfen,  voll,  gelblich  oder  braun  - rötblich  j 
Zähne  schön,  Haar  voll  und  üppig,  schwarz  oder  tief 
schwarzbraun,  ganz  straft',  fein;  selten  oder  niemals 
grau  oder  gar  weiss.  Männer  bartlos,  überhaupt  am 
ganzen  Körper  haarlos ; Haut  glatt , weich , sanft , wie 
polirt,  nie  klebrig,  kühl,  ohne  merklichen  Geruch.  Farbe 
braun,  wechselt  je  nach  Ücrtlichkcit  uud  Beschäftigung. 
Der  Aymara  kann  erröthen. 

Er  lebt  anf  dem  Hochland  und  leidet  nicht  an  der 
Bergkrankheit;  unter  8<KX>;  Mooreshöhe  fühlt  er  sich 
nicht  behaglich,  in  den  Niederungen  stirbt  er  rasch  da- 
hin. Gesichtsausdruck  melancholisch,  aber  entschlossen; 
ernsthaft,  schweigsam,  nachdenklich;  nicht  mittheilsam, 
misstrauisch ; weder  Marter  noch  Tod  können  dem 
Aymara  ein  Geheimnis*  abpressen,  das  er  bewahren 
will. 

Die  Arbeit  von  Forbes  ist  wohl  das  Vollständigst«, 
was  in  neuerer  Zeit  über  die  Aymaras  geschrieben 
worden  ist  und  des  eingehendsten  Studiums  wertb  ; sie 
enthält  noch  viele,  viele  Details  über  Alterthümer, 
Sprache.  Sitten  und  Gebräuche  dieses  Volkes,  so  wie 
ein  Vocabnlar,  welches  freilich  im  Vergleiche  zu 
Tschudi’s  Wörterbuch  sehr  dürftig  erscheint.  Indess 
hatten  wir  noch  nicht  Gelegenheit  zu  prüfen,  ob  es 
nicht  doch  vielleicht  Neue»  enthalte.  J«?denf»lls  darf 
die  Arbeit  Forbes’  von  keinem  Amerikanisten  über- 
sehen werden. 

Forwood,  W.  Stump.  An  historical  and  Descrip- 
tive  Narrative  of  the  Mammoth  Gave  of  Kentucky. 
Philadelphia  1870,  8".  226  S. 

Enthält  Erklärungen  über  die  Ursacheu  der  Bildung 
dieser  Höhle,  ihre  atmosphärische  Beschaffenheit , danu 
chemische,  geologische  und  zoologische  Notizen,  so  wie 
Details  über  die  augenlosen  Fische. 

Foeter,  Dr.  J.  W.  The  Mississippi  Valley;  its 
physical  geography,  including  sketohee  of  the 
topography,  botany,  climate,  geology  and  mineral 
resources , and  of  the  progress  of  development  in 


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392 


Verzeichntes  der  anthropologischen  Literatur. 


populatiun  and  material  vealth.  Chicago  and 
London  1869,  8".  460  S. 

Von  diesem  Huche  intcressirt  uns  nur  der  Abschnitt 
nm  Schluss«  über  den  Ursprung  der  (Zivilisation  und 
jener  über  die  Fortschritte  der  Besiedlung  und  Produc* 
tion  der  westlichen  Staaten.  Die  beiden  Kapitel  über 
den  Ursprung  der  Prairlcn  können  sich  »war  an  Viel- 
seitigkeit und  aniuuthiger  Behandlung  nicht  mit  dem 
betreffenden  Aufsatze  Pesch el's  in  den  „Neuen  Pro* 
Meinen  der  vergleichenden  Erdkunde“  messen,  aber  von 
derselben  Ueberzeugung  ausgehend,  dass  neben  der 
Temperatur  die  räumliche  und  zeitliche  Vortheilung  des 
Regens  die  Existenzbedingung  für  Wald , Steppe  und 
Wüste  ahgiebt,  führen  sie  die  Abhängigkeit  der  Regen- 
verthcllntig  vom  Winde  schärfer  durch,  und  stellen  die 
Wind-  und  RegenverhältnLsse  Nordamerikas  dadurch  in 
ein  neues  Licht,  dass  sie  eine  Ablenkung  des  Passates 
aus  dom  mexikanischen  Golf  nordwärts  über  den  Con- 
tinent  hin  nachweisen.  Diese  Ausführungen  sind  in- 
teressant; verhältnissmässig  schwach  sind  die  Abschnitte 
über  den  Einfluss  des  Klimas  auf  den  Menschen  und 
über  den  Ursprung  der  Civilitation;  über  diese  schwie- 
rige, virlumfassetide  Themata  giebt  es  weit  bessere  Ar- 
beiten. 

Gaffarol,  Paul.  Etüde  sur  les  rapporta  de  l’Am4* 
rique  et  de  l'ancien  continent,  avant  Christophe 
Colorob.  Paris  1869,  8°. 

Gauchos,  die,  der  argentinischen  Republik.  (Aus- 
land 1871,  Nr.  2.) 

Geöcze.  Istran.  Utazas  Brazilinba  es  vissza.  (Reise 
nach  Brasilien  und  zurück.)  Pest  1869,  16°.  2 
Bände. 

Gerstäekcr,  Friedr.  In  Mexiko.  Charakterbild 
aus  den  Jahren  1864  bis  1867.  Jena  1871,  8°. 
4 Bande. 

Gerstäcker,  Friedr.  Neue  Reisen  durch  die  Ver- 
einigten Staaten,  Mexiko,  Ecuador,  Westindien 
und  Venezuela.  Jena  1869,  8°.  3 Bände. 

Goering,  A.  A visit  to  tlie  Guajiro  Indians  of 
Maracaibo.  (Illustrated  Travels  1870.  Part  13, 
S.  19—21.) 

Gravier,  Gabriel.  Decouvertes  et  etablissementa 
de  C&valier  de  la  Salle,  de  Rouen,  dans  I’Arae- 
rique  du  Nord.  Paris,  Maisonneuve,  1870,  8°. 
411  pag. 

Grayson , Andrew  J.  Rambles  in  Northern  Me- 
xico. (Overland  Monthly.  San  Francisco,  Jan. 
1871.) 

Green,  N.  W.  Mormonisnt:  its  rise,  progress  and 
present  Condition.  Hartford  Conn.  1870,  12°. 
472  S. 

Hartt,  Ch.  Fred.  Scientific  reeults  of  a journey 
to  Brazil  by  Louis  Agassiz  and  his  travelling 
Cotnpanions.  Geology  and  physical  geography 
of  Brazil.  Boston  1870,  8°,  620  pag. 

Hartt,  Ch.  F.  On  the  Botocudos  of  Brazil.  (Pro- 
ceedings  of  the  Atneric.  Asaoc.  for  the  Advance- 
ment  of  Science  1869.  Cambridge  1870.) 


Hasard,  Samuel.  Cuba  with  Pen  and  Pencil. 
Hartford  1871,  8°.  584  S. 

Heine,  Wilh..  Reise  zur  Vermessung  des  Isthmus 
von  Daricn.  (Ausland  1870,  Nr.  30,  31,  32,  33.) 

Nur  wenige  ethnographische  Notizen  über  die  San 
Blas  Indianer  enthaltend. 

Hollwald,  Friedr.  v.  Zur  Geschichte  des  alten 
Yucatan.  (Ausland  1871,  Nr.  11.) 

Kurzer  Ueberblick  der  Geschichte  des  Mava -Volkes 
und  des  Zusammenhanges  seiner  Cultur  mit  jener  der 
Nachbarländer. 

Hinwegschwinden,  das,  der  Indianer  in  Wiscon- 
sin und  Minnesota.  (Globus,  Bd.  XVII,  $.  191 
u.  192.) 

Auszug  aus  dem  „Cincinnati  Volksfreund*-:  Die 

Wälder  sind  hin,  dos  Wild  ist  weg,  die  Cultur  kommt, 
und  der  Indianer  geht. 

Hinwegstorben,  das,  der  Neger  in  den  südlichen 
Staaten  Nordamerikas.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.  349.) 

Der  Neger  eutxieht  sieh  der  freien  Arbeit ; die  Neger- 
urbei t wird  mit  jedem  Jahre  werthloser.  Kr  stirbt  schnell 
hinweg;  e*  bt  ihm  zu  kalt  in  den  nördlicheren  Gegen- 
den- ln  Charlcston  sterben  täglich  ungefähr  SO  Neger. 
Ea  werden  fast  gar  keine  Negerkinder  mehr  geboren. 
Die  Weiber  erwürgen  sie,  sobald  sie  auf  die  Weit  kom- 
men. Diese  Angaben  Bind  der  aboiitionistischen  und 
Negerfreundlichen  „New  York  Tribüne**  entnommen. 

Jagdon  auf  den  Pampas  des  Laplata.  (Ausland 
1870,  Nr.  38.) 

•Schilderung  einer  Straoasjagd. 

Indian  Superstition«.  (Engüsh  Essays,  Volum  II, 

p.  187—205.) 

Wir  halten  es  für  eine  sehr  glückliche  Idee,  die  in 
englischen  Zeitschriften  zerstreuten  gediegenen  Aufsätze 
der  wissenschaftlichen  Welt  gesammelt  darzubieten  und 
würden  wünschen,  dass  ähnliche  Unternehmungen  für 
Frankreich  und  Deutschland  in  Schwange  kämen.  Auch 
der  vorliegende  Aufsatz  wrard  schon  1866  in  der  North 
American  Review  veröffentlicht  auf  Grundlage  der  Ar- 
beit von  Perrot  über  die  nordamcrikanischcti  Indianer. 
Kr  gewährt  ein  treffliches  Bild  der  eigenthümlichen 
Geistesrichtnng , in  welcher  sich  die  indianischen  über- 
natürlichen Vorstellungen  bewegen. 

Indianer.  Die  peruanischen  Indianer.  (Ausland 
1870,  Nr.  50,  51.) 

Indianer -Bevölkerung  in  den  Vereinigten  Staa- 
ten von  Nordamerika.  (Ausland  1870,  Nr.  37.) 

Numerische  Angaben  über  die  Stärke  der  Stämme 
und  die  Zahl  der  Indianer  in  den  einzelnen  Staaten 
und  Territorien , jedoch  ohne  Angabe  der  Quelle  und 
des  Jahres,  worauf  sich  die  Daten  beziehen. 

Justiz,  die,  im  spanischen  Amerika.  (Ausland  1871, 
Nr.  1,  8.) 

Kapp,  F.  Geschichte  der  deutschen  Einwande- 
rung in  Amerika.  New  York  1870,  8°.  416  S„ 
I.  Band. 

Keim,  Randolph.  San  Domingo.  Pen  Pic-ture* 
and  leavea  of  travel,  romance  and  historv.  Phila- 
delphia 1870,  12®.  336  S. 


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393 


Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


ben  der  Rotlihäute,  befördert  durch  das  unbezei-.benbare 
Vorgehen  der  Weinen,  constatirt. 

Kupfer,  Dr.  Die  Cayapo-Iudianer  in  der  Provinz 
Matto  - Grosso.  (Zeitschrift  der  Gesollechaft  für 
Erdkunde  1870,  Bd.  V,  S.  254—255.) 

L&rimer,  Sarah  L.  The  Capture  and  Escape-,  or, 
life  among  the  Sioux.  Philadelphia  1870.  12°. 
252  S. 

Leben,  das.  auf  der  LandeDge  von  Panama.  (Aus- 
land 1871,  Nr.  5,  6.) 


King,  Th.  St.  The  white  Hills,  their  legende, 
landscapes  and  poetry.  New  York  1870,  8°. 
403  S. 

Kirchhoff,  Theodor.  Das  nördliche  Texas.  (Glo- 
bue,  Bd.  XVIII,  S.  24—26,  39—41,  69—71.) 

Eingehende  Schilderung  der  gegenwärtig  in  Texas 
herrschenden  Culturzustäudo ; totale  Unbrauchbarkeit 
der  freien  Neger  zur  freien  Arbeit;  Nothwendigkeit 
einer  chinesischen  Einwanderung  und  hierzu  getroffene 
Anstalten. 

Kirchhoff,  Th.  Die  indianischen  „civilisirton  Na- 
tionen“ nördlich  vom  Red  River.  (Globus,  Bd. 
XVIII,  S.  137—140.) 

Schildert  die  Lage  der  Choctaws,  Chickasaws,  Creeks, 
Cherokee*  und  Seminolen  im  indianischen  Territorium 
und  constatirt,  dass  sie  aussterben. 

Klarbach,  H.  Die  Red « River  Colonie  und  der 
Aufstand  der  Mischlinge.  (Globus,  Bd.  XVII, 
S.  375—878.) 

Der  Verfasser,  welcher  vier  Jahre  in  der  Red -River 
Colonie  zugebracht  hat  und  die  dortigen  Verhältnisse 
genau  kennt,  schildert  die  aus  französischem  und  india- 
nischem oder  schottischem  Blute  entsprossenen  Misch- 
linge- 

Knort*,  Prof.  Carl.  Märchen  und  Sagen  der 
nordamerikaniseben  Indianer.  Jena  1871,  8*. 
285  S. 

Mit  lebhafter  Freude  begrünen  wir  eiu  Werk,  wel- 
che* unsere  noch  sehr  beschränkte  Kenntnis*  auf  dem 
Gebiete  der  amerikanischen  Sagen  »o  ansehnlich  erwei- 
tert; denn  Professor  Knortz  hat  die  uns  gebotenen 
87  Nummern  nicht  bloss  aus  schon  gedruckten  (Quellen, 
sondern  vielfach  ans  dem  Munde  der  Eingeborenen 
selbst  aufgezcwhnet,  wodurch  sein  Buch  die  selbständige 
Wichtigkeit  einer  Quellschrift  bekommt.  Der  reiche 
Inhalt  umfasst  zunächst  eine  ganze  Reihe  kosmopoliti- 
scher Mythen  der  verschiedenen  Stämme,  dann  ferner 
eine  Menge  mythologischer  Erzählungen,  die  theils  noch 
wirkliche  Mythen,  theils  schon  zu  Märchen  umgewaa- 
delt  sind,  alle  aber  für  die  Geschichte  der  indianischen 
Religionen  grosse  Bedeutung  haben;  drittens  verschie- 
dene historische  Erzählungen  von  der  Herkunft , den 
Kumpfen  der  Stämme  bis  zu  anekdotenhaften  Zügen 
einzelner  Helden;  und  endlich  eine  ziemlich  lange  Reihe 
oft  ganz  allerliebster  Thierfabeln , welche  theils  mytho- 
logisch die  Entstehung  oder  die  Eigenart  der  Thiere 
darstellen,  theils  aber  auch  moralische  Züge  in  echtes 
Fabelgewand  einkteiden.  So  sehen  wir  denn  durch  das . 
Buch  von  Knortz  wie  durch  einen  Querschnitt  in  das 
innerste  Wesen  des  heutigen  Indianerglaubcns;  und 
gerade  dieser  Einblick  spricht  für  die  Nothwendigkeit 
der  Sammlung,  denn  manche  Mythen  sind  schon  in 
solchem  Verfall , das*  Ihnen  gänzliche  Vergessenheit 
drohte.  (Besprechungen  siehe  in  der  Allgemeinen  Zei- 
tuug  1870,  Nr.  300  und  im  (Hobos,  Bd.  XVHI,  S.  344 
— 345,  letztere,  wie  wahrscheinlich  auch  die  erste  re, 
aus  der  Feder  Dr.  Gerl  and'*.) 

Kroba,  Prof.  W.  Ein  Brauch  bei  den  halbcivili- 
sirten  Bewohnern  Nebraskas.  (Globus,  Bd.  XVII, 
S.  220—222,  236—238.) 

Berichtet  über  Eineheilung,  Zahl,  Sitten,  Ehe,  Tracht, 
geistige  Fähigkeiten,  Sprache  und  religiösen  Glauben 
der  Pawnee  Indianer.  Kurze  Notizen  über  die  Oma- 
bas  Wiltnebago« , .Santi-Sioux,  San  und  Foxes.  Jowas 
und  Missouri*.  Auch  hier  wird  das  rasche  DaJiinster- 

Archiv  fttr  Anthropologie.  Bd.  IV.  Haft  IV. 


Lefiroy,  R.  A.  Note  on  the  stature  of  American 
Indians  of  the  Chipewyan  tribe.  (Journal  of  the 
Ethnological  Society  of  London  1870,  S.  44  — 45.) 

Tbeilt  die  1843  gemessenen  Höhen  von  33  erwachse- 
nen Chipeway  - Indianern  mit,  welche  in  der  Mehrzahl 
nicht  unter  5'  7"  englisch  m aasen.  Ein  Weib  ma9s 
6'  9". 

Levy,  Paul.  Le  Nicaragua.  (Legendes  et  notes.) 
Lettre  ä M.  Michel  Chevalier.  (Bulletin  de  la 
Societe  de  Geograph.  Paris,  Mare  1870,  pag.  203 
-217.) 

Erzählt  eine  Legende  der  Indianer  auf  der  Insel 
Omotepe  im  Nicaragua  - Kee,  welche  da*  Herauziehen 
von  C’ulturvölkern  aus  dem  Norden  bestätigt. 

Ludlow,  Fit*  Hugh.  The  Heart  of  the  Conti- 
nent.  A Record  of  travel  acroas  the  plains  and 
in  Oregon.  With  an  Examination  of  the  Mor- 
raon  Principle.  New  York  1870,  8°.  568  S. 

Mac  Clung,  John.  Minnesota  aa  it  is  in  1870. 
New  York  1870,  12®.  300  S. 

Mao  Crea,  R.  B.  Lost  amid  the  fogs:  sketchcs  of 
life  in  Newfoundland , Englands  ancient  colony. 
London  1869,  8®.  314  8. 

Macrae,  D.  The  Americans  at  Lome.  Pen-and* 
ink  akelches  of  American  men,  manners.  London 
1870,  8®.  2 Bde. 

Mendoza , Eufeznio.  Do  la  escritura  Mexicana. 
(Boletin  de  la  Sociedad  Mexic.  de  geografiA  y 
estadistica.  Mexico  1869,  S.  896 — 904.) 

Der  Autor  stellt  eine  neue  Theorie  zur  Entzifferung 
der  mexikanischen  Hieroglyphen  auf;  er  glaubt,  das* 
um  ein  aztekisches  Mannscript  zu  lesen,  man  damit 
beginnen  müsse,  die  Wurzeln  jener  Worte  zu  suchen, 
welche  die  gemalten  Gegenstände  bezeichnen;  diese 
unter  einander  corabinirt  ergeben  den  Sinn;  man  hatte 
c«  demnach  mit  einer  Art  Sy  Ibenschrift  zu  thun.  Die 
Methode  und  Ansicht  Mcndoza’s  scheinen  indessen 
jedenfalls  gro&se  Willkürlichkeitcn  ln  der  Deutung  zu- 
zulassen. 

Mexikanische  Typen  und  Skizzen  von  H.  v.  W. 
Berlin  1870,  8®. 

Der  Verfasser,  wahrscheinlich  ein  österreichischer 
Offizier,  hat  nicht  beabsichtigt,  ein  Buch  von  wissen- 
schaftlichem Gehalt  zu  schreiben ; ihm  kam  es  offenbar 
nnr  darauf  an,  einige  der  in  Mexiko  während  des  Kai- 
serreiche* erlebten  Scenen  dem  Leser  vor  Augen  zu 
bringen.  Es  ist  ihm  die*  in  so  fesselnder  Weise  ge- 
lungen, dass  kaum  irgend  Jemand  da»  anspruchlose 
Büchiein  anbefriedigt  au*  der  Hand  legen  wird.  Wenn 
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394 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


auch,  wie  es  scheint,  kein  besonderer  Anhänger  Maxi* 
tuiliun’s,  bemüht  sich  doch  der  Verfasser  sichtbar 
die  Dinge  »o  darzustellen,  wie  sie  sich  wirklich  verhiel- 
ten, und  dieses  Streben  nach  Wahrheit  genügt  voll- 
kommen dem  Leser  zu  teigen,  auf  wessen  Seite  er  sich 
tu  stellen  hat.  .Sehen  wir  von  einigen  lächerlichen 
Phrasen  ab,  wie  z.  13.  jene,  dass  Marquez,  „der  Wolf 
des  Kaiserreiches,  eine  unmögliche  Person  in  der  Reihe 
der  Republik11  war,  lächerlich  deshalb,  weil  wir  nicht 
verlegen  wären,  ein  halbes  Duttend  genau  solcher  Ehren- 
männer namhaft  zu  machen,  die  in  republikanischen 
Diensten  standen  — so  muss  man  anerkennen,  dass 
neben  grosser  Unparteilichkeit  scharfe  Beobachtungsgabe 
hervortritt,  welche  Licht  und  Schatten  richtig  vertheilt 
und  das  üemerkenswerthe  gebührend  hervorhobt.  We- 
gen dieser  Unbefangenheit  wird  das  Büchlein  mit  Nutten 
gelesen  werden,  denn  es  wirft  sehr  interessante  Streif- 
lichter auf  die  socialen  Zustände  Mexikos  nicht  nur 
unter  dem  Kaiserreiche,  sondern  im  Allgemeinen.  Wir 
schiiesNcn  hier  noch  die  Aufzahlung  der  einzelnen  Ka- 
pitel an:  Eine  heilige  Mission.  — Eine  Audienz  bei  der 
Kaiserin  Charlotte.  — Ein  Jaguar  und  zwei  Wölfe.  — 
Ein  Diligence-Abenteuer.  — Ein  landläufiger  Räuber.— 
General  Mejia’s  letzte  Augenblicke.  — Eine  Turtulia.  — 
Das  Guadalupe-Fest  in  Mexiko.  — Ein  Tag  in  Vera- 
crux. — Die  Plateados. 

Mexiko.  Aus  Mexiko.  (Allgemeine  Zeitung  1870, 
Nr.  226.) 

Mexiko.  Die  Menschenjagd  in  Mexiko.  (Allge- 
meine Zeitung  1870,  Nr.  220,  221,  231,  232, 
233,  234.) 

Micbigan.  (Engli *h  Essays  Vol.IV,  8.170 — 194.) 

Nach  der  North  American  Review  1868,  enthält  uichts 
Ethnologisches. 

Morgan,  Lewis  H.  Indian  Migration».  (North 
American  Review.  Boston,  Jan.  1870.) 

Mormonen,  die.  (Allgemeine  Zeitung  1870,  Nr. 

41,  235.) 

Schildert  die  dermal ige  Lage  der  Mormonen  und  die 
Ursachen  des  unter  denselben  ausgebrochenen  Zwistes. 

New-Foundland.  A glance  on  New  - Foundland. 
(Nautical  Magazine,  Novbr.  1870,  8.  586 — 593.) 

Politische  Verhältnisse,  Lebensweise  der  Bewohner. 

Nicoli , Jose  P.  Las  ruinaa  de  Yucatan  y loa  via- 
jeroB.  (Boletin  de  la  Soc.  Mex.  de  geografiä  y 
estadistica.  Mexico  1870.  S.  510 — 524.) 

Phrase,  Phrase  und  nichts  als  Phrase!  Viel  Geschrei 
und  wenig  Wollet  Die  ganze  Abhandlung  ist  das  Pa- 
pier nicht  werth,  worauf  sie  gedruckt  ist;  über  die  für 
die  aitanierikaniM(.h«  Kultur  so  hochinteressanten  yuca- 
tekUchen  Alterthüiuer  erfährt  man  in  dieser  Schrift 
gar  nichts.  Einige  Bemerkungen  über  den  Charakter 
der  yucatekiacbeii  Indianer  laufen  mitunter;  sie  sind 
aber  nicht  neu. 

Noticia  de  laa  tribus  sehrajee  conocidoa  que  habi- 
tan  en  cl  Departamento  de  Tejos,  y dH  nümero 
de  familias  de  que  consta  cada  tribu,  ptintos  en 
que  habitan  y terrenoe  en  que  acampan.  (Bolo- 
tin  de  la  Soc.  Mex.  de  geografia  y vFtadiatica. 
Mexico  1870.  S.  264 — 269.) 

Diese  Angaben  besitzen  nur  einen  historischen  Werth, 
denn  sie  beziehen  sich  auf  das  Jahr  182«. 

Noyes,  John  Humphroy.  Ilistory  of  American 


Socialisms.  Philadelphia  and  London  1870,  8*. 
678  S. 

Obsidian,  der,  und  «eine  alterthümliche  Verwen- 
dung in  Mexiko  und  Peru.  (Ausland  1870, 
Nr.  48.) 

Orton,  Jarnos.  The  Andes  and  the  Amazon;  or 
across  the  Continent  of  South  America.  New  York 
1870,  8»  356  8. 

Beschreibt  eine  naturwissenschaftliche  Expedition  von 
Guayaquil  über  Quito  zum  Rio  del  Napo  und  dieaeu 
so  wie  den  Amazonas  hinab  bis  Para.  — Einen  aus- 
führlichen Auszug  siehe  im  „Ausland“  1870,  Nr.  12. 
8.  265—271,  Nr.  13,  S.  298—301, 

Pampas-Indianer.  (Ausland  1870,  Nr.  28.) 

Bericht  des  Oberstcoxnmandirenden  der  Gartiiaon  an 
der  Grenze  Süd  und  Südost  von  Cordova;  enthält  in- 
teressante Daten. 

Paraguay.  Das  Volk  Paraguays.  (Ausland  1871, 
Nr.  1.) 

Paraguay.  Sieben  Monate  bei  Lopez  in  Paraguay. 
(Ausland  1870,  Nr.  11,  12,  13,  14.) 

Paraguay  and  Her  Enemies.  (Harpera  New 
Monthly  Magazine.  New  York,  Febr.  1870.) 

Payno,  Manuel.  Estudios  »obre  la  hiatoria  anti- 
gua  de  Mexico.  (Boletin  de  la  Soc.  Mex.  de  geo- 
grafiü  y estadistica.  Mexico  1870.  S.  117 — 140, 
198—208.) 

Unter  dem  fielen  Unbrauchbaren,  welches  Mexiko 
auf  wissenschaftlichem  Gebiete  zu  Tage  fördert,  bilden 
diese  Estudios  eine  erfreuliche  Ausnahme.  Fern  von 
allen  Abschweifungen  und  ungesunden  Phrasen,  befas- 
sen sie  sich  ausschliesslich  nur  mit  dem  vnrgcworfenen 
Thema,  das  sie  in  nüchterner  Weise  erörtern.  Nach 
einer  Uebersicht  der  vorhandenen  Quellen  wird  über» 
gegangen  auf  die  Geschichte  von  Cholula,  Hoexotoingo, 
Tl&xcala,  Chalco,  Matlatziueo , .Sonora,  Califomien,  Ai- 
cähua«-,  Mexico-Tenochtitlan. 

Peru.  Da«  Schul  weaen  in  Peru.  (Ausland  1870, 
Nr.  36.) 

Schildert  dasselbe  in  den  düstersten  Farben.  Wir 
fügen  hinzu,  dass  das  Gleiche  fast  ausnahmslos  von 
allen  spanisch-amerikanischen  Republiken  gilt. 

Peyton,  J.  L.  Over  the  Alleghanies  and  acrosa 
the  Prairies.  Personal  recullections  of  the  Far 
West.  One  and  twenty  years  ago.  London  1869, 
8°.  393  S. 

Pitchiynn,  Peter,  der  Choctaw-Häuptling.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  23,  S.  544—546.) 

Enthält  sehr  vieles  über  die  Choctaw-Indianer. 

Pollard,  Edw.  A.  The  Virginia  Tourist.  Sketche« 
of  the  Springs  and  Mountains  of  Virginia.  Phi- 
ladelphia 1870,  8«.  278  S. 

Rambloa  in  Cuba.  New  York  1870,  12*.  136  S. 

Reidenboch,  J.  A.  Amerika.  Eine  kurze  Be- 
schreibung der  Vereinigten  Staaten,  sowie  ein 
Rathgeher  für  Auswanderer.  Nördlingen  1870,  8°. 

Der  Vertaner,  rin  d«Ql*>'her  Pfarrer,  hat  sich  redlich 
bemüht , auf  Grund  langjähriger  Erfahrung  den  deut- 


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Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur.  395 


sehen  Auswanderern  die  Mittel  und  Wege  anschaulich 
zu  machen,  mittelst  deren  sie  sich  sowohl  aut’  der  Reise 
nach  Amerika,  als  auch  nach  der  dort  erfolgten  An* 
kunft  am  leichtesten  ror  Schaden  bewahren  dürften. 
Die  ganze  Darstellung  der  Verhältnisse  ist  uus  einer 
vorurtheilsvoilcn,  gewissenhaften  Beobachtung  hervor* 
gegangen,  und  dürfen  wir  dasselbe,  trotz  unseres  gros- 
sen Misstrauens  gegen  ähnliche  Rathgeber,  die  oft  nur 
den  Sonderinteressen  gewisser  Geschäftsleute  auf  unver- 
schämte Weise  das  Wort  reden,  als  einen  ehrlichen, 
verständigen  und  praktischen  Reisebegleiter  empfehlen. 

Reiaebriofe  aus  der  neuen  Welt.  (Allgemeine  Zei- 
tung 1870.)  I.  Von  Japan  nach  Californieu. 
Nr.  10. 

Diese  Reist* briefe  aus  der  Feder  des  bekannten  Geo- 
graphen Hofrath  Dr.  Carl  Kitter  von  Scberzer  sind 
leider  ohne  Fortsetzung  geblieben. 

Reisebriefe.  (Wissenschaftliche  Leipziger  Zeitung 
1870,  Nr.  17,  19,  20,  21,  22.) 

In  hohem  Grade  lesenswerth.  Was  der  Verfasser 
sah , zeigt,  dass  sich  die  Zustände  in  Mexiko  seit  Zer- 
trümmerung des  Kaiserreiches  in  keiner  Weise  gebessert 
haben.  In  der  Umgebung  von  San  Blas  wimmelt  es 
von  Dieben  und  Strassennwben»,  welche  uicht  nur  di® 
Reisenden  berauben  und  oft  morden , sondern  zu  grös- 
seren Banden  vereint  die  einzelnen  Häuser  und  Be- 
sitzungen angreifen  und  auaplündcm,  ja  sogar  in  die 
Städte  eindringen  und  überall  Schreck  und  Verwirrung 
verbreiten.  Der  einzige  Theil  des  Staates  Xalisco,  in 
dem  Ordnung  und  Ruhe  herrschen,  ist  die  Sierra  Alica, 
wo  Lozada,  ein  Vollblut-Indianer,  unumschränkter  Herr 
und  Gebieter  ist  und  sich  uicht  im  geringsten  um  die 
Regierung  der  Republik  kümmert.  Da  Lozada,  wenn 
auch  streng  und  despotisch,  gerecht  und  energisch  war, 
»o  strömten  ihm  viele  Kin wunderer  zu,  wodurch  sein 
Ansehen  wuchs  und  er  der  Republik  Trotz  bieten  konnte. 
Su  erzählt  uns  der  Reiseude  uus  dem  Jahre  1868.  Wir 
fügen  hinzu,  dass  dies  derselbe  Lozada  ist,  welcher, 
einer  der  treuesten  Anhänger  Kaiser  Maximiliau’s , vor 
unseren  für  die  Republikaner  schwärmenden  Journalen 
als  ein  wahres  Scheusal  dargestellt  wurde. 

Im  weiteren  Verfolg  dieser  Reisebriefe  linden  wir 
eine  interessante  Schilderung  des  Reiseus  in  Mexiko, 
eine  Darlegung  der  B rasse ur’schen  Theorien  über 
den  Ursprung  der  amerikanischen  Eingeborenen  und 
eine  Beschreibung  des  socialen  Lebens  in  Culiaeün,  die 
für  die  mexikanische  .Stadt  nicht  so  ungünstig  ausfällt 
als  Manche  vielleicht  meinen.  Der  Autor  Ist  ein  guter 
Beobachter  und  fallt  zumeist  richtige  Urtheile.  Wenn 
er  Indes*  die  spanische  G'olnnialpolitik  nach  jeder  Rich- 
tung hin  verdammt , so  möchten  wir  ihm  zu  bedeuken 
geben,  dass  ein  grosser  deutscher  Volkswirthschafts- 
lehrer,  Wilhelm  Koscher,  ebenso  unparteiisch  deren 
Vorzüge  darlegt.  Ueberraschend  ist  ferner  die  Behaup- 
tung, dass  man  hier  zu  Lande  keinen  Unterschied  zwi- 
schen den  verschiedenen  Racen  mache,  dass  vollkom- 
mene Gleichberechtigung  derselben  herrsche  und  Alles, 
was  in  Europa  über  Kacenkämpfe  und  dergleichen  in 
Mexiko  berichtet  worden  ist,  jeder  Begründung  entbehre. 
Diese  Behauptung  ist,  wie  gesagt,  ganz  neu  und  in 
vollem  Widerspruch  mit  allen  übrigen  Berichten  aus 
allcu  Thcileu  des  spanischen  Amerika.  Wir 
können  ihr  daher  nur  ein  sehr  beschränktes  Vertrauen 
entgegenbringen,  um  so  mehr,  da  auch  die  ganze  Ge- 
schichte dieser  Länder  dagegen  spricht.  Die  Berichte 
des  Verfassers  über  politisches  Staatsleben,  Sitten  und 
Gebräuche  sind  lebhaft  geschrieben,  bieten  übrigens  nichts 
Neues.  Indess  werden  dieselben  mit  grossem  Interesse  und 
Nutzen  von  Solchen  gelesen  werden,  die  sich  über  die  ge- 
genwärtigen Zustände  Mexikos  unterrichten  wollen.  Der 


Verfasser  bemüht  sich  sichtlich,  die  staatlichen  Einrich- 
tungen in  dum  besten  Lichte  erscheinen  zu  lassen,  doch 
strafen  ihn  seine  eigenen  Ausführungen  Lügen,  welche 
dieselben  in  keiner  Weise  empfehlenswert!)  erscheinen 
lassen.  Dass  in  ganz  Spanisch-Amerika  die  liberale, 
radicaie  Phrase  obenauf  schwimmt,  wissen  wir  längst, 
da&s  es  aber  mit  Handhabung  derselben  in  hohem  Maasse 
elend  aussiehe,  ist  eben  so  gewiss. 

Rice,  Harvey.  Lotters  from  the  Pacific  Slope:  or, 
firBt  Impression  8.  New  York  1870,  12°.  135  S. 

Rink,  Dr.  H.  Die  Dichtkunst  der  Eskimo.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  24,  25.) 

Ausserordentlich  werthvoller  Aufsau. 

Robinaon-Insol  (Juan  Fernande*)  und  ihre  deut- 
schen Bewohner.  (Ausland  1870,  Nr.  Ö.) 

Sartorius,  Carlos.  Fortificaciones  antiguas.  (Bo- 
letin  de  la  Soc.  Mex.  de  geografiä  y estadistica. 
Mexico  1869.  S.  818— 827.) 

Der  in  weiten  Kreisen  rühmlich  bekannte  Besitzer 
von  Mirador,  der  Deutsche  Carl  .Sartorius  beschreibt 
hier  in  deutsch  • gründlicher  Weis«  alte  Baureste,  die 
offenbar  fortificatorischen  Zwecken  gedient  hatten:  die 
Schanzen  von  Tlacotepec,  von  Centla  und  Calcahualeo. 

Schaff,  Dr.  Der  anglo- amerikanische  Sonntag. 
Deutsch  von  J.  G.  Zahner.  New  York  1870,  8*. 
116  S. 

Schott,  Dr.  Arthur.  Kokömes  oder  die  Fest- 
rauchcigarren der  Mayas.  (Ausland  1870,  Nr.  16.) 

Beschreibt  die  Verfertigung  einer  wohlriechenden  Ci- 
garre, die  zur  Glanzzeit  der  Mavas  als  eine  Art  Weihe 
oder  Festrauch  bei  den  Grossen  und  den  Priestern  in 
hohem  Ansehen  stand. 

Schott,  Dr.  Arthur.  Weiteres  über  den  Niön 
(Niebn)  von  Yucatan.  (Ausland  1870,  Nr.  49.) 

Schott,  Dr.  Arthur.  Ueber  ein  Kleinod  aus  dem 
Maya- Alterthum.  (Ausland  1870,  Nr.  2,  S.  44 — 
46.) 

Schriftvorauche , über,  aüdamerikanischer  Einge- 
boraer.  (Ausland  1870,  Nr.  21.) 

Nach  der  Arbeit  des  grossen  Kenners  amerikanischer 
Urgeschichte  William  Bo II a er t im  Jahrbuch  der 
Londoner  Autliropological  Society. 

Bchriftaeichen , über  die,  der  Maya  in  Yucatan. 
(Ausland  1870,  Nr.  30,  S.  707—710.) 

Sehr  klarer,  fasslicher  Aufsatz,  welcher  resumirt,  was 
wir  über  das  Maya  - Alphabet  wissen  und  zugleich  in 
Abbildungen  die  Sinnbilder  und  Namen  der  20  Tage 
des  vueatckischen  Monats,  jene  der  16  Monate  des  yu- 
cateki sehen  Jahres,  endlich  die  27  Buchstaben  und  6 
Aushülfszcicheti  des  Maya- Alphabets  mittheilt. 

Schwordt,  H.  Die  Pacific-Eieenbabn  und  die  In- 
dianer in  Nordamerika.  Langensalza  1870,  8°. 

Simonin,  L.  L’homme  araericain.  Notes  d’öthno- 
logie  et  de  linguistique  sur  les  Indiens  des  Etats- 
Unis.  (Bulletin  de  la  Soc.  de  Geogr.  Paris  1870, 
L S.  118 — 143.) 

Herr  Louis  Simon  in  war  vom  kaiserlich  französi- 
schen Unterrichtsministerium,  Herrn  Duruy,  mit  einer 
wissenschaftlichen  Mission  nach  den  Vereinigten  Staaten 

60* 


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396 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


betraut  und  legt  in  dem  vorstehenden  Aufsatz  «eine 
Beobachtungen  über  die  nordumerikaniscbeti  Indianer 
nieder.  Simon  in  vertheidigt  in  lebhafter  Welse  de» 
Autochthonisnia«  der  rothen  Rae«,  die  er  als  ein  Pro- 
dukt des  amerikanischen  Bodens  betrachtet  wissen  will, 
und  stimmt  hiermit  völlig  mit  jenen  Ansichten  überein, 
welche  auch  lange  Zeit  vom  Referenten  vertreten  wor- 
den sind.  Freilich  war  dies  in  einer  Epoche,  wo  es 
ihm  an  einer  genaueren  Kenntnis.*  der  seither  besser 
gewürdigten  Lehre  Dar  w in’«  gebrach,  und  er  an  einer 
Vielheit  der  ursprünglichen  Menschen racen  festhalten 
zu  dürfen  vermeinte.  Davon  kann  natürlich  heute  keine 
Rede  mehr  sein,  wo  die  meisten  Naturforscher  sich  auf 
Grund  der  Dar w in* sehen  Theorie  für  die  Einheit  de« 
Menschengeschlechtes  aassprechen.  Damit  ist  aber  a 
priori  eine  tiranfängliche  Bevölkerung  Amerikas  durch 
asiatische  Einwanderung  zugestanden , die  überdies  Dr. 
Peschei  im  „Ausland*4  ausserordentlich  plausibel  ge- 
macht hat.  Dort  ist  im  Vorhiuelu  jenen  Einwänden 
begegnet,  welche  Simonin  gegen  eine  solche  Einwan- 
derung in’s  Feld  führt;  dass  man  in  Amerika  eine  wirk- 
lich abgesonderte  Menscbcnracc  vor  sich  hat  — eine 
Anschauung,  welcher  Referent  vollständig  beistitnmt  — 
beweist  nichts  gegen  die  Ein  Wanderung;  denn  jeden- 
falls ist  seit  jener  Epoche  so  viel  Zeit  verstrichen,  dass 
der  amerikanische  Mensch  sich  zu  einem  völligen  Tjpus 
heraosbiiden  konnte.  Auf  Kultur , Geistesrichtung  und 
dergleichen  hat  die  ursprüngliche  Einwanderung  keinen- 
falls  einen  Einfluss  gehabt,  und  insofern  ist  er  auch  als 
Autochthone  zu  betrachten.  Referent  ist  dadurch  in 
die  eigenthümliche  Lage  geratben  etwas  bekämpfen  zu 
müssen,  was  er  vor  einigen  Jahren  noch  selbst  verthei- 
digt  hätte,  thut  aber  dies  hier  um  so  leichter,  als  seiner 
Meinung  nach  ein  starres  Festhalten  von  Ansichten, 
der  Consequenz  halber,  wissenschaftlich  keine  Entschul- 
digung findet.  Herr  Simouin  scheint  indess  an  die 
Lehre  Darwin’«  gar  nicht  gedacht  zu  haben,  denn  er 
thut  ihrer  nicht  die  geringste  Erwähnung;  dagegen 
neigt  er  offen  zu  der  beinahe  völlig  verlassenen  Theorie 
Agassiz's  von  verschiedenen  Schöpfnngsoentren.  In 
die  hellste  Opposition  müssen  wir  uns  aber  mit  Herrn 
.Simon in  setzen,  wenn  derselbe  auch  die  Wanderung 
der  amerikanischen  Völker  innerhalb  des  neuen  Conti- 
uents  läugnet.  Niemand,  der  auch  nur  irgendwie  ver- 
traut ist  mit  amerikanischen  Studien,  vermag  zu  läug- 
nen , dass  eine  solche  Völkerwanderung  in  der  That 
stattgefunden  habe;  dafür  bestehen  geradezu  unwider- 
legliche, linguistische  und  archäologische  Beweise,  denen 
gegenüber  Simon»»’*  Phrase,  der  mexikanisch«  India- 
ner verlasse  niemals  seine  Heimath,  sehr  wenig  Sinn 
hat;  jetzt  freilich  verlässt  er  sie  nimmer,  aber  es  wäre 
der  Beweis  zu  erbringen , dass  er  sie  niemals  verlassen 
hat,  und  diesen  Beweis  führt  Herr  Simonin  nicht. 
Nach  seinem  Systeme  Hesse  sich  ja  auch  das  Toltekeu- 
Voik  wcgläugneti,  da  dasselbe  heute  nicht  mehr  besteht; 
die  sprachlichen  and  sonstigen  Spuren  seiner  Existenz 
darf  man  nur  einfach  ignnriren.  Mit  solcher  Theorie, 
fürchten  wir  aber,  wird  man  nicht  weit  kommen  und 
das  Lösen  der  Kitbsel,  welche  uns  die  Ethnologie  der 
Neuen  Welt  bietet,  keineswegs  beschleunigen.  Abge- 
sehen von  diesen  unhaltbaren  Anschauungen,  sind  di« 
.Schilderungen  der  Indianer  durch  den  französischen 
Reisenden,  dem  indess  offenbar  das  zn  gelehrten  Erör- 
terungen nöthige  Wissen  fehlt,  recht  interessant  und 
naturgetreu;  sie  werden  von  Jedem  mit  Vergnügen  ge- 
lesen werden,  und  hoffen  wir  baldmöglichst  einer  Fort- 
setzung dieser  Skizzen  in  den  Schriften  der  Pariser 
Geographischen  Gesellschaft  zu  begegnen  *).  Einen 

*►  In  Kniffe  des  «l»  at*ch.fr»o*. .»Ischen  Kriege*  «eheint  dir  Pu* 
Wwiitioij  <W  (•c*eUschaft*achrlft«b  tinl*rbr«H Vn  «n«rJpn  ku  sein, 
l*em  Kef-rentru  i»t  Mitglied  d*-r  Ueeeilsc hilft  Ende  Juli  vu- 
riff«b  Jahre«  Ja*  Jumln  ft  lato  aU  lutxtc*  Heft  MBilummni. 


ausführlichen  Auszug  der  Simoniu 'sehen  Arbeit  siehe 
im  „Ausland“  1870,  Nr.  27,  S.  631 — 63h  unter  dem 
Titel:  L.  Simonin  über  di«  Rothhäute  der  Vereinig- 
ten Staaten. 

Sklavenemancipation,  die,  in  Brasilien.  (Globus, 
Bd.  XVII,  S.  303.) 

Squier,  E.  G.  Honduras;  deacriptive,  historical 
and  Statistical.  London,  Trübner,  1870. 

Kecfensirt  im  Londoner  „Athenäum“  Nr.  2244,  S.  558. 

Squier , E.  G.  The  primenü  Monuments  of  Peru 
coropured  with  those  in  other  parts  of  the  World. 
1870,  8®. 

Squier,  E.  G.  Observation«  on  the  Chalchihuitl 
of  Mexico  and  Central  America.  New  York  1869, 
8°.  22  S. 

Der  unermüdlich«  Forscher  auf  den»  Gebiete  mexi- 
kanischer Altert  humskuude,  unser  Freund,  Herr  E.  G. 
Squier,  hat  in  dem  Vorliegenden  eine  »ehr  lesenswerihe 
Abhandlung  über  die  Chahdtihnitls  geliefert.  Der  Chal- 
chihuitl , aus  einer  Gattung  grünem,  smaragdähuiiebem 
Gestein  gearbeitet,  war  von  den  alten  Mexikanern  als 
Zierde  benutzt  und  stand  bei  ihnen  in  hohem  Aasehen. 
Sehr  häufig  thun  davon  die  ersten  Entdecker  und  Chro- 
nisten Erwähnung,  und  aus  Bemal  Diaz  Bericht 
scheint  hervorzugehen , Hass  unter  den  von  Montexuma 
an  Cortcz  gesendeten  Geschenken  sich  auch  vier  Chal- 
chihuitl* befunden  haben,  „eine  Gattung  grüner  Stein« 
vou  ungewöhnlich  hohem  Wrrtlie,  die  sie  höher  schät- 
zen als  Smaragden“.  Herr  Squier  besitzt  selbst  eine 
sehr  schöne  Sammlung  solcher  Chalchlhuitl-Sculptnreu. 

Stellung,  die,  der  Deutschen  in  Mexiko.  (Globus, 
Bd.  XVII,  S.  335.) 

Nach  der  „California  -Staatazeitung“  vom  12.  Mai 
1870  ist  es  eine  unbestrittene  Thatsache,  dass  die  Deut- 
schen in  Mexiko  die  erste  Rolle  spielen. 

Stevens,  Edward  T.  Flint  chip«,  a guide  to  pre- 
hißtoric  arohaeology,  u*  illuatrated  by  the  Collec- 
tion in  the  Blackmore  Museum,  Salisbury.  Lon- 
don 1870,  8°. 

Der  Gründer  de*  Museums  in  der  kleinen  englischen 
Stadt  Salisbury,  Herr  William  Blackmore,  war  so 
glücklich,  einen  grosse»»  Theil  der  werthvollen  Alterthümer 
aufkaufen  zu  können,  die  Squier  und  Davis  in  den 
Mounds  des  Mississippi-  und  Ohio  - Thaies  gesammelt 
hatten.  Wahrscheinlich  wird  nie  wieder  eine  ähnliche 
Collection  zusammengebracht  werden , und  das  vorlie- 
gende Werk,  — ein  getreuer  Führer  durch  die  hochin- 
teressante Sammlung  — wird  von  allen  Fachmännern 
mit  Dank  aufgeiiommen  werden.  Wir  beguügen  uns 
hier  anxnführen,  dass  das  Museum  zu  Salisbury  in  vier 
Sectionen  gctlicilt  ist,  nämlich:  I)  t hierische  l' eberrett©, 
die  im  Zusammenhänge  mit  den  Arbeiten  der  Mensche» 
stelu  n;  2)  Steingeräthschuften ; 3)  Bronzegeräthschaftcn; 
4)  Gerat  he,  Waffen  und  Zierrathe  wilder  Stämme,  die 
dazu  angethan  sind,  ein  Licht  auf  ähnliche  Gegenstände 
au»  vorgeschichtlicher  Zeit  zu  werfen.  Eingehende  Be- 
sprechung siehe  Globus,  Bd.  XVII,  S.  279—281. 

Streifzüge  im  nordwestlichen  Amerika.  (Globus, 
Bd.  XVII,  S.  97  — 103.) 

Enthält  einige  Angaben  über  die  Aht-  Indianer  auf 
der  Vancouver  Insel  und  die  Nittinulit  - Stämme  vom 
Cap  Flattery  (äussente  .Spitze  des  Washington  Terri- 
tory). 

Strobel,  Prof.  P.  Beitrüge  zur  vergleichenden 


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397 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Ethnologie,  gesammelt  in  Südamerika.  (Zeitschrift 
für  Ethnologie,  1670,  Heft  II,  S.  11 1 — 123.) 

Interessante  Analogien  zwischen  Werkzeugen,  Ge* 
wobnbeiten  u.  s.  w.  der  heutigen  Argentiner  mit  vor- 
geschichtlichen Völkern. 

Strodtmann,  Ad.  Die  amerikanische  Dichtung 
der  Gegenwart.  (Allgemeine  Zeitung  1670,  Nr. 
96.  97,  107,  108,  113.) 

Südcarolina.  Ein  vormaliger  Secesrionist  über 
die  gesellschaftlichen  Zustände  in  Südcarolina. 
(Ausland  1870,  Nr.  33.) 

Dieser  Aufsatz  ist  ausserordentlich  wichtig  für  die  In 
Amerika  herrschende  Racenfragr  und  schildert  sehr 
genau  die  jetzige  Lage  der  Neger.  „Das  sorglose  La- 
ichen des  alten  Sklaven  hört  man  jetzt  selten  mehr, 
..denn  es  rührte  von  Menschen  her,  die  nie  dio  Frage 
.erwogen  hatten,  wie  sie  sich  die  nächste  Mahlzeit  ver- 
schaffen könnten“.  Auch  die  Beobachtungen  über  den 
Charakter  der  Neger  sind  hochinteressant.  Sie  zeigen 
die  ganze  Hohlheit  der  humanitären  Phrasen. 

Südseo,  von  der,  nach  der  Mündung  des  Amaso- 
nenstroms.  (Ausland  1870,  Nr.  12,  13.) 

Swan,  J.  Q.  The  Indians  of  Cape  Flattery,  at  the 
entrance  of  the  Stroit  of  Fuca,  Washington  Ter- 
ritory. (Smithson,  Contribution  to  knowledge, 
Vol.  XVI.) 

Die  hier  von  einem  durch  langen  Umgang  mit  ihrem 
vertrauten  Manne  nach  ausseren  und  inneren  Eigen- 
schaften, Lebensweise,  Sprache  n.  s.  w.  eingehend  ge- 
schilderten Makah-Indianer  gehören  zu  Cook's  Wako&ch- 
Nation  oder  der  Xutka  Familie,  die  ausser  ihnen  noch 
einige  benachbarte  Stamme  des  Festlandes  und  den 
grössten  Theil  der  Vanoouver  Insel  umfasst.  Swan 
ermittelte  ihre  Zahl  1861  zu  654,  1863  zu  663. 

Verfolgung  der  Protestanten  in  Mexiko.  (Globus, 
Bd.  XVII,  S.  144.) 

Victor,  Mb.  F.  F.  The  River  of  the  West.  Live 
and  adventures  beyond  the  Rocky  Mountains. 
Hartford  1870,  8°.  602  S. 

Völkerwanderung,  die,  innerhalb  der  Vereinigten 
Staaten.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.  287—288.) 

Wagner,  Moritz.  Naturwissenschaftliche  Reisen 
im  tropischen  Amerika.  Stuttgart  1870,  8®. 

Der  durch  »eine  wissenschaftlichen  Reisen  in  vier 
WeJttheilen  längst  wohlbekannte  Verfasser  legt  in  die- 
sem Werk  die  wesentlichsten  geographischen  und  na- 
turwissenschaftlichen Ergebnisse  einer  vierten  Forschungs- 
reise nieder,  welche  er  mit  Unterstützung  des  Königs 
Maximilian  II.  von  Buient  auf  die  besondere  Empfeh- 
lung Humboldt’*  und  C.  Ritter’»  nach  dem  tropi- 
schen Amerika  au*  ge  führt  hat.  Statt  der  gewöhnlichen 
Form  einer  erzählenden  Raiaebeacbreibung  bringt  das 
Buch  ähnlich  wie  Humboldt1«  „kleinere  .Schriften“ 
eine  Reihe  von  Aufsätzen , Skizzen  und  Fragmenten 
verschiedenen  Inhalts,  welche  viele  neue  Beiträge  zur 
Kenntnis»  der  Naturverhültuisse  Centralamerikas  und 
der  äquatorialen  Anden  von  Südamerika  enthalten.  Der 
Naturcharakter,  die  physische  Geographie,  die  vorherr- 
schenden geognostischen  Verhältnisse,  die  Meteorologie 
und  Climatologie  der  südlichen  latbmusproviiueu  von 
Mittelamerika,  die  Geologie,  besonders  die  Naturge- 
schichte der  Vulcane  des  südamerikaniseben  Staates 


Ecuador,  der  wesentliche  Charakter  des  Pflanzen-  und 
Thierreiches  der  verschiedenen  Länder  und  Regionen 
sind  theils  in  grossen  allgemeinen  Zügen,  theiis  in  ihren 
wichtigsten  Details  geschildert.  Sehr  ausführlich  be- 
handelt das  Buch  die  für  den  künftigen  Weltverkehr 
ao  bedeutsam«*  Krage  einer  Durchstechung  des  Isthmus 
für  einen  Schiffscanal.  Ein  umfangreiches  Kapitel  be- 
schreibt die  für  die  Einwanderung  und  Colonisation 
vorzüglich  geeigneten  schönen  Gebirgsländer  im  Süden 
von  Coatarica.  Dem  Leser,  der  sich  für  die  grosse 
Streitfrage  des  Darwinismus  interessirt,  sind  beson- 
ders jene  Kapitel  zu  empfehlen,  worin  der  Verfasser 
durch  eine  grosse  Anzahl  von  neuen  sehr  wichtigen 
Thntsachcn  aus  der  geographischen  Verbreitung  der 
Pflanzen  und  Thiere  seine  von  der  Darwin’  sehen 
Svlcctionslehre  wesentlich  abweichende  Theorie  der  Ar- 
tenbildung durch  räumliche  Separation  weiter  ausfuhrt 
und  fester  begründet.  Ausführliche  Auszüge  bringt  das 
„Ausland“  1870,  Nr.  4 und  6. 

Wandorung,  sine,  in  Peru  von  Cusco  nach  den 
Wäldern  des  Fieberrindenbaums.  (Globus,  Bd. 
XVIII,  S.  257—262,  273—279,  289—295,  306 
—310,  321—326,  337—343.) 

Die  Wichtigkeit  der  Fieberriudc.  — Ihre  Verbrei- 
tungssphäre. — Die  Cascurilla-Speeulanteu.  — Eine  Ex- 
pedition nach  den  Yungas.  — Der  Baum  des  Abschie- 
des. — Die  Condesuyus.  — Im  Dorfe  Huaro.  — Der 
Sagenreiche  Seo  Morchina.  — Ein  Nachtlager  in  May- 
nupata.  — In  einer  peruanischen  Dorfschule.  — Die 
Coscarrous.  — Die  Schluchten  des  Huilcamayo.  — Die 
Flora  auf  der  Puna.  — Ein  Ungewitter.  — Die  Inca- 
ateine.  — In  Lauramarca.  — Peruanische  Dameo  und 
ihre  Sitten.  — Schilderung  einer  grossen  Hacienda.  — 
Unsere  liebe  Krau  vom  Schnee.  — Ein  Rodeo,  Ein- 
fangen wilder  Pferde  in  Lauramarca.  — Ein  Hirt  auf 
der  hohen  Puna.  — Kochkunst  in  der  Cordillora.  — 
Ankunft  in  Marcapata.  — Das  Dorf  Manapata  und 
sein  Pfarrer.  — Erinnerungen  an  die  Zeit  der  spani- 
schen Herrschaft.  — Die  Pflanzungen  in  den  heissen 
ThäJcrn.  — Wie  die  Hacenderos  sieb  Arbeiter  verschaf- 
fen und  wie  diese  ausgebeutet  werden,  — Eine  ver- 
fallene Kirche.  — Die  Expedition  wirbt  Indianer  als 
Träger  und  einen  Dolmetscher  an.  — Der  Examinador 
und  Oberst  Peres.  — Ein  Chacharpari,  Abschiedsfest. 
— Nach  Chile-Chile.  — Eine  Strickleiter  als  Brücke 
über  den  Abgrund.  — Ein  Ragout  vom  Fleische  des 
Brüllaffen.  — Das  Pecari.  — Ankunft  in  Sansipata. 

Weiberrechte  in  den  Vereinigten  Staaten.  (Aus- 
land 1870,  Nr.  41.) 

White,  John.  Sketches  from  Amerika.  London 
1870,  8°.  370  S.  Enthält:  1.  Canada.  2.  A pie 
to  the  Rocky  Mountains.  3.  The  Irish  in  Ame- 
rica. 

Rezension  siehe  im  Athenäum,  London,  Nr.  2249 
vom  3.  December  1870,  S.  715 — 716. 

Whymper,  Frod.  Alaska.  Reisen  und  Erlebnisse 
im  hohen  Norden.  Deutsch  von  Dr.  Fried.  Ste- 
ger.  Braunschweig  1870,  6°. 

Besprechungen  und  Auszüge  siehe:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  leipziger  Zeitung  1870,  Nr.  27;  dann  Glo- 
bus, Bd.  XVI,  8.  43,  56,  75,  105,  Bd.  XVII,  S.  97. 

Whymper,  Edw.  Greetiland.  (Alpine  Journal, 
Mai  1870,  8.  1—23.) 

Handelt  von  den  Grönländern,  ihrer  Geschichte,  ihrer 
Lebensweise. 


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Vcrzcichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Winnipeg.  Die  Republik  Winnipeg.  (Allgemeine 
Zeitung  1870,  Nr.  238.) 

Zustände,  gegenwärtige,  in  Nordamerika.  (Aus- 


land 1871.)  1.  Canada,  Nr.  7.  2.  Ein  Picnie 

uach  den  Felseugebirgen,  Nr.  8.  3.  Die  Iren  in 
der  Union  und  in  Canada,  Nr.  9. 

Nach  d«w  Buche  von  White. 


Asien 

von  Dr.  G.  Gerland. 


Abba,  rev.  J.  Twenty-two  years  missiouary  ex- 
perience  in  Travancore,  8°.  pag.  256,  London, 
Snow,  1870. 

Abramoff.  Das  Karatigeuische  Gebiet.  (Iswestija 
der  Kaiserlich  russischen  geograph.  Gesellschaft, 
Bd.  VI,  Nr.  3,  russisch.  St.  Petersburg  1870.) 

Adamoli.  Das  Thal  von  Samarkand  und  der  dor- 
tige Seidenbau.  Deutsch  bearbeitet  von  Koner. 
(Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Ber- 
lin, Bd.  5,  S.  407—418.) 

Adams,  A.  Travels  of  a naturalist  in  Japan  and 
Manchuria,  8".  pag.  340,  London,  ilurst  and 
Blackett,  1870. 

Lebenslauf  eines  afghanischen  Briganden.  (Glo- 
bus, Bd.  XVIII,  S.  1,  1870.) 

Alabaster,  H.  The  modern  Buddhist,  being  the 
Views  of  a Siamese  Minister  of  State  on  bis  own 
and  other  Religion«.  (Translnted  with  Remarlcs. 
London  1870,  8°.  pag.  91.) 

Alencon,  (Duc  d*).  Luzon  et  Mindanao.  (Extraits 
d’un  journal  de  voyago  dans  l’extreme  Orient, 
18°.  pag.  222.  1 Karte.  Paris,  Levy,  1870.) 

Andrco,  R.  Shangai.  (Der  'Welthandel,  2.  Jahr- 
gang, vS.  79—85.) 

Asa.  Destur  Hoshangji  Jamaspji,  an  old  Pahlavi- 
Pazand  Glossary  edited  with  an  alphabetical  In- 
dex by  Asa.  Revised  and  enlarged  with  an  in- 
troductory  Essay  on  the  Pahlavi  Language  by 
M.  Haug.  (Published  by  Order  of  the  Govern- 
ment of  Bombay,  8°.  pag.  XVI,  152,  568.  Bom- 
bay and  London  1870.) 

Vergleiche  Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  IV,  S.  130 
unter  Uaug. 

Aurilloc,  H.  Cochinchine,  Annamites,  Mots,  Cam- 
bodgiens,  8°.  pag.  146.  Poris,  Challamel.  1870. 

Dagverhaal  eener  reis  over  Ball  in  Juni  en  Juli 

1856.  1.  Aanhangsel.  Aanteekeningen  op  een 
tochtje  naar  het  Batocugebergte  op  Bali  iu  Sept. 

1857.  2.  Aanhangsel.  Aanteekeningen  omtrent 
Djembrana.  (Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie, 
IU.  Ser.,  4.  Jahrgang,  Juli  1870.) 

Balalov,  B.  Indien  skildrot  efter  en  Missionairs 
Erfaringer  (Smaaskrifter,  udg.  af  d.  d.  Miss,  sel- 
skab,  Nr. 4).  8Ö.  44.  Kopenhagen,  Bertelsen,  1870. 

Bantam.  Vyftig  jaren  geleden.  (Tijdschrift  voor 


Nederlandsch  Indiö,  III.  8er.,  4.  Jahrgang,  Nov. 
1870.)  # 

Bastian,  Dr.  A.  Reisen  in  China  von  Peking  zur 
Mongolischen  Grenze  und  Rückkehr  nach  Europa. 
Die  Völker  des  westlichen  Asien.  Studien  und 
Reisen.  Sechster  Band,  CXIV,  664  S.  Jena, 
Costenoble,  1871. 

Beilagen:  Ueber  den  Buddhismus  und  die  Religion»- 
gebrauche  mongolischer  Völker. 

Ba8tian,  Dr.  A.  Ethnologische  Beiträge,  1.  Theil. 
(Zeitschrift  für  Ethnologie,  Bd.  2,  S.  403  f„  1870.) 

Behandelt  asiatische  Völker,  welche  bei  chinesisi’heti 
und  classUchen  Schriftstellern  erwähnt  werden,  die  Fi- 
guren, Usiuu,  Sai  oder  Sacae,  Lesghier,  verschiedene 
mongolisch-tatarische  und  arische  Stamme. 

Bastian,  Dr.  A.  Sprachvergleichende  Studien,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  indochinesischen 
Sprachen,  8U.  8.  XXXIX,  344.  Leipzig,  Brock- 
haus. 

Für  den  reichen  Inhalt  dos  höchst  lesenswerthen  Bu- 
ches bürgt  schon  der  Name  des  Verfassers.  Herr 
Bastian  ist  in  Philologio,  Ethnologie,  Geographie  und 
Naturwissenschaft  zu  Haus:  daher  er  in  der  Einleitung 
und  in  den  vier  Capiteln  seines  Buches  [1)  das  Flüs- 
sige schriftloser  .Sprachen,  ihre  Wechsel  und  Mischun- 
gen; 2)  das  Birmanische;  3)  das  Siamesische ; 4)  die 
Spracbgestaltung]  zu  sehr  wichtigen  Ergebnissen  gelangt, 
Ergebnissen  freilich,  die  eben  weil  sie  wichtig  und  neu 
sind,  auch  zu  mancherlei  Controvcrsen  (für  die  hier  leider 
kein  Raum  ist)  Anlass  bieten,  aber  selbst  schon  dadurch 
nur  fördernd  wirken  können.  Denn  sie  dringen  auf 
den  tiefsten  Grund  und  zwar  an  der  Hand  strengster 
Methode.  Einzelne#  aus  dem  Vorwort  erwähnen  wir: 
S.  X : _ „Philologie , Kranioiogie  und  Ethnologie  sind 
drei  völlig  von  einander  unabhängige  Disciplinen,  die 
eine  jede  ihre  durchaus  unabhängige  Ausbildung  erhal- 
ten mussetu“  S.  VII:  „Der  Mensch  geht  aus  telluri- 
•cher  Grundlage  in  kosmische  Fortentwicklung  über.“ 
8.  XV:  „Ist  nun  derjenige  Standpunkt  von  einem 

Volke  erreicht,  der  als  der  Ausdruck  der  geographischen 
Provinz  betrachtet  werden  kann  (also  derjenige,  bei  dem 
sich  der  Mensch  inlt  »einer  Umgebung  in  Gleichgewicht 
gesetzt  und  dadurch  seine  Kxistenzfortdauer  gesichert 
hat),  so  tritt  eine  Stabilität  des  ethnologische!!  Typus 
ein,  der  sich  dann,  wie  jedes  Naturprodukt,  unablässig 
verändert  und  verjüngt,  aber  seine  Fassung  nicht  wei- 
ter ändert.“  8.  X:  „Die  Anthropologie  wird  ihre  leicht- 
sinnigen Entlehnungen  ans  der  Geologie  noch  tauge  zu 
bereuen  haben.“ 

Beauvoir,  Comto  de.  Java,  Siam,  Canton.  (Voyage 
autour  du  monde.  Paris,  Pion,  1869.) 

Becker,  Lothar.  Ileiae  von  Rasra  duroh  Mesopo- 
tamien nach  Mosal.  (Globus,  Bd.  XVII,  S.  8, 
1870.) 


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Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur.  399 


Blau,  O.  Arabien  im  frechsten  Jahrhundert.  Eine 
ethnographische  Skizze;  mit  1 Karte.  (Zeitschrift 
der  Deutschen  Morgenlinditchen  Gesellschaft,  23, 
559  f.) 

Bleeker,  P.  Nieuwe  bijdragen  tot  de  kennis  der 
bovolkingsatatistik  ran  Jank  Uitgegeven  door 
het  KoninkL  instituut  voor  Taal-,  Land*  en  Vol- 
kenkunde  von  Nederlandsch  Indie,  8".  pag.  193. 
’sGravenhage,  M.  Nijhoff,  1870.  (Separatabdruek 
aus  Bijdragen  tot  de  Taal-,  Land*  en  Volken- 
knnde  van  Nederlandsch  Indie,  III.  Ser.,  4.  Deel, 

4.  Stuk.) 

Verslag  over  de  Reaidentie  of  Borne oa  Westkust 
1827 — 1829.  (Tijdschrift  voor  Nederlandsch  In* 
die,  III.  Ser.,  5.  Jahrg.,  Jan.  1871,  pag.  8 f.). 

Eene  inlandsche  nederzitting  (Borneo).  (Ebend. 
]»g.  41 £.). 

Blom,  P.  Reise  til  Jerusalem  og  Omegn.  Mit  1 
Karte.  Kristianaa,  Gröntoft,  1670. 

Boiler,  Ant.  Die  Präfixe  mit  vocalischem  und 
gutturalem  Anlaute  in  den  einsilbigen  Sprachen 
(aus  den  Sitzungsberichten  der  k.  k.  Akademie  der 
WisseDsch.  in  Wien  1869,  Gerolde  S.  8°,  pag.  49.) 

In  Bombay  und  der  Umgegend.  (Globus,  Bd.  XVII, 

5.  lf.,  1870.) 

Budenz,  J.  Ugrische  Sprachstudien.  1.  Heft. 
Nachweis  und  Erklärung  einer  ursprünglicheren 
Gestalt  der  Posaeesiv-affixe  in  den  ugrischen  Spra- 
chen. Pest,  Aigner,  8°,  S.  60. 

Budenz,  J.  UgriBche  Sprachstudien.  2.  Heft. 
Determination  des  Nomens  durch  affigirten  Arti- 
kel im  Mordwinischen  nnd  in  einigen  anderen 
ugrischen  Sprachen.  (Ebend.  1871.) 

Buddhaghoahas  parablea.  Translated  from  Bur- 
mese byT.  Rogers.  With  an  Introduction  contain- 
ing  Buddhas  Dhammapada  or  „Path  of  virtues“. 
(Translated  from  Pali  by  F.  Max  Müller.  London 
1870,  8°.  pag.  378.) 

Burgen.  The  Temples  of  Satrunjaya.  Bombay 

1869. 

De  Burton,  A.  Ten  montlm  Tour  in  the  Eaat 
keing  a Guide  to  all  that  is  moet  worth  seeing 
in  Turkey,  in  Europe,  Greece,  Asia  minor,  Pale- 
stine,  Egypte  and  the  Nil,  8°.  pag.  376.  London, 
Kitto,  1870. 

Busse,  Th.  v.  Das  Amurgebiet  aus  dem  Gesichts- 
punkte der  Landwirtschaft,  8°.  S.  70.  (Russisch 
in  der  Revue  der  russ.  Börsenzeitung  1869.) 

Mededeelingen  omtrent  de  Alfoersche  taal  van 

Noord  Colcbcs.  I.  Vergelijkende  Wordenlijst.  Bij- 
dragen tot  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde  van 
Nederlandsch  Indie,  III.  Ser.,  4.  Deel,  4 Stuk,  p. 
399  f.,  5.  Deel,  1 Stuk,  p.  69  £.,  1870.  II.  Sprcek- 


worden  en  eigenaardige  Spreekwijzen  in  het 
Toumbulusch.  Ebend.  5.  Deel,  2 Stuk,  1871. 

Bibliographisch  «verzieht  der  linguist.  Literatuur 
betrekkelijk  Noord -Celebea.  Door  G.  K.  N. 
(Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie,  III.  Ser., 
4.  ..Jahrg.,  Nov.  1870.) 

Chinese  recorder  and  Missionary  Journal.  London, 
Trübner,  1870,  Juni:  Edkins,  ltev.  the  Harens. 
Juni  and  Juli:  Overland  trip  from  Kiu-Kiang  to 
Foochow.  Philipps,  Marco  Polo  and  Ibn  Batuta 
in  Fookien. 

Chotomaki,  1«.  Due  civilizzasioni  Arya-europea- 
slavo.  Turana-aaiatica-ruaaa.  Studio  etnologico 
storico.  Venezia  1869,  8°.  VIII,  211. 

Cooper,  T.  T.  Travels  of  a Pioneer  of  Commerce 
in  aPigtail  and  a Petticoat;  or  an  Overland  Jour- 
ney  from  China  towards  India.  Ulustr.,  8°.  Lon- 
don, Longmans.  1871. 

Cunningh&m,  Alex.  The  Ancient  Geographie  of 
India,  Vol.  I.  The  Buddhist  Period  including  the 
Campaiugs  of  Alexander  and  the  Travels  ofHwen- 
Thsang  with  13  Maps,  8°  pag.  600.  London, 
Trübner. 

Delitech,  O.  Türkistan.  (Aus  allen  Welttheilen 
1870,  Nr.  21  f.) 

Delitsch,  O.  Urga,  die  Hauptstadt  der  Mongolei. 
(Ebend.  1870,  Nr.  52.) 

Nach  dem  Reisebericht  de»  französischen  Gesandten 
do  Bourboulon  in  Peking. 

Dllawar  Chan.  Ev.  Miss.  Mag.  Neue  Folge  14, 
353.  Baael  1870. 

The  rivera  of  Damaecua  and  Jordan.  A causerie 
by  a Tertiary  of  the  Order  of  St.  Dominik,  8a. 
pag.  227.  London,  Barns,  1870. 

EH&b.  Notes  of  a journey  to  tho  new  course  of 
the  Yellow  River  in  1868.  (Proceedinga  of  the 
Royal  Geographic&l  Society  of  London,  Vol.  14, 
pag.  20  f.) 

EUiot,  H.  M.  Memoirs  of  the  Hiatory,  Folk-lore 
and  Distribution  of  the  Racea  of  the  North  We- 
stern Provincea  of  India.  Being  an  amplified 
edition  of  the  original  supplemental  Glossary  of 
Indian  Terms.  (Edition  revia.  a.  rearranged  by 
J.  Beomes,  2 Vols.  London  1869,  8°.  XX,  763.) 

Erman,  A.  Ethnographische  Wahrnehmungen  und 
Erfahrungen  an  der  Küste  de«  Beringsmeerea. 
(Zeitschrift  für  Ethnologie,  2,  S.  295  f.,  1870.) 

Ethe.  Morgenländische  Studien.  Leipzig  1870, 
Fnes,  8«,  VIII.  S.  284. 

Enthält  nnichit  freie  Nachbildungen  von  I morgen- 
ländbtchen  Erzählungen , dann  Abhandlungen:  I)  über 
den  Cufi»tnu»  und  »eine  drei  Hauptvertreter  in  der  per- 
sischen Poesie;  2)  über  die  menschlichen  Körper*  und 
Geisteskräfte  nach  der  Vorstellung  der  Araber  (frei  nach 


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4U0 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


der  Kosmognphie  des  Kazwinil;  3)  über  Ambra  Perlen 
und  Korallen  (nach  demselben);  4)  über  die  persischen 
PaxsUmskpiele.  kindlich  folgen  noch  einige  l'ebersetxun- 
gen  und  metrische  Nachbildungen.  Das  Buch  wendet 
sich  an  einen  grösseren  Leserkreis,  wie  schon  sein  In* 
halt  ausweist,  doch  ist  von  den  Abhandlungen  Nr.  2 
und  Nr.  4 (welche  letztere  »chon  in  den  Münchener 
Propylacni  stand)  auch  für  den  Gelehrten  von  grösse- 
rem Interesse. 

Ford,  O.  Ces  Regions  inconnuea,  chassas,  püches, 
aveutures  et  decouvertes  dana  Peztreino  Orient, 
18u.  pag.  UI,  373.  Paris  1670. 

Fitzgerald,  W.  P.  V.  Egypt  India  and  the  co- 
lonies,  8°.  pag.  246.  London,  Allen,  1670. 

Zur  Colonisation  Pormosaa.  (Globus  1870,  217  £,) 

Preemann,  £.  A.  History  of  the  Saracens.  Cheap 
Edition,  8°.  London  1870. 

Prere,  M.  Old  Deccan  Days;  or  Uindoo  Fairy  Le- 
gende current  in  Southern  India  collected  from 
Oral  Tradition.  Witb  an  Introduction  and  Notes 
by  Sir  Bartle  Frere.  Sec.  edition  12*.  pag.  336. 
London,  Murray,  1870. 

Friedmann.  Zustände  und  Vorfälle  in  den  Nie- 
derländischen Colouien  in  den  Jahren  1867  bis 
1868.  A.  Niederländisch  Indien  I — III.  (Zeit- 
schrift für  Ethnographie,  2,  S.  424  £,  1870.) 

Gardner.  On  the  Chinese  race.  (Journal  of  the 
Eth nolog.  Soc.  of  London,  April  1870.) 

Gerbel,  v.  Russlands  Küstenprovinz  am  Japani- 
schen Meere.  (Ausland  1870,  S.  488 — 490.) 

Gevrey,  A.  Essai  sur  les  Comores,  8g.  pag.  308. 
Pondichery  1870. 

Glnaburg , C.  D.  The  Moabite  Stone.  A Facsi- 
mile  urith  Translation,  4(>.  pag.  45.  1 Tafel.  Lon- 
don 1870. 

Gregory.  Account  of  an  attempt  by  a native  en- 
vov  to  reach  the  catholic  missionaries  of  Tibet. 
(Proceedings  of  the  Royal  Geographie.  Society  of 
London,  VoL  14,  pag.  214 — 219.) 

Haug,  M.  Essay  on  the  Pohlavi  Language,  8°. 
pag.  156.  London  1870. 

Sielte  unter  Asb. 

Hayward.  Journey  from  Lch  to  Yarkand  and 
Kashgar  and  exploration  of  the  sourcee  of  the 
Yarkand  river.  (Proceedings  of  the  Royal  Geo- 
graphical  Soc.  of  London,  Vol.  XIV,  p.  41 — 74.) 

Missionar  Hobich  in  Kannanur.  (Ev.  Miss.  Mag. 
Neue  Folge  14,  14  f.  Basel  1870.) 

Hofftnann.  Blicke  in  die  früheste  Geschichte  des 
gelobten  Landes.  Basel  1S7Ü,  Spittler,  8*.  IV, 
196. 

Hofftnann,  J.  J.  De  Uijstbier  of  Sakobrouwcrij 
in  Japan. 


Hofftnann,  J.  J.  Bereiding  van  de  Japansche  Soda. 
N&ar  het  Japausch.  (Bijdragen  tot  de  Taal-, 
Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch  Indie, 
III.  Ser.,  5.  Deel,  2 Stuk,  1671.) 

J&nsa,  P.  Een  nieuw  vervolg  op  Gerickes  Javaansch- 
nederduitnch  woordeabock.  Samarang  1869,  8°. 
250. 

Spaziergänge  in  der  japanischen  Hauptstadt  Yeddn. 
(Globus,  Bd.  XVm,  S.  12  f.,  1870.) 

Mittheilungen  aus  Japan.  (Ebenda  Bd.  XVII,  Nr. 
14  £,  1870.) 

Fortschritte  in  Japan.  (Ebenda  Bd.  XVIII,  S.  21, 
1870.) 

Die  Aussichten  des  Evangeliums  in  Japan.  (Ev. 
Mitsa  Mag.  Neue  Folge  14,  36.  Basel  1870.) 

Glaubenszeugon  in  Japan  und  Laos.  (Ebenda 
166  S.) 

De  J&va&nsche  Handschriften  in  der  Bibliotheek 
van  bet  Nederlandsch  Bybelgenootechap.  (Tijd- 
schrift  voor Nederlandsch Indi£,  III. Ser.,  4.Jahrg., 
Sept.  1870.) 

De  Kunstsin  der  Javanen  (met  eene  plat).  Door 
P.  J.  V.  (Ebend.,  5.  Jahrg.,  März  1871.) 

Kalkar,  C.  H.  Den  danske  mission  i Ostindien  i 
de  seneste  aar.  En  samling  of  brefe.  Udgivet 
paa  det  danske  Missionsselskabs  Vegne,  med  en 
indledning,  8°.  282.  Kopenhagen  1869. 

Kayo,  J.  W.  A History  of  the  Sepoy  War  in 
India  1857 — 1858,  Vol.  II,  8°.  pag.  698.  Lon- 
don 1870. 

Der  erste  Theil  erschien  1SCS. 

Die  Mission  in  Kaschmir.  (Evang.  Miss.  Mag. 
Neue  Folge  14,  97  f.  Basel  1870.) 

Kennar,  G.  Tent  Life  in  Siberia  and  Adventures 
among  the  Kosaks  and  other  Tribes  in  Kamt- 
schatka and  Northern  Asia.  With  a Map,  8°.  432. 
London  1870. 

Kern,  H.  Körte  opmerkingen  over  Balineesch  en 
Kauri.  (Bijdragen  tot  de  Taal-,  Land-  en  Vol- 
kenkunde van  Nederlandsch  Indie,  III.  Ser.,  5. 
Deel,  2 Stuk,  1871.) 

Kern,  H.  Java  en  het  Goudeiland  volgens  de  oud- 
ste  berichten.  (Ebend.,  4.  Deel,  4 Stuk,  p.  638  f.) 

Kiepert,  H.  Der  Berg  Thecbes  in  Xeuophon's 
Erzählung  des  Rückzugs  der  Zehntausend.  Nebst 
Karte.  (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
zu  Berlin,  Bd.  5,  S.  456 — 460.) 

Nach  einem  Memoire  des  Chefingenieur  d«s  •Strassen - 
bau  es  im  Wilajet  Trabizon  P.  Rovit  zu  Xenoph.  An»b. 
4,  7,  25. 

Kiepert,  H.  Notiz  über  die  letzten  Reisen  und 
die  gegenwärtigen  Zustände  in  Balutschistan. 


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Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur.  40  L 


Mit  1 Karte.  (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde  zu  Berlin,  Bd.  5,  1870,  S.  193 — 197.) 

Auszug  aus  Kos«  notes  on  Mekran  wich  a roport 
of  a visit  to  Kej  and  upper  route  fromGwadur  tu  Kur* 
rache«  in  Sept.  And  Oct.  1863.  Aus  den  Tfansactions 
of  the  Bombay  Geographica!  Society. 

Kiepert,  H.  Brief  an  die  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde zu  Berlin.  Jerusalem  5.  Mai  1870.  (Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin, 
Bd.  5,  S.  261  f.) 

Kurze  Notizen  über  eine  Reise  im  Land  westlich  vom 
Jordan,  von  vorwiegend  antiquarisch  - geographischem 
Interesse. 

Kiepert,  B.  Deutsche  Coloniaation  in  Palästina. 
Brief  aus  Jaffa  Ende  Mai  1870.  (Zeitschrift  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin,  Bd.  5,  8. 375 
—376.) 

King.  The  aboriginal  tribes  of  the  Nilgiris  Hills. 
(Journal  of  Anthropology,  Juli  1870.) 

Klinkcrt,  H.  C.  De  laatste  strijd  en  heldendood 
van  den  Generaal  Micliiels.  Vertaalt  uit  het  lo- 
caal-Maleisch  von  Java  door — . (Tijdschrift  voor 
Nederlan  tisch  Indie,  111.  Ser.,  4.  Jahrgang,  Sept. 
1870.) 

Knox,  T.  W.  Overland  through  Asia.  Pictures 
of  Siberian  Chinese  and  Tatar  life.  Illustr^  8°. 
pag.  608.  London,  Hartford,  1871. 

Kolp&kowski.  Ueber  alte  unter  dem  Spiegel  des 
Iesyk  - Kul  befindliche  Bauüberreste.  (Iswestija 
der  kaiserl.  russ.  Geograph.  Gesellschaft.  Bd.  V, 
Kr.  3.) 

Kopsoh.  Notes  on  the  river  in  Northern  Formosa, 
(Proceedings  of  the  Royal  Geographical  Society  of 
London,  Vol.  XIV,  pag.  78 — 82.) 

Kühne,  Prof.  Dr.  Japan  (I — VI).  (Aus  allen  Welt- 
teilen 1870,  Nr.  14—51.) 

Leonowons,  A.  H.  The  English  Governess  at 
the  Siamese  Court.  Being  Itecollectiona  of  Six 
\ears  in  the  Royal  Palace  at  Bangkok,  8°.  pag. 
322.  London,  Trübner. 

Lotterie , M.  Ein  Blatt  Geschichte.  Bilder  aus 
dem  biblischen  Morgenlande,  8°.  8.  156.  Leip- 
zig, I seiner,  1870. 

Levin.  Wild  races  of  South  - Eastern  India,  8®, 
pag.  360.  London,  Allen,  1870. 

Levy,  M.  A.  Phöni zische  Studien,  4.  Heft,  8°. 
Nr.  85,  1 Tafel.  Breslau,  Schietter,  1870. 

Da«  dritte  Heft  erschien  186*1. 

Lindenfels.  Die  Sandsee  und  der  Krater  des 
Bromo  auf  Java.  (Ausland  1870,  Nr.  453.) 

Lin  Tsesiu,  ein  chinesischer  Staatsmann,  der  Ur- 
heber des  englisch- chinesischen  Krieges  1840. 
(Petermann’s  Mitthoilungen  1870,  460.  Nach 
einer  chinesischen  Biographie  vom  Pekinger  Cor- 
Archir  fOr  Anthropologie,  Bd.  IV.  Heft  IV. 


respondenten  der  kaiserl.  rusa.  Geograph.  Gesell- 
schaft, Bd.  VI,  S.  143—145.) 

Low.  Notes  on  Western  Turkistan.  IUustruted 
Travels  1870,  pag.  212—218,  230—234. 

Low , C.  R.  The  Land  of  the  Sun.  Sketches  of 
Travel  with  memoranda,  historical  and  geogra- 
phical, of  Placos  of  Interest  in  the  East,  visiting 
during  rnany  years  Service  in  the  Indian  Waters, 
8°.  pag.  XII,  356.  London  1870. 

Maltzan,  H.  v.  Briefliche  Mittheilungen  über 
Hadhramaut  Cairo,  den  18.  Oct.  1870.  (Zeit- 
schrift der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin, 
Bd.  5,  S.  465—467.) 

Zusätze  za  A,  v.  W rede«  Reise  in  Hadhramaut  und 
Bericht  üb«r  die  neuesten  geschichtlichen  Ereignisse  in 
diesem  Gebiete. 

Marsh,  Rov.  Dr.  W.  The  Tennessean  in  Persia 
and  Koordistan ; being  Scenes  in  the  Life  of  Sam. 
A.  Rhua,  8°.  London,  Trübner. 

Marthe.  Ehe  Reise  Walichanofs  nach  Kaschgar, 
ergänzt  durch  neuere  russische  Reiseberichte. 
(Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Ber- 
lin, Bd.  5,  1870,  S.  151  — 180.) 

Der  Reisebericht  Walichanofs  liegt  der  Darstellung 
zu  Grunde;  die  Ergänzungen  sind  entnommen:  1)  der 
Reise  des  Baron«  v.  Osten-Sacken  1867;  2)  der  Reise 
Ssiwerzofs,  Herbst  1867;  3)  der  de«  Kap.  Stein- 
thal im  Herbst  1868. 

Mateer,  Rev.  Samuel.  The  Laud  of  Charity:  a 
descriptive  account  of  Travancore  and  ita  people 
with  special  reference  to  missionary  labour,  8°. 
pag.  376.  London,  Snow,  1870. 

Matheson.  England  to  Delhi.  A narrative  of 
Indian  travel,  41'.  pag.  539.  1 Karte,  82  Illustra- 
tionen. London,  Longmans,  1870. 

Millingen.  Wild  life  among  the  Koords,  8®.  pag. 
300.  London,  Hurst  and  Blackett,  1870. 

Jets  over  het  bijgeloof  in  the  Minahasa,  door  de 
C.  (Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie,  III.  Ser. 
4.  Jahrg.,  Juli  1870.) 

Bijdrage  tot  de  kennis  der  Minahasa  door  de  C. 
(Ebend.,  Aug.  1870.) 

Over  eenige  maatsch&ppeiijke  instellingen  bij  de 
inlandsche  Christenen  in  Minahasa.  Door  de  C. 
(Ebeud.,  5.  Jahrg.,  März  1871.) 

Missionary  Anocdotes.  Serie«  first.  The  Islands 
of  the  Pacific;  India  and  Burmali;  China;  North 
Africa  and  Turkey;  South  Africa  and  Madagas- 
car;  North  America  and  the  West  Indies,  16°. 
pag.  233.  Philadelphia  1871. 

Montgomery.  Report  of  the  Trans  - Himalayan 
explorations  made  during  1868.  (Proceedings  of 
the  Royal  Geographical  Society  of  London,  Vol. 
14,  pag.  207—214,  1870.) 

51 


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402  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Moule,  A.  E.  Four  Hundred  Millions.  Chaptcrs 
on  China  and  the  Chinese.  With  Maps  and  Hin* 
strated,  8°.  pag.  200.  London  1870. 

Muir,  J.  Original  Sanskrit  Text  on  the  Origin 
and  History  of  the  People  of  India.  Collected, 
translated  and  illustrAted.  Vol.  V.  Contributions 
to  a knowledge  of  the  Cosraogony,  Mythology, 
religioua  Ideas,  Life  and  Männer«  of  the  Indian 
in  the  Vedic  Age,  8®.  pag.  XIV,  491.  London 

1870. 

D<er  vorhergehende  Band  erschien  1863. 

Nadeschdin,  P.  Die  Natur  und  die  Völker  des 
Kaukasus  und  seine  nächsten  Umgebungen,  8®. 
St.  Petersburg  1869  (russisch.) 

Niemann,  G.  K.  Over  bet  guloof  oan  gelukkige 
en  ongelukkige  tijden  bij  versckillende  volken 
van  Nederlandsch  Indie.  (Bijdragen  tot  de  Taal-, 
Land*  en  Volkeukunde,  III.  Ser.,  5.  Deel,  2 Stuk, 

1871. ) 

Nöldeke.  Die  Inschrift  des  Königs  Mesa  von  Moab 
erklärt.  Mit  1 lithograph.  Tafel,  8°.  VII,  S.  38. 
Kiel,  Schwer«,  1870. 

Di<*  Inschrift,  welche  an*  d**m  9.  Jahrhundert  v.  CUr. 
stammt,  ist  nicht  blos»  sprachlich  sondern  auch  histo- 
risch von  Wichtigkeit. 

Norrie,  Edw.  Assyrian  Dictionary  of  Cuneiform 
Inscriptions  of  Assyria  and  Babylonia,  Vol.  II. 
London  1870,  4®.  XII,  353—708. 

Opport,  J.  Los  inscription«  de  Dour-Sarkayan 
(Khorsabad),  proveDant  des  fouilles  de  Vict  Place, 
dechiffrees  et  interpretees  Fol.  p.  39.  Paris,  1m- 
prim.  inip.  1870. 

Over  den  rechstoestand  der  hoofdplaato  Palembang. 
(Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie,  III.  Serie, 
4.  Jahrg.,  Nov.  1870.)  • 

Palästinensisches.  1.  Die  Hafenstadt  Jerusalems, 
Jaffa.  2.  Von  Jaffa  nach  Jerusalem.  3.  Ein  Rund- 
gang um  Jerusalem.  4.  Ein  Ritt  nach  dem  Kreuz- 
kloster und  dem  Philippsbronnen.  5.  Ein  Ritt 
nach  St.  Johann  in  der  Wüste.  (Ausland  1870, 
Nr.  733—735,  802—804,  836—838,  846—847, 
879.) 

Parkinson,  J.  C.  The  Ocean  Telegraph  to  India. 
A Narrative  and  a Diary,  8°.  pag.  336.  London 
1870. 

Paspati,  A.  G.  Etüde«  sur  les  Tschingianes  ou 
Bohemiens  de  Pempire  Ottoman.  (,’onatantinuple 
1870. 

Enthält  ein  etymologisches  Wörterbuch  der  .Sprache 
der  Zigeuner  in  der  Türkei;  sowie  sechs  Zigenner-Kr- 
aihlongeo, 

Perelaor.  Ethnographische  besehrijving  der  Da- 
jak«!, 8rt.  266.  4 Tafeln.  Zaltbommel,  Noman, 
1870. 


Plath,  J.  H.  Ueber  zwei  Sammlungen  chinesischer 
Gedichte  aus  der  Dynastie  Thang.  München  1869, 
8°.  S.  58. 

Plath,  J.  H.  Die  Quellen  der  alten  chinesischen 
Geschichte  mit  Analyse  des  Sse-ki  und  I*sse,  8°. 
S.  101.  München,  Franz,  1870. 

Die  preussisohe  Expedition  nach  Oatasien.  An- 
sichten aus  Japan,  China  und  Siam.  Im  Aufträge 
der  Königlichen  Regierung,  herausgegeben  von 
A.  Berg.  7.  lieft,  Fol.,  4 Photolith.  in  Tondrock, 
2 Chromolith.  in  Oel  und  3 Blatt  Text  in  deut- 
scher, englischer  und  französischer  Sprache.  Ber* 
lin,  v.  Decker,  1870. 

Bijdragen  tot  de  Keunis  der  Preanger  regent- 
aohappen. Door  v.  d.  H.  (Tijdschrift  voor  Ne- 
derlandsch Indie,  III.  Ser.,  4.  Jahrg.,  Oct.  1870.) 

Presohewalski,  N.  M.  Das  Klima  des  Usauri- Lan- 
des auf  Grundlage  fünfzehnmonatlicher  Beobach- 
tungen. (Petcrmann’a  Mittheilungen  1870,  459, 
aua  Bd.  6,  Nr.  5 der  Iswestga  der  Kaiserl.  ross. 
Geograph.  Gesellschaft  vom  8.  Juli  1870.) 

Die  Wintertemperatur  Arcliangels  ist  milder  als  die 
am  Ussuri , dessen  Winter  durchaus  continentales,  des- 
sen Sommer  mehr  oceanischt-s  Klima  hat;  bedingt  sind 
diese  Verhältnisse  durch  Meeres-  und  Luftströmungen, 
durch  orographbebe  Verhältnisse,  durch  Wälder  und 
Sümpfe  Daher  zeigt  auch  Pflanzen-  und  Thierleben 
eine  Mischung  nördlicher  und  «iidlicher  Formen.  Ge- 
rade deshalb  ist  die  Natur  des  Landes  von  höchstem 
Interesse  und  dürfte  ihr  Studium  geeignet  sein,  gar 
manche  wichtige  Krage,  z.  B.  über  Entstehung  und 
Umhildnng  der  Arten,  wenn  auch  nicht  ganz  zu  lösen, 
so  doch  bedeutend  zu  fördern.  In  Nr.  6 desselben 
Bandes  berichtet  Presche walski  über  die  Flora  und 
Fauna,  sowie  über  die  nicht  russische  Bevölkerung  die- 
ses Gebietes. 

Prichard,  J.  Th.  The  Administration  of  India 
from  1859  to  1868.  The  first  ten  yoars  of  Ad- 
ministration undor  the  Crown,  2 Vols.  London 
1869,  8°.  pag.  VIII,  701. 

Pynappei,  J.  Aanteekeningen  op  II.  C.  Klinkerts 
Supplement  op  niij  Maleisch  wordenbook.  (Bij- 
dragen tot  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde  van 
Nederlandsch  Indie,  III.  Ser.,  5.  Deel,  1.  Stuk, 
p.  I f.,  1870.) 

Pynappei,  J.  Ptoleroaeus  en  de  Indische  Archi- 
pel. Eene  Kritiek  der  Verklarungen  van  de  Be- 
richten van  Claudius  Ptolemaeus.  Met  1 Haart  - 
(Ebend..  pag.  36.) 

Pynappei,  J.  De  Maleische  Handschriften  der 
Leidsche  Bibliotheek.  (Ebend.,  5.  Deel,  2.  Stuk, 
1871.) 

Pynappei,  J.  Catalngus  der  Maleische  Hand- 
schriften in  de  Leidsche  Bibliotheek. 

Radde,  Gustav.  Berichte  über  die  biologisch- 
geographischen Untersuchungen  in  den  Kanka- 
susiändern.  Im  Aufträge  der  Civilhauptvcrwal- 


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Verzeichnis  der  anthropologischen  Literatur.  403 


tung  der  kaukasiiicben  Statthalterschaft  ausge- 
führt. I.  Jahrgang.  Reisen  im  Mingrelieohen 
Hochgebirge  und  in  seinen  drei  Längenhochthä« 
lern  Rion,  Tskenis  - Tsquali  und  Ingur.  Tiflis 
1866  (Leipzig,  Winter),  4°.  225.  3 Karten,  9 Ta- 
feln in  Ton-  und  Schwarzdruck. 

Von  Wichtigkeit  zunächst  für  den  Geographen,  dann 
für  den  Geologen,  Botaniker  and  Zoologen.  Doch  giebl 
der  Verfasser  auch  Beitrag«  zur  Ethnologie  des  Kauka- 
sus, zunächst  zur  Kenntnis«  des  Landes  Kolchis  und 
»einer  Bewohner,  der  Mingrelier  und  der  .Swanen,  de- 
nen ein  ganzes  Capitol  (IV)  gewidmet  ist.  Da  der  Ver- 
fasser auch  ihre  Sprache  behandelt  und  zahlreiche  Pro- 
ben giebt,  so  findet  auch  der  Linguist  Ausbeute.  Von 
«igeuthümlichem  Interesse  ist  der  Bericht  über  das  kau- 
kasische MciJ-euni  in  Tiflis,  der  am  Schluss  des  Bandes 
mitgetheilt  wird;  denn  dies  Museum,  welches  auch  für 
den  Archäologen  mancherlei  Interessante*  enthält,  ist 
für  kaukasische  Ethnologie  natürlich  «ehr  reich  und 
seine  ganze  Einrichtung  zweckmässig.  Wenn  diese 
Berichte  in  .weiteren  Jahrgängen  fortgesetzt  werden,  so 
würde  sich  Herr  Rade  ein  grosses  Verdienst  erwer- 
ben nnd  der  Kaukasus  ethnologisch  immer  bequemer  zu 
überschauen  sein  — gerade  bei  den  vielfach  wichtigen 
und  interessanten  Verhältnissen  diese*  Gebirges  von  hoher 
Bedeutung.  Auch  die  Abbildungen  betreffen  zum  Theit 
Ethnologisches. 

Radloff,  W.  W.  Die  Sprachen  der  türkischen 
Stämme  Südsibiriens  und  der  Dsungarischen 
Steppe.  I.  Abtheilung.  Proben  der  Volkslitera- 
tur der  türkischou  Stämme  Südsibiriens.  III.  Ab- 
theilnng.  Kirgisische  Mundarten,  8f’.  XXVII,  856. 
St.  Petersburg  1870  (Leipzig,  Voss.) 

Der  kirgisische  Text  (XXVI,  712)  dieses  wichtigen 
und  bedeutenden  Werkes  ist  zugleich  nnd  am  gleichen 
Ort  erschienen. 

Radlofl,  W.  ,W.  Reise  ins  Siebenstromland  und 
zum  Issyk-Kul.  (Iswestija  derKaiserl.  russ.  Geo- 
graphischen Gesellschaft,  Bd.  VI,  Nr.  33,  rusHisch. 
St.  Petersburg  1870.) 

Ein  Blick  auf  Radschputana.  (Ev.  Miss.  Magaz., 
14,  49.  Basel  1870.) 

The  Recovery  of  Jerusalem,  a narrative  of  Explo- 
ration and  Discovery  in  the  City  and  the  lloly 
Land.  By  Capt  Wilson,  Capt.  Warren  etc.  with 
an  Introdnction  byA.P.  Stanley  edit  by  Walther 
Morrison,  8°.  pag.  580.  London,  Bentley. 

Report«,  parliamentary , showing  the  Progress  of 
Education  in  India  since  1866. 

Richthofen,  F.  v.  Reise  durch  Liao-tung  und 
Pe-tschili  nach  Peking,  Mai  bis  Juli  1869.  (Po- 
termann's  Mittheilungen  1870,  S.  369 — 372.) 

Vorwiegend  geographischen  Inhalt«,  enthält  der  Auf- 
satz einig«  beachtenswert!!«  Notizen  über  Umschrift  de« 
Chinesischen,  sowie  sehr  interessante  Beobachtungen 
über  den  Kampf  der  chinesischen  mit  der  Mantschn- 
Sprache  und  dem  siegreichen  Vordringen  der  ersteren. 

Richthofen,  Ferd.  v.  Schreiben  über  seine  Rei- 
sen zur  Grenze  von  Korea  und  in  der  Provinz 
Hu-nau.  (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde zu  Berlin,  Bd.  5,  S.  317 — 339.) 


Ri  eh  th  ofen  schreibt  von  Shanghai  23.  Nov.  1869, 
dass  er  aoi  Kao-li-niön  (Thor  von  Korea)  gerade  zur 
Zeit  der  Messe  zwischen  Koreanern  und  Chinesen  ge- 
wesen sei,  schildert  die  scharfe  Abgeschiedenheit  beider 
Länder  und  dann  die  Koreaner  selbst.  Unter  anderem 
beschreibt  er  zwei  Typen  derselben,  einen  lang-  und 
einen  kurzkopfigen.  In  letzterem,  nur  iui  niederen  Volke 
vertretenen  denkt  er  au  eine  den  Ainus  verwandte, 
von  den  Koreanern  verdrängte  Urrace.  Auch  l'eber- 
gang&formen  finden  sich.  Kindshäute,  Felle,  vorzügliches 
Papier,  Trepang,  nnd  eine  eigene  Art  Seide  bringen  die 
Koreaner  zu  Markt.  — Der  Bericht  über  Hu-nau  im 
Auszug  von  Koner,  bespricht  besonders  die  Produkte 
(Kohle)  und  die  merkantilen  Verhältnisse  der  Provinz. 

Rogow,  N.  Permisch-rußsiRches  und  russi&ch-per- 
misches  Wörterbuch.  St.  Petersburg  1869. 

Roorda,  T.  Nog  oone  bijdrage  tot  verklaring  van 
oenige  Uitdrukkingcn  inde  Wsgang-Verhalen  Ph- 
l&s&rii  P&ndoe  en  Raden  Pandy.  (Bijdragen  tot 
de  TaaJ-,  Land-  en  Volkenkonde  van  Nederlandach 
ln  die,  III.  Ser.,  5.  Deel,  l.Stuk,  p.  121  f.,  1870.) 

Roasmässler,  Fr.  Die  Halbinsel  Apscheron  mit 
ihren  Naphtha-  und  Gasquellen.  (Aus  allen  Welt- 
theilen  1870,  Nr.  48  und  49.) 

Ruprecht,.  F.  J.  Flora  Caucasi.  Pars  1.  (Metnoires 
de  PAcad.  imp.  des  Sciences  de  St.  Petersbourg, 
VII.  Serie,  Tome  XV,  Nr.  2).  St.  Peteraburg  1869 
(Leipzig,  Voss),  411.  Nr.  302. 

Besiedelung  der  Insel  Sachalin.  (Globus,  Bd.  XI, 
S.  17,  Nr.  15,  1870.) 

Die  Mission  in  Sarawak.  (Ev.  Miss.  Magaz.  Neue 
Folge  14,  129.  Basel  1870.) 

•Schildert  Brook  es  Wirksamkeit  unf  Borm-o. 

Savio.  La  prima  spedizione  italiana  nell’  interno 
del  Giappane  e nei  centri  sericoli,  1 6°.  108.  1 Karte. 
Mailand,  Trevee,  1870. 

Schlagintweit-Sakünlünski,  H.  v.  Reisen  in 
Indien  und  Hochasien.  Eine  Darstellung  der 
Landschaft,  der  Cultur  und  Sitten  der  Bewohner 
in  Verbindung  mit  klimatischen  und  geologischen 
Verhältnissen.  Basirt  auf  die  Resultate  der  wis- 
senschaftlichen Mission  von  Herrn.  Adolph  und 
Robert  v.Schlagi  nt  weit,  ausgeführt  in  den  Jahren 
1854  bis  1858.  Zweiter  Bd.,  llochaBien.  1.  Der 
Himalaya  von  Bhutan  bis  Kashmir.  10  Illustra- 
tionen, XVIII,  476.  Jena,  CoBtenoble. 

Zunächst  enthält  dieser  zweite  Band  das  Verzeichnis« 
der  Illustrationen,  Transcription  und  Register  de«  er- 
sten Bande*,  sowie  in  gedrängten  Auszügen  auf  vier 
eng  gedruckten  Seiten  Urtlieile  der  Presse  über  densel- 
ben. S.  25  — 64:  Ethnographische  Ueberslcht  de*  be- 
handelten Gebietes;  indische  Aboriginerstüminc,  Kasten 
nnd  Racen  arischen  Stammes;  tibetische  Kucc;  Men- 
schenraccn  in  buddhistischen  Götterbildern.  (Was  S. 
40  f.  über  den  «Sprach Wechsel  eines  arischen  Stammes 
gesagt  wird,  ist  «ehr  problematisch).  S.  263 — 290:  Be- 
wohner und  Sitten  lu  Sikkim  und  Nepal.  S.  446—456: 
Bewohner  der  nordwestlichen  Gebiete.  Andere»  ethno- 
logisches Material  ist  durchs  Werk  verstreut.  Von  S.  47t# 
— 473  folgt  ein  Verzeichn  iss  säuuntiieher  Leistungen 
sämmtlicher  Gebrüder  v.  Schiagint weit  in  Büchern, 
plastischen  Publicationen,  Photographie  und  Technik. 

51* 


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404 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Schlagintweit-S&künlünski,  H.  v.  I>ie  Kh/iBsiaa 
und  ihre  Nachbarvölker  in  den  Gebirgen  von 
Assam  gegen  Hinterindien.  (Ausland  1870, 
Nr.  529  f.) 

Schott,  W,  Altaische  Studien  oder  Untersuchun- 
gen auf  dem  Gebiete  der  tatarischen  (turanischen) 
Sprachen.  4.  Heft,  4Ü.  43.  Berlin,  Dümmler,  1870. 

Aus  den  Abhandlungen  der  königl.  Akademie  der 
Wissenschaften.  Das  3.  Heft  erschien  1867. 

Schwerdt,  H.  Jahrbuch  der  neuesten  und  inter- 
essantesten Reisen,  2.  Band,  2.  Hüfte.  Die  Län- 
der der  Bibel,  wie  sie  waren  und  wie  sie  sind. 
Pilgerfahrt  auf  den  Sinai  und  nach  Jerusalem. 
Für  Jung  und  Alt  bearbeitet,  8°.  195.  Langen- 
salza, Schulbuchhandlung,  1870. 

Selderetaki,  E.  Skizzen  vom  gegenwärtigen  Kau- 
kasus. 1.  Heft  (russisch).  8°.  XV,  84.  Berlin, 
Behr,  1870. 

Sewell,  Rb.  The  analytical  History  of  ludia  from 
the  earliest  Times  to  tbe  Abolition  of  the  Hon. 
East  India  Company  in  1858.  London  1869,  8®. 
368  pag. 

Shaw,  Hob.  Visit  to  High  Tartary,  Yarkand  and 
Kashgar  and  Return.  Journey  over  the  Karako- 
rum Pass,  8°.  London,  Longmana,  1871. 

Ein  König  von  Siam  als  Reformator  des  Buddhis- 
mus. (Globus,  Bd.  XVII,  Nr.  18,  1870.) 

Sicard,  Cap.  F.  De  la  navigation  du  coura  infe- 
rieur  de  TEuphrate  eu  Basse  Mesopotamie.  Mit 
2 Karten.  (Revue  maritime  et  coloniale.  Aug. 
1870,  S.  792—807.) 

(liefet  eile  Resultate  von  Aufnahmen  und  Tiefenmes- 
sungen auf  dem  Sehat-cl-Arah , dem  unteren  Euphrat 
und  dem  unteren  Tigris  im  November  1868.  Durch 
genaue  ßt-sehreibungen  der  merkwürdigen  Sumpfgegen- 
den, welche  jene  Strome  dtircliflicsscn , durch  Angaben 
über  dte  Einwirkung  derselben  auf  die  Bewohner  von 
Interesse. 

Simon.  Recita  d'unvoyage  en  Chine,  8°.  18.  Paris, 
Martinet,  1870.  (Extrait  du  Bulletin  de  la  So- 
cietö  imper.  d’acclimation.  März  1870.) 

Spiegel,  Fr.  Eränische  Altorthumskunde.  1.  Bd. 
Geographie,  Ethnographie  und  ältest«  Geschichte. 
Leipzig,  Engelmann,  1870,  XII,  760. 

Was  Lassen,  dem  das  Buch  gewidmet  ist,  für  In- 
dien, das  leistet  Spiegel  in  diesem  neuen  grundlegen- 
den Werke  für  das  eränische  (Jebiet  und  füllt  damit, 
wie  wohl  nur  er  es  konnte,  eine  lang  empfundene  Lücke 
aus.  Der  Plan  seines  Werke*  ist  ein  sehr  umfassender  j 
denn  während  der  vorliegende  Band  in  den  drei  ersten 
Büchern  Geographie,  Ethnographie  und  älteste  Geschichte 
des  Gebiete*  enthält,  so  sollen  in  den  noch  folgenden 
Bänden  das  vierte  nnd  fünfte  Buch  die  politische  und 
Ketigionsgeschichtc  Krüns  „bis  zum  Sturze  des  Saaani- 
denreiche*  durch  den  Islam  umfassen,  während  eine 
Darstellung  der  häuslichen  und  staatlichen  Alterthümer 
im  sechsten  nnd  siebenten  Buche  das  Ganze  lx*schlicit*en 
»oll*-  Mögen  die  letzteren  möglichst  rasch  erfolgen; 
gerade  sie  kommen  bei  Lassen  zu  kurz  und  doch  sind 


sie  für  den  Ethnologen  so  vorzugsweise  wichtig.  Ganz 
besonders  sind  sie  das  auf  einem  so  höchst  merkwürdi- 
gen und  doch  verbäluiissmäasig  so  wenig  bekanntem 
Gebiete  wie  Krau.  — Nachdem  der  Verfasser  zunächst 
des  östlichen  Krüns,  sowie  Armeniens,  dann  die  poli- 
tische Einleitung,  Clima  und  Produkte  Krüns  und  end- 
lich die  tirenzlandcr  des  Gebietes  geschildert  hat,  be- 
handelt er  im  zweiten  Buch  zunächst  die  Ethnographie 
Kraus  und  bespricht  (307  — 377)  die  Afghanen,  Be- 
luccn,  Brahuis  u.  s.  w.,  die  turk manische  Bevölkerung 
Krüns,  die  Liiristüner,  Kurden,  Armenier  u.  s. 
und  die  Semiten  des  Gebietes;  darauf  aber  (394  — 
4*23)  die  Völker  der  angrenzenden  Länder.  Das  dritte 
Buch  behandelt  zunächst  die  Abstammung  und  ältesten 
Verhältnisse,  sodann  die  mythische  Vorgeschichte  der 
Erünier.  In  den  15  Beilagen  (738—760)  werden  die 
einzelnen  Stämme  und  L’nterabtheilungen  der  Beluccn, 
Brahui,  Turkmanen,  Kurden,  der  Shäfe-Araber  u.  s-  w. 
aufgczählt.  Dass  dies  Werk  auf  der  sichersten  Gelehr- 
samkeit, den  umfassendsten  Studien  beruht,  dafür  bürgt 
schon  der  Name  seines  Verfassers,  dem  es  vergönnt  «ein 
möge,  thunlichst  bald  dies«  seine  grosse  Arbeit  zu  voll- 
enden und  damit  der  deutschen  Literatur  ein  Werk  zu 
schenken,  auf  welches  sic  mit  vollstem  Rechte  stolz 
sein  kann. 

Stachjew.  Hinter  dem  Baikal  and  auf  dem  Amur- 
fluaa.  Reiseakiazen  (russisch.)  St.  Petersburg  1869, 
8°.  347. 

Stickel,  J.  Gut.  Handbuch  der  morgenlündischen 
Münzkunde.  2.  Heft.  Auch  unter  dem  Titel:  Daa 
growh  erzog  liebe  orientalische  Münzcabinet  zu 
Jena,  beschrieben  und  erläutert.  2.  Heft:  Aelteate 
muhanmiedauiache  Münzeu  bis  zur  Münzrefonn 
Abdulmelika.  1 lithographirte  Tafel,  4°.  V,  126. 
Leipzig,  Brockhaua,  1870. 

Das  erste  Heft  erschien  1845. 

Btoliczka.  Reisen  in  Hinterindien , auf  die  Niko- 
baren  und  Andamanen.  (Verhandlungen  der  k. 
k.  geolog.  Reichsan&talt  1870,  23  f.) 

Hauptsächlich  zoologischen  Inhalts. 

Swinhoc.  A trip  to  Kalgan  in  the  antumn  of 
1868.  (Proceedinga  of  the  Royal  Geographic&l 
Society  of  London,  Vol.  XIV,  pag.  83 — 85.) 

Talos  of  Old  Japan.  (Translated  by  A.  B.  Mitford. 
With  40  fullpage  Ulustrated,  2 Vota,  8®.  London, 
Longmana,  1871.) 

Taylor,  Meadows.  A Studenta  Manual  of  History 
of  India  from  the  earliest  Period  to  the  Present, 
8®.  Vol.  XX,  pag.  884.  London.  Longmana,  1871. 

„Mr.  Taylor  hat  compilrd  a «uccinct  but  by  no 
nicuns  a briet  or  defective  manual  of  Indian  history.“ 
„The  history.  which  beginn  with  the  earliest  rveords  of 
India  ib  eontinued  to  the  year  1870.“ 

Tkorp,  R.  Casbmere  Miagovernment  London, 
Longmana,  1870. 

Auszug  im  Globus,  Bd.  XVII,  Nr.  12. 

Tinling.  The  english  speaking  Natives  of  India. 
Bcing  not«*  of  an  Evangelist*  Tour  in  the  three 
Presidenciea.  London,  Macintosh,  1870. 

Der  Stamm  der  Todaa  in  den  Nilgherria  und  seine 
Gebräuche.  (Globus,  Bd.  XVIII,  S.  23,  1871.) 


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405 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Vyf  en  dertig  Touneoaache  raadols  met  vertaa- 
ling  en  aanteekeningen  door  de  C.  Aanteekeningen 
beheizende  eene  verglijking  tusschen  de  Toam  ba- 
ltische enTounae&schedi&lecten.  (Tijdschrift  voor 
Ni*derland«ch  Indie,  III.  Ser.,  4.  Jahrgang,  Sept. 
1870.) 

Tretjakow.  Das  Land  Turuchan.  2.  Ethnogra- 
phischer Theil.  Nach  dein  Russischen  (zweiter 
Band  der  Denkschriften  der  Kaiser),  ross.  Geogr. 
Gesellschaft)  von  F.  Sveceny.  (Mittheil,  der  Geo- 
graphischen Gesellschaft  in  Wien,  Neue  Folge,  3, 
1870,  S.  396—413.) 

Trumbull.  The  composition  of  Indian  Geogra- 
phical  naraes,  8°.  pag.  51.  Hartford,  1870. 

Die  Bergvölker  Tachittagonas.  Nach  T.  H.  Le- 
win: The  hill  tracts  of  Chittagong  and  theDwel- 
lers  Therein;  with  comparative  vocabularies  of 
the  Hill  dialects.  Calcntta.  (Globus,  Bd.  XVHI, 
S.  5,  1870.) 

TJssoljzefi',  A.  F.  Jahresbericht  über  die  Tbätig- 
keit  der  sibirischen  Section  der  Kaiserl.  russisch. 
Geographischen  Gesellschaft  für  das  Jahr  1869, 
8°.  St.  Petersburg  1870  (russisoh.) 

Von  anthropologisch-fthtiogruphischem  Interesse  darin 
Mittheilungen  über  die  Expeditionen  der  Kaiserl.  rus*. 
Geograph  i&chen  Gesellschaft:  l)  die  Expedition  in« 
Tsclmktsclien- Land;  2)  die  ethnographische  Expedition 
in  den  Südussuriecben  Landstrich. 

Die  Besiedelung  des  Ussurilandcts.  (Petermann’s 
Mittheilungen  1870,  S.  342.)  Nach  Prschewala- 
ky8  Berichton  an  die  Kaiserl.  russisch.  Geograph. 
Gesellschaft. 

Vambery,  Herrn.  Ein  Blick  auf  Centralasien.  Ri- 
valität zwischen  Russen  und  Engländern.  (Glo- 
bus, Bd.  XVn,  Nr.  9 f.,  1870.) 

Vämbery,  Herrn.  Asiatische  Völkertypen.  Die 
Gebr;  die  Kurden.  (Globus,  Bd.  XVI,  1869;  Bd. 
XVII,  Nr.  2,  1870.) 

Vambery,  Herrn.  Russlands  Machtstellung  in 
Asien.  Eine  historisch  politische  Studie.  8*.  Leip- 
zig, Brockhaus,  1871. 

Vambery,  Horm.  Die  heutigen  Zustände  in  der 
Dzungarei.  (Globus,  Bd.  XVIII,  Nr.  22,  1870.) 

Vimbery,  Herrn.  Die  Zigeuner  in  der  Türkei. 
Besprechung  des  Buches  von  Paspati.  (Globus, 
Bd.  XVIII,  Nr.  18.) 

Vamböry,  Herrn.  Zigeunerische  Erzählungen. 
(Globus,  Bd.  XVIII,  Nr.  21,  1870.), 

Nach  Paspati.  Beide  Erzählungen  gehören  zu  weit- 
verbreiteten ursprünglich  indischen  Märchenkreisen.  Die 
zweite  findet  «Ich  auch  in  den  Hindtuuärchrti  der  M. 
Frere. 

Veth,  P.  J.  Vrouwenregeeringen  in  den  Indischen 
Archipel.  (Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie, 
III.  Ser.,  4.  Jahrg.,  Nov.  1870.) 


Opmerkingen  naar  aanleiding  van  het  17deHoofd- 
stuck  van  W&llacea  „Iuaulinde*1  en  de  aantee- 
keningen van  den  Vertaaler  d&rop.  (Ebend.,  5. 
Jahrg.,  Febr.  1871.) 

Unter  dem  Titel  .Insulinde“  ist  Wallace«  „malaii- 
scher Archipel“  von  Veth  ins  Holländische  übersetzt. 

Wanderungen  im  südlichen  Indien.  (Globus,  Bd. 
XVIII,  Nr.  8;  Bd.  XVH,  Nr.  10  f.,  1870.) 

Nach  Grandidier  und  Granl. 

Webb,  F.  C.  Up  the  Tigris  to  Bagdad.  With 
Illustrations.  London  1870,  8°. 

Whymper,  Fr.  Alaska,  deutsche  Ausgabe  von 
Steger:  Braunschwoig,  Vieweg,  1869. 

Hier  zu  erwähnen  wegen  der  Notizen,  die  Whym- 
per über  die  Tschuktjcben  und  Kamtschatka  giebt. 

Wiener,  W.  Nach  dem  Orient.  Reiaeskizzen. 
Wien  1870,  8°.  IV,  240. 

Wilken,  N.  P.  Jets  over  den  landbouu  in  de 
Minabassa  en  de  darbij  gebrnikelyke  benainingen. 
(Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indie,  III.  Serie, 
4,  Jahrg.,  Nov.  1870.) 

Williamson,  Bev.  Alex.  Journeys  in  North  China, 
Manchuria  and  eastern  Mongolin;  with  some  Ac- 
count of  Corea.  With  llluatrations  and  Maps. 
2 Vols,  8°.  London,  Smith,  Eider  and  Comp., 
1871. 

Wrede,  A.  y.  Reise  in  Hadhramaut,  Beled  Beny 
Yssa  und  Beled  el  Hadechar.  Herausgegeben  mit 
einer  Einleitung,  Anmerkungen  und  Erklärung 
der  Inschrift  von  'Ohne  versehen,  von  Heinrich 
Freiherrn  v.  Maltzan.  Nebst  Karte  und  Facsimile 
der  Inschrift  von  Oboe,  VIII,  375.  Braunschweig, 
Vieweg,  1870. 

A.  v.  Wrede  reiste  1843  in  die  gänzlich  unbekann- 
ten Gegenden  de«  südlichen  Arabiens  bis  zur  Wüste 
El  Ahgaf.  Er  reiste  als  Aegypter  verkleidet  und  eigent- 
lich in  beständiger  Todesgefahr,  da  die  Bewohner  jener 
Gegenden  zu  den  fanatischsten  Moalim  gehören,  zugleich 
aber  auch  durch  ihre  Abgeschlossenheit  in  Sitte  und 
Wesen  sich  von  alten  Zeiten  her  ganz  unberührt  erhal- 
ten haben.  So  behauptet  der  Herausgeber  mit  vollem 
Hecht,  dass  Wrede’«  Werk  zu  den  wichtigsten  Ent- 
deckungsschriften 'dieses  Jahrhunderts  gehöre,  zunächst 
freilich  für  Ueogniphie,  Ethnographie  und  Geschichte, 
nicht  minder  aber  gilt  dieser  Ausspruch  auch  für  Eth- 
nologie. — Auch  die  Sprach  Wissenschaft  geht  nicht  leer 
aus.  Denn  Wrede  copirte  in  den  Ruinen  von  ‘Ohne 
eitle  bimyarische  Inschrift,  welche  H.  v.  Maltzan  im 
zweiten  Anhang  ausführlich  bespricht  und  erläutert.  Der 
erste  Anhang  enthält:  1.  Eine  Liste  der  Könige  von 
Yemen  nach  Wrede  — welcher  dieselbe  aus  einem 
alten  Manuscript  über  die  Geschichte  vorislämitischcr 
himyariücher  Könige  ausgeschrieben  erhielt  durch  den 
Besitzer  desselben,  einem  Scheich  von  Choraybe  — mit 
vergleichendem  Hinblick  auf  die  Liste  von  Caussin 
de  Pcrceval.  2.  Eine  völlig  neue  Liste  der  Könige 
von  Hadliraraant,  und  3.  Liste  der  Beduinenstämme  in 
Hadhramaut,  Beny  ‘Yssü,  Hadschar  und  Hamum,  mit 
Erläuterungen  des  Heraasgebers.  Auch  zu  der  Reise 
selbst  giebt  H.  v.  Maltzan  in  170  Nummern  „Berner- 
kungeu  und  Ausführungen“ , welche  für  alle  einschla- 
genden  Wissenschaften  von  grosser  Bedeutung  sind.  Die 


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406  Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Einleitung,  hauptsächlich  geographischen  und  sprach* 
wissenschaftlichen  Inhalts,  enthält  auch  die  Geschichte 
des  Buches,  welche  in  mehr  als  einer  Beziehung  cha- 
rakteristisch ist.  Ueher  25  Jahre  hat  da*  Manuskript 
keinen  Verleger  gefunden  und  wäre  wie  W red e’s  Karte 
und  Costümbilder,  beinahe  verloren  gegangen,  wenn 
nicht  K.  And  ree  und  li.  v.  Maltzan  seine  Bedeu- 
tung erkannt  hätten.  Bei  seiner  Rückkehr  glaubte  man 
Herrn  v.  Wrede  nicht,  man  hielt  ihn  für  einen  Auf* 
Schneider;  und  so  hat  der  Mann , der  sich  in  seinem 
Buche  als  einen  durchaus  bedeutenden  Menschen  zeigt, 


im  Drucke  der  Armutb  eiu  unbekanntes  Leben  führen 
müsse  u. 

Wylie.  Notes  of  a joumey  from  Ching-too  to  Han- 
kow.  (Procoedinga  of  the  Royal  Geographie.  Soc. 
of  London  1870,  Vol.  14,  pag.  168 — 185.) 

Die  Zonana- Mission.  (Ev.  Miss.  Magaz.  Neue 
Folge,  14,  336  f.  Basel  1870.) 

Bespricht  «inen  Vorfall  ans  der  Frauenmissiou , wel- 
ches zu  Calcutta  grosses  Aufsehen  erregte,  vom  Stand- 
punkt der  dabei  thätigen  Missionare. 


Australien 

(von  Prof.  Meinioke  in  Dresden).* 


J.  Bonwick.  Daily  life  and  origin  of  the  Tanna- 
nians.  London  1870. 

Das  Werk  ist  gewissermnassen  eine  Fortsetzung  des 
im  Verzeichnisse  des  vorigen  Jahres  (8.  185)  angezeig- 
ten  Buches  desselben  Verfassers:  The  last  of  the  Tus- 
manians,  welches  den  Untergang  dieses  Volksstannues, 
eines  der  schmachvollsten  Blätter  in  der  englischen 
Colonialgäschicbte,  schildert,  und  giebc  eine  Darstellung 
des  Lebens  und  der  Eigentümlichkeiten  der  Tasmanien 
Es  sind  darin  eine  grosse  Menge  von  Einzelnheiten  zu* 
saumiengfstellt,  allein  ohne  Kritik  und,  wie  es  nament- 
lich die  Abschnitte  über  Sprache  und  Abstammung  der 
Tastuanier  zeigen,  ohne  wissenschaftlichen  Werth. 

Br&im.  New  hornes,  the  rise,  progreu,  present 


position  and  future  proapects  of  each  of  the 
Australi&n  colo  nies  and  Newzealaod.  London 
1870. 

Greffrath.  J.  Roscoe  Fawkner,  der  Gründer  der 
australischen  Colouie  Victoria.  (Zeitschrift  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin,  Band  0, 
S.  85  f.) 

Wilhelmi.  Sitten  und  Gebrauche  der  Port  Lin- 
coln Eingeborenen  in  Australien.  (Aus  allen  Welt- 
theilen,  I.  Jahrgang,  Nr.  15  bis  17  und  19.) 

Ursprünglich  in  den  Transactions  of  the  Royal  Society 
of  Victoria  erschienen. 


Ooeanien 

(von  Prof.  Meinioke  in  Dresden). 


Axnati.  Nueva  Guinea.  Milano  1869. 

Das  Werk  ist  Behufs  einer  vorgcschlagenen  Colonieu* 
gründung  in  Neuguinea  geschrieben. 

Aube.  Renseignements  statiatiques  nur  lee  iles 
Hawai.  (Revue  maritimo  et  coloniale.  Mai  1870.) 

Von  geringem  Werth. 

Lady  Barker.  Station  life  in  Newzealand.  Lon- 
don 1870. 

Bourgey.  Notice  ethnologique  sur  la  Nouvolle 
Caledonie  et  ses  dependances.  Moeurs  et  coutu- 
mes  des  habitants.  Grenoble  1870. 

Brasseur  de  Bourbourg.  Le  myst&re  de  Pils  de 
Paques.  (Aunales  de«  voyagc«  1870.  Februar.) 

Ein  Brief  dieses  bekannten  Erforschers  der  mexikani- 
schen Alterthümer,  in  dem  hei  Gelegenheit  der  neuer- 
dings von  der  Osterinsel  nach  England  gebrachten  stei- 
nernen Bildsäulen  Ansichten  aufgestvlJt  werden,  die. 
aller  wissenschaftlichen  Berechtigung  entbehrend,  nur 
Staunen  und  Spott  her vorxu rufen  vermugeu. 

Garnier.  I>eB  migrations  humaines  en  Oceauic 
d’apres  los  faite  naturel».  Paris  1870. 

Die  Arbeit  ist  ursprünglich  int  Bulletin  de  la  Societe 
de  Geographie  de  Paris  erschienen.  Trotz  W.  von 


11  nmboldt’s  Forschungen  wird  darin  von  Neuem  der 
Versuch  gemacht , die  Bewohner  der  Inseln  des  stillen 
Oceans  von  Südamerika  h^rztileiten , ein  Versuch  , der 
um  so  weniger  gelingen  konnte,  da  der  Verfasser,  dem 
man  sonst  recht  schätzbare  Nachrichten  über  die  N'eu- 
kalcdonier  verdankt,  für  Forschungen,  wie  sie  hier  un- 
ternommen sind,  nicht  geeignet  erscheint. 

Grundem&nn.  Die  östliche  Hklfte  von  Melanesien. 
(Petermann’a  Mittheilungen,  Band  16,  Heft  10.) 

Die  Arbeit  enthält  manches  Interessante. 

Meinicke.  Der  Archipel  der  Paumotu.  (Zeitschrift 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin,  Band  5, 
Heft  4 und  ö.) 

Der  Schlu»  der  Arbeit  bildet  eine  Schilderung  der 
Bewohner  der  Paumotu. 

Palmer.  A viait  to  Eaater  island  or  Rapanui. 
(Proceedings  of  the  Royal  Geographical  Society 
of  London,  Band  14,  Heft  2.) 

Wir  kommen  später  auf  diese  Arbeit  zurück,  da  sie 
vollständig  in  dem  diesjährigen  Bande  des  Journal  der 
geographischen  Gesellschaft  erscheinen  wird. 

Philipp!.  Ein  schriftliches  Denkmal  von  der  Oster- 
insel. (Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
zu  Berlin,  Band  5,  Heft  5.) 


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407 


Ver2eichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


Mittheilung  eines  von  vier  Abdrücken  von  ansohei- 
nend  mit  Schrifueichea  oder  Hieroglyphen  bedeckten 
Holutiicken , die  in  der  Osterinsel  gefunden  und  durch 
den  Professor  PbUippi  in  Chili  nach  Berlin  gesandt 
sind.  In  vieler  Beziehung  höchst  interessant. 

Williams.  Fiji  andFijians  and  miwionary  labours 


among  the  cannibals  extended.  with  notice*  of 
recent  events  by  J.  Calvert.  Edited  by  G.  Str. 
Rowe.  London  1870. 

Eine  neue,  mit  Zusätzen  versehene  Ausgabe  eines 
schon  1858  erschienenen,  übrigens  für  die  Kenntniss 
der  Bewohner  des  Archipels  Viel  unschätzbaren  Buches. 


IV. 

Zoologie 

(von  L.  Rütimeyer!-. 


Th.  I*.  W.  Bischoff.  Boiträge  zur  Anatomie  des 
Uylobatcs  leuciscug  und  zur  vergleichenden  Ana- 
tomie der  Muskeln  der  Affen  und  des  Menschen. 
Mit  5 Tafeln  Abbildungen.  München  1870. 

Eine  sehr  einlässliche  MyoJogie  zunächst  von  Hylo- 
bates  leuciscus , aber  mit  jeweiliger  Vergleichung  von 
Gorilla  (nach  Duvernoy),  Orang,  Chimpanic,  Cynöce- 
pbalus  znaiuion , C'crcopithecu*  sabaens,  Macaeus  cyno- 
molgus,  Pithecia  hirsuta,  Hapnle  peuicillata. 

Etwa  50  Muskeln,  hauptsächlich  der  Extremitäten 
werden  sowohl  bei  den  4 Anthropoiden  als  bei  den 
niederen  Afft»  beschrieben,  jeweilen  mit  Rücksicht  auf 
den  H uxley’schcn  Satz,  dass  die  anthro|>oideti  Affen 
In  Muskt-Ianordnnng  dem  Menschen  näher  ständen  als 
ihren  midisten  Stammverwandten.  Eine  Tabelle  stellt 
überdies  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  zusammen. 

Nur  4 Muskeln,  .Scalen,  post.,  Serrat.  ant.  maj.  Debet 
Levator  scap.,  Kectus  abdorn.  und  Peron.  parv.  zeigen 
bei  den  niederen  Affen  Anordnungen,  die  von  Anthro- 
poiden  und  Mensehen  verschieden  sind. 

Einige  Muskeln,  wie  Plantaris  und  Caro  quadr.  Sylrii 
sind  umgekehrt  gerade  den  niederen  Affen  und  dem 
Menschen  eigi-nthümlich,  während  sie  den  Anthropoiden 
fehlen. 

Die  grosse  Ueberxahl  der  Muskeln  von  Anthropoiden 
nähert  sich  in  ihrer  Anordnung  mehr  den  niederen 
Affen  als  dem  Menschen.  Ueberhaupt  aber  variirt  die 
Mnscnlatur  nicht  etwa  nach  diesen  Gruppen,  sondern 
von  Genus  zu  Genus.  Es  ist  somit  unmöglich,  auf  die- 
sem Borten  etwa  eine  regelmässige  Reihe  von  geringerer 
zu  grösserer  Menschenähnlichkeit  zu  coTistruiren.  In 
Bewegungsart  und  Muskulatur  bilden  vielmehr  alle  Affen 
eine  gemeinsame  natürliche  Gruppe,  deren  einzelne  Glie- 
der unter  einander  mehr  verwandt  sind  als  selbst  ihre 
Höchststehenden  mit  dem  Menschen , freilich  mit  reich- 
lichen besonderen  Variationen  nnd  Vollkommenheiten 
für  dieses  oder  jenes  Genus.  Namentlich  überwiegt 
noch  selbst  bei  den  höcltsten  Affen  die  Ausrüstung  zum 
Klettern,  Festhalten  und  Ergreifen  die  Befähigung  zum 
aufrechten  •Stehen  nnd  Gehen  so  sehr,  dass  die  Bewe- 
gungsart sie  immer  nooh  den  niedrigen  Formen  viel 
mehr  annähert  als  dem  Menschen. 

Der  Verfasser  knüpft  hieran  eine  Vergleichung  zwi- 
schen oberer  und  unterer  Extremität.  In  Bezug  auf 
das  .Skelet  schliesst  «*r  sich  der  neueren  besonders  von 
Gegenbaur  und  Humphry  vertretenen  Ansicht, 
Radius  = Tibia,  Ulna  = Fibula,  an.  Auch  in  der  Pa- 


rallele von  Hand-  und  Fuxswurzelknochen  stimmt  er 
Gegenbaur  bei.  Obere  und  untere  Extremität  unter- 
scheidet sich  überhaupt  in  der  Anordnung  aller  ihrer 
Knochen,  nicht  etwa  nur  in  Hand-  und  Fusswurzel. 
Dassel  l>e  gilt  für  die  Museulatur.  Das  Dasein  eines  Pe- 
roneus longus  und  eine*  Flexor  und  Extensor  digitor. 
conim.  brav,  bedingt  den  Unterschied  zwischen  Kuss 
und  Hand  noch  nicht.  Vielmehr  hat  die  Totalität  der 
Muskeln  oberer  und  unterer  Extremität  zwar  homologe, 
aber  auch  andere  Anordnung.  (Peroneus  longus  ist 
bloss  eine  Verdoppelung  eines  Muskels  für  den  Kuss,  der 
an  der  Hand  iu«'isten»  einfach  ist,  wie  dies  auch  um- 
gekehrt vorkouiiut-  Für  alle  Muskeln  des  Kusses  hat 
die  Hand  Analoga,  ausgenommen  für  die  Pronatiou  uud 
Supination,  die  dem  Fuss  fehlt.)  Hand  und  Fuss  un- 
terscheiden sich  überhaupt  nicht  durch  Dasein  oder  Feh- 
len dieses  oder  jene«  Muskels,  sondern  durch  die  ge- 
satnmtt*  verschiedene  Anordnung.  Trotz  der  Homologie 
verhalten  sich  alle  Muskeln  ander»  in  Ursprung,  An- 
satz, iu  Stärke,  von  gänzlichem  Fehlen  bis  zur  Verdop- 
pelung. 

Trotz  der  Homologie  in  Knochen,  Muskeln,  gewiss 
auch  in  Arterien  und  Nerven  (in  Folge  der  Gleichheit 
der  embryonalen  Anlage)  sind  somit  die  beiden  Extre- 
mitäten doch  bei  höheren  Geschöpfen  in  allen  Theiten 
verschieden.  Int  Guiuen  Iwtrachtct  verdient  aber  die 
hintere  Extremität  de*  Affen  mehr  den  Namen  Hand 
als  Fuss.  Beim  Menschen  ist  der  Fuss  durchweg  auf 
aufrechte  .Station  und  Gang  berechnet,  beim  Affen 
kommt  zu  der  Flexion  und  Kxtension  durchweg  ausge- 
dehnte Abdnction  und  Adduction  des  Fasses,  überhaupt 
Ausrüstung  zu  viel  ruanchfacherer  Bewegung.  Hierdurch 
wird  aber  diese  hintere  Extremität  des  Affen  der  vor- 
deren des  Menschen  analog;  der  Name  Quudrumana 
ist  also  für  sie  ganz  richtig. 

Einstweilen  muss  noch  die  uns  erkennbare  physiolo- 
gische Function  eines  Organs  den  Erklärungsgrund  für 
seinen  Bau  abgeben,  so  wenig  auch  solche  teleologische 
Anschauung  dem  Bedürfnis*  der  Wissenschuft  entspricht. 
So  gut  wie  wir  ein  Organ  zur  Bewegung  in  der  Luft 
einen  Flügel,  zur  Bewegung  Im  Wasser  eine  Flosse 
nennen,  so  verstehen  wir  unter  Fuss  ein  Organ  zum 
Stehen  und  Gehen,  unter  Hand  ein  solch«?  zuiu  Greifen 
und  Festhalten.  Während  C'etaeecn  und  Pinnipedien, 
selbst  noch  Einhufer,  Wiederkäuer  und  Dickhäuter  nur 
Fdim  besitzen,  so  stellt  sich  des  Weitern  allmälig  eine 
Tlnilung  der  Arbeit  der  Extremitäten  in  Stützen  und 
Greifen  ein.  Bei  den  Affen  überwiegt  letztere  Function 


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408 


Verzeichnis«  der  anthropologischen  Literatur. 


und  die  niederen  Affen  lind  reine  Vierhänder.  Bei  den 
höheren  Affen  wird  die  hintere  Extremität  immer  un- 
geschickter zum  Greifen,  die  vordere  immer  ungeschick- 
ter zum  «Stützen,  »her  dass  die  eine  nur  der  einen,  die 
andere  Extremität  nur  der  andern  Function  dient,  fin- 
det sich  nur  beim  Menschen. 

Die  Frage  in  Beziehung  auf  die  Extremitäten  der 
Affen  lautet  nicht  mehr:  ist  ihre  vordere  Extremität 
eine  Hand,  die  hintere  ein  Fuss?  sondern:  ist  die 
vordere  Extremität  mehr  Hand  oder  Fuss,  die  hintere 
mehr  Kuss  oder  Hand?  Das  erstere  ist  immer  bejaht 
worden,  aber  auch  die  hintere  Extremität  ist  nach  dem 
Verfasser  mehr  Hand  als  Fass,  in  Skelet,  Musculatur 
und  Function,  nnd  wenn  auch  der  Fu»  des  GocfU  we- 
niger Hand  ist  als  bei  irgend  einem  anderen  Affen,  so 
ist  er  doch  auch  hierin  vom  Menschen  weiter  entfernt 
als  von  den  übrigen  Affen.  Es  wäre  unwissenschaft- 
liches Vorurtheil , eine  „lland“  für  etwas  Vollkommne- 
res  zu  halten  als  einen  „Fuss“,  aber  Hand  und  Fuss 
finden  sich  als  solche  am  vollkommensten  nur  beim 
Menschen.  Die  Differcnzirung  der  Extremitäten  in  Hand 
und  Fuss  erfolgt  alimälig  schon  innerhalb  der  Affen, 
aber  vom  Gorill  zum  Menschen  führt  noch  ein  Sprung, 
der  in  der  Reihe  der  Affen  fehlt. 

In  Bezug  auf  das  Gehirn  von  Hylobates  bestätigten 
sich  die  Angaben  von  «Sandifort  und  Gratiolet.  Daj 
Kleinhirn  wird  von  dem  Hinterlappen  des  Grosshirns 
ganz  bedeckt.  Bezüglich  der  Hirnwindungen  nimmt 
Hylobates  eine  Zwischenstufe  ein  zwischen  den  drei  hö- 
heren Anthropoiden  einerseits,  Semnopithecus  und  Ate- 
les  andererseits.  Die  dritte  Stirnwindung  fehlt  den  nie- 
deren Affen  ganz.  Die  gniue  obere  Fliehe  des  .Stirn- 
lappens entspricht  bei  allen  Affen  dem  oberen  oder  er- 
sten Stiniwitidungszug  de#  Menschen.  Erst  wo  der 
vordere  Schenkel  der  Foasa  Sylvil  sich  zu  bilden  anfangt, 
beginnt  auch  die  dritte  Stirnwindung  zu  erscheinen  und 
dies  ist  erst  bei  Hylobates  in  ricnneuswerther  Weise  der 
Fall.  Auch  das  Gehirn  der  Anthropoiden  ist  somit 
vom  Gehirn  der  niederen  Affen  nicht  etwa  verschiede- 
ner als  von  dem  des  Menschen.  Das  Gehirn  von  Hy- 
lobates  bildet  einen  regelmässigen  V ebergang  von  dem- 
jenigen des  Orang,  Chimpanse,  Gorilla  zu  dem  von 
Atel«,  Semnopithecus,  Cymxephalus  etc.  Von  llapalo 
bis  Orang  gewahren  wir  eine  ununterbrochene  Reihe, 
während  ein  ähnlicher  l’obergang  von  Orang  zum  Men- 
schen fohlt. 

Die  Abhandlung  ist  begleitet  von  fünf  Tafeln  Abbil- 
dungen, worunter  die  erste  den  Kopf  des  Hylobates 
lenciscus  in  ausgezeichnetem,  nach  Photographie  entwor- 
fenen Kupferstich  darstellt,  die  übrigen  das  Gehirn  der- 
selben Species  ebenfalls  nach  Photographie,  sowie  dl« 
Musculatur  von  Hand  und  Fuss  von  Cynoccphalus 
Alaimon  und  Mcusch. 

Bourgignftt.  Prodrome  sur  quelques  Uraidea  de 
l’Algerie.  (Materiaux  pour  Phistoire  de  Thomme 
1869,  pag.  79.) 

In  der  Höhle  von  Thaya  sollen  vier  Species  von  Bären 
sich  finden,  für  deren  respective  Lebensepoche  der  Ver- 
fasser das  Jahrhundert  vor  Christus  nitzugeben  weis*. 

P.  Brandt.  Neue  Untersuchungen  über  die  in 
den  altaischen  Höhlen  aufgefundenen  Sftugethiere. 
(Bulletin  de  l’Acad.  im  per.  de  St  PeterBbourg, 
VII,  1870,  pag.  359.) 

Ein  Drittel  der  noch  im  Altai  oder  seiner  Nachbar- 
schaft lebenden  Thier«  sind  in  den  Höhlen  vertreten. 
Dazu  aber  noch  Hühlcnhy&no,  Riesenhirsch,  Bison,  Ur- 
ocha,  das  sibirische  Nashorn,  Mammuth.  Pferd  (ob  letz- 
teres ein«  später«  Zntbat,  ist  fraglich). 

Broca.  L’Ordre  den  Primates,  Parallele  anatomique 


de  l’horame  et  den  singes.  Paria  1870,  8°.  (Sa- 
paratabdruck  aus  den  Bulletins  de  la  Sociot« 
d1  Anthropologie  de  Paris.) 

Treffliche  Abhandlung,  auf  die  wir  später  zurück- 
kommen  werden.  E. 

Buak.  On  the  Species  of  Rhinocero-  in  Oreston 
Cave.  (Quarterly  Journal  of  Geologic&l  Society, 
Vol.  XXVI,  1870,  pag.  457.) 

In  Oreston -Cave  findet  sich  Rhinoceros  leptorhiuus 
Cuvier,  nicht  tiehorhinus. 

E.  Daily.  L’Ordre  des  Primates  et  le  Tranafor- 
miame.  (Bulletin  de  la  Societe  d’Antbropologie 
de  Paria,  Tome  III,  2d#  Serie,  1868,  pag.  673.) 

Der  Verfasser  sucht  gegen  Pruner-Bey  den  Beleg 
zu  l«istcn,  dass  für  den  Anatomen  die  differentiellen 
Charaktere  in  den  verschiedenen  Familien  der  Affen 
bedeutender  sind  als  die  Verschiedenheiten  zwischen 
Mensch  und  den  Affen  in  toto.  — Weitläufiger  Wort- 
streit — aui‘  Boden  von  oft  sehr  eigentümlichen  Mo- 
tionen über  Systematik  und  fast  ausschliesslich  mit 
Hülfe  fremder  aus  der  Literatur  gesammelter  Säue, 
über  «in  Thema,  worüber  dem  Verfasser  sowohl  eigene 
Beobachtung  als  wissenschaftliches  l'rtheil  fehlt. 

Boyd  Dawkina.  On  the  Distribution  of  the  Bri- 
tish  postglacial  Maminala.  (Quarterly  Journal 
of  üeological  Society,  Vol.  XXV,  1869,  pag. 
192.) 

Siebe  Anthropologische  Literatur  im  dritten  Baud 
dieses  Archivs,  S.  357. 

W.  Boyd  Dawkins  and  W.  Ayshford  Sanford. 
British  pleiatocene  Mammal«,  Part  2,  Felis  spe- 
laea;  Part  3,  Felis  spelaea  und  Felis  Lynx.  (Pa- 
laeontographical  Society,  Volume  XXI  and  XXII. 
London  1868 — 1869.) 

Frauenfeld,  Georg  v.  Die  ausgestorbenen  und 
aussterbenden  T hierc  der  jüngsten  Erdperiode. 
Wien  1869,  8°. 

Vict.  Hehn.  Kulturpflanzen  und  Hansthiere  in 
ihrem  Uebergang  aus  Arien  nach  Griechenland 
und  Italien,  sowie  in  das  übrige  Europa.  Histo- 
risch-linguistische Skizzen.  Berlin  1870. 

Von  Hausthieren  sind  besprochen : Haushahn,  Taube, 
Pfau,  Perlhuhn,  Fasan,  Gans,  Ente,  Kaninchen,  Katze, 
Büffel.  Trotz  des  vorwiegend  philologischen  Charakters 
der  Schrift  enthält  doch  namentlich  der  Artikel  über 
das  Geflügel  manche  werthvollo  historische  Bemer- 
kungen. 

G.  Jäger.  Zoologische  Briefe.  Wien.  1.  Lief. 
1864.  2.  Lief.  1870. 

Nach  der  Ansicht  des  Verfassen  „eine  Zurückfüh- 
rung der  Dar win'schen  Transmutationslehre  auf  ihre 
letzten  Conscquenzen  und  eine  Begründung  mancher  Rai- 
aonnemunts  derselben  von  einer  neuen  Kette  her“  — für  je- 
den andern  Leser  ciuo  Anleitung,  Probleme,  denen  sich 
die  wi— msohaftUche  Arbeit  von  Jahrhunderten  bisher 
nur  Schritt  für  Schritt  zu  nähern  vermocht,  wie  etwa 
Entstehung  und  Umwandlung  organischer  Wesen,  Ver- 
wandtschaft und  Abstammung  von  Arten,  geographische 
und  geologische  Verbreitung  der  Geschöpf«  u.  s.  w. 
„auf  die  einfachste  Weise“  ohne  den  lästigen  Ballast 
von  wissenschaftlicher  Beobachtung  oder  Arbeit  auf  so- 
geuunnt  logischem  Wege  durch  Deduktion  oder  sonst- 


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409 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


wie  in  a prioristiacher  Weise  zu  lusea.  Obwohl  jede 
Seite  der  Schrift  diese  Absicht  mehr  oder  weniger  an 
der  Stirn  trägt,  so  sind  doch  die  folgenden  Stellen  ge- 
eignet, hierüber  Niemanden  im  Zweifel  zu  lassen.  Seite 
14  und  f..  13,  32  und  f.,  57  und  f-,  78  und  f.,  32  und  f., 
99,  102,  107,  121  etc.  etc. 

Lartot.  Progression  organique  verifiable  dans  la 
succession  des  temps  geologiquea.  (Bulletin  de 
la  Societe  d’Anthropologie  de  Paria  1868,  p.  451. 
Compt.  rontl.  de  l'Acad.  des  Sciences,  Juli  1868.) 

Bei  Hirschen  ist  der  Krönt  heil  der  Zähne  um  so 
kürzer  und  dringen  die  Schaielzfalten  um  »u  weniger 
tief  in  den  Zalmkörpcr  ein,  als  die  Speeles  älteren  geo- 
logischen Kpocheu  angehört-  Ebenso  findet  rieh  iinGtv 
Hirn  von  Saugethieren,  innerhalb  desselben  Genus,  Ab- 
nahme des  Ornariiirus  an  Umfang  und  Windungen, 
Zunahme  von  Kleinhirn  and  Kiechhirn  bei  geologisch 
älteren  Thieren-  Also  innerhalb  des  Genus  successive 
Zunahme  von  Lebensdauer  und  Intelligenz,  von  älteren 
su  jüngeren  Species. 

E.  Lartct.  Remarques  sur  la  Faune  de  06 -Ma- 
gnon.  (Annales  des  Science.«  Naturelles,  Ö**1®  Se- 
rie, Tome  X,  1868.) 

Von  erloschenen  oder  ansgewanderten  Thieren : Mam- 
mutli , Höhlentiger.  Steinbock,  Kennthier,  Auerochs. 
Nach  Lartet  sollen  sich  in  den  ältesten  menschlichen 
•Stationen  Frankreichs  (mit  einfachen,  nicht  gesägten 
Pfeilspitzen)  Ueberreste  von  Vögeln  und  Fischen  viel 
seltener  finden,  als  in  den  späteren. 

Lucae.  Der  Schädel  des  Masken  - Schweins  (Sus 
pliciceps  Gray)  und  der  Einfluss  der  Muskeln  auf 
dessen  Form.  Mit  3 Tafeln.  (Abdruck  aus  den 
Abhandlungen  der  Senckenberg’scheu  uaturfor- 
achcnden  Gesellschaft.  VII.  Band.)  Frankfurt  a.  M. 
1870,  4*. 

Eine  sorgfältige  Monographie  über  die  Altersraota- 
niorpbose  des  Schädels  am  japanischen  Maskenschwcine, 
nach  Vorbild  und  Methode  der  bekannten  trefflichen 
Untersuchungen  von  Nathusius  über  Entwicklung  and 
Wachsthum  des  Schweineschädela  am  wilden  und  an 
dem  unter  Cultureinfluss  stehenden  Thiere.  Di«*  Ana- 
lyse der  einzelnen  Factoren  des  Schädelwachsthums  vom 
jungen  bis  zum  reifen  Alter  fuhrt  auch  Lucae  dazu, 
die  ullniälige  Umbildung  des  Schädels  abzuleiten  von 
dem  verstärkten  Zug  der  Kaumuskeln  bei  mangelnder 
Kraftentwicklung  der  Nackenmuskeln,  veranlasst  durch 
Zufuhr  einer  zu  reichlichen  Nahrung  und  Mästung.  In 
dieser  Beziehung  steht  der  Schädel  des  Maskenschweins 
in  der  Mitte  zwischen  demjenigen  des  indischen  Schweins 
und  dem  durch  die  Yorkshire- Kac«  repräsentirten  Ex- 
treme von  (Jnltureinfluss  am  Schwein.  — - Andere  Ur- 
sachen scheint  dieSchädelmetamorphos«  an  den  Boxern 
unter  den  Hunden  ««geschrieben  werden  zu  müssen. 

R.  Owen.  Deecription  of  tlieCavern  ofBruniquel, 
and  its  organic  Contents.  (Philos.  TransactionB. 
read  Juni  1864.  Mit  5 Tafeln.  Siehe  auch  Pro- 
ceedingg  of  Royal  Society  1864.) 

Beschreibung  der  menschlichen  und  thierischen  Uebrr- 
reste  aus  der  Höhle,  die  Owen  im  Jahre  1884  selbst 
besucht  hat.  Eine  aus  Bruchstücken  wieder  zusam- 
mengesetzte Cal varia  von  Bruuiquei  steht  sehr  nahe 
dem  Schädel  aus  dem  Steinberg  von  Mörigen  bei  Biel 
und  einem  Schädel  von  Beiair  (Mischformen  von  Sion- 
Discntis  „Craula  helvetica“,  B.  VII,  B.  VI).  Vogel- 
knochen und  Rennthierrippe  mit  Zeichnungen  von  Kenn- 
thier und  Steinbock ; Pferderippen  mit  Zeichnungen  vom 

Archiv  for  Anthropologie.  Bit.  IV.  Heft  IV. 


Pferd.  Specielle  Beschreibung  der  in  der  Höhle  Vorge- 
fundenen zahlreichen  Pferdczihnc,  iui  Vergleich  mit 
den  lebenden  (Caballus,  Arinns,  Rnrchelli,  Zebra,  He- 
mionus,  Quagga)  und  mit  anderen  fossilen  Pferdearten. 

Uw  eil  giebt  der  in  dor  Höhte  von  Bruniqucl  vertre- 
tenen Art  den  Namen  Equus  spelaeus  (warum  ist  dem 
Referent  nicht  ersichtlich,  dem  diu  dargestellteu  Eigen- 
thümlichkciten sich  durchaus  in  dunsehr  weiten  Grenzen 
individueller  — und  namentlich  Alte  rs  Variationen 
von  Eq.  caballus  zu  halten  scheinen),  mit  zwei  Varie- 
täten, die  indess  beide  Equus  caballus  näher  stehen,  als 
anderen  lebenden  Species,  und  auch  sielt  unterscheiden 
von  Equus  fossilis  und  plicidens  Uwen.  Dagegen  stim- 
men sie  überein  mit  Pfcrdezäbnen  aus  anderen  franzö- 
sischen Höhlen  und  scheinen  eine  kleine,  scheinbar  er- 
loschene Raue  echter  Pferde  (nicht  etwa  Esel)  darzu- 
stellen. 

Ein  Anhang  beschreibt  noch  die  Ueberrestc  von  drei 
amerikanischen  Pferdearten  aus  spät  tertiären  oder 
quaternären  Ablagerungen  von  Mexiko  (Eq.  convenri- 
detis,  Ow.  und  Eq.  tau,  Uw.)  und  von  Monte -Video 
(Eq.  arciden*,  Ow.). 

R.  Owen.  Apercu  de  Geologie  da  d&ert  d’Egypte. 
(Comptee  reu  das  de  PAcad.  des  Sciences,  15  Mars 

1869.) 

Ille  Physiognomien  der  auf  ägyptischen  Denkmälern 
abgebildeten  Individuen  aus  der  Epoche  zwischen  der 
IV.  und  VIII.  Dynastie  des  alten  ägyptischen  Reiches 
weisen  auf  orientalischen  oder  nordischen , nicht  auf 
äthiopischen  Ursprung.  Dabei  vollkommene  Abwesen- 
heit der  Zeichnungen  von  Pferd  oder  Esel.  Wenn  die 
Einwanderung  der  Gründer  der  ägyptischen  Civilisation 
aus  einem  von  Einhufern  bewohnten  Lande  stammt,  so 
fallt  sie  somit  in*  eine  Zeit  vor  der  Zähmung  dieser 
Thiere.  Die  Invasion  der  arabischen  Hycksos  während 
der  XV.  bis  XVII.  Dynastie  brachte  das  zahme  Pferd 
und  den  Esel  nach  Aegypten  und  von  da  an  fehlen 
Pferde  and  Wagen  auf  den  Fresken  der  Gräber  und 
Tempel  nicht. 

Achillo  Quadri.  Note  alla  Teoria  Darwiaiaua. 
Bologna  1869. 

Der  Verfasser  versucht,  eine  ausgedehnte  Literatur 
aus  den»  gt-samuiten  Gebiete  der  Naturgeschichte  zu 
Hülfe  ziehend,  aus  den  Gesetzen  der  Morphologie,  Ta- 
xonomie, PaJaeontologi«  die  Einheit  des  Planes  der 
organischen  .Schöpfung  nach/u  weise»  und  daraus  Belege 
für  die  Richtigkeit  der  Dar  w In ’sclien  Lehre  herzuleiten. 

Rüdinger.  Muskeln  der  vorderen  Extremitäten 
der  Reptilien  und  Vögel  mit  Rücksicht  auf  ana- 
loge und  homologe  Muskeln  bei  Säuge  thieren  und 
Mensch.  Eine  von  der  holländischen  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  in  Harlem  gekrönte  Preis- 
schrift. Verhandlungen  der  Gesellschaft,  XXV, 
1868. 

Knochen  und  Muskeln  stehen  bezüglich  ihres  Vor- 
handenseins und  des  Grades  ihrer  Ausbildung  mit  nur 
wenigen  Ausnahmen  in  inniger  gegenseitiger  Beziehung. 
Die  einfache  oder  complicirte  Anordnung  der  Muskeln 
gebt  Hand  in  Hand  mit  der  Formverscbiedenheic  und 
dem  Entwicklungsgrad  der  Knochen.  Beim  V’ogel, 
fliegender  Eidechse,  Fledermaus  nicht  etwa  fundamental 
geänderte  Einrichtungen  ihrer  Extremitäten,  sondern  nur 
Umänderungen  im  Bau  der  Knochen  und  Muskeln,  w’i«* 
solche  sich  auch  bei  Thieren  vorfinden,  denen  die  Fä- 
higkeit zu  fliegen  ganz  abgeht.  Wie  gross  auch  die 
Formverschiedenheit  der  Knochen  in  den  verschiedenen 
Thierdaasen  sein  mag,  immerhin  finden  sieh  in  dem 
•Skelet  des  Salamanders,  des  Crocodils,  des  Vogels  und 
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410 


Verzeichniss  der  anthropologischen  Literatur. 


de»  .Siugetbier»  bis*  /non  Menschen  herauf  identische 
lilieder,  die  sowohl  in  der  Körnt  als  in  der  Art  ihrer 
Zusammensetzung  typische  Verhältnisse  zeigen-  Der 
Form  der  Knochen  sowohl  wie  insbesondere  der  Art 
der  mechanischen  Zusammenlegung  entspricht  die  (irup- 
pirung  der  Muskeln-  Wenn  sich  auch  die  Zahl  der 
einzelnen  Muskeln  vermehrt  oder  vermindert  zeigt  und 
in  allgemeinen  Beziehungen  grosse  Verschiedenheit  wahr* 
nehmbar  ist,  so  lassen  sich  doch  keim*  wesentliche  Ab- 


weichungen der  Grundtypen  anfBnden,  und  wenn  man 
nicht  die  Extreme  einander  gegenübvrstellt , so  können 
alimälig  verwandte  Uebcrgängc  nachgewiesen  werden. 

Ayshford  Sanford.  Rodentia  of  tbe  Somerset- 
Cave.  (Quarterly  Journal  of  Geological  Society, 
Vol.  XXVI,  1870,  pag.  124.) 

Zut baten  und  Correctionen  zu  dom  Verzeichnis»  post* 
glactaler  Thiere  Englands,  von  Boyd  Dawkins. 


V. 

Allgemeine  Anthropologie. 

(Von  v.  Hollwald,  Rütimeyer  und  Anderen.) 


Baltaer,  Joh.  Bapt.  Ueber  die  Anfänge  der  Or- 
ganismen und  die  Urgeschichte  des  Menschen. 
Dritte  Auflage.  Paderborn,  Ferd.  Schdningh, 

1870,  8°.  145  S. 

Baumgärtner,  Heinr.  Natur  und  Gott  Studien 
über  die  Entwicklungsgesetze  im  Universum  und 
die  Entstehung  des  Menschengeschlechts.  Leip- 
zig 1870,  8°. 

Beiträge,  neue,  zu  dem  Streit  fiber  die  mutterlose 
Zeugung.  (Generatio  aequivoca).  (Ausland  1871, 
Nr.  1.) 

Beiträge  zur  Lehre  Darwin’s  von  der  Entstehung 
der  Arten.  (Ausland  1870,  Nr.  3.) 

Broca.  Sur  le  Trans  form  iaine.  (Societe  d'Anthrop. 
de  Paris).  Revue  des  ooors  seien tifique«  de  la 
Franco  et  de  Tetranger.  Paris  1869  ü 1870. 
S.  530  und  550. 

Treffliche  Darstellung  der  Darwinschen  Lehre.  E. 
Carneri,  B.  Sittlichkeit  und  Durwinisrnns.  Drei 
Rächer  der  Ethik.  Wien  1871,  8®. 

Claparede.  La  Selection  naturelle  et  Torigine  de 
l'homme.  (Revue  des  cours  Hcientifir|ues  de  la 
France  et  de  l’etranger.  Paris  1869—1870.  S. 
564.) 

Darwin,  Charles,  und  seine  Gegner.  (Ausland 

1871,  Nr.  4.) 

Darwin  in  der  Pariser  Akademie.  (Ausland  1870, 
Nr.  36.) 

Bericht  über  die  Debatten  wegen  Aufnahme  Par- 
win’s  in  die  Pariser  Akademie;  kennzeichnet  die  .Stel- 
lung. welche  die  hervorragendsten  französischen  Gelehr- 
ten zur  Darwinschen  Theorie  einnehmen.  Mit  Aus- 
nahme von  (juatrefages  und  Milne  Edwards  »iud 
sie  fast  alle  AntidarwitiLsten. 

Deutsche  Philosophie  in  Bezug  auf  Religion  und 
Naturwissenschaft.  (Allgemeine  Zeitung  1870, 

Nr.  352,  353.) 


Besprechung  der  Arbeiten  des  Münchener  Philosophen 
Professor  Dr.  Johannes  Huber. 

Dr.  Julius  Dub.  Kurze  Darstellung  der  Lohre 
Darwin’«  über  die  Entstehung  der  Arten  der 
Organismen.  Mit  38  Holzschnitten.  Stuttgart 
1870. 

Da*  Buch  von  Dub  gehört  wieder  zu  der  Parteilite- 
rat ur  noch  zu  der  Fachliteratur.  Obschon  der  Verfasser 
in  einem  Nachtrag  (Abschnitt  VIII  und  IX)  über  sei- 
nen Beifall  oder  Missfallen  den  Leser  nicht  im  Zweifel 
lässt,  so  gehört  sein  Buch  wesentlich  in  die  Kategorie 
der  Ueherectxungen.  Trotz  der  trefflichen  Verkeilung 
des  Stoffes  ist  derselbe  in  dem  Darwin1  sehen  Werk 
so  ausgedehnt,  dass  dessen  Lectüra  auf  viele  Leser  er- 
müdend wirkt,  um  so  mehr,  als  dasselbe  bekanntlich  an 
Lilcil  durchaus  nicht  gerichtet  ist,  sondern  eine  voll« 
Vertrautheit  mit  den  behandelten  Materien  vorauasetzt. 
Dub  hat  diesem  Mangel  ab/uhelfen  gesucht  durch  eine 
Umarbeitung  des  Bache«  für  das  allgemeine  Verständ- 
nis«. Dem  Original  streng  folgend  (seine  Abschnitte 
entsprechen  in  der  Kegel  je  zwei  Capitelti  des  letzteren) 
giebt  es  eine  Art  von  praktischem  Auszug  daraus  für 
den  Laien,  wobei  es  sich  zur  Aufgabe  macht,  die  ein- 
zelnen Themata  in  ziemlich  gleicbmäasiger  Ausdehnung 
zu  behandeln.  Wo  cs  nöthig  schien , wurde  daher  ab- 
gekürzt, an  anderen  Orten  beigefügt,  d.  h.  populäre 
Zusammenstellungen  von  dem  einge*choben,  was  das  Ori- 
ginal bet  dem  Leser  als  bekannt  voraussetzte  (so  die 
geologischen  Abschnitte  p.  140 — 151,  154—163,  301 — 
213)^  und  durch  passende  Vervielfältigung  der  Titel 
und  besonders  auch  durch  treffliche  lirsumes  am  Ende 
jedes  Abschnittes  der  Bearbeitung  überhaupt  ein  solche* 
Mas>s  von  f'ompnctheit  und  Klarheit  gegeben,  dass  die 
Absicht  des  Verfassers,  eine  gemein  verständliche  Dar- 
stellung von  Darwin’s  Lehre  ohne  irgendwelche  Er- 
weiterung oder  Umgestaltung  der  Ansichten  zu  geben, 
sicher  vollkommen  erreicht  ist. 

Diesem  trefflichen  Erfolg  geschieht  auch  kein  er- 
hetdicher  Eintrag,  w«*uti  der  Verfasser  in  den  von 
ihtu  beigefügten  zwei  letzten  Abschnitten  „Urtheile  über 
Darwin’»  Theorie“  und  „Urzeugung“  etwas  weniger 
logisch  verfährt  und  auch  sonst  gelegentlich  »eine  Au- 
toritäten mit  grösserer  Vorsicht  hätte  auswahlm  dürfen 
(Einkeilung  de*  Thierreichs,  p.  109  u.  s,  w.'b  R. 

Erblichkeit,  über,  geistiger  Fähigkeiten.  (Ausland 
1870,  Nr.  39.) 


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Verzeichn  iss  der  anthropologischen  Literatur.  411 


Hochinteressanter  Auszug  aas  dem  Buche  Galton’s, 
Hereditary  genins. 

Fignier,  Louis.  I/homme  primitif.  Paris  1870, 

8®. 

Flammarion,  Camille.  Gott  in  der  Natur. 
Deutsch  von  Emma  Prinzessin  Schönaich  - Caro- 
lath.  Leipzig  1870,  8°. 

Häckel,  Ernst.  Natürliche  Schöpfungsgeschichte. 
Vorträge  über  die  Entwicklungslehre  im  Allge- 
meinen und  diejenige  von  Darwin , Goethe  und 
Lamarck  im  Besonderen.  Berlin  1868,  8°. 

Eine  eingehende  kritische  Besprechung  dieses  Werkes 
siehe:  Ausland  1870,  und  zwar:  1.  Die  Abstammungs- 
lehre in  Nr.  29.  2.  Die  Stammbäume  für  Thiere  und 
Pflanze»  in  Nr.  30.  3.  Der  Stammbaum  des  Menschen 
und  »einer  Rucen  in  Nr.  32. 

Höckel.  Ueber  die  Entstehung  und  den  Stamm- 
baum des  Menschengeschlechts.  Zweit«  verbes- 
serte Auflage.  Berlin  1870. 

Huber,  Johannes.  Die  Lehre  Darwin’s  kritisch 
betrachtet  München  1871,  8°.  296  S. 

Huxley’s  Rede  zur  Eröffnung  der  britischen  Na- 
turforscherversammluDg  zu  Liverpool.  (Ausland 
1870,  Nr.  39.) 

Behandelt  vorzüglich  die  Frage  der  Generatio  aeqni- 
voca.  Huxley  möchte  nicht  für  erwiesen  erachten, 
dass  Lebenserscheinungeii  niemals  künstlich  hervorge- 
rufen  werden  könnten,  er  behauptet  nur,  da»*  keine 
That  suche  vorliege,  welche  beweise,  dass  ein  solcher 
Versuch  schon  geglückt  sei. 

JeflYies,  J.  P.  The  Natural  history  of  the  Human 
Race.  New  York  1870,  8°.  380  S. 

Klein.  Entwicklungsgeschichte  des  Kosmos.  Braun- 
schweig 1870,  8*. 

Enthält  im  zweiten  Abschnitt  eine  kritische  Unter- 
suchung der  gegenwärtig  herrschenden  Ansichten  der 
Entwicklungsgeschichte  der  die  Erde  bewohnenden  Or- 
ganismen (Orgaiiogonk*),  in  welcher  1)  die  Abänderung 
der  Arten,  2)  die  Verkeilung  der  Organismen  an  der 
Erdoberfläche,  3)  die  geologische  Aufeinanderfolge  der 
• ►rganisraen . 4)  die  wechselseitige  Verwandtschaft  or- 
ganischer Körper  (Morphologie,  Embryologie),  6)  Dar- 
win’s  Psngenesis  und  6)  die  tieneratio  spontanen  be- 
trachtet werden. 

Mazzotti,  GiUB.  Dell’  origine  dell1  uomo  e della 
trasformasione  della  specie.  Riflessioni.  Modena, 
Soliani,  1870,  9°.  59  pag. 

Preyer,  W.  Charles  Darwin.  Eine  biographische 
Skizze.  (Ausland  1870,  Nr.  14.) 

Rokitansky,  Carl.  Eröffnungsrede,  gehalten  in 
der  constituirenden  Versammlung  der  anthropo- 
logischen Gesellschaft  in  Wien  am  13.  Februar 
1870.  (Mittheilungen  der  anthropologischen  Ge- 
sellschaft in  Wien,  Bd.  I,  S.  1 — 10.) 

Schmidt,  Osc.  Beiträge  zur  Descondenztheorie 
und  zur  Systematik  derSpongien.  (Ausland  1870, 
Nr.  2,  8.) 


Schul tze.  Der  Fetischismus,  ein  Beitrag  zur  An- 
thropologie und  Religionsgeschichte.  Leipzig 
1871.  8®. 

Der  in  der  neuern  Rciseliteratur  wohl  belesene  Ver- 
fasser sucht,  wie  wir  glauben  mit  Erfolg,  in  der  Viel- 
heit der  Erscheinungen  das  Gesetzmässigo  und  Bleibende 
aufzufinden. 

Streitschriften  englischer  Biologen  über  den  Be- 
griff des  Lebens.  (Ausland  1870,  Nr.  11.) 

M.  Wagner.  Ueber  den  Einfluss  der  geographi- 
schen Isolirung  und  Coloniebildung  auf  die  mor- 
phologischen Veränderungen  der  Organismen. 
(Sitzungsberichte  der  k.  baierischen  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  München  1870.) 

Nach  der  Dar  wln’ sehen  Selectionstheorie  züchtet  die 
Natur  in  Folge  des  Kampfs  ums  Dasein  rastlos  neue  ty- 
pische Formen  der  Organismen  durch  Auslese  nützlicher 
Varietäten,  gleichviel  ob  innerhalb  oder  ausserhalb  des  Ver- 
breitungsgebietes der  Stannnurt  und  kann  diesen  Process 
der  Bildung  einer  neuen  Art  nur  innerhalb  eines  »ehr 
langen  Zeitraums  vollziehen. 

Nach  der  .Separationstheorie  züchtet  die  Natur  nur 
periodisch  neue  Formen  stets  ausserhalb  des  Wohnge- 
bietes der  Stammart  durch  geographische  Isolirung  und 
Coloniebildung,  ohne  w eiche  von  allen  höheren  Tnieren 
getrennten  Geschlechts  keine  constante  Varietät  oder 
neue  Art  entstehen  kann.  Der  Gestalttingsprocess  einer 
neuen  Form  kann  nicht  von  langer  Dauer  »ein.  R. 

A.  R.  Wallace.  Beiträge  zur  Theorie  der  natür- 
lichen Zuchtwahl.  Deutsch  von  A.  B.  Meyer. 
Erlangen  1870. 

Eine  Sammlung  von  Abhandlungen,  hier  zum  Tbeit 
umgearbeitet,  die  der  Verfasser  schon  »eit  längerer  Zeit 
in  verschiedenen  Zeitschriften  veröffentlicht  oder  vor 
wissenschaftlichen  Gesellschaften  gelesen  hatte.  Die  ein- 
zelnen Themata  betreffen:  Gesetz  der  Einführung  neuer 
Arten,  Tendenz  der  Varietäten,  vom  Stammtypus  abzu- 
weichen, 9Mimicry*,  natürliche  Zuchtwahl  an  dem  Bei- 
spiel der  malaischen  Papitioniden , Instinct  bei  Mensch 
und  Tbieren,  Philosophie  der  Vogelnester,  Beziehung 
zwischen  Art  des  Nestbaus  und  Farbe  der  weiblichen 
Vögel,  Schöpfung  durch  das  Gesetz,  Entwicklung  der 
Meoschenraccn  unter  natürlicher  Zuchtwahl,  Grenzen 
der  natürlichen  Zuchtwahl  in  ihrer  Anwendung  auf  den 
Menschen. 

Auf  ein  Buch  von  Wallace  mit  solchem  Inhalt  be- 
sonders aufmerksam  zu  machen , ist  wohl  überflüssig, 
da  Jeder,  welcher  der  Entfaltung  von  Darwinschen 
Anschauungen  folgt,  mit  dem  grössten  Interesse  diese 
Sammlung  von  Aufsätzen  zur  Hand  nehmen  wird,  in 
welchen  bekanntlich  gänzlich  unabhängig  und  theil weise 
vor  Darwin  aber  ähnlich  wie  bei  Darwin  gutentheils 
unter  den  Eindrücken  ausgedehnter  und  wohl  benutz- 
ter Kelsen  Schritt  für  Schritt  Jlie  Schlüsse  formulirt 
werden,  zu  welchen  sorgfältiges  und  von  anderer,,  Schule“ 
als  derjenigen  der  Natur  freies  Denken  einen  *o  ausge- 
zeichneten Beobachter  führt.  Ihrer  Entstehung  nach 
sind  die  Aufsätze  über  15  Jahre  zerstreut  und  thrilweise 
auf  jenen  fernen  Oceaniscben  Inseln  niedergeschrieben, 
also  nicht  etwa  Zimmerarbeit , sondern  naturwüchsiges 
Gebälke,  gewissermaasaen  ein  Theil  des  Baumateriales, 
einstweilen  mir  noch  zugerüstet  drüben  auf  einer  an- 
dern Hemisphäre,  da»  dann  später  nebst  dem  nicht  we- 
niger reichlichen,  das  Darwin  in  ähnlicher  Weise  ge- 
sammelt hatte,  von  Letzterem  zn  dem  Ban  verwendet 
wurde,  den  er  vor  12  Jahren  zu  Aller  Ueberraschung 
wie  mit  einem  Griff  aufführte. 


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412 


Verzeichnis  der  anthropologischen  Literatur. 


Neben  dem  hohen  inneren  Werth  haben  somit  diese 
Aufsätze  auch  noch  einen  historischen,  den  bekanntlich 
die  grosse  Gewissenhaftigkeit  Darwin’s  jeweilen  voll 
anerkannt  hat,  und  der  letztere  wird  nicht  wenig  er- 
höht durch  die  Bescheidenheit,  mit  welcher  Wallace 
von  seinem  Antheil  an  der  Entwicklung  des  Darwin’- 
sehen  Baues  spricht.  „Das  vorliegende  Werk  wird  be- 
weisen, dass  ich  damals  sowohl  den  Werth  als  die  Trag- 
weite des  Gesetzes,  welches  ich  entdeckt  butte,  sah, 
und  dass  ich  es  seitdem  für  mancho  Zwecke  nach  eini- 
gen neuen  Richtungen  hin  anzuwenden  verstanden  habe. 
Allein  hier  enden  meine  Ansprüche.  Ich  habo  mein 
Leben  lang  die  aufrichtigste  Befriedigung  darüber  em- 
pfunden, dass  Herr  Darwin  lange  vor  mir  an  der 
Arbeit  gewesen  ist  und  dass  nicht  mir  der  Versuch  über- 
lassen blieb,  „die  Entstehung  der  Arten“  zu  schreiben.“ 
In  einigen  wichtigen  Punkten  weichen  die  Ansichten 
von  Wallace  von  denen  von  Herrn  Darwin  ab,  was 
mit  ein  Grund  zu  der  Veröffentlichung  des  oben  an  ge- 
zeigten Buches  war;  nämlich  in  der  Anwendung  der 
Theorie  der  natürlichen  Zuchtwahl  auf  den  Menschen. 
Es  bildet  dies  den  Gegenstand  der  zwei  letzten  Ab- 
handlungen; Wallace  versucht  darin  zu  zeigen,  dass 
die  natürliche  Zuchtwahl  auf  die  körperliche  Organisa- 
tion des  Menschen  — im  Gegensatz  zu  derjenigen  der 
Thiere,  wo  sie  so  grosse  Resultate  hervorbringt,  keinen 
Einfluss  besitze,  da  der  Intellect  des  Menschen  eine  Art 
von  Gegengewicht  gegen  natürliche  Zuchtwahl  ausübe 
und  ihn  dem  Bereich  von  Kräften  entziehe,  die  nur  auf 
natürliche  Körperwelt  wirken. 


„Von  der  Zeit  an,  in  welcher  sociale  und  sympathi- 
sche Gefühle  In  Gütige  Wirksamkeit  traten  and  intet- 
lectnelle  und  moralische  Fälligkeiten  sich  gut  entwickel- 
ten, würde  der  Mensch  aufgehört  haben,  in  seiner  phy- 
sischen Form  und  Structur  von  der  natürlichen  Zucht- 
wahl beeinflusst  zu  sein“.  — Woraus  folgt,  „dass  die 
Differenzen,  welche  jetzt  das  Menschengeschlecht  von 
anderen  Thicren  trennen,  entstanden  »ein  müssen,  ehe 
es  in  den  Besitz  eines  menschlichen  Intellektes  oder 
menschlicher  Sympathien  gelangte.* 

Man  sieht  hieraus,  dass  es  sich  für  Wallace  weni- 
ger um  eine  ausnahmsweise  Immunität  des  Menschen 
in  Bezug  auf  Gesetze  handelt,  welchen  sonst  eine  Wir- 
kung auf  die  gesammte  organische  Natur  zugesclirmben 
wird,  als  um  eine  ausnahmsweise  Kraft,  die  den  gei- 
stigen Fähigkeiten  des  Menschen  im  Gegensatz  zu  den- 
jenigen der  Thiere  ungeschrieben  wird. 

Aber  auch  diese  weite  Trennung  von  Mensch  und 
Thier  in  Rücksicht  auf  geistige  Eigenschaften,  bei  An- 
erkennung ihrer  grossen  körperlichen  Verwandtschaft 
konnte  offenbar  consequente  Anhänger  der  natürlichen 
Zuchtwahl  nicht  befriedigen,  und  Einwendungen  gegen 
diese  Anschauung  Wallace’s  sind  daher  nicht  ausge- 
blieben. Doch  begnügen  wir  uns,  hier  die  treffliche 
Arbeit  von  Ed.  Claparcdc  auzuführen:  Remarques  a 
propos  de  POnvrago  de  Mr.  Wallace  mir  In  Toeorie 
de  ln  Selection  Naturelle.  Archive*  de*  Sc.  de  la  Bi- 
blioth.  universelle  de  Geneve.  Juin  1870. 

Rütimeyer. 


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REGISTER  DES  VIERTEN  BANDES. 


Seit« 

Abstammung  des  Menschen 336 

Afrikanische  Völker,  Cannibalismus  derselben  ♦ 25& 

Amerikaner,  Cannibalismus 25fi 

Anthropologische  Literatur  . . . 127.  151.  333.  357 

Asiatische  Völker,  Cannibalismus 2112 

Augen gegend  und  Nasenwurzel  ........  111 

Axe  der  Schädelbasis 305 

H a er 'sehe  Horizontale  des  Schädel 

Beschneidung 272 

Bestattung,  von  Menschenopfer  begleitet  ....  279 

Broca’sche  Horizontale  des  Schädels 300 

Bronzealter SO 

Bronzecultur 11 

Bronzezeitschädel  22 

Cannibalismus  der  alten  Völker 248 

„ in  Europa 2hl 

„ der  heutigen  Wilden  ' 253 

Carthager,  Menschenopfer  derselben 223 

Chiloten 140 

Chinesen,  Gesichtsbildung Ul 

Chinesinnen,  Küsse  derselben 221.  211 

Chorotegas 3Ü 

Condylenwinkel  beim  Neger  und  Europäer  . . . 200 

Costarika,  Eingeborne U2 

Cryptolithischcs  Zeitalter 16 

Cuevastämme  Costarika» M 

Drehung  der  Schädelwirbel flQL 

Eisenalter  . 23 

Eiseuzeitschädel  13 

Esthen,  Schädelform 121 

Etrusker,  ihr  Einfluss  auf  die  Bronzecultur  . . 11 

Exostosen  des  Gehörganges LiZ 

Finnenschädel 22 

Flintgeräthe  der  Indianer . 1 

Foramen  inagnum,  Stellung  des,  beim  Neger  und 

Europäer 297.  298 

Fuas  de»  japanischen  Seiltänzers 313 

Füsse  der  Chinesinnen 221.  211 

Gelenkfortsätze  des  Hinterhauptlieins,  Erhebung 

der,  über  der  Horizontal-Ebene 2£S3 

Geschlechtliche  Zeugung,  Theorien  derselb.  132.  31Z 

Griechen,  ihr  Einfluss  auf  die  Bronzecultur  . . II 

„ Menschenopfer  derselben 274 

Grönländerschädel 16 

Höhle  von  Cro-Magnon  in  Perigord 132 


Horizontale  des  Schädels,  Bestimmung  derselben 

Hünengräber 

Indianer  Nordamerikas,  Steingeräthe 

Indianerstämme  Costarikas 

Japanischen  Seiltänzers,  Fuss  des  ....... 

Jensen’s  Zeichenapparat 

Juden,  Menschenopfer  derselben 

Kelten 

„Keltische“  Töpferwaaren  in  Oberitalien  .... 

Kjökkenmöddinger 

Knochen,  Veränderungen  bei  langer  Lagerung 

im  Boden 128. 

Knochensubstanz,  organische;  Grund  der  Unver- 
änderlichkeit derselben  

Krümmung  des  Schädelrohrs  beim  Neger  und 

Europäer 2B7.  3Q1. 

Künstliche  Verkrüppelung  der  Chiuesenfüsse  221. 

Lappenschädel 

les  Eyzies,  Höhlenbewohner 

Malayen 

„ Cannibalismus  derselben 

Megalithisches  Steinalter 

Menschenfresserei 

Menschenopfer 

Mexikos  Ureinwohner 131. 

Mlkrocophalus  (Vilanova’s  Fall)  ....... 

Natürliche  Zuchtwahl  in  Bezug  auf  den  Men- 
schen   

Neger,  Bildungsfähigkeit 

Papuas  

Patagonier,  Körpergrösse 

„ Steingeräthe  

Pelew-  Insulaner 

Peruancrschädel,  Exostosen  des  Gehörganges  . . 

Phönizier,  Menschenopfer  derselben 

Rennthierzeit,  Höhlenbewohner  derselben  . . . 
Römer,  Menschenopfer  derselben  ....... 

Schädel,  altnordische 

„ der  Bronzezeit  

„ „ Eisenzeit 

„ „ Esthen 

„ „ Finnen  

„ „ Grönländer ............ 

. « L»ppen  

„ „ Kennthierjäger  von  les  Eyzies  . . . 


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414 


Register. 


beite 


Schädel  der  Steinzeit lid. 

Schädelbasisaxe ÜÜ5 

Schädelgesichtswinkel  . . • . 3ü2 

.Schädelmessung 51 

Schädelrohrs,  Krümmung  des,  heim  Neger  und 

Europäer 2-87.  3QL  3U2 

Schädels,  Stellung  des,  auf  der  Wirbelsäule  306 — 300 

Schädel  Wirbel , Drehung  derselben 3ÜL  302 

Skeletreste  der  Rennthierjäger  von  les  Eyzios  . Lll 

Speciesbildung;  historische  Notiz  über  dieselbe  * 3&5 

Sprache,  Ursprung  derselben 13£1 

Steinalter iili 

Steinerne  Götzenbilder  der  Indianer  . . . * üä.  liff 

Stciugerüthc  der  Indianer 1 

„ in  Patagonien Ldi 


Seite 

Stoinzeitschädcl Hl 

Stellung  des  Schädels  auf  der  Wirbelsäule  . 306 — 309 
Stereoskopisch -geometrischer  Zeichenapparat  . 

Terramara-  Lager  in  Oberitalien 

Theorien  der  geschlechtlichen  Zeugung  . . 107. 

Todtenmasken,  Alter  derselben 

Verbrennung  (Menschenopfer) 

Verhandlungen  gelehrter  Versammlungen  . 144. 

Waffen  aus  Bronze 

„ „ Stein 

Wilde  Völker,  Menschenopfer  derselben  .... 
Wirbelsäule,  Stellung  des  Schädels  auf  der  Wir- 
belsäule   306 — 309 

Zeichen appnrat,  stereoskopisch -geometrischer  . 233 
Zeugung,  geschlechtliche,  Theorien  derselben  197.  317 


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i_e£fiEEg|i 


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Verlag  von  Wlegandt  & Hempel  in  Berlin. 

Zeitschrift  für  Ethnologie 

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Hierzu  uU  Beilage  ein  l’rospect:  „Der  Bau  des  menschlichen  Köqters,  von 
Ohr.  Aeby."  (Verlag  von  F.  C.  W.  Vogel  in  Leipzig.) 


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