Digitized by Google
Digitized by Google
.A^s
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google
ARCHIV
Füll
ANTHROPOLOGIE.
Digitized by Google
Holzftiche
tut dem xylngraphitch«! Atelier
von Friedrich Vfeweg und Sohn
ln nnun*chw«4<.
Papier
•u> der l’a|»l*r* Fabrik
der Gebrüder Vieweg «u Wcndhauften
twi llnunKchweiR.
Digitized by Google
ARCHIV
FÜR
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
fCb
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE
DES
MENSCHEN.
HERAUSOKGKBEN
VOM
C. E. V. Baer in St Petersburg, E. Desor in Neuenburg,
A. Ecker in Freiburg, W. Hia in Basel, L. Lindensohmit in Mainz,
O. LUoae in Frankfurt a. M., L. Rütimoyer in Basel, H. Schaaffhausen in Bonn,
0. Vogt in Genf und H. Weloker in Halle.
Unter der Redaction
von
A. Eoker und L. Lindenschmit.
Dritter Band.
Mit in den Text eingedruckten Holzstichen und lithographirtcn Tafeln.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEO UND SOHN.
1 868.
Digitized by Google
•UAs
6 /fi/3
Ül# Rsramitbi «4« er rnbnrwtxmur In franxf-Mwcher und *nfrli»eiier Sprach«,
*owie ln anderen modernen Sprachen wird rorbahaltcn.
Digitized by Google
ARCHIV
& ' U O
67
65
fOr
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
rü*
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE
OBS
MENSCHEN.
HRRAU SORG EBEN
TO*
O. B. V. Baer in St. Petersburg, E. Desor in Neuenburg,
A. Eoker in Preiburg, W. His in Basel, L. Lindensohmit in Mainz,
G. Luoao in Frnnkiurt a. M., L. Riltimoyer in Basel, H. Schaaffbausen in Bonn,
0. Vogt in Genf und H. 'Welokor in Holle.
Unter der Redaction
von
A. Eoker und L. Llndenschmit.
Dritter Band.
Mit in den Text eingedruckten Holsntichen und litbngraphirten Tafeln.
Erstes und zweites Heft
BRAÜNSCHWEIG,
DRUCK USD VERLAG VON FRIEDRICH VIKWBO UND SOHN.
18 0 8.
ANKÜNDIGUNG.
Dos Archiv für Anthropologie hat, wio der einleitende Aufsatz im ersten Heft des ersten
Bandes des Näheren ausführt, sieh die Aufgabe gestellt, für die einzelnen Arbeiten auf dem weiten
Gebiete dieser Wissenschaft, die bisher in anatomischen, inedicinisclicn und archäologischen Zeitschriften
und in den Denkschriften gelehrter Gesellschaften sich zerstreuten, einen Vereinigungspunkt zu bilden
und so insbesondere auch die bis dahin sieh sehr fernstehenden Gebiete der Natur- und der Alterthums-
forschung einander zu nahem. Ferner will dasselbe einen möglichst vollständigen Ueberblick über den
jeweiligen Zustand der gestammten Disciplin gewähren.
Um die bezeichneten Zwecke zu erreichen, wird das Archiv sowohl Original arbeiten, als
Auszüge aus fremden Arbeiten, Uebersetzungen, Referate und zusammenhängende über-
sichtliche Darstellungen der neuen Arbeiten bringen und überdies durch ein fortlaufendes mög-
lichst vollständiges Literaturverzeichnis^ den Leser in den Stand setzen, dem Gange der Wissen-
schaft auf das Genauste zu folgen. Durch die Eröffnung einer Rubrik für kleinere Mitthoilungen
und Gorrespondonzen soll ferner Gelegenheit gegeben Bein, ancb kleinere Beobachtungen, Fundo etc.
alsbald zur Kenntniss der Fachgenossen und des grossen Lesepnblikums zu bringen.
Das Archiv erscheint in zwangloson Heften in Quart, wovon drei einen Band bilden, wo
immer es nöthig erscheint, mit guten Abbildungen versehen.
Beiträge für das Archiv, sowie Druckschriften, um deren jeweils baldige
Zusendung im Interesse der Vollständigkeit des Literaturberichts dringend ersucht
wird, bittet man an A. Ecker in Freiburg i. B. (Baden) oder an die Verlags-
handlung zu senden.
Digitized by Google
INHALT DES DRITTEN BANDES.
SefU
I. Der Steincnltns in der Ethnographie. Von A. Bastian in Berlin , 1
H. Die Thongeftisse der nonlame rikanischcn Indianer. Von Carl Ran in Ncw-York 2
in. Geognosfischc Bestimmung der Lagerstätte von Fciicrsieinspliuern bei Bramstedt in Holstein. Yon
L. Meyn in Uetersen (Hol«tcin) 31
IV. Die Cultor der Bronreteit. Kritiken und Antikritiken von Dr. F. Wibel 32
Nebst einer äehlttssbemcrknng von L. Lind ensch mit 55
V. Per deutsche Weibemdmdel. Von Dr. A, Weishach, k. k. Oberarzt in Wien . . 59
VL Leber das Zweckmässige in il« r Natur. Ein Vortrag van Dr. H. Schaaffhausen 67
VII. Da» Gräberfeld am Ilinkclstein bei Monsheim, einer der ältesten Friedhöfe de» Rheinlande». Von
L: I5Ü3ÜÜ Ern i L llimn Tulil I und II . . . 101
VIII. Einige Bemerkungen über die Skelelrente aus den im vorstehenden Aufsatz beschriebenen Gralrttatten
l»eim Hinkelstcin unweit Monsheim um! bei Oberingelheim. Yon A. Ecker. Hierzu Tafel III
und IV 127
IX. Kleinere Mitteilungen, Referate, Nekrologe. vermischte Nachrichten.
Kleinere Miltheilungen.
W. Krame. Bemerk tingen zar wissenschaftlichen Kraniomctrio 187
Rftffinit.n
1. Darwin, Animale and plants nndcr Domeatication. Ref. von Rütimever . . 138
2. Weis h ach. Keine der Xovura; Anthropol. Tbcil; II. Körpermessungen. Ref, von
Wdckcr .132
3. Flowcr and Murio, Dissection of a Bushwoman 142
4. Daker, The Kaccs of tbe Nile Bassin 144
Nekrologe
1. v an der llo Sven. Von 1L Wnlnk-fix_.. . .... .... . . 146
2. CrarcfnrJ . .......... 151
Vermischte Nachrichten . . ■ . . . . 151
X. Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt . 153
2. Anatomie. Von A. Ucker» ........................... lüff
3. Ethnographie und Reigen.
1. Allgemeines 1<>0
2. Europa. Von F. v. llellwald in Wien 170
ä. Asien. Voll Dr. A. II ........... ........... . 112
1 Atialraltea aad OceameiL Von Dr. A. B 176
5. Afrika. Yon Tr. A. 13...... und E, v. Hsllwald. ? . . , . T ? r » • • • 177
6. Amerika. Yon E± Y* llflllgahL . ........... r.-.. .■■.181
*• Z« ologie. Von L, Rütimever 182
5. Allgemeine Anthropologie 184
6. Aas den Verhandlungen gelehrter Gesellschaften 183
XI. Pie durchbohrten Derathe der SteinrerioUe. Von Carl llau in New-York 187
XII. Tabellen zur Ansschreibung der Breiten- und Höhepindices. Von II. YVelcker ........ 197
XIII. Zur Entwicklungsgeschichte der Furchen und Windungen der ürogahirn-IIemigphären im Foetna
des McPSCllCll...._Y.Q]l A.-E.ghcr, Hierzu Tafel I— IV 203
XIV. Uelier die typische Anordnung der Furchen und Windungen auf den Grosflhirnhctnisphären des
Mcnflckcn and der Affen. Yon 1fr. Ad, Pansch in Kiel. Hieran Tafel V— V1H 227
XV. Die Lehre Darwin1» und die Anthropologie. Von II. tjehaaffhanaen . . . . ■ 259
XVI. Sind das Stein-, Brome- und Eisenalter der vorhistorischen Zeit nitr Jio Kntvrickluiigsphasen des
rulüimiidJindna eines Volke« nder sind aic mit dem Auftreten verschiedener V.jHkm«?haftgn
verknüpft? Eine antiquarische Untersuchung von Dr. v. Maack in Kid 2*17
427354
Digitized by Google
VI
Inhalt.
XVII. Kleinere Mitthejlongen, Referate, Miscellen etc.
I. Kleinere MittheilunKen.
Antimiarfecho Funde iw Ungarn um! Krain. Von Carl Griesbach in Wien . . . 297
1L Referate.
1. Rieh. Owen. Derivative Hypothek» of Life. Bef, Ton L. Rntimoyer ■ 290
2. L. Agaaaiz. I)e l’Eapcce et de la Classification. Ref. von L. Kütimeyer 300
8. K. Hneckel. lieber die Entstehung uml den Stammbaum de» Menschen-
geschlecht*. Ref. von L. Kütimeyer 301
4. E. Hacckcl. Natürliche Schöpfungsgeschichte. Ref, von L. Kütimeyer 301
5. J. 1h Davis* Thesaurus craniorum, IkL von 1L Wckkcr , . . , , > . 302
ti. Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde. Anthro-
pologischer Theil, dritte Abthejlung; Ethnographie von Dr. F. Müller.
Ref. von H. Wc Ick lt 808
7. ?. Loschka, Koch» Götte, Gört». Amtomidifl Unterenchnng einet
Bn^clnveil'i-q. Ref. von A. Kckrr. • : : ÜÜl)
H. Oerland. Heber da» Ausstorlnni der Naturvölker 808
D. Bleek. TJeb-or den Ursprung der Sprache, Ref. von II. Schaaffhausen 308
10. Wochniakoff. 1) Kbunche d’une economic des travaux scienlifiques.
2) Recherchen aur le* condition* anthropologigue» de la produetion acien-
tifiqoe et cBthetiquo. lief, von II. Schaaffhamien 312
11. v. Mrtftck. Urgeschichte des Sohle» w:g-H< »Int einfachen Landes. 1. Tbeil.
Ruf. uml 1L Sühaailliaiiaeii * * i »» t . . 114
12. XilgsQiL Daa Stcinalkr oder die Ureinvulmer <ltt» Ekandinavischep Wor-
den«. Ref, von Krefagcrichfarath Rosenberg in Xen-Kuppm . . . . 316
13. Schaaffhanaen. lieber die Urform dtt manaflhlichfln Schldelt . . . 321
ui. hnacellfln ^ . ^ 323
XVHI. Yerhandlnngen wissenschaftlicher Versammlungen.
I. Bericht über die Verhandlungen der Scction Tür Anthropologie und Ethnologie
bei der 42. Versammlung deutscher Naturforscher and Aerito in
Dresden, Von II. Schaaflhaugen . 327
II. Internationaler Congrea* für Alterthnmsku ndc und Geschichte in Bonn.
Bericht über die Verhandlungen der Section für Urgeschichte. Von
1L Schaaffhimacn «. . . . , . . . . ........ t ........ r 232
III. Bericht Aber den internationalen Congreot» für Anthropologie und vor»
historische Archäologie in Pari». Von II. Schaaffhanaen 330
IV. Verhandlungen de« internationalen Congresses für Anthropologie und vor-
historische Archäologie zu Norwich 860
XIX. Vorzeichnfas der anthropologischen Literatur.
I. Urgeschichte. Von C. Vogt 353
IL Anatomie. Von A. Ecker . .371
HI. Ethnographie und Beinen.
I. Allgemeines. Von F. v. Hellwald in Wien 376
2. Europa. Von F. v. Ilollwald in Wien 377
3 A.iien. Vnn.Dr. A. Rnatiim in. Berlin.. 3S1
4. Australien und Petunien. Von Prüf. Mp i nicke in I)re«len 390
C. Afrilia. V"ü i’ri'i'. K. llurlmanu in Berlin .■■■-•. 392
C. Amerika. Vnn F. y. Hell wa.ld in Wien 3S6
Iv. .rtw! vK.e io Beziehung zur Anthropologie. Von L. Uätimeyer 399
V. Allgemeine Anthropologie 400
Digitized by Google
IN1IALTSVERZEICHNISS
z am
ersten und zweiten Hefte.
Salt«
1. Der Stpjncultus ip der Ethnographie. Von A. Bastian in Berlin I
2. Die Thongefassc der nordamcrikaniscben Indianer. Von Carl Rau in New«York 10
3. Geognosti&che Bestimmung der Lagerstätte von Feuerstcinsplittern bei Bramstedt in Holstein. Von
L. Meyn in Cetmen (Holstein) 81
4. Die Cultnr der Bronzezeit. Kritiken und Antikritiken von Dr. F. Wibel . 37
Nebst einer Schlusabeinerknpg von L- Liodenschroit 55
5. Der deutsche Weiberschadei. Von Dr. A. Weisbacb, k. k. Oberarzt in Wien 50
6. Leber dos Zweckmässige in der Natur. Eia Vortrag von Dr. II. Sch&affbausen 87
7- Dar Gräberfeld am liijQkg]gteiiL..l>ei Nloaghejm. ejaer_.<kt-Mt£alfiii..riigdbOfc des Rheinland«. Ynn
L. Lindenschmit. Hierzu Tafel I und II 101
8. Einige Bemerkungen über Hie Skeletreste aas den im vorstehenden Aufsatz beschriebenen Grabstät-
ten beim Hinkelstein unweit Montheim und bei Oberingelheim. Von A. Koker- Hierzu Tafel
PI and IV 127
9. Kleinere Mittheilungen, Referate, Nekrologe, vermischte Nachrichten.
Kleinere M ittheilungen.
W. Krame. Bemerkungen zur wissenschaftlichen Kraniometrie 137
Referate
1. Darwin, Animala and plante ander Domcstication. Rcf. von Rütimeyer . . . 138
2. Weisbach, Reise der Novara; AnthropoL Theil; II. Körpermessungen. Ref. von
We Icker i . i i .... i . ...... ...... . 139
g. Flower >nd Marie, Diageclion of a Bushwoman 142
4. Baker. The R>ee» of ihn Kilo Bassin 144
Nekrologe
1. van der llooven. Von H. Welcker 146
2. Craafard ............ . 151
Vermischte Nachrichten • • f . t - r - •• T • . . . • 161
10. Veraeichniss der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt . 158
2 \ natn mir Von A. Ucker . . . . . . .i_ •— ............ liifi
3. Ethnographie und Reisen.
1. Allgemeine» 169
2. Kuropa. Von F. v. Hellwald in Wien 170
3. Asien. Von Üi. A. II : : i f , 17 2
4. Au» traben and Oceanien. Von Dr. A. B 17b
ü. Afrika. Von Dr. A. D...... nnd F. ▼. Ileljwald 177
tL Amerika Von F. y . Hklllili : « » . . . . . « ■ ■ i 111
4, Zoologie. Von L. Rütimeyer 182
ft. Allgemeine Anthropologie 164
0. Aus den Verhandlungen gelehrter Gesellschaften . . . f 186
1
Digitized by Google
L
Der Steincultus in der Ethnographie.
Von
A. Bastian
in Berlin.
Neben den alten Gräbern, die durch ihren aufgedeckten Inhalt die Vorgeschichte des Men-
schengeschlechtes mit wichtigen Aufklärungen bereichert und die Feststellung antiquarischer
Epochen erlaubt hat, finden sich durch ganz Europa zerstreut die Monumente eines primitiven
Steincultus und werden solche jetzt, seit die Aufmerksamkeit darauf hingelenkt ist, auch in den
verschiedensten Theilen der übrigen C'ontinente angetroffen. Nach der Schablone des beliebten
Schematismus hat man sich auch schon zur Annahme eines Dolmen-bauenden Urvolkos veran-
lasst gesehen, indem man das örtliche Vorkommen dieser Constructionen im nördlichen Afrika
unil Europa zusammenstellte und dem entsprechend die Linie der vermeintlichen Wande-
rungen zog, was natürlich für eine wirkliche Erklärung ebenso werthlos ist, ab wenn die
Griechen ein Volk, dessen Herkunft ihnen unbekannt war, von einem eponymischen Stamm-
vater ihrer Hypothese ableiteten, ganz abgesehen davon, dass die bereits über Indien und die
Inseln Polynesiens ausgedehnten Entdeckungen eine solche Theorie von selbst über den Haufen
werfen müssen. Eine so constant in den verschiedensten Gegenden der Erde wiederkehrendo
Erscheinung muss auf ein psychologisches Grundprincip zurückgeführt werden, das auf einem
gewissen Niveau gebtiger Entwickelung mit Nothwendigkeit zu Tage tritt und durch die lo-
calen Schattirungen nur oberflächlich überdeckt wird.
Neben den Menhir oder Langsteinen, den Harenstanes oder Harenstones (Frauenspindeln),
den Peulvan oder Steinpfeilern, den Ti Goriquot oder Comandonet (Zwergenhaus), den Pierres
braidantes oder Rockingstonos '), den Pierros levdos oder Steinthoren, den Couraus de Hondas
' ) Nach W ocol sind Wegsteint auch in Böhmen gefunden. Pie von Bell im Tbale Pschat gesehenen
Tscherkessengräber gleichen den Hünenbetten. Die colosBalcn Scheukelsteine bei Eyoou waren (nach den Ara-
bern) durch die Darim aufgothiirmt (Palgrave). In Ceylon liegt ein Dolmen vor dem Sat-Mehnl-Praeada. Die
Pandu Kolis sind durch ganz Sudindien zerstreut, besonders in Kistna. und rohe Steine umstellen das Monn-
ment zu Batna in Algier.
Afthiv für Anthropologie. Bd. UI. Heft L X
Digitized by Google
2
Ad. Bastian,
(Quellenzirkcln), den Ukko-Kiwid (Opfersteine), Kiwi-Mal (Blocksteine), Neitsi-Kiwid (Jung-
fernsteine), Steincisten u. s. w. , verdienen besondere Beachtung die C romlech (Krummsteine)
oder Pfeilsteine, die bretonisehen Dohnen (daul-men) oder Tafelsteine, die in Dänemark Sten-
dysser oder Jaettestuer, in Spanien Cuevas de Menga, in Portugal Antas, Jettenatuben in
Schleswig, Hünengräber in Deutschland genannt werden, die Cara der hochschottischen Gai-
delen, die, gleich den mongolischen Obo, durch hinaufgeworfene Steine vergrossert werden,
wie ilie Steinhaufen der Bergspitzen im alten Peru der Incazeit und im neuen Griechenland
der Gegenwart, und die Kurgane der sibirischen Steppen oder die sonstigen Tumuli im Ohio-
Thal sowohl, als bei Upsala und Krakau.
Es heisst die Sache vom verkehrten Ende anfassen, wenn man diese Denkmale einfach-
ster Naturanschauung durch die mystischen Wirbeleien eines Scblangen-Symboles oder in
anderen, sich selbst unverständlichen Auswüchsen der Dracontia zu deuten sucht ; wir müssen
im Gegentheil auf die elementarsten Denkgesetze zurückgehen , und dort wird uns eine ver-
gleichende Analyse, wenn mit der nöthigen Umsicht angestellt, auch nicht lange ohne Ant-
wort lassen.
Es ist ein einwohnendes Streben der Assoeiationsreihen, sich für grossere Deutlichkeit an
ein sinnliches Object zu heften und mit demselben in der Erinnerung zu verknüpfen- Das
gesprochene Wort verhallt im Winde, aber der aufgerichtete Stein verbleibt als Zeugniss des
geschlossenen Vertrages, als Zeugniss der an einem Orte vollflihrten That, des dort gefassten Ent-
schlusses, als Zeugniss von dem Helden der unter ihm, dem Bautar- oder Erinnerun gaste in,
begraben liegt, ln Palästina, wo schon Jakob und Laban in gegenseitiger Uebereinkunft ihr
Maal hinstellten, pflegen noch jetzt (nach Burkhardt) die Beduinen, wenn sie dem Aaron
geopfert haben, von der Höhe, wo gerade die Kuppel seiner Kapelle sichtbar ist, bei Ain Mousa,
einen Steinhaufen emporzuthiirmen , und ähnlich dem arabischen Skopelismus der auf dem
Felde zusammengelegten Steine, erzählt Monnier aus der Provence, dass jeder Jüngling, ehe
er sich selbstständig etablire, die Höhe St. Baume zu besuchen pflege, um dort an diesem ent-
scheidenden Wendepunkte seines Lebens eine kleine Pyramide zu bauen, wie sieh auch auf
dem Berge Bel oder Belin bei Chateau Chalons unzählige Mengen kleiner Steinhäufchen fan-
den, bei denen Gelübde abgelegt seien. So vergrössert jeder Mongole den Obo, an dem er
vorübergeht, der heutige Grieche fügt auf Bergosspitzen durch Steine dem Haufen hinzu, der
einst ‘ Ef/fiatog i.oq>o<j hiess, und der Quechua widmete solche Steine dem Apachecta. Bei Aus-
bildung des mythologischen Systems wird der Sinn, die rechtfertigende Erklärung, in diesem
gesucht, und dann geschieht es für die wilden Fräulein, wenn das zuerst die Burgeiser Alp
in Tyrol besteigende Kind dort, wie Zingcrle mittheilt, Steinhäufchen errichtet; aber schon
lange ehe die Phantasie sich objeetive Gestaltungen zu projiciren vermochte, hatte der reli-
giöse Naturdrang zum Vollzug von Handlungen geführt, in denen die instinctmä&sigen Denk-
regungen Befriedigung fanden, ohne sich über ihre Causalität zur Klarheit zu kommen.
Die Form solcher Erzeugnisse frühester Kunstfertigkeit wird von dem durch die Oertlich-
keit gebotenen Material bedingt. Sind nur kleine und runde Steinchen zur Hand, so legt
man sie im Haufen zusammen, bieten die geologischen Verhältnisse des l-andes breite und
glatte Steine, so spielt man mit ihnen, wie das Kind mit seinen Bausteinen, und stellt zwei
als Stützen, mit dem dritten als Dach darüber, finden sich keglige Steine, so werden sie im
Digitized by Google
3
Der Steincultu» in der Ethnographie.
Kreise herumgesetzt , vielleicht ein besondere hervorragender als Peulvan in der Bretagne auf-
gerichtet oder von den Wogulen als Pubi, zum Gedächtniss der Sarkum oder Kraftmenschen.
Wandert ein neues Volk auf solchem Boden ein, so umgeben sich ihm diese monumentalen
Reste unbekannter Bedeutung mit dem mysteriösen Schleier des Unbekannten und deshalb
Geheimnissvollen, die Priester verknüpfen gern die dunkeln Weihen eines überlieferten und in
der Ueberlieferung unverständlich gewordenen Cnltus mit den gleichfalls als unverstanden
dastehenden Zeugen einer fernen Vergangenheit1), und dann mag allerdings jener myste-
riöse Peplos gewebt werden, von dem man hier und da zerrissene Fäden zu entdecken glaubte
und sich um so enger in die durch einander geschlungenen Maschen verstrickte, je weiter man
ihnen folgte, aber diese Producte aus späterer Culturepoche würden sich in einer ebenso ba-
rocken Architectur manifestirt und sich nicht mit jenen rohen Erzeugnissen primitiver Sta-
dien begnügt haben, wenn dieselben nicht schon fertig vorhanden gewesen wären. War das
Priesterthum des neuen Volkes der Träger einer Proselyten machenden Religion, dann freilich
darf der Tafelstein des Dolmen nicht zum Altar nmgewandelt werden, dann im Gegentheil
verkehrten sich die früher heiligen Objecte’), in denen die heidnischen Kaffir das Göttliche
walten sahen, in die Einkörpeningen de« bösen Princip«. Die Steinbüsten in den Sajanschen
Steppen zeigen nicht länger die Bilder der goldenen Alten, dcrSlota Baba, der gütigen Erden-
mutter, sie sind dem Tartaren zu schreckenden Warnungstafeln geworden, denn in ihnen
versteinerte Kudai die von ihm hieniden eingesetzten Statthalter, unsterblicher Natur, als sie
sich im wilden Trotze gegen ihn überholten , und der Siamese sieht in dem aufrechten Stein
zu Sukothay den versteinerten*) Dam-din, der den frommen Phra Ruang verfolgte, wie der
Beduine in der Salzsäule Lot's Weib, weil sie für ihren Ungehorsam bestraft worden. Diese
Umkehrung de« eigentlichen Verhältnisses in sein Gegentheil winde den lickehrenden Aposteln
durch einen psychologischen Kunstgriff erleichtert. Das religiöse Gefühl des Naturmenschen,
je unklarer es ist, je mächtiger es sein Herz mit ehrfurchtsvoller Scheu erfüllt, desto weniger
erlaubt es ihm, an einem als heilig erkannten Orte vorüber zu ziehen, ohne den schuldigen Respect
darzubringen. Schon von Weitem hebt der Buräte seine Pfeife in die Höhe, um den Tabacks-
rauch als Sühnopfer aufsteigen zu lassen, wenn er die Baumwipfel eines heiligen Haines auf
fernem Hügel erblickt, denn die Dämone, die dort schalten, sind eifersüchtig und ränke-
voll, jede Vernachlässigung der ihnen zukommenden Ceremonien würde mit gefährlichen Fol-
*) The stone-circle* on Vancouver-island belonged (aceording to the Indians) to the „old people“ (Forbea).
— *) Jn*un stellte einen Stein unter der heiligen Eiche auf. aber Ezechiel predigte gegen die Verehrung der
Bergspitzen und der heiligen Eichen. Nullus christianus ad fana vel ad petras vel ad fontes vel ad arbores
aut ad cHlas vel per trivia luminaria fociat (St. Eloy in Belgien). Der Schuukelstein bei Mas Belin (im Depar-
tement de l'Ain), der sich jährlich uro Mitternacht der Weihnachten herumdreht, gilt (nach Favre) für den
Versammlungsort der Hexenmeister. — *) In dem Berge Watxmann (hei Salzburg) versteinerte der grausame
König, dessen Jagdhunde die Hirtenfamilie zerfleischt hatten. In schwankender Unbestimmtheit hält sich die.
Erklärung bei der Versteinerung der Niobe, deren Fels in Attika (nach Pausania») einer weinenden Frau
glich, oder wenn der durch den Zauherer in Stein verwandelte Brnder de« Ajar Ifchu Topa (noch Monte-
■ inos) noch Zeit hat, seine Verehrung zu verlangen, die ihm dann in Tuzco gezollt wird. La pierre qui vire
bei Poligny ist ein dnreh das Gebet de* von ihm verfolgten Mädchens in Stein verwandelter Riese, hat aber
noch einen Rest alter Heiligkeit bewahrt, da er (wie Monnier bemerkt) bei christlichen Proceseionen zum Kuss
bei den Backen berührt wird. Der Höhe Beauregard (en regard de Bel) gegenüber, findet sich der Roohe-Pa-
gan beim Dorfe Belien. Beim Frieden zwischen Cherra und Mausmai errichteten die Kasia einen Stein zum
Zeugniss (nach Umang).
1*
Digitized by Google
4
Ad. Bastian
gen bedrohen. Die Steinhaufen werden durch das Hinaufwerfon neuer Steine vergroesert,
durch die Zufügung einer neuen Gabe, die in voller Andacht dargebracht wird. Aber «j ist
ein Werfen, eine Handlung, die auch Schmach und Verachtung ausdrück en konnte, und der
Prophet des Islam erklärt geschickt als Steinigung des Teufels, was den Gottendienst im
Thale Minus bildete, als noch der Stamm der Soll die Pilger leitete. Unter dem Monument
bei Jerusalem, auf das jeder Vorübergehende einen Stein warf, soll dann Absalon begraben lie-
gen, der fluchwürdige Sohn des grossen Königs, und wenn die Wallachen nach alter Sitte bei
der Geburt des Kindes den geweihten Stein hinterwärts werfen, so meinen sie jetzt, dass er
die Mäuler der bösen Strigoi treffen wird, um sie zur Ruhe zu bringen. In die Grube auf dem
Ursehelberge (in Schwaben) wirft jeder Vorübergehende einen Stein (nach Meier), um den
Nachtfräulein ein Opfer zu bringen.
Eine Metamorphose nach der andern Richtung hin mögen die Kurgane oder Tumuli durch-
laufen haben. Das Anhänfen der Steine auf den später, wie die Heroenmonumente, als
Ehrenzeichen betrachteten Grabhügeln *), scheint zunächst dazu gedient zu haben, die abge-
schiedene Seele in der Erde festziih alten, durch schwere Laoten dort zu bannen, denn Nichts
pflegt der Naturmensch mehr zu furchten, als die Rückkehr des unheimlichen Gespenstes, das
seine irdischen Behausungen wieder aufzusuchen wünscht Darum schraubten die Tschu-
waschen den Deckel des Sarges fest und sicher zu, darum umhegten die Tseheremissen das
Grab mit hohen Pfählen*), die der Todte nicht zu übersteigen vermöge, darum schlugen die
Ungarn dem Vampyr einen Pfahl durch s Herz, darum wird der fortgetragenen Leiche ein Eimer
Wasser nachgegossen, ein glühender Stein hinterher geworfen. Die Am&kosa hüten sich auch
eine Handvoll Erde von einem Grabe3) zu nehmen, denn die Decke könnte zu leicht werden, und
etwa ein Aufsteigen erlauben, wie aus dem römischen Mundus, wenn der schliessende Stein
alljährlich fortgenommen wurde. Die schon im Lehen wegen ihrer Eccentricitäten gefürch-
teten Gallen der Cybele wurde in Phrygien unter Steinhaufen begraben, und in dem alt-ara-
bischen Liede ruft Antars Mutter den Leich enbestattern zu, einen hohen und schweren Stein-
haufen auf das Grab ihres Sohnes zu häufen, damit sein Seelengeist mächtiger und gewal-
l) Quelques jour* apret 1 inhuinutioti (eu Zantebar) len parents apn>« avoir recite den prieres, cou Trent
des pierres benites lc dessus de la lorabe (Guillain). Auf die Gräber der Radjah oder Kaiser (Leo Rai) wer-
den (in Timor) Steine gehäuft. Die Einwohner von Unalaschka begruben ihre Todten (nach Cook) auf den
Gipfeln der Berge und schütteten auf dem Grabe kleine Erdhügel auf, auf weiche noch ausserdem Steine
gelegt worden. Jeder Vorübergehende warf einen Stein hinzu, um die Stätte für die Zukunft zu erhalten.
Das aus einem Kieselhügel aufgehäufte Hotten toten grab gehörte (wie Lichtenstein horte) einem berühmten
Arzt und Weisen, dessen Andenken durch hingclegtc Baumzweige geehrt wurde. Die Araucaner legten die
Leiche des Pferdes neben den Verstorbenen und bedeckten das Ganze mit Erde und Steinen in Pyramiden-
gestalt (Molina). Uiloa fand die Guoc&s oder Grabhügel Quito'« am zahlreichsten in der Nähe des früheren
Tempels Cayambe. — -) Eine Inschrift aus der Zeit des Königs Buddha gupta spricht von Errichtung eines
Pfeilers für Visbnu, als Janardana der Menschenqualer (434 p. d.). Beit das Gespenst bei Bädergaard mit
einem Pfahl in den Grund gerannt ist, bleibt eB gefesselt (Mü lienhoff). — *) The Kaffirs believe, (hat when
a person dies his i-bloze or isi-tute survives. The prophets compare it to thu shadow. The residence of the
ama-bloze is beneath. If the earth were removed from the grave the ghost would return to frighten and
the Assagais are therefore broken. When spirits have eutered the futuro state, thoy possess great power,
Deported spirits rovisit their descendants in form of serpents, which do not hiss on being touched (Schoo-
ter). Nach Licinius (bei Tlinius) verzehrt der S&rcophag in Lykien den Leichnam (ausser den Zähnen)
in 40 Tagen, Alles versteinernd.
Digitized by Google
5
Der Steincultus in der Ethnographie.
tiger Kraft nicht hindurclizubreehen vermöge. Traten später reinere und geläutertere Auf-
fassungen an die Stelle eines grobsinnlichen Materialismus, sah man die Seele in dem Bilde der
fortschwebenden Psyche, öffnete man ihr das Fenster in der Sterbestunde, legte man den Sarg-
deckel nur lose1) auf, wünschte man ihr die Erde leicht, oder sandte man sie in der Feuer-
Reinigung des Scheiterhaufens zum Himmel, so wurden die an die Heroen erinnernden Kur-
gane zu Ehrendenkmülem und der auf ihnen emporwachsende Baum durchdrang sich mit
seiner heiligen Wesenheit, so dass in Athen das Holzfällen auf den Heroengräbem mit dem
Tode bestraft wurde und auch die Tscherkessen jede Verletzung der dort wachsenden Wälder
vermieden. Zur Last werden die Berge dann nur auf Missethäter geschleudert, auf den in
den Flammen de» Aetna8) wüthenden Typhoeua oder (in Bogota) auf Cliihckacum, der sich in
den Erdlieben schüttelt. Damit der Träger seine Last*) nicht abwirft oder allzusehr erschüt-
tert , dreht ihm Maui auf Neuseeland den einen Arm ab.
Nach Hagek errichteten dieSlaven hohe Grabhügel und häuften Steine darauf. Zu dem
Gralie Tetka 's (Libussa 's Schwester) wurde ein mächtiger Steinblock geschafft und auf demselben
neun Tage ein brennendes Todtenopfer unterhalten. The two tnounds or smooth hillock«, callod
Tasulaloo and Masalaluo are bclioved by the Saticoy Indians (in California) to be buryiug
places. l>er Grabhügel Oleg's fand sich auf dem Bergt; Sezekowitza, der Askold's auf dem
Berge Ugorskoje (nach Schlözer). Um die armen Seelen, die als Gespückniss an den Urt
ihrer ehemaligen Thätigkeit zurückkehren, im Grabe zurückzuhalten, wird ein grosser Stein
auf dasselbe gewälzt. Hilft dieses Mittel nichts, so wird (in Hessen) ein Priester (der jedoch
ein katholischer sein muss) gerufen. Derselbe bildet unter mysteriösen Ceremonien einen
Kreis und zwingt unter Anwendung mächtiger Zauberformeln die arme Seele in den Zauber-
kreis, als Schwein, Vogel u. s. w., kurz in der Gestalt zu erscheinen, die sie nach ihrem Tode
angenommen hat Hierauf wird sie in einen Sack gesteckt und an einen sumpfigen Ort ver-
bannt, wo sie fortan als Irrlicht umherschwebt4) (Mühlhausen).
]) Die Schwarz fiiselcr suchen ob zu vermeiden ihre Todtcn mit Erde zu belasten und legen den zns&miuengo-
■ebnürten l^eichnam an unzugängliche Orte, in Schluchten oder auf Felsen. — *) Oder unter dem arimiichen
Gebirge in Kilikien. Der Vulcan auf Stromboli galt noch im Mittelalter als Eingang in die Unterwelt, wie früher
die phlegräischen Felder bei Cumae. Auf den Bergen, in deren Abgrund Satan lag, pflegte man eine Capelle
des Erzengels Michael zu errichten. Die Cayavavaa und Itonamas (in Südamerika) halten dem Sterbenden
Mund und N’a«e zu, damit der Tod in ihm bleibe and nicht auf andere übergehe (d'Orbigny). — 3) The
Battae aknowledge three deities or ruler* of the world, Batara-guru (in heaven), Soripada (in air) and Man*
galla-bulang (in the earth). When Naga-padoha (growing weary to anpport the earth) ahook hi» head (in
oarthquakes) and the earth disappeared in the waten, Futi-orla-bulan, daughter of Batara-guru, requested per-
misaion to deacend to the lower regiona and canie down on a white owl, accompanied by a dog. Hut not
l>eiiig able (by reaeonB of the vatera) to continue there, her father let fall frum heaven the lofty mountain
Hakan a (in the Batta-country), a« a d wolling for his child and from this mountain all other land gradually
procceded (and all men from the three daughter« of Puti-orlan-bulanl. The Earth was once more »upported
on the three hornB of Naga-padoha and Ümt he might never ttgain aufler it to fall off. Batara-guru »ent his
aon Laynnglayang-mandi (the dipping swailow) to bind him hands and feet. Finally the time ahall come,
when the chaina and bandB of Nagaes-padoha »hall be worn away ad he «hall once inore allow the earth to
sink (t. Mars den). Die Araber schreiben Erdbeben dem Schütteln de» Steine« Sakhrat zu, der den Berg Kaf
tragt. Iri Abyssinien wird die Strafe der Steinigung be«ondcn den Ketzern zuerkannt, ln the »treete of Uon-
dar are still aeen the heaps of stone», which cover the bodie« of tho catholio miasionariea, whoie laboura in the
cause <»f the gonpel were thua requited. — 4) In t'hile werden die Todten mit den Füaaen voran au« der
Hütte geschafft, da aonat da» Gespenst in schreckender Gestalt zurückkehren würde. In Hinterindien wird
die Wand durchbrochen, um nicht durch die Thür hiuauasutragen.
Digitized by Google
6
Ad. Bastian,
Die von einem Begräbnis* zurückkehrenden Böhmen (im XII. Jahrh.) warfen Steine und
Holzstücke hinter sich, ohne umzublicken, und larvae nocturnae et terrificationes imaginum et
bestiarum (Nonnius) giebt es auch in Amerika. Der Leidtragende muss bei den Ujibbeway»,
ohne sich umzusehen, vom Grabe zurückkehren, sonst folgt ihm der Tod (Se-bi oder Cba-pi)
oder ein Begleiter muss Zweige über dem Haupte des Anverwandten schütteln, als ob Fliegen
fortjageud. Eine Wittwe hat in Zickzackspriingen zurück zu kehren, um ohne Schaden zu
entkommen. Die Australier vermeiden es selbst am Tage sich den Gräbern zu nähern und
sollte Jemand Nachts dort schlafen , so würde der Todto herauskominen und ihm die Einge-
weide*) aus dem Leibe ziehen, die sich indes« am nächsten Morgen wieder eingesetzt finden.
Dieser Operation muss sich jeder Karraji oder Zauberer wenigstens dreimal unterworfen haben,
um seine Würde zu erlangen, ist aber dann gegen Gespenster geschützt (Colli ns). Die beim
Verbrennen der Leiche entfliehenden Bhut gehen in Siam um und (nach den Rahbinem) wur-
den die nicht in der Hölle gestraften Sündigen zum unstäten Umherschweifen (Na venad)
verurtheilt (als jii'tvprtr« ni-am). Auf den Schiflerinseln frisst ein Vogel die Seelen oder
sonst der Gott. Nach den Indianern weilt die Seele noch einige Tage im Wigwam neben
dem Körper, ehe sie zum Geisterlande fortzieht und die Führung eines noch Unerfahrenen wird
gern einem Hunde1) anvertraut (in Mexico dem gleichzeitig getödteten Hansthiere Techichi),
wie die Perser den Sterbenden von einem Hund anblicken liessen. Die Grönländer lieben es
einen Hundekopf auf Kindergriilmr zu legen. In Kamtschatka pflegte man bis zu Steller’*
Zeit, gefährliche Kranke aus der Wohnung hinauszutragen, da fliese sonst, wenn der Tod im
Innern erfolgen sollte, des unheimlichen Spuken* wegen hätte niedergerissen werden müssen.
In Neusöhl (im nördlichen Ungarn) wird am Haupte des Sterbenden mit einem Glöckchen leise
geläutet, damit die scheidende Seele, durch den Ton angelockt, noch einige Augenblicke auf
der Erde, in der Nähe des erstarrenden Körpers verweile. Ist der Tod erfolgt, so läutet man
mit dem Glöckchen weiter weg, immer etwas weiter vom Todten, dann zur Tliilr hinaus, und
einmal um das Haus herum, damit man so die Seele auf ihren Scheideweg geleite, bis da»
Läuten der Dorfglocke beginnt. Ursprünglich lag wahrscheinlich die Idee zum Grunde, das
Gespenst durch Erzesklang über die Bannlinie hinauszuscheuchen, wie es bei der jährlichen
Reinigung der siamesischen Hauptstadt im Jing-Atana durch Böllerschüsse geschieht In
Nieder-Üesterreich wird fiir die ausfabrendc Seele gebetet, indem man dem Sterbenden eine
geweihte Kerze, angezündet, iu die Hand giebt, das heisst man das Seelausbeten (Verna-
leken). Die Macusis beerdigen den Todten in der Hütte, worin er gestorben Ist, sowie auch
Conibos und Remos, die im Donner die Stimme des Verstorbenen zu hören glauben. Die Lap-
*) Der grönländische Luftgeist Erloersorlok (oder der die Eingeweide Herausreissande), der sioh von den
Eingeweide» der Todten auf dem Wege zum Himmel nährt, wird alt ein mager ausgehungerter Mann
mit hängenden Backen dargestellt (nach Egede), gefürchtet wie die Irle-Chan in Nord-Asien. — 2l The dog
ia consulcred by tlie North- Amerika» -Indians us an ominous animal and supposed to posseas great virtue
(Jones). Bei den Cherokese» verkündete der Hund durch klägliches Geheul die Fluth, worauf sich sein
Herr in einem Bote retten konnte. Ala Todtenrerer zeigt der Hund (in Innsbruck) bevorstehenden Todesfall
im Hause an. Die Tempelhunde des Hephästos spürten den sittlichen Werth des Ankommenden heraus. Bei
den Persern war es ein günstiges Zeichen , wenn der Hund ein in dem Munde des Todten steckendes Stück
Brod frass, und die Genesung eineB Kranken entscheidet sich anderswo, wenn der Hund Brod frisst, mit dem
er die Zähne gerieben.
Digitized by Google
7
Der Steincultu« in der Ethnographie.
pen pflegen gewöhnlich die Leiche im Walde zu verscharren, vergraben sie aber unter dem
Feuerheerd der Hütte, wenn sie von den Geistern des Verstorbenen geplagt werden (um dann
wenigstens das unstäte Gespenst in einen harmloseren Hauskobold au verwandeln). Bei den
Hottentotten bricht der ganze Kral nach einem Leichenbegängnisse seine Hütten ab und zieht
weiter, während die Hütte des Verstorbenen einsam stehen bleibt (Kolbe). Die Amakosa
tragen den Verscheidenden aufs offene Feld und unterwerfen die Angehörigen weitläufigen Rei-
nigungsceremonien. Stirbt aber ein -Erwachsener plötzlich in seiner Hütte, so wird der ganze
Ort dadurch verunreinigt, der Todte bleibt in der Hütte, wogegen der ganze Stamm weiter
zieht und selbst die gereiften Feldfrüchte zurücklässt Bei Finnen und Esthcn werden da-
gegen die Todten bewirthet, die im Juulheer der Lappen die Luft durchziehen. Die al ba-
ll esische Schwarmzeit der Geister (wie in den deutschen Zwölfnächten) setzt Hahn in Bezie-
hung zur Wintersonnenwende! In Rom wurden den diis manibus die feralia (im Februar) ge-
, feiert und in Griechenland ') gingen die Geister der Verstorbenen an den Festtagen der Ne-
kyia um.
Nach den Koloschen und Tainonen kehrt der Körper beim Tode zur Erde zurück, der
Schatten geht in die Unterwelt ein und lebt gerade unter dem Flecke seines früheren Auf-
enthaltes auf der Erde, wenn er mit Hülfe des trommelnden Schamanen gliicklich'den Hunde-
weg vermieden hat Der Geist aber steigt auf in die Luft wo der Gut« ruhig lebt, während
der Verbrecher von den Wolken unstät umhergetrieben wird.
Für die Auftassuugsweise, unter der die Ucbcrbleibsel eines praohistorischen Steincultus be-
trachtet werden, ist es vor Allem bedeutungsvoll, unter welchen Verhältnissen das Wander-
volk die neue Erde betreten hat und ob es mit gutmilthigem Humor auf die verschwundenen
Eingeborenen zurückblickt die sich als Zwerge oder Wichtelchen in unterirdische Gruben ver-
krochen haben mögen, oder ob es die Erinnerung schwerer Kämpfe bewahrt, die mit rach-
süchtigen Riesen und Lapithen um die Besitznahme geführt werden mussten. Für die Ent-
scheidung Uber relativ« Altersverhältnisse der Ansiedlung bieten die koemogcnischen Mythen
wichtige Anhaltspunkte, denn während die Autoehthonen oder Aborigines sich dem mij^ter-
iichen Boden entsprossen glauben, werden die unter dem Himmelsdach eingewanderten Völ-
ker die sie leitenden Vögel als Götter mitbringen, oder die Verehrung der Gestirne, die ihnen
auf ihren Zügen geleuchtet hatten. Dann tritt zu den aus Steinen geborenen, aus Baum-
stämmen hervorgeschlüpften, wie die Pelasgcr Arkadiens, oder (wie die Zwerge im Leibe
Ymirs) aus Würmern erzeugten Kindern des Landes ein erhabeneres Fürstengeschlecht der
Sonne und des Mondes, ein Götterstamm, der aus hohen Himmelsterrassen herniederstieg.
Gleich dem, von den Anakes als Poimenes, gehütetem Laos von laas, wird der Stamm der Onei-
ilas (nach Schoolcraft) aus Onia oder Stein erklärt, als Fels entsprungene *), wie die Sachsen
3) After a death in a Family (in Cochin) the room, in which it oocorred i» auppoaed to be haunted by
the »pirit of the departed and amongut wealthy Familien is generally nut uaod again, until tbat generation
baa paiaed away (l)ay), wie in nnaeren alten Spukschlösser». — Aue den zersprungenen Stucken dee auF
die Ktde gefallenen Steinmeeeers, das der tiott Ometeuetli mit seiner Gattin Citlalicuc in der Nähe der Sieben-
höhlen (Chicomoztotl) gezeugt hatte, entstanden die Heiden der Chichimeken, die ana dem von Xolotl an* der
Unterwelt heraufgebrachten Knochen die Menzchen schufen. Wie Henealion und Pyrrha. verwandelt hei den
Macuis in Südamerika der allein ans der Kloth gerettete Mensch Steine in Menschen, aber bei den Karaibea
werden durch den Zorn der Sonne die Hüter der Höhle in Stein verwandelt, ala die Menachen hervortraten,
nnd diese «eitet zum Theil in Pflanzen und Thiere.
Digitized by Google
8
Ad. Bastian,
aus dem Saxum am Harz. Die aus den Glanzhallen Abhassaras niedergesunkenen Vorfahren
der Birmanen sahen sich die Erde durch generatio aequivoca bevölkern, indem die dienst-
baren Stämme aus dem Gestein der Berge, aus Bambus, aus Schilfen, aus Fruchtbäumen hervor-
wuchsen, und die Königsdynastien Tibets führen sich auf die Tengri-Söhne zurück, die au»
anderen Regionen bei ihnen aulangten. Bei den Grönländern schlägt der allein aus der Siind-
fluth zurückgebliebene Mann auf den Erdboden, aus dem eine Frau hervorkam.
Die Landeskinder, wenn sie von einem erdgeborenen Tuiscn, dem Vater des Mannus, ent-
stammten, von einem aus dem Salzfelsen hervorgelockten Buri, von einem in den dürren Gefilden
Libyens (wie die Moxos inmitten der aüdamerikanischen Ebenen) emporgetauchten Jarbas sich
ableiteten, werden den Ursprung1) bei dauernder Niederlassung an bestimmte Localitäten an-
knüpfen, wie die Neger Yorubas an Ifeli oder die Quechuas an die Höhle Paucartambos. Die
umherschweifenden Jägervölker der Rothhäute dagegen erkennen ihre Vorfahren in den Thie-
ren, mit denen sie zusammen leben, und wie die Koluschen von Wolf und Rahe, leiteten sich
die Lenapc von der Schildkröte, die Chippewäh vom Hunde ab.
Bei den Itonama in Süd -Amerika ist die Verbindung mit der Muttererde noch so innig
und fest, dass ein Kranker, wo er auch sei, sich nach der Stelle seiner Geburt zuriickbegiebt,
um dort aus 'dem mütterlichen Boden’) die erfrischende Kraft zu saugen, dieAntäus bei jedes-
maliger Berührung der Erde gewann, und im Mittelalter den Hexen entzogen wurde, wenn
man sie für den Transport in kupferne Kessel anschmiedete und auf den Armen in das Gericht
trug. Den Andaganach oder heiligen Stellen der Aleuten dürfen Frauen und Kinder nicht nahe
kommen. Wio die Irokesen durch Tarenyawagou aus den Eingeweiden des Berges gezogen
wurden , kamen die Amakosa mit allen Thieren , die weithörnigen Ochsen ausgenommen, aus
einer Höhle hervor und das erste Geschwisterpaar der Peruaner au» den Fensterhäusem der
Grotten in Paucartambo, aber die durch Machakael bewachten Höhlenbewohner der Antillen
wurden von den Strahlen der Sonne zuerst in Steine und dann in duftende Eichbäume ver-
wandelt, bis sich aus diesen Ameisen (die Myraiidonen des Aeakos) erzeugten, und dann wei-
ter gjatte Mädchen, für deren Fang es Menschen rauher Haut bedurfte. Wie, nach Pindar,
der vom Nil zurückgelassene Schlamm fortfährt sich in nasser Hitze zu bekörpern , so wühlen
sich (bei Berosus) durch den Einfluss der Sonne die Ungetliiime des Mercaja aus den Morästen
des mesopotamischen Delta hervor , während die Mythen der Maori die Geschöpfe in der dicht
verschlungenen Umarmung von Gäa und Uranos entstehen lassen, von Rangi und Papa*),
die. in der Dunkelheit des Po, eng im Umfangen zusaminengepresst, bei der Empörung ihrer
Kinder durch Tane-mahuta, den Gott der hochstrebenden Wähler, aus einander gerissen wurden.
Auf Samoa war es Tiitii, der Himmel und Erde trennte. Während in der hesiodeischen Theo-
*) Kaliak, der erste Mensch der Grönländer, kam aus der Erde hervor und aus «einen Daumen entstand
die Krau, von der alle Menschen herkommen (Crantz). Den Tod soll daa Weib in die Welt gebracht haben,
indem sie sagte, laaB diese sterben, damit dia Nachfolgenden Platz halien. — *) Die Finnen dagegen glaub-
ten, dass aus dem Erdboden die von den Maahiset geschickten Krankheiten emporstiegen und während (nach
Jessen) der ins Manneaalter tretende Lappe eine Saivo-Stelie sucht, um dort seinen Schutzgeist zu gewinnen,
meidet der Esths Plätze, in denen die Maallnsed oder Unterirdischen ihren Sitz haben möchten, um nicht mit
Aoaschiag als Ma-vihba (Erdzorn) oder Ma-hingaminoe (Erdhauch) geschlagen zu werden, wie der Kinne die
von den Maahiset (Maahiuen) ans dem Erdboden geschickten Krankheiten fürchtet. In Albanien ist es ein Elfen-
schlag, und wenn sich der Kranke des Platzes erinnert, wo er zuletzt gesessen hat, so lawprengt man ihn not
llosenwasser, daa die Elfen «ehr lieben. — 3) Terra enim et Coeiom, nt äamothracia initia docent, sunt dii magni.
Digitized by Google
Der Steincultu* in der Ethnographie. ü
genie die in dom klaffenden Kaum des Chane <?i »geschlossene Oäa aas sich den Uranos erzeugt,
vermählten die Finnen (nach G anander) Akka manteren alainen (die unter der Erde weilende
Alte) mit dem Donnergott Ukko. Nach den Tagalen lies« Hathala Meyeapal in einem Erd-
beben die Völker aus der Erde*) hervorgehen, nachdem er die Vermählung des ersten Paares,
das aus zwei Schossen eines Hiunbu au fge wachsen, vollzogen hatte. Auf des Aiakos Gel>et lässt
Zeus tiie Menschen aus der Erde hervortreten.
Wie sich die Aborigines oder Autochthonon aus der Tiefe des Erdbodens entsprossen
glaubten, so verlegten sie auch dorthin die Heimath ihrer Vorväter, sowie den seeligen Wohn-
sitz, zu dem sie nach dem Abscheiden zuriickkehren *) würden. Nach den Samojeden lebt im
Schooese der Erde das glückliche Volk der Sirtje. an Vieh und Schätzen reich, das sich eines
Ueberflnsses an Mamm uthheerden, an Zobeln, Füchsen um! Bibern erfreut Die Noaiden der
Lappen besuchen zur Rathserhohing da« unsichtbare Saivogeschlecht (das der Seelen, wie sai-
vala im Gothiscben), das unter der obersten Erdrinde seinen Sitz hat und Alles in höchster
Vollkommenheit besitzt. Bei Hesiod wird das goldene Geschlecht von Zons mit Erde bedeckt
und erst nach »einer Verwandlung in Schutzgenien der Luft, um als iöfrloi über den
Menschen zu wachen, tritt in die Stelle seines unterirdischen Aufenthaltes das silberne Ge-
schlecht, das gleichfalls Verehrung empfängt. Nachdem im Gegensatz zum heiteren Himmel
die finstere Unterwelt zum Kigenthum des feindlich Bösen wurde, versetzt man ihre frü-
heren Bewohner in die Inseln der Seeligen, während sich im buddhistischen Indien noch ein
Mittelplatz5; dort findet für das Reich der Nagas in Batala, die freilich durch die neue Reli-
gion ihrer Herrschaft über die Erde beraubt wurden, aber diese gnadenvolle Cession erhielten,
weil aucli sie sich als Hörer der erlösenden Predigten einfanden. Wenn unter der Erde der
Zwinger des Gewaltigen steht, wie in den Marianen, so vermeidet man selbst, wie auf den
Batu-InBeln, das Berühren der verschlingenden und verunreinigenden Erde durch die (nach per-
sischer Sitte) auf erhöhte* Pfosten4) gestellten Leichen, während man sonst die Todten, als De-
metrioi, dem Mutterschoosse der Knie xurückgiebt.
') Le tinnois Ma-innc-mrn (bommc de la terre) dösigne l'homnic Habitant du pays (Landsmann en Alle-
mand) par Opposition ii IVtranger, qui n’eet pae un compatriote. L’arabe ibu-al-ardh (filius terrae) designe
lV*tranger errant sur la terre höre de sa patrie (Bergmann). Wie der Engel llareth bei den Persern wacht
über die Erde in der Bretagne Main-Berthe (Madame Bertha), die als la Dame-verte von Monnier mit Hertha
/aaammengestcllt wird. Die Lydier verehrten die Erde oder Ma als die grosse Göttin, die auBser den Namen
Khea und Cvbele auch den der Maja führt. — *) Die Papuas leben aaf dem Meeresgrunde in früherer Weise
fort fwie es auf egyptischen Papyrusrollen dargeatellt ist) und nehmen deshalb Waffen und Schmuck mit sich
in das Grab. Die Mönnitarris finden unter der Erde zwei Dörfer, die ganz wie die auf der Oberwelt verlas-
senen eingerichtet sftid. Alle notliigen Jlandwerkagegenst&nde der Kleider werden deshalb in das Grab nieder-
gelegt. und sollte diese Pflicht versäumt sein, so würde das schreckende Gespeust des Todten zurückkehren
sein Kigenthum zu suchen und zu fordern. Die Araucancr werden durch den Schiffer in Tempulagy nach dem
westlichen Paradiese übergefahren, wo sic wie auf Erden fortleben. aus*er dass ihre Trauen unfruchtbar sind,
da die Bevölkerung nur durch die abgeschiedenen Seelen geschieht. Den anf lieblichen Inseln in Früchten
schwelgenden (’araihen dienen (nach Davies) die Arowaken im Jenseits, wo diese in wüsten Gebirgen dabin-
schmachten. — a) Vischnn drückt den Riesen Gaya in Behar oder an der < 'oromandelküste den König Ball
dorthin hinal. .Die ÜaliBprache erhält ihren Namen nach den Buddhisten seihst, welche ehedem in Indien
Hali genannt wurden, daher auch dieses selbst zurZeit ihres Flores Balistan (das Land der Bali) hieee“ (Ade-
lung). — •) Wie die Nadowessier ihren gemeinsamen Begräbnis« platz neben «1er Wakon teel«e (Wohnung
des Grossen Geistes) genannten Grotte, setzten auch die Dacofas ihre Todten auf ein Gerüst bei. Die Schama-
nen der Tungnsen lassen sieh nicht in der Erde begraben, weil dort «1er Böse woliut, sondern ihre frei hin-
gestellten Särge werden nur mit Steinen t ((gedeckt.
Arobt* ffij Anthropologie, H*d«I UI. lieft 1. «>
Digitized by Google
10
Ad. Bastian.
Fremde Einwanderung wird auch liier die Auffassung verschiedentlich scbattiren , und in
den Unterirdischen die verschwundenen Eingeborenen sehen, die bald als tückisch-böse Zwerge
(den finsteren Mächten des Tartaros oder dem, Lios-Alflieim entgegengesetzten, Svart- A Ifheim
zugeltörig) in dunkeln Hohlen hausend, gefürchtet und vermieden werden , bald als harmlose
Gorzoni (bei den Lüneburger-Wenden) BaugeräLlie geliehen erhalten, wofür sie Brod hinlegen.
Wie an das durch die russisch« Vorzeit spukende Volk der Tsehuden, knüpfen sich an die in
unzugängliche Schlupfwinkel zurückgezogenen ') Eingeborenen leicht geheimniasvolle Sagen,
wenn inan sie mitunter daraus hervorgehen sieht, indem sie sich aus Sglieu jeder Nach-
forschung entziehen. Als der Tumagong (auf der malayischen Halbinsel) eine Strasse durch
die Wälder seines Landes hauen lassen wollte, gab er den allein dazu fähigen Eingeborenen
Nachricht, und diese machten sich sogleich an das Werk, entflohen aber bei jeder Annäherung
und entnahmen ihren Lohn (wenn Niemand sie zu erblicken nahe war) von einem Baum-
stumpf, auf den man ihn hinzulegen pflegte (Canieron). Die Bergleutchen von Nagelberg (in
Mittelfranken), die in der Mühle Dienste verrichteten, blieben aus, als sie beschenkt wurden.
ln der Lausitz kommen die Ludki oder Lottchen Nachts ans ihren Mauselöchern hervor
und so bei den Yoloff (in West- Afrika) die zwerghaften Yutnbos aus den Pap-Hügeln, um
in den Negerhiitten ’) Meid (wie bei Gurwitz in Mähren Erbsen vom Acker) zu stehlen3) oder,
lun in der Bay zu fischen, gleich den Feengeistern der Maori auf Neuseeland, von denen Ka-
hukura zuerst die Verfertigung der Netze (wie die Äsen von Loke) lernte, als er sieh darunter
gemischt und durah schlechtes Knoten den Fang bis zur Morgendämmerung hingehalten, so
dass die hastig Entfliehenden einen Theil der Geräthsohaften zurück Hessen. Sobald die erste
Glocke zu Warnsdorf geläutet wurde, packten die kleinen Querxe ihre Habe zusammen und
zogen in den breiten Berg (nach Vernaleken). Damit sie kein Brod stehlen, wird Kümmel
eingebacken, doch mischen sie sich (durch Nebelkappen unsichtbar) zwischen die Gäste auf
Hochzeiten. Als man Steine in das Loch der breitkrämpig behuteton Fenesleute bei Heinzen-
dorf (in Schlesien) warf, miet. beten sie eine Fälire, um über die Grenze zu ziehen. Die Zwerge
J) Die Berguiänin-hen oder Trollen bei A lUUk.lt iim nördlichen Mehren) verstecken eich hei (Jewittern in
ihren Bergen. Die Tumtili der Madras-Präsidentschaft rollen die Häuser der Panduva genannte Pygmäen «ein,
die, als die erzürnten Götter einen Feuerrfgen auf sie herabsandteu, diese grossen Steine rum Schutz über ihre
Köpfe zogen. Die Kammern der Necropolis zu Ifon-Merzong (südlich von Constantine) sollen sum Schutze
gegen den Steinregen gebaut sein, der zur Strafe der Sünden vom Himmel fiel [Christ}) and im Lende der
Figurier iiess Zeus (nach Straho) Steine regneu, um dem Hercule« (auf dem Zuge nach den Hesperiden) »eine
im Kampfe ensgegangenen 'Wurfgeschosse zu ersetzen. Die Schätze in der Dürrenhachan bei Ncukircbcn (im
Pinzgau) werden von dem braunen Männchen Putz liewacht. Aus den steinernen Stuben des Amper-lJfers (in
Oberbeyem) kam das Pestweiblein hervor und verbreitete die Neoche durch des einem Mädchen geschenkte
Paar Strümpfe (s. Lentner). Wenn der regenverkundende Dunst aus den Schluchten aufsteigt, meint der
Tiroler, dass die riesigen fiergmänner ihre Pfeifen rauchen. Die Melkerinnen werden auf der Alp von den
Nürkelen geneckt. — *) In Böhmen machen sich die Hausgeister besonders in den Untemächten (von Weilt-
nachten bis Dreikönig) bemerkiieh. Die mit den Menschen verkehrenden Didken Galiziens gelten mit den
lianswirthen Verträge ein, und sollte der F.rbe diesen nicht nncltkommen, so swingen sie ihn durch den
engerichteten Lärm das Haus zu verlassen, und verwildern dann seihst (den Jazie der karpathiseben Wälder
ähnlich)-— 8) Johannes Dunkelshühl (•;■ 14SS) erwähnt des Alterglauben», dass gewiss#- Mumen (Muma)
die Häuser besuchen, aus den unbedeckten Gelassen, die sie dort finden, essen und trinken und die Gefasse
immer wieder füllen. Fänden sie aber die Gefaste bedeckt oder verschlossen, so stehe dem Hanse Unglück
bevor. Das Wiesel heisst im bayrischen Unterlands Muentclein (Panzer).
Digitized by Google
11
Der Steineultus in der Ethnographie.
verli essen das Buchlwrger-Thal (in Oesterreich), als ein Schäfer den von ihnen bewohnten
Schneeberg erstieg. Nach der Gylfaginning weilt dax uralte Geschlecht der Zwerge (oder
Dvergar) in der Erde') und dem Gestein. Der König der Zwerge erbaute mit seinen Unter-
thanen den Weg, der zum Bergschloss Senftenberg hinaufleitet. Paracelsus nennt die Berg-
geister irdische, weil sie in der Erde ihren Aufenthalt hatten. Nach Th y raus sind die Berg-
geister eigentümliche Mittelwesen zwischen Menschen und Thieren, die ihren eigenen Körper
und ihre eigene Seele hätten. Lavator erwähnt eines Bergknappen, dem ein von ihm geschol-
tener Berggeist den Kopf umgedreht. Die von Zwergen (Orions oder Gorik») erbauten
Pfeileralleen von Karnak hiessen Ti Goriquet oder Comandoret (Zwergenhaus) im Bretagni-
Hclien. Die Speuna (Haus der Herren) oder Aescheniana (Haus der Helden) genannten Stein-
haufen im Lande der Tscherkessen wurden nach der Sage erbaut, als eine Flotte zwerghafter
Menschen an der Küste landete und die unterjochten Riesen zu diesen Werken zwang.
Unter den Kurganen werden die (wie auch die Dolmen*) zu Begräbnissen gebrauchten von
solchen unterschieden, die als Warten aufgeschüttet wurden, oder um das Zelt des Führers im
Lager zu placiren, wie bei dem Einfall der mit Peter dem Grossen verbündeten Kalmükken. Die
in der Ebene zerstreuten Kamin Baba, die ursprünglich von den Soythen verfertigt seien,
sollen von den Rumänen später auf ihre Kurgane gestellt und durch Zufügungen roherer
Ausführung vermehrt sein. Auf das Grab Croc's hei Krakau wurde ein zweiter Hügel ge-
häuft, so dass der Berg Laasotn alle anderen überragte Das Grab der in der Weichsel
ertränkten Wanda (Freya's, als Wanadis) wurde mit einem Hügel UberthUrmt, am Zusammen-
fluss der Dlubnia und Weichsel. In der Nähe der Festungswerke, an denen (nach Ibn-ai-Mo-
gawir) früher die Strasse von Bab-el-Mandeb durch eine Kette geschlossen war, finden sich
Riesengräber. Die verbrannte Asche des Dänenkönigs Harald-Hiidetand, der in der Brn walla-
schlacht gegen den schwedischen König Sigurd Ring gefallen, wurde nach einem bei Loire
aufgeworfenen Grabhügel gebracht, den die Sage dort noch zeigt. Bei den böhmischen Mohy-
len (wie bei den Heiden- oder Hünengräbern) liegt der Umenplatz meist an der Basis in
gleicher Höhe mit dem umgehenden Boden. In dem Frodebügel bei Frederikssund (den Wor-
saa indess zum Steinzeitalter rechnet) soll (nach Saxo Grammaticus) der Kör|>er des Königs
Frede Fredogode, der für drei Jahre durch das Land umhergeführt wurde , l>eigesetzt sein.
Nach Snorre Sturleson war es zuerst Sitte, die Torlten zu verbrennen: „Später aber, nach
Beisetzung Freys in einen Hügel bei Upsala, hatten viele Häuptlinge ihre Verwandte in Hü-
geln bestattet. In Dänemark war Dan mikälate (der Prächtige oder Stolze) der Erste, der
nicht verbrannt wurde. Er liess sich einen Grabhügel errichten und befahl mit königlichem
Schmuck und Rüstung, nebst Ross, Sattel und anderen Gütern dort beigesetzt zu werden
Damals fing das Hiigelalter in Dänemark an, doch währte das Brennalter noch lange nachher
>) Le« Morte demeureat Caches tont le lang du Jour et sortent L nuit (auf Haiti), um Früchte zu essen
in ihrem Paradiese, und auch das Palmvratich genannte der Tououpinamliaoults - Brasilier lag jenseits der
Berge, sie Aufenthaltsort der Tapferen, während die Feigen rum Teufel oder Aygnan gehen. — *! Lee corps
(dans lea Dolmen pres de Constantinc) se trouvent replies sur eux * memes arer les genottx ramence ver* la
poitrine et touchaut preeque le menten, comme dans les tombes des aneien* Lydiens d'Herodot (Bon-
atetten). In den skandinavischen Uanggrahen sitzen die Todten in der centralen Kammer. Auch Grabhügel
wurden zu Werten benutzt, wie der des Aiaytcs vom Troer Polites, als mristeni dazu geeignet.
Digitized by Google
12
Ad. Bastian,
in Schweden und Norwegen.“ Bei den Chichimeken trat die Sitte des Verbrennens an die
des Begrabens, als ihr König Xolotl verbrannt wurde.
Den Thronsitz des Mithridates macht eine andere Sage zu seinem Grabhügel ') und die
umliegenden Monumente von Kertscli zeigen dieselbe übereinander vorragende Bogenbildung,
wie (nach Wilson) die hochschottischen Wheems, die ausser Asche und Knochen, Steincelten
und Bronzewaffen enthalten.
Bei dem Tode des mit Durchstechung des Kanals von Atlios beauftragten Artachäes (aus
der Familie der Achämeniden) liess Xerxes einen Grabhügel errichten, wo die Aconthier dem
Halbgotte opferten. Ueber der geschlossenen Gruft des mit seinen Sklavinnen begrabenen
Khan der mongolischen Dynastie in China wurde ein hoher Hügel aufgethürmt (nach Ibn
Batuta). War der Skythenftlrst (in der Landschaft Gerrhos) in viereckiger Gruft, die auch
die Leiber der getödteten Diener empfing, beigesetzt, so wetteiferten alle Anwesenden, den
Grabhügel möglichst hoch über der Gruft aufzuschütten (nach Herodot), wie in deutscher
Sage jeder Krieger einen Helm voll Erde herbeiträgt. Die Hügel der Semljanie Kurganic
(Todtenhiigel von Erde) genannten Gräber an dem in den Jeuisei fliessenden Abakan sind mit
hohen Feldsteinen umgeben (nach Gmelin). Die Gräber der daurischen Mandschuren in
Russland sind mit Granitfliesen umsetzt und schliessen einen unbehauenen Stein als Gedenk-
säule in der Mitte eilt
„Die mitternächtigen Völker haben ihre Gräber mit Enie hoch erhoben. Die turnehmsten
runden Berge sollen der Könige, Fürsten und Kriegshelden Todten-Gräber sein“ (Arnkiel).
Ueber das Grab der Zarina, Königin der Saker, wurde eine hohe Pyramide (mit grossem Co-
I088OS) aufgerichtet (nach Diod. Sicul) und als noch gewaltiger wird das Grabmnl beschrieben
das Semiramis ihrem Gemahl Xinus errichtet. The tumuli of Iudia ditfer little front the bar-
rows of Europe and other parts of the World (Fergusson).
Als zu der Verehrung der heimathlichen Erde die des darüber gewölbten Himmels hiuzu-
trat, so vermittelte sich ihre gemeinsame Auffassung in den Bergen, die mit ihren in der Bläue
verschwindenden Spitzen einen Weg von Oben nach Unten oder von Unten nach Oben dar-
zustellen schienen. Herakles bestieg den Gipfel des Oeta, um in den Himmel aufgehoben zu
werden, und den in der Fluth des (,'hibchacum auf die Bergspitzen geflüchteten Bogotensem
oder Chibchas erscheint der Gott Bochica auf dem Regenbogen, um mit seinem goldenen Stabe
dem Wasser einen Abfluss zu verschaffen. Zum Gipfel des Borgo Albordj (Elbrus), den ür-
muzd als Nabel der Erde in die Grundveste gestellt, führt die Brücke Tsehinevad, das Reich
der Finsterniss und des Lichtes scheidend. Den Arabern steht der Berg Kaf im Mittelpunkt
der Erde, und Vishnu, als Kachvapa oder Schildkröte, stützt in der Kurmavatara den Berg
Meru der Indier. Wie Maximns von Tyrus bemerkt, verehrten die ersten Sterblichen die
Berge als Symbole de» Göttlichen, indem sie jede Bergspitze von Gottheiten bewohnt glaubten,
gleich dem heiligen Berg in (,'appadocien , und auch den Römern lag die Freistätte des Mons
Sacer am Anio. Von den dem Himmel benachbarten Bergen glaubte man «sagt Tacitus), dass
') In den 'atacoraben dezeelben Hin.! Aachenurnen, Glaaperlen, Pferdeknochen, Schmuckaachen gefunden,
rowie Bilder der Ariern» ond K viele. Die Gerippe der neben Grabbügel hatten Münzen im Munde. In der
Grabkammer bei Phanagoria fand «ich ein eieemer Panzer und Schwert neben ehernen Pfeilspitzen, ähnlich
wie in den tscherkerüaohen Grabhügeln (nach Taitbout de Marigny).
Digitized by Google
13
Der Steine ult us in der Ethnographie.
die Gebete leichter zu deu Göttern aufüteigen würden, als diesen näher ') (wie das Gebiet des
SaJzflusaes in Germanien). Wie die Siamesen bei Anghien, ehrten die Esthen ihre heiligen
Berge oder Puhha maggi. Die Litthauer opferten dem Gotte Perkunas auf der Spitze des
heiligen Berges Rombinus (der Stadt Ragnit gegenüber), wo die goldene Schüssel und silberne
Egge, als Unterpfand für die Fruchtbarkeit des Landes, begraben lagen. In China opferte
der Kaiser in den vier Jahreszeiten auf deu Hauptbergen der Weltgegenden, im Frühjahr auf
dem östlichen, im Sommer auf dem südlichen, im Herbst auf dem westlichen und im Winter
auf dem nördlichen.
Ln den Bergen verschwinden volksthumliche Heroen, der Kaiser mit seinem Heere in dem
Guckenberg (bei Fränkisch Gemünd), Wedekind in Babylonie (nn der Weser), Siegfried in
Gerohlseek, Friedrich im Kytfhäuser, Karl im Unterberg.
Auf der Tafelfläche der Berge halten die Götter ihren Hof, bei den Griechen die Olym-
pier (deren Thronsitz in den Olympieien zu Sicyon, Elia, Sparta, Syracus, Ephesus u. s. w.
nacbgebildet wird), bei den Indiern die Chatu-Maha-Raja oder vier Grosskönige des Meru
und die Tscherkesseu verehren den Berg Kajere Khiaps, dessen auf der Spitze gelegener
Sumpf von überirdischen Wesen umwohnt ist, wie der Berg Cavaguui in Katalonien von Dä-
monen, die Sturm erregen, wenn man Steine in den schwärzlichen See auf den Gipfel wirft.
Die Beduinen beten zu den heiligen Bergen Safa, Merwa und Arasat, die Mekka umgeben.
Die Fische in dem See auf der Spitze des Rachel-Berges im Böhmerwald sind verwunschene
Menschen, die dort den Tag des Gerichtes erwarten.
Da Bich auf den Bergen die Wolken sammeln, so wurde der Hüter der Berge (der Wolken-
sammler gleich Zeus kronios) um den befruchtenden Rogen angefleht, wie die Neger den von
Blitzen umzuckten Bergspitzen opferten, wo, nach den Römern, Summanus thronte. Liegen
dagegen die Berge auf feindlichem Gebiet, so rufen die Aryas der Ebenen in ihren Hymnen
ilie Hülfe des Indra an , um die feindlichen Dasyus, die den Regen zurückhalten , mit seinem
Blitzstrahl zu vernichten und die Wolken zu zerreissen. Die Hawaier wagten es nicht, den
Gipfel ihres centralen Vulcans zu besteigen, als den Sitz der Feuergöttin. Indem den Strah-
len der Sonne Schöpferkraft zugeschrieben wurde, so lies« sich diese bald, so lange noch die
ganze Natur belebt war, von Pflanzen und Thieren auch auf die Steine erweiteren, und die
auf den Steppen oder den Prairien zerstreuten Steine hatten dann für ihr Hervorwachsen aus
der Erde den Zutritt des männlichen Principe, der solaren Schöpferkraft, bedurft. Wie in
dein Tempel Quitos, repräsentirten in dem von Balliek unbehauene Steine die Sonne, die
egyptischen Obelisken*) in Heliopolis ihre Strahlen und auch in der Bretagne gilt der Menhir
als „Monnment solaire“. Auf tieferem Niveau ls?gnügt sich der Wilde mit der Erde allein,
mit der Maan emo (terra inater) oder rnaan emanta oder mit der Herrin Etuga, die als ge-
laugte Greisin im Innern der Erde lebt, wo Maui auf Neuseeland seine Urahninn Mttri-ranga-
■) According to the Bentiae the »iimmit of Gunong Tonlut Bangui is within One loot of the sky , that
of Gnnong To ei k h t Snhang is within an earrings lenght and that of (i unong Kap ia in contact witb it
(Cameroa). Benares tat das Halbwegebans znm Himmel, so dass dort erfolgender Tod die spätere Reise
abkurzt. — *1 Trabet ex eo (Syenite) feoere reges qtiodam certamine, ol>elitcot vocantes, Soli« numini conae-
cratoa il'linias). Die Kamtachadalen errichten auf weiten Ebenen und Torfleldem einen Pfeüer (mit Gras
nmwnnden) für DueilächtaohiUch, den Schöpfer.
Digitized by Google
14
Ad. Bastian,
whenua besucht«. Dorthin wandte man sielt deshalb auch in Noth und Bedrängnis«, dort heischte
man Hilfe, dort suchte man Rath, und aus dem Innern der Erde, wo der Altar des C'onsus
stand, erschollen die ältesten Orakel, des Trophoniiw und Amphiarnos1) in Griechenland, wie
noch jetzt in Afrika, wo Bruce ein aus der Tiefe hallende« Orakel in den Quellendes blauen
Nils fand um! Speke ein gleiches an der Quelle des weisseu. An der Westküste steigen die
Fetischpriester der Neger in eine Grube hinab, um der Erde (dem horchenden Klymenos)
ihr»» Orakelspriiehe al*n lauschen, während die Khekani in Süd-Guinea für Mwetwyi, den
grossen Geist, der int Innern der Erde lebt, eine Hütte bauen, damit er heraufRteige und seine
Weissagungen kund gebe, wie es sieh im dumpfen Getön auch den Umstehenden vernehmbar
macht- A deep cavem with an eeho is alwav fixtsl lipon as a tavourite residence of the spi-
rite« and oracular answers are given on all suhjects, bemerkt Wilson bei Nord-Guinea über
das Orakel der Gäa, die Aesehylos trptur optevug nennt Das Echo heisst tlie Zweigesprache
oder dvergmäl. Au» der Erde wuchs Tages empor, der den Etruskern ihre heiligen Gesetzes-
spriiehe sang, auf den Fiji-lnseln lebt ilor Gott Ndandavanua im Centrum eines mächtigen
Felsblockes nnd der irische Orakelsteiu (Laig-Fail). der 850 p. d. nach Scona gebracht wurde,
bestätigte durch seinen Laut die Wahl des Königs. I»er Gipfel des Berges Cazca in der Lausitz
heisst Praschiwn oder Praschwiza (das Orakel) bei den Sorben und der Orakelstein in Pytho
wurde (nach Hesiod) von Zeus licfcstigt; wie den Arabern der schwarze Stein der Kaaba vom
Himmel fallt und Verehrung empfangt, gleich dem heiligen Stein in der mexicanischen Pyra-
mide von Cholula. Nachdem Luheij den Götzendienst in Mekka eingeführt, hatte, wurde der
Fels, in den sich die Gottheit zurückgezogen, als El-Latt (der Mischer) verehrt- Als mit Ein-
führung des Sonneneultus der Stein des vorincaischeu Götzendienstes cxorciairt wurde, sah
man aus einem derselben den besitzenden Guaca oder Dämon in Gestalt eine« Vogels davon
Hiegen, wie umgekehrt in Tahiti sich die Gottheit als Vogel dem Altäre naht- Dagegen heisst
e« von Viracocha (bei Velasquez), dass er die aus dem See Coutici heraufliescliworenen Stein-
bilder I »eichte und mit ihnen als siegbringenden Göttern nach Cuzco zog. Um den Sieg gegen
Hannihal zu sichern, wurde der Stein aus Pessinus, als Symbol der Grossen Göttin, nach
Rom gebracht. Jupiter Lapis war in dem alten Heiligthum als Jupiter Feretrius der heiligste
der Schwurgötter, mit dessen Saxum silex der Pater Patratus das Opferthier schlug, und die
Buräten lietrachten »len SehwurfeU5) am AusHuss der Angara aus dem Baikalsee , als den
Sitz eines verstorbenen Schamanen, der Meineidige strafen wird. Der steinerne Mann zwischen
Mauern und Ellenbrunn versteinerte, als er wegen falscher Grenzziehung sich verschwört
hatte (s. Panzer). Die Wenden warfen heim Schwur einen Stein ins Wasser, daas der
Meineidige, wie dieser, versinken möge (Gicsebreeht). Dem slawischen Donnergotte war ein
Kieselstein auf dem Kopfe3) eiugefügt, Hirns stand auf einem Flvnnasteyne (nach Botho) und
») Als Feriklymenes im BegritV ist den Kücken des ftieliendeu Amphiaraos zu durchbohren, schleudert
Zeus seinen Blitzstrahl auf ihn und spaltet die Krdr, worauf Amphiaraos, als orakelnder Seher, mit seinen
unerreichbaren Koeaen thcssalischer Ilace und seinem Wagentenker Baton (Klattonosi m den gähnenden
Schlund fahrt, durch Zeus unsterblich gemacht. Auf die den Krdwall zierenden Säulen setzte eich kein
Vogel nnd dort graste (nach I'ausamasi kein wildes nnd kein Kahmes Vieh (s. Eckerinanni. — *) Auf Gran
f'anaria wurde bei den Felispitzen Tirma und IJmiaya geschworen. — *) Iiaa einen Hammer führende Hulz-
hild des Tiermw lAieke) hatte (bei den Lappenl einen Feuerstein im Kopfe eingefügt. damit Thor Feuer
schlagen konnte (Scheffer).
Digitized by Google
Der Steineultu» in der Ethnographie. 15
Piorun zu dessen Ehren ein ewiges Eener in Kiew brannte, hielt einen Blitzstein in der Hand.
Naraszewicz erklärt Prowe als Jupiter fhlminator. Die Figur des peruanischen Feuergottes
war ein Stein. Bei den Mexikanern war der Kiesel die Hieroglyphe der Luft und die Tata-
ren zauberten Wetter mit ihrem Regenstein, wie die Römer Wolken durch das Rollen des
Lapis manalis herbeizogen. I>ie viereckigen Steine (30 an Zahl) neben dem Bilde des Hermes
wurden von den Pharäern (in Achaja) als Götter verehrt, und Pausanias fügt hinzu, dass früher
alle Hellenen unbehauene Steine göttlich verehrt hätten, anstatt der Statuen. Die Schillukh
(am weissen Nil) verehren aufrechte Steine wie die Maen-hirion der alten Britten (s. Pri-
chard). Von den Alt-Peruanern wurde der Donnergott Catequilla in einem Felsblock ango-
betet, während den Mexikanern ein schwarzer Aerolith oder Feuerstein die Hülle des Quetzal-
coatl bildete. Neben dem Aeakeion in Aegina lag der unbehauene Stein runder Form,
dessen man sich beim Opfer des Aeakos, um Regen zu erbitten, bedient hatte. Wenn man in
den Belemniten oder Ammoniten Donnerkeile erblickte, die der Gott in Verfolgung seines
Gegners auf die Erde niodergeworten, um ihn (wie bei den Litthauern) durch den Blitz zu zer-
schmettern, so boten sich die Gromawaja strjela (Donnerkeile) den Russen als kräftige Gegen-
zauber, um die Mächte der finsteren Unterwelt niederzuschlagen, ebenso wie den Buddhisten
der Donnerkeil s) Indra s oder WadschirarTschumbatan auf der Spitze der ceylonischen Dago-
bas. In England dienten die Holystones oder Holedstones als Amulette gegen Krankheiten
oder Bezaulierungen und in Baiern die durchlöcherten Drutensteine gegen den Alp. Die
Hindu finden die Einkörperung ihres Gottes Vischnu in dem von Bohrwürmem angefressenen
Salagramstein des Sona-FIusses (oder im Nerbudda die des Siva) und nach Hogström bestehen
die Stein-Seida, die die Lappen (wie Tornäus erzählt) in Bächen oder Wasserfallen auflesen, be-
sonders in Versteinerungen nach Thier- oder Menschenähnlichkeit (wie pflanzlich die Alrau-
nen). Aus den von der Sonne abgehobelten Stücken drechselt Visvakarman die göttlichen
Waffen (nach der Vishnu-Purana). Den Brahmanen zu strafen, hindert Matanga die Sonne
am Aufgehen (s. Hard y).
Vor Allen wurde den Edelsteinen, die die Egypter unter die Zodiacalzeichen vertheilten,
wunderbare Kraft zugeschrieben , wie dem kostbaren Graal auf Montsalv&z oder Jemschid's
Pokal, aas dem Türkis geschnitten, in dem die ganze Welt sich spiegelte. Die gebietende
Macht de* Rad drohenden Kaisers lag in seinen, dem t hakra gleichendem Juwel, dem l'hra-
Keoh, und bei den Mixfecas wurde der Smaragd Votans verehrt, der oben als ein Vogel,
unten als eine Schlange geformt war. Dem Bilde des Tezcatlipoca , des Gottes der Tlailot-
laken, war ein grüner Stein auf dem Nabel eingefiigt. Die magisch sympathischen Bezie-
hungen der Metalle, als den Gestirnen geweiht, werden dos Weiteren von Cardanus ausein-
andergesetzt.
Fast von jedem seltsamen Stein *) giebt es irgend eine wunderbare Erzählung im finnischen
Lande, die ihn mit einem Riesen oder Dämon verknüpft, bemerkt Scheffer, und die auf der
]j Im Liede der urvalitcben Bruder wird vom Donnerkeil als ein Colt (cuneua) gesprochen, quom tibei
ennei decstumnm tonarunt. Die Donnenixtc (oder Steinhammer im Boden) sollen in West-England vom Him-
mel gefallen sein. — *) Any remarkable festere in the physical aspect of the eountry, uny notable pheno-
znenon in the henvens or extraordinary events in the nflairs of men , are aecribed (in Southern Guinea) to
Ombwiri (the tntelary apirit). Hit favourite place» of ahode are tliesnumiita of high monntains, deep caverns,
large rockt and the base of verv large foreBt trcea (Wilson).
Digitized by Google
16
Ad. Bastian,
mongolischen Steppe zerstreuten Steine (wie, nach Neuwied, die mit Zinnober bestrichenen
Steine der amerikanischen Prairien) werden als göttliche Personiticationen betrachtet und ent we-
der durch die Phantasie oder durch rohe Kunst in das Bild der Slota Baba oder der goldenen
Alten umgcstaltet Von sonderbar geformten Steinen ') verehren die Samojeden besonders solche,
die im oberen Theile einem Menschenkopfe gleichen. l>ie Steine der Seid», die nur durch Opfer
göttliche Kraft bewahrten (wie die von Schamanen geweihten Steine der Ostjiiken), wurden mit
einem in der Form eines Kopfes aufgelegten Kiesel in die Nahe der Fischstellen oder Dörfer
hingestellt , und die aufreclitstehenden Bautarsteinc erweckten andächtige Erinnerungen in
Schweden, wie die mitOel beträufelten Bätylen in Syriern ln das Versammlungshaus derLeni
Lenape wurden zwölf Steine gerollt, die den Götterkreis der Manitu reprasentirten (nach Los-
kiel) und durch Glühhitze belebt wurden, um während der Berathungen der Aeltesten ihre
Eingebungen auaznströmen. Ebenso wurden auf den Antillen die Attribute der über da»
Wachsthum , die Geburten und das Wetter gesetzten Zemen nnter drei Steine vertheilt. Die
Mönnitarris ehe sie auf Kriegsfahrten ausziehen, begelien sich zu einem Hügel (in der Nähe
des Passaehtä) und opfern dem auf demselben gelegenen Zauherstein Mih-Choppenish, der Air-
drücke von Menschen- und Thierfusaen trägt, wie sie sich in der Umgebung des Phrabat lin
Siam) finden. Nach Tlapallan zurückkohrend, liess Quetzalcoatl den Abdruck von Hand und
Fuss im Thale von Thdncfiantla zurück, der heilige Otto den seiner Füase im Stein zu Stettin,
der Teufel die Achsel seiner Grossmutter im Stein am Mohrinersee und seine Krallen im Stein zu
Usedom. Perseus und Herakles li««sseii ihre Fusstapfen im Westen, Matanga im Osten, den Weg zu
zeigen. Snmd, der den Brasiliern den Anhau des Manioc gelehrt, drückte beim Abscheiden seinen
Fuss in dem Fölsen ab. Die gleichzeitig in Arabien und auf Ceylon niedergesetzten Füsse der
Gottheit sollen die Erde im Gleichgewicht gehalten haben, und als dasselbe verrückt war,
wurde zu seiner Herstellung auf Java der Berg Meru versetzt. Nachdem Katchu die Erde ge-
schaffen und den Himmel verlassen hatte, um in Kamtschatka »einen Wohnsitz zu nehmen,
bildete er, zum Trinken gehend, unter den Tritten seiner Füase, Hügel und Thüler, indem die
Erde vorher eine ebene Olierfläebe gehabt, und in peruanischer Mythologie geschieht dasselbe
durch Oon, der von Süden nach Norden geht bis ihm dort Vimeocha entgegenkömmt.
So lange die Steine noch zu allen Werkzeugen verwandt wurden, empfingen sie als solche
Verehrung (wie in Indien und Afrika der Handwerker in gleicherweise seinen Gerätschaften
opfert). Nachdem dagegen da» Eisen geboren, »eit Rehki (bei den Finnen) durch die natür-
liche Kraft der Luonnotar geschaffen war, so blickte man mit verehrender Scheu auf jene
dann veralteten Formen roher Instrumente zurück, die noch lange für Opferliandlungen als
die allein passenden erachtet wurden. Nach Herodot machte der Kinhalsamirer in Aegypten
den Einschnitt in die Seite des zu tnumificirenden l<eichnnms mit einem äthiopischen Stein,
und nach Plinius musste der Balsnmbiuim mit Stein gereitzt werden, da er durch Eisen ab-
sterben würde. Wenn in Westafrikn der Gott Gimawong einmal im Jahn* nach seinem Tem-
pel zu Labode an der Goldkiiste hernbknm (mit einem Geräusch gleich dein Finge* der wilden
>) „Wenn der Indianer einen Stein von besonderer Form (vorzüglich in menschlicher .tehnlichkeit) auf
seinem Wege antrifft, so darf er, um Unglück zu vermeiden, nicht vorubergehen , ohne seine Ehrerbi-tung
bezeugt zu haben, oder, wenn er nur klein ist, ihn mit nach Hanse zu nehmen.**
Digitized by Google
Der Steincultus in der Ethnographie. 17
Gänfte im Frühjahr), so opferten ihm seine Verehrer einen Ochsen, der mit einem Stein au
fcödten war (s. Römer).
Sobald einmal ein wildes Volk Bekanntschaft mit dem Eisen gemacht hat, beginnt es
rasch den Werth desselben zu verstehen und die Hottentotten schätzten anfangs jeden Nagel
einem Ochsen gleich. Ebenso begierig wie das in den Bergen tobende Volk, das von den
Nowgoroder1) Kaufleuten Eisen eintauschte, zeigte sich nach Salgado (18511 der Stamm der
Cucuma am Peru9), der bis dahin kein Eisen gekannt und sich mit Fischgräten oder Steinen
beholfen, wie die Finnen zu Tacitus Zeit: Sola in sagittis spes, quas inopia ferri, ossibus as-
perant. Nach der Ynglinga Sage kämpften (im VI. Jahrhundert) die Esthen mit Stein waffon
siegreich gegen die Schweden. Die esthnische Sage von Kalewi-Poeg erwähnt der Schleuder-
steine, und das (im IX. Jahrhundert umgearbeitete) Hildebrandslied der Steinäxte (im VI.
oder VII. Jahrhundert). Die steinernen Pfeilspitzen aus Japan (janne-iai) gleichen deu scau-
dinavischen und nordamerikanischen. Die Kunst des Erzschmelzens war (nach Aristoteles)
von dem Skythen Lydus erfunden worden. Die Schmiedekunst blühte bei den Vandalen und Gei-
serich erhob einen Metallarbeiter wegen seiner Geschicklichkeit in den Grafenstand. Das Eisen
blieb lange so kostbar, dass bronzene Klingen nur mit Schneiden oder Spitzen aus Eisen ver-
sehen wurden und zu Uaesar’s Zeit dienten eiserne Ringe nach dem Gewicht als Geld. Nach
Hesiod hatten die alten Hellenen nur Erz, da dunkles Eisen noch fehlte, und auch Lucretius:
Prius aeris erat quam ferri cognitus usus. Im trojanischen Kriege sind die Waffen der Hel-
den vorwiegend aus Erz, und Eisen gehört zu den Schätzen, womit sich Gefangene loskauften.
Nach Pausanias waren die Pfeile und Lanzen der Sauromaten mit knöchernen Spitzen ver-
sehen. Die afrikanischen Aethiopier in dem Heere des Xcrxes hatten ihre Pfeile mit scharfen
Steinen, ihre Speere mit Antilopenhömem besetzt, während die Libyer hölzerne Wurfspiesse,
die im Feuer gehärtet waren, führten (nach Herodot). Strabo erwähnt eines Stammes in
Aethiopien mit spitzen Rohrpfeilen und eines anderen, der Antilopenhörner als Waffen
gebrauchte. Nach Andersson harpuniren die Eingeborenen in Walfish Bay die mit der
Ebbe zurückgelassenen Fische iturch dünne Stäbe, woran Hörner befestigt sind. Don Fran-
cisco d’Almeyda, der erste Vicekönig Indiens, wurde (wie es die Hexen von Cochin voraus-
gesagt) am Cap der guten Hoffnung durch einen im Feuer gehärteten Stock getödtet und mit
gleichen Waffen kämpften die Nearchus in Beludschistan augreifenden Küstenbewohner. Auf
den canarisclien Inseln wurden (im XIV. Jahrhundert) Lanzenspitzen aus Obsidian verfertigt,
*) Dem Jurii Forgowitsch erzählen (1000 p. J.) seine Diener, dass ihnen seit etwa drei Jahren etwas Selt-
sames vorgekommen. In dein hohen, durch Schnee und Waldungen unwegsamen Gebirge, welche« sich Mr
an die Meeresbucht und weit nach Norden erstrecke, sei ein Lärmen und Rufen entstanden. Man haue dort,
als wolle man die Rergc durchhauen , bis jetzt sei aber nur wenig gelichtet, und nie Leute, die von daher
erschienen, seien genöthigt, weil sie eine unverständliche Sprache redeten t sich durch Zeichen zu erklären.
Sie wiesen insbesondere auf Eisen, und wenn sie dieses, Messer oder Aexte, erhalten könnten, ro gäben sie
Pelzwerk dafür (Nestor). Nach Lehrberg wurde damals der Ssirjanen Weg (über den Ural) eröffnet, der
bei den Wogulen vorbei, längs der Ssouawa und Wogulka nach Iugrien fuhrt — a) In Peru war, wie in
Mexico, die Bronze im Gebrauch (bis zur spanischen Eroberung auch für Waffen). Bronzewaffen führten die
Massageten (zur Zeit Herodot*«) und ebenso die Carthager in der Schlacht bei Cannae. Aus den Unter-
suchungen der Mississippi -Monumente schließen Squier und Davis auf ein Kupferalter, das der Bronze
(90 Proc. Kupfer, 10 Proc. Zinn) vorhergegangen. Die Pfeile der Scythen hatten kupferne Spitzen und solche
werden noch jetzt auf den caspischen Steppen gefunden.
A reit I v for Autbropolojl«. BJ. III. Halt I. 3
Digitized by Google
18
Ad. Bastian, Der Steincultus in der Ethnographie.
wie in Mexico, und waren die Speere mit Hörnerspitzen versehen. Die Steinbeile der Eng-
länder in der Schlacht bei Hastings waren an Hobtgrirt'en befestigt. Rohe dreieckig Hache
übsidianstücke werden von den Papuas ab Speerspitzen gebraucht- Wilde sah noch die
Kesselflicker in abgelegenen Districten Irlands mit Steininstrumenten arbeiten.
Die mühseligen Handthierungen, um ohne Eisen mit Stein Werkzeugen Arbeiten auszu-
führen, sind oft von Reisenden beobachtet und beschrieben worden. Die Tasmanier lasen
flache Steine auf, «lie sie rings besahen und dann Stücke abschlugen, um sie zum Einkerben
geschickt zu machen. Cook bemerkte, dass die Tahitier Basalte benutzten, um ihre Dächsel
daraus zu machen und diese mussten jede Minute geschärft werden, weshalb man einen Stein
und eine Cocosnussschale voll Wasser stet« zur Hand hatte. Die Neuseeländer gebrauchten
zur Vollendung ihrer feinsten Arbeiten dreieckige Werkzeuge aus Jaspis, die in scharfeckigen
Stücken vom Blocke losgeschlagen waren und beim Stumpfwerden weggeworfen wurden. Die
Eingeborenen am Glenelg-Flusse schleifen den grünen Jaspis zu biconvexen Aexten, die in
gestielte Stöcke befestigt werden. Die Pechs- oder Pietenmesser Schottlands bestehen aus
einem schieferartig gespaltenen Stein und nach Tylor werden sie noch mitunter benutzt, z. B.
zum Kohlschneiden. Mit ihren Schneidewerkzeugen aus Stein und Knochen gebrauchten die
Kamschadalon drei Jahre, um ein Canoe, ein Jahr, uni einen hölzernen Esstrog auszuhölen.
Die glatten Cylinder aus Bergkrystall (am Rio Negrn) werden nur durch Reiben zu ihrer
Form abgeschlifFen und die Quer- sowohl ab Längendurchbohruug des Cylinders geschieht
(nach Wallace), indem der spitze Blattsehöasling einer wilden Platane mit den Händen
gegen den harten Stein gedreht wird, bb er sieb mit Hülfe feinen Sandes und Wassers hinein-
und durchbohrt, was oft zwei Jahre dauert. Nach Wilson herrschte in Schottland (XVIII.
Jahrhundert) die Meinung, dass die im Boden vergrabenen Steiuhämnier Fegefeuerhämmer
seien, für die Todten, um damit an die Pforten zu klopfen. Die steinernen Hämmer und Aexte
sollten nach Ansicht der Gelehrten durch blitzartige Exhalation am Himmel erzeugt werden,
doch schiene es nicht glaublich, meint Tollius (1049). In Madagascar (nach Ellis) und iu
Arracan (nach (Joleman) glaubte man an fällende Donnefkeile. Die Japanesen meinen,
dass die steinernen Pfeilspitzen vom Himmel geregnet seien durch fliegende Gebter, während
sie in Europa feenhafte Waffen (Aljwchosse oder Elfenbolzen) sein sollen, durch Feen oder
Zauberer abgescliossen, und im Norden Islands wurden sie (zu Wilde’» Zeit) durch die Zau-
berer aus den Körpern übersehener Kinder gezogen. Nach der Rncyclupädie des Kaisers
Kanghi (1662) variirt die Gestalt und Substanz der Blitzsteine je nach dem Orte. Die wan-
dernden Mongolen (sowohl der Küsten der östlichen See, als auch die desSchamo) gebrauchen
sie wie Kupfer und Stahl. Auch wenn die auffallende Form fehlte, mochte der objective Man-
gel des Religiösen subjectiv durch die emplängliche Qemüthsstinimung in Auswahl des
Fetisches supplementirt werden. In Peru bediente man sich der vom Himmel gefallenen
Donnersteine in Liebesangelegenheiten. Nach Velasco machten die Peruaner keinen Ge-
brauch von Eben (Quillay) weil sie das Kupfer stahlartig zu härten verstunden, und die
Riesen oder Chimus sollen besonders durch die aufgebrachten Ebenwaffen die Eingeborenen
geschreckt haben. Zugleich meint aber Montesinos auch, dass die Incas die Eisenminen von
Ancoriames bearbeitet hätten und die Kenntniss dieses Metalles sei dadurch bewiesen, weil
es in der .Sprache Chilis seinen einheimischen Namen gelührt.
Digitized by Google
IL
Die Thongefässe der nordamerikanischen Indianer.
V on
Carl Rau
iu X»w- York.
Als die Indianer Nordamerikas noch im Besitz ihrer Ländereien waren und, unberührt
vom Einflüsse der Europäer, ihren ursprünglichen Gewohnheiten und Sitten gemäss lebten,
bildete die Töpferei einen wichtigen Theil ihrer mechanischen Beschäftigungen. Dieser In-
dustriezweig verlor jedoch viel von seiner Bedeutung, sobald die Eingeborenen die bessere
Beschaffenheit der metallenen Gefas-e kennen lernten, welche sie im Handel von den Weis-
sen erhielten, und der dauerhafte Kessel von Eisen, Kupfer oder Messing verdrängte sehr bald
das zerbrechliche und weit weniger dienliche Kochgeräthe von Thon. Der Beginn des Ver-
falls dieses Handwerkes unter den Indianern lässt sich demnach auf eine sehr frühe Epoche
zurückführen, und mit Ausnahme einiger Stämme in Neu-Mexiko und Arizona, haben die In-
dianer, welche noch in jetziger Zeit im Gebiete der Vereinigten Staaten zu finden sind, wohl
gänzlich aufgehört, dasselbe zu betreiben. Als Catliu im Jahre 1832 die Völkerschaften
am oberen Missouri besuchte, beschäftigten sich die Mandans noch angelegentlich mit der
Anfertigung von Thongefässen : aber die Verheerungen der Blattern haben diesen Stamm
bis auf wenige aufgerieben , und es ist wahrscheinlich , dass in jener Gegend keine Töpfer-
arbeiten mehr gemacht werden. Die Irokesen im Staate New-York, jene spärlichen Reste
der einst mächtigen Conföderation , welche dem Schicksal entgangen sind, gegen Sonnen-
untergang hin gedrängt zu werden, und denen es gestattet ist, auf ihrem heimathlichen
Boden zu verweilen, haben längst aufgehört, irdene Gefiisse zu verfertigen. Dies wurde mir
aus guter Quelle mitgetheilt, nämlich von Dr. Peter Wilson — De-jih-non-da-weh-hoh — ,
Oberhäuptling (Grand Chief) der „Sechs Nationen“ des Staates New-York1). „Unser Volk“,
’) Ka waren bekanntlich die Mohawks, Ommdagaa, Seneeas. Qneidaa, teyugaa und Tuacaroraa. welche
jenen merkwürdigen Hand bildeten. Pie Regierung der Vereinigten Staaten hat ihnen gewisse Districte
(reservations) gelassen, wo «ic wohnen. Obwohl ihre Zahl lehr gering iat, halten sie noch eine Art von Orga-
nisation aufrecht, und ihre Häuptlinge kommen xu gewissen Zeiten zusammen , um , wie in alten Zeiten , die
Angelegenheiten der Stamme xu besprechen.
3*
Digitized by Google
20
C. Rau,
sagt mein Correspondent, hat „längst aufgehöri. irdene Wa&re zu verfertigen. Gleich den
meisten anderen Geräthcn, sind Thongefässe durch die Fabrikate der Race ersetzt worden,
welche dauerhaftere und bequemere Geräthschalten bei uns einführte. Nur solche Werkzeuge
und andere Gegenstände werden noch von uns verfertigt, welche die Erfindungsgabe der
Bleichgesichter nicht verdrängt hat.“ Dieselbe Bemerkung kann höchst wahrscheinlich auf
alle Stämme angewandt werden, welche östlich von den Felsengebirgen wohnen.
Dass die Indianer in früheren Zeiten irdene Gefässe in grosser Zahl verfertigten, ergiebt
sich aus der Menge von Scherben, welche auf den Stätten ihrer ehemaligen Dörfer und ihren
Lagerplätzen zerstreut liegen. Aber nirgends in den Vereinigten Staaten kommen diese
Bruchstücke vielleicht häufiger vor, als im „American Kottom“ , einem durchschnittlich sechs
englische Meilen breiten, sehr fruchtbaren Landstreifen, der sich auf etwa hundert Meilen in
Illinois dem Mississippi entlang eratreckt. und gegen Westen vom jetzigen östlichen Ufer des
Mississippi, gegen Osten vom ehemaligen östlichen Ufer jenes gewaltigen, aber ehemals noch
viel breiteren Stromes I «grenzt wird. Diese frühere Einschränkung des Mississippi ist durch
eine Kette von malerischen bewaldeten Hügeln und prächtigen FeLspartieen angedeutet,
welche man als die „Bluffs“ bezeichnet. Der erwähnte Uferstreifen war ehemals der Site
einer beträchtlichen eingeborenen Bevölkerung, welche die Spuren ihrer Anwesenheit in der
Gestalt von zahlreichen Grabhügeln und anderen Erdwerken, sowie Begräbnissplätzen, hinter-
lassen hat, und unter den unbedeutenderen Dingen, welche an die vertriebene Race erinnern,
sind die in dieser Gegend häufig vorkommenden Bruchstücke von Thongefässen bemerkens-
wert!). Diese Fragmente bilden jedoch meistens kleine Trümmer, und man findet, so viel ich
weiss, niemals ganze Gefässe an der Oberfläche, aber ziemlich häufig iu den alten Grab-
hügeln und anderen Begräbnissstätten. Sie wurden neben die Leichen gesetzt und enthielten
Nahrungsmittel, welche den Todten auf ihrer Wanderung nach dem glücklichen Lande der
Geister dienen sollten.
Etwa vor sechs Jahren, als ich noch im Westen der Vereinigten Staaten wohnte, hatte
ich die Genugthuung , einen Ort im American Bottom aufzufinden , woselbst die Indianer
augenscheinlich in früheren Zeiten irdene Gefässe verfertigten. Der erwähnt« Ort ist das
linke Ufer des Cahokia- Creeks ') am Nordende von Ulinoistown am Mississippi, St. Louis gerade
gegenüber. An der genannten Stelle ist das Ufer des Flusses hoch und abschüssig, so dass
nur ein schmaler Raum für einen dem Ufer entlang führenden Pfad übrig bleibt. Als ich zum
ersten Male an dieser Stelle vorüberging, bemerkte ich eine grosse Zahl von Topfbruch-
stücken, welche auf der Abschrägung der Uferbank zerstreut lagen oder aus den) Boden
hervorragten. Diese Scherben waren die grössten, die ich jemals angetroffen hatte; einige
waren handgross und audere noch von weit bedeutenderem Umfang, und eine Besichtigung
derselben ergab, dass sie aus grauem, mit zerstampften Muschelschalen gemengtem Thone
bestanden. Alte Schalen einer Unio-Art, welche im Creek lebt, lagen in grosser Zahl umher,
und die Art ihres Vorkommens licss mich vermuthen, dass sie durch Menschenhand und nicht
in Folge eines Austretens des Flusses auf die Stellen gebracht worden waren, wo sie lagen.
*) Der Cahokia «Creek ist ein Bach oder vielmehr kleiner Flug», welcher durch die Countie* Madison und
St Clair (Illinois) fliesst, und sich bei dem von Franzosen gegründeten und von deren Nachkommen bewohn-
ten Dorfe Cahokia, etwa 4 Meilen (engl.) unterhalb St. lxmi» in den MiHsisnippi ergiesst.
Digitized by Google
Die Thongefässe der nordamerikanischen Indianer. 21
Meine Neugierde war nun erregt; ich setzte meine Untersuchungen fort, und entdeckte am
oberen Theile der Uferbank einen ziemlich langen und tiefen alten Graben, theilweise mit
Stechapfels trauchern überwachsen, und am Boden der Grube bemerkte ich. zu meiner Ueber-
raschung, ein Lager von Thon, welcher mit dem die Scherben bildenden ganz identisch war.
Jetzt wurde mir der ganze Sachverhalt klar: die Grube war ohne allen Zweifel der Thon-
gewinnung wegen von den Indianern angelegt worden, und hier, an dieser Stelle, halten sie
das Geschäft der Töpferei betrieben. Alles zur Verfertigung von Thongefässen Nothwendige
war in der Nähe: das Thonlager gab das Hauptmaterial her, und der Fluss lieferte nicht
nur das Wasser, um den Thon anzufeuchten, sondern beherbergte auch die Weichthiere, deren
zerstossene Schalen unter denselben gemengt wurden. Holz war rings umher in grösster
Fülle vorhanden. Nach Feststellung dieser Thatsachen war es leicht, das Vorkommen der
grossen Gefässfragmente an dieser Stelle zu erklären. Während des Brennens bekommen
stets einige der Thongefässe Sprünge, und dies wird besonders häufig dann verkommen, wenu
die beim Brennen angewandte Methode roher und primitiver Natur ist, wie man in dem
vorliegenden Falle mit Sicherheit annehmen kann. Die an dieser Stelle vorkommenden
Scherben sind daher augenscheinlich die Reste von Gefassen, welche im Feuer zerstört und
als unbrauchbar weggeworfen wurden.
Es gelang mir nicht, die Spuren eines Ofens oder Feuerheerdes aufzufinden; wahrschein-
lich wurden die Gefasse in offenen Feuern gebrannt, deren Steilen natürlich nicht mehr nach-
gewiesen werden können. Das Vorkommen der Fragment« war auf eine verhältnissmäasig
kurze Strecke am Ufer — etwa 50 Schritte — beschränkt; am zahlreichsten fanden sie sich
in der unmittelbaren Nähe des alten Grabens, und an diesem Punkte wurden viele vom Bette
des Flusses aufgelesen, in welchen sie vom schrägen Ufer gerollt waren. Etwas weiter den
Creek hinauf fand ich im Ufer eine andere, weit unbedeutendere Vertiefung, welche eben-
falls gegraben worden war, um Thon zu gewinnen. Mit den Muschelschalen und Topf-
bruchstiicken kamen viele Hornsteinabfalle vor, deren Gestalt über ihre Benutzung als
Schneidewerkzeuge wenig Zweifel liess; sie dienten vielleicht dazu, um die Linien und andere
Zierrathen auf den Gelassen einzugraben oder deren Oberfläche zu glätten.
Ich fand kein vollständiges Gelass an dem beschriebenen Orte, aber eine grosse Anzahl
von Bruchstücken, aus deren Gestalt ich die ursprüngliche Form der Gelasse bestimmen
konnte. Dies war namentlich dann ohne grosse Schwierigkeit thunlich, wenn sich am Frag-
mente noch ein Theil des Randes befand.
Die Figuren 1 und 2 (a. f. S.) stellen die vorwaltenden Formen der Gefasse im Durch-
schnitte dar. Der Rand ist, wie man ersehen wird, walzenförmig und nach aussen Uber-
gebogen, um das Aufhängen zu erleichtern; bisweilen jedoch ist er scharf abgeschnitten, wie
in Fig. 3 (a. f. S.). Einige der Gefasse waren, wie Fig. 4 (a. f. S.), mit zwei Henkeln ver-
sehen1); bei anderen war der äussere Rand, sowohl der Zierde als der besseren Handhabung
wegen, ringsum mit conischen Hervorragungen oder Buckeln besetzt, und sorgfältig ausge-
zackte Ränder kommen ebenfalls vor. In Bezug auf die Grösse der Geschirre herrschte
M ich besitze ein kleines Gefass dieser Art, welches in einem aiten indianischen Grabe auf den „Bluffs“
bei Frencb Village, 0 oder 7 Meilen (engl.) östlich von Illinoistown, berstammt, und vielleicht an dem oben
beschriebenen Platz« verfertigt wurde.
Digitized by Google
22
C. Rau,
grosse Verschiedenheit, denn während der Durchmesser bei einigen nur wenige Zolle betrug,
muss er, nach der Krümmung der Bänder zu schliessen, bei anderen das bedeutende Haass
Fi(r. I. Fig, 2. Fig. 3. Fig. 4.
von zwei Kuss überschritten haben. Die Gefässe hatten anscheinend alle gewölbte Boden;
ich fand wenigstens kein einziges flaches Bodenstück, welches jedoch bloss zufällig sein mag,
da indianische Töpferwaare häufig mit flachen Boden versehen ist. Nach dem Aussehen der
Bruchstücke zu schliessen, war diese irdene Waare ursprünglich ziemlich gut gebrannt und
der Bruch zeigt in manchen Fällen eine röthliche Färbung. Da aber die Verfertiger die An-
wendung der Glasur nicht kannten, so darf man sich nicht wundern, dass die Scherben, nach-
dem sie viele Jahre im feuchten Boden gelegen haben, oder der abwechselnden Einwirkung
heftiger Hitze und Kälte ausgesotzt waren , nunmehr etwas mürbe und zerbrechlich sind.
Aber selbst im Zustande der Neuheit müssen diese Gefässe weit geringere Dauerhaftigkeit
und Härte besessen haben, als die ganz gewöhnliche Qualität europäischer Töpferwaare. Die
Dicke der Bruchstücke beträgt ein bis drei Achtel eines Zolles, je nach dem Umfange der
Gelasse, da die grössten auch in Bezug auf die Masse die stärksten waren. Aber in jedem
einzelnen Stücke ist die Dicke von bomerkenswerther Gleichheit, und wenn man ausserdem
die vollkommene Rundung der Ränder und die allgemeine Regelmässigkeit in der Form dieser
Töpferwaare in Erwägung zieht, sollte man kaum glauben, dass die Verfertiger den Gebrauch
der Töpferscheibe nicht kannten. Dies war jedoch der Fall.
Der zur Herstellung der Gefässe benutzte Thon ist, wie schon bemerkt, mit grob zer-
stossenen Unioschalen gemengt; nur einige der kleineren Näpfe und Vasen scheinen aus
reinem Thono bestanden zu haben. Die Gelasse waren auf der Aussenseite, und manche
sogar auf beiden Seiten, mit einer starken Lage von schwarzer, dunkelbrauner, gelblicher
oder rother Farbe bedeckt, und einige der Scherben zeigen die letztere noch in ihrer ursprüng-
lichen Frische. Bei jedem einzelnen Stücke wurde jedoch nur eine Farbe angewandt. Es
ist augenscheinlich, das« das Bemalen dem Processe des Brennens voranging, und die auf diese
Weise bekleideten Oberflächen sind glatt und glänzend, und die Farbe ersetzt in gewisser
Hinsicht die mangelnde Glasur. Dass die indianischen Töpfer am Cahokia-Creek Verzie-
rungen mit Vorliebe anbrachten, beweisen die Linien und Punkte, welche auf den Gelassen
eingegraben sind. Als einfachste Form der Verzierung erscheinen gerade Linien, welche
parallel mit dem Rande rings um das Thongeschirr laufen; allein sie wandten auch andere
Combinationen von Linien an, wie die Figuren 5, 0, 7 und 8 zeigen, welche Fragmente in ver-
kleinertem Maasse darsteilen; in einigen Fnlleu war bloss die Innenseite auf solche Weise
verziert. Die Linien sind meistens mit grosser Regelmässigkeit eingegraben, häufig ein
Digitized by Googl
Die Thongefiisse der nurtlamerikanischen Indianer. 23
Achtel eines Zolles breit und entsprechend tief. Eines der am gedachten Orte gefundenen
Fi* 5- «■ Fig. 7.
Stücke zeigt jedoch eine etwas kunstreichere Verzierung, und ich gebe deshalb in Fig. 0 eine
Abbildung desselben in wirklicher Grösse. Dieses gut gebrannte Bruchstück hat eine Dicke
von etwa drei Sechszehntel Zoll, und der hellgraue Thon ist mit zerstossenem Granit gemengt,
dessen Bestandtheile, Quarz, Feldspath und Glimmer, im Bruche deutlich zu erkennen sind.
Die als Verzierung angebrachten Linien und Einkerbungen sind mit der grössten Genauig-
keit eingedrückt oder vielmehr ausgehnben, und es lässt sich annehmen, dass das Gelass
in seiner Vollkommenheit als ein gutes Exemplar indianischer Töpferkunst gelten konnte.
Fig. 10 ist. der lösten Tafel des Werkes: „Ancient Monuments of the Mississippi Valley“ von
Squierund Davis1) entnommen, und stellt das Bruchstück einer Vase vor, die in einem der
F’F- 8- Fig. fl. Fig. 1».
alten indianischen Erdkugel in Ohio gefunden wurde. Ich muss hier bemerken, dass für diese
Art von Gelassen eiu höherer Grad der Vollendung in Anspruch genommen wird. Wer aber
die Figuren !) und 10 vergleicht, wird zugeben, dass die Originale der Darstellungen beinahe
ganz übereinstimmende Verzierung zeigen. Ich habe sellist die besten Exemplare der Töpfer-
waare gesehen, welche die Herren Squier und Davis während ihrer Untersuchung der alt-
indianischen Grab- und Opferhügel im Mississippithale erlangten, und kann versichern, dass
die am C'ahokia-Creek hergestellten Thongefässe in jeder Hinsicht den von den genannten
Herren gefundenen gleichkommen, und Dr. Davis bekannte sich zu derselben Ansicht, nach-
dem er meine am Cahokia-C'reek gefundenen Bruchstücke in Augenschein genommen hatte.
Eine der von den Indianern bei der Verfertigung grösserer Töpferwaare angewandten
*) Dieses im Jahre 1848 erschienene Werk, «reiche« in jeder grösseren öffentlichen Bibliothek Deutschland«
anzutreffen ist, bildet den ersten Band der durch da« S m i tlison ’sche Institut in Washington veröffentlichten
„Contribotions to Knowledge4*. Es enthalt gute Abbildungen indianischer Thnnarbeitwn.
Digitized by Google
24
C. Rau
Methoden bestand darin, dass sie Körbe von der Grösse und Gestalt, die sie den Gefassen
geben wollten, aus Binsen oder Weiden (lochten, und inwendig mit einer Thonlage von der
erforderlichen Dicke bekleideten. Die Körbe wurden durch das Brennen zerstört und binter-
li essen auf der Auasenseite der Gefasse Eindrücke, welche dein Korbgeflechte entsprachen und
gewissermaaasen die Stelle absichtlich angebrachter Verzierungen vertraten. Mit diesem
Verfahren waren die Töpfer am Cahokia- Creek ebenfalls bekannt, denn einige der von mir
gefundenen Trümmer ihrer irdenen Waare lassen die erwähnten Eindrücke wahrnehmen.
Der Thon der auf diese Weise hergestellten Gefasse ist jedoch nicht mit zerstossenen Muschel-
schalen, sondern mit Sand gemengt; er ist gut gebrannt und von gelblichem oder röthlichem
Aussehen, welches bloss der Wirkung des Feuers zuzuschreiben ist, da bei der erwähnten
Art der Herstellung der Farbeniiberzug ganz fehlt1).
Schliesslich habe ich noch einiger der von der Fundstätte im American Bottom erlang-
ten Gegenstände von gebranntem Thon besonders Erwähnung zu thun. Ich fand daselbst
zwei Fragmente, welche in der Form mit den Schnäbeln grosser Vögel übereinstimmen, und
vielleicht die Handgriffe von Töpfen oder Pfannen waren; ferner eine Platte, die augenschein-
lich ab Basis für die Figur irgend eines Thieres diente, von welchem unglücklicher Welse
nur noch der Schwanz übrig bleibt, und zuletzt den Ueberrest eines ursprünglich acht bis
zehn Zoll langen Bootes. Letzteres wurde im Creek gefuuden, und mag wohl von einer india-
nischen Mutter herrübren, die es für ihren kleinen Sohn verfertigte. Dies« Annahme ist um
so wahrscheinlicher, da bei den Indianern das Geschäft der Töpferei vorzugsweise, wenn nicht
ausschliesslich, den Weibern oblag.
Es entstehen nun die Fragen: Wer waren die Verfertiger jener Geräthe von Thon im
American Bottom, und was mag wohl das ungefähre Alter derselben sein? — Ich schreibe
sie einfach den Cahokia-Indianern zu, welche noch in einer verhältnissmässig späten Periode
an den Ufern des oft erwähnten kleinen Flusses hausten, der nach ihnen benannt ist. In
Bezug auf ihr Alter jedoch muss ich mich jeder Schätzung enthalten. Vielleicht sind erst
hundert Jahre seit ihrer Verfertigung vergangen; es ist aber auch möglich, dass sie einer weit
früheren Zeit angehören. Jedenfalls deutet die Beschaffenheit der Bruchstücke auf kein sehr
hohes Alter hin.
Die alten Werke Uber Kordamerika und selbst einige aus späterer Zeit stammende
Schriften enthalten manche Stellen, welche über die Töpferei der Indianer Aufschluss gelien.
Nach dem Urtheile der früheren Schriftsteller hatten es diejenigen Stämme in der Verfer-
tigung von irdener Waare am weitesten gebracht, welche die ausgedehnten Landschaften
bewohnten, die ehemals Louisiana und Florida genannt wurden, jetzt aber die südlichen
und südwestlichen Staaten der Union begreifen. Die Richtigkeit ihrer Aussagen wird durch
die Beschaffenheit der aus jenen Gegenden herrührenden indianischen Tbonarbeiten bestä-
tigt welche der Zerstörung entgangen sind und in den Sammlungen der Vereinigten Staaten
*) Das Vermengen de* Thones mit zerkleinertem Maschelauhalen war überhaupt keineswegs allgemein;
>n manchen Gegeudcu benutzten die Eingebornen statt derselben Sand oder zerstoeeene Gesteine von quar-
ziger Beschaffenheit.
Digitized by Google
Die Thongefiissc der nordamerikanischen Indianer. 25
auf bewahrt werden *). Die Natchez am unteren Mississippi, die vielleicht die am meisten
civilisirten der nordamerikanischen Indianer und muthmaasslich mit den Azteken verwandt
waren , zeichneten sich durch ihre Geschicklichkeit in der Anfertigung von Thongefassen
aus. So erzählt der „Ritter von Elvas“, jener anonyme portugiesische Conquist&dor, der vor
mehr als dreihundert Jahren Ferdinand de Soto auf seinem abentheuerlichen Zuge durch
einen grossen Theil von Nordamerika begleitete und später die Erlebnisse und Thaten die-
ses kühnen Spaniers beschrieb. In der Provinz „Naguatex“, sagt er, wurden Thongefässe
gemacht, die von den zu Estrcmoz und Montemor verfertigten wenig verschieden waren’).
Diese beiden Ortschaften in Portugal zeichnen sich noch in jetziger Zeit durch ihre Töpfer-
waare aus. Du Pratz bezeichnet eine hohe Uferbildung am Mississippi, „Eco re blaue“ ge-
nannt, rIs eine der Localitätcn, wo die Natchez Thon für ihre Gcfasse gewannen, uud gleich-
falls den Ocker, womit sie dieselben färbten. „Wenn sie mit Ocker Uberstrichen sind,“
sagt er, „erhalten sie dnreh das Brennen eine rothe Farbe.“ Ausserdem bemerkt dieser Autor
in Bezug auf die Töpferarbeiten der Eingeborenen von Louisiana Folgendes: „Die Weiber
machen Töpfe von ausserordentlicher Grösse, Krüge mit mittelgrosser Oeffnung, Näpfe, lang-
halsige Flaschen, welche zwei Pinten fassen, grosso, gegen vierzig Pinten haltende Gefasse
zum Auf he wahren des Bärenöls, und endlich Schüsseln und Teller, welche den in Frankreich
verfertigten entsprochen“ *). Dumont, welcher ebenfalls die Lebensweise der Stämme des
ehemaligen Distriktes Louisiana beschreibt, hat eine Schilderung des von ihnen beim Anfer-
tigen von irdener Waare angewandten Verfahrens hinterlassen. Er sagt: „Nachdem die
Indianerinnen den zu verarbeitenden Thon sorgfältig gereinigt haben, schaffen sie Muschel-
schalen herbei, welche sie durch Zerstossen in ein feines Pulver verwandeln. Dieses Pulver
mengen sie unter den Thon, giessen daun Wasser auf die Masse, und kneten dieselbe mit
Händen und Füssen. Aus dem so entstandenen Teige formen sie Rollen von sechs bis sieben
Fass Länge und einer ihrem Zwecke entsprechenden Dicke. Beabsichtigen sie eine Schüssel
oder eine Vase zu verfertigen, so ergreifen sie eine dieser Rollen, und bestimmen, indem sie
den Daumen der linken Haud auf das Ende derselben setzen, den Mittelpunkt des zu bilden-
den Gefässes; dann drehen sie die Rolle mit erstaunlicher Schnelligkeit spiralförmig unv die-
sen Mittelpunkt; sie tauchen von Zeit zu Zeit ihre Finger in bereitstehendes Wasser und
glätten mit der rechten Hand die innere und äussere Seite des entstehenden Gefässes, um
alle Unebenheiten zu entfernen. Auf diese Weise verfertigen sie alle Arten von irdener
Waare — Schüsseln, Teller, Näpfe, Töpfe und Krüge, von denen einige vierzig bis fünfzig
Pinten faasen. Das Brennen dieser Thonfabrikate verursacht ihnen wenig Mühe. Nachdem
sie dieselben im Schatten getrocknet haben, machen sie ein grosses Feuer, und wenn glühende
Kohlen in hinreichender Menge vorhanden sind, stellen sie durch Wegscharren der Asche im
ü In einigen der Sudstuten, z. B. in Mississippi, soll man noch gelegentlich die Oefen antrelfen, in wel-
ebou die Gefhsse gebrannt wurden, und sogar die letzteren in halbfertigem Zustande mit anhingendeu Stücken
der Rinde ron Kürbiaeen, um welche sie geformt wurden. Ancient Monuments of the Mississippi Vatiey,
S. 111t. — ’) Narratives of the Career of Ilcmando de Soto in tiie Conquest of Florida as told by a Knight
of Elvas, and in a Relation by Luys Hernandes de Biedma, Factor of the Expedition. Translated by
Buckingham Smith. New-York 1866, S. 165. — Du portugiesische Original der erstgenennten Schilderung
wurde im Jahre 1567 zu Erora gedruckt. Aeltcre englische Vebersetcungen : London 1600 und 1686. —
q Da Pret», Histoire de la Louisiane, Paris 1758, Bd. 1, S. 124 und Bd. If, S. 178.
ArcbW Ar Anthropologie. Bd. III Urft I. 4
Digitized by Google
26
C. Rau,
Mittelpunkte des Feuers einen freien Raum her, welcher das zu brennende Geschirr auf-
nimmt. Letzteres bedecken sie mit Kohlen. Die so gebrannten Gelasse können nun dem
Feuer ausgesetzt werden und sind ebenso dauerhaft wie die unsrigen. Ihre gute Beschaffen-
heit ist ohne Zweifel den zerstossenen Muschelschalen zuzuschreiben, welche die Weiber unter
den Thon mengen ').
Adair, welcher vor mehr als hundert Jahren als Händler oder Trader unter den im
Süden der jetzigen Union wohnenden Stämmen lebte, beschränkt sich auf die nachstehenden
Bemerkungen: „Sie machen Töpfe von verschiedener Grösse, welche zwei bis zwanzig Gal-
lonen halten; grosse Krüge zum Wassertragen; Näpfe, Teller, Schüsseln, Becken, und eine
grosse Zahl anderer Gelasse von so sonderbaren Formen, dass es schwer halten dürfte, sie
zu beschreiben oder zu benennen. Ihre Methode des Glasirens(i) besteht darin, dass sie die
Gefässe einem starken Feuer aussetzen, wozu ilie Pechtanne das Material liefert. Auf diese
Welse wird ihre irdene Waare glatt, schwarz und fest. Ihre Ländereien haben Uebertluss an
brauchbarem Thone *).
Loskiel, dessen Werk die Sitten der Delawares und irokesiscben Stämme schildert,
fuhrt an, dass diese früher Kessel und Kochtöpfe von Thon verfertigten, welchen sie mit fein
gestossenen Muschelschalen vermischten und brannten bis er durch und durch schwarz wurde.
Grosse Stücke von ihren ehemaligen Töpfen, woran die Muschelschalen noch zu sehen seien,
würden öfters an Orten gefunden, wo „vor Alters“ Indianer gewohnt batten. Nachdem aber
die Europäer in das Land gekommen wären, hätten sich die Indianer fast durchgängig sehr
leichter messingener Kessel bedient. — Man ersieht daraus, dass diese Stämme schon früh-
zeitig das Anfertigen von Thon gelassen aufgaben ■).
Eine sehr gute Schilderung des bei den westlichen Stämmen (den Kickapooe, Kansas,
Osages etc.) üblichen Verfahrens giebt Hunter, welcher in früher Jugend von den India-
nern geraubt wurde uud viele Jahre unter ihnen lebte. „Wenn sie Thongeschirre anfertigen
wollen," sagt er, „so benutzen sie zähen Thon, den sie zerstampfen, mit Wasser erweichen
und Uber hölzerne Formen von zweckentsprechender Gestalt breiten. Nachdem die Gelasse
hinreichend getrocknet sind, werden sie von den Formen entfernt und an einem passenden
Orte gebrannt, bis sie den erforderlichen Grad von Härte erlangt haben. Ausserdem verfer-
tigen sie auch Körbe von Binsen oder Weiden, und bekleiden die innere Seite derselben mit
einer Lage von Thon, den sie erhärten laasen und dann brennen. Auf diese Weise stellen sie
grosse, hübsche und ziemlich dauerhafte Gefässe her; in letzterer Zeit jedoch ist unter den
Stämmen, welche viel mit den Weissen verkehren, das Thongeschirr grössten theils durch
gusseiserne Waare verdrängt worden. Grosse Gefässe, wie z. B. diejenigen, welche zur
Zuckerbereitung (aus dem Safte des Ahorns) dienen, werden au Weinreben aufgehängt, und
letztere, wo sie dem Feuer ausgesetzt sind, fortwährend mit feuchtem Thon bedeckt. Bis-
weilen jedoch machen sie den Rand stark und nach innen vorspringend, so dass das Gefäss
vermittelst flacher, unter den Rand gespreizter Holzstücke aufgehängt worden kann“’).
’) ßumont, Mdmoire« Historiques aur la Louisiane, Paris 1753, Bd. II, S. 271. — *1 Adair, History
of tbe American Indiaos. London 1775, S. 421. — *) Loskiel, Geschieht« der Mission der evangelischen
Bruder unter den Indianern in Nordamerika. Barby 1789, 8. 70. — * 1 Hunter, Manners and Cuetoms of
several Indian Tribe# located west of the Mississippi. Philadelphia 1328, S. 296 u. s. w.
Digitized by Google
27
Die Thongcfiisse der nordamerikanischen Indianer.
Zuletzt will ich hier die Bemerkungen anführen, welche Catlin in Bezug auf die
Töpferei der Mandans macht: „Irdene Kochgeschirre sind in jeder Behausung der Mandans
anzutreffen. Die Weiber dieses Stammes verfertigen Thongefasse in grosser Menge und
geben ihnen tausend verschiedene Formen. Sie werden aus einem zähen, schwarzen Thone
geformt und in besonders zu diesem Zwecke angelegten Oefen gebrannt. Obgleich diesen
Gefässen die Glasur fehlt, stehen sie unseren Thonwaaren nur wenig nach , und sie sind so
dauerhaft, dass sie, wie unsere eisernen Kessel, über das Feuer gehängt und zum Sieden des
Fleisches benutzt werden könneu. In unseren Museen befinden sich einige Exemplare ähn-
licher Thonerzeugnisse, welche aus den indianischen Grabhügeln der Süd- und Mittelstaaten
herstammen und als besondere Merkwürdigkeiten betrachtet werden. Aber hier sah ich
hunderte solcher Gefässe in den Händen der Weiber, und sali auch, wie sie dieselben an
Sommertagen in den verschiedenartigsten Formen herstellten und in Oefen brannten1).
Die grössten Gefässe, welche die Eingeborenen von Nordamerika verfertigten, waren,
wie es scheint, diejenigen, in denen sie in der Nähe von salzhaltigen Quellen Salz bereiteten.
Du Pratz spricht von einer Gegend in Louisiana, wo die Indianer Salz in Thongefässen
erzeugten, welche sie an Ort und Stelle anfertigten, ehe sie von den Franzosen mit metalle-
nen Geschirren versehen wurden r). Der „Ritter von Elvas“ hat in dem bereits erwähnten
Werk eine Schilderung des von den Eingeborenen bei der Salzgewinnung beobachteten Ver-
fahrens hinterlassen. Als die Saline unterhalb St. Gdmlvieve in Missouri vor vielen Jahren
gereinigt und tiefer gemacht wurde, kamen Wagenladungen von Topfbruchstücken zum Vor-
schein, und die Beschaffenheit einiger derselben liess auf Gefässe von der Grösse eines Fasses
schliessen ').
Ich hatte Gelegenheit ein Fragment eines Geschirres dieser Art zu sehen, welches im
Jahre 185U dem Dr. Davis von Herrn George E. Seilers zugeschickt wurde. Letzterer
hatte dasselbe mit vielen anderen bei den Salzquellen am Saline- River im südlichen Illinois
gefunden. Hier ist eine der Stellen, wo die Indianer in früheren Zeiten Salz bereiteten.
Mehrere Acres, bemerkt Herr Seilers in einem die Sendung begleitenden Schreiben, sind
mit zerbrochenen Gefässen bedeckt, und Haufen von Thon und Muscheln deuten an, dass die-
selben hier gemacht wurden. Sie waren von halbkugelförmiger Gestalt und batten nach
aussen vorspringende Ränder, deren Durchmesser bei den kleineren gegen dreissig Zoll betrug,
bei den grössten aber das enorme Maass von vier Fusb erreichte. Die Thonmasse war
einen halben bis drei Viertel Zoll dick. Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieses Geschirr
in Körben geformt wurde. Das dem Dr. Davis übersandte Fragment ist ein Randstück von
drei Viertel Zoll Dicke, und besteht aus drei deutlich unterscheidbaren Lagen von golblichem
Thone, welcher mit sehr grob zerstampften Muschelschalen gemengt ist. Die Festigkeit des
Stückes lässt ziemlich gutes Brennen vermuthen. Die auf der Aussenseite wahrnehmbaren
Eindrücke sind äusserst regelmässig und zierlich, und beweisen, dass dieso indianischen Töpfer
auch geschickte Korbflechter waren.
■) Catlin, Xorth American Indians. Laudon 1S48, Bd. I, S. 116. — *) Dn Pratz, Bd. 1, S. 807. —
*) Brackenridge, Views of Louisiana. Pittsbarg 1314, S. 186.
4*
Öigitized by Google
2*
C. Rau,
Nicht alle Stämme, welche das weite Gebiet von Nordamerika bewohnten, verstanden
es, Thongefäsae anzufertigen ; denn, obwohl sich ein bedeutender Grad von Gleichartigkeit in
Charakter und Gewohnheiten unter ihnen kundgab, standen sie doch keineswegs auf der-
selben Stufe mechanischer Geschicklichkeit. Dies war die Folge örtlicher Verhältnisse, z. B.
der Gestaltung und Beschaffenheit des Bodens, des Klimas und anderer Umstände, welche
ihre Lebensweise bedingten. Einige der indianischen Stämme, welche in der Töpferei uner-
fahren waren, pflegten ihr Fleisch in Wasser zu kochen, welches sie vermittelst heisserSteine
zum Sieden brachten, und die bei diesem Verfahren angewandten Gefässe waren grosse höl-
zerne Becken, wasserdichte Körbe, oder selbst die Häute von Thieren. Die ABsineboins, zutn
Beispiel, kochten auf diese Weise. „Wenn sie ein Stück Wild getödtet haben,“ sagt Catlin,
„so graben sie eine Vertiefung von der Grösse eines gewöhnlichen Topfes in den Boden, legen
die abgestreifte Haut des Thieres über dieselbe, und pressen die Haut mit den Händen nieder,
bis sie sich den Beiten der Höhlung anschmiegt. Dieser improvisirte Kessel wird mit Wasser
gefüllt und das Fleisch hineingelegt- Steine, welche bis zum Rothglühen erhitzt sind, werden
nun einer nach dem andern in das Wasser getaucht, bis das Fleisch gekocht ist. Wegen
dieses sonderbaren Gebrauches haben ihnen ihre Nacbbaren, dieOjibuays, den Namen Assine-
boins oder Stone-boilers (Steinsieder) gegeben.“
„Es ist dies“, fährt Catlin fort, „ein unbequemes und zeitraubendes Verfahren, muss
aber dennoch als ein sinnreiches Auskunftsmittel bei einem Volke gelten, welches zu roh
war, um ein Kochgeschirr herzustellen. Die Händler haben neuerdings die Assineboins mit
Töpfen versehen; aber schon lange vorher hatten die Mandans sie in der Kunst unterrichtet,
ganz brauchbare irdene Gefässe zu verfertigen, und jetzt wenden sie oben beschriebenes Ver-
fahren nicht mehr an, ausser bei öffentlichen Festlichkeiten, in denen sie, wie andere Völker,
mit Vorliebe ihren alten Gebräuchen huldigen“1). So berichtete Catlin vor mehr als dreis-
sig Jahren. Die Assineboins mögen jedoch trotzdem mit der Verfertigung irdener Gebisse
vertrant gewesen sein. Sie bilden bekanntlich einen Seitenzweig des grossen Dacotahstam-
mes, von welchem sie sich wegen eines Streites lossagten, und wir besitzen da« Zeugniss
Carvcr's, dass die Nandowessies — Ah. die Dacotahs oder Sioux — irdene Geschirre ver-
fertigten, in denen sie ihre Lebensmittel kochten *).
Einigt» Stämme in Neu-Mexiko und Arizona (die Mojaves, Pirnas u. a.) betreiben noch
das Geschäft der Töpferei; aber die friedlichen und fleissigen Pueblo - Indianer jener Region
haben den Ruf, besonders gute Thongefässe herzustellen. „Sie verfertigen nach altherkömm-
licher Weise, sowohl für den eigenen Bedarf, als fiir Handelszwecke, eine Art irdener Waare,
welche den roheren Erzeugnissen unserer gewöhnlichen Töpfer nur wenig nachsteht Ihre
Geschirre widerstehen dem Feuer sehr gut, und werden allgemein zum Kochen benutzt, selbst
von den Mexikanern, da gusseiserne Gelasse hier unbekannt sind. Trotz ihres primitiven
Charakters bezeugt diese Töpferwaare einen nicht geringen Grad von Geschicklichkeit, da
sie ohne Drehscheibe oder sonstige Vorrichtung verfertigt wird. Sie ist häutig mit farbigen
Erdarten oder dem Safte einer Pflanze, Guaco genannt, bemalt, welcher durch das Brennen
lebhaft hervortritt“ 3).
•) Catlin, Bd. I, 8. 64. — *) Carver, Travel« in North America. London 1778, S. 23Ä. — 3) UreRK,
Commerce of the Prairie«. New- York 1846, Bd. 1, 5. 278.
Digitized by Google
29
Die Thongefasse der nordamerikanischen Indianer.
Da ich von jenem Theile der Union spreche, muss ich der zahlreichen Bruchstücke alter
Thongeßisse Erwähnung thun, welche am kleinen Colorado, Colorado Cliiquito und Gila,
namentlich in der Nähe von Ruinen , gefunden werden. Sie sind oft kunstreich verziert, und
verschiedenartig mit dick aufgetragenen, dauerhaften Farben bemalt, und die Gefiisse, deren
Reste sie sind, müssen in jeder Hinsicht die Thonarbeiten übertroffen haben, welche von den
Indianern auf der Ostseite der Felsengebirge hergestellt wurden. Eine genauere Beschreibung
jener alten Fragmente würde jedoch die beabsichtigten Grenzen dieses Aufsatzes überschrei-
ten ; auch haben überdies mehrere Schriftsteller derselben Erwähnung gethan und ihre An-
sichten in Bezug auf die muth maassliehen Verfertiger kundgegeben '), —
Als ich vor einigen Jahren Deutschland besuchte, hatte ich Gelegenheit, in den dortigen
archäologischen Sammlungen viele alte Gelasse zu sehen, und da ich mit dem Charakter in-
dianischer Thonarbeiten vertraut war, fiel mir die grosse Aehnlichkeit auf, welche in den
Erzeugnissen der früheren Bewohner Deutschlands und der nordamerikanischen Indianer
herrscht. Wo die äusseren Lebensbedingungen der Menschen ähnlich waren, musste auch
naturgomäss ihre Erfindungsgabe in ähnlicher Weise angeregt werden. Wenn wir dem Zeug-
nisse iles Tacitus Glauben beimessen dürfen, so standen die Einwohner Gennaniens zu seiner
Zeit ungefähr auf derselben Culturstufe, welche die nordamerikanischen Indianer einnahmen,
ehe in ihrer Leljenswei.se diejenigen Veränderungen eingetreten waren, welche aas der Berüh-
rung mit den Weissen entsprangen. Es ist daher keineswegs überraschend, dass die Hand-
erzeugnis.se beider Völker grosse Uebereinstimmung wahrnehmen lassen.
Das Wesentliche der indianischen Töpferei lässt sich in Folgendem zusammenfassen: .Sie
verfertigten ihre Gefässe ohne Beihülfe der Drehscheibe, und formten sie häufig in Körben
oder Uber hölzernen Modellen von entsprechender Form. Die Kunst des Glasirens war ihnen,
so viel man weiss, unbekannt. Den zu ihrer Töpferarbeit verwendeten Thon mengten sie
mit zerstampften Muschelschalen oder Sand, oder auch mit gepulverten quarzigen Gesteinen;
Glimmer bildete gleichfalls manchmal einen Theil der Masse. Zum Anstreichen der Töpfer-
waare benutzten sie entweder Ocker, welcher die verschiedenen zwischen Blassgelb und
Dunkelbraun liegenden Farbentöne hervorbrachte , oder sie wandten ein schwarzes Färbe-
mittel an. Sie verzierten ihre Thongefässe mit eingegrabenen Linien oder Combinationen
von Punkten und Linien; auch zackten sie bisweilen die Ränder aus, umgaben dieselben an
der Aussenseite mit Buckeln, und suchten noch auf verschiedene andere Weise ihre Thon-
erzeugnisse zu verschönern. In Bezug auf Grösse und Form ihrer Gefasse herrschte grosse
Verschiedenheit; viele derselben waren mit gewölbten Boden versehen. Die Eingeborenen
brannten ihre Thonwaare in offenen Feuern oder in Oefen, und sie war, trotz der günstigen
Urtheile einiger Schriftsteller, von weit geringerer Dichtigkeit, als das gewöhnliche Geschirr
europäischer oder amerikanischer Töpfer ; manchmal sogar hat sie das Ansehen , als ob sie
bloss in der Sonne getrocknet worden sei.
>) Der dritte Bend der Pscitic Railroad Reports, Washington 1866, enthält ein Kapitel (Illustration* of
Indian Antiquitiea and Art«), in welchem solche Fragmente abgebildet and beschrieben sind. An denselben
lassen sieb, wie dar Verfasser, Herr Thomas Ewbank, sagt, die meisten, wenn nicht alle, aus geraden und
gekrümmten Linien bestehenden Elemente der Versierungsknmt nachweiten, welche von den Aegyptern, As-
syriern, Griechen nnd anderen vorgeschrittenen Völkern der alten Welt angewendet wurden
Digitized by Google
30 G. Rau, Die Thongefässe der nordamerikanischen Indianer.
Alle diese Bemerkungen lassen sich, mit geringen Modificationen, auf die alten Thon-
ge fasse anwenden, welche in den Sammlungen Deutschlands aufbewahrt werden. Viele der-
selben sind augenscheinlich aus freier Hand geformt worden; bei anderen, namentlich den
grösseren, kann man wahrnehmen, dass sie vermittelst der Drehscheibe verfertigt wurden.
Den Gebrauch der letzteren kannten die deutschen Stämme vielleicht schon, ehe sie mit den
Römern in Berührung kamen. Der Thon dieser Gefiiase ist stark mit Quarzsand vermengt,
welchem häufig Glimmer beigegeben ist, wahrscheinlich um der Ma~.e mehr Haltbarkeit zu
verleihen. „Die altgermanischen Thongefässe, die man im Boden findet, sind, sobald die
bedeckende Erde hinweggenommen, weich und so zerbrechlich, dass eine etwas harte Berüh-
rung dieselben augenblicklich zertrümmert. Viele derselben sind, namentlich in Wäldern,
von Baum- und Strauch wurzeln durchwachsen; dies zeigt denn offenbar, dass Bis nicht genug
gebrannt sind; denn der wohlgebrannte Thon widersteht, wie die römischen Wasserleitungs-
röhren. die Ziegelsteine des Mittelalters lehren, der Feuchtigkeit sogar besser als mancher
Stein. Setzt man diese Gefässe der Luft aus, so erhärten sie indessen binnen weniger Stun-
den, werden auch ziemlich hart, doch bemerkt man nur selten solche Gefässe, welche, wenn
sie angeschlagen werden, jenen Klang von sich geben, der das eigentliche Zeichen wohlge-
brannter Thonarbeiten ist Es scheint also, dass diese Urnen nicht in einem eigentlichen
Brennofen, sondern nur in offenem, wenn auch sehr heftigem Feuev gebrannt worden sind“ ').
Viele der Urnen sind mit gelben oder rothen Erdarten bemalt, oder mit Molybdän, einem
Mineralstoffe, der ziemlich häufig in Nordamerika vorkommt , und den vielleicht auch die In-
dianer gebrauchten, um ihre Thonwaare zu schwärzen. Dieselben Parallel- und Zickzacklinien
und Reihen von Punkten, welche indianische Gefässe ziereu. sind auch an denjenigen von
Nordeuropa wahrzunehmen. Sie bilden die einfachsten Zierrathen, und alle Völker haben sie
daher angewendet, als sie ihre ersten Versuche in der Verzierungskuast machten. An der
Oberfläche einiger der alten in Deutschland gefundenen Vasen bemerkte ich die schon
erwähnten flechi werkartigen Eindrücke. Ich war jedoch im Zweifel, oh sie wirklich von
Körben herrührten oder absichtlich angebrachte Verzierungen darstellten; aber selbst im
letzteren Falle würden sie den früheren Gebrauch des Modellirens in Körben andeuten. Ich
sah ferner einige anscheinend sehr alte Exemplare mit gewölbten Boden. Die ältesten Ge-
fässe aller Völker hatten wahrscheinlich diese Gestalt, wozu die Natur in der Calebasse und
anderen Früchten von rundlicher Form das Modell bergab, und ein flacher Boden möchte
demnach eine Phase in der Töpferkunst der Völker bezeichnen. Ich könnte noch auf andere,
den Gefässen der nordamerikauischen Indianer und der Bewohner Germaniens gemeinschaft-
liche Eigentümlichkeiten Hinweisen, will aber meinen Vergleich mit der Bemerkung schliessen,
dass die Thonarbeiten der Letztgenannten elegantere Umrisse zeigen, und deshalb eine höhere
Geschmacksrichtung kundgeben.
Die Aehnlichkeit in den Handerzeugnissen der Menschen in verschiedenen Ländern ist
am grössten, wenn die Verfertiger niedrige Culturstufen einnehmen; im Laufe allmäliger
Entwickelung verwischen sich die dem Menschengeschlechte gemeinsamen Urformen und gehen
endlich in jene verschiedenartigen Gebilde über, welche die Individualität der Völker abspiegeln.
*) Klemm , Handbuch der germanischen .Yltcrthumakunde. Dresden 1B36, S- 167.
Digitized by Google
m.
Qeognostische Bestimmung der Lagerstätte von Feuerstein- »
splittern bei Bramstedt in Holstein.
Von
L. Meyn
in UHcrwa (Holstein).
Duri'h Zufall erzählte mir ein glaubwürdiger Mann, der Mühlenbesitzer Paustian aus
Bramstedt. im Kieler Umschlag, er habe Feuersteinspäne, offenbar von Menschenhand gespalten,
in der Tiefe des Erdbodens gefunden.
Nach der gegebenen Schilderung musste ich die Lagerstätte für eine Schicht dos älteren
Alluviums halten, welches ich bisher immer als eine vermenschliche Formation angesehen
hatte, wie sie denn auch früher stets dem Diluvium zugezählt wurde, bis ich ihren alluvialen
Charakter für ganz Norddeutsehland nachwies.
Unter Berücksichtigung der neuesteu Entdeckungen über das Alter des Menschen-
geschlechtes schien mir diese Thatsache wichtig genug, um sie dem Archäologen Herrn Pro-
fessor Petersen in Hamburg mitzutheilen.
Am 11. August v. J. haben wir den Platz gemeinschaftlich l>esichtigt. Daselbst zeigte
sich nun
1) dass die künstliche Bearbeitung der Steinsplitter unzweifelhaft ist;
2) dass in der That die Schicht, in welcher sie gefunden worden, zum älteren Al-
luvium gehöre;
3) dass ein Herabrollen von der Oberfläche nicht stattgefunden haben kann;
41 dass die gleichen Steinsplitter an verschiedenen Stellen der (legend, aber stets in
demselben Niveau gefunden worden seien.
Zwar fanden wir selber keine dergleichen Steinsplitter, allein die Mittheilungen unseres
Gewährsmannes, welcher seit 1841 inländische Mineralien nnd Alterthümer sammelt, und ohne
die Tagesfrage über diese Angelegenheit zu kennen durch das tiefere unterirdische Vor-
kommen zu aufmerksamerer Beobachtung veranlasst worden war, verdienen jeden Glauben.
Digitized by Google
32 L. Meyn, Geognostische Bestimmung der Lagerstätte von Feuersteinsplittern
Es ist daher nicht blos wünschenswerte andere unterirdische Vorkommen dieser Art im
Lande einer grösseren Aufmerksamkeit rücksichtlich ihrer Lagerstelle gewürdigt zu sehen,
als dies bisher der Fall war, sondern es ist auch erforderlich, die Schicht zu charakterisiren,
dass man sie mit anderen Localitäten des In- und Auslandes vergleichen kann.
Das Hochland in den Herzogthiimern besteht aus einem älteren, mittleren und jüngeren
Diluvium, von denen das erstere frei von Steinen, das zweite eine ausgeprägte Gletscher-
bildung mit Steinen jeder Grösse, das dritte eine Eisschollenbildung mit einzelnen grossen
erratischen Blöcken zu sein scheint.
Im Osten der Herzogtümer bildet dies Hochland ein zusammenhängendes Plateau bis
an die Meeresküste, nur durchschnitten von jüngeren Alluvialbildungen am Rande der Bäche
und in den kessellormigen Einsenkungen.
Nach Westen hin aber gehen von dem Rande dieses Plateau, am sogenannten Rücken
des Landes, die Diluvialbildungen nur wie Landzungen breiterer oder schmalerer Art in die
Meeresfläche, in eine schwach gegen Westen geneigte sehr ausgeprägte Ebene hinaus, welche
nur durch diese Rücken und durch inselformig gruppirte Erhebungen gleicher Art unterbrochen
wird, und bis an die Marschniederung heranreicht. Dies Blachfeld ist das alte Alluvium.
Vielfach beginnt dieses Terrain in gleicher Meereshöhe wie die Gipfel des Hochlandes
und senkt sich von da überall bis an den Meeresspiegel nach der westlichen Küste, so dass
die Breite des Landes den Grad der Neigung bestimmt. Auf sechs bis acht Meilen wird
dann meistens ein gleichmäßiger Fall von GO bis 70 Fuss vorhanden sein. An anderen Stellen
beginnt das obere Ende in einer Einbuchtung des Hochlandes mit einem flachen See oder
Torfmoore.
In diesem westlichen Gebiete sind alle Flussthäler in das Blachfeld des alten Alluviums
eingeschnitten, und berühren nur an sehr vereinzelten Stellen das Hochland des Diluviums
selber. Diese Flussthäler sind mit sandigen und moorigen jüngeren Alluvien gefüllt, in denen
der Fluss »eine Serpentinen eingeschnitten hat, die er von Zeit zu Zeit wechselt.
In den beifolgenden Figuren ist das ideale Profil der Lagerung dieser älteren Alluvial-
bildung zwiefach gegeben, in Fig. 11 von Norden nach Süden im Querschnitt von einem Dilu-
vialrücken nach dem anderen Uber ein ostwestliches Flussthal hinüber, in Fig. 12 im Quer-
schnitt von Osten nach Westen von der Grenze des Hochlandes bis an die Meeresküste.
Der Abhang des Diluviums gegen dies ältere Alluvium Ist theils eine sanfte Böschung,
theils ein steiler Abbruch wie eine Meeresküste, ein sogenannter Klint, der vielleicht nirgends
deutlicher zu sehen ist, als bei der Ortschaft Klint im Amte Segeberg. Da nun an vielen
Stellen der Niveauunterschied nur drei oder vier Fuss beträgt und beinahe verschwinden
kann, so muss mafi von einer ausgeprägten Stelle, wie bei Klint ausgehend, den fortlaufenden
Rand des Hochlandes, auch wo er niedrig wird, beobachten, um das Auge für die allgemeine
Auffassung dieser Situation zu schärfen.
Wenn man vergisst, dass meilenweite horizontale Ausdehnung und nur vertieale Niveau-
unterschiede von 10 bis 20, höchstens 70 oder 80 Fuss in Betracht kommen , so hat man ein
genaues Abbild der Verhältnisse in den Gebirgsthälern, wo ebenfalls das Flussbett mit seinen
neueren Alluvionen in einer älteren Alluvion eingebettet ist, während diese die ganze Breite
des Tbalgrundes füllt. Man braucht aber nur ein Mal gesehen zu Italien wie! klein in Nord-
Digitized by Google
Kig. 11. |Idealprofil d«a alte ran Alluvium» quer Ober «in beliebige» Klui»lha], von Süden nach Norden.
bei Bramstedt in Holstein.
33
2
6
i
£
e
•S
§
es
I
3
s
ei
n
£
deutschland die Bücken des Hochlandes in dem unge-
heuren Blachfelde des meilenbreiten Alluviums sind,
um den Gedanken an eine locale Ausbildung dieses
Alluviums gänzlich aulzugeben und es als das Resul-
tat einer allgemeinen Meeresbedeckung zu erkennen.
In der Thnt haben mich die mannigfaltigsten Beob-
achtungen dahin geführt, dass dieses ältere Alluvium
nicht blos gloichalterig, sondern sogar vollkommen
identisch ist mit der holländisch-belgischen Campine
und der mecklenburgischen Haideebene. Andere
Zeichen als die Allgemeinheit der Ablagerung und
die Beschaffenheit des Niveau hat das Meer von sei-
ner Thätigkeit und seinem Dasein nicht zuriiekge-
lassen, Petrefacten kommen nicht vor, aber eine Thal-
ausfüllung, welche bald auf 100 Kuss Breite einge-
sehniirtist und eine Viertelmeile weiter drei oder vier
deutsche Meilen breit wird, ohne von Bergen über-
ragt zu sein, konnte nur das Meer selber bewirken.
Die Schichten dieses älteren Alluviums sind völ-
lig ungestört., und da der Grad der Neigung auf
die kleinen Entfernungen einer Entblössung überall
verschwindet, erscheinen sie horizontal in jeder Rich-
tung. Sie bestehen in der Nähe des Meeres theil-
weise aus dem, wasForchhammor „Sandmarsch“
genannt hat, in den oberen Regionen aus Forch-
hammer’s „Haidesand“ und einem Theile seiner
„Ahlformation“, vielfach aus einem völlig stein-
freien Sande, daher denn auch fast alle Biuneniands-
diinen oder SandsclioUen darauf entstanden sind.
An manchen Stellen Ist der Sand bis in grosse
Tiefen humusreich, vielfach auch mit einer ein bis
zwei Fuss mächtigen versumpften Torflago über-
deckt und an diesen Stellen die eigentliche Heimatli
des Raseneisensteins.
Gerolle und Geschiebe von irgend einer Aus-
dehnung wird nicht darin gefunden. Wo dasselbe
scheinbar darin verwebt ist, erkennt man bald einen
verschlissenen Gipfel des darunter liegenden Dilu-
viums. Meilenweite Streeken sind ohne jeglichen
Stein, wo Steine auftroten, sind es meistens Feuer-
steine bis zur Grösse eines Tanbeneics, aber niemals
in ihrer ursprünglichen Knollenform, sondern mehr
Archiv für Anthropologin, Bd. III. Holt I. 5
Digitized by Google
big. 13. l'rolil der Umgebuug der Fuudstuttc von BiunisUdt.
34 L. Meyn, Geognostische Bestimmung der Lagerstätte von Feuersteinsplittern
a
a
■
B
ü.
ä
3
'£
a
3
■e
B
t
s
<
§
s
■
<
E
s
4
M
'S.
I
oder weniger stumpfkantig zerbrochen und in den Kanten
etwas durch Wasser geglättet, meistens bis auf '/» der Dicke
braun gefärbt durch Eisenoxyd und durch humose Infiltratio-
nen in die scheinbar so dichte Substanz.
Dieses Abgerundete und diese braune Farbe fehlte an den
dünnen Feuersteinsplittern die liier in Rede stehen , und das
würde mich veranlassen, die Richtigkeit des Fundortes in Zwei-
fel zu ziehen, hätte ich nicht die Schicht, in der sie gelegen,
selber gesehen, und die ganze Schicht dieses sonst ziemlich
allgemein durchstehenden Charakters der Formation entklei-
det gefunden.
Flintmesser können nur aus den grossen kernigen Feuer-
steinknollcn gespalten werden, die in ihrer ursprünglichen
Form fast unversehrt im Gletscherdiluvium liegen, und haben
im Allgemeinen nur sehr geringe Aelmlicbkeit mit den stumpf-
winkeligen Stücken des älteren Alluviums, was den Irr-
thum in der Bedeutung der gefundenen Objecte völlig aus-
scliliesst.
In der Nähe von Bramstedt oben unterhalb des Flusses
selbst treten zwei Bäche zur Bildung der Brame zusammen.
Die oberhalb und weiter nach unten ausserordentlich grossen
Entfernungen der Diluvialhöhcn betragen hier oben unter-
halb des Zusammenflusses kaum eine Vicrtelmeile, und die
Höhe Ist beträchtlich, auf (»0 oder 70 Fass zu schätzen.
Dieser ganze Zwischenraum Ist erfüllt durch ein älteres
Alluvium, welches in dieser Enge etwas mehr von der horizon-
talen Oberfläche abweicht als sonst und Niveauunterschiede
von vier oder fünf Fuss in nicht grossen Entfernungen zeigt,
flache Hügelwellen bildend. Die Erhebung dieses Terrains
über den Wasserspiegel des Flusses beträgt 9 bis 12 Fuss in
der Nähe desselben, in der Nähe der Höhenränder sichtlich
etwas mehr. Das in dem älteren Alluvium eingeschnittene
Flussthal, vielleicht durchschnittlich 100 Schritt breit, ist mit
sandigen Moorwiesen erfüllt, die sich etwa zwei Fuss über
den gewöhnlichen Wasserspiegel erheben, aller oftmals über-
schwemmt werden.
Eben unterhalb der Vereinigung beider Bäche hat nun
der Herr Paus ti an dem Flusse durch Abgrabung einen etwas
südlicheren Lauf gegeben und hat für diesen Zweck nicht
blos das neuere, sondern auch das ältere Alluvium ange-
schnitten. Dasselbe hatte auch schon sein Vorwohner gethan,
er aber ist noch 8 Fuss weiter südlich gegangen und hat dabei
Digitized by Google
bei liramstedt in Holstein. 35
ersichtlich vollkommen unberührte Schichten des älteren Alluviums abgegrahen, welche jetzt
der Fluss benagt.
Ich Hess eine kleine Wand abstechen, und erkannte die Ursprünglichkeit der Schichten.
Zu oberst liegen zwei Kuss sandiger Haidehumus, darunter drei Fuss rothbrauner grober
Sand, dessen Färbung von einer tausendjährigen Haidevegetation auf der Oberfläche herrührt.
Darunter liegt, bis unter das Niveau des Wassers reichend, ein grober Steingrand, weisser
von Farbe und scharfkantiger als ihn diese Formation sonst zu fuhren pflegt.
In dieser Schicht sind die Alterthümer gefunden.
NachträgUch hat man dergleichen in demselben Niveau noch an mehreren benachbarten
Plätzen auch jenseits des Flusses gefunden, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines Irrthums
noch wesentlich geringer wird, auch soll die Untersuchung der Sache fortgesetzt werden, und
wird man in anderen Gegenden des Landes vergleichend dasselbe Niveau im Auge haben.
Da ohne eine allgemeine Meeresbedeckung dieses ältere Alluvium nicht entstanden
sein kann und seine Mächtigkeit oberhalb Brams tedt durch Salzbobrungeo als sehr bedeutend
erkannt worden ist, so wird man es imnter noch als einen höchst seltenen Glücksfall betrach-
ten müssen, dass diese Sachen gefunden wurden, und wird auch nicht jedes Zweifels ganz
ledig, bis weitere Bestätigungen kommen.
Wenn aber bei irgend einem Leser noch Zweifel au dem hohen Alter dieser Ablagerung
kommen sollten und die tief eingedrungene Haidevegetationsfarbe dieselben nicht zerstört , so
darf ich zur Charakteristik derselben noch erwähnen, dass einige hundert Schritt von der
Fundstelle zwei kleine Hünengräber und eine halbe Meile näher nach der Eisenbahnstation
Wrist zwei grosse Hünengräber auf der Oberfläche derselben Formation eirichtet sind.
Digitized by Google
Digitized by Google
IV.
Die Cultur der Bronzezeit.
Kritiken und Antikritiken
von
Dr. F. WibeL
Die Resultate, welche ich in meiner Schrift über den obigen Gegenstand (Kiel 1865) ver-
öffentlichte, sind von verschiedenen Gelehrten, am ausführlichsten von Herrn v. Cobaasen
in dem dritten Heft des ersten Bandes dieses Archivs besprochen und beurtheilL Gegen-
über den mannigfachen in diesen Kritiken enthaltenen Angriffen1) wird man es für verzeih-
lich halten, wenn ich mich nach Kräften zu vertheidigen suche, um so mehr, da ich mich nach
reiflichster Prüfung nicht veranlasst sehe, von meinen früheren Ansichten abzugehen.
Chemischer Theil.
Gestattet man überhaupt der Chemie, bei der Untersuchung über unseren Gegenstand
ein Wort mitzureden, so ist der von allen Fachgenossen anerkannte Grundsatz als leitender
voranzustellen, dass
1) die Lösung der eigentlich antiquarischen Fragen lediglich durch die Nebenbestand-
theile der Bronzen und anderen Stoffe zu erzielen sei.
Wenn mir Herr v. Cohausen dabei vorwirft, dass ich „Uber das Ziel hinausschiesao“,
so kann ich demselben mir erwidern, dass er den Ort und den Zusammenhang, wo und in
welchem ich jenen Satz gab, ganz ausser Acht gelassen hat. Denn dass hier nur von derje-
nigen „Lösung“ die Rede sein kann, welche überhaupt in das Bereich chemischer Erörterung
!) Die einzige mir bekannt gewordene Zustimmung ist diejenige eines ungenannten Reeenoenten
land“, 1B«6, S. 418 ff.
<m „Aue-
Digitized by Google
38
F. Wibel,
fallt, und dass es mir weder an dieser noch irgeud einer anderen Stelle in den Sinn gekom-
men ist, „die Chemie allein zu dieser Losung für befähigt“ zu erklären, wird jeder unbefan-
gene Leser auf fast jeder Seite meines Schriftcliens ausgesprochen finden.
Betrachten wir mit Befolgung jenes Principes die vorliegenden Analysen, zunächst der
alten Bronzen, so ergiebt sich die nicht bezweifelte und auch unanfechtbare Thatsache;
2) die zur Herstellung der alten Bronzen verwendeten Erze waren Zinnstein und kie-
siges (schwefelhaltiges) Kupfererz; und die Gewinnung des Letzteren setzt einen aus-
gedehnteren Grubenbergbau voraus.
Wenn man aber, an der Hand metallurgischer Erfahrungen der Gegenwart, die Beschaffen-
heit der Bronzemischung weiter prüft, so gelangt man zu der Ansicht:
3) Die Bronze ist nicht durch Zusammenschmelzen der beiden vorher vorhandenen Me-
talle (Kupfer und Zinn), sondern durch gemeinsames Niederschmelzen der beiden
Erze dargestellt worden.
Die Art und Menge der Ncbenbestandtheile, das Schwanken in den Quantitäten der
Hauptbrstandtheile (Kupfer und Zinn) sowohl in BUcksicht der Länder als der Art der Gegen-
stände, der Charakter des „Kupfers“ in den „kupfernen“ Fundstücken, die merkwürdige
Uebereinstimmung mancher Mischungen mit Hüttenprodukten heutiger Zeit und andere in
meiner Schrift näher angeführte Gründe haben zu jener Folgerung die, wie ich glaube, genü-
genden Beweise geliefert Audi Herr v. Coliausen hat gegen dieselbe Nichts einzuwenden;
aber in seinem Streben, da wo er mit meinen Schlüssen Ubereinstimmt, doch meiner Beweis-
führung ein Dementi zu geben, sieht er die Belege in Dingen, die theils ungenügend, theils
gradezu irrig sind. Denn die blosse Thatsache, dass der Zinnstein eine ziemliche Hitze erfor-
dert, um bei der Reduction metallisches Zinn zu liefern, und dass dieses sich leicht wieder
oxydirt, kann gewiss keinen hinreichenden Grand für jene immerhin eigenthiimliche Schluss-
folgerung bieten. Und wenn er den noch „schlagenderen" Fall des Zinkes bei den Römern
für einen solchen ansieht, so irrt er, wie ihm jeder Metallurg sagen wird, einmal, indem er
die Gewinnung des letzteren für „weit leichter“ erklärt, „schlägt“ sich aber zweitens selbst,
weil grade den Römern das Zinn sehr wohl, das Zink aber nicht bekannt war*). Ebenso
haltlos ist der Vorwurf des Herrn v. Coliausen in Bezug auf das Vorkommen der
Kupfer- und Zinnerze in Eugland. Es kommt bei meiner Beweisführung nicht darauf an,
dass und ob in einem Gebirge heutzutage beide Erze gefunden und ausgebeutet werden, son-
dern auf die Art der Vergesellschaftung beider miteinander und auf den Umfang, in dem man
dieser Association begegnet. Denn nur dadurch lässt sich ein in der Natur begründeter Stütz-
punkt für die behauptete Bronzedarstellung gewinnen. Jeder Mineraloge winl aber Herrn
v. Coliausen bezeugen, dass im südlichen England die Verbindung genannter Erze eine weit
innigere ist und in weit umfassenderem Grade besteht, als im Erzgebirge. Deutlich genug
habe ich, um diese Besonderheit hervorzuheben, von einer „natürlichen Vermengung“ (S. 3ti)
*) Wir bedauern bei dieser Beschwerde de» Herrn Verfassers über irrige Beurtheiluog seiner Satze, mehr-
fach einer gleich unrichtigen Auffassung der Ausdrücke des Herrn v. Cohausen zu begegnen. Dem Schlüsse
des obigen Satzes nzeh sollte man glauben, der Letztere habe behauptet, den Hörnern sei das Zink bekannt
geweaen. Derselbe sagt aber Seite 325, Band I. des Archivs, nur, „dass das Zink den Römern nicht re-
guliniech bekannt war, obgleich eie den Galmei, Cadmia znr Messingbereitung verwandten, was seine volle
Richtigkeit hat“. Anmerkung der Redaction.
Digitized by Google
Die Cultur der Bronzezeit.
311
und von einer „Verunreinigung“ (S. 41) gesprochen; aber Herr v. Cohausen lässt mich statt
dessen sagen: „Kupfererze und Zinnstein finden zusammen sich einzig und allein in England“,
um dann gegen diese von mir nie gemachte Behauptung seine Angriffe zu richten.
Jedenfalls stimmt Herr v. Cohausen mit mir in der Hauptsache überein und wird darum
auch die Tragweite derselben würdigen. Diese liegt erstens darin, dass nunmehr die Crux
der meisten Archäologen, das Fehlen eines Kupferalters, aus dem Wege geräumt ist, da ja die
gesonderte Existenz des Kupfers für die Bronzedarstellung als überflüssig erscheint Zweitens
ergiebt sich im Zusammenhang mit anderen Beobachtungen die allgemeinere Folgerung für
unsere nord- und mitteleuropäischen Länder, dass die Reihenfolge der in ihnen benutzten
Metallstoffe die folgende ist: Gold, Bronze, Kupfer, Zinn, Blei, Silber, Eisen. Die Ein wände,
welche Herr Professor v. Cotta1) hingegen erhebt, sind durchaus hinfällig. Ich muss dies
mit um so grösserem Bedauern aussprechen, als Herr v. Cotta einer der wenigen Fach-
genoasen ist, welcher sich mit unserem Gegenstände beschäftigt und daher zu einem einfluss-
reichen Urthoil befähigt wäre. Wenn aber, wie er meint, ein in einem Pfahlbau neben ande-
ren Dingen gefundener Zinnbarren ohne weiteres die Gleichaltrigkeit oder gar das grössere
Alter des Zinnes nachweisen und damit obige Anschauung widerlegen soll, so sind mit einem
Schlage alle archäologischen Fundamente Uber don Haufen geworfen. Die „leichtere Gewinnung
des Zinns aus Seifenlagem im Vergleich aus Gängen“, welche Herr v. Cotta als weiteren Grund
für die frühere Kenntniss dieses Metalles anführt, kommt hier aber gar nicht in Betracht, da
erstens der Abbau von Gängen auch von mir keineswegs angenommen wird, zweitens aber
wie oben berührt, die Kenntniss des Erzes noch durchaus nicht diejenige des Metalles invol-
virt. Gewiss hat man umgekehrt das gediegene Metall, wo es sich fand, „früher benutzt“ als
seine Erze; aber Herr v. Cotta, welcher dies für das Kupfer unserer Bronzen aufrecht
erhält, lierücksichtigt weder das verhältnissmässig sparsame Auftreten desselben in gediegener
Form, noch vor Allem die thatsächlichen Analysen-Ergebnisse, welche eine Anwendung nur
des gediegenen Kupfers mit fast mathematischer Sicherheit ausschliessen. Auch darin endlich
— um dies sofort zuorwähnen — irrt Herr v. Cotta, wenn er sagt, ich sei bei meinen Unter-
suchungen von der Annahme des heimischen Ursprunges ausgegangen ; vielmehr hat mich der
entgegengesetzte Weg zu der letzteren erst geführt.
Wenn ich deshalb gegenüber diesen Einwüri'en *) die Ansicht festhalten muss, dass:
4) das sich findende Kupfer und Zinn höchstens gieichalterig, wahrscheinlich aber jünger
sind als die Bronze,
so gilt dasselbe von den Behauptungen, dass
5) bei den durch die Analyse festgestellten Mengenverhältnissen der Hauptbestandtheile
(Kupfer und Zinn) durchaus jedwede Absicht gefehlt habe, und dass
6) der Bronze der Bronze- und frühen Eisenzeit ausser Kupfer und Zinn keine anderen
Metalle zugesetzt sind.
Zwar bekämpft mich Herr v. Cohausen bezüglich des ersteren Satzes, aber wiederum
-} Geologie der Gegenwart. Leipzig IÖG0, $. 24R — aj Sehr lebhaft beklage ich es, dass Herr Desor in
«einer Schrift über die Pfahlbauten de« Neuenburger See» anf diesen Punkt gar keine Riicluicht genommen
hat.
Digitized by Google
40
F. Wibel,
nur, indem er mir ganz andere Worte unterschiebt. Denn es ist mir nicht eingefallen, zu
behaupten, „dass bei dem unmittelbaren Zusammenaufbereiten der beiderseitigen Erze durch-
aus jede Absicht gefehlt habe“. Im Uebrigen liestehen seine Einwände in verschiedenen
„Möglichkeiten“, mit denen sich die Archäologen so gerne abgeben , die aber einer natur-
wissenschaftlichen Methode gegenüber keinen Werth besitzen *). Seine Bedenken gegen den
zweiten Satz, die er dem Glauben entnimmt, dass eine Kenntniss griechischer, etruskischer
und römischer Bronzen zu einem anderen Schlüsse führten, werde ich später beleuchten.
Am wenigsten Anfechtung sowohl von Seiten des Herrn v. Cohausen als anderer
Forscher haben die Schlussfolgerungen erfahren:
7) Die Verarbeitung der Bronze zu Gegenständen erfolgte theils durch Guss, theils durch
Schmieden und Ziehen unter Anwendung des d'Arcet’schen Abläschvorfahrens.
8) Der Darstellungsprocess der Bronzen aller Länder war der gleiche.
Mindestens kann ich die Monituren, welche Herr v. Cohausen auch bei dieser Gelegen-
heit macht, auf sich beruhen lassen. Von grösserem Gewichte scheinen dicsellxsn bei den
weiteren Untersuchungen über den Ort der Darstellung der Bronzen zu werden, um so mehr
als er hier von mehreren Gelehrten Unterstützung findet.
Die Beweise für die beiden ersten Schlüsse:
9) Die technische Verarbeitung der Bronze zu Gegenständen hat in den Einzelländeru
stattgefunden und
10) Einige Beobachtungen scheinen dafür zu sprechen, dass die Verschmelzung des Erz-
gemenges zu Bronze innerhalb unseres nordeuropäischen Landergebietes stattgefunden
habe;
beruhen wesentlich auf den Ergebnissen der Ausgrabungen. Die Funde von Bronze- und
Kupferklumpen und -Barren, von halbfertigen Gegenständen, Gussstätten, Schlacken, Graphit-
tiegeln etc. in allen jenen Ländern bekunden, dass obige Sätze nur der einfache Ausdruck des
Thatsäch liehen sind. Ich muss es Alterthumsforschern überlassen, alle einzelnen Orte solcher
Funde namhaft zu machen und durch die Anzahl und Ausdehnung derselben die gesuchten
und willkührlichen Deutungen, denen sie ausgesetzt wurden, bündig zu widerlegen. Wenn
aber Herr v. Cohausen, obgleich er alle diese Thatsachen „sehr wohl“ kennt, sich wieder
in «las Bereich der „Möglichkeiten“ begiebt und meine Behauptung „eine auf die Spitze
gestellte“ nennt, während er von „Feuersbrünsten“, „Einschmelzung alter zerbrochener Gegen-
stände «lureh wandernde Kesselflicker“ etc. spricht, so muss ich meine Unlust bekennen, mit
ihm hierüber zu disputiren ♦*). Gegenüber einigen seiner Kinwände, die in ähnlicher Weise auch
*) Die Archäologen geben lieh nicht mehr grade mit -Möglichkeiten“ ab ale die« auch von Seiten anderer
Forscher geschieht Bei aller Achtung vor der -naturwissenschaftlichen Methode* scheint o* ans doch, daee
dieselbe eine recht freie Bewegung auf dem Gebiete der Möglichkeiten zulasae , wie aua dem zweiten Theiie der
Schrift det Herrn Verfasse« zu erzehen. Aber auch im Hereicht' der Naturforschung eelbzt lasst ja ein jeder
Fortachritt dieaer Wissenschaft ganze Reihen von scheinbar gesicherten Ansichten als das Resultat verfehlter
Möglichkeitaberechnungen erscheinen. Anmerkung der ltedaction.
**) Nichtsdestoweniger können wir nicht umhin den Herrn Verfasser in Bezug »einer auf den -Ergebnissen
der Ausgrabungen“ beruhenden Behauptungon um gefällige Beachtung dea in dem dritten Hefte des zweiten
Bandes unseres Archivs besprochenen Fundes einer solchen sobr umfangreichen Erzgussstätte zu ersuchen,
and seiner allerdings berechtigten Geringschätzung gegenüber, doch einigermaassen den unscheinbaren aber
nützlichen, sowohl den Germanen als den erzkundigen Galliern erweislich recht willkommenen Geschäfts.
Digitized by Google
Die Cultur der Bronzezeit
41
von Herrn Desor und von Herrn Professor Petersen *) erhoben werden, will ich nur wieder-
holt darauf aufmerksam machen, dasR sehr viele der alten Bronzen theils ganz, theils vorwie-
gend durch Hämmern und Ziehen dargestellt wurden. Bei den letzteren (viele Schwerter, die
dünnen Messer, Dolche, Armspangen etc.) beschränkte sich der Guss aul die Herstellung der
ganz groben Gestalt oder gar nur einfacher Platten und Stangen und geschah dann sicherlich
nur in Sandformen. Hätte man diesen (S. 95 meines Schriftchens) bereits hervorgehobenen
Umstand beachtet, so würde man nicht behauptet haben, dass das Fehlen von Gussnähten an
den feineren, künstlicheren Gegenständen, dass die „Beschränkung von Gussformen auf Bronze-
keile (Gelte), Schwerter (aber nicht aller Arten) und einige gewöhnliche Schmucksachen“, wie
dies Herr Petersen meint, Beweise gegen meinen Ausspruch seien. Was eben nicht oder
nur ganz roh in vergängliche Formen gegossen, vorwiegend aber mechanisch bearbeitet wurde,
konnte weder Gussnähte noch Gussfbrmen hinterlassen!
Dass die Beweise für den zweiten obigen Satz noch unzureichend und eingehendere
Forschungen nijthig sind, habe ich nicht minder selbst anerkannt, als ich auch auf mehreren
Seiten ausführlich die Schwierigkeiten, Complicationen und Unsicherheiten in Ursachen und
Wirkungen auseinander setzte, welche sich der dritten und wichtigsten Frage entgegenzu-
stellen scheinen:
Es handelt sich um die Bestimmung des Ursprungsortes der zu den Bronzen verwen-
deten Erze. Ich komme hierüber zu den Folgerungen :
11) Das zur Bronze verwendete Zinnerz wurde hauptsächlich in England (Cornwall),
vielleicht auch später im Erzgebirge (Sachsen- Böhmen) gewonnen; und
12) Die im Allgemeinen herrschende Aehnlichkeit zwischen dem Kupfer der Bronzen der
Einzelländer und den noch heute in denselben aus inländischen Erzen gewonnenen
Kupfersorten lässt mit Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass die zu den Bronzen nöthi-
gen Kupfererze aus eben jenen inländischen Erzi|uellen gewonnen worden sind.
Der erste dieser Sätze wird kaum angefochten werden. Herr v. Cohausen, welcher
sofort wieder „nach Ophir“ (Ostindien), „als der nächsten Zinngrube“, segelt, wird mich ent-
schuldigen, wenn ich ihn auf dieser doch immerhin etwas langen Fahrt nicht begleite.
Die zweite Behauptung ist der eigentliche Cardinalpunkt Die Beweise dafür suchte ich
einmal in den thatsächlichen Spuren uralten Bergbaues, sodann in der chemischen Constitu-
tion der Bronzeobjecte resp. des Kupfers derselben im Vergleich mit dem Kupfer heutiger
Zeit. Die Nebenbestandtheile jener, als die das Kupfer charakterisirenden, geben hiefür das
Material; aber es ist eine nicht leichte Mühe, sich aus demselben ein deutliches und richtiges
Bild der Erzbeschaffenheit zu entwerfen. Herr Desor, welcher zu einem sachverständigen
Urtheile so sehr befähigt gewesen wäre, enthebt sich leider dieser Arbeit, indem er die ver-
geblichen Versuche des Herrn v. Fellen b erg bezüglich des Nickels für entscheidend hält
betrieb jener „Kesselflicker“ in Schutz zu nehmen, welche mit dieser Arbeit zugleich den Aufkanf zer-
brochener Erzgerithe und d»« Giessen einfacher Erzgerithe zu verbinden wussten, wie wir dies schon früher
aus ähnlichen Funden nachgewiesen und neuerdings hei persönlicher Untersuchung der Bronzen von Lons-
le-Saunier, im Masse van St. Germain, vollständig bestätigt gefunden haben. Auf die „bündige Wider-
legung dieser unserer willkürlichen Deutung“ von Seiten der Altertbumsforechung warten wir bereits acht
Jahre. Anmerkung der Redaction.
*) Göttinger Gelehrt. Anzeig. 1806, Stück 08.
Archiv ftr Anthropologie. Bd. III. lieft I, f)
Digitized by Google
42
F. Wibcl,
und meine Bemerkungen darüber nicht beachtet. Die Angriffe des Herrn v. Cohausen aber
treffen die Sache nicht, und geben wie viele andere seiner Aeusserungen, ein Zeugnis* dafür,
dass ihm das Verständnis» für die von mir befolgte Methode ganz und gar fehlt. Denn
wenn er warnend einwendet, dass man „die in Oesterreich gefundenen Bronzen nicht an
die Stelle der in Oesterreich erzeugten Bronzen setzen“ dürfe, und wenn er die Aehnlichkeit
dm Bronzen -Kupfers und des heutigen Hütten- Kupfers eines Landes zugestanden, auseinander-
setzt, dass dennoch die Bronze iniportirt sein könne, da es „von Vornherein wahrscheinlich
sei, dass die Bronzefabriken, welche mit einem Lande der Erzgewinnung wegen in Verkehr
standen, auch dorthin als Rückfracht und Tausehwaare ihre Bronze absetzten“, — so ist er
es, welcher an die Stelle der nüchternen Forschung sofort wieder Hypothesen einschaltet, die
auf einen materiellen Beweis Für oder Wider ohne Weiteres verzichten müssen*). Seine fer-
nere Behauptung, aus den von einander abweichenden Analysen zweier Fundobjecte desselben
Ortes müsse auf einen ganz verschiedenen Erzeugungsort des einen, also auf Import geschlos-
sen werden, zeigt, dass er eben nicht weiss, wie dass auch heute auf einer und derselben Hütte
aus denselben Erzen erhaltene Kupfer keineswegs eine constante, und namentlich in den hier
in Betracht kommenden Neiienbestandtheilen unveränderliche Zusammensetzung besitzt. Viel-
mehr giebt auch da erst der Durchschnitt mehrerer Analysen da» richtige Gesammtbild der
verschmolzenen Erze. Auf demselben Missverständnisse der eigentlichen Frage und der zu
ihrer Lösung brauchbaren Methode Imruhen die Wünsche des Herrn v. Cohausen Uber den
Vergleich unserer Bronzen mit den griechischen, etruskischen und römischen, deren selbstver-
ständlichen Ausschluss meinerseits er ebenso tadelnd hervorhebt, wie er denselben für ein
„imbedingtes Erforderniss“ erklärt. Nur wenn sich in jenen Bronzen die beigemengten Metalle
(Blei, Zink, Silber etc.) ohne Ausnahme in solcher Menge vorfanden, dass sic absichtlichen
Zusatz verriethen, dann könnte aus ihrem Auftreten oder Fehlen auf eine Beziehung ihrer
Verfertiger zu einander irgend etwas geschlossen werden. Weder in unseren Bronzen, noch
in denen des Orients und der Mittelmeervölker ist dies aber der Fall, wie Herr v. Cohau-
sen aus den früheren Analysen von Göbel, Phillips, Gcnth u. A. und den neueren des
unermüdlich thätigen Herrn v. Feilenberg ersehen kann. Demnach würden wir auf einen
Vergleich in den Nebenbestandtheilen Imschränkt sein. Und dieser muss aus zweierlei Grün-
den von Vornherein resultatlos bleiben. Erstens fehlen uns, wie Herr v. Cohausen selbst
bedauert, genaue Notizen nicht nur über die Fundstätten, sondern noch weit mehr über den
chemischen Charakter von Kupfer- und Zinnerzen „im Bereich der MittelmcerschiflTahrt“, und
wir würden also niemals auf einen bestimmten Ursprungsort zuriickschliessen können. Zwei-
tens aber giebt es in den verschiedensten Welttheilen so viele Erzlagerstätten mit überein-
stimmendem Charakter, dass, selbst wenn jener eratere Rückschluss möglich und damit z. B.
eine Tömische Bronze als inländisches Fabrikat nachgewiesen wäre, eine mit dieser ganz
übereinstimmende alte Bronze aus England doch sehr wohl ebenfalls einheimisches Product
•) Wir denken, die nüchterne Forschung’ hat die analogen Handels- und Fabrikverhältnisae der jetrigen
Zeit bei der Beurteilung der ältesten eben so gut in Betracht zu ziehen als die materiellen Bewcite au»
dem Stoffe und der Form der Fabrikate.
Anmerkung der Rcdnction.
Digitized by Google
Oie Cultur der Bronzezeit.
43
ist. Nicht allein also, dass wir uns durch das Hereinziehen griechischer eto. Brpnzen unsere
Aufgabe bis zur Unmöglichkeit einer Lösung erschweren, würden wir trotzdem niemals ein
positives Resultat erzielen; eine Erkenntniss, welche Herrn v. Cohausen, wenn er sie jetzt
gewonnen hat, nur die Alternative übrig lässt, entweder dem chemischen Vergleiche mit
„classischen“ Bronzen oder Überhaupt einer Aufklärung durch chemische Untersuchungen zu
entsagen '). Mit Letzterem aber wäre Nichts gewonnen und Vieles verloren !
Für diejenigen vorurtheilsfreien Forscher, welche diesem Wahlspruche nicht huldigen, wird
es aus dem Vorigen verständlich geworden sein, dass es in erster Linie darauf ankommt, uns
aus den Nebenbestandtheilen ein Bild des Erz-Charakters zu construiren, und in zweiter Linie
darauf, dieses mit den Erzen der zunächst liegenden Gebirge zu vergleichen, und erst dann
in immer weiteren Kreisen zu suchen, wenn jene zur Erklärung nicht genügen. Die erste
Aufgabe wird nur durch ein Zusammenfassen vieler Bronzeanalysen ermöglicht, und die letz-
tere setzt eine geographische Sonderung derselben nach Fundstätten voraus ; — somit ist die
statistische Uebersicht nach den Einzelländern der einzig richtige Forsch ungs weg. Ich habe
eine solche aus dem vorhandenen Material zu geben versucht; und wenn ich selbst mehrfach
aussprach, dass dieses noch recht mangelhaft und wenig umfangreich sei, so kann ich doch
weder Herrn v. Cohausen noch Herrn Petersen deshalb das Rechtzugestehen, die erhalte-
nen Folgerungen pure zu verwerfen. Wie weit ich selbst noch von absoluter Sicherheit ent-
fernt bin, zeigt die Fassung obigen Hauptsatzes deutlich genug. Herr Petersen freilich be-
streitet noch besonders die Berechtigung zu einem solchen Schluss, „so lange wenigstens nicht
Gegenstände jeder Art und zwar nach derselben Methode untersucht, und die Ana-
lysen von Gegenständen derselben Art aus verschiedenen Ländern mit einander ver-
glichen sind; denn es muss doch zugegeben werden, dass gewisse Arten von Gegenständen
im Lande, andere im Auslande gemacht sein können.“ Allein ein Blick auf die Tafeln würde
Herrn Petersen überzeugt haben, dass sie Gegenstände jeder Art nach gleicher Methode
untersucht enthalten. Und eine vergleichende Zusammenstellung der Gegenstände gleicher
Art aus verschiedenen Ländern, welche schon au sich kaum zu Resultaten führen würde,
fusst in ihren Motiven wiederum nur in jener am Schlüsse ausgesprochenen hypothetischen
„Möglichkeit.“ Meint aber Herr Petersen unter „Ländern“ gar die „classischen“, so trifft
ihn derselbe Vorwurf wie Herrn v. Cohausen.
Nach allem Dem glaube ich jene Hauptfolgerung und damit auch die letzte, recapituli-
rende Behauptung aufrecht erhalten zu köuneu :
') Die Chemie wird demnach niemals die 1 , Möglichkeit" fremdländischen Ursprunges mit absoluter Sicher-
heit ausznschliesaen im Stando sein; aber aie aohallt durch den Nachweis dor Uchereinstimmung zwischen
Bronzen und Inländischen Ersen eines der wesentlichsten ßeweiamomentc für die einheimische Fabrikation *).
*) Grade davon werden die Herren Chemiker die Archäologen und Historiker niemals überzeugen können,
da die Uebereinstimmung der Formen und der Technik zwischen den inländischen Bronzefunden und jenen
der alten Cultnrländer viel entscheidendere Beweismomente für ausländische Fabrikation bleiben, als die
Uebereinstimmung der Erze für eine inländiecbe. Mögen dio Metalle einzeln oder bereite zusammenge-
schmolzen aus allen Weltgegendon , wie heute noch, den Fabrikorten zugeführt worden sein, Formen nnd
Technik der Bronzearbeit sind den Völkern des Mittelmeeres niemals aus Britannien zugekommen. Die
ganze Hoffnungslosigkeit des Vorsucbs einer einseitig chemischen Lösung der Frage kann nicht besser als
in obiger Anmerkung des Herrn Verfassers bezeichnet werden. Anmerkung der Kedaction.
6*
Digitized by Google
44
F. Wibel,
13) So wenig einerseits ein stoflllichpr Grund vorliegt, die Darstellung der Bronzegegen-
stände ausserhalb des Lnndercomplexea, in denen sie gefunden worden, zu verle-
gen, weil alle nöthigen Materialien sich daselbst finden, so wahrscheinlich ist es
gradezu andererseits, dass die bergmännische Gewinnung der Erze und die Verschmel-
zung derselben zu Bronze, und so thatsächlich erwiesen ist es, dass die Verarbeitung
dieser zu Gegenständen innerhalb desselben erfolgte.
Herr v. Cohausen meint zwar, dass es mir „leicht“ ward, zu diesem Ergebniss zu ge-
langen; ich aber versichere ihm, dass er sich die Beurtheilung meiner „Methode“ noch etwas
„leichter“ gemacht hat.
Es giebt kein gefährlicheres Experiment, als zuviel beweisen zu wollen. In diesem Be-
wusstsein habe ich in Betreff der Zeit der Bronzodarstellung darzuthun gesucht, dass hier
die chemische Untersuchung ihre Dienste versagt, und die einzig sichere Entscheidung über
das Alter der Gegenstände nur durch die Form, die Ornamentirung und die Fundvcrhält-
nissc zu gewinnen ist. Der Unanfechtbarkeit dieser Behauptung bin ich so sicher, dass ich
es bedauern muss, wenn Herr Desor noch die früheren, von mir widerlegten Ansichten be-
züglich des Blei und Zink fcsthält Auch erfreue ich mich hier des Beifalls des Herrn v.
Cohausen, der mir sonst ebenso unverdient eine strafbare Verachtung jener archäologischen
Momente vorwirft, wie er ohne irgend ein Recht obige Folgerung als ein mir mühsam abge-
rungenes Zugoständniss darstellt. Unterschreibe ich zwar keineswegs ohne weiteren Vorbe-
halt seinen allgemeinen Grundsatz: „Die Form, und die im Ornament potenzirte Form ist
es, die uns leiten muss“ , so stimme ich doch seiner Auslassung völlig bei : „wer nur durch die
Analyse das Alter eines Fundstückes bestimmen wollte, würde einem Menschen gleichen,
der die Marotte hätte, sich mit verbundenen Augen, nur vom Gefühl geleitet, in den Strassen
einer Stadt zurecht zu finden.“ Wenn er aber dann in den ersten Zeilen seiner Kritik aus-
ruft: „man will ja eben durch die Analyse ergründen, was der eigentlichen Bronze-Zeit ange-
hört“, so muss ich fast glauben, er streife an denselben „circulus vitiosus“, der bei dieser Gele-
genheit mir vorgeworfen wird ! ! —
In Bezug auf die übrigen während der Bronzezeit verarbeiteten mineralischen Rohstoffe.
Gold, Glas, Thon, Graphit, Rothstein, Bernstein und Gagat, kann und will ich mich kurz
fassen. Ich glaube überall genügend begründet zu haben, dass primo loco aus dem Stoffe
und seiner Verarbeitung an sich keine Nothwendigkeit deducirt werden kann, die resp.
Gegenstände als importirt zu betrachten. Des Herrn v. Cohausen Bemerkungen zu diesen
Abschnitten würde ich lieber mit Stillschweigen übergehen, da sie mich nöthigen, ihn hier
geradezu der Entstellung einer meiner Aeusserungcn zu beschuldigen. So sagt er z. B. „das
Gold und das Silber der Bronzezeit schliesst der Verfasser aus, da es, wie er meint, verar-
beitet fast nur in Begleitung des Eisens vorkomme.“ Dagegen bespreche ich auf fast drei
Seiten das Gold und sage ausdrücklich: „Das Silber erscheint fast nur in Begleitung des
Eisens, . . . während da» Gold schon in der frühesten Entwickelung des Bronzealters auftritt,
so dass manche Forscher (Wilson z. B.) seine Kenntnis» vor die der Bronze setzen zu dürfen
glauben." So schiebt Herr v. Cohausen mir hinsichtlich des Glases aus eigener Macht-
vollkommenheit die Schlussfolgerungen unter: „insoweit die Nebenbestandtheile der Bronze
auf die Fundstätte der Erze hin weisen, leisten uns auch die Glasbestandtheile denselben
Digitized by Google
Die Cultur der Bronzezeit.
45
Dienst“, und fügt dann hinzu: „oder — möchten wir sagen, können uns zu denselben Trug-
schlüssen verführen.“ Ich dagegen spreche das grade Oegentheil aus (S. 73): „Was den ört-
lichen Ursprung des Glases betrifft , so kann aus der Materie desselben Nichts geschlossen
werden.“ Bei einer so leichtfertigen Beurthcilung meiner Ansichten wird es Jeder begreif-
lich finden , dass ich auf die Erörterungen über „die für Handel und Seeraub vortheilhaften
Küsten“, über die lybisclien Natron-Seen und über die Keramik keine weitere Rücksicht
nehme. —
Antiquarischer Theil.
In diesem Theil meines Schriftchens gelangte ich nach einer ernsten Prüfung aller hier-
über bestehenden Ansichten, soweit eine solche von einem Nicht- Archäologen irgend bean-
sprucht werden darf, zu dem Resultate, dass
die Cultur der Bronzezeit eine durchaus einheimische ist, ihrem ersten Ursprünge
nnch auf Grossbrittanien zurückgeführt und somit als höhere Entwickelungsstufe der
Urbewohner dieses Landes betrachtet werden muss.
Nicht aber als eine absolute, unanfechtbare Behauptung stellte ich dieselbe hin, sondern
ich habe sie, wenn auch auf das wärmste, ausdrücklich nur zu erneuter Untersuchung em-
pfohlen, da sie über Gebühr vernachlässigt*) und bei den neueren Forschungen kaum einer
Widerlegung mehr gewürdigt wird.
Schon in der ersten Vorfrage 'aber scheinen mir die Meisten, wie u. A. auch Herr
Petersen zu irren, wenn sie nämlich den Verfechtern der einheimischen Cultur den Beweis
für dieselbe zusebieben. Nicht diese, sondern jene sind es, welche einen solchen Beweis für
dag Oegentheil anzutreten hnben. Unsere Stellung ist der Natur der Sache nach eine defen-
sive; wir sind sowohl bildlich als auch buchstäblich im Besitze des Terrains; und unsere Auf-
gabe ist daher zunächst nur die Abwehr der gemachten Angriffe' —
Ehe ich nun einige weitere Ausführungen über unseren Gegenstand hier anfüge, will
ich die Bemerkungen des Herrn v. Cohausen zu diesem Theile erledigen*). Derselbe über-
lässt sich auf diesem archäologischen Gebiete , um so rückhaltloser seiner mehrfach geschil-
derten Recensentenmanier. Weder sein sich häufender Spott noch seine malitiöse Schmeiche-
lei sollen hier gerügt werden; — allein auf das Entschiedenste muss ich der Manier entgegen-
treten, wie er nach Belieben Worte und Behauptungen auslässt, unterschiebt oder entstellt,
um sein Lächeln zu rechtfertigen. Wenn Herr v. Cohausen z. B. sagt, die Keramik der
Bronzezeit sei mir „sehr unbequem" und darum von mir übergangen, so ist dies einfach nicht
wahr; sie ist weder das eine noch das andere. Wenn er mir ein selbstgcschatfenes „Zeitalter
der Pfahlbauten“ vorwirft, so ist auch dies nur ein Kind seiner eigenen Laune, dessen Vater-
schaft ich auf das Bestimmteste in Abrede stelle. Und wenn er meine kurze Bemerkung Uber
*) In Bezug des Gesammtinhalts des „antiquarischen Thesis“ dieser Erörterungen verweisen wir auf un-
sere Schlusebemcrkung. Anmerkung der Redaction.
*) Nur mit tiefem Bedauern hats: ich es über mich gewonnen, mich gegen Herrn v. Cohausen mit
Waffen zu vertlieidigen, die den seinigen einigermaassen gewachsen sind. In wissenschaftlichen Fragen sollte
eine derartige Prüf- und Sprechweise nicht mehr Vorkommen, and in der Haltung meines Schriftchens kann
Herr v. Cohausen keinen Grund zu seinem Auftreten gefunden haben.
Digitized by Google
46
F. Wibel,
Hiinilco's Reise „nicht minder ergötzlich1- nennt, so kann er Dies seinen Lesern nur dadurch
plausibel machen , dass er wohlweislich meine cingeklammerten Worte „wenn anders darauf
überhaupt Werth zu legen" einfach fortlässt. Andererseits stellt er meinen eingehenden Er-
wägungen unzureichende Deductionen gegenüber, wie es sein Beweis, dass und warum noth-
wendigerweise alle Metalle und ihre Verarbeitung im Süden entdeckt werden mussten (!),
deutlich bekundet Meinem Hinweis auf Mexiko und Peru glaubt er mit der alten Ansicht
die Spitze abbrechen zu können, auch diese Länder hätten mit dem Orient in Verkehr ge-
standen, während ihn, von allem Anderen abgesehen, ein Blick auf die neueren Forschungen
über diese Krage belehrt hätte, dass man von dieser alten Meinung zurückkommt Für Herrn
v. Co hausen weisen „schon die rohesten Fundstiicke der Steinzeit“ auf „oft sehr ferne Ge-
genden“, also auf Handel und Verkehr, hin, während ich ausdrücklich auf die Ueberschätzung
de» Neplirit's, der in diesen seinen Worten unzweifelhaft gemeint ist, hingewiesen habe. Zu
meiner Genugthuung begegne ich in demselben Hefte dos „Archivs“ einem Aufsatze des Herrn
Professor Fischer, der durch gründliche Prüfung zu demselben Resultat gelangt Für Herrn
v. Cohausen bieten die so mangelhaften und widersprechenden Nachrichten der Klassiker
über die nordischen Länder keinerlei Schwierigkeit. Er tischt uns die alte „Anekdote“ Strabo's
von der Geheimniasthuerei der Kaufleute wieder auf, ruft stolz bewusst aus, dass auch heute
ein Hauidelshaus seine Notizen nicht publicire, und giebt sogar ein schlagendes „Beispiel, irre
zu führen“ aus der modernen Handclsgescliichte. Aber dieses Beispiel — „die Benennung der
China- Rinde, obschon sie grade nur auf der entgegengesetzten Erdhälfte vorkommt“ — be-
weist nichts anderes, als dass und wie leicht mau Herrn v. Cohausen irrefuhren kann! Denn
das Wort China hat hier gar Nichts mit dem himmlischen Reiche, und also auch Nichts mit
Verheimlichung etc. zu tliun, sondern ist verketzert aus dem alt[>eruani. sehen Quina oder Ghina,
welches ftebervertreibende Rinde bedeutet. Eine Belehrung, die Herr v. Cohausen sich
selbst hätte verschaffen und aus der er nebenbei die Ueberzeugung hätte gewinnen können,
dass die „Form“ einen sehr unzuverlässigen Führer abgiebt! —
Doch genug der Belege für die Forschungsart des Herrn v. Cohausen. Der einzige
Punkt, über den ich mich mit ihm noch vor dem Publikum dieser Blätter unterhalten muss,
ist die von Herrn Lindenschmit angeführte Stelle aus Plinius Hist. nat. XXXIV c. 9. Pli-
nius verweist in derselben, um den Nutzen eines Bleizusatzes beim Einschmelzen des Kupfers
in Italien zu bestätigen , ausser auf die leichtere Schmelzbarkeit auch auf Gallien , wo dies
nicht geschieht und in Folge dessen „exurente coetura“ das erhaltene Kupfer „schwarz und
spröde“ wird. Unzweifelhaft bezeugt dies eine grössere metallurgische Kenntniss Italiens;
aber keineswegs umgekehrt den „primitiven“ Zustand gallischer Hüttenkunde, um so weniger
als ein Bleizusatz zwar manche Vortheile, aber auch sehr viele Nachtheile im Gefolge hat,
und als aus dem Wortlaute noch nicht geschlossen werden kann , dass die Gallier überhaupt
kein „dehnbares“ Metall zu liefern vermochten. Herr Lindenschmit sieht in jener Stelle,
wie ich glaube unrichtiger Weise, eine Schilderung der Darstellung des Kupfers aus den
Erzen, und zieht, indem er nach meiner Ueberzeugung „falsch und willkübrlich“ constmirt
und übersetzt, den letzterwähnten Schluss. Auch ich habe, durch Herrn Lindenschmit
verleitet, früher jene Worte in seinem Sinne aufgefasst und deshalb in dem „schwarzen und
Bpröden“ Kupfer den sogenannten Kupferstoin oder das Schwarzkupfer zu erblicken geglaubt.
Digitized by Google
Pie C'ultur der Bronzezeit.
47
Allein nach gründlicherer Prüftmg scheint es »ich mir dort nur um das Einschmelzen des
(fertigen) Metalle» zur Herstellung der Mischung (oder höchstens um ein „Rafflniren“ des-
selben) zu handeln, wobei die „Uebergaare“ in Italien durch Bleizusatz vermieden wurde.
Die Beweise ftlr die Richtigkeit meiner Auffassung würden uns hier zu weit führen; ich muss
cs Herrn v. Co hausen überlassen, sie selbst zu linden. Wenn aber dieser Gelehrte meine
Folgerung, dass iif jener Stelle grade ein Fortschritt der Gallier gegen früher sich offenbare,
als unverständlich und irrig bezeichnet, so vergisst er ganz und gar die übergrosse Bereit-
willigkeit, mit der er selbst die frühere Bronzedarstellnng ohne Kenntnis» des Kupfers
anerkannt hat!*) —
Kehren wir jetzt zur Prüftmg der oben mitgetheilten Ansicht zurück. Dieselbe umfasst
zwei von einander ganz unabhängige und darum in ihrer Erörterung zu trennende Behaup-
tungen. Erstens, dass die Gegenstände, welche wir der Bronzezeit zuschreiben, nach Stoff
nnd Verarbeitung einheimische Producte sind; zweitens dass der „Ursprung“ dieser Cultur
als ein inländischer, autochthoner anzusehen sei.
Soweit man die Beweise gegen den ersten Hauptsatz in der exotischen Natur mancher
Rohstoffe und Fabrikate (Gold, Glas etc.), in der Schwierigkeit der Darstellung namentlich
der Bronzen, in der eigenthümlichen Art von Ornamenten und Formen der Fundobjecte und
Sculpturversuche (Kivik- Monument etc.) und anderen Beobachtungen gefunden zu habeu
glaubte, — habe ich in meinem Schrifteben deren Beweiskraft theils zu widerlegen, thcils
auf das richtige Maas» zu reduciren gesucht. Auch in Bezug auf den Abstand zwischen Ke-
ramik und Erztechnik habe ich dort eine nnturgemässe Erklärung gegeben, und will hier nur
auf zwei andere Thatsachen noch h inweisen. l>ie erste ist der unverkennbare Fortschritt,
den die Keramik der Bronzezeit gegen die frühere verräth, so dass nvtn, um mit Herrn Desor
zu reden, „über die Zierlichkeit der Formen und die schönen Verhältnisse der Gefässe in Er-
staunen geräth“. Die zweite aber ist die analoge Erscheinung bei anderen Völkern, wie
*) So wenig erspriesslich nach unserer in der Srhluistamerkung ausgesprochenen Ansicht allgemeine Kr-
örterungen der Hypothese einer nordischen Bronsecultur erscheinen, so nothwendig bleiben jene über die
einzelnen technischen Fragen. Deshalb hier eine Bemerkung au obiger Rüge meiner Auffassung der frag,
lieben Stelle des Plinius XXXVI.
Herr Wibel scheint es gänzlich an übersehen, dass durch seine Subetitnirnng des Erzes an die Stelle des
Kupfers, die Sache ciu noch weit miselicheres Ansehen für seine /wecke gewinnt. Offenbar ist es nur um
so schlimmer, wenn die Gallier noch zu Plinius' Zeit ein „fertiges“, vielleicht gutes Kupfer durch man*
geihafte Behandlung der Erzcomposilion verdorben haben. Der Sinn, in welchem Plinius diese Zeilen
schrieb, und ich sie deutete und benutzte, konnte kein anderer sein, als dass in Gallien tu seiner Zeit das
Verfahren der Eisbereitung ungenügend und das Ergebniss von geringem Werthe war. Oh Kupferetein,
Scbwarzkupfer oder schlechte Erzmischnng, genug es wird von Plinius als ein seinem Zwecke wenig ent-
sprechendes Product betrachtet und wird ee trotz allen gründlichen Prüfnngen lür jeden Unbefangenen blei-
ben. Wenn, wie der Herr Verfasser glaubt, aus dem Wortlaute der Stelle noch nicht geschlossen werden-
kann, dass die Gallier „kein dehnbares“ Metall zu liefern vermochten, eo kann doch gewita am allerwenigsten
ans demselben getchloeeen werden, dass sie wirklich imStande waren ei zu liefern. Ungeachtet Herr Wibel.
die UeberlegeDheit der metallurgischen Kenntniss Italiens anerkennt, glaubt er doch allen Ernstes selbst jenes
schwarze, spröde nur zweimal geschmolzene gallische Kupfer für seine Hypothese verwerthen zu können. Er
erkennt sogar in demselben einen Fortschritt, und zwar in der endlich erlangten Kenntniss eines den Galliern
früher unbekannten Metalle. Ob aber mit dieser Erklärung irgend eine Stütse für di# Behauptung des nor-
dischen Ursprungs der kunstvollen Erzgeräthe gewonnen ist, bleibt eine Frage, deren Beantwortung da« Ur-
theil des Herrn v. Cohausen vollkommen rechtfertigen wird. Anmerkung der Redaction.
Digitized by Google
48 F. Wibel,
z. B. den Alt- Mexikanern, welche eine Erztechnik beaassen, ohne z. B. die Glasur ihrer Thon-
waaren hergestellt zu haben.
Auf die Funde von Bronze wagen, Schöpfkellen etc. stützt Herr Petersen seine Mei-
nung, dass es „ein bedenklicher Sprung“ sei, wenn ich von dem heimischen Charakter
„sämmtlicher" Objecte rede. Allein ohne mir ein Urtheil Zutrauen zu wollen, ob Form und
Ornamentik hier zum Beweise fremder Abstammung ausreichen, muss ich doch ganz beson-
ders hervorbeben, dass ihre Zahl im Verhältniss zur Gesammtmasae eine fast verschwindende
ist, und es daher gewiss weit bedenklicher erscheint, aus ihrem Vorkommen auf den Import
aller übrigen Objecte scbliessen zu wollen.
Allerdings nimmt Herr PeterBen, wie die meisten Forscher, die häufiger gefundenen
Schwerter mit „kurzen Griffen“ und die „engen Armbänder“ unter die Zahl jener Belegstücke
auf. Ganz abgesehen von dem „grössten Alter“, welches man ihnen beilegt, und von dem
bestimmten Volksstamm, auf den sie hinweisen sollen, ist die Thatsache an sich noch keines-
wegs klar und zweifellos. Darüber ein paar Worte!
Was zunächst die Schwerter betrifft, so ist die überwiegende Zahl derselben nicht mit
vollständigen Handgriffen, sondern nur mit Griffzungen (Dornen) versehen. An diesen wird
die Bestimmung der Grifflänge zum Theil unmöglich, da die Zunge häufig abgebrochen ist
und die verloren gegangene Fassung von Holz, Bein etc. grösser als der Dorn gewesen sein
kann Dennoch zeigen z. B. unter zehn von mir gemessenen Dornen solcher Erzschwerter sieben
eine Länge von circa 9‘ t bis IO1/, Centim., nur drei, worunter ein abgebrochener, 6*/» bis 8
Centim., während zwei moderne Hirschfänger Griffe von 10 und 1 1 1 (. Centim. besassen. Daraus
scheint hervorzugehen, dass die Schwerter mit Griflzungen, welche im Uebrigen gleiche
Arbeit mit den Andereu aufweisen, für Hände moderner Grösse berechnet waren. An den
Schwertern mit vollständigen Griffen bleibt die Bestimmung des zu messenden Handraumes
fast ganz der Willkübr überlassen, da in dem fast durchgängigen Mangel einer Parirst&nge
jede (unzweifelhafte) Grenze fohlt. Eigene Erfahrung hat mich überzeugt, dass ein solches
Schwert mit „kurzem Griffe“ unter Umständen vorzüglich in der Hand liegt, falls man das
kreisförmige Griffende, in welchem das Schwertblatt (meist) eingenietet ist, mit zum Griffe
rechnet und mit Daumen und Zeigefinger umspannt. Rechnen wir nur das allerinncrsto
Stück als eigentlichen Handraum, so schwankt dessen Grösse ganz ausserordentlich (von
circa 4'/, bis 7'/, Centim.), und wir müssten die kleinsto Zahl (4'/j Centim.) als die Hand-
grösse ansehen, während sich mit Hinzurechnung des inneren Knopftheiles und jenes oben-
erwähnten Nietstückes die durchschnittliche Zahl von 8 bis 8'/i Centim. ergiebL Ein moder-
nes Tischmesser hatte nicht ganz 0 Centim. Handraum. So viel nur, um anzudeuten, dass
und wie nöthig hier gründliche Untersuchungen sind.
Diejenigen Beweise aber für fremdländischen Ursprung, welche aus den Ornamenten
entnommen werden, stehen auf nicht festerem Boden; denn man findet „kurzgriffige“ Schwer-
ter ohne, und langgriffige mit gleichen oder doch gleichartigen Verzierungen.
In Bezug endlich auf die „engen Hals- und Armringe“ muss ich es dahingestellt sein
lassen, ob sie diese Benennung wirklich verdienen. Denn icli weiss nicht, ob man direote
Beweise oder nur Vermuthungen dafür hat, dass dieselben unmittelbar (nicht etwa an Schnü-
ren) getragen wurden »eien. Was aber wird überhaupt aus allen jenen so hochgehaltenen
Digitized by Google
Die Cultur der Bronzezeit.
49
Beweismomeuten, wenn man dieselben Erscheinungen eben so gut in der Eisenzeit beobach-
tet? Enge Hals- und Armringe findet man auch dort (s. z. B. Desor’s lehrreiche „Pfahl-
bauten“ S. 114 und 151); nur sucht man in diesem Falle gleich andere Erklärungen. Und
wer die Schwerter und Dolche aus der Eisenzeit in den trefflichen Werken Lindenschmit's1)
nachmisst, wird Handgriffe finden von circa 9 (resp. 11), 7> ,, 9>/j, 8, 7'/», 8, 5 und 6 (resp. 8)
Centim. Länge, also mehrere ausserordentlich kleine!
Nach Maassgabe dieser Erwägungen kann ich vorläufig weder die „kurzgriffigen Schwer-
ter“, noch die „engen Armringe“ fiir sichere Zeugen eines Importes ansehen. Es wächst
somit noch die „ungeheure, verschwenderische Hasse von Bronzegegenständen“ *), bei denen
ein ausländischer Charakter nicht nachweisbar ist, und die wenigen Fundstiicke, welche
einen solchen zu verratben scheinen, können um so weniger beweisen.
Das Vorkommen griechischer, massilischer und römischer Münzen vermag in dieser Rich-
tung ebenso wenig sichere oder, wie man sogar meinte, entscheidende Fingerzeige zu liefern *),
wie die Aehnlichkeit der in Italien aufgefundenen Bronzen mit den nordischen. Denn was
jene Münzen betrifft, so steht fest, dass sich derartige Gegenstände Uber weite Länderstrecken
hin verbreiten, ohne damit so gewaltige und tiefgreifende Berührungen mit den Völkern zu
beweisen, wie sie die Einfuhr der Bronzeculturobjecte voraussetzen würde. Man blicke in
die Schriften von Ledebur*) und Minutoli9) und erinnere sich der Massen arabischer und
orientalischer Münzen, welche noch immer in unseren Gegenden sich finden; man beachte
dabei, dass diese auch mit griechischen und römischen Münzen gemengt auftreten; und man
wird mir, wie ich glaube, beistimmen müssen. Hinsichtlich aber der italischen Bronze-
cultur bliebe noch sehr wohl der Beweis zu führen, ob und warum ein Import von hier, und
nicht etwa nach hier angenommen werden muss; zumal Herr Desor selbst sagt, dass sie
,,der Niederlassung aller anderen Völker (in Italien) vorangegangen sei“.
Bei den beiden letzten Beweisversuchen tritt indess eine andere bisher nicht erörterte
Frage in den Vordergrund, d. i. die Zeit der Bronzecultur überhaupt.
Das Pro et contra der verschiedenen, bekanntlich sehr weit auseinandergehenden An-
sichten will ich unerörtert lassen. Wenn ich mich aber auf den Standpunkt Derer stelle,
welche die Bronzecultur als solche aufrecht erhalten und demgemäss weit vor die historische
Zeit verlegen, dann muss ich um so entschiedener betonen, dass wir auf die Hülfsraittel der
historischen Berichte und der daran geknüpften Anschauungen so gut wie ganz zu verzichten
haben. Denn was uns die ältesten Schriftsteller hierin geben, liegt, selbst wenn sie auf frü-
here Angaben sich beziehen, doch so weit von dem Zeitalter der Bronze entfernt, dass in der
Zwischenzeit ein völliger Wechsel eingetreten sein konnte, der aus den späteren Schilde-
*) Heidnische Altert humer der Vorreit. II. Heft, VI. Tafel, F’ig 9 und II; Vf. Heft, VII. Tafel, Fig. 1.
Sammlungen zu Sigmaringen XII, 3. XIV, 20. XV, 23. XVI, 1. XXII, I. Die Richtigkeit der Zeichnungen ist
vorausgesetzt. — *) Herr Medicinalrath Reuter giebt in seiner Abhandlung über die germanischen Grab,
alterthümer (Annal. des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichte, Bd. VI, 1359) einige
beachtenswerthe Einwände gegen die Annahme fremder Einfuhr. — a} R. Pallmann, die Pfahlbauten, 1366.
C. F. Wiberg, der Einfluss der alten Klassiker auf den Norden, 1367. — 0 L. v. Ledebur, über die in den
haitischen Landern gefundenen Zeugnisse eines Handelsverkehrs mit dem Orient. Berlin 1840. — 8) H. C.
v. M inutoli, Topogr. Uebemicht der Ausgrabungen griechischer, römischer, arabischer und anderer Münzen
in den Küstenländern des baltischen Meere*. Berlin 164.1.
Archiv für Atithmpologif. Hand III. lieft L 7
Digitized by Google
50
F. Wibel,
rangen kein Bild des früheren Zustandes zu entwerfen gestattet. Diese Unmöglichkeit wird
durch die unvollständigen, unklaren, sich widersprechenden Mittheilungen der Autoren noch
gesteigert. Es ist hier nicht der Ort, dies Alles mit Beispielen zu belegen.
Je mehr wir uns von diesem Verzicht durchdrungen fühlen, desto schwieriger wird ein
etwaiger Nachweis werden, welche Völker es denn gewesen seien, denen jener vermeintliche
Import der Bronzeculturobjecte zugeschrieben werden könne und müsse. Man hat dafür
einerseits die Phönicier. andererseits die Etrusker aufgestellt; aber ich glaube in meinem
Schriftchen einige gewichtige Gründe angeführt zu haben, welche beiden Ansichten entgegen-
stehen.
Um nur kurz die Nilsson 'sehen Phönicier hier wieder zu berühren, will und muss ich
hervorheben, dass mein Haupteinwand gegen dieselben sich keineswegs, wie Herr Petersen
irrthtimlich meint, auf die Unzulänglichkeit der Beweise für einen so frühzeitigen directen
Verkehr mit dem Norden beschränkt
Vielmehr habe ich auf andere Umstände womöglich noch grösseres Gewicht gelegt So
z. B. auf das Fehlen des Eisens, Silbers und anderer den Phöniciem sicherlich bekannt gewe-
sener Stoffe. Wenn freilich Herr Nilsson deshalb die uordischon Expeditionen dieses Vol-
kes vor oder in die Achaeisclie Zeit, in welcher das Eisen noch unbekannt, zurückverlegt
so ist dies ein kühner, aber doch kaum auf Beweise gegründeter Versuch, die Schwierig-
keiten zu tilgen, ohne sic zu heben. In ähnlicher Weise hat man einen zweiten gewichtigen
Einwand, die Abwesenheit der für recht eigentlich phötiikisch gehaltenen Gegenstände
(Bronzewagen etc.) in England und Irland, mit der Annahme zu entkräften geglaubt, die
Importwege seien vom Mittelmeer aus über Land gegangen; allein man ist damit nicht viel
besser daran, und verfallt, wie Herr Petersen, in merkwürdige Widersprüche. Denn dieser
Gelehrte gesteht einmal: „Allerdings bleibt es unerklärbar, dass in England, wo die Phöni-
cier das Zinn holten (?!), die schöneren Bronzesachen , welche, wie Nilsson zu erweisen
sucht, phönikieche Arbeiten und zugleich die ältesten sein sollen, am wenigsten Vorkommen“;
und dann an einer anderen Stelle: „Es fehlen indess in den Pfahlbauten die feineren Gold-
und Bronzearbeiten mit 8piraleu und concen irischen Kreisen etc.“ Aber trotz dieser Er-
kenntnis», welche übrigens für die Pfahlbauten nicht ganz zutrifft '), beharrt Herr Petersen
an einer dritten Stelle bei dem Import durch Phönicier auf dem einen wie anderen Wege.
Nicht minder eigenthümlich erscheint mir das Bild, welches Herr Desor von den Han-
dels- und Importvölkern und Wegen entwirft. An der Besonderheit des „Bronzealters“ fest-
haltend, muss man nach seiner Ansicht, „den Handelsverkehr vor die Etrusker und Phöni-
cier zurück verlegen“ , aber nur in Bezug auf die Cnltur der Po- Ebene und der Schweizer
Pfahlbauten, welche als die älteste aufgefasst wird, während die nordische, gleich den Hall-
städter Vorkommnissen, vermuthlich bis ins Eisenalter (:) reicht und für welche deshalb
die Nilsson’sche Ansicht bestehen bleiben kann. So wäre „dieser Verkehr durch die ligu-
rischen und umbrischen Häfen vermittelt worden“, so hätten „die Bewohner der Lombardei
und der Po Ebene von dort her das Zinn, welches schwerlich anderswoher, als von den Zinn-
l) Allerdings finden «ich in Pfahlbauten der Schweix Schwerter mit kurzen Griffen , Me»er mit concen-
trischen Kreifen etc., aber verhiltniaamiisiff «eiten.
Digitized by Google
Die Cultur der Bronzezeit.
51
inseln (Cassiteriden) kommen konnte, bezogen“; und so hätte endlich „der weiteren Verbrei-
tung des Zinnes in das Binnenland nichts mehr im Wege gestanden“. Um aber die Zufuhr
dos Zinns aus England (1) in die ligurischen und umbrachen Häfen zu ermöglichen, bedarf
Herr Desor eines neuen vorphönicischon Seefahrervolkes, dessen Entdeckung er von den
„Historikern“ erwartet.
Ich will das Hypothetische dieser Sätze nicht weiter zergliedern; mir scheint die Ver-
nichtung der nordischen Bronzecullur und ihre Identificirung mit Hallstadt und der Eisenzeit
ein genügender Grund, um auch diesen Versuch einer Lösung unseres Problems als vergeb-
lichen zu bezeichnen.
Der Mangelhaftigkeit dieser sämmtlichen Beweise fitr die ausländische Abstammung der
Fundgegenstände und fUr das Volk, dem man dieselben zuzuschreiben hätte, stehen nun end-
lich — darauf greife ich jetzt zurlick — die Ergebnisse gegenüber, welche uns die Unter-
suchungen des ersten Theiles geliefert haben. Aus der Verbindung dieser negativen und posi-
tiven Momente geht für mich die Ueberzeugung hervor,
dass die sämmtlichen der Bronzecultur Nord- und Mitteleuropas angehörenden Gegen-
stände (mit verschwindenden Ausnahmen) einheimische Erzeugnisse sind.
Wenden wir uns ferner zu einer Prüfung der zweiten, wie bemerkt, ganz für sich beste-
henden Frage, ob auch der „Ursprung“ jener Cultur ein autochthoner sei, so werden wir die
Beweise gegen diese „einfachste“ Annahme gleich wenig begründet linden, wie die früheren.
Eine grosse Zahl von Forschern ') erblickt in dem Fehlen eines „Kupferalters“ theils einen
hervorragenden, theils sogar den einzigen Gegenbeweis. Wenn ich nun im ersten Theile
es nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich dargestellt habe, dass die Verfertigung
der Bronze ohne Kenntniss des Kupfers und Zinns als gesonderter Metalle erfolgt sei, so wird
man mir zugestehen, dass jener Grund hinfällig ist und somit alle Forscher, die nur aus
diesem Fehlen der „Kupferzeit“ gegen den heimischen Ursprung sich erklärten, jetzt für den-
selben sich entscheiden müssen.
Andere Forscher suchten in den „plötzlichen“ Veränderungen von Sitten und Gebräuchen
(wie z. B. Leichenbrand statt Beerdigung) den Beweis, dass auch die Bronzecultur von Aussen
hervorgerufen sei Obschon ich in meinem Schriftchen auf die Untersuchungen des Herrn
Weinhold hingewiesen, die einem solchen Glauben die Berechtigung entziehen , wiederholt
Herr Petersen dasselbe Moment, und ich muss es hier Archäologen überlassen, zu ent-
scheiden, auf welcher Seite das ßecht sich befindet
Herr Nilsson siebt die Phönicier nicht blos als die Unterhalter sondern auch als die
•Schöpfer unserer Bronzecultur an, und zwar besonders deshalb, weil die Bronzewagen, Schöpf-
kellen, Schwerter mit „kurzen Griffen“, überhaupt „alle feineren und an Ornamenten reicheren
Gegenstände“ die ältesten seien. Es ist wahr, auch Herr Thomsen, der mit Herrn Wpr-
saae der Urheber der Ansicht vom heimischen Ursprung ist, sprach Dasselbe aus. Allein
wir dürfen nicht vergessen, dass die Gründe, welche ihn, vielleicht wider seinen Willen, dazu
zwangen, heute nicht mehr gelten. Denn das Zusammenfinden von Bronze- mit Steingerätben
*) J. Lubbock, Prehiatoric times. London 1865. H. le Hon, L’homme fossile en Enrope. Brnxelle 1867,
S. 184. K. Desor, Pfahlbauten des Xeuenburger Sees. Frankfurt 1866, S. 189.
Digitized by Google
52
F. Wibel,
kann nach dem jetzigen Standpunkt der Wissenschaft keineswegs ein sofortiger und aus-
reichender Beweis für das „grösste Alter“ sein, da der Gebrauch der Steinsachen durch die
ganze Bronzezeit, ja bis ins Elisenalter hinein sich erhielt. Darum sind auch die obigen An-
nahmen des Herrn Nilsson und seine Ausführungen über das grösste Alter des Kivikmonu-
mentes, Willfarasteines etc. nach meiner Ansicht durchaus unbewiesen und unwahrscheinlich.
Ebenso muss ich es entschieden bestreiten, wenn Herr Petersen in dem Zusammenvorkommen
verschiedener Steinwaffen und eines Bronzefragmentes mit vier Spiralen „mit Recht“ einen
Beweis findet, „dass grade diese feinsten Bronzearbeiten die ältesten Bind“.
Kurz! diese und alle anderen Gegenbeweise glaube ich mehr oder minder unzureichend
nenneu zu dürfen. Dem gegenüber erstehen in den auch von Herrn Desor eingeräumten
Thatsachen, dass die Formen vieler Brouzegeräthe sich auf das Engste an die der Steinzeit
anschliessen und dass ebenso die Thonwaoren und andere Umstände für einen allmählichen
Uebergang aus der Steinzeit sprechen, wiederum positive Zeugen für unsere Ansicht.
Eis musste demnach um so wünschenswerthei erscheinen, das Land kennen zu lernen,
von welchem jene Cultur ihren Anfang genommen und sich allmählich Uber die anderen Ge-
biete ausgedehnt habe. Erwägt man, dass die ältesten Formen von Bronzeobjecten besonders
in England, Schottland und Irland auftreten, dass grade England der Ort ist, wo Kupfer-
und Zinnerze sich in der innigsten und umfassendsten Vergesellschaftung zeigen, also hier die
Entdeckung der Bronzedarstellung aus ihrem Gemenge am leichtesten fiel, — so wird man es
zwar nicht für unumstösslich erwiesen, aber doch für das Natürlichste und Wahrscheinlichste
ansehen, auch den „Ursprung* der Cultur dorthin zu verlegen. Keine der mir bekannten
Thatsachen Ist ausserdem damit in Widerspruch. Wenn Herr Petersen „die von Holzmann
nachgewieeene Rohheit“ der Urbewohner Britanniens einwendet, so muss ich, da dessen
Schilderungen zuvörderst auf den Angaben alter Schrittsteller beruhen, auf früher über diesen
Punkt Gesagtes verweisen, ganz abgesehen davon, dass uns die Ethnographie Beispiele sehr
roher Völker mit Erztechnik liefert. Die beiden Anführungen des Herrn Professor Peter-
sen aus Strabo und Caesar sind aber — von dem gleichen Einwurfe abstrahirend — an
und für sich völlig beweisunkräftig. Denn dass auf den zehn kleinen Inseln, Cassiteriden, von
welchen nach Strabo’s (Lib. HI, Cap. V Schluss) eigenen Worten eine ganz unbewohnt
ist, die Eingeborenen zwar Zinn und Blei gewinnen, dagegen sich aber die Bronze nicht selbst
darstellen, sondern dieselbe, verarbeitet, zugleich mit Thonwaaren und Salz vom nächsten
Festlande ( Britannien I) beziehen, kann doch wahrlich kein Grund sein, von diesem letzteren
dasselbe anzunehinen. Ueberdies tritt hier wieder die Unsicherheit Uber die Lage der Cassi-
teriden und daher die Frage in den Vordergrund , ob wir Überhaupt berechtigt sind, diese
Stelle mit Britannien in Beziehung zu bringen. CaeBar (Lib. V, cap. 12) sagt allerdings
(nach den bisherigen Lesarten) ansdriicklich „acre utuntur importato“. Allein zuvörderst
leidet die ganze Stelle an innerer Unklarheit und Widerspruch, sodann bezieht sie sich aber
gar nicht auf die Eingeborenen, sondern, wie Caesar speciell hervorhebt, auf die Ansiedler,
welche von der belgischen Küste aus allmählich die gegenüberliegende Seite Britanniens
besetzt hatten; und endlich hindert, was jene „Einfuhr des Erzes“ betrifft, nicht nur Nichts
dieselbe als aus dem Binnenlande anzunehmen, sondern das in eben derselben Stelle erwähnte
Vorkommen des Zinns in demselben scheint direct dafür zu sprechen. Wiederholt man sich
Digitized by Google
Die Cultur der Bronzezeit.
53
zu allerletzt noch, dass diese von Caesar geschilderten Verhältnisse für das Jahr 55 a. Chr.
gelten, während nach Herrn Petersen's eigenen Worten „das Bronzealter weiter zurück-
reicht als die älteste uns bekannte Kunst bei Griechen, Römern und .Etruskern“, so darf ich
es wohl für misslungen erachten, mit jenen Citaten den „Englischen Ursprung genügend“
widerlegt zu glauben.
Andererseits ist es mir nicht eingefallen, die Bronzecultur „auf Nord- und Westeuropa zu
beschränken“, wie mir Herr Petersen vorwirft, sondern ich habe in meiner Schrift auf S. 115
Anm, ausdrücklich auch Oberitalien mit in das Bereich gezogen. Die Verbreitung derselben
über einen so grossen Theil Europas von einem so kleinen und fern gelegenen Gebiete (Bri-
tannien) habe ich durch den Landhandel erklärt, dessen Bedeutsamkeit bei den uncivilisir-
testen Völkern uns noch beute (Rhabarber aus dem Innern Asiens, Gold und Elfenbein an
der Westküste Afrikas etc.) in zahlreichen Beispielen entgegentritt. Ob es dem gegenüber
eine undenkbare „Originalität“ sei, dass den Bewohnern der Schweiz etc. das Zinnerz (resp.
Zinn oder Bronze) auf diesem Wege von der Nordsee statt vom Mittelmeere her zugeführt
wurde, und es so „leicht ist“, zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu entscheiden, wie Herr
Desor meint, möchte ich doch noch sehr in Frage gestellt lassen. Um so mehr, als die Ent-
fernungen auf beiden Seiten nicht so beträchtlich verschieden und die Schwierigkeiten des
Transportes bei der letzteren Annahme doch gewaltig grössere sind! —
Ich war im Vorigen bemüht, die gegen die Ansicht vom heimischen Ursprung und Cha-
rakter der Bronzecultur erhobenen Einwände ausführlich zu widerlegen. Ich hielt mich dazu
für verpflichtet, um zu beweisen, dass dieselbe keine leichtfertig hingeworfene resp. wieder-
aufgenommene Hypothese, kein bei und von mir erzeugter „Schwindel“ sei, wie Herr v. Co-
hausen so freundlich ist, 9ie zu nennen; sondern dass sie auf eingehendere Studien sich
gründet. Ebenso gewiss aber, als sich noch Manches gegen sie Vorbringen lässt, ebenso sicher
bedarf sie zn ihrer völligen Durchführung noch weiterer, gründlicherer Untersuchungen.
Dem Chemiker sowohl als dem Archäologen ist noch ein übergrosses Arbeitsfeld geboten!
Namentlich aber dem Archäologen möchte ich hier zum Schluss das Studium der compa-
rativen Ethnographie als Vorarbeit dringend empfehlen. Freilich nicht in der Art des Herrn
Nilsson, die Vergleichung mit Völkern zu beginnen, die vor Jahrtausenden gelebt und uns
ebenso mangel- als sagenhafte Nachrichten hinterlassen haben, sondern in dem Sinne, welcher
sich glücklicherweise allmählich Bahn zu brechen scheint. Das ist die Heranziehung der wilden
und halbcivilisirten Völker der Neuzeit, deren Cultur und Culturentwickelung wir aus sicheren
Quellen, mit eigenen Augen und mit dem geschärften Blicke heutiger Forschung zu unter-
suchen vermögen. Hier lernen wir kennen, was der Mensch bei bestimmten Verhältnissen der
umgebenden Natur aus ureigner Kraft herauszuschaffen im Stando ist; hier lernen wir ermessen,
in wie weit er in seinem Fortschritte wiederum abhängig ist von anderen seiner Mitmenschen.
Diese Art oomparativer Forschung ist schon in manchen Werken mit Erfolg betreten und
findet auch in diesem „Archiv“ ihre vollste Würdigung.
Wer wird z. B. in dem (vermutbeten!) rohen Zustande der Urbewohner unserer Länder
Digitized by Google
54
F. Wibel, Die Cultur der Bronzezeit.
noch einen Grund gegen den heimischen Ursprung der Bronzecultur zu besitzen glauben, der
die Schilderung der Kupfercultur bei den Dara&ras in Süd-Afrika aus der Feder des berühm-
ten Reisenden J. Barrow1) gelesen hat?! Dieses Volk, „das ärmste auf der Erde“, ohne
Viehzucht in einem unfruchtbaren Lande, weiss das in seinen Gebirgen enthaltene kiesige
Kupfererz auf Kupfer zu verarbeiten und aus diesem Metalle „Ketten, Ringe und Armbänder“
herzustellen, „wobei ihnen zwei Steine zum Hammer und Amboas dienen“. Und das Product
würde „keinem europäischen Künstler Schando machen“! „Sie leben blos davon, diese Gegen-
stände östlich deu Briqnas, südlich den Namaquas zu vertauschen."
Und so wie hier, wären viele Bedenken gehoben, viele Ein wände getilgt und viele Behaup-
tungen unterlassen worden, wenn man beispielsweise die alten Azteken- und Inkasreiche stets
vor Augen gehabt hätte. Neben der wunderbarsten Ausbildung in Staat und Religion, in
Kunst und Wissenschaft — die kannibalischste Rohheit; neben vorgeschrittener Technik in
Edelstein- und Metallarbeiten — die nach unseren Begriffen kümmerlichsten HUlfsmittel in
Form steinerner und bronzeuer Werkzeuge; keine Kenntniss des Eisens und wie es scheint
auch nicht des Glases, eine mangelhaft ausgebildete Keramik auf der einen Seite — die
gewaltigsten Bauwerke und Sculpturen, massenhafte Malereien ; zahlreiche Dicht- und Schrift-
werke auf der anderen Seite; kurz eine Menge „Wunder“ als Thatsachen vor uns enthüllt!
Ja! selbst die Geschichte der Geschichte dieser Culturen bietet mit unserer Frage die selt-
samsten und belehrendsten Analogien dar. Ueberreich an überraschenden Aehnlichkeiteu
mit Sitten, Gebräuchen und Artefacten orientalischer und occidentalischor Nationen sind sie
Spielball der verschiedenartigsten Hypothesen geworden. Besonnene Forscher (Alex. v.
Humboldt) begnügten sich mit dem allgemein orientalischen Hinweis; Andere (J. Ran-
king) riefen die Mongolen und Chinesen herbei; Andere (Lord Kingsborough) Hessen die
Juden hieher wandern; wieder Andere (Ordonez und Juarros) machten die Aegypter und
Phönicier, oder aber (wie Rafn) die Isländer und Norweger zu deu Schöpfern dieser Cultu-
ren. Und am Ende? — Atu Ende ist mau mehr und mehr zu der Einsicht gelangt, dass nur
eine Annahme aus dem Labyrinthe aller Schwierigkeiten herausgeleite und Alles am ein-
fachsten und zweifellosesten erkläre, — die Annahme von der heimischen, selbständigen
Entwickelung! Vielleicht werden auch wir einst von unserer „Cultur der Bronzezeit“ sagen
können und müssen, was Mich. Chevalier’) von derjenigen Altmexikos anführt: „C’est le
plus sur ou le moins incertain, de considerer la civilisation mexicaine coiume autochthone dans
sa Constitution gdnerale.“ Dem wahren Forscher fallt eine solche Resignation auf „Gewiss-
heit“ immer noch leichter, als ein auf Vermuthungen aller Art gegründeter „Glaube“!
*) J. Barrow1! Reisen durch die inneren Gegenden des südlichen Afrika. 171)7 — 9B. Uebersetzl von
M. C. Sprengel, Weimar 1000, Bd. I, S. 8Ö9 f. — *) Mich. Chevalier, Le Mexique anoien et moderne.
Paris IS63, p. 132. Auch der Abbe Brasseur de Bourbourg in Eeiuem umfassenden Werke über Mexiko und
Centralamerika wagt nicht, eine der obigen Hypothesen aiszunehmen, und lasst seine Hinneigung zu der hier
erwähnten Ansicht mehrfach durchbacken.
Digitized by Google
Schlussbemerkung.
55
Schlussbemerkung der Redaction.
Die beinahe allgemeine ungünstige Beurtheilung, welche der Schrift Herrn Wibels zu
Theil wurde, ist keineswegs einem Verkennen der anregenden Ideen und scharfsinnigen Beob-
achtungen beizumessen , welche der chemische Theil seines Werkchens enthält. Ohne die
letzteren würde das Ganze schwerlich überhaupt eingehendere Erörterungen hervorgerufen
haben, welche sich im Wesentlichen gegen die übereilten Schlüsse und weitgehenden antiqua-
rischen Behauptungen richten, die nur durch ihre Verbindung mit jenen anerkennonswerthen
Beobachtungen eine Bedeutung erhalten konnten. Zudem Ist die Art des Vortrags dieser Be-
hauptungen wohl geeignet, ernste wie scherzhaft gehaltene Entgegnungen zu provociren.
Nicht sowohl deshalb weil Herr Wibel grade das Gegentheil aufstellt von dem was bisher
als Resultat vielseitiger Untersuchungen betrachtet wurde, und die Ansichten bewährter und
angesehener Forscher, wie jene Nilson’s, ohne Umstände bei Seite zu schieben sucht, als
vielmehr weil der Gehalt seiner Angriffsmittel bezeugt, dass er nicht genügend gerüstet zu
diesem Unternehmen ein Gebiet betritt, dessen Kenntnis« nicht aus immittelbarem Studium,
sondern vorwiegend aus literarischen HUlfsmitteln hervorging. Dies bestätigt sich auch in
vorliegender Antikritik des Verfassers, welcher der Unterzeichnete als Abschluss seiner un-
freiwilligen Betheiligung an dieser Discussion einige Bemerkungen anzufügen sich erlaubt
Die neuerdings immer umfangreichere Literatur antiquarischer V ersuche zeigt als sehr
charakteristische gemeinschaftliche Eigentümlichkeit eine entschiedene Geringschätzung der
alten Nachrichten über die nordischen Völker, die man wegen ihrer Unvollständigkeit, Unklar-
heit und Widersprüche mit der grössten Zuversicht gradezu als unrichtig verwerfen zu
können vermeint
Mit einer solchen Beschränkung der Geschichtsforschung nur auf klares, vollständiges und
allseitig übereinstimmendes Material würde allerdings die Aufgabe dieser schwierigen Disci-
plin wesentlich vereinfacht und in eine ebenso angenehme als leichte Beschäftigung verwan-
delt, welche überall, wo sich Lücken und Widersprüche zeigten, die Hand zurückzöge, um den
Phantasien angehender Antiquare freie Bahn zu lassen. So bequem macht sich jedoch nicht
grade der Weg über jene alten Nachrichten hinweg, deren Gewicht die Versuche einer Besei-
tigung vereitelt Ihre Bedeutung bleibt denn doch unabhängig von einer Schätzung nach An-
sichten und Absichten einzelner Forscher, und aller berechtigten wie unberechtigten Kritik
gegenüber behaupten sie ihren Werth, der so ganz und gar unersetzlich ist, dass uns keine
ihrer gerügten Schwierigkeiten von dem Versuch abhalten darf, ihnen die gewünschte
Auskunft abzugewinnen.
Ernstliche Bestrebungen in dieser Richtung haben es auch erwiesen, dass für die Darstel-
lung eines allgemeinen, selbst für die wichtigsten Einzelnheiten maassgebenden Umrisses der
alten nordischen Culturverhältnisse, die vorhandenen Quellen vollkommen ausreichen. Auch
Digitized by Google
56 Schluasbemerkung.
die dürftigsten bringen Etwas und Alle, wenn auch von verschiedenster Seite demselben Zuge
folgend, geben eine im Ganzen übereinstimmende und gleichmässige Anschauung der nor-
dischen Zustande, wie sie aus einer grossen Anzahl von Berührungsmomenten , aus dem in
fernste Frühzeit reichenden Handelsverkehr aus den Erfahrungen der Kriegszuge der Nord-
länder nach dem Süden und der Südländer nach dem Norden sich gestalten musste.
Wir erhalten durch dieselben eine Umschreibung des Bilduugsumfangs der Nordvölker,
deren Wahrheit und Unbefangenheit ihre Bestätigung darin findet, dass sie während der
langen Dauer der Beobachtung keine wesentliche Berichtigung erfuhr und selbst noch in den
Erscheinungen späterer Zeit erkennbar bleibt.
Mit den Widersprüchen und Lücken dieser alten Nachrichten steht es keineswegs so
schlimm wie man wissen will. Als ein wesentlicher Widerspruch würde es nur gelten können,
wenn einige dieser Ueberlieferungen Zeugnis« für eine höhere Cultur der Nordvölker ableg-
ten, während alle übrigen in dem Nachweise des Gegentheils übereinstimmen.
Eine beachtenswerthe und bedenkliche Lücke würde sich nur daraus ergeben, wenn uns
alle Kunde des Handelsverkehrs von dem Süden nach dem Norden und umgekehrt, sowie der
zum Austausch gelangten Waaren entzogen wäre. Allein im Gegentheil ist dieser Punkt in
verhältnissmässig reichlicher und aufschlussgebender Weise bedacht.
Grade in jener Frühzeit der ältesten „Bronzecultur“ der Mittelmeervölker war schon der
Bernstein in den Süden gelangt- und blieb als ein Product des Nordens bekannt. In welcher
Weise sich dagegen so ungleich wichtigere Dinge, wie die vermeintliche Entdeckung der
Bronzemischung, die Ausführung kunstvollen Erzgeräthes und seine Verbreitung bis nach Ita-
lien hin, so vollständig jeder Beachtung hätte entziehen können, bliebe gradezu unbegreiflich
und nur aus einer absichtlichen Böswilligkeit der Berichterstatter zu erklären, welche die
Erzwaarcn im Gegentheil als Einfuhr des Südens nach Britannien bezeichnen.
Es hilft hier kein Hinaufschieben in eine ungemessene Fernzeit von BildungsverhältnLssen,
welche, wenn sie überhaupt existirt hätten , zur Zeit historischer Beobachtung unmöglich bis
auf die letzte Spur verschwunden sein konnten.
Eben so wenig ist die Lösung der Frage Uber die Herkunft der alten Erzgcräthe durch
die Entdeckung der wahrscheinlichsten Art der ursprünglichen Bronzebereitung und des Fund-
orts ihrer Bestandtheile erreicht. Die Sache liegt nicht ganz so einfach als es Diejenigen glau-
ben, welche mit irgend einer guten Idee für die Erklärung eines Theils der Erscheinung sogleich
das Ganze aus dem Labyrinthe der Schwierigkeiten herausleiten wollen. Der Spruch : „Wo das
Ei da auch die Henne" gilt nicht einmal fiir alle Objecte der Naturforschung, geschweige für
die Uber den ganzen Bereich der alten Welt verbreiteten Erzeugnisse einer ausgebildeten
Fabrikthätigkeit. Wenn aber für eine richtige Beurtheiluug der Bronzecultur Herr Wibel
den Archäologen „als Vorarbeit" das Studium der comparativen Ethnographie „dringend em-
pfehlen“ zu müssen glaubt , so haben wir grade in dieser Beziehung an eines der Ergebnisse
archäologisch-ethnographischer Vergleichungen, an die längst bekannte Thatsache zu erin-
nern: Dass die Erzgeräthe, ganz abgesehen von ihrer unzählbaren, jetzt noch vorhandenen
Menge und deshalb ursprünglich massenweiser Herstellung, als Zeugnisse einer vollständigen
Beherrschung des ganzen Umfangs der betreffenden Metallarbeit, die Leistungen aller wilden
und halbcultivirten Völker, selbst jene der alten Mexikaner übertreffen.
Digitized by Google
57
Schlussbemerkung.
Die fortgesetzte Pflege dieser Studien wird aber wobl vorerst andere, zeitlich und räum-
lich unserer Frage näher liegende Denkmale gründlicher noch wie bisher zu untersuchen
haben als jene des alten Mexiko. Wenn auch die Autoclithonie der aztekischen Cultur schon
damit gesichert wäre, dass „Herr Abbö Brasseur de Bourbourg sich zu dieser Ansicht
hinzuneigen scheint“, so bliebe dies doch ohne allen Aufschluss für das alte Britannien,
wo überhaupt eine Cultur, welche zu untersuchen wäre, erst aufzuflnden und nachzuweisen
ist. Ein treffender Vergleichung»- und Berührungspunkt für beide Länder ist ausser dem
Kannibalismus etwa nicht zu entdecken. Dieser aber findet sich bei den Mexikanern im Con-
traste mit prachtvollen Tempelbauten, reichen Sculpturen und Malereien etc., bei den Britan-
nien) noch im Beginn der historischen Zeit, ohne solchen Gegensatz ihrer übrigen Lebens- und
Bildungsverhältnisse.
Der Versuch gegen das bestimmte Zeugniss der alten Ueberlieferungen sowohl als der
bekannten Verhältnisse historischer Zeit, den keltischen Stämmen eine uralte Cultur zu
überweisen, ist kein neuer. Diese Streitfrage ist nicht, wie Herr Wibel glaubt, vernachlässigt,
sondern bis zum Ueberdrusse nach allen Seiten erörtert, ohne zu irgend einem Resultate im
Sinne dieser Bestrebungen zu führen.
Wenn sich Untersuchungen in dieser Richtung nur uoch an bestimmte Funde und Ob-
jecte knüpfen, und man nicht mehr geneigt ist, mit der Widerlegung veralteter Anschau-
ungen von vorn zu beginnen, so erscheint dies bei der Menge von wichtigeren Fragen, die
der Erledigung harren, doch wohl gerechtfertigt, selbst bei erneuter Anregung durch Behaup-
tungen und Gründe, mit welchen unternehmende Forscher zukünftiger Zeit wohl im Stande
wären, für das neunzehnte Jahrhundert p. Chr. bei den Wilden in Californien eine Gold- und
bei jenen in Australien eine Kupfercultur zu constatiren.
L. Lindenschmit.
Archiv f»>r Ar tliropoloflle- Fl*mL III. Heil i.
Digitized by Google
V.
Der deutsche Weiberschädel.
Von
Dr. A. Weisbach,
k. k- Obcrsnl in Wien.
Der weibliche Körper unterscheidet sich vom männlichen nicht etwa blos durch die lur
den besonderen Zweck des Weibes anders als beim Manne eingerichteten Theile des Rum-
pfes; auch seine Gliedmassen, welche in ihren einzelnen Abschnitten schon anders gestaltet
und im Ganzen relativ zur Körpergrösse kürzer als jene des Mannes sind '), nehmen Theil an
den zwischen beiden Geschlechtern herrschenden Unterschieden. Es lässt sich daher voraus-
setzen, dass auch der Kopf Geschlechtseigenthilmlichkeiten besitzen wird, die nicht blos auf
dessen geringerer absoluter Grösse allein beruhen.
Dies wird auch von den meisten Anatomen anerkannt; so sagt Arnold (Anatomie, Bd. I.,
S, 455): „Der männliche Schädel ist mehr länglich oval, der weibliche mehr rundlich oval;
die grössere Rundung entsteht durch die stärkere Wölbung der Schläfengegenden und die
beträchtlichere Kürze des Längsdurchmessers“; ferner Weber*) bei Besprechung seiner ovalen
Urschädelform : „ln den verschiedenen Geschlechtern spricht sieh eine geringe Verschieden-
heit dieser Form aus; der weibliche Schädel nämlich ist mehr rundlich oval, die Uebergänge
an der Stirne, den Schläfen, dem Hinterhaupte und im Gesichte linden mehr allmälig statt,
ilaher ist der weibliche eiförmige Schädel mehr gerundet, ob er sieh gleich deutlich oder be-
stimmt noeh von der runden Schädelform unterscheidet. Der Gehirn- und Gesichtstheil ist
auch beim weibliehen ovalen Schädel niedriger als beim männlichen ovalen, die Kiefer stehen
etwas mehr zurück, sind weniger kräftig aasgewirkt, wodurch gleichfalls grössere Rundung
entsteht“
Nach C'arus *) ist der Kopf dos Weibes durchaus kleiner als der des Mannes, durch ge-
ringere Entwickelung der Vorder- und Hinterhauptsregion gegen das Mittelhaupt charakte-
*) Novara-Reisewerk, Anthropologie II. Abtheilung: Körpermessungen. Wien 1367. — *j Ur* und Raren-
lormen des Schädels und Beckens. — r') Grundzüge einer wissenschaftlichen Cranioscopie.
8*
Digitized by Google
fiO
A. Weisbach,
risirt. Auch Huschke1) giebt an, dass der weibliche Schädel ausser anderen Merkmalen, —
Vorherrschen des Scheitel wirbelst, günstigeres Verhältnis« nun ganzen Körper, Ueberwiegen
des Schädeltheiles über den Gesichtstheil , — rundlicher und hinterwärts breiter, der männ-
liche länglicher oval ist.
Die auf viele Einzeluntersuchungen ausgedehnten Forschungen von Welcker*) und
Ecker*) haben gleichfalls in die Augen fallende Geschlechtsverschiedenheiten des Schädels
festgestellt ; nur in neuester Zeit ist Aeby4) mit der Behauptung hervorgetreten, dass nur
die Grösse, nicht nber die Form des weiblichen Schädels wesentlich von derjenigen des männ-
lichen abweicht.
Bei Untersuchungen über Schädelformen verschiedener Menschenracen müssen die beiden
Geschlechter vollständig getrennt von einander betrachtet werden , wenn auch nicht geläug-
net werden kann , dass es Weiberschädel mit mehr männlicher Form und umgekehrt , männ-
liche Schädel mit weiblichem Typus giebt. In den Werken von Davis und Thurnam und
von Welcker ist diese Trennung beider Geschlechter auch durchgeführt , wogegen jene von
Ecker und His dieselbe leider vermissen lassen.
Welcker ist durch seine eingehenden Messungen zu Resultaten gelangt, welche den
meinigen, freilich an einer geringeren Zahl von Schädeln erhaltenen, in den Hauptergebnissen
widersprechen, Grund genug für mich, an zahlreicheren Weiberschädeln deutscher Nationali-
tät der kraniologischen Sammlung der Josefakademie, welche mir Herr Professor Engel mit
gewohnter Liberalität zur Verfügung stellte, die Untersuchungen von Neuem anzustellen, um
allenfallsige Irrthümer berichtigen zu können.
Um einigen Einwürfen Welcker’s (Archiv für Anthropologie, Band I., S. 120 ff.), welche,
da sie von einem so ausgezeichneten Forscher herrühren, um so schwerer treffen, zu begegnen,
sei hier erwähnt, dass die 24 benutzten Weiberschädel nach ihrer Nationalität deutsche sind,
und zwar 4 aus Böhmen (Nr. 1, 17, 18, 22), je 2 aus Oberösterreich [Nr. 3, 14) und Baiern
(Nr. 4, 6), je 1 aus Schlesien (Nr. 8) und Holstein (Nr. 9), alle übrigen 14 aus Niederösterreich
stammen. Ob bei dem einen oder andern slawisches Blut I ►eigemischt ist, lässt sich wohl
nicht entscheiden und hätten die Besitzerinnen dieser Schädel bei Lebzeiten vielleicht selbst
nicht Bicherstellen können; der allgemeinen Form nach trägt keiner dieser Schädel Zeichen
slawischer Abstammung.
Ein fernerer Einwurf Welcker's, ob nicht sonst abnorme Schadet unterlaufen wären, sei
dahin berichtigt, dass es sich bei genauen Untersuchungen von Kaceneigenthllmlichkeiten der
Schädel wohl von selbst versteht, jede pathologische Form, jeden synostotischen Schädel aus-
zuschliessen , wovon nur Greisenschädel auszunehmen sind. Bei den folgenden Untersuchun-
gen winden auch sämmtliche Kreuzköpfe, Schädel mit offener Stirnnabt, hei Seite gelassen,
deren, von der gewöhnlichen abweichende Form zuerst von Welcker genauer nachgewiesen
wurde und das allgemeine Mittel jedenfalls etwas anders gestalten müsste. So wurden also
nur vollkommene Nonnalschädel in die Untersuchung einbezogen, jedoch nicht etwa nach
einer gewissen Auswahl, sondern wie sie der Zufall dem Museum einverleibt hat.
*) Schädel, Gehirn und Seele etc. — *) Wachstbum ond Hau de» mcnechlichon Schädel», Hand I. —
*1 Archiv für Anthropologie, Band I., S. 81. — 4) THe Schädelform de» Menschen und der Arten. 1SC7.
Digitized by Google
Der deutsche Weibersehädel.
61
Ein weiterer Vorwurf wurde in dem höheren Alter vieler der in der ersten Abhandlung1)
benutzten Weibersehädel gesucht; wenn wir Weleker's 30 deutsche Weiberschädel näher
betrachten, finden wir im Alter der zwanziger Jahre blos 8, 5 jüngere und 9 über 50 bi»
100 Jahre alte; unter den hier zu besprechenden stehen 13 im Alter zwischen 20 und 30, 2
in den 30er, je einer in den 40 und Wer, 2 in den 50er und nur 5 in den 70er Jahren. Uebri-
gens hätte gerade dadurch, dass damals fast die Hälfte der Schädel „alten Mütterchen“ ange-
hörten, der gefundene Längenbreitenindex geringer ausfallen müssen als jener Welcker’s,
weil eben im Greisenalter ein Schmälerwerden des Schädels nachgewiesen wurde.
Woher dürfte nun der Widersprach im Lüngenbreitenindox der beiderseitigen Unter-
suchungen rühren? Welcker nahm die Breite des Schädels an den Kreuzungspunkten zwi-
schen dem horizontalen und queren Umfange, welche immer nach vorn von der grössten Breite
des Schädels liegen. Nun hat aber der deutsche Weibersehädel die schon 1864 von mir her-
vorgehobene Eigentümlichkeit, dass »eine vor der grössten Breite gelegenen Breitenmaasse
absolut und relativ kleiner als beim männlichen sind, kurz, dass er sich nach vorn hin viel
rascher verschmälert. Wird nun eine in diese Gegend fallende Breite zur Berechnung des
Index genommen, so muss derselbe offenbar geringer ausfallen als bei Zuhülfenahme der
grössten Breite überhaupt, weshalb auch nur diese fiir den Index benutzt werden darf, wenn
er der richtige Ausdruck für die Schädelgestalt sein soll. Dass in der angcschlossenen Arbeit
der Längenbreitenindex dennoch geringer (1000:825) als in der ersten (831) gefunden wurde,
dürfte sich dadurch erklären, dass die ältere Abhandlung vier Stirnnahtschädel enthielt,
welche in der jetzigen weggelasscn wurden.
Die grosse Zahl meiner Messungen könnte vielleicht für viele ein Stein des Anstosses
sein; wenn aber bedacht wird, dass eine so complicirte Gestalt, wie die des menschlichen
Schädels, nicht so leicht wie irgend eine einfacho zu bestimmen und zu beschreiben ist und
keinesfalls durch Angabe einiger weniger Maasse fixirt werden kann, so wird inan sich viel-
leicht mit der Menge von Maassen und Zahlen aussöhnen. Uebrigens müssen am Schädel
auch die Krümmungen berücksichtigt werden, welche dessen Gestalt nicht weniger als seine
Länge, Breite und Höhe beeinflussen, deren Berechnung aber je zwei Masse, Sehne und Bo-
gen erfordern, daher das Messungsschema ansehnlich ausdehuen.
Ob nun die für den deutschen Schädel gefundenen Geschlechtseigenthüinlichkeiten auch
für andere Raeeu gelten, müssen andere Untersuchungen entscheiden; halien die nachfolgen-
den weitere Anregung dazu gegeben, so wird «lies jedenfalls nicht der kleinste Erfolg dersel-
ben sein.
9 Meriicin. Jahrbücher der k. Ic. GeaelUchaft der Aente in Wien, 1884.
Digitized by Google
62
A. Weisbach
I. Maasse im Ganzen.
A. Gehirnschädel.
L Der Rauminhalt des Schädels, bestimmt durch möglichst genaues Ausfällen mit Gries1), aus
dessen Grösse man auf das Gewicht des GehirnoB zu schliessen berechtigt zu sein glaubt, und welcher eben
deshalb ein besonderes Interesse beansprucht, ist bei den Weihern deutscher Nationalität beträcht-
lichen Schwankungen unterworfen, welche jedoch bei Weitem nicht jene weiten Grenzen
zeigen, wie bei den Männern; bei einem durchschnittlichen Gehalte von 1336,65 GC. erreicht
derselbe im Maximum 1633,33 CG. (bei einem 23jährigon Weibe) und im Minimum 1150,32 CC.
(bei einem 78jäbrigen Wcibo).
Für den erwachsenen deutschen Münnerschädel haben wir früher im Mittel aus 50 Wägungen den Cubik-
inhaR auf 1521,64 CC- bestimmt, so dass also der Weiberschädel im Allgemeinen um 165 CC. kleiner ist und
sich zum männlichen = 878 : 1000 verhält Höchst bemerkenswerther Weise verhalten sieh die Gebirn-
gewichte beider Geschlechter äusserst ähnlich, nämlich das der Männer nach 151 Wägungen1) aus sämmtlichen
Altersstufen vom 20, bis in die 90er Jahre (1262 Grm.) zu dem der Weiber (Mittel aus 92 Fallen = 1112 Grm.)
ss 1000 : 881. Wenn wir die individuelle Veränderlichkeit der Grösse der Schädelhöhle au* dem Verhältnisse
der Differenz zwischen Maximum und Minimum zum Mittelwcrtlie X
100
berechnen, zeigt es
Medium
eich, dass die Grösse der Schädelhöhle beim Weibe (28,6 Pioc.) viel beständiger als beim Manne (52,5 Proc.)
bleibt
Sowohl Huschke’s als auch Wclcker’s Untersuchungen ergeben gleicher Weise 1300 CC. Rauminhalt
für den deutschen Weiberschädel, wogegen Tiedemann's Angalten*) im Mittel aus 6 Messungen blos
1211,68 CC., um 125 CC. weniger als die unserigen berechnen lassen.
Ordnet man diese Schädel nach der Grösse ihres Rauminhaltes, so zeigt sich, entsprechend dessen mitt-
lerem Werthe, die grösste Zahl derselben (9) 13 bis 1400 CC. gross, von wo aus nach beiden entgegengesetzten
Richtungen hin die Vertreter der einzelnen um 100 CC. zu- oder abnehmenden Schädel sich vermindern, jedoch
so, dass mehr kleine (6 Schädel unter 1300 CC.) als grosse Schädel (6 über 1400 CC.) Vorkommen; unter diesen
23 haben nämlich 3 Schädel eine Ilöhle von 1100, ö von 1200 und je 3 eine solche von 1400 und 1500 CC.
Inhalt.
Vergleichen wir die Grösse der Sehudelhöhlc unserer deutschen Weiher mit den Messungen anderer
Autoren :
Irländer
$
1414,8 CC. B. D»vi»*)
Holländer
„
1406,9
»» w
Kanakas
rr
1400,0
»* r»
Marquesas
i»
1385,0
»* IT
Engländer
„
1375,0
n *i
Chinesen
1!
1355,1
’> r»
Hindu
1»
1335,1
i» „
Holländer
„
1205,5
„ Tiedemann
Neger
„
1189,1
ii 1«
Javanen
„
1171,0
n t»
Mtftjtn
>1
1140,6
n »*
l) Landzcrt (Beiträge zur Kraniologie, Frankfurt am Main 1867) stellt meinem Vorgänge beim Ausfällen
(durch Stopfen mit einem Glas- oder Hornstabe) den sonderbaren Einwurf entgegen , dass dadurch ein grös-
serer Cubikinhalt gefunden werden müsse als eigentlich vorhanden sei. Die Schädelhöhle, als ein von un-
nachgiebigen Wandungen begrenzter Raum, kann aber in jedem einzelnen Falle nur Einen richtigen Cubik-
inhalt besitzen, welcher durch sorgfältiges Ausfällen der Wahrheit nahezu entsprechend, unmöglicher Weise
aber als ein zu grosser erhalten wird, aussur man hätte die Nähte zura Klaffen gebracht. — *) Archiv für
Anthropologie, Band I., 1867. — aJ Das Hirn de« Negers. Heidelberg 1837. — *) Thesaurus Craniorum. Lon-
don 1867.
Digitized by Google
Der deutsche Weiberschädel.
63
bo kommen wir zu dem ltemerkeuBiverlhen Reaultaie, *lae* unsere Weiber in dieaer Hineicht jenen der Irlän<
der, Holländer, Sandwichin gulaher, Marquesaner, Engländer, Chinesen und den slawischen Weibern (nach 20
eigenen Messungen durchschnittlicher Cubikinhait der Schädelhöhle 1317,91 CC.) nachstehen, den Hinduweibern
(niederer Kaate) fast genau gleichen und mir den Weibern der Neger, Javanen und der Malayen überhaupt
vorangehen. — Auch die in den Crania hritannica von B. Davis beschriebenen Schädel altbritischer Weiber
(im Mittel von 30 = 1337 CC.) sind grösser, dagegen jene der angelsächsischen (20 = 1295,3 CC.) und beson-
ders der altrömischen Weiber (12 = 1249,4 CC.) beträchtlich kleiner.
Pas Verhältnis! des Rauminhaltes der Schadelhühle zwischen männlichem und weiblichem Geschlechtc
wird schon bei den Deutschen von mehreren Autoren verschieden (1000 : 638 bis 1000 : 897) angegeben, um
so mehr wird cs sich bei verschiedenen Nationen anders gestalten, wie die nachstehende Aufzählung (der
Cubikinhait des Männerschadeis immer = 1000 gesetzt) beweiset:
Neger .
S
984 (Davis)
Holländer
$ 883 (Davis)
Hindu
V
944 „
Deutsche
„ 878 (Weisbaoh)
Neger
11
932 (Tiedemann)
Alte Briten
„ 877 (Davis)
Malayen
rt
923 ,»
Javanen
„ 874 (Tiedemann)
Holländer
n
919 „
Chinesen
„ 870 (Davis)
Irländer
»»
912 (Davit)
Deutsche
„ 864 (Tiedemann)
Kannkas
„
«WO
Angelsachsen
„ 862 (Davis)
Slawen
n
903 (Weisbach)
Engländer
»
Marquesas
11
902 (Davis)
Deutsche
„ 838 (Huschke)
Deutsche
rt
897 (Welcker)
Hierbei bleibt es immerhin merkwürdig, das* bet den Negern, Hindu und Malayen der Weiberschädel sich
dem männlichen an Rauminhalt viel weiter annähert aU bei den Deutschen und Engländern, welchen die Chi-
nesen und die Gräberschädel aus England viel näher als den crstcren stehen; die Irländer, Slawen und die
zwei polynesischen Stämme halten zwischen jenen Extremen ungefähr die Mitte.
II. Das Gewicht des Schädels (im trockenen Zustande und ohne Unterkiefer) wechselt von 351,09
(bei einem 71jährigen Weibe) bis zu 072,08 Grm. und erreicht im Mittel aus allen 24 Fällen
506,96 Grm., welche« Mittelgewicht von II überschritten, dagegen von 13 Schädeln nicht erreicht wird,
llei Huschke (a. a. 0.) ist das Gewicht des Weiberschädels mit 606,2 Grm. im Mittel aus 8 Wägungen mit
den Extremen von 440 bis 760 Grm., daher gerade um 100 Grm. grösser als das obige verzeichnet. Leider
fehlen Gewichtsangaben des Schädels fast durchgehend«, welche gewiss kein geringere« Interesse als andere
Muassc zu beanspruchen haben. — Das Verhältnis» zwischen dem Gewichte und Rauminhalte dürfte einen
greifbaren und sicheren Ausdruck für die Dicke der Kopfknochen abgeben , welche viel weniger wahrheits-
getreu aus jenem zwischen horizontalem Umfange und der Schädelhöhle erkannt wird, indem hierbei die Höhe
des Schädels ausser Acht gelassen werden muss. Freilich ist beim Gewichte auch jenes der Gesichts-
knochen (ausschliesslich des Unterkiefern) mit inbegriffen und dadurch eine Fehlerquelle der obigen Ausdruck*,
weise bedingt, deren Anwendung jedoch insofern zu rechtfertigen ist, als sie den Erfahrungen am Sections-
tische ganz entspricht.
Es kommen nun auf oin Gramm des Schädelgewichtes beim deutschen Weibe 2,040 CC. der Schädel-
höhle, während beim männlichen deutschen Schädel (580,57 Grm.), welcher überhaupt um 73,61 Grm. schwerer
ist, auf 1 Grm. blos 2,620 CC. entfallen, so das» also der weibliche Schädel durch einen etw&a dünneren
Knochenbau vor dem männlichen ausgezeichnet zu sein scheint.
Wenn wir die 23 Schädel nach der Grösse ihres Rauminhalte» in drei Gruppen zusammenstellen, von
welchen die erste jene enthält, welche weniger als 130«) CC. (8 Schädel mit dem mittleren Rauminhalte von
1221,89 CC. bei dem Durchschnittsgewichte von 483,8 Grm.), die zweite jene mit 1300 CC. (9 Schädel, im Mit-
lel 1341,01 CC. und 558*89 Grm. I und endlich die dritte alle über 1400 CC. haltenden Schädel (6, im Mittel
1473,04 CC. und 472,59 Grm.) einschüesst: so finden wir, dass kleine Schädel keineswegs das geringste Gewicht
haben, welches vielmehr den grinsten zukömmt, und die mittelgrossen Schädel mit dem grössten Gewichte
ausgestattet sind; ferner können wir daraus ersehen, dass das Verhältnis zwischen Gewicht und Rauminhalt
in jeder dieser Gruppen ein wechselndes, die Dicke der Knochen eine verschiedene ist, und zwar dass die
grössten Schädel (Grm. : CC. = 1 : .3,131) den dünnsten, die mittel grossen (1 : 2,408) den stärksten Knochen-
bau anfweisen, zwischen welchen Extremen die kleinen Schädel (1 : 2,527), jedoch viel naher den mittelgrossen
als den grössten stehen, dass also die Dicke der Knochen bis zu der dem allgemeinen Mittel ent-
sprechenden Grösse des Schädels za-, jenseits dieser aber in ansehnlichem Grade wieder ab-
nimmt.
III. Wir kommen nun zum sogenannten horizontalen Umfange, welcher die Stirnglatze zwischen den
Stirn höekarn und Augenbrauenbogen und den hervorragendsten Theil des Hinterhauptes berührt. Die Reibe
Digitized by Google
64
A. Weisbach,
dieser Schädel beginnt mit 465 Mm. ili kleinstem Umfang, endigt mit 526 Mm. als grösstem
und giebt dessen Durchschnitt mit 498 Mm. an; die einzelnen Schädel gruppiren sich um diesen
Mittelwerth in der Weise, dass die eine Hallte denselben nicht erreicht, die andere aber ihn übertrifft. Bei
Vergleichung der Umfangslinie des Schädels der Weiber der heigesetzten Völker:
Hindu und Chineson
. . . 490 Mm.
(Davis)
Deutsche (Schwaben)
. .496
„
(Ecker1)
Marquesasinsulaner
. .497
„
(Davis)
Kanakas
. .497
ji
Neger
. . 502
|1
n
Deutsche
. . öft»
»»
(Welcker)
Disentistypus
. . 808
tl
(Hi«)
Franzosen
. . 505
»♦
(Sappe,*)
Gräber ans dem Mittelalter . .
. . 506
n
(Holder3)
Engländer und Iren
. . 510
«
(Davis)
Alte Dänen
. .510
„
Angelsachsen
. . 510
»i
r
Alte Briten
. . 513
„
Holländer
. .513
»i
»*
Reihengräber
. .513
„
(IiÖldcr)
w
. .514
(Ecker)
Alte Römer
. . 515
(Davis)
Vorrömische Hügelgräber . .
. . 519
h
(Holder)
Siontypus
. . 628
(Hi.)
mit den unserigen ist aU auffallend hervorzuhebin , dass unsere in dieser Reihe einen tiefen Standpunkt,
zwischen den Kanukas und Negern, einen noch tieferen aber die schwäbischen Weiber entnehmen, wogegen
alle weiblichen Gräberschädel fast alle übrigen an Umfang übertreffen.
Der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern (521 Mm. $) beträgt 28 Mm. zu Gunsten des männ-
liehen und verhält sich der Umfang des männlichen zu dem des weiblichen Schädeln = 101)0 : 955; es ist
daher die Differenz im horizontalen Umfange viel geringer, als in der Räumlichkeit der Schädelhöhle beider
Geschlechter,
Aehnlich wie beim Rauminhalte ist auch heil» Umfange das Verhältnis» zwischen beiden Geschlechtern sehr
verschieden bei verschiedenen Völkern, unter den zuvor angeführten l>ei den Engländern und Iren (1000:917)
am kleinsten, bei den Hindu (986) und dem Siontvpus (988) am grössten, bei den Chinesen und Marque&as-
Insulanern von derselben Grösse wie bei unseren deutschen Weibern, wahrend Welcker für deren Kopf-
umfang im Verhältnisse zu dem der Männer 965 findet.
Die individuelle Veränderlichkeit des horizontalen Umfanges zeigt sich bei den Weibern (12,2 Proc.)
gleichfalls geringer als bei den Männern (15,9 Proc,).
Da diese Umfgngslinie wohl die grösste Länge und nahezu auch die grösste Breite, nicht aber gleicher-
weise die Höhe des HimschädeU in sich begreift, können Geräumigkeit und Umfang des Schädels auch nicht
immer gleichen Schritt mit einander halten, selbst wenn wir von der verschiedenen Stärke der Knochen ganz
nbeehen wollen; dies bezeugt uns auch ein Blick auf die obige Tabelle, wo bei dem kleinsten Umfange die
Scbädelhöbte doch viel grösser als bei anderen, umfangreicheren Schädeln ist, und wieder der geräumigste
Schädel keineswegs auch den grössten Umfang besitzt. Im Allgemeinen wohl wächst der Umfang mit der
Grösse der Schädelhohle; denn nach der früher schon erwähnten Abtheilung dieser Schädel in drei Gruppen
haben die kleinen Schädel bei dem durchschnittlichen Bauminhulte von 1221,89 CC. einen Umfang von
491 Mm., die mittelgrosBen 1914 CC. und 498 Mm., endlich die grossen Schädel 1478,84 CC. und einen Um-
fang von 511 Mm., welche Zahlen der Welcker’scheu Wahrscheinlichkeitstabellc über Zusammenhang
zwischen Umfang und Grösse der Schädelhöhle keineswegs entsprechen.
IV. Die Länge bewegt sich zwischen den Extremen von 161 bis 185 Mm., variirt also im Ganzen um
24 Mm., um 13,9 Proc. der durchschnittlichen Länge von 172 Mm.; 8 Schädel haben eine Lunge von weni-
ger als 170 lfm., IS eine solche von 170 bis 179, welche nur bei drei jene von 180 Mm. übersteigt. — Den
deutschen Männenchädel fanden wir früher im Mittel aus 50 Messungen 180 Mm. lang, also, entsprechend
') Aus Ecker’« Tabelle in Urania Gcrmaniae. 28 vollkommene normale Weiberschädel, mit Hinweglassung
aller dem Alter nach unbestimmten, aller syuostotiachen und Stirnnahtschädel. — *) Recherche« sur le volume
etc., Gaz. rm'd. de Paris 1802. — s) Archiv für Anthropologie, Band II.
Digitized by Google
Der deutsche Weiberschädel.
65
seiner bedeutenderen Grösse, auch länger (um 8 Mm.) als den weiblichen, dessen Länge zu jener sich = 055 :
1000, genau so verhält, wie die Umfaugslinien beider Geschlechter. Uebrigen« ist noch zu bemerken, dass
der männliche Schädel in seiner Länge (Unterschied zwischen deren Maximum von 198 und Minimum von
170 = 28 Mm., das sind 15,5 Proc. der mittleren Länge) etwas grösseren Schwankungen als der weibliche
unterliegt.
Ecker’s schwäbische Wcibcrschädel lassen (aus 28) fast dieselbe Länge (171 Mm.) berechnen, während
Welcher seine Weiberschädel länger (176 Mm.) gefunden hat; die Weibertchädel aus den Reihengräbern
nach Ecker’s (185 Mm.) und Ilölder's (181 Mm.) Angaben, ferner jene de« Hohberg* (189 Mm.) und Sion-
typus (184 Mm.), nebst jenen aus vorrörnisehen Hügelgräbern (181 Mm.) und aus dem Mittelalter (nach Hol-
der, 175 Mm.) sind alle durch meist viel grössere absolute Länge ausgezeichnet; nur jene des so exquisit
kurzköpfigen Disentistvpn« (167 Mm.) haben einen ansehnlich kürzeren Längendurchmesser. Ebenso sind jene
W eiberschädel , welche B. Davis in seinen Urania britannica als alt-britische (18«) Mm.), angelsächsische
(180 Mm ), alt- römische (177 Mm.) und alt-dänische (177 Mm.) anführt, •iimmtlich viel mehr in die Länge
entwickelt als die unaerigen, welche in dieser Beziehung den Weibern der Marquesasinscln nach B. Davis1)
genau gleichen und jenen der Chinesen (170 Mm.) und Sandwichinsnlaner (170 Mm.) am nächsten stehen,
während sie sich von den Weihern der Engländer und Holländer (177 Mm.), noch mehr von jenen der Iren
(180 Grm.) entfernen.
Auffallend bleibt die Thatsache, dass alle die angeführten weiblichen Gräberschädel einen grösseren und
die süddeutschen Weiber einen geringeren Längendurchmesser des Schädels besitzen als Welcker’s Nord-
deutsche und die so verwandten anderen germanischen Völker.
V. Die mittlere Breite — gemessen, wo immer sie sich vorfindet — erreicht 142 Mm und schwankt
im Einzelnen von 135 bis 152, um 17 Mm. oder um 11,9 Proc., daher etwas weniger als die Länge. Unter
140 Mm. sinkt dieselbe nur bei 8, übersteigt aber 150 Mm. blos ein Mal und die mittlere Breite des Manner-
schädels (146 Mm.) in fünf Fällen. Unser Weibertchädel ist um 4 Mm. schmäler als der männliche, zu dessen
Breite er im Verhältnisse von 958 : 1000, fast genau wie die Länge Bteht; die individuelle Variabilität der
Breite des Männerschädels (21,2 Proc.) ist um 10 Proc. grösser als jene des weiblichen (11,9 Proc.).
Alle Schädel aus alten Grabstätten (nach Davis und Thurnam, Ecker und Holder) sammt dem
Hohbergtypus, den englischen, irischen (137 Mm.) und niederländischen Weibern (189 Mm.) haben eine ansehn-
lich geringere, Ecker’s schwäbische Weiber (143 Mm.) und jene des Siontypus (143 Mm.) nahezu die gleiche
Breite mit den unserigen, nur die weiblichen Disentisschädcl (146 Mm.) eine grössere; Aeby (n. a. 0. S. 11)
findet eine mit der unserigen ganz übereinstimmende Breite des deutschen Weiberschädels der Schweiz.
Der Längen hreitenindex (die Länge, wie überall = 1000) gestaltet sich im Durchschnitte (825) wohl
geringer als nach der früheren Angabe (831), bleibt aber trotzdem beträchtlich grösser als beim
männlichen Gcschlechte (811 aus 50, 810 aus 131 Messungen), weshalb der Wcibcrschädel, wenigstens
der Deutschen in Oesterreich, relativ breiter als der männliche ist. Professor Welcker ist in seinem Werke
nach Untersuchungen an SO Wciberschädeln zu dem eutgegengesetzteu Resultate gekommen, indem er deren
Breite, nach seiner Methode gemessen, absolut (134 Mm., welche nicht einmal die Minimalbreite unserer 24
Schädel erreicht) und relativ (765) viel geringer als jene der Männer (146 Mm., Index 805) fand.
Da« durch meine Untersuchungen gefundene Resultat, nämlich die relativ grössere Breite des Weiber-
schädels gegenüber dem männlichen, wird durch die Angaben anderer Kraniologen viel mehr ats die gegen-
teilige Angabe Welcker’s unterstützt; zum Beweise dessen mögen hier die Längenbreitouindices verschie-
dener Typen und Völker und zwar zuerst jene welche mit meinem, nachher jene, welche mit Welcker’s Re-
sultate übereinstimmen, folgen:
Hohbergtypus . <$ 708 9 714 II is
Neger 715 „ 730 IIu6chke*)
Reihengräber 722 „ 734 Holder
„ „ 731 „ 745 Ecker
Vorrömische Hügelgräber . „ 732 „ 740 Holder
Neger „ 736 „ 742 B. Davis
Angelsachsen . „ 743 ,, 761 „
Irländer 746 „ 760 „
Franzosen 767 „ 791 Sappoy
Siontypus 768 w 777 His
Chinesen 774 „ 776 B. Davis
*) Thesaurus Craniorum. — *) Schädel, Gehirn und Seele etc. Hier, sowie bei den Maassberechnungen
aller übrigott Autoren, wurden eynostotisohe Schädel immer ausgeschlossen.
Arclüv fttr Anthropologie. Bd. III. Haft f. 9
Dicjltized by Google
66
A. Weisbach
MarquesasinsulRncr ....
S 774 $
794 B. Davis
Alte Dänen
51 51
785 „
Deutsche
793 „
807 Krause
Kanaka* .
„ 800 „
805 B. Davis
Disertistypus .......
, 8fi0 „
874 Hi«
Hügelgräber .......
8 810 $
735 Ecker
Holländer
802 „
7h5 B. Davis
Altbriten
„ 794
772
Engländer
„ 773 „
700 „
Schädel aus dem Mittelalter
773 „
771 Holder
Alt-Römer
- 770 „
757 B, Davis
Hindu .
,, #68 ,,
753 „
Auch Acby findet den Weiberschädel im Verhältnisse zu seiner Grundlinio etwas breiter (169) als den
männlichen (167); selbst Ecker’» Messungen der Schädel heutiger Bewohner von Baden geben, wenn nur
20-, 30- und 40jährige genommen werden, indem er nur aus diesen Altersstufen Weiberschädel untersucht hat,
für beide Geschlechter wenigstens denselben Iudex (836).
An Grösse des Index, also an Breitenentwickelung des Schädels stehen demnach unsere Weiber nur den
schwäbischen (836) und Disentisweibern (874) nach; im Einzelnen sind die Breitenindices dieser 24 Schädel aber
insofern »ehr wechselnd, als der schmälste Schädel (Nr, 21) einen Index von 745 und der breiteste (Nr. 4 und
$, welche aber nicht das leiseste Zeichen einer pathologischen Veränderung zeigen) jenen von 913 besitzt
l'nter 900 sinkt derselbe nur 5 Mal (Nr. 21 = 745, 23 = 756, 15 = 759, Nr. 12 und 24 = 793), beträgt
zwischen 800 und 819 6 Mal (Nr. 16 = 809, Nr. 7 = 811, Nr. 9 und 10 = 612, Nr. 2 = S14 und Nr. 11 =
818) und über 820 bei allen übrigen 13 äclmdeln (und zwar bei Nr. 20 = 821, Nr. 19 = $25, Nr. 13 = 826,
Nr. 17 = 827, Nr. 6 = 831, Nr. 18 = 844, Nr. 5 = 851, Nr. 1 = 857, Nr. 22 = 663, Nr. 14 = 8fi9, Nr. 8 =
878 und Nr. 3 und 4 = 913).
Trotzdem, dass diese weiten Schwankungen Welcker bezüglich Beimischung nicht deutschen Materials
verdächtig Vorkommen, muss ich doch bemerken, das« der Index bei deutschen Männerscbiideln noch viel
weiteren Schwankungen unterliegt, da wir bei 123 Männerscbiideln des hiesigen Museums (vom 20. bis in die
90er Jahre, aber ohne Nahtverknöcherungen oder Stirnnähte) die Extreme desselben durch 711 und 924 vertreten
finden; davon besitzen einen Index von weniger als 800 45, von 800 bis 819 19, von 820 bis 890 57 und über
900 nur zwei.
Aeby verwirft in seinem neuesten Werke über die Schädelformen des Menschen und der Affen das Ver-
hältnis» zwischen Länge und Breite als gänzlich unbrauchbar und reducirt alles auf seine Schädelbasis; beide
jene Maasse im Vereine mit der Höhe werden aber doch für die kurze Diagnose der Schiidclgestalt die wich-
tigsten Factoren bleiben; denn wie soll inan sich gleich die Form des Schädels vor Augen halten, dessen
Verhältnis» zwischen Basis und Breite allein gegeben ist. welches noch dazu am Lebenden «ich nicht berech-
nen lässt?
VI. Die Höhe unserer Weiberschadei von der Mitte des vorderen Bandes des grossen Hinterhuuptloche«
zum Scheitel, welche im Mittel nur 125 Mm., in den einzelnen Fällen 118 bis 139 Mm. beträgt, ist wie alle
bisherigen Msasse weniger veränderlich (16,8 Proc.), als beim Manne |21,8 Proc.), jedoch unter den drei
llauptdimensionen den meisten Schwankungen zugänglich, die Breite den geringsten; während am männlichen
Schädel die Länge die geringsten , Breite und Höhe fast die gleichen individuellen Schwankungen erleiden.
Das Minimum der Höhe haben beide Geschlechter gemeinsam, wogegen die Maximalhöhe des Wciberschädelt
sich nur wenig über das Mittel des Männerschädels (133 Mm.) erhebt, dessen Maximum (147 Mm.) jenes des
weiblichen Geschlechtes weit übertrifft. Die Höhe des Weibe rtchädels hat im Vergleiche zn der des männ-
lichen noch das eigentümliche vor den anderen Hauptdurchmessern voraus, dass sie von derselben sich viel
weiter ($ 1000, 9 939) entfernt, daher auch der Weiberschädel im Verhältnisse zu seiner Länge (IOOO : 729)
viel niedriger als der männliche (738) ist.
Welcker und Ecker fanden ebenfalls den Weiberschädel relativ niedriger als den Männerschädel; die
Weibendlädel alter Briten (761 $ 744 9)t Dänen (780 & 757 9)» ‘1er Engländer (733 $ 732 $), der
Holländer (746 $ 728 9) und Hindu (782 & 739 9) nach Davis, ferner die mittelalterlichen Schädel von
Holder (729 £ 714 9), Ecker’» Reihen- (721 $ 713 9) und Hügelgräberschädel (748 £ 702 9) bieten die-
selbe Geschlechtseigentbümlichkeit dar, wogegen bei den von Davis und Thum am beschriebenen alten
Römer- (782 $ 745 9), Angelsachsen- (732 $ 744 9), Irländer* (693 $ 732 9), Chinesen- (788 $ 820 9 ),
Neger- (750 $ 757 9 b Marqnesas- (774 $ 779 9) und Kanakaschädcln (811 $ 820 9 b ferner beim Disentis-
Digitized by Google
Der deutsche WeiberschädeL
67
(«19 & 820 9)» Sion* (747 $ 7Ö5 9) und Hohbergtypus (734 $ 735 9) nnd bei den von Hölder beige-
brachten Reihoogräberschädeln (732 £ 734 9) di® weiblichen sogar durch mehr oder weniger grössere Höhe
vor den männlichen ausgezeichnet sind.
Die deutschen Weiber besitzen Schädel , welche unter allen diesen angeführten die absolut geringste
Höhe, dieselbe, wie die mittelalterlichen Schädel Holder’« haben, im Verhältnis® aber tu ihrer geringeren
Länge doch höher als jene der mittelalterlichen, der Reihen* und Hügelgräber, von fast gleicher Höhe mit
den holländischen, dagegen niedriger als Lei allen übrigen erscheinen.
Noch viel auffälliger tritt die geringere Höhe des weiblichen Schädels im Vergleiche tu seiner Breite
(1UOÜ : 860) gegenüber dem männlichen (910) hervor.
Lange, Breite und Höhe, als die drei Hauptmaasse des Schädels, sollten zur Grösse desselben im Allge-
meinen, abgesehen von der Dicke der Knochen, in einem bestimmten geraden Verhältnisse stehen; durch*
mustern wir alter die Reihe dieser Schädel, so finden wir jene nicht durchaus in directcm Zusammenhänge.
Nur durchschnittlich — nach der schon früher durckgetührtcn Eintheilung hat die erste Gruppe dieser Schä-
del eine Lange von 109, Breite von 139 und Höhe von 125 Mm., die zweite 172, 142 und 125, die dritte von
177, 144 und 12t> Mm. — scheint wohl Länge, Breite und Höhe mit Zunahme des Rauminhaltes und Um-
langes sich tu vergrößern, jedoch so, dass unter allen diesen der Cubikinhalt die grösste Zunahme (um 257
Cubikcentim., das sind 21,0 Proc.), die Länge (um 8 Mm», 4,7 Proc.) und der Umfang (um 20 Mm», 4,0 Proc.)
eine viel geringere, die Breite (um 5 Mm., 3,5 Proc.) eine noch viel kleinere und endlich die Höhe (um
1 Mm., 0,8 Proc.) die geringste Zunahme erfahren, während gleichzeitig das Gewicht des Schädels eine directe
Kinhusse (um II Mtn., 2,2 Proc.) erleidet.
Nicht ohne Interesse ist das Verhalten der lndicea bei diesen drei Grössengruppen: Der Längen breiten,
indes wächst von der ersten (*>22) zur zweiten auf 826, uin bei der dritten wieder auf 818 herabzu steigen;
der Längenhöhenindex aber zeigt von der ersten (739) bis zur dritten (711, bei der zweiten Gruppe 726) eine
fast regelmässige constante Abnahme. Aus diesen gegebenen Zahlen liesse sich vielleicht der Schluss ab-
leiten, dafs mit Zunahme der Grösse der Schädelhöhle der Schädel selbst niedriger, schmäler
und länger wird.
VIL Der LäAgsurofung — von der Nasenwurzel an der Stimna&ennaht in der Richtung der Pfeil-
uuht bis zum hinteren Runde des grossen Hinterhauptsloches — hat die Länge von 350 Mm., ist um 21 Mm.
kürzer als jener des männlichen Schädels (371 Mm.), der zu ihm im Verhältnisse von 1000 : 948 steht, so
dass der Unterschied in der Länge dieser Bogenlinic zwischen beiden Geschlechtern grosser als bei allen
vorausgehenden Maassen erscheint und nur die Höhe des Schädels einen noch grösseren Unterschied auf-
weiset; die letztere ist daher von entschiedenem Einfluss auf die Länge der ersteren.
Erkers Messungen an schwäbischen Weiberschädeln ergeben fast genau denselben Werth für seine
Länge des Scbudelgewülbes (351 Mm.), ebenso kommen hierin die Schädel holländischer Weiber (353 Grm.)
nach Davis den unsorigen sehr nahe; die drei Typen von II is (Hohberg 9 984, Sion 374 und Düentis
(357 Mm.i, ferner Eckcr’s weibliche Reihengräber- (372 Mm.) sowie sämmtliche Gräberschädel aus England
und Dänemark haben ein längeres Schädelgewölbe.
Die Entfernung der Mitte der Stirnnasen naht von dem äusseren Hinterhauptshöcker, vielleicht Broca’s
Inialdurehmesser, welche mau als Länge des ganzen Schädelgrundes bezeichnen könnte, erreicht durchschnitt-
lich 105 Mm.; in den einzelnen Fullen wird ihre Grösse zwischen 152 bei einem der kleinsten Schädel und
179 um 27 Mm. oder 18,3 Proc., d. h., entgegen den zuvor besprochenen Maaasen, mehr schwankend als bei
den Männern (1341 Proc.), bei welchen derselbe Abstand genau der Schädellänge des Weibes gleicht und zu
dem des Weibes s= 1000 : 959, fast wie die Schädelbreite sich verhält. Da die Schädellänge zu diesem Ab-
stande beim Weibe sich t= 1000 ; 959, beim Manne blos = 1000 : 955 verhält, so ergibt sich daraus, dass
Nasenwurzel und äusserer Hintcrhauptshöeker beim weiblichen Gescblcchle relativ etwas weniges weiter aus-
einander liegen als beim Manne.
Die an Lebenden vorgenommenen Messungen von Dr. Schwarz und Scherzer1) geben für die suu-
daischen Weiber ganz denselben Abstand dieser Punkte, welcher bei den javanischen (167 Mm.) und chine-
sicheu (169 Mm.) nnr wenig grösser, bei den tahitischen (176 Mm.) und besonders bei den australischen
Weibern (185 Mm.) selbst noch grösser als die Schädellänge unserer Weiber iBt.
Um die Wölbung des ganzen Schädeldaches in der sagittalen Mittelebene berechnen i:u können, wurde
zwischen den zuvor erwähnten Punkten auch die Bogenliuie (299 Mm. im Mittel) gemessen, welche nach dem
Verhältnisse zu ihrer Sehne (1,612 : 1) derart gekrümmt ist, dass der weibliche Schädel in der sagittalen
Mittelebene eine im Ganzen flachere Wölbung als der männliche (1,632) besitzt. Derselbe Bogen misst am
männlichen Schädel 319 Mm., ist um *20 Mm., d. h. um fast dieselbe Differenz beim Weibe kürzer, wie der
*) Novarareise, anthropologischer Theil, II. Körpermessungen von Dr. A. Weisbach.
9»
Digitized by Google
68 A. Weisbach,
Längsumfang und überdies bei beiden Geschlechtern (IG Proc. 9 16,8 Proc. $) nahezu denselben individuellen
Schwankungen unterworfen.
VIII. Die Breite der Schädelbasis — an der Jochleiste gleich oberhalb der äusseren Gehurlöcher,
— welche im Durchschnitte 118 Mm. erreicht, variirt an den einzelnen Schädeln zwischen 108 und 128, um
19 Mm. oder 16,1 Proc., etwas mehr als bei den Männern (15,8 Proc.), deren Schädelbasis die um 8 Mm.
grössere Breite von 126 ürm. besitzt. Nach dem Verhältnisse zwischen jener des Mannes und der des Weibes
(1000 : 936) tritt die Geschlechtsverschiedenheit in der Breite der Schädelbasis viel ausgesprochener hervor als
bei den bisherigen Maasseu, von welchen auch die Schädelhöho ihr am nächsten hierin kömmt. Dies deutet
schon darauf hin, dass der Weiberschädel an der Basis viel schmäler als der männliche ist, was
auch durch das Verhältniss zwischen der Breite des Schädels und seiner Basis (1000 : 830 9- $) voll*
kommen bewiesen wird. Da wir ganz dasselbe Ergebnies aus dem Vergleiche zwischen der Schädellänge und
BaBisbreite (1000 : 686 9» 700 $) erhalten, während der Längenbreitenindex den entgegengesetzten Weg ein-
achlägt, so lässt sich daraufhin behaupten, dass der Weiberschädel wohl breiter als der männliche,
gegen seine Basis hin aber mehr verschmälert ist.
Der zwischen denselben Punkten über den Scheitel genommene Querumfang des weiblichen Schädel»
beträgt 299 Mm., genau so viel wie jener zwischen Nasenwurzel und Tuberositas occ. ext., ist jedoch blos um
10 Mm. (dieser um 17 Mm.) kleiner als beim Manne, von dessen Querumfange (309 Mra.) er 0,967 ausmacht.
Sowie der Sagittalbogen des Schädeldaches ist er bei den einzelnen Individuen viel mehr veränderlich (um
13,7 Proc.) als am Männerschädel (9,7 Proc-). Betrachten wir die Breite der Schädelbasis im Verhältnisse zu
diesem Bogen (1 : 2,633), so bemerken wir, dass der Weiberschädel in der queren Richtung, entgegen seiner
Wölbung in der sagittalen, stärker als der männliche (1 : 2,467) gewölbt ist, Welcker fand im Allgemeinen
wohl dasselbe, ohne dass jedoch seine Zahlen (2,45 $ und 2,47 9) dies so ausgeprägt darstellen wie die
unseligen.
Die bisherigen, den ganzeu Schädel einschliesaenden Messungen lassen demnach mit kurzen Worten die
folgenden Unterschiede im Baue des Hirnschädels beider Geschlechter feststellen;
Der Weiberschädel ist kleiner (natürlich ohne Rücksicht auf die Körpergrösse), leichter, dun.
neren Knochenbaues, breiter und niedriger, seine Basis dagegen viel schmäler, seine Wöl-
bung in der sagittalen Richtung im Ganzen schwächer, in der queren aber stärker.
Von den besprochenen Maassen nähert sich demselben des männlichen Schädels der Querumfang ($ 1000:
967 9) am meisten, die Breite der Schädelbasis (936) und nebst dieser die Höhe (939) am wenigsten; jedoch
noch mehr, als jeder Durchmesser, bleibt der Rauminhalt des weiblichen Schädels hinter jenem deB männ-
lichen ($ 1000 : 878 9) zurück. Die Annäherung an dasselbe Maus« des Männerschädels nimmt in folgender
Reihe zu: Rauminhalt, SchiidelbaBishreite, Höhe, Längenumfang , horizontaler Umfang und Länge (unterein-
ander gleich 955), Breite, InialdurchmcsBer und Querumfang.
Was die individuelle Variabilität anbel&ngt, zeigt sich dieselbe bezüglich der angeführten Dimensionen
vorwiegend viel geringer als beim Manne, nur beim Inialdurchmcsser und der Breite der Schädelbasis etwas
grösser und ist überhaupt hinsichtlich der Breite (11,0 Proc) und zunächst des horizontalen Umfanges
(12,2 Proc.) am geringsten, wächst bei der Länge (13,9 Proc.) um wenig, Bteigt bei der Schädelbasis (16,1 Proc.),
dem Ininldurchmesser (16,3 Proc.) und der Höhe (16,8 Proc) ansehnlich, noch mehr beim Rauminhalte
(28,6 Proc.) und überflügelt bezüglich des Gewichtes (63,4 Proc.), ganz ähnlich wie beim Manne, die Schwan-
kungsziffer aller übrigen. Beide Geschlechter gehen hierin nur insofern einander parallel, als die höchsten
Schwan kungsziffem jederzeit« dem Schädelgewichte, der Schädelhöhlc und der Höhe zukommen; in den übri-
gen Maassen herrscht keine Uebereinstironuuig, indem beim Manne die Variabilität weiter von der Breite
durch den Umfang, die Schädelbasis und Länge bi« zum Inialdurchmesser, der die geringste besitzt, fort-
während abnimmt, beim Manne also die Breite und der Umfang grösseren Schwankungen als die Längen-
maasae unterliegen, beim Weibe aber das Entgegengesetzte der Fall ist.
II. Maasse im Einzelnen.
1. Vorderhaupt.
Das Vorderhaupt hat (zwischen der Mitte der Nasenstirnbeinnabt und dem Verein igungBpunkte der
Kranz- und Pfeilnaht, mit dem Zirkel gemessen) eine durchschnittliche Länge von 107 Mm., mit welcher
es hinter jener des Mannes (112 Mm.), um 5 Mm. znrückbleibt; abgesehen davon, dass der Mann ein absolut
längeres Vorderhaupt ( j 1000 : 956 9) besitzt, ist es bei ihm an den einzelnen Individuen, fast gleich der
Digitized by Google
Der deutsche Weiberschädel.
69
Breite and Höhe, mehr variabel (20,5 Proc), ala beim Weibe (18,6 Proc.), bei welchem ee iwieeheo den Ex-
tremen von 99 und 119 Mm. abwechselt. Im Verhältnis»« zur Länge de» Schädel» (622 : 1000) haben merk*
würdiger Weise beide Geschlechter dieselbe Vorderhauptslänge.
Der zu dieser Sehne gehörende sagittalo Stirnbogen ist im Mittel 122 Mm. lang» dem des Männer-
schädels (127 Mm.) um ebensoviel wie die Sehne nachstehend, nur dass er 0,960 desselben ausmacht, daher
jenem des Manne« näher als die Sehne steht Deshalb erfahren wir auch aus dem Verhältnisse der Sehne zu
ihrem Bogen (1 : 1,140), dass das Vorderhaupt am weiblichen Schädel in sagittaler Richtung
stärker gekrümmt ist als das männliche, dessen Sehne zum Bogen blos = 1 : 1,133 sich verhält
Schon Froriep1) hat in einer ausgezeichneten Abhandlung, neuesten« wieder Ecker2) auf diesen Geschlechts-
unterschied, beide aber ohne ihn durch Zahlen ausxudrücken , aufmerksam gemacht Noch auffälliger müsste
dieser Unterschied in der Stirnwölbung hervortreten, wenn man jenen Theil des Stirnbeines, welcher die
Augenbrauenbogen in sich schlieest, ausser Acht Hesse; denn da diese beim Manne immer mehr als beim
Weibe entwickelt sind, ja bei dem letzteren meistens fast ganz fehlen, so kömmt beim Manne offenbar noch
ein guter Theil der Wölbung auf Rechnung jener zu setzen.
Die Weiberscbädel des Hohberg*, Sion- (181 Mm.) und Disentistypus (125 Mm.), der Reihengräber
(126 Mm.) von Ecker, der alten Briten (127 Mm.), Angelsachsen und Dänen (124 Mm.) nach Davis und
Thurnam besitzen einen meist ansehnlich längeren, die schwäbischen (123 Mm.) und englischen Weiber
(121 Min.) einen fast ebenso langen sagitfalen Stirnbogen wie die unsrigen, wahrend die holländischen
(124 Mm.) und irischen Weiher (127 Mm.) hierin jene übertreffen.
Die Breite des Vorderhauptes — zwischen den Vereinigungspunkten der Kranznaht mit der Naht
de« grossen Keilbcinflügels — beträgt im Mittel 109 Mm., wechselt aber in den einzelnen Fällen von 102 bis
117 Min., im Ganzen um 15 Mm. oder 13,7 Proc. der mittleren Grosse; beim Manne, dessen Vorderhaupts-
breite (115 Min.) um 6 Mm. grösser ist, findet sich nahezu dieselbe individuelle Veränderlichkeit (13 Proc.).
Die Vorderhauptsbreite des Weibes, die sich zu jener des Mannes = 947 : 1000 verhält, steht dieser etw'as
ferner als die Lunge des Vorderhauptes und ist nach dem Verhältnisse zur grössten Breite des Schädels
(767 : 1000) nnsehnlioh geringer als beim Manne (767); dasselbe lehrt uns das Verhalten derselben zur Länge
des SchädelB (1000 : 633 63S $), so dass also das woibliche Vorderhaupt zwischen jenen Punkten
auch relativ schmäler als das männliche ist.
Der über die Stirnglatze zwischen denselben Punkten gemessene horizontale Stirnbogen, dessen
Länge mit 154 Mm. jenem des Mannes (163 Mm.) um 9 Mm. nachsteht und nur 0,944 desselben ausmacht,
ist entsprechend dem Verhältnisse von 1 : 1,412 etwas flacher gekrümmt als der männlicho (1,419) und daher
im Gegensätze zur sagittalen Wölbung, das weibliche Vorderhaupt in der horizontalen Richtung etwas flacher
gewölbt.
Die schmälste Stelle de« Vorderhauptei, hinter den Jochfortaätzen des Stirnbeines, hat eine Stirnbreite von
90 Mm., welche wie die meisten bisherigen Durchmesser an den einzelnen Schädeln weniger schwankt (zwischen
84 und 100 Mm., um 17,7 Proc.) als bei den Männern (18,3 Proc.) und sich noch mehr als die Vorderhaupts-
breite von jener des Mannes (1000 : 918) entfernt. Allein nicht blos absolut, sondern auch relativ ist der
weibliche Schädel in der Stirngegend, ähnlich wie zwischen den kurz zuvor besprochenen Punkten, schmäler
als der männliche, man mag die .Stirnbreite im Verhältnisse zur grössten Breite (1000 : 633 $ 671 $) oder
Länge des Schädels (1000 : 523 $ 544 $) betrachten.
Aehnlich gestaltet sich auch der gegenseitige Abstand der Stirnhöcker von einander; dieser mint
durchscbnittHch 65 Mm., wie nach Welcker’s Berechnungen, ist jedoch nur um 2 Mm. kleiner als beim
Manne (67 Mm., Welcker fand 59 Mm.), zu dessen Stirnhöckerabstande sich jener des Weibes =r 964 : 1000
verhält. Merkwürdig ist die grosse Veränderlichkeit desselben an den einzelnen Schädeln, worin aber der
weibliche (45 bi» 68 Mm.. 41,8 Proc.) dem männlichen (31,6 Proc.) noch weit vorausgeht. Die Stirnhöcker
stehen am Weiberschädel sowohl rücksichtlich der Schädelbreite (1000: 387 $ 390 $), als auch der
Stimbreite (1000 : 611 $ GQ0 <*>) näher beisammen als beim Manne; nur mit Rücksicht auf die Länge
des Schädels finden wir Bie beim Weibe (1000 : 819, 316 <$) etwa» weiter auseinandergerückt oder fast den-
selben Stand einnehmend wie beim Manne. Welcker findet sie auch im Verhältnisse zur Schädellängc beim
Weibe näher aneinandergerückt (1000 : 312), als beim Manne (327). Eine Differenz in dieser Beziehung lässt
sich wohl leicht ans der Schwierigkeit, die Mittelpunkte der Tubera zu fixiren, deren Bestimmung mehr oder
weniger doch dem subjectiven Ermessen anheimfällt, erklären.
Was die Höhe des Vorderhauptes — von der Mitte des vorderen Randes des For. occ. magn. zum
Kreuzungspunkte der Kranz- und Pfeilnaht — anbelangt, so sehen wir, dass das weibliche Vorderhaupt,
ira Einklänge mit der Höhe des ganzen Schädels, niedriger als das männliche ist. Seine mittlere Höbe
betragt nämlich 122 Mm., ist um 3 Mm. geringer als die Schädelhöhe, welche beim Manne die erster« nur
*) Charakteristik des menschlichen Kopfes. — *) Archiv für Anthropologie, Band I, 8- 85.
Digitized by Google
70
A. Weisbach
um 2 Mm- übertrifft, weshalb auch das weibliche Vorderhaupt relativ zur Schädellänge (1000:709 $ 727 $) nie-
driger erscheint. Von der Vorderhauptsböhe des Mannes beträgt die des Weibes 0.931, so dass die Hohe des
Vorderhauptes bei beiden Geschlechtern noch etwas mehr differirt als die des ganzen Schädels. Die indivi-
duelk>Variiibilit.it dieses Maasses ist beim Weibe (zwischen 115 und 132 Mm., 13,9 Proc.) beträchtlich geringer,
als beim Manne (19,8 Proc.) und gleicht jener der Yorderhauptsbreite.
Nach allen diesem ist das weibliche V orderhuupt relativ ebenso lang wie das männliche, je-
doch niedriger und schmäler, in der «agittalen Richtung stärker, in der horizontalen ein
wenig flacher gekrümmt; seine Stirnhöcker stehen näher beisammen (im Vergleiche zurSchädel-
breite).
Auf die Maassc des Männerscbädels (= 100Ö) reducirt zeigt »ich am Weiborechädcl der Stirnhöcker-
abstand (904) und der sagittale Stirn ln»gcn (9tX>) am wenigsten, die Länge (955), Breite des Vorderhauptes
(947) und der horizontale Stirnbogen (944) etwa« mehr, die V ord erb au ptsli ö h o (ysi) noch mehr und endlich
die Stirnbreite (918) am meisten verschieden von demselben Maasse des Männereckadel«. Im Einzelnen varii-
ren diese Durchmesser derart, dass die Lunge und Hohe des Vorderhauptes und die Stirnbreite weniger, die
übrigen dagegen mehr als nm Männerschiidel schwanken.
2. Mittelhaupt.
Bei deu Männern hatten wir für Vorder* und Mittelhuupt dieselbe Länge (112 Mm.) gcfuudcu, wo*
gegen beim Weibe da» letztere, wenn auch nur uni sehr wenig, kürzer als das Vorderhaupt ist; es hat näm-
lich beim Weibe, zwischen den Endpunkten der Pfeilnuht mit Zirkel gemessen, die durchschnittliche Länge
von 100 Mm , variirt zwischen 96 und 123 Mm., im Ganzen um 25,4 Proc., d. h. etwas mehr als beim Manne
(24,1 Proc.), zugleich aber, sowie bei diesem, viel mehr als das Vorderhaupt und entfernt sich von der Länge
des männlichen Mittelhauptes (1000 : 946) mehr, als die Vorderhauptsliinge und fast ebenso weit wie die
Vorderhauptsbreite (947). Dem entsprechend ergibt auch das Verhältnis» zur Länge de» Schädels (1000 : 616),
dass das M ittelhuupt' des Weibes kürzer als jenes des Mannes (622) und nebenbei auch kürzer
als das eigene Vorderhaupt ist.
Auch der »agittale Scheitelbogen (Länge der Pfeilnaht) ist ähnlich wie die Sehne kürzer als der
sagittale Stirnbogen; er misst durchschnittlich 119 Mm., ist relativ zum männlichen (127 Mm. = 1000 : 937)
viel kürzer als der eben genannte Bogen und nach dem Verhältnisse von 1 : 1,122 gekrümmt. Daraus erhellt
nun, das« da» weibliche Mittelhaupt in der sagittalen viel schwächer gekrümmt ist als das Vorderhaupt (1,140)
und auch der Krümmung des männlichen Mittelhauptes (1,133) bedeutend nachBteht, sicli also entgegenge-
setzt dem Vorderhaupte verhält. Ecker scheint bei seinen brachyccphalcu schwäbischen Weibern zu dem
entgegengesetzten Resultate gekommen zu sein. Er fand den sagittalen Scheitellxjgen bei diesen 118 Mm.,
bei den weiblichen Schädeln der Reihengräber 127 Mm. lang; His misst denselbeu an Wcibcrschädeln de»
Hohbergtypus mit 140, de» Siontypus mit 123 und de« Disentbtypus mit 120 Mm. ; die weiblichen Schädel
der Engländer, Iren, Alt-Briten und Alt- Römer (124 Mm.), sowie der Alt-Dänen (127 Mm.) und Angelsachsen
(121 Mm.) haben nach B. Davis ebenfalls einen längeren Scheitelliogen als die uusrigeu, welche von allen
diesen hierin den schwäbischen, Disentis- und Angelsachsen weibern am meisten gleichen.
Uebrigens ist noch zu erwähnen, dass die schwäbischen, Sion-, Disentis- , die altbritiachcn, angelsäch-
sischen und irischen Weiber mit den unsrigen in der geringeren Länge des «agittalea Scheitelbogens gegen-
über dem »agittalen Stirnbogen ubereinstimmen, welcher bei den übrigen im Gegentheile länger als der
erstere ist.
Zwischen deu Vcrcinigungspuuktcn der Schläfen»chuppcn- und Warzennaht hat der Weiberschäde] eine
durchschnittliche Breite von 129 Mm., welche auch im Verhältnisse' zur grössten Breite (908 : lOUO) hinter
jener des männlichen .Schädels (924) unsehnlich zurückbleibt, zu dessen Ohrenbreite (135 Mm.) sie in dem-
selben Verhältnisse (955 : 1000) wie die Länge, der Umfang und die Vorderhaupta länge steht. Im Vergleiche
zur Lunge de» Schädels (1000 : 750) besitzen wohl beide Geschlechter an dieser Stelle dieselbe Breite. Aehn-
lieb wie die grösste Breite ist auch dies« beim Weib« (zwischen 116 und 142 Mm., 20,1 Proc.) geringeren
individuellen Schwankungen als beim Manne (117 bis 154 Mm., 27,4 Proc.) unterworfen.
Die Breite der Scheitelbeine — Zirkelabstaud zwischen Schläfen- und Pfeilnaht in der Mitte —
betrugt in den einzelnen Fällen 9 / bis 109, im Mittel 102 Min., schwankt also im Ganzen uin 11,7 Proc.,
gleichfalls weniger als die nur wenig grössere der Männer (104 Min., Variabilität 13,4 Proc). Unter allen
bisher besprochenen M nassen kömmt dieses dem des männlichen Schädels (10(0 : 980) weitaus am nächsten
und stellt «ich, wie schon aus der grösseren Breite des Weiberschädols zu vermuthen war, heraus, das« der-
selbe, sowie relativ kürzere auch relativ breitere Seitenwandbeine besitzt; denn wir Anden sowohl im Ver-
gleiche zur Breite (1000 : 718), al» auch besonders zur Länge des .Schädels (1000 : 593) die weibliche Scheitel-
1 »ein breite grösser als jene der Männer (712 und 577).
Digitized by Google
Der deutsche Weiberschädel. 71
An den Weiberscbüdeln ist das Scheitelbein fast so breit wie lang, an den Männcrschüdeln dagegen die
Länge der Breite viel mehr (um 8 Mm., bei dem Weibern blos um 4 Mm.) überlegen.
Der quere Scheitelbogen — entsprechend der Scheitelbein breite genommen — misst beim Weibe
118 Mm. (beim $ 110 Mm.), steht der des Mannes (10O0 : 991) selbst noch näher als jene und beeitzt eine,
nach dem Verhältnisse von 1 : 1,156 gebildete, d. h. stärkere Krümmung als am Männcrsch&del (1,141), wes-
halb also am Mittelhanpte, ganz entgegen dem Verhalten des Vorderhauptes, die sagittale
Wölbung schwächer, die quere aber stärker als beim männlichen Geschlecht ist.
Der gegenseitige Abstand der Scheitelhöcker, die Scheitelbreite, ist an den Schädeln beider Geschlech-
ter gleich gross (131 Mm.), daher beim Weibe relativ grösser, man mag dieselbe im Verhältnisse zur Länge
(1000 : 761 $ 727 {$) oder zur Breite des Schädels (1000 : 922 9 £97 <$) betrachten, was mit der grösseren
Breite des Weiberschädels genau ü hereinstimmt, dagegen mit dem Stande der Stirnhöcker im Widerspruche
eteht. Beim Weibe ist die Scheitelbroite , entgegen der grössten Breite, viel mehr veränderlich (117 bis 142,
19 Proc.), als beim Manne (122 bis 141» 14,5 Proc).
Bei den deutschen Weibern schwäbischen Stammes lässt Ecker’s Tabelle den Scheitelhöckerabstand
auf 134 Mm. berechnen, wogegen Welcker’s Weiberschädel (125 Mm. und 127 Mm.) weit hinter diesen An-
gaben Zurückbleiben, sowie auch die Weiherschädel der Engländer (124 Mm.), Iren (121 Mra.), Holländer
(129 Mm.), Alt- Körner, Alt-Dänen und Angelsachsen (127 Mm-). Unsere Weiberschädel gleichen hierin den
Weihern des Siontypus und der Reihengräber von Ecker (131 Mm.) und nahezu auch jenen der Alt- Briten
(132 Mm.). Nur bei den Schwaben und heim Disentistypus (133 Mm.) findet Bich eine grössere Scheitelbreite.
Sowie das weibliche Geschlecht nicht bei allen Völkern vom männlichen durch breitere Schädel unter-
schieden ist, liegen auch dessen Scheitelhöcker (verhältnissmässig zur Länge dos Schädels) nicht immer weiter
auseinander, wie die folgende Aufzählung darthut:
Neger £ 637 9 G3S B. Davis
IIohbergtypuR 645 „ 661 His
Engländer ........ 678 „ 700 B. Davis
Reihengräber 684 „ 708 Ecker
Angelsachsen „ 702 „ 704 B. Davis
Chinesen 705 »,711 „
Siontypus 705 711 His
Alt-Diinen „ 708 „ 714 B. Davis
Marquesaner 716 „ 738 „
Alt-Briten 726 „ 732 „
Kanafcas 745 „ 758 „
Deutsche . „ 779 „ 783 Ecker
Disentistypus ......<*> 808 9 796 II i s
Deutsche 750 „ 721 Welcker
Holländer 733 „ 728 B. Davis
Alt-Römer 716 n 714 „
Hindu „ 708 „ 662 „
Irländer 678 „ 672 „
Zwischen Scheitci- und Schädelbreite scheint demnach insofern ein Zusammenhang ersichtlich zu sein,
als jene Weiberschädel, welche im Ganzen relativ breiter als die männlichen sind, auch eine relativ grössere
Scheitelbreite und umgekehrt besitzen; nur die Engländer, Irländer, Eckor’s Deutsche und tlcr Disentis-
typus machen hiervon nach beiden entgegengesetzten Richtungen eine Ausnahme.
Ausser den Weibcrschädeln des Disentistypus und der Süddeutschen haben die unsrigen in dieser ganzen
Reihe den relativ grössten Scheitelhöckerahstand, ähnlich wie auch die grösste Breite.
Der Bogen zwischen den Scheitelhöckem erreicht die mittlere Länge von 157 Mm., ist sogar etwas län-
ger als beim Manne (1545 Mm.) und länger als der horizontale Stirnbogen, welcher dagegen am männlichen
Schädel (163 Mm.) jenen übertrifft und besitzt ©ine Krümmung, welche nach dem Verhältnisse (Sehne : Bogen)
= 1 : 1,198 statttindet; seine Krümmung am männlichen Schädel ist nach einer etwa« kleineren Verhültniss-
?ahl (1,190) zu berechnen, die Scheitclwölbung des weiblichen Schädels daher, im Einklänge mit der Quer-
wölhnng des ganzen Sohädels und der Scheitelbeine, etwas stärker.
Zwischen Scheitelhöcker und Spitze des Warzen fortsatzes ist am Weiberschädel ein Abstand von 98 Mm.»
Digitized by Google
72
A. Weisbach,
welcher, wie meistens, beim Weibe (von 90 bis 110 Mm.. 20,4 Froc.) weniger als beim Manne (93 bis 115,
21,1 Proc.) schwankt; diese Scheitelhöckerhöhe verhalt sich zu jener des Mannes (104 Mm.) = 942:
1000. The Scheitelhücker liegen am Weibersehädel, entsprechend seiner geringeren Höhe auch relativ tiefer
unten als um männlichen und /war dies sowohl im Vergleiche zur Hohe (1000 : 784 9 787 <$ J , als auch zur
Lange des Schädels (1000 : ÖU9 9 577 <$). Beim Manne fanden wir die Scheitelhöckerhühe der Scheitelbein’
breite gleich, beim Weibe aber ist jene kleiner als diese.
Die Länge des Scheitels, zwischen Stirn- und Scheitelhöcker derselben Seite (Welcker'« Linie //>),
welche 107 Mm. im Durchschnitte, 91 im Minimum und 1*29 Mm. im Maximum erreicht, gleicht der Länge
des Vorderhauptes und ist beim Weibe viel veränderlicher (35,5 Proc.) als beim Manne il8/j ProcJ. Sowie der
Weibersehädel überhaupt kürzer ist, zeigt sich auch sein Scheitel relativ zur Länge des Schädel» \1000 :
622 9 627 $) kürzer als beim Manne.
Welcker hat gleichfalls die beiden letzten Linien (/p und pm) gemessen, die Höhe der Scheitelhöcker
mit 101 Mm. und die Lunge des Scheitels mit 113 Mm. sogar lunger als bei »einen MünnerBchädeln
(112 Mm.) gefunden. Der Bogen zwischen Stirn* und Scheitelhöcker derselben Seite ist durchschnittlich
111 Mm. lang und nach dem Verhältnis»«* von 1 : 1,037, also flacher gekrümmt als beim Manne (1,0.72), was
mit dem gleichen Verhalten der Längswölbung des ganzen Schädeldaches, der sagittalen Scheitel* und der
horizontalen Stimwülbung übereinstimmt.
ln der diagonalen Richtung misst der Scheitel des Weiberschädels zwischen Stirn* und Seitenwandböcker
der entgegengesetzten Seiten 138 Min., wechselt zwischen 126 und 159 Mm., sowie die Scheitellunge, viel*
mehr (23,9 Proc.) als am Mannerschädel (14.5 Proc.) und steht zu dessen Scheitcldiago nale im gleichen
Verhältnisse (1000 : 958) wie die grösste Breite; im Verhältnisse zur Länge des Schädels int die Scheitcldiago*
nale des Weibes (1000 : 802) selbst noch sehr wenig länger als jene des Mannes (800). Die Scheiteldiagonale
des männlichen Schädels (14! Mm) kömmt dessen Breite |146 Mm) sehr nahe, wogegen jene de» weiblichen
sich mehr von dessen grösster Breite (142 Grm.) entfernt.
Der diagonale Scheitelbogen zwischen denselben Paukten misst 157 Mm. und übertrifl'l den horizontalen
Stirnbogen (154 Mm.) um genau so viel wie beim Manne (166 Min., dieser 163 Mm.); da er sich vom mann*
liehen (1000 : 915) mehr als seine Sehne (1000 ; 958) entfernt, wird die Wölbung des Weibersehädel* in dieser
Richtung eine andere sein müssen; an ihm ist nämlich der diagonale Scheitelbogen nach dem Verhältnisse
von 1 : 1,137, beim Manne nach jenem von 1 : 1,150 gekrümmt, der Scheitel des Weibes daher sowie in sa-
gittnler auch in diagonaler Richtung flacher gewölbt als beim Manne.
Aus den gegenseitigen Abständen der Stirn* und Schcitelhöcker lässt sich ein Trapez zusammensetzen,
welches von Welcker oberes Schädel-, kürzer und bezeichnender vielleicht Scheitel Viereck genannt wird.
Dasselbe ist beim Weibe wie der ganze Schädel kleiner, — die Summe aller vier Suiten betragt nämlich beim
Manne *14, beim Weibe nur 390 Mm., — aber zugleich auch etwas anders gestaltet als beim Manne, mit
welchem es wohl den Scheit elhöckcrabstand gemeinsam hat, während alle übrigen Seiten desselben kleiner
sind. Der Hauptunterschied in der Gestalt des Scheitclvicrecks beider Geschlechter besteht nun darin, dass
das weibliche kürzer und ausserdem noch an seiner Stirnseite relativ schmäler, also von den Scheitel- gegen
die Stirnhöcker hin mehr verschmälert ist als das männliche: dies wird ersichtlich au» dem gegenseitigen
Verhalten des Scheitel- und Stirnhückerabstandes (1000 : 419 9 435 $).
Werden die Winkel dieses Viereckes berechnet, so zeigt sich, dass dessen an den Slirnhöckcrn liegende
beim Weibe (110®) grösser, dagegen die an den bcheitelhnckern liegenden (69®) kleiner als beim Manne (106°
die ersteren, 73" die letzteren) sind und zwischen beiden Winkeln nach den entgegengesetzten Richtungen
dieselbe Differenz (4®) zwischen den beiden Geschlechtern obwaltet. Dies stimmt geuau mit der hervorgeho-
benen Gestalt dieses Viereckes überein.
Dieser Befund ist von grosser Wichtigkeit für die Gestalt des Schädels; früher wurde nämlich bewiesen,
das» der weibliche Schädel im Ganzen kürzer und breiter, dass aber auch seine vor der grössten Breite gele-
genen Querdurchmesser, die Vorderhaupts- und Stirnbreite, relativ kleiner als beim Manne sind; aus allem
diesen ergibt sich nun, dass der Weibersehädel vom Mittelhaupte gegen die Stirn hin in einem
höheren Grade sich verschmälert, eine nach vorn zugespitztere zugleich aber doch brei-
tere Eiform als der männliche besitzt.
Die Länge der Keilschläfenfläche — Zirkelabstand zwischen dem Vereinigungspunkte der Keilbein-
flügel- und Stirnjochbein naht und dem Winkel zwischen Schläfenschuppen- und Warzennaht — erreicht beim
Weibe innerhalb der Extreme von 75 und IM) die durchschnittliche Grösse von 84 Mm.; sie ist in den ein-
zelnen Fällen weniger (17,8 Proc.) als beim Manne (22,7 Proc) veränderlich, wohl um 4 Mm. kleiner als am
männlichen Schädel (88 Mm.), trotzdem aber bei beiden Geschlechtern im Verhältnisse zur Länge des Schä-
dels (1000 : 488) ganz gleich, während doch zu erwarten stand, dass die Längenausdehnung der Ansatzstelle
des Schläfenmuskols beim Weibe relativ geringer wäre.
Die Schl&fenschuppe hat eine Höhe von 41 Mm. (in der Gegend des pur. acust. ext.), ist um 3 Mm.
Digitized by Google
Der deutsche Weiberschädel.
73
niedriger als beim Manne {44 Mm.) und bleibt dies auch im Vergleiche zar Höhe (1000 : 828 330 $) oder
zur Länge des Schädels (1000 : 238 $ 244 <*>), steht also in vollkommener Uebereiustimmnng mit der min-
deren Höhenentwickelung des ganzen weiblichen Schädels. In den einzelnen Fällen verändert sich die Höhe
der Schläfeiischnppe (um 34,1 Proc), ganz wie die Höhe des Schädels, weniger als beim Manne |38,8 Proc.).
Her Vereinigungspan kt der Kranz- mit der Keilflügelnaht ist vom Zusammenflüsse der Warzen- und
Lambdsnaht im Mittel 95 Mm. entfernt, schwankt jedoch an den einzelnen Sohädeln (von 89 bis 103 Mm.,
14,7 Proc.), entgegen den meisten übrigen Maaasen, mehr als beim Manne (11,2 Proc.); diese Lange der
seitlichen Wand des Schädeldaches steht zu der des Schädels im Verhältnisse = 552 : 1000, ist daher
grösser als am männlichen Schädel (544). — Zu dieser Linie gehört ein Bogen von 101 Mm. Länge, welcher
eine Krümmung nach dem Verhältnisse von 1 : 1,063, am Männerschädel eine solche von 1 : 1,056 besitzt, so
dass also die Schläfen gegend des Weiberschädels in horizontaler Richtung, entgegen der seit-
lichen und sagittalen Scheitelwölbung, etwas stärker gewölbt erscheint
Das Mittelhaupt des Weibes besitzt daher, abgesehen davon, dass die in ihm enthaltene grösste
Breite de« Schädels relativ grösser ist, die folgenden Eigentümlichkeiten gegenüber dem männlichen:
Es ist kürzer und niedriger, längs der Pfeilnaht flacher gewölbt, hat bei gleicher Länge
der Keilschläfenfläche eine längere Seitenwand mit stärkerer horizontalen Schläfenwölbung;
breitere und in querer Richtung stärker gewölbte Scheitelbeine mit weiter auseinander, aber
tiefer unten liegenden Höckern. Der ganze Scheitel ist, mit Ausnahme der zwischen den
Scheitelhöokern gelegenen, etwas stärker gewölbten Partie, flacher gewölbt, verhältniss-
rnässig breiter und kürzer und nach vorn hin mehr verschmächtigt; die Schläfenschuppe
niedriger.
Das Mittelhaupt bietet demnach in seinen Geschlechtseigenthümlichkeiten, ausser der gleich sich gestal-
tenden, geringeren Höhe, dem Vorderhaupte gerade entgegengesetzte Unterschiede dar.
Rednciren wir alle das Mittelhaupt betreffenden Maasne auf dieselben des männlichen Schädels, so ergiebt
sich, dass der Weiberschädel jenen im Scheitelbogen übertrifft, im Scbeitclhöckorahstande gleicht, unter den
übrigen Maaasen sich mit der Scheitelbeinbreite, deren Qoerbogen und dem horizontalen Schläfenbogen
sammt Sehne jenem mehr annähert, als mit den anderen, und sich in seinem sagittalen und seitlichen Scheitel-
bogen neben der Hoho der Schläfenschuppe am meisten von ihm entfernt, im Allgemeinen jedoch mit dem
ganzen Mittelhaupte dem Männerschädel viel näher als das Vorderhaupt steht
In Betreff der individuellen Veränderlichkeit der einzelnen Durchmesser finden wir dieselbe bald grösser
(Länge des Mittelhauptes, Scheitelhöckerabstand, Stirnscheitelhöckerabstand), bald kleiner als am männlichen
Schädel.
3. Hinterhaupt
An den einzelnen Schädeln bat die Hinterhanptsschuppe zwischen Lambdawinkel und der Mitte des
hinteren Randes des For. occ. magnom eine Länge, welche von 83 bis 100 Mm., um 18,8 Proc,, viel weniger
schwankt als beim Manne (85 bis 112 Mm., 28,7 Proc.) und im Mittel 90 Mm., dieselbe Zahl wie die Stirn-
breite erreicht; sie nähert sich jener des Mannes (94 Mm.) fast so weit an (1000 : 957), wie die Lunge des
Vorderhauptes (955), ist jedoch nach dem Verhältnisse zur Länge des Schädels (1000 : 523) noch
etwas grösser als beim Manne (522), wogegen das Vorderhaupt ebenso lang, das Mittelhaupt aber kürzer
sich gezeigt hat. Die Hinterhauptsachuppe ist bedeutend kürzer (um 16 und 17 Mm ) als das Mittet- und
Vorderhaupt, welcher Unterschied am männlichen Schädel (18 Mm.) noch etwas grösser wird. Der sagittale
Hinterhauptsbogen, dessen Länge (109 Mm.) jener des Männerschüdcls (117 Mm ) viel weniger nahe kömmt
(1000 : 931) als seine Sehne, ist viel kürzer als der sagittale Stirn- und Scheitelbogen und besitzt eine Krüm-
mung, welche nach dem Verhältnisse von 1 : 1,211 stattfindet, so das« das weibliche Hinterhaupt in der sagit-
talen Richtung beträchtlich flacher als das männliche (1,214), zugleich auch viel stärker als das Mittel- und
Vorderhaupt gewölbt ist. Hierin stimmt es mit dem Mittelhaupte im Gegensätze zum Vorderhaupte überein.
In der Länge dieses Rogens stimmen unsere Weiber mit den schwäbischen nach Ecker, den Hindu-
weibern von Davis und nahezu auch mit den Discntisweihem (110 Mm.) überein; dagegen haben die Weiber*
schädel des Siontypus (119 Mm.), der Reihengräber, der Altbriten, Angelsachsen, Holländer, Marquceaner
(118 Mm.), der Engländer, Iren (114 Mm.), des Hohbergtypus (112 Mm.), der Altrömer, Chinesen, Neger und
Kanakas (111 Mm.) einen mehr oder weniger längeren sagittalen Hinterhaupts bogen.
Die Hinterhauptsschuppe zerfällt in zwei, durch die obere Muakelleiste mit der Tuberositas occ. ext. von
einander getrennte Theile, den oberen, welcher noch zum Schädeldache zu rechnen ist und den HinterhaupU-
lappen de« Grosshirns bedecken hilft und den unteren, welcher der Grundfläche des Schädels angehört und
das kleine Gehirn einschlieest; jenen nennt man Interparietalbein, wenngleich nur in sehr seltenen Fällen}
Archiv für Anthropologie. IM. III. Heft IL 10
Digitized by Google
74
A. Weisbach
wenigstens bei unseren Racen, eine Naht dasselbe vom übrigen Hinterhaupte abtrennt, diesen Receptaculum
ccrebelli. Wir wollen nun beide gesondert betrachten.
Der Interparietaltheil (mit Zirkel biB zur Basis der Tub. ext-) hat die Länge von 57 Mm., zeigt aber
unter allen bisherigen die grösste individuelle Verinderlicbkeit, indem er innerhalb der Grenzwerthe von 46
und 74 Mm., im Ganzen um 49,1 Proc. und zwar noch mehr als der ähnlich sich verhaltende des Männer-
schädels (44,4 Proc.) schwankt. Da er sich zur Länge des Schädels = 331 , zu jener der Hinterhauptsschuppe
= 689 : 1000 verhält, ist ur in jeder Beziehung kürzer als beim Manne (350 und 670).
Ganz im Widerspruche damit finden wir die Länge des Receptaculum, welche mit 47 Mm. im
Mittel jener des ManneB genau gleicht und noch mehr individuellen, aber in beiden Geschlechtern gleichen
Schwankungen (51 Proc.) unterliegt, verhältnissmässig durchaus grösser als am männlichen Schä-
del; denn beim Manne steht die Länge des Schädels und des Hinterhauptbeines zu jener des Receptaculum
im Verhältnisse von 1000 : 261 : 500, beim Weibe in dem von 1000 : 273 : 522. Das weibliche Hinterhaupt
ist daher ausser durch seine längere Schuppo auch durch ein kürzeres Interparietalbein und ein längeres Re-
ceptaculum vor dem männlichen ausgezeichnet.
Das Hinterhaupt hat zwischen den Vereinigungspunkten der Lambda- und Warzennaht eine durch-
schnittliche Breite von 107, einzelweise von 100 bis 118 Mm., ist ebenso breit wie das Vordcrhaupt lang
und minder veränderlich (16,8 Proc.) als beim Manne (18,7 Proc.l und die Längen des Hinterhauptes und
seiner Abtheilungen. Obwohl die Hinterhauptsbreite des Weibes jener des Mannes (112 Mm.) an absoluter
Grösse nachsteht, ist sie doch im Verhältnisse zur Länge des Schädels (1000 : 622) bei beiden Geschlechtern
gleich gross und nur rücksichtlich der Breite des Schädels beim Weibe (1000 : 753) kleiner als
beim Manne (764).
Barnard Davis giebt die Hinterhauptsbreite bei den Weibern der Holländer (111 Mm.), Alt-Briten,
Alt-Dänen, Alt-Römern, Angelsachsen und Engländern (109 Mm./ grosser, bei den Iren und Negern (106 Mm.)
fast ebenso gross und nur bei den Weibern der Chinesen, Marquesaner, Kanakas (101 Mm.) und Hindu
(99 Mm.) kleiner als bei den unsrigen an; von diesen Völkern stimmen darin, dass die Hinterhauptsbreite
relativ zur grössten Breite des Schädels beim weiblichen Geschlecht« geringer als beim männlichen ist, die
meisten (Alt-Briten, Alt-Dänen, Angelsachsen, Iren, Chinesen, Marquesaner und Kanakas) mit den unsrigen
überein.
Der Bogen, welcher der Hinterhauptsbreite entspricht, nämlich der quere Hinterhauptsbogen
(134 Mm.), immer gleich oberhalb der Tub. occ. ext. genommen, ist dem angittalen weit überlegen und zwar
mehr als am Männer>chiidel, dessen querem Hinterhauptslwgen (139 Mm.) er sich viel mehr (1000 : 964) ata
dieser annähert. Dies lässt schon vermuthen, dass er am Weiberschädel eine stärkere Krümmung besitzt, wie
es auch das Verhältnis» zwischen Sehne und Bogen (1 : 1,262 1,238 $) beweist, demnach das weibliche
Hinterhaupt wohl in sagittaler Richtung flacher, in querer jedoch stärker als das männliche
gewölbt ist.
Die Höhe des Hinterhauptes — von der Mitte des vorderen Randes des For. occ. magnum zur Ver-
einigungsstelle der Pfeil- und Lambdanaht — betrügt durchschnittlich 106 Mm., ist fast ebenso veränderlich
(97 bis 115 Mm., 16,6 Proc.) wie die Hinterhauptsbreite und mit dieser und der Länge des Hinterhauptes
weniger veränderlich ata am Männerschädel (von 100 bis 129 Mm., 25,8 Proc.). Der Hinterhauptshöho des
Mannes (112 Mm.) nähert sie sich (1000 : 964) übrigens mehr als die eben genannten Maaase an, weshalb
auch das weibliche Hinterhaupt im Verhältnisse zur Länge (1000 : 627) und zur Höhe des Schä-
dels (1000 : 884) höher erscheint als das männliche (1000 : 622 : 842, Dadurch steht es zu den beiden
anderen Abtheilungen des Schädels, welche eine geringere Höhenentwickelung dem Manne gegenüber auf-
weisen, im vollkommenen Gegensätze.
Die Hinterhauptsdiagonalc — vom Scheitel höcker der einen zum Vereinigungspunkte zwischen
Lambda- und Warzennaht der entgegengesetzten Seite — misst im Durchschnitt 138 Mm., genau so viel wie
die Scheiteldiagonale, bleibt hinter jener des Männerscbädels (141 Mm.) nur um 3 Mm. zurück und ist, ähn-
lich der Mehrzahl der Hinterhauptsmaasse am Weiberschädel (131 bis 148 Mm., 12,3 Proc.) weniger veränder-
lich ata am männlichen (14,1 Proc.). Trotz der geringen Höhe des Weiberschudels ist sein ganzes
Hinterhaupt in diagonaler Richtung, ähnlich wie der Scheitel mehr entwickelt, als beim
Manne, wir mögen die Hinterhauptsdiagonale im Verhältnisse zur Länge. Breite oder Höhe des Schädels
(802 : 971 : 1104 : 1000 beim $, 783 : 965 : 1060 : 1000 beim $) betrachten.
Der diese Sehne begleitende diagonale Hinterhauptsbogen hat sogar eine etwas grössere Länge
(185 Mm.), als beim Manne (184 Mm.); nehmen wir dazu seine Sehne in Betracht, welche sich zu ihm =
1 : 1,340 verhält, so leuchtet ein, dass das Hinterhaupt des Weihes ähnlich wie in querer auch in
diagonaler Richtung eine bedeutend stärkere Wölbung als das männliche (1,303) besitzt, also
dem flacheren Scheitel entgegengesetzt gestaltet ist. Die schräge Hinterhauptswolbung übertrifft
Digilized by Google
Der deutsche Weibersehadel. 75
An Starke die quere, beide die sagittale, während heim Manne wohl auch die entere die stärkste, die qnere
Hinterhauritawölbung jedoch die flachste ist.
Die Spitzen der Warzenfortsatze fassen einen Ahstand zwischen sich, der im Mittel 97 Mm. erreicht
(bei Welcher an 43 $ Schädeln 98 Mm.), an den einzelnen Schädeln von UO bis 106 Mm., nämlich um
18,5 Proc., viel weniger veränderlich ist, als am Männerschädel (23 Proc.), dessen Warzenabstand (104 Mm.)
jenen um 7 Mm. übertrift't. Da wir denselben am Weiberschädel sowohl im Vergleiche zur Länge (1000 :
563), als auch zur Breite des Schädels (1000 : 683) kleiner als beim Manne (1000 : 577 : 712) finden, muss der
Weiberschädel ganz im Einklang« mit seiner schmäleren Basis auch näher beisammen liegende Warzen-
fortsätz« besitzen, also gegen seine Basis herab, ähnlich wie gegen die Stirn hin, viel mehr als der männliche
verschmälert sein, sich dem kindlichen Typus mehr annähern.
Das durch die gegenseitigen Abstande der Scheitelhöcker und Warzenspitzen gebildete Hinterhaupts*
viereck hat einen Umfang von 424 Mm., ist um 5 Mm. umfangBreicher ata das Scheitelviereck (beim Manne
um 8 Mm.), mit welchem es gegenüber dem männlichen das Gemeinsame hat, dass cs beim Weibe ebenfalls
nach der den Scheitelhöckern gegenüberliegenden Seite, nach abwärt« mehr verschmächtigt zuläuft und zu-
gleich niedriger tat. Beim Manne fanden wir ausser dem Scheitelhöckerabstande die drei übrigen Seiten des
Hinterhaupts Viereckes untereinander gleich; beim Weibe aber sind dessen seitliche Begrenzungslinien (j>m),
wenngleich nur sehr wenig, grosser ata die Basis.
Aehnlich wie beim Scheitel- gestalten sich auch beim Hinterhauptsvicreck die Winkel, welche nämlich
an dessen schmalerer Seite (an den Warzonspitzen) nach Berechnung heim Weibe (100°) grösser ata beim
Manne (97°), dagegen an dessen breiterer Seite (an den Scheitelhöckern) beim Weibe (79°) kleiner ata beim
Manne (82°) sich ergeben. Auch hier findet sich zwischen den gleichgelegenen Winkeln immer dieselbe Dif-
ferenz (3°), welche nur hinter jener der Winkel des Scheitclviereekce (4°) otwaa zurückbleibt. Beide Vierecke
stimmen atao darin überein, dass ihre an den Scheitelhöckern gelegenen Winkel beim Weibe kleiner, dagegen
die an den Stirnfiöckern und Warzenspitzen befindlichen grösser als beim Manne Bind.
Das Hinterhaupt des Weibe« unterscheidet sich demnach von dem des Mannes durch
eine (relativ) etwas längere Schuppe, die au«* einem kürzeren Interparietaltheile und einem
längeren Receptaculum cerebelli zusammengesetzt wird, durch seine relativ zur Schädel-
breite geringere Breite, durch grössere Höhe, bedeutendere Entwickelung in der Diagonale
und durch stärkere Verschmälerung nach abwärts. Seine Wölbungen bieten von jenen dos
männlichen Hinterhauptes das Unterscheidende dar, dass die sagittale Richtung durch eine
flachere, die quere aber, sowohl wie die diagonale durch stärkere Krümmung ausgezeich-
net sind.
Das Hinterhaupt stimmt also in seinen Geschlechtsunterschieden weder mit dem Vorder- noch mit dem
Mittelhaupte überein, im Gegentheile steht cs zu diesen beiden Abtheilungen, besonders aber zum Vorder-
haupte fast durchaus in vollem Gegensätze. Im Allgemeinen löast sich behaupten, dass der Weiberschädel
ein kleineres (schmäleres, niedrigeres) Vorder-, dagegen ein grösseres (längeres und höhere«) Hinterhaupt und
ein Mittelhaupt besitzt, welches wohl viel breiter ata das männliche, dafür aber viel kürzer uud niedriger
tat. Die Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern scheinen (nach den Verhältntaszahlen zur Schädellänge.l
am Mittel- und Vorderhaupte viel grosser ata nin Hinterhaupte zu sein.
Die individuelle Veränderlichkeit der einzelnen Durchmesser des weiblichen Hinterhauptes tat mit Aus-
nahme der Länge des ZwiEchenscheitelbeins und des Receptaculum immer geringer als beim Manne, im All-
gemeinen aber grösser ata am Vorder- uud Mittelhaupte; am wenigsten variirt, sowie am Männerschädel, die
Hinterhauptsdiagonale (12,3 Proc.), am meisten das Receptaculum (51 Proc.). Wenn man dasselbe Maass des
Mäonerschädeta immer = 1000 setzt, «o ergiebt sich, dass die Länge des Receptaculum beim Weibe jener
des Mannes «ich ganz annähert, während die des ZwischenscheitelbeineB am meisten sich davon entfernt.
4. Schädelbasis.
Die Basis des Weiheracbädeta (Linie nb Welcher 's) zeigt die durchschnittliche Länge von 93 Mm.,
welche an den einzelnen Schädeln viel weniger schwankt (am 17,1 Proc., 87 bis 103 Mm.), ata beim Manne
(86 bis 110 Mm., 24,4 Proc.), hinter dessen Basis (98 Mm.) sie um 5 Mm. zurückbleibt; auch nach dem
Verhältnisse zwischen Länge des Schädels und seiner Basis bat der Weiberschädel (1000 : 540) eine etwa«
kürzere Basis als der männliche (544). Welcher fand bei seinen 30 Weiberschädeln dieselbe absolute Länge
der Schädelbasis.
So wichtig die Schädelbasis auch ist, scheint es doch, dass sie nicht ata der geeignetste Ausgangspunkt
zur Vergleichung mit den übrigen Schädelmaassen benutzt werden kann; denn die Form des Schädels, wie
sie Jedem in« Auge fallt, wird immer nur durch die drei Hauptdurchmesser, die Länge, Breite und Höhe be.
stimmt werden müssen. Die Endpunkte der Schädelbasis behufs Aufnahmen der Seitenansicht in die Hori-
10*
Digitized by Google
76
A. Weisbach
zontale za bringen, wodurch das Gesicht nach vom und unten gerichtet werden musst ist, wenn nicht höchst
unzweckmässig, doch gewiss sehr unnatürlich und gezwungen.
Der Grundtheil des Hinterhauptbeines, jedoch, um fixe Marken zu erhalten, bis zum hinteren
Ende des Pflngscharbeines vom vorderen Rande des Kor. occ. xnagn. gemessen , welcher also noch den frei-
liegenden Theil des Keilboi nkörpers in sich begreift, misst beim Weibe im Mittel 27 Mm., ist jedoch an den
einzelnen Schädeln in hohem Grade veränderlich (29,6 Proc., von 25 bi« 33 Mm..), wenn er auch nicht die
noch viel grössere Veränderlichkeit desselben am Mäunenschädel (21 bis 35 Mtu., 50 Proc.) erreicht. Beide
Geschlechter differiten in der absoluten Länge dieses Knochentheiles (28 Mm. $) nur sehr weuig; blos im
Vergleiche zur Länge der Schädelbasis bat das Weib einen längeren Grundtheil (1000 : 200), als der Mann
(285), was nicht so deutlich aus dessen Verhältnis* zur Schädellänge (100) : 150 $ 155 $) hervortritt. Beim
Weibe muss daher für die eigentliche Gesichtsbasis, von der Nasenwurzel zur Ansatzatellc des Pflugschar-
beines am Keilbeinkörper, eine kürzere Längenausdehnung als beim Manne übrig bleiben.
Das Foramen occip. magn. hat eine Länge von 34 Mm., welche jener des Mannes (36 Mm.) um
2 Mm. nachsteht und auch rücksichtlich der Schädellänge (1000 : 107) etwa« kleiner als bei diesem (200) ist.
Die Breite deeseiben beträgt durchschnittlich 28 Mm., bleibt hinter seiner Länge so viel wie beim Manne
(6 Mm.) zurück, und zeigt eich nach dem Verhältnisse zur Schädellänge 1 1000 : 162) kleiner als beim Manne
(166), weshalb der Weiberschädel ein im Ganzen kleineres iiinterbauptsloch besitzen muss. Ausserdem unter-
scheiden sich aber beide Geschlechter noch dadurch, dass das For. occ. magn. des weiblichen länger und
schmäler, das des männlichen mehr rundlich ist, wie aus dem Verhalten zwischen dessen Länge und Breite
(1000 : 823 $ 833 $) hervorgeht. Zwischen der Gestalt des Schädels nnd jener des Hinterhanptsloches
scheint also, wenigstens bei den beiden Geschlechtern unserer Deutschen, kein bestimmter Zusammenhang tu
bestehen, indem gerade der schmälere und längere Männerschädel ein rundlicheres, der breitere und kürzere
Weiberschädel aber ein mehr längliches For. occ. hat. — Die beiden Durchmesser variiren an den einzelnen
Schädeln verhält nies massig sehr bedeutend, die Länge um 23,5, die Breite um 25 Proc., aber doch noch we-
niger als bei den Männern (33,3 und 36,6 Proc.)1).
Die Weiberschädel des Diaentistypua haben mit den unserigen dieselbe Länge des Hinterhauptsloches
gemeinsam, jene des Siontypus aber eine ansehnlich grössere (37 Mm.), welche selbst noch die unserer Män-
ner übertrifft.
Der gegenseitige Abstand der Foramina stylomastoidea (78 Mm.) ist um 7 Mm. kleiner als beim
Manne (65 Mm.) und bleibt dies aueb entsprechend der schmäleren Basis im Verhältnisse zur grössten Breite
des Schädels (1000 : 549 $ 582 $); dagegen liegen die Foram. ovalia (45 Mm.) nur sehr wenig näher bei-
sammen als beim Manne (46 Mm.), daher im Vergleiche zur Breite des Schädels (1000 : 316 $ 315 $) selbst
noch etwas weiter auseinander. Zu bemerken ist, dass der Abstand der For. stylom. bei den Weibern mehr
(21,7 Proc., 69 bis 86 Mm.), jener der ovalia aber weniger (22,2 Proc., 40 bis 50 Mm.) als bei den Männern
(17,6 Proc. und 28,9 Proc.) schwankt.
An der relativ kürzeren Schädelbasis des Weibes finden wir also ein längeres Grund-
stück, ein kleineres, weniger rundliches Hintorhauptsloch, näher beisammen liegende Fo-
ram. stylomastoidea und weiter von einander abstehende For. ovalia als beim Masse.
Die besprochenen Maas»« der »Schädelbasis variiren am Weiberschädel ähnlich wie am Hinterhaupte fast
immer weniger als am Männerschädel.
B. Gesichtsschädel.
Die Höhe des weiblichen Gesichtes — von der Nasenwurzel zum Alveolarrande des Oberkiefers zwischen
den inneren Schneidezähnen — misst durchschnittlich 64 Mm., an den einzelnen Schädeln zwischen 57 und
73 Mm., innerhalb welcher Extreme ihre Veränderlichkeit (25 Proc.) wohl eine «ehr beträchtliche, aber nicht
eine so bedeutende wie bei den Männern (32,3 Proc.) ist, vou deren mittlerer Gesichtshöhe (71 Mm.) sie um
7 Mm. (1000 : 901) absteht. Betrachten wir dieselbe ira Verhältnisse zur Schüdolhöhe, so sehen wir, dass das
weibliche Gesicht (1000 : 512) viel niedriger als das männliche (533) ist, welches gleiche Ergebnis« wir auch
bei Iiücksichtsnahme auf die Länge des Schädels (1000 : 372 $ 394 $) erhalten, und dass Gehirn- und
Gesichteschädcl in ihrer Höhenentwickelung nahezu parallel laufen. Aeby findet den weiblichen Gesichts-
schädel im Verhältnisse zu seiner Grundlinie sogar höher als den des Mannes; seihst bei Reduction der
Gesichtshöhe auf die Länge der Schädelbasis bleibt bei unseren Weiberschädeln das Gesicht immer niedriger
(«ÖS : 1000) als beim Manne (724).
*) Die zwischen Nasenwurzel, Endpunkte der Pfeilnaht, Basis der Tab. occip. externa, vorderem und hin-
terem Rande des grossen Hinterhanptsloches und dem Alveolarrande dcB Oberkiefers genommenen gegensei-
tigen Abstände ermöglichen die Zeichnung eine* Profilpolygons des ganzen Schädels.
Digitized by Google
Der deutsche WeiberschädeL
77
Aehnlichor Weise gestaltet sich auch die Jochbreite, die grösste Breite des Gesichtes zwischen den
convexesten Stellen der Jochbogen, welche durchschnittlich 123 Mm., in den einzelnen Fällen 110 bis 132 Mm.
misst und gleichfalls viel weniger variabel (17,8 Proc.) als bei den Männern (21,9 Proc.) ist. Wir mögen sie
der grössten Breite (1000 : 866 $ 904 $) oder der Länge des Schädels (1ÖUÖ : 715 $ 733 $) entgegenhal-
ten, immer erscheint sie kleiner als beim Manne, besonders aber nach dem ersteren Verhältnisse. Vergleichen
wir die Jochbreito mit der Höhe des Gesichts (1000 : 520 $ 537 <$), so kommen wir zu dem Sohlusse, das»
das weibliche Gesicht, ohne Rücksicht auf den Gehirnschädel, niedriger und breiter ist als das männliche,
was ebenfalls mit der Schädelgestalt übereinstimmt.
Die eingehenden Menungen von Davis, Ecker und His ermöglichen eine Vergleichung der Jochbreite
hei den Weibern verschiedener Typen und Völker: Die schwäbischen und unsere Weiber haben eine gleich
grosse absolute Jochhreite, welche nur grösser als jene der Hindu (119 Mm.), Alt-Römer und Marquesas-
insulaner (121 Mm.), kleiner als bei den weiblichen Schädeln der Reihengräber, Angelsachsen, Alt- Dänen,
Engländer, Iren, Holländer, Chinesen (bei allen diesen 124 Mm.), des Disentistypus, der Neger und K&nakas
1127 Mm.), der Alt-Briten (129 Mm.) und besonders des Siontypus (134 Mm.) ist Wenn wir das Verhältniss
zwischen grösster Schädel- und Jochhreite (erster = 1000) hei diesen Völkern an beiden Geschlechtern ins
Auge fassen:
Schwaben ......
9
860
6
891
Engländer . . .
• • 9
905
s
916
Deutsch - Oesterreicher
„
866
u
904
Angelsachsen .
• • »
906
»>
945
Disentistypus ....
869
885
Iren
• ' H
907
„
964
Marquesaner ....
»f
888
„
963
Siontypus . . .
* ' 1J
917
»
910
Alt-Dänen .....
8!K>
»
943
Ksnakas ....
925
946
Holländer
890
929
Alt-Briten ♦ . .
927
931
Reihengräber ....
898
»
914
Chinesen . . .
* »>
942
„
946
Hindu .......
»»
903
JJ
943
Neger .....
• • n
961
»i
981
Alt-Römer .....
M
<W6
tt
912
so bemerken wir vor allen, dass unsere Weiber mit den schwäbischen und Disentisweihern in dieser Reihe
die im Vergleiche zum Gehirnschädel schmälsten Gesichter haben, in welcher Beziehung sie bedeutend von
den Holländern, Engländern, Angelsachsen und Iren abweichen, ferner aber auoh, dass das weibliche Gesicht
bei allen diesen aufgezählten Völkern und Typen schmäler als das männliche ist, wovon nur der Siontypus
eine Ausnahme zu machen scheint, dessen Weiher freilich nur durch vier Schädel vertreten sind. — Die
Weiber der vier zuerst angeführten Völker haben unter allen diesen neben dem grössten Längenbreitenindex
des Schädels die schmälsten Gesichter, ohne dass aber bei den übrigen die Breite des Gesichts mit steigender
Dolichocephalie zunähme, wie z. B. an den Hinduweibern zu sehen ist, welche wohl unter allen diesen die
schmalköphgsten sind, dennoch aber ein viel schmäleres Gesicht besitzen, als die Weiber der Neger, deren
Schädel doch unsehnlich breiter sind.
Die Jochbeine selbst haben eine Länge von 77 Mm. (vom vorderen Ende am Augenhöhlenrande bis
zur Wurzel, mit Zirkel I, wechseln an den einzelnen Schädeln zwischen 70 und 84 Mm., um 13,1 Proc., ebenso
viel wie l»eim Manne (18,5 Proc.), bei welchem sie aber im Verhältnisse znr Schädellänge (1000 : 450) etwas
länger als keim Weibe (447) sind; im Bogen messen eie zwischen denselben Punkten 83 Mm., am Männer-
schädel dagegen 92 Mm. und zeigt eich die aus dem Verhältnisse zwischen Sehne und Bogen berechnete
Krümmung der Jochbeine am Weiherschädel (1 : 1,077) merklich flacher als beim Manne (1,129), was eben
mit der geringeren Jochbreite des Weibes zusammen füllt.
Die obere Gesichtsbreite — genommen zwischen den beiderseitigen äusseren Rändern der Vereini-
gnngsstelle des Joc-hfort Satzes vom Stirn- und des Stirnfortsatzes vom Jochbeine — ist, ähnlich der Joch-
breite und Gesichtshöhe am Weibersehädel bedeutend weniger veränderlich (94 bis 106 Mm., 11,8 Proc.) als
am männlichen (96 bis 115 Mm., 18 Proc.) und trotzdem, dass etc nur 101 Mm. erreicht, doch im Verhält-
nisse zur Jochbreite (1000 : 821) grösser als beim Manne (795), so dass das Weibergesicht an den Stxrpjoch-
fortsät zen relativ breiter als da« männliche erscheint.
Ihr ähnlich verhält sich die Breite der Oberkicfor, zwischen den äusiersten Punkten der beiderseiti-
gen Jochfortsätze der Oberkiefer, welche durchschnittlich 87 Mm. misst, an deo einzelnen Schädeln mehr
variirt (74 bis 97 Mm., 26,4 Proc.), als beim Manne (25 Proc.) und rücksichilich der Jochbreite (1000 : 707 $
696 $) grösser als beim männlichen Geschlecht« ist Nur im Verhältnisse zur Länge des Schädels (1000:500$
511 erscheint sie beim Weibe kleiner, wogegen die obere Gesichtsbreite auch in dieser Beziehung (1000
: 667 $ 583 $) etwas grösser beim Weihe bleibt.
Der Abstand des Zahn fach erfortsatzes des Oberkiefers swischen den inneren Schneidezähnen von der
Mitte des vorderen Randes des Foram. occip. magnum, welcher nur der Bequemlichkeit halber Kieferlänge
benannt wurde, beträgt im Mittel 83 Mm., 1 Mm. mehr als die Oberkieferbreite, welche beim Manne jene
Digitized by Google
73
A. Weisbach
Linie (04 Mm.) am 2 Mm. übertrifft, und ist sowohl in Rücksicht auf die Länge de» Schädels (1000:946 $
959 £), als auch auf die der Schädelbasis (1000 : 511 $ 522 $) kurier, als beim Manne.
Ans den gegenseitigen Abständen der Nasenwurzel, des Zahn fiieherfortsatzes und des vorderen Randes
des Forum, oocip. magnum (aus den Linien: Schädelbasis-, Kieferlänge und Gesichtshöhe) lässt sich ein Pro-
fildreieck des Gesichtes zusara mensetzen , welches ungleichseitig und beim Weibe (Summe aller drei Sei-
ten = 245 Mm.) absolut kleiner als beim Manne (263 Mm.) ist. Dieses Dreieck dient zur Berechnung der
Stellung der Oberkiefer und zwar mittelst jenes Winkels, welchen die Gesichtshöhe mit der Oberkieferlängo
bildet, den wir Gesichtswinkel nennen wollen (nach Welcker nahezu der Winkel bxn), da er offenbar durch
»pine Zunahme Orthognathie, durch seine Abnahme Steigerung der Prognathie anzeigt. Von den zwei ande-
ren Winkeln gelte jener an der Nasenwurzel als Nasen- und der am hinteren Ende der Schädelbasis befind-
liche (annähernd nhx nach Welcker) als Basalwinkil. Diese drei Winkel betragen nun:
Gesichtswinkel $ 73° ? 76°,
Nasenwinkel 67« „ 66°,
Basalwinkel 44° „ 43°.
Dbb weibliche Gesichtsdreieck hat also nur einen uud zwar den Gesichtswinkel grösser, die beiden übrigen
aber kleiner als das männliche und ist daher offenbar durch eine mehr orthognathe Kieferstellung vor dem
des Mannes ausgezeichnet. Unser Naeenwinkel hat dieselbe Grösse, wie bet den von Welcker untersuchten
Schädeln deutscher Weiber, bei unseren Männern aber ist er grösser als nach Welcker’s Angaben, ein
Widerspruch, der sich auch auf die ganze Kicferstcllung bezieht.
Es fragt sich nun, ob dieser Gesichtswinkel zur Bestimmung der Ortho- oder Prognathie auch geeignet
sei oder nicht? Im Allgemeinen lässt sich voraussetzen , dasB, je weiter der untere Thcil der Oberkiefer vor-
springt, je mehr der Prognathismus ausgeprägt ist, Gesichtshöhe und Kieferlänge unter einem desto kleineren
Winkel aufeinander treffen, welcher um so grösser wird, je mehr sich die erstere Linie der Senkrechten und
die Kieferstellung der Orthognathie nähert. Die Grosse dieses Gesichtswinkels ist wohl auch von der Lange
der Seiten des Gesichtsdreieckes abhängig und dürfte daher nicht immer mit der Kieferstullung genau Hand
in Hand gehen; er wächst nämlich, wenn GesichtBhöhe und Kieferlänge gleich bleiben, mit Zunahme der
Länge der Schädelbasis und erfährt im Gegcntheile sowohl durch Zunahme der Gesichtshöhe, als auch der
Kieferlänge (cetcris par.) eine Abnahme. Wo daher eine kurze Schädelbasis mit oiner grossen Gesichtshöhe
und bedeutenden Kieferlänge zusammentrifft , wird vollständige Prognathie, der kleinste Gesichtswinkel zu
finden sein und umgekehrt bei langer Schädelbasis, niedrigem Gesichte und geringer Kieferlänge die voll-
kommenste Orthognathie sich einstellen. Beim deutschen Weiherschädel finden wir nun das Gesicht niedri-
ger, die Kieferlänge geringer, die Schädelbasis aber, wenn die Schädellänge = 100 gesetzt wird, ebenso lang
wie beim Manne, und eben deshalb den weiblichen Gesichtswinkel grösser.
Der Einwurf ist wohl ganz begründet, dass der angegebene Gesichtswinkel selbst bloa durch das Ver-
treten des Alveolarrandes beeinflusst, verkleinert werden muss; allein ein solches Gesicht ist eben auch prog-
nath, obgleich Bich diesfalls die Prognathie blos auf den Zahnfächerfortaatz beschränken kann, wie es über-
haupt eine durch Vortreten des ganzen Oberkiefers und eine nur durch Vortreten des Alvcolarfortsatzes er-
zeugte Prognathie Riebt.
Für die Brauchbarkeit dieses Gesichtswinkels zur Bestimmung der Kieferstellung, wozu er schon von
Swaving1) benutzt wurde, spricht die folgende aus Mittelzahlen berechnete Reihe von Gesichtswinkeln ver-
schiedener Völker*.
9 Amboinesen 70°.
16 Javanen .
15 Banjaresen l 71°,
19 Chinesen I
12 Bugis 72«,
50 Deutsche Männer 73°,
28 Nord -Italiener 75 ',
24 Deutsche Weiber 76«,
2* Czechen 77°.
Die Breite des harten Gaumens am hinteren Ende, 37 Mm. im Mittel, steht wohl jener des Mannes
(39 Mm.) etwas nach, wird aber doch im Verhältnisse zum schmäleren Gesichte heim Weibe (zur Jochbreite
*) Berste Bijdrage tot de Kennis der Schedcls van Volken in den indischen Archipel. Natuurkundig
Tijdschrift voor Nederlandsch Indie; decl XXIII, Batavia 1861.
Digitized by Google
Der deutsche Weiberschädel.
79
= 800 : 1000) entsprechend dem relativ breiteren Oberkiefer etwa» grösser als beim Manne (295). Im Ge-
gensätze zur Breite gestaltet sich die Länge des Gau men b, welche nur 44 Mm. ausmacht, blos um
7 Mm. jene übertrifll (beim MÄino um 10 Mm.) und sowohl rücksichtlich der Schädellänge (1000 : 256 $
272 $), als auch der Lunge der Schädelbasis (1000 : 473 ? 500 $) kleiner oIb beim Manne ist; daher kommt
es auch, dass der Gaumen des Weibes nach seinem LängcnbreitenverhältniBse (1000 : 840 $ 795 $) breiter
und kürzer als jener des Mannes erscheint, was im Einklänge mit der kürzeren, breiteren Schädelgestalt, mit
der etwas kürzeren Schädelbasis und der grösseren Breite der Oberkiefer des Weibes steht. Beide Dimen-
sionen des Gaumens zeigen auch in ihrer individuellen Veränderlichkeit entgegengesetztes Verhalten; die
Breite nämlich variirt weniger beim Weibe (24,3 Proc. zwischen 32 und 41 Mm.) als beim Manne (28 Proc.)
wogegen die Länge beim Weibe (40,9 Proc., 35 bis 53 Mm.) viel grösseren Schwankungen unterliegt als
beim Manne (32,6 Froc.) und überhaupt viel veränderlicher als jene ist.
Die Augenhöhlen haben die mittlere Breito von 38 Mm. (an ihrer GesichtsötTnung), welche an den
einzelnen Schädeln um 16,7 Proc. (36 bis 42 Mm.), ansehnlich weniger schwankt, als beim männlichen Ge-
schlecht« (25,6 Proc.); ihre Breite ist jener des Gaumens um 1 Mm. überlegen, beim Manne aber vollkommen
gleich (39 Mm.). Sowie der Gaumen ist auch die Orbita des Weibes im Verhältnisse zur Jochbreite (1000
: 308) breiter als jene des Mannes (295).
Die Höhe der Aogenhöhlenöffnungen haben beide Geschlechter (33 Mm.) gleich; nothwendiger Weise
muss daher die weibliche Augenhöhle im Gegensätze zu dem niedrigeren Schädel und Geeichte relativ höher
als die männliche sein, wie auch das Verhältnis« zwischen Höhe des Gesichtes und der Augenhöhlen (1000
: 515 $ 464 & ) darthut. — Die dritte Dimension der Augenhöhle, ihre Tiefe (48 Mm., vom unteren Rande
des Foram. optic. zur Mitte des unteren Orbitalrande«), geht mit den beiden anderen insofern parallel, als
auch sie beim Weibe relativ (zur Schüdellange = 279 $ 272 $ : 1000) grosser gefunden wird, so dass die
Augenhöhle im Ganzen absolut nur sehr wenig kleiner, relativ aber bedeutend grösser als beim Manne ist.
Was die Variabilität dieser drei Maaase anbelangt, so steigt dieselbe l>eim Weibe von der Breite (15,7 Proc.)
zur Höhe (24,2 Proc.) und ist bezüglich der Tiefe (25 Proc.) am grössten, beim Manne aber ist jene der Breite
(25,6 Proc.) die grösste, jene der Höhe (24,2 Proc.) und Tiefe (24,4 Proc.) steht ganz gleich; das männliche
Geschlecht variirt mehr in der Breite, das weibliche mehr in der Tiefe seiner Augenhöhlen, deren Höhe bei
beiden Geschlechtern dieselbe Veränderlichkeit besitzt.
Die Nasenwurzel ist an den Vereinigungspunkten zwischen Oberkiefer, Stirn- und Thränenbein durch-
schnittlich 21 Mm., in den einzelnen Fällen 18 bis 28 Mm. breit und wiewohl bedeutend (47,6 Proc.), doch
nicht so sehr veränderlich wie beim Manne (52,3 Proc.), dessen Nasenwurzel dieselbe absolute Breite besitzt.
Da die Breite des Gesichtes bei beiden Geschlechtern so verschieden, jene der Nasenwurzel aber gleich ist,
musB offenbar das weibliche Geschlecht eine relativ (zur Jochbreite = 1000 : 170 $ 159 £) breitere Nasen-
wurzel haben.
Die Choanen haben (in der Höhe der hinteren Ansatzstellen der Nasenmuscheln) eine Breite von
28 Mm., welche an den ciuzolnen Schädeln (zwischen 24 und 37 Mm., 46,4 Proc.) fast ebenso veränderlich
wie die Breite derNasenwurzel, viel schwankender als beim Manne (26,6 Proc.), aber im Verhältnisse zur Joch-
breite (1000 : 227), trotz der breiteren Oberkiefer, ebenso gross wie beim Manne ist Andere ihre Höhe;
diese erreicht durchschnittlich nur 23 Mm., schwankt aber noch viel mehr (62,1 Proc. von 17 bis 29 Mm.)
als die Breite und ist nach dem Verhältnisse zur Gosichtshöhe (1000 : 359) im Einklänge mit dieser geringer
als beim Manne (3G6). Nichtsdestoweniger dass die Weiber eine breitere Nasenwurzel haben, sind ihre Choa-
nen doch kleiner (niedriger) als jene des Mannes.
Zwischen den Unterkiefcrwinkeln ist das weibliche Gesicht nur 92 Mm. breit und diese untere Ge-
sichtsbreite nur halb so variabel (15,2 Proc., 86 bis 100 Mm.) als beim Manne (30,3 Proc.); entgegen der
relativ grösseren oberen Gesichtsbreite zeigt sich die untere nach dem Verhältnisse zur Jochbreitc (1000
: 747 $ 750 $) geringer als beim männlichen Geechlcchte, was so viel bedeutet, als dass das weibliche Ge-
richt unten mehr verachmächtigt ist als das männliche. Welcker findet dieses Maas« kleiner (88 Mm.).
Des Gesicht der Weiber ist daher im Ganzen absolut und relativ zum Gehirnschädel
kleiner, mehr orthognath, niedriger, zwischen den kürzeren und flacher gebogenen Joch-
beinen schmäler, von diesen nach aufwärts weniger, nach abwärts aber mehr verschmäch-
tigt, hat grössere, durch eine breitere Nasenwurzel von einander getrennte Augenhöh-
len, breitere Oberkiefer, kleinere, niedrigere Choanen und einen kürzeren, aber breiteren
Gaumen, als das Gesicht der Männer. Die individuelle Variabilität der einzelnen Durchmesser der Geeichte-
knochen ist meistentheils geringer als beim Manne, nur bei der Breite der Oberkiefer, der Gaumenlänge,
Augentiefe und Choanenbreite grösser; am meisten variirt die Höhe der Choanen (52,1 Proc.), am wenigsten
die obere Gesiohtebrcite (11,8 Proc.); an den übrigen Maassen lässt sich kein bestimmtes Schwankungsgesetz
feststellen, ausser dem schon oben besprochenen, dass nämlich die Variabilität im Gegensätze zur absoluten
Grösse der einzelnen Maassc steht.
Digitized by Google
so
A. Weisbach,
Unterkiefer.
*
Der Unterkiefer de» Weibe» hat. im Bogen zunächst des unteren Bandes von Winkel zu Winkel gerne»-
scn, eine Länge von 192 Mm., variirt an den einzelnen Schädeln (von 175 bi« 205 Mm., 15,0 Proc.) weniger
alt« beim Manne (24,8 Proc., 177 bis 230 Mm.), dessen Unterkiefer er auch an Länge nachsteht, wie das Ver-
hältnis« zum Umfange de« Schädels zeigt, welches beim Weibe 1000 : 385, heim Manne 1000 : 408 ausmacht ;
ausserdem unterscheidet sich der weibliche Unterkiefer vom männlichen auch noch dadurch, dass er, ähnlich
wie das Vorderhaupt in horizontaler Richtung, eine flachere Krümmung besitzt, indem sich seine Sehne, di«
untere Gesichtabreite, zum Bogen = 1 : 2,003 beim Weibe, = 1 : 2,151 beim Manne verhält.
Die beiden Forani. mentalia fassen einen Abstand von 43 Mm. zwischen sich, welcher wohl absolut
(um 2 Mm.) kleiner als beim Manne (45 Mm.), jedoch relativ zur unteren GesichUhreite (1000:467 $ 4.54 $)
grosser erscheint und so wie diese am Weiberschädel weniger sich ändert (um 18,6 Proc., 39 bis 47 Mm.),
als am männlichen (26.6 Proc., 39 bis 51 Mm.); das weibliche Kinn ist also relativ breiter als das des männ-
lichen Schädels.
Der Unterkieferwinkel zwischen Körper und Ast beträgt beim Weibe durchschnittlich 123°, an den
einzelnen Schädeln 115 bis 132°; er ist um 8° grosser als jener des Mannes (115°), den er nur in seinem Mi-
nimalwerthe erreicht und schwankt auch beim Weibe viel weniger (13,8 Proc. $|, als beim Manne (100 bis
137°, 32,1 Proc-). Nach Welcher*« Messungen ist der Unterschied zwischen Mann (119°) und Weib (121g)
geringer, sein Unterkieferwinkel bei den Männern gräuer, bei den Weibern aber kleiner als bei den anserigen.
Die Höhe seiner Aeste — von der tiefsten Stelle des halbmondförmigen Ausschnittes zum unteren
Rande des Unterkiefers — bleibt mit ihrem durchschnittlichen Werthe von 45 Mm. um 5 Mm. hinter jener
de« Mannes (50 Mm.) zurück und ist auch relativ geringer, mag sie mit der Höhe des Schädels (1000 : 360 $
.375 $) oder mit jener de« Gesichtes (1000 : 702 $ 704 $) verglichen werden. -- Die Breite* der Unter-
kieferäste, — gleich oberhalb der Vereinigung mit dem horizonialen Theile, — welche blos 27 Mm. erreicht,
hat mit deren Höhe das Gemeinsame, dass sie ebenfalls geringer als beim Manno (31 Mm.) ist, wenn sie
nämlich der letzteren gegenübergeetellt wird (Asthöhe : Astbreite = 1O0O : 600 $ 620 S), so dass die Unter-
kieferäste des Weibes im Ganzen kleiner, niedriger und schmäler als jene des Mannes sind. Wahrend die
Asthöhe des weiblichen Unterkiefers viel weniger (20 Proc.) als jene des männlichen (48 Proc.), ist die Ast-
breite des ersteren etwas mehr veränderlich (48,1 Proc.), als beim Manne (45,1 Proc.).
Der weibliche Unterkiefer zeichnet eich also vor dem männlichen durch seine auch
relativ geringere Grösse, durch flachere Krümmung, kleinere, niedrigere und schmälere
Aeste, dagegen aber durch ein breiteres Kinn und einen grösseren Winkel aua. Die in-
dividuelle Veränderlichkeit seiner einzelnen Abschnitte ist durchaus geringer als beim Manne, mit Ausnahme
der Breite seiner Aeste; an dieser am grössten (48,1 Proc.), bezüglich der Winkel (13,8 Proc.) am kleinsten.
Aus diesen zahlreichen Untersuchungen ergeben sich schliesslich folgende Geschlechts-
eigenthümlichkeiten des deutschen Weiberschädels:
1. Der ganze Schädel ist (absolut) kleiner und leichter, mehr in die Breite, aber we-
niger in die Höhe entwickelt, hat eine relativ schmälere Basis, in der Bagittalen
Richtung im Ganzen eine flachere, dagegen in der queren eine stärkere Wölbung
als der Männcrschädel.
2. Sein Vorderhaupt ist kleiner, wohl ebenso lang wie beim Manne, dafür aber nie-
driger und schmäler, in sagittaler Richtung viel stärker, in querer oder horizontaler
aber etwas flacher gekrümmt; seine Stirnhöcker liegen rücksichtlich der Lange
des Schädels etwas weiter auseinander, hinsichtlich seiner grösseren Breite aber
näher beisammen, im Verhältnisse zu welcher überhaupt alle Breiteninaasso des
Vorderhauptes viel kleiner als beim Manne sind.
3. Das durch seine überwiegende Breitenentwickelung die grössere Breite des ganzen
Schädels bestimmende Mittelhaupt dürfte eben deshalb, trotzdem es kürzer und
niedriger als das männliche ist, dieses an Grösse übertTeften; ausserdem hat es eine
flachere Sagittal Wölbung, breitere und in querer Richtung stärker gewölbte Schei-
telbeine, deren Tnbcra weiter auseinander, aber tiefer unten liegen und einen Schei-
Digitized by Google
Der deutsche Weiberachädel.
81
tel (den Raum zwischen Stirn- und Scheitelhöckern), welcher kürzer und breiter,
nach vorn hin mehr verschmälert und in jeder Richtung flacher, nur zwischen den
Schoitelhöckern etwas stärker gewölbt ist. Die Keilschläfenfläche gleicht jener
des Mannes, nur ist sie an der Schläfenschuppe niedriger, die seitliohe Wand aber
ist länger und in horizontaler Richtung stärker gewölbt
4. Das Hinterhaupt des weiblichen Schädels steht ganz im Gegensätze zum Vorder-
und Mittelhaupte , indem es sich durch grössere Höhen - und Längenentwickelung
bei gleicher Breite von dem männlichen unterscheidet, dieses daher an relativer
Grösse übertriflt; nur relativ zur Schädolbreite ist es ähnlich dem Vorderhaupte
schmäler. Sein Zwischenscheiteltheil ist viel kürzer, dagegen sein Kleinhimtheil
(receptaculum) viel länger als beim Manne. Seine Wölbungen, welche sich in ihrem
Verhalten mehr dem Mittel- als Vorderhaupte anscliliessen, difleriren von jenen
des Mannes dadurch, dass die sagittale flacher, die schräge und quere aber stärker
sind.
6. Die Schädelbasis des Weibes ist schmäler und kürzer, hat ein längeres Grundstück
(pars basilaris), ein kleineres, etwas schmäleres Hinterhauptslocb, näher aneinander
gerückte For. stylomastoidea, aber weiter von einander entfernte For. ovalia.
G. Das weibliche Gesicht ist im Verhältnisse zum Gehirnschädel in allen Dimensionen
kleiner als das männliche, mehr orthognath, niedriger und, entgegen dem breiteren
Gehirnschädel schmäler, nur oben breiter, unten aber enger, hat eine breitere Na-
senwurzel, weiter auseinander liegende Augen und grössere, höhere Orbitae; brei-
tere Oberkiefer mit kleineren, niedrigeren Choanen und kürzerem, aber breiterem
Gaumen; sein Unterkiefer ist ebenfalls kleiner, flacher gekrümmt, hat ein breiteres
Kinn und kleinere, niedrigere und schmälere Aesto, welche aber unter einem grös-
seren Winkel am Körper eingepflanzt sind.
Noch ist zu bemerken, dass die einzelnen Maasse des WeiberschädeLs meistens viel weni-
ger individuellen Veränderungen als beim Manne unterliegen und wie bei diesem die Varia-
bilität gewöhnlich mit der absoluten Grösse des Maasses im Widerspruche steht; ausser dem,
dass das Schädelgewicht bei beiden Geschlechtern viel mehr als sämmtliche Dimensionen al>-
ändert, finden wir beim Weibe die grösste Veränderlichkeit in der Höhe der Choanen
(52,1 Proc.), die kleinste in der Scheitelbeinbreite (11,7 Proc), beim Manne dagegen erstere an
der Nasenwurzelbreite (52,3 Proc.), letztere an der Seitenwand des Schädeldaches (11,2 Proc.).
Die Dimensionen des Gesichtes scheinen sich bei den einzelnen Individuen viel mehr als jene
des Hirnschädels zu ändern, an diesem selbst das Hinterhaupt die grösste, das Mittelhaupt
und die Schädelbasis die geringste Veränderlichkeit zu besitzen.
Beim Manne dagegen geht da3 Hinterhaupt allen übrigen Abtheilungen des Schädels an
Grösse der Veränderlichkeit voraus, erst dann folgt das Gesicht, diesem die Schädelbasis,
nachher das Mittel- und zuletzt mit der geringsten Variabilität das Vorderhaupt.
Atcfalv Dir Anthropologin. U«l. III, lieft II.
Digitized by Google
A. Weisbach,
Maasstabelle.
Ul
c
«ß
u
El
£
£
20
1218,07
420
20
1252.2S
43V
17
1837,25
.564,37
25
1172,54
«14,08
31
1.503,28
656,82
77
1271'!'
370,77
28 ,
1354,21
«14/»
66
—
430/3)
20
1302, Ni
473,53
20
1364,70
495 4«
52
1 1 81!, 32
532,76
20
1 260,28
480,4«
20
1322,87
.620,37
20
1441 ,fv3
425,46
75
1342,18
510,25
78
1150,32
633,76
88
131(5,33
672,83
71
1 1 1 5,68
851,09
28
1533,33
«50,52
20
1515,03
400,18
87
1 253, *2
142,00
71
1392,15
8(8,11
54
1445,75
507,50
29
1520,26
431,54
Nasenwurzel
•i
! §
j •**
bia Tuber,
ooo. externa
£
—
CI
2
8
Ui
; •*
Ja
»Sehne j Bogvn
1
482 167
487 162
488 1U1
490 m
491 166
499 170
499 164
195 j 171
495 176
495 j 171
406 ; 174
199 173
500 168
502 179
504 173
505 174
505 174
608 178
600 174
510 181
517 176
518 185
626 ! 18-1
| 133 122
136 123
148 118
147 120
143 126
138 119
138 131
144 122
189 126
143 123
140 122
133 133
143 122
146 130
136 130
140 124
144 125
147 1 18
147 134
138 125
135 139
152 128
140 126
146 127
110
202
m
2 SO
120
304
115
802
116
304
115
•20»
!3»
235
130 |
302
123 j
320
1U9 i
299
44 86 51
49 93
42 84
66 [ 2
72 | 816
Der deutsche WeiberschädeL
83
Deutsche Weiber.)
A
a.
3
a
*2 ~
o
>-
5
6
J I
2 S
ü
l|
fl
w -g
CO
Ohrenbreite j
Scheitelbein*
breite
Scheitel*
höoker*
abetand
L
M
3 •
£ 9
*>
'S
03
o
50
Scheitellange
Scheitel*
diagonale
ö
11
* «
S
M
Ol
M
■O
JZ
s
m
M
o
00
Seitliche
Wand de«
«Schädeldaches
Sehne
Bogen
Sehne
Bogen
Sehne
Bogen
«Sehne
Bogen
Sehne
Bogen
122
96
103
122
100
117
130
157
95
95
99
127
144
76
41
89
94
120
106
120
125
99
116
129
154
95
108
113
136
153
86
40
91
98
115
105
119
140
105
120
134
163
100
108
114
136
156
80
40
93
100
IIS
101
114
135
99
112
140
168
90
101
104
184
152
84
40
100
107
124
96
10G
132
101
117
134
167
94
108
112
141
160
84
43
93
100
119
99
113
130
99
117
129
153
97
99
103
126
138
79
45
92
97
123
105
116
128
101
115
130
164
96
103
106
134
154
88
42
95
101
120
108
120
133
100
117
126
153
93
96
101
131
152
60
44
91
96
124
109
120
132
105
121
126
151
108
101
106
135
154
82
34
92
99
121
109
118
124
106
126
137
165
92
110
115
141
157
78
38
96
100
119
106
120
127
99
112
120
144
102
106
110
134
152
86
42
98
106
131
ui
121
124
102
116
125
159
90
110
115
142
166
87
39
97
104
119
99
107
131
99
111
130
165
105
101
102
130
150
88
43
90
95
126
106
121
133
104
119
133
162
96
104
108
140
159
84
45
98
104
125
113
132
116
109
125
130
158
98
105
109
135
155
88
41
91
95
120
105
117
128
102
116
120
142
103
91
93
129
145
82
37
100
106
122
105
117
129
106
121
135
167
99
110
114
140
160
89
<1
99
109
117
105
119
131
105
127
142
16S
95
115
119
147
166
75
37
94
100
132
114
130
127
105
125
140
170
106
129
135
159
187
87
44
92
100
121
109
120
127
103
119
132
153
108
125
130
151
177
89
40
101
107
120
109
121
132
97
110
117
135
101
108
112
135
150
87
43
99
103
127
107
120
142
109
122
133
154
110
101
104
180
145
90
39
103
110
124
123
133
131
100
114
132
163
97
124
129
148
171
88
39
101
107
123
115
130
132
100
119
140
163
101
120
125
151
169
85
48
103
107
122
106
119
129
102
US
131
167
98
107
111
138
167
84
41
95
101
131
112
127
135
104
119
131
156
104
US
119
144
16«
88
44
89
104
n*
Digitized by Google
Der deutsche Weibersehadel.
85
Deutsche Weiber.)
ll
’E
i
o
Jodbbein«
OB
"o
'S »
j £
« —
N
j!
Ober-
kiefer-
Gau-
men-
Orbital-
0
»•
n 2
Z I
1 ~
'/T
Choa-
nen-
2
'» C
^ £
t ~
3
a
Sfr
S
3
3
-5
u
1
»
©
3
i*
<3 ~
Sj ©
s -S
Ast-
Ml
«
'V
c
$
E
■äs
3
&
®
CJ3
5
S
3
u
«
ai
*Q
«2
H
«
|
9
-0
»O
0
0
Ü 'S
•
9
Ä
; M
i «
liog*
Bogen
*"*
ö
m
— \
tu
72
80
97
77
87
35
40
38
33
«
18
27
26
90
lao
S9
130"
45
r”
24
.»57
117
70
88
07
84
89
33
40
88
31
48
13
27
21
91
188
12
125
48
29
814
5 8
127
77
8»
104
87
81
84
42
39
34
45
21
29
23
98
103
42
130
42
24
»13
u
110
78
85
97
82
88
26
.32
38
:.2
■IS
20
29
21
90
190
n
125
47
27
913
n
123
75
84
104
96
93
40
45
41
33
48
24
30
24
92
2«:i
47
l-’ii
50
:u
851
m
122
78
SO
90
84
102
37
53
:i!)
39
50
20
27
22
94
21»)
42
130
ii
2S
881
Ti
125
60
89
102
90
93
39
43
37
83
48
22
SO
23
09
193
42
130
50
30
811
■,2
121
74
83
104
97
86
36
47
40
37
53
28
26
23
02
190
-13
115
46
26
378
es
120
77
87
102
84
91
86
15
»8
31
50
IS
21
24
31
l$i>
42
120
47
20
812
CT,
117
7G
65
95
SO
83
:i«
38
37
32
17
21
31
28
—
—
-
—
—
832
»
12'
77
87
102
86
85
40
48
30
«
• 46
21
23
23
86
186
44
125
40
24
81»
m
120
89
105
90
86
37
41
40
36
46
21
23
21
90
186
44
120
.70
31
793
m
123
73
—
100
86
03
38
43
38
36
43
20
28
27
ui
202
47
120
45
31
826
*6
m
77
80
97
80
87
41
43
88
31
öl
19
29
22
91
193
41
129
40
23
860
«1
320
80
90
97
88
85
86
44
40
35
46
20
28
26
90
192
42
182
44
27
759
ti
125
78
85
106
03
76
40
45
42
85
45
20
37
29
95
201
42
120
48
21
809
n
124
81
94
104
89
80
39
50
40
36
47
20
31
24
94
1*1
46
130
40
27
827
□
121'
70
77
97
33
86
S6
44
3 t
49
20
20
26
03
11H
41
120
46
24
844
□
123
78
89
100
90
01
32
45
37
83
49
2t
24
17
Öl
191
ti
120
47
32
$25
70
128
79
tw
99
«c»
80
35
85
37
S2
49
20
29
23
91
175
42
i‘>
47
SO
821
m
122
87
90
106
95
in.
40
53
40
32
55
25
29
22
90
202
11
IUI
45
34
745
m
131
83
88
111
92
05
40
48
42
33
■'*
32
28
92
205
42
115
46
21
863
«
127
77
82
105
86
87
89
43
87
33
25
30
24
1Ö0
192
16
115
47
30
756
m
123
73
90
94
71
88
38
43
36
34
46
20
29
24
91
198
42
)';■)"
45
25
793
123
77
83
101
87
88
37
44
38
33
48
21 1 28 1 2$
92
192
43
123°
45
27
825
71
132
81
92
106
92
94
39
49
39
33
40
21 1 :;n
26
ns
213
45
115
50
»»
811
Digitized by Google
VI.
Ueber das Zweckmässige in der Natur.
Ein Vortrag
des
Professor Dr. H. Schaaffh ausen aus Bonn,
gehalten
in Frankfurt a. M. am 6. März 1868.
Wer kennt nicht die schöne Dichtung unseres grossen Schiller: „Die Götter Griechen-
lands“, worin er es beklagt, dass jetzt seelenlos ein Feuerball sich dreht, wo damals Helios
den goldnen Wagen lenkte, dass Einen zu bereichern unter Allen, die ganze Götterwelt
vergieng! Aber es war ein Fortschritt der menschlichen Erkenntnis», die von der Vorstellung
vieler Götter in der Natur, welche die kindliche Einbildungskraft geschaffen hatte, zu dem
Gedanken eines einzigen Gottes sich erhob. Heute könnte ein Dichter cs beklagen, dass auch
dieser eine Gott fiir Viele entbehrlich geworden ist, die den Glauben an ihn für ein Ammen-
nrübrchen, für eine Erfindung der schwachen Köpfe, für eine Selbsttäuschung geängsteter
Seelen halten. Die Beweise, welche die Philosophen für das Dasein Gottes aufgestellt, hat
Kant einer scharfen Prüfling unterzogen; es blieb ihm als der wichtigste der aus der Betrach-
tung der Natur genommene übrig, indem die Zweckmässigkeit der Welt auf eine mit Weis-
heit und Intelligenz wirkende Ursache hinweist. Es giebt auch einen anthropologischen Be-
weis für das Dasein Gottes und zwar für das Dasein eines persönlichen Gottes. Der Mensch
erkennt, dass er ein Theil der Schöpfung ist, und, wenn es nicht vollkommnero Wesen auf
einem anderen Gestirne giebt, dass er der besto Theil derselben ist. Der Vorzug der mensch-
lichen Natur, die höchste Entwicklung seines Wesens liegt aber in seinom Selbstbewusst-
sein, in seiner Persönlichkeit ; da nun das Geschöpf nicht besser sein kann als sein Schöpfer,
so muss auch Gott selbstbewusst und persönlich sein.
Schon die älteste Naturforschung hat in den Einrichtungen der Natur eine wunder-
bare Zweckmässigkeit erkannt, der Zweifel daran ist neueren Ursprungs. Aristoteles läng-
nete sie nicht, in seiner Schrift über die Theile der Thiere erklärt er überall die Zweck-
mässigkeit der Bildungen. Zuerst verwarf Bacon die Betrachtung der Natur nach Zwecken
oder nach Endursachen und verlangte für die Wissenschaft die nach wirkenden Ursachen.
Dagegen tadelte schon Socrates im Pliädon den Auaxagoras, dass er die WTolt anstatt aus dem
Willen Gottes, aus Aether, Wasser und dergleichen zu erklären suche. Buffon hat die
Digitized by Google
88 H. Schaaffhausen,
Zweckmässigkeit geläugnet, Voltaire sie zu erweisen gesucht. Auch Blumenbach ver-
theidigte sie. Unter den Neueren bekämpft R Owen die sogenannten Endursachen, er
nennt sie nach Bacon vestalische Jungfrauen, schön aber unfruchtbar, weil sie dom Forscher
keine Frucht geben, die der Lohn seiner Arbeit wäre. Die Erkenntnis» der Zweckmässigkeit
ist allerdings keine Erklärung der Naturerscheinungen, welche doch die Aufgabe der Natur-
forschung ist. Es fiel aber Bacon, von dem der bekannte Spruch herrührt, dass eine ober-
flächliche Wissenschaft wohl von Gott abführen könne, die tiefer geschöpfte aber zu ihm
zurückführe, nicht ein, die Zweckmässigkeit der Natur in Frage zu stellen, er will ihre Unter-
suchung nur der Philosophie zugewiesen sehen und die der materiellen Ursachen der Natur-
lehre. In der That könnon wir ja nicht dabei stehen bleiben, zu sagen, das hat der Schöpfer
vortrefflich gemacht; wir sollen untersuchen, wie er es gemacht hat Wer sich mit der Er-
kenntnis» der Zweckmässigkeit begnügte, würde vielleicht ein kindlich frommes Geinüth ver-
rathen, aber nicht den forschenden Geist, der die Geheimnisse der Natur enthüllt-
Je tiefer wir eindringen in den Zusammenhang der Erscheinungen, um so wunderbarer
entfaltet sich vor uns die göttliche Macht und Weisheit. Die Zweckmässigkeit ist nicht das
Ziel unserer Forschung, aber sie fällt uns gleichsam als ein unerwarteter Lohn der Arbeit von
selber zu; und wenn sie auch nicht die Naturerscheinungen erklären kann, so giebt sie uns
doch über das Verhältnis» des Menschen zur Welt und zur Gottheit Aufschluss, welches doch
auch eine Angelegenheit des denkenden Geistes und de» menschlichen Herzens ist. Weil die
Annahme, dass die Natur nach Zwecken geschaffen ist, auf ein bewusstes, denkendes Wesen,
auf einen Gott führt, gerade desshalb haben viele Forscher unserer Zeit, die nur an die Natur
selbst, aber nicht an einen Schöpfer glauben, diese Zweckmässigkeit geläugnet. Es ist dess-
halb überaus wichtig, diese Frage ins Auge zu fassen. Wenn die Natur ohne Gott bestehen
kann, und alle Erscheinungen in ihr nur einem blassen Naturgesetze gehorchen, so hat der
Mensch auch keine Seele nöthig, sein ganzes Leben ist nur der Ablauf materieller Vorgänge;
es giebt keinen freien Willen, das, was wir Seelenthätigkeit nennen, ist die mit Notliwendig-
keit erfolgende Wirkung materieller Theilchen, ein chemischer Process oder eine physikalische
Schwingung. So verwechselt man eine Bedingung bewusster geistiger Thätigkeit mit diaser
selbst. Andere zweifeln nicht, dass der Mensch nach Zwecken handle, worin es allein be-
gründet ist, dass man ihn fiir ein denkendes, vernünftiges Wesen hält, aber die Natur soll
nur durch den Zufall oder das unerbittliche Gesetz der Noth Wendigkeit beherrscht werden.
Diesen Ist der Mensch der Gott, und die Natur ohne Gott.
Die grössten Naturforscher aller Zeiten haben an dem Dasein eines Gottes nicht gezwei-
felt Nur von la Place wird erzählt, er habe, als Napoleon L ihn fragte, warum er in seinem
berühmten Werke „die Mechanik des Himmels“ nicht Gottes Erwähnung gethan, geant-
wortet: „Sire, ich habe diese Hypothese nicht nöthig gehabt“ La Place hatte Recht weil
die Bewegung der Himmelskörper aus dem Gesetz der Schwere allein sich erklären lässt und
für diese Erklärung es ganz gleichgültig ist, weiter zu fragen, welchen Ursprung die Schwere
hat. Er hatte Unrecht, weil gerade seine Forschungen einen neuen Beweis für die Voll-
kommenheit und die Dauer unseres Weltsystems lieferten, woraus er wohl einen Schluss auf
die Grösse des Schöpfers hätte ziehen können. Was sollen wir aber davon halten, wenn ein
Schriftsteller unserer Tage der Meinung ist, dass die Astronomie den Gedanken eines persön-
Digitized by Google
89
Ueber das Zweckmässige in der Natur.
liehen Schöpfers widerlege? „Wenn es darauf ankam,“ sagt er „Welten und Wohnungen für
Thiere und Menschen zu schaffen, wozu jener ungeheure, wüste, leere, nutzlose Weltraum, in
dem nur hier und da einzelne Sonnen und Erden als fast verschwindende Pünktchen schwim-
men? Warum fehlt hior jede Ordnung, jede Symmetrie, jede Schönheit? Oie Schöpfung hat
keinen Plan, sie ist nicht die Verwirklichung eines einheitlichen Schöpfergedankens.“ Also
will der kleine Menschengeist den grossen Schöpfer meistern; Will er vielleicht gar eine
bessere Welt erfinden ? Wie viel bescheidener dachten die Alten , die der blosse Anblick des
gestirnten Himmels, von dessen gesetzmässigen Erscheinungen sie wenig wussten, zu ehr-
furchtsvoller Bewunderung hinriss! Oie Griechen nannten das Weltgebäude Kosmos, das
heisst Schmuck, Schönheit; mit dem Namen des Schönen ist das Vollkommenste bezeichnet.
Und als wenn ausser dem Auge auch das Uhr von dieser Schönheit eine Kunde haben könnte,
sprachen sie auch von der Musik der Sphären. Berechtigt die neueste Wissenschaft etwa
zu jenem wegwerfenden Urtheile über die Ordnung der Welt? Die aus den in neuerer Zeit
berechneten Sternparallaxen geschlossene Grösse der Welt Ubertrifft den kühnsten Geistes-
flug des Dichters. Auf Grund dieser Beobachtungen nimmt Struve für die Fixsterne erster
Grösse eine Entfernung von 986000 Sonnenweiten an, die Sonne ist aber ‘20 Millionen Meilen
von uns entfernt. Alle Bewegungen der Himmelskörper bis in die weitesten Fernen gehorchen
einem Gesetze, dem der Schwere. Oie Astronomie kennt keine Ausnahme von diesem Ge-
setze, welches sich für die Drehung der Doppelsterne um einander wie für die Kometenbahnen
bestätigt hat. Als man Störungen in den Bahnen der Planeten kennen lernte, glaubte man,
sic würden einen Zusammenstoss der Weltkörper, vielleicht auch einmal den Untergang der
Welt veranlassen können, aber wie die fortschreitende Geologie die gewaltsamen Umwäl-
zungen aufgeben konnte, so fand auch die Astronomie in der scheinbaren Unordnung die
Ordnung. La Place zeigte, dass alle Störungen in den Bewegungen der Weltkörper unseres
Sonnensystems nur vorübergebende sind und nach einer gewissen Periode sich wieder auf-
heben, für Jupiter und Saturn schon nach zwei Umläufen des letzteren, für Uranus und Nep-
tun erst in 9000 Jahren. Dasselbe gilt für die säeularen Veränderungen der Planetenbahnen.
La Place hielt noch den Zusammenstoss von Kometen und Planeten für möglich, ein solcher
konnte, wie er glaubte, die Planetenbahnen aus dem Kreise in die Ellipse verwandelt oder
die Libration des Mondes hervorgebracht haben. Lamont zeigte die geringe Wahrscheinlich-
keit eines solchen Ereignisses, denn, giebt man einem jeden Planeten eine Breitenzone von
30,000 Meilen, so findet man, dass die Planeten zusammen nur den 25 millionsten Theil der
Kreisfläche bis zum Neptun ausmachen, in der sie sich bewegen. Sie haben also Raum genug
für ihren Umlauf. So erscheint dem Astronomen schon unser Planetensystem für ewige Däner
berechnet, es trägt wenigstens, wie Lamont sich ausdrückt, keinen inneren Keim der Zer-
störung in sich. Doch gilt dies nur für die grossen Planeten, nicht für die Asteroiden, deren
Bewegungen weniger bekannt sind. Auch die grossen Zeiträume, welche man für gewisse
kosmische Bewegungen berechnet hat, nöthigen zur Annahme einer langen Dauer des Welt-
gebäudes. Das Vorrücken der Nachtgleiehcn macht einen Umlauf von 25,600 Jahren, die
Periode der Schwankungen der Ekliptik beträgt 27,400, die der Exeentricität der Erdbahn
73,800 Jahre und wenn unser ganzes Sonnensystem wirklich, wie es den Anschein hat, um
einen Centralkörper sich bewegt, der in der Plejadcngmppe vermuthet wird, so würden nach
An hl* n> Anthropologie. Kd. III. Hoft II. 12
Digitized by Google
90
H. Sehaaffhauseii,
Mädler für einen Umlauf desselben 20 Millionen Jalire nöthig sein. Müssen wir aber nicht
die Welt für ewig halten, wie Gott es ist, den wir uns nur in der Welt, nicht ohne dieselbe
denken können! Damit steht ein Anfang und Ende, ein Werden und Vergehen einzelner
Körper der Welt nicht im Widerspruch. Es giebt allerdings zwei Ansichten der Natur; nach
der einen ist Gott ausser der Welt, diese Welt ist nicht die beste, sie ist nicht ewig, sic
kann vernichtet werden und dafür eine andere entstehen; nach der anderen ist Gott in der
Welt, die geschaffene Welt ist die beste, das Ganze der Welt ist ewig und unveränderlich,
die Natur aber in einer steten Entwicklung begriffen. Zu der letzteren Ansicht muss
sich die Naturforschung bekennen. Bleibt es auch imgewiss, ob wir am Sternenhimmel in
Nebelflecken werdende Welten vermuthen dürfen, da das Fernrohr solche Lichtnebel in
Stemenhaufen aufgelöst hat, ist es auch nicht ausgemacht, dass die niederfallenden Meteore
Trümmer zerstörter Himmelskörper sind, so ist es doch nachweisbar, dass die Erde, die wir
am genauesten kennen, verschiedene Perioden ihrer Bildung durchlaufen hat. Wollte man
aber auch die aus der jetzigen Beschaffenheit der Erdoberfläche hergenommenen Beweise einer
allgemeinen Veränderung derselben nicht gelten lassen, ho würde die Geschichte des orga-
nischen Lebens ein unzweifelhaftes Zeugnis» für eine fortschreitende Entwicklung in der
Natur ablegen.
Mau pflegt den Anfang der neueren materialistischen Naturanschauung, die auch heute
noch verbreitet ist, in den Arbeiten der französischen Philosophen aus der Mitte des vorigen
Jahrhunderts zu erkennen, welche ausser der Materie nichts gelten Hessen. Aber schon da-
mals fehlte es nicht an aufgeklärten Männern, welche zwar fiir die unterdrückten Menschen-
rechte und gegen den mit Hoffart sich spreizenden Aberglauben mit glühendem Eifer kämpf-
ten, aber den Ausschreitungen der Freigeister entschieden entgegentraten. Der mit Unrecht
als ein Gottcsiäugner geschmähte Voltaire sagte: „wie die Uhr einen Uhrmacher, so setzt
das Wunderwerk der Welt einen Meister voraus!“ Rousseau, einer der Vorfechter der
grossen französischen Revolution, warf gleichwohl den Encyclopädisten vor, dass sie eine
trostlose Saat in die Herzen der Menschen ausstreuten , indem sie Alles, was die Menschen
bisher geachtet, niederrissen und mit Füssen träten, dem Tiefbetrübten den letzten Trost in
seinem Unglück raubten, dem Mächtigen und Reichen aber den einzigen Zügel seiner Leiden-
schaften nähmen, wie dem Verbrecher die Gewissensbisse, der Tugend die Hoffnung, und
dass sie dennoch sich rühmten, die Wohlthäter des Menschengeschlechtes zu sein. Friedrich
der Grosse rief ihnen zu, wenn wir Alle nichts als Maschinen sind, die von der Natur-
gewalt in Bewegung gesetzt werden, so hat Eure Entrüstung gegen die Priester und die
Könige keinen Sinn, weil diese ja dann gezwungen sind, das zu sein, was sie sind. Die be-
geisterten Anhänger des Materialismus unserer Tage haben zwar das Verdienst, die Materie,
die man so gern als den schlechteren Theil der Natur betrachtet, in ihre Rechte eingesetzt
zu haben, aber sie sind in den Fehler gefallen, die Würde des geistigen und sittlichen Lebens
in Zweifel zu ziehen. Sie haben den Ausspruch veranlasst, dass die heutige Naturforschung
nur dem materiellen Leben einen nie dagewesenen Aufschwung verleihe, aber den höheren
Interessen des Menschen feindlich entgegentrete. Wie ungerecht diese Anklage ist, wird eine
Untersuchung der Zweckmässigkeit der Natur zeigen, in weicher auch die neueste Wissen-
schaft das Walten einer göttlichen Vernunft erkennen muss.
Digitized by Google
91
lieber das Zweckmässige in der Natur.
Werfen wir einen Blick in die grosse Natur, auf die Pflanzen und Tliiere und auf das
menschliche Leben, um zu erfahren, ob die Natur nach Zwecken bandelt! Wenn schon die
Alten ihr Wirken zweckmässig Anden konnten, so haben wir viel zahlreichere und viel wich-
tigere Beweise dafür. Wenn der Mensch irgend ein Werk unternimmt, wenn er z. B. ein
Haus baut, so ist es Bein Bestreben, dass Alles zusammen passe, dass jeder Theil seinen
Zweck erfülle, dass sein Werk dauerhaft sei; und eine Hauptsache dahei ist, dass er mit we-
nig Mitteln recht Grosses zu Stande bringe. Genau nach diesen Forderungen ist die Welt,
das grosse Haus, gebaut, in dem wir wohnen. Alle Theile der grossen Natur gehören zu
einander, sie bedingen einer den anderen ; ohne Licht, also ohne die Sonne wäre unser Auge
unnütz, ohne die Luft würden wir nicht athmen. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf
die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Theile der Natur, auf den nothwendigen
Zusammenhang der Naturreiche, auf die zweckmässige Verbindung der Pflanzen- und Thier-
welt. Wie kann es besser eingerichtet sein, als dass die Pflanzen die Wohlthäter der Thiere
sind und umgekehrt 1 Beide bedürfen der Luft, um zu athmen, aber was die Pflanzen brauchen,
ist den Thieren schädlich, was die Pflanzen fortgeben, das haben die Thiere nöthig. Menschen
und Thiere würden bald in der Kohlensäure ersticken, die ihr Stoffwechsel bildet, wenn die
Pflanzen nicht stets neuen Sauerstoff bereiteten. Die Pflanzen würden in bevölkerten Gegen-
den nicht so üppig wachsen können, um Menschen und Thiere zu ernähren, weun nicht die
Abfälle des thierisehen Lebens die Luft und den Boden düngten und Nahrungsmittel für sie
wären. Desshalb ist auch zwischen Pflanzen und Thieren eine gesetzmäsaige Ordnung her-
gestellt, die Raubthiere sind die Feinde der Pflanzenfresser und desshalb die Beschützer der
Pflanzenwelt, die wieder von diesen in Schranken gehalten wird.
So mannigfaltig die Gestalten sind, die uns in der Natur umgeben, es sind immer die-
selben Stoffe, die sie zusammensetzen, und nur die Form verwandeln, um jetzt einen Stein,
jetzt eine Pflanze, jetzt ein Thier zu bilden. Wer denkt dabei nicht an die Metamorphosen
der griechischen Mythe, die, freilich in einem andern Sinne, Steine in Menschen und diese
in Pflanzen sich verwandeln liess. Es giebt noch andere Verwandlungen in der Natur, die
der Entwicklung angehören und aus dem unvollkommenen Gebilde ein vollkommeneres her-
vorgehen lassen. Durch diese Entwicklung sind, wie durch deu Stoffwechsel alle Materie,
auch alle Formen des organischen Lebens und alle Zeiten seiner Geschichte mit einander
verknüpft, das Heute mit dem Beginne der Schöpfung! Wie kann Vogt behaupten, die all-
mäiige Entwicklung und Vervollkommnung der Schöpfung sei unvereinbar mit einem voll-
kommenen, göttlichen Schöpfer, weil ihm selbst dadurch der Stempel der früheren Unvoll-
kommenheit auf die Stirne gedrückt werde i Ist aber jemals eine Pflanze oder ein Thier wirk-
lich unvollkommen? So bezeichnen wir sie nur im Vergleiche mit höher organisirten Formen.
In ihrer Art ist jede Bildung der Natur vollkommen, und keine ist ein misslungenes Werk,
wenn es uns auch so scheinen mag. Ist das niederste Geschöpf nicht gerade dadurch geadelt,
dass es unter günstigen Umständen sich vervollkommnen kann, wie alle höheren Organismen
nus niederen hervorgegangen sind ? Eine solche Ansicht würde vielleicht gerechtfertigt sein,
wenn die frühere Schöpfung, wie man freilich sonst glanbto, mehrmals ganz zu Grunde ge-
gangen wäro , um einer neuen Platz zu machen. In diesem Sinne sagte schon Haller, die
Atheisten möchten nus der Entstehung neuer Gattungen so gut wie aus der vorgeblichen
12*
Digitized by Google
92
H. Schaaffhausen,
Vertilgung alter Arten gar zu gerne eine Unbeständigkeit der Natur erweisen, und das dürfe
nicht sein , denn falle die Ordnung in der physischen Welt weg , so sei es um die Ordnung
in der moralischen Welt und zuletzt um die ganze Religion gethan. Dagegen bemerkte aber
Blumenbach: „Die Schöpfung fällt nicht zusammen, wenn gleich eine Gattung von Ge-
schöpfen ausstürbe oder eine andere neu erzeugt würde; und es ist mehr als blos wahr-
scheinlich, dass beides auch wirklich schon wohl erfolgt ist; und dies Alles ohne die minde-
ste Gefahr weder für die Ordnung in der physischen, noch in der moralischen Welt, noch
für die ganze Religion, Vielmehr finde ich gerade durin die Lenkung durch eine höhere Hand
am unverkennbarsten, dass trotz dieser sogenannten Unbeständigkeit der Natur dennoch die
Schöpfung ihren ewigen stillen Gang geht.“ Wie wenig der Tod in der Natur bedeutet, das
hat Eschricht treffend mit den Worten geschildert: „Die Organtheile schwinden, aber das
Organ besteht, die Organe schwinden, der Organismus besteht, die Organismen schwinden,
die Art besteht, die Arten schwinden, aber die lebende Schöpfung besteht-“ In dem Fort-
schreiten der organischen Bildungen ist der Plan der Natur bewundemswerth und Vogt be-
hauptet mit Unrecht, dass wir erst den Plan der Schöpfung in diese hineintragen. Was wir
von diesem Plane nach und nach erkennen, gehörte ihr ja an, ehe es Menschen gab, es ist
eine Offenbarung der Natur an uns, die das Buch ist, in dem wir lesen lernen und zugleich
die Lehrerin, die uns unterrichtet.
In der Natur, die über so unerschöpfliche Reichthümer verfugt, herrscht doch die grösste
Sparsamkeit. Wenn eine Pflanze, ein Thier, ein Mensch entsteht und wächst, so erzeugt die
Lebenskraft keine neuen Stoffe, wie man früher glaubte, sondern sie nimmt dieselben aus
der Aussenwelt und verwandelt Bie nur. Vielleicht besteht die ganze Welt aus derselben
geringen Zahl von einfachen Stoffen, was durch die Entdeckungen der Spectralanalyse sehr
wahrscheinlich wird, die in dem Licht der Sonne wie in dem der Fixsterne nur solche Stoffe
aufgefunden hat, welche auch der Erde angehören. Die Meteorsteine lehren dasselbe. Auch
der wirksamen Kräfte giebt es nur wenige und diese können ineinander umgewaudelt werden.
Wie Vieles leigtet eine und dieselbe Kraft in der todten und in der lebendigen Natur? Die
Sonne, welche durch ihre Masse unsere Erde in ihrer Bahn festhält, ist zugleich als das
Licht und Wärme strahlende Gestirn auch die Quelle jeder organischen Thätigkeit in der
Pflanze wie in dem Thiere. Dieselbe Elektricität, die als Blitz von Wolke zu Wolke fahrt,
strömt in unseren Nerven und Muskeln, durch sie kommt unsere Bewegung zu Stande und
wahrscheinlich auch die Empfindung. Das Gesetz der Schwere bewegt den Apfel, der vom
Baume fallt, den Regen, der aus der Wolke niederstromt, aber auch die fernen Welten, die
am Himmel leuchten. Sie giebt den Bächen und Flüssen, welche das Land bewässern, ihren
Lauf. Ohne den Druck der Luft würden wir nicht atbmen können; wir gehen auch nur
mittelst der Schwere, das Gehen ist ein drohendes Fallen, das Bein schwingt wie ein Pendel
vorwärts und wird nur durch den Luftdruck in seiner Pfanne gehalten.
Betrachten wir eine der wohltätigsten Naturkräfle. die Wärme, wozu dient sie nicht?
Sie dehnt die Körper aus, desshalb wird erwärmte Luft leichter und steigt in die Höhe,
während die kalte ihre Stelle cinnimmt; so entstehen die Winde zwischen Pol und Ae<jua-
tor, wie zwischen Land und See, welche die gleiche Mischung des Luftmeers immer wieder
hersteilen. Aber die Wärme lässt auch das Wasser an der Erde verdunsten, und wird der
Digitized by Google
93
Ueber das Zweckmässige in der Natur.
Wasserdunst durch einen kalten Luftstrom abgekühlt, eo fallt er als Regen nieder. Es giebt
eine Ausnahme von diesem Gesetz, dass Wärme ausdehnt und Kälte zusammenzieht. Dos
Wasser nämlich hat seine grösste Dichtigkeit schon bei 4° C. über Null, wird es noch kälter,
so dehnt es sich wieder aus; desshalb ist das Eis leichter als das Wasser und schwimmt auf
demselben. Diese Thatsache ist von den wichtigsten Folgen. Wäre das EiB schwerer wie
Wasser, so würden im Winter Flüsse und Meere bis auf den Grund gefrieren und alles Leben
darin vernichtet werden, während jetzt das Eis eine schützende Decke bildet. Aber das Eis
hat noch andere Dinge zu verrichten im Haushalte der Natur; es hilft die Unebenheiten der
Erdoberfläche ausgleichen, es zertrümmert die Gipfel der Gebirge, die als fruchtbare Erde
herabgeflötzt und in den Ebenen zusammengeschwemmt werden. Indem das Wasser in den
Ritzen der festen Gesteine friert, dehnt es sie aus und keilt die Felsen auseinander. Darum
sieht ee auch der Landmann gern, wenn die Ackererde gehörig ausfriert; der Front zersprengt
die Erdschollen und macht ihre Bestandtheile leichter löslich und dadurch den Boden frucht-
bar. Wie forderlich die Wärme dem organischen Leben, zumal dem Pflanzenleben ist, das
zeigt die Pracht und Ueppigkeit der Tropenwälder; aber sie würden alle verdorren, wenn
nicht auch die tropischen Regen, die oft monatelang dauern, ein Uebennaasa des Wassers
herabgössen. Diese grosse Regenmenge ist aber durch dieselbe hohe Wärme bedingt, indem
sie die Verdunstung aus dem Meere in hohem Grade begünstigt. Ja die Wälder Belbst ziehen
aus physikalischen Ursachen den Regen herab, den sie nöthig haben, weil über einer Wald-
strecke, deren Boden vor dem Sonnenbrände geschützt ist, eino kalte Luftschicht sich findet,
in der die Wasserdünste niedergeschlagen werden. Ueber öden Steppen ist die Luft erhitzt
und die heranziehenden Regenwolken lösen sich wieder in Dunst auf. Darum hält es so
schwer, auf einem abgewaldoton Gebirge wieder eine neue Pflanzendecke hervorzubringen.
Ganze Länder sind durch die Vernichtung der Wälder dürr und unfruchtbar geworden, weil
man keine Einsicht in den zweckmässigen Haushalt der Natur hatte. Wo Leben ist, ist
Wärme, die kleinsten Insekten haben eine gewisse Eigenwärme, sogar die Infusionsthiere, die
man im Eise oft von einem Tropfen Flüssigkeit umgeben findet. Die Wärme lockt das Grün
fies Frühlings hervor, sie brütet thierisches Leben aus. Wie sorgsam hat die Natur viele
Samenkörper eingehUUt, die, wenn sie in die Erde kommen, durch Verbrennung von Kohlen-
stoff selbst Wärme entwickeln, welche zum ernten Wachsen des kleinen Pflänzchens nöthig
ist; die Knospen der Bäume, die überwintern müssen, sind in Decken, ja oft in Pelz gehüllt,
um der Kälte widerstehen zu können, wie uns die Kätzchen der Weide zeigen. Die Vögel
brüten meist dnreh ihre Eigenwärme die Eier aus, das ist aber die gemeine Wärme, wie die
künstlichen Brutversuche zeigen; das beweist auch der Strauss, der in manchen Gegenden
Afrika’s die Sonne seine Eier ausbrüten lässt. Auf einigen Südseeinseln scharren hühner-
artige Vögel einen Haufen dürrer Blätter zusammen und legen ihre Eier hinein, die durch
die so entwickelte ZerBetzungswärme ausgebrütet werden. Ohne Wärme würden wir nicht
empfinden, nicht uns bewegen können. Wie aber erzeugt die Natur die Wärme des thie-
rischen oder menschlichen Körpers? Durch Verbrennung von Kohlenstoff und Wasserstoff,
also ebenso, wie die Wärme in jedem Ofen und in jeder Flamme erzeugt wird. Die Speisen
und die Körperbestandtheile geben den Brennstoff, die Lunge den Luftzug her. Wir sehen,
wie die Natur allen Tliieren zum Schutze der Eigenwärme ein Kleid gegeben hat, nur der
Digitized by Google
94
H. Schauffhausen,
Mensch ist nackt. Aach das ist zweckmässig. Der Eisbär unserer Menagerien leidet schon
in unserem gemässigten Klima an unerträglicher Hitze, er muss mit kaltem Wasser begossen
werden, um gesund zu bleiben. Kur der nackte Mensch konnte sich über die ganze Erde
verbreiten; in den kalten Klimaten schützt ihn die Kleidung, die er seinem Verstände ver-
dankt; aber die leichten wie die warmen Kleider hat er den Pflanzen und Tliiereti abge-
nommen, die Leinwand und die Seide, die Baumwolle, die thierisehe Wolle und den Pelz!
Bei manchen, zumal kleineren Thieren würde der Schutz des Kleides für einen langen und
strengen Winter nicht ausgereicht haben, da hatte die Natur ein anderes Mittel zur Hand.
Sie machte durch die Kälte das Thier bewegungslos und setzte alle seine Lebensverrich-
tungen auf ein kleinstes Maass herab, so dass die vorher genommene Nahrung auf längere
Zeit ausreiebt, ein schwaches Athmen und damit das Leben zu unterhalten. Das ist der
Winterschlaf! Es wäre freilich bequem fiir uns, wenn auch der arme Mann , in eine wollene
Decke gehüllt, den Winter durchschlafen könnte, ohne Nahrung und Heizung nöthig zu haben.
Aber der höhere Organismus ist zu einer solchen Herabsetzung seiner Lebensthätigkeit nicht
befähigt. Der Mensch soll arbeiten, um sein Leben zu fristen, dazu besitzt er mannigfalti-
gere Anlagen und Kräfte als jedes Thier, und wenn er es nicht kann, dann sollen Andere
ihm helfen, wie es ja auch geschieht. Die Menschenliebe, die sich dabei bewährt, ist eine dem
Menschengeschlechte nützlichere Einrichtung als es die Fähigkeit zum Winterschlafe sein würde.
Bekannt ist die N’othwendigkeit des Wassers zum organischen Leben. Das Pflanzen-
gewebe saugt begierig Wasser an, auch in einer Luft, in der es niemals regnet Nur der
Thau benetzt die Grasfluren in dem regenlosen Küstenstrich von Chili. Noch das todte Holz
saugt mit solcher Kraft das Wasser an, und quillt darin auf, dass man mit befeuchteten
Holzkeilen Felsen sprengen kann. Die Natur hat nun auch für solche Pflanzen und Thiere,
die von der Trockenheit überrascht werden, eine Einrichtung getroffen, die dem Winterschlafe
ähnlich ist, den Sommerschlaf. Unsere Schnecken schliessen, um ihren weichen Körper vor
Verdunstung zu schützen, im Sommer ihr Gehäuse mit einer Kalkdecke oder vielmehr die
Hitze selbst thut dieses, indem sie den Schleim des Thiere« erhärtet So ruhen Schlangen
und Alligatoren der heissen Zone im vertrockneten Schlamme, um mit der Regenzeit gleich
der versengten Pflanzenwelt zu neuem Leben zu erwachen. Im Sande unserer Dachrinnen
liegen eingelrock nete Räderthierchen und Bären thierchen , die sich noch nach Jahren wieder-
heleben lassen durch einen Tropfeu Wasser ! Auch die Gestalt mancher Pflanzen hat die Na-
tur so eingerichtet, dass ihnen unter den ungünstigsten Bedingungen das Wasser nicht fehle;
die fleischigen Gewächse südlicher Gegenden, die Cactusformen, haben durch ihre gedrungene
Form und die dicke Oberhaut eine sehr geringe Verdunstung; sie bieten den Thieren der
Wüste oft allein noch Labung für den brennenden Durst. Alexander von Humboldt be-
schreibt, wie das Pferd der Steppen Süd -Amerikas mit dem Hufe den Stachclcactus aus-
einanderschlägt und begierig seinen Saft schlürft. Nicht weniger wunderbar ist die Vorrich-
tung, die ein Thier, das Kameel, uns zeigt, welches man das Schiff der Wüste genannt hat.
Es ist in der heissen Zone ausdauernd, wie kein anderes Thier; es kann mehrere Tage
hungern und trägt in seinem Zellenmagen einen Wasserbehälter bei sich, aus dem sogar der
Araber, wenn er in Gefahr ist, zu verdursten, durch einen Einschnitt sich Rettung zu ver-
schaffen sucht. Darwin erzählt, dass bei Fröschen und Schildkröten tropischer Gegenden
eme grosse, ganz gefüllte Harnblase als Wasservorrath dient.
Digitized by Google
95
Uebcr das Zweckmässige in der Natur.
Der innere Bau des thierischen, zumal des menschlichen Körpers bietet fast in allen
Theilen Beispiele der Zweckmässigkeit Wie Vieles geschieht in unserem Körper von seihst,
auf die unfehlbarste Weiso, was, wenn cs von unserem Willen abhänge, gewiss weniger voll-
kommen geschehen würde. Sehen wir uns das Herz an, es ist ein Pumpwerk mit Klappen,
welche dem Blute durch die verschiedenen Höhlen des Organes den Weg und die Richtung
weisen; weil es stets bewegt ist, darum erhält cs auch in der Kranzarterie das sauerstoff-
reichste, das belebendste Blut. Während wir kauen, fliesst der Speichel und gerade wenn
die Speisen den Zwölffingerdarm ausdehnen, entleert sich die Gallenblase. Die Luftröhre,
die immer offen sein muss, wird durch Knorpclringe offen gehalten, während die Speiseröhre,
wenn sie leer ist, zusammenfallt. Diese liegt hinter der Luftröhre, aber es schliesst sich,
wenn wir schlucken und die Speisen über die Luftröhre hinweggehen, von selbst der Kehl-
kopf. Wie genau ist das Gebiss der Thiere der Lebensweise angepasst! Da ist der Zahn
des Nagethiers, der an harten Gegenständen bald abgenutzt sein würde; aber er hat nur an
der Vorderseite eine harte Schmelzlage, so dass er trotz der Abnutzung immer scharf bleibt
Vom Auge sei nur bemerkt, wie es stets von den Thränen begossen wird, damit es durch-
sichtig bleibe, wie es die Lichtstärke mit der Pupille selbst regulirt, wie es innen schwarz
gemacht ist gleich unseren optischen Instrumenten. Die Zweckmässigkeit der Natur hilft
uns auch da, wo wir glauben, ganz allein und selbstständig zu bandeln, nämlich bei allen
willkührlichen Bewegungen. Von der Anordnung der einzelnen Muskeln zu einer Bewegung
( haben wir gar keine Kenntniss; wir haben nur den Willen, ein ganzes Glied in einer vor-
gestcllten Weise zu bewegen; wie das geschieht, kümmert uns nicht. Das Instrument spielt
gleichsam von selbst, wenn wir nur den Anstoss dazu gegeben haben. Manchen fallt es auf,
wenn sie zum erstenmale hören, dass das Gefühl nur an der Oberfläche des Körpers seinen
Sitz hat, dass man bei Verwundeten innere Organe berühren kann, ohne dass es gefühlt
wird, dass bei einer Amputation nur der Schnitt durch die Haut schmerzt, nicht der durch
die anderen Theile des Gliedes. Nur in der Haut konnte das Gefühl zur Warnung vor jedem
schädlichen Einflüsse dienen, der den Körper in der Regel von aussen trifft. In ähnlicher
Weise ist der Geruch ein Wächter des Athmens, der Geschmack ein Aufseher über die Speisen.
Wie zweckmässig sind die wichtigsten Eingeweide des Körpers geschützt if Das Gehirn,
welches am wenigsten Druck vertragen kann, ist in eine feste knöcherne Kapsel einge-
schlossen, deren scbalige Knochen mit zackigen Nähten ineinander greifen, die, wiewohl sie
eine feste Decke bilden, doch auch noch einer Ausdehnung für das Wachsthum des Gehirnes
fähig sind. Die Brust ist zum Athmen durch knöcherne aber bewegliche Reife gebildet, die
vom elastisch sind. Der Bauch hat nur weiche Bedeckungen, weil nicht nur die weibliche
Schwangerschaft, sondern schon die Nahrung einen grossen Wechsel in der Fülle und Leere
der hier gelegenen Organe bedingt. Wie am Schädelgewölbe und an dem des FussrUckens,
so sind auch beim Röhrenbau der Knocbcn wie in der Einrichtung der Gelenke alle mecha-
nischen Vortheile mit weiser Berechnung benutzt, und sogar die Richtung der Zellwände der
Knochensubstanz ist mathematisch genau den Druckverhältnissen entsprechend. Ist nicht
das Schiff dem Körper des Fisches nachgebildet, dessen spitzer Kopf und kielformiger Leib
das Wasser durchschneidet, während die Flossen ihn wie Ruder fortbewegen? Wie wunder-
bar ist der leichte Körper des Vogels mit Luft in allen Knochen zum Fluge geschickt gemacht '
Digitized by Google
96
H. Schaaffhausen,
Aber der Vogel legt gewiss nicht allein desslialb Eier, weil die Schwangerschaft ihn im
Fluge beschweren würde, sondern desslialb, weil er ein niederes Wirbeltbier und das Eier-
legen eine niedere Art der Fortpflanzung ist- Jener zweckmässige Zusammenhang ist indessen
auch vorhanden, weil die Einrichtungen der Natur vollkommen sind in jeder Hinsicht.
Zweckmässigkeit ist nicht die Absicht der Natur, nie sie das Ziel menschlicher Erfindungen
ist, sondern sie ergicbt sich mit Nothwendigkeit, sie ist ein Beweis der Vollkommenheit
ihrer Werke. Merkwürdig ist, wie im thierischen Körper die Verrichtungen der einzelnen
Organe sich gegenseitig unterstützen, wie eine einzige oft eine ganze Reihe von Vorgängen
vermittelt. Was leistet nicht Alles das Atbmen? Es befreit das Blut von der Kohlensäure
und giebt ihm durch den Sauerstoff erregende Eigenschaften, ohne die der Muskel nicht
zucken, der Nerv nicht empfinden würde, es unterstützt den Kreislauf, indem es die Entlee-
rung der aus dem Herzen kommenden und der in dasselbe gehenden Blutgefässe befördert,
cs wirkt dadurch auch auf den Einfluss des Speisesaftes in das Blut, es führt die Thronen in
die Nasenhöhle, es macht das Riechen möglich, es verwandelt die weissen Chyluskörper in
rothe Blutscheiben, es erzeugt die thierische Wärme und giebt dem Körper, was wir erst
seit Kurzem wissen, die bewegende Kraft, es weckt das Bewusstsein, es ist endlich auch dem
denkenden Geiste dienstbar als das Mittel zur Sprache! Nicht weniger einfach ist die Art
und Weise, wie die thierische Wärme der höheren Organismen auf gleicher Höhe erhalten
wird. Mit der Wärme vermehrt sich die Herzthätigkeit und der Trieb des Blutes nach der
Oberfläche des Körpers, wo es schneller sich abkühlt; zugleich steigt die Verdunstung, » eiche •
Kälte erzeugt; mit der warmen Luft wird aber auch weniger Sauerstoff eingeathmet, also
die Wärmeerzeugung herabgesetzt. Eine solche Selbstlenkung hat der Mensch auch für seine
Maschinen ausgedacht. Da die Dampfmaschine einen Widerstand zu überwinden hat und ihr
Gang, wenn dieser sich plötzlich vermindert, eine gefährliche Schnelligkeit erlangen könnte,
so ist die Einrichtung vorhanden, dass das Zuströmen des Dampfes in demselben Maasse sich
vermindert, als die Schnelligkeit des Ganges der Maschine zunimmt. Die Einsicht in die
Zweckmässigkeit des thierischen Körpers hat zur Aufstellung eines Gesetzes geführt, welches
man die Coexistenz der Organe nennt. Sie lehrt uus, dass kein Theil eines Organismus zu-
fällig, sondern ein jeder zweckentsprechend und einer durch den anderen bedingt ist. Der
Anatom erkennt an einem Zahne das dazu gehörige Kiefergelenk und die Schädelbildung,
aber auch die Gliedmasse, ob sie die eines Raubthieres oder die eines Pflanzenfressers ist.
Auf diese Weise bat Cuvier aus Bruchstücken fossiler Knochen die ganzen Leiber der unter-
gegangenen Thiere der Vorwelt wieder aufgebaut. Doch hat dieses Gesetz seine Grenzen,
weil das Thier nicht ein fertiges Gebilde ist, sondern seine Organe den Verhältnissen anpasst,
wenn auch nur im Laufe langer Zeiten, so dass ein Theil eine Veränderung erlitten haben
kann, während der andere die frühere Form noch beibehielt. Es ist desslialb, wie zuerst
H. von Meyer gegen Cuvier hervorgehoben bat, unmöglich, mit völliger Gewissheit von
einem Theile auf den Zusammenhang des Ganzen zu schliessen. Es können einzelne Theile
desselben Thieres nach einem verschiedenen Typus gebaut sein, zumal in dem Skelette der
Saurier kommen Theile vom Fische, vom Vogel, von der Schildkröte und vom Säugethiere
vor. Es liegt in dieser Thatsache ein Beweis für dos Fortschreiton der thierischen Bildungen,
welches solche Mittelformcn nothwendig hervorbringt.
Digitized by Google
97
l'eber das Zweckmässige in der Natur.
Treten wir dem herrlichsten Werke der Schöpfung, dem Menschen seihst, gegenüber, so
hat man nie Worte der Bewunderung genug gefunden, seine Schönheit und Gottähnliehkeit
zu preisen, aber nur der Naturforscher denkt Uber die einfachen Mittel nach, welche die Natur
angewendet hat, um ihn an die Spitze der Schöpfung zu stellen. Sie that nichts anderes, als
dass sie seine Gestalt vorn Boden aufrichtete, an den der stumpfsinnige Blick des Thieres ge-
heftet bleibt. So wendete sich sein Auge gegen Himmel und Erde, sein Blick schweifte in
die Feme und sah frei um sich her; die Hand, die dem Thiere fast nur Bewegungsmittol ist,
ward zum feinfühlenden Sinnorgane, das zugleich sich ausstreckte, die Gegenstände zu ergreifen,
die es dem Auge näher bringen oder die es zum Munde führen wollte. Darlurch veredelte
sich zugleich der Kopf, der sich abrundete, indem er von der aufgerichteten Wirbelsäule im
Gleichgewichte getragen wurde und seine unedleren Theile, die sich beim Thiere der Nah-
rung entgegenstrecken, zurücktraten unter die sie überragenden höheren Sinne und das alle
Bande des Lebens zusammenfassende Gehirn. Dieses nahm jetzt als das nächste Werkzeug
der denkenden Seele die erhabenste Stelle im Haupte des Menschen ein. Nun lastete der
ganze Körper auf den unteren Gliedmaassen, die in den Lenden stark und in den Waden
fleischig wurden, um das schöne Ebenmaaas der Gestalt zu vollenden und derselben zugleich
Gewandtheit und Kraft zu verleihen. Die in den Anblick der schönen Welt und aller ihrer
Wunder erst still versunkene Seele jauchzte plötzlich auf unter dem Eindruck einer überwäl-
tigenden Empfindung und es bildeten sich aus Lauten der Freude und des Staunens, aber
auch des Schmerzes und der Sorge, aus Tönen der Nachahmung und des Rufes die ersten
Worte der Sprache 1
Und nachdem der Mensch geschaffen, war, fuhr er fort, sich zu vollenden. Uns zeigt
sich jetzt aber deutlich, dass Alles, was vor seinem Erscheinen auf der Erde geschehen war,
nur gleichsam seine Ankunft vorbereitet, nur ihm die zweckmässige Wohnung eingerichtet hat,
in der er nicht nur ruhen und gemessen, sondern in der er ringen und streben, in der er mit
Anstrengung aller seiner Kräfte arbeiten und Bich vervollkommnen sollte. Wie wunderbar
hängen die heutigen Bildungszustünde der Menschheit mit den Ereignissen der Vorzeit zu-
sammen 1 Ohne die in mächtigster Fülle das erste Land bedeckenden Wälder der Vorzeit
würde die Atmosphäre für das Atlimen der höheren Thiere und des Menschen nicht sauer-
stoffreich genug gewesen sein, ohne sie würden die Kohlenschätze der Erde fehlen, auf deren
Gewinnung und A'erbraueh der Wohlstand ganzer Linder , ihre Gewerbthätigkeit und ihr
Handel gegründet ist. Ohne die weite Verbreitung des Meeres in früheren Epochen würde
den Binnenländern das Salz fehlen, ein so unentbehrliches Bedürfnis» der menschlichen Er-
nährung. Ohne die Schalthiere der Vorzeit und die Hebung des alten Meeresbodens, der oft
in einigen 100 Fnss Mächtigkeit ganz aus ihren Resten besteht, würden die grossen Wirbel-
thiere und /«ich der Mensch den hinreichenden Kalk für ihr Knochengerüste mit Hülfe der
Pflanzen nicht im Boden gefunden haben. Ohne die durch Jahrtausende fortgesetzte Arbeit
des Wassers würden keine Metalle in den Spalten der Gebirge abgesetzt oder in das ange-
schwemmte Land gekommen sein, ohne welche die heutige menschliche Cultur gar nicht
denkbar ist. Die vulkanischen Kräfte aller haben den Schoos» der Erde aufgerissen, ihre
Schätze blossgelegt und durch mannigfachere Mischung der Bndonbestand theile die Frucht-
barkeit der Aecker erhöbt. Was keine Beziehung mit einander zu haben scheint, steht iiy
Archiv für Anthropologin. Kd. III. Iloft II.
Digitized by Google
98
H. Schaaff hausen,
nächsten Zusammenhang, wenn die Wissenschaft ihr Licht darüber verbreitet hat. So ent-
wickelt sich der Mensch nur mit der Natur und durch dieselbe, aber sie ist unerschöptiich mit
ihren Gaben. Buffon sagt daher mit Recht: „Der Mensch weiss nicht zur Genüge, wag die
Natur Alles vermag, und was er über die Natur vermag. Wir benutzen noch lange nicht
alle die Reichthümer, die sie uns bietet; diese bilden einen Schatz, der viel grösser ist, als wir
uns einbilden. Sie hat noch Arten von Pflanzen und Thieren aufgespart, uns zu dienen, uns
zu nähren, uns zu kleiden.“ Und an einer anderen Stelle ruft er aus: „Der menschliche
Geist hat keine Grenzen und in dem Maasse, als die Natur sich vor ihm aufthut, dehnt er
sich selbst aus; der Mensch kann und soll daher Alles versuchen und hat nur Zeit nöthig, um
Alles zu erkennen™
Einer besonderen Erwähnung wertb sind noch die verschwenderischen Mittel, mit denen
die Natur die Fortpflanzung und Verbreitung der Pflanzen und Thiere gesichert hat. Tausend-
fältig bildet sie Saamen und Eier, damit, wenn viele zu Grunde gehen, einige erhalten blei-
ben. Saamen mit Federkronen werden durch die Luft getragen und schweben so, dass das
nach unten hängende Korn gerade in die Erde gesäet wird, andere werden durch die auf-
springende elastische Kapsel weithin gestreut. Damit die Befruchtung leichter geschehe, sind
in Blumen, die aufrecht stehen, die Staubfäden länger als der Gritfel, in Blumen, die hängen,
ist der Griffel länger als jene. Es giebt Blüthen, die so sonderbar gestaltet sind, dass ohne
die Hülfe der Insekten, die aus ihnen den Honig sammeln, die Befruchtung gar nicht möglich
sein würde. Bei vielen Pflanzen, die im Wasser leben, hat die Natur die reifen Saamen, die
sogenannten Sch wärmsporen, mit Bewegung versehen, sie schwimmen fort wie Thiere, um
irgendwo zu keimen. Andere Pflanzen de« Wassers, die bei der Befruchtung den Lichteinfluss
nöthig haben, heben sich aus der Tiefe empor, indem sich Luftblasen in ihren Blättern ent-
wickeln. Wie vorsichtig hat die Natur für das junge, am meisten gefährdete Leben der Thiere
gesorgt! Die Insekten legen ihre Eier dahin, wo die auskriechenden Jungen die ihnen pas-
sende Nahrung finden werden. Die Eiusiedlerwespe legt ihre Eier in ein trichterförmiges
Nest; nahe dabei macht sie ein Loch, in das sie Raupen schleppt, denen sie eine Wunde bei-
bringt, ohne sie zu tödten, denn sie würden faulen, ehe die Würmchen aus dem Eie kom-
men. Die Wespe hat nie die Würmer gesehen, für die sie sorgt, noch nährt sie sich selbst
von Raupen Wenn das Hühnchen im Eie reif ist, fangt es an sich stärker zu bewegen, und
eine scharfe Knochenspitze auf dem Schnabel, die keinen anderen Zweck hat, schneidet dann
von innen die Schale auf.
W'enn wir das Leben der Thiere betrachten, so müssen wir staunen, wie viele Dinge und
Künste es giebt, die der Mensch zweckmässig erdacht und gewiss selbstständig erfunden hat,
welche sich in ähnlicher, oft nicht weniger vollkommener Weise auch bei den Thieren finden.
Demokrit, Plinius, Lukrez und Andere Hessen geradezu den Menschen bei den Thieren
in die Schule gehen. Die Spinne webt ein kunstvolles Netz aus zweierlei Fäden , von denen
die einen elastisch, die anderen unnachgiebig sind, welche sie mit einem besonderen Safte
zusammcnklebt; wir nennen eine ähnliche Arbeit des Menschen: spinnen. Die Schwalbe baut
wie ein Maurer ihre Wohnung mit Mörtel, der Maulwurf durchgräbt den Boden wie ein
Bergmann und pflügt die Erde auf wie ein Ackerer, die Wespe verfertigt Papier, die Wasser-
spinne macht eine Taucherglocke, der Biber ist ein Baumeister, Ameisen und Bienen leben
Digitized by Google
lieber das Zweckmässige in der Natur. t»9
gesellig in einer Weise, dass ihre Einrichtungen au das Leben der Menschen in einem .Staate
erinnern. Die Uebereinstinimung des Handelns in diesen Fällen rührt aber daher, dass die
Vernunft des Menschen und der Verstand der Thiere geistverwandt sind und in gleicher Weise
nach Zwecken handeln, denn dass die Thiere Alles ohne Bewusstsein thun sollen, ist eine
ganz unerwiesene Annahme. Auch Geräthe, die der Mensch erfunden hat, sind in der Natur
vorgebildet. Ein Weichthier des Meeres, die Synapta, hat in der Haut bewegliche Anker,
die genau den Schiffsanken) gleichen und gleichen Zweck haben, ein anderes, die Chirodota,
trägt eine Schnur von Rädern, die so schön und zierlich gezeichnet sind, dass sie, vergrössert,
den Triumphwagen eines römischen Imperators geschmückt haben würden. Einige Spionen
haben am Hinterfusse zwei Kämme und eine Bürste, die sich von denen, welche wir gebrauchen,
nicht unterscheiden. Das Räderthier mit seinen zwei Wimperkränzeu, dessen Fäden in regel-
mässiger Folge in das Wasser schlagen, gleicht es nicht dem Dampfboot, das sich mit Schaufel-
rädern fortbewegt?
In’s Unendliche liessen sich die Beispiele häufen, welche die Naturforschung auf ihrem
heutigen hohen Standpunkte aufzählen kann, um die Zweckmässigkeit der Natur zu erweisen.
Diese Beispiele sind freilich von anderer Art als jene wohlgemeinten Auslegungen, mit denen
sich einst Naturforscher zufrieden gaben , mit denen man heute nur noch den kindlichen
Vorwitz straft, wie wenn man sagt: Mond und Sterne sind geschaffen, um in der Nacht zu
leuchten, die Bäume sind grün, weil grün gut für die Augen ist, die Augenbrauen sind vor-
handen. damit der Schweiss von der Stirn nicht in die Augen rinne, die Absonderung im
Ohre, damit kein Insekt hineinkrieche, oder gar die Korkeiche ist da, damit der Mensch
Stopfen daraus schneiden kann'.
Wir haben in dem Walten der grossen Naturkräfte wie in den mannigfachen Erschei-
nungen des organischen Lebens eine wunderbare Zweckmässigkeit nicht verkennen können
und ziehen eine wichtige Folgerung aus dieser Betrachtung. Wir können nicht läugnen,
dass die Vernunft des Menschen, indem sie nach Zwecken handelt, ganz ähnlich verfährt,
wie die göttliche Vernunft, die in der Schöpfung Alles geordnet hat. Wohl empfinden wir
den weiten Abstand menschlichen Thuns von dem Schaffen der Allmacht, aber wir sind doch
durch diese unsere Vernunft befähigt, die Gottheit in ihren Werken zu erkennen, und dürfen
schliessen, dass der menschliche Geist wirklich von göttlichem Ursprünge ist wenn auch nur
ein schwacher Funke aus einem Meer von Licht!
Es sollen aber auch die Ein würfe nicht unerwähnt bleiben, die man gegen die Zweck-
mässigkeit der Natur geltend machen kann und wirklich geltend gemacht hat. Man hat
behauptet, es gebe doch unzweifelhaft Manches in der Natur, was durchaus nicht zweck-
mässig erscheine, sondern uns auch ihre Unvollkommenheit verrathe, z. B. die Missbildungen,
die Krankheiten oder gar der Tod! Wenn eine Missgeburt zu Stande kommt, so ist das ein
Fehler der Natur, der oft nachweisbar dadurch entsteht, dass sie in ihrem freien Schaffen
gehindert ist, woran nicht selten der Mensch die Schuld trügt. Die Natur selbst aber besei-
tigt solche missglückten Bildungen so schnell als möglich. In Bezug auf die meisten Krank-
heiten klagen wir die Natur mit Unrecht an, denn der Mensch selbst erzeugt sie durch Un-
mässigkeit, Sorglosigkeit, Ausschweifung, Schmutz, Leidenschaft und andere Fehler. Sogar
von den schrecklichsten Krankheiten, von den grossen Seuchen, die oft ganze Länder
13*
Digitized by Google
100 H. Schaaffhausen, Ueber das Zweckmässige in der Natur.
verheerten, ist anzunehinen, dass der Mensch selbst in überfüllten Städten, das ansteckende
Gift ausgebrütet habe, wie von der Pest neuerdings mit Grund behauptet worden ist Die
Natur verfahrt zwar in strenger aber in wohlthätiger Weise, wenn sie durch ein häufigeres
Sterben die Uebelstände einer zu dichten Bevölkerung selber hinwegräumt. Für die Erhal-
tung des Ganzen scheut sie kein Opfer. Wie wahr sagt Göthe im Wilhelm Meister: „Wenn
die Natur verabscheut, spricht sie es laut aus. Da* Geschöpf, das nicht sein soll, kann nicht
werden; das Geschöpf, das falsch lebt, wird früh zerstört. Unfruchtbarkeit, kümmerliches
Dasein, frühzeitiges Verfallen, das sind ihre Flüche, die Kennzeichen ihrer Strenge. Da!
seht um Euch her und was verboten und was verflucht ist, wird Euch in die Augen fallen.“
Gerade den Krankheiten gegenüber ist die Art und Weise, wie die Natur ihnen oft Wider-
stand leistet und sie, wenn sie nicht zu weit vorgeschritten sind, alle zu heilen im Stande
ist, ein neuer Beweis von der Vollkommenheit der organischen Thätigkeit. Auch die Heil-
kunde erkennt jetzt mehr wie je das zweckmässige Heilbestreben der Natur und vertraut in
vielen Fällen dieser allein die Heilung des Kranken an, wo früher die allzugeschäftige Kunst
nur Schaden angerichtet hat.
Was den Tod betrifft, so hat man freilich gesagt, nur durch die Sünde seien Krankheit
und Tod in die Welt gekommen, aber sie waren darin, ehe es Menschen gab. Es ist das
gegenseitige Morden und Würgen, was wir zwischen den Thiereu um uns sehen, freilich ein
grausiges Schauspiel; aber wenn wir darüber nachdenken, finden wir bald, dass es nicht
wohl anders sein konnte. Auf diese Weise wird, da ein schneller Tod die Schwachen ereilt,
am meisten Lebensgenuss für die übrigen Thiere geschaffen; der Tod trifft jene in den meisten
Fällen mitten in der Freude des Daseins und dient nur dazu, anderes frohes Leben möglich
zu machen. Und der Mensch, wie oft verschuldet er nicht selbst seinen frühen Tod, wie
selten erreicht er das ihm von der gütigen Natur gesetzte späte Ziel seines Lebens, aus dem
sie ihm dann auch das Scheiden so leicht macht! Wir pflegen in vielen Fällen, wenn wir
dem Unglücke gegenüber stehen , zu sagen : das ist höhere Fügung, das war Gottes Wille,
wenn es richtiger wäre zu sagen: das ist unsere Schuld, das ist die Folge des Leichtsinnes
und der Tliorheit , die doch nicht der Wille Gottes sind. Er lässt der Thorheit ihren Lauf,
bis der Mensch durch Schaden klug wird. Wie oft legen wir müssig die Hände in den
Scbooss mit jener selbstzufriedenen Ergebung in den göttlichen Willen, die nur der Beweis
unserer Unwissenheit ist, wo wir forschen und handeln sollten! Es ist bequem für das Ge-
wissen, Gott zum Urheber von Ereignissen zu machen, die wir selbst verschuldet haben.
Strafen Gottes nannte man immer die grossen Weltseuchen, welche von Zeit zu Zeit das
Menschengeschlecht heimsuchen , es sind in der That Strafen für unsere Unwissenheit, und
Erkenntniss der Natur ist das sicherste Mittel, sie abzuwenden.
Aber seihst der Tod erscheint für die Menschheit als eine wohlthätige, als eine zweck-
mässige Einrichtung, wenn wir bedenken, dass allein das Sterben dem Menschen die ernste,
auf das Ewige gerichtete Stimmung giebt, dass es ohne den Tod wohl keine religiöse Em-
pfindung, keine sittliche Erhebung geben würde, dass gerade die Betrachtung, wie Alles im
Leben und das Leben selbst vergänglich ist, die Quelle der edelsten menschlichen Tugenden,
also auch die des reinsten menschlichen Glückes ist!
Digitized by Google
VII.
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim (Rheinhessen),
einer der ältesten Friedhöfe des Rheinlandes.
' V on
L. Lindenschmit.
Hierzu Tafel 1 und II.)
Die Höhenzüge zu beiden Seiten des Thalgrundes, in welchen) die Pfrimm munteren
Laufes vom Donnersberge her dem Rheine zueilt, bergen in ihrem Schoosse viele Grabstatten
des fernen Alterthums als Zeugnisse der Bewohnung dieses anmuthigen Hügellandes bis in
die entlegenste Vorzeit hin.
Auf dem südlichen Höhenrande, bei dem Orte Monsheim, hat der Bau der Eisenbahn
einen fränkischen Friedhof aus der Zeit der merovingischen Könige durchschnitten, aber nicht
völlig zerstört. An der Seite des abgetragenen Ackerfeldes sind noch einzelne unberührte
Gräber zu erkennen, deren Abstand und Richtung die Reihen bezeichnen, in welchen die ver-
schwundenen lagen und die noch vorhandenen zu suchen sind.
Jenseits auf der nördlichen, gegen Südosten abfallenden Höhe, gerade über dem nahe
gelegenen Orte Kriegsheini, haben vor der Ankunft der Franken römische Ansiedler die Asche
ihrer Todten in schönen gehenkelten Glasumen niedergelegt und theils in ausgehöhlten würfel-
förmigen Steinbehältem , theils in kleinen Kammern aus Ziegeln oder sorgfältig gesetzten
Steinen geborgen.
In weitaus fernere Zeit aber reicht ein Gräberfeld, welches sich auf derselben Thalseite
bei dem Dorfe Monsheim, dom fränkischen Friedhofe gegenüber, den sonnigen Abhang nach
der Höhe hinaufzog, auf welcher vor Kurzem noch ein mächtiger pfeilerartiger Kalksteinblock
weithin sichtbar emporragte, ein altheidnisches Symbol, dessen Bedeutung längst in Ver-
gessenheit fiel, wie das Gräberfeld selbst, auf dessen Nordseite es aufgerichtet war.
Der Name des Denkmals, welcher nach dem Schwinden seines Verständnisses aus Hünen-
stein in Hünerstein und gemäss der Mundart des Landes in Hinkelstein verwandelt
Digitized by Google
10-2
L. LinUenschmit,
wurde, zeigt nach seiner ursprünglichen Bedeutung in allen Gegenden Deutschlands die un-
mittelbarste Beziehung zu Gräbern eines alten verschollenen Geschlechts.
War aber der graue verwitterte Stein im Sinne eines schützenden Wahrzeichens bei den
Gräbern aufgestellt, so hat er seit mehr als zweimal tausend Jahren unter allem Wechsel der
Geschicke des Landes diese seine Bestimmung erfüllt und nach seiner Entfernung erst sind
alsbald auoh die bisher ungestörten Gräber der Vernichtung verfallen.
Nicht lange nachdem der Stein nusgehoben und mit grosser Mühe , bei seiner Höhe von
9 Fuss und einer Stärke von 4 Fuss 3 Zoll, in den Hofraum des alten Herrenhauses in Mons-
heim gebracht war, wurde von dem Gutsbesitzer die Rodung des umliegenden Feldes ange-
ordnet
Seit vielen Jahrhunderten zwar wurde bereits der Abhang des Hügels als einer der besten
Theile der Gemarkung von dem Ackerbau benutzt Lange schon war jedes äussere Merkmal
der Bodenbildung, welches die Üräberatätte erkenntlich zu machen vermochte, beseitigt und
nur Vermuthung bleibt es, wenn wir die Reste eines Umfassungsgrabeüs des alten Friedhofs
in einem neuerdings erst ausgefüllten Hohlwege zu erkennen glauben, da derselbe die Aus-
dehnung des Gräberfeldes nach Osten bezeichnet und seine Richtung mit jener der einzelnen
Grabstätten zusammenfällt. Nach Westen zu ist jede Spur einer solchen Abgrenzung durch
einen Steinbruch zerstört, und nach Nordon wie nach Süden von der Agricultur längst besei-
tigt Vollkommen ungewiss bleibt es deshalb, ob das Todtenfeld nach allen Seiten durch Erd-
bauten oder theilweise nur durch einen Haag abgeschlossen war.
Hatte aber auch der Pflug alles eingeebnet, so konnte er doch nicht in die Tiefe der
Gräber selbst dringen, diese wurde jetzt erst beim Roden des Feldes zur Anlage eines Wein-
berges erreicht. Leider haben wir erst kurz vor Beendigung dieser Arbeit von den merk-
würdigen, durch sie veranlassten Entdeckungen Kenntniss erhalten, immerhin jedoch noch
frühzeitig genug, um die Oeffnung der letzten Gräber zunächst der Höhe persönlich über-
wachen zu können und Gelegenheit zu finden, sowohl die früheren Fundstücke grossenthcils
zu sammeln, als auch verlässige Nachrichten über dieselben zu erhalten.
Die Zahl der Gräber war eine sehr bedeutende. Dass sie nicht genau festzustellon ist,
wird dadurch erklärlich, dass sie beim Beginn der Arbeit wenig oder gar nicht beachtet wurde.
Erst den letzten ßO — 70 Gräbern wurde von zuverlässigen Beobachtern grössere Aufmerksam-
keit zugewendet. Die Gesammtzald derselben wird von einigen der Arbeiter auf 300, von
anderen etwas geringer, aber jedenfalls über 200 geschätzt
Es erscheint dies als eine sehr bemerkenswerthe völlig neue Thatsache, da bis jetzt
Gräber dieser Art nur vereinzelt oder gruppenweise, niemals jedoch in solcher Anzahl an
einem Orte vereinigt, im Rheinlande sowohl als im übrigen Deutschland zu Tage gekommen
sind.
Die Grabstätten waren alle von West nach Osten gerichtet, jedoch nicht völlig genau,
') Dürften die Funde gleichartiger Gefisescherben weiter Bbw»rte, in der Nähe der unteren Schlosamulilo
im Thale, und jene von Steingeräthen auf dem ebenfalls beim Hinketsteine gelegenen „Kuhwingert“ als Spu-
ren von Gräbern betrachtet werden, »o war die Ausdehnung dor Gräber nach Süden and Westen eine viel
bedeutendere und ihre Zahl müsste um viele Hunderte höher geschätzt werden.
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkclstein bei Monsheim. 103
mehr von Nordwest nach Sädost, so jedoch, dass die Absicht nicht zu verkennen ist, das Ant-
litz deH Todten dem Aufgange der Sonne zuzuwenden. Sie lagen in ziemlich regelmässigen
Zwischenräumen von 5 bis 7 Fuss bald neben einander in einer Art von Reihen, so dass ein
Rodgraben von 3 Fuss Breite oft 3 bis 4 Skelette aufdeckte, bald ohne diese Ordnung, jedoch
mit jenem bestimmten Zwischenräume unter sich.
Diese Anordnung, welche mit den Friedhöfen der Franken und Alemannen auffallend
iibereinstimmt, ist bei Gräbern dieser Frühzeit nur äusserst selten und nur bei vereinzelten
kleinen Gruppen beobachtet; sie ist insofern auch weiter beachtenswert!), als sie die Annahme
grösserer Hilgelb&uten über den einzelnen Ruhestätten ausschliesst.
In gleicher Weise fehlt auch jeder Steinbau innerhalb derselben. Sie waren als einfache,
der Körpergrösso entsprechende Gruben in den Boden versenkt, bis zu welcher ursprünglichen
Tiefe war nicht genau zu ermessen, da das Feld durch laugdauernde Bepfliigung von der
Höhe abgebaut war. V on der jetzigen Oberfläche lagen die Körper 3 bis 4 Fuas tief.
Wenn bei den letzten 60 Gräbern beobachtet wurde, dass die Schädel alle nach Unten
gekehrt und auf dem Gesicht lagen, so ist dies nicht etwa, wie man glaubte, als ihre ursprüng-
liche Richtung zu betrachten, sondern nur als die Folge des Herabsinkens des Kopfes bei der
sitzenden Stellung, in welcher die Todten, wie in den meisten der ältesten Gräber, boigesetzt
waren.
Die Körperreste waren jedoch in einem Grade zerfallen und verwittert, dass sie nur in
einzelnen Bruchstücken, oft nur an ihrer Farbe zu erkennen waren. Bei denjenigen, welche
in unserem Beisein gefunden wurden, zeigten sich selbst die festeren Knochentheile nur in
formlosen, auffallend leichten Fragmenten. Die Stelle des Schädels wurde nur durch einige
Zähne und Stücke der Kinnlade bemerkbar. Die Erhaltung der Bruchstücke durch Einsamm-
lung oder selbst durch Aushebung der ganzen umgebenden Erdmasse blieb unmöglich, und
diese vollständige Auflösung der Knochen erklärt es, dass wir selbst bei dem hohen Preise,
welchen wir für die Ausgrabung eines Schädels boten, keinen solchen aus den Gräbern auf
der Höhe erhalten konnten. Wir dürfen es deshalb nur als eineu glücklichen Zufall betrach-
ten, dass wenigstens ziemlich bedeutende Fragmente von zwei Schädeln aus einer so grossen
Anzahl, bei den weiter unten liegenden Gräbern gerettet wurden und in unseren Besitz ge-
langten.
Belehrte anch schon der erste Blick, dass dieselben nicht der brachycephalen Raee ango-
hören, welche, wie man behauptet, die älteste Bevölkerung unseres Landes bildete, und
dass sie sich so wenig den finnischen als den iberischen Stämmen zuweisen lassen, welche
wir, je nach den Ansichten der Sprachforscher, als das Volk der Steinzeit zu betrachten
hätten, so fanden wir doch begreiflicherweise, dass das Verhältniss dieser ausgesprochensten
Langscliädel zu den Dolichocephalen der Grabhügel des Rheinlandes, und jenen der Reihen-
gräber nur aus einer Prüfung der massgebenden Einzelformen von Seiten eines competenten
Specialforschers hervorgehen könne. Wir übersandten deshalb sogleich die betreffenden
Schädclstücke unserem verehrten Freund Herrn Hofrath Ecker in Freiburg, welcher weiter
unten ausführlicher darüber berichten wird.
Die Annahme eines hohen Alters dieser Gräber nach dem Zustande der Körperreste
erhält durch die Einfachheit und Gleichartigkeit ihrer Ausstattung mit Geräthen
Digitized by Google
104 L. Lindenschinit,
und Gefiissen die vollkommenste Bestätigung. Nicht wie bei den Grabhügeln und Friedhöfen
späterer Zeiten, zeigen sich einzelne besonders bevorzugt« Gräber durch reichere und sel-
tenere Beigaben bemerkbar. Stoff, Arbeit und Form derselben ist allgemein gleichartig, wie
auch ihre Vertheilung.
Dieser an und für sich sehr bemerkenswertbe Umstand überhebt uns zugleich einer um-
fassenden Beschreibung der einzelnen Gefiisse, Geräthe und Schmucksachen, und vereinfacht
wesentlich unseren Bericht, welcher den beiliegenden Abbildungen nur wenige Bemerkungen
beizufiigen hat.
Alle handwerklichen Geräthe und auch die zu Waffen benutzbaren Aexte sind aus den
verschiedenen, für ihre Zwecke geeigneten Steinarten gebildet, unter welchen nur der Feuer-
stein nicht der Landesgegend selbst angehört. Dieser aber kann nicht im Ueberflus.se zur
Verfügung gewesen sein, da er nur zu kleineren Schneidinstrumenten und Messern verar-
beitet ist. Für Beile und verschiedene Arten beilartiger Meissel ist der Kieselschiefer, Syenit
und Diorit verwendet, Sandstein zu den Handmühlen und Schleifsteinen.
Eigentliche, nur zu Zwecken der Jagd und das Kriege« benutzbare Waffen, wie Pfeil-
spitzen, Lanzen und grössere Messer, wie sie die alten Gräber, namentlich in Ländern, welche
Feuerstein besitzen, in grosser Zahl aufweisen, fehlen hier vollständig und selbst die Werk-
zeuge, obschon im Ganzen sorgfältig gearbeitet, zeigen nur wenige Formen.
Von Aexten und Beilen finden sich die zwei verschiedenen Arten: die zur Aufnahme
eines Schaftes durchbohrte Hammeraxt (Nro. 1,3, 11 Tafel II) und häufiger wie überall das
flache Steinbeil zum Einsetzen in das gespaltene Ende eines hakenförmigen Schaftes (Nro. 14,
15 Tafel II).
Die oft angeregte Frage, welche der beiden Formen als Watte und welche als Werkzeug
zu betrachten sei, kann im Allgemeinen, wie sie gestellt wird, keine Auskunft finden, da nur
das ausserordentlich wechselnde Grössenverhältniss des Steingeräthes seinen Gebrauch für
den einen oder anderen Zweck, oder für beide zugleich, bestimmen kann. Man sollte sich
erinnern, dass zur Zeit der merovingischen Könige die kleine Eisenaxt sowohl Nationalwaffe,
als zugleich fiir die verschiedensten Arbeiten überall zur Hand war. Von den durchbohrten
Steinäxten aber konnten offenbar nur die kleineren und leichteren Stücke, deren Gewicht mit
der Stärke des eingeschobenen Schaftes im richtigen Verhältnis« stellt, eine praktische Waffe
bilden. Die schweren Arten dieser Axt, zu welchen die unseres Friedhöfe« gehören, sind hei
ihrem Gewichte von 1 */, bis 2'/j Pfund dazu wenig geeignet.
Auf ihren Gebrauch als Werkzeug«; deutet ferner die Eigenthiimlichkeit, welche auch
viele andere durchbohrte Steinäxte des Rheinlandes zeigen, dass eine ihrer Seitenflächen eine
völlig grade, vom Gebrauch glatt geschliffene Fläche hat, während die andere mehr oder min-
der stark gewölbt und weniger benutzt erscheint. Diese Besonderheit ist bisher wenig oder
gar nicht beachtet und noch weniger erklärt. Sie kann aber für einen kriegerischen Zweck
nicht die geringste Bedeutung haben.
Alle Aexte dieser Art haben an ihrem der Schneide entgegengesetzten Ende eineu breiten
hammertörmigen Abschluss und an demselben sogar häufig Spuren von Absplitterung, offen-
bar von ihrem Gebrauche als schwere Selilagwerkzeuge oder als Setzhämmer, welche mit
gewichtigen Holzschlägeln angetrieben wurden.
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkclstein bei Monsheim.
105
Bei weitem geschickter für den Gebrauch als Watte erscheint das flache Steinbeil, welchem
zugleich eine weit schärfere Schneide mitgetheilt werden konnte, als jenen Hammeräxten,
zu welchen gerade ihrer Durchbohrung wegen nur stärkere und breitere Steine benutzt
werden konnten.
In der That besitzt unsere Sammlung ein solches flaches meisselformiges Beil (Nid. 7
Tafel ni) mit seinem beinahe völlig erhaltenen Holzschafte1), welches offenbar als Waffe
mit den Resten eines Holzschildes in einem grossen Plattenhause bei einem Skelette von doli-
chocephaler Kopfbildung lag und bei Untersuchung eines Grabhügels unweit Langen- Eich-
stätt in Sachsen gefunden wurde.
Es verschlägt dabei nicht das Geringste, dass auch wirkliche Werkzeuge, wie die Hacken
der Bergleute in den alten Salzwerken der Alpen, ganz dieselbe Schäftung zeigen wie Nro. (i
Tafel U ein Axtstiel aus dem Bergwerke von Reichenhall, da hier dem verschiedenen Zweck
eine verschiedene Stellung der Klinge entsprechen konnte und überhaupt kein wesentlicher
Unterschied zwischen der Streitaxt und dem leichten Werkheile bestehen kann.
Andere Werkzeuge, von der Form der Nummern 12 und 13 Tafel II, schlanke Meissei
mit schmaler scharfer Schneide, von allen Grössen, welche thoil weise wie Stemmeisen oder
eine Art von Hobeln in der Hand liegen und jedenfalls zur Bearbeitung von Holz dienten,
fanden sich in grosser Anzahl in den Gräbern. In Bezug auf diese Form , welche im Norden
für sehr spätzeitlich, ja theilwoise für mittelalterliche Putzsteine eiserner Harnische betrach-
tet wird, hat unsere Uebcrzeugung von ihrem weit höheren Alter nunmehr durch die Funde
am Hinkelstein eine willkommene Bestätigung erhalten. Ein einziges dieser Werkzeuge
(Nr. 13) mit einer graden und einer gewölbten Seitenfläche, wie die grösseren durchbohrte))
Aexte, zeigt den Versuch einer Durchbohrung durch eine kreisförmige eingedrehte Vertiefung,
innerhalb welcher das runde Stück, welches bei Vollendung der Bohrung Ausfallen musste,
noch an dem Steine festsitzt. Die bisherige Annahme, dass dieses Verfahren nur durch die
Anwendung eines hohlen cylinderförmigon Metallbohrers auszuführen sei, hat ihre Geltung
verloren, seitdem man weise, dass wilde Stämme noch in neuester Zeit eine gleichmässige
Durchbohrung der härtesten Materien vermittelst eines Centralbohrers, welcher mit scharfen
Steinsplitten) besetzt ist, zu Stande bringen, ohne weitere Hiilfsmittel als Wasser, Sand und
entsprechende Geduld.
Wenig zahlreich erschienen, wie schon bemerkt, die Messerchen aus Feuerstein. Wir
itesitzen deren nur 21, dagegen fehlte in keinem Grabe eine Handmühle der einfachsten Art
aus Sandstein (Nr. IG Tafel II), ein grösseres, etwas concaves Stück und ein kleiner Läufer
meist von ovaler Form.
Aus Sandstein besteht auch ein eigentümliches Werkzeug (Nr. 2 Tafel II), in dessen
Mitte sich eine scharf eingeschnitteno Vertiefung findet. Die vorhandenen Exemplare sind
von so übereinstimmender Grösse, dass sie aufeinander passen. Der Zweck dieses bis jetzt
unseres Wissens noch nirgend sonstwo aufgefundenen Gegenstandes ist schwer zu bestimmen,
') E« ist die« wohl das älteste in Deutschland ans (»riibern erhobene Holsgerathe und ohne Zweifel gleich-
seitig mit jenem der Pfuhlbaustaüonen der sogenannten Steinperiode.
Archiv für Anthropologie. Bd. III. Heft LL ],}
Digitized by Google
106
L. Lindenschmit
so viel ist gewiss, dass in der Vertiefung des sehartkörnigen Steines sich kleine Geräthe von
Knochen und Horn sehr schnell zuspitzen und anschleifen lassen.
Was von Schmuckgeräthen gefunden wurde, bestand einzig in Halsbändern aus durch-
bohrten Muschelstücken von dem Glanze der Perlmutter. Ein Theil derselben ist in die Form
von kleinen Ringen zugeschlifTcn (Nr. 8 Tafel H), ein anderer !>esteht aus grosseren Stücken
in Form roher Berlocken (Nr. 10 Tafel II).
In solcher Menge fanden sich diese einfachen Scbmuckperlen, dass wir, ungeachtet die
meisten in Folge ihrer starken Verwitterung bei der Berührung in Staub zerfielen, doch sechs
Schnüre derselben mit 136 Stück aufsammeln konnten. Ihr schöner wohlerhaltener Perlglanz
unterscheidet sie vortheilhaft von dem Halsschmucke aus durchbohrten, durch die Zeit braun
gefärbten Thierzähnen, welcher sich in den alten Grabhügeln und Plattenhäusern findet, wie
jener Nr. !) Tafel II aus dem schon erwähnten Steindenkmale hei Langen-Eichstätt
Die berlockenförmigen Perlstücke, aus dem Wirbel der Muschelschale geschnitten, sind
noch nirgends in solcher Anzahl beobachtet. Häufiger und weiter verbreitet findet sich der
Gebrauch der ringförmig gearbeiteten Perlmutterscheibchen, jetloch nur in Gräbern eines hoch-
alterthümlielien Charakters, zumeist nur in Begleitung von Geräthen aus Stein und Knochen,
seltener bei einzelnen Bronzestücken. Lartet fand dieselben in der vielbesprochenen Grab-
höhle von Aurignac. Sie wurden auch unter den Dolmens des Departement du Lot, sowie
unter dem grossen Dolmen von Truans bei St. Affrique (Aveyron) erhoben und der gelehrte
Director des Museums von Sb Gennain, Herr Bertrand, veröffentlicht (Revue archdologique,
avril 1867) einen solchen Fund eines Halsschmucks von Muschelstücken (collier de coquillage
ä Viquely), bei welchem sich neben sechs kleinen durchbohrten Cylindcm von 10 bis 15 Milli-
metres und sechs viereckigen kleinen Platten von 14 bis 15 Millim. auch 59 solcher kleinen
Ringe von 8 bis 10 Millim-, also einer gleichen Grösse wie die unserigen von 8 bis 12 Millim. be-
fanden. Wälirend aber alle diese verschiedenen Formen bei dem Funde von Viquely zu einem
einzigen Halssclimucke vereinigt waren, fanden sich unsere beiden verschiedenen Arten auch stets
in verschiedenen Gräbern. Es ist deshalb nicht daran zu denken, dass sie etwa in einer abwech-
selnden Zusammenstellung die Bedeutung einer symbolischen Schrift erhalten konnten, wie der
gleichartige Muschelschmuck der wilden Amerikaner, an welchen Herr Bertrand erinnert
Einen wesentlichen Theil der Ausstattung unserer Gräber bilden die Gefässe, Krüge,
Näpfe und Becher Tafel I Nr. 1 bis 18. Alle sind aus der Hand geformt und bestehen aus
schlecht gebranntem , mit Quarzsand gemischtem Thon. Einzelne sind mit drei bis vier vor-
springenden Knöpfen versehen, welche meistens zum Durchziehen einer Schnur durchbohrt
sind. Ihre Formen, von welchen wir die bemerkenswerthell in Abbildung geben, sind bei
aller Unregelmässigkeit der Ausführung grossentheils ansprechend, und die wenigsten ent-
behren einer eingeritzten, mit Kreide ausgestrichenen Verzierung. Nicht überall besteht diese
nur aus einer Zusammenstellung grader Linien, wie sie nacli der Versicherung der Systema-
tiker ausschliesslich die Ornamentik der Steinperinde eharakterisiren soll. Nr. 6 und 9 zeigen
auch andere Formen und aut' dem Bruchstück Nr. 16 finden sich der Versuch einer Art von
PHanzendarstellung. Sämmtlielie Gelasse, mit Ausnahme von Nr. 2, haben keinen Hachen
Boden und sind unten abgerundet, so dass sie nur aut Ringe von Thon oder Flechtwerk fest-
gestellt werden konnten.
Digitized by Google
Das Gräberfeld ain Hinkelstein bei Monsheim.
107
Die Zahl der Gefässe, welche wir theils vollständig erhielten, theils mit ihren Bruch-
stücken hersteilen konnten, beträgt 23, ungerechnet eine grosse Anzahl vereinzelter Frag-
mente.
Dass Werkzeuge aus Knochen und Horn , welche sonst überall einen charakteristischen
Bestandtheil gleichartiger Grabfunde bilden, hier durchaus fehlen, konnte wohl aus der durch-
gehenden Zerstörung der animalischen Reste seine Erklärung finden, da selbst die bereits als
Petrefakte bearbeiteten Muschelstücke, wie bemerkt , der Mehrzahl nach zerfallen und ver-
wittert waren.
Damit wären wir mit der Aufzählung der Fundstücke und dem, was Uber sie zu berich-
ten ist, zu Ende. Allerdings reicht unsere Nachforschung nicht über den vierten Theil der
Gesammtzahl der Gräber hinaus. Die Beigaben des weitaus grössten Theils derselben sind in
die umgcscbaufelte Erde zurückgeworfen worden, und von der Ausbeute der letzten 60 Gräber
ist ein Theil nach Darmstadt, Worms und Alzey verbracht, ein anderer noch in Privutbesitz
zurückbehalten. War es uns demnach nicht möglich. Alles aufzusammeln, so können wir uns
doch auf Grund sorgfältiger Erkundigung überzeugt halten, dass kein wesentlicher Gegen-
stand dieser Grabfunde uns unbekannt geblieben, dass alle in hinreichender Zahl und guten
Exemplaren in unserer Sammlung vertreten sind, und diese demnach eine vollkommen aus-
reichende Grundlage zur Beurtheilung der ganzen Entdeckung gewährt.
Die nächstliegende Frage nach der Altersbestimmung .dieses merkwürdigen Gräberfeldes
bietet, unserer Ansicht nach, grosse Schwierigkeit. Freilich nicht für Diejenigen, welche mit
der Bezeichnung: Steinperiode Nr. I und II alles gesagt und abgethan glauben. Dass hier
die Reste eines Stammes gefunden sind, welchem Metallwerkzouge noch nicht bekannt oder
zugänglich waren, würde man schon vor 200 Jahren sofort erkannt haben, und mit diesem
wenig ausgiebigen Bescheide weiss man sich heutzutage noch zu begnügen.
Das System des Stein-, Erz- und Eisenaltcrs, welches als eine lichtgebende Entdeckung
betrachtet werden soll, weiss für alle Erscheinungen der ältesten Bildungsentwickelung einen
Platz, aber keine Auskunft für die wichtigsten Fragen. Es vermag so wenig die Gleichartig-
keit der Bronzegeräthe in allen Theilen der alten Welt zu erklären, als eine irgend annä-
hernde Zeitbestimmung für die Dauer des Gebrauchs der Steingerätlie zu bieten. Die Auf-
stellung dreier gänzlich verschiedener, zeitlich getrennter Cülturstufen hat die Unbefangen-
heit der Beobachtung, dio Beurtheilung der wichtigsten Thatsachen wesentlich gestört und
eine Menge einseitiger und tendenziöser Vorstellungen aufgezogen, gegen deren bereits allzu
lange dauernde Geltung die Ergebnisse der neueren comparativen Forschungsrichtung nur
Schritt für Schritt einen Boden auf dem Gebiete unserer Alterthumskunde gewinnen können.
In Bezug chronologischer Anhaltspunkte stehen wir in selbstgeschatrenen Bedenken, rath-
loser als selbst unsere längst vergessenen Vorgänger, die Antiquare des vorigen Jahrhundert«,
auf deren Perücken und Zöpfe wir mit so vielem Selbstgefühl herabzublicken pflegen. Wenn
diese in Grabhügeln die Steingeräthe in Begleitung von Bronzen gefunden haben, welche wir
jetzt noch so gut wie sie für römische Fabrikate erkennen müssen, und auf diese Thatsache
hin den Fortgebrauch der Steinwaffen bis zur Zeit der Römerkriege annchmen, so konnte
dies von ihrer Seite nur in der Ueberzeugung geschehen, dass eine Bildungsentwickelung
bis zum Ackerbau, der Weberei und vielseitiger handwerklichen Geschicklichkeiten, wie sie
H*
Digitized by Google
108
L. Lindenschmit,
die Zustände der Germanen jener Zeit naehwiesen, im Allgemeinen nieht unbedingt von dem
Gebrauch der Metalle abhängig sei. Diese Anschauungsweise hat vor unseren Augen durch
die Pfahlbaustationen der Steinzeit eine glänzende Rechtfertigung erhalten. Zu der Summe
der hier gefundenen Culturzeugnis.se haben die Stationen der Erz- und Eisenzeit ausser dem
importirtcn Motallgeräthe selbst im Wesentlichen nichts Weiteres boigebracht, was einen
nennenswerthen Fortschritt und eine bedeutende Zeitvcrschicdenheit von Jahrhunderten oder
gar Jahrtaxisenden, von denen man phantasirt, zu begründen vermöchte.
Einer unbefangenen Prüfung musste grade durch den vielseitigen und tiefen Einblick,
welchen die Pfahlbauten in die vorgeschichtliche Zeit eröffnen, die Thatsache klar werden,
dass die Metallgeräthe, wie sie dort vorliegen, nicht als ein naturgemässes folgerichtiges Er-
gebniss der vorausgehenden Bildungszustände des Landes zu betrachten sind, dass eine fremde
höhere Cultur das Erz in das Land brachte, aber nicht auch das Erz eine höhere Cultur dem
Lande.
Es ist ferner zu erkennen , dass die alten Bildungszustände, sobald sie sich bis zur aus-
reichenden Beschaffung der Lebensbedürfnisse entwickelt hatten, einen stationären Charak-
ter behalten konnten, so lange kein äusserlicher Anstoss erfolgte und so lange das Eisen
nicht zu allgemeinster und ausgiebigster Nutzung gelangte, wie dies zur Zeit des Beginns der
Römerkriege bei den germanischen Stämmen wenigstens keineswegs schon allenthalben der
Fall war. „
Zu beklagen bleibt es, dass die Pfahlbautenfunde der sogenannten Steinzeit im Ganzen
so wenig Anregung boten zu einer Vergleichung mit den frühesten Schilderungen der mittel-
europäischen Völker, zu einer Zusammenstellung der Thatsachen, welche das Verbältniss
dieser Funde zu den Bildungszuständen der ersten historischen Zeit und damit gerade die
wichtigste Seite der ganzen Entdeckung der Beurtheilung näher brächte.
Wir finden den Mangel einer solchen Untersuchung des Herabreichens der Steingeräthe
in verhältnissmässig spätzeitliche und bereits wesentlich geforderte Bildungszustände beson-
ders durch den Umstand veranlasst, dass die Aufmerksamkeit der Forschung seitdem durch
die Entdeckung von Steinwerkzeugen im Diluvium gerade nach entgegengesetzter Richtung
ausschliesslich in Anspruch genommen wurde.
Die Vorliebe für höchste Altersbestimmung aller Erscheinungen fand zusagende Beschäf-
tigung und überraschende, bis jetzt wenig bestrittene Erfolge.
Selbst ernsthafte Historiker befreunden sich schon mit dem Gedanken, den Pfahlbauten
ein Alter von 5000 Jahren nicht länger vorzuenthalten und die früher sorgfältig untersuch-
ten Funde von Steingeräthen dürfen jetzt ohne die empfehlende Gesellschaft von Höhlen-
bärenzähnen und Hyänenknochen kaum noch auf Beachtung hoffen.
Wir müssen deshalb auf das Lebhafteste bedauern, dass es uns nicht vergönnt ist, auch
unserem rheinischen Gräberfelds den Hintergrund einer pikanten Scencrie von Gletschern zu
geben, welche hier in Verbindung mit der grossartigen Linie lies Donnersberges , umgeben
von Wäldern hoher fremdartiger Baumgattungen, belebt durch ein die Pfrimrn durchwatendes
Mammuth oder ein Rbinocerns tichorhinus, welches am Hinkelsteine sein Horn wetzt, sich zu
einem ganz artigen anziehenden Bilde gestalten könnte.
Allein wir besitzen hierfür nicht den geringsten rechtfertigenden Nachweis, weder in
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim.
109
wirklichen Resten jener eigentbiimlichen Fauna vom bepelzten Elephanten bis' zum Vielfrass,
noch in gleichzeitigen Abbildungen einer jener wunderbaren Skizzentafeln aus Schiefer oder
Mannnuthknochen, auf welche der Mensch der Eiszeit in seinen Mnsostunden, dem Drango
einer soltenen künstlerischen Anlage genügend, seine Zeichnungen der ihn umgebenden Thier-
welt in festen Linien entwarf, zur Belehrung wie zur Beschämung aller späteren Geschlechter
bis zu den heutigen Besuchern der Jardins des planten und zoologischen Gärten.
Es entgeht uns damit die längst ersehnte Gelegenheit, durch das Studium eigener Funde,
statt sogenannter photographischer Reproductionen, das Verhältniss dieser urweltlichen Kunst
zu jener der späteren Zeit zu ergründen und zum Verständniss der auffallenden Thatsache
zu gelangen, dass eine gewählte Auffassung des wesentlich Charakteristischen der Formen,
wie sie jene Darstellungen von Mammuthen, Rennthieren etc. zeigen, erst auf einer Stufe der
Bildung wiederkehrt, welche, wie man sagt, von diesen ältesten Naturstudien durch einen
unmessbaren Zeitraum ganzer Reihen von Jahrtausenden getrennt ist. Alles, was von bild-
nerischen Versuchen zwischen diesem Anfang und Ende liegt, zeugt nur von unbeholfenster
Barbarei. Wenn wir bei den räthselhaftcn Fabelthieren der gallischen Münzen, bei den
wunderbaren , nur aus Kopf und Händen bestehenden Reiterfiguren der germanischen Gold-
bracteaten, bei den scheusslich verzerrten, aus Schnörkeln construirten Figuren der irischen
Manuscripte und anderen Darstellungen ans weit späterer Zeit noch, einer wildphantastischen,
völlig willkürlichen Auffassung der menschlichen und Thierformen begegnen, so fragen wir
vergeblich nach irgend einer Erklärung dieses Rückschritts, dieser gleichmiissigen Verwilde-
rung bei allen nordischen Völkern gerade nur in diesem einzigen Punkte, während doch ihre
gesanmiten übrigen Bildungszustände eine immense Ueberlegenheit zeigen im Vergleiche zu
jenen Troglodyten der Eis- und Rennthierzeit.
Da aber kein Zweifel an der wirklichen Aechthoit und vollkommenen Integrität jener
Mammuth- und Bärenstudien sowohl, als an ihrem exorbitanten Alter gestattet wird, so
scheint es in der That, dass wir darauf hingewiesen werden sollen, diese frühesten Denkmale
rein naturalistischer Kunstauffassung, diese aus unmittelbarster Nachahmung hervorgegan-
genen Darstellungen, mit unserer Abstammung von jener Thiergattung in Verbindung zu
bringen, welche heute noch in ihrer Lust und Anlage zur Imitation von keinem andern Ge-
schöpfe übertroffen wird.
Dass wir alsdann die spätere Formlosigkeit und Willkür in der Darstellung lebender
Wesen als ein Ergehn iss der Entwickelung der Phantasie und selbstständigen Schaffens dos
menschlichen Geistes, am Ende gar als die ersten Versuche zur Bildung eines Styls, im
Gegensatz zu der untergeordneten naturalistischen Richtung erkennen müssten, ergäbe sich
gewiss ebenso leicht und gut, als die Erklärung von hundert anderen Dingen.
Doch wenn es nun einmal versagt bleibt, unser Gräberfeld mit diesen wichtigen Fragen
der Forschung in nähere Beziehung zu bringen, so erscheint dies wenigstens in Bezug seiner
Altersbestimmung nicht gerade von entscheidendem Nachtheil, so lange die Geologie, welcho
die Stein geräthe der Eiszeit entdeckte und der Archäologie überlieferte, noch nicht selbst
darüber zur völligen Sicherheit gelangt ist, ob jene Gletscherperiode Mitteleuropas wirklich
so überaus weit von dem Beginn der Geschichte der östlichen und südlichen Völker abliegcn
muss oder nicht.
Digitized by Google
110
L. Lindenschmit,
Bleiben wir deshalb darauf angewiesen, jeden Aufschluss Uber unser Gräberfeld, mag die
Aussicht auf Gewinn noch so beschränkt sein, nur in dem Thatbestande des Fundes selbst
und seinem Verhältnis« zu den übrigen Gräbern gleichen Inhalts und Charaktere zu suchen,
so fragt es sich zunächst: Wie steht es im Allgemeinen mit der Kenntniss der Gräber älte-
ster Zeit und können wir die Darstellung derjenigen, welche die Kesultatc der Grabforechung
in Bezug der sogenannten Steinperiode zusammenzufassen versuchten, als vollkommen richtig
und verlässig betrachten?
Wir müssen gestehen, dass wir dies nicht vermögen, da wir wesentlichen Widersprüchen
und Ungenauigkeiten begegnen, sowohl in dem, was als Ergebniss der Erfahrung zur Gel-
tung gelangte, als in dem, was wir als berechtigte Schlüsse aus diesen Resultaten betrachten
sollen. Die Versuche zu einer Abtheilung bestimmter Zeitperioden nach Einzelheiten der
Todtenbestattung, z. B. des Grabbaues, konnten so wenig Aufschlüsse bringen , als die einsei-
tige Abtheilung nach dem Stoffe der Waffen und Geräthe.
In Bezug der sogenannten Steinzeit wird es nun für ausgemacht gehalten, daas die
Hünengräber und Hünenbetten die ausschliesslich charakterisirende Gräberform dieser
Periode bilden. Wie es scheint, verschlägt es für diese Annahme nicht das Geringste, dass
man jene, wie bekannt, aus rohen Steinblöcken oder gespaltenen Platten zusammengestellte,
durch Decksteine abgeschlossene Grabkammern nur den vornehmen angesehenen Geschlech-
tern zutheilen musste, wegen ihrer für die einfachen Hülfsmittel jener Frühzeit allerdings
schwierigen Construction. Sie repräsentiren demnach nur die Gräberform eines kleinen
Tlieiles des gesummten Volkes, dessen grosser Mehrzahl man deshalb vorläufig in Sümpfen
und Sandhiigcln seine Ruhestätten auwies. Diese Hünengräber reichen in Deutschland von
der Nord- und Ostsee bis nach Schlesien und Thüringen herauf, weiter südlich sind sie wenig-
stens jetzt nicht mehr in völlig zutreffendem Charakter nachzuweisen. Die nämlichen Grä-
ber finden sich in Frankreich (als die Dolmens), in England (als die Cromlechs) und in Däne-
mark (als Stendysser), ihre weitaus grössere geographische Verbreitung kann jedoch für den
vorliegenden Zweck ausser Betracht bleiben.
ln allen unseren Nachbarländern ist der Bau jener Grabstätten zwar gleichartig, aber
dieser Uebereinstimmung in der Form steht keineswegs auch eine durchgehend gleichartige
Bestattungswei.se der Todten zur Seite. In Dänemark ist die Leichenbeisetzung, in Deutsch-
land dagegen der Leichenbrand in den Steinkammern vorherrschend, und auch die Dolmens
nnd Cromlechs zeigen diese Mischung verschiedenen Brauchs.
Während nun auch weiterhin in den Dolmens sowohl als auch hie und da in den Hünen-
gräbern Deutschlands Gegenstände von Metall aufgefunden sind, so betrachtet man nichts-
destoweniger jene Steinkammern als eine ganz abgeschlossene und auf das Steinalter be-
schränkte Erscheinung.
Man glaubt zwischen jenen Steindenkmalen einerseits und den Grabhügeln und Erd-
gräbern andererseits eine strenge, sowohl zeitliche als nationale Unterscheidung aufstellen zu
müssen, obschon seit langer Zeit schon in Deutschland einfache Erdgräber ohne jeden Steiu-
bau, sowohl vereinzelt als in kleinen Gruppen, aufgefunden sind, welche man gemäss ihrer
Beigaben von Waffen aus Stein, Knochen und Horn, doch ebenfalls der Steinperiode zuzu-
weiseu genöthigt war.
Digitized by Google
Das Gräberfeld am llinkelstein bei Monsheim. 111
Schliesslich hält nmn cs für vollkommen gewiss, dass die in den Gräbern der Steinzeit
Bestatteten von brachycephaler Kopfbildung und keinesfalls germanischen Stammes waren;
nur ist man noch nicht darüber einig, ob sie als Finnen, Lappen, Iberer oder Galen zu be-
zeichnen sind.
Nach allem dem wüssten wir in der That nicht, wie und wo unser Gräberfeld in die Ab-
theilungen des Systems unterzubringen wäre, fände sich nicht vielleicht am Ende eine Stelle
neben jenen wenigen, so zu sagen ausrangirten Erdgräbern mit Beigaben von Stein-
geräthen. Allerdings sind unsere Todten in einem vorzüglichen Ackerboden beerdigt, nicht
wie sonst das gemeine Volk der Steinzeit, welches von dem Systeme in Sand und Sumpf ver-
wiesen ist. Ihre Ausstattung mit Gerätheil ist auch nicht geringer, ihr Schmuck nicht
werthloser als er in den grossen Steinkammem gefunden wird. Nichtsdestoweniger wären
wir genöthigt, um sie ihren Zeitgenossen in den nordischen Erdgräbern anreihen zu können,
ihnen eine untergeordnete Stellung im Volke der Hünen anzuweisen, auf Grund des Gegen-
satzes ihrer einfachen Grabstätten zu den Steindenkmalen der Aristokratie.
Bei der Abwesenheit jener grossen Grabbauten im Rheinlande müssten wir entweder
annehmen, dass unser steinzeitlicher Adel nicht gleiche Begriffe von Standesehre in Bezug
seiner Gräber hegte, wie der nordische, oder dass die rheinischen Hünen sich bei weitem
keiner solchen Anzahl bevorzugter Geschlechter erfreuen konnten, wie sie, nach der Ansicht
unserer Antiquare, aus der Masse von Steindenkmalen für Mecklenburg und Hannover un-
zweifelhaft anzunehmen ist.
Dieser Alternative wäre nicht auszuweichen, verhielte sich die Sache in Wahrheit so,
wie sie dargestellt wird. In der That jedoch kann mit derselben Sicherheit, welche die
Sätze der Systematiker beanspruchen, die Behauptung aufgestellt werden, dass für keinen
einzigen der drei bekannten Abschnitte, weder für die Stein-, Erz- noch Eisenzeit, eine be-
stimmte ausschliessliche Gräberform nachweisbar ist. Alle, wenigstens alle die Hauptarteu
des Grabbaues, finden sich in allen vorhistorischen Zeiträumen bis in die geschichtliche Zeit
herab. So wenig die charakteristischen Thongefiisse ältester Zeit und die Steingeräthe auf
die Steinkammern beschränkt sind, ebenso wenig erscheinen die letzteren in ausschliesslicher
Verbindung mit Einlagon von Waffen und Werkzeugen aus Knochen und Stein.
Es ist hier wohl am Orte und überhaupt an der Zeit, dies einmal auszusprecheu, da das
Wenige, was uns von der vorhistorischen Zeit aus den Grabdenkmalen kennen zu lernen
vergönnt ist, so viel immer möglich von einseitiger Darstellung frei erhalten werden sollte.
Ein Blick auf die verschiedenen Arten der Begräbnissweise und des Grahbaues
wird es erkennen lassen, dass die Thatsachen, welche in den Ruhestätten der ältesten Landes-
bevölkerung beobachtet sind, in vollkommenem Zusammenhang mit den späteren Erschei-
nungen stehen und dass auf dem Boden Deutschlands weder die Leichenbestattung oder der
Leichenbrand, noch irgend eine Hauptform des Grabbaues für eine Abtheilung in verschie-
dene Zeit- und Bildungsperioden odor für die Hypothese der Einwanderung von Stämmen
verschiedener Sprache und Race zu verworthen sind.
Nur bei wenigen Völkern finden wir jenen aus den Zuständen eines vereinsamten Lebens
in der Wildniss herstammenden Brauch, die Körper der Verstorbenen von ihren Wohnsitzen
entfernt ansznsetzen und ihre Zerstörung den Elementen und den Zähnen der Raubtbiere zu
Digitized by Google
112
L. Li n de nschiiiit ,
überlassen. Die abatossenden Erscheinungen in Folge dieser thieriachen Gleichgültigkeit,
welche auch die roheste Gefiihlsanlage nicht unberührt lassen können, müssen frühe schon
auch bei den nordischen Stämmen auf die Bestattung der Todten, als den einfachsten Schutz
einer ungestörten, dem Auge entzogenen Auflösung des Körpers, geführt haben. Das Ver-
senken der Todten in den leicht auszuhebenden Sand lag allerdings hierfür am nächsten.
Bevor man aber in den Besitz der HUlfsmittcl gelangt war, jene oft -Staunen erregenden
Steinmassen der HünengTiiber vom Orte zu bewegen und aufzustellen, waren längst auch die
nöthigen Werkzeuge vorhanden, um eine Vertiefung für Gräber, selbst in festerem Erdreiche,
ausführen zu können. Wir Anden dafür Zeugnisse an unseren Meeresküsten und Stromufern,
als den Orten der frühesten Bewohnung des Landes. Es sind zwar bis jetzt erst sieben
Gräberfunde dieser Art uud Zeit theils an der Ostsee, theils am Rhein zu Tage gekommen,
aber die Wichtigkeit der Thataachen, wolehe sich aus diesen wenigen Beobachtungen schon
ergeben, fordert eine kurze Darstellung der Beschaffenheit und des Inhalts jener Gräber.
Aus Mecklenburg ist bekannt das Einzelgrab bei Plau, sechs Fuss tief im Boden. Sitzeu-
des Gerippe, dessen schon oft besprochenes Schädelbruchstück leider viel zu unvollständig
erhalten ist, um die aus ihm gefolgerten Schlüsse zu rechtfertigen. Beigaben: eine Axt aus
Hirschhorn, drei Hirschzähne und ein Eherzahn. Ferner die Grabstätte bei Roggow,
8 Fuss tief. In der Mitte ein grosses Skelett, bei dem ein Pferdeschädel, G bis 7 spanförmige
Feuersteinmesser und mehrere Thongefässe; um dasselbe 12 bis 16 andere, zum Theil kleinere
Skelette strahlenförmig gelegt, mit den Häuptern gegen das mittlere Grab gerichtet, bei
ihuen Steinbeile und Gefassstücke. Die wohlerhaltenen Schädel sind nicht genauer unter-
sucht. Ob die Grabstätte bei Hohen- Wieschendorf bei Wismar in einem kleinen Sand-
hiigel gerade zu den Gräbern mit Leichenbestattung gezählt werden kann, ist zwar unge-
wiss, da von aufgefundenen Körperresten nichts berichtet ist, allein dos Maass der mit -Stei-
nen ausgesetzten, jedoch unbedeckten Grabwände entspricht eher der Beisetzung von Leichen,
als dem gebräuchlichen Raume für eine Aschenurnc. Jedenfalls bleibt diese Gräbergruppe
deshalb beachtenswerth , weil sie aus derselben Zeit, welcher die grossen bedeckten Stein-
kammern augehören, neben den einfachen Erdgräbem eine weitere und dritte Art des Grab-
baues coustatirt und zugleich in dem regelmässigen Abstand der Ruhestätten den Charakter
einer wenn auch kleinen Friedhofsanlage zeigt.
Am Rheine zeigten sich bis jetzt Gräber der ältesten Zeit nur in der Gegend zwischen
Bingen und Worms; wir haben zunächst das Todtenfeld auf dem Sandhügel von Oberingel-
heim. In der Tiefe von 10 Fuss, in einer Lehmschicht unter dem Flugsande, zahlreiche rohe
Plattenhäuser, auf einem Flücbenrauine von je 6 Quadratklaftern mindestens 10 bis 12, die
Skelette und Schädel beinahe zerfallen, theil weise durch die eingesunkenen Deckplatten zer-
drückt. Beigaben: Bruchstücke sehr roher unverzierter Gelasse, angeschnittene Hirscbborn-
fragmente und ein durchbohrtes rundes Knochenstiick, vielleicht als Ohrring an dem Bruch-
stück eines Schädels. Bei Niederingelheim vier Gräber mit Steinwerkzeugeu und Ge-
fässon, wie jene unseres Friedhofs zu Monsheim. Von den Skeletten ist nur ein Schädel,
welcher in den Besitz des Herrn Professor Schaaffhausen in Bonn gelangte, erhalten.
Ferner ein Einzelgrab bei Dienheiin unweit Oppenheim, die Körperreste mit dem Saude zu
steinartigen formlosen Klumpen verwachsen ; ein becherartiges verziertes Gelass, kleine, fein-
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim.
113
geschliffene Keile, von welchen einer in Knochenfassung, und zwei Feuersteimnesser; und wei-
ter stromaufwärts ein ähnliches Grab bei Herrnsheim mit einem kleinen verzierten Gefiiss
und drei spanfbrmigen Feuersteinmessem. Den Abschluss der Reibe bildet unser Friedhof
beim Hinkelsteine.
Die Seltenheit der Entdeckung solcher Gräber beweist nicht das Geringste gegen die
Annahme, dass dieselben in sehr bedeutender Anzahl früher vorhanden waren und theilweise
noch existiren. Der Umstand, dass im Rheinlande wie überall die Spuren der ältesten
Niederlassungen sich gerade nn besonders günstig gelegenen, zu allen Zeiten von einer
dichten Bevölkerung bewohnten Orten zeigen, erklärt ihr Verschwinden beim Schleifen der
Anhöhen, bei Anlagen von Weinbergen etc. nach Maassgabe unseres Gräberfeldes von Mons-
heim. Wenn dort erst nach dem Auswerfen von nahe 200 Gräbern die übrigen einige Beach-
tung fanden, so gewährt dies eine verlässige Andeutung, wie viele andere schon früher sowohl,
als auch zu unserer Zeit in dieser Gegend spurlos der Vernichtung anheimfallen konnten.
Absichtliche Nachforschungen aber, welche in bebautem Lande schwierig, oft unmöglich sind,
erscheinen auf Sandboden geradezu hoffnungslos, sobald nicht ein hier viel seltener zu erwar-
tender Zufall sichere Spuren bietet. Wenn deshalb Entdeckungen solcher Gräber aller Wahr-
scheinlichkeit nach wenig zahlreich bleiben werden, so erscheinen sie als Repräsentanten einer
grossen Menge, welche theils unzugänglich, theils bereits verschwunden ist, um so beachtens-
werther.
Beim Ueberbliek der genannten Gräber finden wir zwar in denselben Andeutungen ver-
schiedener Bildungsstufen in einer mehr oder weniger primitiven oder gewählteren Form und
besseren Fertigung der Thongefasse sowohl, als der Steingeräthe selbst, welche in der ein-
fachsten Art bis zu den fein geschliffenen Meissein und durchbohrten Aexten vorliegen, ohne
dass jedoch dieses Verhältnis» mit der einfacheren oder eoinplicirteren Art der Graboonstruc-
tion in Verbindung zu bringen wäre. Die Erdgräber enthalten sowohl geringere als bessere
Geräthe, die Plattengräber aber die rohesten Gefasse. Wir finden ferner neben der verschie-
denen Art des Grabbaues: der Plattenkammer, der steinumsetzten Grabstelle und dem ein-
fachen Erdgrabc, auch eine verschiedene Situation, sowohl die vereinzelte Lage des Grabes,
als die Vereinigung einer kleineren oder grösseren Zahl auf den Friedhöfen der alten Nieder-
lassungen.
Alle diese Verschiedenheiten, welchen wir auch in den spätzeitlicheren Gräbern unseres Lan-
des in gleichem Grade begegnen, erscheinen von untergeordneter Bedeutung, sie verschwinden
hier vor der Gemeinsamkeit des Gesammtcbarakters, vor den Zeugnissen einer Gleichartig-
keit der Lebensweise und Lebenszustände während der Dauer eines grossen Zeitraums mühe-
vollen und langsamen Bildungsfortschrittes.
Eine zeitliche und nationale Abscheidung dieser Grabstätten von den Hünengräbern
und HUnenbetten auf Grund des in den Steindenkmalen vorherrschenden Leichenbrandes
bleibt bei der völligen C'ongruenz des beiderseitigen so charakteristischen Inhalts geradezu
unmöglich. Wir glauben, dass die Verbrennung der Leichen in eine ältere Zeit hinaufreichen
muss, als der Bau der Hünengräber und dass sie keineswegs unbedingt als ein Zeugnis» höhe-
rer geistiger Volksbildung, „eines freieren Blicks in die Natur der Dinge“, zu betrachten ist.
In frühester Zeit, als man die Körper der Verstorbenen nur mit Sand, Steinen oder Erde zu
Archiv Ar Anthropologie. Band HL lieft II.
Digitized by Google
114
L. Lindenschinit,
l>edecken vermochte, konnte der Gedanke an die Zerstörung der Leichen durch die Flamme
nicht lange fern bleiben. Man gelangte früher in den Besitz des Feuers als der Grabwerk-
zeuge.
Nachzuweisen ist freilich der Leichenbrand erst in einer Zeit, in welcher man bereits
Thongefässe hatte und für die Beisetzung der Asche benutzen konnte, da die einfache Be-
deckung der verbrannten Körperreste mit einem Steinhaufen oder Erdaufwurf nur in den
seltensten Fällen für uns noch erkennbar bleiben konnte.
Spuren dieses Brauchs sind jedoch in Grabhügeln späterer Zeit noch beobachtet, bei
welchen die Asche des verbrannten Todten einfach in eine vertiefte Stelle der Basis des Tu-
inulus geschüttet ist. Wenn unserer Ueberzeugung nach der Leichenbrand und die Beerdi-
gung gleicbmässig in die Frübzeit der ersten festen Niederlassungen der einzelnen Stämme
hinaufreichen, so wird es erklärlich, dass in den verschiedenen Landesgegenden theils die
beiden Bestattungsweisen neben einander bestehen, oder die eine und andere zeitweise vor-
herrschen konnte, bis zur allgemeinen gleichmässigen Einführung der Beerdigung durch das
Christenthum. Unter diesem Gesichtspunkte erscheint es nicht mehr auffallend, dass in dem
nördlichen Theil der cimbrischen Halbinsel und den dänischen Inseln in ältester Zeit die Be-
stattung ausschliesslicher Brauch war, während in den Hünengräbern der deutschen Nord-
und Ostseeländer neben der Beerdigung der Leichenbrand in den letzteren vorwaltend beob-
achtet ist. Auffallend bleibt es nur, dass sowohl die dänischen als deutschen Systematiker
zur Erklärung dieser Thatsache eines fremden verschwundenen Urvolkes bedurften, welches
denn doch auch schon dieselben zwei verschiedenen Begräbnissarten hatte, wie die späteren
höher gebildeten Einwanderer und Eroberer. In Dänemark gerade, wo man den Gegensatz
der Stein- und Erzperiode am schärfsten auszuspitzen und die Verschiedenheit der Bevölke-
rung namentlich aus eiuer totalen Umwandlung der Begräbnissweise zu begründen suchte,
sind wichtige Grabfunde mit werthvollen Erzgeräthen zu Tage gekommen, bei welchen die
Todten keineswegs nach der Sitte des Bronzevolkes verbrannt, sondern in altüblicher Landes-
weise bestattet sind.
Dass man, um diese bedeuklicbe und widerstrebende Thatsache dem Systeme einzu-
sebieben, jene Gräber in die erste Zeit der Ankunft des fremden Volkes versetzen will, darf
utn so mehr als willkürlich und verfehlt bezeichnet werden, als gerade in der ersten Zeit
des Eindringens eines Volkes von überlegener Bildung die eingebrachte Sitte viel entschie-
dener dem Brauche der Unterdrückten gegenüber festgehalten wird als späterhin, wo eher
eine gegenseitige Verständigung und Vereinigung erfolgt.
Wäre die Einführung des F.rzes überhaupt mit dem Leichenbrande in Verbindung zu
bringen, so müsste dies nicht allein in Dänemark besser und vollständiger nachzuweisen
sein, sondern auch überall zutreffen, was keineswegs der Fall ist.
Findet sich nun aber in keiner der beiden Bestattungsarten, weder in dem Begraben
noch Verbrennen der Leichen, ein unterscheidendes Merkmal für ein fremdartiges verschwun-
denes Urvolk, so gilt dies auch in Bezug der Hünengräber und Hünenbetten, deren An-
lage und Ansführung man als durchaus eigenthümlich und ausser aller Beziehung zu den
übrigen Grabbauten vorhistorischer Zeit erklärte.
Zur Befestigung einer so unrichtigen Auffassung hat vorzüglich jene grübelnde Unter-
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkehteiii bei Monsheim. 115
Bcheidungslust beigetragen, welche selbst da, wo die sprechendsten Zeichen nächster Verwandt-
schaft der Erscheinungen vorliegen, es vorzieht, untergeordneten Verschiedenheiten entschei-
dendes Gewicht beizulegen. Auf keinem Gebiete der Forschung aber kann diese Verl'ah-
rungsweise geringere Auskunft bieten, als auf jenem der Untersuchung der alten Gräber.
Hier bildet die grosse Zahl der örtlich und zeitlich vortretenden Verschiedenheiten eine
scheinbar höchst verworrene Masse, deren Beurtheilung nicht aus einer Unterschei-
dung nach vereinzelten Merkmalen, sondern aus einem Alles umfassenden
Ueberblick, aus einer Auffindung des durchgehend Gemeinsamen, einem
Hervorheben des Verbindenden und Gleichartigen zu gewinnen ist.
Alle Versuche, die Grabdenkmale, ohne Berücksichtigung ihres vor Allem wichtigen
Inhalts, ausschliesslich nur nach ihrem Bau und äusseren Verhältnissen in Gruppen zu ord-
nen, konnten die Verwirrung nur vollenden, da man nach der verfehlten einseitigen Stellung
der Aufgabe genötbigt wäre, die allerältesten Gräber mit den allerspätesten in einer und der-
selben Abtheilung (jener der Gräber in dem flachen Boden) zu vereinigen. Die Hünengräber
selbst hat man den ganz gleichartigen unterirdischen Grnbkammern gegenüber gestellt, ohne
zu )>edenken, dass es schwer, ja unmöglich ist zu wissen, ob nicht die meisten, vielleicht alle
der jetzt freistehenden Hünenmale früher von einem Erdhügel bedeckt und dieses Schutzes
im Laufe der Zeit entkleidet wurden. Gesetzt aber auch, die Mehrzahl dieser Denkmale
waren ursprünglich schon in der jetzt erkennbaren Welse als freistehende Steinbauten aufge-
stellt, so unterscheiden sich dieselben doch in gar keinem Punkte von den unterirdischen
Grabkainmem und diese wiederum in nichts Wesentlichem von den Plattenhäusern und den
geschlossenen Steinkisten dor Grabhügel. Man müsste denn die Unterscheidungsmittel bis
auf die Arten des Materials der Grabbauten ausdehnen, womit sich die allerdings oigenthüm-
liche Thatsache ergeben würde, dass- das Hünenvolk nur diejenigen deutschen Länder einer
dauernden Niederlassung würdigte, in welchen erratische Granitblöcke oder doch jedenfalls
freiliegende Steinbrocken von sehr bedeutender Dimension zum Bau seiner Grabstätten in
Fülle vorhanden waren.
Man hat es bis zu einigen 40 Abtheilungen für die Structur der Grabbauten gebracht,
welche noch mit einigen weiteren ergänzt und vermehrt werden könnteu. Wichtiger aber,
als alle diese Verschiedenheiten, erscheint die Thatsache, dass die Hünengräber keineswegs
die Steinbauten abschliessen und dass die Grabform erst in der Zeit der Karolinger im All-
gemeinen zu der einfachsten und allerältesten Art der Leicbenbestattung im freien Boden
zuriiekkebrt
In dem zwischenlicgcnden langen Zeitraum bleibt der Steinbau ein wesentlicher Theil
der Grabconstruction, sei es nach der Weise der Hünengräber in Plattenkauimern (bald grös-
seren für bestattete, bald kleineren für verbrannte Leichen), oder in kreisförmigen und
kammerförmigen Trockenmauern, wie in vielfach anderer Weise. Er reicht sogar die Um-
stellung des Hügels oder Grabes durch einen Kranz grösserer Steine von den Hünenbetten
bis in die Zeit des sogenannten Eisenalters.
Für don Nachweis dos unverkennbaren Zusammenhangs der ältesten Grabformen selbst
mit jenen der letzten heidnischen und ersten christlichen Zeit bedarf es hier uicht einer um-
fassenden Aufzählung aller diese Verbindung vermittelnden Grabfunde, es genügt eine Hiu-
15*
Digilized by Google
116
L. Lindensclunit,
deutung auf die Friedhöfe merovingiseher Zeit, als den Repositorien der wichtigsten Zeugnisse
für die lange Dauer altnationaler Sitte und Brauchs. Wir begegnen unter den Gräbern der
Franken , Bnrgunden und Alemannen , theils vereinzelt, theils inmitten grosser Todtenlager,
auch den Steinkammern, aus starken Blöcken zusammengestellt und mit schweren unbehaue-
nen Platten bedeckt
Die während der letzten Versamndung der deutschen Geschieht«- und Alterthumsvereine
in Freiburg eröflheten Gräber aus dem 6. bis 8. Jahrhundert, unweit Ebringen, erscheinen
zum Verwechseln ähnlich mit den Plattenhäusern jenes Friedhofes bei Oberingelheim mit
ihren Hirschhornfragmenten und Thongefäasen ältester Art. Diesem für Deutschland mass-
gebenden Resultate der Grabforschung tritt ein bestimmtes historisches Zeugniss zur Seite in
Bezug der mit Hügeln betleckten Steinkammern des westlichen Frankreichs , welche dort
(je nach ihrem Inhalt mit Recht) als gleichartig und gleichzeitig mit den Dolmens und
also auch mit den deutschen Hünengräbern betrachtet werden. Die wichtige, bis jetzt nicht
beachtete Mittheilung des Gregor von Tours (TV. 4.), welche die Fortdauer dieser Grabform
weit in die historische Zeit hereinrückt, ist folgende: Zu den Zeiten König Chlothars (zwischen
den Jahren 546 und 552) verfolgte Chanao, ein Graf der Britannen, seinen Bruder Macliav,
welcher deshalb zu einem andern Grafen des Landes, Namens Chonomor, flüchtete. „Dieser,
als er merkte, dass die Verfolger naheten, verbarg ihn unter der Erde in eine Grabkammer
und schüttete darüber einen Grabhügel in der gebräuchlichen Weise auf (sub terra eum in lo-
culo abscondit, componons desuper ex more tuimdum), nur ein kleines Luftloch liess er ihm,
wodurch er Athem schöpfen konnte. Als aber seine Verfolger anlangten , sagte man ihnen :
Sehet, hier liegt Macliav todt und begraben. Jene aber freuten sich bei dieser Nachricht,
tranken auf dem Grabhügel und brachten dem Bruder die Botschaft zurück.“
Diesem Zeugnisse Uber den lauge dauernden Bestand der ältesten Grüberformcn Hesse
sich noch eine namhafte Anzahl von Nachweisen anreihen, welcho den Zusammenhang der
verschiedenen Bestattungsarten merovingischer Friedhöfe mit jenen der entferntesten Vorzeit
ausser Zweifel stellen.
Es ergiebt sich aus dieser Thntsaehe gerade das Gegentheil von der Hypothese eines
Völkerwechsels, einer mit dem Verschwunden des Hünen volks in Verbindung gebrachten Ein-
strömung von Stämmen verschiedener Bildung und Race in das mittlere Europa.
Könnten Schlüsse Geltung haben, wio sie in Dänemark aus dem Uebcrgang der unterir-
dischen Steinkammer zu der Steinkiste, aus der Vertauschung eines umfangreicheren Baues
mit einem kleineren derselben Construction hergeleitet werden, so müsste man mit gleichem
und grösserem Rechte für jede, oft bedeutend verschiedene Abart des Grabbaues ein anderes
Völkergeschlecht eintreten lassen.
Soll aber ein Wechsel der alten Bevölkerung aus der Art der Construction der Gräber
herausgelünden werden, so wäre er jedenfalls nach ganz anderer Richtung zu suchen. Nicht
nach abwärts von der Zeit der Hünengräber aus, sondern nach aufwärts hin, in der Zeit, die
vor jenen merkwürdigen Steindenkmalen liegt, welche, ohne bis jetzt nachweisbare Spur vor-
ausgehender Versuche und Uebergünge, in dem ganzen Norden und Westen ülmrall in gleich-
artiger bestimmter Form auftreten.
Diese Frage ist neuerdings Gegenstand einer Untersuchung geworden, welche sich Uber
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim.
117
das ganze bis nach Afrika und Asien reichende Gebiet der Dolmens und Hünengräber
erstreckt und eine Prüfung der ältesten Nachrichten über alle die Völkerschaften einschliesst,
welche etwa mit diesen eigenthümlichen Denkmalen in Verbindung zu bringen sind. Von
sicheren Resultaten dieser Forschungen wird jedoch, bei ihrer noch kurzen Dauer, sobald
keine Rede sein können. Möglich, dass sie mittelbar oder direct ein neues Licht auch Uber
unser Gräberfeld von Monsheim verbreiten, insofern dasselbe, unserer Ueberzeugung nach, in
keiner Weise von der Zei^ und dem Volke der Hünengräber zu trennen ist
Bis dahin sehen wir uns für die Beurtbeilung des Fundes einzig auf den Inhalt der Grab-
stätten, die Steingeräthe und Thongefasse, angewiesen, nachdem wir für unser Gräberfeld in
der bisherigen Anschauungsweise und systematischen Einteilung der alten Gräber keinen
Anhalt und Aufschluss gefunden haben.
Der Gebrauch von Waffen und Werkzeugen aus Stein erstreckt sich diesseits der Alpen
über den ganzen vorgeschichtlichen Zeitraum und reicht neben der theihveisen Benutzung
der Metalle viel tiefer in die historische Zeit, als mau nach den herrschenden Vorstellungen
anzunehmen geneigt ist.
Nachdem jedoch durch eine grosse Reihe von Grabfunden dargelegt ist, dass die Stein-
gerätbe keineswegs mit der Einführung des Erzes, und selbst des Eisens, verschwunden sind,
ist man zugleich zu der Erkenntnis» gelangt, dass in den einzelnen Ländern Mitteleuropas je
nach dem verschiedenen Verlaufe ihrer Bildungsentwickelung, d. h. dem verschiedenen Grade
ihrer Berührung mit den alten Culturstaaten des Südens, auch eine zeitliche Verschieden-
heit für den vollständigen Eintritt des Gebrauchs der Metallgeräthe mit Sicherheit anzu-
nehmen ist.
Von einer solchen Uebergangsperiode und auch nur einer tbeilweisen noch beschränkten
Benutzung von Erz oder Eisen gewährt unser Gräberfeld keine Spur; es bietet ausschliess-
lich nur Steingeräthe. Bei diesen wie bei allen Manufakten sind nach einem bekannten,
überall bestätigten Erfahrungssatze die einfachen rohen und nur dem nächsten Bedürfnisse
entsprechenden Formen im Allgemeinen auch als die ursprünglichen zu betrachten, während
eine bessere Ausführung und geschmackvollere Gestaltung schon vorgeschrittenere Verhält-
nisse andeuten. Es bedurfte dazu nicht der besondern Entdeckung einer ersten und zweiten
Steinperiode, welche im Wesentlichen auf einer Abscheidung der durch Schlagen angefer-
tigten, nioht geschliffenen Steingeräthe von den sorgfältig bearbeiteten, durch Schliff geglät-
teten beruht. Abtheilungen dieser Art aber können für die Bestimmung eines höheren oder
geringeren Alters von Einzelstücken und grösseren Funden nur einen ganz einseitigen Werth
haben, denn allerdings bezeugen bessere Form und Ausführung eine spätere Zeit, aber keines-
wegs umgekehrt eine einfache Form und rohe Ausführung unbedingt überall auch ein höhe-
res Alter. Die spanförmigen Messerklingen aus Feuerstein gehören zu den ältesten Zeug-
nissen des Gebrauchs der Steinwerkzeuge und sind zugleich die spätesten und jüngsten.
Die feinsten geschliffenen Meissei sind in den Gräbern oft von ganz unförmlichen Stücken
geschärften Feuersteins begleitet, welche offenbar gleichzeitig mit jenen besseren Werkzeugen
im Gebrauche waren. Für das Alter solcher Funde ist deshalb auch derselbe Grundsatz be-
stimmend, welcher überhaupt für alle, auch für Münzfunde Geltung hat, dass nämlich die
spätzeitlichsten Bestandteile als massgebend zu betrachten sind, ganz unabhängig davon,
Digitized by Google
118
L. Lindenschinit,
ob dieselben die Mehrheit bilden, oder nur als Einzelstücke mit einer Menge von Gegen-
ständen älteren Charakters vereinigt sind. Die rohen und einfachen Stein Werkzeuge , welche
in so vorwiegender Menge in den dänischen Muschellagern und Küchenabfällen gefunden
werden, verlieren ihre unbedingte Beweiskraft für ein ausnehmend hohes Alter der letzteren,
an einige wenige fein gearbeitete Steiugerätlie, welche offenbar gegen den Willen ihrer Be-
sitzer unter die Beste von Mahlzeiten geriethen, für deren Bereitung jene rohen Werkzeuge
vollkommen ausreichten. Der langdauernde Gebrauch von Geräthcq hochaltcrthlimlicher Art
und Einfachheit für Zwecke des gewöhnlichen Lebensbedarfs ist ebenso begreiflich und natur-
gemäss, als bis in späteste Zeiten nachweisbar.
Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die Gruppe unserer Stoingeräthe , so
müssen wir hier nicht dem einfachen Feuersteinmesser von sehr primitivem Charakter, son-
dern den geschliffenen und durchbohrten Werkzeugen für ihre Altersbestimmung ein Ge-
wicht beilegen.
Es ist für die Formen der letzteren, insbesondere jene der durchbohrten Aexte, bemer-
kenswerth, dass sie bis in die Funde der römischen Zeit nachweisbar, namentlich, weuu
auch nur in Bruclvstücken, in der Cisterne des römischen Castrum in Mainz zu Tage gekom-
men sind. So wenig wir diesen Umstand filr die Beurtheilung unseres Grabfeldes unbedingt
entscheidend erachten, so verstärkt er doch nicht in geringem Maasse die Andeutungen,
welche dasselbe in eine verhältnissmässige Spätzeit des ausschliesslichen Gebrauchs der
Stoingeräthe stellen.
Wir finden weitere Hinweise in den Thongefiissen unserer Gräber, welche in Stoff,
Form und Arbeit eino Verwandtschaft sowohl mit den ältesten und rohesten, als mit jenen
bereits theilweisc sehr geschickt ausgefuhrten Urnen und Schüsseln zeigen, welche in unserer
Gegend den Gräbern der Landesbevölkerung aus der Zeit kurz vor und während der Römer-
herrschaft enthoben werden.
Die Gefasse unseres und des Niederingelhcimer Friedhofes bilden eines der Mittelglieder
zwischen jenen der ältesten und der romano-germanischen Zeit. Obgleich nur an offenem
Feuer gebrannt, hat ihre Festigkeit durch die Lage im freien Boden eine ungleich härtere
Probe mit vielfach besserem Erfolge bestanden, als die oft in Steinkammorn bewahrten Er-
zeugnisse der ältesten Töpferei.
Wir halten ferner in hohem Grade beachtenswerth die verlässigen Zeugnisse für den
Ackerbau, welche in den einfachen Handmühlen unserer Gräber vorliegen.
Wenn nach der früheren, aus dem System der drei Zeitalter hervorgegangenen Idee
dem Volke de« Steinalters eine nomadische Lebensweise als Hirten und Jäger zugewiesen
und die Einführung des Ackerbaues den erzkundigen, aus Asien nachgerückten Stämmen zu-
getheilt war, so ist diese culturhistorische Phantasie durch die Untersuchungen von Grab-
funden, Höhlenwohnungen und besonders der Pfahlbaustationen der sogenannten Steinzeit
nunmehr beseitigt, ein Resultat, welches durch unser Grabfeld eine neue Bestätigung findet.
Die früheste Nachricht über die Agrikultur der rheinisch-germanischen Stämme, welche
uns Cäsar giebt, bietet einen höchst primitiven Charakter in Hinsicht auf die Art der Acker-
vertheilung an die Geschlechter und die Verwandtschaftskreise der Niederlassungen (gentihus
cognationibusque hominum qui una coierint), sowie auf den geringen Umfang der Production
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim. 119
welche nur als Ergänzung der aus Jagd und Viehzucht gewonnenen Nahrung betrachtet
wurde und für einen feindlichen Einfall keine Aussicht bot, den Bedarf an Getreide im
Lande Belbst zu finden. Es gewährt diese Beobachtung des römischen Feldherrn einen
Maassstab für die Entwickelung des Ackerbaues im Laufe der zwei folgenden Jahrhunderte,
zu welcher Zeit bereits Getreidelieferungen für den Unterhalt römischer Heere als Friedens-
bedingung gefordert und geleistet werden konnten.
Die Agriculturverhältnisse der alten Niederlassung beim Gräberfelde von Monsheim
können wir uns kaum anders vorstellen, als nach der Schilderung Casars. Allein gerade bei der
ausserordentlichen Stabilität wenig entwickelter Zustände vermögen wir darin nichts mehr
als eine weitere, freilich sehr gewichtvolle Andeutung zu finden, welche in Verbindung mit
den Kennzeichen der Geräthe und Gefässe die Stellung unseres Gräberfeldes nach einer Rieh- •
tung hin wenigstens bezeichnet und dasselbe aus dem tiefen Dunkel der ins Unbegrenzte
hinaufreichenden Urzeit in den Bereich jene« Dämmerlichtes herabbringt, welches von dem
helleren historischen Gebiete aus in den nächst vorhergehenden Zeitraum zurückfallt.
Haben wir nach dieser Seite Anhaltspunkte von so positiver Art, als sie überhaupt in
dieser Fernzeit zu finden sind, so können wir nach der anderen Seite hin ein bestimmtes
Verhältnis« zu der historischen Zeit nur in negativen Merkmalen finden.
Zuerst drängt sich die Frage auf, ob die absolute Abwesenheit jeder Metallarbeit nicht
auch hier wie anderswo aus einer entfernten Lage der Niederlassung von den alten Handels-
strassen erklärt werden kann. Eine wesentliche Differenz des Charakters altertümlicher
Funde in dem räumlichen Abstande von 1 bis 2 Tagereisen, welche aus der bisherigen ein-
seitigen Annahme einer bedeutenden Zeitverscliiedeiilieit keineswegs ihre Erklärung findet,
ist nicht allein bei den Pfahlbauten der Schweiz, sondern auch in manchen Gegenden Deutsch-
lands beobachtet.
Zu dieser mit der örtlichen Situation zusammenhängenden Frage tritt noch eine andere,
welche eine Beachtung verdient, die ihr bis jetzt bei Untersuchung von Grabfunden niemals
zu Theil geworden.
Aus den Nachrichten Cäsar« erfahren wir, dass einzelne der deutschen Stämme keinerlei
Einfuhr des auswärtigen Handels zuliessen, welcher mit der Rührigkeit des heutigen Ver-
kehrs seinen lange schon diesseits der Alpen gewonnenen Markt zu behaupten und auszu-
dehnen strebte.
Freilich können wir jetzt nicht mehr mit Sicherheit unterscheiden, ob wir diese Handels-
sperre als einen traditionellen Brauch oder etwa nur als eine politische Maassregel der Zeit,
aus welcher die Nachricht stammt, zu betrachten haben, als eine Folge nachtheiliger Erfah-
rungen von dem Einflüsse, welchen der fremde Luxus auf die Veränderung der Sitten und
die selbstständige Haltung des Volkes äussern musste. Fand ja doch Cäsar diese Verände-
rung schon bis zu den belgischen Germanen, ja bis zu den Ubiern auf der rechten Rheinseite
vorgeschritten lind die Entfremdung derselben von den übrigen Stammgenoasen theilweise
bis zu offener Feindschaft gediehen.
Denkbar und naheliegend erscheint es jedoch, dass dieses Fernbleiben oder auch absicht-
liches Fernhalten von fremder Cultur in früherer Zeit als gemeinsame Eigentümlichkeit des
Nordens betrachtet werden darf, da sie Cäsar zugleich mit den Grundzügon der einfachen
Digitized by Google
120 L. Lindenschinit,
Lebensweise des Volkes in Verbindung bringt, mit der Abhärtung gegen das rauhe Klima
und der Genügsamkeit mit den gleichmässig vertheilten Erzeugnissen des Landes. Dass
dieses Beharren in altüberlieferter Weise überall da, wo directe Berührung mit den Cultur-
staaten des Südens stattfand, allmälich verschwinden musste und zu den Zeiten Casars nur
noch im Innern Deutschlands gefunden wurde, ist ebenso begreiflich, als dort, einzig aus
diesem Grunde nur, die Dauer der primitiven Bewaffnung der Volksmenge, selbst noch in
der Zeit der Feldzüge des Germanicus zu erklären ist.
Ist aber diese abgeschlossene Haltung auf eine höhere Vorzeit zurückzuführen , so darf
sie auch bei Beurtheilung unseres Gräberfeldes nicht kurzweg übergangen werden, weil die
Beantwortung der Frage, ob sie hier einen Erklärungsgrund des ausschliesslichen Vorkom-
mens von Steingeräthen zu bieten vermag, in Verbindung mit einem Blicke auf die Wege
nnd die Ausdehnung des alten Handels die einzigen Anhaltspunkte für eine annähernde
Zeitstellung ergeben.
Der Umfang und die Bedeutung des Mittclmecrhandels für die Culturverhältnisse der
nordischen Stämme ist noch lange nicht genug gewürdigt. Selbst in Bezug auf Gallien be-
gnügt man sich mit einer ganz oberflächlichen Darstellung, nur um der imaginären Eigenart
einer keltischen Cultur nicht zu nahe zu treten, obgleich man wissen sollte, dass der Import
allein von Italien aus. ein immenser dnd der Verkehr von solchem Umfänge war, dass er
nicht etwa nur einen Einfluss auf die Umgestaltung der nationalen Bitten äusserte, sondern
sogar für die Geschicke des Landes entscheidend wurde. Die Zölle auf dem Arar bildeten
den wesentlichsten Grund der Eifersucht und des beständigen Streites der Sequaner und Hä-
dner, welcher die Berufung des Ariovist und in deren Folge die Unterjochung des ganzen
Landes durch die Römer veranlasste.
Thatsachen dieser Art und die aus ihnen sich ergebenden Schlüsse vermögen freilich
nichts gegen die festgewurzelten Ideen und Vorstellungen Derjenigen, welche, gleich den Dä-
nen, die leer gebliebenen Blätter ihrer Landesgeschichte mit patriotischen Phautasien auszu-
füllen streben, oder gegen die Zuversicht jener Herren Geologen und Chemiker, welche die
ganze Culturgesehichte aus dem Fundorte, den Lagerungsverhältnissen und dem chemischen
Gehalte einer Anzahl von Fundobjecten oonstruiren zu können vermeinen.
Zum Glück verlieren die historischen Ueberlieferungen durch diese wegwerfende Behand-
lung nicht das Geringste an ihrem entscheidenden Gewicht, zumal sie durch das Zeugniss
der Grabfunde eine immer glänzendere Bestätigung finden.
Wie der alte Handel in Gallien hauptsächlich die Wasserstrassen benutzte, so waren es
auch in Deutschland die Elbe und der Rhein, welche die Verbindung mit den Ostr und
Nordseeländern vermittelten. Während aber die Elbestrasse zu den Zeiten des Tacitus schon
lange abgesporrt, verlassen und beinahe in Vergessenheit gerathen war, blieb dem Rheine
bis zum Eintritt römischer Herrschaft der frequenteste Verkehr, welcher durch die Aare, den
Bieler und Neuenburger See, theils über die Alpenpässe, theils durch den Genfer See und
die Rhone mit Italien in Verbindung stand.
Wenn diese natürliche Verkelirsstrasse vielleicht schon in ältester Zeit den Export des
Bernsteins stromaufwärts vermittelte, so war sie desto gewisser stromabwärts der
Weg für den frühesten Import südlicher Industrie, und jene über das Uforgebiet zerstreuten
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim. 121
Bronzen eines liocbnlterÜiümliclien bis jetzt nicht näher bestimmten Styls, jene breiten Dolch-
klingen und einzelne eigenthünilich geformten Erzschwerter müssen wolil als Zeugnisse der-
selben betrachtet werden. Allein es bleibt auch in Hinsicht auf diese seltenen Fundstücke
bemerkenswert!!, dass sie auf dem linken Ufer und nicht in der Nähe des Stromes selbst zu
Tage kommen, sondern in einer von seinem Laufe abweichenden Linie, die mehr nach Nord-
westen die Richtung einer Strasse andeutet, welcher dio bedeutenden, in der Mitte des Strom-
laufs sich häufenden Krümmungen desselben zu vermeiden sucht. Von höchster Wichtigkeit
aber ist es, dass gerade in dem Bereiche dieser Richtung die sichersten Nachweise einer
Handelsverbindung mit dem alten Italien in einer Reihe der merkwürdigsten Funde vor-
liegen, welche einen Zusammenhang mit entsprechenden Entdeckungen in der Schweiz ausser
allen Zweifel stellen.
Die Oold- und Erzgcräthe dieser mittelrheinischen Gräber besitzen in ihrem gleichartigen
ganz unverkennbaren Style eine Beglaubigung ihrer Herkunft und ihres Alters, von einer
Verlässigkeit, wie sie Grabfunde späterer Zeit nur durch beiliegende Münzen erhalten. Aller-
dings bieten jene Geräthe wio solche Münzen nur die einseitige Gewissheit, dass den Funden,
welchen sie angehören, kein höheres Alter als das von ihnen bezeichnet« zugetheilt werden
kann, und cs wäre immerhin die Möglichkeit einor jüngeren Zeit der Gräber vorhanden,
würde nicht jede Unsicherheit in dieser Hinsicht durch den Umstand beseitigt, dass bei
keinem einzigen aller dieser Funde eine Beimischung römischer Bronzen, Gefässe und Mün-
zen etc. zu Tage kam, wie solche doch in dem Boden des gesummten Rheinlandcs und auch
in der Umgebung jener Gräber massenweise zerstreut sind.
Mit vollstem Rechte ist deshalb die Entdeckung dieser etruskischen Gold- und Erz-
geräthe in solcher Entfernung von ihrer Heiinath als eine der folgereichsten antiquarischen
Acquisitionen der letzten Zeit zu betrachten. Sie erklären nicht allein die Erscheinung der
übrigen Menge von Bronzen, welche im Bereiche der alten Verkehrsstrasse in weit grösserer
Anzahl als auf dem rechten Ufer zu Tage kommen, und als einfache Waffen, Werkzeuge etc.
keine so unzweifelhaften Kennzeichen eines speciellen Styls bieten können, wio die Erzeug-
nisse eines ausgebildeten Kunstgewerbes, reich verzierte goldene Hals- und Armringe, Drei-
fusse, Kannen und Amphoren von trefflichster Erzarbeit.
Aber auch eine ungleich höhere und allgemeinere Bedeutung erhalten diese Funde da-
durch, dass sie die alten Nachrichten über den Handelsverkehr des Südens mit dem Norden
nicht allein in Bezug der Erzwaaren, als eines wesentlichen Theils der südlichen Einfuhr, be-
stätigen, sondern auch einen bestimmten Ausgangspunkt bezeichnen und eine zeitliche Be-
stimmung derselben zur Seite stellen, die wir als die einzig unbestreitbare betrachten müssen,
welche jenseits der historischen Grenzen in den Denkmalen diesseits der Alpen bis jetzt
gefunden ist.
Die Folgerungen, welche sich aus diesen Thatsachen ergeben, sind auch für die Beurthei-
lung unseres Gräberfeldes von grosser Wichtigkeit. In je höhere Frülizeit die Zeugnisse eines
lebhaften Handelsverkehrs mit Italien hinaufreichen, um so mehr muss auch die Alters-
bestimmung unserer Gräber zurückverlegt weiden.
Ganz undenkbar bleibt eine absichtliche oder zufällige Abschliessung einzelner Gemein-
den innerhalb des Bereichs einer Land- und Wasserstrasse des Handels von den Ueberliefe-
Archiv fax Anthropologie. Bd. III. Heft 1L 16
Digitized by Google
122
L. Lindensulunit
rangen desselben, welche ringsumher sowohl stromauf- als abwärt« nachweisbar sind. Das«
in allen jenen Gräbern, von Monsheim bis Ingelheim, nicht der kleinste Rest von Bronze zu
entdecken war, beseitigt jeden Gedanken an eine Gleichzeitigkeit derselben mit der Einfuhr
jener Erzgeräthe, welche in ihrer Umgebung in so namhafter Anzahl gefunden werden. Wir
erinnern in Bezug auf Monsheim nur an den Fund jener fünf mit Spiralen verzierten Hand-
bergen bei Blödesheim, und gleichartiger Brustspangen bei Worms.
Betrachten wir aber unter diesen Bronzen nur jene von unverkennbarem Styl und aus-
gesprochenstem archaischen Charakter, so müssen wir in der Erzvase und dem Dreifusse von
Dürkheim (dem Zwillingsbrader jenes von Vulci in dem Museum Gregorianum), in der Am-
phora von Birkenfeld und der Kanne von Weisskirchen etc. vorzügliche Werke tyrrhenischer
Erzkunst erkennen und erhalten damit für das Alter des italischen Handels nach dem Nor-
den mindestens das 4. Jahrhundert1).
Auf eine noch frühere Zeit zwar deutet da« hochalterthümliche Relief der Vase von Gräch-
wyl und der Umstand, dass ein Vorkehr mit barbarischen Stämmen nicht wohl durch die
Einfuhr von Erzeugnissen eines hochentwickelten Kunstgewerbes, sondern eher durch Liefe-
rung von Werkzeugen und Waffen eröffnet wurde. Allein so richtig diese Beobachtung im
Allgemeinen bleibt, so wenig vermag sie für alle einzelnen Fälle eine entscheidende Auskunft
zu geben. Hier erscheint dagegen die bedeutende Fundzahl kunstvoller Erzgeräthe als der
sicherste Gradmesser für jenen Höhepunkt des Verkehrs, welcher allein die Annahme des
Fortbestandes altbarbarischer Zustände in seinem unmittelbaren Bereiche auszusehliessen be-
rechtigt Bei einer bestimmteren Zeitstellung aber für eine Handelsentwickelung von solcher
räumlichen Ausdehnung und einer Dauer bis zu römischer Zeit kann doch wohl erst die Pe-
riode nach Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse und lebhaften Verkehrs mit den in Ita-
lien eingedrungenen nordischen Stämmen in Betracht kommen.
Damit gelangen wir zu einer annähernden Zeitbestimmung unseres Gräberfeldes, welches
wir zwar unbedingt vor den Eintritt einer unmittelbaren Berührung mit aus-
wärtiger Cultur, aber nach den Merkmalen seiner Gelasse und Werkzeuge in den späte-
sten Theil dieser dem Metallgebrauch vorhergehenden Periode stellen müssen.
Zu dieser Zeit aber waren ohne allen Zweifel die nordischen Völker längst schon mit
dem Ackerbau bokannt. Zeugnisse desselben nicht allein von der Art wie die Handinühlen
unseres Gräberfeldes fanden sich an den Stätten ältester Niederlassungen, sondern auch Reste
verschiedener Getreidearten, namentlich von vorzüglichem Waizen, in den Pfahlbaustationen
des Bodensees und der Schweiz, welche der Zeit ausschliesslichen Gebrauchs von Steinwerk-
zeugen angehören. Der Waizen aber kam die Donau herauf in die Alpen und damit auch
an den Oberrhein. Uebereinstimmend mit dieser Ansicht des Plinius berichtet Herodot aus
eigener Beobachtung bei den Donauvölkern , dass tlirakische und päonische Frauen ihre
Opfergaben zugleich mit Waizenbündeln der Artemis darbrächten. Er knüpft aber diese
Mittheilung an den Bericht Uber die älteste Kunde, welche den Griechen von den Völkern
der weit entfernten Mitte des Welttheils zugekommen war, an die Nachricht von jenen Weihe-
Die ganze Reihe dieser Funde archaischer Erz- and Goldgeräthe sind in der Beilage I Heft II
de« II. Bandes der „AHerthfimer unserer heidnischen Vorzeit“ zusammengestellt. Sic reichen von
der Schweiz den Rhein abwärts nach Dänemark.
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim. 123
geachenken, welche durch hyperboräische Jungfrauen der Artemis Ilithyia nach Delos ge-
bracht wurden und welche, als diese Abgesandten nicht in ihre Heimath zurück kehrten, von
dort aus später in Waizcnhalmen verpackt von Volk zu Volke bis an die Adria geführt und
von da in gleicher Weise durch Griechenland bis zur heiligen Insel gelangten.
Diese Nachricht entspricht den Zeugnissen einer alten friedlichen Verkehrsgemeinschaft
der binnenländischen Völker, welche in der Verbreitung des Ackerbaues sowohl als des
Feuersteins, des Ersatzmittels für metallene Schneidwerkzeuge, sowie in dem Transporte des
Bernsteins durch ganz Germanien bis zur Adria vorliegen. Sie steht weiterhin im vollkom-
mensten Einklänge mit den Ueberlieferungen aus der Zeit der ersten Versuche von Handels-
verbindungen aus Italien nach dem Norden und Westen über jene Alpenstrasse des Herak-
les, nach dem Lande der Lygier und Kelten, auf welcher der Wanderer aus der Fremde in
der Obhut der anwohnenden Völker vor jeder Beschädigung sicheren Schutz fand. Nicht
ohne Grund wohl stimmraen alle die ältesten Nachrichten in der Anerkennung der Gottes-
furcht und Gerechtigkeit der nordischen Völker Uberein.
Wie jene hyperboröischen Jungfrauen, welche der Heimkehr entsagend bei dem Tempel
der delischcn Artemis zurtickblieben, im Leben das höchste Ansehen genossen, nach ihrem
Tode beinahe göttliche Verehrung erhielten, so erschien iilxärhaupt den Griechen die Hei-
math derselben als das Land eines geheiligten Friedens und die Hyperboräer galten als die
gerechtesten Menschen, genügsam bei ihrer Armuth, ohne Trug und Falsch, weil ohne Geld
und desshalb ohne Habsucht, fern von dem Meere, dem Bringer alles Bösen.
Doch mit dem Eintritt und der Ausbreitung des südlichen Handelsverkehrs begann eine
langsame, aber tiefgehende und unaufhaltsame Veränderung dieser Verhältnisse.
„Schon seit dem Anfang der historischen Zeit“, bemerkt Ritter in seiner Vorhalle euro-
päischer Völkergeschichten, „musste der frühere FriedensBchlummer des Nordens mehr und
mehr dahinschwinden, und mit ihm die grosse Zahl alter, frommer Völkergemeinschaften in
den Schatten treten, die, an ihren Grenzen gefährdet und aufgerieben, unter sich selbst das
Gleichgewicht und das Einverständnis« verloren.“ Aus dieser feindlichen Berührung mit den
Culturstaaten erklärter: „im Gegensätze zu der anfänglichen Milde die zunehmende Härte
und Rohheit, der nordischen Völker überall gegen den Bereich der Römerherrschaft hin, nach
der Ueberwältigung der Kelten .am Padus und in den taurinischen Alpen, bis Julius Cäsar
am Rliein und seine Nachfolger an der Donau, Elbe und Weser sengten, brennten und ver-
nichteten“.
Fünf Jahrhunderte höher hinauf als diese Zeit liegt unsere alte Ansiedlung bei Monsheim
und ihr Gräberfeld am Hünenstein in jener Zeit, in welcher der Verkehr diesseits der Alpen
noch auf das Binnenland und die Beschallung der wichtigsten Lebensbedürfnisse und des Ma-
terials für die unerlässlichsten Werkzeuge beschränkt war.
Unsere Gräber reichen in jene Aera der Nordvölker, über welche ihr weit verbreiteter
Ruhm der Gerechtigkeit und Treue eine Art von sagenhafter Verklärung verbreitet, wie sie
die satumisclie aurea aetas der Griechen und Italiker umgieht.
Fehlt auch dem goldenen Zeitalter der Hyperboräer eine der wesentlichsten Seiten süd-
licher Glückseligkeit, der Genuss ohne Anstrengung, so war dagegen ihre Zeit des Friedens
16»
Digitized by Google
124
L. Lindensehmit,
und der Zufriedenheit unter dem Naturgebote der Arbeit und Massigkeit von längerer Dauer,
als das Verweilen der Asträa in Griechenland und Italien.
Die Südländer traten noch in den Bereich dieses Gottesfriedens, als sie, getrieben von den
L'onsequenzen einer hochentwickelten Cultur, im Interesse ihres Handels und der Ueberpro-
duction ihrer Industrie die Alpen überstiegen. Die Denkmale dieses ältesten Verkehrs bieten
uns in dem unbegrenzten Raum unserer Vorgeschichte, wie wir sahen, den ersten sicheren
Haltpunkt der Zeitbestimmung, von welchem unser Gräberfeld nach den Zeugnissen der
Lebens- und Bildungsverliältnisse der Bestatteten unmöglich so weit, wie man glaubte, zurück-
liegen kann.
Fragen wir nach den Ergebnissen unserer Betrachtung des merkwürdigen Gräberfundes,
so lassen sich dieselben allerdings nur in wenige Sätze zusainmenfasscn, welche jedoch, wie
wir glauben, einen weiteren Schritt zur Kenntniss jenes so schwer zugänglichen Forschungs-
gebietes bezeichnen.
Das Gräberfeld von Monsheim zeigt uns, dass die bisherige systematische Eintheilung der
verschiedenen Zeitalter auf Grund einer Verschiedenheit des Grabbaues, in Bezug auf das
Rheinland und überhaupt auf Deutschland unhaltbar ist, dass die Gräber aus der Zeit des
ausschliesslichen Gebrauchs der Steingcräthe keineswegs einzig nur durch die Hünengräber
(Dolmens) repräsentirt werden, sondern dass derselben Zeit jener colossalen Steinbauten auch
zahlreiche Erdgräber mit verschiedenen Arten der Bestattung angehören, sowohl vereinzelt,
als in “kleineren und grösseren Gruppen oder in förmlichen Friedhöfen vereinigt.
Auch die Körperreste zeigen durchaus keine fremdartige und verschiedene Bildung im
Vergleiche zu den späteren Erscheinungen in derselben Gegend, und die bisherige Annahme,
dass das Geschlecht der Steinzeit als ein brachycephales zu betrachten sei im Gegensätze zu
dem dolichoccphalen der Grabhügel und Reihengräber, hat für das Rheingebiet ihre Geltung
verloren.
Wir erhielten weiterhin eine neue wichtige Bestätigung der Thatsache, daas die Zeit der
festen Niederlassungen und des Ackerbaues der mitteleuropäischen Völker nicht im Mindesten
mit der Einführung der Metalle in Verbindung oder gar in ein abhängiges Verhältniss zu
bringen ist.
Unsere Zeitstellung des Gräberfeldes ist allerdings nur eine negativ bestimmte in Bezug-
nahme auf die nachweisbar ältesten Erzgeräthe des Rheinlandes, aber auch dieser erst
neuerdings entdeckte, wenn auch nur einseitige Anhaltepunkt wird bei der Dunkelheit jener
Fernzeit und dem Mangel jeder sonstigen Zeitangabe immer als ein Gewinn gelten dürfen.
Wir sehen wohl voraus, dass Manchem unsere Zeitbestimmung als eine viel zu späte erscheinen
wird, halten es aber für vergeblich, jedenfalls hier nicht geboten, im Voraus schon den Ein-
wiirfen Derjenigen zu begegnen, welche tendenziösen Vorstellungen zu Liebe die sogenannte
Steinzeit in immer entlegenere Ferne hinaufzurücken bestrebt sind. Ohne Voreingenommen-
heit für eigene Ansicht und weit entfernt von apodiktischen Behauptungen wären wir eher
geneigt, noch einer späteren Zeitstellung als der unserigen Berechtigung zuzugestehen, sobald
sich für dieselbe bestimmte Gründe aus den Denkmalen selbst ergeben und die jetzt schon
vorliegenden Andeutungen durch weitere Entdeckung bezeichnender Grabfunde Bestätigung
und Rückhalt erhielten.
Digitized by Google
Das Gräberfeld am Hinkelstcin bei Monsheim. 125
Nicht aus einer genialen Unterschätzung der ungemein grossen Schwierigkeiten, aus
einem willkürlichen Zusammenstellen und Gruppiren der Erscheinungen so wenig, als aus
einer ängstlichen und kleinlichen Lösung ihres Zusammenhangs auf Grund untergeordneter
Verschiedenheiten, ist der Gewinn einos Einblicks in so fern abliegende Verhältnisse zu
erwarten. Dass eine Aussicht hiefUr überhaupt näher geruckt ist, verdanken wir der nach-
drücklichen Anregung unbefangener und schärferer Beobachtung, welche die Betheiligung der
Naturforschung an der Untersuchung unserer vorzeitlichen Funde zur Folge hatte. Wenn
dieselbe auch bis jetzt noch zu keiner selbstständigen, die Lösung schwieriger Fragen entschei-
denden Leistung gelangte, so mag sich dies aus dem Grunde erklären, dass sie noch nicht
vollkommen orientirt, sich theilweise in Kreisen von Anschauungen und Vorstellungen be-
wegt, welche die antiquarische Forschung bereits verlasscu hat, und weil sie die historischen
Ueberlieferungen, welche auf ihrem eigenen Gebiete ohne Werth sind, auch bei Beurthoilung
von Denkmalen der Geschichte des Monschen entbehren zu köunen glaubt Nichtsdesto-
weniger äussert bereits schon die Mitbetheiligung einer so vielseitig und hochentwickelten
Disciplin einen wesentlich fördernden Einfluss auf die ganze Art und Weise antiquarischer
Thütigkeit.
Kühne Griffe sind selten die glücklichen in der Wissenschaft, namentlich der archäolo-
gischen; grössere Sicherheit des Erfolges bieten hier die Kenntniss, die Beachtung und das
Zusammenreihen aller, auch der unscheinbaren Thatsachen. Sie fügen Bing an Bing zu der
Kette von Erfahrungen, mit welcher wir einzig im Stande sind, den Zeitabstand der Denk-
male unserer nationalen Vergangenheit zu bemessen.
Digitized by Google
Erklärung der Tafeln.
I.
1. Bruchstück eines verzierten Gefüsses, schwarzer Thon. Die vertieften Linien des Ornaments sind
mit einem weiesen Farbenatoff ausgefasst. 2. Topf von bräunlicher Farbe, unten unregelmässig abgerundet,
mit vier kleinen vorspringenden Knöpfen am OberthciL 3. Bruchstück eines schwarzen Gelasses mit rauten-
förmigen St rieh Verzierungen. 4. Unten abgerundeter Napf von brauner Farbe mit Zickzackverzierung. 5. Un-
ten abgerundetes verziertes Gelass von birnenförmiger Gestalt mit nach obenhin abnehmender Ausdehnung.
Aus grauem Thon mit drei kleinen durchbohrten Henkelknöpfcn. 6. Unten abgerundeter Napf aus schwärz-
lichem Thon mit einem Ornament von Zickzackbogen. 7. Bruchstück eine» verzierten braunen Tbongelässes.
8. Ein solche« von einem schwarzgrauen Gelasse. 9. Unten abgerundeter grauer Topf mit drei vorspringendeu
Knöpfen an der Stelle seines weitesten Umfanges. 10. Schwarzer Napf mit Ziokzackornament. 11. Braun-
grauer Topf mit drei kleinen durchbohrten Henkeln. 12. Tasse aus grauem Thon mit abgerundetem Bo-
den. 13. Schwarzer Napf mit weiss a ungefasstem Strichomament. 14. Kleine« schwarze« ThongeflUs.
15. Bruchstück eines grosseren graubraunen verzierten Gefässcs. IG. 17. Eben solche mit verschiedenem
Ornament. 18. Eben solche» mit pflanxenähn liehen weiss ausgefasstem Ornament.
II.
1. Obere und Seitenansicht einer Ilammeraxt, Kiesehchiefcr. Das durchgebohrte, runde Schaftloch sitzt
weit von der Schneide nahe am entgegengesetzten Bande dos Werkzeugs. Die Seitenflächen sind ungleich,
die eine nahezu geradlinig und durch einen stumpfen Winkel mit der Schneide verbunden, die andere gleich-
massig flach gewölbt. 2. Obere und Seitenansicht eines Instrumentes aus rotfaem Sandstein. In der Mitte
eine durchlaufende in scharfem Winkel vertiefte Rinne. Zwei der gefundenen Stücke sind genau von der-
selben Grosso, so dass ihre Ränder und die eingeschnittenen Vertiefungen auf einander passen. 3. Obere
und Seitenansicht einer Ilammeraxt ; Diorit. Das Schaftloch sitzt beinahe in der Mitte zwischen Sohueide und
Rücken. 4. Spanförmiges Fcucrsteinmcsscr. Fundort Algesheim, Rheinhessen. 5. Ebensolches kleinere.
Monsheim. 6. Wohlerhaltener Holzschaft von einer Form, welche sowohl für Beile von Erz al« von Stein
verwendet wurde. Aus dem Salzbergwerke von Reichcnhall. Sammlung dos historischen Vereins für Ober-
bayern in München. 7. Axt von Feuerstein mit dem grössten Theil ihre« Holzschaftes. Aus dem Platten-
hause eines Grabhügels bei Langen - Eichstädt. Provinz Sachsen. Museum von Mainz. 8 und 8 a. Hab-
schmuck aus Muschelschalen, welche zu kleinen Scheibohen zugeschliflcn und durchbohrt sind. 8a. Natur-
grosse dieser Muachelrmge. Monsheim. 9. Halsschmuck aus durchbohrten Thierzähnen, gefunden bei einem
weiblichen Skelette in dem Grabhügel bei Langon-Eichstiidt, bei Nr. 7. 10. Halsschmuck aus Muschelstückeu
in Form roher Berlocken, aus dem Schloch der Schale geschliffen und durchbohrt. Monsheim. 11. Obere
und Seitenansicht einer Harnmeraxt aus Kieselschiefer mit einer gradlinigen und einer gewölbten Seitenfläche.
Das Schaftloch beinahe in der Mitte. Monsheim^ 12. Obere und Seitenfläche eines meiste] förmigen Werk-
zeuges aus Kicsclschicfer. Monsheim. 13. Ebensolche Darstellung eines gleichartigen Instrumentes, mit
dem Versuche einer Durchbohrung. Monsheim. 14. Flache keilförmige Steinaxt aus Diorit, der breiten
Schneide gegenüber ip eine Spitze auslaufend. Monsheim. 15. Ebensolche beinahe gleichbreite flache Axt.
Monsheim. IG. Einfache Handmühle oder Reib«tein für Getreide aus rothem Sandstein. Monsheim.
Digitized by Google
VIII.
Einige Bemerkungen über die Skeletreste aus den im vor-
stehenden Aufsatz beschriebenen Grabstätten beim Hinkel-
stein unweit Monsheim und bei Oberingelheim.
Von
A. Ecker.
(Hierzu Tafel III und IT.)
A. Die Skeletreste aus den Gräbern beim Hinkelstein unweit Monsheim.
(Tat III, 1-5 und Taf. IV, 6.)
Die von meinem verehrten Freunde Lindenschmit mir übergebenen Reste aus diesen
Gräbern sind mit den Nummern 1, n, III, IV’ bezeichnet.
Nr. I besteht aus einer ziemlich gut erhaltenen Schädeldecke, kleinen Bruchstücken der
Gesichtsknochen, nebst Zähnen, und Fragmenten von Röhrenknochen.
Nr. II aus den Fragmenten des grösseren Theils einer Schädeldecke, die jedoch nicht
mehr vollständig und fest zusammengefügt weiden konnten.
Mit Nr. III ist ein einzelnes Stirnbein bezeichnet, mit Nr. IV eine Anzahl Fragmente
eines Hinterhauptbeins und der Scheitelbeine.
Sämrntliche Knochen waren, als ich sie erhielt, schon mit Leim getränkt, und hatten da-
durch eine gewisse Festigkeit erhalten.
Vorher waren sie, wie mir Lindenschmit schrieb, durch Verlust animalischer Substanz
so zerbrechlich, dass sie kaum transportabel gewesen wären.
Die Oberfläche aller Knochen sieht sehr zerfressen aus und ist von zahlreichen Rinnen und
Vertiefungen durchzogen, so als wenn zahlreiche Wurzeln darüber verlaufen wären, die durch
Substanzaufnahme aus dem Knochen Eindrücke hervorbrachten, oder wenn zahlreiche Strömchen
von kohlensäurehaltigem Wasser, die darüber hingeflossen, den Kalk aufgelöst hätten’).
Jedenfalls hat wohl ein beträchtlicher Verlust auch an mineralischer Substanz stattgefunden.
') E« ist offenbar dies dieselbe Beschaffenheit der Knocbenoberflicho, wie sie Schaaffhausen (Berichte
über die Verb, der niederrheinischen Gesellschaft für Katars and Heilkunde, Sitzung vom ff. December 1864)
an einem alten germanischen Sekidel von Niederingelheim beschrieben bat. Er sagt dort: „Der Beachtung
Digitized by Google
128
A. Ecker,
Nr. L (Taf. KI, Fig. 1, 2, 3.)')
a) Schädeldeckc.
Dieselbe besteht aus dem Stirnbein mit einem Theil der Nasenbeine, den Scheitelbeinen,
der Hinterhauptsschuppe nebst einem Theil des rechten Schläfenbeins.
Die Form ist schmal und lang gestreckt, die Stirne schmal, aller ziemlich hoch. Die Arcus
superciliares ragen stark hervor und Messen in der Mitte zu einem erhabenen Wulst zusam-
men, welcher von der Nasenwurzel durch einen tiefen Einschnitt abgegrenzt ist. Seitlich
gehen dieselben unmittelbar in die margines supraorbitales über. Die Stimhöcker ziemlich
flach. Die Scheitelbeine lang, flach, die Scheitelhöcker, wenn auch schwach, wahrnehmbar.
Das Planum temporale von der Linea temporalis an ziemlich senkrecht abfallend. Das Hinter-
haupt zugespitzt, viereckig, die Spina occipitalis, sehr ausgcbildet, setzt sich seitlich in die
obere Nackenlinie, abwärts in die Crista occipitalis externa fort, und bildet sö einen drei-
eckigen Knochenkamm von der Form eines Y. Der vorragendstc Punkt de.s Hinterhaupts
liegt erbeblich über dieser Spina.
Die Schädelnähte, wenig gezackt, sind alle offen ; in der Lambdanaht befinden sich Naht-
knochen.
M a a s s e.
Conti m.
Längen. 1. Grösste Länge 18,8
2, Länge des Schädelgewölbes 37
Stirnbogen . 13
Sehne desselben 11,1
Scheitelbogen 13
Sehne deaselben 11,1
Hinterhauptsbogen 11
Sehne desselben 9,0
(nicht ganz zu messen, weil der Hinterrand
des For. magnum fehlt.)
Breiten. 3. Grösste Breite 13,5
4. Stirnbreite, kleinste 9,6
grösste 11,1
werth sind auf der Auasensoite des Schädels durcheinanderlaufende verästelte Rinnen, welche dadurch
entstanden sind, dass die "Wurzeln von Pflanzen den Knochen dnreh Ausscheidung einer Säure, welche den
Kalk auflhst, benagt haben. Diese Erscheinung, von den Flechten längst bekannt und von Professor
Sachs für verschiedene Pflanzen, die er über polirten Steinflächen wachsen liees, festgestellt, wird
hänfig an alten Schädeln beobachtet; nicht aelten findet man, wie in diesem Falle, die Wurzeln noch in den
Kinnen liegend“.
') SJlmmtliche Zeichnungen »ind mit dem Lucae’schen Apparat anfgenommen und auf ■/, nat. Gr. ver-
kleinert
Digitized by Google
Skeletreste vom Hinkelatein.
129
Centim.
* 5. Abstand der Stirnhöcker 6,9
6. Scheitelhijckerbreite
a) Bogen 13,0
b) Sehne 12,3
7. Breite der Scheitelbeine (von Mitte des Pfeil-
randes, zur Mitte des Schuppenrandos)
a) Bogen 12,5
b) Sehne 10,6
8. Länge der Scheitelbeine (von Mitte des
Kranzrandes zur Mitte des Lambdarandes
a) Bogen 14,2
b) Sehne 13,0
Verhalten der Sehne zum Bogen = 100 : 109,2
9. Hinterhauptsbreite (am Lambdawinkel ge-
messen) 11,0
Sehne dieses Bogons 10,6
Circumferenz circa 52,0
(wegen des Defects der Schläfengrube nicht mit voller
Sicherheit zu mosson)
Index 71,8
b) Gesiebt.
Von den Gesichtsknochen ist vorhanden: ein Stück dos Unterkiefers (Kinn mit einem
kleinen Theil der horizontalen Aeste), das auf einen ziemlich kleinen schmalen Unterkiefer
schliessen lässt. Die Zähne sind klein, ziemlich stark abgeschliffen; der Schmelz sehr zerfressen
und rauh wie die Knochen.
c) Sonstige Skeletreste.
Von den übrigen Knochen des Skelets liegt noch vor die linke Tibia (Mittelstück ohne
Gelenkcnden) und ein Fragment vom linken Femur, ebenfalls ohne Gelenkenden, beide nicht
gross und stark.
Nr. IL (Tafel IH, Fig. 4. Tafel IV, Fig. 6.)
Nr. II besteht nur aus einigen Fragmenten des Schädelgewölbcs, nämlich dem gröss-
ten Thoil der beiden Scheitelbeine, dem grosseren Theil der Schuppe des Hinterhauptsbeins
und einem grösseren Theil der Pars frontalis des Stirnbeins (Pars nasalis und Partes orbita-
les fehlen), ferner einem Theil des linken Schläfenbeins. Die Knochen sind noch fast in einem
höheren Grade als bei Nr. I verwittert und haben erst durch Tränkung mit Leim so viel
Halt bekommen, um zusammengefügt werden zu können ; jedoch war diese Vereinigung wegen
der Verwitterung und der hiedurch bedingten Abstumpfung der Nahtränder nur zum Theil
ausführbar.
Archiv fUr Anthropologie. Bd. HI. Heft IL 17
Digitized by Google
130
A. Ecker,
Insbesondere war die Verbindung der Scheitelbeine mit dgm Stirnbein einerseits und
dem Hinterhauptsbein andererseits nicht mit Sicherheit herzustellen. Die Knochen sind ziem-
lich dick, der Dickendurchmesser des Stirnbeins beträgt z. B. 9 Millim.
Der Schädel lang gestreckt, jedoch etwas breiter als der vorhergehende, was jedoch sehr
wohl auf Rechnung der nur unvollkommen möglichen Znsammenfügung kommen mag, und
flacher. Das Stirnbein ist schmal, insbesondere die Tubera frontalia nahe beisammen liegend.
Der aufsteigende Theil des Stirnbeins ist nieder und geht bald und ziemlich plötzlich in den
fliehenden, mehr horizontalen Theil über (weibliche Form).
An den Scheitelbeinen ist der obere flache Scheiteltheil von dem unteren abfallenden
Schläfentheil in der Linea temporalis ziemlich scharf abgesetzt, die Tubera sind deutlich; am
Hinterhaupt ist die Spina occipitalis sehr deutlich und setzt sich wie bei Nr. 1, einen Y för-
migen Kamm bildend, in die Linea nuchae sup. und Crista occipitaliB externa fort.
Maasae.
Centim.
Grösste Länge 18,1
Grösste Breite 13,8
Index 76,2
Nr. III. (Taf. III, Fig. 5)').
Nr. III ist der grossere Theil eines sehr verwitterten Stirnbeins. Dasselbe ist schmal,
die Arcus superciliares stossen in der Mittellinie über der Nasenwurzel in einem Wulst zu-
sammen. Die Tubera frontalia sind nicht wahrnehmbar, die Stirn erhebt sich gegen die Mittel-
linie etwas kammförmig, der Stirnbogen misst 12 Millim, die Sehne desselben 10,8; dos Stirn-
bein ist daher in sagittaler Richtung sehr flach.
Nr. IV. Die Fragmente von Nr. IV sind zu einer Formbestimnmng des Schädels nicht
mehr zu verwerthen.
Ausserdem waren noch einige sehr verwitterte Reste von Säugethierknochen (Mittelstücke
von Röhrenknochen), wahrscheinlich vom Rind, vorhanden.
Dass die Fragmente von Nr. I, II, III, so weit überhaupt der Vergleich möglich ist, in
der Hauptsache in ihrer Form übereinstimmen, geht aus den vorstehenden Beschreibungen zur
Genüge hervor. Die schmale und langgestreckte Form des Schädels, die Bildung der Stirn,
die Form des Hinterhaupts ist im Wesentlichen die gleiche. Der Schädel Nr. II entspricht
in allen wichtigen Punkten dem als Nr. I beschriebenen ; die etwas grössere Flachheit, der
winklige Uebergang von Stirn in Scheitel, das Nahbei.samtnenliegcn der Tubera frontalia
könnten wohl durch das Geschlecht — der Schädel scheint ein weiblicher, — hervorge-
brachte Modificationen sein.
Das Stirnbein Nr. III entspricht entschieden dem von Nr. I. und wir dürfen daher wohl
’i Die Ansicht ist von vom und unten angenommen.
Digitized by Google
Skeletreste vom Hinkelstein.
131
annehmen, dass die Schädel ans den Gräbern beim Hinkolstein, deren Fragmente wir im Vor-
gehenden beschrieben, einem und demselben Typus angehören.
B. Schädel aus den Grabstätten bei Oberingelheim. (Taf, IV, Fig. 7, 8, 9.)
Der, was die Beschaffenheit der Knochen betrifft, wohl erhaltene Schädel besteht
1) aus der Schädelkapsel, nämlich Stirnbein, Scheitelbeinen, dem grössten Theil des
Hinterhauptsbeins und einem Theil der Schläfenbeine,
2) einem Theil des Gesichts, nämlich dem Unterkiefer, Oberkiefer (ohne Processus
frontales) und dem linken Jochbein.
Der Schädel ist stark, mit starken Muskelfortsätzen versehen, offenbar männlich. Die
Nähte alle offen, die Zähne, mit Ausnahme des noch unversehrten letzten Backzahns, nur mas-
sig abgeschliffen.
An dem Schädel fällt sofort eine beträchtliche Breitenentwicklung auf; er ist bei gleicher
Länge wie der llinkelsteiner Nr. I (18,8 Centim.) viel breiter (15,4 Ccntim.), und entschieden
eurycephnl (Aeby) zu nennen. Diese Breite trifft namentlich die Gegend der Tubera parie-
talin, nach der Stirn zu verschmälert er sich dagegen nicht unbedeutend und es stellt daher
die Norma verticalis ein sehr deutliches ziemlich breites Oval dar. Dabei ist der Schädel
hoch. Die Stirn ist ziemlich niedrig, vor derselben steigt die Schädelwölbung ganz alltnälig
auf bis zur Mitte der Scheitelbeine, von wo sie in einer flachen Ebene bis zum vorstehendsten
Punkte des Hinterhaupts abfallt. Dio Stirnhöcker sind deutlich, die Sinus frontales gross,
die Arcus superciliares stark, in der Mitte zusammenfliessend. Die Scheitelbeine sind in ihrer
Mitte in sagittaler Richtung stark gekrümmt, wie insbesondere aus der Vergleichung
der Maasse 20 a und b mit den Maassen Nr. 8 a und b bei Schädel I hervorgeht und aus
der Zeichnung der Norma lateralis erhellt. Während nämlich bei ersterom Schädel die Längs-
krümmung der Scheitelbeine zur Sehne dieses Bogens sich wie 109,2 zu 100 verhält, ist dieses
Verhältnis« hier = 112,9 zu 100. Dio Tuber» parietalin stark vorstehend, eckig; das
Hinterhaupt wohl entwickelt; die Norma occipitalis bildet ein breites Viereck mit oberer
flach gewölbter Seite. Was das Gesicht betrifft, so ist der Unterkiefer kräftig, jedoch nicht
breit, so dass sich wohl das Gesicht nach unten sehr verschmälert haben muss. Die Processus
alveolares haben eine sehr orthognathe Stellung.
Maasse.
A) im Ganzen.
C«nUm .
1- Grösste Länge 18,8
2. Grösste Breite 15,4
3. Länge des Schädelgewölbes 38,0
4. Index 81,9
5. Ganze Höhe 13,7
17»
Digitized by Google
132
A. Ecker,
Centim.
6. Aufrechte Höhe 14,5
7. Horizontale Circumferenz 54,0
8. Breite der Schädelbasis zwischen den
Jochleisten oberhalb der äusseren Ge-
höröfTnung gemessen . 12,7
9. Querumfang oder Bogen zu dieser Sehne 35
B) im Einzelnen.
I. Vorderhaupt,
Centim.
10. Stirnbogen 13,0
11. Sehne desselben 11,1
12. - Kleinste Stirnbreite 10,4
13. Grösste 12,5
14. Bogen der letzteren (horizontaler Stirn-
bogen) 18
15. Stirnhöckerabstand 6,5
16. Höhedes Vorderhaupts (Weisbach) vom
vorderen Rand des For. magnum zur
Verbindung von Kranz- und Pfeilnaht 12,8
II. Mittelhaupt.
Centim.
17. Scheitelbogen 13,0
18. Sehne desselben 11,5
19. Scheitelbreite (Entfernung der Scheitcl-
höckcr von einander)
a) Bogen 13,0
b) Sehne 11,2
20. Länge der Scheitelbeine (von der Mitte
des Kranzrandes zur Mitte des Lambda-
randes)
a) Bogen 14,0
b) Sehne 12,4
Sehne zum Bogen = 100 : 112,9
21. Breite der Scheitelbeine (von der Mitte
des Pfeilrandes zur Mitte des Schuppen-
randes)
a) Bogen 13,0
b) Sehne . 11,2
Digitized by Google
Skelctreste vom Hinkelstein.
133
Ccntim.
22. Scheitelhöckerhöhe (Weisbach) zwischen
Tub. par. und Spitze der Pr. mast. . . 11,9
23. Distanz zwischen Stirn- u. Scheitelhöckern
a) Bogen 13,9
b) Sehne 13,5
111. Hinterhaupt.
24. Hinterhauptsbogen 12
a) des Interparietalbeins 7,6
b) des Recept. cerebelli 4,4
25. Sehne des Hinterhauptsbogens 7,7
a) des Interparietalbeins 7,2
b) des Recept. cerebelli 4,1
26. Länge des Hinterhaupts, an der geome-
trischen Zeichnung gemessen (His) . 9,2
27. Breite des Hinterhaupts
a) nach Ecker 13
b) nach Weisbach 13,5
28. Bogen zur letzteren Sehne (querer Hinter-
hauptsbogen, Weisbach) 13,0
29. Hinterhauptshöho (vom vorderen Rand
des For. magn. zur Verbindung von
Pfeil- und Lambdanaht) 11,1
C. Sohädel von N iederingelheim.
An die vorstehende Beschreibung der Schädel vom Hinkelstein und Oberingelheim will
ich jene anschliessen, welche Professor Schaaffhausen1) in Bonn von einem, in den Grä-
bern von Niederingelheim, welche mit denen beim Hinkelstein congruent sind, in Begleitung
von Steinwaffen und meist ungebrannten Thongefassen aufgefundenen Schädel gegeben bat.
Diese Gräber wurden auf dem alten Rheinufer, etwa 25 Fuss über der jetzigen Thalebene
und etwa '/, Stunde vom Strom beim Roden eines Tannenwaldes aufgedeckt. Der Schädel
war vollständig, die übrigen Gebeine jedoch so mürbe, dass nichts davon erhalten werden
konnte. Professor Schaaffhausen giebt Folgendes über denselben an: „Der Schädel ist,
wiewohl er einem niederen Typus angehört, nicht unedel geformt, er ist dem vielbesprochenen
Engisschadel ähnlich, doch ist an diesem die Stirn besser gebildet, die Hinterhauptsschuppe
mehr vorspringend und nach oben mehr zngespitzt, der Scheitel in der Mitte weniger kiel-
förmig gehoben; bei beiden erscheint wegen der vorspringenden Scheitelhöcker die Ansicht des
Hinterhaupts im Umriss als ein Fünfeck. Er ist 185,5 Millim. lang und 135,5 Millim. breit*);
*) L. ». o. — *| Indes also = 73,0.
Digitized by Google
184 A. Ecker,
der Engissehädel erscheint fast ebenso breit und 8 Millimeter länger, wenn man die
Maasse des Gipsausgusses um 3 — 1 Millimeter verkleinert; bei beiden fallt die grösste
Breite zwischen die Scheitelhöcker. An dem Germaneuschädel lassen seine von den Seiten
zusammengedriickte Gestalt, die Dicke der Hirnschaale, das schmale Stirnbein, die kiel-
förmige Erhebung der Scheitelgegend, die einfachen wenig gezackten Schädelnähte, die lange
dem Stirnbein sehr genäherte Schläfonschuppe, deren oberer Rand ziemlich gerade verläuft,
die gewölbte Qlabelta, in der die Augeubrauenbogen verschmelzen, das etwas prognathe Ge-
biss mit grossen unversehrten Zähnen, das tief ausgehöhlte Gaumengewölbe, das längliche
Hinterhauptsloch, und endlich der massive Unterkiefer mit dem fast gerade aufsteigenden
breiten und kurzen Ast, dessen Fortsätze fast gleich hoch sind, den rohen, mehr ursprüng-
lichen Bildungstypus erkennen, wie er uns von den alten Skaudinaven, den Gelten und Briten
bekannt ist und zum Theil in höherem Grade bei den heutigen Wilden begegnet"1)- Es sind
als« mit Ausnahme des Oberingelheimer durchweg schmale und lange Schädel, welche sich
in den vorgenannten Gräbern der Steinzeit gefunden haben. Ihr Index stellt sie alle drei
unter die Dolichocephalen und zwar den Hinkelstoiner I und Nioderingelheimer unter die ex-
quisiten (Index unter 75), den Hinkolsteiner II (Index 76), der übrigens wie oben bemerkt
nicht vollkommen massgebend sein kann, unter die Sub- Dolichocephalen. Vor nicht sein-
langer Zeit wäre dieser Befund wohl noch sehr angczweifelt worden, heutzutage ist dies nicht
mehr möglich.
Bekanntlich hat zuerst Nilsson5), nachdem er bei Durchmusterung der alten Gräberfunde
Schwedens gefunden hatte, dass in den ältesten Gräbern, — in der Periode der Steinwerk-
zeuge — nur kurze und breite Köpfe Vorkommen, die denen der Lappen ähnlich sind, und
nachdem sich aus historischen Nachrichten über Schweden, den Ortsnamen etc. ergeben hatte,
dass die Lappen oder ein ihnen verwandtes Volk ehemals weit über Schweden verbreitet
waren, die Ansicht aufgestellt, dass ein brachycephales Urvolk — das Steinvolk — zuerst
den Boden dieses Landes eingenommen hat, welches dann durch ein eingewandertes doli-
chocephales — Bronzevolk — verdrängt worden sei.
Auch in Dänemark und Grossbritannien wurden ähnliche Funde gemacht und
nachdem die Nilsson’sche Ansicht noch durch Retzius5) unterstützt worden war, beeilt«
man sich auch in Frankreich und Deutschland dieselbe anzunehmen, und es galt bald als
ein Glaubenssatz, dass Europa — vor der Ankunft der der Annahme nach aus dem Osten
eingewanderten indo-europäischen dolichocephalen Ra<,en — von einer autochthonen brachy-
cephalcn Ra<;e bewohnt war.
Wohl die gewichtigsten Bedenken gegen die Unumstösslichkeit dieses Satzes wurden
b In einer neueren Arbeit (Ueber germanische Grabstätten am Rhein) in den „Jahrbüchern
des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande XLIV und XLV, 1868, pag. 114", giebt
Professor Schaaffhausen, der die Gefälligkeit batte, mir die betreffende Stelle miuutheiten, Folgendes über
diesen Schädel an: „Dieser Schädel erinnert, wiewohl er nicht sehr prognath ist, doch durch zahlreiche Merk-
male, aeine lange und schmale Form, die Dicke seiner Knochen, seine grossen Zähne, die mehrfachen Wur-
zeln der kleinen Backzähni*, den abgerundeten vorderen Rand des Bodens der Nasenhöhle und die wenig zu-
gespitzte Ifinterhnuptsscbuppe an den niedrigsten Typne des Schädelhanes der heutigen Wilden, und weicht
durch diese Eigenschaften von den bekannten Formen des Gcrmaneuschädels bedeutend ah". — fl Skandina-
vien Nordens t r-invinare. l-und 1538 — 184S. — 5) Retzius, ethnologische Schriften. Stockholm 1864, S. 20.
Digitized by Google
Skeletreste vom Hinkelstein. 135
von Broca1 * *) erhoben, welcher Gelegenheit erhielt, die Schädel der Basken sorgfältig zu
studiren.
Dass die Basken in der That die Abkömmlinge einer uralten Ra<;e sind, ist wohl nicht zu be-
zweifeln. Ihr wohl ausgeprägter Typus, ihre Abgeschlossenheit im Gebirge, ihre Sprache, die
mit den indo-europäischen nichts gemein hat, ja von allen bekannten europäischen Sprachen
abweicht, nöthigen zur Annahme, dass sie der letzte Rest einer Ra^e sind, die vor der angenom-
menen Einwanderung der Indo-Europäer vorhanden war. Mit dieser Annahme stimmte es sehr
wohl, dass Retzius»), gestützt auf die Untersuchung zweier angeblichen Baskenschädel die-
selben fiir brachyoephal erklärte, eine Behauptung, die bald allgemein angenommen wurde.
Bei der Bedeutung dieser Thatsaclie flir die oben erwähnte von Nilsson aufgestellte Theorie
war eine auf reichlicheres Material gestützte Untersuchung ein grosses Desiderat und der
eifrige Secretär der anthropologischen Gesellschaft von Paris unterzog sich derselben mit dem
glänzendsten Erfolg. — Aus dem Kirchhof eines kleinen abgelegenen rein baskischen Dorfes in
Guipuscoa erhob er gegen 60 Schädel, deren Untersuchung gerade das Gegentheil von dem
Erwarteten, nämlich die entschiedene Dolichocephalie der Basken ergab 4).
Ein weiterer Widerspruch gegen die Generalisirung der Nilsson’schen Aufstellung
wurde durch Thurnam erhoben4 5), derselbe fand in den alten britischen Gräbern die Reste
von zweierlei Volksstämmen, einem brachycephalen und einem dolichoceplialen. Die dolicho-
cephalen Schädel finden sich vorzugsweise in den sogenannten Hünenbetten (long barrows),
die ausschliesslich Steinwerkzeuge enthalten, während die ersteren in den sogenannten round-
barrows, die stets neben Stein auch Bronzewerkzeuge enthalten, Vorkommen. Thurnam
schlieast daraus, dass in England die dolichocephale Race der brachycephalen voranging.
Heutzutage ist man, auf eine Untersuchung aller, auch der ältesten Kunde gestützt, wohl
ziemlich allgemein der Ansicht, dass schon von den ältesten Zeiten an zweierlei Ra^enformen
des Schädels, eine dolichocephale und eine brachyccphalc, Vorkommen, und es hat diese An-
sicht auch in dem voijährigen internationalen anthropologischen Congress zu Paris *) ihren Aus-
druck gefunden. Ob eine dieser beiden und welche als die primitive zu betrachten sei, dar-
über hat man sich wie es scheint, nicht vereinigen können.
Vergleichen wir nunmehr unsere Schädel vom Hinkelstein, zu welchen wir wohl auch
noch den Niederin gelheimer hinzunehmen dürfen, mit anderen analogen Typen, so sind es vor
allem die Schädelformen, welche man nacheinander aLs Hohbergform (His), als Reihen-
gräberform (Ref.), germanische Form (Holder) beschrieben hat, in denen wir ihre
nächsten Verwandten zu suchen haben. Es ist dies, wie sich immer mehr herausstellt, die
dem germanischen Stamm (Gothen, Franken, Burgunder, Scandinavern etc.) eigenthlimliche
1) Bulletins de 1» eociete d'Anthropolofrie de Paris. T. III, 1862. S. 570. — 2j L. c. S. 62. — 3) Itroca
(1. c.) unterscheidet bekanntlich: 1) reine Dolichocephaleu (Index unter 75). 2) Sub-Polichocephaten
(Index 75—77, 77). 8) Mesatioephalen (Index 77, 77 — 80). 4) Sub-Braohycephalen (Index 80—85) nnd
5) Reine Brachycephalen (Index über 85). Von Nr. 1 fanden sich unter den Baskenechadeln 15 Proc.,
von Nr. 2 33 l’roc., von Nr. 3 31 Proc., von 80—83,24 20 Proc. und endlich über 83,24 0 Proc.
— 4) Thurnam on the twn principal forme of ancient british and gaulish skulls. Separatabdruck aus den
memoire of the anthropological Society of London. Yol. I, siehe auch dieses Archiv, Bd. I, 8. 281. —
5) S. Mortillot- Matdriaux pour l’histoire positive et philoeophique de Ifiommr. 1867. Septembre et Oo-
tobre, Nr. 0 et 10, 8. 383 u. If.
Digitized by Google
136
A. Ecker,
Form, die sich heutzutage freilich rein nur noch in den am wenigsten gemischten scandina-
vischen Völkern erhalten hat Ich halte die Schädel vom Hinkelstein daher für altgerma-
nisebe und stimme in dieser Deutung mit der Schaaffhausen’schen des Niederingelheimer
Schädels Uberein '). Dass wir diese Form hier in Gräbern mit Steinwerkzeugen und später in
solchen mit eisernen finden wird nur dem auffallen können, der von der Ansicht befangen ist,
dass mit bestimmten Perioden (Stein, Bronze etc.) jeweils auch verschiedene Völker in Beziehung
stehen müssten. Allerdings wird da die Frage entstehen, wie es kam, dass diese gleiche germa-
nische Form sich in diesen alten Gräbern der Steinzeit, die Lindenschmit circa 500 Jahre
vor Christus setzt, und in den Reihengräbern des fünften bis achten Jahrhunderts nach Christus
findet, während in den dazwischen liegenden Hügelgräbern sie seltener ist. Sollte dies viel-
leicht ein Resultat der in diese Zeit fallenden römischen Herrschaft und ihrer Folgen sein!
Was nun aber den Schädel von Oberingelheim betrifft, so weicht dieser, wie aus seiner
Beschreibung erhellt, in einem Hauptzug von denen der Hinkelsteiner Gräber und detu
Niederingelheimer ab, indem er bei vollkommen gleicher Länge (18,8) den Schädel Nr. I
vom Hinkelstein um fast 2 Centimetor (1,9 C.) an Breite Ubertrifft. Nach seinem Index
(81,9) kommt derselbe unter die Sub-Brachycephalen Broca’s’) (Index 80 — 85) oder unter
Huxley’s*)Brackyccphalcn(Abthlg.Euryeephali)und Welckcr’s Brachycephalen *) zu stehen.
Jedenfalls steht derselbe daher als entschiedener Breitschädel den Schmalschädeln vom
Hinkelstein und Niederingelheim gegenüber. Denselben ethnologisch näher zu dassificiren,
überhaupt eine Hypothese über die Herkunft dieses einzigen Schädels aufzustellen unterlasse ich
bei dem Mangel aller Anhaltspunkte lieber vollständig und beschränke mich auf vorstehende
negative Angabe, eingedenk des alten Spruchs, dass es mindestens „zweier Zeugen Mund“
bedarf, um eine Wahrheit kund zu thun.
■) Wenigiten* mit (leasen früherer Deutung1. — *) L. o. — s) Laing. Prehistoric remaine of Caithno««.
Edinburgh, 1SCG. S. 85 und dieses Archiv ßd. I, S. 300. — *) Bau und Wachsthum des Schädels, S. 44.
Erklärung der Tafeln.
Tafel III. Schädel aus dem Gräberfeld beim Ilinkelatcin unweit Monsheim (Rheinhessen).
1. Schädeldecke (mit Nr. I bezeichnet) aus dem Gräberfeld beim Hinkelstein, N orma
verticalis.
2. Dieselbe, Norma lateralis.
S. Dieselbe, Norma occipitalis.
4. Schädeldecke (mit Nr. II bezeichnet) aus dem Gräberfeld beim Hinkelstein , Norma
lateralis.
5. Stirnbein (mit Nr. III bezeichnet) aus dem Gräberfeld beim Hinkelstein, von vom und
unten gesehen.
Tafel IV. Schädel aus den Gräberfeldern beim Hinkelstein und bei Oberingel heim iRheiuhesseii).
6. Schädeldecke (mit Nr. II bezeichnet) aus dem Gräberfeld beim Hinkelstein, Norma
verticalis. (Die Norma lateralis s. Taf. III, 4.)
7. Schädel aus dem Gräberfeld bei Oberingelheim, Norma lateralis.
8. Derselbe, Norma occipitalis.
9. Derselbe, Norma verticalis.
Digitized by Google
IX.
Kleinere Mittheilungen, Referate, Nekrologe,
vermischte Nachrichten etc.
Kleinere Mittheilungen.
Bemerkungen zur wissenschaftlichen K ra-
niometrie, von W. Krause, Professor in
Göttin gen.
Nach der von mir angegebenen Methode (die-
ses Archiv, 1866, Bd. I, S. 251) hat A. Sasse (da-
selbst, Bd. II, S. 101) eine Reihe von Schädeln
untersucht, und die von mir vorgeschlagenen Win-
kelmessungen um einige neue vennehrt. Auf die
speciellen Resultate dieser dankenswerthen Arbeit
kann liier nicht eingegangen werden. Vielmehr
handelt es sich nur darum, ein fundamentales Miss-
verstanduiss zu beseitigen, welches aus einer am
Schlüsse des citirten Aufsatzes befindlichen Bemer-
kung des Verfassers hervorleuchtet. Es ist dabei
hervorzu heben , dass in einer von Ilenle (Hand-
buch der systematischen Anatomie, zweite Auflage,
1867, Bd. I, S. 220) neuerdings gegebenen Cha-
rakterisirung der heutigen Kranioinetrie derjenige
Punkt, auf welchen es hier ankommt, ebenfalls
nicht berücksichtigt worden ist.
In dem von mir verfassten Artikel (a. a. 0.)
handelte es sich nicht im Mindesten darum, eine
neue Mossungsraethode zu den bereits vorhandenen
hinzuzufügen. Vielmehr wurde eine Anforderung
an die Untersuchung gestellt, welche ini Princip
von den bisher betonten verschieden war: es sollte
der Schädel nicht allein als Ganzes untersucht wer-
den, sondern die vielen einzelnen Knochon, aus
deuen derselbe zusammengesetzt ist
Wie man die Knochen untersucht ist hierbei
zunächst gleichgültig; am besten wäre es natür-
lich , man würde jeden Schädel in alle seine con-
stituirenden Best&ndtheile zerlegen. Da das vor-
läufig nicht angeht, so sollte durch irgend eine
Auuäherung ein einfacher Ausdruck für die Eut-
A.rchiv für Anthropologie. Bd. UI. lieft IL
wickelung (Waclisthumsgrösse) einzelner Knochen
gefunden werden , und zu diesem Zwecke wurden
von mir, wie es am nächsten lag, Winkelwert he
ermittelt.
Das Wesentliche ist also das Princip: die ein-
zelnen Knochen zu untersuchen, was man vollstän-
dig übersehen zu haben scheint. Man könnte die-
ses Princip ein anatomisches, oder wenn man lieber
will , ein physiologisches nennen , im Gegensatz zu
dem anthropologischen respective mehr zoologi-
schen, welches die Schädel im Ganzen berücksich-
tigt.
Die letztere Untersuchung, auf welche bo zahl-
reiche Messungsmethodeu bnsirt sind, bildet ein
nothwendiges Vorstadium, und ihr Werth soll nicht
unterschätzt werden. Aber tiefer in die Gesetze
des Schädelbaues einzudringen, ist an der Hand
dieses an sich unzureichenden Principes vollkom-
men unthnnlich, und dabei dürfte es ganz gleich-
gültig sein, ob man die Messungen selbst etwas
genauer macht, respective einige Schädel den vie-
len bisher bereits gemessenen hinzufügt, oder nicht.
Genau derselbe Fall liegt hier vor, als wenn die
heutige Physiologie die Functionen des „Organis-
mus im Ganzen** untersuchen wollte, wie es einst
die Anhänger der Lebenskraft verlangten , oder
wenn ein Chemiker die Moleculor-Constitution eines
Körpers aus der Elementar- Analyse desselben zu
erschliessen unternähme. Dos Eine ist so unmög-
lich wie das Andere, und die Aufgabe scheint nur
dahiu zu gehen , die besten Methoden für die Be-
stimmungen der einzelnen Schädelknochen ausfin-
dig zu machen. Vielleicht lassen »ich dafür ge-
nauere, wenn auch complicirtere Ausdrucksweisen
finden, als die bisher angewendeten einfachen Win-
kel wertlie!
18
Digitized by Google
138
Referate.
Referate.
1.
Darwin, Ch. Animal» and Plauts under
Dornest ication. 2 Bande. London 1866.
Darwin, Cb. Das Variiren der Thiere und
Pflanzen im Zustande der Domestica-
tion. Aus dein Englischen übersetzt von J. V.
Car us. 2 Bände. Stuttgart 1868. Bis jetzt
erschienen Band I und 11 erste Abtheilung.
Darwin, Ch. Do la Variation des Animaux
et des Plantes sous Faction de la
Doraestication. Traduit de Tanglais par
J. J. Moulini«, Tome I, Paris 1868.
Kef. von Kütimeyer.
Obschon, wie C. Vogt in der vortrefflichen
Vorrede zu der französischen Uebersetzung des
hier angezeigten Werkes mit vollem Hecht bemerkt,
eine neue» Arbeit Darwin'» nicht etwa einer Ein-
führung bedarf, sondern vielmehr die Aufmerksam-
keit aller Derer gebieterisch verlangt, welche sich
um deu Fortschritt der Naturgeschichte organischer
Körper interessiren , so konnte eine Anzeige des-
selben in diesen Blättern weder vermieden, noch
füglich verschoben werden. Auch di« gegenwärtige
Anzeige beabsichtigt daher um so weniger etwas
Anderes, als diejenigen Leser des Archivs, die mit
dem neuen Darwin 'sehen Buche noch nicht nä-
here Bekanntschaft gemacht haben, auf dessen In-
halt und Tragweite im Allgemeinen aufmerksam zu
machen, als eine einlässlichere Besprechung dessel-
ben dem Referenten gegenwärtig noch nicht mög-
lich gewesen wäre.
C. Dar w in löst mit diesem Werke einen
Theil der Verpflichtungen, welche er bei Heraus-
gabe des berühmten Buches „über den Ursprung
der Arten11 freiwillig übernommen hatte. Damals
bezeichnet« er jenes Buch als einen Auszug aus
einem nahezu fertigen Werke, von welchem er vor
der Hand sich genüthigt sehe, nur die allgemeinen
Schlussfolgerungen zu bringen, während die Mit-
theilnng der Thatsachen, auf welchen diese taruh-
ten, auf spater verschoben werden müsste.
Wie der Titel des neuen Buches angiebt, beab-
sichtigt nun dasselbe, den Betrag und die Natur
der Veränderungen zu erläutern, welche die Thiere
und Pflanzen erlitten haben, seitdem sie unter der
Herrschaft des Menschen stehen. In einem ferne-
ren Werke, welches angekündigt ist, sollen dann
die Veränderungen organischer Geschöpfe im Natur-
zustand, das heisst di« Verschiedenheiten, welche
von den Naturforschern als Varietäten oder geo-
graphische Raten aufgezählt werden, erörtert und
der Uebergang der Varietäten in Arten und
Gattungen geprüft werden. In einem dritten Werke
nimmt sich endlich der Verfasser vor, das Princip
der natürlichen Zuchtwahl, das bereits in der ersten
Arbeit als Grundlage der Variation bezeichnet
wurde, zu prüfen und zu untersuchen, in wieweit
dasselbe ein« Erklärung der mitgetheilten That-
sachen zu getan und die bisherige Annahme unab-
hängiger Erschaffung der Speciea, welche nichts
erklärt und sogar der Forschung die Thür ver-
schliefst, zu ersetzen vermöge.
Wie man sieht, liegt ulso hier nur ein erster
Theil des Hauptwerkes vor uns, von dem das Buch
über die Entstehung der Arten nur ein Entwurf
war. Fürwahr, ein grossartiger und weit ange-
legter Plan, dem auch der Reichthum des jetzt
vorliegenden ersten Theil» der Ausführung in voll-
stem Maas*« entspricht.
Der erste Band enthält die Ausführung von
Capitel 1 der „Entstehung der Arten“. Er giebt
die Thataachen über die Veränderungen unserer
Ha us thiere, von den Säugethieren bis zu den Insek-
ten, sowie über die Variationen an einer grossen
Anzahl von CulturpHanzen, Cerealien, Küchen-
gewächsen. Fruchtbüuuieu und Zierpflanzen. Ein
schwer wiegendes Werk — ; obschon an einem ein-
zigen Fall, an der Haustaube, der Betrag, die Na-
tur und die Geschichte der Variation an allen be-
kannten Hauptracen geschildert wird, so ist doch
die Fülle des auch für alle übrigen besprochenen
Geschöpfe mitgetheilten Materials erstaunlich, und
der Band durch gewissenhafte Angabe der (Quellen
eine unerschöpfliche Fundgrube für Studium und
Kritik der Nachfolger — , ein Werk nur möglich
von einem Manne, der, wie Darwin, im Besitz
eines vollkommen durchgebildeten , wenn auch
sicherlich nicht im Entferntesten etwa abgeschlos-
senen Planes, ohne irgend welche äussere Beschrän-
kungen oder Störungen durch Beruf und Stellung,
Jahrzehnt« hindurch sein Ziel mit beharrlichster
Energie verfolgen konnte, und dem es überdies*
vergönnt war, nicht nur die zuverlässigsten Fach-
männer in allen Theilen der Erde zu Hülfe zu zie-
hen, sondern auch eine »ehr grosse Anzahl kostspie-
liger und zeitraubender Versuche selbst, anznst eilen.
Der zweite Band, einstweilen nur iu der Ori-
ginalausgabe vollständig erschienen, ist nicht we-
niger reichhaltig. Er bespricht, immer an der
Hand einer Masse von Thatsachen, die vielsagenden
Capitel Vererbung, Rückschlag, Kreuzung, Zucht-
wahl, Wirkung äusserer Lebensbedingungen . Ur-
sache und Gesetz der Variation.
Auch auf diese iuhaltschwerim Rubriken näher
einzugehen, ist hier unmöglich; jeder Leser wird
aber auch hier deu Eindruck empfangen, dem Vogt
a. a. 0. den richtigen Ausdruck verliehen, dass die
Arbeit Darwin’s uns eine tiefe Kluft enthüllt,
welche sich langsam und fast ohne unser Ahnen
zwischen der Theorie und IVaxis aufgethan hat,
die Wahrnehmung, dass die Praktiker, die Thier-
Digitized by Google
Keferate.
139
und Pflanzenzüchter. welche auf eigenem Wege mit
Sicherheit gelernt haben, die Organismen gleichsam
nach ihrem Willen zu modeln, den Theoretikern,
der Wissenschaft, in der Kenntnisa der Verände-
rungen der Geschöpfe einen ausserordentlichen
Vorsprung abgewonnen haben; wir möchten nur
hinzufügen, dass gerade diese Entdeckung uns mit
der tröstlichen Zuversicht erfüllen kann, dass hin-
ter der Wissenschaft, welche bisher allein den
Kampf für die Berechtigung des Weiterforschena
führte, und ohne ihr Zuthun, ein breiter Wall von
Thatsachen sieb angehüuft bat, der auch die Theo-
rie unwiderstehlich weiter drängen und ihre Er-
folge sichern wird.
Der letzte Abschnitt des Werkes macht den
Versuch, die verschiedenen Ergebnisse der Beob-
achtung, als verschiedene Art der Fortpflanzung,
Wirkung der Befruchtung, Entwickelung, functio-
neile Unabhängigkeit der Organeiuheiten, Variabi-
lität, Erblichkeit, Rückschlag, durch eine proviso-
rische Hypothese, I’angenesi» betitelt, unter einen
gemeinsamen Gesichtspunkt zu bringen. Darwin
äussert den Gedanken, dass sich das unsichtbare
Band, welches offenbar die räumliche und zeitliche
Reihenfolge der Geschöpfe zusammenhält, und wel-
ches durch die bisher beobachteten Formelemente
organischer Körper nicht ausreichend herstellbar
scheint, durch eine Art unbegrenzter Mittheilung
und Uebertragung fähiger organischer Essenz con-
stituiren lassen möchte, in Form von organischen
Atomen, welche gleichsam als letzte Träger indivi-
dueller Eigenschaften von den bisher erkannten
Formelementen, den Zellen jeweilen abgegeben und
bis zur Weiterbildung in neuen Trägern aul’behal-
ten würden, bevor diese durch Uehergang in
Gewebe ihre Unabhängigkeit und Weiterbildung
einbüssten.
Es erhellt, dass dieser rein theoretische Theil
des Darwinschen Buches sich mehr als jeder an-
dere selbst einem Referat, geschweige denn etwa
einer Kritik entzieht. Es ist bisher der einzige
rein Fpeculative, allein eben deshalb ein merkwür-
diger Abschnitt des Darwinschen Werkes. Offen-
bar enthält er das Zugeständnis» , dass die gegen-
wärtig vom Mikroskope verfolgten Bewegungen
der organischen Substanz nicht genügend seien,
um die Continuität des Lebens selbst, und nament-
lich der Lebensform im Besondern zu erklären.
Immerhin entspricht das Verfahren, das diese
Schwierigkeit überwinden soll, nämlich das Zu-
rückschieben der Hypothese von dem gegenwär-
tigen auf einen weiter zurückliegenden und der
Prüfung erst noch zu unterwerfenden Boden, durch-
aus der Methode, nach welcher die Wissenschaft
im Allgemeinen, die ja überhaupt niemals wird er-
warten können, Erscheinungen anders als durch Hy-
pothesen zu erklären, allein erwarten kann, allinälig
ihre Grenzen auf irgend einem Gebiete zu erweitern.
Aus diesen kurzen Mittheilungen mag genü-
gend hör vorgehen, dass das neue Buch Darwin ’s
einmal nicht etwa nur theoretischer Natur, sondern
geeignet ist, auch der Praxis, d. h« dem Bestreben,
die Thier- und Pflanzenwelt unserem Wohlsein
und unserer eigenen Förderung immer mehr dienst-
bar zu machen, eine reiche Unterlage zu geben, so
wie unseren Anschauungen über die organische
Schöpfung und Über unser Verhältnis zu ihr neue
Horizonte zu eröffnen. Der systematische Natur-
forscher so gut wie der Thier- oder Pflanzenzüchter,
der speculative Philosoph so gut wie der Lebemann
wird mit der Zeit den Folgen dieses Werkes sicher-
lich nicht entgehen.
Eine einlässlichere Besprechung wird dieser
oder jener Abschnitt de» angezeigten Buches auch
in diesen Blättern mit der Zeit wohl erwarten dür-
fen. Immerhin stehen wir aber hier vor einem
Werke, dessen Kritik die Aufgabe der gesammten
Naturwissenschaft für die nächsten Jahrzehnte seiu
wird, vor dem Entwurf einer künftigen Natur-
geschichte im vollsten und lichtesten Sinne des
Wortes, das heisst einer Geschichte der Natur im
Sinne des Verfassers, welcher unter diesem Aus-
druck versteht „die zusammengesetzte Wirkung
und das Product vieler natürlicher Gesetze, und
unter Gesetz nur die ermittelte Aufeinanderfolge
der Erscheinungen“.
Schliesslich verdient hervorgehoben zu wer-
den, dass sowohl die deutsche als die französische
Uebersetzung ihren Verfassern alle Ehre macht
und dass namentlich erstere sich von der Bron lo-
schen Uebertragung des früheren Werkes von Dar-
win höchst vorteilhaft unterscheidet. Beide brin-
gen überdies sämmtliche Holzschnitte der Original-
ausgabe.
Reise der österreichischen Fregatte No-
, vara um die Erde in den Jahren 1857, 1858
und 1859. Anthropologischer Thoil.
Zweite Abteilung: Körpermessungen, an
Individuen verschiedener Meusclu nraceu vor-
genommen durch l>r. Carl Scherzer und
Dr. Ed. Schwarz, bearbeitet von Dr. A.
Weisbach. Wien 1867. Ref. von Welcker.
Die bis hierher vorhandenen Bestimmungen
über Körpergröße sowie über Maass und Beschaf-
fenheit der einzelnen Körperteile verschiedener
Nationen litten, noch mehr als die Messungen des
Schädels, an der Verschiedenheit des MuassstAbes
und der Methode; sie erstreckten sich in der Regel
nicht weiter, als auf einzelne Beckenmessungen,
nebst Angaben über Armlänge und dergleichen und
sie fanden sich zerstreut in sehr verschiedenen Wer-
1S*
Digitized by Google
140
Referate.
ken und Berichten. In dem vorliegenden Bande
nun sind uns Messungen des Körper» und der Kör-
pertheile verschiedener Völker in einer Ausdehnung
geboten, wie dies in keinem früheren Werke »ich
findet. Die Ausdehnung dieser Messungen ist in
doppelter Beziehung gross; einmal in Hinsicht
auf den Kreis der der Messung (und anderweiten
Bestimmung) unterworfenen Körpertheile, und zwei-
tens in Betreff der Zahl der untersuchten Indivi-
duen und Völker. Eb sind aber in diesem Werke
einmal die sehr fleißigen und nmfaaaendeu Messun-
gen niedergclegt , welche die Herren v. Scherzer
und Schwarz während der Novarareise hei ver-
schiedenen Nationen , besonders des indischen Ar-
chipels, ausgeführt haben; weiterhin zahlreiche
Messungen , welche der Herausgeber dieses Thciles
des grossen Novara- Werkes. Dr. Weisbach, nach
derselben Methode bei verschiedenen Völkern der
österreichischen Monarchie vorgenommen hat, und
endlich sind aus der vorhandenen Literatur die
wichtigsten einschlägigen Angaben gesammelt und
hinzugefügt.
Was den Inhalt und die Disposition des Wer-
kes anlangt, so wird nach einleitenden Vorbemer-
kungen und einer Wiedergabe des Scherzer-
Schwarz’schen Messungsschemas nebst Verbes-
serung» Vorschlägen des Herausgebers (S. 7), sowie
eines Literaturverzeichnisses, in 16 Capiteln über
die Ergebnisse der bei den einzelnen Völkern aus-
geführten Messungen ausführlich berichtet. Diese
Völker sind: Chinesen (26 cf, 3 9)» Nikoharer
(55 c*), Javanen (9 cf , 8 9)» Sundanesen (2 cf,
18 9), Maduresen (4 cf), Amboinesen (4 cf), Bu-
gis (6 cf), Stewarts-Insulaner (1 cf), Neuseeländer
(3 cf), Tahitier (7 9)» Australier (2 cf , 2 9),
Deutsche (30 cf, 119)» Slaven (20 cf), Romanen
(10 cf). Enthalten diese 16 Capitel vielfach eine
Paraphrase und eine ausserordentlich ins Detail ein-
gehende, die einzelnen Mause nach den ver-
schiedensten Richtungen hin abwägende Discussiou
der Messungstabellen je eines einzelnen Volkes, so
giebt das 17. Capitel eine vergleichende Uebersicht
der bei sämmtlichen Völkern gewonnenen Ergeb-
nisse. Ueberdies sind zu Ende jedes einzelnen
Capitels die Hauptresultate des reichen Inhaltes
kurz zusannnengestellt. Den Schluss des Werkes
machen die Tabellen, deren sechste eine Reduc-
tion sämmtlicher Körpermaasse auf „Körpergrösse
= 1000* bringt, wahrend es nicht genug gedankt
werden kann, dass, neben diesen relativen Ziffern,
Tabelle I bis V sowie Tabelle VII die unmittel-
bar gefundenen Wertlie, die Basis des ganzen Wer-
kes, unverkürzt wiedergeben.
Dem Texte sind 9 Liniennetze eingedruckt,
durch welche die Herren Scherzer und Schwarz
eine Art Exccrpt der Umrisslinie des Kopfes der
untersuchten Völker geben, indem sieben besonders
wichtige Punkte (drei die Gestalt der Nase skizzi-
rende Punkte, drei Punkte des Scheitelbogens, so-
wie die Kinnspitze) in ihrer relativen Lage ver-
zeichnet und durch gerade Linien verbanden wur-
den. Die Gewinnung dieses Liniennetzes (conf.
8. 10) dürfte nicht besonders bequem, und, da das
Netz mit Hülfe eines Lothes construirt und aus
seinen einzelnen Theilen aufgebaut wird, selbst
nicht ganz sicher sein ; jedenfalls glaube ich nach
eigener, vielfältig gemachter Erfahrung versichern
zu dürfen, dass eine vollständige Aufnahme des
gesammten Gesichtsprofilea sowie des Kopfumrisses
(durch Uroreissung des Schattens) auf weit beque-
merem und sicherem Wege ein ungleich vollstän-
digeres Ergebniss geliefert haben würde. Die Hin-
zufllgung einer Senkrechten, zur Bestimmung der
normalen Kopfhaltung, würde nicht ausgeschlos-
sen gewesen sein. Aber auch die Scherzer-
Scbwarz* sehen (in Vs natürlicher Grösse abge-
druckten) Umrisse sind sehr dankenswerth. Doch
wäre es zu wünschen gewesen, dass sie nicht in
dem Werke zerstreut und in den Text eingedruckt,
sondern, behufs besserer Musterung und Verglei-
chung, auf einer Tafel nebeneinander gestellt wä-
ren. Auf einzelne Blättchen durchgepauat, die
dann beliebig übereinander gelegt und gegen das
Liebt gehalten werden , gewähren sie eine vorzüg-
liche Orientirung. — Wie es in der Natur der Sache
liegt, kann in diesem Berichte kein gleichmäßiger
Inhaltsauszug geliefert werden, und wir müssen
uns darauf beschränken , aus der Fülle der beige-
brachten Thatsachen einige wenige hervorzuheben.
Wiederholt erinnert Weisbach und belegt e»
durch zahlreiche Beispiele, „dass die Unterschiede
in den Verhältnissen der einzelnen Körpertheile
nicht etwa in der verschiedenen Grösse des Kör-
pers, sondern in den Kigenthümlichkeitcn der Racen
begründet sind* , den verschiedenen Racen hiermit
neben der wechselnden Körpergrösse verschie-
dene Constructionsverh<nisse dos Körpers zukom-
men. Ueberall, sofern die Zahl der untersuchten
Individuen hierfür ausreichend ist, wird, nach dem
Vorgänge des Referenten (Europäerskelet), dio
Reihe der untersuchten Individuen nach zuneh-
mender Körpergrösse in Gruppen rangirt, um
hiernach „den Einfluss der Körpergrösse auf die
Verhältnisse der einzelnen Körpertheile festzustel-
len.4* Der Satz de» Referenten, dass „kleinere
Menschen durchschnittlich höhere Grade der Bra-
chycephalie besitzen, al» grosse“, wird auf diesem
Wege von Weisbach bestätigt, indem die Schä-
delbreitenindices der nach der Grösse geordneten
Chinesen lauten: 81, 76. 77, 75; „dasselbe Gesetz,
nämlich Abnahme der Breite des Kopfes mit Zu-
nahme der Körpergrösse*, zeigt Weisbach bei
d«n Nikobarern,
Von den Chinesen erfahren wir, dass die mitt-
lere Zahl ihrer Pulsschläge mit 77 in der Minute
denen der Europäer nahe gleich kommt. Dio mitt-
Digitized by Google
Referate.
141
ler* Druckkraft der Chinesen (42 Kilogrm.) ist
geringer, als die säramtlicher von den Novararei-
senden bestimmten malayischen Nationen.
Betreffs des „Standes der Brustwarzen“ findet
sich, dass deren gegenseitiger Abstand 202 Millim.
beträgt; Angaben über Nummer der Rippe oder
des Intercostalraumes, welchen dio Warze eiunimmt
(von W. Grober jüngst für Russen ond DeutFche
bei grossen Leichenreihen bestimmt), finden sich
nicht Kürzer als bei zahlreichen anderen Völkern
zeigt sich der Rumpf der Chinesen.
Von den Nikobarern, Über welche wir be-
reits durch einen früheren Bericht v. Scherzer’B
i Mittheilungen derk. k. geographischen Gesellschaft
in Wien, 11, 3. Heft, 246) nähere Kunde besitzen,
konnte eine ansehnlich grosse Reihe, 55 Indivi-
duen, untersucht werden, welche der Herausgeber
daher sowohl nach dem Alter, als nach der Kör-
pergröese gruppirt und bespricht. Sie haben einen
un Umfang viel grösseren Kopf, als die meisten
der untersuchten Völker. Auch der Hals- und
Brustumfang, sowie die Taillenbreite* ist sehr be-
trächtlich. Die Prognathie der Nikobarer ist ge-
ringer, als bei allen übrigen Malayien.
An Höhe des Wuchses sind die Javancn vor
allen übrigen malayischen Völkern ausgezeichnet;
an Körperkraft stehen sie fast allen nach. Am
schwächsten von den Malayien sind die Maduresen,
am kräftigsten die Bugis. Die Beschreibung der
äusseren Körperbeschaffenheit eines javanischen
Weibes findet sich S. 96; der Augapfel ragt über
den Nasenrücken vor, die Lidspalten weichen noch
innen von der Wagerechten ab. Die javanischen
Weiber sind auffallend kleiner, als die Männer, sie
haben einen relativ grösseren, höheren, „aber eben
so brachycephalen Kopf*, wie die Männer. Dabei
ein „wahrscheinlich mehr prognathes Gesicht44.
(Dass und warum die seiner Discussion unterbrei-
teten Kopfmaas&e für eine genaue Bestimmung der
Prognathie keine sicheren Anhaltspunkte bieten,
setzt Weisbach S. 228 auseinander.)
Das Kopfhaar der untersuchten (aussereuro-
päischen) Völker ist durchweg sehr dunkel; bei
allen, mit Ausnahme der Amboinesen und Austra-
lier, schlicht. Die Farbe der Iris nirgends blau,
überall braun, von lichtbraun bin schwarz.
Was nun die Körpergrösse anlaugt, so ist die
von Weisbach gegebene Zusammenstellung aller
ihm zugänglichen Angaben über dio Körpergrösse
der verschiedensten Nationen von grossem Werthe.
Freilich sind auch hier nur die von den Novara-
reisenden gelieferten Maasse scharf mit einander
vergleichbar, während viele der von anderen
Forschern gelieferten Ziffern in Folge der so
mannigfachen „Fasse4* und „Zolle“ in der Tabelle
weit grössere Schwankungen zeigen, als der Wirk-
lichkeit entsprechen mag. So finden sich „Eski-
mos“ (nach Hearn und de Paw), als kleinstes
Volk, mit 1300 Millim. Mittelgrösse an der Spitze
der Tabelle, während Eskimos der Melvilleinsel
mit 1600, Eskimo« der Savageinsel mit 1680, ja
Eskimos des Boothia- und des Kot.zebuesundeg mit
1690 und 1710 Millim. verzeichnet werden.
Die mittlere Zahl der Pulsschläge variirt in
der Reihe der von den Novarareisenden untersuch-
ten Völker bei den Männern um 20, bei den Wei-
bern um 10 Schläge, was wohl als nicht unerheb-
liche Differenz erscheinen muss.
Die Druckkraft ist bei den Neuseeländern
(68 Kilogrm.) weitaus am grössten, bei den Chine*
sen (42 Kilogrm.) am kleinsten. Mit Recht hebt
Weisbach hervor, dass diese und ähnliche Anga-
ben betreffs der I^eistungsfKhigkeit und Arbeite-
kraft der verschiedenen Völker keinen direct en
Schluss gestatten, da der Versuch am Dynamometer
nur das während eines kurzen Augenblicke« er-
reichbare Maximum der Druckkraft erkennen lässt,
während die Leistungsfähigkeit weniger vom Ma-
ximum, als von der Ausdauer der Krait abhange.
Den schmälsten Kopf und die grösste Progna-
thie besitzen die Amboinesen. Durcli ganz be-
sonders grosse Kopfbreite sind die sundaischen
Weiber ausgezeichnet. Bemerkenswerth ist folgen-
des Ergebnis , welches von dem vom Referenten
bei anderen Völkern (insbesondere am deutschen
Schädel) gewonnenen Resultate ab weicht: „bei den
Weibern folgt die Breite des Kopfes im Allgemei-
nen jener der Männer, ist jedoch hei allen relativ
grösser, als bei diesen.“ Dass diese Angabe für
die malayischen Stämme allgemeine Gültigkeit
habe, bleibe dahingestellt; dass sie überhaupt
die Regel ausdrücke, bezweifle ich sehr *). Auf die
ausführlichen und höchst wichtigen Angaben über
die MaAssverhältnisse der Arme , der Hand , de«
Beines, sowie beider Extremitäten zueinander, ge-
stattet der Raum nicht, einzugehen.
Uebrigens wird bei dem hohen Werthe, wel-
chen Referent dem hier gelieferten Materiale bei-
legt, die Bemerkung gestattet sein, dass der fleis-
sige Herausgeber die Zahlen an manchen Stellen
vielleicht etwas zu sehr ins Einzelne discutirt habe.
Oftmals sind Maas* unterschiede erwähnt und ein-
ander gegenübergestellt, die sicherlich nur ein Aus-
druck der überall wirkenden individuellen Schwan-
kung oder der gewählten Gmppeubildung sind.
So findet Bich , um nur ein Beispiel anzuführen,
S. 52 folgende Stelle: „Die Mänucr (Nikobarer),
welche das 20. Jahr überschritten haben , besitzen
im Durchschnitte die Druckkraft von 48,40 Kilo-
grm.; und sonderbarerweise jene, welche im Alter
zwischen 15 und 20 Jahren stehen, die um 3,82
Kilogrm. grössere von 52,22 Kilogrm., woraus folgen
würde, dass bei den Nikobarern wenigstens die durch
2) Dass das von mir für den Deutschen und zahl-
Digitized by Google
142
Referate.
Druck sich kund gebende Kraft schon nach dem
20. Lebensjahre abnähme.“ Aber dies ist kei-
neswegs der Fall und einfach ein Krgebniss der
gewählten Gruppenbildung. Arraugiren wir die
Originalziffern der Tabelle II etwas anders, so er-
halten wir ein durchaus anderes Resultat:
7 Individuen von IS Jahren mittleren Alters haben 52,* Kilogrm. mittlere Druckkraft
10
„
„
19
4»
11
52/
,,
♦1
„
4
M
„
20
4»
4»
„ 46,'
44
„
7
n
t*
22, ! „
,,
„
.. 54/
*1
„
14
11
M
o; '
“ « 1 „
41
„ 44/
„
7
14
32,'
„
*4
52/
„
„
6
,4
41
37,'
4*
«1
„ 47/
.1
55
«4
44
o
-1*
1
o
„
„
„ 49/
44
4t
44
Wahr bleibt es allerdings auch hier, dass die
unter 20 Jahren Stehenden in ihrer Druckkraft das
Mittel der ganzen Reihe um etwas übertreffen;
indess zeigen die 22,Bjährigen und selbst die 32,*
jährigen sogar eine grössere Druckkraft, als
die unter 20 Jahren Stehenden. Eine Abnahme
der Druckkraft mit den Jahren mag durch diese
Ziffern immerhin angedeutet sein (wobei nicht
ausser Augen zu lassen, dass bei den 27 Jahre
alten ein gewaltiger Ausfall dadurch erfolgt, dass
gerade hier sich ein ganz aus der Reihe fal-
lendes Individuum befindet *) ; über den Beginn
und Gang jener Abnahme giebt die Tabelle absolut
keinen Aufschluss. Dagegen zeigt sie unverkenn-
bar, dass eben von der in unserer Versuchsreihe
gegebenen Altersdifferenz dus Mauss der Druckkraft
nur uusserst wenig und in einer durch unsere Ta-
belle jedenfalls nicht näher erkennbaren Weise be-
einflusst wird, so dass wir die schärferen, den ein-
zelnen Altersclassen zukommenden Ziffern durch
sie gor nicht erfahren und uns mit dom allgemei-
nen Endraittel (49, c Kilogrm.) begnügen müssen.
Auch Messungen des 0 rangt (Tabelle VIII)
hat Weisbach in den Kreis seiner Discussion ge-
zogen und er gelangt zur Kruge: „Welches von
den angeführten Völkern auf der untersten und ob
alle diese Völker überhaupt auf einer tieferen Stufe
der menschlichen Gestalt als die Europäer stehen“.
Wir werden jenes Volk (S. 269), „welche« an der
Mehrzahl der Körportheile affenähnliche Verhält-
nisse darbietet, auch als das körperlich niedrigste
reich« andere Völker »aebgewiesene Verhältnis«! (Jans der
$ Schädel de»« cf gegenüber dolicliOceplial erscheint) bei
gewissen Vulkan» möglicherweise eine Ausnahme erleidet,
dafür habe leh meines liieils selbst die ersten Belege bei-
gebracht und namentlich für Javanesen (58 < f und 22 $ )
dasselbe Krgebniss luitgetheilt, über welches nun Weis«
hach berichtet. (Vergl. das Archiv IM. I, S. 122.)
*) Von diesem Individuum mit T5,7 KiMgrin. springt
bei dem nächst schwachen die Druckkraft sofort auf 32,*.
und die folgenden Ziffern lauten: 33,7 — 36, 1 — 36,'
— 36. 1 — 36, 8 36,®, — 39, a. Bei den Chinesen, deren
Druckkraft die kleinste aller von v. Scherzer und
Schwarz untersuchten Kationen ist, zeigte das schwäch-
ste Cf Individuum 27,4.
erklären müssen. Diese Aufgabe wird aber dadurch
erschwert, dass schon bei den wenigen Körpertei-
len, wo wir dio Vergleichung zwischen Orang und
Menschen durchführen konnten, die Affenähnlichkeit
sieh keineswegs bei einem oder dem anderen Volke
concentrirt, sondern sich derart auf die einzelnen
Abschnitte bei den verschiedenen Völkern vertheilt,
dass jedes mit irgend einem Erbstücke dieser Ver-
wandtschaft, freilich das eine rnuhr das andere we-
niger, bedacht ist, und selbst wir Europäer durch-
aus nicht beanspruchen dürfen, dieser Verwandt-
schaft vollständig fremd zu sein.“ — „Die Javaueu
und Maduresen jedoch sind vor allen dadurch be-
günstigt, dass sie in den wenigsten Abschnitten
(die enteren in der Schmächtigkeit ihrer Wade und
der Länge ihres Fasses, die letzteren in der Länge
ihres Vorderarme» und der Länge de» Oberschen-
kels) die Verhältnisse de» Orang copiren, wogegen
der Stewartsinsolaner im Ganzen und in allen ein-
zelnen Theilen jene Gestalt besitzt, welche die un-
ter diesen Völkern zahlreichsten Affenähnlichkeiten
aufweist.“ „In Bezug auf die Lange der Extremi-
täten nehmen aber die Deutschen , Romanen und
Slaven dadurch, das» sie kurze Arme und lange
Beine besitzen, eine höhere, weiter vom Orang ent-
fernte Stellung ein, als die Chinesen, Malayien, Po-
lynesier und Australier, welche alle mit viel kürze-
ren Beinen, dagegen aber mehr oder weniger län-
geren Armen nusgestattet sind. Die Neger, deren
Arme und Beine von grosser Länge sind, entfernen
»ich, nur gerade in der entgegengesetzten Richtung
ebensoweit vom Gliederbau des Orang, wie die mit
kurzen Beinen versehenen Chinesen, mit welchen
sie jedenfalls noch über den Malayien, Polynesiern
und Australiern stehen.“ H. Welcher.
3.
Flower and Murie accouut of the dissection of
a Buahwoman. Journal of anatomy and phy-
iioL, Nr. II, Mai 1867. Wir kommen auf
diese im letzten Literaturverzeichnis» (Band II,
Digitized by Google
Referate.
143
S. 369) kurz Angezeigte wichtige Arbeit im
Folgenden etwas ausführlicher zurück.
Im Jahre 1853 wurden zwei Kinder dieser
Kacet ein Knabe und ein Mädchen über Port Natal
nach England gebracht und in diesem Lande vor-
gezeigt. Der Knabe starb einige Jahre darauf in
England und liegt auf einem Kirchhofe in Wules
begraben, das Mädchen lebte bis Juni 18G4, zu
welcher Zeit es in London an Tuberculoee starb.
Zur Zeit ihrer Ankunft in England sollen sie 10
bis 12 Jahre alt gewesen sein, mit welcher Angabe
der Befund insbesondere an Skelet und Zähnen dieses
Mädchens, das somit im 21. Jahre gestanden hätte,
übereinstimmt. Es ist wohl keinem Zweifel unter-
worfen, dass dies dasselbe Buschmannpaar ist, wel-
ches 1857 auch in Deutschland gezeigt wurde. Re-
ferent sah dasselbe im März des genannten Jahres
in Frankfurt am Main zugleich mit den Azteken ; ein
Herr Morris war der Führer. Bekanntlich hat
der berühmte Bildhauer von der Launitz von bei-
den Kindern vortreffliche Büsten gemacht, von de-
nen eich Abgüsse in zahlreichen deutschen Museen
finden. Als Alter des Knaben wurde damals von
Herrn Morris 13, des Mudcliens 17 Jahre ange-
geben ; ich finde jedoch in meinen Notizen von da-
mals die Bemerkung, dass sie wohl jünger seien.
Im äusseren Ansehen stimmte der Körper in
allen wesentlichen Punkten mit der von Cu vier
beschriebenen Hottentottenvenus überein. Ein
eigentlicher Fetthöcker war zwar nicht vorhanden,
jedenfalls nicht im Vergleich zu dieser, jedoch war
die Fettschicht der Hinterbacken immerhin IV4"
dick und die Haut darüber hatte ein laxes, gefal-
tetes Aussehen, so als wenn sie früher viel bedeu-
tender ausgedehnt gewesen wäre. Das Körperge-
wicht betrug 61 Pfund avoir du poids, die Höhe
4' 7lli" (4" weniger als bei der Hottentotten-
venu»).
Seite 191 finden sich die zahlreichen Körper-
maasse, die genommen wurden, angegeben. Wir
heben daraus nur Folgendes hervor. Verglichen
mit der weiblichen Figur in Carus’s Proportions-
lehre fanden sich bei diesem Busch mann weihe ins-
besondere die Arme (3") kürzer. Bei einem Ver-
gleich mit 25 europäischen, 25 Negerskeleten und
solchen von drei anderen Individuen der Busch-
mann- Race zeigte sich jedoch, dass diese Kürze
nicht Regel ist , sondern dass im Gegentheil beim
Buschmann so wie beim Neger die obere Extremi-
tät, insbesondere der Radialtheil derselben, beträcht-
lich länger ist als beim Europäer; Iland und Fuss
sind (abweichend vom Neger) sehr klein. Im Gan-
zen genommen finden die Verfasser, dass die Pro-
portionen des in Rede stehenden Buschmannweibes
am meisten denen eines europäischen Kindes von
4 bis 6 Jahren gleichen. Farbe der Haut ein hel-
les Gelbbraun, Handflächen und Fusasohlen fast
weiss. Das Gesicht ist auffallend durch seine Breite
und Flachheit und ähnelt dadurch, wie schon mehr-
fach hervorgehoben, dem mongolischen Typus. Der
Umriss ist charakteristisch, sehr breit in der Wan-
gengegend ; von hier an verschmälert er sich etwas
nach oben, insbesondere aber und sehr rasch nach
abwärts gegen das schmale Kinn. Besonders auf-
fallend ist der grosse Zwischenraum zwischen den
Augen *); derselbe beträgt V 8W. Eine vorsprin-
gende Hautfalte, über dem oberen Augenlid begin-
nend und zur Seite der Nase herablaufend deckt
den inneren Augenwinkel. Die Oeffnung der Au-
genlider ist horizontal. Die Nase, breit, sehr platt-
gedrückt, misst 1,5" quer über die Flügel und nur
0,5" von der Wurzel des Septum bis zur Spitze. —
Das Kopfhaar schwarz, in getrennten Löckchen
angeordnet, dercu jedes aus einem Büschel zarter,
spiralig aufgedrehter Haare besteht; die Löckchen
waren 1 bis 1 Vs*, ein einzelnes Haar bis 6" lang.
Der Haarboden zeigt jedoch keine (bürstenförmigen)
Haarinseln mit freien Zwischenräumen, sondern die
Locken bilden sich nur durch eine besondere Nei-
gung der Haare sich aufzurollen und zu verweben.
Auch die Haare der Achselhöhle und die Schaam-
haare sind gelockt.
Im Muskelsystem kommen mancherlei Va-
rietäten vor, jedoch keine, die nicht auch bei Weis-
sen vorkämen; doch ist vielleicht hervorzuheben,
dass an beiden Füesen gleichinässig 1) der flexor
hallucis sich in zwei Zweige theilte, wovon der eine
an die grosse Zehe, der andere an die 2., 3. und 4,
Zehe sich ansetzte, und 2) dass ein Theil dos flexor
brevis digit. von der Sehne des flexor longns den
Ursprung nahm.
Das Gehirn (38 J schwer) wurde Herrn
Mars hall, der das Buschmann-Gehirn zum Gegen-
stand eines genauen Studiums gemacht hat 3), Über-
geben.
Was die Zeugungsorgaue betrifft, so ent-
sprechen dieselben der Hauptsache nach der von
Cu vier gegebenen Beschreibung. Die grossen
Schaamlefzen sind klein, dioClitoris rnässig, jedoch
weit mehr zu Tag liegend (ohne Zweifel wegeu
der geringen Entwicklung der lakia maiora) als
beim europäischen Weibe und mit einem wohl ent-
wickelten Praeputium versehen , dessen Seiten sich
nach abwärts in die Nymphen, grosse, 1,2" lange,
sehr ausdehnbare hängende Lappen von dunkel-
rother, fast schwärzlicher Farbe, fortaetzen. Die
') Die Gröss« dieses Zwischenraums hängt zu einem
beträchtlichen Theil, jedoch nicht »Dein, davon ab, ob die
Nasenbeine in einer vollkommen frontalen Ebene stehen,
oder ob sie »ich in einem mich hinten offenen Winkel
dachförmig verbinden. Die Differenzen in_ dieser Bezie-
hung treten auf Horfxontalscbnitten »ehr prägnant hervor.
J) Siehe Philosophien! transactions 18C4, vol. 154,
pl. III, S. 501.
Digitized by Google
144
Referate.
Verfasser führen über die äusseren Genitalien zweier
anderen Hottentottinnen (Matter und Tochter) noch
die Mittheilung eines am Gap wohnenden Beobach-
ters an. Bei der letzteren (12 Jahre alt) waren
die glutaei mit den bekannten halbkugeligen Fett-
kiasen bedeckt, dio Nymphen hingen in aufrechter
Stellung de» Mädchens als zwei 3 '/*" lange Lap-
pen herab. Hymen intact. Die Mutter nahm ihre
Lappen auf, legte den rechten um die rechte Seite
Aber dos Gesäss, den linken ebenso und die Enden
beider berührten sich hinten in der Mittellinie. E.
4.
Die Menschenstämme des Nilbeckens. Ba-
ker, The races of the Nile Bassin. Trans-
actions of the ethnological aoeiety of London,
Vol. V, 1867, S. 228 und: Der Albert-Nyanza,
das grosse Becken des Nil und die Erforschung
der Nilquellen, aus dem Englischen von Mar-
tin, mit Illustrationen und Karten. Jena,
Costenoble, 2 Bände, 1867. 8°.
Je grösser die Bewunderung ist, die man dem
kühnen Reisenden und seiner heroischen Gemahlin
für ihre ganz unglaubliche Ausdauer zollen muss,
die es ihnen ermöglichte, unter den allerschwierig-
atun Verhältnissen das gesteckte Ziel zu erreichen,
deato mehr muss man bedauern, dass der treff-
liche Beobachter von den wichtigsten anthropolo-
gischen Fragen nicht genügend unterrichtet war;
denn wie hoch man auch die Hindernisse anschlage,
die sich der Lösung wissenschaftlicher Aufgaben
entgegen stellten, es waren dieselben nicht grösser
für Beantwortung dieser, als für die violer anderen
Fragen.
Das Nilbeckeq erstreckt sich vom 3° südl.
Breite zum 32° nördl. Länge, und sein Stromgebiet
geht vom 3° südl. Breite zum 189 nördl. Breite,
vom 22° östl. Länge zum 39°. — Dies enorme Ge-
biet von 1,285,000 geographischen Quadratmeilen
ist durch zahlreiche Raten bewohnt, einige sind
wohl von der Ostküste des rothen Meeres einge-
wandert (die Araber), andere haben sich durch Er-
oberung festgesetzt, noch andere, die welche im
Süden des Beckens wohnen, sind die Ureinwohner
des Landes. Die Egypter und die Stämme am un-
teren Nil ausser Acht lassend , beschränkt sich der
Verfasser auf die Raccn, welche südlich vom 18°
nördl. Breite wohnen.
Zu den arabischen Stämmen Nubiens ge-
hören die Bisliarin, Haddendowa, Hallonga, Jaleon,
Shookareya , Dabai na, Kunano, Hamran und einige
andere. Alle sind Nomaden, die je nach Jahreszeit
und Weidebedürfniss mit ihren Heerden da und
dorthin wandern. Arabisch ist ihre gemeinsame
Sprache, ausgenommen die Haddendowa und Hal-
longa, die eine andere Sprache sprecheu und daher
wohl Ureinwohner der nubischen Wüste sind.
Kein hervorstechender Zug, der etwa zur Auf-
stellung eines besonderen Typus berechtigt, unter-
scheidet diese verschiedenen Stämme von einander;
sie unterscheiden sich kaum audors als in der Art,
das Haar zu tragen. Alle sind Mobamedaner und
worden von Scheichs regiert.
Alle diese arabischen Stämme, sowie die Abys-
sinier und die Schwarzen von Sennaar am südlichen
Ufer des blauen Nil waren den Alten bekannt. Am
blauen Nil finden sich egyptische Alterthümer, so
alt oder älter als die Pyramiden, aber am weissen
Nil deutet kein Stein auf eine frühere Cultur, hier
ist ein Damm, über den hinaus Alles Wildniss ist,
nicht brennender Sand, nein, eine viel fürchterlichere,
endloser Sumpf, durch den, wie ein Styx, der weisse
Nil auf Strecken, die man nicht in Tagen, ja nicht
in einem Monat durchnässt, dahinschleicht. Dieser
endlose Sumpf, nicht die Wüste war es, vor dem einst
Nero’s Krieger und seitdem alle Reisenden zurück-
schreckten. Die in diesem Gebiete und jenseits
desselben wohnenden Stämme sind daher von den
ältesten Zeiten her, abgeschlossen von der anderen
Welt, in einem Zustande thieri scher Rohheit ver-
blieben.
Dio nördlichsten Stämmo des weissen Nil sind
die Dinkas, Schilluk*. Nüer, Kitsch, Bohr,
Aliab und Schir; mit Ausnahme der Kitsch
stimmen die übrigen ziemlich unter sich überein.
Sie sollen mit Ausnahme des Wollhaares keinen
eigentlichen Negertypus besitzen. Vorderkopf nie-
drig, Kopf breit, Hinterkopf dick (heavy); die Kie-
fer jedoch nicht vorstehend und die Lippen nicht
aufgeworfen. Von Statur sind sie sehr gross und
musculös. Die Männer gehen ganz nackt, die Mäd-
chen bis zum Alter von 15 Jahren ebenso, später
tragen sie einen Gürtel von wenigen Zollen Länge.
Speciell über die No er giebt er an (Der Albert -
Nyanza, I, 63), sie trieben das Wesen der Wilden
ziemlich auf die höchste Spitze und seien die leib-
haftigsten Teufel , die er je sah. Der Leib ist mit
Asche eingerieben und das Haar mit einer Tünche
von AbcIio und Kuhurin roth gefärbt. Die Frauen
durchbohren dio Oberlippe und tragen daran einen
etwa 4" langen Schmuck von Glasperlen auf Eisen -
draht, der wie das Horn eines Rhinoceros vorsieht.
— Von den Schir (ibid. S. 81) bemerkt er, da-s
die Weiber nicht ganz nackt gehen, sondern kleine
Zipfel von gegerbtem Leder tragen -, am Rückeu-
theil dos Gürtels, der dieses Schurzleder hält, be-
findet sich ein Schwanz aus fein geschnittenen
Lederstreifen, der bis zu den unteren Theilen der
Schenkel hinahroicht und die von den Arabern
gegebene Nachricht erklärt, dass ein Stamm in Mit-
telafrika Schwänze habe wie Pferde. Die niederste
Stellung von all' den vorgenannten Stämmen neh-
Digitized by Google
Referate.
145
meu die Kitsch ein. ln dem endlosen Sumpfbo-
den, der eine BodeneuJtur nicht gestattet, wandern
die mageren, ausgehungerten Gestalten wie Störche
umher, nach Eidechsen, Mäusen, Schlangen, Heu-
schrecken und weinen Ameisen, ihrer Nahrung, su-
chend, Männer und Weiber gehen völlig nackt
uud nur die Tochter des Häuptlings hatte ein
Stückchen gegerbter Haut — nicht etwa als Gürtel
benutzt — sondern über die eine Schulter gewor-
fen *). Die Kinder seien reine Gerippe, die Män-
ner so abgezehrt, dass sie gar keine sichtbaren
Gesä&se mehr haben, diese sehen aus wie abge-
hobelt und ihre laugen, dünnen Arme und Beine
geben ihnen ein eigentümliches mückenähnliches
Anssehen. Die Menschen dieses Stammes, sagt
Baker, sind reine Alfen und die kläglichste Klasse
von Wilden, die man sich denken kann.
Die folgende allgemeine Beschreibung bezieht
sieh auf alle, ausgenommen diu Kitsch. Sie bauen
kleine niedere runde Hütten und pflanzen an trocke-
nen Stellen (die Kitsch ausgenommen) die Dhurra.
Sie besitzen Kinderheerden, schlachten aber nie ein
Thier, sondern lassen ihnen nur von /eit zu Zeit Blut
ah, welches sie roh oder gekocht trinken; gefallene
Thier« verzehren sie. Die Hauptnahrung ist Milch
mit dem unvermeidlichen Kuhurin gemischt. Sie
sind mit Lanzen bewaffnet, einige mit Bogen und
Pfeilen und Keulen von Eisenholz. Sie arbeiten in
Eisen, verfertigen Lanzen, Pfeilspitzen und bereiten
Holzkohle hierfür. Wo, wie in der Gegend der
Shir, kein Eisenerz existirt, verfertigen sie die
Pfeilspitzen aus dem harten Eisenholz und es fällt
die 'Abwesenheit von Metallwerkzeugeu keineswegs
mit einem Zustand grösserer Wildheit zusammen.
Mit dem öü nürdl. Breite beginnt der Bari-
Stamm und mit der Verbesserung des Bodens geht
Hund in Hand ein Fortschritt bei den darauf woh-
nenden Stämmen. Die Scene hat sich jetzt ganz
geändert und statt der trostlosen Sümpfe, der
Heimath der armseligen Kitsch, finden wir trockene,
parkähnliche Gründe mit Bergen und darauf den
zahlreichen und mächtigen Stamm der Baris.
Männer und Weiber sind gross und musculös, er-
stere gehen nackt, letztere tragen fusslange Leder-
ecliürzen. Sie sind geschickte Grobschiniede und
verfertigen Spaten, genan von der Form des Pique
in den Spielkarten, mit welchen sie Handel treiben;
auch bei diesem Stamm (Alb. N. I, S. 87) sei das
WoUhaar das einzige Merkmal des Negerblute, die
Gesichtszüge seien hübsch, dicke Lippen und Platt-
nasen fehlen. Die Bari sowie die Eingeborenen
von Tollogo und Ellyria (ibid. I, S. 161) haben im
Allgemeinen „kugelförmige Köpfe, niedrige Stirnen,
hinter deu Ohren und über dem Genick hohe Schii-
l) AU Pommade wird oin Gemisch von Kuhdung und
Asche benutzt.
Aiehir fUr Anthropologin, Ud. IXI. Haft IL
del“ l). Magengegend, Seiten und Rücken sind tät-
towirt Das einzige Haar am ganzen Leibe ist ein
kleiner Büschel auf dem Wirbel des Kopfes, in den
sie Federn stecken, bei den Weihern ist auch die-
ser wegrasirt. Letztere tragen statt eiues Feigen-
blattes eine kleine niedliche, etwa 6 Zoll lange
Schürze von Glasperlen oder kleinen eisernen Rin-
gen, die wie ein PanzeHiemd gearbeitet ist, uud
als Hintergehäuge den gewöhnlichen Schwanz von
feinen Lederstreifen oder Garnfäden, Schürze uud
Schwanz an einem Gürtel befestigt, wie heim Stamme
der Shir. — Zu deu Baris gehören auch die Eiu-
gebornen von Tollogo und Ellyria (ibid. I, S. 149).
Achtzig Meilen östlich von den kriegerischen
Baris gelaugt man zu dem mächtigen Stamm der
Latukas, ganz verschieden im Aussehen, Sprache
und Sitten von den vorangehenden. Ueber diesel-
ben bemerkt Baker (im Albert -Nyauzu I, S. 181)
Folgendes.
„Die Lutukus bind die schönsten Wilden, die
ich je sah. Ich muss eine Anzahl von ihnen ; die
durchschnittliche Höhe betrug 5# 11 */**. Sie sind
aber nicht nur schlank, sondern besitzen auch eine
wundervolle Muskelentwickelung, haben schöne
proportionirte Arme und Beine und obgleich sie
ausserordentlich kräftig sind, werden sie doch nie
fleischig oder corpuleut. Die Kopf bildung uud all-
gemeine Physiognomie ist von allen anderen Stäm-
men , die ich in der Nähe des weissen Nils getrof-
fen habe, ganz verschieden. Sie haben hohe Stir-
nen, grosse Augen, etwas hohe Backenknochen,
einen nicht sehr grossen , wohlgestalteten Mund
und etwas Volle Lippen/ Ihre Erscheinung, meint
Baker, weise auf einen Galla- Ursprung hin. Einen
specifischcn Unterschied der Stämme des weissen
Nil habe er vom Anfang der Negerstämme unter
12° nördl. Breite, bis Ellyria unter 4,30®, entge-
gen der Behauptung der Händler von Chartum,
dass sie die Stämme des weissen Nil an ihrem in-
dividuellen Typus unterscheiden könnten, nicht ge-
funden; der wirkliche Wechsel finde erst dann uud
zwar plötzlich statt, wenn mau nach Lutuka komme
und lasse sich durch eine Vermischung mit den
Gallas erklären. — Die Männer gehen ganz nackt
und sind auffallend hübsch, die Weiber von sehr
gewöhnlichem Ansehen und sehr gross (wenige un-
ter 5# 7”), mit entsetzlichen Gliedern. Sie tragen
hinten lange Schwänze aus feinem Garn mit rothem
Eisenocker und Fett eingorieben, vorn Lappen von
gegerbtem Leder; Schläfen und Wangen sind
schwach tättowirt. Die vier Vorderzähne des Un-
terkiefers werden ausgezogen und in der durch-
bohrten Unterlippe ein Stift eingesteckt. Grosse
*) Leider ist mit diesen B^nchrdbnngen , die ohne
jedwede cr&niologische Kenntnis* gemacht sind, kaum
etwas anzufimgen und mit den Zeichnungen nicht viel
mehr.
19
Digitized by Google
146
Nekrologe.
Anfmerkramkeit wird der Frisur der Minner zu-
gewendet. Während eine« Zeitraum« von 8 bis 10
Jahren wird das wollige Haar mit Garn durchwo-
ben, bis es zu einem förmlichen festen Helm von
Filz geworden ist, der dann mit Perlen etc. ge-
schmückt wird. Die Gebeine der Verstorbenen
werden in der Nähe jeder Stadt theils offen, theils
in Töpfen gesammelt Gebeine und Schädel bilde-
ten bis auf eine Viertelmeile von jedem Dorfe ein
Golgatha 1 ). Südwestlich ven Latuka auf einem
3,600# hohen Plateau folgen die Stämme der Ob-
bo’s und Madi’s, die durch ihre mit einem Male
auftretende Verschiedenheit von den I^atukas auf-
fallen. Die Eingebornen von Obbo sind nach Ba-
ker (Races of the Nilbasin p. 234. — Alb.-Nyanza
1, 267) in Sprache nnd äusserem Ansehen von den
LatukaB ganz verschieden. Sie lind völlig nackt,
ausser wenn aio in den Krieg gehen , wo sie sich
mit rothen und gelben Streifen bemalen ; das Fell
einer Antilope oder Ziege tragen die Männer wie
einen Mantel über die Schulter geworfen. Die
Weiber sind, so lange sie nicht verheirathet sind,
ganz nackt, die Verheiratheten tragen nur eine an
einem Gürtel hängende, etwa 4" lange, 2" breite
Franse von Lederschnittcheu , die alten Damen
eine Evaschürze von Blättern. Sie haben eine gute
Gmichtsbildung und eine besonders schön gestaltete
Nase, die an die Gesichtsbildung der Somali-Stämme
erinnert. Auch hier wird das Haar mit Garn ver-
flochten und in eine platte Gestalt, wie ein Biber-
schwanz, gebracht.
Mit der weetlichen Krümmung des Nil unter
2,15° nördL Breite ändert »ich die Scene plötzlich.
Der Fluss bildet gewissermaassen die Grenze nack-
ter Wildheit; auf dessen südlichem Ufer findet man
ein in Aussehen und Sitten von allen nördlicher
wohnenden ganz verschiedene« Volk. Man ist. er-
staunt, aus dem rohen Zustand der Wildheit plötz-
lich in eine Art von Halbcivilisation versetzt zu
sein. In Unyoro gilt Nacktheit für unanständig
und beide Geschlechter sind mit Zeug oder mit
trefflich pruparirten Häuten bekleidet. Sie sind
vortreffliche Schmiede, machen Nadeln, Messer, Lan-
zen, Draht, verfertigen sich Fäden, machen gutes
Töpfergeschirr und pflanzen viele Gewächse an.
Ihro Hütten sind auch rund, wie die der übrigen
Stämme, allein die Eingänge sind 6 bis 7' hoch,
nicht mehr 2' hohe Hundelöcher, in die man auf
allen Vieren hineinkriechen muss. Die Hautfarbe
ist nicht so schwarz, wie die der nördlichen Stämme,
sondern dunkelbraun. Sie habon das wollige
Haar der Neger, sind aber sonst in ihrem Typus
von ihnen unterschieden. Es lässt dies vermuthen,
dass hier in der Richtung vou Zanzibar eine Ra$cn-
mischung stattgefunden hat. Dafür spreche auch
*) Leber die BmUsflcnheit der Schädel erfahren wir
leider nichts.
das so plötzliche Auftreten der Bekleidung, obgleich
in dieser Beziehung nicht ausser Acht zu lassen,
dass eine ^lecreshöhe von 4000/ wohl von selbst
zur Bekleidung führt.
An den Ufern des Albert -Ny an za westlich von
Unyoro sind die Bewohner völlig schwarz, ebenso
die Mallegga, am westlichen Ufer des Sees. Im
äusseren Ansehen gleichen sie den Bewohnern von
Unyoro, sprechen aber eine an dero Sprache. Uober
Unyoro hinaus, südlich vom Aequator, folgen dann
die von Speke und Grant besuchten Gegenden
von Uganda und Karagewe, die seit alter Zeit
durch Vermittelung von arabischen Händlern mit
der Ostküste bei Zanzibar in Verbindung stehen,
durch welche wohl auch die Kenntnis« von den
zwei Seen , aus denen Ptolemäus den Nil kommen
lässt, nach Europa gelangte. Zwischen dem Aequa-
tor, bis zu welchem man von Süden her gelangte,
und den Sumpflftndem am weissen Nil, welche dem
Vordringen von Norden einen unübersteiglichen
Damm entgegensetzten , blieb daher ein weites Ge-
biet übrig, in das Baker, Speke und Grant zum
ersten Male eindrangen. Ganz verschieden von al-
len bisher genannten Stämmen in Gesichtsbildung,
allgemeinem Aussehen, sowie in Sitten (sie sollen
Cannibalen sein) sind die Makkarika’s westlich
vom Albert- Nyan za, von denen Baker einzelne
bei seiner Rückkehr in Gondokoro sah. Eben so
primitiv als die Stämme der Hochebene Mittel-
afrikas sei der Boden dieses Landes, das nie Mee-
reeboden war. £.
Nekrologe.
1.
J. van der Hoeven in Leyden, gest. am 10. März
1868.
Drei namhafte Anatomen und Anthropologen,
welche Verfasser dieser Zeilen im Jahre 1863 bei
einer Reise nach Holland persönlich kennen lernte,
viele Tage in ihren CHbinetton arbeitete und ihnen
näher trat, sind in rascher Folge hinweggestorben:
Wilhelm Vrolik, Halbertsma und nun auch,
am 10. März d. J., der langjährige Freund des er-
stereil, der Lehrer dos zweiten — J. van der
Hoeven.
Ich folge gern der Aufforderung meines Col-
legen Ecker, den Nekrolog auf van der Hoeven
zu schreiben. Was ich indem, mit dem äusseren
Leben des Heimgegangenen, sowie mit dem nicht
anthropologischen Theile seiner Schriften wenig be-
kannt, zu bieten habe, ist kaum mehr, als ein Be-
kenntnis inniger Verehrung und grossen Dankes,
Digitized by Google
Nekrologe.
147
wie man es dem Todten lieber nachruft, als dem
Lebenden ausspricht.
Als Grundlage meines Berichtes dienen mir
die anthropologischen Schriften van der Hee-
ren’s, der persönliche Verkehr im Monat Septem-
ber des Jahres 1863, sowie ein Schatz von 25
Briefen, welche van der Hoeven mir seit jener
Zeit geschrieben hat und in welchen sich das gei-
stige Wesen diesen Mannes: sein ruhig waltender
Kleies, sein reges Interesse für den Fortschritt in
allen Disciplinen der Naturwissenschaft wie in allen
anderen Gebieten des Geisteslebens, seine geord-
nete und liebevolle Behandlung aller Dinge, in
reichem Maasse wiederspiegelt1).
Jan van der Hoeven war am 9. Februar
1801 zu Rotterdam geboren, studirte zu Leyden
Naturwissenschaft und Medizin, wurde mit 24 Jah-
ren Arzt in seiner Vaterstadt, mit 26 Jahren Pro-
fessor der Zoologie zu Leyden und starb daselbst
als einer der gefeiertsten Lehrer dieser altberühm-
ten Universität, am 10. März d. J., im 68. Jahre
seines Lettens.
Was van der Hoeven’» Stellung und Bedeu-
tung in dem Gesammtgebiete seines Faches an-
langt, so kann es weder die Absicht sein, in diesem
Archive ihn von dieser Seite besprechen zu wollen,
noch würde dem Verfasser dieser Zeilen hier ein
eingehenderes IJrtheil zustehen. Ich darf indess auf
die ungewöhnlich grosse Reihe der Monographien
hin weisen, in welchen van der Hoeven seine
höchst zuverlässigen und gründlichen Untersuchun-
gen, die sich auf wichtigere Gattungen fast aller
Thierclassen beziehen, niedergelegt hat und von
welchen hier nur die über Limulus, Nautilus, Lepi-
dosiren nnd Ckam&eleon genannt sein mögen. Ne-
lken diesen reichen Detailuntersuchungen verdient
eine besondere Hervorhebung das im Jahre 1827
erschienene „Ilandboek der Dierkunde“ (in’a Deutsche
übertragen durch F. Schlegel und R. Leuckart),
welches, von dem Standpunkte ansgehend, dass
Zoologie doch etwas mehr »ei, als blosse Systematik,
üWall den vergleichend anatomischen nnd physio-
logischen MaasBstab anlegte und hierdurch die heu-
tigestags sieghaft dastehende, sogenannte „physiolo-
gische Richtung“ der Zoologie mit begründen half.
Unterschätzung dor Systematik konnte hierbei Nie-
mandem ferner liegen, als gerade ihm, der ja selbst
„Special ist“ war, freilich Specialist in fast allen
Hauptgebieten des Thierreichs.
*) Ueber die Berechtigung, Mittheilungen buh Briefen
Verstorbener machen za dürfen, kann man verschiedener
Ansicht sein; gerade in diesem Falle scheint ee mir ein
Act der Pietät, eine Reihe von Briefesstellen nicht un-
veröffentlicht zu lassen. — Wiederholt entschuldigt van
der Hoeven sein „incorrecte* Deutsch“, in welchem er
„seit mehr als 20 Jahren wenig Ucbung habe“. Ich
glnuhte indess, in den mitgetheiltcu Stellen kein Wort än-
dern zu dürfen.
Einen geringeren Erfolg, ohne Zweifel nur
darum, weil sie in lateinischer Sprache erschien,
erlangte eine spätere Schrift: „Philosophia Zoolo-
gie»u (in’s Italienische übersetzt durch Professor
Lessona und Dr. Salvadori), die indess, wie
Kenner rühmen, die Quintessenz der Zoologie in
prägnantester Weise zusammenfasst.
Wo» die zoologische Tagesfrage, die Descen-
denztheorie anlangt, so fand dieselbe in van der
Hoeven keinen Anhänger. Er verhielt sich hier
mindestens sehr zuwartend und skeptisch. Ich
weiss nicht, in welcher seiner neueren Schriften
sich van der Hoeven etwa eingehender auf diese
Frage eingelassen hat; in einem seiner Briefe
(27. Oct. 1864) aber heisst es: „Fritz Müller
hat, meiner Meinung nach, für Darwin nicht
viel erwiesen, aber nur hypothetisch gestritten.
Ich zweifle, ob Packer und Riecher Formen Einer
Species sind. Es ist ja gar nichts Ungewöhnliches,
dass eine Species weit schärfer charaktcrisirt ist
durch cf, als durch $ ; ja bei einigen Species würde
man die Weibchen an sich schwer trennen können,
wenn nicht die Männchen so verschieden wären.
Unter Insecten, ja selbst unter Vertebraten, ist es
nicht ungewöhnlich; ich vermuthe hier ein Gleiches
bei diesen Crustaceen.“ Er fügt hinzu: „Dies meine
jetzige Meinung. Uebrigens muss inan war-
ten. Jetzt schon die Wahrheit der angeblichen
Thatsache anzunehmen, ist voreilig.“ Offenbar sind
solche nicht tendenziöse, aber skeptische Gegner
für die Reifung der Descendenztheorie nützlicher,
als der grosse Tross der ackuollüberzeugten , ten-
denziösen Zustimmer. Und unterm 3. Januar
1865 erwiderte mir van der Hoeven: „Was Sie
über Milchgebiss von Siiugethieren schreiben, weiss
ich nickt zu beantworten. Wenn es so wäre, so
steht das Factum nicht allein. Die Crinoidun z. B.
auf Stielen, wieEncrinus u. s. w., sind bleibende
Jugendformen von Comatula.“ — leb denke,
dies ist Descendenztheorie?
Die anthropologischen Leistungen van
der Hoeven’s gehören grossen theils einer Zeit
an, welche dem heutigen, erfreulichen Aufschwünge
dieser Diaciplin vorausging; sie haben diesen Auf-
schwung aber sehr wesentlich mitbegründen helfen.
Zwei Werke sind hier vorzugsweise zu nennen: die
„ßijdragen tot de natuurlijke geschiedenis van den
Negers tarn“ (Leyden 1842) und der „Catalogus
crauiorum diversanim gentium“ (Leyden 1860).
Das erstgenannte Werk, welchem eine Anzahl
kleinerer Abhandlungen über den Schädelbau afri-
kanischer Volksstämme theils vorausging, theils
nachfolgtc, vergegenwärtigt uns ziemlich vollstän-
dig den Standpunkt, ja die Summe der damaligen
anthropologischen Krauiologie, und erörtert auf
Grund genauer, vom Verfasser ausgeftihrter, heute
noch brauchbarer Messungen eine Reihe von Fragen,
welche durch ähnliche Arbeiten früherer Autoren un-
19*
Digitized by Google
148
Nekrologe.
gelost geblieben. Nach einleitenden Bemerknngen
über Ziel und Methoden der Anthropologie wird ein
Blick auf die Hauptstämme des menschlichen Ge*
schlechtes geworfen, um dann zu dem Negerst&mme
selbst überzugehen. Hier folgt nun (Cap. I) die
genaue Messung von 10 Negerschätleln, nebst der
sehr lehrreichen Begründung der an gewendeten
Messmethode. Eine Vergleichung der gewonnenen
Mittelwerthc mit solchen ans Europäer- und Chi-
neftenschkdeln bringt Capitol II. Das dritte han-
delt von der Grösse des Innenraumes bei dem Ne-
ger- und Europäerschüdel. Das vierte weist nach,
was die Messmethode und kranioekopischeu Theo-
rien von Car us für den Negerschädel ergeben.
Von besonderem Interesse sind die beiden Schltua-
capitel: über die Raffern Völker und den Kafifern-
gchfidel, sowie ein Ueberblick über die geogra-
phische Verbreitung den äthiopischen Menschen-
stammes. Einige vortreffliche Abbildungen, —
Portrait« und Umrissbilder von lebenden Negern,
Negerschädeln und Negerhänden — schmücken
diese klassische Sujirift.
Wie methodisch und sicher van der Iloeven
in dieser vor 26 Jahren erschienenen Arbeit vorgo-
gangen ist, zeigt sich, um nnr Eines zu erwähnen, in
einer Controvers© über das Gehimgewicht. In sei-
ner berühmten Abhandlung über das Gehirn des
Negers, Europäers und des Drang hatte T ie de-
in an n bekanntlich, gestützt auf die Gewichtebe-
stimmungen des Schädelinhalte« von 186 kauka-
sischen und 70 Negerschädeln den Ausspruch ba-
sirt, dass es ein Irrt hum «ei, zu behaupten, dass
di© Neger einen minder geräumigen Schädel und
kleinere Gehirn© besitzen , als die Europäer. Die-
sen vielleicht sehr gut gemeinten, und zumal von
Philanthropen (die ihre Motiv© freilich anderswo,
als in dem Gehirnvolumen , hätten suchen sollen)
willfährig aufgenommenen und fest gehaltenen Irr-
thum widerlegte van der Hoeven vollkommen
exact, einmal durch die von Ti ©de mann unter-
lassene Mittelziehung aus den von ihm selbst her-
gebrachten Volum- (reap. Gewichta)zifferu, die
nun eine in der That erhebliche Differenz (39,7
Unzen für den kaukasischen, 37,8 für den Neger-
schädel — d. i. ein Unterschied von , .reichlich */? o
des gesammten Gewichtes“) ergaben j sodann dadurch,
dass dio von van der Hoeven hinzu gefügten Mes-
sungen den Kopfumfnng des Europäers um 20
Miltiin. (d. i. um '/is) grösser zeigten, als den des
Negers.
Was nun den „Catalogus craniorura44 anlangt,
eine kleine, nur 65 Octavseiten umfassende Schrift,
in welcher van der Hooven die Schädel seiner
au Malayien, Negern, Kaffem und Hottentotten
reichen Sammlung in musterhafter W’eise, knapp,
elegant und correct, beschrieben und durch Beifü-
gung der Hauptmaasse erläutert hat, so glaubt man
«ich bei Durchmusterung dieses trefflichen Büch-
lein« an di© reichen Schrein© in dem schmalen Cor-
ridor de« van der Hoeven 'sehen Hauses zurück-
versetzt und wird bei den mannigfachsten cranio*
logischen und ethnologischen Studien Aufschlüsse
und Anregungen finden 1).
Von neueren anthropologischen Schriften van
der Hoeven’«, meist kleineren Abhandlungen,
«eien erwähnt: „Over de taal en de vergelgkande
t&alkennis, in verband met de oatuurlijke geschie-
denis van den mensch* *); Bcachrijving van «chedelB
van inboorlingen der Carolina-eilanden (in Verslagen
enMededcelingen der Koninklijke Akademie van We-
tenschappen, Afd. Xatuurkuude, S4* Recks, Deel I),
1865; Een Neger- schedel uit een oud klooster in
Zuid-IIolland afkom&tig. Eine ebenso nützliche,
als an sich undankbare, und darum um so dankens-
wertere Thütigkeit entfaltet© van der Hoeven
in seinen „Boekaankondigingen4' und „Boekbe-
schouwingen“, die er mit grosser Gleichmässigkeit
und Ausdauer (vorzugsweise in „Nederlandsch Tijd-
schrift vuor Geneeskumle44) erscheinen Hess, und in
welchen er nicht, wie so oft geschieht, einen blossen
Auszug gab , sondern überall sein eben so reifes,
als mildes und unbefangenes Urtheil zur Geltung
kommen Hess. Bei dem aufs Ganz© und Allge-
meine gerichteten Sinn des Verewigten erstreckten
»ich diese Berichte anf Alles, was mit Anthropolo-
gie in näherem oder entfernterem Zusammenhang
steht, und bei dem regen Antheil, den derselbo
namentlich auch an den Personen nahm, können wir
nnter anderen folgende Schriften verzeichnen : „Hot
werken en leven van Linnaeus.u (1859); eine Le-
hen «Schilderung und Würdigung A. v, Humholdt's
(1859); einen ähnlichen, kürzeren Bericht über Joh.
31 filier (1860); Le Yensbericht van Willem Vrolik
(1864); Bericht über K. E. v. Baer’s Selbstbio-
graphie (1866)3).
Eine biographische Skizze, welche nur von
gelehrten Leistungen und der äusseren Gestalt
eines Profetsorenlebeos zu berichten hätte, scheint
mir schal und von geringem Interesse und würde
*) Be» neiuer Arbeit au »einen Schidelachrmnken ab-
und /«gehend und mir Notizen der verschiedensten Art
zutragend, sagte mir van der Hoeven betreff* seine»
Catalugus: „Das hat viel Mühe gemacht.“ Und man
wird es glauben. Offenbar ist der „Catatogus“ das Vor-
bild späterer ähnlicher, sehr nützlicher Schriften gewor-
den, von welchen hier nur „Mnsee Vrolik“ psr J. L, Du»-
st* au und der „Thesaurus craniorum“ von J. 11. Davis
genannt sein mögen. — *) Von dieser und einigen ande-
ren Abhandlungen enthalten die mir xu gesendeten .Separat-
abdrücke nicht die Angabe des Archiv», dem sie entnom-
men. — *) Es musste sehr vrünschenswerth erscheinen,
die Mitwirkung van der Hoeven ’s auch für dieses Ar-
chiv (über dessen erste» Heft er einen eingehenden Bericht
in Nederl. Tijdschrift geliefert hat) zu gewinnen; eine
für die Ausfiihrnng leider zu spate Zusage, über die in
Holland erscheinenden Anthropologien in diesem Archive
berichten zu wollen, empfing ich in einem »einer letzten
Briefe.
Digitized by Google
Nekrologe. * 149
ganz besonders bei einem Manne, wie van der
Hoeven, nicht am Platze sein. Denn der eigent-
liche Werth desselben lag, so gross auch seine
wissenschaftlichen Leistungen waren, nicht in dem
Forscher und Gelehrten, sondern in dem Menschen.
„Homo Hum, humani nil a me olienum puto“, so
lautete van der Hooven’a Devise, die er auch
seinen Schülern durch Wort und Beispiel warm
au'a Herz legte.
Die Äussere Haltung van der Hoc von ’s
hatte etwas tief Ernstes, durchaus Gemessenes, man
hätte auf den ersten Eindruck sagen mögen Küh-
les und Zurückhaltendes. Aber es leuchtete den-
noch überall so grosse Herzensgüte, so reges Inter-
esse durch, dass man im Verkehre nicht den minde-
sten Druck fühlte. Je nüchterner oftmals seine
Aussprüche klingen mochten, um so sicherer machte
das Gefühl der unbedingten Aufrichtigkeit und
Ueberzeugtheit von Allem was er sagte. So kri-
tisch und skeptisch er vielen Dingen gegenüber
erschien, — es ist immer Anerkennendes, was
er am liebsten anssprach. Seine Briefe enthalten
zahlreiche Stellen, die dies bezeugen. So schrieb
er (26. Aug. 1864): „R. Wagner haben wir lei-
der verloren. Ich glaube, dasß die Nachwelt billi-
ger über ihn urtheilen wird, als der Zeitgenosse
in seinen letzten Jahren that. Er hat viel geleistet
und viel angeregt. Seine vergleichende Anatomie,
seine Icones, sein Wörterbuch, sind sehr nützlich
gewesen und sind es zum Theil noch. Er hat viel©
Schüler gebildet. Was er in seinen letzten Jahren in
Anthropologie und Ethnologie heransgab, gehört,
meiner Meinung nach, nicht zu seinen besseren Ar-
beiten.*4 Grosse Freude machte ihm das Erscheinen
der gesammelten ethnologischen Schriften von
Itetzius: „Es ist ein Denkmal der PietÄt des Her-
ausgebers und ein Denkmal zugleich der Verdienste
des hochgeehrten Vaters“ (Brief vom 26. Aug. 1864).
Von Xicolucci schreibt er (Juli 1867), er scheine
„in Italien nicht so bekannt und geschützt, wie er
es verdient“, und von Curt SprengeFs Geschichte
der Arzneikunde, dass er sie früher „auf Autorität
Einiger, welche sie vielleicht selbst nicht gelesen,
zu gering angeschlagen.“ Nur ein einzigesmal
habe ich heftige nnd bittere Worte von »hm ge-
hört; es war, als einem verdienten Gelehrten und
Beamten grosses Unrecht geschah, und der sonst so
ruhige und jede Erregung abhaltende Mann schrieb
(November 1865): „Wie schön doch die Dinge ango*
ordnet sind unter die Herrschaft der Buchstaben!
Dabei kann der Verstand der höheren und niede-
ren Diener des Staates ganz ruhig sein! 44
Die Milde des Mannes zeigt sich sehr schön auch in
der oben erwähnten Controverse mit Tiedcmann.
Es war ihm ein Bedenken, ob er nicht, indem er
Tiedemann mit seinen eigenen Zahlen widerlegte,
dessen Wahrheitsliebe zu beanstanden scheine. Und
hier kann Jeder sehen, welch’ schöne Sprache die
holländische ist; er sagt (Negers tarn . pag. 36):
„Wanneer ik gevolgolijk over de resultaten van
mijn onderaoek men den Heer Tiedemann ver-
sehil, geloof ik, dat ik mij allerminst by hem zal
hebben tu verschoonen, daar zijne waarheidsliefde
hem voorzeker die van anderen zal doen erkennen.
Ik heb mij, om tot mijn besluit te geräken, be-
diend van zijne eigene waarnemingen. Het is over-
igens ongaarne, dat ik hen tegenspreek, wier Ver-
diensten ik hoogschat; maar de waarheid staut boven
alle menschelijk gezag, en elk onderzoeker der na-
tuur, beroemd of onbekend, moet haar dienaar zijn.“
Von van der Hoeven konnte man lernen,
wie eine wissenschaftliche Correspondenz, die doch
einerseits so fordernd und erquickend, andererseits
leicht so zeitraubend werden kann, dass sie die lite-
rarische Production beeinträchtigt, aufrecht zu er-
halten ist Wenn Andere, in dem unausführ-
baren Wunsche, ausführlich zu schreiben, nun gar
nicht schreiben, so wählte van der Hoeven den
besseren Weg: er schrieb kurz. Mehrere seiner
Briefe Überschreiton nicht das erste Blatt
Ausserordentlich gross war seine Gefälligkeit
und seine Bereitwilligkeit, jegliche Unterstützung
und Auskunft bei wissenschaftlichen Arbeiten zu
gewähren. Hier wurden seine Briefe lang, und ich
habe mehrere Beispiele, dass ein in Beantwortung
vieler Fragen reicher Brief am nächsten Tage von
einem zweiten gefolgt war, der noch weitere Aus-
kunft gab.
Van dor Hoeven reiste gern und besuchte, zu-
mal in früheren Jahren, die Naturforscherversamm-
lungen verschiedener Nationen. Die deutschen ge-
fielen ihm besser, als die englischen, wo man „nicht
zusammen isst ond darum nicht zusammen ist.“ Von
der Versammlung zu Birmingham schrieb er mir
(Sept 1865): „In Birmingham war auch Davis.
Sonst habe ich keine Anthropologen gesehen, die doch
da waren; aber in England sehen eich die Mitglie-
der der „Association4* weniger, als in Deutschland auf
den Vereinen, weil sie in England nie zusammen
speisen nnd Jeder mehr bei seiner Section bleibt
Ich gehörte zu Section D (Naturgeschichte) und
Subsection I) (Physiologie).44 Von einer deutschen
Reise schrieb er mir (Herbst 1866) in den Harz:
„Ilsenburg ist mir bekannt, am Fusse des Brocken.
Ich verblieb dort einen Tag und Nacht und erstieg
damals auch den Brocken. Die liebliche Lage vom
Gasthof bei einem Teich, mit hohen Bäumen umge-
ben, ist mir noch in lebhafter Erinnerung. Mein
Sohn, damals Student ’), war mein Reisegefährte.44
Von politischen Deductionen war van der
Hoeven kein Freund and er sah bei der jüngsten
*) Dr. J. van der Hoeven, welcher io der Leopol-
dina (Hd. 2'JI eine treffliche Beschreibung des unter Nr.
15Ö des „Catalogus" rurkommeaden „Cranium Caffri de-
forme“ gegeben hat.
Digitized by Google
Nekrologe.
150
Entwicklung der europäischen Verhältnisse etwas
tröb in die Zukunft Aber er besaas seinen Hebt
holländischen Patriotismus, und als er mir einst
meldete, dass Swaving in Delft sei, unterlieg* er
nicht, hinzuzufhgen : Sie wissen, der Stadt von
Leeuwenhoek und Hugo Grotius. Bei einem
mehr als achttägigen Aufenthalte in Leyden, wäh-
rend dessen ich fast täglich in van der Hoeven’s
Hause arbeitete, hatte ich, überdies durch die
reichen Schätze der anatomischen Universitäts-
Sammlung überwältigt, das unter van der Hoe-
ven’s Leitung stehende, weltberühmte „Ryka-Mu-
seura“, so sehr eg mich sonst interessirt haben
würde, immer und immer nicht gesehen. Ich wollte
täglich hingehen; als dies am Abschicdstage nicht
geschehen war. sagte van der Hoeven in seiner
ihm eigenen Weise: „Es ist eine Schande für uns
und nicht ganz recht für Sie. Aber gehen Sie
schnell noch auf s Stadthaus und sehen Sie das Bild
von van der Werff, dem Retter von Leyden141).
In einem Briefe vom 3. Januar 1865 kommen
die ersten Aeusserungon, welche auf eine Abnahme
der Gesundheit oder der geistigen Frische hindeu-
ten. Auf die Umlauerhaftigkeit der irdischen Dinge
verweisen allerdings schon frühere Briefe; gleich
der erste (vom 24. Dee. 1863) knüpft an den zwei
Tage vorher erfolgten Tod W. Vrolik’s wehmü-
thige Betrachtungen, und der nächst folgende an ein
von R. W a g n e r nur mit zitternder Hand unterschrie-
benes Dictat den Ausspruch: „Wo ich hinschaue
unter Zeitgenossen sehe ich Erinnerungen, welche
anmahnen . dass die Zeit vielleicht auch für mich
bald da sein wird. Linquenda tellue!u Am 3. Ja-
nuar 1865 schreibt van der Hoeven: „Ich arbeite
sehr langsam. Winter ist meine Arbeitszeit kauin
mehr. Ich bin auch vielleicht durch viele Ge-
schäfte etwas abgespannt.“ Am 19. April 1866:
„Ich habe wenig Zeit zu literarischen Arbeiten.
Meine Vorlesungen ermüden mich mehr als früher,
und ich habe zu viel zu lesen. Die Soramerferien
sind gewöhnlich wieder zu warm, und wenn es
warm ist, kann ich leider nicht arbeiten. So werde
ich dann ganz faul. Jetzt beschäftigt mich Meno-
branchus*), ein Skelet von Drom&s Ardeola *), das
ich dem I>r. Ed. Rüppell verdanke nnd Stenops
l) Der im Jahre 1574 die Bevölkerung zu ausharrendem
Widerstand gegen die belagernden .Spanier begeisterte und
den verhungernden Bürgern, die ihn zur Uebergabo zwin-
gen wollten, da* Schwert auf seine Brust »ctxend, zurief:
„Nehmt mein Fleisch. — *) Unterm 20. Juli 18157 schreibt
er von Blutkörperchen-Messungen, die er bei Menobran-
ehus ausgeführt und freut sich, au meine Alittheilungrn
(llcnle und Pfeufer’a Zeitsehr., 3. Reihe. XX, S. 22)
anknüpfend, dass die enge Verwandtschaft, welche er
„swUchen Proteus und Mcnobnmctu» in Skelet, Ringe-
weiden, Zungenbein und Kivinenapparat gefunden, nun
selbst aus den Blutkörperchen hervorgehr*. — l * 3) Anno-
tationes de Dromade Ardeola Payk.. die letzte Arbeit, die
ich von ran der Hoeven (Jan. 1368) erhielt, erschien
1867 in der Leopoldina.
javanicus. Ich hätte noch wohl Material für zehn
Jahre Arbeit; aber die Arbeitslust fehlt und ich
werde wohl nicht viel mehr beendigen.“
Aber die Vorlesungen, die ihn übermüdeten,
die den fleissigen Mann, der sich faul nennt, arbeits-
unlustig machten, waren nicht ohne Lohn. Am 1.
Mai 1866 schrieb mir van der Hoeven: „Vor-
gestern gedacht ich, dass es vierzig Jahre waren,
seitdem ich Professor ward. Es war ein Tag des
Dankes. Meine Zuhörer hatten es vernommen nnd
haben mir ein prächtig eingebundene«, mit Silber
ausgezeichnetes Album mit ihren Photographieen
gegeben und waren gestern in grosser Anzahl auf
meiner Lection zugegen, um mich mit lautem Bei-
fall su empfangen. Dadurch war ich gerührt und
ich sprach einige Worte, wobei sich das mir unge-
wohnte und wohl bei Studenten seltene vorkam.
dass meine Zuhörer auch bis zum Weinen getroffen
waren. Das ist das Herrlichste, was man leben
kann, geliebt zu sein, und ich wünsche das auch
Ihnen zu. Ich danke dafür meinem Gott.“
Und nun sein letzter Brief (6. Januar 1868).
„Ich selbst bin kränklich, meine Lungen
leiden. Bis an das Wintersemester habe ich noch
Vorlesungen gehalten, obgleich ich schon seit Oc-
toker unwohl war. Jetzt hat die grosse Kälte in
den vorigen sechs Tagen mich wieder zurückge-
setzt. Es ist heute Schnee gefallen und die Külte
ist gemildert; bald erwarte ich T hau wetter. Aber
wir sind im Anfang Januars, und bald kann dio
Kälte wiederkehren. Ich hoffe aber, wenn’s Gott
gefallt, so bald wie möglich meine Vorlesungen
fortzuaetzen. Leider ist aber mein geliebter
Schwiegersohn, Dr. Kingma, seit fünf Wochen
sehr krank. Er hat eine sehr grosse Praxis, auch
als Accoucbeur. Nun hat er, schon unwohl, noch
zweimal in der Nacht Entbindungen gehabt. Ich
muss wirklich befürchten, dass ich ihn verlieren
werde.“
Wenigs Wochen später erfuhr ich durch einen
Brief von J. B. Davis die Nachricht des am
10. Mürz erfolgten Todes unseres Freundes. „So-
gleich, als er mir über Unwohlsein klagte“ (schreibt
Davis) »war ich besorgt um den Ausgung, haupt-
sächlich weil ich ihn vorher nie sich beklagen hörte.
Der Tod seines Schwiegersohnes erschütterte ihn
tief“. — Im Monat December hatten, wie mir Pro-
fessor Zaaijer, ein Schüler van der Hoeven’s,
schreibt, mehrere Anfälle von Haamoptoö stattge-
funden. Darauf folgte, am 8. Januar, der Tod des
Schwiegersohnes, von welcher Zeit an van der
Hoeven’* Kräfte mehr und mehr sanken. „Wäh-
rend der ganzen Zeit seiner Krankheit war er sehr
ruhig und er hat nicht viel gelitten; er fürchtete
den Tod nicht, den er selbst voraussah. Stet« fand
ich ihn noch mit einiger Arbeit beschäftigt und
da* letztemal noch zeigte er mir Abbildungen aus
einem Reisejournale.“
Digitized by Google
Vermischte Nachrichten.
151
Ich hatte gewünscht, van der Hoc von durch
Widmung einer Schrift (deren Abschluss mich so-
eben beschäftigt) ein öffentliche« Zeichen meiner
Verehrung zu geben. Die letzten Wort« seines
letzten Briefes beziehen sich auf meine an ihn ge-
richtete Bitte. „Ich hätte freilich lieber gesehen,
dass Ihre Untersuchung über einige Grundfragen
der Anthropologie bis zum Erscheinen des zweiten
Bandes Ihres Werkes „Von Wachsthum und Bau“
gewartet hätte. Ich nehme übrigem? gern die De-
dication Ihres Buches an. Von Dr. Swaving (in
Batavia) werden Sie die Zustimmung nicht in so
kurzer Zeit erhalten können ; aber vielleicht war-
ten Sie nicht darauf.*4 — - Der so unerwartete Heim-
gang van der Hoeven’s lies« mir bei Nieder-
* Schreibung jenes Buches das Bild des trefflichen
Mannes, dessen Namen es nun tragen wird, um so
lebhafter vor Augen stehen. Von diesem Bilde
scheidend, dürfen wir ausaprechen:
Ein tüchtiger Forscher und Gelehrter,
ein treuer und geschickter Lehrer, ein ed-
ler Mensch!
Halle, im Juni 1868.
H. Welcker.
2.
John Crawfurd, der am 11. Mai in London
verstorbene Präsident der Londoner ethnologischen
Gesellschaft, war am 13. August 1783 auf der In-
sel Islay, der südlichsten der Hobriden, aus einer
schottischen Familie gehören, studirte in Edinburg
Medizin, und ging 1803 als Militärarzt nach In-
dien. In dieser Eigenschaft kam er 1808 nach Pi-
nang in der Meerenge von Malacca, und dort be-
gann er sich auf das Studium der malayischen Rav«
und ihrer »Sprachen zu verlegen, wodurch er weit-
hin bekannt wurde. Im Jahro 1811 lud ihn Lord
Minto, der damalige Generalstatthalter von In-
dien, ein ihn auf der Expedition gegen Java zu
begleiten, die zur brittischen Eroberung dieser In-
sel führte. Crawfurd wurde diplomatischer Resi-
dent am Hof eines der einheimischen Fürsten, wo
er sechs Jahre lang blieb, und die Materialien zu
seiner „History of the Indian Archipelago“ sam-
melte, die er 1820 in England herausgab, wohin er
1817 nach erfolgter Rückgabe Java’« an Holland
zurück gekehrt war. Im Jahre 1821 ging er wieder
nach Indien, und wurde vom Marquis v. Hastings
mit der diplomatischen Mission nach Siam und Co-
chinchina betraut, 1823 aber zum Statthalter der
neuen Ansiedelung Singapur ernannt, wo er drei
Jahre blieb nnd die brittische SouverÄnetät dort
eigentlich begründete. Im Jahre 1826 nach Ben-
gal zorückgekehrt, ward er vom Generalstatthalter
Lord Am her st zum Commissionär in Pegu und,
nach dem Friedensschluss, zum Gesandten am bir-
manischen Hof ernannt« Im Jahre 1827 kehrte er
definitiv nach England heim, und lebte seitdem sei-
nen orientalischen Studien. Ausser vielen bezüg-
lichen Arbeiten in Journalen oder Magazinen, ver-
öffentlichte er 1852 eine Grammatik und ein
Wörterbuch der malayischen Sprachen, und 1856
ein gelehrtes Werk über den philippinischen Ar-
chipel. Er war eines von den thütigsten Mitglie-
dern der geographischen und der ethnologischen
Gesellschaft. Seinem Privatcharakter zollt die
Times warmes Lob. (Augsb. Allg. Zeitung.)
Vermischt« Nachrichten,
l.
Der bekannte freigebige Amerikaner Pea-
body hat zur Gründung eines Museums für
Archäologie und Ethnographie von Ame-
rika 150,000 Dollars geschenkt, und es soll das-
selbe in nächster Verbindung mit der Harvard-
Universität in Cambridge (Massachusetts) errichtet
werden. Die Leitung soll Professor Jeffries Wy-
man übernehmen.
2.
Ueberset zungskunst. In Lyell: das Al-
ter des Menschengeschlechts etc., übersetzt von
Büchner, Leipzig 1864, heisst es S. 228 bei Be-
sprechung der „Alpen - Irrblöcke auf dem
Jura“ wie folgt: „Einer (dieser Blöcke), na-
mentlich aus Gneise und gefeiert unter
dem Namen des „Peter von Botu liegt etc.
etc.“ — Der Stein heisst nämlich Pierre k Bot
und heisst so, weil man in seiner Form Aehnlich-
keit mit einer Kröte gefunden hat-, welches Thier im
Neuenburger Dialekt „Bot„ heisst. Das zu wis-
sen kann man von Niemand verlangen; wohl aber
darf man sich wundem, dass ein Naturforscher in
einem Capitel, das speciell von Irr-Blöcken handelt,
„pierre“ mit „Peter“ übersetzt.
3.
Herr M. Klautaeh , Conservator am zoolo-
gischen Museum hierseihst, habe ich veranlasst,
Gypsabgüsse mehrerer interessanten Schädel anzu-
fertigen und solche käuflich abzugeben. Ich bo-
Digitized by Google
152
Vermischte Nachrichten.
am meisten dolichocephale und am meisten opis-
thognathu Schädel von allen t die ich kenne) ist in
Folge der von Herrn Professor Budgc gewährten
Erlaulmiss, den Schädel abformen zu dürfen, unter
diesen Abgüssen.
Halle, 24. Juni 1868.
D. H. Welcker.
Auf vorstehende Anzeige Bezug nehmend erlaube ich mir, folgende Liste vorzulegen.
I. OypsAbgüsse von Schädeln.
1. Aymara Thlr. 2.
2. Aravacken-Indianerm „ 2.
8. 6jährige» Judenmädchen (Trigonocephalus) « „ 2.
4. Xeugeltorucr Trigonocephalu» „ 1.
6. Pommerscher Weber (Scaphocephalus) „ 3.
l>. 44jähriger Mikroccphalus (G. Maehrei „ 1. Sgr. 15.
7. Schädel des Professor Philipp Meckel (Platycephalus) ....... Thlr. 2.
H. SchädelausgilBBe (Form des bchidelinnenraumes, also Gehirn innerhalb seiner Häute).
s. Gehirn de» 5jährigen Trigonocephalus Thlr. 1.
9. » des neugebornen Trigonocephalua „ — Sgr. 15.
10. „ des Pommerscheu Webers . „ 1. „ 15.
11. n des Mikrocephaiua Maehre * 1.
12. w des Professor Philipp Meckel „ 1.
merke hierbei, dass diese Abgüsse sich von der
Mehrzahl der seitherigen dadurch auszeichnen, dass
sie dauerhaft und sehr sorgfältig auageführt sind,
so dass mehrere wichtige Partieen , die in der Re-
gel fehlen oder ungenau wiedergegeben zu sein
pflegen (z. B. Ränder des Hinterhauptsloches, Gau-
men und dergl.), deutlich hervortreten. Auch der
durch die Abbildung von J. B. Davis bekannte
Scaphoceph&lus der Greifswalder Sammlung (der
M. Klautscli.
Digitized by Google
X.
Verzeichniss der anthropologischen Literatur
L
Urgeschichte.
(Von C. Vogt.)
Amerika.
O. C. Marsh. Description of an ancient scpulchral
raound near Newark, Ohio. Americau Journal
of Science and arte. Vol. 42, Julv 1866.
Alter indianischer Grabhügel.
The american naturalist. A populär illustrated
magazine of natural bistory. Salem, Essex In-
stitute. Ein neues, seit 1867 erscheinendes Jour-
nal. Darin finden sich folgende, anonyme, hier-
her gehörende Aufsätze.
The two earliest kuown rate* of tuen iu Europe. (Ana-
lyse den unter England citirten Aufsätze!« von Hawkln*.)
Charles Rau. Indian pottery. 10 Seiten, 9 Holz-
schnitte.
Formen, die ganz mit den Formen und Verzierungen der
rfahlbauten ühereinstiiniuen. Siehe oben S. 1H.
Charles Rau. Artificial shell - deivositn in New-
Jersey.
Siehe di« Ahhnndlung in diesem Archiv, Bd. II, S. 321.
Wyman, Flint instrument» from the island of
Regan. — Verschiedene geschliffene und zum
Theil durchbohrte Stein -Instrumente. Boston,
Society of natural history. Sitzung vom 2. Oct.
1867. American naturalist, Vol.l, Jantiarv 1868
Nr. 11, S. 622.
Wyman und Edward S. Morse. Shell -heaps
upon Gooso-Island in Cosco-Bay. — Boston, Soc.
of natural history. Sitzung vom 2. Oct. 1867.
American naturalist, Vol. I, January 1868, Nr.
11, S. 022.
Nach wein von alten KUchenabiallen (Kjökkenmöddinger)
dort und in Mount Deaerl. Ansammlungen von Muschel-
schalen, 10 bis 15 Fus.h im Durchmesser, 3 bis 15 Zoll
mächtig. Wenige Stein-Instrument« , Knochen des grossen
Alk (Alca impenni*); vorzugsweise Schalen von CI*ms(Mya
arenaria). Zuweilen 6 bis 7 Zoll Torf darüber.
Jeffries Wyman. An account of oome Kjoekkeu-
möddings or Shell -heaps, in Maine and Massa-
chusetts. — American naturalist, Vol. I, January
1868, Nr. 11. Mit 2 Tafeln Holzschnittfigaren
und zwei landschaftlichen Ansichten in Holzschnitt
Erwähnt zuerst die früher au (gefundenen; bei Damarih-
colta (Main«) von Jackson und Chadbourn«; auf St.
Simon« Island (Georgia) von Lyell; bei Keyport (New-
Jeraey) von Ch. Rnu: von ihm selbst In Ost -Florida und
bei St. Johns in Florida. Die jetzigen sind von Mount
Deserl (Frachmana-Bay in Maine); hier linden sich un-
J) Alle Werke, bei denen keine Jahreszahl angegeben ist. gehören dem Jahre 1867 au.
Archiv hr Antbroj-oU gi<?. Bd. III. Heft II. 20
Digitized by Google
154
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
ten stark zersetzte Scholen von Clam (Venu* mercenaria),
Mu*«et (Mytilu* modiolus) und Whelk (liuccinum undntum),
darüber vegetabilischer schwarzer Schlamm, dann ein zwei-
te» Lager derselben Muscheln in weniger zersetztem Zu-
stande, darüber Dammerde und kleine Waldbäume wachsen.
Die» als Beispiel der anderen Fundorte, Crouch’s eure au/
Goosc Island in der Casco Bay, Eagle hill in Ipswich
(Massachusetts), Cotuit Port bei Barnstable. Alle Knochen
zerbrochen — es fand »ich ein Zehenknochen vom Men-
schen, ferner folgende Saugelhiere und Vögel: Cervus ea-
nadeasis und virgiuionus, Altes americnnut, Rangifer cari-
bou, UrBU» american us, Cants lupus occidentalis, Cimis fa-
miliaris, Vulpe* fulvus, Felis catiu, Lulra canadeinis , Pu-
torius vison, Mustelln americana, Mephiti» mephitica, Phoca
vitulina, Castor eanadensU, Arctomys tnonaz, Alca impen-
nis und torda, drei Arten Enten, Mclcagris gallopavo, Ar-
Uca herodins. Zwei Schildkrötennrten, Hai, Kabeljau, L o-
phius americanus — vun Schalthieren : Bucrinura undatuin,
Pyrula cariea und canaliculata , Ostrea edulis, Myn arena-
ria, Venus mercenaria, Mytilus edulis, Pecten tenuicosto-
tu» und islandicus, Mactra. Dos einzige uusgestorbene
Thier ist di« Alca impciinU andere, wie Elk und wil-
der Truthahn, haben sich zurückgezogen. Es fanden sieh
Topfscherbm ältesten Modell*, wenige Stein - Instrumente,
mehr bearbeitete Knochen, einige mit rohen Wiederhaken
(Harpunen zum Fischfang). iHe Anhäufungen seien viel-
leicht alt, künnleu aber auch ein Alter von wenigen Jahr-
hunderten haben.
Belgien.
Ed. Dupont. Dicouvert© d'objets gravüs et sculp-
tös dans Ie trou Magrite a Pont-k-Leseie. — Bul-
let Acad. Belgique. Seance du 3 Aoüt 1867.
Die ersten Kunstgegenstände aus einer belgischen Renn-
thierhöhte. Eine Statuette und gekreuzte Linien aut Ge-
weihstücken.
Ed. Dupont. Sur l’emploi probable de l’oltgizto
trouve Jans la couche de 1‘äge du Renne dans
la caverne de Chaleux. — Bullet. Acad. Belgique.
Seance du 9 Nov. 1867, pag. 483.
Glnubt mit Lartet, Christie und Fraaa, dass der
rothe Eisenstein zum Färben der Haut diente.
Ed. Dupont. Sur la succeaeion des temps qua-
ternaires, d’aprea lee modificatioDB observoes dans
la taille du silex. — Bullet. Academ. de Belgique.
Seance du 4 Janv. 1868, pag. 36.
Die Höhle von Pont-A-Lesse »ei nach der Fabrikation der
Stein-Instrumente gleichzeitig mit Laugen« haute und ent-
halte neben zahlreichen Kennthser- und Pferdeknocheu,
Knochen vom Nashorn, Hyäne, Höhlenbär etc.
d’Omaliua d’Halloy et Van Beneden. Etüden
sur les cavernes du bois de Foy & Montaigle par
Ed. Dupont Rapport n l’Acad. — Bullet Acad.
Belgique. Seance du 6 Juillet 1867.
d’Omalius d’Halloy, Van Beneden et Spring,
titude sur une caverne gituee dans la Comnmne
de Bourignea. Rapport. — Bullet Acad. Bel-
giqtie. Seance du 8 Mai 1867, pag. 465.
Höhle aus der ersten Eisenzeit.
H. Schuermana. Rapport adresse h Mr. le Mi-
niatre de l'Iuterieur sur la question de Porigine
des dolmens et autres moiiuments do pierres bru-
tas. — Bruxelles 1868, 23 S.
Die Dolmen »eien jedenfalls nicht von den Gelten, die
Cäsar kannte, errichtet worden, sondern weit älter.
Dänemark.
L. Müller. Fortsatte ßemärkninger om Oldtida- Kopenhagen 1867, 22 S., 10 Fig.
symboler af Stieme, Kore- og Cirkel-Form.
Deutschland.
von Dückor. Ueber heidnische BegrftbniggsteDen
im fotlichcn Theile der Mark Brandenburg, ini
Speciellen über dio Urnengraber zu Saarow. —
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin, HI, 1. Berlin 1868, S. 69.
UmengTnbcr mit calcitiirten Knochen, einigen Stein* und
Bronxesacbcn und kleinen Glasperlen.
H. B. Geinitz. Der internationale CongresB für
Anthropologie und vorhistorische Archäologie in
Paris am 17. bis 30. August 1867. — Sitzungs-
berichte der naturf#9chenden Gesellschaft lein zu
Dresden, 1867, 3. Oct,
Bericht über dio Aufstellung und die Verhandlungen des
CölgTMttf.
Klug, K. Heidnische Begräbnisse tÄtte bei I’ötrau.
(Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Ge-
schichte und Alterthnmskunde , Band II, 1867,
Heft 2.)
F. Liech. Pfahlbauten in Mecklenburg. Zweiter
Bericht. Mit 3 in den Text gedruckten Holz-
schnitten, Schwerin 1867.
Klägliche Darlegung der von dem Sergeanten Bäsch in
Wismar verübten Betrügereien, deren Opfer Lisch war.
Verauchte Ausscheidung des Gefälschten und des A echten.
Die ächten Fundstiick« von Wismar stimmen ganz mit den
schweizerischen überein. Ein Pfahlbau, der nach den dort
gefundenen Töpfen der ältesten Eisenzeit angehören »oll,
wurde von Dr. Wiechmano-Kadow bei Visufow unter-
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 155
«icht. E* wurden dort nur Qtflwi, .sifin^erithr , Schaf-
knochen und Haselnüsse gefunden. Andere Pfahlbauten
bei Stern berg und Kuchow, von v. Bülow gefunden.
Pfahlbauten, neue, bei Zürich. Leipziger illustr.
Zeitung 1868, Nr. 1288, S. 166.
E. E. Schmid. Ueber einen Menschen&chädel aus
dem Süsswasaerkalke von Greussen in Thüringen.
— Zeitschrift der deutschen geologischen Gesell-
schaft, XIX. Band, S. 52.
Prognatber, von Gegen baur untersuchter, aber unvoll-
ständiger Schädel. Unter dem Süsswasserkalke, der ausser
Bo* primigenius, Pferd, Reh, Hund oder Wolf und Scltild-
krötrn noch viele jetzt in der Gegend vorkommende
Schnecken enthält, liegt Torf. Ausserdem Thongeräthe
aus hellgebranntem Thon, ein kammnrtigc* und ein dolch-
artige* Werkzeug au* Knochen. — Gehört wahrscheinlich
der Brnnzeperiod« oder höchstens der jüngsten Steinzeit an.
8chuster, Friedrich Wilhelm. Ueber alte Be-
gräbnisstätten bei Mühlbach. — (Programm d.
evang. Unt. Gymn. zu Mühlbach, Jahrg. 1867,
S. 3—16.)
C. F. Wiberg. Der Einfluss der claasischen Völ-
ker auf den Norden durch den Handelsverkehr.
— Aus dem Schwedischen von J. Mestorf. Mit
einer Fnndkarte. Hamburg 1867.
Vortreffliche Zusammenstellung der Funde und Fundorte,
aus welchen die alten Handel*« ege der Phönizier, Etrus-
ker, Griechen und Römer erschlossen werden. Nilsson’s
Behauptungen werden meist zurück gewiesen und die Bronze-
Industrie der Etrusker hervorgehoben.
England.
Anciont Art in Peru. Anthropologie.) Review,
Nr. 20, pag, 120.
Im Guano der Lob»»- Inseln fand man auf dem Boden
ein hölzernes Idol und auf den Chinca- Inseln in 32 Fuss
Tiefe getriebene Silberplättcheu, Fische vorstellend.
C. Carter Blake. On certain Skulls from Round
Barrows in Dorsetahire. — Journ. of Anthrop.
Soc., Vol. 5, pag. 126.
Anzeige, dass die Abhandlung in den „Memoirs“ erschei-
nen werde,
C. Carter Blake. On a human jaw front the Cave
of ia Naulette, near Dinant, Belgium. — Anthro-
pological Review, Nr. 18 und 19, pag. 294 bis
303.
Kommt zu folgenden Schlüssen über die berühmte Kinu*
lade :
1) Dass der geschichtete Flusslehiu unter der Tropf-
steindecke im Trou de In Kaulette von langsam
wirkenden Ursachen erzeugt sei;
2) dass die Kinnlade einem Menschen angeliörte, der
gleichzeitig mit Mammut h und Nashorn lebte, de-
ren Reste unter denselben Verhältnissen dort eiu-
grbettet wurden:
3) da»* die Kinnlade in ihren Charakteren einige
Ähnlichkeit mit denen der nUvischen Völker Ost-
Europas zeigt ;
4) dass diese Charaktere di« Kinnlade unterscheiden
von den Menschenresten aus dem Trou du Fron-
tal, welche der Kennthirrprriode angeboren und
sehr den Kalmuken unserer Tage gleichen;
5) dass einige Chariiktere eine grosse Ähnlichkeit und
selbst eine Uebertreibung der Charakter* der
schwarzen llncen und namentlich der Australier zei-
gen.
W. Boyc. Account of the discovory of a tumulus
of the stone age in the island of Zealand-Den-
mark. London, 10 pag., 2 Fig.
The international Con gross of Arckaic Anthropo-
loge*. — Anthropol. Review, April 1868, Nr. 21,
pag. 203.
Anzeige, dass die nächste Sitzung des Congresses im
Jahr* 1 8GB am 20. August unter dem Präsidium von Sir
John Lubbock (gleichzeitig mit der British Association)
statt linden wird. Kurze UrWftcht der bisherigen Sitzun-
gen in Spezia, Neuchätel und Paris.
Conwell. Examina tion of theAncient Sepulchral
Cairnp on the Loughcren hilla, County ofMeath.
— Proeecdings of the Royal Irish Accademy,
Volume IX, Part IV, 1867.
Skulpturen auf Geräthschaften und an den Wänden der
Höhle.
Crawfurd. On the antiquity of man. — Transac-
tions of the ethnologic&l Society of London. New
series, Volutne VI, S. 233, 1868.
Crofton, M. Denis. On vestiges of ancient hu-
man habitations in Poles Cavern, Derbyahire. —
Proceedinga of the Royal Irish Academy, Volume
IX, Part IV.
W. Boyd Dawkina. On the former ränge of the
Reindeer in Europe. — Populär Science Review.
London, Nr. 26, January 1868.
Genauere Nachrichten über Fundorte des Kennthiers in
Grossbritannien. Dasselbe soll mit Abnahme der Eiszeit,
welche einer Aenderung der Erdaze zugesebriebeu wird,
von Hoch-Asien zu uns gewandert »ein, ganz F.uropa über-
•chwemmt haben , von den Pyrenäen hi* nach Caithne**,
dort noch 11 39 nach Chr. gejagt worden sein, sich in
Central-Europa seit Cäsar’* Zeit zurückgezogen haben und
im 14. Jahrhundert in Lappland und am bolhnischen Golf
angekutumeu sein.
John Evans. On the worked flints of Pressigny-
le-Grand (Iudre et Loire). — Archacologia. Lon-
don, Vol. 40, 2 Taf.
Bildet die bekannten Butterwecke von Pressignr und
die daraus geM'hlagciien Messer- uud Lnnzeiispitzen ab und
resumirt die Discussion darüber.
John Evans. On the discovery of a hoard of
bronze objectp at Camens in Saxony. London
1867.
Brouzcgegenstände von Caroenx und Grossenhayn.
Gastaldi and Keller on archaic Anthropology. —
Anthropological Review, Nr. 20, pag. 114.
20*
Digitized by Google
156
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Anzeige der l'ebersetzungen von B. Uastaldi’* und
Keller’» Arbeiten über Pfahlbauten., Terramare etc.
German archaic Anthropology. Anonyme Ana-
lyse der Abhandlung von Wanner: „Dae Ale-
mannische Todteufeld bei Schlei theim.“ — An-
thropological Review, Nr. 18 und 19, pag. 325.
W. B. Hawkins. On the babits and condition of
the two earlieet races of Man. Quarterly Journal
of Science. London.
Allgemeine« Re#um« über die älteste Steinzeit (Manmiuth-
zeit) und die Bensthicrzeit.
Howorth. On the Archaeology of Bronze. —
Transactione of the ethnological Society of Lon-
don. New series, Volume VI, S. 72, 1868.
James Hunt. On the induence of some kinds of
peal in destroying the hnman body as shown by
the discovery of human remains buried in peal
in the Zetland islands. London 1867.
Jaxnos Hunt. Report on explorations into the ar-
chaic Anthropology of the islands of Unat, Bras-
say and the mainland of Zetland. London 1867.
W. L. Lawrence. Account of the examination of
a chambered long barrow in Gloucestershire.
London, 10 S., 1 Fig.
J. P. Leslie. Man’s Origin and Destiny sketched
from tbe Platform of the Sciences. In a courso
of lectures dclivered before the Lowell Institute,
in Boston in the winter of 1865— 1866. Lon-
don, Trübner, 1868.
Seltsam« Zusammenstellung, wie die Titel der elf Vor-
lesungen beweisen mögen : 1. lieber die Classification der
Wissenschaften. 2. lieber den Genius der alten und mo-
dernen physikalischen Wissenschaften. 3. Das geologische
Alter des MenscUeu. 4. lieber die Würde des Menschen.
5. lieber die Einheit des Menschengeschlechts. 8. lieber
<ln* frühere sociale Leben des Menschen. 7. lieber die
Sprache alt Kaceiueugniss. 8. Der Ursprung der Archi-
tektur. ft. Der Aufbau de» Alphabets. 10. Die vier Ty-
pen der religiösen Arbeit. 11. On Arkite srmbolism.
John Lubbock. On the origin of Civilization and
the primitive condition of Man. — Transactione
of the Ethnological Society of London. New ge-
nes, Vol. VI, S. 328, 1868. Mackie-Repertorv,
Nr. 30, pag. 64.
Schlusssätze des Aufsatzes, der besonder* gegen Erzbi-
schof Whately gerichtet ist:
1. Die jetzigen Wilden stammen nicht von civilisirten
Ahnen.
2. Der Urzustand der Menschheit wnr äusserste Bar-
barei.
3. Einzelne Raten erheben sich selbst au* diesem Zu-
stande.
John Lubbock. Adrett delivered to the section
of primaeval antiquities nt the London meeting
of tbe archeological iustitute, July 1866.
Kurzes Rcsutnä der Urgeschichte.
John Lubbock. The early Condition of Man. —
AnthropologicAl Review, Nr. 20, pag. 1.
Vollständiger Abdruck einer vor der British At*nciation
gelesenen Abhandlung, welche die alimälige Erhebung des
Menschen aus ursprünglicher Wildheit darlegt, nebst der
Diskussion darüber, in welcher die Behauptungen de# Erz-
bischofs von Dublin, Whately, Jen Lubbock bekämpft,
„abominable paradox'1 genannt werden.
Lubbock, John and Froderic. On the true
assignation of the Bronze Weapons, fnund in
northern and Western Europe. — Transactions
of tbe ethnological Society of London 1867,
Volume V, S. 105.
W. C. Lukie. Observation« respecting tumuli in
North Wiltshire. London, 3 pag., 5 Fig.
Mackie. A Summary of the discoveries of prehi-
storic relica in the lakes. Mackie-Repcrtory, Nr.
28, pag. 127.
Rroume von Dosor’s Schrift über Pfahl bauten.
Sven Nileaon. The primitive Inhabitants of Scan-
dinavia. Translation edited by Sir John Lub-
bock. London, Longmans, 1868.
Da uns bi« jetzt nur eine Analyse dieses wichtigen Wer-
ke» in Mockie’a Repertory zugekotnraen ist, #o werden wir
die Erscheinung der deutschen oder französischen Ausgabe,
die beide angekündigt sind, erwarten, uui darüber zu be-
richten.
Sven Nilßfton. On tho «tone age in Scandinavia.
Antliropol. Review, Apr. 1868, Nr. 21, pag. 191.
Anzeige der von Sir J. Lubbock besorgten englischen
Ausgabe, die nicht sehr günstig beurtheilt, aber mit einer
Darstellung der Verdienste Nilsson’a eröffnet wird.
W. Pengelly. Exploration of Kont’s Cavern, De-
vonshire. Bericht über die Sitzung der British
Association in Mackie-Ropertory, Nr. 29, S. 65.
Di« Instrumente aus Stein uud Horn beweisen, dass der
Men»ch mit dem Höhlenbär. Hyäne, Löwen, Knochen •Nas-
horn und Mammuth zussm menlebte. Ein nicht näher be-
schriebener Menschen**, häricl wurde 6 Zoll unter der Ober-
fläche gefunden.
Bose. Collection of stone implements. Journ. An-
thropol. Society, Apr. 1868, pag. 40.
Erklärung einer Sammlung von etwa 500 Stücken, die
ihrer Bestimmung nach classiticirt werden. DUcusmob dar-
über in der Sitzung der Londoner Anthropologischen Ge-
sellschaft.
Sproat, Gilbert Malcolm. On the probability
of a Bona Age. — Transactions of the ethno-
logical Societv of London. New series, Volume
VI, S. 253, 1868.
Edward T. Stevens. Notice of tho Blackmore
Museum, Salisbury, opened the 15 Sept. 1867.
Einzelheiten filier dieses, der Urgeschichte gewidmete
.Museum, das mit Vorträge« von: Evans über die ersten
Xnwchrwpami; Prestwich über das Diluvium von Sa-
lisbury; Moore über den Moschus • Ochsen in dem Drift
von Wiltslure; Thurnaiu über die Schädel der Rund- und
I^snggTäber in Wlltahire; Hoyd Dawkins über die aua-
gestorbenen Säuget hier«, die in Gressbritannien mit dem
Menschen lebten, eröffnet wurde.
Lawson Talt. Britain during the stone age. An*
thropol. Review, Apr. 1868, Nr. 21, pag. 221.
Digitized by Google
157
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
Anzeige von swd VoclMUfn, die G. Tait in Wake-
held gehalten und worin er die Behauptung aufgestrllt hat,
da»» Turanicr, den jetzigen Lappen ähnlich, die ersten
Bewohner Großbritannien* gewesen seien.
J. Thurnam. Further Researchos and Observa-
tion» on the two principal Forras of Ancient
British Skulls. — Journ. of tho Anthrop. Soc.,
Vol. 5, pag. 124.
Beweis durch Messungen von 70 Schädeln aus „Round
barrow*- and 67 au* „Leng barrows*, das» seine Forme],
wonach in ersteren Brachycephaleö, in letzteren Dolicboce-
phalen begruben seien, im Allgemeinen richtig sei, wenn
auch Ausnahme» stattfänden. Discnsrion darüber.
H. Vale. The Archaeology of the Peak of Derby-
shire. — TransactionB of the historic Society of
Laucashire and Chesliire. New-Series, Vol. 7,
Liverpool.
Tbore** Care bei Dovedale gab Reste aus der geschllffe-
nen Steinzeit, der römisch* britischen und angnUlchsi sehen
Periode. Aufzahlung der Fundorte diluvialer Thiere im
HstvfcA.
Vivian. British Association at Dundee.
Berechnet aus der Ih'rke des Tropfsteins auf römischen
Resten, das» die Stein- Instrumente, welche in der Höhle
von Kent bei Torquay mit Elcphanteu - und Nashornkno-
chen gefunden werden, ein Alter von 264000 Jahren ge-
habt haben müssten. — Da die Filtration der knlkfuhren-
den Wasser in die Höhle hinein notbwcodig durch allmä-
lige Ausfüllung der Spalten und damit auch der Absatz
von Tropfstein nach und nach abgenommen haben muss,
m> scheinen uns solche Berechnungen nicht »ehr bewiesen.
Carl Vogt. On the primitive Periode ofthe human
species. — Anthropologien! Review, Nr. IG — 19.
Uebersetzung des Artikels im ersten Baude dieses Ar-
chiv».
Carl Vogt. On Italien crania. — Anthropologi-
en! Review, Nr. 18 und 19.
Berichtigung einiger Angriffe von Niccolucci und H.
Wagner.
C. S. Wako. On the Antiquity of Man and Cora-
parative Gcology. — Journal of the Anthropol.
Soc., Vol. 5, pag. CV — CXI.
.Sucht einen Zusammenhang zwischen dem Alter der C«m-
tinrnte und den VarbÜtaissen ihrer Einwohner nachzu-
weisen, woraus ein au.«serordentlicbes Alter de» Menschen
zu folgern *e». In der folgenden Discuasion , woran Ver-
schiedene Theil nahmen, sucht besonder* Carter Blake
den Verfasser zu widerlegen.
J. D. Whitney. A human skull discovered in
California. — Anthropological Review, Nr. 20,
pag. 119.
In einem Minenschacht bei Altavlü« in der Nähe von
Angeln Calareras County wurde in einer Sandschicht, in
130 Fuss Tiefe und unter vier Schichten von vulcoaUchcr
Asche verschiedener Dicke, welche mit Sandschkhten ab-
wechseln, ein nicht vollständig erhaltener Menachensfhidfl
gefunden, dessen Basis in eine Knochen hreccic mit Kapillis
and Tropfstein eingebnrken ist und der dem Schädel eines
..Digger -Indianer* sehr gleichen »oll. In derselben Schicht
rinden sich Nashorn, Kamecl (V) und fossiles Pferd.
W. M. Wylie. On the discovery of sepuichral re-
mains at Veji and Praeneato by padre R. Gar-
rucci. — Archaeologia, Vol. 41, 20 S., 10 Taf.
Etruskische Gräber.
Frankreich.
Adrien Arcolin. Etüde» d1 Archäologie prehisto-
rique, l'homme qunternaire en Maconnais, la Sta-
tion de l'&ge du Renne aSolutre (Saöne et Loire).
Lyon 1868, 30 pag,, 1 Tafel.
Unter dem Felsen vou Salut r£ findet man in den Wein-
bergen in 1 Meter Tiefe eine schwarze Schicht mit zer-
brochenen Knochen vom Rennthtcr, Pferd, Kiesenhirsch,
Bison, Elephant, Fuchs und Mensch. Dabei gedengelt«
Stein-Instrumente, bearbeitete Knochen, Pfeifen aus Zehen-
gliedern etc. Die«« Herde sind mit breiten, rohen Stein-
platten bedeckt. Daneben linden »ich ungeheure Haufen
von zerbrochenen Pferdekuochen und in einiger Entfernung
aus rohen Steinplatten zusammengesetzte Gräber , in wel-
chen die Leiche auf einem Bette von zerstampften und
cAlcinirten Pferdeknochen ruhte, zwischen welchen Knochen
vom Rennthier und Kiesel. Die Schädel gehören der von
Pruner-Bey so bezeichnetrn mongulniden Kate an und
wurden beim Congresse in Pari» vorgezeigt. Der Typ uz
der Stem-Iiutruuieute ist derselbe wie von Laugerie- haute
in der Dordogne und die Fauna unstreitig die der Kenn-
thierxeit — oh aber die Gräber dieser wirklich nngehören,
i#t durch die Funde noch nicht ganz festgestellt.
Adrien Arcelin. Chronometre dos borge« de la
Saöne. — Mortillet-Materianx, 4“° Au nee, pag.
39.
Genaue Untersuchung der Satoe-Ufar zwi»chen Cbalons
und Trdvoux mit folgenden Resultaten der Tiefen unter
der Wiesen Hä' Ue.
1 Meter: Römische Alterthümer. Darunter graue Topf-
acherben mit der Scheibe gedreht, mit Bandeletten (Eisen-
zeit).
1,30 Meter: Feines schwarzes Töpfergcschin- mit Linien-
Verzierung von Hand gemacht, Spinnwirtcl von Thon,
Bronze-, keine Steinwaffon (Obere Bronze).
1.50 Meter: Das feine schwarze Töpt'erge schirr gemengt
mit grobem gelben , worin Qnarzkürner mit Fingerein-
drücken und Henkeln. Stein walten (Untere Bronze).
2 Meter: Nur grobes gelbes Tüpferge*chirr , ohne Hen-
kel; Pfeilspitzen, geschliffene Stelnwalfen, Knochen lebender
Thiere, besonders Schweine (Geschliffene Steinzeit). Dar-
unter Id» zu 3,30 Meter wenigstens, nur seltene Stein-
Instrumente.
4.50 Meter: Blaue Mergel mit SU*»m asserschnecken
und Elephantcnknocben- Keine menschlichen Ueberreate.
Daraus Ixrechnet Arcelin:
Kölnische Periode ..•••• 1500—1800 Jahre.
Ccltische Eisen periode .... 1800 — 2700 Jahre.
Bronze-Periode 2700 — 3000 Jahre.
Geschliffene Steinzeit 3000—4000 Jahre.
Blaue Mergel 6700—8000 Jahre.
Adrien Arcelin. Note stir les Antiquität prehi-
storiques de la vallee de laSaone. Lyon, 16 pag.
Berechnet aus dem Umstande, dass &n den Saune- Ufern
1 Meter Lehm über den römischen und 2 Meter Uber den
Digitized by Google
158
Verzcichuiss der anthropologischen Literatur.
l'rberreslen aus der jüngsten Steinzeit liegen, für letalere
ein Alter von 3000— 4000 Jahren.
Ch. Aubertin. Station de la au u ree de Ladoix. —
Mortillet-Matüriaux, 4“* Annee, pag, 5.
Einige Steinwaffen.
Ch. Aubertin. Dolmen de Volnay. — Mortillet-
MatÄriaux, 3“* Armee, pag. 398.
Wohl erhaltener Dolmen mit Deckplatte von 5 Meter
Lange aml 3 Meter Breite und vier Stiitxplatten. Mau
fand darin einen erwachsenen Schädel, Kiudenälne, «er-
brochene Knochen , Topforherbeo , Pfeilspitze und Messer
aus Kiesel. Derselbe Dolmen roll früher ein Armband und
ein Schwert (Bronze oder Eben?) geliefert haben (V).
Ch. Aubertin. Decouverte de ailex tailles pur la
Montagne de Beaune, au Climat dit en Roche-
tain. - — Rev. Archeol. 1867, 10m* Vol., pag. 319.
Robe Steinwaffen, Rteinknnnen, Topfacherben.
Gcoflroy cTAult - Dumesnil. Recherche« sur la
provenance de« granita qui ont »ervi k «lerer le«
monumenta ditB celtiques. — Rev. Archeol. 1868,
Vol. 17, pag. 221.
Die Steine, die man benutzte, wurden nicht au» Brüchen
geholt, sondern sind dos Re»ulLat oberflächlicher Verwitte-
rung de» Granits. Mnn benutzt« sie auf dem Platze und
so wie sie waren.
Aurea. £tude des dimenaion» de« haches en brouze,
decouverte» en 1851 sur le territoire de la com-
mune de Vauvert (Gard). — Ruvue archeolo-
gique 1867, 16m* Vol., pag. 184.
Will au» der Messung von 6 Bronzcäxten nach weisen,
dass der Pied du Roi schon zur Broozezrit Maas« war.
Aymand. Silex tailles des environa du Puy. — -
Ann. Soc. agric. acienc. arte et commerce du Puy.
Vol. 27, pag. 183.
Grab aus rohen Steinplatten mit Steinwaffea.
Alpb. Baux. Lettre. Mortillot-Materiaux, 4m#
Annee, pag. 50.
Verfasser hat bei Auvernier iin Neuen burgersee ein Gt-
schirrstück gefischt, dessen Rand mit einem Broiueblatt
belegt ist, so wie verschieden«, in der Fabrikation verun-
glückte Axt Hämmer von Stein. Nach Murtillet bohrte
mau die Stiellöcher in verschiedener Weise: in der Stein-
zeit entweder mit einem Kieseistück von beiden Seiten
her, »o das» es gleich ein Loch gub, oder mit einem excen-
t rischen Kieselbohrer, der einen Kreis beschrieb, so das»
in der Mitte des Loche« ein Zapfen stehen blich; in der
Bronzezeit mit einem hohlen Metallcy linder und Schmirgel.
Alex. Bertrand. Monuments primitifs de la Gaule.
— Monumente dita celtiques. Dolmens et Tu-
mulus. Paris 1868, 24 S. De la distribution
des Dolmens sur la aurface de la France. 12 S.
und 1 Karte.
Beschreibung und Angabe der Yertheilung dieser Monu-
mente, die »ich von den Küsten, meist den Flussthalern
folgend, in das Land hineinzieht.
Alex. Bertrand. Projet de claasification des bra-
celota on brouzo. Rev. Archeol. 1867, Vol. 15,
pag. 300.
Erste Abtheilung handelt von den Armringen der ächten
Bronzezeit. Unterscheidet 18 Formen.
A. Boue. La source de Schüssen et aea plus an-
ciens h&bitauta. — Bullet. Soc. Geologique. Se-
ance du 18 Fevr. 1867.
Mittheilung über den Fund von S<'hus«enried.
A. Bourjot. Dolmens de PAlgörie. — Mortillet-
Materiaux, 41"* Annee, pag. 60.
Nachweis solcher Denkmäler am Cap Caxine, zwi«cheu
Guyotvillc und Cheraga«, bei Djelfa und Kolnia.
Ida von Boxberg. Fouille d'un tumulus au Puy
de l’Aiguillc, domaino de Saiut-Prieat prea Tülle.
— Soc. agric. science, arts et commerce du Puy.
Vol. 27. 1867, pag. 146.
Tumulus von 6 Meter Hube und 20 Meter Breite au»
aufeinander gelegten Granitblückeu mit wenig F,rdc bedeckt.
In der Mitte verbrannte Knochen, Topfscherbcn , zerbro-
chene BroDzcgegenstände (Helm, Armband J, und eine blau
und weissc Glasscheibe.
F. Brouillet. Quelques mots sur l'&ge de la pierre
en Poitou. — Glaneur Poiturin. Poitiers, Mai
1867.
Knochen- und KieseUxteiager im Diluvium ron 1« Folie
und St. Benoit bei Foitier».
Virgile Calland. Les monumenta anteceltiquoa
de Pasly pro» Soissons. Prem. mem. Soiaaona
1867, 10 S.
Allgemeine«.
Castagnez. Sur la decouverte d’une mnraille gau-
loise au lieu de Mursceint commuue de Gras, de-
partement du Lot. — Rev. Archeol., Avril 1868,
pag. 249.
Ausgrabung einer wohlerhaltenen Mauer, ganz w con-
struirt, wie Cäsar sie beschreibt.
Emeate Chantre. Haches en bronze du Nord du
Dauphine. — Mortillet - Materiaux, 3“* Anuee,
pag. 395.
Die meisten Bronzeancheu , Gelte, Schwerter, Agraffen,
Armbänder finden sich ln den Torfmooren, ander« in den
Ackerfeldern.
L’Abbo Cochet. Note sur uu bracelet gaulois en
bronze, trouve ä Caudebec - lee - Elbeuf eti 1865.
— Rev. Archeol. 1867, 15“e Vol., pag. 297.
Die Armringe mit Spiralfedern gehören der gallischen
Epoche an.
L’Abbe Cochet. Moules de haches et de lancea
en bronze, trouves ii Gonfrevilk- POrcher pres
Harfleur.
Gussmetalle aus Bronze ron Aexten und Lanzenspitzen.
L’Abbo Cochet. Decouverte» n Avesnea prea Gour- „
n ay. — Rev. Archeol. 1867, 15me Vol, pag. 64.
Gräber aus der Zeit der Merovinger.
G. Cottca.il. Rapport sur les progiti de la geolo-
gie et de la paleontologie en France pendaut
l'Annee 1866. — Caen 1867, 48 S.
Etwa ein Drittel des Berichte« ist dem Diluvium, den
neuesten .Schichten und den darin enthaltenen Menschen-
resten gewidmet.
A. Damour. Sur la composition des haches eu
Digitized by Google
159
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
pierre, trouvtas dans le« mouuments celtiques et
chez les tnbue sau vagen. Second Memoire. —
Rev. Archeolog. 1867, Vol. 15, paff. 249.
Gicht, al» Fortsetzung «lex ersten Abhandlung, Anal tuen
von Aextcn aus Amphibolit, Aphanit, Dient, Sxussunl«
und StaurutnL
A. Daubree. Apercu historique sur l’exploitation
de» metaux dans la Gaule. — Rev. Archeolog.
Nouvelle Serie, 9mc Annee, Avril 1868.
Nachweis von alten Minen und (»ruhen auf Gold, Silber
und Blei, Zmk, Antimon, Kupfer, Zinn und Eisen; von
Salinen und den (»agat gruben iin Departement de l’Aude,
di« Material zu Schmuck lieferten.
Delfortrie et Benoit. Station palustre k Bordeaux.
— Rev. Archeol. 1868, Vol. 17, pag. 169.
Notiz über die Auffindung einer Ashenscbicht mit
Austenchalen, gut gearbeiteten Strinwaffen, Knochenhand-
haben etc. in der Stadt selbst.
Arnaut Detroyat. Gisement de silex ouvres sur
les bords de la Nive. — Bullet Soc. Geolog.
Seance du 7 Oct. 1866, 2d* serie, Vol. 23, pag.
815.
Knochen und Kieselixtelzgcr bei Bayou ne.
Albert Dumont. Note sur quelques monumenta
de l’&ge de pierre trouves en Grece. — Rev. Ar-
chöol. 1867, Vol. 15, pag. 356.
Aufzählung der Reste, die sich in «lex Sammlung von
Chr. Kinlav und im Musrum der Universität zu Athen
finden.
Albert Dumont. Hache en pierre omulette de
la Grece. — Mortillet - Materiaux , 4“* Annee,
pag. 9.
Eine alte Steinaxt ist später in AHgriechenland als Amu-
let benutzt und mit Figuren und einer Inschrift ver*#ien
worden.
Albert Dumont. Renseignements nouveaux sur
la Grece avant la legende et avant l’bistoire. —
Revue Archeologique 1867, 8“* Vol. pag. 141.
Ueberall geschliffene Steinwaffen. Dieser Periode gehören
auch die Bauten von Santorin (Therasia) an. Die Pfahl-
bauten des See*» Prxsia* existiren noch. Bei Chalciz ein Olt
aas Bronze.
Faudel. Sur la decouverte d'ossements huiuains
fossiles dans le Lehm de la vallee da Rhin k
Eguisheim pres Colmar. — Bullet. Soc. Geolog.
Seance du 5 Nov. 1866, Vol. 14, pag. 36, 2 Holz-
»chnitte.
Genaue Beschreibung der Fundstätte, wo Mammutb, Bi-
son und ein grosser Hirschkuocben gelegen haben. Es
existirt nur ein Stirn- und rechte« Scheitelbein vom Men-
schen, erster« durch starkes Vortreten der Augenhrauen-
bogen, grosse Stirnhöhlen , tiefen .Stirneindruck und Flach-
heit der Wölbung dem Ncandertchädel ähnlich.
Faux cr&ne des cavemes. — Mortillet- Mate-
riaux, 4ro® Annee. pag. 32.
Versuchte Mystifikation der Anthropologischen Oesell-
»* ■haft io Paris mittelst eine* Carciben (?) Schädels , der
für einen Höhtcnschädel ausgegeben wurde.
H. do Ferry. Note gur nne figurine en pierre de
Tage du Renne, trouvee dan» la Station de Solu-
tre (Saone-et-Loire). — R6v. Archeol. 1868, Vol.
17, pag. 207, 1 Taf.
Auffindung ein« au« weichem Feuerstein gearbeiteten
Bruchstücke«, da* den Körper eines Wiederkäuers mit un-
ter den Leib geschlagenen Küssen darstellt. Der Kopf
fehlt. Die Steilung ist ähnlich derjenigen, welche die aus
Rennthierhorn gearbeiteten Griffe zeigen. Solutr£ ist we-
gen seiner Schädel etc. bekannt.
H. de Ferry. Los berge» de la Saöne, chrono-
metre. — Mortillet- Materiaux , S"* Annee, pag.
399.
Am linken Sahne-Ufer zwischen Touraus und Macon fin-
den «ich verschiedene Ablagerungen — römische Ziegel in
0,60 Meter Tiefe, geschliffene Steinwalfen (vielleicht auch
Bronze?) in 1,50 — *2 Meter Tief» — beide in grauem
Lehm; darunter blauer SüsswassermergeL welcher mit dem-
jenigen Mergel iibereiuzustimmen scheint, der in der Haute-
Saöuc Mammulhknocheu enthält. Ferry setzt für dos
Ende der römischen Periode «Las Jahr 40U nach Chr. und
berechnet daraus ein Alfer von 43B3 Jahren für die Schicht
mit geschliffenen SleiswafFen und 5644 — 7305 Jahren für
den Sn «wassern» ergel. (Offenbar ist letzterer Ansatz des-
halb falsch, weil man durchaus kein« Gewissheit darüber
haben kann, ob der graue Lehm unmittelbar nach dem
Süsswaxsermergel abgelagert wurde oder dieser letztere
Jahrhunderte oder Jahrtausende trocken lag, was weit
wahrscheinlicher ist.)
H. de Ferry. Note sur une tete de laiico en silex
des fabriqueß Charbonniercs (Saöne-et-Loire). —
Rev. Archeol. Vol. 15, pag. 434.
Nichts Neues.
H. de Ferry. L’anciennete de Thomme dans le
M&connais. Gray 1867, 4°. 15 Seiten, 1 Taf. in
Folio.
Aeltcste Kiesel waffen bei Cheragnr-les-Cherrier«, Cbar-
boDiiieres und Verchiseult. Höhle von Vergissou, zur Zeit
der Jlöhlenhyäne nn«i dw Mammuth bewohnt. — Renn-
thierstationen von Solutre und la Koche-Breguat.
H. de Ferry. Note sur une tetc de lance en silex
des fabriques de Charbonnieres (Saone-et-Loirc).
— Revue Archeolog. Paris, Juin 1867, pag. 434,
1 Taf.
Etwas ungewöhnliche Form einer primitives Kieselaxt.
A. Fouque. Sur les phenomenes volcaniques de
Santorin. — Comptos rendu«. Seance du 25 Mars
1867, Vol. 64, pag. 666.
Die aus rohen unbehauenen Steinen ohne Mörtel gebau-
ten Wohnungen, die wohl ein von Balken gestütztes Dach
hatten und in Therasiu (Santorin) gefunden wurden, sind
unzweifelhaft von dem vul panischen Tuff bedeckt und vor
Ablagerung desselben errichtet. Sie haben keine Ähn-
lichkeit mit griechischen Atherthümem.
J. Garnier. Note sur une decouverte d’objeta en
bronze, faite k C&ix (Somme), su 1865. — Rev.
Archeolog. 1867, 16“® Vol., pag. 314.
Aexte, Schwertztücke , Haarnadeln, Spiralen, Scheiben,
Gumares te.
F. Garrigou. Note au sujet d’une photographie
du dessin du grand ours de« enverne*. — Bullet.
Soc. geolog. Seance du 15 Avril 1867, 2da b6-
rie, Tome 24, pag. 573.
Behauptet, eine von ihm io der Grotte von Massai
Digitized by Google
160
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
(Ariegc) geturnten« Zeichnung aut einem Rollitein Helle
einen Höhlenbären vor. (Mir scheint*» der braune Har.)
F. Garrigou, Ltude stratigraphique de la caverne
du Mas -d’Azil et de« caverne® de divor« igee
dan» la vallee de Tarascou (Arioge). — Bullet.
Soc. geulog. Seance du lr Avril 1867, 2m# «er.,
Vol. 24, pag. 492.
ln der Grotte von Mas-d’Azil fanJen »ich drei Schiebt«
— * unterste mit Höhlenbär und Mammuth , zweite mit
Reunthier etc,, oberste mit H&ustbioren. Au» den ver-
schiedenen Niveaus der Höhlen und Grotten von P radiere»,
Bouicheta, Bedeillae, de la Vache sucht Garrigou nach*
zuweisen, das» Tier Epochen sieh durch ihre Absätze wohl
unterscheiden und zwar von unten nach oben; Höhlenbär,
llcnnthier, geschliffene Stcinwaffea, Metalle.
F. Qarrigou. Importance de« ossemenfc» casse« des
gisement« paleo-archeologique« et du mode de
caasure. — Bulletin« de la «ociete d* Anthropolo-
gie de Paris, II. Serie, II. YoL, S. 284.
Mittelst einer reichen, der Gesellschaft vorgelcgten Samm*
laug sacht der Verfasser nachzuweisen, da*» man jetzt
wesentlich di« Knochen der Thier« zersäge, während di«»
früher nur sehr selten (Eisen und Bronze) oder gar nicht
(Steinzeit) geschah und da*» man bei den durch Instru-
mente (Stemäzte) erzeugten Brüchen meist die Eindrücke
des Instruments sieht. In der darauf folgenden Di*cus»ion,
an welcher betender» Broca, Quatrcfage», Martine
Theil nahmen, wird darauf aufmerksam gemacht, dos*
zufällig erzeugte Sprünge (durch Austrocknen) und Brüche
(durch Druck in der Erde etc.) häutig den von Menschen-
hand erzeugten ähneln, in einer späteren Mitiheilung,
S. 338 vertheidigt Garrigou »eine Ansichten mit guten
Gründen.
F. Garrigou. Sur les os c. an aus dos cavernea, ibid.
338.
F. Garrigou. L’ Anthropophagie chez les peuplea
de« age« du Renne et de la pierre polie dans le«
cavernes du midi de la France, ibid. 326.
Nachweis von Menscheuknochen , die, dem Verfasser zu-
folge von Menschen zerschlagen und benagt wurden.
F. Garrigou. Sur Tage du bronze et du ier dans
les caverne« des Pyrcnees ariegeoises, ibid. 184.
Neue Grotten Ln «Ier Nähe von Tarascou. In einer lan-
geu Disciusion werden diese Uebcrreste dem Volbsstamme
der Sotlaten (Caesar) zageschriebeu.
F. Garrigou. Age du Renne dans la grotte del a
Vache (vallee de Niaux) pre« de Tarascon (Ariege).
Toulouse 1867, 10 S., 4 Taf. — Sonderabdruck
aus: Bull. Soc. hist. naL, Toulouse, Avril 1867.
Auuales des Sciences naturelles. Zoologie, 5**
Serie, Volume V III, 1867, S. 89.
Di« 100 Meter über der Brücke von Tarascon gelegene
Grotte hat zwei Eingänge und zwei zusammenhängende
Kammern und vier Schichten von Absätzen. Unten gelb-
licher, tertiärer Saudlehm mit Rollsteinen, darüber etwa
1 Fass schwarze Knocbenbreccie mit Asche, Kohlen, Renn-
thierkaoehen (etwa 60,000 Bruchstücke), bearbeitete Kno-
chen, einige mit zweifelhaften Zeichnungen, Harpunen etc.
Darüber Tropfsteindecke und über dieser Erd« mit Bronze
und »ellenen eisernen Gegenständen.
Alb. Gaudry. Sur les instrumenta humaiii« et
les oiwement« d’animaux trouvus par Mr*. Martin
ct Reboux dann le terraiu quaternalre de Pari«.
— Bullet. Soc. geologique. Seance du 17 Dec.
1866, 2d« aerie, Vol. 24, pag. 147.
Die mit den Steinäxten nnchgewiesenen Tbicre sind bi*
jetzt: Elepha* primigenius and aatiquus; Rhinoceros ticbo-
rbinus, Equu» plicidens, Hippopötamu* amphibius, Bos pri-
migvulus, taurus (?), Cervas tarandus, canadeosi», elepha*;
Su* scrofa.
Alb. Gaudry. De« lumieres que la geologie peut
jeter «ur quelques pointa de Thiatoire ancienne
des Athenion«. Pari« 1867, Lary. Separatabdruck
au« dem grossen Werke Anim&ux fossile« de
l’Attique.
Nachweis, dass die Sagen vom Erjmanthischen Eber,
Neuiäi schon Löwen etc. sich nicht auf töeaiie, sondern auf
lebeude Arten beziehen.
Glaneur du Haut-Rhin. Rev. Archeol. 1868,
Vol. 17, pag. 168.
Im Artikel des Glaneur, der hier abgedruckt ist, werden
zwei Gräber aus der Bronzezeit beschrieben, die man bei
Schoppen w ihr auffand. Die Körper waren verbrannt, die
Gegenstände (Armbänder, Haarnadeln, Agraffen etc.) meist
zerbrochen.
Ch. Grellot - Balguerio. Habitat ion Souterrain©
fortifiee de Mazcrea- Fiac. — Rev. Archeol. du
Midi. Toulouse, Mars et Avril 1867, pag. 220,
4°. 9 Fig.
Stammt au* der Eisenzeit.
R.. Guerin. Sur de« in«truments en silex trouves
a la Treiche pres Toul. — Compte« reudu« 14
Oct 1867, pag. 641.
Grosse Fundstätte von Instrumenten aus Kieselkalk de»
Jura.
R. Guerin. Recherche« «ur le« braceleta de Tau-
tiquite. — Journ. Soc, d' Archeol. et du Comite
du Museo Lorraio. lö^Annee, Mai 1862; Nancy,
pag. 72, 1 Taf., 4®.
Krläutenmg der im Museum zu Nancy betiudlichen Arm-
bänder.
R. Guerin. Dicouvert© d’une pointe de fluche en
obsidieune et d’un vaso paraiaeant remonter k
Tage du bronze, k Aingeray (Meurthe). — Compt
reudus 15 Jul. 1867, pag. 116.
Guyot. Dolmen et Allee cou verte de Coh-Coet. —
Rev. Archeolog. 1867, 46me Vol., pag. 230.
Dolmen von 6 Meter Länge und 3,80 Meter Breite bei
Saint-Jean-Brevelay (Morbihan).
Alex. Hahn. Note «ur les monuments dit« cel-
tique«. des environs de Luzoches (Seine et Oisel.
— Bull. Soc. Parisienne d’ArchüoL et d’Hiatoire
1867, pag. 69 h 77, 6 Fig.
Zwei Dolmen und zwei Menhir. Discussion darüber.
E. F. Hamy. Revue Anthropologique; L’hoinme
tertiaire iu: Gazette hehdomadeire de medecine
et de Chirurgie. Pari«, 3 Janv. 1868, pag. 1 — 4.
Discussion der verschiedenen Funde, besonders von angi-
•ehnittenen Knochen — von Desnorcrs und Abbe
Bourgeois bei Saint • Frest (Frankreich) in obersten
Digitized by Google
161
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Schichten, die noch «um Diluvium gezogen werden können;
— von Y u*l bei ColJe del Yento in der Nähe von Sa-
vona (Italien) im älteren Pliorcn; — von AbW Delaunay
bei Pouanc« (Maine - et - Loire) im oberen Miocen; — von
Abbe Bourgeois bei Thenuy und Mnrqui« de Vibraye
bei Seile« -sur- Cher (beide Fundorte im Loir-et-Cher) im
mittleren Miocen. Weder die Altersbestimmungen der
Schichten noch die Deutung der Heate scheinen mir ül*cr
alle Zweifel erhaben.
B. P. Hamy et E. Sauvago. Snr uu Kjökken-
m ödding decouvert & 1‘ombouchure de laCanche.
— Bullet. Soc. Anthrop., 2me Serie, Volume II,
1867, pag. 362.
Hügel bei Etaple» (Pas de Calais) die einen Halbmond
von *260 Meter Länge und 15 — 20 Meter Breite bilden
und au» mehreren Schichten von Muschelschalen bestehen,
zwischen welchen Kohle und Asche sich finden. Haupt-
muschel ist die Herzmuschel (Cardinal edule), ausserdem
die Miesmuschel (Mrtilus edulis). Selten Telliua »oUdula,
Preten mnzirau», Ustrea edulis, Pestunculus pilosua, Natic«
castanra, Knochen eines kleinen Kindes, der Ziege und
des Schwell«, zerschlagen. Sehr häutig Gräten von Fi-
schen, besonders Schollen, Kieselinstrumente, Töpferge-
schirr. zum Thcil aus der Bronzezeit. An der Oberfläche
viele Gegenstände aus Bronze, selbst gallo - römischen Ur-
sprungs.
P. Hoofer, De l’origine du Chien. — Co«mo« de
Paris, 29 Mai 1867.
Ohne eigene Beobachtungen.
Comte de la Hure. Le« Conchyliosites du Brasil.
— Rev. Arch^ol. 1867, Vol. 15, pag. 306.
Musrhelanhäufungen (Sambaqui) an der ganten brasilia-
nischen Küste, welche den Kjökkenmöddinger gleichen.
Reste von Kannilatenmahlcn in einigen. UcberaJl Stern-
warten.
Hussen. Osseoients humains trouvus daus le di-
l'jvium alpin de Villay- Saint- Etienne, prug de
Toul , et nouvell« Station humaine. — Comptea
renduB. S&tnce du 2 Avril 1867, Vol. 64, pag.
694.
Gänzlich unverbürgte und unwissenschaftliche Notiz.
Phllibort Lalande. Memoire sur los monuments
prehistorique« de ia Correze. St. Jean d'xVngely
1867, 53 S., 1 Tal., *•
Details über 7 Grotten, 17 Dolmen, 2 Cromleclis und
etwa 40 Grabhügel nebst Liste der sonst im Departement?
gefundenen Sternwarten.
Philibert Lalande. Nouvelle Station de T&ge du
renne dans lePerigord (Grotte de Pouzet). — Rev.
Archeol. 1867, 15mc Vol., pag. 66.
Unter einer Schicht Detritus von 10 — 15 Ucntimeter
Dirke ein Heerd mit Kohlen, zerbrochenen Knochen von
Rennt hier, Pferd, Auemch* (selten); sehr viele bearbeitete
Rennthiergewcihc und Stcingeräthe.
Ed. L&rtet. Fouillee du LouoL — Bullet, de la
soc. d’Anthrop. de Paris, 2“* ser., Vol. II, 1867,
pag. 131.
Forschungen von Ollier de Marie hard in dieser, im
Departement de l’Ardeche gelegenen Grotte, deren unterste
Schicht geschlitlVne Sternwarten, Mühlsteine. Knochen von
Ochsen und Hirschen, Hunde etc. aus der Epoche der
Pfahlbauten enthielt. Auf einer Thonscherbe eine ein-
gekratzte Zeichnung (die erste aus der Pfahlhauteazcit),
Archiv ttlr Anthropologie. Bd. HL Heft IT.
deren Vordertheil einem Ochsen , dos Hintertheil einein
Pferde gleicht.
Ed. Lartet. Oascment« fossiles et silex tailles a la
Nouvelle Zelande. — Bullet Soc. d’Anthropologie.
Seance du lr Aoüt 1867, pag. 475.
Mit Knochen von Dinornis, Dingo und Phocn lepionyz,
die zum Theil ungebrannt, zum Tbeil bearbeitet waren,
fanden sich Kieselmesser und Obsidiansplitter bei Wain-
gongoro.
A. Leclorc. Monuments drnidiqueB du Limousin
et de la Marche. — Limoges 1865, 8 S.
Nicht» Neues.
Louis Leguay. Fouilles de 1’ Allee couverte d’Ar-
genteuil. — Revue Arch6ol. 1867, Vol. 15, pag.
364.
Genaue Untersuchung diese« Dolmen, den auch der in
Paris versammelte Congress besuchte. Die darin gefunde-
nen Gegenstände: Polin« und durchbohrte Instrumente
von Stein und Knochen, zum Theil mit ihren Handhaben,
Schädel von Menschen, Knochen von Biber, Eber, Dach»,
Pferd , Hirsch und Schildkröte, waren in der Ausstellung
aufgelegt,
Louis Loguay. Antiquitos ante -historiques et
gauloi&ps des Parisii. Paris 1867.
Funde au» der Seine.
Louis Leguay. Sur divers objets de Tage de la
pierre provenant de divers ateliers du departe-
ment de la Vienne, offerts par Mr. Meillet. —
Bullet. Soc. Anthrop., 2"* Serie, Vol. 2, pag. 804.
Proposition de Mortillet, pag. 325.
Die Gegenstände scheinen meisten» gefälscht und die
Gesellschaft beschließt auf den Antrag Mortillet’s,
Sendungen von Chr. Meillet nicht in ihn* Sammlungen
aufzunehmen.
Louis Leguay. Allee couverte d' Argon te ui 1. —
Bullet. Soc. Authropol., 2“* Serie, Vol. 2, 1867,
pag. 172.
Anzeigr der Entdeckung und der ersten Ausgrabungen.
Louis Leguay. Allee couverte d’Argenteuil. —
Bullet. Soc. Anthropol., 2me serie, VoL 2, 1867,
pag. 266.
Analyse dei weiteren, vollständigen Forschungen.
Franpois Lonormant. Les armes de pierre de
Marathon. — Revue Archeolog., Vol. 15, pag.
145.
Man findet im Grabhügel der in der Schlacht gefallenen
Griechen 31engen von bronzenen und »teinernen Pfeilspitzen,
letztere au» »cliwarzem Feuerstein. Nach Herodot waren
die äthiopischen Bogenschützen mit solchen Pfeilen be-
waffnet.
Franpois Lenormant. L'&ge de pierre en Grece.
— Rev. Archeol. 1867, 15,n* Vol., pag. 16.
Aufzählung verschiedener Fundorte.
Ch. de Linas. Le tumulus de Fregonville. —
Rev. Archeolog. du Midi. Toulouse, Mars et
Avril 1867. 4". pag. 213 — 218.
Hält die darin befindlichen Bauwerke für Reste einei
Kapelle der Karthager.
Henri de Longpdries. Des rouelles et des an*
21
Digitized by Google
162
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
neaux antiques coiisiderea comme agents de Sus-
pension. — Rev. Archeolog. 1867, 16®* Vol.,
pag. 343 et 397.
Gewisse Rundscheiben and Ringe, die man für Pferde-
»chmuck gehalten habe, seien Th eile des weiblichen Co-
*tüm» namentlich gewesen.
Duc de Luynes. Note sur les fouillea executees
a la Butto-Ronde pres Dampierre (Seine-et-Oi»e).
Paris 1867, 4°. 21 pag„ 19 Tal’.
ln einem Hügel, der ein römisches Lager trug, etliche
Steinwasen.
Lyell. Horarae fossile de Denise. — Annal. Soc-
Hgric. scient. des arte et du couimerce du Puy.
Seance du 12 Mai 1864, Vol. 27. Puy 1867.
Kritik von Ayinard über die betreffenden Angnben von
Lyell in dem Werke „Antiquitv of man". Lyell habe
zwei Faunen, die von Maloutegrv, in welcher der Mensch
vorkoimne. und die ältere von Sainxelle» mit einander ver-
wechselt.
Henri Martin. De POrigine des Monuments me-
galithiquee. — Rev. Archeolog. 1867, Vol. 16,
pag. 377,
Versuchter Nachweis, da« alle Dolmen, im NordeD wie
im Süden, von dch Olten abstammen.
Henri Martin. Sur lec monuments megalithiques
et Ja race qui les a construits. — Bullet. Soc.
Anthropoid 2®* serie, VoL 2, 1867, pag. 165.
Brief, der die Ansicht, da«s die Celten die Dolmen er-
baut, kur* reeumirt, wogegen AL Bertrand Einspruch
erhebt.
N. de Morcey. Sur Pecraaomcnt des materiaux
Eous-jacents ou remanies & la base du limon de
Picardie, depuis les haute plateaux jusqu'au voi-
sinage du niveau de la mer et sur P Application
de ce caractere a la Classification de la periode
quaternaire. — Bullet Soc. Geolog. Seance du
19 Nov. 1866, Vol. 24, pag. 71.
Verlader unterscheidet in den berühmten Ablagerungen
des Sommethnles folgende Schichten von Oben nach Unten.
) Dünen, Rollsteine, Seeschlaaini.
Abstürze.
■" | Alluvioa.n, Tuff.
I Alter und junger Torf.
Erratische Gebilde ( Gelber Thon.
der Eiszeit \ Brauner Thon mit Rollsteinen.
Alte Anschwemmun-
gen während der ,
Erosion der Thi-
ler gebildet
Alter Uferstrang von Sand und Roll-
steinen bei Mnr<|uenterTe.
Rollsteine und Sandr von Menchecoart,
St. At heul , Moulin - yuignon mit
Kieseläxten und FJephantenroiten.
Halb gerollte Kiesel (Bief der Ar-
beiter).
Victor Meunior. Histoire de la decou verte de
rhomme fossile: in Coemos, Nrs. vom 10., 17.,
24., 31. August, 7., 14., 21., 28. September 1867.
Erzählt besonders die Geschichte der Bemühungen von
Boucher de Perthes.
G. de Mortillet, Veetiges d’une Station prehisto-
rique i Bordoaux. — Mortillet -Materiaux, 4ro*
Annee, pag. 4.
Unter den römischen Aiterthümern findet sieh eine
torrige Schicht mit Asche, Kohlen, zerbrochenen and bear-
beiteten Knochen und Mecresmuscbeln.
G. do Mortillet. Reunion des Dellgues des So-
cietus eavantes des Departements. Session de
1867. — Mortillet - Materiaux , 3“* Annee, pag.
387.
Bericht über die im April 1863 stattgefundene Sitzung
in Paris, wo die Urgeschichte ebenfalls einen bedeutenden
Platz einnahm.
G. do Mortillet. Sur la mäcboire de la Naulette.
— Bullet. Soc. Anthrop., 2"* »6rie, Vol. 2, 1867,
pag. 431.
L>ic berühmte Kinnlade wurde in derselben Schicht mit
Rhinocero» tichorhinu* gefunden, gehört also nicht der
Kcnnthierperiode, sondern cioer früheren Epoche an, der
des Mammut h.
G. de Mortillet. Bibliographie de PExposition
universelle et du Congri* do Paris. — Mortillet-
Materiaux, 3m* Annee, S. 402—404.
Aufzählung der bezüglichen Publikationen: der Catologe
und zwar de» allgemeinen (Steinzeit von Lar t et und
Mortillet, Metalle von Adrien und Henri de Long-
p4rier) und der «.pedellen von Ungarn, der Schweiz, Nor-
wegen sowie verschiedener Journalartikei und Broschüren
von W. de Konvicllc, Mortillet, T. Garrigou, de
Longuemas, Cotteau, HalUgnen.
G. de Mortillet. Collection a vendre. — Mortil-
let-Materiaux, 4rae Aun<k\ pag. 14 — 28.
Catalog seiner Sammlung au» urgeschichtliehen Perioden,
di« zu verkaufen ist.
G. de Mortillet. Hache Phenicienne en hronze.
Rev. Archeolog. 1867, 16"** Vol., pag. 269.
Sehr sonderbar gestaltete Rmnzeaxt von Tbaro« in Sar-
dinien. Es rindet sich dort auch Gold, Eisen, Silber, Glaa
u. a. w. im Besitz von Pruner-Bey, der dort Ausgra-
bungen veranstaltet.
G. de Mortillet. Congres d’Anthropologie et d’ Ar-
chäologie prehistoriques. — Mortület-Matcriaux,
Sept et Oct. 1867, S. 3C9.
Kurzer Bericht über die Sitzungen de» in Paris abgehal-
tenen Congmse*.
Feccadeau de lTfllo. Sur lee fouilles faites dann
un gisement ossiferu de Page du Renne a Bruni*
quel (Tarn - et - Garonne). — Comptes rendua.
Seance du 18 Mars 1867.
Anzeige des Funde» von zwei Dolchgrifien , Rennthiere
darstellend, und einem solchen, der ein Mammuth zeigt.
Peocadeau de l'Isle. Notice sur des objets sculp-
tea et graves des temps prehiatoriquea, trouves
u Bruniquel (Tarn-et-Garonne). — Rev. Archöol.
1868, Vol. 17, pag. 213, 1 Taf.
Darstellung mehrerer au» Rcnnthierhorn geschnitzter
Dolch grifft, wovon zwei dos Rennthier selbst, ein dritter
ein Mammuth darstellen. Dax Mammuth besonder« ist
höchst merkwürdig; es stellt die vier Füsse und den Rös-
sel zusammen.
Pommerol. Station de Tage de pierre aux Mar-
farea-de-Voyre. Hallet. Soc. Anthropol. de I’ari»,
2m* »me, Vol. 2, S. 220.
Sandgrube au« folgenden Schichten zu»aio mengesetzt:
Oben braune Dammerde mit etwas Sand* und Kaikstücken,
Digitized by Google
163
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
etwa 40 Ceatimeter dick. Darunter Sand in zwei Schich-
ten. oben grauschwan mit Lehm, unten gelblich mit viel
Glimmer, beide Schichten mischen sich. Darin an drei
verschiedenen Stellen Kohle, Asche, verbrannte Knochen,
von Hnul gefertigte Thongetiu*«, Steüi-Inatrumentr (Messer,
Kratzer, Axt), Getreide (Weizen und Gerate). — • Zeit der
Stein- l'tahlbautcn, Bemerkungen darüber von L. Leguay
(S. 227), der die Stellen für Verbrennungsstellen von Lei-
chen hält.
Pommcrol. Denta d’Eleplias primigenius et eitex
taillee decouverta d&ns les terrmms quaternaires
de la me da Chevalleret k Paris. — Bulletins
Societe AntkropoL. 2mo serie, VoL 2, 1867, pag.
358.
Bestätigung des Zusammen Vorkommen* von Kieselixten
mit Mauimuthzähneu.
Laurent Rabut. Fouillea du ns les emplacements
k pilotis du Lac du Bourget. — Rev. Archeolog.
1867, 16“* VoL, pag. 323.
Bericht über die Forschungen bei Treaaerve, Grfsine,
Chitillon und Conjux nm genannten See, die »ehr reiche
Ausbeute aus der Bronzezeit gewahrt haben. Liste der
gefundenen Gegenstände.
Laurent Rabut, Habitations lacustres de la Sa~
voie. Chambery 1868, in 4°. 66 S., 17 Taf.
Drei reiche Stationen in» Lac du Bourget, zwei davon,
Grta'ne und Tresserve, haben nur Gegenstände aus der
Bronzezeit geliefert, eine dritte, Chitillon, ausserdem nach
ein Gcfäss, auf dem der Name Severinus cingrgrabon ist.
Paul Raymond. Dolmen etCromlechs, sitaes dans
lu Vallec d’Ofcsau (Arrondissement d'Oloron, Baa-
se»-Pyrenees). — Rev. AwMsl 1867, Vol. 15,
pag. 342.
Ausmessung einiger Steinkreise (Cromlecbs).
Reboux. Rech erch es arckeologiques et paleonto-
logiques faites dans lTnt4rieur de Paris. — Bul-
let. Soc- geologique. Seance du 17 Dec. 1866,
2d® Serie, Vol. 24, pag. 130.
Nachweis von Steinäxten mit Mommutb-, Nashorn- etc.
Knochen im Diluvium von Paris, Neuüly, Larailoi», Cllchy,
Batignolle».
Xavier de ReuiJL L üge de la pierre et Hiomme
prebistorique en Belgiqae, 1868, 78 S.
Resume der Arbeiten von Schmerling, Dupont und
Anderen.
A. Rhone. Decouvortes d’Antiquites prehisto-
riqaes dans la Campagne de Rome. Analyse d’un
Memoire de Mr. de Rossi. — Revue Archeologique
1867. Vol 8, pag. 48.
Plinlus sah die SteinwaiTen für Donnerkeile an; Kaiser
Augustus für Waffen der Heroen und die grossen Knochen
für Biesenreate. Man brauchte noch bei religiösen Cere-
monien (jus feciale) Stein-Instrumente. Analyse der Funde
bei Ponte Molle, wo eine wahre Werkstätte von rohen
Kicselinstrumenten, verarbeiteten Hirschgeweihen mit Kno-
chen ausgestorbener Thier« sich fand. Zwischen Yicovaro
und C&uUlapo zwei Gräber: Das obere mit Instrumenten
aus der Steinzeit (geschliffene) und zwei Kurzschädein; das
untere mit drei Langscliadeln und Knochen von Eber,
Auerocbs, Hund, Pferd, Keh. — Bronzestation im Alhancr-
gebirgr bei der Quelle Fcrcntinn.
C. Bibelro. Not« sur 1« terraiD quaternair« da
Portugal. — Bullet. So«, geolog. Seance du 17
Juin 1867, 2”* bot«, Vol. 24, p*g. 692.
Resum4 des unter Portugal analysirten Werkes.
Zephirin Robert. Fonderie oeltique (Age de
bronae). — Revue Archeolog. 1867, 16“* Vol.,
pag. 370.
Notitz, dass die bei Larnaud (Jura) entdeckten Gegen-
stände, 70 Kilogramm wiegend, im Museum von St. Ger-
rnain aufgestellt sind.
M. E. de Ro8si. Etudes g£ologico-arch6ologiques
aur le sol Romain. — Bullet Soc. geolog. Seance
du 15 Avril 1867, Vol. 24, pag. 578.
Tableau, welches die verschiedenen urgeschicht liehen Ent-
deckungen in Roms Umgegend darstellt. — Fundstätten
roher Kieseläxte bei Ponte Molle, Montioelli, in Latium. —
Gräber au* der Steinzeit bei Ustica. — Steinwasen in
Feldern gefunden. — Fa*t Nicht« au« der Bronzezeit. —
Nekropole aus der Eisenzeit bei Castello (Latium). — Woh-
nungen bei Yalle Marciana — Ausserdem erläutert der
Yerfasser «Inen Plan der Katakomben.
M. E. de Rossi. Sur Tage de la pierre dana la
Campagne de Rome. — Bullet Soc. Anthropol.
2®* aerie, VoL 2, 1867, pag. 245.
Resuu»4 seiner besonderen, darüber erschienenen Schrift.
Pruner-Bey giebt bei dieser Gelegenheit eine lebhafte
Kritik der Angaben Ponzi’s, der die Epoche des Renn-
thiern bei Rom constatirt haben will.
A. Roujoux. La geologie moderno et lea travaux
de Mr. Lartet Le Critique (Pariser Journal) vom
6., 13„ 27. Juli 1867.
Bespricht die Verdienste Lartet’# um die Bestimmung
der quaternären Säugethiere und Menschenreste.
▲. Roujou. Remarque» aur lea foyers de Ville-
neuve-SaintrGeorgea. — Bullet Soc. Anthropol.,
2"* serie, Vol. 2, 1867, pag. 236.
Bel Gelegenheit der Notu von Pommcrol (siehe den
Artikel) veitheidigt Roujou seine Ansicht , dass die Fund-
stätten von Villencuvc Herde gewesen seien und sucht
wahrscheinlich zu machen, das* di« dort gefundenen, weni-
gen menschlichen Uebcrreste von Menschenfresserei her-
rühren.
Bugconi. Lettre. Bullet. Soc. geolog. Seance du
17 Dec. 1866, Vol. 24, pag. 122.
Kfetcläxt« mit Klepbiu, Bo« primigeniut, Cerru, elaphu.
und Rhinocero* tichorhinus in Sani« Maria bei Moutlcelli.
Gas ton de Saporta. Temperatur© de la Provence
k l’epoque du Renne. Mortillet - Materiaux , 4nM'
Annee, pag. 42.
Nach den Schnecken und Pflanzen, die in demselben Tuff
mit Stein waffen aus der Kennthierzeit iu der Provence ge-
funden werden , war das Klima damals dort nicht kälter,
aber weit feuchter.
Gaeton do Saporta. Haches polies du Sud-Est
de la France. Mortillet -Materiaux, 4me Annee,
pag. 42.
Haben einen besonderen Typus, der sie von anderen
unterscheidet.
F. de Saulcy. Dictionnaire archeologique de la
Gaule. Epoque celtiquc. Klein in Folio, erster
Fascikcl, 168 S., 22 Tafeln.
21*
Digitized by Google
164 Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Enthielt die Funde au* dem Diluvium und den Höhlen
Frankreich*, die Dolmen «u»d Münzen und Inschriften au*
der späteren gallischen Zeit.
F. do Sauley. Fouilles de tumulus dans los Vos-
ges et dann la Cote d’Or. — Rev. Archeol. 1867,
Yol. 16, pag. 417.
Bronzetumulu* bei Sauville (Vogo6en) und bei Bruilly
in Hurgund, aus der Eiseuzeit bei Mclaiseq.
F. de Sauley. Süpultures avec incineration du
Haut-Rhin.« — Revue Arch«*olog., Paria, Füvrier
1868, pag. 168.
Bei Scboppenwihr zwei Gräber mit Urnen, worin ver-
brannte Knoiheu und Bronzegrgcnhtändr , di« Mortillet
der Eisenzeit zuvehreibt.
PellegTino Strobel. Pierrea a bassin» de l’Ante-
rique du Sud. Mortillet -Matoriaux, 3mo Annee,
pag. 398.
In der Sierm de San lx>ui» und b«i Mendora sieht man
viel« in den Felsen nusgehöhlte Borken, worin di« Indianer
Stirnen, Kröcht« und vielleicht auch Erze zerrieben.
Pellegrino Strobel. Age de la pierro dans la
Republique Argentine. Mortillet-Materiaux, 3ra*
Annee, pag. 394.
Steinäxte, Pfeilspitzen , Scherben in den Sandhügeln bei
Buenos- Ayr**, die zwei verschiedenen Epochen zugeschrieben
werden.
F. Thioly. Une nou volle Station de Tage du Renne
dans les environa de Geneve. — Revue Savoi-
sienne, Nr. 1, 20 Janv. 1868.
Anzeige einer von A. Favre entdeckten und vom Ver-
fasser weiter Ausgebeuteten Station bei Veyries am Fu»w
des Saleve.
F. Thioly. L'epoque du Renne au pied du Mont
Saleve. Annecy 1868, 15 S., 1 Tafel.
Höchst interessanter Fund, der sich dem von Schüssen-
ried an die Seite stellt, («rosse, vom Saleve abgestürzte
Frlsmassen haben bei Veyries ein« Höhle gebildet , in die
man hinein kriechen musste und die nach der Rennthier-
Periode dun h neue Felsstürze überdeckt und so intne t er-
halten wnrde. Professor A. Favre von Genf fand dort
neuerdings Kirselwaflfen und Knochen. — Thioly ver-
folgt« den Fund weiter und fand bi* jetzt fast Alles, wa*
in den Höhlen von Perigord zu Tage gefördert wurde,
Kietelmesser, Kratzsplitter, Pfeilspitzen, Bohrer nebst den
Kernen, von denen sie abgesprengt w urden, Mei*«el, Ahlen,
Nadeln, Glätter von Rennthierhorn und einen am Ende
durchbohrten Commandostab , der auf der einen Seit« eine
Prtanzenzcirhnung (Farrenkrautllatt?), auf der anderen die
eines Steinbocks oder vielleicht der Antilope Saiga trägt.
Ferner viele zum Aufhängen durchbohrte Schalen von einer
Art Peetuneulu» aus dem Mittelmcer. Unter wenigen, ihm
von Favre zugesandten Knochen erkannte Rutimeyer,
dem eben eine grössere Sammlung zur Untersuchung vor-
licgt: Rennthier, Pferd, Bo« primigeniu-i und uurns?
Hirsch (vielleicht Mrgaceru»), Alpenhase, Kaninchen, Murmel-
thier, Dachs, Schneehuhn.
de Verneuil. Lettre sur le diluvium pre« de Ma-
drid. — Bullet. Soc. geolog. Seance du 15 Avril
1867, 2dc a6rie, Vol. 24, pag. 499.
Aulzählung der Diluvialschichten am Mauzanare» bei
San Isidro, die 18 — 20 Meter Mächtigkeit halten, von oben
nach unten.
1. Sand mit wenigen Rollsteinen, die keine Bänke
bilden.
2. Saud mit Lehmbänken, die tu Backsteinen benutzt
werden. Darin das Skelet eines dem afrikanischen
ähnlichen Elephonten.
3. RolUtrinbank, meistens Granite, Porphyre und
Quarzite, ohne gerollte Feuersteine. ln dieser
wurden die Feuersteinätte gefunden, also unter dem
Elephantenlager.
H. de la Villemarqud. De Torigine des monu-
ment« raegalithiques. — Revue archüologique.
Fevrier 1868, Vol. 17, pag. 147 — 165.
Der Verfasser leitet, nach Sagen, Legenden und alten
Yolksgedichten, deren Text er mittheilt, den Ursprung der
Dolmen, die ohne Zweifel Grabmonumente seien, von den
Gelten, Gaelen, Galliern ab. Andere glauben gerade aua
diesen Texten, welche die Erbauung bald Riesen, bald
Zwergen zuschrciben , nnchweisen zu können, das* die Mo-
numente weit älter sind und den Gaelen ihre Bedeutung
nicht mehr bekannt war.
A. de Zeltner. Note sur les eepultures iedienne«
du IX-partement de Chiriqui (Etat de 1‘unsmfi).
Mortillet-Materiaux, 411— Anne«, pag. 64.
Gräber mit Gegenständen von Gold und Kupfer und vie-
len Stein waflen. G. Zeltner möchte seine in Paris be-
findliche Sammlung verkaufen.
Zucchi. Pisa. Exploration de la grotto de T61a-
mone dun« les M&remmes de la Toacane. — Bul-
letins de la societc» d' Anthropologie de Paris, II.
eerie, II. Vol., S. 299.
Italien.
Francesco Anca. Palaeoethnologia Sjcula. Pa-
lermo, 4°. 15 S., 3 Taf.
Beschreibung mehrerer Höhlen, worunter die wichtigste
die von San Teodore :un Kusse de» Monte Fratello an der
Nordküst«, Provinz Messina. Sicilien zeichnet sich beson-
der* durch zahlreiche Fluwplerdrcste au*, mit welchen
Thieren aber der Mensch nicht zusammen gelebt zu haben
scheint — wohl aber mit Elephanten (E. antiquu», arrae-
niacus) und mit Hyänen.
Bernardino Biondelli. Di una tomba Gallo-Ita-
lica acoperta a Sesto-Calendc aul Ticino. — Me-
ntor. del Istituto Lombardo. Vol. X, 17 S., 2
Taf. Fol.
Au* grossen Rollsteinen aufgeschütteter, im Boden ver-
steckter Grabhügel, worin Urnen mit Kohlen und Aschen,
Dronzchelm und Beinschienen , Eisenach wert, Lanze und
Pfeilspitze und ein Bronzcgefäa* mit Menschen- uud Thler-
tigurrn. Biondelli hält die Dinge für celtisch, Gozza-
dini für etruskisch, Mortillet für nnnlog mit Hall-
stadt.
Digitized by Google
165
Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
Igino Coechi. L’uomo foisilo nell’ Italia centrale,
Studie paleoetnologici. Milano 1867, 4*. 81
pag, 21 Fig., 4 PI.
Schädel in den blauen Mergeln de« Val tl'Amo nahe bei
Are»« im Seitenthale Val Chiana. In denselben Mergeln
wurden gefunden Kohlenatüeke, eine Kieselspitze, Unter-
kiefer vom Pferd, Elcphantenzahn. Der iro Museum von
Floren* befindliche Schädel lag 15 Meter unter der Ober-
fläche. Cocrhi will im Val d’Arno drei Schichtengnippen
unterscheiden. Unterer und oberer Pliocrn und Poatpliocen,
letzter» in vier Stockwerke von unten nach oben gethcilt:
1) Siuswasserbildungen , Torf und Mergel — darin der
MrnM-hen»cliJidel; 2) Wildbachbildungen — Grand und
Sand; 3) StnmiUldungcu — weisser Sand und Anschwem-
mungen; 4) Auswaschungen. Der .Schädel 6elb6t ist nur
eine Schädeldecke, über die ich in meinem Briefe an Ga-
al al di da« NÖtbigc gesagt habe.
O. G. Costa. Relazione intorno agli ossami fos-
aili di C&ssioo et della Melfa. — Rendiconti Ac-
cad. scienz. Napoli.
In der Grotte von Co**.ina Kiese läute mit Knochen von
Hyänen, Elephanten, Nashörnern etc.
Romigio CreBpellani. Relazione intorno a sepol-
cri etruschi di Bazzano. — Monitore di Bologna,
4 Aug. 1867.
Etruskische Gräber.
B. Gastaldi. Intorno ad alcuni foasili del Pie-
monte e della Toscana, Breve nota. — Memor.
Accad. scienze di Torino, Ser. II, Vol. 24.
Lagerung des bekannten Schädels von Mezzana-Corti. —
Höhlenbär in der Grotte von Bosses belMondovi, Thal von
Corsagl»; Ochsenknochen aus dem ächten Diluvium, Kno-
chenbreede von der Ins») Pinnos* aus der Zelt des Höhlen-
bären.
B. Gastaldi« Alcuni dati sulle punte Alpine si-
tuate fra la Levanna ed il Roccia melone. Torino
1868, 49 S.
In der Terramare von Parma finden sich Gefasst aus
granatfährendem Chlorit, der von Saint- Marcel bei Aosts
stammt.
Giovanni Gozzadini. Di alconi sepolcri della
Necropoli Felpinea. Bologna 1868, 16 Holz-
schnitte.
Etruskische Gräber.
G. Niccolucci. Sopra altre arrni ed UBtensili in
pietra dura rinvenuti nell’ Italia Meridionale. —
Rendiconti Accad. scienz. di Napoli. Juli 1867.
Steinwasen fast aus allen Provinzen Neapel», die «er-
streut im Boden gefunden wurden.
Giuseppe Ponzi. Sui manufatti in focaja rinve-
nuti all* Inviolatella nella Campagna Romana e
Bull’ uomo all1 epoca della pietra. — Atti Accad.
de’ nuovi Lincei, Vol 20, 14 S., 1 Taf.
Beschreibung des Fundorte» bei Rom.
Giuseppe Ponzi. Sulle tombe preiatoriche rin«
venute presse Cautalupo Mandela sulla via Vale-
rie- — Atti Acad. dei nuovi Lincei, Vol. 21,
März 1867.
Gräber aus der Pfahlbantenieit mit Hinfc..hknochen.
Ponzi fragt, ob auch Rrnnthicr? Ich glaube: Nein.
Giusoppo Ponzi. Sugl’ istromenti in pietra focaja
rinvenuti nelle cave di breccie preeso Roma ci-
feribili all’ industria primitiia. — Atti Accad.
dej nuovi Lincei, Vol 20, 8 März 1866, 3 S.,
1 Tafel.
Kicselwaifeu von Ponte Molle.
Giovanni Ramorino. Sopra le caverne di Ligu-
ria e specialmente sopra una recentemente sco-
perta a Verezzi preeso Finale. — Mein. Accad.
scienze. Torino, Ser. II% Vol. 24.
Zwei getrennte Schichten; in der unteren Höhlenbär
und Hyäne , mit Mensch , drei Hirscharten , Bo* primige-
nius; in der oberen fehlen die grossen Fleischfresser und
sind vorhanden 15 Vogelarten, worunter da« Sehne*- und
Auerhnhn, die obere also der Renntbicrxoit angeborig; das
Kennthicr scheint durch den Damhirsch vertreten.
C. Regnoli. Ricercho Paleoetnologicho nelle Alpi
Apuane. Pisa 1867 , 38 S. mit 14 photographi-
schen Tafeln.
Untersuchung von 70 Grotten und Höhlen, von welchen
0 Knochen von Thleren und Menschen oder Instrumente
bergen, dir nnderen leer waren.
•
Secchl. Sur la docou verte d’outils en piorre ä si-
lex prts Monticelli. Rome, 6 3.
Bestätigt die Entdeckungen in der Umgegeud von Rom
von Ruseoni.
P. Strobel Tracce del uomo della 6tä della pie-
tra tagliata nel Trentino. Verona 1867, in 18,
14 pag.
P. Strobel. Oggetti dell’ 4t& della pietra levigata
invenuti nella provincia de San Louis nelle Re-
publica Argentina. Parma 1867, 12 S., 1 Taf.
Geschliffene Strinwaflen.
Portugal.
J. P. N. Delgado. Noticia acerca das grutas da
Cesareda. Lissabon 1867, in 4°. 131 S., 37.
Mehrere Höhlen mit Menschenresten. In der grössten,
Ca*a da Moura, zwei Schichten; die unterste, hauptsäch-
lich mit Kaninchen- und Vogrlknochen und mehreren
Fieisclurcsseni, die wahrscheinlich die Knochen zus&mmrn-
schlcppten, enthielt nur wenige rohe Stein- und Knochen-
instrumente mit Kohlen; die oberst« eine Menge von ge-
»cbliüencn Striniiutrumeuten , Toplscherfaen, Pertunculus-
schalen mit Löchern darin, Instrumente von Horn und
eine Pfeilspitze von Kupfer (?). Die Menschenknocheo
(wohl tausend) von jungen Individuen, zerbrochen. Del-
gado schlieast auf Menschenfresserei. Ein ganzer Schädel,
su bdolic hocepbal. Indez rephnlkus = 76,4. — Die an-
dere Grotte, Lapa-I1 uradn, luit einen so engen Zugang, «lass
man durchkriechen muss , enthält viele, vielleicht von
Nagern (?) benagte Menschenk noeben , ebenso die dritte,
Cora-da-Mourn.
Digitized by Google
166
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Carlos Biboiro. Descripfao do terreno quater-
uario dos bacias dos rios Tejo S. Sado. Lisbona
1366, 4°. 166 pag., 29 Fig. im Text, 1 Kart«.
Französische, von Dalhunty besorgt« l’ebersetzung
gegenüber.
Vortreffliche Arbeit. Portugal wird für die Urgeschichte
ausserordentlich wichtig. E s scheinen »ich dort mehr Ab-
lagerungen zu rinden, als in den meisten anderen Ländern.
Verfasser theill die quaternären Schichten in drei Gruppen.
Die unterste Gruppe, aus tbooigen Sandsteinen und Thon,
mit eingesprengten Mergel- und Halbschichten bestehend,
ist deutlich, alter wenig regelmäßig geschichtet und erhebt
»ich im Becken de« Tajo bU zu 8&0 Meter über dem
Meere und tu zu 400 Meter Mächtigkeit. Man hat bi»
jetzt nur im Kalke Ueberreste von SässwauH'nnoUusken
gefunden, keine anderen Versteinerungen, dagegen zahlreiche
Kieseläxte, »eibat in den tiefsten Niveau«. Verfasser hält
dicae Schichten für gleichzeitig mit denen de« Val d’Arno
in Italien, von SU Priest in Frankreich, Fore«t-bcd in Eng-
land. Die mittlere Gruppe besteht au« Gerollen, grob-
und feinkörnigen Sanden, durch ein rothe» Ceinent zu*
soimuengehalten , nur in einzelnen Lappen abgelagert,
»chlecht geschichtet, mit gro««en Findlingsblocken , welche
durch Eisliüsse transportirt «ein müssen, — auch darin
giebt es Spuren des Menschen, aber durchaus keine Ver-
«teincrungen. Die obere Gruppe zeigt alte Strandbildungen,
rothe Thon« von Quellen erzeugt. In dieser oberen Gruppe
finden »ich die menschlichen Stationen und Kjökkenmisd-
dinge» von A reneira- de - Roqurte , Cabe^o-d’Arruda, in
welchen besonder« die Lulraria comprc«6a ata Haupt-
nzbrungimuschei figurirt.
Schweiz.
£. Dosor. L’homme fossile par F. Troyon.
Artikel in der in NcuchAtel erscheinenden Zeitschrift „Le
premier Mars“ vom 27. October 1867, worin der Verfas-
ser da« Troyon '»che Werk bespricht und krittairt.
F. Thioly. Lee habitations l&custres du lac de
Genfcve. — Almanach do 1c Suiss« romande, An-
ne« 1868.
Nachweis von 28 Pfahlbatutationen ira Genfer See —
zwei aus der Steinzeit bei Thonoa und Genf — die übri-
gen au» der Bronzezeit.
Spanien.
A. Mach&do. Deacripcion d« algunaa cavernas de
la Peninsula. 14 S., Madrid 1866.
Amador de los Bios. La arqueologia prehisto-
rica en la real Academia de la Historia. — Re-
vista de bellas arten, 10 Oct. 1867, pag. 20.
Weist verschiedene Fundstätten in Spanien nach.
Buen&ventura Hemandcs SaAahuja. Estudios
sobre el hombre preistorico — la edad de piedra
en Espanna. — Revista de beilas artes, 29 Dec.
1867, pag. 177.
Die Steinwaffen in Spanien könnten wohl, nach dem Ver-
fasser, von HannibaP» HUlfsvölkern stammen.
Vilanova. El hombre foeil. Confereuciaa del Ate-
neo. — Revista de bellas artes, e historioo-ar-
qucologica. Madrid.
In diesem von Tubino herausgegebenen Journal findet
sich ein Ke»um6 der Vorlesungen von Professor Vilanova
über den fossilen Menschen.
Josö Villaamil y Castro. Exploracion de tumu-
Iub en Galicia. — Revista de bellaa artes, 14
Jan. 1868, pag. 209.
Hügelgrab bei Mondonido au» der Eisenzeit.
n.
Anatomie.
Von A. Ecker.
Bouvier. Craniologi« comparü« do Thomm« et des
animaux, a Taide do coupes verticales medianes
du craue 6Uperposees. Bulletins de la societe
d’ Anthropologie de Paris, 20* uerie, Tome II, 3.
551, 1867.
Broca. Sur les proportions relatives des rnembre«
Digitized by Google
167
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
sup&rieurs et de« raembres ioftrieurs che* ins
Negres et les Europeens. Bulletins de la societe
d’Anthropologie de Paris, 2d* serie, Tome II, S.
640, 1867.
Dip Schlösse, zu welchen Broca gelangt, ein«) iltc tol-
lenden: 1) I>ie Länge der oberen Extremität des Neger»
itn Verhältnis» zu der der unteren ist geringer al* beim
Europäer (geringere Affenähnliihkeit). 2) Die Länge
de» Humerus, verglichen mit der de* Femur oder der un-
teren Extremität, i*t geringer heim Neger (abermals
geringere AffenihnKcbk»it). 3) Der Humerus, verglichen
mit dem Radius, i*t beim Neger viel kürzer, als beim Eu-
ropäer (grössere Annäherung zum AtTentypus). 4) Das
l’ebcrmaass der Länge de» Radius des Negers Ut zum
Theil durch die Kürze de» Humerus bedingt, aber nicht
allein. Der Radius des Negers ist, »urh mit der unteren
Extremität verglichen, länger als beim Weis*«. 5) Die
obere Extremität de* Negers zeigt daher zwei entgegen-
gesetzte Charaktere. Während dieselbe sich durch die
Länge des Radius mehr als der Weisse dem Affentypus
nähert, entfernt sie sich wieder mehr hiervon durch die
Kürze des Humerus.
Broca. Ca« singulier de trepanation che« les In-
cas. — Bulletins de la sociutu d* Anthropologie
de Paris, 2d® Serie, Tome II, 1867, S. 403.
Der VertiuMT legt einen alt« Peruaner« hidel vor, an
welchem die Trepanation gemacht worden war und zwar
durch Herausnahme eine* viereckigen Ktiochenxtücks, und
der beweist, diu* bei den alten Peruanern die Chirurgie
ein» ziemlich vorgeschrittene war.
Broca. Fragments de cr&ne humain d'Eguisheim.
— Bulletins de la societe d’Anthropologie de
Paris, 2d* Serie, Tomeil, 1867, S. 129 (s, Archiv,
Bd. II, S. 366).
Stirnbein und rechte* Scheitelbein; dolichncepbal , Arcus
superriliare* sehr stark, Sinus frontale» gm*».
Broca et Thumam. CräncB extraits de Long-
Barrows de la grande Bretagne par M. Thumam.
Mit 3 Figuren in Holzstich. — Bulletins de la
societd dT Anthropologie de Pari», 2dc serie, Tome
H, S. 676, 1867.
Mittlerer Index der 4. Schädel: 66,4.
Busk, G. Description of an Aino skull. Mit 1 Ta-
fel. — Transactions of the Ethnological society
of London. New series, Vol. VI, 1868, S. 109.
Dolicotephol, nahezu orthognath, phenozvg (Joihbog«
in der Verticalanrieht sichtbar).
Cartor Blake. On certain skulls frorn round bar-
rowg in Dorsetshire. — Journal of the Antbro-
pological society of London, Vol. V, 1867, 8. 126.
Di» Arbeit wird ausführlich in den „Memoire* der Ge-
«eiUchaii erscheinen.
Crawfurd, John. On the Classification of the raoes
of man according to the form of the skull. —
Transactiuns of the Ethnological society of Lon-
don. New series, Vol. VI, 1868, S. 127.
Gegen die Bedeutung, die man der Schiidelform als unter-
scheidendem Merkmal der Raceu beigelegt hat.
Crawfurd, John. On the Skin, the Hair and the
Eyes, as Tests of the Races of Man, ibid. 144.
Gegenbaur. Ueber die Drehung des Humerus. Mit
1 Tafel. Abdruck aus der Jenaischen Zeitschrift,
Bd. IV, Heft 1.
Der Humerus des Menschen erscheint, wie bekannt, um
»eine Axe gedreht. Ch. Martins hat (Annal. de »c.-nat.
Zoolog., »erie IV, Tome 8, 1857, pag. 45) auf di» Wich-
tigkeit dieser Drehnng für die Vergleichung der oberen
und unteren Extremität und anf ihr sehr allgemeine* Vor-
kommen bei Wirbel thieren aufmerksam gemacht. Lucae
und Welcher (dieses Archiv, Bd. I, S. 273) haben ge-
funden, da** die Stellung des distalen zum proiimalen Ende
de* Humerus, welche eben eine Folge dieser Drehung ist,
beim Neger eine andere sei als beim Europäer. Gegen-
baur misst nun zunächst die normale Toreiou beim Euro-
päer und findet den Tor*ion*winkel (Sit venia verbo) im
Mittel von 38 Fällen ss 12®. Im fötalen und ersten
Kindesalter ist er bedeutend grösser (42® im Mittel von
19 Fällen). Daraus ergiebt »ich, das» die Torsion eine
wirkliche Wachsthumserscheinung ist. Der bleibende Zu-
stand de* Negers entspricht einem vorübergebenden beim
Europäer.
Gervais. Recherche« sur l'anciennetä de l'homme
et la periode quaternaire. Paris 1867, 40.
Beschreibt und bildet ab eine Schädeldecke, die 1867 in
einem Grabe bei Crespy anfgefunden wurde und die
der Neanderlhaler »ehr ähnlich sein soll. Siehe Mortil-
let-Matörlnux, 1867, Nr. 11 und 12, S. 458, Fig. 98.
Guerlain. Sur Fensellure lombo-aacree des femmes
de Boulogne. — Bulletins de la soeiät^ d’ Anthro-
pologie de Paris, 2*® serie, Tome II, 1867, 8. 105.
D»r Verfasser spricht sich gegen die Ansicht von Du-
chenne und Lagneau (siehe Archiv, Bd. II, S. 399)
aus, dass die starke Lendeneinbiegung und Becken neigung
der Frauen von Boulogne ein ethnischer Charakter sei. Ea
komme dieselbe bei Frauen jedweder Abstammung vor und
habe eine reiu mechanische Ursache, da* Tragen schwerer
Lasten und die »ehr steilen Wege, finde «ich daher vor-
zugsweise bei den Frauen der SchilTleule.
Hamy. Description d’un crane de foetus micro-
ccphale avec Deformation intrauterine. — Bulle-
tins de la societe d’Anthropologie de Paris, 2d*
s4rie, Tome II, S. 507, 1867.
Schädel eine* mit mehrfachen Missbildungen behafteten
neugebornen Kinde*, sehr klein, ganz asymmetrisch, mit
theilweise verknöcherten Suturen, einer acceasorisrhen Fon-
tanelle in der Sagittalnabt etc.
Jaoquart. Observations sur le rapport de M. Al ix
au sujet d’un memoire de M. Jacqu&rt intitule:
de la valeur de l’oe «pacta). — Bulletins de la
societe d’Anthropologie de Paris, 2d* serie, Tome
Ut S. 595, 1867.
Polemisches gegen Alix.
Kopemicki. Description d’un nouveau cr&nio-
graphe; etude eräniographique des races. Mit Ab-
bildungen. — Bulletins de la societe d’Anthro-
pologie de Paris, 2^ serie, Tome II, S. 559, 1867.
Der Apparat Ut nach der Idee des Huschke’schen ver-
fertigt und besteht aus zwei aufeinander gelegten Rahmen
von Kupfer, zwischen welchen 140 Stahlnodeln verschieb-
bar sich befinden. Berühren dieselben die Schidelcontu-
ren, so werden sie durch Annäherung der beiden Rahm«
vermittelst Schrauben in ihrer Lage tixirt.
Llotard. Note sur la mesure du prognathisme de
la face, & l'aide du triangle facial (procedc de la
Digitized by Google
168 Yerzeichnisa der anthropologischen Literatur.
double 6querre). — Bolletiue de la ßociete d’An-
thropologie do Paris, 2de Serie, Tome II, 1867t
S. 127.
Mouat , F. J. A few notes on some Skulls of the
Hill Tribea of Iudia. — Trausaclions of the Eth-
nological societv of Loodou. New series, VoL VI,
1868, S. 42.
Unter diesem Namen pflegt man eine Anzahl in gebirgi-
gen (regenden isolirt lebende Stämme zu verstehen , von
denen uian insgemein anniment, da** sie Ureinwohner de*
Landes seien. Mau hat sie auch, im Gegensatz zu der
übrigen (arischen) Bevölkerung Indiens, turunische genannt.
Sie »Ind von dem Volk der Ebene, den Hindu«, in viel-
facher Beziehung verschieden. Während man aber ihre
Sprache, Sitten etc. genau «tudirt hat, ist deren Kraniolo*
gie soviel wie unbekannt, Verfasser hatte Gelegenheit,
eine Anzahl von Schädeln dieser Stimme zu untersuchen,
nämlich 1) drei Schädel von Singbboom in der Colehan-
oder Ho -Gegend, dem Centrum obgenannter Stämme; 2)
zwei Schädel von Mishmces von Assam; 3) einen Schä-
del eines Manne« ans Khondistaa, und 4) den eines Be-
wohners der Insel Streehareccott« an der < \>romandel-
Küstr. Verfasser theilt die Maaxsv dieser Schädel mit und
findet, dass sie darnach in zwei differente Grupjwn zerfal-
len; die eine, umfassend Nr. 1, 3 und 4, zeigt die Hin-
dufonn (klein, dolirhoeephal), die andere (Nr. 2, Mishiuee«)
die mongolische Form (gross, brachrcephal , Gesicht breit,
flach). Die kraniologUrhe Untersuchung unterstützt daher
die allgemeine Annahme, dass alle diese Stämme turani-
schen Ursprungs seien, keineswegs.
Nicolucci , P. Süll’ anthropologia dcllu Grtcia.
G 5 tav. Napoli 1867, 4°.
Pruner-Bey. Critnes de Matt stall (Aleace). —
Bulletin? de la societü d'Antliropologie de Paria,
2d« aerie, Tome II, 1867, S. 433.
Süddeutsche brachjrcephale Schädel. Zeit unbestimmt.
Pruner-Bey. Sur uu eräno humain trouve dang
le postpliocene de la vallee d’Arno. — Bulletina
de la aoeiete d’Anthropologie de Paria, 2de serie,
Tome II, S. 673, 1867.
Der Schädel, in ganz unberührten «Schichten von Cocchi
in Florenz gefunden [nach der Angabe de» Autor» brachy-
«ephnl (Index H6,4)], ist, wie ßruca aus der Abbildung
nuchweist, dolk-hoiv-phal. (Länge 188 Millimeter, Breite
144 Millimeter, Indes 72,72.)
Pruner-Bey. Sur lea osgementa de Yaureal, ibid.
S. 680.
In der inegahl bischen Grabstätte von Vaureai (Seine-et-
Oise), welche Dr. Caix de Saint-Aymour (ibid. 6Ä4)
beschrieben, fanden sich Schädel von der vom Verfasser
als mongoloid, sowie von der von ihm als arisch (celtisch)
bezeic Kneten Form nebst einer dritten Leihe, die weder
der einen noch der anderen Form angehörten.
Pruner-Bey. Ancien ernne d’Ardecbe. — Bulle-
tin« de la gocietä d’Antliropologie de Paria, 2d*
Herie, Tome II, S. 555, 1867.
Nach dem Verf. Celtisch, mit ibero-ligurUcher Beimischung.
Pruner-Bey. L’Anthropologie n l’expositiun uni-
verselle. — Bulletins de la societe d’Anthropolo-
gie do Paria, 2d® Serie, Tome II, 1867, S. 401.
Macht darauf aufmerksam, dass nn zwei w eiblichen austra-
lischen Schädeln der erste grosse Backzahn des Unter-
kiefer» kleiner «ei als der zweite (AtfencUarakter).
Pruner-Bey. Sur leg caracteres du crane basque.
— Bulletins de la aoeiote d’Anthropologie de
Paria, 2'1® Serie, Tome II, 1867, S. 10.
Bekanntlich hat Broca narhgewiesen , du« die Schädel
der Ba«ken dolichocephal »ind, und damit die Ansicht von
Ketxiuo widerlegt, «las* dieses Volk den Rest einer tura-
nischen (brachyccphnJen) Urbevölkerung sei. Pruner-
Bey will nun gefunden haben, das* die Basken*chädel zwei
differente Formen aufweisen. Die ein« Form sei brachy-
cephal (Index 80), das Gesicht dreieckig; die andere doli*
chocephal (Index 75 — 71), das Gesicht schmal. Die erstere
nennt er mongoloid und betrachtet sie als „iberisch“, die
letztere («riech«) als „celtisch“. Diese letztere überwiege
über die erster«. — Bei der daran geknüpften Discu»sion
vertheidigt Broca seine Anschauung, giebt aber die Exi-
stenz abweichender Formen zu; denn wo finde «ich eine
reine Race? Bei den Baaken, di« .Schiflahrt trieben, konn-
ten solche fremden Formen um so leichter eingeführt wer-
den. Die eingeborene Race aber sei die in der Majorität
vorhandene dolic hocephale , die ihre alte Sprache bewahrt
habe.
Pruner-Bey. Dcacription d’uu crime de Ghiliak
et not« sur les Ghiliaks. — Bulletina de la so-
cietu d’Anthropologie de Paris, 2dc Serie, Tome
II, 1867, S. 571.
Ghiliaks, ein nomadischer Stamm am rechten Ufer des
Amur, der vom Fischfang lebt. Pruner-Bey beschreibt
den Schädel genauer und findet, dass er einen Uebergiuig
bilde zwischen dem mongolischen Schädel und dem der Be-
wohner dt» Nordens von Amerika.
Sander. Beschreibung zweier Microcephalen-Ge-
hirno mit einigen Bemerkungen. Mit 2 Tafeln.
(Separatabdruck aus Griesingers Archiv für Psy-
chiatrie, 1867.)
1) Da» etwas über 5 Mouate alte Kind einer mit 14*/j
Jahren schwanger gewordenen Mutter wurde HO Stunden
p. m. obducirt. Das Kind hot in seinem Aeusscren ganz
das Bild des »«genannten Aztekentypu* dar. Schädel
auffallend klein , länglich , von den Seiten her zusammen-
gedrückt, vollkommen verknöchert , die Fontanellen völlig
geschlossen (Nähte deutlich durchfühtbar). Das Gehirn,
das leider nur mit schlimmen Verletzungen au« dem Schä-
del herausgenomrnen werden konnte, nicht ganz 170 Gnu.
schwer. Die Windungen breit und plnmp, Suki wenig
tief, Nehcnwindungrn kaum vorhanden. Klappdeckel klein,
vordere Begrenzung der Kom« Svlvii von der dritten
Slirawindung gebildet. Windungen des Lob. orbitali* we-
nig ausgebildet. In Betreff des Stebbeinschnabeis Wnierkt
Sander, das« er sicher aturk ausgebildet, aui gehärteten
Gehirn alter nicht mehr zu sehen war. Einen solchen will
übrigens Verfasser auch bei Scctionen von Europäern, deren
Gehirn sonst in jeder Beziehung normal entwickelt war.
sehr stark ansgrbildet gefunden haben. Scblifenlappen
gross, Hinterlnpprn klein.
2) Daran schließt Verfasser die Beschreibung des Ge-
hirn* des bekannten Microeephftlen Friedrich Sohn (vgl.
Vogt, diese« Archiv, VoL U, Taf. X), welche* im Berliner
nnntoto. Museum aufbewahrt i«t, und wendet sich dann xu
einer Kritik der von Vogt für die Annäherung de* Micr«-
repbnlcngehirn* an das Affcngehirn vorgebraehten Gründe.
Von diesem giebt er die stärkere Entwickelung de» SiebWin-
itchnabel» zu, betont jedoch da» schon vorhin erwähnte
häufige Vorkommen von Uchcrgängon. Da*« bei den Alfen
and Microcephalen der gemeinschaftliche Stamm der Fosaa
sylvii ronstant fehle, die«« daher anstatt Y förmig, wie
beim normalen Menschen. V förmig sei, bestreitet der Ver-
fasser. Besonders alter hebt Sander gegen Vogt die
Verkümmerung der Lob. oedpitalea hervor und behauptet.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 169
dieser habe auf Taf. X »einer Tafeln mit D einen Theil
des Ccrebcllum als Lohn» ocdpitalU bezeichnet, eine Be-
hauptung, die, wenn richtig, allerdings zu doppelter Vor-
sicht bei auMchlleMlicher Benutzung von Schüdelausgüssen
mahnt 1). Die Ähnlichkeit des Microccpbaleogthirns mit dem
Affen gehiru halt der Verfasser für eine unbewiesene An-
nahme, die nur auf den äusseren Scheie begründet sei, er
sieht in erstercm ein fehlerhaft entwickelte» Menxchen-
gehirn, dessen BUdungsgesetz erst noch Aufzusuchen.
Thurnam. Further researches and obeervations
on tbe two principal forma of ancient british
Sknlla. — Journal of tho Anthropol. society of
London, Vol. V, 1867, S. 124.
Diese Arbeit, welche durch neues Material die früheren
Angaben des Verfassers (siebe dieses Archiv, Bd. I, S. 281)
bestätigt, wird auifährlich in den „Memolr*“ der anthro-
pologischen Gesellschaft von London erscheinen.
Weisbach. Die Schädelform der Rumänen. —
Sitzungsb. der k. Akad. der Wissensch. in Wien,
mathem-naturw. CI., 1868, Nr. XI, S. 91.
Die Schädel sind bnchvcephal (Index 82), hoch, mit klei-
nerer Höhle als die meisten übrigen österreichisches Völ-
ker. Vorderhaupt in »ngitUler Richtung stark gewölbt,
Hinterhaupt breit, hoch, in jeder Richtung flach, Schädel-
basis breit, gross. Gesiebt niedrig, aber breit, ortbognath.
m.
Ethnographie und Reisen.
(Von Friedr. von Hellwald und Dr. B .)
Allgemeines.
Clark, Hyde. On the propagation of mining and
metallurgy. — Transactions of the ethnological
society of London. New series, Vol. VI, S. 123,
1868.
Crawfurd. On the history and migration of cul-
tivated plante uaed aa condiments. — Transac-
tions of the ethnologieal society of London. New
Beries, Vol. VI, S. 188, 1868.
Crawfurd. On the migration of cultivated plante
in referencc to Ethnology. Sacchariferous plante.
Ibid. S. 318.
Crawfurd. On the migration of cultivated plante
in reference to Ethnology. Articles of food.
Ibid. 8. 178.
Delboy, M. P. A Rapport eur l’homme et la na-
tu re au point de vue de TEthnographie. Acteg
de la societe de VEthnographie (Vol. I, part VI),
1867.
*) Mach ciuer eben vorgeaommcncD Vergleichung der Ab-
bildung von Vogt, derjenigen von Sander und de* Schadet»
Ausgusses möchte ich aber dennoch mehr der Vogt’ schm
Deutung des Lappens D beistimmen. E.
Archiv für Anthropologie- Bi tll. Heft II.
Dünn, R. Archaeology and Ethnology. Remark*
on soene of tho beariug» of Archaeology on cer»
tain ethnological problems and researches. —
Traneactions of the ethnological society of Lon-
don. New seriea, Vol. V, S. 305, 1867.
Maly, Jacob. Xaxorny Atlas. Narodo-a dejepis.
— (Uebersichtlicher Atlas. Ethnographie und
Geschichte.) Prag 1867, quer 4°. 48 Tafeln mit
184 S. Text.
Pauli, Carl. Ueher die Benennung der Körper-
theile hei den Indogermanen. Berlin 1867, 4*.
Simon in, L. Los pays lointains. Notes de voyage.
La Californie, Maurice, Aden, Madagascar. Paris
1867, 18®. 367 S.
Whitnoy, Prof. The valuc of linguistic Science to
Ethnology. New Engländer (Quarterly), Januar v
1867.
Wiberg, C. P. Der Einfluss der elastischen Völ-
ker auf den Norden durch den Handelsverkehr.
Aus dem Schwedischen übersetzt von J. Mestorf.
Hamburg 1867, 8°.
22
Digitized by Google
170
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Europa.
(Von P. v. HoUw&ld.)
▲dolphi, Pr. Eine Hochzeit im Bremenschen.
(We8termann’a Monatshefte, N. F. Nr. 36, Sep-
tember 1667.)
Anstod, Prof. A fortnight in Coreica. (Belgravia,
November 1867.)
Bidermann, Horm. Ign. Die ungarischen Ruthe-
nen, ihr Wohngebiet, ihr Erwerb und ihre Ge-
schichte. Innsbruck 1867, 8°. Th. II.
Blatenaky, Jan. Obrazky z Ruska. (Bilder aus
Russland.). Böhm. Prag, B. Styblo, 1868, 8°.
78 S.
Enthalt: I. Allgemein« Betrachtungen über Russland.
II. Petersburg, Blick auf die Stadt und deren Bewohner.
III. I>ie Kewa. IV. Winter in Petersburg. V. Russische
üebethäuser. VI. Griecbiech- russische Liturgie.
Bogisic, Balth. (Das slavische Museum. Gedan-
ken über die Nothwendigkeit eines wissenschaft-
lichen Centralinstitutes für alle slavischen Völ-
ker.) Serbisch. Neusatz 1867, 8°. 69 S.
Der Vertaner leugnet, dass in politischer und religiöser
Beziehung eine Einheit der alarbchen Stimme erzielt wer-
den könne; im wissenschaftlichen Gebiete allein sei eine
solche möglich, und zwar schlägt er als Vermittler dieser
Bestrebungen die Errichtung eine* Natjonal-Museums nach
dem Muster des Nürnberger gennaniM-beu Museums vor;
die ethnographische Abtheilung dieses Museums denkt aich
aber der Verfasser viel ausgedehnter als es in Nürnberg
der Falt ist, und wünscht namentlich in diesem, als dein
lehrreichsten und einem der wichtigsten Fächer, eine mög-
lichste Vollkommenheit angestrebt zu sehen.
Boner , Ch. Siebenbürgen. Land und Lente.
Deutsche, vom Verfasaer autorisirte Ausgabe.
Leipzig 1867, 8°.
Jenen, welche sirh für die (Mvölker Europas interessi-
ren, ist noch das Aufsehen erinnerlich, welches de* Eng-
länders Boner Buch unter dem Titel: Transjlvania, its
production and its peoplc, London 1865, hervorrief. Das-
selbe liegt uns nunmehr in getreuer deutscher Uebcr-
setzung vor. Wir begnügen uns hier darauf hinzuweisen,
dass Boner den merkwürdigen ethnographischen Eigen-
tümlichkeiten Siebenbürgens und seiner gemischten Ein-
wohnerschaft ein sorgfältiges Augenmerk widmete.
Beidel. Glossaire du patois de la Suizse romaude,
publie par L. Favrat. BlU© 1867, 8°. Ö44 pag.
Campbell. Notos on the stature of the Lapps. —
Transact. of the ethnological society of London.
New series, Vol. V, S. 1, 1867.
Crawford. On Caesar« account of Britain and ita
Inhabitant» in reference to Ethnology. — TranB-
actions of the Ethnological society of London.
New series, Vol. V, S. 202, 1867.
Daily. Sur les Cagoto des Pyrenäes. — Bulletins
de la societ« d' Anthropologie de Paris, 2^* Serie,
Tome II, 1867, 8. 111.
Das Wesen dieser „rngots“, eine* VolkMammes, den
m«m bald für eine besondere Boot (Abkömmlinge der Go-
then), bald für eine pathologische (cretinartigel Menschen-
form gehalten, ist noch nicht genügend aufgeklärt. Ver-
fasser fordert, da sie an Zahl sehr abnehmen und vielleicht
auch, was bisher seilen geschah, sich mit ihren Nachbaren
vermischen, zu neueu Untersuchungen insbesondere auch
der Schädel auf. Vergl. auch Bulletins 1861, 8. 401. E.
Diez, C. Les Germains. Etüde* sur les origines
de la nation et de la litterature allemande. An-
gers et Paris 1867, 8°. 73 pag. — (Extrait des
Memoire» de la societd Academique de Maine et
Loire.)
Droschor, Rudolf. Rockeng&nge, Lichtenabende
und der Andreasabend in Schlesien. — (Globus,
Bd. XII, 1867, S. 281 — 283.)
Kurze, aber anziehende Darstellung mit Berücksichtigung
des mundartlichen Elementes.
Drescher, Rudolf. Kirchmessfeier untor den deut-
schen schlesischen Bauern. (Schlesisches Provin-
zialblatt, herausgegebeu von Th. Oelsner. Neue
Folge, Jahrgang VI, 1867, August.)
Drescher, Rudolf. Die Sagen vom Nachtjiger in
Schlesien. (Globus, Bd. XIII, 1868, Heft IV, S.
112—114.)
Duchinaki. Introduction 4 l’ethnologie des peu-
ples ranges au norabre des Slave». — Bulletins
de la societo d’ Anthropologie de Paris, 2d* serie,
Tome II, 1867, S. 271.
Edward, Catherine, Mrs. (born Grant). Missio-
nary life among the jews in Moldavia, Galicia
and Sileeia. Memoirs and letters. With a pre-
face by A. Moody Stuart. London, Hamilton
and Adams, 1867, 8°. XVI und 319 pag.
Engelien, A., und Lahn, W. Der Volksmund in
der Provinz Brandenburg. Sagen , Märchen,
Spiele, Sprichwörter und Gebräuche. Berlin,
W. Schultze, 1868, 8« Bd. I.
Erbreioh, E. Oberschlesische Volkslieder. (Schle-
sisches Provinzialblatt von Oelsner. Neue Folge,
Jahrgang VI, 1867, August)
Frisch, C. J. Die Lappmarken Schwedens oder
Lappland. (Globus, Bd. XII, S. 107—110.)
In diesem interessanten Aufsätze wird nebst der Be-
schaffenheit und dem Klima de* Lande* die Abnahme der
U rein geborenen sowie der Fortschritt der schwedischen An-
siedler ausführlich besprochen; zum Schlüße folgen lesens-
wert he Mitteilungen über da* Brot und dessen Surrogate
in Lappland.
GabelenU, A. von dor. Skizzen aus Siebenbür-
gen. (Globus, Bd. XII, S. 209— 211, 234—236.)
Mit Bezugnahme auf Boner1* bekannte« Buch, lebhaft
und antuuthig geschrieben.
Garcin , Eugcno. Les Franr-ais du Nord et du
Midi. Paris, Didier, 1868, 8°. XV et 483 pag.
Digitized by Google
Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 171
Heller, B. Zivot ua Rusi. (Leben in Russland.)
Böhm. Prag 1868, 8». 260 S.
Hildebrand, H. O. H. Lifvet pi» Island ander sa-
gotiden. Stockholm 1867, 8°. 159 pag.
Hjaltalin. On the civil Nation of the first icelandic
colooists, with a short account of some of their
männere and customs. — Transactions of the
ethnological society of London. New series, Vol.
VI, S. 176, 1868.
Howorth. On the origines of the Norfemen. — %
Transactions of the ethnological society of Lon-
don. New seriee, Vol. VI, S. 342, 1868.
Knox. On the oeltic race. Anthropological review.
London 1868, VoL VI, S. 175.
Koehler, J. A. E. Volksbraach, Aberglauben,
Sagen und andere Ueberlieferungen im Voigt-
lande, in BerQcksichtignng des Orlagaues und
des Pleissnerlandes. Leipzig 1867, 8°. VII und
652 S.
Kok, J. Det danske Folkesprog i Sonderjylland
forklaret af Oldnordisk, Gammeldansk og de ny-
nordiske Sprog og Sprogarter. Stockholm 1 867,
8°. 524 pag.
Kutzen , J. Das deutsche Land. Seine Natur in
ihren charakteristischen Zügen und sein Einfluss
auf Geschichte und Leben der Menschen. Bree-
lau, Ford. Hirt, 1867, 8°. 2 Bde.
Lagnoau und Pruner-Boy. Sur l’ethnologie des
peuples iberiens. — Bulletins de la societe dT An-
thropologie de Paris, 2do serie, Tome II, 1867,
S. 146.
Lagneau. Sur Tanthropologie de la France. —
Bulletins de la soctätä d’Anthropologie de Paris,
2d* Serie, Tome II, 1867, S. 389.
Leclercq, N. J. Coutumes des pays duche de Lu-
xembourg et comte de Chiny. Bruxelles, Gob-
baerta, 1867, 4°. Vol. I, VII et 481 pag.
Lotst, A. Schilderungen aus dem serbischen Volks-
leben. — (Globus, Bd. XII, S. 147 — 149, 181 —
184.)
Lüsten bergor. Der heilige Viehhirt Wendelin und
eeine Verehrung beim Hirtenvolk der Urschweiz.
— (Kat hol. Schweizer Blitter für christl. Wib-
sensch. und Kunst, 1867, Nr. 7.)
Mackenzie, G., Muir and Irby, A. P. The Türke,
the Greeks and the Slavons. Travels in the sla-
vonic provinces of Turkey in Europe. London,
Bell and Daldy, 1867, 8°. XXXII and 687 pag.
Makuachow, W. Die Slaven der Donau und des
adriatißcheu Meeres. Statistisch-ethnographisch-
goschichtliche Untersuchungen. (In russischer
Sprache.) St. Petersburg 1867, 8°. 308 S.
Mannhardt, Wilhelm. Kornd&monen. Beitrag
zur deutschen Sittenkunde. Berlin 1868, 8®.
48 S.
Martina, Ch. Von Spitzbergen zur Sahara. Sta-
tionen eines Naturforschers in Spitzbergen, Lapp-
land, Schottland, der Schweiz, Frankreich, Ita-
lien, dem Orient, Aegypten and Algerien. Aus
dem Franz, von Bartels, mit Vorwort von Carl
Vogt, 2 Bde., Jena 1868.
Maurer, Franz. Einiges über die Bulgaren. —
Ausland, 1867, Nr. 39, 40, 41.
Mills, L. E. Glimpses on Southern France aud
Spain. Cincinnati 1867, 16°. 160 S.
Outondirk, Frans. La Turquie. Paria, Ad.Laine,
1867, 8°. 424 pag.
Besonders wichtig ist Abtheilung II: Geographie, Ethno-
graphie et statistii|ue (pag. 61 — 260).
Papadaki. E. Die Insel Candia. Einige Notizen
über ihre geographische, historische und gegen-
wärtige Lage. St. Petersburg 1867, 8°. 87 S.
Mit 1 Karte.
Pichler, Ad. Streifzüge in den Alpen Tirols. —
(Ausland 1867, Nr. 46, 48, 49.)
Obwohl vorwiegend touristischen Inhaltes, doch interes-
sante Streiflichter auf Sitten und Anschauungen Je* Vol-
kes werfend. Die Aufsätze sind, wie alle au» der Feder
de» bekannten Autors, mit Humor gewürzt und in der
Form vollendet.
(Pogatschnigg , Vinoenz.) Ernte bräuche (aus
Kärnten von V. P.) (Carinthia 1867, Heft X,
& 437—442).
Rittmanu, Alex. Die Cultur- Krankheiten der Völ-
ker. Brünn 1867, 8« 127 S.
Rochholz, Ernst Ludwig. Deutscher Glaube und
Brauch im Spiegel der heidnischen Vorzeit Ber-
lin, Ferd. Dümmler, 1867, 8°. 2 Bde. Mit Sep.
Tit.: Band 1. Deutscher Unstcrblichkoitsglaube.
Band 2. Altdeutsches Bürger leben.
Siehe ausführliche Besprechung in der „ Allgemeinen Zei-
tung1“ NTr. 92 Beilage (1. April 1868).
Roskiewicz, J. Studien über Bosnien und die
Herzegovina. Leipzig 1868, 8°. 438 S., 1 Karte.
In diesem von der Kritik vielfach — und wie un»
dünkt — ungerechter Weise angefeindeten Werke rindet
der Ethnograph manches Neue und Interessante. Der Ver-
fasser hatte gegenbtor Vieler seiner Angreifer, beispiels-
weise Herrn Franz Kunitz in Wie«, den Vortheil vor-
aus, der Landessprache vollständig mächtig zu sein, wo-
durch er in der Lage war schärfer beobachten zu können.
Wären die „Studien“ weniger trocken geschrieben, sie wür-
den ob ihres reichen, völksschilderuden Inhaltes zweifels-
ohne ihren Weg machen, denn der Autor hat die 15 M«-
uate seines Aufenthaltes in jenen wenig besuchten Gegen-
den wahrlich nicht unbenutzt verstreichen lausen. Eine
unpart heii »che Besprechung des Buches eiehe in P et er-
mann*» Mittheilungen, 1H68, Heft III, S. 109. Unsere
eigenen Ansichten auch über den nicht hierher gehörigen
geographischen Werth des Werke» haben wir in einer aus-
22*
Digitized by Google
172 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
tuhrifchen Recension in der „ALl£. Zeitung“ vom 22. und
23. Mürz 1368 (Nr. 82 Beilage und Nr. 83) niedergclegt.
Schmidt- Weissenfols. Frankreich und die Fran-
zosen. Berlin 1868, 8*.
Schueck, M. Vurt land och folk. Skildring af
S vorige« natur och innebyggare. Delen III, Gö-
taland. Stockholm 1867, 8°. 168 S.
Simon y, Friedrich. Ein olx-rösterreiehischer Sa-
linenort. Ein Beitrag zur Kunde von Land und
Leuten. — (Oesterr. Revue, 1867, Heft IX.)
Stuart. The Ylakbe of mount Pindus. — Trana-
actions of the ethnological society of London.
New serie«, Vol. VI, S. 311, 1868.
Stuhlmann, C. W. B Unterirdische u in den meck-
lenburgischen Hünengräbern. — (Globtt«, Bd.
XIII, lieft 3, S. 94—95.)
Toeppen, M. Aberglauben aus Masuren. Königs-
berg 1867, 8®. 106 S.
Nicht im Handel.
Volckmar, K. Zur Stammes- und Sagongeschichte
der Friesen und Chaukcn. Aurich 1867, 8°.
, Weatropp, Hodder. Notes on Italian Leits. —
Transactions of the ethnological society of Lon-
don. New series, VToL V, S. 216, 1867.
Asien.
(Von Dr. B ♦)
Adams. Wunderings of-a uat uralist in India. Edin-
burg, Edmonatone and Bouglaa, 1867.
Ainoa. Deux mois chez les aauvagea Aino«. (Ar-
chipel des Kourilea.) — Revue Orientale Nr. 58,
186.
Bastian, Dr. A. Reise durch Karabo^ja nach Co-
chincbina. Die Völker de« östlichen Asien. Sta-
dien und Reisen. 4. Band, Jena 1868.
Mittheilungen über die kürzlich wieder »ufgefundenen
Teia|t«l und Kuinen»tädte de« alten Catnbodu.
Becker. Reise in der Kirgisensteppc. — Bulletin
de la hoc. imperiale des Naturalistea de Moscou,
1868, S. 163.
Beicher. Notes on the Andaman Islands. — Trans-
actions of the ethnological society of London.
New aeries, Vol. V, 1867, S. 40.
Benett. Rough notes of a visit to Daba in Thibet
— Proceedinga of the Royal geographical society,
London, Vol. X, 186.
Bentheim. Reiseskizzen aus dem ostasiatischen
Archipel. — Rifitter für lit. Unterhaltung, 1867.
Bevolking van Java en Madura op bet einde
van 1864. — Tijdschrift vor Xederlandsch In-
die, 1867, II, pag. 311.
Bevolking en indeolingstaat van Java en Ma-
dura, volgens officiele opgaven. ’s Gravenhage
1866.
Bickmore. The Ainos or Hairy Men. New Hä-
ven 1868.
Unterscheidet (wie schou Siebold) die Ainos von den
Mongolen, da weder die Augenlider schräg, noch die
Backenknochen herrorstchend seien.
Birlinger, A. Ein Pilgerbüchlein. Reise nach
Jerusalem. — • Archiv für das Studium der neue-
ren Sprachen, XXII. 1867.
Birmanie. La auglaiee. — Rev. Mar. et Col.,
Vol VIII, 1868.
BoutakofT. The Delta and Mouth of the Amu
Darea or Oxus. — Proc. of the Royal geogra-
phica! society, Vol. XI, 1867.
Bullock. Renseignement« aur lea cötes Sud du Ja-
pon. — Anoales hydrogrsphiques 1867, Bd. 30,
S. 59, Paris, Paul Dupont.
Bradshaw. The Indian. Calcutta 1867.
Brown. Notes on Rangoon. — Royal geographi-
ca! society, London 1867, XI.
Chaigneau. Coup d'oeuil sur le royaume Annum.
— Annalea des Voyages. Paria 1867, Juin.
Clement. Tribus Arabes. Le globe, V, 1866.
Annuaire «le la Cochinchine franyaiae pour l’an-
nee 1867 et une carte de la Baase - Cochinchine
(possess, fran^aises). Saigon, impr, imperiale, 1867.
Coliingwood. A boat journey across the northem
end of Formosa. — Proc. of the Royal «oc. of
London, Vol. XI, London 1867.
Coliingwood. Visit to the Kibalan village of San-
o-Bay, North-east coast of Formosa. — Trans-
actious of the ethnological society of London.
New series, Vol. VI, S. 135, 1868.
Coliingwood. Ramblea of a Naturalist on the
shores and watera of the China Sea. London,
Murray, 1868.
Colvill. Land-journev along the shores of the Per-
rian Gulf. — Proc. of tho Royal soc. of London,
Nr. XI, 1867.
Coup d’oeil general sur le royaume An-Nam. —
Nouv. Annal. des Voyages, 1867.
Die Bevölkerung wird «af 20—25 Millionen geschätzt
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 173
und bemerkt, du« die läng» der Flüsse angesiedelten Fa-
milien weit zahlreicher sind als die entfernter wohnenden.
Courcy, de. L’empire du Milieu. Paria 1867.
Schildert die Miaotze als gedrungener im Vergleich zu
den Chinesen, aber mit weniger regelmässigen and eckigen
Formen.
Crawfurd. On the physical and mental characte-
riatics of the Europaean and Asiatic races of
man. — Transactions of the ethnological society
of London, 1867, Vol. V, S. 58.
Crawfurd. On the supposed aborigines of India
as distinguished from its civilized inhabitanta.
— Tranaactiona of the ethnological society of
London. New Berits, Vol. VI, S. 59, 1868.
Crawfurd. On the dissomination of arabian raco
and longnage. — Transact. of the ethnolog. soc.
of London. New acriea, Vol. V, 1867, S. 298.
CulleiL The Darien Indians and Ship Canal. —
Tranaact. of the ethnolog. society of London. New
aeries, Vol. VI, S. 150, 1868.
Dadian. I^i societe armenienne contemporaine.
Paria 1867.
Dalton. The „Kols1* of Chota-Nagpore. — Trans-
action» of the uthnolog. Bociety of London. New
aeries, Vol. VI, 1868, S. 1.
Dass. Rev. Ishuree, Domoatic manners and cu»
stoma of the Hindoos of Northern India. Bena-
res 1866 (2 ed.).
Dennis, N. B. China and Japan. Triibner and
Comp., London 1867.
Devay. Journal d’un voynge de lTnde Anglaise.
Paria, Didot, 1867.
Dickson. Narrative of an overiand trip through
Honan from Canton to Ilankow. — Journal of
the North - China Brauch of the Royal Aaiatic
society. New aeries, Vol. I, Dec. 1864.
Die Drawidischen Völker Indiens. — Petennann’s
Geogr. Mittheilungen, 1867, S. 394.
Duchesne do Bellecour. L etat politique et com-
merciel de la Chine et du Japan. — Revue des
deux mondes, Paris 1867, AoAt.
Edkins , the Rev. S. On the common origin of
Chinese and Mongol language. — Revue Orien-
tale, Nr. 55.
Die»«tn, xhon «eit längerer Zrit in Peking ansässigen
Missionär, der dort Gelegenheit fand, du* Studium des
Mongolische» and Mandschu mit »einer gründlichen KenntnUs
de* Chinesische» zu vereinige», steht die erste Stimme über
die philologisch!*» Beziehungen zu, die weilerr Lichtblick«
*uf die ethnographischen Verhältnisse zu werten versprechen.
Elliot, Sir H. M. Ili«tory of India. as told by
its own hi&torians containing the Muhamerlan
period. Vol. I, Trühnf-r and Comp., London 1867.
Höchst werthvolle Zusammenstellung der geographischen,
ethnographischen und historischen Nachrichten, die »ich
über das alle Indien bei den xnohamedanischen Schrift*
stclIern finden.
Favre. Account of the wild tribe, inhabiting the
Malayan Peninsula. London 1867.
Fonveaux. Lea Ru$ses dans TAaie centrale. —
Revue de« deux mondes, LXVIH, 1867.
Friedei. See- und Strandraub auf den Nikobaren.
Zur Anthropologie der Natnrvölker. — Zeitschrift
der Gesellschaft für Erdkunde, 1868, Band III,
S. 97.
Fytche. On certain aborigines of the Andaman
Island». — Transaetions of the ethnological »o-
ciety of London, Vol. V, 1867, S. 239.
Drei Männer. — Verfasser findet die behauptete A Ähn-
lichkeit mit dem afrikanischen Neger sehr übertrieben.
Der V ordtr kupf ist wohl gebildet, nicht xurlickwwehend,
die Lippen nicht dick und vorstehend, Nasenlöcher kemes-
wegs breit; das Ohr klein und wohlgcbildet. Diu Haar
keineswegs dem Wollhaar des Neger* gleich and offenbar
in getrennten Löckchen wachsend, die kurz bleiben. Bart
sei gar keiner vorhanden. Hautfarbe ein rassiges Schwarz.
Hände und Küsse klein ohne die vorstehende Ferse des
Negern. E.
Gärtner. Aus Japan. — Zeitschrift der Gesell-
schaft für Erdkunde, II, 1867.
Gavaazi. Alcnne notizie raccoltc in un viaggio a
Bucara. Milano 1867.
Hailly, M. du. La France en Cochinchiue. —
Revue Mar. et Col., Vol. XVIII.
Jackson. Iran and Turan. — Anthropol. review,
Nr. 21, London, April 1868, & 121.
Kh&nikof. Note sur le voyagt.* dans l’Arie centrale
d’un olficier aUemand au Service de la compagnio
anglaise. — Bull, de la societe geogr. de Paris,
Octob. 1866.
KohL Pilgerfahrt dua I^ndgrafen Wilhelm de.^
Tapfem von Thüringen zum heiligen Land im
Jahr 1461. Bremen, Müller, 1868.
Krapotkin. Reisen im Olekminsk-Witimschen Ge-
biet — Petcrmann’B geogr. Mittheil. 1867, Nr.
5, S. 161.
Die Tuügusen im Witiusthnl bilden die Uebergaagsstuf«
von den wilden Jägern in Urtias-Chingun zu ei»cr höheren
Stufe der CivUbation.
Lamproy , J. \ oontribution to the Ethnology
of the Chinese. — Transaetions of the eihnolo-
g^cal society of London. New aeries, Vol. VI, S,
101, 1868.
Lamproy, J. Kurther reraarkR on the Ethnology
of the Chiuose. — Transactions of the ethnolo-
gieal society of London. New eeries, Vol. VI,
8. 183, 1868.
Ltturens. Navigation et commerce du Yan-tse-
'ciang. — Annales du commerc.* exterieuro. Pa-
ris 1867, Nr. 1607.
Digitized by Google
174 Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
Lauth. Ueber den Papyrus Anastnsi I oder Reise
in Aegypten vor 33 Jahrhundert eu durch Syrien,
Phonizien und Palästina. — Sitzungsberichte der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1867.
Leje&n. Voyage dana 1a Babylouio. — Le tour
du rnoiide 1867, Nr. 395.
Lenle. Teping Tien kwoh or the history of the
Teping revolution. London 1866.
Im Gegensatz zu dem diumneu und apathiw hm Ausdruck
des Chinesen, mit einer Mischung von «kUvUcber Schlau*
heit noch vermehrt durch den geschorenen Kopl', zeigte sich
der Teping intelligent, neugierig und wissbegierig.
Lobscheid, the Hev. W. The religiou of the
Dayaks, collected aud translated into English
by W. Lobscheid, and the Political, Social and
Religious Constitution of the natives on the West
Coast of Formosa, before and during the occupa*
tion of the Dutch, or a contributiou to the know-
ledge of the East. Translated frora the old Dutch
works. Hongkong 1866 (3. ed.).
Lockhart. Notes on Peking. — Journal of the
Royal geog. soc. of London, Vol. XXXVI, 1866.
Macedo , do. Pelerinage aux lieux s&ints. Paris
1867.
Malleaon. Ilistorv of the French in Indio. Lon-
don 1868.
Bei dem Durwar, der zu der Gründung von Dupleu-Fut-
tehubad führte, wurden die Kranzoten durch Muzufla Jung
mit der Herrschaft des ganzen Südindien» vom Kibtna-
Flusse bis zum Cop ('«murin helchnt (1750) und würden
auch ohne Clive’s Siege die spätere Rolle der Engländer ge-
spielt haben, wenn dt« Regierung die weit*chaueudeu Klöne
ihres Gouverneurs von Pondichery kräftiger unterstützt
hätte.
Man, E. G. Southala and the Sonthals. Calcutta
1867. * — (Madras Journal of literature and Science.
Third series, Part II, Octob. 1866, Madras 1866.)
Martou. Voyage dans IHntörieur de la Chine. —
BulL de la soc. G. de Paris, sär. XIV, S. 173.
Bericht über Lagrle’a Eijtedition.
Moment. Excursion dane le Kourdistan Ottoman.
— Le globe V, 1866.
Michell. The RuFrians in Central Asia. London
1865.
Nach der Gestalt de« Schädel» und des Ausdrucks der
üenichuziige können die centralasiatischen Stimme geschie-
den werden in Persier, Mongolen und Türken. Die Persier
zerfallen wieder in die dunkleren Taidjik und di« helleren
Galscha. ln den mongolisch -türkischen und türkisch -tin*
nischen Misrhracrn bemerkt man sowohl die schrägen Au*
gen der Mongolen als die römische Nase des Kaukasiers.
Middendorf! ’s Reise nach dem fiuesersten Norden
und Osten Sibiriens. Petersburg 1867.
Montblanc. Le Japon. — Revue contemp. , Juin
1867.
Muir, J. Esq. On the relations of the priests to
the other classe» of Indian eociety in the Vedic
age. — [The Pandit, a Monthly Journal of the
Benares College, Nr. 13, Jan. 1867. Journal of
the Royal foc. of Great Britain and Ireland. New
series, Vol. II, Part 2 (Art. VIII.)]
Naorogi Dadabhoi. Observation« on Mr. Craw-
furds paper on the Europaean and Asiatic races.
— Transactions of the ethnological Society of
London, 1867, VoL V, S. 127.
Nöldeke. Namen und Wohnungen der Aramäer.
Ausland 1867, Nr. 33.
Oabom. Notes ou Chinese Tartary. — Proc. of
the Royal geog. soc. XI, 1867.
Palgrave. Reise in Arabien. Aus dem Englischen.
Leipzig 1867.
Perrot. De Galati a, proviucia Rornaua. Lutetiae
Parisiorum 1867.
Pctaholdt, Alex. Der Kaukasus. Eine naturhi-
storische sowie ltuid- und volkswirthschafiliche
Studie (auBgeführt im Jahre 1863 und 1864),
2. Band mit 44 Holzschnitten und einer oro-
graph. Karte, Leipzig 1868, 8°. (1. Band 1866
mit einer Ansicht von Tiflis und einigen Holz-
schnitten.)
Der erste Barn! beschreibt da* Laad und die Reisen in
demselben. Die zweite int besonder» Undwirtbscbafllieher
Natur, wird jedoch eingeleitet durch eine Skizze verschie-
dener Völkerschaften am Kaukasus. Die TacheUchenjen
werden beschrieben aU - schlank und kräftig* ; ihre Ge-
•ichtafarb« ist blase, ihr Blick lebhaft und Ausdrucksvoll,
dabei besitzen sie eine Adlernase und stark prununcirte
Gesichtszüge.
Phayee. On the history of the Burinah race. - -
Trausact. of the ethnological socicty of London.
1867, Vol. V, S. 13.
Die preusaische Expedition nach Ostasien. Ber-
lin 1866.
Baddo. Berichte über die biologisch -geographi-
schen Untersuchungen in den Kttukasuslände] n,
1. Jahrg. Reisen im mingrelischen Hochgebirge,
Ti0is 1866.
Radde’s Reisen und Forschungen im Kaukasus.
— Petenuanns geogr. Mittheil., 1867, Nr. 1 u. 3,
S. 12.
CUarakteri»lreudc Untera-biede mischen den AbehattB
als Nordländern und den Karatschaizen als .Südländern
(S. 99).
Radloff. Die Berguomaden des Altai. — Globus
XI, 1867.
Radlofif. Die Sprachen der türkischen Stämme
Südsibiriens. (Proben der Volksliteratur der
u. s. w.). Petersburg 1866, 1. Theil; 1867,
2. Theil.
Russische Umschrift der Texte und deuUcbe Uebersetxuug
in vier Bänden.
Rey. Souvenirs et recits d’un ancien missionnaire
a la Cochinchino et au Tongking. Saurs 1867.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 175
Rawlinson. On the recent journey of Mr. W. H.
Johnson from Leh to Hehl. — Proc. of the Royai
boc. of London, Vol. XI.
Richard, P. C. Saigon et ses environs. — Räv.
mar. et coh, XVIII. S. 533, Paris, ChaUame Ainö,
1866.
Bichard, P. C. Saigon. — Rev. mar. et col., No-
vembre 1866.
Richard, P. C. La Cochinchine fran^aise. — R6v.
mar. et col., XXI, 1867, pag. 406.
Richard, P. C. Notes pour sorvir a l'öthnographie
de la Cochinchine, ibid., Vol. XXI, pag. 92.
de Rochechouart. Souvenir d’un voyage en Perse.
Paris 1867.
Rochefort, M. de. Commerce d’exploration de la
Perse. — Nouv. Ann. de V., 1867.
▼. Roaenberg. Reis naar de zuidoostereilanden.
Werken van het k. inatitut vor taal-, land- en
volkenknnde van Nederl. Indie, 2 de afd., 1867.
Roataing. Notes sur une recente exploration da
Haog-kyang en Coree. — Ballet, de la soc. geog.
de Paris, Fevr. 1867.
Schick. Reise in das Phiüsterland. — Aasland
1867.
Schoebel. Recherches sur la religion premiere
de la race Indo-Iranieune. — Revue Orientale
et Americaine, Nr. 59, Vol. X.
Shoett. A contribution to the Ethnology of Tey-
pore. — Transactions of the ethnologicol society
of London. New series, Vol. VI, S. 246, 1868.
Shoett. Les progros de la seiende geographique
dans la Siberie Orientale et la Mantchourie
Russe. — Nouv. ann. des Voy., 1867.
Silver, Sketches of Japanese männern and costoins.
London 1867.
Simankow. Baku. — Archiv für Wissenschaft!.
Kunde von Russland, XXV, 1867.
Smith. A trip to Thibet. — Proc. of the Royal
geographical society, XI, 1867.
Souvenirs de Hud. Nouv. ann. des voy., 1867.
Spiegel. Aimaks und Mazareh. — Ausland 1867,
Nr. 32.
Spiegel. Das östliche Türkest an. — Ausland
1867, Nr. 42.
Spiegel. Das persische KönigBbuch. — Ausland
1866, Nr. 44—46.
Sporer. Nowaja Semlä. Leipzig.
Sicht di« Kälte, gegen die man sich schätzen knun, der
tageUmge Aufenthalt im engen, qualmenden, stinkenden
Kaum, wo die Thr.mlanipe das Tagesticb* vertritt, die Be-
wegungslosigkeit, wenn die Hütte im Schnee begraben liegt
und der Sturm frei über die Lebendigbegrabenen hinrast,
die nagende Langwelle und ihre Begleiterinnen, die Apa-
thie etc. sind die eigentlichen Feinde des Ueberwinterers
auf Nowaja Scmlä (S. 104).
Simon, Eugene. Consul de France ä Ningpo.
Chine et Indo -Chine. — Annales du commerce
exterieur. Fevrier.
v. TchihatschofTs Reisen in Kleinasien und Ar-
menien 1847 — 1863. — Ergänzungsheft zu Nr.
20 von Petermann's geogr. Mittheilungen.
▼. Tchihatscheff. Asie mineure. Description de
cette contree. Paleontologie par A. d'Archiac,
P. Fischer et E. de Vcrneuil. Avec atlas in 4.
Paris 1866.
Thomson. Notes on Camhodia and its races. —
Transactions of the ethnologicol society of Lon-
don. New series, Vol. VI, S. 246, 1868.
Tiflis. Jahresbericht des preusei sehen Consulats
im preussischcn Handfisarchiv, 1867.
Vambery. Skizzen aus Mittelasien. Leipzig, F.
A. Brockhans, 1868.
Die Kirgisen sind von untersetzter, kräftiger Gestalt,
mit starken Knochen, haben zumeist kurzen Nocken, welcher
ein wesentliches Merkmal der Tu r an i er gegenüber den
UnghaUigen Iraniern ist, keinen besonder« gnssen Kopf,
dessen Scheitel rund, mehr zugespitzt, als tinch ist (S. 228).
Hinsichtlich des blondfarbigcn Türkenstnmme* in Südsibi-
rien (bei Cast reu) scheinen die Burutcn mit den nörd-
licher wohnenden l'inun verwechselt (S. 227). Die Kara-
kalpake haben einen grossen Kopf mit flachem, vollem Ge-
sicht, gro«*« Augen, Stumpfnasen, wenig vorstehende
Backenknochen, ein glatte» und wenig zugespitrte* Kinn,
auffallend lange Arme und hreite Hände (S. 284). Der
echte turkomaniM’he Typus, wie solcher bei den Tekke*-
Tschaudor und bei den tiefer in der Wüste lebenden Jo-
rnuten zu finden ist, beurkundet sich durch einen mittle-
ren Wuchs, verhält nivmäfmig kleinen Kopf, länglichen
8cU<kl (da sie als Kinder nicht in der Wiege, sondern
in einer ans einem Leintnrh gemachten Schaukel gehalten
werden), wenig sich erhebende Backenknochen , etwas
stumpfe Nase, längliches Kinn, einwärts gebogene Küsse
(wahrscheinlich in Folge de» Reiten») und besonder« durch
die hellglänzenden feurigen Augen; blonde Haare iber-
wiegen (8. 236); die Auswanderung ans dem ältesten Sitz
von Mangi*chlak begann mit den Salors- Die Oexbegen wer-
den von den Tadschik« mit dem Spottnamen Jogum-kelle
(Dickschädel) belegt. Auf Seite 255 findet »ich eine ver-
gleichende Gegenüberstellung der West-Iranler und Ost-
Iranier in Ihren anthrojxriogischen Merkmalen. Die T*chi-
bar-Ajmak» (Timuri«, Teimem», Firuzkuhis, Dächern *chUU)
sind (als iranischer Abkunft und persischer Zunge) zu unter-
scheiden von den Hezareh, die, obwohl persisch redend, doch
turauischen Ursprungs sind und von mongolischem Typus.
V&mbery. Sketches of Central Aaia.
Gleichzeitig mit Obigem erschienene Uebersctzung für
die Engländer, denen der Verfasser empfiehlt, ihren poli-
tischen Kinttns* in den Staaten herzustrllen. die zunächst
bei dem Vordringen Russlands betroffen werden.
Vambery. Meine Wandernngun und Erlebnisse
in Persien. Pest 1867.
Enthält einen Aufenthalt in Ispahan, ein Ausflug nach
Südpersien, mit Beschreibung der Ruinenstätten voo Schi-
ras und Mittheilungen über die Seete der Babi’s.
Digitized by Google
176
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
Veniukof. The Pamir. — Journal of the Royal
geogr. society, XXX YI, 1867.
Well. Geschichte der islamitischen Völker. Statt*
gart 1867.
Wheeler, S. Talboys. History of India. Yol. I,
Trübner, London 1867.
Besonder» d&a Mahabhoratam behandelnd.
Yule. Cathay and the way thither. London 1866.
(Unter den Puhlicationen der Uaklnyt Society.)
In der Reine des Friar Odoric von Ponderon* (1316 — 1330)
wml der chinesische Gebrauch der langen Nägel erwähnt und
das Zusatmnendrüclcen der Füsse der Mädchen, während
Marco Polo kein» von beiden anführt (vielleicht, weil
besonders am Hole der Mongolen verweilend).
Australien und Ooeanien.
(Von Dr. B )
Auckland and Campbell Islands. South Paci-
fic. — * Mercantile Marine Magazine. London,
Juny 1866.
Auckland. Les iles Campbell, Antipode et Bounty.
Annales hydrograpbiques, 1866,4®. Trim.pag. 502.
Arbousset. Tahiti et les iles adjacentes. Paris,
Grassart, 1867.
Auatralia. Its progress and destiny. — National
Quarterly Review. (New-York, March 1865.)
Beveridge, P. Esq. A few notes on the dialects,
habits, customs and mythology of the Lower
Murray Aborigines. — Transactions and procee-
dings of the Royal society of Victoria, Yol. VI.
Mit dem dreizehnten Jahr tritt die Pubertät ein, and
sind die Mädchen oft schon Mütter. Ein 25- oder 30jäh-
riger ist bereits ein Greis.
Benitua, M. R. de. Les colonies Australiennee.
— Nouv. Annal. de Voyag. 1867, II.
Der in Rallarat ansässige Verfasser beschreibt die Ein-
geborenen als tief schwarz, klein, schlecht gebaut, mit ab-
geplatteter Nase, wetten Nasenlbchern, holden Augen, sehr
dicken Augenbrauen, schwarzem, langem und »tratfem
Haar, und einem Gesichtswinkel nur wenig vom Orang-
Utang abweichend.
Bischof. Die Bedeutung der Südsee für die mo-
derne Culturentwickelung. — Internationale Re-
vue 1866.
Caledonie, Nouvelle, Notice« sur les transporta-
tions ä la Revue maritime et coloniale 1867,
XXI, pag. 350.
Catalogue of the Natural und Industrial produc-
tions of New South Wales. Sydney 1867.
Giebt Schädclinessungen ton den im Museum zu Sydney
auf bewahrten Schädeln der Eingeborenen durch Üerard
Krefft.
Crawford. On the vegetable and animal food of
the natives of Australia in reference to social Po-
sition with a comparison betwuen the Australians
and &ome other race» of man. — Transactions of
the ethnological society of London. New seriös,
Vol. VI, S. 112, 1868.
Deüssor. Journey into the interior of Australia.
— Proe. of the Royal geogr. hoc., VoL X, 1866,
S. 129.
Douglas. Port Adelaide. Baie Guichen, baie Mac-
donald, cöte Sud d’Australie. — Annales hydro-
graphique« 1866.
Fidji-Inseln. Schwedische Colonisten auf den — .
Peterm. Mittheilg. 1867, Nr. 1, S. 28.
Garnier. Excursion dans la partie sud-ouest de
la Nouvelle-Caledonie. Mai 1866. — Rev. mar.
et coL, Vol. XIX
Garnier. Voyage dans la Nouvelle-Caledonie (1863
— 1866). — Le tour du mondc, Nr. 401, 1867.
Gaussin. Rapport sur deux memoires de M. Les-
son ooncernant l’origine des Polyuesiens. — Bul-
letins de la societe d1 Anthropologie de Paris, 2d*
sörie, Tome II, 1867, S. 437.
Guingeot. Voyage en Australie. Paris 1867.
Graeff'e. Reisen nach verschiedenen Inseln der
Südsee. Ausland 1867, Nr. 48.
Haash. Report on the headwaters of the River
Kakaja. Christchurch 1866.
Mit einigen Bemerkungen über Flor» und Fauna der
Gletacherregion Neuseeland».
Hassonstein. Das Seegebiet und die grosse stei-
nige Wüste im Innern von Australien. — Pe-
termann's Mittheilg. 1867, S. 88.
Hochßtetter. New-Zealand. Stuttgart 1867. Cotta.
(Eugliatbe Uebereetzung mit Zusätzen.)
Jahresbericht des preußischen Consulates zu Syd-
ney für 1867, Nr. 36.
Jahresbericht des preussischcu Consulates zu
Brisbune (Queensland) für 1866. — Preussisches
Handelsarchiv 1867, Nr. 40.
Jardine. Exploration of Annan and Esk River.
— Proceed. of the Royal geographicnl society,
IX, 1867.
Jardine. Exploration de la riviere Endeavour,
Annan et Esk. — Annales hydrographiques 1867.
Jean. Origine des Polynesiens. — ßtudes relig.,
hist, et lit. 1867, Julv.
Ireland, A. Geograph)- and History of Occania,
cumprising a dotailed account of the Australien
Digitized by Google
177
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
colonie«, and a brief aketch of Australian Poly-
nesia and Antarctica. Hobart-Town 1867.
Kitto. Goldfields of Austral ia. London, Wilson,
1867.
Knoblauch. Neu-Caledonien. Ausland 1867,
Nr. 41.
Lamb. Notes of the country of the head of the
gulf of Carpentaria. — Proc. of the Royal geogr.
boc. of London, Toi. X.
Loy alt y , I/e« iles. — Annales hydrographiques
1866, pag. 207.
Malte-Brun, M. V. d. Notice historique sur lea
progres de la colonisation frangaise dans la Nou-
velle-Caledonie. — Nouv. Ann. de Voy., 1867.
Im Jahre 1656 wurde die Insel xuemt in ihrer ganzen
Länge von Europäern durchzogen.
Mariannes, Voyages aux iles de par la corvette
espagnol Narvaez. Ann. bydrogr. 1866.
Quatrefages. Note relative aux Polynesiens. —
Bull, de la soc. geogr., 5m* Serie, T. XII, 1866.
Renan. Sur le* localites galiloennes de Dalmanou-
tha et Magadan. — Comptes rendus des seances
de TAcademie des inscriptions et helles- lettre«,
Aoüt 1866.
Richardson. An Overland - Expedition from Port
Denison to Cape York. — Journal of the Royal
geogr. society, Vol. XXXVI, 1868.
Riotxnann. Wanderungen in Australien und Po-
lynesien. 8t Gallen 1868.
Enthält einen (tauch auf der französischen Colon io auf
Xeu-Caledonseu. und Nachrichten über die in Melanesien
gebrauchten Gerät hschaiten (Insel Mare, Aneileum, Tanna,
Erromnngo, Vst«, Api, Malllcollo, Espirito Santo, Banks*
Inseln, Sau Christoral, Guadalc&nar). — Die platte Nase,
die niedere Stirn und der breite Mund geben dein Gesicht
der Insulaner auf Mallicollo einen eigentümlich tierischen
Ausdruck (S. 169).
Robiquet. Renseignements sur la Nouvelle-Z^-
lande. St. MaIo 1866.
Samoan or navigator Islands. — Nautical Maga-
zin 1867, pag. 106.
Selwyn and Ulrich. Notes on the physical Geo-
graph)*, Geology and Mineralogy of Victoria, Ex-
hibition Essays Nr. 2. Melbourne 1866.
Sikyana or Stewart islands. — Nautic Magaz.
1867, pag. 609.
Statiatique de la colonie de la nouvelle- Galle du
Sud pour 1865. — Le globe, T. VI, 1867.
Stoll. Journal of an expedition from the governe-
ment camp Camdon Harbour to the South ward
of G’enolg River. — Journal of the Royal geogr.
soc. of London, Vol. XXXVI.
Thomson. Twelve years in Canterbury. London,
Low 1867.
Victoria, die Eingeborenen der Colonie.... — Zeitg.
der Gosel Isch. für Erdkunde. Berlin 1867, II,
S. 474.
Warburton. Diary of explorations in the Nor-
thern Portion of the province Adelaide 1866.
Watson. Austral ia. Ipswich 1866.
Afrika.
(Von F. v. Hellw&ld und Dr. B. )
L’Afrique centrale. — Revue moderne 1867, XLI.
Angola. Boletins e Annals do Conselho. Ultra-
marino Nr. 119.
Annuaire dn Sennegal et dependances pour l’annee
1867. St. Louis, Senegal 1867.
Aucapitaine, Henry, Baron. Notice eihnogra-
phique sur ret&blinement des Arabes dans la
province de C-onstantine. — Recueil de« notice«
et mem. de la soctete archeoL de la province de
Constantine 1865.
Die Unterschiede zwischen den Ambern ul» herrschender
Ku.tr und den dienenden Berbern üngen an sich za ver-
wischen mit der Einführung der türkischen Herrschaft
(ISIS), indem beide in die ('lasse der Unterworfenen
herabgedriiekt wurden und dann Mischungen eingingen,
wodurch die charakteristischen Eigentümlichkeiten ver-
schwanden.
Aucapitaine. Ethnographie, Nouvelle« observa-
Arrhiv fttr Anthropologie Bd. III. Heft II.
tious sur lorigine de Berber - Tamou. Pari«,
Challamel, 1867.
Baker. The Nile Tributariea of Abysiinia. Lon-
don 1867. Deutsch: Die Kilzuflüaae Abyasi-
niens. Brauuschweig, Westermann, 2 Bände,
1868, 8°.
Beschreibt die Reisen im Flussgebiet des blauen Nil, die
früher unternommen sind, als die in seinem ersten i866
erschienenen Werke: The Albert Ny aux a. Great Basin
of the Nile, siehe dieses Archiv Bd. II, S. 123.
8. W. Baker. The racea of the Nile Baain. —
Transactions of the ethnol. soc. of London. New
serie», Vol. V, 1867, S. 228.
Beaumier. Le Marse. — Bulletin de la soc. de
g6ogrM 5"“ a£rie, Tome XIV, 1867.
Auaser dem Arabischen bewahren die Neger das bei ihnen
die Sprache der Schwarzen (El-Guenaoui oder Lougha-el-
Guenanoui«) genannte Mandingo (Man de) oder Bambarra.
23
Digitized by Google
17$
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Boraude. Note sur le Dahomo. — Bulletin de ia
soc. de geogr. de Paria, S, 371, Nov. 1866.
Bescow, E. G. Kescminnen frftn Egypten, Sinai
og Palest in iv, 1850 — 1860, 5. Upplug. Stock-
holm 1867, 12®. 431 pag.
Beurmann, Moritx von. Vocabulary of the Tigrö
langu&ge publiahed with a grammatical sketch
by Dr. Adalbert Men. Halle 1868, 8®. 78 pag.
Aus der von Dr. Merx in Jena geschriebenen Vorrede
ist tu entnehmen, «Ihm Beurmann das Tigr4 von einem
Abytrinisihen Diener Abu Bekr gelernt, den er in Masso-
wnh auf genommen hatte. Da» vorliegende Vokabular ent-
hält etwa 1000 der notbwendig«trn Worte und wurde von
Dr. Merz, welcher an den Sprachstudien seines verstor-
benen Freundes Theil genommen, eine ziemlich ausführ-
liche grammatische Skizze der Tigr£-Sprache hinxugefügt.
Borei. Voyage h la Gambie. — Le globe 1866.
Boyle. Kar away or sketches from Mauritius.
London 1867.
Bürette, Henry A. A visit to king Theodore,
by a traveller lately returned from Gondar. lx>n-
don 1867.
Burkhardt. Missionen pna Madagascar. 0 versa t
af H. Landstad. Throndjera, F. Köhler, 1867, 8°.
Cahen, Ab. Lea juifs dans l’Afrique septentrio-
nale. — Rec. d. notes et mum. de la soc. archeol.
de Constantine, Vol. XI (1867), pag. 102 — 208.
Callaway, Henry. Nursery Tales, Tradition» and
histories of the Zulus. London 1867, 8°. Vol. I.
Kev. Henry Callaway, mit den Mälircheb der Zulus
durch langjährigen Verkehr mit diesem Volke sehr ver-
traut geworden, gab dieselben gcsnmmelt und im Zulu-
Texte mit gegeuiibrrstehendrr englischer febersetxung her-
aus; indem er uns hierdurch mit einem iu**er*t merk-
würdigen Stück Nationailiteratur bekannt macht, leistet er
der ethnographischen Wissenschaft keinen geringen Dienst;
sein huch picht einen klaren Einblick in die Geihtesrich-
tong der ZulukiiHirm und verdient namentlich die Sorgtalt
betont tu werden, die in diesen Erzählungen auf die styli-
stische Darstellung verwendet wirft. Sie muss als ein be-
sonderes Zeichen von Culturtähigkrit des Zulu-Volkes be-
trachtet werden.
Cavo. Note sur Madagascar et les Comorns. —
Rev. mar. et col-, Juni 1867.
Chaix. Le Senegal et la Gambie. — Le globe, V, 1 866.
Chapman, J. Travels in the interior of South
Africa, comprising fifteen years hunting and
trading experiences, jourueys across the continent
from Natal to Walvich Bay and visits to Lake
Ngami and the Victoria Falls. Ixmdoo 1868,
8®. 2 Bande.
Coignet. Excursiou sur la cöte nord-ouest de Pilo
de Madagascar. — Bull, de la soc. de geogr. de
Paris, Tome XIV, 1867.
Noch der Mythe der Ovas sind die Eingeborenen Affen
ohne Schwant. „En coupant la queu du ringe, Dieu,
charrr.4 de 1'excelJente i44e, qu'il venait d’avoir, et qui loi
economisait de U besoigne, pou*»x un »oupLr: Ouih. Or,
le» Malgacbea porteur», lomqu’ils deposent leur charge,
apres un trajet fatigant, laissent echapper le inrmc son,
preure qu’il* soot bien des Babakotos, ä qui Ton a coupt
l'appendice caudal. (S. 348.)
Conway, D. Moncure. The Negroaa Artist. — The
Radical, a monthly Magazine (Boston), Sopt. 1866.
Crawfurd. On the Ethnology of Abyssinia and
adjacent Countries. — TransactioDs of the ethno-
logical society of London. New seriee, Vol. VI,
S. 282, 1868.
Creawick. Life amongst the Veys. On tbe sylla-
bic charactera in use amongst the Vey negrooa.
— Transactions of the ethnological society of
London. Newseries, Vol. VI, S. 354 il 260, 1868.
Deanouy. Les etablissementa fran^ais de )a cöte
d’or. — Rev. mar. et col., Nov. 1866.
Dufton, Henry. Narrative of a journey through
Abyssinia in 1862 — 1863. With an appendix
on the „Abyssinian captives queetionw. London,
Chapman and Hall, 1867, 8®. XIV and 337 pag.
Da* Buch, offenbar wie so viele andere im Hinblicke
auf die englische Expedition nach Abessinien verfasst, ent-
hält nichts Neues; der Autor, ohne genügende Vorkennt*
nisse, beschreibt einfach »eine Reiseroute, hat aber weder
in geographischer noch ethnographischer Richtung Beob-
achtungen ungestillt.
Dinomö, Abbe. Resume des Operation» executes
pur Pexpedition onvoyws cn 1858 par le gouv.
anglais dans Pinterieure de l’Afrique Australe. —
Nouv. Annal. de V. par M. K. ch. Malte -Brun
1867.
Duhoussot. Races Kabylea. £tudes sur les Kaby-
les du Djurjura. — Comptes rendus 1868, Tome
LXVI, Nr. 13, S. 685.
Egli. Die Entdeckung der Nilquellen. — Viertel-
jahrsschrift der lutturforschcndeu Gesellschaft in
Zürich, XII, 1867.
Ellis, William, Madagascar, revisited by. — Lon-
don, John Murray, 1867.
Der »chon durch »eine ]»olyncsischcn Untersuchungen be-
kannte Verfasser halte hei dem während der Anwesenheit
in Madagascar stattfindenden Thronwechsel Gelegenheit ge-
habt, die zur Eidesablegung herbeigekommeuen Gesandten
und Stämme entfernter Theile der Insel zu sehen. RaJoba,
der Häuptling von Vangiandrano, wird beschrieben, als dünn
von Gestalt, mit breitem und ziemlich grossem Kopf, etwas
vorspringenden Zügen, kleinen Augen, das Haar ein wenig
grau, und die Glieder knochig aber nicht rausculos.
Faidherbe. Recherchen Authropologiques sur les
Tombeaux Megalithiques de Rokuia. — Bulletin
de PAcademie d’Hippoo«, Nr. 4, Bone 1868.
Nach Angabe des Inhaltes von 14 Gräbern wrrden 20
dort und anderswo gefundene Schädel libyscher Troglo-
dyten mit dem von den Köpfen 15 lebender Berber (Ka-
bylen , Chaouia u. t>. w.) gewonnenen M uaa.se verglichen,
und der Autor stellt dann leine eigenen Resultate mit
denen Bruoer-Bey’s zusammen, der 14 Berber unter-
sucht hatte.
Digitized by Google
179
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
Foraeman , Die Transvaalsche Republik in Süd«
afrika nach den Mitteilungen des Schweden — .
— Peterro. geogr. Mittheilg. 1867, 8. 9.
Fraaa , Oscar. Aus dem Orient. Geologische
Beobachtungen am Nil, auf der Sinai - Halbinsel
und in Syrien. Stuttgart 1867, 8°.
WcrtbvoUe* Buch; für uns insofern interessant , als der
Autor da» Bestehen der einstigen Eiszeit für die Sinai-Halb-
insel nachweist.
Friach. Die Trans vaalische Republik, Süd- Afrika.
— Peterm. Mittheilg. 1867, S. 19.
y. Fritzach. Reiiebilder von den canarischen In-
seln.
Reste vom jetzt seltenen Cedro io der Grabhüble der
Guatichen östlich von Teyde.
Germain. Madagascar (cöte orientale). Paris 1867.
Girard, M. Ch. Voyage dexploration, sur le nou-
veau Calabar. — Nouv. Annales de Voy. 1867,
Tome I, pag. 221.
Grad, Charles. Recherches sur la Constitution
physique du Sahara. — Nouv. Annales des Voy.
1867.
Graham. Glimpse of Abyssinia. London, Long-
maus, 1867.
Grandidier. Notice snr lee cotes du Sud et Sud-
ouest de Madagascar. — BulL de la soc geogr.,
scrie XIV, S. 384.
Green. Le fleuve Cunene. — Bull, de la soc. de
geogr. de Paris, 5"* Serie, Tome XII, 1866.
Hahn , Tbeophilus. Die Xama-Hottentoton. Ein
Beitrag zur südafrikanischen Ethnographie. (Glo-
bus Bd. XII, 1867, S. 238 — 242, 275 — 279,
304—307, 332—336.)
Diese eingehenden Aufsätze aus der Feder eines Mannes,
welcher seine Kindheit und Jugendzeit unter den Hotten-
toten verlebte, sind äussertt interessant und wichtig. Wir las-
sen nachstehend den Inhalt derselben in .SchUgwürtem folgen.
Die Samo* und ihre geographische Verbreitung. — Ihre
körperliche Erscheinung. — Ihre Sprach«; die vier Srhnulz-
Uute; Declinatum und Zahlensystem ; Vaterunser. —
Thierfabeln uud Erzählungen. — Der Zauberer Heitai-
Eibib. — Mythus vom Monde. — Werwolf**«* hiehten. —
Zauberer und Amulete. — Die Sagen vom ersten Mensrhen.
— Proben von Hottentotenpoesie. — Rachelieder. — Di«
Sklaven. — Verschiedene Stämme. — Gastfreiheit. — Sit-
ten und Gebräuche. — Phthiropbagfc. — Stellung and
Beschäftigung der Frauen. — Huttenbau. — Kraale. — ■
Der Karos». — Leichenbegängnis«. — Spurfinden. — Jagd-
und Low engeschichten. — Geistige Anlagen. — Musik. —
Handfertigkeiten. — Dl« Nsmas werden von der Erde
verschwinden.
Hanstean, A. Poesie« populaircs de la Kabylie
et du Jurjora. Texte Kabyle et traduction. Pa-
ri« 1867, 8Ö. XIV et 475 pag.
Hartmann. Erinnerungen aus Nubien. Wester-
inan n*a Monatshefte 1867.
Hausmann. Souvenir« du cap de Bonne- Esperance.
Chlichy 1866.
Hernandes. Observation« sur la cöte ouest de
Madagascar. — Annales hydrog., 1866.
Heuglin, M. Theodor von. Reise nach Abyssi-
nien, den Galla-Luudern, Ost-Sudan undChartum
in den Jahren 1861 und 1862. Jena, Coste noble.
1868, 8®. XII und 456 S.
Weitaus dua bedeutendste von ailen neueren über Abja-
»inien erschienenen Werken , jedoch vorwiegend geographi-
schen Inhaltes; das fünfte Kaj itel befasst sich indes* auch
mit Ethnogrupbie und bringt danken*« erthe Details Über
Religion, Muhaiuedauer, Juden, Qamaaien, Christen, chriat-
liehe Feste und Gebrauche, Schulen, Sprachen und Ge-
schichtliches. Eine ausführliche Besprechung dieses vor-
züglichen Werkes erschien in Peterm ann’s Mittbcilttu-
gea 1867, S. 4.13-
HoUaender. Farmleben am Oranje-Flusse. — Glo-
bus XI, 1867.
Hornberger. Da« Ewe- Gebiet an der Sklaven-
küste.
Die Bewohner der Meeresküste und die am Saum der
Lagune sind meistens grosse, robuste Gestalten, während
sich im Inneren selten grosse Leute tindeo, und weiter im
tiebirg gar nicht.
Hotten, John Camden. Abyssinia and its peo-
ple, or life in the land of proster John. London,
Hotten, 1868, 8°. VI and 384 pag.
Enthält von Seite 3H9 — 384 eine ziemlich vollständige
Bibliographie Uber Abyssinien, ist aber im Uebrigen eine
blosse Compilation, die nur für rin Laienpublikum von
einigem Werth« sein mag. Ob der Verfasser auch da»
Land aus Autopsie kennt, ist nicht gesagt, scheint uns
aber unwahrscheinlich. Die beigegebenen Bilder und Karte
wären besser weggeblieben.
Jablonski. Notes sur la geogr. de 1'ile de Zanzi-
bar. — Bull, de la soc. de geog. de Paris, Not.
1866.
Jahresbericht dos preussischen Vico-Consulat« zu
Chartum für 1866. — Preußisches Handelsar-
chiv 1867, Nr. 31.
Koptendorf, ein, auf Gebel-al-Teir in Egypten.
Globns XII, 1867.
Krapf, Dr. J. Lewis. Travels, resenrehes and
misaionary Lubours during an 18 years Rttei-
dence in eastern Africa. Ix>ndon, Trübner et
Comp., 1867. (Wiederabdr. der engl. Ausgabe.)
Krookow von Wiokerode, Carl, Graf. Reisen
und Jagden in Nordostafrika 1864 — 1865. Ber-
lin, Alex. Duncker, 1867, 8®. 2 Theile.
Lejean. Notes sur los XiamXiam. — Revue orien-
tale, Nr. 55.
Lombardini, Elle. Obtervations sur l'Hydrogra-
phie de l’Afrique centra'c. — Nouv. ann. de 8.,
1867.
Lott. Haremlife in Egypte and Constantinopel.
London, Bentley, 1867.
Mage et Quintin. Voyage de . . dans l’inte-
23*
Digitized by Google
180 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
rictir de l’Afrique. — Revue maritime et Colo-
niale, VoL 18.
Besprechung der Toul.
Mtyor. The life of prince Henry of Portugal, Bur-
named the Navigator. London 1868. Iilustr&ted
with map», portnut« etc.
In der Vorrede werden die Manuscript-Documente be-
sprochen, worauf das Werk b&sirt ist, und in der Unter-
suchung der letzten Publicationen besonders die Ansprüche
Frankreichs auf Priorität ins Auge gefasst, am sie zu wider-
legen. Dagegen nimmt der Verfasser die romantischen
Abenteuer Machin’s io Schutz und lässt die Lage Ma-
deira» durch den aus der Sklaverei Maroceo* erkauften
Matrosen Morales dem portugiesischen Seemann Zaren be-
kannt werden, der Tristan* Vaz Teixeyre auf seiner Reis«
begleitete. Die frühe Bekanntschaft der cannrischea In-
seln wird durch die päpstliche Bulle Nov. 15, 1334 begrün-
det. Die Portugiesen , die (nach dem Bericht llorenti-
uUcher KauHcute in Sevilla) auf der Canaria genannten In-
sel 1341 landeten, beschreiben die Eingeborenen als bart-
los und hübsch im Gesicht, mit hellem Haar, das lang bis
/um Gürtel herabhing, kräftig und gewandt. Die durch
Gil Eannes von den Inseln Nnar und Tider (in der Bucht
von Arguin) gebrachten Gefangenen werden von verschie-
denen Farbcnschatti rangen beschrieben, von fast welss bis
schwan.
Mann, R. J. Th© Kaffer race of Natal. — Trans-
actione of the othnolog. society of London. New
series, VoL V, 1867, S. 277.
Michel, L. Tunis. L’Orient africain. Paris 1867,
18«. 340 8.
Mitterrutzner , J. C. Dio Sprache der Bari in
Centralafrika. Grammatik, Text und Wörterbuch,
ßrixen 1867, 8°. 260 8.
Mocambique. Boletinu e annales do Conselho Ul-
tramarino, Nr. 123, 127.
Nachrichten, einige, über den fossilen Hiesen-
vogel Epiornis maximus von Madagascar. (Aus-
land 1867, Nr. 40.)
Negro, the Character and Destiny of . . — National
Quartcrly Review, Dec. 1865.
Neltnez, M. (Capitain adjutant, Major au 66®). No-
ticcs sur les fouille« d’El-Mengoub. pag. 80 — 88.
EinB der mit zurückgeschlagenen Beinen begrabenen Ske-
lette, dessen Abbildung auf PI. IX gegeben ist, hielt ein
Stück Eisen in der Hand.
Odeflcalchi. L'Egitto antico et PEgitto rooderno.
Alessaudria 1867.
Lea Pahouina, les Bakalaia, lee Boulous et les Ga-
bonnais. — Nouv. ann. do V. 1867.
»Les Bakalais sont ulotrique« 4 poile rares, le vertex est
oviilo, le prognntiemo peu prononee, le front j>eu fuyant.
Ln couleur de leur peau est noiritre.“ Die ihnen ähn-
lichen Boulou* mu Gabun bilden da* Volk der Foogwe
und Sbekani. In den »Observation* de Vielen de St. >!ar-
tiu sur le* Pahouina*4 werden die Pahouin» für einen durch
Mischung veränderten Zweig der Fan erklärt, die, gleich
den Fellntah des Sudan durchaus lehne Beziehung zu den
Negern hätten.
Peacock. Haodbook of Abyssinia. Longmans,
London 1867.
Pollen. Een blick in Madagaskar. Leyden 1867,
Trap.
Recueil de notices et mämoiree de la societo Ar-
cbeologique de la provinoe de Couetantine 1865.
Reunion. Annuaire de l*tle de la.. —
1867. Szint-Denis.
Richemont, P, de, Baron. Documenta sur la com*
pagnie de Mad&goscar, precedes d’une notice hi-
storique, publies par les soins de . . —
PariB, Chall&mel aine, 1867.
Die in Folge des am 12. September 1862 zwischen der
Hora- Regierung und Frankreich abgeschlossenen Vertrages
am 2. Mai 1 863 gegründete Compagnie de Madagascar wurde
nach der Ermordung Kadnmas vom Kaiser veranlasst, ihre
durch die Eingeborenen bestrittenen Rechte aufxogeben und
löste »ich nach Empfang der den Malgachen »bgenöthigten
Entschädigung (Januar 1H66) wieder auf (26. Mint 1866).
Die während der drei Jahre ihres Bestehen« von Handels-
agenten, Ingenieuren und Bevollmächtigten eingesandten
Berichte sind besonders ausführlich Uber die Provinz An-
gontei, Vohemar und den District Marantsetra. Die neben
den Betsimitsarack Antavarnkn und den Hoyas im Korden
der Insel wohnenden Sakalaren zerfallen in die Antankares
zuli njr vola l’otsy and die Siiknlaves zari ny vola roena,
aus welch’ letzterem Geschlecht die Häuptlinge gewählt
werden.
Rigby. Ou the origiu of the Somali race, which
inhabits the north -eastern position of Africa. —
Transuctions of the ethnological society of Lon-
don, 1867, VoL V, S. 91.
Rohlfa, Gerhard. Afrikanische Reisen. Reise
durch Marokko, Uebersteigung des grossen Atlas,
Exploration der Oasen von Tafilet, Tuat und Ti-
dikeit und Reise durch die grosse Wüste über
Rbadames nach Tripoli. Bremen 1868, 8ft. 200 8.
De Rougö. Textes geographiques du temple d*Ed-
fou. — Rev. archeolog. 1867, 66.
Roullet, G. La riviere Como ou Gaben et les po-
pulations riveraines. — Nouv. ann. des Voyag.
1866, IV.
Roullet, M. G. Les Pahouins, leurs origine, lours
moeurs, leurs coutumes. — Nouv. annale* des voy-
ages, August 1867. Petermanu's Mittheilungen
1868, I, S. 35.
Die aus dem Inneren Afrikas nach dem Gabou vorge-
drungenen Pahouin haben die Stirn weit und abgerundet,
lebhafte Augen, abgeplattete Nase, wie die anderen Neger,
aber weniger dicke Lippen. Die Zähne sind meist geteilt
und die Haare werden geflochten. (Der Verfasser — Chi-
rurg der kaiserlichen Marine — spricht aus Autopsie.)
Schwab. Notes sur les caffres. — Rev. orientale,
Nr. 56.
Schweinfurth. Reise von Chartum über Berber
nach Suakim. — Zeitschrift der Gesellschaft; für
Erdkunde zu Berlin, II. Bd., 1867.
Digitized by Google
181
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Steinthal, H. Die Mande- Neger- Sprachen psycho-
logisch und phonetisch betrachtet. Berlin 1867,
8®. 344 S.
Tiaaot. La Tunisie. — Revue Africaine, Juillet
1866.
Tremaux. Yoyage au Soudan oriental. — Le tour
du Monde, Nr. 349.
Trolle och Hagg. Minnen och Anteckningar fr&n
ingkorvetten „Gefle’s“ Expedition tili Westkü-
sten af Africa samt Medelhafvet. Stockholm 1867.
Wilson. Notes on the West coast of Madagascar.
— Journ. of the Royad geogr. soc., XXXYL
Die Zulu-Xaffern. Ausland 1867, Nr. 24.
Amerika.
(Von P. v. HeUwald.)
Belly, Felix. A travers l’Am^rique centrale, le
Nicaragua et lec&nal interoceanique. Paris 1867,
8°. 2 Vol., 923 S., 1 Karte.
Boyle, J. On the free Indian tribes of Central
America. — Transactions of tho ethnologicol so-
ciety of London. New series, VoL VI, S. 207,
1868.
Capellini, G. Kicordi di un viaggio scientifico
nell’ America Settentrionale nel 1863. Bologna
1867, 8°. 291 S. mit Karte.
Catlin, Goo. O-Kee-Pa. A rcligious Cereraony
of the Mandans. London 1867, 4®.
Charencey, H. de. Affinites de quelques legendes
americaines avec celles de Fanden monde. Paris,
Bouchard, 1868, 8®.
Codman, J. Ten months in ßrazil, with inci-
dents of voyagce and travels. Boston 1867, 12°.
208 S.
Drake, Samuel. The old Indian chronicle, beiug
a collection of exceedingly rare tracts, written
and published in the time of King Philip’s War.
Boston 1867, 4°. 333 pag.
Enault, L. Reis door Middel- en Zuid- Amerika . ..
benevens eene schets van de bewoners, hunne
zeden en gebruiken, godsdiensten en regeerings-
vormen tot op onzen tijd. Leyden, Noothoven
van Goor, 1867, 8°. ,
Bvrie, J. H. van. White supremacy and Negro
Subordination, or Negroes a subordinate raoe.
New-York 1868, 12°. 339 pag.
Girard de Bialle. Sur la geographie des langues
et 1a carte öthnologique du Mexique de Don
Orozco y Berra- — Bullet, de la soc. d’Anthrop.
de Paris, 2dü serie, Tome II, S. 691, 1867.
Hart, Ch. H. Remarks on Tabasco, Mexico, occa-
sioned by the rcported diseovery of rcmains of
ancient cities being found in that locality. Phi-
ladelphia 1867, 8°. 12 S.
Hassaureth, F. Four years omong Spanish Ame-
rican s. London, Low. 1868, 8°. 412 pag.
Hayes. The open Polar Sea. New-York and
London 1867. — (Peterm&nn’s Mittheilg. 1867,
V, S. 189.)
Huyes- Halbinsel Ut vom warmen Südstrom bespült and
daher der an Pflanzen- und Thlerieben reichste Theil
von (jrinnelland und Nordgrünland an bi* Upennark im
Süden. — Ke geht die» auch daran* hervor, da*» nur hier
die Eskimos »ich erhalten haben, während früher auch
G rinn HU ml von ihnen bewohnt war, wie Haye* durch
die gefundenen Spuren bewiesen hat. Die Ealtimo* «und
ein «ehr sorglose» und in den Tag hinein lebende» Volk, und
sorgen im grössten Ucberflu** de* Sommer» nicht für Nah-
rung im Winter; «renn «« «inen Fang gemacht, e**cn sie
durchschnittlich 12— >15 Pfund Fleisch und Speck jeden
Tag; wenn nicht, können sie Tage lang hungern. An der
Kante der Haye*-Halhin*el ist Ihnen der Fang von See-
thirren, besonders Walrossen, von denen ein einzige»
1500— 3000 Pfund wiegt, den ganzen Winter gewiss, weil
den ganzen Winter da* Meer oflen bleibt. Wo dies aber
nicht der Fall ist, tritt Hungersooth ein und sie «terbcn
allmälig au». Eskimo» würden selbst in Deutschland aus-
«terbeu. da sie ohne im Sommer angelegte VorriUhe im
Winter nicht genug Nahrung finden würden. Bk
Kapp, Friedrich. Geschichte der deutschen Ein-
wanderung in Amerika. Leipzig, Quandt und
Händel, 1868, 8®.
Bd. 1, Die Deutschen im Staate New* York bi* zum An-
fang de« 19. Jahrhundert*.
Mantogazza, P. Rio de la Plata e Tenerife, riaggi
e studi. Milano 1867, 8°. 736 8.
Marti us. Yölkergem&lde Südamerikas. — (Aus-
land 1867, Nr. 35—38.)
An Martina1 grosses Werk anknüpfende, icsenswertlie
und lebendige Darstellung.
Mormone, Lifo amongthe ... and a march to their
Zion. With a chapter on the Indians of the
Plains and the Mountains of the West By an
officer of the U. S. Army. New-York 1868, 12®.
XV and 219 pag.
Müllor, Dr. Friedr. Der grammatische Bau der
Algonkin -Sprachen, ein Beitrag zur amerikani-
schen Linguistik. — Akad. der Wissenschaften.
Sitzungsbor. der phil.-hist. CK, LVL Bd., 8. 132.)
Wien 1867, 8®. 28 S.
Bekanntlich erstreckt »ich die Wissenschaft der Lingui-
stik — ein Kind unsere» Jahrhundert* — nicht über die
zwei an* nächsten Weltthelle, Europa und Asien, hinaus;
ja e* ist ihr noch nicht gelungen , letzteren ganz zu um-
Digitized by Google
182
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Afrika und Amerika liegen ta*t vollständig noch
»uiaer dem Bereiche der Linguistik. Nun wir! Amerika
zwar von einer einzigen, der kupferrothen, Kac« bewohnt,
man kann aber keineswegs behaupten, den diese Eine,
wenn auch in viele von einander verschiedene Mundarten
zerfallene Sprüchen rede. Es lasst sich nicht Mognen,
dass die Sprachen Amerikas viel» Gemeinsame an sich
tragen , da»« jede derselben von einem cigenthümlichen,
allen amerikanischen Sprachen innewohnenden Geiste —
dem der Einverleibung — durchdrungen Ut; es ist aber
bisher noch Niemanden gelungen, iu denselben eine, ja nicht
einmal zwei oder drei Sprachfamilien W issenschaft Urh nach-
zuweisen. Unter solchen Umständen müssen wir die Ab-
handlung Müller1» über die Algonkinspracheu — die
nördlichste der einheimischen Indiancnprachen — als einen
willkommenen Beitrag zur Erweiterung unserer diesbezüg-
lichen Kenntnisse um so freudiger b^grüssen, als Dr. Mül-
ler seiner vergleichenden Darstellung fünf amerikanische
Idiome, nämlich die Sprache der Mikuoak, der Leuni-Len-
nape, der Cree, der Chippewsj’a und einen Algonkindialect
zu Grunde legt.
Myron, Angel. La Nevada orientale, geographie,
ressources, climat et etat social. — Exposition
universelle de 1867. Paris 1867, 12°. 168 S.
Raimondy. Leber die Campos Indianer (Südame-
rika). — (Ausland 1867, Nr. 43.)
Reclus, Elisee. Lea ropubliques de lTsthwe ame-
ricain. — (Revue des deux mondes 1868, 15
Mars, S. 479—498.)
Richardaon, Albort D. Beyond the Mississippi
front the Great River to the Great Ocean. Life
and adveutures on the Prairies, Mountains and
Pacific Coasts. Hartford 1867, 8°. 572 S.
Shaw, J, Twelve years iu America,' being obser-
vations on the country, the people, institutions
and religion, with noticosof slavery and the late
war, and notea of travel through the United
States and Canada. Dublin 1867, 8°.
Sommer, W. Erindringcr fra et ophold i Ame-
rika. Kjobenhavn 1868, 8°. 160 S.
Thomas and Galatian. Saginaw. Indian and
Pioneer history of the Saginaw Valley. East
Saginaw, Mich., 1867, 8°.
Tsohudi, J. J. v. Reisen durch Südamerika. 3. IM.
Leipzig 1867, 8°.
Snow, W. Parker. Russian America, its physical
characteristics and native Tribes. (Hours at
home. New York, Juli 1867.)
IV.
Zoologie
in Beziehung zur Anthropologie.
(Von L. Rütimeyer.
A. d’Archiac. Paläontologie de la France. Paris
1868. (Recueil de Rapports sur les progres des
lettres et des Sciences en France. Publication faite
sous les auspices du Ministre de lTnstruction
publique. Chap. IV. Faune quaternaire, depots des
plaines et des valläes. Cavernes et breches os-
seuses.
8. Arlolng. Contribution a l’etude de rorganisA-
tion du pied chez le cbeval. — Annalen des
Sciences naturelles. Zoologie, Tome VIII, 1867,
pag. 55 mit 2 Tafeln.
Genaue «natominche Darstellung zweier Fälle von über-
zähligen Fingern beim Pferd. Erster Fall: Ausbildung
ein» Finger» mit drei Phalangen am laueren GrifTelbein
de* Vimlertüw», mit Sehnen vom Rndiali* intern., v. fc*-
teiuor coiamun. digilorum und von den beiden Flexoren
der Phalangen. Zweiter Fall: Spaltung von Phal. I de»
normalen Fingen und Ausbildung von srmmet rischen
Knochenpaaren fUr Phal. 2 und 3 (wie beim Kind) am
rechten Vorderfua». Der erste Fall also eine stärkere Aus-
bildung der noch heute in dem relativen Verhältnis» der
Griflelheino normal angedeuteten Annäherung an den didac-
tylen Fass des Hippothcrium. (Vergl. meine „Beiträge zur
Kenntnis* der fossilen Pferd«“, Seit» 114), der zweite Fall
wohl pathologischer Art. (Authdlrnder Weise wurde nicht
untersucht, ob auch der Metacarpu» innerlich eine Spur
von Trennung darhot.) •
Bourgignat. Not« sur un ursus nouveau decou-
vert dans la grando caveme du Thaya (Province
de Constantine). — Annales des Sciences natu-
relles. Zoologie, Tome VIII, 1867, pag. 10,
Im Norden Afrika» »«Uten hienach drei Arten von Bä-
ren zu linden »ein. 1. Eine noch unbe»timmte Art tV*il
in den Knochenbreccien von Oran; 2. Ur»u* Faidherbia-
nu«, in Höhlen, vielleicht noch lebend, in Algerien: 3. Ur-
ea» Crowtheri in Marokko.
J. F. Brandt. Quelques raots sur le Mamont. —
Digitized by Google
183
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Annalea des Sciences naturelles. Zoologie, Tome
V, 1866.
Bestätigung, daM die von L«rtet und de Vlbraye ge-
gebeneu Darstellungen von Elepbant aas den Höhlen von
Perigord sich auf du Maromuth beziehen.
Coochi, Igino. L’uomo fossile nell’ Italia centrale.
Yol. II, delle Memorie della Societä italiana di
Scienze Naturali. Milano 1857, 4°. mit 4 Tafeln.
Einlässliche Unterscheidung der pliocenen and postplio-
uenen Schichten des Arno-Thales and namentlich »eines
oberen Tbeiles, von Val di Chiana. In der unteren Lage
des Postpliocen findet »ich der auf Tafel I, 11 abgebildete
Menu beim hüdel mit Elephat primigeoiu». Cervu» rury co-
ro* , Bison priacu» and der wie der Verfasser vennuthel
neuen Speele* von Pferd, Equu« Lnrteti Coccht, abgebildet
in Tal. IV (nach dem Referenten Equu« Uaballus).
Darwin , Ch. Animais and plants under Dome*
stication, 2 Yol., London 1868 mit Holzschnitten.
Deutsch unter dem Titel : „Das Variiren der Thiere
und Pflanzen im Zustande der Domestication“,
übersetzt von J. V. Carus, Stuttgart 1868
(b. oben S. 138).
W. Boyd Dawkinsund W. Ayehford Sandford.
The British Pleistooene Mammalia. Part 1. In*
troduction, pag. 1 — 4. British Pleistocene Feli-
dae. Felis spelaea (roldfuss, pag. 1 — 28, PI. I
— V, London 1 866. — (Paloeontugraphical Society,
Volume for 1864.)
Line nichtige Untersuchung »oll in einer Anzahl von
Mouograplüern die Kenntnis» der britischen pleistocencn Sau*
gelhiere, deren Ueberreste in den Sammlungen »eit der Pu-
blicatioa von Owen’s british fossil Mammalia 1846 rasch
angewachsen sind, auf die Höhe jetziger Bedürfnis»« bringen.
Die Einleitung »acht die Bezeichnung prähistorisch und
pleistocen za definiten, bespricht die verschiedenen in die*«
Epochen fallenden Fundorte von Knochen (Höhlen, Flosa*
allurioueo, Torfmeere) und giebt vorläufige Listen.-
1. Der ln der pleistoc«neii Periode, allein auch in der
tiegenwart vor kommenden, wenn auch tbeilweise bisher in
prehutoriMhen Vorkommnissen vermissten Speeles.
2. Der plcistocenen .Sftugethiere (53 Spedes, wovon 17
erloschen »ind und 0 »either nach Norden, 3 nach Süden
»ich zurückgezogen haben, während 28 noch im gemässig*
len Europa leben).
Al» erloschen werden bezeichnet:
Machairodu» latidens.
frans spelneus.
Megncem* hiberuicu*.
Cervu» dicrauios.
Elephas auiiquu».
n primigeniu».
„ priscutt.
* meridionalis.
Hippopo tarn us maior.
Khinocero* tichorhinu».
9 megarhinu«.
^ leptorhinus.
„ etrusrus.
(‘astor Trogontherium.
Nach Norden gewichen:
Gulo luscus.
ftrnu tarandu*.
Alte» male bis.
Oviho* mosrhitu*.
Spcrmophilu* ritiUus.
^ erythrogenoides.
Lagomy» »pelaeu».
Le mm us ?
Nach Süden gewichen:
Felis »pelaea, Var. r, F. le>o.
Hvaeua spelaea, Var. v. H. crocuta.
Felis antiqua Var. v. F. pardu».
Der Tezt bringt einen ersten Theil einer »ehr einliss*
liehen Beschreibung v. Felis »pelaea Goldf. Für die Treff-
lichkeit der Tafeln kann die Bemerkung genügen, das» sie
von Dinkel gezeichnet »ind.
W. B. Dawkins. On theMammalian Remains found
by 0. Wood, near Richmond, Yorkzhire. (In
e. Art Kükken-Medding.) — Quarterly Journal
of the geological society of London , Vol. XXI,
1865, pag. 193.
Falconer, Hugh. Palaeontological Memoire and
notes of the late .... compiled and edited by
Ch. Murchison. London 1868, 2 Bände, Yol. I,
590 Seiten, 34 Tafeln, 16 Holzschnitte. Yol. II,
676 Seiten, 38 Tafeln, 9 Holzschnitte.
Der erste Band dieses höchst ersehnten Werkes kann als
Text zu dem bisher blos von einem Verzeichnis» begleiteten be-
kannten Pracht werk Fauna antiqua siralensis von Cautley
und Fit Icon er betrachtet werden und gehört ausschließlich
der paUeontologiscben Literatur an.
Der zweite Band ist fast ganz der plei»tocene n Fauna ge*
widmet und verdient hier insofern wenigstens eine Inhalts-
anzeige, als Falconer bekanntlich durch seine ausgedehnte
Bekanntschaft mit der foM>ilen and lebenden Fauna Asiens,
sowie durch einlässliche« Studium der meisten europäischen
Sammlungen mehr als irgend ein anderer Zoo log iro Stande
war, die Uetanrestc einrr Fauna richtig zu beurtbeilen,
welche, wie e» mit der europäisch-plristoccnen der Fall ist,
in so hohem Maa**e mit der heutzutage noch in Indien
nnd Ost-Afrika lebenden verwandt ist.
Die hauptsächlichen Artikel des zweiten Bandes, welche
sich mit prchistorischer Epoche befassen, »ind folgende
zum kleinen Theil in dem Quarterly Journal of the Geolo-
gical society of London bereits pubiieirte:
Ueber die in England fossil vorkommenden Spedes von
Mastodon und Elephant.
Ueber die fossilen feiierreste von Elepha» meliteneis und
anderer Säuget hier« aus Knochenhöblen von Malta.
Ueber die eurofdüBch-plioccncD und postpliocenen Spedes
de» Genus Rhinoccros.
Ueber da» Vorkommen von Spenuophilus in der eng-
lischen Höhlenfauna.
Ueber da» Vorkommen von Felis spelaea in England.
Ueber die Uebenreate angeblich britischen Ursprungs von
Drepanodon und Machairodus.
Noten über llyaena.
Noten über fossile Spedes von Ursu*.
Noten über fossile Spedes von Cervua.
Ueber die Knochenhöhle von Brixbom bei Torquay.
Ueber die Knochenhöhlen von Gower, Süd-Wale«.
Ueber die Knnchenböhlen von Cefnscave, Nord-Wale«.
Ueber die Knochenkohlen v«m Maccagnone bd Palermo.
Ueber den Inhalt der (lenistahühle von Gibraltar.
Urmensch und seine Zeitgenossen.
Ober die Kinnlade und Steinwerkzeuge von Moulin-
Quignon.
Kunstwerke de« Urmcn»chen in Europa.
Ueber da« angebliche Vorkommen von Menachenknochcn
in den alten Flussablagerungen de» Nil und Ganges.
Alph. Favre. Station de Thomme de Tage de la
Pierre k Veyrier pres de Geneve. — Archive«
des Sciences naturelle« de la ßibliothcque uni-
verselle. Mara 1868.
Digitized by Google
184
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Nebel einigen Hnurthieren, wie Rind, Pferd, Rennthier
hat Rütimeyer in den Knochen ton Veyrier eine ganze
Anzahl alpiner Thier« nathge wiesen , AJpenhase, Marmel*
thier, Steinbock , Schneehuhn, sowie Edelhirsch, Dach«,
Kaninchen.
Prof. Humphry. On sorne point* in the Anatomy
of ihc Chimpanzee. — Humphry and Turner,
Journal of Anatomy and Phywology, May 1867.
Mit Tafel.
Einlässlich« Verbleichung der hinteren Extremität,
Knochen und Bandappurat , von Chimpanzee und Mensch.
Die ganz« Ordnung der Allen verdient eher den Kamen
Chiropoden al» Quadrumunen, indem ein Hauptcharakter
ihrer Extremitäten darin beruht, da** der Unterschied von
Hand und Fw („Halter** und „Geher-) nicht scharf aus-
gesprochen ist.
G. Lartet. Kote on Ovibo« moachatns. — Quar-
terly Journal of the Geological Society of Lon-
don, VoL XXI, 1865, pag. 174.
Bisherige Fundorte in Frankreich: Perry (Oise), Gorge
d’ Enter (Dordugne), Viry -Noureuil (Aisne), überall mit
menschlichen Gerälbschallen.
G. Lar tot. Note nur deuxtetes de Carnaasiers fos-
sile« (Ursus et Felis) et sur quelques debris de
Rhinoceros provenant des decouvertes faites par
M. Bourguignat dans les cavemcs du Midi de la
France. — Annales des Sciences naturelles. Zoo-
logie, Tome VIII, 1867, pag. 157. Mit 1 Tafel.
Beschreibung einer neuen fossilen Speeie* von Baer,
Ursus Bourguiguati Lartet, verwandt mit U. priacus Goldf.,
und eine* Schädel« von Felis Leopardu* and Fo«*ilis au* der
Cavcrne de Mars (Alpes maritimes), nebst Di*cu**i»n über
Charaktere, Synonymie und geographi»che Verbreitung der
vier quaternären Arten von Rhinoceros. (Rh. ieptorhinus
Cuv., Merkii Kaup. , etruacu* Falc. und tichorhinus Cuv.).
F. Thioly. L’epoque du Renne au pied du Mont
Sal^ve. Mit TafeL Annecy 1868.
Sculptirte Knochen von Veyrier.
Wlnwood Reade. The Habits of the Gorilla. —
The American Naturalist, Nr. 4, Juni 1867.
Einige Bemerkungen über die Sitten diese* Thierea.
Nord grenze seiner Verbreitung ist Cap St. John, SUdgreuze
wahrscheinlich Loango; wie weit es noch Osten ins In-
nere geht, ist unbekannt. Der Goriil ist ein polygamisches
Wanderthier von theilweise terrestrischen Sitten, allein sein
Seat zum momentanen Bedarf auf Bäumen bauend.
Prof. Rolleston. On the domestic cata, Felis do-
mestica and Mustela foina, of ancient and modern
Times. — Humphry and Turner, Journal of
Anatomy and Physinlogy, Novembre 1867.
Eine lebhafte und gelehrte, auch andere al* englische
Quellen berücksichtigende Exegese* über die Mäu ««feinde
der Alten. Der Verfasser vermuthet, das« bei den Griechen
und Römern der gemeine Marder den Dienst unserer Haus-
katze verrichtete, da kein Beleg rorliegt. das« letztere, ob-
schon «ehr früh in Egypten gezähmt (Herodot, Buch Ba-
roch etc.), vor der christlichen Zeit in Europa Hauathier
wurde. Nach einer Bemerkung von Pal lad iu* würden
Katze und Marder noch zur Zeit von Theodosiu« in Ita-
lien gleichzeitig als Hausthiere gehalten worden sein. Die
Katze hiess «öorfsj, der Marder yaAi1', welcher letztere
Namen dann auch auf die Katze, die m Ost- Europa den
Marder ersetzte, überging.
L. Rütimeyer. Lea Ossemens de la Caverne de
Veyrier. — Revue Savoisienne, 25 Avril 1868.
Zu der früheren Liste von Thieren dieser Localität sind
in Folg« fernerer Zusendungen hinzugekommeu : Steinbock,
Gemse, Bär, Wolf, Fuchs, Storch. Merkwürdig ist die
Verbreitung der einzelnen Speeie* nach Individuen in der
von Thioly Ausgebeuteten und gänzlich abgeschlossenen
Localität: Pferd b. Rind 1. Rennthier 18. Hirsch 4.
Steinliock 8. Gemse 1. Murmelthier 4. Ho*« 4. lür 1.
Wolf 2. Fuchs 1. Schneehuhn 31. Storch 1. Angesicht»
dieser heut« wesentlich alpinen Fauna muss sich der Ver-
dacht aufdringen, das* da* Rennthier in Veyrier nur als
Hausthier gelebt hüben mochte, wofür sowohl seine starke
Verbreitung als sein tonst kaum erklärlich«« heutiges Feh-
len in den Alpen zu sprechen scheint.
L. Rütimoyor. Die Grenzen der Thierwelt, eine
Betrachtung zu Darwin’* Lehre. Zwei Vorträge,
Herrn K. E. v. Baer gewidmet, 72 Seiten, 8°.
Basel, Schweighauuer 1868.
Eine Besprechung der Wirkung des gegenwärtigen Stan-
de« der Naturgeschichte der Organismen auf die Beurtei-
lung der Grenzen zwischen Thier und PHaaze einerseits,
Thier und Mensch andererseits. a
Wagner, Moritz. Die Darwinsche Theorie und
da* Migrationsgesetz der Organismen. München
1868.
Eine inhaltreiche Abhandlung, in welcher der Verfasser
nachweist, da*» da« Gesetz der natürlichen Zuchtwahl,
welche« er in allen seinen Folgerungen anerkennt, in Ver-
bindung mit dem ixolhweudigeo Migrationsbcstrchrn der
Organismen ausreicht und sogar allein im Stande ixt , die
Entstehung von unzähligen Arten und Abarten der Orga-
nismen zu erklären. Allein Zuchtwahl und Migration be-
dingen sich dabei gegenseitig.
V.
Allgemeine Anthropologie.
Bartol, C. A. Man’* Place in the Creation. — (The Boardman, Goo. D. The scriptural Anthropology.
Radical, Boston, Juli 1867.) — Baptist Quarterly. Philadelphia, April 1867.)
Digitized by Google
185
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Boltz, Dr. A. Die Sprache und ihr Leben. Po-
puläre Briefe übor Sprachwissenschaft. Leipzig
1*68, 8°.
Coudoroau. Sur ce qu'on entend par la civilisa-
tion. — Bulletins de la societe d Anthropologie
de Paris, 2d* Serie, Tome II, 1867, S. 411.
Crawfurd. On the plurolity of the races of man.
— Transactions of the ethnological society of
London. New series, Vol. VI, S. 49, 1868.
Crawfurd. On the origin and History of writtou
language. — Transactions of the ethnological
society of London 1867, Vol. V, S. 96.
Farrar. Aptitudes of race«. — Transactions of the
ethnological society of London 1867 , Vol. V,
S. 115.
Fdtis. Sur un nouveau mode de Classification des
races humaines d’apres lenrs Systeme« musicaux.
— Bulletins de la societe d' Anthropologie de Pa-
ris. 2d* serie, Tome II, 1867, S. 134.
Hardhock. On the dorivation of Man from theMon-
key. — (Atlantic Monthly, Boston, März 1867.)
Jaeger, Dr. GuBtav. Ueber den Ursprung der
menschlichen Sprache. — (Ausland 1867, Nr. 42,
47.)
LettMtswerth« Aufsätze , interessant durch de* Autor«
Beobachtungen über die Articulationen der Thier«.
Lagneau. Du recrutement de l’armee sous le rap-
port anthropologique. — Bulletins de la societe
d1 Anthropologie de Paris, 2*** Serie, Tome II, 1867,
S. 335, aus: Gazette hebdomaire de medecine et
de Chirurgie, 19 Avril 1867, Nr. 241
Letourneau. Sur les phases sociales. — Bulletins
de la societe d' Anthropologie de Paris , 2d# serie,
Tome II, 1867, S. 378.
Lombard. Influence de la race sur la mortalitc
selon les saieons. — Bulletins de la societe d'An-
thropologie de Paris, 2d* serie, Tome II, 1867,
8. 366.
Jm Allgemeinen unterliegen io Afrika (Algerien) dir ein-
heimj«chen Racco (Neger, Araber) mehr im Winter, Euro-
päer im Sommer; eben«» in Amerika.
Man and the conditions that surround him; his
progress and decline, past and present. New-
York 1867, 8°. 365 S.
Müller, Dr. Friedr. Reise der österreichischen
Fregatte Novara um die Erde in den Jahren
1857, 1858, 1859. — Linguistischer Theil. Wien
1867, 4°.
Professor Dr. Friedrich Müller war von der kaiser*
heben Akademie der Wissen sc harten beauftragt worden,
da« von Hofrath Dr. v. Scberzer während der Novara-
Keise gesammelte linguistische Material zu bearbeiten. ln
der That konnte Professor Müller über zahlreiche neue
Details verfügen und dergrstalt dienen Band veröffentlichen,
in welchem ursprünglich beabsichtigt, eine anthropologische
Uebersicht der von der Novara besuchtet» Völker und
Stämme zu geben. Scher* er’» linguistische Sammlungen
erwiesen »ich jedoch ab so zahlreich, das« man beschloss,
sie getrennt von dem anthropologischen Theile zu bearbei-
ten. Professor Müller beabsichtigt in dem vorliegenden
Werke nur uns mit den Idiomen der Ton der Novara be-
suchten Völker bekannt ru machen und tbeilt deshalb sein
Buch in vier Abschnitt«: Die afrikanischen , indischen,
australischen und malaro - poly nrsischen Sprachen. V on
den afrikanischen Mundarten behandelt er nur jene, welche
nicht von Negern gesprochen werden, nämlich die Hotten-
toten, die Bantu und die hmnitischen Idiome. Am ma-
gersten fiel natürlich der Abschnitt über die Sprachen de«
australischen Festlandes und Tasmaniens aus. Der erklä-
rende Text ist klar, deutlich, ohne rhetorisebm Aufwand
und bietet für jedes, dem linguistische Urographie nicht
gänzlich fremd ist, reiche Details und unschätzbare An-
haltspunkte wegen »einer durchsichtigen und kritischen
OaoMficining der Sprachen, selbstverständlich so weit die«
unsere dermaiigrn Kenntnisse gestatten. V* H.
Poilorin. Ce qtTil faut extendr© par le raot civi-
lisatiou. — Bulletins de la societe d’Anthropolo-
gie de Porisi, 2d* serie, Tome II, 1867, S. 443.
Pesch el, Oscar. Die Rückwirkung der I Ander-
gestaltung auf die menschliche Gesittung. —
Ausland 1867, Nr. 39, 40, 43, 47; 1868, Nr.
8, 13.
Pruner-Bey. Sur la languo euskuara, parleo par
les Basques. — Bulletins de la societe dAnthro-
pologie de Paris, 2d* serie, Tome II, 1867, S. 39.
Biecke, C. F. Ueber den Ursprung der Sprachen,
Sagen und Mythen. Nordhausen 1867, 8®. 95 8.
Sprague, Charles F. Darwinian Theory. — The
Atlantic Monthly. Boston 1866, Octob.
Steinthal. Ueber den Ursprung der Sprache. —
Zeitschrift für Sprachwissenschaft V, 1, 1868.
What is the Special Influence of Spiritual Thought*
on the Human Physiognomy and Character. —
Occident (the) and American Jewish Advocate,
Dec. 1865.
Wkitney, W. D. On the teetimony of language
respecting the Unity of the Human Raoe. —
(North Amer. Review, Juli 1867, Boston.)
Whitney, W. H. Language and the study of
language; a course of lectures on the principles
of linguistic Science. London 1867, 8®. 500 S.
Wilder, Alexand. M. D. Intermarriage between
kindred. — American Eclectic Medical Review
(New York), July 1867.
Archiv Ifir Anthropologie. Bd. III. lieft II.
24
Digitized by Google
186
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
VI
Aus den Verhandlungen
1. Anthropological
Cleghorn. Is the cbaracter of the Scotch the Ex-
pression of the Soil of Scotland? — Journal of
the anthrop. foc. of London. Sitzung vom 19.
Novemb. 1867, Nr. 20, January 1868, S. XXI.
Verfasser rindet die Bevölkerung im Orten und Werten
Schottlands sehr verschieden und dass diese Verschieden-
heit in ursächlicher Beziehung zur Rodenver»t:hiedrnbeit
«tehe. Eine Linie, die von Dutnhurton gegen Sandside io
Oiithnes« laute, theile Schottland in zwei scharf getrennte
gelehrter Gesellschaften.
society of London.
geologische Regionen, von denen die östliche dem Glet-
»cherlehm (boulder clay) angehöre. Auf letzterem wach-
sen x. B. in CailhneM „the best cereals, cattle and men44
um! wo er fehle „tbe corn, cattle and men were mise-
rable44. Dies« Behauptung fan \ mehrfache Gegner, die
eher geneigt waren die Verschiedenheit als eine Racenver-
•chiedcnhcit — Galen und Angelsachsen — zu betrachten,
von denen die crsiere» gebirgige, letztere Hache Gegenden
vorziehen.
2. Socidte d’anthropologie de Paris.
M agitot. Recherche«) uthnologiquog et statistiques
sur leg altcrations du Systeme dentaire. — Bul-
letins de la Bocietu d’Antbropologie de Paris,
2de serie, Tome II, 1, 1867, 8. 71.
Magitot hat die Verbreitung der Zahncarie* in ver-
schiedenen Gegenden Frankreichs und ihre Ursachen atu-
dirt. E* liegen diese mich seiner Mcinuug weder in der
Nahrung, noch im Wasser etc., soudern es sind ererbte,
die Zahiivcrderbniss somit ein Kacencbarakter. Da Verlust
«der Verderbnis* der Zähne vom Militärdienst befreit und
Carte* die vorzügliche Ursache vorgenannter Mängel ist,
so können die Hecrutirungslistrn über die Verbreitung
derselben Aufschluss geben. Nach französischem Geseu
findet Befreiung vom Militärdienst statt: 1) bei Verlust
oder Caries der Schneide- oder Eckzähne ln einem der
Kiefer; 2) bei Verlust, Carle» oder sonstigem schlechten
Zustand der übrigen Zähne. In 14 Jahren (1850-1664)
waren unter 3,192,612 Untersuchten 26,462 au* den ge-
nannten Ursachen befreit (= VSj der Befrei ungs- Ursachen
wegen Krankheit). Darnach verthei It sich die Caries nach
Departement* *o, dos* in denjenigen, in welchen die kleine,
dunkelhaarige , mehr brachycepbale (cellische) Kace vor-
herrscht, der Ztntuud der Zähne überwiegend gut, in de-
nen, in welchen die grosse, blonde, blauäugige und mehr
dulicbocephak (kymritche) Racc vorherrscht, überwiegend
schlecht ist.
ln der an diese Mitteilung sich knüpfenden Discussion
wurde von Üm alias d'Hnlloy insbesondere auf den Ein-
Hns* der geologischen Verhältnisse aufmerksam gemacht,
die die vorgenannte Verteilung ganz gut erklären. Pru-
uer-Bey wies auf den Einfluss der Nahrung hin. Wäh-
rend er die KleUchnaliruug in dieser Beziehung für schäd-
lich erklärte, behaupteten Broca und Moussy, und ge-
wiss mit Hecht (Referent), da* gerade Gegenteil.
Woisbach. Anthropologie der Novara. — Siehe
Bulletins de la soeiüte d’Anthropologie de Paris,
2dc Serie, Tome II, 1867, 8. 621; siehe auch
Ausland 1868, Nr. 5.
lieber die oben (S. 139 der Referate) besprochenen Mes-
sungen hat sich im Schnosse der anthropologischen Ge-
wi Iw-haft eine Discussion eul-oonnrn, in deren Folge auch
die oben (S. 165) angeführte Arbeit von Broca mitge-
t heilt wurde.
3. Versammlung der britischen Naturforscher zu Dundee im September 1867.
Tho Dundeo anthropological Conference. —
Anthrop. Rov. 1868, Jan., Nr. XX, S. 71. — Report
on Anthropology at the british association. Jour-
nal of the anthrop. soc. of London, Vol. V, Jan.
1868, Nr. XX, 8. III. — Martina. La 37to0 reu-
nion de rassociation britannique poor Tavance-
ment des Sciences It Dundee, en 1867. Revue
des deux mondee, Vol. 73, Jan. 1868, S. 213.
Nach mancherlei Verhandlungen wurde von den leitenden
Autoritäten der British Association eine Vereinigung der
Anthropologie mit der Geographie und Ethnologie in eine
SecLiun beschlossen und *o eine unerquickliche Geschieht«
helgelegt. Zu diesem günstigen Ausgang trug wohl auch
die in Pari* erfolgte Wahl Murchisou’s zum Präsidenten
de* im Jahre 1Ö68 in England tagenden internationalen
Congresses für Anthropologie und vorhistorische Archäolo-
gie das Ihrige bei.
Digitized by Google
DAS CRÄBERFELO beim HINKELSTEIN
lin ut it Muiislii'ini (Hlii'inlii'Surii.)
Tafel /
Digitized by Google
Digitized by Google
DAS CRABERCELD beim HINKELSTEIN
imweil Muiittht'im IKIifinlicssm ) Tafrt U
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google
ARCHIV
FÜR
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
fOb
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE
DM*
MENSCHEN.
II KRAU SCI KU KB RN *
TOS*
C. E. V. Baer in St Petersburg, E. Desor in Neuenburg,
A. Eoker in Freiburg, W. Hia in Basel, L. Lindensohmit in Mainz,
G. Luoae in Frankfurt a. M., L. Rütimeyer in Basel, H. Sohaaffhausen in Bonn,
O. Vogt in Genf und H. Weloker in Halle.
Unter der Rcdaction
von
A. Eoker und L. Lindenschmit.
Dritter Band.
Mit in den Text eingedruckten Hnlxntichnn und litbngraphirtou Tnfelu.
Drittes und viertes Heft
(Schluss des dritten Randes.)
BRAUNSCHWEIG,
»RUCK UND VKIU.AU VUN FRIEDRICH VIKWEU UND 8ÜHN.
1 8 6 9.
INHALT DES DRITTEN UND VIERTEN HEFTES.
Seite
XI. Die durchbohrten Gerithe der Steiuperiode. Von Carl Rau in Ncw-York 187
XII. Tabellen zur Ausschreibung der Breiten* and Höhenindices. Von II. Welcher 197
XIII. Zar Entwicklungsgeschichte der Furchen und Windungen der Urosshirn-Heinisphären im Foetus
des Menschen. Von A. Ecker. Hierzu Tafel I— IV 203
XIV. üeber die typische Anordnung der Furchen und Windungen auf den Großhirnhemisphären des
Menschen und der Affen. Von Dr. Ad. Pansch in Kiel. Hierzu Tafel V — VIII 227
XV. Die Lehre Darwin’s und die Anthropologie. Von H. Schaaffhausen . . 259
XVI. Sind das Stein-, Bronze- und Eisenalter der vorhistorischen Zeit nur die Entwicklungsphasen des
Culturzustandes eines Volkes oder sind sie mit dem Auftreten verschiedener Völkerschaften
verknüpft? Eine antiquarische Untersuchung von Dr. v. Maack in Kiel 267
XVII. Kleinere Mittheilungen, Referate, Miaccllen etc.
I. Kleinere Mittheilungen.
Antiquarische Funde in Ungarn und Krain. Von Carl Griesbach in Wien ♦ . . 297
II. Referate.
1. Rieh. Owen. Derivative Hypotbcsi» of Life. Ref. von L. Rötimeyer . 299
2. L Agassis. De l’Espece et de la Classification. Ref. von L. Rötimeyer 300
3. E. Haeckel. Ueber die Entstehung und den Stammbaum de» Menschen-
geschlecht«. Ref. von L. Rötimeyer 301
4. E. Haeckel. Natürliche Schöpfungsgeschichte. Ref. von L. Rötimeyer 301
5. J. B. Davis. Thesaurus craniorum. Ref. von H. Wolcker ....... 302
6. Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde. Anthro-
pologischer Theil, dritte Abtheilung: Ethnographie von Dr. F. Müller.
Ref. von H. Welcker . 303
7. v. Luschka, Koch, Götte, Görtz. Anatomische Untersuchung eines
. Buschweibes. Ref. von A. Ecker 306
8. Gerl and. Ueber das Auasterben der Naturvölker 308
9. Bleck. Ueber den Ursprung der Sprache. Ref. von H. Schaaffhausen 308
10. Wechniakoff. 1) Ebauche d’une economie de« travaux ucientifique*.
2) Recherche» sur les condition« anthropologiques de la production pcien-
tifique et esthetique. Ref. von II. Schaaffhausen 312
11. v. Maack. Urgeschichte des Schleswig-Holsteinischen Landes. I. Theil.
Ref. von II. Schaaffhausen . . 314
]2. Nils so n. Das Steinalter oder die Ureinwohner des skandinavischen Nor-
dens. Ref. von Kreisgerichtsrath Rosen berg in Neu-Ruppin .... 316
13. Schaaffhausen. Ueber die Urform des menschlichen Schädels 321
III. Miscellen . 323
XVIII. Verhandlungen wissen schaftlicher Versammlungen.
I. Bericht über die Verhandlungen der Section für Anthropologie und Ethnologie
bei der 42. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
Dresden. Von H. Schaaffhausen 327
II. Internationaler Congress für Alterthumskundc und Geschichte in Bonn.
Bericht über die Verhandlungen der Section für Urgeschichte. Von
H. Schaaffhausen 332
III. Berieht über den internationalen Congress für Anthropologie und vor-
historische Archäologie in Paris. Von 11. Schaaffhausen 339
IV. Verhandlungen des internationalen Cougresses für Anthropologie und vor-
historische Archäologie zu Norwich 350
XIX. Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
I. Urgeschichte. Von C. Vogt 353
II. Anatomie. Von A. Ecker 372
HI. Ethnographie und Reisen.
1. Allgemeines. Von F. v. Hellwald in Wien 376
2. Europa. Von F. v. Hollwald in Wien 377
8. Aden. Von Dr. A. Bastian in Berlin 881
4. Australien und Oceanien. Von Prof. Meinicke in Dresden 390
5. Afrika. Von Prof. R. Hartmann in Berlin 392
Ö. Amerika. Von F. v. Hellwald in Wien 395
IV. Zoologie in Beziehung zur Anthropologie. Von L. Rötimeyer 399
V. Allgemeine Anthropologie 400
Digitized by Google
XL
Die durchbohrten Geräthe der Steinperiode.
Von
Carl Rau
Ln Xew York.
Einige Archäologen, unter denen Sir John Lubbock, neigen sich zu der Ansicht, dass
dio in Europa vorkommenden durchbohrten steinernen Aexte und Hämmer überhaupt dem
Anfänge der Bronzeperiode angehören. Ohne Zweifel sind manche der erwähnten Geräthe
jener Periode beizuzählen, da sie in alten Grabstätten in Gemeinschaft mit Gegenständen von
Bronze angetroffen werden, und man überdies weis«, dass überall steinerne Waffen und Werk-
zeuge noch lange nach der Einführung von Bronze verfertigt und gebraucht wurden. Diese
Thatsacben berechtigen jedoch keineswegs dazu, sämmtliche mit Schaftlöchern versehenen
Steingeräthe der Periode zuzuschreiben, in welcher die Anwendung der Bronze bereits be-
kannt war; im Gegentheil dürfte man aus der Art und Weise des Vorkommens mancher
dieser Gegenstände und der Form ihrer Durchbohrung zu dem Schlüsse gelangen, dass sie
der eigentlichen Steinzeit angehören. In dem von J. J. A. Worsaae heransgegebenen illu-
8trirten Kataloge der Sammlung des Kopenhagener Museums1) befinden sich elf Darstel-
lungen von durchbohrten Steingeräthen , welcho der Steinzeit zugeschrieben sind, und die
Abbildungen von Gegenständen der Bronzeperiode beginnen mit sieben, durch zierliche Form
und äusserst sorgfältige Bearbeitung ausgezeichneten durchbohrten Steinäxten. Obwohl ich
nicht weiss, unter welchen Verhältnissen diese der Stein- und Bronzezeit zugetheilten Ge-
räthe gefunden worden sind, so zweifle ich doch keinen Augenblick, dass der Herausgeber
jenes Kataloge«, ein Archäologe von anerkanntem Verdienste, sich bei seiner Classification auf
stichhaltige Gründe stützte. In verschiedenen, ausschliesslich der Steinzeit angehörigen Pfahl-
bauten sind durchbohrte Aexte und Hämmer gefunden worden, und zwar fünfzig in einer
Vl Worsaae , Nordiakc Oldsagcr i det Kongdigc Museum i Kjöhenhavn, 1359.
Archiv für Authropolügio B«l. III. Heft J, 24*
Digitized by Google
188
Carl Rau
einzigen Station, nämlich der von Nussdorf am Uebcrlinger See. Desor, welchem ich diese
Thatsachen entnehme, bezeichnet auch eine andere See-Station der Steinperiode, woselbst
die erwähnten Gegenstände nur in den oberen Lagen der Fundschicht Vorkommen, ein Um-
stand, welcher deshalb von Bedeutung ist, weil er, den stnfenweisen Fortschritt menschlicher
Geschicklichkeit während der Steinperiode veranschaulichend, uns andeutet, dass die mit
Schaftlöchem versehenen Stcingeräthe einer späteren Phase jener Periode angehören ').
Eine genaue Prüfung der Schaftlöcher europäischer Stcingeräthe hat mich zu der An-
sicht geleitet, dass dieselben ihre Entstehung der Anwendung von zwei verschiedenen Bohr-
methoden, oder wenigstens zwei verschiedenen Arten von Bohrern, verdanken. Die besser
gebohrten Löcher sind von gleichmässiger Weite, glänzend glatt, und zeigen in kleinen Ab-
ständen ringförmige Furchen oder Einschnitte, welche mit der durch das Loch gebildeten
Kreislinie parallel laufen. Diese Durchbohrungen sind, nach meiner Ansicht, mit einem boh-
len Cylinder, der wohl in manchen Fällon aus Bronze bestand, bewerkstelligt worden, und
ich möchte die auf diese Weise durchbohrten Stcingeräthe, zum Theil wenigstens, der Bronze-
zeit zuschreiben, um so mehr, da sie in ihrer äusseru Form nicht selten eine Vollendung
wahrnebmen lassen, die während der eigentlichen Steinperiode wohl kaum erreicht wurde.
Bei anderen Werkzeugen sind die Löcher ebenfalls mehr oder weniger glatt , ohne jodoch die
eben erwähnten ringartigen Furchen zu zeigen, und verengen sich bisweilen in der Mitte,
so dass hier eine Hervorragung gebildet wird, wie Fig. 14 veranschaulicht. Diose Löcher sind
augenscheinlich von zwei Seiten gebohrt, und zwar nicht mit oinem hohlen Cylinder, son-
dern vermittelst eines soliden Körpers, wahrscheinlich eines hölzernen Stabes. Die mit
solchen Durchbohrungen versehenen Aexto und Hämmer stammen, nach meinem Dafürhalten,
vorzugsweise aus der Steinperiode. Bei jeder der erwähnten Bohrarten muss natürlich die
Anwendung von hartem Sand und von-Wasser vorausgesetzt werden, und ersterer ist über-
haupt als das eigentliche Bohrmittel zu betrachten.
Ich hatte Gelegenheit, verschiedene europäische Aexte und Hämmer mit angef&ngenon
oder nur halb vollendeten Bohrlöchern zu sehen, und die Beschaffenheit der letzteren tmg
wesentlich dazu bei, mich in den eben ausgesprochenen Ansichten zu bestärken. Während
Fig. 14. Fig. 15. Fig. IG.
nämlich einige dieser unvollendeten Löcher, und gerade solche, an denen man die ringför-
migen Furchen bemerkt, am Boden eine kegelartige Hervorragung zeigen, die augen-
scheinlich auf ein hohles Bohrwerkzeug hinweist (Fig. 1 lässt sich bei anderen (Fig. lb) nur
*) Desor. I’nlafittp*. or Laousirmu Constructions of the Lake of Xernrhute]. Smithsonian Report für l?ft.r>f
S. 359. — Als Obige* bereits niedergeschriebert war, erhielt ich von dem Eigen tbüm er und Erforscher des
Pfahlwerkes zu Hohenhausen, Herrn Mossikommer» einen Brief, worin er mir mittheilt, dass er auf der ge-
nannten Stätte, welche keine Gegenstände von Bronze liefert, im Jahru 1HG5 einen uub Serpentin gefertigten
durchbohrten Hammer gefunden hat.
Digitized by Google
Die durchbohrten Geräthe der Steinperiode. 189
eine runde, sich verengende Vertiefung wahrnehmen, wie sie ein als Bohrinstrument ange-
wandter Holzstab hervorbringt Ich würde letztere Behauptung nicht so zuversichtlich aus-
sprechen, wenn mich nicht die Resultate angestellter Versuche hierzu berechtigten : es ist mir
nämlich gelungen, einen harten Stein, ohne irgend welche Anwendung von Metall, mit einem
hölzernen Stabe vermittelst Sand und Wasser zu durchbohren. Die Bekanntmachung des
hierbei angewandten Verfahrens ist der eigentliche Zweck dieses Aufsatzes, welcher, wie ich
hoffe, manchen Archäologen nicht unwillkommen sein wird.
Zunächst will ich eine Beschreibung meines Bohrwerkzeuges (Fig. 17) geben, welches das
nämliche ist, dessen sich in früheren Zeiten die Irokesen zu einem andern Zwecke, nämlich
zur Erzeugung von Feuer durch Reibung bedienten.
Morgan hat dasselbe beschrieben und abgebildot a).
Es besteht aus einem rund gearbeiteten, etwa vier
Fuss langen Stocke, der oben einen Zoll Durch-
messer hat, sich jedoch nach unten langsam ver-
jüngt, und hier mit einer aus schwerem llolze ver-
fertigten massiven Scheibe versehen ist, wodurch
ihm die erforderliche Schwungkraft initgetheilt
wird. Ein Bogen oder gekrümmter Stab von etwa
drei Fuss Länge, an dessen Enden eine starke
Schnur befestigt ist, bildet den zweiten Theil des
Werkzeugs. Beim Gebrauche passt man die Schnur
des Bogens in einen quer durch die Mitto des oberu
flachen Endes des Stockes angebrachten Einschnitt,
und wickelt sie in der auf der Zeichnung angege-
benen Weise um den Stock. Alsdann fasst man
den Bogen mit beiden Händen und drückt ihn mit
einem heftigen Rucke abwärts. Hierdurch wird
Fig. 17.
I) Ei war mir von besonderem Interesse, in einem Werke von Dr. Gustav Klemm (Allgemeine Cultur-
wireenschafl, Weifen und Werkzeuge; Leipzig 1854, S. 79) meine Ansichten in gewissem Grade bestätigt zu
finden, weshalb ich die betreffende Stelle in den Worten des Verfassers anfuhre:
„ln welcher Weise und mit welchen Hülfsmitteln wurden diese zum Thei! überaus harten Klingen
durchbohrt? Man hat unfertige oder angefengene Durchbohrungen gefunden; ans dem kreisrunden Loch stand
ein Kern hervor, der Gutsmuths auf die Krage führte: Wie durchbohrte dor ullo Germane seine Streitaxt?
(Morgenblatt 1832, Xr. 253.) Kr sprach die Ansicht aus, dass die» mittelst eines metallenen Cylinders geschehen
sei, den die Alten nach Art der zahnlosen Steinschneidersägen mit Smirgel snwendeten. Er fand eine loter-
stötzung seiner Ansicht in der grossen Regelmässigkeit dur Löcher, der Glätte ihrer Innenseite ond in ein-
gedruckten Windungen, die er als Spuren eben jenes Cylinders betrachtete. Im Jahre 1840 erhielt ich durch
die Güte meines verewigten Freundes, Herrn Oberhofgerichtsrath* von Zehmen, einen bei Wciasig, unweit
Camenz, gefundenen bronzenen Cylimler von fünf Zoll Länge und droiviertel Zoll Durchmesser, tjpr ganz mit
edlem, dunkelgrünem Roste bedeckt ist, und von mir lange Zeit als du, Instrument angesehen wurde, womit
alle Steinäxte gebohrt worden. Fortgesetzte Beobachtung belehrte mich jedoch, dass neben dieser doch auch
andere Methoden stattgefunden haben könnten. Eine auf zwei Seiten angebohrte Steinaxt meiner Sammlung
zeigt deutlich, dass bei diesem Exemplar wenigstens durchaus nicht an einen cjdindrischen Bohrer tu denken
ist, dass vielmehr die beiden «mischen Löcher mit einem festen Körper allgemach mühsam genug zu Stande
gebracht worden sind.“
s) Morgan, Leaguc of the Iroquoit, Kodierter 1851, S. 381.
Digitized by Google
190
Carl Rau,
die Schnur abgewickelt und der Stock nach link« gedreht; aber durch die dem Stocke mit-
getheilte Schwungkraft wird die Schnur in entgegengesetzter Richtung wieder um denselben
gewickelt und der Bogen wieder in die Höhe gezogen. Ein zweiter Ruck am Bogen be-
wirkt, dass der Stock sich nach rechts dreht. Man fahrt in der angegebenen Weise fort,
und der Stock wird nun abwechselnd in entgegengesetzten Richtungen herumgeschwungen.
Man hat es ganz in seiner Gewalt, den Apparat langsam oder schnell, gelinde oder heftigTar-
beiteu zu lassen ; doch erfordert es einige Uebung, denselben in wirksamer Weise zu ge-
brauchen.
Der Stein, an welchem ich meinen Versuch anstellte, ist ein flaches, ovales Stück Dio-
rit von grosser Härte, nicht ganz sieben Zoll lang, etwa fünf Zoll breit und in der Mitte
ls , Zoll (35 Millimeter) dick. Ich wählte gerade diese Gesteinsart, weil sie in Europa mit
Vorliel»e zu Aexlen verwendet worden ist Sie vereinigt Härte mit Zähigkeit, und hat auch
in Nordamerika den Indianern vorzugsweise den Stoff für ihre Aexte, Meissei, Keile und
Stampfer geliefert Der von mir gewählte Stein ist so hart, dass die Spitze eines guten
Federmessers auf demselben keinen Ritz, sondern nur einen metallisch glänzenden Strich
hervorbringt Das beim Bohren angewandte Material bestand in reinem, scharfkantigem
Quarzsande von mittlerem Korne. Ich gebrauchte auch für eine kurze Zeit Smirgel ; da ich
jedoch fand, dass dieser die Arbeit nicht mehr forderte wie Sand, so fuhr ich fort, den letz-
teren anzuwenden.
Um den Beginn des Bohrloches zu ermöglichen, befestigte ich ein viereckiges, anderthalb
Zoll dickes Brettchen, in welches ich ein dem untern Durchmesser des Bohrers entsprechen-
des rundes Loch geschnitten hatte, mit einer Schnur gerade über der Stelle des Steines, wo
ich das Loch ansetzen wollte. Diese Vorrichtung habe ich überhaupt fortwährend beit, (‘halten,
weil sonst der Bohrer bei der Arbeit beständig aus dem Loche herausgesprungen sein würde.
Nach diesen Vorbereitungen konnte ich mein Werk beginnen, welches zwar nicht sonderlich
anstrengend, aber über alle Massen zeitraubend war, und meine Geduld mehr wie irgend
eine andere von mir unternommene Arbeit auf die Probe stellte. Ich konnte cs nie über
mich gewinnen, länger wie zwei Stunden hinter einander zu arbeiten, und oft legte ich den
Stein für Wochen und Monate bei Seite, bis ich wieder hinreichende Energie gesammelt
hatte, um fortzufahren. Daher dauerte es zwei volle .Jahre, bevor ich die Durchbohrung voll-
endete. Ich kann nicht angeben, wie viele Stunden ich im Ganzen auf die Arbeit verwandt
habe, aber ich gelangte durch Messung zu dem Resultate, dass zweistündiges angestrengtes
Bohren durchschnittlich das Loch nur um die Dicke einer gewöhnlichen Bleistiftlinie ver-
tiefte. Die Arbeit würde unvergleichlich schneller von Statten gegangen sein, wenn ich statt
des harten Dioritos eine weichere Steinart, z. B. Serpentin, gewählt hätte; es war mir aber
darum zu thun, meinen Versuch an einem harten Gesteine auszufiihren. Alle fünf oder sechs
Minuten musste das Bohrloch durch Eintauchen des Steines in Wasser gereinigt werden, da
nach Verlauf dieser Zeit der Sand zermahlen war, und mit dem Wasser und den abgerie-
henen Holzthei leben des Bohrers einen Schlamm bildete, der nicht ferner als Bohrmittcl taug-
lich war. Die nach jeder Reinigung eingeführte Quantität Sand kam ungefähr dem Inhalte
eines Theclöfl'cls gleich. Die Abnutzung und daraus entspringende Verkürzung des Bohrstockes
war bedeutend, weshalb ich denselben zu wiederholten Malen ersetzen musste. Der erste
Digitized by Google
Die durchbohrten Gerüthe der Steinpcriode. 191
bestand aus zähem Eschenholze ; zu den anderen verwandte ich mit gleichem Erfolge Tannen-
holz.
Beim Beginn der Arbeit zeigte sich an der Durchbohmngsstelle eine glatte runde Fläche.
Diese erweiterte sich allmälig und bildete eine concave Vertiefung, welche endlich, als der
Stein lmlb durchbohrt war, eine conisebe oder trichterförmige Gestalt annahm. Jo tiefer der
Bohrer in den Stein eindrang, desto langsamer ging die Arbeit von Statten, weshalb ich,
nachdem ich die halbe Dicko des Steines erreicht hatte, auf der entgegengesetzten Seite ein
zweites Bohrloch ansetzte, welches auch in der erforderlichen Tiefe dem ersten gerade in
der Mitte begegnete. Es war ursprünglich meine Absicht, ein Loch von etwa dreiviortel
Zoll Durchmesser zu bohren; aber ich hatte die seitliche Reibung des SandeR nicht hin-
reichend berücksichtigt, und so geschah es, dass die beiden entgegengesetzten conischen Ver-
tiefungen, welche die Durchbohrung bilden, fünfviertel Zoll grössten Durchmesser erreichten.
Hätte ich einen um die Hälfte dünneren Bohrer gebraucht, so würden dieselben sowohl enger,
als auch cylinderformigor goworden sein. Ich machte diese Entdeckung jedoch erst, als ich
mit der Arbeit schon zu weit vorgeschritten war, um sie von Neuem zu beginnen.
Die jetzige Gestalt der Durchbohrung ist aus Fig. 18 ersichtlich. Sio ist vollständig rund
F'k- 18- und glatt, ohne jene Furchen wahmehmen zu lassen, die ich,
wie schon bemerkt, für die Merkmale eines hohlen Bohrers
halte. Um die Aufgabe durch Herstellung eines vollkommen
cylinderformigen Loches in erschöpfender Weise zu lösen,
würde es nüthig Bein, den weit vorspringenden Rand zwischen
den punktirten Linien durch fortgesetztes Bohren zu ent-
fernen: eine Arbeit, welche wahrscheinlich ebenso lange Zeit in Anspruch nehmen würde,
wie das bisher Geleistete. Ob ich hierzu hinreichende Zeit und Geduld haben werde, kann
ich nicht sagen; einstweilen genügt es mir, vielleicht eine der Methoden veranschaulicht zu
haben, die man in der Steinzeit beim Durchbohren von Stein befolgte. Ich bin natürlich
weit davon entfernt zu behaupten, der von mir gebrauchte Apparat sei auch in vorhisto-
rischen Zeiten in Europa angewandt worden; jedoch lässt Bich die Möglichkeit nicht in Ab-
redo stellen, denn ebensowohl wie die Irokesen ihn erfanden, um Feuer hervorzubringen,
können europüischo Völker dahin gekommen sein, sich desselben zum Bohren zu bedienen.
Herr Desor hält es flir wahrscheinlich, dass ein Stock, an dessen Ende Flintsplitter im Kreise
befestigt waren, als Bohrwerkzeug diente1). Ein solches mag vielleicht bei weichen Gesteins-
arten angewandt worden sein, konnte aber schwerlich beim Bohren von harten Dioriten und
Syeniten dienen. Ich habe selbst Versucho gemacht, und gefunden, dass in solchen Fällen
die Flintsplittor schon bei den ersten Umdrehungen brechen und abspringen. Aber von wel-
cher Art auch die Mittel gewesen sein mögen, welche den Menschen des Steinalters beim
Bohren zu Gebote standen, so muss doch jedenfalls die Arbeit äusserst zeitraubend und be-
schwerlich gewesen sein, und ihre auf mühsame Weise zurechtgeschlilTenen und durchbohrten
Qeräthe müssen für sie einen sehr bedeutenden Werth besessen haben. Dies deutet schou
der Umstand an, dass nicht selten die mit Schneiden versehenen Hälften ipier durch das
*) I'ülafittcb, S. 350-
Digitized by Google
192
Carl Rnu,
Schafllocb gebrochener Steinäxte gefunden worden sind, welche man durch das Bohren eines
zweiten SchafUoches wieder brauchbar gemacht hatte. —
In Nordamerika war vor der Ankunft der Europäer die Steinaxt mit rings herum-
laufender Vertiefung, Tomahawk >) genannt, das übliche Werkzeug. Durchbohrte Aexte oder
axtartige Geräthe kommen jedoch ebenfalls, wenn auch selten, vor. Die Figuren 10, 20 und
21 stellen Formen derselben dar. Die meisten derjenigen, welche ich gesehen habe, bestehen
aus einem ziemlich weichen grünlichen Steine mit dunkleren Streifen oder Flecken (nicht Ser-
pentin), der eine schöne Politur annimmt. Da sic mei-
stens klein und besonders sorgfältig gearbeitet sind,
und ihr Material sie ausserdem zum Gebrauch untaug-
lich macht, so unterliegt es kaum einem Zweifel,
dass sie als Abzeichen der Wurde dienten, und, an
einem Griffe befestigt, von den Häuptlingen gleich-
sam als Kommandostäbe getragen wurden9). Ich
weiss aus Erfahrung, dass sie vom Mississippi bis
zur atlantischen Küste verkommen. Der eigen-
tümliche Stein, aus dem sie bestehen und welcher
ebenfalls zur Anfertigung anderer kleiner Gegenstände benutzt wurde, mag wohl einen Tausch-
artikel gebildet haben. Die Durchbohrungon dieser Aexte sind äusseret regelmässig, und
rüliren augenscheinlich von hohlen Werkzeugen her. In vielen Fällen sind die Bohrringe
deutlich wahrzunehmen.
Ich muss jedoch hier noch einer besonderen Gattung von indianischen Aexten Erwäh-
nung thun, welche die Eigentümlichkeit besitzen, nur theil weise durchbohrt zu sein. Aller-
dings habe ich dieselben nicht häufig gesehen, aber doch in hinreichender Zahl, um zu der
Ueberzeugung zu gelangen, dass die Verfertiger die Schaftlöchcr absichtlich unvollendet
Hessen. Diese Aexte bestehen nicht aus dem soeben erwähnten, leicht zu bearbeitenden
Steine, sondern aus härterem Materiale ( Varietäten des Grünsteins), und stimmen unter ein-
ander in der Form überein. Fig. 22 stellt in halber Grösse den Umriss einer solchen dem
Dr. Davis zugehörigen, aus Massachuscts stammenden Axt in zwei Ansichten (von oben und
von der Seite) dar. Das Schaftloch ist durch Punkto an gedeutet. Die am Boden desselben
Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21.
: Von tamohienn, tomehagan, (cnmhigan, in verschiedenen Dialekten der Algonkin* Sprache. Auf S. 32t
im zweiten Bonde de* „Archivs“ hahe ich Abbildungen von Tomahawk* gegeben. Klastische Schösslinge des
Hickory oder einer andern Holrart wurden um die Rinne der Axt gebogen, und ihre Enden, unterhalb der
Klinge fest mit Sehne umwickelt, bildeten den Griff. — Einige amerikanische Ethnologen, z. II. Schooleraft
und Mc Cullnh, betrachten diese Aezte als Werkzeuge und nicht als Waffen. Es ist jedoch wahrscheinlich,
dass sie sowohl za Zwecken des Krieges als der Arbeit dienten, wie es die Gelegenheit erforderte. Menschen,
die ausschliesslich auf den Gebrauch von -SCeingeriUhcn angewiesen waren, zeigten sich mnthmasslich nicht
»ehr wählerisch in der Anwendung derselben. Im zweiten Bande von Catliu's bekanntem Werke ist Men-
BÖn-BO-ah (die linke Hand), ein I'iankcshaw-Krieger, nhgehildct, den der Künstler mit einer gestielten Stein-
axt in der Iiand darstellt. Ein indianischer Krieger ist bekanntlich ein Verächter der Arbeit, weshalb man
annchmen kann, dass jener Indianer dem Maler nicht gestattet haben wurde, ihn in der angegebenen Weise
ahzubildcn, wenn er seine Steinaxt nicht als ein Kriegsgerälhe angesehen butte.
J) Manchen der europäischen, mit Schaftlöchern versehenen Gerüthcn wird bekanntlich eine ähnliche Be-
stimmung sugesohrieben.
Digitized by Google
Die durchbohrten GerÜtlie der Steinperiode.
11)3
befindliche Erhöhung stellt die Anwendung eines hohlen Bohrwerkzeuge* ausser Zweifel.
Der Stiel wurde wahrscheinlich so weit wie möglich in das Schaflloch eingetrieben und ausser-
Fig. 22. dem durch Sehnen mit der
Klinge verbunden. Die in
der Seitenansicht wahrnehm-
baren Vertiefungen in der
Mitte der Axt scheinen zur
Aufnahme der Umwickelung
bestimmt gewesen zu sein.
Die SteingeTäthe, an de-
nen sich die Geschicklichkeit
der Eingeborenen von Nord-
amerika vorzugsweise kund-
gibt, sind indessen nicht ihre
durchbohrten Aexte, sondern jene merkwürdigen, theilweiso aus den härtesten Gesteins-
arten verfertigten Pfeifen, welcho in den alten Opferhügeln (sacrificial mounds) der Missis-
sippi- und Ohiostaaten, namentlich in Ohio, gefunden worden sind, und in ihrer Form von
den aus dem ziemlich weichen rothen Pfeifensteine geschnittenen Pfeifen der jetzigen Indianer
ganz abweichen. Während die letzteren aus einem Kopfe nebst langem hölzernen Rohre be-
stehen und eine entfernte Achnlichkeit mit dem türkischen Tschibuk haben, stellen die er-
wähnten älteren Rauchwerkzenge Kopf und Rohr in einem Stücke dar. Die Herren Sqnier
und Davis haben während ihrer Untersuchung der alten Erdwerke des Mississippithalos eine
Menge dieser Pfeifen gefunden und in ihrem Werke „Ancieut Monuments of the Mississippi
Valley“ (Washington 1848) abgebildet und beschrieben1). Fig. 23 stellt eine einfache form
der altindianischen Pfeife ungofähr in halber
Grösse dar. Der Dache, etwas gebogene Fuss
trägt in der Mitte den runden, zur Aufnahme
des zu rauchenden Stoffes (Tabak oderein Sub-
stitut desselben) bestimmten Behälter, und ist
auf einer Seite bis zur Höhlung des Kopfes
durchbohrt, während er aut der andern Seite
den Griff bildet, an welchem* das Gerätbo beim
Rauchen gefasst wurde. Der Fuss ist fünf
Zoll lang und fünfviertel Zoll breit; der Bo-
i) I)io Originale befinde,, »ich jetzt im Mackmore-Museum za SaHabory m E^!and welcher Anwalt
Dr. Davi» «eine treffliche Sammlung indianischer Antiquitäten verkauft hat. Ihwelbe enthielt zammtl, che
bei der obenerwähnten Untersuchung gefundenen Gegenstände. Vor dem Verkaufe hatte ich
Gelegenheit, die Sammlung zu -eben und mich mit dem Charakter derselben auf da« Genaue»^ bekannt zu
macheu. — Hat Klarkmoro-Museum enthält nur archäologische und ethnologische tiegensten u
desselben, Herr William Muckmore, war kürzlich in Amerika und wohnte einer mi Dceciii e *
Jahres ^gehaltenen Sitzung der hiesigen ethnologischen Gesellschalt (American Ethndog.cal bomety) > G "
welcher ich den von mir durchbohrten Stein vorzeigt., einen Vortrag über das hem, Bohren angewandte
Verfahren hielt, und letzteres durch ein milgebruchtes Modelt des Apparates vcraneobaulichte.
Archiv ftlr Anthropologie li<J- III* Heft 3.
Digitized by Google
194
Carl Rau,
kälter bat eine Höbe von fünfviertel Zoll, und der Durchmesser der Durchbohrung des eigent-
lichen Rohres beträgt den sechsten Theil eines Zolles (etwa 4 Millimeter). Zur Verzierung
sind an der Oberfläche kleine runde Vertiefungen angebracht. Diese in einem Opferhügel
bei Chillicothe in Ohio gefundene Pfeife, deren Material ein brauner gesprenkelter Porphyr
von grosser Härto bildet, ist, gleich allen derartigen Gegenständen, aus einem StUcko gear-
beitet. Sie stellt, wie schon erwähnt, gewissermasseu die Grundform dieser Classe von Ge-
räthen dar; bei anderen wird der Behälter durch die Nachahmung eines menschlichen Kopfes,
in der Regel aber durch einen Thierkörper gebildet, und in diesen Fällen sind die bezeich-
nenden Merkmale der Thierarten, welche Säugethiere, Vögel und Amphibien umfassen, häu-
fig mit erstaunlicher Treue wiedergegeben. Die genaue Nachbildung mancher dieser Erzeug-
nisse aus Stein würde in der That einem Künstler unserer Zeit, trotz seiner weit vollkomm-
ncron Workzeuge, nicht geringe Schwierigkeiten bereiten. Es darf hierbei nicht übersehen
werden, dass den alten Bewohnern Nordamerika^ der eigentliche Gebrauch von Metallen un-
bekannt war. Man hat zwar in den indianischen Hügeln und anderwärts eine beschränkte
Zahl von kupfernen Geräthen und Zierrathen gefunden; allein das hierzu verwandte Kupfer
ist nicht durch Schmelzen aus Erz gewonnen worden: es ist im Gegentheil augenscheinlich,
dass die betreffenden Gegenstände durch das Hämmern von Stücken gediegenen Kupfers
erzeugt worden sind, welches bekanntlich am Lake Superior in gewaltigen Massen verkommt,
wo man auch ausgedehnte Spuren eines altindianischen rohen Bergbaues entdeckt hat1).
Dieses gehämmerte natürliche Kupfer ist so weich, dass es sich ohne Mühe zerschneiden lässt,
und konnte daher nicht zur Bearbeitung von Steinarten dienen, welche den Angriffen der
besten Stahlklinge Trotz bieten. Die meisten der Pfeifen bestehen aus harten Porphyrarten.
Man muss daher annehmen, dass die Verfertiger derselben ihre Arbeit durch unendlich müh-
sames Abreiben und Schleifen mit Sand und Wasser bewerkstelligten; doch erklärt dieses
Verfahren nicht alle Einzelheiten der Ausführung und gibt keinen Aufschluss darüber, wie
sie z. B. an den Vogelfiguren die einzelnen Federn durch scharfgesehnittene tiefo Linien au-
deuteten. Die engen Durchbohrungen der Mundstücke dieser Pfeifen sowohl, als die Höh-
lungen der Behälter sind durchaus regelmässig und zeigen fast durchgängig die mehrmals
erwähnten Bohrringo. Man sieht sogleich, dass das hier angewandte Werkzeug nicht zwischen
den Händen gedreht, sondern vermittelst eines Apparates in Bewegung gesetzt wurde, und
es ist mehr wie wahrscheinlich, dass derselbe ganz mit dom noch jetzt von Uhrmachern ge-
brauchten Bohrer übereinstimmte, welcher gewissermasson die Achse einer am Umfange aus-
gehöhlten Rolle oder Scheibe darstellt, und durch einen Bogen bowegt wird, dessen Sehne
die vertiefte Peripherie jener Scheibe umfasst. Die beiden Enden dieses Bohrers drehen sieh
um feste Punkte, deren einer durch das Bohrloch gebildet wird. Es wäre allerdings gewagt,
den früheren Bewohnern Nordamerika^ eine Kenntniss dieses Bohrgeräthes zuzuschreiben,
wenn nicht die Thatsache vorläge, dass unter den Reliquien der Indianer aus Stein und
Knochen verfertigte Ringe Vorkommen, welche der Rolle des oben erwähnten Bohrers ent-
l) Nur die Bewohner Mexiko'« und anderer Gegenden im südlichen Tlieilo des amerikanischen Kontinente*
verstanden es, Bronze anzufertigen. Dass Eisen in Amerika vor der Entdeckung und Besiedelung durch Euro-
päer unbekannt war, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.
Digitized by Google
Die durchbohrten Gerat he der Steinperiode. 195
sprechen, und höchst wahrscheinlich dieselbe Bestimmung hatten. Es ist in der That fast un-
möglich, ihnen einen andern Zweck beizumessen. Diese Ringe kommen in verschiedenen Grössen
vor, stimmen aber in der Form überein. Sie sind an der Peripherie tief eingefarcht und da-
selbst mit acht Durchbohrungen von geringem Durchmesser versehen, welche gleich weit von
einander ahstchen. Fig. 24 zeigt die Gestalt eines solchen Ringes in wirklicher Grösse.
Derselbe wurde einem indianischen Hügel am Paint-Croek in Ohio entnommen, und befand
Das Original, sehr sorgfältig aus dunkel-
Fig. 25.
farbigem Hornblondegeeteine gearbeitet, besteht jedoch nur aus der grösseren Hälfte des
Ringes, und ich habe die Zeichnung nach einem ergänzten Gypsabgusse angefertigt.
Eine Prüfung dieser Ringe ermuthigt mich, durch die beigefugte Zeichnung (Fig. 25) an-
zudeuten, wie das altindianische Bohrwerkzeug möglicher Weise beschaffen war. Der Ring
umfasste wahrscheinlich eine massive, den Bohrer haltende hölzerne Achse, an welcher er ver-
mittelst acht kleiner Pflöcke oder Stifte befestigt war. Hierdurch wird das Vorhandensein
der Löcher am Umfange erklärt. Mag nicht dasselbe Gorätho in alter Zeit, während der
Bronzoperiode sowohl wie früher, den Völkern Europa's gedient haben? Bei dem von mir
gebrauchten Werkzeuge sind Schwankungen des Bohrstockes, welche eine übermässige Er-
weiterung des Loches zur Folge haben, unvermeidlich; sie fallen aber weg, wenn, wie in
Fig. 12, das obere Ende sich um einen festen Punkt dreht. Vielleicht entwickelte sich in
Europa das Geräthe letzterer Art aus dem minder vollkommenen, welchem der obere feste
Drehpunkt fehlt. Der Fortschritt der Menschen in technischer Beziehung ging überall lang-
sam und stufenweise von Statten, und jede neue Erfindung musste sich n&turgemäss auf vorher-
gegangeno Erfahrungen stützen.
Die meisten Durchbohrungen, welche ich an indianischen Stein-
geräthen beobachtet habe, rühren, wie ich glaube, von bohlen Werk-
zeugen her ; doch habe ich auch verschiedene gesehen, die ohne Zwei-
fel mit einem soliden Bohrer bergestellt worden sind. Zur Erläute-
rnng gobo ich schliesslich (Fig. 2C) die Seitenansicht eines aus fast
durchsichtigem Bergkrystall bestehenden Pfeifenkopfes, der bei Bain-
bridge in Ohio (Ross County) in einem Tutnulus gefunden wurde, und
in den Besitz von Dr. Davis gelangte. Der Gegenstand hat die Ge-
stalt eines nach unten sich etwas verjüngenden Fasses, und ist mit
vollständigster Regelmässigkeit geformt und sorgfältig polirt. leb
habe in dor Zeichnung, welche die wahre Grösse angibt, absichtlich
25*
Digitized by Google
196 Carl Rau, Die durchbohrten Geräthe der Steinperiode.
die Schattirung wcggelassen, um die beiden Höhlungen andeuten zu können, von denen die
obere zur Aufnahme des Rauchmaterials und die seitliche zum Einstecken des Rohre»
bestimmt war. Beide endigen in rundlichen Vertiefungen, welche nur durch Anwendung
eines soliden Bohrers entstehen konnten.
Als hohler Bohrer wurde in Nordamerika wahrscheinlich ein Stück des bambusartigen,
festen und zähen Rohres (Arundiuaria macrosperma, Michaux) gebraucht, welches fast über-
all im Süden der Vereinigten Staaten in reichem Boden, namentlich an den Ufern der
grossen Flüsse, wächst, und jetzt häufig zu Pfeifenrohren und Angelruthen verwendet wird.
Es kommt von der Dicke eine» Strohhalmes bis zu der eines starken Büchsenlaufes vor, und
erreicht bisweilen eine Höhe von 25 bis 30 Fuss. Nach Entfernung der knotigen Absätze
bildet ein Stück dieses Rohres einen regelmässigen hohlen Cylinder mit nicht übermässig
starker Wand, der aber kräftig genug ist, um als Bohrer zu dienen. Wie mir Dr. Davis
mittheilt, erhielt der verstorbene Dr. Samuel G. Morton in Philadelphia, bekannt durch
sein Werk über amerikanische Schädel, vor vielen Jahren eine steinerne Pfeife aus Missis-
sippi, deren unvollendete Höhlung zum Theile mit einer vegetabilischen Masse gefüllt war,
welche unter dem Mikroskope noch das faserige Gefüge jenes Rohres zeigte. Man schloss
daraus, dass sie von einem abgebrochenen Stücke des Bohrers herrührte. — Ich beabsichtige
übrigens, die Tauglichkeit des Rohres durch Bohrversuche selbst zu erproben.
Man kann in der That die Geduld und Ausdauer der früheren Indianer nicht genug
bewundern, wenn man bedenkt, dass bei ihren mangelhaften Hülfsmitteln die Ausführung
eines einzigen aus Porphyr oder einer andern gleich harten Mineralsubstanz hergestellten
Gegenstandes ohne Zweifel die Arbeit vieler Jahre erforderte. Bei Menschen auf unteren
Kulturstufen wird jedoch die Zeit wenig gewürdigt- Nach Lafitau verwandte ein Indianer
bisweilen seine Lebenszeit auf die Verfertigung eines Tomahawks, ohne damit ganz zu Stande
zu kommen '), und Wnllace erwähnt, dass rohe Stämme am Rio Negro in Südamerika sich
jahrelanger Arbeit unterziehen, um einen der von ihnen als Schmuck getragenen vier bis
acht Zoll langen Cylinder aus Quarz zu schleifen und zu durchbohren. Ihr Bohrwerkzeug ist
bloss ein zwischen den Händen gedrehter dünner biegsamer Stab, den sie mit feinem Sande
und Wasser anwenden *).
Zum Schluss«; noch die Bemerkung, dass die vollendeteren Steingeräthe der alten Be-
wohner von Nordamerika, namentlich die erwähnten Pfeifen, vielleicht die besten Erzeug-
nisse der Kunst sind, welche ein mit dem Gebrauche der Metalle unbekanntes Volk hinter-
lassen hat, und dass ich in den Sammlungen Europa’s nichts unter ähnlichen Verhältnissen
Entstandenes gesehen habe, das eine gleiche Geschicklichkeit in der Bearbeitung von Stein
offenbart.
') Lafitau. Moeurs dr« Sauvnges Ameriquaia«. Pari» 172t, 2. Heb, S. HO. „Souvent la vic d'un Sanvage
n’> suffit pas; d’oü vient »ju'uu parcil meuble, fut-il encore brüte & imparfait, eat un pretieux hcritage pour
les enfnnts."
*) Angeführt in E. B. f y 1 u r ‘ « „tleaearchca into the Karly Ilistory of Mankind*. London 1865, S. 187.
Digitized by Google
XII.
Tabellen zur Ausschreibung der Breiten- und Höhenindices.
Von
H. Welcker.
Nachfolgende Tabellen dienen, wenn Längen- und Breitendimension eines Schädels
bekannt sind, zur unmittelbaren Ausschreibung des Breitenindex (d. i. der in Procenten des
LängsdurchmesBers ausgedrückten Schädel breite). In gleicher Weise können dieselben zum
Ablesen des Höhenindex benutzt werden.
Es dürfte freilich leicht vorherzusagen sein, dass die Bestimmung des Breitenindex nicht
in alle Zukunft mit dem Eifer werde betrieben werden, wie dies zur Stunde, und von
mancher Seite ziemlich einseitig, geschieht; werthlos und ganz unbeachtet wird das Breiten-
verhältniss des Schädels wohl niemals dastclien. In zahlreichen kraniologischen Werken
findet sich darum für jeden einzelnen Schädel die Ziffer des Längs- und des Querdurchmessers
abgedruckt (so in v. d. Hoeven’s Catalogus, in Dusseau’s Musde Vrolik); die aus jenen
beiden Ziffern zu errechnende procentige Breite aber, die doch offenbar Uber die allgemeine
Schädclgest< einen weit unmittelbareren Aufschluss gewährt, als jene absoluten Ziffern —
fehlt, oder sie findet sich nur als Mittelwerth der einzelnen Ra<;en. Allerdings ist die Einzcl-
berechnung jener Indices, wenn die Meuge der untersuchten Schädel irgend grösser ist, eine
äusserst unerquickliche und geisttödtende Verrichtung; wiederholt habe ich bei mir befreun-
deten Anthropologen ganze Eolioseiten mit Ziffern überdeckt gefunden — Ausrechnungen der
Breiteninrlices mittelst Division, — eine Arbeit, die ich mit Hilfe meiner Tabellen stets in
wenigen Minuten und sicherlich mit weit grösserer Aussicht auf Correethcit für Hunderte
von Schädeln auszuführen pflegte. Ich entspreche daher der mir gewordenen Aufforderung,
diese Tabellen hier abdrucken zu lassen.
Ueber den Gebrauch derselben ist nichts weiter beizufügen. Die extrem kleinen und die
extrem grossen Breiten- (resp. Höhen-) Ziffern habe ich, um Kaum zu ersparen, nicht auf-
genommen; doch wird man hierdurch nur selten in die Lage versetzt sein, einzelne Indices
durch Rechnung bestimmen zu müssen.
Digitized by Google
198
H. Welcker
Digitized by Google
Tabellen zur Ausschreibung der Breiten- und Höhenindicea. 201
181
182
183
Läng
184
xlur
185
c h m e
186
s s e r.
187
188
180
190
113
624
62 1
61»
61 4
61'
GO7
GO4
GO«
59»
59»
113
114
68®
62«
62»
62»
61«
61*
61»
60«
60»
60“
114
ns
63®
63*
62«
62»
62*
61"
61*
61*
60“
60»
115
116
84 1
63»
634
63°
68*
62*
62°
6t7
61*
61“
116 I
117
64*
64*
68*
63“
63*
62«
02*
62*
61*
«l«
117
118
66*
64H
«4»
64'
63*
63*
63'
62«
624
62 1
118
119
65’
65*
65»
64’
64s
64°
63«
63»
63“
62«
119
120
664
65»
o 65*
66*
64*
64*
04»
63"
63«
631
120
121
66»
66»
66l
es»
66*
05°
64»
64*
64°
63»
121
122
674
07°
667
66»
65»
6>5rt
66»
64*
64“
61*
122
123
68“
67«
67*
66"
66«
661
65®
65 4
65»
64»
123
124
6h“
68'
67»
674
67“
66’
66»
66“
65«
65»
124
125
69»
68’
683
67»
67«
67»
66»
66»
66'
65»
126
126
69«
69*
68“
68«
68'
67"
674
67“
66’
66»
120
127
70®
69«
69*
69°
68«
66*
67»
67«
67*
66»
127
128
70»
70»
69®
69«
69*
66»
68*
66'
67 7
67*
128
129
718
70“
70»
70'
69'
69»
69»
68“
66*
67®
129 |
130
71»
71*
71«
70’
70»
69«
69»
69'
68«
6«4
130
0 181
22«
72»
71*
71»
70«
70*
70*
69’
G9»
68“
131
® 132
72»
72»
72'
71» .
71*
71»
70“
70*
G9*
69®
132 ,
* 133
73»
73'
72*
72»
71»
71»
71'
70’
70*
70»
133
* 134
74°
73“
73*
72»
72*
72»
71»
71s
70’
70«
134
® 135
74“
74 3
73»
73*
73°
72«
72®
71»
71*
71»
135
»a 136
75»
74 »
74»
73“
73*
73'
727
72»
72«
71»
130
© 137
75’
75»
74“
74*
74'
73’
73»
72“
72*
72'
137
138
76»
76*
75*
75«
74*
74«
73«
73»
73«
72“
138
3 139
76»
76*
76»
75«
75*
74’
74»
73»
73®
78*
139 |
•o 140
77»
76»
76*
76'
75’
75»
74“
74»
74'
73»
140
© 141
77»
77»
77°
76*
76»
75»
75*
75»
74«
74*
141 I
3 142
7ö®
78»
77*
77»
76*
76*
75»
76*
75'
74’
142 ;
O» 143
716*
78»
78»
77’
773
76»
76»
76l
75'
75»
143
144
78*
79*
78’
783
77«
77*
77»
76«
76»
76«
144
145
80'
79»
79»
78«
78*
78»
77»
77'
76’
76*
145
148
80»
80»
79»
79»
78»
78»
78'
77«
77*
76*
146
147
81»
80»
60»
79»
79»
71!»
78«
78*
77»
77*
147
148
81*
61»
60»
SO4
60»
79«
79'
78»
76*
77»
148
149
82*
81»
81 4
81»
60*
HO«
79’
79»
78»
78*
149
160
62»
82*
82“
81»
81*
80»
80*
79»
79*
78»
ISO
151
S34
83»
82*
62'
81«
81*
80’
80*
79»
79»
151
152
84»
83»
83*
82«
82*
81»
81*
80“
8Ö4
HO“
152
153
K4®
84'
63*
83*
82’
82*
81«
81*
80’
HO»
153 ,
154
65»
*4*
64*
63’
83*
82®
H24
81*
81»
61»
154
155
85»
65»
84’
84*
63*
88®
82*
82*
h2“
81»
155
188
862
85’
85*
64»
84»
83’
83*
83«
82*
82'
150
157
86»
86*
85» '
65»
84’
844
84°
83*
83»
82"
157
158
87«
86*
66»
65»
854
84»
64*
■8-1«
83»
83*
158
159
87*
87*
66*
86‘
85»
85*
85“
84“
84 4
83’
169 ;
160
es*
87»
b74
87«
86»
86»
«5«
85'
847
84»
100 !
161
88»
88»
88°
87»
87“
86®
86*
85"
85»
64’
161
162
68*
89«
88«
88°
87»
87*
843«
86-
85»
65*
162 |
181
182
183
184
185
186
187
188
189
190
Areltiv fbr Anthropologie. Bd. III. Hell S. 26
Digitized by Google
XIIL
Zur Entwicklungsgeschichte der Furchen und Windungen
der Grosshirn-Hemisphären im Foetus des Menschen.
Von
A. Ecker.
(Hierzu Tafel I— IV.)
Alles was die Organe betrifft, welche wir für die materiellen Substrate des menschlichen
Geistes zu halten berechtigt sind, ist fiir die Anthropologio von der grössten Bedeutung, so
vor Allem die Lehre von der Anordnung der Hirnwindungen des Menschen. Das tiefo Dun-
kel, in welchem man sich in Betreff dieser Anordnung befand, einigermassen zu orhellen, ist
bekanntlich erst den vergleichend -anatomischen Arbeiten der neuesten Zeit Vorbehalten
gewesen. Durch die Arbeiten von Huschke1) und insbesondere von Gratiolet*), welchen
sich später die von Huxley'), Roileston4). Turner5), Flower*), Pansch7) und
’) Huschke, Schädel, Hirn und Seele. Jena 1854, 2°.
*) Gratiolet. Memoire sur los plis cerebraux de l’IIomme et des Primates. Parin s. a. 1 Bd. Text in 4°
und 1 Bd. Atlas von 13 Tafeln in 2°. — Leuret und Gratiolet. Anatomie comparüe du Systeme nerveux
considerö (lans sca rapports avec l’intelligtnce. 2 Bde. in 8° mit Qinem Atlas von 82 Tafeln in 2°. Paris 1839
bis 1867. (Der zweite Theil, welcher die Anatomie des Gehirns des Menschen und der Affen, sowie die Ent-
wicklungsgeschichte enthält, ist von Gratiolet allein bearbeitet).
*) Huxluy. On the brain of Ateles Paniscus- Mit 1 Tafel. (Prooeedings of the zoological soeiety of
London. 1861. Nr. XVII, pL XXIX, 8. 247.)
4) Rolloston. On the prämier pli do passagc. (Natural history review. Vol. I, 211.) — On the Aftinitios
and Differences between the brain of man and the broins of certain auimals. (Medical times and gazette. 1862.
VoL I, Nr. 608, S. 181.)
*) Turner, W. The oonvolotions of the human cerebrum topographically considered. Edinburgh 1866. 8°.
— Notes more especially on the bridging convolutious in tho brain of the chimpanze. Proceedings of the
royal soeiety of Edinburgh. 1 b65 bis löC6. 8°.
*) Flow er. On the posterior lobet of the cerebrum of the <|aadrumaiia. Mit 2 Tafeln. — Philosophioal
transactions. Vol. 152. London 1863. 8. 185. Tafel 2 und 8.
7) Pansch. De sulcis et gyris in cerebris simiarum et hominum. Comm. auat. pro venia legendi.
Kiel 1868. 4° mit einer Tafel.
26*
Digitized by Google
204
A. Ecker,
Biselioff1) anreihten, ist die Uebereinstimmmung im Baustyl der Hirnwindungen der Affen
mit denen des Menschen nachgewiesen und dadurch zum erstenmal ein Verständnis» der letz-
teren angebahnt worden. Dass die Uehertragung der gosammtcn Nomonclatur der Win-
dungen des Affengehirns auf die des menschlichen durch Oratiolet, die, mit nur wenigen
Modificationen, von der Mehrzahl aller folgenden Forscher angenommen wurde, zu diesem
Verständnis» wesentlich mitgeholfen, lässt sich nicht läugnen, es ist aber auch anderseits nicht
zu verkennen, dass eben hierdurch in die Terminologie des menschlichen Gehirns mancherlei
Fremdes eingeführt wurde, was in diesem selbst gar keine Begründung hat, wie z. B. die
Annahme der sogenannten Uebergangswindungen. Vollständig wird ein jedes Ding nur aus
sich selbst und etwas Gewordenes aus seinem Werden verstanden und so ist gewiss die Ver-
folgung der Entwicklungsgeschichte der Windungen derjenige Weg, auf dem schliesslich allein
eine vollständige Einsicht des menschlichen Windungstypus gewonnen werden kann; denn
wie ähnlich auch das Gehirn des Menschen dem der höheren Affen hinsichtlich seiner Win-
dungen sei, es bleiben immer noch genug unterscheidende Charaktere übrig. Es ist daher
auch dieser Weg schon von verschiedenen Forschern, von Oratiolet selbst, dann von
R. Wagner und Reichert betreten worden, und insbesondere hat Bisehoff in neuester Zeit
in seiner Schrift über die Grosshiniwindungen des Menschen eine Schilderung des Ent-
’ wicklungsganges der Windungen gegeben. Die folgende Darstellung, die auf einer nicht
kleinen Reihe von Untersuchungen beruht, die mich seit mehreren Jahren beschäftigten,
wird, wie ich glaube zuversichtlich hoffen zu dürfen, trotz der genannten vortrefflichen
Arbeiten nicht für ganz Überflüssig erachtet werden, und dies um weniger, als selbst in
der ausführlichsten der eben genannten Schriften, der von Bischoff, das Capitel Uber die
Entwicklung der Windungen dennoch ziemlich kurz gefasst ist (sechs Quartseiten, S. 55 — Gl)
und dies insltesondere in Betreff der späteren Entwicklungsstadien; dann finden sich auch
nicht aus allen Perioden Abbildungen, und durchweg fehlen z. B. Darstellungen der Norma
verticalis und basilnris, so dass ich hoffen darf, auch durch die bildlichen Darstellungen
manche Lücken auszufüllen. Ueberhaupt kann bei der ausserordentlichen Verschiedenheit,
welche hinsichtlich des ersten Auftretens der Furchen sowohl in Betreff der Art als der Zeit der
Entstehung besteht, nur aus einer sehr grossen Reihe von Beobachtungen sich das Unwandel-
bare ergeben, und es werden noch mehrfache Beiträge nothwendig sein, bis wir zu einem
sichern Abschluss gelangen. Und gewiss kann es in einem noch so wenig betretenen Ge-
biet nur von Vortheil sein, weun durch verschiedene Augen gesehen wird und verschiedene
Stimmen gehört werden. Ich wünsche aus diesen Gründen auch das Folgende nur als einen
kleinen Beitrag zu einem künftigen System der Hirnwindungen angesehen.
Ehe ich auf die Darstellung im Einzelnen eingehe, will ich mir erlauben, einige allge-
meine Bemerkungen voranszuschicken , die sieh theils auf die Untersuchungsmethodo, theils
auf die Altersbestimmung der Foetus beziehen. Um mit Sicherheit über die erste Entstehung
der Windungen urtheilen zu können, ist neben der Untersuchung wohl erhärteter auch die
Betrachtung frischer Gehirne nicht zu unterlassen. Zur Erhärtung eignet Rieh namentlich
*) Itischoff. Die Großhirnwindungen des Merns-hen mit Berücksichtigung ihrer Kntwicklung bei dem
I'octus und ihrer Anordnung bei »Ion Affen. Aue dpn Abhandlungen der k. bair. Akademie der Wissen-
schalten. II. t‘l., X. Bd., II. Abthlg. mit 7 Tafeln. München 1S68. 4°.
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshimhemisphüren. 205
und besser als der Weingeist das von Gratiolet (1. c. S. 11) und Biscboff empfohlene Chlor-
zink. Durch starken Weingeist — schwacher ist zur Erhärtung natürlich nicht zu gebrauchen
— schrumpft die Oberfläche sehr bald und es sind dann oft die wahren Furchen, besondere
wenn sie noch in ihrem Entstehen sind, von secundären durch Runzlung und Faltung ent-
standenen schwer zu unterscheiden. Die Abbildungen in dem Atlas von Leuret und Gra-
tiolet1), welche nach in starkem Weingeist erhärteten Gehirnen gezeichnet sind, sind daher
keineswegs immer naturgetreue Bilder, weder was die Windungen noch was die Gesammt-
form betrifft. Erhärtet man niiiulich «las herausgeuommone Gehirn des Foetus, sei es in C’blor-
zink oder Weingeist, so erleidet natürlich auch die Gesammtform sehr beträchtliche Ver-
änderungen, da das ausnehmend weiche Organ auf der Unterlage alsbald sehr stark zusammen-
sinkt und diese abgeplattete Gestalt dann beinhalt. Man vermeidet diesen Nachtheil einiger-
maassen, wenn man die erhärtende Flüssigkeit in dio Arterien einspritzt; am sichersten verfahrt
man aber, wenn man nach der Herausnahme des Gehirns einen Gipsausguss des Schädels
macht und darnach auf der Zeichnung die Form restituirt. Ich habe diese Methode in der
Regel angewendet, es ist dabei jedoch Folgendes im Auge zu behalten. Das Gehirn des Foe-
tus füllt in der Leiche den Schädel keineswegs vollkommen aus, sondern es bleibt zwischen
beiden ein nicht unbeträchtlicher mit Cerebrospinalflüssigkeit erfüllter Raum. Der Schädel-
ausguss ist daher stets etwas grösser, wie das im Schädel erhärtete stets etwas kleiner als das
frische Gehirn. Setzt mau die Gipsabgüsse in Wachs um, dessen Volumen beim Erkalten
abnimmt, so erhält man ziemlich die richtige Grösse- Solche Abgüsse, geometrisch aufge-
nommen, sind meinen Zeichnungen zu Grunde gelegt und darauf, ebenfalls nach geometrischen
Aufnahmen des erhärteten Gehirns, dio Furchen und Windungen eingetragen. Die Varia-
bilität in der Entwicklung der Furchen und Windungen, sowohl was dio Zeit des Auftretens
als die Form betrifft, ist, wie ein Ueberbliek über ein nur einigermnassen reiches Material lehrt,
eine sehr beträchtliche nnd wir finden oft zwischen zwei vollkommen gleich grossen, ja selbst
zwischen Gehirnen von Zwillingsfrüchten bedeutende Unterschiede. Die Differenzen erscheinen
aber aus dem Grunde noch viel bedeutender als sie in der That sind, weil die Altersbestim-
mungen des Foetus häufig sehr unsicher sind, indem sie nur sehr oberflächlich, Dach ungefährer
Schätzung des Arztes oder der Hebamme gemacht werden. Wie sich aus dem Vorstehenden
ergiebt, werden die Angaben über dio Griieso, welche das Gehirn zu einer bestimmten Zeit
des Foetuslehens hat, hei verschiedenen Autoren aus zweierlei Gründen verschieden ausfallen
nnd damit natürlich sich auch die Ansichten Uber den Zeitpunkt, in welchem gewisse Furchen
und Windungen auftreten, sich verschieden gestalten. Die Maasse des Gehirns werden ein-
mal sehr verschieden ausfallen, je nachdem man dieselben am frischen Gehirn, am wenig
oder stark erhärteten oder am Schädelausguss nimmt- Der grosse Wasserreichthum des Foetus-
gehirns bedingt eine sehr starke Verringerung der Durchmesser nach längerem Liegen in
starkem Alkohol. Das Gehirn z. B. eines siebenmonatlichon Foetus, dessen Grosshirnhemi-
Sphären frisch eine Länge von 81 Millim. hatten, zeigte nach längerem Liegen in Weingeist
eine Reduction dieses Durchmessers auf (>6 Millim. Umgekehrt ist aus schon oben angege-
benen Gründen der Schädelausguss stets etwas grösser als das frische Gehirn. Die zweite
*) 1. c.
Digitized by Google
A. Ecker,
•20(5
Veranlassung der grossen Differenzen in den Grössenangaben des Gehirns angeblich gleich-
altriger Foetus bildet die schon erwähnte grosse Unsicherheit in der Altersbestimmung.
Beiderlei Umstände sind sehr zu berücksichtigen, wenn wir Maassangaben oder Abbildungen
der Gehirne verschiedener Schriftsteller mit einander vergleichen wollen. Ich habe beispiels-
halber an den Abbildungen von Gehirnen angeblich siebenmonatlicher Foetus, die sich in den
Werken der nachgenannten Autoren finden, Länge und Breite der Hemisphären des grossen
Gehirns gemessen und folgende Zahlen gefunden:
Länge Breite
1) Leuret u. Gratiolot1) .
. 75 .
. 60 Centim.
2) „ „
. 7-3 .
. 4-8
n
3) o „
. 7-3 .
. 50
„
4) R. Wagner’)
. 7-7 .
. 6-2
»»
5) Reichert’)
. 7-5 .
. 50
»
«) „
. 7-4 .
. 50
n
7) Arnold4)
. 5-2 .
. —
n
8) Tiedemnnu“)
. 60 .
. 4-2
»
9) Bischoff6)
. 5-4 .
. —
n
Meine eigenen Messungen am frischen Gehirn und am Schädelausguss übersteigen die
vorstehenden Maasse, die offenbar alle an erhärteten Gehirnen genommen sind und schwan-
ken zwischen 76 und 83 Centim. Sowohl nach der Grösse als nach dem Grade der Ent-
wicklung bin ich geneigt, die als siebenmonatliche bezcichneten Foetus, denen die Gehirne
bei den drei zuletzt genannten Autoren entnommen sind, für erheblich jünger zu halten.
Meine eigenen Maasse sowie die Zeichnungen sind, wie schon erwähnt, in der Regel und
wo nichts Anderes boigefligt ist, nach dem Schädelausgusse genommen. Was die Alters-
bestimmung betrifft, so habe ich einzelne Foetus jeder Periode, bei welchen ich ganz unzweifel-
hafte Angaben über das Alter besass, als Maassstäbe aulbewahrt und darnach das Alter an-
derer, bei welchen die Angaben unsicher waren, bestimmt.
Auf die Vergleichung mit dem Gehirno der Affen, das ich selbstverständlich ebenfalls in
den Kreis meiner Studien ziehen musste, hier näher cinzugehen, habe ich absichtlich ganz
unterlassen, um so mehr als dieses Heft des Archivs eine ausführliche Arbeit Uber diesen
Gegenstand von Dr. Pansch enthält. '
Wegen der von mir angewendeten Nomenclatur muss ich auf meine im Verlage dieses
Archivs erschienene Schrift’) verweisen.
In den Tabellen sind die Früchte verzeichnet, die ich frisch untersuchen konnte und über
>) Leuret u. Gratiolct 1. c. Tat. XVI, XXX, XXXI.
a) lieber die typischen Verschiedenheiten etc., Taf. I.
*) Bau des menschlichen Gehirn*. Taf. XIL
*1 Lehrhuch der Physiologie 11. 3. Taf. V, Fig. 23.
h) Anatomie und ßildungsgcschiebte de« Gehirns. Taf V, VI.
«) 1. c. Taf. IV, V.
7! Ecker, die Hirnwindungen de« Menschen nach eigenen Fntersnchungen, insbesondere über die Ent-
wicklung derselben im Foetus und mit Rücksicht auf das Bedürfnis* der Aerztc dargestellt. Mit Hobstiriien.
Braunechweig lfcdSt S".
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshirnheinisphären. 207
die mir einige Angaben zu Gebote standen. Zahlreiche andere zur Vergleichung habe ich
unserer anatomischen Sammlung entnommen.
Die Körperlänge der Foetus ist mit dem Stangenzirkel vom Scheitel zur Ferse in ge-
streckter Stellung gemessen. Alle Längenmaasso sind in Centimetcrn angegeben.
Von den Anlagen der bleibenden Furchen und Windungen sind gewisse andere Furchen
und Faltungen der Hemisphären-Oberfläche zu unterscheiden, die, wohl ohne Zweifel als Aus-
druck eines raschen Wachsthums der Hemisphärenblasen, im 3. bis 4. Monat erscheinen, später
jedoch, wie es scheint, ohne Spuren zurückzulassen wieder verschwinden. Tiedomann1 *) er-
wähnt die in der genannten Zeitperiode vorhandenen Furchen, hält sie jedoch irrigerweise für
die Anlagen der bleibenden. Schmidt’) giebt an, dass sich in der Mitte des 3. Monats auf
der oberen Fläche der Hemisphären mehrere tiefe und scharfe Querfalten finden, die am
Schluss des 4. Monats wieder verschwinden und fügt hinzu, dass dieselben in den Seiten-
hirnhöhlen vorstehende ziemlich hohe Wälle bilden und dass die Hemisphäronwand an der
Umbiegungsstelle dieser dünner ist als sonst Köllikor*) ist derselben Ansicht und findet,
dass die genannten Furchen, die im 4. Monat ihre grösste Entwicklung erreichen, mit Aus-
nahme einiger ganz bestimmter Züge, im 5. Monat wieder verschwinden, so dass im C. Monat
die Himoberfläche wieder vollkommen glatt sei. Bischoff') behauptet, dass alle die genannten
Falten in dieser frühen Zeit nur Kunstproducte seien und durch Faltung im Weingeist ent-
stehen. Die Hemisphären seien glatt bis zum Moment der Entstehung der wahren Furchen
und bei in Chlorzink erhärteten Gehirnen entständen sie nicht. Ich glaube, dass dies in Be-
treff einzelner Faltungen, die aber ein ganz anderes Ansehen haben, wohl richtig ist, in Be-
treff der tiefen Furchen und der dadurch bedingten Falten muss ich aber bei meiner oben aus-
gesprochenen Ansicht, verbleiben. Ich habe an Gehirnen von Embryonen des 3. Monats, die
ich im ganz frischen Zustande speciell hierauf untersuchte, die erwähnten Furchen auf das Deut-
lichste, z. B. die der medialen Fläche ganz so wie sie auf Taf. I, Fig. 3 abgebildet sind, wahr-
genommen. Sicher ist aber am Ende des 4. und Anfang des 0. Monats die ganze äussere
Oberfläche der Hemisphären wieder glatt und es sind nur die Fossa Sylvii , die schon früher
im 3. Monat entsteht, und einige Furchen der medialen Fläche, die im Verlauf des 4. Monats
aufzutreten pflegen, vorhanden. Mehrfach schien es mir, als bilde sieh eine dieser letzteren,
nämlich die Fissura pajrieto-occipitalis aus einer der temporären Furchen hervor, doch wage
ich dies nicht zu behaupten. Ich beginne der Vollständigkeit halber die Reibe der Dar-
stellungen mit dem 3. Monat
I) in. Monat (9. bis 12. Woche). Taf. I, Fig. 1, 2, 3, 4, 5.
In diesem Monat erreicht der Foetus eine Länge von 6 bis 11 Centim. (2" 3'" bis 4" 1'" P.
[E. H. Weber’) giebt als Körperlänge für diese Periode 2> 3 bis 3", Hohl0) 2 bis 2'/>, auch
3" an.J Das Gewicht beträgt nach Hohl 1 bis l1', Lotli.
Die Grossbirnhemispliäron haben eine Länge von 1-9 bis 26 Centim., im Mittel
■) 1. o. S. 153. — *) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, B<1. XI, S. 5t. — 3) Entwicklungsgeschichte.
Leipzig 1881. S. 233. — *) 1. c. 8. 57. — *) Hildebrandt- Weber’» Anatomie, ftd. IV. — Hohl, Lehr-
buch der (leburtshülfe. Leipzig 1882. S. 107.
Digitized by Google
208
A. Ecker,
2’5 Centim1). Die Hemisphäre bildet im 3. Monat (s. Taf. I, Fig. 1 und 3) eine nach unten
concave halbmondförmige oder bohnenfürmige Blase, deren vorderes Horn (l'j den Stirnlappen,
deren hinteres ( T ) den Schlüfcnlapi>en bildet Die Aushöhlung zwischen den beiden Hör-
nern stellt ein qnerlaufendes Thal dar, in welches die von den Flügeln des vorderen Keil-
beins gebildete Kante, welche die vordere und mittlere Schädelgrube trennt, hincinrngt Der
Hinterhauptlappen ist um diese Zeit noch nicht vorhandon. Derselbe entsteht erst später
von dem convexen Theil des hinteren Horns aus als eine Aussackung oder Verlängerung des-
selben nach hinten. Das vorgenannte querlaui'ende Thal (Fig. 1 S), um welches sich die Hemi-
aphärenblase herumbiegt, erstreckt sich als eine flachere Aushöhlung auch an der lateralen
Fläche der Hemisphären (s. Fig. 2) in ziemlich senkrechter Richtung aufwärts und stellt an-
fangs eine ganz flache etwa dreiseitige Grube dar, deren Spitze nach abwärts gegen die Hirn-
basis, deren Basis nach aufwärts sieht Diese Grube ist die Fossa Sylvii, und deren Boden bildet
die Insel oder den Stammlappeu. Die äussere Oberfläche der Hemisphäre zeigt in der Regel eine
Anzahl der oben erwähnten Furchen, die gemeiniglich eine gegen die Sylvische Grube radiär
gerichtete Stellung einnehmen. Eine besonders tiefe findet sich nicht selten noch hinten, auf
dem Theil der Hemisphäre , der sich später zum Hinterhauptlappen ausbildet Aehnliche F urchen
finden sich auch auf der medialen Fläche (s. Taf. I, Fig. 4) und es stehen diese in der Regel eben-
falls radiär auf der den Balken umkreisenden Furche, welche Arnold als Bogenfurchc bezeichnet,
und münden in diese ein. Von bleibenden Furchen sehen wir, wenn wir von der Fossa Sylvii
absehen, nur noch den hintersten tiefsten Theil der eben genannten Bogenfurche, der sich zur Fis-
sura Hippocampi ausbildet und einen in die Höhleder Hemisphären hineinragenden Vorsprung
den Pos Hippocampi oder das Ammonshorn erzeugt (vergl- Fig. 3, 4, 5 und 14 der ersten Tafel).
2) rv. Monat, 13. bis 16. Woche (Taf. I, Fig. 6, 7, 8)1).
Der Foetus erreicht in diesem Monat eine Körperlänge von 14D bis 16 5 [Centim.
(= 5" 2’" bis 6" 2'"), im Mittel 14,9. [E. H. Weber6) giebt eine Länge von bis 5" (= 13'6
Centim.), Hohl") eine solche von 5 bis 6” (13'6 bis 164 Centim.) an]. Das Körpergewicht
beträgt nach letzterem Antor 5 bis 8 Loth' Die Länge der Hemisphären wechselt zwischen
31 und 4 5 Centim. (Mittel 3'Ö), Breite zwischen 25 und 3 7 ').
In diesem Monat entwickelt sich der Hinterhauptlappen in der oben (S. 203) angegebenen
VV’eise und in demselben Maasse als sich dieser entwickelt, rückt der Schläfonlappen , der bis
dahin fast in gleicher Höhe mit dem Stirnlappen lag, mehr herab. Schon dadurch erhält
die Fossa Sylvii eine mehr schräge Stellung und verläuft nun zwischen Stirn- und Schläfen-
lap|»en schräg nach hinten und aufwärts. Zugleich beginnt die Fossa Sylvii in diesem Monat
*) Hei Tiedcmann (l. c. Tab. I, Fig. 5) (12. Woche) beträgt die Länge 1*1; bei Lcuret und Gratiolet
(I. c. Tab. XXIX, Fig. 1 u. 3) (2'/a Monat) IC Centim., bei Kölliker (I. c. Fig. 10ü? 111) 1*8 und 1*5 Centim*
3) Der Foetus, dessen Gehirn in Fig. 6, 7, 8 abgebildet ist, war genau 16 Wochen alt. Die Conccption
wird auf da» Bestimmteste auf den 28. Juli 1866 angegeben; der Abgang der Frucht fand statt am 13. No-
vember 1866 (dem 108. Tag). — a) 1. c. — ®) L. c. — 7) Die Maasse einiger anderer Autoren sind die folgenden :
Läuge Breite
T jede mann (14 Wochen) (I. c. Taf. II) 2*0 .... 1*8
Arnold a. (13 Wochen) (Phvsiol. II, 3, Taf. ö) 20 .... —
Arnold b. (14 bis 15 Wochen) ... 8*0
Reichert (14 Wochen) (Bau des Gohrins, I. Thl. XI, 32) 2*5 . . 2*1
Leuret und Gratiolet (14 Wochen) (I. c. Tal. XXL\, Fig. 4, 5,6» . . 2*0 . . . .1*5
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshirnheinisphären. 209
sich mehr zu begrenzen, indem, wie es Eeichert (L e. II, 29, 83) sehr richtig schildert, die
Gegend derselben (des Stammlappens) allmälig ringsum von der Masse des Mantels über-
wuchert wird. In Folge davon finden wir am Ende dieses Monats eine schräg nach hinten
aufsteigende, ungefähr elliptische, oben abgerundete und oben, unten und hinten von erhöhten
Rändern begrenzte flache Grube, die nach unten und vom gegen die Schädelbasis flach aus-
läuft. Wie schon oben erwähnt, finden sich in dieser Periode zwar mancherlei Furchen auf
der Oberfläche der Hemisphären, die aber alle zu den vorübergehenden zu zählen Bind. Von
bleibenden Furchen ist nur die Fissura Hippocampi (h) zu erwähnen, und dann entsteht
häufig schon in diesem Monat die Fissura parieto-occipitalis (po Fig. 8) mit ihrer Fort-
setzung in das Anfangsstück der Fissura calcarina. Ga aber diese Furche häufig auch erst im
folgenden Monat auftritt, soll sie dort ihre nähere Betrachtung finden.
3) V. Monat, 17. bis 20. Woche. Taf. I, Fig. 9 bis 13.
Im fünften Monat erreicht der Foetus eine Körperlänge von 28 Centim. und dar-
über, In den unten vorzeichneten Fällen schwankte bei verschiedenen Foetus aus dem in
Rede stehenden Zeitraum die Körperlänge von 19 bis 28'5 Centim. (im Mittel 24-59) [E. IL
Weber') giebt für diesen Zeitraum eine Länge von 8 bis 11" (21'6 bis 29'8 Centim.),
Hohl’) eine solche von 9 bis 10" (24 bis 27 Centim.) an.] Das Körpergewicht beträgt
12 bis 20 Loth (Hohl). Die Länge der Grosshirnhemisphären schwankte zwischen 4 5
und 5'7 Centim. (Mittel = 5'1 s).
Kr.
Alter
Körper-
Liinge
Breite
Horizoti- J
Liinge
Breit«
Bemerkungen
Wochen
länge
des Kopfes
eumferetiB
i der Hemisphären
I
19
5-6
50
33
II
—
195
—
—
—
4*5
—
III
—
244
—
_
—
4*9
—
IV
18
24-8
—
—
—
51
abgebildet Taf. I, Fig. 9«
V
—
26-5
6-9
—
—
—
—
VI
—
26*7
—
—
—
—
—
VII
20
2G‘9
—
—
—
—
—
VIII
20
28-5
6-7
50
190
5-7
4 8
abgebildet Taf. I, Fig. 10, 11, 12.
IX
—
25‘5
—
—
—
60
—
X
—
27-6
64
6-5
20-0
—
—
X!
19
22*1
51
4-2
160
—
—
XII
Mittel
24-59
5-5
Mittel
51
1
') 1. c. — *) I. c. — a) Zur Vergleichung setze ich die Maas-!- einiger Gehirne von angeblich gleichaltrigen
Früchten, die sich hei anderen Autoren finden, her:
Uioge Breil« der Hemisphtre-
1) Tiedemann, 1. c. Taf. 111, Fig. 1, 2, 8 (17 bis 18 Wochen) 3-3 —
2) Reichert, I. e. Bd. J. Taf. Xfl, Fig. 43, 44 (20 Wochen) 4-7 3-4
3) I.euret und Gratiolet, 1. c., Taf XXIX, Fig. 7, 8, 9 (V/2 Monat) . . 4-8 31
4) Gratiolet, mim. s. lea jilis cerebraux, pl. XI, 12, 3 (18 Wochen) . . . 4'5 ...... . S'S.
Archiv ftt r AuUiru|tuiOfio. Bd. HL Heit 9. 27
Digitized by Google
210
A. Ecker,
In Bezug auf die Entwicklung der Rindenorgane des grossen Gehirns finden sieh in
diesem Zeiträume bei verschiedenen Foetus sehr beträchtliche Verschiedenheiten, da in diese
Periode gerade die erste Entstehung der Ilauptfurchen füllt und daher, je nachdem diese
schon angelegt sind oder nicht, das Aussehen ein sehr verschiedenes ist.
1) Am Anfänge dieser Periode ist jedenfalls die Oberfläche der Hemisphäre noch völlig
glatt (s. Fig. 9), und nur bisweilen scheinen einige der vorübergehenden Furchen länger zu
persistiren und daher noch in diese Zeitperiode hinoinzuragen, wie z. B. eine gleich nachher
zu erwähnende Furche des Hinterhauptlappens. Die Fossa Sylvii, doren Ränder sich nllmiilig
erheben, stellt noch eine offene Grube von etwa elliptischer Gestalt dar. An dem breiten An-
fang dieser Grube, da wo die Erhebung des Randes des Stimlappens beginnt, findet sich eine
schwache Ausbuchtung nach vorn, dio Andeutung des hier sieb später bildenden vorderen
oder aufsteigenden Schenkels. Das Ende des hinteren oder horizontalen Schenkels ist an-
fänglich ganz abgerundet; der Boden derselben, die Insel, geht unmittelbar in die Subst. perf.
lateralis über. Die Fissura parieto-occipitalis und calcarina sind vorhanden,
2) Etwas später entsteht dann der Sulcus centralis und zwar von der Mitte aus, nach
unten und oben vorschreitend (Taf. I, Fig. 10 und 1 1 j ; ferner der Sulcus olfactorius auf der un-
teren Fläche des Stirnlappens (ib. Fig. 12, F. 4). Am Schläfenlappen sind noch keine Furchen
sichtbar. Das oberste Ende des horizontalen Schenkels der Fossa Sylvii schliesst sich, indem
die Ränder zusaminenriicken, allmälig zur Spalte.
Eine besondere Besprechung verdionen noch: 1) der Sulcus occip. transversus und
2) die Furchen der medialen Fläche.
1) Bischoff 1. c. S. 58 bis 60 erwähnt eine Furche, die Fiss. perpend. externa ((7),
welche Ende des 7. Monats entstehe, senkreoht über den hinteren Theil der Hemisphäre
herablaufe, sich aber nicht weiter entwickle, auch nicht Veranlassung zur Bildung irgend einer
bleibenden Windung gebe, sondern im 8. Monat wieder verschwinde, ohne an der Bildung der
später an dem Hinterhaupt bemerkbaren Furchen theilzunehmcn.
Es ist nun allerdings sehr leicht möglich, dass eine Furche, die nur während einer so
kurzen Zeit existirt, nämlich Eude des siebenten Monats entsteht und im achten schon
wieder verschwindet, also vielleicht im Ganzen höchstens eine Lebensdauer von drei
Wochen hat, einem Beobachter entgehen kann, und ich bin daher weit entfernt, die Richtig-
keit der Beobachtung Bisclioff’s anzwetfeln zu wollen. Dass diejenige Furche jedoch, dio ich
als Sulcus occipitalis transversus (o) bezeichne und dio hinter der Fissura parieto-occip.
gelegen, medianwärts von dem Gyrus occip. primus (0) umsämnt wird und häufig mit dem
Sulcus interparietalis zusammeufliesst sieh nicht in der eben erwähnten Weise verhält, glaube
icli aus wiederholten Beobachtungen schliessen zu dürfen. Diese Furche finde ich in der
Mehrzahl von Gehirnen siebcnmonatlicher Früchte noch nicht*), dagegen ist eine solche im
achten und neunten Monat und stüiter1) in der Regel wohl zu erkennen und verschwindet
nicht mehr. Im fünften Monat habe ich dagegen hin und wieder, bald allein, bald zugleich
') Vgl. Taf. III. Fig. I (o). T»r. IV, Fig. 1 io). — Vgl. Taf. II. Fig. 1, 5, «. — *) Vgl Taf. III. Fig. 1,
2, (! loj. Taf. IV, Fig. I, 3. 4 (»).
Digitized by Google
Zur Entwieklungsgesch. J. Furchen u. Windungen d. Grosshirnhemisplmren. 211
mit anderen vorübergehenden Furchen vorhanden, eine oft tief eindringende, nach beiden
Enden sich zuspitzende Spalte gesehen, die ganz in der Richtung der von Bischoff beschrie-
benen schräg über den ILinterlinuptlappen verläuft. Dass diese Furche später wieder ver-
schwindet, ist wohl sicher, denn im sechsten, siebenten Monat ist au dieser Stelle meist keine
Spur einer Spalte sichtbar.
2) Von den Furchen an der medialen Fläche ist, wenn wir von der Fissura Hippocampi
abschen, die eigentlich nicht in diese Kategorie gehört, die Fissura parieto-occipitalis
(po) die zuerst auftretende. Sie erscheint sehr häufig schon im vierten Monat fs. Taf. I,
Fig. 8) zwischen anderen — temporären — Furchen und mit ihr der vordere Tbeil der Fis-
sura calcarina (oc), so dass man dann eine Furche vorfindet, die vom oberen Rand des
Hinterhauptlappens nach ab- und vorwärts gegen den Schläfenlappen verläuft, wie dies schon
Bischoff (1. c. S. 21, 25) ganz richtig angegeben. Die hintere Fortsetzung der Fissura cal-
carina (g. Taf. I, Fig. 13), welche den Zwickel (Op) von hinten und unten begrenzt, tritt
al>cr sehr bald, oft schon gleichzeitig mit der vorgenannten auf, so dass wir hier oft auf
beiden Seiten eines und desselben Gehirns, oder an Gehirnen ganz gleichaltriger Früchte,
sehr verschiedene Bildungen finden.
4) VI. Monat, 21. bis 24. Woche (Taf. II, Fig. 1, 2, 3, 4). [S. Tabelle a. f. S.J
Im sechsten Monat erreicht der Foetus eine Länge bis zu 37 Centim. und es schwankte
die Körperläuge in don verschiedenen Wochen dieses Zeitraums bei verschiedenen Foetus
zwischen 26 und 37 Centim. (Mittel — 32-47). E. H. Weber1) giebt als Länge des Foetus in
diesem Monat 11 — 14" (29—38 Centim.), Hohl’) 12 — 13" (324 — 35 Centim.) an. Das
Körpergewicht fand ich in zwei Fällen von 812 und 975 Gramm (Hohl giebt % — 1 Pfd.
375 — 500 Gramm an). Die Länge der Hemisphären wechselte in den in der Tabelle verzeich-
neten Fällen von 5'7 bis 7-6 Millim. (Mittel — 6'75); die Breite von 42 — 55 (Mittel — 5-16).
Vergleichen wir hiermit dio Maassangaben und Abbildungen der Gehirne von Früchten angeb-
lich gleichen Alters bei verschiedenen Autoren, so finden wir folgende Maaase für die grösste
Länge und Breite der Hemisphären.
Tiedemann (21 Wochen) 1. c. Taf. m, Fig. 4, 5. Taf. IV, Fig. 1, 5. S. 141
Kölliker 1. c. & 234, Fig. 110
Schmidt, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie XL Taf. 6 . . . .
Reichert 1. c. I. Th!., Taf. XU, Fig. 45, 46, 48.
a) Aber 20 Wochen
b) 24 bis 26 Wochen (VI. — VII. Monat)
Leuret und Gratiolet I. c. Taf. XXIX, Fig. 13, 14, 15.
a) 5l/t Monat
b) 6 Monat
L&iige Breite
.37. . . 33
.4-7... —
.50... —
. 5-5 . . . 4-2
. 5-8 . . . 4-3
1-Änge Breite
. 48 . . . —
. 60 . . . 4L
») 1. c. - ») L e.
27*
Digitized by Google
212
A. Ecker,
Nr.
Bezeichnung
Alter
Kürper-
länge
Körper-
gewicht
in Grum-
Läng»- | Breiten-
Durchmeaaer
Horizon-
tale Cir-
tamferrnz
Länge | Breite
der
Bemerkungen
Wochen
men
dea Kopfe
I
I
—
23
37*0
-
81
6-5
-
6-5
5*5
«bgebildet Tat
n.FIg.1,2,8,4.
II
Letzt« Menses
Mitte Scptbr.
1881. (Jcburt
267
7-8
65
6-5
61
III
26. Febr, 1862.
Foetus starb
10 Min. p. p.
23 bis 24
3JJÖ
812
7-5
IV
—
22 bis 24
831
—
7-7
6-4
—
76
— !
—
V
—
—
075
—
—
76
—
—
VI
1 Stunde
—
S50
8*2
5*6
22-4
6‘5
5‘5
—
VII
—
21
26-5
—
—
—
—
5-7
4"2
—
VIII
—
21
360
—
8*5
65
245
70
5-5
—
IX
Mittel
3217
7-6
6-0
67
Mittel
6*75
Mittel
5*16
Die Angaben in Betreff der Länge schwanken somit zwischen 37 und 60 und meine
Messungen cingescblossen zwischen 37 und 67, der Breite zwischen 33 und 5D. Ein Theil
dieser Differenzen erklärt sich, wie schon in der Einleitung bemerkt, dadurch, dass die Maasse
der genannten Autoren an erhärteten und zwar in sehr verschiedenem Grade erhärteten Ge-
hirnen genommen sind, während ich die meinigeti am frischen Gehirn oder am Ausguss, welcher
letztere noch etwas grösser ist wie dieses, genommen habe; jedoch erklärt sich dadurch, wie
ich glaube, nicht die ganze Differenz. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, dass die unter
1 (Tiedemann) und 4 (Reichert) genannten Gehirne erheblich jünger sind, als angegeben.
An der Fossa Sylvii hat sich jetzt deutlich die Scheidung in vordem und hin-
tern Schenkel nusgebildet und dieselbe hat dadurch eine dreieckige Gestalt angenommen.
Dieselbe stellt um diese Zeit noch eine ziemlich weit offene Grube dar, nur der ol»re
Theil des hintern Schenkels (S') ist schon zur Fissur geschlossen, der vordere Schenkel
sowie die Mitte der Grube ist noch offen. Der Sulcus centralis (c) ist noch nicht tief
und noch nicht in seiner ganzen Länge nngelegt. Auf dem Stirnlappcn ist nur eine Furche
bemerkbar oder vielmehr eine Grube, die nach hinten breiter ist und mehr in senkrechter
Richtung verläuft, während nach vorn eine in horizontaler Richtung verlaufende Spalte davon
aasgeht. Es ist dies der Sulcus praecentralis (s, 3) mit der untern Stirnfurche
(s. 2). Bisweilen, jedoch keineswegs immer, Ist die erste Anlage dieser Furche ganz radiär
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshimhemisphiiren. 213
gegen die Form Sylvii gestellt und stellt dann deutlich eine vordere primäre Radiärfurche
(Reichert, Bischoff) dar, während sie in anderen Fällen (vgl. Taf. II, Fig. 2, /* und /*)
schon anfangs eine winklig geknickte Richtung hak Was unter dieser Furche liegt, gehört der
dritten Stirnwindung (Ft) an. Erste und zweite Stirnwindung sind dagegen noch gar nicht
geschieden. Bisweilen fehlen aber auch um diese Zeit noch die Furchen /2 und /„ und der
Stimlappen ist noch ganz glatt. Der Sulcus olfactorius (ft) auf der untern Fläche ist vor-
handen. Am Scheitellappen findet sich hinter der hintern Centralwindung eine schwache
Einbiegung am medialen Rande (cm), welche vom obern Ende des Sulcus calloso-margi-
nalis hervorgebracht ist. Die Fissura parieto-occipitalis (po), welche den Scheitellappen
vom Hinterhauptlappen trennt, ist beiderseits deutlich. Die Fissura interparietalis ist
aus zwei Theilen zusammengesetzt; einem vordem und einem hintern (i p und ip'J, die hier
noch ausser aller Verbindung stehen und dies bisweilen auch bleiben. Der hintere Theil
(i p') gehört schon, wenigstens zum grossem Theil, dem Hinterhauptlappen an und soll sogleich
bei diesem besprochen werden, der vordere (ip) ist links deutlich ausgeprägt als eine von
vom schräg nach hinten und medianwärts ziehende Furche, rechte dagegen nur durch eine
schwache Einsenkung angedeutet. Der Hinterhauptlappen ist bis auf eine Furcho voll-
kommen glatt. Diese (ip') 1 «.‘grenzt den Gyrus occipitalis primus (0|) laterahvärts und bildet
eine laternlwärts convexe Furche, die die obengenannte Windung von der zweiten Hinter-
hauptwindung (0,) trennt. Sie ist daher eigentlich als Sulcus occipitalis lnngitudinolis su-
perior (V>i) zu bezeichnen. Da sie aber gewöhnlich mit dem eigentlichen Sulcus interparietalis
(ip) zusammenfliesst, so habe ich sie mit diesem zusammen als eine Furche betrachtet, an
welcher aber genetisch zwei Theile zu unterscheiden sind: 1) der vordere, Sulcus interparie-
talis ss. (ip), der oberes und unteres Scheitelläppchen trennt; 2) der hintere, Sulc. occip. lon-
git. sup. (ip'), der erste und zweite Hinterhauptwindung trennt. — Ein Sulcus occipitalis
transversus ist an dem dargestellten Gehirn nicht vorhanden. Am Schläfenlappen kann
man den obern Anfang des Sulcus tomporalis superior (<,) unterscheiden, der, schon jetzt
von beträchtlicher Tiefe, das obere hintere Ende der Fissura Sylvii umsäumt und die obere
Schläfenwindung nach hinten begrenzt. Auf der untern Fläche ist die Fissura occipito-
temporalis inferior (t,) deutlich ausgeprägt und trennt den Gyrus occipito-temporalis me-
dialis und Gyrus Hippocampi vom Gyrus occ, temp. lateralis ab. Zwischen dieser Furche
und dem Sulcus temporalis superior (<i) ist keine weitere deutliche Furche mehr vor-
handen, zweite, dritte und vierte Schläfenwindung daher noch ganz ungeschieden; nur
einige schwache Einsonkungcn deuten (rechts deutlicher) eine dritte Schläfenfurche an.
An der medialen Fliicho sieht man die Fissura calcarina ( oc ), und hinter derselben eine
Furche, welche offenbar die noch nicht mit der Hauptfurche vereinigten Schenkel derselben
darstellt.
5) VH. Monat, 25. bis 28. Woche (Taf. II, Fig. 5, 6, 7).
In diesem Monat erreicht der Foetus eine Körperlänge von 35 bis 38 Centini. (Mittel
35‘91. [Nach E. H. Weber1) beträgt die Körperlänge in der Mitte dieser Periode IG"
') I. c.
Digitized by Google
214 A. Ecker,
(44 Centim.)], nach Hohl') 14" (38 Centim.). Das Körpergewicht betrug in drei Fällen, in
welchen ich die Wägung vornahm (s. Tabelle/, 937, 1020 und 1055 Gramm (Mittel 1075'66)
(Hohl giebt für dieses Alter ein Gewicht von l1, bis 21 , Pfund = 875 bis 1250 Gramm
an). Das Hirngewicht betrug in zwei Fällen (Nr. I und II der Tabelle) 19!) und 179
(Mittel 189) Gramm oder im Mittel **/,«, des Körpergewichts. Die Länge der Hemi-
sphären betrug im Mittel, am Ausguss gemessen, 8*2 Centim., am Gehirn selbst gemessen
7*3 Centim. Wie schon oben in der Einleitung angegeben, fallen die Hausse des Gehirns
sehr verschieden aus, je nachdem man dieselben aui frischen Gehirn, am Schädelausguss oder
am erhärteten Gehirn nimmt, und im letztem Falle wieder »ehr verschieden, je nach
dem Grade der Erhärtung. So hatte ein Gehirn (Nr. III der Tabelle), das nach dom
Schädclausguss 81 maass, nach längerem Liegen in Weingeist nur noch 66 Millim. Länge.
Diese Verhältnisse sind bei Vergleichung der Angaben verschiedener Autoren sehr zu berück-
sichtigen. Die Angaben der Hirnlänge von sicbenmonatlichen Foetus (s. oben S. 4), wohl
alle am erhärteten Gehirn gemessen, schwanken zwischen 77 und 50 Centim., die meinen
zwischen 8’3 und 6'6. Die ganze Schwankung beträgt also 33 Millim. Die weniger als 60
Millim. messenden Gehirne (S. 4, Nr. 7, 8, 9 der Reihe) stammen nach meiner Meinung von
Früchten, die erheblich jünger sind als sieben Monate.
Nr.
Bezeichnung
Körper- 1
gewicht
in Gram-
Lin gs- | Breitcn-
Durchmcsser
Horizon-
taler Um-
fang
Länge j Breite
der
nirn-
ge-
wicht
Bemer-
kungen
men
de« Kopfes
t
Letzte *
i .!
%
14
Mennes der
Mutter 16.
April. Geburt
12. Oct. 1865
26 '
36-4
1020
8-2
05
25 j
8*3 (Ausguss»)
7*9. W.2)
66
199
abgebildet
Tftf.ll, Fig- 5.
II
352
057
84
6*5
>4
8 3 (Ausguss)!
—
179
III
25 bi« 26
384)
ohne Hiru
. 750
-
-
1
81 (Ausguss)
( 6 6. W.
'V*
lebte 28 Stil.
26 bi« 27
85-0
1055 .
1 87
6*6
25
-
-
V I
starb p. p. j
35*5
-
8*4 !
6*4
24
*)
'7 3
[*1 (Ausguss)
| -
-
abgebildet
|T»f.IIt Fig. 7.
VI 4
lebte 2 Tage!
—
35*4
8*4
67
235
-
;
| abgebildet
|T«f,lI, Fig. 6.
Mittel
35,91
*) 1. c. — a) W. bedeutet in Weingeist erhärtet. — 3) 7*6 noch kürzerem, 7*3 nach längerem biegen in
Weingeät.
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshirnhemisphären. 215
Die Fossa Sylvii ist noch in ziemlicher Ausdehnung eine offene Grube, deren Boden
von der Insel gebildet wird, so der gemeinschaftliche untere Tlicil, der vordere Schenkel und
der Anfangstheil des hintern; der obere hintere Tlicil des letztem ist jedoch schon in eine
vollständige Spalte verwandelt Die Grube hat die Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks,
dessen Basis nach unten und vorn, dessen Spitze nach hinten und oben sieht Die Central-
furche ist ausserordentlich deutlich, ebenso die vordere und hintere Centralwindung, die sich
wallartig gegen die Bänder der Spalte erheben, um nach dieser hin steil, nach vom und
hinten aber ganz allmälig abzufallen. Die beiden Centralwinduugen geben sowohl am
obem als untern Ende durch bogenförmige Windungszuge in einander über. Hinter dem
obern dieser Bogen, am medialen Rande der Hemisphäre, befindet sich ein durch das obere
hintere Ende des .Sulcus calloso-margiualis veranlasster Einschnitt (cm).
Der Stirnlappen zeigt ein sehr verschiedenes Ansehen, je nach dem Grade der Aus-
bildung der Hauptfurchen, die gerade in dieser Periode aufzutreten scheinen, und es gleichen
daher kaum zwei Gehirne dieser Periode einander vollkommen. So ist z. B. an dem abge-
bildeteu Gehirn (Taf. II, Fig. 7 und Nr. V der Tabelle) beiderseits die untere Stirnfurche
(ft) mit dem Sulcus pracccntralis (/,) angelegt, von der ersten Stirnfurche {/,) ist rechts
nur eine schwache Spur, links noch gar nichts zu sehen. Dagegen ist an dem Gehirn des
andern Zwillings (Taf. II, Fig. 0, Nr. VI der Tabelle), welcher nach der Geburt noch zwei
Tage lebte, der Sulcus front sup. (f\) beiderseits und zwar links in bedeutender Länge ange-
geben. — Von den Zwillingen Nr. I und II der Tabelle sind bei einem auf beiden Seiten
beide Stirn furchen angegeben, beim andern (Taf H, Fig. 5) fehlt die erste Stimfurche links noch
ganz. Dass die linke Seite in der Entwicklung der Furchen und Windungen der rechten stets
voraus sei, wie Gratiolet behauptet hat, kann ich überhaupt keineswegs finden. Bisweilen
verläuft die erste Stimfurche (so bei Nr. III der Tabelle) sehr schräg nach vom und median-
wärts, die obere Stimwindung entspringt in Folge davon mit sehr breiter Wurzel von der vor-
dem Central Windung, eine Anordnung, die sehr an das Gehirn der Affen (Cercopithecus
Semnopithecus etc.) erinnert Auf der untern Fläche des Stimlappens ist nur der Sulcus ol-
factorius deutlich. Bisweilen ist auch schon der Sulc. orbitalis angegeben. Der Zusammen-
hang des Tractus olf. mit der Insel ist meist noch sehr deutlich. Am Scheitellappen er-
kennt man beiderseits eine tiefe Furche, welche parallel mit der hintern Centralwindung ver-
läuft und diese nach hinten begrenzt; ich will sie, tlieils der Lage theils einer gewissen
Analogie mit dem Sulcus praecontraüs wegen, Sulcus postcentral is nennen (Taf. II,
Fig. 6, p c). Von derselben erstreckt sich linkerseits eine Furche nach hinten, der vor-
dere Theil der Fisstira interparietalis (« p), die das obere Scheitelläppchen (P,) vom untern
(P,) trennt; rechterseits ist ein Zusammenhang dieser beiden Furchen nicht zu erkennen, deut-
lich ist er dagegen an dem Fig. 5 abgebildeten Gehirn. Der hintere Theil der Fiasura interpar.
(»p') oder der Sulcus oecip. long. sup. ist stets deutlich vorhanden und umsäumt lateralwärts
die erste Hinterhanptwindung, steht jedoch meist noch ausser Verbindung mit dem vordem
Theil des Sulcus interparietalis (ip). Die Fissura parieto-occipitalis (po) ist sehr tief
eingeschnitten, lateralwärts umsäumt von dem Gyrus occipitalis primus (0|); der Hinter-
hanptlappen ist auf seiner obern Fläche noch völlig glatt und von einem Sulcus occipitalis
transversus ist in der Regel noch Nichts zu bemerken. Bei Nr. VI (Taf. II, Fig. 6) ist linker-
Digitized by Google
216
X. Ecker
seits und bei Nr. 1 (Fi g. 5) recliterseits eine kleino Einsenkung vorhanden, die vielleicht als
Spur eines solchen betrachtet werden kann. Am Schläfenlappen erkennt man den Sulcus
temporalis superior (<i), der sich ziemlich hoch hinauf erstreckt und mit einer zweiten Furche
fast zusammenfliesst , die den Gyrus supramarginalis vom Qyrus angularis trennt (Taf. II,
Fig. 7); (in Fig. 6, Taf. II recht« sind dieae zwei Furchen mehr von einander getrennt).
Die zweite und dritte Schläfenwindung sind noch ungetrennt, dagegen ist die Furche,
wolcho nuf der untern Fläche die vierte und fünfte trennt, angedeutet.
6) vm. Monat, 29. bis 32. Woche (Taf. III, Fig. 1 bis 7).
Nr.
Anguben
Alter
Körper-
lÜDg«*
Körper-
gewicht
in Gram-
Längs- Jllreiten-
Durchroeaser
Horizon-
taler Um-
fang
Lftnge | Breite
der
Hirn ge- | Verhalten des
wicht in j Ilirngewicht*
Gram- zum Körper-
] Bemer-
kungen
Wochen
men
des Kopfe«
men
i gewicht
1
Zwillinge, 1
I
beide $
I starb nach
der Qeburt
II lebte drei
-
41-5
-
9-7
8-0
29-0
frisch 8*2
erhärtet 7*7
7*0
-
-
abgebildet
Taf. III, Fig.
1, 2, 4, 6, 6.
Tage
Letzte Men-
ses der Mut-
i 93
11
ter Anfangs
M*rz 1868.
420
-
93
-
-
8*5
7*0
—
-
ib. Fig. 3.
Geburt 20.
October 18(58
.
IU
Zwillinge
41-6
1490
8-8
8-0
28*3
8*6 j
76
250
= 16-7 : 100
—
IV
beide $
j
{so bis 32
41-4
1440
99
8*2
28-6
Ausguss 9*5
Weingeist 8*6
290
= 2014 : 100
-
V
-
41-0
1370
—
—
—
—
—
—
| Mittel
41-5
Die Fossa Sylvii stellt eine in ihrem mittleren Theilo weit offene dreieckige* Grube dar,
deren Boden von der Insel gebildet wird, der hintere sowohl (S1) als der vordere (S") Schen-
kel derselben sind flagegen zur Fissura geschlossen. Im Stirn lappen erkennt man in der
Regel zwei Furchen, einen Sulcus frontalis superior und inferior (/t und /,), mit der
letztem fliesst der Sulcus praecentralis (/>) zusammen, welcher die vordere Ceutral-
windung nach vom und von der dritten Stirnwindung abgrenzt, so dass also eine dreistrah-
lige Furche entsteht (s. Fig. 2 und 3) , die aus einem senkrechten Theil (/, senkrechte Stirn-
furche, Sulcus praecentralis) und einem wagereebten Tlieil </s Sulcus frontalis inferior)
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grossliirnhemisphiiren. 217
zusammengesetzt ist So verhalten sich z. B. die Furchen auf beiden Seiten in Nr. II (s. Fig. 3)
und linkerseits in Nr. L Rechterseits bei Nr. II (s. Fig. 2) finden sich dagegen drei Stirn-
furchen und /3). Hier kann man zweifelhaft bleiben, ob /* oder /s und /j als untere
Stimfurche und senkrechte Stirnfurche zu betrachten sei. Bisweilen erstreckt sich, so in dein
vor mir liegenden Gehirn des Foetus Nr. V, der Sulcus praecentralis höher hinauf und schneidet
den Ursprung der zweiten Stirnwindung von der vordem Centralwindung ab. Durch diese
genannten Furchen sind nach hinten deutlich drei Stirn Windungen, obere, mittlcro und
untere, geschieden, von denen die letztere aus dem untersten Theil der vordem Central-
windung entsteht und den vordem Schenkel der Fossa Sylvii im Bogen uiusäumt Die zweite
ist bei II (Fig. 3) rechts durch eine Furche in zwei Arme gotheilt, wovon der obere mit Fi, der
untere mit Fi zusammenfliesst. Nach vom gegen das vordere Endo der Hemisphären hat noch
keine deutliche Scheidung in einzelne Windungen stattgefunden. Auf der ürbitaltläche des
Stirnlappens ist nur der Sulcus olfactorius angegeben, der übrige Theil der untern Flüche ist
noch vollkommen glatt — Am Scheitellappen ist am medialen Rande hinter der hintern
Centralwindung der durch das Ende des Sulcus calloso-marginalis (cm) bedingte Ein-
schnitt wahrzunehmen. Durch die tief eindringende Fissura parieto-occipitalis (po)
ist der Scheitellappen vom Hinterhauptlappen getrennt 'Der Snlcus interparietalis ( ip )
ist in dem dargestellten Gehirn (Fig. 1 von Nr. I der Tabelle) in seine zwei Tlieile, einen vor-
dem ip und hintern ip', getheilt durch eine überbrückende Windung (*), welche vom Gyros
angularis (IV) zum Lobulus parietalis superior heraufgeht Ebenso verhält Bich dos Gehirn
der andern Zwillingsfrucht (Nr. II). In zahlreichen anderen Fällen fand ich dagegen die Fis-
sura iuterpar. in ihrer ganzen Länge ununterbrochen. Bisweilen ist (s. 7. Monat, Taf. II,
Fig. 6) hinter und parallel mit dem Sulc. centralis eine bald mehr bald minder tiefe Furche
vorhanden, welche den Gyms centralis post, nach hinten begrenzt und in der Regel mit der
Fissura interparietalis zusammenhängt Ich habe sie oben Sulcus post-centralis genannt.
Durch die Fissura interparietalis oben und das obere Ende der Fissura Sylvii unten ist der
Gyros supramarginalis (Pt) des untern Scheitelläppchens abgegrenzt Aus diesem erhebt sich
der Gyrus angularis (Pt), der eine dreifache Verbindung eingeht Nach oben hängt er durch
eine Brücke (*) mit dem Lobulus parietalis superior (Pi) zusammen, nach unten geht er im Bogen
um die oberste Sehläfenfurcho ((, ) in die erste Schläfenwindung (7’j) Uber und nach hinten
bängt er mit dem Hinterhauptlappen und zwar insbesondere mit der zweiten Hinterhaupt-
windung zusammen. Am Hinterhauptlappen erkennt man den Sulcus occip. trans-
versus (o) deutlich, der in dem abgebildeten Gehirn des Foetus Nr. I (Fig. 1) nicht mit der
Fiss. iuterpar. zusammenhäugt. Dieser Zusammenhang existirt aber in dem Foetus Nr. II, der
drei Tage älter ist, sowie in einem andern mir vorliegenden Gehirn dieser Periode (Xr. V der
Tabelle). Am Hinterhauptlappen lassen sich also unterscheiden: 1) eine ersto Hinter-
haupt Windung, Gyr. occ. priraus (0,) (erste Uebergangswindung, Grat.), geht im Bogen um
das laterale Ende der Fiss. parieto-occip. aus dem hintern Ende des Scheitellappena in den Hinter-
haupthvppen Uber. 2) Die zweite Hinterhaupt Windung, Gyr. occ. sccundus (0,), geht vom
Hinterhauptlappen in den Gyr. angul. (Pt) und in die zweite und dritte Schläfenwindung (Tt
u. 7’, ) Uber. Die beiden vorgenannten Windungen sind von einander getrennt durch den Sulc.
occip. long. (ip'l, welcher nichts anderes ist als die hintere Abtheilung der Fissura inter-
Artlür fDr ABtlir©n»logi*. Bd. 111. Hell *. 28
Digitized by Google
218 A. Ecker,
parietalis. 3) Als dritte Hinterhauptwindnng (03) kann derTlieil des Hinterhauptlappens
bezeichnet werden, welcher durch den Sulcus occipitalis transversus (o) von der vorher-
gehenden Windung getrennt wird und hinter dieser Furche lateralwärts verläuft.
Ara Schläfenlappen erkennt rann den tiefem Sulcus teinporalis Superior (t,), welcher
die obere Schläfenwindung (2\) nach unten begrenzt.
Auf der untern Fläche des Schläfen- und Hinterhauptlappens erblickt man:
1) Den Gyrus Hippocampi (//).
2) Den Gyrus occipito - temj>oralis medialis (Lob. lingualis Huschke Ts).
3) Den Gyrus occ. temp. lateralis (Lob. fusiformis Huschke Tt); links ist derselbe ein-
fach, rechts dagegen durch eine secundäre Furche unterabgetheilt
4) Die Fiss. occipito-temporalis inferior (Fiss. collateralis Huxley), welche die beiden vor-
genannten Windungszuge von einander trennt,
5) Don Gyr. occ. temp. lat. (T«), welcher lateralwärts durch eine Furche, die linkerseits
sehr vollkommen, rechtcrseita nur unvollkommen ausgcbildet ist, von dem Best des Schläfen-
lnppens getrennt ist. Diese Furche entspricht der dritten Schläfenfurcho (L).
Darnach hatten wir also am Schläfonlappen deutlich entwickelt: 1) den Gyrus teinporalis
superior (T,) ; 2) den Gyrus temporalis 4 und 5 (T, und Tj). Dagegen bilden die zweite und dritte
Windung zusammen nur einen breiten (besonders links ganz ungegliederten) Windungszug,
wie man das auch am Gehirn des Erwachsenen nicht selten zu beobachten Gelegenheit hat.
Auf der medialen Fläche (Tuf. IU, Fig. 5) sind alle Hauptfurchen und Hauptabtheilungen
deutlich vorhanden; eine weitere Erklärung der Abbildung ist kaum nöthig.
7) IX. Monat, 33. bis 30. Woche (Taf. IV, Fig. 1 — 4).
Foetus aus der 30. Woche, Ende des IX. Mondsmonats. Länge des Foetus 45 Centim.
Grösste Länge des Schädelausgusses 10‘5 Centim.
Grösste Breite „ „ 8-2 „
Der Foetus erreicht in diesem Monat eine Länge von 42 bis 45 Centim. (E H. Weber
giebt für diese Periode eine Länge von 17" = 46-5 Ceutinn, Hohl eine solche von 17 bis 18"
= 46'5 bis 48-6 Centim. an).
Das Körpergewicht fand ich in zwei Fällen zu 1880 Gramm (3% Pfund) und 2031-25
Gramm (4 Pfund 2 Loth). (Hohl giebt 4 bis 5*/» Pfund an.) ')
Die Fossa Sylvii ist zu einer Fissura Sylvii geschlossen und nur ganz unten an der
Bifurcation zwischen hinterem (&) und vorderem (S") Schenkel liegt noch ein kleiner Theil
der Insel (J) unbedeckt.
An dem Stirnlappen bemerkt man 1) eine Furche (obere Stirnfurche, /i), welche
die obere oder erste Frontalwindnng (F,) von der mittleren oder zweiten (Fs) trennt; 2) den
Sulcus praecentralis (Fig. 2 /,), welcher mit der untern Stirnfurche (/,) zusammen-
hängt, so dass dadurch eine Furche entsteht, die aus einem senkrechten Schenkel (Sulc. prae-
centralis, senkrechte Stirnfurche) und einem wagerechten (untere Stirn furche) besteht Die letz-
tere trennt die zweite Stirnwindung (F*) von der dritten (Fa); die erstere scheidet die zweite
3 Bas Uirngewicht betrug bei einem Foetus gleichen Alters 218 Gramm nnd verhielt sich nun Körper-
gewicht von 1880 Gramm = 15'5 : 100.
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Großhirnhemisphären. 219
Stirnwindung von der vordem Centralwindung (A ), indem sie in die Wurzel, mit welcher dieselbe
von dieser entspringt, tief einschneidet. Eine schwächere Furche bedingt eine Theilung der mitt-
leren Stimwindung in zwoi Aaste, wovon sich der eine (Fj") mit der ersten, der andere (Fj') mit
der dritten Stimwindung vereinigt Diese letztere (F’j) entsteht aus dem untersten Ende der vor-
dem Centralwindung (A), geht im Bogen um den vordem Schenkel der Fissura Sylvii (£>”)
herum, fliesst mit dem lateralen Ast der mittlom Stirnwindung zusammen und geht schliesslich
in den lateralen Windongszug der Orbitalfläche des Stirnlappens (Fig. 3, F'a) Uber Die drei
Stirawindungen sind in Folge der Abwesenheit von socundiiren Furchen sehr klar ausge-
prägt, die erste (FJ ist hinten linkerseits sehr breit und durch eine frontal verlaufende, mit
der Centralfurche (c) parallele Furche (/*), die mit der ersten Stirnfurche (fj zusammen -
hängt, von der vordem Centralwindung (A) abgetrennt. Diese Furche, indem sie sich latoral-
und abwärts erstreckt, trennt auch den Ursprung der zweiten Stimwindung (Fi) und zwar
auf beiden Hemisphären von der vordem Central windung ab, so dass dieselbe (die zweito
Stimwindung) mit ihrer Wurzel von unten nach oben aufsteigt, um sich dann plötzlich in
einem rechten Winkel nach vom zu wenden. Diese Furche ahmt, gewissermassen ein Stock-
werk höher, Lage und Verlauf des Sulcus praccentralis nach; während jedoch dieser ein sehr
constantes Vorkommen zeigt, vermisst man jene in sehr vielen Fällen. Auf der untern Fläche
des Stirnlappens bemerkt man zwei Furchen, den Sulcus olfactorius (J\) und den in
schräger Richtung lateralwärts von diesem verlaufenden Sulcus ofbitalis (ft). Dadurch
wird die Orbitalfläche des Stirnlappens undeutlich in drei Windungszüge geschieden, den
Qyms rectus s. mediaiis, eine Fortsetzung der ersten Stimwindung (F’i), den Gyrus medius
und lateralis (F', und Ft), Fortsetzungen der mittlem und untern Stimwindung.
Am Scheitellappen erkennt man hinter der hintern Centralwindung noch den vom
Ende des Sulcus calloso-marginalis herrührenden Einschnitt (Fig. 1 cm). Der Sulcus
interparietalis (Fig. 1 und 3 ip) ist sehr deutlich ausgeprägt und die Scheidung des Lobu-
lus parietalis superior (PJ und inferior (PJ ist dadurch eine sehr vollkommene. Der erstem
ist nur durch einige wenig tiefe secundäre Furchen abgetheilt; der letztere (s. Fig. 3) besteht
aus zwei Theilen, einem vordem (Gyrus supramarginalis Pt), welcher aus dem untern Ende
der hintern Centralwindung hervorgeht und sich, das Ende der Fissura Sylvii ( S *) umkreisend,
in die erste Temporal windung (TJ fortsetzt, und einem hintern (Gyrus angularis P,'), welcher
sich aus der eben genannten Windung erhebt und in einem Bogen um die oberste Schläfen-
turche (Sulcus temporalis sup. (t) in die mittlere Schläfenwindung (Tj) übergeht. Durch die
Fissura parieto-occipitalis (po) ist der Scheitellappen vom Hinterhauptslappen getrennt.
Hinterhauptlappcn. Für die richtige Auflassung der besonders schwer verständlichen
Windungen dieses Lappens scheint mir die Betrachtung von Gehirnen in dem in Rede stehenden
Stadium der Entwicklung ganz besonders instructiv, Wirsehen hier (Fig. 1 und4) den Sulcus
occipitalis transversus (o), in welchen von vom her der Sulcus interparietalis (ip) ein-
mündet Von Windungen sind zu unterscheiden: 1) Gyrus occipitalis primus (Oi), welcher
die Fissura parieto-occipitalis (po) lateralwärts im Bogen unisäumt und den Zwickel mit dem
Vorzwickel verbindet Es ist dies die Windung, welche Oratiolet als erste äussere Ueber-
gangswindting bezeichnet«. 2) Lateralwärts von dieser verläuft der Gyrus occipitalis secundus
(0.) (zweite äussere Uebergangswindung Gratiolet's). Dieselbe entspringt hinter dem
28»
Digitized by Google
220
A. Ecker,
Sulcus occipitalis transversus (o), verläuft lateralwärts von der Fissura interparietaüs (ipr),
durch diese von der vorhergehenden Windung getrennt, zum untern Scheitelläppchen und
verbindet sich insbesondere mit dem Gyrus angularis (/V)- Dieses hintere Stück der Fissura
interparietaüs, das eigentlich als Sulc. occip. longitudinalis Superior zu bezeichnen ist, tritt
schon, wie wir sahen, im sechsten Monat auf und fehlt nie, während die vordere Abtheilung
(Sulc interpar. ss.) häufig stellenweise überbrückt ist Rechterscits sind in unserer Figur
(Fig. 1) die beiden Abtheilungen sehr deutlich getrennt 3) Ein dritter Windungszug, Gyrus
occipitalis tertius (Oj), zieht vom hintern Ende der Hemisphäre unter- und lateral wärts von
der vorigen Windung gegen die dritte und vierte Schläfenwiudung (Taf. IV, Fig. 4). Zwischen
den eben genannten Windungen finden sich Längsfurchen, die man als Sulci occipitales
longitudinales bezeichnen kann, die untere (Sulcus occipitalis inferior Oj) zwischen der
dritten und zweiten Occipitalwindung; die obere, zwischen der ersten und zweiten Ocoipital-
windung, ist nichts anderes als das hintere Ende der Fissura interparietaüs (i p') , die sich
meist in den Sulcus occipitalis transversus einsenkt. Das hintere Ende der Hemisphäre
ist, wie die Ansicht von hinten (Fig. 4) zeigt, der Punkt des Zusammenflusses sehr verschie-
dener Windungszüge, die von hier, wie von einem Centrum aus, divergircnd nach vorwärts
zur obem, lateralen, untern und medialen Fläche verlaufen.
Am Schläfenlappen ist der Sulcus temporalis superior (<,) sehr wohl ausgeprägt
und dadurch die Scheidung der ersten und zweiten Schläfenwindung (T, und 21,) eine sehr
vollständige, und dies ist auch stets der Fall ; dagegen ist die Scheidung der zweiten von der
dritten Schläfenwindung (T3) selten so deutlich ausgeprägt, wie im vorliegenden Falle, da die
zweite Temporalfurche (fj) häufig nur durch kleine unterbrochene Einsenkungen angedeutet
ist. Die vierte und fünfte Temporalwindung (T, und Ti, s. Fig. 3) sind dagegen durch den
Sulcus occipito-temporalss inferior deutlich von einander geschieden.
Die Furchen und Windungen der medialen Fläche zeigen keinen wesentlichen Fortschritt
gegen den 8. Monat, sind daher hier nicht nochmals dargestellt worden.
Rückblick.
1) Wenn wir von der Fossa Sylvii und der Fissura Hippocampi absehen, welehe letztere
ebenfalls mit den übrigen Furchen nicht in eine Categorie gestellt werden darf, so beginnt
die Bildung der bleibenden Furchen in der Regel im 5. Monat; jedoch scheint in Bezug auf
die Zeit des Auftretens ein ziemlich grosser Spielraum zu bestehen.
2) Der Bildung der bleibenden Furchen geht im 3. und 4. Monat die Bildung vorüber-
gehender Furchen vorher, die sowohl auf der lateralen oben» als der medialen Fläche vor-
handen sind; auf der erstem zeigen sie in der Regel eine auf die Fossa Sylvii radiär gestellte
Anordnung; die hinterste derselben ist oft sehr tief und persistirt bisweilen sehr lange. Auf
der medialen Fläche stehen die temporären Furchen ebenfalls radiär auf der Bogenfurche , in
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshimhemisphtiren. 221
welche sie oinmünden; unter denselben markiren Bich oft schon jetzt die bleibendo Fissur«
parioto-occipitnlis und calcarina.
3) Die primären tiefen, bleibenden Furchen theilen die Oberfläche der Hemisphären in
eine Anzahl von Bezirken, welche erst später durch Auftreten von weiteren sccundären,
minder tiefen Furchen in Windungen zerfallen.
4) Die erste Anlage der Furchen scheint — relativ zu den späteren Furchen und Win-
dungen — im Allgemeinen eine viel mehr symmetrische zu sein. Die Assymmetrie nimmt
erst mit dem Auftreten der Nebenfurchen und Nebenwindungen überhand. Grössere Sym-
metrie der Furchen und Windungen darf daher wohl als Ausdruck einer Bildungshemmung
betrachtet werden und findet sich (Gratiolet, Mömoire etc. S. 60) in der That am Idioten-
gehirn. Dass die Furchen und Windungen der linken Hemisphäre in ihrer Entwicklung
denen der rechten voraneilen, wie Gratiolet behauptet, lässt sich keineswegs nachweisen.
5) Zwischen Gehirnen verschiedener Foctus des gleichen Alters, Reibst Zwillingen, bestehen
grosse Verschiedenheiten in Betreff der Anlage der ersten Furchen, nicht nur der Zeit nach,
worauf Bchon oben (unter 1) hingewiesen wurde, sondern auch in Betreff der Form, und es
wird daher einer noch weit grösseren Anzahl von Beobachtungen , als sie uns jetzt zu
Gebot stehen , bedürfen , um das der Spocies zukommende relativ Unwandelbare von dem
mehr Schwankenden der individuellen Bildung zu trennen.
G) Die Fossa Sylvii bildet sich im 3. Monat (s. oben S. 208) als eine rinnenformige, fron-
tal verlaufende Einbiegung der Hemisphärenblasen; im 4. Monat nimmt
sie eine schräg nach hinten aufsteigende Richtung an und beginnt sich
zu begrenzen. Im 5. Monat wird die Begrenzung deutlicher, die Ränder
erheben sich mehr und eine schwache Einbiegung am vordem Rande
deutet die Entstehung des vordem Schenkels an. Im 6. Monat hat sie
die Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks, im 7. Monat entwickelt sich
der vordere Schenkel mehr, der untere Theil der Grobe aber bleibt,
während sich die Schenkel schlicssen, bis zum 9. Monat offen.
7) Die erste Furche, die aufzutreten pflegt (im 4. bis 5. Monat), ist
die Fissura parieto-occipitalis, die au der medialen Fläche ent-
steht und bald auch durch einen Einschnitt am obern medialen Rande
der Hemisphäre erkennbar ist Sie setzt sich in den vordem Theil der
Fissura calcarina fort, von welcher alsbald auch der hintere Theil
sich ausbildet, wodurch dann der Zwickel begrenzt ist. Bisweilen
scheint auch die Fissura calcarina vor der Fissura parieto-ocoip. zu ent-
stehen, jedoch bildet (lies Verhalten jedenfalls nur die Ausnahme. Die
hinteren Theilungssclieukel der Fissura calcarina scheinen häufig geson-
dert zu entstehen und sich erst nachträglich mit der Hauptfurche zu
Schematische Darstellung vereinigen,
de» Formenwechse!» der
Fissura Sj-lrii. 3 iiis 9: 8) Die Furche, welche nun zunächst entsteht im fünften Monat oder
d^I^ho''ltel!iMis* 10- au°b erat im Anfang des sechsten, ist die Centralfurche, die gewübn-
vulleniicter Zustand, lieh als eine Einsenkung in der Mitte ihres spätem Verlaufs entsteht
Digitized by Google
222
A. Ecker,
and sich allmülig nach oben und unten fortsetzt Es ist dies die mittlere der sogenannten
primären Kadiärfurchen (Reichert).
9) Die nun zunächst auftretenden Furchen der lateralen Fläche zeigen, wie Reichert
zuerst erkannte, eine radiäre (radiär auf die Fossa Sylvii gerichtete) Anordnung, allein diese
ist keineswegs so constant, regelmässig und deutlich, wie es etwa, insbesondere nach den
Abbildungen von Reichert, scheinen könnte. Die vordere dieser Furchen, die aber meist die
Form einer winklig geknickten Linie oder eines Y hat, ist der Sulcus praecentralis (/,)
mit dem Sulcus frontalis inferior (/i)1).
10) Die nun in der Regel zunächst auftretende Furche ist der hintere Theil des Sulcus
interparietalis (ip') *), eine Furche, die identisch ist mit dem Sulcus occipitalis longitudi-
nal« superior. Dieselbe begrenzt lateralwärts den Gyrus occipitalis primus (O,).
11) An dieselbe schliesst sich dann der vordere Theil des Sulcus interparietalis (tp)*).
Diese Furche ist es, welche als hintere primäre Radiärfurche (6. bei Bischof f) bezeichnet
werden kann und die , besonders wenn sie frühzeitig auflritt und lateralwärts weit herab-
reicht, wesentlich zu dem Bilde der radiären Anordnung der Primärforchen beiträgt Vom vor-
dem Endo derselben geht häufig eino quore Furche aus, die ich, der Analogie mit dem Sulcus
praecentralis wogen, dem sio aber an typischer Bedeutung sicherlich weit nachsteht, Sulcus
po.stcentralis genannt habe.
12) Auf der medialen Flächo entsteht nunmehr (im 6. Monat) der Sulcus calloso-margi-
nalis (cm)*).
18) Um dieselbe Zeit mit den letztgenannten Furchen entsteht auch in der Regel die
obere Schläfen furche (<i)‘), die zuerst an ihrem künftigen obern Ende auftrittund von danach
unten fortschreitet; sie umkreist, wenn ihr oberstes Ende zuerst auftritt, das Ende der Fossa
Sylvii im Bogen. Oft bildet sich auch jetzt schon der Sulcus occipito-temp. inf. (f,) *) aus.
14) Im 7. Monat tritt dann die oberste Stirnfurche auf, womit der Stirnlappen in der
Hauptsache ungelegt ist; weiterhin tritt dann, im 8. Monat, durch Auftreten der dritten
Schläfenfurche1) eine weitere Gliederung des Scliläfenlappens ein, es tritt der Sulcus occip.
transv. (o) auf, so dass dann im 9. Monat sämmtliche Hauptfurcheu und Hauptwindungen an-
gelegt sind. Da dagegen die Nebenfurcheu und Nebenwindungen noch zu einem grossen
Theile fehlen, so stollt ein Gohim aus dieser Periode gewissermassen ein schematisches Bild
der menschlichen Hirnwindungen dar, das für das Verständniss dos Typus derselben ganz be-
sonders instructiv ist,
15) Fragen wir schliesslich nach der Erkenntnis« eines Gesetzes der Bildung der Furchen
und Windungen, mit anderen Worten nach einem Verständniss derselben als noth wendiger
Folge gewisser mechanischer Vorgänge des Wachsthums von Gehirn und Schädel, so ist wohl
sicher, dass ein solches, wie es insbesondere durch die treffliche Arbeit von His für die
primitive Entwicklung des Embryo angebahnt wurde, sich auch für diese Bildungen eröffnen
wird. Für jetzt fehlen uns noch die nothwondigen Data zu einer solchen Erkenntnis«. Am
ehesten ist wohl die Entstehung der Fossa Sylvii in diesem Sinn einem Verständnis« eröffnet.
! I Taf. H, Fig. 2. — *) ibid. Fig, 1. — *) ibid. Fig, 1—2. — *) ibid. Fig. 4. — ») ibid. Fig. 2. — *) ibid.
Fig. 3. - T) Taf. III, Fig. 4.
Digitized by Google
Zur Entwicklungsgesch. d. Furchen u. Windungen d. Grosshirnheraisphären. 223
als die Folge eines um die gewissennassen ruhende Axe des Stammlappens ungemein raschen
Wachsthums der Hemisphären , insbesondere in die Länge , und die radiäre Stellung sowohl
der temporären als auch die mehr oder weniger dieser Richtung sich nähernde der blei-
benden primären Furchen mag wohl demselben Grunde entspringen. Ob die Anlage einer
gewissen Anzahl von Windungen im Bogen um die Enden von Hauptfurchen, auf welche
Anordnung Bischoff (1. c. S. 34) grosses Gewicht legt, einem Verständniss nach dieser Rich-
tung zugänglich ist, vermag ich bis jetzt nicht zu entscheiden, jedenfalls erleidet dieses
Gesetz, wie Bischoff (L c. S. 60) selbst einräumt, beträchtliche Ausnahmen. Von Bedeutung
scheint die Beziehung zwischen der Anordnung der Hauptfurchen und dem Verlauf der Hirn-
arterien, auf welche Reichert aufmerksam gemacht hat. — Ich benutze diese Stelle, um
nochmals darauf aufmerksam zu machen, dass ein Hauptausgangspunkt von Längsfurchen und
Längswindungen sich am hintern Ende der Hemisphäre, am Lobulus extromus befindet, wie
dies besonders deutlich wird, wenn man die von hier ausgchendon Furchen und Windungen
auf eine Ebene projicirt; es gehen von diesem Punkte aus die drei Gyri occipitales, sowie die
Gyri occipito-temporales und die Zwickelwindung vorwärts (vgl. Taf. HI, Fig. 4; Taf. IV,
Fig.6)»).
<) S. auch meine oben (S. 206) citirte Schrift ,,die Hirnwindungen etc.'S S. 36.
I
Digitized by Google
Erklärung der Abbildungen.
Tftfei I-IV.
Taf. L 3. 4. und 5. Monat« (exc. Fig. 14.)
Fig. 1. Gehirn eines Embryo aus der 12. Woche, von der Seite. F Stirnlappen. T Schläfenlappen.
S Fossa Sylvii.
Fig. 2. Dasselbe von oben. Zwischen den nach hinten aus einander weichenden Hemisphären sieht
man das Mittelhirn (Vierhügel) und das kleine Hirn. 8 Fossa Sylvii.
Fig. 3. Ein Gehirn von ungefähr gleicher Grosse wie das vorhergehende, die linke Hemisphäre von
der medialen Fläche gesehen. Zahlreiche temporäre Furchen von radiärer Richtung
münden in die Bogenfurche ein. h Fissura Hippocampi (hinterer Theil der Bogenfurche).
U Haken.
Fig. 4. Dasselbe Gehirn, von der lateralen Fläche gesehen und geöffnet Man sieht die Vorsprünge,
welche die temporären Furchen nach Innen erzeugen. A Ammonshorn, von der
Fissura Hippocampi gebildet.
Fig. 5. Gehirn eines 12 wöchigen Embryo, in der Richtung der Linie ab Fig. 1. frontal durch*
schnitten. A Cornu Ammonis. /* Fissura Hippocampi auf dem Querschnitt Linkerseits
erblickt man den der Einbiegung der Fossa Sylvii entsprechenden Streifenhügel in Ver-
bindung mit der Hemisphärenwand, rechts den Iiemisphurcnrand, der sich zum Gewölbe
um wandelt
Fig. 6. Gehirn eines 4 monatlichen Fuetoa (aus der 16. Woche) von oben. 8 Ende des horizon-
talen Schenkels der Fossa Sylvii.
Fig. 7. Dasselbe von der Seite. 8 Fossa Sylvii.1)
Fig. 8. Dasselbe im Medianscbnitt. po Fissura parieto-occipitalis. li Fissura Hippocampi. R Gy-
ros Hippocampi. V Hakenwindung.
Fig. 9. Gehirn eines £> monatlichen Foetus (aus der 19. Woche). Oberfläche der Hemisphären noch
ganz glatt. 8 Fossa Sylvii. .S* hinterer Schenkel derselben.
Fig. 10. Gehirn eines ömonatlichen Foetus (aus der 20. Woehe). S Fossa Sylvii. c Sulcus centralis.
Fig. 11. Dasselbe von der Seite. *Sy hinterer Schenkel der Fossa Sylvii 8" vorderer Schenkel der-
selben, eben angodeutet
Fig, 12. Ein Gehirn gleichen Alters von unten. U Hakenwindung. fA Sulcus olfactoriu*. J Stamm-
lappen und dessen Zusammenhang mit dem Tractus olfactor. oc Fissura calcarina.
Fig. IS. Dasselbe median durchschnitten, po Fissura parieto-occipitalis. oe Fisaura calcarina.
h Fiasura Hippocampi. Gd Gyrus dentatus. f x Fornix. 0» Zwickel. 27 Haken-
windung.
Fig. 14. Linke Hemisphäre eines 7 monatlichen Foetus, vor dem hintern Ende des Balkens frontal
durchschnitten; der hintere Abschnitt von vorn gesehen. Gf Gyrus fornicatus. A Cornu
Ammonis. h Fissura Hippocampi. G d Gyrus dentatus. f4 Fi&s. occip. temp. inf.
(Fiss. collatcralis Huxley).2) H Gyrus Hippocampi
Die Bezeichnungen für die Tafeln II, 111 und IV sind die gleichen und folgen weiter
unten nach.
Taf. n. Fig. 1, 2, 3, 4. ß. Monat. — Fig, 5, 6, 7. 7. Monat.
Fig. 1. Gehirn eines 6 monatlichen Foetus (aus der 28. Woche) von oben.
Fig. 2. Dasselbe von der Seite.
Fig. 3. Dasselbe von unten.
Fig. 4. Dasselbe median durchschnitten.
Fig. 6. Gehirn eines 7 monatlichen Foetus (aus der 2$. Woche), von oben (Tabelle S. 214, Nr. I).
Fig. 6. Gehirn eines 7 monatlichen Foetus (aus der 28. Woche). (Tabelle ibid., Nr. VI.)
Fig. 7. Gehirn eines Foetus von ganz gleichem Alter von der beite. (Tabelle ibid., Nr. V.)
*) Der vordere untere Rand der Fossa Sylvii ist in dieser Zeichnung etwas tu scharf ausgeprägt.
*1 Dieselbe veranlasst hier eine schwache Erhebung im absteigenden Horn.
Digitized by Google
225
T&f. III. 8« Monat.
Fig. 1. Gehirn eines 8 monatlichen Foetus (aus der 32. Woche). (Tabelle, 8. 216, Nr. I.)
Fig. 2. Dasselbe von der Seite, (ibid.)
Fig. 3, Gehirn eine« Foetus von ganz gleichem Alter. (Tabelle, Seite 216, Nr. II.)
Fig. 4. Daa in Fig. 1 dargeetellte Gehirn von unten (ibid.).
Fig. 5. Dasselbe median durchschnitten.
Fig. 6. Dasselbe von hinten.
Fig. 7. Hinterhaupt lappen eines 7monatlichen Foclus, frontal durchschnitten, cp Cornu posterius,
c a Calcar. avis. o c Fissura calcarina.
Taf. IV. 9. Monat.
Fig. 1. Gehirn eines Foetu» aut der 36. Woche, von oben.
Fig. 2. Dasselbe, von unten.
Fig. 3. Dasselbe, von der Seite.
Fig. 4. Dasselbe von hinten.
Allgemeine Erkliirung der Bezeichnungen der Figuren auf
Tafel II, III und IV.
J Insel oder Stammlappen.
S Fissura Sylvii.
hinterer oder horizontaler Ast derselben.
Avr vorderer oder aufsteigender Ast.
A vordere Centralwindung.
Jt hintere Centralwindung.
c Central furche.
Ft Gyros frontalis superior.
F| Gyros frontalis medius*
Fj Gyrus frontalis inferior.
fy Sulcus frontalis superior.
f3 8olcus frontalis inferior.
/s Sulcus praecentralis.
/4 Sulcus olfactorius.
Sulcus orbitalis.
Px Lobulu9 parietal is superior.
l‘% Lobulus parietalis inferior.
P9 Gyrus supramarginalis.
Pf Gyros angularis.
ip Sulcus interpanetalis, vorderer Theil.
* ;/ Sulcus interpanetalis, hinterer Theil (Sulcus ocri*
pitalis longitudinalis superior o,).
p c Sulcus postcentralis.
Pf Vorzwickel.
O * Zwickel.
Oy Gyrus occipitalis prima«.
Ot Gyros occipitalis secundus.
Corrigenda. Auf Taf.
03 Gyros occipitalis tertias.
D Gyrus deecendons.
Le Lobulus extremus.
po Fissura parieto-occipitalis.
o Sulcus occipitalis transversus.
oa Sulcus occipitalis inferior.
Tv Gyros temporal» superior s. primus s. inframar-
gioalis.
T% Gyros temporalis medius s. secundus.
7'a Gyrus temporalis inferior s. tertius.
Ty Gyrus occipito-temporalis lateralis s. lobulus (uni-
form is.
Th Gyrus occipito-temporalis medialis s. lobulus lin-
gualis.
<j Sulcus temporalis superior.
Sulcus temporalis medius.
ts Sulcus temporalis inferior.
1 1 Sulcus occipito-temporalis inferior a. collateralis.
c m Sulcus calloso-marginatis.
oc Fissura calcarina.
oc' oberer Schenkel derselben.
o c" unterer Schenkel derselben.
h Fissura Hippocampi.
G f Gyrus fornicatus.
H Gyrus Hippocampi.
U Gyrus uncinatus.
Gd Gyros dentatus.
I, Fig. 11 ist statt co zu lesen c.
IV, „ 1 ist (zweite Bezeichnung von vorn) statt F% zu lesen Ff.
IV, n 3 (linke Seite) ist statt Fs zu lesen J.
Nachricht. Dr. Ziegler in Freibarg hat unter der Leitung des Verfassers vorstehender Arbeit und nach
dessen Präparaten eine Reihe von Wachsmodellen entworfen, über welche ein diesem Hefte
beigegebener ProspcctuB nähere Auskunft giebt.
Aiohir für Anthropologie Bd. 1U. Hi(t 8. 29
Digitized by Google
XIV.
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen
auf den Grosshirnhemisphären des Menschen und der Affen.
Von
D r. A d. P a n s o h
l'rowctor in Ki«l •)-
(Hierin Tafel V— VHI.)
Die Lehre von den Grosshirnwindungen des Menschen und der Affen ist in der neuesten
Zeit wieder mehr in den Vordergrund getreten, indem man einerseits die durch die früheren
Untersuchungen gewonnene Basis theils zu erweitern theils zu zerstören bemüht ist, ander-
seits aus ihr die Lösung schwebender Fragen zu entnehmen sucht. Wie nun die Sache heut-
zutage liegt, kann man sich nicht wundem, wenn Manchem vielleicht dieses Thema abgethan
und unwichtig erscheint, oder auch, wenn man es für so schwierig und weitläufig hält, dass
nur der Specialist sich am Hirn orientiren und den verschiedenen Beschreibungen folgen
könne. Aber Beides ist unrichtig; im Gegentheil, es steht einer genauen namentlich ver-
gleichenden Untersuchung noch ein weites Feld offen, und was die vermeintlichen Schwierig-
keiten betrifft, so müssen diese bei richtiger Auffassung vollständig schwinden, denn es giebt
in der That ein natürliches sogenanntes Windungssystem des Affen- and Menachenhirns, d. h.
eine praktisch verwerthbare Eintheilung der Oberfläche, die nicht auf Willkür, sondern auf
genetischer Grundlage beruht. Es ist die Absicht, in Folgendem dieses nachzuweisen. Wird
dabei auch Bekanntes öfters wiederholt werden müssen, so gewinnt doch Vieles davon durch
andere Anschauung einen ganz andern Werth.
Ehe ich nun auf die Sache selbst eingehe, mögen folgende allgemeine Bemerkungen
noch vorausgeechickt werden. Die Frage nach der allgemeinen morphologischen Bedeutung
der Windungen kann um* vorläufig hier ziemlich gleichgültig sein — jedenfalls verdanken sie
fast alle als Faltungen ihren Ursprung einem verschieden starken W'achsthum einzelner Theile
der Oberfläche. Wo hier in Gestalt oinor Linie eine (relative oder absolute) Hemmung eintritt,
') Zur Zeit als Aut und Naturforscher bei der zweiten deutschen Nonlpolexpedition.
29*
Digitized by Google
228
Ad. Pansch,
da muss sich natürlich, da im Uebrigen die Oberfläche ziemlich gleichmässig wuchert , später
eine Furche bilden. Fast immer nun legen sich die durch eine solche Furche getrennten
Theile (Wülste) mit der Zeit unmittelbar aneinander, die Furche gleicht keinem flachen l’hale,
sondern einer engen Schlucht.
Die Erfahrung lehrt ferner, dass, wie auch bei allen Thieren mit gefurchten Hirnen, die
Furchen nicht alle zu gleicher Zeit, sondern die einen früher, die anderen spater sich bilden.
Darnach lässt sich sogleich vermuthen, dass die Furchen des erwachsenen Hirns selir ver-
schiedene Tiefe haben werden, und es müsste die vorhandene Tiefe sogar Uber die Zeit der
Entstehung genauen Aufschluss geben können, falls nur die Hemmung entweder überall eine
absolute, oder doch die relative Hemmung an allen Stellen gleichzeitig gleich stark gewirkt
hätte. Im Allgemeinen scheint sich nun die Sache so zu verhalten, wenigstens weist eine
bedeutende Tiefe der Furche wohl immer auf einen frühen Ursprung hin, doch sind hierüber
noch genauere Untersuchungen nöthig. Immerhin aber bleiben die Tiefenverhältnisse der
Furchen von der allergressten Wichtigkeit; eine Beschreibung der Iiirnoberfläche, die hierauf
keine Rücksicht nimmt, kann ich immer nur als unzureichend ansehen. Den zwischen zwei
Furchen gelegenen erhabenen Theil nennt man seines heim Erwachsenen meist geschlängelten
Verlaufs wegen gewöhnlich Windung. Doch werden weder die kleinsten noch die grössten
Abtheilungen damit bezeichnet, sondern ohne genaue Begriffsbestimmung häufig ganz will-
kürlich bestimmte Complexe. Die „Windung" in dem gebräuchlichen Sinn ist hiernach also
durchaus kein präciser genetischer Begriff und hat ausserdem den Nachtheil, dass sie (frü-
heren Anschauungen freilich ganz gemäss) einen langgestreckten und gebogenen Theil bezeich-
net. Weniger zweideutig und praktischer erscheint für dergleichen Complexe die Bezeich-
nung „Wulst“. — Bei jeder solchen Windung oder Wulste ist es nun aber selbstverständlich,
dass sie von Furchen begrenzt wird (wenigstens theilweise), ebenso wie auch zu einer Furche
nothwendig zwei begrenzende Windungen oder Wülste gehören. — Es zeigt sich ferner, dass
die grösseren Furchen meist jede für sich entstehen und meistens nicht in Verbindung mit
einander treten. Die durch sie getrennten Wülste („Lappen“ oder „Windungen“) besitzen
also meistens eine oder mehrere Stellen, wo sie miteinander Zusammenhängen. Wir haben
damit also einfach einen Mangel durchgehender Trennung benachbarter Theile. (Wie kann
man hier von einer besondere „Windung" sprechen, wonn man nicht etwa dem Wort eine
ganz andere ungebräuchliche und oft unpassende Bedeutung beilegen willf). — Es ist weiter-
hin aus Obigem schon klar, dass, wenn auch Furchen und „Windungen“ eine die andere
bedingen, es doch rationell und das Einfachste erscheint, die Furchen zunächst ins Auge zu
fassen. Das wird der Verfolg deutlich lehren, und davon mögen Gegner sich leicht über-
zeugen, wenn sie in dieser Sache die englische Literatur mit der deutschen vergleichen, und
sich fragen, wo die besten Resultate sind. — Grössere Abtheilungen der Hemisphäre hat man
seit langer Zeit unter dem Namen von Lappen zusammengefasst und aufgeführt. Dass eine
eingehende Beschreibung und Nomenclatur durch dergleichen AbtheUungen erleichtert werden
muss, ist klar; ob solche gebräuchliche Eintheilungen genetische Berechtigung haben, ist frei-
lich eine andere Frage. Aber man kann zwei verschiedene Begriffe mit dem Namen „Lappen“
verbinden. Man kann nach den allgemein üblichen Bezeichnungen der anatomischen Hand-
bücher die drei lappenartig vorspringenden Theile der Hemisphären so nennen; dann haben
Digitized by Google
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc. 229
sio einen körperlichen Begriff und stehen mit den einzelnen „Windungen“ direct in keinem
Zusammenhänge. Oder man nennt, an jene Vorstellungen freilich anschliessend, grossere Ab-
theilungen, die meist durch besonders ausgezeichnete Furchen abgegrenzt werden, mit diesem
Namen; dann hat man also einen Complex mehrerer Windungen und kann streng genommen
natürlich nur Abtheilungen der Oberfläche und nicht der ganzen Hemisphäre darunter ver-
stehen. Das Verlangen, dass solche trennende Furchen genetisch von den übrigen ausge-
zeichnet seien, ist ein gerechtes. Der Verfolg wird zeigen, wie weit diese Principion auch
praktische Anwendung gestatten. £in weiteres Verfahren, eine Trennuug in Lappen zu
bewerkstelligen, kann es nicht geben (abgesehen vielleicht von einer Berücksichtigung des
in n (tu Baues). Der Versuch, solche Theilungen von vornherein durch Momente, die ganz
ausserhalb des Qchiras liegen, z. B. die Nätho zu bewirken, dürfte Wenige befriedigen.
Um zu unserm Ziele zu gelangen, ist es nun unsere Aufgabe, möglichst objectiv und
genau die Entwicklung dor Furchen zu verfolgen, und zwar nicht nur beim Menschen und
den verschiedenen Affen, sondern auch bei den übrigen Säugethieren. Erst wenn dies, und
zwar auch in grösserer Ausdehnung, geschehen ist, können genügende Endresultate gezogen
werden. In Bezug auf das Menschenhirn liegt schon werthvolles, ein Urtheil gestattendes,
wie mir aber bei der Bedeutung und dem Interesse gerade dieses Hirns scheinen will , noch
lange nicht ausreichendes Material vor. Ueber die Entwicklung des Affenhiros schweigt die
Literatur gänzlich, doch war ich so glücklich, selbst wenigstens einige werth volle Unter-
suchungen hierüber anstellen zu können. Wir müssen uns im Uebrigen auf die Vermuthungen
Rtützen, die die Betrachtung der Furchentiefe giebt, sowie auf die Resultate, die die ver-
gleichende Anatomie in der langen Reihe der Affen zu erlauben scheint. In Bezug auf die
übrigen Säugethiere sind freilich die Windungen schon in weitem Umfange vergleichend unter-
sucht, aber eine eingehendere Gründlichkeit, wie wir sie heute nach den oben ausgesprochenen
Principien verlangen müssen, finden wir nirgends. Für die Entwicklungsgeschichte war ich
auch hier auf mich selbst angewiesen. Doch lag mir hier für Hund und Katze ein ziemlich
genügendes Material vor.
Abbildungen habe ich möglichst wenige gegeben , aber wo möglich für den einzelnen
Fall charakteristische. Genügende Anschauung des Ganzen können meiner Meinung nach
doch keine Abbildungen, sondern nur plastische Nachbildungen geben. Was ferner die Art
der Behandlung betrifft, so hielt ich es für das Beste, vorläufig alle Kritik zu vermeiden, und
nur einfach und kurz die Resultate meiner Untersuchungen, verbunden mit dem bereits Be-
kannten, hier darzulegen.
Es scheint dos Genügendste, mit der Untersuchung des luenschlichen Hirns zu beginnen
Hier bietet sich ja der grosse Vortheil, dass dir ein Studium der Entwicklung der Windungen
ein gutes Material vorhanden ist; freilich bereitet dafür anderseits die complicirtere und so
sehr wechselnde Ausbildung der typischen Grundform, wie sie bedingt ist durch die hohe
Stellung des Menschen in der Gruppe der Primaten, nicht unbedeutende Schwierigkeiten.
Digitized by Google
•230
Ad. Pansch,
I. Die Furchen des menschlichen Hirns.
1. Fötales Hirn.
Es würde nun durchaus natürlich sein, wollte man zunächst auf die erste Entwicklung
der ganzen Form der Grosshirnhemisphären des Menschen eingehen, um bo mehr, als sich die
unterscheidenden Hauptcharaktore des Primatenhirns gerade hier schon früh ausprägen ; doch
würde hierbei zu viel Allbekanntes wiederholt werden müssen, das zugleich auch zu weit von
dem eigentlichen Thema abführte. Nur folgende kurze Bemerkungen sind es, die zu besserer
gegenseitiger Verständigung in diesem Punkte erforderlich sein möchten.
Es ist gewiss ebenso sehr rationell als auch praktisch, die Oberfläche zunächst in zwei
Hauptabteilungen zu theilen, die der ursprünglichen innen» und äussern Flache entsprechen.
Ebenso wenig darf man auch die Grundform der Hemisphäre, bestehend in einem vordem
und untern (hintern) Endo so wie dem sich später erst daran anschliessenden hintern Aus-
wuchs („hinterer Lappen“) nicht vergessen. Dennoch muss mit vollem Recht darauf hin-
gowiesen werden, dass in letzterer Hinsicht durchaus keine bestimmte und genau zu begren-
zende Abtheilungen gegeben sind, sondern eben nur Regionen bezeichnet werden, die als
solche in etwaigen später auftretenden Furchen durchaus keine ihnen von vornherein zukom-
mende Grenzen finden können. Aus diesem Grunde habe ich die so verschieden aufgefasste
Bezeichnung der „Lappen“ vorläufig noch ganz fortgelosscn; wird dadurch die Beschreibung
auch etwa» schleppender, so kann ich auf diese Weise doch objectiver Vorgehen und vermeide
Missverständnisse und Missdeutungen. Dadurch bin ich freilich auch gonöthigt, den allgemein
so genannten Stamm- oder Centrallappen zunächst mit seinem älteren Namen „Insel“ zu
bezeichnen. —
Nach diesen Vorbemerkungen können wir gleich eingehen auf die erste wesentliche
Acnderung, die die äussere Gestalt der Hemisphäre bei den Primaten erleidet, und die in
einer Difierenzirung der äussern Fläche in die Gegenden der „Insel“ und des dieselbe umge-
benden „Mantels“ (Reichert), oder was dasselbe sagt, in der Bildung der Fossa Sylvii
besteht. Ist dieser Proeess auch schon oft genüg erörtert, so verlangen doch einige in der
Folge sehr wichtige Punkte eine speciellere Untersuchung. Bekannt ist es, wie ursprünglich
die Insel („Stammlappen") als solche nicht zu erkennen ist, da sie ohne äussere Begrenzung
noch in demselben Niveau mit dem Mautel liegt und gleichmäßig mit ihm fortwächst ; wie
ferner aber sehr früh schon in der Ausdehnung der späten» Insel eine relativ bedeutende
Hemmung des Wachsthums eintritt, so dass sie dann (»nit Ausnahme des unten» Theils mehr
und mehr gegon die übrige Oberfläche vertieft erscheint, und vom Rande des wuchernden
ManteLs umgeben den etwas gewölbten Boden der Fossa Sylvii darstellt. Wenn diese zunächst
freilich wohl als eine sehr in die Länge gestreckt« Vertiefung erscheint (Taf. V, Fig. 1), bietet
sie doch sehr bnld die Gestalt eines Dreiecks mit der längsten Seite nach hinten, der kür-
zesten nach vorn und der einen Spitze nach unten (innen); dieses untere Ende liegt ganz
an der nach unten gewandten Fläche der Hemisphäre (Taf. V, Fig. 3). Häufig findet man nun
aber statt des Dreiecks eine mehr unregelmässige Gestalt, indem an der vordem Ecke nicht
bloss die eine, sondern neben einander zwei, oft sogar drei kleinere Ausbuchtungen »ich befinden.
Digitized by Google
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc. 231
Ganz vereinzelte Fälle ausgenommen wächst der wuchernde Mantel nun mehr und mehr
Uber die freie Oberfläche der Insel hinweg, und zwar wesentlich von drei Richtungen aus,
entsprechend der vordem, obern und hintern Seite der Grube. Während, wie wir eben sahen,
die hintere Seite es ist, die sich zuerst erhebt, zeigt später die obere Seite das stärkste Wachs-
thum, die vordere das geringste, und zwar ist dieses am untern Ende derselben so gering,
dass der Mantel hier im Niveau der Insel bleibt und diese unmittelbar in die spätere Substan-
tia perforata mit. übergeht; die eigentliche an der Aussenseite liegende vertiefte Fossa Syl-
vii hat hier also einen offenen Ausgang. Da nun ferner an den beiden oberen Ecken der
Fossa Sylvii die Wucherung eino relativ sehr geringe ist, so bildet in weiterem Verlaufe der
Mantel hier drei (resp. vier) lappenartige Vorsprünge, die schliesslich bis zu gegenseitiger
Berührung sich entgegenwachsen (Taf. V, Fig. 8 — 9). Der obere derselben ist cs, dem man eine
besondere Aufmerksamkeit widmete, und den man „operculum“ nannte. Es bleiben somit von der
ursprünglichen Grube äusserlich nur zwei (seltener drei bis vier) Furchen übrig, die selten (durch
stärkere Wucherung an den Ecken) ganz oder theilweise verschwinden und dem genäherten
ursprünglichen hintern und vordem Rande (beziehungsweise dem geknickt sich daran anlegenden
obern Rande) der ursprünglichen Fossa Sylvii entsprechen. Diese zwei Furchen verbinden
sich an einem Punkte, der wegen der Wucherung am vordem Manteltheüe meistens an der
äussern Fläche liegt. So entsteht also in der Tliat eine Furchung in Gestalt eines Y, dessen
Stamm zum grössten Tlieil quer an der untern Fläche verläuft, während der vordere Arm
nach vom und oben, der hintere schräg nach hinten und oben gerichtet ist.
Es sind dies nun bekanntlich die Furchen, die man längst (freilich mit häufiger Verken-
nung des vordem Astes) als Fossa Sylvii s. str. oder Fissura Sylvii horizontalis und Fissura
Sylvii ascendcns bezeichnet hat Jene zuweilen auftretende vorderste Furche hat nie Beach-
tung gefunden.
Dass die so in der äussem Oberfläche der Hemisphäre entstandenen Spalten genetisch
Nichts mit den übrigen eigentlichen Furchen zu tliun haben, bedarf kaum der Erwähnung;
der ganze Bildungsgang ist ein verschiedener. Dem oben ausgesprochenen Principe getreu
werde ich sie deshalb auch in der Folge nicht mit dem jenen beigelegten Namen „Fissurae“
nennen dürfen, sondern lege ihnen die freilich etwas umständlichere, aber doch auch schon
hier und da gebräuchliche Bezeichnung bei, als beziehungsweise „Ramus horizontalis“ und
„Ramus ascendeus“ (beziehungsweise auch Ramus anterior) fossae Sylvii.
Da nun doch die besprochenen Veränderungen zu den wichtigsten Vorgängen in der Ent-
wicklung der ganzen Form der Hemisphäre gehören, und ihres Gleichen weiter nicht haben,
so müsste streng genommen auch durch die so entstandenen Furchungen (die Aeste der Syl-
vi’schen Grube) die Oberfläche in einige Hauptabtheilungen zerfallt werden, die sich als
vordere, mittlere (obere) und untere Abtheilung darstellen würden. Oder, wenn man ja
an der ursprünglichen Form festhalten will, es würde jetzt ein vorderes und unteres Ende
der Hemisphäre (auf der äussem Fläche) durch den Ramus hör. fossae S. deutlich und in
grosser Ausdehnung geschieden sein, wie auch allgemein beschrieben wird. Aber genetisch
eben so wichtig ist dann doch auch die Trennung jenes vordem Theils durch den Ramus
asc. f. S. in eine vorderste und mittlere Abtheilung. Eine solche Beachtung ist diesem Ra-
mus asc. aber nie geworden, oder wo es geschah, lag ein arges M iss verstände i ss zu Grunde.
Digitized by Google
232
Ad. Pansch,
Um so mehr muss derselbe nun aber berücksichtigt werden; er mus3 nächst dein Ramus
lioriz. f. S. die erste Furche sein, die man überhaupt aufzusuchen hat. Ich erlaube mir, schon
hier zu erwähnen, wie meiner Meinung nach in dem Verhalten uud Lage dieser Furche, d. h.
in der relativen Grösse der durch sie getrennten von vorn und oben die Insel überwuchernden
Mantelparthien, eines der wichtigsten Verhältnisse vorliegt, das zunächst und vor Allem bei
einer vergleichenden Untersuchung in Betracht kommen muss, und vielleicht schon bald statt
vager Auseinandersetzungen positive Resultate geben möchte.
Betrachten wir jetzt die Veränderungen, die in allmäliger Zunahme auf der Oberfläche
selbst auftreten und in der Ausbildung sogenannter Furchen und Windungen bestehen. Wie
die Fossa Sylvii sich durch eino in grösserer Ausdehnung auftretende relative Wachsthums-
hemmung bildete, so sind die Furchen Gebilde, die durch linienbafte (fast immor relative)
Hemmungen der Wucherung entstehen, wie früher bereits erwähnt Deshalb kann man nun
auch unter diesen Furchen genetisch, d. h. soweit es bloss Art und Weise der Bildung betrifft,
keinen weitern Unterschied anerkennen Die einzigen Verschiedenheiten, die zwischen ein-
zelnen Furchen gelten können, beruhen somit nur in der Zeit ihrer Entstehung, oder weitere
Gesichtspunkte anlangend, in dem grösseren odor geringeren Festhalten an einer bestimmten
Gestalt und Lagerung. Aber ee wird bald klar werden, wie alle solche Unterschiede nur
relative sind und keine bestimmte Grenzen zulassen.
Suchen wir jetzt die Entstehung der ersten Furchen möglichst genau und objectiv zu
verfolgen, und dabei innere und äussere Fläche zugleich der Betrachtung zu unterwerfen.
Schon sehr frühe, wenn sich eben eine deutliche Umrandung der Fossa Sylvii gebildet hat,
bemerkt mau die Bildung der ersten Furchen, und zwar an dem hintern Tbeil der innern
Fläche. Hier zeigt sich nämlich eine Furchung von der Form eines schrägen Y ; der eine
Arm desselben ist nach obon und hinten, der andere nach hinten und etwas nach unten
gerichtet, während der kurze Stamm nach vorn und etwas nach unten verläuft Diese fötale
Furchengestaltung ist längst beobachtet und beschrieben worden; sie ist auch wohl schon als
etwas primäres Zusammengehöriges angesehen worden. Dennoch scheint sie auf zwei isolirte
Furchen zurückgcfübrt werden zu müssen, die in der Hauptsache den beiden Aestcn des Y
entsprechen. Zu welchen dieser beiden der Stamm des Y gehört, oder ob dieser wechselt
oder ob er vielleicht zuweilen isolirt entsteht, wage ich noch nicht endgültig zu entscheiden.
Dagegen ist es sicher, dass in einer erheblichen Zeitdifi'erenz bald die eine, bald die andere
Furche zuerst erscheint; mau bemerkt also in den allerersten Furchenbildungen beim Menschen
einen auffallenden unbestimmten Wechsel, auf den ich ganz besonders schon hier hinweisen
muss. — Der obere Ast möge einfach Fissura perpendicularis (Fiss. occip. int aut.) heissen,
der hintere Fissura horizontalis (= Fiss. Hippocampi). Letztere Furche bezeichnet schon
jetzt ziemlich genau die Stelle, wo die eigentliche mediale Fläche in die das Kleinhirn später
deckende sogenannte untere Fläche übergeht. Die Fiss. perpond. ferner erscheint freilich so
ungefähr an der Stelle, wo man sich die Grenze zwischen hinterm Auswüchse und der übrigen
Hemisphäre denken könnte; dass er übrigens genau diese Stelle angiebt, bezweifle ich sehr,
Hesse sich auch wohl schwer beweisen. Die Fiss. perp. reicht ferner sehr bald bis an den
obern freien Rand der Hemisphäre hinan und während ihr unteres Ende sich mehr und mehr
von dem Balkenwulst entfernt, zeigt das obere oft eine gablige Endtheilung, deren Beachtung
Digitized by Google
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc. 233
wichtig ist Zuweilen sind beide Furchen gleich tief, aber meistens, scheint es, mündet die
Fiss. perp. seicht in die tiefe Fiss. horiz. ein. Ebenso reicht die Fiss, horiz. bald bis an den
freien Rand der Hemisphäre und bietet häufig auch schon Andeutungen einer gabligen Eud-
theilung.
Was die an dom innern Ausschnitt der Hemisphäre gelegenen Theile betrifft, auf die als
etwas verborgen liegende meist wenig Rücksicht genommen wird, so haben sich auch diese
schon sehr früh deutlich ausgebildet Die Furche die den Balken von dor Homisphüre abgronzt,
setzt sich auf dem untern Ende der Hemisphäre etwas einwärts vom freien Rande des Aus-
Schnittes gelegen nach unten und vorn fort und bedingt schliesslich mit ihrem Ende die Ab-
trennung des sogenannten „Uncus“ von der Übrigen Oberfläche. Wir nennen sie, den Englän-
dern folgend, Fissura dentata, <la nach innen von ihr die sogenannte (corpus) Fascia dentata liegt
und auch diese müssen wir nothwendigerweise noch mit in das Gebiet unserer Betrachtungen
ziehen, da sie der mit grauer Substanz bedeckten Oberfläche angehört. Schon sehr früh zeigt
sie das charakteristische durch kleine Querfurchen bedingte Aussehen. Von dem nach innen von
ihr liegenden absteigenden Schenkel des Foraix finde ich sie nicht in der ganzen Länge
getrennt sondern diese trennende Furche erleidet in der Mitte eine Unterbrechung. Am
untern Ende hängt die Fascia dentata etwas mit dem Uncus zusammen, der im Uebrigen als
directo angeschwollene Fortsetzung des Fornix sich darstellt.
Nicht lange nach dem Auftreten der eben behandelten an der Innenseite gelegenen
Furchen, zu einer Zeit wo die Insel etwa halb bedeckt ist uud damit die Fias. Sylvii horiz. als
solche schon etwa zur hintern Hälfte vollendet ist, treten auf dor äussern Fläche die ersten
eigentlichen Furchen auf. Es sind dies wesentlich vier Furchen, die fächerförmig um die
Fossa Sylvii herumlicgon. Nennen wir Bie vorläufig mit der einfachsten Bezeichnung (Rei-
chert) die radiären Primärfurchen und zählen sie von vorn anfangend als erste bis vierte.
Tafel V, Fig. 2, 3, 7-9, 11.
Eine derselben (die vierte) liegt auf dem hintern Ende des Mantels parallel dem obern
Ende des Rnm. kor. fossa« Sylv. und zwar naher an ihm als an dem freien untern Rande
der Hemisphäre. Die andern drei (erste bis dritte) liegen auf dem vordem Ende und zwar
alle zwischen den beiden Aesten der Fossa Sylvii, wo sie, mit ihren unteren Enden ziemlich
gleichmässig vertheilt mit den oberen Enden etwas divergiren, so dass sie mehr oder weniger
schräg nach vorn, gerade nach oben und schräg nach hinten verlaufen.
Nach dem vorliegenden Material möchte ich mit Bestimmtheit behaupten, dass es die
zweite dieser Furchen ist („Fiss. Rolando“), die zuerst, wenn auch nur wenig früher als die
anderen drei Furchen, hier sichtbar wird als eine schwache ziemlich senkrecht verlaufende
lineare Vertiefung. Eben diese ist es auch, die sich bei Vergleich aller Hirne sogleich aus-
zeichnet, da sie in erster Anlage sehr wenig variirt nud auch in weiterer Ausbildung wenig
abändert. Von den anderen drei Furchen hingegen findet man liei Vergleich einiger Hirne
fast nur die erste Anlage (d. i. meist das untere Ende) einigermassen constant, während dis
später hinzukoinineuden Fortsetzungen sehr nach Lage, Länge und Krümmung wechseln.
Auaser diesen vier Furchen lassen sich auf der äussern Fläche um diese Zeit zwar noch hier
uud da einige Einsenkungen beobachten, die aber bald hier bald da ihre Lage haben, oder
doch erst sehr allmälig eine deutliche Gestalt annehmen. Doch darf ich nicht übergeben,
Archiv fOr Anthropologie. H4. HL Heft 9. 30
Digitized by Google
Ad. Pansch,
»34
dass nach einigen Beobachtern schon jetzt eine den hintern Auswuchs abgrenzonde Furche
(Fiss. occip.) wahrzunehnicn sein soll, die in ziemlich querer Richtung verläuft. Ich selbst
habe sie bis jetzt nur sehr selten und dann schwach angedeutet gesehen, so dass ich sie un-
möglich mit den bisher besprochenen Furchen in eine Kategorie stellen kann. Kurze Zeit
darauf bemerkt man an der iunem Fläche, ungefähr in der Mitte zwischen dem Balken und
dem freien obern Rande der Hemisphäre einige Eindrücke, die sich bald zu einer, beziehungsweise
zwei oder drei Furchen ausbilden, die sich, die eine mehr vor, die andere mehr grade über der
Mitte des Balkens befinden (Tafel V, Fig. 5 — G). Endlich tritt noch an der untern das Kleinhirn
deckenden Fläche fast constant ein Eindruck auf, der sich in Kurzem zu einer längslaufenden
Furche (Tafel V, Fig. 10) umwandelt. Rechnet man jene ersteren wegen ihres übereinstimmenden
Zuges als eine Furche, so möge sie kurz innere Primärfurche, letztere dagegen kuntere
Primärfurche heissen.
Bis zu diesem Stadium der Entwicklung treffen wir noch eine strenge Gesetzmässigkeit,
d. h. weniger in der Reihenfolge des Auftretens, als in der Lage und Richtung der entstan-
denen Furchen, und ich möchte es als sehr wahrscheinlich hinstellen, dass fast bei allen
Hirnen dieses Alters (Entwicklungsstadiums) das aus der bisherigen Beschreibung entnom-
mene Bild sich wiederfinden wird. Wie aber schon in der Bildung der Fossa Sjdvii sich früh-
zeitig eingreifendere Differenzen zeigten, so sind auch diese bis jetzt genannten Primärfurchen
nur in sehr verschiedenem Grade constant. Nur drei Furchen sind es, die höchstens sehr
geringen Wechsel in ihrer Erscheinung zeigen: Die Fiss. horiz. (Hippoo.), die Fiss. perp. (oc-
cip. int) und die zweite radiäre Primärfurche (Fiss. Rol.); an sie würden sich in zweiter
Reihe etwa die erste und dritte radiäre Primärfurche anschliesson, und in dritter Reihe dann
die vierte radiäre Primärfurche, die untere und die innere Primärfurche folgen, sowie vielleicht
auch die quere Priinärfurche (Fiss. occip. ext.?). Aber, nochmals sei es wiederholt, weder aus
der Genese noch aus anderen Eigenschaften lassen sich durchgreifende Unterscheidungen ver-
schiedener Arten Furchen bis jetzt machen.
Verfolgt man nun die Entwicklung des Furchungsprocesses der Hemisphären weiter, so ist
es schwer, alle die einzelnen Stufen, die er durchläuft, genau zu beschreiben , ja nach meiner
Meinung auch ebensowenig möglich als nothwendig. Wenn mir dazu nämlich zunächst noch
gänzlich das nöthige Material fehlt, so würde eine solche Beschreibung doch auch nur ein
weites Verzeichniss der verschiedensten Möglichkeiten und Varietäten in der Ausbildung der
einzelnen Furchen werden. Denn wie die allerersten Furchen bald die eine bald die andere
zuerst erschien, wie die sogenannten Primärfurchen nur zum Theil einen durchschlagenden
Typus merken Hessen, so nimmt in den nun folgenden Furchenbihlungen das Variiren mehr
und mehr zu und wird schliesslich grösser als eine angenommene Norm. Es bildet sich frei-
lich schliesslich, wie wir selten werden, der allgemeine Typus aus, aber innerhalb von Gesetzen
der grössten Freiheit. Wir werden in genauerer Beobachtung dieser Freiheiten wichtige
Resultate finden, die allein uns richtig leiten können. Somit also glaube ich nach den Er-
fahrungen, die ich am menschlichen und namentlich am Hirn der Caruivoren gemacht habe,
die Reihe der zwischenliegenden Entwicklungsstadien übergehend, mich sogleich zum erwach-
senen Hirn wenden zu können. Nur ein Stadium in der weitern Entwicklung der Primär-
furchen möchte ich doch noch kurz berühren , weil in Bezug auf dasselbe iu der Literatur
Digitized by Google
•235
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
mehrere Abbildungen exiatiren und mir gerade einige sehr inatructive Hirne vorliegen. Die
Fortsetzung des untern constanten Tlieiles der ersten Primärfurche läuft entweder gerade
nach oben oder mehr nach vorn. Oefters wendet sie sich auch in einem starken Bogen nach
vorn, so dass sie schliesslich horizontal liegt. Neben diesem noch vorn laufenden Theil beob-
achtet man häufig noch einen nach oben gerichteten Fortsatz; ersterer erscheint auch wohl
als eino isolirte Furche. Da nnn um diese Zeit schon immer wenigstens eine Andeutung
davon da ist, und er weitaus in den meisten Fällen mit dor ursprünglichen Primärfurche
zusammenhängt, so scheint es mir nicht unpassend, von einem „obern Ast“ und einem „vor-
dem Ast“ der ersten radiären Primärfurche zu sprechen. Ganz ähnlich und fast symmetrisch
aber in viel auffallenderen Abweichungen bildet sich die dritte radiäre Primärfurche weiter.
Sie setzt sich mitunter in gerader Richtung weit nach oben fort, parallel der zweiten radiären
Frimärfurcbe , oder sie endet schon auf halber Höbe und jene Fortsetzung findet sieb in
einer isolirten Furche augedeutet, oder sie setzt sich in einem Bogen nach hinten fort, so
dass sie schliesslich dem innera Rande der Hemisphäre parallel liegt, oder wiederum auch
dieser Theil erscheint isolirt, entweder zugleich mit jenem obem Fortsatz oder ohne den-
selben. Also auch hier, wenn denn doch einmal ein sogenannter allgemeiner Typus auf-
gestellt werden soll, wird man einen „Stamm“, einen „obern Ast“ und einen „hintern Ast“
der dritten radiären Primärfurche annehmen dürfen. Von der vierten radiären Primärfurche
bleibt nur noch hinzuznfügen, dass sie freilich häufig genug in anderen Richtungen verläuft,
dass sie meist aber doch, wenn sie jenen Ort und Gestalt einniinmt, sieb bald mit dem obern
Ende in einem Bogen nach oben krümmt.
2. Erwachsenes Ilirn.
Gellen wir jetzt zur Betrachtung des erwachsenen Hirns Uber, so haben wir an einer
möglichst grossen Zahl derselben (und diese Zabl kann nie gross genug sein) zunächst die
vom totalen Hirn bekannten Furchen wieder aufzusuchen, ob und wie sie sich verlängert
haben, ob sie ihre Gestalt und Lage verändert haben. Zweitens aber auch muss uns dann
eine genauo Vergleichung der übrigen neu hinzugekommenen Furchen, aber stets mit genauer
Würdigung der Furehentiefe darauf hinführen, ob wir unter diesen etwa noch einige typische,
sogenannte sccundäre Furchen finden, wobei wir zur Bestätigung möglichst auf ihre erste
Entwicklung beim Fötus zuriiekzugehen haben. Drittens endlich würden wir vielleicht aus
verschiedenen Gründen inconstante kleine Furchen zu verfolgen haben.
Was zunächst die Fossa Sylvii betrifft, so hat diese sich (uiit ganz vereinzelten Aus-
nahmen) ganz geschlossen, d. h. es hat sich jene schon früher besprochene Y förmige Furchung
auf der äusseru Fläche ausgebildet. Der Ratn. horiz- t S. ist so allbekannt, dass ich hier
nur bemerken will, wie sein oberes Ende mehrere, aber doch eigentlich ganz unwesentliche
Verschiedenheiten zeigt Sucht man jetzt den Rain, ascend. f. S., so wird sieh dieser ebenso
gut und ebenso oft finden lassen, wie am fötalen Hirn die vordere Ecke der dreieckigen Fossa
Sylvii, aber natürlich wird man nur dann sicher gehen, wenn man in die Tiefe der in der
betreffenden Gegend liegenden Furchen eingoht und diejenige sucht, die den ganzen über-
gewucherten Manteitheil bis auf die Insel durchsetzt. Auf diese Weise wird man ausserdem
SO*
Digitized by Google
236
Ad. Pansch,
öfters noch eine zweite kleinere, ebenfalls den ganzen Mantelrand durchsetzende Furche finden:
die früher schon erwähnte, als Kam. ant f. S. bezeichucte Furche (bei jedem vierten Hirn
etwa). Nach dem eben Gesagten würde man also eine nicht bis zur Insel durchgehende
Furche nicht als Ram. asc. bezeichnen könuen, und daran muss man auch festhalten. Wenn
man nun aber bei einem Hirn eine solche Furche vergeblich sucht, so fehlt sie eben, und man
hat sich dieses scheinbar auffallende Verhalten einfach so zu erklären, dass hier der Mantel
nicht wie gewöhnlich in zwei Thoilen von vom und von oben zu beiden Seiten eines ge-
hemmten Punktes vorwucherte, sondern dass dieses in einem ungetrennten Tliuile geschah.
Die Fossa Sylvii wird hier also nie ausgesprochen dreieckig gewesen »ein, sondern stets jene
früheste längliche Gestalt gehabt haben.
Wie aus den fötalen Hirnen begreiflich und auch aus den erwachsenen ersichtlich ist,
hat dieser Kam. ascend. eine sehr wechselnde Länge (l/, bis 2 Cent im.) und Lago (l1/, bis
3'/j Centirn. vor der Fiss. Roh). Immer also ist diese Furche kurz, und wenn manche Autoren
eine hoch hinaufsteigende und deshalb zur Abtrennung eines vordem Lappens benutzte
Furche als Fiss. Sylvii ascend. bezeichnen, so ist das eben ein Irrthum, indem man eine andere
mit dem wirklichen Ram. ascend. höchstens oberflächlich verbundene Furche (Stamm und
aufeteigonder Ast der ersten radiären Primärfürche) für eine Fortsetzung dieser selbst ansah.
Um so wichtiger aber erscheint Lage und Richtung dieses Ram. asc, wenn man auf das rela-
tive Wachsthum der einzelnen Abtheilungen des Mantels Bein Auge richtet, ein Punkt, auf
den schon oben besonders aufmerksam gemacht wurde und auf den wir später zurück-
kommen. (Tafel VI, Fig. 15 S und S'.)
Gehen wir in derselben Reihenfolge wie beim Fötus in der Betrachtung der einzelnen
Furchen weiter, so ist die Fiss. horiz. (Hippoc.) als eine an der Grenze der sogenannten untern
und innem Fläche gelegene fast gerade Furche längst bekannt und leicht zu finden. Auch
hier kann man sich leicht überzeugen, dass sie nicht mit der Fiss. dentata in Zusammenhang
steht Bei näherer Untersuchung findet man, dass meist der vorderste uud der hinterste
Theil die tiefsten sind, während sie hinter der Einmündung der Fiss. perp. (occip. int.) am
flachsten ist (Tafel VI, Fig. 16 Fp und Fh.)
In Betreff der leicht erkennbaren allbekannten Fiss. perp. (occip. int) wäre wohl nur zu
erwähnen, dass sie fast immer gahlig getbeilt ist, oft nur sehr wenig freilich, doch oft auch
so sehr, dass diese Theilung schon in halber Höhe der innem Fläche beginnt Mit dem einen
dieser Aeste gebt sie dann immer auf die obere Fläche über (ein Theil, den man unpassend
öfters als Fiss. occip. e.\ t. bezeichnet hat). Ferner ist sie sehr tief, tiefer meist als die Fiss.
horiz. (Hipp ), so dass hier, wie vielleicht auch bei jener, nicht bloss an eine passive Hem-
mung, sondern auch an ein förmliches Eindringen in den noch hohlen Innenraum der Hemi-
sphäre gedacht werden kann. An lsjiden Seitenwänden zeigt die Furche die mannigfachsten
Windungen.
Verfolgen wir jetzt die sogenannten radiären Primärfurchen auf der äussorn Fläche. Zu-
nächst die erste. Ihr unteres beim Fötus als constant gefundenes Ende suchen wir natürlich
an der bekannten Stelle zunächst hinter dem Ram. asc. f. S, uud finden hier auch immer eine
entsprechende, d. h. eine in verschiedenem Grade aufsteigende Furche, die sieh vor etwaigen
ähnlichen benachbarten Furchen immer durch bedeutende Tiefe (fast immer über 2 Centirn.)
Digitized by Google
237
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
unterscheidet Sie ist meist die einzige Furche zwischen dem Ram. asc. f. S. und der zweiten
radiären Primärfurche (Fiss. Rol.), doch liegt sie bald mehr nach vorn bald mehr nach hinten,
auch variirt ihre Richtung einigermassen. Verfolgt man ihre weitere Fortsetzung nach oben
hin, die wir schon beim Fötus als sehr wechselnd bezeichnen mussten, so lasst sich wohl als
allgemeiner Typus feststellen, dass etwa 2 Centim. Uber dem Ram. hör. £ S. von diesem
Hauptstamme zwei andere Furchen (Aestej ausgehen, beziehungsweise deren Verlängerung sind.
Die eine geht mehr minder gerade nach oben, die andere nach vorn und häufig dabei etwas
nach unten. Bald erscheint die vordere, bald die obere, bald auch beide als directe Fort-
setzungen, d. h. besitzen dieselbe bedeutende Tiefe von über 2 Centim. — Dass die in der
beschriebenen Weiso aufgefasste Furchung das Typische ist, wird bei objectiver Betrachtung
Niemand bestreiten können, obwohl os mit den bisherigen Anschauungen nicht rocht uberein-
8timmb Dass bedeutendere Variationen im Typus Vorkommen, durfte schon nach den bisher
gewonnenen Resultaten Niemanden zweifelhaft machen; ebensowenig geschieht dem Ein-
trag, wenn an einzelnen Dirnen einer der genannten Hauptbestandteile absolut fehlt.
Die zweite radiäre Primärfurche, als Fiss. Rolando schon längst bekannt, zeichnet sich
leicht vor allen anderen Furchen aus, läuft schräg nach vorn and aussen mit zwei bis drei
Biegungen, reicht oben bi* nahe an den freien Rand der Hemisphäre oder selbst bis auf die
innere Fläche, noch unten bis nahe an den Ram. horiz. f. S, fliesst mit demselben aber höch-
stens oberflächlich zusammen. Auch sie zeigt immer eine bedeutendere (über 2 Centim.) und
zwar gleich massige Tiefe. Sehr selten ist sie durch eine Brücke, die selbst bis au die Ober-
fläche rücken kann, unterbrochen. Im Uebrigen zeigt sie bei verschiedenen Hirnen die grösste
Uebereinstimmung.
In grosser Aehnlichkeit und einer gewissen Symmetrie zur ersten zeigt sich auch beim
Erwachsenen die dritte radiäre Primärfurche. Man findet auch hier eine etwa 2 Centim.
tiefe Furche in der Mitte zwischen dem oborn Ende des Ram. hör. f. S. und dem untern Ende
der zweiten radiären Primärfurche schräg nach oben und hinten verlaufend, und als typisch
kann und muss man es bezeichnen, dass sie nach oben, ungefähr in der Mitte zwischen dem
oberu Ende des Ram. hör. f. S. und dom freien obern Rande der Hemisphäre in zwei Furchen
ausläuft, von denen die eine die besagte Richtung ziemlich fortsetzt, die andere dagegen in
etwas wechselnder Richtung nach hinten läoft. Letzterer „hinterer Ast“ ist häufig getrennt,
entweder vollständig oder durch eine verborgene Brücke, variirt auch mehr als ersterer, der
„aufsteigende Ast“, der übrigens den freien obern Rand selten erreicht. Beide Ae-ste zeigen
auch häufiger eine geringere Tiefe, erscheinen ferner auch öfters als mehrere getrennte tiefere
oder flachere Furchungen oder Eindrücke. So gross und auffallend diese Varietäten scheinen
mögen, so sehen wir sie doch schon beim fötalen Hirn ausgebildet (vgl. bes. Tafel V, Fig. H und 9).
Was die vierte radiäre Primärfurelie betrifft, so fällt diese gewöhnlich vor allen anderen
in die Augen und i*t auch längst beachtet worden als „Fiss. parallola“. Sie zeichnet sich
auch durch eine Tiefe aus, die die der übrigen Furchen meist iibertrittl, und liegt mit ihrem
tiefsten und constantesten Theil unter dem hintern Endo des Ram. hör. f. S., ihm ziemlich
parallel und wie er, auch meist nach oben umbiegend. Aber dennoch ist auch hier ein Ab-
weichen sehr gewöhnlich, indem die Tiefenuntersuchung uns andeutet, dass sie ursprünglich
öfters aus zwei getrennten Anlagen hervorgegangen sein wird, deren untere (vordere) häufig
Digitized by Google
238 Ad. Pansch,
zu einer den sogemvnnten untern Lappen schräg durchschneidenden Richtung neigt. (Tafel V,
Fig. 8 und 9.)
Damit hätten wir meiner Ansicht nach die sogenannten primären Furchen der äussern
Fläche fertig abgehandelt. Wegen der Wichtigkeit jedoch, die der Sache beigelegt wird, muss
ich noch auf eine andere Furche hier eingehen; ich meine die sogenannte Fiss, occip. ext,
die den hintern Auswuchs (Hinterlappen) von der übrigen Hemisphäre trennen soll. Wie
es mir nun nur sehr selten hat gelingen wollen, an totalen Hirnen eine Anlage zu solcher
Furche zu finden, so kann ich auch ani erwachsenen Hirn an der betreffenden Gegend keinerlei
typisch ausgeprägte Furche erkennen. Ich meine, hätte man nur das menschliche Hirn in
Betrachtung gezogen, und wollte man ganz objectiv handeln, so würde man (ich berück-
sichtige von fötalen Hirnen nur die mir vorliegenden) nie darauf verfallen, eine Fiss. occip.
ext als eine den übrigen gleichwerthige oder überhaupt als eine typische Furche hinzu-
stellen. Freilich ist es wahr, dass hier öfters eine querlaufende Furche sichtbar ist, aber ent-
weder ist sie meist sehr wenig tief oder sie variirt bei verschiedenen Hirnen sehr und ist
meistens sehr kurz. Dass bei manchen Hirnen eine Furche vorkommt, die der den Affen
zukommenden sogenannten Fiss. occip. entspricht, bestreite ich somit nicht, sondern nur, dass
sie eine typische Furche des Menschenhirns ist.
Die innere Primärfurche finden wir in der beim Fötus schon ausgcbildeten Weise leicht
wieder. Oberflächlich erscheint sie meist als eine ununterbrochene Furche, bei der Tiefen-
sondirung jedoch bald ab aus zwei oder sogar drei Theilen entstanden. Boi genauerem Ver-
folge bemerkt man bei ihr jedoch eine wesentliche Verschiedenheit von den bisher besprochenen
Furchen ; sie ist nämlich durchaus nicht so tief, als man ihrer frühen Entstehung nach glauben
möchte, und zugleich auch in den einzelnen Abschnitten von so mannigfaltiger Gestaltung,
dass man hier, wo man längst doch eine ausgeprägte Furche sah und benannte, so recht die
Art und WTeise studiren kann, wie sehr innerhalb des Typus die Gestalt im Einzelnen variiren
kann. — Eben wegen dieses auffallenden Hin- und Herschwankens und jener geringen Tiefe
bin ich aber auch sehr in Zweifel, ob man diese Furche den übrigen Frimärfurchen gleich-
stellen darf
Die untere Primärfurche endlich verläuft als eine langgestreckte meist etwas winklig
gebogene Furche mitten über die sogenannte untere Fläche (aber immer ziemlich nah an
deren innern Rande) von vorn nach hinten. In dem grössten mittleren Theil ist sie recht
tief, und dürfte somit wohl immer leicht zu erkennen sein. (Fiss. collateralis. Huxley.)
Bis hierher wurde also versucht nachzuweisen, wie die beim Fötus zuerst und in typischer
Weise sich ausbildenden Furchen auch aus dom Gewirre der Furchen beim Erwachsenen fast
in jedem Fall ohne grosse Schwierigkeiten herauszufinden sind, sobald man nur richtig zu
Werke geht, und vor Allem, sobald man nur die Tiefen berücksichtigt.
In zweiter Reihe haben wir jetzt die übrigen Furchen in Bezug auf etwaige typische
Lagerung und ansehnlichere Tiefe möglichst eingehend zu vergleichen. Hier ist es freilich
leichter möglich, dass verschiedene Beobachter zu verschiedenen Resultaten gelangen. Es ist
in der That oft schwer genug, Regel und Ausnahme, Grundform und Abweichung von ein-
ander zu unterscheiden. Und so möchte ich vorläufig nur oine Furche aufzählen, die ich in
die typische Furchung der Oberfläche glaube aulnehmen zu müssen. Es ist das nämlich die
Digitized by Google
lieber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc. 239
Furche oder der Furchencomplex der von hinten nach vorn verlaufend in der Mitte etwa
zwischen Itam. ant. der ersten radiären Primärfurche und dem freien obem Rande der Hemi-
sphäre liegt (Sulcus front, superior und eine von Reichert'a peripherischen Frimärfurchen).
Zwar kommen hier auch noch ganz ansehnliche Tiefen vor, aber doch seltener in langer Er-
streckung, während die unregelmässigste Anordnung von zwei bis drei sehr variirenden
Furchen das Gewöhnliche ist Trotzdem fand inan hierin schon längst eine geeignete Grenze
zwischen zwei Windungen (erste und zweite Stirnwindung), man fand hier stets eine wich-
tige Trennungslinie, eine wichtige Furche, und sie zeigt bedeutend mehr Wechsel als einige
der oben genannten Primärfurchen, die bis heute von Manchem noch nicht anerkannt werden.
Der Vollständigkeit wegen muss hier auch noch die deutliche Furche angeführt werden,
in der der Tractus ollactorius seine Lage hat (Sulcus olfactorius).
Im Uebrigen würde man höchstens noch auf dem hintersten Tbeil der Hemisphäre einiger-
massen berechtigt sein, zwei weitere Furchen als typische anzusehen , obgleich sie noch weit
mehr in jeglicher Weise variiren, als der eben besprochene sogenannte Sulcus front, sup. —
Wenn etwas von ihnen vorhanden ist, so läuft die eine von vorn nach hinten etwa gerade
Uber die Mitte der äussern Fläche des hintern Auswuchses; die andere liegt unter ihr und
der vierten radiären Primärfurche beiden parallel gerichtet und etwa die Grenze der äussern
und sogenannten untern Fläche behauptend. Aber wie gesagt, an so manchem Hirn wird
man beide vergebens suchen.
Soweit also Uber das Typische in den Furchen des Menschonhirns; auf eine genauere
Beschreibung derselben und eine Angabe der Varietäten einzugehen, ist hier nicht der Ort.
n. Die Furchen des Aflbnhims.
Eins der wichtigsten Desiderate für die vergleichende Anatomie in der Anthropologie
bleibt leider noch immer eine genaue Kenntnis» der Entwicklungsgeschichte der Alfen. So
habe ich in Bezug auf das Gehirn ausser der Ansicht eines auch schon ziemlich vorgerückten
Gibbonhirnes (bei Gratiolet) in der Literatur Nichts hierfür finden können. Um so erfreu-
licher war es mir, nicht nur von zwei neugeborenen Alfen, sondern namentlich auch von
einem noch ziemlich jungen Fötus die Hirne eingehend untersuchen zu können. So gering
dieses Material auch ist, so ist es doch schon hinreichend, um gesondert zunächst Uber die
Entwicklung des Alfenhirns 2U sprechen.
1. Furchen des fötalen Hirns. (Tafel V, Fig. 12 — 14.)
Bei dem vorliegenden Hirne (angeblich von Cebus apclla cf 14 Centim. lang)1) zeigten
die Grosshirnhemisphären bereits deutlich genug ein gesondertes vorderes und unteres Ende.
Auch ein hinterer Auswuchs ist nicht nur schon vorhanden, sondern äusserst stark ausgeprägt.
9 Za grossem Danke bin ich hierfür Herrn Prnf. Ecker verpflichtet, der mir den Fötus zuaandte, und
mit grösster Liberalität ein eingehendes Studium des Gehirns und eiucn Abguts der Schädelhöhle gestattete.
Digitizgd by Google
240
A d. Pansch,
Das untere Ende erscheint, relativ stark, das vordere relativ schwach ausgebildet. An der
innern Fläche prägt sich schon eine deutliche Grenze aus zwischen einer spätem sogenannten
untern und einer innern Fläche. Es ist eine deutliche Foasa Sylvü vorhanden; die „Insel“
ist schon etwas überdeckt. Sie bat die Gestalt eines sehr in die Länge gezogenen Dreiecks,
dessen hintere Seite sehr steil nach oben aufeteigt, während die vorderen Seiten ohne eigent-
lichen Winkel in einem flachen Bogen in einander übergehen. Von hinten hat die Ueber-
wucherung des Mantels nur sehr wenig stattgefunden, am meisten von vom und oben; da-
gegen fehlt sie an der untern Seite fast ganz. Die Insel geht also nicht nur unten in die
Subst perf. ant., sondern auch an der äussem Fläche in grosserer Ausdehnung unmittelbar
in die Fläche des Mantels über. Ein Sulcus dentatus mit einer Fascia dentata ist ausgebildet.
Im Uebrigen bemerkt mau an der innern Fläche nur eine einzige Furche (Fiss. horiz. fiss.
Hipp.). Sie beginnt naho hinter dem Balken und läuft ziemlich horizontal nach hinten, bis
nahe an den freien Rand der Hemisphäre, wobei sie 2 Millim. über der untern Grenze der
innern Fläche liegt. Auflallend dabei ist ihre Tiefe von 4 Millim. Sie muss also wahr-
scheinlich Bchon sehr früh entstanden sein, wenn man nicht annchmcn will, dass in der Zeit
nach ihrer Entstehung das Wachsthum am hintern Auswüchse der Hemisphäre stärker vor-
geschritten sei. Ich möchte glauben, dass beides der Fall war, oder dass hier eine wirkliche
in den Hoblraum der Hemisphäre hineingehende Faltung stattfand.
Auf der äussern Fläche zeigt sich ebenfalls nur eine einzige Furche, die aber fast nur
einen kurzen seichten Eindmck bildet Sie ist 6 Millim. lang und liegt ziemlich senkrecht
and parallel der Fossa Sylvü auf dem untern Ende der Hemisphäre (Fiss. parall.). Von
weiteren Furchen vermochte ich auch nicht die geringste Spur aufzufinden, auch nicht an der
Grenze des hintern Auswuchses.
Ich halte cs jetzt für das Geeignetste, zunächst das Verhalten eines erwachsenen Hirns
derselben Gattung mit dem eben gefundenen zu vergleichen. Dazu liegt mir ein Hirn von
Cebus cirrhifer vor, und ausserdem kann ich Abbildungen, die sich auf Cebus apella beziehen
(bei Gratiolet) benutzen. Die Insel zeigt hier eine ähnliche Gestalt wie beim Fötus; doch
ist sie Dach vorn zu verhältnissmässig stärker ausgewachsen. Vom hintern Mantelrande wird
sie nur wenig bedeckt, vom vordem Rande aber in der ganzen Ausdehnung der Orbitalfläche
gar nicht. Noch deutlicher als beim Fötus verläuft der vordere Rand als eine ununterbrochene
gerade Linie, so dass von einem vordem Aste der Fossa Sylvii absolut keine Rede sein kann.
Auf dem untern Ende der Hemisphäre findet man auch hier nur eine einzige, aber sehr lauge
Furche, die deutlich genug die weitere Ausbildung jener fötalen Anlage darstellt. Sie bat in
ihrem mittleren jener fötalen Furche entsprechenden Theile auch in der That die grösste
Tiefe. — Jene beim Fötus an der innern Fläche vorhandene tiefe Furche seheint dem Un-
kundigen auf den ersten Blick hier zu fehlen. Sie ist aber nur mehr an die untere Fläche
gerückt und daneben ziemlich nach unten ausgebogen. Ihre Tiefe ist gross, weit grösser als
bei der äussern Furche. Die übrigen Furchen haben wohl alle keine so grosse Tiefen auf-
zuweisen.
Die beiden neugeborenen Hirne, die mir vorliegen, zeigen bereits die Hauptcharaktere
des erwachsenen Hirns, so dass ich sie der Kürze wegen hier übergehen kann, und sie nur
bei einzelnen wichtigen Punkten später wieder heranziehen werde.
Digitized by Google
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
241
2. Furchen des erwachsenen Hirns der Affen.
Die Untersuchung geht nun ganz auf das Gebiot der vergleichenden Anatomie über. Wir
haben also an einer möglichst grossen Reihe und Zahl von Hirnen das Constante, das Va-
riirende und Art und Weise des Wechsels zu erforschen. Welche Furchen bleiben noch sicht-
bar bei den niedersten furchenarmen Formen! In welcher Reihenfolge treten die übrigen
Furchen in der Stufenfolge der verschiedenen Affenformen auf! Welche bieten immer eine
typische Gestalt und welche eine wechselnde? Das sind hier die wichtigsten Fragen. Aber
nach den oben gemachten Erfahrungen in der Entwicklungsgeschichte kommt eine andere
von derselben Bedeutung hinzu: Welches sind di <* tiefsten Furchen beziehungsweise Furchen-
tbeile ?
Es scheint mir tibersichtlicher und kürzer zu sein, nicht die ganze Gruppe der Affen und
Halbaffen zugleich abzuhandeln, sondern sie in einige Abtheilungen zu trennen, die mit dem
allgemeinen zoologischen System Nichts zu thun haben, sondern eben durch die verschiedene
Ausbildung der Furchen, wie wir sehen werden, geboten sind.
a. Affen der alten und neuen Welt, mit Ausnahme der Anthropomorphen
und der meisten Aneturae Wagn.
Hier wie bei den folgenden Abtheilungen kann ich mich recht kurz fa&sen, da es nur auf
die Hauptsachen ankommt, die geringere Zahl der Furchen überhaupt weniger Zweifel erlaubt
und genauere Beschreibungen langst bekannt sind. Bei dieser Gruppe (ich nenne sie im Ver-
folg schlechthin „die Affen“) dürfte sich wohl überall die Fossa Sylvii ähnlich gebildet haben
wie bei Cebus. Die Insel wenigstens zeigt bei sorgfältiger Untersuchung überall die ange-
gebene längliche Gestalt, die ziemlich einem Gurkenkerne gleicht Die Insel geht auch bei
ihnen in weiter Ausdehnung unmittelbar in die Orbitalfläche über, oder ist von ihr nur durch
eine seichte Furche getrennt Je weiter nach oben, um so stärker ist die Ueberwucherung.
Eine Andeutung eines Ramus ascendons £ S. giebt es kaum, höchstens hier und da eine kleine
winklige Einbuchtung. Auch hier ist die Insel vollständig überdeckt, so dass der Ramus
horiz. äusserlich vollständig einer gewöhnlichen Furche gleicht. Sie hält die gewohnte Rich-
tung ein, bald flacher, bald steiler, bald mehr gerade, bald mehr gebogen, wie es scheint ohne
durchschlagende Regel. Zu beachten ist nur noch die scheinbare Anomalie, dass sie bei Ate-
les viel weiter hinaufsteigt bis nahe an den obern freien Rand. Bei genauerer Untersuchung
jedoch stellt eg sich heraus, dass ihr Ende nur verschmolzen ist mit einer andern Furche
(vierte typische Furche der Affen). Der Trennungspunkt ist häufig (nicht immer) durch eine
Brücke innerhalb der Furche angedeutet.
Die eigentlichen Furchen anlangend, so findet man die so früh beim Fötus sich aus-
bildende Fiss. horiz. (Fiss. Hipp.) auch bei allen diesen Affen in ähnlicher Gestalt und mit
eben derselben bedeutenden Tiefe wie bei Cebus. Ihre vorderen zwei Drittel oder die Hälfte
bekommt man bei der Ansicht von unten zu Gesicht, der hintere Theil gehört der innern
Fläche an, wahrend das Ende sich bis auf die äussere Fläche erstreckt, wo es meist mit einem
Archiv für Ambroitulogle. Bd. UL lieft 3. 81
Digitized by Google
242 Ad Pansch,
nach oben und einem nach unten gerichteten Aste endet, deren Länge keinem bestimmten
Gesetz unterworfen scheint. Beide Aeste erscheinen bei der Ansicht von hinten als eine
senkrechte Furche. Nirgends findet man das vordere Ende der Furche sich in die sogenannte
Fissura dentata einsenken.
Auf der innern Fläche ist ferner ausser derFiss. horiz. bei fast allen Affen noch eine andere
Furche vorhanden, die zwar im Einzelnen sehr variirt, dennoch aber durch bedeutende Tiefe
besondere Beachtung fordert Bei Ateles verläuft sie, ungefähr den dem hintern Auswuchs
entsprechenden Theil abgrenzend, nach unten und vorn, beginnt noch am freien Rande und
endigt in die Fissura horiz. (Hipp.). Sie stimmt also so ziemlich mit der Fiss. perp. des
Menschen liberein. Mehr oder weniger abweichend dagegen ist die Furche, die bei den übrigen
Affen sich in dieser Gegend befindet Deifb erstens liegt ihr unteres Ende viel weiter nach
hinten und ist durch einen ansehnlichen oft sehr breiten Zwischenraum von der Fiss. horiz.
getrennt, und zweitens greift sie mit einer bedeutenden Tiefe auf die äussere Fläche über,
wo sie sich in eine dortige querverlaufende tiefe Furche fortsetzt Genauer hierauf eiugehen
kann ich jedoch erst bei Betrachtung jener üussern Furche, und will hier nur bemerken, dass
man öfters auf beiden Wänden der Fiss. perp. stark vorspringende Wülste bemerkt
Im Uebrigen zeigt die innere Fläche (s. str.) noch eine Furche, die so sehr eonatant ist,
und in jeder Beziehung so mit der innern Primärfurche des Menschen übereinstimmt, dass ich
sie nicht weiter zu beschreiben brauche und sie als „innere typische Furche“ bezeichne. —
Ausserdem sind höchstens noch zu erwähnen kleine im Einzelnen sehr wechselnde Furchen,
die im Zustande weitester Ausbildung als ein Halbkreis das untere Ende der Fiss. perp. um-
kreisen.
Auf der äussern Fläche dürften es ohne Zweifel zunächst fünf radiär um die Fossa Syl-
vii (beziehungsweise Insel) gestellte Furchen sein, die sich nicht nur immer vorfinden, son-
dern auch stets ein constantes Gepräge führen. Nennen wir sie vorläufig die „erste bis fünfte
typische Radiärfurehe.“
Die fünfte liegt auf dem untern Ende der Hemisphäre ; wir kennen sie bereits von Cebus
her. Sie ist die längste Furche und fliesst oberflächlich oft mit dem Ram. horiz. f. S. zu-
sammen.
Die dritte, die sogenannte Fiss. Rolando, bedarf keiner weitem Beschreibung.
Zwischen der dritten und fünften, ungefähr in der Mitte, liegt die vierte typische Radiär-
furche. Ihr vorderes Ende liegt zwischen der sogenannten Fiss. Rolando und dem Ende des
Ram. horiz. fossae S., ihr oberes Ende krümmt sich nach hinten und mündet scheinbar
meistens senkrecht in die bald zu besprechende typische Querfurche („Fiss. oecip. ext“) ein,
während man bei einem Eingehen in diese Furche meist finden wird, wie sic noch eine
weitere Biegung nach aussen macht, ein Verhalten, welches auch zuweilen schon oberflächlich
sichtbar ist (Cebus) Tafel VH, Fig. 18.
Die zweite typische Radiärfurehe liegt mit ihrem Haupttheile (Stamm l zwischen dem untem
Ende der dritten und dem freien vordem Rande der äussern Fläche. Die Richtung indes«
schwankt einigermassen ; sie steigt bis über die Hälfte der äussern Fläche hinauf, und wendet
sich hier plötzlich nach vom. Bezeichnen wir dieses als „vordem Ast“, so ist dieser fast
immer vorhanden, aber sehr verschieden lang. Vom obern Ende des „Stammes“ sieht man
Digitized by Google
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc. 243
ausserdem aber auch sehr häufig einen „obem Ast“ ausgehen , der aber ebenfalls in Richtung
und Länge starken Wechsel zeigt
Die erste typische Radiärfurche ist sehr constant. Sie liegt zwischen dem vordem Aste
der zweiten typischen Radiärfnrche und dem freien Rande der Hemisphäre und nimmt die
Richtung auf die Spitze der Hemisphäre zu. In einzelnen Fällen vereinigt sie sich mit dem
vordem Ast der zweiten typischen Radiärfurche.
Ich habe mich jetzt zu einer Furche zu wenden, die so oft schon Gegenstand des Streites
war; es ist die sogenannte Fiss. occip. ext., eine zum Tlieil sehr tiefe Furche, die etwa das
hintere Drittel der ganzen Hemisphäre abschneidet. Ich wiederhole zunächst das Allbekannte,
dass eine solche Furche sich freilich bei den meisten Affen vorfindet, bei manchen aber nur theil-
weise, bei anderen fast gar nicht nachzuweisen ist Tafel VIH, Fig. 44. Nur wenn sie vollständig
ausgeprägt ist, hängt sie direct und tief mit der Fiss. perp. zusammen ; da diess aber meistens
der Fall ist, wurde sie auch wohl als äussere Fortsetzung jener angesehen. — Bis zur Ein-
mündung der vierten typischen Radiärfurche besitzt sie immer eine bedeutende Tiefe und
ergiebt sich leiciit als identisch mit der Fissura perpendicularis (occip. int.). Von da an nach
aussen ist sie verhältnissroässig recht flach, und nimmt die Tiefe überhaupt in der Richtung
nach aussen allmälig alt An diesem letzteren Theilo ist es namentlich deutlich zu sehen, wie
die Tiefenrichtung hier nicht wie sonst senkrecht in die Himmasse, sondern flach nach hinten
geht (operculum). Dies ungewöhnliche Verhalten und ein genaues Verfolgen der verschie-
denen Variationen, muss nun, wie mir scheint, nothwendig auf die richtige Anschauung führen.
Und diese dürfte so lauten: Die Fiss. perp. (occip. int.) setzt sich nach oben hin verschieden
weit fort, und erreicht entweder die äussere Fläche gar nicht (Ateles) oder als kleine Ein-
kerbung, oder endlich sie erstreckt sich, und dann mit bedeutender Tiefenentwickiung, bis in
die vierte typische Radiärfurche, welche letztere sich hinter dieser Mündungsstelle noch ein
Stück weit nach hinten und aussen fortsetzt (Cebus). So Ist es bei den meisten Affen der
GrundplaÄ. Aber nun tritt bei sehr vielen noch secundär eine Veränderung hinzu, durch
die dann erst das sogenannte typische Affenhirn als solches vollendet wird. Sie testeilt in
einer ähnlichen localen Ueberwucherung, wie wir es hei der Insel sahen. Die vordere Grenze
dieses stärker wuchernden Theils liegt nun meist in Form eines Bogens quer über dem hintern
Theil der Hemisphäre, und zwar gellt dieser meistens eben hinter dem Ende der vierten ty-
pischen Radiärfurche vorbei, während das innere Ende ganz nahe bei der Fiss. perp. liegt.
Von dieser nach hinten convexen Bogenlinie aus erstreckt sich die Wucherung (operculum)
bis etwa zu einer die beiden Endpunkte verbindenden Geraden, indem er von einer hintern
Dicke von circa 2 Miliim. sich nach vorn zu zuschärft. Dieser ,, Klappdeckel“ legt sich also
über das obere Ende der Fiss perp. und das hintere Ende der vierten typischen Radiärfurche
weg, während zugleich durch seinen vordem freien Rand scheinbar eine neue Furche, die
besagte sogenannte Fiss. occip. ext. gebildet wird. Danach ist es klar, dass diese äusserlich
sichtbare Furche nicht vollständig einer der anderen Furchen gleich zu setzen ist, sondern
eher dem freien Rande des die noch halb offene Insel überragenden Walles entspricht. Der
Grundtypus der Furchuug tritt also hei dergleichen Hirnen erst hervor, wenn, wie bekannt,
das operculum entfernt wird; in dieser Beziehung nenne ich diese Wucherung eine „sacundäre“,
wobei es leider aus Mangel fötaler Hirne dahingestellt bleiben muss, oh diese Ueberwucherung
31*
Digitized by Google
Ad. Pansch
244
erst nach fertiger Anlage der Fiss. perp. und der vierten typischen Radiärfurche beginnt, oder
ob beide Processe gleichzeitig vor sich gehen. Dass sie jedenfalls nicht ganz früh ihren An-
fang nimmt, scheinen mir die beiden Hirne neugeborener Affen zu beweisen, wo (besonders
bei einem Cynocephalus) das operculum entschieden noch nicht vollendet ist.
Hebt man nun bei einer derartigen Untersuchung das operculum auf, oder besser, schneidet
man cs ab, Tafel VIII, Fig. 43, so mochte es öfters scheinen, als befände sich an der Stelle, von
wo die Uebcrwucherung beginnt, ausserdem noch eine seichte wirkliche Furche, die dann aber
nicht an die Fiss. perp. reicht, und ebenso wenig lateralwärts die freie Oberfläche erreicht.
Bei den Hirnen ohne Klappdeckel findet sich ungefähr an der entsprechenden Stelle, aber
sehr wechselnd in Grösse und Richtung, häufig eine seichtero Furche. Doch variirt sie viel
zu sehr, um sie von vornherein eine typische nennen zu können. Dennoch möchte ich sie für
diejenige halten, die jener erstgenannten, vom Klappdockei bedeckten Furche entspricht.
Wollen wir absolut bei den Affen von einer typischen hier befindlichen queren Furche sprechen
(Fiss. occip. ext.), so können wir sie, meine ich, nur in den eben bezeichneten Furchen wieder-
finden.
Auch eine „untere typische Furche“ müssen wir noch aufnehmen. Sie ist fast immer da,
verläuft etwa gerade über die Mitte der sogenannten untern Fläche in einem nach aussen
und hinten convexen Bogen, geht nahe an das hintere Ende der Fiss. horiz., zuweilen selbst
in sie eininUndend, erstreckt sich nach vorn aber wenig auf den eigentlich vorragenden Theii
des untern Endes der Hemisphäre.
Dieses sind nun die Furchen, die ich bei dieser Gruppe als typische anseben möchte, in
ähnlicher Weise, wie sich beim Menschen die constanten Primärfurchen darstellten. Ausser
ihnen aber hat das Afienhim noch verschiedene kleinere mehr unregelmässig wechselnde
Furchen und Eindrücke. Von diesen dürfte am constantesten sein eine bei voller Ausbildung
das äussere Ende der sogenannten Fiss. occip. ext. umkreisende Bogenfurche, die sich ver-
schieden weit nach hinten erstreckt, sehr oft um den freien Rand herum auf die »genannte
untere Fläche streicht und gegen dos hintere Ende der Fiss. hör. hin läuft Etwas höher hin-
auf sieht man auf der äussern Fläche wohl noch eine andere aber weit schwächere Furche
mit derselben Richtung, oft genug aber auch nur eine ganz schwache Andeutung davon, oder
auch diese fehlt ganz.
Ferner zeigen die höheren Formen dieser Gruppe über dem vordem Aste der zweiten
und dem hintern Aste der vierten typischen Furche, in der Mitte etwa zwischen ihnen und
dem obern Rande der Hemisphäre je eine kleine Furche oder Eindruck, deren Richtung meist
von vorn nach hinten geht, die sehr häufig aber auch aus mehreren vor einander liegenden
Eindrücken oder Furchen zusammengesetzt siud. Endlieh bleibt noch zu erwähnen eine ver-
schieden gut entwickelte Furche, die unter der fiintten typischen Furche auf dem untern Ende
der Hemisphäre verläuft, und es dürfte vielleicht hinzuzufügen sein eine kleine Furchung, die,
wenn sie vorhanden ist, ein merkwürdig constantes Gepräge zeigt. Sie liegt auf dem untersten
Theii des untern Endes, etwas nach innen von der tiefstim Spitze und ist von hinten nach
vom gerichtet. Bei der Ansicht von unten scheint sie den vordem der Fom Sylvii zuge-
wandten Rand des untem Endes cinzukerben, erreicht in Wirklichkeit aber die Fossa Sylvii
wohl selten.
Digitized by Google
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
245
b. Hirn der Anthropomorphen. (Tafel VIII, Fig. 24 u. 25.)
Wenn wir uns erlauben dürfen bei diesen Hirnen von vornherein den Typus des eben
besprochenen „Affenhirns“ zu Grunde zu legen, so erkennen wir auf den ersten Blick nicht
nur eine Aehnlichkeit, sondern vielmehr eine Uebereinstimmung mit demselben, während doch
anderseits auch gewisse Abweichungen von vornherein bemerkbar werden. Eine in’s Ein-
zelne gehende Beschreibung boi Seite lassend, beschränke ich mich auf eine Aufzählung der
hauptsächlichsten Abweichungen. Zunächst ist die Bildung der Fossa Sylvii recht interessant.
Ausser dem normal verlaufenden ltamus horiz. findet man nämlich sogleich einen deutlichen
Burnus asc. Deckt man nun die Insel auf, ao bietet sie eine sehr breit dreieckige Form dar,
und ist auch von einigen radiär verlaufenden Furchen bedeckt. Wichtiger noch ist das Ko-
sultat, dass an der ganzen sogenannten Orbitalfläche keine Ueberwucherung des Mantels statt-
gefunden liat, so dass hier also Insel und Mantel in demselben Niveau liegen. Der hier vor-
handene Ramus ascend. fossae S. ist also nicht wie beim Menschen eine zwischen zwei
wuchernden Lappen gebildete Furche, sondern nur der freie Band des gewucherten obem
Lappens. So fand ich es aufs deutlichste bei einem Chimpanse, und so ist es ähnlich auch
bei allen übrigen. Von den typischen Furchen fehlt die erste in den meisten Fällen, und wenn
sie vorhanden ist, ist sie meist seicht und undeutlich. Von der zweiten ist der Stamm leicht
zu finden und ebenso der immer mit ihm zusammenhängende vordere Ast, der obere Ast
besteht ganz oder doch in dem grössten Theil aus einer isolirten Furche. Die dritte typische
Furche (Fiss. Rol.) zeichnet sich nur durch einige auffallend starke winklige Krümmungen
von der der Affen aus. Von der vierten gilt zunächst dasselbe wie von der zweiten, d. h. der
obere Ast Ist ganz oder zum grössten Theil isolirt, im Uebrigon aber einem bedeutenderen
Wechsel unterworfen. Die fünfte ist meistens an Länge, Tiefe und Formung gleich ausge-
zeichnet Mit ihr hängt häufig jene oben erwähnte, das Ende der sogenannten Fiss. oocip.
ext umkreisende Bogenfurche zusammen, die hier leidlich ausgeprägt ist Die Fiss. horiz.
bietet nichts Bemerkenswerthes, dagegen ist die Bildung der Fiss. perp. und der sogenannten
Fiss. occip. ext um so auffallender. Es würde nach den beiden vorliegenden Hirnen vom
Chimpanse nicht schwer sein, eine bestimmt formulirte Erklärung dafür zu geben. Ich Halte
aber gerade diesen Punkt für so wichtig, dass ich mich hier lieber auf folgende kurze Bemer-
kungen beschränke, die sich eben nur auf die Hauptsachen beziehen, wie sie uns hier nöthig
sind. Die Fiss. perp. erreicht meistens nicht die Fiss. horiz., ist übrigens ziemlich tief und
steil gestellt und geht nicht auf die äussere Fläche über. Dagegen beginnt eine quer Uber
die äussere Fläche ziehende tiefe Furche schon mitten an der innern Fläche, hängt auch mit
der vierten typischen Furche zusammen, und verhält sich überhaupt ähnlich wie bei den
Affen. Bei einem andern Hirn scheinen diese beiden Furchen zu einer verbunden zu sein,
doch findet man innerhalb der Furche leicht eine starke sie scheidende Brücke (pli de
possage int. sup.). Die äussere Furche ist auffallend tief und genule, und hinter ihrem lateralen
Theile liegt noch eine andere kürzere und seichte, mit dem äussern Ende nach hinten uin-
gebogene Furche. Ich muss darauf hinweison, wie gerade diese Verhältnisse auf beiden Seiten
desselben Hirns bedeutend von einander abweichen.
Digitized by Google
24G
Ad. Pansch,
Beim Hirne des Orang reicht die Fiss. perp. auf die äussere Fläche hinauf. Von ihr durch
einen deutlichen Zwischenraum getrennt läuft auf der äussem Fläche eine Furche schräg nach
vorn und aussen, und nimmt die vierte typische Furche auf. Von den übrigen typischen
Furchen ist nichts Ungewöhnliches zu bemerken.
c. Hirn der „niedern Affen“.
Die meisten vorher ausgeschlossenen Aneturae Wagu. und die Krallenaffen. (Tafel VH, Fig. 26.)
Von diesen Affen kenne ich leider aus eigener Anschauung und Untersuchung wenig
Hirne. Da nun ausserdem die vorhandenen Abbildungen und Beschreibungen meist sehr
wenig erschöpfend sind, so müssen einige wichtige Punkte hier unentschieden bleiben.
An allen Hirnen, das ist jedenfalls sicher, erkennt man leicht nicht nur die allgemeine
Form, sondern auch die eigenthiimliche Ueberwucherung der Fossa Sylvii, wie sie die Affen
uns zeigten. Aber auch was die Furchen betrifft, möchte ich glauben, dass alle vorhandenen
Furchen sich auf typische Furchen des Affenhirns zurückfiihren lassen. Charakteristisch für
diese Gruppe ist es nun aber eben, dass nur eine geringe Zahl jener typisch genannten
Furchen vorhanden sind, und so bietet es das grösste Interesse, zu sehen, welche Furchen hier
durchgängig vorhanden sind, und welche nur bei den höchsten Vorkommen.
Diese Gruppe schliesst sich zunächst an Cebus an; die Bildung der Fossa Sylvii und die
Ueberwucherung der Insel von zwei ßichtungeu her sind immer genau zu erkennen. Der
Anzahl der vorhandenen Furchen nach kommt dann zunächst Callithrix moloch. Auf dem
vordem Ende der Hemisphäre, nahe dem äuasorn freien Ramie, liegt eine Furche, die wir viel-
leicht (?) der ersten typischen Furche gleichsetzen können. Von der zweiten und dritten zeigt
sich keine Spur; dagegen sind die vierte und fünfte um so deutlicher. Die vierte umgreift
als ein ziemlich regulärer nach aussen offener Bogen die oberen Enden der Fossa Sylvii und
der fünften typischen Furche. Es findet sich eino Fiss. horiz., aber keine Fiss. perp. Die
untere typische Furche ist stark, ebenso auch die oben angedeutete Einkerbung an der Spitze
des „Schläfenlappens“.
Hieran durfte sich am besten anschüessen Nyctipithecus; wenigstens glaube ich, dass die
scheinbare Verlängerung der Fossa Sylvii hier nur dadurch entsteht, da«s die vierte typische
Furche oberflächlicher oder tiefer mit ihr verschmilzt, und am hintern Ende sich nicht um-
biegt, sondern gerade nach hinten geht.
Koch auffallender gestalten sich diese Verhältnisse bei Callithrix sciureus; denn hier reicht
die eben besprochene Furche über die ganze iinssere Fläche hinweg, ja erstreckt sieh sogar
auch auf die innere Fläche, aber nicht bis an die Fiss. horiz. Darf man es vielleicht so
ansehon als ob dieses Ende die Fiss. perp. wäre? — Die Möglichkeit der elteu geiiusserten
Anschauungen lässt sich nicht bestreiten, der Beweis dafür ist bis jetzt aber noch nicht zu
führen.
Die untere typische Furche ist hei letzterem Affen stark entwickelt und mündet wie bei
höheren Affen in die B’iss. horiz. ein.
Endlich folgt Hapale Jacchus, bei dem alle Furchen fohlen auf der äussem Fläche, mit
Digitized by Google
lieber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc. 247
Ausnahme vielleicht einer schwachen Andeutung der fünften typischen Furche. Dagegen
finden wir eine deutliche Fiss. horiz.
d. Hirn der Halbaffen. (Tafel VIII, Fig. 27 bis 30.)
Obgleich eine genaue Beschreibung dieser Hirne noch nicht gegeben ist, so beschränken
wir uns hier doch auf das Nöthigste. Nehmen wir aber nach den vorhergehenden Betrach-
tungen vorurteilsfrei das Hirn eines Lemuren zur Hand, so müssen wir erstaunen Uber die
Uebereinstimmung, die es — und zwar namentlich in den Furchen — mit dem des Ctdlithrix
moloch (Fig. 20) hat. Eine eingehendere Beschreibung ist deshalb unnüthig. Besonder»
betonen muss ich aber auch hier zunächst, dass die Ueberwucherung der Insel durch den
Mantel genau ebenso vor sich gegangen zu sein scheint, wie bei den niederen Affen. Die Fiss.
horiz. ist kräftig ausgeprägt; nahe hinter dem Balken geht eine andere Furche von ihr aus
steil nach oben; ich halte sie für die Fiss. perp. Doch lässt sich dies ebensowenig boweisen
als es sich tadeln lässt, wenn Andere sie für den obern Endast der Fiss. horiz. halten. Die
untere typische Furche fehlt wohl bei allen ganz.
Bei Otolicnus sieht man die fünfte typische Furche sehr reducirt; bei der vierten fehlt
der hinterste bogenförmige Theil.
HL Hirn von Chiromys. (Tafel VIII, Fig. 31 u. 32.)
Wie dieses Thier überhaupt für den Zoologen, so muss auch für uns hier das Hirn ein
besonderes Interesse bieten. Mit der grössten Erwartung nimmt man die einzige vorhandene
Beschreibung von Owen zur Hand, und fragt sich, ob das Hirn noch eine Verwandtschaft
mit den Affen und Halbaffen habe oder nicht Zu bedauern ist dass die Abbildung und Be-
schreibung uns über manche Dinge nicht hinreichend aufklärt; so vor Allem auch Uber die
Fossa Sylvii. Ich glaube aber das Rechte getroffen zu haben, wenn ich annehroe, dass bei
Chiromys sich keine Fossa Sylvii findet in dem Sinne, wie bei den Affen, d. b. also keine durch
deu darüber gewucherten Mantel bedeckte Insoi. Die bei der Ansicht von unten erschei-
nenden starken Lobi olfactorii, die dem Ganzen hier ein anderes Aussehen geben, scheinen
damit Ubcreinzustimmen. Dieser Befund nun muss uns schon stutzig machen, und bei Betrach-
tung der Furchen zu doppelter Vorsicht auffordern. Das Urtbcil eines unbefangenen Beob-
achters wird nun lauten: bei der Ansicht von oben scheinen die Furchen wenigstens theil-
weise mit denen eines Lemuren Ubcreinzustimmen, bei der seitlichen Ansicht hingegen fehlt
alle und jede Aehnlichkeit. Geht man etwas genauer darauf ein, so Ist es eben nur die eine
Furche, die oberste der beiden Längsfurchen, die fast auffallend übereinstimmt mit der ver-
einigten vierten und ersten typischen Furche der Affen, in der Gestaltung, wie sio nament-
lich bei Lemur sich zeigen. Für die darunter gelegene Bogenfurche und die noch weiter
unten befindliche senkrechte Furche bietet dos Affenhirn absolut keine Analogiccn. Von
grösster Bedeutung ist ferner die Notiz, dass die innere und untere Oberfläche des Hirns
glatt und furchenlos ist.
Digitized by Google
24»
Ad. Pansch,
In weiterem Verfolge würden wir jetzt naturgeinäss die Hirne der Fledermäuse und
Insektenfresser zu betrachten haben. Als kleine Hirne besitzen diese aber keinerlei Fur-
chungen, und wir dürfen sie deshalb hier nicht berücksichtigen. Dagegen ist es nöthig einen
kurzen Blick auf das Hirn der Carnivoren zu werfen, um zu sehen, in welchen Theilen dieses
sich hauptsächlich von dem der Allen unterscheidet, ob einzelne Furchen desselben etwa auch
am Affenhirn sich vorfinden, ob endlich vielleicht Chiromys eine gewisse Uebergangsform
darstellt.
IV. Hirn der Carnivoren. (Tafel VUI, Fig. 33 bis 42.)
lieber diese Hirne habe ich eine grössere Zahl von Abbildungen gegeben; ich habe dabei
einmal passende Ansichten zu gutem Vergleiche ausgewählt, und dann auch namentlich die
Entwicklung der Furchen des Hundehirns, über die bis dahin noch fast gar nichts bekannt
ist, etwas veranschaulichen wollen. Genauer auf die Entwicklung einzugeben, wird dadurch
vielleicht erspart und bleibt einer andern Arbeit Vorbehalten. Aber ein Punkt ist aus den
blossen Abbildungen schon zu ersehen, und derselbe kann nicht genug beachtet werden. Die
scheinbar so einfachen und einen gemeinsamen Typus so fest bewahrenden Furchen des Hunde-
hirns zeigen nicht nur am erwachsenen Hirne, selbst schon bei einem Vergleiche beider Seiten,
die grössten und zahlreichsten Varietäten, sondern dergleichen Varietäten prägen sich oft
schon in den ersten Anlagen der Furchen aus. Von weiteren wichtigen Resultaten, die sich
auch aus den Abbildungen nachweisen lassen, führe ich hier noch an, dass es nur wenige und
beschränkte Furchentheile sind, die so zu sagen absolut constant Bind (den eigentlichen
Primärfurchen des Menschen vergleichbar); ferner dass die zuerst angelegten Furchen oder
Furchentheile auch später die tiefsten sind. In Bezug auf die Varietäten hebe ich nur her-
vor, dass selbst die wichtigsten Furchen durch quere oberflächliche Brücken getheilt sein
können, während anderseits benachbarte Furchen öfters mit einander verbunden erscheinen.
Eine Untersuchung der Tiefen bringt aber immer Aufklärung Uber den Grundplan. Nun ist
zwar ein Hundehirn und ein Affen- oder Menschenhirn sehr verschieden; aber dennoch ist die
Furchenbildung im Allgemeinen bei beiden ein und derselbe Process. Geben wir das zu, so
dürfen wir auch, meine ich, folgende Schlussfolgerung machen: Die Anordnung der Furchen
bei den Hunden ist eine ebenso einfache als längstbekannte. Wenn nun trotzdem eine
genauere Untersuchung hier die mannigfachsten Varietäten und die grössten Freiheiten auf-
deckt, so darf es nicht wundern, wenn bei dem so viel höher stehenden und weit complieirter
gefurchten Menschenhirn diese Varietäten der Furchengestaltung so zunehmen, dass ein eigent-
licher Typus oft sehr verdeckt wird. Wenn aber überhaupt ein sogenannter Typus aufge-
stellt werden soll, so ist es in Obigem beim Menschen und Affen mit vollständig demselben
Rechte geschehen, mit dem man dem Hunde die bekannten drei Bogonfurchen zusclireibt.
Was die Furchung des Hundehirns selbst angebt, so besteht sie in der Hauptsache freilich
in drei bei seitlicher Ansicht ziemlich concentrischen bogenförmigen Furchen, von denen aber
nur die mittlere in ihrem grössten Tlieile eine eonstunte Furche genannt werden kann. Die
oberste variirt dafür um so mehr. Ferner muss uns auffallen eine quere kräftige Furche, die
Digitized by Google
24<»
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
den obem Rand der äossern Fläche tief einschneidet Forschen wir weiter, so setzt sie sich auf
der innern Fläche fort und läuft in einem langen Bogen, etwa die Mitte zwischon dem Balken
und dem freien Rande haltend, bis auf das untere Ende. Ferner sieht man auf dem vordem
Ende schräg aufsteigend eine deutlich ausgeprägte Furche, und eine andere bildet nach unten
zu die Grenze gegen den stark entwickelten Tractus olfactorius. Von letzterer geht mei-
stens eine kürzere seichte Furche nach oben und bildet gewissermassen das Centrum der drei
concentrischen Bogenfurchen. Eine solche Bildung der Fossa Sylvii, wie sie Mensch und Affe
zeigten, giebt es hier nicht, indem an der äussern Fläche die Wucherung gleichmässig vor
sich gegangen ist; ob man dennoch von einer Foasa Sylvii sprechen kann, ist eine andere
Frage. Jedenfalls ist diese Bildung sehr weit verschieden von der der Affen, nnd hängt innig
zusammen mit der jenen gegenüber ungeheuren Ausbildung der Riechkolben.
Nachdem ich so versucht habe, die Furchen des Menschen, der Affen und Halbaffen, sowie
auch der Hauptsache nach die der nächstverwandten Säugothiere, möglichst kurz und einfach
zu beschreiben, ist es die Aufgabe, die Vergleichung des Gefundenen vorzunehmen, und dar-
aus dann ein Resultat zu ziehen. Wenn man nun überhaupt in der vergleichenden Anatomie
von gleichwerthigen Theilen reden kann, so wird und muss meiner Meinung nach ein vor-
urteilsfreier Beobachter notwendig die meisten der am Menschenhim aufgestellten „Priinär-
furchen“ gewissen der bei den Affen sogenannten typischen Furchen homolog setzen. Statt
weitläufiger Auseinandersetzungen stelle ich in folgender Tabelle die homologen Furchen am
Mensch
Anthropom orph .
Affen
j Nieder Affen
Halbaffen
Chiromy» i
Carnivoren
Fossae Sylvii
dto
dto
dto
dto
(?)
S Ham. horii.
dto
dto
dto
dto
—
—
S‘ Kam. ascend.
dto
—
—
—
—
Fh Fiss. horis.
(s. Hippoc.) |
dto
dto
dto
dto
-
-
F p Fiss. perp. 1
dto
dto
— . —
—
?
r,
Erste typ. Frcb.
dto (?)
dto (?)
?
?
PrI erste rad.
P* zweite typ-
Primärf. mit
Furche mit Ram.
dto
—
—
—
• —
Harn, sup, u. ant-
sup. (a. ant.) ]
PrII zweite radJ
T, dritte typ.
dto
Primärf. (s. Fis», j
Furche
Hol.)
/VIII dritte rad.
T4 vierte typ.
dto
dto (?)
dto (?)
oberste Bogen-
oberste Bogen-
Primärf. mit
Furche mit Kam.
furche (?)
furche (?)
Ram. sup. n. post.
mp.
— • —
—
—
—
—
PrI V vierte rad.
T6 fünfte typ.
dto
dto
dto
Primärf. (F. pa-
Furche
raffe] i.
?
Fiss.occip.? NB.
„Fie».occ,M?NB.
—
—
—
—
Innere Primärf.
dto
dto
?
I innere Frch. (?)
Sulu. cruc.
Untere Primärf.
dto
dto
dto
dto
—
—
dto? |
mittl. Bogen f.
(typisch)
—
—
—
i
—
—
untere Bogenf.
Archiv mr Antiirvpotoffl«. IM. 111. Heft 3. 32
Digitized by Google
250 Ad. Pansch,
Hirn des Menschen, der Affen und der übrigen in Betrachtung gezogenen Thiere neben-
einander
Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich nun ohne Weiteres, dass Mensch, Anthropo-
inorphen und .Affen“ nahezu in allen Furchen Uebereinstimmuug zeigen, dass die niederon
Affen und Halbaffen mit ihnen manche Furche gemeinschaftlich haben, sich im Uebrigen aber
doch wesentlich unterscheiden durch das gänzliche Fehlen einzelner und die veränderte Ge-
staltung anderer Furchen, während Chiromys und den Üarnivoren die meisten Furchen der
Affen abgehen, und sie dafür einige andere ihnen cigenthumliche aufzu weisen haben. Wenn
somit schon die eigentlichen Furchen diese grosse Kluft zwischen Affen und Halbaffen einer-
seits und Chiromys und den Camivoren anderseits deutlich genug anzcigen, so wird dioses
noch viel mehr bestätigt durch eine Betrachtung der ganzen Form der Hemisphäre. Vom
Menschen an bis zu den Halbaffen Ist der Tractus und Bulbus olfuctorius sehr dünn und klein.
l!ei Chiromys dagegen zeigt er beinahe vollständig schon die starke Entwicklung, wie sie
den übrigen Säugethieren (mit Ausnahme der Cetacecn) eigen ist. — Er nimmt den grössten
Theil der untem Fläche des vordem Ilemisphärenrandes ein. — Ferner fanden wir vom
Menschen bis zu Halbaffen eine deutliche Foasa Sylvii und eine verborgen liegende Insel, das
heisst also: ein Theil der äussern Fläche ist bei ihnen im Wachsthum hinter der übrigen Ober-
fläche zurückgeblieben und durch die Ueberwucherung des Mantels haben sich die Furchen
gebildet, die man gewöhnlich als Fossa Sylvii horizontalis und ascendens bezeichnet. Bei
Chiromys scheint schon dasselbe Verhältniss obzuwalten, wie bei den Camivoren und den
übrigen Säugethieren, bei denen die äussere Fläche der Hemisphäre in allen Regionen mehr
gleichmässig auswuchs, und namentlich eine Ueberwucherung eines gehemmten Theils nicht
stattfindet Au Stelle der Fossa Sylvii befindet sich fast nur eine einfache Furche, dio man
gewöhnlich auch Fossa Sylvii genannt hat Ausserdem weiso ich noch hier auf die so ver-
schiedene Form der ganzen Hemisphäre hin, die sich namentlich in dem stark nach unten vor-
springenden sogenannten Schläfenlappen der Affen auaspricht, der den übrigen Säugethieren
fehlt. — Die Furchen selbst betreffend, so zeigen Chiromys und die Camivoren zwei bis drei
um die „Fossa Sylvii“ gekrümmte Bogenfurchen, während die Allen vier bis fünf radiär
gestellte Furchen aufweisen ; doch sahen wir auch , wie die „niederen Affen" und Halbaffen
in dieser Beziehung vielleicht (f) ein Zwischenglied darstellen.
Nach allem Diesem, meine ich nun, muss man, dem Bau der Grosshirnhemisphären fol-
gend, Mensch, alle Affen und Halbaffen in eine Gruppe zusaminenfassen, für die wir am besten
den Namen „Primaten“ beibehalten. Chiromys gehört entschieden schon zu einer andern
Gruppe1), die zunächst durch die Camivoren gebildet wird, zu der aber vielleicht auch alle
übrigen Säugethiere mit gefurchten Hirnen gerechnet werden können. Die llauptcharaktere
des Primatenhirns sind aber nicht in den Furchen, sondern in der allgemeinen Bildung der
ganzen Hemisphäre zu suchen. Man hat dafür also namentlich zu nennen : 1 ) die besprochene
’) Eia — in der Tabelle (a. vor. 8.} bedeutet, das* die Furche der betreffenden Groppe fehlt ; ein — . — , da»»
sie einem Theil der Groppe mangelt; ein V, da»* die Uomoiogic zweifelhaft ist; durch NB. i»t auf die eigen-
thömliche Bildung der betreffenden Furche hingcwieecn. — a) Diese» Uesultat ist vielleicht ebenso neu, al* e*
fiir die systematische Stellung dieses Thiere» wichtig sein dürfte. Owen spricht sich über diesen Punkt etwas
undeutlich aus. Interessant ist ein Vergleich mit der Katze, Tafel VIII, Fig. 33 und 3t.
Digitized by Google
251
Ueber die typische Anordnung der Furchen u. Windungen etc.
eigenthümliche Bildung der Fossa Sylvii, 2) der rudimentäre Tractus olfactorius, 3) der stark
vorspringende Schläfenlappen und 4) das Vorhandensein eines hintern Auswuchses. — Letz-
tem Punkt, der die grösste Bedeutung hat, habe ich bisher noch gar nicht erwähnt. Es
geschah dies nur, weil schon allzuviel hierüber geschrieben ist, weil der Streit jetzt erledigt,
ist, und weil die Beweisführung dafür nicht zu unserer Aufgabe gehört.
Gehen wir jetzt die Furchen des Primatenhirns durch, so finden wir den Kamus hör. fossae
Sylvii als beinahe nothwendiges Resultat des besprochenen Bildungshergangos bei allen Pri-
maten. Ben Ramus ascendens zeigen nur die Anthropomorphen und der Mensch, und eigentlich
nur letzterer in voller Ausbildung. Dem entsprechend ist auch die Insel bei diesen breit drei-
eckig, bei Affen und Halbaffen mehr länglich.
Von eigentlichen Furchen ist die Fiss. lioriz. (Hippoc.) die wichtigste; sie ist allen Pri-
maten eigen und hängt wohl entschieden mit der Bildung des hintern Horns des Seiten-
ventrikels zusammen. Eine ähnliche Bedeutung dürfte auch der Fiss. perp. foccip. int.) zn-
kommen, doch ist wohl zu beachten, dass sie einigen der niederen Affon und wenigstens den
kleineren Halbaffen mangelt
Auf der äussern Fläche wiegen die radiär um die Fossa Sylvii gestellten vier bis fünf
Furchen vor. Welche von denselben vor den anderen bevorzugt seien, ist schwer zu sagen:
die eine scheint durch diesen, die andere durch jenen UHstand eine grössere Bedeutung zu
haben. Genetisch, sahen wir, ist bei den Affen die fünfte typische Furche die erste, während
bei den Menschen die zweite Primärfurche der jener entsprechenden vierten Primärfurche
vorzugelien scheint. — Im Uebrigon lassen sich nur Unterschiede nach der mehr oder minder
constanten Bildung anführen, und dadurch glauben wir auch zugleich die Berechtigung zu
haben, die primären Furchen des Menschen und die ihnen analogen typischen Furchen der
Affen unter der Bezeichnung; „Hauptfurchen der Primaten“ fernerhin zusammenzufassen.
Welche Furchen nun aber und wie weit jode einzelne als solche Hauptfurchen hinzustellen
sind, ist schwer zu sagen. Der Eine wird geneigt sein, eino grössere, der Andere eine kleinere
Zahl derselben zu billigen. Gegenüber der vorherrschenden Neigung, die Oberfläche in mög-
lichst kleine Theilo zu tbeilen, möchte ich es gerade vorziehen, zuerst einige, wenn es auch
nur wenige sind, Hauptabtheilungen möglichst sicher zu stellen. So zähle ich denn drei aus.
sere radiäre Hauptfurchen. Die erste besteht aus Stamm und vorderm Aste der ersten
Primärfurche des Menschen oder Stamm und vorderm Aste der zweiten typischen Furche
der Affen. — Die zweite radiäre Hauptfurche ist die sogenannte Fiss. Rolando, d. h. die zweite
radiäre Primärfurche des Menschen, oder dritte typische Furche der Affen. — Die dritte
besteht aus Stamm und hinterm Aste der dritten Primärfurche des Menschen, oder Stamm
und hinterm Aste der vierten typischen Furche der Affen. — Die vierte radiäre äussere
Hauptfurche sehen wir in der vierten Primärfurehe des Menschen und der fünften typischen
Furche der Affen. — Nur mit Zweifel und einiger Unsicherheit nehme ich vorläufig die soge-
nannte Fiss. occip. ext als „quere hintere Hauptfurche“ auf. Dio untere typische Furche der
Affen und die untere Primärfurche des Menschen bilden die „untere Hauptfurche“ des Primaten-
hirns. Die innere typische Furche der Affen und Primärfurehe des Menschen sind zwar ent-
schieden einander homolog, doch möchte ich sie nicht unter diese sogenannten Hauptfurchen
aufnehmen, da sie in jedem einzelnen Falle gar zu verschieden gestaltet sind. Dasselbe gilt
32*
Digitized by Google
252
Ad. Pansch,
von dom obern Aste der zweiten sowohl als vierten typischen Forche, beziehungsweise der
ersten und dritten Primärfurche des Menschen. Auch die erste typische Furche stelle ich
nicht als Hauptfurche hin, da sie nicht nur beim Menschen, sondern auch bei den Anthropo-
inorphen meistens fehlt.
Diese typische Furchung des Primatenhims zeigt am besten etwa das fötale Menschen-
hirn Tafel V, Fig. 8 und 10, das Verhalten der einzelnen Hauptfurclien lässt sich etwa
folgendermassen angeben: Die erste Hauptfurcho ist bei den Alfen typisch ausgebildet; den
niederen Alien und Halbalfen fehlt sie; (oder ist die dort vorhandene Furche ihr vorderer
Theil?) beim Menschen variirt ihr vorderer Theil (Ast) bedeutend in jeder Hinsicht — Die
zweite Hauptfurche, als Fissura Rolando bekannt, ist eine bei den Alfen typisch ausgeprägte,
sehr constante Furche, dasselbe gilt von ihr bei Mensch und Anthropomorphen, nur dass sie
liier bedeutend gebogen ist; bei den niederen Alfen und Halbalfen fehlt sie.
Die dritte Hauptfurche ist eine der ausgeprägtesten Furchen des Alfenhirns und wohl
nie unterbrochen. Bei niederen Alfen und Halh&tfen ist sie meistens nicht nur vorhanden,
sondern dann sogar eine der wichtigsten Furchen. (Ist sie es vielleicht, die mit ihrer hier
etwas veränderten Gestaltung einen Uebergang zu den übrigen Säugethieren vermittelt??)
Beim Menschen variirt sie sehr, und namentlich besteht ihre hintere Hälfte sehr oft aus einer
gesonderten sehr vielgestaltigten Furche. — Die vierte Hauptfurche ist sowohl bei Alfen als
auch bei Menschen typisch und in ihrem Haupttheile ziemlich constant. Sie fehlt nur bei
Jacchus. — Die untere Hauptfurche variirt zwar in Einzelheiten bei verschiedenen Species und
Individuen, kann im Ganzen aber doch eine typische Furche genannt werden; sie fehlt nur
bei den kleinsten der niederen Aden und bei deu Haibaden.
Die quere hintere Hauptfurcho bedarf noch viel genauerer Untersuchungen. Nach meiner
gegenwärtigen Anschauung, die sich später gern noch ändern mag, möchte ich so sagen:
Typisch ausgebildet ist sie bei einzelnen Aden, sowie beim Orang, und hier und da beim
Menschen ; meistens fehlt sie jedoch den Menschen , ebenso den niederen Aden und Haibaden
gänzlich. Bei den meisten Aden jedoch liegt sie im Grunde der sogenannten Fiss. occip. ext.
Letztere ist eine besondere eigenthümliche Bildung, entstanden aus der nach vorn gerichteten
lieber Wucherung eines hinter der Gegend jener Furche gelegenen Theiles der Oberfläche.
Diese neun oder zehn eben besprochenen Furchen bilden nun eino sichere unantastbare
Basis für eine Eintlufflung der Oberüäehe der Grosshirnhemisphären der Primaten; die durch
sie gegebene Eintheilung ist die allein richtige, und auf diese Weise durchgeführt, kann sie
auch volles Recht erheben auf Wissenschaftlichkeit. Diese oder jene Anschauungsweise mag
sich mit erweiterter Kenntniss etwas modificiren, in der Hauptsache bleibt sie unverändert,
und wird die Zustimmung aller derer finden, die Gelegenheit haben, eine grössere Zahl Menschen-
und Adenhiruo zu untersuchen. Alle übrigen Furchen haben, obgleich durch keinen bestimmten
Charakter von den Hauptfurchen unterschieden, eine viel geringere Bedeutung; die Homo-
logien zwischen den einzelnen derselben sind viel schwerer aufzustellen, viel leichter zu bezwei-
feln und anzufechten. Und deshalb thut man gut daran, sich zunächst an das Feststehende
zu halten; man verfolge erst einmal diese Hauptfurchen, markiro sie, und fasse dann meinet-
wegen auch das Bild der durch sie getrennten Abschnitte der Oberfläche ins Auge. In diesen
Abschnitten — nennen wir sie zunächst nur „Wülste“ — bat tnan.etwas Festes, Sicheres, auf
Digitized by Google
253
Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
dem man dann weiter arbeiten kann und muss, während die Menge der bisher angenommenen
„Windungen“ als wirklich brauchbare Abtheilungen der Oberfläche wohl Niemanden ernstlich
befriedigt haben und befriedigen konnten. So lange wir es nur mit der Oberfläckengest<ung
zu thun haben, und noch von allen durch den innern Bau (Faserung) gebotenen Abtheilungen
absehen, können wir nur von einzelnen durch Furchen mehr oder minder getrennten Ab-
schnitten reden (Wulste), aber nie eine zwei solche Abtheilungen verbindende Windung als
etwas Primäres, als ein zusammengehöriges Ganzes von vornherein auflässen und Umstellen.
Später mag man meinetwegen zu besserem Verständniss dergleichen „Windungen“ benennen
und beschreiben, aber man darf sie nie mit jenen durch wichtige Furchen getrennten
Abschnitten verwechseln; deshalb nennt man diese auch weit passender „Wülste“ (oder
Läppchen). Diese Wulste würden sich also etwa in folgender Weise benennen und grup-
piren:
I. Aeussere Fläche.
1 — 4. Erster bis vierter Primärwulst, über der Fossa Sylvii.
5 — 6. Fünfter und sechster Primärwulst, unter der Fossa Sylvii
(7). (Hinterer äusserer Primärwulst, hinter der hintern queren Primärfurche).
H Innere Fläche.
1. Eigentliche innere Fläche.
8. Vorderer innerer Primärwulst.
9. Hinterer innerer Primärwulst, beide durch die Fissura pcrpendicularis getrennt
3. Untere Fläche.
10. Fascia dentata.
1 1. Innerer (medialer) unterer Primärwulst
1 2. Aeusserer (lateraler) unterer Primärwulst, beide getrennt durch die untere Primärfurche.
Diese PrimärwüLste sind also bei verschiedenen Hirnen von Primaten immer direct mit
einander zu vergleichen, und will mau überhaupt eine vergleichende Untersuchung des
Primatenhirns, oder verschiedener Menschenhirne durchfuhren, so muss es auf dieser Grund-
lage geschehen. Welche Resultate solche Untersuchung giebt, ist eine andere Frage; aber nur
so kann meiner Meinung nach die so wichtige Frage gelöst werden, ob dieson Wülsten über-
haupt noch eine andere als die rein morphologische Bedeutung zukommt, d, h. ob ihre ver-
schiedene Grösse und Gestaltung bloss zufällig ist, oder ob sio einen physiologischen Grund hat
Da ich bei der Beschreibung der Furchen genügend ins Einzelne gegangen bin, so halte
ich es für vollkommen unnöthig, jetzt noch diese einzelnen Wülste genauer zu betrachten.
Dagegen haben wir jetzt einzugehen auf einigo Furchen, die ich „Socundärfurchen“ oder
Digitized by Google
254
Ad. Pansch,
besser gleich „Nebenfurchen“ nennen möchte. Solche sind: 1) Der sogenannte obere Ast der
ersten Hauptfurche. Er ist bei vielen Affen vorhanden, bei den Anthropomorphen und dem
Menschen ebenfalls, aber dann häufig isolirt. (Er ist es, der die BOgenannte vordere Central-
windung abgrenzt.) — 2) Der obere Ast der dritten Hauptftirche. Von ihm gilt ganz dasselbe.
(Bildet die hintere Begrenzung der sogenannten hintern Centralwindung.) — 3) Der Furchen-
complex oder die Fnrclie, die zwischen dem vordem Ast der ersten Hauptfurche und dem freien
obem Rande der Hemisphäre liegt. Beim Menschen und Anthropomorphen markirt sich diese
sehr deutlich, aber auch die meisten Affen zeigen wenigstens noch Andeutungen davon.
Diese Furche ist vor allen anderen Schuld daran, dass wegen ihres scheinbar typischen Ge-
präges der wahre Typus der Furchung missk&nnt wurde. — 4) Als Nebenfurche ist vor allen
Dingen auch, falls man sie nicht schon als Hauptfurche rechnen will, hier aufzufUhren die
bei den Affen, selbst den meisten niederen Affen und Halbaffen so typisch ausgcbildete „erste
typische Furche“. Beim Menschen und den Anthropomorphen finden wir meist nur leichte
Andeutungen davon, selten eine deutliche Furche. — 5) Eine oder mehrere Furchen, die der
vierten Hauptfurche parallel unter derselben liegen. Beim Menschen ist sie selten deutlich,
ebenso beim Drang; dagegen zeigt sie derChimpanse öfters aufs schönste und ähnlich manche
Affen. — 6) Auch die S. 239 beim Menschen und S. 244 bei den Affen angeführten Furchen
wird man meiner Meinung nach entschieden als homolog anschen können, und als Neben-
furchen aufnehmen dürfen. („Hintere obere“ und „hintere untere Nebenfurche“.) — 7) Endlich
ist als „innere Nebenfurche“ noch aufzuzählen die bekannte Furche oder die Reihe von
Furchen, die beim Menschen und den meisten Affon zwischen Balkon und dem freien obern
Rande der Hemisphäre liegt.
Diese siel>en „Nebenfurchen“ sind, es sei nochmals wiederholt, weder durch bestimmte
Kennzeichen mit einander zu einer Gruppe vereinigt, noch auch durch sichere Unterscheidungs-
merkmale von den Hauptfiirchen getrennt Immer aber sind sie relativ von ihnen unter-
schieden durch weit bedeutendere Variationen bei verschiedenen Species und bei einzelnen
Individuen. Billigen wir ihre Aufnahme, so zerfallen also verschiedene Primär- oder Haupt-
Wülste in Unterabtheilungen oder Nebenwülste; so der erste Hauptwulst in einen obern und
untern Nebenwulst (bei den Affen etc.), der zweite in einen vordem und hintern Nebenwukt;
ebenso der dritte; der sechste wieder in einen obern und untern, und auf dem hintern Aus-
wüchse kann man häufig zwei bis drei über einander liegende Nebenwülstc erkennen. — End-
lich der innere vordere Hauptwulst zerfällt ebenfalls in einen obem und untem Nebenwulst.
Somit hätten wir im Ganzen 17 bis 19 Abtheilungen gemacht. Ich betone es aber noch ein-
mal: die genaue Homologie zwischen den Nebenwiilsten zweier Primaten ist oft sehr unsicher
und möchte ich auf sie kein so grosses Gewicht legen, als bisher bei manchen dieser „Win-
dungen“ geschah. — Wie weit man ihnen vertrauen kann, namentlich beim Menschen, sollen
zukünftige Untersuchungen erst darlegen.
Auf eine weitere Beschreibung und Vergleichung dieser einzelnen Wülste einzugehen,
kann hier nicht meine Aufgabe sein; dagegen muss ich noch von einer passenderen Benen-
nung dieser Haupt- und Nebenwülstc sprechen, damit weitere Beschreibungen nicht allzu um.
stündlich werden. Diese leichter verständlichen Bezeichnungen können nun doch wohl nur
von den Regionen des Schädels hergenommen werden, wobei von einer directen Abhängig-
Digitized by Google
255
Ucber die typische Anordnung der Furchen und Windungen etc.
keit vom Schädeldach natürlich nie die Rede ist Was liegt näher als die beiden ersten
Hanptwülste „obern“ und „untem äussem Stirnwulst“ zu nennen? Der dritte und vierte
heissen dann „oberer“ und „unterer äusserer Scheitclwulst“, der fünfte und sechste „oberer“
und „unterer äusserer Schläfenwulst“; daran reiht sich dann noch ein „hinterer äusserer Wulst“
oder „äusserer Hintcrhauptswulst“. Weiterhin haben wir einen „innern Hinterhauptswulst“,
einen „innern Stirnscheitel willst“ und zwei „untere Längsw&lste“, einen lateralen und einen
medialen, an den sich noch die Fascia dentata, oder der „gezähnte Wulst“ reiht.
Diese Bezeichnungen sind jedenfalls ungezwungen und greifen keiner weitern Unter-
suchung vor. Freilich mag es scheinen, als sei dennoch wiederum der „Fiss. Rolando“ eine
ganz besondere Bedeutung beigelegt, indem sie Stirn- und Scheitelwülste von einander trennt;
dagegen habe ich mich jedoch bereits genügend verwahrt, muss aber um so mehr darauf
hin weisen, wie nächst der „Fiss. Hippocampi“ die „Fiss. Rolando“ die constanteste Fluche der
Primaten ist, und deshalb mit Recht längst als die beste Trennungsfurcbe verwandt wurde.
Was die durch die Nebenwindungen bedingten weiteren Abtheilungen anbolangt, so mag
man dieselben meinetwegen mit dem nun doch einmal eingebürgerten Namen der „Win-
dungen“ (gyri) bezeichnen. In Folgendem stelle ich dieselben übersichtlich zusammen. Es
kommen dann oft dieselben Bezeichnungen wieder zu Tage, wie sie geläufig sind, und man
konnte das tadeln. Man vergesse aber nur nicht die Hauptwiilste und ihre Bedeutung, dann
verliert jener Nachtheil an Gewicht. Will man aber ganz sicher gehen, so kann man sich
auch leicht helfen, und bezeichnet die einzelnen „Windungen“ nur als betreffende „Theile“
eines Hauptwulste a.
Uebersicht der Einthellung der Grosshirnhemlsphärenoberfläche (des „Mantels“)
bei den Primaten.
A. Aoussere Fläche.
I. Unterer Stirnwulst (erster Hauptwulst).
1) unterer Theil = unterste Stirn- oder Orbitalwindungen.
2) oberer Theil = untere Stirnwindung.
II. Oberer Stirnwulst (zwoitor Hauptwulst).
3) vorderer oberer Theil = obere Stirn Windung.
4) vorderer unterer Theil = mittlere Stirnwindung.
5) hinterer Theil = hintere oder aufsteigende Stirnwindung.
III. Oberer Scheitelwulst (dritter Hauptwulst).
6) vorderer Theil == vordere oder aufsteigende Scheitelwindung.
7) hinterer Theil = obere Scheitelwindung.
IV. Unterer Scheitel wulst (vierter Hauptwulst).
8) unterer Scheitel Wulst = untere Scheitelwindung.
V. Oberer Schläfenwulst (fünfter Hauptwulst).
'Jj oberer Schläfen wulat = obere Schläfenwinduug.
Digitized by Google
Ad. Pansch,
256
VI. Unterer Schläfenwulst.
10) oborer Theil = mittlere Schläfenwindung.
1 1) unterer Theil = untere Schläfenwindung.
[YTI. Hinterhauptswulst.
fl 2) oberer Theil = obere Hinterhauptswindung.
[13) mittlerer Theil * mittlere Hinterhauptswindung.
[14) unterer Theil = untere Hinterhauptswindung.
£. Innere Fläche.
a. Eigentliche innere Fläche.
Vin. Innerer Stirnscheitelwulst.
15) oberer Theil = obere innere Stirnscheitelwindung.
16) unterer Theil = untere innere Stirnscheitel Windung.
IX. Innerer Hintorhauptswnlst
17) innerer Hinterhauptswulst = innere Hinterhauptswindung.
b. Unters Fläche.
X. Gezahnter Wulst.
18) gezahnter Wulst = gezahnte Windung.
XI. Medialer unterer Längswulst.
19) medialer unterer Längswulst = mediale untere Längswindung.
XII. Lateraler unterer Längswulst.
20) lateraler unterer Längswulst = laterale untere Längswindung.
Das ist die Eintheilung, die ich als Resultat eines eingehenden Studiums der Entwicklungs-
geschichte und der vergleichenden Anatomie für die nothwendig gegebene und allein richtige
halten kann. — Gern wäre ich hier noch auf eine Kritik der Übrigen bekannten Ein-
theilungen eingegangen, und hätte die verschiedenen Bezeichnungen mit einander verglichen ').
Zeit und Raum nöthigen mich, dies einer spätem Arbeit zu überlassen. Vor allen Dingen
möchte ich aber Diejenigen, die sich für die Sache intcressiron und die Gelegenheit haben,
viele menschliche Hirne zu untersuchen, auffordern, eine ausgedehntere Untersuchung anzu-
stellen über die Grösse der einzelnen Hauptwülste bei verschiedenen Menschen, nach Alter,
Geschlecht und Ra<;e- Ich habe damit bereits den Anfang gemacht, doch ist mein Material
noch nicht genügend. Vor allen Dingen aber bitte ich zum Schluss alle Diejenigen, die sich
mit diesem Gegenstand beschäftigt haben, dringend, obige Grundeintheilung einer strengen
Kritik zu unterwerfen, und dann Mängel und Fehler mit Gründen zu widerlegen, oder,
falls sie Beifall findet, zu allgemeinerer Annahme derselben beizutragen.
]t Gern hätte ich auch die kleineren Abtheilungen , so namentlich die sogenannten UebergangBwindungen
näher berücksichtigt.
Digitized by Google
257
Erklärung der .Tafeln.
Tafel V.
Tafel TI.
Tafel VII.
Tafel VUI.
Fig. 1 — 11. Verschiedene Ansichten fötaler Menschenhirne. Fig. 1 und 4, Fig. 2, 3, 5 und 6,
Fig. 8 — 10 sind je von einem und demselben Hirn entnommen. — Sätnrat-
liche Hirne befinden sich auf dem Kieler anatomischen Museum.
Fig. 12—14. Hirn eines fötalen, circa 14 Centim. langen Cebus apella (?). (Durch gütige Ver-
mittlung des Herrn Prof. Ecker mitgetheilt.)
Fig. 15 — 16 und
Fig. 17.
Fig. 18—20.
Fig. 21.
Fig. 22.
Fig. 23.
Fig. 26.
Hirn von einem erwachsenen Manne (Kieler Anatomie). — Geometrische Zeich-
nung. — Die Dicke der Furchenstriche bedeutet hier sowohl als in der Folge
bei mehreren Zeichnungen die Tiefe der Furchen, im Verhältnis! */l0; d. h.
ist ein Strich 1 Millim. breit, so ist die Furche hier 1 Centim. tief u. s. f. >).
Hirn von Cebus cirrliifer. (Kiel.)
Cynouephalus htmadryas, 1 Tag alt. (Hamburger naturh. Museum.)
Cynocephalus hamadryan. adult. (Ilambg.)
Atelcs paniscus. Geoffr. (Hambg.)
Callithrix Moloch. (Nach Gratiolet.)
Fig. 24.
Fig. 25.
Fig. 27.
Fig. 28 u. 29.
Fig. 30.
Fig. 31—32.
Fig. 33—34.
Troglodytea niger. Geoffr. (Hambg.)
„ „ „ (Kiel.) Die Fossa Sylvü ist geöffnet, um das Verhalten
der Insel zu zeigen.
Otolicnus crassicaudatus. (Hambg.)
Lemur mongoz. (Kiel.)
Lemur entta. (Hambg.)
Chiromys. (Nach Owen.)
Katze, erwachsen. (Kiel.)
In folgenden Figuren bezeichnet I, II, III die drei Bogenfurchen , von
die von Gratiolet als sillon erucial beschriebene Furche. — Die Hirne
unten beginnend. — + bezeichnet
gehören alle der Kieler Anatomie.
Fig. 85 — 37. Hund, neugeboren.
Fig. 38 — 10. Hund, drei Tage alt.
Fig. 41—42. Hund, erwachsen.
Fig. 43. Cercopithecus fuliginosus. Der Klappdeckel ist abgetragen .
schraffirt.
Fig. 4t. Atelcs hcelzebuth. (Nach Gratiolet.)
die Schnittfläche
*) Ich glaube, dass auf diese Weise die relative Tiefe der Furchen am besten veranschaulicht wird.
Will man die absolute Tiefe mit angegeben wissen, so kann dies sehr einfach durch einige daneben gesetzte
Zahlen geschehen. Der grossem Deutlichkeit wegen sind diese hier jedoch fortgelassen.
Allgemeine Erklärung der Bezeichnung der Figuren auf Tafel V,
VI, VII und VIIL
5 = Ramus horizontale fossac Sylvii.
6 = Ramus ascendens fossae Sylvii.
Prl, JVV = erste bis fünfte (untere) Primärfurche.
Archiv für Anthropologie. Bd. III. Heft 3.
r,, T2 etc. ss erste, zweite etc. typische Furche.
Fh = Fissura horizontale s. Ilippocarapi.
Fp = Yissura perpendicularis *. occipitalis int.
33
Digitized by Google
XV.
Die Lehre Darwin’s und die Anthropologie.
V on
Hermann Schaaffhauaen.
(Gin an den Präsidenten der anthropologischen Gesellschaft in London, Dr. James Hunt,
am 10. September 1867 gerichtete» Sendschreiben *).
In England ist in letzter Zeit die Frage erörtert worden, ob die Lehre Darwin’s geeignet
sei, die Mannigfaltigkeit der Menschenracen und den Fortschritt des Menschengeschlechtes in
körperlicher und geistiger Bildung zu erklären. Man darf einer Theorie zu Liebe nicht den
Erscheinungen Zwang anthun, sondern es sind die antliropologischen Thatsachen vielmehr
umgekehrt ein Prüfstein für die Frage, ob der sogenannte Kampf um's Dasein und die natür-
liche Zuchtwahl ein allgemein gültiges Naturgesetz darstellen. Die Untersuchung der Menschen-
racen bietet grössere Schwierigkeiten als die Betrachtung der Pflanzen und Thiere, weil in der
geistigen Thatigkeit des Menschen eine neue Kraft auftritt, deren Einfluss auf die mensch-
liche Organisation eben so hoch angeschlagen werden muss, als irgend ein anderer, der die
menschliche Natur bestimmt.
Ein grosser Theil der Merkmale, wodurch sich die Menschenracen unterscheiden, muss
als durch das Klima hervorgebracht betrachtet werden, so die Farbe der Haut, des Haares
und der Iris, Grosse und Beschaffenheit des Körpers. Es ist die Physiologie, welche den Be-
weis für die Richtigkeit dieser Ansicht zu geben im Stande ist, indem sie das innige Band
zwischen der Thatigkeit der Organe und den Lebensbedingungen erforscht hat. Diese körper-
lichen Eigenschaften der Racen haben manche Forscher deshalb für unabhängig von der Ein-
wirkung der äussent Natur gehalten, weil sich in der Vertheilung der Racen über die Erd-
oberfläche nicht immer diese Abhängigkeit nachweisen lasse und dieser Ansicht geradezu
widersprechende Erscheinungen sich beobachten Hessen. Die menschliche Gestalt sehe man
■) Vorgelegt in der Sitzung dieser Gesellschaft am 18. Februar 1868.
Joly 1868, p. CVIII.
Vgl. Anthropol. Review, London,
33*
Digitized by Google
•260 Hermann Scfaaaffhausen,
gross in der heissen wie in der kalten Zone; die Farbe der Haut finde sieh oft dunkler in
höheren Breiten als in der Nähe des Aequators, was schon Alex, von Humboldt auffiel.
Aber es ist leicht, diese scheinbaren Widersprüche zu erklären. Mit einer wunderbaren
Zähigkeit hält die Natur gewisse Merkmale, die ein bestimmtes Klima in einer langen Seihe
von Generationen hervorgebracht hat, auch unter anderen Himmelsstrichen fest, und die Er-
haltung solcher bestimmt ausgeprägter Eigentümlichkeiten durch die Fortpflanzung erweist
sich mächtiger, als die umändernde Wirkung eines andern Klimas, die nur im Laufe einer
ebenso langen Zeit und unter denselben Umständen sich wurde geltend machen können, als
sie für die erste Bildung erforderlich waren.
Dass das Klima Eigentümlichkeiten der Organisation hervorbringt und dass diese auch
beim Wegfall der klimatischen Einwirkung noch lange Zeit mit Hartnäckigkeit beibehalten
werden, dafür zeigt der Mensch auffallendere Beispiele als irgend ein Thier oder eine Pflanze,
weil seine vollkommnere Organisation ihm oino grössere Selbstständigkeit verschafft und
seine Cultur die Einwirkung klimatischer Ursachen beschränkt. Wenn keine Veranlassung vor-
handen ist, die organische Bildung zu ändern, so dauert sie nach einem Gesetz der Stetigkeit
unverändert fort. Diese Erscheinung, welche bei der Betrachtung und Erklärung der Kacen-
merkmale uns überall begegnet, stellt mit der Annahme in Widerspruch , dass durch natür-
liche Zuchtwahl und den Kampf ums Dasein die Arten sich verändern.
Die Schwäche der Darwinschen Lehre besteht darin, dass sie den Einfluss der bald
sich gleich bleibenden, bald wechselnden Lebensbedingungen auf die Organisation viel zu
gering anschlägt. Sie kommt hierbei mit sich selbst in Widerspruch, denn jene natürliche
Zuchtwahl, welche die guten Eigenschaften erhält und die schlechten untergeben lässt, setzt
doch eine Anpassung der Organisation an die Lebensverhältnisse voraus, in Folge deren sie
erst eine gute genannt werden kann. Wie kann man den Einfluss äusserer Einwirkungen auf
die Organisation für unbedeutend halten, da Luft, Licht, Feuchtigkeit, Nahrung ihre Lebens-
mittel sind, ohne die keine Verrichtung möglich ist, und von deren Maass die Thätigkeit. der
Organe abhängt? • Nur Verrichtung und Uebung vollenden die Bildung des Organs, halten es
gesund und geben ihm grossere Kraft, ihr Mangel läast es verkümmern. Dio vorthoilhaften
Eigenschaften einer thierischen Organisation können nur darin bestehen, dass dieselbe nicht
nur den Kampf mit anderen Thieren aushält, sondern vor Allem, dass sie den .Lebens-
bedingungen auf das Vollkommenste angepasst ist. In Darwin’s Lehre sind zwei Sätze zu
unterscheiden und ganz aus einander zu halten. Der erste ist dio Umwandlung der Arten,
die auch schon von Anderen gelehrt worden ist; sie wird in Folge der erschöpfenden Dar-
stellung Darwin's und der so zahlreichen von ihm beigebrachten Belege jetzt auch von
solchen Forschern angenommen, die sie früher läugneten und bekämpften. In der Verbrei-
tung dieser Ueberzeugung liegt das grösste Verdienst der Darwinschen Arbeit Der zweite
Theil der Darwinschen Lehre ist die Erklärung dieser Umwandlung durch den Kampf ums
Dasein. Ein Vorgang, der in vielen Fällen Ursache der Umwandlung und Fortbildung der
Art sein mag, ist mit Unrecht zu einem allgemeinen Gesetz erhoben, während der Ver-
änderung der Lebensbedingungen kaum eine Wirkung auf die Organisation zugeschrieben
wird. Man kann dio Umwandlung der Arten ganz so wie Darwin behaupten, aber in Bezug
Digitized by Google
Die Lehre Darwin’s und die Anthropologie. 2(51
auf die Ursache derselben ganz anderer Ansicht sein. Darwin vergasa, dass es neben der
Veränderlichkeit der Arten auch eine Beständigkeit derselben giebt1).
Es ist zu allen Zeiten anerkannt worden, daas der Mensch einen Kampf ums Dasein zu
bestehen hat mit dem Klima, mit der Thierwelt, mit seines Gleichen. Dieser Kampf ums
Dasein ist aber nicht nothwendig die Ursache einer Verbesserung der menschlichen Nntur, er
dient oft nur dazu, ein kümmerliches Loben zu erhalten und jeden Aufschwung zum Bessern
unmöglich zu machen. Heute sehen wir wilde Völker ihr armes Leben fristen, wie sie es vor
4000 Jahren auch gethan. Die nomadischen Horden Mittelasiens werden von Herodot in
ihrer Lebensweise so geschildert, wie viele dieser Steppenvölker noch heute leben. I>er
Kampf ums Dasein bringt in anderen Fällen auf demselben Schauplatze nur einen Wechsel
der Erscheinungen hervor. In den Ländern Mesopotamiens zwischen Euphrat und Tigris
wohnten in ältester Zeit gewiss nur rohe Völker; dann entstanden hier blühende Reiche und
glänzende Städte, jetzt aber streifen durch die Ruinen der altassyrischen Tempel und Pa-
läste wieder raubende Horden, deren Typus noch immer den Bildwerken der alten Denk-
male gleicht. Die von den holländischen Ansiedlern von den Hochebenen der Südspitze
Afrikas verdrängten Hottentotten, welche nomadische Hirten waren, sind in öden, unwirth-
lichen Gegenden, wo sie zu einer ganz andern Lebensweise gezwungen waren, entartet und
verwildert, indess europäische Gesittung in ihren alten Wohnsitzen heimisch geworden ist.
Hier hat der Kampf ums Dasein eine Race erniedrigt, die andere aber unverändert
gelassen. So bietet der Kampf der Racen und der Völker mit einander ein sehr mannig-
faltiges Schauspiel, wobei körperliche und geistige Kraft oft mit entgegengesetztem Erfolge
sich messen. Wir sehen blühende Reiche durch Barbaren stürzen, indem rohe Kraft über
verfeinerte Cultur den Sieg erlangt; in anderen Fällen erliegen die kräftigen Söhne des Ur-
waldes den schwächlichen Sprösslingen moderner Civilisation, nicht weil die Natur dem Starken
zum Siege verhilft, sondern weil die Kugelfiinte mehr vermag als Pfeil und Bogen, oder mit
anderen Worten : weil der Geist die Natur überwindet Diese Kraft, die der Hebel des mensch-
lichen Fortschritts ist, kommt in der Thier- und Pflanzenwelt nicht zur Verwendung. Der
Kampf ums Dasein hat die entgegengesetztesten Folgen, wie sie im gegebenen Fall aus dem
Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Ursachen hervorgehen; er endigt keineswegs immer
mit dem Untergange des Schwachen, sondern starke und schwache Völker bestehen seit Jahr-
tausenden neben einander, wie in der menschlichen Gesellschaft Reiche und Arme. Das Aus-
sterben der Wilden, wo sie mit den Europäern in Berührung treten, scheint überall da das
un venneidliche Schicksal derselben zu sein, wo sie auf der tiefsten Stufe menschlichen Da-
seins sich befinden und den Spning aus solcher Rohheit zum civilisirten Leben nicht zu
machen fähig sind. Die halbwilden Völker gehen aber nicht überall, wo sie den Cultur-
völkern begegnen, zu Grande. Nicht nur in Afrika erhält sich seit Jahrtausenden der Neger,
sondern sogar in seinem zweiten Vaterlande, in Westindien, ist er trotz der Sklaverei lebens-
kräftig und fruchtbar. Auch die Völker des mittleren Amerikas erhalten und vermehren
sich zum Theil in unvermiscliter Nachkommenschaft. Und waren nicht die heute civilisirten
1) Vgl. H. Sehrtaffh auaen, lieber Beutändijfkeit und Umwandlung der Arten. Verb, des naturhiat. Ver*
eine. Bonn 1«53. p. 4'iO.
Digitized by Google
262
Hermann Sehaaffhausen,
Völker Europas einst Wilde? Viele waren Caunibalen' Nicht selten haben r.um Vortheile
des nachwachsenden Geschlechtes zwei Völker sich gegenseitig durchdrungen; die, welche mit
den Waffen unterlagen, siegten dennoch mit ihrer Sprache, ihren Sitten, ihrer Bildung. Hoch-
civilisirte aber körperlich erschlaffte Völker erlagen dem Andrange roher kriegerischer Bar-
barei!, doch nicht ganz, denn die Cultur des überwundenen V olkes beherrschte bald den Sieger.
So geschah es in den römischen Ländern Europas nach ihrer Eroberung durch die norddeutschen
Volksstämme. Die äussere Form des Staates wurde durch die körperliche Tapferkeit der Eroberer
neu gegründet, aus dem innern Volksleben der Unterjochten aber trieben bald die alte Sitte
und Geistesbildung neue Blüthen, während die Völker sich mischten. Immer zeigt sich, dass
der Fortschritt der Menschheit niemals allein auf der Machtentfaltung der rohen Kraft beruht,
so gewaltige Ereignisse diese auch in der Geschichte hervorgebracbt hat, sondern auf dem
Fortschritte des Gedankens, der den Menschen frei macht, und zwar vor Allem auf dem Fort-
schritte der Erkenntniss der Natur, der freilich auch durch einen Wettstreit der Geister bervor-
gebracht wird. Die Civilisation , welche sich die rohen Kräfte der Natur dienstbar gemacht
hat, hat jetzt eine Höhe erreicht, dass ein Angriff wilder Völker gegen sie nicht mehr zu
fürchten ist, denn diese können der verbesserten Kriegskunst nicht widerstehen, welche mäch-
tiger ist, als der persönliche Muth und jene Tapferkeit, die im Kampfe von Mann gegen
Mann in früherer Zeit den Sieg entschied. In der Geschichte der Bildung des Menschen-
geschlechtes wiederholt sich immer wieder dasselbe Schauspiel. Die Völker erscheinen und
treten ab von der Bühne, die menschliche Bildung aber geht ihren ununterbrochenen Lauf;
aus Zeiten des tiefsten Verfalls erhebt sie sich wieder mit veijüngter Kraft, sie scheint
bestimmt nach und nach über alle Länder der Erde hinzuziehen; wo sie einst blühte, ist sie
jetzt verschwunden, aber sie hat da ihre Stätte aufgeachlagen , wo sonst Rohheit und Bar-
barei herrschten. Bezeichnend für die Gegenwart ist es, dass sie sich jetzt weiter und
schneller verbreitet, als es jemals der Fall war, und dass sie sich Alles aneignet, was jemals
der Mensch gedacht und hervorgebracht hat. Todte Sprachen und zerfallene Denkmale,
Trümmer des Alterthums und Reste der Urzeit sind für die Wissenschaft und Kunst un-
verlorcne Schätze, die in der Hand des Forschers neues Leben gewinnen.
Für den Fortschritt der Menschheit ist der Kampf derRacen ein fast gleichgültiges Ereig-
niss, weil er sich, soweit die Geschichte zurückreicht, fast nur innerhalb derselben Raoe und
zwar der kaukasischen, die auch die zahlreichste geworden ist, vollzogen hat. Welchen An-
theil in fernster Vorzeit andere Racen, etwa die äthiopische und mongolische, an der Menschen-
bildung gehabt haben, lässt sich noch nicht fcststellen. Die europäische Bildung streut aber
jetzt ihr Saatkorn in alle Länder und Zonen ans. Soll man nun für den unläugbaren Fort-
schritt der Menschheit von niederen zu höheren und edleren Bildungen allein den Kampf
ums Dasein als Ursache denken, oder muss man nicht vielmehr eine höhere Weltordnung in
der Natur wie in der Geschichte erkennen, die den Menschen seiner höhern Bestimmung zu-
führt, indem sie seinen Geist zur Forschung antreibt und in seine Seele das Vermögen gelegt
hat, über die Schranken der Organisation hinaus nach idealen Zielen zu streben?
Darin bestand das grösste ßildimgsmittel aller Völker und Zeiten, dass die Besten der
Menschen, die nicht etwa der Kampf ums Dasein, sondern ein glückliches Zusammentreffen
günstiger Lebeusuuistände hervorgebracht hat, solche erhal>ene Ziele dev Menschheit hin-
Digitized by Google
2G3
Die Lehre Darwin’» und die Anthropologie.
stellten, denen sie nachstrebt. Bei den Pflanzen und Tbieren aber ist die Vervollkommnung
ersichtlich im Zusammenhang mit den äusseren Lebensbedingungen erfolgt, welche mit den
Veränderungen der Erdoberfläche in Wirksamkeit traten. Erst als sich Land über dem
Meere erhob, konnten aus Meerestbiernn und Meerespflanzen, Landthiere und Landpflanzen
entstehen. Erst als es weite mit Vegetation bedeckte Ebenen gab, konnten grosse Pflanzen-
fresser leben, erst in den Laubkronen fruchttragender Bäume entwickelten sich die klet-
ternden Säugethiere, die den Menschen vorausgingen. Was hat bei diesen Fortschritten der
Kampf ums Dasein geleistet?
Der Kampf ums Dasein kann demnach die Verschiedenheit der Menschenracen, und seien
sie auch nur Varietäten, nicht erklären. Man sollte aber erwarten, dass ein Naturgesetz, das sich
für Pflanzen und Thiere allgemein gültig erweisen soll, auch bei dem höchsten Gebilde der Natur
sich bewähren müsse. Auch die Lehre von der natürlichen Zuchtwahl findet auf die Menschen-
stämme keine Anwendung. Wohl können wir begreifen, dass eine gewisse Farbe der In-
sekten sich erhält, weil sie die Thiere vor ihren Feinden schützt, oder dass eine gewisse
Pflanze sich ausbreitet, weil ihre Blüthen die Insekten anziehen, welche die Befruchtung
erleichtern; aber solche Erscheinungen lassen sich für das Menschengeschlecht nicht nach-
weisen. Sie haben in der Natur nur eine beschränkte Wirksamkeit Wenn man sagt, dass
die Zuchtwahl gewisse Organe erhalte, so vergesse man nicht dass die Organe, die sich erhalten,
eben auch solche sind, die den natürlichen Einflüssen der Oertlichkeit der Kälte, der Feuchtig-
keit dem Luftdruck, den Bodenbestandtheilen entsprechen, und dass sie sich aus diesem Grunde
von selbst erhalten ohne jede Zuchtwahl. Naturereignisse, welche im Laufe der Zeit, viel-
leicht ganz allmälig, die Lebensbedingungen änderten, werden auch die Organisation der
Pflanzen und Thiere verändert haben, ln der Geschichte unserer Erde sind in Bezug auf die
Temperatur ihrer Oberfläche die grössten Veränderungen vor sich gegangen, die mehr wie ein
Kampf ums Dasein oder eine Zuchtwahl auf die Organisation der Pflanzen und Thiere und
gewiss auch auf den Menschen der Vorzeit einen mächtigen Einfluss geübt haben. Man
kann sich aber auch für die Thierwelt einen Kampf ums Dasein denken, der Jahrtausende
lang in stetem Wechsel fortbestand, wie etwa der zwischen Raubthieren und Pflanzenfressern,
ohne dass die Organisation derselben sich dabei veränderte, oder eine nene Art daraus hervor-
g‘ng-
Jene Zuchtwahl, die sich bei Thieren häufig findet, dass sich die Besten mit einander
begatten, findet, wenn sie auch dem Aristoteles in seinem Staate vorschwebte, in der mensch-
lichen Gesellschaft eine nur sehr beschränkte Anwendung; hier sehen wir ganz andere Beweg-
gründe die Ehen zn Stande bringen, cs paart sich das Starke mit dem Schwachen, das
Gute mit dem Schlechten. Die angeborene Anlage zu Krankheiten zeigt deutlich, dass siel)
beim Menschen auch die Schädlichkeiten forterben, ohne alle Rücksicht darauf, dass sie schäd-
lich sind, und ohne das Dazwischentreten einer Zuchtwahl der Natur. Ueberhaupt kann der
Natur nicht eine solche Absicht zugeschrieben werden, wie wir sie bei der künstlichen Zucht-
wahl für unsere Zwecke im Auge haben. Die natürliche Zuchtwahl ist nur der Vorzug der
bessern Organisation, der sich in vielen Fällen bei der Fortpflanzung geltend machen wird.
Die vortheilhaften oder schädlichen Veränderungen der Organisation werden aber immer in
nächster Abhängigkeit von den natürlichen Einwirkungen der Aussen weit stehen. Die elenden
Digitized by Google
Hermann Schaaffhuusen,
204
abgemagerten Gestalten vieler australischer Stämme entsprechen der kargen Lebensweise
die sie fuhren; sobald ihnen bessere Kost geboten wird, bessert sich ihr ganzes Aussehen, ohne
dass man niithig hat, eine natürliche Zuchtwahl für sie zu Hülfe zu nehmen. Die bleichen
Bewohner der vom Sumpffieber heimgesuchten Gegenden werden nicht durch Zuchtwahl ver-
bessert , aber durch Trockenlegen der Sümpfe. Die Vermischung der Völker, Stämme und
Racen durch Kreuzung findet wegen der grossem Verbreitungsfähigkeit des Menschen in
allen Klimaten zwar viel häufiger als bei Pflanzen und Thieren statt und den Männern edler
Race fehlt die Zuneigung des weiblichen Geschlechts niederer Racen nicht, aber eine Ver-
edlung wilder Racen durch Bastardzeugung mit der edlen hat nur in einzeluen Individuen
stattgefunden, aber nirgendwo einen neuen Menschenstamm hervorgebracht.
Merkwürdig ist, dass einige Forscher, wie Huxley und Wallace, in der Darwinschen
Lehre den Beweis finden wollen für den einheitlichen Ursprung des Menschen. Andere
Forscher folgern aus der Darwinschen Lehro, dass selbst Mensch und Affe einen gemein-
schaftlichen Ursprung gehabt haben. Huxley hält die Verschiedenheiten der menschlichen
Racen für so gering, dass die Annahme von mehr als einem Ursprung überflüssig wäre; er
sagt, keine zwei Racen seien so verschieden als Orang und Chimpansi. Ganz abgesehen von
dem Einwurfe Hunt's, dass mit Rücksicht auf die Gcistesthätigkeit Neger und Europäer
mehr verschieden sind, als Orang und Chimpansi, sind Malaye und Neger wirklich in Farbe
und Schädelbau in ganz ähnlicher Weise verschieden wie die genannten Affen. Dieser ty-
pische Unterschied ist aber für die Frage nach dem Ursprünge der verschiedenen Racen von
grösserer Bedeutung als der, welcher nur in dem verschiedenen Grade der geistigen Entwick-
lung besteht.
Nach Darwin stammen alle Varietäten, alle Species, alle Genera von einer Speciee, deren
er mehrere als Grundformen der organischen Schöpfung annimmt. Aber ein grosser Fehler
der Darwinschen Lehre ist die Voraussetzung eines einfachen Ursprungs jeder Species und
die Abläugnung der Generatio aequivoca, mit deren Annahme ein mehrfacher Ursprung
gleicher oder doch ähnlicher Entwickluugsreihen organischer Formen in verschiedenen Gegen-
den und in verschiedenen Zeiten gegeben ist. Bei einer Mehrheit des Ursprungs können
zwei auf gleicher Stufe der organischen Entwicklung stehende Species sich sehr ähnlich sein
und doch eine verschiedene Herkunft haben. Wenn der Südseeneger dem afrikanischen noch
so ähnlich sieht, warum sollen sie nicht ganz verschiedenen Ursprungs sein können, wenn
im fernen Südasien wie im heissen Afrika ganz unabhängig von einander aber unter fast
gleichen Naturverhältnissen das thierische Leben sich von unvollkommenen Bildungen an
bis zum Affen und Menschen entwickelt bat? Orang und Gorilla sind beide anthropoide
Affen, aber was beweist eine gemeinsame Abkunft beider?
Der Umstand, dass die ältesten Ueberbleibsel des Menschengeschlechtes schon verschie-
dene typische Formen erkennen lassen, zeugt gegen einen gemeinsamen Ursprung der Racen.
Schon Prichard meinte, wenn es sich zeigen sollte, dass die heutigen Verschiedenheiten der
Racen in allen Zeiten constant gewesen seien, so würde dies gegen die Einheit des mensch-
lichen Geschlechts sprechen. Das Dasein aller heutigen Racen im Alterthum ist aber nicht
erwiesen, und die Bemerkung Hunt's, dass in den ältesten geschichtlichen Zeiten die Racen
schon so gewesen seien wie heute, ist nur im eingeschränkten Sinne wahr, und verdient jeden-
Digitized by Google
265
Die Lehre Darwin’s und die Anthropologie.
falls den wichtigen Zusatz, dass aus der vorgeschichtlichen Zeit uns die Spuren einer tiefer
stehenden Organisation des Menschen erhalten sind, als wir sie heute finden. Es hat sich
also der menschliche Typus im Laufe der Zeit allerdings verändert, und die Charaktere des
fossilen Menschen deuten nuf eine niedere Abkunft des menschlichen Geschlechtes. Wenn
wir auch nicht die Urbilder aller von uns heute unterschiedenen Eacen gefunden haben,
so können wir doch aus ältester Zeit zwei Typen unterscheiden, von denen der brachvcephale
vielleicht aus Asien, der dolicbocephale aus Afirica seinen Ursprung genommen hat; ähnlich
sind sich beide nur in dem gleichen Mangel einer hollem Hirnentwicklung.
Die Annahme einer fortschreitenden Entwicklung schliesst eine Mehrheit des mensch-
lichen Ursprungs nicht aus. Allerdings muss, sobald man die Umwandlung der Arten zu-
giebt, auch die Möglichkeit des Ursprungs aller Ra een von einem Stammpaare zugegeben
werden; denn wenn aus einem Saurier ein Vogel und aus einem andern ein Säugethier
geworden ist, so konnte aus einem Neger gewiss sowohl ein Mongolo als ein Kaukasier werden,
Was das Klima allein nicht fertig brachte, das leistete die Cultur. Mit der Theorie
Darwin’s aber kann man die Einheit des menschlichen Ursprungs nicht beweisen, denn
Darwin vermag keinen Gruud für die Ansicht beizubringen, dass alle Urformen, die er an-
nimmt, nur einmal sollten geschaffen sein. Auch für den Menschen kann es mehrere Ent-
wicklungsreihen, von räumlich getrennten Urformen ausgehend, gegeben haben. Die Urzeugung
lässt die ersten organischen Keime noch heute tausendfach in allen Zonen entstehen.
Nach Darwin müssten mit der Verbreitung des Menschen immer neue Racen sich gebil-
det hnhen und noch sich bilden; aber die Erfahrung lehrt vielmehr, dass die Verschieden-
heiten der Racen zuro Theil verschwinden durch den gleichmachenden Einfluss, den die
Geistesbildung nicht nur auf Hirn uud «Schädel, sondern auf fast alle Lebensverhältnisse nusübt
Doch wäre es zu viel gesagt, wenn man mit Wallace behaupten wollte, dass endlich alle
Völker eine gleichartige Race bilden werden. Die Cultur wird die klimatischen Unterschiede
der verschiedenen Himmelsstriche nicht ganz verschwinden machen, wenn sie auch deren
Wirkungen zum Theil zu massigen im Stande ist Auch ist es ein doppelter Irrthum, wenn
Wallace behauptet, Darwin's Lehre führe zu dem scheinbaren Widerspruche , dass der
Mensch einen einfachen Ursprung habe und dass er zugleich in der Richtung zur Einheit sich
entwickle. Aus Darwin’s Lehre folgt nur die Möglichkeit eines einfachen Ursprungs, die
nicht mit einem Beweise desselben verwechselt werden darf. Aus Darwin's Lehre folgt aber
nicht im Mindesten eine auf die Einheit des Menschengeschlechts gerichtete Entwicklung,
sondern gerade das Gegentheil. Die ausgleichende Wirkung einer in allon Zonen unter den
verschiedensten klimatischen Bedingungen nach gleichem Ziele fortschreitenden Cultur hat Dar-
win gar nicht in seine Betrachtung, gezogen, weil sie in der That bei Pflanzen und Thieren
nicht vorhanden ist, sondern allein ein Vorrecht des Menschen ausmacht, dessen Entwicklung,
durch den Eintritt geistiger und sittlicher Kräfte, denen entsprechend sich seine Organisation
gestaltet einem andern und hohem Gesetze zu folgen bestimmt ist.
So lange die thierische Natur im Menschen vorwaltet, werden Klima und Oertlichkeit
unbeschränkt ihren Einfluss üben, und wie in der Pflanzen- und Thierwelt die grösste Mannig-
faltigkeit der Bildungen hervorhringen. Mit dem Erwachen der Intelligenz beginnt eine
Thätigkeit, die auf gleiche Weise in den verschiedensten Ländern den Menschen von dem
Archiv hr Anthropologie. BJ. III. Heft %. 34
Digitized by Google
206 Hermann Schaaf fhausen. Die Lehre Darwin’s und die Anthropologie.
Zwange der Natur zu befreien strebt, bis endlich auf den höchsten Stufen der Cultur die
edlere menschliche Gesellschaft nicht nur in Nahrung, Kleidung und Wohnung Überein-
stimmende Gewohnheiten angenommen hat, sondorn auch durch ein gleiches Denken, Fühlen
und Streben jene höhere Einheit der menschlichen Natur beweist, die, wenn sio auch nicht
im ersten Ursprünge unseres Geschlechtes schon vorhanden war, uns doch, was viel wichtiger
Ist, als das glänzende Ziel der menschlichen Entwicklung entgegenleuchtet.
Digitized by Google
XVI
Sind das Stein-, Bronze- und Eisenalter der vorhistorischen
Zeit nur die Entwicklungsphasen des Oulturzustandes eines
Volkes, oder sind sie mit dem Auftreten verschiedener
Völkerschaften verknüpft?
Eine antiquarische Untersuchung
Von
Dr. v. Maaok
I* Hirt >).
Die dänischen Archäologen zogen ans der Untersuchung der Gräber ihres Landes, welche
bald blos Steingerätb, bald nur bronzene oder eiserne Waffen und Werkzeuge enthielten, den
Schluss, dass die Urbewohner des Nordens keine Metalle gekannt und nur Stein, Knochen
und Horn zu ihren Waffen und Werkzeugen verarbeitet habon; dass dann in späterer Zeit
ein eroberndes Volk ins Land gedrungen, welches die Bronze und die Kenntniss ihrer Bear-
beitung mitgebraeht, und dass endlich schliesslich dieses Bronzevolk wiederum von einem
eiserne Watten führenden Volke unterjocht worden sei. In Betreff der Todtenbestattung aber
sprach man es aus, dass die grossen megalithischen Steingräber, oft, von künstlichen Erd-
kugeln überdeckt, von dem Steinaltervolke errichtet seien, welches seine Todten in ihnen
boisetzte, während das Bronzevolk seine Leichen verbrannte, die Knochenasche in Thon-
gefässe sammelte und diese, von einigen kleinen Steinplatten umstellt, in der Peripherie jener
Grabhügel des Steinaltervolkes zu verscharren pflegte. Man stellte also drei gänzlich ver-
schiedene und zeitlich getrennte, durch verschiedene Völker repräsentirte Cultur-
stufen auf. Jedoch alsbald überzeugte man sich, dass Uebergönge von einer Periode zur
andern stattgefunden. Man traf nämlich in manchen Gräbern Stein und Bronze, in anderen
') Der um die Archäologie hoch verdiente Mitherausgeber dieser Zeitschrift, Prof. Lindenschmit, hat im
dritten Bande dieses Archivs seine Ansicht über das fragliche Thema ausführlich dargelegt. Es wird daher
zur Klärung dieser alten Streitfrage vielleicht etwas beitragen, wenn nach dem llcchtsgrundsatze „audiatur et
altera pars“ die Verhandlungen weiter fortgefuhrt werden.
34*
Digitized by Google
2(J8
v. Maack,
Stein und Einen oder Bronze und Eisen oder wohl gar alle drei Stoffe: Stein, Bronze und
Eisen beisammen an. Man fand ferner auch in tnegalithischen Steingräbern Äschenurnen,
bald allein, bald neben Skeletten, also mit beigesetzten Leichen zusammen. Um nun unter
diesen Umständen die Hypothese von einem erobernden Bronzevolke entrecht zu halten, nahm
man zu der Annahme seine Zuflucht, dass das siegreiche Bronzevolk anfangs nach Sitte der
Ueberwundonen noch grosse megalithische Steingräber errichtet und in ihnen bald ver-
brannt, bald unverbrannt seine Todten beerdigt habe, während erst späterhin die Sitte des
Leichenbrandes allgemein üblich wurde. Man bedachte aber dabei nicht, dass es psycho-
logisch nicht denkbar ist, dass ein siegreiches Volk, gewohnt, seine Todten zu verbrennen,
diese seine Sitte, wenn auch nur zeitweilig aufgegeben und die Sitte der eben Unterworfenen
sogleich angenommen: grosse Steingräber errichtet und in diesen seine Leichen oder Aschen-
urneu beigesetzt habe. Lindenschmit hat Recht, wenn er bemerkt (Archiv für Anthropologie
Bd. III, S. 114), dass dies willkürlich und verfehlt sei, weil in der ersten Zeit des Eindringens
eines Volkes von überlegener Bildung die eingebrachte Sitte viel entschiedener dem Brauche
der Unterdrückten gegenüber festgehalten wird als späterhin, wo eher eine gegenseitige Ver-
ständigung und Vereinigung erfolgt. Uebcrdies erklärt jene Hypothese über den Eintritt
des Bronzealters im Norden nicht die merkwürdige Thatsache, dass die Bronzegeräthe in
allen Theilen der alten Welt im Wesentlichen vollkommen gleichartig constituirt sind.
Man hat ferner behauptet, dass eine Cnlturentwicklung bis zum Ackerbau, der Weberei
und vielseitigen handwerklichen Geschicklichkeiten unbedingt abhängig sei von dem Gebrauche
der Metalle, und man hat daher dem Steinaltervolke diese Kenntnisse geradezu abgesprochen,
eine Behauptung, welche durch die Entdeckung der Schweizer Pfahlbauten widerlegt wird.
Es haben — wie Lindenschmit (1- c- S. 108) sehr richtig bemerkt — zu der Summe der
in der Schweiz gefundenen Culturerzeugnisse die Stationen der Erz- und Eisenzeit ausser dem
importirten Metallgeräthe im Wesentlichen nichts weiter beigebraebt, was einen nennens-
werthen Fortschritt und eine bedeutende Zeitverschiedenheit von Jahrhunderten und Jahr-
tausenden zu begründen vermöchte. Daher sind die Metallgeräthe, die in den Pfahlbauten
vorliegen, nicht als ein nnturgeuiässes folgerichtiges Ergebnis« der vorausgehenden Bildungs-
zustände des Landes zu betrachten. Eine fremde höhere Cultur brachte das Erz ins Land,
aber das Erz keine höhere Cultur dem Lande. Die alten Bildungszustände, sobald sie sich
bis zur ausreichenden Beschaffenheit der Lebensbedürfnisse entwickelt batten, konnten einen
stationären Charakter behalten, so lange kein äusserer Anstoss erfolgte und so lange das
Eisen nicht zu allgemeinster und ausgiebigster Nutzung gelangte. — Es ist demnach die Zeit
der festen Niederlassung und des Ackerbaues der mitteleuropäischen Völker nicht im Min-
desten mit der Einführung der Metalle in Verbindung oder gar in ein abhängiges Verhältnis«
zu bringen (L c. S. 124).
Es ist daher ein folgenschwerer Irrthum der dänischen Archäologen gewesen, wenn sie
aus der stofflichen Verschiedenheit der Grabgaben (Stein, Bronze, Eisen) auf oine verschie-
dene Volkstümlichkeit der Begrabenen geschlossen. Die Gegner dieser Ansicht, dio siegreich
aus der Bekämpfung dieser Hypothese hervorgegangen, sind aber in den entgegengesetzten
Fehler verfallen, und haben daraus, dass aus den Grabgaben nicht auf eine verschiedene
Volkstümlichkeit der Begrabenen geschlossen werden könne, den Schluss gezogen, dass also
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 269
das Volk des Steinalters und der Bronze- und Eisenzeit ein und dasselbe gewesen. Aller-
dings ist es falsch, dass mit den bestimmten Perioden des Steins und der Bronze verschie-
dene Völker in Beziehung stehen müssen, aber ebenso falsch ist es, aus der Gleichheit der
Grabgaben auf die Einheit und Identität des Volkes zu schliessen. Zur Feststellung der
Nationalität einer Bevölkerung bedarf es eines ganz andern Mittels, welches bis jetzt in der
Archäologie noch nicht in Anwendung gebracht worden ist. Doch darüber später!
In ganz Europa und einem Theile von Afrika und Asien findet man Gräber von der
verschiedensten Bauart, in welche bald Leichen, bald Aschenurnen beigesetzt sind, Gräber,
die aber sämmtlich darin Ubereinstimmen, dass sie kein Metall , sondern nur Waffen, Uten-
silien, Werkzeuge und Schmuck von Stein, Knochen, Horn und Thon enthalten. Da nun die
Gleichheit der Grabgaben allein noch keinen überzeugenden Grund abzugeben schien, dass die
Urbewohner Europas ein und dasselbe Volk gewesen, welches alsdann auch einen Theil von
Afrika und Asien eingenommen haben muss, so hat man sich bemüht, um diese Einheit dar-
zuthun, einmal einen allmäligen Uebergang der verschiedenen Gräberformen nachzuweisen,
und demnächst hat man den Zusammenhang zwischen der Bestattungsweise der Todten und
der verschiedenen Nationalität der Völker in Abredo gestellt.
I. Der allmälige Uebergang der verschiedenen Gräberformen von der einfachen Erd-
grube bis zum Bau des megalithischen Steingrabes lässt sich allerdings nachweisen. Denn
wir finden die einfache Erdgrube hier mit Steinplatten ausgesetzt, dort ist die auf dem Ur-
boden hingestreckte Leiche mit ganz niedrigen flachen Steinen umstellt und mit Erde bedeckt;
die Steine, an Grosso zunehmend, bilden dann Plattengrähon, von denen der Uebergang zu
den niederen sogenannten Halbdolmen und von diesen zu den Riesenbauten aller Art, frei
liegend oder von Erdhügcln überdeckt, ein ganz allmäliger ist. Wir finden ferner die ver-
schiedensten Bildungsstufen der Gefnsse und Steingeräthe bis zu den feingeschliffenen Mcis-
seln und den durchbohrten Stcinhämmem ohne allen Zusammenhang mit der einfacheren oder
complicirteren Art der Grabosconstruction. Die Erdgräber enthalten sowohl geringere als
bessere Geräthe, die Plattengräber aber die rohesten Gefässe. Neben der verschiedenen Art
der Grabkammern: Plattengrab, steinumsetzte Grabstelle, einfache Erdgrube, findet man
sowohl die vereinzelte Lage des Grabes als auch die Vereinigung einer kleineren oder grös-
seren Zahl auf Friedhöfen. Alle Verschiedenheiten finden sich auch in den Gräbern der spä-
teren Zeit; sie sind nach Lindensclimit von untergeordneter Bedeutung von dorGemeinsam-
keit des Gesammteharaktcrs, von dem Zeugniss einer Gleichartigkeit der Lebensweise und
Lebenszustände, während der Dauer eines grossen Zeitraums mühevollen und langsamen
Bildungsfortschritts (L c. & 113).
Während nun ein Theil der Archäologen, angeblich „ans grübelnder Unterscheidungslust,“
sich bemühte in diese höchst verworrene Masse, in dieses Chaos eiue Ordnung zu bringen,
stellte eine andere Partei, deren eifriger Vorkämpfer Lindenschmit ist, den Grundsatz auf,
dass „bei der grossen Zahl der örtlich und zeitlich vortretenden Verschiedenheiten der Gräber
ein Einblick in so fern obliegende Verhältnisse nur zu gewinnen sei nicht aus einer ängstlichen
und kleinlichen Lösung des Zusammenhangs auf Grund untergeordneter Verhältnisse, nicht
durch Unterscheidung nach vereinzelten Merkmalen, sondern, da die sprechendsten Zeichen
nächster Verwandtschaft vorliogen, aus einem Alles umfassenden Ucberblick, aus oiner Auffin-
Digitized by Google
•270
v. Maack,
düng des durchgehend Gemeinsamen, einem Hervorheben des Verbindenden und Gleichartigen
(I. c. S. 115 und 125). Allerdings hat Lindenschmit dann Hecht, dass der Unterscheidung
nach vereinzelten Merkmalen, eben von untergeordnetem Werthe, kein entscheidendes
Gewicht beizulegen sei; er macht auch mit Grund darauf aufmerksam, wie der Versuch, die
Grabdenkmale ohne Berücksichtigung ihres vor allen wichtigen Inhaltes allein nach Bau und
äusseren Verhältnissen zu ordnen, nur die Verwirrung vollenden musste, weil man dann die
allerältesten Gräber mit den allerspätesten in einer und derselben Abtheilung, nämlich jener
der Gräber im flachen Boden, vereinigen musste. Auch ist die Gegenüberstellung der Hünen-
gräber und der gleichartigen unterirdischen Grabkammer nicht begründet, wie denn auch die
Plattengräber und geschlossenen Steinkisten der Grabhügel sich im Wesen von der unter-
irdischen Grabkammer nicht unterscheiden (1. c. S. 115). Es ist daher auch unzulässig, Schlüsse
zu ziehen aus dem Uebergang der unterirdischen Steinkammer zu der Steiukiste, sowie aus
der Vertauschung eines umfangreichen Baues mit einem kleineren derselben Construction.
Man kann Lindenschmit überdies gern einräumen, dass einerseits die einige 40 verschie-
denen Abtheilungen für die Structur der Grabbauten zum Theil auf kleinliche und unwesent-
liche Differenzen beruhen, und dass anderseits die Versuche, die grosso rudis indigestaque moles
der Gräber cinzutheilen und zu ordnen, mehr oder minder verunglückt sind, aber nimmer-
mehr kann die wissenschaftliche Forschung das Interdict anerkennen, welches Linden-
Rchmit ganz allgemein ausspricht gegen jeden ferneren Versuch der auf einen Complex
wesentlicher Differenzen beruhenden Unterscheidung der Gräber. Allerdings ist es zweck-
mässig, uro sich über die Masse des vorliegenden Materials zu orientiren, um einen „Alles
umfassenden Ueberblick“ zu gewinnen, das Gemeinsame aufzusuchen und das Verbindende
und Gleichartige hervorzuheben; allein dabei für immer stehen bleiben und jeden ferneren
Versuch der Classificirung von vom herein zu verwerfen, weil alle bisherigen Versuche ver-
unglückt sind, das widerspricht durchaus der Weise, wie man in den Naturwissenschaften
zu Werke geht. Wie viele verunglückte Versuche sind nicht gemacht worden, die organischen
Naturkörper in ein System einzuordnen, bis endlich Linnde auftrat und den Grund legte,
auf dem seine Nachfolger weiter fortbauen konnten. Aber selbst seine Aufstellung der Classe
der Insecten und Würmer war nur eine unvollkommene, namentlich konnten die letzteren
nur negativ definirt werden, als weissblütige Thiere, die keino Insecten sind (Blumenbach,
Handbuch der Naturgeschichte, 11. Ausgabe, Göttingen 1825, S. 355). Es kam ein Cu vier
und seine Nachfolger und sondert« aus der Lin ne 'sehen Classe der Insecten die Arachniden
und Crustaceen ab und brachte Licht und Ordnung in die Classe der Würmer durch die Unter-
scheidung der Mollusken, Radiaten, Infusorien u. s. w. So ist denn noch keineswegs die Hoff-
nung aufgegeben, dass auch die bunte Mannigfaltigkeit, welche in der Gräberwelt der Urzeit
uns noch verwirrt, dereinst durch ihren Cuvier geordnet werden wird. Dadurch aber, dass
man einen allmäligen Uebergang der verschiedenen Grabformen nnchweisen kann, ist man
noch nicht befugt, den Grundsatz aufzustellen, dass man von einem jeden Versuche, sie zu
classificiren abstehen müsse, denn dann wäre ja das Bestreben der Craniologen, die verschie-
denen menschlichen Schädelformen zu sondern, die doch noch weit allmäliger in einander
übergehen, als die Gräberforrnon, ein durchaus eitles und eine Craniologie wäre ein Unding.
Ein wichtiges Moment bei der Gräbereintheilung hat Lindenschmit wenig beachtet, weuu
Digitized by Google
271
antiquarische Untersuchung.
nicht gar zum Theil ganz übersehen. Es ist dies das geographische, ein Moment, welches
Lindcnschmit doch sonst sehr wohl beachtet und der Beachtung empfiehlt, z. B. bei der geo-
graphischen Verbreitung jener Ringformen, die man für Schwurringe gehalten (efr. Andree,
Globus XIV, S. 180). Es kommt gar nicht darauf an, dass in dem leider! heutigen Tages blos geo-
graphischen Begriff Deutschland alle Uebergänge von Grabformen nachzuweisen sind, sondern
die Thatsache entscheidet, dass einzelne Grabformen nur in der Nähe der Küste des Meeres
und längs dem (besonders untern) Lauf der Fliisso im westlichen und einem Theile des nörd-
lichen Europas Vorkommen (A. Bertrand); dass dagegen diese Grabformen allen von der
See entfernteren Binnenländern, dem Innern von Mitteleuropa und dem ganzen ÜBten und
dem Hochnorden dieses Welttheils fehlen, wo allerdings einst auch ein Steinalter geherrscht
hat, und wo man dieselben Grabgaben aus Stein, Knochen, Hom und Thon findet, die aber nie
in jenen ganz bestimmten Grabformen Vorkommen. Es hat also in der gegenwärtigen Erd-
epoche ganz Europa in der Urzeit eine Steinperiode, die neolithische, gehabt. In dieser
müssen wir aber eine doppelte unterscheiden, die zum Theil gleichzeitig neben einander be-
standen haben. Die eine hatte, wie gesagt, ihren Sitz an den Meeresküsten von West- und
einem Theile von Nordeuropa, wir wollen sie — a potiori fit denominatio — das inegali-
thische Steinalter nennen, die andere im Binnenlande sei — da ein Name fiir sie durch-
aus nöthig ist — als die cryptolithische Steinzeit bezeichnet'). Zu dieser gehören ausser
mancher andern Grabform auch die einfachen flachen Erdgräber ohne jeden Steinbau, welche
man vereinzelt oder in Gruppen am Rhein und im südlichen Deutschland findet, und deren
Beigaben und Waffen auch aus Stein, Knochen, Horn und Thon bestehen. Es unterscheiden
sich also das megalithische und cryptolithische Steinalter nicht durch ihre Grabgaben, die
überall wesentlich dieselben sind, sondern nur negativ durch den Mangel der gross-
artigen Steinbauten im Gebiete der cryptolithischen Steinzeit, deren Abwesen-
heit im Rheinlande ja Lindenschmit selbst bestätigt (S. 111). Diese Eintheilung hält sich
streng an die Thatsachen, sie ist keine subjectiv „ergriibelte“, ob sie aber eine auf wesentliche
Differenzen begründete oder eine von untergeordneter Bedeutung sei, das wollen wir jetzt
untersuchen, da ohne Beweisgründe darüber nichts zu entscheiden ist; denn das snbjective
Meinen des Einen und das Nichtmeinen des Anderen über Wesentliches und Unwesentliches
ist ganz irrelevant. Wenn es uns nun aber gelingen sollte den Beweis zu führen, dass das
Volk des megalithischen Steinalters eine durchaus verschiedene Nationalität von dem der cry-
ptolithischen Steinzeit gehabt, so wird man vielleicht wohl einräumon, dass die locale Unter-
scheidung diesen Grabformen eine wohlbegründete und von keiner untergeordneten Bedeu-
tung sei, weil gebunden an eine bestimmte Volkstümlichkeit, an eine bestimmte Oertlichkeit.
Zur Erkcnntniss der specifischen Nationalität einer Bevölkerung gehört aber die Kenntniss
ihrer Sprache, denn diese ist das Hauptcrkennungszoichen jener (J. Grimm). Hat nun das
Volk der megalithischen Steinzeit irgend ein Sprachdenkmal in seinem Verbreitungsgebiete
hinterlassen? Allerdings! nämlich einmal in Ortsnamen und zweitens in einzelnen Wörtern
und Bezeichnungen, welche in die Sprache der späteren Bewohner des Landes übergegangen
') Ich weiw recht gut, welche Einwendungen gegen diesen Namen erhoben werden können, doch habe
ich keinen bessern zu finden vermocht.
Digitized by Google
272
v. Mauck,
Rind. Wir bleiben daher geistige Fremdlinge im eigenen Lande, wenn wir die vorausgegau-
gcnen Völker nicht verstehen; kennen wir aber ihre sprachliche Fortdauer und Fortwirkung,
so wird uns vieles klar und verständlich, was uns vorher unbegreiflich und unerklärlich war
und was wir auf andere Weise nicht enträthseln können (Mone, die gallische Sprache.
Karlsruhe 1851. S. IV). In Schleswig-Holstein und Dänemark findet man eine Menge Orts-
namen, die aus keiner andern Sprache sich erklären lassen, als einzig und allein aus dem
irischen oder gaelischen Idiome. Einen vollständigen Nachweis dieser Thataacho müssen wir
einer besonderen Abhandlung Vorbehalten und können hier nur eine Anzahl Beispiele an-
führen. So leitet sich der Name Fünen, Fion-i-a, ab vom gael. fionn (sprich fin), schön und i
die Insel, also die schöne Insel; die Schlei, Sie, Slia vom irischon le, lia, Wasser, mit dem im
Irischen häufig prosthetischen S , nach irischen Grammatikern dem Könige der Buchstaben ;
die Elbe, Albis vom gael. bais (sprich bis), Wasser mit dem vergrössemden Pracfix al, also das
grosse Waaser; der Eridanus vom gael. airdhe (sprich erj), der Osten und dan, Wasser, Fluss,
also der Oststrom, von dem ich den vollständigen Beweis geführt (Kon er ’s Zeitschrift für
Geographie, Bd. II, S. 17 — 27), dass damit von den gael. Bewohnern Britanniens die Elbe
bezeichnet worden ist, während die gaelischen Anwohner dieaon Fluss Albis nannten '). Auch
der Nebenfluss der Elbe, die Bille, sowie die Schwale, welche in die Stör und die Biesten, die
in die Trave fällt, tragen gaelische oder irische Namen ; denn Bille, dessen alter Name Bilen-a
ist, leitet sich ab von bill, klein und ean, Wasser; die Schwale von sua, der Bach und lu, klein;
die Biester von bais (bis), Wasser und der, klein. Im östlichen Holstein (Wagrien) befindet
sieh eine Danau. Der Segobergor Kalkberg liiess früher Alberg, von dem gael. al, der Stein ’)•
Auch manche Dorfnamen gehören hierher, z. B. Kolmar in der Elbmarsch, vom gaeL coill
(sprich col), den Wald und mor, gross, der grosse Wald (der Plöner See hiess früher Colsee);
Muxall in der Probstei von mogh, Bauerhof und sal, gross; Tomby in Angeln von tom, Hügel
und bi, klein u. s. w. Die zahlreichen Ortsnamen auf — um pflegt nmn aus dem Friesischen
zu erklären, allein sie kommen auch vor, wo nie Friesen gelebt haben, wie auf Fünen, Seeland
und im südlichen Schweden. Ueberdie* bildet dies Wort bisweilen die Anfangssylbe dos
Namens, z. B. Ommel, Dorf auf Aeröe, vom ir. om, Bauorhof und el, gross. Ebenfalls finden
sich im Dänischen und Altnordischen viele irische Wörter, z. B. dän. und ir. bord, Tisch; dän.
mind. wenig, gering, ir. mean, klein, dän Troel, gael. traill, der Sklave ; dän. fork, die Heugabel,
ir. forc, dieSpitze; dän. pot, gael poit, Topf, dän. kop, Tasse; gael. cop, Becher; dän. tusmörke,
die Dämmerung; gael. tus, der Anfang, also tusmörke = der Anfang der Dunkelheit; altn.
knörr, gael. enarrn das KaufschifT; altn. skeid, gael. scud, das Langschiff; altn. lam, gaeL larnh,
die Hand ; altn. slodi, quid quid post navem trahitur, gael. slaodadh. nachschleppon, slaod, das
*) Da*» der Same Kridanus nicht zusammenhängt mit den Samen der Dänen, Dani, geht, abgesehen von
anderen Gründen, schon aus der verschiedenen Quantität der Sylbe Dan hervor: Eridanus . dagegen Däui.
— *) Wenn Nilston (das Steinalter. Hamburg 1868. S. 147, Not. 10), der den Namen Alberg in Holstein
glaubt ableiten an können von dem lappischen Worte all, hoch, so ist dagegen zu bemerken, einmal dass
ans verschiedenen Sprachen wohl zwei Substantive zu einem Worte, aber nie ein Adjcctir au« der einen
Sprache mit einem Substantiv aus der andern verbunden worden und demnächst da*» die Germanen in
Deutschland nicht die Nachfolger der Lappen gewesen, wie es in Schweden der Fall war, wenn diese über-
haupt je in Schleswig-Holstein gehaust halten, also unmöglich ein lappisches Wort mit einem deutschen ver-
bunden werden konnte.
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 273
Floss. Ferner die dänischen und altnordischen Personennamen: Niels (gael. Nial, der Schwarze
Finn fgaeL Fionn, der Schöne, der Blonde), Oie (gael. oil, alore, nutrire), Gorm (gael. gorm,
blau, edel) u. s. w. Schon J. Grimm (Geschichte der deutschen Sprache, S. 41 und 60)
bemerkt, dass das Nordische mehr Gemeinschaft mit dem Keltischen, das Hochdeutsche mehr
mit dem Slavischen hat. Auch im Plattdeutschen kommen viele gaelische Wörter vor. Da aber
in der vorliegenden Frage nur die Ortsnamen von entscheidendem Gewichte sind, weil sie im
Lande selbst einen Verkehr zwischen verschiedenen Völkern beweisen, während in die
Sprache fremde Wörter von aussen her möglicherweise recipirt sein können, so gehen wir
an diesem Orte nicht näher ein auf das Verhältniss der plattdeutschen zur irischen respective
gallischen Sprache. Weil sich nun irische Ortsnamen überall im deutschen und holländischen
Gebiete der megalithischen Steinzeit nach weisen lassen, da ferner Lluyd n. A. bewiesen,
daas viele Namen Südenglands gae lisch und nicht kymrisch sind und eine Prüfung der Orts-
namen Frankreichs gewiss zu demselben Resultate fuhren wird, da ja J. Grimm (Kleine
Schriften, Bd. II, S. 125 und 144 fg.) den Beweis geliefert hat, daas die im vierten Jahr-
hundert n. Chr. in Aquitanien herrschende Sprache sich mehr dem irischen als dem kymrischen
Idiome genähert habe, so möchte wohl die Verbreitung der Iren vorläufig über einen grossen
Theil des megalithischen Steingebietes in Europa nachgewiesen sein. Im zweiten Theile
meiner Urgeschichte des schleswig-holsteinachen Landes wird dieses Thema noch ausführlicher
besprochen werden, als es hier möglich ist. Bis nun Lindenschmit in wenigstens einem
grossen Theil des europäischen Gebietes der cryptolithischen Steinzeit (Mittel-, Ost- und einem
Theil von Nordeuropa) aus den Ortsnamen ebenfalls die frühere Anwesenheit der Iren oder
Gaelen nachgewiesen haben wird, ist man, wie ich glaube annehmen zu dürfen, befugt, aus
der An- und Abwesenheit dieses Volkes in dem Gebiete des megalithischen und crypto-
lithischen Steinalters auf eine wesentliche Differenz der megalithischen Gräber wie der
cryptolithischen zu schliessen, wenn auch die Grabgaben in beiden wesentlich die gleichen
sind und die Plattengräber in beiden Gebieten Vorkommen, wo die Natur das Material
dazu, eine leicht spaltbare Steinart, geliefert hat. Während im Gebiete der crypto-
lithischen Steinzeit das Plattengrab die höchste Entwicklung des Gräberbaues ist, stellt
dasselbe im Gebiete des megalithischen Steinalters eine einfachere niedere Form des
Grabes dar. Im cryptolithischen Gebiete wird das Plattengrab im Urboden, wie zu Ober-
ingelheim, angelegt, während im megalithischen Gebiete, wenigstens im Norden (Schonen),
das Plattengrab gleich dem megalithischen Steinbau auf dem Urboden placirt ist, ent-
weder frei zu Tage liegend oder von einem Tnmulus bedeckt Es lassen Bich übrigens
keine scharfe Grenzen zwischen beiden Gebieten ziehen, sie gehen hie und da in einander
Uber, wie man ja denn auch Gräber der megalithischen Steinzeit bis nach Thüringen und
Schlesien hinein 'verfolgt hat — Ja wir geben noch einen Schritt weiter und würden kein
Bedenken tragen, auch da, wo in einem Lande Ortsnamen gaelischen Ursprungs sich naeh-
weisen lassen, die vormalige Anwesenheit dieses Volkes anzuerkennen, wenn auch nur Platton-
gräber als die höchste Form der Steinaltergräber sollten gefunden werden. Es ist daher von
der grössten Wichtigkeit, dass ein local- und geschichtkundiger Schweizer Antiquar, aus-
gerüstet mit den nöthigen Spmchkenntnissen, etwa Prof. Pictet in Genf, nach gaelischen
Ortsnamen in der Schweiz eine Nachforschung anstelle, deren Ergebniss, den Indicien nach
Archiv für Anthropologie. IM. UL Hell 3. 35
Digitized by Google
274
v. Maack
zu urtheilen (r. B. die Furka, vom ir. fore. m., die S[>itze, die Bergspitze), ein positives sein
wird. Daraus würde aber folgen, dass möglicherweise in dem südwestlichen an der Schweiz
angrenzenden Theile Deuschlands, falls irische und gaelische Ortsamen dort nachzu weisen
sind und ein Theil der Plattengräber nur Steinsachen enthalten sollte, ebenfalls Iren (Ligu-
ren) gehaust haben. Plattengräber allein wlirden noch nichts beweisen, denn diese könnten
von späteren Rückwanderungen gallischer Völkerschaften oder von gallischer unter römischer
Herrschaft angesiedelten Colouisten auf den Zehntländereieu herrühren, wünlen dann aber
auch Eisen und Bronze enthalten. Da die Liguren früher die Sitze der Rhaetier und Vinde-
liker eingenommen haben (Dunckcr, Bd. I, S. 72), so müssen sich gaelische Ortsnamen
in der Schweiz und ,dem südwestlichen Deutschland linden. Es ist demnach ein wichtiger
Gegenstand fernerer Untersuchung, ob die dem mcgalithischen und cryptolithischen Stein-
gebiete gemeinsamen Plattengräber nicht aber dadurch in das Gebiet der cryptolithischen
Steinzeit gekommen sind, dass sie die Gräber der früher oder später eingedrungenen Liguren
gewesen. Wo die grossen Irrblöcke fehlen, war man gezwungen, statt ihrer grosse Stein-
platten zum Gräberbau zu verwenden. Wenn es sich herausstellen sollte, dass nur da, wo
im cryptolithischen Gebiete Plattengräber Vorkommen, auch gaelische Ortsnamen sich finden,
so halten wir den gaelisclien Ursprung der Plattengräber für erwiesen. Lindenschmit macht
freilich gegen jede Trennung der norddeutschen Steingräber von den süddeutschen das Vor-
kommen von Erdgräbern mit Steinsachen und Leichenbestattung geltend, Gräber, die sowohl
in Mecklenburg (bei Plau und zu Roggow) als auch am Rhein, zwischen Bingen und Worms,
und in Süddeutschlaud (am Hinkelsteiu bei Monsheim, bei Ober- und Unteringelheim, bei
Dienheim und Herrnsheim , sowie unweit Ebringen) gefunden worden sind. Gewiss hat
Lindenschmit darin Recht, dass im Rheinlande viele solcher Erdgräber mit Steinsachen
und Skeletten bereits zerstört worden beim Schleifen von Anhöhen, beim Anlegen von Wein-
bergen u. s, w., und dass die Entdeckung der gewi&s noch vorhandenen durch den Anbau
des Bodens mit Weinpflanzungen sehr erschwert und fast unmöglich gemacht ist. Man kann
noch weiter gehen und ohne Prophotengabe Vorhersagen, dass man von ihnen noch manche
in Süddeutschland, Oesterreich und Ungarn finden werde, da sie eine der Gräberformen der
cryptolithischen Steinzeit sind. So sind neuerdings solche Gräber in Böhmen bei Brüx an
der Biela entdeckt (Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1868, Nr. 12, S. 391). Aber
wie steht es mit diesen Gräbern im Gebiete des mcgalithischen Steinalters? Es ist gewiss
eine auflallende Erscheinung, dass in Dänemark gar keine und in Mecklenburg nur zwei
solche Erdgräber gefunden (denn die Beweiskraft des dritten Grabes von Hohenwieschendorf
[Lisch, Jahrb. III, S. 366] bezweifelt selbst Lindenschmit), während doch gerade diese
beideu Länder »eit über einem Menschenalter in archäologischer Hinsicht so fleissig und
genau durchforscht sind, wie kaum ein anderes Land. Doch prüfen wir genauer die beiden
mecklenburger Erdgräber, ob sie das beweisen, was sie nach Lindenschmit beweisen
sollen.
1. Bei Plau (Lisch, Jahrb. XII, S. 400) fand man sechs Fuss tief im Kiessaude ein
menschliches Gerippe in hockender, fast knieender Stellung mit etwas rückwärts gelehntem
Oberleibe und daneben eine Axt von Hirschhorn, drei Hirschzähne und einen von einem Eber.
So weit berichtet Lindenschmit gewissenhaft den Fund, er erwähnt aber nichts von dem
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 275
Schädel, der ein klares Licht über die vorliegende Frage verbreitet Man erhielt ihn aller-
dings zertrümmert, nur das Stirnbein und der Unterkiefer wurden fast ganz gerettet, wolche
Knochen dann Lisch auch beschrieben hat. Allein es gelang später Schaaffhausen (Lisch,
Jahrb. XXIV, S. 184) den ganzen Schädel aus 22 Bruchstücken wieder zusammenzusetzen,
so dass wir jetzt von einem gewiegten Anatomen eine genaue Beschreibung, Messung und
Abbildung desselben (1. c. S. 188, Fig. 4, 5, 6) besitzen. Der Schädel ist bracbyeephal und
orthognath; seine Länge beträgt 168 Milliin., seine grösste Breite 138 Millim., sein Index
cephalicus ist also 82,1. Der Schädelumfang ist 445 Millim., die Länge des Schädelbogens
(von der Nasenwurzel über den Scheitel zum Hinterhauptsloche gemessen) 380 Millim. , die
Schädelcapacität, mit Hirse gemessen, 36 Unzen 3*/j Drachmen preuss. Medicinalgewicht. Vor
Allem in die Augen fallend ist der stark hervorragende Wulst der Augenbrauon und die fast
ganz hintenüberliegende Stirn. Die Schädelknochen sind dick — Stirn- und Scheitelbeine in
der Mitte 9 Millim. — dabei aber sehr leicht, an der Zunge stark anklebend. Die Muskel-
ansätze am Hinterhaupt und Uber dem Zitzenfortsatz sind stark entwickelt, so dass die
Schädelbasis in der Breite von einem Zitzenfortsatz zum andern 155 Millim. misst; alle
Schädelnähte sind ganz unverknöchert ; der letzte obere Backenzahn rechts ist noch nicht
durchgebrochen; die Zähne sind abgeschliffen, an einigen Mahlzähnen fast die ganze Krone
verschwunden; die unteren Eckzähne sind viel gröasor als die Schneidezähne und stehen Uber
die Zahnreihe vor ; das Foramen incisivum am Oberkiefor ist sehr gross, Uber 4 Millim. breit;
der aufsteigende Ast des Unterkiefers geht rechtwinklig ab, ist breit und kurz mit stark aus-
gebildeten Rauhigkeiten für die Muskelansätze. Auf dem rechten Scheitelbein ist ein läng-
licher Eindruck) wie von einem Schlage. Es ist also dies der sehr alte, normale Schädel
eines Individuums aus dem besten Lebensalter (wie der noch nicht durchgebrochene eine
Weisheitszahn beweist), mit auffallend thierischer Physiognomie (die zurückweichende Stirn
mit den starken Augenbranenwülsten, die starken Muskelansätze der Knochen und die vor-
stehenden Eckzähne).
Welcher Anatom wird nun aus der Beschreibung dieses Schädels dessen totale Ver-
schiedenheit von den Schädeln des Steinaltervolkes verkennen? Selbst der Nichtanatom
Lisch erklärt ihn für nicht übereinstimmend mit den Schädeln der Steinperiode, welche
schmächtig, nicht stark aber regelmässig gebildet, eine wenn auch schmale, jedoch hohe Stirn
und nicht so starke Muskelansätze haben. Er vergleicht den Plauer Schädel mit einem, der
sieben Fuss tief im Torfmoor von Langsdorf bei Sülz gefunden worden (Lisch, Jahrb. X,
S. 261) und in der grossherzoglichen Sammlung zu Schwerin sich befindet. Bei diesem Schär
del sind nach Schaaffhausen (Lisch, Jahrb. XXIV, S. 187) die Knochen nicht dick, aber,
obgleich aus einer ihrer Erhaltung günstigen Oertlichkeit, einem Torfmoor, herstammend,
sehr mürbe und folglich sehr alt; die Nähte offen, nicht verwachsen. Der Schädel ist klein,
länglich, in der Norma lateralis auffallend rund. Wenn aber der Schädel in der Norma ver-
ticalis länglich, in der Norma lateralis rund erscheint, so muss er nothwendig ein steno-
cephaler Schädel nach Aeby sein, d. h. seine Dolichocephalie ist begründet nicht in einer
Zunahme seiner Länge, sondern in einer Abnahme seiner Breite. Die Stirn ist ungewöhnlich
schmal, aber gut gewölbt; die kleinen, wulstigen Augenbrauenbogen berühren sich fast un-
mittelbar über der Nase. Die Gegend der Pfeilnaht springt kieUormig vor, wie an den soge-
36*
Digitized by Google
27ü
v. Mauek,
nannten kahnförmigen Schädeln; das Hinterhaupt ragt stark hervor und zeigt eine sehr ent-
wickelte, scharfe Spina und einen starken Höcker. Lindenscbmit wird nun in folge seiner
Theorie gezwungen sein, den Schädel von Plau, der nicht pathologisch, nicht synostotisch ist,
fiir einen urgermanischen zu erklären , wogegen aber die Craniologie Protest einlegen muss.
Kr gehört nämlich weder den Germanen noch dem megalithischen Steinaltervolke an, wenn
das Individuum auch in der megalithischen Steinzeit gelebt haben mag. Mit dem dolicho-
cephalen Schädel aus der Höhle des Neanderthals kann er wegen seiner Brachycephalie nicht
zusammengestellt werden; die Wulst der Augenbrauen ist bei dem letztem auch grösser, als
bei dem Plauer Schädel, welcher auch nicht im Diluvium gefunden worden ist Seine Capa-
cität (36 Unzen 3 '/, Drachmen per med. Gewicht) ist der des Neanderthaler Schädels fast
gleich, welcher, ebenfalls mit Hirse gemessen, davon 31 Unzen desselben Gewichts fasste.
Man muss aber nach Verhältniss der fehlenden Knochen des Schädelgrundes zur ganzen Hirn-
höhle ungefähr 6 Unzen hinzurechnen, so dass sieh darnach ein Schädelinhalt von 37 Unzen
ergeben würde. Wohin ist nun aber der Plauer Schädel zu bringen? Wir halten ihn, bis
wir eines Besseren belehrt worden, da er dem megalithischen Steinaltervolke nicht ange-
hören kann, für den Schädel des Volksstammes, welcher in den Speiseabfallhaufen eine Spur
Beines einstigen Daseins hinterlassen hat. Lindenschmit sieht nun freilich keine Differenz
zwischen diesem und dem Steinaltervolke, weil man in den Speiseabfallhaufen neben den ein-
fachen spabnfdrmigen Messern auch einzelne schön polirte Steingeräthe gefunden hat Er
stellt nämlich den Grundsatz auf, dass man, wie bei den Münzfunden, nach den schönsten und
am besten geschliffenen, d. h. den jüngsten Steingeräthen, die Zeit ihrer Fabrikation bestimmen
müsse, ganz unabhängig davon, ob sie die Mehrzahl bilden oder nur als Einzelstücke mit einer
Menge von Gegenständen altern Charakters vereinigt sind (1. c. S. 117 fg.). Dieser Grund-
satz hat seine volle Richtigkeit, jedoch nur für den Fall, dass, wie bei den Grabfunden, die
Steingeräthe mit dem Charakter eines jüngem und eines altern Alters gleichzeitig neben
einander niedergelegt sind, sie also aus derselben Zeitporiode herstammen. Bei den Speise-
abfallhaufen ist dies aber nicht bewiesen. Man ist darüber einig, dass die zahlreichen in
ihnen gefundenen spahnförmigen Feuersteinmesscr woggeworfon, die höchst vereinzelt vor-
kommenden, schön gearbeiteten, geschliffenen Steinsachen dagegen verloren gegangen sind.
Ob al>er jenes Wegwerfen und dieses Verlieren in derselben Zeitopocho stattgefunden oder ob
nicht gar etwa erst im Bronzealter, wo man ja auch noch Steingeräthe benutzte, selbige ver-
loren gegangen, das steht dahin. Erst wenn nachgewiesen worden, dass jene schön geschlif-
fenen Hämmer, Aexte und Meissel von Stein in der Tiefe, in den unteren Schichten des
Speiseabfallhaufens gefunden sind, kann man ihr gleichzeitiges Verlorengehen mit dem Weg-
werfen der rohen Feueretoinmcsser einräumen; findet man dagegen jene auf der Oberfläche oder
ganz oberflächlich im Muschellager, so ist es weit wahrscheinlicher, dass sie in viel späterer
Zeit verloren gegangen sind. Dass diese Interpretation keine spitzfindig ergrübelte ist, beweist
augenscheinlich ein ungeheurer Speiseabfallhaufen von 260 Meter Länge und 15 bis 20 Meter
Breite an der Mündung der Canche bei Etaples (Pas de Calais), in welchem man nicht blos
Scherben von Thongefässen gefunden, die zum Theil aus der Bronzezeit herstaminen, sondern
selbst solche, die gaUo-römischen Ursprungs sind (Hamy et Sauvage im Bulletin de la So-
cidtd d Anthropologie, 2"e Serie, Vol. II, 1867, pag, 362).
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 277
2. Der Fall von Roggow (Lisch, Jahrb. IX, S. 367) ist ein ganz anderer. Hier fand
man 8 Fuss tief unter der Oberfläche in sehr trockenem Sande oder im Orandboden eine
Menge unverbrannter Leichen aus dem Steinalter. In der Mitte lag ein grosses menschliches
Gerippe, neben dessen Haupt links ein Pferdeschädel und 6 bis 7 spahuformige Feuerstein-
messer sich vorfanden. Urnen standen am Kopfe und zu den Füssen. An beiden Seiten des
Gerippes lagen quer wenigstens 12 bis 16 andere Gerippe, darunter mehrere kleine, alle mit
den Köpfen dem grossen Gerippe zugekehrt, die Füsse seitwärts abgewendet. Alle Gerippe
und Schädel waren wohl erhalten. Daneben lagen Gefassscherben und Keile. Bei zwei
sehr wohl erhaltenen und gut gebildeten Schädeln, deren Nähte bei dem einen lose, bei dem
andern fast verwaclisen sind, waren die Zähne stark und kräftig, kein Zahn war hohl, obgleich
alle Backenzähne des altem Schädels nach aussen hin bis zur Hälfte der Krone abgenutzt
sind. — Der Pferdeschädel beweist^ dass das Grab nicht in die Zeitperiode der Speiseabfall-
haufen gehört, wo dieses Thier im Norden noch unbekannt war. In die megalithiscbe Stein-
zeit kann es aber auch nicht gesetzt werden, oben wegen seines Mangels an jedem Steinbau.
Es ist offenbar ein ganz anomales Bcgräbniss. Denn aus der streng regelmässigen Lagerung
der 12 bis 16 Leichen im Verhältniss zu der Centralleiche muss man notbwendig den Schiass
ziehen, dass sie alle gleichzeitig begraben worden sind, denn es ist undenkbar, dass mau
in einer Tiefe von 8 Fuss 12- bis 16mal dasselbe Grab geöffnot habe, um jedesmal eine neue
Leiche beizusetzen und zwar genau in demselben Niveau und in so bestimmter Lagerung,
ohne die früher begrabenen Leichen in Urordnung zu bringen. Bei einem gleichzeitigen Be-
graben aller Leichen konnte man, um das Verhältniss der Centralleiclie zu den übrigen au-
zudeuten, sehr leicht auf den Gedanken kommen, sie so auffallend zu lagern; es ist aber nicht
denkbar, dass dies geschehen, wenn die Leichen in grossen Zeitzwischenräumen begraben worden
sind. Wir halten allerdings auch mit Lindcnschmit dies Begräbniss für ein germanisches
— schon der wohl erhaltene Zustand aller Skelette scheint auf eine weit spätere Zeit zu
deuten — , aber wie diese Leichen hierher gekommen, können wir natürlich nicht erklären,
obgleich mehrere Möglichkeiten denkbar sind. Es widerspricht aber allen anerkannten Regeln
der Naturforscbung auf ein vereinzelt dastehendes, noch dazu ganz anomales, Factum eine
Fundamentaltheorie mit Lindensclimit gründen zu wollen.
Wenn nun auch Lindenschmit's Beweisführung von der Einheit des Stcinaltervolkes
in Nord- und Suddeutschland aus dem Vorkommen der einfachen Erdgräber beiderseits für
eine misslungene zu erklären ist, so könnte man aber anderseits auch gegen die Ansicht,
dass die Gahlen das Steinaltervolk gewesen und dass diese das ganze megalithiscbe Stein-
gcbiot nicht blos in Europa, sondern auch in Afrika und Asien nach und nach einst einge-
nommen haben, den Einw&nd erheben, dies sei nur für einen Thoil des megalithischcn Stein-
gebiete» in Europa nachgewiesen, der Schluss aber von einem Thatt&uf das Ganze sei nicht zu-
lässig. Allerdings ist der linguistische Beweis aus dem Vorkommen gaelischcr Ortsnamen für
das ganze megalithische Steingebiet in Europa nicht vollständig geliefert, namentlich nicht
für Spanien. Nichtsdestoweniger lässt der Beweis sich boibringen, dass Gaelen einst auch
ansessig gewesen auf der iberischen Halbinsel. Abgesehen davon, dass der Name der Pro-
vinz Gallicien, Gallnecia (und Portugal?) darauf hindeutet, wird im zweiten Theil meiner
Urgeschichte des Schleswig-Holstoinschen Landes der Beweis geführt werden, dass die Li-
Digitized by Google
278
v. Muack,
garen und Gaelen ein und dasselbe Volk gewesen. Die Liguren haben aber, wie historisch
bezeugt wird, einst auf der iberischen Halbinsel gewohnt, welche nach ihnen bei Eratosthenes
die ligystische heisst. Nach allen alten Nachrichten sind die Iren (Scoti) von Spanien nach
Irland ausgewandert. Daher heisst es: Scoti ex Hispania in Hiberniam pervenisse in Omni-
bus nostris annalibus et fragmentis metricls constanti traditione celebrantur (O’Connor, He-
rum Hibernicamm Scriptorea vetere«, Vol. I, Pars II, pag. 25, cfr. Eilinburgh, Pbilosophical
Journal, January 1849, pag. 72; Prichard, Researches III, pag. 140—149). Es ist also
bewiesen, dass die Gaelen das ganze niegalithische Steinaltergebiet in Europa eingenommen
haben. Wie steht aber die Sache in Afrika und Asien? Was Afrika zunächst betrifft, so
kann uns hier die archäologische Untersuchung eine vorläufige Antwort ertbeilen. Unter den
Steindenkmälern kommen die Menhirs, die Cairns, die Steinkreise, sowie die Tumuli bei sehr
verschiedenen Völkern vor, und aus deren Anwesenheit ist noch nicht auf eine gleiche Volks-
thümlichkeit zu schliesscn. Wenn man aber die ganz eigen thümliche Gräberform der grossen
Dolmens in den räumlich von einander entferntesten Ländern (Siidskandinavien, Nordafrika
und Indien) wieder antrifft, so wird man schwerlich annchmen können, dies sei blosser Zu-
fall, die verschiedensten Völker seien ganz unabhängig von einander auf diese ganz charak-
teristische Grabform gekommen, die Bonst nicht vorkommt. Wenn nun aber in Afrika und in
Europa solche Gräber mit Denkmälern verwandter Natur gar in einem Erdhügel (Tumu-
lus) vereinigt vorgefunden werden, so ist kaum ein Zweifel, dass hier etwas Nationales
vorliegt und man den Zufall als bequemen und stets bereiten deus ex machina nicht wieder
dazwischen treten lassen kann. So findet man z. B. in Afrika, in der Bretagne und in Irland
die sogenannten Galgals (angeblich runde Opferkammem aus losen Steinen) bisweilen in dem-
selben Erdhilgel mit dem Dolmen vereinigt, wie z. B. am Mano-Lud bei Locmariaquer (Revue
archdolog., 1864, Vol. X, p. 355 — 364). Der einheimischen Sage nach sind die Iren auch von
Afrika ausgewandert. Dafür aber, dass die Gaelen ihre Urheimath in Asien gehabt, legt ihre
Sprache als Zweig der grossen arischen Sprachfamilie ein unverkennbares Zeugnis» ab1).
Allerdings ist unsere Kunde von der Verbreitung der Gaelen auf asiatischen Boden zur Zeit
noch so unvollständig und lückenhaft, dass eine klare Einsicht in diese Verhältnisse jetzt noch
unmöglich ist. Namentlich sind zur Klärung dieser Angelegenheit die aus dem Semitischen
unerklärlichen Ortsnamen auf semitischem Gebiete, wo gleichfalls megalithische Steingräber
Vorkommen, wie in Syrien und Palästina, von einem gewiegten Sprachforscher auf gaelische
Wurzeln zu untersuchen. Obermüller hat freilich in seinem Wörterbuche einen solchen Ver-
such bereits gemacht, allein bei seiner leichtfertigen, kritischen Weise zu etyinologisiren sind
seine Resultate unzuverlässig. In geschickteren Händen wird wohl dieses Desiderat der
Wissenschaft erfüllt werden. Dass fliese Aussicht nicht ganz grundlos, darauf deutet der
Name de9 Jordan s hin, cfr, Noack, Von Eden nach Golgatha, Leipzig 1868, Theil I, S. 101
in Verbindung mit meiner Abhandlung: Der benisteinführende Eridanus der Alten in Koner’s
Zeitschrift für Geographie, Bd. in, S. 17 fg., wo ich nachgowiesen, dass das Wort Dan in
•) Die Hypothese Benfey’s, da** Europa die Irhmmlth der Indogermanen gewesen (siehe die Vorrede
S. IX zu Kick’« Wörterbuch der indogermanischen Grundsprache, üöttingen 1868) ist jedenfalls noch nicht
einmal wahrscheinlich gemacht, geschweige denn bewiesen, so das* wir sie hier können anbeachtet lassen.
Digitized by Google
279
antiquarische Untersuchung.
den Fluasnamen Kridanus, Rhodanus, Khudon bei Marcianus Bd. II. S. 39 (die Düna) Danus
(Nebenfluss der Rhone), die heutige Dain oder Ain) Danubius, Tanais, der Don (welcher bei
Aberdeen in Schottland mündet) u. s. w. im Gaelischen Wasser oder Fluss bedeutet. — Nach
Lindenschmit (1. c. S. 116) lässt sich ein unverkennbarer Zusammenhang der ältesten Grab-
formen mit denen der letzten heidnischen und ersten christlichen Zeit nachweisen. Die Fried-
höfe aus der merowingischen Zeit geben Zeugniss für die lange Dauer altnationalcr Sitte.
Wir begegnen unter den Franken, Burgundern und Alemannen theils vereinzelt, theils in
Mitte grosser Todtenl&ger auch den Steinkammem aus starken Blöcken zusammengestellt und
mit schweren unbehauenen Platten bedeckt — Steinkammem aus starken Blöcken
zusammengestellt und mit schweren unbehauenen Platten bedeckt sind megalithische
Steingräber, und diese müssen sich natürlich überall da finden, wo Franken, Burgunder und
Alemannen in das megalithische Gebiet eingedrungen sind. Da aber, wo diese Völker, z. B.
die Franken am Rhein, das cryptolithische Gebiet besetzten, da finde man nicht jene grosse
Steinbauten. Ich muss offen meine Unkunde bekennen, wo auf dem von den Alemannen be-
setzten Gebieten Deutschlands und der Schweiz megalithische Steingräber in unserem Sinne
des Wortes gefunden werden. Wenn die Gräber unweit Ebringen aus dem sechsten bis
achten Jahrhundert zum Verwechseln ähnlich sind mit den Plattengräbern des Friedhofes von
Oberingelheim, so beweist dies allerdings die Zusammengehörigkeit beider, aber durchaus
nicht ihre Zusammenstellung mit den mcgalitliischen Steingräbern des Nordens. Diese
kommen nie 10 Fass tief im Urboden vor, wenn sie auch nicht gar selten von einem Tu-
mulus bedeckt sind, dor über 10 Fuss hoch über dem Urboden emporragt, und wenn auch
nicht gar selten zwei, drei oder mehrere Hünenbetten, Hünengräber und Steinkammern nahe
bei einander Vorkommen, so ist deren Anzahl doch nicht zu vergleichen mit der auf den Fried-
höfen im cryptolithiscbcn Steinalter. So wurden z. B. zu Oberingelheim auf je 6 Quadrat-
klaftor 10 bis 12 Plattengräber gefunden. Ucbrigens bemerke ich schliesslich noch ausdrück-
lich, dass ich keineswegs für das Gebiet der cryptolithischen Steinzeit auch eine Nationalität
statuirc; ich betrachte diese Frage noch zur Zeit für eine offene, wenn gleicheine Bolche Ein-
heit sehr unwahrscheinlich ist
IL In Betreff der Bestattungsweise bestreitet Lindenschmit jeden Zusammenhang
zwischen dieser — Leichenbeerdigung, Leichenbrand — und der verschiedenen Nationalität
der Begrabenen. Er sieht im Leichenbrande nur einen Vorgang, durch den gleich wie bei
der Beerdigung der schauderhafte Anblick der Leichenzersetzung schnell beseitigt werden soll.
Man war ja früher in Besitz des Feuers gekommen als in den Besitz von Werkzeugen zum Gra-
ben, folglich wird man die Leichen früher verbrannt als begraben haben — ( a posse ad esse non
valot cousequentia) — ; jedenfalls „glaubt“ er, dass die Verbrennung in eine ältere Zeit hinauf-
reichen muss, als der Bau der Hünengräber, und nach seiner „Ueberzeugung" reichen Leichen-
brand und Beerdigung gleichmässig in die Frühzeit der ersten festen Niederlassung der ein-
zelnen Stämme hinauf (L c. S. 113 und 114). Welchen Werth aber auf wissenschaftlichem
Gebiete jener Glaube und diese subjective Ueberzeugung, sowie der Schluss von der Möglich-
keit auf die Wirklichkeit habe, das fühlt Lindenschmit selbst durch sein Bekennen, dass
der Leichenbrand erst nachzuweisen sei, als man Thongefässe hatte. Daraus dürfe man
aber nicht etwa schliessen, dass der Leichenbrand erst seit dieser Zeit Sitte geworden, denn
Digitized by Google
280
v. Muaek,
man finde in Grabhügeln „späterer Zeit“ die Asche der Verbrannten einfach in einer vertieften
Stelle der Basis des Tuinulns geschüttet, woraus dem Leser dann überlassen bleibt, den
Schluss zu ziehen , dass dies auch in früherer Zeit der Fall gewesen sein mag. Der Hypo-
these Lindensohmit's liegt offenbar die Ansicht von der Zweckmässigkeit und Nützlichkeit
des Leichenbrandes zu Grunde. Man sieht aber nicht ein, weshalb man aus Zweckmässig,
keitsgründen von der nicht minder zweckmässigen Beerdigung, welche Lindenschmit doch
auch für die ursprüngliche Bestattungsweise ansieht, sollte abgegangen sein. Dies bleibt ein
unauflösliches Räthsel. Dagegen klärt die Völkerpsychologie die Sache vollkommen auf. Es
ist eine allgemein anerkannte psychologisch-historische Thatsache, dass jedes Volk an keiner
■Sitte so fest hält, wie an der mit religiösen Ideen zusammenhängenden Todtenbestattung.
Denn alle religiösen Sitten sind der Veränderung weniger unterworfen als die profanen
( Nilsson, das Steinalter. S. 1 14). Es ist daher ganz undenkbar, dass ein Volk plötzlich aus freien
Stücken, ohne alle äussere Veranlassung, auf den Einfall kommen sollte, anstatt die Leichen
beizusetzen, sie zu verbrennen. Wo ein solcher Wechsel stattgefunden, da ist daraus zunächst
der sichere Schluss auf eine verschiedene Religionsansicht, auf einen verschiedenen Cultus zu
ziehen. Die Beerdigung hängt zusammen mit dem uralten Cultus der unterirdischen, der
Leichenbrand mit dem spätem Cultus der himmlischen Mächte; während man erst den
Körper des Erdgeborenen wieder in den Schoss der mütterlichen Erde senkte, opferte man
ihn später dem Himmel. Um nach Walhalla zurückzukehren, Hessen sich Odin’s Gefährten,
damit die Seele nicht am Grabe klebe, mit ihren Schätzen verbrennen und Cenotaphien
errichten. Hier liegt die den Leichenbrand begründende religiöse Idee klar zu Tage, „Einer
Mutter gleich hat die Erde den aus ihr Geborenen in sich zuriiekempfangen, wie der Hellene
denn den Todten als Jijftijrptoj, den der Mutter Angehörigen, bezeichnete. Daher darf den
unterirdischen Mächten ihr Anspruch auf den Todten nicht verkürzt werden. Es steht dem-
nach das Begraben der Todten mit einer dustern, finstern Lebensansicht in Zusammenhang.“
(Grimm, Kleine Schriften. Bd. II, S. 243 fg.) Allerdings ist der Leichenbrand nicht in Ver-
bindung zu bringen mit der Einführung des Erzes, sondern mit einer Aenderung in den reli-
giösen Ansichten, daher denn auch das Christenthum das Begraben wieder zur allgemeinen
Sitte erhob, nicht aus blosser Opposition gegen das Heidenthum, sondern weil es aufs Innigste
mit seiner Weltansicht zusammenhing: aus Erde bist Du, zu Erde sollst Du wieder werden.
— Das megalithische Steinaltervolk war in späterer Zeit durch Handelsverbindungen mit
den höher cultivirton Völkern des Mittelmeeres in den Besitz von bronzenen Waffen und
Geräthen gekommen. Lindenschmit hat auf das Unwiderleglichste die Handelsroute durch
die Schweiz und das Rheinthal nach dem Norden hin nachgewiesen (L c S. 120 fg.), Womit
die uralten Nachrichten zu verbinden sind von einem heiligen Wege, uqi\ öäog, welcher,
von Italien über die Alpen führend, von allen angrenzenden Völkerschaften für einen im
ewigen Frieden liegenden erklärt worden ist. Der Zweck einer solchen Ausnahmestellung
eines Weges kann aber nur ein handelspolitischer gewesen sein, um den einen reichen Ge-
winn abwerfenden Verkehr mit dem Norden nicht zu stören. Nur das gemeinsame Interesse
aller bei einem solchen Verkehr interessirten Völkerschaften konnte ein solches Ueberein-
kommen zu Stande bringen. Durch einen solchen Zwischenhandel auf dem Landwege konnte
wohl dio Bronze nach dem Nonien gelangen , aber nicht die Bestattungsweise der Todten
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung
281
total umgewandelt werden. Man änderte daher die Bauart der Gräber nicht; in derselben
Grabforin finden wir daher wie früher Stein- jetzt Bronzesachen, bald allein, bald neben dein
Steiugeräth und dabei das Skelet.
Von der verschiedenen Bestatt ungs weise der Todten darf man aber auch nicht geradezu
auf eine verschiedene Nationalität der Volker sckliessen. Die dadurch angedeutet« Umwand-
lung in den Religionsausichten kann nämlich stattgefunden haben ohne Eindringen eines
fremden Volkes. So wissen wir z. B., dass, als Darius Hystaspis durch eine Gesandtschaft die
Karthager zu einem Bündniss gegen die Hellenen aufforderte und ihnen Vorstellungen
machen liess, nach Zarthustra’s reiner Lehre, in Zukunft, statt ihre Todten nach uralter
semitischer Sitte zu beerdigen, solche zu verbrennen, die Karthager das Bündniss zwar ab-
lehnten, aber von der Zeit den Leichenbrand zu üben versprachen, zumal da das Mutterland,
Phoenicien, als Provinz des persischen Reiches, auf diese Neuerung hatte umgehen müssen.
Andererseits kann man aber auch nicht von der gleichen Bestattungsweise auf eine gleiche
Volkstümlichkeit schliessen, wie denn beispielsweise Kelten und Wenden beide ihre Todten
verbrannten. Wenn also weder die Verschiedenheit noch die Gleichheit in der Bestattungs-
weise einen Beweis abgiebt für die verschiedene , noch für die gleiche Nationalität, so ist
Lindenschmit in einem Irrthum befangen, wenn er meint, das Gegenteil von der Hypo-
these eines Völkerwechsels ergebe sich daraus, dass der Zusammenhang der verschiedenen
Bestattungsarten merowingischer Friedhöfe mit denen der entferntesten Vorzeit sich ausser
Zweifel stellen lässt (Lc. S. 116). Die merowingischen Friedhöfe gehören der Zeit der Völker-
wanderung an, wo nicht blos die Völker, sondern auch ihre Sitten bunt gemischt wurden.
Beruhte der Beweis von dem Völker Wechsel, wie Lindenschmit zu meinen scheint, einzig
und allein auf der verschiedenen Bestattungs weise, dann stände diese Lehre allerdings aut
schwachen Fussen. Aber nicht aus der Bestattungsweise, sondern nur aus der Sprache lässt
sich eine verschiedene Nationalität erweisen.
Ein Hauptargument, welches Lindenschmit für seine Hypothese beibringt, ist die
Thatsache, dass bei gleicher Bauart der Gräber in Dänemark und Norddcutschland die Be-
stattungsweise eine ganz verschiedene gewesen: in Dänemark vorherrschend Leiclienbeerdigung,
in N’orddeutschland, Mecklenburg jedoch ausgenommen, vorherrschend der Leichenbrand.
Wie ist nun diese Differenz zu erklären? Will man die Urgeschichte eines Landes erforschen,
so muss man vor allen Dingen einen allgemeinen Ueberblick über die späteren Perioden
der vorhistorischen Zeit sich erworben haben, weil diese oft ein helles Licht auf die früheren
Zeiten zurückwerfeu, gleich wie man nach Thucydides Bd. I, S. 6 aus der Gegenwart die Ver-
gangenheit erkennen kann. Nun lässt sich ebenfalls auf linguistischem Wege darthun, dass einst
Kelten, d. h. Kymren, auf der kimkrischen Halbinsel, den dänischen Eilanden und Südschweden
(Ptolomäus' skandischen Inseln) gehaust liabAn. Ortsnamen sowohl als Sprachreste in dem
Idiom ihrer Nachfolger liefern davon den unumstößlichen Bowei-s, den ich in meiner Ur-
gescliichte des Schleswig- Holsteinischen Landes darlegen werde. Auch hier, wie überall wo
Kymren und Germanen zusammungestosseu, treffen wir ausser rein keltischen auch^auf Orts-
namen, deren erste Hälfte kymrisch, dereu letzte aber deutsch ist, eine Erscheinung, welche
sich einfach dadurch erklärt, dass die oinwandernden Germanen die keltischen Ausdrücke für
Dorf, Stadt, Wasser u. s. w. für Nomina propria ansehend, ihnen eine deutsche Bezeichnung
Archiv f»r Anthropologie. Bd. Ul. lief» 1. 36
Digitized by Google
v. Maack
‘282
anhängten. So bedeutet z. B. in dem Worte Kisdorf Kis ein Dorf1). Von rein keltischen
Namen finden wir beim Plinius: Mentonomon (cfr. meine Urgeschichte des Schleswig -Hol-
steinischen Landes, Thoil I, S. 35), Morimarusa (1. c. S. 43), Cartris vom wäl. carth, der äus-
serste Theil, das Vorgebirge, und bei dem Geographen von Ravenna den uralten Namen
der Eider Dina (1. c. S. 88). Von Flussnamen gehören hierher die Nebenflüsse der Elbe, die
Stör, brit. Ster., Fluss, und die Alster, d. h. der grosse Fluss. Auch viele Dorfnamen sind rein
keltisch, z. B. Hönkys (Dorf im Amte Apenrade, Nordschleswig), vom wäL hen, alt, und kis,
Dorf, also das alte Dorf; Nitcheln (Dorf in Wagrinen), vom wäl. nuchel, hoch, erhaben; Idstedt
(Dorf in Angeln), einst unter dem alten Namen Istathe, der Hauptort Schleswigs, wo y der
wälische Artikel ist, also die Stadt «or’ t'lo^iji», entsprechend dem spanischen ystad, gleich
wie das römische urbs (Rom) und das griechische otfru und sroAig (Athen, Constantinopel = Stam-
bul) Henstedt u. s. w. Ein Verkehr der Germanen mit den Kymren lässt sich also ebenso
wenig hier im Lande selbst in Abrede stellen, wie in einem grossen Thcile Norddeutschlands,
so dass folglich die Autochthonie der Germanen nichts ist als eine grundlose Hypothese. Auf
die zahlreichen kymrischen Wörter im Dänischen (ganz im Gegensatz zum Schwedischen, wo
sie weit seltener sind), wollen wir aus dem eben angegebenen Grunde nicht weiter eingehen,
nur können wir uns nicht versagen, wenigstens ein recht schlagendes Beispiel für den Ver-
kehr im Lande der Kymren mit dem vor ihrer Mischung mit den Nordgermanen rein
gothischen Volke der Dänen hier beizubringen. Eins der ärgsten, noch jetzt gebräuchlichen
Schimpfwort« in Dänemark ist: Din Keltring, d. h. Du Abkömmling eines Kelten! folglich
muss im Dänenvolke ein keltischer Bestandtheil enthalten gewesen sein. Nun wissen wir aber,
dass die Kelten ihre Todten verbrannten. Erst durch die Kymren kam der Leichenbrand
nach dem Norden. Während diese nun aber im Norden die in Thongefässen gesammelte
Knochenasche in dem Umkreise der Tumuli der megalithischen Steingräber vergruben und
nur ausnahmsweise sie in Steinkisten entweder allein oder neben einer beigesetzten Leiche
stellten, fand die letzte Bostattungsweise, die Beisetzung der Aschenumen in die Steinkammer
vorzugsweise in Norddeutschlaml bei den Kymren Statt. Lindenschmit irrt daher, wenn
er es auflallend findet, dass die dänischen und deutschen Systematiker zur Erklärung der
Thatsaohe, dass in Dänemark das Begraben, in Norddeutschland das Verbrennen „im Stein-
alter“ vorherrschte, eines fremden verschwundenen Urvolkes „bedurfte“, welches doch zwei ver-
schiedene Begräbnissarten hatte, wie die später höher gebildeten Einwanderer und Eroberer
(1. c. S. 114). Wir bedürfen nämlich keines Urvolkes mit zwei verschiedenen Begräbnissarten.
Das Urvolk, welches nicht spurlos verschwunden, sondern wenigstens theilweise mit den
eindringenden Kymren verschmolzen ist, übte nur die eine Sitte des Begrabeus; wo aber
in den megalithischen Gräbern die Reste einer Leichenverbrennung gefunden werden, da
stellten die siegreichen Ankömmlinge ihre Ascnenurnen in die Gräber der Ueberwundeneu.
Doch bemerkt Nilsson (das Steinalter, Hamburg 1868, S. 109) ausdrücklich, dass bei uns
(d. h. in Schonen) noch in keinem Ganggrabe Spuren von gebrannten Menschenknochen an-
getrofl'en.worden sind. Dabei lässt sich nun auch ein ganz allmäligcr Uebergang naehweisen:
I las, eite thaten auch die ((riechen t. B. in dem Namen An i steckt, da» iriiche ais, liügel,
Berg und irisch bior, Watser, also Bergwawer.
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 283
die Beisotzung der Aschenurnen in geringer Tiefe im Grabhügel des Steinalte rvolkes nahe
seiner Peripherie, oder auf dessen Spitze in grosserer Tiefe oberhalb der oentralen Stein-
kamuier, oder in einem Anbau an derselben oder endlich in dieser selbst bald neben einer
beerdigten Leiche, bald nach deren Entfernung. Alle diese Begräbnissweisen sind nicht an
besondere Localitüten gebunden, sondern finden sich überall im megalithlschen Steingebiete.
Während aber im Norden die Steingräber meistens ungestört bleiben, war dies im Süden
nicht der Fall. Schleswig- Holstein und namentlich Holstein bildet das Uebergangsglied
zwischen beiden , so dass es eine Zeitlang zweifelhaft gewesen, ob hier die nordische oder die
deutsche Begräbnissweise vorherrschte. Wir finden durchaus nichts Unerklärliches in diesen
Verhältnissen und können daraus nur auf eine verschiedene (sociale) Stellung der Ueber-
wundenen zu ihren Siegern schliessen. Und gleich wie wir ein megalithisches Steingrab mit
Bronzegaben allein oder in Verbindung mit Steinsachen neben einem Skelette ’ noch dem
Steinaltervolke beimessen, ohne dass eine Einwanderung eines neuen Volkes stattgefunden
(älteres Bronzealter), so schreiben wir jedes Grab, worin Leichenbrand allein oder in Ver-
bindung mit Leichenbeisetzung vorkommt , möge dabei Bronze- oder selbst ausschliesslich
Steingeräth gefunden werden, den eingewanderten Kelten zu (jüngeres Bronzealter); denn es
ist ja allgemein anerkannt, dass neben dem Bronze- noch lange Steingeräth in Gebrauch
gewesen und daher durchaus keine Nothwondigkeit vorliegt, dass jedesmal in den Gräbern
dieser Zeitperiode auch Bronze gefunden werden müsste. Diese erobernden Einwanderer
kannten allerdings die Bronze, welche ja aber auch bei dem Steinaltervolke bereits seit langer
Zeit Eingang gefunden hatte. Doch lernte man erst durch die neuen Ankömmlinge die Bear-
beitung der Metalle kennen , wobei aber natürlich der Import der Metallsachen (von Gold,
Bronze und selbst von Eisen) aus den Mittelmcerländem nach dem Norden hin ungestört
noch fortdauerte.
Als oberstes Eintheilungsprincip der Gräber der ruegalithischen Steinzeit gilt uns also
die Bestattungs weise: Leichenbeisetzung (Steinzeit und älteres Bronzealter) und Leichenbrand
(jüngeres Bronzealter). Bei der Leichenbeerdigung des Steiualtervolkes unterscheiden wir
demnächst je nach den Grabgaben (Stein, Bronze) das Stein- und ältere Bronzealter. Nur auf
diese Weise kommt, ohne dass den Thatsacheu Gewalt angethan wird, aber mit Berück-
sichtigung a 1 1 e r dabei in Betracht kommenden archäologischen Momente, namentlich auch
der linguistischen, klares Licht und einfache Ordnung in die bis dahin verwirrte Masse. Wir
haben damit einerseits erklärt, wie ohne Eindringen eines erobernden Volkes Metall in den
Steingräbern gefunden werden konnte, nämlich durch die Handelsverbindungen dos Steinalter-
volkes mit den Mittelmeerbewohnern, und andererseits die Behauptung Lindcnschmit's wider-
legt, dass es gradezu unmöglich sei, die Hünengräber und HUnenbetten von den übrigen Grab-
stätten auf Grund des iu den Steingräbern vorherrschenden Leicbenbrandes bei der völligen
Congruenz des beiderseitigen so charakteristischen Inhalts zeitlich und national zu scheiden
(L c. S. 113).
Es bleibt uns in dieser Hinsicht nur noch übrig zu untersuchen, ob cs begründet sei, dass
später eindringende erobernde Völker die megalithischen Gräber der Besiegten für ihre Todten
benutzt oder wohl gar solche Gräber noch späterhin errichtet haben sollten. Es kann, wie
bereits oben bemerkt, als auf linguistischem Wege bewiesen angesehen werden, dass das mega-
36*
Digitized by Google
v. Maack,
2*4
lithiscbe Steinaltervolk der Gaelen Liguren gewesen, die von Nordafrika au* in Europa ein-
gewandert sind. Es mnas aber diese Einwanderung vor der der Libyer (Berber) in Afrika
stattgefunden haben, weil sonst diese und nicbt die Liguren nach Europa hinUbergedrängt
worden wären. KeinenfalLs sind also die Libyer die ursprünglichen Erbauer der afrikanischen
megalithischen Steingräber. Denn da, wie oben nachgewiesen worden, die Erbauer der afri-
kanischen und europäischen megalithischen Steingräber ein und dasselbe Volk gewesen, so
wurden die Libyer, hätten sie in Afrika solche Gräber ursprünglich errichtet, auch in Europa,
so weit das megalithische Steingebiet sich erstreckt, dieselben erbaut haben müssen. Nun
rindet man aber von ihnen hier, abgesehen von ihren Niederlassungen auf einzelnen Inseln
des Mittelmeeres, z. B. Sardinien (Pausanias, cfr. O. Müller, die Etrusker, Bd. I, S. 183)
nicbt die geringste Spur, da doch die Gaelen überall in Ortsnamen ihren früheren Aufenthalt
documentirt haben. Wenn nun auch die Libyer nicht die Erbauer der afrikanischen mega-
lithischen Gräber gewesen sind, so haben sie sie doch unbedenklich für ihre Todten benutzt
Daher trifft man in den nordafrikanischen Dolmens in der Regel bronzene und eiserne Waffen
und Geräth, ja Feraud (Revue archeologique, 1863, Vol. VIII, pag. 520 sq.) fand in einer
Steinkiste eine BronzemUnze der römischen Kaiserin Faustina. Was aber in Afrika bei den
Libyern stattgefunden, das wird wahrscheinlich auch bei anderen Völkern in Europa und
Asien der Fall gewesen sein, da ein solches Benehmen einem rohen Sieger so nahe liegt.
Es fragt sich aber, ob man auch sichere Beweise dafür beizubringen im Stande ist Dazu
scheint der Fall nicht gerechnet werden zu- können von dem Krause (Archiv des Ver-
eins für Geschichte und Alterthümer. Stade 1864. Bd. II, S. 267 fg.) berichtet Man fand
nämlich zu Fickmühlen bei Bederkesa, Kirchspiel Flögeln (Hannover) in einem HUnengrabe
mit Steinkiste eine kleine Urne mit etwa 70 kleinen Silbermünzen von Vospasianus, Titus,
Antoninus, Pius und Philosoplius, Marcus Aurelius (?) und der Kaiserin Faustina, Aus dieser
Relation — das Original ist mir nicht zugänglich gewesen — ist nun nicht zu ersehen, ob die
kleine Urne mit den Silbermünzen in dem HUnengrabe selbst oder nur ausserhalb desselben
im Tumulus gefunden worden, ob es eine Aschenurne gewesen oder nicht. Nur für den Fall,
dass sie in der Steinkiste selbst angetroffen, kann sie als Beweis dienen, dass Germanen in
der römischen Kaiserzcit die megalithischen Steingräber für ihre Todten benutzt haben.
Dies ist aber höchst unwahrscheinlich, denn Tacitus (Germania cap. 27) sagt ausdrücklich von
den Germanen: monumentorum arduuni et operosum honorem ut gravem defunctis asper-
naritur, d. h. die ihm aus keltischen Landen wohl bekannten Riesengräber sind nicht ger-
manischen Ursprungs (Dr. Hartmann im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1863,
Nr. 4). Wenn nun aber auch die Germanen die megalithischen Steingräber nicht als Be-
gräbnissstätten für ihre Todten benutzten, so folgt daraus noch nicht, dass die Kymren, die
nächsten Nachfolger der Gaelen, die gleiche Sitte gehabt haben. Im Gegentheii, dass es bei
ihnen in der Dis auf den heutigen Tag rein keltischen Bretagne noch in viel späterer Zeit
(zwischen den Jahren 546 und 552 n. Ohr.) Gebrauch gewesen, in megalithischen Stein-
gräbern Todte beizusetzen, dafür bringt Lindenschmit selbst (1. c. S. 116) nach Gre-
gor von Tours, Bd. IV, S. 4, einen recht schlagenden Beweis bei. Dass aber die Grab-
kammer zur Verbergung ries flüchtigen Macliav (= M'Liav, d. h. des Sohnes von Liav [oder
Leif?], also Lefscn oder Lehsen) gegen seine Verfolger errichtet worden (wozu auch wohl
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 2S!»
keine Zeit vorhanden war), geht ans den Worten: aub terra in loco abscondit nicht hervor,
da nur gesagt wird: componens desuper ex more turnulam. Aus der Sitte einen Erdhügel
aufzuwerfen, darf man noch nicht auf die Sitte der Errichtung von megnlithischen Stein-
gräbern schliessen. Hätte der Chronist dies berichten wollen, so würde er sich anders aus-
gedrückt haben, als blos zu sagen: in loco sub terra, was indirect das Vorhandensein eines
megnlithischen Grabes anzudeuten scheint. Wenn aber die Kymren der Bretagne die Dol-
mens der Gaelon fiir ihre Todten benutzt, so werden aller Wahrscheinlichkeit nach die Kym-
ren Norddeutschlands dasselbe gethan haben. Wünschenswert!» ist es jedoch, dass dies un-
zweideutig nachgewiesen werde, was zu erwarten steht, wenn die Archäologen auf diesen
Punkt ihre Aufmerksamkeit gerichtet haben werden. Daraus aber, dass aus jener Stelle beim
Gregor von Tours noch nicht zu folgern ist, »lass um die Mitte des ü. Jahrhunderts n. Chr. die
Kymren in der Bretagne megalithische Steingräber errichteten, folgt nicht, dass Uber 1000
Jahr früher die Kymren hier in Norddeutschland dies nicht gethan haben. Es würde uns
viel zu weit von unserer Aufgabe abflihren, wenn wir hier näher auf diese Frage eingehen
wollten. Wir müssen daher auf unsere später erscheinende Urgeschichte des Schleswig-Hol-
steiniseben Landes verweisen, zumal da es hier von untergeordnetem Interesse ist zu wissen,
ob man noch im jüngeren Bronzealter megalithische Steingräber errichtet habe oder nicht.
Germanen haben es jedenfalls nicht gethan. Wenn aber Lindenschmit sagt (L c.
S. 111): „Bei der Abwesenheit der grossen Steinhauten im Rheinlande müssen wir annehmen,
dass unser steinzcitliehor Adel nicht gleiche Begriffe von Standesehre in Bezug seiner Gräber
hegte, wie der nordische, oder dass die rheinischen Hünen sich bei weitem keiner solchen An-
zahl bevorzugter Geschlechter erfreuon konnten, wie sie nach Ansicht unserer Antiquare aus
der Masse von Steindenkmälern für Mecklenburg und Hannover unzweifelhaft anzunehmen
ist“: so liegt einem solchen Aussprache die unerwiesene Ansicht zu Grunde, dass alle mega-
lithischen Steingräber nur für einen kleinen Theil des Volkes, für die Aristokratie bestimmt
gewesen, während die groase Mehrzahl der Volksgenossen in Sümpfen und Sandhügeln ihre
letzte Ruhestätte gefunden hätte. Eine dichte Bevölkerung des Landes ist nicht zu beweisen
und auch unwahrscheinlich, weil nur die Meeresküsten und Fjorde, der Lauf der Flüsse und
Landseen, nicht das Innere des Landes bewohnt gewesen. Aus diesem Grande und nach Ana-
logie der späteren Wanderungen ist es daher einleuchtend, dass das megalithische Steinalter-
volk der Gaelen nicht in einer grossen Masse, sondern in verschiedenen einzelnen kleinen
Clans sich längs den Westküsten Europa’s ausgebreitet habe und in den Norden eingedrangen
sei. Bei der engen patriarchalischen Verfassung dieser Clans, wo in der Urzeit die Macht
und das Ansehen des Häuptlings gowiss noch nicht ein so überwiegende« gewesen wie in
späteren Zeiten, und namentlich aus religiösen Gründen, kann man nicht annehmen, dass nur
das Haupt eiues Clans und dessen Familie ein Steingrab erhalten, die übrigen Volksgenossen
aber einlach in Sümpfen und SandhUgeln versenkt oder verscharrt worden seien. Gegen
solch’ eine Annahme spricht schon die ungeheure Anzahl der Gräber aus der megalithischen
Steinzeit, welche, wenn sie nur die Grabstätten der Aristokratie, der Clanshäupter, gewesen,
eine ausserordentlich starke Bevölkerung dos Landes voraussetzen würde. Auch sind die Bei-
gaben vieler Gräber so ärmlich oder fehlen wohl gar gänzlich, daas man dabei nicht an einen
Aristokraten denken kanu, der hier begraben worden. Endlich ist die Ansicht nicht begründet,
Digitized by Google
•286
v. Maack
dass die megaiithischen Steingräber nur einen Prachtbau abgegeben zur Bezeichnung der
hervorragenden socialen Stellung der darin Begrabenen. Ihr Hauptzweck war vielmehr dem
Todten möglichst ungestört eine gesicherte Ruhestätte zu bereiten. Denn davon hängt das
Schicksal der Seele, die Ruhe des Schattens ab, der nicht eher zur Ruhe kommt, prius quam
sedibus ossa quierunt (Vergib Aon. VI, p. 327). Dieser Gedanke beherrschte die uralte
Welt, welche den Gräbern Unvorgänglichkeit zu leihen suchte. In diesem Glauben stellten
Aegyptens Pharaonen den Riesendeckel der Pyramiden auf ihr Grab, in diesem Glauben
tbiirmten auch die nordischen Gaölen die Riesenblöcke zu einer Grabeskammer über einan-
der auf. Die megaiithischen Steingräber sind also die Todtenstätten des ganzen gaelischen
Volkes und wo etwa Leichenreste in Sandlagern und Sümpfen gefunden werden mit Zeichen,
dass sie nicht aus späteren Zeiten herstammen, da sind es sicherlich, wie das zu Plau gefun-
dene Skelet und der Schädel aus dem Torfmoore zu Sülz, die zu Sklaven gemachten Ur-
einwohner der Speiseabfallhaufon.
üeber das Verhältnlss des Bronze- zum Eisenalter können wir uns viel kürzer fassen.
Dass ein eiserne Waffen führendes Volk das Bronzevolk besiegt habe, ist allerdings ein
Phantasiegebilde dänischer Archäologen. Denn im jüngern Bronzealter, d. h. bei den Kymren
war das Eisen gewiss schon bekannt, wenngleich es nur ausnahmsweise als Waffen oder
Schnittwerkzeug diente. Selbst bei den Germanen war es noch selten. Ferrum non superest,
sagt Tacitus von ihnen. Den Zeitpunkt genau zu bestimmen, wann es zuerst nach dem Norden
gekommen, ist unmöglich. Im ältern Bronzealtcr ist dies schon der Fall gewesen. Von
einem ELsenalter kann aber nur daun erst die Rede sein, wenn eiserne Waffen und schnei-
dende Werkzeuge allgemein in Gebrauch gekommen. Denn noch lange benutzte man neben
dem Eisen den Stein wie auch die Bronze, ja noch heutigen Tages wird in China und Japan
die Bronze allein oder in Verbindung mit Stahl zu schneidenden Werkzeugen benutzt (Kings-
mill im Athenäum, Nr. 2121).
So hätten wir denn alle Ansichten Lindenschmit's Uber das fragliche Thema ausführ-
lich besprochen und können die Hanptresultate unserer Untersuchung thcils in Ueberein-
stimmung, thcils im Gegensatz zu Lindenschmit in folgenden Punkten zusammenfassen,
daran aber noeh einige weitere Erörterungen anknüpfend.
1) Ganz Europa hatte einst in der Urzeit der jetzigen Erdperiode ein Steinalter, das
neolithische, in dein alle Metalle noch unbekannt waren, die Waffen, Werkzeuge, Uten-
silien und Sehmucksachen aus Stein, Knochen, Horn und Thon angefertigt wurden und man
die Todton unverbrannt beerdigte.
2) Zuvörderst muss man ein älteres und jüngeres neolithisches Steinalter unter-
scheiden. Ueber die Gründe zu dieser Zweitheilung des Steinaltcrs können wir uns hier nicht
des Breiteren auslassen; wir müssen auf den zweiten Theil unserer Urgeschichte des Schles-
wig-IIolateinischen Landes verweisen. Die Steingeräthe des ältern neolitbischen Steinalters
aus den Speiseabfallhaufen und den sogenannten Küstenfunden bestehen hauptsächlich aus
den mit dem unpassenden Namen Eismeissei bezeichneten Werkzeugen und aus Spahnmessern
von Feuerstein, höchst einfach und roh gearbeitet und dabei ungeschliffen. Im jüngeren nco-
lithisclien Steinalter kommen freilich ähnliche roh gearbeitete Stcinsachen vor, allein dabei
aber auch schön geschliffene, kunstreich gearbeitete Meissel und durchbohrte Aexte und
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. *287
Hämmer. Die Schädelbildimg beider Volksstiimme ist eine sehr abweichende and ihre Be-
gräbnissweise eine verschiedene.
3) In dem jüngeren neolithischen Steinalter muss man eine megalithische nnd eine
cryptolit h ische Steinzeit unterscheiden. Das Fundamentuni divisionis ist die geogra-
phische Verbreitung gewisser Gräberformen und die damit parallel gehende Nationalität-
verschiedenheit, welche auf linguistischem Wege nachzu weisen ist.
4) Die Grabgaben von Stein, Knochen, Horn und Thon sind in beiden Steinzeiten die-
selben.
5) Item megalithischen Steinalter gehören die grossen Riesenbauten, in welche das Volk
seine Todten beisetzte: die Hünonbetten, die Hünengräber und Steinkammern der Deutschen,
die Steendysser und Jaettestuer der Dänen, die Cromlechs, Barrows und Kistvacns der bri-
tischen Inseln, die Dolmens, Alices couverts, Grotte« des Fdes u. s. w. der Franzosen, die Cue-
vas de Menga der Spanier und die Antas der Portugiesen. Dem eryptolithischen Steinalter
gehören die einfachen Erdgruben und die mit flachen Steinen ausgesetzten Erdgrüber an.
Die Plattengräber sind beiden Gebieten gemeinschaftlich, aber während sie im eryptolithischen
Gebiete die höchste Entwicklung des Gräberbaues darstellen , sind sie im megalithischen nur
eine niedere Form desselben; dort sind sie in, hier in der Regel auf dem Erdboden imge-
legt.
6) Das megalithische Steinaltervolk sind die Gaiilen = Liguren, wie auf linguistischem
Wege bewiesen ist. Die Nationalität des eryptolithischen Steinaltervolkes ist noch völlig un-
bekannt. Wahrscheinlich haben verschiedene Völker das weite Gebiet der eryptolithischen
Steinzeit — Mittel- und Osteuropa und Nordskandinavien — in der Urzeit bewohnt
7) Die Thatsache, dass die Plattcngräber im Gebiete sowohl des megalithischen als crypte-
lithischeu Steinalters Vorkommen, erfordert eine Erklärung. Man kann zuvörderst ganz im
Allgemeinen die Vermuthung aussprechen, dass vielleicht in beiden Gebieten einst ein und
dasselbe Volk gehaust, welches die Plattengräber errichtet hat Es ist ferner einleuchtend,
dass in Gegenden, wo die grossen erratischen Blöcke fehlen, aus denen das Volk der mega-
lithischen Steinzeit seine Reibengräber zu errichten pflegte, diese nicht gefunden werden
können. Um nun alter ihren Todten eine vor allen Dingen gesicherte Ruhestätte zu bereiten,
lag es nahe, das Grab aus grossen Steinplatten zu errichten, wenn eine leicht spaltbare Stein-
art dazu vorhanden war. Alsbald erkannte man, dass diese Bauart, welche ebenso gesicherte
Ruhestätten für die Todten abgab, viel leichter auszufuhren sei, als die Errichtung der Gräber
aus den ungelieureu Findlingen. Man fing also auch da an, wo leicht spaltbare Felsarten
neben erratischen Blöcken Vorkommen, bald Plattengräber, bald megalithische Steingriiber
zu errichten. So finden wir denn in Gegenden, wo nur erratische Blöcke Vorkommen, z. B.
in Dänemark, blos megalithische Steingräber errichtet, dagegen dort, wo beides, erratische
Blöcke und eine leicht spaltbare Steinart angetroflen werden, z. B. in England und Frank-
reich, die Plattengräber neben den megalithischen Steingräbern. Sollten nun nicht in Ländern,
wo erratische Blöcke fehlen, die Liguren (= Gaelen), falls sie in diese Gegenden e i nr
gewandert sein sollten, Plattcngräber errichtet haben? Es ist kaum daran zu zweifeln,
und nur das darf man mit Recht verlangen , dass diese Einwanderung nachgewiesen werde.
Dieser Nachweis muss aber als geliefert erachtet worden, wenn in dem Theile des crypto-
Digitized by Google
■288
v. Maack
lithisclien Steingebietes, wo man Plattengräber findet, eine Reihe von Ortsnamen vorkommt,
die aus keiner andern Sprache als aus dem Gaelisehen oder Irischen sprachrichtig und sacli-
gemäss erklärt werden können, während da, wo im cryptolithUchen Gebiete die Platten-
gräber fehlen, auch derartige Ortsnamen nicht verkommen. Hier wird die durch Kritik ge-
schulte Linguistik der Archäologie und Urgeschiohte noch einen grossen Dienst leisten können
und die Zukunft wird neigen, in wie weit diese Ansichten begründet sind oder nicht. Ja
man kann noch ein anderes Beweismittel zur Anwendung bringen. In jenem Theile des cry-
ptolithischen Gebietes mit Plattengräber, wohin die brachycephalen Slaven nie hingekommen
sind, x. B. nnch Südwestdeutschland und der Schweiz, spricht die hier häufig vorkommende
Brachycephalie ihrer heutigen Bewohner noch augenscheinlich fiir eine ligurische Beimischung,
wie Holder (Archiv für Anthropologie, Bd. II, S. 51—99) nachgewiosen hat. Auf solche
Weise wird man dereinst den vollständigen Beweis liefern können, das» das Volk der Pfahl-
bauten in der Schweiz und Süddeutsehland, wolches im Stein- und Bronzealter so unverkenn-
bare Züge mit dem megalithischen Steinaltervolke gemein hat, auch Ligureu gewesen Bind,
obschon hier in diesen Ländern nur Platten- statt der megalithischen Steingräber vorkommeu.
8) Je nachdem man mit Bronzesachen zusammen die Todten unverbrannt oder ver-
brannt in den Gräbern antritft, muss man ein älteres und ein jüngeres Bronzealter
unterscheiden. Dem Bronzealter überhaupt gehören die bronzenen Schnittwaffen und schnei-
denden Geräthe, sowie die bronzenen und goldenen Schmucksachen an. Den Schwertern
fehlt durchgängig die Parirstnnge. Es ist die dunkele Zinnbronze, die meistens von dunkel-
grünem edlen Rost, Patina (Aerugo nobilis), bedeckt ist, der tief eingreift. Alles Bronze^
geräth ist gegossen.
9) Das megalithische Steinaltervolk erhielt durch Handelsverbindungen mit den höher
cultivirten Völkern des Mittelmeeres die Bronze in der Form von Waffen, W’erkzeugen, Uten-
silien und Schmucksacheu (das ältere Bronzealter). Die Begräbnisswcise blieb vor-
läufig unverändert dieselbe, daher man in den megalithischen in der Regel etwas kleineren
Steingräbern auch unverbrannte Leichen, meistens nur eiue, mit Bronzesachen allein
oder mit Steingeräth zusammen findet. Ein Erdhügel deckt stets das Steingrab. Beispiels-
weise führen wir hier die Grabhügel bei Anniso in der Nähe von Friedriehsburg auf Seeland
an. In einem grossen Grabhügel fand man eine schöne Steinkiste mit einem Skelette und
Bronzesachen und in einem andern Hügel wenigstens 7 — 8 Steinkisten, die alle unverbrannte
Leichen mit Watten und Schmuck von Bronze enthielten. Aehnliche Funde kommen in Füh-
nen, Jütland, besonders nördlich voui Liimfjord und in Schleswig vor, wie überhaupt diese an-
fangs seltenen Funde sich später sehr gehäuft haben. Auch in Norwegen auf Kamme und
am Hafursfjord, in Balmuslehn, in Schonen, auf Gotblnnd und Bomliolm hat man solche
Gräber entdeckt. (Oversigl etc. for 1659, S. 108.) — Dass aber die Steinkisten mit unver-
brannten Leichen und den schönen Bronzesachen älter sind als die Gräber mit Leichenbrand
und Bronze gebt einmal unzweideutig daraus hervor, dass in jenen Gräbern sehr häufig Steiu-
gerätho mit der Bronze zusammen Vorkommen, was beim Leichenbrand viel seltener ist, und
zweitens daraus, dass man nie auf dem Urboden eines Grabhügels verbrannte Leichen mit
Brotizesachen und darüber ein Grab mit unverbrannten Leichen und Bronze entdeckt hat,
während umgekehrt hier im Norden und auch anderswo auf dem Boden des GrabhügeLs in
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 289
grossen Steinkisten unverbrannte Leichen und darüber in demselben Hügel in einer kleineren
Steinkiste Leichenbrand nebst Bronze gefunden werden. Auch verrathen die länglichen Stein-
kisten mit Skeletten und Bronzesachen oft durch ihre Lage und Beschaffenheit ihre enge Ver-
bindung mit dem Steinalter. In dem sogenannten B&unhöi bei Wester-Agger fand man auf
dessen Urboden eine grosse Steinkiste mit schweren Decksteinen; die Kiste enthielt ein Ske-
let nebst einer Lanzenspitze von Feuerstein und quer über dieser Steinkiste stand eine
andere mit einer unverbrannten Leiche, wobei die Klinge eines Bronzedolches lag. In einer
Steinkiste bei Vang (Amt Thisted) in Jütland, deren Boden mit gebrannten Feuersteinen
bedeckt war, fand man eine Leiche, nach steinalterlicher Sitte in Ritzender Stellung begraben.
Bei dem Skelette entdeckte man Spuren von Bronzewaffen und dicht bei der Steinkiste lag
ein einigermmwen erhaltenes Bronzeschwert, ln Mecklenburg und England hat man ähnliche
Beobachtungen gemacht, namentlich hat das zuletzt genannte Land die meisten Beweise
geliefert von einem fortwährenden Zusammenvorkommen von Stein- und Bronzesachen bei
unverbrannten Leichen (1. c. S. 109). — In anderen Fällen liegen die Skelette nicht in einer
Steinkiste, sondern nur in einer Einfassung von kleinen Steinen oder sie sind geradezu von
einem Steinhaufen bedeckt. Auf solche Weise waren ungefähr zehn unverbrannte Leichen auf
dem Boden eines Grabhügels bei Kjeldby auf Möen begraben, während mehrere verbrannte
Leichen im äussem Umfange des Hügels beigesetzt waren. Aehnliche Gräber findet man
auch in Mecklenburg, bei Dabei und in Schonen, z. B. zwischen Lund und Malmö, wo bei
den Skeletten Bronze- und Feuerstoinsachcn sich fanden. Es giebt aber im ältern Bronzealter
noch andere Bestattungsweisen der unverbrannten Leichen, So findet man Skelette und
Bronzesachen in länglichen Steinkisten, welche aber nicht mit grossen Decksteinen, sondern
unzweifelhaft mit Holzplanken verschlossen gewesen sind, z. B. das Grab auf Morsöe und das
bei Hörning in der Nähe von Skanderburg in Jütland. Der Holzdeckel auf der Steinkiste
bildet den Uebcrgang zu einer ganzen in der Steinkiste befindlichen Holzkiste für die Leiche;
doch findet man von dem Holze natürlich nur noch spärliche Spuren. Dies war z. B. der
Fall in der Steinkiste eines Grabhügels im Thiergarten von Jägersborg, wo bei dem Gerippe
ein mit Bernstein geschmücktes Bronzeschwert lag, welches sorgfältig in einem gespaltenen
Holzblocke wie in einem Kasten steckte.
ln seltenen Fällen trifft man auch Eisen in Hünengräbern mit Steinsachen und einem Ske-
lette beisammen an. Man muss diese Gräber ins ältere Bronzealter verweisen, auch wenn
sie keine Bronze enthalten sollten, weil das Eisen nur durch Handelsverbindungen nach dem
Norden gekommen sein kann. So z. B. fand Worsaae (Annales for nordiak Oldkyndighed,
1838 — 1839, S. 170fg.) im Kirchspiel Veilby, Holboeharde, Amt Friedrichsburg auf Seeland,
in zwei der grössten Hünenbetten Eisen. In der ungefähr 12 Fuas langen, G Fuss breiten
und 6 Fuss hohen Grabkammer des einen Hünenbettes entdeckte er ausser vielen Bernstein-
und ganz neuen Steinsachen in der Mitte der Grabkammer in einer Tiefe von 4 Fuss ein 2'/»
Zoll langes, 2 Zoll breites, kruinmgebogcnes, in der Mitte durchbohrtes Stück Eisen und da-
neben einige kleine Erdklöse von Eisenroat durchdrungen; ein krummer, halbrunder, zuge-
geschliffener Feuersteinspahn, 4'/« Zoll lang, woran Eisenroat zu bemerken war, lag dicht
neben dem Eisen. Hier kann allerdings kein Zweifel obwalten, dass das Eisen gleichzeitig
mit den übrigen Grabgaben dom Todtcn mitgegeben sei. Wegen der Grösse des Grabes und
Areblr fUr Asthropologl«. Bd. III. Heft 3. 37
Digitized by Google
290 v. Maack,
den reichlichen und kostbaren Grabgaben war der Begrabene ein reicher angesehener Mann,
dem auch Elsen, ein seltenes kostbares Product, mitgegeben worden. — Das zweite unter-
suchte Hünenbett ebendaselbst enthielt zwei Steinkisten. In der südlichen traf man zwei
Skelette an, welche bis auf wenige Reste des Schädels und einige Zähne zerfallen waren.
Daneben lagen verschiedene Steinsachen, Reste vermoderten Bernsteins und ein 2% Zoll
langes, */t Zoll breites Stück Eisen in der Form einer Messerklinge, welche mittelst eines
Nagels auf der Seite des einen Endes an ein Stück Holz, wahrscheinlich den Griff, befestigt
war, das aber bei der Berührung zerfiel.
Für das ältere Bronzealter ist also die Bronze nicht ausschliesslich charakteristisch. Sein
Begriff muss weiter gefasst werden als die urgeschichtliche Zeitperiode, in welcher in einem
megalithischen Grabe neben einem Skelet ein metallisches Handelsproduct gefunden
wird, sei dies nun Bronze oder Eisen oder Gold. Dagegen kommt Silber im altern Bronze-
alter hier im Norden nie vor, obgleich Spanien im Alterthum das silberreichste Land war,
welches man kannte, und Phönikier und Karthager dort Bergwerke besassen. Wie kommt es
nun, dass durch sie wohl Gold- und Erz- aber kein Silbergeräth nach dem Norden gekommen?
Diese Schwierigkeit hat bis jetzt noch Niemand beseitigen können. Es liegt aber in der
Natur des Handels, dass der Kaufmann seine Waare dahin bringt, wo sie ihm am theuersten
bezahlt wird. Nun wissen wir aber, dass nach Agatharchides (cfr. Bochart, Geographia
saera p. 158) in Arabien der Preis des Silbers zehnfach so hoch war als der des Goldes, welches
dort in Menge gefunden wird (Heeren's Werke, Bd. XI, S. 69 • * *), Ezechiel 27, 22)1). Es
lag also im Handelsintercsse des semitischen Volkes, alles spanische Silber nach Arabien und
nur Gold nach dem Norden von Europa zu verfuhren, wo dies schimmernde Metall und noch
mehr das Erz eine sehr gesuchte Waare abgab. Das unscheinbare, in seiner Wichtigkeit noch
<) Freilich reden Diodor und Agatharchides auf das Bestimmteste von Goldkörnern, an denen Arabien
»ehr reich sei, wovon jedoch das I-and jetrt keine Spur enthalt. Allein daa Arabien der Alten reichte dem
Strabo und dem Pliniui über die Breite von Antiochia hinauf und schloss die Gegend der südlichen Vor-
höhen des Taurusgebirges zwischen dem Issusbnsen and dem llaleppinischen Euphrat ebenso ein, wie daa
ganre Ostjordanland ausdrücklich Arabien genannt wird. Der griechisch-römischen Welt bis zur Kaiserzeit
war die arabische Halbinsel so gut wie unbekannt; sie wussten dagegen um so mehr von den Araberstämmen
im nördlichen Syrien, Diodor und Agatharchides bezogen nun aber die ihnen überlieferten Nachrichten
von Goldfundorten auf die Halbinsel, das heutige Arabien, während sie vom nordsyrischen Arabien galten;
sie bezogen auf das südarabische rolho Meer, was entweder vom grossen rothen d. h. phönikischen Meere Sy-
riens oder von der „rothen Marschwiesc“ der nordsyrischen Thay-Araber galt, weiche noch heut zu
Tage die Winterzeit hindurch als eia umfangreiches Binnenmeer auftritt und die alte nordsyrische Kolchit-
oder Chalkis-Landschaft im Südosten von Haleb in früheren Zeiten gewiss in noch ausgedehnterem Maasse
überfluthete, alt dies heutigen Tages der Fall ist. Gerade in dieser Gegend werden wir den Goldkörnerünss
des Debet- oder Dedebai-Stammes, von dem Diodor und Agatharahides reden, wirklich linden, während
dieser Araheret&mm auf der Halbinsel vergeblich gesucht wird. (Noack, Von Eden nach Golgathu. Leipzig
1868, Theil I, S. 49.) Der Goldreichthum der Tauruskette war den Alten bekannt. Es besteht nun der Stock
des Amanusgebirges in der nordwestlichen Orontcaebene ans Talk und Chlorit, Quarz* und Sandsteinbildungen,
Glimmerschiefer, Feldspath und anderen Ueateinen, deren trachytische Formen von den Reieeforuohern aus.
drücklich erwähnt, werden. Da nun Quarzgänge, Glimmer- und Talkschiefer und trachytischo Gesteinsbiidungen
als gewöhnliche Fundstätten des Goldes gelten, so sind hier die Bedingungen für daa Vorkommen von Wasch-
oder Flussgold vollständig vorhanden. Eine Durchforschung des heutigen Schüttdammes auf der Nord- und
Westseite des Antiochener Sce’s und eine genauere Untersuchung der dortigen Strombette hat bisher nicht
stattgefundeu und bleibt künftigen Nachforschungen Vorbehalten. (Noack 1. o. 8. 59.) In den Salzsee von
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 291
nicht erkannte und nur noch selten vorkommende Eisen kam nur ausnahmsweise in dieser
Zeitperiode nach dem Norden.
Endlich gehört auch das Begraben in Einbäumen, d. h. in grossen gespaltenen und aus-
gehöhlten Eichenstämmen, dem altern Bronzealter an. Bei der unverbrannten Leiche findet
man Waffen und Schmuck von Bronze, Gold und Stein, Holzschalen, Beste von Thierfellen
und Geweben u. s. w. In Holstein und zwar in Ditmarschen ist nur ein einziges derartiges
Grab gefunden Solche Gräber kommen aber besonders in Nordschleswig (von Apenrade an)
und in Jütland (bis nach Viborg hin) vor, z. B. in Bollersleben und Uck, in Emmerief, Maug-
shup, Skjörebeck und Schottburg. Auch in Mecklenburg, in Böhmen und besonders in Eng-
land kommen Einbäume vor. Diese beiden letzten Begräbnissweisen, in Holzkisten und Ein-
bäumen, bezeichnen das Ende der altem Bronzezeit, denn man findet bisweilen in ihnen neben
der unverbrannten Leiche bereits verbrannte menschliche Knochenroste. So lag in einem
grossen Hügel bei Rucliow in Mecklenburg in dem gespaltenen Eichenstanim eine unver-
brannte Leiche und dicht daneben zwei verbrannte (1. c. S. 111 — 113). Auch Steingräber, die
in einer Steinkiste neben Skeletten verbrannte menschliche Knochen enthalten, gehören der
Uebergangsperiode von dem ältern zum jilngern Bronzealter an. Endlich kommen noch
Steinkisten mit unverbrannten Leichen vor, deren Wiindo, meistens im Innern, Sculptur-
arbeiten aufweisen. Weil nun solches ohne Metallwerkzeuge auszuführen nicht möglich ist,
müssen wir diese Gräber dem ältern Bronzealter znschrciben.
Was die Waffen des altem Bronzealters betrifft, so sind dies die schön verzierten, vor-
trefflich gearbeiteten, zweischneidigen, schilfblattförmigen Schwerter, die in der Mitte am
breitesten, mit einer oder zwei Längsgrathen und kleinen Handgriffen ansgestattet sind.
Sie sind keine Landesproducte, sondern durch den Handelsverkehr mit den Südländern nach
dem Norden gekommen.
10) Eine grosse Anzahl Ortsnamen in Südskandinavien, Dänemark, Norddeutschland, Hol-
land, England und Frankreich beweist die Einwanderung der Kelten, der Kymren, in diese Län-
der. Sie brachten den bereits im ältern Bronzealter lebenden Gaelen die Kenntniss von der Bear-
beitung der Bronze (das jüngere Bronzealter). Daher findet man jetzt Gussformen, Gusszapfen,
bei der Arbeit verunglückte und halbfertige Bronzesachen, sowie Metallklumpen und Barren.
Der Leichenbrand wird jetzt Sitte. Die Knochenaschc wurde in Thongefässen
gesammelt und mit einer Stein- oder Tlionplatte oder einer flachen Thonschale zugedeckt.
Ausser der Knochenaschc enthalten ilicso Urnen oft noch kleine bronzene Gegenstände:
Nadeln, Pincetten, Messer, Hinge, Spangen u. s. w. Auf versc^deno Weise wurden im
Norden diese Aschenuraen der Erde anvertraut. Bald benutzte man die grossen von Erde
aufgeworfenen Grabhügel des Steinalters, in deren Seitonwändo oder auf deren Gipfel man
tiebül verläuft nun der Goldfluss (Nähr cd Dheliah) des lieblichen Betniin-Thales. Hier bauslen die liebel-
nder Dcdebai-Araber, die Diodor und Agatharchidea bei einem Goldfundorte kannten. Das griechische
Debai ist da» chaldäisch-aramüiache dahabä (Gold) und in Dedeb&i liegt da» nicht semitische Dösahab oder
cbaldäische Di-dababa oder De-dahaba verborgen. Hier beim Goldstrom de» Ilatnün - Thaies wird von älteren
Erdbeschreibem und Dichtem ein arabischer Goldstrom genannt, den man auf der arabischen Halbinsel ver-
geblich sucht. (Noack I. c, S. 63.) Durch den speciellen Nachweis der Oertlichkeit , wo das Silber einen
so hohen Werth dem Golde gegenüber beeaas, werden die Einwürfe beseitigt, die man etwa ans dem Grunde
gegen diusc Nachricht erheben konnte, dass nirgends auf der arabischen Halbinsel Gold gefunden werde.
37*
4
Digitized by Google
292 w. Maack,
in einer Tiefe von einigen Fass die Aschenurnen entweder einfach eingruh oder — und dies
ist der allerhäufigste Fall — in einer von vier kleinen Steinfliesen errichteten und mit einer
Steinplatte zugedeckten Grabkammer en miniature beisetzte. Ausnahmsweise findet man die
verbrannten Knochen in ihnen loso hingeschiittet. In sehr vielen Fällen errichtete man beson-
dere Grabhllgel. Diese sind im Allgemeinen kleiner als die des Steinalters; nicht selten sehr
niedrig, von rundlicher Form, einem Backofen ähnlich (Kegelgräber). Sie kommen auch im
Innern des Landes vor. Oft liegen mehrere kleine und grössere Grabhügel neben einander,
bisweilen ein grosser in der Mitte, von mehreren kleinen umgeben. Bald m der Mitte, bald
an einer oder mehreren Stellen gegen den Umkreis hin findet man Haufen grosserer oder
kleinerer Steine, die eine regelmässige Figur, ein Viereck, ein Oval u. s. w. oder einen losen
Haufen bilden, welcher die Aschenurue in einer Grabkammer en miniature enthält; oder eine
muldenförmige Vertiefung ist von Steinen eingefasst, mit einer Mischung von Lehm, Sand
und Kalk ausgesetzt und mit einem Deckstein verschlossen; oder die Urne mit den ver-
brannten Knochen ist umgestülpt, ihr Boden nach oben gerichtet und mit einem kleinen Stein-
haufen bedeckt. Oft entdeckt man in dem Grabhügel eine oder mehrere Brandstellen, die
durch Holzkohlenreste, Aschenstreifen und Topfscherben bezeichnet sind. Die verbrannten
Knochen sind aber nicht nuf der Brandstelle des Urbodens beigesetzt. Hier findet man nur
das Schwert oder die Waffen und den Schmuck des Verstorbenen, bisweilen von Steinen be-
deckt und umgeben. Die in einem Thongefässe gesammelten verbrannten Knochen sind auf
dem Gipfel und gegen die Peripherie des Grabhügels hin vergraben. Doch kommt auch der
Fall vor, dass die verbrannten Leichenreste mit den Waffen und Schmuck auf der Brand-
stelle liegen geblieben, darüber ein Steinhaufen und ein Erdhügel aufgeworfen sind. Auf lang-
gestreckten Anhöhen, z. B. auf der Skamlingsbank in Nordschleswig und auf dem Bovberg
in Jütland findet man bisweilen ganze Reihen von Urnen mit verbrannten Menschenknochen,
nebst Bronzesachen, aber ohne Grabhügel. Bisweilen findet man hier im Norden die Aschen-
urne nebst den Beigaben in eine Stein- oder Holzkiste niedergelegt. In Steinkisten von der
Länge eines Mannes fand man die verbrannten Knochen, in gewebtes Zeug gewickelt, mit
Bronzesachen zusammen auf Thierfellen gelagert. Dies ist z. B. der Fall gewesen in den Grab-
hügeln bei Jägerspriis, bei Guldsted in der Nähe von Fredorikssund und bei Hvidegaard
(Weissenhof) unweit Lyngby auf Seeland, wo am letzten Orte eine sorgfältig eingenähte
Pfeilspitze von Feuerstein — wahrscheinlich ein Amulot — gefunden wurde (Oversigt for 1859.
S. 113). ln einem Grabhügel bei Haddeby in der Nähe von Schleswig fand man unter einem
Steinhaufen eine verbrao||te Leiche nebst Feuerstein- und Bronzcsachon und Spuren einer
kleinen Holzkiste. Es ist daher die Aufmerksamkeit der Antiquare darauf zu richten, ob
nicht, wenigstens in einigen der vielen Grabhügel , welche unter einem Haufen kleiner Steine
verbrannte Menschenknochen enthalten, ursprünglich kleine Holzkisten sich befunden haben,
worin die verbrannten Knochen gesammelt worden (1. c. S. 114). Die Begräbnissweise im
jüngere Bronzealter ist also im Norden eine sehr verschiedene. Nur ausnahmsweise stellt man
hier die Aschenurne in die Steinkammer selbst, was in Norddeutschland allerdings die
Regel bildet. Dieser Unterschied deutet auf eine verschiedene sociale Stellung der Gaelcn
zu don eindringenden Kymren. Während im Norden ein friedlicheres Verhältnis alsbald
zwischen beiden Volksstämmen eintrat, respectiren in Deutschland die rohen Sieger nicht die
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung. 293
Gräber der Ueberwundenen, die sie für ihreTodten benutzten. Die Bronze- und Geldsachen des
jiingern Bronzealters unterscheiden sich von denen des altem dadurch, dass wenigstens zum
Theil die Reinheit der Formen und des Styles abnimmt Die Schwerter haben grossere
Griffe und sind weniger kunstreich gearbeitet. Da der Handelsverkehr des Nordens mit dem
Süden in diesem Zeitraum gewiss noch nicht unterbrochen war, so kauten nach wie vor die
herrlichen Metallwaffen und Geräthe nach dem Norden. Man kann also aus dem Vorkommen
derselben in Gräbern noch nicht den Schluss ziehen, dass das Grab dem altem Bronzealter
angohört habe; wohl aber ist es zulässig, aus dem Vorkommen der rohen gearbeiteten
Schwerter und Waffen nus Bronze und Schmucksachen aus Gold in Gräbern auf das jüngere
Bronzealtor zu schlieeeen.
11) Endlich wunderten die Germanen ein. Es sind dies hier im Norden gothischc
Völkerschaften, wozu auch die sieben Nerthusvölker des Tacitus gehören, welche alsdann von
Norden her von „Normond“ (den Nordgermanen), von Osten her erst von {Sachsen und später
längs der Südküste des baltischen Meeres von Slaven (Wenden) theils verdrängt, theils mit
ihnen vermischt wurden. Der Beginn des Eisenalters ist aber weder an das Auftreten
dieser Stamme, noch an das eines angeblichen Eisenvolkes geknüpft Nicht mit der Kennt-
niss des Eisens hat das Eisenalter seinen Anfang genommen, sondern erst dann kann von
einem Eiseualter die Rede sein, wenn Eisen die bronzenen Waffen und Werkzeuge all-
gemein verdrängt hat. Im jüngern Bronzealter war jedenfalls, im altem wenigstens theil-
weise das Eisen im Norden bekannt aber im ganzen Bronzealter noch nicht im allgemeinen
Gebrauch. Das Eisenalter wird dadurch charakterisirt, dass das Grab in dem Urboden unter
der Erdoberfläche sich befindet, so dass der Tumulus meistens ganz fehlt; im Stein- und
Bronzealter dagegen setzte man die Leiche oder Aschonurnc auf dem Urboden bei, errichtete
darüber ein megalithisches Grab oder schlittete darüber einen seiner Form nach verschiedenen
Stein- oder Erdluigel auf. Als Beigaben treten im Eiscnaltcr ausser den Metallen des Bronze-
alters das Eisen und Silber auf. Die Art der Bestattung ist eino sehr verschiedene: bald ist die
Leiche unverbrannt, — so in Dänemark — meistens ist die Knochenascho in Urnen bei-
gesetzt.
1) Die Gräber des Eisenalters differiren sehr bedeutend nach den verschiedenen Län-
dern. Die Aschenurnen findet man, oft in grosser Anzahl, ganz oberflächlich neben einander
im flachen Felde oder in natürlichen Hügeln vergraben. Sie bilden einen grossen Begräbniss-
platz ohne irgend eine äussere Bezeichnung, was nicht selten in Schleswig der Fall ist. —
Oft stehen zwei Reihen Aschenurnen Uber einander mehrere Fuss tief in der Erde. Das
kommt in Mecklenburg, in der Altmark und im wagrischen Holstein vor. Sie sind wahr-
scheinlich wendischen Ursprungs. Die schiisselformigcn Grabumen weichen in der Form von
den antiken ab und nähern sich dem modernen Geschmacke. Sie zeigen einen schwarzen
Ueberzug und punktirte Verzierungen und stehen höchst selten zwischen zwei Steinen ver-
packt, höchstens mit einem zugedockt Man findet sie in grosser Anzahl neben einander
(Wendenkirchhöfe). Ganz anders sind die Verhältnisse in Dänemark, wo sie auch unter sich
differiren. Bald sind die unverbrannten Leichen in natürlichen Grand- und Sandhügeln oder
auch im flachen Felde begraben, ohne Spur, dass ein Grab hier vorhanden; bald liegt die
Leiche in einer kleinen Steinkiste, so gross wie der Todte, unter einem kleinen aufgeworfenen
Digitized by Google
294
v. Maack,
Hügel. In Jütland und auf Bomliolm, sonst nirgends in Dänemark, kommen kleine runde
Hügel vor, so gross wie sie jetzt Uber unseren Gräbern aufgeworfen werden, und zwar in grosser
Zahl neben einander, also als Friedhöfe. In anderen Fällen ward in Dänomark der Todte un-
verbraunt in einem sehr grossen Hügel mitsammt seinem Pferde begrelien; bisweilen erbaute
man aus Holz eine Grabkatnmer, über welche der Hügel aufgeworfen wurde. Oft findet man
auch verbrannte Knochen nicht in Urnen, sondern in kleinen Steinkisten, von Grabhügeln
bedeckt, zwischen den Knochenresten findet man kleine eiserne Sachen: Zangen, Messer,
Scheeren, Nadeln, Spangen u. s. w. So verschieden in Dänemark die Völkerschaften (Gothen,
Nordgermauen und Wenden1) und Völkerreste (Gaelen, Kymren), ebenso verschieden ist ihre
Begräbnissweise in der Eisenzeit.
2) Für das zweischneidige Schwert des Eisenalters, welches am Griffe breit, gegen die
• Spitzo sich wenig und allmälig verjüngend, grade ausläuft, ist die Parirstange ganz charak-
teristisch. Ausser dem Eisen tritt jetzt zuerst das Silber auf, doch kommen die Metalle des
Bronzealters: die Bronze, das Kupfer und Gold auch noch vor. Das letztere ist bisweilen mit
Silber versetzt (Electrum). Im Eisenalter findet man sowohl die dunkle Zinn- als auch die
helle Zinkbronze (Messing). Dieser fehlt der edle Rost: er ist hellgrün, sitzt ganz oberfläch-
lich auf und ist leicht zu entfernen. Bronze, die in Torfmooren oder in Gewässern gefunden
werden, sind ganz rostfrei, sie mögen dem Bronze- oder dem Eisenalter angehören. Während
der ganzen Dauer der Eisenperiode erhält sich der Gebrauch der Bronze zu Schmucksachen.
Die Grabgefässe der Wendenkirchhöfe enthalten Geräthe von Eisen und Schmucksachcn von
Silber, aber fast nie von Gold; die Zinkbronze ist nur leicht oxydirt Was zu lang für den
Durchmesser der Aschenurnen war, z. B. die Schwerter, bog man zusammen. In Dänemark
findet man dagegen bei den unverbrannten Leichen des Eiseualters gar nicht selben goldenen
Schmuck und fast immer Gelasse von Bronze, Glas, Thon und Holz. Die Gräber sind also
im Eisenalter einfacher, weniger sorgfältig und ansehnlich, aber die Beigaben kostbarer. Zu
diesen gehören Thongetässe, römische Vasen, gehenkelte Gefiis.se von Bronze und Messing, rö-
mische Kasserollen und Motallsiebe, Becher von Silber und Glas, Trinkhörner, hölzerne Spangen
mit messingenen Charnier, goldene und silberne Schmucksachen, Mosaikperlen, Amulette,
Spielbricken, besonders gläserne, Metallscheercn von Messing und Bronze, bronzene Sporen,
seltener Schwerter, Aexte und Brouzespitzen von Eisen, römische Münzen, barbarische Nach-
bildungen derselben in Bronze, Silber und Gold, die durchbohrt sind, um als Schmuck getragen
zu werden.
Man unterscheidet ein älteres und jüngeres Eisenalter, deren Anfang und deren
Dauer nach den Ländern sehr verschieden ist. Für Dänemark und Schleswig-Holstein um-
fasst das ältere Eisenalter die fünf ersten Jahrhunderte unserer Acra, das jüngere geht in
Dänemark bis zur Einführung des Christenthum.s um das Jahr 1030.
A. Das öftere Eisenalter ist charakterisirt durch Begräbnlssplätze in natürlichen Sand-
hügeln, welche mehrere Skelette enthalten. Sie kommen besonders auf den Inseln, selten auf
der Kimbrischen Halbinsel vor. Als Beigaben kommt die dunkle Zinnbronze und alte ganz-
0 Auf Lolland und Falster und im südöstlichen Schleswig (im dänischen Wohid und in der Landschaft
Schwansen) lasseu sich aus den Ortsnamen slariache Ansiedelungen nachweisen.
Digitized by Google
antiquarische Untersuchung.
'>9.r)
oder halbrömische Münzen, Waffenstücko und sonstige Sachen vor. Moorfunde mit Sachen
aus dem altern Eisenalter und mit den Zeichen eines heftigen Kampfes findet man ziemlich
häufig auf der Kimbrischen Halbinsel und Kühnen, z, B. im Moor von Allesö bei Odensee, aber
gar nicht auf Seeland und in Schonen. Die sogenannten angelsächsischen Runen gehören
dieser Zeitperiodo an.
B. Im jüngeren Eisenalter variiren die Gräber in den einzelnen Gegenden. In
Dänemark sind es künstlich aufgeworfene, meist grössere Erdhügel, die bald Skelette, bald
verbrannte Leichen enthalten mit Waffen und Schmuck vom Schluss des Eisennltors. Die
helle Zinkbronze und die nordischen Runen stammen aus dieser Zeit her (Worsaae in der
Oversight for 1859, S. 95 fg.).
Nach dieser unserer Darstellung ist man wohl berechtigt, die Behauptung Linden-
schmit’s als nicht mehr zutreffend abzuweisen, dass das System des Stein-, Erz- und Eiseu-
alters fiir alle Erscheinungen der ältesten Bildungsentwicklung wohl hinan Platz weiss, aber
keine Auskunft über die wichtigsten Fragen (1. c. S. 107). Der Hypothese dänischer Archäo-
logen gegenüber hatte dieser Ausspruch allerdings eine gewisse Berechtigung. Wir haben
kein Hehl daraus gemacht, dass noch mancher Punkt genauer zu bestimmen, mancher Zweifel
zu lösen, manche Lücke noch auszufüllen sei. Dass man aber auf diesem Wege weiter ge-
langen werde, als wenn Alles in eine nebelhafte Masse verschwommen bleibt, das ist kaum
zu bestreiten. Was aber Falsches in unserer Darstellung sein möchte, das wird alsbald zu
Tage treten. Citius emergit veritas ex errore quam ex confusione (Baco). Gegenüber den
Ansichten Lindenschmit’s und der dänischen Archäologen bewährt sich auch auf wissen-
schaftlichem Gebiete der Auaspruch, den Hngo Grotius über die religiösen Parteien seiner
Zeit gethan: Nulla secta est. quae omne vidit verum, nulln, quae non aliquid ex vero.
Die Archäologie ist die Arena, auf welcher die verschiedensten Wissenschaften einen
Wettkampf begonnen. Alier nur durch ein möglichst inniges Zusammenwirken alles mensch-
lichen Wissens kann auf diesem Gebiete jede Einseitigkeit vermieden werden; nur durch die
vereinten Kräfte der Naturwissenschaften — der Geologie, .Mineralogie und Chemie, der Zoo-
logie und Botanik, der Paläonthologie nnd Anthropologie — in Verbindung mit den Ergeb-
nissen der Arcbäogeographie, der Ethnologie, der Völkerpsychologie, der Kunstlehro, der Tech-
nologie und namentlich auch der comparativen Sprachwissenschaft wird die Urgeschichte
wesentliche Fortschritte zu machen im Stande sein. Sehr wohl ist mir das Misstrauen, die
Scheu und der Widerwille bekannt, den Viele gegen alle etymologische Forschungen noch
hegen, eine natürliche Nachwirkung jener traurigen Zeit, wo jeder Laie die Etymologie un-
wissenschaftlich und kritiklos zn treiben sieh berechtigt fühlte. Da ich Uber diese hoch-
wichtige Angelegenheit mich bereits ausgesprochen in dem Vorworte zur zweiten Auflage des
ersten Theilos meiner Urgeschichte des Schleswig-Holsteinischen Landes, so darf ich hier wohl
darauf verweisen. So werthvoll mancher archäologische Fund immerhin auch sein mag, so
sind doch die uralten Ortsnamen jedes Landes von nicht geringerem archäologischen Interesse,
da in ihnen das verborgene Land, das geheime Bindeglied zwischen Archäologie und Geschichte
enthalten ist. Die Untersuchung Uber die Sprache und Bedeutung der Ortsnamen füllt eine
Lücke aus in der Archäologie, die auf keine andere Weise auszufüllen ist. Denn aus den
Grabgaben, aus der Gräberform und der Bestattungsweise der Todten lasst sich nur ausnahms-
Digitized by Google
296 v. Maack, antiquarische Untersuchung.
weise die gleiche >), fast nie aber die specifische Nationalität der Begrabenen nach weisen.
Das aber ist ein Missgriff einzelner hoch verdienter Archäologen, dass sie Aufgaben glauben
lösen zu können mit Mitteln, die dazu absolut unfähig sind. Wenn der Geologe aus den
Lagerungsverhältnissen des Fundortes die chemische Beschaffenheit des Gefundenen, der Che-
miker aus den Bestandtheilen eines Metallgeräthes den Fabrikationsort, der Kunstkenner aus
der übereinstimmenden Form der Gräber, der Grabgaben oder der Begräbniss weisen die gleiche
Nationalität zu demonstrireu sucht, so ülterschreiten sie alle sainmt und sonders ihre Com-
petenz. Jede Wissenschaft hat in der Archäologie ihr bestimmtes Gebiet, wo sie allein das
Wort zu führen, die wissenschaftlichen Fragen zu stellen und zu beantworten, die Streitpunkte
zu entscheiden hat. So kann z. B. in dem ersten der obigen angeführten Fälle statt des Geo-
logen nur der Chemiker, im zweiten Falle statt des Chemikers der Kunstkenner, im dritten
statt des Kunstkenners der Sprachforscher die Aufgabe lösen, Möge demnach die streng
wissenschaftliche, von der Kritik geschulte Linguistik bei den Archäologen eine freundliche
Aufnahme finden; sie ist allein im Stande manches Käthsel zu lösen, sie winl sicherlich ihre
Competenz nicht überschreiten.
*) Nur in dem Kalle, wo Grabgabeti von ganz eigcntbümlicher Form, die sonst nirgends Vorkommen,
in räumlich weit von einander entfernten Gräliera angetrofTen werden, darf man auf die gleiche, und unter
ganz bestimmten Verhältnissen auf eine specifische Nationalität der Begrabenen schlieasen. So
findet man z. B. nach Kichwald (Anstand 1868, Nr. 43, S. 1020fg.) in den Gräbern Südrusslands und der
Krim als Kleiderschmuck der Leichen viereckige Goldbleche mit der Abbildung eines Hasen oder eines Rei-
ters, der einen Hasen verfolgt. Dies bezieht sich offenbar auf die Rettung des Volkes der Scythen von der
Knechtschaft der Perser durch einen Hasen, wie Ilerodot erzählt, Non findet man aber auch in den Grä-
bern an der Petschora bronzene Figuren von Hasen, Eulen, Adlern, Mauerschwalben, Bären o. s. w,, alle
mit einem Menschengesiebt auf der Brust. Dies ist die bildliche Darstellung der Hcclcnwanderung,
einer Lehr», welche der Gete Samolxis, ein Schüler des Pythagoras, zu den Scythen brachte. Die Petschora-
Gräber sind also auch scythische, und die Geteu (wie die verwandten Daken) sind wohl Slavun, denn Sumolx
heisst im Slavischen: „er schwieg“. Mit Schweigen fing aber bei Pythagoras der Unterricht an.
Digitized by Google
XVII.
Kleinere Mittheilungen, Referate, Miscellen etc.
I. Kleinere Mittheilungeu.
Antiquarische Funde in Ungarn und Krain
von Carl Griesbach in Wien.
1. Funde im Waagthale, Ungarn.
Ara linken Waagufer, nordöstlich vom Bade
Piatyau gelegen, befindet sieh das Schloss Moraran.
Eine Hügelkette, aus l<öss zusammengesetzt, tritt
dort aus dem Iuorecgebirg© heraus, — östlich vom
Schlösse befinden sich in demselben Ziogelgruben.
Diese Lössablagerungen enthalten zahlreiche orga-
nische Reste, unter denen besonders Iwmierkenswerth
Knocbeustücke von Elephas primigenius, Fragmente
von Hirschgeweihen und die gewöhnlichen Löss-
schnecken sind.
Den Löss bedeckt eine bis 2 Fun? dicke Hu-
musschicht©. Am westlichen Theilc der Ziegelgrube
hat man nun vor ungefähr drei Jahren zwei Gruben
in dem Löss aufgedeckt, die aber ganz mit Dnmin-
erde ungefüllt waren. Die grössere dieser Gruben
ist von eiförmigem Umfange, 15 Fuss Tiefe und
4 Fuss grösster Breite, und scheint, nach der Form
Fig. 2-9. Fig. 29.
Archiv für Anthropologe. Ul III. Heft S.
zu schliesseu, eine üetreidegrube gewesen zu sein,
wie solche noch heute dort in dieser Gegend im
Gebrauche stehen.
Die Dainmerde in den Gruben und rund um
dieselben ist voll von Topfschcrben. 3 Fuss unter
der Oberfläche fand man nun wohlerhaltene Töpfe
von der eigenthümlinhsten Form.
Die grössere, Fig. 28, hat 8 Zoll Höhe,
Zoll Durchmesser an der Oeffnung und einen gröss-
ten Durchmesser von 7 Zoll. Die zweite kleinere,
Fig. 29, ist 274 Zoll hoch, hat eine Oeffnung von
2*/j Zoll und einen grössten Durclimesser von
3 Zoll. — Das Merkwürdigste an diesen Gefässen
sind vier symmetrisch angebrachte Knöpfe, eigent-
lich Verdickungen, Buckeln, welche den GeftsRen
an ihren» grössten Umfange ein viereckiges Aus-
sehen verleihen. Die ganze Art dieser Buckeln
deutet darauf hin, dass wir es mit einer blossen
Verzierung zu thun haben, nicht dm«« sie einen»
bestimmten Zwecke gedient hätten.
Dngegen sind diese Geschirre offenbar aus
freier Hund gemacht worden und zeigen die Spur
eines Graphitamtriches. — Nach Dr. Kenner’»
Ansicht stammen sic aus der späteren Zeit der
Bronzep jritwle.
Sehr interessant sind jedoch Funde, die mau
spater an derselben Stelle machte. Nebst einer An-
zahl von Topfscherben und ganzen Töpfen, Fig. 30
n. 31 (a. f. S.), die meist grösseren Exemplaren nn-
geliörten, fand man den liest eines Steingeräthes.
Es ist ein bearbeiteter Feuerstein, der über-
einstimmend mit anderen Funden, jene charakteri-
stische dreikantige Form besitzt. — Auel» eine
Pfeilspitze aus Hirschhorn wurde dort gefunden.
Diese letzteren Funde deuten ganz entschie-
den auf Steinzeit hin , was aber im Widerspruche
stehen würde mit den früher gefundenen Dingen,
88
Digitized by Google
251 K
Kleinere Mittheilungen.
die nach Ur. Kenner der späteren Bronzeperiode
angeboren sollten.
Ich will hier n:cht meine Ansicht auFsprrcheu,
ehe noch genug gefunden wurde, um etwas ganz
Bestimmtes darüber zu sagen, jedoch scheint es mir
nicht nothwendig, für diese Funde ein verschiede-
nes Alter anznnchmen. — Es kann hier ebensowohl
wie anderwärts ein Hineinragen einer Periode in
die andere statt gefunden haben. Uebrigens ist der
Fig. 30. Fig. 31.
Fall auch nicht undenkbar, dass diese Funde gar
uicht demselben Volke angehört hüben, sondern
die Töpfe aus der Bronzeperiode gleichalteng mit
den Stein Werkzeugen sind. Dos Waagthal gehört
zu den Iitndertheilen , welche auf dem Wege zwi-
schen der I)orau und dom Bernsteiuhandelt reiben-
den Norden liegt, und war daher gewirs oft von
Handeltreibenden Völkern besucht, denen vielleicht
die Gegenstände aus der Bronzeperiode angehörten.
Für diese Ansicht scheint auch ein weiterer
Fund aus Ober-Ungarn — von Also Kubin in der
Arda — zu sprechen, der entschieden der Bronze-
periode angehört und zwar von einem sehr ent-
wickelten Volke herzurühren scheint.
2. Römergräber von Illavngora in Krain.
Schon seit langer Zeit wusste man von Fun-
den aus der Römerzeit in Krain. Namentlich die
Spuren von Bauten und Wasserleitungen gehören
nicht zu den Seltenheiten.
Südöstlich von Laibach zur Herrschaft Zobels-
berg gehörig, liegt das elende Dorf Illavagora. Es
besteht aus einigen wenigen verkommenen Häusern,
bewohnt von einem armen ungebildeten Volke,
meistens Holzhauern, alle Slovenen.
Das Dorf besitzt eine malerische Lage, auf
einem Berge unter uralten Eichenbüumen. Dort
ist die Stelle eines römischen Lagers. — - Beim
Ackern kamen die Bauern oft auf behauene Steino
und schon zu öfteren Malen fand man Thongefasse,
die aber alle verschleppt wurden.
Ich licss im Spätherbst 1863 einige Nachgra-
bungen machen, die von einigem Erfolge begleitet
waren.
Das erste, was wir an einer schon bekannten
Stelle fanden, war die Spur einer Mauer aus be-
hauenen Steinen. In der Lage der Spuren lässt
sich eine gewisse Regelmässigkeit nicht verkennen,
und ich vurmuthe, dass wir es hier mit einem alten
Lager zu thun haben. Nicht weit davon fanden
wir mehrere Gräber, d. h. es waren mit Steinen
ausgelegte längliche Gruben, geschlossen durch eine
grössere unbehauene , unregelmässige Sandstein-
platte. Bei ungefähr 3 Fuss Länge und 2 Fass
Breite enthielten sie drei bis vier grössere und
kleinere Thongeffisse mit Asche.
Die Gräber waren alle immer Bchon mit Erdo
ausgefüllt, was die Ursache war, dass wir viel mehr
Scherben als ganze Töpfe herausbekamen, da die
Leute sehr unvorsichtig beim Ausgraben vor sich
gingen.
Die Gefanse waren alle aus rothem, schönem
Thone, meist mit feinen edlen Formen. Beinahe
alle waren glalt, nur wenige besassen unten und
oben erhabene Reifen von Thon als einzige Verzie-
rung. Die meisten gingen ziemlich enge zu und
waren mit einem durchbohrten Stöpsel aus unge-
branntem Thone verschlossen.
Ich bekam drei ganze Gefaese ans den Gräbern.
Ein grosses 1 Fuss hohes und ein 5 Zoll hohes von
minder edlen Formen befindet sich im Besitze eines
Herrn W. in Wien.
Von einer 7 Zoll hohen Urno von edlen For-
men gebe ich hier eine Abbildung, Fig. 32. In
Fig. 32.’
diesem Thongefilsse , dessen oberster Raud beim
Ausgraben zerbrochen wurde, lagen zwei Kupfer- *
münzen von unbekanntem Alter, — letztere zeigen
sehr undeutliche Umrisse von Köpfen auf der Vor-
derseite. Auch befanden »ich in der Asche mit den
üblichen Mirrhen eine durchbohrte einfach verzierte
Kngel von Stein, deren Zweck mir nicht deutlich
ist. Der durchbohrte Stöpsel aus ungebranntem
Thone befindet sich ebenfalls darinnen.
Später, als ich schon fort war, fand man noch
ein anderes Grab, worin unter Thonscherben auch
ein gläsernes Ge fass sich Imfand.
Es soll von breiten Formen gewesen sein, —
es gelang mir jedoch uicht, es zu bekommen, da es
gleich an den Grafen Blaggey verkauft wurde.
Digitized by Google
Referate.
299
Diese Roste dürften wohl alle aus der Regicrungs- eine bedeutende Menge von Altert hümern in Krain
zeit Kaiser Tiberius stammen, aus dessen Zeit herrühren.
II. Referate.
1. Rieh. Owen. -.Derivative Ilypothesis of
Life and Species.“ 1868.
Es bildet diese in mancher Beziehung merkwür-
dige Abhandlung, die leider mehrfach eine dein Ziel
derselben wenig entsprechende persönlich-polemische
Färbung trägt, das Schlusscapitel zum letzten Band
der „Anatomy of Vertebrat«®“ dieses Verfassers.
Cu vier bewies in »einen Arbeiten über Palaeo-
therium und Anoplotherium durch Thatsachen die
Richtigkeit der von Camper und Hunter nur als
Vermuthung aufgestellten Ansicht, dass Specics nicht
permanent sind. Weniger Data als über fossile Thiere
besaes Cu vier in Bezug auf das Verhältnis® zwi-
schen erloschenen und heutigen Spocies, welche
Geoffroy, doch ohne Beweis, in das Verhältnis® ge-
genseitiger Verwandtschaft stellte *). An diese Un-
tersuchungen knöpfen sich folgende Fragen:
Homologie oder Teleologie? Der Verfasser
verwirft hier Wunderschöpfung und anerkennt in
der Erzeugung der Species die Wirkung eines na-
türlichen Gesetze®, das er Durivatiou nennt.
Thierreihe unterbrochen oder verbun-
den? Die jetzigen Erfahrungen der I'alaeontologie,
weit vollständiger als diejenigen, die Cu vier zu Ge-
bote Stauden, sind der Annahme einer Abstammung der
einen Specie® von der andern günstig; allein „ na-
türliche Auswahl“ erklärt hier so wenig als die
älteren Worte „Nisui formativus“, „Archaeus fa-
ber“ etc. Alle diese Worte belegen nur Alternation
von Generationen. Wichtiger erscheint dein Ver-
fasser folgende Anschauung: Angesichts der nicht
zu leugnenden Beziehungen, welche z. B. Palaeo-
therium, Anchitherium, Hippariou, Equus zu einer
natürlichen Reihe verbinden, ist es von Wichtigkeit,
dass gelegentlich noch dreizehigo Pferde geboren
werden, die uns dann monströs erscheinen, während
es nur Thiere mit vorelterlichen Eigenschaften sind;
allein eben hieraus ergiebt sich, dass solche Eigen-
*) Gegen diesen Satx ist buchstäblich nichts einzuwenden.
Allein wenn inan die» »o ausdriiokt, so ist sa unbillig, neben
dem einzigen und sehr geschraubten Geständnis», womit Cu-
vier einer Continuitfct der Schöpfung doch die Thür nicht
ganz vcrscblieascn wollt« (Jo ne pretenda pas...) nicht
auch den in demselben „Discuurs rar los revolntions du
globe“ unmittelbar vorausgehenden und mit gaiu anderer
Bestimmtheit aufgestellten Satz zu citiren: „il n’y a donc
dans les faits counus rien qnl puiase appuyer le nioins
du monde Popinion, que les genres nouveaux . . . Bient pu
etre les souebes de qudqucs-uns des animaux d’aujourd-
hui“ etc.
thumliclikeitcn plötzlich auftreteu, nicht allmälig.
Man könnte durch Paarung solcher Thiere Hip-
pariou wieder herstellen , und zwar rasch, ohne
Uebergänge. Also ist es weder Adaptation , noch
Natural Selection, sondern nur unbekannte Kraft,
welche die Struciur verändert; höchst merkwürdig
ist dabei das Zusammentreffen des einzelligen Pfer-
des mit dein Menschen. Üwon glaubt, dass das
Pferd für den Menschen bestimmt und deshalb all-
mälig so umgewandelt worden ist, wie es auch
ferner als Specics mit ihm Schritt halten, d. h- sich
verändern oder sich gleich bleiben werde *).
AuslöRchung der Species durch Cata-
elysmen oder nach Gesetzen? Wenn hei Ein-
führung der Species das Wunder verworfen wird,
so kann cs auch beim Erlöschen nicht angenommen
werden.
Wie wirkt das Gesetz der DerivatiouV
Auch hier kommt der Verfasser auf seine Ansicht
einer intrinseken Tendenz der Organismen, von
den elterlichen Typen abznwcichen, und setzt an
die Stelle der natürlichen Auswahl, welche von äus-
seren Einflüssen abhängig Bei, seine Theorie der
Derivation, die solcher äusseren Antriebe nicht be-
dürfe.
Epigenesis oder Evolution? Epigenesis in-
volvirt natürliches Gesetz, Evolution Wunder.
Nomogenie oder Thauraatogenie V Diese
Frage umfasst in letzter Instanz alle vorhergehen-
den; sie bildet den Hintergrund sowohl der Discus-
sion zwischen Cu vier und Geoffroy 1830 und der-
jenigen zwischen Pasteur und Pouchet 1861, als
auch — angesichts der grossen Analogie zwischen
der Entwicklung eines Paramaecium und der Bil-
dung eines Ovarialeies im Wirbelthier — des Strei-
a) Kin durchaus nicht bewiesenes gleichzeitige» Auf-
treten von Mensch und einzelligem Pferd auch zugegeben,
ist denn doch schwer ahzusehen, warum denn ein so gros-
ser Theil der Menschheit sich noch mit paarigzehigen lluf-
thieren behilft, statt auf das seit der Kocenzeit alliuülig
für ihn znbereitete Pferd zu greifen, oder sollte gar lu
dem Grad, in welchem dieses geschieht, ein Maasstab für
den Grad der Menschheit liegen V Ebenso klingt der .Satz,
dass von allen qu&drupeden Hausthieren kein» den Men-
schen mehr gefördert habe als das Pferd, doch wohl gar
zu sehr nach KpMOtn. Auch der .Satx, das« gleichzeitige
Species Schritt halten und x. B. der Gedanke an eine Ver-
wandtschaft zwischen Tapir und Pferd , .absurd“ sei, weil
sie heute coexistiren, scheint nichts weniger als fest zu
stehen, da wir Belege genug von langltrbenden und kurz-
lebenden *Sp«cics haben- . L. R.
88*
Digitized by Google
8UU
Referate.
tea «wischen Epigunesis und Evolution. Der Ver-
fasser bekennt sich zu der Ansicht der Formbildung
(organischer Krystallisntion) in Folge heute noch vor
»ich gehenden Zusammentrittes äusserer und innerer
vorher vorhaudener Bedingungen, im Gegensatz zu
einer Abstammung von durch primäre Wunder kraft
erzeugten Keimen. Die Vorgänge in der unorga-
nischen Natur bieten für jene Formbildung eine
Menge von Analogien und zwischen ihren Aeuase-
rungeti und den Aeusserungen des „I^bens" orga-
nischer Körper ist us nicht möglich, andere als rela-
tive Grenzen zu ziehen. Die nämliche Ursache,
welche Kraft unter der Form von Magnetismus,
Kluktricität, Wärme wirken lässt, kann sie auch in
der Form von Leben wirken lasten, wenn auch aller-
dings zwischen den Lehensausserungen von Proto-
zoen einerseits, Pflanzen und Thieren andererseits
mehr Analogie besteht, als zwischen denjenigen
von magnatiairtem Eisen und belebter Sarcode.
Von Reflexacten des Nervensystems erheben sich
aber die Thierc zu Gefühls- und Willensacten.
Menschliches Denken und elektrische Schläge des
Zitterrochens sind beides Formen der Kraft und
zunächst Aeuaseruug von Nervonthätigkeit.
Schliesslich weist der Verfasser sowohl einen
allfalbgen Vorwurf von .Materialismus" als von
n Idealismus41 ab. Die Begriffe i>atri»tischer und mit-
telalterlicher Theologie über Materie haben keine
Geltung mehr; Kraft, Widerstand etc. sind endlich me-
taphysische Begriffe, die sich in gleicherweise auf
sogenannte materielle Wirkungen ausser uns als
auf immaterielle, die von uns ausgehen, anwenden
lassen und einer weiteren Analyse dermalen unfä-
hig sind. Physiologisches Weiterforscben über soge-
nannte immaterielle Thätigkeit unserer Organe wird
überall auf den Widerstand von Sätzen der dogma-
tischen Theologie stossen. Andererseits weist die
Erfahrung , dass Geistrethätigkeit — wie der Ein-
fluss von Schlaf, Medicinen, Krankheiten beweist —
Ergebnis^ von Affection uud Structurverändemng
des Gehirns ist, den Idealismus ab, der eine im-
materielle, unzerstörbare Seele einer zerstörbaren
Materie gegenüber stellen will. L. Rütimeyer.
2. L. Agassiz. ^De PEspece et de la Classi-
fication en Zoologie“. Paris 1869. Eine
von F. Vögeli unter Mitwirkung von
Agassiz besorgte Ueborsctzung des zu-
erst in Vol. I. der „Contributions to tbe
Natural History of tho United States*
1857, später in besonderm Abdruck, Lon-
don 1859, erschienenen nEssay on Clas-
sification.2 * * * * * * * * * * * 14
Das Buch selbst ist von früher bekannt nnd kann
hier nicht zur Besprechung kommen. Allein es sind
ihm folgende neue Abschnitte beigefügt: Chap. I.
18: Dualismc sexuel, 33: L’äge primitif de l’huma-
nite. Chap. II, 9: Cat egories d’analogies. Chap. III,
7 b: Darwiuisme. Classification de Haeckol, wovon
der letzte deshalb von Interesse ist, weil wir hier
Agassiz sich ebenso unumwunden wie Owen in
der vorhin besprochenen Arbeit, wenn auch in ent-
gegengesetzter Richtung, über „ Darwinismus* aus-
sprecheu hören.
Sehen wir von vorn herein ab von der durch
den Titel und den Text nahe gelegten Zusammen-
stellung von Darwinismus und II aecke Pechen
Stammbäumen, eine Zusammenstellung, die sich
sicherlich sehr viele Darwinisten nicht gefallen las-
sen würden, so verwirft Agassiz vollkommen, dass,
was ihm die Grundidee des Darwinismus zu sein
scheint, den Organismen irgend eine Tendenz in-
wohne, von elterlichen Formen abzuweichen. Auch
tritt er dem Darwinismus mit der Anklage entge-
gen, dass er, ähnlich wie die älteren naturphiloBO-
phischen Systeme, fast die Gesaramtheit der bisher
erworbenen That Sachen verläugne, um daraus nur
das hervorzuhehen, was seiner Doctrin dienen könne,
und dann auf dieseu Beweis ein rein ideelles Ge-
bäude aufzubauen. Er bestreitet unbedingt, dass
eine Generation von der vorhergehenden abweiche
und ebenso bestimmt, dass die Geschöpfe einer geo-
logischen Epoche von denjenigen einer vorherge-
henden abgeleitet werden könnten. Bietet auch die
von ihm zugogebene eigentümliche Ausbildung
jedes organischen Individuums Verschiedenheiten
dar, so bleiben dieselben doch jeweilen innerhalb
der Grenzen der Species *)• Unter 27,000 Indivi-
duen von Neritina fand Agassiz nicht zwei unter
sich vollkommen identische, und doch liess ihn kein
einziges in Zweifel über die Species, welcher es zu-
gehöre; die Variationen durch Züchtung aber gehö-
ren einer andern Ordnung der Dingo an und sind
denjenigen im wilden Zustande keineswegs gleich-
wertig. Endlich thut man sehr Unrecht, wenn man
aus dem Nachweis systematischer Verwandtschaft
von Thieren, innerhalb natürlicher Familien, auf
physiologische Verwandtschaft schlierst J). Schliess-
lich führt Agastis gegen die von Haeckel ent-
worfenen Stammbäume, sowohl für die Organismen
im Ganzen als für die einzelnen Abteilungen der-
') Ist denn nicht grade dien die l’etitio principii,
welche bisher das Auge für alle Verbindungsglieder von
Individuen verschlossen hat?
Ä) Dass der Beleg von Blut Verwandtschaft zwischen
den Speeles verschiedener Kpochen sehr schwer w ird geleistet
werden können, ist nicht zu bestreiten. Wohl aber ist zu
bestreiten, dass sich die synthetische Richtung, die durch
Darwin so mächtig gefordert worden ist nnd allerdings
über die Ergebnisse der Analyse, bei welchen die Cu vier’-
sehe Schule stehen bleibt, hinausgeht, eines Leitfadens be-
diene, der in den Resultaten der Wissenschaft keine Un-
terstützung finde. U eberschreituogen des Feldes der Beob-
achtung zu tadeln, ist vollkommen berechtigt; warte man
aber andererseits mit dem l'rtheil über beide Richtungen
ab, bis die von Darwrin befürwortete eine solche Arbeits-
zeit hinter sich haben wird, wie die Cu vier’ sehe, so wird
es ihr an Facta voraussichtlich keineswegs fehlen. L. R.
Digitized by Google
Referate.
301
«eiben, eine Kritik, welche ihr Urheber eoransBehen
konnte und gegen welche wir ihm die Verteidigung
überladen müssen. L. Rütiraeyer.
3. E. llaeckel. Ueber die Entstehung und
den Stammbaum des Menschengeschlechts,
Berlin 1868. (Zwei Vorträge, erschienen
als Heft 52 und Ö3 der Sammlung ge-
meinverständlicher wissenschaftlicher
Vorträge. Ileruusgegeben von Virchow
und Holtzendorff.)
4. E. llaeckel. Natürliche Schöpfungsge-
schichte. Gemeinverständliche wissen-
schaftliche Vorträge über die Entwick-
lungslehre im Allgemeinen nnd diejenige
von Darwin, Goethe und Latnarck im
Besondern, über die Anwendung dersel-
ben auf den Ursprung des Menschen
und anderer damit zusammenhängender
Grundfragen der Naturwissenschaft. Ber-
lin 1868. Mit 8 Tafeln Stammbäumen
der Organismen.
Beide Publiratioueu sind wesentlich Erweite-
rungen einzelner Abschnitte der früheren Arbeit
desselben Verfassers („Generelle Morphologie der
Organ isqien-, 2 Bände, 1866), allein diesmal an
das grosse Publicum gerichtet, während die ge-
nannte Hauptarbeit Leser vorauneetzte, die mit dem
Boden, auf welchem der Verfasser sich bewegte, ver-
traut und im Stande waren, die Haltbarkeit oder
Unhaltbarkeit der darauf errichteten Combinationen
zu beurtheilen.
Es bilden diese Werke, welche hier zu nennen
die vortrefflichen wissenschaftlichen Arbeiten des
genannten Verfassers verpflichten, eine Art neuer,
bisher kaum vorhauden gewesener Literatur, die zu
bezeichnen nicht ganz leicht ist. Der Verfasser hat
sie gern ein verständlich und wissenschaftlich ge-
nannt; die Richtigkeit deB ersten Prftdicates wird
ihm Niemand bestreiten, allein auf das zweite wird
er im Ernste wohl kaum selbst Anspruch machen.
EU könnte dies höchstens begründet werden, einmal
durch das wahrhaft mittelalterlich-formalistische Ge-
wand, in welchem diese Bücher uinhergehen, sowie
durch den Umstand, dass in ihnen ohne Zweifel
zahlreiche Ergebnisse der Wissenschaft verarbeitet
sind. Allein der Verfasser hat alle1« Mögliche ge-
than, um den Leser diesen Hintergrund nicht in
zu grosser Nähe fühlen zu lassen.
Man wird iu der Billigkeit so weit gehen als
möglich, wenn man diese Schriften Entwürfe nennt,
Schemata, wie sich der Verfasser das heutige Wis-
sen in der Zukunft gruppirt denkt; sie bilden also
eine Art vou — wir wollen nicht hoffen — Zu-
kunl'tsliteratur, aber von Phantasieliteratur, wie sie
auf einem andern Gebiet des Denkens sich aller-
dings einer großen Popularität erfreut, auf wissen-
schaftlichem Gebiete aber an eine weit zurücklie-
gende Vergangenheit erinnert, wo noch Beobach-
tungen nur als Mörtel für die von der Phantasie
gelieferten Bausteine dienten, während man heut-
zutage gewohnt ist, da» umgekehrte Verhält n iss zu
verlangen. So drängt sich für die zweite der oben-
genannten Schriften fast unwillkürlich als Parallele
ein gleich merkwürdiges, damals freilich pseudonym
erschienenes Buch auf, das in der letzten Zeit als
eine Art Anfang des Darwinschen Gedankengan-
ges viel genannt worden ist, nämlich Velliamed:
E'ntrctieiis d’un philosophe indion avec un missio-
naire fran^ais (sur la diminntion de la Mer, la for-
rnution de la Terre, Porigine de 1‘Homme etc.), 1748,
worüber in neuester Zeit ein ebenso comj>etenter
als unparteiischer Kritiker folgendes Urtheil fällte:
„Main si, laissant de cöte la partie fantaisiste de
son livre, ä laquelle Taute tir n’accordait ancune
importance reelle, nous no considerons que les quatru
Premiers entretions, nous trouvons que Velliamed
vaut rnieux que sa reputation, qu'il y a dans scs
recherches, dans la suite et l’arrangement des
faits beaucoup plus d’entente d’un veritablc Systeme
que danB la plnpart des ouvragp* de son temps.u
Setzeu wir an die Stelle von la plupart „viele“, so
dürfte dies Urtheil auf die „natürliche Schöpfungs-
geschichte“ um bo mehr Anwendung finden, als wir
den hartem Schlusssatz von d’Archiac, in welchem
er sich Über das Schicksal von Büchen) ausspricht,
oü Tinmgination finit par Pemporter sur l’observa-
tion et l’experience, mit Absicht unterdrückt haben.
Durch diesen Vergleich glauben wir dein Text
desHaeckel’schen Buches kein Unrecht gethan zu
haben. Weniger Löbliches lässt sich von den Illu-
strationen sagen, von welchen man fast glauben
sollte, dass rie dazu bestimmt seien, dem Buche
neben dem Publicum, da» den Text liest und dann
im Nothfall sich solche Illustrationen selbst macht,
noch ein zweites zu sichern, dem man das Lesen
des Textes — und gewiss mit Erfolg — erspartu
wollte. Auch für diese könnte man Parallelen aus
etwas entlegener Literatur beihringen, doch wäre
dies zuweit gegangen; sic machen weder den Ein-
druck, auf die Dauer berechnet zu sein, noch sind
sie durchweg neu. Sind doch die Zeichnungen des
Titelblattes, freilich nur in manuscripter Form, in
fröhlichen Freundeskreisen bekannt genng und
erscheinen nun liier zuerst als Empfehlung „wis-
senschaftlicher1* Werke« Auch die in den acht Schl uss-
tafeln gebotenen Skizzen sind nur als Publication
neu, während sie bisher höchstens zu privater Orien-
tirung und auch nur in Form von Flugblättern,
die man alle Jahre mit verbesserten vertauschte,
in den Schreibtischen existirten. Wirklich neu in
gewissem Sinn Bind nur einige dem Text oinge-
fügte Zeichnungen, wie die zu Pag. 240 utid vor
allem die Holzschnitte zu Pag. 248.
Dass hier Originnlien geliefert würden, konnte
Digitized by Google
Referate.
302
für ein Hucli von dieser Tendenz kein Mensch ver-
langen; wühl aber durfte mau erwarten, dass ein
Forscher, der sehr genau weist, dass auf keinem Ge-
biete Zeichnungen, zumal wenn so weittragende
Schlüsse darauf gebaut werden sollen, grössere Scru-
pulositüt und Gewissenhaftigkeit erheischen, uls
auf diesem, seine Vorlagen nicht zu speculativeu
Zwecken willkürlich inodellireu oder geueralisircii
werde, wie dies bei Vergleichung der Embryos zu
Pag. 240 mit den zu Grunde gelegten Zeichnun-
gen aus Bischoff (Hund, vierte Woche), Ecker
(Mensch, vierte Woche), Aga ssiz (Schildkröte) etc.
nachweisalichermassen geschehen ist. Vollends aber
kann das auf Seite 248 augewendete Verfahren,
wo ein und derselbe, überdies unrichtig interpre-
tirte Holzschnitt dreimal nebeneinander und unter
drei verschiedenen Titeln, als Embryo des Hundes,
des Huhnes, der Schildkröte dem Leser vorgeführt
wird, nicht anders genannt werden als Spieltrei-
ben mit dem Publicum und mit der Wissenschaft,
ln Compilationen sechster und siebenter Hand
geht man über derlei hinweg; allein wenn eine von
einem Mikroskopiker geschriebene ^wissenschaft-
liche1* Schöpfungsgeschichte sich solches erlaubt und
im Text Pag. 249 dann überdies nicht etwa diese
Zeichnungen als rohe Schemata bezeichnet, sondern
hinzufügt: „Wenn Sie die jungen Embryonen des
Hundes, des Huhnes und der Schildkröte in Figur
9, 10, 11 vergleichen, so werden Sie nicht im Stande
sein, einen Unterschied wahrzu nehmen,1* so ist es
am Platze dagegen zu protestiren. Glücklicherweise
sind die Zeiten vorbei, wo das Wissen von einer
Kaste nach Vorschriften adminißtrirt wurde; wohl
aber glauben wir noch au eine Verpflichtung, nir-
gends verbrieft oder beschworen, aber in jedes
ernsthaften Forschers Innerm lebend, welche diese
Alle nicht etwa unter den Ccnsua einer Congrega-
tion, allein uuter allen Umstünden, das Mikroskop
nicht ausgenommen, und ohne allen Vorbehalt unter
das Auge des jeweilen zugänglichen Grades von
Wahrheit stellt. r L. Rütimeyer.
5. Thesaurus craniornm. Catalogue of the
Skulls of the various raecs of man, in the
collcction of Joseph Barnard Davis. Lon-
don, 1867. Pag. I — XVII und 1 — 374.
Mit Masstabellen, zwei lithographirten
Tafeln und Öl in den Text eingedruckten
Figuren, meist Profilbildern von Schä-
deln in V« bis 1 % natürlicher Grösse.
Dieser sorgfältig ausgearbeitete Catalog einer
der reichsten Sch&delsammlungen der Erde bildet
ein nicht unwichtiges Hülfsmittel des ethnologi-
schen Studiums. Derselbe verzeichnet über 1400
Nummern, während die Morton 'sehe Sammlung
nur 1045 Stück enthält, Cataloge berühmter
öffentlicher Sammlungen Englands 1000 nicht er-
reichen. (Sehr viel armer au Raceßchadeln sind
die deutschen Sammlungen; so fand Referent in
den Jahren 1863 und 1864 in der Blumenbach-
schen Sammlung nur 320 Stück; in der Berliner
Sammlung incl. der Köpfe von 20 Raceakeleten 209
Schädel; zu München in der anatomischen und zoo-
logischen Sammlung 102.) Die Sammlung von
Davis, zum Theil begründet durch die in eie ein-
geflossenen Sammlungen von E. B. Price und
Juni es Deville und später vermehrt durch die
un vorzüglichen Exemplaren reiche Collection von
Prof, van Lidth de Jeude (Utrecht), wuchs durch
zahlreiche Zuscuduugon auswärtiger Gönner und
Freunde zu einer so ansehnlichen Grösse; aber
noch mehr als durch ihren Xummemreichthuni ist
dieselbe durch seltene, wohlerlndtcne und gut ver-
bürgte Exemplare ausgezeichnet. Besonders reich-
lich sind vertreten althritische Schädel, „Romano-
Britons1", Altrömer, Angelsachsen (diese Schädel
bilden einen grossen Theil des von demselben Ver-
fasser mit Thurnam in den Crania britannica be-
schriebenen Materials). Reich ferner ist die Samm-
lung an IlinduKchädeln , Mussulmans , Lepcha's,
Bodo's und anderm, nur in wenig Cabinetten vor-
komineiidcn Völkerschaften Hochasiens. Ein selte-
ner Besitz ferner ist eine Reihe von 140 Kaimka-
schüdeln (Referent hat in den Sammlungen Deutsch-
lands und Hollands in Allem nur 10 Schädel die-
ser interessanten lUce vorgefunden); unter den
ausgestorhenen Racen 22 Guanchenschiidel und 12
Tasmanier.
Sehr dankenswert!) ist es, wenn zu derartigen
Sammlungen, die für die ethnologische Forschung
eiu Schatz für alle Zeiten sind, gute, die wesent-
lichsten Charaktere möglichst vollständig hervor-
hebende Cataloge veröffentlicht werden. Sie die-
nen dem allgemeinen Gebrauche nach den ver-
schiedensten Seiten, sowie Denjenigen, welchen es
vergönnt ist, die Sammlung selbst zu untersuchen,
zur vollständigeren Ausnutzung des Materials. Die
zu den einzelnen Schädeln gehörigen, sonst so
leicht sich verlierenden Notizen gowinnen durch
den Druck eine unvergängliche Fixirung.
Die Anordnung des Catalogs ist eine vorwiegend
geographische. Ohne Zweifel besitzt eine solche
ihre Vorzüge und sie geht an vielen Stellen ob-
jectiv und ohne Präjudiz durch, wo der Versuch
einer ethnologischen Ordnung auf Schwierigkeiten
stosseu würde. Doch hat sie auch manches Miss-
liche. So findet sich die Aufzeichnung der alt-
römischen Schädel an sehr verschiedenen Stellen
des Buches zerstreut: — pag. 17 bei den altbriti-
schen Racen, pag. 73 hei den Racen Frankreichs,
pag. 88 bei denen Italiens, pag. 103 bei denen der
Niederlande; eine Zusammenstellung dieser Schä-
del an Einer Stelle würde für die vergleichende
Betrachtung weit nützlicher gewesen sein. Aehulich
die JudenBchädel, diu sich pag. 93 unter den races
of Italy finden, pag. 110 unter den niederländischen
Digitized by Google
lieft; rate.
303
Rncen, pag. 113 unter den deutschen und pag.
115 unter den polnischen Raceu *).
Eine kurze VerbalbeHchreibung jedes einzelnen
Schädels zu geben, verbot der Reichthum der Samm-
lung ; doch ist der Catalogus keine blosse Liste ;
stets sind die wichtigsten Schädel in nasse beigefügt,
und überall, wo erhebliche Besonderheiten vor-
karaen, sind diese kurz und prägnant geschildert.
Diese Notizen enthalten gar manches Neue, inter-
essante und wichtige Data zur Morphologie wie
zur Ethnologie. Ueberall sind an betreffender
Stelle eigene und fremde Publicationen citirt, und
inan dürfte die ethnologisch-craniologisehe Litera-
tur und Iconographie kaum an einem andern Orte
so vollständig verzeichnet finden.
Bemerkenswert h ist die Abhandlung , welche
Verfasser pag. 49 bei Aufführung seines inter-
essanten „Neanderthaloid-Skull“ *) eingeflochten.
Ebenso die Angaben über die künstliche Schädel-
formung bei den Amerikanern (pag. 240, 250 und
an anderen Stellen); die Angaben über die Guan-
chen (pag. 191); über allgemeine Racen Verhält-
nisse pag. 109 und vieles Andere.
Interessant sind die pag. 310 und 313 gegebe-
nen Abbildungen der ausserordentlich schmalen
and hohen Schädel von „Bist" und „Kilala“, Hy-
psistenocephalcn von verschiedenen Inseln Polyne-
siens; die Aehnlichkoit von Fig. 90 und 91 mit der
von Huxley (Arch. f. Anthr. I., pag. 347, Fig. 86
und SS) gelieferten Occipital- und Scheitelansicht
seines Schädels B — der zweifelsohne zu dieser
Schädel gattung gehört — ist zum Verwechseln
gross.
Eine Bereicherung unseres Materials ist die Ab-
bildung eines Siamesen -Schädels (pag. 175); die-
selbe erinnert in den meisten Charakteren, zumal
der ansehnlichen Schädelhöhe, der dentalen Pro-
gnathie, Kürze des Unterkiefers, Augenpartie etc.
an den Chinesentypus. (Ein Siamesenschädel aus
Bangkok, welchen ich von meinem Freunde Swa-
ving erhielt wohl der erste in Deutschland —
stimmt mit Davis’ Abbildung in allen Stücken.)
>) An dieser .Stell« citirt Davis eine Abbildung des
Schinderhannc*- Schädels als .1 udenschädcl, ein Irr-
thum, der auf dem von .Seiten eines Deutschen und alle
cause* eelebres kennenden Autors sonderbaren Irrthame
HyrtPs beruht, welcher den Schädel des Schinderhannes
„einen der schönsten Judenschädel“ nennt, den er
jemals gesehen (Topogr. Anat., I., 117). Ich seihst habe
zur Fortführung dieses Irrthums möglicherweise Veran-
lassung gegeben, indem icli jene .sonderbar« Angabe ab-
drnckte, ohne ihr zu wider» p rechen.
a) Mein verehrter Freund , welcher mir diesen Schä-
del (abge bildet Tlies. |»ag. 41») behufs einer Arbeit über
den Neandertlialscltidel nach Halle sendete, hat mir ge-
stattet, denselben formen zu lassen. Herr Conservator
Klautsch zu Halle a. S., dessen beachten» wert he Liste
verkäuflicher Gypssaehen sich pag. 152 des III. Bandes
d. A. abgedruckt findet, erbietet »ich, den Abguss des
Neanderihaloid-Skull zu 2 Thlr., den Ausguss der Schä-
deihöhle zu 1 Thlr. zn tiefem.
Zwei Appendices behandeln näher die Messun-
gen. Der erste ist den Sch&delmossungen ge-
widmet und giebt eine Zusammenstellung der
Mittelwerthe. Die Cajuicität der Schädelhöhle ist
in dem Werke für jeden einzelnen Schädel in „Un-
zen trocknen und reinen Calais-Sandes*1 angegeben ;
dass bei den Mittel werthen (pag. 360) diese Aus-
druckweise in Cubikzolle u ingeschrieben ist, er-
höht die Brauchbarkeit dieser Bestimmungen !).
Der zweite Anhang giebt die Messungen der
Racenskelete, deren Davis neun Stück besitzt,
darunter einen nordamerikanischen Indianer, einen
Alt-Peruaner, zwei Polynesier und, eine Selten-
heit ersten Ranges, einen Aino.
Für alle die, welche in dem Schädel das für
die ethnologische Diagnose wichtigste Bruchstück
des Menschenkörpers sehen, wird auch dieser Ca-
talogus ein „Thesaurus u sein.
H. W elcker.
0. Reise der österreichischen Fregatte
„Novara11 um die Erde. Anthropologi-
scher Theil, dritte Abtheilung: Ethno-
graphie, auf Grund des von Dr. K. von
Scherzer gesammelten Materials bear-
beitet von Dr. Friedrich Müller, Profes-
sor der orientalischen Linguistik an der
Wiener Universität. Mit 10 photographir-
ten Tafeln und einer Karte. 4°, pag. I —
XXX und 1 — 224.
Nachdem im Jahre 1867 die zweite Abtheilung
des anthropologischen Theilcs des Novara- Reise-
werkes, enthaltend Körpermessungen von der Hand
Professor A. Weisbach’s, erschienen ist (vergl.
Referat in dein Archiv, III, Seite 139), «) haben wir
in dem hier angezeigten Buche einen weiteren vor-
trefflichen Beitrag zum anthropologischen Apparate
zu begrünen. Wie uns der Herr Verfasser in dem
Vorworte sagt, wurde dieser ethnographische Band
anfangs mit Herrn von Scherzer gemeinsam in
Angriff genommen, später, nachdem der letztge-
nannte Forscher, welchem das Reiseunternehmen
»eine Entstehung und Förderung ganz wesentlich
verdankt, sich anderweitig in Anspruch genommen
sah, von ihm allein za Ende geführt, gestützt auf
die von Scherzer gesammelten Materialien, wie
auf die eigenen Sammlungen und anderweitigen
Hülfemittel des Herausgebers. Der von Scherzer
zur Verfügung gestellte Apparat besteht theils in
8) Kin« Kcdnctionstabelle zur Umsetzung der Unzen
Sand in Cubikccntimeter habe ich IW. 1, pag. 269 des
Archivs gegeben, und der verehrte Herr Verfasser hat
in einer jüngst erschieiiciiL-n Abhandlung »eine Volum wert he
in Cnblkcentimeter transponirt und die mittleren Gehirn-
Gewichte für di« einzelnen Völker berechnet.
4) Die erste Abthriitmg, welche meines Wissens di«
kraniotogische Ausbeute der Xovunt-Kxpcdiruin zum Ge-
genstände haben wird, ist noch nicht erschienen.
Digitized by Google
304
Referate.
handschriftliche« Notizen, welche der Reisende an
Ort und Stelle aufgenoiirnien, theils in (Korrespon-
denzen mit befreundete« Gelehrten und Missionären,
theils endlich in einer Reihe von seltenen, meist i«
den Colonion gedruckte« Brochüren und Zeitungen.
Diese Sammlungen enthalten eine Fülle dos werth-
vollsten ethnographischen Materials, erstrecken sich
jedoch nur auf die von der Novara- Expedition
berührten Völker und hier besonder* auf die Mao-
ri*», die Nordamerikaner und die Chinesen.
Sehr dankbar sind wir dem gelehrten Her-
ausgeber, duss er sein Werk nicht auf die von der
Expedition besuchten Völker beschränkt, son-
dern beinahe auf sämmtliche Nationen ausgedehnt
hat. Es galt ihm um den Entwurf und die Be-
gründung eines ethnographischen Systems vom
Standpunkte des Sprachforscher». Hören wir ihn
seihst (pag. IV):
„Bekanntlich begegnen wir innerhalb der Eth-
nographie zweien nicht immer miteinander in Ein-
klang stehenden Richtungen, einer naturwissen-
schaftlichen und einer linguistischen. Soviel mir
bekannt, hat bisher nur di« erste Richtung es unter-
nommen, ein in’s Einzelne gehendes System auszu-
führen. Dieses hat aber in den seltensten Fallen
die Billigung der anderen Richtung finden kön-
nen, ohne dass diese cs selbst unternommen hatte,
etwas Besseres zu liefen« Ich hielt es daher wohl
der Mühe werth, als Sprachforscher eine Bearbei-
tung der Ethnographie im Ganzen zu versuchen
und diesen Versuch sowohl meinen Genossen , den
Sprachforschern, als auch den Naturforschern zur
Prüfung vorzulegen.*4 Verfasser verspricht, diesem
Gegenstände auch in der Folge seine Kraft zu wid-
men.
Die Beurthcilung der linguistischen Motive,
welche den Verfasser geleitet haben, muss Referent
dessen speciellen Fachgonossen anheimgeben1); von
meinem Standpunkte aus darf ich mich freuen, auf
dem Wege der anatomischen, wesentlich kraniolo-
gischen Gruppirung (worüber ich in einem dem-
nächst erscheinenden Werke berichten werde) viel-
fach zu denselben ethnologischen Gruppen gelangt
zu sein, wie Verfasser auf dom von ihm eingeschla-
genen, wesentlich linguistischen Wege.
Pag. VIII begründet Verfasser seinen Grund-
satz, dass -die einzelnen Völker nach dem Mo-
mente der Sprache in Gruppen zusanimenzustellen
und im System aneinanderzureihen, mit anderen
Worten die Sprache snmmt den an dieselbe im Ge-
biete des geistigen Lebens sich knüpfenden Aeus-
serungen zum Hauptmerkmale der Völker Verwandt-
schaft zu erheben“ sind. „Danach wäre die Ethno-
*) Von demselben Verfasser erschien bereits der lin-
guistische Tbell der Novara-Bücher. ein von den Sprach-
forschern wegen »einer grossen Klarheit und Objectivität
bewunderte» Werk.
graphie als Wissenschaft zunächst nichts Anderes,
als jeno speciellc Ethnographie, welche man gewöhn-
lich mit dem Namen der linguistischen belegt.4*
Es ist aber keineswegs ausscldiesslich die Sprache,
woraus Verfasser seine Schlüsse zieht, sondern neben
ihr auch alle übrigen «unseren Kundgebungen des
geistigen Lebens der Völker: Poesie, religiöse An-
schauung, Sitten, Gebräuche, staatliches Leben.
Pag. XI kommt Verfasser auf dio Schwierigkeiten,
störende, oft sehr verwickelte und schwer überseh-
bare Einflüsse zu sprechen, in Folge deren das lin-
guistische Moment nicht so einfach über die eth-
nische Zusammengehörigkeit zu entscheiden ver-
mag. Gegenüber dem, was Verfasser, gewiss mit
Recht, gegen die einseitigen, auf ein einzelnes, dem
Körper entnommenes Merkmal gegründeten anthro-
pologischen Systeme und R4»ceneintheilungen bei-
bringt, ist oh doch zweifelhaft, oh die Körperform,
im Gegensatz zur Sprache, so ilexibel ist, wie Ver-
fasser au dieser Stelle (pag. XI) zu venuuthen
scheint. Gerade bei dem vom Verfasser angegebenen
Beispiele, der von der Körper beachaffenheit der ural-
altaischen Völker abweichenden Körjierform (resp.
Schädelform) der Osmanli» und Magyaren, würde
ich der Auffassung des Verfassers: „Hier hat die
Sprache »die« äusseren Einflüssen Trotz geboten, die
Leiber hingegen haben sich durch das fremde
Blut uui gewandelt“ — nicht huitreten können
(falls nicht, wie ich fast vermuthe, jedenfalls aber
einem Missverstand« iss entziehen möchte, mit den
Worten „die Leiber haben sich umgewandelt“, nicht
sowohl eine Umwandlung, als eine Verdrängung
gemeint ist). Referent kann die Türken und Ma-
gyaren nimmermehr für die leiblich umgeänderten
Nachkommen der ural-altaiscben Stämme ansehon,
deren Sprache sie überkommen haben, ohne dass,
wenn man irgend auf dos Gros der Bevölkerung
Bezug nimmt, ein genealogischer und darum auch
kein engerer anatomischer Zusammenhang besteht.
Meine volle Beistimmung hat der jmg. XII näher
motivirte Ausspruch, dass innerhalb vieler Jahrtau-
sende „der Riicentypua sich nicht verändert habe,
oder dass die Veränderungen derartig gering sind,
dass sie auf deu ersten Blick gar nicht wahrgeuom-
nien werden können.“
Sehr ansprechend und reich an deu trefflich-
sten Gesichtspunkten ist die Darstellung, welche
Verfasser von dem Einflüsse der äusseren Form des
Landes und den verschiedenen nmthmasslichen Cul-
turherdengiebt (pag. XIII und folgende); pag. XXIII
bringt in tabellarischer Darstellung die „Eintheilung
der Menschheit nach den Racen und den durch
Sprachen geschiedenen Völkern.“ Werfen wir auf
diese Tabelle «inen Blick, so können wir (mit dem
Verfasser pag. XXVII) „einen successiven Fort schritt
in der Entwicklungsgeschichte (der Völker) nicht
verkennen.“ Ich kann nicht umhin, das anspre-
chende Bild wiederzugoben , welches Verfasser in
Digitized by Google
liefe rate.
prägnanten Zügen von den Hauptracen der Mensch-
heit hier entwirft: „Auf der untersten Stufe sehen
wir den Australier, ein Wesen, welches fast ans
Thier streift, ein Wesen ohne alle andere als rein
thierisehe Bedürfnisse. Der Australier lebt gleich
dem Thiere meistens von der zufällig gefundenen
Nahrung; er hat eine sehr mangelhafte Wohnung.
Sein Gemüth ist stumpf, nur die Befriedigung thie-
rischer Triebe, wie Hunger, Durst, Geschlechtslust
vermögen es einigerraaasen zu erregen. Von be-
stimmten religiösen Ideen, von der Verehrung
bestimmter Gottheiten sind nur geringe Spuren vor-
handen. — Höher steht bereits der Papua. Er
sammelt Nahrung ein, züchtet einige Thiere und
bebaut das Land, wenn auch Alles mangelhaft.
Seine Hütten sind meistens am Ufer aufgebaut und
ganz den in Mitteleuropa an den Seen aufgefnnde-
nen Pfahlbauten ähnlich. Sein Gemüth ist heiter;
er fiudet auch an anderen Dingen als der Befriedi-
gung t hierischer Triebe seinen Gefallen. Sein Aber-
glaube hat eine bestimmtere Form; er schnitzt sich
Götzen au» Holz und baut ihnen Tempel. — Einen
höheren Fortschritt zeigt der Malayo-Polyne-
sier. Neben den auf Befriedigung sinnlicher Be-
dürfnisse abzielenden Einrichtungen finden sich
bereit» einige Culturelemente vor. Wir finden ein
Familienleben entwickelt. Die einzelnen Stämme
werden von Häuptlingen regiert. Es lassen sich
durch Sitte und Gewohnheit geheiligte Gesetze uach-
weisen. Man baut Schiffe, mit denen man sich ins
Meer hin Auswagt. Die religiösen Ideen sind be-
stimmt ausgeprägt und nehmen bereits die Form
der Sage an. Freude und Leid äussem sich in Ge-
sängen, welche im Gedächtniss aufbewahrt werden.
Der Einfluss des Häuptlings gründet sich nicht nur
auf die rohe Gewalt und Stärke, »ondern theilweise
auch auf dio Kraft und Kunst der Rede. — Noch
höher steht der Neger. Seine Wohnungen sind
massiver und kunstvoller ; der Landbau wird ungleich
besser betrieben. Ein bemerkbarer Fortschritt zeigt
sich besonders in der Industrie und im Handel.
Der Neger baut grössere Städte und lebt in orga-
nisirten Staaten. Er strömt nicht nur die augen-
blicklichen Stimmungen seine» Gemüth» in Liedern
aus, sondern gieht sich auch der Reflexion hin,
welche sich in Sprüch Wörtern und Räthseln aussert. —
Der Amerikaner ist im Allgemeinen Jäger und
Fischer und steht in dieser Hinsicht hinter dem Ne-
ger und theilweise auch hinter dem Malayo-Polynesier
zurück. Bedenkt man jedoch, cIas» er dies nur in
Folge der Gestaltung und Lage seines Landes und
der beschränkten Hülfsmittel wurde und das» dort,
wo günstigere Bedingungen vorhanden waren, auch
eine nicht unbedeutende Cultur sich entwickelte,
so kann man nicht umhin, den Amerikaner in Be-
treff der letzteren (wir erinnern an Mexico und
Peru) über den Neger zu stellen. Denn die Bauten
und Bildwerke der beiden Culturstaaten Amerikas
Archiv für Anthropologie. Bd. in. Heft 3.
S05
übertreffen Alles, was der Neger in dieser Richtung
geleistet hat, und die verschiedenen Mittel zur Be-
friedigung von Bedürfnissen, wie sie nur in Cultur-
Staaten Vorkommen, sind »o umfassend, dass Manche
zur Erklärung derselben fremde Einflüsse auneh-
men zu müssen glaubten. — Höher als der Ame-
rikaner steht der Ilochasiate. Obgleich die mei-
sten Völker diener Race Nomaden sind, die nur
als Weiterschütterer eincu Namen sich gemacht
haben, so ist wiederum besonders zweien der hier-
hergehörenden Staaten, Japan und China, ein blei-
bender Name in der Cult Urgeschichte zu Theil ge-
worden. Diese beiden haben in gewisser Beziehung
das Höchste erreicht; die materielle Cultur dersel-
ben steht der abendländischen in Nichts noch. —
Den höchstenGrad ihrer idealenEntwicklung erreicht
die Menschheit in der mittelländischen Race.
In der ersten Zeit ihre« geschichtlichen Auftretens
(der Herrschaft der semitischen Völker) steht sie
nicht höher als China. Erst mit dem Erscheinen
der Semiten und Indogermanen bricht sich eine
freie ideale Cultnr Bahn, die nach und nach sieg-
reich alle Schranken, welche Zeit und Raunt ihr
gesetzt zu haben scheinen, durchbricht und alles
ihren Einflüssen unterwirft. Durch sie ist es mög-
lich, dass der Mensch zu dem werde, als was ihn
die Sage der Semiten darstellt, nämlich einem Eben-
bilde Gottes.“
Verfasser führt nun iD dem eigentlichou Werke
(Seite 1 bis 208) die einzelnen Raren in specieller
Darstellung vor, und es ist der Inhalt auf folgende,
bei den einzelnen Völkern wiederkehrende Rubri-
ken vertheilt: „Land und Klima“, „Fauna und
Flora1*, „Typus“, „Kleidung, Wohnung, Nahrung,
Geräthe, Waffen“, „Geistige Anlagen“, „Leben,
Sitte, religiöse Anschauungen“, „Sprache“. Der In-
halt ist üW&U ein so reicher, die Darstellung eine
so treffliche, bei aller Gelehrsamkeit und Schärfe
der Kritik so schlichte und milde, sie trägt, so
pikant sie, der Natur des Gegenstandes nach, an
manchen Stellen auch ist, überall das Gepräge der
gewissen haftesteu Wahrhaftigkeit , so dass hier in
gleichem Maasse den Forderungen der strengen
Wissenschaft wie des nach belehrender Unterhal-
tung suchenden Lesers Genüge geschieht. Referent
muss es sich versagen, auf da» Detail des Inhaltes
einzugehen.
Als Anhang sind dem Werke beigegeben:
Die Verzeichnisse der von K. v. Scherzer wäh-
rend der Novara- Expedition gesammelten ethno-
graphischen G egen» tän de und der von v. Scher-
zerund Schwarz gesammelten Racenschädel *).
*) Zu Nr. 1.: „Ein completes Bosjes ma n-Skelot ,
du* einzige Exemplar in ganz Europa,“ bemerke ich,
dass nach meinen Skelet Messungen die Berliner Samm-
lung unter Nr. 7193 gleichfalls ein „Skelet eines Busch-
manns vom Cap der guten Hoffnung“ (Etiquctre von Job.
Müller1» Hand) hesiut; und in neuester Zeit auch die
39
Digitized by Google
306
Referate.
Die 10 pbotographirten Tafeln enthalten Modelle
von javanischen Hütten, Waffen, ein javanische«
Dorf, verschiedene Idole und eine Reihe vorzüglich
schöner Basreliefs aus dem Tempel von Borobudor.
Endlich ist dem Werke noch böigegeben eine von
A. J. Kracher bearbeitete Weltkarte, welche
die Vertheilung dar Völker durch Farbendruck ver-
anschaulicht. H. Wclcker.
7. Anatomische Untersuchung eines Busch*
weibes von H. v. Luschka, J. A. Koch, Alex.
Götte und Carl Görtz.
Im letzten Heft des Archivs (111. 1. 2. 143)
wurden die Untersuchungen, welche Flower und
Murie an einem Weibe der genannten Race an-
geltet lt haben, im Auszüge mitget keilt. Wir sind
heute in deu Stand gesetzt, über eine zweit« Unter-
suchung zu berichten, welche von Prof. v. Luschka
in Verbindung mit einigen seiner Schüler an einem
Weibe gleicher Race unternommen wurde. Die
betreffenden Arbeiten der drei letzterwähnten Au-
toren sind Inauguraldissertationen , die unter
dem Präsidium des genannten Lehrers der Anato-
mie erschienen und der Redaction sofort freund-
lichat mitgetheilt wurden; die Titel derselben lau-
ten: 1) Ueber da» Becken eines Buschwoi-
bes von C. Görtz. Tübingen, 1868. 2) Ueber
das Hirn eines Buschweibes von J. L. A.
Koch. Tübingen, 1867. 3) Ueber das Haar
des Buschwoibcs im Vergleich mit anderen Haar-
form en von A. Götte. Tübingen, 1867. Dazu
kommt 4) ein Aufsatz von Prof. v. Luschka:
Die äusseren Geschlecht »tbeile eines Busch-
weibes mit einer Abbildung in: Monatsschrift
für Gehurtskuude. Band XXXII. Heft 5. 1868.
Der Gegenstand der Untersuchung ist das
Busch weih Afandv, das auf seiner Rundreise durch
Deutschland vielen Naturforschern und Aerzten
bekannt geworden ist. Dasselbe starb, 39 Jahr alt,
im Sommer 1866 zu Ulm au einer Pleuritis und
wurde sofort auf die anatomische Anstalt nach
Tübingen verbracht und dort nach verschiedenen
Richtungen einer genauen Untersuchung unter-
worfen. Die Sprache des genannten Weibes soll
durch eine fast ununterbrochene Folge von Schnalz*
und Knalllauten aufgefallen sein.
a) In Betreff der Körperbeschaffenheit
im Allgemeinen finden sich folgende Angaben :
Di« Grösse beträgt (Görtz 1. c. S. 24)
4# 2" 3W, 136 Cent. (Koch 1. c. S. 8), das Kör-
pergewicht 101 Pfund Medicinulgewicht (Koch
Tübinger Sammlung, welche den Leichnam der bekann-
ten „Afandy" erhielt (vergl. dm» nachstehende Referat,
Nr. 7). — l' übrigen* enthalten die Schädel der Ncivara-
Sammlung, welche ich bereit* im Jahre 1863 durch die
Liberalität des Herrn von Scherzer einer ausführlichen
Untersuchung unterwerfen durfte, «ine grössere Anzahl
vorzüglicher und seltener Exemplare.
1. c. S. 8), 75 Pfund 22 Loth Zollgewicht (Luschka
1. c. 346), <lio Farbe ist hellbraun, die Brüste
sind nicht hängend , der Hof hat einen Durchmes-
ser von 1 */* und ist unregelmässig, eher concen-
trisch als radiär gerunzelt . die Pupille wenig vor-
stehend. Am Gesicht ist die Plattheit der Nase,
die Breite des Intcrocularraumes und das Vor-
springen der Wangenknochen auffallend. Die
Iris zeigt eine bläuliche Färbung; das Ohr ge-
fällig gebildet, keineswegs affenähnlich, wie es
Cuvier und Müller fanden.
b) Skelet. Der Schädel (Koch L c. S. 8)
ist dolirhocephal (grösste Länge 16*5 Cent., grösste
Breit« 12*5 Cent-, Index = 70)1), Beine Capacität
(Koch 1. c# S. 8) beträgt 1085 Cubikcent (36 5
Wasser). Das Gesicht ist prognath, Länge
10 Cent., Breite 10'5 Cent., die Nase platt, die
Nasenbeine nicht verschmolzen, die Wangenbeine
stark vorstehend, die Zähno vollständig erhalten,
weis« und von denen der Europäer nicht abwei-
chend. In Betreff de« übrigen Skelets wird be-
merkt, dass dio Abweichungen, welche verschiede-
nen Skelettheileu der Hottentottenvenus eigen
gewesen, an der Afandy nicht bemerkt wurden.
Das oorp. femoria ist nicht breiter, der hintere
Kamm sogar sehr prononcirt, der Hals des Schen-
kedhoins weder breiter, noch weniger schief, da-
gegen weniger lang, die tibia von etwa« plum-
perer Form mit weniger allegebildeter crista; der
calcaneus zeigt einen längeren Fersen fort satz . wie
er den Negern und gewissen Affen zukomme, am
astragalus falle die zierliche Form und die gerin-
gere Convexität der obern Geleukfiäche auf. Hu-
merus schlank, dio Ellenbogengruben nicht durch-
bohrt. Die ganze Wirbelsäule, mit Ausnahme des
Halst heil«, insbesondere die Lendengegend sehr
gestreckt. Die Köpfchen der Rippen, insbesondere
der mittleren, ungewöhnlich gross.
Das Becken (Görtz S. 63) gehört der rund-
lichen Form an, steht somit in Uebereinstimmung
mit den beiden von J. Müller beschriebenen
Exemplaren und hat die grösste Aelmlichkeit mit
dem von M. J. Weber (Lehre von den Ur- und
*) Ciürtz I. c. (S. 71 und Tabelle) giebt folgende
Mtuisse: 1) Längsdurchmesser (sut.-naäo-front. zum
vonragendsieti Punkt de» Hinterhaupt««! 16‘8. 3) Quer-
durc Inn esse r (zwischen Tubera par.) 13*1. 3) llo-
hendufcb messe r (vom vorderen Rand de» foratnen
mugmmi zur Kreuzung von Sut. sagitt. und coron.) 12'3.
4) lin. na»o«basilari* 96. 5) lin. na»o-inci-
sivo (sut. uwso-frnnt. — zum Alveolarraiul zwischen deu
oberen Schneidetähnen 57). 6) lin. incisivo-basila-
ris 94. 7) lin. interjugalis, Dötanxpunkt: die un-
teren Enden der Naht zwischen Jochbein und Oberkie-
fer 38. 8) lin. naxo-nientalis 101. 9) Koster’scher
Winkel zwischen 4 und 5 70° 38*//. 10) Camper-
•cker Winkel C6. 11) Natteiwinkel 140® ls'. 121
Loch winkel 47° 4$'. 13) Nasen Winkel 80® 4#. 14)
Zahnwinkel 91® 5(/. (NB. basilar. = vorderer Rand
des foramen msgnnm.)
Digitized by Google
Heferate.
307
Racenfoffhen der Becken etc. Taf. XXVII) abge-
bildeten Becken einer 37jährigen Negerin. Die
Maasfifi sind in einer Tabelle mitgetheilt.
c) Gehirn (Koch 1. c.). Gewicht des fri-
schen enthäuteten Gehirns 28 5* dasselbe nach
jahrelangem Liegen in Weingeist 24 J 6 5- —
Maas8e des Gehirns (cLi.des Schädelinnenraumes
nach dem Gypsausguss): gröeste Länge 15*5 Cent.,
Breite 11*5 Cent., Höhe 11 Cent. Verhältniss des
Hirngewichts zum Köqwrgewicht = 1 : 43'29.
(Bei einem europäischen Weibe von 38 Jahren be-
trug dasselbe uach Tiedemann 1 : 44*89, von
den sechs übrigen europäischen Weibern war nur
eines (sehr mageres) mit einem Verhältniss von
1 : 28*45 dom Buschwcib überlegen.) Auf eine
nähero Beschreibung der Windungen der Gross-
hirnhemisphären lässt »ich der Verfasser nicht ein
und verweist in dieser Hinsicht auf das Handbuch
der Anatomie von Luschka (Anatomie des Kopfes
S. 201 und 204), wosei bet das Gehirn abgebildet
ist. Prof. v. Luschka war so freundlich, dem
Referenten die nach einer Photographie in natür-
licher Grösse gefertigten Original Zeichnungen de«
grossen Gehirns (n. verticaiis und lateralis) mitzuthei-
len, aus denen sich sofort soviel erkennen lässt, dass
das Gehirn keineswegs ein windungsannes zu nen-
nen ist. Genaueres Über die Windungsverhältnisse
dieses Gehirns hoffen wir später mittheilen zu
können.
d) Die äusseren Geschlechtsthcile
(v. Luschka, Görtx 1. c. S. 29). Den swickelähn-
lichen Vorsprung, als wolcher sonst das pudendum
muliehre zwischen die Schenkel eindringt, sucht
man vergebens, auch eine Absetzung gegen Damm
und Innenseite der Schenkel fehlt eigentlich; der
mons veneris ist schwach gewölbt, die Farbe
desselben nur um weniges gesättigter als am
übrigen Körper; die Behaarung besteht nur auB
wenigen und kurzen Härchen. Die labia maiora
sind unbehaart und auf ein so unscheinbares Mi-
nimum roducirt, dass sie zu fehlen scheinen, sie
stellen nämlich zwei ganz flache Wülste dar, die
sich nach oben ohne deutliche Grenze in den
Schamberg und nach unten so allmälig zur
Seite den Perinaeum verlieren, dass weder von
einer rima pudendi, wenn inan darunter die von
den labia maiora begrenzte Spalte versteht, noch
von einer Com m iss ur die Rede sein kann; die labia
minora liegen daher (foetale Bildung) frei und bil-
den das Aequivalent der rima pudendi. Vom fla-
chen mons veneris gebt ein Wulst ab (die Clitoris),
26 Millim. lang, und seitlich von demselben ver-
laufen zwei nach oben convergirende Rinnen, die
als Andeutungen der tiefen Spalten, dio sich sonst
zwischen den labia maiora und den Theilen in der
Schamspal tc finden, gelten können; eine sogenannte
obere oder vordere Commissur des Rudiments der
labia maiora ist nicht vorhanden (fehlt nach
Luschka auch bei den Europäerinnen). Die vom
praeputium clitoridis ausgehenden Nymphen ha-
ben eine Höhe (= Abstand des augewuchsenen Ran-
de« vom freien) von 3'85 Cent, und eine Länge
(d. i. des angewachsenen Randes) von 6 Cent.
Beide Nymphen, in der Mittellinie aneinander-
gelegt, bilden einen nasenühnlichen Vorsprung;
nach hinten uud unten stoeaeu die beiden Nym-
phen im frcnuluro vulvae zusammen.
e) Das Fettpolster des GesäBses (Steato-
pyga) (Görtz 1. c. S. 50). Uekei1 die Höhe des
Fettpolsters, insbesondere den Abstand des äusser-
sten Punkte« vom Rückgrat, finden sich in der
Literatur nur wenige Angaben. Barrow giebt die-
selbe in einem Falle zu 14 4 Cent an, hei der
Hottentottenvenus betrug die Höbe der Hinter-
backen 16*2 Cent Bei der Afandy überragt der
Vorsprung die untere Lendongegend um nicht
mehr als 7 Cent Die Dicke der Steatopyga an
sieh, nachdem sie etwa ein Jahr in Weingeist ge-
legen, beträgt in grösster Mächtigkeit 4 — 4*5 Cent.,
an den meisten Stellen 3 — 3*5 Cent, und an den
schwächsten nur 2 Cent. Die Fettmasse überlugert
die regio glutea und sacrococcygea , setzt sich auf
die regio coxalis und die Aussentheile des Ober-
schenkels fort und verliert Bich allmälig in einem
gewöhnlichen panniculua. Am stärksten zeigt sie
sieb in der Gegend der Darmbeinkämme und über
den glutaei maximi , geringere Mächtigkeit findet
man auf dem Kreuz- und Steissbein, die schwächste
in der untern Grenzlinie des Gesässes, wo wohl-
beleibte Individuen kaukasischer Raoe eine grössere
Dicke des Unterhautfettes erkennen lassen. Hier-
aus geht hervor, dass nicht nur die Menge des an-
gehäuften Fettes bedeutender, sondern auch die
Vertheilung eine andere ist, als beiden Europäern,
denn bei diesen nimmt die Stärke der Wölbung
vom Darmbeim gegen sulous glutaeu* allmälig zu,
bei den Hottentotten dagegen verflacht sie sich
immer mehr nach unten gegen die hintere Ober-
schenkelfläche hin. Diesem Umstande und dem
am Darmbeinkamm ganz plötzlich stattfindouden
Uebergang von der gröesten Dicke zur gewöhn-
lichen Panniculus-Mächtigkeit ist es wohl zuzuschrei-
ben, dass die Steatopyga weit auffallender und im-
ponirender erscheint, als bei der nicht allzu bedeu-
tenden Dickendifferenz zu erwarten stand. In Be-
treff der Structor der Steatopyga hat der Verfasser
Folgendes wahrgenommen : Beim Europäer wird
der panniculus von den Gesässmuskeln durch die
fascia glutaea getrennt, welche über dem glutaeus
medius zwar von ausgezeichneter Stärke, sowie von
sehnenartigem Glanze sich zeigt, über dem maxi-
raus dagegen sehr dünn und an den Fl ei sch bündeln
adhärirend ist. Abweichend davon bietet die Ge-
sässbinde der Afandy in ihrer ganzen Ausdeh-
nung die Charaktere einer wahren Foscie dar. Die
starke fibröse Schicht, welche den glutaeus maxi-
89 ♦
Digitized by Google
308
Referate.
tuus überlagert, besteht aus drei verschiedenen
fläckenhaft ausgebreiteten Faserzügen. Zwischen
diese fibröse Platte and die Haut ist das Fettge-
webe eingeschoben , das durchaus nicht einem ge-
wöhnlichen panniculns adiposus, sondern viel eher
dem der F uns noble oder der Brust drüso gleicht ; es
gehen nämlich von der fibrösen Platte zahlreiche
Fortsätze ab , die mit dem Stratum reticularc der
Cutis verschmelzen, aber auch unter sich mannig-
fachen Zusammenhang haben. Die 'Anordnung
der bindegewebigen Blätter ist nicht ganz unregel-
mässig. sondern lässt, namentlich in den mächti-
geren Theilen, deutlich drei übereinander gestellte
Etagen bemerken, die gegen die Haut zu an Höhe
abnehmen. Diese Structur macht ee nach des Ver-
fassers Meinung allein möglich, dass das Fettpol-
ster gerade nach oben, der Schwere entgegen, die
grösste Wölbung hat und behält, und er bezeich-
net deshalb die beschriebenen fibrösen Blätter als
ligamenta suspensoriu stcntopjgae.
f) Das Haar des Buschweibes im Ver-
gleich mit anderen Haarformen. Der Ver-
fasser (dem, wie es scheint, die Arbeit von Pruner-
Bey in den mein. de la soc. d’ Anthropologie vol. II.
1865 über die Formen des Querschnitts der Haare
bei verschiedenen Völkern unbekannt geblieben
ißt), untersucht die Haare von Europäer, Neger,
Busch weih, dann vom gewöhnlichen Landschaf
und dem Rambouilletbock. In Betreff des Haars
vou Neger und Buschweib findet er, dass das erster«
vorherrschend aus einem nichtwolligen Oberhaar,
das letztere bloss aus grob wolligem Unterhaar
bestehe. A. E.
8. Ueber das Aussterben der Naturvölker.
Von Dr. Georg Gerland, Lehrer am Klo-
ster U. 1. Fr. zu Magdeburg. Leipzig,
Fleischer, 1868, X und 145 Seiten.
Die traurig merkwürdige Erscheinung, dass
die Naturvölker fast überall , wo die sich aus-
breitenden Cultarvölker mit ihnen in Berührung
kommen, gleichsam vor denselben weg zusammen-
schmelzen und mehr oder weniger ganz weg-
sterben , hat man vielfach ohne Weiteres als in
einer eigentümlichen Schwäche derselben, welche
sie die Berührung der geistig begabteren Mensch-
heit nicht ertragen lässt, begründet erklärt, wie
z. B. Carus einen solchen ursprünglichen Gegen-
satz dieser verschiedenen natürlichen Existenz-
befahigung in der willkürlichen Unterscheidung
von Tag-, Nacht- und Dämmerungsvölkern, „die
wirklich dem Untergange zugewendet sind*, aus-
gesprochen hat. Im Gegensätze zu einer solchen
Erklärung , die gar keine Erklärung ist , sagt
Waitz in seiner Anthropologie der Naturvölker:
„Begreiflicher Weise ist das Aussterben eines Vol-
kes, das früher kräftig und gesund gewesen ist,
nicht damit erklärt, dass man ihm die Lebenskraft
abspricht oder einen ursprünglichen Mangel der
Organisation zuschreibt, und es hat an sich etwas
sehr Unbefriedigendes, für eine so seltene und ab-
norme Erscheinung einen geheimnisvollen Zu-
sammenhang anzunehmen, dem sie ihre Entstehung
verdanke; man wird vielmehr hier wie überall nach
dem natürlichen Zusammenhänge der Sache zu
suchen haben, wenn man sich auch schliesslich zu
dem Geständniss genöthigt finden sollte, dass es
bis jetzt nicht gelingen will, denselben vollständig
aufzuklären. u
Dr. Gerland in Magdeburg, welcher die
Fortsetzung des eben citirton, von Waitz unvoll-
endet zurückgelassenen grossen Werkes übernom-
men hat, zweigt sich von dieser umfangreichen
Arbeit in der vorliegenden kleinen Schrift die be-
sondere Aufgabe ab , die Erklärung jenes eben er-
wähnten dunklen Zusammenhanges der Gründe
für das Anssterben der Naturvölker zu versuchen.
Das reiche ethnographische Material, welches er
zum Zwecke jener grossem Arbeit durchgearbeitet
hat, liefert ihm natürlich auch zu dieser den be-
reits gelichteten Stoff in Fülle, und er hat daraus
mit Leichtigkeit die zahlreichsten Daten aus-
gehoben und zusammengestellt, welche meist nur
allzu einfach und natürlich erkennen lassen, dass
die Naturvölker vielmehr eine wunderbare Unver-
wüstlichkeit besitzen müssten, um den auf sie ein-
stürmenden schädlichen Einflüssen zu widerstehen.
Mag auch der Verfasser im Eifer des Streben?,
alles in dieser Sache scheinbar Käthselhafte ganz
natürlich zu finden, manchmal etwas zu schnell
eine vollkommene Erklärung jedes Unheils gefun-
den zu haben glauben, mag man namentlich seinen
eingestreuten medizinischen Deductionen zu sehr
den Dilettanten anmerken, im Ganzen wird da-
durch das Ergebnis» der Schlüsse, die er auB den
gesammelten Angaben zieht, gewiss nicht hinfällig
gemacht, und man muss sagen, er hat Recht, dass
kein Bedürfnis? für die Annahme einer geheimnis-
vollen Naturanlage der Naturvölker zum Hin-
schwinden bleibt.
Zur nähern Bezeichnung der Ergebnisse, welche
der Verfasser schliesslich hinstellt, sei nnr erwähnt,
dass er zur Schande der, wie man sagt, höher be-
gabten europäischen Culturvölkcr behaupten zu
müssen glaubt, ihr Wüthen gegen die Naturvölker
überall, wo sie in den Ländern derselben sich
niederliessen , sei unter den Ursachen für deren
Hinschwinden obenan zu stellen, demnächst die
grosse ihnen eigene Empfänglichkeit für Krank-
heiten , ihre grenzenlosen Ausschweifungen und
die verbreitete Sitte des Kindermordes, ferner erst
Krieg, CannibaÜBmus u. s. w.
9. W. H. J. Bleek, Ueber den Ursprung der
Sprache, heransgegeben mit einem Vor-
wort von Dr. E. Haeckel, Weimar 1868.
zOOS
Digilizec
Referate.
309
Der durch seine Forschungen über afrikani-
sche Sprachen rühmlich bekannte Verfasser ver-
öffentlicht diese schon im Jahre 1853 geschriebene
Abhandlung, die gerade jetzt als zeitgumaas er-
scheint, wo auch die Sprachforschung anfangt, von
dem einer allgemeinen Anerkennung entgegen-
gehenden Entwicklungsgesetze der Natur Vortheil
au ziehen. Wenn der Verfasser die Epoche der
Menschwerdung 100 000 Jahre vor unsere Zeit-
rechnung setzt, so müssen wir bekennen, dass wir
durch gar keine Thateache zu einer solchen An-
nahme berechtigt sind und uns deshalb auch jeder
Schätzung enthalten sollten. Er meint, dass sich
die Sprache der Thiere von der dee Menschen
etwa wie der Blockdruck der Chineeen von dem
mit beweglichen Typen unterscheide, der sich aus
jenem entwickelt habe. Es sei erlaubt, hier anzu-
führen, dass die Erfindung der Buchdruckerkunst
gerade in Mainz der hier so häufigen Auffindung
von Schriftformen , die auf römische Ziegel und
Thonwaaren aufgedruckt wurden, zugeschrieben
wird. Die Gefühlslaute, die auch das Thiur besitzt,
sind die Ansätze, aus denen die menschliche Sprache
entstand. Die Erhebung des Menschen aus einem
niedern Zustande ist nicht beschämend, sondern im
höchsten Grade erhebend und hoffnungsreich. Dem
Menschen eigentümlich ist, dass er mit Hülfe der
articulirten Rede die Errungenschaft des Indivi-
duums zum Gemeingut der Gattung macht; darin
liegt das unvergängliche und unsterbliche Leben
unsere» Geschlechtes, was dem Thiere versagt ist.
Dadurch wird die Menschheit zu einem Organis-
mus, in dem das einzelne Individuum der organi-
schen Zelle gleicht, die für das Ganze arbeitet,
und die Bedoutung des Einzeluen wird nur durch
seine Theil nähme am Leben des Ganzen bedingt.
Diese Erkenntnis» ist eine reinere Quelle edlen
Strebe us als die Furcht vor Strafe oder die Hoff-
nung auf Seligkeit, welche Grundsätze des Dogma-
tismus doch uur auf Selbstsucht begründet sind.
Die persönliche Fortdauer ist nicht so zweifellos
bewiesen , als dass der Glaube daran die sichero
Grundlage einer sittlichen Lebensanschauung bil-
den könnte. Nicht nur das Christeuthuw, sondern
auch der Ahnendienst, eine der ältesten religiösen
Vorstellungen, gründen sich auf den Glauben an
die Unsterblichkeit. Der Verfasser findet den Zu-
sammenhang der modernen Theologie mit den
mythologi&cheu Vorstellungen der Vorzeit und mit
der Verehrung der himmlischen Erscheinungen in
der Bezeichnung dee Himmels als Sitz der Geister-
welt, während für die ältere Ahneuverehrung die
Unterwelt der Aufenthalt der Geister ist. Dem
Ahnendienst huldigen hauptsächlich die Völker,
welche die Präfixpronominalsprachen reden, wie
die Kaffern, die Negerstämme Afrikas und die
Üceaniens. Man wird dem Verfasser nicht zu-
geben, dass aus der Verehrung der Stammeshäupt-
linge, die nach deren Tode fortdauerte, der älteste
Gottesdienst und die Versöhnungslehre »ich ent-
wickelt habe. Die aJtindische Religion kennt oben
so wenig den Hcroendienat als die der Aegypter oder
Perser. Aber in der der Griechen findet sich die
Vergötterung sterblicher Menschen. Die Natur
selbst wird sich den ersten Menschen als eine
überlegene Macht kundgegeben und die Ahnung
eines Hohem, das zunächst Furcht erregte, geweckt
haben. Der Mensch, der sich bald als das voll-
kommenste Wesen der lebendigen Schöpfung er-
kannte, konnte auch dem grossen Geiste, den er
verehrte, nur menschliche Eigenschaften andichten.
Wie man aber den Zorn der Menschen durch Ge-
schenke begütigen kann , so glaubte man durch
Opfer den zürnenden Gott zu versöhnen. Der
Glaube an die Unsterblichkeit ist dem Wilden fast
mehr ein Bedürfnis» seines Denkens als dem Ge-
bildeten. Der Tod ist ihm eino unbegreifliche Er-
scheinung. Sieht er doch überall in der Natur
Geister seiner Einbildung, erscheint ihm doch das
Bild des Todten noch im Traume! Psychologische
Thatsacheu, die unverstanden bleiben, ehe die
Wissenschaft sie aufklärt, haben einen grossen
Antheil an den irrigen Vorstellungen der Men-
schen von der Geisterwelt. Bio Geister der Ver-
storbenen wurden auch in Thiergestalten verehrt,
z. B. als Schlangen bei den Zulus. Hierbei darf
man daran erinnern, dass auch der im Alterthum
so viel verbreiteten Lehre von der Seelenwande-
rung die unbefangene Beobachtung zu Grunde
liegt, dass die Handlungen der Thiere in so vielen
Beispielen den menschlichen gleichen. Aus einer
geschärften Beobachtung des Thierlebens entstand
die Thierfabel, nicht, wie der Verfasser glaubt, aus
der blossen Vorstellung, die Thiere so zu ver-
menschlichen, wie die Sprache auch leblose Dinge
person ificirt hat. In der Geschlechtaunterscbeidung
der Nomina erkennt er eine tiefsinnigere Auffassung
der Natur. In den niederen Sprachen finde man
oft eine grosse Anzahl solcher Nominalgeschlechter,
aber ohne Beziehung auf den Geschlechtsunter-
schied, denn Mann und Weib stehen in demselben
Geschlechtc. Wenn man die Dinge vermensch-
lichte und so anschaute, als ob sie sich wie Mann
und Weib zu einander verhielten, so musste dies
die Beobachtungsgabe schärfen, sagt der Verfasser.
Verhalten sich hier Ursache und Wirknng nicht viel-
mehr umgekehrt? Alle Völker, die in der Wissen-
schaft etwas geleistet haben , sprechen sexuelle
Sprachen; alle, welche Pr&fixprononiinal&prnchen
reden, haben, wenn sie auch grosse politische Ver-
bände bilden, auf geistigem Gebiete nichts Nam-
haftes vollbracht. Ihre Unfähigkeit liegt in dem
Mangel einer poetischen Auffassung der Natur.
Bei den Hottentotten , die ein auf der niedrigsten
(Kulturstufe stehendes Volk mit sexueller Sprache
sind, findet sich schon der Anfang einer religiösen
Digitized by Google
310
Referate.
Verehrung der Himmelskörper. Die de« Monde«,
dessen veränderliche Lichtgestalt zuerst das Nach-
denken beschäftigen musste, scheint die früheste
Form des Gestirndienste« zu sein. Aus dem Son-
nen- und Monddienst vieler amerikanischer Völker
schliesst der Verfasser, dass entweder ihre Gultur
von Völkern mit sexueller Sprache herrühre, oder
das« sie selbst ursprünglich diesem Spruchstamme
angehört haben. Wenn derselbe behauptet, dass
die Verehrung der Geister der grossen Verstorbe-
nen auf die Naturmachte sich übertragen habe, so
glauben wir vielmehr, dass sich die Verehrung der
letztem ganz unabhängig von jener entwickelt
hat Als eine höhere Entwicklung des religiösen
Begriff» wird der Gedanke der Versöhnung be-
trachtet. Auch der Kaffer fleht seine Vorfahren
an , ihm zu vergeben. Auf einor noch höhern
Stufe ßoll aber der Mensch die Unmöglichkeit er-
kennen, dass ein menschenähnliches Weseu der
letzte Grund aller Dinge sei; der Verfasser nennt
diese Vorstellung eine theologische Anmnssuug.
Das demüthige Geständnis* der Unzulänglichkeit
aller theologischen Voraussetzungen wird ihm jetzt
der Grund der rcinsteu und tiefsten religiösen
Stimmung. Auch in dieser Darstellung können
wir dem Verfasser nicht Recht geben. Der Mensch
kann auch von der Gottheit nur menschlich den-
ken. Wenn der Verfasser am Schlüsse der Vor-
rede die Entwicklung und Verfeinerung der Go-
hirnmassen als Ursache der höhern Denkfähigkeit
und als das Ergebniss einer andauernden und
energischen Anstrengung von mehr ursprünglichen
Gebirnfonneu betrachtet, so ist diese Annahme
unserm physiologischen Wissen durchaus ent-
sprechend.
Der letzte Grund alles Daseins übersteigt
unsere Fassungskraft, Gott kann nicht als ein
nach einem Plane schaffendes Wesen gedacht, das
Weltall nicht als von einer der menschlichen ähn-
lichen Kraft bewegt vorgestellt werden. Gott ist
nicht der Anfang, sondern das letzte Ziel aller Er-
kenntnis«. Die nächste Aufgabe der Wissenschaft
ist deshalb der Ursprung und die Zukunft des
Menschen. Während Max Müller die Sprach-
forschung der Naturwissenschaft zuweist, hält
Bleek die Erforschung deB Ursprungs des Mon-
schen für das Ziel der Naturwissenschaft, die des
Entwicklungsganges der Menschheit aber für Auf-
gabe der Philologie oder Geschichte. Diese muss
jedes Glied der Menschheit, auch das niedrigste,
mit gleichem Eifer der Forschung werthhalten,
wie die Zustände der höchst gebildeten Nationen.
Die allgemeine Philologie hat nicht blos die Ent-
wicklung und Ausbildung jedes Volksstarames zu
erforschen und was er für die Menschheit geleistet
hat, sie muss es versuchen, von dem Ganzen der
menschlichen Entwicklung ein Bild zu gewinnen.
Die« ist nur dann möglich, wenn die verschiede-
nen Zustände der Völker sich als aus einem und
demselben ursprünglichen Zustande hervorgegangen
erweisen. Auf diese Weise gelangen wir auch da-
hin, uns eine Reihe vorgeschichtlicher Zustände
vorzostellen. Aus der Aehnlichkeit verschiedener
Bildungsstufen folgt noch nicht eine Blutsverwandt-
schaft der Völker; jene hängen hauptsächlich von
seiner Denkweise ab, und diese offenbart sich in
der Sprache. Durch die Sprache hält der Mensch
die Eindrücke der Aussenwelt fest, durch sie wer-
den seine Vorstellungen klarer, durch sie trennt er
sich selbst und seine Empfindung von den äusse-
ren Dingen. Der Sprache liegt die willkürliche
Bewegung zu Grunde, die eine allgemeine Eigen-
schaft des Lebens ist, die schon in dem Zucken
de« Infusoriums erscheint. Die thierische Bewe-
gung ist aber schon in der des pflanzlichen Zell-
stoffs vorgebildet. Dos Emporsteigen menschlichen
Wesens aus dem thierischen Dasein vermögen wir
nur aus dem Vergleiche der niedrigsten Zustände
der Menschheit mit den höchsten Gebilden der
Thierheit zu erkennen. Wir müssen untersuchen,
aus welchen Fähigkeiten de« Thieres unter günsti-
gen Bedingungen menschliches Wesen entspringen
konnte. Dass nicht jetzt mehr aus thierischer
Sprachlosigkeit menschenähnliche Zustände sich
entwickeln können, das soll aus gleichen Gründen
scheitern, aus denen die Fortbildung der Hotten-
totteusprache zur Stufe der indogermanischen un-
möglich sei. Aber die überzeugenden Gründe
hierfür werden nicht beigebracht. Von versteiner-
ten Thierformen , von einem erloschenen Gestal-
tungsdrang soll die heutige Forschung nicht reden.
Könnten wir die Bedingungen schaffen, wie sie
gewirkt haben , so würde ohne Zweifel auch jene
bezweifelte Umbildung wieder eintreten können.
In dem Thierc ist der Laut der unabsichtliche
Ausdruck des Gefühls. Mit dem Erwachen des
Triebes, dass dieser Laut das Abbild der Aussen-
welt werde, war die Menschheit da. Andere Laute
verdanken dem Nachahmungstriebe ihre Entstehung.
Die I*autnachahmung findet sich schon bei den Papa-
geien; beim Affen ist sie auf die Nachahmung ähn-
licher Wesen beschränkt. Diese Behauptung des
Verfassers ist nicht ohne Ausnahme, wie sogleich
angeführt wird. Wie der Laut zuerst durch die
Empfindung hervorgebracht wird, bo wird er auch
bald die Empfindung wecken. Pie entsteht das
Bewusstsein vom Unterschiede des Lautes und der
Empfindung. Das Wort als einfacher I*aut ist also
zweifachen Ursprungs, es ist entweder unmittel-
bare Wirkung der Organe oder es ist Nachahmung;
auch diese ist im Anfang unwillkührlich. Das
Lautsystem, welches die grösste mechanische An-
strengung fordert, darf als das ursprüngliche be-
trachtet werden , denn der Trieb der Sprach-
entwicklung geht dahin, das Aussprechen mög-
lichst zu erleichtern. Die Einfachheit einee Laut-
Digitized by Google
Referate.
:ui
system», wie <les auf den Sandwichinseln, verrÄth
gewiss nicht einen Urzustand. Die Consonanten-
arinnth de* Hawaischcn ist gewiss nicht ursprüng-
lich. Die Sprache der Buschmänner Südafrikas
übertrifft alle anderen in der Stärke der za ihrer
Aussprache nöthigen Kraftausübung, sie schnalzen
nicht nur mit der Zunge, sondern auch mit den
Lippen. Unsere moderneu LautsvBteme sind als
abgeschwächte, abgeschliffene Ausläufer solcher
ursprünglichen rauher» Sprachlauto anzusehon. Es
gieht gewiss noch andere Ursachen der rauhern
oder weichem Art, die Sprachlaute hervorzubrin-
gen, als der vom Verfasser allein betrachtete Ein-
fluss des Gebrauch« der Sprache. Jene können
klimatische oder im Körperbau begründete, also
constitutionelle sein. In Gebirgsländern spricht
man rauh, in Flachländern weich. Es wäre zu
untersuchen, wie jene Laute der Buschmannsprache
mit denen der menschenähnlichen Affen verwandt
sind. Hackel hat bemerkt, dass die Sprache der
Affen bisher wenig berücksichtigt worden und
keine eingehende Beschreibung der von ihnen aus-
gestossenen Laute vorhanden sei; doch gieht er
an, dass er selbst in zoologischen Gärten Schnalz-
laute der Lippen und der Zunge beobachtet habe.
Bleek führt die Mittheilung du Chaillu’s an,
dass in gewisser Ferne die Laote des Chimpanse
den Tönen der menschlichen Rede nicht unähnlich
seien. Es steht uns indessen eine grosse Anzahl
von Mittheilungen zu Gebote, die über das Men-
schenähnliche in den Lauton der Affen keinen
Zweifel übrig lassen. Buffon führt an, dass alle
Kapajus und Saguins pfeifen können, die Sajus
stoßen die Sylben pi, ca, ru lebhaft aus, die Mal-
brucks in Bengalen rnfeu hup, hup, hup; der
Orangutan lässt die Sylben Yoa-hu mehrmals er-
schallen. Der Uistiti hat seinen Kamen von seinem
Schrei. Schreber sagt, dass der 1738 iu London
gezeigte Chimpanse wie ein Kind geschrien. Bon-
tiu* hörte den Pongo weinen und seufzen; von
Sack berichtet, dass, als ein Jäger auf Surinam
einen Quattaaffen schlossen wollte und mit dem
Gewehre an schlug, das Thier sich aufrichtete und
ho! ho! schrie mit einer ro vollkommen mensch-
lichen Stimme, dass er es nicht übers Herz bringen
konnte loszudrücken. Schikarry nennt die
Stimme des Gorilla ein rauhes Bellen; anguschos-
»en lasse er ein erbärmliches Jammern hören.
Nach W. Keade stösßt der Gorilla ein kurzes
scharfes Gebell aus, wenn er zornig ist, Bein ge-
wöhnlicher Schrei sei klagend. Nach Sa vage
stowt das Männchen des Gorilla einen Schrei aus,
der wie Kh-ah, Kh-ah lautet. Brebm erzählt,
das» auf den Wanderungen der Affen in Afrika
der Leitaffe oft einen Schrei hören lasse, der dem
Angstruf eines in Todesgefahr schwebenden Men-
schen ähnele. Nach Ch. Waterton ahmt der
rothe Heulaffe Brasiliens die Töne fast aller wil-
den Thiere des Waldes nach. Da« thun auch
Wilde, z. B. die Apatsches! Bleek führt weiter
aus, dass dieselbe einfache Empfindung das Organ
zu verschiedenen Aeusserungen veranlassen könnte,
die dann besser mit unseren mehrsylbigen als ein-
sylbigen Worten in Analogie gebracht werden
möchten. Die Ansicht, dass die Sprache auf ur-
sprünglich einsylbige Wurzeln zurückzuführen sei,
sei schon deshalb eine verfehlte, weil sich eine
Menge «chnllnach&hmendcr finde, die mehrsylbig
sind. Der Verfasser bemerkt mit Recht , dass die
Wiederholung demselben Laute« als eine ursprüng-
liche Gefühlsäußerung angesehen worden muss.
Sie findet sich im Zirpen der Grille, wie im Ge-
sang der Vögel, wie im Bellen des Hundes, im
Lachen des Menschen und in der Sprache der Wil-
den, z. B. der Oceauier. Die ersten Worte be-
zeichneten nicht die Gegenstände der Empfindung,
sondern waren nur der Ausdruck der Stimmungen.
Dieselbe Stimmung konnte aber von sehr ver-
schiedenen Gegenständen bervorgebracht werden.
Erst mit der weitem Entwicklung unterschied das
Bewusstsein die einzelnen Empfindungen und die
dieselben erzeugenden Gegenstände. Nicht alle
Gefühle äussem sich durch einen Laut; eg giebt
also die Stimme nur Bruchstücke des Empfindung«*
lebens kund. Mit den Worten entwickelt sich
aber das Bewusstsein immer mehr. Wir können
indessen dem Verfasser nicht sugeben, dass es kein
Denken ohne Sprache gebe. Die Bilder der Dinge,
welche den Sinnen erscheinen, können auch ohne
Worte in Beziehung zu einander gebracht werden,
wie es gewiß» vom Thiere und vom ungelehrten
Taubstummen geschieht. Eine höhere Denkt hä ti g-
keit ißt aber freilich ohne Sprache nicht möglich.
Auf eine neue Stufe hob »ich da« Bewusstsein, ab
die Bedeutung der einzelnen Wörter enger be-
grenzt wurde und ueue Wörter entstanden. Der
sprachliche Stoff gelangte in sich selbst durch Vor»
Schmelzung der Laute zur Erzeugung neuer Be-
standtheile. Da« Wort, welches ursprünglich die
Wirkung einer Empfindung war, weckte in anderen
Menschen dieselbe Empfindung. Durch die Ver-
bindung bekannter Wörter bildeten sich Aus-
drücke für eine ganze Anzahl bisher nicht zum
Bewusstsein gekommener Stimmungen. Allmälig
wurde die Form der Worte von den Empfindungs-
lauten verschieden. Die anfangs verworrenen Be-
griffe wurden immer mehr gespalten und begrenzt.
Weitere Spaltungen wurden auch vermittelst sol-
cher Laute bewirkt, die an und für »ich keiuen
Werth mehr hatten, sondern ihn nur im Zusnmmeu-
hange mit andern erhielten. Es entwickelte pich
bald ein vom Empfmdungslebcn ganz getrenntes
Selbstbewusstsein. Auch verursachte da» Streben
nach leichterer Aussprache Abweichungen de« Wort-
lautes von dem ursprünglich ihm zu Grunde liogen-
tlen Empfindungslaute. Mit dem Entstehen des von
Digitized by Google
312
Referate.
dem Empfinde ngalaute lautlich und begrifflich
durchaus geschiedenen Wortes ist die Frage über
den Ursprung der Sprache schon erledigt. Der
Verfasser schließt mit einigen Betrachtungen über
die weitere Sprachentwicklung und die Scheidung
der einzelnen Redetheile. —
Die vorliegende verdienstvolle Schrift hat eine
missbilligende Beurtheilung in den Göttinger ge-
lehrten Anzeigen vom 10. März 1869 durch H. E.
erfahren. Der Berichterstatter meint , die mensch-
liche Sprache könne deshalb nicht von thierischen
Lauten abgeleitet werden, weil nicht nur der Laut
die Sprache mache, sondern das Denken ihre Grund-
lage se^ indem jeder Satz auf zwei Grundbegriffen
ruhe, von denen einer den Gegenstand bezeichnet,
von dem die Rodo ist, der andere die Aussage über
denselben. Das Thier könne zwar zwei Dinge mit
einander vergleichen, aber ihm fehlten jene zwei
Grundbegriffe; ein Denken im vollen Sinne des
Wortes könne man ihm nicht zuschreiben. Wie
geistlos ist der Schluss: weil der Mensch vollkomm-
ner ist als das Thier, so kann er nicht aus ihm
hervorgegaugen sein! Anstatt zu glauben, die
Sprachwissenschaft werde zu Grunde gerichtet,
wenn man gewisse Ansichten der neuern Natur-
forschung in eie einmische, sind wir vielmehr ge-
wiss, dass sie es der Natnrforschung einmal danken
wird, dass sie allein Licht in ihre dunkelsten Fragen
gebracht hat. H. Schaaf fhaueen.
10. Th. Wechniakoff, Ebauche d’une eco-
notnie des travauz scicntifiquos etc. Mos-
cou 1860. — Recherches sur les condi-
tion» anthropologiques de la production
scientifique et esthetique, I fase. St. Pe-
tersburg 1865 und II fase. Paris 1868.
Der Verfasser hat sich in diesen Schriften die
Aufgabe gestellt, die Leistungen in der Wissen-
schaft and Kunst zn einem Gegenstände anthropo-
logischer Forschung zu machen. Er will, dass eine
internationale Commission gebildet werde, die nach
einem gleichförmigen Programme die Biographieen
von Männern der Wissenschaft und Kunst ent-
werfen soll. Es sollen bei Künstlern und Gelehr-
ten die Art ihrer Geistesthätigkcit und alle Be-
dingungen ihrer Entwicklung, ihre Herkunft, der
Volksstamm, die Erziehung, das Verhältniss zu den
Zeitgenossen , die körperliche Constitution , fest-
gestellt werden und besonders auf die einzelnen
Theile des Gehirns, zumal der Grusshirnhcmisphä-
ren, Rücksicht, genommen werden. Schon Ber-
ti 1 1 o n (Bullet, de la Societe d’Anthropologie de
Paria, Fevrier et Avril 1868, pag. 226) sagt, dass
das nichts Neues sei, was Wechniakoff verlange.
In der That hat man die Biographieen grosser
Männer stets als wichtige Beiträge zur Psycholo-
gie und Anthropologie betrachtet. Wechniakoff
meint aber auch, die wissenschaftlichen Unter-
suchungen überhaupt sollten in Zukunft von Asso-
ciationen geleitet werden, wie ja schon in der
Kriegskunst und in der Industrie statt der Lei-
stung des Individuums die gemeinsame Arbeit, die
Masaenproduction eingetreten sei. Dagegen ist zu
hemerken, dass zwar, wenn man bedenkt, was der
Einzelne seiner Erziehung verdankt und wie alle
grossen Leistungen der Künstler und Gelehrten
nur durch die Arbeit ihrer Vorgänger möglich ge-
worden sind, die geistige Cultur als ein Verdienst
der ganzen Menschheit angesehen werden kann,
dass aber das Grösste in jeder Richtung mensch-
licher Geistesthätigkcit bisher immer nur von ein-
zelnen hervorragenden Menschen geleistet worden
ist; und es ist kein Grund, zu glauben, dass es in
Zukunft anders werden soll. Wo es auf mecha-
nische Kraft oder blosse Geschicklichkeit, zu der
man viele Abrichten kann, ankommt, da mag sich
dio Massenarbeit empfehlen ; für die höchsten
Werke der Kunst und Wissenschaft aber wird
dio Persönlichkeit ihr Recht behaupten. Unzweifel-
haft giebt es in der Wissenschaft Untersuchungen
und Beobachtungen, die gleichsam nur das Material
für die Gedankenarbeit herbeischaffen, welche zweck-
mässig von Vielen, die nach gleicher Methode ar-
beiten, unternommen werden, wie dies in neuerer
Zeit in der Astronomie, der Meteorologie, der phy-
sischen Erdbeschreibung, der Statistik geschehen
ist. Und auch das Genie ist der wissenschaftlichen
Zergliederung fähig; gegen die Annahme, dass es
das, was es leistet, wie durch ein Wunder allein
aus eigener Seele schöpfe, muss man auf dio Ein-
flüsse hin weisen, aus denen es seine Nahrung ge-
schöpft hat. Das ist ein Vorzug der neuern For-
schung, dass sie überall nicht nur das Fertige be-
trachtet und erklärt , sondern dass sie zu zeigen
sucht, wie es entstanden ist. In diesem Sinne
sucht der Franzose Tai ne in seiner Geschichte
der englischen Literatur zu zeigen, dass die Lite-
ratur eines Volkes das Volk seihst ist, und dass
auch die geistige und moralische Entwicklung
eines Volkes bestimmten Gesetzen unterliege. Diese
hat indessen schon Q u o t e 1 e t erforscht. Nach
Tai ne soll diese Entwicklung durch drei Factoren
zu Stande kommen, durch die Rasse, das Klima
und den glücklichen Moment.
W echniakoff versucht Gelehrte und Künst-
ler in gewisse Abtheilungen zu bringen. Wie man
Pflanzen und Thier« in Systeme ordnet, so »oll
auch die geistigo Eigentümlichkeit des Menschen
einer bestimmten Ordnung und Classe zugetheilt
werden. Er unterscheidet eine polytypiacbe , eine
monotypische und eine philosophische Gruppe und
spricht von einem scienti fischen, sociopatliischen
und anthropologischen Typus. So wichtig einzelne
biographische Angaben für das Verständnis« der
Lebensentwicklung bedeutender Menschen sind
und mit FleisB gesammelt werden sollen, so wenig
Digitized by Google
Referate.
313
wird es gelingen, für die Aeuaserimgen des geisti-
gen Leben*, das in seiner Freiheit allen Gesetzen
zu spotten scheint , ihnen aber gewiss unterworfen
ist , eine systematische Eintheilung zu finden. Es
ist das ein zu gewagtes Unternehmen, als dass es
einen Erfolg haben könnte; wenn irgendwo, so hat
hier nicht die Art, sondern das Individuum ein
Hecht Als Beispiele der polytypischen Gruppe
werden Haller und Alexander von Humboldt
hingestellt Sie haben beide sich das Ganzo der
menschlichen Erkenntnis* anzueignen gewusst, der
eine hat die organische Natur, der andere die un-
organische im Besondern erforscht Haller war
ein frühreifes Kind, er dichtete die Alpen mit
20 Jahren und mit GO Jahren schrieb er eine Bo-
tanik der Schweiz. Dagegen war bei Alexander
von Humboldt mit 11 Jahren die Geistesfähig-
keit so wenig entwickelt, dass seine Mutter zwei-
felte, ob er etwas lernen werde; seinen Kosmos
schrieb er zwischen dem 81. und 88. Jahre. Für
das Verständnis« des Gelehrten , der seine Werke
in gleicher Meisterschaft in zwei Sprachen schrieb
und nicht nur ein tiefsinniger Forscher, sondern
auch ciu feiner Weltmann war, ist es gewiss von
Interesse, zu wissen, dass Humboldt’» Mutter
eine Französin war. Gerade das gewählte Beispiel
zeigt, wie schwierig es ist, zwischen verschiedenen
Geistesgrößen systematische Vergleiche anzuBtellcn.
Als Beispiele der monotypischen Gruppe führt er
Beckmann, Fresnel, Robert an. Sie vertiefen
eich in Specialitäteu und erlangen in diesen eine
Meisterschaft, ihr lieben ist ein Enthusiasmus, eine
Exaltation, die das Nervensystem erschöpft und
das Lehen abkürzt ln die philosophische Gruppe
werden Kant, Schopenhauer, Lamurck, Buf-
fon, E. Geoffroy Stliilaire und Blainville ge-
bracht; sie sind alle älter als 70 Jahre geworden;
die meisten begannen erst im vorgerückten Alter
ihre philosophischen Studien. Lamurck war erst
Soldat, trieb dann Botanik und wendete sich erst
mit 50 Jahren der Zoologie zu; seine philosophische
Zoologie schrieb er erst mit 65 Jahren. Dutro-
chet fing erst mit 25 Jahren seine medicinischei^
Studien an, mit dem 34. Jahre beginnen seine
wissenschaftlichen Arbeiten. Als eine eigentüm-
liche Erscheinung auf dem Gebiete des wissen-
schaftlichen Lebens werden Schwann und Mayer
neben einander gestellt, die durch Arbeiten von
geringem Umfang aber von grösster Bedeutung
sich einen berühmten Namen erwarben; der Eine
durch die Entdeckung des zölligen Baues der
thierischen Gewebe, der Andere durch die Auf-
findung des Gesetzes der Unzerstörbarkeit der
Kraft, die weitere Ausführung ihrer Entdeckun-
gen aber Anderen überließen. Dagegen haben
Gauss und Treviranus eine so lange Reihe von
philosophischen Arbeiten geliefert, wie es selten
der Fall ist; Gauss schrieb seine Theorie des
Archiv für Anthropologie. Bd. 111. lieft B.
Erdmagnetismus mit 63 Jahren, Treviranus seine
Biologie zwischen dem 26. und 46. Jahre. Ueber-
haupt ist das Alter, in welchem die Geisteserzeug-
uisse reifen, nach Art derselben verschieden. I.a-
grange entdeckte seine berühmte Methode de mu-
ximis et miniinis mit 25 Jahren, Schopenhauer
schrieb sein Buch: die Welt als Wille und Vorstel-
lung, mit 29 Jahren; Hegel beendete seine Logik
im 46. Jahre; Joh. Müller, der Physiologe, lie-
ferte die umfassendsten Arbeiten bis zu seinem
37. Jahre, vom 40. an stellte er sich beschränktere
Aufgaben und widmete sich ausschliesslich nur
noch der Beobachtung, aus dem grössten Physio-
logen wurde er der grösste Zoologe, mit 53 Jahren
vollendete er die achtjährige Untersuchung der
Entwicklung der Echinoderroen , mit 57 Jahren
schon starb er. Die unermüdliche und ange-
strengte Geistesarbeit hatte seine überaus kräftige
Constitution in den letzten Jahren geschwächt;
dieselbe Ursache hatte, was Wechniakoff uicht
zu wissen scheint, schon in seinen jüngeren Jahren
einmal, aber nur vorübergebend, seine geistige Ge-
sundheit gefährdet. Bemerkenswert!} ist vielleicht
noch die Angabe, dass Descartes, Leibnitz und
Göthe langen Schlaf nöthig hatten.
Den Untersuchungen Wechniakoff's fehlt
eine strenge Ordnung des gesammelten Sofies, und
die als Beispiele gewählten und verglichenen Per-
sonen sind an geistigem Werthe sich sehr ungleich.
In einer zwar kurzen über lichtvollen Darstellung
hat bereits Quetelet, den Wechniakoff gar
nicht anführt, mit Hülfe der Statistik Bich be-
müht, in den Offenbarungen des geistigen Lebens
der Menschheit Naturgesetze aufzufinden. (Zur
Naturgeschichte der Gesellschaft, deutsch von
K. Adler, Hamburg 1856.) Er sucht die in-
tellectuellen Fähigkeiten zu bezeichnen, die sich
zuerst kundgeben, den Zeitpunkt, wo sie ihre Höhe
erreichen und die bezüglichen Entwicklungsgrade
auf den verschiedenen Altersstufen. Raphael
hatte zwischen dem 25. und 27. Jahre schon den
Gipfel seines Talentes erreicht; Mozart, der mit
7 Jahren zu componireu angefangen , hatte im
30. seine Laufbahn vollendet; bei diesem wie bei
Pascal, der im 39. Jahre starb, schliesst er, das«
eine zu rasche Entwicklung der Phantasie einen
nachtheiligen Einfluss auf die körperliche Gesund-
heit geübt habe. Er weist darauf hin, dass auch
das mathematische Talent sich sehr frühzeitig ent-
wickelt. Lagrange schrieb die Berechnung der
Variationen im 18. Jahre. Newton soll keine
24 Jahre alt gewesen sein, als er die Entdeckung
machte, die ihn mit Ruhm umgab. D’Ampero
meinte selbst, mit 18 Jahren habe er eben so viel
Mathematik gewusst als später; er schrieb vom
27. bis 39. Jahre rein mathematische Werke, vom
46. Jahre an folgen seine Entdeckungen über Elek-
tricität und Magnetismus. In der Regel entwickelt
40
Digitized by Google
314
Referate.
sieb bei den hervorragendsten Menschen (Quete-
let hätte sagen können: bei allen Menschen) zuerst
die Einbildungskraft, die jo nach der mehr oder
minder strengen Richtung des Geistes sich in der
Mathematik oder Poesie Bahn bricht, erat später
entwickelt sich das Beobachtungstalent, ao bei De-
candolle, d'Ampere, J. J. Rousseau. Das
Umgekehrte, ein Uebergang von den Beobachtungs-
wisaenschaften oder der philosophischen Forschung
zu der Kunst und den Werken der Phantasie wird
nicht beobachtet. Das Talent verändert sich mit
dem Alter; die Mathematik beginnt mit den Unter-
suchungen der reinen Mathematik, geht über zur
angewandten Mathematik und zur Verbesserung
der Methoden und nachher zur metaphysischen
Prüfung dieser Methoden. Der dramatische Dich-
ter, der die Leidenschaften wirken lässt, kommt
früher zur Ausbildung als der Lustepieidichter, bei
dem eine feine Beobachtung vorausgesetzt wird,
welche mehr ein Vorzug des Alters als der Jugend
ist, denn die Ruhe der Beobachtung stellt Bich erat
ein, wenn das Spiel der Leidenschaften im Busen
ausgetobt hat. Moliere vermochte erat bei voller
Altersreife sich zur Höhe seiner vorzüglicheren
Werke aufzuachwingen. Das Gedächtnis» ent-
wickelt eich früher als die Phantasie, die Ver-
nunft reift am langsamsten. Quetelet hätte die
lyrische Dichtung als die früheste, der lebhaften
Sinnlichkeit der Jugend entsprechende anführen
sollen; das dramatische Talent entwickelt sich
schon nach dem 20. Lebensjahre, der Werth seiner
Leistungen nimmt, wie sich für Frankreich und
England nachweisen lässt, schon mit 55 Jahren
merklich ab. Man kann hinzufQgen, dass die
epische Dichtung aus der reichen Erfahrung, dem
gereiften Urthoil und der gehobenen Stimmung
des Alters hervorgeht. Den Sänger der Odyssee
und Ilias hat man sich immer als einen blinden
Greis gedacht! Quetelet bat auch schon den
Gedanken ausgesprochen, dass die intellectuelle
Entwicklung der Menschheit dieselben Gesetze
befolgt wie die des Individuums.
H. Schaaffhausen.
11. X. Dr. P. H. K. von Maack, Urgeschichte
des Schleswig - holsteinischen Landes.
I. Theil, Kiel 1Ö69.
Der Verfasser betrachtet in dieser zweiten
Auflage einer bereits 1861 erschienenen Schrift
die Geologie, die Sprachforschung und den Mythus
als die wichtigsten Quellen der Urgeschichte eines
Landes. Zunächst stellt der Verfasser mit grosser
Sorgfalt und Vollständigkeit die Thatsachen zu-
sammen, welche den einstigen Zusammenhang von
England und Frankreich beweisen, zu einer Zeit,
als der Norden von Deutschland schon bewohnt
war. Die grösseren Muscheln de« fossilen cardium
edulc in den gehobenen Schichten Jütlands be-
weisen nicht das wärmere Meer der Vorzeit, son-
dern grössere Rahe des Wassers, als der Canal
noch geschlossen war, wofür auch die am südlichen
Ufer der Nordsee von Westen nach Osten zuneh-
mende Marschbildung spricht. Das Klima war
kälter, weil der nie unter 7* sinkende Golfstrom
fehlte und ein eiskalter Strom des Polarmeeres
aus dem weisacn Meere in die Ostsee ging. Die
Hebung von Skandinavien lässt keinen Zweifel,
dase vor etwa drei Jahrtausenden ein grosser Theil
Finnlands vom Meere bedeckt war und die Ostsee
mit dem weisseu Meere in Verbindung stand.
Auch der Bothnische Busen und das Kattegat
standen in Verbindung; in den Tiefen der schwe-
dischen Seen leben noch Reste der arktischen
Fauna, und die Wald Vegetation Dänemarks zeigt
in ihrem Wechsel eine Milderung des Klimas. In
alten Gräbern findet man noch die Kohle eines
Nadelholzes, ihm folgte die Eiche, dann die Buche.
Eine grosse Senkung des schleswig-holsteinischen
Landes fand Statt, ehe die cimbrische Fluth den
englischen Canal durchbrach. In dem im Hafen
von Husum versunkenen Birkenwalde hat man ein
dem Steinalter angehöriges Grab entdeckt, welches
also vor der Senkung des Landes gegraben war ;
eine Bodenschicht, womit die Cimbrische Fluth das
Land bedeckte, die sogenannte Stuinahl, fehlt je-
nem Grabe, also ist die Senkung des Landes vor
jener Fluth eingetreten. Die Fluth war die Folge
allmiUiger Senkung des Bodens; die Zeit des Er-
eignisses wird auch dadurch bezeichnet, dass der
Boden des Canals Elephantenknochen enthält. Auf
Amrom findet man Grabhügel, die von jener durch
die Fluth verbreiteten Steinschicht bedeckt, also
älter sind ab diese. Der Reichthum England» an
Thier- und Pflanienarten ist ebenfalls ein Beweis
dafür, dftSB es noch nicht lange eine Insel ist.
Forchhammer fand in der Steinahlschicht Stein-
waffen und Stücke gebrannten Lehms. Weil Py-
th cab um das Jahr 360 schon durch den Canal
geschifft ist, der Rhein aber zur Zeit der Römer
noch seine Mündung gerade nach Norden hatte, so
schliesst der Verfasser, dass der Durchbruch nicht
früher als 1000 Jahr vor Chr. geschehen sei. Die
Nachricht, dass die Cimbern wegen einer Ueber-
schwemmung ihr Land im Norden verlassen, kam
um die Mitte des 4. Jahrhunderts nach Griechen-
land, und die Fluth hat also wahrscheinlich nur
einige Menschenalter früher Statt gefunden. Er
berechnet die Temperatur der Urzeit dieses Lan-
des alB zwischen der Polargrenze der Föhre und
der der Tanne gelegen oder zwischen 1° und 5°R.;
seine Fjorde sind die Wirkung der Gletscher. Die
frühere Form der cimbrischen Halbinsel, zumal die
Gestalt der Küsten, wird durch den Nachweis der
Hebungen und Senkungen des Landes, sowie durch
die Dünenbildung und die klimatischen Einflüsse
genau bezeichnet. Selbst die Ortsnamen geben
Digitized by Google
Referate.
Aufschluss über die frühere Vertheilung der Ge-
wässer. Die Insel Oldenburg-Fehmarn ist dio lang-
gesuchte Nerthusinsel. Wenn bei Erwähnung der
Thatsache, dass man beim Trockenlegen des Haar-
lemcr Meeres keine Menschenknochen gefunden
habe, diese viel vergänglicher als die Säugethier-
knochen genannt werden, so ist diese oft wieder-
holte Behauptung, wenn man von der Grösse der
Knochen bei einem Vergleiche absieht, durch Nichts
erwiesen. Im naseen Schlamme aber erhalten sich
Knochen sogar sehr lange. Der Nerthusdienat,
der auch am Pontus, in Gallien und in Rom vor-
kam, beweist deutlich den Zusammenhang der
nordischen Cultur mit dem Süden. Der Verfasser
zeigt die Glaubwürdigkeit der alten Nachrichten,
dass Helgoland einst viel grösser war, dass die
Insel Banileia das heutige Wesseln, und der bern-
steinführende Fluss Eridanus die Elbe sei. Damit
stimmt auch de« Pausanias Angabe, dass er sich
in ein Meer mit Ebbe und Fluth ergiesse. Hee-
ren hatte also Unrecht mit der Behauptung, der
Eridanus sei ein fabelhafter Fluss, der nur in der
Sage des Volks und der Phantasie der Dichter
existirt habe. Viele Erscheinungen sprechen da-
für, dass Nord- und Ostsee einst durch Eider und
Schlei zusammenhingen, Cimbrien also eine grosse
Insel bildete. Doch ist es wahrscheinlich, dass zur
Zeit der Einwanderung der Kelten in den Norden
Cimbrien bereits mit dem Feetlande zusammen-
gehangen bat. Der Verfasser erinnert an ähnliche
Veränderungen der Erdoberfläche in Kleinasien,
für welche sich in der heutigen Beschaffenheit je-
ner Gegenden, aber auch in Nachrichten der
Schriftsteller, die Beweise finden. Kleinasien hing
einst mit Europa zusammen und wurde erst durch
den Durchbruch des schwarzen Meeres zur Halb-
insel. Das Caspische Meer stand durch das Axow-
sehe mit dem schwarzen Meere in Verbindung,
aber auch durch den Aralsee mit dem Eismeere.
Die durch den Hcllespont einbrechende Fluth
musste vorzugsweise die Insel Euboea und Böotien
treffen, und hierher verlegt auch die Sage die Fluth
des Ogyges. Es wird ferner von dom Verfasser
die in der gegenwärtigen Erdperiode Statt gefun-
dene Hebung der ganzen Ostküste Holsteins, die
Bildung der Moore, die Kreideformation als tieferer
Untergrund des Bodens, die von Jütlaud bis zur
Elbe hinabgehende Braunkohlenformation, die
frühere starke Bewaldung des Landes, der Wechsel
der Baumformen, endlich die Thierwelt der Vor-
zeit besprochen. Es werden genaue Angaben über
das Aussterben gewisser Thiere zusaniracngestellt
Wölfe gab es hier bis zum Ende des vorigen Jahr-
hunderts. Der letzte Luchs ward 1738 in Pommern,
1745 in Westfalen, 1758 in Mecklenburg, 1818 im
Harz, 1826 in Würtemberg, 1852 in Schlesien,
1862 iu Ostpreussen erlegt. Nur in Niederöster-
reich und Krain kommt er noch vor. An den
315
Bären erinnern noch manche Ortsnamen Jütlands;
doch bezeichneten die alten Deutschen auch oft
den Eber als Bären. In Hannover ward der letzte
Bär in der Mitte des 17. Jahrhunderts, in Mecklen-
burg und Potumern um die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts, 1705 der letzte am Brocken erlegt. Renn-
thierknochen finden sich bis nach Schonen, aber
nicht weiter nördlich in dem ganzen Landstrich
bis zum 62. Gr. nördlicher Breite, der südlichsten
Grenze dieses Thieres in Skandinavien. Das Elenu,
der Elch, cervus alcee, lebte nach einer Chronik
noch im 10. Jahrhundert in Flandern, im 11. noch
in Deutschland und Holland. Der Scheich ist der
Riesenhirsch, der bis ins 10. Jahrhundert in Deutsch-
land lebte. In Dänemarks Torfmooren kommen alle
flachstirnigen Ochsenarten, aber auch der Wisent
oder Auerocbs vor. Am weitesten verbreitet war
der Ur. Tacitus erzählt (Annalen IV, 72), der
römische Legat Olennius habe, nicht zufrieden
mit den Ochsenhäuten, welche die Friesen bis da-
hin als Tribut bezahlt hatten, von ihnen auch terga
urorum verlangt. Der Ur scheint erst nach 1550
ausgerottet zu sein; es ist eine Zeichnung vou ihm,
wahrscheinlich aus dem Jahre 1500, vorhanden. Er
war glatthaarig und kohlschwarz, mit weisser Kinn-
spitze. In Mecklenburg ward der letzte Biber 1819
erlegt. In den dänischen Torfmooren findet mau
an den Stämmen der Esche die Spur seiner Zähne.
Das Pferd, das Schaf und die Ziege kommen in
dem SteinAlter des Nordens nicht vor. Auch die
grossen baltischen Flutlien . welche den aus Kies
und Steinen bestehenden Landrücken, denJärawall
bildeten und Öland, Gothlaud und Carland vou ein-
ander rissen, sowie Bornholm von Pommern uud
Schweden, Rügen von Moen trennten, fallen in eine
Urzeit, in der Schweden bereits bewohnt war, denn
auf dem Boden der unter dem Järawall liegenden
Torfmoore hat man roh gearbeitete Werkzeuge aus
Feuerstein gefunden. Das alte Baltia ist die jetzige
Halbinsel Samland. Das Wort baltas ist lettisch
und bedeutet weiss; es erklärt den Namen des
weissen Meeres und beweist also auch, dass es
einst mit dem baltischen zusammenhing. Die Insel
Seeland ist in historischen Zeiten grösser geworden ;
die von Adam von Bremen genannte Insel Imbna
ist der jetzt mit ihr verbundene südwestliche Theil
von Seeland. Skandinavia bedeutet Insel Scandin,
das heutige Schonen, für das also auch sprachlich
feststeht, dass es eine Insel war. Das Wort Scan-
din heisst schon Insel Scand, die Gothen verstan-
den es nicht und setzten Avi = Insel hinzu. Scand
heisst aber gekrümmt, gebogen. Ptoleinaeus
schreibt wirklich der Insel eine solche Gestalt zu.
Scandia ist dagegen der altkeltische Name für die
cimbrische Halbinsel, die also, da Scandia das
krumme I*nd bedeutet, zur Zeit der Einwande-
rung der Kelten nicht mehr eine Insel war. Bei
den I>ongobarden hiess Holstein Mauringa, Ilaide-
40*
Digitized by Google
Referate.
316
land, und das fränkische Königsgeschlecht der Me-
rovinger soll daher gekommen sein. Der alte
Name Schleswigs ist Scoringa, Uferland. Die
Stadt Schleswig hat ihren Namen von der Schlei,
Sie. Le ist keltisch und heisst Wasser. Der Ver-
fasser sieht in der von ihm wieder hergestellten
alten Geographie des schleswigholsteinischen Lan-
des die einzig sichere Grundlage für dessen Ur-
geschichte. Die cimbrisclie Halbinsel ist die Brücke,
über die der Völkerstrom der Cimbern, Longobar-
den, Angeln nnd Sachsen sich ergoss nach Süden;
später drang über sie das Licht germanischer Cul-
tur vom Süden aus in die Nacht der nordischen
Barbarei. Der in neuerer Zeit so vielfach nach-
gewiesene Einfluss der physischen Natur auf den
Charakter, auf die politischen und moralischen Zu-
stände der Völker war schon dem Plato nicht an-
bekannt. Wie Ritter und seine Schule den Zu-
sammenhang von oeographie und Geschichte in
allen Weltt heilen verfolgt haben, wie Buckle in
seiner Betrachtung der modernen Civilisation den
Grundsatz: ^ohne Naturwissenschaft keine Ge-
schichte" aufsteilte, so sehen wir in der vorliegen-
den Schrift den glücklichen Anfang gemacht, diese
Methode durch eine Vereinigung von Geographie,
Geologie. Pulneoontologic , Sprachkunde, Mythus
und historische Ueberlifferung auch auf die Er-
forschung der Urzeit anzuwenden.
H. Schaaffhausen.
12. Das Steinalter oder dio Ureinwohner
des Skandinavischen Nordens. Ein Ver-
such in der comparati von Ethnographie
UDd ein Beitrag zur Entwickelungsge-
schichte des Menschengeschlechts von
S. Nilsson (Hamburg, 1868).
Der früheste Colturzustand unseres Erd-
t Heils wird uns — selbst wenn er nur für einen
eng begrenzten Raum desselben nachgewiesen
wird — vor anderem wichtig erscheinen müssen,
zumal wenn jene Nach Weisungen von einem Vete-
ran in der Alterthumswissenschaft ausgehen, der —
um mich in unserer waffen&tnrrenden Zeit entspre-
chend auszudrücken — den Dienst derselben, wie
nur wenige, von der Pike auf als Sammler und
Forscher durchgemacht hat.
Sven Nilsson muss als bahnbrechend für
die jetzt geltend gewordene vergleichende Methode
der Alterthumeforschnng bezeichnet werden. Als
vor etwa 30 Jahren seine „Skandinaviska Nordens
Urinvänare“' erschienen, war er es zoerst, derthat-
sächlich davon auBging, dass die vorhistorische
Alterthumsforschung nur dann gedeihlich sein
könne, wenn sie mit der Naturwissenschaft, apeciell
mit deren Nebenzweigen, der Geologie, Anthropo-
logie etc. und in Beachtung des reichen ethnogra-
phischen Materials Hand in Hand gehe. Die von
ihm gewonnenen Resultate haben von Hans aus
mannigfache Anfechtung erfahren. Der Dilettan-
tismus, der sich in keinem Wissenschaftszweige
schon seit Jahrhunderten so unheilbringend gel-
tend gemacht hat, als gerade in unserer vaterlän-
dischen Alterthumskunde, nahm Anstand an der
Charakterisirung der Ureinwohner als n Wilde“,
wie er noch heute, selbst vom theologischen Stand-
punkte aus , sich berufen glaubt , die Umwand-
lungstheoric , wiederum von einer einzelnen miss-
liebigen Folgerung ausgehend, bekämpfen zu müs-
sen, während die Wissenschaft allein, und nur
diese, die Richtigkeit oder deren Unhaltbarkeit
festzustellen hat.
Sind jene Anfechtungen auch durch ihre Un-
haltbarkeit beseitigt, und zweifelt in Betracht des
überaus reichen Materials, welches uns die Gunst
der Umstände aus dem Steinzeitalter erhalten hat,
selbst der l«aie nicht mehr, dass ihm ein ungeahn-
ter Blick in die uralten Anfänge menschlicher Cul-
tur vergönnt ist, so haben die deutschen Alter*
thumsforKcber doch überaus selten Gelegenheit ge-
nommen, auf Nilsson’s, inzwischen in zweiter Aus-
gabe erschienenes Werk einzugehen. Einfach des-
halb, weil gewiss Wenige die schwedische Sprache
beherrschen, die von Maach gefertigte Ueber-
setzung aber auf Nilssou’s Veranlassung nicht
edirt wurde, da ihm die frühere Ausgabe des Ori-
ginals nicht genügte.
Diese Anstande sind nunmehr, wenigstens in
Beziehung auf zwei Abtheilungen des Werkes, be-
seitigt. Die erste, das Bronzezeitalter behandelnd,
erschien mit Nachträgen bereits in den Jahren
1863 bis 1865. Sie ist bereits von Geffroy,
Claparede, Maurer anerkennend besprochen.
Es tnag deshalb eine kurze Andeutung des In-
halts, in so weit dies für die vorliegende Aufgabe
nothwendig, genügen.
Der Verfasser sucht ira Endresultate darzu-
thun: dass wie im ganzen westlichen Europa, so
speciell auch in den südlichen und westlichen
Gegenden des skandinavischen Nordens, der Cal-
turzustnnd des Steinzeitalters von einem semitischen
aus Aegypten und Phönicien stammenden Volke
verdrängt ist, dass dieses den Sonnendienst (Baal-
cultus) dort geübt, und zwar lange vorher, ehe ein
in das Eisenzeitalter zu setzender indo-germani-
scher Volksstamm den Odinischen Walhallacultus
zur Geltung brachte. Nilsson geht bei seiner
Beweisführung von dem vielberufenen Kivikmonu-
ment aus, dem er eine neue symbolische Deutung
giebt, beachtet alle anklingenden Denkmale Schwe-
dens und anderer Länder, besonders das Stonehenge,
die Grotten bei Dowth, und NewGrange in Irland,
welche er aus eigener Anschauung kennt, jene auf
Gozzo wie auch andere phöniziechen Ursprungs. An
der Hand der altklassischen Autoren verfolgt er jede
Spar, die sich in der Form und Verzierung der
BronzealterthQmer, in derSage, Tradition, in Local-
Digitized by Google
Referate.
317
namen, in alten Handelsbeziehungen, in der geo-
logischen Beschaffenheit und den Naturerscheinun-
gen seine« Vaterlandes, in alten Sitten und Ge-
bräuchen desselben, besonders beim Betriebe des
Ackerbaues und der Fischorei gezeigt haben, oder
in leisen Spuren noch heute zeigen.
Man wird den Reeultaten de« Verfassers weder
Originalität noch Kühnheit abeprechen können.
Sind manche Beweisgründe auch bedenklich, andere
unhaltbar und könnten andere wiederum ergän-
zend zugefügt werden, so wird man selbst als ent-
schiedener Gegner — wie ganz noue Theoreme sie
gar leicht erzeugen — immerhin den tiefen wis-
senschaftlichen Ernst, die Klarheit und Mnssigung
wie die Fülle von Kenntnissen, welche dem nam-
haften Naturforscher und warmen Alterthuinsfreunde
zu Gebote standen , höchlichst anerkennen müssen,
selbst wenn man die erörterte Frage für offen er-
klärt.
Tief zu bedauern ist nur, dass die Vorliebe,
welche lang gehegte Geisteski udor naturgemäss er-
zeugen. den Verfasser abgebalten hat, eine voll-
ständige Uebersicht de« Bronzezeitalters rückticht-
lich der Fundstücke und Gräber Skandinaviens zu
geben. Hoffen wir, dass dem in der III. Abthei-
lung des Werkes nachtragsweise Genüge geschieht.
Ein solcher Vorwurf trifft das „Steinalter41
im Wesentlichen nicht. Der Verfasser nennt auch
diesen Theil seiner Arbeit nur einen Versuch,
„eine unvollständige Skizze.“ Muss dem auch in
Betracht der thatsächlichen Leistungen Nilsson’s
und im Hinblick auf die sorgsame dritte Redaction
seines Werkes im Verlaufe dreier Decennien wider-
sprochen werden, so kann eine absolute Vollstän-
digkeit bei der Jugend der ethnologischen Me-
thode, bei der fast insularen Abgeschlossenheit
Schwedens, bei der b’nvollständigkeit ethnogra-
phischer Sammlungen und vieler Alterthumsmuseen,
deren Schätze überdem in zusammenhängender
Folge durch Wort und Bild fast gar nicht publi-
cirt , mithin dem eingehenden Studium Auswärti-
ger entzogen sind, für jetzt überhaupt nicht er-
reicht werden, zumal da, wo geschichtliche Quellen
uns verlassen. Von diesem Gesichtspunkte aus er-
klären sich die meisten der nachstehend heregten
Mängel von selbst. Andere müssen freilich irr-
thümlicher Auffassung zugeschrieben werden.
Vor Allem wichtig ist es, dass der Verfasser
in der Vorrede, wenngleich nur beiläufig, consta-
tirt , dass die Lubbork’sche Einteilung in eine
palüolithiscbe und neolithisebe Periode für Skandi-
navien nicht anwendbar sei. Ein Gleiches kann
der Unterzeichnete rücksichlich der an Steinalter-
th ürnern so überaus reichen Insel Rügen aus lang-
jähriger Erfahrung versichern. Nilsson ’s Fest-
stellung, welche man dem Naturforscher vom Fach
gegenüber nicht bezweifeln wird, ist um so mehr
zu beachten, als jener Einteilung, welche für
Frankreich und England ihre zweifellose Berechti-
gung hat, eine ausgedehntere missbräuchliche An-
wendung gegeben zu werden pflegt.
Wenn Nilsson aber gleichzeitig ausspricht,
dass auch in Schonen jene grobbehauene dreisei-
tige Aztform mit dicker Schneide vorkomme,
welche an die dänischen Küstenfunde erinnere,
so wäre ein näheres Eingehen hierauf um so un-
erlässlicher gewesen, als dieses im hohen Maasse
rohe und unscheinbare Gerätb, welches auch Hilgen
reichlich darbietet, zu den interessantesten des
Steinzeitalters, vielleicht zu den ältesten Beweis-
stücken menschlicher Cultur in Nordeuropa gehört,
und weil es einen Ausgangspunkt für die weitere
Entwicklung der Steingeräthschaften gewährt.
Seihst eine Abbildung fehlt auf den reich ausge-
statteten 16 Tafeln dee Werkes, welche allerdings
auch anderweit Wesentliches, z. B. Urnenabbilduo-
gen (es ist nur eine Tafel X, Nr. 209, gegeben)
u. dergl. m. vermissen lassen, während Einzelnes
entbehrlich, Anderes anschaulicher darzustellen
war.
Der Gang der Untersuchungen ist im Uebri-
gen folgender:
Nachdem der Verfasser einleitungsweise die
bekannten Entwicklnngsstadien der Menschheit dar-
gelegt, stellt er im ersten Capitel einen umfassen-
den Vergleich zwischen den Waffen und
Werkzeugen wilder Völkerschaften und den
in Skandinavien (Schweden und Norwegen) ge-
fundenen Alterth ümern von Stein undKno-
chen an.
Obwohl Nilsson die ethnographischen Mu-
seen in England , Frankreich , Dänemark und
Deutschland aus eigener Anschauung kennt, so be-
klagt er, dass es ihm nicht gelungen sei, für alle
Geräthe der Steinzeit Analogieen aufzufinden. Um
so mehr muss es befremden, dass NilB&on das
überan 3 reiche Material, welches ihm die Schwei-
zer Pfahlbaufunde geboten haben würden, ganz
unberücksichtigt gelassen hat. Er erwähnt der-
selben, wie in der ersten Abtheilung, so auch im
vorliegenden Werke, mit keinem Worte und hat
so Aufschlüsse der mannigfachsten Art, welcho ihm
namentlich die Keller’schon Berichte, die Werke
von Desor, Troyon und Anderer dargeboton ha-
ben würden, ausser Acht gelassen. Er würde an-
dernfalls' in die Lage gekommen sein, die überaus
wichtige Frage: in wie weit die Bewohner Skan-
dinaviens im Steinzeitalter nicht nur Jäger und
Fischer, sondern auch, wie jene Pfahlbaubewohner,
sesshafte Ackerbauer gewesen? eingehender als ge-
schehen zu erwägen. Nilsson deutet rücksichtlich
der Erbauer der Ganggräber nur leise an, dass sie
einige gezähmte Thiere besessen, vielleicht auch
etwas Ackerbau getrieben hätten und folgert dies
mit Rocht aus zweiErdhacken von Stein und Elenn-
horn (Tafel VIII, Fig. 180, 181). Er übersieht
Digitized by Google
:U8
Referate.
aber hierbei, dass diese Erdhacken und eine dritte
überaus bemerkenswerte aus der Zinke eines
Hirschgeweihes gefertigte, auf welcher sich in frap-
panter Bestätigung der Höhlenfunde die Abbildung
einer Hirschkuh befindet (Taf. XV, Fig. 256 bis
259) nicht in Gauggrübern oder in alten gleich-
zeitigen Wohnstätten, sondern sämmtlich in Torf-
mooren Schonens, also unter Umständen gefunden
sind , welche die frühere oder früheste Zeit de«
Steinalters anscheinend berühren. Im Uebrigen
enthält das erste Capitel in seinen einzelnen Ab-
schnitten einen Schatz reicher Erfahrung, wie diese
nur im tausendfältigen Verkehr des eifrigen Samm-
lers mit den Findern und durch unmittelbare Auf*
grabtingen , niemals aber in Museen oder Alter-
thumsschriften allein gewonnen werden kann. Viele
seiner Behauptungen und Vergleiche rücksichtlich
des Zweckes, Gebrauchs und der Classification der
einzelnen Geräthe und Waffen sind unzweifelhaft
richtig und belehrend. So namentlich die Behand-
lung der mannigfaltigen Wurfwaflfen und Jagdge-
räthe, für welche die ethnographischen Sammlun-
gen freilich die reichsten Analogieen darbieten.
Hohes Interesse werden die auf Tafel IV reichlich
gegebenen Abbildungen von Harpunen und Fisch-
stechern aus Bein schon deshalb gewähren , weil
die in den Torfmooren Schonens gefundenen mit
denen vom Feuerlande, von der Hudson Buy, von
Perigord , Seeland und den in der Schweizer-Seen
gefundenen — hier freilich nicht herbeigezogenen
— sich nahezu decken, was bei diesen, eine aus-
gebildete Combinationsgabe voraussetzenden Ge-
rüthen der wilden Fischer interessante Verglei-
chungspunkte dar bietet. Dies gilt auch von so
manchem anderen Geräth, beispielsweise von den
mit Feuersteinschürfen versehenen knöchernen
Wurfpfeilen (Tafel VI, Fig. 122 — 126), welche
auch anderweit gefunden sind, und den Angelhaken
aus Feuerstein, welche, so weit bekannt, bisher
allein in Schonen vorgekommen. Andere Geräthe
sind dagegen, obwohl sie zweifellos auch im Vater-
lande des Verfassers nicht selten sind, gar nicht
besprochen, während andere wiederum in den Ab-
bildungen unzureichend erscheinen. So die über-
aus reichlich und in den mannigfaltigsten Formen
verkommenden Feuersteinspäne (Fläcker, prisma-
tische Messer), deren variirende Schäftung wir
jetzt aus Pfahlbaufunden genau kennen, die von
den Dänen sogenannten Flintknuder, welche sich
ans einer amerikanischen Analogie bestimmt er-
klären, und die häufigen, bisher wenig beobachto-
ten und deshalb in den Sammlungen fehlenden
Schahsteine, von denen nur eine unverständliche,
nicht charakterisirende Abbildung vorliegt (Tafel
IX. Fig. 188). Der Vorwurf kleinlicher Bedenk-
lichkeit, der hier erhoben werden könnte, beseitigt
sich einfach dadurch, dass bei Ermittelung des
Culturzustandes eines längst verschwundenen Vol-
kes auch das geringste stumme Zeichen seiner Thä-
tigkeit nicht unbeachtet bleiben darf, weil nur bei
dieser Voraussetzung allein ein klares Bild — in
so weit die» überhaupt noch möglich — von sei-
nem Thun uud Treiben gewonnen werden kann.
Ein weiteres Eingehen verbietet »ich hierbei
schon durch den vorliegenden Zweck. Ein Beden-
ken kann jedoch nicht unberegt bleiben, weil es
von grundlegender Bedeutung ist. Es handelt sich
nämlich um die Theorie, welche der Verfasser in
Beziehung auf die zur Herstellung der Steingeräthe
verwendeten Werkzeuge aufstellt., Er ist, wie
schon in der früheren Ausgabe und wie der wackere
Thomson es war, der Ansicht, dass die Steinwaffen
und Werkzeuge vermittelst demjenigen Steine an-
gefertigt sind, welche auf Tafel I, Fig. 1 — 14 ab-
gebildet erscheinen. Es sind dies zum Theil die-
jenigen mit Grübchen auf den Flachseiten versehe-
nen meist rundlichen Steine, welche die dänischen
Alterthumsforscher Tilhuggersteene , andere volks-
tümlich Knakesteene nennen, zum Theil diejenigen
weberschiffförmigeu Steine mit einem um die Kante
eingehauenen Falz und mit einer leichten schräg
verlaufenden Furche auf der Flachseite. Was nun
die letzteren betrifft, so giebt der Verfasser selbst
zu, (lass dieselben niemals in einem Steingrabe ge-
funden worden wären. Er führt demnächst auch,
indem er von den Amuleten späterer Insassen
Schwedens spricht, an, dass dort ein solcher Stein
mit eiserner Ausfütterung des Falzes gefunden sei
(S. 157). Da ausserdem bekannt ist, dass ein an-
dere« dänisches Exemplar ein ßronzeband hatte
(Thomson, Anleitung S. 38), ein drittes in Bleking
mit Alterthümem aus dem Eisenzeitalter gefunden
wurde (Worsaae, zur Alterthumskunde des Nor-
dens, S. 12), so wird schon dadurch — abgesehen von
der näheren Motivirung des Verfassers über die
Art des Gebrauchs und die Entstehung des Falzes
und der Furche — die aufgestellte Ansicht unhaltbar.
Rücksichtlich der Knakesteene mag dem Verfasser zu-
gegeben werden, dass solche zu dem angegebenen
Zwecke in einzelnen Fällen gedient haben mögen, da
sie nach seiner Versicherung bestimmte Spuren als
Bohausteino an sich tragen. Dies qualificirt sie
aber allgemein als professionelles Geräth zur An-
fertigung der Steingeräthschaften nicht. Will man
auch davon absehen, dass das Volk dem Knake-
steen — wie auch die Bezeichnung selbst besagt —
die triviale, aber wohl zu Pachtende, vielleicht tra-
ditionelle Deutung beilegt, dass dieselben zum Auf-
knacken der Nüsse gedient, wozu sio sich in der
That sehr eignen, so ist es gewiss wesentlich, dass
derartige Steine eben so wie die webemhiffformi-
gen , da , wo Stein alterth Ürner überaus häufig sind,
z. B. auf Rügen, zu den Seltenheiten gehören und
auf Werkstellen selbst, die sich dort im ausge-
dehntesten Maasse befinden, sorgsamer Durchfor-
schung ungeachtet niemals gefunden sind. Wohl
Digitized by Google
Referate.
31»
aber habe ich dort kugelförmige Feuersteine in
allen Stadien der Abnutzung alt« Klopfsteine häu-
Üg gefunden, wie ich solche auch in der ehemali-
gen Sammlung des verehrten Verfassers zu Lund,
in Kopenhagen und in Holle, letztere aus Amerika
herrührend und den unsrigen vollkommen glei-
chend, gesehen habe. Im Uebrigen ist die auf
eigene Versuche gestützte Ausführung des Verfas-
sers hinsichtlich der technischen Behandlung des
Steinmaterials bei der Bearbeitung gewiss richtig
und ist es nur zu bedauern, dass er als eifriger
Jäger niemals in die Lage gekommen ist, eine
Werkstelle aufzufinden, da es solche aller Wahr-
scheinlichkeit nach auch in Schonen giebt. Mag
in früherer Zeit auch der Einzelne sein Geräth
höchst wahrscheinlich selbst angefertigt haben, und
sind dann die Spuren hiervon so verwischt, dass
sie sich der Beobachtung entziehen , so ergeben
die anderweit im Norden entdeckten Werkstellen
doch zuverlässig, dass in den letzten Stadien de«
Steinzeitalters eine Theilung der Arbeit und der
Production im Grossen durch ausgobildete Arbeiter
bereits eingetreten war, wie ich seiner Zeit nacb-
weisen werde.
Im zweiten Capital wirft Nilsson einen
Rückblick auf die beschriebenen Alterthü-
mer und sucht ein bestimmtes Resultat
daraus zu gewinnen.
Mit gutem Grunde wendet er sich zunächst
gegen die Annahme, dass die Steinalterthüroer
zum Theil als Opfergeräthe, zum Tbeil als Sym-
bole betrachtet werden müssten.
Für diejenigen, welche das einheimische und
analoge Material jener Culturperiode mit gesundem
praktischen Blicke ansehon, wären jene Ausein-
andersetzungen freilig müssig gewesen . Dem Laien
sagt jene Theorie jedoch ihres poetischen Reize«
wegen ganz besonders zu, zumal auch Alterthums-
forscher vorgeblichen Berufes, denen der Gedanke
an Weihrauch, Opfer und Zehnten besonders wohl-
gefällig, solche oft genug vertreten haben. Nils-
«on verkennt keine«wegs, dass auch in historischer
Zeit Steingerätbe zu bestimmten religiösen Zwe-
cken bei den Aegyptern, Juden. Phöniciern und
den Römern in Gebrauch gewesen und weist dies
aus den alten Quellen »peciell nach. Er leugnet
aber mit Recht, dass die Urbewohner im rohen
Kampfe mit ihrer Existenz hervortretende religiöse
Bedürfnisse gehabt, wie der spätere Thor- oder
Odincultus solche voraussetzt. Die Alterthums-
freunde können dem Verfasser nur dankbar dafür
sein, dass er solche Vorurtheile auch rücksichtlich
eines auch den Gegnern jener Theorie sehr räth-
sel haften Fundstückes beseitigt hat Es bezieht
sich dies auf jene überaus kleinen streitaxUormi-
gen Gebilde von 2 bis 3 Centimeter Länge, welche
bei Lindormabacke in grosser Menge, auf Rügen
aber als regelmässige Beigabe jedes Steingrabcs
Vorkommen und die man, weil ein praktischer Ge-
brauch nicht abzusehen war, als simulacra armorum
zu bezeichnen pflegte (Tafel II, Fig. 36, 37, Tafel
XVI, Fig. 266—268).
Nilsson classiticirt sie als Pfeile mit quer-
liegender Schneide, was freilich befremdlich klingt
da das ira Bronzezeitalter allerdings gangbares
später verlassene Priucip breiter Schneiden an
WurfgerÄthen für das Steinzeitalter bisher erat zu
erweisen war, wofür er aber analoge Beweisstücke
— so ein geschäftetes Exemplar aus dänischem
Moor und ein mit gleicher Steinbewehrung ver-
sehener Pfeil aus Aegypten im British Museum —
beibringt (S. 62).
Die weiteren in diesem Abschnitte gezogenen
Folgerungen beschränken sich anf die Ausführung,
dass die ehemaligen Inhaber der Steingerätbe etwa
denselben Culturzustand gehabt, wie die Bewoh-
ner von Otaheiti im verlaufenen Jahrhundert, dass
sie als Jäger und Fischer jeden ihnen zugänglichen
Stoff, niemals aber Metall, zur Herstellung ihrer
Geräthe verwendet, dass sie, weil im Besitz von
Thongefässen , den Gebrauch des Feuers gekannt,
Wohnungen gehabt, mehr als mit rohen Fellen be-
kleidet gewesen , dass sie aber , abgesehen vom
Hunde, keine Hausthiere besessen hätten. Die fer-
nere Folgerung aber, dass sie keine Bilder hinter-
lassen, keine Zeichen und Bilderschrift gekannt,
ist im Hinblick auf die mit Bildwerk versehene
Erdhacke (Tafel XV, Fig. 256 — 259) in ersterer
Beziehung irrthümlich.
Der Vergleich, den Nilsson im dritten Ca-
pitel zwischen den in Skandinavien (Schwe-
den-Norwegen) gefundenen fossilen Schädeln
mit denen noch lebender Völker anstellt, ist
mit einer Reihenfolge von Schädelabbildungen be-
gleitet, von denen Sachverständige ermessen mö-
gen, ob sie zweckentsprechend sind. In den auf
das System von Retzius gestützten Resultaten
geht Nilsson mit grosser Mässigung zu Werke,
da einerseits eine sehr intrikate Materie vorlag
und er andererseits bekennen musste, dass das vor-
handene Material für eine erschöpfende Unter-
suchung unzureichend sei. Er constatirt, dass, mit
Ausnahme der kurzköpfigen Lappen, alle Bewoh-
ner Skandinaviens von Alters her bis in die Gegen-
wart hinein zur Classe der Dolichocephalen gehör-
ten, dass man dann und wann aber — und dies
ist überaus wichtig — einen brachycepbalen Schä-
del zwischen Langschädeln in zweifellosen Stein-
gräbern gefunden, dass man aber nichtsdestowe-
niger gelten lassen müsse, die Erbauer derselben
hätten irgend einer dolichocephalen Völkerschaft
angehört, welche noch jetzt den grössten Theil des
Landes bewohnen.
Im vierten Capitel beschäftigt sich Nilsson mit
den Gräbern des Steinalters im Vergleiche
mit den Gräbern und Wohnungen der Eskimo.
Digitized by Google
320
Referate.
So gelungen die Ausführungen im Ein-
zelnen auch sind, so wäre es doch erwünscht
gewesen, wenn der Autor bei diesem Anlässe alle
Bestattungsweisen , welche in der Steinperiode
Skandinaviens Gebrauch gewesen, ebenso eingehend
behandelt hätte, als die Fundstücke der Gräber
und Torfmoore. Während die Gaugbauten tief
eingehend , die Dös dagegen nur beiläufig bespro-
chen werden, fehlen beispielsweise diu mannigfal-
tig forinirten Steenrör in Illeking, welche wenig-
stens zum Theil dem Steinalter* wie deren Aus-
beute erwiesen bat , angehören. Die Ucbergangs-
periode ist überhau pt nicht liehaudelt, während
eine ethnologisch wichtige Gräherstatistik , sowohl
rücksichtlich des ganzen Landes, als auch seiner ein-
zelnen Thetle, gänzlich fehlt. Abgesehen aber von
diesen Bedenken enthält dieser Theil des Werkes
eine Fülle höchst schätzbaren Materials. Nilssou
geht davon aus, dass die Gräber der nicht sesshaft
gewesenen Urbevölkerung Schwedens unbekannt
waren, dass dagegen die Ganggräber (gänggrifter)
und die wahrscheinlich gleichzeitigen Dolmen (Dös)
einem cultivirtereu ansässigen Stamme sugMchrie-
ben werden müssten. Mit vollem Hechte bezeich-
net er die erstere ('lasse als Stamm- und Familien-
gräber, du auch diu Steinkisten Rügens — Gang*
gröber sind dort nicht, nachweisbar — sollet in
ihrer unmittelbaren Umgehung ausserhalb der
regelrechten Steinsetzung dieselbe Folgerung als
zweifellos erscheinen lassen. Eben so wenig kann
die von Nilsson umständlich nochgcwieeene Aehu-
lichkeit der Ganggräber mit den Winterhütten der
Eskimos bedenklich sein. Du er eine Kaceneinheit
hieraus nicht ableitet, so folgt hieraus für die eul-
turgeschichtliche Ethnologie nur so viel, dass für
die Erbauer beider gleiche Lebensverhältnisse und
cun forme klimatische Bedingungen massgebend
waren. Nilsson hat aber niebt nur die gleiche
Gestaltung jener Winterhütten mit den Ganggrä-
bern nachgewiesen, sondern auch die der letzteren
mit den Wohnungen desselben skandinavischen
Urvolkes. Es ist ihm nämlich, zum grossen Ge-
winn für die nordische Alterthumskunde, gelungen,
in Schweden mehrfach alte Wohnstätten aufzufin-
den, welche den Ganggräbern bis auf die man-
gelnde Steinbedachung , die bei jenen wahrschein-
lich aus Holz , Reisig oder Rasen bestanden , voll-
kommen gleichen. Da er derartige Wohnungen
selbst mehrfach untersucht und der mitgetbeilte
Befund, namentlich Spuren einer Hcrdstelle, Ge-
schirrreste und gänzlicher Mangel an Menschen-
gebein etc., die Richtigkeit seiner Ansicht nicht
bezweifeln lässt, zumal es ja bekannt ist, dass
manche Völker,wiez.B.dieTapuja,die den Leichnam
zu einem ruuden Ballen Zusammensein» üren und
ihren thräuenlosen Schmerz dadurch erklären,
„dass sie ihre Thränen fransen“, die Hütte selbst
als Grabstelle benutzen und diese dann verlassen
(Spix und Martius III, 1238).
Nachdem der Verfasser im fünften Capitel
untersucht, wie die Ureinwohner ihre Waf-
fen zur Jagd und zum Kriege benutzt und
aus zwei sehr interessanten Fundberichten dar-
thut, dass zur Verwundung eines im Torfmoor ge-
fundenen Bos urus eine Feuerst ein walle und zur
Tödtnng eines Menschen ein im Schädel noch %’or-
gefundener Wurfpfeil von Elennhorn gedient hät-
ten, letzterer auch nothwendiger Weise vermittelst
eines Wurfbrette* geschleudert sein müsse, wenn-
gleich keine Reste von solchen bisher in Skandi-
navien aufgefunden worden wären, giebt er im
sechsten Capitel Data für das Vorhandensein
eines Steinzeit alters bei verschiedenen Völ-
kern und weiset sodann nach, dass die sagenhaften
Riesen, Zwerge, Elben, Wichte, Troll u.s. w.
ursprünglich Völker verschied euer Her kunft
und von verschiedenem Cultus gewesen.
Die auf dem Wege ethnographischer Verglei-
chung umständlich angetretene, mit einem über-
aus reichen Material versehene Beweisführung muss
dahin als gelungen betrachtet werden , dass die
Zwerge der skandinavischen Sage die zauberkun-
digen Lappen , die Riesen finnische Einwanderer
waren, welche dem vorodinischen Thurcnltus ob-
lagen. Der Aufgabe des Verfassers entsprechend
ist hierdurch wenigstens für einen vcrhältnissmässig
kleinen Bereich die über einen grossen Theil un-
seres Erdballes verbreitete »Sage von Zwergen und
Riesen erklärt worden. Jene allgemeine Verbrei-
tung wird freilich Denjenigen Anfechtungspunkte
darbieten, welche eine locale Entstehung der Zwerg-
uud Riesen-Sagen auf historischem Boden leug-
nen, sie vielmehr aus allgemeinen mythisch poeti-
schen Naturanschauungen ableiten.
In dem Schlüsscapitel erörtert Nilsson die
Frage rücksichtlich der wahrscheinlichen Ge-
staltung der Skandinavischen Halbinsel
zur Zeit der Einwanderung ihrer ältesten
Bewohner. Im weiten Rückblicke entfaltet er ein
klares Bild jener starrenden Gletscherzeit, deren
Ursache er, wie andere, in Schwankungen der Erd-
rinde findet und deren Anzeichen Nordschweden
noch heute in leiser Fortwirkung darbietet. In
farbigen Umrissen zeigt er sodann die — wer
weil» wie langsamen — Entwicklungsstadien, die
den Boden seine« Vaterlandes zur Aufnahme des
Menschen geeignet ninch’en. Südschweden, da-
mals noch landfest init den norddeutschen Ebenen,
bot diesen einen unbehinderten Zuguug aus wärme-
ren Regionen. Mit ihnen kam das Renn, der Ur,
der Bison hin und her wandernd. Sie und andere
wurden des Menschen Jagdbeute, der sich z« die-
sem Beh ule und dem Fischfänge obliegend in dich-
ten Wäldern an den See- und Flussufcrn aufhielt.
Digitized by Google
Referate.
3-21
Von jenen Urbewohnern rühren die in den älte-
sten Torfmooren gefundenen Stein- und Knochen-
ger&the her, deren überaus hohes Alter, die dabei
gefundenen Reste des Höhlenbären bezeugen. Dass
jene ältesten Moore sich vor dem bekannten Ja*
rawall gebildet, kann nach der Ausführung des
Verfassers nicht bezweifelt werden. Er bringt die
Entstehung desselben mit der Abtrennung Schwe-
dens vom Festlande vermittelst eindringender
Meeres fluthen in Verbindung und giebt den däni-
schen Kjökkenmöddinger ihre Bildung erst nach
Eintritt jenes Naturereignisses und zwar mit gu-
tem Grunde, da in ihnen Rennthierknochen bisher
nicht gefunden sind , wie in den bei weiten älte-
ren Mooren. Rücksichtlich der dort im Vereine
mit den Resten des Höhlenbären ausgegrabenen
Skelete von Reimt liieren constatirt Nilsson die
interessante Thatsache, dass diese einer ganz ande-
ren Racc angehörten, als das lappländische, wel-
ches viel später über Finnland nach den norwegi-
schen Hochalpen gekommen, jene aber aus süd-
licher gelegenen Ländern, die demnächst aber bei
unterbrochener Laudverbindnng wahrscheinlich
ausgestorben wären.
Schliesslich wirft Nilsson die Frage auf, zu
welcher Menschenrace die ersten Bewohner Skan-
dinaviens gehört hätten. Er lässt diese Frage un-
entschieden, weil kein menschliches Skelet bisher
in den ältesten Torfmooren gefunden sei, wohl
aber einzelne Schädel, welche jene Urbewohner als
kur/.köpfige, deren letzte Repräsentanten die Lap-
pen waren, charakterisirten. Die letzteren hatten
früher lange Zeit als Jäger nnd Fischer gelebt, ehe
sie Nomaden wurden und wären von einem lang-
köpfigen Volkntamme vernichtet oder zurück-
gedrängt, der dann die Ganggräber errichtet, einem
höheren Culturzustande entsprechend seine Speisen
gekocht, wie die von Rubä geschwärzten Reste
ihrer Thongefnsse auswiesen, „vielleicht“ auch
etwas Ackerbau getrieben hätte.
Die semitischen Nachfolger dieses namenlosen
Volkes sind in der ersten Abtheilung der Urein-
wohner bereite besprochen. Von dem kimbrischen
Volksstamme, welcher inzwischen in Dänemark und
Südschweden ein- und ausgewandert sein soll , wie
von deu letzten Ankömmlingen, welche den odini-
schen Walhallaeultus ins I*and gebracht , werden
wir in der dritten Abtheilung des Werkes hören.
Möchte es dem hochbetagten Verfasser ver-
gönnt seiu, diese deutschen Lesern in neuester
Redaction recht bald zugängig zu machen. Auch
der in dor Vorrede versprochene „Beitrag zur Ge-
schichte der Alterthumskunde in Schweden wäh-
rend der letztverfloseenen 35 Jahre" wird meinen
deutschen Freunden und Verehrern überaus er-
wünscht sein.
Neu-Ruppin. Rosenberg.
Arrhl» für Atilhmimloul)1. R<l. (II. He fl 3.
13. H. Schaaff hausen. Ueber die Urform
des menschlichen Schädels, ein beim an-
thropologischen Congresse in Paris ge-
haltener Vortrag, ubgedruckt in der
Festschrift der Niederrheinischen Ge-
sellschaft für Natur- und Heilkunde zur
fünfzigjährigen Jubelfeier der Univer-
sität Bonn, 1868.
Der Verfasser geht von der Betrachtung aus,
dass die Lebensformen nicht nur deu äusseren
Lebensbedingungen angepasst erscheinen, sondern
auch eine fortschreitende Entwickelung bis zur
menschlichen Organisation erkennen lassen. Die
menschliche Form muss aus einer minder vollkom-
menen allmählich entstanden sein. Entsprechen
die Thatsachen dieser Ansicht? Die Merkmale
der höheren menschlichen Bildung sind wirklich
nicht in gleichem Maasse bei allen Racen vorhan-
den , sondern entsprechen dor Cultur, deren die
Menschheit erst nach und nach theilhaRig wurde.
Aber auch die ältesten Ueberrestc unseres Ge-
schlechts auB einer Zeit, die dem Ursprung dessel-
ben jedenfalls etwas näher liegt, tragen Zeichen
einer niederen Organisation an sich; diese Beob-
achtung erscheint um so wichtiger, als sie schon
an einer so geringen Zahl fossiler Reste hat ge-
macht werden können. Die Bildung der Stirn des
Neonderthal-Schädels, Gebiss und Form des Unter-
kiefers von la Naulette und der Prognathismus
einiger kindlicher Kiefer aus der Steinzeit West-
europas Übortreffen das, was wir von ähnlichen
Bildungen der lohenden Wilden kennen. Die Ge-
setzmässigkeit solcher Bildungen, ihre gegenseitige
Harmonie, ihr fötaler oder kindlicher Charakter
weisen die Deutung ab, dass sic nur zufällige seien.
Auch für das Skelet kennen wir , zumal aus der
Anatomie wilder Racen, als Merkmale niederer
Organisation die abweichenden Verhältnisse der
Länge der Gliedmassen, die von vorn nach hinten
verlängerte Form des Thorax, die geringere Dre-
hung des Oberarmbeins , die Durchbohrung der
Ellenbogengrube desselben Knochens, das schmä-
lere Becken mit mehr nufgerichteten Darmbeinen,
das mehr nach hinten vorspringendo Fersenbein,
den der thierischen Bildung näher steherden Kehl-
kopf und noch einige andere Kennzeichen. Was
die Bildung des Schädels betrifft, so fällt uns bei
einigen aus der ältesten Vorzeit wie bei den mei-
sten der niederen Racen die Dicke der Schädel-
knochen auf, wodurch auch der Thierschädel sich
von dem menschlichen unterscheidet. Die Festig-
keit des Knochengewebes wird auch von der Nali-
rungsweite abhängan; auffallend ist die schon He*
rodot bekannte weichere Beschaffenheit der Schädel-
knochen bei den Mongolen, die auf einem Vorherr-
schen der Diploe beruht und 3ioh auch au Schä-
deln der Vorzeit findet. Kleinheit der Schädel-
höhle deutet auf geringere Entwicklung des Ge-
41
Digitized by Google
322
Referate.
hirns, dessen Windungen in dienern Falle weniger
zahlreich, einfacher und mehr vorspringend sind.
Der Neger- und Australierschädel , aber auch der
Engis- undNeanderthaler Schädel haben diese Eigen-
schaft. Die alten Völker des westlichen und nörd-
lichen Europa, sowie die de« nördlichen Afrika
hatten eine lange und schmale Scbädelform, die
schon deshalb für eine primitive gehalten werden
darf, weil es durch Beobachtung feststeht, dass der
Schädel seine letzte, der Zunahme der Intelligenz
entsprechende Vergrösserung durch eine Entwick-
lung iu die Breite erfährt; doch ist hierfür nur
die Breite über der Schädelbasis bezeichnend, nicht
die zwischen den Scheitelhöckern, die vielmehr der
weniger entwickelten Schädel form des Kindes und
des Weibe« zukommt. Ob in Europa ein braehy-
cephales oder ein dolichocephales Volk daB älteste
gewesen, bleibt noch zweifelhaft; jedenfalls sind
die bisher bekannt gewordenen dolichocephalen
Schädel der Vorzeit von roherer Bildung als die
anderen. Es giebt eine Reihe von Thatsochen,
welche beweisen, dass eine sehr hervortretende
Dolichocephalie eine ursprüngliche, noch wenig ent- *
wickelte Form des menschlichen Schädels ist. Der
Vergleich der Hirnformen niederer und höherer
ftaeen giebt denselben Beweis. An der Gestalt des
primitiven Schädels nimmt die Form eines jeden
einzelnen Knochens Theil; die Knochen der Schä-
delkapsel betheiligen sich aber in verschiedener
Weise an der Verkleinerung desselben. Lehrreich
ist in dieser Beziehung eine vergleichende Betrach-
tung des Säugethierschädels. Die stärkere Wöl-
bung des menschlichen Schädels ist die Folge des
nach allen Richtungen und zumal nach der Breite
mehr ausgedehnten menschlichen Gehirns. Die
rohe Schädelform erscheint »1h eine Bildungshem-
muug, denn sie trägt beim Erwachsenen noch kind-
liche Zuge an sich, z. II. das Vorbringen der Schei-
telhöcker und der Hinterhaupt sschuppc, die geringe
Entwicklung der Nasenbeine. Dieselben Züge
hat der Affen Schädel. Mit dem Orangutangschä-
del hat der des Malayen die grösste Aehnlichkeit,
der deshalb als Racentypus bei behalten werden muss,
und nicht etwa nur als eine Mittelform zu betrach-
ten ist. Er beweist, dass <*s auch eine niedere
Form des brachycephalen Schädels giebt. Die
grossen Affen Afrikas stehen dem Neger näher.
Duvernoy und Agassiz haben, wie der Verfas-
ser, die anthropoiden Affen beider Welttheil© in
Bezug auf die Schädelform mit den Menschenracen
derselben Länder verglichen und «ie einander ähn-
lich gefunden, welchem Ergehn iss auch Bischoff
beistimmt. Hierbei wird erinnert, das« schon
Blumen hach angegeben habe, dass sich alle Schä-
delformen zwischen zwei Extremen, numlich die
Äthiopische und mongolische Form ordnen Hessen.
Es wird ferner auf den Einfluss der Muskelkraft
für das Zustandekommen der dolichocephalen Form
hingewiesen. Der Verfasser bestreitet die Ansicht
von Retzius, dass die Dolichocephalie durch stär-
kere Entwicklung der hinteren Lappen des grossen
Gehirns hervorgebracht werde und eine höhere
Form darstelle. Wichtig und bisher kaum be-
achtet ist die Beschaffenheit der Schädelnähte, die
bei rohen Völkern in ihrer gradlinigen Form den
kindlichen Typus bewahrt haben. Starke Ver-
ästelung der Nahtsacken deutet auf langsames
Wachsthum des Schädels, kann aber auch krank-
haft und durch Hindernisse der Knochenbildung
hervorgebracht sein. Der Verfasser bestreitet die
Ansicht Virchow's, dass bei raschem Wachethum
der Kuochen die Nähte zackig werden. Zackige
Nähte sind obon nur Folge des fortschreitenden
Wachsthums der Nahtrander bei geringer Neigung
zur Verknöcherung. Frühzeitiger Schluss der
Nähte kann nicht nur die Ursacho gehemmter Gei-
stesentwicklung werden , wie in pathologischeu
Fällen beobachtet ist, sondern sie kann auch die
Folge einer geringen Hirnausbildung, eines früh be-
endeten Wachsthums des Gehirns sein, wie beim Sauge-
thierschädel und dem der wilden Racen. Gratio-
let irrte, wenn er sagte, dass bei den civilisirteu
Völkern- dos längere Offenbleiben der Nähte die
Ursache ihres grösseren Gehirns sei. Es verhält
sich umgekehrt. Die Nuhte schliessen sich da
am Jeichte«ten , wo sie einen linearen Verlauf ha-
ben; darin liogt der Beweis, dass Bildung von
Zacken den Verschluss verlangsamt. Auch lassen
sich Gründe angebon für den verschiedenen Ein-
tritt der Verknöcherung der einzelnen Schädel-
nahte. Die Synostose der Nuhte hat ohne Zweifel
Einfluss auf die dolichocephale oder brachycepbale
Form, und führt in vielen Fällen zur Schiefheit
des Schädels, wenn sie einsoitig ist Es ist des-
halb zu wünschen, dass bei Abbildung von Schä-
deln der Form der Nähte die grösste Aufmerksam-
keit gewidmet werde. Auch äusserer Druck darf
als eine Ursache früher Verschmelzung der Nähte
betrachtet werden , wie die künstlich entstellten
Schädel zeigen. Ein bezeichnendes Merkmal einer
niederen Schftdelbildung ist der Prognathismus, er
nimmt mit dem Wachsthum des Schädels zu, weil
sich die Gesicht sknochen mehr vergrößern als dio
Schädelbasis. Er findet sich an weiblichen Schä-
deln der Vorzeit häufig, eine neue Bestätigung der
Thntsache, dass der weibliche Schädel überhaupt
mehr primitive Züge aufweist als der männliche.
Vom Typus eines Schädels ist der Grad der Ent-
wicklung desselben zu unterscheiden, was man
bisher ganz übersehen hat. Die Racenmerkmale
bestehen nicht in einzelnen Abweichungen der Bil-
dung, sondern Bie bilden ein Ganzes. Das Vor-
kommen von Ruceschädeln unter Europäern konnte
man nur so lange behaupten, als inan den Race-
typu« als oin Ganzes aufzufassen noch nicht im
Stande war. Der Prognathismus zeigt eine auf-
Digitized by Google
Referate.
323
fallende Annäherung an die Thierform und zunächst
an den Typoa des Affen, wenn die Knochenflüche
hinter den Schneidezflhnen am Unterkiefer schief
gerichtet ist, wie am Kiefer von la Naulctte. Auch
die elliptische Form des Zahnbogens an einem fos-
silen Unterkiefer von Grevenbroich wie an vielen
Malayenschfideln ist eine primitive Bildung. Das
menschliche Gebiss giebt noch andere Andeutun-
gen einer tiefer stehenden Organisation. Nach
Owen hat boi den Australiern der Weisheitezabn
immer eine droiwurzelige Einpflanzung wie beim
Chimpanse und Orang. Dasselbe findet sich an
Schädeln der Vorzeit. Auch sind beim Neger,
Australier und Malayen die Kronen der Backen-
zähne noch gleichgross; dass der letzte der grösste
ist wie beim Affen , zeigt der Kiefer von la Nau-
letto; thierisch ist auch die Form des Zahnbogens,
wenn er gleichsam ein verlängertes Viereck bildet,
indem auch die Schneidezähne fast in einer gera-
den Linie stehen ; ein Kafferschädel in Erlan-
gen, den R. Wagner abbildct, zeigt sogar
die Lücke zwischen Eck- und Schneidezahn im
Oberkiefor. die der Affe hat. Die Kleinheit der Na-
senbeine wird an niederen Racen, das Fehlen de«
vorderen scharfen Randes am Boden der Nasenhöhle
auch an Schädeln der Vorzeit oft beobachtet Starke
Brauenwülste, hohe und scharfe Schläfenlinien, vor-
springende spina des Hinterhauptes, die zuweilen
einen Knochenkamm bildet, der von einem Zitzen-
fortsatz zum andern läuft sind Zeichen einer rohen
oder primitiven Scbädelbildung. Wie so viele Ei-
gentümlichkeiten der menschlichen Gestalt so sind
auch gewisse Merkmale, die den menschlichen Schä-
del vom thieriachen unterscheiden, z. B. die stark
entwickelten Zitzenfortsätze, als Folgen des auf-
rechten Ganges zu betrachten. Setzt man den mensch-
lichen Ursch&del aus Merkmalen des fossilen und
des niederen Racenschädels zusammen, so bleiben
zwei Typen als Grundformen übrig, die auch in der
Vorzeit schon vorhanden sind, der brachycephale
und der dolichocephale. Das Entwicklungsgesetz
des menschlichen Schädels hat aber trotz dieser
Verschiedenheit der Grundformen eine allgemeine
Gültigkeit. Der Schädel dee Wilden hat Eigen-
schaften, welche in allen Ländern dieselben sind
und der geringen Ausbildung der Geisteskräfte ent-
sprechen. Zwei Einwirkungen bilden die Men-
schenracen, das Klima und die Civilisation! Diese
wirkt aber mittelbar auf alle Racenmerkmale, weil
sie die Einflüsse des Klimas beschränken und ab-
ändern kann. Dagegen ist es wieder oft das Klima,
welches die Civilisation erleichtert oder zurückhält.
Während in den verschiedenen klimatischen Ein-
wirkungen eine Mannigfaltigkeit des Typus begrün-
det ist, die niemals ganz verschwinden kann, so ist
die geistige Cultur das Mittel der Ausgleichung
und Annäherung der Formen. Die anthropoiden
Affen Afrika’s und Asiens sind nicht so verschieden
von einander als die verschiedenen Menschcuracen
dieser Länder , weil jene unter sehr ähnlichen kli-
matischen Bedingungen leben und diese durch alle
Zonen sich verbreitet haben. Die Schädelformen
sind noch nicht hinreichend gekennzeichnet durch
die Angabe der grössten Länge und Breite, zumal
wenn lieim Vergleiche der Racen nur das relative
Verbältniss beider berücksichtigt wird. Die Breite
des Schädels ist ein wichtigeres Merkmal als die
Länge, weil diese durch blosse Vorsprünge der
Knochen, z. B. grosse Minus frontales oder starke
spina ocnipitalis vergrössert 6ein kann, die auf die
llirnform keinen Bezug haben, für jene aber gerade
diese bestimmend ist. Es ist aber durchaus nöthig
anzugeben, an welcher Stelle die Breite des Schä-
dels gemessen ist, um den Werth dieses Maames
beurtheilen zu können. Ein vollständiges Bild
eines Schädels können wir durch die Maasse allein
nicht gewinnen, Form und Beschaffenheit jedes ein-
zelnen Knochens lassen erst die Stufe der Entwick-
lung eines Schädels erkennen. Ganz feststehende
Typen giebt. es auch in den Schädelformen nicht,
seihst die Dolichooephalie und Brachyccphalie sind
veränderlich. Die Schädelform kommt zu Stande
durch den angeerbten Typus, auf den Ernährung,
Klima, Muskel Wirkung und Geistesbildung umän-
dernd gewirkt haben können. Der Verfasser hat
versucht, die rohen Schädel des Urmenschen mit
Hülfe der erkannten Bildungsgesetze aus einzelnen
Bruchstücken wieder aufzubauen, wir wünschen mit
ihm, dass ein glücklicher Fund uns in nicht zu
ferner Zeit die Bestätigung der Voraussetzungen
und Schlüsse der heutigen Wissenschaft in Bezug
auf den Ursprung unseres Geschlechts bringen möge.
III. Misccllen.
Antinori’s und Piaggia’s Mittheilungen
über die Negerstämme der oberen Nilländer und die
Njamnjnms. Aus dein Jahrbuche der Florentiner
Geographischen Gesellschaft. Petermann, Mit-
theilungen. Ergänzungsheft Nr. 10. Seite 79 bis
82. „ Ausland u 1868. Nr. 45.
Beide Reisende fuhren von Chartom den weis-
sen Nil hinauf bis zur Mündung des Bahr-el-Gazal.
41*
Digitized by Google
324
Misoellen.
Auf diesem Nebenflüsse und später zu 1-ande vor»
dringend kamen sie zu den Dschiurnegeru. Der
Häuptling, ein kaum 40jähriger Mann von Eben»
holzach würze, kräftigem Körperbau mit schönen
Umrissen, völlig nackt bis auf ein sonderbare«
Gewand, das ihm über die Schultern bis zum Nabel
herabhing, kam den Reisenden entgegen, legte seine
Waffen nieder, fasste die Hände der Ankömmlinge
und spie in dieselben als Zeichen des Willkomms,
ja er ging in seiner Gunstbezeugung so weit, dass
er diese Handlung auch gegen die Geeichter seiner
Gäste richtete. Beide Geschlechter der Dschinr-
neger gehen völlig unbekleidet, und nur die alten
Weiber verhüllen ihren Leib mit Antilopenfellen.
Sie tragen Zierratheu in den Ohren, am Halse und
an den Fusskuöcheln, die verheiratheten Frauen
legen einen zollbreiten Gürtel um, un dein Glasper-
len und eiserne Schmucksachen hängen. Die Frauen
gemessen eine hohe Stellung, ihre Schwäche ist den
Männern heilig, ein Dschiur wird nur im äusser-
sten Falle eine Sklavin schlagen, geschweige seine
Frauen. Sie halten Ziegen, weil die Tsetsefliege die
Rinder vertreibt, und bauen mehrere Feldfrüchte-,
auch schmieden sie das Eisen. Im Jahre 1863 kam
Piaggia allein zn den Njamnjams, zu denen der
Schotte Petherik im Jahre 1858 zuerst gelangt
sein will. Das Land ist waldig und reich bewäs-
sert. Hier leben das Rhinoceros, der Elephant,
Wildschweine, verschiedene Affengattungen, eine
Menge kleiner Nagethiere und Fledermäuse. Auch
einige Anthropoiden will Piaggia gesehen haben,
vielleicht den Troglodytes calvus, den niger, viel-
leicht gar den gorilla. Ein grosses Säugethier,
Aiti genannt, scheint eine Mittelibrm zwischen dem
Rind und Kudu (Tragelaphus). Die Njamnjams
sind erst vor 60 Jahren aus dem Südwesten in das
heutige Gebiet eingewandert. Die Häuptlinge tra-
gen einen Schurz aus Baumrinde, der einem ge-
webten Zeuge gleicht, die übrigeu Männer einen
Schurz aus Thierfell. Die meisten Frauen sind
ganz nackt, nur weiter nach Norden tragen sie wie
die Dornegerinnen zwei Lanbbüscbel als Schürze.
Der Häuptling verhängt die Strafen, die im Ab-
schneidern von Ohren oder Fingern oder im Verlust
des Lebens bestehen. Die Todesstrafe vollstreckt der
Häuptling, indem er auf den Schuldigen mit den
Füssen tritt, ihm eine Schlinge um den Hals legt-
und ihn erdrosselt. Die Hauser sind kegelförmig,
der Mann wohnt allein, die Frauen in abgesonder-
ten Hütten. Sie haben ein Ratlihaus, wo die öffent-
lichen Angelegenheiten verhandelt werden. Ihre
Waffen sind Pfeile, Lanzen und sichelartige Messer.
In den Kämpfen mit Nachbarvölkern geht ihre
Rachelust so weit, dass sie das Fleisch der Erschla-
genen verzehren, wovon Piaggia selbst Augenzeuge
war. Von dem Geschwänztsein dieses Negerstnm-
me* spricht er nicht, die Angabe bezieht sich also
entweder darauf, dass sie, wie schon Tremaux
angab, die Schweife der Thierfelle hinten am Gür-
tel herabhängen lassen, oder dass, wie ägyptische
Aerzte versichern, bei einigen Individuen das Steiss-
bein nicht einwärts gekrümmt, sondern steif und
gerade ist. Die Njamnjams Bind Elephant.enjäger,
deren eie sich bemächtigen , indem sie das Gras in
Brand stocken und die Elephauten gegen den Rauch
treiben, die dann betäubt und halb erstickt leicht
mit Spoerwürfcn und Pfeilschüssen erlegt werden.
Auch die FiBche worden häutiger als mit der An-
gelschnur dadurch gefnngeu, dass man sie durch in
das Wasser geworfene giftige Früchte betäubt. Der
Häuptling hält sich einen grossen Harem, aber die
Frauen werden nicht überwacht. Zwar steht die
Todesstrafe auf jeden Treubruch, aber bei der un-
beschränkten Freiheit und bei der Verachtung, die
den Angeber treffen würde, ist ein Vergehen kaum
nachweisbar. Die Familienbande sind locker. Die
Knaben verlassen mit sieben oder acht Jahren das
Vaterhaus und leben in dem zu Raths Versammlun-
gen bestimmten Hause, welches Jedermann auch
als Obdach dient. Der Mann nimmt nur eine Frau,
ist sie unfruchtbar, was nicht selten ist, so begehrt
er vom Häuptling eine andere. Der Umgang der
jungen Leute scheint ganz frei zu sein. Frauen,
die geboren haben , leben ohrbar und Bteheu in
hohem Ansehen. Auffallend ist der üppige Haar-
wuchs der Frauen, mit dessen Pflege sie sich den
Tag über viel beschäftigen. Das Tätowiren kennen
sie und durchbohren die Nasenscheidewand, Ober-
und Unterlippe. Ihre Wahrsager treiben Krank-
heiten aus und sind Regenmacher. Der Eid ist
diesen Negern heilig, sie öffnen dabei eine Ader ani
Arm und trinken gegenseitig das austretende Blut,
wenn sie einen Vertrag schlieasen wollen. Ihre
Thonarbeiten vprrathen Geschick. Die Aus&enwände
ihrer Fleischtöpfe haben umgekehrte .Stufen, die
von oben nach unten zu abnehmen, so dass die
Flammen sie überall bestreichen und das Wasser
rasch siedet. Als musikalische Instrumente dienen
ihnen Thongeftsse von verschiedener Grosso, die,
aufgehangen und angemessen geordnet, mit einem
kleinen Hammer geschlagen werden. Nach Living-
s tone verfertigen die Balondaneger Süllafrikas
solche tönende Gefässe aus KürbUschulen. Aus-
serdem machen sie Trompeten aus Klephantenzäh-
nen und eine grosse Trommel, indem sie ein Fell
über einen ausgehöhlten Baumstamm spannen. Das
Erscheinen des jungen Mondes wird durch ein
nächtliches Fest mit Tänzen und Gesängen gefeiert.
Der Ursprung der Berber. Petermnun, 1860,
I. S. 43. Im Bulletin de racadcm. d’Hippone be-
richtet Chr. Faidberbe über Ausgrabungen, die er
bei Roknia in der Provinz Coustantine (am West-
abhatige des Djebel Debagh im Kreise Guelme, un-
fern der Strasse nach Jemmape*) in einer Nekro-
Digitized by Google
Miscellen.
325
polis von 3Ü00 megtüi tischen Gräbern hat vor-
nehmen 1 aasen. Die daselbst aufgefundenen Schä-
del drängten ihm die Ueberzeuguug auf, dass die
Libyer oder Berber die Urbevölkerung des Atlas
bildeten und dass sie weder mit den Augyptern,
wie Pruner-Bcy will, noch mit anderen afrika-
nischen Raoen, noch auch mit den Semiten ver-
wandt sind, sondern mit den ältesten Bewohnern
des westlichen Europa.
Chapmann erklärt die Darnara für den
schönsten Menschenschlag in Südafrika. Ihre Hüt-
ten sind runde niedere Bienenkörbe. Ihre Fehler
sind Unreinlichkeit und Feigheit. Den Namaqua-
Hottentotten an Zahl zehnfach überlegen, haben
sie sich doch von diesen unterwerfen und ihrer
reichen Heerde» berauben lassen. Sie haben ibre
Unterdrückung durch eigene Zwietracht selbst ver-
schuldet. Ein Namaqna- Häuptling war ein Mann
von eiserner Gerechtigkeit und Strenge. Er liess
seine Tochter, die vor ihrer Vermählung schwanger
geworden war, kommen, hielt ihr eine Strafrede
und schoss sio dann nieder. Seinen Sohn strafte
er wegen Feigheit mit dem Tode« Chapmann
meint, die Missionäre täten besser, unter wilden
Völkern die Polygamie nicht rücksichtslos ahzu-
scliaffeu , da sie in den ersten Jahrhunderten des
Christentums ja noch geduldet wordeu sei. Die
Namaqua bereiten Branntwein durch Destillation
aus den wilden Beeren einer Pflanze. Die Busch-
männer vergiften ihre Pfeile mit dem Saft einer
Käferlaive- Eine Pflanze soll ihnen als Gegengift
dienen. Ihre Zauberer vertreiben die Krankheiten
mit denselben Betrügereien, z. B. dem Auasaugen
des Krankheitsstufles, wie es in Sibirien, Nord-
amerika und Brasilien geschieht. Die Damaraärzte
öffnen eine Blutader mit einem scharfen Kiesel;
auch zog ein Damara dem erlegten Steinbock das
Fell mit Hülfe eines scharfen Steines ab. Uufter
den Betschuanen sind die Kaffem die edelsten, je
weiter man von Natal nach Norden und Westen
kommt, nm so tiefer stehen die Stämme; in um-
gekehrter Richtung werden die Buschmänner im-
mer achtungs wert her, je mehr nördlich oder west-
lich man ihnen begegnet. Ein grosser Abstand
trennt die mageren Jammergestalten im Süden der
Kalahari wüste, die Livingstone beschreibt, von
den edlen Jägernomaden itn Damaralande, die un-
abhängig gebliehen sind. Die Buschmänner östlich
vom Ngami-See übertrafen an Sittlichkeit die
geschliffeneren Betschuanen. Sie sind Juger. Ihre
Nacktheit ist kein Mangel der Sittwiinkeit; sie
haben sehr strenge Begriffe von Anstand. Die
keusche Buschwüunin fühlt sich durch Zärtlich-
keiten eines Betschuanen -Häuptlings nicht ge-
schmeichelt, sondern betrachtet jeden Umgang
ausserhalb ihrer Race als eine Erniedrigung. Die
Batonga ziehen der Tsetsefliege wegen, die ihre
Eier in den Dünger der wilden Büffel legt, nur
Hunde und Hübner. Die Frauen bereiten hübsche
Perlenstickereien und tragen einen Halm in der
Nasen Scheidewand. Die Batonga beschneiden ihre
wilden Fruchtbäume zur Vermehrung des Fruclit-
holzes. Ihre Sprache ist der der Damara verwandt,
auch manche Gebräuche, wie da« Ausschlagen der
Zähne. Bei den Makalnkas, südlich vom Zainbcai-
fluss, bewohnen die Männer getrennte Hütten und
der Häuptling betritt nie das Obdach seiner Frauen.
Die MateWe’s sind die Gcissel Südafrikas, sie plün-
dern die Dörfer ihrer Nachbarn, erschlagen Greise
und Männer und führen Kinder und Frauen in die
Knechtschaft. (Ausland, 18ti8, Nr. 47.)
Von dem gewöhnlichen Malaventypus unter-
scheidet man den ßattaktypus, der sich mehr dom
kaukasischen nährt. Urzustände der malayischen
Race finden sich noch auf der Insel Samoa; den
vorgeschrittensten Zustand zeigen die Maoris auf
Neuseeland. Hauptzügo des malayischen Charak-
ters sind Härte, Grausamkeit und Gewinnsucht.
Einen Fortschritt gegen die Australier und Papuas
zeigen die Mulayen schon darin , dass sie täglich
zu bestimmten Zeiten zwei Mahlzeiten halten. Sie
sind unerschrockene Seeleute, handeln gern und
nehmen leicht fremde Sitten an. Sie haben ein
tiefes religiöses Gefühl. Das tubu bezeichnet einen
Gegenstand, den die Götter in Besitz genommen,
der den Menschen unnahbar ist. Die Maoris be-
sitzen kosmogoni&che Mythen, Fabeln und Sinn-
sprüche. Auf den Zustand der Javanen haben
fremde Bildungselemente eingewirkt. Da die Ja-
vanen als Muhamcdaner kein Schweinefleisch essen,
so ist ihro Hauptnahrung der Reis. Sie zeichnen
sich als Handwerker aus. Vor dem 13. Jahrhun-
dert wetteiferten die Javanen mit den Indern in
Kunst und Literatur, was mit Einführung des Is-
lam aufhörte. Eigentümlich sind ihrer Sprache
die verschiedenen Redeweisen, womit man gegen
Höhere, gegen Niedere und gegen Gleichgestellte
spricht. — Afrika birgt eine grosso Zahl von
Völkern, die in Sprache und anderen Eigentümlich-
keiten so verschieden wie möglich sind. Nicht nnr
die Aegypter , sondern auch die westlich und süd-
lich von ihnen lebenden Dankaii, Somali, Galla und
andere, sind als eingowanderte Asiaten auzuschen.
Die übrigen Afrikaner Bind in vier Stämme zu
bringen: Neger, Fulah und Nuba, Käftern, Hotten-
totten. Der Fuluh unterscheidet sich vom Neger
durch einen mehr ovalen und kleinen Kopf; sein
Haar ist lang und schlicht; beim Nuba ist das
Haar dünn und gelockt, der Bartwuchs stärker als
beim Neger. Die Fulahs sind eifrige Muhamcdaner
und der Viehzucht ergehen. Der Schädel des Kaf-
fem ist langgeA reckt, an beiden Seiten abgeflacht.
Digitized by Google
Miscellen.
326
Ehrlichkeit, ein tiefes Rechtsgefühl und Arbeitsam-
keit zeichnen sie vor den übrigen Racen Afrikas aus.
Das Haar der Hottentotten wächst in getrennten
Büscheln, ihr Schädel ist länglich mit ausgezoge-
nem Hinterhaupt und kleiner Stirn. Die Bowoh-
ncr Afrikas sind kaum über das Nomadenthum
hinausgekommen. — Die Cultur dt» alten Mexico
und Peru muss als eine eigentümliche dem I.ande
augehörige betrachtet werden. Die Eskimo sind
nach Sprache und Sehädelbau als aus Asien einge-
wandert auzusehen. Verschlossenheit und Ernst
sind der Grundzug im Charakter der Amerikaner,
ihre zahlreichen Sprachen sind in der Grundanluge
übereinstimmend, ihre Zahl beträgt nur noch zwei
Millionen, sie sind Jäger und Fischer. Es fehlt
ihnen ein Nutzthier, da sic den Büffel nicht zäh-
men und das Llama zu schwach ist. Sie glauben
an einen grossen Geist und an ein zukünftiges
Leben. (Fr. Spiegel, die ethnographische Aus-
beute der Novara - Reise. Ausland, 1868, Nr. 46
und 47.)
Die Berliner „Postu, Januar 1869, schreibt:
„Die wissenschaftliche Welt ist in beinahe unerwar-
teter Weise durch die vor einigen Tagen erfolgte
Rückkehr des Naturforschers Gustav Wallis aus
Südamerika, wo er während der letzten 14 Jahre
in tiefster Abgeschlossenheit die noch fast unge-
kannten Quellgebiete des Maranon bis über die
Hänge der Cordilleras hinaus forschend durch-
schweifte, erfreut worden. Leider haben die An-
strengungeu der vieljährigen Reise das Augenlicht
dieses kühnen Mannes derartig geschwächt, dass
er sich gegenwärtig der Kunst Gräfe 's an ver-
trauen, zugleich aber vorläufig jeder schriftlichen
Einführung seiner schätzenswerthen Reiseresnltate
in die Wissenschaft enthalten muss. Dennoch hielt
ihn dies nicht ab, am vorigen Sonnabend, dem geo-
graphischen Vereine bierselbst in grossen Umrissen
ein Bild seiner Reise zu entwerfen. Während der-
selben bat er, auf Gebieten, die vor ihm nie ein
europäischer Fuw* betrat, 70 bis 80 Indianerstämme,
deren Zahl überhaupt er auf 500 schätzt, beob-
achtet, und über diese Kinder der Natur eine we-
sentlich günstigere Anschauung gewonnen als die
bisherigen, meist sagenhaften, oft lügenhaften Be-
richte von ihnen verbreiteten; einen Thcil dersel-
ben fand er geradezu in einem Zustand ungeahnter
Cultur, dabei ehrlich und gastfreundlich, dem
Ackerbau und der Industrie mit einer Ausdauer
huldigend, wie sie bisher von den Indianern des
heutigen Amerikas, die man als räuberische Noma-
den kennt, nicht bekannt war. Bei einem anderen
geringeren Tlieiie dagegen hat Wallis Fälle von
Anthropophagie festgestellt, die inan bisher viel-
fach bei den Indianern nicht hat anerkennen wol-
len. Die uns in Aussicht gestellten weiteren und
detaillirten Vorträge und schriftlichen Darstellun-
gen des Forschers werden, ausser dieser höchst
willkommenen Bereicherung der Anthropologie und
Ethnographie, nicht minder wichtige Aufschlüsse
geben über das Quellengebiet des Amazonenstrom*
und seiner Fauna, vorzüglich über seine üppige
Flora. u
Im Forste zwischen Beschino und Mönch-
Motschelnitz (Schlesien) sprengte man einen erra-
tischen Block von enormer Grösse und fand unter
demselben in einer Tiefe von etwa 6 Fuss einen
Steinhammer aus Serpentin von sehr schöner Ar-
beit. (Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit.
Neue Folge. XV. Jahrgang, 1868. Nr. 7, S. 304.)
Lisch fand die Reste einer Gieasstätte der
Bronzezoit im Torfmoore v. Holze ndor ff, nämlich
eine vollständige bronzene Gussform zu bronzenen
Wurfgeschossen (Framea oder Celt), (ibicL)
* Pfahlbauten im Streitzigsee bei Neustettin
und bei Sonnenberg (Erzgebirge). An letzterem
Orte vier menschliche Schädel. (Ibid. Nr. 11,
S. 372.)
Digitized by Google
XVIII.
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
I. Bericht über die Verhandlungen der
Section für Anthropologie und Ethnolo-
gie bei der 42. Versammlung deutscher
Nato r forsch er und A erste in Dresden
vom 18. bis 24. September 1868. Nach
dem Tageblatt der Versammlung mit Be-
nutzung ergänzender Berichte. Von H.
Schaaffhausen.
Auf Einladung des Dr. Moritz Weinhold aus
Dresden trat am 1 9. September eine Anzahl von Mit-
gliedern der Naturforscher- Versammlung zusammen,
um eine Section für Anthropologie nnd Ethnologie zu
gründen. Die Anwesenden pflichteten der Ansicht
bei, dass die Wichtigkeit dieser beiden so nahe
verwaudten Wissenschaften und der Mangel an
Kaum für sie in den bestehenden Sectionen die
Gründung einer neuen Section nicht nur rechtfer-
tige, sondern fordere. Professor Dr. V. Carus
aus Leipzig wurde zum ersten, Staatsruth Dr.
Schleiden zum zweiten Vorsitzenden, Director
Dr. M. Weinhold zum Schriftführer ernannt In
der Sitzung vom 20. September sprach Carus über
die Aufgaben der Anthropologie und ihro noth wen-
dige Verbindung mit Archäologie und Geologie,
Uber unsere geringen Kenntnisse in der Anatomie
der Racen, die noch immer unzulängliche Methode
der Schädelmcssung und über den nur vorsichtigen
Gebrauch, den man, nach Max M&ller’s Warnung,
von der Spracheuverwandtschaft der Völker machen
dürfe. Auch die Thatsache, dass alle Iincen frucht-
bare Bastarde liefern , stehe noch nicht fest. Er
will in Bezug auf das Alter des Menschengeschlech-
tes und die in dor Vorzeit mit ihm lobenden Thiere
auch die Völkersagen, z. B. die vom Drachen, berück-
sichtigt wissen. Staatsrath von Brandt bemerkt,
dass die Sage Herodot’s von den Gryphen, die im
Ural das Gold bewachen, vielleicht auf das Nashorn
bezogen werden könne. Eine Stelle in der Anti-
gone des Sophokles deute auf Zähmung des bos
primigenius. Schleiden meint, dass man mit
Recht wieder zu der Ansicht zurückkohre, die alten
Sagen für historisch wahr zu halten; gewiss seien
sie nicht blosse Erfindungen der Einbildungskraft.
Doch müsse man annehmen, dass auch aus einem
Fände eine Sage entstehen könne. Dr. Schetelig
hebt die Schwierigkeit der Unterscheidung der
Menschenracen hervor und glaubt, dass individuelle
Verschiedenheiten der Schädel form grösser sein kön-
nen, als die zwischen verschiedenen Raccn. Die
Sprache, die siel) nach den Lobunsverhaltnissen ge-
stalt«1, könne bei Völkern desselben Urstammes sehr
verschiedenartig entwickelt sein.
In der Sitzung vom 21. September las Dr.
Weiuhold eine Mittheilung von Fr. Rohde über
den Ursprung der Drachensagen. Hierauf sprach
Dr. Schetelig über Racen vorschiedenheitcu im
Osten von Asien. Es sei das roalayische und das
polynosiache Element zu unterscheiden. Die Be-
völkerung der Suodainseln im malayischen Archipel
besitzt eine angenehme äussere Erscheinung, ein
mehr breites als ovales Gesicht ohne vorstehende
Jochbeine, und verräth eine kindliche Natur mit
mehr Neigung zur Seefahrt, als zum Ackerbau.
Beirathen mit Europäern scheinen fruchtbarzu sein
und die Race zu verbessern. Die Arbeitsscheu der
Mainyen begünstigt die Einwanderung der Chine-
sen. Der polynesische Archipel ist schwerer zu
Digitized by Google
328 Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
umgrenzen, und auch die Beschreibung dieser Rate
nach Äusseren Merkmalen nicht so leicht. Der phy-
sische Charakter ist noch kindlicher, noch indolen-
ter. Ein inniger Zusammenhang zwischen beiden
Stämmeu ist durch alle neueren Forschungen fest-
gestellt. Der Malayenschüdel hat kleine Jochbo-
gen, eine sehr constante Basislänge von 96 bis 98
Millimeter, constant gleiche Höhe, sogenannten fal-
schen Prognathismus, meist flaches Dach, Ilinter-
hauptachuppe und Scheitelbeine bilden zwei fast
senkrecht gegen einander stehende Ebenen. Die
polyneaischen Schädel, die keineswegs auf die Ca-
rolinen beschränkt sind, sind übermässig lang, biß
200 Millimeter; auch in der Basis lang, sehr schmal,
müssig hoch und haben eine grosse Breite der Joch-
bogen. Im Gegensatz zu den dünnen malayischen
Schädeln sind sie immer schwer und massig; von
der Seite gesehen hat ihr Umriss eine Bogenform,
von vorn gesehen die Dachform. Abweichungen
von diesem Typus, wie auf den Indien nahen Ni-
cobaren, auf Madagascur sind durch fremde Ein-
flüsse erklärbar. Beide Raren, die tnalayische und
polynesische, werden durch die Sprache verknüpft,
durch die Schädelbildung getrennt. Dr. Ehlers
bestätigt die Verschiedenheit beider Schädel formen
und fragt , woher die Schiefheit der Malayenschü-
del in der Blumeubach'schen Sammlung zu Göt-
tingen komme. Dr. Schetelig erwidert, der Ma-
layenschädel sei so dünn und schwach, dass er wohl
im Kindeaalter durch das Schlafen auf einer Seite
abgeplattet werden könne, während bei den starken
Schädeln der Polynesier eine solche Verbiegung
unmöglich sei. Uebergänge beider Schädelformen
seien nicht bekannt, ausser auf den Sandwichinseln.
Professor Sch a aff hausen versichert, dass er durch
die Untersuchung der in deu Sammlungen befind-
lichen Schädel zu denselben Ergebnissen gekommen
sei, wie der Vorredner durch seine auf der Reise
gesammelten Beobachtungen. Manche hätten nach
Rudolph i’s Vorschlag die malayiache Kace Weg-
fällen lassen, aber sie habe einen ganz bestimmten,
gewiss nicht durch Vermischung entstandenen Ty-
pus der Schädel form , der im allgemeinen Umriss
und einigen Besonderheiten sich am meisten dem
des Ürang nähere, was in einer höchst auffallenden
Weise an dem Schädel einer blödsinnigen Malavin,
die sieh im Museum von Leyden befinde und von
Ilalbertsma beschrieben sei, hervortrete. Alle
Auatrolneger , die Papuas, Australier und Vandie-
inensländer seien mit einander in der Schädelform
verwandt und von den Malayen verschieden. Y vans
hat darauf hingewiesen , dass die schöne Körper-
bildung mancher Häuptlinge und angesehenen Fa-
milien des indischen Archipels wohl auf arabisches
B-ut zurück geführt werden dürfe, deren Raub- und
Handelszfige in diesen Meeren Jahrhunderte lang
gedauert haben. Trotz der Affenfthnlichkeit steht
der rundliche Malayenschüdel. der dem zierlichen
und schwachen Körperbau der Race entspricht, in
der Entwicklung höher, als der polynesische, dessen
Form durch eine starke Entwicklung der Muskel-
kraft hervorgebracht, mehr die des wilden Menscheu
ist und ähnlich in ganz verschiedenen Gegenden
und Zeiten gefunden wird, bei afrikanischen Negern
wie in alten Grabstätten des nördlichen Europas.
Es haben übrigens nicht erst die neueren Reisen-
den , sondern schon Cook und Förster die hell-
braune und die schwarze Race auf den Inseln der
Südsee unterschieden. Was die Schiefheit der
Schädel asiatischer Völker angeht, so war es schon
die Meinung von Siebold’a, dass sie bei den Ja-
panern durch das Schlafen auf einem für den Kopf
ausgeböhlten Holzklötze hervorgebracht sei. U al-
bert sma erklärt die Asymmetrie javanischer
Schädel, die schon van der Hoeven auffiel, als
nicht durch einseitige Nuht Verschmelzung, sondern
durch äusseren Druck auf den weichen Schädel der
Kinder, die vom zweiten Lebensjahre an auf har-
tem Roden schlafen, hervorgebracht. Von 125
Schädeln waren nur 19 symmetrisch, */i der schie-
fen Schädel waren links abgeplattet. Die Häufig-
keit der Asymmetrie an Schädeln Geisteskranker
verhielt tüch zu der Gesunder wie 3:2; was für
einen Einfluss derselben auf die Geistesentwicklung
spricht , wie auch F o v i 1 1 e und Andere für die
durch Druck geformten Schädel in Frankreich be-
haupten, während Morton und TownBend diese
Folge bei deu Indianern in Abrede stellen. Die
Weichheit des Schädels asiatischer Völker, die schon
Ilerodot kannte, muss indessen wohl eine uns un-
bekannte Ursache in der Ernährung dieser Völker
haben.
In der Sitzung vom 22. September gieht Herr
Staatarath von Brandt nach seiner Schrift: „Zoo-
geographiache und jNkläontologischc Beiträge** einige
Mittheilungen über das Rennthier, den Bison und
den Auerochsen. Das Rennthier lebte nach dem
Bericht der alten Schriftsteller noch zu Cäsar’«
Zeit in Deutschland. Auch Lartet hat sich die
Verwechslung von Bison und Auerochs zu Schul-
den kommen lassen, obgleich er eigene Perioden
darauf gegründet hat. Professor Schaaffhausen
fügt hinzu, dass auch Kunstdenkmäler und poe-
tische Werke, wie das Nibelungenlied, Andeutun-
gen von der späten Existenz jetzt ansgestorboner
Thiere enthielten oder gar deren Gestalt in einer
rohen Zeichnung uns hinter lassen hätten, und dass
die alten Grabfunde in den heutigen Culturlündem
den unzweifelhaften Beweis der ursprünglichen
Wildheit der Bewohner derselben lieferten. Auch
die alten Aegvpter und Assyrer hätten ihr Stein-
zeitalter geballt, das der Blüthe ihrer Cultur vor-
ausgegangeii. Spring habe an Meuschenknochen
der Höhle von Chauvaux die Zeichen des Cauni-
halismus finden wollen, wa> der Redner doch nicht
für ganz sicher hält ; die Auffindung von Farbstof-
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 329
fen in alten Gräbern erklärt er durch eine Stelle
des Proper*, wonach die Belgier und Britannier
sich das Gesicht bemalten. Schaaffhausen be-
merkt, da«« unter den Schiffern am Rhein da* Tät-
towireu am Artn noch vorkomme; wie es auch bei den
österreichischen Soldaten aus lllyrien und Dalmatien
noch üblich sei, was Strabo von diesem Volke
schon berichtet. Jedenfalls werde durch die uene-
ren Forschungen die so fern geglaubte Urzeit uns
näher gerückt. Die so ausserordentlich sparsamen
Ueberreste dea Menschen aus der ältesten Vorzeit
gestatteten noch nicht ein sicheres l’rtheil über die
ältesten Racen Europas und ihre Herkunft. Der
Ncandorthaler und der Engisschädel sprechen ge-
gen die Annahme, das* in We&tdeutschlaud früher
Rundköpfe, später Ijingköpfe gewohnt hätten. Dr.
Weinhold führt an, e* sei die Ansicht aller fran-
zösischen Forscher, dass eine brachycephalische Be-
völkerung von Ibero-Ligurern einer dolichocephali-
schen von Celto-Belgen vorausgegangen sei. Was
die erwähnte Verwechslung von Wisent und Auer-
ochs betreffe , so werde dieselbe leider noch jetzt
im Dresdener zoologischen Garten begangen. Dr.
Häntzsche erriunert daran, dass nicht nur in
Persien und Armenien, sondern auch bei unseren
Fleischern und Matrosen das Tättowiren noch
bräucklich sei. Professor Schaaffhausen ist der
Meinung, dass das Tragen der Ohrringe bei unse-
ren Damen seltener werde, weil man es als einen
Rest der alten Wildheit ansehe. Dr. Brandt
spricht davon, dass au weissen Gypsabgüssen von
Schädeln durch Lichtreflex die Beurtheilung der
Form erschwert werde und schlägt vor, diesen Ab-
güssen die Farbe des Knochens zu geben. Profes-
sor Schaaffhausen sagt, dass dies von ihm und
anderen geschehe, und empfiehlt dazu eine starke
Abkochung des Kaffee. Schliesslich spricht Dr.
Weinhold über die Begriffe Anthropologie, Eth-
nologie und Ethnographie, deren Gebrauch bisher
noch sehr schwankend, oft sogar verkehrt sei. In
der Anthropologie möge man den psychischen Tfceil
nicht vernachlässigen , da psychische Aeusserungen
in den verschiedenen LebensverhältniKseu bei Beur-
theilung der Menschenwürdigkeit und Cnlturfähig-
keit der angeblich niederen Racen sehr ins Gewicht
fallen.
In der Sitzung vom 23. Scptemlwr legte Dr.
P. Gleis b erg einen partiell mikroeephaleu Schä-
del und eiucn Gvpsahguss eines totalen Kleinkopfes
vor, welche der Geh. Hofrath Professor Dr. Rei-
chen hach zu diesem Zweck in der bereitwillig-
sten Weise aus dem köuigl. anthropologischen Ca-
binet verabfolgt hatte. Gleisberg bezeichnet den
Cretinismus als einen endemischen angeborenen
Blödsinn, wobei in dem verschiedensten Grade theils
die Schilddrüse, theils das Skelet, zumal der Schä-
del, tlieils das Nervensystem, besonders das Gehirn
und seine Hülle afficirt sind. Die Schilddrüse ent-
Arrhlv fit r Anthropologie- Bil. Tll. Heft S
artet meist cystös. Im Knochensystem werden da-
gegen alle Veränderungen wahrgenommen , welche
man auf entzündliche Ernährungsstörungen zurück-
führen kann, nämlich hyperoetotuebe , osteomala-
cische, rhach irische Vorgänge. Die pathologischen
Vorgänge im Nervensystem sind gleichfalls vor-
herrschend entzündlicher Natur.
Diese drei Zustände combiniren sich in jedem
einzelnen Beispiel von Cretinismus in jedem denk-
baren Verhältniss, so «lass, während der Eine nur
kröpfig ist, oder bloss einen Buckel hat. oder nur
insoweit sich stumpfsinnig erweist, um als
Dummkopf“ doch noch eine Stelle in der mensch-
lichen Gesellschaft einzunehmen — der Andere deu
höchsten Grad von ungehorenem Blödsinn neben
rhackitisch verkrümmten Gliedern und bedeuten-
der Hypertrophie der Schilddrüse darbietet. Doch
steht der Blödsinn keineswegs in einem geraden
Verhältnisse zur Tumcscenz dieser Drüse, da Fälle
genug bekannt sind, in welchen Kropf ohne Blöd-
sinn und umgekehrt besteht.
Gleisberg wandte sich hierauf zur Patholo-
gie des Cretinen -Schädels, indem er hervorhebt,
dass Klein- und Grossköpfe aus einer Quelle flössen
und nur verschiedene Grade ein und desselben Zu-
standes repr&sentirten.
Die Kleinköpfe würden vorzüglich durch prä-
mature Verwachsung der Schädel knochen erzeugt,
wobei die Knochen in Folge chronische]* Entzün-
dung unter sieh verschmelzen, wodurch dem weite-
ren Wachsthum des Schädels, besondere dessen
Raumentwicklung ein nicht zu beseitigendes Hin-
derniss gesetzt werde.
Unter Umständen entstehe hierdurch eine be-
deutende Reduction des vordem Schidelraumes.
Verwachse nur eine oder verwachsen nur zwei
Schädeln&hte, in diesem Falle die linke Hälfte der
Kranznaht und die rechte Schuppennaht, so ent-
stehe der partielle Kleinkopf. Tritt dagegen
eine prämature Verwachsung fast sämrotlicher Nähte
ein, so bilde sich der vollständige Kleinkopf,
wobei der Schädel zuweilen in eine missgestaltete,
kaum manncefaustgrosse, dickwandige Knochen-
kapsel verwandelt werde. Doch existirten Beispiele
von Kleinköpfen, in welchen die Schädelknochen
in Folge einer Sistirung des Knochenwachsthums
über die Zeit der Reife hinaus, selbst durch das
ganze Leben unverbunden blieben. Oft handle es
sich hier um eine Coraplication des Kleinkopfes mit
äusaerm Wasserköpfe. — Eine zu frühe Verwach-
sung der Basalfuge (sutura spheno-occipitalis) er-
zeuge die Kurzköpfe (ßrackyccphulen).
Der zweite Factor des Gehirnleidens bei Cre-
tinen sei eine Entzündung des Hirns und seiner
Hüllen, deren Entstehung in daB Fötalleben falle
und welche durch mehr oder weniger profuse Was-
aerauBSchcidung in den Spiuuwebeusack und die
Hirnhöhlen, selbst in die Gehirnsubstanz das Ge-
42
Digitized by Google
330 Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
hirnwochsthum beschränke und hierdurch , wo an
sich, die Schädelform mannigfach modifirire. Auch
die Kleinköpfe sind fast durchgängig Wasserköpfe,
wenigstens erwies sich der liquor ventriculorum
bis jetzt stets vermehrt. — Für die entzündliche
Natur des Vorganges spreche besonders der Sec-
tionsbefund bei einem 13 Jahr in Spiritus gelege-
nen mikrocephalen Neugeborenen nach Virchow.
Es zeigten sich unverkennbare Spuren einer Me-
ningitis.
Die exsudativen Processc deckten jedoch kei-
neswegs die Ursache gehemmter Gehirnentwicklung,
besonders würde dadurch das Fohlen ganzer Hirn-
theile, z. B. der tlmlami optici, der corpora striata,
der emiuentia quadrigemina, der hinteren (nach
Lucac sehr häufig), und der vorderen Hirnwin-
dungen — nicht erklärt, vielmehr müsse zugestan-
den werden, dass die Bildungsgesetze für diese
Defectu noch nicht gefunden wären.
Professor Lucac glaubt, dass man den Creti-
nismus vom Idiotismus wohl unterFcheiden müsse.
Er behauptet, dass viele von Virchow als Cro-
tinenschädel beschriebene und abgebildete Sattel-,
Thurm-, Quer-, Kurz- und Langköpfe nicht dem
Cretinismus unterzustellen seien , möglicherweise
nicht einmal eine wesentliche Beeinträchtigung des
Gehirns und dessen geistiger Functionen bei dem
betreffenden Individuum bewirkt, also keinem Idio-
ten angehört hätten.
Den von G. vorgelegten Schädel der Frau
Mappe (Fig. 33 und 34) erkennt Lucae als ay-
nosto tisch an wegen der geschlossenen halben
Kranz- und rechten Schuppennaht, Die Ver-
Fi*. 33.
Schmelzung dieser Nähte musste vor der Vollen-
dung der Schädelentwicklung stattgefunden haben,
denn nur auf diese Weise erkläre sich das Zustande-
kommen der vorhandenen partiellen Mikrocephalie.
Die CraniostenoFe an diesem Schädel müsse beson-
ders die Entwicklung des großen Gehirns gehemmt
haben, was mit Vogt’ a Angaben über die Miktoce-
phalengehirne recht wohl übereinstimme.
Ein entzündlicher Zustand als Ursache der
prämaturen Verwachsung der Schiidelknochen sei
wenigstens in manchen Fallen zweifelhaft. Auch
könne er bei den Haceschädoln, ihre Form sei noch
so eigenthümlich, keine Synostose als Ursache ihrer
eigeuthümlichen Form an-
nehmen, wie Virchow
ausdrücklich in der Ab-
handlung über den Creti-
nismus gethan. — Lu-
cae hält eine prämature,
d. h. vor der Pubertät
eiutretende Synostosis su-
turae spheno - oecipitalis
für die häufigste Ursache
der Kurzköpfe und theilt
insofern Virchow’s An-
sicht, welcher in dem
oben erwähnten Falle
eines kleinköpfigen Neu-
geborenen diese Keil-
bein • Hinterhauptsnaht
bereits verknöchert fand und dies als Ursache
der Brachycephalie bezeichnet. — Nach Lucae
hätten die Kleinköpfe eine überraschende Aehnlich-
keit mit den Azteken. Die Abbildungen auf ame-
rikanischen Denkmälern seien vielleicht die von
Idioten , welche heilig gehalten wurden. Auch
heute treibe die unwissende Bevölkerung der Alpen
einen ähnlichen kindischen Aberglauben mit den
dort so gewöhnlichen Uretinen, daher auch deren
Namen: buats, innocents.
Professor Schanffhauscn spricht sich für die
Ansicht aus, dass Hydrocephalie und Mikrocephalie
aus einer gemeinsamen Quelle hervorgehen. Es sei
naheliegend, anzunehmen, dass der Mikrocephale
während des Fötallebens waaserköpfig war und Hirn-
theile in Folge des Drucks geschwunden seien.
Noch einem Maximum der Ausdehnung herstet der
Wasserkopf. Das Gehirnwasset entleert sich und
das früher übermässig ausgedehnte Gehirn fallt jetzt
zusammen. Der Abfluss kann durch eine der Fon-
tanellen oder Spalten der Schädeldecke geschehen.
Die sogenannten Azteken, welche man vor Jahren
in Europa herumfühlte, sind unzweifelhaft patho-
logischer Natur gewesen. Kilian wollte an einer
vertieften Stelle des Hinterhauptbeins derselben die
Spur des Spaltes erkennen, durch den <las fötale
Hirnwasser abgeflossen sei. Sie waren nach der Ge-
burt sehr hinfällig und schwächlich und mit Ver-
krümmungen der Gliedmassen behaftet, so dass sie nur
durch die grösste Sorgfalt der Erzieher, denen daran
lag, die missgebildeten Kinder zu einer Erwerbs-
quelle zu machen, am Leben erhalten werden konnten.
Sch aaff hausen bemerkt ferner, dass der vor-
gezeigte Schädel eine grosse Aehnlichkeit mit den
durch Druck entstellten Peruanerschädeln habe.
Auch an diesen zeige sich häufig vorzeitige Syno-
stose der Schädelnähte an den Stellen, wo der kind-
liche Schädel dem Druck der den Kopf einzwängen-
den Binden ausgesetzt gewesen sei.
F»g- 34.
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 331
Der vorliegende Schädel sei «war unzweifelhaft
partiell mikrocephnl , aber doch in einem geringen
Grade , die Schädelhöhle hat»« noch eine ziemliche
Capacität. Dafür spreche auch die Form des Wahn-
sinns, an dem die Frau gelitten, indem Grössen-
wahu vorhanden gewesen sei, der bei bedeutendem
Hirnmangel wohl nicht zu Stande kommen köuno.
W ie beträchtlich die Volumverminderung des Ge-
hirns hei Mikmcephalen zuweilen sei. beweise nicht
nur der vorgelegte Gypsabguss, sondern besonder*
der 31 Jahr alt gewordene Idiot von Bückeburg,
dessen Gehirn kleiner sei als das de» Chimpanse.
Keine Thatsache zeige so deutlich wie diese die
Abhängigkeit der Intelligenz de* Menschen von der
Entwicklung des grossen Gehirns.
Professor I.ucae lenkt die Aufmerksamkeit auf
die Ansichten von C. Vogt, der früher eine directe
.Abstammung des Menschen vom Affen behauptet
habe, neuerdings aber die Menschen nur uls Vettern
des Affen aufführe, indem er die Mikrocephalen als
den Stamm des .Affen- und de* Menschengeschlecht*
hinstelle. In einem thatsächlichen Widerspruche zu
dieser Theorie stehe die Beobachtung, dass die
männlichen Mikroccphalcn sehr kümmerlich ent-
wickelte Gesdibrhtsf heile haben. Ueberhaupt
hätte Vogt den Menschen, statt vom Kleinkopf,
gleich von der hirnlosen Missgeburt herlei ten kön-
nen, da vom Kleinkopf bis zum Anencephalen alle
denkbaren Mittelglieder und Uebergänge existirten.
Hieran schloss sich eine Mitthcilung des Pro-
fessor* Schaaffhausen über Zwergbildungeil. Ein
Zwerg von 61 Jahren zeigte eine ganz bedeutende
Faltung des Gehirn», aber nicht als Zeichen einer
vorzüglichen Intelligenz, sondern nur als Folge
einer zu engen und in vielen Beziehungen die kind-
liche Form nicht überschreitenden Ilirnkapsel, welche
eine Flachenentfaltung der Hirnoberfläche nur in
sehr beschränktem Maasse gestattete, wrobei jedoch
die Schfiddnähte offen geblieben waren.
l>r. Schetelig bezweifelt den Einfluss der Ver-
wachsung der Schädelnfilite auf die Form des Schä-
dels. Auch habe die vorzeitige Verwachsung der
Basalfuge eine solche Bedeutung nicht, da er z. B.
die extremsten Kurzköpfe mit noch nicht ver-
wachsener Basal fuge beobachtet habe. Doch war
diese Brachycephalic Raconeigenthümlichkeit und
nicht pathologischen Ursprungs.
Nach einer zwischen I)r. Seidlitz und Pro-
fessor I.ucae geführten Dbcussion hebt dieser noch
einmal hervor, dass Vogt den Atavismus als Ur-
sache des Kleinkopfes betrachte. Lucao erkennt
drei Momente als bestimmend für die Sehftdel-
form an: die Nähte, da* Gehirn und die Muskeln.
Die Synostose komme nicht allein dabei in Betracht.
Schaaffhausen macht noch darauf aufmerk-
sam, dass auch di© Form der geschlossenen Nullte
zu berücksichtigen sei für die Feststellung der Zeit,
wann die Verwachsung geschah. luder Jugend wären
di© Nähte einfach, mit zunehmendem Alter würden
die Zähno immer langzackiger. Da nun, wenn die
Nähte verschmolzen sind, ©in Ansatz an den Naht-
zacken nicht mahr stattfindet, so wird man an der
Kleinheit oder gar an dem Fehlen der Zacken in der
fast immer noch erkennbaren Nahtspur eine vorzei-
tige Verschmelzung sicher erkennen. Lucao sagt,
die Schuppennaht verwachse unter normalen Ver-
hältnissen selbst im hohen Alter nicht, deshalb sei
im vorliegenden Falle die Nahtverwachsung unzwei-
felhaft als pathologisch auf/.ufassen und nicht etwa
als Alters Veränderung zu deuten, auch wenn di©
Craniostenose aus anderen Gründen nicht so unzwei-
felhaft wäre.
In der Schluss-Sitzung am 24. September theilt
der Schriftführer eine Einladung de« Geheimen Hof-
raths Reichen bach zum Besuche der anthropolo-
gischen Sammlung mit, die im Zwinger aufgestellt
ist. Dr.Schetelig hält hierauf einen Vortrag über
Schädel de« Nordens, nämlich Jütlands und MöeiiB
au* der Steinzeit. Die Schädel zeichnen sich aus
durch abgerundete Form, durch sehr starkes Her-
vortreten der Superciliargegend, ganz gerade ste-
hende Kiefer, flach abgeschliffene Zähne und Vor-
sprung des Hinterhaupts. Individuell variireu sie
sehr, selbst die eine« und desselben Grabes, also
wohl die einer Fumilie. Aus einigen 50 Schädeln
konnten mit Vorsicht doch wohl einige Schlüsse ge-
zogen werden. Der Umfang derselben ist ziemlich
bedeutend, er beträgt 500 bis 550 Millim. Die
Abrundung deutet eine gewisse Cultur an; das Vor-
springen des oberen Theile* der Hinterhaupt -
schuppe findet sich nur bei Völkern der indoger-
manischen Race, welche* anzudeuten scheint, dass
für eine höhere Entwicklung des Gehirns ein stär-
kere« Wachsthum der hinteren Lappen der Hemi-
sphäre massgebend ist. Für die Culturstufe einer
Race sei das Verhältnis* der Basis zu der Summe
des Umfangs und der Höhe de* Schädels wichtig;
bei tiefstehenden Naturvölkern, stehe die Schädel-
kapRcl zurück hinter der bedeutenden Länge der
Schädelbasis, ln dieser Beziehung sei das in Rede
stehende Steinvolk weit über die Polynesier erha-
ben. Die vorgelegten Steimverk zeuge sind beleh-
rend. In den Kjökkenmödding* finden sich unvoll-
kommnere als in den Gräbern. Die Eintheiluug der
Steinzeit in zwei verschiedene Perioden sei aber
deshalb doch unberechtigt. Jedenfalls seien diese
Instrumente viel älter als die Bronzezeit. Auch seien
wir zu dem Schlüsse berechtigt, da*« die Völker
der Steinperiode in Dänemark mit denen der bri-
tannischen Inseln, die man gewöhnlich als Gelten
bezeichne, dieselben gewesen seien. Dr. Wein-
hold erwähnt, dass die französischen Forscher aller-
dings eine rohere Steinzeit und eine der polirten
Steiue bestimmt unterschieden und dass es wichtig
sei, zu wissen, dass Werkzeuge beider Arten aus
derselben Zeit stammen. Professor Car ua bemerkt,
42*
Digitized by Google
332 Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
dass andere Werkzeuge sich von den vorgelegten
durch die Schnittfläche wesentlich unterscheiden,
indem deren Hand nach den Angaben englischer
Forscher nicht geradlinig, sondern leicht Sformig
geschwungen sei. Dr. Z i n k e i s e n legt zwei Schä-
del vor, einen aus den Priestergräbern von Theben,
und einen andern aus Memphis, der ein Alter von
wenigstens 2000 Jahren vor Christus halw. Dr.
Paul von Scydewitz aus London spricht über
einen merkwürdigen Prager Schädel und wünscht,
dass Professor P o r t a 1 e k in Prag ersucht werde,
denselben der Versammlung in Innsbruck vorzule-
gen. Der Schädel ist ganz modern, der eines sieb-
zehnjährigen Mädchens der bessern (.'lassen ; er wiegt
10 Medicinalpfund und sieht wie ein steinerner
Schädel aus. Staatsrath Schleiden erinnert an
einen ähnlichen Schädel »ub Java mit s 'l Zoll dicker
•Schädelkapsel, der auch höchstens 50 Jahr alt sei.
Der Vorsitzende, Professor Carus aus Leipzig, schlägt
schliesslich vor, bei der Geschäftsführung zu bean-
tragen, dass eiue bleibende Section für Anthropo-
logie und Ethnologie auch für die folgenden Ver-
sammlungen deutscher Naturforscher und A trete
auf das Programm gesetzt werde, welcher Vorschlag
sich allgemeinen Beifalls erfreute. S.
11. Internationaler Congress für Alter-
thumskunde und Geschichte in Bonn, vom
14. bis 21. September 1808. Bericht über die
Verhandlungen der Section für Urgeschichte, er-
stattet von dem Vorsitzenden dieser »Section, Prof.
Dr. Sch aaffh auseii*). Die für die Verhandlun-
gen Über Urgeschichte im Programme aufgestellten
Fragen waren die folgenden:
1. Was wissen wir über die Anfänge der mensch-
lichen Cultur, welches war die Beschaffenheit
der ersten Wohnungen und Grabstätten, der
Nahrung und Kleidung, der Waffen und Geräthe
des Menschen in der Urzeit?
2. Welchen Einfluss hatte der Gebrauch des verschie-
denen Materials, als Stein, Knochen, Holz, Gold,
Bronze, Eisen auf die ersten Kunstarbeiten ?
3. Ist die Eintheilung der Urgeschichte in eine
Stein-, Bronze- und Eisenzeit für die alte Welt
allgemein gültig, oder ist nicht in gewissen
Ländern die Eisenzeit der Bronzezeit vorange-
gangen?
4. Giebt es Kennzeichen au den Steingerätheu der
Höhlen, durch welcho sich deren relatives Alter
bestimmen lässt; ist dabei die mehr oder weni-
ger ausgebildete sogenannte Patina und dio
Dicke der sie bedeckenden Kalksinterschicht
massgebend oder sind diese nicht vielmehr von
zufälligen Umständen »abhängig?
*) Kill ausführlicher Bericht erscheint in den Jahr*
•►»ehern des Vereins von Alterthnmfrennrien am Rhein-
184(9.
5. Giebt es Anhaltspunkte, durch welche >ich die
Rennthierzeit in Mittel-Europa bestimmen lässt?
6. Welche Zuverlässigkeit haben die bisher gemach-
ten Schatzungen des Alter» der Pfahlbauten und
sind die in denselben gefundenen rohen Stein-
geräthe für gleichzeitig mit denen aus den Höh-
len zu halten?
Sitzung vom 15. September: Nach eini-
gen einleitenden, die Bedeutung der Urgeschichte
liehen Forschungen hervorhebenden Worten de«
Vorsitzenden hält Herr L. Geiger aus Frankfurt
a. M. den ersten Vortrag über die Urgeschichte
der Menschheit im Lichte der Sprache, mit beson-
derer Beziehung auf die Entstehung de» Werkzeugs.
Derselbe behauptet, dass für die Zeit, wo der
Mensch noch ohne Werkzeug, ohne jede Kunst-
thätigkeit war, die Sprache ein lebendige» Zeug-
nis» seines Daseins hiutarlassen habe und weist
auf die linguistische Archäologie als auf eine neue
und wichtige Methode der Untersuchung auf die-
sem Felde hin. Der Mensch hatte eine Sprache
vor dem Werkzeug, denn das Wort, welches eine
mit einem Werkzeug auszuführende Thätigkeit be-
zeichnet, bedeutet ursprünglich eine Thätigkeit,
die nur von den natürlichen Organen des Meu-
schen ausgeübt wurde. Das Wort Mahlen von der
indoeuropäischen Wurzel Mal bedeutet -,mit den
Fingern zerreiben“ oder „mit den Zähnen zer-
miilmen“. So ist das Wort Mühle auf eine viel
einfachere Verrichtung, das Zerreiben des Kornes
zwischen Steinen zurückführbar, das Wort Malen
auf ein Bestreichen mittelst der Finger. Sculpo,
eine Nebenform von scalpo, bedeutet anfangs nur
das Kratzen mit den Nägeln. Die Sprache zeigt,
dass das Weben oder Flechten von dem Ineinander-
flechten der Baumzweige und Sträucher den Na-
men hat. Das natürliche Baumgeflecbt war der
erste Gegenstand der Kunstiibung, und eine Art
Nestbau in den Zweigen dichtl>ehiubter Bäume war
vielleicht die erste Wohnstätte des Menschen der
Urzeit, wie nach Barth noch die Dingdin in Afrika
zum Theil auf Bäumen leben ; von den Puris wird
Aehnliches erzählt. (Humbold’s Schilderung der
auf Bäumen lebenden Guarauuos am Orinoko, die
dem Kaleigh nacherzählt ist, wird von Appun für
falsch erklärt, der die Wohnungen dor Guarannos
wahre Pfahlbauten nennt.) Selbst die Hängematte
der Südaiuerikaner erinnert an die Gewohnheit,
in den Zweigen der Bäume zu schlafen. (Hierbei
sei angeführt, dass auch die anthropoiden Affen
durch Verflechtung der Baumzweige sich eine
(»agerstätte auf den Bäumen schaffen.) Geiger
glaubt, dass der aufrechte Gang des Menschen sich
am naturgemäasesten aus einer früheren klettern-
den Lebensart erkläre und dio Gewohnheit, den
Baum aufwärts schreitend zu umfassen, die Hand
aus einem Bewegung»- zu einem Greiforgan umge-
bildet habe. (Die Erhebung des menschlichen Kör-
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 333
per* auf den unteren Gliedmassen, d. i. sein auf-
rechter Gang, kann nur durch seine Bewegung am
Boden, also nach dem Aufhören des Kletterns ent-
standen sein, denn beim Klettern ist auch die un-
tere Gliedmasse ein Greiforgan, welches zum Auf-
rechtstehen und Gehen ungeschickt ist Kar die
Aufrichtung des oberen Körpers und die Ausbil-
dung der Hand kann mit dem Klettern in eine
Beziehung gebracht werden.) Auch jetzt sehen
wir für veränderte menschliche Th&tigkeiten die
alten Worte beibeh<eu; wir lassen die Maschine
nähen, das Gewehr schiessen. Das Schiff war ein
ausgehöhlter Baumstamm, der Wagen ein abwärts
rollender Baumstumpf. Die ersten Werkzeuge sind
ohne Zweifel mehr gefunden als erfunden, denn
sie sind niemals nach ihrem Ursprung, sondern
immer nach ihrer Verrichtung benannt Die Scheere,
Säge, Hacke sind Dinge, die scheereu, sägen, hacken.
Gerftthe, die nicht Werkzeuge sind, werden hin-
gegen nach dem Stoffe oder der Arbeit benannt,
aus der sie hervorgehen. Der Schlauch ist überall
als eine abgezogene Thierbaut aufgefasst. Die
Scheere diente den indogermanischen Nomaden
wohl zunächst nur bei der Schaafechur. Wir wis-
sen aber, dass in der ältesten Zeit die Schaafe nicht
geschoren, sondern mit den Händen gerupft wur-
den. Die Scheere ist demnach ursprünglich ein
Werkzeug zum Schaben, Kratzen, Rupfen, was an-
fangs durch die menschliche Hand geschah. Ver-
wandt ist das Wort: scharren. Man muBS primäre
und secundäre Werkzeuge unterscheiden. Das
Werkzeug, in seiner Entwicklung beobachtet gleicht
dem natürlichen Organe, es hat wie dieses seine
Umwandlungen, seine Differenzirungen. Schon
Klemm machte darauf aufmerksam, dass der Boh-
rer aus dem Reibfeuerzeuge der Urzeit entstanden
sei. So entstand die musikalische Saite aus der
Bogensehne, die schon dem Odysseus, als er sie
prüfte, einen Ton gab. Aus dem Sonnenschirm
entstanden Regenschirm und Fallschirm. Im An-
fang war der Mensch ohne andere Geräthe als die
er in seinen Organen besass, bald war er im Stande,
ähnliche zu finden und zu nutzen. Statt der hoh-
len Hand bediente er sich einer hohlen Pflanzen-
schale. Er steigerte seine Fähigkeiten, weil das
Vermögen, die DiDge wahrzunehmen, wuchs, und
dies Vermögen ist nichts Geringeres als die Ver-
nunft selbst. Das gegenwärtige Zeitalter hat dem
Werkzeuge eine neue grossartige Entwicklung er-
öffnet, es ist zugleich dasselbe, welches die An-
fänge der menschlichen Cultur zum Gegenstände
der wissenschaftlichen Forschung macht. Werden
wir die Nacht der Urzeit jemals ganz erhellen?
Werden wir das Ziel der Vollkommenheit, dem
wir zustreben, jemals erreichen? Wir wissen es
nicht. Aber die innere Stimme gebietet uns nach
beiden Seiten hin ein unwiderstehliches Vorwärts!
Dieser Vortrag gab Herrn Geh. Rath von Quast
Veranlassung zu einer Erwiederung. Er bestreitet
die Grundanscbauung des Vorredners und behaup-
tet, es gebe keine Thatsache, die für einen rohen
Urzustand des Menschen beweisend sei, die Kunst-
forschung zeige vielmehr, dass die ältesten Werke
der menschlichen Cultur von unerreichter Voll-
kommenheit seien. Der Mensch sei vom Göttlichen
herabgekommen, nicht umgekehrt. Geiger und
Schau ffhausen weisen diese Behauptung zurück.
Der letztere hebt hervor, dass man nicht nur in
fast allen Culturländern als Denkmale der ältesten
Zeit die rohesten und einfachsten Gerät he und
Waffen gefunden habe, sondern dass die Uuberrestc
des Menschen der Vorzeit selbst die Zeichen einer
niedero Organisation an sich tragen. Der Redner
legt bei dieser Gelegenheit der Versammlung seine
Schrift: „Ueber die Urform des menschlichen
Schädels, Bonn 18G8“ vor. Hierauf sprach Prof.
Zestermann aus Leipzig über die Mitteilungen,
welche die klassischen Schriftsteller über den Ur-
zustand der Menschheit in Bezug auf Nahrung,
Kleidung und Wohnung machen. Die Arkadier
lebten von Gras, jungem Laub, Eicheln und Früch-
ten, später von Cerealien. Anthropophagen gab
es in allen Ländern. Das Trinken des Blutes wird
von den Scythen erzählt und kommt noch im Ni-
belungenliede vor. Der Urmensch ging nackt, wie
zum Theil noch die Ligurier und die Sclaven der
Römer. Die erste Kleidung waren wohl Thierfelle;
die ersten Wohnungen Laubhütten, wie noch im
vierten Jahrhundert in Deutschland, oder Höhlen
oder Pfahlbauten. Die bezüglichen Stellen der al-
ten Schriftsteller stellte der Sprecher zu Diensten.
Herr Staatsrath von Eichwald bemerkt, dass
Herodot Menschenfresser in Russland anführe und
zwar unter den nördlichsten Stämmen der Finnen
und Samojeden, welcher Name Menschen bedeutet,
die einander aufiTessen. Bei den Ostiaken, vom
Stamme der Samojeden, sei noch vor fünf Jahren in
Folge von Hungcrsnoth das Verzehren von Kin-
dern vorgekommen. G. R. von Quast hält die
Anthropophagie nicht für einen Naturzustand, son-
dern für eine Verwilderung, den Menschenopfern
Hege nicht der Gedanke einer Darbietung von
Speise an die Gottheit zu Grunde, sondern der
der Stellvertretung und Sühne. Prof. Schaaff-
hausen weist darauf hin, das« da« menschliche
Gebiss nicht dem der fleischfressenden , sondern
dem der fruchtessenden Thiere gleiche, und der
im Alterthum so weit verbreitete CannibaHsmus
allerdings als eine Verwilderung der menschlichen
Natur aufzufassen sei. Er erinnert an die in Kalk-
sinter eingeschlo*senen menschlichen Gebeine von
Chauvaux, an denen Prof. Spring die Spuron den
CannibaHsmus hat finden wollen; einige dieser
Concretionen sind in der Aufstellung des Congres-
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
ses zu flehen. Das Trinken von Menschen bl ut Fei
nach Kruseusteru noch bei den Marquesas- Insu-
lanern üblich gewesen.
Sitzung vom 16. Septem her: Herr Staats-
rath von Eichwald spricht über die tschudischen
Al terth Ürner des europäischen und asiatischen Russ-
lands. '/ahlreichu Denkmäler einer laugst vergan-
genen Zeit iiu Altai und Ural. *owie in den Ebe-
nen Russlands werden einem alten Volke zuge-
schrieben, das in Sibirien Tschud genannt wird.
Im östlichen Asien bedeutet das Wort tschud
fremd, im Westen de« europäischen Russland« be-
zeichnen die Russen noch jetzt mit dem Namen
Tschud Völker, die zum finnischen Stamme gehö-
ren; im Gouvernement Olonetz lebte noch vor
Kurzem ein Völkchen , dun sich seihst Tschud
nannte und finnisch sprach. Schon Bayer sprach
es vor 100 Jahren aus, dass das Wort Tschud dem
griechischen Scytli entspreche. Die asiatischen
Finnenstämme, welche die Bereitung der Metalle
kannten, wurden von den Vordringen den turkisch-
tartarisehen Völkern nach Norden vertrieben. Da-
mit ging auch der grosse Karawanenhamlel mit
den griechischen Colonien am Nordgestade des
Pontu» zu Grunde. Ebenso ging es den Tachuden
dea Ural, den Jssedoneu und den Massageten des
Ilerodot, die das Kupfer des permischen Kupfer-
Sandsteins und da s Gold * in den Alluviouen des
Mjas gewannen. Es finden sich in den Tschuden-
gräbern Waffen und Schmuek.-achcn, die eine hohe
Cultur verrathen. Sie schmolzen das Eisen, ein
eisernes Schwert war ihnen Gegenstand heiliger
Verehrung. Dass die Scythen den Hasen verehr-
ten, dessen Bild sich in ihren Gräbern findet, kam
daher, dass ein von einem Scythen verfolgter Hase
einst Veranlassung wurde, dass der den Scythen
in Schlachtordnung gegenüberstehende Dari uh
da« Lager sofort abbrechcn und den Rückzug an-
treten Hess. Die Mythischen Thierbilder haben
oft ein Menschengesicht , denn Zamolxis hatte
ihnen die Lehre der Seelen Wanderung gebracht.
Die Aorsen und Sir&ken des Strabo, die mit Baby-
lon im Handelsverkehr standen, sind die heutigen
Ersen und Sirjancn. Die Steppenbildcr Südruss-
lands, meist auf Grabhügeln, dienten zugleich als
Meilensteine. Die weite Verbreitung der Gelten
und Pa&lstäbe zeigt, dass die Völker vom Altai
und Ural immer weiter westlich wandelten. Auch
die Finnen und Estben sind alte Tachudenstftmme.
In Sibirien finden sich mit Mammuth- und Nashorn-
knochen auch die Rundhämmer, die zur Bearbei-
tung des Goldsandes im Altai dienten. Der Red-
ner behauptet, dass der Goldsand seine Entstehung
den Gletschern verdanke. Die Steinwaffen scheinen
am frühesten von den Gelten verfertigt worden zu
sein, die nach Plutarch vom Süden des Ural nach
Westen und Norden zogen. Zuerst wandelten sie
und die Gallier, dann die Citnberu, dann Germaneu
und Gothen, zuletzt die Wenden nach dem Westen
Europa’« ein. Die aus Mittelasien vordrängenden
Stämme drängten die Tschudeu nach Norden, wäh-
rend die kriegerischen Scythen nach der Donau
vordrangen und als Ungarn ein Reich gründeten.
Der Redner legt tschudische Alterthümer vor, einen
Ringlmmmer aus Saudstein, einen Celt und Paal-
stab aus Bronze, ein Messer, einen Dolch und eine
Nadel aus silberhaltigem Kupfer, eine Schwalbe
und einen Bär aua Bronze mit menschlichem Ge-
sicht, wohl Amulete, ein kleines Steppenbild u. A.
Hierauf giebt Prof. Peteraen aus Hamburg
eine kurze Inh&]teangal>e seiner Schrift: „lieber
da* Bronzealter hei den Völkern des Altcrthums“.
Er stellt die verschiedenen Ansichten darüber zu-
sammen. .1. Grimm nannte das Bronzealter ein
unlösbares Rätlisel, Andere liest en die Bronzecultur
aus Asien in früher Zeit einwandern, Andere schrie-
ben sie den Gelten zu, oder den Griechen, Etrus-
kern und Römern, Nilsson aber den Phöniziern,
was am wahrscheinlichsten ist. Waitz wollte sie
gar aus Afrika herleiten und Webel sah ihren Ur-
sprung in England. In Aegypten sind nach
Brugsch im 3. Jahrtausend v. Chr. alle Metalle
nachweisbar. Schon zu Homer’» Zeit kamen die
schönsten Bronzearbeiten aus Phöuizien; es wer-
den schon eiserne Geräthe erwähnt. In Italien
dauert die Bronzeze t bis zur Vertreibung der Kö-
nige. Die einfache Form des Bronzebeils wird
zum PaaUtab mit Schaftlappen und zum Celt mit
Schaftloch. Alles spreche für Aegypten oder West-
asien als den Ausgangspunkt der Bronzecultur und
für deren Verbreitung durch die Phönizier. Der
Bemerkung von Dr. Ebers aus Jena, dass man mit
dem bronzenen Ciselirstift Skulpturarbeiten in den
härtesten Granit machen könne, fügt Prof. Schaaff-
hausen die Angabe hinzu, dass Ilertrand gezeigt
habe, wie mau mit einem Steinmeissei solche ein-
geschnittene Figuren in Granit machen könne,
wie sie au einigen megalithischen Monumenten Vor-
kommen. Dass ein rohes Volk diese hinterlassen,
dafür spreche eine Mittheilung von Hook er an
die britische Naturforscher- Versammlung dieses
Jahres, wonach unfern von Calcutta ein halbwilder
Stamm von Eingeborenen lebe, der grosse Stein-
monu mente derselben Art errichtet und sich des
Feuer» zum Brechen der Steine bedient. Geiger
glaubt, dass die Indogermanen das Eisen früher
als die Bronze gekannt. Petersen bestreitet, dass
das im Sanskrit dem deutschen Worte Eisen und
dem lateinischen Aes entsprechende Wort Eisen
bedeute, dieselbe Wurzel könne zur Bezeichnung
verschiedener Metalle verwendet worden »ein.
Sitzung vom 1 7. September. Graf Przez-
diecki aus Posen berichtet, dass man am Czes-
zewer See hei Golancz im Grosaherzogthuin Posen
Digitized by Google
335
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Spuren von Pfahlbauten gefunden, dabei Thon-
getasae aus schwärzlicher, nicht ganz ausgebrann-
ter Thonerde mit Ornamenten in geraden Linien,
und Beile aus Grumt nebst Knochen und Hörnern
von Thieren. Ein Theil dieser Sachen befindet sich
im archäologischen Museum der Krakauer Univer-
sität. Diese Pfahlbauten scheinen im Zusammen-
hang zu stehen mit den zahlreichen heidnischen
Grabhügeln der Umgegend. ln Dobieszewek ist
ein golchee Grabfeld 200 Magdeburger Morgen
gross. Die aus Reisig geflochtenen Wände, die
man in den Pfahlbauten der Schweiz gefunden,
kann man noch heute in polnischen Dörfern sehen.
Das Grabfeld von Manieczki bei Srem, von dem
«ich zahlreiche Funde im Museum der Philomati-
schen Gesellschaft in Posen l>efinden, zeigte meh-
rere Lagen dicht ncbcneinauder liegender Grab-
steine, darunter Thongefösae mit schalenförmi-
gen Deckeln voll verbrannter Gebeine; um diese
Aschenkrüge sind verschiedene kleinere Gefässe
von dunkelrother Farbe mit eingedrückten Verzie-
rungen in Gestalt von Schalen, Flaschen, Lampen
herum gestellt, ln der Mitte des Grabfeldes war
ein viereckiger Raum voll von Kohlenresten, die
Leichenbrandstätte. Schliesslich legte der Redner
ein die Urzeit betreffendes Werk des Grafen
C. Tyszkiewic* vor. Director Rein aus Crefeld
erwähnt der Pfahlbaureste von Maine und an der
Niers hei Geldern, in welchen Gefässe von terra
Bigillata gelunden worden sind. Berghauptmann
Nöggerath bemerkt, den Pfahlbauten könne man
kein bestimmtes Alter zuweisen, dasselbe sei im-
mer nur nach den darin befindlichen Artefakten
relativ zu schätzen. Herr von Blücher führt an,
in Mecklenburg seien Urnen und andere antiqua-
rische Reste ganz unter denselben Verhältnissen
wie in Posen ausgegraben worden. Kr erwähnt
einer dort gefundenen sehr grossen Fibula und
eine« Pfuhles mit darau befindlichem menschlichen
Gesiebte. Herr J. Vetter macht darauf aufmerk-
sam, dass bei Laufenburg am Oherrbeiu noch 1293
ein Pfahlbaudori bestanden habe aus von Holz
und Flechtwerk gebildeten Fischerhütten. Die An-
gehörigen der Fischer wohnten auf dem Lande.
Er glaubt, dass es niemals ein besonderes PfaliJbnu-
volk gegeben, sondern dass ein Theil der Bevölke-
rung dem Fischfang oblag und dazu seine Hütten
ins Wasser stellte. Solche Fischerhütten kommen
jetzt noch vereinzelt vor. Er verweist auf seine
beiden Schriften: «, Die Schifffahrt, Flötzerei und
Fischerei am Oberrhein, Karlsruhe 18C4U und
„Daa römische Ansiedlutigs- und Befestigungs-
wesen, 1868“.
Der Vorsitzende, Prof. SchaaffhauBen legte
hierauf der Versammluug den Neanderthaler Schä-
del und einige dazu gehörige Skelettheile vor als
das merkwürdigste U eberbleibsel des Menschen aus
der Vorzeit, welches so mannigfache Deutungen
erfahren, and von welchem selbst angesehene For-
scher so viel Irrthümliches ausgesagt haben. Der-
selbe hält an der in der Abhandlung: „Zur Kennt-
nis« der ältesten Kncenscliiidel' (Müller’s Archiv
1858) aufgestellteu Ansicht fest, dass diese Gebeine
für das älteste Denkmal der früheren Bewohner
Europa'« zu halten seien. Wie für die Geologie
die organischen Roste der verschiedenen Erdschich-
ten die Zeitmesser seien . so würden in Zukunft
die Orgauisationsverhältnisse des Menschen uns
ein sicherer Führer durch die Perioden der mensch-
lichen Urgeschichte sein. Die vorliegenden Gebeine
enthielten den Beweis einer nicht in allen, aber in
mehreren und wichtigen Merkmalen so tiefstehen-
den menschlichen Bildung, wie sie heute auch nicht
bei den rohesten Völkern angetroffen wird. Der
Innenraum des Schädels ist durch die geringe
Grösse aller die Schädeldecke bildenden Knochen
erheblich vermindert, das Gesicht diescR muskel-
starken Menschen mit dem vorspringenden oberen
Augen höh lonrnnde, den tiefliegenden Augen und
der fast fehlenden Stirn muss einen überaus wilden
und thierischen Ausdruck gehabt haben. Wie
seine Reste in diese Höhle gelangt sind, kann
nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Vielleicht
hat ihn der Tod darin überrascht oder er wurde
von Andern darin begraben. SteingerAthe wurden
nicht gefunden, können aber leicht übersehen wor-
den sein. Die abweichende Schädelform ist weder
für künstlich , nach Art der durch Druck entstell-
ten Schädel rohor Völker, noch für eine krank-
hafte Bildung zu halten; weder frühzeitige Ver-
schliessung gewisser Scbädeluäbte hat sie hervor-
gebracht, wie Davis geglaubt hat, mich d*rf man
darin die eines Idioten sehen, womit Vogt sie-
verglichen hat. Merkwürdig ist da« Schwanken
selbst namhafter Forscher in der Ileurtlieilung die-
ser menschlichen Reste. Mayer hatte zuerst die-
sem alten Bewohner des Xeanderthales den bezeich-
nenden Xumen Palaeander gegeben, fortgesetzte
Studien brachten ihn aber wegen der gekrümmteu
Schetikelknochen zu der fast Hpaashaften Ausieht,
die Knochen könnten von einem Kosacken herrüh-
ren, der 1814 in diese Gegend gerathe» und dort
umgekommen sei. Huxley sprach zuerst seine
Verwunderung darüber aus, dass in dieser Hirn-
schale ein menschliches Gehirn sollte Raum gefun-
den haben, später aber behauptete er, dass man
eine Reihe menschlicher Schädel finden könne, die
durch unmerkliche Abstufungen vom Neander-
thaler zu dor gewöhnlichen Schädelform führe.
Die tiefe Stellung der Organisation dieses fossilen
Menschen beweisen aber auch die übrigen Skelet-
theile, sowie der Schädelausguss; es fehlt aber jede
Berechtigung zu der Behauptung King’s, dass
dieser Mensch noch keine Sprache besessen haben
könne.
Prof. Zestermann berichtet nach einem ihm
Digitized by Google
336 Verhandlungen wissenschaftlicher ' ersannnlungen.
zugegangenen Brief des ProC Geinitz über den
Fund von Theilen eines menschlichen Skelets im
Triebotschthale bei Miltitz in Sachsen, welche
0 Fuss tief in der obersten daselbst auftretenden
Lehmschicht beim Eisenbahnbau aufgefunden
wurden.
Vierte Sitzung am 19. September. Prof.
Zeatermann sprach über die Bestattung der Tod-
ten in der Urzeit. Die Balearen zerstampften ihre
Todtcn und brachten diese Koste ihrer Verstorbe-
nen in irdenen Gebissen zur Bestattung. (Diod.
SicuL V, 18, 2. Coli. V, 17, 1.) Die Scytheu be-
gruben ihre Fürsten uuter einem Zelte, welches
von vier senkrecht aufgestellten uud vier wage-
recht aufgelegten Lanzen getragen wurde und so-
mit die Form für die in Deutschland aufgefunde-
nen steinernen Grahkamroem abgab. Die Geräthe
der Alten theilt der Redner in kriegerische und
friedliche, in Haut*- uud Feldgeräthe und macht
darauf aufmerksam, dass man wohl mit Unrecht in
den meisten alten Gerüthen Waffen findeu wolle,
da doch zum Leben vor Allem der Ackerbau nö-
thig sei, folglich Feldgeräthe unentbehrlich seien.
Unter den kriegerischen Geräthen seien die
fern wirkenden die ältesten, der Stein mit der
Hand oder Schleuder geworfen, der Pfeil mit dem
Bogen und der Wurfspiesa. Der Pfeil hat bei den
Aethiopen, nach llerodot, Steinspitzen, derWurf-
spiess eine »ra Feuer gehärtete Spitze wie der
Pfahl, den man nach altdeutschem Recht der Ehe-
brecherin ins Herz schlug. Von Hausgerftthen er-
wähnen die Alten irdene Töpfe mit Deckeln, Trink-
becher von Buchenholz oder aus den Schädeln der
erschlagenen Feinde gemacht. Dieser bedienten
sich die Scythen, nach llerodot, und noch der
Longohardenkünig Al ho in um 580 n. Chr. Die
Trümmer des Kieselschiefers sind oft schon konisch
von Natur und gehen wohl das Muster für die
Form der Messer und für den Celt. Die Bronze-
meissei, die Gelte sind nicht Waffen, sondern Ge-
räthe, mit denen man den Boden bearbeitete. Die
Alten erzählen von den wilden Völkern, dass sie
keine Gesetze, keine Ehe, keine Schaam kennen,
dass sie sich mit Roth und Weiss bemalen, dass sie
ihren Schlachtopfern die Kopfhaut abziehen und
an dem Zaum ihrer Pferde aufhängen, dass sic die
Meuschenhaut auf Hölzern nusgespannt zu Pferde
tragen, (llerodot IV’, 64.)
Dr. Kassier berichtigt einen Irrthum in Be-
zug auf die bei Schussenried gefundenen Rennthier-
kuochcn. Die hier gefundenen Steingeräthe sind
au« einem Feuerstein gefertigt, der massenhaft
auf den Aeckern liegt und ohne Zweifel von erra-
tischen Blöcken herrührt. Auf den Knochen von
SchuKseuried finden sich keine Skulpturen. Berg-
hauptniHnn Nöggerath bemerkt, dass die Feuer-
steine, so lange sie die Feuchtigkeit ihrer Lager-
stätte besitzen, sieb leicht nach beliebigen Rich-
tungen schlagen lassen. Häufig sind rohe wie bear-
beitete Feuersteine mit einer weinen Rinde bedeckt,
die durch Verwitterung entsteht, aber keinen Schlun
auf die Länge der Zeit ihres Liegens in der Erde
gestattet
Prof. Sch aaff hausen führt an, (hiss man
durch in Belgien angestellte Versuche erfahren,
wie man von zuvor nass gemachten Feuersteinen
Stücke in joder Richtung Abschlägen könne, erweist
auf die den einzelnen Fundorten cigcntluimliche
Form der Steinkeilo hin, die bei Abbeville eiförmig
platt, bei Spien nes dreieckig gestaltet seien. Ein
kleiner Celt, wie er von Bronze in den alten Grä-
bern Westeuropas vorkorame, von Kupfer in de-
nen der Tschuden, werde im fernen Sibirien noch
zum Ausgrabeu der Zwiebeln gebraucht, ln Be-
zug auf den Fund von Farbstoffen bei Schüssen*
ried berichtet er, dass Spring auch in belgischen
Höhlen dieselben gefunden und glaube, sie hätten
zum Bemalen des Körpers und Gesichtes gedient,
wie Properz dies von den alten Belgiern erzähle.
Der Redner fügt hinzu, dass nach Cäsar die
Briten in Felle sich kleideten und sich blau färb-
ten. nach Herodion den Körper sogar mit Thier-
figuren bemalten und dass nach Strabo auch die
Japodeo, eine illyrische Völkerschaft, den Körper
bemalten, was noch hei den österreichischen Sol-
daten derselben Gegend Sitte sei. Da* Tätowiren,
bei den Neuseeländern am künstlichsten geübt, sei
als die höhere Ausbildung dos bei so vielen Völ-
kern üblichen Bemalen* anzueehen und habe sich
in gebildeten Ländern noch bei gewissen Hand-
werkern, z. B. den Schiffern, in schwachen Resten
erhalten.
Hierauf gab Herr Otto Schmitz eine Schil-
derung des Lebens der wilden Apatschee, die er
aus eigener Anschauung kennen gelernt, indem er
einige Monate nicht ganz freiwillig mit ihnen ge-
lebt hat. Das von ihnen durchzogene Gebiet wird
ohngefälir von den Flüssen Rio grande del Norte
uud Rio Colorado zwischen dem 80' und 35° nördl.
Breite begrenzt und bildet eine meist steinigte
Hochebene von 2000 bis 7000 Fass über dem
Meere, spärlich durchschnitten von Regenstrom-
betten, die im Laufe der Zeit Rinnen bi* 1000
Fuss tief, und 700 bis einige 1000 Fuss breit aus-
höhlen. Das Strombett ist nur während der kur-
zen Regenzeit mit Wasser gefüllt. Wo ange-
schwcmmtes Gestein die Feuchtigkeit zurückhält,
zeigt der Thalgrand grosse Fruchtbarkeit. Der
Himmel bleibt 10 Monate lnng unbedeckt. Durch
die bis zu 25° reichenden Temperaturunterschiede
bei Tag und Nacht werden Luftströme erzeugt,
die beständig ätzenden alkul ihaltigen Staub vom
Boden aufwirbeln. Im April fallen während 14
Tagen, im October und November während 6 Wo-
chen Regenschauer; dann sprosst au* allen Spalten
des Gesteins das Gras, und Hirsche. Antilopen, Berg-
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 337
schaafe und ihnen nach Bären, Coyoten und die herzustellen. In kalten Nächten sucht der Apatache
Wolfshyänen verlassen ihre Schlupfwinkel in den eine Vertiefung im Boden oder baut sich mit Stei-
Thälern. Auch der Apatache zieht jetzt auf Raub nen, Erde und Blättern einen 18 Zoll tiefen und
aua gegen seines Gleichen. Um 700 nach Christ. 3 Fuas breiten Kessel, in den er sich nackt hinein-
zogen die Tolteken vom mittleren Mexico nach krümmt. Wer eine Decke oder oin Fell hat, deckt
Norden und bauten Städte bi» an den Rio grande sie über sich, aber dies ist kein Bedürfnis». Sie
und bis ins nördliche Sonora; sie fanden schon den scheuen Alles, was einem Hause ähnlich ist und
Wilden der Steinwüste. Vielleicht sind die acker- fühlen sich unheimlich, wenn sie nicht unter freiem
bauenden Pirna s im Westen und die Moqui und Himmel sind. Sio bemalen das Gesicht mit rothen
Zunni-Indianer die Nachkommen der Tolteken. und blauen Linien, allgemeiner Brauch ist es je-
Unter dem Schutze der spauischeu Militärstationen doch nicht, wie bei den Comanohes, die in sittlicher
Buchten die Dominikaner- und Franziskaner-Mönche Beziehung über dem Apateche stehen. Die Weiber
Gesittung und religiöse Begriffe auch unter den tragen als Schmuck oder Kleidung zuweilen die
Apatsches zu verbreiten, aber vergeblich. Die zah- mit Gehirn eingeriebaneu Thierfelle, die mit Stri-
roen Indianer, die Mexikaner und die Europäer, eben verziert sind, welche aber keine Bedeutung
»ie alle betrachten diesen Wilden wie ein mensch- haben. Ihre Nahrung besteht aus Eicheln, Erd-
lich gestaltetes Raubthier, dessen Vertilgung schwie- missen, Kürbissen, Bohnen des Meekitstrauches,
rig ist. Im Jahro 18G0 bezahlte die mexikanische Wild, einschliesslich der Ratten, Mäuse und Schlan-
Regierung für jeden Apatscbekopf 300 Dollars, gen, und au» den zu Schanden gerittenen gestoh-
Spftter wurde der Preis erniedrigt. Aber die Zahl lenen Pferden und Eseln. Das Fleisch wird theils
der ein gelieferten Skalpe blieb gering. Auf einer roh, theils am Spiess gebraten verzehrt. Kanniba-
Wanderung von Chihuahua nach St. Francisco 1 minus scheint früher existirt zu haben, denn auf
traf der Reisende 50 englische Meilen westlich von die dahin gerichtete Frage wurde dem Reisenden
Cooks peak unter 33* nördlicher Breite auf eine geantwortet, die Peintah’s, ein nördlich von ihnen
das Mondfest feiernde A patscheban de, mit der er wohnender Stamm, schmeckten gesalzen und taug-
mehrere Monate bis zum Colorado herumzog. Der ten deshalb nicht zum Essen. Ihre einzigen Waf-
Apatsche ist von kräftiger Muskulatur, besonders fen und Hausgerätbe sind Pfeilbogen und Spiess.
in Brust und Armen; das Bein ist weniger gut ge- Die Spitzen daran sind von hartem Holze, Obeidian,
bildet, die Wade dünn, der Fass nicht so platt wie Eisen oder Kupfer, welches sich gediegen dort fin-
der des Negers; bei kurzen Strecken leisten sio det, selten von einer Art Bronze, die stahlgleiche
jedoch Lnglaubliches in der Schnelligkeit des Lau- Härte und Elasticität zeigt und durch Zusaminen-
fous. Die mittlere Höhe beträgt öVi Fuss, die schmelzen von Kupfer mit grünen Blättern herge-
Frauen sind nicht viel kleiner. Das Haar ist bei stellt werden soll. Zuweilen gehen die Apatsche’s
beiden Geschlechtern von beinahe gleicher Lunge gauz vereinzelt oder in kleineren Trupps von etwa
und mattschwarzer Farbe, cs hängt bis zur Schul- 10, ohne Oberhaupt. Zu grösseren Raubzügen ver-
ter. Der Schädel zeigt, verglichen mit anderen einigen sie sich unter Häuptlingen. Während dio-
Indianem in der schiefen Stellung der Augenspal- ser Zeit hat dieser ein vorübergehendes Eigenthum,
ten eine Neigung zum mongolischen Typus. Die Er hat das Recht, eine Anzahl Mädchen für sich
Backenknochen treten stark heraus, der Mund ist allein zu beanspruchen, diesen wird ein Stückchen
breit, die Lippen schmal. Das Auge iat nicht ganz Thierfell ins Haar geflochten, dann sind sie für
das todte, dunkelbraune des Nord-Indianers, son- Andere unantastbar. Macht er eine zur Frau, so
dern gläsern schillernd, ähnlich dem des Coyoten, wird über ihrem Haupte ein Bündel Pfeile zerbro-
Dio Widerstandsfähigkeit seines Organismus gegen eben. Ausser diesem Häuptlingsrechte besteht nur
Hunger und Durst, Temperaturunterschiede und kürzeres oder längeres Zusammenleben der Ge-
Verletznngen ist ausserordentlich. Ein Schädel schlechter, keine Ehe. Die Kinder bleiben bei der
zeigte einen vollkommen vernarbten Riss, das Loch Mutter, bis sie selbständig Früchte erhaschen, eine
von einem knochenharten Knorpelwulst umgeben. Ratte oder Schlange fangen können, dann verlie-
Die Apatsches haben keine anderen Aerzte als die ren sie »ich unter der Horde. Meist werden sie
Natur. Heilkräuter fand er bei ihnen nicht, aber bis ins dritte Jahr von der Mutter gesäugt. Die
auch keine Kranken. Die Haut ist gelb bis roth- Vermehrung ist schwach, selten rascher als in drei-
braun, wie die vom Sonnenstich getroffene Haut, jährigen Zwischenräumen, und erlischt sehr früh
und aaaser dem Kopfe ganz unbehaart; ihre leder- bei den Frauen. Das Alter ist schwer zu schätzen,
artige Dicke scheint ein Ersatz der Kleidung zu denn sie selbst kennen kaum den Begriff des Jah-
sein. Nur wenn sich bei der Beute eine Decke oder re®, viel weniger denken sie ans Zählen derselben,
ein Kleidungsstück findet, wird es als Triumph- Wie die Kranken ohne Arzt zurecht kommen, so
Zeichen getragen. Sie gehen in der brennenden auch die Wöchnerinnen. Meist vollzieht diese selbst
Sonne unbedeckt, doch wissen sie, wie die Pirnas, die Trennung der Nabelschnur durch Zerklopfen
«ich mit klebrigem Thon eine kühle Kopfbedeckung derselben zwischen stumpfen Steinen ; und statt
Archiv fQr Anthropologin, Bd. m. Hott i j q
Digitized by Google
338 Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
der ersten Wuscht* bepudert. eie das Kind mit
trocknen) Sande. Ist Jemand dem Tode nahe, so
wird er abseits getragen, ist die Horde auf der
Wanderung, so bleibt er zurück. Todtenklage
wird selten gehört. Stirbt ein Häuptling oder
eine seiner Frauen, so wird die Leiche in Haut-
streifen eingewickelt und auf einem Bergabhang
nach der Sonuenseite zu eingescharrt und ein läng-
licher Erd- oder Steinhügel darüber aufgcscbüttet.
Die Anschauung, dass der Verstorbene weiter lebe,
dass ob anderswo besser sein könne als hier, oder
eine Vorstellung des grossen Geistes, wie sie bei
vielen Indianern sich findet, ist nicht vorhanden.
Das einzige Fest, welches sie feiern, ist die Voll-
mondsfeier. Dazu werden verschiedene Feuer an-
geziindet und ein berauschendes Getränk aus dem
in KürbiB9chalen gährenden Cactussafte bereitet.
Jeder nimmt eine Stellung nach seiner Bequem-
lichkeit ein, gewöhnlich liegend, und daun beginnt
mit Mondaufgang ein gemeinsames Geheul; eine
Nachahmung von Thierstimmen. Es wird begon-
nen mit dem Geschrei des frassschnüffaludcn Coyo-
ten, ähnlich doiu Wimmern kleiner Kinder; dies
schwellt an zum stärkeren dumpfen Geheul des
Bluthundes, dann folgt der heisere Schrei der
Wolfrbyäne; jetzt wird es lauter und lauter, Alles
heult durcheinander, dass das Echo zurückschallt
oder eine entfernte Coyotenheerde antwortet. Dann
tritt plötzliche Stille ein, und statt der wüthen-
den Stimmen der Bestien tönt langgedehnt und
gleichgültig das alberne Eselsgoschrci. Nun er-
schallt allgemeines Gelächter oder vielmehr tönen-
des Gegrinst* und der Rhythmus beginnt von Neuem,
die ganze Nacht hindurch bis zum Untergang des
Mondes. Die Apatscben haben keine Hausthiere,
die Thiere werden geraubt, auf der Flucht oft
schon wundgeritten und verspeist. Die Thiere wer-
den nicht geschlachtet, sondern lebendig ausein-
ander gerissen, ohne dass der A patsche dabei
mehr an Grausamkeit denkt, als unser« Köche, wenn
sie den Aal schinden. Trotz der vielen kräftigen
Gestalten giebt es auch verkrüppelte und verküm-
merte, die beim Ratibzug Zurückbleiben und, wenn
die Nahrung knapp wird, verhungern oder nieder-
gemacht werden, wenn sie nicht zu anderen Stam-
men flüchten. Der Apatsche besitzt keinen Muth,
er kämpft nur ans dem Hinterhalt. Er spricht
wenig, und mehr in Geberden als in Lauten. Kr
kennt weder einen Gruss der Begegnung noch des
Abschieds. Die Sprache ist wie die meisten ame-
rikanischen mehr ein Sprechen in Sätzen als in
Worten; die Limte sind überwiegend guttural, so
dass eine laute Rede fast unmöglich ist; auch ein
Schnalzlaut kommt vor, ähnlich dem am oberen
Columbia. Das Hülfszeitwort „sein“ existirt nicht,
statt dessen dienen die Personalprnnomina. Ihr
Zählsystem ist ein decimales und vielleicht von
den spanischen Priestern aus Apatsche- Wörtern
gebildet. Die auf einem Gebiete von der Grösse
Deutschlands herumschweifenden Horden werden
auf etwa 5000 streitbare Männer geschätzt; vor
50 Jahren gaben die Spanier noch die Zahl der-
selben zu 20,000 an.
Herr Dr. Ebers macht einige Bemerkungen
über den frühen Gebrauch metallener Werkzeuge
bei den alten Völkern, z. B. des Smirgelbohrer«
beim Bau der ägyptischen Pyramiden. Sodann er-
wähnt er, dass kupferne Pfeilspitzen von grosser
Härte in Yucatan unter Anwendung von thierischem
Mist beim Schmelzen hergestellt würden, wie die
Römer sich zu solchem Zwecke des Ochsenblutes
bedienten- Das decimale Zahlsystem der Apatscben
hält er für ein entlehntes.
Prof. Schaaffhausen bezweifelt die letztere
Ansicht, indem das Decimalsystem nicht nur für
unsere fortgeschrittene Cultur als das bequemste
sich erweise, was mit der Stellung der Zahlzeichen
beim Rechnen Zusammenhänge, sondern auch, als
di© ursprüngliche Art zu zählen, tust bei allen
wilden Völkern gefunden werde und den Fingern
der Hand entlehnt sei. Nach Gallatin zählen
einige Völker Contralamerikas nicht wie die übri-
gen Amerikaner mit 5 oder 10, sondern mit 20.
Kölle fand, dass auch fast alle afrikanischen Zähl-
systeme mit 5, 10 oder 20 zählen uud dass die
Zahlwörter häufig von den Eigenschaften der ein-
zelnen Finger genommen seien, wie es auch im
Türkischen der Fall sei. Auch die Eskimo zählen
nach Cranz mit den Fingern. Selbst die römischen
Zahlzeichen darf man für die Finger der Hand hal-
ten, die V gleicht der ausgespreizten Hand.
Geh. Rath von Quast lenkt die Aufmerksam-
keit auf die Fund© bearbeiteter Knochen aus den
Höhlen von Perigord und zweifelt, dass die daran
befindlichen Skulpturen das ihnen zugeschriebene
Alter batten und vom sogenannten Urmenschen
herrührten. Er wünscht eine genaue mikroskopi-
sche Untersuchung, die vielleicht Aufschluss gebe
über die Werkzeuge, die dazu gebraucht worden
seien. Es bleibe der Verdacht bestehen, dass die-
selben gefälscht seien.
Prof. Schaaffhausen berichtet, dass diese
Frage auch dem vorjährigen anthropologischen
Congresse in Paris zur Zeit der grossen Industrie-
ausstellung, in der diese Sachen zu sehen waren,
Vorgelegen habe. An dem hohen Alter der bear-
beiteten Rennthierknochen Südfrankreichs könne
nicht gezweifelt werden, doch weiche er von der
Ansicht seiner Faohgenossen in der Schätzung die-
ses Alters ab, worüber er sich bereits ausgespro-
chen habe (Verh. des natnrhist. Vereins Bonn 18G6.
Sitzungsbor. S. 77), indem der Kunststil einiger
dieser Schnitzereien unverkennbar auf den Einfluss
einer gebildeten Kunstepoche sch Hessen lasse und
die bekannten Versuche wilder Völker in solchen
Darstellungen weit übertreffe. An der Acchtheit
Digitized by Google
* Verhandlungen wissenschaftlicher V ersammlungen. 33V)
der in so grosser Zahl gefundenen geschnitzten
Kennthierknochen zu zweifeln , sei kein Grund
vorhanden, und dasselbe gelte von der auf fossiles
Elfenbein geritzten Zeichnung des Mammuth. Aber
einige der auf Steinplatten geritzten Zeichnungen
von Thierbildern, die in Paris ausgestellt waren,
habe er für gefälscht gehalten, weil eine genaue
Betrachtung den frischen Strich des ritzenden In*
strumentes habe erkennen lassen.
Zum Schlüsse hielt Prof. Jacobi aus Leipzig
einen Vortrag über den Ursprung des Namens der
Teutonen. Er glaubt, dass derselbe von den an
Windungen reichen Küsten von Mecklenburg,
Holstein und Schleswig, den Stammsitzen der Teu-
tonen, hergenommen, also topographisch sei, und
sucht in vielen deutschen Wörtern und Ortsnamen
dio Wurzel: tüt oder dieth mit der Bedeutung
von winden, drehen u. s. w. nachzuweisen.
111. Bericht über den 'internationalen Con-
gress für Anthropologie und vorhistori-
sche Archäologie in Paris vom 17. bis 30.
August 1867. Nach dem Compte rendu
de la 2m* Session du Congrvs Inter-
nat etc. Paris 1868*).
Ara 17. Aug. eröffnet© A. de Lojogperier
die Sitzungen im Amphitheater der Ecole de inö-
decine. G. de Mortillct legte im Aufträge von
Percira da Costa Abgüsse von menschlichen Re-
sten und verschiedene Gegenstände der Urzeit,
bearbeitete Knochen, Pfeilspitzen aus Kiesel, Stein-
beile, Thonscherben, eine bronzene Dolchklinge aus
Portugal vor; sie stammen aus der Grotte von Ce-
sareda und aus den Dolmen von Alcugulo und dem
Diluvium von Arruda. Pruner-Bey findet in den
Schädeln und Unterkiefern sowohl den dolichoco-
phalen als brachycephalen Typus; fünf Unterkiefer
zeigen kein vorspringendes Kinn und einen Pro-
gnathismuB der Symphyse. Peignö-Delacourt
glaubt, dass ein schwerer Sandsteinblock von un-
bekannter Herkunft ein Kopfabschneider der Stein-
zeit gewesen sei. Nach Longperier spricht die
Kleinheit des Lochs gegen eine solche Bestimmung;
auch sei das Loch mit einem Metall gemacht; er
hält den Stein für ein religiöses Symbol. Wie iu
Aegypten die Form eines Beils das bieroglypbische
Zeichen für Golf war, so kann die vergrösserte
Form einer Stein waffe im alten Gallien ein Gegen-
stand der Verehrung gewesen sein. Bertrand
bespricht das Denkmal von Argenteuil und äbn-
•) Da <lcr zweite ThtU des franxöjiisvlieii Berichts
(Compte rendu de la sesiion etc.) über die Versammlung
von 1867 erst in diesem Frühjahr erschienen ist, konnte
eine Benchterttiittmig in dieser Zeitschrift nicht früher
nnterooinnicn werden. Die Red.
liehe bedeckte Gänge in der Umgegend von Paris.
Metallene Gerät he lassen sich, wenn sie neben den
steinernen gefunden werden, als später eingeführt
erkennen. G. de Mortillet bemerkt, dass man
in Argenteuil, wie in den Dolmen und Grotten
häufig durchbohrte Süsswassermuscheln (unio) finde,
auch an den Feuerstätten als Reste von Mahlzeiten.
Hebert führt an, dass zu St-Acheul über den in
Müssen lagernden Steinkeilen, gallisch - römische
Gräber sich fanden und darüber noch jetzt ein
Kirchhof.
Am 18. August wurde der Industrieausstel-
lung ein Besuch gemacht In der Gallerte für dio
Geschichte der Arbeiten wurden die in Frankreich
gemachten ältesten Funde besichtigt, das Skelet
des Urs us spelacus aus dem Museum von Toulouse,
die Steingeräthe aus dem Diluvium der Somme,
der Seine, dio Funde von Perigord und den Pyre-
näen, die sogenannten Kerne von Grond-Pressiguy
aus der Zeit der polirten Steine, Gegenstände aus
den Grabstätten, die ältesten Bronzeaachen aus den
Dolmen, die Funde aus den Pfahlbauten Savoyens,
die der Zeit der Metalle angehören. Die engli-
schen Alterthüraer erläuterte Frauke, Worsaae
die dänischen, zumal die Kjökkenmüddings. Q un-
tre fag es kennt ähnliche aber neuere Muschelhau-
fen an den französischen Küsten. Es ist auffallend,
dass die polirten Stein- und Bronzewaffen Däne-
marks in der Arbeit viel vollendeter sind als die
anderer Länder. Auch aus Italien, Russland, Spa-
nien und der Schweiz waren Sachen der Vorzeit
ausgestellt. Sodann wurde die Sammlung altügyp-
tischer Schädel angesehen, die der Vicekönig den Pa-
riser Museen durch Herrn Mariette-Bey geschenkt
hat, darunter 73 Schädel der IV. und VI. Dynastie,
die anderen aus der XI., XVIII. und späteren Dyna-
stien, sowie aus der Ptolemäischen Zeit. Von den
10 zu der Sammlung gehörenden Mumienkasten
wurde einer in Gegenwart der Versammlung ge-
öffnet, cs war der eine« thebaischen Priesters der
XXII. Dynastie. Unter dem rothen Grabtuch um-
gab die oberste Lage von Binden 176 mal die
Mumie, daun folgte ein zweites Grabtucb mit einer
Inschrift, welche sich auf den Gebrauch der Lein-
wand bezog, darunter lag eine zweite Schicht von
Binden, unter welchen (Jompressen lagen, eine
dritte Lage von Querbinden bedeckte die Haut,
von dieser durch eine Lage Bitumen getrennt. Die
einzigen Zierrathen waren eine kleine Schnur
blauer Glasperlen, ein Stück Rinde mit zwei dar-
auf gezeichneten Figuren, vor dem Halse liegend
und darunter eine Blume des Nelumbium.
Am 19. August besichtigte die Versamm-
lung die anthropologische Abtheilung des Museums
im Pfl ad zengarten unter Führung des Dr. Pruner-
Bey. Dieser weist auf dio Achnlickkeit des En-
gisschädels mit einem weiblichen Celtenschädel
hin und findet in dem Unterkiefer von Moulin-
43*
Digitized by Google
340 V erhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Qnignon den ligurischen Typus. Er zeigt 3 Esthen-
schädel, von denen 2 die grösste LVbercinstim-
mung mit den ältesten Schädeln Westeuropas zei-
gen. De Quatrefages legt polirte Steingeräthe
aus Japan vor. De Longperier sagt, dass noch
heute die Japaner sich derselben bedienten; dort
wie in Mexico habe das Steinalter noch nicht auf*
gehört, die Mexicanerinnen schneiden den Faden
statt mit der Scheere mit dem Obsidianmesser
durch. Unter den fossilen Knochen der quaternä-
ren Fauna von Paris macht A. Gaudry aufmerk-
sam auf den cervus canadensis, den dem afrikani-
schen ähnlichen hippopotamus , das Rennthier und
ein Pferd, welches grösser ist als das heutige
wilde Pferd. Zwischen den Knochen der quater-
nären Fauna wurden Kieselgerftthe gefunden von
der Form der von St Acheul.
In der Abendsitzung vom 19. August ge-
denkt C. Vogt zuerst der Gründuog diese« inter-
nationalen Congresses, der, vor zwei Jahren von eini-
gen Mitgliedern der in Spezzia abgehaltenen Ver-
sammlung italienischer Naturforscher verabredet,
s* ine erste Vereinigung im vorigen Jahre in Neu-
chatel unter dem Vorsitze Desor’s hielt. Er schil-
dert die Entwicklung der neuen anthropologischen
Forschung und vergleicht sie einem Kinde, dessen
Geschrei Vielen lästig fällt. Diese Wissenschaft
sei noch nicht fertig, sondern im Kampfe begriffen.
Die Sicherheit ihres Sieges liege in der Genauig-
keit ihrer Beobachtungen, in der Wahrheit ihrer
Berichte, in der strengen Folgerichtigkeit ihrer
Schlüsse. Er zeigt, wie alle Zweige der Natur-
wissenschaft, aber auch Geschichte und Sprachfor-
schung für die Anthropologie unentbehrlich seien.
Wie Materie und Kraft sich als unzerstörbar er-
wiesen hätten und nur unaufhörlich sich verwan-
delten, so geschehe es auch in der geistigen Welt.
Die Götter sterben nicht plötzlich, sie nehmen nur
andere Gestalten an. Die Spuren der ursprüng-
lichen Rohheit des Menschen erkenne ein geübtes
Auge noch in der civilisirten Gesellschaft. Nichts
sei unveränderlicher als der häusliche Herd, als
die lebendige Ueberlieferung von Sitten und Ge-
bräuchen. Es sei leichter, die Regierung eines
Landes zu ändern, als den Herd in der Küche an
eine andere Stelle zu setzen.
E. Dupont schildert die quaternären Schielst
ten der Provinz Namur, die älteste ist ein
Flussgeschiebe, dessen Ablagerung wohl mit den
(iletEchern der Vorzeit zusammenhängt, darüber
liegt ein Thon mit eckigen Steintrümmern und
den Knochen des Rennthiers, und darüber Lehm.
Während der Thalbildung bewohnte die Fauna
des Mammuth das Land, sie besteht aus etwa 50
Sauguthierarten. Vom Menschen sind im trou de
la Na ulet te ein Unterkiefer und ein Cubitus vor-
handen. Die Kieielgeräthe haben die Form derer
von Saint- Acheul ; später erscheinen geschnitzte
Knochen, denen von Perigord ähnlich. Mit dem
Rennthier werden nur rohe Kieselmesser gefunden.
Dieser Zeit gehört die Begräbnisstätte in der
Höhle von Frontal an. Auf die Rennthierzeit
folgt die der polirten Steine. G. Pouch et glaubt,
dass der Mensch oft Ursache de« Verschwindens
gewisser Thiere gewesen; zur Zeit der Römer lebte
das Nilpferd noch im Nildelta, jetzt nur noch in
Nubien. Mortillet erinnert an klimatische Ver-
änderungen aU Ursache der Auswanderung ; Gemse
und .Steinbock bewohnten Perigord in Höhen von
100 hie 150 Mot., jetzt ist es nicht möglich, diese
Thiere in Chambery und Annecy, die 300 bis 450
Met. hoch liegen, einheimisch zu machen. Nilsson
führt an, dass das Rennthier der Torfmoore Skandi-
naviens und das der Lappen verschieden sind, das
letztere stammt aus Finnland. Quatrefages be-
merkt, dass nach Pallas das Rennthier im vorigen
Jahrhundert bis an die Küste des Caspischen Mee-
res kam; das Ausrotten der Wälder hat seine Ver-
breitung nach Süden beschränkt. Vogt sagt, dass
das wilde Rennthier kleiner sei als das gezähmte,
auch das der Samojeden sei grösser und von an-
derer Farbe als das der Lappen. Bourgeois be-
richtet über den Fund roher Kieeelwerkzeuge mit
Spuren des Feuers aus tertiären Schichten von
Theuay: uud über Einschnitte von Menschenhand,
die Delannay auf Rippen und einem Humerus de«
Halitherium entdeckt hat A. Issel legt mensch-
liche Reste und Alterthümer aus Ligurien vor, des-
sen Bewohner Nicolucci für von der arischen
Familie verschieden erklärt hat. Der erste falsche
Backzahn eines Oberkieferstückee aus pliocenem
Thon hat zwei Wurzeln; seine Richtung deutet auf
Prognathisro. In der Grotte von Verezzi, welche
Knochen der poetplioccnen Zeit enthielt, verriethen
aufgeschlagene Röhrenknochen von Pflanzenfres-
sern und Kohlen die Spur des Menschen. Die
Höhle von Menton ist reich an Steinwerkzeugen ;
die von Finale enthielt Menschenknochen, die ge-
brannt und mit Kohlenstückchen zusammengekittet
waren; dabei grobe Topfarbeiton , aus der Hand
geformt. Ein doppel schneidiges Beil aus grünem
Porphyr aus der Gegend von Nizza ist ganz gleich
solchen, die in Dänemark gefunden sind. Die auf
dem Felde in Ligurien häufigen Steinbeile sind
meist aus serpeutinartigem Gestein. Der Gebrauch
der Metalle ist hier erst in historischen Zeiten
durch die Gallier, Etrusker und Römer eingeführt
worden. Boyd Dawkins sendet eine Abhaudlung
ein, worin die Orte angegeben sind, wo in Eng-
land Spuren des Menschen und Knochen ausge-
storbener Thiere in der postglacialen Zeit zusam-
men gefunden worden sind, wie in den Kiealagern
von Bedford, im Flussbett der Themse, in der
Kentshöhle, in der von Wookey. Marion schil-
dert die quaternäre Fauna der Provence. Die
Thiere des Nordens werden hier durch solche ver-
Digitized by Google
341
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
treten, die auf ein wärmeres Klima denten. Das
Rennthier fehlt. In der Höhle von Rigabe finden
sich durchbohrte und eingeechnittene Knochen von
Wiederkäuern mit Retten der hyäna crocuta, rhi-
noceros Merkii, felis spelaea, sus scrofa, bos primig.
cervnB, equue und lepus cunic. Dieser letzte diente
den Menschen vorzugsweise zur Nahrung. J. Des-
noyer zeigt die Photographie eines Stückes Rohr-
geflecht, welches im Schwemmland von Louisiana
unter den Resten des fossilen Elephanten gefun-
den wurde. Schon Koch hat 1857 im Torf des
Missuri angebranntc und eingeschnittenc Knochen
des Mastodon nebst Steingeräthen gefunden. Je-
nes Rohrgeflecht wurde auf der Insel Petite-Anse
14 Fuss tief mit Stein Waffen und Geräthon aus
Holz gefunden, wahrscheinlich Ueberreste der Aus-
beutung des in der Tiefe vorkommenden Salzlagen.
W. P. Blake erwähnt der zahlreichen Steinwerk-
zeuge, die mit Mammuth- und Mastodontenknocben
in dem goldführenden Schwemmlande Californiens
Vorkommen; es sind Mörser und Stöaser, G t* fasse
in der Form grosser Löffel, Speer und Pfeilspitzen,
Ringe von Stein u. a. Diese Dinge sind mit einer
Lavaschicht bedeckt.
ln der Sitzung vom 20. August berichtet
Reboux, dass in den Sand- und Kiessohichten von
Paris die roh herausgeschlagenen Kiesclgeräthe
am untersten, die feiner gearbeiteten in der Mitte,
die polirten an der Oberfläche Vorkommen, auch
schliesst er aus den Funden, dass die ältesten Be-
wohner an den Flüssen wohnten. Mit den rohen
Kieselwaffen sollen Pferd und Elephant, mit den
feineren der Ochs, mit den polirten da» Rennthier
gleichzeitig sein. Roujou bestreitet diese Anga-
ben. In den qnaternären Schichten von Paris kom-
men niemals polirte Kieselgeräthe vor, mit diesen
erscheinen die gezähmten Thiere; das Rennthier
lebte zu dieser Zeit nicht mehr in Frankreich.
Auch Worsaae will nur rohe und polirte Kiesel-
waffen unterscheiden. E. Lar t et verwirft die
von Reboux gegebene Reihenfolge der fossilen
Thiere. Martin und Leguay geben an, dass die
Kieselgeräthe oft auf dem Blocke seihet ausgear-
beitet und dann von ihm getrennt wurden. Et. de
Rossi sendet eine Mittheilung ein über die Vor-
zeit der römischen Carapagna. In der quaternären
Zeit wohnte der Mensch hier in der Nähe der Ge-
birge, aber nicht in der Ebene; daher die im Dilu-
vium gefundenen Gegenstände um so mehr Spuren
der Rollung zeigen, je ferner vom Gebirge sie
gefunden werden. Die Fundstätten von Steinwaf-
fen sind zahlreich; in der Nähe der polirten Werk-
zeuge finden sich auch die Rochenzähne , von den
Alten glosaopetrae genannt. In der Heilquelle von
Vicarello hat man in chronologischer Ordnung die
als Opfer hineingeworfenen Gegenstände, Münzen
der Kaiserzeit, der Republik, rohes Erz, endlich
rohe Gerätho aus Kiesel, der der Gegend fremd
ist, aufgefunden. Br uschi hat bei Cometo in
etruskischen Gräbern Paalstäbe aus Bronze gefun-
den. Derselbe Fund wurde an anderen Orten ge-
macht. Man darf schliessen, dass Gelte, Paalstäbe
und Kieselmeescr bei den Etruskern zu religiösen
Zwecken in Gebrauch blieben. An den Denkma-
len der Eisenzeit , die man unter vulkanischen
Aschen des Alhanergebirges gefunden, zeigt sich
der etruskische Einfluss. Kürzlich hat man wieder
am Berge Crescenzio unter einer Peperinschichte
Todtenurnen, die in einer gewissen Ordnung stan-
den, ausgegraben, lu den Urnen standen thönerne
Aschengefässe von der Form einer Hütte. Allmäh-
lich verliert eich der etruskische Stil und es folgen
römische Gefaeae. De Vogue legt ein Beil und
einen Hammer aus Feuerstein und eine durch-
bohrte Muschel vor, die bei Bethlehem gefunden
sind. In Syrien giebt es Grotten, die noch von
den Hirten bewohnt sind. Diese Gegenden, deren
Coltnr 2 bis 3 Jahrtausende älter ist als die an-
derer Länder, hatten auch ihr Steinalter, und,
wiewohl die Kenntniss der Metalle in eine sehr
frühe Zeit zurückreicht, erhielt sich in religiöseu
Gebräuchen das Andenken an dasselbe. In Palä-
stina wurde die Beechneidnog mit einem Feuerstein-
messer geübt, Jos. V, 2, in Aegypten der Einschnitt
in die Leiche heim Einhalaamiren mit dem äthio-
pischen Stein gemacht. In Assyrien fand man in
den Fundamenten des Palastes von Korsabad
Kieselmesser mit anderen Amuletten. Die aus gros-
sen unbehauenen Steinen errichteten Denkmale der
Hebräer in Judäa scheinen eine Ueberlieferung der
ältesten Vorzeit zu sein. Ghabas sagt, dass man
in Leyden einen äthiopischen Stein aufbewahre,
er ist polirt und hat die Gestalt des Halbmonds.
L. Lartet bezieht sich auf seine 1864 mit dem
Herzog von Luynes nach Syrien gemachte Reise;
in den Grotten von Nahr-el-Kelle fanden sie Feuer-
stätten, zerbrochene und calcinirte Knochen und
Kieselgeräthe, ähnlich denen von Perigord; die
Knochen sind aber von dort oder in der Nähe noch
lebendeu Thieren, z. B. Damhirsch, Steinbock, An-
tilope und Ziege. Ed. Lartet gedenkt eines
Steinbeils, welches Taylor von Babylon gebracht
A. de Longperier bemerkt, dass der Palast von
Korsabad im 8. Jahrhundert vor Christ, gebaut
sei, und dass man unter den grossen Stierbildern
Schmucksachen aus edlen Steinen, Skarahäen mit
phönizischer Inschrift und zwei Kieselmesser ge-
funden habe. Worsaae führt an, dass man in
der Sahara Beile aus Feuerstein und Bronze, den
europäischen ähnlich, finde. Mortillet sagt, dass
die Bewohner der Insel Elba Pfeilspitzen aus Kie-
sel, in Silber gefasst als A malet tragen und dass
auch die Römer diesen Aberglauben kannten.
Jo ly theilt mit dass man in einem Grabhügel in
Flandern sechs Steinbeile, im Kreise um das Grab
gestellt, gefunden habe. De L*stic Bucht die An-
342
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
sicht su begründen, dass der Mensch lange vor
dem Rennthier in der Höhle von Bruniquel erschie-
nen sei. Schlagintweit-Sakünlünski richtet
folgende Mittheilungen an den Congress: die ein-
geborenen Stämme Indiens zeigen manche Ueber-
einstimmung mit deu vorhistorischen Uacen Euro-
pas, und verdienen in dieser Beziehung eine ge-
nauere Untersuchung ihrer physischen Constitution.
Er verweist auf die photographischen und plasti-
schen Darstellungen derselben und den 7. Band
der Results of a seien tif. miss, to India and High-
Asia. Der orientalische Nephrit wird nicht nur
in China, sondern auch in dem Künlün, der dritten
Bergkette Hochasiens, gefunden; int Bruche ist er
weich und wird erst hart an der Luft. Die Glet-
scher Hochasiens reichen bis zur Isotherme von 8
bis 9° herab, während sie iu den Alpen nur bis
61/* hinabgehen.
Am 21. AugUBt machte die Versammlung
dem unter Direction von H. Bertrand stehenden
Museum in St. Germain einen Besuch, dessen rei-
cher Inhalt und musterhafte Anordnung den all-
gemeinsten Beifall fanden. In der Abendsitzung
sprach Ed. Lartet über die Höhlen. In einigen
trifft man die ganze Dilnvialfauna an; in anderen
sind mehrere dieser Thierc verschwunden, aber das
Rennthier findet sich in grösster Menge, die Ar-
beiten von Menschenhand zeigen grosse Fortschritte,
einige sind wahre Kunstwerke; eine dritte Art von
Höhlen enthält nur Knochen von Hausthieren,
zahlreiche Thonscherben, die Steingeräthe sind po-
lirt. Schon Homer erwähnt der Grotten als Zu-
flucht der Menschen; skandinavische Sagen erzäh-
len, dass die Menschen am Eingang ihrer Höhlen
seufzten während des Krieges der Götten Die
Stein Werkzeuge des Diluviums sind oft ganz gleich
denen der Höhlen. Die Höhle von Baume enthält
Reste einer tertiären Fauna, aber keine Spur des
Menschon. Vor der Eiszeit war keine Höhle vom
Menschen bewohnt. Desnoyers sagt, dass die
meisten Höhlen im Kalkgebirge die durch das
\V asser erweiterten Risse des Gesteins seien. Die
Ausfüllung der Höhlen kann durch Raubthiere und
das Wasser geschehen sein; in diesem Fall können
Reste ausgestorbener Thicre mit römischen Altur-
thümern zusammenliegen. Oder der Mensch selbst
hat den Inhalt der Höhlen zusammengehäuft, grosse
Rollsteine, z. B. aus dem 100 Mut. tiefen Thalgrund
heraufgebracht, die ihm zum Kochen des Wassers
dienten. Dr. Charvet berichtet über dio Höhle
La BuiRse bei Grenoble; sie enthält Stein- und
Knochengerüthe und zahlreiche Menschenreste von
jungen Leuten. Die Schädel sind von den heuti-
gen nicht sehr verschieden ; an einem sind die
StirnwulBte stark vortretend. Auffallend ist die
grosse Dicke der meisten Schädelknochen , ein
Schädel ist in hohem Grade brachycephal. Die
Zähne einiger Unterkiefer sind stark abgeschliffen,
der innere Rand der Kronen steht vor; die Kiefer
sind nicht prognath. Die Muskelansätze des Schä-
dels sind wenig entwickelt, dagegen die der Glie-
der stark vortretend; so die des deltoideus an einem
humerus, die fossa ul ec ran i ist durchbohrt. Nach
Cruveilhier kommt diese Eigenthümlichkeit zu-
weilen, nach Meckel ziemlich häufig, nach Sap-
pey häufig bei der weissen Rare vor. Ist sie ein
Merkmal niederer Race, da sie beim Neger öfter
sich findet? An einem Radius zeigt sich ein viel
bezeichnenderes Merkmal niederer Organisation;
es ist nämlich die runde Vertiefung der Gelenk-
fläche des Köpfchens vom Radius nicht kreisrund,
sondern oval, das deutet auf eine weniger freie Ro-
tation des Vorderarms. Vom Affen an zeigt sich
in der Reihe der Vierfüsser diese Bildung zuneh-
mend, weil sie der eingeschränkteren Bewegung
dieser Gliedmasse entspricht. War die Grotte
eine Grabstätte, birgt sie Reste der Anthropophagie
oder eines Menschenopfers? Ein polirter Stein hat
die Form eines Halbmonds, ein menschlicher Schä-
delknochen ist wie ein Löffel ohne Stiel gearbeitet
Maury glaubt, dass man früher die Höhlen be-
wohnt und erst späterhin als Begräbnissorte be-
nutzt habe. Dies bezweifelt Vogt, der daran er-
innert, dass es Wilde gebe, die mit ihren Todten
in derselben Hütte wohnen. Broca sagt, dass
dicke Knochen an alten Schädeln, z. B. denen der
Dohnen, häufig seien; auch habe er gefunden, dass
die Durchbohrung der fossa olecrani in alten Zei-
ten häufiger gewesen. Von 130 Armknochen des
südlichen Kirchhofs von Paris seien 4'/t Proc., in
der Höhle von Orrouy seien von 32 dem Bronze-
alter angehöri gen 8 durchbohrt; in diesem Falle
sei es vielleicht ein Merkmal der Familie gewesen.
Im Museum von Paris hat kein Negerskelet die
Durchbohrung de« brachium, die bei Hottentotten
und Guanchen gewöhnlich sei. Das Zeichen habe
keine Bedoutung für den Grad der Organisation,
auch einigen Affen fehle es. Hamy führt an, dass
nach Dupont an Oberarmknochen aus der Renn-
thierzeit 30 Proc. und an solchen aus der Stein-
zeit von Grenelle von 7 nach Martin 2 durch-
bohrt waren. An den Knochen von Argenteuil,
von Vaurcal, von Orrouy waren es 25 Proc.
Nach Sau vage gaben dagegen die Skelete einer
Grabstätte aus dem 17. Jahrhundert nur 4,6 Proc.
Hamy weiss keine Erklärung für diese Erschei-
nung; er erwähnt noch eines Negerskcleta im Mu-
seum Orfila, dessen beide hnmerus weit durch-
bohrt sind. De Lastic theilt mit, dass man in
einer Höhle unter den Rennthierknochen eine
weisse pulverige Masse gefunden habe, die sich als
kohlensaurer und phosphorsaurer Kalk erwies, also
von einer Verbrennung von Knochen herrührte.
Verbrannte man damals schon die Todten? A. Steu-
del erzählt den Fund zahlreicher Rennthierkno-
chen bei Schusaenried; sie sind frisch zerschlagen,
Digitized by Google
343
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
dabei finden sich Reste des Vielfrass und des Eis-
fuchs, rohe Werk seu ge aus Knochen, z. B. Pfeifen,
ans Phalangen gemacht, auch Kügelchen eines ro-
then Farbstoffs; die Moose hat Schimper als ark-
tische erkannt, es sind hypnum sarmentosum und
aduncum, die auch in der Schweiz jetzt nicht Vor-
kommen. In Stuttgart ist ein ganzes Skelet des
Rennthiers von hier aufgestellt- Desor bezeichnet
die Gegend des Fundes als die Endmoraine des
grossen Rheingletschers; die gestreiften Kiesel be-
weisen die Gegenwart eines Gletschers. Mit dem
Zurückweichen der Gletscher wird der Mensch und
das Rennthier hier erschienen sein.
In der Sitzung am 22. August berichtet
Pruner-Bey, dass er den humerns einer Negerin
besitze, der weit durchbohrt sei. Diese Eigentüm-
lichkeit komme auch bei den Bewohnern von Peru,
Bolivia und Mexico, sowie den Calmukken vor.
Pruner-Bey bemerkt an den von Issel vorge-
legten Kieferstücken, die kleinen und kurzen Al-
veolen, und die doppelte Wurzel des ersten Premo-
laren im Oberkiefer, die einfachen Nähte der Schä-
delbruchstücke, das alles deute auf den ligurischen
Typus; auffallend sei die starke Rückwärtsneigung
des spitzen KronenfortEatzes am Unterkiefer. Vogt
bezweifelt doch die Gleichzeitigkeit dieser Reste
mit der pliocenen Schicht, in der sie gefunden
soien, dasselbe gelte von dem bei Florenz durch
Cocchi gefundenen Schädel. Cotteau giebt Werk-
stätten für Kieselgeräthe an der Yonne an. Hier-
auf werden einige Angaben von Spuren des t’anni-
balismus in der Vorzeit besprochen, die aber alle
zweifelhaft erscheinen. Vogt unterscheidet den
religiösen Cannibalism von dem, zu welchem die
Noth zwingt. Longperier mahnt zur Vorsicht
im Urthei). Die Eroberer hätten den unterworfe-
nen Völkern solche Dinge nachgesagt. Von den
Aymaras hätten die Incas behauptet, sie gingen
auf allen Vieren. Rroca sagt, auf Tahiti habe der
König das Recht gehabt, das Auge der Geopferten
zu essen; der erste Name der Königin Pomare:
AYmata bedeute: „ich esse das Auge“. Er sah ein
menschliches Femur aus den Schweizer Pfahlhaufen,
in welchem die Markhöhle vergrössert und wie mit
einem Instrument ausgetieft war. Longperier
glaubt, dass, wenn rann au9 Menschenknochen ein
Werkzeug, z. B. eine Flöte gemacht habe, dies
noch nicht die Anthropophagie beweise. Nach
Worsaae fehlen sichere Beweise für Authropoplia-
gie in Dänemark. Doch erwähnt er des Fundes
angebrannter und nicht gebrannter Knochen aus
einem Dolmen, die Spring in derselben Weise
zerschlagen fand, wie die von Chauvaux. Clement
meint, dass an den durchbohrten und bearbeiteten
Knochen von St. Aubin die Bruchstellen abgenagt
seien und dass ihre Lagerung gerade unter dem
Fugssteg des Pfahlbaues dafür spreche, dass sie
vom Fleische befreit senkrecht in das Wasser
hiuabgefallen seien.
Am 23. August besichtigte ein Theil der
Mitglieder des Congresses unter Führung von Le-
gnay das megalithische Monument von Argenteuil,
das er erst im Januar entdeckt hat Es ist ein
bedeckter Gang, dessen Seiten mauern von kleinen
Steinen trocken au/geführt sind; die Decke wird
von rohen Steinplatten gebildet Man fand darin
5 fast ganz erhaltene dolichocephalo Schädel, man-
cherlei rohe und polirte Kieselgeräthe zum Theil
noch mit den Griffen aus Hirschhorn. Das Monu-
ment ist vor gänzlichem Einsturz geschützt und
vom Staate angekauft. In der Sitzung vom
23. August spricht A. Bert ran d über die raegali-
thischen Monumente und bezeichnet ihre Verbrei-
tung. Sie sind Grabmäler und finden sich meiert,
zuraal in Frankreich, nur an den Küsten und den
Ufern grosser Flüsse. Sie enthalten gewöhnlich
polirte Steingeräthe ; die grössten und schönsten
in Dänemark, England uud Frankreich enthalten
keine Bronze; diese findet sich aber in den kleine-
ren Bauten dieser Art im südwestlichen Frankreich.
In Afrika gehören sie fast alle dem Zeitalter der
Bronze, selbst des Eisens an. Maury legt Zeich-
nungen zu den Forschungen Squiers in den Chul-
pas von Fern vor. Ph. Lalande legt eine Karte
vor über die Monumente der Correze und des Can-
tal, und giebt eine Beschreibung derselben. Pe-
reira da Costa sendet einen Bericht ein über die
Funde aus der Urzeit Portugals. In den unter-
sten Schichten der quaternären Ablagerungen sind
rohe Kieselgeräthe vielfach, aber keine Reste des
Menschen, der Thier- und Pflanzenwelt gefunden.
Nur in einer Höhle wurden zahlreiche menschliche
Kieferstücke, die auf Prognäthismus deuten und
ein Schädel ans Licht gebracht. Im Jahre 1734
zählte ein Schriftsteller 315 Antas oder Dolmen
in Portugal, P. da Costa konnte nur 39 ausfindig
machen. Die vorgeschichtlichen Funde von Bronze
sind w'enig zahlreich; die menschlichen Uebcrreste
scheinen auf zwei Racen zu deuten, von denen
eine prognath war. De Longucmar lässt eine
Karte des Dep. der Vienne vorlegen, auf der 77
megalithische Deukmale verzeichnet sind. E. Car-
tailhac giebt ein Verzeichnis» derselben Monu-
mente in Aveyron. Ob die jetzt frei stehenden mit
Erde früher bedeckt waren, ist nicht zu entschei-
den. Inschriften finden Bich nicht, vielleicht hat
das Wetter sie vernichtet. Die Todten sind zu-
weilen sitzend beigesetzt; oft finden sich in einem
Dolmen bis 20 Skelete, Männer, Frauen und Kin-
der, meist in einem ganz zerstörten Zustande. Po-
lirte Steinbeile finden sich fast ni« in diesen Grä-
bern , sondern grobe Thonscherben , die schlecht
gebrannt, mit Fingereindrücken, Zickzacklinien
und gestreiften Pyramiden verziert sind; ferner
Digitized by Google
344
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Perlen und Ziergehänge aus Kalk, Schiefer, Gype,
Braunkohle. Holz, Muschel, Knochen, Zähnen, selbst
Menschenzähnen , gebranntem Thon und Bronze,
Pfeilspitzen aus Feuerstein, denen aus den Pfahl-
bauten ähnlich. Diese Gegenstände deuten auf
eine höhere Cultur, als sie aus dem Inhalt der Dol-
men und Höhlen Südfrankreichs hervorgeht, sie
deuten auf ein neues Volk, welches aus dem Nor-
den Frankreichs gekommen ist. Fast Vs der Funde
ist aus Bronze und ahmt die Formen aus Stein
genau nach, es sind aber nicht Waffen, sondern
Ziergeräthe daraus verfertigt, deren schöne Arbeit
verräth, dass sie eingeführt sind. Das Volk, wel-
ches die grossen Steindenkmale, in denen es seine
Todten vor den Raubthieren und vor der Zerstö-
rung durch die Menschen und die Natur schätzen
wollte, in so grosser Zahl baute, muss lange in
dem Lande gewohnt haben. Das Aufhören dieser
Bauten spricht für die Einwanderung eines neuen
Volkes oder einer neuen Cultur. Die arischen Völ-
ker kannten die Bronze, als sie nach Westen ka-
men und folgten vielleicht den Erbauern der Me-
galithen. Worsaae hebt hervor, dass diese Denk-
male in Norwegen, im nördlichen Schweden, in
Finnland, in Russland, mit Ausnahme von Esth-
land, fehlen. Auch in Thüringen hat man Stein-
kammern mit Skeletten und Kiese] Waffen gefun-
den. Martin glaubt, dass verschiedene Völker
solche Monumente errichtet, und noch in histori-
scher Zeit; so die Hebräer, ehe Salomon die phö-
nizische Kunst angeführt, die Colten, welche die
Erbauer derselben iu Irland sind, indem der In-
halt derselben solche Ornamente zeigt, wie sie bis
ins Mittelalter hei celtischen Völkern üblich wa-
ren, z. B. mit Punkten verzierte Kreise, Sägezähnc,
Rauten, Streifen. Zuweilen tragen die Menhirs
lind Dolmens auch Inschriften, die man alß gälische
erkannt hat Ferguson hat die Grabsuhrift eines
Sohnes der Königin Medf entziffert , die im ersten
oder zweiten christlichen Jahrhundert gelebt hat.
Die Obelisken, auf welchen die schottischen Könige
ihre Jagden und Kämpfe einroeisscln Hessen, schei-
nen die letzte Form der Menhirs 2u sein. Auf
christlichen Grabsteinen findet man noch das Kreuz
über dem alten Bilde der Sonne, einer mit Punk-
ten verzierten Scheibe. Mortillet berichtet, dasB
es Cromlechs in der Lombardei gebe. Worsaae
sagt, dass das Gold, welches man in den Dolmen
finde, dem des Ural gleiche. Oft hätten spätere
Besucher die Dolmen geöffnet; auf den Orkaden
besage eine Runenschrift , dasB Piraten dort gewe-
sen. Lagneau glaubt, dass die Verbreitung der
Megalithen der der gälischen Völker entspreche.
Sie sind sehr häufig an den Küsten des baltischen
Meeres; nach Tacitus sprachen die Oeatyi die
Sprache der Briten und die Gothinen, die das
heutige Schlesien bewohnten, das Gälische. Beide
Völker hatten wie die Gallier als Symbol den Eber.
Die Gälen wohnten von den Küsten des Mittel-
meers bis nach Russland. Die Namen Portugal
und Gallizien erinnern an sie. Worsaae bemerkt,
dass Indien sein Steinalter gehabt habe, wie wir,
und seine Dolmen, die nach Fraser den unsern
gleichen, die Grabmäler jener Zeit gewesen seien.
Dureau widerspricht der Behauptung, dass in
Frankreich die Dolmen sich nur an den Flüssen
fanden. Vogt und de Vihrayo führen au, dass
zuweilen, vorspringende Granitfelsen mit Dolmen
verwechselt worden seien. Martin macht darauf
aufmerksam, die Armen könnten zu gleicher Zeit
in die blosse Erde bestattet worden sein, während
man den Vornehmen Steindenkmale errichtete.
Carro zeigt einen Schädel vor, der 1842 beiCrecy
in einem Steingrabe gefunden ist; eswareu etwa 50
Menschen in drei Lagen übereinander unter einem
3 bis 4 Fuza dicken erratischen Block bestattet.
Die Schichten waren durch Steinplatten, die ein-
zelnen Todten durch aufgerichtete Steine von ein-
ander getrennt; die Todten hatten das Gesicht nach
Osten gerichtet, mit Ausnahme zweier Kinder. Man
fand noch Steinbeile zum Theil in Hirschhorn ge-
fasst, einen knöchernen Dolch, ein Feuerstein messer
in ein Stück Ochsenrippe gefasst, ein ähnliches ist
im Museum von Lausanne, Amulete von Serpen-
tin und Scherben grober Topfarbeit. Martin be-
hauptet nachträglich, dass die grossen Denkmale
der Bretagne und Irlands nnd die kleinen turnuli
der Franche-Comte zwar von derselben Race, aber
aus verschiedenen Zeiten herrührten. Die ersten
hätten einen religiösen Charakter und enthielten
nicht Geruthe des gewöhnlichen Lebens wie die
anderen. Die Bretagne und Irland sind die Wohn-
orte der ältesten Cclteiietämme, die priesterlicbe
Einrichtungen hatten und von einem kriegerischen
Celtenstamme überwunden wurden. Stonehenge
soll aus der späteren Zeit der Druiden herrühren,
die Caesar schildert. Weder die Iberer, deren
Reste die Basken, noch die Finnen können die
Megalithen errichtet haben ; schon ihre gesellschaft-
liche Verfassung hat sic dazu nicht befähigt, wohl
aber die Gallier.
Sitzung vom 24. August. Dmitry-Sont-
zoff legt die Frage vor, ob die Gleichheit der
Steinwerkzeuge verschiedener Länder nur den
gleichen Bildungszustand derselben, oder lebhaften
Verkehr unter ihnen oder eine und dieselbe Race
beweise. L. Lartet bemerkt, dass die den He-
bräern zugeschriebeuen megalithischen Monumente
auf dem linken Ufer des Jordan wohl von einem
älteren Volke herrührten, das die Bibel als ein
Volk von Riesen bezeichnet. Girard de Riallo
beschreibt die Steinhäuser dieser Gegend, die aus
gut gehauenen Blöcken bestehen und steinerne
Thürcn haben. Die heutigen Bewohner der Ledja
werden als Götzendiener und wegen ihres obecö-
non Cult in?, der an den der kananitischen Astarte
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 345
erinnert, Ton Drusen und Mohamedancrn verachtet,
l.eguay meint, dass die Gleichförmigkeit der Dol-
men, der Mangel eines Fortschritts, in dieser Art
zu bauen, für den kurzen Aufenthalt der Erbauer
spreche; vielleicht seieu sie in allen iJLndern als die
Anfänge der Architectur zu betrachten. Martin
glaubt, dass das Fehlen der Metalle in den Dolmen
einen religiösen Grund gehabt habe. Nach Rossi
gebrauchten die Römer die Bronze zu allen religiö-
sen Ceremonien, als das Eisen längst bei ihnen ein-
geführt war. ln der östlichen Tart&rei habe man
kolossale Menhirs entdockt, die ohne Zweifel von
arischen Völkern errichtet seien. Desor weist auf
den allmählichen Fortschritt hin, den die Bewohner
der Pfahlbauten erkennen lassen; dieser bezeichne
eine andere Racc als jene war, die die gewaltigen
Steinbauten aufführtc; Waffen und Thonarbeiton
li essen eine fortgeschrittene Kunst erkennen. Wor-
saae führt an, dass in den Dolmen Dänemarks mit
den Stein waffen verbrannte Knochen sich finden,
während in den Hügelgräbern mit den Bronzewaf-
fen nur bestattete Knochen, also ein durchgreifen-
der Unterschied der Leichenfeier. Longperier
und Andere bringen Beispiele dafür bei, diass man
in den Dolmen sowohl grobe als feine Thongefttase
antreffe.
Am 25. August wurde ein Ausflug nach Saint-
Acheul gemacht. Im Museum von Amiens findet
sich eine ganze Werkst&tte von BronzegusssacheD,
darunter auch ein Sporn aus dem Torf. De Mercey
machte den Führer nach den Sandgruben, er be-
trachtet die auf der Kreide liegenden drei Schich-
ten, ein graues Diluvium, welches gerollte Steine,
fossile Knochen und Feuersteingeräthe enthält, als
vor der Eiszeit, das rothe Diluvium mit eckigen
Steinen ohne Fossilien und Steinwaffen für in der
Eiszeit gebildet. Mortillet behauptet, dass auch
das rothe Diluvium Stein waffen enthalte.
Am 26. August wurde das Museum der Ar-
tillerie besichtigt, das eine Abtheilung für Urge-
schichte enthält, zugleich eine Sammlung von Waf-
fen der heutigen Wilden, und hierauf die mexica-
nische Ausstellung im Ministerium des öffentlichen
Unterrichts. Hier begrüsst der Minister Duruy
die Gesellschaft und Longpör ier erklärt die Samm-
lung. Religiöse Ueherlieferung erhielt bei den Mexi-
canern lange den Gebrauch dor Steinwerkzeuge.
Mit dem Steinmesser, tecpatl, öffneten die Priester
den zum Opfer bestimmten Menschen die Brust.
Die Teokalli sind ganz verschieden von den Pyra-
miden Aegyptens, sie waren Altäre, diese Grabmäler.
Eine Sculptur auf Obsidian zeigt die Zeitrechnung
der Mexicaner. Sie nahmen Perioden von 52 Juh-
ren an, diese waren eingetheilt in vier Perioden
von 13 Jahren, das Jahr hatte 365 Tage und 18
Monate von 20 Tagen. Die Mexicaner hatten schon
Stempel zum Abdrucken wie die Römer. Eigen-
tümlich sind die Thongefasse zum Verbrennen von
ArchiT fOr Aotliropolngtc. B<1. HL Heft fl.
Räucherstoffen, welche auch die Aegypter hatten.
Die Flöten haben dieselben Intervalle der Töne,
wie mau sie in Indien beobachtet.
In der Sitzung dieses Tages hebt Quatre-
fages hervor, das« die Sitten und Gebräuche der
heutigen Wilden uns die Zustände des Urmenschen
erklären müssten. Als Beweis, wie voreilig es sei,
aus dem verschiedenen Grade der Kunstfertigkeit
von Thongefassen auf verschiedene Perioden zu
schliessen, führt er an, dass die Melanesier darin
sehr geschickt seien, die Polynesier aber damit ganz
unbekannt. Nilsson spricht über die Bronzezeit
des nördlichen und westlichen Europas. Die schön-
sten Bronzegerät.he finden sich nie gemischt mit
dem Eisen. Die Menschen der Steinzeit können sie
nicht gefertigt haben, sie sind also eingeführt.
Auch zeigt sich, dass die Bronzesachen ira Norden
mit der Zeit immer schlechter wurden. Die Grab-
mäler, die sie enthalten, kommen immer in einer
gewissen Zahl vereinigt vor, das spricht für den
Aufenthalt von Familien, von Colonien im Lande.
Diese führten auch Metall formen mit sich. Die Dop-
pelspirale an den ältesten Bronzen ist ein phöni-
zischcs Ornament Es ist höchst wahrscheinlich,
dass diejenigen, welche das Zinn in England und
den Bernstein an der Ostküste holten, auch die
Bronze im Norden einführten. Vor Homer und He-
siod spricht kein alter Schriftsteller von Bronzt-
wrtffen; die kurzen Handgriffe der Schwerter deu-
ten auf ein fremdes Volk. Die Monumente des
Bronzealters sind phönizische; in den Ruinen der
von Nicolucci beschriebenen phönizischen Stadt
bei Tarros in Sardinien hat man dieselben Bronze-
geräthe in den Gräbern gefunden wie in Skandina-
vien. Desor sagt, dass er in Betreff der Bronze-
sachen der Schweiz anderer Ansicht sei, hier seien
die ersten Bronzegerftthe die genauen Nachahmun-
gen derselben Werkzeuge von Stein oder Knochen;
sie sind überhaupt verschieden von den nordischen
und weniger kunstvoll; aber die Bronzen von Hall-
stadt sind gleich denen des Nordens. Mit ihnen
kommt aber das Eisen vor. Mortillet schildert,
wie allmählich in Italien und iin südlichen Frank-
reich die Bronze auftrete. Nilsson bemerkt, dass
im Norden mit dem Auftreten des Eisens die Bronzc-
geräthe schlechter werden. Martin sagt, das, was
Nilsson auf nordischen Denkmalen für einen Palm-
zweig halte, sei das Farm kraut, welches auch euf
gallischen Münzen vorkomme. Longperier fragt,
ob die Phönizier in fremden Ländern wohl Bunten
errichtet hätten, die in ihrem eigenen Lande fehl-
ten; die Spinde finde sich nie an phönizischen AI-
terthümern, wohl aber an ctrurischen. Franks
behauptet, das Monument von Gozzo hätten die
Berber gebaut; die Phönizier hätten immer den Stil
anderen Völkern entlehnt und keine eigene Kunst
gehabt. Warum hätten sie nur die Bronze und nicht
das Eiseu den anderen Völkern gebracht, da sie es
44
Digitized by Google
34 ß Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
kannten? Virchow giebt eine Zusammenstellung
der nun schon mehrfach im Norden gefundenen
kleinen Bronzewagen» die man den in der Bibel
beschriebenen im Tempel des Salomen befindlichen
verglichen hat und legt die Zeichnung eines solchen
aus Burg im Spreewald vor. Broca lenkt die Auf-
merksamkeit auf die chemische Zusammensetzung
der Bronzen. Nach Desor geht aus Fellenberg’s
Arbeiten hervor, dass die Bronzen des Nordens,
Mecklenburgs und Hullstadts die gleiche Mischung
haben; die etruskischen, griechischen und römischen
seien unrein und enthalten Blei und Zink. Vogt
fuhrt. Wiebel s Bemerkung an, das» die Alten nicht
die reinen Metalle, sondern die Erze gemischt
Nach Schaafhausen hat Göben schon vor 25
Jahren nachgewiesen, dass die Zusammensetzung
der alten ßronzesachen je nach dem Gebrauch der-
selben, sehr verschieden sei, dass aber nur die römi-
schen Zink enthalten.
Sitzung am 27. August. Es wird eine von
Houzeau an den Congress gerichtete Einladung,
ira nächsten Jahre in Belgien zu tagen, vorgelesen
und die Stadt Mons vorgeschlagen, in deren Nähe
Spien nes liege, wo Kieselgerüthe in grösster Menge
gefunden werden, mit Knochen des Elephas und
Hhinoceros. Arceliu berichtet über Aufgrabungon
an den Ufern der Saune und des Ain. In der Tiefe
von etwa 1 Meter finden sich römische Reste, dar-
unter 2 Meter tief polirte Steingeräthe, grobe Topf-
seberben und Knochen lebender Thiere. Für die
ganze Lehiuablagerung berechnet er 9- bis 10,000
Jahre, vor derselben war die Gegend ein Sumpf.
Campagne zeigt Stein* und Bronzesachen vom Pas
de Grigny, darunter eine Angel, Sicheln und Na-
deln auB Bronze, ein zur Hacke eingerichtetes Hirsch-
geweih. Costa de Beauregard zeigt Pfahlbau-
alterthümer aus dem See von Bourget, darunter sel-
tene Brouzegeräthe, eine Sichel, wie sie in den in
der Nähe der Keufchateler Pfahlbauten vorkommen-
den, von Clement als die Gräber dieser Zeit ent-
deckten Steinhügeln, nebst Aschen, Kohlen und
anderen Bronzesachen sich finden, was Desor als
eine wichtige Bestätigung dieser Deutung betrach-
tet Stendel zeigt Glasstücke aus dem Constanzer
See. Vogt bemerkt, dass die Glasbereitung mit
dem Schmelzen der Metalle gleichzeitig gewesen sein
müsse. Mortillet findet, dass jenes Glas dem galli-
schen gleiche. Steudol hält es für das Bruchstück
einer Vase und für phönizisch. Nach Lougperier
haben die Phönizier nur dunkles farbiges Glas ge-
macht, kein durchsichtiges. Leg nay will eineceltische
Topfscherbe mit einem Glasfluss bedeckt gefunden
haben und eine Schlacke so zugeschlagen, wie Feuer-
steinmesser. Roujou sagt, dass man in der Steinzeit
nie Glasschlacken finde. E. Ben oit berichtet über die
Funde in der Grotte von Baume im Jura. Er betrach-
tet die hier gefundenen Thiere als die letzte tertiäre
Fauna, in eine quaternäre Bildung eingeschlossen.
Der Anfang der quaternären Epoche war die Eis-
zeit. Die von den Borgen herabgefiüchteten Thiere
konnten nach der Eiszeit dahin zurückkehren. Der
Mensch erschien erst nach der Eiszeit auf dem
Jura; au» der Erdart der ältesten Töpfe schliesst
er, dass derselbe aus dem Gebiete der Loire in das
der Saöne gekommen sei, also von Westen nach
Osten. Desor bemerkt, dass die Gletscherperiode
eine lange Zeit umfasse, die Gletscher sind zurück-
gewichen und wieder vorgegangen, wie sich am
Ufer des Züricher- und Pfäffikonsees beobachten
lasst. Der Höhlenbär reicht im Jura bis vor die
Eiszeit. Der Jura bat zur Eiszeit sein heutiges
Relief gehabt, es entstand gleichzeitig mit den
Alpen. Nichts spricht dafür, dass der Mensch vor
der Erhebung der Alpen da war. Lartet schildert
die Thiere, die in der Eiszeit in Frankreich und
England lebten; im Mittelmeer lebten arktische
Formen, Aegypten, Libyen und Griechenland waren
wahrscheinlich noch unter Wasser. Quatrefage*
fragt, ob damit nicht erklärt werde, weshalb Nord-
afrika nicht von Negern bewohnt sei. Vogt glaubt,
das» Europa zur Eiszeit dem heutigen Neuseeland
geglichen habe, wo die Gletscher fast bis an» Meer
reichen, aber doch eine Palmonflora besteht. Eu-
ropa hatte ein Inselklima, kühle Sommer und warme
Winter; die Sahara war noch ein Meer, Finnland
eine Insel, Dänemark mit Skandinavien vereinigt,
England mit Frankreich; Sibirien, das uns jetzt die
kalten Winde eeudet, war noch unter Wasser.
Am 28. August wurde die Sammlung der
anthropologischen Gesellschaft den Congressmit-
gliedern durch Broca gezeigt, und Vogt knüpfte
an die hier befindlichen Schädelabgüsee einen Vor-
trag überMikrocephalie. Io der Abendsitzuug spricht
A. Gau dry zuerst über die mythologischen Thiere
de« Alterthums. Er längnet, dass die fossilen Thiere
von Pikerini den Künstlern Griechenlands die Mu*
ater zu ihren Schöpfungen gegeben haben und zeigt
die Verschiedenheit derselben; aber ihr Bild mag
sich in den Ucherlicferungen aus der Vorzeit erhal-
ten haben. Lougperier sagt, einige mytholo-
gische Thiere, wie der Pegasus, seien reine Phan-
tasiegebilde, andere znm Tbeil der Natur abgese-
hen, wie die Hyder dem im Mittelmeer häufigen
Polypen gleicht, dem die abgeschnittenen Anne
nach wuchsen. Der Drache ist bei den Alten immer
nur eine Schlange, erst in der Apokalypse ist er
geflügelt. Die geflügelten Thierge»taltcn stammen
aus der asiatischen Kunst und hatten symbolische
Bedeutung Schoo bei den Griechen gaben sie zu
Sagen Veranlassung, es verwüstet z. B. ein geflü-
gelter Eber die Gegend von Clazomene. Im Mit-
telalter kämpfen dann die Heiligen mit denselben
Drachen. Mortillet schildert, wie in den Tcr-
ramarce der Emilia, welche Haufen von Scherben
nnd Küchenabfftllen sind, die Schichten der Bronze-
und Eisenzeit regelmassig übereinander liegen.
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 347
Graf Gozzadini hat bei Bologna 189 Gräber aus
der ersten Eisenzeit geöffnet; es erscheinen schon
Thierbilder auf den Vasen. Der etruskische Ein-
fluss ist hemerklich. Zahlreiche Funde auf beiden
Seiten der Alpen, in Burgund und dem Elsass ge-
hören dieser Ci vilisation an. Man darf diese Zeit vor-
historisch nennen, denn die Gräber von Albano unter
vulkanischem Tuff gehören ihr an. Nach Franks
geht die Eisenzeit in England 200 Jahre vor Christo
zurück. Desor nimmt in Neuchatel drei Perioden der
Eisenzeit an, die älteste vor unserer Zeitrechnung,
die zweite, die gallische, bis zum Anfang derselben,
und eine dritte, die holveto-burgundische. Long-
perier macht darauf aufmerksam, dass das Eisen
wohl oft nur deshalb in den Grabfunden fehle, weil
es leichter zerstörbar sei als die Brouze, oder wegen
unkenntlicher Veränderung übersehen werde. In
Aegypten hat man Messer von gutem Eisen, viel-
leicht von Stahl, mit geschnitzten knöchernen Grif-
fen aus pharaonischer Zeit gefunden; in Ehorsabad
hat man zahlreiche eiserne Geräthe, auch ganze
Blöcke dieses Metalls gefunden, die also dem achten
Jahrhundert vor Christo angehören. Die Griechen
zogen die glänzende Bronze dem Eisen vor, wel-
ches Uesiod schwarz nennt. Auch bei Persepolis
hat man eiserne Pfeile gefunden. Ilerodot (I. 67)
führt Eisenschmieden in Griechenland an zur Zeit
des Crösus, also im sechsten Jahrhundert vor Christo.
Costa de Beauregard spricht über ein grosses
Grabfeld bei Belleville in Savoyen aus dem Anfang
der Eisenzeit; er giebt demselben im Vergleich zu
dem von VillanoYa, dessen ae« rüde auf Numa hin-
weist, ein Alter von 1000 Jahren vor Christo. Die
Gräber enthalten keine Waffen, sie sind reich an
Bronzesachen und Bernstein. Zwischen den Stei-
nen, die den Grabhügel bedecken, fand man Bruch-
stücke von Menschenknochen; sind es Beste von
Menschenopfern? Martin schildert die wiederhol-
ten Einwanderungen celtischer Völker nach Frank-
reich; die jüngste fand Am Ende des vierten Jahr-
hunderte vor Christo statt, eine andere um 600 vor
Christo, eine ältere war die der Kimmerier und Ve-
neter, welche nach Strabo von den Küsten des
schwarzen Meeres kamen. Homer lässt die Vene-
ter noch in Kleinasien wohnen. Vor den Kimme-
riern, die zwischen dem sechsten und zehnten Jahr-
hundert nach Gallien kamen, wohnten hier die
Gaelen, welche Spanien und Italien um 1500 vor
Christo eroberten. Geschah die erste Auswande-
rung der Gelten aus ihrer arischen Hei math vor der
Revolution des Zoroaster, so erfolgte sie etwa 2000
Jahre vor Christo. In Bezug auf die kloinon Hand-
griffe mancher Bronzewaffen bemerkt Guillard,
dass noch im Caucasu» Waffen gemacht würden,
deren Griffe zu klein seien für eine starke Hand.
Longperier sagt, wir seien an zu grosse Griffe
gewöhnt, die alten Brouze waffen könnten immer
mit vier Fingern umfasst werden. V. Schmidt
spricht über das Eisenalter in Skandinavien, seine
Ansichten sind niedergelegt in seiner Schrift: „Le
Dänemark ä l'exposit. univ. de 1867. Paris 1868. u
Longperier warnt davor, Gräber, in donen sich
keine Münzen finden', für älter zu halten als der
Gebrauch der Münzen. Die Erfindung des Geldes
sei nicht alt Die grossen Reiche von Aegypten,
Babylonien, Assyrien hätten ohne Geld bestanden,
dieses wurde zuerst von den Königen von Lydien,
Samos und Macedonien, sowie von den Republiken
Süditaliens eingeführt. In weiten Gebieten Asiens
und Afrikas dienen Muscheln oder Salz als Geld.
Selbst in China zieht man die Barren der Münze
vor. Vom siebenten Jahrhundert vor Christo an hat
man in süditalischeil Städten schöne Silbermünzen
geprägt. In Bezug auf die in Hallstadt gefundenen
Schwertgriffe von Elfenbein bemerkt er, dass auf
griechischen Vasenbildern des fünften Jahrhunderts
vor Christo die grossen Griffe der Schwerter weise
gemalt »eien, wie diese Farbe auch das Elfenbein
an der Leyer Anzeige. Bo yd Dawkins macht
eine Mittheilung über die vorgeschichtlichen Tliiere
Englands, die mit den Spuren des Menschen sich
finden und von den pleistocenen oder postglaciären
zu unterscheiden sind. Es sind in dieser Zeit der
Höhlenbär, der Löwe, die Hyäne and die grossen
Pachydermen verschwunden; dagegen erscheinen zum
erstenmale Schaf, Ziege und boe longifrons. Dieser
verschwindet mit der Ankunft der Sachsen in Eng-
land. Er lebt noch im Pays de Galles und in Schott*
land, wohin die Celto- Römer sich flüchteten. Die
Sachsen haben wahrscheinlich die grössere friesische
Race eingeführt. Der Riesenhirsch, das Rennthier
und dasEIenn sind vor der Ankunft der Römer ver-
schwunden; diese brachten den Dammhirsch mit.
Der Wolf wurde in England IS06, in Schottland
1680, in Irland 1710 ausgerottet. Die vorhisto-
rische Fauna der Bronzezeit, der der geschliffenen
Steinwaffen, des Torfs und des Diluviums ist die-
selbe. Gemse und Steinhock fehlen in England, sie
müssen nach Europa gekommen sein, als jenes be-
reits eine Insel war.
Sitzung am 29. August. Professor An.
ßogdanow legt seine Schrift: „Sur le peuple des
tumuluh du gouvernement de Moscou“ vor. Er
beschreibt die Funde von 216 Grabhügeln. Das
Volk, das sie errichtet, war dolichocephal , sein
Schädelindex gleich 74; die Schädel sind sehr stark
und geräumig, mit sehr entwickeltem Hinter-
haupt. E. Sau vage berichtet über eine Werk-
stätte von Steingeräthen zu Alpreck bei ßoulogne*
zur* Mer; nur die rohen Feuersteine zeigen die Spur
des Feuern. Fl. Römer schildert die Vorzeit Un-
garns und meldet, das» eine von der Academie in
Pcsth ernannte Commission für Archäologie sich
mit deren Erforschung befassen wird. Die polirten
Steinbeile und Hammer worden vom Volke als Amu-
lete noch jetzt gebraucht. Das Unfertige vieler
44*
Digitized by Google
M4K Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Hronzewaffen beweist, das» sie im Lande gemacht
wurden; darunter sind Streithämmer und Bronze-
bleche, wie sie noch beim Landvolk üblich sind.
Die oft schön verzierten Bronze- und Goldgeräthe
finden sich gewöhnlich frei in der Erde oder in
Töpfen. Auch Steingräber giebt es; die Szekler und
Magyaren üben noch heute den Gebrauch, im Vor-
beigehen Steine auf die Gräber zu werfen. Das
ganze Land ist von alten Wällen und Gräben durch-
zogen. Km. Martin berichtet über den Fund zahl-
reicher Menschenknochen mit rohen Kiesel gerät hen
in den Kies- und Sundlagern von Grenelle: diese
Schichten sind quaternär und enthalten auch erra-
tische Blöcke in derselben Tiefe von 3 bis 5 Me-
ter. Mit den Menschenknochen, die ohne allen Knor-
pel sind, fanden sich die des Renhthiers und des
Elephantcn, auch aufgeachlageno Plerdeknochen ;
sie lagen im gewachsenen Hoden, der in ihrer Nähe
braun gefärbt war. Die Schädel, von denen einer
auffallend dick, haben fliehende enge Stirnen, starke
Stirnwülste und Stirnhöhlen, meist gerade» Gebiss,
die tibias sind schmal, die humerus oft durchbohrt,
die Race war raittelgrosa. Pruner-Bey legt die
vonDupont in den belgischen Höhlen gefundenen
Schädel vor und hebt die mongoloide Form dersel-
ben hervor. Ein Schädel von Bruniquel ist eben-
falls brachycephal , der Unterkiefer ohne Kinn, die
Zähne abgeschliffen, der zweite echte Mahlzahn
ebenso gross als der erste. Ein vonTrutat gefun-
denes Stirnbein hat die Breite und Abplattung der
Nasen wurzel , die dem Typus deB Rennthiermen-
schen entspricht. Ferner zeigte er zwei Schädel in
Steingräbern mit Kiesclgeräthen und abgeschlage-
nen und angebrannten Pferdeknochen von de F erry
gefunden vor, der weibliche ist prognath und hat
vorspringendes Kinn. Aelter als der Kennthier-
men sch, der dem Lappen gleicht, ist der Unterkie-
fer von la nauletto, in dessen Bildung Pruner-
Bey die Zeichen niederer Organisation nicht erken-
nen will. Ein zweiter Unterkiefer aus der Grotte
von Arcy, mit Resten von Rennthier, Elephant und
Rhinoceros gefunden, ist diesem ähnlich; auch der
von Aurignac ist auffallend klein, wie auch andere
hier gefundene Knochen, z. B. ein 17*/j Centimeter
grosser radius, auf eine kleine Race deuten. Dem
Unterkiefer von Moulin-Quignon ist einer von Hu-
yeres ähnlich, der einem weiblichen Ligureracbä-
del angehört. Der Typus des Rennthiermenschen
lässt sich noch bis in die Römerzeit und bis in die
Catacnmben von Paris verfolgen. Die Nachkom-
men dieser kleinen Race mit gelbem Teint und
schwarzem Haar findet man noch in Tyrol, bei
Genf, im Wallis, in Savoyen, im südlichen Frank-
reich, in Ligurien, Spanien und Portugal, hier die
Abkömmlinge der Iberer. Die dolichocephale Race
erscheint in Frankreich seit der Epoche der polir-
ten Steingeräthe, im Torf, in den Höhlen, in den
Steindenkraalen, in den Hügelgräbern. Diese Schä-
delbildung ist edler als die frühere, aus dem No-
maden ist ein Ackerbauer geworden, denn mit den
polirten Steinen finden sich die Huustbiere. Auch
dieser Typus lebt durch Civilisation veredelt fort.
Pruner-Bey bezeichnet den 1823 von Ami Bouä
aus dem Löss des Rbeiutbals gezogenen Schädel
als dolichocephal und weiblich. Auch den van Engis
hält er für weiblich und einem in Paris befindlichen
weiblichen Celtenschädel sehr ähnlich. Das Alter des
Neandcrthaler Schädels hält er für ganz unbekannt
und findet auch in seiner Bildung keinen Grund,
ihn für selir alt zu halten, er gehört der arischen
Race an, nur die starken Stirnwulste zeichnen ihn
aus, die von grossen Stirnhöhlen herrühren. Dieso
bezeichnen keine niedere Organisation, denn sie feh-
len den Affen und finden sich hier und da bei unse-
ren Zeitgenossen. Der Redner kennt sie an dem
Sohne eines französischen Marsclmlla und an einem
berühmten italienischen Arzte. Das Stirnbein, wel-
ches bei Colmar aus dem Löss des Rheins gpzogen
worden, ist dem Xeanderthaler ähnlich; es lag 21 3
Meter tief, dieselbe Schiebt enthielt Reste ausge-
storbener Thiere, die chemische Zusammensetzung
der menschlichen Gebeine war übereinstimmend mit
der des Rhinoceros. Um die Zeit zu schätzen, in
der die Arier uach Europa kamen, erinnert Pr un er
an die Stelle im Zendavesta, wo es heisst, dass die
Iranicr ihre erste Heimath, wo eiu ewiger Frühling
geherrscht, verlassen hätten, weil Ahriman eisigen
Winter über dasselbe gebracht habe. Er glaubt,
dass die Menschen denselben Weg gegangen seien
aus Asien nach Europa, wiu die Thiere.
Am 30. August wurde Vormittags ein Aus-
flug in die Kiesgruben von Levallois uml üre-
nellu bei Paris gemacht. Die Kieeanschwemmun-
gen mit fossilen Knochen und Kieselgeräthen
sind von der Seine gebildet und liegen an der con-
vexen Seite der Krümmungen des alten Flusses.
In der Abendsitzung nahm zuerst Broca das Wort
über die Raccn der Urzeit. Daraus, dass die mei-
sten Sprachen Europas einen asiatischen Ursprung
haben, folgt noch nicht, dass die Bewohner Euro-
pas alle dorther gekommen seien. Wie sollten so
zahlreiche und verschiedene Völker in so kurzer
Zeit aus einem und demselben Stamme hervorge-
gangen sein V Wir kennen in allen europäischen
Ländern den Menschen der Urzeit, der den Gebrauch
der Metalle nicht kannte; die arischen Indus aber
kannten, als sie nach Westen zogen, bereits die
Bronze. Die Finnen und die Basken, deren Sprache
nicht indoeuropäisch ist, wurden für Reste einer
Urbevölkerung Europas gehalten. Retzius wollte
auch im Schädelbau zwei Racen der Vorzeit erken-
nen, eine autochthone brachycephale und eine spä-
ter eingewanderte dolichocephale, die Indogerma-
nen. v. Bär hatte die brachycephalen Romanen in
den rhätischen Alpen als einen dritten Rest der
ältesten Bevölkerung Europas angesehen Die Ent-
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 349
deckung, dass der Mensch während der ganzen qua-
ternären Zeit in Europa wohnte, macht schon die
Ansicht von Retzius sehr unwahrscheinlich. Wie
konnte ein Volk, das in so langer Zeit von Skan-
dinavien bis zum Mittelmeer wohnte, unverändert
geblieben sein, und wie sollte Europa während Jahr-
tausenden anderen Kacen unzugänglich geblieben
sein? Sind aber wirklich die Volker vor der indo-
europäischen Einwanderung braehycephal gewesen?
Die Baskenschädel, die Broca undVirchow unter-
suchten, sind dolichocephal. His fand, dass die
brachycephalen Schädel der rhätiechen Alpen nicht
von der Urbevölkerung herrühren, sondern von don
Alemannen (V)Nicolucci behauptet freilich, dassder
alte Ligurcrschidel braehycephal sei. Th urn am
und Davis fanden, dass die älteren long-borrows
aus der Zeit der geschliffenen Steingeräthe dolicho-
cephale Schädel, die späteren round-borrows aus
dem Bronzealter mehr brachycephale Schädel ent-
halten. Selbst in Schweden hat 1h65 von Duben
in einem Dolmen der Steinzeit 19 dolichocephale
Schädel gefunden. Aus der quaternären Zeit sind
nur ein Schädel von Furfooz, einer von Solutrö
und vielleicht einige von Bruniquel brnchycephal.
Dolichocephal aber sind die von Cantalupo, der
Neanderthaler, die von Eguisheim, Lahr und En-
gis, die letzteren drei gehören der Zeit des Mam-
muth an (?). Als affenähnliche Bildungen des vor-
geschichtlichen Menschen giebt Broca die Durch-
bohrung der Ellen bogengrube an, die in Paris jetzt
bei 4 bis 5 Proc. vorkommt, am Menschen der Vor-
zeit aber bei 24 bis 30 Proc. beobachtet wird; ferner
die starken Stirnwulste, die Broca bei einem Go-
rilla auch mit ungemein grossen Stirnhöhlen verbun-
den fand, und endlich die Eigentümlichkeiten des
der Mammuthzeit angehörigen Unterkiefers von la
naulette, dem da» Kinn fehlt, der statt der vier apo-
physes geni eine Grube hat und sich durch die Dicke
seines Körpers, den elliptischen Zahnbogen, den
grossen Eckzahn und die nach hinten zunehmende
Grösse der Mahlzähne auszeichnet. Der Mensch
der TertiArzeit wird uns noch deutlichere Zeichen
thierischer Bildung bringen! Broca glaubt nicht
an eine Umwandlung der Arten, nicht einmal der
Racen. Wiewohl er Abänderungen, durch Zeit und
äussere Einflüsse hervorgekracht, zugiobt, ist er
doch der Ansicht, dass sich die Racen seit ältester
Zeit wesentlich nicht geändert haben und dass die
Herkunft der heutigen Racen von einer Urform
erst noch bewiesen werden muss. Virchow spricht
hieranf über alte Schädel des nordöstlichen Deutsch-
lands. Er macht darauf Aufmerksam, dass im feuch-
ten Boden die Schädelknochen durch eine Art von
Auftreibung, die das Gefüge poröser macht, dicker
werden und durch äusseren Druck der umgebenden
Erde zusammengepresst werden können; auch Pflan-
zenwurzeln spalten gleichsam die Knochen. Manche
alte Schädel sind als pathologisch, nicht als typisch
zu betrachten; frühe Nahtverknöcherung bedingt
häutig die lange oder kurze Schädelform, wie sio
z. B. die Braehycephal ie zweier Baskenschädel der
Sammlung der anthropologischen Gesellschaft von
Paris hervorgebracht hat. Geisteskrankheit ist gel-
ten bei grosser Scliädeldifformität , denn diese be-
weist eine Ausgleichung, eine Compensation der
Natur für die gehemmte Himentwickluug. Vir-
chow sah an mehreren dolichocephalen Schädeln
die Pfeilnaht geschlossen, er hält dies für patholo-
gisch und individuell. Er sah eine Verschmelzung
des Stirn- und Scheitelhöckers einer Seite bei einer
Frau, welche Difformität auf ihr Kiud übergegan-
gen war. Er schildert einen dolichocephalen Schä-
del, der zwei bis drei Meter tief unter Torf gefun-
den ist, als typisch für Mecklenburg und OBtpreus-
sen; eine andere Form findet sieb in den Reihen-
gräberu derselben Gegenden, die den Wenden zu-
geschrieben werden. Auch diese ist, wenn auch we-
niger, dolichocephal, aber nicht brachycephal. Sind
sie deshalb keine Slaven, sondern Celten, denen sie
gleichen? Die Wenden in Brandenburg nennen
sich Serben. Aus einem finnischen Grabe besitzt
Vircbow einen echt brachycephalen Schädel, der
ganz dem der heutigen Ungarn gleicht. Sehaaff-
hausen hält einen Vortrag. „Ueber die Urform
des menschlichen Schädelsu '), uud erhebt darauf
Einspruch gegen die von Pruner-Bey und Vogt
vorgebrachten Deutungen des Neanderthaler Schä-
dels, den er für einzig in seiner Art erklärt, für
eine so eigentümliche Bildung, wie sie nirgendwo
sonst beobachtet worden; die damit in Vergleich
gebrachten Schädel seien wesentlich davon verschie-
den; die Schädelbildung sei nicht zufällig, sondern
mit den übrigen Skelettheilen in Harmonie. Er
halte diesen Schädel noch immer für das älteste
Denkmal des Menschen in Europa. Quatrefages
bestreitet die Vorstellung einer nur iu einer Rich-
tung fortschreitenden organischen Entwicklung.
Er betrachtet das bekannte Vorkommen hellgefarb-
ter Individuen unter den Negern als Beweis, dass
dieweisse Rate der schwarzen vorausgegangen sei.
Da die Neger ohne Ausnahme aggluünative Spra-
chen, also Sprachen auf der zweiten Stufe der Ent-
wicklung besitzen, so können sie nicht als die ur-
sprünglichste Race angesehen werden. Die von
Broca angeführten vier Fälle reichen nicht hin
zu der Behauptung, dass der primitive Mensch doli-
chocephal gewesen sei. Die von D u po n t gefundenen
Schädel sind den brachycephalen Esthenschudcln
ähnlich, auch der Unterkiefer von Moulin-Quignon
gleicht diesen. Er hält die baskische Bevölkerung
für gemischt, Celten und früher Phönizier kamen
in diese Gegenden. Die semitische Race bat eine
geringe Hcrvorragung des Hinterhaupts, das gilt
*) I)s» Archiv bringt ein au^führlichf* Referat »her
denselben.
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versamnih ingen.
$50
auch von den Baskeu. Er behauptet die Gleichzei-
tigkeit brachycephaler und dolichocephaler Raren
und verweist auf seine Schritt: „ Rapport sur Je«
progres de r Anthropologie. Vogt zählt mu den
Schädeln aus der Mammuthzeit noch den aus dem
Arnothal, den Cocchi beschrieben, auch dieser ist
dolichocephal. Noch treten hier und da Züge der
ältesten Schadolbildung auf, das ist Atavismus.
Er glaubt nicht, dass die weissen Neger ein Beispiel
dieses Gesetzes seien, sondern dass sie vielmehr auf
die Zukunft dieser Kare deuten. Er glaubt nicht an
eine Abstammung de» Menschen vom heutigen Affen,
aber beide können einen gemeinschaftlichen Ur-
sprung gehabt haben. Was den Menschen am mei-
sten aoflzeichnet, ist die Grösse seines Gehirns; im
ersten Lebensjahre nimmt es nach Welcher um 500
Cubikcentimeter zu. Das Individuum wiederholt die
Entwicklung der Art. Lagneau bemerkt, dass man
in der Lorraine und in dem Departement de la
CreiiBe zahlreiche Brachyoephalen finde, die aber
▼on der turanischen Race sehr verschieden seien.
Er bestreitet, dass die Körpergröße mit dem Klima
Zusammenhänge. Gross seien die Skandinavier wie
die Tuareg der Sahara, klein die Lappen und die
Mincopies der Andamaninseln. Ein Mitglied der
Verxaramlung beklagt es, dass die Frage nach der
Abstammung des Menschengeschlechts nicht weiter
verhandelt werde. Der Vorsitzende erwiedert, dass
sie nicht auf dem Programm des Congresses gestan-
den habe und nur gelegentlich berührt worden sei.
Halleg uen ist der Meinung, dass man sie in die-
sem Falle sorgfältig hätte vermeiden müssen.
Der Vorsitzende E. Lartet schliesst den Con-
gress mit der Betrachtung, dass auch solche Fragen,
die eine Entscheidung nicht finden konnten, doch
eine bestimmtere Fassung gewonnen hätten, dass
die vielseitige Erörterung bei solchen Versammlun-
gen das beste Mittel sei, vorgefasste, in der Einsam-
keit des Studiums gefasste Meinungen zu berichtigen.
Die Zukunft dieser Versammlungen sei gesichert.
Die Wissenschaft, welche sich mit der Geschichte
und dem Fortschritt der Menschheit befasse, kenne
keine Landesgrenzen and keinen Zwiespalt der
Völker, sie verfolge nur gemeinsame Interessen.
Er ruft den Scheidenden ein frohes Wiedersehen in
EngUnd zn. S.
IV. Verhandlungen des internationalen Con-
gresses für vorhistorische Archäologie
zu Norwich im August 1868.
Die Sitzungen wurden am 20. August vori-
gen Jahres mit einer Rede des Präsidenten Lub-
bock eröffnet, in welcher er nach einer kurzen
Uebersicht über die bisherige Geschichte des Con-
gresses und einer ehrenden Erwähnung des im
Laufe des Jahres verstorbenen Boucher de Per-
thes die Kintheilung der vorhistorischen
Zeit in ein pala eolithisches. ucolithieclies,
ein Bronze- und Eisenzeitalter zu begründen
suchte und schloss mit einer warmen Ermahnung,
einerseits die spärlichen Reste dieser frühen Zei-
ten insb. in EngUnd sorgfältig zu sammeln nnd
zu studiren und andererseits die znm Theil noch
in diesen Stadien sich befindenden wilden Menechen-
racen, die in so raschem D&hinschwipden begriffen
sind, vergleichend zn beobachten. In der zweiten
Sitzung sprach Tylor Über den Zustand der
vorhistorischen Racen nach Beobachtungen
an den heute noch lebenden wilden Racen.
Diesem folgten drei Mittheilungen von Stuart
über die Steinzirkel, über Steinkisten in
Aberdeenshire undRosshire und über Felsen-
sculpturen in Schottland. Lewis las eine Ar-
beit über die Sarsdenstones in Berkshire,
die er für Cnltusstätten erklärte. Hodder-
Westrop sprach über Felsensculpturen in
verschiedenen Er dtheilen , Lamprey über die
Alterthümer der Inseln des stillen Oceans
und der Südsee. — Die für den dritten Tag
projectirte Excnrsion nach den quaternären Drift-
bil düngen im Ousethale müssten wegen schlechten
Wetters unterbleiben und es wurden statt dessen
verschiedene Vorlagen gemacht und dieselben be-
sprochen, so durch Busk von Stein werk zeugen
vom Cap, durch Boyd Dawkins von Schädeln,
Steinwerkzeugen etc., aus Höhlen in Portugal. — In
der vierten Sitzung hielt Iiuxley einen Vortrag
über die gegenwärtige Vertheilung der
Men schon racen und die Schlüsse, die sich dar-
aus auf ihr Alter ziehen lassen. Er unterscheidet
vier primäre Gruppen oder Racen. 1. Die anstra-
loide Race; braun, Angen schwarz, Haare schwarz
nnd schlicht, Schädel lang (Australier, Bewohner
von Doocan in Indien , alte Aegypter). 2. Die ne-
groide Race, Haut fast schwarz, Haare schwarz
wollig, Schädel lang (Bewohner von Central- and
Südafrika, incl. ßuschmanrace, von Madagaskar, Ma-
lacca (Lemang), Philippinen (Aheten), Neu-Guinea,
Neu-Caledonien. 3. Die mongoloi'de Race, die
zahlreichste, umfasst die Bewohner von Centralasien,
reinster Typus: Kalmücken und Tartaren, in den
Polarregionen Lappen und Eskimos, die s&mmt-
lichen Eingeborenen Amerikas, nnd endlich die
der Inseln des stillen Oceans zwischen Van Die-
mensland und Neuguinea, die Sandwichinsulaner
und Neuseeländer. 4. Die xanthochroide Racc
schliesslich erstreckt sich von den britisohen In-
seln bis nach China. Huxley weist darauf hin,
dass, während die grosse Verbreitung der dritten
und vierten Race sich leicht durch Wanderungen
erklären lasse, dies für die erste und zweite, deren
Gebiete durch weite Zwischenräume getrennt seien,
nicht möglich sei. Hier sei die Trennung durch
geologische Veränderungen der Erdoberfläche be-
dingt worden. Die Eintheilung von Huxley, die
die sich schon in anderen Schriften des Verfassers
Digitized by
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen. 351
angedeutet findet (vergl. „on the methods and re*
sultsof ethnology. Fortnightly review. Nr. III. 1866*1
— Laing a. Huxley, „ou the prehist. remains
of C&ithness“, siehe dieses Archiv I. S. 390) wurde
nicht ohne Widerspruch aufgenommen. C. Vogt
verwahrt sich gegen das Zusammenwerfen von
I*appen und Eskimos und hält die dritte und viert«
Race ihr gemischt. Broca betonte so z. s. einen
Rückschritt Iluxley ’s den er macht, indem er den
äusseren Charakteren mehr Wichtigkeit zuschreibfc
als den anatomischen (iusb. Schädel-) Charakteren,
verwahrt sich gegen das Zusammen werfen der al-
ten Aegypter mit den Australiern und weist dar-
auf hin, wie die Melanesier Charaktere der Negroi-
den und Australoiden in sich vereinigen. Nach
Schluss der Discussion über diesen Gegenstand,
an der sich noch ipehrere Forscher betheiligten,
legt Busk Schädel ans den Windmühlhöhlen von
Gibraltar vor, mit Knochen- und Stein Werkzeugen,
Lartet Schädel und andere Knochen aus den
Grabstätten der Kennthierjftger in Perigord, die
von Broca genau beschrieben werden (h. Literatur-
verzeichnis*). — In der fünften Sitzung spricht
Kolleston über die in England zur römisch-
britischen und angelsächsischen Zeit üb-
lichen Begräbnissweisen, Evans über die
Verfertigung der Stein we rkzeuge in der
vorhistorischen Zeit, Flower über vorhisto-
rische Grabstätten in Algerien, (Beziehung der
dortigen raegalithizcben Monumente zu denen in
Europa), Lukis über solche in der Bretagne. In
der sechsten Sitzung Spruch Franks über
Stein werk zeuge aus Japan (Pfeilspitzen etc. von
Kiesel etc.), die von den Japanesen wie von den
Sbetländern als Donnerkeile betrachtet werden,
Boyd Dawkins in einem sehr ausführlichen Vor-
trage über die mit dem vorhistorischen Menschen
lebenden Säugethiere. Mit der sieben teuSitzung
wurde der Congress geschlossen. Der nächste fin-
det in diesem Jahre vom 27. August bis zum
3. September in Kopenhagen statt.
Digitized by Google
XIX.
Verzeiehniss der anthropologischen Literatur.
I
Urgeschichte.
(Von C. Vogt.)
Et umfasst dieser Bericht da« ganze Jahr 1888 und
was mir bis Kode Mai 1869 xugekoiutnen. Besonder*
glaube ich auf dm Aufschwung aufmerksam machen zu
mUsaen , welchen die urgeschiciitlichen Forschungen einer*
seit* in Spanien uml Portugal, andercraeit* in Nordamerika
genommen haben. In letzterem Lande hat ein« grcssnrtigc
Schenkung des_ bekannten Philanthropen Peabody (140000
Dollar*) die Erwerbung der Sammlungen von Mortillet
uo«l Dr. Clement in St. Aabin (zum Tlieil) far «einen
Geburtsort Salem ermöglicht- Die Kcdaction drr Matä-
rinnx i*t von Herrn Mortillet, der unterdessen Unter-
djrector de* grossen Museums von St., Germoin - en - Lave
geworden, an die Herren Tr uta t und Cartailbac in Tou-
louse ii berge gangen.
Belgien.
Ed. Dupont. Notices preliminairat sur lo« fouilles,
exdcutecs sous leg annpicea da gouveinement
beige, d«D8 les ca verues de Belgique. Bruxelles
1867.
Aufzählung der verschiedenen Abhandlungen von Du-
pont, die jetzt in zwei Binden gesammelt erscheinen
bullen.
Ed. Dupont. fitude sur les cavoruc* du boiü de
Foy & Monthigle (Belgique). Bullet. Acad. sc.
Belgique. Seance du 7m<* Mars 1868, pag. 199
—224, 4 pl.
Acht neue Höhlen, worunter namentlich eine, trou du
Surcnu, viele auf einander gelagerte Schichten zeigt, in
deren untersten Höhlenbär, Hohleahyiue etc. mit Men-
schenre*ten Vorkommen. Obgleich einige bearbeitete Kno-
chen Vorkommen, *o schlirsst Dupont doch aus den Kie-
Archlv rar AntMopoloflo, Bd. UI. Heft 3.
selwaffen auf ein« etwa» ältere Periode als Hie der Höhlen
von Pdrfgord. Au* dem Verhältnis* der Knochen, das*
diese vom Menschen eingeschleppt wurden, indem man das
erlegt« Thier nn Ort und Stelle zerlegte und nur die dem
Jäger und seiner Familie nützlichen Theile nach Hause
brachte.
De Hon» I/homme fossile en Europa, son Indu-
strie, 8 es moeurs, «ei oeuvrea d’art, 2d# edition.
Bruxelles et Pari«, IX und 436 S. , 100 Holx-
»ohnitte und eine Chromolithographie.
Die den Brand einer Pfahl baute darstellende Chromolithogra-
phie hatte füglich wegbleibeu können. Ganz gutes, nur im
anthropologischen Theile höchst mangelhafte* Re»um£ des Be-
kannten au* der Steinzeit und deren verschiedenen Epochen.
Die Bronzezeit ist sehr ungenügend dargcsteilt und der zweit«
Thell de* Werkes: Influence de* loi* eosmique* aur la cli-
matologic et la geologic und eine (Jebemtzung dea Arti-
46
Digitized by Google
354
Verzeichnis* der anthropologischen Literatur.
kr]* von Omboni in Mailand über Darwin, ein volles
Dritttheil des Buches bildend, passt zu dem ersten Theile
wie eine Faust aufs Auge.
H. Schuermans. La pierre da Diable k Jumbos,
les-Namur. Liege 1869, 31 S.t 1 Tafel. Sepa-
ratabdruck au»: Bulletin der Commission roy.
d’Art et dTArch£ologie.
Dissertation aber da* Wort Dolmen, wo es herkomme.
Dann Beschreibung de* Dolmen, der längst zerstört ist
und einen Steinkreit balle und über den die Nachrichten
so vag *md, dass eigentlich gar Nichts daraus zu entneh-
men ist.
Dänemark.
Engelhardt. Guide illostre du Mus£e des Anti-
quität du Nord ä Copenhague. 40 S., 46 Fig.
Vortrefflicher kurzer Catolog, welcher denjenigen , die
den diesjährigen Congress in Kopenhagen besuchen wollen,
sehr nützlich sein wird. Kr begreift Stein-, Bronze- und
Kisensrit, Mittäter und Renaissance. Di« Holzschnitte
sind ausgezeichnet.
Deutschland.
Ernst Freiherr von Bibra. Di© Bronzen* und
Kupfurlegirungen der alten und ältesten Völker
mit Rücksichtnahme auf jene der Neuzeit. Er-
langen, Enke, 210 S.
Wahrhaft staunenerregrnde Anhäufung eigener und
fremder Arbeit, nebst Nachweisen aber die Kenntnis*,
welche die Alten von den Metallen belassen. Iiu Allge-
meinen schlirsat sich der Verfasser den Wlbel’schen An-
sichten über die Bereitung der urgeschichthchen Bron-
zen an.
Rudolph Drescher, lieber den gegenwärtigen
Stand der Ermittelungen auf dem Gebiete dos
schlesischen Heidcut huuta. — Berichte de» Ver-
eins für das Manen m schlesischer Alterthümer.
Breslau. Zehn Berichte seit 1859, 4°. Vierter
Bericht 1866, S. 4, 1 Tafel mit Abbildungen der
verschiedenen Gribertypen , Hügel- und Flach-
gräber mit und ohne Steinsetzungen. Fünfter
Bericht 1866, S. 24. Siebeliter Bericht 1867, S.
72. Achter Bericht 1867, S. 85, mit Karte der
Fundstätten.
Genauer Nachwelt nämmt lieber bekannter Fundstätten
io Schlesien.
F. F. von Dücker. Vorgeschichtliche Spuren des
Menschen am Wege nach Rügen und auf Büge n
selbst- Briefliche Mittheilungen. Separatabdruek
aus der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung,
16 S.
Nachrichten Uber Kürhenabfülle aus der Pfahlhantenzeil
am Petelowar-See bei Prenzlau (Uckermark), Pfahlbauten
dort und an der Olceücektf ln der Nähe, über das Mu-
seum in StruUund, die Fabrikation«pläUe von Feuerstein-
goräthen auf Rügen selbst, die Kisten- und Hünengräber,
falsche und acht« Steingerithe.
Carl von EstorfT. Brief an Professor E. Deeor-
Abdruck aus der Allgemeinen Zeitung. Als Ma-
nuscript gedruckt. Zürich 1869, 15 S.
Ueber di« Algerischen Dolmen im Vergleich zu den
norddeutschen. Bestreitet namentlich die Ansicht, dass die-
selben einem Volke angeboren und dass sie aus einer Pe-
riode stammen.
FödiBch. Archäologische Funde in Böhmen. An-
zeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1868,
Nr. 11, S. 372.
Beschreibung der Gräber, Gräberfunde von jBrüz,
Saaz etc., deren Schädel Weisbach in diesem Archiv
(Bi II, 8. SU) beschrieben hat.
Ernst Friodol. Die Kjökkenmöddinger der West-
see. Zeitschrift für Ethnologie. I, S. 82.
Verfasser fand auf der Insel Sylt hei Hörnum Torflager
und Waldreste, die nur hei tiefstem \V.-u*er*tande frei
liegen. Kr fand darin einen Xetzbeschwerer, Steimnnser
und andere Feuersteingeräthi-, Schalen von Austern, Mo-
diolus vulgaris, Mvtilus edulis, Bucrinum undatum, Wasser-
pflanzen, Reste von Hasel, Föhre, Espe, Erle, Weissdorn,
Birk«, Fichte, Eiche — vom Hecht, Eber und Hirsch.
Es sind versunkene Küchenabfalle. Warum Verfasser and
Kedadeurc in einem deutschen Journal und Aufsatz den
dänischen Namen „Westaee* (der für Deutschland durch-
aus unverständlich), statt des deutschen „Nordsee" ge-
brauchen, ist mir nicht klar gewortkn.
Friederich. Heber einige altdeutsche Wohnplätze
in der Grafschaft Wernigerode. Wernigerode.
8°. mit 1 Tafel.
Alte Herdstellen mit Topfscherben.
Friederich. Beitrüge zur Alterthumskundo der
Grafschaft Wernigerode, II. Beschreibung und
Abbildung der in und bei einem Opfer- und
Trnltenhiigel bei Minsleben in der Grafschaft
Wernigerode gefundenen Alterthümer. Werni-
gerode, 1868, 4®. mit 8 Tafeln.
H. B. Geinitz. Mittheilung Über eineu Fund von
Mauimuth-StosszähneD. Sitzungsberichte der Ge-
sellschaft Isis in Dresden, 1868, 27. August,
8. 114.
Itn EJsenbuhodunrhschiiitte am Huschhade im Trkbbch-
tbale bei Mei*scn, in den unteren Schichten des LHluvial-
Lchmes, fandeu sich Kähne von Mammuth und Knochen
des Bo* primigenius (?). In den oberen Schichten dessel-
ben Lehme* bei Miltu im TrlebLscbthale ein Menschen*
Skelet. Dr. Richter fand in der Umgebung von Saalfeld
Kcucrstfiuinesser , mit denen von Schussenried überein-
stimmend.
Digitized by Google
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur. 355
Karl Haupt. Heidnische Alterthümer aus dem
Lübener Kreise. Ein Beitrag zur Schlesischen
Alterthomskunde. Neues Lauritzische® Magazin,
hernusgegeben von Struve, Görlitz. 45. Baud,
1. Doppelheft, 1868, S. 250—274, 2 Tafeln.
Urnen in Steinsetxungea bei Lercheuborn, Klein-Krirtzcn,
Heidnuchanxe bei Gros» - Krietxen, BraochKsdulorf, Loben,
neb*t rein hyposhetijchen Randbemerkungen. — Nach Al-
lein, was ich in Schlesien beobachten konnte, lässt »Ich
dort die Scheidung der verse Lieden en Perioden nicht durch-
führen, sondern r* waren dort wilde Völker noch lang«
noch der christlichen Zeitrechnung heimisch, die grössten-
thcils Steingeräthe bttMSM, aber auch hie and da durch
TnuM'h oder Raub in deD Besitz von Bronze und Eisen
kamen. Die Abhandlung bestätigt diese Anschauung.
Feodor Jagor. Grabstätten zu Nipt-Nipa (Phi-
lippinen). Zeitschrift für Ethnologie, I, S. 80.
Die früheren Bewohner der Südköste von Samar be-
gruben ihre Todten in auf die See geöffneten Uferhöhlen
in Holxsärgen und »teilten Geftac mit Wallen und Ge-
schmeide dazu. Vor 30 Jahren zertrümmerte ein fanati-
scher Pfaffe die meisten Särge. Jagor konnte noch einen
Sarg mit einer Mumie (erwachsen), einen Kindersarg und
GefiteMcbcrbcn auftreiben, die jetzt in Berlin sich be-
finden.
G. C. F. Lisch. Emaillirung der Schwertgriffe
und das Bronzeechwcrt von Retzow. 3 8.» 2 Fig.
G. C. F. Lisch. Ueber die bronzenen Hänge-Ur-
nen und Buckel. 5 S., 4 Figuren. (Von Roga
und Lübberatorf.)
Dinge, die wohl der Eisenzeit angehören.
G. C. F. Lisch. Ueber das Alter der Eieenperiode
und das Grab von Wotenits. 8 S., 4 Figuren.
Auf einem ThoageHUw au» einem Grabe, in welchem
nu^k-di-m Schmuckgegenstände von Gold in etruskischem
Style »ich landen, siebt man Dreiecke und Kreuze aus
Punkten zusammengesetzt.
G. C. F. Lisch, lletrurißcho Urne mit dem hei-
ligen Hakenkreuz« in Münthen. 2 S., 2 Fig.
J. Nilsson. Das Steinalter oder die Ureinwohner
des skandinavischen Nordens. Ein Versuch in
der comparativen Ethnographie und ein Beitrag
zur Entwicklungsgeschichte des Menschenge-
schlechts. Nach dem Manuscript zur dritten
Originalausgabe übersetzt von J. Mestorf. 16
litbographirte Taf. Hamborg, Meissner, XXVIII
und 190 8.
Unentbehrlich fiir Jeden, der «ich mit Urgeschichte und
besonders skandinavischer, beschäftigen will, obgleich das
Buch in manchen Punkten einen gewissen alternden und
veralteten Eindruck macht. Wenn vor 30 Jahren, wo die
erste Ausgabe erschien, die vergleichende Methode und die
Behandlung der Alterthümer vom ethnographischen Ge-
sichtspunkte au» vielleicht (wenn uurh nicht so g»o*, als
NilsBon annitntul), neu war, so Ut diese Methode heute
die herrschend* und wenn wir nicht irren, über Xilsaon
hinausgegangfn. Wir begnügen uns, den Inhalt der Ka-
pitel anzugeben. 1. Vergleich zwischen den Waffen und
Werkzeugen wilder Völkerschaften und den in Skandina-
vien gefundenen AlUrthümern au» Stein und Knochen.
2. Rückblick auf die im vorigen Kapitel beschriebenen
Alterthümer und Versuch, daraus ein bestimmte* Resultat
zu gewinnen. 3. Vergleich zwischen den in Skandinavien
gefundenen fossilen .Schädeln und deren noch lebender
Volker. 4. Die Gräber de« Steinalter* verglichen mit
den Wohnhäusern und Gräbern der Eskimo. 5. Wie die
Ureinwohner ihre Waden auf der Jagd und im Kriege ge-
brauchten. H. Dos Stei nulter bei verschiedenen Völkern.
Entstehung der Sage. Riesen, Zwerge, Unholde etc. sind
ursprünglich Völker verschiedener Herkunft und mit ver-
schiedenem Cultus. 7. Die wahrscheinliche Gestaltung
der skandinavischen Halbinsel zur Zeit der Einwanderung
ihrer ältesten Bewohner. — Die Tafeln #ind leider in
künstlerischer Beziehung nicht den Erfordernissen der Zeit
entsprechend und die Schädel - Abbildungen nicht zu ge-
brauchen.
Christian Peteraen. Ueber das Verhältnis» de»
Bronzcalter® znr hirtoriechcn Zeit bei den Völ-
kern den Alterthnra®. Hamburg 1868. 4®, 24 S.
Gehaltvolle Schrift. Lucretiua unterschied schon
Stein-, Erz- und Eisenzeit. Verfasser stellt mit grosser
Gelehrsamkeit die verschiedenen Kenntnisse zusammen, die
wir au* Schriftstellern und Fuadgegeustiuden üher das
Brouzealter bei den Aegypteru, Semiten, Griechen und
Italienern gewinnen können.
C. F. Riecko. Diu Urbewohner und Alterthümer
Deutschland®. Nebst einer Karte mit Bandbil-
dern und einer Tafel Abbildungen. Nordhauaen,
184 S. und VIII.
Keltisch von vom bi* hinten. Verfasser verbreitet sich,
wie er selbst im Vorwort sagt, „insbesondere über die
Wohnungen und Schulzorte: wie Hingwälle, Sackdörfer,
Pfahldörfer, Landwehren etc., über die alten Strassen, über
Haus- und Ackergerith, Waffen, Schmucksachen etc., über
Heiligthümer. Opferaltlre, Opferhügel, Gräber und Grab-
hügel, üher Sitten und Gebräuche. Dazu im Anhänge die
Namen der UetrlMor, Berge und Wilder, der Burgen,
Städte and Dörfer etc. von der Seetion Xordbausen der
Re vm an u* sehen Karte von l>ent*chland erklärt.“ Die
'Ursachen geben nur die Handhaben zu linguistischen
und etymologischen DheaiMB, zu deren Beurtheilung un-
sere Kenntnisse nicht ausreichen.
Rückort, E. Die Pfahlbauten und Vftlkeruchicb-
teu Osteuropa», beniwlen der Donaufiirstenthü-
mer. Würzhurg 1869. 8°.
Robert Schweichei. Ueber den gegenwärtigen
Stand der Sprach- und Naturforachung in Bezug
auf die Urgeschichte de» Menschen. Leipzig,
Denicke, 31 S.
Versucht, auf Sprachforschung und Anthropologie ge-
stutzt, den Nachweis zu liefern, dass die jetzigen europäi-
schen Völker alle Mischvölker sind, von älteren Raren,
von Kelten, denen besonder* In Deutschland eine bedeu-
tende Rolle zugMchriebcn wird und von neueren Einwan-
derern.
Verzeichnis® des unter dem Protoctorate I. K. H-
der Frau Kronprinzessin Friedrich Wilhelm ste-
henden Museum® Bchlesischer Alterthümer zu
Breslau. 108 S.
Sehr reiche Sammlung, besonders an Urnen und einigen
höchst merkwürdigen Bronzeaachen , unter anderen ein
Wagen mit Vögeln. Schade , das» die«: Schätze in einem
niederträchtigen Kdleriocale unter Suub zusammengehäuft
modern.
Wankol. Die Slouper Höhle (in Mähren) und
ihre Vorzeit. Mit 10 Tafeln. Wien 1868. 4°.
(Ausland, 1868, Nr. 28, S. 662.)
46*
Digitized by Google
356
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Wannen Nachträge zu den in Schleitheim ent-
deckten Grabaltert hümern. Schaffhausen 1868.4°.
Dr. P. Wibel. Der Gangbau des Denghoog’s bei
Wenningstedt auf Sylt, — Aufgedeckt, unter-
sucht und in »einer allgemeinen Bedeutung für
die nordisch© Alterthuinfkunde geschildert. —
Als 29. Bericht der Schleswig- Holstein- Lauen-
burgischen Gesellschaft für die Sammlung und
Erhaltung vaterländischer Alterthümer. Kiel
1869, 91 SM 2 Tafeln.
Wahrhafte Musterarbeit, die durch Genauigkeit der For-
schung und DeUilliruug »ter Angaben für jede folgende
Untersuchung solcher Denkmale Leitfaden »ein sollte. Der
Bau ist eine elliptische, fast genau von Ost nach West
Orient irte Kammer mit einem Ausgange nach Süden, ur-
sprünglich mit einem Kruuxc groswr Steine umgeben und
mit einem Hügel überschüttet, nachdem die au» zwölf Trag-
iteineu und drei Decksteinen (der grösste etwa 390 Cent aer
schwer) bestehende Wud mit rjnrr^Vjbis 3 Fu** dicken Mauer
aus dünnen, mit Thon verbundenen Steinen verschalt wor-
den war. Die Kammer hatte 5*/a bis 6l/a Fürs Höhe im
Lichten, der Gang nur 3 */i Fürs. In der Kammer drei
durch Steinsetzungen getrennte Abthcilungen , östlich eine
Feuerstelle, westlich Auhiiufung platter Mauerstciue, in
der Milte Spur einer ringförmigen Steinsetxuug und die
meisten Fundgegenstande. Zerstreute Knochen eine» gros-
sen, ausgewachsenen Mannes, sehr zahlreiche, rum Theil
sehr schön aber nur mit geradeü Linien ornamrntirt«
Thonwaaren mit sehr kleinen Henkeln (zum Auf hängen),
Stein-Instrument«, Bernstein-Perlen, deren Fundstellen auf
dem Plane genau mit Nummern bezeichnet sind. Wibel
verbreitet sich noch über die Technik der alten Thonwaa-
ren, die Bedeutung der kreisförmigen Steinscheiben (Schleif-
scheiben), die Technik der Steingeräthe und endlich in
einem besonderen Abschnitte über Zweck und Alter Jie*e»
und anderer Gangbaue. Kr hält diesen, trotz der Skelet-
theile, wegm der Fcaerstelle, der Zerstreuung der Tlum-
scheriten, Gerithe und Perlen und der Anwesenheit von
Gegenständen gewöhnlichen Gebrauches für eine Wohnung
und erklärt sogar alle Gangbauteu für ursprüngliche Woh-
nungen, die gelegentlich als Grabstätten verwendet wurden,
jedenfalls aber der Steinxeit «ugehöien. — Die beiden
Tafeln geben sehr genaue Pläne und Durchschnitte, so wie
Darstellungen der bedeutendsten Kundgrgen stände. Im
Anhänge wird noch ein Bronze-Grab bei Kämpen auf Sylt
beschrieben, in welchem Gegenstände aus Bronze und Stein
gefunden wurden.
England.
J. Mac Gregor Allan. Carl Yogt’i Lectures on
man. Anthrop. Rov., April 1869, p 177.
„Professor Carl Vogt (so langt dieser Artikel an) wird
▼on seinen Landsleuten der Darwin Deutschlands genannt.'4
Ich wüsste nicht, dass mir irgendwer in Deutschland eine
so unverdiente Khre hatte zu Theil werden Inasen. Zwi-
schen dem genialen Architekten, der einen neuen auf-
führt und dem Arbeiter, der einige Steine zu diesem Bau
bringt, Ut ein kolossaler Unterschied, den Niemand mehr
unrrkennt, als ich selbst.
Anthropological Beview. April 1869, p. 136.
The Antiquity of man.
Anonymer, kritischer Artikel, besonders über Sir Char-
les Lyell’» Werk gleichen Titels. *
W. T. Blandford. Stone-implements found in
Central-India, Asiatic Society of Bengal. Meet-
ing of September 1867. Mackie-Itepertory, Vol.
2, p. 97.
Bei Jubbulpoor. Tfagpoor, Leoni, Chanda, Hajamnndrv,
Madras, Aexte, Kratzer, Pfeilspitzen von Achat und Jas-
pis; das Material stammt aus dem benachbarten Trappge-
birge, ln alten Anschwemmungen , die vou den Flüssen
ausgewaschen werden. Der Meusch habe in Indien mit
■len im Sande von Nerbudda begrabenen Thierorten gelebt,
welche von der jetzigen Fauna sehr verschieden seien und
grosse Verwandtschaft mit der Fauna des Westens (Afrika
und Europa) gehabt hätten — « linde sieb darunter eine
dem Boa primigenius identische Ochsenart — während die
jetzige indische Fauna eine Mischung vou afrikanischen
und maUyischen Formen darstelle.
J. Broca. On th« crania and bonea of les Evaies ;
or, the ancient cave-men of Perigord. Anthrop.
Rev„ Oct. IS 68, p. 408.
Roproduciiou der Abhandlung, die in der ReUt|Uiae Aqui*
tanicae von Lartet und Christ/ in englischer und im
Bulletin der Anthropologische» Gesellschaft von Pari» in
französischer Sprache erschien. Siebe un letzterem Ort«.
J. H. Bowker, Bleck and J. Beddoc. The ettvo
Cannibals of South- Atrien. Anthropol. Review,
April 1869, pag. 121.
Schwer zugängliche Höhle in der Nähe vou Tbaba Ho-
sigo (Trausgariep euuutrv) mit Haufen von Knochen,
Schädeln etc. erschlagener Menschen (besonders Kinder und
junge Personen) erfüllt. Ander« Höhlen, in dgr Nähe
des Catedon- Flusses, sind noch bewahrt; ilie Hrwt^pr lia-
best aber der Menschenfresserei entsagt.
Busk. Not©« reepecting human retnaius discover-
ed in the Carbe^o da Arruda by F. A. Pereira
da Costa and in the Grutas da Cesar£dl by J.
F. N. Delgado, accomp. with variou* remains of
human art. (Transactions of the ©thnological
Society of London. Vol. VII, new series, 1869,
S. 39.)
Cole. On tho Discovery of Cromlechs in Southern
India. (Transact. of the ethnological Society of
London. New series, Vol. VII, 1869, S. 299.)
Boyd-Dawkina. On the Distribution of the Bri-
tish poat-glacial Mamma]«- Quarterly Journal of
Barnard Davis. Thesaurus Craniorum. Catalo-
gue of the skulls of the various Races of men
in the collection of J. B. Davis. London, 8 Vol.,
17 S. Einleitung und 374 S. Text.
Siehe oben Referate, S. 302.
Boyd-Dawkins. On tho ago of the Mammoth.
Geological Magazine, Vol. V, Nr. 7, July 1868.
Sucht noch/ u weisen, dass das M.munuth nicht, wie Fal-
couer glaubte, vor der Eiszeit (in den forest beds von
Cromcr) in Kugland existirte, sondern dass es not dem
Moschus-Ochsen, dem Reun und dem Knochen» askorn ein-
wauderte.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 357
tho Geolog. Society , May 1869, pag. 192 —
217.
Sehr genauer Kicbwtb aller in Hohlen oder Sckwemm-
lagern Großbritannien* und Irlands nachgewieseucn Säuge-
tkiere mit genauester Angabe di*r Lornlitäten , Autoritäten
und Museen. Folgen kritische Bemerkungen über die Ar-
ten, über die (Traschen der ungleichen Vertheilung, über
die Beziehungen zu den Arten, die ror der Ei«zeit lebten.
Ausgezeichnete Arbeit, die ganze Bände in wenigen Seiten
aufwiegt.
John Evans. On soroe antiquities of stone and
bronze from Portugal. (Transactions of the eth-
nological Society of London. VoL VII, new se-
ries, 1869, 8. 45.
John Evans. On sorae discoveriee of stone imple-
monta in iough Neagh, Ireland. London. 4°. 12
S., 1 Tafel.
Geschliffene und nicht geschliffene Stcingvrälhe, Pfeil-
spitzen etc.
Bruco Foote. On the distribution of stono im*
plemetita in Southern Indio. Quarterly Journal
of the Geoiogical Society. November 1868, pag.
484, mit Karten und Durchschnitten.
Die GerätbschntWn aus Stein, den europäischen ähnlich,
linden sich meist in dem «.genannten Latent, einer Kösteu-
bildung von rotlietu eisenhaltigem Thon, so wie in einigen
SÜMwasMrbildungen tu» Innern.
John Wickham Flower. On some flint imple-
ments lately found in the valley of the little
Ouse river. Quartorly Journal of the Geoiogical
Society. February 1867, pag. 45.
Fundstätte bei Thetford. Dieselben Formen wie bei St.
Acbeul.
J. S. Holdon. Archaic Anthropology in Ireland.
Anthrop. Rev., April 1869, pag. 215.
Die Abhandlung wurde in Bel tust gelesen. Den» hier
cngezci^leii Bericht zufolge sucht der Verfasser narhxu-
weisen, dass die drei grossen Menschcnrerrn , schwär»,
gelbe und wdsse, schon von l'rbeginn an ezistirt batten.
Joseph D. Hooker. Adrema to the british Asso*
ciation for the Advancement of Science. Deliver-
ed hy the President at Norwieh. August 19,
1868.
ln Miner Eröffnungsrede der Sitzung der British Amo*
ciation in Norwieh berührt Hooker die merkwürdige
TbaUache, das* die Khssia, ein indo - chinesischer Yolks-
stttmm des östlichen Bengalen«, noch heute Dolmen, Men-
hirs, Crmnlech* und ähnliche mcgsliüiisrhe Monumente
errichtet aus Watten, die durch Erhitzung und Aufgicssen
von kaltem Wasser abgespreogt werden.
T. M’K. Hughes. On flint implementa. Mnckie
Repert May 1868, pag. 126.
Genaue Untersuchung über die ursprünglichen Gestalten
der Feuersteine und die Veränderungen, die sie durch
Stoss, Bruch, Verwitterung erleiden, woraus sich dann die
Chnrakterisirung der Bearbeitung durch den Menschen er-
giebt.
Le Hon's fossil man. Anthropol. Review, April
1869, pag. 163.
Kurzer, kritischer Artikel über das Werk von Le Hon.
Siehe Belgien.
G. A. Lebour. Kitchen-Midden , in Britanny, at
Doelan. Anthropol. Rev., Oct. 1868, pag. 467.
Mater iaux, 5“e Annüe, 2da Serie, pag. 125.
Kjökkenmodding in der Bretagne, von dem Verfasser
und einem Herrn Pcyron untersucht. Wenige Austern,
dagegen (ich setze die englischen Nomen her, deren erncte
Bedeutung ich nicht kenne) the eotnimm limpet, the peri-
wiukle , the cockle. Darnuter, bedeckt von Steinplatten,
Menschen- and Thierknochen, die in Staub zerfielen.
J. P. Lesby. Man’« Origin and Destiny, sketched
from the plateform of the Science». ln a couree
of lecturcs delivered before the Lowell Institute
in Boston in tho Winter of 1865 — 1866. Lon-
don, Trübner, 1868, 384 S., 23 Holzschnitte.
Sonderbare Vrnjukkung voq Theologie und Wissenschaft.
In den Capiteln, welche mich hier ungeken (Alter des
Menschengeschlecht» und Einheit desselben), habe ich ver-
gebens eine neue Thutsacbe oder nur einen neuen Gedan-
ken gesucht.
L. Pigorini and Sir John Lubbook. Notes on
Hut'urns and other objects from Marino, near
Alhano, in the provinoe of Rome. London 1869.
Nichols and Sone. 4°. 25 S., 2 Tafeln und Holz-
schnitte im Text.
Beschreibung und Abbildung der merkwürdigen Bronze-
gerätbe, Idole, GefiUse und namentlich der seltsamen Haus*
urnen, die man am angeführten Orte gefunden hat. Ver-
gleichung der letzteren mit den von anderen Orten (Hal-
bcrsladt, Oscbenlrbcn etc.) stammenden.
Henri Prigg. On a ground stone implcment, from
Flempton, near Bury St. Kdmonds (Suffolk).
Journal of Antkropolog. Society, London, July
1868, cvn.
Die Discusakm läsal es in Zweifel , ob der Stein natür-
lich oder künstlich gestaltet sei.
H. Schaaffhauaon. On the primitive form of the
human skull. Antbropolog. Review, Octob. 1868,
pag. 412.
Sich« oben Referate, Nr. 13. 8. 321.
Sterling. Flint arrow-heads and North American
pipes. Journal of the Anthrop. Soc. of London,
April 1869, pag. CX1I.
Die Pfeilspitzen - und di« Pfeifenform von Stein wurden
auf Kelby’s Island Iw Eric-See gefunden. Di« Pfeifenform
hat die Gestalt der grossen Schneeeulen.
John Stuart, Recent progresa of Archaeology.
An Adress given at tho openitig of tho mccting
of the Glasgow Archaeological Society, 1866,
27 S., 4 Tafeln.
Enthält Nach Weisungen über Gräber, Küchennbfälle und
ganz besonders künstliche Inseln (Craunogbes) in Schott-
land, worunter eine ganze Gruppe in dem jetzt trocken
gelegten Sec von l>owulton (Galloway). Packwerke, die
aus der Bronzezeit zu stammen scheinen.
Digitized by Google
358
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Frankreich.
Cte V. Adhemar. Faits ncraveaux concorrmnt
r»ge da la pierre tailläe. Toulouse, Rives et
Paget. 4°. 8 S. Davon 4 mit Holzschnitten der
Gegenstände und 1 mit einer Karte ausgefüllt
Geschliffene und «tun Schleifen vorbereitete Steinkeile
vom Ufer der Calonnc und der Sausse, zweier Nebenbache
de» Cher* bei Toulouse.
Lia Andaloua (Louis Landa). L’homme fogeile
dang Saöne et Loire. Courier de la Saonc et
Loire, 7 Nov. 1867.
Bei Chagnjr wurde unter 6 Meter t-ompakten Lehme»,
Lehmsande« und Ei»en»andes, alle wohlgwchicbtet, ein au»
rohen Steinplatten zusammengesetzter Gang gefunden, der
nur einen Fu** (0*38 Meter) im Lichten hatte. I)a» Ter-
min zeige keine Spur von Umgrabung, müsse als» nachher
abgeselzt worden »ein. In einiger Entfernung habe man
in «lennelbeu zwei Stö»*zkhne von einem Elephanten ge-
funden.
Arcelin. Age de la Station de Solutro. Mortillet-
Matcriaux, 4“° Armee, pag. 108.
Behuuptet die Uebereitititimmung der Instrumeut« mit
Laugeric- haute und Pont-A- Lesse. Die geschliffene Steinaxt
•ei celluchen Ursprung» und ringefhhrt.
Arcelin. L’Age de pierre en Kgypte. Materiaux,
5“e Annee, 2d* Serie, pag. 136.
Steingerkthschafteu bei Bab - el - Moluk , Kl - Kob , Abu-
Mangn etc,
Adrien Arcelin. Note sur les antiqnite* prehisto-
riques de la valleo de la Saune. Macon. 16 S.
Angabe verschiedener Stationen: au» der Zeit de» Höh*
lentigers, der Hyäne und des Mammuth: Grotte von Ver*
gisaoo; au» der Hennthierreit : Solutrf; au» der Pfahlbau-
tenzeit: CharWnniere» , V feine», Asnirres bei Toumoo,
au» der Bronzezeit; fast überall.
Adrion Arcelin. Ftudes d* Archäologie prehiato-
riquM. Les berges de la Saöne. Temps celtiques,
fer, bronze, pierre polie. Lyon 1868. 23 S.
Die römischen Fundstellen finden «Ich in etwa 1 Meter
Tiefe unter der Obertiicbo — der Fluss setzte also
iu 1500 bi» 1800 Jahren soviel ab. Dies dient als
Chronometer. Zwischen 1 bi» 1*50 Meter Gegenstände
der Ki ‘cnz.it; xwiwhen 1*50 bi» 2 Meter Thonwaarcn
au* der Bronzezeit — unter 2 Meter geschliffene Stein-
waffen — unter 4 Meter wenige Stücke aus der Kenn-
thierzelt. Uugcführc Berechnung aus diesen Daten: Ko-
mische Epoche : 1500 bi* 1800 Jahre — Kucnxcit 1800 bis
2700 Jahre •— Bronzezeit *2700 bi» 3800 Jahre geschlif-
fene Steinzeit 3800 bi» 8000 Jahre - RenntUierzcit 8700
hi» 8000 Jahre.
Adrion Arcelin. La Station de TAge du renne
de Solutrc. Lyon. 30 S., 1 Tafel.
Vorläufige Anzeige.
Charles Aubertin. Hache en jadi'ite -trouvee »
Beauno. Mortillet- Materiaux , 3m# Annee, pag.
465.
Geschliffene Steinaxt aus Jude in 2 Fu»a Tiefe.
Azam. Fouilles a Bordeaux. Bullet, de la SoC.
d’Anthrop. de Paris. 2d* Serie, Vol. III, pag. 34.
KjökkeuiDLidding mit Ansternschalen , Kohlen, Knochen
und Feuersteiugeräthen in der Nähe der Cathedrwle unter
dem Buden.
A. Baudon. Notice sur diverses deoouvertca ar*
chootogiques du Canton do Mouy et territoires
voiniui. Beauvais 1867. 14 S., 5 Tafeln.
Aufzählung der Funde aus Stein und Bronze.
E. Beauvoifi. Les epoques gallo-roraaines et de
la pierre a Corberou. Mortillet-Matöriaux, 3m*
Annee, pag. 465.
Römische Villa; iu der Kühe gr*chliff«ne Stein waffen.
de Beifort et Broca. Sepulture merovingienne
de Claye*. Bulletin de la Sociöte d’Anthrop.
de Paria. VoL III, pag. 205 und 280.
Zwei Schädel von Kriegern mit Lanze, Scrnmasax und
Messer, einer dolichoeepluü, der andere brach vrephaL ln
gedeckelten Steinsärgen.
M. Beigrand. Sur Phintoire ancienne de la Seine.
Bullet de la Societo Geolog., 2dc Serie, T. 25,
pag. 499 — 524.
Kesuuie einer grösseren Abhandlung, das »ehr genaue
Angaben über die Bildung de» Dilu>iutu» uud Alluviums
de» Seine - Becken» enthalt. De»»halb wichtig, weit in
beiden Mcuschenrcste gefunden werden.
Beigrand. Quaternaire de Paris. Sooi^te geolo-
gique de Paris. Seance du 2<k‘ Mars 1868.
Die Schichten wurden durch einen regelmässigen Strom
abgelagert und man braucht zu ihrer Bildung keine aus-
•ergewühnlichcn Fluthen zu Hülfe zu nehmen. Ausser
den Men*chenre»ten linden »ich in den unteren Schichten
Flusspferd, drei Nashornarten, der grase« Biber (Trogon-
tberium) etc. In etwa» buhen« Niveau fand man bei
Momreui) de« Elephtt» «utiijuus, Rhinoiero» Mertkii, Fluss-
pferd, Auerocbs. Eher nnd einen neuen grossen Hirsch
(Ccrvus Belgrsodi) nach Bestimmungen von Lartet.
Borthorond et Bourjot, Fouilles des Dolmen*
du platcau des Beni - M-sbous pres Alger. De-
dtictioii8 anthropologiques et description de la
contree. Alger. 16 S.
Alle dies« Del men sind nach Osten orientirt, viereckig,
aus unbehauenen Platten bi» za 3 Meter Länge und 1 [j
Meter Breite gebaut. — TopfMuerben liegen in einem
vordem Winkel; die Menschengebcine, sehr schlecht er-
halten, etwa einen Fu» unter der Dodcnfliche vier unter-
einander; dabei wenige Gegenstände (Ringe oder Armbin-
der), meLt zerbrochen, rou Kupfer (Bronze). In einem
fanden «ich Reste von wenigstens 8 , in einem andern von
b Individuell jeden Alter» und Geschlecht».
E. Bcrtrand. Grane et owemente trouvöa dans
une carrierc de Pavenoe de Clichy. Bullet, de la
Soc. d’Anthrop. Paris. Vol. III, pag. 329.
Schenkel, Schienbein, Schiidelbrucfastücke und Fuvskuo-
cheu vom Menschen in einer Schicht des Diluvjnin von
Pari», die Msmmuth, Nashorn, Pferd, Aucrochs etc. ent-
hält. Die Dicke der Sch Welk nochen , die nach Pruner-
Bey einem Weibe angehören, »el »ehr bedeutend. —
Mortillet behauptet, die Knochen seien von einem Ar-
beiter in einer hubern, der Rennthierzeit an gehörenden
Schicht ursprünglich gefunden und in der tiefem Mam-
Digitized by Google
Verzeichntes der anthropologischen Literatur. 359
tnuthschicht verborgen worden. — Hainy hat andere Men-
«chenkuoi'hen, von Keboux gefunden, aus der tiefem Schicht,
stellt also Mortillet’* Zweifel, die auf der Erzählung
eines Arbeiten» beruhen, in Abrede, ln riner spätem
Sitzung (ibUl. paß. 408) bemerkt Pruner-Bey über die
vorgezeigteo SehideUtücke, da« sie einem dolichocephalen
Weiberscb&del angehören. während Broca sieb mehr der
Ansicht xuncigt, daa» sie ron einem Manne summen.
Fordin. Bouquinat. Instruments en silex de
Vertault (Cöte d’Or). Mortillet -Matorittux, 3“®
Arniee, pag. 466.
Viele gesrhlUTene StcinwafTen.
Bourgeois. L'homme tertiaire. Mortillet -Mato-
riaux, 4*n* Annee, pag. 248.
An* dem unterdessen erschienenen Bericht über die Coo-
grewitzoiig in Paris. Mit Durchschnitten des Termins,
in weichem die bearbeiteten Feuersteine gefunden wurde»,
die über die Lagerung keinen Zweifel lassen. Ich will
hier nur hervorhebca , da*» die Steine in S.hichten liegen,
die »ich unter dem Sande von Orleans linden, ln welchen
Dinothcrium, Mastodon, Amphicvon — kurz die Säuge*
thiere von Eppelsheim am Rhein Vorkommen. Beigelügt
sind (in natürlicher Grösse I die von Abbe Delaunay ge*
fundeneu Kippen von llalitherium mit Einschnitten.
Bourgeois, Abbd. Trane finnoia de Tepoque m£-
rovingienno. Mortillet- Materiaux , 4m® Annee,
pag. 108.
Der Verfasser hat an Pruner-Bey einen finnischen
Schädel aus einem Merovingiscben Grabe geschickt, der de-
nen von So]ut*4 »ehr ähnlich Ist.
Bourguignat. Notice aur diverses cspeces de mol-
lu&quea et de manuniferes decouvertes daos une
Caverne prea de Veuce. Paria, Bouchord-Hyznrd.
Aus dem Funde einiger Helix , die asiatischen ähneln
und eines Hunde« (Untergattung Cuon) sucht Bourgui-
gnat nachxuweisen, da»« unsere ganze europäische Fauna
von Asien her eingewandert ist.
A. Bourjot. Grotte ü silex tu i lies dann la car-
riere Meieion - <T Are h la poiute Pescade prea
d’Alger. Mortillet -Materiaux, 4'“® Armee, pag.
122.
Spuren eines Herdes in einer Grotte mit Asche, Kohlen,
zerbrochenen Knochen und zwei behauenen Steinwatfen.
Bourjot. Promonadea geologiques ct anthropoio*
gique« aux environa d’Alger. Alger. 23 S.
Bekanntes.
Bourjot. Decouverte d’une grotte a la Poiuto-
Poacade (prva Alger) k la Carrier« de calcaire
bleu. Alger. 13 8.
Die Grotte war mit einer Art trockenen Mauerwcrks
und einer Steinplatte geschlosseu und die innere Erweite-
rung mit Steinplatten gepflastert. Es fand sich darin;
ein Stein-Instrument, Tiele zerschlagene Knochen, in wel-
chen der Verfasser einstweilen mehrere Antilopen (rccti-
cornis, dorras, corinna), den Steinhock, das Mähncnschnf,
den bos primtgenius erkannt haben will. Ausserdem Mas-
sen gegessener hämisch necke» (Helix aapersu).
J. Bourlot. Ilistoirc do Thomme autediluvien;
Ages du Mammouth, de l’oure des cavernes et
du renne. Paria, Leiber. 58 8.
Kurze» und klares ßesuuie ohne neue Thatsacben.
Brasseur de Bourbourg. Quatre lettre« aur lo
Mexique. Paris, Durand. XX und 463 S.
Der unsterbliche Verfasser, der bekanntlich das Sudel-
heft eine« mitteldeutschen Schulbuben als indianisches
Manuscript vom höchsten Intern»« herausgegeben hat,
findet jetzt in einem mexikanischen Code* die Aufklärung
aller Fragen, welche di« wissenschaftliche Welt interessi*
ren. — Silndfluth, Ursprung des Menschen , der Sprachen,
der Civtlisation u. «. w. Alle« recht ergötzlich zu lesen
und mit Holzschnitten verziert.
Briart, Cornet et Houaeau de Lehaie. Rapport
§ur len docouvertea geologiques et areh^ologiquea
faitea k Spiennea en 1867. Mona 1868. 40
12 Tafeln.
Genaue Beachreibung mit Abbildungen und Durchschnit-
ten diese« merkwürdige» Fundorte« von Kiesel - Instrumen-
ten, der offenbar von den ältesten Zeiten bi« zur Pfahl-
bautenzrit zur Fabrikation diente.
Broca. Crftne de Meyrueis (Losere). Bullet, de la
Soc. d’Anthrop. Paris. 2de a£rie, Vol. III, pag. 129.
Der Schädel stammt wahrscheinlich aus der Grotte von
Meyrueis oder Nabriß«*, di« von Höhlenbären bewohnt war.
Er wurde auf dem Boden de* Hnm.cs eines Herrn Ignon
entdeckt . der vor etwa 30 Jahren die Höhle untersucht
und dort einen Schädel gefunden hatte, seitdem aber ge-
storben war. Herkunft und Lagerung de« Schädels ist
also sehr ungewiss — Im Uebrigen ist er sehr merkwür-
dig. Uruchycepbal (Index 84*39); Cuhik-Inhalt 1406 Cu-
bikcentiineter. Alter Mann, all« Nähte verwachsen. Stirn
«ehr schmal und niedergedrückt, starke Prognathie (Cnm-
per’ncher Winkel = 7ü°), Augenbraurnbogen sehr vor-
springend, grosse Aebnlichkeit im Profil mit der» N «ander-
sciiiidcl. Pruner-Bey findet Aehnlicbkeit mit Caraibeii-
Schädeln.
P. Broca. Cränea extraita do long-barrowa de 1
Grande-Bretagne par M. Tkurnaui.
Einige ausgesucht« dolichocephale Schädel. Drei schöne
Holzschnitte.
Broca. Sur lea eränes et oaaeuienta des Eyziea.
Bullet de la Soc. d’Anthrop. Vol. 111, pag. 350.
Länger« und genaue, mit Holzschnitten und Tabellen
versehene Arbeit, deren Sclilu»*-Re»utu« ich hier mit den
Worten des Verfasser* wiedergeb*. »Wir linden“, sagt
Broca, „in der Rare von Kyziee eine merkwürdige Ver-
einigung vou Charakteren höchsten und niedersten Ranges.
Da« grosse Volumen de« Gehirns, die Entwicklung der
StEmgegend, di« schöne elliptische Form des vordem Thel-
les des Schädclprofils, die orthoguathe Bildung des obern
Gesichtatheilcs, die einen »ehr offenen Camp^r’schen Ge-
sichtswinkel bedingt, sind unzweifelhaft Charaktere höherer
Bildung, wie man sie nur bei Culturracen zu Huden pflegt.
Auf der andern Seite würden die gross« Breite des Ge-
sichtes, der Prognntbisuius der Alveolartheile. die euorme
Entwicklung des horizontalen Aste« der Kinnlade, die Grösse
und Rauhigkeit der Muskel -Ansätze, besonder» der Kau-
muskeln, unmittelbar den Gedanken einer gewaitthitigen,
brutalen Kace auf kommen lassen, wenn wir nicht ausser-
dem wüssten, dass das Weib durch einen Schlag mit der
Axt (auf den Kopf) getödtet wurde und dass der Greis
am Schenkelknochen die Spuren einer alten, schweren Ver-
wundung trägt. Dazu kommt noch die Einfachheit der
Nähte und ihre wahrscheinlich frühzeitige Verwachsung,
die wie hei den barbarischen Völkern«?», von hinten nach
vom fortschreitet. Fügen wir noch die athletisch« Bil-
dung und Grösse der Knochen, di« ausserordentliche Ent-
wicklung der rauhen Uni« am Schenkel, die von einer
gewaltigen Ausbildung der Muskelkraft zeugt, hinzu und
erinnern wir daran, dass drei Charaktere, die ausseror-
dentlich« Breit« de* Kieferastes, die Krümmung der EH«
unter dem processn* curonoideua und die geringe Tief« de«
Kfonenciodruckes und endlich die Abplattung der Schien-
Digitized by Google
360 Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
teilte mehr oder minder deutlich affenartig sind, *o haben
wir ds* Bild einer Race, welche durch einige Charaktere
die booteten und edelsten Stufen der menschlichen Bil-
dung erreichte, durch andere aber **lb*t unter die niedrig-
sten anthropologischen Typen der Jetztzeit beratet leg* . . .
Jedenfalls ist diese lUce gänzlich von allen, bis jetzt be-
kannten, älteren und neueren, verschieden.
An diese Mittheilung knöpft sich eine, in den bis jetzt
■ns sugegangenen Helten noch nicht beendete Discusston.
Pruner-Bcy (ibid. S, 416) behauptet, dass die ausser-
ordentlichen Charaktere , besonders die Abplattung der
Schienbeine (Platycnemie der tibia, wie Busk sie nennt)
von Rhnchitismu* herrühren, dass die Schädel den Charak-
ter der Nengoloidcn haben und zwar den Schädeln der
Estben sehr ähnlich sind, weniger denen der Finnen und
gar nicht denen der Lappen. Auch das Becken sei durch
seine Breite dem der Ksthen ähnlich und die Struetur de«
Gaumens zeige , dass die Spnn he dieser Höhlenbewohner
weder eine arische, noch semitische, sondern zugleich sanft
und schwach gewesen »ei, wie die finnischen Idiome (Ml)
Schien* und Schenkelteine seien rhachitisch, wie auch die
des Neaaderthale». Man könne da nicht von atTenähulicheu
Charakteren sprechen, die Schienbeine des Gorilla »eien
doch anders. Broca (ibid. S. 433) erwiedert, sie »eien
ähnlich, wie Jedermann sehen könne, nicht identisch; die
durch Rhachitismus verunstalteten Schienbeine »eien durch-
aus ander» gestaltet, gekrümmt, nicht gerade, wie die von
Eyzics, womit auch Jules Guerin übereinrtinuue; die-
selbe Form sei häutig gefunden worden, wie im Diluvium
von CHchy, in den Dolmen von Chiunanl und Maintenon,
von Busk in den Hohlen von Gibraltar etc. Später
(8. 454) geht dann Broca sehr weitläufig auf die Ver-
gleichung der Schädel von Kyzies mit den Ksthen «in und
sucht dieselbe Punkt für Punkt xurü< kzuwetsen.
Victor Brun. Notice aur les fouillea paloontolo-
giques de l’Age de pierro execut^es ä Bruniquel
et Saint - Antonin. MontaubAn 1867. 46 S. , 7
Tafeln.
Zwei Fundorte, nach den Besitzern Lafaye und Plan-
tade genannt. Am ersteren gedengelt« Strininstrnment«
ln Menge, am letzteren wenig, in Ware zwei menschliche
Schädel, ein Commandostab mit cingravirtena Tigerkopf — -
in Plantade ein Herdstein und Pfeilspitzen mit Widerhaken.
In der Kühe auch eine Hohle au» derselben Rennthicrxcit
(Caverat des Batut») mit viel durchbohrten Klcischfresser-
tähnra.
Albert Bruxard. De l’Age dti bronxe dans l’ar-
rondinseuiout deS6mur(C6t« d’Or). Semur. 15S.,
1 Tafel. 4«.
ln einem Felde wurden acht Aexte, unter den Wurzeln
eines Baume» bei Al;«vS*int®-Kcine , Lanzenspitzen, Aexte,
Schwert, Meswr, Pfeilspitze, viele Hinge und eine Platte
aus Bronze gefunden.
L. Bunet. Grotte Spulende daun le Gard. Ma-
turiaux, 2d" Serie, Nr. 1, 8. 70.
ln der Nähe von Durfort. Sehr enger, kaminähnlicher
Zugang. Mehre vollständige Schädel, viele Knochen, Per-
len, Steinmesser, Aexte, Pfeife aus Knochen, Lanzcnspitzo
aus Brouze noch im Knochen steckend.
A. de Caix do Saint-Aymour. Rapport aur les
fouilles du monuiuent megalithique dn Vauroal
(Seine- et-Uise). Bullet, de la Soc. d’Anthrop., 2do
aorie, Vol. II, pag. 664. Mortillet-Materiaux, 4m*
Annue, Mai 1868, pag. 188.
War eine bedeckte Allee, deren iJccksteine weggefiihrt
und zerstört sind, 14 Meter lang und 2*60 Meter im Mit-
tel h«>cb. Auf dem ursprünglichen Boden eine 30 bis 40
Centimeter dicke Schicht ran Knochen, Kieseln, Kohlen und
Instrumenten. Drei Kammern: in der vordersten polirte
Kleselwaffei), durchbohrte Pferderähne, Ring von Fluwpatb ;
in der zweiten aus>er den Kieseln ein Gefäs* von rothem
Thon, fast cy lindrisch, oben etwas weiter. 20 Centimeter
hoch, 15 Centimeter breit; in der dritten fünf Schädel, un-
ter jedem ein Halsschmuck — Halsband au* durchbohrten
Scheiben von Knochen und Schiefer, an welchen Amulette
hingen von Jade mit durchbohrten Pferdezähnen. Pruner-
Bey fand beim Reinigen eiues Schädel* ein menschliches
Schulterblatt mit einem Loche, in welches ein Ring ein-
gesetzt war, sei das» man es auf hängen konnte und wahr-
scheinliih um den Hals trug, wie noch jetzt manche Völ-
ker thun.
Virgile Call and. Lea monuments anteceltiques
de Paaly. Argus Soiaaonnaia du 1* Dec. 1867.
Schichte im Diluvium mit Kohlen, Asche, Knochen und
Zähnen von Mammuth, Nashorn, Hyäne, Höhlenbär, Eber,
Itiesenhimh, Ochs und Pferd. Alle Markknochen zerbro-
chen. Holte Steinäxte. Sei wahrscheinlich eine zusammen-
gestürzte Höhle. Darüber hat »ich zwischen dem Verfas-
ser und einem Domherrn, Abte Peronne, eine sehr hef-
tige DI«cu»slon enUponticu, ergötzlich zu lesen, in welcher
Glauben und Wis»cn»chaft eiunuder ltart auf den Leib ge-
hen, Herr Ca) Und aber das letzte Wort behält.
Canestrini. Palafitte de Gorzano, prea Modene.
Mortillet-Materiaux, 3** Annee, pag. 466.
Zwei Schichten: eine untere, breiig, von heller Farbe,
mit viel Kohlendeckeu , eiue obere, erdig, dunkel. Die
Pfähle der unteren Schicht , ganz vermodert , stecken in
dem Untergrund der Trrrnmnre, Canestrini glaubt, der
Teich, in welchem die Pfahlbaute stand, sei künstlich ge-
bildet worden.
P. E. Cartailhac. Les civilisationa primitiven a
l’Exposition de Paria. Revue de Toulouse, l'Nov.
1867.
Allgemeiner Ueberblick.
P. B. Cartailhac. Note aur la grotto sepulcrale
de Saint-Jean-d’Alcaa pres Saint- Affrique (Avcy-
ron). Ruvue archool. du midi de la France, Tou-
louse, Sept. 1867.
Grnbgrotte, in welcher sich »ehr schöne Steinwaffen,
Schmuck von Bronze, Glas- und Quarzperlen nebst der
von Sanibuzy-Luxenfou (». d. A.) erwähnten Statuette
fanden, die also sehr neuen Datum« ist.
P. Cazalia de Fondouoe. Congrea acieutiiique
de France. Session de Montpellier. Compte roo-
du. Materiaux, 2dc aerie, Nr. 1, S. 29 — 37.
Bericht über die Verhandlungen, die sich anfangs be-
sonder» über di® Höhlen und Grotten von ßixe, Vallon,
Louoi etc. drehten, später aber die Dolmen und ander®
roegalithiscbe Monumente besprechen.
P. Cazalia do Fondouoe. Derniers tempa de
l’&ge de la pierro polie dans l’Aveyron. Mont-
pellier 1867. 90 Sn 4 Tafeln.
Die Grotte von Saiut Jeau-d’Aka* enthielt in feiner
brauner Erde viele Männer-, Weiber- und Kinderknochen
sehr verschiedenen Alter« , vielleicht von hundert Indivi-
duen — zwanzig Schädel konnten untersucht werden —
viele glatt« oder gezäbneJte Pfeilspitzen und Meooer au*
Kiesel; kleine gcschÜtfiMir Aexte au» Serpentin oder Jade;
Itinge, Perlen und Ohrgehänge au* Stein, Gagut, Alabaster,
Knochen, Muschelschalen, Kupfer und Glas netet sehr we-
nigen Scherten. In drei Dolmen au» derselben Gegend
fanden sich durchaus dieselben Gegenstände. Gimbgrotta
und Dolmen scheinen also au» derselben Zeit zu stammen.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 361
P. C&zalU de Fondouoe. Silex t»ill>« de la IV
lestine. Murtillet-Materiaux, 3"* Annee, pag. 460.
Notizen über eine Sammlung von gehauenen und ge-
schliffenen Steinwaflen , die deT Abbe Moretain, Pfarrer
in Iirth-Saur besitzt, die ÜieiU iu Grotten , ttieil« auf dem
Felde gelmideu wurden. Neuerdings wurden auch einige
Broiue-Acxtc (Keile) gefunden.
Ernest Chantro. Kt ml es pah'o-etbnologiqueR oa
rccherchc* ßeologico-urcht-ologiqucs «ur Tindu-
strie et les rnoeurs de Thnmme des temps pre-
historiques, dann le Nord du Dauphine et les
euviroDR de Lyon. Atinal. Soc. den Science* in-
dustrielles de Lyon, 1867, Nr. 3, jMtg. 114 — 144.
1 Doppeltafel, Nr. 4, p. 145 — 188, 9 Tafeln. In
einen Band zusAinmengestellt. Rapport von
llatnv. Bullet. Soc. Anthropol. Paris , Vol. III,
pag. 263.
Flcbsige Untersuchung vieler Grotten und Hohlen, wor-
unter die bedeutendsten von la Halme, worin zwei Ochsen*
arten, Kennthier, Hirsch, Pferd, Eber, Wühlmaus, Schnee-
huhn und Alpenkrähe mit Kiesel -Instrumenten, die v«n
Bethens* , von Hrotel bei Crforieuz, wie t* scheint, aus
derselben Zeit mit Meuschenresten , die wahrscheinlich io
bockender Stellung beigesetxt waren; ferner viele Stationen
und Grotten aus der Epoche der geschliffenen Steinwatlen.
Ernoat Chantro. Nou veile* etude* paleo-ethno-
logiqua* ou recherches geologico- archeol ogiquoa
*ur Tindustrie et le* moeurs de Fhomme des
temps antehiatoriquea de Tage d« la pierrc dans
le Nord du Dauphine et les environs de Lyon.
Paris, Sary, 4°. Erste Lieferung, 1 Tafel.
Ilcrdstättcn mit geschliffenen Stcingeräthrn, auf welchen
wahrscheinlich Leichen verbrannt und Lcichcnmahlc gehal-
ten wurden — die bedeutendsten bei Lou varesse in der
Nahe von Travers.
Ernest Chantro. Bibliographie paleo-ethnologique.
Anhang zu dem früher angezeigten Werke des-
selben Verfassers über Urzeit in der Umgegend
von Lyon.
Cte Alexis de Chasteignier. De P&ge de pierre
daun les Landes de la Giroude. Revue Archeol.,
9“® Anne*», VIII, pag. 95.
Man findet in den I -aride* meist nur Pfeilspitzen aas
Stein, die besonder* in der Nähe von Caatclnau fabricirt
wurden und zwar aus Kiesclgerüllc , die atu Mcerchstrande
nicht selten sind.
Chierici. Prehistorique de Reggio. Mortillet-
Materiaux, 4roa Annee, pag. 205.
Ueberstl Steinwatlen. Entdeckung einer Pfahlbante in
der Terramare von la Mont ata. Marzabotto sei nicht
ein Kinhhof, wie Gozzadini glaubt, sondern eine wahre
Stadt.
Ooötano Chierici. Tombes de Tilge de pierre
taillce en Italic. Matcrinux, 2,,e Serie, Nr. 1,
png. 26.
In Sanpolo eine etruskische Bronxcgiessstätte; darunter
eine Pfahlbaute, noch tiefer, Gräber au« der Steinzeit.
Cbir. Premiere grölte a ailex taillcs, signalee en
Bretagne. Mattriaux, 5”1* Annee, 2d* serie, Nr.
2, pag. 120.
Zwei kn mm orige Grotte am westlichen Ufer der Pcnze
Archiv fSr AnUirupologie. lliL UL lieft 8.
mischen Guielun und St. TWgonuec. In der vorderen
schwarze Kohlenerde mit vielen Steingeriithschnften; in der
hinteren weniger in rot her Erde. Keine Knochen. Der
Charakter der Geräthe ist der aus der Kennthicrperiodc.
Henri de Cleuziou. Des instrumenta classfo sous
le nom de hach ec de pierre et hache* de bronze.
Revue Archeol., 9m* Annee, X, pag. 264.
Poetische Floskeln über das Thema, da« die sogenann-
ten Aexte keine Streitwagen, sondern Arbeitsgerät!»« waren.
Cocchi. Crüne quaternaire de Ja vallee d’Arno.
Mortillet-Materiaux, 4,a® Annee, pag. 206.
Kcsun.«, mit Holz«chnitten über die Lagerung des von
Cocchi bei Ülmo entdeckten Schädels.
Cochot. Catalogue du Musee d’nntiquitos de Rouen,
XVI und 150 S.
Bedeutend in urgeschicht lieben FundgrgeiudänJen.
L’Abbe Collet. Tumulus et dolmens de Quibe-
ron. Matcriaux, 5m* Annee, 2',# Serie, Nr. 2,
pag. 123.
Auch hier in einem Dolmen eine Bronzeaxt, somit nichts
beMMkdeies.
L. Combos. Sepultures des bords du Lot. Mor-
tillet-Materiaux, 4,n* Annee, pag. 275.
Zwei , eiofncb in der Erde ausgrhoblte Gräber mit lie-
gendem Skelet und einigen »ehr rohen Topfseherben.
Combes de Fumel. L’homme dann la vallee du
lx>t nnterieurement k Tilge de Ja pierre. Agen.
7 S. Mortillet-Materiaux, 4"* Annee, Mai 1868,
pag. 182.
Möchte eine „Knochen zeit“ vor der Steinzeit aufttellen.
Mortillct fragt mit Hecht, womit denn der Mensch den
Knochen bitte bearbeitet» sollen?
Congros international d1 Anthropologie et d’Arcbeo-
logie prehistorique*. Compfc rcudu de la 2J#
Session. Parin 1807, lleinvald, 2d® Livr., 440 S.
Die meisten Arbeiten, welche dem Congresse vorgelegt
wurden sind unterdessen iu anderen Sammelschriften und
Werken erschien«! oder haben auch «eil dieser Zeit be-
deutende Modiricntionen erfahren. Das Haupt Interesse con-
centrirt sich unseres Trachtens einerseits iu den Excurslo*
neu, zum Gangtau von Argvnteuil, der Fundstätte von St.
Acheul bei Amiens, den Sandgruben von Levalloi* und
Grenclle, so wie den Besuchen der Aufstellung (Galerie de
Phistoirc du travuil), der anthropologische!! und palhont©-
logiseheu Abtbeiluug im Jardin des ] •lautes, der Museen
von St. Germaiu, vom Art liiertest ah , von der Anthropolo-
gischen Gesellschaft, — anderseits in den Discussionen,
worunter wir besonder« die über die ausgewanderteu und
ausgestorbencu Thiere, über die Höblen. die Menschenfres-
serei, die Dolmens, die Bronze, die Eisxeit, die erste Ei*eu-
zeit und über verschiedene anthropologische Gegenstände
erwähnen. Es wäre zu wünschen, das* künftig diese Be-
richte nicht, anderthalb, sondern höchsten* ein halbes Jahr
nach den Sitzungen erschienen um gerade diesen Momen-
ten, wo die Geister auf einander platzen, ihre Frische zu
bewahren.
Cottouu. Rapport sur l<*s Maritas d’histoire natu-
relle de quclquos-unes des villes du Sud-Ouest
de la France. Caen 1867, 24 S.
Aufzählung der urgeachichtlicbcu Sammlungen in den
Musetm von Tour», Poitiers, Niort, Toulouse, Bugnere»-de-
BJgorre, Montnubau.
46
Digitized by Google
362
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
G. Cotteau. Rapport sur les progr&s de 1a geo-
Jogie et de 1a paleontologie en France pendant
Panne« 1807. (’aen, Le Blanc-IIardel, 51 S.
Lin Drittel «I» Bericht«» etwa behandelt die Arbeiten
im Felde der Urgeschichte.
Cotteau. Rapport sur de nouvellea fouille* ex6-
cutees dann In grotte des fees, a Arcy-aur-Cnre
(Yonne). Auxerre, 3 S.
Zwei Schichten, dl« obere schwärzlich, mit rohen Töpfer»
»rherben. Kohle, Klct-elmesscro; die untere, gelblich sandig,
ebenfalls mit Kiwlmrssern ohne Töpferei und Asche und
mit Knochen von Uhren, Hyänen, Pferden uud Ocluen.
M. A. Daubree. Apercu hwtoriqu© sur l’exploi-
tation de-» metaux dana la Gaule. Iicvuc archeo-
log., Avril 1868, pag. 298 — 313.
Gold, Zinn, Kupfer. KU-cn wurden weit früher ausge-
beutet als Silber und Blei. Aufzählung der Lagentätten
nu« alten Gruben.
Daubree. Rapport »ur nne Collection d’inBtrumenls
en pierre decouvcrts tlans File de Java 4t remon-
tant ä une ©poqae anterieure k celle oü com-
mcnce, pour ce pays, Plustoire proprement dite.
( Auszug des Ilerichta von Daubree und Roulin
mit 1 Tafel Abbildungen.) Compt. rendus, Tome
LXYII, Nr. 26 (28. Dec. 1868, S. 1285—1330.)
Dclesso et de Lapparent. Revue de geologio
pour leg annrat» 1865 et 1866. Paris, Dunod,
VIII und 293 S.
Kn t hält ein Capitel, worin die Arbeiten in den Diluvial-
■clihhteit analysirt und aufgeführt sind.
Delease et de Lapparent. Revue de göologie
pour les an n 6 es 1864 et 1865. Paris, Dunod,
1866, 279 S.
Kot hält viel« urgi^iichtlicb-geologisch« Notizen.
Albert Dumont. Note sur quelques objets an-
tiques con8erves au Musoe de Beigrade. Revue
Arclieolog., 9“* Anne«, XII, pag. 407.
Keine Steinw'aflVn. — Drei Bronzeäite.
Eduard Dupont. Nouvelle caverne en Belgiquc
ä GoycL Matoriaux, 2J" Serie, 5"*8 Aunee, pag.
140.
Bei Naturelle um l!fer de* Sanuon. Die Höhle itt
2UO Meter lang, mit KnochenrrMen, ntttue.itikh vmn Höh-
lenbären aogefülh. Am Eingänge zahlreiche Sputen von
Mahlzcilrcsten und Instrumenten — darunter ein Coui»
tnandostab aus Hennthicrhorn mit einer Zeichnung, die
eine Forellen- Alt (V) daratellt.
Eduard Dupont. Age des silex de Pont*»* Lesse
©t de Laugeri «-Raute. Mortillet- Maloriaux, 3rMI
Aii nee, pag. 469.
Dupont uutertcheidet, von oben nach unten, folgende
Ablagerungen: 1. Geschliffene St ein »'allen — keine aus-
gewnnderten Thier« mehr. Lagerung über dem Lehm, der
Ziegclerie uud dem Lehm mit eckigen Steinen. 2. Me*»
M-r (Flirfooz, U Madelaibe). Ausgewanderte . keine ausge-
■torbenr Th irre , Lagerung im Lehm mit eckigen Steinen;
die Pllisnc hatten etwa ihr heutiges Volumen. 3. Geden-
gelt« Stein« allen (Laugerie Haute; l’ont-A-Lcssc); au»gcw än-
derte und nusgentorbcue Thier« (Nashorn, Hyäne, Bär) La-
gerung im Lchus, bi« 30 Meter ubor den jetzigen Flüssen.
4. Gehauen« Stelnw affen (Montaigle, Moustier) älteste
Formation.
C. van der Eist. La Belgiquc primitive. Agea
cosmogonique , mythologique et fabuleux. Paris
1867, in 18. 152 S., 1 Tafel.
Fabeln ohne Tbatsnchen
I/Abbe Euzenot. Fouille faite au dolmen de
Lex-variel en Guidel (Morbihan). Materiaiix, 5“*
Aunee. 2** s6rie, Nr. 2, pag. 122.
Mit Kohlen und Tupfsckcrbeu, eine Bronzenst.
Faidherbe. Kecherclies aothropologiqaes sur les
tombeaux mvgalithiques de Kokuia. Bon«, 76
8., 13 Tafeln.
Etwa 3Ü00 Dolmen uud 400 Grotten, drei Stunden
von Gelina in d«r Provinz Coiutantin«. Alle Graboi liier
au« l’liit ten, T10 bi» 1*80 Meter Ing, 0 00 bis 0'80
Meter breit, 0*50 Meter hoch. Zuweilen mit rinem
SUdnriug umgeben. Einige Grotten scheinen auch zu Be-
gräbnissen gedient zu haben — die meinten waren Woh-
nungen. In den Dolmen findet man oft mehre (bis zu 7)
Leichen und zwrar mehr in den kleineren; die grössten
enthalten nur eine, höchstens zwei Lek-ken. Zu jeder
Leiche eine Urne oder Topf. In dreistdg Dolmen fand mau
nur einen Brouzering in einem, und ein zerbrochenes Arm-
band von lironze in einem anderen. Die Schädel seien
denen der Berbern ähnlich.
A. Falsan. Couteau en bronze de la Grosne (Saöne
et Loire). Mortillet- Materiaux, 4“18 Annee, pag.
273.
Verfasser weist nach, das* die Behauptung Arculin’s,
wonach sich auf dem rechten Saön«-Uf«r keine Gegenstände
aus Bronze und nur »ehr wenig aus geschliffenen Steinen
fändeu, falsch sei.
Albort Falsan ot Arnould Locard. Monogra-
phie gcologiquo du Mont d’Or Lyonnais et de
bob dependancee. Paris 1866, 500 8., 5 Tafeln,
1 Karte.
Ein« Abtheilung dieser, die ganze Geologie der Gegend
umfassenden Arbeit bespricht die quaternären Ablagerun-
gen uud die Funde au» der Steinzeit, welche in der Ge-
gend von Lyon gemocht wurden. Namentlich wird auch
die Meinung von Arcelio widerlegt, der glaubte, die
beiden Ufer der Saöne seien, zur Stein- und Bronzezeit,
tob zwei verschiedenen Völkern bewohnt gewesen, indem
auf dem rechten Ufer nur sehr wenig Steinäxte und gar
keine lironze , auf dem linken dagegen sehr viel gefunden
würden. Die Verfasser wiesen durch zahlreiche Fuude
nach, da» dies irrig »ei.
H. de Ferry. Les giscmenU archeologtqnee de*
bords de la Saöne. Macon, Mar» 1868, 4". 168.,
1 Tafel.
Behandelt die an den Saöne-Üfern übereinander geschich-
teten Ablagerungen und sucht aus der Thatsache, da» im
Jahre 40Ö nach Uhr. der gross« germanische Volker-Ein-
bruch dort geschah , die Chronologie dieser Ablagerungen
festzustellen. »1 Dreimeter (zwei Fum) Ablagerung ent-
sprächen einem Zeitraum von 1400 Jahren und danach
datirti-n die Brunzestationen in 1*30 Meter Tiefe von 3000
Jahren und mehr; die geschliffenen Steinwarten (1*80 bis
2 Meter Tief«) von 4000 bi* 5000 Jahren; der blaue
Lehm (mit Mnuunuthl in 3 bi» 4 Meter Tiefe von 9000 bi*
10 000 Jahren.
de Ferry. Scpultures de Solutrö (Saöne et Loire).
Mortillet-Materiaux, 4“° Annee, pag. 102.
Digitized by Google
363
\ cmichnUs der anthropologischen Literatur.
Aufklärungen über die bekannten Fundstätten aus der
Kcnnthierzeit. Es giebt zwei verschiedene Grabstätten;
1. Creux du Cbaruier. Alte Herde, Kücheuabfülle von
Retinihier, Pferd, Elephant. »ehr wenige meuschüclie Kno-
chen, besonders Fingcrglieder. Daneben liegen Haufen von
ungebrannten und zerstampften Pfcnleknoihcn, »Huirf ge-
trennt, in welchen sich Skelete neueren Ansehen* (celti-
»eher Typus nach Pruner-Bcy) linden. Südöstlich von
den Küchenabfalle« und diesen Haufen linden sieb Gräber
aus rohen Steinplatten , di« grossen! heil* zerstört «iud.
Kin unberührte« Grab enthielt: elu weibliche* Skelet (M»n-
goloideu-Typu» tiarh Pruuer-Bey), Kcnntbicr- und Plerde-
knochen und drei Kieseltnesser. Der Körper lag auf eiucr
aus xerstamplten Plerdeknuchea gebildeten Aschen Schicht.
Die Platte ii der Gräber sind dieselben, die auch zu Herd-
stclnon gebraucht wurden. 2. Lagerstätte auf der Hube
des Felsens von Solutre unter dem alten Schlosse. Hier
existirten ebenfalls Gräber uus roben Steinplatten, di« aber
bi« tu di« burguudisch« Zelt gedient zu haben scheinen,
indem man die alten Knochen heraus wart' uud neu« Lei-
chen einsetzte. Ferry schliesst auf die Gleichzeitigkeit
der Gräber von Creux de Charnier mit der Kenntbicrpe-
riode. — Mortillet zweifelt wegen der Zusammensetzung
aus Steinplatten.
H. de Ferry et A. Arcelin. L’&ge du Renne en
Maconuais. Memoire Bur la Station du Clos du
Charnier a Solutre. Mficon, 42 3 Tafeln.
Gewiss einer deV bedeutendsten Funde, der seit langer
Zeit gemacht und mit ausgezeichneter Sachkenntnis« uus-
gebeutet ward«. Die Abbundlang, die dem Congress in
Korwich vorgelegt wurde , resutuirt Alles früher über die
Fundstätte publicirte utid bringt eine Menge neuer That-
sachen. Der Hoden der Fundstätte, die am Kusse eines
hohen Felsens liegt, ist bedeckt mit Feucrsteinsplittern, und
in der oberflächliche« Bodenschicht bat man wenige Scher-
ben aus dem Mittelalter uud au* den tieferen Schichten
aufgewühlte Pferde- und Kennthierknorben gefunden. Erst
unter dieser Schicht finden sich die urgrschichtiichrn Ge-
genstände am Platz« und zwar: 1. K üchenabl'ille und
Herdstätten von verschiedener Grösse, mit Massen von
ItenntbieTgc weihen und Knochen, Steingeräthcn , Hollste»-
urn zum Zerschlagen der Knochen, Kryxtallcn und verstei-
nerten Muscheln, die mau zusamtuengesucht lütte (Spiel-
werk ?). Alle Herd*tättcu sind am Hoden mit Steinen ge-
plattet und mit Steinplatten gedeckt; die Kennthirrknochm,
die fast ausschliesslich die Haufen bilden, sind wie frisch;
einige Herdstätten «lud vorzugsweise mit Plerdeknochen
gebildet, ln diesen linden »ich keine schöner» Instrumente,
nur KtaseDplitter. Ausser Kenn, Pferd, Mammut h fanden
sich noch Hirsch, Aueroclis, Fuchs, Wolf, Höhlentiger.
Eine schlechte Zeichnung eiues Renn, auf weichen Kiesel-
schiefer eiogekratzt. 2. Haufen von Pferdeknochen,
am die Herdstätten herum, alle cnldnirt, zerbrochen, zu-
saimneitgeiilnmpft, ohne jegliche fremde Beimischung. Ver-
fasser berechnen, dass mehr als 2000 Pferde zur Herstel-
lung dieses Pflaster* gedient haben mögen, 3. Grab-
stätten in Gruppen und zwar verschiedener Art. a. ln
rohen Steinkisten. Viereckig zuaammcugestellt, der
Boden des rohen Sarkophags wird von dem Plerdeknochen*
pflaster gebildet. Bei der Leiche Kie*»*ltn***er, Pferde- und
Renntliicrkniochrn. b. In der Erde, zuweilen nur eiu
kleiner Stein zu Häupteu oder Füssen. c Auf den
Herdstätten. Die Skelet«, eines oder mehre, liegen
über die Herde berubergebogrn auf dem Kücken, alle Kno-
chen vorhanden und scheinen auf die noch heissen Herde
henibergelcgt worden zu sein, da einige Knochen Spuren
der Hitze trugen. Auf grown Herden liegen mehre Ske-
let« von Erwachsenen — uuf kleinen Kiuderskelete. Grebe
und Kinder in Mehrzahl. — Nach Pruner-Bey gehören
alle Mens« he n re 6t« der mongoioidisrhen Kace au und zwar
gleich auch allen vier Typen der Kace, dem lappischen, fin-
nischen, esthiachco und Eskimo-Typus. Auch seien Misch-
linge dieser Kace da. — * Die* die Thatsarhen. Di« Ver-
fasser vergleichen dieselben mit anderen und kommen zu
dem Schlüsse, dass Solutrö Lager- und Begräbnisssülfte
eine* tnongolotdiachen Stammes aus der Hennthierzcit ge-
wesen «ei, im Alter etwa Laugeri« - Haute, also der An-
fangszeit der Kennthierejmche , gleich steh« und also Mn-
deleinc und les Eyzlea vorangeh«.
F. Fouque. Troinier rapport Bur une misaion
ecientifique ä Pilo da Santoriu. Paris, Fovrier,
30 S., G Tafeln.
Die lieknnntrn Mauern, die tief unter vulkanischem
Taff bei Therasia entdeckt wurden, sind ohne Zweifel
üeberreste von Wohnungen, die bei einer grossen Erup-
tion verschüttet wurden. ln den Töpfen wurde viel Gerate,
aber kein Walzen gefunden. Keine Spur von Metall —
indessen »ah Fou<|u£ ein Stück Balken mit Zupfen und
Einschnitten, die so regelmässig waren, ab »eien »io mit
Stahl-Instrumenten gemacht. Uebor dem Tuff, der diese
Baurcfete verschüttet , liegt eine Schicht mit Töpferacher-
hn», identisch mit den Töpfen der Wohnungeu — unter
dem Tuff, iu einer anderen Schlucht eine Schicht vulka-
nischer Asche mit Scherben, Ob*idianmes»ern und zwei
kleinen Hingen aus gehämmertem Golde. Die Töpfe sind
mit der Scheibe gemacht.
O. Fraas. Kote sur une Station de l’äge du Renne.
Annal. scienc, natur., 5m# Serie, YoL 8, pag. 52.
$chu**enried.
F. Garrigou. Age du Renne dans la grotte de la
Vache. Annal. scienc. natur., 5°'* Serie, Vol. 8,
pag. 89.
Auszug der früher erwähnten Abhandlung.
Paul Gervais. Recherche» sur l’anciennete de
rhomme et la periode quaternairc. Pari« 1867,
4°. 182 S., 12 Holzschnitte, 19 Tafeln.
Untersuchung der Grabgrotten von Koca-blanca und
Baillargue* ira Departement de» Hernult und der zu ver-
schiedenen Zeiten bewohnten Höhleo von Pontil , Gange»
(Herault), von Bize (Aude), von Mialct (ünrd). Nachweis,
dass alle unsere jetzigen wilden Thier« mit den abgestor-
benen (Mammuth, Nashorn, Höhlenbär etc.) und den Aus-
gewanderten iKennthier, Bison etc.) zusammen lebten.
Bize gehört den älteren Zeiten (Höhlenbär und RenuthierJ,
Pontil dagegen der Periode der Stein-Pfahlbauten an. Unter
den «bgebildeten Menschenresten findet sich ein Schädel
aus einem Grabe der Steinzeit, bei Crcspy gefunden, der
dem Neauderschädel »ehr ähnlich »ieht.
Girard de Rialle. Age de la pierre ä Smyrne.
Mortillet- Materiaux, 8M Annoo, pag. 4 68. Bul-
let. Soc. Anthrop., 2d" Serie, Vol. II, pag. 675.
Kjökkenmöddiug auf dem Berg Tliiuu» bei Suivrna, in
dem man eine geschliffene Steinaxt fand.
Godron. Prehistorique do la Meurthe et laca des
Vosgea» Mortillet -Materiaux, 3““ Atiuee, pag.
459.
Auffindung von Steinwaffen bei Chalcau-Salin* (Meurthe).
In den Seren der Vogesen hat man bis jetzt vergeben*
nach Pfahlbauten gesucht.
D. A. Godron. L’uge de pierre en Lorraine.
Nancy, 20 S., 1 Tafel. Mortillet-Materiaux, 4rn,>
Armee, pag. 276.
Aufzählung aller Fundstellen in Lothringen.
A. Gory. Notice sur les fouilles eocecutoes 4 la
chapelle Saint- Michel de Valbunne pres Hydroa
46»
Digitized by Google
364 Verzeicliniss der anthropologischen Literatur.
(Var) [>ar Mr. lc duc deLnvnes. Pari» 1868, 4°.
12 6 Taft ln.
Steinäxte, römische, mittelalterliche Ding« durcheinander.
Zwei brachyccpbale Schädel.
Raoul Querin. Lp* tombellt'a antöhietoriques de
In töte de Malzeville (1M Serie). Nancy 1868,
14 1 Tafel.
Warum man die«« kleinen Steinhaufen, in welchem man
gespaltene Knochen. Kohlen, ruhe Tnpfscherbcn , einige
Stcin-lnstrumeute und eine kleine Bronrrscheibe, aber keine
Spur von Merisckenknochea fand, für Gräber hält, ist nicht
eluzuschen. Es waren offenbar Herdplätze, vielleicht von
Hütten überbaut.
Raoul Querin. Lea objet* autehij-loriques du Mu-
*4e Lorrain. Nancy, 26 S., 12 Tafeln.
Aufzahlung und Abbildung der merkwürdigsten Gegen*
stände nun der Stein- und Bronzezeit, die sich im Museum
von Nancy befinden.
Raoul Guerin. Note sur un anueau-eupport trou-
v6 du ns la Meurthe. Nancy, 5 S.
Thonring zum Kinstellen eine« Geflsses mit konischem
Boden, nie deren schon längst in Menge bekannt sind.
Alex. Hahn. Monuments celtique.* des environs
de Lazarette* (Seine et Oise). Paris 1867, 11 S.,
6 Figuren.
Einigt* Dolmen und Men-hir, unter welchen namentlich
di« sogenannten Pienv Turquaise eine bedeckte Grab-Alle«
von 1* Meier Länge und 2*il5 Meter Hohe genau beschrie-
ben und abgebildet ist.
D. Haignore ot E. Sauvage. Note aur une se-
pulture de Page de la pierre polie decouverte
aux envin ns de Houlogne aur Mer. Revue Ar-
clieolog., 9"'* Annüe, V, pag. 3G9.
Sechs Meter langer Gang, der zu der Grabkaromrr führt,
in welcher mau Axt, Kratzer, Messer, Kerne von Feuer-
stein nebst den Besten toii neun Individuen jeden Alters
fand, dir, dm Verfassern zufolge in hockender Stellung
beigesetzt waren und der „sogenannten celtischen Bare
angebürten , welche mit der ««genannten iberischen oder
autochtbonen Kace leicht gemischt waren41 (Siel).
E. T. Hamy. Etüde sur le erüne de l'Olmu. Bul-
letin Soc. Anthrop. de l'niia, 2J“ Serie , VoL III,
p«R. 112.
Der grosse ßreitendnrc bracher , den Vogt angegeben
(Index etwa 85) «ei duirh Zerdrückung entstunden, rigent*
lieh sei der Schädel dohchoccphat mit einem Index von
etwa 7». Obrignts «ei er, wie Vogt angegeben, in der
Stirnhällte -sehr verschieden, in der hinteren Hüllte dage-
gen dem Ncandcrarhhdcl ähnlich. Kurze Bemerkungen
von Broca und Pruner-Bev.
E. T. Hamy. L'ltomme de la Station des Eyzie».
Costnot*, Mai 186$, pag. 10 — 15.
ttesume über den Fund von L. La riet und di« Unter-
suchung der Knochen von Broca und Pruncr-Iiey.
Ilusson. Examen compuratif des alluvionn nncien-
IM» de Toni et de quelques unes de edles du
btu*Bin de )u Seine par rapport n ranciennete
de Phonime. Comptes rendus, 11 Novbr. 1867,
pag. 811.
Nichts Neues.
de Jouvcncel. Rapport sur un memoire de Mr.
Niccolucci nur Page de pierre en Italic. Bullet.
Soc. Anthrop. Paris, VoL III. i>ag. 214.
Messungen von Schädeln von Torr« del Maina (Modena)
und Cadelhosco di Sopra (Reggio) au« den Mumierr. Drei
sind bracbrcephal — einer dolicliocephul — entere wer-
den mit ähnlichen aus Dänemark, Schweden, Uruosbritan-
nien und Meudon verglichen. Di« italienischen Völker der
Steinzeit seien von denen der Bronzezeit verschieden ge-
wesen.
Jules Jullicn. Koarelles recherchcs sur la ca-
vernc de Bi/e (Aude). Bullet. Soe. Authrop., 2d*
Serie, Vol. II, pag. 695. Morfcillut-Materinux, 4,B#
Amme* Mai 1868, pag. 186.
Unter der Tropfstcindcckc findet sich brauner Knochen*
lehu luit Knochen von Menschen, Höhlenbären, itenntbicr,
Pferd, Bison, Edelhirsch, Höhlenhyine, meist zerbrochen,
Instrumente au» Rennt liier horn (Ahle), Kiesvlmesser und
rohe Topfscherben.
Ph. Lai an de. Ttuimlns de la commune du Crcs-
neneac (Lot). Materiaux, 2d* aörie, 5m* Annee,
Nr. 2, pag, 116.
Grnbkiiminer unter einem Herdhögel. Dos Skelet lag
mit dem Kopte ausser der Kammer und war von einer
Thonschüssd bedeckt, die zerbrochen. Der Drckstvin lag
unmittelbar auf der Leiche. (Meines Erachtens posthume
Verschiebung des Ganzen. C. Vogt).
Philibert Lnlande. Monographie des grottea u
ailex tailles de* environa de Brive. Moutauban
1867, 16 S. Mortillet- Materiaux , 4“* Anuee,
Mai 1968« pag. 185.
Sieben Grotten aus der Rennthierzeit — eine, Cbet-
Poure, gleicholterig mit Moustier.
Ph. Lolonde. Decouverte* de silex tailln* dans
le Pörigord. Materiaux, 2d* serie, Nr. 1, S. 69.
Aexte, Kratzer, Messer. — Fundort: lc Cros M Milbac.
Ph. Lalandc. Station do la pierre polie & Milbac
(Dordogne). Mortillet -Materiaux, 4“* Annee,
pag. lll.
Einige polirtc oder zum Schleifen vorgearbeitete Stein-
äxte.
Ph. Lalande. Notioe »ur la grölte de Pouzef,
commune de TerraesMm (I)ordogne). Montnuhau
ISHs, 12 S„ 1 Tafel.
Grotte aus der Kninthicrxcit.
E. Lartet et Henry Christy. Reliquiae Aquita-
nicae. Das Work ist jetzt bis zur achten Liefe-
rung gediehen.
Ed. Lartet. Remarques sur la faune de Cro-
Maguou. Annal. scienc. natur., ö1"* ecrio, Vol.
X, pag. 156.
Grosser Bär, llöhlrnliiwe (angeschnittener Erkzahn),
Wolf, Fuchs, Ziesel, zwei Hasenjirten , Maimnuth, Wild-
schwein. Pferd (nm zahlreichsten), Rennthler , Auerochs,
Hirsch, Steinbock, Kranich. — In den älteren Grotten der
Dordogne rindet man keine Fischrote, die in den späteren
häutig sind. Gern*«, Moschus - Ochse und Saiga - Antilope
fehlen — überhaupt hat hart et von letzterer nie etwas
andere» als Hunizapfen gefunden, woraus er schließt, dass
dieselben durch Tausch elngeflihrt wurden.
L. Lartet. Squelettes huiunins de Pepoque du
Digitized by Google
305
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
renne des Kyrie» (Dordngne). Mortillet -Hute-
riftux, 4TOC Anneu, puff. 150.
Bei QdffeoMt von Ei#enbahnnrbeitrn wurden ln der
Nähe der bekannten («rotte von le* Eyzie» sieben Gräber
entdeckt , die wahrscheinlich der Reunthierzeit angeboren.
Fünf .Skelet« wurden zerstört, zwei gerettet, zu deren Un-
tersuchung L. Lartet Sohn vom .Minister Duruy ent-
•endet wurde und in der Sitzung der Uelegirteu der wis-
senschaftlichen Gesellschaften am I 6. April Bericht er-
stattete. I)ic Skelete lagen in der nackten Erde in gros-
ser Tiefe , dabei Halsbänder von Muscheln und Anmieten
aus Elfenbein, Kiesel roe*»cr (nichts Geschliffene»), Konnthicr-
und andere Thierknochen. Hroca findet di« Knochen
einer grossen , starken, dollchocephalen Menwbennice mit
gut entwickelter Stirn ungehörig , die aber schief einge-
ptlanzte , prognathe Zähne, sehr quer verlängerte Augen-
höhlen und in den Gliedern manche niedere Charaktere
zeigen. Prun«r*Bey findet in Schädeln und Knochen
die Charaktere der Kalben und (Jnatrrfage» hält rum
Schlüsse eine Rede über Dolichooephalen und Bracbyce-
phalen.
Louis Lartet. Une gepulture des troglodytes du
Perigord (Cranc-s den Eyriea). Bullet. Soc. An-
thropoid Paris, Vol. III, pag. 335. (Dieeelbe Ab-
handlung findet eich in den Reliquiae aquifaui-
caie, sowie in Mortillet-Materiaux, 7 Holzschnitte.
Bei Tavac ain Ufer der Vezerc. I>1« Arbeiten an der
Euenhabu legten eine von vorspringenden Felsockichten
überdeckte Stelle blos, die neben vielen Meuscheuknorhcn
eine Menge von Ueberresten au* der Kennthierxeit enthielt.
Der überhängende Fels wurde durch Aufmauerung eines
Pfeilers gestützt und da» Ganze methodisch von Lartot
Sohn (Louis) untersucht. Es fanden »ich vier übereinan-
der liegende Schichten von Asche und Kohlen mit Instru-
menten, Steinkernen , Knochen, durchbohrten Muscheln,
Zähnen und Elfenbeinstücken (vom Mnmmutli) zu Hals-
bändern etc. lu» Hintergründe der Grotte die Menschrn-
restc von 5 Individuen , ein Greis , eine Frau, ein neuge-
borenes Kind. Die Grotte von Cro-Magnon war Anfang»
nur zeitweise, später permanent von Jägern su» der Kenn-
thierzeit bewohnt und zulelzt wurden im Hintergründe
einige Individuen begraben. Die Thierwclt (Mamrouth,
Jlöblenliiwe, Rennthier, Auerochs, Ziesel etc.) rbarakteri-
■irt die Periode ebenso vollständig, wie di« Inwlrumento-
Louis Lartet, Congrte international d’Archeolo-
gie prehistorique. Session de Nor wich. Compto
rendu. Materiaux, 2**® Serie, Nr. 1, S. 5 — 29.
Sehr guter und vollständiger, wenn auch kurzer Bericht
Über die Sitzung de» Congresse« im Jahre 1S6H.
A. Laussodat. Sur une muchoire do Rhinoceros
portant des entailles profondes trouvee i\ Billy
(Allier) d;ina lea formationa d’eau douce do la
Limagne. Comptes rcudus. Seance du 13 Avril
1868. Mortillet-Materiaux, 4ma Annec, pag. 141.
Die l’utcrkinnladc mit den Eindrücken gehört dem Rh.
pleurocero» «us der Molat-seformntion an. Die Eindrücke
sind, nach Mortillet, nicht von Menschenhand, »ondern
mit denjenigen vergleichbar, die man häufig nul den Roll-
steinen der Nagel Huh findet. Es scheint jetzt Modo in
Frankreich zu w erden, tertiäre Spuren de» Menschen finden
zu wollen, wie noch zwei andere ln Mortillet pag. 146
augezeigte Artikel von Garrigou, Filhol fils, L. llnmy
und V. Mcunier bezeugen.
Lauaacdat und E. Lartet. Sur une mfichoiro do
Rhitiooeros portant des entaillea prolondes. Bul-
let. Soc. Authrop,, Pari«, Vol. III, pag. 313.
Die Einschnitte scheinen von Menschenhand herznrühren,
us» um so entfallender ist, als die Kinnlade aus den Süss-
wawrkalkrn der Lünngne von BUly (Allier) stimmt, die
wenigstens zum unteren Mioeen, wenn nicht zu dem Kocc-n
gehören. Mortillet weist später nach (ibid. pag. 406),
dass die Eindrücke geologischer Art und denen ähnlich
sind, welche di« RoUstein« der NageUluh häufig zeigen.
Frar^ois Lenoir. Note sur une pierre k polir
les hach es en silex, tronvee ä Marcilly-le-Hayer
(Aube). Troyss, 18 S„ 13 Tafeln.
Gro»»e Sandsteinblikke, 6000 bi# 7000 Kilo# schwer, an
denen man deutlich Scltleifwannen und feinere, durch da»
Schleifen gebildete Einschnitte sieht.
Ed. Loydereau. Lettre contra Lia- Andalous.
Courier de la Saune et Loire, 12 Nov. 1867.
Die Siosszähne seien von plioceueu Mastodonten — der
Steingang aus viel späterer Zeit.
Lindenschmit. Cimetiere de 1’ägo de la pierre polie
ä Monsheim pri?s Worms. Material», ö“* Anne«,
2«*a gerie, pag- 127, PI. 6 et 7.
Guter, mit zwei Tafel* illustrirter Auszug aus Lindeu-
Bchmit’a Abhandlung ln diesen» Archiv.
A. de Longrtemar. Caverne a grands caruaB-
eiers du Loubeau. Mortillet-Materiaux, 4*"* An-
nee, pag. 84.
Die von Bnbert de Jullli entdeckte Höhle liegt im
Thale der Beronne nicht weit von Melle (Deux - Sevrc*),
und zeigt von Oben nach Unten folgende Schichten:
1. Erd« und von der Decke gefallene Gcrteinsfragmente,
darin Ueberrest« der gallo-römischen Zeit. 2. Tropfstein-
decke, «twa einen Fu»s dick, durch den Fall der oberen
Fragmente tlieilweise zerbrochen. 3. Brauner Knochen-
lehm, «twa zwei Fus» dkk, darin Höhlenhiren und beson-
dere Hyänen, ungemein viele Koprolithen.
de Longuomar. Exploration inethodiquo des
grottes du Chaffaud (Vienne). Paris, 16 S. und
8 Tafeln.
Fünf Grotten — davon eine nntersucht. Unter den
Tropfstcinerdeo Kmxheulehmschkhtrn , durch Tropfatein-
Ugrr getrennt. Alle enthalten »ehr viele Knochen vom
Höhlenbär, Heine, Wolf, Schwein, Dach», Renn, Hirsch,
Ochs, Pferd , Reh oder Gern»*. Beinahe 0O0 KiescUnstru-
mente, bearbeitete Knochen, roho Topfscherben und Kohlen.
Duc de Luyncs und Prunor-Bey. Note sur les
fouilles executees a la Chapelle St» Michel de
Valbonne pres Hyeres (Var). 4°. 6 pl. Bullet.
Soc. Anthrop., Paris, Vol. III. pag. 314.
Alfred Maury. Des monument« do la Russio con-
nus 8oub lo nom de TuiiiuIub Tchoudes. Revue
Archeolog., 9n,# Annee, VII, pag. 29.
Bericht über die russischen Monumente, welche de*
allen Tsehuden xugeschriebeu werden und mit Bergwerken
Id Beziehung stehen. Ea giebt deren verschieden« Arte*.
Mogily — Tumuli jüngeren Datums mit Leichen und Ge-
räthschaften von Kupfer und Eisen; Kopi — Leichenhügel
älteren Datums nur mit Gerktlwcbaften von Stein uud
Kupfer (nicht Bronze). Diese au* einer Grabkammer und
darüber geschüttetem Hügel (Kurgan) bestehenden Monu-
mente, die im südlichen Ruaaland und Sibirien häufig sind
und den Tsehuden xugeachricben werden, dürfen nicht mit
den scythfachen Grabhügeln der Krim und Tauridien* ver-
wechselt werden, iu welchen man fast immer oben daa
Pferd, unten die Leiche des Krieger» findet und auch nicht
mit den Sopki oder LeichenhUgrln de* nördlichen Ru»»-
Digitized by Google
366 Verzeichniss der anthro]>ologischen Literatur.
laad», welche den ft tunen seihst «ukommen. Mogily und
Kopl linden »ich siel* in der Nähe «Iler EngrabfO , in
dflMD man auch Instrumente gleicher Art wie in den Lei-
chenhügeln gefunden hat. Geräthsehaften, Waffen, Statuet-
ten sind weist von Bronze. l>ic menschlichen Figuren tragen
eine hohe, spitze Mutze, haben grosse Augen und Mund
— unter den d.wge*t eilten Thieren findet sich ausser Renu-
thier, Eule, Mammuth(VV), Beiher, Hund, Eber auch da»
Kaweel in Karawane.
R. P. io Mon. Fouillca d’un tumulus dang la fo-
ret da GirooSt, commune de Quimperle (Fini-
gtere). Revue arclukdog., 9™* Annee, V» pag. 364.
Tu in ul us. etwa 4 Meter hoch, JJ6 Meter Im Durchmes-
ser, mit einem inneren Ikilmen aus 9 Steiuen und einem
Deckstein. K» fanden sieh darin eine Kette von Gold and
eine von Silber, drei Schwerter, «ine Unze, ein Zelt, eia
Dolch von Bronze , Amulette und Pfeilspitzen von Stein.
Die Knochen der Uirhe wahrscheinlich zersetzt — keine
Thongeiasse, noch Knochen oder Kohlen.
J. H. Miehon. Dolmens de la Palatino. Mate*
rinux, 5m# Auuei-, 2do serie, pag. 134.
Zwischen vielen Dolmen in der Jordan»elene ein kreis-
fürntigrs, 5 Meter im Durchmesser habende* Monument
nus grossen Platten, in der Mitte eine viereckige Grab-
kammer. Holzschnitte.
A. Morlot. L’arelieologie du Mecklembonrg d’a-
prt-s les travaux du Dr. Lisch, comparee h cello
de FEurope centrale, lre partie. Age de la pierre.
Zürich, VI und 41 S., 24 Figuren.
Nichts Neue*. Die Fortsetzung de* Werkes durch den
Tod de* Verfassers unmöglich gemacht.
Mortillot. Silex taillds de Spiennes. Mortillet-
Materiaux, 4“c Annee, pag. 119.
Re»um6 ül*er diese Fundstätte, die von D£*ire To II-
liez im Jahre 1847 entdeckt, von Evans, Malaise,
Cornet und Briart, d'Omalius d’Halloy und de
Köninck weiter nntersucht wurde. E» wurden dort von
der frühesten Steinzeit bis zur spätesten Kieselinstrumeate
fahricirt, die also in mehren übereinander liegenden
Schichten niedergelcgt sind.
Mortillet. Haches polies de« environ« del^iuviera
(Eure). Mortillet-Materiaux, 4me Annee, pag. 111.
Zwei geschliffene Steinäxte.
G. Mortillet. Promenade au Museo do St. Oer-
main. Materiaux, Nr. 10 — 12, Octbr. — Decbr.
1868.
Geschichte und Catalog des Museum», nebst Beschrei-
bung der interessantesten Gegenstände , mit der römisch-
gallischen Periode beginnend.
Mortillot. Ilomma tertiairo. Mortillet-Materiaux,
4“® Annee, Mai 1868, pag. 179.
Discassion über die bekannten Kieselinstrumente, welche
Abbe Bourgeois in den SQsswasserkalken der Beauce zu
Thenay bei Pontleroy (Loir-et-Chcr) und die ei «geschnitte-
nen Rippenstücke von Hnlitherium, die Abb£ Del au na y
in den Faluns de* Stein bruchs von La Barriere, Gemeinde
Chaze-le-Henri, bei Pouance (Maine-et-Loire) fanden. Beide
Schichten sind unzweifelhaft tertiär. Dieselben Discussio-
nen, die erst durch weitere Funde zu Ende geführt werden
können , finden »ich unter BetheiJigung vuu Mortillet
und Roujou im Dezemberheft de» Bulletin der Soci£U*
aulhropologii|ue.
G. de Mortillet. L’homme dans lea tempa gcolo-
giqueg. Bullet. Soc. Anthrop., 2d® Serie, Yol. II,
pag. 658.
Verfasser erklärt, mit Vorzeigung der Gegenstände,
die neueren Funde vou Issel, Bourgeois und De-
launay, welche da» Auftreten des Menschen schon in
tertiärer Epoche in Europa zu beweisen scheinen. Er
erwähnt zuerst die Funde von Desnoyers iu St. Prcst,
wo mit Elephas meridkmali» , Rhinocero» etniscn», Kquu»
»rvcnsi*. deren Knochen angeschnitten waren, bearbeitete
Kiesel gefunden wurden (Pliocen), dann die von Issel,
der im pliocenen Mergel von Sarun» menschliche Knochen
fand und geht dann zu Abbe Bourgeois über, der im
Kalk von Beaur« (mittlere* Miocen) Kiesel faud, die auch
Worsaae aU meist ron Menschenhand bearbeitete Stücke
atirrkannte. Abb£ Deluuuay fand iru Steinbruche Bar-
riere, Gemeinde Chase - le • Henri bei Ponauct (Maine-et-
Loirc) zwei Kippen von Halithrriuui mit alten Einschnitten,
di« vor der Versteinerung der Knochen gemacht waren.
Die Lagerung gehört dem oberen Miocen au. Nach allem
diesem scheint jetzt die Existenz des Menschen in die mitt-
lere Tertiärzeit hinauf zu ragen.
G. de Mortillet. Cräne humain quateroaire do
POlma Bullet. Soc. Anthrop., Paris, S*1* serie,
Yol. III, pag. 40.
Präsentation de* Abgusses de» bekannten Schädel* im
Florentiner Museum, der mit Feuersteininew^r, F.irphiinten-
Stusszuhu und Pferdekiefer (K-juu* Larteti) gefunden wurde.
Mortillet. Le fer dans Fantiquite egyptienno.
Mortillet-Materiaux, d®* Annee, pag. 210.
Verfasser nimmt von einem Feuilleton- Artikel der Neuen
freien Presse in Wien Gelegenheit, »ich für Lepsin* aus-
zu«prechen, dem zufolge die Aegypter schon 4000 Jahre
vor Cltr. da» KU#n kannten. Die Karben der Meusel und
Aexle auf den Stelen desselben Alter» bewiesen ei. Lep-
siu* sucht seinen Satz linguistisch uachsu weisen. Wenn
dies wahr i»t (woran ich nicht zweifle) , so muss die Cul-
tur der Pfahlbauten, die noch Heer afrikanischen (ägyp-
tischen) Ursprungs ist, lange vor 4000 Jahren vor Cbr.
«■•gewandert seiu, da die ältesten Pfahlbaueru der Schweiz
weder Eisen noch Bronze kannten.
Mortillet. Crane quatern&ire humain d’Eguisheim.
Ballet. Soc. Anthrop., Pari», Vol. III, pag. 405.
Gypsabguss de* bekannten Schädels au* dem Löss, des-
sen Stirntheii dem Neamicm-hädel sehr äbulich ist.
d© Nadaillac. Lanciennete de l'homme. Pari«,
Aubry, 52 S.
Hübsch gedruckt.
Noulet. Nouveau giaement du renne, prea do
Toulouse. Coamot, Mai, jiag. 12.
Im Thale von Giron nicht weit ron GaridccH, in 7 Me-
ter Tief« unter dem Boden. Reuuthier und Pferd.
Jules Ollior de Maricbard. Sur une deconverte
celt-ibere decouverte prea Saint* Remote, Clinton
du Bourg St Andeol (Ardeche). Mortillet Mate-
riaux, 4,Be Annee, Mai 1868, pag. 188.
Skelet eine» jungen Weihes zwischen Steinplatten. Ohne
andere Gegenstände. G. de Rochas lünd in einem an-
deren Grube nicht writ davon sechs Bronzering« und ein
Halsband au» w eisten Steiuperlen und durchbohrten Mu-
scheln.
Jules Ollior de Marichard. Rwhorchea Bur Fan-
cienneto de Fhotnmo dans les grottes do« envi-
rons de Vallon (Ardeche). Privas 1867, 16 S.
Digitized by Google
YTerzeichniss der anthropologischen Literatur. 367
Mortillet-Materiaux, 4“° Ann6e, Mai 1868, pag.
187.
Grotte von I.ouoi au» der Zeit der geschliffenen Stein-
grrätbe mit Instrumenten aus Stein und Knochen und
TOjjilV igcic hin
Jules Ollier de Marichard. Sur une sepultore
celtibere decouverte prea Saint- ltemexe, Canton
da Bourg Saint - Andeo 1 (Ardeche). Ilullet. Soc.
Anthrop., 2<u Serie, Vol. II, pag. 556.
ln 30 CentiroMres ( 1 Fuss) TSei« eine Grabkammer aus
zwei grossen stehenden Platten, mit kleine» Platten ge-
deckt, darin ein Skelet eines jungen Mädchen*. Den doli-
choerphaJrn Kopf erklärt Pruner-Bey für einen Misch-
ling von (Viten und Iberer- Liguren (?).
Enrico Paglia. Terraruare di Bigarello. Mortil-
let-Matmaux, 4m* Anm'e, pag. 300.
Analyse einer Abhandlung von V. Giacometti, der
auf dem linken Po- Ufer einige Kilometer von Mantua die
Ablagerung entdeckte. Ma*itn von T ©pfscherben , Stein-
kernen und Steingeräthen, Messern, PfeiUpitxen etc. Kein
Metall. Zerspalten« und bearbeitete Knochen vom Hirsch,
Reh, Eher, Schwein, Pferd, Ochs, Schaf, Ziege und Hund.
Peceadeau de Tlsle. Maimuouth et Rennes sculp-
tes ü Bruniquel. Revue areheolog., Mars 1868,
pag. 213 — 220. Mortillet-Materiaux, 4“* Atme«,
pag. 94, 3 Figuren.
Die ungemein reiche Fundstätte ist innerhalb der Ein-
zäunung der Eisenbahn unter dem Felsen von Montastruc,
der eine Art tiberbängendes Dach bildet. Abbildung der
drei wunderbaren, dort gefundenen Sculpturen au« Kenn-
thierhorn, Griffe von Waffen bildend, von welchen zwei
Bcnnthiere und eine dritte ein Mammuth darf teilt.
Perrio. Slpultures et crime» carlovingien» de
Villebourg (Indre-et- Loire). Bullet Soc. Anthrop.,
Paris, Yol. III, pag. 284.
Drei Stcinsärge, in einem zwei Skelete, keine Waffen
noch Schmuck. Pruner-Bey, der S. 268 die Schädel
beschreibt, findet in einem männlichen den Mongoloidan-
Tvpus, »m anderen, weiblichen, den arischen (deutschen V),
iu» dritten, platyoephalen , den eines deutschen und im
vierten wieder den Mongoliden - Typus aus der Kcnnthler-
zeit.
Pommerol. Gisement do l’Age de la pierre polie,
situe prea du pout des Quatre - Gorgea , dana la
commune de Gerzat (Puy-de-Ilome). Bullet. Soc.
Anthrop., Paris, Vol. III, pag. 410. Mortillet-
Materiaux, 4,nc Annde, pag. 267.
ln den untersten Schichten einer Lage vulkanischen San-
des wurden rund aufgesetzt« St*lue, TopCscherben, Kohlen
und Schädel gefunden, aber wieder verschüttet. Die Ver-
fasser fanden bei späteren Nachgrabungen nur zwei Stein-
messer, Topfscherben, einige Knochen von Pferd und Ocli«
und ein Stuck Stirnbein.
Pruner-Bey. Description de cranea mdrovingiens.
Ballet. Soc. Anthroy., Paris, Vol. III, pag. 29S.
Von Monlricluod (LoirMt-Chor). Zwoi tinnUrt» (!) und
zwei cel tische.
Pruner-Bey. Sur uu crAne humaiu trouve dang
le Poat-pliocene de la Valide d'Arno. Bullet, Sog.
Anthrop., 2d* sdrie, Yol. II, pag- 673.
Bei Gelegenheit des Werkes von Coech» über diesen
Fund kommt Pruner-Bey auf diesen Schädel zu spre-
chen and behauptet, Coech i habe Recht wenn er sage,
es sei der älteste Schädel , aber Unrecht wenn er mit mir
behaupte, er könne nicht mit anderen Schädeln pnridleli-
sirt werden. Kr, Pruner-Bey kenne einen ganz ähn-
lichen, von Dupont ln der Rennthiergrotte Trou de Ro-
sette gefundenen, in welcher Beziehung er anf Dupont’s
Werk, Sur Phomme de Page du Kenne verweise. Ich
brauch« darauf nur zu bemerken, dass, als Ich in Florenz
Cocchi’s Schädel untersuchte, das Trou de Rosette noch
nicht «ufgedeckt und der Schädel daran« noch durchaus
unbekannt war. Damals, als ich ihn untersuchte und
mit dem Lu cae’ sehen Apparat zeichnete, war Cocchi’s
Schädel der einzige seines Typus. In einer nachfolgenden
Bemerkung kommt Broca auf di« Dimensionen dieses
Schädels zurück und erklärt den Breitendun htuesser und
daraus gefolgerten Indes cephalicus für unmöglich. Broca
hat Recht mit seinen Zweifeln — der Schädel ist so zer-
trümmert , dos« man den ßrritcndurcbmeMer nicht genau
messen kann.
Prunieres. Fouille8 ex&utees dnns le» dolmen»
de la Lozere. Bullet. Soc. Anthrop., Paris, Vol.
III, pag. 317.
In einem Dolmen fand sich ein vollständiges Skelet mit
Ringen, Arm- und Bcinbiudern, Fibulen aus P»ronze, Hals-
band aus emaillirtem Glase, und Bruchstücke von Fibulen
aus Eisen, nebst Theilen feiner Thongefässe. Daneben
Knochen von alten und jungen Menschen, nur Bruchstücke,
ancenagt und ein Röhrenknochen aufgeschtagen. In allen
Dolmen habe er angenogte, aufgcschlagene Knochen mit
Meaaereinacimitten gefunden und besitze jetzt sechs zu
Bechern verarbeitete Schädel au» einem einzigen Dolmen.
— Lartet und Broca betrachten die Zahneindrücke auf
den von Pruni&res eingesandten Knochen eher als von
einem Nagethiere herrührend.
Prunierea. Sur les ossement« humains de» dol-
ments do la Loztre. Bullet. Soc. Anthrop., Pari»,
Yol III, pag. 404.
Eingesandt« Beweisstücke überzeugen Broca, dass die
Knochen mit schneidenden Instrumenten behandelt wurden
sind.
Pr..., (Dr. Prxinieres), Not« sur quelques de-
couvertcs archAologiquc« faites dnu» lea mon-
tagues d’Aubrac (Loxere). Revue Areheolog. du
Midi de la France. Toulouse, Sept. 1807, pag.
17—30.
Etwas verwirrte Auseinandersetzung von alten, aus Ba-
»altsäulrn zusammengesetzten Häusern ohne Fenster , die
auf einem seit Jahrhunderten unbewohnten Plateau von
Aubruc stehen. Ein Dolmen enthielt Rest« von 60 mensch-
lichen Leichen mit Kieselinstrumcuten , Gagatperlen und
rohen Thonschcrheu.
M. L. Rabut. Notice sur los antiquitos lacustres
do la Savoie. Dernicres decouvertes (1867). Pa-
ris 1869, 11 S., 3 Tafeln.
Aus dem La« du Bourget. Bronze- und Eisenzeit.
Schone Thongeräthe, Amulete aus Stein, Sicheln, Hämmer,
Hanrzangen , Messer, Nadeln, Dolch- und Schwertklinge,
Pfeilspitze aus Bronze, Dolchmesser und Wurfspeerspitze
aus Eisen.
Xavier de Heul. L uge de la pierre et l’homme
prehistorique en Belgique. Paria et Bruxelles,
Janvicr 1868.
Gutes und sachkundig» Resumi in 11 Capileln: 1* Pa-
leoethnograt.hie. 2. Menschliche Stationen. 3. Geschichte
d«r Maas. 4. Die Höhten. 5. Die Epoche des Mamiuuth
und der ausgcfitorbenen Thierarten. 6. Der Mensch zur
Mainmuthsxeit. 7. Rcnnthierxelt — ausgewnndert« Thiar-
Digitized by Google
368
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
nrtrn. 8. Der Mensch zur Uennthierzrit. 9. Dessen Sit-
ten. 10. Epoche der gvM'hliilrnen Stein w allen oder der
heutigen Arten. 11. Die Erbauer der Dolmen.
Bövue Areht'ologiqne, 9“* Ad nee, XII, pag. 377.
Cinictiere de Page de la pierre polie decouvert
aur le« bord« du Rhin pres Worms. Note do la
Redaction, 1 pl.
Kurze Notiz über die in dem Archiv beschriebene Ent-
deckung Linde lisch mit’*, des Gräberfeldes am liinkel-
stein bei Monsheim.
Revuo Archi-ologique, 9“* Annee, V, pag. 469.
Bei Polute-Pescade, 6 Kilometer von Algier, wurde eine
Höhle entdeckt , in welcher man zahlreiche Gegenstände
aus Feuerstein, Herdreste und Knochen von Antilopen und
vom Milmenschaf (moutlon i manchettes) fand.
Richard. Sur la decouverto de «ilex taille» dans
le Sud do rt\lgdrie. Alatcriaux, 2da Serie, Nr. 1,
pag. 74.
Gehaueoe Stciugeräthe finden sich in mehren Oasen
bei altbekannten tjuelleu. Mortillet weist in einer
Nachschrift noch andere Fundorte nach.
Florian Römer. Objets en ob s: dien ne on Hon-
grie. Mortillet-Matcriaux, 4ma Annee, pag. 298.
Steinkerne, Messer and Pfeilspitzen aus Obsidian.
Roujou. L’lionmie uiioeene. Bullet. Soc. Anthrop.,
2da sorie, Vol. II, pag. 658.
Erkennt die Thatsuchcn an und sucht sie im Sinne
Darwin'* zu erklären.
F. do Sambu2y-Lu20D9oc. Statuette en jaia trou-
vi*ü dans une caverne du Larzac (Aveyrou). Re-
vue archeolog. du midi de lu I'rancc. Toulouse,
Sept. 1867, 4°. 2 S., 4 Figuren.
Die Statuette stamme aus der Steinzeit.
E. Sauvage. Sur une sepulturo de l’Äge de la
pierre jiolie des euvirons de Boulogne-sur-Mer.
Bullet. Soc. Anthrop., Paria, Vol. 111, pag. 179.
Die Grubkammer, hei ftquihen gelegen, hatte einen Gang,
worin Feuerreste. Eine Steinplatte schloss d<n Gang ge-
gen die Kammer ab. Man fand Steiugerilhe , Kohlen und
Beste von 9 Individuen; nur eine Schideldeckc erhalten,
die dolichoc*)ihal ist uud ccltischcn Typus zeigt. Ein
prognather Oberkiefer. Die Leichen (Männer , Frauen, eia
Kind) waren in hockender Stellung beigesetzt.
Valdemar Schmidt. Le Dänemark a 1'F.xposition
universelle de 1867, etudiü principalement au
point de vue de PArcheologie. Paris, Reinvald,
262 S.
Ausgezeichnete Arbeit, die an der Hand der dänischen
Ausstellung in Paris rine vollständige Uebenricht sänirot-
lieber nrgeschichtlicher und archäologischer Funde sowohl,
wie des jetzigen Standes der Wissenschaft in Dänemark
giebt , die einzelnen noch bestehenden Controverspankte
bespricht uud somit ein wahres Handbuch der dänischen
Altcrthumskunde doratellt.
A. Sononor, Crime humain do Grcusson, Thuringe.
Mortillot-Materiaux, 4ma Annee, Mai 1868, pag.
199.
Der von Schmidt in der Zeitschrift der deutschen geo-
logischen Gesellschaft erwähnte Schädel aus dem Süsswas-
ser kalke »ei auf der Greiuc zwischen den der Jetztzeit ent-
sprechenden und den älteren Schichten gefunden worden,
welche Klephauten und Nashörner enthalten.
A. Stoudel. Nouveau giaeinent de mousses arcti-
quea en Wurtemberg ä WlldüM. Muteriaux,
2da Serie, 5“a Annee, Nr. 2, pag. 139.
Bei Watdsee, 3 Stunden vou Schussenried , wurde 20
Fuss unter dein Boden dieselbe Schiebt nordischer Moose
gefunden.
F. Thioly. Sepultures belvetea dans le Valais.
Mortillet-Matcriaux, 4“,# Anueo, Mai 1868, pag.
192.
Aus der ältesten Eisenzeit. Skelete gestreckt, das Ge-
sicht nach Osten . Meist Bronxtriuge, Fibulen etc. Wenige
Eisenringc. im Löschen ‘Thal.
F. Thioly. L’^poque du renne au piod du Mont-
Saleve. Revuo savoisienne, Aunecy 25 Avril.
Die in der scheu erwähnten Grotte gefundenen Knochen
wurden von Kütiioeyer untersucht. Es fanden sich
etwa Individuen: 5 vom Pferd, 1 Itind, 18 Kennthier,
4 Hirsch, Ö Stein Unk, 1 Gern«, 4 Alprnbaso, 4 Murmel-
thier, 1 brauner Bär, 2 Wolf, 1 Fuchs, 1 Storch, 31
Schneehuhn. Also ganz alpine Fauna. Kütiiueyer wirft
die Frage auf, ob nicht Pferd , Bind , Bcnnthier *chon ge-
zähmte Hnusthiere gewesen seien uud neigt zur Bejahung
derselben. Mortillet macht darauf aufmerksam , dass
der Hund fehlt , die Knochen nur solchen Stücken ■«ge-
hörten, die man von der Jagd nach Hause zu bringen
pflegt. Ich füge diesen Gegengründen bei, dass ich an den
Knochen selbst keine Spur jener Charaktere sehen konnte,
die man den Knochen der Hausthiere zuschrcibt.
Trutat et Cartailhac. Congrrs international d’Ar*
cheologie ot uTlistoire a Bonn. Matoriaux, 2da
aerie, 5mo Annee, Nr. 2, pag. 93.
Sehr kurze Ueberskht der Verhandlungen.
Trutat ©t Cartailhac. Congris archeoiogique
de France n Carcaasotine , Perpignan, Narbonue.
Novembre 1868. Matcriaux, 2dv Serie, ö“a Anne©,
pag. 95.
Unbedeutende Verhandlungen.
Trutat et Cartailhac. Une visite au Muse© do
Narbonue. Materiaux, 2de Serie, Nr. 1, S. 62.
Aufzählung uud Beschreibung der dort aufhewahrten
Gegenstände uud Darstellung der merkwürdigeren auf zwei
Tafeln.
Francisco M. Tubino. Monument mognlithique
de Castilleja de Guzman. Revue Archeolog., 9mo
Annee, VIII, pag. 140.
Grosser Gangbau in der Nähe von Sevilla. Halbrunde
Grabkaramcr, Gang von 27 Meter Länge — im Inneren
bis jetzt nur Pfeilspitzen aus Bronze.
Vilanova o F. M. Tubino. Kxploracion geologico-
arqucologica de Cerro Muriano. Mortillet-Mate-
riaux, 4,ua Anne©, pag. 234.
Acht Kilometer von Cordova entfernt finden sich bei
Cerro Muriano alte Grubenbaue auf Kupfer. Mau beutet
jetzt die ulten Schutthulden aus, in dcucu Steinbiimner
aus Diorit mit einer Rinne im Umkreis sich rinden, womit
mau sie au deu Stiel band. Aebulichc Hämmer finden
sich in Asturien nicht weit von Covadonga an den Kupfer-
minen von MiJagTo.
Digitized by Google
36S*
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
C. Vogt. Snr ie crilnc du Val d’Arno. Bullet.
Soc. Anthrop., Pari«, Vol. III, pag. 400.
Unbedeutende Berichtigungen einiger Auuprüche Pru*
ncr-Bey’*.
Ad. Watelet. L’Ago de pierre et les sepulturc»
do PAge debronze dana le Departement de l’Aisne.
Vervins 18G6, 4°. 3G S., 6 Tafeln.
Monographie sämmtiicher Fundstätten des Departement«.
Holland.
Oldenhuis Gratama. Open Brief aan het Col-
legie van Gedeputoerde Statin van Drcnthe over
do Zorg voor en het Onderhond der Hunnebed-
den. Asaen, van Gorcum. 68 8.
Verfasser rocht nur hx u weisen , da« der Staat Eigenthü-
iner der Hünengräber lat und dass Ihm und der Provinz
die Unterhaltung derselben obliegt. Interessant sind die
angehängten Mecklenburgischen Verordnungen, Ritterschaft
und Städte werden „gnädigen Dank“ haben, wenn sie ge-
fundene Sachen ein »enden , den Pächtern und Dort schäften
»brr ist „bei scharfer Ahndung aufzugeben“ Alles mit
Bericht abzuliefern „gegen eine Entschädigung für die
durch die Ablieferung versäumte Zeit nach Tngelohn, so
wie durch Erstattung de» Metallwcrtlies“ — jedoch sind
die Anitsuntergebenen „Uber den höchst geringen Gcld-
werth der meisten Aherthiltuer angemessen zu belehren.“
Italien.
G. Canestrini. Sopra alcuni Crani antichi sco-
perti nel Trentino e nel Veneto. Annuario della
Societa dei naturalisti in Modena. Anno III, pag.
145, 2 Tafeln.
Drei Schädel (männlicher, weiblicher und kindlicher) aus
einem SteiogTabe bei Rovereto mit Fibeln, Münzen, Schwert,
Spinnwirtel. Di« Münzen von 23 vor Chr. bis 395 nach
Chr. Dollchocephale Schädel. „Im Cootact mit anderen
Völkern, sagt der Verfasser, namentlich mit Hörnern und
Venetern, die einen kürzeren und niedrigeren Schädel hat-
ten und durch Kreuzung tnlt diesen wurde der Schädel
der Trent iner kürzer und niedriger und gewann die Cha-
raktere, die er heute hat und die ihn zu «len bracbyce-
phaien stellen. Indessen finden sich auch heut zu Tage
noch Typen, dl« vollkommen mit den alten Schädeln von
Rovereto Übereinst immen und der von mir beobachtete
Fall liast vermuthrn , dass der antike Typus sich in den
nördlichen bergigen Gegenden de* Trientiner Gebiete*
reiner erhielt al* in den südlichen.8 — Ein Schädel
au* der Fossa maestra bei Verona, 3Va Meter tief in
einer schwarzen Erdschicht. Weib von etwa 54 Jah-
ren. Index 7A,f». ln der Form übereinstimmend mit den
jetzigen Bewohnen.
Camillo Marinoni. Di Alcuni oggetti preiatorici
trovati nei dintorni di Crcma, 4 8., 1 Tafel. Atti
Soc. Ital. di scienze natural. Milano, Vol. XI,
pavr. 52.
Steinwaflen und Topfscherbeu.
G. Niooolucci. Antichita dell’ Uomo nelP Italia
centrale. Iiendiconto della R. Accad. delle scienze
fisiche e matematidie di Napoli. I’ntscicolo 8,
Agosto 1868, 4°. 6 S.
Erneuerter Nachweis, dam der Mensch in Italien mit
ausgeMorbcnen Thierarten (Elephas anti<|uus, meridionalis,
pritnigeniu») zusammen lebte und vor diu letzten Aus-
brüchen der ausgebrannten Vulkan« Latium’*, deren TufTe
die Fundorte theil weise öberdwken, die Halbinsel bevöl-
kert«. Verfasser fand selbst Kiescllnstruinente bei Pontc-
molle und Tor di Quinto und führt die anderen Funde,
die vorzugsweise von Pönal, Kossi, Frere Indes,
Serchi, Ceselli und Montovani gemacht wurden, an.
Luig! Pigorrini. Catalogo generale del regio Mu-
seo d’antichita di Parma. Appendico I, 4°.
44 S.
Guter Catalog. Im Anhang die neuen Erwerbungen.
Antonio Stoppani. Note ad uu corso annuale di
geologia dottato per uso degli ingegneri allieri
del reale Istituto teclinico superioro di Milauo.
Ente Lieferung 1865, 848 8. Zweite Lieferung
1867, 468 S. Mailand bui G. Ileruardoni.
ln der zweiten Lieferung theilt Stoppaui die zur Ur-
geschichte gehörenden Ablagerungen folgendennacsen ein.
N «azoische Periode — Nacbtortiirc (Quaternäre) Ablage-
nagM. AnthropozoUche Epoche.
Historische Zeit. Eisenzeit.
Vorhistorische Zeit. Bronzezeit. Jünger« und ältere
Steinzeit. PleUtocenc Epoche.
Eiszeit. Zeit der Tt-rrasden. Erratische Gebilde (Drift).
Der Mensch sei erst gegen Ende der Existenz des Main*
mutlis etc. und nach der Eiszeit aufgetreten.
P. Strobel. Di un braccialctto « di nn anello
d'una forma particolare rinvenuti in tombe au-
tit’he presao Rovereto. Verona, Oct. 1867, 4 S.
Weist, wie auch Lindenschmit, nach, dass di« eigen-
thümliche Kiugform mit aufgedrehten spiraligen Enden bei
den Kötnern vor kam.
Fcllcgrino Strobel. Mnteriali di paletuologia
comparata raccolti in Sudanierica. Parma 1868,
20 S., 3 Tafeln. Erste Faacikel, zweite Liefrg.,
Decbr. 1868.
lu den Paraderos (temporären Stationen wandernder
Indianer) von Patagonien linden sich vollständige Analoga
der Ktkhenabfälle und in deu jetzigen wie in den alte»
St ein watlen nebst Kno» hen und Muschelschalen «tc.
Tinelli. Palafitto di Mombullo preao I^ireno. Atti
Soc. Ital. di acienze natural. Milano, Vol. XI,
pag. 55.
Pfahlbaute, wie es scheint, au» der Steinzeit.
Archiv ftJr Anthropologie. Bd. 10. Heft 4.
47
Digitized by Google
370
Verzeichnua der anthropologischen Literatur.
Nord -Amerika.
Agassiz. Antiquity of man. American naturalist.
Vol. II, May 1868, png. 166.
Bericht aber einen Vortrag, in der Boston Society of
natur. history im Öctober 1867 gehalten. Der Vortra-
gende sucht nachzuweisen , dass der Mensch erat nach der
Zeit der grössten Ausdehnung der Gletscher eibtirte.
Bush. Rhcumatism in Frcliistoric tim es. Ameri-
can Naturalist, VoL III, March I86D, pag. 55.
Bush zeigte in der Pathologischen Gesellschaft in Lon-
don den rheumatisch (?) erkrankten Knochen eines fossilen
Khinocero», einen geheilten Schenkel bruch eines Höblcn-
baren und einen andern mit einer Geschwulst behafteten
Knochen desselben Thieres.
Joseph Jones. The aboriginal Mound-buildcrs of
Tennessee. American Naturalist, Vol. 111, April
1869, pag. 57.
Die eingeborenen Indianer bauten künstliche Erdhiigel
für Wohnungen, Begräbnisse, Verthcidigung nnd'Cultu*.
Sie verehrten die Seeen und bemalten die senkrechten
KcUufer der Flüsse mit auf Cultus und Büflcljagd bezug-
liehen Zeiebn ungen. Pie Gräber sind aus rohen Stein-
platten zusammengesetzt und finden sieh iu grosser Anzahl
in Kentucky und Tencssee — Nnsliville liegt zum Thrile
auf einem indianischen Kirchhofe. In manchen Gräbern
sind die Leieheu so eng als möglich zusammen gepackt, die
Knochen oft zerbrochen, manche Steinkisten enthalten nur
T heile eiuer Leiche, andere Ueberrcste von mehren Indi-
viduen. ln die kleinen Kindergräber wurden auch Hunde,
Kaninchen, Eichhörnchen, Wildkatzen and wilde Puter be-
graben. Manche Glätter, offenbar von Häuptlingsfamilien,
stehen um Altäre — man fand darin schöne zerschlagene
Töpferei, Ornamente von Muschelschalen mit Sonnenfiguren,
Idole ctc. Pas Volk wurde von den Spaniern bei der Er-
oberung ausgerottet.
Charles Bau. Drilling in etone m ithout metal.
Report of the Smitliaonian Institute for 1868.
Washington, 9 S.
Per Verfasser hat sich einen Drillbohrer aus Holz con-
struirl und damit mittelst Sand, in sehr harte Steine Lö-
cher gebohrt.
C. A. White. Kjoekkenmoeddings in Jowa. Ame-
rican Naturalist, Vol. III, March 1069, pag. 54.
Von J. Kineraly am Des Moines-Flus» entdeckt. Scha-
len verschiedener augenscheinlich gekochter und gegessener
Flus^muscheln (Arten von Unio) mit zerspaltc-nen Hirsch-
kuochen, SchildkrutenscUalen, Steininstrumenten und rohen
Topfscherben.
Whitnoy. On the freahwater tortiary an«l the la-
ter detritical and volcaoie formmtion of Califor-
nia. American Naturalist, Vol. II, Ocfbr. 1868.
pag. 445.
Vortrag, in der American A»«eiat»on zu Chicago (Au-
gust 1868J gehalten, worin Whitney den Fund eines
menschlichen Schädels in Calnvern* Counlv in 150 Fuss
Tiefe näher erläutert und den Scliädel vorzeigt, der nach
Professor Wyman denen der jetzigen Indianer von Cftli-
fornKn gleicht und in den Charakteren, in welchen er ab-
wekbt , sich den Eskimos nähert. Whitney war nicht
bei dem Fund, setzt aber in die Wahrhaftigkeit der Finder,
die er nennt, keinen Zweifel. Das Bogtouer Museum be-
sitzt schon seit längerer Zeit ein im Juli 1857 ganz. In
der Nähe gefundenes Schidelbruehstück, das 180 Pus* tief
im Goldsand zwischen Mastodooresten und KolUteinen ge-
funden wurde.
Whittlesoy. Antiquity of man in the United
States. American Naturalist, Vol. II, Sopt. 1868,
pag. 386.
Vortrag in der American Association for the advance-
ment of Science, Sitzung iu Chicago im August 1868.
Aufzählung der Funde. 1. Mum h* lhüg«d (Kjükkcntnöddiog)
längs der atlsutbcheu Küste zwischen Xeu-fichotüand und
Florida. Nicht sehr alt. 2. Pfeilspitzen aus Stein unter
einem Mastodon-Skelet in einem Torflager, 15 Kuw unter
dem Alluvium, beim Pomrae-dc-trrrc Hirer in Missouri.
3. Steinmesser von A. Scott, 14 Fum tief in Sand und
Thon bei Giinuc! Lcads, Kansas gefunden. 4. Drei Ske-
lete von Indianern iu einer Grotte bei Light, Ohio — auf
200ü Jahre geschätzt. 5. Ein von Meaachenfüsse» (India-
nern) abgenutzter Klotz, bei Htgh rock Spring, Saratoga
in einer Tiefe von 9 Fum unter dem Kegel, von Pr.
Gries auf 4840 Jahre geschätzt. 6. Kupferne Speerspitzen
und andere Instrumente, wahrscheinlich von den Grabhügel-
Erbauern (mound - builders) in 14 Kus* Tiefe bei Brock-
ville, l’anada. von Dr. Reynolds gefunden. 7. Einige
Mensdieiukek-le mit Steingerithen in eiuer Höhle hei
Louisville, Kentucky — Kinder Scowdeu. 8. Töpferei,
von Pr. Holmes bei Cbarlcston , in Gesellschaft von
Mastodon und Mrgathcrium gefunden. 9. Eine Kinnlude,
Zähne und andere Knoche«, in quaternären Conglomcrutcn
von Florida, von Agas* ix 10 000 Jahre gescbätzL. (Einer
späteren Berichtigung zufolge im Alluvial - Sandstein bei
Lake Monroe, ohne dass man das Alter schätzen könnte.)
10. Feuerherde, von Whittleaey im alten Alluvium
des Ohio bei Portsmouth iu einer Tiefe tou 20 Kuw unter
den Werken der Erbauer der Grabhügel gefunden. II. In-
diancrskelete, von Pr. Dow ler 16 Fuss tief im Alluvium
hei Kew-Orleana gefunden, von ihm unf 150 000, von an-
deren auf 15 UOU Jahre geschätzt. 12. Stück eines mensch-
lichen Beckens bei Natcbcz, Miss, in einer Schicht mit
Mastodon, Megalonyx, Pferd etc. Herkunft etwas zweifel-
haft. 13. McnscheDschiidel und andere Ueberbieibsel io
150 Fua» Tiefe in g .Idlinlitgem Sand, Calareras County in
Californien — Professor Whitney. — Professor Blake
fügt hei, dass mau in California« häutig lief im Goidsande
Stein-Instrument v und MmM-henrrste findet.
Joffries Wyman. Ou the fredi-watcr Shell-hoapa
of the St Johns River, East Florida. American
Naturalist, VoL II, Uct 1868, pag. 393, 1 Tafel.
Nov., pag. 457.
Die Hügel liegen uro Ufer de« St. John’» Kluaaes über
etwa 150 englische Meilen zcrs‘rrut, zwischen Pulatka und
Salt Lake und bestehen meist nur aus Schalen von Am-
pullaria dvpres»a, Paludiiiu mnltilineata und Unlo Buckleji
mit wenigen Arten von Mvlania und Hells, siuri bald rund,
bald länglich, mit Eichen und verschiedenen Waldbiomen,
zuweilen auch wi'den Orangen bewachsen, die, wie Fair-
bank» nach wies, von den Spaniern ein geführt wurden.
An der Seeküste finden sich andere Hügel mit Austrru-
schaten und überhaupt sind solche Hügel an allen Kiisten
der Vereinigten Staaten sehr häuft?. Einige der Sin—
wasterhügel werden genauer beschrieben; es fanden steh
darin Herdstelleu , Knochen vom Hirsch, Bär, Waschbär,
Opossum, von Vögeln, Schildkröten, Alligatoren und hVi bcu,
Topfscherben mit Linien -Verzierungen, Fcucntciogerüthe.
Digitized by Google
371
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Töpferei von Thon, meist ohne Zuthaten. Von den Eichen Entdeckung Amerikas stehen mussten. Die Knochen haben
hat inan berechnet, dass sie schon 100 Jahre vor der weniger organische Materien als Mastodon-Knochen.
Portugal.
P. A. Pereira da Coata. Monumentos prehiato-
ricos. Descripvao de algutis Dolmtna ou Autaa
du Portugal. Li&boa 1868, 4°. 97 S., 3 Folio-
tafeln, heigedruckte französische Uebersctzung
von Dalhunty.
Nach einer langen Einleitung kommt Verfasser tu den
Diluvialgebilden Portugal«, die er in drei Gruppen schei-
det, die unterst«. Drift oder Risperinde, die zweite, wo
dos Meer einige .Stellen des Landes bedeckte, endlich die
dritte , wo die Landest heile wieder auAaurhlen und die
Flüsse ihr« Terrassen bildeten und währoud welcher Men-
schen und ansgestorlcneThierc e* bevölkerten. Das zweite
Capital ist den Dolmen gewidmet, die in Portugal, wenn
sie ireUtehen , Antas , wenn in Hügeln, Mununhas oder
Manilas heissen. Man kennt in Portugal viele Hunderte.
Nach einem Re»ume des in anderen lindern gefundenen
kommt Verfasser auf diese zu sprechen , um Int dritten
Capitol einige ausführlich zu beschreiben und abzubilden.
Bis jetzt fand man nur geschliffene Steinwaffen darin.
Russland.
Pr. Schmidt. Vorläufige Mittheilungen über die
wissenschaftlichen Resultate der Expedition zur
Aufsuchung eiues Angekündigten Mammuthcada-
vers. Melanges biologiqnea, Acad. de St. Petera-
bourg, Tome 6, April 1868.
Nachweis der geologischen Bildung des Bodens — der
marinen Postpliocenschichteu mit einer Menge von Geschie-
ben und Versteinerungen aus älteren zerstörten Gesteinen,
der älteren und neueren Süuwasscr-AUuvioncn, in welchen
die Mammuthe sich finden. Die Leiche, um deren Willen
Schmidt die lange Reise machte, war sehr unvollstän-
dig.— WolJhaare und Borstenhaare in Menge. Schmidt
grub selbst den Unterkiefer, die Schulterblätter und ein
, ganzes Vorderbein au«. Die Reste lagen in einer 3 Fus«
mächtigen Lrhrasrhicht horizontal, um sie herum Moose
(Hypnum), Weidenblatter, Stücke Lirchrnholz , darüber
Lehmlager mit Vegntatkxuachicbten. Dws Mammuth mag
wohl dort gelebt haben.
Schweiz.
De Bonstetten. Seeon d Supplement au recueil
d'AntiquitcB Buissea. Lausanne 1867, Fol. 18 S.,
16 Tafeln col.
Meist Gegenstände aus Grabhügeln der ältesten Eisen-
zeit. Der Verfasser verneint phöniziothen, behauptet aber
etruskischen Einfluss auf die Bronzefabrlkation der Schweiz
und des Nordens.
E. Desor. Lo cimetiere de HaUftatt. 8 8. Ab-
druck aus der ßibliothequo universelle.
Analyse de* Werke» von E. von Sacken.
E. Desor. Ago du fer. dans lo Canton de Xeu-
chüteL Le preuiier Mars, Neuchätel, 15 Decbr.
1867«
Ueberreste au» drei verschiedenen Epochen: au» der
ältesten Eisenzeit in Gräbern; aus der gallischen (gleich-
zeitig mit Cäsar;; aus der Pfnhlhaute von la T«'*ne; aus
der helveto-burgundiscbeu in Gräbern.
E. Deaor. Le Tumulos des Favargettcs au Val
de Rus. Neuchütel, 14 S., 4 col. Tafeln.
Das Skelet, welches der Tumulus enthielt, wurde leider
von dm Arbeitern vernichtet. Kein« Waffen, nur Schmuck-
gegenstände und GrraLhe aus Bronze , Thon und Holz
(Armbänder!. Die grossen , aus geschlagener Bronze be-
stehenden Kessel, die Form der Schmuckgegcnstände stimmt
mit Hallstadt und den Hügel - oder Kegelgräbern von
Deutschland überein. — Das Grab gehört also der ersten
Eisenzeit an.
P. Thioly. Documenta sur leB epoqufli du Renno
et de la pierre polie dass lea environs de Geneve.
Deacription d’Objets de lTndustrie huniniue trou-
vc« a Veyrier pro* d« Geneve et appartenant k
l’epoque du renne. Precedee d'uue introductiou
de Mr. C. Vogt, 37 S., 15 Figuren. Deacription
d’Objets de l’epoque de la pierre trouvefl sur
remplaoement lacustre des Kaux-Vivea, 13 8.,
10 Figuren, Holzschnitte. Extrait du Tome XV
du Bulletin de ITnntitut genevoi*. Geneve 1869.
Beschreibung und Abbildung der hauptsächlichsten Fuud-
gegenstände , worunter besonders ein tV-mmandosUb mit
Abbildung vom Steinbock und einer Pflanze. In meiner
Einleitung suche ich besonder» die Ansicht von Rü ti-
me yer, der die Knochen untersuchte, zu bekämpfen, wo-
nach Rcnntbicr, Pferd und Ochse vielleicht Ilausthicre ge-
wesen wien.
47*
Digitized by Google
372
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Spanien.
Don Manuel do Gongora y Martinez. Anti-
güedades prehiatdricas de Andalucia, Monuroen-
tos, Inscripciones, Arraas, Ustonsilios y otros im-
portantes objetoa (>erteneciantes \ los tiecnpo»
maa rcmotos de au poblacion. Madrid, Cargo de
C. Moro, 158 S., 175 Holzschnitte, 2 chromolith.
Tafeln.
Eine neue Welt in prachtvoller Ausstattung , die durch
eine Subskription des Minuten au! 150 Exemplare ermög-
licht wurde. Wenn die ersten Untersuchungen schon *o
viel geliefert haben , so muss Andalusien eines der reich-
sten Länder für vorhistorische und urgeschichtliclie Un-
tersurhungcn «In. Leider werden die meisten Fundstät-
ten durch die Finder selbst , welch« Schätze suchen , rer-
stört, was um so mehr Schade, als sich manche Gegen-
stände dort erhalten finden, die man anderwärts vergebens
sucht. So in Höhlen Bastgewebe, wunderbare Figuren
runeuäbnlicher Gestalt (die indessen auch späterer Zeit
angehören mögen), eigentümliche Topfformen, Leichen noch
mit ihren Bastsandalcn. In einer Höhle (Caverna de los
Murcielagos) ist man überrascht , die charakteristischen
Formen, namentlich der Knochen - Instrumente , aus den
schweizerischen Stein - Pfahlbauten wieder zu finden; aus
den unzähligen Dolmen und Gnugbnuten kommen Stein-
wnfVen und Bronze - Celte , Hinge etc. Die zahlreichen
Schädel, die in leider unzureichenden Abbildungen (V4 Gros«
— fast niemals Scheitclansicht) vorgefuhrt werden, ver-
dienten wohl genaueres Studium und Meriun^en. Sie
scheinen meist dolichocephal und viele proguath. Alle
untersuchten Dolmen sind von viereckiger Form, mit gros-
sen Steinen gepflastert, die Leichen ausgestreckt, ln einem
einzigen fand man ein Stück Eisen, sonst nur Stein und
Kupfer.
Francisco M. Tubino. Mußeo arqueologico na-
cional. Gaceta de Madrid, 23. März 1868. Mor-
tillet-Mnterinux, 4m0 Anode, pag. 175.
Bei Ciwtillcja de Guzman, westlich von Sevilla, ein Tu-
rn ul u» , in welchem eine bi* jetzt auf die Länge von
27 Meter aufgedeckte Allee au* groben unbehauenen Stei-
nen ohne Cemeat. Zwei durch Thören geschlossene halb-
rund« Grab kämmen». ln der Erde auf den Drcksleinen
30 Pfeilspitzen aus Bronze. Im inneren noch Nichts ge-
funden.
Francisco M. Tubino. Revista de Bellas-Artcs e
Hiatorico-Arqueologica. Madrid.
Neue* Journal , in dessen erstem Hefte der Herausgeber
«ine Ucbersicht der in «inem Vaterlande gemachten urge-
»chichtlichen Studien giebt. V i 1 a n o v a hat mit seinen
Schülern daa klassische Termin von San Isidro aufs Neue
untersucht und die früheren Resultate bestätigt; grosse
Sammlungen von Stcinwaifeu aus Südamerika wurden ge-
ordnet; Steinwn(Ten wurden gefunden bet Tamigona, Se-
villa; Vilanova und Turbino geben Vorlesungen über
den tbsailcn Menschen ; man hat Untersuchungen von Grab-
hügeln und Höhlen begonnen.
Francisco M. Tubino. Estudioe prehistoricos.
Cuaderao 1. Madrid, 128 S.
Oeffeutlkhe, populäre Vorlesungen über Urgeschichte,
die der Verfasser in der ökonomischen Geaellschaft von
Madrid gab und die iheils allgemeinere Gegenstände, 1 heile
Biographien (Boucher de Perthes, Sir John Lub-
bock), iheils üjiedell spanische Fundorte (den Gaogbau
von Castilleja de Guzman, die alten Grubenbaue von Cem»
Mariana) besprechen.
Ungarn.
Floris Roetner Oskori müregestet. Pesth 1866. Foimlitrt, von Jet ungnrlicboi Akviemie hnntugfgcb«».
GrosB 8». 136 S., 154 Holm-lmitte. Anleitung tum Studium Jet Crgatluoh« und Archiologie.
II.
Anatomie.
(Von A.
Alix. Recherche» sur la disposition de» lignes
papillairca de la mnin et du pied, preceddos de
conaiddrations aur la forme et !a fonction de cea
dcux Organe». Annalen des Science» naturelles,
5“e adrie. Zoologie. Tome VIII, 295 pag., Tome
IX, 5 pag. Tafel 2. 3, 4, 5.
Vergleichung der Tnstiinien bei Mensch und Affen.
Eckor.)
Bischof!'. Die Grosshirnwindungen des Menschen
mit Berücksichtigung ihrer Entwicklung bei dem
Fötus und ihrer Anordnung bei den Affen. Neu
uuteraucht und beschrieben. Mit 7 Tafeln. Aus
deu Abhandlungen der königl. bnierischen Aka-
demie der Wissenschaften. IR Clnsee, X. Band,
2. Abtheilung. Münchon 1868. 4°.
Digitized by Google
Verzeichnisa der anthropologischen Literatur. 373
Blake, Carter. On a Skull front the Chincha Is-
lands. Journal of the Anthropologien! Society of
London, April 1869, Nr. 25, S. LXVII.
Länge 16*5. Breite 13*6. Index 65*6.
Brandt, Alexandre, jun. Sur le rnpport du poida
du cervean a celui du corps ehe* differente ani-
maux. Bulletius de la Socioto imperial© dea na*
turuliates des Moscou, 1867, Nr. 4.
Verfasser bestätigt den Satx von Haller (Hem. l’hy-
siol. , IV , 8) , dass kleinere Thier« ein relativ gTüwer«
Gehirn haben als grosse, durch Messungen : 1) an der aus-
gestorbenen Rhytina boreulis , 2) an Halicore Ilugong, und
3) an Manatus latirostri». Das Hirn voluin (nach Gype-
ausgüssen in bekannter Weise bestimmt) fand er bei
1) = 2125, bei 2) = 400, bei 3) = 423 Cubikcentim.
I>aruus (nach dem Gehirn des Schweina) das Hirn ge wicht
berechnet ergiebt für l) 2242, für 2) 422, für 3) 448
Grammes. I>ie Länge de* Skelets beträgt bei 1) 6*34, bei
2) 1*87, bei 8) 2*00 Meter. Daraus ergiebt sich, da**
das Gehirn im Verhältnis* zur Körperwaasse bei 2) 7 mal,
bei 3) Ömnl grosser war *1» bei l). Den Hingangs er-
wähnten Sata sucht nun der Verfasser durch deu weiteren
Krfahrungssutz zu erklären, dass die physiologischen Pro*
ersse relativ um so lebhafter sind, je kleiner das Thier,
und vindieirt diesem SaU auch eine Geltung innerhalb
des Menschengeschlecht*. In einrm Anhänge beklagt er
es mit Recht, da** die Anthropologie bi* jetzt noch *o
wenig Arbeiten au&uweiseq hat , die da* relative Hirnge-
wicht kennen lehren und glaubt, obigen Daten entsprechend,
au» einigen Nachweisen entnehmen zu können , da»* das
Weib im Verhältnis* zum Körper mehr Gehirn besitzt als
der Mann.
Broca. Sur Iob cr&nea basques de Saint-Jean-
de-Lus. (Bulletin» do la Societo d’Anthropo-
logie de Paria, 2*1* Serie, Tome III, 1, 1868,
S. 43.)
Broca erhielt 58 baakische Schädel au* einem Beinhaus,
da* von der Zeit vor 1532 dntirt. Broca wiederholt,
bevor er in da* Detail eingeht, dos Wichtigste über die
ßoskcnfmge , wo» hier ebenfalls geschehen soll. Die Bas-
ken sind bekanntlich das einzige Volk Westeuropas, das
heutzutage noch eine nicht indo • europäische Sprache
spricht. Man hat sie daher als die letzten und reinen
Reste der Urbevölkerung betrachtet, welche vor der asia-
tischen Einwanderung diesen Theil Europa* bewohnte.
Ketzius, der die Urbevölkerung Europas für brachyce*
pbal hielt, schrieb diesen Charakter auch den Basken zu,
mehr der Theorie zu liebe als auf Beobachtung fassend,
denn cs standen ihm keine authentischen lUskcnsrhädc) zu
Gebot, Diese Frage zu lösen hat bekanntlich von 1862
an Broca unternommen Zuerst erhielt er aus Guipuscoa
60 Baskenschädel , die in der Mehrzahl doKehocephal wa-
ren (nur bei 12 überschritt der Schädelindex 8ü), Eine
zweite Sendung von 1 8 Schädeln ebendaher bestätigte, dass
die Brachycephalie bei den haskUchen Schädeln exceptionoll
ist. Virchow bestätigte dies an 6 Schädeln aus der
Umgegend von Bilbao. Ein Versuch, die alte Theorie zu
retten , indem mau die Bewohner von Guipuscoa für Gel-
ten erklärte (Pruner-Bey) misslang und man ist jetzt
berechtigt, anzunchmen , dass in Guipuscoa nnd ßiscaya
die Brachycephalie auch heutzutage noch die Ausnahme
bildet. Die Fälle von Brachyirphalie, die sich linden, sind
theils durch Raccnmischung bedingt, theils »iud sie Folge
von Naht synostosen (Virchow). So war der Stand der
Sache zur Zeit des anthropologischen Cangre««es (August
1867). Der Annahme der DoHchocephalic für den Bas-
kenschädel stuml nur ein Factum entgegen: aus dem
französischen Baakengebiel (Saint Jrun-pied-dc-Port) lag
ein brachycephaler Schädel vor und Mesjongen von Leben-
den (von d’Abhadic) schienen das Vorherrschen der
Brachycephalie in diesem Gebiet zu bestätigen. Broca
reiste nun selbst nach Labourd; ein LctVcuodeter Arzt
unternahm Messungen von Lebenden und hieraus ergab sich
entschiedene* Vorherrschen der Bnu-hycephalie (riebe den
folgenden Titel). Zugleich erhielt aber Broca die obge-
nannten 58 Schädel. Bei Betrachtung dieser (oder nach
Ausschuss eines abnormen) 57 Schädel ergiebt sich wilört
das Vorhandensein zweier verschiedener Typen , eines doii-
cbocephnlen (ganz gleich denen von Guipuscoa) und eine»
bracbrccphalen, ersterer zu etwa* mehr als */&, der zweit«
zu fust der Rest besteht au* Zwisrhrnformrn. Da
«ich die charakteristischen Züge der Guipuscoer Schädel
auch lei riclen der brarhycephaleu Schädel linden,* »o
glaubt Broca, das* die zwei Raren (brachycephale und
dolichocephale) , deren Mischung vor dem 16. Jahrhundert
die Bevölkerung von Saint Jean-de-Luz bildete, weit mehr
durch den Sehadelindex als durch sonstige Charaktere un-
terschieden waren. Die alten Bewohner des französischen
Basken! und«* waren nach Broca’» Ansicht Lrachvcephal,
die des spanischen dolichocephal und das Vorkommen der
DnlichocephaJie bei enteren ist eine Folge der »eit dem
16. Jahrhundert »tattgeliabten Immigration der enteren nach
Frankreich. Die Einheit de* Baskenstnmmcs hiernach noch
fest zuhalten wird Broca ziemlich schwer und wir mä*»en
es uns versagen, hier auf die ausführlichen craniologischen
und historischen Erörterungen einzugeheu, durch welche
dies geschehen soll. — In der Discuasion, die »ich hieran
knüpfte, bctheihgtco sich namentlich d’ Abbadip, Qua-
trefages und Pruner-Bey, welcher Letztere stets
hi’hnuptet hatte, dass die Basken ein gemischter Stamm
seien.
Broca. Sur le» Baaques de Saint Jean-de-Luz.
(Bulletins de la Societo d’ Anthropologie de Paris,
2** serie, Tome III, 1, 1868. S. 9.)
Die Iteobachtung von Broca an der lebenden Bevölke-
rung von Guipuscoa bestätigt die durch die Untersuchung
der Schädel lest gestellte ThaUarbe, das« die aponJochen
Basken dolichocephal sind; die französischen dagegen sind
zufolge der Beobachtung von d’Abbadie in der Gegend
von Saint Jean-de-Luz brachyeephal. Um sich zu über-
zeugen, ob diese letztere Angabe richtig eei , begab rieh
Broca selbst nach Saint Jean-de-Luz; cs ergab »ich durch
die Beobachtung an der lebenden Bevölkerung entschiedenes
Vorherrschen der Brachycephalie (unter 47 Personen 31
Brachycephalrn, 10 Dolicboccphaleo, 6 Meanticephuleu).
Broca. Vergleichung des Schädelindox am Le-
benden und am Skelet. (Bulletin de la Sorbite
d’Anthropologie do Pari«, 2de serie, Tome 111,
1, 1868. S. 25.)
Der Verfasser auass an 19 Individuen (Leichen) die
Durchmesser: a) des unverletzten Kopf* und dann
b) des Schädel* und fand da** da* Mittel de* Index von
&) 60*051, von b) 78*366 betrug, so das* man, wenn man
Messungen au Lebenden mit Schädelmesaungen vergleichen
will, von den Werthcn der erstereu mindesten* zwei Ein-
heiten abxtehen muss.
Broca. Sur le« caracUrcs erüniens B«lon les aexes.
(Bulletins de la Societo d’Anthropologie de PariB.
2dB serie, Tonte IU, 1, S. 18.)
Der Verfasser hatte in ßeiner Mittheilung über die Bas-
ken von Saint Jean-de-Luz behauptet, dass di« Dolichoce-
phalic hier beim weiblichen Geschlecht viel seltener #el als
beim männlichen, entgegen der Behauptung anderer Auto-
ren in Betreff verschiedener Raren Europa» , wonach da*
weibliche Geschlecht im Allgemeinen mehr dolichocephal
»ei. Da» ietxtere fand Broca in der Normandie (Saint
Amnuld) an deu Schädeln eine* alten Beinhausr? bestätigt,
wo auf 100 mäauüche Schädel 51 und auf 100 weibliche
Digitized by Google
374 Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
nur 22 brachyeephale kamen. Uroc* weist darauf bin,
dass in gekreuzten Kacen sich die Charaktere der Mutter-
Rate nicht immer glefchmiaaig ln beiden Geschlechtern
erhalten ; so habe bei den Schädeln in der Normandie der
Charakter der (dolicbocephnlen) Normannen, hei denen im
Baskenland der der (brachyccphalen) -Stammrace sich mehr
im weiblichen Geschlecht erhalten.
C&lori. Cerrello di an negro delU Guinea , il-
lustr. con 8 tav. Bologna 1866, 40.
Ein Referat über diese Schrift, die uns bis jetzt nicht
xugekommen , findet sich in : Anthropologien! revievr,
Juli IMS, Nr. 22, 8. 279.
Davis , B. Thesaurus cranioruiu. Catalngue of
the skulls of tlio various races of inan in tha
Collection of J. B. D. London 1867, 8°. (sieht»
oben die Referate).
Davis, B. Gontributions tovrards determining the
weight of the brain in different races of man.
Philosophien! tninsactious, 1868.
Daa Hirngewicht i»t aus der Schädeleapscitit berechnet.
Zu Grunde liegt die grosse Schädclsammlung des Ver-
fassers.
Ecker, A. Die Hirnwindungen des Menschen nach
eigenen Untersuchungen insbesondere über die
Entwicklung derselben beim Fötus und mit
Rücksicht auf das Bedürfuiss der Aerzte darge-
stellt. Mit in den Text eingedruckten Holl-
stichen. Braunschweig 1869, 8°.
Hamy. Etüde snr le crfine de POlmo. Bulletins
de la soc. d'Anthrop. de Paris, Tome III, pag. 112.
Von diesem bekannten quaternären Schädel de* Arno-
thales, den Cocchi genauer beschrieben, legte Mortillet
(Sitzung com 23. Januar) einen Abgas« vor. Der Schade],
dem Vogt einen Index von 85 zuschrieb (Cocchi sogar
86) und der darnach hrackrcephal wäre, ist, nach den
Abbildungen von Cocchi zu schiiessen, dolkkocephai, und
dasselbe ergiebt auch die Messung des Abgusses , wonach
der Index ungefähr 73 beträgt.
Höldor. Ueber die Skelete insbesondere die Schä-
del der Gräber in Wurmlingen, in: Hassler,
Studien aus der Staatssarumlunp vaterländischer
Altcrthümer. Mit 4 Tafeln und 2 Holzschnitten.
Ulm 1868. Auch unter dem Titel: Verhandlun-
gen des Vereins für Kunst und Alterthum in
Ulm und Oberschwaben. 18. Veröffentlichung.
Germanische Schädel.
Houghton. On a hairy fnmily in Burmah. Tram-
actions of the Ethnological Society of London.
New serie*, Volume VII. S. 53.
Cruwford, der 1826 Ava besucht«, beschrieb einen
ungewöhnlich behaarten Mann (.Shwe - Maong mit Namen),
angeblich 30 Jahre alt, an dein Stirn, Wangen, Augen-
lider, Nase, Kinn, kurz da# ganze Gesicht, ausgenommen
den rothen Uppen rund, mit feinem, ailbcrgrauem Haar
bedeckt war, da« an Stirn und Wangen 8 Zoll, an den
übrigen Stellen etwa 4 Zoll lang war. Ebenso wer der
ganze Körper, lläudc und Fu*#e ausgenommen . mit ähn-
lichem jedoch kürzerem Haar bedeckt. — Bemerken» werth
war auch die ZahnbilJung (Backzähne hatten sieh nie
entwickelt!. — 1855 sah Capitain Jule die Tochter dci
vorgenannten iXameus M-tpboon), die dieselbe Missbildung,
auch in Betreff der Zähne zeigte. Eine andere Tochter
de* Shwe - Maong war dagegen ganz normal gebildet. —
Das jüngste Kind der MnphooD (14 Monat alt> zeigte eben-
falls schon den Region der genannten Eigent hüraheh keilen.
Huxley. On the form of tbe ernnium among the
Patagonians and Fuegians, with some re-
marka upon American crania in general. Mit
Abbildungen. (Journal of anatomv And physio-
logy, condncted by Humphry and Turner, H. Se-
rie«, Nr. 2, Mai 1868, 8. 253.)
Nach einer kurzen kritischen Besprechung der rraniolo-
giseben Untersuchungen über amerikanische Schädel von
Morton, Retxius, Wilson und Meigs, geht Huxley
zu reinem Gegenstand über und beschreibt: 1) den Schä-
del eines Feuer I ander* im College of Sorgeoas labgebil-
det in Figuren 2, 4, 0, 8). Derselbe i»t dolk-hocephal
(Index 74) und hat durch seine Lang*, Vorstehen d«9 Hin-
terhaupts, Breite der Jochgegeud, Verstehen der Nasen-
beine und Tiefe der Nasenwurzel keine geringe Ärmlich-
keit mit dem Eskitno-SchidrI. Auch in der Statur schei-
nen die beiden Stämme Übemnxustimmen. Aus der
Vergleichung der Knochen der Extremitäten ergiebt »ich,
daaa, bei fast gleicher Länge der Schenkelbeine, das Dein
des Feuerton der» wegen etwa« grösserer Lange der Tibin
um etwas länger ist (30*4 : 29*55) und ebenso die Arme
wegen noch grösserer Lange de* Radius (2 1*35 : 19*55).
2) Einen xweiteu Feuerlander - Schädel (jung und wahr-
scheinlich weiblich) erhielt Huxley von Dr. (’unning-
b»m. Derselbe ist breiter (Index 78), das Gesicht prog-
nath. Schadet Ton Pntugoniern besitzt das College of
Surgrons zwei unzweifelhafte, einen angeblich männlichen
(Index 87) und einen angeblich weiblichen (Index 26), der
höchst wahrscheinlich die ungewöhnliche Breite sowie die
Abdachung des Hinterhnupts einer künstlichen Mis*»taltung
durch das Wiegenbreit verdankt. Ein dritter patagoni*
scher Schädel au# einem Grabhügel beim Fluss Chupa
(43° südl. Breite, 67° wcwtl. Länge) ist in Figuren 1, 3,
5, 7 abgebildet. Das Hinterhaupt ist leicht abgedacht,
Index 89. Einen vierten (und fünften , der jedoch sehr
drfeet) erhielt Huxley ebenfalls von Dr. Cunningham.
Derselbe (von der Gregory- Bny), von einem erwachsenen
Mann, ist künstlich missstallet. Nicht nur ist dos Hinter-
haupt sehr flach und aisyiumetrisch, sondern auch die Form
des Vorderkopfs scheint durch eine Stirnbinde modilicirt,
so da» der Index (81) nur einen zweifelhaften Werth hat.
Huxley glaubt aus Vorstehendem schiiessen zu dürfen,
dass unter den Patogoniern Brnchyceph.il ie , unter den
Feuer! ändern Dolichocepbaüe die vorherrschende Kopf-Törin
ist und das* diese beiden neben einander ia der Südspitze
von Amerika sich linden. — Nach Allem scheint dem
Verfasser streng ausgesprochene Brachyccpbnlie in der
neuen Welt beschränkt zu sein, auf: 1) die alten Bewohner
de* Mixsissippithnls (Mound • builders), 2) die Pntngonier
und eine Anzahl Stämme Südamerikas im Westen von Peru.
— - KutsA.-k.irdf ne Dolichocephati« dagegen findet sich
allgemein bei den Eskimos, herrscht vor unter den liotb-
hüuten Nordamerika» und den Bewohnern des Nordens yn
Südamerika und — wahrscheinlich — unter den Feuer-
ländern. Weiter verfolgt dann Huxley die Verbreitung
der Brnchycophalie und Dolichocepbalie ausserhalb Ame-
rikas.
Kölliker« Ueber die Schädel der Südaee-InRulaner
und der Auntralier. Verhandlung der physika-
lisch - mediciimchcn Gesellschaft in W üraburg .
Neue Würzburger Zeitung, Nr. 159, 1869.
Dk ScbSdtl, 12 an der Zahl, rind von I>r. K. v.
Graffe und Frau Amalie Dietrich cingesandt und
kamen Herrn Kölliker durch Herrn C. Godeffror
in Hamburg zu. Es sind 9 Schädel von den Südsee-
laseln (6 von den Fidschi-Inseln, 2 von den Echt-
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 375
«jaiers-Inwln und 1 von den Hermit-Iuwln). Davon
zeigen 7 den Malaya -Typus, 2 (von de« Fidschi-Inseln) de«
Papua-Typus (hypsi-atenDceplutle Form). Die 3 Ne ahoi*
1 ander (von Kockhamptoti un der Ostküste) zeigen einen
»ehr niederen Typus. Sie sind kurz , aber ziemlich breit
und hoch, progiuith. Scheitel kielt iinnig. Zwei Italien
einfache Nasenbeine.
Lamprey. On a rnethod of tncosuring tho human
form for tho tue ©f stndenU in Ethnology. The
Journal of the Ethnologien! Society of London.
April 1809. S. 84.
Hin Holsrnhmen ron 7 Fou Höhe 3 Zoll Breite wird
durch »usgespannte Sddenfadrn in Quadrat* von 2 Zoll
getheilt. Die zu »elende Person wird nackt vor diesen
Kuhmen gestellt, so das» die Kussaohle io gleicher Höhe
mit einem der Querfäden steht und Photographin. Auf
dies« Weise gewonnene Photogrephieen können cehr gut
verglichen werden.
Martins. Sur la torsion de rhumerus* Bulletins
de la SocietA d'Antropologie de Paris, Tome III,
pag. 2, S. 320.
Meryon. On account of some cases of arrest of
developperoent. Trnnsactiona of the Kthnolo-
gical Society of London. New aeriee, Vol. VII,
1869, S. 162.
Drei uiikrocrphale Knaben in Dwaetahlre, Kinder gesuu-
der Eltern (eine Schwester ebenfalls vollkommen gesund),
im Alter von 1) 14, 2} 13 und 3) 4 Jahren. 1) und 2)
37 Zoll hoch, 23 und 25 Pfund schwer, 3) 12 Pfund
schwer. Kopfumfaog (horizontal) von 1| und 21 16 Zoll.
Kleinheit des Kopf* autlallend* Körper vorwärts gebeugt,
Waden dünn. Sie haben (bea. 2) Neigung, auf dem au»-
seren Kussrand zu geben, fidlen deshalb mit grosser Leich-
tigkeit Bäume besteigen (!). Den Schädel betreffend so ist
bet Nr. 4) die grosse Fonunelle noch offen, und Verlauf
der Pfeil • und Lambdanaht deutlich. — Hei keinem der
drei Knaben befinden sieh die Hoden im Scrotum. Sie
können nicht sprechen, geben aber Laute von sich, die sie
unter sich zu verstehen scheinen und wovon auch die
Mutter viel versteht. Sie sind nicht idiotisch, haben Nach-
ahmung* talent.
Perrin. Bulletins de la Societe d’ Anthropologie
de Pari«, Tonte III, 2do eurie, 2, S. 176.
Kennt eine Familie, in der seit mehreren Generationen
einzelne Individuen nur zwei Schucidczähne in der Ober-
kiuntade haben.
Pommerol. Recherche« snr la synostoae des oa
du crAne coosidoreo au point, de vue normal et
pathologique chez les differentes ri(« humainea.
8°. 116 pag. 2 Tafeln. Paris 1869.
Rolloston. On the various forma of the so called
„ccltic“ eranium. (Journal of anatomy and phy-
siology, conductod by Humphry and Turner.
Cambridge and London, II. seriös, Nr. 3, Novb.
1868. S. 868.)
Kollcston macht darauf aufmerksam, da** ausser der
dolichoci'ph .Im Schädclform, welche Thurn&ui als cha-
rakteristisch fdr die Lsnggräber (Long banruws) bezeichnet,
no' h eine doltchoccphalo Form ezistire, die von derselben
zu untemcheblin sei. Repräsentanten des letzteren Typus
seien ein Abguss im Coline of Surgcon* eines alten Skan-
dinavier* (Celtcn) Nr. ferner ein Ahgus* eines
Sehidcls aus einem Grabe bei Dinnington (Vorkshirc) und
endlich 32 Schädel aus einem Kirchhof bei FriLford aus
▼onlchci scher Zeit. Diese letzteren Schädel gleichen den
genannten Abgüssen und differiren von den «iolichocfphaleu
Schädeln der Langgräber in w «entliehe« Punkten. Die
weit grosse* Anzahl von Schädeln bejahrter Individuen
unter dm ersteren spricht neben Anderem sehr für eine
höhere Cultur derselben.
Sauvago. Sur une eepuUure de l’Sge de la pierre
]K)lie. Bulletins du la Societe d’Anlhropelogie
de Pari«, Tome III, 2. S.,179.
Vorlage eines Schädels.
Schetolig. On the native» of Formosa. (Trans-
actions of the Ethnological Society of London.
New serie», Volume VII, 1869. S. 215.) Mit 2
Tafeln Abbildungen von Schädeln.
Der Verfasser glaubt, dass man heutigen Tages noch
drei Katen von Eingeborenen unterscheiden kann: l) Die
im Nordosten au der Käst* und auf einigen kleinen Inseln
bei Kctung wohnenden, von den Chinesen Sbrkeran ge-
nannt. .Sic sind ron gelber Hautfarbe, d.s Gesicht breit,
Haare und Augen dunkel, Augenlider woblgebiJdet , oval’
breile Nasenlöcher, Wangenknochen vorstehend. Von die-
ser Kace zeigt Schetelig zwei Schädel vor. Dieselben
(beide männlich) sind dolicbocephal (Indez 73) und ganz
verschieden sowohl von chinesischen als malayischen Schä-
deln. Während diese in der Verticalansicht der entwickel-
ten Tubern wegen stets eck.g erscheinen, sind jene rein
oval; das .Schädeldach, das insbesondere bei fast allen Ma-
layen mehr Hach erscheint, ist schön gewölbt; die Breit«
des Gesichts in der Ebene der Jochbeine Ut dagegen grös-
ser als bei den beiden genannten anderen Raren. Sc be-
te 1 i g tindet , dass diese Schädel am meisten denen der
Sandw ich - Insulaner gleichen. Der zweite Stamm (Chin-
wans von den Chinesen genannt) bewohnt die Berg« im
Norden. Dies« sind kleiner, zarter, von hellerer Farbe. Ein
dritter Stamm wohnt im Süden; von diesem erhielt der
\ertasser zwei Schädel. Diese hnben einen Indes von 81*4
und gleichen am meisten malayischen Schädeln, insbeson-
dere denen den Einwohner der Philippinen.
Shortt. An account of the Hill Trib« of the Neil-
gherries. (Trannaction« of tlie Ethnologial So-
ciety of London. New series, Volume VII, 1869.
S, 23.
Woisboeh. Der Wasserpehalt des Gehirns nach
Alter, Geschlecht und Krankheiten. — Separat,
abdruck aus den medicinisrhcn Jahrbüchern.
(Beilage zum Wochenblatt der k. k. Gesellschaft
der A erste in Wien), XVI. Bd., 4. und 5. Heft,
1868.
Werfer. Das Wangenbein des Menschen. (Dias,
inaug., Tübingen 1869.)
fjiu Vorkeniinea de. 1V.C- imirjrinnJiH am hint.ren H.nd
d-, Jochbein, hängt nicht mit lewodenea SchädelfonneD
zusammen, elM'nsowcnig die Bethriligung des Jochbeins an
der Bildung der Fis*. orb. iuf. und di* Gestalt dieser.
Wyman, Jcflries. On tho mensurement of cra»
nia. Proceedings of the Boston nat. hist Society,
Volume XI, 1868. Anthropological Rerlew, Oe-
toher 1868, Nr. 23. & 345.
Der Verfasser vergleicht die Resultate der Messung der
Schidelcapacität bei verschiedenen zur Fällung angewand-
ten Materialien (Erbsen, Schrot, Bohnen, Keis. Hanfsamen,
grober Sand, feiner Sand) und findet, dass Erbsen und
Schrot die gleichmässigolcn Resultate gaben und daher die
Digitized by Google
Verzeiclinisa der anthropologischen Literatur.
376
bcKlea räUuBpmilMt seien, wihjend Sand da» echleeb-
teste sei.
Wyman, Jeffrios. On the position of the fornmen
maRnum. (Proeoedings of the Boston natural
hislorv Society, Volume X, 1868. Authropologi-
cal lte-riew, April 1869, Kr. 25, S. 152.)
On dm ElnlioM du ProgMtlmiou« in rlimlaiiu, niis.1
Wrinan die Laje bl«« im Verhiltnii» xum Seh*delS«-
Hänu. Znnäch« mint er die Unge diese« von Glabeila,
nun Hinterhaupt «Imin den Ab*tan<1 d« vorderen Rande»
des Foramen roagnum vom vonrageiubUn Funkt dei Hin-
terhaupt«. I>ic Entfernung dieser letzteren Funkte im
Verhältnis» zur Gesatuiutlänge des Scklddi giebt die Stel-
lung de* Foriuneu maguum nn (“ Index des FonUBCH
maguum Wyman). Die GcsammtUnge z. B. = 100, »o
hat der Weisse 50*0 (20 Fälle), der Neger 4ä'7 (17
Fälle), der Hindu 45' 4 (lft Fälle), junge Gorilla 40
(1), Gorilla 28*8 (3), Chiuipans* 21 (1), drei junge
Cbimpanses 39, 35, 2 uud 32.
in.
Ethnographie und Reisen.
Allgemeines.
(Von Friodr. von HeUwald.)
Agasniz on Provinces of Creation, and tho Unity
of tho Race. (The Biblicol Repertory and Prin-
coton Review. Now-York, January 1869.)
Andre«, Carl. Die Veränderung in der gegen-
oeitigen Stellung der Menschouracon und dio
wirthachaftlichcn Verhältnisse. (Globus, Bd. XIV,
S. 17-21.)
Zeigt da« Nutzlose der Aufhebung der Negersklave«!,
die Unbrauchbarkeit «l«r freien «Schwarzen zur Arbeit und da«
an deren Stellen Treten der ostn.iatiw.hen Völker, beson-
ders der Chinesen.
Andre«, Carl. Einwirkung des Raeoncharaktors
auf dio Religionen und deren Umwandlung. (Glo-
bus, Bd. XIV, S. 236— 240.)
Hauptsächlich nach dem Buch« Leo van der hin-
dere: I>e lu nee uud nach Burnotir* Aufsatz: La di-
veisit* den rdigion« ln der Revue de» deux tnondea (15.
August 1868) bearbeitet.
Bastian, Adolf. DaB Beständige in den Mcnscheu-
racen und die Spiolweite ihrer Veränderlichkeit.
Berlin 1868, 8". 300 S. mit 1 Karte.
Wie Alle» wna au* der Feder de« gelehrten Autor»
fljr<.*t, zeugt auch die*«* Buch von ungeheurer Bde-enheit
und tiefen Studien. Bei dem ungemein reichhaltigen In-
halte die»«» Werke* m«u aber der Mangel jedweder Uuier-
ablHciluug. als da» Verständnis» erschwerend, nelir empfun-
den werden. Die dem Buche beigegelwn« üebeivichtskarte
der ethn«»lngi*chen Culturkreise mich ihrer ungefähren
Begrenzung im 13. Jahrhundert, Dt sehr klar und cUnken*-
werth.
Bastian. Das natürliche System in der Ethnolo-
gie. Zeitschrift für Ethnologie, Bd.I, Heft 1, S. 1.
Bastian. Beitrüge zur vergleichenden Psychologie.
THe Seele und ihre Erscheinungsweisen io der
Ethnographie. Berlin 1868, 8°.
Braun, Julius. Betrachtungen über die Völker-
namen. (Globus, Bd. XV, S. 70 — 74.)
Eye, A. von. Das bürgerliche Wohnhaus in sei-
ner geschichtlichen Wandlung. Räumers Histo-
risches Taschenbuch, Folge IV, Jahrgang IX,
1868, S. 247—362.
Gerl and, G. lieber das Aussterben der Natur-
völker. Leipzig 1866, «•. (Siehe ölten Referate
Nr. 8, S. 308.)
Guyot, A. The earth and iia inhabitanta. Inter-
mediate geography. New -York 1868, 4°. 90 S.
mit Karten und Illustrationen.
Hoffmann, Hermann. Untersuchungen zur Be-
stimmung des Wert hea von Species und Varietät.
Ein Beitrag zur Kritik der Darwin sehen Hypo-
these« Giessen 1869, 8*. 171 S,
Jackson. Iran and Turan. Anthrop. review, April
1868, Nr. 21, S. 121.
Hindere, Leo van der. I)e la raco et de sa part
d’intluence dnn* les divers«« raonifestations de
Tactivit« des peuples. Bruxelles 1868, 8°.
Unter den Theologen haben nur erst wenig« die Bedeu-
tung des Kncencleroente* ihr di« rcligi«*en Anschauungen
uml deren Umwandlung bei verschiedenen Völkern in’»
Auge gefiuat; den meisten *in«l eultur- anthropologische
Kcnntni-.se fremd. Die anthropologiwben Thnt*achen las*
Min »ich mit vielen sogenannten F ww Urnen Uldogme« nicht
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 377
in Einklang bringen utd werden deshalb bei Seite gescho-
ben oder ignorirt. Unter den Philosophen linden wir
einige , denen *cli*-n ein Licht nufgedämmert ist ; nm ent-
schi«iJeii«ten »her tritt «irr VIüom* Leo van der Hindere
in vorliegendem Burke auf, welche* von drui bisher »is-
M-n/w buttlivh Erkannten ausgehend sich mit den wichtig-
sten Fragen der Menschheit befiuet. Die Darstellung ist
nüchtern und leidenschaft]«* , da» Huck in jeder Hinsicht
ein lesenswert hes.
Missions wesen, Das Englische. (Beilage zur All-
gemeinen Zeitung. 1869. Nr. 79.)
Der „Time*- entnommener, von der Rednelion mit tref-
fenden Ulcssen versehener Artikel.
Modern Ethnology. (The Overland Monthly. San
Francisco, Octobcr 1808.)
Müller, Prot Fried. Entwurf eines Systems
der linguistischen Ethnographie. (Behm’s Geo-
graphisches Jahrbuch. Bd. II, S- 293 — 304.)
Vorläufiger Artikel über die vom Verfasser in dein spa-
ter erschienenen ethnographischen Bande de# Novaro-
Werke* angenommene Etutheilung der Raven. Die Hepar-
tiliouata belle hier ist mit jener im Nuvara- Werke identisch.
Reise der österreichischen Fregatte „Novara“ um
die Erde in den Jahren 1857, 1858 und 1859.
Dritte Abtheilung: Ethnographie. Bearbeitet
von Friedrich Müller. Wien 1808, 4°.
In der Einleitung zu diesem Werke, womit eigentlich
der Anfang zu einer wissenschaftlich behandelten Ethno-
graphie gemacht wird, giebt Professor Möller die Uaupt-
grundsätxe seines ethnographischen System«. Nach ihm
hängen Rare und Sprache im tiefsten Grunde zusammen,
jk> < lu.es letzter« der «rstereu untergeordnet i»t , ohne diese
vielleicht auKZuiullen. Dann behandelt der Verfasser den
Untergang der Kacen und Sprachen, die Abgeschlossenheit
und Up Veränderlichkeit der Raren, endlich die verschiede-
nen Favtoren, welche einen unverkennbaren Einfluss auf
die Culturent Wicklung der Volker nehmen. Müller rech-
net hierzu und wohl mit vollem Rechte; Luge und Gestal-
tung de* Lande«, Klima, die umgehende Natur mit ihren
Erzeugnissen , Fauna , Flora , insbesondere die Nutzt hier*
und Nutzpftanxen. Auch hieraus läset «ich abstmhiren,
dass ein gegebener Culturgrad zum geringsten Theile Ver-
dienst de« Volke* ist , welche« ihn erlangt hat. Professor
Müller clnsxitixirt dann die Menschheit nach Culturstu-
fen, stellt am niedrigsten «len Australier, höher die Kischer-
und Jigervblker Amerikas und N’ordaaien», noch höher die
verschiedenen Nomadenvölker, dann die Ackerbauer, end-
lich dio Industrievölker. Seine Eintheilung der Menschheit
nach den Raren und den durch Sprachen geschiedenen
Völkern macht die fortschreitende Entwicklung des Meo-
schc ugeschU'c h ta in seinen verschiedenen Typen ersichtlich.
Bei Behandlung der verschiedenen Völker im »preiellen
Theile seines Werkes geht Professor Müller nach einem
recht zweckmässigen Schema vor; er beruhtet über: Land
und Klima, Fauna und Flora, Typus des Volkes, Kleidung,
Wohnung , Nahrung , Gerät h<> , Waffen , geistige Anlagen,
Leben , Sitten , religiöse Anschauungen (dnrunter Mythen
und Sagen), endlich Sprache. Wo der Stoff cs gestattet
oder erfordert, ist diese« Schema noch durch Einbeziehung
einiger Punkte erweitert.
Bei Hcurthcilung de« M u 1 I er ’srhen Buche« darf nicht
vergessen werden , das* dasselbe seit länger denn einem
Jahre vor «rinera Erscheinen schon im Drucke vollendet
war, während das Erscheinen selbst durch die Beigabe der
allerdings schonen und Übersichtlichen Karte verzögert
ward. PraftMcr Müller konnte daher die allemeuesten
Forschungen seinem Bache nirht mehr ein verleiben; um
so erfreulicher muss für ihn s«iu, dass eben Jifiw Jahr
die Bestätigung von Manchem brachte, was er behauptet
hatte. So wissen wir jetzt, dass die AYnos nicht Mon-
golen, die Tibbu« dagegen wirkliche Neger sind; die Mit-
theilungen des amerikanischen Geologen A. 8. Bickmor«
(in SilHman's American Journal of srience and art* und
in den Verhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesell-
schaft zu Boston) haben da* erster*, jene von RoblTa da*
zweite bestätigt. Bedauerlich erscheint , da** der Autor
bei einer Arbeit, die der Natur der Sach« nach eine com-
pilatorisehe sein muss, mit den Citaten «einer Quellen so
«ehr sparen zu müssen geglaubt hat.
Saporta, Gaston de. La paleontologie appliquöe
a l’etudo des races humaine*. „Revue des cleux
inondes“, I8G8, Tome LXXVI, png. 973 — 1005.
Soanian. Essay« on the progress of nations in ci-
vilization, production, industry, wealth ntid po-
pulation. New- York 1868, 12°. 675 8„ II. Bd.
Mit dem Erscheinen dieses zweiten Band«» ist das Werk
vollständig.
Seligmajin, Prot F. R. Beriobt über die Fort-
schritte der IUcenlebre. (Behm’s Geographisches
Jahrbuch, Bd. II, S. 251—293.)
Strodl, Dr. M. A. Die Entstehung der Völker.
Studie aus einer Philosophie der Geschichte in
drei Vorlesungen. Schaff hausen 1868, 8°.
Strodl bekenul «ich in vorliegender Schrift als Schüler
Scbclling’* und folgt daher ganz der (*onsiructiun und
Erklärung der Mythologie und Vülkerscbeidung, wie dieser
Philosoph sie grgcWn. Tiefsinnig mögen diese Erörterun-
gen wohl sein, wie weit sie indes* mit den Resultaten der
naturhutorischen Forschungen vcrciubariich , wollen wir
nicht untersuchen.
Ule, Otto. Das Hinsterben der Naturvölker in
Berührung mit der Civilination. „Salon“, Bd. III
(1869), Heft 1, S. 54—61.
Europa.
Amat di San Filippo, P. Delle colonie in Sor-
degna , specialmente di quelle stuhilite sotto il
govorno sabando (1738 — 1824), e dclla conve-
nienza di promuovere la coloniz/azione tonte
principale Strmnento di rifiorime&to economico
dell* isola» Cagliari 1868, 16°. 32 S.
Ancient inscriptions of the Crimcan Jews. (The
Archiv ftlr AuthropoJogl«. Bd. III. Heft S.
Occident and American Jowish Advoeate. Phi-
ladelphia, Deccmber 1868, January 1869.)
Barnoa, W. Early England and the Saxon-Eng-
lish, with so me notes ou the father-stock of the
Soxon-Engüsh, the Fiisians. London, Hussell
Smith, 1869, 8n. 978 pag.
48
Digitized by Google
378
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Baudrillart, H. L© luxe i\ Rome «ous 1» repu-
blique. „Revue contemp.“ , Serie 11, Tome LXI,
1868, pag. 5 — 28, 577 — 600.
Bidermunn, H. J. I)i© ungarischen Ruthenen.
ihr Wohngebiet, ihr Erwerb und ihre Geschichte,
Innsbruck 1868, 8°. Zweiter Thcil.
Der Inhalt di«»*cr wichtigen Arbeit »erfüllt in eine Ein-
leitung un«l zwei Abschnitte; von die*cn untersucht der
erst« da» Alter und die Verbreitung« weis« de* Ruthenen*
thuins in Ungarn , der zweite giebt ein« Uebcrsicht der
Vertagung* - und Verwaltungsgevchkbt«. Die Einleitung
aber behandelt einige der schwierigsten ethnouraphisch-
historischen Kragen öber die Entstehung der Gro**ruwco,
da» VerwaudUch»ltsv*rhällni** dieser zu den Ruthenen,
den Ursprung und die Berechtigung der Benennung Kuthe-
nen. Herr Biderninun, der »ich längst al» eine Auto*
ritäi auf dem Gebiete ruthenisrher Geschichte erwiesen,
ist der Meinung, welche er auf ein reiche* Beweismaterinl
stützt, da»« die Uro**ru*n?n eigentlich, wenngleich *ie jetzt
einen «lavUchen Dialect realen, finnisch- tatariM-ben l'r-
»prung* sind und dem ruthenöchen Element allein , mit
«lern sie in stete Berührung kamen, ihre SlavlcitSt rer*
danken.
Birlingcr, Anton. So sprechen die Schwaben.
Sprichwörter, Redensarten, Reime. Berlin, Dämm*
ler. 1868, 12*. 180 S.
Diese» heitere Büchlein ist auch ethnographisch nicht
unintereftftMiit , der Autor hat mit vielem Fleiase Sprich-
wörter, Redensarten und Reime, welche seit Jahrhunderten
im Volke leben , Bauernregeln , Lebensregeln und drrgL
thcil« selb«! gesammelt , theils au* alten Büchern entlehnt
und was die Hauptsache Ist, soviel als möglich die Üert-
lichkrit bezeichnet, an denen der eine oder der andere
Spruch verkommt.
Boulogne. Le Montenegro, le pay« et ses habi-
tnnts. Paris 1868, 8°. 115 pitg.
Brünier, L. Kurland. Schilderungen von Land
und Leuten. Leipzig 1868, 8°.
Campbell, Th. Kotes on tho Island ol‘ Coreica
in 1868. London 18G8, 8®. 170 S.
Chevalier, Abbe C. Promenade« pittoresques en
Touraine, histoire, legendes, monuments. puy-
*>ages. Tours 1868, 8°. 600 S. Mit 1 Kalte und
180 Holzschnitten.
Clair, S. G. B. 8t. and Brophy, Charles A. A
resident*© in Rulgaria; or not es on the resource«
and ndminislration of Turkey, the condition and
chni acter, manners, custom« and languagt* of the
cliristiau and imn^sulman populations. London,
John Murray, 1869, 8°. XV and 426 pag.
Clarke, Hyde. The Vnrini of Tncitus, or Wa*
rings and tlicir rclations to english ethnology.
Trauend ions of the ethtuJegical «ociety of Lon-
don, Vol. VII* new aerif«, 1868, S. 60.
Dclamarrc, Casimir. Carte ethnographique de-
montrnnt la plmaiito des langucp, «if*s littöratu-
res et des pouples slave«. (Bull, de lu anciete de
geographie de Puris, 1868, Vol. II, S. 314.)
Deutschen, die, in den Ostseeprovinxen. (Beilage
zur Allg. Ztg., 1861), Kr. 10.)
tiiebt interessante Auf*eblii**e über die Lag* der Deut-
srhen in den russischen Odiweprovilizeu uiui die Russilixi-
mog« versuche.
Daachkow. Director der öffentlichen Museen von
Moscou und Houmanzew etc. Sammlung anthro-
pologischer und ethnographischer Artikel über
Russland und die Nachbarländer. (Vortrage, ge-
halten vor der Eröffnung der ethnographischen
Ausstellung in Moskau.) Erste Lieferung (in
russischer Sprache) enthält:
1. Weinberg. Hindu«* der ItodenbiMung und Boden-
WftcluifiVnheit auf die Entwicklung der inteliectuellen Fä-
higkeiten de* Menschrti.
2. Med weden. Hindu*» de* Klima auf den Organis-
mus des Menschen und die Entwicklung der Krankheiten.
3. Prtrowski. Hindu** der Pdauettwdl auf die
Cultur de* Menschen.
4. Bogdanow. Bedeutung der Craniologie.
5. Nikitin. Die Hauthcdeckung dr* xncnschUcheu
Körpers.
6. K »paust in. Ethnographie und Recht.
7. Leuch kow. Der Mensch in der Recht »«phäre.
8. Uouslaew. Ethnographische Hirtinnen un*errr
Verfiltern.
V. Bub*t. Bedeutung de* Racencharukter» für di«
Volkswirtschaft.
10. llUtorisrhe Bewegung de* russischen Volke».
11. Bel i new. Die Grossrusseu.
12. Sclieb.-ilski. Putemkm und seine Bemühungen zur
Bevölkerung NeurussUnd».
13. Gört«. Leichmgebniachc der Grie«:hea and der
Berthen de* kimmer. iWpborus.
14. Schebnlski. LVI.it die Gesetz« der musikalischen
Harmonie und die musikalischen National inst rumentc bei
der ethnographischen Ausstellung in Moskau.
Eckardt, Julius. Die baltischen Provinzen Runs-
land«. Politische und culturgeHchirhtliche Bilder.
Leipzig, Dunckcr und Humblot, 1868, 8°.
Wenn auch auf politischer Basis beruhend, luit doch der
llaupttbcil diese* gediegene« Werke* den Zweck, den deut-
schen Leser mit den wesentlichen Zügen de* Lehen* in
den Ostseegegeudeu im Allgemeinen bekannt zu machen,
während andere Abschnitte diesen Umrissen eine nähere
Ausfüllung gehen und dem Lrsrr durch die llittheilung
churukterbtivchrr uud interessanter Detail» eine Einsicht
in die Natur de» Landes und in die inneren und äus»cren
Zustände der Bevölkerung gewähren.
Eckardt, Julius. Baltische und russische Cultur-
tt uilien aus zwei Jnhrhuuderteii. Leipzig 1 869, 8®.
Besprochen in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
31. Januar lädt), Nr. 31 und vom 13. Mai 18ÖÜ, Nr. 133.
En der«, Joh. Nep. Da« Kuhlandchcu. Ethno-
graphisch - geographisch - historische Schilderung.
Xeutitachein 1868, 8®. 212 8.
En drul at, B. Reisebilder aus der romanischen
Schweiz. (Global, Bd. XIV, S. 76—79).
Engolion, A., und Lolin, W. Der Völkern und in
der Mark Brandenburg. Sagen, Märchen, Spiele,
Sprichwörter und Gebräuche. Berlin , Wilhelm
Schnitze, 1868, 8°. Bd. 1 (285 S.)*
Ethnographisch-statistische Forschungen in West-
Digitized by Google
Vcrzcichniss der anthropologischen Literatur. 379
russland. (Petcrmaun’s Geograph. Mittheilungen,
1868, S. 304)
Aus dem nuaitchen Jahresbericht der kai»erl. geogra-
phischen Ocm-'IIm hart für 1 Ö67.
Fahrt, eine, nach Rrikiavik auf Island. (Globus,
Bd. XV, & ‘»7- 10t.)
Hauptsächlich nach dem Buche de« Franxo*rn No u garet;
schildert Sitten. Wohnungen V. s. w.
Filek v. Wittinghauscn, H. Das Fürstenthum
Serbien. Wien 1869, 8°.
Friia, .... Der Sainpo Finnlands und des Lappen
Zaubert roniniel. „Magazin für die Literatur des
Auslands”, Jukrg. 1869, Nr. 18, S. 263 — 265.
Frisch, C. F. Die Luppen Schwedens und ihre
Lebensweise. (Globus, Bd. XIII, S. 207 — 209,
245 — 247.)
Auszugsweise nach «1cm Schwedin»’!» gpftchriebenen Jour-
nal de« Petra« Laestudius über «eine Amtsführung »In
Missionär in Lappmarken (2 Theile. Stockholm 1831 und
1832.)
Garcin, Eugene. Les Fran^ais du Nord et du
Midi. Paris, Didier, 1868, 8W. XV et 483 pag.
Godron, D. A. Ethnologie de la Franc«. Les
origineB des populations lorraines. (Annales des
Voyages, Mai 1868, S. 179—210.)
Gorrie, D. Summers and winters in the Orkneys.
London 1668, 8®.
Holler, Sorvdc B . .. Zivot na Rusi . . . (Dos Le-
ben in Russland), böhmisch. Prag 1868, 8°.
Helms, H. Lappland und die Lappländer. Eine
Skizze aus dem hohen Norden. Leipzig 1868,
8®. 200 S.
Holms, H. Finnland und die Finnländer. Leip-
zig 1869, 8®.
Helms, H. Island und die Isländer. Leipzig
1869, 8°.
Helms, Henrik. Die Eiswelt und der hohe Nor-
den. Grönland, Lappland, Finnland, Island und
deren Land und Leute. Leipzig, Fritsch, 1869,8°.
Hempel, B. Bei den Pichera im Voigtlande. „Gar-
tenlaube41, 1869, Nr. 8.
Hesokicl, George. Deutsche Wander-Bovölkernn-
gen. „Salon“, Bd. I, 1868, Heft 6, S. 718—728.
Hylten-Cav&lllus, G. O. Wären d och Wirdarne.
Elt forsök i svensk ethnologi. Stockholm 1868,
8°. 530 S., 2 Pelen.
Jackson. The race question in Ireland. Authrop.
Review, Januar 1869, Nr. 24, S. 55.
Kanitz, F. Serbien. Historisch -ethnographische
Reisest udien aus den Jahren 1859 — 1868. Leip-
zig 1868, 8°. 768 S. mit 1 Karte, 20 Tafeln und
40 Illustrationen.
Ei Ist an* über diese* prachtvoll ausgestattete Buch
eitie Recension in der österreichischen GvmnasinizeltHchrifl
aus der Feder de» io Dingen der unteren Donau vielbe-
wanderten Wiener Prirutdocrnteo Dr. Kob. It 5 * I e r zu
Gesichte gekommen. welche, soweit p# »ich in vorliegendem
Werke um Archäologie luuidclt, über dasselbe eia höchst
ungünstiges Unheil lallt, da« auch eine Entgegnung «len
Autors nicht ubzusrhwächen vermocht hat. Um» interes-
»ireu indessen mehr die uichtnrchiologischen Tbeile dp»
Kanitz' sehen Werke« und du müssen wir denn constati*
reu , «lux* der Autor da« Land durch eigene Anschauung
keimt , indem er dasselbe »eit zehn Jahren etwa bereist.
Was er uns liier bietet, int demnach auch zumeist nur
eine Wiederholung und neue Zusammenstellung von Auf-
Witzen, die schon früher uu» Herrn Kanitz* Feder getfus-
*en und zur Veröffentlichung gelangt waren. Ihr Werth
lat »ontiL allen Jenen bekannt . die »ich mit Serbien einge-
hender Im* hc haltige ii. Jedenfalls sind zahlreiche cl biogra-
phische Detail* darin aufgespeichert. Durchaus nicht ein-
verstanden mit dem Verfasser ziud wir in Bezug auf »eine
Bewunderung fiir da« chri»tJiche Element in der Türkei;
wir glauben, da**, wenu nicht etwa politische Voreinge-
nommenheit den Klick trübt, leicht zu erkennen ict, wie
der Türke nl* Volk und als Mensch weit über dem christ-
lichen Siidslaven stelle, von dnaMl moniliachen Eigen»ch«f-
ten gar nicht zu sprechen. Wn# er von dem Siidslaven
zu halten hat, weis« Jeder, der die unteren Donaugegen-
den besucht hat. Die beigrgebene Kartenskizze ist durch-
aus ungenügend.
Kerschbaumor, Anton. Reisebilder aus Spanien.
Wien 1869, 8®.
Kircho. Die griechisch-russische und ihre Secten.
(Globus, Bd. XV. 8. 76—80, 115—118, 136—
139.)
Behandelt: die russische Geistlichkeit, ihre Verfassung
and Stellung, ihr Leben und ihr Treiben; die Verhältnisse
in den Klöstern, da« OntenrichUaystem in den geist liehen
Lehraoiitalten , die Discipliu über die Zöglinge. die Ein-
nahniei|uellcn für Klöster und Mönche , die gegenseitige
Stellung von Staat und Kirche, die WeltgeLsUichkeit , die
Stellung der Staatskirche und der Regierung zu den Sec-
ten , die Einwirkung griechischer lliresieei» und rntionuli-
stiftcher Anschauungen , endlich die verschiedenen Secten
als die Strigolnicks, Sabbatuiken, Malukanen u. *. w.
Klemm, Gustav. Aus dem Leben des Landvol-
kes in Südspaniou. (Globus, Bd. XV, S. 88 — Öl,
113—115, 115—148.)
Schildert die hauptsächlichsten Arbeiten des andalusi*
sehen LandtuauncH und Üieilt zahlreiche Bauern- und Wet-
terregeln mit.
Klausnit zor, Bob. Deutsche Einwanderer in
Russland. (Globus, Bd. XI V, 8. 200 — 202.)
Ein warnender Aufsatz.
Knox. Ün the celtic race. Anthropolog. Review,
April 1868, Nr. 21, S. 175.
Krause, Joh. Hcinr. Die Byzantiner des Mittel-
alters in ihrem Staats-, Hof- und Privatleben,
insbesondere vom Ende des X. bis gegen Endo
dos XIV. Jahrhundert!». Halle, Sehwetschke, 1869,
8®. XXVI und 422 S.
Lagneau. Sur les babitants de PAveyron et les
Sarrasins de France. (Bulletins de la Societe
d’ Anthropologie de Paris, 2do Serie, Tome III,
Nr. 2, pag. 169.)
48*
Digitized by Google
380
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Latour, Antoine de. Espagne; trailitions moeurs
et litterature; nouveliea etudes. Paris, Didier,
1869, 8°. 375 pag.
Laube, Gustav C. Die Ladiner in Tirol. „Mit-
teilungen der k. k. geographischen Gesellschaft
in Wien“, 18(19, Nr. 3, S. 1(11—166.
Kurze, jedoch nicht uninteressant« Skizze über die we-
nig bekannten, etwa ÖÖOO Kopfe »tarken Ladiner Tirols.
Loflocq, Jules. Etüden de mytholopie celtique.
Orleans, H. Herluiaon, 1869, 8°. XXII et 307
Pftg-
Leute, die fahrenden, in Böhmen. (Beilage zur
Allg. Ztg., 1869, Nr. 128, 129.)
Iutcro*aute ethnogr*phi*clie Skizze.
Literarisches aus Tirol. (AusserordentL Beilage
zur Allg. Ztg., 1869, Nr. 110.)
Enthalt die Anzeige von dein baldigen Erscheinen eine*
groaaen Werke« dp« rühmlich«« bekannten Professor Chri-
stian Schneller über die wilseben Dlalectc Südtirols;
n ludl Ru* dieser Arbeit, der Frucht zwölfjährigen Sam-
meln« und Forschen«, hervorgehen, da» von einem wü-
schen Autocbthonenthum« wenigsten« an der liukcn Ktwb
bi« zu den Jlonli Derlei nicht die Rede »ein köune.
Lowtb, G. T. Around the Kremlin; or Pictures
of life in Moscow. London 1868, 8°. 354 S.
Mehwald, Dr. Die Bernsteingevrinnung an der
ost- und west.preussischen Küste. (Globus, Bd.
XIV, S. 105 — 106.)
Meier, H. Ostfriesland in Bildern und Skizzen.
Loer 1868, 8«.
Menschcnclassen, gelichtete, in Spanien. (Globus,
Bd. XIV, S. 299—301.)
Behandelt die Cbucta* auf der balearischcn Intel Mul-
lorca und die Vaqueros de nizad« in Asturien,
MerzidreB, A. La Societe fran^aise. Etüde? mo-
rales sur le teiups present. Paris 1869, 8°.
Besprochen in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
20. April 1809, Kr. 110.
Millingen, F. (Os man - Seify - Boy). La Turquie
sous le regne d'Abdul-Aziz (1869 — 1867). Bru-
xelles 1868, 8°. 491 S.
Nougaret, N. Voyage dana l’interieur dolTslande.
Mit 1 Karte. (Lu Tour du Monde, 1868, 2'10
semestre, S. 113 — 160.)
Enthält unter anderen auch hübsche ethnographisch»
Skizzen.
Pierson, William. Elektron, oder über die Vor-
fahren, die Verwandtschaft und deu Namen der
alten Preusseo. Berlin 1869, 8°.
Maltzan, H. Frhr. v. Reise auf der Insel Sardi-
nien. Nebst einem Anhänge. Leipzig 1869, 16°.
592 S.
Die Insel Sardinien i*t da* unbekannteste Stück Lande«
von Europa. Zumal in deutscher Sprache war Über die-
se» Eiland kelu gcnicssborcs Buch vorhanden. Diese Lücke
hat H. v. Maltzan hier «ustuUcn wollen und auch zun»
Theil wirklich aosEeTullt , wenn er «ich auch ziemlich
trocken und weiUcbichtig vernehmen lässt. Könnte da»
Bild von Land uud Leuten auf der Intel auch klarer, an-
■prechender »ein, w euthält e» doch «ehr werthvolle eth-
nographische Notizen, gnu* abgesehen von den ausseror-
dentlich zahlreiche« archäologischen Daten. Maltzan’»
Buch ist somit immerhin da* Beste was wir über Sardinien
besitzen.
Mannhardt, Wilhelm. Korndflmonen. Buitrag
zur deutschen Sittenkunde. Berlin, Ferd. Dümm-
ler, 1868, 8*. 48 S.
Mauror, Franz. Bosnische Zustände. (Beilage
zur Allg. Ztg., 1869, Nr. 91, 92.)
Eingehender , le*cn*wcrther Bericht über die Lage de«
Volke» in Bosnien und die türkische Verwaltung; c«n*ta-
tirt, da** nicht bloss die türkische Centralbation , «ondrrn
sogar da» Türkenthum unaufhaltsame Kortachritte iu
Busnieu macht.
Maurer, Franz. Die TrajansgTäben in der Do-
brudtfeha. Mit 1 Karte. (Ausland, 1868, Nr, 21,
S. 488—492.)
Mehwald, Dr. Die Loddefischerei im norwegi-
schen Lappland. (Globus, Bd. XV, S. 148 — 151.)
Die Lodde (Mallotus arcticu« nnd Oanneru» arcticu«) i*t
für die un däitdcr von br*oniJerrr Wichtigkeit, weil »ie
der beste Köder für Dorsche iat, und auf der Dorsch-
lischcrri beruht der Bestand Norwegisch- Lappland».
Poitou, E. Voyage cn Espagno. Tonra 1868, 8°.
487 S.
Polen. Der gegenwärtige Zustand Russisch-Polens.
(Hei läge zur Allg. Ztg., 1869, Nr. 121, 122.)
Fasst, wie alle Realpolitik thun «ollte, die polnische
Frage von der ethuologi»chcn Seit® uud giebt werthvoUc
Audeutuogeu über kirchliche uud cult ur geschieh Uiche Mo-
mente.
Postlothwaito, Bd. Tour in Crete during the
insurrections of the Cretans, 1867. London 1868.
Rocslor, Dr. Hob. Archäologische Forschungen
an der unteren Donau, f Beilage zur Allg. Ztg.,
1869, Nr. 68.)
Berichtet über di« Forschungen de« Pariser Professor
F.ruot Desjardiu» in der Wallochri.
RuefTer, Eduard. Die Balkanhalbin&el und ihre
Völker vor der Lösung der orientalischen Frage.
Eine politisch-ethno grap h t sch-mili t Arische Skizze.
Bautzen 18G9, 8°.
Steht auf anti-türkischem Standpunkt«. Besprochen int
Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 14. April 1869,
Nr. 104.
Sausse, W. Land und Leute in und um Guben.
„Neues Oberlausitzisches Magazin“ , Bd. XLIV,
1868, S. 38—45.
Sebinidt-Weiasenfols. Frankreich und die Fran-
zosen. Berlin, Saceo, 1868, 8°.
Sleopcr, M. G. Sweden and Norway. Sketches
and stories of their scenery, custoras, history le-
gend». Boston 1868, 16°. 309 S.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 381
Spielberg, Otto. Drei Tage unter den Kosaken.
„Zu Hause“, Jahrgang 1369, Holt VI.
Spioss, Balthasar. Volksthümliches aus dem
Fräukisch-IIennehergischen. Mit einem Vorworte
von Heinhold Bei'lustein. Wien, Braumüllur, 1869,
8». XVI uüd 216 S.
Sprache. Di« sardiuiaehe. (Globus, Bd. XV, S. 56
—58.)
Nach Maltzan’e Buch Uber Sardinien.
Stengel, Edmund. VncalismuB des lateinischen
Elementes in den wichtigsten romanischen Din-
ierten von Graubünden und Tyrol. Bo uu, Weber,
1868, 8°. 64 8.
Stuhlmann. C. W. Die wendUchen Scbwerine.
Ein Beitrag zur Erläuterung des slavisrhen
Götzendienstes. (Globus, Bd. XV, 8. 82 — 85.)
Thvilweise au* dea Jahrbüchern de* Verein* für meck-
lenburgisch« GeM'hirhtc und Altertbuiu*kunde (Bd. XXXII)
augfecogen.
Stidcuropäische Reiseskizzen. (Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung, 1869, Nr. 4, 7,
10.)
Aiuaathigc Skizzen von Madrid, Liaaabon, Cintra.
Swift, J. F. Going to Jericho; or, Sketches of
travel in Spain and the Käst. San Francisco
1868, 12p. 447 S.
Theretanos, Dionisios. Ohya fffpl... (Einiges
über das Volksleben der Hellenen), neugriechisch.
Triest 1868, 8°.
Tozer, Henry - Fan aha we. Researches in tho
highlumla of Torkey, including visits to mounts
Ida, Athos, Olympus and Pelion , to the Mirdite
Albaniens, and otber remote tribea. With notes
ori the ballads, title» and classiral superstitions
of the modern Greeks. London , John Murray,
1869, 8» 2 Vol.
Union. Die iberische. (Allg. Ztg., 1868, Nr. 299.)
Hebt die liefen Unterschiede de« Volks» barakters zwi-
schen Spanier und i”ortugic*cn hervor.
Valcic, A leksander. Put u Grekn... Eine Reise
nach Griechenland mit besonderer Rücksicht auf
die Insel Corfu, kroatisch. Agram 1869, 4°.
Vorbroitung. Die geographische Verbreitung deut-
scher Ortsnamen und ihre Beziehungen zu den
Wanderungen germanischer Stämme. (Globus,
Bd. XV, S. 48—50.)
Lehnt sich an Forstmann1 * bekannte* Borh: l>i«
douUcben Ortsnamen (Nord hausen 1463) an.
Verkehrsmittel in Bosnien und der Herzegovina.
(Petermunn’s Geographische Mittbeil ungen, 1868,
S. 342—343.)
Nach Major Roskiew icz werthvollem Buche: Studien
über Bosnien und die Herzegovina.
Vincenti, de. Die wilden Menschen im Hnrdes-
thalu in Spanien. (Globus, Bd. XIV, S. 329 —
331.)
KthnogrnphiMh wichtiger Aufsatz; schildert die Verkom-
menheit, geistige und moralische, der Bewohner de* Hürde*-
thales, südlich von Ciudad-Rodrig«, iin westlichen Spanien.
Wolga. An der Wolga. (Globus, Bd. XIV, S. 289
—299.)
Enthält Angaben über die Tschuwaschen, und die dcut-
schru Uolonion, ihre (Jeechie.hte und ihr Gedeihen.
Wormstall, Joseph. Ueber die Tungern und
Bastarnen. Studien zur „Germania“ desTacitus.
Münster, Friedr. Regensberg, 1868, 8°.
Wormstall, Joseph. Die Herkunft der Franken
von Troja. Zur Lösung eines ethnographischen
Problems. Münster, Adolph Russell, 1869, 8°.
63 S.
Wuttke, Adolf. Der deutsche Volksaberglaube
der Gegenwart. Zweite völlig neue Bearbeitung.
Berlin, Wiegand und Grieben, 1869, 8°. XII und
500 S.
Asien.
(Von Dr. Bastian.)
Abbott. Xarrativo of a Journey frorn Herauf to
Oiivo, London 1868.
Neue Ausgabe der alten Reis« (1843, 1856).
Abich. Geologische Beobachtungen auf Reisen in
den Gebirgsländern zwischen Kar und Araxes,
Tiflis 1867.
Arnaud. La Tulestine ancienne et moderne, Stras-
bourg 1868, 8°.
Arnold. Front the Levant, the Black Sea and
the Danube. Chapman and Col, London 1868,
8°. 2 Vol.
Atkinson. Steppen und Hochgebirge Sibiriens,
Leipzig 186*3.
d’AvriL L’Arabie contemporaine, Paria 1868, 8*
Mit der durch Kiepert für Ritter'* Erdkunde gefer-
tigten Karte. Der Vertaner veruiuthrt, da«« die von Ni«-
bular ali unabhängig erwähnten Bcni-Halai, die von ihren
X Heilbaren de« Mosalik genannten Glauben* beschuldigt
werden, die Asyr sein kannten, in ihrem 1838 durch
Jomard bekannt gewordenen Wohnsitz«.
Barns. On the subterranean supply of water in
Boloocbistan , Journ. of the R. Geogr. Society,
1867.
Bastian. Die Völker des Oestlicben Asien. Bd. V,
Jena 1869.
Bcames. Notas on the Bhojpuri-dialect of Hindi,
Digitized by Google
382
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
spoken in Western Behar, Journal of the Royal
Asiat ic. Society, Yol. III, 2, 1868.
Die reinste Form des Bbojpuri findet sich in Chumpa-
rum und örtlichem Gorruckpore.
Bewator. On Part of Mesopotamia contained 'be-
tween Sheriat el Beytha on the Tigris and Tel
Ibrahim , Journal of the Royal Geograph. So*
ciety of London, Vol. XXXVII.
Die Ilubl'Cs-Sukhr (Stciuliuir) genannte Ruine wird für
den mediscUen Wall (bei Xrnoplion) erklärt.
Beccari. Genno di un viaggio a Borneo, Bellet,
della Soc. Geogr. Ital. I, 1868.
Bocker. Reise nach dem Kaukasus, Bulletin de
la Societe imp. de nab de Moscou, 1868, I, 101.
Bjooklund. Esquisses de voyage en Traus-Cau-
casie, Bulletin de la Societe de Geogr., Y. Serie,
XVI, 1868.
Bei Baku ist die Mehrzahl der Bewohner persisch, daun
kommen di« Armenier und Juden. Die Christen de* Lan-
des geboren alten Scctcn an , und die ntssisclte Regierung
bat dort einen Niederlaasungsort flirSeetirer gefunden. Un-
ter den Mobatuedanern leigen sieh die pemscLen Schiiten
intoleranter, als die türkischen Sunniten.
Bidio. Effects of forest destruction inCoorg. Pro-
coeiL of the Royal Geogr. Society, April 1869.
Biekmore. Interior of China, Proceediugs of tho
Royal Geograph. Society, Jan. 1868.
Skizze einer Reise von Couton nach Haukow.
Biekmore. The Banda Island, Procecdingi of the
Royal Geograph. Society, Oct 1869.
Die in Fort Nanau (auf LouUr) angcLrotTenen Bugis
besuchen daa Ostende CVram’s, die werthclwn und süd-
westlichen Theile Keu-Guineaa, di« Arru-Gruppe «and all
the thousand other irtanda bet wer n Bund«, Timur and
Austral in.*
Biekmore. Travels in the Island of the East*
Indian Archipelago, I^ondon 1868.
Black. On Chinese charms. Journ. of the Ethn.
Society of London, April 1869.
Blau. Die Wanderungen der sabaischen Vülker-
stämme im zweiten Jabrhuudert, Zeitschrift der
deutschen morgen). Gesellsch., Bd. XXII, IV.
Die *PuQariitu auf der .Sinaihalbln*cl (bei l'tol.)
kannten in Zunammenhong zu bringen sein mit dm ara-
bischen Sagen von den Wanderungen der lienu - Pliaran,
eines Zweiges von dem codhiüliM-hett Stamme Bali, von
denen es heisst, dass sie erst nach der syrischen Grenze,
nicht weit von Medina, nachher nach Mesopota-
mien zogen, von da aber zuriit kkrhrten und sich bei den
Erzgruben im Gebiete SJeim, östlich von Mekka, imsie-
delten, wo sie ihren Kamen einer Ortschaft Phurrou Hessen,
selbst alter den Beinamen Kl-Cojun , die Schmiede, erhiel-
ten.
Boach. Ib de welvaart der Javanen onder bet
culturstelses toegenomen ? Tydschrift voor Nederl.
lud. 1868.
Booke. The maritime rese&rches of Saurabaya on
Java, Naub Mag. 1868.
BoutakofF. The delta and the mouths of tho
Amu-dario, Trauslut. frorn the Russian by Mich eil,
Journal of the Royal Society 1867.
BoudichtchefT. La region de l'Ouisouri, Bullet
do la Soc. de Geographie, V. Slt., T. V, 1868.
Die Coreaner, weniger intelligent und unwissender als die
Chinesen, bilden eine von diesen ganz und gar verschiedene
Rare, dem Aussehen sowohl wie der Sprache nach. Die
Giiiaken, Goldi und Orotchonen verfertigen alle ihr« Uten-
silien aus Holz.
Brobonikow. Gedanken über den Buddhismus,
Archiv für wissenschaftliche Kunde in Russland,
XXV.
Brugsch. Wanderungen nach den Türkis-Minen,
Leipzig 1866, 8°.
Die Anlagen der Minen reicht in rin hohes Alterthum
zurück , und lässt itch bis auf die Regierung de» Königs
Snel'ru verfolgen (Hl. Dyn.). Beigegeben sind Tafeln
sinaitiseber Inschrift für die Felswände im Wadi Mukatteb,
der Gebet Hrttnlin oder bekritzelte Berg.
Brüll. Notizen zur Geographie Palästinas, Mo-
natsschrift für Geschichte und Wissenschaft des
Judenthums, 1868, September.
Brylkin. Reisen im Gebiete des Amurstromes und
auf der Insel Sachalin. Beiträge zur Kenntniss
des russischen Reichs, Petersburg 1868.
Campbell. Die Bodengestalt Indiens, Peterroann’s
Mittheilungen, Nr. 1, 1868.
Carpenter. Six mouths in Indio. Two Yolumes,
London 1868.
Chabaa. Voyage d'un Egyptien en Syrio, Paris
1868, 4».
Chalmera. The origin of the Chinese, London,
Trübner, 1868, 8°.
Charmoy. Cheref Ouddine, Cheref Nameh, ou
Fast es de la uation Kurde. Sb Petersburg, 1868.
Choctham. The Tibetan route from Sinila to
Srinagar, Alpine Journal III, 1867.
Chesney. Narrative of the Kuphrates Expedition,
London 1868.
Zu den früheren Veröffentlichungen (in Bezug auf die
Jahre 1885 bis |ä:17).
Coopcr. Expedition from the Yangtzekiang to
Tibet and India, Proreedings of the Royal Geo-
graphical Society, Ocb 1868.
Ein April 20, 18tl8 dntirter Brief aua Tai-taiau-loo, an
der Wertgrenze China».
Cotton. Nine years on the North-west Frontier
of ludia, London 1868.
Carr. A Collection of Telugu proverbs, translated,
illustrated and explained, together with some
Sanscrit proverbs, printed in the devanagari and
Telugu characters, Trübner and Comp., 8°. Lon-
don 1868.
Digitized by Google
383
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
Cotton. Communication between India and China
by tho Line of the liurhainpootir and Yongtse»
Journal of the Royal GeogTaphical Society,
1867.
Crampon. Tauris, Bullet, de la Societe de Gvogr.
V. S4r., T. VI, 1868.
Delprat. Le Japon, Paria 1868.
Dovay. Journal d'un voyagc dans lTnde anglaiae
et Paria, 1867.
Dolder. Pilgerreise nach dem heiligen Lande.
Luzern 1868.
Doolittle. Social lifo of the Chinese, witk illu«
strations. Ix>ndon 1868, 8®.
Dorn. Aus Baku, Bullet, de PAcademie Imp. des
Sciences de St, Petersbourg. XII, p. 165.
Dowson. lkhwanu-s Safa or Brothers of Puri-
ty , describing tho contention between man and
baute, as to the superiority of the human race.
Trfibner and Co. in the press.
Barch Prof. Dieterici au» dein Arabischen übersetzt.
(Die lauteren Brüder.)
Esche. Ein deutscher Kaufmann auf der oataaia-
tischen Insel Sachalin, Globus, Band XII, Liefe-
rung 7 und 8.
Feer. Lea Voyageurs an Tibet, Revue de* cours
littcraires, 1868, Nr. 23.
Forgusson , James. Tree and aerpent worein p
or illustrationa of mythology and art in India
in thu finit und fourth eenturien alter Christ.
London, India Museum, 1868.
I)a* ul* Dnsyu* oder Takshak* bezeiehnete Volk, dn* in
den Sculpturen von Sanchi und Ainravati besonders her-
vortritt, erscheint al» eingeborner Stamm (den Erbauern
der Topen untergeordnet) und «I* Schlangen- Verehrer.
Daneben ixt eine Race mit kurz gekräuselten Haaren
angedeutet. Das als Hindu bezeiehnete Volk, da* (neben
Buddha erscheinend) auf der Sanchi - Top© noch mehr, ul*
aut' der voa Aniruvali, den wythi*ch©n oder turanischen
Chorsktrr trägt, ist die Mixe brave Bengalen» (a pmplf
witb a certaiu infusion of Arvan blood in their veins, hut
whicb bftd become so iiupur© l'roin mixture with that of
the aWrigiiml tribe*, who exi»ted in Bengal before the Ar-
yan Immigration, timt the distinctive ieatures of their
higher civilisalion wer© almost lost). Da» durch den
Schlangeukopfputz ausgezeichnete Volk scheint zu dersel-
ben Rif« zu gehören. Am nächsten würden dem auf
den Scalptur*n dargestelltcu Volk© die Ghond* und ihr©
verwandten Stimme »iidlich vom Viudhya (dravidiacher
Sprocke) kommen. Eine Inschrift in Sant-hi spricht von
einer Gabe AmuuJa’s, Sohn de» YasUhta, unter der Re-
gierung de* Sri Katakumi (10 — 28 p. d.) iu der Andhra-
Dy na* ty. Die Erbauung der Tope selbst wird in die Zeit
de* A*uka (260 a. d.) gesetzt, die der Ainravati -Tope in
da* vierte Jahrhundert p. d. Neben dem al* Hindu be-
reichnctcn Volke (mit turbn »artiger Köpft rächt) werden di©
zur Zeit der Erbauung unterwürfigen Eingeborenen M»I-
was, die nicht die übrigen Gegenstand© de* Cultus (Baum,
Rad, Tnsul u. ». w.), sondern nur den fnnfküptigen Kaga
verehren, bärtig dargcstellt aaf den Srulpturcn der Sau-
chi - Top« , als nicht • arisch© Dnsyu» oder Takshaka aus
Taxila, dem Mittelpunkt der Schlangenvrrehrung. Die De-
putation der schirm tragenden Figuren (LXV der Amravuti-
Tope) wird für eine chinesische erklärt, im Hinblick auf
die diplomatischen Beziehungen de«., China durch Gesandte
heschickeuden, König* Yadj na Sri (408 p. d.), dessen Mün-
zrn in der Nähe der Ainravati - Tope gefunden wurden.
Der Abdruck der verehrten F9ue (gleich den KuMtapfen
MuharirtiV) auf einem Zeuge (1*1. LX1X, Amr.-T.) liefert
eine Illustration zu dem Feldzüge des kashmirischen Kö-
nig* Mihira kula (200 p. d.) gegen Ceylon (nach dem
Radjntnmngini). Auf 1*1. LXII (Amr.-T.) treten di« Schau-
spieler durch ihre scharfen Züge und römischen Nasen in
einen auffallenden Coat rast zu dem tatarischen Gesichta-
aiiMlruck der piattnasigen Zuschauer *).
*) Litcrnturbericht© sind objeetiv abrufn»sen und habe
ich deshalb in dem obigen jede aubjective Färbung vermie-
den. Da* vorliegende Buch zwingt in de** zu einigen Be-
merkungen über die Methode, da der Verfasser den induc-
tiven Weg der Forschung, den die Ethnologie, wenn »ie über-
haupt Resultate zu erlangen hofft, noth wendig zu gehen hat,
nicht anerkennen zu wollen »cheiot. Die nnturwuxenschaft-
liebe Grundsteinlegung, um fest und sicher zu sein, ist noth-
wendig eine langsame, ihr Werk kann nicht übereilt werden
und verlangt vorsichtige* L’rtkeil, häutig «ine länger« Sus-
pension desselben. Die Rechtfertigung für den in der Anmer-
kung Seite 48 gemachten Vorwurf, hat der Verfaaoer selbst
in der Anmerkung Seit« 82 — 83 zugefiigt, wo ein dreimali-
ger Meinuiigsweclisel innerhalb zwei Jahren über einen Fun-
damentalste de» beabsichtigten Systems eingesUmden wird.
K* wäre eben besser gewesen, nicht jede noch Verbesserung
verlangende Wahrscheinlichkcil»hrpothe»e dem l'ubli« um mm
Bebteu zu geben, sondern erst das endgültig gereifte l.’rtheil
aui Ende de* zweite» oder, wenn man will, de* siebenten Jah-
re*. Apre* tont nou« revenon* *ur nötre adage, qu’il ne faul
pa* *e häter de genöraliser, wie Duponceau sagt. Das Buch
würde überhaupt durch diie in unserer Zeit immer unum-
gänglicher werdende Theilung der Arbeit nur gewonueu ha-
ben. Wer heutzutage »eine Anrichten über Schlangen- und
liauuiverehrung im systematischen Zusammenhang« vorlcgcn
will, der hat vorher ein© fast unübersehbare Literatur, in der
die dickleibigen Schriften von Kreuzer, Jabionski, Kir-
cher, Dnpuis, Sepp, Mob«, Kosenmüller, Gärre»,
Nierup, Bustorf, Squier, Movers u. s. w. nur zer-
streute Pünktchen bilden, za bemeistern und zu abxorbiren;
denn wie viel Papier »oll auf der Erde noch verschrieben
werden , w enn Jeder wieder ab ovo anfängt? lumst kann
mau »ich bei solchen Fragen nur durch Herbeitrngen von
Rohmaterial bet heiligen, und wenn der zu derartigen Streif-
ziigen über di« alten Culturlünder Gerüftete di© richtigen
Quellen zu eröffnen weis*, so würde ihui sogleich ein solch*
gewaltiger Strom eutgegenAuthen, dass er von vornherein den
Gedanken aufgeb« n müsste, die»« naatdos© Fülle de* Materia-
le» auf ein paar Dutzend splendid gedruckter Seiten bewälti-
gen zu können. Das» die ethnologischen Bemerkungen, die
oben zum Theil wiedergegebeu sind, völlig in der Luit
schweben, ist nicht dem Verfasser persönlich zur Last zu
legen, sondern dieser Vorwurf trifft di© bisherig© Richtung
in der Ethnologie überhaupt. James Fergnssou ist Kunst-
historiker, als «ine der Mdutett Autoritäten unter denselben
von jedem Indiologen geschätzt, und (abgesehen Ton einer
wiinschenawertheu Armierung des Titels and der Behänd-
lungswci»©) hätte das Buch (da* unter »einen Darstellungen
die trelHichcn Aufnahmen de» anglo-indiAchen O/ticier* Herrn
Waterhouse begreift) keinen besser dazu berufenen Meist er-
bändetj anvertrnut worden können. Seine architektonischen
Bemerkungen bleiben sehr besebtenswerth , wenn »urh die
übrige Erklärung fast durchweg verfehlt ist. Die bärtigen
Figuren im kurze» Schurz mit ihrem Feuertopf (PI. XXIV)
siud di©, wie Ve*ant*ni, Rania und hundert ander« frommen
Digitized by Google
384
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Frankl. Dio Mineralquellen dea Kaukasus. Mit-
teilungen der k. k. geographischen Gesellschaft,
VIII. Jahrgang, Heft II.
Erst jetzt veröffentlicht.
Froahüold. Jourucy in the Caucasus. Procced.
of the Royal Geogr. Society, April 1869.
Kasbek und FJburx gehören zu Europa, ala nördlich von
der WvKnchtid«.
Friodmann. Die ostasiatische Inselwelt, Land
und Leute von Niederländisch-Indien, den Sunda-
Inseln, den Molukken, sowie Ncu*Guinea, 2 Bde,
Leipzig, Spanier, 1868.
Könige, mit Weib und Kind in den Wald gezogenen Einsied-
ler (PI. XXXII), denen Laten mit aufgrbundenem Hanrknoten
beschwerliche Ilotzhackerdienste verrichten, während eie »eibet
die beständig in den Legenden erwähnte Eremitemniätze tra-
gen. Der vermeintliche „ÜMva-boy“ (l'l. XXXVI), dm ein
Hindu (!) of rank(!t) i» addressing (!!!) with fiis hnnd join-
ned as in supplicalion (!!!!!) — möge Brahma diese Ketzerei
vergeben — Ut der Sohn de» Eremitenkönigs, der nach einer
geläufigen Brahmanenlegende nu* Versehen von einem im Walde
jagenden König erschossen wird, woruuf »ich dieser aua Reue
»elb»t den Ellern zum Sklaven anbietet. Die Einsiedler wer-
den oft, wie Kapilii, mit Hirschgeweihen dargestelit, oder doch
von Waldtbieren Wgleitet (PL LXXXVI), wie Buddha icn
llinichpark zu Benare*. Eine im Krischnadicnst wiederkeh-
rende Lnstrntion der Heerden findet »ich PL XXXV (Hg. 1,
und an die lasciven Svenen bekannter Dichtungen jene* erin-
nern die Gruppen nackter Frauen um den heiligen Baum.
Auch im Güten war der damalige Buddhacultu* nicht nur mit
Kama’s, sondern gleichfalls mit KriM'hna's Atatare vermengt.
Cunningham’s Erklärung der Kinnara (PL XXIV* und
XXVIil) ist richtig, denn obwohl ihnen iu der brahmaulschen
Mythologie Pferdegesnhter zugeschricben werden (als Aswa-
mukhas), ist ihre orthodoxe Form in dieser brnhmanisch-budd-
hUtifrchcü Mythologie (zu der alle die Sculpturen der Topen,
der kam badischen und jaraniwbcn Tempel gehören) die von
Menschen mit Vogelfüssru, wogegen der Garuda (VUhnu’s
Valiana) einen Vogel mit MensclienfUKsen darslclit. Beim Auf-
treten des Pferde» neben Avalokitesvara macht Forgunon auf
■ein Erscheinen im Cuttu» der Gh»nd (». Hihlop) aufmerksam.
Die Figuren mit kurz kräuselndem Haar sind die Dagoben ver-
ehrenden Buddhisten (Pt. XXVIII), als ungeschorene Novizen,
gleich dem Slddhartlin'k Wagen, als er zu eigener Weihe nuszieht,
voranschreitenden Knaben (PL XXXIII). Die vermeintliche
Negerfrisur soll das im Walde mit einem Schwert kurz und
bUschclartig abgehauene Haar bezeichnen und dadurch eba-
roklrrisiren sich die Snmanero oder Novizen, die Chno Nen, wie
sie in Siam heissen, im Gegensatz zu den Phra Song, den
eigentlichen Mönchen «der Talapoioen, die in den Sculpturen
der Ainravali - Tope (Pl. LXVII1) mit geschorenem Kopf dar-
gestellt werden, ebenso an dein (bald aufgevchlacenen, bald ge-
schlossenen) Koliquienkmtcn (IM. I.XX, LXX! u. s. wj, dann
bei den sitzenden (PL La XVII) oder stehenden (Pl. LXX VI)
Buddhcn u. s. w. Auch die von dem Könige gespeisten
Mönche (PL LX1) mit ihrem Almosentopf tragen lange Ge-
wänder, iin Gegensatz zu den kürzer geschürzten Novizen.
Der Haarwulst, wie er häufig nuf den "impfen Buddha’» er-
scheint (z. B. an Amravati auf PL LXXX1V) deutet auf den
nach der periodisch eiagchallenen Meditationszeit aus dem
Walde rurückkehrcoden Heiligen, der noch nicht wieder das
Glattscheeren hat vornehmen lassen können, oder der vielleicht
schon eine solche Stufe der Heiligkeit rrstiegen hat, dass
Niemand würdig ist, ihn zu seheeren. Wben the ascetic ut-
Uins the second rank (a* M aha« »rat«), he does not shave bis
hesd with razors. bot employ* his disciple to pull out the
hairs by the roots. Die siebenköpfige Schlange wölbt sich
Fryer. A few word concfrning the Hill people
inlmbiting tho forest* of the Cochin-State, Jour-
nal of the Royal Asiatic. Society, Vol. III, Oct,
Mit einer Gruppe Mulchrrs photogruphirt.
Fytch. French Expedition on the Camhodia Ri-
ver. Proceedingg of the Royal Geographical So-
ciety, May 1868.
Auszug aus einem Re|»urt (August 9., 1897, Rangun)
des Hauptbcvollmärhtigtrn von British Burmah an den
StauUsec reUir von Indien. Die französischen Erforscher
hatten anfangs die Absicht »ich dem Irawaddy zuzuwenden,
in einer Nachschrift (27. Januar 18Ö8) wird indes» be-
merkt, dass sie die Richtung durch Szechuen nach Han-
kow eingcschlngen zu haben schienen.
Fytch. British Burmah. Proceediug» of the Royal
Geographical Society, 1868, July.
Die Bevölkerung vermehrt sich durch stete Einwande-
rungen seit 182A, während sie in den Domänen des Kö-
nigs von Burmah im Abnehiuen begriffen ist.
Fytch. Memorandum on the Panthaya in Ynnan.
Proceed. of the As. Soc. of B., Dec. 1867.
Galkino. Le Chanat independant de Chegri-Siab,
dans le Turkestan. Annalea dea Vovagea, Nov.
1867.
Galkin. Ethnographischen Material von Mittel-
Asien und dem Orenburgiachen Lande (russisch).
St. Petersburg 1867.
Garden. Description of Diarbekr, Journal of the
Royal Geographical Society, 1867.
Theilt L'ebersetzungen der in den Thürmen befindlichen
Inschriften mit, in denen die ayubitischen Fürsten den
Titel König von Rum (Koum) und Armenien führen.
Garnier. Vovage d'exploration en Indo -Chine.
Revue mar. et col., Avril 1869, Paris.
Garnier. Episode du voyage d'exploration dann
1'Indo Chine. Bullet, de la Soc. de Geogr., Mai
1869.
Besuch von Taly.
sowohl über Buddha, wie Uber den Raja, steht aber beim
letztem in der »pecioUen Beziehung des königlichen Ahn’»,
wie in Abjhsiuien, Attika, mehrfach in Amerika und Polyne-
sien, «»wie vielfach in Indien. Die Frauen bew beiden sich
mit einem SchUugeukopf, der kümgtiche Aspisschmurk de»
L'riius itn alten Aegypten. Tod's Nucbrichteu Uber Tukshnh
fuhren auf Mythische Beziehungen und wie weit die vedi-
schen Erwähnungen der Dasyus auf ursprüngliehe Eingebo-
rene zu deuten »eien, bedarf erst einer genaueren Bestim-
mung, da »ie auch »U au»ge»t<M»eue Kabul n a erscheinen und
(nach der Aitareya Bruhnmiia) meistens von VUvamitra stum-
men. Die Nag» oder Khwa-phyi (Khan, Natnumg, Mithun,
Tablung, Angami, Nowgong, Teng*a u. s. w.) bewähren sich
durch ihren sesshaften Ackerbau als Autuchtbonen. Die
kriegerische Weihe di« ('hakravasti ist auf Fig. 2, PL LXXI
ansgedrückt, und die wilden Reigen om das getragene Cultus-
symbol erinnern an syrische Tenipeldicnsie Das Buch ent-
hält in seinen Abbildungen eine reiche Fundgrube für die
Erforschung de« indischen Alterthuui» und Fergusson hat
dnreh seine Bemühungen um die Veröffentlichung desselben
seinen bisherigen Verdiensten ein neues hiazuurfügt, dessen
Werth kaum hoch genug angeschlagen werden kann.
Digitized by Google
385
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Oentilli. [Jeber ogtimlischc Baudenkmäler. Mit-
theilungen der k. k. geographischen Gesellschaft
in Wien. Nene Folge 1868, Wien, F. 13. Geitier.
Di« Fundirung »rhwerer Ma**rn auf cotnpreaftiblein Ho-
den ward»1 dadurch Torgeiionuncn , <Ukr man Schacht« air-
teufte , sie ausKuauerte, mit Sand füllte und die Kränze
dieser Brunnen durch Steinplatten vou grosser Dick« tu
einer Art pilot irten Koste« verband.
Gloukhovaky. Une eaptivitü en Boukharie. Jour-
nal de St. Petersbourg 1868, Nr. 92.
Godwin - Austin. Notes on the Pungong lake
district of Ladakh. Journal of the Royal Geo-
graphien! Society of London, LXXVII.
Goldamid. Notes on Kastem Persia and Western
Uuluchistan. Journal of the Royal Geogruphical
Society, 1867.
Grehan. Le royauine de Siam. Paris 1868.
Grinton, van der. Borneo, een kezoek op dat
eiland. Eindhoven 1867.
Grinten, van der. Mijne reis naar Ost-Indie.
Leyden 1868.
v. Gorkom. Bericht über die Cultur der China-
bäu uie auf Java. Flora 1868.
Godin. Des Renseignement« sur le Tibet. Les
Mission« catholiquee, 12 et 13 Sept. 1868.
Godron. Une mission bouddhiste en Amerique
au V. siede de l’Ere chrütieune. Nouv. Annal.,
Uctobre 1868.
Deguigne»’ Auslegung der chin«BÜ-ch«n Erzählungen
von Körnung ula mul* Mexico bezüglich, wurde von Klap-
rolh verworfen. Io einer Kritik derjenigen Gründe, die
äks negative Keealtat ergaben, wird hervargcbobei^ da««
»ich sowohl Ot tuen vor der Zeit der Spanier in Amerika
gefunden (Bo« mosrhutu» und Bo« americunu») und von
Gomarn ein« Völkerschaft mit dom«*tii iricra Bwo» im
nordwestliche» Mexico genannt wurde, ul« auch, da« da»
Kicnn, ileuen Weibchen immer, da» Männchen häufig ohne
Hörner gwehra wurde, uu» der Entfernung für Hirsch«
hätten gehalteu werden können, wie sie auch bei Cabrera
de Curduva Hirachpierde hlcnt.cn.
Goodenough. Route» between Upper- Assam aud
Western China. Proceoding of the Royal Geo-
graphical Society, Oct. 1868.
Itinernrien, di« 1866 in Ober» Ab »am gesammelt wurden.
Grehan. Le royaume du Siam. Paris 1868.
Guerin. Les Aborigünrs do Püe de Form ose.
Bulletin de la Societe de Geographie, Juin 1868.
Während im Allgemeinen jeder Stamm einen »einen
Nachbarn ver*!ündlit her» [Hälfet redet, findet »ich im
nördlichen Dritttheil der Insel eine Ansammlung too Stäm-
men (nou» prenon* *ur nou* d’appder ce gruup« du nora
de Morrisouien) , unter denen ein nur dialcctisch in den
kleineren Ganzen veränderte Sprache gemeinsam ist, die
Tarnt - Sprache , di« an da* Tagaliscbe Luxonk erinnert.
Alu 16 bis 17 Stämme der Tayalrn werden aufgefobrt, die
Tspehan. die Katariek, die Meniho, die Mmttaou . die Se-
lamou , die KaTaou, die Kouau, die Takassan, die Kakaou-
gan, die Keoui, die Lohuou, die Tctounau, die Taagaw, die
Archiv f«r Anthropologie Bd. III. Heft 3.
Takohara, die Malipa, die Malikoumo. Die angreuzeuden
Tooucaai und Taioukou, sowie die Kala|«i reden verschie-
den, eben«» die Mri'ahan, Kabuuron, Baouketon, Mokaina,
Kaou-lo und Shabagala, obwohl ihre Di&Iecte au» dem
Tayaiiachen abgeleitet sind. Lea aborigene* de Formoae
preamtent, d*n» ln demarche, heaucoup du balancement
des quadrutuane» »uperiear», du Gorilla, pur exemplr.
GuLlck. Note sur les Mougols. Jouru. des Miss,
ev., Mär/. 1868.
Häger. Die Bugiucsen. Ausland, 1868.
Hasper. Beitrüge zur Topographie der homeri-
schen Ilias. Brandenburg 1867.
Haaakarl. Bericht über den Zustand der China-
cultur auf Java. Flora, 1868.
Hause. Palästina. Cassel 1868.
Heer klotz. Die Orsng Sek ah. Globus, Bd. XIII,
1868.
Heerklotz. Reise und Aufenthalt in Niederlän-
disch Ostindien. Öderan 1868.
Hellwald. Die Insel Geby in den Molukken. Aus-
land, Nr. 13, 1868.
Helmersen. Beiträge zur Kenutniss des russischen
Reichs. Band II, Lieferung 3 (v. Baer und v.
Helmersen).
Schmidt*«, Glehn’» und Urvlkin’* Ketten im Ge-
biete de» Amurlandea und auf der Insel Sachalin.
Herman. Hot onderwys in Nederlandsch Indio.
Tijdschr. v. Nederlandsch Indie, 1868.
Holland. Peninsula of Sinai. ProceedingB of the
Royal Geographical Society, Joly 1868.
Nebrn dem Jebel Musa könnte nur der Jcbel t'm Alo-
vrt Anspruch« haben für den Berg Sinai gehalten zu
werden. Die falnaitlscheu Inschriften , die nicht auf die
Israeliten bezogen werden dürfen, »ind alle mit Steinen
eingegraben.
Do Hollunder. Aardrijks buschriving van Neder-
landsch Oost-Indie. Amsterdam 1868.
Hockley. Notes on the Yangtsekiang. Procoedings
of the Roval Geographical Society, Vol. XI, Nr.
VI.
Hood. Social life of the Chinese. London 1868.
Hooker. Les monument* m^gnlithiques de finde
anglaise. Revue des cours seien!., 1868.
Nach dem Vorträge bei der British Association über die
besonder* von Yale beschriebenen Denkmale, die auch im
Drkkhan verbreitet »ind.
Horwortb. The Westerly Drilling of NoinAds.
Journal of theEthnol. Suc. of Lond., April 1369.
Hurabort. Le Japon. Tour du Monde, XVI.
Hunter. A comparative Dictionary of the Non-
Aryan languoges of India and High Asia, with
prcliminary dissertatiou based upon the Hod-
gson List« and Vernacular Mas. With Contri-
butions from Her Maje&ty’s India Office and Fo-
4!)
Digitized by Google
386
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
reign Office, the Government of Bengal, the
Royal Aaiatic Society of Great Britain and Ir-
land, and from' English and Continental Scho-
lar». Trübner and Comp., London, 4d. 1868.
Zweihundert englische Worte werden in 125 Sprachen,
die in Gruppen zutainmcngeurdnel sind, wiedergrgeben.
Di« Wichtigkeit einer genaueren Kenntnis* der eingebore-
nen Stämme Indien* wird herrorgebobflB , Ws jetzt ,.the
eery lu*tr* of Arvau discoverirs threw the non - nryan
people» of India into u deeper »bade.“
Hyde Clarke. Proto- Ethnie condition of Asia
Minor. Journ. of the Ethnolog. Soc. of London,
April 1869.
Jagor. Grabstätten au Nipa-Nipa. Ethnologische
Zeitschrift, lieft I, 1869.
Jerdon. The Mammals of India. London 1868.
Johnson. Report on bis joumey to llchi, the Ca-
pital of Kliotan. Journal of the Royal Geogra-
phical Society of London, Yol. XXXVII.
Jou&n. Ilong-kong, Macao, Canton. Memoire de
la Societo iinper. des Nat. du Cherbourg, XIII,
1867.
Justi. Der Bundehesch. Zum ersten Male her-
•u* gegeben, transcribirt, fibersetzt und mit Glos-
sar versehen von Ferdinand Justi. Leipzig, F.
C. W. Vogel, 1868, 4°.
Die Ansicht, den Bundehescb als eine Hebert Tagung alt
baktriseher Kdigionsuhriftco au betrachten, ut auigegeben
worden , aber trotz seines neuen Ursprungs bewahrt der
Bundehesrh müdc Bedeutung für dir pnrsisclu1 Weltan-
schauung und vielleicht für munchc rubbinischr Vorstellun-
gen, die »ich an jene anlchnrn. Ihr Herausgeber führt
»eine Gründe an, wodurch er »leb hat bestimmen lassen,
die Abfassung de* Bund«h«K-h erat in» Xlfl. Jahrhundert
zu versetzen. Auch in sprachlicher Ifinskbt scheint sie
nicht viel früher angenommen werden zu dürfen. l>aa
Pebleri der Sassnnidcn nahm »eine Fremdwörter au» dem
Aramäischen auf, der Buudebesch «brr hat neben diesen
aramäischen von Alten her im Pehlcvi sich findenden,
auch arabische Worte entlehnt.
KaBentzew. Beschreibung der Kirgis-Kaisaken.
St. Petersburg 1867 (russisch).
Keyzer. Reizen over Java. Tijdochr. voor Ne-
derlandsch Indie, 1868.
Kistner*. Buddha and hi« doctrine*. London 1869.
Kennedy. Report of an expeditinn rnade into
Southern Ijiob and Cambodia Journal of the
UoyAl Geogr. Society of Ixnulon , Vol. XXXVII.
ln Begleitung de» Photographen Thompson, von dem
die „Aaiji|uitie» of Cambodia" veröffentlicht wurden.
Kioport. lieber älteste Landes- und Volksge-
schichte von Armenien. Monatsbericht der König].
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Mürz
1869.
Klaussnitaer. Aus der Provinz Turkestan im
asiatischen Russland. Globus Bd. XII, 5. Lie-
ferung.
Krapotkin. Statistischest aua Sibirien. Peterroann’s
Mittheilungen 18G8, S. 379.
Kremer. Geschichte der herrschenden Ideen im
Islam. (Leipzig 1868.)
ln den über den Islam hinaus verästelten Zweigen und
Wurzel«.
Külb. Pinto’e abentheuerliche Reise etc. Jena
1868.
Wie Marco Polo, der Millionen - Manu, Bruce und
Andere erhält auch der ^hogner* Pinto von der Nachwelt
gerechtere Würdigung, al* von seinen ungläubigen Zeit-
genossen.
Lamproy. Notes of a journev in the North- West
neighbourhood of Pekin. Journal of tho Royal
Geographical Society, Vol. XXXVII.
Latkin. Die Dampfschifffahrt in Sibirien. Peter-
maun's Mittheilungen, 1868, S. 379.
La Vieillo. Le Japon. Revue des cours scient.
1868, Nr. 26.
Layro. Le Japou en 1867. Paria 1868, Extrait
de la Revue des deux mondes.
Lenormant. Memoire sur l inscription dedicative
du temple du dieu Vata k Abian prea d’Aden.
Comp tos rendus de« seancea de l'Acadcmie,
1868.
Lenormant. Manuel d’histoire ancienne de l’Orient.
18, Levy Gis, Paris 1868.
Leitner. Results of a tour in Dardistan, Kash-
meer, Little Tibet, Ladak, Zansknr etc. Trübner
und Comp., 1868.
Nach den Vocabularien »ollen di« ühUghlti- und Aston-
Sjuwchen zu der irauischc» Sprach fnmilte gehören, das
KalashA-Mandrr ein« neu« Fortbildung de» Sanscrit zu »ein
scheinen, während da» /u keiner von beiden (‘lassen ge-
hörige Am via und «loa Khajuua vielleicht tibetischen Ur-
sprung» sei.
Levy. Drei nabathäische Inschriften. Zeitschrift
der deutschen morg. Gesellschaft, XXII.
Lloyd. Notes on the Russian harhours on the
Coast of Manchuria. Journal of the Royal Geo-
graphical Society, VoL XXX VII.
Di« chinesische Stadt Ilung-Chun (in der Nähe von No-
vogorodski) ist eine von «len zwei einzigen Städten China1»
titi der Grenze Core»1», wo «in Handel zwischen Core» und
chinesischer Manschurei erlaubt ist.
Loarer. L’IIimalaya. Extrait du Bulletin de la
Societe imp4r. d’accliniutation, Fevrier et Avr.
1868.
Loomia. Confucius and the Chine«« Classics or
Roadings in Chinese Literatur». Edited and com-
piled by Rev. A. W. I.ooniis. San Francisco
1867, 8«.
Uebersichükhe Zusammenstellung u«L Legge’» Aus-
gabe der ClaMiker für den Verkehr tuit den C hi neuen in
Califoruicn.
Digitized by Google
387
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Lotb. Pie Vulkanregion (HarraV) in Arabien.
Zeitschrift der deutsch, morg. Gesellschaft, XXII,
1868.
Ludeking. Sehet« van de Keaidentie Amboina.
s’Gravonhage 1868.
Lühdorf. Gas Amurland. Peterraann’s Mitthei-
lungeu, 1868, S. 825.
Malte -Brun. Expedition franyai&e de Mekong.
Annales d« voyages, Aoüt 1868.
Nachdem di« Expedition die der Erfüllung ihrer xchwie-
rigen Aufgabe entgegenstohundeo Hiadfrnisae fbrtgrräumt,
trat der TikI ihre» Leiters ein, worüber der Herausgeber
der Anuahu berichtet.
Marshmun. The history of India. London 1868.
l>jt* Geschieht« El phi n*tonef* t'ortziuetzen.
Marthe. Die Wege des Landhaudels zwischen
Russland und China. Zeitschrift der Gesellschaft
für Krdkunde, 2. Bd., 1867, 4. Heft.
Maunoir. Kauere Erforschungen der Russen in
den Amurländern und der Mandschurei. Aus-
land, Nr. 21, 1868.
Maus« et Sauvaire. De Karak ä Chaubak. Bul-
letin de la Societe de la Geographie, V. serio
XIV, 1867.
Mechin. I^ettres d’un voyageur en Perse. Bour-
ges 1868.
Medhurst. French Expedition from Camhodia to
Yunan. Proceedings of the Royal Groogruphical
Society, 1869.
Mittheilung un die India Office durch den cnglUcbcn Coo-
*ul in Hankow, der den trtinzÜMachen Oificler Franyots
Garnier am Ende »einer erfolgreichen Entdeckungsreise,
die zwei Jahr« und fünf Tage in Anspruch genommen
hatte, bei «einer Ankunft in der Hafenstadt *ah am 9.
Juni 186a.
Melgunof. Das südliche Ufer des kaspischen Mee-
res. Leipzig 1868.
Die Turkomanen der Aul« bei Anchurade (um Golf von
Astrabad) gehören zu den drei Hauptstkmmen Jamut,
Goklan und Teke. 6ic werden auch Tschumur (Acker-
bauende) undT»chnrwnr(Tschttlwnr oder Tschora) genannt-
Dl hie in getrennten Aul* noniiutiaireu, *o utiteiwerfrn sie
zieh selten ihren obersten Khanen Riah-aelid oder l'nbegt.
Einen grö*aereii Eiutluan könnte das geistliche Oberhaupt,
Kozr, uuBÜben. Ausser der vom VerfacMr entworfenen
Karte ixt eine Karte des Khazarischen Meeres beigegeben
aus dem pernschen Manuscript de* Nasir-eddin-Tuai.
Montgomery. Route Survey from Nepal to Lhassa.
ProceuJings of the Royal Geographical Society,
1868.
Miltheilung älter die Kcise eine» i’undit in Nepal nach
Lhasa und dann durch da* obere Thal des Brahmaputra
zu seiner Quelle. An der folgenden Discuwiou nahmen
ausser dem Präsidenten (Sir K. MurchUou), Dr. Thom-
son, Dr. Campbell, Lord Strangford, Sir Henry
Hnwliii»on, Mr. Cravrford, Mr. Saundcrs Theil und
wurde nodi ein Jan. *29, 1868 datirter Brief Muntgome-
ry’s au* IngWrn vorgelegt. Kiu am 12. April 186ü vor-
gelegter Bericht macht Miltheiluugen über die Goldfelder
von Thok- Talung.
Montgoincrie. Report on tho Trans - Himalayan
Exploration» , in connexion with the Great Tri-
gonometrical Survey of India, during 1865 — 67.
4°. Pehra Doon 1867.
Montgomerio. Route Survey from British India
into Great Tibet through the Lhasa Territoriea
and along the upper course of the Brahmaputra
River or Nari - chu - sangpo , made by a Pundit.
Dchra Doon 1867.
Murray. Haudbook for Travellers in Syria and
Palestine, 2 Vol., London 1868.
Neue AuHgabe, von Fachmännern bearbeitet oder aus
deren Werken zusammengeatellt.
Neubauor. La Geographie du Talmud. Memoire
eouronue par rAcadcmio des Inscriptions et
Belles-I^ettres. Paris, Michel Levy Freres.
Au**er PiUüLina sind auch diejenigen Länder aufgenom-
men, die in dem babylonischen Talmud bei seiner dortigen
Abfassung berücksichtigt wurden.
Nook. Von Eden nach Golgatha. Leipzig 1868.
Oserki. Versuch einer Beschreibung der geologi-
schen und mineralogischen Schätze des Oberlan-
des von Trans- Baikulien. St. Petersburg 1867.
Oaburn. The holy land, past and present. Ix>n-
don 1868.
Paris. Obsorvntions sur )a riviire de Kioto. R6v.
mar. et col., Vol. XXIV, 1868.
Pauthier. Memoiree sur l’antiquito de Thistoire
et de la civilisation chinoise. Journal As. 1867,
Sept — Oct.
Petermann. Ueber die Diulecto der Armenier za
Tiflis. Abhandlung der Königl. Akademie zu
Berlin, 1866.
Perrot. Exploration archäologique de la Galatie
et de la Bithynie. Paris, Fol., 21. Liefrg.
Pinaon. Etudes orientales. Lea castes du Sud de
linde. Revue or., 2^ Serie, Nr. 4.
Pijnappel. Geographie van Nederlandsch Indie.
s'Graveuhage 1868.
Perolaer. Twanlf honderd palen door Midden-
Java. Breda 1868.
Pina de Saint-Didier. Note sur le territoire de
Dell (ile de Sumatra). Bulletin de la Societä de
la Geographie, V. Serie, XV, 1868.
Pflzmayer. Nachrichten von den alten Bewoh-
nern des heutigen Corea. Sonderabdruck des
Sitzungsberichtes der kaisorl. Akademie der Wis-
senschaften. Wien 1868, 8".
Plohn, v. Reisebericht von der Insel Sachalin.
Beiträge zur KcnntnU» des ru**i»cben Reich*.
Pruner - Boy. Description d*un erftne de Ghiliak
et Note sur les Ghiliak. Bullet, de la Societe
d’Anthrop., 21** Serie, 1867.
49*
Digitized by Google
3H8
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Pumpelly. Geological researche. in China , Mon-
golia and Japou. Contribut. Smiths, Nr. 202,
Washington.
Rosny, Leon de. Har la Geographie st rhistoire
de la Coree. M4m. de la Soc. d’Ethnogr., Rätr.
Or., 2110 Serie, Paris 1867.
RadloflT. Die Sprachen der türkischen Stämme
Süd - Sibiriens und der Dsungarischen Steppe.
Proben der Volksliteratur der türkischen Stämme
Süd-Sibiriens, I. Theil. Die Dialecte des eigent-
lichen Altai, der Altajer und Teleuten, Lel>ed-
Tataren, Schoren und Sojonen, II. Theil. Die
Abakan-Dialecte (der Sagai sehe, Koibalische, Kat-
schinzische), der Kysyl - Dialect und der Tacho-
lym-Dialect (Küarik). St. Petersburg 1866 und
1868.
Da* Vorwort hciAcr Bünde, durch Professor Sc hi ofner
geschrieben, liefert ergänzende Parallelen zu rrrachicdeijcn
Stellen der Baude. Die Sagen enthalten eine Menge de*
werthvolUteu Materials für die ethnologische Bearbeitung
der Stämme, unter denen »io gesammelt sind.
Rasonnet. Ceylon, Skizzen seiner Bewohner, sei-
nes Thier- und Pflauzenlebens in den Ebenen
und dem Hochgebirge, sowie Untersuchungen
des Meeresgrundes mit der Taucherglocke nahe
der Küste, mit 26 Illustrationen, 1 Liefrg. Fol.
Braunschweig 1866.
Der Verfuier dieses Pracht werk* begleitet jetzt die
österreichische Expedition nach Ostasien.
Ra wlinson, Sir H. T rad e- Rout es bet ween Tu t kestau
and India. Proceediugs of the Royal Qeographical
Society of London, February 1869, London,
Wliitehall-Ploce 15.
Ausrng aus einem Bericht über die Handelet rnssen xwb
scheu Thibet und Central • Asien .'durch Herrn Korsjrth,
den mit der lieber» aehung des Handels in Nord -Indien
beauftragten ßegierungsbevolluiichtigten) und Mil theil untren
über die bcaWichtigte Reise des Herrn Ha v ward von
JelUlabud durch das Chifral-Thal uad das Thal des Ovu*.
Johnson bat durch seine Reise die Existenz und offene
.Strasse von Hehl um du* Kuentun-Bcrge hi* zu den Chang-
thnng-Ebrnen nnchgcwicsen , so dass RSderkarrtO vom Hi-
uialavü bis direct m die Ebenen Central • Asiens gelangen
kannten, und Forsyth hot weitere Nachrichten gesammelt
Über die Changehenmo- Strasse. Gegenwärtig wird der
Tbt« uu* dem Innern Chinaa nach Shanghay und Canton
gebracht, um nach Indien verschifft zu werden. Von
Bombay geht er und» Kurrar -hee und von Kurracfaet* den
Indus aufwärt* in den Punjaub, durch den Khaibrr-Pas«
noch Kabul, von Kabul nach Kok an, dann südöstlich nach
Kaschgar und wird von dort durch Central- Asien vertheilt,
whereas if the propoaed route were opened out, the tea
from Assam would come altnost direct. Instead of msik-
ing a cirruit of 5000 miles, it would po*a over about
500 miles, from Assam through Tibet straight into thi*
verjr countrv of Khotan, Yarkand and Kashgar.
Ru wlinson, Q. History of ancient Pereia.
Der vierte Baud von den fünf Monarchien des Ostens
(Chaldiia, Assyria, Babylouia, Media und Prrsia).
Saint -Martin, de. Apercu generale de Plle de
Formoee. Bulletin de laSociete de la Geographie,
V. serie, XV, 1868.
Bespricht die geographischen, ethnographischen und hi-
storischen Verhältnisse unter Beifügung einer Bibliogra-
phie.
Sandroezki. Warrens Ausgrabungen in Jrrusa-
letu. Petermauu’s Mittheiluugen, 1868, S. 290.
De Saulcy. Memoire nur la nature et l’Age re-
spectif de divers apparcils dt* lYnceiutoexlerieur*
du Haram ech-Cherif de Jerusalem. Memoire
de l’Iustil. Impfe, de France, XXVI, 1867.
Sax. Ueber die babylonische Urgeschichte und
über die Nationalität der Kuschitcn und Chal-
däer. Zeiiechr. der deutschen morgenländischen
Gesell» haft, XXI, 1868.
In der chnldäischrn Cuitur wirkten drei Kactoren zu-
•ammen. Acgyptisrhe Colonialen brachten die Wissen-
schaften, namentlich die Natur- und die Sternkunde, die
igvptischr Philosophie und tiotterlehre , die Bilderschrift
und die Baukunst. Die Semiten nahmen diese Elemente
auf und nioditirirtcn sie dann noch ihrem und ihres Ban-
des Charakter. Bald kam der wichtige Einfluss der er-
obernden Kuschiteu (wilde FeUbewohner der tartariachen
Völkerfamilie aus der Urhciroath am Hinduku-h) hinzu.
Die kuM-bitischrn Magier traten neben den Chaldäern als
eine Prteslerkaste des Lande« auf und erhoben «ich über
die clialdäUihe Kaste, welche u. *. w.
Schlagintwclt (E.). Central - Arien westlich vom
Belurtagh. Illustr. d. Mon., 1868, Jun.
Schlagintwclt (R. v.). Ein Besteigungsversuch des
llu Gatnin-Gipf L. Guea 1868.
v. Schlagintwclt -Sakünlünski (H. v.). Keiseu
in Indien und Hochurien. Jena 1869.
Mittheilumren au» dem Reisetagebuch unter Benutzung
der wissentehaftlichcn Resultate.
Schmidt. Historischer Bericht über die Thätig-
keit der physikalischen Abtheilung der sibiri-
schen Expedition der kaiserl. ru&s geographischen
Gesellschaft, Beitrag zur Kunde dt» ruts. Reichs,
XXV.
Schmidt. Erläuterungen und Bemerkungen zu
Hhet’unin’s Karte des Amguin und Buneja- Ge-
biet' *.
Schott. Altaiische Studien. Abhandlung der
Kfuiigl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
1867.
Richard. Notes pour »ervir a Vethnographie de
la Cocbinchine. Revue maritime et coloniale,
Septbr. 1867.
Mit Scbädclmrsftungcf).
Rosa. Vitoit to Kej. Kurrachee 1865.
v. Schrenck. Reisen und Forschungen im Amur laude
in den Jahren 1854 — 1856, Bd. II, Lfrg. 3, Mol-
lusken. St. Petersburg 1868.
Soinpor. Reisen in den Philippinen, I. Theil, wis-
»enschaftliclie Resultate. 1/eipzig 1868.
Digitized by Google
389
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Shorring. Tbr Sacred City of the Hiudas, 1868,
8®. London, Trübner and Comp.
Während Kergusson den Tempel von Bhohaueswar in
Orina au* dem Jahre 657 p. d. ab älteste* Denkmal der
Hindu-Religion in Hindiutnn ansieht, glaubt drr Verfasser,
das« Benares oder Kasl vor dem Aufschwung de« Buddhismus,
der dort durch die Ruinen von Sarnuth bezeugt wird,
schon hrahinaoisch gewesen. Die ältesten Denkmäler In-
diens gehen in dm l'feiiern Asokas nicht über diu dritte
Jahrhundert a. d. hinaus, und ihr Kehlen i*t mitunter dar-
aus erklärt, dass der indische und assyrische Baustyl auf
frühere Hoizmodelle deute, im Gegensatz zu dem ursprüng-
lich schon steinernen der Aegvpter.
Skatscbkof. Die geographiBchen Kenntnisse der
Chinesen. Petermann’n Mittheilungeu, X, 1868.
| Dss Khuan*«in*ts* hghi gun tu (Darstellung der Völker,
die der in China herrschenden Mndsghu - Familie Abgaben
xahleu) enthalt zahlreiche Abbildungen von Frauen und
Männern in den Volkstrachten der verschiedenen Länder
Europa», Asiens und Amerikas.
Soubciran et Delondre. De l’introduction et l’ac-
dimatutiou des Chinchon&s dans \es Indes neer-
landaiacs et dans les Indes britanniques. Paris
1868. Bulletin de la Soc. im per. et col. d’aed.,
2a* st$rie, IV.
Sporer. Die Seezone des Baikasch -A^kol und
das Sieben -Stromland mit dem Ili- Becken. Pe-
terin&nn’s Mittheilungen, III, VI, XI.
Nach Russischen Quellen learbeitet mit zwei Karten.
Balkasch und Alakul haben r.orh in historischer Zeit ein
einziges Becken gebildet , al* dessen abgetrenntes Glied
sieb gegenwärtig letztere Seengrupp« darstellt. Westwärts
von Ssnssrk-kul in der Richtung zur Nordostspitze des
Balk&ftch-hVes bezeugt ein sandiger, holzhaltiger Tiefstrei-
fen, titaktvn-kamkum den ehemaligen Scebodcn und wäs-
serigen Zusammenhang. Die Umgebungen beider Seen
zeigen deutliche Spuren jüngst erfolgten Austrockacn*.
Stanley. Account of an Erabassy front Marocco
to Spain 1690 — 1091. Journal of the Royal
As. Society, Vol. III, 2, 1868.
Aus dem Berichte des Gesandten M ul er Isxnael'a.
Stöbr. II vulcano Tenggher. Annuurio della Soc.
dei Naturalist* in Modcnu, II, 1867.
Swift. Going to Jericho or Sketches of Travels in
Spain and in the East. Sau-Francisco 1868.
Taylor. Rout« front Erzerura to Piarbekr. Pro-
cecdings of the Royal Geographical Society, Oct.
1868.
Unter den Ruinen (mit Spuren pelasgi-wber Bauten) in
der Kälte vou Maxgcniu wurde eiuc mit ft**yri*cben Cha-
rakteren in alt armenischer Sprache geschriebene Keilin-
sehrifl gefunden, de« Kuza, Sohn des Arghisti, who was
king of the uiountains of Nairi Arghi*ti vu coteropornry
will» Snrgon aud Senn.»eherib, Ruxa with Ksur Hsddon
and Asshur- bani-pnl (Sardannpalu») 660 a. d. (*. Raw-
linaon).
Thomas. Early Sassanian In&criptionB, Seals and
Coins. 8°. Trübner, 1868.
Tischondorf. Terro Sainte. Saint-Gennaiu 1868.
Tissot. Autiquites de l’ile de Rhodn*. Revue
nrcheol., Sept. 1868.
Travels, the, of a Hindoo in various parts of
Bengal and Upper -ludia, by Bholonauth Chun-
der with an introduction by Talbot Wheeler,
Vol. I und II, London 18G9.
Der dunkle Teint, die platte Nase, die kleinen Augen
der vedischrn Da*yu> sind noch an ihren Nachkommen
kenntlich, au dcu äonthal, di« (vor der Ankunft der ari-
schen Race im Puiyaub) Indien oder Cfdar besetzten.
Tremenhero. Lower Portion of tho Indus. Jour-
nal of tho Royal Goographical Society of London,
VoL XXXVII.
Da* jetzt südlich von Tatta beginnende Delta de* Indus
scheint früher mehr östlich sich gefunden zu haben.
Vambery. Ongataische Sprachstudien. Leipzig
1867, 8°.
Giebt die sprach wissenschaftlichen Resultate seiner mit-
telasiatischen Reisen.
Vamböry. Lehen und Treiben in der turkoma-
nischen Stadt Chiva. Globus, Bd. XIII, Lfg. 1.
Varannos, dt», 1*a Cochinchine fran^aise. Paris
18Ö8.
Auszug aus der Revue dea doux Mondes (1 5. Februar
16ÖSX
Vorechaguino. Voyago dans le* provincee du
Caucaae, trad. du russe parM“. et Md. le Barbier.
Le Tour du Monde, Nr. 428.
Verkork Pistorius. Jets over de slaven en af-
stammelingc-n van elayen in de Padangsche Bo-
vou landen. Tijdachr. voor Nederl. Indie, 1868.
Vinson. Le» castes du sud de l’Inde. Nancy 1868.
Völkel. Chilkofaki’s Fahrt auf dem Ssungari,
1866. lYtcrni. Mittheilungen, 1868, S. 345.
Watson. The People of Irulia, a seriös of photogra-
phic Illustration». with descriptive letter press of tho
Races and Trihes ol Hindustan, originally pre-
pared under tho authority of the Government of
India and reproduced by order of the Secretary
of State for India in Council, edited by J. For-
hes Watson and John William Kaye, Vol. I und
II, London, India Museum, 1868.
Die berücksichtigten Oertlichkeiten sind, da« Hügelland
von Bhaugtilpnre in den Sontbal (Eingelwrne) und Pa*
haris (für Eingeborn« gehalten), Behar in dcu Mulllk (Sun-
niten), Mumihrah (Hindu niederer Kasl«), Kujwas, l).«ndh,
Ritjlmnsi (Eingeborne), Domes (kostenlose Hindu), Sbaha-
hod in den Ahir (Hindu); Paiauiow in den Cheroo (Kinge-
Cbota Nagpore in den Ornon Colea (Kmgebom«),
Hos, cbrisllicitc Colea, Korevrah, Muudah, Bhogtah, Mar-
waree; Aa*am in den Kharoti (Wilde), MishmU, Singphu
(Grenzalanun), Meree* (Hüirelstamm), Khanyang, Muttuck,
Sonai, Doonnrati (Mischrace), Knchnri oder Budos (tibetisch);
Cacliar in den Nagas (nmberschweiiend), Kookie* iRiuber-
staiom); Muuipur in den Muuipuree*, Rhotan in den Bbo-
tiineaen (ti luetisch) , Ilbotias, Lej^cha* (Elngeb«irne) mit
Cheboo-Uma au» Sikkim und Lama; Til*et in Tibeter und
Bhuiias ; Daijwliiu »« den Mecliis (tnn.s - hi maiay Ischen
Ursprungs); Nepal in den Suowant (unter - hlroalayiscben
Ursprungs), Limboo» (Eingebornr), Magar (Kriegerstamm),
Goorung, Khns (ühoorka»), Newars (Sklavcnbevölkcrung),
Biinrns (Zwetg der Newar), Moerroi* (tibetisch); f>uda in
Digitized by Google
390
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
den Eni» (Rnjputen), Bhall Sooltun (Mahomodaner), Cho-
han (Rftjputcn), Raj Kootrur, Bqjgotees, Gurgbo**«e», Bhur
(vermut bliche Eitjgeborne), Teehur*, Puce (Hindu niederer
Ka*t*), Pitthau (Mahomedaner) , Sy«d (Nachkomme» von
Mobamadaner) , Hobnai (Hindu); Benares in den Bhat
(Hindu), Gungapootras, tibautee&s, Agborees, Dundee»,
Bhur**, Mirzapore von den Mirzapore- Hügelleute (vermutfc-
lithe Eingebornc) , 8yud (von Mnbomed abgeleitet!; Behar
in den Koercea (Hindu); Allahabad in den Ugnmlltbi
(Hindoo) , Pathan (oder Afghanen) , Boondelah, Bairagi,
Cashmirer (Sunnitei, Misser-Brahmin (VUbnnite); Morabad
in den Biahaoi (Hindu), Bukwt (wahrscheinlich Eii.geborne),
Bbat (Mohnnii’lanerl, Nut (Zigeuner). Der Dckkhau würde
eine noch reichere Ausbeute geben, wenn man besonder» aut
diejenigen Stimme Rückaicht nimmt, in denen »ich die
ursprüngliche Bevölkerung zersplittert bot , und auf die
Varietäten, die »ich unter den Kastenacheiduugeu heran-
gcbildet haben. Die hier befolgte Eluthetlung ist ohne
jede» Syriern, und alud die beigeaeUten Bezeichnungen
wiedergegeben, wie »io alch finden, obwohl sie meistens so
gut wie nichts au»sagcn , oder selbst unrichtiges. Immer
bleibt e* jedoch werthroll, ein so reiche* Material bei-
sammen zu finden und das Syatematisireu wird schon früh
genug kommen. Die jctxt in Aaaaro »nsäsrigrn Khauyang,
die durch die Singpho von der Pctkoe - Kette vertrieben
wurden, bildeten einen der ältesten Stimme Birma**, wiili-
rend des Königreiches Proue in den ersten Jahrhunderten
vor unserer Zeitrechnung. Ihre eiccne Bezeichnung Hon
Kam oder Mo Noe deutet auf den Zusammenhang mit den
Pcguero. Die MUser-Brahmancn, die Traditionen von einer
Einwanderung bewahrt halten, aiud uut Aegypten (Mizraim)
in Beziehung gebracht. Die Bhat oder Barden , die die
geschichtlichen Oberlieferungen in ihren Gesängen hüten,
hielt man früher für Abkömmlinge eines Cshatrya und einer
Vaiajra- Mutter , jetzt heisst es sie seien einer BraJimanln
und einem Csbatrya- Vater entsprossen, obwohl es seit Pa-
rasu-Kama keine reinen Cshutrya mehr geben darf.
W&Uace. The Malay Arcbipelago. London ,1869.
Whooler. Ten years on the Euphrates. Boston
1808, 16°. Ann. Tr. Soc.
Wichura. Aua vier Welttheilen. Breslau, Mor-
genstern, 1868, 8*.
Nach dem Tode des Verfassers herausgrgelen , der als
Botaniker die preussisebe Ktpeditiou nach Uriarien beglei-
tete.
Williams. Throngh Burmali to Western China.
London 1868.
Schon früher zum Tbeil im Asiat. Journal of Bengal
erschienen.
Williamson. Notes on Manchuria. Proceedings
of the Royal Geographical Society, Febr. 1869.
Die Manch« sind gri&attent Heils mich Norden gewandert
und Chinesen aus Shantung haben ihren Platz eingenom-
men. Die zurückgebliebenen Eingeborenen gewöhnen «eh
iui ein sesshaftes Lehen und verähnlichen sich den Chine-
sen. Einige der Ackeren reden noch Manch u, aber Alle
verstehen die Mandarin -Sprache de* mündlichen Verkehrs
und die Knaben lernen aus chinesischen Büchern in den
Schulen, wie in den anderen Theilcn des Reiches. In WNU
place» the youths are inrtrueted in the Maoobu cbnnctcr atter
they are iu<|uainted with the Chinese, but such iustance*
are rare and the language ia evident ly dyiog out.
Wilaon. The Vishnu Puranu. London 1869,
VoL IV.
Fünfter und sechster Band werden folgen.
Yulo. Cntliay and the way thither. Iioudon 1867,
8°. 2 Vol.
Zerboni di Spoaetti. Der Orient und seine cul-
turgeschicht liehe Bedeutung. Wien 1868, 8®.
Viel Gerede, mit hie und da treflenden Ideen und rich-
tig aufgefiustcn Anschauungen.
Australien und Oceanien.
(Von Prof. Meinicke in Dresden.)
Archer. The progress of Victoria, a statistical
essay. Melbourne 1867, 8°.
Baker. Die Ermordung des Missionar B. auf den
Fidschiinseln. Globus, 1868, Januar.
Beckor. Australische Reiseekizzen. Ausland, 1868,
Nr. 8 ff.
Betrach taugen über die australische Natur von geringer
Bedeutung.
Becklor. Corrobori. Ein Beitrag zur Kenntnis«
der Musik bei den australischen Ureinwohnern.
Globus, 1868, Februar.
Bourgey. Voyage ä travers la Nouv. Caledonie
de Kanals & Noumea. Nouv. Annal. des voya-
ges, 1867, Dezember.
Von geringer Bedeutung.
Brigham. Notes of the volcanoos of the llawaiian
islands with a history of their various eruptions.
Boeton 1808, 12“
Cadcll. Extract from a letter frotu Capt. C. ootn-
inanding the South australian exploring expedl-
tion on the North coast of Austral in- Proceedings
of the Royal Geographical Society, 1868, S. 201.
Cadcll. Die zweite Northern Expedition. Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdknnde in Berlin,
1868, ThL 3, S. 74 f. und 273 f.
Clarke. The auriferons and otlier inetalliferous
districts of Northern Queensland. Proceedings
of the Royal Geographical Society, 1868, S. 138.
Cracknell. Rxtension of electric Telegraph lines
in Queensland. Proceedings of the Royal Geo-
graphical Society, 1868, S. 54.
Dubois. La Polynesie, ses archipcla et ses raccs.
Le CorreBpondant, 1868, den 10. Juli.
Eruptions of Mauna Loa. Nautic&l Magazine,
1868, September und October.
Piji islands. Nantical Magazine, 1868, Juni uml
Dezember.
Digitized by Google
391
Verzeichnisa der anthropologischen Literatur.
Fischer. Di© Erforschung des australischen Con-
tinents. Tilsit 1867, 4‘*. (Programm des Gym-
nasiums.)
Forostier, Visite de la Bonito & Tana et Vate.
Nouv. Annal. des voyages, 1868, Dezember.
Rein hydrographischen Inhalte.
Garnier. Voyage dans la Nouv. Caledonie. Tour
du Monde, Nr. 444 f.
E* lat die ForlMitiaiig der in dem vorigen Verzeichn!«
($. I7ri) angeführten Arbeit und wenn «ach blow für die
Unterhaltung des grösseren l’uhlikutu* brntioimt, doch
nicht ohne Interesse für die Kenntnis» der Neukaledo-
nier.
Garnier. La nouvello Caledouie. Revue de« cours
litteraireB, 1868, Nr. 29.
Garnier. Note nur la nouvello Caledonie. Bulle-
tin de la Societe de Geographie, Thl. 15, S.
453 f. #
Garnier. Essay sur la Geologie do la nou veile Ca-
ledonie et sur »es ressources minerales. Annalen
des minus, 1867.
Garnier. Lfile Talti. Bulletin de la Sociote de
Geographie, 1868, Thl. 2, S. 447 f.
Die Abhandlung handelt von der Natur und den Be-
wohnern Tahiti», ist aber von geringer Bedeutung.
Grad. Statist ique des colonies anglaises en Au*
stralie. Nouv. Annal. des voyages, April 1868.
GraofTo. Reisen in der Südsee. Ausland, Thl. 40,
S. 439 f. und 41, S. 529 f.
Die Arbeit enthält höchst schätzbare Nachrichten über
bisher ganz unbekannte lnwln des stillen Oceans, Ninao-
fou, Uwea, Kotuna und die Gruppe der sogenannten Ellice-
inseln (die Laguneninselu der englischen Missionare); sie
ut besonders wichtig für die natürliche Beschaffenheit,
doch auch nicht ohne Interesse für die Kenutniae ihrer
Bewohner, wenngleich das Unheil des Verfasser* die*«
bctrrflend nicht ganz uugetriibt »ein dürfte.
Graoffo. Reisen durch das Inner© von Vitilevu.
Ausland, 1868, Nr. 9.
Von dieser Arbeit, die ein Auazug aus einer von der
Schweizer naturforschenden Gesellschaft puhlicirten Abhand-
lung Ut, gilt UiiMclbe, was von der vorigen getagt ist.
[GrÖflVathj. Sterblichkeit in Australien. Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde, 1868,
Thl. 3, S. 373 f.
[Gröffrath], Der Far north in Südaustralien.
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde, Thl. 3,
& 368 f.
[Gr&ffrath]. Die zur Coloni© Wostaustralien ge-
hörende Filialcolonie Nickolbay. Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde, Thl. 3, S. 375 f.
[Gr8fTrath|. Die von Hovley aufgefundene Over-
landroute zwischen Geraldinc Mine und der neuen
Ansiedlung an der Nickolbay. Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde, Thl. 3, S. 281 £
[GrftfiYath]. Zur Statistik der australischen Colo-
nie Tasmanien. Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde, Thl. 3, S. 170 f.
Haast. Altitude sections of the princip&l routes
between the East and Westwasts of the province
of Canterbury, New Ze&land, across the Sou-
thern Alps. Journal of the Royal Geographieal
Society, 1868, S. 328 f.
Diese interessante Arbeit de» bekannten Verfasser* ent-
hält eine übersichtliche Schilderung der btt jetzt bekann-
ten fünf Pi**«, welche da* Hochgebirge der »ogenannteii
tödlichen Alpen Neuseeland* durrhschnriden , mit zahlrei-
chen Hohemucatungvn.
Haast. Reisen von Christchurch auf Neuseeland
nach den Goldfeldern der Westküste im Jahre
1865. Mittheilungen der k. k. geographischen
Gesellschaft in Wien. N. F. 1868, S. 132 f.,
189 f.
Eine genaue, eben so lebhafte, alt gründliche Schilde-
rung einer Reite über den nördlichsten der fünf eben er-
wähnten Pässe, den llarperpa**.
Haast. Neueste Forschungen in den neuseeländi-
schen Alpen, März und .April 1868. Petermann’s
Mitthoilungen, 1868, September.
Vorläufige Mittheilung der Resultate einer Entdeckung»-
rci»e an der Westküste Neuseeland* Süden flokitika.
Jahresbericht des prouseischen Consulats zu Sid-
ney für 1866. PreussiRches Handelsarchiv, 1868,
Nr. 28.
Jahresbericht des preußischen Consulats zu Mel-
bourne für 1865 und 1866. I’reuBsi&ches Ilan-
delsarchiv, 1867, Nr. 51.
Jahresbericht de» prenssischen Consulat zu Bris-
bane für 1867. Preussisches Handolßarchiv, 1868,
Nr. 43. •
Jahresbericht des preussischen Consulats zu Ho-
nolulu für 1867. Preussisches Handelsarchiv,
1868, Nr. 5, 45.
James islands, Pacific ocean. Naut. Magazine,
1868, October.
Kennedy. On the soil and natural features of
theMidway island group. Naut Magazine, 1868,
Mai. ,
Landsbor ough. Exploration of the mouth of the
FlinderBriver. Proceedings of the Royal Geogra-
phical Society, 1868. S. 56.
Ein« Erforschung der Mündung diene* in den Karpenfe-
riagolf mündenden Flusses , deren Ergebnisse von geringer
Bedeutung «ind.
J. K. M. Th© Mary Ira, being tho Narrative
Journal of u yochting expedition from Auckland
to the Southsca islands and a pedestrian tour in
r uew district of the Nowzealand bush. London
1868, 8°.
Martin. Noticu sur les ilesliawal. Paris 1867, 8°.
Digitized by Google
392
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Meinicke. Die Penrhyn, Tokelau und Lagunen-
insein. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde,
Thl. 3, S. 112 f.
Meinicke. Major Warburtons Entdeckung des
unteren Racku. Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde, 1868, Thl. 3, S. 1 f.
Naimayer. Project zur wie« nacbaftlicheo Erfor-
schung Centralaustraliens. Petermanns Mitthei-
lungen, Dezember 1868.
Kin Au«ug aus rwei Abhandlungen Naimayer’«, die
der Royal Society in Melbourne und der Royal Geogra-
phical Society in london vorgelegt bind, nicht ohne roan-
nkhfacho Hypothesen über die Natur und Bildung C«n-
tralanstmlienx , wie sie nirgends so bedenklich und trüge-
risch sind als in der Geographie Australiens.
Notes from H. M. Ships on sotne islands of the
South pacific ocean. Xautical Magazine, 1868,
August.
Oparo. Die Australinsel Oparo oder Rapa im
grossen öccan. Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde, Thl. 3, S. 175 f.
Oparo. Die Insel Oparo im grossen Ocean hIb
Kohlendepot und ihre Stellung unter das fran-
zösische Protectorat von Tahiti. Petermanna
Mittheilungen, 1867, Dezember und 1868, Juni.
Owhyheo, the port of Hilo or Wainkeanbay. Nau-
tical Magazine, 1868, August.
Rayn&l. Dixneuf inois aux lies Auckland. Bul-
letin de la Societu de Geographie, Thl. 15,
S. 468 f.
Schilderung des bekannten SihüVbruch« des Capitain
Musgrave an diesen Inseln von etoem Augenzeugen.
Petermann. Ein Flussdolta im Inneren von Au-
stralien und die 'neuesten Entdeckungen von
Warburton und deutschen Missionaren. 1866 und
1867. Petermann's Mittheilungen, Dezember
1867.
The reciprodty treaty with the Sandwich islands
os a measure of state and national politv. Nau-
tical Magazine, 1868, April.
Bericht der Handelskammer von 8. Francesco über
diesen Vertrug.
Roynold’a. On Midway or Brooks islands, Ocean
islands and Pearl and Hermes reefs. Xautical
Magazine, 1866, Mai.
Ridley. Kamilaroi, Dippil and Turubul lang tut ges,
spoken by Australian aborigines. Sidney 1866,
4«
Di« drei genannten Stämme «ahnen uro oberen Laufe
de« Flu»*«* Balun im südlichen Theile der Colonie Queens-
land.
Rouhaud. Les regions nou veiles, histoire du coui-
merce et de la civilisatiou au nord du l’ocenn
pacifique. Paris 1868, 8°.
Sandwich islands. Late volcanfc ernption. Nau-
tical Magazine, 1868, August.
Sandwich ialands. A sketch at Hawaii and so-
mething about the Mormons of the S. J. Xau-
tical Magazine, 1868, Mürz.
Sandwich islands. Tho S. J. , their annexation
to America, as viewed by the Natives and their
Government. Nautical Magazine, 1868, Juli.
Southland. The provinc* of S., a new field for
pastoral and agricutturial pursuits. Invirsargile
1868, 8®.
Taylor. The part and present of Newzealand
with its prospects for the future. London
1868, 8°.
The Volcano of Owhyhee. Xautical Magazine,
1868, Juni.
Walton. Projet de creation d’une colonie peni-
tentiaire aux nouv. Hebriden. Brüssel 1868, 8°.
Afrika.
(Von Professor R. Hartmann in Berlin.)
d’Abb&die, Arnauld. Douze ans dans la Haute-
Ethiopie (Abyssinie). Paris 1868, 8°. Tome I,
XJI. 616 8.
Schildert die Bewohner der Awolaa oder Niederlande,
der Woena-Degas oder mittleren und der Degas oder ab-
soluten Hochlande, nach ihren typisch«* Merkmalen.
Adams, W. H. D. Valley of the Nile; its torobs,
temples and monuments. London 1868, 8°.
224 S.
Ampöro, J. J. Voyage en Egypte et en Nubie.
Paris 1868, Tome XXIII. 583 S.
Schilderungen des altagypt Ischen Kastenwesens. Bemer-
kungen über die Kunst und den Getterdienst der Alten.
Annuairo du Senegal et dependances pour Pan-
ne« 1868. St. Louis 1868. 167 S.
Dies Blstt i>t stet« reichhaltig an ethnologischem Material.
Baker, Sam. Whito. The Nile Tributaries of
Abyssinia and the Sword Hunters of the llumran
Arabs. 3 4 Edition, London 1868, 8°. 572 S.
Knthiilt Schilderungen der äthiopischen h'omadenstämiiif,
namentlich der Haiurln.
Bakor, Sam. Whito. Die Nilzuflüsse in Abysai-
nien. Forschungsreisen vom Atbara zum blauen
Nil und Jagden in Wüsten und Wildnissen. Auto-
risirte deutsche Ausgabe von F. Stcger. 2 Bde.
8°. Braunschweig 1 868.
Digitized by Google
393
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Bailiiere, H. En Egypte, Alexandrie, Port-Said,
Suez, le Caire. Journal d’un Jou riete. Paria
1868, 8».
Beule. Dicouvert» a Cyrt-ne. Journal de« Sa-
vant?, Mai 1868. & 273—291.
Bisson, Comte B. du. Itinerairo chez les Bazen,
et de Kaasala ü So ui» kirn (1865). Bulletin de
la Socilte de Geographie, Juillet 1868. S. 5 — 19.
Der durch *ein«u utantcuurUchrii Zug nach Taka be-
kannte Verfasacr giebt im oben erwähnten Aufsätze einige
ethnologische Notizen ül»er die Ba»enn.
Brenner, Bich. Heine in den Galla-Ländern, 1867
— 1868. Vorläufige Mittheilungen. Petemiann’s
Mittheilungen, 1868, Nr. 5, Mai, S. 175 — 179.
Brenner, Bich. Forschungen in Ost-Afrika, Das-
selbe Nr. 10, October, S. 361 — 367.
Brennor, Bich. Derniers renseignements relatifs
ä l’expedition entreprise par le Baron de Decken
dans l’Afrique orientale. Annalea des voyagea,
Novewbre 1868. S. 161—172.
Verfasser giebt Nachrichten über die Somali und Galla
der östlichen Territorien. Derselbe hat einen «ehr Intelli-
genten Knaben, Djilo Ware KrUocnnvnrkn mit Namen, vom
.Stumme der Ktdoldu - Gala , mitgebracht , welchen er zur
Zeit in seiner Vaterstadt Merseburg erziehen lasst.
Bourguignat, J. B. Souvenirs d'une exploration
scientifique dans le Nord de l’Afrique. II. Etüde
geologique et pallontologique des hauts plateaux
de T Atlas entre Bogh&r et Tiharet, Paria 1868,
4°. Planche».
Census. ,Der erste Census in der Bay-Colonie,
März 1865. Petermanns Mittheilungen, 1868,
Nr. 1. S. 14—2$.
Ei befanden sich zar Angegebnen Zeit in der tolonic:
181 592 Europäer, 81 598 Hottentotten, 100 538 Kaffer».
132 655 Hiuauto* und andere Eingeborene.
Castilho, A. M. de. Deacrip^no o Roteiro da
Costa Occidental de Africa, desde o Cabo de Es-
partul atc ö das Agulhas. Lisboa 1866, 8°. C.
Cartag.
Chaillu, P. du. L’Afrique sau vage. Paria 1868,
8®. 412 S.
Französische Bearbeitung von du ChaillaV A»hnngo-
Land mit den» volUtilndigeu anthropologischen Anhänge
Owen**. Leider i*t eit» Theil der begleitenden Illast rn-
tionen durch alle möglichen, weit eher nach Norwegeu,
Indien und nach Li v in ge tone1« Forschungsgebiet als
nach Guinea pawmicn dicht1* verunziert. Die Verlngs-
handlung hat «ich hierdurch eine» wahren Plagiate« whul-
dig gemacht.
Champollion, le jeune. I^ettres ecritea d’Egypte
et de Nubie en 1828 et 1829. Nouvelle edition.
Paris 1868, 8».
Chapman, J. Travels in the interior of South
Africa; coraprisiug fifleen yearB huntiug and
trading experiences, joumey acroas the continent
from Natal to Walwich Bay, and visita to lake
Archiv, für Anthropologin. Il-J. HZ. lieft 8.
Nyami and the Victoria falls. London 1868,
2 Volume, 8®.
Reich an zoologischen Notizen. Messungen von Tliier-
körpern. In anthropologischer Hinsicht ziemlich
dürftig.
Cliorbonneau. Obeervations sur Porigine et la
formation du langage africain. Revue africaine,
Nr. 67, Janvier 1868. 8. 69 — 78.
„L’origine de Tidiome africain cat La langue arsbe pro-
preinent dite* 1
Cherbonneau. Excursion dann les ruines de Mila,
Sufevar, Sila et Sigus, pendant l’etö en 1863.
Constantioe 1868, 8Ü. 64 S.
(Extrnita de» Memolios de 1a Sociotä de Coustuntine.)
Daux. Etudes sur Utique et sc* environa. Me-
moire lu ä PAcademie des inscriptious dans ses
seances du moi» d’Avril. Compt. rend., Avril
1868. S. 148—177.
Duemiohen, Joh. Die Flotte einer ägyptischen
Königin aus dem XVII. Jahrhundert vor unserer
Zeitrechnung und ultägyptisches Militär in fest-
lichem Aufzuge auf einem Monumente derselben
Zeit abgebildet. Als ein Beitrag zur Geschichte
der Schifffahrt und des Handels im Alterthum-
Leipzig 1868. Querfolio. 21 S., 32 Tafeln.
Reich an ethnologischen Details Über Alliigypten uud
die Küstengebiete des rothen Meere* zu jenen fendiegen-
den Zeiten.
Duhouseet, E. Lea races Algerien »es; los Kaby-
les du Djour^joura, Memoire presente k l’Aca-
demie des Sciences, le 30 Mars 1868. Rlvue
des cours scientif«, Nr. 19, Avril 11. S. 308 —
312.
Anthropologische Arbeit über die sogenannten Kabylra,
welche den Intendanten, mit wutructiven Abbildungen
AusgRstatteton AutVotz de« vicJgewAndcrtcn Verfasser*
aber die groa.se Kabylio iin Tour du Monde ergänzt und
»ich dfrn Etudes vntiiropologiques sur soivnnte-seixe irnli-
gene# de l'Alg^rie des Dr. GH lebe rt d 'Hercourt in
Mem. de la 8oci$t£ Anthropol. 111. Band (1868), S. 1—
93. gut nnreihen lasst.
Dufeau, A. Fragment d’un recit do voyage dans
la Hauto-Nubie. Etudes rlligieuses, historiques
et litter. par des Peres de la Compagnie de Jl-
sus. Avril 1868. S. 453—481.
Verfasser »ehildert den mibitwhen Bcduinenslazmn dev
Abäbdeh, welche nach ihm eine besondere, zwischen Aegyp-
ten» und Arabern stehende Rare bilden tollen.
Ebers, G. Aegypten und die Bücber Moaes. Sach-
licher Commentar zu den ägyptischen Stellen in
Genesis und Exodus. Leipzig 1868, 8®.
Faulkner, H. Elephant haunt«; being a Sporta-
mans Narrative of the search for Dr. Living-
atoue. With sccnes of elephant, buffalo and hip-
popotamus hunting. London 1868, 8®.
JagdgctchicUtrn in Bai dw ln1 «eher Manier ohne wmen-
schaftlichcD Werth.
Feraud, L. Tournee dans la province de Con-
50
Digitized by Google
3Ö4
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
staDtine, 1867. Rüvue afric&ine , Kr. 67, Janv.
1668. S. 47—60.
Ethnologische Schilderung de* Staauon Abd-4-Nür.
Fritsch, Gust. Drei Jahre in Südafrika. Reise-
skizzen nach Notizen des Tagebuches zusammen-
gestellt. Mit zahlreichen Illustrationen nach
Photographien und Originalzeichnungen des Ver-
fassers u. s. w. Breslau 1868, 8°. 410 S.
Enthält riete Bemerkungen über die südafrikanischen
Eingeborenen, aovia eine Anzahl *chr gelungener Abbll-
dungen von Rncenportrlt», Gruppen u. «. w.
Godard, Ern. Egypte et Palästina. Ohsorvations
medical es et BcientiHques uv ec une preface pur
M. Chr. Robin. Paris 1867, 8°. XIU, 438 S.
und Atl. in 4°.
Abhandlungen über Krankheiten, Erziehung der Kinder,
die Helrath, geschlechtlichen Unfug, Eunuchen, Haremwc-
neu; kurze Beschreibung einiger Rocentvpen aus Aegypten,
Nubien und Sudan. Abbildungen der letzteren, obwohl
meist nur in l'mrisauianier darge*tellt , dennoch recht
brauchbar.
Gubcrnatis, E. de. Lottere sulla Tunisia, o spe-
cialmente sulla provincia di Susa e Monostir;
con aggiunta di due lettere nrcheologiche di Or.
Antinori. Firenze 1868, 16°. 382 S.
Hahn, Theopb. Da« Land der Ovaherero (Da-
mara). Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin, 1868.
Schilderung des merkwürdigen Gebietes. Die botani-
schen und zoologischen Notizen leiden mehrfach an Unge-
nauigkeiten.
Hanoteau, A. Poesie» populoires de la Kabylie
du Jurjura, texte Kabyle et traduction. Alger
1867, 1 Vol. 8*.
Horsten, O. Zur Völkerkunde Ost-Afrikas. Secl»-
tcr Jahresbericht des Vereins von Freunden der
Erdkunde, 1866. Leipzig 1868, S. 113 — 120.
ücber geistige Zustände und Sprache der Suaheli.
Linant, d© Bellefonds. L’Esbaye, pays habite
par les Arabes Bicharveh. Geographie, ethuolo-
gie, mines dfor. Paris 1868, 8°. Atl.
Schildert das physische und psychische Wesen derBcscluirin.
Mage, M. E. Voyage dans le Soudan occidentnl.
Paris 1868, gr. in 8°. XII. 694 8.
Ist reich an Bemerkungen über die ethnologischen Ver-
hältnisse West-Sudans, namentlich über die Damnntu, Ful-
lan und Kunta. Sehr instructire, schön autge-
führte Illustrationen.
Marietto-Bey , A. Fouilles oxe-cut^es en Egypte,
cn Nubie et au Soudan, d'apri-s les ordres de S.
A. le vice-roi d’Egypte. Tome II, Paris 1868.
Fol. 113 S. und 61 Tafeln. (Baud I erscheint
später.)
Beleuchtet unter anderen die interessanten Culturver-
bältnisse des von Tahorga gegründeten Aethiopenreiches,
im heutigen Dar-Schcgieli,
Markharn, CI. R. ()n the phyncal geogrnphy of
the portion of Abyssinia traverwd by english
expeditionary force. Athcnaeum, Nr. 2131. S.
279.
Nott and Gliddon. Types of Mankind: or Ktb-
nological Researches, baeed upon the ancient mo*
numerits, paintings, sculptures, and crania of ra-
oes etc. IX. edition. Philadelphia 1868, gr. 8*.
738 S.
Berücksichtigt namentlich die afrikanische und sehr
eingehend die altägyptische Ethuologie. Enthält viele
Auszüge aus 8. G. Morton’» hinterlassenen Papieren.
Niamniara, Land der, und die südwestliche Was-
serscheide de» Nil, nach den Berichten von C.
Pioggia und den Brüdern Poncet- Petermann’s
Mittheilungen, 1868, Nr. 11, S. 412—426.
Werthvolle Zusammenstellung «les über da» merkwürdige
Volk neuerlich bekauut Gewordenen. Freilich erscheinen
die „IJciiHeiguemcnt*“ des berüchtigten bklavenjägvr* J.
Poncet dabei am Höchsten und unbrauchbarsten. iHe ge-
diegensten Nachrichtcu Uber diesen Gegenstand ent halt uu-
x weilel halt der von i>r. A. Brehin in der Junisitzung
1868 der Ge*eU*chaft für Erdkunde zu Berlin gehaltene,
aus den Nachrichten von Th. v. Heuglin bearbeitete
Vortrag, weicher demnächst gedruckt erscheinen wird.
Oliyier, M. G. Recherche» nur l'oritrine des Ber-
beres. Bulletins de TAcadümie d’Hippoue, Nr. 5,
Bö ne 1868, 8®.
Macht den Versuch, die Berbern (Kabylen) mit den
Ariern in verwandtschaftliche Beziehung zu bringen!!).
Rassam, R. Narrative of the British Mission to
Theodore emperor of Abyssinia. London 1868, 8°.
Rohlfa, G. Von Magdala nach Lolibala, Sokota
und Antalo. Petermann’s Mittheilungen, 1868,
Nr. 9, S. 313—324.
Rohlfa, G. Der Aschaugi-See in Abywnnien. Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
1868, UL BcL, S. 229—232. '
Hohlf’s hier genannte Arbeiten cntluvlten zerstreute
ethnologische Bemerkungen.
Schmidt, F. Abriss der Schva-Galla-Grammatik.
Zeitschrift der deutschen Aiorgenl. Gesellschaft,
Bd. XXII, S. 225—248. Leipzig 1868.
Liefert nebst Heu rin nun'» GUtaaar der Tigre-Sprache
im VI. Jahresbericht de» Verein» von Freunden der Erd-
kunde zu Leipzig (IHtiÜ), daselbst 188«, S 31 — 111,
einen werthvollen Beitrag zur Kenntnis« der ostafrikani-
»chen Idiome.
Stern. The captive Missionary ; being an account
of onr imprisonment and suffering« in Abyssinia.
London 1868, 8°.
Die brutale Behandlung der europliachen Gefangenen
und der kurze Feldzug der Engländer in Abräumen haben,
wm? »ich Tornuaaehen liest, eine wahre Fluth von »eichten
Büchern berrorgerufen , au» deren keinem untere Wirrea-
, »chait auch nur den geringsten Vortheil zu ziehen vermag.
Am interessantesten sind in dieser Hinsicht immer noch
die »einer Zeit, d. h. in den Monaten December bi*
Mai 18ÜN in den llluslratcd London News erschienenen
Abbildungen, welche einige ethnologisch brnurhhare Typen
enthalten und jetzt in einer SeparutzusammensleHung von
•ler Redactiou der News zu bcr!c‘ien sind.
Trav.'l» in AbyBsiui« und the Galla country. Kdi-
Digitized by Google
Verzeichntes der anthropologischen Literatur. 395
ted frorn the U» of the late Walter Plowden,
by his brother#T. C. Plowden. London 1868,8°.
Reiscmemoirrn de* bekannten weiland Lika-Jlrnkua* von
König Thexlrü*-Ka*n von Harsch, ohne wissenschaftlichen
Werth.
Wilkinson, T. On tlio natives of Madagascar.
Journal of the Anthropological Society, VoL V,
1867. S. CLVI - CUX.
Wood, J. G. The natural history of man. I VoL,
Africa. London 1868, gr. 8°. V1IL 774 S.
Viele, zum Th eil gaas brauchbare Illustrationen. Text
wenig Bedeutung.
Young, £. D. The aearch after Li vingstone; a
diary kept during the inveetigation of his repor-
ted murder. Re vis. by the Itey. H. Waller. Lon-
don 1868, 8°.
Amerika.
(Von F. v. Hellw&ld.)
Agassiz. A Jouroey in Brazil. Boston 186D, 8°.
540 Sn 6. edition.
Apache Rate, The. (Overland Monthly. San Fran-
cisco, September 1868.)
Appun, C. F. Unter den Guaraunos - Indianern.
(Ausland, 1868, Nr. 34, S. 793—796, Nr. 38,
S. 801 — 897.)
Lebhafte , anziehende Schilderung von ethnographischem
Wert he der Lebensweise, Sitten und Gewohnheiten der
Guaraunos-Imlianer.
Appun, Carl Ford. Aus dem Leben der Neger
in Britisch-Guyana. (Globus, Bd. XIV, S. 301 —
304.)
Schildert den Zustand der Neger in Guyana vor und
nach Aufhebung der Sklaverei. Appun hat mehr denn
20 Jlihre im nördlichen Südamerika gelebt.
Auswanderung, die deutsche, nach Brasilien. (Bei-
lage zur Allg. Ztg., 1869, Nr. 52.)
Befürwortet lebhaft die Au» Wanderung nach SüdbraM-
lieti und betont, eich auf Tschudl’s Reisewerk stützend,
das« Brasilien das einzige Land sei, wo bis jetzt der
nuftwandernd« Deutsche »'ine Nationalität rein erhalten
habe, während sowuhj in den Vereinigten Staaten al» in
Australien sich dieselbe ungeheuer rasch ^zersetzt.
Biahop, N. H. A ThouüAnd Mi) es Walk across
South America. With Introduction by E. A Sa-
muels Esq. Boston 1868, 12°. 310 S.
Blatenaky, Jdn. Obrazky Ruska. (Bilder aus
Russland), böhmisch. Prag, B. ßtyble, 1868, 8°
78 S.
Boiler, H. A. Among the Indians; cight yeara
in the Far West, 1858 — 1866. Embraring sket-
chcs of Montana aml Salt Lake. Philadelphia
1868, 8« 428 S„ 1 Karte.
Boylo, Fr. A Ride across the (Kontinent, a perso-
nal narrative of wanderiugs through Nicaragua
and Costa Rica. I«ondon 1868, 8°. 2 Bände,
620 S.
Ein Auszug des WhttenswUrdigsten aus diesem Buche
siehe; Ausland, 180«, Nr. 21. 3. 481—485; Nr. 32,
8. 519—524.
Brackenridge , H. M, Recollections of Peraons
und Placcs in the West. Philadelphia 1869, 12°.
331 S.
Brasaour, Charles Etienne, de Bourbourg. Q untre
lettros hut le Mexique. Exposition abeolue du
Systeme hieroglyphique mexicain. La fin de l'Age
de pierre. Epoque glaciaire temporaire. Com-
menceinent de Tuge de bronze, origines de la ci-
vilisation et des religions de l’antiquite , d’apres
le Teo-Amoxtli et d’autres documents mexicaiua.
Paris 1868, 8°. 483 S.
Wir haben uns viel zu lange mit Specialstudien Uber
altamerlkamsvhe Urgeschichte beechaftigt, um uns die
Gelegenheit entgehen zu lassen, fiter das vorliegende Werk
einige Worte zu sagen. Andrerseits mochten um unsere
persönlichen Beziehungen zum Verfasser eine derartige
Besprechung bedenklich erscheinen ln*sen; doch handelt
e* sich liier um ein Thema von solcher Tragweite, dass
alle anderen Rücksichten dagegen verrtummcu müssen.
Wir gleich im Vorhinein erwähnen, dass unsere Ansichten
uiit jener de» Autors in diametralem Widerspruche »leben.
Wir haben uns stets für da» Autochthonrnthum der Cr-
Amerikaner ausgesprochen und keinen Beweis des Gegtn-
theils kräftig genug gefunden , um unsere Ansicht zu än-
dern. Weder Jacob Krüger, welcher Amerika als eine
wotasiatischc Colooie betrachtete, noch Hsug, der eine
javanische Sage von Zertrümmerung eines Continentes
aufgriff und vermut h et«, dass im Vatcrlnndc der Ba-
nane das älteste Verbreit ungssystera der Menschheit zu
erkennen sei, noch Daumer, der rothe Juden aus einem
Ur- und Originalägypten in Amerika kommen lässt, noch
schliesslich die Bemühungen (PalJUwuna), die biblischen
Ueberlieterungcn mit den Thatsaclieii in Ueberetasttmtnung
zu bringen, konnten onc befriedigen. Auch Abbe Bras-
seur timt die» nicht, indem er den Spie«» umkehrt und
nunmehr die Heimatl* unserer abendländischen Civilbalion
in Mexico sucht. Wir stehen den Pariser Verhältnissen
zu nahe uro nicht zu wissen, da» der Abbe in vollem
Rechte ist, wenn er die Unabhängigkeit seiner Arbeiten
betont , denn dort hat »ich langst die wissenschaftliche
Welt von ihm kopfschüttelnd ab^ew endet; wir wissen auch
wie e* dem übrigens gänzlich unbemittelten Antor mög-
lich ist , so umfangreiche Werke w ie das vorlfcgend« er-
scheinen zu lassen . wir sind auch gerne bereit nnzuerken-
nen, das» Abbe Brasseur unbedingt zu den ersten Spe-
ciaüstrn der Gegenwart über ceatralamerikaabche Dluge
gehöre und diu»» dir Wissenschaft ihm für Vieles zu tie-
fem Danke verpflichtet ist; nichtsdesto w >• n igrr müssen wir
e» bedauern, das» seine Nt adieu eine Richtung «inge*chla-
gen hnben , welche zu keinem Resultat« führen können.
Auch ist Brasseur in* Irrthuiue, wenn er meint der
Erst« zu sein, welcher die Behauptung eine» amerikanischen
Ursprungs unserer Cultur anfgestellt hat; Oberst Galiudo
hat schon lange vor ihm MitteUmenka für die wirkliche
Wiege der Ovillsation erklärt ; die«* ist , nach ihm , aus
Central aiuerika auf China und von dort weiter nach Wester,
hin, zuletzt auf Europa überlangen. Natürlich ist er
den Beweis hierfür schuldig geblieben. Nicht viel besser
50*
Digitized by Google
3‘J6
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
macht e* Brasseur. Kr glaubt entdeckt zu haben, dosa
die Sagen von den alten mcxicaniwlicn Göttern und Helden
mit den Umwälzungen unsere* Erdballes in innigstrr Ver-
bindung stehen, dass diese Sagen aller Cultunülker die-
selbe Bedeutung wie die Mexieanischeu hüben und von
den Amerikanern auf die übrigen übergegntigen sind. Zu
diesem Schlüsse gelangt er, indem er den Worten de»
s<hon mehrmals ödirten , auch übersetzten meiicanisrhcn
Teo - amoztli einer andern als den offenbaren Sion unter-
legte. Dass die» eine rein willkürlich« Annahme ist, liegt
auf flacher Hand. Den Anhang zu diesem Werke bilden
vier »pieee* jnatiHcativea“: ein gedräugter Auszug der
Geschichte der Sündrtuth in französischer und Nahuatl-
Sprache , kurze geologische Erläuterungen von St« Claire
Dcvillc zur mezicaniscben SUndriuth, ein Brief Catlin’s
über yucatekisebe Monumente , endlich eine sehr Interes-
sante Sammlung alter Gesinge der Indianer in der nord-
amerikanischen Union. Dn* Buch ist im Uebrigen treff-
lich geschheben und — sicht man von den besprochenen
Grundirrthiimern ab * — in hohem Grade intcrciaant.
Brett, Rov. W. H. The Indian tribes of Guiana,
their condition# and habita; vrith rcsearche# in(o
their past history, Superstition#, legends, anti-
quitiea, language«. London 1868, 8°.
Briefe aus Alexico. (Beilage zur Allg. Ztg., 1869,
Nr. 6.)
Schildert die gegenwärtige Lage des Landes unter der
republikanischen Regierung dr« Juarez and zeigt, wie sich
dieselbe nicht nur nicht verbessert, sondern verschlimmert
habe, seitdem Mexico sich wieder selbst überiaweo. Die
Ursache hiervon iat lediglich in den Kuccneigenlbümlich-
keiten der Bevölkerung zu suchen.
Brinton, Daniel G. The Myths of the New World;
a Treatiae on the Symbolisiu and Mythology of
the Red Race of America. New- York 1868, 8tf.
Dieses elegant ausgestattete Werk beschäftigt sich aua-
tckliesslich mit den religiösen Ideen jener ruthen Rnce,
welche täglich immer mehr und mehr dahiiwrhwindet; es
führt uns den Ursprung und die Entwicklung dieser Ideen
vor; die ersten Not ioneu von der Seele und von Gott, ihr«
Entstehung und ihren Zweck, warum so gewisse Dinge
Symbol# wurden und beinahe bei jeder Race mit denselben
Ideen vergesellschaftet Vorkommen. Die Reibenfolg« der
Capitel die-es sehr intere«*auten Buches ist: Betrachtun-
gen über die rothe Race. — Die Gottesidee. — Die hei-
ligen Zahlen, ihr Ursprung und ihre Anwendung. — Die
Vogel- und Schlnngrnsymbole. — Die Wasser-, Feuer- und
Gewitter- Mythen. — Die höchsten Gottheiten der rothen
Race. — Die Schöpfung*»)- then , Sündfluth. Xuture|K>chen
und letzter Tag. — Der Ursprung des Menschen. — Die
Seele und ihre Bestimmung. — Das eingeborne PriMter-
thuin. — Der Einfluss der Naturreligion auf das morali-
sche um! sociale Leben deT Race. Die Entwicklungen des
Autors sind leicht verständlich, ruhen auf wissenschaft-
licher Ham* und sind von jenen frömmelnden Anschauun-
gen frei, welche amerikanische Bücher oft ungenießbar
machen.
Broadhead, G. C. Ancient Graves in Pik« County.
(Traneactions of the Academy of Science of St.
Loui», Yol. II, Nr. 2.)
Browne , J. Ross. Adventurea in the Apache
Country: a Tour throngh Ariroun and Nevada,
with Notes on the Silver Regions of Nevada.
New- York 1869, 12«. 535 S.
Burton, Richard. The Highlands of the Brazil.
London 1869, 8°. 2 Bde.
Wenn Immer ein neue* Buch von Burton erscheint,
verdient es Beachtung. Der gegenwärtig» britische Consul
zu Rio hat es verstanden , «einen Anrichten ein« unter
Engländern so seltene Unabhängigkeit zu wahren und
nimmt schon dieserhaJb einen geachteten Rang eiu. Audi
in den vorliegendeu zwei Bändeu kommen «eine Opposition
gegen das ChristenÜium, seine Apologie des Mohamedanis-
inus, der Polygamie, der Neger*klaverci und besonders »ein«
Geringschätzung des Negers hier und da zum Durchbruche.
Als Uuterhaltungslfctlir« wird das Werk indes» kaum gel-
ten können noch wollen, denn es ist im Ganzen genom-
men dazu doch zu trocken, zu statistisch und zu weitläu-
fig; der Mann deT Wissenschaft wird hingegen darin eine
reiche Kundgrube solider Belehrung finden, denn Burton
beobachtet scharf und aufmerksam; auf das was er sagt,
ist Verlass zu haben. Der erste Band dt» Buche# be-
schreibt eine Reis« durch das brasilianische Hochland uadi
der roinenreicheo Provinz Miuas-Geraes , der zweit« eine
Kahrt den ganzen grossen .Süo Francisco hinunter.
Auch Bur ton spricht für die europäische Einwande-
rung in Brasilien; er eAriärt die brasilianischen Hochland«
für ausserordentlich gesund und hebt mit besonderem
Nachdruck die Vortheiie hervor, welche die dortigen klel-
ucn Ortschaften dem europäischen Einwanderer gewähren;
ferner belehrt er uns, dass die Deut sehen, von denen wir
meinen sie allein erwählen sich Brasilien als neue Hri-
malh, nur eiuen verschwindenden Bruchthcj) der Einwan-
derer bilden. Au zahlreichsten strömen Portugiesen und
Xordamerikuner au» den SUdsta&ten zu uud selbst die Eng-
länder stellen noch ein stärkere» Coutingent als die Deutschen.
Charoncoy, H. de. Affinite# de quelques legen-
des americain es avec cellee de Pancien monde.
Paris, Bouchnrd, 1868, 8°.
Credner, Dr. Herrn. Aus den Urwäldern am
Obern See in Nordamerika. (Globus, Bd. XI Y,
S. 234—236.)
Enthält ethnographische Notizen über die Chippeway-
Indiaaer.
Cromony, J. C. Life among the Apache*. San
Francisco and New- York 1869, 12°. 322 S.
Dixon, W. Hepworth. Neu Amerika. Nach der
siebenten Originalauflage aus dem Englischen
von Richard Oberländer. Jena 1868, 8*.
Obwohl in die Form eine« Romans gekleidet, verdient
dieses Buch in holiem Grade die Auiiaerksurakrit de« Eth-
nographen , dn der Autor uns eben mit jenem Thrile drr
Xoniamerikiinrr bekannt macht, welche» andere Schilderun-
gen weniger berücksichtigen. Die Mormonen, Zitterer,
Bilielcommuntstrn und Spirituellsten sind es besonder»,
deren Geistesleben Dixon uns Vorfahrt und mit rid An*
muth und Wärme beschreibt. Auch au scharfsinnigen
Bemerkungen fehlt <•* nicht. Bedauerlich bleibt, das« di«
Uebcrsetzung nicht den Anforderungen entspricht, welche
zu stellen dus Publicum berechtigt iat.
Eastwick, E. B. Venezuela; or Sketche# of Life
in a South-American Republic; together with a
hiatory of the loan of 1864. London 1868, 8°.
430 S., mit 1 Kart«.
Engel, Fr. Mitthoilungen über Venezuela. (Glo-
hua, Bd. XI V, S. 114 — 119, 145—148, 184—
186.)
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 397
Benchteuswerthc Beiträge zur Kenntnis» der socialen
und ToikswirtbecliuiUkben VsrhBtniw. Die aus den
Rmw* und Mi»rhu!igsreriiältni*»rn entupringende Verkom-
menheit der Zustande wird auch hier wieder klar.
Explorations in Peru. (Frank Iseslie’s Illnstrated
Xewspaper. New- York, March 21, 1868.)
Bericht über die Erforschungen Sijuicr’s.
Gabriac, de. Promenade ä travers l’Amerique du
Sud, Nouvelle-Grenade, Equateur, Perou, Bresil.
Mit Sorten. 'Poris 1868, 8°. 810 S.
Goering, A. Ausflug nach den neuen Guacharo-
Höhlen in der Venezuelanischen Provinz (’uinana.
(Globus, Bd. XIII, S. 161 — 167.)
Im Juni 1867 betuchte Anton Goering am» Altenburg
dieee, einige Tagereisen von Corlpe entfernten Höhlen;
seiner vorllegendeu Beschreibung fugt er zwei Abbildungen
bei. Er fand dort in zahlloser Meuge die seltsamen Gua-
chnro« (Stcatomi# cnriprn.n»*).
Goldgräber und Indianer in Nordamerika. (Glo-
bus, Bd. XIV, S. 197—200.)
Schildert unter anderem die Stimme de« Dacotah Volkes
und die l’rairie-Indianer.
Hailly, Ed. du. Six-mois ä Terre-Neuve. „Re-
vue des deux mondes“ , 1868, Tome LXXVI,
pag. 948 — 972.
Hellwald, Friedrich von. Zur Geschichte der
lateinischen Race. (Beilage zur AUg. Ztg„ 1869,
Nr. 2,3, Hauptblatt 4, Beilage Nr. 24, Haupt-
blatt 25, Beilage Nr. 61, 62, 115, 117.)
Bemüht »Ich die historische Entwicklung der romani-
schen Volker aus Ihrer Racenanloge zu erklären.
Helms, Henrik;. Grönland und die Grönländer.
Eine Skizze aus der Eiswelt. Leipzig, Fritzsch,
1808, 8»
Du* Buch beschäftigt »Ich fast aufurliliesslich mit den
socialen und »ittlkbcu Verhältni*#en der Grönländer iu
ihrer heidnischen Zeit, der Mission geschieht nur beiläufig
in anerkennender Weise Erwähnung. Die VolkssitUni sind
hübsch geerhildert; auch die Entdeckung und Colonisirung,
sowie die physische Beschaffenheit des Landes kurz dar-
geatellt.
Hotao, Friedrich, Hauptmann. Land und Volk
in Mexico. (Oesterr. Militärische Zeitschrift von
V. R. v. Strefflcur, Mai 1868, S. 214—237.)
HuuptuiHjin Hotze hat unter dem meziennischen Kaiser-
reiche de« Rang eine* Oberstlieuteimnt* bekleidet nnd halte
in Folge vielfacher Verwendung Gelegenheit das metica-
nische Volk in all »einen Schichten und . in den verschie-
densten LaodestheUen zu beobachte«. Er giebt hier in
schlichten Worten eine ziemlich iiusluhrlkhc Charakteristik
der Bevölkerung und ihrer einzelnen Gassen, ohne jedwede
Voreingenommenheit, ohne jede politische Nebenabsicht.
Die Charakteristik i*t in eminentem Grade wahr uud kann
daher von Jedem mit Nutzen gelesen werden.
Hutchinson. The Tehuelche Indiam ofPatagonia.
The Transoction« of the ethnoiogical Society of
London. New series, Vol. VII, 1869, S. 313.
Indianer -Kriege. (Beilage zur AUg. Ztg., 1869,
Nr. 101.)
Diese# Thema gehört ganz und gar t*>» Gebiet der Eth-
nologie; der aus San Francisco, Juuuur 1861t datirte, kurze
Aufsatz bringt interessante Einzelnbeiten und wchliesst wie
folgt; „Die weisse Race ist einmal zum Herrschen gebo-
ren , sie sieht in den Andersfarbigen ein untergeordnetes
Wesen , Vermischung kann nur ausnahmsweise dvilixircn-
den Einfluss ausüben, das .Schicksal der Eingebomeu Ame-
rika* atehl im schwarzen Ruch, uud wie sie längst von
den westindischen Inseln verschwunden, so wird der grosse
Continent ihnen bald auch keine Heimstätte bieten können.
Johnson, H. C. Ross. Long vacatioq'in the Ar-
gentine Alps; or, where to seltlo in the River
Plate States. London 1868, 8°. 188 S. mit 1
Karte.
Kirchhoff, Theodor. Streifzüge in Oregon. (Glo-
bus, Bd. XV, S. 10—13, 44 — 48.)
Enthält unter Anderen Notizen über den in Oregon
herrschenden vernichtenden ltacenkrieg zwischen Wrjssen
und Roth häuten, besonder» den Snakes-Jndianern.
Kroysaig, F. Amerika nach dem Bürgerkriege.
„Salon“ , Bd. II, 1868, Heft VIII, S. 192 ff X,
8. 430 ff. XII, S. 690—698.
Krieg, der, mit den Prairie- Indianern Nordameri-
kas. (Globus, Bd. XIV, S. 161 — 170.)
Behandelt recht ausführlich die Stellung der Indianer
gegenüber den Wehten, die bestehenden unversöhnlichen
Contlicte, sowie Anlage und Begabung der Prairiestäiuine.
Auch die Ursocbeu de» Ausrotlungskricgea werden er-
örtert.
Lifo in tbe Argentine Republio. (Patnam’s Month-
ly Magazine of Literatur«!, Science, Art and Na-
tional Interest«. New-York, November 1868.)
Lyoeum of natural history. (The American Athe-
nacuin. New-York, 11. April 1868.)
Enthält einen Vortrag Squier’s Uber seine Forschungen
in Bern.
Mac Sherry. Essays and Laetare«; Early hiatory
of Maryland, Mexico etc. Baltimore 1869, 8®.
125 8.
Mantcgazzn, P. Le colonie europee nel Rio della
Plata. (Estrntto daUaNuova Antologia.) Firenze
1868, 8®. 24 S.
Marco y , Paul. Voyago a travers PAmerique du
Sud, de TOcean Pacifique a l'Ocean atlantique.
Paris, Hachette, 1869, 4U. 2 Vol.
Monschenraoen. Die vier Menschenracen der neuen
Welt. (Petennann’a Geographische Mittheilun-
gen, 1868, S. 96—97.)
Nach Hepworth-Di xon's auch ethnographisch wichti-
gem Romane; New America.
Mohr, Ed. Reise* und Jagdbilder aus der Süd-
see, Californieu und Südost - Afrika. Bremen
1868, 8«.
Aus der Weser-Zeitung besonder* nbgcdruckL
Mormons, Life among the Morroons and a march
to their Zion. With a chapter on the Indians
of the plaina and the mountains of the West
By an Officer of the United States Army. New-
York 1868, 12°. 234 S.
Digitized by Google
398
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Faoz, Don Bamon. Travel* and Adventares in
South and Central America. New- York 1869, 8°.
Patino, Liout. D. Journal d'un voyage pur le
Parana entre Tlncarnation et la Cataracta de
Guayra. (Bullet, de la SocietiS de Geograph, de
Paris, Auguat 1868, S. 113 — 139, Octobor, S.
364—388.)
Ausführliche Beschreibung dieser 1883 vom Verfasser
ezplorirteu Fluasatreeke mit Verdolmetschung der einhei-
mUchen Namen, Notizen über die Indianer, einem kleinen
VocjiLular einer Indianeraprsche.
Plaasard, Dr. L. Les GuAraunos et le delta de
1‘Orünoque. (Bullet de laSociete de Geographie
de Paris, Juni 1868, 8. 568 — 592.)
Die Guoraono», etwa 10QO0 bis 12000 Köpfe stark, cob-
centriren »ich hauptsächlich auf das Oreuoco - Delta , sind
ein Fischer- und JÜgervolk und sprechen eine Sprache,
welche von denen der Nachbarvölker stnrk abweicht.
Porter, T. C. Indian figuree cut on Rocks. (Pro-
oeedings of thu American Philosophicol Society.
Philadelphia 1868.)
Röpubliquo Argentine, la. Documenta ofßciela,
Population, Immigration, colonien agricolee, con-
cessions de terrains, chemine de fer. Paris 1868,
8®. 22 S.
Rio Grande do Sul. Die eüdbraailianhcbe Pro-
vinz Rio Grande do Sul und die Einwanderung.
(Globus, Bd. XV, S. 74—75.)
Auszug ans einer statistischen Abhandlung der zu Porto
Alegre erscheinenden Deutschen Zeitung.
Rost, Rudolf. Die Dakotahsprache. (Globus, Bd.
XIV, 8. 273—275.)
Nach der Grammatik von von der Üabelcotz.
Schiictz, D. v. Zur Ethnographie von Peru. (Glo-
bus, Bd. XV, 8. 141—145.)
Bespricht Neger, Mischlinge und Chinesen.
Schultz, Woldem&r. Natur- und Cultnrstudien
über Südamerika und seine Bewohner, mit be-
sonderer Berücksichtigung der Colouisationsfrage.
Dresden 1868, 8°.
Diese» nachgelassene Werk des bei Sadowa gefallenen
Forscher» ist für die Ethnographie Brasiliens von ausser-
ordentlichem Belang, zeigt von tief eingehenden linguisti-
schen Kenntnissen und gipfelt in dem Satz«, dass die bra-
silianischen Indianer civUiaationafilhig »lud.
Semalld Hdnö de. Note sur les Indiens de l’Am6-
rique du Nord. (Bulletin de la Society do G4o-
grapliic de Paris, 1868, VoL II, S. 307.)
Hiernach wird die indianische Bevölkerung der Vereinig-
ten Staaten auf 347 '643 Köpfe geschützt.
Sproat, G. M. Scenes and studies of^Svage life.
London 1868, 8°. 330 S.
Enthält ungemein schätzet»* erthe Mittheilungen Uber das
kleine Volk der Aht au der Westküste der Vancouver*
lnsel. Auch bei Ihnen macht sich eine beträchtliche nu-
merische Abnahme bemerklicb, so das» auch sie dem Un-
tergänge geweiht erscheinen. Die Verunstaltung des Schä-
dels in der Kindheit wird bei den Abt auch, obschon
nicht allgemein geübt; desgleichen ist die Sklaverei ein
von jeher heimisches Institut bei den Vancouver-Insulanern
und tritt dieselbe auch heute noch ln »ehr harter Form
bei ihnen auf.
Südbraallien. Aus Südbrasilien. (Wissenschaft-
liche Beilage der Leipziger Zeitg., 1869, Nr. 6.)
Behandelt die deutschen Colonien Südbrasilien», l-eson-
ders Blumenau und Joinville in der Provinz Santa Catha-
rinn, mit Benützung von Tschudi’s Reisen in Südame-
rika und Professor W. Koner’* statistischen Notizen
über die deutschen Colonien evangelischer Canfesaion in
Südamerika (im dritten Bunde der Zeitschrift der Gesell-
schuft für Erdkunde in Berlin).
Tschudi, J. J. y. Reisen durch Südamerika. Leip-
sig 1868, 8°. 4. und 5. Band.
Siehe: Globus, 1889, Bd. XV, S. 119—122; „Ausland“,
186», Nr. I».
Whympcr. Uusaian America or „Alaska“, the na-
tives of the Youkon river and adjacent country.
(Transactions of the ethnological Society of Ix>n-
don. New ecries, VoL VII, 1869, S. 167.)
Zeltner, A. de. La ville et le port de Panama.
Paris 1868, 8°. 16 S.
Zustände in den La-PIata- Staaten. (Beilage zur
Allg. Ztg., 1869, Nr. 71 )
Aus den Vorträgen de» Dr. G. A. Maack, gehalten im
Chnnisrheo llörsaale zu München.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
399
IV.
Zoologie
in Beziehung zur Anthropologie.
(Von L. Rütimcyor.)
Agassis. De l’espece et de la clasrification en 7.00-
logie. Paria 1869, siehe oben Referate, Nr. 1.
Bastian. Das Thier in seiner mythologischen
Bedeutung. Zeitschrift für Ethnologie, ßd. I,
Heft 1, S. 45.
L. Büchner. Sech Vorlesungen über die Darwin-
sche Theorie von dor Verwandlung der Arten
und die ernte Entstehung der OrgamemenwelL
sowie ttbor die Anwendung der Umwandlungs-
theorie auf den Menschen, das Verhältnis» dieser
Theorie zur Lehre vom Fortschritt und der Zu-
sammenhang derselben mit der materialistischen
Philosophie der Vergangenheit und Gegenwart,
ln allgemeinverständlicher Darstellung. Leipzig
1868.
Frohachammer. Uebcr Darwin’s Theorie , in
dessen Schrift: Christenthum und moderne Na-
turwissenschaft. Wien 1868.
Haeckol. Natürliche Schöpfungs - Geschichte. —
Stammbaum des Menschengeschlechts, siehe oben
Referate, Nr. 4.
Haeckol. Ueber Arbeitsteilung im Natur- und
Menschenleben. (Mit Titelkupfer und Holzschnit-
ten.) Hell 78 der Sammlung gemeinverständ-
licher wissenschaftlicher Vorträge von R. Vir-
chow und Fr. v. lloltzendorff. Berlin 1869.
Hartwann. Studien znr Geschichte der Haus-
thiore. Zeitschrift fllr Ethnologie, Bd. I, Heft 1,
S. 66, 1866.
IsokofT, Note sur l’existence do TAurochs ou Bi-
son d'Kurope dans leg montagnes du Oaucase.
Annales des Sciences naturelles, ö*0 serie, Zoolo-
gie, Tome IX. S. 91. (Siehe unter Noll.)
G. Jäger. Die Darwinsche Theorie und ihre Stel-
lung zu Moral und Religion. Stuttgart 1869.
NolL Der Anerochs (Bos Bison) des Kaukasus.
(Zoologischer Garten, IX. Jahrgang, Nr. 6, Juni
1868, 6. 216.)
Ist identisch mit dem littbauis* hen. Der Bison hat
also ein zweites Asyl; i*t rin Fichtenwald heim
Flrrken Atzikhar im Bezirk Zelentscbeek. Die Hctrdc be-
steht aus circa 1*0 StUck.
Owen, Rieh. Anatomy of vertebrales, Vol. III.
London 1868. Siehe oben Referate, Nr. 2.
Fr. Pfaff. Die neuesten Forschungen und Theo-
rien auf dem Gebiete der Schöpfungsgeschichte.
Frankfurt 1868.
W. Preyer. Der Kampf um da« Dasein. Ein po-
pulärer Vortrag. Bonn 1869.
Oie»«-, und G. -Jäger1 s (*. vorstehend), zwei trefflich ge-
schrieben# Schriften, welche von einem durchaus richtigen
Verständnis* der Darwinschen Lohre ausgehend — die
eine, deren Einfluss auf ethische, die andere auf sociale
1 Gebiete verfolgend — alte Aufmerksamkeit verdienen, in-
dessen einer einlässlichen Besprechung sich in einer nur
wissenschaftlichen Zwecken gewidmeten Zeitschrift ent-
ziehen.
Dr. Aug. Wolamann. Ueber die Berechtigung
der Darwinschen Theorie. Leipzig 1868.
Eine sehr klar gehaltene Besprechung der Leistungen
von Darwin1!« Theorie nebst einem Anhang über >!or.
Wngneris „MigrntionsgeseU“. (Siche den Literaturix*-
rieht in Heft II, I8Ü8, S. 1£4.) Darwin ’s Verdienst
besteht nicht in der Aufstellung der Lehre von der D*-
scendenz oder Transmutation der Orgnniaineu ; diese oder
d>e Lehre von der Variabilität der Arten au die Stelle der
»lteu Schöpfungshypothese gesetzt zu haben , die von der
UnvrräudcrUchkeit der Arten aosgebt, ist das Verdienst
von Lnmarck and Geoffroy. Was Darwin that,
ist für di« Variabilität der Arten eine andere Erklärung
gegeben zu haben, indem er, statt der äusseren Lebensbe-
dingungen, welchen Lninarck und Geoffroy den tnodifi-
eireuden Einfluss zuschrieben, seine Theorie der natür-
lichen Züchtung, also an die Stelle eine* Susaern — ein
inneres Motiv setzte. Sie leistet somit für die Transmutations-
hypothese «las, was das Newton'sche Gravitationsgesetz für
die Oopernicauische Lehre von der Bewegung der Ge-
stirne um die Sonne leistete, lu beiden Fällen ist somit
nur eine natürliche Hypothese für die richtiger beurtheilte
Erscheinung gegeben, noch keineswegs der letzte Grund
der Erscheinung biosgelegt. Allein der Wissenschaft vom
organischen Leben, die auf Boden der alten Schopfnng»-
hypotheac ihre Aufgabe, die Beschreibung der geschallenen
Formen nahezu erfüllt hatte, ist eine Zukunft, erst auf-
gfthan.
Bezüglich der Schrift von Mor. Wagner, erkennt
Weisbach vollkommen an, dos» die Wanderung und Iso-
lirung der Organismen einen wichtigen Factor für die
Variation der Art nusmachpn , doch ist die» w eder neu
noch bestritten; allein zudem wurde eine Ra et» weder blo*
durch Wanderung erzeugt, noch reicht Wanderung für sieb
allein aus, um eine Art zur Abänderung zu zwingen.
Migration begünstigt und begrenzt die Abänderung, allein
Digitized by Google
400 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
gjc vermag nicht, für die natürliche Züchtung eine wei-
ter zurückliegende Unterlage zu bieten.
M. Wileken* (»nf Fogartb in Bchlosion). Dar-
win'« Theorie in Beziehung zur landwirth-
echaftlichen Thierzucht, 1866.
Der Verfasser, bekannt nicht nur als praktischer Thier-
züchUr, sondern auch als Mitarbeiter an mehreren diesem
Gebiet gewidmeten Zeitschriften, unterwirft Darwin1«
Theorie einer Prüfung und kommt zum Schluss, dass die
laudwirthschaftlkheu Beobachtungen und Erfahrungen die
Darwinsche Theorie nicht unterstützen. (Ein Ergebnis«,
das dem Referenten gTüwtentlirils daher zu rührt-n scheint,
dass der Verfasser weniger Darwin1* eigenen Gedanken-
gang, der überdies mehrfach entschieden missverstanden
ist, als gewisse auf Darwin — zum Tbeil wohl aller-
dings mit Unrecht — ■ sieb stützende Theorien in der prak-
tischen Thierzucht bekämpft.)
V.
Allgemeine Anthropologie.
Baltzor, Dr. J. B., Professor in Breslau. Ueber
die Anfänge der Organismen und die Urgeschichte
des Menschen. Fünf Vorträge zur Widerlegung
der von Professor Dr. Carl Vogt zu Breslau ge-
haltenen Vorlesungen über die Urgeschichte des
Menschen. 8°.
Campbell. Note on the late Mr. Crawfurd’s pa-
per on the migr&tion of coffee, ton. (Transact.
of the ethnologic&l Society of London , Vol. VII,
new aeries, 1869, *8. 207.
Crawfurd. On the history and migration of tex-
tile and tinetorial plante in reference to Ethno-
logy. (Tranaactions of the ethnological Society
of London, Vol. VII, new seriös, 1869, S. II)
Crawfurd. On the history and migration of cul-
tivated narcotio plante in reference to ethnology.
(Transactions of the ethnological Society of Lon-
don, VoL VII, new seriös, 1869, S. 78.)
Crawfurd. On the history and migration of cul-
tivated plante yielding intoxicating potables and
oiL (Transactions of the ethnological Society of
London, Vol. VII, new series, 1869, S‘. 92.)
Crawfurd. On the history and migration of cul-
tivated plauts producing coffee, tea, cocoa- (Trans-
actions of the ethnological Society of London,
Vol. VII, new series, 1869, S, 197.
Crawfurd. On the theory of the origin of ape-
ciee by natural selection in the gtruggle for life.
(Transactions of the ethnological Socioty of Lon-
don, Vol. VII, new series, 1869, 8. 27.)
Davis, B. Anthropology and Ethnology. Anthro-
pological review, Oetober 1868, Nr. 23, 8. 394.
Howorth. Some c hange« of surface affecting an-
cient Ethnography. (Transactions of the ethno-
logical Society of London, VoL VII, new series,
1869, S. 134.)
Hunt. On the localisution of the functions of the
brain with special reference to the faculty of
language. Anthropological reriow, Oetober 1868,
S. I, Januar 1869, S. 100r
Jaeger, Dr. G. Ueber den Ursprung der Sprache.
(Ausland, 1869, Nr. 17.)
Lehnt sich an die Arbeit Bleek1 s (Siehe oben Referate,
Nr. Ü, S. ÜÜ8) an und untertützt dessen Ansichten durch An-
führung ei^enrr Beobachtungen. Dr. Jneger hat über den
Ursprung der Sprache schon 18Ö7 eine Reihe von Aufsätzen
int „Ausland“ veriitJentliebt.
Pridoaux. Gall’s Organology. Anthropological
review, Januar 1869, Nr. 24, S. 76.
Schumann. Die Affenmenschen Carl Vogt’*. Leip-
zig, Engelmann, 1868, 8°.
Seidlitz. Carl Vogt’s Affenmenschen und Dr. Alb.
Schumann’» Broschüre über dieselben, mit ein-
ander verglichen u. a. w. Dresden 1868, 8°.
Stearns. Shell-money (Muschfll-Geld). The ame-
rican naturalist, Vol. III, March 1869, Nr. 1.
Bespricht die Molluske» gebiuse. die bei verschiedenen
Völkern <fie Stelle des Geldes vertreten.
Verzeichnis« sämmt lieber von der kaiserl. Aka-
demie der Wissenschaften seit ihrer Gründung
big lotsten Oetober 1868 veröffentlichten Druck-
schriften. Wien, C. Gerold, 1869, 8®.
Digitized by Google
REGISTER DES DRITTEN BANDES.
Sslt«
Abstammung des Menschengeschlecht« ..... 319
Aexte, steinerne lßL US. 167. 192
Afandy, Bnscbweib 30ft
Affengehirn, Entwicklung der Windungen .... 23fl
Afrika, SteinzeitreBte 978, ‘.»ui
Afrikanische Volker 325
Altersbestimmung de» menschlichen Fötus .... üOfi
Amerikanische Völker 396
Anthro|io]ihugiu 396. 333
A patsche»
Auerochs 323
Aufrechter Gang deB Menschen . 332
Aassterhen der Naturvölker rtftR
Basken 135
Batonga 325
Battaks 325
Becken des Buschweibes 30fi
Berber, l'rsprung dereelhen 39-1
Bestattuiigs weise der Todten , L 11b 9fi7. 9ü9. 279.
28S. 33tL 313
Betschuancn 325
Bison 323
Bohrinstrumento hei Bereitung des Steingeritbea 1£2
Breitenindex des Schädels bei c f und . . . . Ü5
Breitenindex, Tabellen zu dessen Ausschreibung 12Z
Bronzcaltcr 331
„ Völker desselben ....... 267. 2H6
Bronzewaffen 32C
Bronzezeit, Cultur derselben 32
Buschmans 325
Buschweib, Section desselben 112. 200. 3Qö
Cannibalismus 396. 333
Cataloge von Schädelsammlungen 3ü2
Crawfurd, Nekrolog 151
Cretinismus 329
Crom lech 2. 314
Cultur der Bronzezeit HZ. 2(18
Culturstufen der Vorzeit 967
Damara 825
Darwinismus 259. 299. 300
Deutscher Weiberschadei 511
Dolmen 31A
Douiestication der Thiere and Pflanzen ..... 188
Donnerkeile lti
Durchbohrung der Stein gerät he 18Z
fidelst ei ne 15
Eisen, frühester Gebrauch 12. 112
Eisenalter, Völker desselben 207. 22§
s«iu
Engisschädel 183. 313
Entwicklung der Furchen und Windungen des Ge-
hirns 203. 222
Eskimos . 320
Ethnographische« System 303
Fetthöoker des Buschweihes 30Z
Feuerstein 330
Feuerst einsplittcr, Lagerstätte bei Bramstedt . . 31
Finnen 331
Fossa olecrani, Durchbohrung 312
Fossa Sylvii, Entwicklung derselben .... 208. 221
Fötus des Menschen, Entwicklung seines Ge-
hirns 203. 227
Fränkische Gräber ! • . UU
Fühl ns 325
Furchen de« Gehirns, temporäre 202
„ bleibende 22L 222. 233
„ verschiedene Tiefe derselben 228
„ erstes Auftreten 209. 210
„ Verschiedenheiten im Auftreten
derselben 20s. 221
„ Symmetrie und Asymmetrie 221
a im Einzelnen . ML 210. 2LL 212. 213. 215.
212. 218. 212. 220. 232. 231. 232
Galen 213. 222. 282
Gülisehc Sprachreste in der Schweiz 223
„ an Schleswig 972
» „ auf semitischem Gebiete . • 218
Gal gal« 2ia
Gehirn des Menschen 203. 222
„ der Affen 233
„ des Hundes 218
„ des Buschweibes 302
Gehirnwindungen, Entwicklung .... 203. 227. 331
Genitalien des Buschweibos 143. 3QZ
Geräthe, vorzeitliche 336
Geschlcchtsuutcrschiede deB Schädels 53
Gesichtsschädel des Weibes ?fi
Gewicht des Schädels £3
Gräberfeld am Hinkelstein bei Monsheim .... 101
Gypsabgüsse von Schädeln und Gehirnen .... 151
Hinkelstein, Gräberfeld 101
„ Skeleircstc 122
Hirnwindungen, Entwicklung derselben . . 203. 222
Höhenindex, Tabellen zu dessen Ausschreibung L2Z
v. d. Iloeven, Nekrolog 110
llotteutottcn 825. 326
Hünengräber 110. 270. 2£Z
Digitized by Google
402 Register.
Mt«
Indianer, Steingerathe 192
Iren 213.
Irische Sprachreste in Schleswig 212
Jütland, Stcinzeitschadel 231
Kelten in Skandinavien 2*1
Knochen aus den Höhlen von Perigord 33iä
„ aus der Höhle lu Bui**e bei Grenoble 212
Körpermessungen bei Individuen verschiedener
Raccn 122
Kraniometrie 131
Kurgane 4.
Leichenverbrennung 279
Ligurcn 279. 294. 297
Linguistische Methode 295. SOS. 222
Mainyen 325. 327. 329
Maoris 325
Menhir L 311
Menschmrocen 259. SOI. 350
Merovingisehe Friedhöfe 231
Mikrocephalie >129
Monsheim, ». Hinkelstein.
Naraaqua-IIottentotten 225
Naturvölker, Aussterbcn derselben 309
Ncandctthtbnhldel 270. sos. 335. 349. siü
Negerstämme der oberen Xilländer 323
Nekrolog auf John Crawfurd 131
„ „ J. v. d. Hoevon ........ 14G
Niederingelheim, Schädel von . 133
Nilbecken, Menschenstäinmc demselben. . . LLL 223
Xjumnjams 323
Oberingelheim, Schädel von . 131
Pfahlbauten . 335
Pflanzen, Domcstication derselben 133
Polynesier 22L 323
Prognathie 13
Ilacen des Menschengeschlechts 301
Rauminhalt des Schädels 02
Rennthier 32»
Rennt hierknocheti in Schusaenried 333. 313
Schädel aus ultgennunischen Grabstätten 127. 131. 133
„ de** Weibea 59* Hl
„ des Menschen, Urform 321. 319
„ von Plau in Mecklenburg 224
Schädel abgü«»e in Gype 151
Schadelsammlungen 302
Schleswig-Holstein, Urgeschichte de» Landes . . 3H
Siameaenschädel • 303
Saiu
•Skandinavien, Urbewohner 316, 321
Skelet des Ruschweibe« 300
Spectesfrage 229. 230
Sprache, Ursprung derselben .......... 306
Sprachreste der Steinzeit 222
Stammbaum des Menschengeschlechts 301
Bteinalter 316
Steinalter, Völker desselben 267. 296
Steinaltervolk, Einheit desselben 277. 286
„ Kintbeilung - 277
Steincultua . 1
Steingerathe der Indianer 192
Stein gräber, Kintbeilung derselben . . 270. 283. 296
Steinwaffen 1(U. 117 Lü. 329
Steinzeit-Leichen bei Roggow . 277
„ megalithisclie und kryptolithisebe . 267. 296
„ -Reste in Afrika 279. 231
„ Sprachreste derselben 272
Tubackspfeifen, steinerne der Indianer .... 123
Tabellen zur Ausschreibung des Breiten- und Hö-
henindex 12Z
Tliongefäne der Indianer ........... 19
„ in Krain 293
Todtenbestattung . . LLL 292. 292* 229. 2td. 330. 313
Toltcken 837
Tomahawk 199
Töpferei, indianische 19
„ vorzeitliche in Deutschland 113
Topfscherben und Töpfe in Lingurn 292
Tschadische Altertbüraer • 334
Ungarn, antiquarische Funde 297
Unterkiefer £0
Urform des Menschonschädc]» 821
Urgeschichte de» Menschengeschlechts . 267. 332. 339
Urgeschichte des Schleswig-IIolsteinschen Lande« 314
Ursprung der Sprache 309
Urzeit, Menschenracen 31G. 319
Variiren durch Domestication I3Ü
Vorhistorische Raren in Deutschland 134
Vorhistorische /eit, Fint hei lang 267. 2sC. 316. 941. 350
Waffen, vorzeitliche .... 336
Weibcrschädel 39. 111
Werkzeuge, Entstehung derselben 332
Windungen de» Gehirn», Entwicklung . . . 203, 222
Zerfressenes Ansehen exhumirtcr Knochen . . . 127
Zweckmässigkeit in der Natur HZ
Zwergbildung 331
Berichtigungen.
8. 173. Die Schrift: „Cullen. The Darien Indians and Skip-Canal“ ist aus Versehen statt unter: Amerika,
unter: Asien gekommen.
8. 218. Zeile 4 von unten statt Fig. 2 lies Fig. 3*
Ferner ist auf den Tafeln zu berichtigen:
Taf. Ij Fig. 11. Statt co lic« c.
Taf. IV, Fig. L. Zeile 2 von oben, statt F2 lie« Tj',
Taf. TV, Fig. 2. Linke Seite, statt F, lies J.
8. 301, Sjwilte 2. Zeile 11 von oben statt Velliamed lies Telliamed.
8. 392, Spalte 2, Zeile 22 von oben «tott Invirsargile lies Invercargill.
8. 306, Zeile 19 von unten statt incisivo lies incisiva.
8. 324, Zeilu 4 von unten statt Faidberbe lies Faidhcrbr.
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google
C f
" ^ i \i
' ■ ~ \
\ X
' \ ^
K |» ^ p m Jjfi
7^
■5 '"
> >
\
$ar: .
^S^ßgmß^r'
\
u
Ges y.J Lerch
Digitized by Google
Digitized by Google
Taf. V,
t.
.5.
b- ■ — /
\1. . 13-
\ TS C: >_
-Ml. ^ ^
7.
^ > /
/ J
r
\
/
> /
/
r
y
I ^
PrI , /?
.?.k . _J
r *
5.
\
\
' J
s V
3
Pr.IVG.
\ '
Pr.U
\
~A
y )
/
V Pr II .
6
7rm
14 .
T
8.
PrU
\
/
MV-'
s! L
Pr DI.
/ * > , ) J**c%,
S 9.
>/£)
Pr II.
Pr IV
/ (
\ PriV / / v-
/ r
< :■ o ■
io.
ll .
\
Pr.U
/ ' . ..
: . (1 ' r
r >-<
/
Y -*
v
“6 y.
C’ XA
. r
*\
V
-Pr V.
-*V
Kh
Pr.I.
^ ^
/
Pr.m
lPr.1V.
0«, v Ad Pansch.
Digitized by Google
Digitized by Google
Taf. V.
Gei v Ad Pansch.
Digitized by Google
Digitized by Google
( rez vi'.d Panse-. ,
Digitized by Google
Digitized by Google
Taf. VEI .
ßez v. Aal.Bmsch
Digitized by Google
PKOSPECTUS
über die
von I)r. A. Ziegler in Freiburg in Baden
angeferiigten
Wachspraparate Uber die Hirnwindungen des Menschen.
Diese Präparate wurden unter der Leitung Ton Professor Dr. A. Ecker und nach dessen
Präparaten angefertigt.
Wegen näherer Nachweise wird auf dessen Schriften über diesen Gegenstand:
1) Die Hirnwindungen des Menschen nach eigenen Untersuchungen insbesondere über die
Entwickelung derselben beim Fötus und mit Rücksicht auf das Bedürfnis der Acrate. Mit
in den Text eingedruckten Holzstichen, gr. & Fein Velinpapier, geh. Praia 20 Sgr. Braun-
achweig, 1809. Friedrich Vieweg und Sohn.
2) Zur Entwicklungsgeschichte der Furchen und Windungon der Orosahirnhemiaphären
im Fötus des Menschen. Archiv für Anthropologie, Band III, Heft 3, Seite 203, Taf. I — IV.
hingewiesen.
Serie I.
Die Entwickelung der Furchen und Windungon der Grosshirnhemisphären im Fötus des Men-
schen. 14 Präparate.
Nr. 1. Gehirn eines Embryo von 12 Wochen (vergleiche: Ecker, zur Eutwickluugsgeechichtc der
Furchen und Windungen der Grosshiruhemisphären im Fötus des Menschen. Archiv für
Anthropologie III, 3. Taf. I. lig. 1, 2, 3, 5.
Nr. 2. Dasselbe im Medianschuitt, linke Hälfte, ibidem. Fig. 3.
Nr. 3. Gehirn eines FötuB von 4 Monatou (16 Wochen). 1. c. Taf. I. Fig. 0 u. 7.
Nr. 4. Dasselbe im Medianschuitt, linke Hälfte, ibid. Fig. 8.
Nr. 5. Gehirn eines Fötus aus dem 5. Monat (19. Woche). 1. c. Taf. I. Fig. 10, 11 u. 12.
Nr. 6. Dasselbe im Medianschnitt, linke Hälfte, ibid. Fig. 13.
Nr. 7. Gehirn eines Fötus aus dem 6. Monat (23. Woche). 1. c. laf. II. Fig. 1, 2 u. 3.
Nr. 8. Dasselbe im Medianschnitt, linke Hälfte, ibid. Fig. 4.
Digitized by Google
Nr. 9. Gehirn eines Fötus auB dem 7. Monat (28. Woche). 1. e. Taf. II. Fig. 6 u. 7.
Nr. 10. Dasselbe im Medianschnitt, linke Hälfte.
Nr. 11. Gehirn eines Fötus aus dem 8. Monat (32. Woche). 1. c. Taf. III. Fig. 1, 2, 4 u. 6.
Nr. 12. Dasselbe im Median schnitt, linke Hälfte, ibid. Fig. 5.
Nr. 13. Gehirn eines Fötus aus dem 9. Monat (36. Woche). 1. c. Taf. IV. Fig. 1 — 4.
Nr. 14. Dasselbe im Medianschnitt, linke Hälfte.
Serie IT.
Die Furchen und Wendungen der Großhirnhemisphären des Erwachsenen. (Siehe die Schrift:
Die Hirnwindungen des Menschen nach eigenen Untersuchungen insbesondere über die Entwickelung
derselben beim FötuB und mit Rücksicht auf das ßedürfuiss der Aerzte. Dargostellt von Prof. A. Ecker,
gr. 8. Fein Velinpapier, geh. Preis 20 Sgr. Braunschwcig, 1869. Friedrich Vieweg und Sohn.)
Nr. 1. Grosshini eines Erwachsenen.
Nr. 2. Dasselbe im Mediansclmitt, linke Hälfte.
Preise:
Serie I. 18 Thlr. — Serie II. 10 Thlr.
Digitized by Google
Im Verlage von Ernat Kühn'» statistischem Separat-Conto in Berlin erscheint und ist durch alle Buchhandlun-
gen des In- und Auslandes ohne Preiserhöhung zu beziehen:
ZEITSCHRIFT
DES KÖNIGE PREUSSISCHEN STATISTISCHEN BUREAUS.
REDIGIRT VON DESSEN DIRECTOR:
KÖNIGE. PliEUSS. GEH. OB. -REG. -RATH Db. ERNST ENGEL.
Die Zeitschrift des königL preußischen statistischen Bu-
reau*, gegründet im October 1860, befindet sich gegenwärtig
im VIII. Jahrgang ihrer Existenz. Wie die nachfolgende
systematisch geordnete Uebersicht der grösseren Auf-
sätze in den bis jetzt erschienenen Nummern lehrt, verbreitet
sie sich über alle Gebiete des preußischen StaatslebenB und
vergleicht dasselbe, im Ganzen wie im Einzelnen, mit dem an-
derer Staaten. Lediglich aus Originalarbeiten bestehend,
entnimmt sie die positiven und zahlenmäßigen Grundlagen zu
denselben den lautersten und zuverlässigsten , allermeist amt-
lichen Quellen, die ihr im reichen Maasse zu Gebote stehen.
Die Bibliographie der Zeitschrift, welche sich auf die neue-
ren . der Bibliothek des königlichen statistischen Bureaus ein-
verleibten Werke erstreckt, ist anerkannt, und zwar wegen de«
Nachweises einer grossen Menge amtlicher, gar nicht in den
Buchhandel gelangender in- und ausländischer Werke, eine der
vollständigsten, die es giebt. Als Reoensionsblatt erfreut
sich die Zeitschrift des Rufes unbedingter Objectivitat und
wirklicher, den ganzen Inhalt der zu beurteilenden Bücher
ins Auge fassenden Besprechung.
Auf Grund vorgenannter Eigenschaften ist die Zeitschrift !
des königlich preußischen statistischen Bureaus längst für das
Studium namentlich preußischer Verhältnisse und Zustände un-
entbehrlich geworden, und ihr Leserkreis ist in Folge dessen
von Jahr zu Jahr gewachsen. Dazu kommt, dass sie gleich-
zeitig die wohlfeilste ihrer Art ist. Jährlich auf zwölf Num-
mern, 40 — 50 Bogen, berechnet, hat sie diesen Umfang noch
immer überschritten, ohne den AbonnementspreiB von Zwei
Thalern, das sind 1 Vj Silbergroschen pro Bogen, erhöht zu
haben. Zu dem eben genannten Preise ist sie durch alle Buch-
handlungen und Postanstalten Nord- und Süddeutschlands,
Oesterreichs und des Auslandes zu beziehen.
Von früheren Jahrgängen der Zeitschrift werden der
II. bis VII. an neu hinzutretende Abonnenten zum gleichen
Preise von 2 Thaler pro Jahrgang abgegeben; der I. Jahrgang
ist bereits gänzlich vergriffen. Einzelne Nummern oder Hefte
werden nicht verabfolgt; auch bezieht sich das Abonnement
| stets mindestens auf einen ganzen Jahrgang.
Wegen anderweiter Empfehlung der Zeitschrift kann auf
I die zahlreichen anerkennenden Urtheüe der Presse aller Län-
I der verwiesen werden.
Systematische Uebersicht
der grösseren Aufsätze in den bisher erschienenen Jahrgängen der Zeitschrift.
I. Theorie und Technik der Statistik.
Die Methoden der Volkszählung mit besonderer Berücksichtigung
der im preußischen Staate angewandten (von Dr. Engel) .
Die königL preußische Centralcommission für Statistik und ihr
Gutachten über die Maasaregeln zur Volkszählung im Dccember
1861 (von Dr. Engel)
Die Bearbeitung von Kroisstatistiken durch die königlichen Land*
rithe in Folge de« Ministcrialrescripts vom 11. April 1859
(vom Regier uugsrath Roeekli)
Gutachten, die statistischen Aufnahmen über die Provinzial-,
Kreis* und Gemeinde- Abgaben betreffend (vom Regierungs-
rath ßoeckh)
Actenst ticke, betreffend die statistischen Aufnahmen im Deocm-
her 1864, insbesondere die Zählung der Civil- und MiLitair-
bevölkerung uud des Viehstande«
Ueber den Werth und rechten Gebrauch der Statistik (von Lord
Stanley)
Die Nationalökonomie und Statistik in der französischen Aka-
demie der Wissenschaften
Da« Verfahren bei der preussischen Volkszählung vom 3. De-
cember 1864. (Nach den Berichten der königl. Regierungen
von Dr. G. F. Knapp, mit Anmerkungen vom Rvgierungs-
rath Boeekh)
Acten massige Darstellung der Vorbereitungen zu den statisti-
schen Aufnahmen im December 1867, insbesondere der Volks-
zählung im preussischen Staate und im norddeutschen Bundes-
gebiete. Mltgetheilt von Dr. Engel
Jahr-
|F»ug.
1861
1861
1861
1863
1864
1865
1866
1867
1867
n. Organisation der Statistik.
Zur Geschichte des königl. prcussischeu statistischen Bureaus.
Eine Krinnerungsfeier seiner Errichtung (von Dr. Engel) . 1860
Ueber die Organisation der amtlichen Statistik mit besonderer
Beziehung auf Preussen (von Dr. Engel) 1860
Dh: Herausgabe eines Jahrbuchs für preußische Statistik durch
das königl. preussiache statistische Bureau betreffend ....
Ueber die neuesten Fortschritte in der Organisation der amt-
lichen Statistik in Preussen (von Dr. Engel)
Die Statistik im Dienste der Verwaltung, mit besonderer Be-
rücksichtigung der im preußischen Staate bestehenden Ein-
richtungen (von Dr. Engel)
Das statistische Seminar des königl. preussischen statistischen
Bureaus (von Dr. Engel)
Ueber den Zustand der amtlichen Statistik im Königreich Por-
tugal; Bericht des Herrn Marquis d’Avila, königl. Staats-
minister a. D., an den statistischen Congress in Berlin ■ . .
Jahr-
#»*»#■
1861
1863
1863
1864
1865
III. Statistischer CongresB.
Bericht an die Vorbereitungscommission der V. Sitzungsperiode
des Congressos über die Gegenstände der Tagesordnung der-
selben (von Dr. Engel) I. uud II. ...........
Die Beschlüsse der in den Tagen vom 6. bis mit 12. September
1863 in Berlin abgehaltencn fünften Sitzungsperiode des inter-
nationalen statistischen Congresses; mitgetheilt und mit kri-
tischen Anmerkungen versehen von Dr. Engel
Zur Erfüllung der Wünsche und Ausführung der Beschlüsse des
internationalen statistischen Congresse« von Berlin
Der internationale statistische Congress in Florenz
Der internationale statistische Congress in Florenz (von
Dr. Engel)
1863
1864
1865
1866
1868
IV. Statistik im Allgemeinen und Statistik
mehrerer Zwoige.
Der Regierungsbezirk Köln, ein statistisches Gemälde, entworfen
auf Grund der die Jahre 1855—1858 umfassenden neuesten
Digitized by Google
2
statistischen und VerwaltungHbericbte der königlichen Land*
räthe (von Professor Helwing) • ■ • •
Die wichtigsten Ergebnisse des achten Ccnsus der Vereinigten
Staaten von Nordamerika • •
Land und Leute des preußischen Staats and seiner Provinzen,
nach den statistischen Aufnahmen Ende 1661 und Anfang 1862
(von Df- Engel) • j * •
Der preuasiacbe Staat io seiner neuen Gestalt (von K. Brämcr)
Jahr-
gang.
1861
1663
1863
1866
V. Statistik einzelner Zweigo.
Territorium. Phyt*l«rhc Natur des Lande!».
Das Klima des preussischen Staats und des angrenzenden Nord*
deutscblands, nach den Beobachtungen des mit dem könig-
lichen statistischen Bureau verbundenen meteorologischen In-
stituts (von H. W. Dove) _• •
Die U Überschwemmungen in Deutschland im Winter 1861 — 1862
(von Prof. H. W. Dove) *
Die mitteleuropäische Gradmessung und die erste allgemeine
Conferenz der von den Regierungen der betheiligten Staaten
dazu Bevollmächtigten in Berlin vom 15. bis 22. October 1864
(von Dr. Engel)
Ueber die Witterung des Jahres 1864 und des Winters von
1864—1865 (von H. W. Dove) .* * * *
Die Grösse, Beschaffenheit und Besteuerung der Fläche des
preuwischeu Staatsgebiets (von Dr. Engel) I. und 1L . . •
Die W'itterungserscheinungen des Jahres 1865 (von H. W. Dove)
Ueber das Osoo, mit Rücksicht auf Meteorologie und Heilkunde
(vom Regierung*- und Mcdicinalrath Dr. Scbaper) ♦ . • .
1861
1862
1864
1865
1866
1866
1867
haben; eiue Denkschrift, bearbeitet im Mmsiterium für die
landwirtschaftlichen Angelegenheiten
Jahx-
1865
Landwirthsehaft und Thieriucht.
Ueber den Uopfenbau im preussischen Staate (von Prof. Hel-
»in«)
Die Viehhaltung im preussischen Staate von 1816 bis mit 1858
(von l>r. Engel)
Die Getreidepreise, die Ernteerträge und der Getreidehandel im
preussischen Staate (von Dr. Engel)
Der Weinbau im preussischen Staate von 1819 bi* mit 1860
(von Dr. Engel)
Statistisch« Mittheilungen über don Zustand des Seidenbaues in
Deutschland und besonders im prcocsischen Staate am An-
fänge des Jahres 1862 (von A. Rot her, rector einer-) . . .
Hopfen bau und Rierfabrikation im preussischen Staate (von
Prof. Helwing)
Geschichtlich-statistische Darstellung der Schafzucht, deren Ver-
edelung und Vermehrung im preussischen Staate von der
Ehesten Zeit bis zum Jahre 1825 (aus dem Nachlasse Leo-
pold Krug’a, mitgethcilt vom Kegierungsrath B ergiu s) . .
Vorläufige llsuptrvsultatc der Viehzählung im preussischen
Staate am 3. December 1864
Die Ackerbau- Enquete in Frankreich
Zur lund wirtschaftlichen Statistik von Grossbritannien ....
Ueber die Entwickelung der landwirtschaftlichen Verhältnisse
in Westpreusaen seit der Besitznahme durch Friedrich den
Grossen (vom Regierungsrath Oe Ir ich s in Danzig) ....
Die landwirtschaftliche Statistik
1860
1861
1861
1861
1862
1862
1863
1865
1866
1867
1867
1863
Bevölkerung.
Das Anwachsen der Bevölkerung im preussischen Staate seit
1816 (von Dr. Engel)
Die Spracbvcrschiedenheiten der Bewohner des preussischen
Staats nach den von den königlichen Regierungen im Dccembcr
1858 uugeatfcllten Erhebungen - . . . *
Die Aus- und Einwanderungen im preussischen Staate, insoweit
Nachrichten darüber zur Kenntniss dor königlichen Regierun-
gen gekommen sind (von Dr. Engel)
Die Volkszählung am 3. Dccembcr 1881 (von Dr. Engel) . .
Die Sterblichkeit und die Lebenserwartung im preussischen
Staat« und besonders in Berlin (von Dr. Engel):
I. Hauptabschnitt und II. Hauptabschnitt 1—3. .....
Fortsetzung und Schluss
Die Volkszählungen, ihre Stellung zur Wimmschaft und ihre
Aufgabe in der Geechichte. Ein Vortrag, gehalten von Dr.
Engel
Die vorläufigen Hauptresultate der Zählung der Bevölkerung
dos preussischen Staate* am 3. December 1861 ......
Da« definitive Resultat der Volkszählung im preussischen Staate
am 3. December 1861 -
Zur BevolkerungastatUtik (von Prof. Dr. Wittstein in Hannover)
Die Ein- und Auswanderungen im preussischen Staate in don
Jahrou 1862 und 1863 •
Vorläufige Hauptrcsultate der Zählung der Bevölkerung de*
preussischen Staats nun 3. December 1864
Das definitive Resultat der Volkszählung im preussischen Staate
am 3- December 1864
Die Ergebnisse der Volkszählung und Volksbescbreibung vom
3. December 1864 (von Dr. Engel) ^
Gedanken über die französische Volkszählung des Jahres 1866
ln Frankreich (von Jules Duval) • • •
Beiträge zur Kenntniss des physischen Lebens des preussischen
Volks (von I>r. Engel) •
Die Bevölkerung von Frankreich nach der Zählung vom
15. Mal 1869
U ebersicht der vorläufigen Hauptresultate der Zählung der Be-
völkerung des preussischen Staats am 3. December 1867 . .
Desgleichen der Bevölkerung in den norddeutschen Bundesstaaten
und den süddeutschen Zoüvereinsstaatcn am 3. December 1867
Gruudfdgfiithuiii.
Der Acker- und Häuserbau und der Grundcredit (von Dr- Engel)
Die sociale und politische Verschiedenheit des Gruudeigenthum*
Im preussischen Staate
Veränderungen, welche die spannfähigen bäuerlichen Nahrungen
in den sechs östlichen Provinzen der preussischen Monarchie
und in der Provinz Westfalen durch die Bodenbewegung
während des Zeitraums von 1816 Ms Ende 1859 nach Aus-
weis der im Jahre 1860 aufgenommenen Matrikeln erlitten
1860
1860
1860
1861
1861
1862
1862
1862
1862
1563
1864
1865
1865
1866
1867
1867
1867
1868
1868
1860
1861
Forrtwliihneliaft und Jagd.
Die städtischen Forsten des Regierungsbezirks Köslin; Beitrag
zu einer statistischen Darstellung des Regierungsbezirks (vom
Rcgicrungsasscssor Förster, Mitglied des stau .Seminars)
Nach Weisungen über den Reinertrag der Staatsforsten in den
einzelnen Regierungsbezirken der alten Landestheile in einem
DurchschnltLijahre aus den Jahren 1864, 1865 und 1866 - .
Fischerei.
Ueber die Lage der Seefischerei in Belgien ...
1865
1867
1866
1866
1867
Bergbau.
Das Kreiberger Berg- und Hüttenwesen vor 100 Jahren und jetzt
Vergleichung der Holzproduction und der Production von Stein-
kohlen und Braunkohlen im preussischen Staate. (Vom
Königl- Ober- Berghauptmann a. D. von Dechen) ....
Industrie.
Die Hauptrcsultate der „Gewerhetabellen* in den Jahren 1846,
1849, 1852, 1855 und 1858 | 1860
Die Pariser Welt- Industrie -Ausstellung im Jahre 1867 (vom
Rcgierungsa&sessor Blenck) I 1865
Dampf- und Wasserkraft im Dienste der Industrie des Regie- 1
rungsbezirks Düsseldorf im Jahre 1866 1 1368
OefTent liehe Arbeiten.
Ueber die Verkehrseinrichtungen im preussbehen Staate . . . | 1862
Die Eisen-, Stein- und Wasserstrassen des preussischen Staats
im Jahre 1862 . - . | 1863
Die Grenzen des Erfindungsgeistes im Transportwesen (von
Dr. Engel) 1864
Ueber die hygienischen Grundsätze beim Hospital bau 1866
Dio vollendeten und im Bau begriffenen russischen Eisenbahnen 1866
.Münzen. Maaute und Gewichte.
Die Gcldprägung im preußischen Staate von Trinitatis 1764
bis 31. December (vom Geheimen Rochnungsrath Schmauch) j 1861
Stimmen der preussischen Handelskammern und kaufmännischen
Corporatiouen aus dem Jahre 1863 über den deutHcb - fran-
zösischen Handelsvertrag und die Einführung des metrischen
Maas«- und Gcwiehtssystems . . | 1863
Neuere Nachrichten über die Einführung des metrischen Maas*
und Gewichtssystems in Deutschland (von E.) ....... | 1865
Handel.
Die Ansichten und Wünsche der Handelskammern im preus-
sischen Staate über einige allgemeine gewerbliche Verhält-
nisse (von K. Brämer) | 1862
Digitized by Gooq
3
Die Stimmen der preussischen Handelskammern und kaufmän-
nischen Corporationen aus dem Jahre 1861 über die Handels-
verträge, das Zollweaen, den Vertrieb inländischer VVaareo
ins Ausland und die Einfuhr ausländischer Waarcn in den
preußischen Staat (von Karl Brünier) 1862
Die Weichsel, ihre Bedeutung für den Handel der Provinz Preussen ,
und die Stadt Danzig insbesondere (von Fritz Hirschfeld) , 1861
Die Ansichten der preussischen Handelskammern über einige
brennende Fragen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit;
au« den Handelskammer-Berichten für das Jahr 1864 (einge-
leitet von Dr. Engel) 1865
Der Handel Belgiens im Jahre 1864 . 1865
Notizen über Hamburgs Handel 1866
Statistische Untersuchung über dl«* Wirksamkeit der Spaculation
im Roggenhandel während der Jahre 1850-— 1867 (von Dr. Cohn) | 1868
Verkehr.
Ueber die Noth Wendigkeit einer Reform der Handels- und Ver-
kehrsstatistik (v. R. S.)
Ueber die Verkehrseinrichtungen im preussischen Staate . . .
Der Pont- und Telegraphen verkehr im preußischen Staate wäh-
rend des Jahres 1863
Geschichtliche und statistische Mittbeilungen über das öffentliche
Fuhrwesen in Berlin (vom Rcgicrungsassessor Dr. Dleterici)
Die interkontinentale Beförderung der kön. grossbritannischen Post
Die Frachtgut-Bewegung auf den preussischen Eisenbahnen im
Jahre 1865 (von Robert Simson)
1861
1862
1864
1865
1865
1867
Geld- und Credit- Institute.
Die Thätigkeit der preußischen Bank im Jahre 1864 (von
K. Brämer)
Die Kosmopolitik der Börsen ...............
Die Banken Norddcutscblands im Jahre 1865 und während des
Krieges 1866 (von Julius Elster)
Die Grundcredit- Institute ln Preussen (von II. Brämer mit
einer Nachschrift der Redaction)
1865
1866
1867
1867
Ver<dcherunff3weKrn.
Ein Beitrag zur Geschichte und Statistik der Feuerversicherung!
im preussischen Staate (von L. Jacobi) I. II. und III. . . j
Beiträge zur Statistik des Versicherungswesens im preussischen
Staate (von Karl Brämer):
T. Feuerversicherung. II. Lebensversicherung
Da* Feuerversicherungswesen im preussischen Staate in den
Jahren 1863, 1864 und 1865 (von H. Brämer)
Die Unfallversicherung (von Dr. Engel)
Da- Lcbcnsversichcrungswesen im preußischen Staate in den
Jahren 1863, 1864 und 1865 (von H. Brämer)
Materialien zur Unfallversicherung (von Dr. Engel)
Geschichte , Umfang und Bedeutung des öffentlichen Feuer Ver-
sicherungswesens (von v. Hülsen, Generaldirector der Land-
Feuersocietät für das Herzogtbum Sachsen) .... • • . .
Die französische Verordnung über die Versicherungsgesellschaften
vom 22. Januar 1868
1862
1863
1864
1864
1866
1866
1867
1867
18C7
1868
Production und Consumtion.
Zur statistischen Ermittelung der Consumtion pro Kopf der Be-
völkerung im preussischen Staate (von I)r. Engel) . . . . 1864
Materialien zur Wein-, Branntwein- und Bierstatisdk Preussen*
in Form einer Beantwortung der den Mitgliedern der Jury
der Pariser Ausstellung vorgelegten Fragen . 1867
Preise und Löhne.
Die Getreidepreise, die Ernteerträge und der Getreidehandel im
preussischen Staate (von Dr. Engel)
Durchschnittspreise der wichtigsten Lebensmittel im Kalender-
jahr 1865 und in den Monaten Januar uod Februar 1866,
ferner in der Zeit von 1816— 1865
Durchschnittspreise der wichtigsten Lebensmittel für Menschen
und Thiere in den bedeutendsten Marktstädten dos preußischen
Staats. Monat März — Juni 1866
Desgleichen für Juli und August und Durchschnittspreis des
Erntejahres von Augnst 1865 bis ind. Juli 1866
Desgleichen für die Monate September , October und November
Desgleichen für Monat December 1866, Kalenderjahr 1866 und
Monat Januar 1867
Desgleichen für die Monate Februar, März und April 1867 . .
1861
1866
1866
1666
1866
1867
1867
Detgleichcu für die Monate Mai, Juni, Juli 1867 und des
Erntejabres 1866 — 67
Desgleichen die Monate August bis December und das Kalender-
jahr 1867 umfassend
Arbeitende Claasen.
Ueber die Lage der Weber bevölkerung in Schlesien
Die polytechnische Association in Paris und der Handwerker-
verein ib Berlin (von Dr. Engel)
Wirtschaftliche Sclbsthfllfe.
Die Sparkassen in Preussen als Glieder in der Kette der auf
das Princip der Selbtthülfe au {gebauten Anstalten (von Dr.
Engel). I. und II. . • . .
Die Fabrik der Tuchmaoher* Innung zu Sagan (vom Geheimen
Regiorangsratb Jacobi in Liegnitz)
Die englischen Land- und Baugenossenschaften
Ein Reforuiprincip für Sparcassen. Gleichzeitig ein Vorschlag
zur Abhülfe der Hypothekar-Crcditnoth (von Dr. Engel) • .
Armenwenen«
Statistik der Armenpflege im vormaligen Herzogtbum Nassau :
Gesundheit. Gesundheitspflege.
Miuheilungrn über die Zahl der Aerzto und der Apotheken in
den einzelnen Regierungsbezirken des preußischen Staats am
Schluss des Jahres 1861 , verglichen mit den entsprechenden
Za Lj--:, des Jahres 1849
Die Cholera- Epidemie des Regierungsbezirks Merseburg im
Jahre 1866 (von Dr. C. F. Koch)
Kirche und Gottesdienst«
Geschichte und Statistik des Dissidententhums im preussischen
Staate mit Ausschluss des der französischen Gesetzgebung
unterworfenen Thcils der Rheinprovinz (vom Regierungs-
asscssor Georg von Hirsehfeld) I. II. u. III.
Erziehung, öffentlicher Unterricht«
Beiträge zur Statistik des Unterrichts, insbesondere des Elemen-
tarunterrichts in den volkreichsten Ländern Europas und
Nordamerikas (von Dr. Engel)
Schulpflicht und Schulbesuch in Berlin (von Dr. Goldschmi d t)
Polizei, Gefängnis* weaen.
Beiträge zur Criminal- und Strafanstalts-Statistik Preussen* (voml
Geheimen Justizrathe Trias t) I. und II [
Statistische Notizen aus der Verwaltung des königl- Polizei-
Präsidiums zu Berlin für das Jahr 1802
Desgl- für das Jahr 1863
Die Frequenz der Strafanstalten für Zuchtbaue-Sträfliogo in der
preußischen Monarchie während der Jahre 1858 bis mit 1863
(von Dr. Engel)
Die Morbidität und Mortalität in den Strafanstalten der preussi-
schen Monarchie und einiger anderen Länder (von Dr. Engel)
Civil- und Crlmlnaljustiz.
Beiträge zur Criminal- und Strafanstalts -Statistik Preussensl
(vom Geh. Justizrathe Triest) I. u. II }
Armee«
Resultate des Ersatz-Aushebungsgeschäfts im preussischen Staate
io den Jahren von 1855 bis mit 1862 (von Dr. Engel) . .
Noch einmal die Resultate des Krsatz-Aushobungsgwchäfts und
die Militairdienut-Steucr (von Dr. Engel)
Die Gesundheit und Sterblichkeit der königlich preußischen
Armee in dem 18jährigen Zeitraum von 1846 bis mit 1863
(von Dr. Engel)
Statistische Notizen über Hinterladungagewehre
Die Verluste der königl. preußischen Armee an Officieren und
Mannschaften , Aerzten und Krankenträgern während de«
Feldzuges 1866
Die wahren Verluste der königlich preussischen Armee im Kriege
des Jahres 1866 (von Dr. Engel)
Finanzen.
Kritische Beiträge zur vergleichenden Finanzstatistik der Gross-
und Mittelstädten Europas, mit besonderer Berücksichtigung
ihrer Militärbudget* (von Dr. Engel)
Digitized b
1 Jahr-
1867
1868
j 1864
; 1866
1861
I
1864
1866
1867
1866
1863
1S68
1863
1864
1864
1865
1867
1862
1863
1863
1864
1864
1865
1862
1863
1864
1864
1865
1866
1866
1867
1862
i Google
4
Resultate der Mahl- und Schlachtsteuer in der Periode ton 18381 j jgg^
bi« mit 1861; eine Ananzstatistische Abhandlung (rom Re-. jgg^
gierungsasscssor Hei nick) I. und II *_ • • ■ • I
Uebersicht des Sollaufkommens an directen Steuern für das Jahr
1866 und des Istaufkommens an Mahl- und Schlachtsteuer
für da« Jahr 1865 in den grösseren Städten, Regierungsbe-
zirken und Provinzen des preußischen Staats 1866
Wie hoch belastet in Preussen die Grundsteuer die Landwirt-
schaft? Eine Zeitfrage beantwortet von Dr. Engel. Vergl.
auch No. 1 — 3 und 7 — 9 Jahrgang 1866 * ’ 1
Die Ergebnisse der Ci&ssenstenor, der clas»ifidrten Einkommen- j
»teuer nnd der Mahl- und Sehlocbuteuer im preusaisehen I
Staate (von Dr. Engel) j l#68
Verfassung. Gesetzgebung.
Statistik der Urwablen für das preußische Abgeordnetenhaus
vom 19- November 1861. (Bearbeitet von R. Boeckh) . .
Die Ergebnisse der Urwablen für das preu3slsche Abgeordneten-
haus vom 26. April 1862 und vom 20. Octobcr 1863 (von
Dr. Engel)
Kurze systematische Uebersicht der Gesetzgebung des preußi-
schen Staats während der Regcntschaftspettude Seiner jetzt
regierenden Majestät König Wilhelm I. (von Prof. Hel wing)
Die Hauptresultate der Urwahlm für das preusaische Abgeord-
netenhaus vom 25. September 1866
Jihr-
rong.
1862
1862
1862
1867
Digitized by Google
ARCHIV
FÜR
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
FCB
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE DES MENSCHEN.
Organ
der
deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Heransgegeben
von
0. E. V. Baer in St Petersburg, E. Desor in Neuenburg,
A. Eoker in Freiburg, F. v. Hellwald in Wien, W. His in Basel,
L. Lindensohmit in Mainz, Q. Lucae in Frankfurt a. M., L. Rütimeyer in Basel,
H. Schaaffhausen in Bonn, C. Semper in WUrzburg, R. Vlrohow in Berlin,
C. Vogt in Genf und H. Weloker in Halle.
Redaction:
A. Ecker, L. Lindenschmit
und der Gencralsecrctair der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
Vierter Band.
187 0.
Mit in den Text eingedruckten IIolzBtichen und lithogrnphirten Tafeln.
BRAUNSCHWEIG,
DRÜCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEQ UND SOHN.
1 87 0.
Digitized by Google
Die Herausgabe einer Ueberaetrung in Cranxbaiacher und englischer Sprache,
sowie in anderen modernen Sprachen wird Vorbehalten.
Digitized by Google
INHALT
DES
VIERTEN BANDES.
Hott«
I. Steinerne Ackerbaugeräthe der nordamerikani sehen Indianer. Von Carl Rau in New- York . . 1
II. Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. Von Ihr. C. J. Wiberg
in Gefle. (Uebersetzt von J. Meatorf) . . . . 11
III. Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von I)r. v. Maak. (In diespm Archiv
Bd. III, S. 207.) Von L. Li nde tisch mit . . . 39
IV. I>ie altnordischen Schädel zu Kopenhagen , Iroschrieben und in ihren Beziehungen zu anderen
Schädeln des Nordens erläutert. Von R. Virchow 55
V. Heber die Eingefrorenen Costaricas. Von Dr. Alexander v. Frantzius 93
VI. Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von lesEyzies (Höhle von Cro-Magnon) in Perigord nebst
einigen Bemerkungen über da« Verhältnis« der Craniologie zur Ethnologie. Von A. Ecker 109
VII. Referate.
1. Lotzc. Mikrokosmos. Ideen zur Naturgeschichte und Geschichte der Menschheit
Zweiter Band. Zweite Auflage. Ref. von W. II is 126
2. Wibel. Die Veränderungen der Knochen bei langer Lagerung im Erdboden und die
Bestimmung ihrer Lagerungs zeit durch die chemische Analyse. Ref. von H. Fischer 128
3. Luschka. Die Anatomie de« Menschen. Dritter Band. Zweite Abtheilung. Der
Kopf. Ref. von H. We Icker IW
4. Bell, ün tho native race of New-Mexico. Ref. von A. v. Frantzius 131
5. Berendt. Report of Exploration in Central- Amerika. Ref. von A. v. Frantzius . 133
6. Wallace. Der m ilayische Archipel 134
7. Geiger. Der Ursprung der Sprache. Ref. von E. Martin 138
8. His. Ueber die Bedeutung der Entwickelungsgeschichto für die Auffassung der orga-
nischen Natur 139
VIII. Kleinere Mittheilungen 140
IX. Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
1. Verhandlungen der Section für Anthropologie und Ethnologie bei der
43. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Innsbruck. Sep-
. tember 1869. Von Professor K. Sei i gm an u 144
2. Verhandlungen der die Anthropologie einsch Hessen den Section ltei der
Versammlung der British association zu Exeter. August 1869 150
X. Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt. 151
2. Anatomie. Von A. Ecker 165
3. Ethnographie und Reisen 169
1. ^ Allgemeines. Von F. v. Hellwald in Wien ................ —
2. Europa. Von F. v. Hellwald in Wien 172
3. Asien. Von Dr. A. Bastian in Berlin 178
4. Australien. Von Professor Meinicke in Dresden . . 185
5. Oceanicm. Von Professor Meinicke in Dresden —
6. Afrika. Von Professor R. Hart mann in Berlin 186
7. Amerika. Von F. v. Hcllwald in Wien 190
XI. Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. Von Wilhelm His. I. . 197
XII. Ueber die künstliche Verkrüppelung der Fasse der Chinesinnen. Von II. Welcher 221
XIII. Der stereoskopisch -geometrische Zeichenapparat. Von Dr. Julius Jenson, zweitem Arzte der
Irrenanstalt Allenberg (Ostprcussen). (Hierzu Tafel I.) . . . 231
XIV. Der Fuss der Chinesinnen. Von Wilh. Stricker, Dr. med. in Frankfurt am Main 241
XV. Die Menschenfresserei und daB Menschenopfer. Von H. Schaaffkauseu 245
Digitized by Google
VI
Inhalt des vierten Bandes.
MW
XVI. Ueber die verschiedene Krümmung des Schädelrohres und über die Steilung des Schädels auf
der Wirbelsäule beim Neger und beim Europäer. Von A. Ecker. (Hierzu Tafel II und III.) 287
XVII. Her Fass eines Japanischen Seiltänzers. Von Job. Chris tn. 0. Lucae. (Hierzu Tafel IV.) . 813
XVIII. Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. Vou Wilhelm His. II 317
XIX. Referate.
1. Wallace. Beitrüge zur Kenntnis« der natürlichen Zuchtwah'. Kef. von A. Ecker. 333
2. Charles Darwin. The Descent of Man sind Sslection in Relation to Sex. lief, von
L. Rütimeyer 336
3. Oscar Pesch el. Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde als Versuch einer
Morphologie der Erdoberfläche. Ref. von L. Rütimeyer 337
4. Carl August Aeby. Ueber die unorganische Metamorphose der Knochensubstanz,
dargethan an schweizerischen Pfahlbautenknochen und über den Grund der Unver-
änderlichkeit der organischen Knochensuhstanx. Ref. von H. Fischer 338
6. Archiv io per L’Antropologia e la Ktnologia, pubblicato 840
XX. Verhandlungen gelehrter Versammlungen. Von H, Schaaffhausen 341
XXI. Kleinere Mittheilungen 366
XXII. Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt 367
2. Anatomie. Von A. Ecker 368
3. Ethnographie und Reisan 372
1. Allgemeines. Von F. v. Hellwald in Wien —
2. Europa. Von F. v. Hell wald in Wien 376
8. Afrika. Von Professor Robert Hartmann in Berlin 386
« 4. Amerika. Von F. v. Hellwald in Wien . 388
5. Asien. Von Dr. G. Gerl and in Halle . . 338
6. Australien. Von Professor Me i nicke in Dresden 406
7. Oceanien. Von Professor M einicke in Dresden —
4. Zoologie. Von L. Rütimeyer 400
5. Allgemeine Anthropologie. Von F. v. Hellwald, L. Rütimeyer und Anderen . . . 410
Digitized by Google
RÜCKBLICK UND VORWORT.
Als vor nunmehr vier Jahren (Mai 18CC) das erste Heft des Archivs für
Anthropologie erschien, sahen die Herausgeber nicht ohne einige Unruhe der
Aufnahme desselben entgegen. Sic mussten sich sagen, dass in Deutschland — ganz
abgesehen von dem, wissenschaftlichen Bestrebungen keineswegs günstigen Jahr-
gang — die Stimmung, wenigstens der gelehrten Kreise im Ganzen, der neu auf-
strebenden Wissenschaft gegenüber eine ziemlich kühle, fast ablehnende sei. Manche
Anatomen, insbesondere unter den die Mehrzahl dieser bildenden Histologen, be-
trachteten (und thun dies zum Tlieil heute noch) anthropologische Studien als Etwas,
was sich mehr für Dilettanten als für ernste Forscher schicke, die Pulüontologen
sahen den Menschen als ganz ausserhalb ihres Bereichs stehend an, und die Archäo-
logen alten Stils endlich entsetzten sich förmlich ob der unbefugten kühnen Ein-
dringlinge, welche die behagliche Ruhe ihrer Domäne zu stören wagten. So waren
die Anthropologen allerseits nicht besonders freundlich angesehen, und ein kleines
Häufchen gleichstrebender Freunde war es allein, auf die sich die Herausgeber
verlassen konnten. Gerade diese Verhältnisse waren es aber auch wieder, die um
so dringender die Noth wendigkeit erkennen Hessen, sich ein eigenes Organ zu
schaffen, das nur den eigenen Interessen diene; denn jede neue Richtung hat mit
cntgegcnstchendcn alten zu kämpfen, und kann sich ihre Bahn nicht brechen, ohne
links und rechts an- und umzustossen, und dazu bedarf sie eines eigenen Fahr-
zeugs. Es ist nicht zu verkennen, dass heute die Verhältnisse schon wesentlich
andere, bessere, geworden sind. Die Fortschritte — ganz besonders der Urge-
schichte — haben angefangen, die Aufmerksamkeit auch der bis dahin Indifferenten
zu erregen, und die unverkennbar in Zunahme begriffene Theilnalime bewährter
und nüchterner Forscher an den anthropologischen Arbeiten hat es dahin gebracht,
der jungen Wissenschaft allmälig einen festen Credit zu verschaffen. Neben dem
<j Archiv ist im vorigen Jahre eine weitere Zeitschrift mit ähnlicher Tendenz: die
-^Zeitschrift für Ethnologie von Bastian und llartmann“, erschienen, und zahlreiche
a-yv.vO
Digitized by Google
VI
Rückblick und Vorwort.
populäre Blätter sind bemüht, den wissenschaftlichen Stoff nach C. E. v. Bär’s
Ausdruck zu „zermahlen“ und dem grossen Publikum mundgerecht zu machen.
Ob das Archiv einen Antheil an der Hervorrufung dieser günstigeren Strömung
habe, mag eine zukünftige Geschichtschreibung entscheiden , die Thatsaehe selbst
wird jedenfalls für dasselbe ein Sporn sein, auf dem betretenen Wege weiter zu
gehen.
Mit besonderer Freude begrüssen es die Herausgeber, dass ein Institut ins
Leben getreten ist, für das sie von Anfang an das grösste Interesse hegten. Schon
im Jahre 1805 in Frankfurt a. M. wurde von den dort zur Gründung das Archivs
versammelten Anthropologen zugleich auch die Gründung einer deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft lebhaft besprochen, und es war nur die Erwägung, dass
für ein derartiges Unternehmen die Zeit wohl noch nicht hinreichend vorbereitet
sei, welche sie abhielt, sofort den Versuch der Ausführung dieser Idee zu machen.
Was damals unthunlich erschien, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Die in Innsbruck
angeregte Bildung einer deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte hat am 1. April dieses Jahres in Mainz definitiv stattgefunden,
und die Herausgeber haben die Genugthuung gehabt, dass das Archiv zum wissen-
schaftlichen Organ dieser Gesellschaft bestimmt w'urdc, und dass sich ihnen aus der
Reihe der Mitglieder derselben und der hervorragendsten Localvereinc -weitere
hochwillkommene Mitarbeiter beigesellten. In die Rcdaction tritt von Seite der
Gesellschaft der Generalsecretür derselben ein, so dass dieser die directe Mitwir-
kung in allen sie betreffenden Fragen gesichert ist.
Das Archiv wird von diesem Bande an vierteljährlich in Heften von
circa 10 bis 12 Bogen erscheinen, wovon vier einen Band und Jahrgang bilden
(das vorliegende umfasst noch das erste und zweite Vierteljahrsheft). Das von der
Gesellschaft herausgegebene monatlich erscheinende Correspondenzblatt wird in
Viertcljahrsheften jeweils dem Archiv beigegeben werden. Im Uebrigen wird dieses
seine frühere Eintheilung beibehalten und neben Originalartikeln Referate, Berichte
über die Versammlungen gelehrter Gesellschaften und Versammlungen , kleinere
Mittheilungen und vermischte Nachrichten und endlich ein ausführliches Verzeich"
niss der Literatur in allen Zweigen des anthropologischen Gebiets bringen.
Möge die Theilnahmc, die dasselbe bui seinen ersten schwierigsten Schritten auf
ziemlich einsamer Bahn begleitete, ihm auch fernerhin auf der mehr geebneten aber
auch mehr begangenen llcerstrassc nicht fehlen!
Digitized by Google
T N H-A L T
DES
ERSTEN UND ZWEITEN HEFTES DES VIERTEN BANDES.
I. Steinerne Ackerbaugoräthe der nordamerikanischen Indianer. Von Carl Rau in New-York
II. L'eber den Einfluss der Ktrosker und Griechen auf die Bronzecultur. Von Dr. C. J. Wiberg in
Geflc. (Uebenetzt von J. Mestorf)
III. Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung Vt»n Dr. v. Maak. (In diesem Archiv
Bd. III, S. 267.) Von L. Linden schm it
IV. Die altnordischen Schädel su Kopenhagen, beschrieben und in ihren Beziehungen zu anderen Schä-
deln de» Norden» erläutert. Von R. Yirehow
V. Ueber dio Eingeborenen CofUricM. Von Alexander v. Frantziu»
VI. Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von lea Eyzies (Höhle von Cro-Magnon) in Perigord nebst
einigen Bemerkungen über daB Verhältnis der Craniologie zur Ethnologie. Von A. Ecker
VH. Referate.
1. Lotze. Mikrokoamo*. Ideen zur Naturgeschichte und Geschichte der Menschheit.
Zweiter Band. Zweite Auflage. Ref, von W. II is
2. WibeL Die Veränderungen der Knochen bei langer Lagerung im Erdboden und die
Bestimmung ihrer Lagerungszcit durch die chemische Analyse. Ref. von II. Fischer
3- Luschka. Die Anatomie des Menschen. Zweite Abtheilung. Der Kopf. Ref von
II. Welcker
4. Bell. On tho native rare of Xew-Mexico. Ref. von A. v. Frantzius
5. Berendt. Report of Exploration in Central -Amerika. Ref. von A. v. Frantzius .
6. Wallace. Der malayische Archipel
7. Geiger. Der Ursprung der Sprache. Ref. von E. Martin.
L nis. Ueber die Bedeutung der Entwicklungsgeschichte für die Auffassung der organi-
schen Natur
VIIL Kleinere Mittheilungen . .
IX. Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen
1. Verhandlungen der Section für Anthropologie und Ethnologie bei der 43. Ver-
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Innsbruck, September 1869.
Von Professor R. Seligmann
2. Verhandlungen der die Anthropologie oinschliesscnden Section bei der Ver-
uammlung der British assoeiation zu Exeter. August 1869
X. Yerzoiehniss der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt
2. Anatomie. Von A. Ecker
8. Ethnographie und Reisen
1. Allgemeines. Von F. v. Hellwald in Wien
2. Europa. Von F. v. Hellwald in Wien
3. Asien. Von Dr. A. Bastian in Berlin
4. Australien. Von Professor Me i nicke in Dresden
6. Oceanien. Von Professor M einicke in Dresden
6. Afrika. Von Professor R. Hart mann in Berlin
7. Amerika. Von F. v. Hellwald in Wien .....
Mt»
1
II
89
65
93
109
126
128
130
131
133
131
138
189
140
144
150
151
165
169
172
178
185
186
190
Digitized by Google
I.
Steinerne Ackerbaugeräthe der nordamerikanischen Indianer.
Von
Carl Rau in Newyork.
Vor einigen Jaluen veröffentlichte ich zum ersten Male') Beschreibungen und Zeich-
nungen von nordamerikanischen Flintgeräthen , die sich durch Grösse und sorgfältige Be-
arbeitung auszeichnen , und augenscheinlich den früheren Einwohnern beim Ackerbau und
anderen Erdarbeiten dienten. Diese Werkzeuge treten unter zwei verschiedenen Formen
auf, welche Uber ihre Anwendung wenig Zweifel lassen, weshalb ich sie ohne Zögern als
Schaufeln (shovels) und Hauen (hoes) bezeichnete. Die Schaufeln (Fig. 1) bestehen aus
ovalen Flintplatten, welche auf einer Seite flach sind und auf der andern eine leichte, nach
dem Rande hin sehr gleichmiissig abfallende Wölbung zeigen. Dieser Rand ist ringsum durch
Fig. 2.
gelinde Schläge sorgfältig und regelmässig geschärft, besonders am breiteren , die Schneide
bildenden Ende. Das hier abgebildete Exomplar, welches das beste meiner Sammlung ist,
hat etwas mehr als einen englischen Fuss Länge; die grösste Breite beträgt fünf Zoll und
einige Linien, die Dicke in der Mitte otwa dreiviertel Zoll. Andere sind schmäler und we-
niger gewölbt. Die nächstfolgende Zeichnung (Fig. 2) veranschaulicht die Gestalt einer der
i) Atrricultura] Implement» of th« North American Stonc Period. Smithionian Report for 1863, p. 379.
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Heft 1. ^ 1
Digitized by Google
2
Carl Rau
Hauen meiner Sammlung. Dieselbe ist sieben und einen halben Zoll lang, tost sechs Zoll
breit, und in der Mitte ungefähr einen halben Zoll dick. Der gekrümmte Rand bildet eine
scharfe Schneide Diese Werkzeuge sind aus einer besonderen Gattung von blaugrauein oder
bräunlichem Flint verfertigt, welcher flachmuschelig bricht und sich daher in grosse flache
Stucke trennen lässt. Ich habe denselben nie anstehend gesehen. Die Ackerbaugerätbe
meiner Sammlung wurden alle in dem gegen Westen vom Mississippi begrenzten Bezirke
(County) St. Clair im südlichen Illinois gefunden, mit Ausnahme einer Schaufel, welche im
Jahre 1861 in St. Louis (Missouri) zum Vorschein kam, als der General Frdmont Erdwerke
zum Schatze der Stadt gegen befürchtete Angriffe der südlichen Secessionisten aufwerfen
liess. Die aus Illinois stammenden Exemplare wurden ebenfalls an der Oberfläche beim Be-
arbeiten des Bodens oder nach heftigen Regengüssen entdeckt, welche sie blossgelegt hatten.
Schaufeln sowohl wie Haucu waren ohne Zweifel mit Stielen versehen, und diejenigen der
Hauen muthmasslich so gestellt, dass sie einen rechten oder selbst einen spitzen Winkel mit
der Steinplatte bildeten , welche stets am oberen Ende mit zwei Einkerbungen versehen ist,
um die Befestigung zu ermöglichen >)•
Einige der Schaufeln, wie z. B. das ölten abgebildcte Exemplar, sind über einen Fuss
lang, und gehören demnach zu den grössten Flintgeräthen, welche bis jetzt irgendwo gefun-
den worden sind. Die roh gearbeiteten uxt- und lanzenförmigen Werkzeuge, die man in Ge-
meinschaft mit den Knochenresten des Mammuths, des Nashorns und anderer Geschöpfe
einer verschwundenen Fauna in den Diluvialgebilden Xordfrankreicbs und Englands entdeckt
hat, kommen ihnen nicht an Grösse gleich; auch haben, soviel ich weiss, die Höhlen der
Rennthierperiode im südlichen Frankreich und in Belgien, die einst wilden Jägerstammen
zum Aufenthalt dienten, keine aus Flint verfertigten Geräthe von gleichem Umfange gelie-
fert. Die einzigen derartigen Gegenstände von gleicher Orösse sind, wie ich glaube, jene in
den skandinavischen Ländern und in Norddeutschland vorkommenden grossen, theilweise ge-
schliffenen Flintäxte, welche einer späteren Periode der europäischen Steinzeit angeboren.
Dass die von mir beschriebenen nordamerikanischen Geräthe wirklich zur Erdarbeit
dienten, unterliegt kaum einem Zweifel, denn abgesehen von ihrer dem obigen Zwecke ganz
entsprechenden Gestalt, lässt sich an ihnen eine Abnutzung wahrnehmen, welche auf die Art
ihrer ursprünglichen Anwendung auf das Bestimmteste hinweist. Es erscheint nämlich der-
jenige Theil des Werkzeuges, der beim Grahen mit der Erde in Berührung kam, trotz der
Härte des Gesteines, gleichsam polirt, oder wie mit einer Glasur überzogen, und überdies
sind in jenen geglätteten Stellen unzählbare feine Linien sichthar, die genau der Richtung
■) Du Pratz thut der Hauen der Eingebornen von Louisiana Erwähnung , deren «ich diese bei der Be-
arbeitung des Bodens zum Behufe des Maishnues bedienten: „Ces pioebes sont f&ites nomine une L capitaie;
eile« tranchent par lea cnlea du bout bas qui est tout pltrt.“ (Histoire de la Loutsiane, Paria 1758, T. II,
p. 176.) Er giebl nicht an . aus welchem Stoffe der untere Theil der Hauen bestand , die er jedoch ausdrück-
lich als eine Erfindung der Indianer bezeichnet. Vielleicht hat «eine Bemerkung auf die von mir tieachriebe-
neu Hauen Bezug, die in der Tbat in einer ehemals zu Louisiana gerechneten Gegend gefunden wurden. —
In dem alten Werke von De Hry sind anf Tafel XXI des zweiten Bandes (Frankfurt a, M. 1591) mit Feldbau
beschäftigte Eingeborene von Florida beider Geschlechter dargestellt. Die Männer bearbeiten den Boden mit
Hauen, wahrend die Weiber säen. Der die Kupfertafel begleitende lateinische Text (von Le Moyne) gieht
an, dass die Hauen aus Fischknochen bestanden (ligonee e piscium ossihusl nnd an hölzernen Stielen befeatigt
waren.
Digitized by Google
Steinerne Ackerbaugeriithe der nordumerikanischen Indianer. 3
entsprechen, in welcher das Oerath den Boden durchdrang. Diese eigentliümliche glasurartige
Glättung ist an allen wirklich gebrauchten Exemplaren meiner Sammlung wahrnehmbar,
und ich habe sie ebenfalls an den wenigen beobachtet, welche ich im Besitz Anderer zu
sehen Gelegenheit hatte. Werkzeuge dieser Art werden nicht sehr häufig gefunden, und ihr
Vorkommen scheint auf gewisse an den Mississippi grenzende Staaten beschränkt zu sein.
Vor Kurzem wurde ich durch die Nachricht überrascht, dass man eine nicht unbedeu-
tende Niederlage solcher Gegenstände in East St. Louis — früher Illinoistown genannt —
entdeckt habe. Dieser Ort liegt in St. Clair County in Illinois, nabe am Mississippi, und der
Stadt St. Louis gerade gegenüber. Da» Ufer von Illinois bildet hier den sogenannten „Ame-
rican Bottom“, eine fruchtbare, von Anhöhen begrenzte Ebene, die sieb auf eine bedeutende
Erstreckung dem Ufer entlang hinzioht, und wegen ihres Reichthums an indianischen Resten
mancher Art die Aufmerksamkeit amerikanischer Archäologen von jeher in Anspruch genom-
men hat1). Die wichtigste Hinterlassenschaft der früheren Bewohner dieser Gegend sind
jedoch die in grosser Zahl vorhandenen Erdwerke, unter denen der berühmte pyramidenartige
Bau, l'ahokia Mound oder Monk's Mound genannt, durch seine riesigen Verhältnisse beson-
ders liervorsticht, und den Beschauer unwillkürlich an die Pyramiden des Nilthaies erinnert*).
Die Einzelnheiten der obenerwähnten Entdeckung erfuhr ich durch Dr. Patrick von
Belleville (Illinois), eineD gebornen Irländer, der mich schon seit vielen Jahren in meinen
archäologischen Bestrebungen auf das Freundlichste unterstützt hat. Sobald er von dem
Funde hörte, eilte er nach East St. Louis, um sich von den näheren Umständen an Ort und
Stelle Kenntuiss zu verschaffen, und, um über gewisse von mir angedeutete Punkte Gewiss-
heit zu erlangen, besuchte er s)>äter noch zu wiederholten Malen den Fundort, welcher nur vier-
zehn oder fünfzehn englische Meilen von Belleville entfernt ist, und überdies durch eine Eisen-
bahn mit letzterer Stadt in Verbindung steht Die Flintwerkzeuge kamen im Verlaufe von Erd-
arbeiten zum Vorschein , welche in East St. Louis beim Verlängern einer Strasse unternom-
men wurden, und Dr. Patrick erfuhr alle Einzelnheiten von dem Unternehmer der Strassen-
arlieit, Herrn Sullivan, welcher im Augenblike der Entdeckung gegenwärtig war, und da-
her als zuverlässiger Berichterstatter angesehen werden kann. Seine dem Dr. Patrick ge-
t) Ich habe den American Bottom bereite im „Archiv4* beschrieben. East St. Lome i»t der Ort, in dessen
Nähe ich vor mehreren Jahren die Sporen einer indianischen Töpferei entdeckte (Archiv, Bd. III, S. 20).
*) Dieser etwa sieben englische Meilen östlich von East St. Louis gelegene merkwürdige Erdbau hat die
Gestalt einer stark abgekürzten Pyramide mit seitlich angefügter Terrasse , auf welche man mittelst eines ge-
neigten, auf beiden Seiten schräg abfallenden Wege» gelangt. Die Grundfläche des Werkes bildet ein Rechteck
von 700 Kuss Länge und 600 Kuss Breite, und bedeckt denmech beinahe 8 Acree; die obere oder Gipfelfläche
ist 450 Fuse lang und 200 Kuss breit; die Dimensionen der Terrasse sind 850 und 160 Kuss. Mau ha! berech-
net. dass der ganze Bau. dessen senkrechte Höhe 90 Kuss lieträgt, eine Erdmasse von beinahe 20 Millionen
Kubikfuss enthält. Allerdings sind durch die zerstörenden Wirkungen der Jahrhunderte die Ecken und Kan-
ten bedeutend abgerundot worden, und das Werk hat eeine Regelmässigkeit thoilweise verloren; aber dennoch
lasst sich die ursprüngliche Form sehr deutlich erkennen, besonders im Winter, wenn das verhüllende Laub-
werk fehlt. Auf der oberen Fläche befindet sich ein geräumiges Gebäude, nebst Brunnen, Garten und dem
übrigen Zubehör einer Farm. Das Werk ragt aus einer Gruppe von kegelförmigen Hügeln empor, von denen
einige eine nicht unbeträchtliche Höhe haben; sie erscheinen aber unbedeutend neben dem Riesenbau, um den
sie gelagert sind. Aehnlicbe pyramidenartige Erdwerke werden im Süden der Vereinigten Staaten nogetrof-
fen; das hier beschriebene ist jedoch das bedeutendste. Sie dienten wohl hauptsächlich zu religiösen /.wecken,
wie die mezicanieclten Teocatlis, denen sie sich auch in der Form nähern.
1*
Digitized by Google
4 Carl ßau,
gebenen Aufschlüsse, weicht? mir vom Letzterem brieflich mitgetbeilt wurden, sind in Nach-
stehendem enthalten :
Im Dccember 1608 stiessen einige Arbeiter, welche mit Wegriiumen von Erde zum Be-
hüte der Verlängerung der sechsten Strasse (Sixth Street) in East St. Louis beschäftigt wa-
ren, plötzlich auf eine Niederlage indianischer Gegenstände, bestehend in vielen Flintgeräthen,
welche sämmtlicb den bereits erwähnten beiden Arten angehören, und in kleinen fossilen,
theilweise durchbohrten Seemuscheln, deren Menge ungefähr dem Inhalt eines amerikanischen
Scheffels oder Busheis gleichkam. Dicht dabei befanden sich einige Rollsteine oder kleine
erratische Blöcke, jeder von fünfzehn lös dreissig Pfund Schwere, sowie zahlreiche Flinlbruch-
stiieke. Der Boden in der unmittelbaren Nähe besteht aus schwarzer lehmartiger Erde, die
auf einer Schicht von sandigem Charakter ruht. Letztere enthielt die genannten Gegen-
stände, welche mit einer achtzehn bis vierundzwanzig Zoll dicken Lage der schwarzen Erde
bedeckt waren. An der Oberfläche der Fundstelle zeigte aich üppiger Rasenwuchs. Nach
Sullivan’s Aussage lagen die Flintgeräthe , Muscheln und Blöcke in drei verschiedenen im
Sande ausgehühlten Vertiefungen, welche jetloch nicht mehr wie einen Fuss von einander
entfernt waren, und gleichsam die Stellung der drei Punkte eines Dreiecks einnahinen. Sei-
ner Ausdrucksweise gemäss bildeten die Flintgegenstände ein „Nest“ für sich, sowie auch die
Muscheln und ebenfalls die Steinblöcke. Während jedoch die Muscheln und Rollsteine dicht
zusammengehäuft lagen, zeigte sich eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung der
Werkzetigo, welche theils an einander lehnend auf der Kante standen, theils übereinander
geschichtet waren und eine kreisförmige Fläche bedeckten. Die ganze Niederlage dehnte
sich in keiner Richtung über sieben bis acht Fuss aus. Sullivan versäumte es, die Geräthe
zu zählen, ist aber der Ansicht, dass deren im Ganzen siebenzig bis funfundsiebenzig waren,
nämlich einige fünlzig Hauen und etwa zwanzig Schaufeln. Andere aus Stein verfertigte
Gegenstände, wie z. B. Pfeil- und Lanzenspitzen, Tomahawks oder Aexte n. s. w,, wurden
nicht in Gemeinschaft mit den Ackerbaugeräthen gefunden. Letztere gelangten sehr bald in
den Besitz von Einwohnern des Ortes, welche die Neugierde herbcigelockt hatte, und es ist
zu bedauern, dass viele, ja vielleicht die meisten derselben , in die Hände von Personen gefal-
len sind, welche ihren Werth nicht kennen. Dies ist jedoch gewöhnlich der Fall, wenn solche
Funde gemacht werden. Dr. Patrick untersuchte mehr wie zwanzig der Werkzeuge, und
fand, dass keines derselben benutzt worden war, da sich nicht die geringste Glättung an
den Schneiden wahrnehmen Hess.
Die Fundstätte liegt ungefähr fünfviertel Meilen (engl.) vom Mississippi entfernt, und hin-
reichend erhaben, um ausserhalb des Bereiches von gewöhnlichem Hochwasser zu sein. Aber
früher, ehe das Flussbett durch den Damm eingeengt war, welcher das Illinois-Ufer mit der
Mississippi-Insel, Bloody Island1) genannt, verbindet, kann die Entfernung kaum mehr wie
eine hallte Meile betragen halsen. —
Einige der in East St. Louis gefundenen Geräthe sind mm in meinem Besitze. Sie be-
stehen ans einer gelblich-brnunen Abänderung der früher erwähnten Gesteinsart und stimmen in
J) Auf der „blutigen Inte!“ pflegten in früheren Zeilen die Amerikaner der Nachbarschaft ihre Schusa-
dacile Huuufechten; daher die IWeiehnuug.
Digitized by Google
Kig. S.
. Steinerne Ackerbuugeräthe der iiordnmerikanischen Indianer. 5
der Form mit den von mir beschriebenen Schaufeln und Hauen überein; bei den meisten
Schaufeln jedoch ist das der Schneide gegenüberstehende Ende nicht abgerundet; wie in
Fig. 1, sondern bildet einen mehr oder minder spitzen Winkel. Bei allen sind die Schneiden
durch leise Schläge sorgfältig geschärft, und zeigen keine Spur von Abnutzung, woraus her-
vorgeht, dass die Gerüthe ganz neu waren, als sie der Erde übergeben wurden.
Die fossilen Seemuscholn sind allo kleine Univalven und gehören fast ausschliesslich dem
Geschlecht« Melampus an. Unter fast dreihundert Exemplaren, welche mir Dr. Patrick
übersandte, befinden sich nur neunzehn, welche andere Gattungen vertreten; diese sind Co-
lumbella, Marginella, Conus und Bulla. Alle haben ein kalkiges und verwittertes Aus-
sehen. Sie wurden muthmasslich in der Nachbarschaft erlangt, und waren augenscheinlich
zum Aufreihen und zur Herstellung von Hals- und Armbändern bestimmt. Die» lässt sich
aus der l'batsache entnehmen, dass manche der Melampus-Muscheln am untern Tbeil eine
künstliche Durchbohrung zeigen (Fig. 3, w. Gr.), welche hinreichend war, um das Aufreihen
zu ermöglichen, da der verbindende Faden ohne Schwierigkeit durch die natür-
liche Oeffnung der Muschel gezogen werden konnte. Bei einigen der Muscheln lässt
sich sehr deutlich wahrnehmen , dass sie an der Durchbohrungsstelle dünn geschlif-
■f fen worden sind, um das Durchlöchern zu erleichtern.
Die Rollsteine, welche einen Theil der Niederlage bildeten, waren wohl zur
Verfertigung von Geräthen bestimmt Ein Bruchstück eines der Blöcke befindet
sich in meinen Händen; er besteht aus Diorit — derselben Gesteinsart, welche die nordame-
rikanischen Indianer häufig zur Herstellung ihrer Aexte, Meissei, Stampfer u. s. w. ver-
wendeten.
Es wäre nutzlos, Vennuthungen über das Alter dieser durch Zufall entdeckten Hand-
erzeugnisse der früheren ltace aufzustellen, da es durchaus an Anhaltspunkten fehlt, um auch
nur annähernd die Zeit zu bestimmen, welche verflossen ist, seitdem sie vergruben worden
sind. Weit leichter ist es, von den Beweggründen Rechenschaft zu geben, welche die Eigen-
thümer der Werkzeuge und der übrigen Gegenstände veranlassten, mit ihnen in der angegebenen
Weise zu verfahren. Ihr Zweck war ohne Zweifel, dieselben zu verbergen. Vielleicht
verbessern sie den Ort mit der Absicht, zurückzukehren und von ihrem Eigenthume wieder
Besitz zu nehmen, ohne jedoch ihr Vorhaben ausfiihren zu können. Vielleicht auch geschah
das Vergraben in Kriegszeiten, während welcher sie getödtet, vertrieben oder in die Gefangen-
schaft gefiihrt wurden, und ihr „verborgener Schatz“ lag ungestört im Boden, vielleicht Jahr-
hunderte lang, bis der Spaten des irländischen Arbeiters ihn wieder an 's Licht brachte. Es
ist durchaus kein Grund zu der Verinuthung vorhanden, dass diese Niederlage eine« jener reli-
giösen Opfer bildete, wodurch, wie die Untersuchung gewisser Hügel (sacriticial mounds) er-
geben hat, die alten Bewohner des Mississippithaies die Mächte zu versöhnen oder zu be-
friedigen suchten, welche sie als die Lenker ihrer Geschicke betrachteten.
Aelmlicbe Niederlagen fertiger oder unvollendeter Flintgeräthe sind wiederholt in den
Vereinigten Staaten entdeckt worden1) und Squier und Davis thun in ihrem Werke „An-
■) Uleichfalla in Europa; io Schottland z. B. wurden Niederlagen von ateinernen Pfeilepitsen gefunden.
Logen, „The Scottiah Gaid“, London 1831, T. I, p. 339.
Digitized by Google
6
Carl Rau,
cient Monuments of the Mississippi Valley“ verschiedener Funde dieser Art Erwähnung, un-
ter denen der bedeutendste in einer erstaunlichen Menge von grossen scheibenartigen Flint-
stücken bestand, die sie in einem der Hügel der als „Clark’s Work“ bezeiclineten Gruppe von
Erdwerken aut Paint Creek in Ohio (Boss County) antrafen. Dieser Hügel , der nur sechs
bis sieben Fuss Höhe, aber einen Durchmesser von mindestens achtzig Fuss hatte, enthielt
an der Grundfläche zwei Uber einander geschichtete horizontale Lagen von dicht zusammen-
gestellten Scheiben von runder, ovaler oder herzförmiger Gestalt, die aus einem sehr schönen
bräunlichen, mit Streifen durchzogenen Homsteine verfertigt sind. Sie haben nicht alle die-
selbe Grösse, jedoch sind sie im Durchschnitt sechs Zoll lang, vier Zoll breit und dreiviertel
bis einen Zoll dick, d. h. in der Mitte, da der Rand durch kräftige Schläge in ziemlich roher
Weise ringsum zugeschärft ist. Ihr Gewicht beträgt in der Regel fast zwei Pfund. Die Aus-
dehnung der beiden Lagen dieser eigentümlichen Gegenstände ist nicht ermittelt worden,
da man den Hügel nicht in seinem ganzen Umfang untersucht, sondern sich damit begnügt
hat, mit einer scbachtartigen Vertiefung von sechs Fuss Länge und vier Fuss Breite nieder-
zugehen, welche indessen Uber sechshundert Exemplare entblösste. Nimmt man an, dass
sich das Doppellager über die ganze Grundfläche des llügcls oder auch nur Uber den grössten
Theil derselben erstreckt, so muss ihre Zahl in der That erstaunlich sein. In der von Dr.
Davis an das Blackmore-Museum in Salisbury (England) verkauften, mir wohlbekannten
Sammlung waren mehrere dieser Stücke, und ich besitze jetzt selbst eine Anzahl derselben,
Fig. 4 stellt eines meiner Exemplare in halber Grösse
dar. Man glaubt, diese Flintstücke seien als ein
Sühn- oder Dankopfer der Erde übergeben worden,
und die eigentümliche Beschaffenheit des sie um-
schliesaendcn Hügels1) begünstigt allerdings einiger-
massen diese Ansicht. Da sie jedoch allem An-
scheine nach keine vollendeten Geräthe darstellen,
sondern nur oberflächlich zurechtgehauene Stücke,
die ihre endlicho Form erst durch fernere Bearbeitung
erhalten sollten, so hat die Ansicht, dass diese Nieder-
lage eine Art von Magazin bildete, ebenfalls einige
Berechtigung. Manche der beschriebenen Stücke sind
den sogenannten Flintäxten ausserordentlich ähnlich,
welche Boucher de Perthes und Dr. Rigollot in
den Kieslagern des Somme -Thaies im nördlichen
Frankreich entdeckt haben’). Diese äussere Aehn-
lichkeit ist jedoch die einzige Uebereinstitninung, welche sich in Bezug auf die erwähnten
Steinerzeugnissc der beiden Continente in Anspruch nehmen lässt, da sie unter ganz ver-
schiedenen Verhältnissen entstanden sind. Während nämlich die rohen Flintwerkzeuge des
M Squicr and Davis, Ancient Monuments, p. 154.
■ Flintgegenitindc, welche denen eus Ohio gleichen, aind ebenfalls in den Hohlen dee ßurdognc-Gebielee,
namentlich der von Le Mouatier. gefunden worden. Lartet und Chriety haben dieselben in ihrem präch-
tigen Werke „Reliquiae Aquitanicae“ abgebüdet und beschrieben
Digitized by Google '
Steinerne Ackerbaugeriithe der nordamerikanischcn Indianer. 7
europäischen Schwemmlandes ohne Zweifel für die niedrige C'ulturstufe ihrer barbarischen
Verfertiger Zeugniss geben , sind die in Ohio gefundenen Flintscheiben als die unvollendeten
Oeräthe eines Volkes zu betrachten, welches Erdwerke von erstaunlichem Umfange hinterlas-
sen hat, und nicht nur höchst vollkommene Gegenstände aus Flint herzustellen verstand,
sondern auch iiberhanpt, wie ich bereits in einem früheren Aufsatze nachgewiesen habe >), in
der Bearbeitung von Stein ganz Erstaunliches leistete. Doch zweifle ich kaum an der künf-
tigen Auffindung amerikanischer Flintwerkzeuge, welche mit denen der europäischen Dilu-
vialscbichten nicht nur in der Form, sondern auch in der Art des Vorkommens Ubereinstim-
men werden, da viele Anzeichen die Bevölkerung der westlichen Hemisphäre als uralt er-
scheinen lassen, und ausserdem die Resultate archäologischer Forschungen auf eine merkwür-
dige Aehnlichkeit in den ursprünglichen Zuständen der Menschen in verschiedenen Erdthei-
len hinweisen.
Eine in Lapham's „Antiquities of Wisconsin“ enthaltene, von Dr. Hoy mitgetheilte No-
tiz thut eines andern Vorkommens von scheibenartigen Flintstücken Erwähnung. Einige
Arbeiter, die in der Nähe von Racine (Wisconsin) einen Graben durch ein Torfmoor zogen,
stiessen auf eine Niederlage von etwa dreissig Hornsteinscheiben, welche zwei und einen
halben Fuss tief im Boden unmittelbar auf der
die Unterlage dos Torfes bildenden Thonschicht
ruheten. Ihr Gewicht schwnnkt zwischen einem
halben und einem ganzen Pfunde. Einige dersel-
ben werden in der Sammlung des Smithson-
schen Instituts in Washington aufbowahrt.
Im Jahre 1860, während ich in St. Louis wohnte,
wurde eine Anzahl rohgeformter Flintgegenstände
von ähnlicher Beschaffenheit an einer Stelle des
Mississippinfers zwischen St. Louis und dem sechs
englische Meilen weiter südlich gelegenen Orte
Carondelet gefunden. Die Stücke lagen dicht bei-
sammen und waren wahrscheinlich durch den Ein-
sturz eines Theiles des Ufers entblösst worden.
Inh konnte Uber ihre Anzahl nichts Bestimmtes
erfahren, sah jedoch etwa acht derselben, von denen
ich drei erlangte. Sie sind alle ungefähr von glei-
cher Grösse, oval, am Rande nuf ziemlich rohe Art
zugeschärft, und bestehen aus weisslichem Flint.
In Fig. 5 gebe ich die Abbildung eines meiner
Exemplare in wirklicher Grösse. Dasselbe iBt in
der Mitte siebenachtel Zoll dick und wiegt unge-
fähr zehn Loth. Diese Stücke sind augenscheinlich
nicht als fertige Gerätbe zu betrachten, sondern
Fiff. G.
*) Dieses Arohiv Hund III., S. 187.
Digitized by Google
8
Carl Hau
als vorläufige Formen , aus denen später wahrscheinlich Pfeil- und I^anzenspitzcn hergestellt
werden sollten. Ihre jetzige Gestalt war ihnen ohne Zweifel mit Rücksicht auf bequemere
Fortachftff'ung und Rauuierspamiss gegeben worden. Man glaubt, dass Flint leichter gespal-
ten werden kann, nachdem er einige Zeit dein feuchten Einflüsse der Erde ausgesetzt gewesen
ist, und dieser Umstand mag zum Theil für den Gebrauch der Indianer, ihre Flintvorräthe
an geeigneten Stellen zu vergraben, als Erklärung dienen. —
Auf meinen frühem Gegenstand zurilckkommend , will ich bemerken, dass das Auffinden
von landwirtschaftlichen Werkzeugen der Indianer nicht mehr überraschen kann , wie das
Vorkommen anderer Steingeräthe, welche zu weniger friedlichen Zwecken bestimmt waren,
denn es ist bekannt, dass viele der nordamerikanischeu Stämme vor der Ankunft der Euro-
päer Mais und andere Xährpflanzen baueten1). Die Maiserzeugung muss in der Tliat be-
trächtlich gewesen sein. G&llatin hat sich einige Mühe gegeben, die Grenzen im Osten der
Felsengebirge und nördlich von Mexico zu bestimmen, innerhalb welchen Ackerbau stattfand.
Dieses Culturgebiet wurde im Osten durch den atlantischen Ocean und im Süden durch den
Golf von Mexico begrenzt; gegen Westen erstreckte es sich bis an den Mississippi und selbst
darüber hinaus bis an die Prairien; im Norden schwankte die Cultnrgrenze der klimatischen
Verschiedenheit gemäss, lag aber an der atlantischen Küste in der Region der Flüsse Kenno-
bec und Penobseot im heutigen Maine. Nördlich von den grossen Seen trieben nur die Hu-
ronen und einige verwandte Stämme Feldbau. Den Üjibways, welche im Süden des Lake
Superior ihre Sitze hatten, sowie ihren Nachbaren, den Menoinouies, lieferte, wie es scheint,
der wilde Reis, von den Franzosen „follo avoine“ genannt, die wichtigste Pflanzennahrung»),
Die irokesiseben Stämme, die über den jetzigen Staat Newyork und noeb weiter verbreitet
waren, erzeugten Mais in grosser Monge, wie z. B. aus folgender Thatsache hervorgelit: Im
Jahre 1067 machte eine Heeresabtheilnng unter der Leitung des Marquis de Nonville einen
Einfall in das Gebiet der Senecas, in Folge dessen alle ihre Maisvorräthe verbrannt oder auf
andere Weise unbrauchbar gemacht wurden, und es sollen bei dieser Gelegenheit nicht weni-
ger als 400,000 Minots oder 1,200,000 ßushels zu Grunde gegangen sein*). Diese Schätzung
mag allerdings etwas übertrieben sein; sie beweist aber dennoch, dass jene Stämme dem
Maisbau grosse Aufmerksamkeit widmeten.
Die Völkerschaften, welche die ehemals Louisiana und Florida genannten weiten Bezirke
innohntten, scheint in der Tliat das Pflanzenreich vorzugsweise mit Nahrung versehen zu haben.
Sie pflanzten vornehmlich Mais, Bohnen, Erbsen , Kürbisse, Melonen und süsse Kartoffeln
(Convolvnlus batatusj; Mais bildete jetloch ihr Haupterzeuguiss. In dm alten Berichten über
den abenteuerlichen Zug des Spaniers De Soto durch die eben erwähnten Gegenden (1539
bis 1543) wird nicht nur häufig der ausgedehnten Maisfelder der Eingeborenen Erwähnung
gethnn, sondern es lässt sich aus jenen Schilderungen auch entnehmen, dass De Soto’s
Schaar verhungert wäre, wenn die Indianer dieselbe nicht mit Mais versehen hätten. Die
') ln Betreff der merkwürdigen „Gartenbeete1* (garden-beda) von Michigan, Witconsin und Indiana, die
eine ältere Hodencultur andeuten, tmiaa ieli auf Schoolcraft, Lapham und Andere verwehen.
*) Gatlatin, Nynopeia of tho Indian Tribea of North America ju: Archaeologia Americana. Cambridge
1838, Vol. II, p. Hd
*) Documentary History of New York. T. I, p. 238.
Digitized by Google
Steinerne Ackerbaugeräthe der nordamerikanischen Indianer. 9
Spanier trafen auf ihrem Marsche gelegentlich grosse Yorrätlie dieser nahrhaften Getreideart
an, und es wird unter anderen Thatsachen angeführt, dass einer von De Soto's Offizieren
in einem einzigen Hause fünfhundert Schefiel Maismehl nebst einer grossen Menge Aehren
fand1). Es ist indessen zu berücksichtigen, dass gerade diejenigen Indianer, mit denen De
Soto und seine Gefährten in Berührung kamen, bereits eine höhere (Kulturstufe erreicht hat-
ten, wie die weiter nördlich hausenden Stämme. Sie waren nicht mehr Jägervölker im eigent-
lichen Sinne des Wortes, sondern durch den Feldbau an den Boden gefesselt. Grosse Ge-
meinden bildend, wohnten sic in Häusern, die bequemer waren als die ihrer roheren Nach-
baren, und lebten überhaupt, den älteren Schilderungen zufolge, in etwas geordneteren Ver-
hältnissen als die letzteren. Adair, welcher im vorigen Jahrhundert viele Jahre als Händ-
ler unter diesen südlichen Stämmen zabrochte, führt an, dass die Franzosen von West-Flo-
rida und die englischen Ansiedler von ihnen verschiedene Arten von Bohnen und Erbsen
erhielten, mit denen sie vorher gänzlich unbekannt gewesen waren. Sie zogen auch eine
Art von niedrigem Taback (small tobacco), der von den weissen Ansiedlern nicht gebaut
wurde. Die Weiber pflanzten Kürbisse und verschiedene Melonenartcn in abgesonderten,
ziemlich weit von den Dörfern entlegenen Feldern’). Es ist sogar wahrscheinlich, dass die
früheren Bewohner dieser Gegenden Fruchtbäume pflegten; Bartram fand wenigstens in
Georgia und Alabama auf den Stätten alter indianischer Niederlassungen verschiedene Bauin-
arten, die, wie er glaubt, von den Eingebornen ihrer Früchte wegen gepflanzt worden
waren >).
Die Florida-Indianer Hessen, wie es heisst, zu De Soto's Zeit ihre Felder durch Kriegs-
gefangene bearbeiten, deren Entweichen sie dadurch verhinderten, dass sie ihnen die Sehnen
an den Fersen durchschnitten und sie auf diese Art theilweisc lähmten *)• Bei den meisten
Ackerbau treibenden Stämmen Nordamerikas scheint jedoch die Feldarbeit das Geschäft der
Weiber gewesen zu sein, da die Männer die Zeit, welche nicht durch Jagd oder Kriegszüge
in Anspruch genommen war, in unthätiger Ruhe hinzubringen pflegten.
1 1 Garcilasso de la Vega, Conqu.'te de la Floride. Leyden 1731. T. I, p. 230.
*) Adair, Hiatory of the American Indians. London 1775, p. 408.
») Er führt an: the persimmon, honey-locust , Chickasaw plnm, imilberry , black walnut and shell-harked
hiccory, , w hielt were cullivated by the ancient», on account of their fruit, aa being wholesome and nourish-
ing food.“ Travel» in North America. Dublin 1703, p. 38.
•) Garcilasao de la Vega, C'onqoMe de la Florida, T. I, p. 286 and T. II, p. 389.
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Heft 1.
2
Digitized by Google
Digitized by Google
n.
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die
Bronzecultur.
Von
% Dr. 0. F. Wiberg in Gefle.
(Uebenetzt tob 1. Meatorf.)
Eiserne Waffen und Werkzeuge waren in Dänemark, SUdschweden und Norddeutsch-
land bis zum zweiten und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung wenig bekannt. Erst
mit der römischen Herrschaft am Rhein beginnt auch für den Norden Europas die Eisenzeit;
doch hatte man in den genannten Landern längst begonnen, die einem niedern Culturstadium
eigenen Waffen und Werkzeuge aus Stein gegen solche aus Bronze zu vertauschen.
Die nordischen Bronzen bestellen aus ungefähr */io Kupfer und */io Zinn. Da die ge-
nannten metallarmen Länder weder Kupfer noch Zinn produciren, so muss die Bronze, und
zwar als fertiges Fabrikat, daselbst importirt worden sein. Es hat sich herausgestellt, dass
die griechischen Bronzen dieselbe Mischung haben wie die nordischen.
Wir finden im nördlichen, mittlern und westlichen Europa mancherlei schön gearbeitete und
geschmackvoll verzierte Bronzewaaren, wie z. B. Aexte, Schwerter, Dolche, Sägen, Meissei,
Schnitz- und Rasirmesser , Paalstäbe, Celte, Lanzenspitzen, Schilde, Homer, Diademe, Kronen,
Kopf- und Halsringe; ferner Armbänder, Fingerringe, Fibeln, Vasen von Bronze und Gold, dem
einzigen Metalle, welches den Völkern der Bronzezeit ausser der Bronze bekannt war. Diese
Metallfabrikate bilden die Hinterlassenschaft einer Culturperiode, die wir, ohne Rücksicht
auf den ungleichen Zeitpunkt, in denen sie in den verschiedenen Ländern anftritt (im Nor-
den muss der Anfang derselben einige Jahre hinter Christi Geburt zurückverlegt werden),
dio Bronzezeit zu nennen pflegen.
Ein berühmter dänischer Alterthumsforscher1) nimmt an, dass die Schweden, Dänen,
lj Worauae: Om Sleawiga aller Söndetjyllands Oldtidsminder, S. 41 — 44.
2»
Digitized by Google
12
C. F. Wiberg,
Norddeutschen , und zum Theil auch die Mitteldeutschen, während der Bronzezeit gleichsam
eine Völkergruppe bildeten, die in der Metallindustrie ebenso hoch stand wie die meisten
anderen Länder, ja höher als das westliche Europa, wo die Ornamentik der Bronzegeräthe
einfacher ist, als iu den Ostseeländem. „Erst im Süden und SUdosten Europas: in Italien,
der Schweiz, Süddeutschland, Ungarn und Griechenland — so äussert sich der Verfasser —
zeigen die Bronzen eine solche Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit der Form , dass sie sich mit
den nordischen messen können,“ von denen sie sich gleichwohl durch nicht geringe, in die
Augen fallende Eigenthümlichkeiten unterscheiden.
Wir werden auf diese letzte Bemerkung später zurückkommen und erinnern hier einst-
weilen an eine andere Behauptung, dass nämlich dio im Norden gefundenen Bronzen nicht
durch den Handel und die Colonien eines einzigen Volkes (gleichviel ob Etrusker, Griechen,
Römer oder Phönicier) dahin gelangt sein können.
Professor Nilsson ist bekanntlich zur entgegengesetzten Ueberzeugung gekommen, die
er in seinem Werke über das Bronzealter1) näher erörtert Er sucht nämlich gerade die
Möglichkeit einer weiten Verbreitung der Bronzegeräthe durch den Handel und durch Han-
delsetablissemeuts zu beweisen, und zwar durch den Handel und die Handelscolonien der
Phönicier, von welchem Volke er die ganze Bronzecultur ausgehen lässt Nilsson’s An-
sichten haben in wissenschaftlichen Kreisen viele Anhänger, aber noch mehr Gegner gefunden.
Aus der Weltgeschichte wissen wir, dass die Colonion der Phönicier sich vor reichlich
✓
2000 Jahren Uber den Rand das Mittelmeerbeckens ausbreiteten. Wir kennen deren auf grie-
chischen Inseln, Sicilien, Sardinien, an der afrikanischen Küste, in Spanien, vielleicht auch in
Italien und Gallien, bis nach den im erdumspannenden Ocean gelegenen Kassiteridcn (Bri-
tannien). Es lässt sich voraussetzen und ist auch zum Thcil bekannt, dass sie durch ihren
Handel und ihre Ansiedelungen in diesen Ländern auch die Bronzecultur daselbst einflilirten,
wobei indessen nicht übersehen werden darf, dass sie damals schon die Nutzanwendung des
Eisens kannten und selbiges namentlich zu Werkzeugen für Metailfabrikatc verwandten. Zeug-
nisse für eine 80 grosse Verbreitung der phönicischcn Bronzecultur finden wir bei den klassi-
schen Schriftstellern und in verschiedenen Funden an Münzen und anderen Gegenständen mit
phönicischen Inschriften.
Sobald man aber für die Bronzecultur in Mittel- und Nordeuropa phönicischen Ur-
sprnng annimmt, steht man nicht mehr auf sichern: Boden, weil diese Conjectur durch keine
Beweise zu stützen ist. Wir finden in den klassischen Schriftstellern keine dicta probantia,
die als Belege dafür dienen könnten und ebenso wenig lässt sich diesseits der Alpen ein
Denkmal von unbestritten phöniciscbem Ursprünge nach weisen J).
Wir müssen den Ursprung und die Verbreitung der Bronzecultur aus anderer Quelle
herzuleiten suchen. Können wir nun einerseits diese nicht mit Prof. Nilsson in phönici-
schcm Handel und phönicischen Colonien erblicken , so wollen wir doch andererseits nicht
leugnen, dass diese merkwürdige Cülturperiode sehr wohl and zwar am leichtesten durch den
Handelsverkehr zu erklären ist. Und das ist was wir in diesen Blättern versuchen wollen.
•) Nilsson: Pas Hronzealter. Hamburg l*M13 — 1SCG.
*) Das Kivik-Mnnumcnt (s. Nilsson *. a. 0. S. 9) und andere Denkmäler der Vorxeit im Lande Scho-
nen vermögen wir aus sjmter zu ersehenden Gründen nicht eis solche snzaerkennen.
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 13
Wir haben uns schon früher dahin ausgesprochen, dass nach unserer Ueberzeugung den
Griechen und Etruskern ein bedeutender Einfluss auf die Entwickelung der Bronzecultur zu-
erkannt werden müsse, und wir glauben um so mehr dieser Ansicht treu bleibeu zu dürfen,
als sie von den grössten Alterthumsforschern unserer Zeit (v. Sacken, Kenner, Linden-
schmit, Morlot, v. Bonstetten etc.) gethcilt wird.
Bei einem von uns angcstelltcn Vergleich zwischen den Abbildungen verschiedener nord-
und mitteleuropäischen und etruskischen Bronzen liess sich eine gewisse Aehnlichkeit dersel-
ben nicht verkennen, die namentlich auch bei einer Vergleichung der Schwerter unserer
Bronzezeit und deren Ornamente mit griechischen Sch Wörtern, und den Ornamenten einiger
Vasen Gross-Griechenlands aus der archäischen Periode, stark in die Augen fiel. Es lag nahe,
aus dieser Aehnlichkeit auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Bronzeiudustrio
Gross-Griechenlands und Etruriens und der transalpinischen Bronzecultur zu schliessen.
Wir haben denselben bereits früher befürwortet1), und sehen uns nunmehr veranlasst,
den Gegenstand zu abermaliger Besprechung aufzunc-hmen und ihn einer selbstständigen Be-
handlung zu würdigen.
Ein bekannter Schweizer Alterthumsforscher, Baron v. Bon Stetten, Verfasser eines Bu-
ches Uber die AlterthUmer seines Vaterlandes, brachte vor einigen Jahren in einem Supple-
mentbande !) verschiedene Abbildungen, die für unsere Frage höchst wichtig sind. Oie von
uns vertretene Ansicht findet in ihm einen warmen Vertheidiger, wohingegen er als ent-
schiedener Gegner der „Hypothese“ bezüglich des phönicischen Ursprungs der Bronzecultur
auftritt.
Oer gelehrte Forscher stellt ein in Oänemark gefundenes Bronceschwert (s. Worsaae:
Nord. Olds. 133) neben ein von einer griechischen Vase abgezeiclinetes Schwert (s. unsere
Tafel Fig. 7); beide von der sogenannten Lancett- oder Xiphosform. Ersteres, in >/, der natür-
lichen Grösse dargestellt, muss ungefähr 2'/, Fuss lang Bein; letzteres dürfte, abgesehen von
dein geringen Maassstabe der Zeichnung, nicht Uber 1 > '* Fuss gemessen haben — die ge-
wöhnliche Länge dieser Waffe.
Oieses griechische Schwert ist keineswegs das einzige, welches wir kennen. Wir be-
sitzen viele ähnliche in Copien von Vasen , Gemmen u. s. w„ welche Scenen aus der griechi-
schen Geschichte oder Sage darstellon, und überall, selbst auf etruskischen Vasen- und Wand-
malereien, welche griechischen Stoff behandeln, haben diese Schwerter dieselbe Form.
Oie antiken lancettförmigen Bronzeschwerter (Tafel Fig. 2, 3, 4) sind offenbar, wie auch
v. Bonstetten glaubt, eine entwickelte Form des Jfqpng, gleichwie dieses eine weitere Ausbil-
dung des Opfermessers ist, was sich bei einem vergleichenden Studium der altgriechischen
Malereien gar nicht verkennen lässt Die Länge unserer antiken Bronzeschwerter ist sehr
ungleich.
Oer Verkehr mit asiatischen Völkerschaften liess die Griechen Gefallen an langen Schwer-
tern finden. Oie griechischen Schwerter sind im Allgemeinen länger als die römischen von
gleicher Form. Wir geben hier nach einem französischen Autor, welcher diese Waffe zum
') Wiberg: Der Einflon der klsniecben Völker sof den Norden durch den Hsmleleverkehr. .Mit einer
Fundknrtc. Hamburg 1S67. S. Iß u. ff.
*) Second Supplement »u Recueil d’antiquitea Suinee per le Harem de Bonetetten, Latuaune 1867.
Digitized by Google
14
C. F. Wiberg,
Gegenstände besonderer Studien gemacht *), die Abbildungen zweier griechischen Schwerter,
von welchen das eine, in der Scheide (Fig. 17), bei Niuies in Frankreich gefunden Ist, das
zweite, von welchem der Fundort unbekannt, die grösste Aehnlichkeit mit unseren antiken
Bronzeschwertern zei^t.
Obgleich bis jetzt nirgend Bronzcschwerter von nachweislich pbönicischem Ursprünge ge-
funden sind, betrachtet doch Nilsson die BroDzeschwerter im Allgemeinen als Producte phö-
nicischer Industrie') und Rougemont'), der sich Nilsson in manchen Punkten anschliesst,
betrachtet die Funde von Bronzeschwertern in irgend welchom Lande als unzweifelhafte
Zeugnisse für einstmalige Handelsverbindungen desselben mit den Phöniciern. Man begeht
hier den Fehler, als schon bewiesen zu betrachten, was erst hätte bewiesen werden sollen.
Herr v. Bonstetten stellt ferner zwei Dolche zusammen, von denen der eine (Tafel
Fig, 1) in Macedonien, der andere in Skandinavien gefunden ist. (Vergl. Nilsson &. a. O.,
Taf. L Fig. 3.) Die zwischen beiden herrschende Aehnlichkeit ist trotz der geringen Ver-
schiedenheit der Griffe unverkennbar. Rougemont erzählt (S. 214), dass das Museum in
Xeufchätel einen Dolch aus Ithaka besitzt, welcher den nordischen Bronzedolchen vollkom-
men gleicht, ein Umstand, der in seinen Augen den phönicischen Ursprung dieser Waffe
ausser Zweifel stellt; andere würden sich damit begnügen, sie für griechisch zu halten. Auf
der grossen Ausstellung in Paris 1867 sahen wir einen in der alten griechischen Colonie Cu-
mae in Groes-Griechenland ausgegrabenen grossen Bronzedolch, dessen Klinge die grösste
Aehnlichkeit mit unseren gewöhnlichen Bronzeschwertern hatte4).
Wir kennen noch eine andere Art von Bronzedolchen mit breiter, dünner, triangelfor-
miger Klinge und glattem cylindriachen Griff-. Sie sind im Norden nicht eben Belten. Man
findet deren zwei bei Worsaae abgebildet (Nord. Olds. 143, 144) und einen bei Nilsson
(Bronzealter, Taf. II, Fig. 12). Auch in Sachsen1), Süddeutschland, der französischen Schweiz,
und in der Lombardei (bei Peschiern)*) sind ähnliche Exemplare gefunden. Man erkennt
in ihnen ursprünglich griechische Form. In der Waffensammlung des Musde d' Artillerie in
Paris zeigt man nicht weniger als vier solche Dolche, von denen drei aus Gross-Griechenland
stammen, einer bei Palermo gefunden ist. Abbildungen von diesen giebt Lindenschmit
a. a. O. I : II, 4; I : XI, 2. — Lacombe, welcher diese Waffe mit Bestimmtheit für grie-
chisch erklärt, giebt (PI. Fig. 10) eine Zeichnung derselben; LubbockO thoiit eine solche aas
Irland mit, welche einen merkwürdigen Uebergang zu dem von Bonstetten vorgelogten
inacedonischen Typus zeigt. Dies ist um so interessanter, da man die Uebereinstimmung
der irländischen und italischen, d. i. etruskisch-griechischon Bronzen, mehr und mehr zu er-
kennen beginnt. Nilsson halt diese Dolche für jünger als die übrigen Bronzen; Gründe für
diese Annahme sind mir nicht bekannt
*) Lacombe: Le« arm« et lea armures. Paria 18GB, pag. 40. — Vergl. auch: Linüonachmit: die
Allerth. u. h. V. II, I, Taf. 3.
7) Es iat gleichwohl zu beachten, dass Nilsson zwischen den importirten phönicischen Bronzen und den
jüngeren inbindischen Nachbildungen derselben streng unterscheidet. I). l'ebere.
b Rougemont: L'Agc du Bronze. Paria 1866.
*) Mortillet: Promeuadet historn|uea. p. 141.
s! Preuaker: Blicke in di« Vaterland. Vorzeit II, Taf. 3. — *) Rougemont a. a. 0. p. 227.
1) Lubbock: Prehisloric Times, p. 18, Fig. 24.
Digitized by Google
lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 15
Herr v Bonstetten setzt seine Vergleiche fort, indem er eine Laozenspitze aus Ita-
lien aus seiner Privatsaminlung mit einer eben solchen aus Dänemark (s. Worsaae: Kord.
Olds. 189) zusammenstellt; ferner einen Paalstab mit Schaftlappen aus dem Thuner-See mit
einem andern aus der Provinz Basilicata am Busen von Taranto (Süditalien), s. Tafel Fig. 14;
einen andern in Italien gefundenen Celt, der am oberen Ende gleichsam in einen Stiel aus-
läuft (Fig. 13), mit einem ähnlichen aus Dänemark (Worsaae a. a. O. 179). Auch bei Lub-
bock (Prehistoric Times, p. 14, Fig. 9) finden wir einen eben solchen Celt aus Irland, dor
sich nur hinsichtlich der Ornamente von den Übrigen unterscheidet.
Wir wollen hier an den bekannten Fund in Apulien erinnern, wo ausser einer Fabrik-
stätte von Steinkcilen oder Gelten ') auch eine grosse Anzahl bronzener Celte gefunden sind,
die hinsichtlich ihrer Form und Legirung den nordischen durchaus gleich sind’).
Der letzte Vergleich, den wir dem genannten Werke des Herrn v. Bonstetten zu ent-
lehnen uns erlauben, ist der einer in Italien gefundenen Arm schiene (brassard) mit einer
ähnlichen aus Mecklenburg. Es Hesse sich zu dieser Classe von Alterthümern auch dieser und
jener Bronzeschmuck (prydelse) des Kopenhagener Museums zählen (s. z. B, Worsaae a. a.O.
265). Auch bei LindenBch mit finden wir ähnliche Armscbienen aus deutschen Fun-
den. Sie stammen sämmtlich aus Italien und dienten dazu, den Arm beim Abschiessen des
Pfeiles gegen die Reibung der Bogensehne zu schützen.
Wir wiederholen, dass die Aehnlichkeit der hier besprochenen Bronzewaffeu , trotz der
grossen Entfernung der Fundorte von einander, unverkennbar und bisweilen bis in die klein-
sten Details nachweisbar ist. Diese AehnHchkeit, meint der Schweizer Forscher, dem wir
die Hauptpunkte der hier vorgelegten Vergleiche entlehnten, darf um so weniger als eine
zufällige betrachtet werden, als es sich um Gegenstände handelt, die mit Recht als Kunst-
werke gelten können.
Finden wir hier einen unzweifelhaften Beweis für einen einstmaligen Zusammenhang der
transalpinischen Bronzecultur mit der Metallindustrie in Griechenland, so sehen wir uns doch
gemüssigt einzuräumen, dass das Verdienst, die Bronzecultur in dem innern barbarischen Eu-
ropa begründet zu haben, nicht den italischen Griechen allein zugesprochen werden darf, in-
dem noch ein anderes Volk der italischen Halbinsel eben so grosses, vielleicht grosseres Recht
darauf hat — wir meinen die Etrusker.
Die Etrusker haben durch ihre grosse vortreffliche Metallindustrie und ihren Handel
zu Wasser und zu Lande einen so grossen Einfluss auf die CivilLsation der im Korden der
Alpen gelegenen Länder geübt, dass das Verdienst, die Bronzecultur nach jener Richtung
ausgedehnt zu haben, wiederholt ihnen allein zuerkannt worden ist.
Die edlen Metalle verarbeiteten sie zu allerlei Schmuck und Toilettensachen und zwar
mit einer Meisterschaft , die derjenigen der Griechen nicht nachstand. Das Eisen , welches
t) Der Verfasser bezeichnet hier denselben Gegenstand bald als Paalstab, hald ata Celt, und wendet letzte-
res sogar auf Steinkeile an. Eine positive Jleseichnong der einreinen Geriithe und ihrer verschiedenen For-
men scheint nns, namentlich wo keine Zeichnungen vorliegen, rum richtigen Verständniss durchaus nothwen-
dig. — lieber die liedeutung der Bronzekeile für die Bronaeperiode ist zu vergleichen Pfr. And. Peter-
een: Geber das Verhältnis# des Bronzealters zur historischen Zeit bei den Völkern dee Alterthums. Ham-
burg 1668. D. Uebcrs.
*) Rongcmont a. a. 0., p. 223.
i
Digitized by Google
16 C. F. Wiberg,
ihnen schon von altersher bekannt war, dient« wahrscheinlich zu Werkzeugen für die An-
fertigung der Metallwaaren. Eine grosso Vorliebe hatten die Etrusker für die Bronze,
deren Mischung von dem Zwecke, zu dem sie verwandt wurden, wie auch von den mehr
oder minder reichlichen Zinn vorrathen abhängig war; wie denn überhaupt in der Legirung
der etruskischen Bronzen eine ungleich grössere Verschiedenheit herrscht als in jener der
griechischen.
Bei der Anfertigung grösserer Gegenstände pflegten die etruskischen Metallarbeiter an-
fangs die BroDZcplatten auf ähnliche Weise zusammen zu nieten, wie die Sidonier; auch ver-
standen sie die Kunst der Assyrier, mittelst Hammer und Stempel die einfachen Ornamente
einzuschlagen, die wir auf ihren Vasen wahrnehmon. Der Brozeguss beschränkte sich zuerst
auf kleine Gegenstände. Grössere Sachen und die eigentlichen Kunstwerke zu giessen, lern-
ten sie erst später.
Die letztgenannten lassen wir, als ausser dem Bereich unseres Themas liegend, unbeach-
tet und erinnern vielmehr daran, dass aus der etruskischen Bronzcindnstric eine Menge Sa-
chen hervorgingen, die für das praktische Leben von unmittelbarem Interesse sind.
Unter den gegossenen Waaren dieser Art nennen wir Schwerter, Dolche, Celte,
Aexte und andere Werkzeuge aus Bronze. Vasen und Hausgeräth, Schilde, Har-
nische, Helme, Blasinstrumente u. s. w. wurden aus Bronzeblech gehämmert. Wie
diese Sachen aussehen, lehrt uns ausser dem Inhalte zahlreicher Museen noch eine andere sehr
merkwürdige Fundgrube.
Ein verdienstvoller Forscher des etruskischen Alterthums, Mr. N oel Des Vorgors, hat
in der alten Stadt Caere, dem heutigen Cervetri, ein etruskisches Grab aufgedeckt, welches
in mehrfacher Hinsicht von hohem Interesse ist ').
Er führt uns in einen vollkommen viereckigen Raum von 25 Fuss Länge und Breite, des-
sen schlichtes Dach von zwei Stelen oder viereckigen Pfeilern getragen wird. Ringsumher
an den Wänden sieht man Betten in den Stein gehauen, deren Kissen und Laken mit Farbe
übertüncht sind. Diese Betten, der Zahl nach elf und durch eben solche Pfeiler wie die oben-
genannten von einander getrennt, waren zu Ruhestätten für die Todten bestimmt; desglei-
chen einige freistehende Steinsärge in der Form eines Rechtecks und mittelst eines Deckels
verschlossen. Da« Bett, dom Eingänge gegenüber, scheint für das Oberhaupt der Familie be-
stimmt und ist bewacht durch zwei in den Stein gehauene, colorirte mythische Figuren:
einen Typhon und einen Cerberus. Wände und Pfeiler sind mit einer Menge Hausgeräth,
Werkzeuge, Möbel, Angriffs- und Schutzwaffen, musikalische Instrumente u. s. w. bedeckt,
die in erhabener Arbeit aus dem Stein gemeisselt und mit den ihnen natürlichen Farben bemalt
sind. Das Ganze bildet ein äusserst lehrreiches Museum , vor allem geeignet, uns ein treues
Bild der häuslichen Einrichtung und der Civilisation der Etrusker zu geben.
Diese bildlichen Darstellungen erleichtern die Aufgabe, unter den Bronzefuuden in Mittel-
und Nordeuropa etruskische Originale und Nachbildungen zu erkennen, und wollen wir hier-
nach zu einer Vergleichung etruskischer Fabrikate mit nordischen Fundgegen-
ständen übergehen.
*) L’Etrarie et le» Etnwques. Pari* 1S62 — 186t, neliat Atlas.
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die lironzecultur. 17
Obgleich die Mehrzahl der bisher für ausschliesslich etruskisch gehaltenen Bronzen hin-
sichtlich ihrer Bestimmung und ihrer Formen Eigentümlichkeiten zeigen, welche sie als be-
sonders für die Etrusker selbst und einige andere mit ihnen auf gleicher Culturstufe stehende
Völker geeignet erscheinen lassen, so ist doch leicht einzusehen, dass die grossen Fabriken,
welche für den Verkauf nach dum Auslande arbeiteten1), auch eine Menge solcher Waaren
liefern mussten, wie sie von den barbarischen oder halbbarbarischen Völkern des Binnenlandes
am stärksten begehrt wurden. Es ist ferner klar, dass gleichwie unsere grossen Fabrikan-
ten noch heutigen Tages t>oini Exportgeschäft den Geschmack der verschiedenen Völker-
schaften zu berücksichtigen haben, so auch die etruskischen Metallarbeiter sich nach dem
Gescbmacke der Barbaren richten mussten. „Diese Verschiedenheit des Styls und der Be-
handlungsweise, welche nicht allein in den Leistungen der etruskischen Keramik, sondern
auch in der Erzarbeit je nach Gegenstand und Art der Bestimmung zu Tage tritt , darf als
bekannt vorausgesetzt werden,“ sagt Llndenschmit, der Uber diesen Gegenstand viel ge-
dacht hat. Er erinnert daran, dass nicht allein diese Stylcontraste, sondern auch eine merk-
liche Abstufung in Hinsicht auf Sorgfalt und Geschick der Ausführung, sowohl bei tuski-
schen Arl>eiten ausserhalb Italiens als bei einer Menge von Grabfunden der italischen Halb-
insel, zu Tage treten’).
Unter den etruskischen Bronzen, welche nach dem Korden gelangten, haben wir bereits
früher3) auf die in den Pfahlbauten der lombardischen Seen und in den Terramaralagern an
den Ufern des Po gefundenen Gelte, Meissei und Paalstäbe hingewiesen, welche den im
Korden gefundenen durchaus ähnlich sind; desgleichen auf die Sicheln, Dolche, Messer und
Lanzenspitzen und deren SeitenBtücke aus den Pfahlbauten der Schweizer Seen , aus Deutsch-
land und Skandinavien. Da wir indessen hierüber bereits ausführlich verhandelt haben,
wollen wir uns nur noch einige Zusätze erlauben.
Es giebt unter den Bronzen kaum einen Gegenstand, der ausserhalb des alten römischen
Reiches eine grössere Verbreitung gefunden hätte, als die Fibeln oder Gewandnadeln. Sie
zeigen eine grosse Mannigfaltigkeit der Form und dienten theils um dio Kleider zu befesti-
gen, theils als Schmuck. Am gewöhnlichsten ist eine Fibulae mit vertical gegen den Kadel-
doru liegender langer Spiralfeder. Man trifft sic im Rlicinlando, in Hannover bis nach Lüne-
burg hinauf, in- Hallstadt, Grossbritannien, Frankreich, Livland und Bohuslän. Linden-
schmit nimmt für diese Fibeln eiuen gemeinsamen und zwar altitalischon Ursprung in Au-
sprach (a. a. Ü. H. VH, 3 und Beilage). Wir geben auf unserer Tafel die Abbildungen zweier
Fibeln von anderer Form. Fig. 11 ist iD Dänemark gefunden (vgl. Worsnae Kord. Olds.
230), die andere bei Perugia im alten Etrurien (vgl. Lindenschmit: 1, VIU, 3, 7). Unsere
Leser mögen selbst urtheilen.
In gewissen etruskischen Bildwerken, z. B. in den Wandmalereien von Vulci (s. Koel
des Vergors, Atlas) sieht man freilich Kriegsleute mit den bekannten kurzen, lancottförmi-
gen Schwertern, allein es ist klar, dass die etruskischen Künstler bei der Behandlung alt-
„Tuscanica signa per torras dispersa.“ Plin.
*) Linden, chrait a. a. 0. II, VIII, Beilage.
’) IViborg a. a. 0. S. 19 u. ff
Archiv für Anthropologie, Ild. IV, fielt L 3
Digitized by Google
18 C. F. Wiberg,
griechischer Stoffe auch die altgriechische Bewaffnung treu darstellen mussten. Auch ist
immerhin möglich, dass etruskische Waffenschmiede bisweilen derartige Schwerter fabricirt
haben. Es giebt übrigens etruskische Schwerter von ganz andereT Form, die r. B. in den
Wandmalereien von Caere Vorkommen (N. d. Vergers a. a. O. PI. I — IH).
Diese Schwerter sind, so viel sich aus der Farbe achliessen lässt, theils von Eisen oder
Stahl, theils von Bronze, einige mit der Scheide, andere ohne und messen, insoweit die Länge
sich überhaupt berechnen lässt, 2 Fuss 7 Zoll. Sie sind zweischneidig, ungefähr zwei Drittel
ihrer Länge gerade und danach in eine Spitze auslaufend, sonach der römischen Spatha
ähnlich, ein Typus, der sich wahrscheinlich ans dem etruskischen Schwert entwickelt hat.
Unter den transalpinischen Bronzeschwertem nähern sich viele dieser Form. Wir geben hier
die Abbildung eines solchen Schwertes von Caere, die eines etruskischen Bronzeschwertes
von Hallstadt und eines dritten, wenn wir nicht irren, in Schweden gefundenen (vgl.
Figg. 21 bis 23).
Es ist bekannt, dass die Römer ihre musikalischen Instrumente, z. B. die lydische Metall-
trompete und die phrygische Doppelflöte von den Etruskern erhielten. Erstens wurde lituus
genannt und cs sind deren gefunden, an welchen das Schallende hakenförmig gebogen ist.
In dem Grabe von Caere bemerkt man sowohl diese wie die halbzirkelformigen. Drei in
Dänemark gefundene Bronzehömer finden wir bei Worsaae (Nord. Olds. 199 — 201), und bei
Nilsson ein ebensolches aus einem Torfmoore in Schonen. Sie sind S-förmig, oder wie
Nilsson sich ausdrückt: gekrümmt wie das Horn eines Auerochsen1). Die Hornisten des
Kivik-Monuments tragen hingegen nach der von Nilsson mitgetheilten Zeichnung halb-
zirkelförmige Hörner. (Vgl. Bronzealter S. 9 und Taf. 4, Fig. 50, S. 145.) Sowohl die nordi-
schen als die etruskischen Hörner sind aus mehreren Stücken zusammengesetzt und die dä-
nischen obendrein am Mundstücke mit einer Reihe angehängter Zierbleche versehen, wie
man deren unter den HaUstädter Bronzen findet. Die nordischen Hörner zeichnen sich über-
haupt durch feine, geschmackvolle Arbeit aus, weshalb ihr etruskischer Ursprung nicht zu
bezweifeln ist.
Auch auf die bekannten Bronze wagen müssen wir hier noch einmal zuriiekkommen.
Ihren etruskischen Ursprung und ihren Gebrauch als Räucherfässer haben wir bereits dar-
gethau *) und sind nach einem eingehenderen Studium des trefflichen Werkes von Dennis*) in
unserer Meinung nur bestärkt worden. Diese Ooutarijpfg, wie die Griechen sie genannt haben
würden, sieht man in allen Sammlungen etruskischer Alterthümcr und in fast allen etruski-
schen Gräbern, woselbst sie einem bestimmten Zwecke dienten. Diese Wagen mit ihren mit
glühenden Kohlen und Räucherwerk gefüllten Schalen wurden nämlich durch die Grabkam-
mer gerollt, um diese mit Wohlgerüchen zu füllen, eine Ceremonie, die namentlich bei den
Parentalien stattfand, welche alljährlich in dem Grabe selbst gefeiert wurden. Es ist wahr-
') Ki verdient Beacht«»#, data, ao weit una bekannt, alle gefundenen Bronzehörner nicht auf Gräbern,
sonder« ans Mooren oder beim Pflügen zu Tage gefördert wurden. Vgl. „Paa Ausland “ 1868, Xro. 32, S. 761;
Meck!. Jahrbücher I und III; Friedr. Franciac. Tat. IX. D. Leben.
*| Wiberg a. a. O. 8. 22.
*| Dennis: Die Städte und Begribniaaplätze Etruriena. Leipzig 1852, S. 591, Not 67.
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 19
acheinlich, dass diese Wagen aus den geplünderten Gräbern Etruriens zur Zeit der Völker-
wanderung als Kriegsbeute nach Norden, bis nach Skandinavien hinaufgebracht sind.
Durch den Handel werden sie schwerlich eine so weite Verbreitung gefunden halten.
„Wenn wir in Etrurien Goldfabrikate finden, obgleich dies Edelmetall kein Product des
Landes ist“ — sagt N. 4 V ergers a. a. O. S. 255 bia 258 — „wenn wir dort Bernstein aus der
Ostsee finden, Elfenbein aus Afrika, Zinn von den Kassiteriden, Purpur aus Tyrus, Vasen und
Amphoren von jener eleganten Form und Reinheit der Zeichnung, welche den griechischen
Künstler charakterisiren , so sind dies eben so viele Zeugnisse für die ehemaligen Handels-
verbindungen dieses Landes.“ Mit dem verschlossenen Aegypten, ja mit dem fernen Indier^
sollen die Etrusker Handel getrieben haben, wie der Verfasser aus dem Reichthum an Sma-
ragden schlieast, womit sie ihre Halsketten zu zieren pflegten und die sie vor anderen Stei-
nen liebten.
Die orientalischen Handelsverbindungen der Etrusker, ihre orientalische Herkunft, als
Emigranten aus dem alten Lydien, mit dessen Bevölkerung sie hinsichtlich ihres Geschmackes,
ihrer Kunst, Religion, Sprache') und Sitten manche Gemeinschaft haben, erklären jene
orientalischen Eigentümlichkeiten, die wir in der Bronzecultur zu erkennen glauben. Es
ist indessen nicht der etruskisch-orientalische Handel, auf den wir hier unsere Aufmerksam-
keit lenken wollen. Für unsere Aufgabe ist es wichtiger, uns nach weiteren Beweisen um-
zusehen, welche den europäischen Handel der Etrusker und die Verschickung der Fabrikate
etruskischer und griechischer Metallindustrie nach den nördlich von den Alpen gelegenen
Ländern, ausser Zweifel stellen.
Hier kommen uns die Aussagen klassischer Schriftsteller und interessante Funde zu
Hülfe. Pindar und Herodot sprechen von der heiligen Strasse des Herakles, die von
allen umwohnenden Völkern geschützt und geschirmt wurde. Polybius weiss, dass zur Zeit
als die Tyrrhener, welche von den Griechen Etrusker genannt werden, noch in der Po-Niede-
rung wohnten, zwischen ihnen und den benachbarten Kelten (Galliern) lebhafter Handels-
verkehr gepflogen wurde. Angelockt durch die Fruchtbarkeit des schönen Landes, überfie-
') Die etruikuche Sprache iat weder ein phönicischcr noch semitischer Dialect and die Etrusker sind keine
Semiten, wie von Nilseon behauptet worden ist (a. a. 0. S. 91k Ich bin von einem sonst insserst wohlwol-
lenden Reoensenten meines „Einfluss der klassischen Völker auf den Norden“ etc. (s. Alfgr. Monatsschrift 1868)
getadelt worden, dass ich ans dieser von meinem gelehrten Landsmann gegebenen Auskunft keinen Nntzen
gezogen, sondern die etruskische Sprache, die nunmehr, Dank sei es deutschem Fleisa und deutscher Gelehr-
samkeit, erschlossen, trotzdem eine uns verschlossene genannt habe. Ich bedauere, diese Freude nioht
thcilen su können, weil sie mir verfrüht erscheint.
Es ist allerdings wahr, dass ein Deutacher, Namens Stickel, nsch französischer Anregnng ein Rach ge-
schrieben bst, betitelt: „Das Etruskische durch Erklärungen von Inschriften und Namen als semitisohe Sprache
erwieiCD. Leipzig lr-68.“, und daas sich mehrere Gelehrte seinen Ansichten angeschlossen haben. Allein es
ist auch wahr, dass er viele angesehene Gegner bat Unter diesen nennen wir vor allen und zwar als Auto-
rität: Fabretti, welcher in seinem grossen Wörterbuch altitatischer Sprachen sub voce EULAT sagt: de
hftc re nihil apta argumentationo conclndunt interpretea, nee feliciores sunt, qui voces etruscas graviter repe-
tunt a radicibos hebraic». Die grosse Verschiedenheit der Uebersetzung, welche dieSemitistcn uns von dem
hier frsglichen Sprachmonnment geliefert (es ist die Rede von einer ziemlich umfangreichen Inschrift anf
einem im Jahre 1822 bei Perugia gefundenen Slulenstumpfl, beweist, wie wenig auf die Erklärung dieser ge-
hcimnissvollen Sprache zu bauen iat. — Ein neueres Gerücht, es sei dem bekannten Grafen Coneatabile ge-
lungen, den Schlüssel zur etruskischen Sprache in bilinguen Inschriften zu finden, hat sich nicht bewahrheitet.
3*
Digitized by Google
20
C. F. Wiberg,
len sie ohne eigentlichen Grund die ahnungslosen Tyrrhener mit einem grossen Kriegsheere,
vertrieben sie aus der Po-Ebene und nahmen selbst Besitz von dem Lande (Hist- II, 17. 19).
Diese Eroberung ward fortgesetzt von 600 bis 391 v. Chr., weshalb man den etruskisch-kel-
tischen Handel bis in das 6. Jahrhundert v. Chr. zurück verlegen darf.
Horaz (Epist. H, 2, 180) singt von kleinen etruskischen Bronzefiguren, „tyrrhena si-
gilla,“ dem gewöhnlichen Schmuck in den Häusern der Reichen. Plinius erzählt, dass die
etruskischen Bronzen über alle Länder verbreitet waren: „signa tuscsnica per terras dis-
persa.“ Und wenn er Hist Nat- XXXIV. VII, 16 ausdrücklich sagt dass dieselben in Etru-
rien fabricirt wurden, so haben wir darin ein kostbares Zeugniss für den wichtigen Antheil,
den die etruskische Metallindustrie an der Verbreitung der Bronzecultur nach dem west-
lichen Europa gehabt hat
Grosse Aufmerksamkeit verdient, was auch v. Bonstetten (a. a. 0. S. 9) hervorhebt,
dass in den Alpenpässen Funde aus dem sogenannten Bronzealter gemacht worden sind. So
z. B. hat man, wie v. Bonstetten uns mittheilt, auf der Grimsel in den Berner Alpen
zwei Lanzenspitzen von Bronze gefunden, und auf dem Julier im Oborlialbsteinthale in Grau-
bündten verschiedene andere Gegenstände desselben Metalls. Aus welchem andern Grund
als dem der Handelsinteressen würde man zu jener Zeit mit so kostbaren Waaren über die
Alpen gezogen sein!
Ein anderer Schweizer Alterthumaforscher, den wir bereits als einen Anhänger der An-
sichten Nilssons hinsichtlich eines phönicisclien Handels und phönicischer Ansiedelungen
im Norden genannt haben, kennt nichtsdestoweniger einen alten etruskischen Handelsweg
von Norditalien ins innere Europa, den er jedoch von der Nordküste des Adriatischen Mee-
res Uber den Brenner bis nach Rügen führt (Rongomont a. a. G. S. 143, 235).
Wir haben früher darauf hingewiesen '), «lass die zahlreichen etruskischen Funde in der
Sohweiz und im Moselgebiete, mehrentheils Kunstwerke von unbestritten etruskischer Ar-
beit, den deutschen Archäologen Prof. Lindenschmit zu der Behauptung veranlassten, es
habe schon vor der Römerherrschaft am Rhein ein etruskischer Handelsweg durch jenes Ge-
biet gen Norden geführt. Wir traten dieser Ansicht aus voller Ueberzeugung bei, weil sie
die einzig vernünftige Erklärung der etruskischen Bronzefunde in unseren Gegenden möglich
macht und wollen wir diesem Punkte nur die Bemerkung hinzufügen , dass dieser Handel
sich unsere Bedünkens nicht auf etruskische Waaren zu beschränken brauchte, indem kein
Grund vorliegt, warum die Erzeugnisse der Metallindustrie, welche derzeit im südlichen
Theile der italischen Halbinsel, dem sogenannten Gross-Griechenland , florirte, davon aus-
geschlossen werden sollte.
Es gilt hier die Strasse zu zeigen , auf welcher dieser griechische Handel , möge er nun
von Hellas oder Gross-Griechenland ausgegangen sein, sich nach dem innern Europa be-
wegte. Adria, welches dem Adriatischen Meere seinen Namen gegeben, und Patavium, das
heutige Padua, sind beknnnt als Stapelplätze für den vom Norden kommenden und für den
Weitertransport nach südlicheren Ländern bestimmten Bernstein, vielleicht auch für das Zinn
') Wiberg ». ». 0. S. 18.
Digitized by Google
lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 21
von den Kassiteriden. Dahingegen ist Altinum als Stapelplatz für die aus SUditalien kom-
menden und nach dem Norden destinirten Waaren bekannt. Vom 8. Jahrhundert v. Cbr.
an war das Adriatische Meer die Hauptstrasse für die Korinther und deren Colonisten, die
Korcyräer, auf ihren Fahrten gen Norden und wahrscheinlich auch für den Seeverkehr Gross-
Griechenlands und Siciliens.
Der Reichthum an Kupfer, welcher das alte Bruttium auszeichnete, lockte erst die Phö-
nicier1), danach die Griechen zur Anlage einer Colonie an der Küste, wo mit der Zeit eine
Metallindustrie aufblühte, die sich über die japygische und apulische Küste ausdohnte. Ta-
rentum, Brundnsiuni, des auf Sicilien gelegenen Syracusae nicht zu erwähnen, besassen, nach
Plinius, ansehnliche Fabriken für die Bronzeindustrie (Plin. XXXHI, XXXIV, ed. Sillig).
Wir erwähnten bereits, dass an der Küste von Apulien Bronzecelte gefunden seien, die den
nordischen gleichen, und dass auch die Mischung der Metalle dort der im Norden gleich sei,
nämlich l/n> Zinn und B/xo Kupfer (Rougemont a. a. O. p. 224, 238). Es heisst, Brundusium,
das griechische Brentesion und das heutige Brindisi , sei der Mittelpunkt für diese Industrie
gewesen, und Plinius berichtet an zwei Stellen, dass aus Jen Bruudusinischen Werkstätten
Spiegel aus einer Mischung von Kupfer und Zinn hervorgingen, die als die schönsten und
besten geschätzt wurden, bis man in der Glanzperiode Pompejis Spiegel aus Silber anfertigen
lernte (XXXITI, 30 u. 50). Bronzene Spiegel giugen weit nach dem Norden hinauf, wo sie sogar
auf der Insel Oeland in alten Gräbern gefunden sind. Durch ihren ausgezeichneten Hafen
eignete sich die Stadt Brundusium vortrefflich zum Ausschiffen von Metallwaaren , welche
nacli dem Norden versandt werden sollten.
Im 8. Jahrhundert v. Chr. wurden die griechischen Colonien in Süditalien gegründet,
oder richtiger: sie gewannen damals eine solche Ausdehnung, dass dieser Theil der Halbinsel
den Namen Gross-Griechenland erhielt, ln den beiden darauf folgenden Jahrhunderten lern-
ten die Griechen von den Lydiern in Sardes die Kunst des Metallgiessens. Man kann dem-
nach nicht wohl die gross- griechische Metallindustrie Uber das 6. Jahrhundert v. Cbr. hinaus-
schieben.
Die etruskischen und griechischen Bronzen, welche wir in Mittel- und Nordcuropa antref-
fen, waren, nachdem sie von der adriatischen Küste längs den Ufern des Po auf verschiede-
nen Strassen über die Alpen gelangt, längs dem Rhein, dem Inn oder der Donau, nach ihrem
jeweiligen Bestimmungsort gekommen. Sie dienten anfangs nur, das Gelüsten der Barbaren
nach blanker Zier oder einer guten Waffe zu befriedigen; später erhielten sie höhere Bedeu-
tung als Vorlagen oder Muster, nach welchen die Barbaren selbst zu arbeiten begannen. So
entstanden an verschiedenen Orten des innem Europa die vielen Bronzewerkstätten, von
denen man noch heutigen Tages in gewissen Anhäufungen von gegossenen Waaren, Guss-
abfallen, Gussformen u. a w. Spuren gefunden haben will.
Es ist begreiflich, dass diese Waffenschmiede seihst mit dem besten Willen nicht immer
den klassischen Typus in seiner Vollkommenheit treu nachzubilden vermochten, vielmehr in
Versuchung geriethen, zu ändern und zu carikiren, der eine so, der andere so — wodurch
ü Movers: Die Phönicier, II, 2, 342 0, ff.
Digitized by Google
22 C. F. Wiberg,
denn die Eigen thümlichkeiten der Fabrikate in den verschiedenen Ländern entstanden
sind, bedeutend genug, um sofort in die Augen zu fallen, aber doch nicht so gross, dass
man nicht durch die verderbte Form den reinen klassischen Typus herauazuerkennen
vermöchte.
Es dürfte nicht überflüssig sein, hier einige Proben dieses Individualisirungs-Processes in
der Bronzecultur vorzulegen. Und da ziehen zunächst die merkwürdigen Hallstädter Funde
unsere Blicke auf sich.
Wandern wir von dem alten Adria nordwärts, längs dem durch seine etruskischen und
griechischen Funde ausgezeichneten Etschthale, danach eine Strecke durch das Innthal und
auf irgend einer Alpenstrasse ins Salzburgische und weiter ins Salzkammergut in Oberöster-
reich, so erblicken wir am Fusse eines 6000 bis 7000 Fuss hohen Berges, am Ufer eines an-
inutbigen, eine Meile langen Sees, den kleinen Markt Hallstadt1).
Wir befinden uns nun in dem alten Noricum, dem Lande der keltischen Taurisci, dem
einstmaligen Wohnsitze der Alauni — insofern dieser Name nicht richtiger Halauni geschrie-
ben wird. Derselbe weist, gleich dem davon abgeleiteten Hallstadt, auf die Salzsiedereien
hin — vgl. das griechische als — welche hier ausser dem Bergbau uud einer bedeutenden
Metallindustrie von altersher betrieben worden sind.
Auf einem heidnischen Begräbnissplatz in der Nähe des Marktes sind in den Jahren
1847 big 1864 über tausend Gräber geöffnet und ausser den verbrannten und unverbrannten
Leichenresten gegen 0000 Antiquitäten zu Tage gefördert worden. Wir waren vor einigen
Jahren so glücklich , die bedeutendsten dieser Fundstücke im k. k. Münzen- und Antiken-
cabinettc in Wien in Augenschein nehmen zu können.
Diese Alterthümer, die, wie mit vieler Wahrscheinlichkeit angenommen wird, aus deu
nächsten 000 Jahren vor Christi Geburt herstammen , bilden hinsichtlich des Stils gewisser-
massen ein Zwischenglied zwischen den Bronzen des Südens und des Nordens. Wir finden
dort Schwerter, Dolche, Brustplatten, Gürtel, Zierbleche, Ketten, Fibeln, Arm-, Finger- und
Ohrringe u. s. w., verschiedene andere Schmuck- und Toilettesachen, Nähnadeln, Angel-
haken u. s. w., grösstentheils von Bronze, Bernstein und Glas; Kessel, Schalen, Vasen und
andere Gelasse von Bronze; bronzene Deckel mit prachtvollen Thierzeichnungen, bisweilen
im alten etruskischen Stil; endlich Werkzeuge von Bronze und Eisen.
Viele von diesen Sachen verrathen etruskischen Ursprung; die meisten scheinen jedoch
Produete einer an Ort und Stelle heimischen Industrie zu sein, welche nach etruskischen Mu-
stern arbeitete’). Die verschiedene Legirung beweist nichts gegen eine solche Nachbildung
— wie von einigen Forschern behauptet worden — selbst dort nicht, wo man dem Kupfer
Nickel zusetzte und dadurch eine den Etruskern und Griechen unbekannte Bronzemischung
erzielte.
Man hat ferner gesagt, dass die Hallstädter Bronze den Grabfunden im Donaugebiete
und in der Schweiz am nächsten stehen. In der Schweiz bieten sowohl die Pfahlbauten als
*) r. Sacken: Da» Grabfeld von Hallstadt. Wien 1808; nnd Simony: Die Alterthümer vom Hillatidler
SftlxberR. Wien 1851.
,J) Morlot: Quelques remarques sur Hallstadt, in Mortillot's Materiaux etc. 1865.
Digitized by Google
lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 23
die Grabfunde interessante Analogien. Am fernsten sollen sie den nordischen Bronzen
namentlich den skandinavischen stehen.
Wir erkennen dieWichtigkeit dieses Urtbeiles an, insofern es sich auf die Producte der
an Ort und Stelle sich entwickelnden Metallindustrie beschränkt. Es ist indessen zu berück-
sichtigen, dass man sowohl im alten Noricum als in Skandinavien Bronzen findet, die von
einer vollendeten Technik und von einem so edlen, reinen Geschmacke zeugen, wie wir ihn
bei den einheimischen Arbeitern jener Zeit nickt voraussetzen können.
, Gehen wir über die Donau, das Marchfeld hinauf, nach Böhmen, dem alten Wohnsitze
der Quaden und Markomannen und weiter eine Strecke die Elbe hinunter, so finden wir noch
manche Spuren jener Metallindustrie, die wir in Hallstadt aufblüben sahen. Armbänder
und Gewandnadeln scheinen zwar bisweilen noch rein italischen Ursprunges zu sein; die
Form des griechischen Schwertes aber ist entstellt und geht alsbald in die breite Spatha-
Form Uber1).
In Ungarn bleiben die Schwerter dem griechischen Typus treuer, obwohl derselbe ziem-
lich stark carikirt ist. Die ungarischen Bronzeschwerter zeichnen sich aus durch Uebertreibung
der Formen und Dimensionen’).
Schlagen wir dahingegen einen andern Weg ein: von dem obem Lauf des Po Uber den
grossen St. Bernhard, durch die Schweiz, das Rheinthal hinab, so finden wir auf diesem Wege
— die eigentlichen Kunstwerke unberücksichtigt lassend — eine Menge kleiner Bronzen,
welche als aus den etruskischen und griechischen Werkstätten Italiens hervorgegangen zu
betrachten sind.
Wir werden uns hier ausschliesslich an die Bronzeschwerter halten, überzeugt, dass
das Resultat zu dem wir in Betreff ihrer Verbreitung nach dem Norden kommen werden, im
Grunde wenn nicht für idle, doch für die meisten nach Norden geführten Bronzen gelten darf.
Dass eine heimische Bronzeindustrie in den Spuren der vom Süden zu uns herauf gedrunge-
nen sich nach und nach bei uns entwickelt, haben wir bereits zugestanden.
Am See Viverono in der Provinz Ivrea ist ein Bronzeachwert gefunden’), ohne Griff
zwar, aber mit derselben spathaformigen Klinge, die wir in dom Grabe von Caere finden und
als etruskischen Typus bezeichnet haben. Im Pfahlbau bei Concise im Neufch Atelier-See
fand man ein Bronzeschwert mit vierfach gerippter Klinge und einem Griff, welcher in zwei
einander gegenüberstehende Spiralen ausläuft4). Ein drittes, bei Bex im Waadtlande gefun-
denes, ist dem vorbenannten in allen EiDzelnheiten gleich, nur sind die Spiralwindungen
durch einen Metallknopf vereinigt. (Lindenschmit I. III, 3.)
Gehen wir das Rheinthal hinunter, so finden wir dort mehre Schwerter desselben Typus,
doch ohne Spiral Verzierung am Griffende. Sie kommen vor in Karlsruhe, Worms, Mainz und,
mit dem griechischen Typus abwechselnd, am Rhein und Main, in Baden, Würtemberg, Hes-
sen, bis nach Hannover hinauf. (Lindenschmit I. III, 3.)
Vergleichen wir diese Bronzeschwerter mit den Hallstädtern und anderen aus österrei-
*) Wocel: Böhmische AltcrthumskuncU*. Prag 1845, Taf. III. — Prensker a. a. 0. II. Taf. III.
’) Kenner: Chronik der archäologischen Fände in der österreichischen Monarchie 18ö6bisl858, S. 127 o.ff.
») Zur. Mitth. XIV, 1, Taf. U, Fig. 22.
4) Zur, Mitth. VÜI, 2, 3, Taf. III. Fig. 35, dem Hefte unserer Fig. 23 nicht unähnlich.
Digitized by Google
24
C. F. Wiberg,
chiachen und mitteldeutschen Funden, so kann es unseroi Auge nicht entgehen, dass diejeni-
gen des Rheinlandes von so vollendet schöner Form und Arbeit sind, dass wir sie nicht für
Producte einer heimischen, halbbarbarischen Industrie halten können, sondern sie aus den
italischen etrusko-griechischoti Waffenfabriken herleiten müssen.
Nach einer genauen Prüfung der in den Ostseelandern (Pommern, Mecklenburg und Skan-
dinavien) gefundenen Bronzeschwertern glauben wir von diesen dasselbe behaupten zu dürfen.
In Pommern sind mehrere Bronzeschwerter von etruskischem Typus gefunden worden;
ob auch vom griechischen, ist uns nicht bekannt. In Mecklenburg kommen beide vor; viel-
leicht der griechische am häufigsten. Man bemerkt oftmals zwischen den Verzierungen des
Heftes gewisse Vertiefungen, die mit einem Kitt ausgefüllt gewesen sind. Obwohl diese Art
häufig im Norden vorkommt, gehört sie ihm doch nicht ausschliesslich an, weil ähnliche
Exemplare auch anderswo, z. B. in Schlesien und Baiern gefunden sind. Die Füllung bestand
aus Kupferasche und wohlriechendem Harze1)- — Lindenschmit I. I, 2; I. VII, 2. — Meck-
lenb. Jahrb. 1865, S. 150 u. ff.
Dänemark ist reich an Schwertern beider Art, die tlieils im Lande gefunden, theils von
Schonen herüber gekommen sind. Abbildungen derselben findet man in dem Atlas, der Nord,
antiquar. Gesellschaft und bei Worsaae: Nord. Olds. Nro. 121 — 137.
Die Nilsson's Werke beigefdgten Zeichnungen in Schweden gefundener Bronzeschwerter
berechtigen zu dem Ausspruche, daas unter ihnen und den ihnen nachgebildeten Dolchen der
griechische Typus vorherrscht Von diesen Zeichnungen sind Fig. 1 bis 5 nach Originalen aus
dem Museum in Stockholm, 7 und 8 aus dem Museum zu Lund (Bronzealter Taf. 1 und 2).
Von Schwertern etruskischen Typus besitzt das erstgenannte Museum nur ein Exemplar
(s. Nilsson, Fig. 6, und unsere Taf. Fig. 23). Eis ist sehr gerade und wie die etruskischen
allmälig in eine Spitze verlaufend, und am Griffende mit den oben genannten Spiralen ver-
ziert. Das Museum in Lund besitzt zwei ähnliche Klingen, von welchen die eine der Länge
nach mit bogenartigen Figuren verziert ist (Nilsson, Fig. 9 und 10.)
Die Beschaffenheit der Form, Arbeit und Legirung, wenn nicht aller, doch der meisten
dieser Schwerter, ist der Art, dass wir klassische Ahnen für sie beanspruchen müssen.
Es ist mehrfach beobachtet worden, dass etliche Bronzegegenstände hinsichtlich der Rein-
heit des Stils und der Schönheit der technischen Ausführung desto höher stehen, je höher
hinauf nach Norden sie gefunden wurden. Da es indessen ungereimt sein würde, für Däne-
mark und die Länder südlich der Ostsee, welche weder Kupfer noch Zinn besitzen, eine
Bronzeindustrie mit vollendeten technischen und artistischen Kräften anzunebmen, wie sie
für Mitteleuropa erwiesen ist, so müssen wir diese Tlmtsache als die Folge einer directeren
und länger fortgesetzten Handelsverbioduug mit dem Süden betrachten, wo, wie wir gesehen,
eine ausgezeichnete Industrie der Art florirte.
’) lieber dis „Emaillirong1- der iiroiu-.cn , die Hestandtheile des farbigen Kittos und die in Gräbern der
Bronzezeit (nach Lisch nur in Urnen aus späterer Zeit! gefundenen Ilarzkucbcn u. s. w. sind zu vergleichen:
Mecklenb. Jahrb. 33. Jabrg., S. 131 u. 132 und Aarböger f. Oldkyndb. v. Hist. 1868 H. II, S. 116, 110, 124.
Der Gegenstand verdient eine genaue, umfassende Untersuchung. Dass die Compositum der Masse eine sehr
ungleiche ist, lehrt schon ein einfseber Schmelzungsversuch. Gleichartige Bettandtheile des Kittes bei gleich-
artig verzierten Bronzen denselben Stils aus verschiedenen Ländern würden den Schlüssen auf einen gemein-
samen Ursprung derselben grossere Sicherheit verleihen- D. Uebers
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 25
Es ist ferner beobachtet worden, dass die Bronzecultur im Norden keine allmälige Ent-
wickelung verräth, sondern plötzlich in schönster Vollendung auftritt und dass überhaupt die
ältesten Bronzen die schönsten sind, — eine neue Bestätigung des von uns hingestellten
Satzes, dass nämlich diese Bronzen von einem fremden, in technischer und künstlerischer Be-
ziehung hochgebildeten Volke nach dem Norden gelangt sind. Es liegt darin andererseits
der Beweis, dass die jüngeren schlechteren Fabrikate Copien sind, in welchen eine junge hei-
mische Industrie ihre Kräfte versuchte.
Für den Umfang dieser Industrie des Alterthums in den verschiedenen Ländern sind die
Gussformen besonders lehrreich. In Skandinavien sind solche Formen zu Gelten , Sägen,
Messern, Paalstäben oder Meissein und Knöpfen gefunden '). Es leidet sonach keinen Zwei-
fel, dass die Gegenstände, die in diesen Formen gegossen werden konnten, wirklich im Nor-
den angefertigt worden sind. Dasselbe gilt von den Lanzenspitzen, die mit den Gussnähten
gefunden sind (Worsaae a. a. O. 212). Als ein skandinavisches und norddeutsches Fabrikat
möchten wir auch die mit Drachschiffen, Sonnen, Monden und Sternen verzierten kleinen
bronzenen Rasirmcssor betrachten ’) (Worsaae, 171 bis 175; Lindenschmit II. UI, 3, Fig. 7
bis !t), eine Ornamentik, die kaum anderswo als in der Näho des Meeres benutzt sein wird
(Tafel Fig. 25). Wir führen dies nur beispielsweise an.
Auffallend dünkt es uns, dass bisher im Norden keine Gussform für Schwerter gefun-
den ist. In Italien hat man die Qussform für Bolche Schwertgriffe gefunden*), wie Bie aus den
Funden im Rheinlande bekannt sind (Tafel Fig. 5 und 6). Es scheint, dass dieser Zweig der
Bronzeindustrie hier noch keine Wurzeln geschlagen hatte, als die anbrechende Eisenzeit dem
Nordländer wenigstens zum Theil andere Waffen und namentlich auch andere, vollkommnere
Werkzeuge in die Hände gab.
Ein wichtiger Ein wand gegen unsere Ansicht, betreffend den griechisch-etruskischen Ur-
sprung der Bronzecultur, liegt in dem Ausspruch, dass dos in den Ländern im Süden der
Ostsee (Mecklenburg) aus den Gräbern der Bronzezeit ans Licht geförderte Gold und Kupfer
wenigstens zum Theil die grösste Aehnlichkeit mit dem Gold und dem Kupfer des Uralgebir-
ges zeigt, wo man in der That Spuren ehemaligen Berghaues angetroffen hat1). Demnach
müssten diese Bronzen durch Russland nach dem Baltischen Meere hinauf gebracht sein.
Diese Behauptung trifft indessen nur einen Theil der dortigen Bronzen und wir tragen kein
Bedenken, diese aus der alten griechischen Colonie Olbia zu verschreiben, deren grosse Be-
deutung für die Civilisation der Ostseeländer man zu erkennen beginnt. Olbias pontisch-
baktrischer und pontisch-haltischer Handel eignete sich vortrefflich zum Transport dieser
Bronzewaaren von Osten nach Westen, vorausgesetzt, dass die Bewohner ihnen die griechische
Legirung und griechischen Formen gaben oder geben Hessen, welche diesen an der Ostsee-
') Aarböger f. Nord. Oldkyndt, v. Hist. 1808, H. II, 8. 129. — Antiquarisk Tidak. of Nord. Oldskr. S. 1855
bis 1857. S. 86. .
*) Warum der Verfasser gerade diese zum Theil sehr schön verzierten kleinen Messerehen für inländisches
Fabrikat hält, ist nicht wohl einzusehen, da Schiffs- und Schlangen- oder Drachenomamente auf den griechisch-
etruskischen Vasenbildern oft genug Vorkommen. Das Schiff auf dem Tafel Fig. 25 ahgchildeton Rasirmesser
erscheint geradezu als eine mangelhafte Nachbildung eines solchen auf einem Gefass aus der Feoli’schen
Sammlung in Rom. Vgl. Gerhard: Griech. Vasenh. hauptaächl. etrusk. Fundortes. Tafel CCLXXXV und
CCLXXXV]. D. l’ebert.
*) Lindenschmit I. II, Fig. 10bisl2. •) Worsaae: Om Sletw. eher Sonderjyliands Oldtidsminder, p. 4t.
Archiv rar Autliropotoels , TH. IV, Heft L 4
Digitized by Google
26
C. F. Wiberg,
käst« gefundenen Bronzewaaren eigen sind. Wir sind geneigt, diese griechische oder halb-
griechische Metallindustrie in nahen Zusammenhang mit der Nutzung der reichen Schätze an
Gold, Kupfer und Zinn zu setzen, welche der Kaukasus in seinem Schoosse trägt und die schon
früh die Aufmerksamkeit der Griechen auf sich zogen (Rougemont a. a. O. S. 87). Wir füh-
len uns bei dieser Untersuchung unwillkürlich hingezogen nach diesem reichen Qebirgslande,
wo die Waffen der Männer und zum Theil auch der Schmuck der Frauen noch jetzt gewisser-
massen an die Form und Ornamentik des Bronzealters erinnern '). Es entgeht uns nicht, «lass
wir uns hier in einem Lande befinden, welches einstmals das Material für eine noch ältere
Bronzecultur lieferte, deren Spuren jetzt aus den Ruinen des alten Ninive und an den Ufern
der grossen Zwillingsfliisse in Vorderasien zu Tage treten.
Herr Prof. Nilsson legt, um den phönicischen Ursprung der Bronzecultur zu beweisen,
grosses Gewicht auf die Ornamentik der Bronzewaaren. Er nennt sie eine geometrische,
weil sie aus geraden und krummen Linien bestehen , die zu geometrischen Figuren gebogen
oder zusammengesetzt sind. Der gelehrte Verfasser führt folgende Zusammensetzungen an:
1 Die Spirale.
2. Der Uebergang von der Spirale zum Ringe.
3. Der Ring, einfach, doppelt, mehrfach verdoppelt und mit oder ohne Punkt in der Mitte.
4. Das Rad. »
5. Der Bogen.
ß. Die Zickzacklinie, einfach und doppelt.
7. Die Raute oder der Rhombus, einfach, doppelt oder dreidoppelt (S. das Bronze-
alter, S. 4.)
Die Liste scheint uns nicht vollständig. Wir glauben schon allein für den Norden noch
folgende anfügen zu müssen:
8. Die doppelte Spirale.
9. Die wellenartige Verzierung.
10. Da» Schiffs-Ornament.
11. Das Drachen-Ornament.
12. Die punktirto Linie.
Mit Hinzuziehung ausländischer Bronzen würden wir diese Liste noch um einige Figuren
bereichern können. In der Anwendung sind es begreiflicherweise oftmals die Zusammenstel-
lung dieser Elemente und deren Proportionen zu einander und dem Gegenstände, den sie zie-
ren sollen, welche für die grössere oder geringere Schönheit desselben massgebend sind.
Die phönicische Ornamentik bestände sonach aus einer mehr oder minder geschmack-
vollen Zusammenstellung der genannten Linien und Figuren.
Um den sich dawider erhebenden Zweifeln entgegen zu treten, wäre es richtig gewesen,
einige anerkannt phönicische Bronzen vorzulegen und zu zeigen, dass dieselben mit den
ü Vereacbaguine: Voyage dans les provincea dnCaucaae in „Le Tour du Monde“ 1868, p. 192, 19d, 206.
— Gilles: Lcttrea aur le Caucaae, p. 136 u. ff., apricht von der Vorliebe der Kaukasier für ihre alten Wnffen
und dem Geachick und dem edlen Geschmack der Waffenschmiede. Diese Waffen sind jetzt allerdings von
Stahl und Eisen,
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 27
fraglichen Zierformen geschmückt sind. Sollte es indessen — wie es unsere Ueberzeugung
ist — keine anerkannt phönicischen Bronzen geben1), so hätte auf andere Gegenstände aus
der Hinterlassenschaft der Phönicier, auf welchen man dio fraglichen Zierformen wahrnimmt,*
hingewiesen werden mUssen. Wäre auch dies nicht ausführbar, so hätte aus irgend einem
Schriftsteller des klassischen Aiterthums der Beweis geliefert werden sollen, dass nach dessen
Ausspruch die Phönicier ihre Metallfabrikatc derartig zu verzieren pflegten. Von allem die-
sen ist nichts geschehen.
John Lubbock sieht gerade in dem Charakter der ornamentalen Formen der Bronze-
waflen und Geräthe einen starken Beweis gegen Nilssons Lehre von dem phönicischen Ur-
sprünge der Bronzecultur. „Sie bestehen fast ausschliesslich in geometrischen Figuren; selten,
wenn überhaupt jemals, bemerken wir auf ihnen Darstellungen von Thieren und Pflanzen,
während auf den von Homer beschriebenen verzierten Schilden u. s. w. und in den decora-
tiven Elementen in SaJomo’s Tempel Pflanzen und Thiere reichlich vertreten waren“ (Lub-
bock: Prehistoric Times p. 49). Man darf diesem Zweifel Lubbock 's hinsichtlich der Iden-
tität der nordischen Bronzen-Ürnamentik mit der phönicischen ohne Bedenken beitreten,
namentlich wenn man gleich uns überzeugt ist, dass es niemals einen Stil gegeben, der
mit Recht als phönicisch hat bezeichnet werden oder mit Recht den Phöniciern
hat zuerkannt werden können.
Rdnan, der bis jetzt das grösste Verdienst um die Erforschung des phönicischen Alter-
thums hat, versichert*), dass die Denkmäler und Alterthümer, welche man in Phönicien fin-
det, nichts weiter sind als Anleihen und Copien von anderen Nationen. Die Phönicier ha-
ben von den Aegyptern entlehnt, von der assyrischen Kunst und deren Abart, der persischen.
Die assyrische und persische Cultur waren von der Hochebene Irans und den Ufern des Ti-
gris westwärts bis ans Meer und in die Anatolische Halbinsel vorgedrungen, wo sie nicht nur
treue Spiegelbilder der eigenen Cultur, sondern auch andere neuere Culturformen hinter-
liessen, die wir die phrygische, lydUcho und lycische Civilisation nennen können. Alle diese
„C'ivilLsationen“ offenbaren eine gewisse Selbstständigkeit, während die phönicische Cultur
nur auf Kosten ihrer mächtigen Nachbarn lebt- Schon vor Alexander geriethen die Phö-
nicier sowohl im Mutterlande als in den Colonien unter den Einfluss griechischer Kunst und
griechischen Geschmacks, welcher Einfluss mächtiger als jeder andere und nach und nach
ebenso gewaltig wie die siegreichen Waffen des Feindes, zur Vernichtung der phönicischen
Nationalität beitrug.
Was für ein selbstständiger nationaler Kunststil Hesse sich denn auch erwarten auf die-
l) Ygl. Petcrsen: Uebor das Verhältniss des Bronzealters z. bist. Zeit etc, S. 14. 11. Uebers.
*) Ränan begleitete bekanntlich im Aufträge des Kaisers Napoleon die französische Expedition nach
Syrien (1860 — 1861). Mit Hälfe der Officiere und Mannschaft wurden auf den wichtigsten Punkten, z. ii. in
Byblus (Geball , Sidou (Saida), Tyrus (Sur), Aradus (Ruad), Marathus (Amrit) u. s. w. systematische Ausgrabun-
gen betrieben. Die zu Tage geförderten Alterthümer bestanden hauptaächlich in Bauilberreeten und deren
Ornamenten, Grabkammem, Sarkophagen, auf freiem Felde stehenden Grabdenkmälern, Schreinen fär Götter-
bilder (ran*)' FolscnbUdern, Altären, Steinen mit phönicischen Inschriften, menschliche Häupter und Löwen-
bilder darstellenden Scnlptnren n. t. w. Die Resultate dieser grossartigen Arbeit hat Renan in einem Pracht-
werke niedergelegt: La Mission de Phenicie, Paris 1864, nebst Fortsetzung. Dies allen Freunden des Alter*
thums bekannte Werk antiqnirt alle früheren, namentlich Gerhard’« nach schlechten Vorlagen bearbeitetes
Werk über phönicische Kunst.
4»
Digitized by Google
28
C. F. Wiberg,
sem schmalen Landstrich von kaum 100 Quadratineilen, an einer felsigen Küste, deren Be-
völkerung ihre ganze Kraft dem "Handel, der Schifffahrt und der Industrie zuwenden musste!
Die Gräber der Phönieier sind von ganz nnderer Bauart als die der Griechen und Etrus-
ker. Es sind meistens lange, in den Felsen gesprengte Gänge, Katakomben, in die von oben
eine Treppe hinabfllhrt. Ringsum an den Wänden sind reihenweise über einander eine Menge
backofenfönniger Oeffnungen angebracht, gerade gross genug für die Leichen , die hinein-
geschoben wurden. Bisweilen findet man auch Nischen für Steinsarkophage darin, die neben
oder über einander gestellt wurden. Sie erinnern an die Gräber der Aegypter, der Juden
und der ältesten Christen. Es war bei allen semitischen Völkern Brauch, die Todtcn unver-
brannt zu bestatten, eine Sitte, welche später von den Christen beibehalten wurde ').
Rdnan meint in den Gräbern der verschiedenen phönicischcn Städte einen bestimmt
ausgeprägten Unterschied der Bauart zu erkennen und unterscheidet, je nachdem er solche
in Byblus, Sidon u. s. w. gefunden, einen byblitischen, sidonischen u. s. w. Stil. Bei näherer
Untersuchung der Sache finden wir, dass der Unterschied hauptsächlich darin besteht, dass
am einen Orte der ägyptische, am andern der assyrische Stil vorherrscht. (Rönan a. a. O.
S. 206.)
Was wir hier von den Katakomben gesagt, gilt auch von den in denselben freistehenden
Sarkophagen. Unter dreizehn, die wir im Museum des Louvre zählten, waren einige in
ägyptischem, andere in assyrischem Stil. In Sidon entdeckte die französische Expedition
eine bedeutende Anzahl, von denen jetzt einige im Original im Museum des Louvre auf-
gestellt sind, andere abgebildet in Rdnan’s Prachtwerk Taf. LIX u. LXI. Sie haben alle
die Form einer Scheide (gaino) und jedes unbeschädigte Exemplar zeigt am Kopfende das
Haupt eines Aegypters oder Assyrers in halbem Relief. Für den bei den Phöniciern herr-
schenden vollständigen Mangel an Originalität des Geschmacks und Stils im höchsten Grade
bezeichnend ist es, dass der sidonische König Eechmunazar sein Ruhebett in einem Sarkophag
von Syenit erhalten hat, der, wie Material und Arbeit bekunden, in Aegypten gemacht wor-
den und dass der König selbst auf dem Deckel als Aegypter dargestellt ist, wiewohl eine
au dem Monument angebrachte phönicische Inschrift seine phönicische Geburt und die hohe
Würde, die er in Phönicien bekleidete, ausser Zweifel stellt. (Vgl. Wiberg a. a. O. S. 25.)
Diesen Mangel an Originalität sollte man am wenigsten in solchen Dingen erwarten,
welche zum Handelsgebiete gehören, und trotzdem verräth er sich auch da. Wie nahe liegt
b Man sollte denken, dass die Phönieier, wenn tie durch Colonien im Norden die Bronzecultnr begrün-
det, dort auch ihr« Begräbnisebniucho eingeführt hätten. Nun aber herrscht zwischen den phönicischen Grä-
bern und denen der Bronzezeit ein himmelweiter Unterschied.
Man wird einwenden, dass das Volk der Bronzeperiode nicht immer seine Todten verbrannte, die Asche
in Urnen that und diese in dem Grabhügel beisetzte; dass es vielmehr ein älteres Bronzealter gab, wo man
die Leichen unvorbrannt in den alten Steinkammern des Steinalters beisetzte, in langen Steinkisten, hölzernen
Särgen, Todtenhäumen u. s. w. Wir antworten, dass dieser Einwand die erwähnte Verschiedenheit der Grä-
ber nicht aufhebt.
Es scheint ein charakteristischer Zug der arischen Vülkergmppe zu sein, die Wohnungen der Todten denen
der Lebenden möglichst treu nschznbilden nnd dem Verstorbenen Waffen, Werkzeuge. Schmuck — alles was
ihm im Leben nützlich, nothwendig nnd theuer war, ins Grab za legen. Wir linden diesen Brauch, dem wir
manchen wichtigen Blick in die alte Zeit und alten Sitten verdanken, nicht nur in den einfachen Gangbauten
im Norden, sondern auch in den oft mit grosser Pracht aasgestatteten Gräbern der Etrusker und Griechen.
Bei den Phöniciern aber findet sich nichts dem Aehnliches.
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 29
die Annahme, dass das erste Handelsvolk der alten Welt, dasselbe Volk, welches zuerst das
Silber als allgemeines Tauschmittel und als Werthmesser in den Handel einflihrte, seinen
Münzen ein nationales Gepräge verliehen! Dies war gleichwohl nicht der Fall, Griechische
Kunst und griechischer Geschmack behielten die Oberhand, so dass z. B. carthagische Münzen
das Bildnis» griechischer Gottheiten und daneben phönicische Inschriften tragen (Tafel Fig. 24).
Das Wenige was wir von der Ornamentik in Phönicien wissen — wir umgehen den
jedenfalls unberechtigten Ausdruck „phönicische Ornamentik“ — lernen wir aus ßdnan’s
trefflichem Werke und den dazu gehörenden mit grosser Sorgfalt ausgeführten Abbildungen.
Der genannte Verfasser giebt uns mehrere Proben einer Zierform, die wir nach ihm als
„Treppenornament“ (ornement k gradins) bezeichnen möchten. Es besteht in von einem
ebenen Plan treppenartig aufsteigenden Linien, die sich mit jedem Absätze näher rücken und
endlich zu einer Pyramide vereinen. Diese Treppenpyramide finden wir angebracht an dem
obem Rande phöuicischer Altäre in Byblus, Marathus und Aradus; in grösseren Proportionen
auf einigen Grabdenkmälern, welche die Reichen sich auf freiem Felde errichten Hessen; in
den Ruinen von Petra; in den Tcrracotten von Constantineh und auf dem Gebiete des alten
Karthago (Rdnan, p. 161).
Dies Treppenornament ist nicht selten mit einer Blumenleiste verbunden, welche unter
der Basis und parallel mit derselben hinläuft. Wir finden es auf den phönicischen Bauresten
des alten Byblus und auf den Gewändern assyrischer Krieger , wie man sie auf den Reliefbil-
dern von Ninive dargestellt sieht Auf unserer Tafel Fig. 15 geben wir eine Probe dieser
Verzierung nach Rdnan Taf. XX.
Es darf indessen nicht verschwiegen bleiben, dass die Originalität — wenn wir den Phö-
niciern überhaupt eine solche zutranten — auch hier nur eine scheinbare ist Das Motiv ist den
grossen assyrischen Festungswerken entlehnt, was wir im Musde Assyrien du Louvre auf einem
aus dem Palaste Koyundjik nach Paris geführten BasreUef zu entdecken Gelegenheit hatten.
Ein anderes auf antiken Bronzen häufig angebrachtes Ornament: die doppelte Spirale
(Tafel Fig. 20), würden wir gern als Eigenthum der Phönicier erkennen, da Renan uns die
Zeichnungen zweier kleinen mit diesen Figuren geschmückten Gegenstände giebt, die nachweis-
lich in Phönicien gefunden sind: ein Scarabäus und ein Amulet, beide am Hafen in Gebal,
dem alten Byblus, gefunden. Wir sehen uns indessen gemüssigt, auch für diese ägyptischen
Ursprung zu beanspruchen, weil das Amulet mit einem Henkelkreuz geschmückt ist, das aus
dem ägyptischen Alterthum genugsam bekannt und als ein Symbol des Lebens aufgefasst ist.
Uebrigens stimmen die Windungen der Spirale auf dem Amulet nicht genau mit denen un-
serer antiken Bronzen. (Tafel Fig. 16, 20.)
Die Entdeckungen in Phönicien bestätigen Lubbock’s oben erwähnte Ansicht hinsicht-
lich der Gewohnheit der Phönicier, die Elemente ihrer Ornamentik aus der Thier- und Pflan-
zenwelt zu entlehnen. Dieser Gewohnheit huldigten die phönicischeu Künstler sowohl, wenn
sie im assyrischen Stil arbeiteten, als wenn sie sich dem ägyptischen anschlossen. Sie kenn-
zeichnet die älteste Zeit und den hier vorliegenden Renaissancestil , welcher in die Zeit der
Antoninen und selbst in die christliche Zeit hineinreicht. Als ein Beispiel was die älteste
Zeit in dieser Beziehung zu leisten vermochte, können wir die Katakomben von Byblus und
Sidon nennen, deren innere Räume mit Blumen auf weissem Grunde bemalt sind; fomer
Digitized by Google
30
C. F. Wiberg,
einige Sarkophage, deren Deckel mit Rauken, Kränzen, Blättern, Ochsen- und Löwenköpten
geschmückt sind. (Renan a. a. O. Atlas passim).
Löwenbilder, freistehend und als architectouisches Ornament, sind nicht selten, kommen
aber auch in Assyrien häutig vor. Vielfach sieht man auch sogenannte vaoqpopoi, Priester-
statuen, die einen Schrein mit Götterbildern tragen; oder einen leeren vaig oderThebah oder
„Arche“ aus Stein mit einer Borde von Blättern oder anderen Pflanzentlieilen (Renan, Atlas
Pl. IX, X). Bisweilen findet man diese Figur in den Felsen gehauen, das Bild eines jagenden
Mannes oder eines trauernden Weibes umrahmend. Man will hier griechischen und gar
etruskischen und cypriotischcn Stil erkennen. (Ibid. Pl. XXXI, XXXIV, XXXVIII etc.) Ge-
wiss ist, dass nicht alles phöniciseh ist
Einen Beweis, dass der Geschmack an Darstellungen aus dem Thier- und Pflanzenreiche
sich bis in die Renaissanceperiode erhielt, liefert eine zwrei französische Meilen von Tyrus ge-
fundene sehr schöne Mosaik, deren Anfertigung in christlicher Zeit durch eine griechische In-
schrift bestätigt wird. Auch ist augenscheinlich, dass sie unter dem Einflüsse griechischen
Kunstgesch mackes entstanden ist Wir finden sie bei Renan, Taf. XLIX.
Auf diese Angaben fugsend, können wir getrost Ijehaupten, dass die Phönäcier der das
Bronzealter charaktörisirenden geometrischen Ornamentik vollkommen fremd
waren, und deshalb ist jeder Versuch, den Bronzen ihrer geometrischen Zierformen wegen
einen phönieischen Ursprung beizumessen, durchaus unberechtigt.
Sehen wir uns jetzt um , ob wir die Quelle dieser Ornamentik anderweitig zu entdecken
vermögen.
Die Grundelemente der dem Bronzealter eigenen Ornamente finden wir
bei den Griechen, namentlich während der archäischen Kunstperiode und bei
den Etruskern. Zu dieser Ueberzeugung gelangten wir während eines Aufenthalts in Paris
1867, wo sich die Gelegenheit bot, sowohl im Louvre als in der mit der kaiserlichen Biblio-
thek zusammenhängenden antiquarischen Sammlung verschiedene Studien zu machen.
Wir sahen dort einige Thongefässe der genannten Kunstperiode (vases primitifs grecs),
unter denen eine mit Xro. 4709 bezeichnet« Vase mit dunkelbraunen Zeichnungen auf gelb-
braunem Gruude unsere Aufmerksamkeit ganz besonders fesselte. Der Leser findet Tafel
Fig. 8 eine Abbildung des obere Theiles dieser Vase, nach einer Zeichnung, welche ein Freund
voriges Jahr für una anzufertigen die Güte hatte. Der untere Theil bietet nichts Merkwür-
diges und trägt nur einige parallel mit dem Boden rings um das Gelass laufende schlichte
Linien ; der obere Theil dahingegen zeigt uns, reihenweise über einander .stehend, gerade die-
selben Verzierungen, die wir an unseren nordischen Bronzen wahreohmen, und ausser diesen
noch einige andere bekannte Figuren. Wir sehen da die Zickzack- und Uebergangslinien,
den Kreuz- und Pendelstab, ein anderes Ornament, welches aus zwei gegen einander gekehr-
ten Winkelmaassen bestellt, und zwei Irisvögel. Man vergleiche diese Zierformen mit denen
an den Gritfon der nordischen Bronzesch werter , Figg. 2, 3 und 4, und an dem griechischen
Schwerte, Fig. 18.
In derselben Sammlung bemerkten wir an einem grossen Krater dieselben Drachenzeich-
nungen oder S-förmigen Figuren, die wir so häufig an den Rasirmessern und Bronzeschalen
der Bronzezeit in Dänemark und an der Südküste der Ostsee wahrnehmen.
Digitized by Google
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 31
An anderen Vasen bemerkten wir Zeichnungen vierftissiger Thiere und zwischen diesen
aufgehängte Kränze. Wir nennen besonders eine Weinkanne, oivo%6 tj, mit zwei Reihen con-
centrischer Ringe am Halse, darunter durch Kränze geschiedene Löwen und Böcke. Diese
Kanne gehört unzweifelhaft derselben Zeit an wie die vorige und weist gewissennassen hin
auf die Bronzezeit
Wir legen Gewicht auf vorstehende Notizen, weil sie nichWallein Licht über den Ur-
sprung der Bronzecultur werfen, sondern ausserdem einen wenn auch noch so schwachen An-
halt hinsichtlich der Zeit geben J), hinter welcher zurück dieselbe nicht wohl nach Norden ge-
langt sein kann. Die Noth Wendigkeit gewisser Vorbehalte bei einer derartigen Zeitbestim-
mung räumen wir gern ein, weil bei einer solchen Berechnung der Einfluss, den die Etrusker
auf die nordische Bronzecultur geübt, nicht ausser Acht gelassen werden darf.
Die alten etruskischen Gräber enthalten übrigens nicht nur etruskische, sondern auch
griechische Alterthümer, und da beide oft sehr ähnlich sind, so hält es schwer, zu unterschei-
den was griechisch, was etruskisch ist. Jedenfalls dürfen wir behaupten, dass sich auch bei
den Etruskern, und vielleicht am häufigsten bei ihnen , die Ornamentik der Bronzezeit nach-
weisen läset Dass sie die Spirale zur Verzierung ihrer Grabgefasse anwandten, bezeugen die
Haus- und Cylinderurnen , welche bekanntlich im Jahre 1817 im alten Latium im Albaner
Gebirge unter einer Peperinschicht gefunden wurden. Wir haben an anderem Orte ausführ-
licher darüber gesprochen und wollen hier nur noch die Abbildung einer dieser Urnen brin-
gen (a. Tafel Fig. 19)2), deren etruskischer Ursprung durch die in den Gefässen gefundenen
etruskischen Kleinigkeiten bezeugt ist (S. Wiberg a. a. O. S. 22.)
>) Einen gewissen Anhalt bezüglich des Altera and der Herkunft der Pariser Vase gewinnen wir — in-
sofern äussere Uebereinstimmung der Form. Ornamentik n. a. w. zu Schlüssen auf gleiches Alter und Her-
kommen eines Gegenstandes berechtigt — durch ein zweites dem vorbenannten ähnliches Ge fas», dessen Alter
■ich annähernd bestimmen lässt. Es wurde von L. Ross aus Thera beimgebracht und befindet sich jetzt im
Prindsen-Palais in Kopenhagen. Eine Abbildung dieser Vase finden wir bei Conze: Die MeÜBchen Thon-
gefässe, als Vignette unter dem Text. Sie ist aus sehr grobem hellgelben Thone mit brauner Bemalung,
circa 74 Ctra. hoch und 45 Ctm. im weitesten Durchmesser. Der untere Tbeil ist wie bei der oben beschrie-
benen mit schlichten rings um das Gefügt parallel laufenden Linien verziert*, der obere Theil mit denselben
geometrischen Ornamenten: Spirale, Zickzack, Uefeergangslinie, Mäander, Raute u. s. w,; nur herrscht mehr
Mannigfaltigkeit in der Combination der Linien und sind die Vögel (Ibis? — Gerhard bezeichnet diese Vö-
gel als Kraniche) zu vieren gruppirt. — Conze hält diese Vase aus Thera für gleichzeitig mit den von ihm
gezeichneten und erläuterten Molischen Gefässen , die von übereinstimmender Form , aber mit Menschen- und
Thicrgestalten geschmückt sind, und findet in den ornamentalen Formen t sowohl in den organischen als den
geometrischen, assyrische Anklunge. Melos war vor den Doriern von Phöniciem bewohnt. Hatten diese
aus assyrischer Kunst geschöpft, vererbten sie was sie gelernt auf die Griechen und sind diese als Lehrmei-
ster der Etrusker zu betrachten oder hatten letztere selbst an der Quelle geschöpft? Sind diese Vasen von
den Phönieiern angefertigt, so bleibt auffällig, dass keine derartig verzierten Fabrikate in Phönicien gefunden
worden sind. Der Grund, dass sie als kluge Kaufleute die werthvollen Sachen nicht in die Erde vergruben,
sondern lieber zu Gelde machten, ist uns nicht ganz einleuchtend, da man, wenn nicht die Gegenstände selbst,
doch die zu ihrer Verschönerung übliche Ornamentik an den Altären, Denkmälern etc. des Landes zu finden
erwarten dürfte. Eine Zusammenstellung der bekannten geometrischen Zierformen unserer antiken Bronzen,
die uns noch frappanter scheint als die der hier genannten Vasen, finden wir auf den Mänteln zweier „Brett-
spieler“ (Achill und Ajax) auf dem Gegenbilde eines Prachtge fasset des Exekias im Vatican. — S. Gerhard:
Etruskische und Campanische Vasenbilder, Berlin 1^43, Taf. E, Fig. 23, S. 46; desgleichen auf den von Gor-
hard herausgegebenen griechischen Vasen hauptsächlich etruskischen Fundortes, namentlich auf den Zeich-
nungen eines Ruhekissens. (Bd. 2, Taf. CVIII.) D. Uebers.
a) Lindcnschmit I. X, Taf. 8. Fig. 3. ;
Digitized by Google
3'2
C. F. Wiberg,
Als eine Eigentümlichkeit, die bei der Untersuchung der Vasen- und Wandmalereien
der etruskischen Gräber sofort in die Augen fallt, sei noch erwähnt, dass die Etrusker die zahl-
reichsten Beweise für ihren Einfluss auf die Ornamentik des Bronzealters auf ihren Kleidern
tragen.
Die Zickzacklinie zum Beispiel, die zwnr auch auf etruskischen Vasen und den Wand-
malereien der Grabkammeriyvorkommen, findet man doch am häufigsten als Kante der etruski-
schen Tuniken und Togen, wo indessen auch die Ringlinie und die punktirte Linie angebracht
sind. Auf den Vasenbildern sieht man den Eierstab und die Wellenlinie als Querräuder
der Kleiderstoffe ■). Die Griechen lieben zu diesen Zwecken vorzugsweise die Mäander-
borde (ä la gröcque) und zeigen sich in der Erfindung neuer Zierformen unerschöpflich und so .
vielseitig, dass es schwer halten würde, dieselben zu untersuchen, was übrigens fiir unsere
Aufgabe auch ganz unnütz ist.
Es wäre indessen ein Irrthum, wenn man annehmen wollte, dass die Etrusker diese Zier-
rathe nur auf ihren Kleidern anwandten: man findet sie ebenso häufig auf etruskischen
Bronzeu. Vor uns liegen die Zeichnungen von Armbändern, Halsbändern, einer Fibula und
eines anderen unbekannten Schmuckes, alle reich verziert mit der einfachen, doppelten und
schraffirtcn Zickzacklinie oder abwechselnd mit einfachen und doppelten Randlinien, Ring- und
Mäanderleisten, Bandzierrathen und Zeichnungen von zwergartigen Wesen und fabelhaften
Thieren (Italie ancienne I, pl. 18).
Es ist viel geredet und geschrieben worden Uber die tiefe Mystik , die der einfachen Or-
namentik der Bronzen zu Grunde liegen soll. Wir verstehen uns nicht auf diese Dinge, glau-
ben indessen vom genetischen Standpunkt eine Erklärung finden zu können. Am leichte-
sten erklärt man diese Figuren, wenn man sich entschliesst , sie als Verkürzungen gewisser
auf etruskischen und griechischen Kunstwerken vorkommenden decorativen Elemente zu be-
trachten — als eine Anleihe des Kupferschmiedes von dem Künstler!
Die concentrischen Ringe sind nach unserer Erklärung nichts anderes als die Kränze, mit
welchen die Alten bei ihren Mahlzeiten und Trinkgelagen ihro Wände und Triclinien zu
schmücken liebten. Die Ringe mit dem Punkt in der Mitte dürften ursprünglich nichts an-
deres vorstellen sollen ab das auf etruskischen Vasen so häufig vorkonunende menschliche
Auge; das vierspeiehige Rad ist eine Verkürzung der antiken Biga, wie aus den gallischen
Münzen hervorgeht, auf welchen der Künstler eine Biga hat anbringen wollen, aber sichtlich
die grösste Mühe gehabt hat, sie einige rm aasen kenntlich zu machen1). Die bogenförmige
Verzierung ist aus dem in der griechischen Architcctur so oft vorkommenden Eierstabe ent-
standen und die Spirale aus der Voluta der jonischen Säule oder aus den in den Ornamenten
der Alten häufig vorkommenden Rankenverzierungen. Wir legen übrigens kein Gewicht aut
diese Muthmassungen und geben sie nur als solche. Eines glauben wir jedoch behaupten zu
dürfen: dass nämlich die geometrische Ornamentik der Bronzezeit ihre Wurzeln in
einer organischen hat*).
*) Vgl. die Abbildungen bei Noel dei Vergers, Dennie und in der Italie ancienne im Univers pit-
toresque.
*1 Meyer: Beschreibung der in der Schweis aufgefundenen gallischen Münzen. Zur. Mitth. XV. I.
*1 Gegen diesen Ausspruch Hesse sich manches einwenden. Es fehlt in der Kunstgeschichte nicht an Bei-
Digitized by Google
lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 33
Wir uilisscn zugeben, dass eine solche Verkürzung und Verstümmlung ein Frevel an der
Kunst ist; allein liier handelte es sich weniger um den Schönheitssinn, als um das Verlangen
nach Gewinn. Für den Verkauf an die halbbarbarischen Völker Mittel- und Nordeuropas mussten
die italischen Bronzeschmiede ihren Waaren ein pruukendes Aussehen geben, und dazu eig-
nete sich die geometrische Ornamentik ganz besonders. Sachen von wirklichem Kunstwerthe
kamen nicht au den Markt, schon aus dem einfachen Grunde, weil die Barbaren solche Hinge
nicht zu schätzen wussten. Dahingegen ist sehr wohl glaublich, dass die an den Bronzen
angebrachten Verzierungen oft als Zaubermittel oder Schutz vor bösem Zauber von den Bar-
baren in Ehren gehalten wurden, da in ihren Augen alle schöne Knnst gewissermassen als
Zauberkunst betrachtet wurde. Von ihrem Gesichtspunkte könnte man sonach den Zierrathen
wohl eine symbolische Bedeutung beilegen, obwohl sie von den civilisirten Völkern jener Zeit
kaum als solche geachtet sein werden.
Man hat der Bronzecultur einen orientalischen Ursprung zuschreiben wollen. Auch wir
sind geneigt, einen solchen oinzuräumen — aus erster Hand, oder insofern man die Etrus-
ker und Griechen als die nächsten Vermittler dieser Cnltur für Mittel- und Nordeuropa aner-
kennen will. So aufgefasst, liegt die Frage bezüglich des orientalischen Ursprungs der Bronze-
cultur eigentlich ausser dem Bereich unserer Aufgabe, Wir erlauben uns deshalb nur hier
daran zu erinnern, dass, wie viel auch die Griechen und Etrusker von den Phöniciem gelernt
haben mögen, es doch nicht diese, sondern die Völker Kleinasiens: die Lydier und Phrygier,
sind, welche sie als ihre Lehrmeister anerkennen.
Wir wollen hier noch ein paar Anmerkungen beifügen.
Ungeachtet aller Lobeserhebungen, welche Homer den Phöniciem wegen ihrer grossen
Ueberlegenheit in der Bearbeitung des „Kupfers“ — hier der Bronze — zollt, scheint, was
die griechisch-italischen Völker in der Metallurgie von ihnen profitirten, doch nicht weit her zu
sein. Die vergleichende Sprachforschung liefert nämlich der Archäologie auf diesem Gebiete das
unwiderlegliche Resultat, dass den arischen Völkerstämmen schon vor ihrer Berüh-
rung mit den Semiten die wichtigsten Metalle bekannt waren.
Man darf mit voller Gewissheit annehmen — sagt Max Müller in seinen Vorlesungen
Uber die Wissenschaft der Sprache (II , 32) — dass die arischen Stämme vor ihrer Trennung
Gold, Silber und noch ein drittes Metall: das Kupfer, in mehr oder minder vermischtem
spielen, dass ein Volk, weiches in Arabesken und ähnlichen Ornamenten Vorzügliches leistete, in der Darstel-
lung ron Menschen und Thieren kaum über die sogenannten „Plankenbilder“ hinaus kam. Dass zu einer be-
friedigenden Darstellung sachlicher Gegenstände eine grössere Hebung des Anges und der Hand gebürt, be-
stätigen die Erfahrungen der eigenen Kindheit. Gegen die Aneicht des Verfassers spricht auch, dass man —
um in seinem Sinne an reden — die Originale und die verkürsten oder verstümmelten Copien oft auf dem-
selben Bilde neben einander findet : neben dem Thier- oder Menschenauge die concentrischen Ringe : die ein-
fachen 'Sterne , Kreuze neben den künstlich verschlungenen u. s. w. — Conze sieht auch in diesen Grund-
mustern (den Sternen, Blumen, Ringen, Rosetten, Kreuzen etc.) assyrische Elemente. Oh ihnen allen symbo-
lische Bedeutung zu Grunde liegt, ist schwer zu sagen. Beaehtenswepth ist immer, dass namentlich das Kreuz
sich aus urarischer und vielleicht noch älterer Zeit bis in die Gegenwärt als religiöses Symbol erhalten hat;
selbst bei don Chinesen lässt et sich als Zeichen der Ehrfurcht nachweisen und hierin finden wir einen Be-
weis gegen diejenigen Gelehrten, welche das erweiterte Hakenkreuz als vier verschlungene Mäander erklären
wollen. (Vgl. Müller: Religise Symboler. Kjöbenhavn 1861.) D. Uebers.
Areale für Aathiopolosle, Bi. XV, lieft 1. 5
Digitized by Google
34
0. F. Wiberg,
Zustande gekannt haben; das Eisen ist ihnen dahingegen erst nach der Trennung bekannt
geworden. Er stützt diesen Satz durch den Umstand, dass die Arier das Wort für die Be-
zeichnung der erstgenannten drei Metalle aus dem heimischen Sprachschätze, ihrem gemein-
samen Eigenthum, geschöpft haben, wohingegen das Eisen von jedem arischen Volksstamme
mit besonderm Namen benannt ist.
Das Zinn, dies zur Herstellung der edlem Bronze unentbehrliche Metall, tritt bei den
indo-europäischen Völkern unter verschiedenen Namen auf, die hauptsächlich aus zwei Quel-
len entspringen' und in Bezug auf die Herkunft des Gegenstandes auf zwei entgegengesetzte
Weltgegenden hinweisen: Indien und Britannien.
Wir könnten die eine dieser Quellen die indo-griechische nennen, aus welcher das in-
dische Kastira und das griechische xaOGiteQos entspringen, beide Zinn bedeutend. Essei hier
bemerkt, dass die Versuche, Indien jeglichen Antheil an der ältesten Zinn production abzuspre-
chen, um sie ausschliesslich auf Comwallis zu beschränken, uns keineswegs fremd sind. Es
war hierzu niithig, die Inder ihre Benennung des Zinn3 aus der griechischen Sprache entleh-
nen zu lassen. Diese Versuche sind indeRs durch Pictet (Les Origines indo-europdenues,
Paris 1859, I, p. 177), als durchaus verfehlt, für immer verworfen worden. Er belehrt uns zu-
gleich darüber, dass es im Sanskrit nicht weniger als dreissig verschiedene Benennungen für
Zinn und Zinn und Blei zusammen giebt, einWortreichthum, der sich schwer mit der von den
Semitisten vorausgesetzten Unbekanntschaft der alten Inder mit der Sache vereinen lässt.
Der zweiten Hauptrolle der Bezeichnungen des hier genannten Metalls müssen wir den
langen Namen der kelto-germanisch-lateinischen geben. Dieselbe giebt uns aus den keltischen
Formen ystaen (kymriscli), stean (komisch), stean , sten, stin (armorikanisch) , stau, stain (ir-
ländisch) und staoin (ersisch), das lateinische Wort süuinum (italien. stagno, span, estafio,
portugies. estanho, franz. dtain) und auf der andern .Seite die gerni&uischen Formen tin (alt-
nord., dän., engl.), tenn (schwed.) und das deutsche Zinn, dem sich lithauisch cinnas und pol-
nisch cyna anschliessen. Dieser Derivationsversuch hat zuin wenigsten den Werth, dass er
uns in Comwallis den vornehmsten Productionsort desjenigen Zinns kennen lehrt, welches in
Westeuropa verbraucht wurde, womit wir jedoch die einstmalige Zinnproduction in Spanien
und an der Westküste Galliens keineswegs in Abrede stellen wollen.
Nach diesen Untersuchungen bleibt nicht viel mehr von den Phöniciern zu holen. Wir
kennen mit Sicherheit nicht mehr als zwei Wörter auf diesem Gebiete, für dio wir unleugbar se-
mitischen Ursprung annehmen können. Es sind die griechischen Wörter fiiralXov und Oaxxito.
HttaV.av, von dem wir den Gasammtnamcn für Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Eisen u. s. w.
ableiten, bedeutet in der griechischen Sprache ursprünglich „Grube“, „Stollen". Es kann mit
Sicherheit von dem hebräischen Verbum Vys (Mathal), schmieden, abgeleitet werden. Ebenso
stammt das griechische Verbum Ouxxia, sichten, durchschlagen , ohne Zweifel von dem gleich-
bedeutenden hebräischen Zeitworte "z (ZaQaQ) und R3> (SnQaQ). Es Hesse sich hiernach
muthmassen, dass die Griechen ihre Grubenterminologie von den Phöniciern entlehnt haben.
(Rdnan: Histoire gdndrale des langues sömitif|ues. Paris lbfi.t, I, 206.)
Ob das lateinische Wort Marcus, Hammer, mit dem hebräischen Zeitworte pi« (MuRaQ),
poliren, zusamrnenhängt , wollen wir nicht entscheiden; erinnern jedoch daran, dass das he-
bräische (B'dil), Zinn, Blei, von dem man das griechische pwAt’fldos hat herleiten wollen,
Digitized by Google
lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzeoultur. 35
und das griechische j;pea<>s, das von dem hebräischen ynn (Charuts), Gold, herstammen soll,
beide vollgültige arische Wurzeln haben. Ebenso unbarmherzig rauben die vergleichenden
Sprachforscher der Theorie von dem phönicischen Ursprünge der Bronzocultur die Stütze,
welche sie in dem Versuche finden konnte, das griechische Wort xaOöiYfpotr von dem semiti-
schen rmjep abzuleiten, welches seinerseits als ein Derivat ans dem Sanskrit erkannt ist.
(Fielet a. a. O.)
Um den Phöniciem indessen alle mögliche Gerechtigkeit widerfahron zu lassen, wollen
wir nicht verschweigen, dass diese sprachlichen Untersuchungen sich zu ihren Gunsten wen-
den, sobald es sich um die Namen der Edelsteine handelt. Das griechische iaOxig, lateinisch
jaspis, stammt unbestritten von dem hebräischen (Jasch'päh); das griechische 6cat<pitQog
von dem hebräischen ”05 (Sapphir); das griechische papaydo; oder efiagaySog von dem he-
bräischen rjj^y (Raräcjät), wobei gleichwohl zu beachten ist, dass die erste griechische Form
dem primitiven indischen Marakata näher steht u. s. w. (Rdnan a. a. O.) Die Sache erklärt
sich dadurch, dass die edlen Steine erst durch den Handel der Phönicier zu den Griechen ge-
langten und dass diese, wie später die anderen Völker im Westen, den ausländischen Kost-
barkeiten die Namen Hessen, unter welchen sie sie von den fremden Kaufleuten bekommen
hatten. Man hat übrigens gefunden, dass diese Namen, welche den fremden Ursprung der
Edelsteine bekunden, nicht im Homer Vorkommen und folglich nicht früher auftreten kön-
nen. als im 8. Jahrhundert v. dir., über welchen Zeitpunkt hinaus ein solcher Handel sich
demnach nicht wohl erstrecken kann. (Itdnan a. a, O.)
Nachträgliche Bemerkung der Redaction.
Zur Unterstützung der von Herrn Professor Wiberg zuerst von allen nordischen Ge-
lehrten ausgesprochenen Anerkennung des altitalischen Ursprungs vieler skandinavischen
Bronzefunde vermögen wir seiuer Abhandlung einige weitere bestimmte Nachweise auzu-
sch Hessen , auf welche es zur Feststellung dieser Thatsache vor Allem ankommt. Merkmale
etruskischen Styls der Metallarbeit sind bei einer Anzahl gerade sehr wichtiger Gegen-
stände des Kopenbagener Museums für Jeden der sehen will unverkennbar. Unter den
Waffen bieten namentlich die Erzschilde und von den übrigen Geräthen einige Erzgefässe
ganz bestimmte Zeugnisse für ihre Ueberlieferung aus dem fernen Süden. Es lassen sich die-
selben zunächst an den Verzierungen des Schildes Nro. 203, Worsaae nord. üldsager (Af-
bildninger 149), nach weisen. Die runden Buckeln, welche sich auf der platten Schildfläche
erheben , finden sich weiter bei keinen andern in Dänemark entdeckten Erzgerätken, als bei
den grossen Tromjieten, Lurer, Nordisk. üldsager Nr. 199 und 201 (Afbildninger 147),
und zwar auf den Scheiben, in welche die Schallöfihung mündet. Ganz abgesehen, dass die
Trompete überhaupt nach den übereinstimmenden Zeugnissen des Altcrthums als eine Erfin-
dung der Tyrrhener gelten muss, so zeigen jene merkwürdigen Instrumente noch eine wei-
6*
Digitized by Google
36 Nachtrag zu C. F. Wiberg: Ueber den Einfluss der Etrusker etc.
tere Verzierung, weiche auf ihre Herkunft hinweist. Es sind dies die ihrem Mundstück an-
gehiingten Klappen bleclie, welche in massenhafter Verwendung bei den aipinischen, nament-
lich den hollstädter und steierischen Erzgoräthen erscheinen, sich in diesen Gegenden bis
heute noch teilweise im Gebrauch erhalten haben, und ihre frühesten Vorbilder in den hoeb-
alterthümlichen etruskischen Erzarbeiten finden.
Ausser diesen wichtigen Beziehungen ergeben sich ganz unmittelbare in dem Ornamente,
welches zwischen den erhabenen Buckeln des Schildes in punktirten Linien dargestellt, drei-
mal wiederkehrt. Es besteht dasselbe aus vielen concentrisehen Kreisen, von welchen nach
beiden Seiten hin zwei gekrümmte Hälse langschnftbliger Vögel auslaufen.
Diese Art von Verzierung (T'ig. 6) kann durchaus nicht etwa in die Reihe der überall
vorkommenden, allen Völkern gemeinsamen Ornamentmotive gestellt werden; sic ist voll-
Fig. 6. Fig. 7 Fig. S.
Siem io Schleswig.
Gleit» in Steiermark.
kommen auf einen bestimmten Kreis von Denkmalen beschränkt, welche auch sonst durch
Styl und Technik eine besondere Gruppe bilden und in dem alten Italien zunächst ihren
Ausgang haben.
Es findet sich diese eigentümliche Verzierung noch in sehr charakteristischer Ausbil-
dung bei Grabhügelfunden der cimbrischen Halbinsel und zwar auf zwei Erzgefässen von
Siem und Rönning (Eigg. 7 und 8)'), welche in Bezug ihrer Form, der Herstellung
ihrer Ornamentlinien durch eingeschlagcne Punkte, ihrer Verniethung durch
konische Erzknöpfe und die Art ihrer Henkel mit den Funden von Erzbleebgefässen
in der Steiermark, dem Salzkammergut und weiterhin mit den etruskischen Erzarbeiten völ-
lig congruent erscheinen.
Die Vorliebe für eine Verwendung gerade von Vogelgestalten zur Verzierung von Ge-
räten und Gelassen reicht aber, wie wir bereits anderwärts dargelegt haben (Die Altertü-
mer unserer heidnischen Vorzeit, Band IL, Heft 111), in eine noch höhere Vorzeit, bis zu der
im Alterthum so hochgepriesenen Gefiissbildnerei der Phöniker; dass sie aber nirgend
anderswo von so vorwiegender Bedeutung war, als in «lern alten Italien, zeigt schon ein Blick
auf die Tafeln des Museum Etruscum Gregorianum und auf die altitalischen Bronzen, welche
Kemble inseinen Horae Ferales, plate XNX1V, aus der Sammlung von Pay'ne-Knight
darstellt.
Die eigentümliche Bildung dieser hier überall auf Schmuckgeräten und Gelassen, im
■) Afbildninger af Danike Oldiager og Mindcimacrker ved. A. P. Madien. Siem Fandet, Aalborg Amt
Rönninge Kündet, Ödeme Amt.
Digitized by Google
Nachtrag zu C. F. Wiberg: Ueber den Einfluss der Etrusker etc. 37
Vollguss oder in getriebener Arbeit angebrachten Vögel, ist unverkennbar dieselbe, welche
wir auch im Norden, wie überhaupt in dem ganzen Bereich des etruskischen Handels-
gebietes finden. In Verbindung häufig mit angehängten Klapperbleidien bezeichnen sie ziem-
lich genau den Umfang dieses Verkehrs und »eine Wege nach dem Norden. An der Donau
reichen diese Vogelornamente 'mit Krotalen tief nach Ungarn hinab (Mus. in Pesth) und sind
auch in Böhmen (Mus. in Prag) constatirt. Einfache wie gekuppelte Vogelgcstalten aus
Erz finden sich sellistständig und als Verzierungen von Ccwandnadeln im ganzen Elbgebiete
(Mus. in Berlin) und zeigen sich in Dänemark wie in Deutschland und Frankreich auf Mes-
sern und Werkzeugen verschiedener Art, überall aber in demselben eigentümlichen Styl-
charakter.
Noch weiter im Norden, in Schweden, begegnen wir der entschiedensten Gleichartigkeit
dieser Vogelornamente mit den alpinischen und transalpinischen, auf dem merkwürdigen in
Hailand geftuidenen Erzschilde, welcher einerseits durch den halbmondförmigen Ausschnitt
seiner inneren Buekclringc mit einem dänischen Schilde (Nr. 204 der Nord. Oldsager von
Worsaae) übereinstimmt, andererseits genau die nämlichen Vogelgestalten aufweist, welche
wir in den Darstellungen der Gefasse, Bloehgnrtel etc. auf Tafel XXII, Nr. 8, XXIV, Nr. 6,
7 und 8 des „Grabfeldes von Hallstadt von E v. Sacken“ finden.
Alle diese Thatsachcn haben bis jetzt noch nicht entfernt die gebührende Beachtung von
Seiten der Systematiker erhalten können. Aus dieser Fülle von Denkmalen eines höchst
markirten Stylchnrakters wusste' man im Allgemeinen Nichts weiter zu gewinnen, als die
oberflächliche, für eine wichtige Entdeckung erklärte Beobachtung, dass die Bronzen die-
ses StyLs, weil sie häufig bei Eisengeräthen gefunden werden, dem Uebergange der Bronze-
periode in die Eisenzeit angehören müssen.
L. Lmdensehmit.
Digitized by Google
Inhalt der Tafel*
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
Macedonischer Dolch, nach v. Bonstetten.
Bronzeschwert aus Dunemarl;
nach dem Atlas f. Nord. öldk.
nach Lin d cnschmi t.
Bronzeschwert aus Deutschland
Gussform aus Italien
Griechische« Schwert, nach einem Vasenbilde.
Griechische archaische Vaae in der Kaiserl. Bibliothek in Paris.
Oinochoe, nach der Gewerbehalle 1865, Heft VII.
Griechischer Dolch, nach Lacornbe.
Fibula au« Dänemark, nach Woraaae: Nord. Olds.
Fibula aus Italien (Perugia), nach Lind enschmit.
Paalstab au« Italien
nach v. Bonstetten.
nach Henau.
Phöniciache* Treppenornament
Amulet aus Fhünicieb
Griechisches Schwert in der Scheide, gefunden bei Nimes,
Griechischei« Schwert
Cylinderurne von Albano, nach Lindenschm it.
Bruchstück eine« Schildes aus Dänemark, nach Worsaae.
Etruskisches Schwert aus Caere, nach Noel des Vergers.
Etruskisches (V) Schwert aus Hallstadt, nach ▼. Sacken.
Etruskisches (?) Schwert aus Schweden, nach Nilsson.
Karthagische Goldmünze, nach Müller: Nuraismatique de l'ancicnne Afrique.
Altnordisches Rasirmesscr aus Dänemark, nach Worsaae.
nach Lacornbe und Lindenschmit.
Digitized by Google
Archiv ftir Antliri>|»ili>ati> HA IV lieft I. Zu S».
Digitized by Google
in.
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von
Dr. v. Maak:
Sind das Stein-, Bronze- und Eisenalter der vorhistorischen Zeit nur die Entwicke-
lungsphasen des Culturzustandes eines Volkes, oder sind sie mit dem Auftreten
verschiedener Völkerschaften verknüpft?
{Archiv für Anthropologie. XVI. Band UT, Heft 3, S. 267.)
V on
L. Lindenschmit ■).
Es giebt jetzt keine Frage mehr in dem ganzen Bereich unserer Alterthumsknnde, welche
nicht alsbald ihre Lösung erhielte, sowie sie nur mit den Kelten in Berührung gebracht
wird. Wunderbare Aufschlüsse, wie sie bis jetzt für keinen der alten Stämme unser» Welt-
tbeils erreichbar waren, haben sich, wie man versichert, für jenes Urvolk aufgethan, ja wir
finden zu unserer Ueberraschung das fern geglaubte Ziel der Erforschung vorhistorischer Zeit
bereits erreicht , sobald wir uns nur nmschauen und überzeugen wollen , dass jenes merkwür-
dige Volk die Grundlage der europäischen Menschheit bildet und damit, wie Herrn. Müller
längst nachgewiesen, als der Urquell der gesammten neueren Gesittung zu betrachten ist
Es war auch wirklich an der Zeit, endlich einmal etwas Sicheres in dieser alten Streit-
frage zu erfahren. Uns schwerfällige complicirte Rüstzeug der Forschung arbeitet fatal lang-
sam, um den Vorhang zu heben, hinter welchom wir eine Darstellung in lebenden Bildern
von der Geschichte und den Culturzuständen der fernsten Vergangenheit schon so lange er-
warten. Nur pedantische Conserjuenz konnte sich dabei befriedigt fühlen, dass die Hülle seit-
*) Eine Wetterführung rier Verhandlungen über dieee Frage, /urnnl über ihre von Dr. v. Maak vorge-
schlagene Losung, können wir nicht für förderlich halten, sowohl aus Gründen, welche in den folgenden
Bemerkungen dargclegt sind, als auch deshalb, weil Allee, was die von Dr. v. Maak vertretene Ansicht be-
trifft, bereits wiederholt und in ausführlicher Weise zur -Spruche gebracht ist. Specieü linguistische For-
schungen, in welchen diese Auffassung ihre wichtigste, ja einzige Begründung sucht, finden anderswo
vielfache Gelegenheit, zur Kunde und Prüfung der Fachgenossen zu gefangen — sie liegen ausserhalb der
nächsten Aufgabe des Archivs für Anthropologie. Die Redaction.
Digitized by Google
40
L. Lindenschinit.
her von Zeit zu Zeit mit einem kleinen Ruck sich hob , und dass es uns bis jetzt erst ver-
gönnt war, den Boden der Bühne und was auf ihm hermnliegt, mit unseren Blicken zu errei-
chen. uns von der Anwesenheit der wilden Acteurs wirklich zu überzeugen.
Kein Wunder, wenn damit die Ungeduld der Wissbegierde aufs höchste gesteigert wurde,
und einige besonders eifrige Forscher sich entscblicsscn konnten, unter dem Vorhänge durch-
zuschlüpfen, um einen vollen Uoberblick vorweg zu erhalten, und wir dürfen uns freuen, dass
ihnen dies so wohl gelungen ist und dass sie einen so mittlieilsamen Drang fühlen, uns das
Geschauete zu offenbaren.
Sie haben nur Kelten, nichts als Kelten gesehen und dieselben nicht allein sofort an der
Ursprache erkannt, sondern die letztere sogar verstanden, da sie glücklicherweise des jetzigen
Irischen und Kymrischen vollkommen mächtig, zu einer schnellem Verständigung gelangen
konnten, als dies umgekehrt unseren Philologen mit ihrem homerischen Griechisch bei den
modernen Hellenen gelingen will.
Damit war aber eine Kunde von höchster Wichtigkeit gewonnen, die bis in alle Einzel-
fragen der Forschung um so gewisser Licht und Auskunft gewährt, als sich das Urvolk in
zwei an Körperbildung, Sprache und Cultur merklich verschiedene Stämme, die Gaelen und
Kymren tlieilt, und Alles was dem Einen fehlt, bei dem Andern zu linden ist.
Wir können jetzt Alles erfahren, mögen wir fragen nach der Deutung dunkler Worte und
Namen unserer Sprache, nach dem Ursprung alter Rcchtabräuche oder der monumentalen
Ueberreste und Grabfunde unserer Vorzeit, überall erhalten wir schnellen Bescheid, und es
bängt nur von uns ab, uns belehren zu lassen und uns den Gewinn eines geordneten voll-
endeten Bildes der vorgeschichtlichen Zeit anzueignen.
Gewiss ist, dass wir in unserer beschränkten Zweifebucht noch weit entfernt sind, etwas
gleichmässig Fertiges und Abgerundetes entgegonzustellen , und es wären, offen gestanden,
gerade noch keine glänzend und harmonisch gruppirten Resultate zu opfern, wenn wir Alles auf-
goben wollten , um was sich, unsere antiquarische Forschung seither bemühte. Können wir
dies übers Herz bringen, so verschlägt es im Grunde auch nicht viel, uns des werthlosen
Aberglaubens an ein uraltes Recht auf unser Land zu entäussern, unsere Vorgeschichte und
selbst einen Th eil unserer Geschichte an die Gaelen und Kymren abzutreten.
W as bedeuten überhaupt noch geschichtliche Ueberlieferungen und die römischen Quel-
len? Die Sprachwissenschaft allein hat jetzt die Existenz wie die Grenzen der alten Völker
zu bestimmen, und es ist uns schon wiederholt auf das Nachdrücklichste dargethan worden,
dass die Kimbern , die belgischen wie rheinischen Germanen aus unserer Geschichte zu ent-
fernen sind, ja man hat uns gesagt, dass die Deutschen erst zur Zeit der Völkerwanderung
den Boden unsere Landes und jenen der Geschichte lietretcn haben.
Auch v. Maak’s „antiquarische Untersuchung“ bestätigt aufs Neue diese Forderungen
an unsere Resignation. Nur der elfte und letzte Artikel seiner Lehrsätze gedenkt der Ger-
manen, welche nach dem Beginne dos Eisenalters auf der kimbrischen Halbinsel zu den älte-
ren Gaelen und Kymren einwandem, bald aber durch Skandinavien und Wenden verdrängt
und vermischt werden. Wir erhalten damit schon auf einem kleinen Fleck Landes eine so
bunte Völkertafol, dass es sich allerdings fragt, ob irgend noch ein Gebiet bliebe, auf welchem
in höherer Frühzeit überhaupt noch Deutsche zu finden wären. Bodenken wir ferner, dass
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 41
sich nun einmal, wie uns versichert wird, „nur auf diese Weise (d. h. durch Einführung
eines gälischcn Urvolks) klares Licht und einfache Ordnung in die bis dahin ver-
wirrte Masse der Erscheinungen bringen lässt", so sollten wir uns wohl endlich einer
so oft schon ertheilten Entscheidung fügen. Erhalten wir ja doch dafür als Ersatz das er-
hebende wissenschaftliche Bewusstsein, nach erlangtem Verständnis» einiger Fluss- und Dorf-
namen, fürder nicht mehr „als geistige Fremdlinge auf eignem Boden* umherzuwandeln,
und die Enthebung von jeder Sorge, weiter als bis zur Zeit der Eisenperiode bin, uns für
die Interessen unserer Geschichte und Alterthümer ferner noch bemühen zu dürfen. Für die
weiter zurückliegenden Zeiten ist schon gesorgt und Alles in geeigneter Weise an die ver-
schiedenen Völker vertheilt.
Es bliebe uns damit immer noch ein schönes Stück Geschichte, und dieses allerdings rück-
sichtsvolle Zugeständnis« an die Gcrmauen verdiente Anerkennung, erhöbe sich nicht das
Bedenken, dass die gegebene grenze unmöglich respektirt bleiben könnte. Was sollte aber
werden, wenn uns die Vertreter der Gaeleu und Kymren auch bis in das li.,ja 8. Jahrhun-
dert heraus mit ihren siegreichen Waffen den irischen Lexiken und Grammatiken folgen
wollten ? Von ihrem acht keltischen Eifer ist Alles zu erwarten, und an Beispielen, wie weit
• die Consequenzen systematischer Aufstellungen führen, fehlt es hier gerade am wenigsten.
Hat ja doch Leo die malborgischon Glossen zur Lex salica unbedingt für keltisch erklärt,
und die fränkischen Frauennamen Chrodhild, Grimhild, Herlind und Berta auf keltische
Lautverhältnisse und Wurzeln zurückgeführt.
„Die letzte Entscheidung Ubor das Nordondorfer Gräberfeld“, mit welcher
Math. Koch diesen alaraannischon Friedhof den Kelten zu überweisen dachte, zeigt in Fra-
gen des 6. und 7. Jahrhunderts ganz dieselbe Zuversicht, wie alle anderen „Entscheidungen"
bezüglich der rein keltischen Erz- und Steinperiode , von den „entschieden keltischen
Bronzen“ Heinr. Schreiber's bi* zu den „erwiesen gälischen Hünenbotten und
kymrischon Aschenurnen“ v. Maak’s.
Zu allem Glück hat es mit diesem entschiedenen und bedrohlichen Wesen aller solcher
Verfügungen auf antiquarischem Gebiete wenig Gefahr. Seit mehr als vierzig Jahren erflies-
sen diese keltischen Erlasse, denen an Haltung und Art richterlicher Erkenntnisse nichts
fehlt als Wirkung und Erfolg. Sie haben die Parteien abgehört, die Gründe der Verurtheil-
ten erwogen, widerlegt, beseitigt, vernichtet und doch — Wer gedächte mich dieser mit so
viel Selbstvertrauen und Eifer proelamirten Resultate keltischer Forschungen, würde nicht
das oft gebrauchte Material immer wieder hervorgeholt, suchte man nicht mit unerschöpf-
licher Ausdauer nach irgend einer Stelle, wo dasselbe eine Geltung erhalten könnte.
Deshalb bedürfte aueb die Abhandlung des Dr. v. Maak keiner eingehenderen Prüfung,
da sie durchweg nichts Neues bringt, als eine abermals etwa» veränderte Gruppirung der
Thatsachen zu den vielen übrigen , welche zu Gunsten einer fremdartigen keltischen Ur-
lievölkcning bereits vorliegen. Allein als Zeichen eines frischen Anlaufs, welchen neuerdings
diese Bestrebungen von allen Seiten her versuchen, veranlasst sie immerhin einige Betrach-
tungen, zu welchen ich mich von Seiten des Verfassers schon dadurch aufgefordert sehe, dass
derselbe meiuen Bericht über das Gräberfeld bei Monsheim (Archiv f. Anthrop. Band 1H,
S. 101) zur Grundlage seiner Erörterungen nimmt, und an eigonthümliche Auffassungen mei-
Archiv für Anthropologie» Bd. IV, Heft I. (J
Digitized by Google
42
L. Lindenschmit,
ner Ansicht vielfache Berichtigungen und Belehrungen knüpft Dies und der „Standpunkt
über den Parteien“, welchen er für sich in Anspruch nimmt, die verwiegende Bedeutung,
welche er der „Sprachwissenschaft“ für die Beurtheilung urzeitlicher Verhältnisse vindicirt,
verlangen einige Verwahrungen und Bemerkungen.
Vor Allem muss ich es als eine gründliche Täuschung bezeichnen, wenn v. Maak sich
das Ansehen geben zu können glaubt, von mir aufgcstellte „ Fundamentaltheorien und Hy-
pothesen“ in Bezug einer Urbevölkerung beseitigen zu können. Dies ist schon deshalb
durchaus unmöglich, da die Forschungsrichtung, der ich angehöre, die „Partei, als deren
eifrigster Vorkämpfer“ bezeichnet zu werden ich die Ehre habe, gerade die Beseitigung aller
Systeme und Hypothesen anstrebt welche seither die Beurtheilung der Verhältnisse so sehr
erschwert haben.
Die Mittheilung der auf dem Gräberfeld« von Monsheim gewonnenen Ergebnisse, der
Hinweis auf ihre nahe Beziehung zu anderen wenig beachteten Thatsachen , war nur die
Folge der Ueberzeugung von der Nothwendigkoit einer Erweiterung des Gesichtskreises der
Beobachtung, welche von den Systematikern seither in viel zu enge Grenzen gebannt blieb.
Wenn ich dpr Auffindung dolichocephaler Schädel in Gräbern der Steinzeit Gewicht beilegte,
und die Untersuchung ihres Verhältnisses zu den gleichartigen der Hügel- und Reihengräber
den Sachkundigen empfahl, so habe ich damit allerdings den Ungrund einer bisher herr-
schenden Vorstellung von der Brachycephalie der ältesten Bevölkerung unseres Landen her-
vorgehoben, mit keinem Worte jedoch einen germanischen Urtypus zu constatiren versucht.
Im Gegenthoii, ich gestehe gern, dass ich nicht im Stande bin, wie v. Maak es vermag , Sie-
ger und Besiegte in den alten Gräbern zu unterscheiden und aus dem einzigen Schädel von
Plan den Sklaventypus der unterdrückten Urbevölkerung festzustellen.
Dass aber bei der Einseitigkeit und Werthlosigkeit aller Gründe, welche bis jetzt für
die Behauptung eines unablässigen Völkerwechsels in ältester Zeit vorgebracht worden , die
Möglichkeit eines ursprünglich einheitlichen Zusammenhangs der mitteleuropäischen Völker
gerade im Interesse der Wissenschaft und zur möglichst allseitigen Ergründung dieser Frage
immer noch aufrecht zu halten ist, bleibt auch nach der bestimmtesten Versicherung des
Herrn v. Maak über ihre glückliche Lösung, unsere fortdauernde Ueberzeugung.
Wir glauben, dass die Entscheidung mehr gefördert wird durch Erweiterung unserer
Kenntniss des Thatbestandes , durch sorgsame Wahl und Prüfung der Untersuchungsmittel
selbst, als durch wiederholtes Probiren, durch beständiges Hin- und Herordnen des vorhande-
nen, offenbar ungenügenden Materials. Will v. Maak in dem Ausdruck dieser Ansicht ein
„Interdict gegen wissenschaftliche Classificirung“ erkennen, so wünschten wir nur, wir besäs-
sen die Macht zu einem solchen Interdict gegen jene Combinationen zu vorher bestimmtem
Zweck, gegen jenes Herumwürfeln einer verhältniasmässig geringen Zahl von Beobachtungen,
welches auch nicht entfernt einen Vergleich mit den Systemversuchen der Naturwissenschaft
verdient, denen es v. Maak ohne Weiteres an die Seite stellt-
Systeme eines vollkommen wissenschaftlichen Charakters konnten sich wohl auf dom
Gebiete der Naturkunde entwickeln, auf welchem die Erforschung eines in Fülle vorhande-
nen allseitig zugänglichen Stoffes in demselben raschen Fortgang sich aushildete und erwei-
terte, als der immense Werth die universelle Bedeutung ihres Erfolgs zu allgemeinster Er-
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Munk. 48
kenntniss gelangte. Es lag m der Sache selbst, dass Männer, welche den jeweiligen Umfang
dieser Forschungsergebnisse vollkommen beherrschten, dieselben auch zu gliedern und
zu ordnen strebten, und aus dem gewonnenen Ueberblick weitem wissenschaftlichen Gewinn
zu erreichen bemüht waren.
Mussten diese Versuche bei der Beschränkung auch der höchsten menschlichen Befähi-
gung unvollkommen bleiben, so daas sich der Fortgang der Wissenschaft gerade in der Be-
seitigung dieser als mangelhaft erkannten Aufstellungen äuasera konnte, so waren diese Sy-
steme immerhin das Product eminenter Leistungen, einer unendlichen Summe von Entdeckun-
gen und Wahrnehmungen, welche den ganzen Erdkreis umfassten, und nur durch den Wett-
eifer aller gebildeten Nationen zu erreichen waren.
W ie sich dagegen die Systeme unserer Alterthumskunde verhalten müssen, bedarf nur
eines Hinweises auf die Stellung der letzteren als eine Hülfswissenschaft. Was hier an Er-
gebnissen vorliegt, welche als Bausteine zur Bildung eines Systems gelten können, verdan-
ken wir einer niemals hoch genug anzuerkenuenden Hingebung vereinzelter Männer, welche
die Bedeutung dieser Forschungsrichtung erkannten und die Theilnahme für dieselbe in wei-
teren Kreisen zu beleben wussten. Aber eben so wenig ist zu verkennen, dass die Versuche
jeuer Männer zur Bildung eines Systems viel zu frühzeitig unternommen waren, und dass
ihre Aufstellung einer Stein-, Bronze- und Eisenperiode im Allgemeinen kaum eine grössere
Bedeutung hat, als die Eintheilungder Naturproducte in ein Mineral-, Pflanzen- und Thierreich.
Mit Allem was neuerdings jener archäologischen Classification zugefligt wurde, mit den
Unterabteilungen einer paläolithischen und neolithischen Zeit einer ersten und zweiten
Bronzeperiode, einer altern und jüngern Eisenzeit, ist nur ein weiteres Fachwerk aufgestellt,
ohne dass man über die Sachen selbst, welche in dasselbe zu vertheilon wären, zu jener
Sicherheit gelangte, welche nur durch vollkommen freie Beobachtung und keineswegs nach
einem fertigen Schematismus zu erreichen ist Gerade auf dem wichtigsten Gebiete der
Bronze- und Eisenperiode werden die Resultate einer unbefangenen Vergleichung mit
den Aufstellungen einer im Voraus gebildeten Ansicht niemals zu vereinigen sein. Ein
wesentlicher, ja fundamentaler Nachtheil ergiebt sich aber für die letztere von vornher-
ein aus dem Umstande, dass die Beobachtungen, aus welchen sie hervorging, nur das viel zu
beschränkte Gebiet der Küstenländer der Nord- und Ostsee umfassen, und was weit mehr
noch bedeuten will, dass man die vorhistorische Zeit in vielfacher Weise von der geschicht-
lichen ablöste und sich damit aller jener Aufschlüsse beraubte, welche nur bei der letzte-
ren über die Gesetze und Bedingungen der Bildungsentwickelung der Völker zu gewin-
nen sind.
Sehen wir nun aber, dass neu aufgefundene Thatsachcn selbst in diese nach rein
stofflichen Merkmalen weitläufig genug angelegten Abtheilungen oft nicht ohne Weiteres
unterzubringen sind, und dass neue eben so willkürlich eingesetzte Seitenfaclier für diesel-
ben eingefügt werden müssen, so können wir diesem Rabmenwerk, mit dem man sich bisher
in völlig unfruchtbarer Weise für die Erkenntniss der Sachen selbst zu behelfen suchte, un-
möglich die Eigenschaft eines wissenschaftlichen Systems zugestehen.
Mit der Einsicht dieser verfehlten Richtung und im Bewusstsein näher liegender Auf-
gaben hat sich denn auch die neuere Forschung von diesem und jedem Schematismus abge-
6*
Digitized by Google
44 L. Lindenschinit,
wendet und alle ihre Tlüitigkeit auf eine tiefere Erkundung und Übersichtlichere Kenntnisa-
milime ihres Gebietes concentrirt.
Sind wir einmal so weit, dass wir ein Material beisammen haben, welches an Verläss-
lichkeit und Fülle mit jenem der Naturwissenschaft nur vergleichbar ist, so werden Bich
ohne Zweifel auch die Männer für Systeme finden, welche Werth und Bedeutung haben wie
jene ßlumenbach's, Linnü’s und Cuvier's. Bis dahin aber werden wir Alle und wohl
auch v. Maak auf die Ehre verrichten müssen, mit gleichen Leistungen auf antiquarischem
Gebiete jenen Männern an die Seite zu treten.
In diesem Sinne verstehe ich das sogenannte „Interdict“ gegen freie Bewegung der For-
schung. In der That aber bleibt es von geringer Wichtigkeit, ob einstweilen noch so viele
Versuche mit alten Völkerzügen, noch so siele Abtheilungen nach geographischem oder einem
andern Fundamentum divisionis gemacht werden. So lange man nicht den alten Bereich
einer auf locale Beobachtungen beschränkten Auffassung verlässt, dreht sich jene vermeintlich
freie Bewegung der Forschung mit komischer Gravität doch nur auf dem alten Fleck, wie
v. Maak mit seinen antiquarisch-linguistischen Theorien.
Was jedoch die überlegene Haltung v. Maak's betrifft, die erhabene Stellung, die er
Uber den Parteien und Secten der Antiquare einnimmt, die richterliche Autorität, mit wel-
cher er unter den Ansichten und Resultaten derselben aus dem Falschen und Misslungenen
das Wahre und Richtige scheidet und zurecht legt, so gewährt alles dieses neben einer durch-
gehend erheiternden Wirkung doch auch eine nicht gerade erfreuliche Vorstellung, wie
es um die rationelle Forschungsmethode derjenigen bestellt ist, welche uns Antiquare
unausgesetzt auf das mustergültige Verfahren der Naturwissenschaft verweisen zu müssen
glauben. Recht vielseitige Herausforderung zu einer Prüfung dieser Berechtigung liegt in
v. Maak’s fraglicher Abhandlung vor, es genügt aber, wie wir glauben, nur der Blick auf
einige seiner Entscheidungen und Behauptungen , um aufs neue zu constatiren, dass heute
noch unsere Alterthumskunde, wie Ktinssberg1) vor neun Jahren schon treffend bemerkte,
als ein Revier behandelt wird, in welchem Jedem freie Pirsche zusteht, der ein Gewehr zum
Knallen bringen kann.
Wir können zunächst nur diejenige Frage näher ins Augo faasen , welche die Contro-
verse über eine wesentliche Verschiedenheit der alten Bevölkerung unseres Landes wirklich
berührt, die Untersuchung, ob die von mir angedeutete nahe Beziehung mehrerer nordischer
Erdgräber der sogenannten Steinperiode zu jenen in Süddeutschland aufgefundenen von Sei-
ten der Forschung zu beachten ist oder nicht, wie v. Maak behauptet. Betrachten wir seine
Darstellung im Allgemeinen und Einzelnen.
Seine Eintheilung der Urzeit unserer Erdperiode in ein paläolithisches und neolithisches
Steinalter, die Unternbtheilung des letztem in eine ältere und jüngere Zeit, die erstere mit
gespaltenen Feuersteinmessern und Beilen, die zweite mit geschliffenen und gut gearbeiteten
Steingeräthen, ist die bekannte.
Neue Aufschlüsse aber erhalten wir sofort damit, dass wir das jüngere neolithischo Zeit-
alter in zwei weitere und zwar gleichzeitige Abtheilungen zu scheiden haben, in eine
*) Wanderungen ins germanische Altertlium von Ilcinr. Künsaberg. Berlin 1861.
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 45
megaüthische and eine cryptolithische Steinzeit, und zwar nach geographischer Ver-
breitung und damit parallel gehender Nationalität.
Dein megalithischen Steinalter sind eigentkiimlich die Hünengräber, Dolmens
und die gleichartigen Steindenkmale Englands, Spaniens und Portugals etc., es hat
seine Verbreitung an der Meeresküste von West- und einem Theile von Nord-
europa. Dagegen gehören dem cry ptolithischen Steinalter und dem Binnenlande die
mit flachen Steinen ausgesetzten Gräber und die einfachen Erdgräber ohne allen
Steinbau.
Die Bestimmtheit dieser auf das „wichtige Moment der geographischen Verbrei-
tung“ begründeten Entscheidung wird jedoch wieder durch das Zugeständnis aufgehoben,
dass „sich die megalithischen Gräber bis nach Thüringen und Schlesien verfolgen
lnssen,“ dass jene den Meeresküsten eigenthümliche Erscheinung also bis tief ins Binnen-
land reicht, und „sich keine scharfen Grenzen zwischen beiden Gebieten ziehen
lassen, die hier und da in einander übergehen,“
Aber auch noch eine weitere Verbindung der beiden seiner Ansicht nach national
getrennten Bereiche bilden die „Plattengräber, welche beiden gemeinschaftlich
sind.“
Er weias jedoch so viel mit Gewissheit, dass „dieselben bei dem megalithischen
Volke die niederste Form des Gräberbaues, bei dem cryptolithischen die höchste
Entwickelung desselben darstellen,“ eine Unterscheidung, in welcher wir leider nur
eine jener wichtig thuenden Phrasen und gesuchten Distinctionen zu erkennen vermögen,
mit welchen man vollkommen Gleichartiges, nach Form und Gehalt Zusammengehöriges
nach Belieben in eine ganz getrennte und selbst entgegengesetzte Stellung bringen zu kön-
nen glaubt. Seine Scheidung megalithischer und cryptolithischer Plattengräber beruht einzig
nur darauf, dass die nordischen „in der Regel“ auf der Erde, die südlichen (immer?) un-
ter der Erde angelegt sind.
Wir erfahren weiter, dass wir nur die Gaelen als das Volk des megalithischen Zeitalters
zn betrachten haben. Es ist dies auf linguistischem Wege festgestellt, wenn auch noch nicht
für das übrige Europa, Afrika und Asien, so weit die Dolmens reichen, aber doch für Schles-
wig-Holstein. Hier hat es v. Maak übernommen, alles Erforderliche nachznweisen.
Das cryptolithische Volk ist noch völlig unbekannt und bestand wahrscheinlich aus ver-
schiedenen Stämmen. Es wird uns jedoch auch weiter mitgetheilt, dass selbst auf crypto-
lithischem Gebiete möglicherweise später oder früher Gaölo-Liguren eingedrungen sind,
und das» selbst die Plattengräber der Schweiz und Suddeutschlands, obgleich in der Erde
angelegt, mit jenen der cimbrischen Halbinsel, die auf die Erde gebaut sind, in Bezie-
hung zu bringen wären , sobald man nur auch im Süden eine Untersuchung der Ortsnamen
auf das Gälische ln die Hand nehmen wollte.
Wäre damit aber wirklich etwas zu erreichen, so müsste man über das unbekannte crypto-
lithische Volk scliou längst im Klaren sein, denn wir haben in Süddeutschland keine Meile
Landes, auf welcher nicht unsere Linguisten, je nachdem sie mehr das Gälische oder Kym-
rische bevorzugen, eine ganze Masse von giilischen oder kymrischen Ortsnamen herausgefnn-
den haben. Auf rein cryptolithischem Gebiete, in der Gegend des Monsheimer Gräberfeldes
Digitized by Google
46
L. Linde u sch mit,
selbst, kann ich der Aufforderung v. Maak's um Nachweise gälischer Namen entsprechen,
und zwar mit dem ältesten Namen der Landesbevölkerung im Bereiche der Vogesen, mit
jenem der Tribocci, welcher von Niemand Geringerem als C. Zeuss, der höchsten Autori-
tät in keltischer Sprachkunde, dein Verfasser der Grammatica celtica, als undcutsch und
gälisch erklärt ist1). Dass Jacob Grimm diese Erklärung gründlich beseitigte, ist freilich
eine andere Sache und gehurt vor der Hand nicht hierher.
Gerade der linguistische Weg, auf welchem v. Maak die nationale Verschiedenheit der
alten nordischen und südlichen Bevölkerung entdeckt hat, führt ihn zu dem Gcständniss der
Möglichkeit, ja zu der Annahme eines gemeinsamen Ursprungs derselben. Haben wir uacli
seiner Auffassung die Liguren des Südens als die Brüder der nordischen Gaelon zu betrach-
ten, so wäre damit gerade das festgestcllt, was er bekämpfen will: die Einheit der alten Be-
völkerung, gleichviel ob mit dem gegebenen Namen die Sache richtig bezeichnet ist oder
nicht.
Aber auch auf dem speciell antiquarischen Gebiete hat der Verfasser das Unglück, dass
soine Behauptungen gerade zu den seiner Ansicht entgegengesetzten Ergebnissen führen.
Zur Begründung einer gänzlichen Verschiedenheit der nordischen und süddeutschen Erd-
gräber der sogenannten Stein|>eriodn weiss v. Maak genau darzulogen, daas der Schädel von
Plau „weder den Germanen, noch dem megalithischen Stcinaltervolk angehört, wenn er auch,“
wie er zngicht, „zu megalithischer Zeit gelebt haben mag.“ Er ist überzeugt, „dass er dem
Volksstammc zu überweisen sei, welcher in den Speiseabfallhaufen die Spur seines Daseins
liinterlassen hat“, und damit glaubt v. Maak das Grab von Plau vollständig isolirt, von jeder
Beziehuug zu anderen Erscheinungen getrennt zu haben. Wem aber dieser einzige Schädel
für den Repräsentanten eines ganzen Volkes gilt, der wird wohl auch die Art des Grabes,
welchem er entnommen ist, als die Gräberform der Zeit der Kjökkenmöddings gelten lassen
müssen, und wir hätten damit auf megalithischem Gebiete gewiss eine grosse Zahl sehr
alter, ihrer Art nach nur zulallig zu entdeckender cryptolitliischer Gräber vorauszusetzen,
welche ohne allen Steiubau und ähnlich jenen in SUddeutschland gefundenen, nach v. Maak's
eigener Ansicht bis in seine megalitliische Zeit herabreichen können.
Zu derselben durch v. Maak jetzt bestrittenen Annahme aber waren auch wir gelangt,
freilich auf anderem Wege. Wir konnten das vielbesprochene Grab von Plau so wenig als
die eben so vereinzelten rheinischen Gräber von Dienheim und Herrnsheim als isolirte Er-
scheinungen betrachten, auf Grund ihrer vollkommenen Uebereinstimmung mit jenen des
grossen Friedhofes von Monsheim.
Die nahe Verwandtschaft aller beruht auf einer Zahl bestimmter Merkmale, welche die
Forschung aus einer Reihe von Beobachtungen für gleichartig erkannt hat, und nicht auf
einer Beurtheiluilg der Schädel, für welche bis jetzt die Zahl dieser „cryptolithisehen“
Fundstücke viel zu gering ist, während nach der Sicherheit zu schliessen, mit welcher
v. Maak Uber die Schädelhilduug des megalithischen Volkes spricht, unfehlbar demselben
zahlreiche, noch unbekannte Messungen und Untersuchungen von Crauieu der Hünengräber
vorlicgen müssen.
') C. Zeuaa: Die Deutschen und ihre Nachbaratämme, S. 230.
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 47
Aber das Grab von Plau ist nicht etwa das einzige cryptolithische in dem nordischen
Megalithien, wir haben da auch noch die Gräber von Roggow. Sehen wir zu, wie v. Maak
dieselben zu beseitigen sucht.
Seiner Ansicht nach kann diese Gräbergruppe, unscrs Wissens bis jetzt die erste, welche
in Mecklenburg entdeckt wurde, schon deshalb gar nicht in Betracht kommen, weil die
Grabstellen „eine anomale Lage haben.“ Diese Bezeichnung setzt unbedingt die Kennt-
niss einer überwiegend grösseren Anzahl gleichartiger, aber in ganz andererWeise angeord-
neter Gräber voraus, v. Maak muss demnach wohl von solchen cryptolithischen Gräbern
im Norden Kunde haben, und hätte uns eine Mittheilung Uber dieselben nicht vorenthalten
dürfen. Auffalligo und besondere Anordnungen finden sich jedoch erweislich unter den
Gräbern aller Zoitperioden.
Er weiss ferner, dass diese Grabstätten deswegen nicht der megalithischen Zeit ange.
hören können, „weil die 16 Leichen alle zugleich begraben sind.“ Er erkennt dies
an der Regelmässigkeit der Richtung und der Zwischenräume der Grabstellen.
Ganz abgesehen von der gänzlichen Bedeutungslosigkeit dieses originellen Grundes für die
Altersbestimmung der Gräber, so kann er überhaupt für die Gleichzeitigkeit der
Bestattung nicht das mindeste Gewicht haben. Es müssten sonst auch die 300 bis 500
regelmässig neben einander gelegten Todten der fränkischen Friedhöfe alle zugleich begra-
ben sein, und es wäre ganz unmöglich Lago und Richtung eines Grabes ohne megalithi-
sche Blöcke selbst für lange Zeitdauer auf der Oberfläche des Bodens bemerkbar zu
machen.
Jedenfalls aber hält er für sicher, dass diese Gräber jünger seien, als die Zeit derSpeise-
ubfallhaufen. Möglich immerhin, aber hören wir seine Gründe.
Dass in diesen Muschel- und Knochenhaufen anderer Länder verhältnissmässig sehr spät-
zeitliche Gegenstände und auch in Dänemark sehr gut gearbeitete Steingeräthe gefunden
sind, ist deshalb von geringer Bedeutung, weil „man darüber einig ist,“ dass die letz-
teren dort nur durch Zufall und in späterer Zeit verloren wurden!
Obgleich das Pferd sonst überall bereits in sehr ferner Frübzeit, wie auch in den
ältesten Pfahlbauten der Schweiz nachgewiesen ist, so darf ein mecklenburgisches Grab, in
welchem ein Pferdeschädel gefunden wird, doch nicht älter sein, als'die Zeit, aus welcher
Pferdereste in dänischen Gräbern beobachtet sind.
Dass aber v. Maak nicht das geringste Bedenken findet, 16 Gräber, alle nur mit Bei-
gaben von Steingeräthen, in die Spätzeit seiner Eisenperiode, welche er den Germanen und
Wenden zuweist, zu versetzen, giebt wohl das sprechendste Zeugniss, was man Alles zu Gun-
sten einer vorgefassten Idee gestattet hält, und was man uns als Ergebniss strenger natur-
wissenschaftlicher Behandlungswei.se bieten zu dürfen glaubt.
Nur der Sache selbst wegen berühren wir noch die grosse Seltenheit der Entdeckung
solcher Gräber. Auffallend, wie v Maak meint, ist sie keineswegs, da ihre äusseren Merk-
male in weit früherer Zeit schon verschwunden sein mussten, als jene der merovingischen
Reihengräber, welche alle ohne Ausnahme nur durch zufällige Erdarbeiten entdeckt wurden.
Es bedarf kaum des wiederholten Hinweises, dass selbst in dichtbevölkerten Gegenden, wo
jede Erdscholle so zu sagen umgekehrt wird, äusserst selten nur durch den Ackerbau selbst,
Digitized by Google
48 L. Lindenschmit,
sondern zumeist durch Schleifen von Anhöhen durch die Eisenbahnhauten etc. die Entdeckun-
gen herbeigefiihrt werden.
In Hinsicht einer ausgedehntesten Benutzung des Bodens können aber gerade Mecklen-
burg und Dänemark kaum in Betracht kommen, und wenn die Wissenschaft dort noch
wenig oder Nichts von Erdgräbern entdeckt hat, so hat dies wie anderwärts seinen Grund
darin, dass sie ihre Untersuchungen nicht auf das Gerade wohl, sondern nach bestimmten
äusseren Merkmalen unternimmt. Nur wenn die „Heissige und genaue“, auch von uns aufs
höchste anerkannte Forschung jener lünder ausgedehntere und bessere Hiilfsmittel zur Ver-
tilgung hätte, als sie anderwärts zu Gebote stehen, wenn sie in den Besitz von Erdsjiiegeln
und Wünscheiruthen zur Entdeckung verborgener Gräber gelangte, könnten allenfalls höhere
Ansprüche an sie erhoben werden, und dürften wir hoffen, allein von ihr alle Aufschlüsse
zu erhalten.
Derselben Willkür aber wie in Beurtkeilung der einzelnen Thatsachen der Grabfunde
begegnen wir bei v. Maak auch in allgemeinen Fragen. Wir brauchen, um auf antiquari-
schem Gebiete zu verbleiben, nur das niichstliegende Verhältnis» des Verbrennens und Be-
grabens der Leichen zu 1 machten. Keine dieser Bestattungsweisen lässt sich, wie bekannt,
ohne Zubülfenahmc unhaltbarer Voraussetzungen mit einer der verschiedenen Arten der
Grabesbeigaben oder mit sonst einem Merkmale in Verbindung bringen, welches für eine
Zeitabtheilung der Gräber bestimmend wäre. Es ist noch nicht gelungen, eine von beiden
als durchaus alieinherrschenden Brauch auf dem Boden Deutschlands nachzuweisen, oder auf
allgemein gültige Vorstellungen und Lehren des germanischen Heidenthums zuriiekzutuhron.
Wer aber, wie v. Maak, mit Berufung auf eine Ansicht des Thucydides und mit der
Ueberaeugung von der Nothwendigkeit der Kenntnis» späterer Zeiten für die Beurtheihmg
der früheren, an die Erklärung des Verhältnisses der beiden Bestattung» weisen herantritt,
von dem sollte man wohl zuerst erwarten, dass er nicht aus eigener Phantasie, sondern aus
den Andeutungen der historischen Ueberliefcrung Aufschlüsse suchen werde. Er wäre dann
wohl auf das wechselnde, zeitweise und örtliche Vorherrschen bald des einen, bald des an-
deren Brauches durch den Umstand hingewiescu worden, dass sich von der Zeit der römi-
schen Nachrichten bis zu jener, in welcher wir selbstständige Kunde von den deutschen
Stämmen erhalten, bei- vielen der letzteren eine Wandelung der Bestattungsweise vollzog.
Weder durch die „Völkerpsychologie“, noch durch Gnelen und Kymren erhalten
wir eine Erklärung, dass, während die nordgermanischen Stämme zu dieser Zeit ihre Todten
verbrannten, die Mehrzahl der übrigen Deutschen dieselben zur Erde bestatteten, dass in den
alten Volksrechten keine Spur des Leichenbraudes mehr begegnet, uud jede Erinnerung an
denselben sogar in der Sage erloschen ist, obschon dieselbe bei epischen und tragischen Zü-
gen gern verweilt Unmöglich konnte die erste äusserliche Berührung mit dem Cliristeu-
tliuin überall die gleiche Wirkung äussern, dass nicht nur die heidnischen Alamanneti, wie
Gothen, Vandalen, Burgunden und Langobarden zur Bestattung übergingen, sondern selbst
die Franken, bei welchen der Germanenname am längsten haftete, und hei deren Vorfahren,
den Sigambem, Ubiern, Bructerern otc., die Römer den Leiclienbrand fanden.
Zwischen der Zeit des Tacitus aber und den Gräbern Alarich's, Albuin’s, Theo-
derich's des Weslgothen und Chi Id er ich ’s des Franken liegt kein so grosser Zeitraum,
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 49
als andererseits zwischen dem Erscheinen der Römer am Rhein und der Zeit der Hünengrä-
ber. Es erscheint deshalb die Frage vollkommen berechtigt, ob sich ein ähnlicher Wechsel
der Bestattungs weise auch ohne Völker Wechsel nicht eben so für die vorhergehende Zeit
annehmen lässt, als er für die spätere nachweisbar ist Jedenfalls wäre allen selbstgeschaf-
fenen Erklärungen eine Untersuchung vorzuziohen, welche aus einer umfassenden Uebersicht
der Grabfunde darüber Licht zu verschaffen suchte, ob den bestimmten Nachrichten des
Tacitus über die Bestattungsweise der Germanen, auch nur fllr seine Zeit eine allgemeine
oder eine nur auf gewisse Stämme beschränkte Geltung zukommt, und ob sie etwa für
die früheren Zustände des Volkes als massgebend betrachtet werden können, was sie we-
nigstens für die späteren nicht sind. Ungeachtet seiner Versicherung von der Abneigung
der Germanen gegen Steindenkmalc über ihren Todten, setzt sich der Bau der Plattenhäuser
und Steinkammern fort bis in die Friedhöfe morovingischer Zeit, und wenn v. Maak für
diese Thatsachc eine einfache Erklärung in dem Einflüsse der alten Megalithier findet, so
vergisst er, dass diese Friedhöfe seinem Cryptolithien angehören, in welchem doch keinerlei
megalithische Gewohnheiten und Neigungen eigentlich gesucht werden dürften.
Solche schwierige und weitaussehende Untersuchungen sind allerdings überflüssig für
denjenigen, welcher, wie v. Maak, anderswoher vollkommen Bescheid weiss und mit
der Sicherheit eines Augenzeugen über Alles ausführlichen Bericht giebt, in welchem
wir nur eine einzige aber wesentliche Lücke finden gerade in der Erklärung der Be-
gräbnissweise. Wenn er uns belehrt, „dass die Beerdigung mit dem Cultus der
unterirdischen, der Leichenbrand mit jenem der himmlischen Mächte zusam-
menhängt,“ so vergisst er uns zu sagen, welche Art von Cultus der Bestattungsweise sei-
nes niegalithischen Volkes zu Grunde lag, das seine Todten weder verbrannte, noch in eigent-
lichem Sinne begrub, sondern auf der Erde unter Steinhäusern beisetzte, ein Brauch,
welchem er für die Scheidung dieses Volkes von allen Uebrigen, doch so grosses Gewicht
zulegt.
Etwas darüber mitzutheilen war immerhin erforderlich, denn nimmt der Verfasser an,
dass alle megalithischen Denkmale , wie es von einer grossen Zahl derselben erwiesen,
mit Erdhügeln bedeckt waren , und die Bestattung der Todten hienach als eine förmliche
Beerdigung zu betrachten ist, so wären diese Denkmale ja unbedingt zugleich als
oryptolithisolie zu betrachten, und die ganze scharfsinnige Abtheilung der Völker-
geschlechter beruhte allein darauf, dass die Grabdenkmale der einen unter der Erde, und
die der anderen unter Erdhügeln errichtet sind.
Die Sache muss denn doch ihre eigenthümlichc Bewandniss haben, und so viel ist gewiss,
daas v. Maak seiner Fnndamentaltheorie einer Unterscheidung in ober- und unterirdische
Gräber selbst nicht einmal vollkommen sicher ist. Wir ersehen die« auf das Bestimmteste
daraus, dass nach seiner Ueberzeugung die Steinkammer, in welcher nach der Erzählung
Gregors von Tours (IV. c. 4.) Macliav geborgen wird, eine altgaelische megalithische
war, obgleich sie sub terra angelegt und der Hügel erst über sie gehäuft wurde.
Doch alles dieses ist Nebensache im Vergleich zu der umfassenden Kunde, die der Verfas-
ser uns sonst zu schenken vermag.
Erbauer der Hünengräber, Dolmens etc. war also das Urvolk der Gaelen, welches von
AxrhlT für A»throt>o:oflle, Bd. IV, lieft 1. 7
Digitized by Google
50
L. Lindenschmit
Afrika zu uns einwanderte, tmd zwar nicht in Masse , sondern in einzelnen kleinen Clans.
Wir wissen genau, wo sich dieselben niederlieasen und wie sie die Berge und Flüsse, Dörfer
und Städte dieser Gegenden genannt haben, denn diese Namen haben sie heutigen Tages
noch.
Jedes einzelne Mitglied des Urvolks, und nicht der Häuptling und dessen Geschlecht
allein, erhielt sein megalithisches Grab. Wir müssen das als gewiss betrachten nicht allein
wegen der „Ungeheuern Anzahl“ dieser Steindenkmale, sondern auch, weil „mit
denselben kein eigentlicher Prachtbau“ beabsichtigt war, sondern nur Sicher-
heit für die Todten, wie uns ein Vergleich mit Aegypten belehrt, der allerdings recht zu-
treffend wäre, wenn auch jedes Mitglied des ägyptischen Volkes „den Riesendeckel einer
Pyramide“ auf sein Grab erhalten hätte.
Die Gaelen bildeten das zweite neolithische Steinalter, aber auch vermittelst ihrer
Handelsverbindungen die Bronzeperiode Nro. I, und deshalb müsste auch die Begräbnissweise
in ausgehöhlten Baumstämmen als megalithisch und gäliscli betrachtet werden. Als
das letzte Hünengrab vollendet war, erschienen die Kymren, welche, obgleich Erzkünst-
ler und Begründer der zweiten Bronzeperiode, doch keine Freunde von grossen Grabbauten
waren und ihrer auch nicht bedurften, da sie ihre Todten verbrannten. Die sociale Stellung
der Gaelen wurde jetzt eine andere und untergeordnete, im Norden zwar auf mehr fried-
lichem Wege, in Deutschland aber durch gewaltsame Unterdrückung. Wir ersehen dies dar-
aus, dass im Norden die Kymren weit rücksichtsvoller mit dem Einsetzen ihrer Aschennrnen
in die älteren megalithischen Gräber verführen, als in Deutschland. Auf der cimbrischon
Halbinsel und in Dänemark finden sich dieselben nur indem Umkreise dos Tumulus bei den
Steingräbern niedergelegt, in Deutschland aber stellten sie die „rohen Sieger“ in die Stein-
kammera selbst, freilich hier wie dort nicht ganz in systematischer gleichartiger Weise, wie
es zu wünschen wäre, denn die Ausnahmen bilden eine bedauerliche Anzahl. Dass aber diese
Besieger des Urvolks auch wirklich die Kymren waren und hier nicht etwa schon gar an
dio Germanen zu denken ist, bezeugt Tacitus, der uns den Abscheu der letzteren vor
Steindenkmalen überhaupt berichtet. Hier allein lässt v. Maak das Spätere als Maass für
das Frühere gelten.
Nach allen dem sollen wir als ausgemacht betrachten, dass die megalithischen Gräber mit
Leichenbestattung und Beigaben von Stein und Bronze den Gaelen, jene mit Leichenbrand
und Beigaben au* Bronze und Stein den Kymren zu überweisen sind. Die einfachen Erd-
gräber aber mit Stein- nnd Knochcngeräthen, die weder bei den Gaelen noch Kymren unter-
gebracht werden können, sind die Gräber „der zu Sklaven gemachten Urbewohner,“
welche bis auf den bracliycephalen Schädel von Plan und den stenocephalen des Sülzer
Moorgrundes spurlos abhanden gekommen sind.
Wir haben hiernach neben dem Urvolk der Gaelen noch das bewusste verschwundene
Ururvolk, welches, ungeachtet durch v. Maak als völlig überflüssig beseitigt (S. 282), doch für
den Norden so unentbehrlich scheint, dass es bei jeder Comßination, und somit auch bei der
seinigen, unfehlbar wieder auftauchen muss.
Und diese Aufstellungen sollen allen Ernstes „endlich die gewünschte Ordnung in die
bisherige Verwirrung bringen!“ In diesem cryptolithischen Megalithien und megalithischen
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 51
Cryptolithien , sollen wir lichtgebende Entdeckungen erkennen, und diese für bestimmten
Zweck bereitete Mischung von Forschungsergebnissen und willkürlichen Annahmen, diesen
Coinpromiss zwischen veralteter und neuer Anschauungsweise , als erleuchtete Bestimmung
des einzig Richtigen betrachten.
Unbedingt bleibt „das bisherige Chaos“ einstweilen noch viel aussichtgebender, als die-
ser verunglückte prätensiöse Versuch seiner Klärung, welcher nicht allein die Ergebnisse
einer noch langwierigen und umfassenden Forschung vorwegnehmen , sondern derselben zu-
gleich bestimmte Bahn und Richtung vorzeichnen will.
Der ganze „antiquarische“ Aufbau, dessen wesentliche und einzige Stütze der Ver-
fasser selbst in dem sprachlichen Theil erkennt, ist nur ein passend arrangirter Hinter-
grund für das Spiel linguistischer Phantasmagorien.
Ueber die Tendenz und den „wissenschaftlichen“ Charakter derselben nur noch einige
Worte, die letzten in diesen Blättern Uber die auf antiquarischem Gebiete lange schon ver-
lassene Keltenfrage.
Die Keltomnrfie ist zwar ein verleugnetes , aber offenbar vollkommen legitimes Kind
jener eigentümlichen Richtung deutscher Gelehrsamkeit, deren Fanatismus für unparteii-
sche Beurteilung nationaler Verhältnisse nur zu rasch in heftigste und verkehrteste Partei-
nahme umzuschlagen pflegt. Wenn unseren Nachbarn der sogenannte „berechtigte Patrio-
tismus“ auf dom Gebiete der Forschung oft schlimme Streiche spielt, so ist es bei uns das
unberechtigte Gegenteil, welches Verirrungen veranlasst, die für die verursachte Störung
nur einen geringen Ersatz in der erheiternden Art ihres Auftretens bieten.
Nachdem es gelungen schien, die deutschen Völker durch die Annahme ihrer weit spä-
teren Einwanderung von dem grossen alten Keltenstamme zu trennen, und sogar in das
Verhältniss einer Racenfeindschaft zu demselben zu bringen, fühlte man doch das Bedürf-
nis«, dieser Behauptung, welche nirgend anderswo einen Anhalt findet, durch den Nachweis
einer Verschiedenheit der Sprache eine tiefere Begründung zu geben.
Ein Unglück blieb es zwar, dass von germanischen Sprachdenkmalen nicht das Ge-
ringste, von keltischen nur äuaserst W'eniges, selbst aus römischer Zeit, erhalten war, doch
man wusste sich zu helfen, und wunderbar erscheint es, wie man mit einem Male zur Kennt-
niss des alten Keltischen gekommen ist.
In der Sprache der Irländer und jener der Welschen in Comwales und der Betragne
fand man die gesuchten Aufschlüsse, die sich um so ergiebiger gestalteten, da man hier
nicht vereinzelte dunkle Sprachreste, sondern eine ganze noch lebende Sprache zur Verfü-
gung erhielt, welche ausserdem, wie es scheint, die ganz besondere Eigentümlichkeit besitzt,
seit mehr als 2000 Jahren keine wesentliche Veränderungen erfahren zu haben.
Wir müssen nämlich auf eine solche Ausnahmestellung des Irischen nach der Zuversicht
schliessen, mit welcher die Spitzen der Sprachwissenschaft dasselbe sofort zu dem ausgedehn-
testen Gebrauche für Vergleichungen und Bestimmungen von Wortbildungen der ältesten
Vorzeit herangezogen haben.
Es erscheint dies insofern einigermassen bemerkenswert , da im Deutschen wenigstens
Niemand ungestraft die Verwendung nenern Sprachstoffs zur Erklärung älterer Formen
wagen darf, und die Wortbildung selbst des frühem Mittelalters nur mit Hülfsmitteln zu-
7»
Digitized by Google
52 . L. Lindenschmit,
gänglich ist, welche, obgleich das Resultat eingehender Forschung und strenger Kritik, den-
noch für die älteste Zeit keineswegs Geltung haben. Zum Glück also fehlen diese Schwie-
rigkeiten bei der „keltischen“ Sprache der Iren, welche ausserdem nur eine verschwindend
kleine Anzahl Fremdwörter besitzt und selbst für Gegenstände der Kunst und der Gewerbe,
überhaupt für Bildungsverhältnisse, die erst seit nicht gar langer Zeit den Bewohnern jener
Insel bekannt geworden, Bezeichnungen und Worte hat, welche nur aus einer Urverwandt-
schaft mit den Culturvölkem von Arien her ihre Erklärung finden. Ebenso müssen wir
auch glauben, dass gerade in Irland und bei den Herausgebern der bretonischen Sprach-
denkmale nicht im Geringsten Einwirkungen nationaler Eitelkeit anzunehmen sind, und
müssen unbedingt die strengste, unerbittlichste Kritik bei Abfassung der irischen Wörter-
bücher für die Ausscheidung entliehener Ausdrücke voraussetzen.
Um so überraschender bleiben die Ergebnisse, zu welchen Jedermann mit Hülfe dieser
Lexiken gelangen kann, besonders in Bezug auf Namen von Städten, Bergen und Flüssen etc.,
deren Erklärung für Syrien und Aegypten nicht mehr oder minder zutreffend erscheinen,
als für Deutschland oder Italien.
Die Wirkungen dieser in jeder Beziehung neuen Angriffswaffe auf die alte Geschichte
unsers Landes musste deshalb von ausserordentlichem Erfolge sein. Schon im ersten An-
laufe wurde Belgien, das linke Rheinufer1) und die Donauländer weggenommen, wenn auch
nicht Alles im fortgesetzten Kampfe behauptet werden konnte. J. Grimm eroberte das
linksrheinische Gebiet wieder zurück, während die Belgier auf eigene Faust ihren altnatio-
nalen Zusammenhang mit den nördlichen Germanen vertheidigten und selbst zum Angriff
auf das feindliche Gebiet übergingen’).
Nur in Süddeutschland und hauptsächlich in Oesterreich, wo man noch nicht genug
fremde Völker im Lande hatte, wollte man die liebgewonnenen Kelten nicht aufgeben und
so war der Kampf noch nicht vollständig entschieden, als ein neuer Aufschwung der kelti-
schen Studien in Frankreich denselben frisch belebte.
Bereits haben nun die Süddeutschen*) die Mainlinie überschritten und selbst im Norden
hat eine Partei von keltischen Gelieimräthen , Professoren, Pastoren und Doctoren schon die
Harzgegend*) und das ganze Land bis nach Köln an der Spree den fremden Urbewohnern
wieder überliefert Das Keltenthum der Preussen ist ohnehin durch ihre Theilnahme als
Pransi an dem intendirten Tempelraub von Delphi beglaubigt4), und nach solchen Erfolgen
sind gewiss noch weit glänzendere zu erwarten*), sobald, wie ein Herr Rieke meint, man
erst „noch zu grösserer Sicherheit und zu voller Aneignung des keltischen Sprachschatzes
gelangt sein wird.“
]) C. Zeuss: Die Deutschen und ihre Nachbarstämme. — Hermann Möller: Die Marken dea Vater-
land».
*1 Moke und General R 6 n a r d , de l'identite de Ilace des Ganlois et des Germains.
:;J W. Obermöller’s deutsch-keltisches Wörterbuch zur Erklärung der Fluss-, Berg-, Orte-, Gau-, Völker-
und Personennamen Europas, Westasiens und Nordafrika« im Allgemeinen, wie im Hesondern Deutschlands, 1868.
‘) Die Urbewohner und Alterthümer Deutschlands tou Dr. med. L. F. Ricke. Nordhausen 1868.
Ü Die Pfahlbauten und Völkerschaften Osteuropa« [§. 11, S. 38) von Dr. E. Kückert
*) Selbst Amerika ist nicht mehr sicher vor den Kelten. Siehe Pastor Frenzei, der Beins oder Son-
nendienst anf den Anden oder Kelten in Amerika. Leipzig 1867.
Digitized by Google
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 53
Wir wissen recht wohl, dass diese übrigens sehr bezeichnenden Extravaganzen den
eigentlichen Vertretern der Sprachwissenschaft höchst unbequem und lästig erscheinen und
dass sie sich durch bestimmteste Zurückweisung gegen Anmasslichkciten verwahren, die
jenes Gebiet der keltischen Ansprüche weit überschreiten, welches, wenn auch nach sehr
allgemeinen und verschwommenen Begriffen, nun einmal von der historischen Sprachfor-
schung nach dem Bedürfniss ihrer Construction der Vorgeschichte fest abgesteckt worden
ist. Es entlastet dies jedoch keineswegs von aller Verantwortlichkeit,
Man hat durch einseitige Ueberhebung, durch zuversichtliche Ablehnung jeder anderen
Untersuchungsmittel als der sprachlichen, durch dio weitreichende Bedeutung, welche man
der Sprache einiger vou Alters her gemischten Völkchen beilegte, eine Bewegung hervor-
gerufen, die man unterschätzte und nicht mehr beherrschen kann. Man sollte sich deshalb
nicht erstaunt und befremdet zeigen, wenn Erscheinungen wie die oben bezeichncten auf-
tauchen, und mehr Wust „aus dem Schatz der Sprache“ heraufgewühlt wird, als die unbe-
rufendsten Hände jemals „aus dem tauben Gestein der Ueberlieferung“ zu Tnge gebracht
haben.
Mainz, Deeeinber 1869.
Digitized by Google
Digitized by Google
IV.
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen,
beschrieben und in ihren Beziehungen zu anderen Schädeln des Nordens erläutert
Ton
%
Rud. Virohow.
Ueber die Beschaffenheit der altnordischen Schädel und die ethnologische Stellung
des Volkes oder der Volker, denen sie angehörten, besteht schon seit längerer Zeit eine
nicht geringe Meinungsverschiedenheit. Nilsson (Skand. Fauna. Lund 1835, p. 43) hatte
zuerst die Meinung aufgestelit, dass die ältesten dieser Schädel einer den Grönländern ver-
wandten Race angehörten. Dagegen wies schon Eschricht (Det koningl. Danske Videnskab.
Selskahs Afhandl. Kjöb. 1841. VIII. p. LV) nach, dass dies ein Irrthum sei und dass die
Schädel einer kaukasischen Race zugeschrieben werden müssen. Er bezog sich dabei haupt-
sächlich auf einen Gräberfund bei Stege auf der Insel Möen, wo in einer Steinsetzung ausser
den Menschenknochen Steinwaffen und Bernsteinschmuck gefunden waren. Neuerlich hat
Nilsson (Das Steinalter oder die Ureinwohner des skand. Nordens. Aus dem Schwed. Hamburg
1868, S. 84.) allerdings seine frühere Ansicht zurückgenommen; er hat auch, namentlich auf
Grund von Messungen v. Düben s, zugestanden, dass ein gewisser Theil dieser Schädel
dolichocephal sei, indess hält er jetzt die Meinung aufrecht, dass andere, mehr bra-
chyoephalo Schädel den Lappenschädeln in hohem Maassc ähnlich seien. Letztere An-
sicht hat durch Vogt (Vorlesungen über den Menschen. Giessen 1863. B<L II, S. 117, 320),
der sich auf Messungen und Abbildungen von Busk stützte, eine grosse Verbreitung ge-
funden.
Bei Gelegenheit des internationalen Congrosscs für prähistorische Archäologie, der im
August 1869 zu Kopenhagen abgehalten wurde, bildete diese Frage einen Gegenstand der
Vorhandlungen. In der That konnte wohl kein Ort günstiger für die Discussion gerade die-
ses Gegenstandes sein, als Kopenhagen, wo seit so langer Zeit mit der grössten Sorgsamkeit
Alles gesammelt worden ist, was die Vorzeit betrifft, und wo neben dem grössten Reichthum
Digitized by Google
56
liud. V irchow
an den mannichfachsten Kundgegenständen auch eine lange Reihe von Schädeln und zwar
gerade aus Steingräbern zusammengebracht ist. Allein durch ein eigentümliches Missgeschick
ist diese Seite der Forschung fast allein unbearbeitet geblieben, und es konnte daher während
de» Congresses nur wenig von dem vorhandenen Material für die Verhandlung verwertet
werden.
Es war dies ein Grund für mich, eigene Messungen zu veranstalten , anfangs mehr zum
Zwecke einer übersichtlichen Vergleichung, später zu einer mehr eingehenden Untersuchung.
Die Zeit war mir nur kurz gemessen und ich konnte daher nicht alle Gesichtspunkte,
welche in Betracht kommen, erschöpfen. Da ich nicht mit der Absicht, Schädelmessungen
zu veranstalten, nach Kopenhagen gegangen war, so fehlten mir anfangs die nötigen
Messgeräthsehaften, und einzelne der später beschafften liessen in einer oder der andern Rich-
tung Manches zu wünschen. Indes» habe ich mich bemüht, so correct als möglich zu ver-
fahren, wie ich später noch genauer ausfübren werde Der grösste Tbeil der Angaben kann
daher als zuverlässig gelten; wo es nicht der Fall ist, werde ich es erwähnen. Indess habe
ich doch auch die letzteren nicht unterdrücken wollen, weil der etwaige Fehler sich wieder-
holt und eine Vergleichung der verschiedenen Schädel unter sich sehr wohl zulässt.
Es ist diese Vergleichung namentlich von Bedeutung für die grönländischen , lappländi-
schen und finnischen Schädel, von denen sich in Kopenhagen ungewöhnlich reiche Samm-
lungen finden. Die Kenntnis.» dieser Schädel ist an den meisten anderen Orten sehr er-
schwert durch die Seltenheit, zumal der Lap|ienschädcl, und cs erschien mir daher eine
glciclizeitige Untersuchung derselben um so mehr wichtig, als gerade durch eine nach dieser
Richtung ausgedehnte Vergleichung ein definitives Ergebnis» sich erwarten Hess.
Erst nach dem Schlüsse des Congresses war es mir möglich, meine Messungen, welche
sich auf 71 Schädel, nämlich 48 au.» der Stein-, 3 aus der Bronze- und 6 aus der Eisenzeit,
sowie li aus Lappland, 5 aus Grönland und 3 aus Finnland erstreckten, zu Ende zu fuhren.
Der Umstand, dass ausser dem altnordischen Museum auch das anatomische und das physio-
logische Museum neben ihren Racenschädeln Gräberschädel besitzen, wirkte als erschwe-
rendes Moment mit. Denn obwohl sowohl die Beamten des altnordischen Museum», die Herren
Worsaao, Herbst, Strunk und W. Schmidt, als auch die Vorstände des anatomischen und
des physiologischen Instituts, die Herren Schmidt und Fan um, mir mit der liberalsten
und freundlichsten Zuvorkommenheit behültlich waren, meine Zwecke zu verfolgen, so trat
doch durch die räumliche Entfernung der Anstalten ein wesentliches Hinderniss ein. Ich
habe daher keine Zeit gefunden , sämmtlicke alten Schädel der letztgenannten beiden Insti-
tute zu messen, sondern mich auf diejenigen beschränkt, welche nachweisbar der Steinzeit
angehören und von denen einige dadurch ein besonderes Interesse darbieten, dass sie schon
von Eschricht beschrieben sind. Alle anderen Gräberschädel, über deren Fundorte und
F und Verhältnisse keine genauen Nachrichten erhalten sind, sowie eine gewisse Zahl sehr
interessanter Torfschädel mussten unberücksichtigt bleiben. Auch von den Racenschädeln
lialio ich nur die Lappen sämmtlich gemessen, während ich aus der sehr grossen Zahl der
Grönländer und der nicht geringen der Finnen nur diejenigen auswählte , welche sich durch
vorzügliche Conservirung und Vollständigkeit auszeichneten. Ebenso war es mir nicht mög-
lich, die durch Herrn Steenstrup im zoologischen Museum gesammelten Gräbersclüülel,
Digitized by Google
57
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
unter denen einzelne sehr merkwürdige sich befinden, durchzumessen; ich musste mich auf
eine oberflächliche Betrachtung beschränken, da ich zu spät von ihrer Existenz Kenntniss
orhielt. Ganz vollständig ist also nur die Sammlung des altnordischen Museums in meiner
Arbeit berücksichtigt
Aus dem Mitgetlicilten erklärt sich, warum ich für die Verhandlungen des internationa-
len Congresses von meinen Untersuchungen keinen Gebrauch machen konnte. Eine kurze
Uebersicht gab ich jedoch bald nachher auf der Naturforseherversammlung zu Innsbruck in
der Sitzung der anthropologischen Section am 22. Septbr. v. J. (Tageblatt Nr. 6, S. 155). Die
nachfolgenden Mittheilungen, insbesondere die tabellarischen Zusammenstellungen der ge-
fundenen Zahlen, sollen eine weitere Ausführung liefern, obwohl auch diese nicht erschöpfend
Ausfallen kann, da mir dazu augenblicklich die Zeit mangelt
Bevor ich jedoch zu den thatsäclüichen Ausführungen schreite, muss ich einige Bemer-
kungen Uber die Art der Messungen voranschicken, nicht nur, um das Gegebene zu erläu-
tern und zu rechtfertigen, sondern auch, um in mancher Beziehung eine allgemeine Verstän-
digung anzubahnen. Letzteres scheint mir namentlich deshalb von Wichtigkeit, weil meine
früheren Angaben Uber Schädelmessung trotz mannichfacher Anerkennung doch nicht allge-
meine Zustimmung gefunden haben, und zwar, wie mir scheint, zum Theil deshalb, weil man
ihnen mehr einen Werth für pathologische, als für ethnologische Schädelfonnen beilegt«.
Allerdings bin ich in meinen Untersuchungen wesentlich von pathologischen Formen ausge-
gangen, indes» habe ich (Gesammelte Abhandlungen. Frankf. 1856, S. 936) ausdrücklich her-
vorgehoben, dass das von mir im Gegensätze zu den meisten früheren Craniologen betonte
genetische Princip auch auf die Racenschädel Anwendung finde, indem bei einzelnen
Völkerschaften dieser, bei anderen jener Schädelknochen stärker wächst, und dass jede ethno-
logische Form bei Gelegenheit in der Pathologie ihre Aequivalente habe.
Aus dem genetischen Princip heraus war ich zu der Schlussfolge gekommen (Würzburger
Verband]. 1852, Bd. II, S. 243), dass die Zahl der Messungen an den einzelnen Schä-
deln bedeutend über das gewöhnliche Verhältniss vermehrt werden müsse, dass
man namentlich die Grenzen der einzelnen Schädelknochen bestimmen und die einzelnen
Nähte messen müsse. Dieser Gesichtspunkt ist seitdem von der Mehrzahl der Craniologen
angenommen , jedoch keineswegs überall genügend ausgebeutet worden. Seitdem ich mich
mit der Untersuchung von Gräberschädeln beschäftige, ist noch ein wesentlicher Grund für
diese Vervielfältigung der Messungen hinzugekommen, auf welchen ich früher nicht aufmerk-
sam war, nämlich der defecte Zustand vieler dieser Schädel. Bald fehlt ein Stück der
Oberfläche, bald eines der Basis, an einem Schädel sind die Kiefer zerstört, an einem andern
die Jochbogen. In den nachfolgenden Tabellen bedeuten die Lücken solche defecte Stellen;
wo sich mit grosser Wahrscheinlichkeit das Fehlende hinzudenken liess, ist zuweilen eine
bestimmte Zahl mit einem Fragezeichen eingesetzt. Manche dieser Defecte lassen sich
aber durch parallele Maassc decken, und deshalb ist es für die Vergleichung sehr wich-
tig, an den vollständigen Schädeln eine grössere Zahl von Messungen, als unmittelbar nöthig
ist, anzustelleu. Man ist dann im Stande, die defecten Schädel mit den normalen bald nach
der einen, bald nach der andern Art der Messung in Vergleich zu stellen.
Es gilt dies namentlich für die basilnren und facialen Längenmaasse, deren grosse
Archiv für Ad thxopo I nid c. Bd. IV. Heft 1. g
Digitized by Google
58
Rud. Virehow,
Bedeutung ich früher (Untersuchungen Uber die Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin
1857, S. G9) dargelegt habe und die ich auch jetzt noch utn so mehr betonen muss, als meh-
rere neuere Arbeiten auf dieselbe nach meiner Meinung nicht genug Werth legen. Die Länge
der Schädelbasis kann vom äuasern Gehörgange oder von dem grossen Hinterhauptsloche
aus gemessen werden; eretero Messung ist deshalb besondere wichtig, weil sie auch an Leben-
den angewendet weiden kann. Obwohl beide Arten der Messung fast immer verschie-
dene Ergebnisse liefern, so liegen die Differenzen doch in so kleinen Grenzen, dass man sie
öftere, wenn auch nicht ganz mit Recht, übersieht. Wenn jedoch , wie nicht ganz selten, die
Schläfenbeine an einem Gräberschädel fehlen, so ist es gewiss sehr nothwendig, das Fora-
men magnuin als Ausgang der Messungen zu nehmen. Und wenn wieder das Foramen mag-
num an seinem vordem oder hintern Rande eingedrückt ist oder der ganze Occipital Wirbel
defect ist, so bleibt nichts übrig, als sich mit dem Meatus auditorius externus zu begnügen.
In einer Beziehung habe ich gegen meine früheren Methoden eine erhebliche C'oncession
gemacht. Ich ging ursprünglich davon aus, überall möglich bestimmte anatomische Punkte
als Grenzen der Messung festzuhalten, wie es nachher vorzüglich Welcker gethan hat. Aher
ich erkenne an, dass es ethnologisch oft sehr wichtig ist, eine mehr künstlerische Be-
trachtung zu wählen und dio hervorragenden Stellen ohne Rücksicht auf die anatomische
Grundlage als Messpunkte zu nehmen. Dies gilt namentlich für dio so wichtig gewordenen
Verhältnisse von Länge, Höhe und Breite. Trotzdem beharre ich bei der Meinung, dass diese
mehr plastische Betrachtung nicht ausreicht, und dass sie erst durch die genetische Erklä-
rung wahren Werth gewinnt.
Ich bemerke ausdrücklich, dass ich die gegenwärtig von mir gelieferten Tabellen nicht
als Muster betrachte. Ein gewisser Mangel an Vorbereitung und die schon geschilderten
bedrängten Verhältnisse dea Ortes erklären diese Verwahrung hinlänglich. Aber für spätere
Vergleichungen werden sie trotzdem hoffentlich sich als nützlich erweisen. Als besondere
wichtig möchte ich namentlich die Messungen der Breite der Nasenwurzel und diejeni-
gen des Unterkiefers betrachten, welche für die Charakteristik des Gesichts von bestim-
mendem Werthe sind.
Ich gehe nun kurz zu einer Besprechung der einzelnen Maas.se über;
1) Der grösste Horizontalumfang des Schädels ist stets mit einem Bandinaasse genom-
men und zwar in der Art, dass nicht bestimmte, für jeden Schädel wiederkehrende Mcss-
punkte gewählt, sondern jedesmal der wirklich grösste Umfang aufgesucht wurde. Im All-
gemeinen traf das Bandmaass vom den untern Tlieil des Stirnbeins Uber den Orbital rändern,
hinten dio Protubcrantia occipitalis externa.
2) Dio grösste Höhe des Schädels wurde (ebenso wie die Maassc 3, 11, 12, 14) bei
den ersten sechs Schädeln von Borreby mit einem Schiebeinstrument von Busk gemessen,
welches mir Herr v. Düben geliehen batte. Später stellte ich mir mit Hülfe dos Herrn
Panum eine analoge Einrichtung her, in der Art , dass an einem horizontalen Metallstabe,
der an dem einen Endo einen senkrechten, feststehenden Arm trug, an dem andern ein
gleichfalls senkrechter, jedoch verschiebbarer Ami angebracht wurde. Als Endpunkte für das
Höhenmaass wurden der vordere Rand des Foramen magnuin und die höchste Stelle des Schä-
dels gewählt. Ich ziehe diese Punkte, obwohl sie keine Anwendung für den Lebenden ge-
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 59
statten, denen von v. Baer und His gewählten vor, weil sie eine nicht bloss künstlerische
Bedeutung haben.
3) Die grösste Länge des Schädels wurde anfangs (vgl. zu ‘2) mit dem Busk’schen In-
strument, später mit dem Tasterzirkel gemessen. Die Mitte des untern Stirnrandes und die
stärkste Hervorwölbung des Hinterhauptes, beziehungsweise (jedoch nicht immer) die Protu-
berantia occipitalis externa, stellen die Endpunkte der Linie dar. Wo eine besonders starke
Entwickelung der Supraorbital-Höcker bestand, ist in Klammern ein zweites kleineres Maas«
angegeben, welches oberhalb derselben genommen ist,
4 — 6) Die Sagittal-Durchmesser der Schädeldachknochen wurden mit dem Bandmaasse
zuerst einzeln und dann zusammen gemessen. So einfach diese Ojreration erscheint, so
schwierig erweist sie sich doch. In der Mehrzahl der Falle stimmte die Summe der gefun-
denen Einzelmaaase nicht mit der durch directe Messung gefundenen Länge des Oosammt-
maasses (Schädeldach- oder Scheitelbogens). Es erklärt sich dies aus der grossen Unsicher-
heit für die Bestimmung der Endpunkte der einzelnen Knochen, welche durch das Ineinander-
greifen der Nahtzacken, durch theilweisc Verknöcherung der Nähte, durch Einschiebung von
Naht- und Fontaneliknochen bedingt wird. Selbst das Anzoiohnen einer Bleistiftlinie an
den schliesslich oft sehr willkürlich gewählten Endpunkten hilft nicht durchweg, weil ein
anderer Umstand störend eintritt. Das Bandrnaass legt sich nämlich bei dem Messen der
einzelnen Knochen (Stirn- Scheitel-, Hinterhauptsbein) inniger der Knochenoberfläche an,
es folgt genauer jedem Vorsprunge und jeder Vertiefung, während bei der Messung des gan-
zen Scheitelbogens es sich leichter über die Unebenheiten hinwegspannt und daher in der Regel
kürzer ausfällt. Ich habe deswegen gerade diese Messungen stets mehrmals wiederholt und
darnach Oorrecturen eintreten lassen ; nie ist das Gesammtmaass durch blosse Addition be-
rechnet, sondern stets ist es wirklich gemessen. Einige Mal ist es trotz wiederholter Mes-
sungen nicht gelungen, eine ganz vollständige Uobercinstimmung herbeizuführen.
7 — 8) Entfernung des Meatus auditorius externus von der Nasenwurzel und dem Kinn.
Das eine Ende eines Tasterzirkels wurde in den äussern Gehörgang und zwar an den vor-
dem Umfang desselben, das andere an die Sutura naso frontalis, beziehungsweise an die
Mitte des Unterkiefers, etwas oberhalb des untern Randes, angesetzt
9 — 10) Entfernung des Foramen magnum occipitalc von der Nasenwurzel und der Spina
nasalis anterior. Der eine Arm des Tasterzirkels wurde an den vordem Umfang des Fora-
men occipitale, der andere an die Sutura naso-frontalis, lieziehungsweise dicht unter die In-
sertionsstellc der Spina nasalis anterior angesetzt.
1 1 ) Entfernung des Foramen magnum occipitale von der Protuberantia occipitalis
externa, beziehungsweise der stärksten Hervorwölbung der Qinterhanptssehuppe. Diese Entfer-
nung. oder, genauer gesagt, die Länge des Hinterhauptes wurde mit dem oben unter 2) ge-
schilderten Werkzeuge in dorArt gemessen, dass die feststehende Branche in das Hinterhaupts-
loch eingeführt, die bewegliche gegen die Wölbung der Stpiama occipitalis angedrückt wurde.
Der horizontale Stab des Instruments wurde möglichst der Horizontalaxe der Condyli occi-
pitales artic. (Proc. condyloides) parallel gestellt. Indcas bemerke ich, dass diese Messung
zu manchen Bedenken Veranlassung giebt, da sic mehr, als jede andere , zu willkürlichen
Aenderungeii in der Anlegung der einzelnen Abschnitte dos Instruments Gelegenheit bietet.
8»
Digitized by Google
60
Rud. Virchow,
12) Grösste Breite des Schädels, zuerst mit dem Instrument von Busk, später mit dem
Tasterzirkel gemessen. Zuweilen entspricht das Maass der Entfernung der Tubera parieta-
lia von einander; meist liegen jedoch die Ansatzpunkte tiefer. Jedenfalls ist immer der
grösste Parietal-Durchmesser gemeint. Bei den Racenschädeln ist jedesmal die Entfernung
der Tubera parietalia besonders gemessen und in Klammern angemerkt worden ; daneben
ist die grösste Entfernung der seitlichen Wölbung der Scheitelbeine hinzugefügt. Diese
Maasse entsprechen dem, was ich früher (Gesammelte Abhand! S. 916) den oberen und
unteren Parietal-Durchmesser genannt habe.
13) Temporal- Durchmesser, mit dem Tasterzirkel an der Sutura spheno-parietalis und
zwar an der hinteren Ecke an der Schläfenschuppe gemessen.
14) Mastoidal-Durchmesser. Während der früher (Gesammelte Abhandl. S. 916) von mir
vorgeschlagene Punkt, „die Mitte der unteren Fläche oder die Spitze der Zitzenfortsätze“,
von «len meisten der späteren Scbädelmesser angenommen worden ist, so bin ich hier inso-
fern abgewichen, als ich die Ansatzstelle des Proc. mastoides gewählt habe. Für die Gestal-
tung des Kopfes ist diese Stelle von grösserer Bedeutung als die erstere, welche sogar
wesentlich von der bald mehr senkrechten, bald mehr schrägen Richtung des Fortsatzes ab-
hängig ist. Durchschnittlich fällt das Maass nach dieser Methode etwas grösser ans. Ge-
wöhnlich wurde mit dem Tasterzirkel gemessen und die Branchen äusserlich auf die Wur-
zel des Knochenfortsatzes aufgesetzt.
15) Jugal-Durchmesscr (Wan gen breite), von dem am meisten hervortrotenden Punkte des
einen Jochbeins zum anderen mit dem Tasterzirkel gemessen.
16) Maxillar-Durchmesser (Oberkieferbreite). Hier wurden die Branchen des Instruments
über dem 4. Backenzahn jederseits, also unterhalb der Wurzel des Proc. zygomaticus angesetzt.
17) Grösste Breite der Nasenwurzel, gemessen mit dem Tasterzirkel, dessen Branchen
etwas unter der Sutnra naso-frontalis jederseits an die äussere Seite der Spitze des Proc.
frontalis des Oberkiefers angesetzt wurden. Dieses wichtige Maass entspricht beim Leben-
den nahezu der Entfernung der inneren Augenwinkel von einander.
18) Unterer Umfang des Unterkiefers, mit dem Bandmaasse gemessen von einem Win-
kel zum anderen.
19) Mediane Höhe des Unterkiefers, mit dem Tasterzirkel von dem unteren Rande des
Kiefers bis zum oberen Rande des Alveolarfortsatzes, die Zähne nicht mitgercchnet, gemessen.
Dies Maass ist wegen der verschiedenen Altersentwickelung des Alvoolarfortsatzes etwas un-
sicher, indess doch nicht zu unterschätzen.
20) Höho des Kieferastes, vielleicht genauer Länge desselben, mit dem Tasterzirkel ge-
messen, dessen eine Branche auf die Gelenkfläche, die andere auf den hinteren Umfang des
Kieferwinkels gesetzt wurde
21) Entfernung (Abstand) dor Unterkieferwinkel von einander.
22) Gesichtswinkel. Vielleicht hätte ich diese Rubrik ganz unterdrücken sollen, denn
sie bietet die geringste Bürgschaft der Zuverlässigkeit. Es fehlte mir hier ein direct anzu-
wendendes Instrument, und ich musste mich daher mit einein gewöhnlichen Winkeimaass be-
gnügen , an dem ich durch Visiren die Einstellung zu machen suchte. Als Maass nahm ich
den modificirten Campor’schen Gesichtswinkel, indem ich nicht die Stirn-, sondern die Nasen-
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zn Kopenhagen. CI
wur»‘l als Ansatz das ersten Schenkels nahm; der zweite Schenkel wurde durch den
äusseren Gehörgang gelegt, und der Winkel an der Spina nasalis anterior abgelesen. Ich gebe
die Zahlen unter aller Reservation.
23) An einer kleineren Zahl von Schädeln, namentlich bei den grönländischen und finni-
schen, habe ich auch die Entfernung der beiden Plana scmicircularia (temporalia) von ein-
ander bestimmt. Ich wurde dazu veranlasst durch die Wahrnehmung, dass die obere Grenze
dieser Fläche, welche durch die Linea semicircularis bezeichnet wird, sich bei einigen dieser
Stämme ganz ungewöhnlich weit heraufschiebt. Die grösste Annäherung beider Lineaesemicir-
culares an einander wurde mit dem Baudmaas.se gemessen.
Ditf Ergebnisse aller dieser Messungen , bei deren Aufzeichnung mir die Herren Stud.
Salomonsohn und Krohn mit grösster Hingebung hülfreich waren, finden sich in den bei-
gegebenen sieben Tabellen zusammengestellt. Ueborall ist der Centimeter als Einheit ge-
braucht. Die orsten fünf Tabellen enthalten die einzelnen Messungen , und zwar die ersten
drei für die Schädel der Steinzeit, die vierte für die Schädel des Bronze- und Eisenalters,
die fünfte für die Racenschiidel.
In der sechsten und siebenten Tabelle sind sodann die berechneten Mittelzahlen zusam-
mengestellt und zwar zunächst auf der sechsten für die Schädel der Steinzeit nach den ein-
zelnen Fundorten, auf der siebenten für sämmtliche Schädel nach den grossen Kategorien der
prähistorischen Perioden und der jetzigen Racen. Für die Borreby-Sehädel ist das Längen-
manss nach den kleineren Zahlen berechnet, welche in Klammern stehen, da es ungerechtfer-
tigt schien, die grösseren, nur durch die starke Entwickelung der Supraorbitalbogen be-
dingten Maasse in Rechnung zu ziehen. Für die finnischen Schädel sind bei der Breite um-
gekehrt die grösseren Zahlen genommen, welche dem untern Parietal-Durchmesser entsprechen.
Sowohl auf der sechsten als siebenten Tabelle sind die kindlichen und jugendlichen
Schädel, im Ganzen sieben, ausgescliieden, so daas hier in Berechnung gezogen sind:
41 Schädel der Steinzeit,
3 „ „ Bronzezeit,
. 5 „ „ Eisenzeit,
6 „ von Lappen,
5 „ „ Grönländern.
3 „ „ Finnen.
Bei den Lappen ist überdies eine doppelte Berechnung angestellt, weil der Schädel
Nr. 58 so ungewöhnliche Grössenverhältnisso darbietet, dass es fraglich erscheint, ob er noch
als normaler anzuselien ist oder ob eine hydrocephalische Vergrösserung stattgefunden hat.
Dagegen habe ich mich nicht für berechtigt gehalten, diejenigen Schädel auszuschliessen,
welche ich für weibliche zu halten Veranlassung hatte. Ich fühle mich nicht im Stande,
überall mit Bestimmtheit die Grenzen zwischen männlichen und weiblichen Schädeln zu zie-
hen und ich habe daher lieber auf eine solche Unterscheidung verzichtet, um nicht willkür-
liche und daher zweifelhafte Trennungen zu machen. Indess muss ich doch darauf aufmerk-
sam machen, daas die berechneten Mittelzahlen gerade für einzelne Rubriken dadurch
wahrscheinlich ein falsches Bild gewähren. Am meisten gilt dies für die Schädel der
Bronzezeit. Von den drei überhaupt nur vorhandenon sind wahrscheinlich zwei weibliche, und
Digitized by Google
62
Rud. Virchow,
der dritte ist so defect, dass nur wenige Maassc an ihm genommen werden konnten. Diese
sind aiier durchweg ungleich grösser, als die der beiden anderen Schädel, und es muss da-
her wohl angenommen werden, dass die berechneten Mittel zu klein sind. — Gerade umge-
kehrt sind die drei Finnenschädel gämmtlich männliche und sie gehörten offenbar recht kräf-
tigen Individuen an. Sowohl die einzelnen Zahlen, als die Mittel sind daher wohl etwas
grösser, als der Durchschnitt aus einer reicheren Anzahl männlicher und weiblicher Schädel
ergeben würde.
Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Mittelzahlen für die einzelnen Grupjien von
Schädeln bei den verschiedenen Maassstcllon derselben Kategorie aus ganz verschiedenen
Summen berechnet sind. Viele Schädel hatten keinen Unterkiefer; andere waren Bi ande-
ren Stücken defect Bei den Schädeln von Borreby ist die Länge aus 25, die Höhe und
Breite aus 24, der Jugaldurchmcsscr aus 18, der Umfang des Unterkiefers aus 13 Schädeln
berechnet. Hätte ich alle dofecten Schädel Ausscheiden wollen, so wäre ein sehr wcrthvolles
Material unbenutzt geblieben. Eine absolute Bedeutung haben ja die Mittelzahlcn an sich
nicht; ihr relativer Werth wird nur massig beeinträchtigt durch das eingeschlagene Verfahren,
und für diejenigen, welche weiter eindringen wollen, bieten die ausführlichen Tabellen I
bis V alle Gelegenheit zu Correcturen.
Für uns hat den Hauptwerth die schliessliche Feststellung der Verhältuisszahlen, wie sie
aus der siebenten Tabelle für die Hauptdimensionen sämmtlicber Schädel berechnet sind.
Die nachstehende Tabelle A. mag dies sofort anschaulich machen:
Tabelle A,
Lappen
Grön-
länder.
Verhalte in der
ohne
Nr. 68.
mit
1 Nro. 58.
Finnen.
Hohe zur Länge ....
77,9 j
71, J !
|
09,4
72,3
75,1
76j0
74,0
73,2
Breite zur Länge . . .
77,»
00,'.
05.5 I
09,1
83,2
86,1
71,8
80,3
Hinterhauptidängc zur
Lange
32,0
27,5
31,5 |
32,9 #
30,0
80,2
32,4
32,7
Höhe zur Breite ....
100,7
107,1
106.0
104,6
90,2
69,2
103,0
91,1
Entfernung der .Spina ua-
sali* vom Kommen oe- |
cipitale zur Entfernung
der Nasenwurzel von
demselben
93,0
92,4
(16,2
92,3
93,0
93,8
94,0
90,3
Es ergiebt sich daraus auf den ersten Blick, dass keine der Gruppen der anderen ähnlich
ist. Jede hat ihre Maxima und Minima an anderen Stellen, als die andere. Was insbesondere
die uns vorwiegend beschäftigenden Schädel der Steinzeit betrifft, so unterscheiden sie sich
Bowohl von den Lappen- und Finnen-Schiulcln , als auch von denen der Eskimos in höchst
auffälliger Weise. Ja, man könnte eher die Lappen und Finnen identificiren , woran doch
Niemand denken wird, als etwa die altnordischen Schädel für lappische oder finnische erklären.
Digitized by Google
Die altnordischen Schiidel zu Kopenhagen. ti3
Aach der Einwand trifft nicht zu, dass durch die Vereinigung säinmtlicber Schädel der
Steinzeit etwa unzusammenhängende Gruppen zusammengeworfen seien und dadurch ein fal-
sch»« Bild entstehe. Allerdings bioton die einzelnen, je einer Localität angehörenden Grup-
|>en unter einander nicht unerhebliche Verschiedenheiten dar, welche sich in den grossen
Mittelzahlen der Gesammtsumme nicht wieder erkennen lassen, allein keine dieser Special-
gruppen schliesst sich deshalb mehr an eine der jetzigen Hacen an. Ich fuge zum Beweise
eine Zusammenstellung der wichtigsten Localgnippen an:
Tabelle B.
Borreby.
i
1 SkovB-
•~4
Nies.
Udby.
Stege.
Höhe : Länge
77,9
"7,2
78,1
77,6
75.9
Breite : Länge
79,0
76,2
75,4
78.2
75,9
Hinterhauptalänge : Länge ....
31,4
85,9
90,0
28,4
31,8
Höhe : Breite
98,6
101,3
103,6
99,2
100,0
Entfernung der .Spin» nasalis vom
Formen magnum : Entfernung
der Nasenwurzel von demselben
91,1
91,0
93,2
101.0 j
95.8
Von ganz besonderer Wichtigkeit ist hier die letzte Horizontalspalte , welche ein von
mir hier zum ersten Mal eingeführtes Verhältniss erläutert. Während nämlich die vier
ersten Horizontalspalten, welche auch sonst viel angewendet sind, sich »lurchweg nur auf
den Schädel beziehen und die Verhältnisse der Dolichocephalie, Brachycephalie u. s. w. er-
läutern, lässt die fünfte Horizontalspalte zugleich die Stellung des Oberkiefers zur Schädel-
basis (letztere = 100 gesetzt) erkennen, stellt also zahlenmässig Prognathismus, Orthogna-
thisrnus u. s. w. dar, soweit sich ein solcher an der Wurzel der Spina nasalis anterior und
am Ansatz des Alveolarfortsatzcs erkennen lässt. Von der weiteren Prominenz der Alveo-
larfortsätze und der Zähne selbst, welche eigentlich erst den Prognathismus vollenden, sehe
ich hier ab; sonst müssten die Zahlen weit grösser ausfallen. Bei den Eskimos erreicht »1er
Überkieferindex (so will ich der Kürze wegen die berechnete Zahl nennen) im Mittel 94;
bei den Gräberschädeln von Stege erreicht er fast 96, bei denen von Udby sogar 101. Nun
sind dies gerade Schädel von der Insel Möen, aus deren Gräbern Nilsson lappenälmliche
Köpfe beschreibt, während unsere Tabellen ergeben, dass sie weder in diesem, noch in irgend
einem andern Punkte den Lap|ien ähnlich sin»L Scheidet man aber die Schädel von Möen
ab, so gewinnt man für die Schädel von Borreby und Skovsgaard, den beiden wichtigsten
Fundstellen, einen sehr kleinen Oberkieferindex.
Betrachtet man das Schiidelverhältnias, so zeigen die Tabellen deutlich, dass »lie Lap-
pen und Pinnen brachycephal, die Grönländer dolichocephal, die Stämme der
Steinzeit meso- oder orthooephal mit grösserer Hinneigung zur Brachycepalie,
dagegen die Schädel der Bronze- und Eisenzeit dolichocephal mit grösserer Hin-
Digitized by Google
«4
llud. Virchow,
neigung zur Hy psocephalie sind. Gerade die letzteren stehen demnach den Grönlän-
dern ') cr&niologisch näher, als die Schädel der Steinzeit, ja sie unterscheiden sich von letzteren
mehr, als von den erstercn. Indess geben der Höhen- und Breitenindex doch so scharfe
Unterschiede zwischen den Gräber- und Racenschädeln. dass es genügt darauf hinzuweisen.
Wenn sich umgekehrt die Schädel der Steinzeit der Brachycephalie und damit den Lappen
und Finnen nähern, so gilt auch hier dasselbe, wie vorher: Höhen- und Breitenindex und
überdies das Verhältniss von Höhe und Breite sind so verschieden, dass keine Möglichkeit
einer Vereinigung oder auch nur Verwandtschaft vorhanden ist. Am aulHilligsten ist dies
bei den Lappen; die Finnen nähern sich den Schädeln der Steinzeit ungleich mehr und im
einzelnen Falle möchte es nicht immer leicht sein, einen Unterschied sicher auizutinden. Dio
Gruppen aber trennen sich sehr scharf und ich möchte auch hier gerade das Verhältniss der
Breite zur Höhe hervorheben.
Ganz besonders zu bedauern ist es, dass für die Bronze- und Eisenzeit keine grösseren
Sammlungen von Schädeln zur Verfügung standen und dass, wie schon erwähnt, unter den
Bronzeschädeln die weiblichen so sehr vorwiegen. Immerhin ist es höchst merkwürdig, dass
die Schädel der Bronze- und Eisenzeit unter sich eine weit grössere Aehnlich-
keit haben, als mit irgend einer der anderen grösseren Gruppen, und dass auch
von allen Localgruppen der Steinzeit nur einzelne sich ihnen nähern. Dahin ge-
hören, wie später genauer dargelegt werden wird, die Schädol von Borre, Frelsvig, Naes
(Nr. 30 bis 31) und Skovsgaard; au letzterm Orte wurde überdies Bronze gefunden. Es
scheint durch diese Erfahrung der Ansicht Vorschub geleistet zu werden, nach welcher die
Kenntniss der Metallverarbeitung durch eine neue Einwanderung eingeführt worden ist
Die weiteren Bemerkungen werden sich am passendsten an eine Betrachtung der ein-
zelnen Ländergruppen anknüpfen lassen. Ich stelle an die Spitze:
I. Die Schädel der Steinzeit.
Vorweg bemerke ich, dass bis jetzt in den Kjökkenmöddinger keine Schädel gefunden
sind. Alle hier in Betracht gezogenen Schädel stammen aus Gräbern, in denen polirtes
Steingeräth niedergelegt war.
A. Gräber der Insel Seeland.
1) Borreby, Soroe Amt, im südwestlichen Seeland, ist die weitaus interessanteste Fund-
stelle, weil hier in einem Grabhügel eine ganze Masse menschlicher Skelete aufgefunden wurde,
so dass (ausser manchen anderen defecten Stücken) in unserer ersten Tabelle 25 Schä-
del von da aufgeführt werden konnten. In der kurzen Beschreibung von C. Engelhardt
(Guide illuströ du Musde des antiquitüs du Nord ä Copenhague. 13G8. p. 6) heisst es davon:
1) Dasselbe gilt von der von II i b unter dem Namen des llohburgs- oder römischen Typus beschriebenen
Form der altachweizerischco Schädel, für welche er im Mittel findet: Höhe : I,änge = 78,3, Breite : Länge
— 70,7, Iiöho : Breite = 103,0
Digitized by Google
«5
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
„Das ganze Grab war angefüllt mit den Skeleten von Männern , Frauen und Kindern,
mehr als SO an der Zahl. Noch tiefer, etwa in der Mitte des Grabes, fand man halb ver-
brannte und gespaltene Menschenknochen zwischen den übrigen , welche nicht die mindeste
Spur von Anbrennung zeigten, zerstreut. Im Grunde lag eine Anzahl gebrannter Menschen-
knochen und die Ueberresto eines Rehs auf platten calcinirten Steinen ausgebreitet und noch
mit Asche und Kohlen bedeckt Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Einweihung
des Grabes zu einer Festlichkeit Anlass gegeben hat, bei welcher man den Göttern geopfert
und zum Theil gegessen haben mag nicht nur Rothwild, sondern auch Menschenopfer.“ Auch
Herr Worsaae führte bei Gelegenheit der Debatten des internationalen Congresses diesen
Fund als Beweis der Anthropophagie der altnordischen Stämme an und erwähnte besonders,
eB sei die Masse der Skelete so dicht in einem mit einem grossen Steine bedeckten Raume
eingeschlossen gewesen, dass nicht wohl zu begreifen sei, wie eine so grosse Zahl von mensch-
lichen Körpern darin hätte Platz finden können , wenn sie noch mit dem Fleische bekleidet
gewesen wären. Madsen (Antiquitös prdhistoriques du Dänemark. Copenh. 1869, p. 15,
PL XVII — XVIII) bildet die in dem Grabe gefundenen Kunstgegenstände aus Knochen,
Feuerstein und Thon ab und berichtet zugleich, dass es sich um ein grosses Ganggrab han-
delte, dessen Steinkammer 5 Meter lang, 1 Meter breit und 1,60 Meter hoch war. Er spricht
nur von 50 Individuen, von denen sehr wenige der Länge nach begraben waren; die meisten
seien sitzend oder kauernd bestattet, da die Schädel zwischen den Schenkel- und Fusskno-
chen lagen. In der Augenhöhle eines der Schädel steckte noch ein abgebrochener FouersteinpfeiL
Ich habe diese Nachrichten besonders deshalb angeführt, weil dadurch die Frage ent-
steht, ob die aufgefundenen und namentlich die aufbewahrten Schädel wirklich der alten Be-
völkerung Seelands oder nicht vielleicht Kriegsgefangenen von ausserhalb gehört haben.
Unter den gemessenen 25 Schädeln befindet sich ein kindlicher (Nr. 6), 2 jugendliche (Nr.
14 und 19), 5 wahrscheinlich weibliche (Nr. 17, 18, 20, 21, 23). Einer der letzteren (Nr. 18),
sowie mehrere der männlichen Schädel (Nr. 9, 24, vielleicht 2) zeigen starke Spuren von
Brand. Einer (Nr. 3) hat eine alte geheilte Verletzung an der Stirn. Einer (Nr. 1), der
gleichfalls sehr gelb aussieht, wurdo ausserhalb der Steinkammer gefunden. An sich passt
das wohl auf Kriegsgefangene, die man opferte, indesa folgt daraus noch nicht ohne Wei-
teres, dass dieselben von weither ins Land geschleppt waren. Bei dem damaligen Zustande
der Schifffahrt war es wohl kaum möglich, 80 Gefangene von weither zu transportiren ; wa-
ren diese aber von derselben Insel oder einer der benachbarten , so gehörten sie wohl auch
zu einem verwandten Stamme. Jedenfalls waren sie weder Lappen noch Finnen.
Unsere Tabelle I. zeigt, dass auch unter den männlichen Schädeln gewisse Unterschiede
sind, indem einzelne schmälere und längere, andere dagegen breitere und kürzere Formen
vertreten. Letztere machten im Ganzen auch den Eindruck grösserer Stärke der Entwicke-
lung. Gewöhnlich zeichneten sie sich aas durch ein flacheres und breiteres Hinterhaupt mit
sehr grosser und hoher Squarna occipitalis, durch grössere Höhe überhaupt und dem ent-
sprechend durch einen beträchtlichen Scheitelbogen (Schädeldachbogen); alle Breitendurch-
messer, besonders der temporale und mastoidale , jedoch auch die facialen und submaxilla-
ren waren gross; ganz besonders auffallend waren jedoch die Superciliarbogen, welche stel-
lenweise zu wahren Höckern ausgebildet waren und den Schädeln einen Ausdruck von Wild-
Archiv fdi Anthropologie, Bi IV, Heft I. 9
Digitized by Google
66
Rud. Virchow,
heit verleihen, der ihnen eine ungewöhnliche Aehnlichkeit mit den Schädeln der jetzigen
Australier verschafft. In mehreren Fällen (Nr. 2, 3, 5, 8, 14) stellten sich diese Zustände als
wirkliche Hyperostosen von jedoch sehr poröser (gefässrcicher) Beschaffenheit und unregel-
mässig hügeliger Oberfläche dar. Nicht immer beschränkte sich die Hyperostose auf den
Superciliarrand, sondern sie dehnte sich selbst auf den ganzen Orbitalumfang aus (Nr. 2).
Durch die Grösse der Auflagerung geschah es, dass der Superciliarrand sich verlängerte und
dachförmig vorschob, ja dass die Incisura supraorbitalis sich in einen wirklichen Kanal ver-
wandelte (Nr. 6). Die Häufigkeit gleichzeitiger partieller Synostosen und das zweimalige
Vorkommen stärkerer Exostosen (Tubercula) am vordem Umfange des Foramen occipitale
scheinen dafür zu sprechen, dass auch die superciliare Hyperostose etwas Pathologisches an
sich hat.
Der Oberkiefer zeigte zuweilen eine geringe Neigung zum Prognathismus, doch trat
dies in der ganzen Masse weit in den Hintergrund. Der mächtige Unterkiefer hatte meist
ein etwas vorspringendes, öfters dreieckiges Kinn, zuweilen eine im Ganzen etwas vorragende
Symphyse. Niemals theilte sich jedoch der Prognathismus den Zähnen mit.
Die Borreby-Schädel sind daher als schwach zur Brachycephalie neigende
mesocephale und orthognathe zu betrachten. Die Abbildungen und Beschreibungen
von Busk, welche Vogt (a a O. S. 118, Fig. 99 bis 100) mittheilt, treffen nicht vollstän-
dig zu. Wenn Busk aus 20 von ihm gemessenen Schädeln den Breitenindex = 78 berech-
net, so stimmt dies ziemlich mit meiner Rechnung, welche bei 25 Schädeln 79 ergab, aber
deshalb sind die Borreby-Schädel weder rund, noch klein, noch dieser Eigenschaften wegen
den Lappenschädeln ähnlich. Die grösste Längo der Borreby-Schädel beträgt im Mittel 18,1,
die der Lappenschädel 17,3; der longitudinelle Schädeldachbogen misst dort 38,7, hier 35,1,
wovon auf das Stirnbein dort 13,1, hier 11,7 fallen; dem entsprechend haben die Borreby-
Schädel eine Höhe von 14,1, die Lappenschädel von 13,0. Nirgends sind zugleich die Unter-
schiede auffälliger, als am Gesicht Die Lappen mit einer Nasenbreite von 2,6 im Mittel bieten
ein total anderes Aussehen als die Borreby-Leute mit 2,3 Nasenbreito. Dazu kommt der ganz
abweichende Bau des Unterkiefers, der sich aus einer Vergleichung der Zahlen von selbst
herausstellt Der Oberkieferindex der Lappen beträgt 93, der Borreby-Schädel 91. Selbst
in den von Vogt (a. a. O. S. 321 bis 323, Fig. 127, 128) mitgetheilten Abbildungen eines
Lappenschädels sind diese Verschiedenheiten zu bemerken, indess hat es an sich seine Schwie-
rigkeiten, an blossen Abbildungen selbstständige Schlüsse zu ziehen. Meiner Meinung nach
fallen alle Analogien zwischen Borreby- und Lappenschädeln vor der directen Betrachtung
schon in sich zusammen. Die Messung zeigt dasselbe für die finnischen Schädel, welche das
gerade Gegenstück der Borreby-Schädel bilden. Die Höhe verhält sich zur Breite bei den
Finnen wie 91,1 : 100, bei den Borreby-Schädeln = 98,6 : 100; ebenso beträgt der Höhen-
index dort 73,2, hier 77,9. Bei den Finnen misst der longitudinelle Schädeldachbogen 37,6
und die Hinterhauptsschuppe davon 1 1,5, bei den Borreby-Schädeln 38,7 und 12,0. Dafür be-
trägt der Temporaldurchmesser bei den Finnen 12,6, bei den Borreby-Schädeln nur 12,0. Was
der finnische Schädel breiter ist, ist der Borreby-Schädel höher.
2) Ebenfalls in Seeland bei Nybölleby (Smörum Sogn, Kjöbnhavn-Amt) ist ein im Anato-
mischen Museum befindlicher und unter A B y 40 inventarisirter Schädel gefunden. Er lag in
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 67
einem grossen Grabhügel, Aalehöi genannt, ohne eigentliche Steinkammer, jedoch mit Flint
und anderen Knochen. Gegenüber den Borrebv-Schädeln bietet er grosse Verschiedenheiten,
namentlich sind fast alle seine Verhältnisse ungleich kleiner; nur am Kieferapparate und Ge-
sicht treten grössere Maa&se hervor. Der Höhonindex beträgt 76,3, der Breitenindex 75,7,
das Verhältniss von Höhe zur Breite 100,7; er kommt daher in seinen Verhältnissen am
nächsten den Schädeln von Skovsgaard, und er entfernt sich nicht von der Gesammtgruppe
der Steinschädel. .
B. Gräber der Insel Falster.
1) Bei Skovsgaard fand man im Grunde eines mächtigen Steingrabhügels drei an ein-
ander stossende, aus rohen Steinen errichtete Räume, in welchen fast 100 Skelete und da-
neben allerlei Fundgegenstände aus Stein lagen. In der Decke einer dieser Abtheilungen
standen auf einer Steinplatte drei Urnen, gefüllt mit gebrannten Knochen, unter denen feine
Bronzegegenstände befindlich waren. Engelhardt (1- c- p 6) bemerkt ausdrücklich, dass
dieses Zusammenvorkommen von Stein und Bronze in Dänemark sehr selten sei. Nimmt
man an, was doch wahrscheinlich ist, dass die Urnen mit den gebrannten Knochen und der
Bronze nicht erst später in den Hügel gebracht sind, so kann es fraglich erscheinen, ob über-
haupt dieses Grab noch der Steinzeit zuzurechnen ist. Wenn ich trotz dieses Bedenkens
den Bestimmungen der dänischen Alterthumsforscher folge, so muss ich doch für wahrschein-
lich halten, dass die Zeit dieser Grabsetzung mindestens an die Grenze der Bronzeperiode
verlegt werden muss. Sehr nahe liegt es, auch hier die Hunderte von Skeleten , welche in
den tieferen Grabkatnmern gefunden wurden, auf Menschenopfer zu beziehen.
Aus der früher mitgetheilten Tabelle B. ergiebt sich ein nicht geringer Unterschied die-
ser Schädel von denen von Borreby. Sowohl der Höhen- als der Breitenindex sind kleiner,
während die Höhe im Verhältniss zur Breite ungleich beträchtlicher ist. Die Hinterhaupts-
länge ist im Verhältniss zur Gesammtlänge bei diesen Schädeln grösser (35,9), als sie über-
haupt in einer der Gruppen unserer Zusammenstellung vorkommt- Es erklärt sich dies zum
Theil durch das Vorkommen eines hinteren Fontancllknochens (Os interpariotale), der für die
peruanischen Gräberschädel eine gewisse Berühmtheit erlangt hat (Os Incae). Durch die
verhältnissmässige Länge des Hinterhauptes entsteht für die Berechnung der Schädel der
Eindruck einer wirklichen Dolichocephalie, wodurch sie sich den Schädeln dos Bronzealters
nähern. Leider sind von den 100 Skeleten nur drei Schädel conservirt und von diesen
scheint der eine (Nr. 28) weiblich zu sein. Indess ergiebt die Zusammenstellung auf Ta-
belle VI, dass in der That die grösste Länge dieser Schädel (18,9) mit derjenigen der Bronze-
schädel Ubereinstimmt und unter den Steinschädeln nur durch die von Borre (19,2) Ubertrof-
fen, von allen anderen nicht erreicht wird, dass ferner die Länge des Schädeldachbogens
(39,1) und des Hinterhauptsbogens (12,6) die aller anderen Steinschädel überragt Trotzdem
ist die grösste Breite der Schädel von Skovsgaard (14,4) und die Breite der Nasenwurzel
(2,4) verhältnissinässig sehr stark, ja der Mastoidal-Durchmesscr (13,4) ist grösser, als bei den
anderen Gruppen der Steinzeit Dazu kam noch bei zweien (Nr. 26 und 27) der Schädel
eine auffallend schräge Stellung des Supraorbitalrandes, der nach innen gegen die Incisura
supraorbitalis in die Höhe stieg.
»•
Digitized by Google
i;8
Rud. Virchow,
2) Der eine Schädel von Breininge-Mark, Horbelev Sogn, ist wesentlich verschieden.
Er macht den Eindruck der Brachycephalie und des Prognathismus j zugleich giebt ihm die
starke Entwickelung der Supraorbitalhöcker etwas Wildes. Die Berechnung zeigt, dass
hauptsächlich die grosse Höhe des Schädels in Betracht kommt : der Höhenindex ergiebt
82,6, das Verhältniss der Höhe zur Breite ist = 105,1 : 100, dagegen beträgt der Breiten-
index nur 78,6 und die Länge des Hinterhauptes 32,1 Proc. der Gesammtlänge. Der
Oberkieferindex erreicht 94,9. Dagegen ist der Schädeldachbogen (36,2) .verhältnissmässig
klein.
3) Unter den drei Schädeln von Naes, Sönder-Herred , scheint ein weiblicher (Nr. 3)
zu sein. Obwohl der eine dieser Schädel (Nr. 32) den Eindruck der Brachycephalie macht
und in der That den Breitenindex von 82,3 ergiebt, so sind doch die beiden anderen so
stark dolichocephal, dass im Oesammtmittel die Zahl 75,4, die kleinste unter allen Zahlen
der Steinschädel, herauskommt Es trägt dazu ganz besonders der erste Schädel bei, welcher
ein grosses Os interparietale besitzt und einen Schädeldachbogon von 40,1 bei einer Ge-
sammtlänge von 19,8 und einem Horizontalumfang von 55,0 darbietot DafUr beträgt sein
Breitenindex nur 67,1. In keiner der Localgruppen zeigt sich eine so grosse Verschieden-
heit der einzelnen Schädel; nirgends sieht man deutlicher, dass die Mittel und kleinen Sum-
men das Gesammtbild nicht deutlicher, sondern undeutlicher machen. Jedenfalls schliessen
sich die beiden ersten Schädel (Nr. 30, 31) weit mehr den Skovsgaard-Schädeln und noch
mehr als diesen, den Brcmzeschädeln an.
C. Gräber der Insel Möen.
1) Bei Udby, Möenbo Herred, Praestoe Amt, war in einem Hligel von 100 Ellen im
Umkreise und 5 Ellen hoch eine mit einem Deckstein geschlossene Steinkammer mit einem
Eingänge von Osten her. Bei der Eröffnung fand man darin 20 Skelete und daneben ein
Hundsskelet, Stein- und Bernsteinsachen. Indess sind nur 6 Schädel aufbewahrt, von denen
überdies 1 kindlicher und 2 jugendliche mit noch offener Synchondrosis spheno-occipitalis bei
der Berechnung ausgeschlossen wurden. Ich bemerke jedoch, dass dies nur um der Gleich-
förmigkeit mit anderen Gruppen willen geschehen ist, da im Uebrigen die zwei jugendlichen
Schädel (Nr. 36 und 37) nahezu ausgewaclisen zu sein scheinen und zum Theil sogar so be-
trächtliche Maas.se ergeben, dass unter Hinzunahme derselben die Mittel sich nur wenig er-
niedrigt haben würden. Bemerkenswerth ist es, dass mit Ausnahme des kindlichen alle
übrigen fünf Schädel Schaltknochen in der Lambdanaht, zum Theil sogar sehr starke, der
erste überdies ein Os interpariqtale und der vierte (Nr. 36) Schaltknochen in dem hinteren
Theile der Pfeilnaht in einer Länge von fast 6 Cent, besitzen. Obwohl dadurch ein wenig-
stens zeitweise verstärktes Wachsthum der Hinterhauptsgegend angedeutet wird, auch in
einem Fake (Nr. 34) das Hinterhaupt capsulär vorsprang, in einem andern (Nr. 38) sehr
steil war, so ergiebt sich doch aus der Tabelle B, dass diese Schädel Bich mehr der Brachy-
cephalie nähern. Ihre Occipitallänge ist die allergeringste in der Gruppe der Steinschädel.
Dagegen wird der Eindruck eines gewissen Prognathismus, den die einfache Betrachtung
hervorbringt, bestätigt durch die Grösse des Oberkieferindex (101), welche die beträchtlichste
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. ' 69
unter allen Schädeln der Steinzeit ist Bei dem ersten Schädel {Nr. 33) findet sich überdies
eine Art von Crista sagittalis und frontalis mit starker Vorwölbung der Glabella, offenbar
bedingt durch stärkeres Wachsthum in der Nahtgegend. Der zweite Schädel (Nr. 34) bat
sehr starke Supraorbitalhocker. — Sieht man von dem Prognathismus ab, so stehen diese
Schädel denen von Borreby am nächsten.
2) Die Schädel des physiologischen Museums stammen nach dem Kataloge aus einem
Steinkammergrabe, in dem ausserdem Steingeräth gefunden wurde. Die beiden ersten davon
(Nr. 39, 40) hat Eschricht im Dansk Folkeblad, 1837, Sept, p. 31) beschrieben. Nach der
etwas zweifelhaften Fassung des Katalogs schien es, als seien sie bei einem Orte Hage ge-
funden. Indess bezog sich die erste Mittheilung Eschricht's (Danske Vidensk. Selsk. Af-
handl. 1841. VIII. S. LV) auf einen bei Stege auf Möen gemachten Fund. Aus den Mit-
theilungen von Nilsson (Das Steinalter. S. 93, 96. Taf. XHI. Fig. 240. Tat XIV. Fig. 245),
der zum Theil als Augenzeuge berichtet, geht hervor, dass der Mann, welcher 1836 die Eröff-
nung des Grabes in Stege leitete, Slage hiess. Ist daher anzunehmen, was sich wohl durch
weitere Nachforschungen noch wird feststellen lassen, dass die Schädel Nr. 39 bis 41 von
Stege herstammen, so ist es sehr wahrscheinlich , dass auch der gleichfalls von Eschricht
aulgestellte Schädel des anatomischen Museums (Nr. 43 meiner Tabelle, im Katalog A B y 33)
derselben oder einer sehr nahen Stelle angehört. Ueber den Fund von Stege finden sich
genauere Nachrichten bei Madsen (L c. p. 14. PI. XVI) ; darnach war es ein grosses Gang-
grab, in welchem Geräthe aus Feuerstein und Knochen, Geschirre aus Thon und Holz, sowie
Bemsteinscbmuck und mehrere Skelete , theils in dem Gange, theils in der Steinkammer ge-
funden wurden. Nilsson bildet einen der von Eschricht beschriebenen Schädel nach einem
Gypsabgusse ab; aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies unsere Nr. 39, da ich bei Nr. 40 aus-
drücklich notirt habe, dass die Nase fehlt Er parallelisirt ihn mit den Lappenschädeln, und
es lässt sich nicht leugnen, dass er eine gewisse äussere Aehnlichkeit damit hat Ich habe
in meinen Notizen den Gesamm teindruck durch die Bezeichnung Trochocephalus (Rundkopf)
wiedergegeben und zwar bei drei von den vier Schädeln; den vierten, bei dem das Hinter-
haupt stark vorspringt, habe ich als „breiten Dolichocephalus“ angezeichnet. Indess ergiebt
eine genauere Maassbestimmung ganz abweichende Verhältnisse von denen der Lappenschä-
del. Ein Blick auf unsere Tabelle B. genügt, um dies klar darzulegen: der Breitenindex die-
ser Schädel ist nur 75,9. Der Schädel Nr. 39 hat sogar nur einen Breitenindex von 75,5
bei einem Höhenindex von 79,5, und wenn auch bei dem Schädel Nr. 40 der Breitenindex
78,1 beträgt so ist dieses Maass doch fern von dem der LappenschädeL Selbst der Schädel
Nr. 4, welcher die bemerkenswertho Breite von 14,5 erreicht und eine Breite der Nasenwur-
zel von 2,8 zeigt, hat doch nur einen Breitenindex von 73,6. Es erklärt sich dies aus seiner
absoluten Grösse: seine Länge misst 19,7 und sein Horizontalumfang 55,7, mehr als irgend
ein anderer Schädel der Steinzeit Er fällt aLso in das Gebiet der Macrocephali (Kephalo-
nes). Das hindert jedoch nicht, dass sowohl er, aLs die gesammte Gruppe der Schädel von
Stege, zu der dolichocephalen Klasse gehören. Die geringe Höhe zeichnet sie vor den übri-
gen Gruppen aus.
*) Diene Schrift habe ich nicht »eibat cinnehen können.
Digitized by Google
70
Rud. Virchow,
3) Der sehr defecte Schädel de» anatomischen Museums (Nr. 43), den ich schon in der
vorigen Localgruppe mit erwähnt habe, schliesst sich sehr eng an die letztere an.
4) Bei Bor^e, Möenbo-Herred, Praestoe Amt, also nahe bei Udby, in einer Gegend, die
reich an Hünengräbern ist, fand man in einer Grabkammer ausser zahlreichen Steinsachen
die Schädel Nr. 44 und 45. Der letztere ist sehr defect, zeigt aber durchweg beträchtliche
Längen Verhältnisse; namentlich nähert er sich durch die grosse Länge seiner Basis den Schä-
deln von Skovsgaard. Der Schädel Nr. 44 ist ein ausgezeichneter Dolichocephalus von
grosser Länge und stark entwickeltem Schädeldachbogen. Beide Schädel haben verhältniss-
mässig breite Nasenwurzeln; auch der Temporal- und Mastoidal-Durchmesser sind beträchtlich.
D. Grab der Insel Langeland-
Aus einem Grabe bei Frelsvig sind zwei stark defecte Schädel aufbewahrt, welche mit
denen von Borre im Uebrigen viel Aehnlichkeit besitzen. Der grosse Schädeldachbogen des
ersten (Nr. 46) erklärt sich zum Theil aus der Anwesenheit starker Schaltknochen in der
hinteren Fontanelle und der Lambdanaht ; jedoch ist auch zu bemerken, dass bei beiden Schä-
deln der Sagittalbogen des Stirnbeins sehr gross ist.
Blicken wir nun noch einmal auf die Schädel der Steinzeit zurück, so werden wir uns
der Thatsache nicht verschliessen können, dass sowohl die einzelnen Localgruppen unter
sich, als auch die einzelnen Schädel jeder Gruppe vielfache und nicht unerhebliche Verschie-
denheiten darbieten. Falster und Möen sind kleine Inseln und doch zeigt ein Blick auf die
Tabelle VI, dass gewisse Gräber auf beiden Inseln mehr übereinstimmende Schädel enthalten
• haben, als die Grälier jeder dieser Inseln für sich betrachtet Die Schädel von Skovsgaard
und Nacs auf Falster, von Bonre auf Möen und Frelsvig auf Langeland stehen sich durch
Grösse und Länge sehr nahe; ihnen Bchliessen sich die freilich etwas kleineren Formen von
Nybölloby auf Seeland und Stege auf Möen an. Diese ganze Gruppe neigt mehr zur
Dolichocephalie und ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, dass in dem Grabhügel
von Skovsgaard selbst Bronze gefunden ist Dagegen zeigen die Schädel von Borreby auf
Seeland, von Breininge Mark auf Falster, von Udby auf Möen eine grössere Annähe-
rung an die Brachycephalie. Nirgends tritt die locale Differenz so auffällig hervor, als
bei den Schädeln von Udby und Borre, welche Orte in derselben Harde (Amtsbezirk) der In-
sel Möen gelegen sind, und von denen der erstcre mehr brachycephale, der letztere mehr do-
lichocephale Schädel geliefert hat Bei der Analyse des Fundes von Naes auf Falster habe
ich schon bemerkt, wie gross die individuelle Verschiedenheit der einzelnen Schädel sei, und
für die anderen Ortsgruppen gilt in gewissem Grade dasselbe.
Eine genauere Bekanntschaft mit den Einzclnheiten der Fundstätten mag dazu beitra-
gen, solche Verschiedenheiten aufzuklären. Sind Kriegsgefangene hingeschlachtet, sind Men-
schenopfer gebracht, so kann ja eine gewisse Mischung von Volksstämmon stattgefunden ha-
ben. Allein keine der mehr abweichenden Formen berechtigt uns anzunehmen, dass selbst
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 71
unter den Kriegsgefangenen Lappen, Finnen oder Eskimos gewesen sind. Einer der Schädel
von Naes (Nr. 32) steht seinem Breitenindex (82,3) nach zwischen den Lappen (83,2) und den
Finnen (80,3), aber er hat einen Höhenindex von 82,9 gegenüber dem lappischen von 75,1
und dem finnischen von 73,2, und das Verhiiltniss von Höhe : Breite ist bei ihm = 100,6
: 100, während es bei den Lappen = 90,2 und bei den Finnen = 91,1 ist. Ein anderer Schä-
del von Naes (Nr. 30) hat einen Höbenindex von 74,7, einen Breitenindex von 67,1, einen
Oberkieferindex von 92,5 und eine Hinterhauptslänge von 33,3 Proc, ; die entsprechenden Zah-
len bei den Grönländern lauten 74,0 — 71,8 — 94,0 — 32,4. War dies nun ein Eskimo-
Schädel? Gewiss nicht. Das Verhältniss von Höhe und Breite ist bei den Grönländern
= 103,0 : 100, bei dem Schädel von Naes = 111,8 : 100; sein longitudineller Schädeldach-
bogen beträgt 40,1 , der der Grünländer 37,0. Wollen wir Analogien zu dem Schädel von
Naes suchen, so finden wir sie viel vollständiger bei den Schädeln des Bronzealters, wo die
den obigen entsprechenden Zahlen lauten: 71,4 — 66,6 — 92,4 — 27,5 — 107,1 — 35,9. Diese
Zahlen stehen den grönländischen näher, als die von Naes, und man könnte daher mit mehr
Grund die Schädel des Bronzealters auf Eskimos beziehen, was wohl keinen Beifall finden
möchte.
Es scheint mir bis jetzt unmöglich zu sein, ein bestimmtes Urtheil darüber abzugeben, ob
sämmtliche Schädel der dänischen Steinzeit einem Volke an gehört haben oder mehreren, ln den
heutigen Verhältnissen bietet jedes Volk Europas ähnliche Differenzen der individuellen Schädel-
formen dar. Wenn wir nun eine ähnliche Mischung, wie sie im Laufe der Culturperioden
sich in Europa allmählich vollzogen hat, für die altnordische Bevölkerung kaum annehmen
können, so ist doch nicht zu übersehen, dass in roheren Zeiten die Abgrenzung kleinerer
Stämme und Genossenschaften möglicherweise erbliche Besonderheiten in grösserer Stabilität
befestigte. Die grosse Häufigkeit des Os interparietale und der Schaltknochen in der Lambda-
und hinteren Sagittalnaht, welche wir verzeichnet haben, z. B. bei den Schädeln von Udby,
könnte auf solche erbliche Verhältnisse hindeuten. Immerhin verdient der Umstand, dass
ein Theil der Steinschädel sich mehr zur Braohycephalie , ein anderer mehr zur Dolichocepha-
lie neigt, eine besondere Aufmerksamkeit, zumal wenn es sich darthun liesso, dass die Grä-
ber der mehr brachycephalen Schädel älter, die der mehr dolichocephalen jünger wären.
Zu meinem Bedauern bin ich nicht im Stande gewesen, meine Messungen auch auf die
modernen Dänenschädel auszudehnen, von denen die Kopenhagener Museen reiche Schätze
besitzen. Auch diese Schädel zeigen grosse individuelle Verschiedenheiten und ich erwähne
namentlich den Schädel eines bekannten Adeligen im anatomischen Museum, dessen wildes
Aussehen, namentlich dessen kolossale Supraorbitalhöckcr jeden Alterth umsforscher in grosse
Verlegenheit setzen würden. Im Allgemeinen habe ich den Eindruck gewonnen, dass der
neudänische Typus sich am meisten den Borreby-Schädeln annähert, also mesocephal mit Nei-
gung zur Brachycephalie ist, und ich möchte daher annehmen, dass in der That schon zur
Steinzeit die Ahnen der jetzigen Bevölkerung im Lande gewohnt haben. Nirgends ist in Eu-
ropa eine solche Annahme durch die geographischen und historischen Verhältnisse des Lan-
des mehr gerechtfertigt. Vielleicht werden meine Mittheilungen dazu anregen, auch den mo-
dernen Typus des Dänenschädels zahlenmässig genau festzustellen.
Digitized by Google
72
llud. Virchow,
IL Die Schädel der Bronzezeit.
Wor saue unterscheidet innerhalb des Bronzealters zwei Perioden, je nachdem man die
Leichen verbrannte oder nicht verbrannte. Ersteres ist das Gewöhnliche und daher sind
Schädel aus der Bronzezeit überaus selten. Im altnordischen Museum zu Kopenhagen finden
sich nur drei, überdies sehr defecte Schädel, auf welche ich schon früher zu sprechen kam.
Sie stammen aus einem grossen Grabhügel bei Gjerdrup, Kjöbuhavns Amt, Sömme Herred,
auf Seeland, worin sich eine vier Ellen lange Steinkiste befand. Darin lagen 6 Schädel von
Erwachsenen mit Sand bedeckt. Die noch vorhandenen sind ausgezeichnet dolichoce-
phal. Der erste (Nr. 49) hat gar keine Tubera parietalia und das Planum somicirculare
reicht sehr hoch hinauf Sein Breitenindex beträgt 69,6, der Höhenindex 74,5, Höhe zur
Breite 107,1, Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge 29,2, Überkieferindex 92,4. Da die beiden
anderen Schädel vielfache Defecte besitzen, so sind die hier erwähnten Maasse vielleicht
etwas zuverlässiger, als die in den Tabellen verzeichneten Mittel. Die Gesammtverhältnisse
dieses Schädels nähern sich dann noch mehr denen der zweiten Eisenperiode. — Von den
anderen beiden Schädeln ist der erste (Nr. 50) durch eine lange und stark vorspringende
Nase, eine flache Glabella und stark vorspringendes Hinterhaupt charakterisirt.
Bei der geringen Zald dieser Schädel enthalte ich mich für jetzt eines weitem Eingehens.
Dass ähnliche dolichocepliale Formen auch in einzelnen Gräbern der Steinzeit Vorkommen,
habe ich schon früher ausgeführt. Dagegen muss ich noch anführen , dass sich im physiolo-
gischen Museum zu Kopenhagen einige dolichocephale Torfschädel finden, welche sehr
bemerkenswerth sind. Schon auf dem internationalen Congresse zu Paris habe ich ähnliche
Beobachtungen aus Norddeutschland erwähnt (Congrbs internat d'anlhrop. et d'archdologie
prdhistoriques. Paris 1868, p. 407) und meine Funde haben sich seitdem noch vermehrt. Es
dürfte sich daher empfehlen, künftig eine genauere Vergleichung der Torfschädel mit den
Gräberschädeln anzustellen.
Es giebt ausser den Schädeln noch einzelne andere Knochen der Bronzezeit von ande-
ren Fundstellen in Kopenhagen. Ich habe im altnordischen Museum einige derartige Kno-
chen gemessen, weil die Frage von den kurzen Schwertgriffen direct dazu auffordert. Ich
gebe diese Maasse, obgleich sie zur Beantwortung dieser Frage nicht genügen. Das untere
Ende des Os femoris war an den Condylen 9,3 breit und 9,6 dick; das untere Ende der Tibia
6.3 breit und 4,0 dick, ein Paar Metatarsalknochen je 7,6 und 7,3 lang (Nr. 6. 297). ln
einem anderen Falle (Nr. 15278) zeigte das obere Ende der Ulna, das kräftig entwickelt war,
eine Dicke von 3,3 am Gelenk; eben so hoch war der Gelenktheil. Eine Finger-Phalanx
(Nr. 1801), um welche noch ein Ring aus Bronzedraht snss, war 4,1 lang, am hinteren Ende
1.4 breit und 1,0 dick, aiu vorderen 1,1 breit und 0,6 dick. Alle diese Maasse machen den
Eindruck einer zarteren Entwickelung.
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
73
m. Die Schädel der Eisenzeit.
Auoh hier unterscheiden die dänischen Alterthumsforscher mehrere Perioden, von denen
sie die erste auf das 3. bis 5., die zweite auf das 5. bis 8., die dritte auf das 8. bis 11. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung verlegen.
A. Erste Periode.
1) Der er?te Schädel (Nr. 52) aus Sanderumgaard, Ansum Herred, Odense Amt, auf
der Insel Fünen, ist schon von Escbricht wegen seiner kolossalen Länge beschrieben. Ob-
wohl daran eine offenbar posthume Verdrückung des Hinterhauptes auf der rechten Seite vor-
handen ist, so ist doch die Hauptform offenbar erhalten und natürlich. Der Schädel hat die
kolossale Länge von 22,4 und einen Längsschädeldachbogen von 43,0, wovon 14,2 aufdie Squarna
occipitalis und 15,2 auf die Sagittalnaht fallen, — höchst ungewöhnliche Verhältnisse. Es
stimmt damit, dass die Protuberantia occipitalis externa und die Linea nuchae überaus stark
ausgebildet sind und dass das Planum semicirculare sehr hoch hinaufreicht. Der Höhenindex
beträgt 63,3, der Breitenindex 54,8, Höhe zur Breite = 106,2 : 100, Hinterhauptslänge 30,8.
2) Der zweite Schädel (Nr. 53) wurde in Varpelev, Stevns Herred, Praestoe Amt, auf
der Insel Seeland gefunden. Die Beschreibung des Fundes hat Herbst (Aunaler f. nord.
Oldkyndighed. 1861.) geliefert. In einem Sandhügel. bedeckt mit sechs mächtigen Steinen,
war das Skelet horizontal niedergelegt. Neben ihm fanden sich ausser Thierknochen römi-
sche Glasgefasse mit Thier-, Pflanzen- und Fruchtbildern in verschiedenen Formen, sowie
Bronzegeräth. Ein Bronzesieb mit seiner Kasserole hat Engelhardt (L c. p. 16, Fig. 19)
abgebildet. An dem Schädel beträgt der Höhenindex 72,4, der Breitonindox 71,8, Höhe
zur Breite 100,7, Hinterhauptsindex 33,3. Auch hier ist das Hinterhaupt stark ausgcbildet,
die Protuberanz sehr entwickelt, dabei die Supraorbitalhöcker stark. An den Gelenken des
Hinterhauptes Spuren von Arthritis deformans. Die Dolichocephalie ist demnach sehr ausge-
sprochen, ohwohl der Mastoidaldurchmesser 14,6 beträgt
3) Der dritte Schädel, von Dueaasen, Nörre Herred auf der Insel Bornholm, ist gleich-
falls von nerbst (Anu. f. nord. Oldkyndigh, 1849.) erwähnt Es ist ein starkknochiger Do-
lichocephalus mit leichten Verletzungen am Stirnbein. Leider gestatten seine vielen De-
fecte nur wenig Vergleichungen. Im Ganzen steht er dem Schädel von Varpelev näher.
Sein Breitenindex beträgt 72,5, der Hinterhauptsindex 31,6. Der Scheitelbogen misst 40,
woran besonders Stirn (14) und Hinterhaupt (13) betheiligt sind.
Es ist ausserdem zu liemerken, dass bei allen drei Schädeln eine zu ihrer sonstigen Grösse
geringe Breite der Nasenwurzel vorhanden ist.
B. Zweite Periode.
Beide Schädel sind von Vester Egitsberg, Baarse Herred, Praestoe Amt. Sie stimmen
unter einander sehr überein und sind ausgesuchte Dolichocephali. Ganz besonders gilt dies
Archiv für Anthropologie, Bd. IV, lieft I. ]Q
Digitized by Google
74
Ruil. Virchow,
von Nr. 55, dessen Breitenindox G7,l betragt und dessen Sagittallinie so stark liervortritt, dass
ich ihn als Lepto-Scaphoccphalus in meinen Notizen eingetragen habe. Die Muskelansätze des
Temporalis reichen so hoch hinauf, dass, Uber den Schädel gemessen, der Abstand der Lineae
semicirculares nur 9,5 beträgt, so dass der Schädel in dieser Beziehung zwischen den Grön-
ländern (7,4) und den Finnen (13,3) mitten inne steht. Allerdings sind dabei Synostosen vor-
handen, die wohl nicht ganz ohne Einfluss auf die Gestalt des Schädeldaches waren. Die
Nase ist gross und sehr stark vorspringend, ebenso das Kinn, wie denn auch der Unterkie-
fer eine sehr beträchtliche Entwickelung darbietet.
Der andere Schädel ist ähnlich und wenngleich im Ganzen etwas breiter, doch im Tem-
poral- und Mastoidaldurchmeaser schmaler. Sein Schädeldachbogen ist fast um 2 Cent, län-
ger und zwar besonders wegen der starken Entwickelung des Hinterhauptes. Der Hinter-
hauptsindex hat hier die ganz ungewöhnliche Grösse von 37,9, dagegen beträgt der Oberkie-
ferindex nur 92,3. Der in der Anmerkung zur Tabelle erwähnte leichte Prognathismus des
Oberkiefers muss demnach mehr in der Stellung der Gesichts- und Schädelknochen zu ein-
ander begründet sein.
Die Schädel der Eisenzeit sind demnach ausnahmslos wahre Dolichocepha-
len. Sie zeigen ungleich geringere individuelle Differenzen, als die Schädel der Steinzeit,
und sie machon den Eindruck, als seien sie einem anderen Volke angehörig.
IV. Die Racenschädel.
A. Die Lappen.
Von den fünf in den Kopenhagener Museen befindlichen Lappenschädeln scheinen zwei
(Nr. 59 und 62) weibliche zu sein. Einer (Nr. 58) hat, wie schon erwähnt, so ungewöhnliche
Grössenverhältniase, dass man versucht wird, an Hydrocephalie zu denken, doch bemerke ich
ausdrücklich, dass ein positives Zeichen dieser Krankheit nicht vorliegt. Dagegen kann ich
nicht unerwähnt lassen, dass der Habitus aller dieser Schädel etwas Pathologisches an sich
hat und an diejenigen Racen unserer Hausthiere erinnert, für welche der Mops das Haupt-
beispiel darbietet. Bekanntlich ist bis in die neueste Zeit immer wieder die Frage erörtert,
in wie weit die Rachitis für gewisse Racenverhiiltnisse bestimmend sei. Ich will diese Frage
keineswegs entscheiden, da ein grösseres Material dazu gehört, als ich besitze, indess scheint
es mir doch richtig zu sein, dass die „Mops-Racen“ der Hnusthiere, wie ich mich ganz all-
gemein ausdrücken möchte, eine grosse Verwandtschaft mit der Rachitis zeigen. Nirgends
tritt die Theorie Darwin’s meines Wissens so nahe an die Lehre der menschlichen Racen
heran, wie gerade bei den Lappen, unil es verdient eine ernsthafte Untersuchung, ob nicht
wirklich, wie auch Gudrault (Mvm. de la soc. d’anthrop. de Paris. I. p. 179) scbliesst, un-
günstige Ernährungsverhältnisso einem ganzen Stamme einen erblichen Typus aufgedrückt
haben.
Der Lappenschädel repriisentirt die breitesto Form der nordischen Brachycephalie. Grosse
Kürze des Hinterhauptes bei starker Entwickelung der unteren Breitendurchmesser erzeugt
fast durchgehende trochocephale (runde) Formen. Dio grösste Länge des Schädels beträgt
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 75
(immer abgesehen von dem Schädel Nr. 58) 17,3 im Mittel, der Schädeldaclikogen misst nur
35,1, die Länge des Hinterhauptes 5,3. Dagegen hat der untere Parietaldurchmesser 14,4,
während die Tubera parietalia wenig entwickelt sind und nur 13,5 von einander absteheu.
Trotzdem reichen die Lineae semicirculares nicht hoch hinauf; ihr Abstand am Schädel ist
sehr beträchtlich. Der Breitenindex berechnet sich auf 83,2. Auch der temporale (11,8) und
mastoidale (13,1) Durchmesser sind gross, und dem entsprechend namentlich die mittlere
Schädelgrube weit, die hintere kurz. Verhältnissmässig häufig erscheinen Synostosen der
Nähte, namentlich der seitlichen. Unter den sechs Schädeln haben vier eine Synostose des
unteren (temporalen) Abschnittes, einer zugleich des mittleren Theilcs der Kranznaht, zwei eine
Synostose des hinteren Abschnittes der Pfeilnaht Dafür hat der grosse Schädel eine per-
sistirende Frontal naht ein anderer eine besonders starke Glabella, und zweimal finden sich
Schaltknochen der Lambdanaht
Das Gesicht ist niedrig und verhältnissmässig breit, was einen mürrischen oder leidenden
Eindruck macht Die Nasenwurzel ist ungewöhnlich breit, 2,6 im Mittel, hei zwei »Schädeln
sogar 3,1. Die weit von einander stehenden Orbitae haben eine mehr viereckige Gestalt
Die Jochbogen entsprechen dieser Breite wenig; ihr Abstand beträgt nur 13,6, bleibt also
selbst unter dem Mittel der schmalköpfigen Grönländer. Auch der untere maxillare Durch-
messer und der Abstand der Unterkieferwinkel ist verhältnissmässig gering, was mit der
schwachen Entwickelung des Kauapparats zusammenhängt. Ganz besonders niedrig ist der
Unterkiefer in seinem mittleren Theile (2,9); was höchst charakteristisch ist, da selbst der grosse
Schädel Nr. 58 hier nur 2,8 misst. Nur das rundliche Kinn springt stärker vor. Der Ober-
kiefer erscheint in Folge davon zuweilen leicht prognath und seine Sclmeidezähne greifen
Uber die unteren vor. Trotzdem ist das Gesichtsskelet wesentlich orthognath.
B. Die Grönländer.
Der Typus des Eskimoschädels ist so ziemlich in allen einzelnen Stücken dem des Lap-
penschädels entgegengesetzt, gleichwie er im Grossen und Ganzen davon abweicht. Ein ho-
her Grad von Dolichocephalie, ja man kann sagen, Leptoscaphocephalie mit Prognathig-
mus und kolossaler Ausbildung des Gesichtsskelets charakterisirt die Grönländer.
Und auch hier scheint gerade die Art der Ernährung bestimmend eingewirkt zu haben. Der
fast ausschliesslich thierischcn Nahrung und der grossen Anstrengung des Kauens entspricht
die auffällige Entwickelung des Kauapparates, die sich nicht nur in der Stärke und Grösse
der entsprechenden Knochentheile, sondorn und fast noefi mehr in der Ausdehnung der An-
satzflächen der Kaumuskeln zu erkennen giebt.
Die filnf Schädel, welche zur Grundlage meiner specielleren Betrachtung dienten und
welche sämmtlich aus Omenak an der Westküste Grönlands (etwa 71 — 72° n. Br.) stammen,
wurden von mir aus einer grösseren Anzahl in dem physiologischen Museum zu Kopenhagen
ausgewählt, weil sie die am besten erhaltenen und mit Unterkiefer versehen waren. Sie
unterscheiden sich jedoch im Wesentlichen von den übrigen in keiner Weise. Zwei darunter
(Nr. 64 und 65) scheinen weibliche zu sein. Trotz nicht unerheblicher individueller Diffe-
renzen stimmen doch die Verbal tnisszahlen ungewöhnlich scharf zusammen.
10*
Digitized by Google
7ti
Rud. Virchow,
Bei einer nicht unbeträchtlichen Höhe (der Index zeigt im Mittel 74) ist dio Breite sehr
gering. Die absoluten Maasse der letzteren schwanken zwischen 12,7 und 13,8 (bei den Lappen
zwischen 14,2 und 14,8, in maximo 17,3); der Breitenindex beträgt im Mittel 71,8 (bei den Lap-
pen 83,2, in maximo 86,1). Darin gleicht der Eskimoschädel dem lappischen, dass die Tubera
parietalia sehr verstrichen sind, aber ihr Abstand ist weit geringer, nämlich 1 1,4 — 13,0, im Mittel
12,0 (bei den Lappen 12,9 — 13,9, im Mittel 13,5). Dazu kommt ein im höchsten Grade charak-
teristischer Umstand, nämlich die Höhe und die abweichende Begrenzung des Pla-
num semicirculare. In allen Fällen erreicht die Linea semicircularis, d. h. die obere Grenze
dieser ftir den Ansatz des grossen Schläfenmuskels bestimmten Fläche, das Tuber parietale;
in zwei Fällen (Nr. 66 und 67) überschreitet sio sogar das Tuber beiderseits, so dass
dasselbe ganz zur Muskelinsertion gedient hat, — ein Verhältnis, für das wenigstens in
Europa meines Wissens alle Analogien fehlen. In diesen beiden Fällen war die Entfernung
der Lineae semicirculares von einander bis auf 7,3 und 7,0 Cent, vermindert; in den anderen
drei betrug sie einmal 7,5 und zweimal 7,8. (Der oben erwähnte Schädel aus der zweiten
Periode der Eisenzeit zeigte eine Annäherung bis auf 9,5). Ihre grösste Annähorung erreichen
jedoch die Lineae semicirculares nicht an den Tubera parietalia, sondern dicht hinter der
Kranznaht, wo sie eine gegen die Mittellinie des Schädels cinspringende Curve bilden. Das
gesammte Planum ist sehr glatt und nur die Linea semicircularis selbst, zuweilen der nächst
an sie anstosaende Theil des Planum, bilden einen leicht höckerigen, gegen die Mitteltheile
des Schädeldaches scharf abfallenden , niedrigen Wulst. Zweimal (Nr. 63 und 67) fand sich “
innerhalb des Planum scmicircularo eine Synostose des temporalen Abschnitts der Kranznaht.
Jodesmal erscheint die Schläfengrube ganz platt
Aus der Tabelle VII ist zu ersehen, dass auch der Temporaldurchmesser des Eskimoschä-
dels geringer ist (11,2), als der irgend einer anderen meiner Gruppen. Der Mastoidaldurchmeaser
(12,8) steht nur dem Schädel der Bronze- und der jüngeren Eisenzeit (12,6 und 12,5) nach.
Umgekehrt zeichnen sich die Längenma&sse vor den meisten anderen aus. Nur die
Schädel der Bronze- und jüngeren Eisenzeit (18,9 und 18,8) ergeben höhere Zahlen für die
grösste Lange, welche bei den Eskimos 18,5 beträgt. Der longitudinelle Schädeldachbogen
(37) ist jedoch bei diesen grösser, als bei den Bronzeschädeln (35,9), welche in diesem Punkte
den Lappenschädeln (35,1) nahe stehen. Höchst auffallend ist jedoch die starko Betheili-
gung des Hinterhauptes. Das Verhältniss der Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge ist
= 32,4 : 100. Von den in der Tabelle A. zusammengestellten Gruppen besitzt nur die der
jüngeren Eisenzeit augehörige eine grössere Zahl (32,9), und auch die Specialberechnung der
Localgruppen in der Tabelle B. zeigt nur eine Gruppe der späteren Steinzeit, die von Skovs-
gaard, mit einem höheren Index (35,9). Dio Lappen haben ein geringeres (30,6), die Finnen
ein höheres (32,7) Maass.
Noch weit correcter und genetisch mehr anschaulich erweist sich die bezeichnete Tlmt-
sache bei der Vergleichung der absoluten Längen. Diese lehrt nämlich , dass die Sagittal-
längen des Stirnbeins (12,7), der Scheitelbeine (12,3) und der Hinterhauptsschuppe (12,0) ein-
ander ganz nahe kommen, während sonst in der Regel, selbst bei dolichocephalen Schädeln,
die Hinterhauptsschuppe kürzer ist. Auch bei den Finnen misst sie nur 1 1,3, während das
Stirnbein 13,4, die Schädelbeine 12,7 zeigen. Nur bei den auch sonst so merkwürdigen Do-
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
77
lichocephalen der älteren Eisenzeit misst die Hinterbauptsschuppe im Mittel 13,3 bei einer
Sagittallänge des Stirnbeins von 13,1 und der Scheitelbeine von 13,8. Die Schädel der jün-
geren Eisenzeit haben nur ein Mittel von 11,5 für die Höhe der Hinterhauptsschuppe, da-
gegen sind die Schädel von Skovsgaard auch hier zu erwähnen , welche bei einer Sagittal-
länge der Hinterhauptsachuppo von 12,6 am Stirnbein 13,1, an den Scheitelbeinen 13,4 mes-
sen. Die überwiegend occipitalc Ausbildung des Eskimoschädels tritt hiernach deutlich
hervor, und ich bemerke, dass sich damit noch eine pbysiognomische Eigentümlichkeit ver-
bindet, die nämlich, dass die Hinterhauptsschuppe an der Linea semicircularis occipitalis
superior (Linea nuchae) fast winklig gebogen ist, so dass der untere Theil mehr horizontal
verläuft. Im Gegensätze zu diesem Verhalten des Hinterhaupts steht die Thatsache, dass
die eigentliche Basis cranii (Entfernung der Nasenwurzel vom Meatus auditorius externus
und vom Foramen occipitalc) fast genau so gross ist, wio bei den kurzköpfigen Lappen
und den leicht brachycephalen Steinschädeln.
Am Gesiebt harmonirt mit der Dolichocephalie eine trotz der starken Entwickelung
aller übrigen Knochen so geringo Breite der Nasenwurzel (2,0), wie sie sich sonst nur als Mit-
tel der Stcinschädel ergiebt. Dagegen ist der maxillare Breitendurchmesser (6,7) grösser,
als bei irgend einer anderen Gruppe. Dem entsprechend ist die Nasenöffnung oval und hoch,
und die grosso Orbita mehr rundlich. Letztere ist überdies besonders ausgezeichnet durch
die wahrhaft bestiale Ausbildung der Supraerbitalgegend. Der obero Rand der
Augenhöhle ist nämlich fast constant so sehr vergrössert (verlängert), dass die Incisura
supraorbitalis einen wirklichen Kanal bildet und dass noch Uber diesen hinaus der Rand
sich wie ein Dach verschiebt. Nächst der Gestaltung des Planum semicircularc ist dies der
am meisten thicrische Zug des Eskimoschädels.
Was den Kauapparat anbelangt, so ist zunächst der zum Theil sehr starke Prognathis-
mus zu erwähnen. Der Oberkieferindex (94) wird nur von der Schädelgruppe des älteren
Eisenalters (96,2) Ubertroffen, indess wirkt seine Länge bei den Eskimos viel mehr, weil
die Höhe des Obergesichts (die Entfernung der Spina nasalis von der Nasenwurzel) ungleich
grösser ist. Im Allgemeinen stehen die Zähne gegen einander; nur einmal (Nr. 64) finde ich
hintereinanderstehende Zähne notirt Die Mitte des Unterkiefers ist höher (3,5), als in
irgend einer anderen Gruppe; ebenso sind der untere Umfang dieses Knochens (20,2) und
der Abstand der Kieferwinkel von einander (10,2) die grössten überhaupt von mir verzeich-
neten. Der Kieferwinkel erscheint dabei sehr stark winklig abgeeetzt.
Auch die Jochbreite (13,8) wird nur von derjenigen der breitköpfigen Finnen übertrof-
fen. Die Jochbogen stehen mässig ab. Das Jochbein und der Processus zygomaticus des
Oberkiefers sind sehr stark.
C. Die Finnen.
Auch bei den finnischen Schädeln habe ich mich auf eine kleine Auswahl beschränkt.
Es kam hier ausser der Rücksicht auf den Erhaltungszustand und die Vollständigkeit der
Schädel noch ein Umstand in Betracht, den ich besonders hervorheben möchte, um vor et-
waigen Irrthümern zu warnen. Gerade in Finnland schieben sich die Lappen und die eigent-
Digitized by Google
78
Rud. Virchow,
liehen Finnen so durcheinander, dass eine sehr sorgfältige Scheidung nothwendig ist. Im
anatomischen Museum in Kopenhagen findet sich eine gewisse Zahl von Schädeln aus Finn-
land als finnische bezeichnet vor, die mindestens Mischformen darstellen. Aebnliches mag
auch anderwärts Vorkommen. Ich habe mich daher auf drei Schädel beschränkt, bei denen
die Namen der Geber, der Professoren llmoni und Bonsdorff in Helsingfors eine besondere
Bürgschaft gewährten; sie stimmen mit anderen, mir bekannten, jedoch bei dieser Gelegen-
heit nicht zu besprechenden finnischen Schädeln überein.
Der finnische Schädel ist unzweifelhaft brachycephal und orthognath. Sein Breiten-
index beträgt 80,3 , ist also um Weniges kleiner , als der der Lappenschädel. Da auch sein
Höhenindex kleiner ist, so stimmt das Verhältnis von Höhe und Breite bei beiden ziemlich
nahe überein. Nichtsdestoweniger ist seine ganze Erscheinung eine wesentlich verschiedene.
In allen seinen Theilen zeigt sich eine kräftige, man könnte fast sagen, stolze
Entwickelung. Der Ausdruck Brachycephalus (Kurzkopf) giebt gerade hier leicht eine
falsche Vorstellung; es ist vielmehr vorwiegende Breite bei verhältnissmässig be-
trächtlicher Länge, welche diese Schädel charaktcrisirt. Eine speciellere Betrachtung
wird dies sofort darthun.
Die grösste Länge (18,3 im Mittel) erreicht beinahe die der Eskimoschädel (18,5); der
Schädeldachbogen (37, C) ist sogar länger als bei den Eskimos (37,0). Auch das Verhältniss
der Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge (32,7 : 100) ist grösser als bei deu Eskimos (32,4
: 100). In diesen Beziehungen nähern sich die Finncnschädel denen der Stein- und Eisen-
zeit. Aber die Entwickelung ist trotzdem keine wesentlich occipitale. Die Sagittallänge der
Hinterhauptsschuppe ist nur 11,5, dagegen die des Stirnbeins 13,4, die der Scheitelbeine 12,7.
In keiner anderen Gruppe hat der Sagittalumfang des Stirnbeins ein so hohes Mittel, und
die Stirn, obwohl etwas schmal, erscheint daher über den Tubera frontalia hoch. Dazu
kommt die bemerkenswerthe Erscheinung, dass die Alae temporales des Keilbeines sehr gross,
besonders breit , dagegen die Squamae tem[>orales des Schläfenbeins klein sind. Es handelt
sich hier demnach um eine sincipitale Ausbildung des Schädels.
Was die Breite angeht, so sind fast sämmtliche Querdurchmesser dabei betheiligt Die
grösste Breite erreicht mit 14,7 im Mittel das Maximum aller Gruppen. Dasselbe gilt von
dem Schläfendurchmesser mit 12,6. Nur der mastoidale ist kleiner (12,9) als der der Lap-
pen (13,1), der Stoinschädel (13,0) und der Schädel der ältesten Eisenzeit (14,6). Gegenüber
den Lappen ist besonders zu betonen, dass die Tubera parietalia stark entwickelt
sind und dass ihr Abstand (13,6) um ein Weniges grösser ist Dagegen reichen die sehr
glatten Plana semicircularia sehr hoch hinauf, jedoch überschreiten sie niemals die Tubera
parietalia, wenngleich es vorkommt, dass sie dieselben kreuzen (Nr. 68). In keinem Falle be-
trägt die verticale Annäherung der Lineae semicirculares an einander mehr als 13,5 — 13,0
Cent., was einen durchgreifenden Unterschied gegenüber den Eskimos begründet. Zugleich
ersieht man daraus, was für die allgemeine Crauiologie von nicht geringem Interesse ist
dass die Ausdehnung dieser Plana oder der Schläfenmuskeln keine nothwendige
Einwirkung auf die Gestalt dos Schädels ausübt.
In einem Falle (Nr. 69) fanden sich Schaltknochc-n in der Larnbila- und Schuppennaht.
Sonst sind die Knochen sehr kräftig. In einem anderen Falle habe ich besonders die starke
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 79
Entwickelung der Protuberantia externa und Crista occipitalia (Nr. 70) und zugleich die
grosse Ausbildung der Arcus superciliares notirb
Auch die Gesichtsknochen sind kräftig. Die lange und schmale, stark vorstehende Nase
hat eine verhültnissinäsaig breite Wurzel (2,6), so dass sie in letzterer Beziehung der Lappen-
nase gleich steht, von der sie sich doch in allen anderen Beziehungen unterscheidet. Auch die
Spina nasalis ist stark. Der Oberkiefer ist hoch und gross ; die untere Maxillarbreite be-
trägt 6,2, steht also unter derjenigen der Grönländer (8,7). Der Oberkieferindex beträgt
nur 90,3, jedoch springen die Zähne des Oberkiefers etwas vor. Die Jochbogen sind ange-
legt und etwas klein; trotzdem ist der Jugaldurchmesser (14,0) der grösste in sämmtlichen
Gruppen.
Der Unterkiefer ist im Ganzen kräftig, jedoch mehr an den Seiteutheilen, als in der
Mitte. Hier beträgt seine Höhe 3,1, ungefähr so viel als das Mittel der Stein- und jüngeren
Eisenschädel (3,2 und 3,1) ergiebt, dagegen weniger als bei den Eskimos (3,5). Dafür ist
der Gelenkast (7,0) länger als bei den Eskimos (6,0), ungefähr von gleicher Grösse, wie an
den Unterkiefern der Eisenzeit. Der untere Umfang des Knochens (18,1) ist sogar geringer,
als in allen anderen Gruppen und der Abstand der Kieferwinkel von einander (9,6) wird nur
noch von dem Unterkiefer der späteren Eisenzeit (9,3) unterboten. Es resultirt daraus eine
mehr winklige Stellung beider Kieferhälften zu einander, sowie ein stärkeres Vorspringen des
Kinns, charakterisirt durch die Entfernung des letzteren von dem Meatus auditorius externes
(13,3), welche bedeutender ist, als in irgend einer der anderen Gruppen. Am nächsten kom-
men darin die Schädel der Steinzeit (13,2), während selbst der stark entwickelte Kieferappa-
rat der Eskimos ein geringeres (12,9), der schwächliche und mehr ausgerundete Unterkiefer
der Lappen ein sehr viel geringeres (12,2) Maass ergiebt.
Ich schliesse damit meine Bemerkungen, so verführerisch cs auch sein möchte, auf zahl-
reiche andere Arbeiten Uber Gräber- und Racenschädel einzugehen. Nur einen Punkt der
vergleichenden Anthropologie will ich noch berühren, weil ich dazu directe Veranlassung
habe.
N. G. Bruzelius (Svenska Fomlomningar. Lund 1860. II. S. 15) findet bei einer
Untersuchung der in Schonen auagegrabenen Steinschädel, dass sie mit den dänischen auf das
Genaueste Ubereinstimmen, und er schliesst daraus, dass schon im Steinalter derselbe Volks-
stamm Dänemark und SUd-Schweden bewohnt haben müsse. Er bezieht sich zum Beweise
dessen einerseits auf einen von Worsaae in Seeland gemachten Fund, welcher keiD anderer
sein kann, als der von Borreby, andererseits auf Schädel, welche im Priestergarten zu Hvel-
linge in Schonen ausgegraben wurden. Hier fand man in einem Sandhügel innerhalb eines
Kreises von grossen Rollsteinen 8 Skelete, worunter zwei von älteren Kindern, ferner einen
ausgezeichneten Steinhammer, hübsch verzierte 7' hon ge fasse und einen bearbeiteten Eberzahn.
Von zwei dieser Sobädel, die jetzt im Museum zu Lund sind, finden sich auf PI. IV.
Fig. 5 und C die Abbildungen und von dreien auf S. 14 die freilich nur unvollständigen Mes-
sungen. Darnach betrug bei einem jugendlichen Schädel (Fig. 5) die Länge (von der Gla-
Digitized by Google
80
Rud. Virchow,
bell» zur Spitze der Lambdanaht) 7" 4’", die interparietale Breite 5" 3'", bei einem alteren
Schädel (Fig. 6) die Länge 7" 2’", die Breite 5* 5"', bei einem zweiten, gleichfalls älteren
7" 0'" und 5" 3'". Ich berechne danach den Breitenindex zu 71,6 — 75,5 — 70,0. Ist dies
richtig, so stimmen diese Schädel weder mit denen von Borreby, deren Breitenindex 79 be-
trägt, noch mit denen der dänischen Steinzeit im Ganzen, deren Breitenindex 77,3 ist Aller-
dings sind diese Maasse nicht ohne Correctur zu vergleichen, da Bruzelius die intertubcrale,
ich dagegen die grösste, in der Regel also infratuberale Breite gemessen habe, indess kann ,
der Unterschied kein sehr erheblicher sein. Die Hvellinge-Schädel sind, wie übrigens Bru-
zelius selbst richtig bemerkt, entschieden dolichocephal , wofür auch die Abbildungen spre-
chen. Die starke Entwickelung der Suporciliarbogcn, der tiefe Ansatz der Nasenwurzel und
die beträchtliche Prominenz der Nase erinnern freilich an mehrere der Borreljy-Schädel. Ihre
sonstigen Eigenschaften dagegen möchten sie eher den Skovsgaard-Schädeln annähern.
Ungleich ähnlicher den Hvellingc-Schädcln sind dagegen die 18G3 bei Lockeg&rd in West-
gotblaud in einem Ganggrabe gefundenen und von v. Düben gemessenen Schädel (Nilsson
Steinalter, S. 91, Taf. XIII, Fig. 235 — 238,). Bei diesen berechne ich nach den von Nilsson
mitgetheilten Maassen den Höhenindex auf 74,7, den Broitonindex auf 72,6, das Verhältniss
von Höhe und Breite auf 102,8. Aus 12 Ganggräberscbädeln berechnet v. Düben selbst einen
Breitenindex von 73,1; sie waren nach seiner Angabe, mit Ausnahme eines einzigen, sämmt-
lich dolichocephal. Er vergleicht sie daher mit den Schädeln der heutigen Schweden, von
denen sie sich hauptsächlich durch die Grösse der Superciliarbogen, die geringere Höhe der
Orbitae und einen gewissen Prognathismus unterscheiden sollen.
Die Mittheilungen, welche Ecker (Crania Germ, merid. occ. Freiburg 1865. S. 91) über
neuschwedische Schädel giebt, stimmen damit erträglich. Er giebt nach vier Exemplaren den
Höhenindex zu 73,9, den Breitenindex zu 71,5, das Verhältniss von Höhe zur Breite zu 96,2
an. Allein es scheint, dass diese Angalten als allgemein gültige nicht betrachtet werden dür-
fen. v. Düben, gewiss ein competenter Zeuge, findet einen Breitenindex von 77,1, und
Welcker (Archiv tür Anthropologie, I, S. 138), der eine grössere Zahl von Messungen zu-
sammenstellt, giebt für sich 75, für Retzius und Pruner-Bey 77, für Davis und Thur-
nam 78 an. Rechnet man die sämmtlichen von Welcker angeführten 49 Schädelmessun-
gen zusammen, so erhält man gleichfalls oinen Breitenindex von 75. Dabei ist jedoch zu be-
achten, dass Welcker die interparictale Breite misst; er selbst giebt (S. 139 Anm.), wenn
man die grösste Breite der Rechnung zu Grunde legt, 77,3 als Index an.
Immerhin möchte daher vorläufig angenommen werden können, dass die schwedischen
Steinschüdel mehr Aehnliclikeit mit den heutigen Schwedenschädeln, als mit der Mehrzahl der
bis jetzt bekannten dänischen Steinschädel besitzen. Sollte es sich weiterhin bestätigen, was
ich, freilich nur nach dem Augenscheine, erwähnte, dass die heutigen Dänenschädel sich mehr
zur Brachvoephalie neigen, so könnte es scheinen, als ob jedes der beiden Völker schon in
den Gräbern der Steinzeit seinen heutigen Typus wiederfindet.
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
81
Nachtrag.
In dem soeben ausgegebenen Bande der Memoire read before the Antliropological So-
ciety of London (1670. Vol. III. p. 378) finde ich eine Abhandlung des Präsidenten dieser
Gesellschaft, Herrn Beddoe, über die Sehädelform der Dänen. Seine Untersuchungen sind
nur an Lebenden und zwar Matrosen und Scliifisleuten, 28 an der Zald, angestellt, indess
für die allgemeine Frage von grossem Interesse. Sie bestätigen dasjenige, was ich oben
(S. 71) gesagt habe. Im Mittel der 28 Fälle fand er einen Breitenindex von 80,5; darunter
waren 14 Inseldäncn und zeigten einen Index von 80,6. Ein Blick auf meine Durchschnitts-
Tabellen (S. 62, 63) ergiebt, dass dieses Verhältniss den Borreby-Schädeln am nächsten
kommt
Herr Beddoe schildert mit einiger Aufregung unter den Inseldänen einen Mann von
Möen (p. 383), dessen Erscheinung von allen anderen „toto coelo“ abweichend gewesen sei.
Sein Kopf erinnerte ihn an die Schädel von Borreby „in Möen“. Unglücklicherweise liegt
Borreby nicht auf Möen, sondern auf Seeland, und os dürfte bei genauerer V ergleichung auch
die Aebnlichkoit geringer werden.
Welcker (Archiv f. Anthr. I. S. 154) führt die Dänen mit einem Breitenindex von 76,1,
einem Höhenindex von 71,3 auf. Da er nicht von der grössten, sondern der iutertubcr&len
Breite ausgeht, so muss das Breitenmaass natürlich sehr erhöht werden.
Einen Gräberschädel von Stego (Möen) nach einem Gypsabgusse bildet auch Rctzius
(Ethnologische Schriften. Leipzig und Stockholm 1864. S. 20. Taf. III, Fig. H) ab. Wie
er sich zu denen von Nilsson (Steinalter PI. XU, Fig. 230 bis 232, und PI. XIII, Fig. 240)
verhält, vermag ich nicht zu beurtheilen. Immerhin ist es bemerkenswerth , dass auch
Retzius gegen die Lappenähnlichkeit Bedenken hat.
Endlich hat Carus (Atlas der öranioskopie. Leipzig 1843. Heft L PI. VI) nach einem
ihm von Eschricht zugestellten Schädelabguss eine Abbildung geliefert. ■ Die von Eschricht
gewählte Bezeichnung: Homo aborigo Daniae ist leider nicht geeignet, auf die Spur dieses
entschieden mehr dolichocephalen Schädels zu leiten. Indess wäre es sehr erwünscht, wenn
einer der dänischen Anatomen sich die Mühe geben wollte, durch Vergleichung mit den
Originalen die genaue Feststellung der letzteren herbeizufuhren und dadurch neuen Ver-
wirrungen vorzubeugen.
Archiv fttr Anthropologie, B<1. IV, Heft I
Digitized by Google
82
Tabelle I.
Itutl. Virchow,
Steil
Nro. 18,519,
Durchlaufende Nummer.
1.
IB
ID
B
H
6.
B
B
B
B
Nummer de« Katalogs.
i. ■>
II. »)
UL ')
IV. »)
V. ■)
VL •)
VII. ■«)
VIII. •>)
IX. '»)
X. U)
Grösster Horizontalumfang de»
Schädels «
52,0
54,0
54.5
55,0
53,0
50,0
62,3
63,6
52,3
55,0
Grösste Höhe de» Schädels . .
14,1
15,2
14,5
14,7
14,6
13,7
14,8
15,3
13,9
14,7
(18,6)
(18,0)
(18,2)
(17,9)
(17.9)
G Hisste Länge des Schädel» . .
17,9
18,«
19,4
19,4
19.0*)
17,5
18,5
18,5
18,2
18,9
Sogittal-Umfang des Stirnbein»
13,0
13, 6.
13, 9|
13.0.
12,8.
13,1.
13,1
13, 2|
18,0
15,2.
Länge der Sutura sag
Sagittal - Umfang der Sqoftma
occip
12,9 M
1 ro
IW*)
12,9»
«
12, 0*
12, 4|„
f®
12,0’
i«
12,5 t
12, o| «
N
1 1,6'
13,0 g
10, sl
13.6 «
1®
12,31
ia-aU
13, JV
12,0 co
Ja
13, ß|
13,0 L •
S:
12,0) 1
Entfernung de« Meat. aud. ext.
bi« Nasenwurzel ......
10,5
11,0
11,6
11,2
11.2
9,0
10,4
11,7
10,1
11,3
Entfernung des Meat. aud. ext
bi« Kinn
13,2
18,9
13,2
13,3‘)
14,2
9,6
12,7
14,4
12,6
f
13,2
Entfernung de« For. mag», bis
Nasenwurzel
10,1
l<y)
10,9
10,8
11,5
9,1
9,9
10,7
9,7
10,7
Entfernung des For. magn. bis
Spina na«
. 9,1
10,1
10,1
9,6
10,4
8,3
9,2
9,7 (?)
8,9
10,1 r-
Entfernung des For. mngn. bis
Protub. occip
5,9
7,2
6,3
6,0
5,6
5,0
6,7
4,5
6,4
5.5 |
Grösste Breite de» Schädel« . .
11,0
14,8
15,4
14,8
14,4
18,7
14,2
14,9
14,4
15,5
T emporal-Durchraesaer ....
11,2
12,7
13.2
12,0
12,2
11,1
11,5
13,2
12.8
-
Mastoidal-Durchmesser ....
12,8
14,1
14,2
13,9
14,3
11.6
13,1
14,2
12,9
14.0
Jugal- Durchmesser
13,0
13,6 (?)
14,4 (?)
14,0
14,2
11,4
13,5
14,5
13,5
—
Maxillar-Durchmesser
7,5
7,5
7,5
7,1
7,8
6,7
7,1
7,2
7,1
6.7
Breite der Nasenwurzel ....
2,5
26
2,5
2,3
2,9
2,8
2,0
2,4
2,2
2,5
Unterer Umfang des Unter-
kiefers .
19,0
20,0
18,5
*,0
22,0
14,4
22,0
18,4
18.5 i
Mediane Höhe de* Unterkiefer»
8.3
3,7
3^
9,4
3,2
2,2
3,2
3,3
3,5
3,3
Höbe des Kieferaste» .....
7,0
7,0
—
6,8
7,0
4,5
—
-
6,5
6,5
Entfernung dtt Unterkiefer-
wirikels
10,7
10.9
10,8
10,2
10,6
9,1
__
12,1 I
10,5 (?)
10,8
Gesichtswinkel
70
69
74
70 |
78
74
70
73
73
77
’) Außerhalb d*r Su-lnluuum«T gcfundm. Sehr gelb. Dreieckige* Kinn. — *9 Oswi interc»l. Ismb<1. — *) Sehr gelb. l!yp*ro».t >»«■ *.
gnnien Umfange der Augenhöhle. Dreieckiges Kinn. — 4) Verletzung nuf dem Stirnbein. Starke Supraorbitalhöcker. Schwach dre.t .*•
Syroph. ment. — Sehr *chwer, ungewöhnlich weih« , in allen Vertiefungen und Nähten tnit Gyp* besetzt. — *) Prognatbe Symph. tu »-
tali*. — ') Sehr gelb. Höckerige porü»e Hvperohtose des SupcrriliarbageHs mit Verlängerung des Margo «uperc. und Bildung eine*
»uprnorb. Sut. sagitt. et lambd. serratae. Schwach dreieckige Sy mph. »nent. — *) Starke Supraorlitulhikker. — ®) Kind. Schwach dmc
Symphyse des Unterkiefer«. — ,f>) Anfang der Sutura frontal-.» erhalten. Starke GUI eil«. Dreieckiges Kinn. — **) Starke Hypcro$tosi%
ciliar. Mehr abgerundetes, in der Milte schwach hcnrin-tretemle* Kinn. — **) Synostosi» temporal)» duplex (»pbenofronto-parietaii«), S-hr .
last t-.r.iun an manchen Stellen (Feuer V Ki-enV) Synostosis n;i|fitlali» et mastoidalis sup. Dreieckiges Kinn. — I*) Sehr starke Protutfr. t -
und Cr»ta ade. Mediane E«o*to*e am rordern Um lang de« Forint, raagn. Defect der rechten Sshliienschopj e. Unterer Rand des Cnterki '< ri
im mittleren Theile stark vortretend.
Digitized by Google
seit.
Jorreby (Seeland).
Die altnordischen .Schädel zu Kopenhagen.
83
Tabelle I.
m
n
D
16.
«a
ID
22.
23.
24.
i
XV. >«)
FE
BES
52,0
50,5
i
61,4
52,6
52,0
49,6
51,0
51,0
50,0
51,0
60,2
55,0
53.7
13,8
14,1
13,9
14,4
13,0
13,7 (?)
12,8
13,8
12,9
13,4
13.9
14,2
13,9 (?)
—
13,3
(18,1)
(17,8)
(18,0)
#
(18,1)
17,5
ie,7
17,9
16,7
18,5
17,2
17,7
17,4
17,3
16,0
17,8
19,4
17,2
17,6
13,6
12,6.
13,0.
12,8,
13,0,
13,4.
>2, <|
13,2t
13,' *1
12,5.
18,6.
18,0)
12,9.
13,8,
13,0
18,0
i24
1®
13,1»
I **4
in
13,üL
nal
11,71«
l 9»
i2’°U
12,4 L
j -1
P*
12,0 „
*
12,91 „
«6
13, 4L
j ^
*«|
12,2
9
io’eU
1 00
133| «
r=
10,7'
11, V
12,2*
11, 3^
-
li.i»
n.01
11, 8*
11,6'
11,0*
11,4»
11,9'
12.01
13,ol
12,21
10,5
10,8
10,4
11.0
10,2
10,8
10,2
10,5
9,9
10,2
10.0
10,4
10,0
-
10.5
12,1
-
-
-
12.2
12,9
12,4
-
-
-
-
-
-
10,7
10,3
10,0
10,8
10,0
-
9,8
9,9
9,0
9,6
9,8
10,2
9,1
-
-
10,5
0,5
8,9 ;
9,5
8,9
-
8,6
9,4
8,6
8.5 j
8,9
9,3
8,4
-
-
4,2 ,
i 5,8
5.5
5,6 (?)
3,9
4,7
6.8
5,3
6,1
6,0
7,0 (?)
6,8
—
5.1
14.6 1
14,0
13,7 1
14,0
14,9
13,7
11.4
14,4
18,9
14,1
13.2
14,0
13,1
13,8
11,0
11,8
11,4
12,6
11,5
11,0
12,2
H.7
11,3
—
11,0
12,0
—
12.0
12,5
12,8
13,0
13,3
12,8
12.8
13,1
12,9
12,7
—
; i2-i
13,0
11,2
-
12,8
12)S
13,6
12,8
11,4
12,9
12,4
13.2
—
11,8
—
12,3
13.0
11.5
—
-
6,7
6,7
6.5
6,9
6,7
6,8
6,1
6,5
6,2
—
6,4
6,8
5,9
6.0
—
2,4
2,2
2,3
2,6
2,2
2,2
2,5
2,4 (?)
2,4
2,6
2,2
2,5
2,2
2,5
2,7
16,0
—
—
—
16,0
19,5
—
16.5
—
—
-
—
—
3,1
.5,2
—
—
—
3,1
5,5
3,3
2.7
4.8
—
2,6
—
—
—
—
—
—
8.5
_
- j
8,7
_
9.3
8.6
_
_
_
_
_
_
76
69
69,5
77
76.5
75
77
65,5
76
77
70
78
74
_
**) Jugendlich. — *Ä) Leichte Syoo*to*i* coroo. lat. 0* intcrcal. latnlwl. Synost. Mgitt. post, iocomplota. — **) SynoaL oor. lat. inf. Kurxe un-
o!| ständige Syno*t sagitt. post. Zwei Exoatnaen nm fordern lTmfang de* Kor. mngn. — 17) 8ynost. eor, lat. inf. und »agitt. post. Starke Arcus feupetcil, —
*) Stark prognathe Symph. mentalis. — *'■*) Synost. cor. lat. duplex, »ugitt. ant. und coron. tned. tarda. — 30) Weltlich? Erhaltene Sut. front-, starke ra^su-
Sre Vortreibung des oberen Titelte» der Sijuatna oedpit.- — 21) Gros«* Brandstellen aa der rechten Temporal- und-Orbltalgegend. 8yno*t. »agitt. j»o»t. und UiuIhI.
up. Syn. coron. lat. spheno-front. und fronto-parletal. inf. Weiblich? — **) Jugendlich. — M) Weiblich? Defect. — J<) Syooat. splteoo-front. und fronto-
•arlet. inf. Weiblich?? — aft) Os*a intercalnria lavnbd., font. ant., ]*»st. und lat. Synost. frontopariet. inf. duplex. Caprul. Hinterhaupt. — **) Seltr defect und
erbrochen. Stark prognather Oboririefcrrnnd. Weiblich? — **) Stark defect. Auf der rechten Seite «ehr braun (Feuer). Sehr stark promineute Nase. Grosse»
echt* -eitige* 0* fontkularc |to*t.
1
Digitized by Google
1
Tabelle III.*)
Ku
d. Virchow,
Stein
Stoen.
Nr. 1469. Udby.
Durchlaufende Nummer»
33.
34.
35.
36.
87.
38.
Nummer dea Katalog«.
L ’)
H. ®)
10 (C) *)
11 (F) »)
V. (D) •)
TI. ®)
Größter Horizontal - Umfang de*
Schädels
52,3
51,2
47,8
50,0
62,2
50,1
(fröeste Höhe des Schädels . . . .
14.5
—
13,7
13,4
13,0
13 3
Grösste Lunge des Schädels . . .
19,0
17,9
17,1
17,7
18,8
16,9
Sagittal-Umfang des Stirnbeins • .
13,1 1
n.M
12'°U
13>2U
1S,8U
12,51
Länge der Sutura sagitt
13,9®) |
«■»W
Mz
1 0.A RIO
11,8 ^
I84S
Sagittal-Umfangd er Squama occipit.
113 *
11,2)
10,2 1
I "’ J
18, lJ
10,2)
Entfernung des Meat. aud. ext.
bis Nasenwurzol ........
10,3
10,2
9,7
9,0
10,4
9,8
Entfernung des Meat. aud. ext.
bis Kinn .
13,0
—
—
—
—
—
Entfernung des For. magn. bis
Nasenwurzel
10,6
—
10,0
8,5
9,8
9.3 l
Entfernung des For. magn. bis
Spina nasalis
10,0
—
9,0
7,8
8,5
—
Entfernung des For. magn. bis
Protub. occip. .........
5,4
5,4
6,2
6,1
5,9
4,6
Grösste Breite des Schädels . . .
13, S
14,1
12,6
13,5
13,4
14,1
Temporal-Durchmcsser
11,6
12,0
10,6
10,3
114
IW
Mastoidal-Durchmesser
11,9
12,7
12,0
11,7
12,5
IV
Jugal- Durchmesser
18,4
13,7
—
—
—
—
Maxillar-Durchmeseer
6,0
6,1
5,9
5,3
—
—
Breite der Nasenwurzel .....
2,4
2,6
2,0
1,9
2,5
2,4
Unterer Umfang des Unterkiefers
—
—
—
—
—
—
Mediane Höhe des Unterkiefers .
3,4
—
—
—
—
-
Höhe des Kieferastes
6,7
—
—
—
-
—
1
Entfernung der Unterkieferwinkel
—
—
—
—
—
—
Gesichtswinkel
68
72
70
75
79
" 1
l) Sut. «gilt, und Mittellinie dea Stirnbeins sehr vorep ringend. O» interud. io der hinteren Fontanelle und ei»*»
jederzeit» in der L&mbdaoaht. Starke Olabella. Etwas prognather Oberkiefer. Dreieckiges Kinn mit starkem medianen Eü*
druck. — 2) Os inlercal. — *) Starke Arcus supereil . CapsulAres Hinterhaupt mit starken Schaltbeinen der Lambdanabu
Stark pronather Oberkiefer. — 4) Kindlich. Offene Syuchondr. »pheao-occip. — fi) Jugendlich. Offene Sy och. spheoo-ocop-
Sehr grosse Schaltknochen der ganzen Lambdanaht, die »ich fast 6 Ce n tim. hoch in die i’feilaaht fort»etien. — *) Jugeodü b.
Offene Synch. epheno*oecip. Starke Schaltknochen der Lambdanaht, insbesondere ihrer seitlichen Abschnitte. I*?
Weisheitszahn ist entwickelt. — ') Sehr ateiles und abgeplattetes Hinterhaupt mit einigen Schaltknochen an der Spiue der
Lambdanabt.
•) Tabelle II. «iehe auf Seite 86.
Digitized by Google
seit.
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
Tabelle 1IL
85
1
7
Möen.
Langeland.
Seeland.
Stege (Physiol. Mut.).
Anat.
Museum.
Borre.
Frelsrig.
Nybölleby.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
Nr. I. •)
Nr. 2. •)
Nr. 4. »)
Nr. 5
'*)
Nr. A B y 33.
1
Nr. 4901.
>*>
Nr. 4902.
Nr. 6276.
")
Nr. 6267.
Nr. A B y 40.
■*)
48,0
61,0
55,7
i
I 60,0 (?)
51,0
64,0 (?)
49,3
18,7
13,5
13,5
-
—
14,2
13,6
—
13,2
17,2
16,9
19,7
17,4
18,1
16,9
19,5
18,5
18,5
17,3
12.D.
12,41
15,0]
i I2’21
12, 8\
*»»
13,?)
1S'4 1
13,4j
12, 0,
35,8
"cT
12.9 3
12,81—
—
12,0 1—
u.ofl
1822)-
12^1 —
1 W
12,11
10,4^
— J
- J
nja
— J
12,2 J
- 1
11,61
925
9,3
10,7
9,9
10,7
10,6
11,3
9,9 (?)
10,8
10,0
-
-
13,0
-
-
13,6
-
-
-
12,7
10,1
9,4
-
-
-
10,6
-
9,9 (?)
-
9,9
9 »
8,9 (?)
-
-
-
10,5
-
-
8,8
4,7
6,7
—
—
—
6.3
—
6,4
‘
5,5
18,0
1321
14,5
14,0
13,0
—
—
—
—
13,1
11,1
11,8
11,7
11,5
11,4
12,1
—
—
—
11,3
11,9
12,3
13,3
—
—
13,1
—
—
12,3
12,3
12,6
18,0
—
—
—
—
—
—
12,2
6,1
6,5
6,5
6,9
621
6,5
6,1
—
—
5,6
2,3
2,4
2,8
2,3
2,4
2,6
2,6
—
2,7
2,7
—
—
18,7
—
—
18,0
—
—
—
20,0
—
—
8,1
622
8,8
—
—
23
—
—
2,8
6,2
8.0
3,1
73
73
70
72
71
66
75
—
—
72,5
*) Trochocephalus. Hohe* Hinterhaupt, etwa« kante, stark Torspringende, grosse Nasenbeine; starke Spina nrut., etwas
ignather Oberkiefer. Sehr breites Palatum, 4,3 Cent, messend. — *) Trochoceph. Etwa« kurze«, hohes Hinterhaupt. Nase
Jt. — 10) Breiter DolichocephaJu*. Stark vonprmgrndes Hinterhaupt. — n) Trochocephalus. Jung. — ia) Ausgeieich-
•lolichocephal. Starke Are. tuperciliarea. Platte Jochbogen. Starke Muskelansitze. — 1S) Sehr starke Schaltknochen in
- Lambdanaht und der hinteren Fontanelle. — **) Sut. front, persistena. Verbringendes Hinterhaupt. Schwach progna-
■r Oberkiefer. Vorspringende«, schwach dreieckige« Kinn.
Digitized by Google
86
Rud. Virchow,
Tabelle II.
Steinzoit.
Falster.
Nr. 17,306.
Skovsgaard.
Nr. 18,594.
Breiniuge* i
Mark. |
Nr. 4G30.
Naes.
Durchlaufende Nummer.
26.
27.
28.
29.
j 30.
31.
82.
Nummer des Katalogs.
i. ')
II. »)
ui.
•i
7»
*>
.0,
OröMter Horijontal-Cmfang de«
Schädels
62,7
54,7
63.0
48,8
65,0
60,6
51,4
Grösste Höhe de« Schädels . . .
14,5
14,8
14,6
14,3
14,8
13,7
14,6
Grösste Länge des Schädels . .
19,4
19,0
18,3
17,3
19,8
17,6
17,6
Sagittal-Umfang des Stirnbeins .
13.21
12.9»
13,21
12^1
13J|(?)
13,01
12,6\
Länge der Sutura sagitt
»vU
12^1«
13,0 L
12,0 g
>2.7 U
13,0 1;
SagitUl-Umfang der S'juama oc-
cipit
1*
IW >)
h
13, 3l *)
1 10
13, o)
1 kJ
11,4)
13,9' 6)
1 io
lO.ö)
; 12,21
Entfernung des Meat, aud. ext.
bis Nasenwurzel
12,0
11,4
u,i
10,2
10,9
10,6
1 10,9
Entfernung des Meat. aud. ext.
bis Kinn • • •
__
12,8
_
_
—
! _
Entfernung des For. magn. bis
Nasenwurzel «...
X
10,2
10,1
9,8
9,9
10.7
10,1
10,4
Entfernung de« For. mag. bis
Spina nasal»
8,9
9.2
9,3
9,4
0.9
9,0
Entfernung des For. magn. bis
Protub. occip. ........
7,1
6,0
6,4
5,5
6,6
4,5
Größte Breite des Schädels . . .
19,8
14,8
14,8
13,0 -
13,3
13,7
14.5
11,4
12,5
11,3
10,6
12,5 (?)
14,6
11,9
Mastoidal-DnrobmeMer
13.3
13,8
13,4 (?)
12,1
12,9
—
19,4
.Tugal-Durchme^s^ .......
12,9
13,0
V
13,7 (?)
—
—
Maxillar-Durchmesser
6,8
0,2
0,0 (?)
6,7
6,0
6,3
—
Breite der Nasenwurzel
2,3
2.0
2.9
2,0
2.4
2,0
2,4
Unterer Umfang des Unterkiefers
—
18
—
—
—
—
Mediane Höhe des Unterkiefers .
—
3,5
—
—
—
—
Höhe de* Kieferastes
—
7,5
—
—
—
—
Entfernung der Unterkieferwinkel
—
10,9
—
—
—
—
—
Gesichtswinkel
80 (?)
71 (V)
1
09 (?)
70 (?)
1
68
69
—
J) Doli« ho,-, Schmale Stirn, Srnost. coron. Uter. duj 1<». Superciliurraud och rüg gegen «lie Iuris, »upraorb. auf-
*:eigead. — *) Schalt hnochrn der hinteren Fontanelle. — s) Dolk'hoceph. Schriig nach innen aufsteigender Su pereil iarrnnd. —
4) üro'«er hinterer Ftwitanellknochen. — Ä) l)olichoc*ph. Weiblieh? Glattere Knochen. Ausgedehnte Hyperosto*if e\t. Sehr
breite NiMiivuRtl. Supereiliurrand mehr horizontal. — **) Scheinbar hrachyceph- Sehr steil and stark prognath. Wilde
Sujht. iSiurhiigri. Synust. »pbeuo - front« - purivtuli*. — *1 Grosser Dcfect auf deu» Scheitel. Grosses 0» fontirularv
post., starke DoÜcburcph. Starke Are. supercii. — h) Kintchhrtolich de* Fon t an eil kti «eben*. — * °) [Mithin ephal mit leich-
te Abplattung de* ilintcrhnuptes. Weiblich V — lü) Brachyceph. mit abgeplattetem Hinterhaupt.
Digitized by Google
Die ult nordischen Schädel zu Kopenhagen.
Tabelle IV.
87
Bronce- Alter.
Eisenalter I.
Eisenaltcr II.
Durchlao fende Nummer.
49. >)
60. »)
| 51. »)
52.
*)
: 53.
;
! 54. *)
55. t)
56. *)
Nummer de» Katalog».
Nr. 11,463.
Nr. 527.
Nr. 19683
Nr. 10257.
Grösster Horizontal • Um-
•
fang: des Schädels . . .
60
50
—
-
54<?)
53,8
51,6
52,5
Grösste Höhe des Schädels
13.5
—
—
14,3 (?)
13.9
—
11 (?)
13,8
Grösste Länge de» Schädel»
18,1
17,9
20,9
22,4
19,
19,3
18,9
18,7
Sagittal-Umfang des Stirn-
Leins .........
12,0,
12,1,
• 12,5 (?)
13.0
IM
»|
12,8,
12,6,
Länge der Sutura sagitt.
Mg
12,3 »
13,5
15,2
Ä.
13,4
s
13 1-
12,6 g
13^1 «
Sagittal- Umfan gd. Squama
V
'o
€
°
ß
ß
occipit
Entfernung des Ment. aud.
11,1 <
11,0»
14,2
12,8
13l
11,2'
12,5*
ext. bis Nasenwurzel
io,r,
9,7
—
IM
11,0
10.8
11,3
10,2
Entfernung des Mcat. aud.
ext. bis Kinn
—
12,3
—
—
11,8
—
—
12,1
Entfernung des For. magn.
.
bi» Nasenwurzel ....
10,6
—
—
—
10,8
—
_
9,2
Entfernung des For. magn.
9,8
8.5
Entfernung des For. magn.
bis Protnb. occip. . • •
6,3
6,1
—
6,9
6,4
6,1
6,3
7,1
Grösste Breite des Schädels
12,6
12,6
—
12,3 (?)
13,3
14,0
12,7
13,6
Temporal-Durchmesscr .
—
—
—
—
—
12,0
12,2
11,1
Mastoidal-Durchmesser . .
12,6
—
—
—
14,6
—
12,6
12,5
Jugab Durchmesser . . . .
—
—
—
—
—
—
13.6
Maxillar-Durchmesser . .
—
5,4
—
—
6,8
«,3
6,8
5,7
Breite der Nasenwurzel .
Unterer Umfang des Unter-
2,7
2,0
—
2,2
2,2
2,4
2,6
2,5
kiefers
—
—
—
—
19,2 (?)
—
21,6
18,0
Mediane Höhe des Unter-
kiefers
—
2,9
3,0
—
2,7
—
3,2
3,1
Höhe de« KieferaEtes . .
Entfernung der Unterkic-
5,6
6,5
—
7,1
—
7,0
—
fcrwinkel .
—
- i
—
—
—
10,2
8,5
Gesichtswinkel
71,6
66
—
71
1
69
63
69 j
73
l) Senil. Weiblich? Dalichocephaltu ohne Tuber* {'.inet, and mit hohem Pinna tu »esnicirr. Syuoit. »phrno-fronti?*
j uriet. Zahnlos, ohne Alveolarforlsätzc. — -) Weiblich. Dolichoceph. mit stark rorspringcnilem Hinterhaupt, sehr flacher
'ilabella und stark vorsprinecuder langer Kaie. Stark abgenutzte und dciecte Zähne. — Jl IkdichooophnJua. Sehr dünne
Knochen. — 4) Kolossale l'rolub. occip. und Crista trnnsv. Posthume Verdrückung de» Hinterhauptes nach rechts. Sehr
hohe Linear icmicirc. — Sehr starkes Hinterhaupt, starke Protub. occip. und Are. »aprocil. Arthritis deform, proe. con-
dyl. occip. — "l Starkknochiger l>olichoceph. mit leichten Verletzungen am Stirnbein. — 7) Sehr schmaler Dolichoceph.
(Lepto-scaphoceph.) mit vollständiger Synostose der unteren Corou. uml beginnender der Sagitt. und Lombd. Linea« semic. bis
auf 0,5 genähert. Sehr grosse, prognathe, zum Theil synostotische Nasenbeine. Stark vertretendes Kinn mit leicht drei-
eckigem Ansatz. — ®) Dolichoceph. mit starkem, breitem Hinterhaupt und leicht prcgnalhem Oberkiefer.
Digitized by Google
88
Rud. Virchow
Tabelle V.
Lappen.
Racenschädel.
Anatomisches Museum.
Phyiiol. Mus.
Durchlaufende Nummer.
67.
68.
59.
60.
61.
62.
Nummer des Katalog«.
A B « 16 >)
A B a 17 s)
A 8 • 18 >)
*)
i>
Grösster Horizontal * Um*
fang defl .Schädels . . .
51,5
57,6
50,5
60,3
62,5
49,8
Grösste Höhe de« Schädels
13,1
14,5
12,6
13,1
13,0
13,5
Grösste Länge des Schädel«
Sagittal-Umfang des Stirn-
18,1
183
173
17,2
17,5
11,6,
16,5
hei
12,0,
14,0
12,6,
11,4|
11,1 1
Länge der Sutura sagitt. .
Sagittal-Umfang d. Squama
»v|jg
10, 6^
41,1
<3.
"SS
10,8| co
r
12,2 1 u
|CJ
12,0 g
13,1 1 CB
l*
occip
Entfernung des Meat. aud.
134'
11,0'
11, (P
11, 4*
10,8
u,*l
ext. bis Nasenwurzel . .
10,8
n,i
10,7
10,5
9,8
Entfernung des Meat. aud.
ext. bis Kinn . • • * .
—
13.2
—
—
133
113
Entfernung desFor. raagn.
bi« Nasenwurzel ....
10,2
93
9,9
10,0
103
9,6
Entfernung des For. magn.
bis Spina na«. .....
Entfernung des For. magn.
8,8
9,1
9,4
9,7
53
9,1
bi« Protub. occip. . . .
6,9
6,5
53
5,6
4,4
( 14,3
17,3
14,5
14,5
14,8
14,2
Grösste Breitu de« Schädels
1 (12,0)
(16,5)
(13,9)
(13,7)
(183)
(18,4)
Temporal-Durchmesser . .
11,5
14,9
11,4
12,0
123
11,6
Mastoidal-Durchmetser . .
12,9
15,4
12,5
13,3
13,8
13,2
Jugal- Durchmesser ....
—
153
—
133
14,5
13,1
Maxillar-DurchmesBer . . .
6,2
6,8
6,5
6,1
7,1
6,4
Breite der Nasenwurzel . .
Unterer Umfang des Unter-
3,1
3,1
2,4
2,4
23
2,5
kiefern
—
18,5
—
—
19,4
173
Mediane Höhe des Unter-
kiefern
—
2.7
—
—
23
2,9
Höhe des Kieferastes . . .
Entfernung der Uuterkie-
—
6,9
—
—
73
53
ferwinkel
—
10,6
—
—
103
93
Gesichtswinkel
74
73
73
69
65
70
*) Von Pnjol« bei Kcugis in Tonn?ii-Lj»pin»rk. Synostos. sagitt. rofniin et posterior. — *) Hydroccphalus? Von J «tcr
telauds-Lapinark. Sutur» front, persist. ; Synostosi* eoronarin lat. dupl. eoiupl. ; «igitt, post. inootnpl. Omui interc. Ismld. —
s) Weiblich? Synost. coron. lateralis dupl. incompl. — *) lleidaifrches Grub lei KlUboigcn in Haewoby-Sogu in Oatfinnwrkrr.
Synoatosis oorou. dupl. lateralis. Os intercai&re lumbd. dextr. Exostosia divi Blumenb. Vom Jahre 18&3. — *J Fionkscln
Matrose, in Kofienhugcn gestorben. Starke Glabella, prognathcr Oberkiefer mit stark übergreifeoden Zähnen , rundlich ror-
springendes Kino. Vom Jahre 1869, — *) Weiblich? Aus Christisaia. Synost. coron. lal. comp]., media incip.
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
Tabelle V.
8!)
7) Stark« ülabella; Verlängerung der Are. superci). unter Bildung eine» Koran», supraorbital. Synost. cor. lat. comjd.;
bedeutende Vergröeserubg de# Plan. srmictrc. bk auf eine Entfernung von 7 ,8 Cent. — *) Weiblich r Starker PrognathUm.
leider Kieler mit hinter einander »teilenden Zahnen; vorstehende» Kim», Plan. aemlc. bi» auf 7,8 genähert. — *) Weiblich ?
Sehr starker r*'ogaathistn. leider Kiefer mit gegen einander steheudeu Zähnen; Plan, »etnicirr. bis auf 7.5 genähert —
w) Scnphoccjdutlns ; Plan, »emicitc. bi» auf 7,3 genähert , dicTubera parktalia überschreitend. — 1 *) Beginnende Synost. coroit.
lateral.; I*lan. »emicirt. bi» auf 7 genähert, das Tuber, überschreitend. — - 7 * * * * I2 13) Vom Jahre 1839- Linea« semicirc. bis auf
13 Cent, einander genähert , die Tubera kreuzend. — *■) Au» Wasa Lehn. Ossa intercalaria »ul. lamlxL und »ijnnmos.u-,
benonder» linka. Liueae »emkirc. 13,5 Cent, von einander entfernt. Vom Prof, llmoni in Helsingfor» geschenkt. — 14) Sehr
«tnrke Protub. und Crista. oecip; »ehr glatte Plana »emkirc. bi* auf 13,5 genähert; starke Art. »upcrciliare*. Vom Pmf.
Bonsdorf 1843 geschenkt.
12
Digitized by Google
90
Ttud. Vircliow
Tabelle VT.
Mitte! filr die Schädel der
.Steinzeit nach den ein-
7 einen Fundorten.
Grösster Horizontal - Om-
fing de« Scb&deU . . .
Grösste Höhe des Schädels
Grösste Länge de« Schädels
Sagittal-U mi'ang de® Stirn*
beim*
Länge der Saturn sagitt.
Sagittnl- Umfan g d.Sqnonta
occip. ........
Entfernung des MeaL and.
ext. bis Nasenwurzel .
Entfernung des Meai. and.
ext. bis Kinn
Entfernung deaFnr.magn.
bis Nasenwurzel . . .
Entfernung desFor. magn.
bis Spin« nas
Entfernung des For. magu.
bis Frotnb. occip. . . ♦
Grösste Breite des Schädels
Teraportd-Durcbmeseer
Mastoidal 'Durchmesser .
JugnlrDurchmesser . . .
Maxillar-lfurihmesser . .
Breite der Nasenwurzel .
Unterer Umfang de« Unter-
kiefers
Mediane Höhe de» Unter-
kiefers
Höhe des Kioferaute» . .
Entfernung der Unterkie-
ferwinkel
Seeland.
Falster.
Müen.
Langu-
la nd.
I
-o
o
ck
Ä
£
©
75
o
5j .
.5 m
3 s-
• 5 J5
S Ä
!•:
23
*r
£
T3
Ö
«T
6
i
tw
rr
Sj
r
3
i
u
i
Üh
622)
19,3
33.1
48,8
62.3
51,9
51,6
51,0
54,0
14,1
18,2
14,6
14,3
14,3
13.9
13.6
—
14.2
13.6
19,1
17,8
18,9
17,3
K3
17,9
17,9
18,1
19,2
19,5
13,1t
12.0
18,1 1
12,8 i
12,9»
13.2.
13,4
12,4*
1321
19,4
<?
TJ
n-r>U
13,4 lg
«•° s
ivl7
iv| -
r.
12,2 1 ,
12.nl
I
13.6 »
• -
j
13’*b
12,(K
11. oJ
12,6'
11*4'
124!*
io*oi
11,2]
_)
11,5*
12,2.!
10,6
1CM>
11,5
10,2
10,8
10,1
9,8
10,7
10,9
10,3
12,2
12,7
12.3
-
-
18,6
13,0
-
18.6
—
10,2
9,9
UM)
9.9
10,1
9,9
9,7
—
10,6
9,9
9.3
»fi
9,1
",l
9,7
10,0
94>
-
10,5
-
ö."
5,5
«•8
7,7
V
5,1
5,7
6.3
6.4
14,3
13,1
11,*
13,6
18,8
14,0
13,6
13,0
—
—
12,0
112!
11,8
10,6
12,0
11,0
11.5
11,1
12.1
—
13^
12.3
13,4
12,1
KU
12,4
12,5
—
18,1
—
133
122!
12,9
13,7
—
13,5 j
12,6
—
—
—
6,7
6,6
'■•,2
9,7 j
6,1
6,0 1
6,1
6,2
63
—
2,5
2,7
2 1
•2,0
2,1
2,5
2,5
2.1
2.1;
2,7
19,3
20,0
18,0
-
-
137
-
18,0
-
3,3
2,8
—
—
3.1
3,1
!
2,8
‘■ß
6,2
Ifi
—
—
5,7
6,3
-
-
-
10,5
8,0
10,9
-
-
8,8
-
9,1
-
*) Dis kindlichen und jugendlichen Schädel Nr, 6, 11 und 19 sind nicht mitgererhnet- — *) Die Schädel Nr. 35,
36 and 37 find Dicht niitgrrrrhnrt. — 3) Der Schädel Nr. 4*2 ixt »djmt ICrchnung geblieben.
Digitized by Google
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
Tabelle VIL
91
Mittel für die Schädel
Stein-
Bronce*
Eise ii-
Eisen*
Lappen
der einzelnen Perioden
und Racen.
zeit-
alter.
zeit-
alter.
zeit-
alter I.
zeit-
alter II.
ohne
Nr. 58.
mit
Nr. 58.
länder.
Finnen.
Grösster Horizontal - Um-
fang des Schädels . • .
52,2
60.0
63,9
62,0
50,9
62,0
52,0
53,5
Grösste Hohe des Schädels
14,1
13,6
14,1
13,6
18,0
13,S
18,7
13,4
Grösste Länge de« Schädels
18,1
18,9
20.3
18,8
17,8
17,5
18,5
18,3
Sagittal-Umfang des Stirn*
beins * .
Länge der Sutura sagitt. .
13,1 1
12,2
13,1
18,8
$
12,7
12,9
CO
--1
11,7.
g
si.
12,7
12,äU
13,4,
12,7 U
Sagitial-Urafangd.Squaina
occip
Entfernung des Meat. aud.
cxt. bis Nasenwurzel .
11,9'
10,6
p»
11, oj
10,1
13,3
1U
11,8
10,'
11, ll
10,5
J-
10,6
i*°
12, oj
10,6
( OJ
11,5)
10,6
Entfernung des Meat. aud.
ext. bis Kinn * ... *
13,2
12,3
11,8
12,1
12,2
12,6
12^
13,3
Entfernung des For. magn.
bis Nasenwurzel . ♦ . .
10,1
10,6
10,8
9,2
10,0
9,8
10,1
10,3
Entfernung des For. magn.
bis Spina nas. .....
9.«
9,8
10,4
8,5
9,3
9,2
9,5
9,3
Entfernung des For. magn.
bis Protub. occip. . . .
5,8
5,2
6,4
6,2
5,3
6,3
6,0
6,0
Grösste Breite des Schädels
{ 14,0
12,6
13,3
18,0
14,4
(13,5)
14,9
(14,9)
13,3
(12,0)
14,7
(13,6)
Tcraporal-Hurchmewer .
11,7
—
12,0
11,6
11,8
12,3
IM
12,6
M&stoidal-Durchmea&er
13,0
12,6
14,6
12,5
13,1
13,5
12,8
12,9
Jugal-Lurchmesser . . .
12,7
—
13,6
13,6
14.0
13,8
14,0
Maxillar-Dnrchmesser . .
6,6
6,4
G,6
6,2
6,3
6,7
6,2
Breite der Nasenwurzel .
2,0
2,3
2,2
2,6
2,6
2,7
2,0
2,6
Unterer Umfang des Unter-
kiefers
19,1
19,2
19,8
18,4
18,4
20,2
18,1
Mediane Höhe des Unter-
kiefers
3,2
2,9
2,7
3,1
2,9
2,8
3,6
3,1
Höhe des Kieferastes . .
5,9
6,0
7,1
7,0
6,3
6,5
6,0
7,0
Entfernung der Unter*
kieferwinkel
10,1
-
. -
9,3
9,9
10,1
10,2
9,6
12*
Digitized by Google
Digitized by Google
V.
Ueber die Eingeborenen Costaricas.
Von
Dr. Alexander von Frantzius.
Die alte spanische Provinz Costarica hatte stets das herbe Schicksal zu erdulden, von
der spanischen Krone als einer der vferthlosesten Theile des ihr durch <!ie Entdeckung der
neuen Welt zugefallenen grossen Reiches betrachtet und demgemäss behandelt zu werden.
Obgleich schon im Jahre 1502 von Columbus entdeckt, fand sich erst im Jahre 1570 ein
Coni)uistador zweiten Ranges, der dieselbe eroberte. Diese Eroberung war jedoch keine voll-
ständige, denn nach einem höchst beschwerlichen Streifzug durch den südöstlichen Theil, wo
man vergeblich grosse Goldschätze zu finden hoffte, setzten die Spanier sich im heutigen
Cartago fest, gaben sich aber niemals grosse Mühe, den übrigen Theil des Landes zu erobern.
Auf diese Weise ist Costarica selbst bis zur Unabhängigkeitserklärung (1821) weder durch
Waffengewalt, noch durch die Bemühungen der Missionäre in seinem ganzen Umfange wirk-
lich erobert worden.
Da der im Besitz der eingeborenen Bevölkerung angetroftene Goldschmuck nicht von
solchem Werthe gewesen war, dass er die Habsucht der Eroberer gereizt hätte, so hielt man
sich an die Arbeitskraft der Eingeborenen. Schon von Panama und Nicaragua aus hatte man
früher, um dem immer mehr fühlbar werdenden Mangel an Arbeitskräften abznhelfen, plan-
mäßige Jagdzüge gegen die Indianerstäinme von Costarica unternommen; nach der sogenann-
ten Eroberung aber wurde dieses Vertilgungswerk der Eingeborenen sogar von dem Clerus
fortgesetzt, indem die Indianer, welche im Bereiche der Convente wohnten, rücksichtslos zu
Sklavendiensten verwendet wurden und den ihnen von den Missionären auferlegten über-
mässigen Frolindienston erlagen.
Ein grosser Theil Costaricas, der ursprünglich von einer äuaserst dichten Bevölkerung
bewohnt war, ist dadurch vollständig menschenleer geworden und daher findet man heute
ineileu weite Strecken dichtbewaldeter Ebenen und Gebirge, die jetzt kein menschlicher Fuss
mehr betritt- Nur an wenigen Theilen haben sich noch Reste der Urbevölkerung erhalten,
Digitized by Google
94
Dr. Alexander von Frantzius,
die, obgleich an Zahl gering, doch ihre alten Eigentümlichkeiten bis heutigen Tages beibehal-
ten haben; unter diesen findet sich sogar ein kleiner Stamm, die sogenannten Guatusos, der
in absolutester Abgeschlossenheit lebend , nur durch unzugängliche Gebirge und Sümpfe ge-
schützt, bis heutigen Tages sich seine völlige Unabhängigkeit erhalten hat.
Obgleich die Schilderungen der Zustände der Eingeborenen Costaricas zur Zeit der Ent-
deckung des neuen Continents nur spärlich sind, so zeigen dieselben dennoch eine grosse
Uebereinstimmung mit den Zuständen, wie sie heute bei den noch vorhandenen Resten der
Indianerbevölkerung angetroffen werden. Berücksichtigen wir ausser diesen historischen Mitthei-
lungen auch noch die bis jetzt in C'ostarica gesammelten Alterthümer ') , so kommen wir zu
dem bisher wenig oder gar nicht beachteten Resultat, dass das heutige Rio Grande-Thal,
welches gegenwärtig der Sitz der civilisirten Bevölkerung des Landes und zugleich der ein-
zig gut cultivirte Theil desselben ist, ehemals ein in ethnologischer Beziehung sehr wichtiges
Gebiet bildete, indem sich hier die Grenzen dreier ihrer Gesittung und Abkunft nach sehr
verschiedener Stämme berührten. Diese Stämme waren die Chorotegas und zwei andere,
den Cucvas und den Chontales verwandte Stämme.
1. Die Cuevastämmc.
Da die Spanier nach Entdeckung des Festlandes (tierra firme) zuerst mit den Cueva-
indianern in nähere Berührung kamen, so fehlt es uns nicht an genauen Schilderungen die-
ses Stammes, von denen die von Oviedo, Andangoya, Navarette und aus späterer Zeit
die von Lionel Wafer die wichtigsten sind. Da die meisten dieser Werke aber schwer zu-
gänglich sind und wir eine meisterhafte Zusammenstellung derselben in der Geschichte des
Zeitalters der Entdeckungen von O. Peschei (S. 453 u. flgde.) besitzen, wodurch uns ein vor-
treffliches Gesammtbild über den Culturzustand jenes Stammes gegeben ist, so verweise ich
den Leser auf dieses höchst anziehende Werk.
Obgleich man annimmt, dass die Cuevas, die zur Zeit der Entdeckung zu beiden Seiten
des Isthmus von Darien wohnten, auf der Südseite der Cordillore von Verugua nach Westen
hin sich nur bis G'hame ausbreiteten ’), welcher Ort als westliche Grenze angegeben wird , bis
zu welchem der der Cuevasprache ähnliche Coihadialect gesprochen wurde, so glaube ich,
dass diese Grenze noch viel weiter nach Westen und zwar bis zum Golf von Niooya ausge-
dehnt werden muss. Auf diese Vermuthung führten mich zuerst eine Anzahl in C'ostarica
vorhandener indianischer Ortsnamen und andere im Volke gebräuchliche, der Cuevasprache
angehörender Namen von Bäumen und Pflanzen. Als solche erwähne ich: Ti bä (Häuptling),
ein Ort nahe bei Heredia, Parita, Grenzfluss zwischen dem Dota- und Candelariagebirge, Cu-
riogre bei Pacaca und Buriogre bei Cartago; die Endung ogre kommt häufig im C'uevagebiete
■) Meinem Freunde, dem norddeutschen Consul Fr. J.ahmann au« Bremen, gebührt dai grosse Verdienst,
dass er zuerst die indianischen Alterthümer Costaricas plan massig zu Bammeln begann, während dieselben
ehemals als Curiositaten in die verschiedensten Hände kamen und so verschleudert oder gar vernichtet wur-
den. Dar Stadium dieser Sammlung in den Händen eines sachverständigen Ethnologen lässt uns gewiss einst*
mal« »ehr wichtige Aufschlüsse erwarten.
*) S. Peschei a. a. 0. S. 502.
Digitized by Google
95
Ueber die Eingeborenen Costaricas.
vor; Pacaca und Paquita (Paco, der Leibeigene); Quepo, ein Vorgebirge, Quibel, ein Neben-
Üussclien des Rio Grande de Piris; ferner als Baumnamen: Espavef (Herrin) und Yra (Frau).
Auch Oviedo1) giebt schon an, dass die Bewohner der im Golf von Nieoya gelegenen
Insel Cbara, die heute unter dem Namen San Lucas bekannt ist , die Cuevasprache verstän-
den (entienden algo con la de Cueva). Als eine besondere Eigenthümlichkeit der Cueva-
indianer wird ferner von mehreren Schriftstellern auf die ungewöhnliche Dicke der Schädel-
wandungen aufmerksam gemacht Ein costaricanischer Goldsacher, der viele der nördlich
von Terraba bei Hato viejo befindlichen Indianergräber untersucht hatte, theilte mir gelegent-
lich seine Verwunderung über die auffallend dicken Schädel mit, die er in einigen jener
Gräber gefunden hatte. Auch die ebendaselbst und an mehreren anderen Orten in Costa-
rica gefundenen Goldarbeiten, die ich im Laufe meines Aufenthalts daselbst zu sehen Ge-
legenheit hatte, zeigten dieselben Formen wie die bei Chiriqui gefundenen, welche ohne Zwei-
fel ebenfalls von den alten Cuevaindianem herrührcn. Hauptsächlich bestanden dieselben
in runden Platten von dünnem Goldblech, sowie in Figuren von der Gestalt von Adlern,
Fröschen oder Monschen. Viele dieser Goldsachen sind stark mit Kupfer legirt und scheinen
in Formen gegossen zu sein. Die Legirung ist aber der Art, dass sie von den heutigen Gold-
schmieden sehr geschätzt wird, weshalb der grösste Theil dieser alten Goldarbeiten von den
Findern an die Goldschmiede verkauft, von diesen verarbeitet wird und so für immer der
Wissenschaft verloren geht.
Besondere Ueberlieferungen und Schilderungen der auf diesem Gebiete von Costarica
zwischen dem Barrancaflusse und dem Golfo dulce ehemals lebenden Indianer fehlen uns lei-
der1). Nur Juarros1) erwähnt, dass der Missionär Juan Pizarro im Jahre 1568 von den
„Cottoe und Queppanos“ ermordet wurde, welche offenbar die Bewohner des ehemaligen öfters
erwähnten Ortes Quepos sind, in dessen Nähe auch heute noch ein Flüsschen den Namen
Rio Coto führt
Als Beweis, wie dicht die Bevölkerung zur Zeit der Ankunft der Spanier auf diesem
Gebiete war, dienen die zahlreichen indianischen Gräber (huacas), sowie die Stein- und Thon-
geräthe, die in der Ebene von Pirris und Parita, bei Quopos, Terraba und Hato viejo*) heute
noch gefunden* werden, sowie die zahlreichen ebendaselbst noch vorhandenen Reste alter
Cocaoanpfianzungan. Von dieser ehemals so zahlreichen und dichten Bevölkerung, deren
Ortschaften einst Tausende von Bewohnern batten und von denen die meisten jetzt gänzlich
verschwunden sind, hat sich nur in Pacaca, Tavarcia sowie in Boruca5) ein kleiner Ueberrest
erhalten, deren Gcsammtzahl heute kaum die Zahl 1500 erreicht
Die heutigen Pacaca- und Borucaindianer unterscheiden sich von den benachbarten Stäm-
') Oviedo, Ed. Madrid 1866. Tome III, p. 108.
*) Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich in einem Menuscript, welches mir bis jetzt noch nicht zugäng-
lich geworden ist, manche diesen Stamm betreffende Mittheilungen finden werden. Unter den verschiedenen
Manuacripten , welche der um die Kcnntniss Nicaraguas wohlverdisnlo amerikanische Ethnologe Squier zu
veröffentlichen beabsichtigte, finde ich auch den viel versprechenden Titel: Ausführliche Erzählung, Brief an
den König über die Erfolge von Juan Yasqucz in den Provinzen Neu-Cartago und Coetarica bei der Ent-
deckung und Unterwerfung derselben; vom Jahre 1562.
*) 1). Juarros Compendio de la hjstoria de la Ciudad de Guatemala. Guatemala 1857. T. II, p. 201.
*J Siebe Petermann'a Geogr. Mittheilungen. 1869. S. 323 u. figde.
: , Die Bewohner von Terraba gehören einem andern Stamme an; siehe weiter unten.
Digitized by Google
96
Dr. Alexander von Frantzius,
men durch die geringe Grösse, breite, untersetzte Statur, dunklere Hautfarbe, durch breite
Gesichter mit niedriger Stirn, hervorstehenden Backenknochen und breitem Munde. Hie Bo-
rucaindianer bedienen sich noch ihrer alten Sprache, deren genaueres Studium gewiss den
besten Aufschluss Uber ihre ethnologische Verwandtschaft geben würde.
2. Die Chorotegas,
Auch Uber die Zustände der Chorotegas, wie sio zur Zeit der Ankunft der Spanier
(1522) angetroffen wurden, fehlt es uns nicht an genauen Schilderungen, unter denen ich
namentlich die von Oviedo hervorhebe, der einige Jahre unter ihnen lebte und Gelegenheit
hatte, die Cultur dieses hochgebildeten Stammes durch eigene Anschauung kennen zu lernen.
Bekanntlich befinden sich die Wohnsitze der Chorotegas auf dem schmalen Landstreifen
zwischen der Lagune von Nicaragua und dem Stillen Ocean; nördlich dehnten sie sich noch
etwas weiter bis zur Fonsecabai aus , im Stiden aber bis Guanacaste und bis zur Halbinsel
Nicoya, hier wohnten die Indianer dieses Stammes rings um den Golf dieses Namens und
auf den in demselben gelegenen Inseln.
Das so begrenzte Gebiet war indessen nicht ausschliesslich von Chorotegas bewohnt,
denn schon im zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung waren aus Mexico ausgewauderte
Stämme toltekischer Abkunft bis dahin vorgedrungen , hatten sich zwischen den Chorotegas
niedergelassen, ihre eigene Cultur und Sprache aber beibobalten, und viele ihrer Gebräuche den
Chorotegen aufgedrungen. Auf dem bezoichneten Gebiete finden sich daher sowohl chorote-
gisclie als auch mexicanische Ortsnamen. Dem grossen Kenner der mexicaniscbcn Sprachen,
Prof. Buschmann, gebührt das Verdienst, zuerst auf die Verschiedenheit zwischen der Cho-
rotegasspracho und dem Mexicanischen aufmerksam gemacht zu haben. Was die Sitten und
Gebräuche betriflt , sowie die gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen , so ist es zu-
weilen sehr schwer, zu entscheiden, was ihnen ursprünglich eigenthümlich war.
In kaum glaublich kurzer Zeit wurde auch hier einer der bestbevölkerten Landstriche
Amerikas durch die kurzsichtige Grausamkeit der Spanier in dem Maasse seiner Bewohner
beraubt, dass man sich schon früh genöthigt sah, Negersklaven einzuführen. Die vielen ge-
rechten Anklagen des muthigeu und von uneigennütziger Menschenliebe beseelten .Mönches
Las Casas beziehen sich meistens auf die von den Spaniern in Nicaragua verübten Schand-
thaten und wurden durch die zahlreichen Grausamkeiten angeregt, von denen er während sei-
nes Aufenthalts in diesem Lande nur zu oft Augenzeuge sein musste. Auch in Costarica wurden
nach Vertilgung der Chorotegas in Guanacaste und Nicoya als Ersatz einige Negersklaven
eingeführt, weshalb man in Nicoya und mehr noch in Guanaohste jetzt noch statt der ein-
stigen Chorotegas eine Zamborace ’) findet, der man die Pflege der zahlreichen daselbst be-
findlichen Viehhncienden nicht gerade zum Gedeihen derselben anvertraut hat.
Meine Nachforschungen, ob sich in Nicoya gegenwärtig noch unter der äusserst dünnen
'} Sie sind in den Hauptstädten , im Innern des Landet, als Virtuosen auf einem afrikanischen Instrumente
bekannt, welches Marimba genannt wird und welches man oft irrtbümlich als «len amerikanischen Indianern
eigenthümlich gehalten hat. Livingstone fand dieses Instrument jedoch im Innern Süd • Afrikas bei den Ba-
iomlanegera. S. dessen Reise Cap. XIV. (Mission Travels p. 203.)
Digitized by Google
97
Ueber die Eingeborenen Costaricas,
Indianerbevölkerung die Chorotegensprache erhalten habe, hatten leider keinen Erfolg. Da-
gegen gelang es mir, eine Anzahl chorotegiseher Ortsnamen aus jenen Gegenden zu sam-
meln, die einen Theil der von mir gesammelten indianischen Ortsnamen aus dem ganzen
Bereiche der heutigen Republik bilden. In Guanacaste finden sich nur die Namen: Chiringa,
Orori, Orotina, Cnribici, Curubandd, Chorotega am Miravallesvulkan und vielleicht Tilaran.
Zahlreicher sind sie jedoch in Nicoya; hier fand ich folgende Namen: Nicoya, Morote, Ma-
tina, Rejundores, Matambü, Curime, Nantiüme, Mararomd, Diriä, Talolinga, Chira, Tiringote,
Nandayures, Canjel, Nosarä, Cuiriman, Cuiriyal, Samarä, Musimilldma, Cautren, Chorote, und
vielleicht auch die Inselnamen: Caches, Chara, Yrca, Yrco. Charakteristisch für die Choro-
tegenworte ist das häufige Vorkommen des Buchstaben r, der in der mexicanischen Sprache
gänzlich fehlt.
Ich zweifle nicht, das» in Nicaragua, wo die Zahl der Indianer weit grösser Ist als in
Nicoya und Guanacaste, sich noch einige Chorotegendörfer finden, deren Bewohner ihre alte
Sprache erhalten haben. Es wäre daher sehr verdienstlich , wenn Reisende, mit den nöthi-
gen Sprachkenntnissen ausgerüstet, die Ueberreste dieser Sprache sammeln würden , ehe die-
selben gänzlich verschwinden, da unsere Kenntnisse derselben sonst bloss auf Ortsnamen und
ein dürftiges Verzeichnis» einiger Worte beschränkt bleiben dürften.
Entsprechend der hohen Cultur der Chorotegen, durch welche die ersten Spanier in
Staunen versetzt wurden, zeichnen sich auch die Alterthümer, welche von diesem Volke her-
rühren, durch einen seltenen Grad von Kunstfertigkeit aus. Nirgends findet man daher in
Costarica so fein gearbeitete Steinarbeiten, als im Bereich der ehemaligen Chorotegenbevölke-
rung. Vor allem sind es die zum Maismahlen gebräuchlichen Mahlsteine aus jener Gegend,
die sogar jetzt noch sehr geschätzt werden. Man hat an einigen Stellen von Nicoya so
vielo derselben gefunden, dass die Besitzer sie planmässig ausgruben, um sie zu verkaufen.
Bei wohlhabenden Familien findet man daher heute noch hin und wieder derartige ausge-
grabene Steine im Gebrauch. Dieselben zeichnen sich durch bedeutendere Grösse, höhere
Fiisse und einen mit eigenthümlichen Verzierungen versehenen Rand aus; andere sind da-
gegen bedeutend kleiner als die heute gebräuchlichen und stellen ein vierfussiges Thier dar.
Vom an der Platte befindet sich ein Kopf; der Schwanz des Thieres bildet eine Schlinge
und dient zugleich ab Handhabe. Diese Steine haben ringsum einen hervorragenden Rand
und demgemäss ist auch die sogenannte Hand (mano), mit welcher die Maiskörner zerquetscht
werden, nicht wie bei den heute gebräuchlichen Steinen von walzenförmiger Gestalt, sondern
von der Form eines Steigbügels. Wahrscheinlich dienten diese kleinen zierlichen Steine
zum Cacaomahlen oder zum Zerkleinern der bei ihnen gebräuchlicnen Gewürze oder anderer
feiner Speisen.
Die zum Maismahlen dienenden Steine sind in ethnologischer Beziehung von ganz be-
sonderer Wichtigkeit , denn sie gehören zu den unvergänglichsten Beweisen für die einst-
malige Anwesenheit deijenigen Stämme, bei denen die Zubereitung des Mais zu Tortillas
mittelst der Mahlsteine Sitte war. Nicht alle Völker nämlich, deren Hauptnahrungsmittel
der Mais war, bereiteten ihn in dioser Weise zu. Die Zubereitung der Speisen gehört aber
zu denjenigen Gebräuchen, an welcho die verschiedensten Völker stets mit einer merkwürdi-
gen Zähigkeit festgehaltcn haben.
Archiv für Anthropologie, Ed. IV, Heft I. 18
Digitized by Google
98
Dr. Alexander von Frantzius,
In Bezug auf den Kunstgeschmack, der sieh in den iin Chorotegengebieto gefundenen
Sleinarbeiten ausspricht, wird es die Aufgabe späterer Ethnologen sein, die mexicanische
Beimischung und den Einfluss der rnexieanischen Cultur, die sich in vielen derselben nicht
verkennen lässt, auszuscheiden. Diese Aufgabe wird aber dadurch, dass wir das Alter der
bekannten, von Squier in Nicaragua, im eigentlichen Chorotegengebiete, aufgefundenen ko-
lossalen Steinfiguren noch nicht kennen und noch nicht wissen , in welchem Verhältnis» die
Verfertiger derselben zu den Chorotegen standen, ganz besonders schwierig. Zur Lösung
dieser Aufgabe bedarf es gewiss weit ausgedehnterer Studien und eines weit vollständigeren
Materials, als das bis jetzt vorliegende.
In Costarica hat man keine Statuen von ähnlicher Grösse und Vollkommenheit wie in
Nicaragua gefunden. Nur auf der Halbinsel von Nicoya bei Lepanto1) fand man vor einigen
Jahren ein steinernes Götzenbild, dessen Abbildung (Fig. 9) beifolgt und welches grösser und
sorgfältiger gearbeitet ist, als diejenigen, die in grosser Anzahl an anderen Stellen Costaricaa
gefunden werden. Diese Steinfigur befindet sich gegenwärtig in der archäologischen Samm-
Fig. 9
') Ucber eine andere bei Tarielb* gefundene Steine siehe weiter anten S. 103.
Digitized by Google
99
lieber die Eingeborenen Costaricas.
lung su Mainz. Obgleich sie ziemlich roh gearbeitet ist, so zeigt das Gesicht so charakteri-
stische Züge, dass mau an einer gewissen Portraitähnlichkeit wohl nicht zweifeln kann.
Für die höhere Bildung und für einen gewissen Sinn für Luxus spricht auch das häufige
Vorkommen des bei den Mexicanern so hoch geschätzten Cbalchihuitl (Amazonenstein in
Südamerika, Punarnü in Neu-Seeland, Jade im Orient, Nephrit und Saussirit der Mineralogen).
Diese Steine, welche man bis jetzt nur in Guanacastc und Nicoya, nicht aber im übrigen Co-
starica gefunden hat, sind äuseerst sorgfältig bearbeitet und glänzend polirt; alle sind quer
durchbohrt, so dass sie, an einer Schnur hängend, als Halsschmuck getragen werden
konnten ’).
Die bei den Chorotegen gefundenen Thonwaaren wurden schon von Oviedo hoch ge-
priesen; derselbe versichert, „dass Fürsten über ein solches Geschenk nicht zu erröthen
brauchten.“ Die in Guanacaste und Nicoya gefundenen Thonwaaren, die ich zu sehen Ge-
legenheit hatte, zeichneten sich durch ihre zierlichen Formen sehr entschieden vor denjeni-
gen anderer Orte Costaricas aus. Die auf ihnen mit schwarzem und rothen Ocker (Curiol)
angebrachten Malereien haben sich ganz vortrefflich erhalten und scheinen fast eine Art
Hieroglyphenschrift zu bilden. Auch jetzt noch gelten die Nicoyaner für die geschicktesten
Verfertiger von Thonwaaren, obgleich Arbeiten wie die aus alten Zeiten von ihnen nicht
mehr hergestellt werden.
Goldarbeiten werden sicher bei einem Volke nicht gefehlt haben, welches eine so hohe
Stufe der Cultur erreicht hatte. Zufälliger Weise aber habe ich niemals Gelegenheit gehabt,
aus jener Gegend derartiges zu sehen ; wahrscheinlich wohl deshalb, weil die Spanier sorgfäl-
tig danach gesucht haben und Alles was sie fanden fortnahmen.
3. Die im Nordosten der Gebirgskette wohnenden Jagdvölker.
Während die zum Cuevastamme gehörenden Indianer schon einen gewissen Grad von
Bildung basassen, die C'horotegas aber auf einer verbältnissmässig hohen Bildungsstufe stan-
den, finden wir im übrigen Theile von Costarica, auf der nordöstlichen Abdachung der Ge-
birge, nur rohe Jagdvölker.
Schon W ap püus ä) macht auf die Verschiedenheit der Cultprstufe der an der Südsee
und der an der atlantischen Abdachung wohnenden Eingeborenen aufmerksam, eine Verschie-
denheit, die sich nicht nur auf Costarica beschränkt , sondern durch ganz Mittelamerika nach-
zuweisen ist. Wie ich in einer Arbeit*) über die klimatischen Verhältnisse gezeigt habe, ist
dieselbe durch die klimatischen Verhältnisse ihrer Wohnsitze bedingt, weshalb ihre Grenzen
mit der Wetterscheide zusammenfallen. Auf der Südwestaeite begünstigt die Regenzeit wäb-
•) Einige der von mir gesammelten bestehen aus einem hellgrünen Diabas, andere aus einem schönen
grünen Diorit and einige kleine Stücke von Olivenform aas bräunlichgrünem Quarr.
*) Handb. d. Geogr. n. Statistik. Rand I. 3. Abtheil. Leiprig 1662. S. 214.
*) Versuch einer wissenschaftlichen Begründung der klimatischen Verhältnisse Central-Amerikas. — Ko-,
ner’s Zeitscbr. d. Gesellsch. f. Erdkunde. Bd. 111. 1868. S. 316.
13*
Digitized by Google
10Ü
Dr. Alexander von Frantzius
rend der einen Hälfte des Jahres das Wachsthum [der Culturpflanzen ; während die trockene
und fast regenlose andere Hälfte eine sichere Ernte ermöglicht und die Reinigung und Zu-
bereitung des Bodens für die folgende Aussaat begünstigt. Auf der Kordseite befördern die
weit häufigeren, nur mit kurzen Unterbrechungen fallenden Regengüsse das Wachsthum der
Anpflanzungen zwar in noch höherem Grade, was sich in der weit grösseren Ueppigkeit der
ganzen Vegetation kund thut; indessen macht das Fehlen der Trockeuzeit die Ernte hier
fast unmöglich und ebenso gestattet es nicht, wie es auf der andern Seite üblich ist, das zur
Reinigung des Bodens nöthige Abbrennen de« verdorrten Unkrautes. Die Eingeborenen be-
schränken sich daher auf dieser Seite auf den Anbau einiger weniger Nahrungspflanzen, deren
Ertrag nicht an eine Trockenzeit gebunden ist, wie der Yame, des Maniot und des Arum
esculentum , zu denen später der jetzt so wichtige Pisang kam. Einen Hauptantheil ihrer
Nahrung bildet bei ihnen daher die Ausbeute der Jagd und Fischerei.
Wie alle Jagdvölker leben sie nicht in Städten, sondern ohne staatlichen Verband in
kleinen Dorfechaften, häufig in beständiger Fehde, und stets auf derselben Stufe der Bildung
verharrend. Die Schilderungen, welche die Spanier bei ihrem ersten Zusammentreffen mit
denselben entwarfen , passen daher auch noch auf die heutigen Zustände der jetzt freilich
an Kopfzahl nur noch sehr geringen Ueberreste derselben.
So wenig es den Spaniern jemals gelungen ist, die auf dem nordöstlichen Theil von
Mittelamerika wohnenden Stämme vollständig zu unterjochen, eben so wenig scheint dies vor
der Ankunft der Spanier den Mexicanern möglich gewesen zu sein, obgleich sie schon seit
Jahrhunderten sds Herren des Landes zwischen den hochgebildeten Chorotegas wohnten. Auch
hier haben die kriegerischen Erfolge der Spanier aufs glänzendste gezeigt, dass es weit leich-
ter ist, einen mächtigen Feind zu überwältigen, sobald es geglückt ist, seine Hauptmacht in
einem Treffen zu schlagen und sich in den Besitz seiner Hauptstädte zu setzen, als ein an
Zahl weit geringeres Gebirgsvolk zu unterjochen, welches sich bei der Verfolgung stets in
schwer zugängliche Waldgebirge zurückzieht, wo dem nachrückenden Feinde ein sicherer
Untergang droht.
Auch der friedliche Verkehr mit diesen unbesiegbaren Nachbaren scheint bei den Mexi-
cauern vor der Ankunft der Spanier nur höchst gering gewesen zu sein; denn sie erhielten
von den Mexicanern den Behr passenden Namen der Chontales, d. h. der Fremden oder Aus-
länder, welche« Wort aber noch die Nebenbedeutung eines rohen ungebildeten Menschen hat.
Die Moxicauer blieben auf diese Weise in solcher Unkenntnis« Uber ihre Nachbaren und deren
Wohnsitze, dass die Spanier den heutigen San Juan-Fluss, der als Abfluss (Desaguadcro) der
Nicaragualagune wie zu einer Hauptverkehrsader mit der atlantischen Küste geschaffen zu
sein scheint, erst entdecken mussten, und dies gelang dem Diego de Machuca, obwohl Nica-
ragua schon im Jahre 1522 erobert worden war, erst im Jahre 1539, und zwar nach mehre-
ren vergeblichen Versuchen.
Dass die beiden mächtigen Culturreiche der Azteken und der Incas bis zur Ankunft der
Spanier in völliger Unkenntniss von dem Vorhandensein des andern geblieben waren, wird
uns daher ebenfalls weniger unbegreiflich und wunderbar erscheinen, wenn wir berücksich-
tigen, dass zwischen beiden weite Landstrccken lagen, deren Bewohner auf ebenso niedriger
'oder gar noch tieferer Culturstule standen als jene Jagdvölker Mittelamerikas.
Digitized by Google
101
Ueber die Eingeborenen Costaricaa.
Auch alle direct von der atlantischen Küste aus versuchten Unternehmungen sind
in Mittelamerika sämmtlich gescheitert, gleichviel, ob sie darauf ausgingen, mit Waffengewalt
diese Ländergebiete zu erobern, oder in friedlicher Weise von Mönchen oder Colonisten gelei-
tet wurden.
Die erwähnte Wetter- und Völkerscheide zieht sich in Costarica von dem im äussersten
Nord westen der Republik gelegenen Vulkan Orosi in südöstlicher Richtung längs der Vulkan-
reihe bis zum Irazü, von hier nach Süden zum Dotagebirge und dann Uber den Chirripö und
Pico Blanco bis zum Chiriquivulkan.
Die historischen Ueberlieferungen aus älterer Zeit und die neueren Mittheilungen von
Reisenden über die hier wohnenden Stämme und deren noch vorhandenen Ueberreste sind
leider sehr dürftig und wenig ausführlich', sie haben daher zu vielen Irrthümem und. Ver-
wechselungen Veranlassung gegeben ,' welche sich in den neueren Schriften über Costarica
immer tiefer einwurzelten.
Im Westen beginnend finden wir am Rio Frio, östlich von den Vulkanen La Vieja und
Miravalles, die Guatusos, bekannt wegen ihrer merkwürdigen Beharrlichkeit, mit der sie von
jeher bis auf den heutigen Tag jeden Verkehr mit den Europäern gemieden haben, was frei-
lich zur Folge gehabt hat, daas wir sehr wenig über dieselben wissen, und dass sich dafür
eine Menge wunderbarer Geschichten über dieselben verbreitet haben.
Da bis zum Jahre 1C66 die Indianer dieser Gegend in den historischen Ueberlieferungen
Vottos oder Votos genannt werden, später aber nur der Name Huatusos oder Guatusos als
Bezeichnung derselben gebraucht wird, so kann man wohl diesen letztem Namen als eine
Verstümmelung des ersteren ansehen und Vottos und OuatuBos als einen und denselben Stamm
betrachten, um so mehr, da ihr feindseliger Charakter gegen alle fremden Eindringlinge schon
in den frühesten Urkunden hervorgehoben wird. Oviedo1) theilt uns mit, dass Martin
Estete im Jahre 1529 bei seinem Versuche, den heutigen San Juan-Fluss zu befahren und
dessen Mündung zu entdecken, im Gebiete der Vottos elendiglich zu Grunde ging. Später
findet sich der Name Votos in einem Actenstücke vom Jahre 1666 im Archiv von Cartago.
Ausserdem hat sich der Name auch als Beiname des Poasvulkans erhalten, auf dessen Nord-
seite die Vottos ehemals wohnten, und der daher diesen Namen erhielt und heute noch
führt.
Späterhin ist, wie gesagt, nur von den Huatusos die Rede, die nach Pelaez5) damals
noch am heutigen San Carlos-Flusse lebten, welcher, wie es scheint, ehemals den Namen
Rio Frio führte. Auch aus dieser sehr sorgfältigen Zusammenstellung der bis dahin bekann-
ten historischen Ueberlieferungen ersehen wir, daas sämmtliche im vorigen Jahrhundert ge-
machten Versuche, in das Gebiet jener Indianer einzudringen, durchaus keinen Erfolg hatten.
Die erwähnten abenteuerlichen Mährchen Uber die Guatusos beziehen sich auf deren Ab-
stammung; nach denselben sollen sie von europäischen Flibustiern abstammen und daher
blondes röthliches Haar und blaue Augen besitzen. Fred. Boyle hat sie uns kürzlich in
den Transact. of the ethn. Soc. of London (N. Ser. VI, 1867, S. 207) in einer Weise wieder-
q Oviedo, hist. d. 1. Ind. ocoid-, lib. XXIX, Cep. 2.
>) Memoria* para l. hist, del antig. Reino de Guatemala. Tom. 111, p. 141.
Digitized by Google
102
Dr. Alexander von Frantzius,
erzählt, dass man fast zu glauben versucht wird, er selbst sei von der Wahrheit derselben
überzeugt. Sehr abweichend von diesen dem ungebildeten Haufen entnommenen mündlichen
Ueberlieferungen, deshalb aber um so werthvoller, und besonders, weil der Verfasser nur
Selbstgesehencs berichtet, ist die einfache Schilderung des Capt. O. J. Parker1), welcher im
Jahre 1867 in einem Boote den Rio Frio hinauffubr. Er vergleicht ihr Aeusseree mit dem
der Couianches. Die neuesten Mittheilungen erhielt ich kurz vor meiner Abreise von Costa-
rica im Anfänge des Jahres 1868. Damals wareine Anzahl Cautschoucsammler aus Greytown
gewaltsam in das Gebiet der Guatosos eingedrungen. Als bei dieser Gelegenheit der Häupt-
ling derselben von ihnen getödtet wurde und die übrigen die Flucht ergriffen hatten, konn-
ten die Angreifer sich ungestört Umsehen. Dieselben fanden, dass die Guatusos in Bezug auf
die Körperbeschaffenheit und ihre Lebensweise eine grosse Aehnlichkeit mit den ihnen be-
nachbarten, nördlich von San Juan wohnenden Ramäindianem haben; und auch die von
ihnen mitgebrachten Waffen, bestehend in Pfeilen und Bogen, unterschieden sich in keiner
Weise von denen der Ramas.
Auf der grossen Strecke zwischen dem San Carlos-Fluss und der Küste des atlantischen
Occans wohnen heute ausser einigen wenigen spanischen Ansiedlern keine Menschen. Durch
historische Ueberlieferungen ist nicht einmal der Name derjenigen erhalten, die hier einst
wohnten, und doch war diese ausgedehnte Waldebene früher dicht bevölkert Am Toro ama-
rillo fand Dr. Diezmann ganze Strecken bedeckt mit Resten von Thonwaaren; am Sarapiqui
bei La Virgen fand man Gräber mit kleinen Stoinfiguren und weiter östlich in der Ebene
von Santa Clara sollen dieselben noch häufiger zu finden sein. Am zahlreichsten trifft man
dieselben aber an der atlantischen Küste und in den höher gelegenen Gegenden am Fusse
der Vulkane Irazu und Turialba, und zwar am Rio Blanco, Plataneres, Las Piedras, Novillo
und Destierro.
Sehr merkwürdig sind die leider noch nicht von Sachverständigen untersuchten Ruinen
am Novilloflusse. Auf einer Ebene am Fusse des Turialbavulkans , in einer sehr regnerischen
Gegend, finden sich viele Mauerüberreste aus behauenen Steinen, welche geradlinig laufen und
ehemals Strassen gebildet zu haben scheinen; auch fand man an verschiedenen Stellen zerstreut
elf Steinfiguren in Lebensgrösse und in sitzender Stellung. Diese Ruinen nehmen einen sehr
grossen Raum ein, so dass die Stadt, von der sie herrübren, wahrscheinlich sehr volkreich
war. Da sich hier ausser einigen Aguacate-, Sapote-, Cacaobäumen und Pejebaycpalmen keine
Bäume von hohem Alter finden, der Boden vielmehr mit der unter dem Namen Bijao oder
Bihai bekannten Heliconia bedeckt ist, so lässt sich aus dieser Vegetation nicht leicht ein
Schluss auf das Alter der Ruinen ziehen. Wahrscheinlich Bind dieselben gleichaltrig und von
demselben Ursprünge wie die in Chontales von Friedrichstbal und Fröbel1) gesehenen, aber
leider von denselben nicht beschriebenen Ruinen, von denen ich im Jahre 1855 eine Beschrei-
bung durch mündliche Mittheilungon eines Alhajuelensers erhielt, der früher in der Nähe der-
selben Goldminen bearbeitet hatte. Sie befinden sich zwischen Acoyapa und Yuyagalpa und
sind so ausgedehnt, dass man auf das einstige Vorhandensein einer Stadt zu schliessen be-
l) Frank Leeliea illuetr. Xewapaper. New York. Jan. 25. 1308. p. 259.
*) Journ. of the R. Gcogr. Suc. of London. XI. p. 100. — J. Fröbeb fieven Yenrc travol in Central
America. London 1959. p. 120.
Digitized by Google
lieber die Eingeborenen Costaricaa. 103
rechtigt ist. Auch hier erkennt man noch die geradlinigen Strassen und einen ungefähr
hundert Schritt im Geviert umfassenden viereckigen Platz; Steinfiguren von Manneshöhe fin-
den sich an mehreren Stollen dieser Ruinen.
Offenbar rühren die Ruinen am Novilloflusse nicht von den Vorfahren der in der Nähe
wohnenden Jagdvölker her, sondern von einem ganz verschiedenen Volke, welches, wie die
Tolteken und Mayavölker, auf einer weit höheren Culturstufe stand. Dies geht nicht nur aus
den an der Reventaxonmündung gefundenen Gräbern hervor, die aus behauenen Steinen ge-
fertigt sind und, was wohl zu beachten ist, aus einer Steinart, die in der Umgegend nirgends
angetroffen wird. Ganz besonders zeigt sich der hohe Grad der Kunstfertigkeit jenes
Volksstammes in einer Steinfigur, welche ich im Jahre 1861 in Cartago zu sehen Gelegen-
heit hatte, und die Bpäter an die ethnologiche Gesellschaft in Philadelphia geschenkt wurde.
Sie war am obem Laufe des Reventazon bei Turialba am Azul gefunden, stellte eine unge-
fähr fünf Fuss hohe männliche nackte Figur dar und war so gearbeitet, dass sie aufgerichtet
ohne umzufallen auf den Füssen stand. Die Oberfläche des Steines war sorgfältig geglättet,
er bestand ans einem dunkeln, ziemlicli harten Griinstein- Auch diese Statue zeigte sehr aus-
gesprochene Gesichtszügo; die niedrige Stirn, die lange gebogene Nase'und der grosse Unter-
kiefer gaben ihr eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Gesichte der in Lepanto gefundenen
Steinfigur.
Wenden wir uns weiter nach Südosten, so kommen wir zu einer Anzahl von Stämmen,
von denen noch lebende Ueberreste vorhanden sind, und über welche wir auch einige spär-
liche geschichtliche Mittheilungen besitzen. Als Felipe Gutierrez im Jahre 153G Costa-
rica zu erobern versuchte, landete er an der Mündung des heutigen Pacuarflusses , der ehe-
mals den Namen Suerre führte; von hier Hess er sich durch die daselbst wohnenden India-
ner in das gebirgige Innere locken, wo er und fast die ganze Mannschaft den Tod fanden.
Unter den Wenigen, welche dem Untergang entrannen, befand sich Hieron. Benzoni, der
Verfasser der Storia del Nuovo Mundo. Durch ihn erhielten wir die ersten, leider aber auch
die letzten Mittheilungen über die damals dort wohnenden sogenannten Suerreindianer, denn
sie verschwanden bald, wie so viele ihrer Bruderstämnie, vollständig vom Erdboden , und die
schönen Ufer des Pacuarflusses blieben seitdem unbewohnt. In gleicher Weise ist auch die
äusserst fruchtbare, aller ihres verderblichen Klimas wegen gemiedene Niederung des Matina-
flusses jetzt fast gänzlich unbewohnt; von den ehemaligen Bewohnern findet sich nur am
oberen Laufe des Chirripö ein in wenigen zerstreuten Hütten lebender, unter dem Namen
Cbirripöindianer bekannter Stamm, deren Gesammtzabl kaum noch hundert erreicht.
An dem Küstenstriche, welcher sich von der Matinamündung bis Caguita erstreckt, leb-
ten ehemals die sogenannten Blancos, sogenannt, weil sie sich durch ihre helle Hautfarbe
auszeichneten. Der genannte Küstenstrich heisst daher auch heute noch Costa de las
Blancos. In Folge der Bedrückungen der Spanier zogen diese sich jedoch schon im Anfänge
des siebenzehnten Jahrhunderts in das gebirgige Innere bis in die Thäler der Nebenflüsse
des Sixaula zurück. Man nennt diese Indianer jetzt gewöhnlich die Vicait&s oder Bizeitas,
ein Name, der sich jedoch in den älteren Urkunden nicht findet. Da aber der Sixaulafluss
ehemals von den Spaniern auch Rio de Estrella genannt wurde, so findet man als Gesammt-
namen derselben zuweilen auch den Namen Estrell&indianer. Auch der Name Talamanca-
Digitized by Google
104
Dr. Alexander von Frantzius,
Indianer bezeichnet fast dasselbe, denn als Rodrigo Arias Maldonado, Sohn des ehemali-
gen Qobemadors Andres Arias Maldonado, im Jahre 1660 einen Eroberungszug gegen
jene Indianer unternommen und dabei sein ganzes väterliches Vermögen verwendet hotte,
erhielt er als Entschädigung den Titel Marquez de Talamanca, seit welcher Zeit das Gebiet
vom ühirripöfluase bi» zur Grenze von Veragua Provincia de Talamanca genannt wurde.
Der Karne Talamancaindianer ist daher ein Collectivname , der sowohl alle im Flussgebiete
des Sixaida wohnenden, als auch die im Thale des Chanquenaula wohnenden Terrbis um-
fasst und daher keine ethnologische Bedeutung hat; mit Vorliebe bedienen sich die Missio-
näre dieses Namens in ihren Berichten.
Irrthümlich sind diese hier erwähnten Namen in den meisten Schriften Uber Costarica
als Namen verschiedener Stämme dieses Landes aufgeführt worden.
In ethnologischer Beziehung verschieden von den Viceitas sind die sogenannten Terrbis,
die seit Jahrhunderten mit den ersteren in unversöhnlicher Feindschaft lebten und zwischen
welchen es oft zum offenen Kriege kam. Schon dor ohrwUrdige Missionär Antonio Mar-
jil fand die Viceitas im Jahre 1690 in einem Kriege mit jenen Nachbarn begriffen, was ihn
veranlasste, sich zu den auf der Südseite wohnenden Borucaindianern zu begeben.
Dadurch, dass eine ähnliche Feindschaft der Terrbis auch mit ihren auf der Ostseite
wohnenden Nachbarn, den Valientes, bestand, waren sie beständig von zwei Feinden einge-
schlossen, und dies ist offenbar der Grund, weshalb sie trotz ihres wilden kriegerischen We-
sens meistens unterlagen und ihre Zahl so sehr ahgenommen hat Ihre jetzigen Wohnsitze
befinden sich im Thale des Chanquenaula; ausser einigen Ortsnamen, deren Klang von dem
der Namen anderer benachbarter Stämme sehr verschieden ist, wissen wir fast Nichts über
dieselben.
Ob die ehemaligen Tojares, die Bewohner der in der Chiriquilagune gelegenen, heute
ganz unbewohnten, unter dem Namen Isla de Bastimentos bekannten Insel, auch zu jenem
Stamme gohörton, Ist jetzt schwer zu entscheiden. Sie werden ebenso wie die Terrbis als
sehr kriegerisch und widerspenstig geschildert und ihre Zahl wurde noch im Anfang des
siebenzehnten Jahrhunderts auf 8000 bis 9000 geschätzt
Im vorigen Jahrhundert machten sich die Mosquitoindianer jene Feindschaft der Terrbis
und Blancos zu Nutze, indem sie erstere zum Menschenraub veranlass ten und die von ihnen
geraubten Blancoindianer als Sklaven an die Engländer nach Jamaica verkauften. Der auf
diese Weise lange Zeit hindurch getriebene Menschenraub wurde die Veranla&sung, dass die
damals noch dicht bevölkerte Kiistengegend von den Blancos ganz verlassen wurde und seit-
dem menschenleer geblieben ist
Obwohl auf der südlichen Abdachung der Gebirge gelegen, gehören die Bewohner des
heutigen Indianerdorfes Terrabn ebenfalls zum Stamme jener Terrbis. Dieser Ort entstand
nämlich erst im Jahre 1709 dadurch, dass man einige Hundert Indianer von der Nordseite
auf einem nach jener Gegend unternommenen Streifzuge gefangen nahm und sie zwang, auf
der anderen Seite des Gebirges in die Nähe von Boruca überzusiedeln.
In den älteren Urkunden werden die kriegerischen Terrbis Texabas genannt, welches
Wort zuweilen auch Terrabas geschrieben wird; später veränderte sich dieser Name all-
mählich in Terebas, Torebis, Tiribis und Terrbis. Die heutigen Terrabaindianer sollen sich
Digitized by Google
105
lieber die Eingeborenen Costaricas.
daher jetzt noch mit den am Champieuaula wohnenden Terrbis verständigen können, wäh-
rend dio nahebei wohnenden Borucaindiancr eine ganz andere Sprache sprechen.
Sämmtlicho Berichte Uber die ehemaligen Blancos und heutigen Viceitas stimmen darin
überein, dass sie sanfte, friedliche und gelehrige Menschen seien, während die Terrbis als
äusserst wild und kriegerisch geschildert wurden. Obgleich sich bei den Viceitas eine
wohlbegründete Abneigung und Furcht gegen Spanier bis auf den heutigen Tag erhalten hat,
sind sie Fremden anderer Nationen sehr zugethan. Es leben daher Beit Anfang dieses Jahr-
hunderts eine Anzahl fremder Tauschbändler unter ihnen, welche die daselbst gesammelte
Sarsaparilla und einige andere Landesproducte gegen verschiedene europäische Fabrikate
eintauschcn.
Ben Namen Biancas verdienten sie mit Recht, da ihre Hautfarbe ungewöhnlich hell ist.
Sie sind von grosser Statur, kräftig gebaut und zeichnen sich durch einen sanften Gesichts-
ausdruck vor anderen Indianern aus. Ber indianische Typus ist bei den mit spanischem
Blute gemischten Abkömmlingen der Blancos, die in der Nähe der Städte unter dem civili-
sirten Landvolk ziemlich zahlreich leben, nicht leicht zu erkennen. Bas Haupt tragen die Vi-
ceitas unbedeckt und als Schmuck desselben sieht man zuweilen eine Federkrone. Die Frauen
tragen als Halsschmuck eine Menge bunter Glasperlenschnüre, oft von bedeutendem' Ge-
wicht; bei Männern dagegen sieht man statt dessen die Eckzäline vom Jaguar auf einer
Schnur gereiht, sowie auch runde Scheiben von Meeresmuscheln, die genau von gleicher
Grösse geschliffen und durchbohrt, wie Geldrollcn an einander liegend, ebenfalls an einer Schnur
gereiht um den Hals getragen werden. Sic gleichen vollständig den bei Monsheim gefunde-
nen und in diesem Archiv Bd. III, Taf. II, Fig. 8 abgcbildeten , in der Mitte durchbohrten
runden Muschelscheiben ').
Die technischen Fertigkeiten der Blancos beschränken sich nur auf wenige Zweige des
Lebensunterhaltes. Am geschicktesten sind sie im Weben von Baumwollenstoffen und im
Flechten von Hängematten, Netzen u. dgl., die aus den Fasern einer Agaveart, genannt Ca-
buya, und aus der sogenannten Pita, einer in Centralamcrika häufig wachsenden Bromelincee,
verfertigt werden. Ihre Waffen , bestehend in Pfeil und Bogen, bereiten sie aus verschiede-
nen dazu geeigneten Holzarten.
Der Ackerbau, der ganz den Frauen überlassen ist, spielt bei ihnen eine ganz unterge-
ordnete Rolle und beschränkt sich nur auf den Anbau von etwas Manhiot, Pisang und Cacao.
Ihre Wohnungen sind sehr sorfaltig aus unbehauenen Baumpfählen, Rohr, Palmblättem und
Schlingpflanzen gefertigt. Die Männer betreiben die Jagd und Fischerei. Die Fische wer-
den entweder mit dem Pfeil und Bogen geschossen oder durch Vergiftung des Wassers gefan-
gen. An einigen Stellen sind über die rcissenden Gebirgsströinc Hängebrücken aus Schling-
pflanzen angebracht, die beständig von den Bewohnern der betreffenden Ortschaften in Stand
gehalten und alle Jahre vollständig erneuert oder ausgcbcssert werden.
Wenngleich unsere ethnologischen Kenntnisse der Bewohner Mittelamerikas noch äusserst
mangelhaft sind, so lässt sich bei einem genaueren Vergleich der vielen einzelnen älteren
und neueren Mittlieilungen eine grosse Verwandtschaft der an der Nordostseite wohnenden
i| Auch die durchbohrten Zähne von wilden Thiercn fanden sich 1 <ci Monsheim. S. » a. 0. Fig. 9.
Archiv fttr Anthropologie. Ud. IV. Heft 1. 14
Digitized by Google
106
Dr. Alexander von Frantzius,
Jagdvölker unter einander nicht wegleugnen. Wenn auch die Sprache der einzelnen Stämme
verschieden ist, was ja bei Völkern auf so niedriger Bildungsstufe weit mehr der Fall ist
als bei gebildeten, so zeigt die physische Beschaffenheit derselben und ihre Sitten und Ge-
bräuche so viel üebereinstiinmendes, dass wir sämmtliche von Honduras bis zur Chiriquilagune
die Nordostseite von Mittelamerika bewohnenden Stämme, die unter den Namen der Poyais,
Toacas, Coocras, Woolwas und Ramas bekannt sind, sowie die auf costaricanischem Gebiete
wohnenden Guatusos, Viceitas nebst den Valientes als zu einem grossen Stamme gehörig be-
trachten müssen.
Ausser dieser Verwandtschaft jener Stämme unter einander glaube ich aber auch noch
auf eine andere gemeinsame Aehnlichkeit mit den ehemaligen Antillenbewohnem und den
am Nordrande Südamerikas wohnenden Arowaken aufmerksam machen zu müssen. Obgleich
ein directer Nachweis einer Verwandtschaft, schwer zu führen ist, da die ehemaligen Antil-
lenbewohner schon lange ausgestorben sind, so liegt bei der geringen Entfernung und bei
der die Schifffahrt begünstigenden starken Meeresströmung im caribisclien Meere die An-
nahme, dass zwischen beiden einstmals directe Verbindungen bestanden haben, sehr nahe
und um so näher, da wir wissen, dass sich unter beiden geschickt« Seefahrer fanden.
Peschel’s Schilderungen der ehemaligen Antilienbewohner in seinem bereits oben er-
wälmten Werke: I>as Zeitalter der Entdeckungen, führten mich zuerst auf diese Vermuthung.
Die physische Beschaffenheit derselben, der sanfte Charakter, ihre Lebensweise, die Woh-
nungen, Nahrungsmittel, sowie ihre Kunstfertigkeit sprechen sümmtlich für eine solche Ver-
wandtschaft. Später fielen mir die vielen in Costarica gebräuchlichen Namen auf, welche
der Tainisprache ') angeboren und Gegenstände des gewöhnlichen Lebens bezeichnen. Wenn
nun auch Humboldt mit Recht darauf aufmerksam macht, dass die Namen der Antillen-
bewohner erst durch die Spanier in ihre übrigen Colonien eingeführt worden sind, so ist die
Anzaiil dieser Worte, besonders die Namen von Nutzpflanzen und solcher Thierc, die fUr
den Menschen ein gewisses Interesse haben, in Costarica so gross, dass ich geneigt bin, ge-
rade hier an einen directen Zusammenhang zu glauben.
Wie ich oben zeigte, stiessen die Grenzen der Wohnsitze der drei Costarica bewohnen-
den und ethnologisch verschiedenen Volksstämme in dein jetzt dicht bewohnten Theile des
Landes, nämlich im Rio Grande-Thale zusammen. Indessen ist sicher anzunehmen, dass sich
diese Grenzen vor der Entdeckung des Landes, je nachdem der eine oder andere Stamm der
mächtigere war, zeitweise verschoben haben; aus diesem Grunde ist es nicht immer leicht,
nur nach dem Fundorte der ausgegrabenen Alterthümer zu entscheiden, welchem der drei
Hauptstäinme dieselben angehörten.
In den frühesten Berichten der Spanier werden auf diesem Grenzgebiete zwei Stämme
genannt, von denen wir, da alle weiteren Angaben über die Eigentümlichkeiten derselben
fehlen, nicht wissen können, welchem Volke sie angehörten. Es sind dies die ehemaligen
Chomezindianer und die Guetares, welche letztere nach Oviedo ein sehr kriegerischer und
*) Dr. C. F. Ph. v. Msrtiua Beiträge zur Ethnographie und Sprachkunde Amerika!, Bd. II, 8. S17, und
Bd. I, 8. 75Ö. Die Taini find die Ureinwohner von Haiti. Die Sprache der Taini ist erloschen, wie da» Volk,
weiches sie redete, aber mehrere Worte klingen jetzt noch in europäischen Sprachen nach und sind weit ver-
breitet durch die Colonien der Entdecker.
Digitized by Google
Ueber die Eingeborenen Costaricas. 107
mächtiger Stamm gewesen sein müssen, denn er nennt den Golf von Nicoya auch Golfo de
los Guetares.
Von welchem Volke die vielen Steinringe herrühren, die als die Fundamente der ein-
stigen Wohnungen anzusehen sind und sich von sehr verschiedenen Formen besonders zahl-
reich an der Barranca finden und hier unter dem Namen der Trinchera bekannt sind, sowie
diejenigen am Parritaflusse, ist ebonso schwierig zu entscheiden.
Sehr merkwürdig und gewiss von hohem Alter sind zwei mit menschlichen Gesich-
tern bedeckte grosse Steinblöcke. Der eine derselben, der bei Albajuelita liegt und
Piedra de los negros genannt wird, ist ein Syenitblock von ungefähr 20 Fuss Durchmesser,
auf dessen einer ziemlich ebenen und nur wenig gewölbten Oberfläche sich eine Anzahl von
anderthalb bis zwei Fuss hoher menschlicher Figuren findet Diese Figuren sind in kindisch
roher Weise nur durch Umrisse angedeutet, die als vertiefte Linien in den Stein eingemeis-
»elt sind. Von einem Kreise, in welchem zwei Punkte die Augen und eine Querlinie den
Mund andeuten, läuft eine gerade Linie senkrecht hinunter, an deren Ende wieder ein ähn-
liches Gesicht folgt ; seitwärts von dieser Linie läuft unter dem Gesichte jederseits eine an-
dere Linie herab, die sich in drei kürzere Linien theilt und so die Arme und Hände an-
deutet.
Sorgfältiger sind die Gesichter auf dem andern weit kleineren Blocke, der an einem
Nebenwege seitlich von Tresrios liegt Auf diesem finden sich nur Gesichter; sie sind von
etwas viereckiger Form; ausser dem Querstriche, der den Mund andeutet, sind auch die
Augenbrauen angebracht, die in der Mitte nach unten convergiren, sich über dem Munde
wieder von einander entfernen und so die Nase mit den Nasenflügeln andeuten. Auch diese
Figuren, die durch besondere unregelmässige Linien umgrenzt und von einander getrennt
sind, befinden sich auf der rohen Oberfläche dos unbehauenen Stcinbloekes. Die Verfertiger
dieser Zeichnungen verstanden demnach wohl Linien in eine Steinfläche einzugraben, aber
noch nicht, den Stcinblock zu einer bestimmten Form zu verarbeiten. Hieraus muss man
gewiss auf eine noch sehr niedere Culturstufe und zugleich auf ein sehr hohes Alter der Ver-
fertiger schliessen.
Auch in Mittelamerika haben gewiss im Verlaufe des langen Zeitraumes seit dem Be-
stehen des Menschengeschlechts ebenso wie an vielen anderen Stellen der Erde grosse Ver-
änderungen der Wohnsitze der Bewohner stattgefunden. Wenn auch geschriebene und münd-
liche Uebcrlieferungen über derartige Vorgänge gänzlich fehlen und die in der Erde ver-
grabenen Zeugen erst in der neuesten Zeit derselben entrissen werden und daher noch viel
zu unvollständig sind, um jetzt schon Schlüsse daraus ziehen zu können, so zeigen die geogno-
sti8chcn Verhältnisse Mittelamerikas doch so bedeutende, den jüngsten Zeiten angehörende
Niveauvcrändorungen, dass die während jener Zeit hier lebenden Menschengeschlechter den
dadurch bedingten Einflüssen nicht entgehen konnten. Die Erforschung, in welcher Weise
die stets sich ändernden Umrisse des Festlandes in Mittelamerika einerseits die Auswande-
rung und den Untergang der Bewohner, andererseits das Vorrücken und Einwandern ande-
rer bedingten, wird die Aufgabe künftiger Forscher sein.
H*
Digitized by Google
Digitized by Google
VI.
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies,
(Höhle von Cro-Magnon) in Perigord,
nebst einigen Bemerkungen über das Verhältnis« der Craniologie zur Ethnologie.
Von
A. Ecker *).
Unter den Funden aus vorhistorischer Zeit in dem in dieser Beziehung so reichen Boden
des mittäglichen Frankreich hat mit Recht kaum einer ein so bedeutendes Aufsehen erregt,
als der in der Ueberschrift genannte neueste derselben. Es vervollständigt dieser die früher
an anderen Stellen der Dordogne gemachten Entdeckungen nach einer sehr wichtigen Seite
hin. Haben uns diese die unzweifelhaften Beweise des Zusammenlebens des Menschen mit
dem Mammuth geliefert und Uber die Sitten der alten Troglodyten die interessantesten Auf-
schlüsse gegeben, so haben wir doch diese so zu sagen nicht von Angesicht zu Angesicht kennen
gelernt. Diese Lücke ist nun durch die Auffindung der Skelette und Schädel von les Eyzies
in erwünschter Weise ausgefüllt. Mag nun auch zwischen der Periode, in welcher die Ver-
>) Literatur:
]) L. Lartet, Memoire sur une »cpulture des anciens Troglodytcs du Perigord. — Pruner-Bey,
Description sommaire de reste» humains decouverts dans les grottes de Cro-Magnon. — Lartet, Bcmar*|ues
sur la Faune de Cro-Magnon. Annalen des Sciences naturelles, V. s£rie. Zoologie, T. X, 186S, S. 133 — 160.
•2) E. Lartot ot Christy, ltetiquiae aquitanicac, being eontributions to tho archaeology and palaeonto-
logy of Perigord. London, 40. 1) VI, S. 62, L. Lartet, a hurial place of tbe cave dweller» of Perigord.
2) VII, 8. 73, Pruner-Boy, an aceounfc of the human bonos found in the cave of Cro-Magnon in Dordogne.
3) VIII, S. 93, L. Lartet, remarks on tbe fauna found in the cave of Cro-Magnon. 4) IX, S, 97, Broca, on
the human skull» and hone» found in tho cave of Cro-Magnon, near les Eyzies. 6) X, S. 123, Quatrcfages,
remarks on the human remains fron» the cave of Cro - Magno». (Letztere Arbeit in der mir vorliegenden
letzten (X.) Lieferung noch nicht vollendet — Dazu dio Tafeln: A. XIX und XX (Kieselwerkzeuge), B. XI
durchbohrte Muscheln und Elfenbeinplättchen, B. XII Knochen Werkzeuge, C. I, II, IV und V Schädel,
JII Schädel, Unterkiefer und Rippeu, VI humerus, femur, tibia, fibula.
3) Bulletins de la Socicte d’Anlhropologie de Paris, 2. serie, T. III, S. 356 — 392; S. 416—514; S. 554 — 574;
8. 57*— G00.
4) Mntt'*riaux pour l'histoire primitive et naturelle de l'hommo, 5®* annee, 2. seric, Nr. 2, Fevrier 1869
S. 97.
Digitized by Google
110
A. Ecker
fertiger der Zeichnungen und Sclmitzereien von la Madelaiue u. s. w. lebten und derjenigen,
welche die Rennthierjäger von les Eyzies lebend sah, eine beträchtliche Spanne Zeit liegen,
indem dort das Rennthier schon viel mehr vorherrscht als hier, so haben doch wohl beide
unzweifelhaft demselben Volke angehört und wir sind berechtigt, dio hier aufgefundenen
menschlichen Reste als die der Voreltern derjenigen zu betrachten, denen man — ob durch-
weg mit Recht oder nicht, lassen wir für heute dahingestellt — die Kunstwerke der-liordogno
in Reunthiergeweih zuschreibt
Wir halten es der Wichtigkeit der genannten Funde entsprechend, auch in dieser Zeit-
schrift etwas ausführlicher über dieselben zu berichten.
In den felsigen Ufern des Flüsschens Vezere finden sich zahlreiche Höhlen, die theils
natürliche Bildungen , theils von Menschenhand gemacht (oder erweitert) sind und die von
den allerältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag und in der verschiedensten Weise benutzt
wurden. Die Häufigkeit der Höhlenbildung in diesen Uferwänden scheint dadurch bedingt, dass
die einzelnen Schichtendes nicht ganz horizontal streichenden Kalkgebirges in sehr ungleichem
Grade der Zerstörung durch atmosphärische Einflüsse unterliegen und verwittern. In Folge
der allmäligen Zerbröckelung einzelner dieser Schichten entstehen so theils längere , horizon-
tal verlaufende, schon von weitem sichtbare
Rinnen (Fig. 10), theils stellenweise Ueber-
liänge und wirkliche Höhlen (Fig. 11) *)-
Durch die Verwitterung und den allmäligen
Sturz der nicht mehr unterstützten hän-
genden Schichten bilden sich dann Schutt-
haufen, Böschungen am Ufer, durch welche
tiefer gelegene Rinnen, Höhlen und Ueber-
Ansicht des rechten Ffcrs im Thal der Vözcro mit den in
der Richtung der Schichten streichenden riuncufürmigeu hänge oft vollständig zugedeckt werden.
Aushöhlungen der Ulerwimde.
ä Fels von Tuyac. e Gorge d'Knfer.
Fig. 11.
e rf
So war es mit der hier in Rede stehenden
Höhle von Cro-Magnon, die etwa Ö80 Meter
vom Flecken les Eyzies entfernt liegt
Ohne den Kiscnbahnbau, der im März 18GS
die Durchbrechung und theilweise Entfer-
nung einer solchen Böschung nötliig machte,
zugleich mit der eines mächtigen herabge-
stürzten Blockes (c Fig. 12), wäre diese
__ Fundstätte vielleicht niemals entdeckt
worden. Nach Entfernung des Schuttes
Ansicht de. linken llcr. vom Thal der Vdzrtc mit den (iFig I2) kam I11aI1 iü «fc« der geUaunton
gleichen rinnen iormigen Aushöhlungen der l ferwände. , ”
a Kirche von Tuyac. b Station von 1« F.yzies. c n„hle partiellen Rinnen oder Höhlen (/Fig. 12),
von Cro-Magnon. d Fel» von Tayac. e Schloss von die unter einem überhängenden Felsen hin-
einlief und hier entdeckten endlich Arbei-
■) Die Clichc. der Figuren 10 bi» 20 verdanke ich der GofUligkeit de. Vorstandes der Societe d’ Anthropo-
logie und des Herrn Ed. Lartct in Paris. E.
Digitized by Google
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
111
ter die menschlichen Reste. Es war ein glücklicher Zufall, der leider viel seltener ein-
tritt, als man zu erwarten berechtigt wäre, dass die Eisenbahnbnu -Unternehmer vernünf-
tige Leute waren, die die Bedeutung des Fundes ahnten,
Fig. 12.
c
Querprofil de* Thal« der Yezere durch den Fels von Cro-Majpion,
a Ei&enlmhndatnm. b Schutt Löschung, e grrosmer Kalkblock, d Fel#-
übcrhnng (nicht raobr vorhanden). P Kalkfel«, M Schutthaufen und
Anschwemmung des Thal gru wie».
e Fela von Cro-Älagnon. / Hohle von Cro-Mngnon mit ihrem ebenfalls
von Schutt überdecktem Dach.
Die Ziffern bedeutet« metrische» Maas«.
den Arbeitern ein „manuin de
tabula“ zuriefen und an passen-
der Stelle Anzeige erstatteten.
Auf diese wurde sofort vom Mi-
nister des öffentlichen Unter-
richts Herr Lartot jun. dahin
entsendet, der nnn mit aller
Sorgfalt die weiteren Ausgra-
bungen leitete.
Zunächst wurde der über-
hängende, den Sturz drohende
Fels durch einen aufgemauerten
Pfeiler ( /Fig. 13) unterstützt und
dann die Untersuchung begon-
nen. Die Höhle von Cro-Magnou
ist durch einen Felsiiberhang
( P Fig. 14) gedeckt, der in hori-
zontaler Richtung etwa 8 Meter
sich hinaus erstreckt und eine Ausdehnung von etwa 17 Meter, hei einer Dicke von circa 5 Meter,
besitzt. Dio Reste der unter demselben liegenden Schichten, durch deren Verwitterung eben
F*S- I3- die Höhle entstanden ist, bildeten auf
dem primitiven Boden der Höhle (den
liegenden Schichten) zur Zeit als die
ersten Rennthicrjäger sie betraten,
eine Schicht von mindestens 70 C'cn-
timeter (2 */*“) (A Fig. 14). Diese hin-
Ansicht der Hülilo von Cro-Mngnon, von dem Schutt, ,1er den terlieSSen als die SP™ ihres er^n,
Eingang bedeckte, befreit und mit dem l’ntcratützungipfciler (/). jedenfalls nur kurzen Aufenthalts eine
schwärzliche Schicht (B Fig. 14) von
etwa 13 Centiineter (Vj*) Dicke, welche bearbeitete Kiesel, Kohlenfragmcntc und Thier-
knochen (zerbrochen oder calcinirt) einschloss. In dieser Schicht lag auch ein Elepbauten-
stosszahn , der schon bei dem Graben des Fundaments für den oben erwähnten Pfeiler auf-
gefundon wurde. Auf dieser Schicht lag eine weitere (C in Fig. 14), von etwa 25 Centimetor
Dicke, aus Kalksteinfragmentcn bestehend, welche im Lauf einer längeren Zeit, während
welcher die Höhle unbewohnt war, von der Decke herabgefallen waren; dann folgte aber-
mals eino dünne Schicht mit Kohlen, Knochen und Kieseln (D in Fig. 14) und darauf wieder
eine (7i) von Kalksteinfragmenten, etwa in der Dicke von nngefähr 50 Centimeter. Ueber
diesen fanden sich nun eine Reihe von Lagen, die sich offenbar während einer längeren
Bewohnung der Höhle gebildot haben mussten. War diese Bewohnung auch keine imunter-
brochene, so waren doch jedenfalls die Zwischenräume, in denen sic nicht bewohnt war, so kurz
Digitized by Google
112
A. Ecker
gewesen, dass sich keine erheblichen Schichten von Kalkateinfragmenten mehr ablagern konn-
ten. Die genannten Lagen der „Culturschiclit“, wie man sie etwa nach Analogie ähnli-
cher Schichten in den Pfahlbauten nennen könnte, enthielten in verschiedenem Verhältnis«
Kohlen, zerbrochene, verbrannte und bearbeitete Knochen, bearbeitete Kiesel '), insbesondere
Schabsteine, Steinkerne, abgerundete Stücke von Quarz und Granit aus dem Flussbett der Vdz&ro,
alle mit deutlichen Spuren des Gebrauclis und folgten sich von unten nach oben in folgender
Weise. Zu unterst eine Kohlenschicht ( F Fig. 14) von circa 20 Centimeter Dicke, dann ein
Lager fetter röthlicher Erde von 30 Centimeter Dicke (ibid. G), darauf eine sehr ausgebreitete
Kohlenschicht (//), die in der Mitte 60 Centimeter, gegen die Peripherie hin etwa 10 Cen-
timetor und im Mittel 50 Centimeter dick war. Diese Schicht war die reichste an Kohle,
Knochen, Kiesel- und Knochenwerkzeugen und kann, da sie offenbar eine sehr lange Zeit
repräscntirt , während welcher die Höhle fortwährend bewohnt war, die C'ulturlage x.
genannt werden. Auf diese folgte eine ebenfalls noch Knochen , sowie Kiesel - und Knochen-
instrumente und Amulette enthaltende Schicht einer gelblichen thonigen Erde (/) und zu
Fig. H.
Durchschnitt der Höhle ron Cro-Magnon. Der Schnitt geht durch die Mitte der Ilühlo längs der
- Linie « Fig. 15. Maassstab = 1 : 100 (1 Centim. p. Meter). P Dach der Höhle. iV Riss in dem-
selben. Jt Schuttböschung, welche entfernt werden musste. Der Unterstützungspfeiler lr Fig. 15) ist
auf dieser Figur durch zwei senkrechte Linien angcdcutct.
A K&lketemfrngrocnte, den Boden der Höhle bildend. B erste Kohlenschicht. C Schicht von Kalkstein-
frsgmenten. D zweite Kohlenschicht. E Kalknteinbruchstücko, in der Nahe der darüber liegenden Knh-
lenechicht durch Fcncr gerüthot. F Dritte Kohlenachicht. G Rothe Erde mit Knochen u. s. w. // Dicke
Schicht von Asche mit Knochen (Haupthecrd). 1 (.leibe Erde mit Knochen u. s. w. J Dünne Schicht ton
Kies mit Tropfsteinincrustationen. Kaum sichtbare Spur einer Heerdschicht. K Kalksteinhruchstücke.
« Elephantenstosazahn. I Skelet des nlton Mannes (Nr. I). c Gneisshlock. d menschliche Knochen,
e Kalkstcinblücke, im Laufe der Zeit von der Decke herahgestürzt.
■) Die Kieselwerkzenge sind abgebildct: Rcljquiac aquitanicae, Tafel A. XIX und A. XX, die Knocheuwerk-
teuge Tafel B. XI und XII.
Digitized by Google
113
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
oberst endlich eine nur 5 Centimeter dicke und nur wenig ausgebreitete Kohleoschicht (J),
die bei Ankunft des Herrn Lar tot nicht mehr vollständig beobachtet werden konnte. In
dem obersten Thei! der gelblichen Schicht I und ganz im Hintergrund der Höhle lagen rum
die menschlichen Skelete nebst Zubehör, das Ganze , eine kleine hohle Stelle (It), den Rest
der ursprünglichen Höhle , ausgenommen , mit Kaikstembruehstüeken (A") bedeckt. Diese
letztere Schicht enthielt noch einige bearbeitete Kiesel mit ganzen und gebrochenen Knochen
von kleinen Nagetlderen und einem Fuchs. Endlich über allen diesen Schichten, welche die
Höhle erfüllten und über der Decke der Hoble (P) selbst lag eine 4 bis li Meter <12 bis Is')
dicke Schuttmasse, die eine Böschung (L) bildete, von einer Ausdehnung, die an und für
sich schon auf ein »ehr hohes Alter des darunter befindlichen Todtenlagers hinweist.
Was nun die menschlichen Skeletreste betrifft, so lagen diese alle in einem Umkreis
von etwa 1 Meter 50 Centimetor und gehörten wohl nicht mehr als fünf Individuen an. Der
eine, männliche Schädel (Nr. I, siehe unten) lag in dem Reste des freien Raumes (6) der
Grotte und war daher Kalkincrustationen ausgesetzt; links davon lagen die Skeletreste
Fig. lu. Fig. 16.
Onuädriss d<ir Hohle von Cro-Magnon, mit Angabe der Lage der Durchschnitt durch einen seitlichen
Skelett' u. s. w. Thcil der Höhle von Cro-Magnon in der
r Kalklcls. X Centraler und dickster Theil der Schiebt H (Fig. 14). Richtung der Linie tf (Fig. 15). .
Y Basis des Unterstützungspfciler*. n StOÄSzajm des Klcphantcn. Maissstab — 1 : 100.
b Schädel des alten Mannes (Nr. I|. 4 menachliche Knochen. Bezifferung wie in (Fig. 14).
e Heruntergefalleno Kalksleinplalten. m Skelet de» Weibes, «Kno-
chen eines Kindes, n fl Richtung des Durchschnitts Fig. 14. dp Rich-
tung des Dnrchschnitts Fig. 16.
Die ZißVro kedeulea taeJriMihes Maas».
eines Weib«* (Nr. ID und neben diesen die eines noch nicht reifen Kindes. Die übrigen
Skelet teste gehörten Männern an. Zwischen diesen Knochen lagen eine Menge von Gehäusen
von Seesclmecken (bei 300), meist von Littorina littorea, alle durchbohrt; in geringerer
Anzahl, ebenfalls durchbohrt, fanden sich Specitnina von Purpura lapillus und Turritella
communis. Ohne Zweifel waren dies Schmuckgegenstände, die zu Arm- oder Halsbändern
aufgereiht waren •)• Ebenfalls in nächster Nähe der Skelete fand sich auch ein ovales schei-
benförmiges, mit zwei Löchern versehenes Stückchen Elfenbein (Amulet ?)*)- ferner durch-
bohrte Zähne, ein gespaltener Gncisblock mit abgeebneter Fläche, bearbeitet« Rennthier-
knochen und bearbeitete Kiesel.
*) Reliq. aquit. Ü. PI. XI, Fig. I. — 8) Ibid. Fig, 2, 8, 4.
Archiv <lr Anthropologie, Btl. IV, Hift IL 15
Digitized by Google
114
A. Ecker,
Was die Fauna der Höhle von Cro-Magnon betrifft, welche von Ed. Lart^t untersucht
wurde1), so besteht dieselbe neben den vorgenannten Mollusken aus 14 bis 15 Säugethieren
und einem Vogel (dieser nur durch einen Knochen repräsentirt). Von Camivoren fand sich
ein grosser Bär, jedoch in so wenigen Fragmenten (ein oa metatarsi und zwei Phalangen), dass
eine genauere Bestimmung nicht möglich war, dann ein grosses Raubthier aus der Gattung
Felis (Stück Oberkiefer), wahrscheinlich Felis spelaea; ferner der Unterkiefer eines Wolfs
und Bruchstücke vom Fuchs, tlieils unserem gewöhnlichen ähnlich, thoils davon verschieden.
Ausserdem fanden sich der Femur eines nicht bestimmbaren Spermophilus, und am Eingang
der Höhle Reste von zwei Hasen. Dass in einer Lage der Culturschicbt ein Stück des
Stosszahns eines Elephanten (Mammuth) gefunden wurde, ist schon oben erwähnt. Vom
genus Sus, das in Perigord überhaupt selten erscheint, fanden sich auch hier nur zwei
Molaren und ein unterer Eckzahn, die dem heutigen Wildschwein entsprechen. Am zahl-
reichsten sind die Reste vom Pferd, das offenbar einen Haupt- Nahrungsartikel der Be-
wohner von Cro- Magnon bildete; das Rennthier dagegen ist viel weniger zahlreich als
in anderen Stationen der Dordogne vertreten und ebenso der Auerochs, Vom Hirsch und
Steinbock fanden sich nur einige Zähne. Vom Moschusochsen und der Gemse fanden sich
keine Knochenreste in unserer Höhle, obgleich in einer anderen benachbarten Station (Gorge
d'Enfer), auf dem anderen Ufer der Vdzere, diese Thiere dem Höhlenvolk zur Nahrung dien-
ten. Der einzige Vogelknochen, der sich fand (Mittelstück eines Humerus), mag einem
Kranich angehört haben. Lartet macht hierbei darauf aufmerksam, daas in diesen älte-
sten Stationen Vogelknochcn viel seltener sind als in den relativ neueren, in welchen das
Rennthier vorherrscht Damit falle zusammen, daas die Pfeile in den orsteren einfache, in
den letzteren geflügelte Spitzen haben. Ferner fehlen in den ersteren auch die Fischknochen
und die Reste der SaYga-Antilope.
Die Skeletreste des Menschen in der Höhle von Cro-Magnon, die sowohl von Broca
als Pruner-Bey auf das Genaueste untersucht wurden, nehmen nun unsere Aufmerksamkeit
ganz besonders in Anspruch, da in ihnen uns ein Bild des frühesten vorhistorischen Menschen
entgegentritt, und verlangen ein genaueres Eingehen. Die Mehrzahl der gefundenen Knochen
gehören drei Individuen an ; ganz zusammensetzen konnte man jedoch keines dieser Skelete.
Ausser den diesen drei Individuen angehöronden Knochen fanden sioli noch unbedeutende
Schädelreste eines Erwachsenen und eines Kindes. Jedenfalls waren daher wohl nicht weni-
ger als fünf Individuen, wohl kaum aber auch mehr in diesem Grabe beigesetzt. Die Reste
der drei erstgenannten Individuen, die bei der Untersuchung allein in Betracht kommen,
gehörten: 1) einem grossen alten Mann, in der Folge stets mit Nr. I bezeichnet, 2) einem
Weibe (Nr. II), 3) einem erwachsenen Mann (Nr. III). Der Schädel von Nr. I ist vollstän-
dig (es fehlt nur ein Jochbein und der eine Ast des Unterkiefers) und gehörte offenbar einem
alten Mann an. Die Nähte sind geschlossen. Von den Zähnen, die, wie aus dem Offen-
sein der Alveolen entnommen werden kann, zur Zeit des Todes noch vorhanden waren,
konnte nur einer (zweite Backzahn) aufgefunden werden, der durch die bedeutende Abschlei-
fung seiner Krone ebenfalls auf ein vorgeschrittenes Alter hinweist. Wie dieser Schädel der
') Kcliq. »quit. VIII, S. 93.
Digitized by Google
Die Höhlenbewohner der llennthierzeif von les Eyzies. 115
grösste ist, so sind such die zu diesem Schädel gehörigen Knochen (Hüftbein, zwei ossa femoris,
tibia, mehrere Rippen u. s. w.) sehr gross und massiv. An dem einen der beiden Schenkelbeine
befindet sich unmittelbar über den Condylen eine umschriebene, offenbar alte traumatische De-
pression mit Eindrückung der compacten Rinde in die schwammige Substanz (ohne Unterbrechung
der Continuität des Knochens), die nach Broca’s Meinung wohl durch ein stumpfes Wurfge-
schoss, vielleicht aber durch den Stoss eines Horns oder eines Elephantenzahns veranlasst wurde.
Nr. II sind die Reste eines Weibes, welches Broca trotz der vorgeschrittenen Verschliessung der
Nähte, da diese bei uncivilisirten Racen viel früher eintritt, und nach der Beschaffenheit der Zähne
für nicht älter als 35 bis 40 Jahre zu halten geneigt ist. Der nach links und hinten unvollständige
, Schädel zeigt im Stirnbein einen während des Lebens entstandenen , möglicherweise durch
ein Feuersteinbeil veranlassten penetrirenden Substanzverlust Die zu diesem Skelet gehö-
rigen Knochen sind ebenfalls sehr gross und stark, jedoch viel weniger massiv und rauh als
die von Nr. L Die mit Nr. HI bezeichnten Reste siud die eines Mannes von etwa 45 Jahren.
Der Schädel ist unvollständig, es fehlt das ganze Gesicht und vom Cranium die Schläfen-
beine. Diese drei Individuen, wenn sie auch im Einzelnen, wie dies wohl nicht anders mög-
lich ist, zahlreiche Verschiedenheiten zeigen, weisen doch so viel gemeinsame Züge auf,
dass man sie als nahe verwandt und zu einer und derselben Race gehörig erkennen muss
und zwar zu einer Race, die von allen bis jetzt bekannten sehr verschieden ist Was zunächst
die Statur der Individuen betrifft, deren Skelete uns hier vorliogen, so war diese eine sehr
grosse und übertraf die hei uns die Regel bildende um ein bedeutendes. Directe Messun-
gen der Länge des Skelets waren natürlich nicht möglich, da man kein einziges von diesen
vollständig zusammensetzen konnte, und man war daher darauf angewiesen, aus der Länge
einzelner Knoohen, die stets eine proportionelle ist, die Länge des ganzen Skelets zu erschliessen.
Bei dem heutigen französischen Volk entspricht nach der Messung der Gerichtsärzte ein Schen-
kelknochen von 490 Millimeter Länge mindestens einer Kör|>erlätlge von 1,80 Meter (= 5*/»*) *)-
Broca schätzt nun die Länge des os femoris des Skelets Nr. I im Minimum auf 493 Millira.
(wahrscheinlich aber hatte es 504 Millim.) und man geht daher gar nicht zu weit, wenn man
für den alten Mann Nr. I eine Statur von mehr als 1,80 Meter, also wohl nahezu von ti' an-
nimmt. Eine solche Körpergrösse ist nun aber sowohl bei Europäern als anderen Racen
jedenfalls selten, sie war dies aber wohl sicher nicht bei dem Volk der Troglodyten, deren Reste
uns hier vorliegen, denn das Weib (Nr. II) und der erwachsene Mann (Nr. IH) waren kaum
minder gross. Es ist diese Thatsache um so bemerkenswerther, als der quaternäre Mensch
in Belgien , nach den dortigen Höhlenfunden zu schlicssen , die heutige mittlere Grösse bei
weitem nicht erreichte, und es hat der frühere Glaubenssatz, dass der vorhistorische Mensch
durchweg von kleiner Statur und brachycephal gewesen sei, durch den Fund von les Eyzies
einen weiteren bedenklichen Stoss erhalten. Nicht minder als durch die Statur zeichneten
sich diese alten Renntbicijäger durch die Stärke ihrer Knochen aus.
Was die Theile des Skelete im Einzelnen betrifft, so verdient vor allem der Schädel
eine genaue Erwähnung.
1) Ks ist übrigens von B r o c a mit liecht hcrvorgcholicn , dass die Messungen hierübc r alle an unserer
Race angestcllt, die Proportionen aber nicht bei allen Racen die gleichen sind.
15*
Digitized by Google
116
A. Ecker,
Die Schädel sind sehr gross und dolichocephal nnd die Dolichocephalie ist dabei keines-
wegs die Folge einer besonderen Schmalheit des Schädels, sondern, da die Breite eine ziemlich
bedeutende ist (grosser als die der meisten brachycephalen Schädel) , das Resultat einer be-
deutenden Länge. Der Rauminhalt konnte allerdings nur bei einem der drei Schädel (dem
des alten Mannes Nr. I) gemessen werden, doch liess sich wohl erkennen, dass derselbe bei
den beiden anderen (II, III) ebenfalls ein bedeutender war. Bei Nr. I betrug die Capacität (mit
Schrot gemessen) 1,590 □ C., bei Nr. II darf man sie nach Broca wohl auf 1,450 □ C., und bei
Nr. III auf nicht viel weniger schätzen.
Selbstverständlich ist hierbei die grosse Statur nicht ausser Acht zu lassen, da das Gehirn
(allerdings nicht in Proportion , denn grosse Personen haben ein relativ kleineres Gehirn)
mit der Statur wächst; jedoch ist, alles dies wohl berücksichtigt, doch nicht zu verkennon,
dass die Rennthieijäger von les Eyzios sich durch ein sehr grosses Hirnvolum auszeichnen.
Es wird um so mehr erlaubt sein, hieraus einen günstigen Schluss auf die Intelligenz dieser
Race zu ziehen, als die Geräumigkeit der Schädelhöhle insbesondere im Stimthcit des Schä-
dels eine sehr bedeutende ist. Die Stirn ist vertical gewölbt , besonders in der Medianlinie.
Die Länge des Stirnbogens beträgt bei Nr. I 145, Nr. II 135 und Nr. III 148 C, übertrifft also
um zwei Centimeter das heutige Mittel. Dabei ist die Stirn auch in der Breite sehr wohl
entwickelt, gewölbt Der Schädelindex beträgt bei Nr. I 73, 7«, Nr. II 71, 7S, Nr. III 74, 75,
im Mittel 73, «i, erreicht also nicht den mittleren Index der grossen Reihe merovingischer
Schädel, die doch von den auf französischem Boden bisher gefundenen Schädeln die am mei-
sten dolichocephalen sind.
Die grösste Breite des Schädels findet sich in der Nähe der Scheitelhöcker, während die
Schläfengegend keineswegs vorspringend ist. Die Arcus superciliares sind bei den Männern
sehr stark. Die Hinterhauptgegend ist bei allen drei Schädeln sehr wohl entwickelt, die
Protuberantia occipitalis jedoch1 klein oder fehlend. Die Nähte sind wenig gezackt. Am Ge-
sichtstbeil des Schädels Nr. I ist besonders charakteristisch: 1) das Tiefeingedrücktsein der
Nasenwurzel, das dadurch noch mehr hervortritt, dass die Nasenbeine concav und am untern
Ende etwas naoh aufwärts gerichtet sind. Das ganze Gesicht erscheint 2) sehr kurz und
breit, ist aber in Wirklichkeit nur das Letztere, und zwar fällt diese Breite insbesondere auf
die Jochgegend (143 Millim.), und ist durch eine ungewöhnliche Breite der Augenhöhlen be-
dingt! Augenhöhle 44 Millim. breit, 27 Millim. hoch). Der Index der Augenhöhle (Breite = 100),
der in der Regel 70 beträgt, tieträgt hier 61,36. Der obere Tbeil des Gesichts ist sehr senk-
recht gestellt, der untere dagegen erscheintsehr prognath, ohne dass jedoch deshalb die Schneide-
zähne (wie das aus der Stellung der Alveolen hervorgeht) schief gestellt gewesen wären. Am
Gaumengewölbe bildet die Naht eine mediane Leiste. Der Unterkiefer ') ist besonders durch
die starke Divergenz der beiden Seitenhälften ausgezeichnet, und unterscheidet sich hierdurch
sehr auffallend sowohl von dem Unterkiefer von Naulette, als dein der Affen. Das Kinn ist
sehr hervorragend, die Aesto steigen, obschon der Winkel abgerundet ist, ziemlich senkrecht
auf und sind von einer Breite, welche nach Broca’s Vergleichungen von keinem europäischen
Schädel erreicht wird, ja selbst nicht einmal von solchen wilder ausscreuropäischer Racen
') S. Reliq. aquit. C, Tafel III.
Digitized by Google
117
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
(z. B. Buschmann, Kaifer, Japanese). Durch diesen Charakter stelle sich, so schliesst Broca,
der Schädel des alten Mannes von Cro- Magnon zwischen die wilden Raoen und die anthro-
pomorphen Affen, von welchen letzteren sich jedoch der Unterkiefer in allen anderen Bezie-
hungen ganz entschieden unterscheide. Der Gesichtstheil des weiblichen Schädels Nr. II (am
Schädel Nr. III fehlt das Gesicht) lässt nach Broca’s Ausspruch, obgleich er auf den ersten
Anblick von dem oben beschriebenen sehr verschieden zu sein scheint, doch die meisten Cha-
raktere des ersten, wenn auch sehr gemildert, wieder erkennen. Wie weit die Unterschiede
durch das Geschlecht bedingt sind, wird, so lange man nicht mehr Schädel kennt, schwer zu
entscheiden sein. Jedoch bleibt, wenn man auch nur die den beiden Schädeln gemeinsamen Cha-
raktere in Betracht zieht, immer noch Uebereinstimmendeg genug, um dieselben von ande-
ren quaternären Schädeln, z. B. denen der belgischen Höhlen, genügend zu unterscheiden.
Von den übrigen Knochon sind insbesondere die Schenkelbeine des alten Mannes durch
ihre Breite und Dicke bemerkenswerth. Unter 35 Schcnkelbeinen aus dem alten Kirchhof
von St. Jean de Luz kam denselben in dieser Beziehung keiner gleich. Der auffallendste
Charakter der Schenkelbeine von les Eyzies liegt aber in der Linea aspera, welche eine ganz
ungewöhnliche Breite und Dicke und eine Stärke der Muskelansätzo besitzt, wie Broca sonst
niemals gesehen zu haben behauptet.
Die Tibia ist, wie am besten an den in Fig. 17 abgebildeten Durchschnitten zu erkennen
Fig. 17.
*
A
/I
£ „ 1 £ p jg t7'
t Rlischitiscbe Tibi* Rhachitiscbe Tibia
t. mit sagittaler mit frontaler Krümmung
Krümmung. (A' E .V' normale Stellung
. der Flächen).
Rami (Crista tibi»). E lateraler Rand (Critta interosaca). 1 media-
ler Rand. .V Lage de» Foramen nutritium. EN AmatzfUche des M. tibialiB posticus. IN Ansatzfläche des
M. poplitaeus.
ist, in querer Richtung abgeplattet. An der Tibia des alten Mannes, von der nur das Mittel-
stück vorhanden ist, die aber wahrscheinlich eine Länge von 41 Centimeter batte, betrug
der sagittale Durchmesser (von ölten nach unten au drei Stellen gemessen) 54, 45 und 31 Mil-
limeter; der frontale, an derselben Stelle gemessen, 37, 27 und 27 Millim. Vergleicht man
damit eine Tibia der heutigen Generation, so ergiebt sich, dass die erste^ im Verhältniss zur
Länge im sagittalen Durchmesser viel dicker, im frontalen Durchmesser viel schmäler ist.
Die Tibia, wie wir sie bei der heutigen Generation finden, hat bekanntlich ein dreieckiges
prismatisches Mittelstück, an dem man drei Flächen unterscheiden kann, eine mediale, eine
laterale und eine hintere. Es ist nun besonders die letztere, die an den vorhistorischen Schien-
Digitized by Google
118
A. Ecker,
beinen abweichend gebildet ist, jedoch nur in der obem Hälfte des Knochens. Diese hintere
Fläche, deren Kbene dort eine frontale ist, erscheint hier durch eine mittlere Erhebung in
zwei abgetheilt, eine laterale und eine mediale, die beide in mehr sagittaler Richtung ver-
laufen, so dass die Tibia eigentlich nur zwei Flächen und zwei Rändor zeigt. Dieser Cha-
rakter ist, wenn auch in viel geringerem Grade, schon wiederholt an Skeleten aus vorhisto-
rischer Zeit wahrgenommen worden, so z. B. an solchen aus dem Diluvium von Montmartre,
aus Dolmen, aus den Höhlen von Gibraltar, fehlt dagegen denen der belgischen Höhlen der
Rennthierzeit. — Die drei vorhandenen Ossa humeri zeigen nichts Auffallendes; die Fossa
olecrani ist nicht durchbohrt. An derülna ist die geringe Tiefe der Fossa sigmoidea auffallend
und unter dieser zeigt der Knochen eine ziemlich ausgesprochene Krümmung, deren Concavi-
tät nach vorn sieht, und unterhalb welcher der Knochen ganz gerade verläuft. Am Kreuz-
bein fallt die bedeutende Breite auf ; dasselbe zeigte (bei Nr. HI) in seinem obem Theil einen
Qnerdurchmesaer von 1 Iß Millim., der nur sehr selten erreicht wird, das Becken ist in Folge
davon sehr weit.
Ich bin in der Schilderung der Skeletreste der alten Rennthieijäger insbesondere der
Darstellung von Broca gefolgt und will nun dieser zunächst die Schlussfolgerungen, diederseihe
au» seinen anatomischen Untersuchungen zieht, anschliessen. Vor allem weist Broca auf den
Umstand hin, dass bei dieser Rare eine merkwürdige Vereinigung von hohen und niederen
Charakteren, wie sie sonst nicht combinirt sich finden, vorkomme. Das grosse Hirnvolumen,
die Entwickelung der Stirngegend, die orthognathe Bildung des obem Gesichtstheils, seien
ohne Zweifel ebenso viele Attribute einer hohem Stellung, während die enorme Breite des
Gesichts, der alveolare Prognathismus, die Breite des Unterkieferastes mit den rauhen Mus-
kelerhabenheiten auf ein rohes, gewaltiges und barbarisches Volk binweisen. Von gleichem
Charakter sei die bedeutende Entwickelung der Linea aspera am Os femoris und die Form und
die frühe Verscbliessnng der Nähte. Ja, einzelne Bildungen des Skelets zeigen sogar eine
entschiedene Annäherung an die antbropomorphen Affen. So die Breite des Unterkieferastes;
So nähern sich die Scbenkelbeino des alten Mannes von Cro-Magnon durch ihre Breite, nicht
aber durch ihre Dicke, den Schenkelbeinen dieser. Noch weniger Aelmlichkeit bestehe in
Betreff der Länge, da die Ossa femoris der Affen absolut und relativ kürzer sind als die des
Menschen. Die Tibia nähere sieb durch ihre Abplattung ebenfalls einige rmassen denen der drei
genannten Affen, ebenso die Ulna durch ihre Krümmung. Dass diesen, eine niedrigere Stel-
lung anzeigenden Bildungen in der That auch barbarische Sitten entsprachen, gehe auch noch
aus anderen Umständeu hervor, so aus der eben erwähnten Verwundung am Schenkelbein
des alten Mannes, der Verletzung am Stirnbein des weiblichen Schädels u. a. m. Und diese
Combination von höheren intellectuellen Anlagen mit brutaler physischer Gewalt begreife sieb
am Ende, wenn wir bedenken, wie diese Menschen inmitten undurchdringlicher Wälder,
umgeben von gewaltigen Thieren, wie das Mammuth, und nur mit Steinwnffen versehen, in
einem steten schweren Kampfe um’s Dasein leben umssten. Ihre Schädel und Hirnorganisation
befähigte sie aber, wenn auch nach langer Barbarei, aus diesem Kampfe als Sieger hervor-
zugehen, und jenen Grad industrieller und künstlerischer Ausbildung zu erringen, den uns
die Funde von la Madelaine u. s. w. anzunehmen nöthigen. — In einer hiervon sehr verschie-
denen Weise iiussert sich der zweite Forscher, der diese Ueberreste zum Gegenstand seines
Digitized by Google
119
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
Studium» gemacht hat, Pruner-Bey. Diejenigen Charaktere des Skelets, in welchen Broca
eine morphologische Eigentümlichkeit, eine niedere Form und Hinneigung zum Affentypns
erkennt, erklärt Pruner-Bey für Folgen pathologischer Einflüsse, der Rhachitis, und während
Broca sich sorgiältig hütet, einen Versuch der ethnologischen Classification dieser alten Peri-
gordianer zu machen, erklärt Pruner-Bey dieselben für „mongoloid“ und zwar demselben Volks-
stamm angehörig, wie die heutigen Esthen. — Man sieht, die Anschauungen der beiden
Hauptforscher gehen ziemlich weit auseinander, und es ist nicht zu verwundern, dass die
beiden Kämpen in der Discussion bisweilen ziemlich hart aneinander geriethen. Aber auch
hier zeigte es sich wieder, in welch’ manierlicher Weise man in französischer Sprache seinem
Gegner Sachen ins Gesicht sagen kann, die inan im Deutschen nur mit Umschreibung zu
sagen wagen würde. So sagt Broca, um seinen Standpunkt gegenüber dem von Pruner-Bey
zu bezeichnen , ganz einfach : „Je subordonne les theories aux faits et mon savant collbgue
subordonne les faits aux thdories“. An der Discuasion betheiligten sich noch Bertilion,
Lagneau, Gaussin, Bertrand und — schriftlich — Guerin und Welcker, die »ich alle im
Wesentlichen für Broca’a Anschauungen erklärten.
Was zunächst nun den ersten Streitpunkt betrifft, die Frage, ob die eigenthiimlichen
Formverbältnisse der Extremitätenknochen als Folgen pathologischer Prooesse, und zwar der
Rhachitis, wie Pruner-Bey will, oder aber als Ausdruck einer eigentümlichen niedriger ste-
henden morphologischen Bildung zu betrachten seien, welche Ansicht Broca verteidigt, so
wird Wohl kaum Jemand im Ernste glauben, dass die Pruner-Bey’scho Ansicht festzuhalten
sei, und es ist nicht unmöglich, dass der Urheber derselben froh wäre, wenn er diese Be-
hauptung, die er nun nimmer so leicht los werden kann, und die doch kaum zu halten ist,
nicht aufgestellt hätte. In seiner Kritik dieser Hypothese weist Broca zunächst auf die be-
kannte Thatsache hin, dass die Rhachitis die Entwickelung des Skelets hemme und dass daher
bei solchen, die in der Jugend rhachitisch gewesen, das Skelet, auch nach vollständiger Hei-
lung der Krankheit, den morphologischen Typus (die Proportionen) des Kindes beibehalte.
Nun sind aber die Arme der Kinder im Verhältnis» zur ganzen Statur und zu den Beinen
länger als beim Erwachsenen, und so ist es auch bei solchen Erwachsenen, die in der Jugend
rhachitisch waren. Dieses Proportionsverhältniss hängt nun aber natürlich nicht von einem
excessiven Wachstimm der obern , sondern vielmehr von einem Zurückbleiben der untem Ex-
tremitäten ab. Will man daher nach einem rliachitischen Schenkel - oder Schienbein die
ganze Statur berechnen, so muss man dies im Auge behalten und die Statur etwas höher an-
setzen. Daraus ergiebt sich aber nun , dass, wenn der einstige Besitzer von Femur und Tibia
des Skelets Nr. I rhachitisch gewesen war, seine Statur mehr betragen haben musste als die
oben angenommenen sechs Fuss. Das scheine doch etwas viel, meint Broca schliesslich, fUr einen
Rhachitischen, die doch sonst das Material für die Tambour-majors nicht zu liefern pflegten I —
Dass die Schienbeine von les Eyzies platt sind und dass dies die rhachitischen Tibia« auch
sind, ist ganz richtig, allein zwischen beiden besteht doch, wie Broca darthut und jeder Kun-
dige zugeben muss, ein sehr grosser Unterschied. Die rhachitischen Schienbeine sind näm-
lich offenbar nur platt in Folge der Krümmung, welche sie durch die Erweichung erlitten
haben. Die «Schienbeine unserer Troglodyten sind aber ganz gerade. Ferner ist die rhachi-
tische Deformation niemals nur auf die obere Hälfte des Knochens beschränkt, sondern be-
Digitized by Google
120
A. Ecker,
Fig. 18.
trifft mehr den ganzen Knochen, das Eigenthümliche der Conformatiou der Schienbeine von
leg Evzies liegt aber nur in der obern Hälfte; ferner ist bei rhachitischer Abplattung der
Tibia, da diese eine Folge der Krümmung ist, immer auch die Fibula mit gekrümmt und abge-
plattet, während hier die Fibula ganz normal ist. Endlich ist die Art der Abplattung bei
beiden eine ganz verschiedene. Stellt man Querschnitte des obern Drittheils der Tibia eines
gesunden Individuums der heutigen Bevölkerung, eines Rkachitischen und unserer Troglody-
ten zusammen, so ergeben sich nach Broca folgende Unterschiede: 1) Bei der normalen Tibia
der heutigen Bevölkerung ist das Mittelstück in seinem obern Theile dreieckig, die Crista tibia
(Fig. 17, Nr. I A ) ist subcutan, der mediale Rand (ibid. I) ebenfalls, der laterale (ibid. E), die
Crista interossea, ist ganz von Muskeln bedeckt; dadurch sind drei Flächen abgetheilt, von
denen hier insbesondere die hintere in Betracht kommt. Auf dieser (s. Fig. 18) verlauft eine
j,.;K Linie, die Linea poplitaea (pp), von der
Mitte dieser geht eine zweite (jf) ge-
rade abwärts gegen den lateralen Rand.
Dadurch entstehen auf der hintern Flä-
che drei Abtheilungen, eine (Pop) für
den Ansatz des M. poplitaeus, eine zweite
(Flech. comm.) für den des M. flexor di-
gitorum communis, eine dritte (J amb. post.)
für die Insertion des M. tibialis posticus.
Etwa am Kreuzungspunkt der zwei Li-
nien liegt das Foramen nutritium (N).
2) Bei der Tibia von les Eyzies
(Fig. 17, Nr. 2) ist nach Broca die
hintere, sonst in frontaler Ebene lie-
gende Fläche gleichsam in zwei abge-
theilt, wovon die eine (i?A') lateral wärts,
die andere (IN) median wärts sieht und
die beide in mehr sagittaler Richtung
liegen. So ist die Tibia (im obern Theil)
von beiden Seiten abgeplattet und hat
eigentlich nur zwei Flächen und zwei Rän-
der. Die eine dieser Flächen (Fig. 17 u. 19),
die laterale (AEN), ist der ganzen
Länge nach von einer Linie durchzogen,
der Crista interossea (E), welche weiter
unten in den lateralen Rand übergeht.
Anaatzüächc des Muse, tibialis anti- vor dieser Linie liegt (AE), ent-
etu. E Criirta interoasea Jamb. ... ,
po't. Ansatzfläche de M. tibiali« 8Pr‘«ht der lateralen Flache unserer
panticu». ppf jf wie in Fig. 18. Schienbeine, was dahinter liegt (EN),
dem lateralen Theil der hintern Fläche.
Die mediale Fläche ( AIN ) ist im ganzen abgeplatteten Theil der Tibia ebenfalls breiter, in
Gewöhnliche Tibia von
hinten.
Laterale Fläche einer Tibia von le»
Eyrie*. A Critta tibiae. Jamb. anl.
Digitized by Google
121
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
der untern Hälfte derselben erkennt man den medialen Rand (7) ganz deutlich, nach oben hin
wird er aber allmälig undeutlich und verschwindet endlich bis auf eine von kleinen Rauhig-
keiten gebildete Linie, durch welche die mediale Fläche in zwei Abtheilungen getbeilt wird,
wovon die vordere (AI) der medialen Fläche der gewöhnlichen Schienbeine, die hintere (7N)
dem medialen Theile der hintern Fläche dieser entspricht. Was den hintern Rand betrifft,
so findet sich ein solcher nur in der obern Hälfte des Mittelstiicks. Oben, über dem Foramen
nutritium ist er dick und rund, weiter unten tritt er allmälig als ein Kamm deutlicher her-
vor, verwischt sich aber dann mehr und mehr und geht etwa in der Mitte dos Knochens in
den lateralen Rand über. Broca fügt dem bei, dass diese Beschreibung nicht nur für die
Tibias von les Eyzies gelte, sondern auch für viele andere aus vorhistorischer Zeit, und mit
geringen Modificationcn auch für die der anthroponiorphen Affen.
Was endlich 3) die Abplattung der Schienbeine durch Rhachitis betrifft, so findet sich eine
solche nur dann, wenn (wie gewöhnlich) die Krümmung eine seitliche, in frontaler Ebene
liegende ist. Die Convexität der Krümmung sieht dann medianwärts und ist vom me-
dialen Rand des Knochens gebildet, die Concavität sieht lateral wärts und wird vom latera-
len Rande gebildet. Bei der selteneren Krümmung in einer sagittalen Ebene fehlt nach Broca
eine eigentliche Abplattung. Der Knochen ist, wenn auch dünner im frontalen Durchmesser,
doch immerhin noch dreieckig.
Den Beschreibungen von Broca kann ich auf Grund meiner Vergleichungen nur beistim-
mon und muas mich ebenfalls entschieden gegen die Rhachitistheorie von Pruner-Bey aus-
sprechen. Dagegen möchte ich die Grenzen zwischen der ersten und der zweiten Form kei-
neswegs so scharf ziehen. Man findet auch in der heutigen Bevölkerung und bei ganz gesunden
Individuen häufig genug Schienbeine, welche denen von Eyzies in ihrer Form sehr nahe
kommen, und es finden sich zwischen der ersten und der zweiten Form alle möglichen Ueber-
gänge, wie dies aus den (inFig. 20 a. f. S.) bezeichneten Umrissen erhellt, von denen Nr. I die
eines kräftigen Mannes ') aus hiesiger Gegend, Nr. H die einer Frau darstellt. Dieselben
nähern sich der Form von Eyzies bei weitem mehr als die Schienbeine eines jungen Austra-
liers (Nr. HI) und einer Australierin (Nr. IV) vom Murray-Fluss, deren Skelete unsere anthropo-
logische Sammlung besitzt. Es ist daher immerhin möglich, dass die in Rede stehenden Form-
abweichungen wenigstens zum Theil nur individuelle sind und daher jedenfalls rathsam, noch
weitere Funde abzuwarten.
Den zweiten Differenzpunkt zwischen Broca und Pruner-Bey bildet die vom letzteren
Forscher gewagte bestimmte ethnologische Diagnose, während der erstere eine solche durch-
aus vermeidet Die Schädel der Esthen sind es, mit welchen nach Pruner-Bey die unserer
Troglodyten in so auffallender Weise übereinstimmen, dass er diese demselben Volksstamme
zurechnen zu müssen glaubt Es würde mich zu weit führen , wollte ich hier die ganze Dis-
cussion über diesen Gegenstand in allen ihren Einzelnheiten reproduciren, und ich muss mich daher
auf die Hervorhebung dos Wichtigsten beschränken. Was zunächst den Himschädel betrifft,
bo hebt Pruner-Bey als das am meisten charakteristische Merkmal desjenigen ethnologischen
Schädeltypus, welchen er den . mongoloiden “ nennt und der eben den beiden in Rede stelien-
*) Der «sgittsle Durchmnsner dieser Tibi» betrugt 40 Millim., der frontale 22 Millim.. einer mehr dreiecki-
gen Tibia 32 und 24 Millim.
AreMv für Anthroj>«totf4, IW. IT. Haft II. iß
Digitized by Google
122
A. Ecker,
den Schädelformen gemeinsam zitkommen »oll, die sogenannte ogivale (ogive — gothischer Ge-
wölbbogen) Form des Kopfes hervor, d. h. eine Form, bei welcher das Gesicht breit ist und
Fig. 20.
k
Querschnitt der Tibis. Nr. 1 eine» starken Manne» au« der Gegend von FreibuTg. Nr. II einer Krau, eben-
daher. Nr. III eine» Australiers vom Murray-Fluss (Südaustralien). Nr. IV eines Weihes, ebendaher.
A vorderer Rand (Crista tibiae). E lateraler Rand (Crista interossea). J medialer Rand. .Y Lago des Fora-
mon nutritium. Alle vier Schienbeine sind in die gleiche Lage gebracht, in welcher die Linie a b vom late-
ralen mm medialen Rand verläuft. (Vergl. damit Fig. 17, Nr. 1 und 2).
der Schädel nach oben dachförmig (en dos dane) zugeht. Dass nun aber diese Form bei
irgend einem der Schädel aus der Höhle von Cro-Magnon deutlich ausgeprägt sei, wird von
Broca bestritten; bei keinem derselben sei eine dachförmige Zuschrägung des Schädeldachs
der ganzen Länge nach vorhanden; Nr. I habe nur an der Stirn eine kleine Andeutung davon,
während dia Scheitelnahtgegend eher abgeplattet sei, Nr. II zeige eine leise Andeutung einer
dachförmigen Gestalt in der vordem Hälfte der Pfeilnaht, Nr. III nirgends. Was die Esthen-
Schädel betreffe, so finde sich nur an einem der in Paris befindlichen Exemplare (Nr. 4) eine
Andeutung davon. Dass der von Huek abgebildete Esthcnschädcl, der sicherlich ein charak-
teristisches Exemplar der Race ist, sie nicht zeigt, zeigt ein Blick auf die Abbildung in der
Schrift des genannten Gelehrten. Broca bemerkt hierbei übrigens, und, wie ich glaube, ganz
mit Recht, dass solche partielle Bildungen sich sehr häufig und bei sehr verschiedenen Stäm-
men, — und wie ich hinzufügen möchte — insbesondere beim männlichen Geschlecht fin-
den. Ich habe in meinen C'rania Germania» merid. occ. mehrere solche Schädel abgebildet. In
einem sehr wichtigen Punkt zeigt sich dagegen nach Broca zwischen den beiden Schädolroi-
hen ein nicht zu verkennender Unterschied: die Schädel von Eyzies sind dolichoccphal , die
Estheoschädel nicht. Von den Esthensehädeln (4 cf 1 9), die in Paris zur Vergleichung Vor-
lagen, sind die 4 <f entschieden brachycephal (Index zwischen 80,66 und 82,77; Mittel =81, 82).
Digitized by Google
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies. 123
Der weibliche, den Broca nicht für rein hält, hat dagegen nur einen Index von 75,82, und
das Mittel aller fünf beträgt daher nur 80,69. Ich füge dem bei, dass der von Huek abge-
bildete Schädel (in der Abbildung gemessen) eine Länge von 16,7, eine Breite von 13,4, also
einen Index von 80,4, wie ihn zahlreiche unserer süddeutschen Schädel zeigen (Mittel von
100 Schädeln 83,0) aufweist Von den Schädeln von los Eyzies dagegen hat der eine Nr. I
einen Index von 73,7«, Nr. II von 71,72, Nr. III 74,75, das Mittel aller drei beträgt also 73, 41.
Eine Index-Differenz von circa 7 ist aber eine so bedeutende, dass sie wohl au sich genügt,
zwei Schädelgruppen von einander zu trennen, und Broca spricht daher auch seine Ansicht
dahin aus, dass dieselbe einen absoluten Unterschied zwischen den zwei verglichenen Grup-
pen licgründe. Eine directe Vergleichung der Capacität der beiden Schädelreiben war nicht
möglich; Broca schliesst aber aus verschiedenen Umständen zueammengenommen , dass die
Capacität der Troglodyten - Schädel jedenfalls um 15« „ grösser ist als die der Estlienschädel.
Das Wenigste dieses Plus kommt offenbar auf die Breite, das Meiste auf Höhe und Länge.
Broca hebt dann weiter die Verschiedenheiten hervor, welche das Gesichtsprofil der bei-
den Schädelreihen wahrnehmen lässt Von der stark vorspringenden Glabella, dem tiefen
Nasenwurzeleinschnitt, dem starken Vorsprung der Nasenbeine, Zügen, die so charakteristisch
sind, insbesondere für den Schädel Nr. I von les Eyzies, von all’ dem finde sich nichts an
den Schädeln der Esthen, ebensowenig von dem alveolaren Prognathismus, den die Troglo-
dyten-Schadel, au welchen das Gesicht erhalten ist, wahrnehmen lassen. Dagegen fällt mir
an der Huek’schen Abbildung die Breite des Untorkieferastes (42,2 Millim.) auf und begründet
eine gewisse Aehnlicbkeit mit den Schädeln von les Eyzies. Die Aelmlichkeiten, die einem
unbefangenen Beobachter, der keine anderen Vcrgleichungsobjecte hat als die Abbildungen
der Schädel von les Eyzies in den Reliq. aquitan. und den Annales des sc. nal. und die mit
diesen auf gleiche (' , natürliche) Grösse gebrachte Abbildung des Esthenschädels von Huek
allein auiiällen und als eine gewisse Uebereinxlimmung begründend gelten können, sind nach
meiner Meinung die Breite des Gesichts in der Jochgegend und die Breite und Niedrigkeit
der Augenhöhlen. Die Uebereiuxtimmung zwischen den beiden Schädelgruppen ist daher
nur eine sehr geringe und es stimmen damit auch die Angaben vonWelcker über denEsthen-
schädel im Wesentlichen überein.
Ausser craniologischeu Gründen hat aber Pruner-Bey für seine ethnologische Classifica-
tion der Troglodyten von Cro-Magnon keine angeführt, weder historische noch archaeologi-
sche, wohl aber, wie bemerkt, merkwürdigerweise einen linguistischen; er schliesst nämlich
aus der Form des Gaumens der Bewohner von Cro-Magnon, dass sie weder einen arischen
noch einen semitischen Dialekt gesprochen, sondern eine Sprache, die „ zugleich weich und
schwach“ war, und das seien die finnischen Idiome.
Uebcrblickt man die ganze Argumentation von Fruuer-Bey, so kann man sich des Ein-
drucks nicht erwehren, dass der ihm von seinen Gegnern gemachte Vorwurf, seine Behaup-
tungen seien Consequenzen seiner vorgefassten Theorieen mehr als Beiner Beobachtungen, nicht
ganz ohne Begründung Bei. Die alte Retzius’sche längst widerlegte Hypothese, dass die
Urbewohner Europas den Lappen ähnlich, klein und brachycephal gewesen seien, scheint in
der That von ihm nicht ganz aufgegeben zu sein. Nur hat er die nicht mehr zu haltende
Brachycephalie durch einen andern Charakter, „mongoloider Typus“ genannt, ersetzt und
16*
Digitized by Google
1-24
A. Ecker, •
in diesem Charakter stimmen nach ihm die entschieden dolickocephalen Perigordiner mit den
entschieden brachycephalen Ijvppen, den ebenfalls — wenn auch weniger — brochycephalen
Finnen und den (nach ihm) doliehocephalen Esthen überein. Dass die heutigen Estlien klein,
die Perigordiner sehr gross sind, glaubt Prnner-Bey damit erklären zu können, dass die
heutigen Kstben unter hartem Druck und in sehr schlechten Verhältnissen leben.
Es zeigt das vorstehend Mitgetheilte wieder einmal recht deutlich, wie wenig wohlgethan
es ist, wenn man gewisse Schädelformen sofort mit gewissen bestimmten Völkergruppen, heu-
tigen oder erloschenen, in Verbindung bringt und annimmt, die beiden müssten sich decken.
Der Begriff eines Volkes ist keineswegs ein für lange Zeiträume so fester und unwandelbarer,
sondern ist so zu sagen in beständigem Fluss begriffen, und wir wissen gar nicht, ob die Con-
glomerate, wie sie sich zu einer gewissen Zeit als Volk darbieten, mehr primitiver oder aber
sehr secundärer Natur sind. Die Sprache wechselt gewiss sehr leicht und das relativ Festeste,
was alner der Mischung und Kreuzung aucli nicht widerstehen kann, ist das Knochengerüst. —
Wie hat sich z. B. der Rahmen des sogenannten griechischen Volkes seit dem Alterthum rnit
anderm Inhalt gefüllt? Und gewiss war das bei sehr vielen anderen Völkern ganz ebenso,
nur dass wir nicht so viel davon wissen, als eben hier. Einen Schädel cel tisch , griechisch,
esthisch, germanisch zu nennen muss man daher — wenigstens heutzutage noch — flir verfehlt
halten. Zur kurzen Bezeichnung von Schädelformen wähle man, wie His und Referent es ge-
tban, Namen von Fundorten oder von Grabstätten, halte aber vorläufig jederzeit craniolo-
gisclro und ethnologische Classification scharf ans einander. Der Fachmann weiss, was er
unter solchen Bezeichnungen zu verstehen hat und alle anderen Nebenbedeutungen, die durch
ethnologische Benennungen von Schädelformen unzweifelhaft hereinkommen und alle bloss
subjectiven und für andere unfassbaren Bezeichnungen werden dadurch vermieden.
Was hat man nicht Alles unter „celtisehem“ Schädel verstanden, fast so vielerlei als
unter „celtisch“ überhaupt, und was wissen wir heute eigentlich von celtisehem Schädel? Für
jetzt wenigstens ist wohl die Craniologie noch nicht so weit, um Diagnosen der genannten
Art aufstellen zu können. Es ist dieselbe eine noch junge Wissenschaft mit keineswegs
sichern Methoden und einem schwierigen Boden, aus dem sich das Gold nur mühsam Korn für
Korn heben lässt Nichts ist für ihren Credit schädlicher als das Aufstellen solcher unzei-
tiger Diagnosen. Man arbeitet damit nur jenon populären ethnologischen Autoren in die Hände,
welche, weil ihnen die Craniologie nicht, wie sie erwartet hatten, sofort einen Registratur-
kasten darbot, in welchem sie die Völker bequem nach ihrer Schädelform einreihen konnten,
nun die Bestrebungen dieser Wissenschaft verspotten, und indem sie die Forscher auf die-
sem Gebiet durch witzig sein sollende Benennungen, wie „Cnlvarienberger“ u. ». w. bezeich-
nen, die Lacher im grossen Publikum auf ihre Seite zu ziehen suchen. Man kann sich dies,
wenn man auf dem richtigen Wog voranschreitet, ruhig gefallen lassen; eine Ethnologie, die
nicht eine anatomische und eine linguistische Grundlage hat, wird nie auf den Namen einer
Wissenschaft Anspruch machen können.
Zu unserm eigentlichen Gegenstand zurückkehrend glauben wir, dass man sich vorläufig
wird darauf beschränken müssen, die Race von les Eyzies nach ihren anatomischen Charak-
teren zu schildern und ihre nicht geringen Eigentümlichkeiten zu constatiren, ohne sofort
den Versuch zu machen, sie einer früheren oder heutigen Völkergruppe einzureihen. — Daas
Digitized by Google
Die Höhlenbewohner der Rennthierzcit von les Eyzies. 125
die Bewohner von Cro-Magnon auf einer sehr nietlern Stufe der Cultur standen, geht aus der
Beschaffenheit ihrer Kiesel- und Knochen Werkzeuge hervor, und dass ihre Sitten barbarische
waren aus den Spuren der Knochen wunden an den Skeleten der Troglodyten , denn wenn
auch die Verletzung an dem Schenkelknochen des alten Mannes (Nr. I) etwa durch einen
Zufall auf der Jagd herbeigeführt sein konnte, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass der Sub-
stanzverlust am Stirnbein des weiblichen Schädels durch einen gewaltigen Wurf oder Stoss
und wahrscheinlich durch ein Steinbeil veranlasst wurde und die in der Nähe dieses Skelets
gefundenen Reste eines unreifen Foetus lassen überdies noch annohmen, dass die Frau schwan-
ger war, als sie getödtet wurde.
Die Tbiere, die zugleich mit den Bewohnern der Höhle lebten, sind oben namhaft ge-
macht. Ob jedoch aus dem Auffindcn dos Mammuthzahncs ein Schluss auf Gleichzeitigkeit
der Existenz des Mammuth mit denselben gemacht werden darf, ist doch wohl noch zu be-
zweifeln ; auch heute kommt es vor, dass an Orten , wo Mammuthzähne nicht so selten sind,
wie z. B. bei uns im Löss des Rheinthals, Knaben solche in ihre Wohnungen und Unter-
sehliipfo bringen. Viel wichtiger sind in dieser Beziehung die oben (S. 113) namhaft gemach-
ten Elfenbeinplättchen, da sie wohl kaum aus anderem als frischem Elfenbein gemacht werden
konnten.
Lartet nimmt an, dass die alten Rcnnthierjäger diese Ilölde vielleicht anfänglich nur
als ein Stelldichein bei der Jagd Vienutzten, wo sie ihre Beute vertheilten, später aber dieselbe
bleibend bewohnten, bis der Boden sich nllmälig hob und die Wohnung dadurch unbequem
wurde. Darauf wurde sie wahrscheinlich verlassen, um endlich noch einmal besucht und als
Grabstätte verwendet zu werden. Dann war die Höhle vielleicht noch einige Zeit lang Füch-
sen zugänglich und wurde endlich ganz allmälig durch den herabfallonden Schutt zugedeckt
und für die folgenden Jahrtausende abgeschlossen.
Digitized by Google
Digitized by Google
ft
VII.
Referate.
i
Mikrokosmus. Ideen zur Naturgeschichte und
Geschichte der Menschheit. — Versuch einer
Anthropologie von Hermann Lotze. 2. Bd.
2. Aufl. Leipzig 1869. Bei S. Hirzel.
Der Umstand, dass das Werk in 2. Auflage
vorliegt, kann eine Anzeige desselben überflüssig
erscheinen lassen. Auch behandelt es, trotz der
Titel Übereinstimmung mit unserem Archiv, nur zu
einem kleinen Theil die Fragen, deren Verfolgung
sich das letztere bis dahin zur Aufgabe gestellt
hat Wenn Schreiber dieser Zeilen, einer Auf-
forderung der Kedaction folgend, gleichwohl die
Besprechung übernimmt, so erfüllt er damit we-
sentlich eine Pflicht der Dankbarkeit gegen den
hochverehrten Verfasser, aus dessen Schriften er,
wie noch mancher andere naturwissenschaftliche
Arbeiter, seit seiner Studienzeit reichliche Förde-
rung empfangen hat
II. Lotze’s erstes literarisches Wirken füllt
in den Beginn der Vierziger Jahre, d. h. in die
Zeit, da die Naturforschung, der schädigenden
Ueber griffe der Schulphilosophie müde, von dieser
bereits Bich abgewandt, und ihr des Bestimmtesten
die fernere Gemeinschaft gekündet hatte. Bei An-
wendung rein speculativer Methoden ist es Lotze
nichtsdestoweniger gelungen, von Anfang an in
nnturforBchenden Kreisen offene Aufnahme und
dankbares Gehör sich zu sichern. Allerdings waren
die ersten Schriften (die allgemeine Pathologie,
Leipzig 1842, 2. Aufl. 1848, die Aufsätze über
Leben und Lebenskraft, über Instinct, über
Seele und Seelenleben in R. Wagner’s Hand-
wörterbuch, die allgemeine Physiologie, Leip-
zig 1851 und die medicinische Psychologie,
Leipzig 1852) zunächst an Mediciner adressirt, und
sie behandelten grosseutheils ein speciell naturwis-
senschaftliches Material. Dieser Umstand würde
indess kaum hingereicht haben, Lotze’s Schriften
unter Naturforschern und speciell unter Medicinem
zu verbreiten, hätten Bie nicht zugleich durch tiefere
Vorzüge sich Geltung verschafft. Diese Vorzüge
lagen einerseits in einer, jeglichen Schulapparat
verschmähenden ungemein schönen Sprache , und
sodann vor Allem in einem, durch gediegene Vor-
studien begründeten tiefem Verst&ndniss für natur-
wissenschaftliche Aufgaben und naturwissenschaft-
liche Fragenstellung. So sehen wir Lotze, der
Autorität hochgefeierter Naturforscher entgegen-
tretend, sofort den Kampf zu Gunsten einer conse-
quent mechanischen Lebensauffassung unternehmen,
einen Kampf, den er im Verein mit der gleichzeitig
Aufblühenden physikalisch* physiologischen Schule
rasch zum siegreichen Endo geführt hat. Auch im
weiteren Verlauf seiner Arbeiten hat Lotze wieder-
holt die Fachphysiologen auf das Wirksamste se-
cundirt. Ich erinnere nur an die bekannte Lehre von
den Localzeichen, welche gegenüber der älteren un-
klaren Auffassung von ßildreproductionen im Ge-
hirn ein so erheblicher Fortschritt der Sinnesphy-
siologie geworden ist; ferner an die Kritik der
Pflüger’schen Versuche über die sensorischen Func-
tionen des Rückenmarks, welche zum fruchtbaren
Princip von der materiellen Erziehung unserer ner-
vösen Centralorgaue geführt hat.
Nicht an medicinische Fachmänner allein, auch
nicht bloss an Naturforscher, sondern an ein wei-
teres Publikum denkender Leser ist der Mikrokos-
mus gerichtet, wovon der zweite der drei Bände
znr Besprechung vorliegt. Der Verfasser hut sich
die Aufgabe gestellt, in diesem Werke „Reflexionen
zu sammeln über die Bedeutung, welche dein Men-
schen und dem menschlichen Leben mit seinen be-
ständigen Erscheinungen und dem veränderlichen
Lauf seiner Geschichte im grossen Ganzen der Xa-
Digitized by Google
128
Referate.
tur zukomiut.’* Dabei sicht ihm als letztes Ziel die
bleibende Versöhnung mechanischer und idealer
* Naturauffassung vor Augen. Die bezeichnet© Auf-
gabe hat Lotzo in reichlichem Maasse erfüllt. In
wie weit er seinen Lesern auch zur Erreichung des
Endzieles vorholfen hat, steht nicht in meiner
Macht zu entscheiden. Nicht jeder Leser bringt
jenes Bedürfniss mit nach Versöhnung des bezeich-
neten Gegensatzes, und gerade der, der es tiefer
empfindet, wird wohl kaum durch das blosse .Stu-
dium eines Werkes, und wäre es auch daa vortreff-
lichste, das Ziel erreichen; cs wird ihm nicht er-
spart bleiben, auf dem langsamen Wege seiner
Lebensentwickelung den subjectiv befriedigenden
Abschluss zu erstreben. Mag also der eine oder
der andere Leser den Mikrokosmus unbefriedigt
aus den Händen legen, weil er sich in der ange-
strebten Hauptfrage nicht über den Standpunkt
eines rceignirenden Zuwartens hinaus gefördert
findet, so wird doch keiner ohne reiche Anregung
von dem Buche scheiden. Die verschiedensten an
die Stellung des Menschen in der Natur anknüpfen-
den Probleme finden darin ihren Platz und eine
ungemein vielseitige Beleuchtung. Keichthuru an
Gedanken, scharfe Kritik, fein psychologische Be-
obachtung und glänzende Darstell ungs weise, das
sind die Eigenschaften, welche das Buch auszeich-
nen, und die beinahe eine jede, einzeln herausge-
rissene Seite zu eiuer genussreichen Lectüre machen.
Eben der reiche Inhalt macht es auch schwer, Ein-
zelnes hervorzuheben. Soll ich aus dem vorlie-
genden Bande Abschnitte namhaft machen, welche
speciell den anthropologischen Leser interessiren,
so kann ich im vierten Buch die Capitol 2 und 3,
„die Natur aus dem Chaos“ und „die Einheit der
Natur“ nennen , im fünften Buch das Capitel von
der Sprache und im sechsten Buch die Capitel vom
menschlichen Naturell und voii den Sitten und Ge-
bräuchen, welche letztere ganz besonders reich an
ansprechenden Bemerkungen sind. Für manchen
Leser mag auch die Kritik morphologischer Sym-
bolik Interesse darbieten, sowie der Nachweis von
der Leerheit aller der Bestrebungen , welche dou
reichen Lebensinhalt durch Einzwingen in einige
schematische Formeln zu vergeistigen meinen.
Zum Schlüsse noch eine Bemerkung: der vor-
liegende Band nennt sich eine zweite Auflage; so-
weit ich indoss verglichen habe, ist er ein unver-
änderter Abdruck der ersten Ausgabe. Diese ist
im Jahre 1858, also unmittelbar vor dem Anbruch
jener Bewegung erschienen, welche die organische
Naturforschung so tief erregt, und welche auch
speciell dem Aufblühen der Anthropologie einen
Anstops gegeben hat. Von der ganzen durch Dar-
win eingeleiteten Bewegung des verflossenen Jahr-
zehntes Bagt der neue Band Nichts, auch auf die
wichtigen Arbeiten der neuen Sinneslehre wird mit
keinem Worte hingewiesen. Es ist die» zu be-
dauern, denn gewiss hätte es manchen Leser ge-
freut, die Stimme eines so besonnenen und mit so
tiefem Verständnis« begabten Kritikers wie Lotze,
über diese Fragen und über ihre bereits stehend
gewordene Behandlung su hören. Ein Eingehen
auf den Gegenstand hätte den Verfasser allerdings
zu einer weitergehenden Umarbeitung des Buches
genöthigt, und diese zu vermeiden, mochte er seine
persönlichen Gründe haben. Der Mangel ist zu
verschmerzen und auch in der unveränderten Form
wird der neu erscheinende Mikrokosmus seinen
Einfluss auf die heranwachsenden Generationen zu
bewahren vermögen. Von denen aber, die ihn ein-
mal kennen gelernt haben , wird ihn fernerhin ein
Mancher gleich einem Freunde schätzen, zu dessen
bildendem Umgang man, auch nach längeren Un-
terbrechungen , auf Zeiten immer wieder gern zu-
rückkehren wird. Hi s.
II.
Dr. F. Wibel, Die Veränderungen der Knochen
bei langer Lagerung im Erdboden und die Be-
stimmung ihrer Lagerungszeit durch die che-
mische Analyse. Ein chemischer Beitrag zu
geologischen und archäologischen Forschungen.
Herausgegeben von K. \V. M. Wiebel. Wis-
senschaftliche Abhandlung zum Osterprogramm
des Akad.- und Realgymnasiums. Hamburg
1869. 4. 45 Seiten.
Aus den bisher besonders durch v. Bibra
publicirten Analysen von Menschen- und Thier-
knochen, deren wenige sich auf fossile beziehen,
ist die spontane Umwandlung der Knochensubstanz
nicht wohl zu entnehmen. Weit lehrreicher müssen
desfalsige Untersuchungen an Knochen au» den
neueren und neuesten Formationen erscheinen, da
hier weniger von einem Einfluss des umgebenden
Gesteins die Rede ist. F. Wibel hat deshalb sein
Augenmerk auf die gegenwärtig eine so grosse
Rolle spielenden Knochenhöhlen, -Schichten, Küchen -
abfälle, Gräber gewendet (ähnlich wie Couerbe
u. A.). Er verwundete zu seinen Analysen nur
menschliche intacte Knochen von wohl bekannten
Lagerstätten und suchte vorzüglich die Gesichts-
punkte festzustellen, nach welchen aus dem Sta-
dium der Zersetzung auf die Zeit ihrer Ablagerung
möglichst zuverlässige Schlüsse zu ziehen wären.
Im Ganzen wurde hierbei der Weg einge-
schlagen, den Fresenius bei der Untersuchung
des Knochenmehles ein hält Bezüglich der sorg-
fältigen und umsichtigen Erwägung der einzelnen
Analysen-Resultate müssen wir den Leser auf die
Schrift selbst verweisen.
Bei den Veränderungen, welche die Knochen
nach dem Tode des Thicres erleiden, kommt ihre
Digitized by Google
Referate.
129
feste, flüssige und gasförmige Umgebung in Be-
t rächt, ferner der Umstand, ob der Knochen eben
einfach in Zerfall geräth oder dem Process der
sogenannten Versteinerung anheimfällt, wobei unter
Erhaltung der Form seine Substanz mehr weniger
vollständig einer andern weichen muss. Erste res,
d. h. der Zerfall, ist der in den oberen Erdschichten
gewöhnliche Vorgang, Letzteres in den Schichten
älterer und den Sintern neuer Formationen.
Zur richtigen Beurtheilung der Veränderungen
bedarf es aber vor Allem einer genauen Kenntniss
der ursprünglichen Substanz der Knochen und der
an frischen Knochen lebender Thiere vorbild-
lichen Verschiedenheit je nach den Theilen des
Skelets, nach Geschlecht, Alter u. s. w.
F. Wibel’s Schrift zeichnet sich nun vor so
manchen anderen dadurch vortheilhaft aus, dass sie
dem Leser nicht zumuthet, aus den Details das
Facit selbst zu ziehen, sondern klar und bündig
ihm die gewonnenen Resultate Schritt für Schritt
zusammenfasst und vorlegt. So hebt er als we-
sentliche Ergebnisse folgende hervor :
1. Bei der Veränderung der Knochen im Erd-
boden treten weder wesentlich neue Körper hinzu,
noch bilden eich aus den vorhandenen neue che-
mische Verbindungen.
2. Die erste Hauptveränderung der Knochen
im Erdboden besteht in der Abnahme der organi-
schen Substanzen, auszudrücken durch den ,, orga-
nischen Quotienten1*.
3. Die zweite wird durch dio Abnahme des
Calcium -Carbonates (Kreide) gegenüber dem Cal-
ci umphosphat, nden Kreidequotienten ‘"f dargestellt.
4. Die dritte besteht in eiuer theilweiseo
Umwandlung des Knorpels in stickstoffarmere Sub-
stanz und wird durch deu „Stickstoffquotienten11
ausgedrückt.
ln obigen Quotienteu prägen sich dio Unter-
schiede eines fossilen Knochens von einem glei-
chen frischen aus. Nun können aber auch noch
die Lagerstätten bei sonst gleichen Knochen ver-
schiedene Grade der Veränderung bedingen. Die
organische Substanz wird vorzugsweise unter dem
Einflüsse von Luft und Wasser, die anorganische
durch das Wasser und die darin gelösten Salze
vernichtet Die Lagerstätten der Knochen werden
deshalb sich füglich trennen lassen in solche mit
Luftzutritt (freie Erde nahe der Oberfläche ; Wohn-
und Grabkammern, Särge, Knochenhöhleu) gegen-
über jenen ohne Luftzutritt, wie z. B. die freie
Erde in bedeutenderer Tiefe, Küchenabfalle, Pfahl-
bauten, Torf, Moor, Knochenschicliten. Marchand’s
Analysen von Knochen des Höhlenbären auß ver-
schiedenen Niveaus der Gailenreuther Höhle liefern
für obige Sätze den factischen Beweis. Starker
Luftzutritt kann eine rasche Zersetzung herbei-
fuhren, worauf ein grosser Stickstoffquotient bei
, 'einem organischem (Quotienten deuten würde.
ArohlV fttr Anthropologie. Bd_ IV. H«ft 11.
Der Kreidequotient kann eventuell höher als
im betreffenden frischen Knochen sich ergeben,
wenn während der Zersetzung Zufuhr von Calcium-
carbonat stattfand (solche von Phosphat ist nicht
erweislich). Die Lagerstätten sind sonach auch zu
unterscheiden in solche ohne Petrification (freie
Erde, Wohn- und Grabkammern, Särge, Küchen-
abfälle, Pfahlbauten, Moor, Torf) und in solche
mit Petrification (Knochenhöhlen , Knochen-
schichten).
Während die obigen Resultate sich auf die
Untersuchung von Menechenknochen gründen, wur-
den auch Knochen von Thieren in Betracht ge-
zogen und dabei ermittelt, dass verschiedene le-
bende Gattungen und Arten aller Altersstufen in
Betreff der Analyse der Knochen geringere Unter-
schiede zeigen, als wenn man solche von mehreren
Individuen gleicher Species und gleicheu Alters
untersucht. Beim menschlichen und thierischen
Skelet ist der Unterschied in der Zusammensetzung
der langen, der platten und der kurzen Knochen
besonders bedeutungsvoll.
Die Thierknochen finden sich häufig eigent-
lich versteinert, wobei ausser der Verminderung
der organischen Substanz gegenüber dem Calcium-
phosphat noch die höhere Ziffer des Calciumcarbo-
nats und -Sulfats besonders iu Betracht kommt. —
Knochen gleicher Lagerstätten zeigen meist auch
sehr ähnliche Quotienten, lu Kalkschichten älterer
Formationen erhöht sich die Zunahme an Calcium-
phosphat, im Runtsandsteiu tritt an die Stelle des
gänzlich weggeführten Calciumcarbonats das
Sulfat.
Rücksichtlich dos wichtigen Punktes der aus
der chemischen Analyse zu entnehmenden Zeit
der Lagerung findet F. Wibel, dass wenn zu-
nächst nur das relative Alter zweier Objecte ver-
glichen werden will, der Forscher hier bei älteren
geologischen Formationen leichteres Spiel habe
wegen der gleichartigeren und regelmäßigeren Ab-
lagerungen im Vergleich mit Tertiär- und Quar-
tär-Gebilden.
Die von anderen Chemikern als hierfür maasB-
gebend aufgestellten Gesichtspunkte kann Wibel
nicht adoptiren, wendet vielmehr auch iu diesem
Betreff seine schon früher entwickelten Principien
gleichinässig wieder an, indem er behauptet, bei
der Altersbestimmung fossiler Knochen seien neben
gewissen haftester Ermittelung ihrer Art und Masse
eben wiederum erstlich die Lagerstätte von Bedeu-
tung (ob etwa Versteinerung oder Luftzutritt im
Spiele war), ferner das Aufsuchen des Organischen,
des Stickstoff- und des Kreidequotienten.
Bei fossilen Thierknochen fallt freilich we-
gen des ganz fehlenden Stickstoffquotienten diese
Bestimmungsart weg; der Verf. beschränkt sich
jedoch auch grundsätzlich hierin auf Menschen-
knochen und verwerthet die brauchbaren Analysen
17
Digitized by Google
130
Referate.
in Tabellen (wobei z. B. die Zahl 0,20 als orga-
nischer Quotient bei einem Humerus Andeuten soll,
dass in demselben das Verhultniss der organischen
Substanz zum Calciumphosphat nur J/j vom ent-
sprechenden Verhältniss im frischen Humerus be-
trage).
Er zieht nun aus seinen Studien folgende
Schlüsse für die Altersbestimmung aus der Analyse:
1. Je kleiner einer der Quotienten, desto älter
wird im Allgemeinen der analysirte Knochen sein.
2. Sind bei zwei verschiedenen Knochen die
sämmtlichen Quotienten des einen übereinstimmend
kleiner, als die des andern, so ist jener der ältere.
3. Knochen, deren drei Quotienten überein-
stimmen, lassen auf gleiches Alter schliessen.
4. Wo alle sechs Quotienten je unter einander
ungleich oder ein Paar unter sich gleich, die beiden
anderen im selben Sinn ungleich sind, entscheidet
die Majorität über das Alter.
5. Stellt sich bei zwei Knochen ein Paar der
Quotienten unter sich gleich heraus und die beiden
anderen entscheiden in entgegengesetztem Sinn
über das Alter, so wird der Stickstoffquotient
massgebend , wofern Gleichheit zwischen organi-
schen und Kreidequotienten sich ergibt, oder aber
es wird der Kreidequotient massgebend, sofern die
Stickstoffquotienten harmoniren.
0. Bei der Vergleichung zweier Knochen aus
Lagerstätten einerseits mit, andererseits ohne Luft-
zutritt wird in erster Linie der Kreidequotient, in
zweiter der Stickstoffquotient, erst in dritter der
organische Quotient massgebend.
Bei der Vergleichung seiner aus chemischen
Studien geschöpften Ergebnisse über das Alter der
Knochen mit archäologischen Altersbestimmungen
scheint dem Verf, die chemische Methode sich bis
jetzt als zuverlässig bewährt zu haben.
Für absolute Altersbestimmungen hält der
Verf. die Zeit noch nicht gekommen und vorwahrt
sich mit Recht gegen vorfrühe, wissenschaftlich
nicht begründete Schlussfolgerungen. Derselbe
wird bei in Aussicht gestellten späteren Arbeiten
leicht Gelegenheit finden, sich darüber auszuspre-
chen, wie sich bei den verschiedenen Veränderungen
der Knochen die Eigenschaft, an der Zunge zu
hängen, ergibt, was in vorliegender sehr werth-
voller Schrift noch nicht geschah.
Freiburg. Fischer.
III.
Die Anatomie des Menschen, in Rücksicht
auf die Bedürfnisse der praktischen Heil-
kunde bearbeitet von Dr. Hubert v. Lusch-
ka, Prof, der Anatomie zu Tübingen. 3. Bd.,
2. Abtheilung: Der Kopf. Tübingen 1867.
Es ist hier nicht die Aufgabe, über ein Werk
zu urtheilen, dessen Inhalt grösst enthei 1b ausser-
halb der Strebungen dieses Archivs liegt und über
dessen Vortrefflichkeit überdies das einstimmige
Urtkeil der Aerzte und Anatomen längst entschie-
den hat. Doch interessirt es uns, zu verfolgen, in
wie weit das im Gebiete des anatomischen Theiles
der Anthropologie von uns Beigebrachte in den
Lehrbüchern der specielleu Anatomie Aufnahme
und Anklang findet und welcher Gestalt die Skizze
der anatomischen Thatsachen ist, die in jene Werke
übergeht. Ist manche Wahrnehmung allgemein
oder speciell anatomischen Inhaltes, weil gelegent-
lich einer anthropologischen Forschung gemacht
und publicirt, von den Referenten über reine Ana-
tomie übersehen worden, haben mehrere, den so-
genannten rein praktischen Bedürfnissen dienende
Autoren sich geradezu abweisend verhalten, so ist
es dem Herausgeber des oben genannten Buches
nachzurühmen, dass er in seinem reichhaltigen,
nach allen Seiten hin erschöpfenden Werke auch
nach der genannten Richtung hin Vollständigkeit
angestrebt hat.
Nicht ganz mit Unrecht hat man der neuoren
Anthropologie eine etwas einseitige Behandlung
des Schädels zum Vorwurfe gemacht; doch hoffe
ich, man werde es nicht als ein Zeichen eines
solchen Standpunktes ausdeuten, wenn unser Re-
ferat, nachdem es die früheren, die Anatomie des
Rumpfes umfassenden Bände des genannten Werkes
vorübergehen Hess, nun mit einer Berichterstattung
über den dem Kopfe gewidmeten Abschnitt an-
hebt; erscheint ja doch selbst dein rein anato-
mischen Standpunkte „das Haupt de« Menschen**,
wie LuBchka's Werk, Seite 1, beginnt, als „das
Wesentlichste der ganzen Organisation“.
Nach allgemeinen Bemerkungen über den
Kopf, über die Haltung, Beweglichkeit, über das
Gewicht und die Grösse desselben, geht Verf. auf
die Schädelmessung ein und findet für die Zwecke
des Arztes das von v. Baer gegebene Schema,
welches Seite 5 näher erörtert wird, am meisten
empfehlenswert)). Seite 7 beschäftigt sich mit den
allgemeinen Verhältnissen der Kopfform, es wird
des Baer 'schon „cruuium medium totius geucris
humani“ mit der procentigen Breite von 80 und
der Unterscheidung in Dolicho- und Brachycephali
gedacht. Was die Liste der brachy- und dolicho-
cephalen Völker anlangt, welche Luschka (S. 7)
„mich C. Vogt’s Zusammenstellung“ giebt, so darf
ich die Verantwortung der Un Vollständigkeit und
etwaigen sonstigen Mängel dieser meiner ersten
Zusammenstellung unmöglich meinem Collegen
Vogt überlassen, und hätte es auch ausserdem
Heber gesehen, wenn Verf. statt dieser noch sehr
unvollständigen (auf Tafel XVII in „Wachsthum
und Bau“ niedergelegten) Liste, welche Vogt
S. 59 seiner „Vorlesungen“ wiedergiebt , das weit
reichhaltigere, auf die Mcesuug von mehr als
1300 Schädeln sämmtlicher in den Cabinette’e
Digitized by Google
Referate.
131
Deutschlands and Hollands vertretenen Racen ba-
sirte Tableau, welches ich in diesem Archive, I, 135,
gegeben habe, benutzt hätte.
Seite 9 werden die Unterschiede der prog-
nathen und orthognathen Gesichtsbildung bespro-
chen, es geschieht des Camper'schcn Gesichtswin-
kels und des zuerst von Virchow als wichtig er-
kannten Sattelwinkcls Erwähnung. Betreffs des
Sattelwinkels bezeichnet Verf. es als nachgewiesen,
„dass das Keilbein um so stärker geknickt, der
Keilbein winkel also um so kleiner ist, je senk-
rechter die Zähne stehen dass dagegen der
Winkel um so größer wird, je prognather der
Kieferapparat. — Eine Schilderung der Ge-
schlechtseigenthümlichkeiten des Schädels findet
sich Seite 11. Bei Betrachtung der Alters- und
Wachsthumsverhältnisae wird die mit Prognathie
verbundene Dolichocephalie des Kindesschädels be-
stätigt; Verf. erwähnt die Angabe Schaaffhau-
sen'a über eine zwischen dem sich entwickelnden
Kindesschädel und dem Menschcnschädel der ver-
schiedenen historischen und vorhistorischen Epochen
bestehenden Analogie. Die anthropologische Über-
sicht echliesst mit Angaben Ober die künstliche
Schädelformung der Flatheads und Altperuaner
und einer Zusammenstellung der von Virchow
und Lucae aufgestellten pathologischen Schädel-
formen.
Aber auch in der weiteren Darstellung des
Werkes, inmitten der Behandlung den rein anato-
mischen Materials, hat LuBchka zahlreiche anato-
mische Beiträge, welche in anthropologischen Wer-
ken und Abhandlungen sich zerstreut vorfinden,
nicht verloren gehen lassen. Es ist nicht Aufgabe
dieses Referates, dem Verf. in das weitere Detail
zu folgen, und ich beschränke mich gegenüber den
zur Anthropologio in näherer Beziehung stehenden
Daten auf die Erwähnung der wenigen, bei welchen
ich mit Verf. nicht ganz übercinstimme.
Seite 27 wird das ob interparietale als ein
„rhomboidaler Knochen" bezeichnet und auch in
Fig. VII als ein vierseitiger Knochen mit einer
oboren, zwei seitlichen und einer unteren Spitze
abgebildet, während das os iuterparietale (seu tri-
quetrum), soweit Referent bekannt ist, allgemein
als jener dreiseitige , durch die „sutura transversa
occipitis“ abgetrennte Knochen aufgefasst zu wer-
den pflegt, dessen unterer, horizontaler Rand in
derjenigen Richtung liegt, welche durch die be-
kannten, als Nahtreete oftmals am Schädel sichtbar
bleibende „snturae mendosae“ (deren rechtsseitige
in Luachka’s Fig. VII, weit abwärts von dem
dort als os iuterparietale bezeichnten Knochen,
wiedergegeben ist) angedeutet wird. Seite 72 wird
dieser Zustand des Hinterhauptsbeines genau ge-
schildert und bemerkt, dass nicht er, sondern der
in Fig. VII abgebildete Fontaneliknochen dem os
interparietale der Thiere entspreche.
Von der Synchondrosis interspbeno-
idalis wird Seite 59 gesagt, dass sie beim Neu-
geborenen entweder „noch vollständig erhalten",
oder schon theil weise OBaificirt sei; ich habe das
entere niemals, sondern constant das letztere ge-
funden (Arch. I, S. 115).
Auf derselben Seite heisst cs von der Basi-
larfuge (Synchondrosis sphenobasilaris), dass ihre
Ossification „erst mit dem 13. Lebensjahre beginnt14.
Ich habe dies niemals gefunden, dagegen bei
zahlreichen 18- bis 20jährigen Individuen die
Basalfuge noch durchaus un verknöchert und nach
der Maceration und Weglösung des Knorpels stets
einen durchgreifenden, Millimeter- bis Linienbreit
klaffenden Spalt bildend , so dass ich einen Sohft-
del mit ossificironder Basalfuge für „19- bis
20 jährig“ nehme.
H. Welcher.
IV.
Dr. A. W. Bell. On the Native Race of New-
Mexico. (The Journal of the Ethnolog. Soc.
of London. Vol. I. Nro. 3. Octobor 1869.
pag. 222 — 274).
Der Verfasser giebt uns in dieser Arbeit eine
naturgemässe und befriedigende auf eigene genaue
Ortskenntnis« gegründete Aufklärung über den
bishor so rätselhaften Ursprung der Bewohner
von Neu-Mexiko, über die merkwürdigen Bauwerke
derselben, ihre Verwandtschaft mit den Mexikanern
und über ihre Traditionen, nach denen sie einst
von Norden her eingewandert sein sollen.
Die sehr reiche Literatur über diesen Gegen-
stand ist gewiss ein hinreichender Beweis, wie sehr
jene großartigen und wohlerhaltenen Baudenk-
mäler von jeher die Ethnologen, sowie Sprach- und
Geschichtsforscher beschäftigt haben, ohne dass es
jedoch den Bemühungen derselben gelungen wäre,
den bis jetzt darüber liegenden Schleier des Ge-
heimnisses zu lüften. In wie fern der Verfasser
hierin glücklicher gewesen ist, als seine Vorgänger,
werdeu wir aus seiner Arbeit selbst ersehen.
Derselbe giebt uns zuerst eine möglichst ge-
naue statistische Angabe über die Bevölkerung von
Neu-Mexiko. Ausser den sogenannten Pueblo-
indiauern und den wilden Navajos und Apache»,
die uns in der Folge hauptsächlich beschäftigen
werden, leben hier gegenwärtig auch noch viole
Mexikaner und Amerikaner, d. h. Vereinigte Staa-
tenbürger, jenen ersteren an Zahl fast um das
Doppelte überlegen.
Die im Rio Grandethal bei Santa Fo wohnen-
den halbcivilisirten Puebloindianer zeichnen sich
durch ihr stilles, schweigsames Wesen und durch
ihre Arbeitsamkeit sehr vorteilhaft vor den Roth-
h&uten, d. h. den rothen Indianern der Ebenen
17*
Digitized by Google
132
Referate.
Nordamerikas aas. Von dieser einstmals so mach*
tigen Nation existiren aber gegenwärtig nur noch
fülnf kleine Ueberreste: die eigentlichen Pueblo-
indianer, die Zuüiindianer, die Sieben-Moquiindia-
ner, die Primas im Oilathale und die südlich von
diesen wohnenden Papagos. Im ganzen Gebiete
derselben findet man überall, wo nur irgend
Wasserleitungen vorhanden waren, auch die so
häufig beschriebenen Ruinen der sogenannten Casas
grandes und volkreicher Städte. Bell unterschei-
det dreierlei Ruinen : erstens zum Theil sehr wohl-
erhaltene mehrstöckige indische Festungen, dann
unter spanischer Herrschaft gebaute Gebäude (Kir-
chen) und drittens Gebäude, von denen nur die
Grundmauern vorhanden sind. Nördlicher als im
Thale des Rio de San Juan kennt Bell keine
Ruinen, wohl aber südlicher, im Rio de Chelly, im
Canon do Chaco und besonders schöne und grosse
Ruinen am Rio Gila.
Die genannten fünf Stamme lebten stete im
Kriege mit den wilden Navajos und Apaches. Von
ersteren wurden sie von Norden und Osten her be-
ständig belästigt, wobei die Navajos sich als grosse
Räuber namentlich der Viehheerden zeigten. Seit
1663 jedoch sind dieselben von den Truppen der
Vereinigten Staaten besiegt und nach dem Rio Pe-
cos versetzt worden. Bell hält die Navajos für
verwilderte Abkömmlinge der alten Städtebauer
und nicht der nordamerikanischen Rothh&ute. Als
Zeichen früherer Cultur findet man bei ihnen noch
die Webekunst in sehr hoher Vollkommenheit.
Während im Norden und Osten von Neu-
Mcxiko die Navajos Schrecken und Verwüstung
hervorriefen, so befolgen die Apaches dasselbe Plün-
derungssystem im Süden sowie in Arizona und So-
nora; ohne aber wio jene dabei das Leben der
Geplünderten zu schonen, zeichnen sie sich im Ge-
gentheil durch rohe Grausamkeit aus.
Die Spanier schützten Anfangs die betrieb-
samen Bewohner Neu -Mexikos, die sich vorher
selbst vor den L ebet Hillen der Apaches geschützt
hatten , durch die unter dem Namen Presidio« be-
kannten militärischen Posten. Auf diese Weise
blühte das Minenwesen und die Viehzucht schnell
empor. Als aber die spanische Macht später zu
sinken begann, und die Truppen von hier zurück-
gezogen wurden, so blieben jene Gegenden unbe-
scliützt und wurden von ihren alten räuberischen
Feinden allmälig ganz und gar verwüstet- Ob-
gleich die Vereinigte Staatenregierung seit 1854
die Verpflichtung ein gegangen war, die Apaches
zu verhindern in Mexiko einzufallen und zu rauben,
so war sie nicht im Stande, diese Verpflichtung zu
erfüllen, da die Apaches ihre Raubzüge mit solcher
Schnelligkeit und Gewandtheit anszuführen und
sich in ganz unzugängliche Gebirgshühen zu ver-
bergen wissen, dass die Verfolgungen derselben
vollständig vereitelt werden.
Auf eine ausführliche Schilderung der Ruinen
lasst Bell die alte Geschichte der Entdeckung
dieser Gebiete folgen, wobei er auch manche bisher
noch unbekannte Quellen benutzen konnte. Ans
den verschiedenen Berichten über die während der
Jahre 1526 bis 1582 ausgeführten Expeditionen
unter Jose de Vnsconzales (1526) Cabeza de Vnca
(1527), Fray Marco de Ni$a (1539), Fr. Vasquei
de Coronado (1540) und Antonio de Espejo (1562)
geht hervor, dass im sechzehnten Jahrhundert
allein im Rio Grandethal eine grössere Bevölkerung
lebte als jetzt in ganz Neu -Mexiko und Arizona
zusammen.
Bell kommt nun zu dem wichtigen Schluss,
dass die Städtehauenden Indianer als Vorposten-
plänkler der aztekischen Race anzusehen sind, die
zu der Zeit, als diese vereinigt und in der Fülle
ihrer Macht dastand, von den südlichen Provinzen
Mexikos wahrscheinlich in getrennten Abtheilungen
aufbrachen und verschiedene Dialekte sprechend
in jene nördlich gelegenen Länder eindrangen und
sie zu colonisiren versuchten.
Der Weg war ihnen von Natur durch die
physikalische Geographie jener Gegenden vorge-
zcichnet, nämlich durch die Provinz Sinaloa in
Sonora westlich von den Cordilleren zum Thal des
Rio Gila und dann nordwärts bis zum Canon
grande des Colorado. Einige folgten dem Rio Gila
bis zur Mündung durch die Wüste und dann den
Colorado aufwärts und scheinen mit den hier an-
getroffenen Stimmen fraternisirt zu haben. Daher
fand Alarcon 1540 hier verschiedene Stämme. Der
Hauptstrom der Einwanderer aber wendete sich
nach Norden. Dio Apaches wurden bei dem all-
maligen Vordringen in die Gebirge getrieben, da
man aber nicht iin Stande war, sie zu überwältigen
und zu unterjochen, so bauten die Einwanderer zum
Schutz ihrer reichen Ansiedelungen die befestigten
Städte. Dieses System des Schutzes und der Ver-
theidigung gelang ihnen so gnt, dass Fray Marco
und Vosquez Coronado mitten durch diese Districte
geführt wurden, die jetzt verwüstet sind und wo-
selbst erst wieder in der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts von den Plünderungen der Apaches
die Rede war. Die Städtebauer wurden in ihrem
Fortschritte nach Norden durch den Pueblo-Creek,
die Aztek-Mountains, den San Francisco Peak und
durch dio Canones vom Colorado und Flaxfluss,
welche vereinigt einen 300 engl. Meilen fast von
Ost nach West fliessenden langen Golf bilden, im
Westen und Nonien aufgehalten. Sie wendeten
sich daher nach Osten den Colorado chiquito ent-
lang aufwärts bis zu seinen Quellen und gründeten
die Königreiche von Cevola (Hauptstadt der Zuüis),
drangen dann ins Navajoland ein und schützten
cs ebenfalls durch den Bau von Städten (Sieben
Moqnis, Ruinen von Canon de Chaco und VaUe de
Chelly). Noch weiter vordringend kamen sie von
Digitized by Google
Referate.
133
den Quellen des San Juan ins Rio Grandetbal, wo
sie noch weit geeignetere Terrains zum Anbau an-
trafen. Nun drangen sie allmülig flussabwärts,
also von Norden kommend ihrer Sage gemäss
vor, gründeten die Stadt Taos und bevölkerten da»
schöne Thal so dicht, das» nur im üussersten Osten
und Westen au den Grenzen Befestigungen nöthig
waren. Endlich gelangten sie weiter im Süden bis
zu El Pa5o, Laguna de Gusmann und Casas Gran*
des, and so geschah es, das* da» daselbst wohnende
Volk mit Recht dem Reisenden Bartlott sagen
konnte, sie wären von Norden gekommen und ihre
Festungswerke seien von Montexuma erbaut worden.
So löst sich da» Rüthsei, dass die Städtebau-
enden Indianer von Neu-Mexiko, nachdem sie die
Erinnerung an die frühere Einwanderung von Alt-
Mexiko verloren hatten, die Verehrung Moute-
sama's beibehielten und einen Grad von Civili-
sation, der in Nordamerika gan* unbekannt ist,
besitzend, dennoch sagen konnten, sie seien von
Norden , von den Quellen des Rio Grande gekom-
men.
So weit haben sie Recht, sind aber im Irrthum,
wenn sie zu beweisen suchen, sie seien vom Nord-
westen Amerikas (sogar von Kamtschatka) gekom-
men und hätten die ungastlichen Gegenden des
oberen Colorado durchwandert und ihre Städte-
bauer und Montezuma seien von endogener Her-
kunft
Ara Schlüsse seiner Arbeit berührt Bell noch
die Frage, ob die jetzige Entvölkerung eine Folge
der Verschlechterung des Landes durch geologische
und meteorologische Einflüsse sei oder ob sie durch
menschliche Vernachlässigung der Bodenverhält-
nisse hervorgebracht sei und neigt sich der letz-
teren Ursache zu. Die Entholzungen von Seiten
der Spanier behufs der Minenarbeiten und die Sitte
der Apaches, die Wälder anzuzönden, haben die
Berge entwaldet, dadurch versiegten die Quellen,
die Wasserleitungen blieben ohne Wasser und das
Land wurde trocken und unfruchtbar. Wir haben
demnach auch hier wieder einen wichtigen Beitrag
zu der von Li obig angeregten Ansicht von der
vermeintlichen Bodenerschöpfung als Ursache des
Verfalls der Cultur ehemals mächtiger Reiche (siehe
J. Conrad Liebig’a Ansicht von der Bodener-
schöpfung. Jena 1864). Auf der der Arbeit bei-
ge/ügten Karte sind leider die Abschattirungen der
Gcbirgsverbältnisse vom Lithographen so dunkel
gehalten worden, dass da» so wesentliche Verständ-
nis» der physikalischen Geographie dieser Gegen-
den ganz verloren geht und die Ortsnamen nur
mit der grössten Mühe zti lesen sind.
A. v. Frantzius.
V.
Report of exploration in Centralamerica by Dr. C.
H. Berendt. (Annual. Report of the Board of
Regents of the Smithsonian Institution for the
year 1667. Washington 1868. pag. 420 —
426).
Dr. H. Berendt aus Danzig, der früher schon
einige Zeit als Arzt in Nicaragua und Mexiko ge-
lebt und von hier einige Arbeiten in Petermann’s
Geographischen Mitteilungen veröffentlicht hatte,
unternahm im Jahre 1865 eine wissenschaftliche
Reise nach Peten und Chiapas, um hier seine ethno-
logischen and geographischen Untersuchungen über
die Mayavölker zu erweitern, ganz besonders aber
deren Sprache behufs der Herausgabe eines Wör-
terbache« an Ort und Stelle zu studiren.
Anfs beete vom Sroithson’schen Institut in
Washington ausgerüstet, begab er sich nach Belize,
wo ihm vom Gouverneur und Kroningenieur durch
Rath und Belehrung jede gewünschte Unterstützung
zu Theil wurde, besonders aber erhielt er von dem
englischen Missionär AL Henderson, der der
Mayasprache kundig, schon verschiedene Schriften
veröffentlicht hatte und ebenfalls mit der Her-
stellung eines Mayawörterbuches beschäftigt war,
manche für seine Zwecke werthvolle Beitrüge. Im
Januar 1866 fuhr Berendt den Belizcflass hinauf
bis Pedro Buenavistn, wo er einen Monat auf Trä-
ger warten musste. Die hier wohnenden Indianer
hassen die Mexikaner und Spanier, sind aber an-
deren Fremden sehr freundlich gesinnt.
Die Ilauptstrasse von hier bis Peten führt
durch unbewohnte Waldebenen. Die Sierra de
Yucatan der Karten existirt demnach gar nicht.
Der bewohnte Theil von Peten ist nach allen
Seiten hin, in einem Umkreise von sechs bis zehn
Tagereisen, durch unbewohnte dichte Waldungen
von den ferner liegenden bewohnten Gegenden ge-
schieden. Berendt wählte das 20 engl. Meilen
von der fast im Petensee gelegenen Hauptstadt
Flores entfernte Indianerdorf Sacluk zu seinem
Aufenthalt und machte von hier aus Ausflüge bis
zum Rio Pasion, wobei er Gelegenheit hatte, die
beiden zur Mayasprache gehörigen Dialekte, den
der Petenindianer und den der am Rio Pasion
wohnenden Lacandones, zu studiren und zu ver-
gleichen; auch traf er hier zufällig Indianer von
Cahabon und Coban, durch welche er in Stand ge-
setzt wurde, sein Vocabularium der Quecchisprache
zu bereichern, welche zwischen dem Isthmus von
Tehuantepec und dem von Honduras gesprochen
wird.
Von allen Indianern dieses Theiles von Cen-
tralamerika verdienen die Lacandones das grösste
Interesse. Einst eine zahlreiche und mächtige Na-
tion, machten sie im Verein mit den Manches und
Digitized by Google
134
Referate.
Acalanes, welche beide jetzt vollständig ansgerottet
sind , den erobernden Spaniern viel zu schaffen ;
und obgleich sie nie gänzlich unterjocht wurden,
so sind sie jetzt auf eine ganz unbedeutende Zahl
zusammengescbmolzen, die an den Quellen und im
Thale des Hio Paaion lebt.
Einigo alte Schriftsteller unterscheiden die
östlichen von den westlichen Lacandones und es
scheint in der That, dass beide verschiedenen Stäm-
men angehöreu, indem die letzten an den Grenzen
des mexikanischen Staates Chiapas wohnend, eine
verschiedene Sprache, das sogenannte Putum oder
Chol sprechen, welches zu einer dem Maya ver-
wandten Sprachfamilie gehört. Die Erzählungen
von Stephens, von einer grossen unzugänglichen
Stadt, beziehen sich auf diese westlichen Lacan-
dones, welche sich ebenso sehr von dem Verkehr
mit den Weinen, als von dem mit den östlichen
Lacandones fern halten.
Diese letzteren sind ein harmloser Stamm,
leben in offenen Palmblätterhütteu, bauen das Feld,
pflanzen Zuckerrohr und Sisalhanf (von Fourcroya
Jaquiniana) und jagen mit llogen und Pfeilen, die
mit Steinspitzen versehen sind. Obgleich ßie ge-
tauft sind und gern ihre Gebete hersagen , so
hängen sie doch dem Heideuthum an und leben in
Polygamie, indem sie so viele Frauen nehmen, als
sie kaufen oder stehlen können.
Bercndt hatte einen kleinen Waisenknaben
angenommen, und da er ausserdem bald ihre Sprache
erlernt hatte, so gewann er schnell das Vertrauen
und die Freundschaft der Lacandones, die ihm bei
seinen Ausflügen oft wesentliche Hülfe leisteten
und vom grössten Nutzen waren.
Als Berendt im Oetober 1866 seine Reise
weiter nach Westen fortsetzen wollte, und von Be-
lize aus die nöthigen Reisemittel erwartete, war
durch die zwischen den Indianern und der eng-
lischen Colonie in Folge des mexikanischen Krieges
ausgebrochenen Unruhen jeder Verkehr mit jenem
Orte abgeschnitten, wesshalb sich derselbe ent-
»chliessen musste, nach Tabasco zu gehen. Nur
mit seinen wichtigsten Papieren versehen, begab er
sich ira April 1867 nach Tenoaique und San Jnan
Baulista, der Hauptstadt von Tabasco, und benutzte
die unterdessen begonnene Regenzeit zur Unter-
suchung des Csumasinta und besuchte die Ruinen
von Palenque. In dieser Gegend sammelte er Vo-
cabulurien der Putum und Tzendalspruche, die in
Chiapas gesprochen wird, sowie auch vom Chontal
von Tabasco.
Privatgeschäfte führten ihn darauf nach den
Vereinigten Staaten, aber im Sommer 1868 kehrto
er wieder noch Tabasco zurück, um seine Forschun-
gen zu erweitern und seine naturhistorischen Samm-
lungen, die er zurückzulassen gezwungen war, ab-
suholcn.
Vor seiner Abreise nach Tabasco hat Berendt
der amerikan. cthnolog. Gesellschaft ein von ihm
angefertigte« analytisches Alphabet für die mexi-
kanischen und centralamerikani scheu Sprachen über-
geben, welches von der Gesellschaft im Jahre 1869
veröffentlicht wurde1). Mit Hülfe dieses Alphabets
ist die richtige Aussprache der in jenen Gegenden
gebrauchten Sprachen sehr erleichtert. In den
Worten derselben giebt es eine Menge feiner Ab-
stufungen in den Nasen-, Gaumen- und Zischlauten
sowie in Bezug auf die Länge und Kürze der Vo*
cale, deren Kenntnis* und Beachtung beim Lernen
jener Sprachen von der grössten Wichtigkeit ist,
da viele Worte nach diesen feinen Unterschieden
eine ganz verschiedene Bedeutung erhalten.
Nach einem Briefe des Reisenden vom 21. No-
vember 1868 an die genannte ethnolog. Gesellschaft
hat derselbe seitdem viele neue werthvolle Manu-
scripte der Mayasprache aufgefunden, darunter eine
wichtige unter dem Namen Libro de Chilam Balam
bekannte Schrift.
A. v. Frantziue.
VI.
Der malayische Archipel, die Heiroath des
Orang-utan und des Paradiesvogels. Reiseer-
lebnisse und Studien über Land und Leute
von Alfred Russol Wallace. Autorisirte
deutsche Ausgabe von A. B. Meyer. Braun-
schweig. 1869. 2 Vul. 8°.
Obschon der Hauptzweck der Wanderungen
des unternehmenden Reisenden die Sammlung von
Insccten und Vögeln war, ao konnte es doch
nicht fehlen, dass ein so guter Beobachter auch
auf anderon Gebieten Gelegenheit fand, sein Talent
zu erproben, und so ist diese Reise auch für die
Anthropologie von Wichtigkeit, und zwar nach zwei
Richtungen hin. Einmal durch die darin nieder-
gelegt pn Beobachtungen über die Menschen-
racen dieses Archipels und dann durch die
Nachrichten über die I .ebensweise des dort heimi-
schen anthropoiden Affen, des Orang-utan.
1. Was das Erstere betrifft, so mögen wohl
seine Ansichten einigermaßen von seinen Anschau-
ungen über die geographischen Verhältnisse des
inalayischen Archipels beeinflusst sein, obgleich er
sagt, dass er schon, ehe er die Ueberzeugung er-
langt hatte, dass die östliche und westliche Hälfte
des Archipels zu verschiedenen Haupt-Erdregionen
geboren, sich veranlasst gesehen habe, die Nationen
des Archipels unter zwei scharf geschiedene Racen
zu gruppiren. Wie dem nun sei, immerhin sind
die vom Verf. mitgetheilten Beobachtungen und
*) Analytical Alphabet for tlie Siesiran and Central-
Americnn Langaace» by C. II. Berendt. New-York 180#.
Digitized by Google
Referate.
135
die vom Verf. mitgetheilten Beobachtungen und
die daraus gezogenen Schlüsse der Beachtung der
Anthropologen im höchsten Grade werth.’
Es war zuerst G. W. Earl, der nachwies,
dass ein seichtes Meer die grossen Inseln Sumatra,
Java und Borneo mit dem asiatischen Festland
verbinde, mit welchem auch die Naturproducte
dieser Inseln übereinstimmen, während ein ähn-
liches seichtes Meer Neuguinea und einige der an-
grenzenden Inseln, alle charukterisirt durch die
Anwesenheit von Beutelthieren , mit Australien
verbinde. Wallace hat diese Behauptung geuauer
im Einzelnen geprüft und glaubt nun , auf die
Vergleichung der Naturproducte gestützt, eine
Linie ziehen zu können, welche die Inseln der-
gestalt von einander trennt, dass die eine west-
liche Hälfte sich ganz an Asien anschliesst, wäh-
rend die Östliche Australien zugetbeilt werden
muss. Dieorstcre nennt er den indoinalayischen,
die letztere den austral-malayischen Archi-
pel. Diese Trennungslinie verläuft zwischen den
Inseln Bali und Lombos, dann zwischen Borneo
und Celebes und wendet sich dann zwischen den
Molukken und Philippinen östlich. Diese beiden
Hälften des Archipels sind nun nach Wallace auch
von zwei scharf geschiedenen Mensch enracen be-
wohnt, die westliche von der malayischen, die
östliche von der Papuarace. Die Trennungslinie
dieser beiden Kacen fällt jedoch, wohl ohne Zweifel
in Folge des wanderlustigen Charakters der Ma-
layen, mit der vorerwähnten Dicht ganz zusammen,
sondern liegt etwas weiter östlich , sie verläuft
nämlich zwischen den Inseln Timor und Rotti,
geht westlich um die Insel Sumba, dann zwischen
Sumbawa und Floris durch, von da östlich durch
die Insel Buru, längs der westlichen Küste der Mo-
lukken hinauf und flieset im Norden dieser mit
der erstgenannten Linie zusammen.
A. Was nun dieMulayen betrifft, so unterschei-
den sich die ächten malayischen Kacen von andern,
welche lediglich ein malayisches Element in ihrer
Sprache haben, durch eine grosse Einförmigkeit
in ihren physischen und intellectuellen Eigen-
tümlichkeiten, während sie grosse Unterschiede
in ihrer Civilisation und Sprache zeigen. Die
Schilderung zunächst der Körperbeechaffenheit, die
Verf. als die für alle gütige giebt, ist die folgendo :
Die Farbe aller dieser Stamme ist hellröthlich-
braun, mit mehr oder weniger olivunfarbigem An-
flug. Das Haar ist ausnahmslos schwarz, straff und
von ziemlich grober Textur, so dass jede hellere
Tinte oder jede Welle oder Locke darin einen fast
sichern Beweis für die Vermischung mit fremdem
Blut abgiebt. Das Gesicht ist fast ganz ohne Bart
und Brust, Arme und Beine sind frei von Haaren.
Ihre Statur ist ziemlich gleich gross und stets be-
trächtlich unter dem Durchschnitt der europäischen;
der Körper ist stark, die Brust gut entwickelt, die
Füsse klein, dick und kurz, die Hände klein und
ziemlich zart. Das Gesicht ist ein wenig breit
und neigt zur Flachheit, die Stirn gerundet, die
Brauen niedrig, die Augen schwarz und leicht
schief stehend; die Nase ziemlich klein, nicht her-
vorragend, sondern grade uud gut geformt, die
Spitze ein wenig gerundet, die Nasenlöcher breit
und leicht aufgeworfen, dio Backenknochen ziem*
lieh hervorstehend, der Mund gross, die Lippen
breit und schön geschnitten, aber nicht hervor-
stehend, das Kinn rund und wohlgebildet.
Ihrem Charakter nach schildert Wallace die
Malayen als sehr zurückhaltend, blöde, misstrauisch.
Der Malaye ist, sagt unser Autor, nicht demon-
strativ. Die Gefühle der Ueberraschung, der Be-
wunderung, der Furcht werden nie offen zur Schau
getragen und wahrscheinlich auch nicht tief em-
pfunden. Kr spricht langsam und überlegend,
spricht und singt nie, wenn er allein ist; wenn
Mehrere zusammen in einem Canon rudern, so
singen sie gelegentlich ein monotones und klagen-
des Lied. Wirkliches Scherzen ist seiner Natur-
anlage ganz zuwider. Eine Verletzung der Eti-
quette oder irgend einen Eingriff in seine persön-
liche Freiheit oder in die eines Andern empfindet
er besonders tief. Die hohem Classen der Malayen
sind nach unserzn Gewährsmann ausserordentlich
höfliche Leute und sie haben alle das ruhige Wesen
und die Würde des besterzogenen Europäers. Doch
ist. dies vereinbart mit einer rücksichtslosen Grau-
samkeit und Verachtung des menschlichen Lebens,
welches die dunkle Seite ihre» Charakters ausmacht.
Es erklärt dies, wie frühere Reisende die wider-
sprechendsten Berichte über den Charakter dieses
Volkes geben konnten. Die Malayen bestehen nach
Wallace aus einem grossen und oinigeu kleineren
halbcivilisirten Stämmen und einer Anzahl solcher,
welche man Wilde nennen kann. 1. Die eigent-
lichen Malayen bewohnen die Halbinsel Mabika
und fast alle Küstengegenden von Borneo und
Sumatra. Sie sprechen alle die malayische Sprache
oder Dialekte derselben, sie schreiben mit ara-
bischen Buchstaben und sind ihrer Religion nach
Muhamedaner. Von diesen ächten Malayen er-
zählt der Verfasser im Verlauf seiner Schilde-
rungen manche charakteristische Züge; so sagt er
von den Einwohnern von Palembaug (Sumatra):
„Die Eingeborenen sind ächte Malayen, sie bauen
nie ein Haus auf dem Trocknen, wenn sie Wasser
finden und gehen nirgends zu Fass hin, wenn sie
den Ort in einem Kahn erreichen können.“ Diese
„seefahrenden“ Eigenschaften erklären Vieles in der
weiten Verbreitung der Malayen (I. S. 174). Und
weiter (S. 179) hei einer andern Gelegenheit spricht
Verf. seine Meinung dahin aus, dass die Malayen
ursprünglich ein seefahrendes und wasserliebendes
Volk gewesen sind, welches seine Häuser auf Pfo-
sten am Wasser aufbaute und nur allmählig land*
Digitized by Google
13G
Referate.
einwärts zuerst die Flüsse und Bäche hinauf und
dann in» trockene Innere gewandert ist. 2. Die
Javaner bewohnen Java, einen Thoil von Sumatra,
Mudura, Bali und oinen Theil von Lombok; sie
sprechen die javanische und die Kawi- Sprache,
welche sie mit eigenen Buchstaben schreiben. Sie
sind jetzt Muhamedaner auf Java, aber Braminen
auf Bali und Lombok. 3. Die BugiB sind die
Einwohner des grössten Theila von Celebes und
daB Volk von Sumbawa scheint ein verwandtes
zu sein. Sie sprechen die Bugis- und Mangkassar-
Sprache in Dialekten und haben zwei von ein-
ander verschiedene Buchstaben, mit welchen sie
diese schreiben. Sie sind alle Muhamedaner. Als
eine vierte grosse Race, die aber Verf. nicht aus
eigener Anschauung kennt, kann die der Ta*
galen auf den Philippinen bezeichnet werden
(von denen viele jetzt Christen sind und die das
Spanische so gut als ihre eigene Sprache, das Ta-
gala, reden), und als eine fünfte die Molukken-
Malayen, welche hauptsächlich Ternate, Tidur,
Batchian und Amboiua bewohnen. Sie siud olle
Muhamedaner, aber sprechen eine Menge seltsamer
Sprachen, welche aus den Bugis-, den juvanischeu
und anderen Sprachen der wilden Stämme der
Molukken zusammengesetzt scheinen. Eine sechste
Abtheilung bilden die wilden Stämme; dos sind
die Dajaks von Borneo, die BattakB und andere
wilde Stämme vou Sumatra, die Jakuns der ma-
layischen Halbinsel, die Ureinwohner von Nord-
Celebes, der Sula- Insel und eines T heiles von
Buru. Von den Dajaks giebt er an, dass ihre
Durch&chnittsgrbgse bedeutender sei als die der
Malaven, allein beträchtlich unter der der meisten
Europäer bleibe; ihre Formen seien gut propor-
tionirt, Hände uud Füsse klein und sie erreichen
selten oder nie den Körperuinfang , den man oft
bei Malayen uud Chinesen sehe. In Betreff ihrer
intellectuellen Capacität ist Verfasser geneigt, die
Dajaks über die Malayeu zu stellen; was ihren
mor&ÜHchen Charakter betrifft, sollen sie unzweifel-
haft höher stehen. Sie sind nach unserin Autor
einfach, ehrlich, lebhafter, geschwätziger, weniger
geheim nissvoll und weniger misstrauisch als die
Malayen. — In einem Punkt scheint, wie uns dünkt,
die ethnographische Anschauung uuaers Autors et-
was mehr als billig von seinen geographischen An-
sichten beeinflusst; er sagt einmal, die malayiBche
Race als Ganzes gleiche zweifellos sehr genau der
ostasiatiBchen (mongolischen) Bevölkerung von Siam
bis nach der Mautschurei und fügt zum Beweise bei,
er habe auf der Insel Bali chinesische Händler ge-
sehen, welche die Sitten jenes Landes angenommen
hatten und kaum von den Malayen unterschieden
werden konnten, und auf der andern Seite habe er
Eingeborene von Java gesehen, welche, was ihre
Physiognomie anlangt, sehr gut für Chinesen gel-
ten konnten.
B. Sehr verschieden vou der malayischeu ist
nun die Papua- Race. Die Farbe des Körpers
ist tief schwarzbraun oder schwarz; sie erreicht
zwar nie das Kohlschwarz einiger Negerracen, aber
nähert sich demselben manchmal. Das Haar ist
sehr oigenthümlich rauh, trocken und gekräuselt
und wächst in kleinen Büscheln oder Locken,
welche in der Jugend sehr kurz und compakt Bind,
aber später zu einer beträchtlichen Länge aus-
wachsen und die coinpakte gekräuselte Perrücke
bilden, in welcher des Papuas Stolz und Ruhm
besteht. Das Gesicht ist mit einem Barte von der-
selben krausen Art wie das Kopfhaar geschmückt.
Die Arme, die Beine und die Rrnst sind mehr oder
weniger mit Haaren gleicher Art bekleidet. In
seiner Statur übertrifft; der Papua entschieden den
Malayen und ist dem Durchschnittseuropäer viel-
leicht gleich oder selbst überlegen. Die Beine sind
lang und dünn und die Hände und Füsse grösser
als bei den Malayen. Das Gesicht ist etwas ver-
längert, die Stirne flach, die Brauen sehr hervor-
stehend, die Nase gross, ziemlich gebogen und
hoch und die Oeffnungen derselben hinter der ver-
längerten Nasenspitze verborgen; der Mund ist
gross, die Lippen dick und aufgeworfen; das Ge-
sicht liAt daher in Folge der grossen Nase im
Ganzen ein mehr europäisches Aussehen als das
des Malayen und die eigentümliche Form dieses
Organs, die hervorstehendeu Bruueu und der Cha-
rakter des Haares auf dem Kopfe, im Gesicht und
auf dem Körper setzen uns in den Stand, die bei-
den Racen auf einen Blick zu unterscheiden. Verf.
bemerkt dabei, dass die eigentümliche Form der
Nase steta auch in den Figuren dargestellt werde,
welche sie als Schmuck für ihre Häuser schnitzen,
oder als Amulette um den Hals tragen. Referent
kann dem beifügen, dass an den als Siegestrophäen
aufbewulirten Schädeln dasselbe stattfindet; er be-
sitzt einen derartigen Schädel aus der Torres-
strassu, an welchem eine Nase, aus Ilolz geschnitzt,
und Augen aus Muschelschalen angebracht sind.
Die erstere zeigt ebenfalls vollkommen die eben
beschriebene gebogene Form.
Die moralischen Charakteristiken scheinen ihn
nach Wallace eben so deutlich von dem Malayen
zu unterscheiden, wie seine Gestalt und seine Ge-
sichtszüge. Er ist impulsiv und demonstrativ in
Sprache und Handlung. Seine Erregungen und
Leidenschaften drücken sich in Schreien uud Ge-
lächter, in Geheul und ungestümen Sprüngen aus.
Die Schilderung der ersten Papuas, die Wallace
sah, als er in einem Boot von Matigka&sar nach
den Aru-Inseln reiste und eine Anzahl Papua's der
Kci-Inseln an Bord kamen (Bd. II, S. 1G3 der
Uebersetsung) ist eino so plastische, dass wir ganz
besonders darauf aufmerksam machen. Der Gegen-
satz dieser unruhigen wilden Horde gegen die
ernsten Malayen ist ein so grosser, dass Wallace
Digitized by Google
Referate.
137
sagt: „wenn ich blind gewesen wäre, so hätte ich
sicher sein können» das« diese Inselbewohner keine
Malayen sind. Nicht einer der vieraig schwarzen
nackten hässlichen Wilden konnte auch nur einen
Moment still sein. Sie drückten ihre Zufrieden*
heit durch Grinsen und Schreien aus» wälzten sich
auf Deck hin und her und stürzten sich kopfüber
über Bord. Schulknaben an einem unerwarteten
Feiertage, Irländer auf einem Jahrmarkt oder See-
kudetten am I*aude geben nur eine schwache Vor-
stellung Ton der übermässigen thierischon Freude
dieser Menschen. * — und weiter — „die Malayen
kamen mir hierbei vor, wie eine Gesellschaft be-
scheidener und wohlerzogener Kinder, in welche
plötzlich eine Schaar wild sich balgender, ausge-
lassener Knaben hineinbricht, deren Betragen höchst
außergewöhnlich und sehr ungezogen zu Bein
scheint.“
Die typischen Papuas bewohnen Neu -Guinea,
die Kei- und Aru-Inseln mit Misole Salwatti
und Wageu, dann Timor und Samoa-
C. Zwischen diesen beiden ungemein acharf
geschiedenen Racen, den Papuas und den Malayen
zerstreut, wohnen nun noch eine Anzahl von Völ-
kerschaften, die mit keiner der beiden Racen ganz
übereinstimmen und die man al« intermediäre
Racen bezeichnen kann. Zu diesen rechnet Wal-
lace die Bewohner der nördlichen Halbinsel von
Dschilolo (Alfuren v. Sahoe und Galela), die von
den Malayen fast ganz verBchicden seien und eben-
so von den Papuas (grosB und wohl gebaut, mit
papuanischen Gesichtszügen und krausem Haar,
bärtig und am Körper haarig, aber eben so bell
in der Farbe wie die Malayen). Dieser ähnlich sei
die eingeborene Race von Ceram. Auf der Insel
Buru scheinen zwei Racen zu existiren, die eine
der eben erwähnten gleich, die andere klein, mit
rundem Gesicht und malayischer Physiognomie. —
Während die Titnorescu und die Bewohner von
Samoa den Charakter der Papuas zeigen, sollen
dagegen die der westlich von diesen gelegenen
Inseln Sawu und Rotti sehr verschieden, sowohl
von den Malayen als den Papuas, sein und mit
ihren schön geformten Zügen, den graden dünnen
Nasen und ihrer klaren braunen Gesichtsfarbe mehr
Hindus ähneln, oder der Race, die durch eine Mi-
schung des Hindu oder Araber mit dem Malaypn
hervorgebracht ist Die schwarzen wollhaarigcn
Racen dev Philippinen (Negritos) und der malay-
i sehen Halbinsel (Semängs) hat Verf. nicht selbst
gesehen, glaubt aber, dass sie wenig Verwandt-
schaft mit den Papuas haben, mit denen sie bis
jetzt zusammengestellt worden seien.
Die Trcntiungsliuic der beiden Hauptracen,
der roalayischen und der Papuarace, haben wir oben
angegeben, ebenso, dass Wallace, wie wir glau-
ben, der Natur einige Gewalt anthnend, die erstore
mit den ostasiatischen Racen zusammenwirft. Was
Arehlr für Anthropologie. Bd. IV. M«ft IL
nun aber den östlich von dieser Linie gelegenen
Thoil des Archipels betrifft, so ist Wallace, auf
Grund seiner eigenen und fremder Beobachtungen
geneigt, anzunehmen , dass eine in allen ihren
Hauptzügen mit den Papuas identische Race auf
allen Inseln bis nach Osten auf den Fidschi-Inseln
an getroffen werde; jenseits dieser sei die braune
polynesische Race oder ein intermodianer Typus
überall hin über den stillen öcean verbreitet. Wei-
ter bemerkt aber dann Verf., dass „die braune
und die schwarze polynesische Race sich einander
genau gleichen. Ihre Gesichtszüge sind fast iden-
tisch, so dass Porträts eines Neuseeländers oder
Otateitiers oft genug dazu dienen können, einen
Papua oder Tirooresen darzustellen, indem die dunk-
lere Farbe und das krausere IIoAr der letzteren
die einzigen Unterschiede ausmachen. u Verf. hält
also die Braunen und Schwarzen, die Papuas, die
Eingeborenen von Dschilolo und Ceram, die Fid-
schi-Insulaner, die Einwohner der Sandwich-Inseln
und die von Neuseeland alles für variirende For-
men einer grossen oceanischen oder polynesischen
Race und die zahlreichen intermediären Formen,
welche auf den zahlloBcji Inseln des stillen Oceans
Vorkommen, nicht für das Resultat einer Mischung,
sondern für wirklich intermediäre oder Ueber-
gnngsracen. Von der Verwandtschaft der Papuas
mit der australischen Race, die doch eigentlich fast
die nothwendigste Conaequenz seiner Theorie wäre,
spricht Wallace merkwürdiger Weise gar nicht.
Wir müssen überhaupt gestehen, das« in dieser
letzteren Frage unser Autor den Boden des beob-
achtenden Naturforschers etwas zu sehr verlassen
zu haben scheint, dessen Aufgabe es vielmehr ist,
dio unterscheidenden Merkmale sorgfältig aufzu-
suchen, als Racen nach jedenfalls lange nicht ge-
nügend erkannten Charakteren zusammen zu werfpn.
In einem Anhang (Schädel und Sprachen der
Menschcnracen des malavischen Archipel) kommt
endlich Verf. auch auf die craniologiBchen Unter-
schiede zu sprechen. Craniologische Studien hat
der Verf. auf seiner Reise nicht gemacht , auch
scheint ihm die Anatomie überhaupt ziemlich fern
zu liegen. Das Material zu den in diesem Anhang
gemachten Vergleichungen lieferte ihm dus Werk
von Davis (Thesaurus Craniorum). Er nahm drei
Maasse heraus, die Capacität, den Schädclindex und
den Höhonlängenindex, und verglich diese bei 83
malavischen Schädeln, 28 Papuas (darunter vier
ächte, der Rest von den Solomons- u. den Fidschi-
In&eln etc.), 156 Polynesier, 23 Australier, 72 Ne-
ger. Die einzigen Schlüsse, welche er aus seiner
Tabelle ziehen zu können glaubt, sind die, dass
die Australier die kleinsten Schädel, die Poly-
nesier die grössten haben; Neger, Malayen diffc-
riren nicht wesentlich in der Grösso. Die Austra-
lier haben die längsten Schädel, dann dio Neger,
die Papuas, die Polynesier und die Malayen. Die
18
Digitized by Google
138
Referate.
Australier haben auch die niedrigsten Schädel,
dann die Neger, die Polynesier und Papuas mit
beträchtlich höhern und gleichen und die Malaycn
mit den höchsten. Ganz richtig fügt Wallace am
Schlüsse bei: „Es scheint daher wahrscheinlich,
dass wenn wir eine viel ausgedehntere Keihe von
Schädeln hätten, die Durchschnittszahlen uns ziem*
lieh zuverlässige Racencharaktere geben würden,
wenn sie auch, in Anbetracht der bedeutenden indi-
viduellen Verschiedenheiten, in einzelnen Beispielen
nie etwas nützen und auch nicht, wenn eine nur
tnässige Zahl verglichen werden kann.
II. Die zweite Reihe der für uns interessanten
Mittheilungen bezieht sich auf den Orang-utan
oder Mias, wie ihn die Eingeborenen nennen, über
dessen Lebensweise natürlich jedwede genauere
Mittheilung ein besonderes Interesse in Anspruch
nimmt. Wallace war so glücklich, einen ganz
jungen weiblichen Orang-utan zu bekommen und
denselben nahezu drei Monate am Leben zu er-
halten und zu beobachten. Im Vergleich mit einem
jungen Affen (Macacus cynomolgua), den Verf. zu
ihm in denselben Kasten setzte, benahm sich der
kleine Orang, was Unbehülflichkeit und Unarten
betrifft, entschieden sehr anthropoid. Auch über
die Sitten des erwachsenen Thiers, von denen er
17 erlegte, theilt Verf. manches Interessante mit,
in Betreff dessen wir aber den Leser auf das Buch
selbst verweisen müssen (Bd. I. Cap. 4).
VII.
L. Geiger, Der Ursprung der Sprache. Stuttgart.
1869. XXX. 282. SS.
Der Ursprung der Sprache, diese Frage, die
von jeher die kühnsten Denker beschäftigt hat,
musste ein neues Interesse gewinnen, seitdem die
Naturwissenschaft der Erforschung der Urzustände
des Menschengeschlechts ihre tiefste Thcilnahme
zugewandt hat. Auf der andern Seite hat die
Sprachwissenschaft in nnserm Jahrhundert eine
ganz audere Gestalt uugenoniinen : an die Stelle
der früheren etymologischen Spielerei ist die Sprach-
vergleichung getreten, die in den scheinbar gröss-
ten Abweichungen das Resultat einer nach stren-
geu Gesetzen fortschreitenden Entwicklung nach-
gewiesen hat. Wesentlich von der letzteren Seite,
von der Sprachwissenschaft aus , deren bisherige
Ergebnisse er sicher beherrscht, geht Geiger dar-
auf aus, das in den Naturwissenschaften so mäch-
tige Princip der Entwicklung auch auf die Unter-
suchung des ältesten Sprach bestände» nnzuwenden
und in immer kleineren Kreisen die Entstehung
der Sprache und damit der Vernunft auf einen
Punkt zurückzuführen.
Doch verfolgen wir die Ged&ukenreihe des
Verf. nach seiner Anordnung. Der I. Abschnitt
bespricht die bisherigen Versuche, den Ursprung
der Sprache zu erforschen. Das Ergebnis^ ist die
Aussichtslosigkeit der bis jetzt eingeschlagenen
Wege, ein Ergebniss, das von der Sprachwissen-
schaft seihst ausgesprochen ist, indem sie wohl die
Aufgabe anerkennt, den ältesten Sprachbestand
darzustellen, hier die Wurzeln, dort die Beziehungs-
elemente und ihre Bedeutung zu bezeichnen, da-
gegen die Frage unbedingt zurückweist, wurum
diese oder jene Laut verbin düng diese oder jene
Bedeutung habe. Die Vertreter der Sprach Wissen-
schaft glauben hier den Boden des beweisbaren zu
verlassen und damit über die Grenzen der Wissen-
schaft hinauszugehen.
Geiger wagt diesen Schritt, indem er zu-
nächst (II.) eine allerdings verbreitete Ansicht
über den Spracbzustand der vorhistorischen Zeit
vernichtet. Die Meinung war bisher, dass die Wur-
zeln, das letzte Ziel, welches die Sprachforschung
erreicht hntte, mit einerlei Lauten auch einerlei
Bedeutung verbunden hätten. Gewiss mit vollem
Recht weist Geiger dies zurück: ein solcher Ruhe-
puukt, von dem die spätere Entwicklung der Be-
deutungen ausgegangen wäre, ist nicht denkbar;
wie in den spätesten, so muss auch in den frilhäteu
Zeiten eine stetige, wenn auch unmerkbar lang-
same Veränderung stattgefunden haben.
Sehr schön wird (III.) als der Hebel dieser
Bewegung die Verwechselung nachgewiesen. Die
Analogie ist cs, welche von einem Begriffe zum
andern überleitet Indem der Mensch die Ver-
schiedenheit der bemerkten Gegenstände wahr-
nimmt, indem er das ursprünglich allein erfasste
allgemeine Bild von den Besonderheiten trennt,
erweitert er sein Sprachgebiet. Das hauptsäch-
lichste Mittel seiner Wahrnehmungen aber ist der
Gesichtssinn; durch das Wachst hum der Empfin-
dungen dieses Sinnes geht die Sprachentwicklung
vor sich; ja Geiger will auf sie den letzten Ur-
sprung der Sprache zurückführen.
Was wird nun zuerst wahrgenommen? Diese
Frage behandelt der IV. Abschnitt. Es sind überall
die Bewegungen und zwar vor allem die mensch-
lichem. Keine eher aber als die deß menschlichen
Antlitzes, das Schliesßen, Verzerren etc. des Mun-
des. „Das erste Sprachobject trifft aller Wahr-
scheinlichkeit nach mit demjenigen selbst zusam-
men wodurch es zum Ausdrucke kam: es war eine
dem ersten Sprachscbrei , der ersten Sprachbewe-
gung vielleicht völlig gleichende gesehene und
gehörte Bewegung eines menschlichen Mundes*1
(Seite 165).
Der V. Abschnitt bespricht das Verhältnis«,
in welchem die menschliche Sprache und Vernunft
zu den Fähigkeiten der Thiere steht. Den Haus-
thieron wird wenigstens ein beschränktes Verständ-
Digitized by Google
Referate,
130
niss des menschlichen Wertes zugewiesen, der In*
etinct der Biene dagegen als etwas durchaus ver-
schiedenes aufgezeigt. Es schließen allgemeine
Betrachtungen über das Wesen der Vernunft und
die Behauptung eines Wachsthums, welches sie von
den niederen Stufen zu der Höhe geführt habe, in
der wir sie in den grossen Geistern unseres Ge-
schlechtes bewundern.
Soweit die Grundzüge des Buches, wenn es
uns möglich gewesen ist, ihnen mit wenigen allge-
meinen Worten gerecht zu werden. Von der Fülle
feiner Bemerkungen, die theils als Ausführungen
im Texte, theils als Belege in den Anmerkungen
sich finden, konnte hier auch nicht eine Probe ge-
geben werden. Der Sprachforscher wird sie ebenso
dankbar aufnehmen, als der Anthropologe aus ihnen
die Ergebnisse der jetzigen Sprach Wissenschaft er-
fahren wird.
Freiburg i. B. Ernst Martin.
VIII.
Hi s, Ueber die Bedeutung der Entwicklungsge-
schichte für die Auffassung der organischen
Natur. (Bectoratsrede, gehalten in Hasel am
4. November 1869.) Leipzig. 1869. 8#. 40 S.
Der um die Entwicklungsgeschichte so sehr
verdiente Verf. hat in dieser Schrift die Bedeutung
der interessanten Ergebnisse, zu welchen ihn seine
Studien über die allerersten Entwicklungsvorgftnge
beim Hühnchen führten, nach verschiedenen Rich-
tungen genauer dargelegt und die Beziehungen, in
welchen die Entwicklung der Individuen zur Ent-
wicklung der Species steht, einer Betrachtung
unterzogen. Bekanntlich waren die ersten Vor-
stellungen, die man sich über Entwicklungsvor-
gänge machte, sehr mechanischer Art, wie auch
aus den eingeführten Bezeichnungen: Einstülpung,
Ausstülpung, Faltung etc. hervorgeht, und Forscher
wie Bär und Bischof f sahen sich veranlasst, ge-
gen eine zu mechanische Auffassung von Vorgängen
zu plaidiren, die reine „Wachsthumserscheinungen“
seien. Dass dieses langsame Wachsthum selber
nun aber in der That doch ein durch mechanische
Gesetze beherrschter Vorgang ist, das nachgewiesen
zu haben ist das grosse Verdienst des Verfassers,
und die mechanischen Grundgesetze des Wachs-
thums des Keims, die er hierbei gefundon hat
überraschen in der That durch ihre Einfachheit
sowohl als durch ihre weitgreifende Herrschaft.
Aus dom fundamentalen Faltenwurf des blatt-
förmigen Keims, der in Folge des nicht überall
gleichmäßigen Wachsthums nach mechanischen
Gesetzen an bestimmten Stellen entstehen muss,
resultirt mit zwingender Xothwendigkeit die
ganze spätere Gestaltung des Embryo, und die
kleinste Differenz in der Anlagu dieser primitiven
Faltungen kann die grössten Verschiedenheiten im
späteren Bau bedingen. „So wird dadurch,
dass wir von der Gestaltung als von der
abgeleiteten Function auf das Wachsthum
als die Grundfunction zurückgehen, nicht
nur die Geschichte individueller Körpor-
hildung zu einem mechanischen Problem,
sondern es erscheint auch die Beziehung
der verschiedenen organischen Formen zu
einander in einem neuen sehr viel verein-
fachten Lichte.** — So müsse schliesslich das
Wachsthum jedes organischen Keims, als ein nach
Zeit und Baum streng normirter Vorgang, einen
mathematischen Ausdruck besitzen, in welchem die
Wachsthumsgeschwindigkeit jedes Punktes in ihrer
Abhängigkeit von der Zeit und von der Lage be-
stimmt ist. Auch das grosse Reich organischer
Gestalten sei der Herrschaft der Zahlen nicht ent-
zogen, gelte doch diese selbst in den weit höheren
Sphären physischen Lehens. Verf. weist dann dar-
auf hin, wie sich durch diese mechanische Auf-
fassung die lange abgebrochene Verbindung zwi-
schen morphologischer und physiologischer Betrach-
tungsweise wieder herstelle, wie die Begriffe von
Typus and Homologie nun nicht nur eine histo-
rische, sondern eine mechanische Bedeutung be-
kommen, wie das Prinzip der Einheit (Harmonie
des Typus) erst jetzt eine schärfere Begründung
erhalte und wie erst jetzt ein physiologisches
Verständnis» der Homologieen ermöglicht werde.
Der Darwinschen Lehre gegenüber bemerkt der
Verf., dass wenn die genealogische Verwandtschaft
der organischen Wesen wirklich in jener Alles um-
fassenden Ausdehnung bestehe, wie sie die Theorie
statuirt, die typischen und entwicklungsgeachicht-
liehen Uebereinntim raun gen allerdings als selbst-
verständliche Consequenzen erscheinen. Aus die-
sen aber auf die Blutsverwandtschaft zurückzu-
schliessen, möchte von dem Augenblick an nicht
mehr gestattet sein, da sich Aussicht eröffnet,
„die verschiedenen Entwicklungsrichtungen als er-
schöpfende Verwirklichungen eines mathematisch
bestimmbaren Kreises möglicher Wachsthnmsweisen
zu erkennen. Auch die Krystalle der unbelebten
Natur lassen sich nach ihren Formen in Reiheft
ordnen, ohne dass wir deshalb diesen Formenreihen
die Bedeutung von Entwicklungsreihen zuzuachrei-
ben versucht sind.“
13*
Digitized by Google
VIII.
Kleinere Mittheilungen.
1. Die Chiloten. Aur einem Schreiben von Dr.
Carl Martin, Arzt in Puerto Montt (Süd-
chile), 20. December 1869.
.... Wir sitzen hier in einem der von den
Culturcentren entferntesten Winkel, an einem der
Endpunkte der grossen Postlinien, die dio Erde
überziehen. Unsere Bevölkerung besteht aus eini-
gen Beamten und Auswürflingen der chilenischen
Oligarchie , aus einem bunten Gemisch von Seeleu-
leuten und Krämern aller Kationen, welche eben-
falls die spanische Sprache als Umgangssprache
benutzen — darunter Vollblutneger, Hindus, Nord-
amerikaner, Norweger, Böhmen u. s. f. — aus einer
festgescblossenpn deutsch-evangelischen und einer
deutschen katholischen, von den Jesuiten geleite-
ten Gemeinde, und endlich aus einem alle anderen
Classen an Zahl überwiegenden, aber ausserordent-
lich schwankenden Contingente chilenischer Holz-
arbeiter und sonstiger Tagelöhner, von allen ande-
ren verachtet« Parias. Sie sind fast rein indiani-
scher Abkunft , gehören aber zu den von den fest-
ländischen Indianern tief verachteten Indianern
der Inseln, dio sich nicht wie die Arnucaner und
Patagonier von Jagd und Feldfrüchten, sondern
hauptsächlich, den Feucrläudern entsprechend, von
Seeauswürfen , Muscheln, Schnecken, Tang u. s. w.
nähren. Sie werden nach der lusel Chiloe, von
welcher sie meist kommen, Chiloten oder dem Stande
nach Peones oder TrabAjadores de len* genannt.
Ihnen stehen alle anderen als Caballeros gegen-
übe#, am meisten feindlich oder wenigstens exclu-
siv die echten Chilencr aus dem Norden.
Diese Chiloten scheinen nun noch nicht so
sehr weit über die Lebensweise der Pfahlbauten-
bewohner hinaus zu sein. Sie wohnen gern am
Meeresstrande, beschäftigen sich dann sehr viel
mit dem Aufsuchen und Ausgrabon der sehr gros-
sen und zahlreichen Seethiere, die sie fast alle essen,
entweder roh oder auf sehr verschiedene Weise
zubereitet. Besonders beliebt ist bei ihnen eine
Festlichkeit, „curanto4* genannt, dio darin besteht,
dass in die Erde heisse Steine geworfen werden,
darauf alle möglichen Seethiere, sowie andere Spei-
sen, besonders die hier ausserordentlich üppig,
auch wild gedeihende Kartoffel, „papa“, dieStarom-
nahrung der Feuerländer nnd Chiloten ; darauf
wieder heisse Steine. Sonst werden die Muscheln
und Schnecken aus ihren Schalen und Gehäusen
genommen, an Binsen aufgereiht und über dem
stetB brennenden Feuer (von dem ja auch Feuer-
land seinen Namen hat) geräuchert oder auch mit
Pfeffer, namentlich dem „Azi4* genannten rothen
Pfeiler genossen. Wo solche Chiloten gewohnt
haben, da erkennt man die Stätte an dem Küchen-
abfalle, den überaus zahlreichen Resten von Mü-
cheln oder Schneekenschalen, die grosse Haufen
bilden und fast die ganze Küste bedecken, auch
weit einwärts den Zügen dieser Leute folgen.
Die Chiloten find recht gute Seefahrer, sowie
sehr kräftige, ausdauernde Holzhauer und Träger.
Im Frühjahr, September bis Januar, kommen sie
herüber: mit jedem Südwinde habe ich ihre klei-
nen hübschen Segler, „Lanchas“, von den gegen-
überliegenden Inseln her überfahren gesehen. Von
hier gehen sie dann meist an der Küste entlang
oder gleich ins Land hinein und suchen Alercale
oder Schläge von Alercebäumen. Es sind dies
grosso Waldbäume, die in botanischer Hinsicht dun
Cy pressen nahe stehen , aber auch einige Aehnlich-
keit mit unseren Fichten haben*). Ein ursprüng-
licher Alercenwald muss aber etwas düsterer und
kahler als ein Fichtenwald sein, da die Bäume viel
grösser und stärker sind und viel weniger Laubtragen,
da sich ferner ihre Wurzeln über der Erde thei-
•) Alerce (sti deutsch „Lärche“, ein Wort wohl des-
selben Summe* mit Alerce) »st sicher eine Araucarla-Art;
denn Rinu* and Ln rix kommen bekanntlich aut der südlichen
Hemisphäre nicht vor und werden durch andere Gattung™
vertreten. Den Namen Alerce (Lärche) gaben die Spanier
diesem Daum ohne Zweifel wegen einer gewissen Achnlkb-
keit desselben mit dcT ihnen takaunten Lürch«.
Di« Red.
Digitized by Google
Kleinere Mittheilungen. 141
Jen und ausbreiten und ihre Rinde sehr heil ist.
Neulich habe ich zum ersten Male einen freilich
schon behauenen Alercal gesehen. Welch öder An»
blick! Weithin nichts ab weisse, grau und schwarz
angekohlte Stämme, die ihre abgestorbenen Aeate
wie klagend in die stille Luft streckten. Darunter
ein wildes Gewühl von abgehauenen , umgefallenen
Räumen, frischen oder verkohlten Spänen, wildver-
flochtenen Wurzeln über dem tiefen Sumpfe oder
den braunen Watsserpf ätzen. Die Alorcetannen
wachsen nämlich immer auf sumpfigen Terrassen
zwischen grünem ürwalde, wie er die Abhänge
der Bergrücken bedeckt. Durch solchen Urwald,
aus vielen Laubbäumen aller Art, bambusartigem
Rohre uud wunderbar schönen Schlingpilauzen und
Schmarotzern verfilzt, hauen sich die Holzhauer
durch; sie machen sich Wege, indem sie über Berg-
abhänge, Abgründe, Sümpfe, Bäche, Wasserfalle
u. s. w. Bäume mit eiugehauenen Stufen und Trit-
ten hinlegeu, die freilich für Stiefel sehr schlüpfrig
zu »ein pflegen. Im Alercale selbst machen sie
sich Pinta, indem sie die abgefallenen und abge-
storbenen Aeste abbrennen. Dann hauen sie die
passenden Bäume um und bearbeiten sie an Ort
uud Stelle unter einer improvisirteu Bretterhütte,
entweder zu Vigos (Balken) oder Tablilios (Pfosten),
zu Mochoe (Eisenbahnschwellen) oder Tnblas (Dach-
schindeln), von denen jede Sorte genaue Länge,
Breite und Dicke haben muss, kein Astloch, keinen
Sprung, noch irgend einen Fehler habcu darf.
Dann werden die Vigos von Ochsen weggoschlcift,
die übrigen Holzstücke aber auf dem Rücken getragen.
Für den Ochsentransport müssen natürlich beson-
dere Wege hergerichtet werden, für den Transport
der übrigen Gegenstände dienen die erwähnten
Naturbrücken, auf denen kolossale Lasten (ein Chi-
lote trägt mehr als ein Pferd) meilenweit in schnel-
lem Laufe auf tfchwankenden Balken hin, über
grosse uragefallene Bäume weg, fortgetragen wer-
den. An der nächsten bewohnten Stelle verkaufen
oder vertauschen dann die Chiloten das Holz an
den sogenannten „Patron1*. Sie arbeiten nämlich
nie selbstständig, sondern immer im Aufträge eines
Händlers, am liebsten eines deutschen Colonisten.
So hat sich ein ganz eigentümliches Fendalver-
hält niss ausgehildet. Jeder Colonist besitzt mehr
Land als er selbst bebauen kann, die meisten auch
sogenannte Vorderchacaras, hinter denen grosse
Hinterländer liegen, zu welchen der Weg von ihrem
Giundstück aus führt Auf diesen Ländereien nun
beschäftigt er als sogenannte „Inquilinos“ Arbei-
ter, meist Chiloten, als Tagelöhner, Viehhirten und
gewöhnlich als Holzhauer. Den Lohn zahlt er
fast immer zum grössten Theil in Waaren aus, von
denen er stets viel vorräthig hat: Brot, Fleisch,
Baumwollen- und Wollenzeuge, Branntwein u. s. w.
Er nimmt dafür das Holz in Empfang, zeichnet es
mit seiner Marke , einem Stahlstempcl , der am
Rücken eines Beiles angebracht, jedem Stück an alle
Flächen eingeschlagen wird, so dass man, ohne
das Stück unverkäuflich zu verkleinern , sie nicht
wieder unkenntlich machen kann. Daun wird
das Holz entweder ans Meer geschleift, oder bei
den Colonien am See auf diesem in Flössen nach
dem Puerto Varaa gebracht, hier auf Wagen auf
dem recht guten Fahrwege nach unserem Hafen
gefahren, da von den Kaufleuten, meist Deutschen,
dem eigentlichen Kerne unserer deutschen Ge-
meinde, in Speicher, „Bodegas", gelegt und dann
nach dem Norden von Chile, nach Bolivia oder
Peru verkauft Das Alerceholz ist nämlich ein aus-
gezeichnetes Bauholz. Da es nicht fault, ist es
ausgezeichnet zu Eisenbahnschwellen , zu Häusern,
Dächern u. s. w. zu verwenden. In neuerer Zeit
hat man es auch mit Vortheil nach Europa gebracht,
da es das beste Holz zu Violin- und anderen Re-
sonanzkästen sein soll, auch sehr gut zum Ausklei-
den resonnireuder Säle, Kirchen u. s. w. zum Her-
stellen resonuirender Fussbodcn.
2. Nach einer mündlichon Mitteilung, die mir
Emil v. Schlagintweit machte, deflniren dio
Chinesen dio Kaukasior als „Leute mit tief-
liegenden Augen und stark vortretenden
Nasen.“ — Von dem, was fremden Völkern an
uns fremdartig erscheint, fällt ein Licht zurück auf
die wesentlichen Eigentümlichkeiten jener. Unter
den tiefliegenden Augen ist aber offenbar nur die
relativ zur Nasenwurzel tiefe Lage gemeint, das
starke Vortreten der Nase von ihrer Wurzel aus,
die eine so stark vorspringende Kante bildet (am
meisten bei der Antike), dass bereits bei Betrach-
tung von 7i Profil das Auge der abgewendeten
Seite verdeckt liegt, während bei vielen Mongolen,
Malnyent Hottentotten etc. die Nasenwurzel bo ver-
tieft ist, dass dieselbe bei der Profilstallung vom
Augapfel überragt wird. Sehr auffällig wird, worauf
mich der vortreffliche (kürzlich verstorbene) Bild-
hauer v. der Launitz aufmerksam machte, dieses
Verhaltniss dadurch, dass man am Schädel mit einem
Faden von Thränenbein zu TbräDenbein über den
Nasenrücken hin misst, wobei der Faden bei den
Hochnäsigen Völkern einen fast geradlinigen Ver-
lauf nimmt, während er bei den edleren Formen
eine gewaltige Krümmung macht. Ich habe dieses
Moass bei den verschiedenen Racen genommen und
beträchtliche Unterschiede zwischen .geradem
Maasse der Augenscheide wandsbreite“ und dem zu-
gehörigen Bogenmaasse gefunden. Bei dem deut-
schen Schädel betragen beide im Mittelwertbe 26
und 40 Mm. (Diff. 14), beim Chinesen 24 und 32
(Diff. 8). —
Sehr naiv ist die Schilderung, welche ein
Sandwich-Insulaner von den ersten Weissen,
die er sah, gegeben hat. Auf Grund einer „Ge-
Digitized by Google
142
Kleinere Mittheilungen.
schichte des Archipel«“, welche eingeborene „Stu-
denten der Schule zu Lahainea Cula“ niederge-
schrieben, wie «ie dieselbe au« dem Munde der äl-
testen Eingeborenen gehört, thcilt das „Ausland“
(Jahrg. 1865, Nr. 49) einen Aufsatz Uber Cook'«
Schicksale mit, welcher S. 1154 folgende Stelle
enthält: „Die Hawaiianer hatten gefragt, wie das
Aeussere des Schiffes sei, und er (irgend ein Sand-
wich-Insulaner) beschrieb die Masten , die Segel
und die Flaggen. Sie fragten dann, wie die Men-
schen aussahen ; er erwiderte; Die Menschen sind
Weisse, sie haben eine lose Haut und eckige Köpfe,
sie sind Götter, sie sind Vulkane, denn Feuer kommt
ihnen zum Munde heraus; ihre Seiten enthalten
Beutel mit Schätzen, Beutel, die tief in den Leib
hineingehen. Aus diesen Löchern ziehen sie,
wenn sie die Hand hineinstecken, Ahle, Messer,
Eisen. Halsbänder, Nägel, kurz alle möglichen Sa-
chen hervor.“ Diese Schilderung wirft nun aller-
dings weder auf den Körperbau der Weisseu, noch
der Sandwichs ein Licht, da fär den guten Insula-
ner der Satz: „Kleider machen Leute“, in einer
unerhörten Ausdehnung Geltung hatte. H. W.
3. Eine Bemerkung A. ▼. Hum hol dt ’s über
die Stellung und Bildungsf&higkeit der Neger (in
einem Briefe an Burmeister) ist interessant ge-
nug, bo dass der Schenker jenes Briefes die Pub-
lication derselben wohl gestatten wird. An Aus-
sprüche Burmeister'« Anknüpfend, schreibt Hum-
boldt unterm 11. August 1853:
„Das« der schwarze Mensch sich nie über die
dienende Stellung erheben werde, ja der alte sym-
bolische Ausdruck von der Annäherung zur
Affennatur, sind Stellen, die mich sehr gekränkt
haben, auch hat mich S. 533 wenig beruhigt. Ich
habe sechs Jahre lang viele tausend Neger beob-
achten können, auch viele in meinen Diensten ge-
habt, und mein Essai politique sur l’Isle de Cuba
zeugt von der Lebhaftigkeit, mit der mich dieser
Gegenstand mein ganzes Leben lang beschäftigt
hat.“
Die interessante Abhandlung, welche Schaaff-
hausen (Arch. I, pag. 161) „über den Zustand der
wilden Völker“ gegeben hat, enthält (p. 171) eine
ergreifende Schilderung, welche den warmen An-
theil erkennen läs^t, den A. v. Humboldt an dem
Geschicke der Völker nahin, deren Loos es i»t, der
Cultur Europas zum Opfer zu fallen.
In einem Artikel in der «Wes. Ztg.“ spricht
sich Gerhardt Rohlffs über die Civilisationsfahig-
keit der Neger folgendermaasseu aus: „Die Be-
völkerung von Lagos ist überwiegend schwarzer
Race, dass die wenigen Weisseu, vielleicht hundert
an der Zahl, ganz darunter verschwinden. Diese
Schwarzen sind wieder von den verschiedensten
Stämmen, obwohl Yoruba- und Sabu-Leute vor-
wiegend vorhanden sind. Man glaube indes« nicht,
dos« die schwarze Bevölkerung eine niedere Stufe
einnimmt, wie denn überhaupt der schlechtweg
ausgesprochene Grundsatz, die schwarze Bevölke-
rung sei gar nicht der Civilisation fähig, ein sehr
schlecht hasirter ist. Freilich haben die, welche
sich zu dieser Ansicht bekennen , sich wohl haupt-
sächlich auf die schwarze Bevölkerung Amerikas
bezogen, aber von einer seit Jahrhunderten durch
Sklaverei unterdrückten Bevölkerung Schlüsse auf
eine ganze Race ziehen zu wollen, wäre ebenso un-
sinnig und lächerlich , als wollte man der ganzen
europäischen Familie, weil gerade die Griechen
ihre eben errungene Freiheit weder ertragen noch
benutzen können, politische Unmündigkeit vorwer-
fen. Doch es würde zu weit fuhren, dies Thema
hier zu behandeln, genug, dass ich als Beispiel an-
führe, dass Herr Philippi mir unter anderen Zu-
tritt zum Hause James verschaffte, welches eben-
falls einem Schwarzen gehört, der ein bedeutendes
Colonialwaarengeschäft betreibt. Seine Frau, Mrs.
James, ebenfalls eine Schwarze, und die einst dazu
bestimmt war. einem Engländer, der den König
von Dahome besuchte, zu Ehren geopfert zu wer-
den, dann aber auf Wunsch des Weissen befreit
wurde und jetzt in Lagos eine der liebenswürdig-
sten Salondumen ist, hatte mehrere Male die Güte,
die schönsten und schwierigsten Sonaten und Sym-
phonien von Mozart und Beethoven uns vorzu-
spielen.“ H. W.
4. Notiz über das Alter der Todtenmasken.
Nach einer Angabe Vasari’s gilt Verocchio
1433 — 1488) ziemlich allgemein als der Erste, der
es versuchte, Theile von lebenden Menschen und
Leichnamen in Gyps abzuformen ; insbesondere ist es
Rumohr (Italienische Forschungen, II , 304), der
jenen Ausspruch V&sari’s so bestimmt genommen
hat, während Vasari, genau besehen, nur sagt,
da«« Verocchio „einer der Ersten war. welche
dieses Verfahren in Anwendung brachten.“ Immer-
hin könnten angebliche Todtenmasken von Men-
schen, die früher gelebt, nach jenen Angaben Va-
sari1« und Rumohr's als zweifelhaft erscheinen.
Ich habe dies Bedenken betreffs der Torngiani-
schen Maske aufgeworfen (Jahrb. der deutschen
Dante-Gesellschaft, 1, 8. 40), und ohne Zweifel ist
jene Altersfrage von einigem kritischen Interesse
für die anthropologische Forschung. Auch Norton
(On the original Portrait« of Dante, Cambridge,
Massachusetts, 1865) erklärt, über da« Alter jene«
Gebrauchs nicht ganz sicher zu sein, spricht jedoch
die Vermuthung aus, dass eine «o einfache Kunst
wohl auch bereits in einer frühem Zeit geübt wor-
den sein könne. Niemand, soweit ich herumfragte,
vermochte mir diese Vermuthung zu bestätigen.
Digitized by Google
Kleinere Mittheilungen. 143
doch geschah dies zuletzt durch eine 'Stelle bei
PliniuH (nat. hist. 1. XXXV, 153): „Hominis
autem imagiuem gypso e facie ipsa primus omnium
expresait ceraque in eam formarn gypsi infuaa emen-
darc instituit Lysistrutus* (330 v. Chr.). Hier-
mit ist allerdings nicht direct ausgesprochen , dass
der Abdruck dem Todten entnommen wurde;
aber diese letztere Praxis ist offenbar die leichtere,
und sie konnte nicht ausbleiben, wenn die andere
geübt wurde. H. W.
5. R. C. May ne, über die Patagonier (Athe-
näum 11. Septbr. 1869. — Petermann's
Mitthlg. 1869. X. 385).
Mehrere wurden gemessen, einer maass 6*10*.
mehrere 6' 4", im Durchschnitt aber überschreiten
sie nicht dua Maas» von 5' 10" bis 1 1", also nur
um 4 bis 5" die mittlere GrÜBse der Engländer.
, Zweierlei trage dazu bei, die Grösse bedeutender
erscheinen zu lassen: 1) Die Tracht . die langen
Mäntel von Guanacofelien (Frauoukleidcr machen
einen Mann immer grösser erscheinen). 2) Ihre
Gewohnheit, auf Felsen, neben ihrcu winzigen Hüt-
ten stehend , die vorüburfahrenden Schiffe zu be-
trachten.
6. Kant und die Descendenztheorie.
in Kant’s pragmatischer Anthropologie (Ge-
sammtauBgabe seiner Werke in X Bänden, Leipzig
1839, eoL X, S. 371) findet sich folgende Stelle:
Waa nmg doch die Natur hiermit für eine
Absicht haben , dass sie das Kind mit lautem Ge-
schrei auf die Welt kommen lässt, welches doch
für dasselbe und die Mutter im rohen Naturzu-
stände von äusserster Gefahr ist? Denn ein Wolf,
eiu Schwein sogar würde ja dadurch angelockt, in
Abwesenheit oder bei der Entkräftung derselben
durch die Niederkunft es zu fressen. Kein Thier
aber ausser dem Menschen (wie er jetzt ist) wird
beim Geboren werdeu seine Existenz laut ankün-
digen; welches von der Weisheit der Natur so auge-
geordnet zu sein scheint, um die Art zu erhalten.
Man muss also unnchmeu, dass in der früheren
Epoche der Natur in Ansehung dieser Thierclasse
(nämlich des Zeitbilds der Kohigkeit) dieses Laut-
werden des Kindes bei seiner Geburt uoch nicht
war; mithin nur später eine zweite Epoche, nach-
dem beide Eltern schon zu derjenigen Cultur, die
zum häuslichen Leben nothweudig ist, gelangt wa-
ren, eingetreten ist; ohne dass wir wissen: wie die
Natur und durch welche mitwirkende Ursachen
sie eine solche Entwickelung veranstaltete. Diese
Bemerkung führt weit, z. B. auf den Gedanken:
ob nicht auf dieselbe zweite Epoche, bei grossen
Xaturrevolutiouen, noch eine dritte folgen dürfte.
Pa ein Orang-outang oder eiu Cbinipanse die Or-
gane, die zum Gehen, zum Befühlen der Gegen-
stände und zum Sprechen dienen, sich zum Glieder-
bau eines Menschen ansbildete, deron Innerstes ein
Organ für den Gebrauch des Verstandes enthielte
und durch gesellschaftliche Cultur sich allmählich
entwickelte.
7. Anthropologisches Laboratorium inParis.
Broca kündigt die Gründung eines anthropo-
logischen Laboratoriums in der ecole pratique an;
ausgestattet mit den nöthigen Instrumenten und
einer Bibliothek. (Bulletins du la soc. d’Anthrop.
de Paris. 2. Ser. T. IV, p. 99.)
8. Peabody Museum of amorican Archaeo-
logyand Ethnology (Curator Prof. Wv mau).
Dasselbe hat durch den Ankauf dreier euro-
päischer Sammlungen, von G. Mortillct in Paris
(circa 3000 Nummern), Wilmot J. Kose in Däne-
mark (1559 Nummern) und Dr. Clement in der
Schweiz, ein ungemein reiches Material, insbeson-
dere zur Vergleichung des Steinalters der alten
und neuen Welt erhalten. (S. second annual re-
port of tho trustees. Boston 1869, p. 80.)
9. American Association for the advance-
ment of Science.
Die 18. Jahresversammlung fand vom 18. bis
25. August 18G9 zu Salem (Massach ) statt. Auf
derselben wurde die Bildung einer neuen Section
für Archäologio und Ethnologie beschlossen.
10. Die culturhistorische Sammlung des
verstorbenen Prof. Klemm.
In Leipzig hat sieh ein Coniite gebildet, wel-
ches einen Aufruf zu Beiträgen erlässt, um obenge-
nannte Sammlung für Deutschland zu erhalten.
Digitized by Google
IX.
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen*).
i.
Verhandlungen dor Section für Anthropo-
logie und Ethnologie bei der 13. Ver-
sammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte in Innsbruck vom 16. bis 24. Sep-
tember 1869, nach dem Tageblatte der Ver-
sammlung nebst ergänzendem Bericht«. Von
Prof. F. R. Seligmann.
Die Naturforscherversaramlung in Dresden
hatte auf Veranlassung Dr. M. Wein hold ’s eino
neue Seotion für Anthropologie und Ethnologie
gegründet (Archiv III, S. 327 ff.) und damit war ein
Impuls gegeben , der iin nächsten Jahre weitrei-
chende Folgen hatte. In Innsbruck wurde nicht
nur sogleich zur Bildung der Section geschritten,
unsere Wissenschaft wurde der Gegenstand eines
allgemeinen Vortrages, dessen zündende Wirkung
in diesem eigentümlichen Lande wohl das merk-
würdigste Ereigniss dieser durch eigentümliche
Vorfälle bezeichneten Versammlung war. Die An-
thropologie, oder doch aufs engste damit ver-
bundene Fragen, begleiteten sie von Anfang bis
zu Ende.
Al» Schlöroilch in der Abschiedsrede zu
Dresden , auf die gewählte Hauptstadt des glau-
bensstarken Tirol deutend, über den Unterschied
zwischen der Zerstörung des Aberglaubens durch
das Studium der Mathematik und der Erhaltung
des Idealen, welches keine mathematische Behand-
lung gestatte, sprach und mit der Hoffnung schloss,
dass die Mehrzahl auf dieser Basis sich vereinigen
würden , war es kaum vorauszusehen , dass gerade
der schroffe Zwiespalt dort iin scharfen Kampfe
*) Eiucn Muxfütirlfchrreii Bericht über die Versammlung
de* intemntionalen C&ngmgr» xu Kopenhagen hoffen wir ira
nächsten Hefte £eben xu können. D. Hcd.
hervortreten werde, freilich ohne dass im allge-
meinen Rausche der Genüsse der wundervollen
Natur irgend Jemand dabei zu Schaden kam —
Wunden fühlt man eben nicht im Feuer der Er-
regung — ; ob aber für später und gerade dort
dadurch genützt wurde, das muss die Zukunft
lehren.
Schon in der Festschrift (zu Ehren der 43.
Versammlung u. b. w., herausgegeben von Prof.
He in bol d und Prof. v. Barth, Innsbruck, Wag-
ner, 1869) hat einer der geistvollsten Anhänger
der Darwin* sehen Theorie, Prof. Kerner (in der
Abhandlung „die Abhängigkeit der Pflanzen gestalt
von Klima und Boden ein Beitrag zur Entstehung und
Verbreitung der Arten, gestützt auf dio Verwandt-
srlmftaverhältuisso , geographische Verbreitung und
Geschichte der Cytisusarteu“, einer Schrift, weichein
klassischer Weise den Einfluss des Medium auf
Umbildung der Arten darlegt) seine Richtung aus-
gesprochen. Die Rede Helmholts's in der ersten
allgemeinen Sitzung „über die Entwickelungsge-
schichte der neueren Naturwissenschaft*1 bezeich-
net scharf den Punkt, um den diese sich jetzt be-
wegt. Das Gesetz der Erhaltung der Kraft, hier
in Gegenwart des Entdeckers ausgesprochen, wurde
bis iu seine letzten Consequenzen verfolgt, das ist
in seiner Bedeutung für die Processe des Lebens,
und indem er dabei auf Darwin 's Lehre, als des
vermittelnden Gliedes, um die Zweckmässigkeit des
Baues und der Verrichtungen de« lebenden Orga-
nismus auf natürlichem Wege zu erklären, hinwies,
wurde ausgesprochen, der Deutsche habe keine
Furcht vor den Consequenzen der ganz erkannten
Walirhcit. ,Und nun trat der geniale Entdecker
des zweiten grossen Naturgesetzes selbst auf und
sprach über die noth wendigen Consequenzen und
Inconsequenzen seiner Lehre. Indem er sich gegen
ihre Anwendung auf dem geistigen Gcbioto erklärt.
Digitized by Google
145
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
sagte er, in der Physik sei die Zahl Alles, in der
Physiologie wenig, in der Metaphysik nichts! Der
Satz von der Erhaltung der Kraft gelte zwar auch
in der Physiologie, der lebendige Organismus könne
weder Materie noch Kraft erzeugen oder vernich-
ten, aber Zeugung und Erzeugung haben kein phy-
sikalisches Analogon und weder Materie noch Kraft
vermögen zu denken. Des französischen Physikers
A. Hirn drei Kategorien von Existenzen seien
eben so schön wie wahr, nämlich: Materie, Kraft
und Seele. Ohne die von Gott präatabilirte ewige
Harmonie zwischen der subjectiven und objectiven
Welt wäre unser Denken unfruchtbar. So hörten
wir hier zuerst von einer Verbindung der Leib-
nitz'echen Theorie mit dem physikalisch - chemi-
schen Determinismus der französischen Schule, der
in Claude IJernard für die Physiologie, iu
Pro ca für die Anthropologie seine Hauptreprä-
sentanten hat und ohne die Leibnitz'sche Theo-
rie ein Doppelwesen ohne Zusammenhang aus dem
menschlichen Organismus macht Die Wichtigkeit
dieser Lehre für die französische Anthropologie
dürfte diese Auseinandersetzung entschuldigen.
Erste Sections-Sitzu ug, den 20. Septem-
ber. Prof. Wildauer hatte die constituirende
Sitzung eröffnet und C. Vogt wurde mitAcclama-
tion zum Vorsitzenden ernannt. Derselbe sprach
nun über das Alter der KjÖkkenmöddin ger
und ihr Verhältniss zu den Hünengräbern, mit
Vorzeigung von Fundgogenständen von Sölar am
Roeskilde Fiord. Nachdem er die verschiedenen
Thierroste, welche den Hauptbestandteil dieser
Küchenabfalle bilden, besprochen und hierbei her-
vorgehoben hatte, dass sich weder vom Rennthier
oder Pferde, noch von irgend einem andern Haus-
tiere, mit einziger Ausnahme d<8 Hundes, von
welchem ziemlich zahlreiche Knochen vorgefuoden
wurden, eine Spur nachweisen lasse, ging er auf
die Beschreibung der in den Kjökkenmöddings vor-
kommenden Werkzeuge von geschlagenem Steine
über, die fast durchgängig ihrer Form nach dem
Beile oder Mcssertypus angehören. Dass die Woh-
nungen, von welchen die Kjökkenmöddinger hor-
rühren, das ganze Jahr hindurch bewohnt oder
doch benutzt worden seien, gehe daraus hervor,
dass Geweihe und Bezahnungen in den verschie-
densten Entwickelungsstadien aufgefunden worden
seien. Der Archäologe Worsaae schreibe diese
Kücheuabfüllc den Urbewohnern Dänemarks in ih-
rem primitivsten Culturzustande zu und glaube das
Zeitalter derselben sei dem der Hünengräber mit
den schönen geschliffenen Stein Waffen weit voran-
gehend. Steen strup hingegen beurteile als
Geologe das Alter dieser Funde nach den jüngsten
denselben angehörigpn Gegenständen. Nun fän-
den sich in den Kjökkenmöddings auch einzelne
geschliffene Steine, die nicht später hineinge-
kommen sein können. Die Sache verhalte sich nam-
Archlr für Anthropologie. 1kl. IV. Heft 11.
lieh folgendeniiaassen: Die Hünengräber nun,
jene bald überwölbten, bald ilachgedeckten, mit
Lehm auRgekleidotenGrabkamuiern, enthielten schön
und gut gearbeitete Gegenstände von geschliffe-
nem Steine, dann und wann auch Bronzegegen-
stände, dann Knochen von Pferden und von einem
von Nilsson für einen Hund (Spitz) erklärten
Thiere. Dieser Hund steile sich jedoch als eine
Fuchsart heraus, dio in dio Hünengräber später
eingedrungen sei und nach Steenst rup’a Ansicht
die übrigen Knochen von Haustieren eingeschleppt
habe. Steenstrup weiso ferner nach, dass viele
von den in den Kjökkenmöddings aufgefundeuen
rohen Sfeininetrumenten aus geschliffenen , durch
Zerschlagen derselben entstunden seien, da sie
stellenweise noch die deutlichen Spuren des Schlif-
fes an sich trügen. Diese Betrachtungen hätten
den genannten Forscher nun dahin geführt , die
Kjökkenmöddinger für gleichzeitig mit den Hünen-
gräbern anzusehen und sich die Verschiedenheit
der aufgefundenen Werkzeuge durch die Annahme
zu erklären, dass die Einen den an der Küsto von
Jagd und Fischerei lebenden Armen, den Prole-
tariern der Urzeit, angehörten, welche die zerbro-
chenen Re>»te der wertvollen geschliffenen Stein-
instruincnte zu benutzen gezwungen waren, die
Hünengräber aber im Innern des Landes, mit ih-
ren weit vollkommneren Werkzeugen seien die der
Aristokraten deraelbun Epoche. Nachdem Dr. Sche-
tolig Zweifel auBgedrückt hatte, dass die Kjökken-
möddinger feste Ansiedelungen gewesen seien, und
Prof. Koner auf die Funde von Knochennadeln hin-
gewiesen, welche doch Gewerbfleias bezeichnten,
sprach
Prof. Semper über Sitten und Gebräuche
der Bewohner der Pelew- Inseln. Er beweist,
dass diete ein relativ bereits ziemlich hoch culti»
virteB Volk seien und nur mit Unrecht zu den
w wilden“, im. primitivsten Zustande befindlichen
Völkern gezählt würden, durch dis auf Beobach-
tungen während eines mehrmonatlichen Aufenthalts
unter diesen Insulanern gestützte Darstellung ihrer
staatlichen Verfassung und ihrer socialen Zustände,
sodann der religiösen Uebungeu dieses Volkes. End-
lich erzählt er, anknüpfend an die Beschreibung
dor bildlichen Darstellungen (gemalten Basreliefs),
welche au den für den Priesterkönig und die Ver-
sammlungen der Stammesfürsten bestimmten Woh-
nungen angebracht sind, drei mit historischen Er-
innerungen durchflochtone Sagen dieses Volkes.
Die erste von der Entstehung der sieben verschie-
denen , auf diosou Inseln im Gebrauche stehenden
Geldsorten , die zweite von einer abenteuerlichen
Reise der vier Fürsten nach der Wohnung der
Sonne, die dritte endlich dio Werbung um eine
Frau von der Sonrol-Insel. Von höchstem ethno-
logischen Interesse ist hierbei dio Schilderung
eines diese Hochzeit darstellenden» phallischeu
19
Digitized by Google
14«
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Schnitzwerkes , das eine fast geniale Kraft obscö-
uer Darstellung bezeugt.
Auf eine Interpellation des Herrn Dr. Sche-
telig mit Beziehung auf seine Arbeit über die drei
Racen auf Formosa spricht sich Prof. Semper da-
hin aus, dass die Beimischung von mnlayischem
Blute bei den Pelew-lnsulanern kaum sehr bedeu-
tend sein dürfte, wohl aber sehr vielcB auf eine
starke Vermischung mit der Papuarace hindeute.
Bevor wir zur zweiten Sectionssitzung über-
gehen, buben wir noch über die schon aogedeutete
Rede Vogt 's in der zweiton allgemeinen Sitzung
einige Worte zu sagen. Es war nicht hlosa das
meisterhafte Zusammendrängen des ganzen anthro-
pologischen Materials in den kurzen Zeitraum einer
Stunde, nicht bloss die unvergleichliche Vir-
tuosität des Vortrages, welche den leisesten Ton
bis in die fernsten Räume des nicht kleinen Thea-
ters dringen lies», es war die Kühnheit mancher
Sätze, die hier wohl seit undenklichen Zeiten Nie-
mand auszusprechen gewagt hat „Die Ergeb-
nisse der neuern Forschung in der Urge-
schichte“ war der Titel des Vortrages. Ihr Kern,
dass nicht die Geschichte, sondern die Naturwis-
senschaft die Urgeschichte zu erhellen habe und
dass dies Angefangen habe zu geschehen, seitdem
die Geologie, Palaeontologie und Anatomie sich mit
ihr beschäftigen. Er theilte dann in kurzen Zügen
die Resultate des Kopenhagcner Congresses mit.
Wir haben schon oben das in der Sectionssitzung
von Vogt selbst genauer Detaillirto angegeben.
Dass der Mensch die eigene Entwickelung in der
Hand habe, dass er durch seine eigene Arbeit sich
fortbilde, um zum Ziele zu gelangen, das seiner
Vervollkommnung gesteckt sei, damit schloss er
unter niebt enden wollenden Beifallsbezeuguugen.
Zweite Sitzung, den 22. September.
Prof. Strobel aus Parma, über Paraderos in
Patagonien. Durch eino Mittheilung Darwin’s
über die Auffindung von Feuersteiupfeilen auf der
Insel Chelechuel veranlasst, machte er in Begleitung
des Schweizers Clarnz in der Umgehung von Pa-
tagoncs weitere Nachforschungen und stiess hierbei
auf nur oberflächlich von Sand überdeckte, bei star-
kem Winde völlig blossgelegte Anhäufungen, be-
stehend aus Ueberbleibseln von Mahlzeiten, Thon-
scherben, Pfeilspitzen, Messern, Schabern u. dgl.
Werkzeugen aus ungeschliffenem Steine, die stel-
lenweise bis zu ein Meter mächtig in dortiger
Gegend als Paraderos bezeichnet werden (von pa-
nr, sich auf halten). Er hat in einer derselben
ein ganzes Skelet und mehrere Schädel vonbrachy-
hypsicephalem Typus aufgefunden. Die Thonscher-
ben rühren vou Geschirren her, die offenbar mit
der Hand und nicht auf der Drehscheibe geformt,
am offenen Feuer und nicht im Ofen gebrannt
worden. Difc an denselben eingeritzten Verzie-
rungen stellen ausschliesslich geometrische Figuren
dar. Geschliffene Stein gegenstände sind keine ge-
funden worden. Man könne jedoch für das süd-
lichste Süd-Amerika den Unterschied zwischen der
archftolithiBchen Periode (der geschlagenen Steine)
und neolithischen Periode (der geschliffenen Steine.)
nicht festhalten, da überhaupt südlich von dem im
Centruni der Pampaa gelegenen San Luis geschlif-
fene Steinwerkzeuge nicht vorkämen, obgleich es
an polirbarrn Steinen in jenen Gegenden nicht
fehle. Selbst bis in die Gegend von San Luis
schienen die Werkzeuge aus polirtem Steine nur
aus dem höher cultivirten Peru godrungen zu sein.
Es sei daher auch nicht gest-attet, diese Paraderos
wegen des Mangels an geschliffenen Steinwerk-
zeugen für älter zu halten als andere Funde mit
polirteu Stein gegenständen. Es war dies die
schönste Erläuterung zu dem, was Vogt in der
ersten Sitzung über Stoenstrup’a Ansicht über
das Alter der Kjökkenmöddinger vortrug. Ueber
das absolute Alter dieser Vorkommnisse glaube
er mit Bestimmtheit nur angeben zu können,
dass selbe aus der Zeit vor der Invasion der
Europäer herrühren müssten , da «ich weder die
Patagonier noch die Pampas-Indianer heutzutage der
Sternwarten bedienten und ihre Bewaffnung aus
dem Lasso oder Wurfstrick, der Bola oder
Schien ler und der Lanze bestehe, während Pfeil
und Bogcu seit der Einführung des Pferdes ver-
drängt worden seien. Sowohl die Feuerländer
als die Indianer des Chaco benützten noch gegen-
wärtig den Pfeil als Waffe, das Pferd jedoch nicht.
Derartige Paraderos fänden sich jedoch auch längs
der Meeresküste bis Buenos-Ayres und seien auch
aus Brasilien schon seit längerer Zeit bekannt. Sie
entsprächen im Ganzen vollkommen den Kjökken-
inöddings des skandinavischen Nordens. Interpellirt
wegen der Körpergrösse dieses Volkes sagt er, es sei
noch immer auffallend hochgewachsen uud das Rei-
ten sei ohne Einfluss darauf geblichen. Präsident
Vogt theilt mit, in der Sammlung des Schweizer
Reisenden Claraz befinde sich ein gewaltiger
Unterkiefer; dies veranlasst den Berichterstatter,
auf das im Innsbrucker anatomischen Museum be-
findliche Riesmskelet des Waffenträgers Ferdi-
nand s von Tirol Aufmerksam zu machen, dessen
Unterkiefer ungewöhnlich stark entwickelt sei.
Prof. Langer in Wien habe auf die eigentüm-
liche Form der Kiefer bei Riesen aufmerksam ge-
macht.. Prof. Virchow sagt, dass der Unterkiefer
in solchen Fällen mehr eine Curve als einen Win-
kel bilde. Meyer aus Zürich erwähnt, dass im
dortigen Museum ein besonders durch Grobkörnig-
keit auffallendes Skelet sich befinde.
Abdallah Bey (Dr. Hammerschmidt) zeigt
h euersteinworkzeuge aus der Jarym-Burgns-Höhle
bei Konstantinopel, von denen es zweifelhaft,
ob sie alt oder modern, tla dergleichen noch
Digitized by Google
147
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
jetzt von der Bevölkerung beim Dreschen gebraucht
werden.
Sodann trägt Seligmann über Exostosen
an Peruaner Schädeln vor. In der Sitzung der
mathematisch - naturwissenschaftlichen Classe der
kaiserlichen Akademie zu Wien vom 17. März
1804, Anzeiger Nr. 8, habe er seine Entdeckung
von Exostosen am Eingänge des aussern Gehör-
ganges an Peruaner Schädeln vorgelegt. Er sagte,
dass diese Exostosen nur an einer bestimmten Pe-
ruaner Schädel form Vorkommen, nämlich an der cy-
1 indrisch- langgestreckten (durch Bindeuumwicke-
lung hervorgebrachten), die er die Titicacaform
benannte (weil Pentland die ersten, noch jetzt
seltenen, Schädel dieser Art vom Titicaca-Seo nach
Europa brachte und sie damals nur in Peru vor-
zukommen schienen), zum Unterschied von der an-
deren durch Pressung zwischen zwei Brettchen
hervorgebrachten Peruaner Form (die derFlathead
Form der Nordamerikaner ganz gleich ist), welche
häufig vorkommt und an welchen diese Exostosen
nicht vorhanden sind. Referent konnte damals
nichts über die Ursache dieser pathologischen Er-
scheinung sagen , die an nicht peruanischen Schä-
deln noch viel seltener ist. (Welcker hat sie seit-
dem an eitiigcn Marqiiesas-Scliädeln nachgewiesen,
und nur in wenigen Schriften über Ohrenheilkunde
war darüber etwas zu finden, bevor Referent dar-
auf aufmerksam machte.) Er glaubt jetzt die Ur-
sache der Häufigkeit dieser Erscheinung bei den
Peruanern entdeckt zu haben; sie wirft ein eigen-
tümliches Licht auf die socialen Verhältnisse Perus
vor der Eroberung und zeigt, dass die bis jetzt so-
genannten Inca-Schädel fälschlich diesen Namen tra-
gen. Referent hat vor inehr als 30 Jahren jenen
merkwürdigen sogenannten Avaren - Schädel , der
bei Grafenegg oberhalb Wien in einem Av*arenring
gefunden worden, mit Erlaubniss des Besitzers (des
Grafen Bruuner) abformen lassen, die Abgüsse
sind seitdem vielfach verbreitet worden , mannich-
fache Abbildungen und Abhandlungen verschiede-
ner Verfasser, wie Wilde, Fitzinger und An-
derer, und die verschiedenen Ansichten über die
ausserordentliche Ähnlichkeit diesen Schädels mit
jenen Peruanern sind bekannt. Aehnlicho fanden
sich seitdem an mehreren Orten in Europa, der
merkwürdigste ist iu diesem Archiv beschrieben
und abgebildct *). Den Weg der Verbreitung die-
ser Schädelformung von Peru bis in das Innrre
von Frankreich aufzufinden, beschäftigte Referent
zuerst durch lange Zeit, er glaubt auch diesen auf-
gefunden zu haben und beh< sich die Veröffent-
lichung für ein anderes Mal vor. Iu Wien das
Hyrtl'sche Museum durchsuchend, fand er andern
mit der Aufschrift Cochabamba bezeichnten Exem-
plare zuerst grosse Exostosen ! Zu Nürnberg unter-
*) Baud I, S. 75.
suchte er die im Besitze Baron Bibra’s befind-
lichen Prachtexemplare (deren eines er von dem
freundlichen Besitzer als Geschenk zu bekommen
das Glück hatte), die aus den Abbildungen in der
Abhandlung der kaiserlichen Akademie der Wis-
senschaften bekannt sind. An drei Schädeln
fand er jene Exostosen, der vierte, der be-
kannt ist durch die sehr verbreitete Nachbil-
dung aus Papiermache, hat sie nicht — seine
Glätte , Beine weichen Formen zeigen , dass es
ein Weiberschädel ist. Was ist nun die Ur-
sache dieser sonst so seltenen Erscheinung? Die
Schädelpressung kann es nicht sein , die Flut-
headform ist eine viel gewaltsamere, sie giebt häu-
fig dem Gehörgange sogar eine schiefe Form und
verschmälert ihn auch, aber nie zeigen sich jene
erbsen ja bohnengrosseu Auftreibungen , welche
den Gehörgang bis auf eine schmale Spalte verengen.
Die specifische Form der Pressung der Titicaca-
Schädel kann es auch nicht sein, denn die Avaren-
Schädel haben die Exostosen, wie gesagt, nicht.
Referent durchforschte nuu die spanischen Schrift-
steller über die Eroberung Peru». Hier fand er
endlich Aufschluss in der bisher von Allen über-
sehenen Stelle des Lopez de Gomara in seiner
Erzählung vou der Feier der jungen Prinzen.
Alle Inca-Söhne und die Kinder der Vornehmen
überhaupt, die das 16. Jahr ihres Alters erreicht
hatten, wurden zu einem mehrere Wochen dauernden
Feste zusammen berufen und hier für ihre künftige
hohe Stellung vorbereitet; Wettlaufen, Ringen, Ent-
behrungen der härtesten Art hatten sie durchzu-
machen, und zugleich die Ceremonie der Ohrdureh-
Btechung. An beiden Ohren wurden die Ohrläppchen
durchlöchert und durch fortwährendes Einlegen von
Metallstiftcu rasch so erweitert, dass in denselben
Scheiben aus Gold oder Silber von der Grö*Be einer
durchschnittenen Orange eingebracht werden konn-
ten ! Diese Ordenszeichen wurden das ganze Le-
ben hindurch getragen. Die Spanier nannten diese
Männer Orejones, Grosaohren. Wir finden wohl bei
vielen anderen Völkern Verlängerung dieses Theiles
in Folge von Durchbohrung durch Pflöcke u. s. w„
aber der verlängerte Theil bleibt schlaff und fällt
zusammen, wenn der Pflock herausgenommen wird.
Hier war es anders ; das vergleichsweise späte Al-
ter, in welchem die Operation stattfund, die kör-
perliche und geistige Aufregung durch die Wett-
kämpfe, die Entbehrungen, der fieberhafte geistige
und körperliche Zustand, die kurze Zeit, in welcher
die Erweiterung vollbracht sein musste, leiteten
einen entzündlichen Process an diesen Theilen ein;
Beweis dessen nun jene Stelle des spanischen Au-
tors, welche lautet: Es wäre fast unmöglich
zu glauben, dass dieser Theil des Ohres
die so schweren grossen Scheiben, ohne zu
zerreissen, tragen könnte, wenn er nicht
bis zur Dicke eines kleinen Fingers ange-
19*
Digitized by Google
148 Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
schwollen wäre. Also ein krankhafter Pro-
cessi der den Knorpel und endlich, da die ein*
wirkende Ursache nie aufhörte, auch das Pe-
riost des Gehörganges ergriff und so die Kno-
chenauftreibungen veranlagte. Ist die Vermu-
tliung richtig, so ergiebt sich Folgendes: Alle
Peruaner-Schädel der Titicaca-Form mit
diesen Exostosen müssen männliche, von
mehr als 16 Jahr alten und der vornehmen
herrschenden Kaateangehörigen Individuen
sein; ferner: die früher sogenannten Inca-
Schädel (Flatheadform) haben, wie schon
oben bemerkt, bis jetzt fälschlich diesen
Namen getragen. Weiborßchüdel haben keine
Exostoson, die M ännerachüdel haben sie
auf beiden Seiten, wenn auch in ungleicher
Grösse. Das» eine solche Aristokratie trotzdem
für das Wohl des Volkes nicht ganz harthörig
war. ergiebt sich daraus, das» eine noch so schmale
Spalte genügt, um das Gehör intact zu erhalten.
Referent fand dies hei einem ähnlichen Falle an
einem Lebenden, dessen Beobachtung er der Freund-
lichkeit eines Collrgen, I)r.G ruber, Docent der Oh-
renheilkunde an der Wiener Universität, verdankt.
Referent legte hierauf ein Instrument, das
er Clivoiueter nennt, vor, das dazu dienen soll,
die Länge und Neigung des Clivus am Schädel zu
messen , ohne denselben öffnen zu müssen. Der
Schädel wird mit dem ilinterhnuptsloche gegen
das Licht gewendet, auf der Seite liegend fest-
gemacht (am besten in einer gewöhnlichen Servietten-
presse ein gespannt); das Instrument besteht aus
einem festen, mit einem hammerähnlichen Vorsprung
(a) versehenen längeren (Al und einem kürzeren
beweglichen, mit einem Gradbogen fest verbunde-
nen, an jenem verschiebbaren Arme (B). Der
längere Arm wird cingeführt und an die Sattel-
lehne angehakt, sodann die Clivuslänge markirt,
während am kurzen Arme ausserhalb, durch den
verschiebbaren Zahn Oil, die Länge des Basalthuiles
des llinterhauptknochens festgestellt wird, in dem-
selben Momente zeigt der Zeiger auf dem Gradbogen
den Winkel an, in dem diese beiden Knochenober-
flächcn zu einander stehen, die Correctur, welche
wegen des auf dem kürzeren Arme verschiebba-
ren Zahnes nöthig ist, wird später, nach Her-
ausnahme des Instrumentes und Zusammcnkhtppen
desselben auf dem Gradbogen abgelegen; was der
Zeiger unter Null anzeigt, wird zur früheren Zahl
hinzu addirt, wenn er über Null zu stehen kommt,
wird dies abgezogen. Trägt man laugen und
Winkel auf die entweder in Lucae’s Weise (durch
den Diopter auf der Glastnfcll oder durch den
Dingraphen gemachte Seitenansicht des Schädels
ein, so wären auch andere Winkel leicht zu con«
struiren. Referent will da» Instrument noch da-
durch verbessern , dass der an die Sattellehne an-
zu hakende Vorsprung durch eine Vorrichtung noch
innerhalb des Schädels loslösbar wird, wodnrch
Alles noch rascher und bequemer ginge. Der Win*
Fig. 21.
Clivometer von Scligtnann.
kel des Clivus und Hinterhauptsloches , so wie die
Neigung von diesem zur horizontalen Ebene könnten
auch so gemessen und eingetragen werden. Es
folgten nun:
Virchow’s Mittheilungen über die altnor-
dischen Schädel zu Kopenhagen J).
Dritte Sitzung, den 23. September. Prof.
Glatter, der als Präsident der Scction für öffent-
liche Gesundheitspflege in den Sitzungen seiner
Section schon mehrfache Daten über lUcenverhAlt-
nisee in Oesterreich gegeben, da er besonders in
Ungarn vielfach Gelegenheit gefunden, um Erfah-
rungen über „ Einfluss des Raum-Momentes
auf biotische Verhältnisse4* zu machen, giebt
nun eine Reihe von Beispielen: In Lemberg lebe
eine italienische Colonie, deren italienische Acrzte
*) Wir verweisen In dieser Heriehung nuf den AuIVäU
von Prof. Vlrchow in dio^rtn Heft (?. 6,*»).
Digitized by Google
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
eben so viel Aderlässen, wie in Italien, es schade
den Patienten nicht das Geringste und sic nehmen
8 bis 10 Pfund Blut (!). Den Polen bekomme
dies aber sehr schlecht. Die Serben vermehren
sich in ihrem Vaterlande fortwährend bedeutend,
in den nördlichen Gegenden von Mohacs gingen
sie dem Aussterben ontgegen. Die Juden, zahlreich
überall durch leichte Geburten und wenig Todes-
fälle der Kinder, seien durch diese Ubiquität beson-
ders für den Handel geeignet. (In der Sitzung
für öffentliche Gesundheitspflege hatte der Kcduer
erwähnt, die wenigen Todtgeburten seien Folge
des weiteren Beckens der Jüdinnen.) Jüdische
Kaufleute leben daher länger als christliche.
Jüdische Schneider hingegen sterben früher
als christliche. Bei den Ungarn seien wenig Ge-
burten, viel Todesfälle, daher sie vor den SJaven
weichen. Trotz der sehr starken Beimischung tür-
kischen Blntes erhalte sich der ursprüngliche fin-
nische Typus dennoch in ziemlich ausgesprochener
Weise, wie die auffallende AehnJichkeit der unga-
rischen mit den finnischen Schädeln beweise.
Die Slovaken seien sehr lebensfähig trotz der
schädlichen Behandlung der Kinder (sie geben
den Säuglingen Branntwein). Die Wenden wä-
ren hohe Staturen mit kleinen Köpfen. Die
Humanen seien leichteren Gewichts, ihr Gehirn
ziemlich leicht, ihre Zähne häufig cariös. Die
Polen werden von allen Epidemieen stärker er-
griffen als die Ruthenen. Bei Spaniern und Ita-
lienern werden Wunden leichter brandig. Der
Redner glaubt, dass es sehr erspriesslich wäre,
wenn eine anthropologische Gesellschaft die „Ein-
flüsse des Raum- Momentes1* in Betracht ziehen
würde, die Gründung tarier solchen Gesellschaft in
W’ien sei schon früher in Anregung gebracht wor-
den, aber nicht zur Ausführung gelaugt.
Prof. Vogt schreitet nun zur Begründung sei-
nes Antrags auf Gründung einer allgemeinendeut-
schen Gesellschaft für Anthropologie, Eth-
nologie und Urgeschichte. Es sei hierbei man-
cherlei Verhältnissen Rechnung zu tragen, so nament-
lich dem Umstande, dass Deutschland keinen Cen-
tralpunkt habe, wie in Frankreich Paris, in Eng-
land London einen solchen bilde. Bereits beim Zu-
sammentreten jenes Kreise« von Fachmännern, wel-
che zur Herausgabe des Archivs für Anthro-
pologie schritten, sei der Gedanke der Grün-
dung einer solchen Gesellschaft nach verschie-
denen Seiten hin erörtert worden. Zunächst
und vor Allem handle es sich darum , das In-
teresse für diesen Zweig der Naturwissenschaft
allseitig anzuregen , Theilnahme in den wei-
testen Kreisen zu erwecken und Kräfte für das
Unternehmen zu gewinnen. Es sei auf die
Bildung von Localvereinen hinzuwirken, die
Aulegung von Localsammlungen zu veranlassen.
Er habe sich mit mehreren Herren , als den
149
Professoren Virchow, Semper, Koner u. s. f.
besprochen und glaube sich im Einverständnisse
mit denselben für die Aufstellung eines provisori-
schen Ausschusses au «sprechen zu sollen . welcher
einen Aufruf zur Bildung einer allgemeinen Ge-
sellschaft und von Localgeaellachofteo zu erlassen
hätte. Jedenfalls müsse man im Auge behalten,
dass die Hauptversammlung den obwaltenden Ver-
hältnissen nach nur eine Wanderversammlung sein
könnte. Referent weist darauf bin , dass zum
Theil sehr bedeutende, der Oeffentlichkcit ge-
widmete Sammlungen in den deutschen Provinzen
Uest erreiche, vor Allem in Salzburg und Linz, be-
ständen, wahrend mit Bedauern ausgesprochen
werden müsse, dass dasselbe in Wien nicht der
Fall sei, wo die Schätze der Coo k’ sehen und
Natterer’schen Sammlungen, Beit Jahren in Kisten
verpackt, jeder wissenschaftlichen Verwertbung ent-
zogen seien. Prof. Virchow spricht sich dahin
aus, dass die Organisation der Gesellschaft erst aus
ihr selbst hervorgehe, dass das einleitende Gönnte
nicht au einen Ort zu binden wäre und dass bei
der Zusammensetzung desselben möglichst die ver-
schiedenen Stämme berücksichtigt werden möchten.
Bei der hierauf erfolgenden Abstimmung spricht
sich die überwiegende Mehrzahl für die beantragte
Einsetzung eines provisorischen Ausschusses aus,
wählt C. Vogt, Virchow, Koner, Semper,
Seligmann, Pichler, Hussa und bestimmt, dass
Prof. Semper in Würzburg die centrale Leitung
übernehme.
Vierte und letzte Sitzung, Freitag,
den 2 4. September. Präsident Vogt giebt die
von Vilanova, Professor der Geologie in Madrid,
ihm roitgetheilten Daten über einen Mikrooephalen
iu Spanien, Vincenzo Oris y Codina, bekannt.
Derselbe sei 1813 in Castilion del Duca (Provinz
Valencia) geboren und biete, wie nachfolgende
Sch Mdchn aasse zu beweisen schienen , ein merk-
würdiges Beispiel von Mikrocephalie. Gesichts-
winkel 5!)’', Schädel umfang 0,40 ra, oberer Bogen
0,19m, I«öngemlurchmesser 0,14“, Breitendurch-
messer 0,12 Er sei klein, nur etwa 1 Meter
hoch. Die Brustglieder sehr lang, mit dem Ru-
diment eines sechsten Fingers an jeder Hand ; die
Beine kurz mit einer sechsten Zehe an jedem Fusse;
der Körper ganz mit laugen Haaren bedeckt; sein
Charakter eher sanft und furchtsam, in Zorn ge-
bracht serreiise er seine Kleider, ohne Anderen
Leid zuzufügen. Kr könne nicht sprechen, gehe in
Sprüngeu und seine Grimussen seien «ehr ausdrucks-
voll. An diese Beschreibung und die Vorzeigung
der Photographie knüpft noch Redner die Bemer-
kung, dass das Alter (56 Jahr) und die Rudimente
sechster Finger und Zehen sehr auffallend seien,
da Mikrocephalen in der Regel kein höhere« Alter
erreichten und derartige Bildungen mit Mikroce-
phalie sonst nicht verbunden seien.
Digitized by Google
150 Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Prof. Strobel aus Parma macht interessante
Mitteilungen über die Tcrramara-Lager (Tcrra-
mura für Terra margu , Mergelerde). Dieselben
sind Anhäufungen mergelartiger Erde, die stahl-
reiche organische Reste und grosse Mengen von
Scherben enthalten, von sogenannten keltischen
Töpfer waaren. Sie fänden sich in Oberitalien
und zwar im Po-Thale von Piacensa abwärts.
In der Hauptsache erwiesen sie sich als aufge*
häufte Küchonabfölle , welche von einer vorhisto-
rischen Bevölkerung herrühren, doch enthalten
sic auch Spuren von Wohnungen , ja man finde
manchmal deutliche Ueberrestc des Heerdes und
der Hütte. Die vegetabilischen Reste stammen
nicht von See- oder Sumpf-, sondern s&mmtlicb
von Landpflanzen. Die animalischen Beste ge-
hören theils wilden , theils Hausthieren an ; es fin-
den sich Eber, Hirsch, Reh, Torfhuud, Torf-
schwein, Torfschaf, Torfkuh, die Ziege, das Pferd
und in den höheren Schichten auch der Esel. Auch
Reste von Mollusken und Insekten. Was die
Artefacten betreffe, so sei besonders eine charakte-
ristische mondformige Gestalt der Geschirrhenkel
hervorzuheben, die sich sonst nirgends wiederfinde.
Die Verzierungen andenTöpferwaaren sind geometri-
sche. Die Werkzeuge, fast suiumtlich Bronze, nur we-
nigeEiaen, stimmen vollkommen mit den in den schwei-
zerischen Pfahlbauten gefundenen überein. Fibulae
sind nur wenige, Spiralbänder keine ausgegraben
worden. Grabstätten sind keine entdeckt worden,
wohl aber sind in der Nähe eines Terraraara-
I.agers zwei Schädel von brachycephalem Typus
aufgefunden wordeu. Den gegebenen Anhaltspunk-
ten nach müsse das Volk, von dem diese Anhäu-
fungen herrührten, Jugd, Viehzucht und Feldbau
betrieben haben, mit Fischerei scheine' es sich gur
nicht abgegeben zu haben. In den Provinzen Parma
umlReggio (in derEmilia) stellen sich die Terramara-
lager nur als Fortsetzungen der Pfahlbauten, über
denselben entstanden, heraus. Sie scheinen in künst-
lichen Wasserbassins errichtete Seeburgen (Cran-
noges) zu sein. Prof. Chierici in Reggio habe nun
die Verinuthung aufgestellt, dass alle Terramara-
lager der Ebene Pfahlbauten enthalten hätten,
welche Anschauung vorzüglich in der Beobachtung
ihre Stütze finde, dass man in den Terramaralagern,
gewissermaassen als Kern derselben, mit Erde ver-
mischte Holzüberbleibsel finde, welche auf verfaulte
Pfähle Bchliesscn lassen. Durchschnitte durch die-
sen Kern ergäben auch die Gestalt von Pfahlbau-
ten. (Prof. Strobel theilte dem Berichterstatter
noch später mit, die Terramara-Erde werde als eine
Art Gunno von den Bauern benutzt, was ebenfalls
dafür spricht, dass es meist Küchcnnbfälle.)
Der Präsident spricht sich zum Schluss über
jene eigenthümlicheu halbmondförmigen Gegen-
stände aus, welche, von Einigen als Symbole eines
Mondcultus aufgefasst, wohl Nichts als Kopfkis-
sen sein dürften, welchen jene eigentümliche
Form nur gegeben worden sei, um den llaarputz,
der, wie die langen Nadeln bewiesen, ebenso wie
noch jetzt bei vielen wilden Völkern, sehr hoch
gehalten worden sei, zu schonen.
Nach der Sitzung verfasste der Ausschuss den
Aufruf zur Bildung der deutschen Gesellschaft für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, wel-
cher in der letzten Nummer des Tageblattes ver-
öffentlicht wurde.
II.
Verhandlungen der die Anthropologie ein-
schliessemlen Section bei der Versammlung der
British association zu Exeter. August
1869.
Prof. Busk, Präsident, eröffnete die Sitzung.
Vorträge wurden gehalten : 1) von John Lubbock,
über den Urzustand der Menschen (woran sich eine
längere Discnssion knüpfte). 2) Duncan, über die
Funde bei Cro-Magnon in Perigord (gegen die
Gleichzeitigkeit von Mensch und Mammuth). 3)
Lane Fox, über Kieselwerkzeuge iro Themsetbale.
4) Dumbletou, Entdeckung einer Seeinsel (Pfahl-
bau) in Südwallis. 5) Spencer Cobbold, Über
sogenannte fossile Menschenaugen aus Peru (nach
Owen Augen von Sepia). 6) Sir Edw. Beicher,
über Steinwerkzeuge von Rangoon. 7) Duncan
Gibb, über die Armuth Canadas an urgeschicht-
liclien Resten. 8) Dendy, über den Zustand des
Menschen in der, Urzeit. 9) Lewis, über megali-
thisehe Monumente. 10) Bonwick, Ursprung
der Tasmanien II) King über die Eingeborenen
von VancouveFs Insel und British Columbia (mit
Bemerkungen über die verschiedenen Formen der
künstlichen Missstaltung der Köpfe). 12) Hall,
über diu Eskimos, betrachtet in ihrem Zusammeu-
haug mit dem Alter der Menschheit (Verfasser hält
es für unabweisslich, dass dieses Volk aus der mioce-
nen Zeit stamme, da in der arktischen Region noch
ein mildes Klima herrschte). 13) Duncan Gibb,
an obstacle to human longevitv beyond seventy
yoars. (Bei allen Personen über 70 Jahre Btehe
der Kehldeckel vertieft], Personen mit hängender
Epiglottis werden nicht so alt!) 14) Drake,
menschliche Reste in dem Kies von Leicestershir*).
15) Hall, die Art, wie die alten Bewohner von
Devon ihre Kiesel bearbeiteten. (Anthrop. review.
October 1869, p. 414.)
Digitized by Google
X.
Verzeichniss der anthropologischen Literatur').
I
Urgeschichte.
(Von C. Vogt.)
Der Bericht umfasst Alle«, was mir vom Juni 1869 bis Mitte März 1870 zugekommen. Da die
Betheiligung an urgeschichtlichen Studien mehr und mehr um sich greift, so muss ich bemerken, dass
ich zwar stets die Verpflichtung anerkenne, Werke und Abhandlungen, welche in einer der vier Cultur-
sprnchen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch) erschienen sind, zu analysiren, dass ich mich aber
nicht für verbunden erachte, noch in das Gebiet derjenigen Sprachen hinüberzugreifen, die entweder
durch zu geringe Verbreitung oder durch zu wenige Betheiliguug an der allgemeinen Cultur - Entwick-
lung der Menschheit verhindert sind, mehr als locale Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
Belgien.
E. Dupont. I.e» Imtons de commandement de la
caverue deGoyet. Aead. des Sciences de Belgique,
Vol. 27, pag. 274. — Materiaux, 2d* Serie, öTO#
Annee, pag. 318.
Zwei Stücke io derselben Grotte, du* ein« ohne Zcich-'
nuiiir, auf dem andern lä*At »ich eine Forelle erkennen.
A. Spring. Snr les divers modes de fortuation
des depöts ossifere« dnns les cavernes; ä propos
d'ossements decouverts dans le Rocher de LiveB
pres Namur. — Bullet. Acad. de Belgiquc, 2dfl
S«rie, Tome XX, Nr. 8.
Xarhweis, da»» Knochen in viele Höhlen durch Was-
ser ringe», bwetntul oder »chon bestandene hager umge-
schwemmt wurden; da»» andere durch Fleischfresser, andere
durch Menschen in verschiedenen Zeiten und manche un*
zugängliche Spalten durch Raubvögel ungefüllt wurden,
die selbst Reste von Ertrunkenen dorthin «chleppten.
Dänemark.
O. Blom. Analyse de quelques arme» datant de
la preniiere periode de lVtge de fer. Metnoircs de la
Societe de» Antiquaires du Nord. Nouvelle Serie,
1868, pag. 158.
Nachweis, das» unter den, meist au» weichem Eisen ver-
fertigten Schwertern der ersten F.Ueuxeit sich auch welche
au« Stahl befinden.
*) Beiträge in den Literaturverzeichnissen von anderen als
den NamenscliitTeni der betrefienden Autoren verseilen.
C. Engelhardt. Coupe de bronzo cmoille du Jut-
laud eu Dänemark. — Mein, de la Soc. des Anti-
quare» <lu Nord. Nouv. Ser, 1868, pag. 151, 1 Taf.
Au* dem Torfmoor von Malt bock zwischen Ribe und
Holding in zwei Meter Tiefe. Diese prachtvolle, mit Blät-
tern and gezähnU-n emaiilirten Linien vertierte Schale
«tack in einem Thungefäas. Au* der ersten Eisenzeit.
den in der Ucberschrift genannten Hauptbcurbeitern sind mit
Digitized by Google
YeraeichnUs der anthropologischen Literatur.
152
C. Engelhardt. Sur 1« trouvaille de Vimose. Mein,
de I« Societe de» Antiquaire» du Nord. Nouvello
•Serie, 1SI17, pug. S9.
Torfmoor bei Odern*. Fund au.« der ersten Eisenzeit.
Scfrlrt in Wolliloff ringchüllt , Agraffen, Fibeln, Ringe etc.
aus Kiwi», Braue, Silber, Schwerter au# Holx (Modelle)
und Stahl, Römische und Runen* Inschriften, Kämme, Töpfe,
Schüsseln. Mmcr, Würfel, Sporen, Sensen, Pferd** je schirre
— kur* Alle» was zu einem Haushalt eines reichen Man-
ne# und Krieger* gehört. Iler Fond dürfte in das dritte
bis fünfte Jahrhundert nach Chr. zu setzen »ein.
J. G. M&cDsen. Antiquites prehistoriqueB du Dä-
nemark. L’ag<? de la pierre. Copcnhague 1869,
1 Vol. Fol., 19 S., 45 Taf.
Ausgezeichnete Radiruugen mit inhaltsreichem Text.
A. Morlot. Sur le paseiige de Tage de la pierre
ä Tage du Bronze et nur lea nietaux employes
ditna l’Age du bronze. — Mein, de la Societe de»
Antiquaires du Nord. Nouvello Serie, 1866,
pag. 23.
Mau finde zwar Gegenstände aus rothero Kupfer, diesel-
ben hätten aber stet» einen Beisatz von Zinn und rührten
nur davon her, da*# man letztere# gespart habe; man
könne kein besonderes Kupferalter siatuirrn, selbst nicht
in Ungarn, wo viele Kupferwicben vorkämen, ln der äch-
ten Bronzezeit bähe mau von Metallen nur Gold, Kupfer
und Zinn gekannt. Das nordische Gold sei eingeführte*
Flussguld und da eiuige nordische Stücke Platin enthielten,
wahrscheinlich au# dem Ural. Zinn in reinem Zustand
außerordentlich selten — IloixgefiUs mit Zinnnägeln ver-
ziert aus Dänemark — in der Schweiz einige Gussstücke:
Kupfer, rein nur als Gussstücke. Bronze von »ehr ver-
schiedenen Proportionen. Man habe »eiten in doppelte
hohle Gussfonuen oder in San«! gegossen, sondern meist in
Thonformen um ein Kaoimile von Wachs (cn cire pcrduel,
•ins durch das eingegossene Metall M'hmelze — deshalb seien
selten rwei Gelte ganz identisch. Man veraland nicht da#
Metall zu bohren noch zu schweissen; man hämmerte es
aber sehr gut.
O. Rygh. L» prämiere periode de läge de fer on
Norvege. — Mein, de la Societe de» Autiquairee
du Nord. Nouv. Serie, 1868, pag. 196.
Etwa 500 Gegenstände aus der ersten Eisenzeit seien in
verschiedenen öffentlichen (Christiaoia , Bergen, Dronthcim,
Arvndal) und privaten Museen zerstreut. Die meisten
stammen aus Gräbern; nur wenige römische Münzen dabei.
In den meisten Grabhügeln verbrannte Leichen, Urnen aus
Bronze und Thon. Runen - Inschriften. Die Fundstätten
gehen bis über den Polarkreis hinaus und es scheine, als
bezeichne die spätere Eisenzeit eine plötzlich hereiubrecheudc,
von der erstell verschiedene CiviUsntioo.
J. J. Worsaae. Sur quelquea trouvaille* de l äge
de brouze faites dans des tourbicres. Memoire»
de la Societe des Antiquaires du Nord. Nouvelle
Serie, 1869, pag. 61. Auszug in Materiaux 2d*
Serie, 5“# Anne«, pag. 285 — 296.
Verfasser zählt die verschiedene» grossen Funde, die so-
wohl im Norden als anderwärts, in Torfmooren und Seen
gemacht wurden, auf — er zeigt, dass die meisten Gegen-
stände neu, ungebraucht sind, noch die Gussränder besitzen ;
dass andere absichtlich gebogen, gebrochen «»der unbrauch-
bar gemacht worden sind; dass man ähnliche Gegenstände
in den Gräbern findet, und sciiliesst daraus, dass ‘diese An-
häufungen meist religiöse» Gebräuchen zuzusehreiben sind,
die in den Feldern und Torfmooren Opfergaben, die in den
Gräbern Speise- und Trankopfern für die Götter.
J. J. Worsaae. De quelques Antiquite« Norvt-
gienneB. — Hem. de la Soc. de« Antiquaires du
Nord. Nouv. Serie, 1868, pag. 185.
Bisher habe man im Korden bi* in die Schulbücher hin-
ein als feststehend angenommen , «Inas Finnen oder Lappe»
die ersten Bewohner gewesen seien (Steinzeit) , das* dann
Gelt«*» mit Bronze und dann Skandinavier (Aryer) mit
Eisen gekommen seien. In Norwegen sei man noch weitei-
gegangen und habe gelehrt, «lass Norwegen gnr keine Stein-
und Bronzezeit gehabt habe, dass die wenigen Gegenstände,
die man au* diesen Epochen an den Küsten Bude, aus der
Fremde gebracht worden seien, da*» «iie Skandinavier
(Aryer) zucist vom Nonien her gekommen seien und das
Eisen nach Dänemark gebracht hätten. Das Alles »ei nicht
wahr. Man habe in Norwegen Schleifsteine, Steinkerne etc.
entdeckt, Beweise, dass man dort Strinwaffen fahricirt habe;
ebenso Brouze , da Gussstätten entdeckt worden seien —
die ältesten Gegenstände au» Eisen fänden sich im .Süden,
die neueren im Norden von Norwegen — diese» sc» also
von Süd nach Nord colonisirt worden.
J. J. Worsaae. Om Betydningen af vore störe
Moeefand frn de aeldro Jernalder. Kjöbenlmveu
1868.
J. J. WorBaae. Om Mammen -fandet fr« Heden-
■kubeta Stutniugstid. Kjöbenhaven 1869. 18 S„
9 Tafeln.
Deutschland.
Ablagerungen von Speiseresten der Crraenscheu
in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. (Aus-
land 18G9, Nr. 40.)
(Jeher die grossen Haufwerke von Speiseresten der ame-
rikanischen Ureinwohner entnimmt da* .Ausland“ den treff-
lichen „Mnirriauv |*our Phistoire primitive et naturelle «le
1‘hummc pnr M. M, Tr U tot et Cartailha«:* (Juli und
August 1H69) folgende Notizen:
Grosse Anhäufungen von Muschelschalen befinden sich
auf einer Insel nördlich von dein Meerbusen du Franfai»,
Wim Mont-Dtaert in Maine. Dann lie-gen Holzkohlen und
bearbeitete Gegenstände von Stein und Knochen. Am Mont-
Desert fand man einige Fragmente von Töpfergeschiiren
mit leichter Verzierung. Zweiter Fuudpunkt: Crouch**
Cove auf Goose Island im Meerbusen von Ca#co, 15 eng-
lische Meilen nordöstlich von Portland. Muschel hügel be-
decken hier eine UWrtlKche von mehr als 500 tjuadratfu*-.
Mctallgegcnatände kein**, nur »ehr selten Steingerät he. Alle
Anzeichen deuten auf sehr hohes Alter hin. Dritte Fund-
stelle: Eagle llill in Ipswich (Massachusetts) am Rande
eine* kleinen Hafenplatze#. Mus*helh«igel B Kuss hoch,
10 Fuu im Üurcbme«-er. Mau fand hier einen rundlich
zuge*<hlngcnen Stein mit einer Rinne und zwei bi-arbeitete
Knocbrn*tücke. Vierter Fundort: Cotuit P«irt bei der
Stn«lt Bnmstaple südlich vom Cap Cod. MusehrtnbUge-
rungen bedecken etwa 100 Acre*.
Vergleicht man diese Ablagerungen mit ihrem Inhalte
nn Gerätben mit den bekannten Beschreibungen der uralten
Kjökkenmöddinger in Dänemark , so tritt uns die grosse
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 153
Wahrscheinlichkeit entgegen , des« die Lebensweise der II*
testen Bewohner der nordamerikanischen Küsten ziemlich
ebenso beschulten wer wie sie e« in Dänemark gewesen
ist. liier wie dort haben »ich diese Urbewohner vorzüg-
lich von der Beute der Fischerei und der Jagd ernährt.
Nur die tiefsten Spuren der Cultur sind in der sparsamen
Hinterlassenschaft ihrer Händearbcit erkennbar. F. v. H.
Bericht über die Verhandlungen der drei Sectio-
nen dos Internationalen Congresses für Alter-
thum&knnde und Geschichte zu Bonn vom 14.
bis 21. September 1868. 1. Verhandlungen der
I. Section für Urgeschichte.
Siebe dieses Archiv, Bd. III, S. 332.
Reinhold Bibor. Carl Vogt’s Naturwissenschaft-
liche Vorträge Über die Urgeschichte des Men-
schen. Ein Leitfaden für Carl Vogt’s Audito-
rium. Elbing 1870.
Der Zusatz «um Titel mag wohl ein Aushängeschild für
den Verkauf de* Schn fleh* ns »ein, das einige Einwürfc
gegen meine Vorlesungen zu form ul Iren suchL.
Julius Ernst Födisch. Die heidnischo Todton-
bestattung in Böhmen, 16 S.
Sehr übersichtliche , kurze und klare Darstellung. Dol-
men giebl e» in Böhmen nicht t dagegen zwei Arten alter
Gräber, Hügelgräber und Flachgrährr. Die ersteren sind
Stein&nhiufungen ohne Mürtelverbindung, Geröll- oder Erd*
aufschüttungen in Gestalt eine» Kegel» oder Kugelabschnit-
tes, Bestattung verbrannter und unverbrannter Leichen
im Hügel , Beigabe von Metall. In einem Grabe war
nur der Kopf verbrannt, der Körper erhalten, ln den
Hügelgräbern Urnen, Waffen und Schmuck von Bronze, Gold
und Bernstein , seltener von Eisen. Typus der älteren
Bronzeperiode. Mit einer Frau ein Eichhörnchen (Lieb-
lingstbier) mit bestattet. Niemals römische Gegenstände,
dagegen Objecte, die auf Zusammenhang mit dem *Udö»l-
lichen Europa über Macedonien hinab deuten: Rcgenbogen-
schüsseln und Silbermünzen mit celtischen Namen, barba-
rische Nachahmung«-» macedonischer Münzen. In Hügeln
nur aus Erde aufgrthiirmt, findet »ich häufiger Eisen und
Gegenstände etruskischer oder römischer Technik (Phale-
rae etc.). — Flach«- Gräber ‘verschiedener Art scheinen zur
Bestattung de» gemeinen Volkes gedient zu haben. 1. Vier-
eckig länglich , an den Seiten mit Steinplatten ausgelegt,
mit einer Steinplatte geschlossen. Meist nur Objecte aus
Stein, Knochen und Horn, zuweilen auch Bronze. 2. Kreis-
runde Gräber in der Erde, kessel- oder cyliiwlrrforroig. am
Boden mit Steine« oder gebranntem Thon ausgeh-gt. Gros-
ses Todtenfeld dieser Art bei Xc-hasitz zwischen Saaz und
Brüx. Dort Urnen und Skeletgräber — nie Eisen, selten
Bronze, massenhaft Mahlsteine, Steinäxte, Thonwirtel and
Instrumente aus Knochen, einige eigentümlich , andere
durchaus deucn der Pfahlbauten ähnlich. 3. LanggräWr
mit Skeleten, Todtenfelder mit Bronze und Eisen. 4. Ur-
nen , einfach in die Erde gestellt. Bronze und Eisen da-
bei. (Die Schädel aus den ältesten Gräbern sind alte sehr
dolicbncephal, Hohberger Typus, also germanisch — die
au« den jüngeren br&chycepbal . den jetzigen Czecheu-
Sc bä di* In ähnlich. C. V.)
Antonin Fric. 0 Dezenach Prac«. Praze 1868.
Von einem in» Czcebische übersetzten Deutschen, Dr.
Ant. Fritsch.
FriodoL PalftolithiBche Flint Werkzeuge aus dem
Havel - Diluvium zwischen Potsdam und Ilavels-
berg. — Sitzung der Berliner Anthropologischen
Gesellschaft, 15. Januar 1870.
Areliir rar Anthropologie. Bd. IV. Heft II.
Zwei Feuerfttcinmesfrer au» den, die Mamrauthfauna ent-
haltenden Rothkies-Ablagerungen der genannten Gegend.
Fund alter Gerippe auf Bornholm. (Globus, Bd. XV,
S, 190.)
Bericht über den Fund von 11 alten Gerippen in der
Nähe von Rönne, die aus der Vikingerzcit herrühren sollen.
F. v. H.
R. Hartmann. Ueber Pfahlbauten, namentlich der
Schweiz, so wio über noch einige andere, die Al-
terthumskunde betreffende Gegenstände I. —
Zeitschrift für Ethnölogie, 2. Jahrgang, S. 1 — 30,
2 Tafeln.
Vortreffliches Resumt und kritische Sichtung der be-
kannten Thatsachen und Anaiehten. Hinsichtlich der Ta-
feln and Restaurationen der Pfahlhäuser möchte ich nur
Eines bemerken: Wenn Hartmann nicht an Schornsteine
glaubt (ich auch nicht), so glaube ich auch nicht an Fenster.
Primitive Wohnungen erhalten nur durch die Thiirc Licht.
Victor Hehn. Culturpflanseu und Hausthiere in
ihrem Uehergang aus Asien nach Griechenland
und Italien sowie in das übrige Europa. Histo-
risch-linguistische Skizzen. Berlin, Bornträger,
1870, 456 S.
Ueber den Werth und Inhalt dieser Skizzen steht uns
kein Crtheil zu — • wie man aber dem Lauch und der
Quitt« , dem Pfau und Fasan eigene Capitel widmen kann,
während di* Cerealien, Hund und Pferd nur nebenbei er-
wähnt werden, ist unserer, freilich durch höhere Philologie
nicht geschärften Einsicht unzugänglich. Von den Pfahl-
bauten nagt der Verfasser (3. 411) „da» einzige Neue, das
Ihre Untersuchung geliefert hatte, sei die Priorität des
Ackerbaues vor den Metallen“.
Alois Hussa. Ueber das Alter des Menschenge-
schlechtes. Klagenfurt 1869, 28 S.
Recht gute, populäre Auseinandersetzung der bis zur
Bronzezeit reichenden Thntsachen.
Klein, Herrn. J. Geologische Alterahcrechnungen
des Menschengeschlechtes und ihr Werth. (Glo-
bus, Bd. XV, S. 328-330, 301—363.)
Autor misst denselben gur keinen, oder doch nur sehr
geringen Werth bei. F. v. H.
Vincens Knauer. Carl Vogt und sein Auditorium.
Drei Vortrage gehalten in Wien vor einem den
höchsten und intelligentesten Kreisen angehöri-
gen Publikum. Wien 1870, 60 S.
Den römisch-katholischen Styl und Ton nach Abraham
n Santa Clara muss man sich schon gefallen lassen. Nur
dagegen muss ich prot***t»ren , dass der Verfasser in »einer
blühenden l’nwi*#enheit einen Genossen, I>r. Wilhelm
Knauer in Graz als Entdecker von Verhältnissen und
Berechnungen über die Eiszeit bezeichnet, die längst weit
gründlicher und ausführlicher und zwar vor fast 30 Jahren
von Adh£mar publicirt und lu allen Lehrbüchern behandelt
worden sind.
K. Th. Liebe. Dis Knocheulager&tätte von Pah-
ren im RcuBsischeu Oberlande. Zeitschrift für
die ge&ammten Naturwissenschaften von Giebel
and Siowert, Januar 1870, S. 33. Neue Folge,
Band I.
In einer Spalte Im Clymenien-Kulk Lehm mit Klephas
primigenius, Canis »pelaeus, Con us taramlus, Ronasu» Bison,
Bo* primigenius, Equus fossilD, Lepus timidus. Sonst gar
20
Digitized by Google
154
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Nichts, als ein vielleicht von Menschen zugespitzter Me-
tatarsus - Nebenknochen vom Pferd. Die Kuhrenk nochen
vor der Einbettung zerschlagen. Wahrscheinlich lebte also
der Mensch in dortiger Gegend mit Maminuth , Rennthler
und Aueroch*. (Wenn sich dies bestätigen sollte, »o wäre
dies die östlichste Fundstätte in Deutschland. C. V.)
Maack. Urgeschichte des schleswig-holsteinischen
Landes. Kiel 1869, 8°. Zweite verm. Auflage.
Erfreulich, «lass das vortreffliche Werk schon eine zweite
Auflage gefunden.
Mestorf , J. Das urgeschiohtliche Schleswig - hol-
steinische Land. (Globus, Bd. XVI, S. 214 — 216,
234—236, 264—266.)
Nach Maack1 1 trefflichem Werke Uber diesen Gegen-
stand.
Mestorf, Dr. Aus deu „Reieeerinncrungen“ des
schwedischen Archäologen Nübsod. (Globus, Bd.
XV, s. 110—113.)
Behandelt die Verfertigung von Stringeräthschaften in
vorgeschichtlicher Zeit, die steinernen Pfeil« der Eskimos,
die Frainea der Germanen , dann den Zustand des Alter-
thumsmuseum in Kiel und die Privatmuseeu in England.
F. v. 5.
Mestorf, J. Ein Gangbau auf der Insel Sylt.
(Globus, Bd. XV, S. 296—298, 332—334.)
Aiuzug aus Wibtl'n Schrill.
Christian Pcterson. Spuren des Steinalters, wel-
che sich bis in die Zeiten der beglaubigten Ge-
schichte erhalten haben. Hamburg 1868, 4S.
16 S.
„ln religiösen Gebrauchen und in dem aus Missdeutung
derselben entstandenen Aberglauben, sagt der Vrrfasaer,
erhält sich stets länger, was sonst im Leben sein« Bedeu-
tung verloren hat.* — Belm Einbalsamiren wurde der
er«te Schnitt bei den Aegyptern mit einem „AetbiopUcben
Steine“ gemacht. Lanzen, Pfeilspitzen, Messer uns Feuer-
stein waren in Aegypten im Gebrauch. Die Juden vollzo-
gen die Beschneidung mit einem Steinmesser, die Punier
zerschlugen den Kopf de» Opferthieres mit einem Stein.
Jupiter Feretrius hatte als Symbol einen Stein — Jupiter
Lapis. Jupiter schleuderte Donnerkeile — Steinkeile, beim
Schwören warf man einen Stein, beim Scblie**en eines
Bundes tödtete man das Opferthier mit einem StMnme**«r.
Sprichwort: Inter sacra saxumque. Edda und Saga ken-
nen Steinbeile und Pfeile im Gebrauch des Aberglaubens.
Thor’» Mjblner ist ein Steinhammer — Indra’« Hammer
ebenfalls. Als die Aryer sich trennten , kannten sie Erz,
Kupfer, Gold, wio Grimm sprachlich nachwies, nicht Eisen
und Silber.
F. von Bongemont. Die Bronzezeit oder die Se-
miten im Occident Uebersetzt von Aug. Keerl.
Gütersloh 1869.
Vermehrte, aber nicht verbesserte l'ebcrsetzung de* be-
kannten Buches.
Oscar Schmidt. Munnelthiere bei Grats. —
Sitzungsberichte der Akademie. Wien, VoL 63.
Am Kainerhügcl hart bei Grat* wurde ein alter Murmel-
thierbau in 1200 Fus* Meereshöhe gefunden, der offenbar
aus einer Zeit stammt, wo Flora und Fauna der Hochge-
birge in die Ebene hinabgin^en. (Den Tlioukugelti nach
zu schliesspn Ist es Aretomjs Bobnc. C. V.) (Siehe Ar-
chiv, Vul. I, S. 378).
Oscar Schmidt. Das Elenn mit dem Hirsch und
dem Höhlenbären fossil auf der Grebenzer Alpe
in Obersteier. Sitzungsberichte der Akademie.
Wien, Vol. 37.
Höchst merkwürdiger Kund in einem Schlunde, dem
„wilden Loche“, wenigstens 3000 Kuss über dem Meere.
Ein IS Klafter tiefer Schacht führt zu einer schiefen Höhle,
deren Eingnng vereist ist. Nur ein Individuum jeder Art,
offenbar sind die Thlere hiheingestürzt. Der Klennschädcl
mit dom Geweih ist prachtvoll erhalten.
Schuster, Oscar. Die alten Heidenschanzen
Deutschlands. Dresden 1869, 8°.
Diese »ehr gründliche Arbeit ist zuerst in &treffleur’s
Oesterreichischer Militärischer Zeitschrift erschienen und dann
vom Verfasser, einem künigl. sächsischen Offizier, selbst-
ständig als Buch herausgegeben worden. Dem Autor stan-
den offenbar gediegene archäologische und linguistische
Kenntnisse zu Gebote, wie denn die ganze Schrift wohl da»
Vollständigste sein dürfte, waa wir über diesen Gegenstand
besitzen. Einen Auszug dieser Arbeit findet man im „Aus-
land“ 1869, Nr. 41, S. 977—978. F. v H.
Stcinzeitalter/ da*, auf den griechischen Inseln.
(Ausland, 1869, Nr. 48.)
Bericht über die von Herrn J. Fouquä geleiteten Aus-
grabungen auf Theresia, welche zur Entdeckung eines un-
ter einer 20 Meter mächtigen Tuffschiebt begrabenen Hau-
se* führten, das ollem Anscheine nach aus der Steinzeit
stammt. Wenigstens lie« sich unter den darin aufgefun-
denen Gerithrn keine Spur von Bronze oder Eiaeu bemer-
ken; man fand Thougefässe, Werkzeuge aus gespaltenem
Obsidian, zwei kleine goldene Hinge und ein menschliches
Skelet, da* jedoch leider aus Unvorsichtigkeit zerstört
wurde; endlich die Gebeine von drei Wiederkäuern (Schafen
oder Ziegen). * F. v. H.
Thierwelt, die, und die Menschenspuren in der
Kent-Höhle bei Torcjuay. (Ausland, 1869, Nr. 48.)
Uralte Feuersteingeräthe in eiuer ineioeänen Ge-
bir geschieht. (Ausland, 1869, Nr. 51.)
Notiz über die Funde von Abb& Bourgeois.
Virchow. Ueber Rennthierfunde in Norddeutsch -
land. Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc.
Sitzungsbericht vom 12. Februar 1870. Zeit-
schrift für Ethnologie, 1870. — Sitzungsbericht
der Gesellschaft naturforschender Freunde, 19. Oc-
tober 1869.
Virchow. Die Pfahlbauten im nördlichen Deutsch-
land. — Sitzungsbericht der Berliner Gesellschaft
für Anthro]>ologie, 11. December 1869.
Sehr lehrreicher und erschöpfender Vortrag, der viele
neue Verhältnisse aufweist. Mit Ausnahme der Pfahlbau-
ten von Wismar und einer Stelle am Soldiiier See, wo vier
Feuersteinine**er gefunden wurden, gehüreu alle Pommeri-
schen und Neumärkihchen Pfahlbauten (Daher, Persanzig,
Schwachen walde etc.) unzweifelhaft der Eisenzeit an und
sind, nach Werkzeugen und besonder« der Ornamentik der
TopfgerMthe zu schliesaen synchronistisch mit deu Burgwäl-
len derselben Gegenden. Die Conztniction ist anders, als
bei den schweizerischen Pfahlbauten — sie stehen auf
quadratischen Holzkasten, die ab Fundamente dienten. Das
Töpfergeschirr dieser Pfahlbauten und Burgwälle ist stets
mit horizontalen, geraden und gewellten Linien verziert, nie
mit geraden oder schrägen. Bei Schwachen waldt wurde
viel Bronze gefunden und Töpferei von feinerer Technik —
sonst ist die Bronze sehr seiten. Wenig Reste pflanzlicher
Nahrung: Haselnüsse, Weizen, Apfel — in Scbwnchcnwalde
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Kirsch- und Pftaumenkerne , von welchen aber zweifelhaft,
ob eie der Culturschlcht angehören. Wenig Knochen von
Jagdthieren: Eber, Hirsch, Keh, Biber, Elenn. Letzteres
wird in keiner historischen Quelle als Jagdthier der Mark
oder Pommerns erwähnt. Haoathirrknocben in grossen
Möwen: Hand, Ziege, Schaf, Kind, Pferd und Torisch wein —
letzteres identisch mit der noch bi* vor einem Jahrhundert
in Dänemark gezüchteten Race. Horn- und Knocbcngerä-
the, worunter besonders ein Kamm.
Carl Vogt’» Vorträge aber die Urgeschichte der
Menschen. Gehalten im Saale dee deutschen Ca-
155
sino in Prag im Februar 1870. Herausgegeben
vom deutschen Vereine zur Verbreitung gemein-
nütsiger Kenntnisse. Prag 1870, 12°. 56 S.
Walther, Fh. A. F. Die AlCerthOmer der heid-
nischen Vorzeit, innerhalb des Groesherzogthuma
Hessen, nach Ursprung, Gattung und Oertlichkeit
besprochen. Darmstadt (H. Brill), 1869,8°. 115S.
mit 1 archäologischen Karte.
England.
Duke of Argyll. Primeval Man: an Examination
of some recent Specnlations. Strahan et Comp.,
2. edition, 1869.
Der edle Herzog hat eine Lanze gegen Alle eingelegt,
welche behaupten, dass der Mensch sich von ursprünglicher
Wildheit zu höherer CivitUation emporgehoben habe. I>i«
ersten Menschen waren Ideale; durch Vermehrung wurden
sie zur Auswanderung gezwungen, worden um so roher,
je weiter *ie gingen, vergaben, was sie wussten und wur-
den endlich Wilde. Das iat der Kernsatz, um den sich der
ganze Band dreht, der vorzugsweise gegen Sir John
Lubbock gerichtet i*t. Dieser replicirte auf der Ver-
sammlung in Eieter (August 1869, Anthropologien! Keview,
Vol. VII, Nr. 27, pag. 415) und in Folge dessen entspann
sich eine lange Discussion , die Derjenige lesen mag, der
sich für die Art und Weise intereasirt, wie in England
Dinge behandelt werden, in welche der Bibelglauben hin-
eingezogen werden kann.
J. G. AtkinBon. On Cleveland Gravo-hills. —
Journal «f the Anthrop. Society, Vol. VII, pag. 113.
Im Thale de* Kak viele Grabhügel mit Cruen und ver-
brannten Knochen. Keine Spur von Metall.
John D. Baldwin. Prehistoric nations; or En-
quiries conceming some of the Great Peoples
and Civilisations of Antiquity and their relation
to a still older Civilisation of the Ethiopians or
Cushites of Arabia. I*ondon 1869.
C. Carter Blake. On the Macana of the Abori-
gines of Central America. — Anthropol. Review,
Vol. VIII, Nr. 28, pag. 100.
Macana heisst ein dem Celt oder Falstab ähnliches In-
strument aus hartem Holz, «las, in einen Stab befestigt,
als Pflug und Spaten dient. VeTfiwscr wünscht eine rich-
tige Ableitung des Wortes. In Nicaragua sah Verfasser
eine Indianerin mit einer Axt aus Diorit Mais auf einem
Mühlsteine zerquetschen. Die Indianerin wollte sie nicht
verkaufen — cs sei ein Donnerkeil. *
Chamock. On Locmariaker. — Journal of the
Anthrop. Society, Vol. VII, pag. 121.
Beschreibung der megalithiscben Denkmäler der Umge-
bung*
W. C. Dendy. On the primaevnl status of Man.
Anthropol. Review, Vol. VII. Nr. 27, pag. 423.
tieharnischte* Manifest, vorgetra^cn bei der Versamm-
lung in Ezeter, mit dem Motto: Die Männer des Glaubens
müssen mehr untersuchen, die Männer der Wissenschaft
mehr glauben. Lange Discussion , bei welcher mehre An-
thropologen sich gegen den Vorwurf des Unglaubens ver-
wahren.
Sir W. Denißon, On attempt to approxim&te the
Antiqnity of man by induetion from well esta-
blisbed facta. 2. Edition, 1868, 22 S.
Dumbleton, Discovery of a Lake Island in South
Wales. — AnthropoL Review, YoL VII, Nr. 23,
pag. 422.
Ptablbaute, ähnlich den schweizerischen.
P. M. Duncan. Human remains in the Cave of
Cro-Magnon, in the Valley of the Vettere. — An-
thropol. Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 422.
Die Mammuthknochcn , die man mit Rennthier- und
Measchenrestcn zu*ammengefund«n , seien von Rennthier-
jigern gefunden und als Merkwürdigkeit nach Hause ge-
bracht worden.
J. W. Flower. Notices of a Kjökken-Mödding in
the Island of Herrn. — Journal of the Anthrop.
Society, Vol. VII, pag. 115.
Auf der Westküste dieser kleinen, hei Guerntey liegen-
den Insel, etwa 10 Fuss über dem Hochwasser, 60 Fuss
lnng, 2 bis 3 Fu» dick. Hauptsächlich Schalen von Pa-
tella, Haliotis, My*, Mvtilus, Austern; Knochen von Schaf,
Ocha, Pferd, Schwein, Ziege, etlichen Vögeln und Fischen.
Dabei cylindrischr Ziegel, andere von römischer Arbeit,
einige runde Steine (Hämmer, keine Messer oder Aezte),
einige Spindelsleine, eine kleine Bronrenadel , ein eiserne»
Instrument, ein kleiues Glasstiick. Die Cromleclis der In-
sel scheinen weit älter. — Dieser Rüchenabfall aus der
Römerxeit.
Col. A. Lane-Fox. Bronze Bpear from Lough
Gur. — Ethuological Society of I*ondon , Vol. I,
pag. 36 mit Abbildung.
Bronzespeer mit goldenen , verzierten Ringen uro die
Dille und mit fast fünf Fuss langem Schaft vom Holze der
Sumpf-Eiche — aut dem Torf des Lough Gur bei Lime-
rick in Irland. Der Schaft ist geschnitzt, nicht gedreht.
Col. A. Land - Fox. On some flint implements
found Associated with Roman remains in Oxford-
shirc and the Isle of Thanet. — Journal of the
Ethnolog. Society of London, Vol. I, pag. 1 — 12.
1 Tafel.
In der Nähe eines römischen Verthcidlgungtwalles , De-
vil’s oder Grinset Dyke genannt , zwischen ^ eodvtock und
Clmrlburr fanden »ich an verschiedenen Stellen zwischen
römischen Alterthüroern, Vnsenscbcrben etc., Kratzer, Pleil-
20*
Digitized by Google
156
Verzeicliniss der anthropologischen Literatur.
spitzen, Messer und ähnliche Feuersteinibatrumente, wie
mnn sie auch häufig mit Bronze zusammen findet. In einem
Brunnen hei St. Peters auf Her Insel Thnnet wurde ein»
ähnliche Vergesellschaftung gefunden. Die alten Britten,
namentlich die Sklaven, mögen wohl noch zur Römerzeit
Steingeräthe gebraucht haben.
Lane-Fox, A, Remarkä on Mr. H. Wntropp’s
Paper on Cromlechs. With a map of the world,
shewing the distribution of megalithic raonu-
ments. (Journal of the Ethnological Society of
London, 1869, S. 59 — 67.)
Oberst A. Lane-Fox macht Bemerkungen zu dem
Aufsätze von Westropp (siehe diesen) ober die mega-
lithischen Bauten , indem er theilweise denselben ergänzt,
theilweise aber aus den vnrluindcncn Thatsachen andere
Schlüsse zieht. Dohnen, C römisch* , Menhirs u. s. w. fin-
den sich nämlich ausser an den von Westropp angeführ-
ten Orten in der Nähe von Tripolis and längs der Küste
ostwärts; auch bei SJurxuk, auf den Inseln Malta und
Gozxo, auf den Canaren, an der ganzen Nordküste Afrikas
bis Tanger. Auch in der persischen Provinz Farsistäu und
zu Dar ab, ferner im Süden des Ka»pi-Sce zwischen Tauris
und Kaibin wurden Steinkreise beobachtet, lieber ganz
Südindien vom Nerbudda bis Cap Comorin sind sie zer-
streut und höchst wahrscheinlich auch über Oberindien.
Onstatirt sind sie auf Ceylon. Auf der asiatisch-indischen
Inselwelt scheinen sie zu fehlen; wir treffen sie erst wieder
auf den Kidschi-Inaeln , auf Streng’« Island, Paadscn, Oster-
insel und Waihu, sowie auf Tinian unter den Ladronen.
Fassen wir aber die Verbreitung der Megalithen ln Eu-
ropa genauer in's Auge: sie kommen vor in Andalusien,
in Aleratejo und Beira, »eiten in Estramaduru, Trnz os
Monte* und Minho; in Frankreich vorwiegend wenn nicht
auMcbliesstich in den südlichen und westlichen Departe-
ment«, Aveyron, Cantal, Tarn, Tarn et Garonne, Arrit-g«,
in der Nähe von Pcrpignan, im Poitou und in der Bretagne,
in Euro et Loire und in der Umgebung von Paris. In
England, Schottland und Irland treten sie häutig, aber vor-
züglich an den Westküsten auf; endlich in Dänemark, in
den oberen Provinzen von Holland und Deutschland und
der südlichen Spitze von Schweden, »o wie an der Ostküste
de» baltischen Meeres, einschließlich Esthland, Livland und
Kurland. Nur vereinzelt wurden sie in Thüringen, in der
Schweis und hei Sesto Calende bemerkt.
Zusammengehalten mit ihrem außereuropäischen Auf-
treten gelangt der Verfasser zu dem Schlüsse, dass ein
gemeinsamer Ursprung der Megalithen errichtenden Völker
höchst wahrscheinlich sei, so wie da»» die Orte ihres Vor-
kommens zusammenfallen mit den Wegen, welche, wie wir
wissen, die Clvilbation in historischer Zeit eingewhlagen
hat ; während andererseits, wo sie fehlen, zumeist’ nuch da*
Licht der Cultur niemals hingedrungen »ei. Wenn sie auch
nicht Einem Volke angehüren, so haben sie doch gewiss
einen gemeinsamen Ursprung.
Auch als Grahmonumente will sic Oberst Lane-Fox
nicht gelten lassen, er meint vielmehr, dass sie als Ver-
sammlungsorte für die Volksobersten dienten, welch letz-
tere dann wohl auch wahrscheinlich dort bestattet wurden.
Je mehr wir die Cultur der Ureinwohner unseres Erdballes
untersuchen, schließt der gelehrt« Offizier, desto mehr
erkennen wir, dass sie sich nach einem Plane ausgebreitet
habe, analog jenem, welcher bei der Entwicklung
der Arten beobachtet wurde, und desto klarer wird
es, dass die Untcmirhungsmothode m diesen Gcbietqp die-
selbe systematische Methode sein sollte, wrlrho wir bei
Beobachtung der Phänomene im Thier- und Pflanzen reiche
nnwenden. (F, v. H.)
Lane-Fox, Colonel. Flint implementn in the
Vrtlley of the Tbamee. — Anthropolog. Review,
Vol. VII, Nr. 27, pag. 422.
Bei Acton und an anderen Orten auf früheren Hochter-
rassen des Flusse*.
Sir Duncan Gibb. On the paucity of aboriginal
mouuuicnta iu Cannda. — Anthropolog. Review,
Vol. VII, Nr. 27, pag. 423.
Anfsuchnng der Gründe, weshalb man in Canada Nicht*
findet.
Canon Greenweil. Yorkshire Tumuli. Grand
Dißcoveries near ßridlington. — Anthropological
Review, Vol. VIII, Nr. 28, pag. 10 1.
Bericht über Oeffnung zweier sehr grosser Grabhügel in
Kadstone. Kein Metall; verbrannte und unverbrannle Lei-
chen; mehrfache Begräbnisse in demselben Hügel; viele
Stein-Instrument«, worunter grosse Hämmer; Triukschalen
von sehr eleganter Form etc.
Canon Greenweil. Prehistoric reniain*. — Jour-
nal of the Ethnolog. Society, Vol. I, pag. 205.
Untersuchung von allen Strassen, Befestigungen, Grab-
hügeln, Druidcnkreisen und Pfahlbauten in Northumber-
land, meist au« der Bronze- und Eisenzeit.
T. M. Hall. Method of forming the flint flakee
uaed by the early inbabitants of Devon. — An-
thropolog. Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 427.
Neu« Beschreibung der längst bekannten Methode, Feuer-
steinmesser abzusprengeo.
F. W, Hayden. Observation« in regard to Indian
history. — Journal of the Ethnological Society,
Vol. I. pag. 332.
Viele Indiancrstirome am Missouri lebten früher in Erd-
hütten. Bei solchen, sehr alten Dörfern findet man Mas-
sen von Steingeräthkchaften.
James Hunt. On Carnac in ßrittAny. — Journal
of the Anthropol. Society, Vol. VII, pag. 123.
Beschreibung des Monumentes. Eine lange Discusdion
entspinnt sich über die heutigen Bretagner, die Bedeutung
der Namen u. «. w.
International Congress of Prehistoric Archaeologr.
— Tranaactions of the third Session which opened
nt Norwich on the 20th August and closed in
I/ondon on the 28th August 1868. London,
Longtnans, Green and Comp., 1869, 419 S.
Stattlicher Band mit vielen Tafeln und Holzschnitten,
der sämmtliche beim Congres» in Norwich gelesene Abhand-
lungen und die Btattgehabten Discussionen wiedergiebt.
Harry Jones. Notes of some discoveries in Bar-
ton Mere, near Burg St. Edmonds. — Journal
of the Ethnological Society, Vol. I, pag. 199.
Im Moor und zwar in der torfigrn Schicht über dem
Kreidemergel Knochen und Geweihe von Bo* longifron«,
Schaf oder Ziege, Schwein, Hirsch, Ur, Hund oder Wolf
und Hase, einige bearbeitet, Scherben von der Hand gefer-
tigt, Feuentcimnewer und Kratzer. In höherem Niveau
eine Lanzenspitze von Bronze. Spuren eine« Pfahlbaue»,
Pfähle durch zerstossene Feuersteine befestigt und in den
Kreidemerge! eingetrreben.
Lauth. The Iron Age in Egypten. — Anthropol.
Review, Vol. VIII, Nr. 28, pag. 105.
Da* Wort lla — ■ Eisen — linde sich schon auf Monu-
menten 4000 Jahre v. Uhr.
A. L. Lewis. Reminiäcences of a Viaifc to Lock-
Digitized by Google
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
157
mariaker and Gavr InU. — Journal of the An-
thropolog. Society, Vol. VII, pag. 122.
Bekannte*, »aiuentlULi über die in die Steine gehauenen
Linieu im Dolmen von Gavr Iois.
A. L. Löwin. Mogalithic Monuments. — Anthro-
pological Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 424.
Der gleiche Plan auf der ganzen Lange der Verbreitung
*on Indien bi* Grossbrilannieu (und weiter C. V.) zeige
auf Erbauer desselben Stammes.
Sir John Lubbock. On stone iraplements front
the Cape. — Journal of the Ethnoiogical Society
of London, Vol. I, pag. 51, 1 Tafel. Uebersetzung
in Materiaux 2*® Serie, Ü“* Armee, pag. 44.
Messer, Kratzer, Pfeilspitzen . Schleudersteine von »ehr
roher Arbeit, von C. J. llusk and Langham Dale zwi-
schen der TnM-Bai und der False-Rai am Cap der guten
Hoffnung im Treibsandc gefunden. Gleichen in der Form
häufig de« Stücken von St. Acheul.
Scott Moore. Pre-glacial man and ge-ological
chronology. In 8*. Vol. XII, 120 pag., 3 Tafeln.
Dublin 1868.
Uns nicht zu Gesicht gekommen. — Berechnungen vom
religiösen Standpunkt aus.
Poacock. On a Barrow at Cleatham. — Journal
of the Anthropolog. Society, Vol. VII, pag. 113.
ln der Mitte de* grossen Hügels Kohlen eine* Scheiter-
haufens mit verbrannten Knochen , eine uragestnrzte Urne
voll Kohlen. Mehrere stehende Urnen mit verbrannten Kno-
chen. Einige Fc-uersteinsplitter, der Hügel au* Sand, den
man in Körben herbeigetrugen, aufgeschüttet.
Major George Godfrey Pearse. On the excava-
tion of * large raised Stone Circle or Barrow
near the village of Wurreegaon, one milc from
the military Station of Kamptee, central provin-
ce» »f India. — Journal of the Ethnol. Society.
Vol. I, pag. 207.
In eineu» Tumulu* in Reihen gestellte Ofasse, Skelete,
Ger&the von Gold, Eisen, Stahl - — auch Kokosnuss. Da»
l'ulturvolk, von welchem die Gegenstände stammen, ge-
höre weder den Buddistrn noch den Hindus, weder den
Griechen noch den Christen an — wahrscheinlich der Aera
von Menu, 1200 v. Clir.
Fengolly. Fifth Report of the Committee on the
exploration of Kenl's Cavern. — Anthropologien!
Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 431.
Fortsetzung der Untersuchungen, die wieder Mauen ton
Knochen und Instrumenten geliefert haben. Boyd Daw-
kin« weist nach, dass verschiedene Schichten vorhanden
sind, aus verschiedenen Epochen. — Während der Bildung
der obersten, schwarzen Schicht hätten Cannibalen die
Höhle bewohnt. Darunter fänden sich Knochen vom Viel-
tem**, Biber, einem grossen Hosen etc.
Pengelly. On the Archaic Authropology of tho
South- West of Englaud. ~ — Anthropolog. Review,
VoL VII, Nr. 26, pag. 242.
Auszug an* einer Abhandlung über die Höhle von Brix-
bam, welche in den Verhandlungen der „Üevonshire Asso-
ciation for the advancement of Science, literuture and
arts“ erschienen ist. Merucbenresle mit Knochen ausge-
storbener Thierarten in den tiefsten Schichten, die älter
sind «1» der -»uhmarine Wald von Torbay, der sich über
Cornwaili» fortsetzt und dort oft von mächtigen Ablage-
rungen überdeckt i»t, in welchen man, in einer Tiefe von
♦0 und 55 tu»* menschliche Schädel fand, wovon einer in
Penzance anfbewrahrt Ut.
Scotland. Monumental Stoues in Scotland. —
(Jouruul of the Ethnoiogical Society of London,
1869, S. 204.)
J. Sinclair Holden. On a dolichocephalic Cra-
nium from Gienarm, County Antriro. — Journal
of the Anthropolog. Society, Vol. VII, pag. 155.
Dolichocephaier alter Schädel mit stark entwickelten
Augenbraueubogen.
Don Alfonso StoiTens. On some stone implements
from the Island of San Jose. — Journal of the
Ethnolog. Society of London, Vol. I, pag. 67.
Ein deutlicher Prrlrahiadlrr , St.ff.m, lies, .uf 4er
Insel Sun Jo*, in der Hiutiuru-Uueht eine» der ralilreichen
überw»ch.enen Uriher Silben und fand darin viele i rlmi-
tive Stelnwaflen.
CoL Meadows Taylor. On prehistoric Archaeo-
logy of India. — Journal of the Ethnol. Society,
Vol. I, pAg. 157.
Ausführliche Aufzeichnung seiner, so wie der bisherigen
Arbeiten. Iiabiugton veröffentlichte zuerst im Jahr« 1H20
einen Aufsatz über Dolmen (Kodey Kuli* oder Pundoo
Koolie* genannt) in Malabar. Unter dem Decksteine fan-
den sich Urnen mit Metmhenbeincn, ln von fern gebrach-
ten Sand eingestellt. Dabei Eisengerithe und Waffen. In
den Xilgberries fanden Harkne*» und Oongrcve Tumuii
mit Steinkreisen, darinnen Steinkisten mit Urnen und Waf-
fen. Gong re re hielt sie für »kvtbisch. — Verfuhr un-
tersuchte lu I>ekhnn, Provinz Torapur. Hier sind thetis
entb'.üwt stehende Dolmen, theil» Cainu. Nach den Kun-
den theilt Taylor di« Erbauer in zwei Clazaen; die einen
begruben ihre Todlen und brachten dabei Menschenopfer ;
die anderen verbrannten die Todtrn und begruben die
Asche in Cairns oder setzten sie in Urnen bei. Im Moor
von Twizell (Grafschaft North uraberl and in England) fand
Taylor dieselbe Anordnung — im Cairn einige Fu»« unter
der oberriäche die Deckplatte, darunter die Urnen mit
Knochen, Asche und Kohle, vermischt und eingestellt in
rotbe, von fern hergebrachte Erde. Bei Vibut Haill und
Shuhpoor timschlirsscn 56 ungeheure Granitsteine (grösser
als bei Kurnak) einen weiten Kaum mit einem Tumulua. —
Bel Hyderabad cairns, in denen man Töpferei, Glocken,
Speer- und Pfeilspitzen von Bronze fand. Grosse Gruppen
(bei Tau»endl wurden von Oberst Doria auf dem Wege
von Hyderabad nach Mozulipalam entdeckt; Bell fand in
Narkael-pulli neben einem Skelet in hockender Stellung «in
Stück Eisen. Im District von Bellary ähnliche Bauten,
die hier, wie anderwärts, Zwergen zugeschrieben werden,
heraer bei Tooljapoor, Nagpore, Cromlech» tm Xirtoul
Jungie am Wunla. Taylor neigt sich der Meinung zu,
alle diese, den europäischen »o ähnliche Grebstätten
stammten von Turaniern, nicht von Arven». Die Völker,
bei denn» man sie finde, sprächen Dravi‘di*ch, diu mit Ta-
mulisch and Tarturuch verwandt seL Soduu» zählt Taylor
die Fundstätten von Stringerithen und Palstäben auf: hei
I.ingsoogoor Messer und Pfeilspitzen, ähnlich den Mexica-
nischcn, bei Jabbelpoor etc.
John Thurnam. 0n ancient British Barrows, eape-
cially those of Wiltshire und the adjoining couii-
tiea. Part I, Long Barrow». — Archaeologia,
Vol. XLII, 1869. Besame in Nature, Nr. 18,
March, 1870, pag. 460, Tome L
Zwei Classen solcher, in Wütxhire sehr häufiger Gräber,
einfache und gekammerte. Die Long -Barrow» liegen stets
vereinzelt auf Höhen. — Die einfachen sind 100 bis 400 Kuss
Digitized by Google
158 Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
lange , 30 bi« bO Fu*s breite, 3 bi« Vi Kuss hohe
Hage], meist von 0*t nach Weil orientirt; die Grabgegen-
ständ«- tiuden dich im Hügel etwa aaf dem Niveau de»
Bodens; umher ist der Grund durch die Aushebung der
zur Aufschüttung uöthigeu Krde vertieft. Man findet nur
rohe SteinwafTen , rohe Topfscherben, Knochen von Boa
longifron» oder brachycero», Hirsch, Eber in den ursprüng-
lichen Beisätzen , über welche der Hügel aufgeschüttet
wurde. Dagegen findet man oft Gegenstände aus späteren
Zeiten in die oberen Theile der Hügel eingegvuben.
John Thurnam. Further Researches and Obser-
rations on the two principal forms of Ancient
british Skulls. — Memoirs of the Anthropolog.
Society of London, Vol. III, S. 4, Tafel 1 u. 2.
Neue Beweise, das» in den Long-Barrowa dolichocephnle,
in den Round- Barrowa, die einer späteren Zeit angeboren,
brachycephale Schädel verkommen; das« die enteren der
Steinzeit, letztere der Bronze- und Eisenzeit angehören;
ersten seien wahrscheinlich iberier (wie auch die Basken);
letztere Galen oder Belgier.
Alfred R. Wallace. The measurement of geolo«
gical time. — Nature, Nr. 17 et 18, 24. Febr.
und 3. March 1870.
Vollständige» Resuraä der Frage und Beleuchtung der
astronomischen Argumente, welche für das alternative Wie-
tierkehren von Eiszeiten beigrbrucht worden sind.
Weatropp, Hodder M. On Cromlechs and Me-
galithic Structnre». — (Journal of the Ethnolog.
Society of London, 1869, S. 53 — 59.)
Es darf jetzt wohl al» erwiesen angenommen werden,
meint der Autor, dass es allgemeine natürliche, jeder Race
gemeinsame Instincte gebe, wonach die Menschheit in ge-
wissen Klimateo und in einem gewissen Stadium der Cul-
tur dieselben Dinge in derselben Weise ausfuhrt, ohne vor-
hergegangene Berührung mit oder Unterweisung von jenem,
welche zuerst so gethan haben. Beweis hierfür die iden-
tischen Formen der Feuerstein- und Stelngeräthe auf der
ganzen Welt, dann die Urnumcntik, das Zickzack u. s. w.
Ein weiterer Beleg »eien die Gvabmonu mente. Ihre
einfachste, rudimentärste Form, der Tumulus, ist über die
weite Erde zerstreut. Beinah« eben »n weit »eien die nie
galithischen Bauten verbreitet; sie finden sich auf den
englischen Inseln, in der Bretagne, sehr häufig in Schwe-
den und Dänemark, zu Saturnia in Etrurien, in Spanien,
auf Sardinien und den balearischen Inseln; in verschiedenen
Theilen Indien«, besonder» in den centralen . Gebieten der
Ncermul Jungle, an der Küste von Malabar, beim Kliasia-
Volke in dem Fürstenthutne Sorapur, dann bei Veilort ln
der Präsiden tschaft Madras; endlich bei Chittore in Nord-
Arcot. Aach in Afrika treffen wir diese merkwürdigen
Bauten, zwischen Algier und Sidi-Ferruch , an den Quellen
des Bumarmuk bei Constantine und in Tunesien bei Sidi-
Busi im Nordosten von Hydra!» , Welled Agar und Lhuys.
Weitere Fundstätten sind noch der Caucaaua und die Step-
pen der Tatarei, die Ufer des Jordan und Palästina über-
haupt, Arabien (bei Kaaim), endlich unter den Südsee-ln-
•eln auf Penrhyo Island und schliesslich in Peru. Dass
alle diese Bauten Grabmonumente gewesen, geht aus den
Knochen und anderen Sepulchralgegenständen hervor, die
unter ihnen gefunden wurden.
Alterthumskundtge geben ferner zu, dass die primitiven
Racen den Bau von Tempeln nicht kannten; gleich den
amerikanischen Indianern beteten sie den grossen Geist an,
ohne ihm Tempel zu errichten, die schon «in höhere« Cul-
turstadium andeuten. Der Verfasser stellt dann aus den
bekannten historischen Quellen di* Beweise für seine An-
sicht zusammen, dass die megalithische Bauten auülihren-
den Völker sich alle auf einem der tiefsten, wenn nicht
dem tiefsten Standpunkte menschlicher Gesittung befunden
haben. Bei den meisten herrschten Anthropophagie, Po-
lyandrie,'Menschenopfer und sonstige barbarische Zustände.
Er gelangt endlich zu dem Schlüsse, dass die megalithischen
Bauten weder den Kelten noch den Skythen oder sonst
einem Volke eigentümlich waren, sondern als das Resultat
der Bestrebung primitiver uncultivirter Völker zu bctrachtrn
sind, möglichst dauernde Grabstätten zu schaffen, und da*«
sie von Menscheu errichtet wurden, die ein natürlicher Trieb
bewog, sie ln der einfachsten, folglich in alten Ländern
identischen Form zu erbauen. (F. t. H.)
Frankreich.
A. Arcolin. Influence Egyptienne pendant rage
du bronze. — Materinux, 2J* Serie, 5ra® An nee,
pag. 376.
Die Bronze war in Aegypten schon zur Zeit der ersten
Drnastieen, also vor mehr als 6000 Jahren in Anwendung
und allgemein verbreitet. Zu jener Zeit herrschte in West-
europa und vielleicht überall in Europa noch die Steinzeit.
Man kann sich also fragen, ob nicht die europäische Bron-
zefabrikation von der ägyptischen abstnmme. Dafür »pre-
chen die gleichen Formen der Aezto und Gelte, der Lanzen
und Pfeilspitzen , der Dolchklingen — während die längere
Sch wert kl Inge den Aegvptern fehlt. Ausserdem hatten sie
eine Menge eigentümlicher Gcritbe, deren Analoga bi*
jetzt im Occident noch nicht gefunden wurden, während
wir andererseits Diuge haben, die nicht in Aegypten Vor-
kommen. Vielleicht «eien die Pelasgier die ersten Verbrei-
ter der Bronze in der Umgegend de* Mitieimecre* gewesen,
später die Phönizier.
A. Arcelin. Gisements de l äge de pierre de Beth-
Saour (Palestine). — Matcriaux, 2J* Serie, 5'“°
An nee, pag. 237.
Zwei Arten von Ablagerungen, Schutt «n den Abhängen
und Grotten. KJeselweriueuge, mit unvollkommener Schlei-
fung, schlecht gearbeitete Töpferei, Pferdeknochen. Gräber
au* der Bronze- und Eisenzeit.
Emilo Arnaud. Ktudes prehistoriqups sur 1«
Premiers vestiges de rindustrie humaine ei la fin
de la p^riode qaatemaire dans le Sud - Eet de
Vaucluse, 13 S., 6 Tafeln. Paris, Savy. — Mate-
riaux, 5“® Anne«, 2do Serie, pag. 225.
I-igcr*tItte von Baoumo dei peyrard* bei Apt; Pferd,
Steinbock, Hirsch, Kaninchen, Antilope dorca» (?) ; Kiesel
vom Typu* von Mousticr.
Bailleau. Grotte des fee« de Chatelpcrron. — Ma-
terial) x, 2do S6rie, 5m® Annee, pag. 384.
Die Höhle hat zwei Ordnungen , von welchen nur di«
eine intakt, to dieser zwei Schichten, die ober« enthält
Knochen von jetzigen Thiercn, die untere von Pferd, Ocb«,
Bison, Hirsch. Gemse, Rennthier, Ziege oder Steinbock,
Wolf, Kochs, Hohlen -Bär, -Hyäne. -Löwe und Maramtith.
Fiir den Menschen beweisen die »erbrochenen Knochen,
einen oder zwei Steiokerne, ein xugeapitzter >li»trifu»*kno-
chen vorn Aucrocbs und zwei pnlirtc Ohrknöchclchen (?).
Auch ein Unterkiefer vom Aueroch*, welchen der Mensch
benagt bähe. Verfasser will Naguugen de» Menschen leicht
Digitized by Google
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 159
von denen durch Thiere unterscheiden. Die Beschreibung
der Unterschiede, die er statuirt, lässt aber eher aut' einen
Nager scbliesseu. lieber und neben den Grotten Heerde,
dabei Stücke von Stotsrähnen vom M aramut h, durchbohrte
Zähne, bearbeitete Knochen, Kieaelinstruineote rohester
Form und Eisenocker (zum TatuirenV). In grösserer Tiefe
und in einer Ecke der Höhle Hjänenkoth in Menge mit
benagten Kennthierknochen.
Abbe Bourgeois. Nonvelle affirmation de l’homtne
tertiaire. — Materiaux, 2d* Serie. 5"* Anne«,
p»g. 297.
Der Fundort bei Pont-Leroy zeigt von oben nach unten
folgende Schichten: 1) Dämmende =0*30 Meter; 2) Damm-
»nie mit quaternären Elementen = 0*20 Meter; 8) Faluns
mit Muscheln und gerollten Knochen von Nashorn , Masto-
don und Dinotherium = 0*60 Meter; 4) Kalk von Heuucc,
dicht , an der Oberfläche von Phola» dimidiata durchbohrt
= 0*30 Meter; 5) Mergelicher Kalk von Beauce, in den
unteren Schichten fühlet sich da* vierxehige Rhlnocerod
(Aceratherium) = 4 Meter; 6) Schicht mit bearbeiteten
Feuersteinen =s 0‘R0 Meter. — Woraaae, Lartet,
Yaldcmar Schmidt, Hetgrand, Mortillet, sind
alle der Ansicht, das» die Feuersteine, von welchen viele
im Feuer waren , von Menschenhand geschlagen wurden.
J. B. Bourguignat. IBatoire do monuments me-
galithiques de Roknin, pres de Hammam-Neskou-
tin, 4®. 99 pag., Karte und 9 Tafeln. — Mate-
riaux, 2d* Serie, 5“* Anne©, pag. 192.
Monographie der schon im vorigen Jahresberichte (siche
Faid herbe) erwähnten Dolmen von Koknia. Nach den
Mollusken und einem ägyptischen Wciberakclct aus der
Zeit der 17. und 10. Dynastie (Herberin) schätzt Bour-
guignat da» Alter dieser Dolmen zwischen 2000 bis 1000
vor Chr. — Wir müssen gestehen, dass wir diesen, obgleich
mit sehr grosser Zuversicht vorgetragenen Berechnungen
wenig Vertrauen schenken.
Bourjot. Excurrion a la grotto de la Point©- Pe-
*cade et determination des eapeces animales de
cette Station. — Materiaux, 2de Serie, 5** Anne«,
pag. 422.
Die dort gefundenen Knochen wurden von Gervais,
Lartet und Pomel bestimmt. Büffel, Pferd, Knochen
von Antilopen in der Grosse der Dorcas , Bär, Hyäne,
Katze, Stachelschwein.
Bruzard. Fotiilles dans les tumulus de Geuay pres
Semur. — Revue Archeolog. , Nouv. Serie, 10"*
Anne«, pag. 360.
Bronzezeit.
X/OuiB Büchner. Traduit par Ch. Letoorneau. —
LTlouitm* seien la Science, sott passe, son present,
aon avenir ou: D\m venons-nous? — Qui som-
mes-noui? Oü allons-nous? — Paris, Reinwald,
1870,152 Sn Holzschnitte. Premiere partie: D’oü
venons-nous?
Populäre Vc.lesungen.
Calland. Torabea gauloise* et prehistoriques du
SoisBonnais. — Materiaux, 2d“ Serie, ö** Annee,
png. 274. — Society authropoL de Paris. Seance
du 3 et 17 Juin. Fortsetzung S. 281.
Weiberschädel nu» der Bronzezeit (?), Manns- und Wei-
berschädel an« der geschliffenen Steinzeit j brachyrephnl,
»ehr hoch. Schien- und Oberarmbeine. Nach Calland
giebt es drei Arten von Gräbern in der Umgegend von
Soitson* au* der Steinzeit: II Dolmen, früher zahlreich,
jetzt meist zerstört; 2) Halb -Dolmen, grosse Grabstätten
nu* rohen Steinplatten, mit vielen Skeleten, roher Töpferei
und Steinwnffcn — in einem hat man aber Bronzegegtn-
stände getroffen; 3) Grubheerde — die zusatnmeugeknick-
ten Skelete liegen auf Ascbenhaufen. Kerner Gräber und
Grabgrotten au* der Bronzezeit, bei Cboisy - au - Bar und
Orrouy — endlich die obere Schicht des Kirchhofes von
Cbainemjr datirt au* der ersten Eisenzeit. Ueber Grotte
von Orruuy entspinnt »ich eine Diwu**ion. — Mortillet
behauptet, die von Calland als Rronzestationen bezeich-
net en Gräber gehören der ersten Eisenzeit an.
Calland. Une Station do l’äge de bronze. — R£-
vue Archeologique, Nouv. Serie, 10m* Armee,
pag. 130, 2 Holzschnitte.
Todtenfeld bei Bethunde« in der Nähe von Compiegne
(Aisne). l’nverhraunle Leichen in geringer Tiefe, zu Häup-
ten je zwei Töpfe roher Arbeit. Ein Topf und ein ein-
facher Halsring erhalten.
Calland. Antiquitea prebiatoriques do Chasse-
my, do Vauxrot et de Bethondes. — Materiaux,
2do 8erie, 5“* Annee, pag. 413.
Bei Vauxrot Grälier mit zusammengekauerten Leich-
namen auf einer Asclwnschicht. Noch andere Gräber aus
der Bronzezeit in demselben Thal — nur vage Angaben.
A. Caraven. Quaternaire et haches polies du Tarn.
— Materiaux, 2d* Serie, 5“* Annee, pag. 410.
Hohe Aexte bei Montan*; geschliffene bei Gourre.
Cazalie de Fondouce. Congres international de
Copenhague. — Materiaux, 2dc Serie, 5me Annee,
pag. 410, 504; 6mo Anne©, pag. 7. — Revue des
Cours scientifiqucB, 7“* Annee, Nr. 11 et 13.
Ziemlich vollständiger Bericht über die Verhandlungen
-und Eicursionen.
C&salis de Fondouce et J. Ollier de Marichand.
La grotte de« morts pres Durfort (Gard). — Ma-
teriaux, 2d* S6rie, 5“* Annee, pag. 249 — 261.
Grabgrutte aus der Ucb«*rgang**eit xwischen .Stein- und
Bronzezeit, wahrscheinlich nur von einer Familie nährend
mehrerer Generationen. Im Tropfstein vier menschliche
Schädel. In einer Kammer im Lehm etwa B0 Kieze^nstru-
m eilte (Lanzen- und Pfeilspitzen, Messer), Ahlen und Meis-
sei von Knochen, sehr viel durchbohrte Fangzähne v0n
Wolf, Hund, Fuchs, Eber, Perlen au* Knochen, Steinen und
rothem Kupfer, Knöpfe aus Alabaster, wenige rohe Topf-
»eherben, keine Thierknochen, Menschcnknnchen von etwa
50 Individuen. '
BL Cherbonneau. Nouvoaux dolmens en Algerie.
— Materiaux, 2*° Serie, 5"® Annee, pag. 410.
In der Provinz Constantine bei Sigousse.
L’Abbe CoUet. Lob Menhirs monuments fune-
raires. — Materiaux, 2dt Serie, 5®# Annee, pag.
3S3.
Hat unter einem solchen Stein bei Locmarin auf Quibc-
rou Steinpflaster, Töpfe und Asche gefunden, also, schließt
er, war hier ein Grab, also müssen olle Menhirs Grab-
denkmäler seit». (Im alten Testamente kommen mehrere
Stellen vor, welche beweisen, dass man rohe Steine als
Denkzeiehrn für verschiedene Begebenheiten aufrichtete.
Warum also nicht anch auf Gräber? C. V.)
Daubree. Exploitation d'etain remontant u uno
epoque immeraoriale. — Comptca reudus, Tome 63,
Digitized by Google
160
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
pag. 1137. — Materiaux, 2d# Serie, 5“* An-
nita, pag. 261.
Iu der Nahe der Kaolin - Gruben von ln l.izollc (Allier)
findet sich ein oberflächlicher Quarzsaod mit Zinnerz, der
einst ausgebeutet wurde.
Deherain. Annuaire scientifique. Paris, Maason,
1870. — Anthropologie, Sciences prehistorique,
Res u me de la question par le Doetour Daily,
pag. 185—217.
Recht gutes und verständiges llesum4.
Delanouo. Sacrum humain aasociu k des ossements
d’elephanta. — Bullet, de la Societe de Geologie
de France, 2de Sürie, Tome XXV, pag. 683. —
Materiaux, 2d* Serie, 5me Annue, pag. 146.
Bei Villen - l’louich , zwischen Cambrai und Marcouing,
wurde im Diluvium mit Elcphantcn ein menschliches Becken
gefunden.
Abbe Delaunay. Atelier de läge de pierre h
Saint-Leger-du-Malzieu (Ixjzere). — Materiaux,
2^ Serie, Gmm An neu, pag. 34.
Steingeräthe in Masse, von gleichen Formen wie ln l’res*
signy. Die Kedaction macht darauf aufmerksam, dass die*
ses Lager noch bis zur ZeiL der Fabrikation der Flinten*
steine nusgebeutet wurde.
Delfortrie. Camp de P&go de la pierre polie.
Kpoque pruhistoriqne. Station de Cabiao (Gi-
ronde). Bordeaux 1869, 7 S. , 2 »ehr schlechte
Tafeln.
Das llateiu war von den ältesten Zeiten her strategi-
scher Funkt. Ent Steinmenschen, dann Römer, dann Mit-
telalter (Schloss tod Montauban). Unter der Dämmende,
worin Alles gemischt ist, eine schwarze Schicht um! ganz
in der Tief« eine graue, welche Gerätbe geliefert haben,
die denen der Pfahlbauten aus der Steinzeit ganz analog
sind.
Faidherbe, General. Necropole megalithiquo do
Muzela. — Materiaux, 2d" Serie, 5rao Annee,
pag. 222.
Etwa '.2000 Dolmen, ähnlich denen von Roknia, aus Plat-
ten von Kalk, viele mit Cromlechs oder Steinringen. Einige
Gräber aus übereinander gelegten Platten. Fünf wurden
geöffnet ; es fand sich nur Erde und Maasen von Schnecken.
Faidherbe, Gonöral. Xouveaux indices de P&gc
de pierre cn Berberie. — Materiaux , 2de Serie,
5“* Annee, pag. 224.
Aufzählung einiger Funde von Steinwaflen.
Faidherbe, General. Origine des Libyens ou
Berberes. — Materiaux, 2d® Serie, 511* Anne«,
pag. 418.
E* »eien zwei Racen zu unterscheiden — eine schwarze,
autorhthoue, eine blonde, von Gibraltar her eiuge wunderte,
die bis Aegypten vorgedrungen sei.
de Ferry. L’ontillage de la tribu de Solutre
(Saöne-et-Loire). — Materiaux, 2d# Serie, 5“* Ali-
nea, j»ag. 469 — 477.
Instrument« aus dem bekannten Gräberfeld« der Renn*
tbierzeit. Lanzen- und Pfeilspitzen, sehr genau beschrie-
ben. Fortsetzung später, (ich muss gestehen, das» die
Abbildungen mich viel eher un die ähnlichen Feuerstein-
klingen ans dein Norden, welche mit den geschliffenen
Aexten zugleich im Gebrauch waren, erinnern. C. V.)
Louis Figuier. L’annee fceieutifiqueet industrielle.
Paris. Hachette, 1870.
Enthält im Capitel: „Histolre unturelle* einige aus ver-
schiedenen Journalen abgesebriebene Notizen au» der Urge-
schichte.
Louis Figuier. L’Homme priinitif. 446 S. Pa-
ris, Hachette, 1870, 30 Taf. Viele Holzschnitte.
Brillant ausgestattetes Buch, dessen Text die gänzliche
Unkenntnis», des Verfassers auf jeder Seite darlegt. G. Fi-
guier ist der ins Französische übertragene Zimmermann.
Georges Finlfty. L’Archoologie prehistorique en
Suisse et en Grece. Athenes 1869, 4 Tafeln.
Neugriechische Broschüre. Analyse in Ruv. Ar-
chuolog. Nonv. Surie, IO®* Annue, pag. 296.
Aus der Vergleichung mit den Pfahlbauten der Schweiz
schließt der Verfasser, dass Griechenland dieselbe Periode
durchgemacht habe. Pfahlbauten im See Prasin«, Copais.
in den TbesaalUchen Seen; Steiuwaffen (Messer, Pfeilspitzen,
Serpentinäxte) an vielen Orten.
Ed. Flouet. Xoticc archuologique «ur le camp de
Chassey (Saöne-et- Loire). — Materiaux, 2J# Serie,
5m* Annee, pag. 395.
Lager, durch von grossen Steinen gebildete Wäll* be-
festigt, das bis in die römische Zeit benutzt und durch
Anlegung von Cisterneu etc. mbcaMTt wurde. In der
Nähe Gräber, die schon früher geöffnet wurden und wo
man Gegenstände von Stein und Bronze getänden bat. Im
Lager selbst Steinäxte, Messer, Kratzer, Pfeilspitzen, Töpfe-
reien etc. vom Tvpu» der geschliffenen Steinzeit.
Gallea. Menhirs nou funurnireB.' — Materiaux,
24* Serie, ö“* Anne«, pag. 426.
Bestreitet die Behauptung von Abb6 Co Ile t und führt
nach Letourneux an, dass früher in Kabylien, bei ge-
meinsamen Berathungen der Stämme, jeder Stamm einen
Stein aufrichtete, so dnts ein Kreis gebildet wurde. Ward
ein Stamm dem Beschlüsse untreu, m> wurde sein Stein
umgeworfen.
Garrigou et Duportal. Ages de TOurs, du Renne,
de ln pierre polio et des Dolmens dan* le de par-
tement du Lot — Bullet de la Societe de Geol.
de France, Tome XXVI, pag. 461 — 481. —
Resumc in Materiaux, 2d* Serie, B"1® Annee. pag.
162.
Eine Menge von Grotten und Höhlen, thcils au* der
Zeit des Höhlenbären, thcils aus der de* Rennthier». Einige,
wie die von Pelisstä, haben Ablagerungen au* beiden Epo-
chen übereinander; in einigen anderen (Cuzoul de Mousset)
wurden zerschlagene und calcinirtc Men schenknochen gefun-
den (Cannihnlistnu*). Die ältesten Grotten »eien die buch-
sten, die jüngst bewohnten die niedersten. Ed. Lartet
behauptet , dass diese Unterschiede nicht immer stichhaltig
seien. Garrigou hält sein Gesetz aufrecht.
Carl Griesbach. Antiquitos de la vallee de la
Vnag(Hongrie). — Materiaux, 2de Serie, 6m* An-
nita, pag. 36.
Uebersetzung der in diesem Archiv Band III., Heft III.
erschienenen Mittheil ung.
Hamy et Lenormant. L’ftge de pierre en Egypte.
— Materiaux, 2dc S£rie, 6“B Annee, pag. 27.
Auf d*m Plateau des Djebel-et-Moluk viele Steingeräthe
auf der Oberfläche.
Le Hir. Pointe de fluche donnta au Musüe de St.
Digitized by Google
1«1
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Gorvais par Mr. Merignäe. — R^vue Archdolog.
Nouy. Serie, 10“* Ann4e, pag. 359.
Wurde mit 21 Anderen in einem aus Steinplatten gebil-
deten Grab« in Piouvenez Lochrist (Bretagne) mit einem
Bronzedokhe zusammen gefunden.
Indes (le fröre). Sur la formation de« tufa des
environs de Rome et sur uns caverne k ossemente.
Ballet, de la Sociöt« de Geologe 2a* Serie, Tome
26, 1869, Nr. 1, pag. 11.
Am südlichen Abhänge de» Monte deile Givie in der Nah«
von Ponte Salani findet sich ein« ausserordentlich reiche
Knochenhohle, die in den jüngsten geschichteten Tufflagern
des Berges ausgehöhlt ist. Sie hat mehrere Kammern und
ist von Füchsen bewohnt. Man unterscheidet von oben
nach unten folgende Schichten: 1. Schwärzliche Darum*
erd* mit Landtchnecken und von Füchsen eingeachleppten
Thierknochen. 2. Eisenhaltiger Sand. 3. Grauer Sand.
4. Schwarze Knie mit grossen Knochen. 5. Grauer Sand
mit vieleo Fischgräten. Nachgewiesene Arten: Igel, Maul-
wurf, Facha, Wolf, vier kleine Fleischfresser (Marder und
Vlverriden), Höhlenbväne, wilde Katze, Fuchs (V), Hvper-
felis (eine neue Gattung von der Grösse des Löwen) mit
einem Prämolaren, einem Rrisszahn und einem Backenzahn
in beiden Kielern, Ratte, Wühlmaus, Biber, Stachelschwein,
llasr, Klephant (V), Rhinoeeros megarhintu, Pferd, Schwein,
Hirsch (sechs Arten?), Damhirsch, Renn (sehr zweifelhaft),
Reh, ein sehr kleiner Wiederkäuer, Bos primigrnius, viel«
Vögel, Landschildkröten, Frösche, Kröten, Fische. Der
Mensch hat wahrscheinlich die Höhle, wenn auch nur
kurze Zeit bewohnt — Strinmcsser und bearbeitete Knochen
beweisen die«.
N. Joly. Haute antiquite du Genre humaiu. Dis-
cour». — Memoire« do l'Academie de Toulouse,
7m* Serie, Volume I.
Sehr allgemein, seblie**t mit den Worten: Gott ist
ewig, der Mensch aber sehr alt!
A. Issel. Rapport sur le« recentes deeouverto« et
publications en Ligurie. — Materiaux, 2Ü8 Serie,
6m® Annee, pag. 38,
Viele neue Fundstätten bei Carrare, Dego, Pinna, Dol-
cedo etc. Die Liguren seien noch zur Kötnerzeit wilde
Barbaren gewesen. (Dtodor.)
M. Lotournoux. Cntalogue de« monuments pre-
historiques de l’Algerie. — Materiaux, 2d • Serie,
5m8 Anuäe, pag. 427.
Methodischer und wie es scheint sehr vollständiger Ca-
talog der Monumente (Dolmen, Tumuli, Höhlen and Grot-
ten), sowie der Fundstätten von Stein, Bronze und Töpferei.
Lochon. Xoto «ur deux gquelettes de l’Age de la
pierre. — Revue Savoisienne, IO“18 Annee, 31
Aoftt 1869, pag. 63.
Zwei Skelete unter einem grossen Granitblock bei Stoby
oberhalb Thonon. Dolichocephal, einer mit Stirnnaht. Der
ehrenwerthe Dortor glaubt, heut zu Tage komme die Stirn-
naht bei Erwachsenen nicht mehr vor.
L. de Mal&foaae. Etüde sur le« dolmen« de la
Loztre. — Materiaux, 2^* Serie, 5m* Annee, pag.
321.
Wenigstens 100, die meisten auf einem Plateau, le» Caus*
■cs genannt. Aus dem Boden entnommenen Kalk pUllen
gebildet, bald frei, bald hnlbbedeckt, einige mit seitlichem
Kingarg, keine mit vollständigem Tumulu*. Man rindet
die Knochen im Inneren meist unter grossen Steinen ver-
borgen, zuweilen von *«br vielen Individuen, mein nurGe-
Arcblv rar AnUuwpotogla. Bd. IV. ncfl II.
genstände von Stein. Horn, Knochen, durchbohrte Zähne
und Muscheln (zu Halsbändern), selten welch« von Bronze.
M. Marinoni. Nouvelle Station do Tage du bronze
en Lorabardie. — Materiaux, 2do Serie, ö1“" An-
nee, pag. 415.
Bei Capriano im Torf, Haarnadeln, Fibeln, Armbänder,
Ohrgehänge etc.
Elie Massenat. Objet« gravös et sculpte« do l’Au-
gerie-basse (Dordogne). — Materiaux, 2d# Sörie,
5"* Annee, pag. 348.
Neue Nachgrabungen an der schon bekannten Fundstätte
haben geschnitzte und gezeichnete Knochen und Rennlhier-
geweihe in Menge ergeben. Die Deutungen der beigefüg-
ten Figuren scheinen zuweilen etwas sehr gewagt; wie
man aus 60 rohen Zeichnungen von Menschen, wie sie hier
gegeben sind, schliesocn will, dieselben seien brachycephal
gewesen, ist mir nicht gauz klar.
G. de Mortillet. Essai d une Classification de«
caverne« et de« Station« «oua abri, foudee «ur les
produits de Tindustrie huniaine. — Comptea ren-
du», Tome 68, lr Mar« 1869. — Materiaux,
2d* Serie, 5roo Annee, pag. 172 — 179. Mit Holz-
schnitten.
Nimmt folgende Perioden an: l) Moustiers (ältest«
Epoche, dazu Coeuvre. Somme- Thal etc.) ; 2) Solutre (dazu
Lungerte haute, Pont k LcsBe); 3) Aurignac (dazu Cro-
Magnon); 4) Madeleine (dazu les Eyzies, Laugerie hasse,
Furfooz, Schussenried). Wir glauben solche Eintheilungen
sehr verfrüht.
G. de Mortillet. Chronologie prebistorique. —
Materiaux, 2d0 Serie, 5“* Annee, pag. 314.
Erhebt sich und wie uns scheint mit Recht, gegen die
Schlüsse und chronologischen Bestimmungen, welche Bour-
guignat aus den Weicbthieren bei Koknia und namentlich
aus Hella aspersa geschöpft hat.
F. P&rente&u. Le fondeur du Jardin des plante«
de Nantes et «on confrerc do Rezc, Attribut ion«
celtiques et gallo-rotnaine«. 32 pag., 3 Tafeln,
Photographie und Holzschnitte. — Materiaux,
2** Serie, 5n,< Annee, pag. 190.
Verschiedene Brouzegegen&tände , Aezte, Armbänder,
Schwerter, Dolche etc.
Ed. Piotto. Les acpulture« pröhistoriques de Chaa-
semy. — Materiaux, 214* Serie, 5“* Annee, pag.
413.
Gräber au» der jüngsten Steinzeit, Bronze- und Eisen-
zeit. Vorläufige Anzeige.
Prunor-Boy. Anthropologie de Solutre. Micon
1869, 4°. 40 S., 4 Tafeln. — Auszug in Mate-
riaux, 2d* Serie, 5m* Annee, pag. 478 — 492.
Die pyramidale Schädelform Blumenbach’s wird nun
die Mongoloide genannt. Der Hauplcharakter diese* Schä-
del* besteh« im Gesichte, das von vorne betrachtet, eine
rhomboidal« Form habe. — Di« Spitzen der beiden Dreiecke
werden durch die StlYn und di« Unterkiefennitt* , di« seit-
lichen Ecken durch die vorstehenden Backenknochen gebil-
det. Darauf hin werden nun In den Schädeln TOB Folutr*
olle möglichen Typen der Mongolen rac* unterschieden :
Lappen, Finnen, Esthen, Eskimos, Hochnordi»che Asiaten,
so dass wir dort eine wahre Musterkarte der jetzt auf
weite Strecken zerstreuten Mongoloiden hätten. Nebenbei
werden für Besonderheiten der Bildung pathologische 1 r-
sachen, wie Bhacbitisums in der Kindheit, der im Uehri*
21
*
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
162
gen die Leute nicht verhindert habe, »ehr muskelkräftig
su werden, angerufen; Dinge, die in der Discu(*ion über
Cro - Magnon längst widerlegt wurden. Endlich kommt
Pruner-Bey von Stufe xu Stufe bi» ru dem Schlu*»e,
da« man die alten zahnlosen Leute mit Bouillon, Eiern,
Blut, Mark und Hirn genährt habe!
Pruner-Bey. £tudes nur les cränes de Roknia. —
Materiaux, 2d® Serie. 5me Annee, pag. 202.
Zwei Drittel der Schädel gehören Kabylen oder Herbe-
ren; ein Neger, zwei Mischlinge, ein alt - ägyptischer
Weiberschädel,
Charles Bau. Leg uatensiles en argile des Indiens
de l'Amerique du Nord. — Materiaux. 2de Serie,
5raB Armee, pag. 205—222.
Genaue Untersuchungen über die Töpferei der Indianer
Nordamerikas von «len ältesten bis in die jetzigen Zeiten.
Im Allgemeinen gleichen dieselben den aus Gräbern in
Deutschland hervorgeholten Töpfen.
Beboux. Polissoirs et aepnltures prehiatoriqueB
des environs de Paris. — Materiaux , 2d# Serie,
5,n# Annee, pag. 407.
Leguay vervollständigt die Mittheilung, wonach man
schon viele grosse Schleifsteine (für Stein instrumente) ge-
funden hat. Dolmens im Park von Maintcnon.
Beboux. Faune quaternairo du bassin de Paria.
— Materiaux, 2de Serie, 6me An nee, pag. 29.
Aufzählung der im Pariser Sehwennngebilde aufgefunde-
nen Säugethiere.
Beboux, Onsements huiuaina fossiles. Sepultures.
— Materiaux, 2*” Serie, 5na Annee, pag. 284. —
Societe Anthropolog. de Paris, Seance du 13 Juin.
Menschenreetc aus dem Diluvium von Pari*; Lagerung
zweifelhaft. Schädel aus einem Grabe, das vielleicht der
geschliffenen Steinzeit angehört, von Hamv untersucht;
dolichocephaler Schädel, sehr gerades Kreuzbein.
Felix Regnaul t. De Panthropologie des pouples
primitift. Fouilles dans la grottes do Montes-
quieu (Anege). — Materiaux, 2dB Serie, 5m* An-
nee, pag. 495.
ln der Höhle fanden sich neben Knochen von Hyänen,
Bär, Rennthier etc. , Kiesel- und Knocheninstrumenten,
auch zerbrochene Menschenknocben, welche Verfasser als
Beweise für Kannibalismus ansiebt, ln einer Note erklären
Tr u tat und Cartailhac, dass die ihnen übersandten
Stücke aie oicht überzeugt haben.
Abbe Richard. Silex tailles du Nord de l’Algerie.
— Materiaux, 2d" Serie, 5"* Annce, pag. 433.
Bei Suoueli und am Cap Matifou, Kratzer, Messer,
Nudel.
Eug. Robert. Tonjours deB silex travaillea. (Sta-
tion celtique de Luthernay.) Paris 1868, 8 S.
Uns oicht zu Gesicht gekommen.
Tromoau do Roohebrune. Etüden prehiatorique«,
anthropologiquea ct archeologiques dans le de-
partement de la Charente. 76 S., 4 Taf. Paris,
Savy. — Matüriaux, 2d* Serie, 5“° An nee, pag. 345.
Künstlich ausgearbeitete Grabgrotten, die Leichen ausge-
streckt zwischen Steinen, viele Kinderskeleto , geschUffeue
St riu. ixt und Bronzegegenftändr. Schädel dolichocephal und
prognstb.
A. Roujou. Fraude des ouvriera de Paris; sablie-
ree de Levollois. — Materiaux, 2de Serie, öw# An-
nee, pag. 409.
Roujou warnt vor Betrügereien, welche sich die Arbeiter
von Lerallois zu Schulden kommen lassen , indem sie foa-
silc Knochen bearbeiten, Aexte schleifen etc.
A. Roujou. S^pulturea de Tuge du fer d^conver-
te« sur la butte du Trou d’Enfer. — Materiaux,
2'u* Serie, ö"1* Annee, pag. 319.
Drei oder fünf Skelete, Füsse nach Süden, von Mühl-
steinen umgeben, in 0'80 Meter Tiefe, dabei Ringe von
Eisen und Bronze, Schwert von Eisen, Eiaenplatten , eine
Münze von Bronze gallischer Herkunft.
A. Roujou ©t Vacquor. Station de lAge de la
pierre polie, decouverte u Athis (Seine-et-Oise). —
Materiaux, 2dfl Serie, 5“f Armee, pag. 497.
Am Ufer der Seine finden sieb auf den quaternären
Bildungen erst eine Schicht von Holztorf, darüber gelb-
licher Lehm, worin die Fundreste au» der geschliffenen
Steinzeit, darüber die Dammerde. Es sind Uerdstätten,
in denen bis jetzt nur wenige Gegenstände gefunden wur-
den; Töpferei, Messer, Kratzer, Kerne aus Feuerstein, einige
bearbeitete Knochen.
Roulin. Instrument en cuivre trouvo a Copiapo
(Chili). — Revue Archeolog. Nouv. Serie, 10me An-
ne©, pag. 358.
Aus einem alten Grabe. Es ist ein gegossener und ge-
brauchter Meissel aus reinem Kupfer , der eine Dille zum
Eintttecken des Stieles hat. Sehr dick, lang und schwer —
scheint zum Bearbeiten von Stein verwendet worden zu
sein.
Valdemar Schmidt. Homme tertiaire de Thenay.
— Materiaux, 2dl Serie, &"*• An nee, pag. 163.
Schmidt hat «üe Lagerstätte von Tlienay bei Pont-le-
Voy (Loir-et-Cher) besucht, wo Abbe Bourgeois bearbei-
tete Kiesel aus der mittleren Tertiärzeit gefunden hat.
Schmidt bestätigt die Lagerung, unter dem Kalk von
Bcnuce und die Bearbeitung durch Menschenhand.
H. Schuermans. La pierre du diable a Jambes,
Les-Namur. — Materiaux, 2d® Serie, 5mo Annee,
pag. 400.
Philologisch- historische Untersuchungen über Worte und
Namen.
Leon VaiUant. Note aur quelques objets Ooea-
niens dont la matiere pamit empruntee k des co-
quilles de la famille des Tridacnideea. — — Mate-
riaux, 2dB Serie, 5mB Annee, pag. 165.
Armbänder aus Tridacna-Sctuilen. Aexte dieser Art gleit
es genug von allen Inseln, wo keine geeigneten Steine sich
linden. Ich habe solche bei Godeffrov in Hamburg und
C. Semper in Würzburg gesehen.
Leon Vedel. Dolmen de la Kairie. — Materiaux,
2de Serie, 5"* Annee, pag. 435.
In der Ard^che — zerbrochene Knochen, sonst nicht«.
Carl Vogt. Sur lea lesultats des recherchee pre-
historiqueF. — Materiaux, 2de Serie, G"1* Annee,
pag. 12.
Uebcrsetzung meiner, auf der Versammlung der deut-
schen Naturforscher in Innsbruck am 22. September. 1809
gehalteneu Rede.
%
Digitized by Google
163
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
C. Vogt. Do la dornest iention du boeuf, du che-
val et du renue k l’cpoque du reuna. — Matö-
riaux, 2** S4rie, 5“* Annee, pag. 267.
Abdruck der Einleitung zu der Broschüre Thioly’* über
die Grotte von Veyrier. (Siehe den vorigen Bericht.)
H. Wankel. Caverne oesifere en Moravie. — Ma-
töriaux, 2*" Serie, 5“* Anm'e, pag. 204.
Grotte in Beyci * Skala bei Josephstadt. Höhlenbär,
Pochydcrmen, Wiederkäuer mit Menschenknochen.
Whitney, Lettre a Mr. Deaor. — Bullet, de la
Societe de Geolog., Tome 26, 1869, pag. 676.
In Californien linden sich Reste vom Menschen und Spn-
ren seiner Arbeit in tertiären Schichten, älter als die Gla-
cialpcriode, älter als Mastodon und Elephant, aut einer
Zeit, wo Fauna und Flora ganz verschieden waren und seit
welcher, iu deu krvstallinischen Gesteinen der Gegend,
Auswaschungen von 800 bis 1000 Meter Vcrticalhöhe Statt
hatten.
Wyman et Morse. Lea Kjökkenmöddings en Ame-
rique. — Materiaux, 2d" Serie, 5™* Annße, pag. 389.
ln der Nähe von Mount Desert (Maine). Zwei Schich-
ten, getrennt durch eine Schicht von etwa einem halben
Zoll Datnmerde mit Rnllkienda. Hauptsächlich Mva »re-
naria mit Mytilus, Burdnum undntum, Trltoniuui decem-
costatum , Katicn heros. , Kohle, Feucrsteingeräthe , Pfeil-
spitzen, bearbeitete Knochen, Wirtel, sehr wenige Scherben.
— Bei Crouch’s Cave auf Goose Island , ausserdem Beste
von Aloe iropennis, Helix unidentata und multidentata,
Venu« mert-entria jetzt sehr selten. — Eagle Hill bei Ips-
wich (Musuchussetts): fast nur Mva areuaria. Cortuit
port bei Balstable — sehr reich an Renten, auch ein Stück
Menschenknochen. Liste der gefundenen Spedes: Mensch,
Cervus canadensisr virginianus ; Alces americanns; Raneifer
caribou; Urans americanus; Canls occidentalis )?); Vulpes
fulrus; Felis; Lutra canadensls; Pntorio* rison; Must eia
amerirana; Mtphitis mephitlca; Phoca vitulina; Castor ca-
nadensu; Arrtomja roonan; Alca impenn!*, tordn; Anas
drei Arten; Meleagris gallopavo; Ardea herodlan; Schild-
kröten zwei Speer««; Hai; Morrhua americana; Lophius
americanus; Buccinum undatum; Pyrula carica, canäliru-
lat«; Östren edulis, Mvtiltu edulU; Mva nreaaria; Venu»
mcrcenaria; Pecten tenuic&statu* , Ulandirus; Mactra.
Holland.
Hartogh Heys van Zoutereon. De Voorhisto* Wesentlich nach meiDen Vorlesungen,
rische Mensch in Europa. Gravenhago 1869.
Italien.
Capollini. Antropofagia in Italia. — Gazctta dell1
Emilin, Nr. 314, 11 Nov. 1869.
In einer Grotte nuf der Insei Palmaria Im Golf von
Spezzla fand Capellini zwischen Thierknochen zerschla-
gene und caldnirte Menschenknocben, namentlich von einem
Weibe und einem Kinde zwischen 7 und 8 Jahren, mit
Kohlen und Asche. Issel fand ähnliches in der Grotte von
Finale.
E. Celesia. Le Teogonie dell1 antica Liguria.
Genova.
Einige Felsblöcke bei Finale, im Val Pia und am .Tnnar«
sollen Symbole von Gottheiten gewesen »ein.
B. Gastaldi. Jconografia di nlcuni oggetti di re-
rnota antichita rinvenuti in Italia. Torino.
Steinwaffen, Atxte etc. von Nizza, aus dem Lsteron- und
Var-Thal.
Conto Giovanni Gozzadini. Di ulteriori sco-
perti neir antica Necropoli a Marzabotto nel Bo-
lognese. Bologna 1870, Fol., 93 S., 17 Tafeln.
In der Nähe der Station Marzabotto an der Eisenbahn
von Bologna nach Pistoja liegt auf einem Hiigel am Ufer
de» Rcno , der hier eine Biegung macht , eine sehr ausge-
dehnte Necropole mit Hunderten von Gräbern, die einen
Flächen raum von 700 Meter Länge und 350 Meter Breite
bedecken. Der Grund gehört dein Ritter Ariu, dessen
Schloss unmittelbar am Rande der Necropole liegt und der
mit dem Verfasser weitläufige Nachgrabungen veranstalten
lies». Gräber und nufgefuudene Gegenstände gehören un-
zweifelhaft , wie Gozzadini narhwies, der etnukLudicn
Cultur an. Gozzadini publicirte im Jahre 1865 zuerst
einen Baud (ICH) S., 20 Tafeln) unter dem Titel: Di un*
antica Necropoli u Marzabotto nel Beloguese, dem jetzt
dieser Nachtrag folgt. Wir können dem Verfasser iu die
Einzelheiten über die Gegenstände nicht folgen , machen
aber darauf aufmerksam , da ein Besuch dieser Necropole
und des Museums im Schlosse von Herrn Arin in dem
Programm des Congre*»c* zu Bologna in Aussicht genom-
men ist. Kicotucci hat die Schädel untersucht (22, dar-
unter 15 männliche, und giebt die Resultate seiner Unter-,
auchung S. öS — 80) in folgenden Worten; Mittelgroße
orthognathe Schädel, die StirnhSlfte vorwiegend über die
hintere Hälfte; Stirn hoch und Geeicht etwas klein; Nase
mittelgms»; Augenbrituenbogen vorstehend; Augenhöhlen
quadratisch, gerade, weit auseinander stehend; Ueaichtsform
eher quadratisch als viereckig; Index 789. Nico Intel
kommt zu dem Schlüsse, dass diese Schädel mit denen der
jetzigen Bevölkerung oder der Umbrer am übereinstimmend-
sten seien, während sie sich von * den ächt etruskischen
au* Vejo, Tnrquinia, Ce re, Chiust, Voltcrra etc. 60 wie von
den ligurischeu, römischen etc. wesentlich unterscheiden.
(Die wenigen Schädel, welche ich zur Zeit bei Graf Goz-
zadini »al». haben in der That keine Aebniichkeit tnit den
etruskischen — über den Typus der Urabrlschen Schädel
biu ich aber noch immer nicht im Klaren. C. V.)
Issel, A. Sopra le caverne di Liguria, e princi-
pnl mente sopra una rccentemente scoperta a Ye-
reszi presse Finali del Prof. Giov. Ramoriuo, ac-
compagnatada una memoria aulle coucliiglie delle
breocie e caverne ossifere della Liguria occiden-
tale. — (Memorie della R. Acnd. delle scienze di
Torizio. Serie II, tonio 24, Parte I.)
21*
Digitized by Google
164
Verzeichnisa der anthropologischen Literatur.
Camillo Marinoni. Le abitaxioni lacaxtri e gli
avanzi di umana industria in Lombardia. Milano
1868, 4». 53 9n 7 Tafeln.
Vortreffliche Arbeit. Man hat iu der Lombardei noch
keine Spuren de* Menschen aus der Zeit de« Höhlenbären
und de« Kennthier» gefunden, dagegen viele Stationen au»
der jüngsten Steinzeit, Übergangszeit , Bronze- and Eisen-
zeit. Meist sind es Pfahlbauten in Seren und Torfmooren.
Eine üclxrsichukarte giebt »immtluhe Stationen, mit ver-
schiedenen Farben bezeichnet; kleine Specialkärtchen zeigen
die Stationen der Seeen von Pasiano, Annoue, Garda, Va*
re6e, Monate und der Umgegend von Croma. Heine Stein*
bauten, nur drei; Desenzano und San Felice im Garda-Sce,
C'jpresseninsc] im See Pasiano; «He übrigen gemisrht oder
Bronzezeit mit Ausnahme von zwei Riseosiationeit: Sesto
(.‘ulende und GolasrCva am Langen* See. Tbongefässe und
Geräthe au« Stein, Horn, Knochen und Bronze, wesentlich
mit denen der Schweizer Pfahlbauteu übereinstimmend.
Giustiniani Nicolucci Antropologia dell’ Etru-
ria. Napoli 1869, 4*. 7 Tafeln.
Ausgezeichnete Arbeit in jeder Hinsicht. 19 Schädel
6tanden Nicolucci zu Gebote, von Cere, Tan|uinia, Vulci,
Vejo, Cbiusi, Perugia, Volten«. Er rindet dieselben im
Mittel dolichocephal (Index 385). Mittelzahl der 12 doli-
chocephalen 76*8, <ler 7 brachycep Kalen 82’2. (Die von
mir in Florenz gemessenen geboren unter die letzteren
C. V.). Nicolucci giebt genaue Beschreibungen und
Messungen , so wie Vergleichungen mit dem römischen
Schädel, so wie mit 6 Phünizischen Schädeln und findet die
dollchocephalen Etrusker letzteren verwandt , aber doch
verschieden genug, nm das Zusammen werfen beider, wie
Pruuer*Bey gethan, zu tadeln. Etrusker seien wohl nicht
reine Semiten, sondern bitten sehr alte Arische und Turm*
nische Beimischungen.
Luigi Pigorini. Origine e Progreaai del Regio
Museo d’Antichitk di Parma e dei R. R. Scan di
Velleja. Parma 1869, 4°. 44 S.
Nord - Amerika.
Ch&rleB C. Jonee. Ancient tum ul i in Georgia.
Worcester 1869.
Georgien ist voll von Steinhügeln und roh constmirten
Steinwällen, die von einer alten , verschwundenen Bevölke-
rung Zeugnis» geben. Die Tumuli finden sich meist in
Flusslhäleni und Niederungen und an der Seeküste. Es
gäbe zwei Classen davon, ältere, den „Mound buüdera“ an-
gehörig, die vor den Indianerstämtnen, welche man bei der
Entdeckung fand, den Boden bewohnt hätten und jüngere,
von diesen Stämmen {Creeks, Cherokee«, Natchy , Museo-
gulgees u. a.) und deren Vorfahren errichtet«. Die älteren
identisch mit den Monumenten im Tfaale des Mississippi.
Beschreibung eines Feldes an» Etownh. Centraler, künst-
licher Erdhügel, 80 Fus* hoch , mit quadratischer Bails.
Früher grosse Bäume darauf. Daneben hohe Terrassen,
kleinere Hügel 20 bl» 40 Fuss hoch, rund oder fünfeckig.
In der Umzäunung bat man gefunden; Idole, etwa einen
Fuss hoch, eiue menschliche Figur in sitzender Stellung
zeigend, die Knie zum Kinn heraufgezogen ; Pfeifen, Stein-
platten, Muschel-Ornamente, Schmuck von Silber und Gold.
Die grossen Bäume standen «bon auf den Hügeln, als die
Europäer in das Land kamen. Auf dem grossen Hügel
Spuren von Altären. An einem anderen Orte fand man
im HaupthUgel aber nahe nn der Oberfläche Indianerske-
lete . die später eingegraben waren. Da die Indianer nie
Idole hatten, so sind diese Moundbuilders älter, standen
aber, nach Allem zu schliesaen, hoher in (Zivilisation ab die
Indianer. Diese letzteren hinterliessen verschiedene Monu-
mente : Beobachtungvhügel (Mound» of observation), bei den
Ksthbänsem der Stimme; Iläupllingshügel (ChiefUin
mound*), grosse Hügel mit einem Skelet darin, meist in
bockender Stellung; Familien- oder Stammeshügel (Family
or Tribe mound«) meist mit verbrannten Leichen; Schalen*
biigel (Shell • Heaps und Shell - Mound*) Kiichcnabfälle, in
welchen die Indianer der Küste auch ihre Todtcn begruben.
Stimpson. Remark« opon tho Shell - mound« of
West* Florida, particularly thoeo of Tampa Gay.
— American naturaltBt., Vol. III, Nr. 10, pag.
658.
Seien grosse Hügel aber nicht Kücbenabfälle, sondern
künstliche aus Muscheln zusauimeogehäufte Wälle zum
Schutz gegen die Sturm tiuthen , die man »uecetsiv erhöht
habe, wie ans den Kohlen- und Aschenlagen hervorgehe,
die sich darin xeigtrn. — An der Mündung des Manatee
finde sich in der Mitte eine« dreUsig Fu*s hohen Hügels
eine drei Kuss dicke Muschelschicht mit Fisch- und Schild-
krötenknochen, aus Muscheln gemachten Instrumenten,
(kein Stein), Kohle. Der Mangel an Stein - Instrumenten
sei um so auffallender, ab sich deren in einer Schicht auf
der Höhe des Hügel» fänden.
Schweden.
Oscar Montoüus. Remains from the Iron age of
Scandinavia. Parts I et II. Stockholm 1869, 4®.
66 und 26 S., 8 Tafeln.
Der erste Tbeil, Fundstätten und Beschreibung der Ge-
genstände enthaltend, englisch — der zweite, die Schluss-
folgerungen, schwedisch!
Nilason, 8. Bidrag tili bronekuUurens hiatoria i
Skandinavien. Stockholm, Bonnier (1869), 8®.
31 S.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
1«5
Schweiz.
Boger de Guimpe. Recberchea sur l'Origine de
la I>omeaticite des eepece». Lausanne 1869, 86 S.
Veriaiwr diecutirt zurrst die Quellen: Quaternäre Ab-
lagerungen au» der Mammuth* und Rennthierzrit, Kjokken-
mödding*. Pfahlbauten, die Wandgemälde der Hypogien,
Sprache, Traditionen, Bibel, da» letzte Bach von Darwin
und geht dann zu den einzelnen Thieren über: Kind, Esel,
Hund, Pferd, Kameel, Elephant , Kennthier, Lnma, Katze,
Ziege, Schaf, Schwein und behandelt nur die hauptsäch-
lichsten. Die alten Semiten besissen: Kind, Ziege, Schaf,
Esel, Kameel — die primitiven Arver die drei ersten, aber Eael
und Kameel nicht, dagegen Hund, Pferd und Schwein. Vor
der Trennung habe man also nur Rind, Ziege und Schaf
gehabt — nach der Trennung der Semiten und Arver bit-
ten die enteren Esel uud Kameel, die letzteren Hund,
Pferd und Schwein als Haust hir re gewonnen. (Wie die
Hunde, von verschiedenen lUcen, in di« nie semitisch an-
gesehenen ägyptischen Hypogien kommen, wird uns nicht
gesagt. C. V.). Menschen und Hausthiere Europas stamm-
ten aus Hocbasien und da die Bibel sage, dass Gott die
Hausthiere geschulten habe, so müsse es auch so sein.
Amen.
Froderic de Bougemont. L’homme primitif.
47 S. in 12*. NeochAtel 1870.
Bibclgläubiges Geschwätz.
H.
Anatomie.
(Von A, Eekor.)
Bertilion. Sur les Lapons. Bulletins de la hoc.
d’Anthrop. de Paria, ser., T. IV, 1. S. 52.
Die kraniologisL'lien Angaben laairen auf der Untersu-
chung tpd fünf Schädeln des Pariser Museums. Danach
ist der Lnppeuschädel auffallend breit uud kurz, dabei aber
von ziemlich bedeutender Capacitat (Mittel der b = 1482
Cubikcentlm.), das Kommen niagnum viel breiter als beim
Schädel de» Parisers (der als Vcrgleichaobject diente). Die
weiteren Verhältnis« , insbesondere des Gesichts, müssen
in den Tabellen nachgesehcn werden.
Broca. Remarques aur len ossemeots des cavemes
de Gibraltar. Bulletins de la hoc. d’Anthrop. de
Pari», 2d* rfr., T. IV, 1. S. 146.
Broca zeigt und bespricht einen Femur und eine Tibia
aus den genannten Höhlen, welche von Herrn Busk der
Gesellschaft geschenkt wurden. Der entere entspricht durch
seine starke Unen a.«pern. die letztere durch ihre Abplat-
tung ganz demselben Knochen von les Erlies (siehe oben
S. 116). Aö einer crönsereu Zahl der gleichnamig«! Kno-
chen, die Broca in London sah, fand er die gleiche Be-
schaffenheit , so dass also dieser Charakter gewissen vor-
historischen Katen allgemein zugekommen zu sein scheint.
Zwei Schädel aus einer diese- Höhlen (Genista-Höhle) sind
dolichocepbal und ähneln sehr denen der heutigen Bevölke-
rung von Guipuzcoa. Ein dritter aus einer anderen Höhl«
(Judge-Uave) ist davon sehr verschieden. Ein .vierter nicht
aus eineT Höhle, sondern aus freiem Boden und einem sehr
festen Erdreich scheint viel älter als die vorhergehenden
und ist durch einen hohen Grad von Dolkhocephalie, kleine
niedere Stirn, Prognatliisrous etc. ausgezeichnet.
Broca. Nonveaux inatruments craniographiquea.
Le cadre ü rnaxima et le compas d’epaiseeur
micronietrique. Bulletin* de la hoc. d’Anthrop. de
Paris, 2d' »er., T. IV, 1. S. 101.
Er»te re* ist ein Holzrahmen, in weichem sich zwischen
den zwei grnduirten Seit rnschenk ein ein Querbalken Zut-
un d atu .hieben lässt. 1 Retenrnt verwendet zu diesem Zweck
(Cran. Genu., S. 4) zwei bewegliche Drahtnetze]. Da»
zweit« ist rin Tasterzirkel, bestimmt zur Ausmessung
kleiner Distanzen de» Gesichts. An dem den Armen ent-
gegengesetzten Ende sind zwei kleine Arme angebracht,
deren Distanz immer den vierten Theil der Distanz am
graduirten Querbalken beträgt.
Broca. Sur le atercographe, nouvel Instrument
eräniographique dentine a deuriner tous les de-
taila du relief des corps solides. Momoires de la
soc. d’Anthrop. de Paris, T. III, fase. 2, S. 99,
Taf. VI, 1869.
Bekanntlich hat der Verfasser im Jahre 1861 einen Krn-
niograpben bekannt gemacht (I. c. T. I, S. 348, Taf. VII).
Das obengenannte Instrument ist eine Verbesserung des
letzteren; es ist der einarmige Vorderarm , der an einem
und demselben Querbalken den die Conturen umkreisenden
Stift und den zeichnenden Bleistift trug, hier in zwei Arme
getrennt , wovon der ein« den Stift , der andere den Blei-
stift trägt. Einen Vortheil der Aufnahme mit diesem In-
strument gegenüber dem mit dem Diopter Lu ca« ’s findet
Broca insbesondere darin, dass man damit anch die
tirlergelegenen von anderen Thcilen maskirten Umrisse
des Schädels, z. B. Im Profil die von den Warzenfort-
sitzen etc. gedeckten Tbeile der Medianebene aufnehmen
und somit also senkrechte Durchschnitte der Schädel eher
entbehren kann. Weiter beschreibt Broca verschiedene
Versuche, einen Diopter mit horizontaler Aze zu con-
slruiren.
Davis, J. B. Description of the Skeleton of an
Aino Woman and of three skull» of Men of the
parne race *). Mem. of the Antbropolog. Society,
Vol. IU, S. 21. Mit 2 Taf.
Davis vergleicht dieses Skelet mit denen einer Euro-
päerin (Sömnienng, tab. scelet. fern.) und zweier australi-
*) Von <l«r Insel Ycsso.
Digitized by Google
166 Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
scher Weiher, wovon da» eine iu des Verfassers besitz ist,
während das andere von Referent beschrieben wurde. Do*
Aino-Skelet, von einem Weib von ungefähr '25 Jahren, hat
eine Höhe von 1522 Millimeter. — Schädel wohlgebildet,
von ziemlich europäischem Aussehen. Die Knochen, ins-
besondere der Extremitäten, »ehr robust. — Der Humerus ist
länger beim europäischen, die ganze ohere Extremität aber
länger heim AYno-Skelet. Femur, besonders aber Tibia und
Fibula sind bei letzterem auffallend kurz, das Hecken
schmaler und enger, ln den beiden letztgenannten Cha-
rakteren nähert sich das Skelet dem des männlichen Go-
rilla. Die Knochen der australischen Skelete sind von dem-
selben, insbesondere durch ihre auffallende Dünne und
Schmächtigkeit unterschieden , was ganz besonder» vom
Hecken gilt. — Die Maassc aller drei Skelete sind in einer
Tabelle verzeichnet. — In Betreff der drei männlichen
.Schädel von Ainos bemerkt der Verfasser, dass sie im Gan-
zen auffallend europäischen Schädeln gleichen und jeden-
falls von den ostasiatisclieu sehr verschieden sind. Damit
stimmeu die Aussagen der Reisenden überein, welche das
Aussehen der Ainos sehr europäisch gefunden haben (La
Perouse, v. Kruseastern, Hnbershnm). Eine Ta-
belle der Schädelmnasse findet sich S, 8. Der Verfasser
beleuchtet dann noch die verschiedenen Angaben über die .
Statur, die Hautfarbe und die Behaarung. Es ergiebt sich
aus einer Vergleichung derselben, dass die Ainos von YewA
im Allgemeinen von kleiner Statur (1573 Miliitn. = 5 Fas*
2*/j Zoll be<L) sind und sich insbesondere durch kurze
Beine ausieichnen, und dass die Farbe ihrer Haut schwarz-
braun ist. Di« Behaarung am Körper im Allgemeinen
scheint nicht stärker zu sein, als die vieler Europäer, wenn
sic auch Bart- und Kopfhaar ziemlich lang wachsen lassen.
Davis, J. B. Account of tlie skull of a Ghiliak.
Appendix to thearticle on the«celeton audskulla
of Ainos. — Mem. of the Anthropologie») Society
of London, Vol. III, S. 366. Mit l Tafel.
Dieser Schädel eines GhUiak (eines Volksstamme* , der
die Insel Sacchah* und die Gegend der Auiuruiündung etc.
bewohnt) ist schon von Pruner-Bey (Bullet, de U So-
cietÄ rTAnthropolog. . 2d* Serie, Tome II, pag. 571) be-
schrieben. — Derselbe gehört einem Mann von circa 35
Jahren, ist dolichocejh.il und hat eine Capacität von 100
Cubikfuss (entsprechend einem Hi rüge wicht von 1400 Gram-
men). Das Gesicht ist breit und, insbesondere in der
Waugengegead sehr flach, der Raum zwischen den Augen-
höhlen breit und flach, der ganze Schädel niedrig und
breit, die Stirn ziemlich nieder. Der Schädel Ist von dem
der Aino« durchaus verschieden und zeigt auch keine aus-
gesprochene Aehnlichkeit mit den Schädeln anderer asia-
tischer Volksstämme.
Durand de Gros. La torßion de rhumeru* et
les origines animale« de Thomtne. — Bulletins
de la Societe d’Anthropolog. de Paris, 2de Serie,
Tome III, S. 523.
O. ▼. Franque. Heber die weiblichen Becken ver-
schiedener Menechenracen. Mit 6 Tafeln. Scan-
zoni's Beitruge zur Geburtskunde, Bd. VI, 8. 164
bis 218.
Nach einer kritischen Uebereicht der bisherigen verglei-
chend - anthropologisc hen Becken- Untersuchungen beschreibt
der Verfasser: 1) Da» Becken einer Flachkopf ■ Indianerin
von der Vancourer - Insel , womit ein männliches de* glei-
chen Stammes verglichen wird. 2) Das einer Malnjin.
3) Da* einer Chinesin. 4) Da» einer Negerin au» Afrika,
5) Da» einer I'aj>uanegerin von Ostwest - Louzon (Philip-
pinen). 6) Ein Mischling«beckeii unbestimmter Herkunft.
7) Da« Bei keu eine» weiblichen Gorilla Nr. 1) 2) 3) 4)
und 7) befind i-ii »ich in der nnatomi«chen, Kr. 0) in der
Sammlung der geburtshilflichen Klinik, Nr. 5) in der de»
Professor Semper in Würxburg. Säimntlichc genannte
Becken sind in verkleinertem, leider nicht bei allen gleich-
mäßigem M aaaaatab abgebildet.
Die Resultate, zu welchen der Verfasser gelangt ist,
fasst derselbe in folgender Weise zusammen: 1. Die Zahl
der bekannten genau untersuchten und gemessenen Becken
verschiedener Raten ist noch zu klein, um daraus bestimmte
Schlüsse auf die Becken dieser Raten ziehen zu können,
mit Ausnahme der malayiscben Race; die Becken dieser
Raten wurden von Allen in den Hauptpunkten so überein-
stimmend beschrieben lJ , dass man wohl mit Recht daraus
einen Schluss auf die Beschaffenheit de» weiblichen Beckens
dieser Race ziehen kann. Die wichtigsten Eigentümlich-
keiten desselben sind: Feinerer zarterer Knochenbau, starke
Neigung der Darmbeinscbaufeln noch aussen und besonders
geringere Differenz zwischen dem geraden und queren
Durchmesser des Beckeueinganges , so dass letzterer nur
wenig grösser als der erste ist, immerhin aber noch grös-
ser bleibt. Was die Becken der Negerinnen betrifft,
von welcher Race nächst der malayUchen die meisten
Becken bekannt sind*), so stimmen die einzelnen Beschrei-
bungen desselben l»Dgo nicht so überein3). Virf— «r
glaubt, d**s sich einstweilen nur soviel sagen lässt, da»*
das Becken der Negerin im Ganzen weniger geräumig ist
als das der Europäerin, und dass der gerade Durchmesser
des Einganges relativ grösser ist als hei dieser.
2. Die Grösse der Becken scheint nach den vorliegen-
den Untersuchungen von Süden nach Norden zuzuuehme«,
dagegen scheint bei den südlicheren Völkern die Conjugata
im Verhältnis» rum Qaerdurchmesser an Länge ztua-
■ehuicn.
3. Ein Uebergnng von dem Becken der menschenähn-
lichen Aden zu dem des menschlichen Weibes, noch viel
weniger eine Aehnlichkeit zwischen beiden kann bis jetzt
nicht coustatirt werden. Nach der Beschaffenheit des
Becken» Ist der Ausspruch, dass der Abstand zwischen
menschenähnlichen Affen unJ den auf der niedrigsten Stufe
stehenden Menschen kleiner sei als zwischen dem letzteren
und dem Europäer, nicht gerechtfertigt.
Gillobort d’Horcourt. Ltudea anthropologique*
sur 76 Indigcnes de 1’ Algen«. — Mem. de la
Societo d’Anthropol. de Pari«, Tome IIl, Fase. 1*
S. 1.
Die Untersuchung umfasst 17 Berber - Kabylen (13 cf,
4 $ ), 6 Moxubitrn, 8 Mauren (4 (f , 4 ^j, 23 Araber
der Stämme (18 & . 5 $), 12 Neger (10 <f , 2 $ } und
6 Juden (2 cf, 4 $) und betrißt Statur und Proportio-
nen, Kopfform (fast alle doli* hocephal , einige sehr), Farbe
und Haare, Augen und Haut, Tättowiruug et«.
Gould, Benj. Apthorp. Investigation iu the railitary
and antkropological ßtatistiea of american soldiet s.
New York. Published for the United States Sani-
tär)' Commission by Sturd & Houghton. Cam-
bridge, Riveraide Press 1869, 8°.
Diele» Werk bildet erneu Theil der „Sanitäre Memoir* of
the war of rebettioa collected and published by the United
States Sanitaiy Commission" und enthält einen grossen
Reicht hum wcrthvolleu statistischen Materials über die Kör-
pcrheschnifenheit von Euroj>äern, Negern und Indianern,
wie schon daraus entnommen werden kann, dass Statur,
Alter, Heimnth von 1% Million Menschen darin verzelcb-
*) Bis jetzt sind 38 solcher Becken näher beschrieben.
*) 15.
*) Wohl mit zum grossen TbeÜ, weil unter dem Namen
Neger gar verschiedene« zu»ammengvfasst wird. Ref.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
net bind. Wir erwähnen vorläufig «Uesen wichtigen Beitrug
zur vergleichenden Anthropologie nur kurz und behalten
uns vor, später ausführlicher darauf zurück zu kommen.
Hamy. De L’epine nasale anterieure dann Tordre
des Primate«. — Bullet, de la Societe d’ Anthro-
pologie de Paris, 2de Serie, Tome IV, S. 13.
Die Mittheilung int besonder* gegen die Behauptung von
A i i x gerichtet , da** die Spina nn*. ant. nur dem Men-
schen zukiüue, dem Aden fehle. Hamy weist nach, dass
dieselbe auch an manchen sehr proguathen menschlichen
Schädeln fehlt oder ganz rudimentär ist , während umge-
kehrt dieselbe bisweilen bei Anthropomorpheu und selbst
noch bei anderen Säugethieren vorkorame.
Hamy. Note sur leß ossements humains trouves
dank le tumulus de Genay. — Bullet, de la So-
ciety d’Anthropol. de Paria, 2d* Serie, Tome IV,
S. 91. (lieber den Tumulus selbst von ßruzard,
ibid., S. 89.)
Die Schädel, dolichocephal (Index 73*62) zeigen den Ty-
pus der sogenannten neolithischen duhchocepbalen (eelti-
•chen, Pruner-Bcy) Race.
Meigß. Description of a human skull in the Col-
lection of the Stnithsonian Institution. — Annual
report of the board of regenia of the SmithF,o-
nian Institution. Washington 1868, S. 412.
Gefunden 1866 in einer FeDcnspalt« am Illinois. Gleicht
keiner der heutigen eingeborenen Kaccn und gehört daher
wahrscheinlich einem früheren Bewohner so.
Mühlreiter. Anatomie des menschlichen Gebisses
mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der
Zahncrsatzkunde. Leipzig 1870, 8°. Mit 58
Figuren in Holzschnitt.
Sorgfältige Beschreibung der Zähne, die auch den» Cra-
niologen erwünscht «ein dürfte.
Nathuaius. Sur la forme du cheveu considcree
commc carncteristique des rares hutnaines. Brief
an Sanson. — Bulletins de la Sociute d’Anthrop.
de Paris. 2d* Serie, Tome III, S. 717.
Nathusiu» behauptet für den Menschen wie für die
Thiere den Mungel jede* ursächlichen Zusammenhanges zwi-
schen Kräuselung und Form des Querschnittes der Haare.
Nathuaius will die Genauigkeit der Beobachtung von
I'runer-Bey, wonach diese Form charakteristisch für die
einzelnen Menschenrncen sei, nicht bestreiten, glaubt aber
doch, daN dieser Forscher zu schnell generaltsirt habe.
Nut hu »ins glaubt , das« inan die Haupt unterschied«,
ebenso wie bei den Thiercn in der Haut, dass man in
»pecie bei gekräuseltem Haar des Menschen auch die
spirale Form des Haarfollikel« finden werde. Auch wäre
zu untersuchen, ob sich nicht ramifirirte Follikel tliiden,
•1. h. mehrere Follikel ln der Art verbunden, dass sie nur
eine Oeffnang haben, aus der mehrere Haare hervorkom-
men, wie sich dies bei wolligem Haar von Thicren findet.
Nopvou. Annal. des sc. nat. Zoolog., 5m* Serie,
Tome XII, 1869, S. 326.
Hut vergleichende Untersuchungen über die Pacini-
«eben Körperchen des Menschen [Europäer und Südameri-
kaner (Charruai] und mehrerer Affen ljunger CbimpontA,
Cercopithecus m«na, Cynocephalo* «pbinx, t'ebus tp. r) an-
gcstellt und gefunden, dass die des Menschen unter an-
deren die grössten, «las* sie regelmässig elliptisch oder
bimförmig gestaltet und mit den zahlreichsten Capsein
versehen sind, und dass von denen der Affen die desChim-
pansF sich am meisten denen des Menschen nähern , dann
167
die des Cercopithecus, de» Cynocepbalu« und endlich de*
Cebua.
Nieolucci. Anthropologin dell’ Etruria. Napoli '
1869, 4°, mit 7 Tafeln.
Während bekanntlich Buer, Wagner, Prüner-Bey
den etruskischen Schädel für dolichocephal halten, erklären
ihn Retzius, Vogt und Audere für brachrceplud. Der
Verfasser hat 19 etruskische Schädel verglichen, die aus
Vejo, Cere, Tarquinia, Vnlci, Cbiusi, Perugia und Volterra
»lammen; von zweien ist die Herkunft nicht bekannt. Alle
(mit Ausnahme von einem) sind männliche. Unter diesen
Schädeln finden sich 12 dolichoccphnle (03°) und 7 brachy-
cephale (37®). Unter 8 Schädeln au* Tarrjuinia waren nur
2 brachycephale. Diese 19 Schädel werden nun genauer
beschrieben und insbesondere mit römischen und phönici-
schen verglichen. Mit diesen letzteren seien die dolicbo-
cephalen Etrusker verwandt.
Pranor-Bey. Deuxieme Serie d’observatious mi-
croscopiques sur la chevelnre. — Memoires de la
Societe d’Anthropologie de Paris, Tome III, S. 78.
Rochot. Eesai d’une monographic du type du
Romain anciun, d’apres des etudes faites pendant
un sejour h Rome sur les sculptures antiques et
sur la pnpulation. — Memoires de la Societe
d'Anthropologie de Paris, Tome III, Fase. 2, S. 127.
8znith and Turner. Observation« on sorae uegro
crania from Old Calabar, Westafrica. — Journal
of uuatomy and physiology ed. by Ilumpbry and
Turner, 2 Serie», Nr. IV, Mai 1869, S. 385.
Schädel von Old Calabar sind schwer zu erhalten , da
die Leichen sorgfältig beerdigt werden und der Ort, wo
dies geschieht, .geheim gehalten wird. Die acht vorliegen-
den rou Dr. Robb eingcachickten Schädel wurden von im
Wald liegenden Skeleten erhalten. Es *ind die* die Rr*te
von Sklaven, deren Leichen man in da* GehUach geworfen,
wo sie rasch faulen und von wilden Thicren verzehrt wer-
den. Die Sklaven aber stammen zum TheU von den Völ-
kern des Niger-Delta (Quorra) im Westen vom Croaa-River,
dem HuupUtrom des Calabar, zuiu Theil aus dem Daten
von Old Calabar, Entere sind Ibo* (Eboes), die östlichen
»lud die Neger, die man in Westindien Moros nennt. Die
Mehrzahl der Schädel gehört nach Robb’* Meinung Ibos
an. Von den 8 Schädeln sind 4 männlich (A. B. F. li.),
4 weiblich (C. D. 1L G.). Die Schädel sind all« dolicho-
cephnJ (Index 70 bis 78). A. B. erwachsen, einander «ehr
ähnlich, seitlich abgeflaebt, Vorderkopf dachförmig und zu-
rückweichend, Arcus superdl. und glabellu wohl murkirt,
prognath , Index 73 und 70, Capacität 84 und 87. —
F. von einem 8 bis 10 Jahre alten Knaben. — H. von
einem Erwachsenen, asymmetrisch, Index 75, Capacität 93. —
Die 4 $ Schädel sind alle von Erwachsenen; mit Aus-
nahme von E. (sub-brachycephal. Index 78) alle dolicho*
cephal (Iudex 70 . 72 ■ 73), Capacität 65 bi* 87. — Bei
allen Schädeln «lud die Nahtzähne sehr einfach und ist die
Ala magna mit dem Scheitelbein verbunden. — Dariell
gab (Journal of the Ethnological Society of Londou, 1848)
Nachrichten über die Eingeborenen von Old Calabar. Dar-
nach zeigen diese, obgleich sie da* dicke, ro«6*ive Craninm,
den schmalen convexen Vorderkopf, seitlich eomprimirten
Schädel nnd vorstehende Kiefer haben, doch nicht mehr
die dicken Lippen und die plutte Nus« und andere Kigen-
thümlichkeiten der Kroo- Neger (die den ausgesprochensten
Negertypus besitzen), und damit stimmen auch die Schädel
überein.
Thuraam. Further rosearches and observationa
on the two principal form 8 of ancient british
Digitized by Google
168
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
skull?. From the mein, of the Anthropolog. So*
ciety of London, Vol. III, S. 4L Mit. 2 Tafeln.
VerliuMiH lasst die Hauptresultate seiner Untersuchungen
ln folgenden Sätzen zusammen. 1. Die Schädel au« den
ursprünglichen Beisetz ungern in den Long - Harro w* von
WUtshire und Gloucester&bire und dem südlichen England
überhaupt siud ausgesprochen dolichocephal (mittlerer In-
dex 71). Noch kein brachycepholer Schädel mit einem
Index Ton 80 oder darüber ist in ziehen Grabstätten ge-
funden; nur Wcrkzruge von Stein, Knochen, Horn; kein
Metall, keine verzierte Töpferarbeit. Dies« Grabstätten
gehören daher der Steinzeit an. 2. Die Schädel au* den
ursprünglichen Beisetzungen in den Kound-Barrowf. derselben
Gegend sind mehr oder minder brachycrphal (mittlerer Index
81). ln den Gräbern linden »ich mit oder ohne Werkzeu-
gen von Stein solche von Bronze und — aber selten —
von Eisen; sie gehören daher der Bronzezeit oder der
Uebergangsperlode (zur Eisenzeit) an. 3. Schädel ans
späteren Beisetzungen in den oberen Schichten der Long-
Barrowa gleichen meist denen der ursprünglichen Bei-
setzungen der Kundgräber. 4. Der Volksstamm mit doli-
chocephalcm .Schädel war der ursprüngliche, der früheste,
von dom Grabmonumrnte erhalten sind. Er begrub seine
Todtcn ganz und fast ohne Lciclu-nbrand , bcsass Ileorden
von kleinem kurzhöroigrn Kind (Bo* longifron» oder bra-
chycero»), jagt« Hirsch und Bür und hatte barbarische
Sitten, indem er, wenn auch nicht anthropophag , doch
Menschen opferte. 3. Diesem folgte eine brachyce-phale
kräftigere und mehr civilisirte Bevölkerung von höherer
Statur, welehe bald die herrschende wurde. Der Leichen-
brand herrschte hier bei weitem mehr Tor. Die barbari-
schen Sitten ihrer Vorfahren wichen milderen und Ackerbau
mit mehr timten Niederlassungen scheint nllmälig Platz gc-
grifien zu hohen, ft. Es ist nicht bewiesen und nicht
wahrscheinlich , das» der frühere (dolichocephale) Stamm
von dem späteren ( brach ycephalcn) ausgerottet wurde. Es
ist viel wahrscheinlicher , dass er in Sklaverei gerieth
oder schliesslich mehr nach dem Innern und nach Westen
getrieben wurde. Eine Vermischung der Hinte beider in
späteren Grabstätten int wohl sicher.
Dem früheren und dolichocephalen Stamm schreibt Thur-
nam einen iberischen, dem späteren brach vcephaleu eiben
gallischen oder belgischen Ursprung zu.
Vircbow. Ueber die Schädel der älteren Bevöl-
kerung der Philippinen, insbesondere über künst-
lich verunstaltete Schädel derselben. — (Sitzungs-
bericht der Berliner Gesellschaft für Anthropo-
logie, Ethnologie und Urgeschichte. Zeitschrift
filr Ethuologio, Jahrgang 1870, S. 7.)
Sämmtliche Schädel, 16 an der Zahl, wurden von G.
Jagor mitgebracht. Die künstliche Mhsstaltung gleicht
gnnz der der Klatheads des nordwestlichen Amerika. Von
5 Schädeln nus der Höhle von Lanang findet diese Mi**-
stnltung namentlich bei einem in ausgezeichnetem Grade
statt, während ein anderer keine Spur von Mimtaltung
zeigt und die 3 übrigen dieselbe iu sehr verschiedenem,
jedoch viel geringerem Grade aufweisen. Von 2 Schädeln
aus der Höhte von Nipa-Nipa zeigt der eine die Difformi-
tat in hohem Grade, der andere kaum eine Andeutung
davon. V'irchow constatirt auch für die nicht oder kaum
veränderten Schädel einen ungemein hohen Breitenmdex
(hei dem erstgenannten von Lanang von 89*1), so dass kein
Zweifel besteht, dass die Bevölkerung, die jedenfalls einer
sehr lauge vergangenen Zeit angehört, eine eminent bra-
chvcephale war und mit den Kegrito« etc. der Philippinen
nicht» zu thun hat. Leider ist nur 1 Schädel von einem
heutigen Einwohner vorhanden (von Ysarog auf Luzon), der
von den Uöhlcnschädeln entschieden ah weicht und eine ge-
wisse Ähnlichkeit, insbesondere mit Dajak - Schädeln hat
(Index 78*9). Sechs .Schädel aus einer anderen Höhle von
Nipa-Nipa gehören offenbar einer mehr modernen Gruppe
an, wie auch dadurch bestätigt wird, das» 2 davon syphi-
litisch sind. Virchow findet die Übereinstimmung zwi-
schen diesen und den von G. Jagor mit gebrachten Por-
trait» sehr gross. Auch diese sind breit (Index 83*3). Zwei
weitere Schädel von Nipa - Nipa sind davon ziemlich ver-
schieden, doch zeigen alle 16 Schälle] unter sich eine nä-
here Beziehung als zu irgend einer benachbarten Rare. «>
das« man nicht umhin kann, alle einer und derselben
grossen Familie zuzuzählen.
Weisbach. Gehirn gewicht, Capacität und Umfang
des Schädels in ihren gegenseitigen Verhältnis-
sen. — (Separatabdruck aus den mediciniachen
Jahrbüchern [Beilage zum Wochenblatt der k. k.
Gesellschaft der Aerzte in Wien]), XVII. Band,
II. Heft, 1869.
Die Resultate seiner Untersuchung fasst der Verfasser in
folgenden Sätzen zusammen: l) die Grösse der Schädel-
höhle, des Gehirugewichtes und Umfanges des Schädel»
müssen in den einzelnen Fälleu durchaus nicht Hand in
Hand mit einander gehen; 2) trotz der Incongruenz im
Einzelnen nimmt aber doch im Allgemeinen mit der Grösse
de6 Schidelinnenrauroes auch der Um tang und das Gehirn -
gewicht zu, nur ist die Zunahme bei jedem dieser äfaasse
eine verschiedene; 3) das gegenseitige Verhalten zwischen
Rauminhalt, Gehirngewicht und Umfang ist ebensowohl
nach der Grösse de* Schädel* als nach Alter, Geschlecht
und höchst wahrscheinlich auch nach der Rare veränder-
lich und daher eine für alle Schädel ohne Unterschied gü-
tige Berechnungsweise des wahrscheinlichen Gehirngewich-
tes aus dem Rauminhalte und noch viel weniger au* d«m
Umfang nicht zulässig; 4) zur Berechnung des wahrschein-
lichen Gehirngewlrhtes eines Schädels kann unter Berück-
* sichtigung seiner Grösse, de« Alters, Geschlechtes und der
Race nur der Rauminhalt mit einiger Verlässlichkeit und
Annäherung nn die Wahrheit verwendet werden, indem der
horizontale Umfang zu weit von der Wirklichkeit abwei-
chende Resultate giebt.
Digitized by Google
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
169
m.
i *
Ethnographie und Reisen.
Allgemeines.
(Von Friedr. von Hollwald.)
Agassis. On Provinces of Creation, and tbe
Unity of Race. (Biblical Repertory and Princ«-
ton Review. New York, Jan. 1869.)
Bäcker, Louis de. De l’origine du langage, d’a-
pree la Genese. Paris 1869, 8®. 51 8.
Baldwin, John B. Pre - historic nation»; or, In-
quiries concerning sotne of tho Great People» and
Civilizationa of Antiquity. New York 1869, 12°.
414 S.
Baum- und Sclilaugendienat. Ueber den — (Ausland
1869, Nr. 51.)
Eine Besprechung des Fcrgunon 'sehen Werke», der
sieb zu dem Schlüsse berechtigt glaubte, der Schlangen- »
dienst sei dem arischen und semitischen Völkerkreise als
ein fremder Tropfen von einem „tunmischen Volke“ beige-
mischt worden. Sehr gut« Aufzählung jener Völker, wo
Schlangen- und Baumdienst üblich war. Widerlegung der
Fergusson’schcn Hypothese, wonach die indischen Dravi-
da» in eingewanderte Tursnier und altangeseasene Einge-
bome zu spalten wären.
Becq de FouquIöreB, L. I*es jeux des Anciens,
leur description, leur origine, leurs r apport» uvec
la religion, l'hiatoire, los arts et les mocura. Pa-
ria, C. Reinwald. 1869, 8°. VIII & 460 pag. Re-
ccna. „Pbilolog. Anz.“ 1869, Nr. 8, 8.218—221.
Benfey, Thood, Geschichte der Sprachwissenschaft
und orientalischen Philologie in Deutschland.
München 1869, 8®.
Besprochen in „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“ vom 19.
September 1869, Nr. 262 und 20. September, Nr. 263.
Bimsen, Emst von. Die Einheit der Religionen
im Zusammenhänge mit den Völkerwanderungen
der Urzeit und der Geheimlehre. Berlin, Mit-
scher und Rösteil, 1870, 8®. 2 Bde.
Demmin, August. Die Kriegswaffen in ihrer hi-
storischen Entwicklung von der Steinzeit bis zum
18. Jahrhundert. Leipzig 1869, 8°.
I>icscs Buch soll den bisherigen Mangel einer Geschichte
der Wolfen als Zweig der Culturgrschichtc ersetzen und
drm Archäologen, dem Künstler und dem Sammler ein
nützliches Handbuch sein. Es ist wohl wesentlich für den
Letzteren bestimmt, wie es denn auch von einem Sammler
verfasst ist. Der Abriss der Geschichte der Wolfen, womit
es beginnt, ist indes» gar dürftig und oberflächlich. Di«
folgenden Artikel, welche die einzelnen ethnologischen und
Archiv rtlr Anthropologie. Bd. IV. nett II.
historischen Perioden behandeln , sind es kaum minder,
viele etymologische Erklärungen scheinen uns sehr zweifel-
haft, Unrichtigkeiten in Namen und Benennungen dienen
ebenfalls nicht zur Zierde des Buches. Immerhin dürfte
dasselbe nützlich und willkommen sein, denn es herrscht
unter den Liebhabern und Sammlern gerade auf diesem
Gebiete eine erstaunliche Unwissenheit und Begriffsverwir-
rung, die oft schmählich ausgebeutet wird.
Denison, Will. On Permaneoce of Type in tbe
human race. (Journ. of the ethnol. Soc. of Lon-
don, 1869, S. 194—199.)
Fiske, John. The Genesis of language. (The
North American review. Boston, Octob. 1869.)
Flint, Austin. The Physiology of Man; designed
to represent the existing State of physiological
Science a» applied to tbe functions of the human
body. New York 1870, 8®. 526 S.
Fortlago, Dr. C. Acht psychologische Vorträge.
Jena 1869, 8®.
Besprochen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
7. August 1869, Nr. 219.
Gladstone, Will. Ewart. Juventus Mundi, the
Gods and Men of the llomeric Age. London
1869, 8®.
Ueber diese« sehr gelehrte Werk des bekannten englischen
Staatsmannes bringt das „Journal of the Ethnological So-
ciety of London“ 1869, S. 321 — "331 aus der Feder de*
Herrn Hy de Clarke eine eingehende Rcccnsinn, die sich
vorwiegend mit drm ethnologischen Theil des Buche* be-
schäftigt und die Suppositionen Gladstone’s über die
Sprache und Cultur der Pelasger geradezu über den Haufen
wirft. Dabei werden der Werke <it» Herrn ▼. Hahn ge-
dacht, auf welche sich ü ladstöne hauptsächlich gestützt;
die Amiirhirn des Kervnsenten über die alten Pelasger,
Albanesen und Illyrier sind jedenfalls sehr lesenswert!».
Gottschall, Dr. Rud. Die mystisch - socialen Ge-
meinden der Gegenwart. (Unsere Zeit 1869, I,
S. 342—363, 499 — 525.)
Anknüpfend an Dixon’a „Neu Amerika“ und „Seelen-
braute“ sowie an And. J. Daris’ „Reformator und Zauber-
stab“, werden hier mit lebendigen Farben die eigentümlichen,
am das sexuelle Leien sich drohenden Lehren der „Zitlerer“,
der Köuigaberger Mucker, der englischen Lampeterbrüder,
der amerikanischen Spirituellsten und Mormonen in rer-
Stand IKher, belehrender Weise geschildert.
Hayes, Dr. J. R. Negrophohia „od the brain“
in white Men ; or, an Essay upou the Origin, Pro-
22
Digitized by Google
170
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur,
gre*s, mental and physical, of the Negro Rate.
Washington 1869, 8°. 35 S-
Hermann, Conrad. Philosophie der Genchichte.
Leipzig, Fr. Fleischer, 1870, 8°. VIII nnd 6668.
Es thut uiu »ehr leid, von diesem Buche Tor Allem sa-
gen xu müssen, es wire besser ungeschrieben geblieben.
Bekämpfen lässt sich dasselbe eigentlich nicht, denn es
steht a priori auf ganz unannehmbarer Basis. Wir begrei-
fen, wenn idealistische Träumer gegen die Starrheit der
materialistischen Uhren ankämpfen, und lassen — obgleich
w ir persönlich anders darüber denken — diesen Standpunkt
gelten, so lange er «ich beschränkt die naturwissenschaft-
lichen Anschauungen auf jenem (Jebiete zu bestreiten, wo
sie überhaupt noch anfechtbar sind , wie x. B. aui dem
Felde der Psychologie. Dass aber im 19. Jahrhunderte
noch ein derartiges Werk geschrieben werden könne, wo
von den Naturwissenschaften gänzlich Umgang genommen
wird, sollte man kaum für möglich halten. Buckle schon
beging den an verzeihlichen Fehler die Lehren der Ethno-
logie zu missachten, er hat aber wenigstens den übrigen
Einflüssen der Natur auf die Menschheit einen gehörigen
Platz eingeräumt. Letzteres geschieht indessen im Buche
de* Professor Hermann nur in sehr oberflächlicher
Weise und die anthropologisch-ethnologischen Beobachtungen
ignorirt er gänzlich. Aber noch au» einer anderen Kück-
skht verträgt das Werk vom naturwissenschaftlichen Stand-
punkte keine Kritik- Trotzdem nämlich die gesummten
Naturwissenschaften schon seit Jahren gegen die Teleologie
Sturm laufen, wird auch die« verschwiegen, ja das ganze
Werk auf teleologischer Basis aufgebaut und naiv
genug eingestanden , dass wenn der Verfasser dies nicht
thüte , er überhaupt keine Veranlassung hätte sein Buch
zu schreiben. Die mit jeder teleologischen Auffassung ver-
bundene Krage über den F.ndzweck des Menschengeschlech-
tes lässt Hermann gerade so unbeantwortet wie seine
Vorgänger und dies ist »ehr natürlich; er kennt ihn eben-
sowenig wie wir. W"ic richtig sagte in dieser Hinsicht doch
Schiller: Der Zweck des Menschengeschlechtes sei uns
schlechterdings verborgen, weil sein Endzweck dem des
Universums untergeordnet sei, der Zweck des Theils aber
nur au» dem Ganzen heraus erkannt werden könne; da
aber der Zweck des Universums uns verhüllt ist, so sei
die Harmonie, die Vernunft, die wir in die Geschichte bin-
einfegen, nur in unserem Kopfe; der Zufall rolle die Welt-
geschichte; da» Geschlecht entwickle sieh nach den Ge-
setzen der Notbweudigkeit. Professor Hermann bitte
also jedenfalls die HegePsrhe Geschichtsanschauung nicht
über den Haufen zu .verteil versuchen und nicht stet* in
so hohen idealistischen Sphären schweben sollen, welche
beispiris weise Ursache sind, dass im ganzen griechischen
Altcrthumc bei ihm nur von Kunst die Rede ist, so das«
beinahe der Leser in dir schalkhafte Versuchung kommt zu
glauben, die Griechen hätten an gar nichts linderes gedacht
und xu denken gehabt als an die Kunst und das Ideal.
Da** dem nicht so war, darüber sind wir beruhigt, so
gerne wir der Kunst die ihr gebührende Stelle einraumen.
Die* nur «o beiläufig. Nicht ungerügt können wir ferner
die »tylistisrhe Unart lassen auf jeder Seite mindestens
4 bis 5mal die Redeweise „an und für sich- abwechslungs-
halber untermischt mit „an sich- — mitunter auf nur
wenige Zeilen zusjunmengetirängt — dem Leser beixubrin-
gen. Dies ist „an und für sich- unangenehm.
Ho worth, H. H. Werterly Drifting of Nomade.
(Journal of the ethnol. Society of London 1869,
8. 12—27.)
Verfasser behauptet, das* nur durch ein genauen Stu-
dium der historischen Begebenheiten Schlüsse auf vorhisto-
rische Ereignisse möglich seien. Zu diesem Behufe unter-
zieht er die Wanderungen asiatischer Nomadenvölker gegen
Westen in der Zeit vom V. bis zum XIX. Jahrhundert
einer eingehenden historischen Untersuchung, die in der
vorliegenden Schrift als ein »ehr gedrängter, nackter und
trockener Abriss der Geschichte jener Völker erscheint, die
sich seit dem V. Jahrhundert über die südlichen Meppen
Russlands, Polen, die Ebenen von Ungarn, Persien und
Kleinasien ergossen haben. Er heginnt mit den Kalmyken.
Nach ihren Cesicblszügen , Sprache, Sitten, Kleidung and
Religioa führen sie uns an dos westliche China zurück.
In Europa bilden sic gegenwärtig eine isolirte Völkerinsel;
ihre Religion ist jene der tibetanischen Buddhisten, ihre
Züge, ihre Sprache sind mongolisch. Die Kalmyken, auch
Elenthes oder Ulöten genannt, zerliefen eiaat in drei Zweige:
in die Tschugaren, welche jetzt zerstreut westlich vom
Altai bis zum Balchasi'h See hausen; die Koschoten, die
früher da» Königreich Tnngut inne hatten und von zwei
Chan», dem einen in Tibet, dom anderen in Tangut, beide
unter dem Dalai Lama stehend, regiert wurden; endlich
die europäischen Kalmyken, genannt Torguten und Der beten.
Verfasser geht nunmehr auf die üstnanen über; er giebt
einen Abriss ihrer Geschichte und weudet sich den Usbe-
ken Turan» zu; hier schliesat er sich der Ansicht Klip-
roth’s an, wonach die Uzbekeu au» dem Kaptwbak stam-
men. Vor Ankunft derselben waren die Turcomanen die
herrschende Rare m Transoxiana. Diese Turcomanen, die
sich mit. der Tadschik - Bevölkerung der Städte gekreuzt
hatten , waren keine Mongolen , wie sie sich selbst manch-
mal nannten, »onderc den Türken nabesiebende .Stämme.
Ihr grösster Held war Timur, Ton dc66on gewaltigen Erobe-
mngszügen der Verfasser rin chronologisches Gemälde ent-
wirft. Sie sind für den Ethnologen interessant, denn rie
müssen die verschiedenartigen asiatischen (Zivilisationen
unter einander ln Berührung gebracht haben,
Die Tataren waren Mongolen, darüber stimmen all« (Juri-
len überein ; die heutigen Talarrn, wenigsten* die Bewohner
der kleinen Tatarei und des Westen* sind es nicht; diese sind
typische Türken und sprechen eine* der reinsten türkischen
Idiome. Der Held der allen mongolischen Tataren war
Dschinghix ■ Chan , dessen Heer indes* nur zum kleinsten
Theil au» Mongolen bestand , die vielleicht darin die Ari-
stokratie bildeten; die Massro waren zumeist Türken.
Die Schwierigkeiten der turanischen Ethnologie sind sehr
gro «», da da6 Land von zahlreichen Raccn mit noch zahl-
reicheren LTnterablheilungrn bewohnt war. Nach de* Ver-
fassers Ansicht sind alle diese Raccn unter einander mehr
oder minder verwandt; sie liesseo sich alle unter Blumon-
bach1* Mongolen claasihrirrn. Dos Substratum dieser
Stämme sind die Ugrier; die Türkeu wären Ugrier mit
persischem und germanischem Blut, die Mongolen hingegen
Ugrier mit chinesischem Blute gemischt. Die Buriäten
im Norden des Baikal wären eine Uebergaugsrace und di«
Khalchas-Mongolen ähnlich; die Karakalpaken endlich eine
Mischung von Türken und Mongolen mit einem früheren
sibirischen Stamme.
Huber, Johannes. Philosophische Probleme.
(Augsburger Allgemeine Zeitung, 13. Juni 1869,
Nr. 164, Beilage, 14. Juni, Nr. 165, 15. Juni,
Nr. 166, Beilage.)
Streng philosophische Abhandlungen, wie die vorliegende,
welche an eine Schrift von Melchior Mayer: Die Fort-
dauer nach dem Tode. Leipzig 18Ö9, H° tuiknüpft, haben
eigentlich in ua*errr Bibliographie keine Stelle, and würden
wir ihrer auch nicht erwähnen, wenn darin Dicht directe
Angriffe gegen die exacten Wissemithaflen, nämlich die
Naturwissenschaften, und zu diesen zählt unstreitig die An-
thropologie, enthalten wären. Fiir eine Abwehr dieser An-
schuldigungen i*t hier nicht der Raum geboten und so be-
gnügen wir un» damit darauf hinzuweisen, das» die Natur-
wissenschaften mit ihren materialistischen Tendenzen den
Geist nicht läugnen , wenn sie denselben unwiderruflich an
die Materie knüpfen. Wir wissen sehr wohl, dass hier
noch manche Probleme zu lösen sind und glauben , da»
Digitized by Google
171
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
gerade die Erforschung de« Denkprocrsses , und hierauf
läuft ja Alle« hinaus, seinerzeit eint* Hfl up tauf gab« der
Anthropologie bilden wird, Ueberrancheud ist, das* der
Autor bei «einen Retleiiim«*« über die Selbständigkeit de«
Denken« von den Resultaten der wi««enscbal'tlicben Phreno-
logie keine Notiz nimmt, so wie auch die «o klare und
deutliche Schrift Oeltlmann’i: „Die Erkenntnis«lehre als
Naturwissenschaft“ keine Beachtung findet. In dem geradezu
Epoche muchenden Buche E. Hurtrn an n’t „Philosophie des
Unbewussten“, welches nebenbei bemerkt die Dur w in* «ehe
Theorie der Zuchtwahl rückhaltlos in die Philosophie ein-
führt, lassen sich gleichfall» viele Waffen gegen die von
Herrn Huber vorgebrarhien Argumente holen. So weit
es bisher gestattet ist die Verhältnisse zu überblicken, ha-
ben die Ansichten der idealistischen Philosophen «ehr we-
nig Aussicht auf weitere Bestätigung durch die Wissen-
schaft , während für die naturwissenschaftliche Weltan-
schauung die Beweise sich stets mehren durften. Einsichts-
volle Historiker, wie Buckle z. Lt. (womit demselben in-
des* keineswegs in Allem das Wort geredet sein soll) haben
schon mit diesen Thatsachen gerechnet und beispielsweise
die Freiheit de« menschlichen Willen* als unhaltbar ganz
fallen gelassen. Weser letzteren widerspricht ohnedies das
sogenannte Gesetz der grossen Zahlen, da* von idealistischer
Seite her keine Erklärung findet. Wir meinen demnach
die Naturwissenschaften gehen nicht zu weit, wenn «ie den
Geist an die Materie fesseln; c* wäre interessant die Frage
beantwortet zu hören, wo nach Ansicht der Idealphilosophen
der „Geist“ seinen Sitz gehabt bähe in jenen Zeiten als
die Erde noch nicht von Menschen belebt wnr. Wenn
endlich Herr Huber da« Umsichgreifen der materialistischen
Anschauungen bedauert , so lässt sich darauf nur mit
Schopenhauer und Harlmaun erwidern, dass die Wis-
senschaft rücksichtslos nach Wahrheit forsclie, unbekümmert
darum ob da« was sie findet dem in der Illusion des Trie-
be* befangenen Gefühlsurtbell behagt oder nicht.
Huxley’fl Eintheilung der Menachenracen. (Globus
Bd. XVI, S. 62 — 63.)
Jaeger, Dr. G. Ueber den Ursprung der Sprache.
(Ausland 1869, Nr. 17.)
Jellinek, Ad. Der jüdische Stamm. Ethnogra-
phische Studie. Wien, Herzfeld und Bauer,
1869, B1».
Besprochen (von K.) , „Magazin für die Literatur des
Auslandes“, 1869, Nr. 8, S. 112—113.
Jewoll, J. S. Geologieal Evidence« of the Anti-
quity of Man. (Methodist Quarterly Review.
New York, Jan. 1869.)
Klöone, B. H. Onze voorouders volgens de theo-
rie van Darwin en het Darwin isme van Winkler,
’a Hertogenbosch, Bugaerts, 1869, 8°. VI A 176
blz.
Littrow, Heinrich. Ueber den Tanz und über
Volkstänze. I*aibach, Jgn. v. Kleinmayer, 1869,
8°. 34 S.
Malfatti, B. Scritti geografici ed etnografici. Mi-
lano 1869, 8°. 603 S.
Enthält als hierher gehörig: Ueber da* Olima als eth-
nographischer Factor. Kraniotogie und Ethnographie. Di«
Neger- Rare,
Marriage. The history And philosophy of Mar-
riage; or Polygamy and Monogamy Compared.
By a Christian Philantropist. Boston 1869, 8*.
256 S.
Meignan,.,.. Le monde et l’homuie primitif se-
lon laBiblo. Paris, Victor Palme, 1869, 8*. XVII
& 403 pag.
Montolius, Oscar. FrAn jurn&ldcrn. Akaderuisk
afhandling. Stockholm, Haeggström, 1869, 4°.
Neger. Können Neger weias werden? (Natur 1869,
S. 72.)
Quatrefages beantwortet die*« Frage bejahend in der
„Revue de* cours »cientifiijue»“ .
Poschel, Dr. O. F. Ueber die Wanderungen
der frühesten Menschen stamme. (Ausland 1869,
Nr. 47.)
Geht von der Ansicht nus, «laa« die Inteln erst von den
F Mtlaaden au* bevölkert wurden und stellt die Hy|*otbc*c
auf, der Uraita d«r Menschheit sei jedenfaU* in der alten
Welt, möglicherweise in dem problematischen, südlich von
Indien gelegen habenden, nunmehr versunkenen „Lemuria“
zu suchen.
Poschel, Dr. O. P. Uebor den Mann im Mondo.
Eino ethnographische Musterung. (Ausland 1869,
Nr. 45.)
Aeusserst dankenswert)» und übersichtliche ZuMUumru-
»tellung aller Fabeln und Ansichten, jtu welchen bei den
verschiedensten Völkern das Aussehen de* Mondes Veran-
lassung gegeben. Die Belesenheit des gelehrten Verfassers,
die «ich selbst auf anscheinend so geringfügige Dinge er-
streckt, kann nicht genug bewundert werden,
Poschel , Dr. O, Einfluss der Lnndergestalten
auf die mensc^iche Gesittung. — 8. Ueber die
Zone der Religioosstifter. (Ausland 1869, Nr. 18.)
— 9. Die Lockmittel des Völkerverkehr«. (Aus-
land 1869, Nr. 43.)
Von diesen Aufsätzen kann mau keinen Auszug geben;
man mos* «ie eben selbst lesen. Nicht genug dringend
können wir den Herrn Autor auffordern, die«c Aufsätze
gesammelt in einem Buche erscheinen zu lasten, wie er
dies für Beine „Neue Probleme der vergleichenden Erd-
kunde“ gethan-
Pfannensclmiid , Dr. Heinr. Das Weihwasser
im heidnischen und christlichen Cultus, unter be-
sonderer Berücksichtigung des germanischen Al-
terthums. Hannover 1869, 8®.
Indem der Verfasser dem Wege nachgeht, auf welchem
das Wusiier au.« seinem elementaren Dasein als Symbol in
das geistige Gebiet gehoben wurde, handelt er von dessen
«acralem Gebrauch bei Heiden und Juden, geht dann auf
deu Wasser-, Quell- und Brunnencult vorzugsweise bei den
Germanen über und giebt sodann deu Begriff des Weih-
wassers in der christlichen Kirche, und zwar in solcher
Weise, dass man erkennt, wie im Entwicklungsprozess de«
Cultus und Dogmas bestimmte Gesetze bildend gewirkt
haben und noch wirken. Da.« umfangreiche Material ist
mit Umsicht und Geschick verarbeitet , die Darstellung ist
gefällig, das Ganze sicht unter der Weihe des Gedanken*.
So dürfen wir zuversichtlich «ein neues von ihm angekün-
digtes Werk: „Die heidnischen und christlichen Erntefest«
in Nfedersachsen“ mit Spannuug erwarten.
Prehistorio Remaios. (Journ. of the ethnol. Soc.
of London 1869, 8. 205 — 206.)
22*
Digitized by Google
172
Verzeiehniss der anthropologischen Literatur.
Racenfrage. Zor Raten frage. (Globus, Bd. XV,
S. 281—283.)
Nach Professor Müller und J. Lamprey über die au-
gebliche Verwandtschaft von Hottentotten nnd Chinesen.
Randolph, Dr. P. B. Pre-Adamite Man: demon-
atrating the Existance of the human Raco upon
this earth 100*000 years ago. Boston 1869, 12®.
408 S.
Ratzel, Fritz. Die Schädeltheorie. (Natur 1869,
8. 212—214, 227—230, 236—239.)
Rokitansky, Dr. Carl. Die Solidarität alles Thier-
lebens. Wien 1869, 8».
Rosny, Leon de. Rapport annuel fait a la 8o-
ciete d’ethnographie aur ses travaux et aur lea
progres dea Sciences ethnographique« pondant
l'annee 1866—1867. Paria 1869, 8°. 23 Seiten.
(Extr. du Nr. 11 dea actea de la Soc. d’ethnogr.,
2m0 serie, T. 2.)
Royer, Clemence Mad, Origine de Thommo et
des aoeietes. Paria, Guillaumin, 1870, 8°.
Rüge, A. Reden über die Religion, ihr Entstehen
und Vergehen an die Gebildeten unter ihren Ver-
ehrern. Berlin 1869, 8®.
Alle Götter bind NaturgöUer, alle Religionen Naturreli-
gionen. Der Wissenschaft kann es nicht darauf ankotnmen,
den Gott Indra, Zeus, Jehovah za lkugneu, sondern nur
seine Entwicklung zu verstehen und zu erklären. Die
Theologie Ut nnch Peuerbach Anthropologie, die Natur-
götter find in die Wolken phantaflirte Menschen. Dies
einige der leitenden Grundideen dieser Reden, die indess
im Uehrigcn kein besonderer Fortschritt sind. Rüge ist
und bleibt Idealist; damit ist der Wissenschaft nicht ge-
dient; diese verlangt vor Allem klare, nüchterne Unter-
suchungen selbst dort wo es »ich um so ideale Dinge han-
delt wie das besprochene Thema ist. Siebe Rccension der
Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 15. Mai 1869,
Nr. 135.
Rumpolt, Dp. H. B. Das natürliche System der
Sprachlaute und sein Verhältnis» zu den wichtig-
aten Cultursprachen. Halle 1869, 8°. 227 S.
Ruskin, John. The queen of the air: heilig a
study of the greek mytha of cloud and storm.
London, Smith, 1869, 8®. VIII & 199 pag.
Schleiden, Dr. M. J. Ueber den Darwinismus
und die damit zusammenhängenden Lehren. (Un-
sere Zeit 1869, I, S. 50—71, 258—277, 606—
630.)
Außerordentlich klar«, übersichtliche Darstellung der
Darwinschen Lehre und der daraus entspringenden Con-
»equenxen.
Silberschlag. Ueber Eidringe. (GlobuB Bd. XV,
S. 233—234.)
Kurze Notiz über den Gebrauch derselben bei Griechen
und Römern.
Sterne, C. Der medicinische Aberglaube unserer
Zeit. „ Sonntagsblatt“ (herausgegeben von Fr.
Duncker), 1869, Nr. 37.
Thompson, J. P. Man in Geneais and Geology;
or, the Biblical Account of Man ’s Creation, tested
by Scientific Thoories of bis origin and antiquity.
New York 1869, 12« 150 S.
Vogt, Carl. Von Congress zu Congress. (Köl-
nische Zeitung 1869.)
Diese im Lauf« de* Septembers erschienenen Brief« sind
eb«n so anziehend als belehrend. In der dem berühmten
Verfasser eigentümlichen fesselnden Schreibweise werden
die beiden CongresM zu Kopenhagen und Innsbruck ge-
schildert und von deren wissenschaftlichen Resultaten eine
geistreiche Analyse entworfen.
Europa.
(Von Friedr. von Hellwald )
Aachener, die, Mundart. (Beilage zur Allgemei-
nen Zeitung vom 27. October 1869, Nr. 300.)
Dieser Aufsatz knüpft an Dr. Jos. Müll er’ s Bach:
„Prosa und Gedichte in Aachener Mundart .**. Aachen 1669,
6°, 2 Theile, au und bemerkt sehr richtig, dass diese Mund-
art gleichsam der Reflex der geographischen Lage sei. ihre
überwiegende Analogie weise auf jene niederdeutsche Mund-
art hin , die sich als eine besondere , in engerem Sinne
Deutschlands fremde Sprache constituirt hat , nämlich auf
die holländische; eine Analogie, die »ich nicht etwa auf die
Wörter beschränkt, sondern den gedämmten grammatikali-
schen Bau umfasst. Aber auch die romanischen Sprachen
sind nicht ohne Einwirkung geblieben. Wenn einzelne
Wörter die spanische Herrschaft in den Niederlanden, na-
mentlich die in den belgischen Provinzen, und die spanisch«
Occupation Aachens in Erinnerung rufen, so sind di« fran-
zösischen Anklänge sehr häutig. Oberdeutsche kommen
neben denselben nicht wesentlich in Betracht.
Althaus, Friedrich. Englische Charakterbilder.
Berlin, Docker, 1869, 8°. 2 Bde.
Der /weite Band ist nufserordentlich wichtig für die
Darstellung de» Volksthuni» im „Merry Old England“, durch
die Abhandlung: „Zur Geschichte der englischen
Volk »spiele“ (3, 259—494).
Arnold, Dr. W. Cultur nnd Recht der Römer.
Berlin 1868, 8®.
Besprochen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
8. Juni 1869, Nr. 15».
Bannistor, John. A GloBsary of Cornish names,
local and family, ancient and modern , celtic and
teutonic. Tmro (Cornwall) 1869, 8®. I. Theil,
64 &
Beauvois, E. Lea antiquites primitives de la Nor-
vege. (Ammles des Voyages, Octub. 1869.)
Bertillon. Ltudos sur la Baviere. (Bullet, de la
soc. d’Anthrop. de Paris, 2*1* s£rie, T. III, S. 516.)
Bertillon. Populations Beiges. Bemerkungen zu
einer statistischen Arbeit über Belgien im Dict.
encyclop. des sciences medicales. (Bulletin de la
Digitized by Google
Verzeichntes der anthropologischen Literatur. 173
Societe d’AnthrupoL de Paris, 2d* Serie, T. III,
S. 634.)
Blind , CarL Hellenic national*! ty and the East*
(Putn&m's Monthly Magazine. New York, No-
vember 1869.)
Boulogne, Dr. A. Le Montenegro, le payts et ses
habitants. Paris 1869, 8°. 115 S.
Bradaska, P. Die Slaven in der Türkei. (Peter-
mann’s Mitth. 1869, S. 441 — 458 mit 1 Karte.)
Höchst wichtige , flclssjge und dauken*werthr Arbeit.
Sie rectiticirt lu vieler Hinsicht die verdienst volle ethno-
graphische Karte vonLejean, die »«inerzeit gleichfalls von
Dr. r et ermann heraus gegeben wurde. Koch ProtVwwr
Brudaska beciiTeru »ich die Slaven in der Türkei auf
8Va Millionen; die Gesummt bcv öl kerung de» Reiche» schaut
er auf 16 Miliioneu. Eigentliche Türken und Griechen
sind nur je 1 Million vorhanden , Rumänen hingegen
4*200 000; den Rest von 1*300 000 bilden die Schldpetoren
(Albanesen), ltabei zeigt der Verfasser in kurzen aber
deutlichen Worten, wie 60 trotz ihrer numerischen Ueber-
Irgcnheit e» kommt , da** die Slaven die l'nteijochten in
der Türkei sind, und legt dabei viel Unbefangenheit und
Unpartheilichkeit an den Tag. Kr geht sodann auf die
Behandlung der zwei grossen («nippen über, in welche die
türkischen Slaven zerfallen : die Bulgaren und die Krnoto-
Serben. Die Bulgaren, ein MUchvolk, entstanden aus Sla-
ven und urmluchen Bulgaren, schätzt er auf 6 Millionen,
so dass sie allein mehr denn ein Drittel der liesammtbe-
völkeruug bilden, den weiteren Rest von 2*/j Millionen
machen die Kroaten und Serben aus. Ueberdies bemüht
•ich der Verfasser die geographischen Grenzen der einzel-
nen Gruppen so genau als möglich zu prücisircn. Niemand,
der »ich mit den Verhältnissen de» europäischen Oneutes
vertraut machen will, darf diese Schrill übersehen.
Broca. Nouvelles recherches sur 1’ Anthropologie,
de 1» Franco en general et de la Baase Bretagne
en particulier. (Meinoires de la societe d! Anthro-
pologie de Paris, T. III, fase. 2, 1869, S. 147.)
Bulgarien. Der Vampvr in Bulgarien. (Globus
Bd. XV, S. 218—219.)
Mittheilungen über den an den Vampvr sich knüpfenden
Aberglauben bei verschiedenen Völkern, besonder* bei den
Bulgaren. Daran schliesst sich noch die Notiz (S. 220):
„Ein Unheil über das bulgarische Volk“ , dom Werke von
St. Clair und Bropby entnommen, welches nicht beson-
der« schmeichelhaft für die Bulgaren klingt. Weiter über
den Vampyrglauben linden wir 5. 285 eine Notiz, densel-
ben im Peloponnes schildernd.
Carnarvou, Earl of. Reminiscences of Athens
and Morea. Extrakts from a Journal of travels
in Greeco in 1839. London 1869, 8°. 261 S.
mit 1 Karte.
Cenac-Moncaut. Lettre« a MM. Gaston Paris et
Barry Rur les Geltes et les Genuains, les chauta
historiques basques et les insenptions g&sconnes
de Convence. Paris 1869, 8°. 56 S.
Chodzko, Alex. Grammaire paleoslave, suivie de
toxtes paleoslave«. Paris 1869, 8*. 276 $.
Culturbild, ein, aus Süditalicn. (Globus Bd. XVI,
S. 169—171.)
Demattio, Dr. Portunato. Origine, forraazione
ed elementi della lingua itahana. Innsbruck
1869, 8<>.
Besprochen iu der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
8. October 1869, Nr. 281.
Deprot, Louis. En Antriebe. Paris, L. Ilachette
1870, 8». 234 pag.
Dieterich, Dr. U. W. Uunen-Sprach-Schotz, oder
Wörterbuch über die Ältesten Sprachdenkmale
Skandinaviens in Beziehung auf Abstammung und
Begriffsbiidung. Stockholm und Leipzig. 8°.
387 S.
Dilke, Charles Wentworth. Greater Britain, a
record of Travel iu euglish - speuking countries
during 1866 and 1867. London 1869, S». 2 Bde.
Diese« Buch geht von der Überschwenglichen Ansicht
aus, dass di« angio - sächsische Koce bestimmt sei, alle an-
deren von der Erde zu verdrängen und allein zu herrschen.
Chile, La l'lata und Peru müssen schliesslich englisch wer-
den. Die rothe Indiauerrac« , welche gegenwärtig <lie»e
Länder einnimmt, kann sich nicht gegen unsere Colonialen
behaupten. Die Zukaufl der Tafelländer Afrika», Japan«,
Chinas ist eben so klar. — Wir gestehen, uns will dieselbe
keineswegs so klar bedüuken , wie Herrn Dilke. Der
ehren wrrthe Autor, eioer der Haapteigenthümer de* lon-
doner Athenäum*, Ende 1868 ziun ParbmcnUmitgliedc für
den neurreirten Burgflecken Chaise* erwählt, früher einer
der känigl. CommusKr* für die londoner internationale
Ausstellung u. s. w, , scheint trotz aller dieser schönen
Eigenschaften sich des Studium» der Ethnologie nur sehr
wenig beflissen zu hoben. Wie kann er z. B. das gut con-
»totirt« Anwachsen der rothen Rare und da» allmälige Ver-
schwinden der Weissen in den Ländern Centrulamerikoa
und Peru» mit seiner Theorie in Einklang bringen? Wie
▼erhält es sich mit der ungeheuren Sterblichkeit der Wes-
sen in Ostindien? K» scheint «I» ob dimatlsdie Rücksich-
ten lär Herrn Dilke nicht bestehen. In seineiL Idealismus
hält er den Menschen für einen Kosmopoliten , was heut-
zutage wohl kein Ethnologe mehr gelten Lassen wird,
Durand (d© Gros). AryH* et Tourans. Bulletins
de la Soc. d’Anthrop. de Paris, 2d® serie, T. IV,
S. 28.
Durand (de Gros). Une excursion anthropolo-
gique dans rAveyron. Bulletins de la Sociötä
d’Anthropologie de Poris, 2d* serie, T. IV, S. 193.
Ehrlich, H. Rumänischer Charakter und rumä-
nische Charaktere. „Magazin für die Literatur
des Auslandes“ 1869, Nr. 23 (S. 336 — 337),
Nr. 24.
I. Dos Volk (Nr. 23).
Ettmüllor, Dr. Ludw. Altnordischer Sagen. schätz
in neun Büchern, übersetzt und erläutert. Leip-
zig 1870, 8«. 488 S.
Etzel, Anton von. Vagabondenthum und Wan-
derleben in Norwegen. Ein Beitrag zur Cultur-
und Sittengeschichte. Berlin, Carl He v mann,
1870, 8”. 127 S.
Europe. The primitive Races of Europe. (Natio-
nal quarterly Review, New York, Septbr. 1869.)
Digitized by Google
174
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
Ficker, Adolf. Die Völkerstäuime der Suter-
reichisch - ungarischen Monarchie, ihre Gebiete,
Grenzen und Inseln. Historisch, geographisch
und statistisch dargcstellt. Wien 1869, 8*. mit
4 Karten, 98 S.
Besprechungen dien?« interessanten Büchleins sieb« in:
Globus Bd. XV, S. lilö, Beilage der Allgemeinen Zeitung
vom 1. Juni 1861* , Nr. 152. dann in den Mitthrilurigen
der k. k. geoeruph. Gesellschaft in Wien, 1869, 8, 585.
Förster, C. Das russisch« Lapplund und seine
Bewohner. (Petermann’s Geograph. Mitth. 1869,
S. 137 — 139.)
Wir entnehmen diesem kurzen Aufsätze, da«* die Süd-
kiiste der Halbinsel Kola wenig aber durchgehend« von
Kus«en bewohnt wird, während deren nördliche (legenden
etwa« mehr von Menschen betreten und im Winter von
den nomadisirenden Lappländern durchzogen wird. Die
Hauptbeschäftigung der Bevölkerung ist Fischfang, etwas
Perlenfischern und Jagd auf wilde Gänse und Enteu, auf
Seehunde und Bären. Die Karelen, ein out nur weuig In-
telligenz ausgestattete* Volk, hat «einen eigentlichen testen
Wohnsitz südlich von dem Kaudal aksky -Golf.
Froshfield, D. W. Travels in the Central Caucn-
aus and Rashan, including visita to Ararat and
Elbruz. London 1869, 8°. 522 S. mit 1 Karte.
Enthält viele ethnographische Angaben über die Osseten
und Hvanen. Sehr leseuBwerthe Auszüge dieses interessan-
ten Werkes brachte da« „Ausland“ 1869, Nr. 40, 41, 42.
Frit*, J. N. Die Slouraken, eine ethnographische
Skizze. (Globus Bd. XV, S. 270—273.)
Gabelontz, Alb. v. der. Sebenico und die Fülle
der Kerka in Dalmatien. (Globus Bd. XVI, S. 204
—206.)
Enthält eine Schilderung der Morlakcn-
Girard de Rlalle. Sur les Scythes. Bull, de la
Soc. d’Anthrop. de Paris, 2d* Serie, T. IV, S. 46.
Godron, A. Les original ethnologiques des po-
pulations prussionncs. (Ann. d. Voy.. I)ecbr. 1868.)
Goehlert, J. V. (Jeher keltische Ortsnamen in
Niederösterreich. (Mitth. der k. k. geogr. Gesell-
schaft in Wien, 1869, S. 279 -286.)
Da«« in dem Lande unter der Enns «eit den ältesten
Zeiten Kelten ansässig gewesen sind, unterliegt wohl kaum
einem Zweifel mehr, würden uns auch die römischen Ge-
schichtschreiber hierüber nicht berichtet haben. Ali die
Körner siegreich in Noricum vordrangrn , fanden sie die
Kelten gewiM «< hon io zahlreichen Ortschaften ansässig,
deren Namen mit der Ausbreitung römischer Cultnr und
Sprache oftmalig romankirt wurden. Goehlert ist diesen
Spuren narbgegangen und hat gefunden , du*« bei Betrach-
tung der räumlichen Ausdehnung der keltischen Ortsnamen
•kh zeige, wie diese zumeist in Gebirgsgegenden und an
den Ufern der Donau und der anderen Flüsse des Landes
Vorkommen, während *ie in den Ebenen der ehemaligen
Viertel unter dem Wiener Walde und unter dem Mnnharts-
berge viel spärlicher erscheinen.
Gonxenbaoh, Laura. Sicilianisclji' Märchon. Aus
dem Volksraund gesammelt , horuuHgogoben von
Otto Hartwig. Leipzig, Engelmann, 1870, 8°.
2 Bände.
Graokoslavon , diu, im Königreiche Hellas. (Glo-
bus Bd. XV, S. 189.)
Wie natürlich, antigriechisch.
Griechische und sicilische Vasenbilder , herausge-
geben von Otto Benndorf. (Allgemeine Zeitung
vom 16. Juni 1869, Nr. 167, Beilago.)
Gubornatis, A. do. Storia comparata degli usi
nuziali in Italia e presso gli altvi popoli indo-
europei. Milano, E. Treves. 1869, 8*. 220 pag.
Haeseler, CbarleB H. Across the Atlantic. Let-
ter» from France, Switxerland, Gurmany, Italy
and EnglamL Philadelphia 1868, 8°. 398 S.
H&rborts, H. Deutsches Land und deutsches Volk.
„Sonntagablatt“ (herausgegeben von Fr. Duncker),
1869, Nr 44.
I. Volksleben in Ostfriesland.
Hazlitt , W. Carew. English pro verbs. London,
Russell Smith, (869, 8®. 505 pag.
Hartogh Heys van Zoutc veon, EL De voorhisto-
rische Mensch in Europa. ’sGravenhage 1869,8*.
Henrich, H. Mittheilungen über Spanien. (Glo-
bus Bd. XVI, S. 71—73, 87—90.)
Henrich, H. Die Maja und die Cigarrera. Sitten-
bild aus Südspanien. (Globus Bd. XV, S. 247 —
250, 267—270.)
Hervet, E. I/Etbuographio de la Pologne. Notice
sur les travaux de Madame Severine Duchinska,
lue * la Societe d?Kthnographie de Paria datis *a
Seauce du 15 Mars 1869. Paris 1869, 8°. 488.
Joyce, P. W. The origin and history of Irish
nawes of placea. Dublin 1869, 8°.
Kalisch, Ludwig. Fahrten in der europäischen
Türkei. (Kölnische Zeitung 1869.)
1. Ku«t*chuk. II. Die bulgarischen Aufstände. UI. Mid-
had Pascha.
Kattner, Etwart. Zustände, Kämpfe und Leiden
iu den deutschen Ostseeprovinzen. (Unsere Zeit
1869, II, S. 561—582, 667—686, 921—948.)
Auf («rund des neueren, ziemlich stark angebsufteo Ma-
terial cs ausgearbritete Aufsätze, die grosse Sachkenntnis*
verrathen. Auch hier wohnen wir wieder dem erbitterten
Kampfe zwischen zwei ethnologisch verschiedenen Elemen-
ten bei: dem ^ennanischrn und dem «Uvischen.
Kelsiew, W. Galizien und Moldau. Roisebriefe.
St- Petersburg 1868, 8*. 251 S. (Russisch).
Krause, Dr. J. H. Die Byzantiner des Mittelalters
in ihrem Staat«-, Hof- und Privatleben, insbeson-
dere vom Ende des 10. bis gegen Emde de» 14.
Jahrhunderts nach den byzantinischen Quellen
dargestellt Halle 1869, 8*.
Empfehlenswcrthcs Buch , welche* mit seltener histori-
scher Gründlichkeit ein Volk schildert, dessen Geschichte
bisher so stark vernachlässigt wurde. Eine ausführliche
Recensiou siehe in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom Juni 1669, Nr. 159.
Digitized by Google
175
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Kulemann, Rud. Die Zigeuner. (Unsere Zeit
1869, I, S. 843—871.)
Ein im grossen Ganzen s*hr danken» wertlier Aufsatz, welcher
so ziemlich Alles resurairt w« wir Über dies«! riLhselhnJlr,
aus Indien zu uns gekommene Volk wissen, ln manchen Punk-
ten müssen wir dem Autor indes« streng entgegrutreten. Wir
kennen die Zigeuner gleichfalls aus eigener Anschauung, und
glauben ganz im (Gegensätze zum Verfasset, durchaus nicht
an die Möglichkeit ihren Charakter umzubilden. Wir
kennen Zigeuner, die man vollständig civillairt nennen darf,
die sieh mit Gesrhirk im sehwanen Krack bewegen; sie
bleiben aber doch immer Zigeuner und verrathen dies je-
den Augenblick. Völlig verunglückt müssen wir den Ver-
gleich mit der Negcrrare betrachten, der auf thataächlicher
Unkenntnis« der Verhältnisse beruht. Dieselbe hat, und
besonders nicht in erster Linie in Nordamerika, keine Zu-
kunft. Alles waa der Autor anfUhrt «tönt die ThaUarhc
nicht um, dass seit der Rmaucipatum der Neger diese sich
m erstaunlichem Mau»«* vermindern. Von den 1865 vor-
handenen 4 Millionen Sklaven leben heute kaum mehr
2 Yj Millionen und e» lässt »ich die Zeit berechnen , wo
kein Einziger Schwarzer mehr im Umonsgebiete leben
wird. Und man verkenne es nicht; es ist dies der grösste
Nutzen, welchen die Union au* der Kegeremandpa-
tion gezogen hat, wenn sie den „schwarzen Bruder* losge-
worden ist, der niemals den Boden der Vereinigten Staaten
hätte betreten sollen , zu seinem und zu dci Landes Heil.
Als Sklave war er das Motiv zu ewigem Zwiste, als freier
Bürger ist er das entsittlichendste Element, welches die
Union in sich aufnehmen könnt*, ln Afrika sind jedenfalls
die Elemente zn seinem Gedeihen vereinigt und wenn er
eine Zukunft hat, so ist es hier. Du Cbaillu bezweifelt
aber selbst dies.
Kurachat, Fried. Wörterbuch der Lithauischen
Sprache. I. Theil; Deutsch - Lithauisch. Halle
1869, 8«.
Lammert, G. Volksmedicin und m edi ei ni scher
Aberglaube io Bayern. Wüntburg, F. A. Julien,
1869, 8«. 273 S.
Landes. Diu Lande«, ihr Boden, ihre Cultur und
ihre Products; die Einwohner und ihre Sitten.
(Globus Bd. XIV, 1868, S. 373—375.)
Landstoinor , Carl. Erntogebrüueke in einigen
Gegenden Niederöaturreichs. („Abendstunden“,
Jahrg. 1869, Heft IV, S. 58—82.)
Landstoinor, Carl. Reste des Heidenglaubens in
Sagen und Gebrauchen des nieder österreichischen
Volkes. Krems 1869, 8°.
Langue. La Langue Wallonne. (Trübuer’s Ame-
rican and literury Record. London 1869, Nr. 51.)
Lesenswerther Aufsatz: das Wallonische ist kein verdor-
benes Französisch , sondern es ist vielmehr so wie dieses
ein Dialect der alten langue d’oil. Dem Aufsätze ist ein
bibliographisches Verzeichn iss von in wallonischer Spruche
geschriebenen Büchern angebängt.
Latrobo, John H. B Hints for Six Months in
Europe; being the Programme of »Tour through
Parts of Franc«, Italy, Austria, Saxony, Prussia,
the Tyrol, Switzerland, Holland, Belgium, Eng-
land and Scotland in the Summer of 1868. Lon-
don 1869, 8®.
Ganz unwichtig. Eine äusserst günstige Hrcension dieses
Buche« »ichi- im Londoner Athenäum, Nr. 2195, vom 20.
November 1Ä69.
Leist , A. Deutsche und elavische Pflanzensagen.
(Globus Bd. XVI, S. 122 — 124, 198—201.)
Luzel,.... Cbants populaires de la Basso -Bre-
tagne, recueillis et traduita. Paria, Franck,
1869, 8°.
Martin. Sur l’clcment rosse en Europe. (Bulletins
de la societe d’Anthropologie de Paria, 2d* serie,
T. in, S. 606.)
Maurer, Franz. Mittheilungun über Bosnien.
(Ausland 1869, Nr. 43, 49, 50.)
1. Die Bosniaken. 2. Die spanischen Juden.
Mauror, Franz. Eine Reise durch Bosnien, die
Saveländor und Ungarn. Berlin, Carl Heymann,
1870, 8°. 431 S.
Verfasser gehört zu jener CUsae von l(ei*ebeschreibern,
welche mit grosser Gewissenhaftigkeit das, was sie wirk-
lich erfahren und erlebt buben, dem Leser mittheilen. Er
verschmäht es durch kleine Kunstgriffe und Selbsttäuschung
seinen Reisebericht auszuschmücken, und doch weis« er den
Leser, dem es darum zu thun ist, sich von Land und Leu-
ten eine klare Vorstellung zu verschalen, an sich zu fes-
seln, und man folgt ihm gern auf seiner Wanderung. Der
Inhalt de» Werkes ist kurz folgender: Durch Oesterreich,
Kroatien, die westliche Militärgrenze, Bosnien, Rückreise,
die östlich* Militärgrenze. Sehr ungenehm berührt der
ruhige, wohlwollende Charakter, von dem der Verfasser
beseelt ist und welcher sich in der ganzen Schilderung von
Land und Leuten bekundet.
Mendelssohn - Bartholdy , Dr. Carl. Die Insel
Kreta und der nationale Krieg gegen die Türken.
(Unsore Zeit 18C9, I, S. 481 — 499; II. 8. 321 —
349.)
Sehr eingehende, auch ethnologisch wichtige Schilderung
der kriegerischen Ereignisse auf Kreta seit Anfang dieses
Jahrhunderts. Verfasser steht auf Seile der Griechen, kann
aber trotzdem nicht umhin , ein dem Charakter dieses Vol-
kes wenig schmeichelhaftes Gemälde zu entwerfen. Was
au# allein hervorgeht, ist, dass auf Kreta ein Raren kämpf
ausgefochten wird, wo der Sieg unserer Meinung nach der
höheren, reineren Race verbleiben wird. Und dir** ist
die griechische sicherlich nicht.
Meyer, Leo. Die Gothiscbe Sprache. Ihre Lant-
gestaltung insbesondere im Verhältnis zum Alt-
indischen, Griechischen und Lateinischen. Berlin
1869, 8°. 780 S.
Montolius, Oscar. Remains fron» the iron age of
Scandinavia. Stockholm 1869, 4°.
Morosi , Giusoppo. Studi sui dialetti greci della
terra d’Otranto, preceduti da una raccolta di
canti, loggende, proverbi e indovinelli nei dia-
letti raedesimi. Lecoe 1870, 4°. 214 pag.
Müller, Friedrich. Beiträge zur Kenntnis« der
Rom-Sprache. Wien, Staatsdr., 1869, 8Ö. Ans
dem Sitzungsbericht« der kaiserl. Akademie der
Wissenschaften.
Digitized by Google
176 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Müller, Gustav. Preussisch-Lithauen and die Li-
tauer. (Globus Bd. XVI, S. 25—28, 59—61.)
Siche darüber noch Ibid. 8. 143.
Ortsnamen. Die geographische Verbreitung deut-
scher Ortsnamen und ihre Beziehung zu den
Wanderungen germanischer Stämme. (Globus
Bd. XV, S. 48—50.)
Patterson, Arthur J. The Magyar», their country
and Institution». London, Smith, 1869, 8°. 2 VoL
Beinsberg -Düringsfeld, O. Frhr. v. Pastrovics
in Dalmatien. (Ausland 1869, Nr. 47.)
Beinsberg-Düringsfeld, Otto Frhr. v. Der Bar-
barossagl.iube. („IllustrirUs Leipziger Zeitung1*,
Nr. 1381, Bd. UH, 1869, S. 499.)
(Ridgway, William). Pictnres of hungnrian life.
London 1869, 8*. 401 S.
Bobertson, J. A. The gaelic topography of Scot-
laud and what it proves explained; witli tnuch
historical, antiquarian and deacriptive information.
Edinburgh 1869, 8°. mit 1 Karte.
Bochat. Sur la degenerescence de certaines races
irlaudaiaes. (Bulletin» de la aoc. d'Authropol. de
Paris, 2d* Serie, T. III, S. 622.)
Bochet. Essai d’une monographie du type du Ro-
main auciun, d'spre» des etudes faites pendaut
uu sejour a Rome gur leR sculpture» antiques et
8ur la population. (Memoire« de la societe d’ An-
thropologie de Paris, T. III, fase. 8, 1869, S. 127.)
Bosini, C. Scene dol vivere romsno. („Nuova an-
tologia di scionze lettere edartia, Anno IV, 1869,
fase. IX Settembre.)
Bougemont, Frod. de. Die Bronzezeit oder die
Semiten im Occident. Deutsch von C. A. Keerl.
Gütersloh 1869, 8®.
Diese IMicrscLzanjc de» vor zwei Jahren erschienenen
wichtigen Werke« von Rouge di ont Ist vom Verfasser
selbst betrSchtliih vermehrt and durchgesehea worden.
Eine kuite aber faehgemksee Besprechung siehe Ausland
Nr. 41. s.
Bubhou, die, und Livland. .Beilage zur Allgemei-
nen Zeitung vom 21. August 1869, Nr. 233.)
Russland. Die Dcutschenlressor in Russland. (Glo-
bus Bd. XVI, S. 138—140.)
Saint Clair und A. Brophy. Residente in Bul-
garin; or, note» on the resources and administra-
tion of Turkey, the condition and character, man»
ners, custotns arid language of the Christian und
mussulman |>opu)ations , with refereuce to the
Eastern question. London 1869, 8°. 442 S.
8ax, C. Geographisch-ethnographische Skizze von
Bulgarien. (Mitt.h. der k. k. geogr. Gesellschaft
in Wien, 1869, S. 449—482.)
Nach amtlicher türkischer Angabe und eigener An*
»chauun,' behandelt der Autor kurt die wioiinUtralive Ein*
theiluug , die Gewisser , Gebirge and Landesprodacte , •©-
dauu ausführlicher die Bevölkerung nach ihren statistischen
und ethnographischen Verhältnissen, endlich die Orts künde
und die Communicationen de» Donau- WilajeU.
Schatr.mayr, Emil Nord und Süd. Geographisch-
ethnographische Studien und Bilder. Braun-
schweig, H. Bruhu, 1869, 8°. VI und 162 S.
Nach dm trefflichen Vorarbeiten von Riehl, Kutsen,
Daniel und Gude zur deutschen Landeskunde, war es
nicht schwer eine Schuft über deutsche Verhältnisse und
Menschen ahxuiasscn, die nicht allzu gelehrt und doch auch
nicht gar zu tlach wäre. Indes« wollen wir da« Verdienst*
liebe au diesen „geographisch * ethnographischen“ Studien
keineswegs unterschätzen. Trotz allen Gemeinplätzen und
Trivialitäten, die man mit in den Kauf nehmen muss, wird
diese Schrift ihren Weg narhen, denn sie bringt gar Man-
cherlei de* Alten und Neuen, auch viele recht gute Beob-
achtungen und glückliche KinfiiJc.
Schlangonverehrung in den Pyrenäen. (Globus
Bd. XVI, S. 80.)
Schneller, Christian. Ueber die volkamundart-
liche Literatur der Romanen in SüdtyroL (Im
Programm XX de» k. k. Staats -Gymnasiums zu
Innsbruck 1869, S. 3 — 20.)
Beeten, die, der Duchoborzen und Malakanen in
Russland. (Globus Bd. XVI, S. 273—280.)
Siebenbürgen. Eine Rückschau. (Beilage zur
Allgemeinen Zeitung vom 28. August 1869, Nr.
240, 29. August, Nr. 241, 30. August. Nr. 242.)
Ethnologisch interessant. Die Zahlen Verhältnisse der «n-
zrlnen TolkldilUU stellen sich wie felgt: Ungarn 300*000,
Sxekler 210 000, Sachsen 200 000, Walachei» 1*110*000.
Skizzen aus der kleinen Walachei. (Globus Bd. XV,
8. 289—296, 321—328.)
Stark, F. Keltische Forschungen. I. Keltische
Namen im Verbrüderungsbuche von St. Peter in
Salzburg. Wien 1869, 8°. 2 Bde.
Stoub, Ludwig. Ueber deutsche und zunächst
bayerische Familiennamen. (Beilage zur Allge-
meinen Zeitung vom 28. September 1869, Nr. 271,
29. September, Nr. 272, 5. October, Nr. 278,
6. October, Nr. 279.)
Stuhlmann, C. W. Sympathien und verwandte
abergläubische Gewohnheiten in Mecklenburg.
(Globus Bd. XV. S. 242-246.)
Sehr ausführlicher, lesenswert her Aufsatz.
Sutermeister, Otto. Dio schweizerischen Sprich-
wörter der Gegenwart. Aarau, J. J. Christen,
1869, 8°. XII und 152 S.
Talvy,.... Die Kosaken und ihre historischen
Lieder. („Westermann’a illustrirte deutsche Mo-
natshefte- 1869, Heft VIII, S. 467-474.)
Thomson, Dr. Willi. lieber den Einfluss der ger-
manischen Sprachen auf die finnischlappischen.
Eine sprachgeschichtliche Untersuchung. Aus
dem Dänischen übersetzt von E. Sievers. Halle
1869, 8®.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
177
Nicht allein di« Sprachforscher, sondern auch die Kthno-
logen und Historiker können aus diesem Werke des jungen
dänischen Gelehrten etwas lernen- llei der überaus grossen
Zähigkeit de« finnischen Stamme« dürfen wir uns nicht
wundern gar alte germanische und lithauische Laut- und
Wortgebilde im Finnischen wohl eiskalten zu «eben; aber
nirht bloss sprachliches Fremdgut hat «ich in alter Gestalt
hei den Finnen erhallen , wir linden eine ganze Reihe der
schönsten «Itgefmanischen Mythen mehr oder minder kennt-
lich auf finnischem und esthnischem Buden verbreitet,
während dieselben auf germanischem Boden längst verhallt
sind.
Thüringerwald. Die slavischen Ortsnamen des
Thüringerwalde« und der umliegenden Gegenden.
(Ausland 1869, Nr. 29.)
Tobler, T. Alte Dialectproben der deutschen
Schweiz- St. Gallen, Huber, 1869, 8°.
Toscana, Ludwig Prin* von. Die Balearen, in
Wort und Bild geschildert. 1. Bd. Die alten Pi-
thyuxen. Leipzig 1869. Fol., 310 S. mit 50 Ta-
feln in Farbendruck, 2 Tafeln in Holzschnitt und
40 in den Text gedruckten Holzschnitten. (Nicht
im Buchhandel.)
Vor unseren Augen liegt ein Band seltener Schönheit
und Vollkommenheit. Von Reiselust getrieben und ausge-
stattet mit gründlicher wissenschaftlicher Bildung besuchte
im Sommer und Herbste 1867 Erzherzog Ludwig von
Toscana die wenig gekannte Inselgruppe der Balearen. In
dem vorliegenden Werke — einem Prachtwerke ln des
Wortes vollster Bedeutung — giebt der in Anonymität
»ich hüllende Autor eine Monographie jener Eilande , die
auf mehrere Binde berechnet erscheint; denn hier sind
bloss die alten Pllhyusen, nämlich Iviya und dos kleine For-
mentern abgehandelt. Nicht zu viel verspricht das Titel-
blatt, welches sie in Wort und Bild geschildert sein
lässt; in der Tbat hat der geübte Stift des Prinzen mit
rastluser Emsigkeit Funkt um Funkt, Seencrie um Scenerle
auf das Fapier geheftet und sich alle» dessen bemächtigt,
was ihm typisch, eigentümlich erschienen und xura besse-
ren Verständnis* der schriftlichen Darstellung forderlich
däuchtc. Die technische Ausführung dieser Skizxen lässt
keinen Wunsch übrig. Rote da» Buch nichts andere* als
diese künstlerischen Beilagen, es wäre Verdien*! genug;
wer jedoch mit dem eigentlichen Inhalte selbst nähere
Bekanntschaft macht, bt freudig erstaunt, auch hier des
Neuen , Interessanten , Wissenswürdigen so viel zu linden,
als es »ich kaum von irgend einer Monographie erwarten
lässt. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit betonen , da.«*
da« Inhaltliche dieses Buches in Fetertusnn’s Geogra-
phischen Mittheilungen 1186$) eine ebenso anerkennende
als schmeichelhaft« Kritik erfahren hat. In der That wird
man auf jeder Seite gewahr, wie der Autor noch eigener
Beobachtung und Anschauung schildert, wie er nach allen
Richtungen hin forschend mühsam die Detail* zusammen-
getragen hat zu seiner umfassenden Arbeit. Die Fauna
und Flors, die Kigenthämllchkeiten des Bodenreiief» so wie
jene der Sitten und Gebräuche der schlichten Inselbewohner
werden mit gleicher Gewissenhaftigkeit, mit gleicher Liebe
und Sorgfalt behandelt , dem Leser ein nach jeder Bezie-
hung hin erechöpfendes Gemälde jener einsamen Ingel lande
entrollend, in klar fasslicher, gewandter Sprachweine, nicht
ohne einen gewissen poetischen Hauch, welcher wissen-
schaftlichen Arbeiteu auf dem Gebiete der Erd- und Völ-
kerkunde einen ganz besonderen Reiz zu verleihen pflegt.
Mit Einem Worte, das Buch ist uubaetreitbar das Beste
und Vollständigste was jemals über die Balearen überhaupt
geschrieben wurde , und es bleibt nur zu wünschen , da*.*
der Autor sich entschlossen möge, durch eine billige Volks-
A ehir ftlr Anthropologie, hd. IV. Haft II.
auagabe wenigsten* den Text dem gr#**cn Publikum zu-
gänglich zu machen.
Tozor, H. Fanshaw©. Researches in the High-
lands of Turkey; including Visite to Mount Ida.
Athoft, Olympus and Pelion, to the Mirdite Alba-
niens. London 18C9, 8°. 2 Vol.
Völkerkart©. Auf der ungarischen Völkerkarte.
(Presse vom 18. Januar 1870.)
Voratman, R. Volksfesten. Levden. Jac. Hazen-
berg, 1869, 8°, 50 S.
Warsberg, Alex. Frh. ▼. Ein Sommer im Orient.
Wien 1869, 8°.
Unter den zahlreichen Reisewftkcn , di« über den Orient
vorliegm , i*t un« kaum ein* vor Augen gekommen, wel-
che* bei gleich nuziehender Darstellungsgahe m> viel in*
structiv Belehrende* böte. Es ist eine Apologie der viel-
fach verkannten Zustande de* Osmnneiireiche» im Gewände
ebenso würdevoller als auf gründlichster Durchforschung
der Verhältnisse beruhender Mässigung. Da» Resultat der
darin medergrl egten Beobachtungen , für die grosse Mehr-
zahl völlig neu, dünkt uns im Grossen und Ganzen eine
ebenso gelungene als glänzende Ehrenrettung des „kranken
Mannes“. Au» Warst erg’» Buch kann man viel lernen,
mancherlei Vorartbeile werden dadurch zerstreut und be-
schwichtigt. Eine eingehende Rcceusion siehe in: Wissen-
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 1869, Nr. 56.
Wattenbach, W. Eine Ferienreise nach Spanien
und Portugal. Berlin 1869, 8°. 348 S.
Um diesem Buche gerecht zu werden, darf man nie ver-
gessen, dass der Verfasser nur giebt, wo* ihm bei flüch-
tiger FerienreUe auf- und cinfiel; vom eigentlichen Volks-
leben kann er, wie er selbst sagt, wenig berichten. Ein
Virtuose im Reisen und Beschreiben ist er eben nicht. In
Spanien fand er sich offenbar weniger leicht zurecht als ln
Portugal; der Aufenthalt in Lisoatan, Cintra, Oporto u. s. w.
ist ungleich gehaltreicher ausgefallen ah jener in Madrid,
Barcelona, Valencia, wo er wenig Glück hatte. Im Ganzen
aber lautet »ein l'rtheil über die Spanier nicht ungünstig.
„Man hat4*, schreibt er am Schlosse, „auch in Spanien
angefangen zu arbeiten und nachzudcnkcu , man hat viel
gelernt aus der Geschichte der letzten JabrxeliiMuIe , und
ich will es hier noch einmal wiederholen, da« es ein gro-
ber Irrthum Ist, wenn das spanische Volk als verkommen
und abgestorben bezeichnet wird. Bevölkerung, Anbau,
Gewerbe , Wohlstand und Bildung , Alle* ist in einem ste-
tigen und bedeutenden Aufschwünge begriffen , der sich
durch Zahlen schlagend narbweisen liaat und der viel mehr
in die Augen fallen würde, wenn man nicht eben gar so
viel nachzuholer» hätte“.
Waugh. Edw. Irish sketches. Manchester 1869,
8°. 130 S.
Woinhold, Dr. Carl. Die deutschen Monatsnamen.
Halle 1869, 8®.
Wcsko, M. Esthnische Volkslieder. „Europa“
1869, Nr. 24.
Wiedemann, F. J. Die E-<<then insein in den let-
tischen Kirchspielen Marienburg und Schwane-
hurg in Livland. Ein Nachtrag zu dem Artikel
des verstorbenen Akademiker» Sjögren vom 11.
Juli 1849 „Zur Ethnographie Livlands.“ (Bul-
23
Digitized by Google
178
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
letin de FAcad. Imp. des Sciences de St. Peters*
bourg, Tome XIII, Nr. 5, S. 497 — 524.)
Vorzugsweise linguistischen Inhalts.
Zerboni di Spoaetti, W. A. v. Bukarest und
«eine Bewohner. (Unsere Zeit 1869, II, S. 278 —
304.)
Sehr lebhaft*, anziehende Schilderung der «»cialen Ver-
hältnisse iu der rumänischen Hauptstadt; auch ethnogra-
phisch sehr interessant.
Zustände im Königreich Hellas. (Globu» Bd. XVI,
S. 11 — 13.)
Asien.
(Von Dr. Bastian.)
Andrco (K.). Die Yerkehrsverh<uisse in Cen*
tralusien. Der Welthandel, 1869.
Andrea (R.). Die Nippon fahrer. Leipzig 1869.
Armiuijon. II Gi&ppone. Genova 1869.
Aroaud. La PaleBtine ancienne ot moderne. Strass*
bourg 1868. Les Armeniens dans FArmenie
Turquo. Bullet, de la Societe de Geograph.,
Novembre 1869.
Le« manage* M»nt , pcur la plupart, d'une merveilieaae
flconditfr. Beaucoup de femrne* onl , A t reute ans, une
disaine d’eut'anU.
Anaelori. La Persia descretta. Napoli 1868.
Baker. The rifle and the honnd in Ceylon. Phi-
ladelphia 1869.
Balwin. Prehistoric nations. London 1869.
Bastian. Die Völker des östlichen Amerika.
Bd. V. Jena 1869.
Boal. Travels of Fa* Haan and Sung-Yun, transl.
fr um the Chinese. London 1869.
Beooari. II commercio Chinese nel 1865, Cenni
geografici, 1869.
Beicher, Sir E. Stone implements from Rangoon.
Report of the 39 Meeting of the Br. Ass. Exeter
1869.
Nur angexeigt.
Bell. The Oxus and the Indus. London 1868.
Boke. The Habitation of Abrain. Athen. Nr. 2162.
Benoist de Grandiero. Souvenirs de Campagne
ou les ports de Fextrcme Orient, dübuts de l’Occu-
pation franyatee en Cochinchine. Paris 1869.
Bjoerkland. Eequisses de voyage en Transcau-
ca»ie, trad. de Fallern, par J. Laverriere. Paris
1869.
Biancardi. Brani di nna lettera da Hongkong.
Bullet, della Soc. geogr. ital., Fase. 3.
Bidie. On the Effects of foreHt destruction in
Coorg. Proceed. of the R. Geogr. Soc., VoL III.
Bickmore. Sketch of a journey from Canton to
Hankow. Journal of the R. Geograph. Society,
Vol. XXXVIII.
Bickmore. Travels in the East Indian Archipe-
lago. London 1868.
Bowers. ßhamo Expedition. Rangeon 1869.
Braun. Die Grotten der Tbemud. Ausland 1869,
Nr. 4.
Brocklehurst. The Sooroo Route from I.eh to
Cashmere. Alpine Journal 1869.
Beames. On the Magar language of Nepal. Jour-
nal of the R, Anthrop. Society.
The Magar i* a languagr of the Tibetan family, and the
race who »peak it probably cunie originaltr from the ncigh-
bourhood of Lhasa, in Kantern Tibet (having Icft their ori-
ginal hoine» before the pronuuciatiOD of D-Taang, the pro-
vince of «hieb Lhasa in the capital, and Kham had decli-
ned in auy marked degree from the dassicol Standard).
Kalling under tJhoorka inllueoc-o a* they advanced we»t-
wnrd», they added to their voembulary a large number of
Hindi word», and Soma intiections, so thal we bare Tibetan
gramtnatical idcas carried out with halb Tibetan and Aryan
material*, as well ns Hindi grnmmaLical idea» carried out
with Aryan and Tibetan tnuterials.
Bradley. Bangkok Calendar (1868). Bangkok
1868.
The ProvtncM and States of Siam. Journey to and from
Cheangmai. A trip of the fall« of the Menam. Tribnte trees
of gold and silver Lao* State» tributary to Siam. Männer
and customs of the Cheangmai Laos. Near and dialant
tnember* of the Royal family etc. etc. etc.
Bort. The Land and it« story or the sacred hi-
storieal Geography of Palestine. New York 1869.
Bush. Pony Ride in Kamschatka. Overland Mail,
San Francisco 1869.
Büchele. Japan. Der Welthandel, 1869.
Braun. Gemälde der ruohammedauiseken Welt.
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1870.
Durch die im östlichen Theil de* NwairiergebirgM woh-
nenden Seelen der Ixmaelier führen die Naxairicr, deren
StiAer iro Osten die Burg Xassaria bei Kufa bewohnte, auf
die Karmaton oder Ismaeller zurück.
Campbell, G. On tho Races of India, aa traced
in existing tribes and castes.
Die al* vernichtet geltenden Kschatryas mögen noch in
den Katree» des l'unjaub zu erkennen »ein. Small in
number tut they are, it i* perfecily axtonishing how pro-
minent individual» of them harr heen in the histary of
different parts of India. Name u dtstinguished Hindoo and
there srem» to be a very great probability , that he will
turn out to be a K bat ree. They wer« the braina and .i*
Digitized by Google
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
recting gentus of the whole Sikh power, a very lurge Pro-
portion of Runjeet Sing’# goveruon» (he of Multnn &od
others) were K hat ree*, Akber’s linanee minister, Todar
Mull , famous for the settlcment of Bengal and other pro-
vinces, was a Khatrre, Chandroo Lall, the uotorious mini-
ster of the Nizam, wu n Khatree, so was Jotee Perahad,
the well koown commivumat contractor of Agra. ln Mo-
gul time* a K hat ree wm Oothw of Badakahan, beyond
the Himainyiu, and many others might bc nntned.
Campbell, Dr. A. Od the Lopchas. Journal of
the R. Soc. of London, VoL I, 1869.
Die Le|tcbas tbeilen «eh in die Hong (von jeher in Sik-
kim) und in die Kliamba, die von jenseits der tibetischen
Berge aus Kbaiu ei nge wandert.
Carne, de. Le royanme du Cambodge. Revue dee
dcux Mondes 1869.
Carne, de. Exploration du Mekong. Rfivue des
deux Mondes 1869.
C&samian. Voyage faite ä l’ile de Bourbon par
Philippe Petit- Radel en 1794. Bulletin do la
Society des Sciences et des Arte de la Reunion,
Annee* 1865—1866.
Ceccaldi. Decouvertes archeologiques de Chypre.
R^vue archüol, Nouv. Ser., T. XIX, 1869.
Chunder (Bholanauth). The Travels of a Hin-
doo to various parts of Bengal and Upper India.
London 1868» 2 Vol«.
Clark. On the Connection of the Prehistoric and
historic ages in Western Asia. International
congress of Preh. Arch. 1868,
Cortambert. Note sur le Sundarban. Bullet, de
la Societe de Geograph., Aoüt 1869.
Noch Bloch wann scheint die Entvölkerung den Sun*
darban (von Rainey ul« schöner Wald erklärt) mehr den
Mugs uml Portugiesen, als den Cv cloneu zur uschreihen.
Cotta, v. Reise nach dem Altai im Jahre 1868.
Ausland 1869.
Cotta. Die Steppen Westsibiriens. Ausland 1869.
Delitsoh. Darschilling. Aus allen Welttheilen
1869.
Dickson. Japan. London 1869.
Kinrehcndc Mittheilungan über die staatlichen Zustande.
Doagodins. Extraits de lettres (Teha-man-tong,
tribu dos Arrous). Bullet, de la Soctätt: de Geo-
graphie, 1869.
Outre 1« Grand Chef («ur le Lan-Uan -kiang) qui e»t
ordinairrment un Mos*ot Im Lissou ont encore de petita
chefs indieenc». Die Zauberer (Mou-ma) der Loutze ver-
treiben die bösen Geister.
Elliot. On the Population of India. Journal of
the Ethnol. Society, Vol. I, Nr. 2, 1869, July.
Wie der Gond- Stamm der Gottas begraben die Arriyan
oder Malai-aniaar (in Travaacore) iu Cromlech, gleich denen
in Coitnbatore, aus vier Steinen und einem bedeckenden
aufgerichtet. Die Pandu - Kulis genannten Gräber in S6d-
Indien werden den , meist buddhistischen Hirtcustämmeo
zugeschrieben.
179
EUiot. On the Sepulchral Romains of Southern
India.
Die (länglichen) Pandu -Kulis sind oft durch eine ‘Stem-
plet* ‘Q Kammern getheilt. Neben den Topi-K;il*
(Mutzensteine) finden sich die Kodi-Kal (Kodi oder Schirm)
mit unterirdischen Kammern (an der Malabai^Küste). Die
(unter horizontalen Steinen) stellenden Urnen der dm Cu-
rumbar« (die als Buddhisten von dem Chola-Könlg Tanjore's
bekriegt wurden im VI. Jahrhundert v. Ohr.) zugrschrie-
benen Denkmale der Neilgheri-HögeJ enthalten: fragmenls of
hurnt bone, gold Ornaments, mctal cup« and tazzos, iron
(or more rarely, brooze) impleuicnts, as knivr«, *pear-
beads, aickles, razor» etc., roized with a little fine black
or brown mould.
Franks. Stone age en Japan. International Con-
greaa.
Die besonder» auf Niphon gefundenen Steinsachen (l»ar-
bed arrow heads with or without iaugs, spindle formed
spear heads, knire» or sernper», and axen or cclta) werden
von den Japane»eu als Reste mythischer Heldenzeit ge-
schätzt,
Favre. Not« eur la langue des aboriginoa de l’ile
t ormose. Bulletin de la Sociute de Geographie,
V. Serie, T. XVI.
Feer. Le* peuplades 'du Brahmaputra et d’Ira-
vadi. Revue de* Cours littur., Nr. 45, 1869.
Fiedler. On the Ri*e, Progress and future Pro-
epects of TcaCultivation in British India. Jour-
nal of the Stat. Society, Vol. XXXII, 1869.
Foote. On Quarzite Implements of Palaeolithic
Typua from the latente Formation of the East
Coast of Southern India. International Congress
of Prehistoric Archaeology, 1868.
Forsyth. On the Transit of tea from North-
Wost-India to Eastern Turkestan. Proceed. of
the R. Geograph. Society, Vol. XIII, 1869.
Frenoh. The Russo - Indian Question. London
1869.
FreBhflold. Travels in the Central Caucasus and
Baehan. London 1869.
A false Impression in given by de-cribing the ruin6 of
Bozrah , Kunawat , Sawesdeh and Shuhba , in fact those of
K»nian provincia) towns, as Giant citie*. It is not of Og,
Hut of tbc Antonincb, not of the Israelitist but of the
Saraccnic conquest, tbat raost modern travelJer* in the
Hauraa will bc reminded,
Freshfiold. Besteigung des Kasbeck und ElbruH.
Ausland 1869.
Freyer. A fow words concerning the hill people,
inhabiting tbe forest* of Cochin State. Journal
of the R, A». Society, New Serie III, 1868.
Foeberry. On some of the Mountain tribea of the
N. W. Frontier of India. Journal of the Ethnol.
Society, Vol. I, pag. 2, 1869.
Die Leah Posh Kahr schwören den Eid bei feierlichen
Vergleichen über einem als Zeugen aufgesetzten Steine.
Garnier. Voyage d’exploration en Indo-Chinew
Revue marit., T. XXV, 1869.
23*
Digitized by Google
180
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Qarnier. Une episode des voyage* de la Commis-
sion franyaise dans Flndochine. Revue des couxs
litteraire, 1869.
Garnier. Nute sur l'exploration du cours du Cam-
bodge. Bullet, de la Soc. de Geograph., V. Ser.,
T. XVII, 1869.
Gapp, Les connaiasances geographiques des Chi*
noin. Anuales de» Voyages 1869, T. III.
Nach den Mtttheilungeu SkatschkoTs von dar kaiaerl.
Geographischen Gcnelbchaft zu Petersburg.
Gardner. Kotes ou a Journey front Ningpo to
Shanghai. Proceed. of the K. Geograph. Society,
Y«L XIII, 1869.
Gaudry. Geologie de File de Chypre. Extrait.
do Mem. de la Soc. Geolog, de France, 2‘1" Ser.,
T. VII, 1869.
Gormain. Quelques mots sur FOman. Paris 1869.
Gimelle. La Cochiuchine geogrnphique et medi-
cal e. Paris 1869.
Glardon. Mon voyage aux Indes orientales. Lau-
sanne 1869.
Girard, France et Chine. Paris 1869, 2 Vols.
I*s Chino» ont k uint biuanc , la t.;t« »jiheriqne , le
front decouvert *t fuyant, le vUnge plot et <*n losange,
le» reus noir», le» paupiere* oblique», les xmrcil» relevfs
ä leur» eztremlks, (e nez aplatl i la rächte, et le» nun ne»
feartee», U bouche mcdiocre, le» levre» epai»»e«, »an» etre
proeudnenteH m IVure» , le» deuta inckive* vertical« , le»
oreille» grande* et dftacMe», la bnrbe rare, et le» cheveux
noir» et lukanU. Leur taille est moveune et par la pe-
titesae des pied», des rnaias et de* os, ils resaetnblent & la
plupart de* Asintique». Ausai faut-il un oeil eierte pnur
ie* dktinguer de* klantcbou«, que In conqucte i mele»
panui eus.
Goldamid. Report on a Overland Journey from
Bagdad to Couatantinopel. TransAct. of the Bom-
bay Geograph. Society, VoL XVIII, 1868.
Goodenough. Letter on Route« between Upper
Assam and Western China. Proceed. of the R.
Geograph. Society, ToL XII, 1868.
Grandidier. Vovage dans lee provinces meridio-
nale* de Finde. Le Tour du Monde, Kr. 470.
Guerin. Vocabulnire du dinlect Tayal. Bullet, de
la Society de Geograph.. V. Serie, T. XVI.
Gutschmid, v. De Temporum notis quibus Eu-
sebius utitur in Chronicis Cauonibua. Kiliae 1868.
Summnm corum quae disputavimu», ita complecteumr, ut
praeceptum tnulnmus annorum Ku*ebianoruiu tum usita-
tioribu» cakuli» rotte romjHmendornin.
Guerin. La description de Philistie. Paris 1869.
Die Hy]x>tb«»e , welche die Casludum , von deuen die
Capthorim und Philister stammten, in dn* Nildeltu »eUt,
erhält Beitall.
Hägor. Die Bugineaen. Ausland 1868, Nr. 15.
üüntzBcko. Spocialstatistik von Persien. Zeit-
schrift der Berliner Gesellschaft für Erdkunde.
1869.
Von den fünf Millionen der Einwohner sind 30 Procent
Noutiuleu, 30 Procent Stldtebe wohncr , 40 Procent Land-
bewohner.
Hayward. Route frorn Jellalabad to York and
through Chitral, Badakslian, and Pamir Steppe.
Proceed. of the R. Geogr. Soc., Vol. XXXVIII,
1869.
Haug. Charakter der Pehlewi-Spracho. Sitzungs-
herichto der königlich Bayerischen Akademie der
. Wissenschaften au München, 1869, Bd. I, S. 2.
Die Pehl*wi»cbrift ist bis ins drill«* , die Sprache selbst
bi* ins vierte rorchrist liehe Jahrhundert hinauf zu ver-
folgen.
Hellwald. Die Russen in Ceutralasien. Eine hi-
storisch-geographische Skizze mit einer Ueber-
siehtskarte. Wien 1869.
Von den verschiedenen Zielen, die Pumland in Asien
verfolgen kann , ist da» sicherste das Erstreben der Han-
del* * Hegemonie in Asien und damit der Eintritt in den
Welthandel.
van Hedemann. Schets van de bewerkiug en de
huishoudelijke inrichting der tinmijnen op Bil-
liton. Tijdschr. van Nederlandsch Indie 1869,
Deel II.
Henning. Abriss der Geographie Palästina«. Pro-
gramm des Gymnasiums zu Graudenz, 1868.
Holland. On the Peninsula of Sinai. Journal of
the R. Geograph. Society, Vol. XXXVIII, 1868.
Holland. Kecent Exploration» in the Peninsula
of Sinai. Proceed. of the R. Geograph. Society,
Vol. XIII, 1869.
Holländer, de. Aardsikjsbeschrijving van Xeder-
lan tisch Oost-Indie. Amsterdam 1866.
Huc. Souvenirs d’nn voyage dans la Tartario et
le Thibet (1844 — 1846). ö,B* Edition. Paris
1869, T. I.
Humbort. Le Japon illnstre. Paris 1870.
Die Besiedelung der von Aicioe bewohnten Inseln wird auf
die warmen Strömungen de* Südens, die von der Meerenge
Malacca» und Sundnx her , die japanischen Küsten treffen,
zurückgeführt , indem auch di«* ersten Entdecker der Por-
tugiesen (1642), »owie (1645) Pinto auf solchem Wege
dortlau gelangt »eien.
Hydo Clarko. On the Progress of Turkey. Rep.
of the Br. As-, 1868.
Jackson. The Aryan and Semite. Anthropologi-
c«l Review, 1869.
Ibn Da«ta. Berichte über die Chazaren, Burtassen
Bulgaren, Madscharen. Slaven und Russen. Pe-
tersburg 1^69.
Jagor. Grabstätten zu Xipa-Nipa. Zeitschrift für
Ethn.. Bd, I, 1869.
Jonkina. Kotes on the Burmese. Route from As-
Digitized by Google
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
»am to tlie Hookong Valley. Proceed. of tbo R.
Geograph. Society, Vol. XIII, 1869.
Jephson and Elmhirst. Our life in Japan. Lon-
don 1869.
John, St. On the Elevation of the Country be-
tween Bushire and Teheran. Journal of the R.
Geograph. Society, Vol. XXXVIII, 1868.
Jonge , de. De opkomst van det Nederlanduch
Gey-.ag en Oost-Indie. s'Gravonhuge 1869.
Juillard. Souvenirs d’un vovagc en Chine. Mont-
beliard 1869.
Keyaer. Reizen over Java. Tijdschr. van Neder-
land&ch Indio 1868, Deel II.
Khanikof, do. Samarkand, llullut. de la Societd
de Geograph., V. Serie, T. XVII, 1869.
Khanikof de. Instructions doniukm ii M. Deyralle
pour un voyage dans le Laztatan et l'Adjara.
Bulletin de la Socict« de Geographie, V. Seide,
T. XVII.
Kind. Bilder aus Griechenland. Die Natur, 1869.
Kiepert. Ueber ultceto Landes- und Vorge-
schichte in Armenien. Monatsberichte der Berliner
Akademie der Wissenschaften 1869.
I)an ursprüngliche Verbrriiungt^biet de« echt armeni-
schen (d. h. de« von Medern uiul Ferkern zimichnt mit
dem N .mit! u Anninu bezeichnet«!], in der eioheimU-chen
Tradition durch Anuenak von Haik abgeleiteten! Stamme»
«eigt sich beachränkt auf das mittlere Stromgebiet de«
Araxes oder die Kbene Airarat mit den si« unmittelbar
im U»t, Nord und West umgebenden Berglnndschaften.
Kiepert. Bemerkungen über die Erklärung des
Rückzugs der Zehntausend. Zeitschrift der Ge-
sellschaft für Erdkunde, Bd. IV, S. 6, 1869.
Die Skytliinen könnten ein« dem in vielen Stimmen
ab Soldtruppen im Perserreich« dienenden Skvthcnvolke
augehörige (’olonie «ein, die von «ien Königen zum Schot«
de« Bergwerksdisiricte* angesiedclt war.
Knowlton, The Population of the Chinese Em-
pire. Notes and Qoeries en China and Japan,
Vol. II, Nr. 6.
Kohl. Die Ueberlandrouten aus Indien nach China.
Ausland 1869.
Koordera. Jets uit de Xiilatenshap van Rapporten
over Soedaneeche Volksboekjef . Aanteekeni ngen op
een Reis door Zuid- Bantam. Reis door Soekapara,
Bezoek by de Badoes. Reis door Tjirebon. Loos
opmerkingen op een Uitstapjcn door de Zuide-
lijke een Weetelijke Districten van Tjandjoer.
Tijdschr. tot Tital-, Land- en Volkeskunde, Nr.
2—3, 1870.
Laude. Etudes statistiques «nr la population des
etablissements de Pondichery et de Karikal. Pon-
dichery 1868.
Lejoan. Excurrion h la reckerche de Gordium.
181
Bullet, de la Sociätä de Geograph., V. Serie,
T. XVII, 1869.
Lemere. Cochincbine fran^aise et Royaumo Cam-
bodge. Paris 1869.
Lemere. Coup d’oeil aur la Coch inchine et le
Camhodge. Annales des Voyages , Fevrier 1869.
Tou« 1« an* la crue de« eaux commence ver* le ha
d’Avril «i rinoodation *e r£pnnd par un« multitudr «Par-
royo* (ju«4|u*au mois d’Octobra). Ce»t poimjuoi le« mai*
Cumbodiiiennc«, «ont con*truita sur pilot ih. A Phnom-
penh, le uiveau de Beau «’elev« <Pane dizaine de metre*.
Van Lennop. Asia minor. London, Murray,
2 Vol.
Loch (H. Brougham). Personal narrative of ac-
cideoti during Lord Eigins second Embassy to
China. London, Murray.
Login. Roads , Raiiways and Canals for India.
London 1869.
Lombard. La terre de ßascac. Le Globe 1868.
Lynch. Lotter on Consul Taylor’s Journey to the
Source of the Euphrates. Proceed. of the R. Geo-
graph. Society, Vol. XIII, 1869.
Maltzan, v. Erinnerungen. aus Mekkha. Globus
1869.
Maltzan, v. Von Wrede’s Reisen in Hadbramant.
Globus Bd. XVI, 1869.
Mittbrilungcn nu* dein noch unveröffentlichte» Munu-
acripte der 1843 unternommenen Kej«en.
Manning. Ancient an<T Modiaeval India. Lon-
don 1869, 2 Vota.
Marsh. The Teneeseean in Persia and Koordi-
stan. Philadelphia 1869.
Marthe. Ssemenofs Forschungsreisen in den
Trans- Ilischen Alatau und zum Issykul (18Ö6 —
1857). Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für
Erdkunde, 1869.
Massias. Un voyage dans les tners de finde. Pa-
ris 1869.
F. Mayers. Illustrations of the Lamatat System
in Tibet, drawn from Chinese sources. Journal
of the R. Geograph. Society, Vol. IV, p«g. L.
Die CorresjMmd«»* de« in Tibet «tatiouirten Bevollmäch-
tigten ( 1840- — lt*44) mit Kaiser Tao Kwang Uber die Kin-
kürperung des neuen Dalai Lama (1841).
Morowether. Report doscrihing the Places visi-
ted between Aden and Suez. Tran— ct. of tlio
Bomb. Geograph. Society, Vol. XVIII, 1868.
Mork. Acht Vorträge über den Pendschab. Bern
1869.
Michcil. The Jaxartes. Jounal of the R. Geo-
graph. Society, Vol. XXXVIII, 1868.
Mich ela, des. Essais sur les afänitcti de la civi-
Digitized by Google
182
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
lifation chez los Annamitcs et chez les Chinois.
Paris 1869.
Montgomerie. Report of tbe Route-Snrvey made
by a Pundit from Nepal to Lhasa. Journal of tbe
R. Geograph. Society, VoL XXXVIII, 1809.
Montgomerie. Report of tbe Trans- U imalayan
Explorations (1867). Proceed. of the R. Geogr.
Society, Vol. XIII, 1869.
Moonshee. On Gilgit and Chitral. Proceed, of
the K. Geograph. Society, Vol. XIII, 1869.
Mordtmann. Hekatompylos. Sitzungsbericht der
Münchener Akademie der Wissenschaften 1869.
Mouhot . Voyages dum« les royaumes de Siam et c.
Paris 1868.
Aus dem Englischen übersetzt.
Nerval. Voyage en Orient. Paria 1869, 2 Vols.
Novius. Our Life in China. New York 1869.
Neviua. China and the Chinese. New York 1869.
Niomann. Mededeelingen omtnent de AlfoerKche
Taal van Noordoost Coleb«««. I. Vergelijkeude
Woordeulist, au« verschiedenen Dialecten der Mi-
uabasa und angrenzendem Roluäng Mongoudou,
zusammengestellt. Bijdr. tot de Taal-, Land- en
Volkenkuude. Deel IV, 2 — 3, 1870.
Noack. Eine kritische Revision der biblischen
Geographie. Zeitschrift der Berliner Gesellschaft
für Erdkunde 1869.
Oberländer. Formosa. Der Welthandel 1869.
Oliver. ExcursionB in tbe South of China. Jour-
nal of Travel and Natural history, Vol. I, 1869.
Paris. Une excursion ä Kioto. R6vne maritim.,
T. XXVI, 1869.
Palmer. The new survey of Sinai. Athen 1869.
Poarso. Excavation of a Stone circle near Kam-
ptoe. Journal of the Ethu. Society, Vol. I, pag. 2,
1869.
Dm neben Ki»en gerät hm gefundene Skelet zerfiel heim
Anrlikren. Tbe people ©f Wqnvgun «aid , that the har-
row (De« kulla or God’s circle) may bave beeo of the
time« of the Gowlees or Cowherd*.
Pegraib. Renseignmnont« sur la colonie juive de
Tien-liang. Bullet, de la Societe de Geograph.,
Öctobro 1869.
Zwanzig jüdische Familien wohnen in dem Houa-rJaen*
miao genannten Quartier der Stadt.
Popys. Visit to the King of Burtuah. Colburn's
New Monthly Mag. 1868.
Perrot. Exploration archeologique de la Gala-
tie etc. Paria 1869, Livr. 22.
Pfisinaier. Nachrichten von den ulten Bewohnern
Corcaa. Sitzungsbericht der Wiener Akademie
der Wissenschaften. Philos. -hist. CI., Bd. L1I.
Pijnappel. De rikjs- instell) ng van onderwijs en
Indische Taal-, Land- en Völkerkunde. «’Gravon-
hage 1868.
Pinson. Ktudes orientales. Les Carte« du Sud
de l'Inde. Revue orientale, 2dp Serie, Nr. 4.
Pistorius. Uet Maleische dorp. Tijdschr. van Ne-
derlandsch Indic 1869.
Plancbet. Larchipei des Philippiner. Revue den
deux Mondes 1869.
Plath. China vor 4000 Jahren. Sitzungsbericht
der königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften
1869, Heft L
Der Darstellung der alten Zeit Ut vornehmlich das Cap.
de* »tbu-King Yükung zu Grunde gelegt, au* den an-
dern «pater abgetansten Cap. Yao-tien und Schangschu
aber die darin eut haltcnm Tbatsacben ohne die Einkleidung.
Plath. Ueber die Rechnungsweiso der alten Chi-
nesen. Ausland 1869.
Plath. Die Beschäftigungen der alten Chinesen.
München 1869.
Porter. The Giant Cities of Bashan. Philadelphia
1869.
Porter. Five Years in Damascus. London 1868,
Murray, new edition.
Pumpelly. A cross America and Asia. London
1870.
Von den in Bain Gol getroffenen Mongolen heisst es;
Coosidering the «amenes« of Ufe, of climate and of pur*
«uiu, whkh eiists through Mongolin, it i* retnarkable, that
this people should show the divenitr of type« of fort«,
that wo lind among thrm. Certain charnctemtk* »re
common to thoin all. Of medium «t Atu re, rather obore
that of the northem Chinese, they bad the almond eye«,
preminent cheek bone», the scauty heard, without whiskera,
«hielt all are murlcrtl poinls of the Mongotian rac«. Tbcre
U perhap» tuore diversity in Uie ihm« than in any olher
feature (Humen notieed , «me with regulär, some with
reallv aquiline Bose« , ihough in general the uose bad «o
little prominente , that, wheu iooked for in the prutile, 1t
was entirclv hidden by the prominent cheeks). Tbe featu-
re« (in Chinese and Mougoliau face*) are the same, tbough
more delicately ihinelled and »oftened down in the China-
man (in the Southern province« in a more effeminate
mould).
J. G. T. Riodol. Bijdrage tot de Keuuis der Ta-
leu en Dialekten voorkomende op de Eilanden
Luzou of Lcsoeng. Panai of Hong- llong, Balan-
gini, Solog, Sangi alsmede opNoord- en Midden-
Celubos.
Giebt Sprachproben au« den «panischen Besitzungen , so-
wie nus Celebe« und eine: Dialektologische Haart (aantoo-
Dende de Verspreiding der taleu en dialekten van Noord en
Midden Selebe«). De in de Minehasa aanwezige hoofddia-
Ickten zijn de Tooeoenboeloesche , de Tooeoensenscbe en de
Toooeii|»akewasche, de vorige tongvalleu, zooal« de Tooeoaa
SingalM-hc, de Langkooeanscbe , de BeiitenaiiMzhe eo de
Toneoeb Sinuch« zyn, van mindere beteekenis en Joor ver-
mengiug, de erste inet het Tooeoenboeloescb , en bet Tooe-
oetueiiM-h de drie lautste met he Tooeoenboeloeaeh , Tooe-
oenpakewnsch en Mongondooesch than* zeer verbastered.
Het Tooeoenboeloeaeh , dal in algemcene spraakkundige
Digitized by Google
183
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
ontwikkeling op <irn voorgrund »ta*t, scheibt der ursprüng-
lich» Dialcct in der Minahaba zu sein.
Ransonnot, ▼. Skizzen aus Ostindien. Wester-
mann's illuetrirte Monatshefte 1869.
I>ie Todah, deren Sprache (von Metz) für einen Diniert
de» Kan«re*i»chen erkürt wird, babeu mit den Naira, den
Singaleaeu und den Himalaya- Bewohnern Vieluiäunerei ge-
mein. Ihr Glockengott erinnert an die javnnüche Kt.*«»o-
gonie, in der der Schöpfergott den Glocken ton als noch
Älter anerkennt.
Raviai, de. Apercu sur le cultc de Krichna. Saint-
Queutin 1869.
Rawlinaon, H. On trade Route« betwecn Türke-
stau and India. Proceed. of the E. Geograph.
Society, VoL XIII, 1809.
George Rawlinaon. A Manual of Ancient Hi-
story. Oxford 1869.
Behandelt im I. Buche die a»iati»che und al'riknninche
Geschichte hi» Cynt», im II. Buche Persien bis Alexander
von Miiccdonien, im III. Buche Griechenland, im IV. Huche
die macedonische Monarchie, im V. Buche Bom.
Rialle, de. L’Anti-Libau. Bullet, de la Societe
de Geograph., V. Serie, T. XVI.
Rockerath. Ebal et Garizim montes. Programm
des Gymnasiums zu Neuss 1868.
Ross. Memorandum of Notes on Mekran. Trans-
act. of the Bombay Geograph. Society, Vol. XVIII,
1868.
Rosny, de. Sur la geographio et l’histoire de la
üoree. Revue orientale 1869.
Rouband. Contributious k Tauthropologie de
lTnde. Archive« de medecine navale 1869, Jan-
vier.
Rouband. Races, laugucs et castes de l inde me-
ridiouale. Revue de cours scientif. 1869, Nr. 37.
Rüge. Die Volksstämme Arabiens. Aus allen Welt-
theilen 1869.
Sachau. Contributions to the knowledge of Par*
see Literature. Journal of the R. As. Society,
Vol. IV, I.
The reviral of Parsec literature in India pmcee-leJ from
Karman, where the Icamed trndition always wo» kept more
free fron» foreign induencc, and dates at the earliext from
the end of the XIII. Century.
Schiofnor. Herrn Professor Wassiljew’s Vorrede
zu seiner Russischen Uebersotzung von Täraua-
thas Geschichte des Buddhismus in Indien, deutsch
mitgetheilb St. Petersburg 1869.
Di* Cariputn» und Maudjalptjnna (tu deren Helmath Nä-
Inndu errichtet wurde) zuge»cbrieb«net> Abhidharmn* in wen
v Gramme ixen , das» »le im nordweetlichen Indien , der Ilei-
rnath der Abhidharnuu, geboren »eien.
Schiefnor. Taran&tha’s Geschichte de« Buddhis-
mus iu Indien. Aus dem Tibetischen übersetzt.
St. Petersburg 1869.
Da« ostUche Indien bezieht aus drei Theilen, Bhangala
und Üdivita gehören zu Aparäntaka und hei»»en der östliche
Tbeil von Apnrantakn. Die nordöstlichen Länder Kama-
n‘»pa, Tripara und Humid* heissen Girivartu , d. h. berg-
umkriinzt. Von da nach (.Men gehend, an der Seite de»
Xonl^eUrge» , sind dir N'sngnta - Länder [der Nagns], da*,
dem ücean anliegende Land Pukham [Pttgan oder Birma],
Balgu [Drama - Könige von Tongu , das lft07 «eine (Jute
h Innigkeit verlor] u. ». w., da» Land Kakhang (Arrakhan),
Hongs* vati (Pegu) und die übrigen Thfeile de» Reiche«
Munjang [sianivsi*cher Shan], femrr Tuchampa (der Ma-
laien-.StAat Cochinchina»), KainiHidM-ha und die übrigen.
Alle die»» werden im Allgemeinen Kok» (Kokki nagan» bei
Ptolem. von der Koka-Palme] genannt.
Schlagint weit, v. Die Verwaltung Britisch In-
diens. Globus 1868.
Schlagiotwoit, ▼. Indisches Kastenwesen. Er-
gänzungshlatt, IV, 1869.
Schmarda. Das Hochland in Neuwaria (Ceylon).
Westermanns illustrirte Monatshefte 1869.
Schweizer. Erlebnisse der protestantischen Mis-
sion in Vorderindien. Bern 1868.
Sempor. Die Philippinen und ihre Bewohner.
Würsburg 1869.
Neben anziehenden Schilderungen eine aufkürende Be-
sprechung der ethnologischen Verhältnisse.
Siremonds. La «ericulture dans Plude. Revue
des cours «cientif. 1869, Nr. 35.
SkattachkofT. Connaissance« Gengraphique« des
Chinoin. Bullet, de la Societe de Geograph., Sep-
ternbre 1869.
Da« von Loaze ((*83 p. d.) verfasste Taiping hoan yu
Iu nimmt bei Beschreibung der Provinzen auf die Zustande
unter den Tang Rücksicht.
Sowerby. Memorandum on the Geological action
on the South Coast of Kattyawar. Transact. of
the Bomliay Geograph. Society, Vol. XVIII, 1868.
Steyn-Parve. De Britisch - Indische spoorwegen
(1867). Tijdscbr. van Nederlandsch-lndid 1869.
Stanley. The three voyages of Vasco da Gazna
and bis viceroyalty (Ilacklnyt society).
Von den Hitfre heisst es, das« sie in Blut und Sitte »ehr
veredelt gewesen und nie zu Mohren bekehrt , wie da» ge-
meine Volk (bei den Bemühungen der Mabomednuer den
Kastenunterschied za verwischen).
Steinmann. Das Gebiet in Hcrakloa Pontica.
. Rostock 1869.
Stöhr. Der Vulkan Tengger. Dürkheim 1868.
8trcckor. Beitrage zur Geographie von Hochar-
ntenien. Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für
Erdkunde 1868.
Ein starke» eiserne» Thor »oll »len Haupteingang der
Demirkale verschlossen haben , Id» es vor etwa 40 Jahren
vou den Einwohnern de» nahen Städtchens Chini* dorthin
trausportirt wurde. .
Strecker. Geber die wahrscheinliche Form de«
Wan-See«.
Dm laugen&rtige Wa»»er de» See» wird von den Einge-
bornen zum Reinigen der Wäsche benutzt und entfernt den
Digitized by Google
184
Verzeichnis*» der anthropologischen Literatur.
Schmutz rasch, verlangt aber, wegen Färbung der W Sache,
nachher ein flüchtige» Einseifen um! Ausspülen.
Sooboda. The seveu Cliurches of Asia. London
1868.
Sterry. I*e Golf de Petschora. Annal. Hydrog.,
1 Trim. 1869.
La population <*»t notuade, n'a pas de W>sidence fixe, et
errr «Jan* I« pay* ä la rtdinche des meilleure* piiturages
pour ars tronpeam des renne». Elle scmble apparteuir &
La raee wunoicde, dont eile a le tvpe, c’est-i-dir* la petite
taillc, le vittge aplati, le» pomtnettes eaillante*, de petit*
yeux, de* cheveux noirs et raidcs et un tvint d’un jaune
brun.
TchibataohefF. Un page nur l’Orient 1868.
Der Panther, zur rSmiachcn Zeit häutig in Lycien, Ly-
caouien, Pnmphylien und Ciliciea , ist jetzt in Kleiunsien
»eiten und noch mehr sind der Tiger und Löwe rer-
achvrnnden, der (mehr als ein anderes Thier), „otfre pesnnpl«
«Tun deplaceanent considerable de» limite» considirable» de
son domaine geograpbi<pie,“ da er früher nicht nur in Syrien
und Mesopotamien, sondern auch In Europa verbreitet war.
Die Lüweujugden Hulaghu» auf den eisigen Höhen zwischen
dem üxui* und der Stadt Hulk (r. Hammer), sowie das
Vorkommen der Löwen (nach G£rard) auf den Herzen
von Aures (wo: 1c tninimum du froid atteint 10 degrfo
centigrado* au-deMous du Z*ro) beweise seine Fähigkeit,
niedrige Temperaturen zu ertragen.
TsckihatsckefT. Aaie Mineure. Geologie. Paris
1869.
TBChihatscheff. Asie Mineure. Paläontologie.
Pari* 1869.
Thomson. La Perse. Bullet, de la Societe de
Geograph., Juillet 1869.
Die Stadtlmvölkerong wird auf ungefähr eine Million
angeschlagen.
Taylor. Route from Erzeroum to Diarbekr. Pro-
ceed. of the R. Geograph. Society, Vol. XII, 1868.
Taylor , Moad. The Prehistoric Archaeology of
India. Journal of the Ethn. Society, Vol. I, S. 2,
1869.
Die Kodey Kulis (Scbinnsteine) oder Topie Kuli* (Hat-
steinet in Malabar gelten als von Zwergen aufgerichtet
(nach Babington), ebenso die L’roiulech bei Acheny (nach
Congreve). ln Sorapocr the Crouilech» wen closed on
three »ide», the south-we*t front beiug open; the Kistvaens
were closed an all four »ide», andbotli wen coverod at the
top by monolith »lab* of large »ize. Wie in den Neilgherry-
Hügeln (unter den Tliatawar* oder Todas) »ind die Crom*
lech und Kbtvaen (bei Rajtin Kolloor) von Zwergen (Morie*)
aufgerichtet. uU Morie Munnr ( Morie* - Häuser) und iufl
BelUry * DUtrict von xwerghaften Mohorie*. In SotUpOOT
waren die Todten theils begrabeu, tbciU verbrannt. L.
Sw in er discovered (I8fi6) flint knives, arrow he ml» and
chipped fliot* near Jubbuljloor.
Trump p. Die VerwandtsckaftsvcrliiUtnisHe des
Pushtu. Zeitschrift der deutschen morgenlündi-
schen Gesellschaft, Bd. XXHI. S. 1 und 2.
I>a* Pu-htu stellt »ich als die erste [.'ebergang**tufe der
indischen zu den iranischen Sprachen dar. mit noch vor-
wiegendem Prakrit -Charakter, und diesem Resultat entspricht
au*-h die Stellung der Afghanen zwischen den iranischen
und indischen Völkern , soweit sie in der Geschichte zu
verfolgen »lud.
Vambdry. On the Uigurs. Report of Meeting of
the Brit Assoc. at Norwich 1868.
Die 1’igur der Gctxt V0D «ioer gemischten Bevölkerung
aus Türken, Mongolen und Kaltnükkrn bewohnten) chinesi- '
»eben Tatarei , bildeten zuerst (aus Entlehnungen von den
Kestorianern) eine Schrift für da» Türkische.
Vambery. Familienleben im islamitischen Osten.
Globus Bd. XV, 1869.
Vambery. Shaw and Hayward in Ostturkestan.
Globus Bd. XVI, 1869.
Vambery. Kleider und Schmuck der ostislamiti-
sehen Volker. Westornuutn’s illustrirte Monats-
hefte 1868, November.
Vambery. Fortschritte Russlands in Centralasien.
Unsere Zeit 1869.
Vambery. Ilerat. Unsere Zeit 1869.
Vambery. Die Handelsvcrhaltnisge zwischen Ost-
Indieu und Ost-Turkestan. Der Welthandel 1809.
Vereschagnulne. V oymge dann lea provinces du
Caucase. l.e Tour du Monde. Nr. 485.
Voth. De verpanding vau akkers of Java. Tijd-
echrift vau Nederlandsch-Indie 1869.
Vogt. Det heilige Land. Kristiania 1868.
Wallacc. The Mulay Archipclago. London 1869.
Uehemctzt durch A. B. Meyer, Braunschwoig
1869.
Eine hauptsächlich für zoologische Zwecke unternommene
Reise , die «Her auch für die Ethnologie werthvolle Brob-
aehtungen enthält. Der Uebersetzer wird binnen Kurzem
dieselben Gegenden besuchen.
Wangemann. Reise durch das gelobte Land. Ber-
lin 1869.
Wüatenfeld. Wohnsitze und Wanderungen der
arabischen Stämme. Güttingen 1868.
Weber. Ueber die Krisbnajanmöshtami (Krishna’s
Geburtsfest). Aus den Abhandlungen der königl.
Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1867.
Die Feier des Geburtafeste* Kritlma'» hat ihren Schwer-
punkt in der Schilderung, respective bildlichen Darstellung
desselben als eine* Säuglinge» nn der Mutterbrust, und in
der dnrau geknüpften Verehrung dieser, als in einem Kuh-
stall, respective Hirten han*e, auf einem Rnhel>ett ruhend
dargesteiitcu Mutter *clb»t, welche ihn, den „Herrn der
Welt“ in ihrem Schoo**; getragen hat.
Weber. Ueher eine Episode im Jainimi Bhnrnta.
Monatsbericht der königl. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, Januar 1869.
Parallele zu einer Sage von Kaiser Heinrich UI. und
dem Gang zum Eisenhammer.
Wyts. Lee iles Frsncaises du Golf de Siam. An-
nale» Hydrogr., 2 Trim. 1869.
Die Bewohner von Phu-quoe zeichnen »ich als Seeleute
und Scbiffsbauer au».
Digitized by Google
185
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Yule. The Travels of Marco Folo. London. Mur- Zaehokko. Das Jordanthal. Mittheilnngen der
ray, 1869. k. k. Geographischen Gesellschaft zu Wien, Bd. X,
1867.
Australien.
(Von Prof. Meinicko in Dresden.)
de Beauvoir. Au&tralie. Vovnge autour du monde.
Paris 1869.
Bonwick. The last of the Taswanians or the
black war of Vandietnensland. London 1869.
Buck. Die britisch -australische Kolonie Tasma-
nien. Hamburg 1 870.
Cadell. Exploration of tho nortbern territory.
States papers of South Australia Nr. 24. Ade-
laide 1868.
Christmann. Australien. Geschichte der Ent-
deckungsreisen und der Kolonisation. Leipzig
1870.
Eine Compilation ron Berichten von verschiedenem Werth,
doch nicht ohne Sorgfalt und mit Liehe gearbeitet.
Fischer. Die Erforschung des australischen Kon-
tinents. Programm des Gymnasiums zu Tilsit.
Tilsit 1868.
Kl ist die Fortsetzung eine« früheren Programms, allein
,ohne gründliche« Quellenstudium entworfen und nicht ohne
erhebliche Fehler.
Landsborough. Exploration in the neighbour-
hood of the Norman river Settlement in the
Golf of Carpentaria. Proceedings of the royal
geograpliical Society, Theil 13, S. 52 f.
Queensland and her Kanaka labourern. Nautical
Magazine 1869, S. 349 f. und 407 f.
Die Artikel enthalten ausführliche in einer Veraunmlung
in Sydney vorgetragenc Berichte über die in neuerer Zeit
in der australischen Provinz Queensland Sitte gewordene
Einführung Ton Arbeitern nu« den Inselgruppen Melane-
siens, die im Grunde nicht viel besser als eine Wiederein-
führung der Sklaverei ist.
Rattray. Notes on the physical geography, cli-
mate and capabilities of Somerset aud the Cape
York peninrala, Australia. Journal of the royal
geographica! Society, Theil 38, S. 370 f.
Schmarda. Skizzen aus Australien; in Wester-
mann’s Monatsheften 1869, Septemberheft.
Oceanien.
(Von Prof. Meinicke in Dresden.)
Bochtinger. Ein Jahr auf den Sandwichinseln.
(Hawaiische Inseln). Wien 1869.
Das Werk enthalt einen Bericht über den Aufenthalt
des Verfasser« in den Hawaii-Inseln, der hauptsächlich von
den Bewohnern dieser Inselgruppe handelt, ohne dabei viel
und erheblich Neues zu bringen.
Easter Island. South pacific ocean. Mercantile
Magazine 1869, S. 44.
Ein kurzer allem «ehr Interessanter Bericht über den
Be»ueh , den das englische Kriegsschiff Topaxe 1868 auf
der Osterinsel (Rapanui) machte; namentlich sind die Mit-
theilungen Uber die bekannten Altcrthümer auf dieser Insel
von Werth.
Garnier. La nouvelle Calodonie depuis sa de-
couvorte jusqu’ä sa priso de posaeHsion par 1a
France. Revue contemporaine 1869, Juliheft.
Gaudi n. Do la ponsibilitö d'une vaste colonisa-
tion dans l’Oceanie. Paris 1869.
Gorland. Die Bevölkerung der australischen In-
sel weit Zeitschrift für Völkerpsychologie 1868,
S. 257 f.
Oer Aufsatz handelt von der Einthellung der Bewohner
der Inseln des stillen Oceans.
do la Hantiere. Souvenirs de la nouvelle Cale-
donie. Voyage sur la cöte orientale. Un coup
Archiv fttr ioUiropolofiir. M. IV, Heft II.
de main chez les Kanacks. Piloupilou & Na*
nionmi. Paris 1868.
Die Koloniairung der Vitiinseln and Dr. E. Gr&f-
fe’s Reise im Innern von Vitilevn; in Petermann’s
Mittheilungen 1868, Februarheft.
Man vergleiche dazu: Die Fidschiinseln und die poiynesi-
sehe Compagnie ; in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft
für Erdkunde 1869, zweite* Heft.
Lord Lyttelton. Two lectures on a visit to the
Canterbury colouy in 1867 — 1868. London 1869.
Meinicke. Die Niederlassungen der Europäer auf
den Inseln des stillen Oceans. Globus 1869,
8. 85 f., 107 f.
Betrachtungen über die Entdeckung dieser Inseln durch
die Europäer und ihre Verbreitung Über sie, wie die dar-
aus hrnrorgrgangenen Niederlassungen namentlich der eng-
lischen und der französischen Regierung.
Meinicko. Die Neukaledonier. Globus 1869,
S. 161 f. und 193 f.
Bemerkungen zur Ethnographie von N eukal edonien , die
sich an die von Garnier in der Zeitschrift Tour du monde
mitgethviltcn Berichte anlehuen.
A raonth in Fiji, being a series of letters by a
recent viaitor. Melbourne 1868.
Sie sind ursprünglich io einer Neuseeländischen Zeitung
erschienen.
24
Digitized by Google
186 Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Montrond. Lee missions en Oceanie au XIX*
Siede. Rouen 1869.
Newzealand and its goldfields. Black wood*$ Ma-
gazine 1869, Märzheft.
Notos oii the voyage from Southampton via Pa-
nama to Newzealand. Nantical Magazine 1869,
Februarheft. Man vergleiche: das Ausland 1869,
Nr. 14.
Der Aufsatz enthält nicht uninteressante Mittheilungen
über die im südlichen Theil de» Üeeans liegende, wenig
bekannte Insel Rap* und ihre Bewohner.
Noticos sur la trän sportation ä la Guyana fran-
gaise et ä la nouvtdle Caledonie. Paris 1869.
Man vergleiche dazu den Aufsatz: la trannpor-
tation et la colonisation penitentiaire ä la nou-
velle Caledonie in den Annalen de voyagee 1869,
Theil 3. S. 5 f.
E* sind amtliche Mittbeilungen über die seit vier Jahren
eingeführte Deportation von Verbrechen» und Anlegung von
Verbrechercolon ien in Neukalcdonien. Die Resultate schei-
nen allerdings befriedigend zn sein; indessen ist e* Joch
sehr zweifelhaft, ob der Versuch besser gelingen wird als
in Australien.
Staley. On the geography and recent volcanic
eruption of the Sandwich Islands. Journal of
the royal geographical Society, Th. 38, S. 361 f.
Strehtz. Aus dem Tagebuch eines Goldgräbers
in Neuseeland in den Jahren 1863 — 1867.
Ausland 1869, Nr. 31 und 36.
A visit to Hawaii. Nautical Magazine 1869,
S. 141 f. Daran schliesst sich: a ride over the
lavafields from Kawaihae to Kona in the island
of Owhyhce: ebendaselbst S. 243 f.
Wait*. Anthropologie der Naturvölker mit Be-
nutzung der Vorarbeiten des Verfassers, fortge-
setzt von Dr. Gerland. Fünfter Band: die Völker
der Südsee. Zweite Abtheilung: die Mikronesier
und nordwestlichen Polynesier. Leipzig 1870.
Die» Werk Ut oltae Zweifel da« bedeutendste, welches
seit langer Zeit Uber die Ethnograplüe der Völker de* stil-
len Ocean* erschienen ist. Wuitz hat «ein berühmtes
Werk unvollendet gelassen und ist nach der Herausgabe
der ersten Abtheilung des fünften Bandes gestorben; die
Fortsetzung and Vollendung desselben hat sein Schüler,
Dr. Gerland in Magdeburg, übernommen und hier
eine Arbeit geliefert, die ganz im Geist und Sinn seines
Lehrers und mit derselben Gründlichkeit und Sorgfalt ab-
getanst ist , welche die früheren Tlieile dieses bekannten
Buches auszeichne«. Der grösste Theil de» vorliegenden
Heftes enthält eine Schilderung der Mikronesier , die erste,
welche jemals von den Bewohnern der im nordwestlichen
Thelle de* stillen Ocean* liegenden Inseln entworfen ist;
die Polynesier und Melanesier sollen dem nächst folgen.
Allerdings wird da* mannigfache Wiederholungen mit »ich
fuhren, da die Völker des üceans alle eine nicht geringe
Menge von geistigen und körperlichen Eigenthümlichkeiten,
Sitten und Gebräuchen gemein haben , di« es vielleicht ge-
rechtfertigt hätten erscheinen lassen , wenn der Verfasser
er*t eine allgemeine l'ebersicbt über alle Qreanirr gegeben,
dann bei den einzelnen Völkern die Abweichungen und Be-
sonderheiten hervorgehoben hätte. Indessen kann man
mit dem, was hier über die Mikronesier geliefert ist, wohl
zufrieden -ein ; o* fehlt auch nicht au einzelnen feinen Be-
merkungen , wie z. B. die (S. 1 50) über die beiden Arten
der Bestattung, die der Verfasser ganz richtig mit de«
Veränderungen in Verbindung setzt, welche sich in den
religiösen Anschauungen dieser Völker «tn Laute der Zeiten
zugetragen haben, eine Verbindung, die «Ich bei der Erwä-
gung der ]M>]yne»i*chen Verhältnisse noch bestimmter erge-
ben wird. Der Rest des Heftes enthalt den Anfang der
Polynesier. Zunächst handelt der Verfasser von den Be-
wohnern der weit zerstreuten Inseln, die sich zwischen den
Snlotnonsinseln und den Markesa» ausdehnen, und in denen
er bei der Einwanderung versprengte und in der Entwick-
lung »tehen gebliebene Stämme der Polynesier zu finden
glaubt. Der Beweis dafür scheint jedoch nicht gelungen;
namentlich »st das, was über die Abstammung der Bewoh-
ner der Tokelau- und Ellkemselu angeführt »st (S. 177),
nicht beweisend, der Verfiuwr hat die ganz bestimmten
Angabe« der Missionare nicht gehörig beachtet und vor
allem die merkwürdige Nachricht Griff«’*, da** man auf
Nui (und daher sicher auch auf Kanone« und Nanomanga)
die Sprache der Gilbertinseln spricht, übersehen. Was end-
lich die westlichsten dieser Inseln (Rotaraa, Tnkopis u. s. w.)
betrifft, so wird es doch wohl die Verbindung mit den
Melanesiern sein, welche die Rirenthiimlii hkeiten ihrer Be-
wohner erklärt. I)en Schluss de* Heftes bilden Betrach-
tungen über die Einwanderung der Polynesier und die dar-
auf bezüglichen Sagen und Traditionen, die sich unter ihnen
erhalten haben. Man muss dem Verfasser in dem bei-
»thmnrn, was er gegen die bekannten Ansichten Schir-
ren’* sagt, wie auch darin, dass er die Versuche Haie»,
aus diesen Sagen eine Geschichte zu machen, zurückweiset;
allein er hat doch den sagenhaften Charakter dieser inter-
essanten Doc umente nicht hinreichend hervorgehoben. Auf-
fallend ist , da*» der neuesten Untersuchung über diesen
Gegenstand, des Werkes de» französischen Naturforscher»
Quatrofage: les Polynesien» et leura migration». sowenig
die Sache dadurch auch gefördert ist . keine Erwähnung
geschieht. Wn* endlich tun Ende (S. 22 lj über die Ab-
stammung der Bewohner der westlichen Paumotu gesagt
Ut, dürfte nicht richtig sein.
Afrika.
(Von Professor R. Hartmann in Berlin.)
About, E. Le Fellah. Souvenirs d'Egypte. Pa-
ris 1868, gr. 8°.
Allain, E. Saint Paul de Loanda et le pays d’An-
gola. Bullet, de la Societe de Geographie, 5“*
Serie, 1869, pag. 162.
Androo, R. Abessinien. Das Alpenland unter den
Tropen. Leipzig 1868, 8°.
Gut geschriebenes Sammelwerke hen Im Sinne der bekann-
ten Otto Spam er’ sehen Collection von Reifebeschreibun-
gen. Einige der nach Originalzeichnuogen von K. Kretscb-
Digitized by Google
187
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
mer nu».;oriibrten Holzschnitte sind für «ie«i Ethnogra-
phen ganz brauchbar.
Aubert Koche , L. Kapport nur Petat sanitaire
et medical deg travailJeurs et des etablissements
du caual de l’isthmo de Suez du 1er juin 1868
au 1er juiu 1869. (Journal l’lsthme de Suez«
15~® Juli 1869, pag. 237.)
Wichtige medizinisch - statistische Nachweise, au« denen
auch die Anthropologie Nutzen ziehen kann. Verfasser
behauptet, da»« der Kanalbau von Suez das China kühler,
aber feuchter mache, eine Bemerkung, welche übrigen«
mehrereraeita auch für Mittelägypten bei den zwischen
1862 bi# 1867 gesteigerten Bewässcrungsarbciteu (vermehr-
ter Baumwollen- und Heisbau!) gemacht worden sein soll.
A Tauchers. Pere Leon des. Extrait dune lettre
ä M. Antoine d’Abbadie. Royaurne de Guera,
20ao Avril 1866. (Bulletin de Ja Societe de Geo-
graphie de Paris, 5me Serie, Tome XVII, 1869,
pag. 39.
Bemerkungen über die leider noch so wenig gekannten
Bewohner von Kafa und Nachbarländern.
Aymöfl. Rri*ume du voyage d'exploration de PO-
göoue. Bulletin de la Societö de Geographie de
Paris, 5ra* Serie, Tome XVII, 1869, pag. 417.
Geographisch «ehr wichtig, für unsere Zwecke dagegen
sehr dürftig.
Beltramo, Giov. Grammatica della lingua Denka.
Bolletino do la Societa Geografica ituliana, Fase.
II, III, 1869.
Gewährt im Verein mit deu entsprechenden Arbeiten
Kaufmann'» und M i 1 1 c r r u t z n e r fs ein brauchbare«
sprachwissenschaftliche« Material, l'ebrigen# ist für die
Darstellungen beider Forscher die Nichtanwendung mehr
übereinstimmender , den Gebildeten aller Nationen zugäng-
licherer Schriftzeichen, etwa nach den Systemen von L«p-
• ius, Barth, Bleek, FtohlPs und Auderen, nur zu
bedauern.
Benedetti. Lei iles Espagnoles du golfe de Gui-
nee, Fernando Po, Corisoo, Annabon. Bulletin
de la Societe de Geograph., 6“# Serie, Tome XVII,
1869, pag. 66.
Borgia, E. Sopra an viaggio acientifico di Ca-
millo Borgia nella reggenza di Tunisi. Bolletino
della Societä Geograöca italiana, Fase. III, 1869,
pag. 457.
Bowker, Bleek undBoddoe. The cave-cannibals
of South - Africa. (Anthropo)ogical Review, Xr.
XXV, 1869.)
Gewisse Busutofamilien betreiben noch jeut den bereits
von Arbouset und Dauma* geschilderten Kannibalismus.
Chabaesioro. Le Kef akhdar et «es ruines. Revue
Africaine, Xr. 74.
Decken, C. C. von der. Reisen in Ogtafrika in
den Jahren 1859 bis 1865. I. Band, Reisen von
1859 bis 1861, bearbeitet von 0. 'Kenten, klein
4°., 360 S. mit 13 Tafeln, 25 Holzschnitten und
3 Karten. Leipzig 1869. III. Band. Wissen-
schaftliche Ergebnisse. Erste Abtheilung: Säuge-
thiere, Vögel, Amphibien, Crustaceen, Mollusken
und Echinodormen. Bearbeitet von W. C. H.
Peters, J. Cabanis, F. Hilgendorf, Ed. v. Murtens
und C. Semper. Mit 35 lithographirten Tafeln,
zumeist in Buntdruck. Lex. 8M.
Im ersten Baude der Kciscbesrhreibung einige# Material
für die Kenntnis# der von dem kühnen Hebenden berühr-
ten Völker. Im dritten Bande reiches zoologische# , von
hervorragenden Fachleuten bearbeitete# Material.
Devereux, W. C. A cruise in tha „Gorgon“; or
eightaen months on H. M. S. „Gorgon“, engagod
in the suppruarion of the slave trade on tha East
coaat of Africa; including a trip up tho Zambcwi
with Dr. Livingstone. London 1869, 8°.
Duomichen, Job. Resultate der auf Befehl Sr.
Majestät des Königs Wilhelm I. von Preussen
im Sommer 1868 nach Aegypten ent '•endeten
archäologisch - photographischen Expedition. I.
Theil. Fol., 30 S. und 57 lithographirte Tafeln.
Berlin 1869.
Der von B. Graser bearbeitete Theil dieses neuen
reichhaltigen Werke# des unermüdlichen Acgvptologen über
die Entwicklung der altägy pti.chen Marine ist von %
hoher culturgeschichtlkher Bedeutung. Der von K. Hart-
mann bearbeitete Tbeil über die auf den das Werk be-
gleitenden Tafeln (nach Denkmälern) dargrat eilten Säuge-
thierv und V&gvi macht besonder# auf die Dornest kirungs-
versuche wilder Thiere (z. B. des Cani« pictus Dram.)
durch di« Alten aufmerksam.
Devoulx, A. Lea £dißces religieusc* de Pancicu
Alger. Revue africaine, Nr. 73.
Flad, J. M. Zwölf Jahre in Abessinien oder Ge-
schichte des Königs Thendoros II. und der Mis-
sion unter seiner Regierung. Basel 1869, 8°.
Einseitiger Standpunkt , wie er von einem so arg miss-
handelte« und überdies mit der Ethnologie wenig vertrau-
ten Manue, wie Flad, kaum ander# erwartet werden darf.
Der nmhärlsche, den ungeheuren Schwierigkeiten seiner
Aufgabe erlegene Held soll erst noch «einen unparthelischen,
von Lobhudelei wie von Gehässigkeit gleichmäßig freiblei-
benden Geschichtsschreiber finden.
Find. J. M. Tho Falashas of Abyssinia. With a
Preface by Dr. Krapf. Translated by S. P. Good-
hart. London 1869, 12°. 92 S.
Flad, J. M. Kurze Schilderung der bisher fast
unbekannten Abesainischen Juden (Falaacha).
Basel 1869, 8°. 95 S.
Es erscheint vom ethnologischen Standpunkte aus »ehr
bedenklich, da# schon früher von d'Abbadie und vom
Referenten als ein Aguuvolk erkannte Volk der Falaschas,
deshalb, weil e# einige an die der Juden erinnernde Ge-
brauch« beibehalteu , als ächte ubyssini sch« Israeli-
ten, womöglich als eingewandcrlc Söhne der jüdischen
Stämme, zu bezeichnen.
Gormain, A. Note gnr Zanzibar et la cötc orien-
tale de PAfrique. Bulletin de la Societe de Geo-
graphie, 5m® Serie, Tome XVI, 1868, pag. 530.
Hohn, Job. Die Ovahererö. Zweite Aktheilung.
Zeitachrift der Gesell ge hilft für Erdkunde zu Bur-
lin. 4. Band, 3. Heft, S. 226.
So verdienstlich de# jungen Hahn Arbeiten über di«
Damnra im Allgemeinen auch »rin mögen, so bleibt denn
24®
Digitized by Google
188
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Hoch wiii«1 Idee, die Hottentotten von einer altigyptUchen
Kolonie ableiteu zu wollen, mit das Stärkste, wa» neuer*
ding* in ethnologischer Speculation geleistet worden, und
da* will doch sicherlich viel sagen.
Hahn, Jos. Die angebliche Verwandtschaft zwi-
schen Chinesen und Hottentotten. Globus, Bd.
XV, 1869, S. 281.
Eine Ableitung der Hottentotten Ton den Chinesen, oder
umgekehrt, wie solche von mancherlei Seite her versucht
worden, erscheint uns mindesten» ebenso abgeschmackt,
al* die oben berührte.
Hahn, Th. Ein Rocenkarapf im nordwestlichen
Theile der Cap-Region. Globus, Ild. XIV, 1868,
S. 203, 245, 279; Bd. XV, 1869, S. 13, 50.
Interessante, auf eigener Anschauung beruhende Dar*
»tellungeii.
Halevy, J. Excursiou chez les Falasha, en Abye-
sinio. Bullet, de la Societ« de Geograph, de Pa-
ris, 6m* Serie, 1869, pag. 270.
Ohne Bedeutung.
Hartmann, R. Die Stellung der Funje in der
afrikanischen Ethnologie, vom geschichtlichen
Standpunkte aus betrachtet. Zeitschrift für Eth-
nologie. I. Jahrgang, 1869, S. 280, 2 Tafeln.
Priem rt die von deu Funje unter den Stammen Inner-
afrika» behauptete Stellung nach eigenen Untersuchungen
hauptsächlich gegen G. Lcjoan. (Oft. Bullet, de la Soc.
de Geograph, de Pari», 1805, pag. 238.)
Haurigot, S. Quiuze mois en Senegambie. An-
nales des voyages, 1869, Tome I, pag. 5.
Hendecourt, L. d'. L’Expedition d’Abyssinie en
1868. Revue des deux Mondes, Avril 1869,
pag. 529.
Geschichtlichen, gut geschriebenen Inhalte».
Horve, E. L ile de la Rüunion et la question co-
loniale. Revue des deux Mondes, 1869, FtSvrier.
Heu gl in, Th. v. Reise in das Gebiet des Weissen
Nil und seiner westlichen Zuflüsse in den Jahren
1862 bis 1864. Nebst Abbildungen in Holzschnitt
und einer Karte. Mit einem Vorworte Ton A.
Petermaun. Leipzig und Heidelberg, 1869, IX.
Einige Bemerkungen über Denk«, Xjam-Xjutn und an-
dere Stimme de» Gebietes. HoleschnittdarütcUungen von
Wallen und Geräthen der Xjam-Njarn.
Hoploy, H. Under Egvptian Palms; or Tbrec
Bachelor’s Journeying on the Nile. London 1869,
320 S.
In anspruchslosem Tone gehaltene», angenehm geschrie-
bene« Tuui Ment uch de* übrigens gewohnten Genres.
Huot, P. Hot lot der zwarten in Transvaal. Mo-
dedceligen omtremt de slavery ou wreedheden in
de Zuid- Afrikaansche republiek. Utrecht 1869,
4en, 135 bl., 8«.
Jaokol, C. A. Ouze bczittingun op de Kust van
Guinea. Met een schetnkaartje volgens het trak-
taat van 5 Maart 1867. Amsterdam 1869,
gr. 8°,
Los ilos Fortunees ou archipel des Canaries,
2 Vol. Bruxelles 1869, 8°.
Laccrda, J. Exarne das viages do Doutor Living-
■tone. Lisboa 1868, 457 S.
Das» in dem VaUrinnde eine» Mugelhae», Vasco da
Gim» und Aifonso d’Albuquerque eine gewisse
Eifersucht auf einen so erfolgreichen Heisenden, wie Li-
vingstone, herrscht, Ut menschlich erklärlich, obwohl
auch unserm unpartheiischen Urt heile nach gewiss« , von
dem berühmten Pfadfinder den Portugiesen gegenüber be-
gangene ludiscretionen nicht ganz lobenswert!) erscheinen.
Lambert, P. Notice sur la ville de Maroc. Lis-
boa 1868, ö“* Serie, Tome XVI, pag. 430.
Lotourneau. Peuplades athees dans le voisinage
des sources du Nil. Bullet, de la Societä d’An-
thropolog., Tome III, 1868, pag. 122.
Der Verfasser rocapitulirt Baker'» bekannte» religio*«*
Zwiegespräch mit dem Latuka - Häuptling Commoro. So
hoch wir auch Sir S. W. Baker schätzen, so möchten
wir in Bezug auf erwähnte* Gespräch denn doch der
schlichten Logik de# „Löwen der Bari*4 den Preis zuerken-
nenl Letourneau hatte (Bullet, de la Soui»t6 d'Anthrop.
de Paris , 1 869) übrigen* nicht nöthig gehabt , au» dieser
etwa» gar zu hochkirchlith gehaltenen Mittheilung de«
tapferen Schotten die Existenz von „Atheisten“ in jenen
Gegenden darthun zu wollen. Im Gegentheil ist gerade
hier bei Schiltuk , Denka , Bari und Gala eine auflallende
Neigung zuui Deismus bemerkbar.
Mage, E. Voyage dann le Soudan Occidental 1863
— 1866. Poris 1869, Tome X, 693 S. Vergl.
auch Le Tour du Monde, 1868, Tome I, S. 1 —
112.
In ethnologischer Beziehung höchst reichhaltig. Den
Werth der vortrefflich ausgeführten Illustrationen wird
namentlich der mit afrikanischen Verhältnissen Vertraute
zu würdigen wissen. Da» ganze Werk ist eine wahre
Zierde der französischen Publizistik.
Maltzahn, H. v. Sittenbilder aus Tunis und Al-
gerien. Leipzig 1869, 8°.
Maltzahn, H. v. Schilderungen aus Tunesien.
Globus, Bd. XVI, 1869, S. 8, 28.
Gewandte, anregende Bearbeitung eines interessanten
Stoffe* durch den energischen, Heutigen und vielseitig ge-
bildeten Keisenden, der nunmehr luanuiglich wohl bekannt
geworden.
Mann. Statistical Notes regarding tho Colony of
Natal. Journal of the Statistical Society, Vol.
XXXII, 1869, pag. 1.
Markham, CI. R. A history of the Abyssinian
Expedition, witb a chapter containing an Account
of the Mission and Captivity of Mr. Kassam and
his Companions. By Lieut. W. F. Prideaux.
London 1869, 445 S.
Mauch, K. Dritte Roiso im Innern von Afrika,
8. Mai his 18. October 1868. Peter mann» Mit-
t bedungen, 1869, S. 154, 188.
Munsinger, W. Journey across the Great Salt
Lake Desert from Hanfila to tho Foot of the
Abyssinian Alps. Proceediogs Royal Geogra-
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
phical Society, Volume XIII. 1869, paff. 219.
Zeitschrift der Gesellschaft für Enlkuude zu Ber-
lin, 1869, S. *157.
Nachtigal. Reise von Tripoli nach Murzuk in
Fesan. Globns, Bd* XVI, 1869, Nr. 6, S. 90 —
93; Nr. 7, S. 109—110.
Briefe Uber KcUezurüstung, Bodcnboaciuiflenbcit u. «. w.,
ohne ethnologischen Inhalt.
Naphegyi, G. Among the Arabs : a Narrative of
Ad venture» in Algeritt. Philadelphia 1868.
Narodove. Jizni Afriky. Die Völker Südafrikas.
Nach den neuesten Qu eilen bearbeitet von S. B.
H. Matice lidn. 8. Jahrgang, Nr. 2, 205 S.
Prag 1869.
Osio, E. La spedizione inglesc in Abyasinia. Pa-
gino del gioruale di viaggio. Firenze 1869,
58 S., 8*.
Paris, E. Q. Vingt-deux rnois de colonne dans
Je Sahara algerien et en Kabylie. Paris 1869,
94 S., 8®.
Perry, A. Cartbage and Tunis; Part and Present.
Providence 1869, 560 S., 8°.
Petherick, Mr. and Mrs. Travels in Central-
Africa and Explorations of the Western Nile Tri-
butaries. 2 Volume. London 1869, 600 S., 8°.
Sonderbare Ansichten über die Bevölkerung Imurafrika*.
Graurige Abenteuer, nicht zu glauben, ohne zu
lesen!
Pollen, Pr. P. L. et D. C. van Dam. Recher-
ches sur la Faune de Madagascar et de ses de-
pcndancos. I. Partie. Relation de voyage par
Fr. P. L. Pollen. Leyden, Steenhoff, 1869.
Pob, N. Eene Stern uit Zuid-Africa. Mededee-
lingeu betreffende den maatschappeligen en gods-
dienstigen toestand der Kaap - Kolonie. Breda
1868, 8«.
Prideaux, W. P. A journey tbrough the Sou-
dan and Western Abyasinia, with reminiscences
of captivity. lllustrated. Travels ed. by Bates.
Part IV, V, VI.
Basaam, Hormudzd. Narrative of the British
Mission to Theodore, King of Abyasinia; with
notices of the couutriee traversed from Massauah,
througl» the Soodän, tho AuihAra and back to
Atiuesley Bay, from Magdala, 2 Voh, 8°. 706 Sn
Illustrat. London 1869.
Es ist auffällig, wie aimerordentlich wenig ethnologi-
scher Gewinn »ich au» den vielen bi» jetzt übrr droabys-
wnischen Feldzug geschriebenen Büchern ziehen Die
unblutigen Zusammenflüsse der Inva«on*truppeu mit den
Kingeboruen, MArachbeschwerden . uninteressante Sporting-
Abenteuer, langweilige, schon hundertmal dargeatelite Ver*
hamllungen , einige wenige geographische Aufnahmen, da»
scheint Alle», wo» in nlle den von Diesem und Jenem nie-
dergc»chriebeoen Memoiren steckt. Von irgend einer ge-
diegenen ernst - wissenschaftlichen Abhandlung ist derma-
189
len noch keine Hede gewesen. Ras» am 's Buch befriedigt
nach dieser Richtung ebensowenig, als die anderen schon
früher aufgezählten.
Boado, W. W. La cöte d’or. Bullt- 1. de la So-
ciett* de Geographie, 5m* Sdrie, 1869, pag. 383.
Rohlfs, G. Titulaturen und Würden in einigen
Centralnegerländern. Zeitschrift der Gesellschaft
für Erdkunde zu Berlin, Jahrgang 1869, S. 228.
Wichtig* Arbeit.
BohlPs, G. Die christlichen Wunderbauteu zu
Lalibala in Abyssinien. Globus, Bd. XIV, 1868,
8. 364.
Du» Kinxigc ron Geh.lt la der neoeeteu PuhlicUtik über
Abessinien.
Stahl, Arth. Im Lande der Pharaonen. Reise-
bilder aus Aegypten. Wien 1869, 8®.
l>ie pseudonyme Verfasserin zeigt »ich vielfach nl» ge-
schickte Beobachtend und was* wir von ihr über Harem-
lebcn u. dergl. gelesen haben, war keineswegs übel,
t
Schneider, O. Der climatische Kurort Algier.
Dresden 1869, 8®.
Zieht auch die Abstammung , Sitten und Gebrauche der
Einwohner in Betracht.
Schwab, M. Memoire sur l’ethnographie de la
Tunesie. Paris 1868, 8°.
Schweinfurth, G. Briefe. Chartum 10. Decem-
ber 1808 und Faschoda 2. Februar 1869. Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde, 1869,
8. 311.
Reich an ethnologischen Bemerkungen über Bagara,
Schiliuk u. s. w.
Seckendorf, v. Meine Erlebnisse mit dem eng-
lischen Expeditionscorps in Abyssinien 1867 bis
1868. Potsdam 1869, gr. 8®.
Stumm, F. Meine Erlebnisse bei der englischen
Expedition in Abyssinien, Januar bis Juni 1868.
Frankfurt a. M. 1868, gr. 8®,
Stern, H. A. The Captive Missionary; bring an
Account of tho C-ountry and People of Abyasinia.
London 1869, 410 S., 8°.
Taurin. Lettre k M. Ant. d’Abbadie. Bullet, de
la Societe de Geographie de Paris, Tome XVII,
1869, S. 311 — 316.
Notizen über die Bevölkerung de* Tchauia und von
Schon.
Vignerol, Ch. do. Ruines romaint« de l’Algerie.
(Subdivision de Höne.) Paris 1868, gr. 8®. av.
10 pl.
Vignerol, Ch. de. La Kabylie du Djurdjura.
Paris 1869, 8®. av. 7 pl.
Ville. Voyage d’exploration dans les bussin s du
Hodna et du Sahara. Paris 1869, 8®.
Waldmeyer, Th. Erlebnisse in Abyssinien in den
Jahren 1858 bis 18G8, 2. Aufl. Basel 1869, 8®.
Digitized by Google
190
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Waldmeyor, Th. WürtcrsAramluDg aus der Agau-
Spraclte, 8*. Basel 1868.
Wangomann. Eiu Reise-Jahr in Südafrika. Ber-
lin 1868, gr. 8#.
Wangomann. Wichtigkeit Ostafrikaa für verglei*
chendo Sprachforschung und Ethnographie. Aus-
land, 1869, Nr. 40.
Amerika.
(Von F. v. Hellwald.)
▲dvielle, V. Lea Etata-Unis de Venezuela. Paris
1869. 8". 14 S.
Alaska. Die Telegraphen-Expedition auf dem Ju-
kon in (Petermann« Geograph. Mittheil. 1869,
S. 861—365).
Enthält eine kante Notiz Über die Bewohner de# Lande»;
diese gehören zwei Raten uni den Eskimo- und den In-
dianern. E*.kiuHw, schön, athletisch, intelligent, gut gebaut,
bewohnen die Küsten, gehören zu denselben Stimmen wie
jene in Grönland, an der Nord* und Ostküste von Amerika
und auf den Aleuteu. Sprache sehr ähnlich, oft identisch.
— Indianer im Innern de# Landes . unterscheiden sieh
durchaus von den Eskimos, habeft keinen Verkehr mit
ihnen und stehen ihnen in vieler Hinsicht nach.
Aldherre Fed. et Mendiolea, M. Lob Indios de
Yucatan. (Bol. de la Soc. de Geogr. y eatad. de
la republ. Maxie. 1869, T. I, S. 73 — 82.)
Eigentlich eine Geschichte der Kampfe zwischen den In-
dianern und Neimen in Yucatan. Man hat hier zwei
Arten Indianer zu unterscheiden; die Indios barbaro* und
die Indios pocifieos; von enteren erfahren wir, du-* die
Ausrottung aller Wcissm auf der ganzen Halbinsel ihr Ziel
ist; von letzteren, da*» sie zwar friedlich aber in tiefster
Versumpfung leben; e* findet »ich bei ihnen keine Spur
der Kenntnis» von Irgend einer Regierung oder Gottheit.
AmoenitatGB uiuericanac. (Globus Bd. XV, S. 253
—255, 287 — 288.)
.Sitten Schilderungen.
Appun, Carl Ferd. Zu Kuss nach Brasilien,
( Ausland 1869, Nr. 20, 21, 22, 33, 34.)
Enthält Notizen Uber die Indianer.
Appun, Ford. Am Rapuuuni. (Ausland 1869,
Nr. 46, 47, 48.)
I. Von Yakutu nach dem Berge Vivi.
Aube. Note« nur rAineriqiie du Sud. (Revue ma-
ritime et coloniale. Aoüt 1869, S. 822 — 850,
Septembre 1869, S. 199 — 221.)
Behandelt sehr eingehend die staatlichen und »ocialen
Verhältnisse von Chile.
Audouard, O. A travers l'Amerique. I,e Fsr-
West. Paris 1869, 18». 376 S.
Ausrottung der Indianer. Ein Blick auf da. Volk
der Mandanen. (GloW Bd. XVI, S. 1—7, 17—
22.)
Inhalt : Die Kriege der Nordainerikaner mit den braunen
Leuten. — Die Mandanen. — Ihre religiösen Vorstellun-
gen. — Die .Sag« von einer grossen Fluth und die auf
letztere bezüglichen Feierlichkeiten. — Der grosse Kahn
und der Teuqx'lwigwam, — Das religiöse Fest O-Kitpa. —
Die grosse Pfeife und der oberste Zauberer. — Die Waf-
fen»'acht und die Rückkehr der Gewisser in ihr Bett. —
J>er Tanz zur Herbeischadhng der Büffel. — Die Ver-
jagung de» bösen Geiste». — Die grosse Marterprobe der
jungen Krieger. — Festmahl der Büffel. — Ein Weib al*
Häuptling. — Eiu Blick auf die Geschichte und den Un-
tergang der Mundatien.
Bell, A. W. Üu the native raccs of New- Mexico.
(Journal of the ethuol. Society of London 1869,
& 222 -274.)
Der Verfasser unterscheidet vier Racen in Neu Mexico:
Die Amerikaner, die Mexicaner, die Pueblo - Indianer und
die wilden Indianer. Er beschäftigt »ich hauptsächlich mit
diesen beiden letzteren Gruppen und schildert eingehend
die Pueblo-Indianer mit ihrer Eintbeiluug, ihren Wohnhäu-
sern. Dialekten und religiösen Anschauungen, dann di«
verwandten Stämme der Zuni, Moqui, Piinn» und I’apagos-
Indianer. Auch über die Apaches und ihre Raubzüge, die
Mojaves und Kargos sind interessante Detail* mitgetheilu
Ferner wendet der Autor sein® Aufmerksamkeit den Spuren
der «ztekischcn Einwanderung, den Ruinen am Rio Colo-
rado fhiijuito, der alten azteki*c.ben Stadt t'evola und den
vielbeschricbenen Ruinen der Cosa* Grandes am Rio Gila
sowie jener aiu Rio Grande zu. Die ganze Abhandlung
ist in hohem Grade )e*ensw«rth und reichhaltig au Details
verschiedenster Art.
Boll, William A. New tracks iu North- America.
London, Chapman & Hall, 1869, 8°. 2 Vol.
Bell, W. A. Ten daya’ journey in Southern Ari-
zona. (Dlnfltr. Travels ed. by Bates 1869, Part
V, S. 142—148.)
Belot, G. de. La verite .nur le Honduras. Etüde
historique, geographique, politique et comnier-
ciale nur l'Amerique centrale. Paris 1869, 8°.
95 S. mit 2 Karten.
Bornouilli, Gust. Briefe aus Guatemala. (Peter-
mann’a Mittbeilungen 1869, S. 424 — 432.)
Behandelt di« soriulen Zustände, die Ureinwohner, näm-
lich die Indianer und das Lehen in der Hanptetudt, ohne
wesentlich Neues loitzulheUeu; dagegen werden die meisten
Ansichten über dm Indianer bestätigt. Nur zwei Punkte
verdienen Erwähnung: die sprichwörtliche Verschlossenheit
de» Indianer» gilt nur gegenüber von Fremden; unter sich
sind sie schwatzhaft. Die Ausicbt hingegen , das» das
Schicksal der Ureinwohner des Norden» auch jene des Sü-
dens trciFcn werde, können wir nicht theilen, da es bekannt
i»t, wie in C'entralamerikn der rothe Mann »ich vermehrt,
der wei#se dagegen vermindert.
Binkord, E. The Mamraoth Cave and its doni-
zens, a complcto descriptivo guidv. Ciuciuuati
1869, 8*. 96 S.
Biondelli, B. Glossarium aztoco - latinuin et la-
tino-nztocuni. Milano 1869, 4°. 260 S.
Da* Vollständigste und Beste was bisher auf diesem Ge-
biete geleistet worden ist. Da* Buch ist nur in 200 Exem-
plaren abged ruckt worden.
Digitized by Google
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
191
Bishop , Mrs. H. E. Minnesota, then and now.
St. Paul’» (Minnesota) 1869, 8°. 100 S.
Biackmoro, Will. ()n tlie North American In-
dians: a sketch of some of the Ilostiie Tribes to-
gether witli a brief «ocoant of General Sheridan’»
campaign of 1868 ugainst the Sioux, Cheyenne,
Arapahoe, Kiowa and Cothanche Indians. (Journ.
of the ethnol. Soc. of London 1869, S. 287— 320.)
K* i*«* dies eigentlich eine Geschichte der Incliancrkriege
in den Vereinigten Staaten; der Verfasser steht auf Seite
der Yankee* und erkürt da» Verschwinden der rot hm Riwe
d. h. ihre Ausrottung durch die namenlosen Gräuel ge-
rechtfertigt, welche die Indiauer begangen haben. Kr führt
die Ansichten vieler competenter Männer über die Roth*
häute an, die alle zu deren Ungutsten lauten. Wir haben
gegen diese Anschauung weoig et nzu wenden, donn die Grau*
samkeiten der Indianer können nicht in Abrede gestellt
werden; die historische Unparteilichkeit erfordert, nur zu
sagen, dass stet» die Wcisaen zuerst die Veranlassung zu
Zwistigkeiten boten, wa* dann bei dein grausamen Naturell
der rothen Rare zu den erwähnten Gräuelthatrn führte.
Auch können einzelne Fälle nmnhaft gemacht werden, wo
die Weisaen an Grausamkeit den Rothbäuten nicht nach-
standen.
Blenty, H. lie territoire d’Altoaka et le« colonies
da Nord-Ouest de l'Ameriqae. (Revuo de« deux
mondeg, Per. II, Tome 81 (1869), p*g. 997—
1020.)
Box, M. J. Adveuturea and Explorations in Old
and New Mexico. New York 1868, 12°. 344 8.
Braco, C. L. The New West: or, California in
1867— 1868. New York 1869, 12°. 373 S.
Brasseur de Bourbourg. Lettre a Mr. Lean de
Rosny Bur la decouverte de documents relatif« a
la haute autirjuite americaine et Hur le dechiffre-
ment et 1 Interpretation do l’Ecritur© phonetique
et figurative de la langue Maya. Paris 1869, 8°.
20 S. (Extrait dos Memoires de la Societe eth-
nographique.)
Brown, Rob. Friends in high latitudes. (Corn-
hill Magazine, July 1869, 8. 52 — 67.)
Schilderung der Grünländer.
Brown , B. On the vegetable producta used by
the North West American Indiane ae food and
medecine, in the arte and in Buperstitioua rites.
(Transact. of the Boten io. Soc., Vol. IX, S. 378—
396.)
Busch. Dr. Mor. Geschichte der Mormonen. Leip-
zig 1869, 8°.
Californion. Die japanischen Ansiedler in Cali-
fornien. (Globus Bd. XVI, S. 48.)
Siehe ferner hierüber Ibid. S. 111.
Californion, Aua. (Allgemeine Zeitung vom 27.
August 1869, Nr. 239.)
Carron de Floury, S. E. L. Notas geologica« y
estadifcticas sobre Sonora y la Baja- California.
(Hol. de laSoc. de geogr. y estadist. de la republ.
Mexic. 1869, Tonio I, 44— 52, 112—118.)
Knthält auch einige Angaben über die Indianer der So*
rjorn, nämlich die Onaea», die Yaqufs , die Mavo», die Se-
rif und endlich die Apachen. Wir erfahren, das* die Serie
die einzigen sind, die noch den l*arbarischen Gebrauch ver-
gifteter Pfeilspitzen beibehaltea haben.
Catawba Indiauer. (Globus Bd. XV, S. 190.)
Diese in Südcarolina lebenden Indianer waren im Februar
1HÖ9 auf 85 Köpfe zusnmmengeschiaolzen.
Catlin b<*i den Nayas, Plattköpfen und Krahen-
Indianorn. (Globus Bd. XV, 8. 363 — 368.)
Die Xayas oder Nag«*. Ihr Ilauptnahrungsmittel i»t
der Uch», den sie sehr leicht fangen. Manche Männer
und Frauen tragen hölzerne Pflöcke oder Klötze in der
Unterlippe wie die brasilianischen Botokuden. pfeifen aus
schwarzem , geglättetem Steine , gleich dem Rohre mit
hUbsch auHgetUhrtcn Figuren verziert. Zeichnungen der
Navos ganz verschieden von jenen anderer amerikanischer
Stämme. Mukeotaoz wie hei anderen Völkern Nord- und
Südamerika* kommt auch bei ihnen vor.
Plattköpfe. Orego o - 1 ndtan er. Diese grosse Grupp«
bat etwa 30 rnterabtheilnugrn. An drt> Dalle« de* Co-
luinbiastroines wahre Musterkarte verschiedener Stämme:
Klatsnps, Tschinuk«, Klickutals, Walhtwallus, Nezpcrcea und
Spokans. Auch der Oregon- und Columbia- Indianer iat
kein Jäger, sondern Lac höfischer und Wurzelgräber. Auch
diese Stimme verschwinden rasch; 1830 — 1850 «Urion
63 Procent; 1347 zählte ein Stamm noch sechs Köpfe;
beute ist keine Spur mehr übrig. Diese Indianer kennen
keine Kriegerweise, keine Kinlheilung nach Stamuisymholen
(Totem«), keine Vorstellung von einem grossen Geist!
Die Krihen-Iudianer, Upsaroka* oder Crown ge-
hören zur Dakotah- oder Sioux-Gruppe und sind »ehr statt-
lich, Sie sind Reiter und jagen deu Büffel; haben aber
Ton den Blattern entsetzlich gelitten, so dass kaum noch
einige tausend Köpfe von ihnen übrig sind.
Chaix, P. Conquöte du Chili par Valdivia. (Lo
Globe, Getii*vo, T. VII, S. 61 — 107.)
Entölt manches über die Araukaner.
Chinese discoverios of America. (Athenaeum. Lon-
don 11. December 1369.)
Unter diesem Titel bringt das Athrnacum die Nachricht,
welche auch in die meisten Blätter de« Continente* über-
gegangen ist, dass ein sicherer J. Hanlny zu Han Fran-
cisco die Entdeckung gemacht habe, Amerika wäre von den
Chinesen schon vor 1400 Jahren entdeckt worden. Wir
würden diese Notiz mit Stillschweigen Übergangen haben,
wenn wir es nicht für eine unsterbliche Blamage hielten,
das* eine Zeitschrift vom Range de* Atbeuaeum* sich zur
Verbreitung dieser Nachricht hrrgiebt und nicht zu wissen
scheint, dass diese sogenannte Entdeckung schon 1761 von
De Guignes, dem bekannten Sinologen gemacht wurde
und eine heut« noch nicht cutscbiedene Streitfrage bildet,
über die schon entsetzlich viel Papier verschrieben worden
ist. Wir haben weder Lust noch Raum uns hier zum
Nutz und Frommen der Atheuaeum -Gelehrten »uf eine
Aufzählung der einschlägigen Literatur einzulassen; wir
begnügen uns darauf hinzuweisen, das* schon Klap-
rolh gegen De Guigne»’ Entdeckung nufgetreten ist und
in nllerneuester Zeit für dieselbe einige Schriften
erschienen sind, die jedenfalls Beachtung verdient hätteu;
es sind dies Neumann: Ostasien und Westamerika in der
Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde, April 1864; Gast.
d’Eichthal: Etüde sur le* origines bouddique* de la
civil Nation americaine. Pari* 1858, 8°.; endlich Dr. A.
Godron: t’ne Mission bouddiste en Amerique nti V*"«
Siede de l’ere chretieune in den Annales des Voyage«.
Digitized by Google
192
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
October 1868. Auch Dr. Andrce in seinem Globus hat
die Frage ventilirt und cs muss jedem mit amerikanischen
Dingen Vertrauten komisch Vorkommen, eine so alte Streit-
trage als Neuigkeit mit so grossem Knute uufgewännt zu
sehen.
Cochut, A. Insurrection eubaine. (Rövue dea
deux Mondes, 16 Novbr. 1869.)
Cromony, J. C. Life aniong the Apache«. San
Francisco &, New York 1869, 12(>. 322 S.
Cubanische, die, Frage. Studie eines Augenzeu-
ge». (Augsburger Allgera. Zeitung vom 10. Juli
1869, Nr. 191 Beilage.)
Beschäftigt »ich eingehend mit der Ethnographie dieser
Insel.
De Costa, B. F. The pre-Columbian diacovery of
America by the Northmen, illuntrated by trans-
Intions from the icelandic Sagas. Albany 1868,
8°. 178 S.
Do Costa, B. F. Lake George: ita scenes and
characteriatics, with glimpses of the olden timen.
New York 1869, 12* 182 S.
Doutrelaine. Rapport aur les ruinea de Mitla.
(Archive« de la Commission acientifique du Mexi-
que. Paria, Tome III, S. 104 — 111.)
Genauer Bericht mit topographischen Aufnahmen der
Alterthumcr von Mitla, welch letztere ganz ruit jenen von
Dupaix und Castaneda stimmet*. Oberst Doutrelaine
aagt, da»* der Anblick dieser Ruinen nichts ImjMinirendea
habe, das» dagegen die darin herrschende Harmonie bewun-
der ns werth sei. Noch seiner Ansicht sind sie nicht viel
vor der Zeit der Conqmsta erbaut werden, keinesfalls aber
reicht ihr Alter Uber das VII. oder VIII, Jahrhundert zu-
rück. Oberst Doutrelaine findet in diesen Altert humern
eine bemerkeuswertbe Analogie mit jenen von Ninive.
Doutrelaine. Rapport sur la pierre de Tlalne-
pautla. (Arch. de la Cornm. acient. du ftexique,
Tome QI, S. 111—120.)
Doutrelaine. Rapport sur un manuscrit de la
collection Boban. (Arch. de la Coinm. acient. du
Muxique, Tome III, S. 120 — 133.)
Dieses Manuskript enthalt unter Anderem auch den nx-
tekischeu Calendcr.
B&&or8. H. Erindringer fra Mexico. 1869, 8*.
328 S.
Einströraen der Chinesen iu das MissisBippithal
und die Südstaaten der Union. (Globus Bd. XVI,
S. 69—71.)
Wird •)» der Mann der Noth Wendigkeit und der Zu-
kunft. — als Ersatz für den Neger — dargestcllt. Siche
ferner noch: Ibid. 8, 127.
Einwanderung in die Vereinigten Staaten von
Nordamerika. (Globus Bd. XV, S. 124 — 125.)
Die Einwanderung 1868 betrug über New York 213*686
Personen, darunter 101 *ybtf Deutsche, so das« diese beinahe
die H lüfte der ganzen Einwandereruhl betragen. England
steht als drittes Land auf der Liste, während Frankreich
nur 3000 Seelen stellte. Der Uauptstrum der Auswande-
rung richtete »ich nach Illinois; nach diesem Staate kom-
men Wisconsin, Ohio, Jowa, Minnesota und Michigan; we-
nige nur gingen nach Indiana und Utah. Siehe hierüber
ferner: Amtlicher Bericht über dje Einwanderung der
Deutschen nach Nordamerika (Globus Bd. XVI, S. 94), wo-
nach Letztere gegenwärtig dm fünften Tbeil der Gesammt-
bevülkeruug der Union bilden, dann S. 208.
Engel, Franz. Caracas, die Hauptstadt von Ve-
nezuela. (Globus Bd. XV, S. 210 — 212, 234 —
236.)
Engel, Franz. Erlebnisse und Anschauungen aus
dem tropischen Südamerika. (Unsere Zeit 1869,
II, S. 349—377, 603 — 624.)
I. Auf dem CaUtmnbo. II. Zalozar de las Palm».
Erdhügel, alte, in den Rocky Mountains. (Globus
Bd. XVI, S. 206—207.)
Nach dem New York Dav Book vom 18. September
1869 bat man Erdinound» im südlichen Utah entdeckt, die
mit jenen des Mississippithaies grosse Aehnlichkeit besitzen;
in denselben traf mun mancherlei Ueberreste, die von einer
gewi.M«n Kunstfertigkeit der Erbauer zeugen. Diese Mounds
iu Utuh sind die ersten, welche man im Westen der
Kettengebirge gefunden hat.
Fisher, Morton C. On the Arapahoes, Kiowaa
and Comanchcs. (Journal of the ethnol. Soc. of
London 1869, S. 274—287.)
Recht unterhaltend geschriebene Abhandlung, die aber
unseres Ermessens nach, nicht viel Neues bringt.
Foster, Dr. J. W. The Mia&iaaippi Valley, ita
phyeical geography, including sketchea of the to-
pography, botauy, climato, geology and mineral
resourcea, and of the progreea of development in
population and material wealth. Chicago & Lon-
don 1869, 8'». 460 S.
Frantzius, A. v. Der aüdüstliche Theil der Re-
publik Costarica. ( Petermann’a Geogr. Mittheil.
1869, S. 323—330.)
Der vorwiegend geographischen Arbeit dieses ll rissigen
und gelehrten Forschers entnehmen wir di« Not», das« sich
bei Uato Viejo «ine grosse Menge von Indiunergräbem vor*
findet. Aehnhch wie die Guacas in dem nahe gelegenen
Chiri(|ui enthalten sie aus Gold gefertigte Figuren. Auch
der übrige Inhalt wie die Steintiguren und die Construction
der Gräber au» Steinplatten deuten darauf lun , dass die
Verfertiger dieser Gräber demselben Stamme angehürten,
wie die alten Bewohner von Chiriqui und dass der zur
Zcit drr Entdeckung über den ganzen Isthmus von Dariea
verbreitete Stamm der durch eiuen gewissen Grad von
Cultur ausgezeichneten Cueva • Indianer (siehe Peschei,
Geschichte dw Zeitalters der Entdeckungen, S. 4S3 ff.) sich
nördlich bis an den Kuss des Dota-Gebirges erstreckte.
Fuonto, D. G. de la. Cenao de la poblacioo en
la repuhlica argentina. Buenos Ayrea 1869, 4°.
42 S.
Fulton, A. R. The Free Land of Jowa; being an
accuruto deacription of the Sioux City Land Di-
strict; a general view ofJowa; her reaourcea and
advantages. Des Meines (Jowa) 1869, 8°. Mit
1 Karte.
Gil, Bomoro. Memoria nbn et estado »ocial y
moral que tuvierou los mexicanos bajo el impe-
rio azteca, y au organizacion bajo el gobierno
colonial. (Bol. de la Soc. de geogr. y. estad. de
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
1» republ. Mrxic. 1869, Torao 1, 8. 257 — 264,
313—321, 427—433, 478—486.1
Fleissige und recht duukeuswcrlbe Zusammenstellung
Alles dessen, was wir über die socialen Verhältnisse des
allen Aztekenrriche* wissen. Verfasser beginnt mit einer
Beschreibung des alten Tcnochtitlan , geht dann über auf
die öffentliche Verwaltung, die Vertheilung des Landes im
Reiche zwischen Gemeinden und Eiuzcluen, die Zusammen-
setzung der aztekiscbm Familie und wendet sich dann den
Verhältnissen der Coloninlcpoche zu. Er erörtert die Re-
gierung und Verwaltung Xeuspanicn» mit besonderem Hin-
blick auf die eiubeimUcbr indianische Bevölkerung, die
Territorialvertheiiuug zu Gunsten der Ein getan neu, die Or-
ganisation der indianischen Familie unter der Colonialregie-
rung und endlich die Bestrebungen der Missionäre iu Bezug
auf Unterricht und Ctvilisation der Indianer. Das Ganze
ist in sehr hübschem Style verfasst und wenn mau auch,
wie es bei Spaniern, namentlich bei amerikanischen Spaniern
nun einmal nicht anders ist viel Phrase dabei mit in den
Rauf nehmen muss, so wird diese Arbeit doch von Ameri-
kanisten schwerlich übersehen werden dürfen.
Guillemin-Tarayro. Noten archeologiques ei eth-
nographiquea. Veitiges laisses par le* migrations
ainericaities dans le Nord du Mexique, 'Archiv,
de la Coram. scient. du Mexique, Tome III , pag.
341—470.)
Eine büchst wichtige und durchaus werUnrolIc Arbeit,
wie das Meiste , was in den „Archive* de la Commission
scientifique du Mexiijue* enthalten »st. Herr E. Gui llerain
Taravre war von der französischen Regierung zwar nur
mit der Erforschung der mexicanischen Bergwerksdistricte
in mineralogischer Hinsicht beauftragt und hut sic h dessen
in »einem „Rapport sur l’Exploraiion minerajogjijue des
lügions meiicaiues" entledigt , wovon die vorliegenden Noti-
zen eigentlich nur den Anhang bilden; allein er hat e*
sich nicht entgebeu lassen nebstbei auch aut dem Gebiete
der Archäologie and Ethnographie thätig zu sein, ln ho-
hem Grade dnnkenswerth sind seine geuauen lupograpbi-
schen Aufnahmen jener merkwürdigen Buurvste, welche in
einer nordsiidlirhcn Richtung auf dem Höhenzuge der brei-
ten mexiranischen Cordillerenanschwellung sich erheben
und die Spuren der einstigen Völkerwanderung iu jenen
Regionen zu erkennen gestatten. Die von Herrn Guille-
min Tarayre untersuchten und hier beschriebenen Denk-
male und folgende: Die Ohms gründe« de Chihuahua;
Babicora; Maxathm ; Sahuaripn; die Ruinen bei Z&pe; Chal-
chibuites; Val de Suchil; SncriHrioa; die Ruinen de la
Quemada am Cerro de los Kditicio* bei Zucntecas; Teul;
Jolisco; die Ruinen um .See Chapala und im Thule von
Mexico; der Cerro de Ijm Nuvnjns mit seinen Obsidianmi-
nen. Ausserdem gieb! er noch einige Notizen über vor-
historische Alterthüiner und da* Steinzeit alter in Amerika
im Allgemeinen. Weiter wendet er weh der Ethnographie
zu und theilt die Notizen mit, welche er bei seinen Streif-
zögen über die verschiedenen Stämme, dunen er begegnet
Bt, gesammelt hat; es findet »ich hierin ziemlich viel lin-
guistische» Material, wenn auch hier und da clie Werke von
Pimente] «tark benutzt erscheinen. Die Völkerschaften,
über welche wir hier Detail» erfahren, sind: Die Indianer
von Cniifomien (Tulares und Mohares), jene von Nru-Mrxico
(die Seboschonies , Waahoes, PaH-Utahs), die Apachen (mit
Angaben über ihre Sprache und Zahlensystem), dir Indianer
der Sonor» (nämlich die Yociuis, Mayo*. Punas, Papagos,
Scris, wieder mit Bemerkungen über die Idiome dcrOpata*
and Rima? sowie über da« Zahlensystem der enteren), die
Tarhumare», die Tcpebuane*, über deren Sprache Herr
Guillemin rin kleine* Vocabular angelegt und die auffiü-
leode Bemerkung gemocht haben will, dass einzelne Worte sich
textuel mit derselben Bedeutung im Slaviachen, namentlich
im Russischen wiederitndrn, die Otomis, von deren Sprache
Archiv für Anlhroi>o]o([ie, öd. IV. Heft IX.
193
er die von Professur Dr. E. Buschmann in Berlin langst
widerlegte Angabe inacht, das* sie einaylbig sei, und die
Tarasquen. Daran achlic»at er ni>ch seine Reflexionen über
die ulten Mexicancr und »eine Beobachtungen über die heu-
tige Bevölkerung de« Landes.
Hayes. Aus der Nordpolarreine des I>r. Hayen.
(Globus Bd. XV, S. 225—233, 257—265.)
Enthält Einiges über die grönländischen Eskimo«.
Hall, James. Legend* of the West: sketebes illu-
strative of thu Imbits, occupaiion, privationa,
adventures and Sports of the Pioneern of the West
Cincinnati 1869, 12“.
Hay, Guillortno. Antigiiedades de la Frontera.
(Boletin de laSociedad de geogralia y estadiatica
de la republica Mexicana 1869, Torao I, 8. 29.)
Knüpft an 4Üe Entdeckung von Ruinen aui Ufer de* Rio
Colorado Chico and Arizona an, um auf den Zusammenhang
zwischen amerikanischer Cultur und jener de« alten Conti-
nentes hinzu weisen.
Hensol, R. Die Coroados der brasilianischen Pro-
vinz Rio Grande do Sul. (Zeitschrift für Ethno-
logie 1869, Bd. 1, S. 124—135.)
Die Coroados genannten Indianer linden sich gegenwärtig
fast nur, in mehr oder weniger eukivirtem Zustande, an
drei Punkten: bei Koaohay am oberen Uruguay in der
Nahe der Mündung de» Rio Po*«o fundo; in dm Campos
do meio und bei der Militärcolonie Caaeroa, die in Matto
portugucz auf der Grenze zwischen den Campos do meio
und denen der Vaccaria gelegen i«t.
Hippeau, C. L’education deB femroes et des af-
franchis eu Amerique, depuis la guerre. (Revue
des deux Mondes 1869, livre du 15 $ept., pag.
450—476.)
Hutchinson, Th. J. The Parana, with incidents
of the Paraguayau war and South American re-
collections from 1861 — 1868. London 1868, 8°.
468 8. mit Karten.
Auszüge daran» siehe im „Ausland'4 1869, Nr. 10 und
12.
Huxley. On the ethnology and archaeology of
North America. (Journal of the cthnol. Soc. of
London 1869, 8. 218—221.)
Theilt die einheimische Bevölkerung Amerikas in zwei
growen Gruppe: in jene der Arctogral - Völker oder E*qui-
maux und in jene der Austro-Columbiscben Stämme, näm-
lich der Indianer. Erster« hält der hrittisebe Gelehrte für
cingewandert, Letztere für autochthon.
Indian Relict*. (Bulletin of the Essex Institute.
Salem, Mars, Febr. 1869.)
Indianer, die, der Vereinigten Staaten. (Ausland
1869, Nr. 46.)
Im Gegensätze zu den Indianern Central- und Südame-
rika« gehen die Rothhautr der nordamerikanischen Republik
in Berührung mit der angelsächsischen Rnce unaufhaltsam
der gänzlichen Vernichtung entgegen. Zar Zeit der Ent-
deckung des ConUncntü mögen sie ihrer 15 Millionen Köpfe
gewesen sein, jetzt Uxirt man sie auf etwa 300*000. In
Califoraieu waren 1849 ihrer noch 100*000, jetzt sind sie
auf 30*000 herabgesunken. Krieg« unter den einzelnen
Stämmen und mit den Weissen, Schnaps, die Pocken, Sy-
philis und andere Krankheiten , sowie der fatalistische Ein-
25
Digitized by Google
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
m
tluiis, <len die Berührung mit der Cultur der Blartgeaichter
übt , haben ihr« Wirkung getlian; jährlich nimmt auch
diw« klein« Zahl noch ab. Der Unterschied der Raren
und ihre pliy*i»ehe Abneigung gegen einander ist der Art,
das» der Indianer der angelsächsischen Zivilisation unzu-
gänglich bleibt. Einzelne Ausnahmen beweisen nur die
Wahrheit der Regel. Sehr häutig sind jene Fälle, wo an-
scheinend civiliaJrte, physisch und iutellectucll sehr begabt«
Kothhaute bet vorkommender Gelegenheit in den Zustand
moralischer Verwilderung zuriieksanken. Zweifellos ist jede
Hoffnung eitel, das Gemiitta de« Indianen mit europäischer,
oder richtiger amerikanischer Cultur zu versöhnen. Jede*
Unrecht, das «einem Stamm oder «einer Rare geschah, em-
pfindet er aU persönliche Beleidigung. Wiedervergeltung
und Blutrache machen nber einen Theil seines Sittrngesetzes
aus. Daher jene ewigen GrenzfeHden , zu denen nur zu
häutig die Weinten den ersten Anlass geben. Der vorlie-
gende Aufsatz beleuchtet noch in eingehender Weise die
schmachvoll« Weis«, in welcher der rotbe Eingebonie so-
wohl von der Regierung als von den Webten der Vereinig-
ten Staaten hehnndelt wird.
Indianerkrieg in Nordamerica. (Glohu* Bd. XV,
8. 94.)
Jone», Dr. Joseph. The aboriginnl Moundbuil-
ders of Tennesnee. IThe American Nataralist.
Salem, April 1869.)
Jonveaux, Erailo. L’Ameriqne actucllo, preeedue
d'utie introdnetion par Kd. Labouluye. Paris,
Charpentior 1869, 8®. 339 pag.
Kennedy, A. J. Iji-Plata, Braz.il and Paraguay
during the present war. London, Edw. Stanford,
1869, 8°. VIII & 278 pag.
Krisis, die, unter den Mormonen. (Globus Bd. XVI,
S. 297—299.)
Lodo, Luis F. Munoz. Algunas ideas para un
libro Kobro lenguaa asintico-americauas. (Bol. de
la Soc. de geogr. y cstadist. de la republ. Mexic.
1869, Torno I. S. 31—83.)
Verfasser glaubt, da** Amerika ursprünglich von Asien
au» bevölkert wurde und meint durch das Studium der
asiatischen Sprachen diese Frage enUcheiden zu können.
Leouzon, le Duc. Rapport siur lee antiquites mexi-
caiuo« conservess a Copunhague. (Arch. de la Comm.
acient. du Mexique, Tome III, pag. 147 — 165.)
Genaue Aufzählung der im Museum der Socift* des an-
tiquaire» du Nord zu Kopenhagen gesammelten und auf-
be wahrten Alterthüincr.
Mac Cluro, A. K. Three Thoueand Milea througli
the Rocky Mountains. Philadelphia 1869« 8®.
456 S.
Melgar, J. M. Antigüedude« ruexicanaa. (Bol. de
la Soc. d*1 geogr. y entad. de la republ. Mexic.,
Tomo I, S. 292—297.)
In der Näh« von San Andre* Tuxtla ward vor mehreren
Jahren ein colo*saler Kopf au* Granit , wohl über 2 Vara*
(inexica tusch« Eilen) hoch uu* gegraben , der , von ausge-
zekhneter UildhauerarWit . den Auasagen des Vcrfkum
zufol.’* höchst auffallend den äthiopischen Tjrpu* trug.
Herr Melgar glaubt darauf hin und auf eine Stelle Bo-
turinl** gestützt, dass in früheren Zeiten ein Zusammen-
hang zwischeu Amerikas und Afrika, Bevölkerung bestan-
den habe, ja da*» Neger in ältester Zeit den Boden Ame-
rika» betreten haben müssen.
Mexico. Eiu Blick auf Mexico. (Globus Bd. XV,
S. 337—339.)
Ethnologische Würdigung d«r dortigen Verhältnisse *«it
dem Sturze de» Kaiserreiches. Daran schliesst «ch di«
Notiz : BsMsUnpfr in Mexico. Ibid. Bd. XVI, S. 139.
Mission ßckntiiiquc au Mexique» dnns FAmerique
centrale. Paris, Impr. imp. 1869, 4®.
Linguislique: Vol. 1. Bras*«ur de Bourhourg, Ch.
Manuacrit Troano. Etüde* *ur le srst^me graphique et la-
langn« de* Maya* 1809, 4®. Vol. 1. Eine Besprechung
diesp* Bucht?* siehe: Ausland 1870, Kr. 12.
Morgan, Lewis H. Indian Migrations. (The
North American Review. Boston, Octbr. 1869.)
Murray, Will. H. H. Adventures in tbc Wilder-
ness; or, Camp Life iu the Adirondack*. Boston
1869, 12°. 236 S.
Neugranada. Dr. Alfons Stübel in Neugranada.
. (Globus Bd. XV, 8. 239—241; Bd. XVI, S. 156
—167»)
Bespricht unter anderem die Reste alt indianischer Kunst
hei San Agu*(in.
New York. Ein Blick auf die Bevölkerung von
New York. (Globus Bd. XV, S. 265 - 267.)
Bespricht Deutsch« und Irländer, die Tenementhäittcr
und di« Kellerwohnungen, die Höhlen de» Verbrechens.
Paraguay. Enthüllungen über Paraguay. (Globus
Bd. XV. S. 204—207.)
Zeigt die gräulichen socialen Zustände in jener »ogenasn-
teu Republik.
Paraguay. Der Krieg gegen Paraguay. (Unsere
Zeit 1809, I, S. 241—258, 681—692; II, 8. 24
—39, 416—437, 821—836.)
Ausführliche Schilderung de* gaumen Kriege* mit Berück-
sichtigung d«r geographischen und ethnologischen Momente.
Parkman, Francis. The discovery of the Great
West. An historioal account. London, Murray,
1869, 8*. XXI A 425 pag.
Payno, Man. Raza* indigenas. Rancherias de la
Sierra Madie. (Bol. de laSoc. de geogr. y ostad.
de la republ. Mexic., Tomo I, S. 496 — 505.)
Ziemlich eingehende und jedenfalls lesenswerthe ethno-
graphische Skizze der im Staate Teia#, im Thal« de* Rio
Grande und de* Rio Colorado lebenden indianischen Jäger-
stämtue.
Payno, Man. Ensayo de una hietoria de Michoa-
can. (Bol. du la Soo. de geogr. y estad. de la
MaRaachusetts. Lectures on the Early history of
Magsachuactts. Boston 1869, 8®. 498 S.
Mastorman, G. Fr. Seren oventful yeara in Pa-
raguay. A narrative of personal cxperiunce
nraongfit the Paraguayans. London 1869, 8°.
365 S. mit 1 Karte.
Einen dein Athenueum entimmtueuen Auszug die*«* di«
Tjtiiui« de* nunmehr getödtelen Dictatorx Lopez von Pa-
raguay lu den grellsten Farben schildernden Buche* siehe:
Ausland 180b, Nr. 41, dann Nr. 40.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
republ. Mexic. 1869, Tomo I, S. 619 — 632, 713
— 729.)
Cs wäre sehr ia wünschen , dass Provinzialgeschichten
im Style der vorliegenden über die verschiedenen Gebiels-
tbeile verfasst würden, welche eitut die cultivirten Indianer’
Stämme Innegehabt. Nur auf solche Weise wird es mög-
lich werden , das Gewirrt der mexicanischen Geschichte zu
losen, was bisher noch keinem Schriftsteller — auch Herrn
Abb4 Brasseur de Bourbourg nicht — gelungen ist.
Uebersichtlichkeit und Klarheit mangeln noch allerorta
und trüben den Einblick. Eine löbliche Ausnahme macht
Payno's Arbeit. Wir lassen den Inhalt dessen, was bisher
erschienen ist, hier folgen :
Lage , Ausdehnung und Fruchtbarkeit von ftlichoacan.
Ureinwohner. Alte Sagen. Sicuiracha der Jäger. Nieder'
lag« der Chichimcken. — Tarignran. König von Txintzont-
ian- Die Inseln des Sees. Allianz der chithimekischen
Anführer mit dem König der Inseln. — Gründung von
P&tscaarft. Kriege zwischen den Tarasken und Chichime-
ken. Tnriacuri beherrscht das gnnz# Gebiet von Micho*-
can, theilt e» in drri Reiche nach seinem Tode. — Sitten
der Tarasken. Versuch einer raichoacauischen Chronolo-
gie. — Religiöse Ueberliefrningen. Gesetzgebung. Cere-
monien bei Krankheit und Tod der Könige, — Krieg. Un-
glücklicher Feldzug AzayaratPs gegen die Tarasken. In-
vasion und Triumph# Moctezoma’s 11. — Noch einige Worte
über die Sitten der Tarasken. Expeditionen der Spanier
in Miehoacau. Regierung des Christof von Olid. Reich*
thünier de« Landes.
Pen&ft-Golf, der, in der Magalhaes-Straasa (Aus-
land 1869, Nr. 41.)
Enthält Angaben über die Patagonirr und Feuerländer.
Petitol, P. Coup d'ot'il nur la Nouvelle Bretagne.
Etüde Bur la nation montagnaise. Tradition«
judaiquee de« Montagn&is. (Aus den „Missioue
catholiquea“ in „Annale« des Voyages“, Februar
1869, S. 204—231.)
Enthält Specielle» über Charakter, Sprachen und Reli-
gion der nordamerikanischen Indianer.
Pim, B. and Dr. B. Seemann. Döttings on the
roadside in tbe isthmus of Darien in the years
1861 and 1865. (Journal of the Royal Geogr.
Soc. of London, Vol. 36, 1868, S. 69 — 110.)
Den Nachrichten über die Bewohner wird ein Vocabuiar
der Cuna- Sprache beigegeben. Das abenteuerliche Leben
in jenen Ländern schildert der Capitän Bedford Piin von
der königlichen Kriegsmarine, während Dr. Seemann den
botanischen und zoologischen Theil bearbeitet hat. Das
Buch ist mit guten Kurten versehen und Überhaupt hübsch
aus gestattet.
Puritaner und Quäker in Massachusetts. (Glo-
bua Bd. XV, S. 305—307.)
Bappiaten. Die comraun intische Secte der Rap-
pisten in Economy. (Globun Bd. XVI, S. 182 —
184.)
Riggs and Wiliiamson. Hymne in tbe Dakota
Latiguage. Edited by Bigge and Williameon.
New York 1869, 18®.
Saco. L’esclavage ä Cuba et la revolution
d'Eepngiie. Traduit par L. P. Adrien de Mont-
lue. Paris 1869, 8«. 23 S.
ßömaLlö, Renö de. Relation d’un voyage dans la
195
Patagonie septentrionale dans loa annecs 1862
et 1863 par D. Gnillermo Cox. (Bull, de la Soc.
de geogr. de Paris 1869, Tome II, S. 57 — 62.)
Vorliegender Aufsatz ist ein Referat über ein Werk von
dem bekannten Reisenden Cox, welches in den Annaies de
la Universidad de Chile erfebienen ist, wovon über Herrn
S£iualle nur der in dem Augustheft# 1863 dieser Publi-
catlon enthaltene zweite Theil zu Gesichte gekommen ist.
Wir entnehmen diesem Aufsatze Einiges über die patago-
nischeu Völkerschaften; Cox unterscheidet deren fünf:
1. Die Pehuenchen; sie sprechen das Araucanische,
theilcn sich in nördliche: Pieun • Pehuetichen und in süd-
liche: Huilli - Pehuenchen ; sie wohnen von der Provinz
Mendoza bia zum Limay - Flusse; ihr Name kommt von
pehucn = Fichte und ehe = Volk, weil sie früher Cor-
dillrrenthäler bewohnte«, wo Nadelholz wuchs. Unter allen
Stämmen haben die Pehuenchen am meisten Neigung zu
einer bodenaässigen Lebensweise. Im Typus ukhern sic
sich dem Araucaner: Gesicht Aach, Backenknochen vorste-
hend, Teint kupferartig, Anblick wild, Nase kurz, Mund
aufgeworfen, Bart keinen, Haar dicht.
*2. Die Pampas oder Tohuelchen, zwischen Limas
und Chupat; leben im Norden mit den Huilli - Pehuenchen
vermischt; ihre rauhe Sprache hat keine Ärmlichkeit mit
dem Chilenischen. Sie sind die grösstrn unter den Patu-
goniern, doch wurde ihre Grösse stark übertrieben; sie ha-
ben kaum s«chs englische Fuss. Wahre Nomaden , Jäger,
Diebe und Strandräuber. Breitschulterig , stark, in den
Formm massiv, Kopf gross und rückwärts etwas abgeplat-
tet, Gesicht breit und viereckig, Backenknochen wenig vor-
stehend, Augen horizontal, .Stirne klein, Augenbrauen dicht,
Lippeu ungeheuer stark aufgeworfen , Nase platt und mit
sehr otTenen Nasenlöchern. Ihn* Zahl dürfte Ö00Ü kaum
übersteigen.
3. Zwischen dem Chupatflusse und Cap Hoorn leben
zwei Tehuelchen -Stämme, die sich nur durch die Sprache
unterscheiden.
4. Die Huaicurus am Nordufcr der Magalhaes-Strasse,
scheinen von den Tehuelchen und Fuegiem abzustammen ;
ihre Sprache scheint mit dem Idiom der endeten verwandt.
5. Die Fuegier, die Cox nicht persönlich hat kennen
lernen.
Alle diese Völker haben krumme Beine; sie sind gebome
Reiter; ihre Nahrung ist ausschliesslich Fleischnahrung.
Ehebruch ist selten, Fruchtabtreibung dagegen sehr häufig.
Es besteht ein Glauben an ein höheres Wesen und an ela
zukünftiges Leben , natürlich in grasa«m Aberglauben ein-
gehollt, in welchem Zauberei eine grusae Rolle spielt.
Seward. Alaskian Reeourcee and social conditione
of the Native«. Front Mr. Seward's Speech at
Sitka. (The Alaska Herald. San Francisco 1869,
1. Octbr.)
Seymour, Rieh. Arth. Pioneering in the Pam-
pas; or the First Four Years of a Settlor’s Ex-
perience in the La Plata Camps. London 1869, 8°.
Besprochen im Londoner Atbenarum Nr. 2196 vom 20.
November 1869.
Shakers. Die Communistensecte der Shakers in
Nordamerika. (Globus Bd. XVI, S. 252—253.)
Simcmin, L. Le Grand Quent des Etats- Unis. Le«
pionniers et les Peaux-Rouges, les colons du Pa-
cifique. Paria 1869, 18®. 368 S. mit 1 Karte.
Bquier, E. Geo. Serpent worship in America.
(Atheuaeum, London, 25. December 1869.)
Diesem Briefe des uns befreundeten Gelehrten ist zu
Digitized by Google
196
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
entnehmen, Jaas auch in Peru Jas Bild der Schlang« da«
vorzüglichste Symbol für die Gottheit der Erde gewesen ist.
Stettens, Alfons. On some Stone Implemente
from ihe island of San Jost*. (Journal of the Eth-
ndogical Soc. of London 1869, s. 07.)
Kurzer Bericht über Ausgrabungen, die in einem Grabe
vorgenoturaen wurden und Stein Werkzeuge zu Tage fürder-
ten. Die ganze Insel ist mit Scherben von Tüpfergeachirr
bedeckt.
Streifzüge in Florida. (Globus Bd. XVI, S. 97 —
102, 113—119.)
Thompson, George. The war in Paraguay, with
a historical sketch of the country and ita people.
London, Lougman, 1869, 8°. X & 347 pag.
Uncia, J. 8. Antigüedades en el distrito de Tux-
tepec. (Bol. de la 8oc. de geogr. y estadist. de
la republ. Mexic. 1869, Tomo 1, S. 30.)
Notixen über das sogenannt« CaatUlo de Moctezuma und
über die natürliche Festung von Soyaltepec.
Uruguay. Zur Charakteristik der Bewohner von
Uruguay. (Globus Bd. XVI, S. 221 — 223.)
Behandelt IleuUche, Dezentes, Gauchos und Geistliche.
Uruguay. The Eastern Rcpublic of Uruguay.
(Xautical Magazine, April 1869, S. 172 — 182,
Mai, 8. 234—243.)
Abriss der Geographie, Geschichte und Statistik des
Lande«.
Wochsthum und Bedeutung des deutschen Ele-
ments in Nordamerika. (Globus Bd. XVI, S. 286.)
Wagnor, Moriz. Naturwissenschaftliche Reise im
tropischen Amerika. Stuttgart, Cotta, 1870, 8°.
632 S.
Whympor, Fr. Travel and ad venture in the Ter-
ritory dT Alaska, forraerly Ilussian America, now
ccded to the United State«, and in various parts
of the North Pacific. London 1868, 8C. 347 S.
mit 1 Karte. Deutsch von T. Steger, Brauuschweig
1869, 8°.
Auszüge aus diesem interessanten Buche brachten das
„Ausland“, daun der Globus Bd. XVI, 8. 43 — 47, 56—58,
75-77, 105 10«.
Wickham, G. H. Notes of a journey among the
Woolwa and Moskito Indians. (Proceed. of the
Royal Geogr. Soc., Vol. XIII, Nr. 1 , S. 58—63.)
Beschreibt die Indianer am Blewtields-Kiver.
Zukunft des deutschen Elemente« in Amorika.
(Globus Bd. XVI, S. 318—319.)
Zunahme des irischen Elementes im Yankeelande.
(Globus Bd. XV, 8. 221.)
Zustände unter den Mormonen am grossen Salz-
see. (Globus Bd. XVI, 8. 9—11.)*)
*) Anmerkung. Der Literaturbericht über Zoologie folgt in einem der nächsten Hefte.
Digitized by Google
FÜR
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
• V. >
»Oh
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE DES MENSCHEN.
Organ
der
. deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Ucrausgegcben
TOD
0. E. V. Baer in St. Petersburg, E. Desor in Neuenburg,
A. Eoker in Freiburg, F. V. Hellwald in Wien, W. His in Basel,
L. Lindensehmlt in Mainz, G. Luoao in Frankfurt &. M., L. Rütimeyer in Basel,
H. Sohaaffhausen in Bonn, 0. Semper in Wiirzburg, R. Virchow in Berlin,
G. Vogt in Genf und H. Welcher in Halle.
Redaction:
A. Eoker, L. Lindensehmlt
und der Generalsecrotair der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
Vierter Band.
1 87 0.
Mit in den Text eingedruekten Holzet ichen nnd lithographirten Tafeln.
Drittes Vierteljahrsheft
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK ÜXD VERLAG VOX FRIEDRICH VIKWEO UND SOHN.
1871.
ANKÜNDIGUNG.
Daa Archiv für Anthropologie hat eich die Aufgabe gestellt, für die einzelnen Arbeiten
auf dem weiten Gebiete dieser Wissenschaft, dio bisher in anatomischen, medicinischen und archäologi-
schen Zeitschriften und in den Denkschriften gelehrter Gesellschaften sich zerstreuten, einen Vereini-
gungspunkt zu bilden und so insbesondere auch die bis dahin sich sehr fernstehenden Gebiete der Natur-
und der Alterthumsforschung einander zu n&hern. Ferner will dasselbe einen möglichst vollständigen
IJeberblick über den jeweiligen Zustand der geflammten Disciplin gewähren.
Um die bezeichneten Zwecke zu erreichen, wird das Archiv sowohl Originalarbeiten, als
Auszüge aus fremden Arbeiten, Übersetzungen, Heferate und zusammenhängende über-
sichtliche Darstellungen der neuen Arbeiten bringen und überdies durch ein fortlaufendes mög-
lichst vollständiges Literaturverzeichniss den Leser in deu Stand setzen, dem Gange der Wissen-
schaft auf das Genauste zu folgen. Durch die Eröffnung einer Rubrik für kleinere Mitteilungen
und dadurch, dass dem Archiv vou nun an das (monatlich erscheinende) „Correepondenz blatt “ der
deutschen anthropologischen Gesellschaft regelmässig beigegehen wird, erhalten die Leser des Archivs
auch sofortige Keuntniss von kleineren Beobachtungen, Funden etc., sowie von den Verhandlungen der
einzelnen Localvereine.
Das Archiv erscheint vierteljährlich in Heften von 10 bis 12 Bogen in Quart, wovon vier
einen Band bilden, wo immer es nöthig erscheint, mit guten Abbildungen versehen.
Beiträge für das Archiv, sowie Druckschriften , um deren jeweils baldige
Zusendung im Interesse der Vollständigkeit des Literaturberichts dringend ersucht
wird, bittet man an A. Eoker in Freiburg L B. (Baden) oder an die Verlags-
handlung zu senden.
Digitized by Google
XL
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Von
Wilhelm His.
L
Es ist ein altes Problem der Anthropologie, welches ich in den nachfolgenden Blattern
zur Sprache bringe, und, indem ich dies thue, kann ich nicht eine neue Lösung, selbst
nicht eine neue Fragestellung verheisseu. Einer Lösung sind wir im Grunde kaum viel
näher gerückt, als die Philosophen dos griechischen Alterthums, und es ist die Fragestellung
durch Jahrtausende wesentlich dieselbe geblieben, wenn sie aucii in den Detailpunkten
heute einer weit schärferen Präcision fähig erscheinen mag, als früher. — Welchen Antheil
nimmt der Mann, welchen das Weib an der Erzeugung eines neuen Individuums,
und wie sind beide im Stande, körperliche und geistige Eigenschaften auf ihre
Nachkommenschaft zu Überträgen! So etwa mussten die Menschen fragen, sobald sie
Uber das Räthael der Zeugung nachzudenken begannen, und so fragt ja noch die heu-
tige Wissenschaft. — Solch ehrwürdigen Problemen gegenüber mag es vielleicht am Platze
erscheinen, völlig zu resigniren, bis einmal die Gunst der Zeiten mit neuen Angriffspunkten
auch neue Aussicht auf erfolgreiche Behandlung eröflhen wird. Indess ist für die Dauer die
Behauptung derartig zurückhaltender Stellung nicht möglich, denn, wo eine Frage mit so
vielen anderen in so inniger Weise verbunden ist, da wird sie sich immer und immer wieder
zeitweise in den Vordergrund drängen, und so entsteht für eine jede Epoche neuerdings die
Noth Wendigkeit, sich mit der gestellten Aufgabe ins Klare zu setzen, und ihr gegenüber
Position zu nehmen. Von solchem Gesichtspunkt ausgohend, habe ich versucht, im Nach-
folgenden einen historischen Ueberblick der wichtigeren Zeugungstheorien zusammenzustellen.
Durch Zurückgehen auf Quellen und auf Motive, hoffe ich den Loser dafür entschädigen zu
können, dass er vielfach Bekanntes mitgctheilt erhält.
Von den Theorien, welche das Alterthum über die geschlechtliche Zeugung organischer
Wesen- aufgestellt hat, sind zwei unserer besonderen Aufmerksamkeit würdig, weil sie in
25*
Digitized by Google
198
Wilhelm His,
der That zwei Hauptrichtungen repräsentiren, nach welchen die Lösung des Räthscls gesucht
werden kann. Beide haben sich denn auch ihrem wesentlichen Inhalte nach bis in die ge-
genwärtige Zeit erhalten, oder sie sind, richtiger gesagt, mit zeitgemässen Modificationen
versehen, zu wiederholten Malen jeweilen wieder neu aufgestellt worden. Die eine der beiden
Theorien scheint zur Zeit des Hippokrates allgemeine Verbreitung besessen zu haben, die
andere hat ihren Urheber in Aristoteles.
Nach der ersten Theorie, die ich kurz als hippokratische bezeichnen will, bildet das
Weib ebensowohl Samen als der Mann. Der Keim entsteht beim Zusammentreffen männ-
lichen Samens mit weiblichem, und die Aelinlichkeit des erzeugten Geschöpfes mit den
Erzeugern rührt davon her, dass der Same, von allen Tbeilen des Körpers geliefert, eine
Art von repräsentativem Extract des letztem darstellt In der Schrift „über Luft, Lage und
Wasser“ spricht Hippokrates zwar nur kurz, aber doch sehr bestimmt diese Ueberzeugung
aas. Nachdem er die künstliche Bildung sehr langgezogener Schädel bei den Anwohnern
des Azow’schen Meeres geschildert, behauptet er, es sei die Langköpfigkeit schliesslich erb-
lich geworden, und er begründet dies mit folgenden Worten: „der Same nämlich strömt von
allen Tbeilen des Körpers her, und ist gesund oder ungesund, je nachdem die Theile ge-
sund oder ungesund sind. Wenn nun von Kahlköpfigen, von Blauäugigen und Schielenden
ebenfalls Kahlköpfige, Blauäugige und Schielende herkommen, und dasselbe auch von der
übrigen Körperbildung gilt, warum sollte von einem Langkopf nicht auch ein Langkopf
entstehen?“
Der Gedanke von dem Ursprünge des Samens aus dem ganzen Körper wird in dem un-
ächten hippokratischen Buche „de Genitura“ (Tlsgi rovrjg) systematisch ausgeführt Die Haupt-
stelle daselbst lautet in der Uebersetzung also: „Der Same des Mannes kommt von einer
Ausscheidung des kräftigsten Theiles der gesummten Körperflüssigkeit Der Beweis für die
Ausscheidung des Kräftigsten liegt darin, dass wir durch die Geschlechtsthätigkeit geschwächt
werden, trotz der sehr geringen Menge des ausgegebenen Stoffes. Die Sache verhält sich
aber so: es treten Gefässe und Nerven vom ganzen Körper her in die Pudenda, und wenn
sie hier etwas gerieben werden, sich erwärmen und anfüllen, entsteht eine Art von Kitzel, und
in Folge dessen Wollust- und Wännegefuhl im gesummten Körper. Wenn aber die Pudenda
gerieben werden, und der Mensch sich bewegt, erwärmt sich die Flüssigkeit im Körper, breitet
sich aus, wird von der Bewegung geschüttelt und schäumt, wie auch alle übrigen Flüssig-
keiten schäumen, wenn sie heftiger geschüttelt werden. So aber scheidet sich beim Menschen
der kräftigste und fetteste Theil von der schäumenden Flüssigkeit ab und tritt zum Mark;
zu diesem nämlich führen Bahnen aus dem gesammten Körper und breiten sich aus, vom
Gehirn in die Lenden, in den ganzen Körper und ins Mark. Ebenso gehen Bahnen aus
dem Mark hervor, so dass Flüssigkeit in dasselbe eintreten und aus ihm nustreten kann.
Wenn aber der Samen ins Mark gelangt ist, so tritt er von da in die Nieren, denn dahin
steht ihm der Weg durch die Gefässe offen, und wenn die Nieren verschwärt sind, wird
zuweilen auch Blut mitgenommen. Von den Nieren aus tritt er mitten durch die Hoden
in die Pudenda. Hierher gelangt er aber nicht auf demselben Wege wie der Urin, sondern
er besitzt eine eigene Bahn, die der des letztem benachbart ist.“
Wenn wir absehen von den etwas verwickelten Bahnen, die dem Samen zugewiesen
Digitized by Google
199
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
■»■erden, so lässt sich dieser Darstellung eine grosse Einfachheit und Consequenz nicht ab-
sprechen. Auf einem, allerdings etwas grob mechanischen Wege macht sie den Versuch, alle,
den Zeugungsact begleitenden Vorgänge unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zu bringen,
und zu erklären. Hinsichtlich der Aehnlichkeit muss nun aber die Erklärung noch ein Meh-
reres leisten, da das Problem ein verwickeltes ist. Es kann ja die Frucht dem Vater sowohl
als der Mutter gleichen, und während sie das Geschlecht nur von dem einen der beiden
Erzeuger zu haben vermag, so kann die sonstige Aehnlichkeit verschränkt auftreten, es kann
der Sohn der Mutter, die Tochter dem Vater vorzugsweise ähnlich sein. Diese Schwierig-
keit wird von den Urhebern der Theorie wohl eingesehen und kühn zu lösen versucht. Zu
dem Zwecke wird bei jedem Geschlecht ein doppelter Samen, ein stärkerer und ein schwä-
cherer, angenommen. In den ächt hippokratischen Schriften finden sich nur kurze Andeu-
tungen darüber, so in dem Aphorismus V. 48: „foetus masculi quideni dextris, foeminae vero
in sinistris magis“ *). Weit ausführlicher sprechen sich darüber aus das Buch de Geniturn
und dasjenige über die Diät. Ersteres Buch sagt :
„Bald ist der Samen, welcher vom Weibe geliefert wird, kräftiger, bald schwächer. Das-
selbe gilt auch von demjenigen des Mannes. Und es enthält der Mann sowohl weiblichen
als männlichen Samen, und ebenso das Weib. Der Mann aber ist kräftiger als das Weib, so
muss er nothwendig aus dem kräftigeren Samen gezeugt werden. Die Sache aber verhält
sich so: Wenn von Beiden kräftigerer Samen ausgeht, wird die Frucht eine männliche, wenn
aber schwächeier, so wird sie eine weibliche. Wenn viel mehr schwacher Samen da ist,
als kräftiger, wird letzterer überwältigt, und, indem er dem schwachen sich beimengt, liefert
er ein Weib. Wenn aber der kräftigere reichlicher vorhanden ist, als der schwache, wird
dieser besiegt, und geht in einen männlichen Körper über. Es ist wie wenn Jemand Wachs
und Fett mengt, und vom Fette mehr zufugend, die Substanzen am Feuer flüssig macht- So
lange 3ie flüssig sind, ist nicht zu ersehen, welche von beiden Substanzen überwiegt. Wenn
sie aber gerinnen, so wird es sofort ersichtlich, daas das Fett dem Wachs an Menge voran-
steht So verhält es sich auch mit männlichem und weiblichem Samen. Dass aber beim
Weibe wie beim Manne sowohl weiblicher als männlicher Samen vorkommt, das ergiebt sich
aus offenkundigen Thateachen. Denn viele Weiber haben ihren eigenen Männern Mädchen
zur Welt gebracht; nach dem Umgänge mit Anderen aber erhielten sie Knaben, und ebenso
erzeugten jene selben Männer, von welchen die Weiber Mädchen empfangen hatten, männ-
liche Nachkommenschaft, wenn sie zu anderen Weibern übergingen, und diejenigen, welche
von ihren Weibern Knaben erhielten, erzeugten mit anderen Weibern weibliche Nachkommen-
schaft. Hieraus geht aber klar hervor, dass der Mann sowohl, als das Weib männlichen
nicht minder, als weiblichen Samen enthalten; denn diejenigen, welche weibliche Nachkom-
menschaft erhielten, bei denen wurde der kräftige Samen von der Menge des schwächeren
überwältigt, und sie erzeugten Mädchen. Die aber Knaben zeugten, bei denen wurde der
schwächere Samen überwältigt und es entstanden männliche Nachkommen.
t) Hiermit stimmt auch V. 36: Mulieri atertim gestanti, si altera mamma gracilis fiat, gemellos gestans
alteram abortit. Et si qoidem dextra gracilis fiat masculum, si vero sinistra foemellam; sowie der Satz im
VI. Buch der Volkskrankheiten, daas die Männer, deren rechte Hode hervorsteht, Knaben erzeugen.
Digitized by Google
200
Wilhelm His,
Von demselben Manne gebt aber nicht immer kräftiger Samen, noch auch immer
schwacher aus, sondern dies wechselt mit der Zeit Dasselbe gilt vom Weibe, so dass man
sich nicht wundern darf) dass dieselben Weiber mit denselben Männern bald männliche, bald
weibliche Kinder erhalten. In derselben Weise verhält es sich auch hinsichtlich des männ-
lichen und des weiblichen Samens bei Tbieren. Und was den Samen des Mannes sowohl, als
den des Weibes betritft, so stammt er vom ganzen Körper, und da er von den schwachen
Theilen schwach, von den kräftigen Theilen kräftig geliefert wird, so muss sich dieselbe
Vertheilung in der Frucht wiederlinden. Und der Körpertheil, aus welchem beim Manne
mehr in den Samen überging, als beim Weibe, der wird mehr dem väterlichen ähnlich wer-
den. Zu welchem aber mehr vom Weibe kam, der wird mehr dem mütterlichen gleichen.
Es ist aber nicht möglich, dass die Frucht in allen Theilen der Mutter gleiche, dem Vater
aber in gar Nichts, noch kann sie auch umgekehrt jener völlig unähulich sein, sie muss viel-
mehr nothwendig beiden Erzeugern in gewissen Theilen gleichen, da der Samen, aus dem
die Frucht entsteht, von beiden Körpern stammt. Die Frucht wird aber von beiden Erzeugern
demjenigen ähnlicher sein, welcher mehr, und aus einer grösseren Anzahl von Körpertheilen
zur Aehnlichkeit beigetragen hat. Zuweilen aber geschieht es, dass die Tochter zum grossem
Theile dem Vater mehr als der Mutter gleicht, und der Sohn zuweilen mehr der Mutter als
dem Vater. Alles hier Vorgebrachte beweist aber, dass beim Weibe sowohl als beim Manne
männlicher nicht minder als weiblicher Samen vorhanden ist.“ — Laut dem Verfasser der
Schrift können übrigens auch kräftige Eltern schwache Kinder haben, wenn die Beschaffen-
heit des Uterus Verhältnisse darbietet, welche für die Ernährung der Frucht ungünstig sind,
i ; Nach einer andern Seite wird der oben ausgeführto Gedanke von zwei Arten von Samen
in dem Buch Uber die Diät ausgefuhrt. Dieses Buch, welches gleichfalls den uuächten hippo-
kratischen Schriften bcigezählt wird, basirt auf der Lehre des Heraklit, wonach alle Wesen
aus Feuer und aus Wasser hervorgehen1). Die Darstellung ist hier viel schematischer gehalten,
als im Buche de Geuitura, und während in diesem das Bestreben unverkennbar ist, eine
Theorie zu schaffen, welche die bekannten Thatsachen verknüpft, müssen in jenem vielmehr
die Thatsachen der Theorie sich anpassen. „Die Weiber, so heisst es im ersten Buche von
der Diät, entwickeln sich mehr aus dem Wasser und aus kalter, feuchter und weicher Nah-
rungs-, sowie Getränk- und Lebensweise, die Männer aber mehr aus dem Feuer, d. h. aus
trockener und heisser Nahrungs- und Lebensweise. Wer daher ein Mädchen erzeugen will,
der soll eine wässerige Kost gebrauchen, wer aber einen Knaben bekommen will, der hat
eine feurige Lebensweise zu befolgen. Und zwar gilt dies nicht allein vom Manne, sondern
auch vom Weibe, denn nicht das allein trägt zum Wachsthum bei, was vom Manne ausge-
schieden wird, sondern auch was vom Weibe stammt, aus eben jenem Grunde.“
Weiterhin heisst es: „Wenn es geschieht, dass von beiden Theilen männliche Körper
abgeschieden werden, so wachsen sie sofort, und es entstehen Männer von mächtigem Geiste
und kräftigem Körper, wofern sie nicht durch die spätere Ernährungsweise beeinträchtigt
werden. Wenn aber vom Manne männlicher Samen ausgeht, vom Weibe weiblicher, und der
männliche überwiegt, so wirddfe schwächere Seele der stärkeren beigemengt, da sie unter dem
'! Ignii omni* Bemper movere pote«t, aqua cmnia semper autrire.
Digitized by Google
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 201
Vorhandenen nichts Verwandteres vorfindet. So nimmt die kleinere die grössere, und die
grössere die kleinere in sich auf, und gemeinschaftlich üben sie die Herrschaft aus über das
Vorhandene. Und es wächst der Körper des Hannes, der weibliche wird verringert und zu
anderen Geschicken ausgeschieden. Und die also Entstandenen sind zwar minder ausge-
zeichnet als Jene, alter weil die männliche Ausscheidung das Uebergewicht erhielt, so werden
doch Männer erzeugt, die den Namen mit Recht verdienen. Wenn mm aber vom Weibe
männliche Ausscheidung und vom Manne weibliche stammt, und die männliche das Ueber-
gewicht erhält, wächst sie iu derselben Weise wie oben, und die weibliche wird vermindert.
Die Erzeugten aber sind Androgyni, d. h. weibliche Männer, welche mit Recht diesen Namen
verdienen. Und die Männer, nach diesen drei Weisen erzeugt, unterscheiden sich von ein-
ander durch das Mehr oder Weniger des Mauuseins, wpgen der Temperirung der wässerigen
Theile, wegen der Nahrung, der Erziehung und der Gewöhnung.
Das Weib aber wird in gleicher Weise erzeugt. Wenn von beiden Tbeileu Weibliches
ausgeschieden wird, entstehen Weiber von durchaus weiblichem Geist, und zu allem Weiblichen
geschickt. Wenn vom Weibe weiblicher, vom Manne männlicher Samen stammt, und der
weibliche überwiegt, so entwickelt sich dieser letztere, die Weiber werden kühner als
jene, gleichwohl aber schön und wohlgesittet. Wo aber vom Manne weiblicher Samen aus-
geschieden wird, vom Weibe männlicher, und der weibliche bleibt Meister, so entwickelt er
sich desgleichen, und die entstehenden Weiber werden noch weit kecker als jene, und heissen
alsdann Viragines.“ „So aber Jemand bezweifelt, dass eine Seele mit der andern sich mischen
könne, der entbehrt des Verstandes,“ fügt der Verfasser bei, und vergleicht das Verhältnis*
der beiden Seelen domjenigen zweier ungleich stark glühender Kohlen, die auch zu dem-
selben Feuer sich untrennbar vereinigen, wenn da« Feuer Nahrungsstoff erhält. Die Möglich-
keit aber der Zwillingsbildung wird auB der zweifächerigen Natur des Uterus abgeleitet.
Wenn der Verfasser des Buches von der Diät mit dem des Buches de Genitura in der
Annahme zweier Samen Ubereinstimmt, so weichen, wie man sieht, beide doch darin weit
von einander ab, dass der Letztere der entstehenden Seele den Hauptantheil an der Körper-
bildung zuschreibt, während Jener eine weit materiellere Form der Erklärung gewählt hat.
Was nun Hippokrates selbst betrifft, so hat derselbe die Annahme von dem Ursprünge
des Samens aus dem ganzen Kör] km-, wie wir oben sahen, ausdrücklich adoptirt, gleichwohl
liegt kein Grund vor, ihn als deren eigentlichen Begründer zu betrachten. Unter anderm
scheint aus der Art, wie Aristoteles dagegen auftritt, hervorzugehen, dass die besagte Hy-
pothese in jener Zeit eine weitere Verbreitung besass ■). Auch wird von einem sehr nahen
Zeitgenossen des Hippokrates, nämlich von Demokrit, berichtet, dass er den Samen aus
dem ganzen Körper hergeleitet habe’). Jedenfalls scheint die Annahme eines besondere
*) Hierüber vergl. man Coate: Hiatoire generale et perticuliire de 1» Generation I, pag. IMS. Code
glaubt. Aristoteles halte den Hippokrates nur au» Achtung nicht persönlich genannt, während Aubert
in der Einleitung zu der mit Wimmer herausgegebenen Geichichtc der Zeugung von Ariatotele» pag. 7
die oben vertretene Ansicht aufspricht.
*) Plutarch de placitis philoaophorum. V. 3. ed. ßndaeus. Ba>Q. 1531. pag. 152, Pythagoras geniturnm
e*»e, inquit, probissimi sanguinis »pumam, alimenti retrimentum, utsonguinem quoque et meduliam. Alcmaeon
oerebri partem. Plato vertebraü# metlullae deflnrium. Epicurus convubum quiddam a corpore et anima.
Democritus: ex toti» prodit genitura corporibua, praecipuisquc eorum partibu». veluti caruoeis fibrie et ossihtia.
Archiv Mr Anthropologie. Bd. IV. H«ft I1L 0(J
Digitized by Google
202
Wilhelm His,
weiblichen Samens weit älter als Hippokrates, denn sie wird von Plutarch schon dem
Pythagoras zugeschrieben. Die Bedeutung der rechten und der linken Seite für das Ge-
schlecht der Frucht sollen nach demselben Gewährsmann Parmcnides und Anaxngoras
behauptet haben ')■ Der Gedanke scheint ein sehr naheliegender zu sein, und er lebt be-
kanntlich noch weit verbreitet in unsertn heutigen Volksglauben fort. — Ganz allgemein
war Übrigens die Annahme von einem weiblichen Samen in der vorhippokratischen Zeit
nicht. So flihrt Aristoteles den Anaxagoras als Vertreter einer Ansicht an, wonach der
Mann allein den Samen und das Weib blos den Ort der Entwickelung gewährt. Noch früher
findet diese Ansicht Ausdruck in einer Stelle der Eumeniden des Aeachylus, auf die ich
von befreundeter Seite bin aufmerksam gemacht worden. Es spricht Apollo bei Vertheidi-
gung des Muttermörders Orestes (Vers 611 u. ff.):
.Es ist die Mutter deseen, den ihr Kind sie nennt,
Nicht Zeugerin, nur Pflegerin eingeeaeten Keimes;
Es zeugt der Vater, aber sie bewahrt da« Pfand
Dem Freund die Freundinn, wenn ein ('Ott es nicht verletzt.
Mit sichrem Zeugnis« will ich das bestätigen:
Denn Vater kann man ohne Mutter sein; Beweis
Ist durt die eigne Tochter des Olympiers Zeus,
Die nimmer eine» Mutterschoosses Dunkel barg,
Und edler Kind gebar doch keine Göttin je.“
(Uebers. von Droyseu, S. 147, 3. Aufl.)
Wenn wir der oben besprochenen hippokratischen Zeugungstheorie, besonders der im
Buche de Genitura ausgefUhrten, das Verdienst lassen müssen, dass sie consequent» klar und
nach verschiedenen Seiten hin ihren Gegenstand erfasst, so leuchtet doch sofort ein, dass sie
nur dem Menschen und allenfalls noch den Siiugethieren angepasst ist» auf die übrige Thier-
welt aber, und vor allem auf die Pflanzenwelt nicht mehr anwendbar erscheint. Mit seinem
universellen Geiste hat denn auch Aristoteles dies sofort erkannt, und neben den übrigen
schwachen Seiten der Theorie gerade diesen Mangel an Allgemeinheit in überlegener Weise
angegriffen. Ich theile den Hauptabschnitt seiner Kritik in extenso mit*):
*) Plutarch, de plac. phil. V. 7, und Aristoteles, von der Zeugung. Buch IV, I. c. 261: „Einige, wie
Anaxagoras und andere Naturforscher, meinen, dass dieser Gegensatz gleich Anfangs in dem Samen liege.
Von dem Männchen nämlich komme der Same, das Weibchen aber gewähre den Ort. und das Männchen
komme aus der rechten Seite, das Weibchen aus der linken, und ebenso «eien im Uterus die Männchen auf
der rechten, die Weibchen auf der linken Seite.*1 Von letzterer Behauptung hat bereits Aristoteles die that-
sächliche Unrichtigkeit erwiesen. Andere waren übrigens noch weiter gegangen, und hatten angegeben, durch
einseitiges Unterbinden, oder bei Thieren durch Abschneiden eines Testikels habe mau es in der Gewalt, das
Geschlecht der Nachkommen willkürlich zu bestimmen. Sehr treffend bemerkt dazu Aristoteles: „Aber
diese Behauptung ist unwahr, vielmehr hat man nach WahrscheinlichkeiUgründen vorausgesetzt, was geschehen
müsse, und vorausgeurtheilt, das« es so sei, ehe man die Thatsache beobachtet hatte (und ohne zu wissen,
dass diese Organe l>ei der Zeugung gar nichts zur Hervorbringuug weiblicher und männlicher Jungen bei-
t ragen)“ 1. c. 269. Allerdings verwirft im Hinblick auf die Elements rtheorie selbst Aristoteles die Bedea«
tung der Körperseilo für das Geschlecht nicht vollständig, worüber man das Original nachsehen mag. Man
vergleiche ferner das VII. Buch der Geschichte der Thiere, edit. Aubert und Wimmer, Bd. II, ^47, wo der
Verfasser (nach Aubert und Wimmer nicht Aristoteles selbst, sondern ein aus ihm schöpfender Schrift-
steller) das Zusammentreffen des Aufenthalts in der rechten Uterusseite mit männlichem Geschlecht u. s. w.
für inoonatant erklärt.
*) Nach der Uebersctzung von Aubert und Wimmer Seite 71.
Digitized by Google
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 203
„Da nun Manche behaupten, dass der Samen vom ganzen Körper kommt, so müssen wir
zunächst untersuchen, wie es sich damit verhält. Es sind ungefähr vier Gründe, welche man
dafür anführen kann. Erstens die .Stärke des Lustgefühls, denn die Lust ist grösser, wenn
dieselbe Empfindung vielfältiger ist; sie ist aber vielfältiger, wenn sie allen Theilen, als
wenn sie nur einem, oder wenigen zukommt. — Zweitens: dass aus Verstümmelten wieder
Verstümmelte entstehen, denn weil ein Tlieil fehlt, so könne, sagt man, von diesem kein
Samen kommen, und der Tlieil, von dem kein Samen komme, könne demnach auch nicht
entstehen. — Dazu kommt drittens die Aehnlichkeit mit den Erzeugern, denn die Kinder
werden ihren Eltern ähnlich geboren, sowohl im ganzen Körper, als auch in den einzelnen
Theilen. Wenn nun davon, dass der ganze Körper ähnlich ist, der Grund darin liegt, dass
der Same von dem Ganzen kommt, so wird auch für die Aehnlichkeit der Theile der Grund
darin liegen, dass von jedem Theile etwas herkommt. Endlich scheint es auch folgerichtig
zu sein, daas wenn es ein Erstes giebt, aus welchem das Ganze wird, es ebenso Etwas gebe,
aus welchem jeder Tlieil wird, daher, wenn es einen Samen giebt für jenes Ganze, auch jeder
einzelne Theil seinen besondern Samen haben wird. Diese Meinung stützt sich auf folgende
Erfahrungen: Die Kinder werden ihren Erzeugern ähnlich, nicht allein in angeborenen, son-
dern auch in später erworbenen Merkmalen. Denn der Fall ist vorgekommen, dass wenn
die Eltern Narben hatten, ihre Kinder an derselben Stelle das Zeichen der Narbe hatten,
und in Chalcedon zeigte sich bei dem Kinde eines Vaters, welcher auf dem Arme ein Brand-
zeichen hatte, derselbe Buchstabe, nur verwischt und nicht scharf ausgeprägt. Dies sind
ungefähr die Gründe, weshalb Manche überzeugt sind, dass der Santen vom ganzen Körper
kommt.
Wenn man aber diese Ansicht näher prüft, so ergiebt sich vielmehr das Gegentheil, denn
es ist nicht schwer, die Behauptung zu widerlegen, und ausserdem stösst jene Ansicht noch
auf andere Widersprüche. Erstens ist die Aehnlichkeit kein Beweis dafür, dass der Samen
vom ganzen Körper herkommt, da die Abkömmlinge auch in der Stimme, den Nägeln, Haaren
und in der Bewegung ähnlich sind, von welchem allen doch Nichte herkommt. Manches
haben auch die Eltern noch nicht zu der Zeit, wo sie erzeugen, z. B. die grauen Haare oder
den Bart. Ferner gleicht man den Grosseltern, von welchen Nichts bergekontmen ist. Denn
die Aehnlicbkeiten pflanzen sich durch mehrere Geschlechter fort, wie dies in Elia bei einem
Mädchen der Fall war, welche mit einem Mohren Umgang hatte, indem nicht ihre Tochter,
sondern der Sohn der letzteren von schwarzer Farbe war. Dasselbe Verhältniss zeigt sich
auch bei den Pflanzen, bei denen ja offenbar der Samen auch von allen Theilen herkommen
würde. Viele Pflanzen haben aber manche Theile gar nicht, manche kann man hinweg-
nehmen und manche wachsen nach. Ferner kann auch der Samen nicht von den Fruchthülleu
herkommen, und doch zeigen auch diese dieselbe Gestalt. Ferner muss man fragen, kommt
der Samen nur von einem jeden der Gewebe (gleichartigen Theile), als da sind Fleisch,
Knochen, Sehnen, oder kommt er auch von den Körpertheilen (ungleichartigen Theilen), z. B.
dem Gesicht und der Hand! Denn nimmt man an, dass er nur von jenen kommt, so gleichen
die Abkömmlinge doch gerade mehr in letzteren den Eltern, im Gesicht, an den Händen und
Füssen. Rührt also die Aehnlichkeit in diesen Theilen nicht davon her, dass der Samen von
allen Bestandtheilen kommt, so ist nichts entgegen, dass auch die Aehnlichkeit in jenen
20 •
Digitized by Google
W i 1 li e 1 in H i s ,
äu4
Theileu nicht davon berriihrt, dass der Samen vom ganzen Körper herkommt, sondern von
einer andern Ursache. Nimmt man aber an, dass er nur von den Körpertheilen herkommt,
so giebt man zu, dass er nicht von allen Bestandtheilen herkommt. Richtiger wäre, dass er
vou jenen' herkommt, denn jene sind früher vorhanden und die Körpertheile sind aus den
Geweben1) zusammengesetzt, und die Aehnlichkeit im Gesiebt und in den Händen ist nicht
ohne die im Fleisch und in den Nägeln. Nimmt man aber drittens an, der Samen komme
vou beiden Ordnungen von Bestandtheilen, wie sollte dann die Erzeugung stattfinden? Denn
die Körpertheile sind aus den Geweben zusammengesetzt; käme also der Samen von diesen,
so hiesse dies so viel, als dass er von jenen, und von ihrer Zusammensetzung herkommt.
Man vergleiche den Körper mit einem Namen, kommt etwas von dem ganzen Namen, so
kommt es von jeder Silbe, und kommt es von diesen, so kommt es auch von den Buchstaben,
als den Elementen dor Silben, und von deren Zusammensetzung. Wenn also Fleisch und
Knochen aus Feuer und dergleichen bestehen, so würde man bis auf die Elemente zurück-
gehen müssen, denn wie wäro es möglich, dass der Samen aus der Zusammensetzung herkäme?
und doch könnte ohne diese keine Aehnlichkeit stattfinden. Wenn aber irgend ein Spä-
teres dio Zusammensetzung bewerkstelligt, so wird dieses die Ursache der
Aehnlichkeit sein, nicht aber, dass der Samen vom ganzen Körper herkommt
Ferner, wenn sich die Organe im Samen von einander getrennt finden, auf welche Weise
können sie leben? wenn sie aber Zusammenhängen, so hätten wir schon ein kleines Thier.“
Nachdem nun Aristoteles die Ansicht des Empedokles bekämpft, wonach ein jedes
der beiden Eltern nur einen Theil der Körperbestandtbeile liefere, wendet er sich zur Wür-
digung von Wachsthum und Ernährung, auch hier mit vortrefflichen Argumenten kämpfend,
so fragt er z. B.: „Alsdann auf welche Weise sollen diese Theile, welche vom ganzen Körper
hergcknmmen sind, wachsen? Anaxagoras sagt ganz richtig, dass Fleisch aus der Nahrung
zum Fleisch hinzutrete; wie wollen nun diejenigen, welche dies nicht annehmen, aber be-
haupten, dass der Samen vom ganzen Körper komme, die Vergrösserung durch Hinzutreten
eines Verschiedenen erklären, wenn das Hinzugekommene unverändert bleibt ? Wenn aber
das Hänzutretende sich zu verändern vermag, warum kann nicht von Haus aus der Samen so
beschaffen sein, dass aus ihm Blut und Fleisch werden knun, ohne dass er selbst Fleisch und
Blut zu sein braucht? Denn auch so läast sich das Wachsthum nicht erklären, dass die Zu-
nahme weiterhin durch Mischung geschieht, wie beim Wein, wenn man Wasser hinzugiesst
Denn nach solcher Ansicht wäro ursprünglich, da der Samen noch unvermischt war, jeder Theil
gerade am meisten und reinsten in ihm gewesen, nun aber gestaltet er sich vielmehr später
erst zu Fleisch und Knochen und jedem der anderen Theile. Dio Meinung aber, dass irgend
ein Theil des Samens Sehne sei oder Knochen, übersteigt unsere Begriffe.“
Weiter heisst es; „Ferner entstehen manche Thiere weder aus Thieren derselben, noch
aus solchen verschiedener Art, wie die Fliegen und die Arten der sogenannten Höhe. Aus
diesen entstehen Thiere, die aber nicht mehr von ähnlicher Bildung sind, sondern eine Art
Würmer. Offenbar können nun dergleichen Abkömmlinge, welche von amlerer Gestaltung
sind, nicht dadurch entstehen, dass der Samen dazu von dem ganzen Körper herkommt“
'j Wenn ich hier die Ausdrücke Gewebe und Körpertheile für gleichartige und ungleichartige Theile
•uhetituire, »o i*t die« im Grunde nur eine (YberseUung in uu#ere gegenwärtige Fachsprache.
Digitized by Google
205
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Gehen wir nun zur eigenen Zeugnngstheorie des Aristoteles Uber, so lässt sich diese
kurz dahin ausdrücken, dass das Männchen den Anstoss der Bewegung (upZ'l Z’IS xtvtjatuj)
giebt, das Weibchen aber den Stoff. Mit Hülfe verschiedener Bilder sucht Aristoteles die-
sen Gedanken anschaulich zu machen ; so vergleicht er einmal die Zeugung mit der Gerin-
nung der Milch durch das Lab, bei welcher die Milch den Stoff’, das Lab aber das Princip der
Gerinnung abgebe, oder wiederum mit dem Guss einer Wachskugel in einer Form, oder dem
Schaffen einer Bettstelle aus Holz durch den Zimmermann u. s. w ■). „Und es muss gleich
Anfangs der eine Theil des Stoffes beisammen sein, ans welchem der erste Keim gebildet
wird, der andere Theil aber fortwährend hinzukommen, damit die Frucht wachse.“ Als den
Stoffbeitrag, welchen das Weib an das Erzeugnis* abgiebt, sieht Aristoteles die Katamenicn
an, und es ist bekannt, wie er bereits die Menstruation des menschlichen Weibes mit den
Blut- und Sehleimabgängen parallelisirt hat, welche zur Zeit der Brunst bei Thieren beob-
achtet werdeu.
Besonders deutlich zeigt die nachfolgende Stelle, wie Aristoteles5) den männlichen und
den weiblichen ADtheil an der Zeugung auffasst: „Indem aber der Samen eine Ausscheidung
ist, und sich in der Bewegung beßndet, kraft welcher das Wachsthum des Körpers durch die
Vertheilung der letzten Nahrung geschieht, so formt er, wenn er in den Uterus gelangt ist,
und setzt die im weiblichen Körper vorhandene Ausscheidung in die Bewegung, in der er
sich befindet; denn auch jene ist eine Ausscheidung, und enthält das Vermögen zur Bildung
aller T’heile, nicht aber die Tbeile in Wirklichkeit. Sie enthält auch die Möglichkeit, solche
Theile zu bilden, durch welche das Weibchen vom Männchen sich unterscheidet, denn sowie
aus Verstümmelten bald Verstümmelte werden, bald nicht, ebenso werden aus Weibchen bald
Weibchen, bald nicht, sondern Männchen. Das Weilrchen ist nämlich gleichsam ein ver-
stümmeltes Männchen und die Katamenien Samen, der aber nicht rein ist, denn es fehlt ihm
noch eines, das Princip der Seele. Daher enthält bei den Thieren, welche Windeier legen,
das sich bildende Ei die Theile beider, nber das Princip fehlt ihm, weshalb es nicht lebendig
und lieseelt wird, denn dieses bringt der Samen des Männchens hinzu. Sobald aber die im
Weibchen vorhandene Ausscheidung dies Princip empfängt, wird sie zum Keime.“ Hinsicht-
lich der hier erwähnten Windeier ist hervorzuheben, dass ihre Erklärung Aristoteles und
seinen Nachfolgern deshalb viel zu tliun gegeben hat, weil sie sich das Ei erst in Folge der
Befruchtung gebildet dachten. Eine ganz ähnliche Schwierigkeit ergab sich bekanntlich
später fiir die Erklärung jungfräulicher Corpora lutea, und, wie die Erklärer hier darauf
verfallen sind, die Jungfrauen, bei denen Corpora lutea gefunden wurden, einer aufgeregten
Phantasie zu beschuldigen, so ist man auf den Gedanken gekommen, jungfräulichen Hühnern,
welche Windeier legen, erotische Gedanken vorzuwerfen, „naud improbo etiam Plinii seh-
tentiani, qui mutua inter se libidinis imaginatione ova talia «mcipere dixit. Omnioo etenim
verisimile est, materiae seminalis redundantiam ingentem pruritum, ae tintillationem in parti-
bus genitalibus excitare, unde postmodum sese concepisse imaginentur, maxime si altera
foemella, ut quaudoque fit, alteram ineat," (Aldrovandi Omitliolog. lib. XIV.)
Im zweiten Buche seiner Zeugungsgescliichte sucht nun Aristoteles auch die meta-
*1 1. c. 109, 115. — *) Von der Zeugung:, II. Buch in der Uebersetzung von A. u. W, S, 153.
Digitized by Google
Wilhelm His,
206
physische Begründung der geschlechtlichen Fortpflanzung zu geben. Unter Verweisung auf
dos Original hebe ich aus dieser Begründung blos die nachfolgenden Sätze hervor: „Die
Natur der Geschöpfe lässt die Ewigkeit nicht zu, sonach ist das Werdende soweit ewig als
es vermag. Der Zahl nach vermag es nicht ewig zu sein, aber der Art nach kann es ewig
sein; deswegen giebt es sich wiederholende Geschlechter der Menschen uud Thiere und
Pflanzen. Da aber das Weibliche und das Männliche deren Ursprung sind, so kann das
Weibliche und das Männliche in den Wesen, die eins von beiden sind, nur um der Zeugung
willen sein. Insofern aber die erste bewegende Ursache, in welcher der Begriff und die
Form liegt, ein Höheres und Göttlicheres ist, als der Stoff, so ist es auch besser, dass das
Höhere vom Niederen getrennt ist Deswegen ist überall da, wo es angeht, und soweit es
angcht, das Männliche vom Weiblichen getrennt. Denn ein Höheres und Göttlicheres ist das
Prineip der Bewegung, welches als Männliches dem werdenden Geschöpfe zu Grunde liegt,
indem das, was als Weibliches zu Grunde liegt, nur der Stoff ist. Um die Zeugung zu be-
werkstelligen, kommt das Männliche mit dem Weiblichen zusammen und mischt sich mit ihm,
denn sie ist ein Erzeugnis« beider ')•“
Indem nun Aristoteles die successive Bildung der Organe ins Auge fasst kommt er
zum Ergebnisse, dass die vom Samen ausgehende Bewegung fortwährend neuen Theilen sich
überträgt. „Es ist aber der Fall, dass ein Erstes ein Zweites bewegt und ein Zweites ein
Drittes, wie boi den wunderbaren Automaten. Die ruhenden Theile der letzteren besitzen
nämlich eine gewisse Fähigkeit, und wenn eine äussere Kraft den ersten Theil in Bewegung
setzt, so wird sofort der nächste in thätige Bewegung versetzt. So wie nun bei den Auto-
maten jene Kraft gewissermassen bewegt, ohne zur Zeit irgend einen Theil zu berühren,
nachdem sie jedoch früher einen berührt hat, auf ähnliche Weise wirkt auch das von dem
Samen Kommende, oder was den Samen bereitet hat, so dass es zwar einen Theil berührt
hat, nun aber nicht weiter berührt. . . . Der Samen aber ist ein solches Wesen, und hat ein
solches Bewegungsprincip, dass, wenn der Anstoss der Bewegung aufhört, ein jeder Theil, und
zwar als ein beseelter wird.“ Das bewegende Prineip des Samens nennt Aristoteles seine
Seele, und er ertheilt ihm eine solche, wie er sie allen Theilen des Körpers zuertheilt. „Denn
es giebt weder ein Angesicht noch Fleisch ohne Seele, sondern man wird diese Theile, wenn
sie abgestorben sind, nur uneigentlich mit dem Namen Angesicht und Fleisch benennen,
wie dies mit den aus Holz bestehenden geschieht.“ Dürften wir hier das Wort #>t fjrij mit
Leben anstatt mit Seele übersetzen, so wiirde die Aufstellung der x f’ejt) des Samens sofort
zu einem Satze der heutigen Physiologie. — Als ffptsmxij oder Ernährungsseele de-
finirt Aristoteles genauer das dem Samen innewohnende Prineip. Anima vegetativa hat es
späterhin auch Harvey genannt.
Ich unterlasse es, Aristoteles auf den Boden der Elementen- und Tomperaturlehre zu
folgen. Diese ist ja für uns so absolut fremdartig, dass wir nicht mehr im Stande sind,
uns eine Vorstellung von dem zu machen, was die Alten mit den Ausdrücken wann und
kalt, feucht und trocken, luftig, schaumig u. s. w. verstandeu haben. Wir können uns kaum
denken, weshalb z. B. das Gehirn kalt und feucht sein soll, oder warum die rechte Seite
»1 1. c. 139.
Digitized by Google
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 207
des Körpers wärmer als die linke genannt wird. Es spielen bekanntlich diese Temperatur-
begriffe in der gesummten wissenschaftlichen Literatur, bis ins 17. Jahrhundert hinein, die
hervorragendste Rolle, und auch in den klarsten Gedankengängen begegnen wir ihnen von
Zeit zu Zeit plötzlich als einer unüberstcigbaren Schwelle.
Durch den grossen Vorsprung an thal-sächlichen Kenntnissen und durch seine scharfe
geistige Ponetrationskraft war Aristoteles dahin geführt worden, die ältere materielle
Auffassung der Zeugung zu verwerfen, und eine neue dynamische Auffassung an die Stelle
zu setzen. Allein den Anforderungen seiner Zeit gegenüber war es mit der blossen Auf-
stellung eines allgemeinen Princips nicht gethan. Es musste das letztere auch ins Einzelne
durcbgefUhrt, und zur Erklärung der gegebenen Thatsachen verwendet werden. Dieser For-
derung hat sich Aristoteles vorzugsweise im vierten Buch seines Werkes über die Zeugung
unterzogen. Aus naheliegenden Gründen mussten seine Ableitungen etwas unbestimmt und
dunkel bleiben, und sie vermochten nicht die plastische Anschaulichkeit zu erreichen, welche
die alte Theorie gerade den Einzelfragen gegenüber behauptet hatte. Ausserdem aber ent-
hält auch die principielle Aufstellung des Aristoteles, wonach der Mann die formende
Bewegung, das Weib blos den Stoff giebt, eine auffallende Lücke, denn sie scbliesst den
erblich übertragbaren Formungsantlieil der Mutter aus. Hier ist er dem offenbaren That-
bestand gegenüber zu besonderen Hiilfshypothesen genöthigt, die neben der Anwendung
der Teni|>eratureiilehre als die schwächsten Seiten seiner Darstellung erscheinen. Aristo-
teles' Gedanketigang bei Erklärung der Aehnlichkeiten ist am schärfsten in den folgenden
paar Sätzen ausgesprochen: „Bei der Zeugung wirkt sowohl die Art als auch das Indivi-
duum. alter letzteres in höherem Grade, denn dies ist das Substantielle (i) oval«), Und das
Werdende wird zwar im Wesen von einer gewissen Beschaffenheit, aber von einer indivi-
duellen, und dies ist das Substantielle. Daher rühren die Bewegungsantriebe von den
Kräften her in den Samen aller dieser, und dein Vermögen nach auch die der Vorfahren,
alter in höherem Grade derjenigen, die dem Betreffenden in der Abstammung näher stehen.“
Aristoteles nimmt nun aber auch das Vorhandensein von Widerständen für die vom
Samen ausgehende Bewegung an. Die Kraft des Samens kann abgeschwächt, oder über-
wältigt werden, und hiernach kommt es nun zum Umschlag der Formen in diejenige früherer
Generationen, oder auch zu einem Umschlagen des Geschlechtes. „Individuen,“ so sagt er
an einer Stelle1), „sind z. B. Koriskos und Sokrates. Weil aber alles, was aus seiner
Natur heraustritt, sich nicht in ein Zufälliges, sondern in ein Entgegengesetztes umwandelt,
so muss auch Dasjenige, was bei der Zeugung nicht bewältigt wird, ausarten, und zum Ent-
gegengesetzten werden, in der Richtung hin, in welcher das Erzeugende und Bewegende
nicht Meister geblieben ist. Hnt es nun in seiner Eigenschaft als Männliches nicht bewältigt,
so entsteht ein Weibchen, ist es aber als Koriskos oder Sokrates nicht Meister geblieben,
so entsteht ein Kind, welches nicht dem Vater, sondern der Mutter gleicht . . . Auf ähnliche
Weise verhält es sich mit den ferneren Möglichkeiten, es findet nämlich immer ein Uebcr-
gang und Fortschreiten zum nächsten Vorfahren statt, sowohl auf väterlicher, als auf mütter-
licher Seite. Die einen Bewegungsantriebe sind der Wirklichkeit nach vorhanden, die anderen
*) l. c. p»g. SOI.
Digitized by Google
208
Wilhelm His,
der Möglichkeit nach. Der Wirklichkeit nach die des Erzeugenden und der allgemeinen
Form, z. B. des Menschen und des Thieres, der Möglichkeit nach die des Weibchens und
der Vorfahren.“ Aeussere Bedingungen, Nahrung, Luft, Wasser können auf die Natur der
Frucht Einfluss haben. „ Harte und kalte Wässer verursachen theils Unfruchtbarkeit, theils
die Erzeugung von Weibchen. Dieselben (äusseren) Ursachen sind es auch, derenthalben die
Kinder den Eltern bald ähnlich, bald unähnlich sind, und manchmal dem Vater, manchmal
der Mutter, sowohl im ganzen Körper als in den einzelnen Theilen gleichen, und derent-
willen sie mehr den Eltern ähnlich sind, als den Vorfahren, und wiederum mehr diesen, als
irgend welchen beliebigen, und wegen deren die Knaben dem Vater, die Mädchen aber der
Mutter gleichen, Manche aber Keinem unter den Verwandten, doch überhaupt noch einem
Menschen, Einige auch endlich der menschlichen Gestalt nicht mehr, sondern einer Miss-
gestalt. Auch der, nämlich, welcher seinen Eltern nicht mehr gleicht, ist ge-
wisserinaassen schon eine Missgestalt; denn die Natur ist bei solchen schon
etwas aus der Art herausgetreten. Der Anfang dazu geschieht darin, dass ein Weib-
liches statt eines Männlichen gebildet wird, jedoch ist dies der Natur unentbehrlich, weil die
Art derjenigen Thiere, wo Männchen und Weibchen gesondert sind, erhalten werden muss.“
Ich verlasse Aristoteles und gehe zu Galen über. Galen hat die Zeugungslehre nicht .
gerade mit Vorliebe behandelt. Es wird ihm durch seinen streng teleologischen Standpunkt
eine unbefangene Betrachtungsweise des Gegenstandes erschwert, und er tritt geradezu mit
einer, gewissen Scheu an denselben heran. So betont er besonders im Scblusscapitel des
Buches de foctuum formatione die Schwierigkeit irgend welcher Erklärung der Körperbildung
zu finden, die zugleich von der Zweckmässigkeit des Körperbaues Rechenschaft gebe ').
Etwas einlässlicher geht Galen in dem Buch de Semine in den Gegenstand ein2). Er
l) „Ego vero »icut fabricam nostris corporis oatendi. euramam opificia et aapientiam et potentiam prae »e
ferre, ita demonstrari mild a philoaophia velim, utrum ia opifex Deua aliquis ait et sapiens et potena, qu; et
intellexerit priue, quäle uniuacujueque animalis corpua esset fabricandum, et deinde quod proposuerat poteutia
fuerit asaecutua; an anima a deo diveraa. Neqne enim natarae, quae appellatur, aubatantiam, «irc corporea, aive
incorporea ea ait, ad eummum aapientiae dicent pervaniase, quam ne ulla quidero sapientia esse praeditam in-
quitrot, unde eam ita inartificioae in foelnum formatione ae geasiaae credendum non est. Hoc enim ab Epicuro
aliiaque, qui aine providentia omnia fieri opinantur, andiente» nullam fidem adhibemus“
lind im weiteren Verlaufe: „Kateor itaqne de foetunm fonnatrice causa ambigere: nam cum aummam in
Horum fabrica et aapientiam et potentiam videam, non posauw exiatimare, eam quae in aemine eat animam
ab Aristotele vegetalem, concnpisoibilem a Platone, a Stoicia ne animam quidem prursum, *ed naturam ap*
pellatam foetum ipaum formore: cum non modo aapiena non eit, aed omni prnreus ratione carere videatur.
Cum autem rurtua aimilitndinem, quam tilii habent cum parentibua apecto, ab bac opiuione non longe di-
rcraua ab eo, ac post partum in reliqua vita corpua uoatrum a rationali anima diapensari vix credo, cum ante-
quam diaaectione exploremua, neqne partes corporis, neque ipaarum formatiouea cugnoacamua, Adde qnoque,
cum quidam mihi ex Platonicia magiatris diceret. animam quae per totum inundum diffusa eat, foetum furmare,
artem quidem et potentiam quae fuetnum fabricae adhibita eat dignam ea esae existimabam; nunqnam tarnen
adduci potui, ut crederem rcorpionee, phalangia, muacaa, culicea, viperas, vermes, lumbricoa, pytilaa ab eadem
fingi, ac formari, prope ad impietatem accedere hanc opinionem ratua; neqne praetere» materiae animam
tantam artem aasecutam fuisae, credibile videtur. Tantum igitur hoc haben, quod de causa animabum forma-
trice aaacrere posse existimem, quod summa in ea ar«, aummaque aapientia ineat, quodque poatea quam für-
matuin corpua fuerit Universum, id in toto vitae curriculo tribua motuum principii» ex cerebro p«r nervo* et
mnaculoa, ex Corde per arteria», e je eure per venaa gubernetur; quae aint haue principia manifeste non »um
uu'u» eunatituere“.
*) Auch im XIV. Buch „de L’»u partium“ entwickelt Galen seine Generation»- Theorien.
Digilized by Google
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 209
tritt hier allenthalben Aristoteles entgegen, allein trotz der weiter fortgeschrittenen ana-
tomischen Detailkenntnisse zeigt er sich nicht entfernt auf der Höhe seines grossen Vor-
gängers. Das Durchlesen seiner Abhandlung hinterlässt vielmehr, trotz mancher vortreff-
lichen Beobachtungen und Bemerkungen den peinlichen Eindruck, den wir empfinden, wenn
uns ein bedeutendes thatsächliches Material in gekünstelter Verknüpfung vorgeführt wird.
Folgendes sind die Grundzüge des Galen’schen Zeugungssystems: Der männliche
Samen wird von dem Uterus aufgenommen. Hier dehnt er sich aus, legt sich den üterus-
wandungcu an, und gerinnt nunmehr an seiner Aussenfiäche. Die also entstehende Membran
ist das Chorion. Die Verbindung des gerinnenden Samens mit dem Uterus geschieht am
innigsten au den Gefässöffnungen, und von da aus bezieht auch weiterhin der Samen fort-
während Blut und arteriellen Spiritus aus den mütterlichen Gelassen. Eine erste Gefahr
für die Conception liegt darin, dass die sich bildende Membran, wegen der zu grossen An-
ziehungskraft des Uterus, platzen kann, was geschieht, wenn der Samen zu wässerig und
schwach ist. In diesem Falle fiiesst der letztere wieder ab. — Der männliche Samen reicht
nun aber nicht aus zur Erfüllung "der ganzen Utcrushöhle. Während er von unten her ein-
dringt, kommt ihm von den Tuben her der weibliche Samen entgegen, der die Uterushörner
auskleidet. Dieser verbindet sieh mit jenem durch membranöse Brücken, aus ihm entstehen
die Allantois, und ausserdem dient er zur Ernährung des männlichen Samens. Nunmehr
bildet sich innerhalb des Chorion die Anlage des Körpers, es entstehen nämlich zuerst das
Oehirn, das Herz und die Leber. Jenes als das Centrum des Nervensystems, das Hera als
der Mittelpunkt der Arterien, und die Leber als deijcnige der Venen. Das Hera als das
heisseste aller Organe entsteht aus dem aufgenommenen arteriellen Spiritus, und wie eine
flackernde Flamme beginnt es zu schlagen1). Die Leber entsteht aus dem dickeren Blute,
das Gehirn aber aus dem Samen. Aus dem letzteren entstehen weiterhin auch die Nerven
und die Gefässwandungen, indem der fest gewordene Samen von Lücken durchbrochen
wird, ferner entstehen aus ihm die Membranen und die Sehnen. Sein zäherer Theil
liefert sodann das, zur Aufnahme der Hautausscheidungen dienende Amnion, und seine
festesten Bestandteile endlich dienen zur Bildung der Knochen. Die Muskeln dagegen ent-
stehen unmittelbar aus Blut1).
Hinsichtlich der Bildung des Samens verwirft Galen die alte Vorstellung von seinem
Ursprung aus dem ganzen Körper, er lässt denselben durch Kochung des Blutes entstehen.
Diese geschieht in der Vasa spermatica, in deren unteren windungsreiehen Abschnitten man
bereits im Stande sein soll , den Uebergang des Blutes in Samen wäbrzunehmen. In Be-
treff der Aehulichkeiten unterscheidet Galen drei Ordnungen: die generelle Aelmlichkeit
(roü ildiog), die persönliche (rr/g (iopq> tjg) und die Geschleehtsübereinstimmung. Es stammt
die generello Aelmlichkeit aus der Substanz, aus welcher das Geschöpf zuerst bereitet
]) Arteriae ad alteruni calidius viacua perinfraut, quod ob eximiam caliditatem quasi ilamiua quaedam
asaiduo ntoveri non desintt, sed rnutua reciprocatione semper disteuditur et contrahitur.
s) Wie die Tein peru tu rieh re des Galen, so spielt l»ekauntlio1t aueb seine Lebre von den Partes sjiermulicae
und parte» aanguineae in der Literatur der nachfolgenden Epochen eine hervorragende Rolle, und ihre Dis-
cussion bildet bis ins 16. und 17. Jahrhundert hinein das Hauptobject der Gewebelehre. — Man vergleiche
i. U, die von Coiter herausgegebenen Eallopischen Vorlesungen de parlibus eimilaribus.
Archiv für Anthropologe. Bd. IV. Haft 111. 27
Digitized by Google
210
Wilhelm His,
•wurde1), die persönliche Aehnlichkeit aber hängt ab von der Gestaltungskraft des Samens.
Nun verhalten sich darin väterlicher und mütterlicher Antheil nicht übereinstimmend. Der
väterliche Samen ist von geringer Mengo aber von beträchtlicherer Kraft, der weibliche von
grösserer Menge aber geringerer Kraft, daher die Mutter auch für die Art, der Vater aber
für die Aehnlichkeit der Form bestimmend wirkt. Indess kann die Aehnlichkeit auch un-
gleich nach den Eltern vertheilt sein, so dass für gewisse Theile der Vater, für andere die
Mutter maassgebend wird. Dies ist aus einer ungleichmässigen Mischung der beiden Samen-
flüssigkeiten zu erklären. Am interessantesten ist die Erklärung, welche Galen für die
Bildung des Geschlechts giebt Er geht hier von der anatomischen Wahrnehmung aus, dass
beim Weibe dieselben Sexualorgane vorhanden sind, wie beim Manne, nur liegen sie im
Innern des Körpers statt an dessen Aussenseite, und sie sind theilweise schwächer ent-
wickelt.’). Nun werden im Allgemeinen Theile, die später aussen liegen, ursprünglich als
innerliche angelegt, wie z. B. die Zähne im Kiefer, die Augen hinter den geschlossenen
Liedern. Zur Hervortreibung solcher Theile bedient sich die Natur des Feuers und der
Luft. Mit den Sexualorganen gelingt die Hervortreibung nur beim warmen männlichen
Fötus, während beim kälteren weiblichen die Organe innen bleiben*). Die ungleiche Tempe-
ratur beider .Seiten ist auch der Grund, weshalb die rechte Seite zur Bildung von männ-
lichen, die linke zu der von weiblichen Früchten verwendet wird.
Ich unterlasse es selbstverständlich, die Erörterungen zu verfolgen, welche die Zeugungs-
lehro in den philosophischen und medicinischen Schriften des Mittelalters erfahren hat, und
mit Ueberspringung eines grossen Zeitraumes gehe ich sofort zu der Periode über, in welcher
die Wiederaufnahme der Beobachtung auch das Hervortreten neuer Gesichtspunkte mög-
lich gemocht bat.
Den Ausgangspunkt neuer entwiekelungsgeschichtlieher Studien finden wir in Italien.
Nachdem bereits Fallopia4) und Arantius*) der Anatomie des Fötus ihre Aufmerksam-
keit zugewendet batten, wurde von Ul. Aldrovandi*) und von Volcher Coiter7) zuerst
wiederum die Entwickelung des Hülincbens im Ei zum Gegenstand wissenschaftlicher Be-
') Moribua et facultatibu* animas idoncum corpus prnepurat natura: mores vero et facultates ex substan-
tiae temperamento ineitos habet, und« ipsiue prima generatio exatitit. Gal. de aetnine II, 2.
Ut triam aimilitadinam tria principia habeamns: generis animalia ex aubatantia, undc fit, formae ex se-
minis motione, maris Tel fneminae ex utrorunque principioram lemperatnra- 1. c. II, 5.
’) Omoia igitur genitalia membra eadem esse in maribua et foeminia videntur: niai qoatenaa differunt vcl
situ, quod haec intra, illa extra abdominia membranam collncata sant, vel magnitodine, quem admudum de
praeputio et tcetibus modo dicebamus. Nam et quae toatibns nlimentum praeetant vasa ab iiadem, et venia
et arteriia proficiaeantur, eimili modo etiam quae ad penem et prneputiura in maribua tendunt, illis respon-
dent, quae ad collum Uteri et cunnum in mulieribua pertingunt; initia item vaaorum vulvis aümeutum deffr-
rentium eadem aunt cum iia, quae virile aerotum ainnt ; neque in online nervnrum diacrepantia ulla in utriaque
rejieritur aed ab iiadem apinae loci», tum in maribua quam in foemiuia promanant. 1. c. cap. 5.
3) Auffallend äst e», daaa hier Galen rein theoretiach argumentirt, und die ursprünglich hohe Lage de*
Hodens nicht ala Factum zu kennen acheint.
•I Fallopia, Obaervationee anat. Vcnet. 1561.
r,| Arantiua, de hnmano foetu opuscutum. Hom 1564.
*1 U. Aldrovandua im 2. Tbeil der Ornithologie. Bonon. 1GOO (Lib. XIV.).
7) Voleber Coiter. Externarmn et internamra corporis bnmani partium tabulae Xorimberg. 1678. Aldro-
vandi (geb. 1522) warJAltersgenoese des Fallopia. Seine Beschreibung von der Entwickelung des Hühnchens
ist als Beigabe der naturhistorischen Beschreibung de« nülmergeachlechts ziemlich summarisch gehalten. ,U.
Digitized by Google
211
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
obachtung gemacht und bald trat Fabricius ab Aquapendente1) in deren Fussstapfen.
Noch sind es keine einschneidende Entdeckungen, welcho diese ersten Arbeiten zu Tage
fördern, allein zunächst handelt es sich darum, den Beobachtungsstaudpunkt des Aristo-
teles wieder zu gewinnen. Fabricius, der einen bedeutenden Schritt auf dieser Bahn
gethan bat, nennt seine Schrift geradezu eine Art von Commentar zu Aristoteles5). Auch
m der Auffassung der Befruchtung als eines dynamischen Actes, bei welchem der Samen den
Anstoss, das Ei (die Chalaze) die Materio giebt, schliosst sich Fabricius, im Gegensätze zu
den meisten Aerzten , wiederum dem Aristoteles an. Im Uebrigen aber ist er diesem in
seiner ganzen Denkweise viel weniger verwandt als dem Galen, dessen Methode er, wie
Aldrovandtu ovi puJIuIationem ex suis ofaservationihns denci ipait. qua in re ad Ariatotelis autori tafeln potius,
quam experientiain ipsam collima»«u videtur" sagt Harvey von ihm, während er von Coiter beifügt: „Quippe
«ödem tempore V. Coiter, Bononiae «legen*. ejuadem l'üssis praeceptoris aui (ut ait) hortatu quotidie ova
incubata apperuit, plunrnaque rer© elucidavit, «ecu« quam ab Aldrovando factum ast, quae tarnen hunc latere
non potuerant.* Coiter setzt die Zeit seiner unter Atdrovandi gemachten Beobachtungen in das Jahr 1564.
Es handelt sich um eine einzige Beobach tungsreihe an 23 Eiern, deren Ergebnisse er kurz, aber klar und
ohne theoretische Zusätze beschreibt.
Aua der Bcacbreibung Coiter'* theilo ich beispielsweise mit, was Bich auf die ersten Anfänge der Keim-
hildung bezieht: „iu primi diei ovo vidi luteum coDsequutura circulum album, non admodum magnum, in
cujus medio ej indem coloris punctum s. orbiculuin (Pander’scher Keim); ex circulo fluebant dno germini,
quorum alter crassior et longior altero exietebat (Fetzen des Keimwall ea?). — Secuudo die . . . vitelli media
pars candidior reliqua parte cernebatur, in medio conspexi quid srmini simile. Punctua et circulus inventi
sunt sub membrana involvente ovi substantiam, atqne fibris quibusdam sangtiineis a<l»pcrsi. — Tertio die ...
punctua s. globulus sanguineuB, in vitello ante Inventua, jam in albumine potius repertua, manifeste pulsabat,
fundehatque unutn venae ramum, ut ex colore judienre quivimus, qui in duos •cissui multos emisit rumus-
culos, qui circuli modo pulaantem punctum ambiere. Hi ramuBculi «uffulciebantur membrana tenuissima, quae
tum mutiere, tum subetantia secundinam exprimebat. Tre* itaque repertae Bunt membranae, quarum prima
putamini adscribitur, MCunda ovi univereae substautiae | Dotterbaut), tertia secundinae (Keimhaut). Sehr gut
wird auch weiterhin die Umwachsung des Dotters durch die gefasstragende Keimhaut beschrieben.
l) Fabricius ab Aquapendente de formatione ovi pennatorum et polli Padua 1621 poatlium erschienen.
Das andere embryol. Werk de formato foetu ist im Jahre 1600 herausgekommen. Ein Hauptwerth des Fa-
bricius ’ sehen Werkes liegt in den Tafeln, wolche die Entwickelungsstadien des Hühnchens im Ei vortreff-
lich darstellen. „F&briciuB a. Aq. fabricam pullt in ovo picturis potius oetendere, quam verbis explicare ma-
lmt“ sagt Harvey von ihm.
*) Quae libenter tan<|uam commentaria seu expositionem in capita ab Aristotele de ovo couseripta con-
»tituenda candido lectori centerem ac proponerem, ni invitus a summo omniura proeceptore interdum de-
fleetere coactus essen».** — Bekanntlich hat Fabricius sich verfuhren lassen, die Chulazen des Vogeleies für
den weiblichen Keim anzusehen. ln ähnlicher Weise hatte Aldrovandi, einem damals herrschenden Volks-
glauben gemäss, die Chalnzen für den Samen de» Holm» angesehen. Die Bedeutung der Cicatricula für die
Erabryobildung, schon von Coiter angebahnt, ist erst von Harvey gehörig durchgeführt worden. — Auch sonst
enthält die Schrift de» Fabricius noch verschiedene Beobachtungsfehler, wie z. B. die Angabe über die frühe
Bildung der Knochen, über die gleichzeitige Bildung von Herz und Leber u. s. w. Wie Haller vennuthet,
so rühren dieselben davon her, dass Fabricius »eine Beobachtungen erst in späteren Jahren bearbeitet hat
In die Zeit der Veröffentlichung der posthumen Schrift des Fabricius fallen auch die Schriften des
Aemilius Parisanus, eines venetianiaehen Arztes. Ich kenne sie nicht aus eigener Anschauung. Nach
Haller (Bibi. anat. I, 360) ist ein erster Theil in Venedig 1623 erschienen unter dem Titel Nobiliura Exer-
citationum LXX1I etc, und umfasst die Capitel: de gemtalium semine, de aimihtudiue parentum, de calido
innato, de materie foetu» et causis eandetu efficientibus, de procrcationis modo et online ctc. Dem Bande
folgten später noch einige weitere* „Spiata volumina peripateticae ratiociuiationis pleno, abtque experimento“
nennt »io Haller, während Harvey (Exerc. 18) den Beobachtungen des Parisanut nicht alles Verdienst
abspricht. „Parisanus sententiam Fabricii de chalnzis abunde refutavit, ipsemet tarnen in circulis quibusdam
et partium principalium foetus punctis manifeste hallucinatur. Videtur etiam obaervasse principium foetug,
aed quid esset ignerasse, cum a'it. punctum album in circulorum medio galli semen esse, ex quo fit pullus.“
27*
Digitized by Google
212
Wilhelm His
die meisten seiner Zeitgenossen, in Durchführung einer bis ins minutiöse Detail sich er-
streckenden Teleologie befolgt. Besonders darin aber zeigt er sich noch tief in der Galen -
sehen Schule befangen, dass er zur Erklärung der verschiedenen, bei der Entwickelung be-
obachteten oder vermutheten Vorgänge eine grosse Zahl besonderer Kräfte aufbietet, die er
ohne weitere Beziehung neben einander arbeiten lässt *).
Bei Fabricius findet sich nun bereite der, später zu so grosser forensischer Bedeutuug
gelangte Begriff der Aura seininalis, wenn auch nur in beschränkter Anwendung, und nicht
unter diesem Ausdrucke. Da sich nämlich Fabricius aus dem Augenschein zur Annahme be-
rechtigt glaubt, dass der Samen des Hahnes weit von der Bildungsstelle der Ch&l&zen liegen
bleibe, so muss er für die Vogel befruchtung eine Distanzwirkung desselben annehmen. Aus-
drücklich erkennt er darin einen Gegensatz zwischen den Oviparen und Viviparen-Geschöpfen,
indem er bei letzteren noch eine materielle Betheiligung des Samens an der Körperbildung
aufrecht halt*).
An Fabricius schließt sich in der Zeitfolge sein grosser Schüler Harvey an, welcher
durch viele Jahre seine Mussestnnden entwickelungsgeschichtlichen Studien gewidmet hat.
Die Anfeindungen, welche Harvey aus der Publication der Circulationslehrc erwachsen
waren, machten ihm wenig Muth, mit neuen Entdeckungen hervorzutreton, und erst gegen
das Ende seines Lebens entschloss er sich, auf das Zureden des befreundeten Herausgebers
J) „Trei primum aetiones sunt, quae io ovo avi supposito apparent. Prima est puili generatio, teeuoda
ejus accretio, tertia nutritio »uncupatur. Prima, hoc eet generatio propria est ovi actio; Becunda et tertia,
vidclicet accretio et nutritio majori ex parte extra ovum tuccedunt, tarnen in ovo inchoantur et quoque per-
fieiuntur. Quae actionee a tribus facultatibns dimanant, teil, generatrice, autrieo et nutritoria, lio eas tria
opera facta consequuntur.- Jode dieser Facultät zerfallt nun wieder in eine Anzahl von weiteren Facultäten,
so z. B. besteht die facultas nutritoria in einer facultas attractrix, retentrix, concoctrix und expultrix. Die
facultas generatrix besteht ans einer f. immutatrix und formativa. „Prima, quae tum immutatrix appellatur,
facultas tota naturalis est, et sine ulla cognitione ugit etc. Altera vero quae formatrix dicitur ... longe no-
bilior est et summa sapientia prnedita, de qua propterea Aristoteles dubitavit an divinioris esset originis, et a
calido, frigido, humido et sicco res diverw». Nam re vera genito v. g. j>er alteratricem oculo, ponere postea
ipsum in capite non in calcaneo, et rotundum illi praebere Hguram non quadrangulam aut uliam etc., haeo
opera non nuturalitcr se<l cum elcctione ct cognitione atque intellectu potius facta videntur. Videtur liquidem
formatrix facultas cxactam habere cognitionem et providentiam tum futurae aotionis, tum usus cujusquam
partis et organ», praeridens quippe quasi infinita sapientia prnedita, oculos ad videndum esse comparatos,
visioni vero idoneos futuros, si in eminenti loco consistant, nt tanquam de specula cuncta prospicere et col-
lustrare possiut etc.
a) Elicitur ex dictis difTerentia inter ovipara et vivipara penes generationis causas. Differunt enim quae
ex ovo ab iis quae ex semir.e tiunt, ex eo quod ovipara materiam, ex qua corpormtur pullus distinctam et
eeparatam habent ab agente; vivipara autem Bimul et causam efficientero et materialem habent adjunctam et
concorporatam. Agens enim in oviparis semen Galli est in pennato. quod in ovo neque est, neque esse potest,
raateria vero est chalaza, fx qua corporotur foetus; ambo dittaot per inultum spatium. Nam chalaza vi-
tello jam formato, et in secundum uteri Bpatium cadenti accedit, et ovo integro adjungitur; contra üalii semen
propc podicem consistit, et per longissimum spatium a chalaza diatat, Bua tarnen facultate irradiante et uterum
et totum foecundat ovum. At fernen in viviparo et materia o*t, et agens et in uno corpore utrunque con-
sistit. Ex quih us videre videor, Aristotelem »ententiara suam, de causis generationU a paucis receptam Un-
quam veram in oviparis attulisse.“ Von der befruchtenden Wirkung des Vogelsamens sagt Fabricius: „id
facere sua facultate, seu spiritali suhstantia irrudiante.“ Kr denkt sich nämlich der Samen des Hahnes werde
in dem von ihm entdeckten Blindsacke (der bursa Fabricii) anfhewahrt, und wirke von hier aus durch seine
Ausdunstung auf den Uterus und auf die in diesem eich bildenden t'halazen. Die Nichtigkeit der Ansicht
hat Harvey dadurch dargethan, dass er zeigte, die Bursa enthalte niemals Samen, und komme überdies dem
Hahne ebenso gut zu als der Henne.
Digitized by Google
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 213
G. Ent hin, sein lange zurückbeh<enes Manuseript drucken zu lassen'). Von diesem war
ihm in den politischen Wirren ein grosser Theil , der unter Anderem die Entwickelungsge-
schichte der Insectcn umfasste, vorloren gegangen.
Wenn uns bei Fabricius noch Überall die Befangenheit in den alten Denkformen und
in den alten Schulbegriffen gegeniibertritt, so finden wir H&rvey’s Schrift von einem völlig
neueu und freien Geiste durchweht und mit Recht nennt sie Haller ein unsterbliches Werk.
Schon die Vorrede kann als eine Musterdarstellung naturwissenschaftlicher Methode gelten*).
Seit Aristoteles hatte Niemand mehr ein so bedeutendes entwickelungsgeschichtliches
Material beherrscht, als Harvey. Die Entwickelung des Hühnchens im Ei hatte er des
eingehendsten studirt, er hatte durch das Entgegenkommen Karl’s I. Gelegenheit, reich-
liche Beobachtungen Uber die Entwickelung von Hirschen und Daramhirschen anzustellen,
dazu kamen seine Beobachtungen über die Entwickelung von Reptilien, Fischen, Insecten
und Weichthieren, worauf er im erhaltenen Theil seiner Schriften wiederholt hinweist, und
reichliche Untersuchungen menschlicher Früchte. Wie Aristoteles, so erfasst auch Har-
vey seine Aufgabe in einem weiten Sinn und durch seine umfassende Behandlungsweise
wird er zu Gesichtspunkten allgemeinster Natur geführt.
Die bekannteste von Harvey’s Verallgemeinerungen ist der Ausspruch: „Omne vivum
ex ovo.“ Wir pflegen in der Regel diesen Satz als Negation einer „Generatio aequivoca“
aufzufassen; dies war indess nicht sein ursprünglicher Sinn, denn Harvey theilte noch voll-
kommen den herrschenden Glauben an eine elternlose Zeugung von Insecten und Würmern
aus faulenden Substanzen. Was Harvey mit seinem Satze ausdrückon wollte, das war die
Uebereinstimmung in der Natur aller organischen Keime. Nach der Autorität von Aristo-
teles hatte mau für die Entstehung organischer Wesen neben der Urzeugung folgende Fort-
pflanzungsnonnen angenommen: für die Pflanzen die Fortpflanzung durch Samen, für die
Thiere die Fortpflanzung durch lebendige Junge, die durch Eier und die durch Würmer.
Den Unterschied vom Wurm und vom Ei hatte Aristoteles dahin deftnirt, es sei das Ei
ein Keim der nur zum Theil zum Aufbau des Embryo, zum andern Theil aber zu dessen
Ernährung diene, während der Wurm (dxolijl) ganz in der Bildung des Embryo aufgehe *).
In dies© Mannigfaltigkeit von Entstehungsweisen sucht nun Harvey dadurch Einheit zu
bringen, dass er den Begriff des Eies weiter fasst, als er bis dahin gefasst worden war.
Er definirt nämlich das Ei als eine mit Entwickelungsfahigkeit begabte Substanz. Primor-
dium vegetale nennt er es, eine körperliche Substanz, welche dem Vermögen nach Leben
besitzt, und die durch die Wirkung eines inneren Principes die Gestalt eines organischen
') Exercitatioiiea de Generatione animatjum. London 1651. Harvey starb 1667 im Aller von 79 Jahren.
*) „Quare ahsque recto sensu« adminicnlo, crebris observationibm, certaqne experientia adhibito, de phan*
tasmatia et apparentiis mente nostra compreheneis, perperam judicabimns. ln omni nernpe dieciplina, diligena
obaervatio requiritur, et sensu« ipae saepe consulendns esrt. Propria inquam experientia nitendum est, non
aiiena; qua eine nemo idoneue nllina naturalis disciplinaa auditor, aut de iia qnae de generatione dicturna
•um aeqtms judex fucrit; siquidem ista oitra experientiam et anatomicam peritiam, haud melius intellfxcrit,
quam eaecut natut de colonun natura et diserimine, aut «urdus de aonis jndicaverit. Quapropter, cordate
lector, nolo mihi de Generation! animalium acribenti, qnicqnam credas, ipsos oculos tuoe mihi teatee et judicea
appeilo.“
*) Aristoteles, Geachichte der Thiere, L 6 und V. 1.
Digitized by Google
214
Wilhelm His
Körpers annehmen kann1). Harvey führt nun im Einzelnen die Berechtigung einer aus-
gedehnteren Anwendung der Bezeichnung Ei durch. Zunächst geschieht dies für die scolices
des Aristoteles. Diese unterscheiden sich nicht von einem Ei, denn auch sie sind blosse
Wacbsthumsanfange und nur dem Entwickelungsvermögen nach als Thiere zu bezeichnen*).
Für die lebendig gebärenden besteht aber gleichfalls die Berechtigung, die im Uterus
sich bildende Anlage ein Ei zu nennen. Beim menschlichen Weibe ist diese in den ersten
Monaten wenig von einem Vogelei verschieden*). Wie das Ei, so besteht, auch die intrauterine
Frucht (Conceptus) Anfangs aus einer, von einer Membran umschlossenen Flüssigkeit4), in
welcher sich das Thier unter dem Einfluss des Entwickelungsprincipes in derselben Weise
bildet, wie das Hühnchen ans dem Ei“). Ncmpe ovum est conceptus foris expositus, undc pul-
lus procreatur; conceptus est ovum intus manens, doncc foetus debitain in eo perfectionem
acquisiverit, caetera vero conveniunt, sunt enim primordia vegetabilia etanimalia in potentia.*
Allein auch von den Pflanzensamen gilt Aebnliches wie vom Ei, daher man in der thierischen
Zeugungslehre die Bezeichnung Samen richtiger für das entwickelungsfahige Product der
Zeugung, als für den männlichen Zeugungsstoff anwenden würde.
ln Harvoy's gesummter Darstellung sind cs nicht sowohl die von seinen Vorgängern
bevorzugten anatomischen Gesichtspunkte, als vielmehr die physiologischen, welche in den
Vordergrund treten, und so ist auch die schöne Definition des Eies in der 25. Exercitatio
eine durchaus physiologische. .Est enim ovum conceptus aliquis a inare et foetnina pro-
ficiscens, utriusque pariter virtute praeditus, ex quo unum fit animal. Neque est principium
duntaxat, sed fructus quoque et finis; principium scilicet prolis generandae, frnctus autem
utriusque parentis — ceu finis quem in generationc sibi proponunt et origo foetus futuri. Vi-
detur etiam ovum medium quid esse, non modo quatenus principium et finis est; sed tan-
quam opus utriusque sexus commune et ex utroque compositum, quod materiam et facul-
tatem opificem in se continens utriusque virtutem habet, qua alterutri similem foetum pro-
ducat. Est quoque medium inter aniinatum et inanimatum, neque vita prorsus donatum
l) „Hit autem omniliul (sive sponte, aive ex aliis, sivo in altis vel partibus vel exerementi« eornm pntre-
ecentibus onanier) id commune est, ut ex principio aliquo ad hoc idoneo, et ah efficiente iutemo in eodem
principio vigente gignantur. Adeo ut omnihns viventihus principium insit, ex quo et a quo proveniant.
Liceat huc noliis primordium regotale uominare; ncmpe substantiell, quandam curpoream, vilam hahentem
potentia; vel quoddani per sc exintens, quod aptum sit, in vegetativam fornmm ab intento principio ojieninte
mutari. Quäle ncmpe principium ovum est, et plantarum semen. Tale etiam viriparorum conceptus et insec-
torura «vennis** ab Aristoteles dictus. diversa seil, diversorum virentium primordia. “ Exorcit 62. In der
Exercit. 1 heisst es: .Nos autem asserimua, omnia umnino enimslia etiam vivipara atque hominem adeo
ijieuin ex ovo progigni primosqne eornm conceptus, e quibus foetus Hunt ova quaedaui esse, ut et somina
plantarum omnium. ldeoque non inepte ab Empudocle dicitur: Oviparum genas arboreum,*1
*) Si vero, prout h-s ad seusum se bubet, distinguere liceat, partus duae solum sunt species, siquidem
omnia animalia aliud animal vel acta pnriunt, vel potentia. Qtiae actu animal pariunt, vivipara dicuntur;
quse potentia vivens, ovipara, Quodlibet enim primordium jHdentia vivens nos (cum I'abricio) ovum appel-
laudum judicamus, vermemqne Aristoteli dictum, ab ovo minime distinguimus; tum qnia ad ocnlnm sie
apparet, tum etiam quia rationi id videtur consonum. Primordium enim vegetale, quod potentia vivit est
etiam potentia animal... (Ovum et vennis) inter se convcninnt, quod eint ambo partes non viventes, sed po-
tentia solum animalia; ambo itaque sunt ova."
3) Conceptus mnlieliris primis gestationis raensibus ab ovo vix quidqnam discrepat. Exerc. 68.
* j Man vergl. hierüber den Abachnitt de Uteri metnbranis et humoribus und die Excre. 63.
*) Uterus expositus nennt Harvey das Ei an anderer Stelle.
Digitized by Google
215
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
est oeque eadem omnino privatur. Inter parentes et liboros, inter cos, qui fueruut et qui
futuri sunt, media via sive transitus est, cardoque et contrum, circa quod generatio totius
generis vertitur. Terminus est ex quo omnes (galli et gallinae) oriuntur et ad quem, ceu
finem a natura sibi propositiun, tot» vita nituutur. Ita fit ut individua quae<|ue, dum speciei
gratia sua similia procreant, in aevum perdurent. Est, iliquam ovum hujus aeternitatis
periodus, nam haud facile dixeris utrum ovum pulli ex eo nati gratia, an hic illius causa
factus fuerit.
Ovum itaquo est corpus naturale, virtute animali praeditum, principio nempe motus,
transmntationis, quietis et conservationis. Est denique ejusmodi, ut ablato omni impedimento
in formarn animalis abiturum sit; nec magis gravia omnia remotis obetaculis deorsum ten-
dunt, aut ievia sursum moventur, quam Semen et ovum in plantam et animal insita a natura
propensione feruntur. Estque semen (atque etiam ovum) ejusdem fructus et finis, cujus est
principium atque efficiens ').
Die Generationstheorien, welche zur Zeit Harvey’s Geltung besessen, waren diejenigen
des Aristoteles und die des Galen. Letztere besonders war die in medicinischen Kreisen
herrschende. Allgemein wurde da noch die Frucht aus der Vermischung zweier Samern
flüssigkeiten abgeleitet, und das Ueberwiegen der einen oder der andern Flüssigkeit sollte die
Entscheidung geben für die grössere Aehnlichkeit nach der Seite des Vaters, oder der Mutten
Dabei wurde noch immer grosses Gewicht gelegt auf die Ableitung gewisser Körpertbeile aus
dem Samen, anderer aus dem Blute. Das Gehirn, die Gefasse und die Knochen z. B. wurdeii
als Partes spermaticae, die Muskeln und das Fett als Partes sanguineae bezeichnet. Mit diel
sen alten Vorstellungen bricht nun Harvey vollständig, und an der Hand der Beobachtung
tritt er den Aristoteles’schen sowohl als den Galen'schen Lehren gegenüber ’). Um die
Stellung zu verstehen, welche Harvey in der Generationsfrago einnimmt, ist es nöthig, sieb
seine ^tatsächlichen Kenntnisse von den ersten Entwickelungsvorgängen zu vergegenwär.
tigen. In ihnen liegt der Schlüssel für die Fortschritte sowohl, als für die voi hängniwollon
Seiten seiner Auffassung. ihu nn'vi
Aus denselben Gründen, welche in der Hinsicht noch heute maassgebend sind, hat Hap-
vey seine eingehendsten Entwickclungsstudien am Hühnerei angestellt. Er hat dessen Bib
düng von den unmessbar feinen Anfängen im Eierstock (den papnlae s. sudamina,. wie er rno
nennt) bis zuin Austritt aus der Cloake verfolgt, und im Gegensatz zu Fabrioius die (Ko*,
tricula als die scheu im Ovarium angelegte Stätte der Keimbildung erkannt^ AU> erste
,ßl- >!) oui'i tU
>) Die Nothwendigkeit, dae Leben de« Individuum» nur ala Tbeilerscheinung des Leben» der Generation
za betrachten, wird besonders in der 27. Exercit. bervorgehoben: _Et sire animam ovo dnessO diosmca eive
non dicimns, ex hoc tarnen circnitu der« patet, nliquod principium esse istius revolutionier ft gftUina ad onun
et ab ovo denuo ad gallin&m, quod aempiternitatem iis impertiat. Estque id ipsum vautoce Aristetelef
aualogon eleuiento stellarum, facitque ut parentes gencrent eorumque seuiina, sive ova fooeeudu aint; ideraque,
Protei instar, tarn parentihus, qnara ovis sub diversis formte semper inest. Quemadmodum : enini' mens, sive
Spiritus, qui ingeutem hanc molem continuo agitat, eundem aolem oricnlem ac occidentem per diverssruni
terrarum plagas perpetuo circumagit, ita paritor in gencre gallineceo, vis entbea, sive principium dfvitium,
modo virtus plastica, modo nutritive, modo auctiv« dicitur; conservfttivs autem et vegetativa semper habetur
modo etiftm gallinae, modo ovi formam refert, permanet tarnen eadem illa virtus in avternum.'
*) Man vergl. die Exerc. 31 und 33. füiein.ii'p «s>v so /
*) Fehricius batte xwar die Cicatricula gekannt, er glaubte indess, sie sei Sir dir Entwickelung un-
Digitized by Google
216
Wilhelm His,
Folge der Bebrütung schildert er nun die Vergröeserung der Cicatricula und die Bildung
concentrischer Kreise um sie herum. In der, etwa fingerungelgrossen Cicatricula kommt es
zur Scheidung von zwei verschieden gefärbten Regionen und nach Grösse, Form und Ansehen
gewinnt sie hiermit eine Aehnlichkeit mit dem Auge. Harvey vergleicht das innere Feld
der Pupille, und nennt zu dieser Zeit die Cicatricula geradezu das Auge des Eies (ob quam
similitudineru oculum ovi uominavimus). Allein auch darin besteht Uebereinstimmung mit
dem Auge, dass eine krystallhelle Flüssigkeit inmitten der Kreise vorhanden ist, welche
von einer zarten Membran umhülit wird. Diese Flüssigkeit erhält den Namen Colliqua-
mentum1), sie ist nach Harvey der erste Stoff für die Bildung des Embryo. Vom dritten
Tage ab wird der Saum des Colliquamentes von einem feinen Blutstreif umgeben, und in
seinem Centrum tritt vom vierten Tage ab das Punctum saliens auf, das von nun an in an-
haltender Thätigkeit verbleibt, und von dem aus die Anfänge der Venen als roth verzweigte
Streifen ausgehen. Die Blut- und Gefässaulagen sind die ersten Körperanlange, und zwar
scheint das Blut noch früher als die Pulsation da zu sein. Das Punctum saliens aber besitzt,
wie ein selbstständiges Wesen (auimalis instar), sofort seine eigene Empfindlichkeit, denn
durch Berührung wird es zu lebhafter Thätigkeit gebracht, Abkühlung setzt diese herab,
gelinde Erwärmung steigert sie, ja die bereits erloschene kann durch Auflegen des wannen
Fingers wieder hervorgerufen werden. Erst vom fünften Tage ab werden neue weitere
Körpertheile sichtbar. Der neu gebildete Körper ist noch sehr klein, und von wurmähn-
lichem Ansehen. Aus einem Würmchen entstehen überhaupt alle, auch die höheren Thiere’).
Der Rumpf lagert sich den ersten Gelassen an, wie ein umgekehrter und etwas gebogen
verlaufender Schiffskiel, und zeigt noch keine Spur von Rippen oder von Extremitäten,
während an dem, etwas mächtigeren Kopfe, von der Seite gesehen, drei mit klarer Flüssig-
keit gefüllte Blasen sichtbar sind, von welchen die eine das Auge, die zweite das Grosshirn,
die dritte das Ccrebellum darstellt. Noch ist der Körper durchscheinend, ohne Gewebsschei-
dung (similaris) und von schleimiger oder von schimmelähnlicher Consistenz. Harvey hält
seine erste Anlage für einen an der Aussenfläche der Gefasse entstehenden Anflug und ver-
gleicht seine Bildungsweise geradezu der Bildung des Schimmels an feuchten Orten. Dabei
verwirft er ausdrücklich den Gedanken, dass die übrigen Theile gleichzeitig mit dem Blute
entstanden, und Anfangs unsichtbar geblieben sein könnten, vielmehr hält er das Blut für
die Primogenitur des Körpers, für dasjenige, was in der Entstehung allem Uebrigen voran-
geht, demgemäss ist die Entwickelung der höheren Thiere als eine Epigenese zu bezeichnen,
als eine Gestaltung durch successive Entstehung und Anlagerung der Theile. Diese Ent-
vresentlich and hielt sie, wie dies such der von ihm ertheilte Namen besagt, für die Narlie des abgerissenen
Ovarialsfietee. — Was die Bildung der Eier im Eierstock betrifft, so scheint Harvey die ersten Anfänge, die
papulae, als primär mütterliches Product angesehen zu haben. Dit-ao Anfänge erfahren aber durch die Befruch-
tung schon im Eierstooke den Trieb zur weiteren Entwickelung. Die vollständige Unabhängigkeit der Eibil-
dung von der Befruchtung hat Harvey nicht cingesehen, trotzdem dass ihm die äussere Befruchtung der
Fische wohl bekannt war (vergl. Exerc. 40).
*) Iden hunc liipiorem, oeufuro, sive eolliquamentura candidnm appello, quasi nimirum pars albnminis a
calore fusa et colliquata, separatim folgeret, etveluti pars spirituoea, magisque cocta a reliquo ulbumino tunica
propria distingneretur, et inter utnimque liquorem (vitellura seil, et albumen) posita esset. Exerc. 15.
-} Not vero quorumlibet animalium generationem eodem modo fieri docebimus; omnia nimirum animaiis
etiam perfeeta, simüiter ex vermiculo gigni.
Digitized by Google
217
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
stebung neuer Theile geht mit dem Wach stlium so sehr lland in Hand, dass beide Vor-
gänge nicht von einander getrennt werden können, und auch die Ernährung des entstehenden
Körpers ist mit dem Wachsthum in einer Weise verknüpft, welche jede Scheidung von
Wachsthums- und Ernährungsmaterial als eine willkiihrliche erscheinen lässt. — Im Gegen-
satz zur Epigenese der höheren Thiere steht nach Harvey die Metamorphose der Insecten.
Bei diesen gestaltet sich dor Körper durch Ausscheidung seiner Theile aus einem aufge-
speicherten Material. Das Material ist vor dem Körpertheile da, während bei der Epigenese
der höheren Geschöpfe mit dem Material sofort auch der Theil gegeben ist *). — Des alleren t-
schiedensten aber verwirft Harvey die alte Eintbeilung der Körperbestandtheile in Partes
spermaticae und partes sanguineae. Alle Theile gehen aus demselben Bildungsstoffe hervor
und die Ausprägung der Gewebe geschieht durch nachträgliche, in Folge der Ernährung
eintretende Scheidung einer ursprünglich gleichartigen Substanz8).
Bei der ausserordentlichen Klarheit und Tiefe, mit welcher Harvey sein Beobach tun gs-
material durchdacht hat, muss man beklagen, dass ihm gerade in einigen der entscheidendsten
Punkte BeobachtungslUcken geblieben sind. Bei etwas günstigeren Untersuchungsergebnissen
hätten die durch ihn ungebahnten Fortschritte noch viel entscheidender in den Gang der
Wissenschaft einschneiden müssen, als dies in Wirklichkeit geschehen ist. Coiter's Beob-
achtungen sind in mancher Hinsicht glücklicher gewesen. In seinen so wenig zahlreichen
Untersuchungen ist Coiter dahin gelangt, schon am zweiten Tage das Herz zu sehen, und
vom dritten Tage ab auch die Keimhaut als selbstständige Trägerin der Blutgefässe wahr-
>) Constat pulli generationem ex ovo fieri potiua per epigenesin, quam per metamorphoeio, neqoc omnea
ejus partes simul fabricari sed suecestive, atquo ordine emergere; eundemque aimul, dum augetur formari, et
augeri dum fonnatur, parteaqoe alias aliia prioribua supergenerari et diatingui; principiumque, »ugmentum et
perfectinem procedcre per modum Crescendi, tandemque exoriri foetum .... Denique in generatione per
metaraorphoain totum in partes distribuitur et diacernitur, per epigenesin vero totum ex partibua certo
ordine componitur ac conatituitur.
Quemadmodum nempe apex ex glande protuberans, sumpto incrcmento, in radicem, lignnm, meduUam,
curiieem, virgulta, turione», frondca floros ac fructua distinguitur et formatur, tanderaque arbor evadit, ita
pariter se habet pulli in ovo procreatio. Cicatrieuh», sive parva macula, futuri acdilicii fundamentum au-
getur in oc ul um, aimulquc distinguitur in colliquamentum, in cujus centro punctum sanguineum pul-
aana enaacitur, una cum venarum ratnificationc; his mox superoritur nebula, ac primum futuri corporis con-
crementum, quod etiara, prout augetur, dividitur senaim et distinguitur in partes, non aimul omnea, aed alias
poat alias nataB, et ordino quasque buo emergentes. Und« coclurtunus igitur: In corum animalium gene-
ratione, qua« per epigenesin procreantur et partite formantur (qualiter pullua in ovo) non quaeremla est materia
alia ex qua foetua eorporetur, et alia und« primum nutriatur, atque augeatur, nam endem materia ex qua fit,
nutritur etiam et augetur et vice versa, qua nutritur primum et augetur ex eadem quoque pullus in ovo enn-
atituitur- Exerc. 44.
#) Nam ex qua materia pars prima pulli, eive minima ejus portiuncula oritur, ex eadem quoque totua
pullua naacitur, unde prima sanguinis guttula inde etiam tota ejus massa per generationem in ovo provenit;
a quo membra ßive corporis orgaua consistunt et fiunt ab eodem etiam partes corum omnea »imilares nempe
cutis, caro, vena, mernbrana, nervös, cartilago et o« originem trahunt. Pars enim quae prior erat mollis et
carnosa, dum augetur ab eodem alimento fit mms, ligatnentum, tendo; quae mombraua erat, fit tunica, et
quae cartilago fuerat, postea epina, vel ob evadit, ex eadem nempe materia aimilari diveraimode alterata.
Neque onim corpuB siroilare mistum (quod ex elcmentis constare vulgo creditur) ex clemontia seorsnm primo
existentibua, dein compositio, unitis et alteratis gignitur, nec eompositione ox compareutibus, sed ex hoc raisto
transmutatn aliud miatum gignitur et efPormatur. Nimirum ex colliqunmento fit Banguis, ex aanguine corporis
moles exsnrgit, quae similarifl ab initio et tanquam gluton spermaticum cernitur, inde autem partes per di*
visionem obscuram deline&ntur primo, posteaque organa fiunt et distinguuntur (Exerc. 44).
An-atr rar Anthropologie. IM. iv. lieft lil. 28
Digitized by Google
21H
Wilhelm His,
zunehmen. Bei Harvey fallt nicht allein die Beobachtung des Herzens später, sondern, was
wichtiger ist, die klare Wahrnehmung des membranäsen Keimes fehlt ihm überhaupt, und
er kommt statt dessen zu der etwas unglücklichen Aufstellung des Colliqu&mentes, womit
er Anfangs offenbar die klare Flüssigkeit der Keiniliöhle, späterhin aber die Amnionflüssig-
keit im Auge hat. Harvey lässt daher den Begriff des Keimes ganz fallen, und im sonst
gerechten Streite gegen Galen’sche und Aristoteles'sche Vorurtheile schüttet er somit
das Kind mitsammt dem Bade aus1).
So lange man das Verfahren nicht kannte, den Keim durch Ausschneiden vom Dotter
zu isoliren und gereinigt auf eitler Glasplatte auszubreiten, ein Verfahren, das erst Malpighi
erfunden hat, so lange waren auch solche Unsicherheiten entschuldigt, und noch mehr ent-
schuldigt ist natürlich das Factum, dass Harvey ebensowenig als Fabricius den Samen des
Hahnes in den inneren Genitalien weiblicher Thiere wiederzufinden vermocht hat. Um nun
gleichwohl väterlichen und mütterlichen Einfluss bei der Befruchtung zu erklären, und um
auch die Wirkung einer einzigen Begattung auf die Fruchtbarkeit zahlreicher Eier verständ-
lich zu machen, nimmt Harvey an, der Samen entwickele eine, in die Entfernung sich
fortpflanzende Berührungswirkung, die schliesslich auf die Eianlage dos Eierstocks sich
übertrage. Er nennt dieso Wirkung geradezu ein Contagium und vergleicht sie auch der
Wirkung von Gährungserregern. Durch sie wird in der Eianlage des Eierstockes deren
eigentkümliehes Leben oder deren Anima vegetativa, wie er es nennt, erweckt Das reifende
Ei gewinnt, einem aufwachsenden Sohne gleich, scino Selbstständigkeit, vermöge deren es
vom Eierstocke sich ablost, sich seinen Weg nach Aussen bahnt und schliesslich jene Ent-
wickelungsbahn durchläuft, die zur Bildung des fertigen Geschöpfes hinfuhrt *).
In seinen Beobachtungen Uber die Zeugung der Säugethiere kam Harvey zu Resultaten,
welche mit den otien besprochenen über Vagelen twiekelung sehr nahe Ubereinstimmtcn.
Dem Ovarium allerdings glaubte er hier keine Bedeutung zuschreiben zu können, weil er
zur Brunstzeit der Thicro keine Anschwellung derselben wahrzunchraen vermochte. Un-
mittelbar nach stattgehabter Begattung fand er bei Hirschkühen keinen Barnen im Uterus,
ja die anatomischen Verhältnisse Hessen ihm ein solches Eindringen völlig undenkbar er-
scheinen. Die einzigen Folgen, die in der ersten Zeit nach dem Bespringen durch den Hirsch
zu erkennen waren, bestanden in einer Auflockerung der Uterusschleimhaut und in Bildung
von Falten, die nach Form und nach Consistenz den Gehirnwindungen vergleichbar waren.
Erst nach mehreren Wochen war im Uterus ein häutiger Sack von Spinnenwebfeinheit zu
erkennen, das Chorion, in dem etwas später, innerhalb besonderer Hülle (dem Amnion) das
Hape ut »imul turnt ‘et augentur, creecnnt et tranaformantnr, ordineque obaerrato in parle* diatingn-
untur ita nullt ii» immediata materia praeexistena adcat (qualia statui aolet aeminum marii et foeminae mixtio,
Tel sangui» menstrubs, vel aliqua ori portiuncula) ex qua foetua corporetur, »ed simul ao fit, ac paratur
materia, augetur etiam et furtnatur «liquid; quam primum nutrimentnm adest, adeat quoqQe id quod eo alatur
(Exerc. 44).
s) Et licet ovorum priniordia (quaa papulaa esse diximua et aemen railii referre) vitellario per vena» et
arterias cobaereant -quemadmodum plantis sua seraina «dnaacuntnri ideoque partes gallinao easo videantur,
et reliquarnm partium morn vivt-re et nutriri, manifestum tarnen est, ut semina a plantis separata non am-
plius earum partea ccnsentnr. ita nec ora ad maturitatem jam perducta, foeennda reddita et a vittellario
abrupta, gaüinae; partea haud ulterius aeatitnanda esse, sed instar filii emaneipati, suique juris facti
propria anima guhernari et rrgetari-
Digitized by Google
219
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
klare Colliquament wahrgenommen wurde. Daun erschien inmitten des Colliquamentes das
rothe Punctum saliens mit seinen Gefässzweigen, und bald darauf die ersten wurmälmlichen
Spuren des Körpers. Noch waren diese Anfänge weich und durchscheinend, dann aber folgte
die schärfere Gliederung und nach bestimmter Reihenfolge traten allmählig neue TheQe zu
den früher vorhandenen hinzu.
Wenn diese, für die ersten Bofruchtungsfolgen so eminent negativen Ergebnisse die
Zweisamentheorie des Galen sowohl, als die Menstrualtheorie des Aristoteles völlig un-
haltbar erscheinen Hessen, so musste es Harvey schwer werden, an ihrer Hand eine neue
Theorie aufzustelleu. Väterlicher und miitterUcher Erbliehkeitsemfluss waren als feststehende
Thatsachen zu erklären, und doch waren die materiellen Träger dieses Einflusses durch die
Beobachtung nicht zu erfassen. Res sane cst tenebrarum plena, et tarnen auilebimus «.liquid
problematice proponere, ut non solum sententias alienas eliminatnm isse, sed et nostram quo-
(jue aliquo modo in medium attulissc videamur. Quae tarnen a me super hac re dicentur,
non ita accipi velim, quasi eadem e tripode prolata existimem, aut aliorum omnium suflragia
extorquere cupiatn, sed libcrtatem illam, quam nliis libenter concedimus nobis ctiam jure merito
poscimus, ut quae in obscuris rebus veri similia videntur, ea pro veris aflerre liceat, dorn e
manifeste de eorum falsitate constet So drückt sich Harvey im Schlusscapitel seines inhalts-
reichen Werkes aus, und der Hypothese, die er nun folgen lässt, kann sicherlich dos Verdienst
eines äusserst geistreichen und originellen Gedankens nicht abgesprochen werden. Durch die
Begattung wird das Weib nach Körper und nach GemUthsverfassung umgewandelt, vor Allem
aber ist es sein Uterus, welcher von der Umwandlung ergriffen uud zum Punkte höchster
Reifung geführt wird. Da der Uterus nun aber in diesem reifen Zustande die Beschaffenheit
des Gehirns annimmt, so hindert nichts, auch auf eine, unter diesen Umständen dom Gehirn
ähnliche Function zu schliessen, und so kann die Conception das Uterus einer geistigen Con-
ception des Gehirns verglichen werden. Beiderlei Conceptionon sind immateriell, beide die
Ursprünge aller Körperbewegung, jene der vegetativen, diese der animalen Reihe derselben,
und wie die Gehimconccption den von ihr ausgehenden Werken ihre Gestalt aufdrückt, so tliut
es auch die Conception des Uterus gegenüber dem Ihrigen. Der Conception des Gehirns folgt
der Antrieb zur Bewegung (Appetitus), ebenso folgt auf die Conception des Uterus dessen Ent-
wickelungstrieb, und während jener durch ein äusseres begehrungswürdiges Object (ab appeti-
bili externo) angeregt wird, so wird auch die Conception des Uterus hervorgerufen durch den
Mann, tanquam appctibili maxime naturali. Es mag leicht sein, den Gedanken Harvey’s
zu verspotten, bei dem damaligen Stand der Dinge war er gewiss nicht unberechtigt, und
in der Rciho der Gonerationstheorien erscheint er sicherlich als einer der allerinteressantesten.
Ich kann Harvey nicht verlassen, ohne noch der Stellung zu gedenken, die er in der
Zweckmässigkeitslehre eingenommen hat. Die Zweckmässigkeit in der Organisation des
werdenden Geschöpfes ist ja der Punkt, welcher allen Generationstheorien die Hauptschwie-
rigkeit in den Weg gelegt hat, und an welchem, wie das Beispiel der Evolutionslehre zeigt,
manche der glänzendst begabten Köpfe gescheitert sind. Diesem so kitzlichen Problem
gegenüber bewahrt Harvey die volle Ruhe und Sicherheit des Forschers. Entwickelung,
Wachsthum und Ernährung des Körpers erscheinen ihm als die blossen Glieder in jener weit
grösseren Reihe von Vorgängen, welche die gesammte Schöpfung beleben. Alle diese Vor-
28'
Digitized by Google
220 Wilhelm His, die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
gange sind der Ausfluss eines gemeinsamen Principes, mag man dieses Gott, mag man es die
schaffende Natur, mag man es die Weltsoclo nennen, und ein Zeichen unserer Beschränktheit
ist es, wenn wir kunstvolle Gedanken einem jeden Vorgang glauben unterlegen zu müssen,
den die Natur vollendet, wie es eben ihr vorgoschriebener Gang einmal mit sich bringt ‘).
if Quoniam igitur in pulli fabrica ars et providentia non minus ducescunt, quam in hominis actotiu« mundi
creatione. necesse est fateamur in generatione bominiB causam efticientem homine supuriorem et praestantiorem
dari; vel facultatem vegetativam, sive eam animae partem quae bominem fabricat et conservat multo excel*
lentiorem et diviniorem esse, magisque similitndinem Dei referre, quam partem ejuB rationalem, cujus tarnen
excellentiam miris laudibua supra omnos omnium animatium facultates extollimus; tanquam quae jua et im*
perium in illas obtineat, cuique cuncta creata famulentur. Vel »altem fatendum est, in naturae operibus neo
prudentiam, ncc artificium, necque intellectum inesse; sed ita solum videri conceptui nostro, qui secundum artes
nostras et facultates (ceu exemplaria a nobismet ipais mutata) de rebus naturae clivinis judicamus; quali principia na*
turae activa, effectus ibos eodem modo produeerent, quo nos opora nostra artificialia solemus, consilio nempe
et disciplina ab intellectu sive mente acquisita. At vero Natura, principium rnotus et quietis in omnibus in
quibus cst et anima vegetativa prima cujuslibet generationis causa efficiens, movot nulla facultate acqui*
sita (sicut nos) quam vel artis vel prudentiae nomine indigitemus, sed tanquam fato, seu mandato quodam
secundum leges operante; simili nempe impetu modoque, quo levia sursum, gravia deoraum feruntur. Scilicet
facultas parentum vegetativa eodem modo generat, temenque tandom ad formam foetus pertingit, quo aranea
rctia sua ncctit, aviculae nidos exstruunt, et ovis incubant caque tuentur, apes et formicae babitacula paraut
et alimoniam in futuros usus recondunt. Naturaliter nempe et oonnato ingenio, non autem providentia, dis.
ciplina et consilio quiequara agunt. Nam quod io nobis operationura artificialium principium est, diciturque
ars, iotellectus aut providentia, id in naturalibus illis operibus est natura tquae autodidactoe e*t et a neniinc
edoctusj quodque illis connatum ct insitum id nobis acquisitum. Ideoque, ad artificialia qui respiciunt, baud
aoqui reruru naturalium aestimatores habendi sunt, liquidem potius, vice veraa, sumpto a natura exemplari,
de rebus arte facti* judicandum est. Artes enim omnea imitatione quadam naturae comparatae sunt, nostra*
que ratio sive intellectns, ab intellectu divino in operibus suiR agrnte profluxit. Qui, cum habitu perfecto in
nobis existit, quasi altera anima adventitia et acquisita eummi et divinissimi agentis imaginem suscipiens,
Operation«! sive effectus similes producit. Quapropter rem recte, pieque (mea quidem senteutia) reputaverit,
qui rcrum omnium generationcs ab eodem illo aeterno atque omnipotente numino deduxerit, a cujus nutu
rcrum ipsarum universitas dependet. Nec magnopere litigandum censeo, quo nomine primmn hoc agens com-
pellandum, aut venerandum veniat (cui Domen orano venerabile debetur) sive Deus, »ivo natura natnrans,
sive anima mundi appelletur. Id enim omnes intelligunt, quod cunctarum rcrum principium sit et finis,
quod aoternum et omnipotens existat, omniumque autor ct creator per varias generat ionum vicissitudines,
caducas res mortalium conservet ac perpetuet, quod ubique praesens, singulis rcrum naturalium operibus non
minus adsit, quam toti universo, quod numinc *suo, sive providentia, arte ac mente divina cuncta animalia
procreet. Exercit. 49.
Digitized by Google
xn.
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Püsse der Chinesinnen.
Von
H. Welcker.
I
Aus dem Apparate eines, Schiffscapitäna , welcher China wiederholt besuchte, habe ich ein
aus Thon gefertigtes Modell eines chinesischen Frauenfusses erhalten, welches trotz einer
gewissen Leerheit und schematischen Natur seiner Formen das Wesentliche und Charakteri-
stische der durch die bekannte Unsitte entstehenden Dilformitnt allen mir zugänglichen
Indicien nach so genau zur Darstellung bringt, dass ich der Versuchung nicht widerstehen
konnte, den Modellirspatel zur Hand zu nehmen und nach Maa&sgabe der Formen des mit
dem Fleische dargestellten Kusses das zugehörige Skelet zu modelliren. Es ist freilich
selbstverständlich, dass Sicheres über das Spociellere der Verkümmerung der einzelnen
Knochen, Uber die Destruction der Gelenke und Bänder sowie der Muskeln, nur durch dio
Zergliederung wirklicher Füsse gewonnen werden kann, und ich hoffte durch meine Arbeit
auch zunächst nur eine allgemeine Orientirung Uber jene Veränderungen zu erlangen. Aber
meines Wissens liegt eine Zergliederung eines Cbinesenfusses in der Literatur nicht vor ').
Zu Gunsten meiner Constraction aber darf erwähnt werden, dass Wiederholung der Modellirung
immer zu wesentlich demselben Resultate führte; cs war gar nicht möglich, wenn nmu anders
den Formen der Vorlage folgen wollte, dem Fersenbein und den Knochen des Fussrückens
merklich andere Verbiegungen und Ineinanderschiebungnn zuzuthcilen, als dies in meinem Mo-
') Die mir befreundeten Anthropologen, hei welchen ich in dieser Beziehung Erkundigungen einzog, ant-
worteten, da» ihnen Anatomisches über den Chinesenfuss nicht bekannt sei ; das Einzige, was ich erhielt, war
die Photographie eines getrockneten Kusses einer Pariser Sammlung. Hyrtl, der in seinem llandbucho der
topographischen Anatomie eine ausführliche Erörterung des Cbinesenfusses gegeben hat, sagt, dass „Modelle“
sich fast in allen Sammlungen befinden (?) ; von wirklichen Küssen sagt er nichts. — Was ich in der Kolgc
über Zergliederungen chinesischer Küsse in Erfahrung brachte, folgt in dem unter II beigefügteu Nachtrage.
Digitized by Google
222
IL Welcker,
delle (Kig. 26) geschehen ist. Hierzu kommt aber noch eine zweite Gewähr. Meinem Collegen
Ecker verdanke ich die Mittheilung der lebensgrossen Photographie eines Chinesenfusses,
welcher sich zu Paris in der Sammlung von Val de Gracc befindet1). Leider ist das Skelet
dieses Kusses durch die grossentheils noch aufsitzende Haut nicht in allen Einzelheiten ver-
ständlich; soweit man indess nach der Abbildung urtheilen kann» stimmt dasselbe mit dem
von mir entworfenen Skelet so vollkommen, dass ich durch jene Abbildung zu keinerlei Ab-
Fig. 22.
Chinesinnen, narb in China auf Iteiepnpier gemalten BiMer».
Änderungen veranlasst wurde. Nicht wenig endlich kam mir die treffliche Schilderung zu
Statten, welche Hyrtl von der Schnürung der chinesischen Küsse gegeben hat.
Was Abbildungen anlangt, so entspricht da* von M acartney mitgetheilte Protilbild de* nackten Kusses
einer Chinesin im Allgemeinen unserem Modelle, doch lasst dasselbe seiner Kleinheit wegen die näheren Details
nicht hinlänglich erkennen. Gleiches gilt von den Zeichnungen, welche sich im Globus (IM. X, S. 84) finden;
dieselben scheinen n> gedacht, als wäre der Kuss nicht eingeknickt, sondern der Länge nach ineinandergeschoben.
*) Das Blatt trägt die Aufschrift : „Photographie de grandeur naturelle d'une Jambe de Chinoise dont )e
pied est deforme artificiellement. rapportee par Mr. Io Dr. Suaier, 1861.4*
2) Gesandtschaftsreise nach China. Berlin 1798. 1. Theil, S. 308.
Digitized by Google
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Küsse der Chinesinnen. 223
Das unserer Darstellung zu Grunde liegende Modell, welches Fig. 24 nach geometrischer
Aufnahme in 1 , natürlicher Grösse darstellt, ist aus rothem Thone gearbeitet und mit einem
aus Seidenstoffen kunstvoll zusammengenähten und
mit Stickereien verzierten Pantöffelchen versehen.
Dass dieses Modell, wenn cs in das ihm genau
anpassende Pantöffelchen eingeführt ist (Fig. 25),
mit den Frauenfiissen der bekannten auf Reispapier
gemalten chinesischen Bilder (von welchen ich eine
werthvolle Reihe — darunter Fig. 22 und 23 — zu-
gleich mit dem Fuasmodelle erhielt) vollkommen
Uberei nstimmt, ist ein weiterer Beweis dafür, dass das-
selbe die wesentlichen Charaktere der Verunstal-
tung getreu wiedergiebt ').
Die Betrachtung unseres Modells, so wie alles
Dasjenige, was wir über den Modus der chinesi-
schen Fusstoilette wissen, lehrt, dass es sich um
eine äusserste „Streckung“, anatomisch gespro-
chen: um eine Plantarflexion des Kusses, zugleich
aber — und dieses ist offenbar das tiefeingreifendste Moment der gesammten Verunstaltung —
um eine Einknickung des Kusses handelt, bei welcher das Hinterende des Fersenbeines
nach abwärts geknickt und dem Mittelfusse entgegengebogen wird*). Fussrücken und
Schienbein befinden sich hiernach in einer und derselben Flucht, so dass die grosse Zehe na-
hezu senkrecht nach abwärts ragt, während die vier kleineren Zehen vom Aussenrande des
Fusses her unter die Sohle geschlagen sind. Der Theil des Fusses aber, welcher dessen
Hinterrand bilden sollte, die Ferse, ist nach unten zu liegen gekommen.
Diese Verhältnisse waren massgebend bei der Herstellung des in Fig. 26 und 27 (a. f. S.)
abgebildeten Knochenfusses. Gemäss der gesammten Einrichtung des Skeletes und der
Bänder sowie nach der Art und Weise des Schnlirens muss die Ebene, innerhalb
welcher die Längsachse des Fusses ihre hauptsächlichste Knickung erfährt (geringere
Biegungen vertheilen sich, wie dies auch unser Modell, Fig. 27, ausdrückt, auf verschiedene,
weiter nach vorn gelegene Stellen), in die Vorderenden des Sprung- und Fersenbeines fallen;
die Linie A C in Fig. 27 (Längsachse des Vordcrtheiles des Fusses) rückt in Folge des Schnü-
rens nach a C, die Linie B C (Achse der Ferse) nach b C. Die einzelnen Knochen, zugleich
zwergliaft bleibend, richten sich in ihrem Waclisen zur Herstellung dieser abnormen Fuss-
gestalt ein, wobei C'alcaneus und Talus die grösseste Formverändorung erleidon.
Werfen wir nochmals einen Blick auf Fig. 26 und 27, so lege ich auf das Speciellere der
dort gewählten C'onfiguration der einzelnen Fu&swurzel- und Zehenknochen (die übrigens auch
M Eine noch sicherere Bestätigung erhielt ich während dea Druckes dieser Abhandlung. Ich hatte Gelegen-
heit, das Modell sweien Chinesen vorzulegen, welche dasselbe, in freudiger Ueberraschung nach allen Seiten
hin sorgfältig musternd, als „a very good Imitation“ beeeichneten.
2) Es bedarf kaum der Erinnerung, dasa nicht eine rasche Knickung, wobei ein Theil zerbrochen oder
auch nur unmittelbar verbogen würde, gemeint ist. Es handelt sich um die Erzielung des Wachsens der
Theile in gebogener Richtung.
Digitized by Google
224
H. Welcker,
an den chinesischen Füssen nach Verschiedenheit der Anlage und der Behandlung grosse
Verschiedenheiten zeigen mögen) selbstverständlich keinen Werth; wie ich iudess die einzel-
nen Knochen in die C'ontouren des chinesischen Modells auch vertheilen mochte: immer
Fig. 26. Fig. 27.
' H
Skelet eines ChinesenfusaoB (construirt). Die rothen Linien gehören einem normalen Fraueofusse an.
>/8 nat. Grösse.
kam das Hinterende des Fersenbeines genau so unter den übrigen Fuss zu liegen,
wie bei einem normalen Fusse der Haken eines Hakenschuhes unterhalb der
Ferse liegt. Die Chinesin geht also bei nahezu senkrecht gerichteten Mitte lfussknochen
auf den verkümmerten und grossentheils verbogenen Fusszehen ; das Hinterende des
Kusses ruht auf einem doppelten Absätze — einmal auf dem untergebogenen
Fersenhöcker, und dieser auf dem Absätze des Schuhes (vgl. Fig. 26 und 27).
Man könnte daran denken, ob die starke Uiegung, welche der Fusb zumal an seinem AusHenrando erleidet,
nicht etwa durch Luxation (des Würfelbcincs unter da« Vorderende de« Fersenbeines) erfolge; aber die Hand-
Verbindungen der Fu«*wurzelknocheu sind viel au fest, als das« man ein Auseinanderrücken der Gelenkflächen
erwarten durfte. Können wir aber eine Luxation d«*B Caleaneo-Cuboidalgelenkes nicht xugeben , so ist es bei
der nahezu «enkrechten Richtung, in welche die Achse des Ferseuhöckers (bc, Fig 27) geruthen ist und bei der gleich*
zeitigen Abwärtsbiegung des Vorderthciles dca- Kusses eine nothwendige Forderung, dass die für das War-
felbein bestimmte Gelenkfläche de» Calcaneus ihre rechtwinkelige Lage zur Längsachse de«
Knochens aufgebe; sie muss sich schräg stellen, statt nach aufwärts schräg abwärts gerichtet «ein, mit
anderen Worten, es muss hinter dieser Gelcnktläche ein keilförmige« Stück Knocheumasse , dessen Spitze nach
oben zu denken ist, ansfallen. Die Stelle dieses Ausfalles oder der „Knickung“ wird ziemlich dicht hinter die
Gelenkflächo treffen.
Die Soblenlänge unsere« Modells (also des Kusses, nicht des Schuhes) beträgt kaum die
halbe Länge eine» normalen Frauenfusses; von der Spitze der grossen Zehe bis zu dem Theile
der Ferse, welcher zum Hinterrande des Fusses geworden ist, messe ich 92 Millimeter; von
der Spitze des Schuhes bis zur hinteren unteren Ecke des Absatzes nur 60 Millimeter.
Vergleichen wir nun mit dem Modelle die oben erwähnte Pariser Photographie, deren
gleichfalls auf Vs verkleinerte Copic ich beifiigo (Fig. 28), so macht letztere in mehrfacher
Beziehung einen erheblich anderen Eindruck. Doch liegt dies wesentlich nur darin, dass in
Digitized by Google
lieber die künstliche Verkrüppelung der Filsse der Chinesinnen.
•225
dem getrockneten Präparate der Fuas — in störendem Widerstreit mit dem chinesischen Ha-
bitus — in DorsalUexioti geratheii ist, eine Stellung, welche ich in keinem der mir bekannt
Fig. 28.
gewordenen Bilder von Chinesinnen gefunden habe,
und welche diesen in Folge der Destruction ihrer
Fiisse kaum möglich oder geläufig sein dürfte. Orien-
tirt man die Unterschenkelknochen so, wie ich die-
selben in den chinesischen Bildern durchgehend« finde
(vgl. Fig. 22 und 23) und wie ich es in Fig. 28 durch
beigefdgto punktirte Linien angodeutot habe und fügt
man den Umriss einer Sohle und des Absatzes hinzu,
so treten die uns durch unser Modell geläufig gewor-
denen Formen völlig übereinstimmend hervor.
Weiterhin ist der Pariser Chinesenfuss ansehn-
lich grösser, wiewohl die Gegeneinanderknickung
des Vordertheiles und der Ferse einen hohen Grad
erreicht, die zur Anwendung gekommene Schnü-
rung mithin sicherlich eine durchgreifende war.
Sollte unser Modell unter natürlicher Grösse aus-
Fuss einer Chinesin. Getrocknetes Präparat üer geführt sein oder vielleicht nur einem Kind erfasse
entsprechen?
Die Photographie dos Pariser Präparates hat
von der Spitze der grossen Zehe biR zum Hinter-
rande des Fusses 134 Milümeter, mit den frischen Weichthoilen wird man 140 Millimeter an-
nehmen dürfen; für die untere Sohlenlinie des zugehörigen Schuhes !)0 Mm. Nun aber giebt
Hyrtl als Maass eines chinesischen Schuhes, dessen Trägerin er in Wien selbst gesehen, „nur
2 Zoll“ Länge der Sohle, d. i. nur 54 Millimeter, an ; unser Modell stellt sich hiernach zwi-
schen jene beiden Dimensionen; in seiner Kleinheit würde somit kein Gegengrund liegen,
dasselbe als das Modell eines erwachsenen Frauenfusses gelten zu lassen').
Ich schliesse mit der Wiedergabe einiger Stellen ans der Literatur, welche auf Autopsie
beruhende Angaben über unsern Gegenstand enthalten. Hyrtl’s Schilderung (a. a. 0. II, 633)
lautet:
Sammlung von Val de Grüco zu l’uri«.
Nach einer in natürlicher Grösse aofgenommo-
nen Photographie auf ’/s verkleinert.
„Die unsinnigste Verunstaltung (1er Füssc, ilie dem Verluste derselben gleich zu setze», ist die gewaltsam
erzwungene Verkrüppelung derselben bei den Frauen der höheren Stände in China. Die Mantacliu - Tataren
huldigen dieser Sitte nicht, welche aut Schmeichelei erfunden worden sein soll, um einer Prinzessin, welche
mit Klumpfuiscn geboren wurde, lange vor dem glücklichen Zeitalter der Tenotomie , glauben zu machen
data alle Weiber solche Füsae hätten und die Sache somit ganz in der Ordnung aei. Die ltebltlsae der vor-
nehmen Chineeinnen machen das Gehen auf ebenem Boden zur Qual, das Laufen unmöglich und das Stiegen-
Auf- und Absteigen so beschwerlich, dass chinesische Hausfrauen gewöhnlich nur Erdgeschusso bewohnen,
wenn sie den Luxus eines Hausträgera nicht bestreiten können. Modelle verunstalteter Filsse von chineeiechen
Damen befinden sich fast in allen anatomischen Sammlungen. Der seidene Schah , welchen mir Madame
Chung-Atai aus Canton bei ihrem Aufenthalte in Wien rum Geschenk machte, hat eine Soblo von nur 2 Zoll
') Anch die oben erwähnten beiden Chinesen acceptirten dasselbe als die lebensgrosse Copie des Fusses
einer „erwachsenen chinesischen Dame.“ — (Zn bedauern äst, dass die Maasse der in dem nnter II folgenden
Nachtrage erwähnten Fasse von den Autoren nicht angegeben wurden.)
Archiv fflr Anthropologin. Rd. IV. Hift 111. 29
Digitized by Google
22G
H. Welcker,
Länge und */4 Zoll Breite. Aas der Mitteilung eines Arztes , welcher längere Zeit auf Tschusan »tatio-
nirt war, erfuhr ich Folgendes über die Art und Weise der Fussumstaltung nach chinesischen Schönheitsbegrif-
fen. Die Operation zerfällt in zwei Perioden. Die erste beginnt im Verlauf deB zweiten Lebensjahres des
Kindes. Die Zehen werden durch lange, in allerhand Touren um den Fuss gezogene Bandstreifen gegen die
Fusssohle hinabgebunden. Kur die grosse Zehe wird geschont. Die immer fester und fester geschnürte Ban-
dage bringt cs endlich dahin . dass das Kind mit der Dur&alHäche der Zehen auftritt. Die Füste mehrerer
Kinder, welche mein Freund in dieser Periode untersuchte, waren heiss, roth und schmerzhaft. N ach und
nach verlieren die Zehen ihre Eigenschaften als selbstständige Glieder und bilden eine mit der Fusssolile ver-
schmolzene, ungetheilte Masse. Dieses ist bereits im nächsten Jahre der Fall, in welchem der zweite Theil
der Operation beginnt, wenn die Eltern sich nicht mit dem ersten begnügen, was nur bei Leuten der niede-
ren Stände der Fall ist. Der Fuss, mit der grossen Zehe, wird non im Bogen allmählich so gekrümmt, dass
die grosse Zehe so nahe als möglich an die Fcrso kommt. Diese Procedur ist viel schmerzhafter, als die vor-
hergegangene und bringt vielen schwächlichen Kindern den Tod. Sie unterbleibt deshalb von Seiten solcher
Eltern, welche ihre Kinder nicht geradezu in Lebensgefahr stürzen wollen. Die Bandage wird nie gelockert,
sondern von Monat zu Monat immer fester und fester angezogen. Wurde das Ziel der beabsichtigten Ver-
krüppelung erreicht, so besteht der Fuss, von unten gesehen, bloss aus einem Stücke grosser Zehe und einem
Stücke Ferse, zwischen welchen beiden eine Schwiele liegt. Die Waden schwinden und werden spir.delbeinig. —
Eine chinesische Mutter vertraute einem anderen europäischen Arzte ein auf diesen Theil chinesischer Fonnen-
schönheit sich beziehendes Toilettenmittel. Bei Mädchen aus dem Volke, welche, um den Fqbs doch etwas
gebrauchen zu können, ihre grosse Zehe nicht so dicht an die Ferse herangezogen haben, wie es bei den Rei-
chen der Fall ist, und deshalb keinen ganz schönen, d. i. kleinen Fuss besitzen, wird dieser Mangel an Vollkom-
menheit bei festlichen Gelegenheiten, insbesondere aber bei der Hochzeit dadurch ersetzt, dass unter dem Fasse
ein Stück Kork von der Form des kleinsten Fasses befestigt und dieses dann mit dem Schuh bekleidet wird.“
In einem Aufsätze des Globus (Jahrg. 18C6, S. 34) heisst es:
„Diese Mode reicht schon ins hohe Alterthum hinauf. Die Chinesen selbst erzählen, eine Prinzessin
habe ausserordentlich kleine Füsse gehabt und dadurch die Aufmerksamkeit und den Neid anderer vornehmen
Frauen erregt. Und wenn sie selber dieser Schönheit sich nicht rühmen konnten, so sollten doch ihre Töchter
derselben theilhaftig sein. So geschah es. und die Mode griff im Fortgange der Zeit immer weiter um sich,
und heute sind reiche wie arme Leute kleinfussig,“
„Zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Monate beginnt die Operation. Die Füsse werden mit zwei
Leinwandbinden, dem Tschan-pu und dem Tschio-pu, umwickelt, und zwar so, dass die vier kleinen Zehen
unter die Sohle gebogen werden, die grosse Zehe aber frei bleibt, ähnlich wie wenn wir eine Hand ballen,
aber den Daumen in seiner natürlichen Stellung lassen. Ein Mädchen ohne verkrüppelte Füsso findet nicht
leicht einen Manu; ihm fehlt ja, nach chinesischen Begriffen, eine Hauptschönheit. Die aber, welchen eie
nicht mangelt, können ihre Beinmuskeln nicht üben, bekommen keine Waden, ihre Beine sind wie Stelzen und
der Gang bleibt wackelnd.“
_ — Die Chinesinnen laufen, trotz dieser kleinen Füsse, sehr rasch und sicher1); ja sie haben ein Bewe-
gungsspiel, bei welchem man einander hölzerne Tellerscheiben oder auch Bälle zuwirft. Bei uns in Europa
schleudert man dieselben mit dem Ballholze zurück; die Chinesinnen aber bedienen sieb statt derselben der
Sohlen ihrer kleinen Schuhe. Uebrigens haben wir mehrfach gelesen, dass in neueren Zeiten die Mode der
Verkrüppelung in manchen vornehmen Familien nicht mehr beobachtet wird.“
Von Interesse ist auch eine Schilderung, welche Ed. Hildebrandt (der berühmte Maler
der Aquarellen) von unserem Gegenstände entwirft (Reise um die Welt, II, S. 91):
„Bei meinen Malcrstudien gewahre ich so Manches, was für gewöhnlich den Blicken der Fremden entzo-
gen wird. Ich rechne dahin die kleinen Krüppelfüsse der Chinesinnen, die sie höchst ungern ohne die übliche
Bandage zeigen. Als ich in der Nachbarschaft einer Familie, die eben ihr Frühstück einnahm, meinen Schirm
aofgespannt hatte und eifrig zu arbeiten anhub, bemerkte ich plötzlich, dass die Hausmutter ihre Füsse aus
dem engen Futteral zog, das ich kaum einen Schuh za nennen wage, und eine kleine Wunde bepflasterte.
Der verunstaltete Fuss glich einem Huf. Der Landessitte nach werden beide Füsse der kleinen Mädchen im
S. oder 4. Lebensjahre mit Bandagen und Bambusscheitern förmlich geschient, bis sie diese Zwerggestalt
*) Dieser bestimmten Aussage gegenüber scheint IIvrtFs Angabe, dass das Laufen „unmöglich“ sei, nicht
ganz zuzutreffen ; an sich ist jedenfalls die Möglichkeit raschen und sicheren Laufens bei schwankendem und
unsicherem Gange nicht abzuweisen.
Digitized by Google
227
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Füsse der Chinesinnen.
annehmen. Es ist unbegreiflich, weshalb man selbst in den unteren .Ständen, die doch ihr Leben lang auf aus-
dauernde Arbeit angewiesen sind, die Tochter auf diese Weise verstümmelt, die ihnen Bewegung und Beschäf-
tigung über alle Maasen erschwert. Wie oft habe ich die Frauen der Gärtner an ihren Stöcken umherhumpeln
oder schneckenartig auf den Knieen zwischen den Beeten hinkriechen und Unkraut auBjäten sehen. Unter den
Tataren hat die Unsitte nicht um sich gegriffen, die Füsse ihrer Frauen sind wohlgebildet und ihre Gangart ist
so elastisoh, wie die einer Pariserin. Aller Mühsal ungeachtet sind die Chinesinnen stolz auf diese Fussstümpfc.
In der poetischen Landessprache heisst das verstümmelte Glied Küm-leen, d. h. goldene Wasserlilie.“
Pag. 12: „Die eleganten Damen, denen wir in dieser Stadt (Hongkong) häufiger begegneten, bedienen
sich bei ihren künstlich verkrüppelten kleinen Füssen der Stöcke; sie würden, da sie auf den Zehen gehen,
sonst fortwährend in Gefahr schweben, niederzufallen.“
Nach einem Wiener Blatte hat in jüngster Zeit ein Arzt der französischen Gesandtschaft
in Peking, Dr. G. Mo rache, Mittheilungen über uuseren Gegenstand gemacht, welchen ich,
jener Quelle folgend, Nachstehendes entnehme:
Es giebt nach den Provinzen verschiedene V erfahr ungs weisen beim Binden des Kusses und im Ganzen
zwei Grade desselben, indem nämlich entweder klos die Zehen verkrüppelt werden, oder auch das Fersenbein
senkrecht gestellt wird, ln den reichen Familien beginnt die Verunstaltung mit dem 4., bei andern mit dem
6. oder 7. Lebensjahre. Zunächst wird der Fuss geknetet, dann werden die vier kleinen Zehen mit Gewalt
gebeugt und durch eine Binde von 5 Centim. Breite mittelst Achtertouren in dieser I*age erhalten. Täglich
wird die Binde erneuert. Dan Kind trügt einen ziemlich hoch reichenden Schnürstiefel, der sich nach vorn
zuspitzt und eine platte Sohle ohne Absatz hat. — Vorstehendes Verfahren giebt nur den in den Nordpro-
vinzen üblichen, gewöhnlichen Fuss. Zur Herstellung der zweiten, eleganteren Form legt man, wenn die blei-
bende Beugung der Zehen erreicht ist, unter den Fuss einen halben Cylinder von Metall und führt nun die
Binden um den Fuss, auch wohl um den Unterschenkel, in der Absicht, dessen Muskeln au einer der beabsich-
tigten Gestaltung feindlichen Wirkung zu hindern. Bei jeder Anlegung der Binden presst die Mutter aus
allen Kräften Fersenbein und Zehen über dem Halbcylindor zusammen und führt auf dicec Weise wo möglich
eine Dislocation des Kahnbeines herbei, ja sie sollen mit einem Steine nachhelfen, um das Kahnbein zu zer-
schmettern, in manchen Provinzen cs ganz hcrausnehmen. Der so misshandelte Fass wird in einen Stiefel
mit stark convexer Sohle gesteckt. Ist die Binde gut angelegt, so hört nach einigen Jahren der Schmerz auf
und die Empfindlichkeit des Kusses ist soweit ertödtet, dass kaum noch etwas Gefühl besteht. Solche Frauen
sind indess nicht im Stande zu gehen, wenn der Fuss nicht gebunden und nicht unterstützt ist.
In Tschusan hat Lockart nie ein Weib gesehen, das normale Füsso hatte, während er in C'anton und Ma-
cao viele solche sah- Im Ganzen schien cs ihm, als ob, auf dem Lande wenigstens, dieso Unsitte nicht so viel
Schaden brächte, als zu erwarten wäre; er sah starko, gesunde Frauenzimmer mit eingezw&ngten Füssen leicht
und anscheinend schmerzlos mehrere Meilen zurüeklegen. — Wenn man von den Sagen absieht, welche den
Ursprung dieser Unsitte in die Zeit von 1100 vor Christi zurückverlegen, so variiren die historischen Angaben
zwischen dem Kaiser Yang-ti, 695 nach Uhr. und Li-Yuh, 901 bis 976 nach Uhr. Eine Vererbung im Sinne
Darwin’s hat da» achthundertjährige Schnüren nicht hervorgebracht; die Füsse der kleinen Mädchen in China
sind völlig normal gebaut.
Wir wundern uns über den Gebrauch einer so geschmacklosen und mit so vielen Unbe-
quemlichkeiten verbundenen Verstümmelung, doch wir vergessen, dass es weit edlere Organe
sind, welche durch die hei uns gebräuchliche Art des Scbnürens verkümmert werden. Aber
es giebt Dinge, über die das Publikum Belehrung gar nicht will. Vergeblich hat Soeinmer-
ring') gegen das Schnüren geschrieben, vergeblich hat Hogarth in den Umriss der Venus
eine Schnürbrust eingezeichnet *) , vergeblich haben begeisterte Jünglinge mit anderem Plun-
der die Schnürbrust gar verbrannt — die Unsitte blieb. Die Chinesinnen aber werden, so-
bald die europäische Cultur das Reich der Mitte noch ferner aus dem Gleichgewichte bringt,
das Schnüren ihrer Füsse aufgeben und — den Thorax schnüren.
*) Ueber die Wirkungen der Scbnürbrüste. Mit einer Kupfertafel. Berlin 1793. b°, 84 Seiten.
*) Auf dem Bilde „Taste in high life,“ mit der Unterschrift „the Mode. 1742*.
29*
Digitized by Google
2 2K
H. Welcker
II.
Angaben englischer Chirurgen über den Chinesenfuss.
Meine Vennutliung, «lass die Museen derjenigen Nationen, welche durch iliro Scbiftlührt
seit längerer Zeit in Berührung mit China gekommen sind, Filssc von Chinesinnen enthalten
möchten, ja dass auch in der Literatur bereits Mittheilungen Uber das Nähere dieser Diffor-
mitat vorliegen müssten, hat sich bestätigt. Durch die Aufmerksamkeit meines chirurgischen
Collegen Prof. R. Volkmann bin ich mit einer Anzahl von Abbildungen und Beschreibungen
bekannt geworden, welche die englischen Chirurgen über diesen Gegenstand gegeben haben.
Ich glaube nicht zu irren, dass diese Mittheilungen der Kenntnissnahme der Anthropologen
und Kthnnlogen entgangen sind, und es mag darum gerechtfertigt erscheinen, wenn
ich hier dasjenige zusannnens teile, was ich in dieser Richtung mitgotheilt finde.
John llilton in seinem Werke „On the Influence of mechanical and physiological Rest",
j.'lk, London 1 8t>3 , zielit. den Chinesenfuss als ein Beispiel
dafür heran, dass lange fortgesetzte Unthätigkcit
eines Gelenkes keineswegs mit N’othwendigkeit eine
krankhafte Veränderung desselben zur Folge habe.
Die von ihm gegebene Abbildung (Fig. 29) hat eine
überraschende Achnlichkcit mit unserer Fig. 2G. Die
betreffende Stelle bei Hilton (pag. 313) lautet:
„Eb bat Fiel] getroffen, dass die Universität jetzt reich an
Chinesen Füssen ist, und ich ftihro Ihnen ein gutes Exemplar zur
Unterstützung meiner Ansicht vor. Fig. 29 ist die Abbildung
eines in Weingeist aufbewahrten Präparates. Ich vrei«» nicht,
wie alt die Dame war, aber nach dem Ansehen der Knochen
darf man mit .Sicherheit annehmen, dass sie das Alter der Pu-
bertät erreicht oder bereits überschritten hatte. Nun, diese Ge-
lenke »iml grgeneinandergedrangt seit 20 oder 30 Jahren , und
doch sind die Gelenkflächen in normalem Zustande und ihre
Structur hat nicht im geringsten gelitten. u — — lu einem
Senkrechter Durchschnitt des Fusecs einer chi- Briefe, den ich von Dr. Barder empfing, *»gt dieser: Bl)ie
nesischen Dame, nach Hilton, Fig. l>2. (Jelcnkfläcbfn des Chinesen fueses sind mikroskopisch vollkotn-
Präparat des College ol Surgeons. men gesund.“ Auch eines von Brenshv Cooper beschriebe-
1 Tibia, 2 Astragahis, 3, SCalcaneue. 4 Navicu- neu Präparates gedenkt Hilton, dessen (ietenko nirgends eine
Inre, ff Cuneiformu primuni. Aucbyluse zeigten.
Die wohl zuerst von Little (On Deform itios, p. 107) hervorgehobene Aclmlichkeit der
chinesischen DifTormitat mit der nicht angeborenen Form von Talipes calcaneuB (eine Miss-
bildung, bei welcher die Fersen senkrecht nach abwärts gerichtet sind, so dass das Indivi-
duum auf dem Hinterende der Ferse steht» während der Vordcrthcil des Fuseeo trotz einer
starken Abwartebiegung hoch zu liegen und ausser Berührung mit dom Boden kommt) veran-
lasst W. Adams, in seinem preisgekrönten Werke „Club-foot“ (London 1866), unserem
Gegenstände eine ausführliche Betrachtung zu widmen. Wir lesen dort (p. 340):
Digilized by Google
229
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Fiisse der Chinesinnen.
„In dem Museum de# Royal College of Surgepns findet sich eine Reihe von elf Präparaten (Nr. 884« bis
£•84* des Dcscriptive Cntalogue of the Path. Specim., Suppl., Vol. 1), gefertigt aus den Füssen von vier Chi-
nesinnen, welche die anatomischen Kigenthürolichkeiten dieser merkwürdigen Difi'ormität erläutert,
welche durch künstliche Mittel — ich kenne nicht genau die bestimmte Art des Verfahrens — entweder
durch festes Verbinden, oder durch eine andere zutaramend rückende, in frühester Jugend und eine längere
Zeit während des Wachsens in Anwendung gebrachte Gewalt — erzeugt wird. Diese Präparate sind in Spi-
ritus aufbewahrt und in einigen Durchschnitten sind die veränderten Verhältnisse der Knochen und Gelenke
dargestellt. Fig. 30 und 3! teigen die innere und äussere Ansicht eines dieser P'üsse, und man wird fin-
Fig. 80. Fig. 31.
Fuss cinrr chinesischen Dame. Museum des College of Surgeon«, Nr. 8S4e.
(Nach Adams, a. a. O. , Fig. 74 und 75.J
den , dass der allgemeine Charakter der Difi'ormität in mancher Hinsicht Aehnlichkeit hat mit den schwe-
reren Fallen von nicht angeborenem Talipes calcaneus, paralytischen Ursprungs. Der Höcker des Fer-
senbeines ist so weit herabgedrängt, dass er gerade nach unten ragt, und der Körper
dieses Knochens hat eine senkrechte Richtung, zusammenfallcnd mit der Längslinie des Beines. In
Fig. 31 sieht man die Achillessehne ftach gegen die hintere Ebene des Knöcholgelenkes anliegen und sodann
gerade nach abwärts zu dem Fersenhöcker herabtreten. Der vordere Theil des Fussen ist von dom querlau-
fenden Tarsalgelenka aus nach unten gebogeu, so dass der Fuss in seiner Längsrichtung zusammengefaltet
ist; das Knöchclgelenk und das quere Fusagelenk sind die Hauptcentrcn der Bewegung. Die Phalangen der
vier aasseren Zehen sind krallenartig einwärts gebogen und seitwärts gerichtet nach der Mittellinie der Fuss-
sohle. Die zugehörigen Metatnrsalknochen sind nach der Seite zusammengedrückt; die der grossen Zebe
allein bleiben gestreckt und geben dein zusamtnonge ballten und verdrehten Fuss eine spitze Form. Dies zeigt
sich gut in Fig. 30, desgleichen in Fig. 32.*
Noch eine fünfte Abbildung habe ich beizuftigen , entnommen dem citirten Werke
Little’s. Diese Zeichnung eilten vollständig skeletirten Fusses hat eine ganz auffällige Aelin-
Fig. 32. Fig. 33.
Abguss des Kusses einer Chinesin. Museum desi Künstliches Skelet de» Fusses einer Chinesin.
University College, Nr. 4599. (Adams, Fig. 7ß.) (Nach Littlc, Ou Deformitiea, Fig. 67.)
Digitized by Google 1
230 H. Welcker,
lichkeit mit der oben unter Fig. 28 wiedergegebenen Photographie des mit den WeichtheUen
getrockneten Pariser Präparates, und eben diese Aehnlichkeit verbürgt es uns, dass bei der
künstlichen Zusammensetzung des von Little abgebildeten Fusses die einzelnen Tarsal - und
Zehenknochen nicht in falsche Lagen gekommen sind. (Andere dürfte es sich mit Tibia und
Fibula verhalten.) Zu Little’s Abbildung bemerkt Adams (S. 342):
„Diene Abbildung ist in einer wichtigen Beziehung verschieden von allen anderen erwähnten
Exemplaren, indem sie nämlich den Fersenhöcker in derselben Höhe mit den Zehen darvtellt, bei aufrechter
Stellung des Beine«, während doch in den oben gegebenen Zeichnungen und in allen den Exemplaren, welche
ich untersucht habe, der Fersenhöcker so sehr über der Höhe der Zehen liegt, dass es für dio Dame nöthig
wird, einen Schuh mit einem 1 bis 2 Zoll hohen Absätze zu tragen, und ich glaube, dass die Schuhe dieser
Damen stets einen Absatz von jener Höhe besitzen."
Wir sehen, Adams nimmt an derselben ungeschickten und das Charakteristische der chi-
nesischen Diftbrmität verwischenden Orientirung des Präparates und der Zeichnung Anstoss,
welche ich oben an jener Pariser Photographie gerügt habe, und lässt es sich einige Mühe
kosten, darzuthuii, dass Little's Zeichnung trotz der hohen Lago ihrer Fusssehen — ein Chi*
nesenfuss ist *).
Gehen wir davon aus, dass bei der künstlichen Zusammensetzung des in Fig. 33 abge-
bildeten Fussskeletes die Knochen des Unterschenkels in eine falsche Stellung gebracht wur-
den, welche nach Massgabe der in Fig. 28 von mir eingcfilgten punktirten Linien zu verän-
dern wäre und dass das ganze Präparat um einen Winkel von mindestens 30 Graden nach
vorn zu neigen ist, so steht diese Zeichnung mit keinem einzigen der Charaktere in Wider-
spruch, welche wir als diejenigen des Chinosenfusses kennen lernten, namentlich ist eine
grosse Uebereinstiinuiung mit dem von Hi 1 ton gegebenen Durchschnitte (Fig. 29) unverkennbar.
Ich muss es übrigens dahin gestellt sein lassen, ob nicht Little von der Ansicht ausgegangen
ist. dass die von ihm gewählte Orientirung seines Präparates der Haltung des Fusses im le-
benden Zustande entspreche; es wäre dies allerdings eine höchst auffällige Annahme, doch
scheint ihn auch Adams so verstanden zu haben4).
Little giebt dem von ihm abgebildeten Chinesenfüsso die Unterschrift: „Artificial Talipos
calcaneus“ und fugt hinzu (p. 168):
„Ich besitze keine anatomische Abbildung des Präparates eines von der Natur erzeugten Talipes calcaneus,
<la ich keine Gelegenheit hatte , diese Form nach dem Tode zu aeciren ; aber wir können die Zeichnung de«
D Es wird von Adams herbeigezogen , dass die kleinen Schuhmodelle chinesischer Arbeit, welche sich in
verschiedenen Museen finden, alle den erhöhten Absatz zeigen, während die innere Sohle von den Fersen zu
den Zehen hin nuch abwärts ausgeschweift sei. Da diese Modelle jedoch unächt sein könnten, so versuchte
A. die Thataache der Schriigrichtung der Fas stöhle an don Füssen der Gemahlin eines chinesischen Riesen
festzustellen. welcher damals in London Vorstellungen gab, erreichte jedoch seinen Zweck nicht, „wegen des
Willens des Riesen und seiner Frau, nicht« zu thun zu haben mit den Doctoren.“ Indessen lies« sie ihre
Füsse von dem Publikum sehen , „den Rist und die Knöchel mit einem enganschliessenden Beinkleid verber-
gend. Der Schuh, der auch mit ausgestellt wurde, muss 4l/s Zoll, der Absatz war 1 Zoll hoch, die Sohle war ab-
hängig von der Ferse zur Zehe.* Dieses Maas» der Sohle, 114 Millimeter, d. i. mehr als das Doppelte der von
Hyrtl notirten Ziffer, würde für eine Chinesin auffitllig gross sein. Cebrigen« macht die Bonderbare Rücksicht,
„Rist und Knöchel“ zu verbergen, sowie ihre Scheu vor den Doctoren, diese Chinesin etwas verdächtig.
2) Dieselbe Stellung der Unterschenkel kn ochen und dieselbe Orientirung des Fusses zum Horizonte, wie
Little's Exemplar, zeigt eine Abbildung, welche ich J.B. Davis verdanke (entnommen Bransbv Cooper’s
„Anatomical Dascription of the foot of n Chinese female,“ Phil. Trans. 1829, p. 265), Tibia, Fibula und Cal-
canous sind hier genau so gestellt, wie in Fig. 28 und 33, die Zehen wie in Fig. 31.
Digitized by Google
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Fiisse der Chinesinnen. 231
Fu>nke)et> der Chinesin vergleichen mit dem Modelle der extremsten Form von Talipes calcaneus, und
wir werden die Aehnlichkeit, wenn nicht die volle Gleichheit des Knochenbaues in beiden Fillon erkennen,
mit Ausnahme den Verhaltens der vier kleineren Zehen. Die künsüiche Missntaltung iet durch festes Schnüren
des Kusses im frühen Kindesalter und durch Unterschlagen der kleineren Zehen unter die Sohle bewirkt. Diese
Behandlung bedingt ohne Zweifel eine beschwerliche Bewegung deräohlo; das Individuum ist genöthigt, aus-
schliesslich auf der Sohle zu gehen“ (?) ; „die vorderen Muskeln des Unterschenkeln gewinnen das l ebergewicht
und bewirken eine Erhöhung des Fussrückens; die Muskeln und Bänder der Fusssohle steigern die Wölbung
des Fussrüokens und hiermit die Concavität der Sohle, die Wadenmuskein werden atrophisch und kraftlos und
machen die Analogie mit Talipes calcaneus vollständig.“
Man wird zugeben dürfen , dass das relative Lagenverhältniss der einzelnen Knochen z u
einander in beiden Fällen ein sehr ähnliches ist, aber die Richtung der Längsachse des Vor-
dertheiles des Fusses ist in beiden Formen eine sehr verschiedene (bei Talipes calcaneus
horizontal, bei dem C'hinesenfusse stark abwärts gerichtet, so dass die Ferse des hohen Ab-
satzes bedarf — ein Unterschied, den bereits Adams (a. a. O., p. 343) hervorgehoben hat).
Es scheint mir sehr zweifelhaft, ob an dem bis zum Uebermasse geschnürten Fusse die
von Little angenommenen Muskelwirkungen neben der Schnürung einen Einfluss auf den
Skeletbau gewinnen können', namentlich scheint mir dies von den durch die Umknickung
des Fusses völlig erschlafften Muskeln der Fusssohle schlechthin unmöglich. —
Die hier gegebene Zusammenstellung von Abbildungen setzt uns in den Stand, die Zu-
fälligkeiten der Form, welche an den Chinesenfüssen Vorkommen, als solche zu erkennen
und das Typische und Constante der Verunstaltung mit Sicherheit aufzufassen.
Vergleichen wir dieselben untereinander, so zeigt das unter Fig. 29 abgebildete Spiritus-
präparat, sowie der Oypsabguss Fig. 32, den zwischen Ferse und Fussballen vorkommenden
Raum weit vollständiger von jener hufartigen Schwiele ausgefUllt und die gesammte Fusssohle
dadurch weit mehr geebnet, als dies in Fig. 30 und 31 der Fall ist, welche durch die gehöhlte
Form ihrer Sohle (die allerdings theUweise durch die Entfernung der Sohlenhaut bewirkt ist)
weit mehr mit unserem Thonmodelle (Fig. 24) übereinstimmen.
Die Abwärtsrichtung der grossen Zehe und die gestreckte Richtung ihrer Phalangen,
welche die beiden Londoner Präparate Fig. 29 und 32, und (sofern wir sie in die richtige Lage
bringen) Fig. 28 und 33 in durchgreifender Uebereinstimmung zeigen, lassen Fig. 30 und 31
vermissen. Denn einmal laufen hier die Metatarsalknochen und Phalangen der grossen Zehe
keineswegs in Einer Flucht, sondern cs findet sich eine erhebliche Dors&lflexion der Zohen-
glieder. Sodann aber hat Adams diese Füsso, so sehr er an der fehlerhaften Orientirung von
Little’s Zeichnung Anstoss nimmt, gleichfalls (wie die von ihm in Fig. 31 angebrachte Ho-
rizontale zeigt) nicht ganz richtig orientirt; dieselben stehen keineswegs so senkrecht, wie
sie bei senkrecht gedachter Tibia sich zeigen müssten und vertragen nicht die Unterschiebung
des chinesischen Absatzes. (Ich habe in Fig. 30 eine Sohlenlinie, wie ich sie für richtig halte, *
beigefügt.) Uebrigens repräsentirt der von Adams zur Abbildung ausgewählte Fuss (Fig. 30
und 31) keineswegs den höchsten Grad der chinesischen Difformität; kleine Zehe und Fersen-
höcker sind einander weitaus nicht so nahe gekommen, wie in Fig. 24, 29, 32 und 33.
Es gereicht mir zur Freude, dass ein so sonderbar abweichendes Skelet, wie das des Chi-
nesenfusses, sich nach dem blossen Modelle der mit den Weichthoilen besetzten Gliedmasse
in so vollkommener Weise construiren liess, und dass Fig. 27, welche den Mechanismus der
chinesischen Fusstoilette, wie das Erzeugniss derselben, mit einem Blicke übersehen lässt, durch
Digitized by Google
232 H. Welcker, Ueber die kiinstl. Verkrüppelung der Fiisse der Chinesinnen.
die Kenntnissnahme des wirklichen Skelets sieh keiner nennenswerthen Abänderung bedürf-
tig zeigt. Die verschiedenen nach wirklichen Chinesenfüsseu gefertigten Zeichnungen (Fig. 28
bis 33) bestätigen die Richtigkeit der in der Vorlage von Fig. 26 und 27 gewählten Anordnung
der einzelnen Knochen fast durchgehende; und da in Folge der Beliandlungswcise jener Prä-
parate keine der unter Fig. 28 bis 32 gegebenen Abbildungen für sich allein eine volle Ueber-
sicht über den gesammten Skeletbau des Chinesenfusses gewährt, und auch Fig. 33 — air-
gesehen von der fehlerhaften Orientirung, zum Unterschenkel, wie zum Horizonte — in der
Deutlichkeit der einzelnen Knochengrenzen Manches zu wünschen übrig lässt, so wird man
nel>en jenen nach der Natur aufgonommenen Bildern auch unseren Figuren 26 und 27 eine
Stelle gönnen.
Am wenigsten genau in manchen Einzelheiten scheint das von nur construirte Skelet
gerade mit dem Präparate zu stimmen, in welchem die Knochen am vollständigsten bloss lie-
gen,— mit dem in Fig. 33 abgebildcten Präparate Little’s. Dass das erstere überall gerundetere
Formen, einen mehr schematischen Habitus, der in Fig. 33 abgebildete Fuss dagegen mancherlei
Vorsprünge und individuelle Ausprägungen zeigt, ist völlig in der Ordnung. Aber wie ver-
hält es sich in Fig. 33 mit der von mir angenommenen Knickung des Calcaneus? Leider
sind die Contouren in Little’s Abbildung gerade an der betreffenden Stelle wenig deutlich.
Wenn in Little’s Zeichnung als Ausdruck des von Fersen- und WUrfelbein gebildeten Ge-
lenkes diejenigen Linien aufgefasst werden dürfen, in deren Richtung ich in der Wiedergabe
der Figur eine mit o bezeichnet« punktirte Linie angebracht habe, so fände sich eine Knickung
genau an derselben Stelle, wie in meinem Modelle; sollte das Gelenk aber mehr rückwärts
(in der Richtung der Linie b) liegen — und es ist mir dies nach Little’s Zeichnung fast
wahrscheinlicher — so wäre die Form des Calcaneus allerdings eine etwas andere, im Wesent-
lichen indes» darum ein Unterschied nicht vorhanden. Das Fersenbein würde dann nicht so-
wohl eine Knickung inmitten seines Körpers, sondern mehr vorn, dicht hinter seiner vor-
deren Gelenkfiäche, erlitten haben, der Knochen mithin in der Profilbetrachtung nicht eine
winkelige Verbiegung seiner Längsachse, sondern nur eine Abwärtsbiegung seiner vor-
deren Gelenkiläche darbieten. Es stimmt dies vortrefflich mit den Worten von Adams,
dass bei senkrecht gestelltem Körper des Fersenbeines der vordere Theil des Fusses „von dem
querlaufenden Tarsalgelenke aus“ nach unten gebogen sei.
Halle, 4. April 1870.
Digitized by Google
XIII.
Der stereoskopisch - geometrische Zeichenapparat.
Von
Dr. Julius Jensen,
zweitem Arzte der Irreuznetalt Allenberg (OstpreuMcn).
(Hierzu Tafel I.)
Beschäftigt mit einer Arbeit, die Gehirne von sechs verschieden geisteskranken Indivi-
duen zu zeichnen, auszumessen und genauer zu beschreiben, musste es mir darauf ankommen,
die Windungsverhältniase des Hinterh&uptlnppens, die ich bei den von mir untersuchten Ge-
hirnen entschieden einfacher fand, als sie von den Autoren beschrieben wurden, durch Zeich-
nungen wiederzu geben. — Dem stellten sich aber nicht unerhebliche Schwierigkeiten entgegen.
Nur eine Zeichnung von hinten, unten und innen konnte den an sie gestellten Anforderungen,
sämmtliche Furchen und Windungen jenes Lappens möglichst übersehen zu lassen, genügen.
Eine solche Zeichnung aber , wie wir sie finden auf S. 35 des trefflichen Leitfadens von Prof.
Ecker ’), ist, das wird mir ein Jeder zugeben müssen, nur für den klar verständlich, der ent-
weder ein Präparat zur Hand hat, sei es auch nur das Modell eines Gehirns, an dom er sich
die betreffenden Partien aufsuchen kann, oder für einen solchen, dem die Verhältnisse bereits
so klar Rind, dass er in die wiederzugebendc Himgegend sofort sich hinein zu versetzen im
Stande ist. Diesen beiden wäre aber auch mit einer hinreichend klaren Beschreibung schon
gedient, während eine Zeichnung hauptsächlich für die nothwendig sein wird, denen beides,
das Präparat, wie das genügende Verständnis« der Verhältnisse abgelit.
Ich habe mich nun vielfach bemüht, eine derartige Zeichnung herzustellen , ohne dass es
mir gelungen wiiro, über die einfach schematische Darstellung Ecker's hinauszukommen. Es
fehlte eben allen Zeichnungen die Körperlichkeit, ohne welche die drei verschiedenen , wie-
derzugebenden Hachen, Convexität, mediale und Unterflächo, nicht nuseinandorzuhalten
waren.
*) Alexander Ecker, die Hirnwindungen des Menschen etc. Braunschweig, Friedr. Vieweg und
Sohn, 1869.
Arolilv rar Aathropotofjto. Bd. IT. II«ft III. gQ
Digitized by Google
234
Julius Jensen,
Aber gerade die Körperlichkeit war gewiss auf dem Papier völlig genügend wiederzu-
geben, wenn cs gelang, das Object stereoskopisch darzustellen. Bekanntlich erzielen die
stereoskopischen Bilder dadurch ihre Überraschend plastischen Effecte, dass das rechts gelegene
Bild das Object mehr von rechts gesehen wiedergiebt, während das links gelegene das Object
zeigt, wie es nur mit dem linken Auge gesehen sich ausnehmen würde. Gemeiniglich werden
derartige stereoskopische Ansichten mit Hülfe der Photographie hergestellt, indem die darzu.
stellenden Gegenstände einmal mehr von rechts, das andere Mal mehr von links her aufgenom-
men werden.
Mir stand aber für meine Zeichnungen kein photographischer, überhaupt kein anderer
Apparat zu Gebote, als der Lucae’sche Zeichenapparat. Perspectirisch mit demselben zu
zeichnen, mit feststehendem Diopter, nach Fortnahme des Fadenkreuzes, hatte ich noch nicht
versucht. Der Gedanke lag mir deshalb näher, aus verschiedenen Gesichtspunkten zwei geo-
metrische Zeichnungen von dem betreffenden Object zu entwerfen und abzuwarten, welchen
Effect dieselben unter dem Stereoskop hervorbringen würden.
Anfangs wurde das Object selbst, der Bequemlichkeit und leichteren Handthierlichkeit
halber nur der Gypsabguss einer Hemisphäre, das eine Mal mehr noch links, das andere Mal
mehr nach rechts geneigt, und beide Male auf dieselbe Glasplatte gezeichnet — Der ste-
reoskopische Effect war aber gleich Null. Die Bilder deckten sich nicht, oder nur so schlecht,
dass von einer körperlichen Anschauung nicht die Bede sein konnte. Das Object war näm-
lich beim Verrücken und Verändern seiner Lage auch etwas gedreht worden und in Folge
dessen waren die Bilder vollständig verzerrt.
Ich dachte schon daran, einen oben offenen Kasten zu construiren, der um eine, zwei
gegenüberliegende Seiten seiner Grundfläche halbirende Axe drehbar, das Object durch Sand,
Schrotkömer oder dergleichen fLxirt aufnehmen sollte. Drehte man nun den Kasten selbst
um jene Axe einmal mehr nach links , das andere Mal nach rechts , so wäre dadurch das Ob-
ject auch nach links und rechts geneigt, eine ungewollte Drehung desselben um eine andere
Axe aber ausgeschlossen worden.
Für Schädel, wie für Gyps- oder Wachsmodelle hätte dieser Apparat vielleicht genügt
Eia Gehirn selbst indessen, auch bei der vorzüglichsten Härtung, hätte eine solche Neigung
nach rechts und links wohl kaum ertragen, ohne nicht in sich selbst auch etwas sich zu ver-
schieben, so dass dadurch die Bilder wieder unklar geworden wären.
Sollte ein Apparat zur Zeichnung von Gehirnen conatruirt werden, so musste dio Ver-
schiedenheit der Bilder auf eine Weise erzielt werden, bei der das Präparat selbst in seiner
einmal angenommenen Lage möglichst unberührt blieb. Das geschah aber, wenn man die
Contouren des Objects nicht auf eine, sondern auf zwei gegen einander geneigte Glasflächen
projicirte. Zu dem Zweck wurde ein dachartiger Apparat construirt, der auf den Lucae’schen
Zeichentisch aufgesetzt werden konnte. Das Dach wurde durch zwei Glasplatten gebildet,
und der von ihnen eingeschlossene Winkel war so gewählt, dass die Ebenen der Platten die auf
das Object convergirenden Sehaxen senkrecht durchschnitten. Der durch die auf dom Object
sich schneidenden Sehaxen gebildete Blickwinkel war aus der Entfernung des Objects vom
Auge, wie dieselbe durch die Höhe des Orthographen plus dem Abstand des Objects von der
Digitized by Google
Der stereoskopisch -geometrische Zeichenapparat. 235
einzelnen Glasplatte bedingt war, auf 18° coustruirt; der Winkel der beiden Platten zu ein-
ander war mithin 1 62°.
Die Theorie erschien sehr plausibel. Die Praxis bewies aber ihre Hinfälligkeit. Hätte
es sich um porspectivische Bilder gehandelt, so wäre mit der Theorie vielleicht etwas an-
zufangen gewesen, wenn schon der nach ihr construirte Apparat auch da zum mindesten
unbequem gewesen wäre. Die geometrische Zeichnung ergab aber mit Hilfe dos Appa-
rates so differente Bilder, dass sie niemals zu einem einzigen zusammengebracht werden
konnten.
Natürlich. — Wie schon der Augenschein lehrte, waren die beiden Diopteren des rechts
und links aufgesetzten Orthographen beim Zeichnen der einander zugewandten Partien der
Bilder, also der ganz nach rechts gelegenen auf dem linken, der links gelegenen auf dom
rechten Bilde zwar um den mittleren Augenabstand von einander entfernt; beim Zeichnen
der rechts gelegenen Partien des rechten Bildes indessen, die doch die entsprechenden Par-
tien des linken Bildes unter dem Stereoskop decken sollten, rückten sie um die ganze Breite
dos Objects weiter auseinander. Der eingeschloasenc Winkel war mithin zu klein gerathen.
Ich wollte nun versuchen durch allmäliges Erheben der einen Glasplatte ihn zu vergrössern
bis der passende Winkel ausprobirt sein würde, als ich vorher noch zu untersuchen beschloss,
was daraus würde , wenn das Präparat das eine Mal auf eine der schrägen , sodann auf die
horizontale Glasfläche des Zeichentisches, auf der jene schräge aufgestellt war, gezeichnet
wurde. Und siehe da , der Erfolg war überraschend. Noch als sie auf der Glasplatte waren,
gelang es mir — ich kann ohne Mühe stereoskopische Bilder auch ohne Apparat, einfach durch
Parallelstellimg der Augenaxen zur Deckung bringen — die beiden neben einander gelegten
Zeichnungen zu einem durchaus körperlichen Bilde zu vereinigen. Als sie später auf Papier
abgepaust und alsdann richtig zusammengesetzt waren, musste Jeder, dem ich das Blatt
unter den» Stereoskop vorlegtc, und der überhaupt im Stande war, stereoskopisch zu sehen
(Leute deren Sehschärfe auf beiden Augen wesentlich verschieden ist, sind dazu bekanntlich
nicht im Stande), die fast greifbare Körperlichkeit des Bildes anerkennen.
Seitdem habo ich nach dieser Methode zahlreiche Zeichnungen von Gehirnen und
Schädeln angefertigt, und mich dabei von der Brauchbarkeit derselben noch weiter über-
zeugt.
Um nun auf diese Weise möglichst bequem zeichnen zu können, habe ich mir einen be-
sonderen Apparat anfertigen lassen. Der Lucae’scbe Zeichentisch mit seiner l1 , Meter lan-
gen, 3 „ Meter breiten Glasplatte ist , wenn es nur darauf ankommt , Schädel oder Gehirne zu
zeichnen, übermässig gross und dadurch etwas unbeholfen. Eine Glasplatte, einen Fuss im
Quadrat, genügt für solche Zwecke vollkommen. Darauf hin ist der stereoskopisch-geo-
metrische Zeichenapparat gebaut.
Er besteht aus einer ^«zölligen Grundplatte dd, aus deren Mitte eine kreisrunde Oeff-
nung von etwa 5" Durchmesser, die sich nach unten zu etwas verengt, ausgesägt ist. Die
Länge der Grundplatte beträgt 12*/«", die Breite 14". Auf diese Grundplatte sind die beiden
Seitenwände a und a' mit 1 1 jzölligen Holzschrauben angeschraubt. Diese Scitenwändo 1 1
dick, sind bestimmt, die beiden Glasplatten b und V zu tragen, von denen b horizontal, genau
6" höher als die Grundplatte dd, die zweite b' aber schräg gelegen ist, und zwar so, dass sie
SO*
Digitized by Google
236 Julius Jensen,
mit b einen Winkel von circa 7“ ') einscbliesst. Der beigegebene Aufriss Fig. 34 wird, wie ich
glaube, diese Verhältnisse genügend klar machen.
Um nun diesen Apparat transportabel und leicht verpackbar zu machen, sind die beiden
Seiteuwände bei c, c im Winkel durchsägt — oder richtiger, sie bestehen ans zwei im Winkel
zusammengepasston Thülen — und drehen sich hier in starken Cbamieren , so dass, wenn die
Platten b,b' aus ihrer Lage berausgenommen und in den für sie gelassenen Raum bei ec ein-
geschoben sind, die beiden Seitenwände sich derart zusammenklappen lassen, dass aus Fig. 34
Fig. 35 entsteht’). Dadurch ist der doch gewiss als intransportabel zu bezeichnende Lucae’-
Fig. 34.
Fig. 34 und 35. Ansicht de* stervosknpisch-genmetrisrhen Zeiehenapparats von Jensen, Fig. 34 aufgestcllt,
Fig. 35 zusammengelegt. l)ie Krklftrung der Buchetuben siehe im Text.
') In der vorläufigen Mittheilung im Pentralbiatt Nr 13, 1870, hutte ich den Winkel auf etsra 10® angege-
ben. Spätere genauere Versuche zeigten, dass 10“ zu viel und die passende Winkelgrütse um 7“ herum gele-
gen sei.
*) I>ie Idee, den Lucao'schen Apparat zum Zusammenklappen einzurichten, stammt übrigens von meinem
Freunde itr. Ad. Pansch her, der 1808 gesprächsweise mich auf die Unbehclfenhcit des ursprünglichen Lu-
Digitized by Google
Der stereoskopisch -geometrische Zeichen apparat. 237
sehe Zeichentisch zu einem Kasten zusammengeschmmpft, der 1 2 ■/»" lang, 14" breit und
ungefähr 31 hoch, etwa den Dimensionen eines Folianten entspricht. Einen solchen Appa-
rat kann man für die Bei.se in einen etwas geräumigen Koffer packen , und später zum Ge-
brauch in einem anatomischen Museum ohne sondere Muhe sich nachtragen lassen. — Damit
beim Transport- die bei c e hineingeschobenen Platten bb' nicht an der anderen Seite wieder
herausgleiten können, sind hier die Nuthen ee durch eingeleimte Klötzchen auf '/»" geschlossen.
Soll der Apparat gebraucht werden, so stellt man ihn am bequemsten auf ein etwas brei-
tes Fensterbrett — sonst auf einen Tisch in der Nähe des Fensters — nnd zwar am besten
so, dass die hohe Seitenwand links, die niedere rechts zu stehen kommt, sodann richtet man
die zusammengelegten Seitenplatten auf, zieht die Glasplatten b und b' hervor, und legt sie an
ihren Ort. Ist das Ganze genau gearbeitet, so bilden die '^zölligen Glasplatten die Streben,
welche die beiden Seiten wände so kräftig aus einander halten, dass ein etwaiges Verrücken des
Apparates in sich selbst gar nicht möglich ist. Ist die Arbeit weniger genau, so kann man
auch dann noch durch hie und da zwischen geführte kleine Keile die nöthige Festigkeit des
Ganzen herstcllen. Will man Gehirne von oben, unten, von der medialen oder einer Seiten-
fläche zeichnen, oder soll die Seitenansicht eines Schädels aufgenommen werden, so kann man
den Apparat flach auf die Unterlage, das Fensterbrett, den Tisch etc. hinstellen. Söll aber
das Gehirn von vom oder von hinton (bei welcher Stellung die Vorkehrungen um das Gehirn
in dieser steilen Lago zu halten, einigen Raum beanspruchen), der Schädel von vorn, hinten,
oben oder unten gezeichnet werden, so muss der Apparat hohl gestellt, zwei Klötzchen, ein
paar Bücher, oder auch, wie sie dem Verfasser dienen, zwei Mauerziegel untergelegt werden.
Alsdann nämlich kommt die aus der Grundplatte ausgesägte kreisrunde Oeffnung in Anwen-
dung. Diese Oeffnung bedingt nämlich einmal eine genügend fest« Lage des zu zeichnenden
Schädels in jeder gewollten Stellung, — zumal wenn man noch einige Klötzchen mit drei-
und rechteckigem Querschnitt zu Hilfe nimmt, — so dass dadurch der Einspannrahmen Lu-
cae’s überflüssig wird; sodann erweitert diese Oeffnung den für jene Durchmesser der Schädel
zu niedrigen Kaum zwischen Grund- und Glasplatte bis zur Genüge.
Man zeichnet jetzt in gewohnter Weise unter Leitung des Orthographen zuerst auf die
obere, schräge Platte das untergelegte Object. Am saubersten lässt sich auf dem Glase mit
den in der letzten Zeit überall aufgekom menen sogenannten Uwl-pens zeichnen, deren nach
imteu hakenförmig umgebogene Spitze das Schmieren am besten vermeiden lässt. Giebt die
Tusche auf der Platte nicht recht an , so ist das ein Zeichen , dass auf derselben eine diinne,
durch Wasser nicht entferubare Fettschicht sich gebildet liat: — einige Tropfen Ammoniak
beseitigen dies Hinderniss mit Leichtigkeit. —
Nachdem die Zeichnung auf der schrägen Platte beendet, wird diese abgehoben und das
unterdess nicht gerührte Object auf die horizontale Fläche in derselben Weise gezeichnet.
Ist auch diese Zeichnung fertig, so nimmt man das Präparat fort und stellt an dessen Stelle
den kleinen 8" langen, 5" hohen Spiegel, dessen man sich schon beim Zeichnen zur Beleuch-
tung der vom Licht abgewandten Partien bedient hat Dieser Spiegel stand zu letzterem
cae'acben Zeichentisches und die leichte Ausführbarkeit einer deraitigen Verbesserung aufmerksam machte.
— Demselben Freunde verdanke ich auch den mitgezeichneten ftrthographen ; er hat mir denselben in die-
ser vereinfachten und doch alten Anforderungen genügenden Form anfertigen lassen.
Digitized by Google
238 Julius Jcnsen,
Zweck ziemlich steil, jetzt legen wir ihn flacher unter die Glasplatte, so dass er das Licht
auf deren Unterfläche reflectirt. Stellen wir auf die Glasplatte selbst ein Buch oder einen
andern intransparenten Gegenstand, der das auffallende Licht abfangt, so kann man die Zeich-
nung auf gewöhnliches Schreib- oder Zeichenpapier mit vollkommener Deutlichkeit durehpau-
sen. Ebenso wird dann die Zeichnung von der andern Platte abgepaust. War der Apparat
wie beschrieben aufgestellt, so dass die Platten nach rechts convergirten, so muss das auf die
schräge Platte projicirte Bild unter dem Stereoskop rechts zu stehen kommen.
Handelt es sich nur um einzelne Partien des Gehirns, wie etwa um jene Windungen
des Hinterhauptlappens , so können die Bilder schon in natürlicher Grösse unter das Stereo-
skop gebracht werden. Zeichnungen vom ganzen Gehirn wie vom Schädel hingegen müssen
erst entsprechend verkleinert werden. Verfasser bedient sich dazu eines gut gearbeiteten
Storchschnabels, mit dessen Hilfe die Zeichnungen bei einiger Uebung rasch und sicher auf
halbe, drittel oder viertel Grösse gebracht werden können. — Man würde unzweifelhaft ebenso
gut und leicht nach der von Prof. Landzert1) vorgezogenen Methode die Zeichnungen ver-
kleinern können. Nur müsste man mit meinem Apparat, der, da die Entfernung der Glas-
platte von der Grundplatte nur 6", die Höhe des Diopters ebenfalls fast 6" beträgt, nur eine
Verkleinerung bis auf die Hälfte gestattet, will man, wie es bei Schädeln und bei entwickel-
ten Gehirnen nöthig ist, eine noch stärkere Verkleinerung haben, die Zeichnung doppelt um-
zeichnen. Dabei aber dürften sich die Fehler häufen, und da bei stereoskopischen Zeichnun-
gen schon geringe Fehler erheblichere Verzerrungen zu Wege bringen, so hat man dieselben
hier auf das möglichst geringe Maass zu beschränken.
Auf dieso Weise nun sind die beigelegten Zeichnungen (Taf. I) angefertigt Man braucht nur
ein Stereoskop darauf zu setzen, um sicli vom körperlichen Effect zu überzeugen. Der Schädel
(Taf. L Fig. 1 u. 2) ist der einer blödsinnigen Littlmuerin, die ohne hereditäre Disposition im 3Gten
Lebensjahr unter den Erscheinungen einer activen Melancholie erkrankte, später in secundären
Blödsinn verfallen war, und welche, 44 Jahre alt, 23. April 18G9 an Phthisis pulmon. starb.
Er Ist ausgewählt, weil er, als einem mehr und mehr aussterbenden Völkerstamme angehörig,
für die Leser des Archivs für Anthropologie vielleicht nicht ohne Interesse ist. Das von hinten
und etwas von unten gesehene Gehirn (Taf. I, Fig. 3) stammt von einer ebenfalls secundär blödsin-
nigen 58jährigen Frau, und zeichnet sich durch seine Kleinheit (die Hemisphären wogen
frisch 915 Grm.) wie durch die Einfachheit seiner Windungen (zumal im Stimlappen) aus.
Auffallend und auf dieser Ansicht recht gut zu übersehen ist die quere Hinterhauptsfurche,
die auf beiden Beiten, zumal aber rechts, bogenförmig verläuft, einen zugeschärften hintern
Rand zeigt und so den durch sie abgetrennten hintern Theil des Hinterhauptlappens in ein
den Affen bekanntlich eigenthümliches üperculum verwandelt. —
') Siehe dieses Archiv Bd. II, Heft 1, S. 4: I>ie vom Gisse abgepauste Zeichnung wird unter den Glas-
tisch gelegt und durch den ziemlich in der Mitte nuf das Glne gestellten Diopter (ohne Fadenkreuz) die Con-
touren dieser Zeichnung auf dem Glase mit Tusche nachgefahren. Her Diopter bleibt hierliei natürlich fesl-
etehen. Von der Entfernung des Glases vom Diopter und des Glases von der Zeichnung hängt der Grad der
Verkleinerung ab.
Digitized by Google
239
Der stereoskopisch - geometrische Zeichenapparat.
Was den Werth dieser stereoskopisch-geometrischen Zeichenmethode anlangt, so
wird es kaum nöthig sein, viel darüber zu sagen, zumal ich in der glücklichen Lage bin,
Andere fUr mich reden zu lassen.
Prof. Theodor Landzert kommt in seiner gründlichen Untersuchung (1. c.) der Frage:
„Welche Art bildlicher Darstellung braucht der Naturforscher!“ zu dem Resultate Prof.
Lucae’s: „wir verlangen die geometrische Zeichnung für naturhistorische Gegenstände;“ nach-
dem er vorher die „rein stereoskopischen“ Bilder hauptsächlich deshalb vorbeigegaugen ist,
weil sie wohl nicht „ohne viele Umstände und Kosten darzustellen wären,“ und weil ihre
Construction (die rein d. h. die perspectivisch-stereoskopische C'onstruction) „der perspecti-
vischen Verkürzung zu viel Spielraum giebt.“
Hier sind nun geometrische Zeichnungen, an denen Messungen etc. angcstellt werden
können, — wie man an den Zeichnungen sieht, wird da3 Object so gelegt, dass die eine
Zeichnung den Anforderungen einer geometrischen in allen Dingen entspricht; — und zu-
gleich stereoskopische Zeichnungen, das heisst solche, die uns die körperlichen Verhältnisse
des Objectes in fast greifbarer Weise Wiedergaben. Dieselben sind ohne viele Mühe und
Kosten angefertigt und zeigen als geometrische nicht die störenden Verkürzungen der per-
spectivischcn Abbildungen. Es sind in ihnen also alle Vortheile der geometrischen mit
denen der stereoskopischen Methode vereinigt, cs sind stereoskopisch-geometrische
Zeichnungen.
Digitized by Google
Erklärung der Tafel I.
Fig. 1. Stm-oakopisch-geometrische »Seiten- Ansicht des Schädels einer blödsinnigen Litthauerinn.
Fig. 2. Desgleichen, von vorn.
Fig. 3. Stereoskopisch-geometrische Ansicht des Hinterbauptlappens vom Gehirn einer blödsinnigen Frau.
Digitized by Google
XIV.
Der Fuss der Chinesinnen.
Von
Wilh. Stricker,
Dr. rned. in Frankfurt am Main.
Der gewölbte Fuss, pied cambrd der Franzosen, ist mit Recht immer für eine Schön-
heit gehalten worden, denn der regelmässige Bau des BrUckengewölbes zwischen Ferse und
Zehenballen befähigt allein zum elastischen, ausdauernden Gang. Die Eindrückung dieses
Gewölbes, welche öfter als man ahnt, in der Jugend durch den Zwang übermässigen Lasten-
tragens (Kindermädchen, Lehrjungen) hervorgebracht wird (erworbener Plattfuss) '), ist unter
dem Namen Plattfuss ein lästiges Hinderniss der Fortbewegung. Die Mode hat schon wieder-
holt in früheren Jahrhunderten und jetzt wieder durch hohe Absätze diesen Bogen stärker
zu wölben unternommen, man hat dies mit einem gewissen Recht eine chinesische Mode
genannt, denn auch der chinesische Damcnfuss bewirkt, wenngloich auf anderem Wege,
eine Verrückung des Schwerpunkts des Körpers nach vorn, indem er die Ferse erhöht. Indeas
dürfte eine nähere Betrachtung der chinesischen Methode von Interesso sein, zumal da wir
neuerdings von dem Arzt der französischen Legation in Peking, Dr. G. Moracho*) nähere
Nachrichten erhalten haben , welche die Mittheilungen ergänzen, welche englische Missions-
ärzte in einem 150 bis 200 Meilen südlicher gelegenen Gebiet gesammelt haben s), in Tschu-
san, Hongkong, Schanghai und Macao. Die in Rede stehende Misshandlung des Kusses ist
nicht gleich häufig im chinesischen Reiche; mehr vorwaltend im Süden, wo die chinesische
Bevölkerung reiner ist und mehr Wohlstand herrscht, als im Norden, wo die Tataren ver-
walten, denen diese Sitte verboten ist, denn die Beamten dürfen keine Frau mit verkrüp|>ei-
ten Füssen heirathen und in den kaiserlichen Palast zu Peking findet, von der ersten
Kaiserin bis zur letzten Zofe, keine solche Frau Eingang. Unter der chinesischen Bevölkerung,
’) L. Reumann, der erworbene Plattfu», im Archiv für klinische Chirurgie XI, 1869.
*) G. Morsche, Pekin et eee habitans. Paria 1869.
;J W. Lockbart, der ärztliche Missionar in China, a. d. E. übersetzt von Dr. H. Bauer. Würz borg 1863.
Are hl» nr Aütb/Opolojfie. Bd. IV. lieft III. 3]
Digitized by Google
‘242
Willi. Stricker,
auch de« Nordens, ist die Sitte so allgemein, dass, wenn die barmherzigen Schwestern in
Peking bei Kindern, welche sie länger in ihrem Hospitale verpflegen, den Fuss seiner freien
Entwickelung überlassen, sie dieselben dadurch zum Cölibat verdammen. Es giebt nach den
Provinzen verschiedene Verfahrungsweisen beim Binden des Fusses und im Ganzen zwei Grade
desselben, indem nämlich entweder bloss die Zehen verkrüppelt werden und das Fersenbein
in seiner horizontalen Lage bleibt, oder das Fersenbein senkrecht gestellt wird. Die Ope-
ration des Kindes selbst wird bei den niederen Classen von der Mutter, bei den besseren Ständen
von eigenen Frauen, welche in der Familie unterhalten werden, ausgeführt. In den reichen
auf schöne Töchter eitlen Familien beginnt die Verunstaltung der FUsse mit dem 4., bei
anderen mit dem 6. oder 7. Lebensjahre.
Man beginnt die Operation, indem der Fuss geknebelt wird; die vier kleinen Zehen wer-
den mit mehr oder weniger Gewalt gebeugt und durch eine baumwollene oder seidene Binde
5 bis 6 Centimeter breit, 1 bis l'/i Meter lang, welche in sogenannten Achter-Touren um
den Fussrücken und die Ferse geführt wird, in dieser Lage erhalten. Eine zweite, darüber
gelegte Binde dient dazu, die untere in ihrer Lage zu erhalten. Täglich werden die Binden
neu angelegt und immer fester angezogen; zwischen je zwei Verbänden wird der Fuss mit
Alkohol gewaschen, um die Bildung wunder Stellen zu verhüten.
Während dieser Zeit trägt das Kind einen ziemlich hoch reichenden Schnürstiefel, der
sich nach vom zuspitzt und eine platte Sohle ohne Absatz hat. Das bisher beschriebene
Verfahren giebt nur den in den Nordprovinzen üblichen gewöhnlichen Fuss; will
eine Mutter ihre Tochter mit einem eleganten Fuss beglücken, so legt sie, wenn die blei-
bende Beugung der Zehen erreicht ist, unter den Fuss einen halben Cylinder von Metall und
führt nun die Bänder um den Fuss, auch wohl um den Unterschenkel, in der Absicht, dessen
Muskeln an einer der beabsichtigten Gestaltung feindlichen Wirkung zu hindern. Bei jeder
Anlegung der Binden presst die Mutter aus allen Kräften Fersenbein und Zehen über den
Halbcylinder zusammen und führt auf diese Weise wo möglich eine Dislocation des Kahn-
beins herbei, ja sie sollen mit einem Steine nachhelfen, um das Os naviculare zu zerschmettern,
und in manchen Provinzen es ganz herausnehmen.
G. Klemm (Culturgeschichte VI, 23) giebt an, dass er in seiner Sammlung Abgüsse von
chinesischen Damenfüssen besass, welche mit 4 5 s Zoll nur etwa die Hälfte der Länge eines
normalen kleinen Damenfusses erreichten. Der so misshandelte Fuss wird in einen Stiefel
mit stark convexer Sohle gesteckt. Dass dies Verfahren äusserst schmerzhaft ist , bedarf kei-
ner besonderen Bemerkung; aber die Schmerzhaftigkeit hält auch lango an, besonders wenn
die Binde nicht gleichmässig angelegt war. Dann treten beim Gehen Anschwellung und
grosse Schmerzhaftigkeit des Fusses auf; das Knöchelbein ist immer empfindlich.
Ist aber die Binde gut angelegt, so dass der Druck gleichmässig einwirkt, so hört nnch
einigen Jahren der Schmerz gänzlich auf und die Empfindlichkeit des Fusses ist soweit
ertödtet, dass in den zusammengedrückten Theilen kaum noch etwas Gefühl besteht Solche
Frauen sind nur nicht im Stande zu gehen, wenn der Fuss nicht gebunden und niebt unter-
stützt ist.
Die anatomische Beschaffenheit des Fusses wird folgendermassen umgeändert Der
Calcaneus wird (meist) senkrecht gestellt, dadurch wird der Knöchel höher gedrängt, es tritt
Digitized by Google
Der Fuss der Chinesinnen.
243
Talipoa calcaneus ein; die vier eingebundenen Zehen werden im erwachsenen Alter Haut-
platten, welche unter dem Ballen der grossen Zehe zusammengefaltet liegen. Der Körper
ruht auf der Fersenspitze und dem Ballen der grossen Zehe, durch diese Balancirung des Kör-
pers worden die Bewegungen im Fussgelenk aufgehoben, selbst im Kniegelenk beschränkt,
die Chinesin geht aus den Hüften , im ärgsten Falle hat sie den Gang eines Amputirten auf
seinen Stelzen. Die Folge davon sind Atrophie der Beinmuskeln, durch mangelnde Bewegung
Schwäche und Blutarmuth, jedoch Neigung zur Fettbildung. Nach den Erfahrungen der eng-
lischen Aerzte kommen viele Fracturen in Folge dieser UnbehüWichkeit vor, Caries und
Nekrose der so gemisshandelten Knochen aber doch seltener als man erwarten sollte.
In Tschusan hat Lockhart niemals ein Weib gesehen, welches normale Füsse hatte, wäh-
rend er in Canton und Macao viele solche sah. Im Ganzen schien es ihm, als ob, auf dem
Lande wenigstens, diese Unsitte nicht so viel Schaden brächte, als zu erwarten wäre; er sah
starke gesunde Frauen mit eingezwängten Füssen mit Leichtigkeit und anscheinend schmerz-
los, mehrere Meilen weit gehen.
Dem Berichte des Dr. Parker Uber das Hospital von Canton entnimmt Dr. Lockhart
einen Fall aus dem Jahre 1847, wo durch zu scharfes Binden, als die Binden nach 14 Tagen
schrecklicher Schmerzen gelöst wurden, bei einem 7jährigen Mädchen die Zehen missfarbig
gefunden wurden. Beide Füsse stiessen sich brandig unter den Knöcheln ab, das Mädchen
wurde gerettet. Später erfuhr Parker von ähnlichen Fällen.
Was das Motiv zu dieser eingewurzelten Sitte betrifft, so glaubt Morache es in der
eingebildeten oder wirklichen Beziehung der verkrüppelten Füsse zu den Geschlechtsthei-
len zu finden. Er führt in dieser Hinsicht an, dass nicht einmal der Mann den cntblössten
Fuss seiner Frau sehen darf, dass von ihm zu reden ebenso verjsint ist, wie bei anderen Völ-
kern von den Geschlechtstheilen ; dass auf anständigen chinesischen Gemälden der Wciberfuss
immer unter dem Kleid verborgen ist, während er auf erotischen gezeigt wird. Christliche
Chinesen beichten, sie hätten nach den Füssen der Frauen gesehen, und aus Downing')
wissen wir, dass die öffentlichen Mädchen auf den „Blumenschiffen“ dem Vorüberfahrenden ihren
nackten Fuss zeigen, um ihn anzulocken. Im Zusammenhang mit der durch den Mangel
an Bewegung bedingten Fettleibigkeit fand Morache ein grösseres Fettpolster am Mons vene-
ris und dickere Schaamlippen bei den Chinesinnen, als bei den Tartarinnen.
Eine ethnographisch merkwürdige Betrachtung macht Lockhart. Er meint, man müsse,
da dieser Gebrauch mindestens gegen 800 Jahre») bestehe, zufolge der Darwinschen Theorie
annehmen, dass in Folge davon eine nationale Veränderung hervorgegangen sei, aber man
beobachtet nichts der Art, vielmehr sind die Füsse der kleinen Mädchen in Bezug auf Gröase
und Gestalt ganz naturgemäss.
') Downing, der Fremdling in China; überxetit von Richard. Aachen 1841, I. 131.
a) Wenn man von den Sagen absieht, welche den Ursprung diese« Gebrauchs in die Zeit von 1100 vor
Christo xurückverlegen, so variirvn die historischen Angaben zwischen dem Kaiser Yang-ti, 693 nach Chr., und
dem Li-Yuh, 961 bis 976 nach Chr.
81*
Digitized by Google
Digitized by Google
XV.
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
Von
H. Schaaffhauaen.
Erfüllen uns nach gewisse dunkle Stellen in der Bildungsgeschichte der Menschheit mit
Ekel und Grausen, so ist deren Betrachtung zur Beurtbeilung der menschlichen Natur doch
unerlässlich. Der schreckhafte Eindruck, den die Untersuchung derselben hervorruft, wird
durch das beruhigende Gefühl versöhnt, dass solche Zustände der Rohheit nur eine der ersten,
und, wie es scheint, eine nothwendige Stufe der Entwickelung der Völker bezeichnen und dass
sie vorilbergehen, um milderen Sitten zu weichen. Wir wenden uns mit Abscheu weg von
einem Schauspiel, das uns gleichwohl den Werth der Bildung und ihrer Wohlthaten nur in um
so glänzenderem Lichte zeigt. Es wird kaum einen anderen Gegenstand der anthropologi-
schen Forschung geben, der uns so überzeugend wie dioser die fortschreitende Veredlung der
menschlichen Natur vor Augen stellt, die Manche immer noch läugnen, indem sie das lebende
Geschlecht nur für den entarteten Abkömmling besserer Vorfahren halten. In letzter Zeit
ist in verschiedenen gelehrten Versammlungen die Anthropophagie der Vorzeit zur Sprache
gekommen, und es sind so irrige Urtheile über den Ursprung und die Bedeutung dieser Er-
scheinung und der mit dem Cannibalismus oft in Verbindung stehenden Menschenopfer gefallt
worden, dass es auch zeitgemäss ist, mit Hülfe der uns zu Gebote stehenden zahlreichen
neuen Berichte und Mittheilungen die über diesen Gegenstand geäusserten Meinungen und
Ansichten einer allseitigen Prüfung zu unterziehen.
Die Menschenfresserei ist nicht eine ursjTrüngliche Naturanlage des Menschen, denn die-
ser ist, wie die anthropoiden Affen, nach seinem Gebisse ein Fruchtesser. Die starken Kiefer
dieser Affen, die gegen eine vegetabilische Nahrung zu sprechen scheinen, sind ihnen zum
Zerbeissen der harten Baumfrüchte nötliig, von denen sie leben. Die Hauptnahrung des
Gorilla ist die Nuss einer Amomumart und nach Wallace lebt der Orangutang vorzugsweise
von der Durianuss, die eine starke und stachelige Schale hat. Von Natur ist der Mensch
also nicht einmal zur Fleischnahrung bestimmt Da nun der Genuss des Menschenfleischcs
Digitized by Google
246
H. Schaaffhausen,
unter (len heutigen Wilden noch so allgemein verbreitet ist und uns in der ältesten Geschichte
aller Volker begegnet, so müssen wir für diese Rohheit, die bei den Thieren nicht ihres Glei-
chen hat, besondere Gründe suchen. Vielleicht liegen dieser scheusslichen Entartung bei den
verschiedenen Völkern nicht immer dieselben Ursachen zu Grunde. Man hat den Ursprung
des Canuibalismus in der äussersten Hungersnoth finden wollen. Diese Meinung hat, wie
schon Pauw, auch Burmeister1) geäussert. Schon G. Förster*) bemerkt indessen mit
Recht, dass man die Menschenfresserei auch da finde, wo es nicht an anderer Nahrung fehle.
Er glaubt, dass den wilden Menschen die Rachsucht, die in eine Raserei ausarte, dazu bringe.
Dass indessen die Noth in einzelnen Fällen unzweifelhaft dazu getrieben hat, dafür lassen
sich zahlreiche Beispiele anlühren. Schon Herodot*) erzählt ein solches. Als in dem Heere
des Cambysos auf dem Zuge durch die Wüste Hungersnoth eintrat, da loosten je zehn, und
verzehrten den, welchen das Loos traf. Auf Island haben die Weiber der Feejees in Zeiten
der Noth ihre Kinder vertauscht, um nicht die eigenen zu verzehren. Die Feuerländer sollen
im Winter, wenn tiefer Schnee liegt und die Lage derselben eine verzweifelte wird, das älte-
ste Weib erwürgen, um sich von ihrem Fleische zu sättigen. Man hat, um eine thierische
Nahrung für sie zu schaffen , die Einführung der Kaninchen in ihr Land empfohlen*). Dass
die Indianer des nördlichen Amerika in Hungerjahren die Leichname ihrer nächsten Ver-
wandten verzehren, berichtete. Franklin, dass die Bewohner der Hudsonsbay durch Hunger
zun Canuibalismus getrieben wurden, Ellis. In dem strengen Winter von 1856 haben die
Indianer in den Ebenen am Salzsee vielfach ihre eigenen Kinder verzehrt, um ihr Leben zu
erhalton. Wer kennt nicht die entsetzlichen Geschichten Schiffbrüchiger, die, dem Tode nahe,
darum losen, wer von ihnen sterben Boll, um das Leben der Anderen nooh für einige Zeit zu
fristen! Auf Neuseeland soll die Unsitte erst nach dem Aussterben der grossen Vögel des
Landes herrschend geworden sein, und in der Einführung des Schweins hat man hier wie auf
anderen Inseln der Südsee das sicherste Mittel erkannt, dieselbe abzuschaffen. Es ist falsch,
wenn mau gesagt hat, das Thier vergreife sich niemals in dieser Weise an seiner eigenen Art.
denn der Hunger weckt zuweilen auch in den Thieren den naturwidrigen Trieb , die eigenen
Jungen aufzuzehren. So wird es von dem Bären, dem Wolfe, der Katze und sogar von pflanzen-
fressenden Thieren erzählt*). Wenn die Sau, sagt Burdach, vor dem Wurfe hungrig war und
die Nachgeburt verschlingt, so wird ihro Gier geweckt und sie frisst dann oft auch das Junge
Dass aber bei wilden Völkern in der Menschenfresserei auch eine Befriedigung der Rache gefun-
den wird, kann nicht bezweifelt werden, denn wenn der erlegte Feind auch noch aufgezehrt
wird, dann ist er gänzlich vernichtet Ein Kriegslied der Mohikaner beginnt mit den Wor-
ten: „Lasst uns trinken das Blut und essen das Fleisch unserer Feinde!“ Noch im Nibe-
lungenliede, dessen Ursprung damit in eine sehr ferne Vorzeit hinaufgerückt wird, löschen
die burgundischen Ritter ihren Durst mit dem Blute ihrer Feinde. Hagen sagt den erschöpf-
ten Kampfgenossen, das Blut der Erschlagenen werde sie mehr stärken als Wein; sie werden
jedoch davon nicht berauscht, wie der tibetanische Held in der indischen Gesarsage. Wenn
man von dem sich sättigen kann, welchen man hasste, so befriedigt man zugleich die Rache
und den Hunger.
J) Geolog. Bilder, I.eipiig IBM, I,S.189. — aJ Sammtl. Schriften. Leipzig 1843, I, S. 405. — *J HerodotJII.25.
— •) Ausland 1861, Nr. 43. — 6) Burdach, d. l'hysiol. als Erfahningtwimcnscbaft. Leiptig 1838, III, S. 133.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 247
Wie das Rachegefühl die niederen Volksklassen aufzustaclieln im Stande ist, haben noch
neuere Zeiten gelehrt. In Paris hat man im Jahre 1617 Leber und Lunge des Marschalls
d’Ancre, im Haag 1672 das Herz des de Wit gefressen, der als ein Feind der Oranier bei
einem Aufstande ermordet ward. R. von Steiger schildert die Gräuelscenen, die sich bei der
letzten Belagerung von Measina zutrugen. Es wurden mehrere Soldaten zu Tode gemartert,
sie wurden lebendig in Stücke gehauen und ihr Fleisch auf dem Platze der Giudecca gebra-
ten und feil geboten, und zwar das der Schweizer zu einem höheren Preise als das der Nea-
politaner. Hie Köpfe dieser Opfer wurden auf Bajonetten in den Strassen der Stadt umher-
getragen, die Aufrührer verzehrten sogar die rohen Zungen dieser Unglücklichen mit Brod
und trugen abgeschnittene Oliren an den Knopflöchern ‘). Bei den rohen Völkern wird der
Gebrauch, das Fleisch und Blut des erschlagenen Feindes zu verzehren, noch durch einen
besonderen Umstand bestärkt, nämlich durch den viel verbreiteten Aberglauben, dass man
die Eigenschaften desjenigen erlange, von dessen Fleisch man esse. So glaubten die Maoris
den Muth und die Tapferkeit ihrer Feinde zu erben, wenn sie dieselben verzehrten. Wäh-
rend des letzten erst 1868 beendigten Krieges zwischen den Basutos und den holländischen
Boers des Oranje- Freistaates frassen jone jeden Weissen, der in ihre Gewalt fiel, weil sie
wähnten, dass dadurch deren Muth in ihren Leib übergehen würde. Diese Vorstellung findet
sich, wie es scheint, im Volksaberglauben aller Länder, sie ist uns auch in der alten deut-
schen Volksheilkunde erhalten. In einem solchen Volksbuehe aus dem 16. Jahrhundert heisst
es: „Der Spiritus, der aus dem Gehirn eines Menschen gezogen, stärkt sehr das Gehirn; ein
Bein von dem Herzen eines Hirschen oder Asche von dem Vorherzen eines Ochsen erquicken
das Herz des Menschen; Oel von Menschenhänden dienet wider die Gicht an Händen, Oel von
den Füssen wider dio Gicht der Füssen.“ Eine Ursache des Cannibalismus scheint man bis
jetzt fast ganz übersehen zu haben und doch ist ihr gewiss in vielen Fällen ein überwiegen-
der Einfluss zuzuschreiben, der auch die Hartnäckigkeit des Bestehens dieser Unsitte erklärt.
Das Menscheufleisch ist nämlich, wie aus einer ganzen Reihe von Zeugnissen hervorgeht,
ausserordentlich wohlschmeckend und sein Genuss eine Leckerei. Nach Juvenal und Galen
hat es einen dem Schweinefleisch ähnlichen Geschmack und der Erstere*) sagt, wer einmal
Men.schenfleiscli gekostet habe, esse nichts lieber als dieses; er wirft den Aegyptern vor, dass
sie das Fleisch von Schafen und Ziegen meiden, das Essen von Menschenfleisch aber erlauben.
In einer Sage der Irokesen fragt Manitu den Jäger, warum er seines Gleichen verzehre.
Weil sein Fleisch besser ist, antwortet dieser, als das vom Elenn und Büffel und weil es
thörigt sein würde, den Leichnam seines Feindes den Wölfen und Füchsen zu überlassen.
Ein Missionär erzählt, dass er auf Neuseeland zu einer alten kranken Frau gekommen sei,
die nicht mehr habe essen wollen und jede Nahrung verweigerte. Auf die dringende Frage,
ob sie denn sich keine Speise vorstellen könne, zu der sie noch Lust habe, erwiederte sie
zögernd, oja, zu etwas hätte ich wohl Appetit! Als der Missionär darauf bestand, dass sie
es sage, sprach sie: Ich möchte die Hand eines Kindes am liebsten essen, aber Niemand wird
mir zu lieb ein Kind einfangen und tödten! Oldendorp erzählt, dass ein Negersklave auf
St. Thomas einen Verbrecher vom Galgen schnitt, um einmal wieder Menschenfleisch zu essen.
t) Zeitung „Deutschland“, 8- December 1857. — *) Sitir. XV, 11 und 87.
Digitized by Google
248
H. Schaaffhausen,
Auch Q. Förster1) führt Beispiele an, die für den Wohlgeschmack desselben sprechen. In
mehreren Fällen, wo die Menschenfresserei als Verbrechen bei Europäern vorkam, wirdLocker-
haftigkeit als die Ursacho derselben angegeben. Gaub und Petit erwähnen einer Frau, die
Kinder auffing , schlachtete und verzehrte. Grüner erzählt dasselbe von einem Schäfer zu
Berka in Sachsen. Als eine krankhafte Neigung müssen wir den Trieb bezeichnen, wenn er
bei Schwängern beobachtet wurde. Im Jahre 1553 soll in Brettenburg eine schwangere Frau
ihren Mann getödtet und während sie ihn verzehrte, drei Söhne geboren haben. Dasselbe Ver-
brechen soll 1562 eine schwangere Frau zu Droissig begangen haben. Diese Begierde scheint
sich zuweilen bis zum Wahnsinn steigern zu können. Die Morton'sche Sammlung in Phila-
delphia bewahrt den Schädel eines schottischen Seemanns, der auf van Diemensland Men-
schenfresserei übte und deshalb gehängt wurde. Nach Aussage des Wundarztes soll er toll
gewesen sein. Ich verdanke einem älteren Freunde die Mittheilung, dass ein ihm bekannter
Herr v. W. aus Neisse in Schlesien so sehr das Blut liebte, dass seine Frau sich in jedem
Jahre einmal zur Ader Hess, damit er.Blut trinken konnte. Es war indessen nur Gewinnsucht,
wenn ein Bäcker in Paris Pasteten mit Menschenfleisch verfertigte, wozu ihm ein Barbier durch
Mord die Leichen lieferte. Bei einigen rohen Völkern hat die Anthropophagie unzweifelhaft
eine gottesdienstliche Bedeutung, was nicht überraschen kann, da sich in den religiösen Ge-
bräuchen leicht uralte Sitten erhalten. Eine solche Beziehung wird man vermuthen können,
wenn der Grad der Bildung eines Volkes mit einem so grausamen und rohen Schauspiele im
Widerspruche steht und wenn dasselbe nur bei besonderen Festen in Verbindung mit dem
Menschenopfer noch vorkommt. Ganz irrig wäre die Annahme, dass die Menschenfresserei
in der Regel mit dem Menschenopfer Zusammenhänge; bei dem heute unter den Wilden aller
Länder noch herrschenden Cannibalisnms ist dies sehr selten der Fall. Wir sehen, dass sehr
verschiedene Ursachen: der Hunger, das Rachegeiühl, der Aberglaube und die Leckerei uns
zur Erklärung der abscheulichen Gewohnheit zu Gebote stehen und es wird in jedem beson-
dern Falle die eine oder die andere leicht nachzuweisen sein. Wir müssen denen Recht
geben, welche den mit Mord verbundenen Cannibalismus als eine Entartung der Natur betrach-
ten, zu der das Thier nicht einmal fähig ist, wie denn überhaupt das menschliche Geschlecht
uns grausamer und wilder erscheint als das Thier, wenn wir betrachten, wie im Kriege die
Menschen sich massenhaft hinschlachten oder bei schon gebildeten Völkern ein blutiges Gesetz
den Todesschmerz des Verbrechers noch durch ausgedachto Qualen zu verlängern sucht.
Bei den Völkern des Alterthums herrschte Menschenfresserei sehr allgemein. Herodot
nennt alle gegen Norden wohnende Völker Menschenfresser. In Indien führt er als solche
die Koletier an, welche die Leichname ihrer Eltern essen, und die Padäer, die nicht nur die
alten Leute, sondern auch die jungen, wenn sie krank wurden, tödteten, um sie zu verzehren.
Immer wurden die Männer nur von den Männern, die Weiber von den Weibern gegessen.
Bei den Massageten am Araxes wurden ebenfalls die alten Leute von den Angehörigen versjieist,
die Kranken aber begraben ’) ; die Issedonen , die neben ihnen wohnten , Hessen zwar die
Alten eines natürlichen Todes sterben, dann schnitten aber die Verwandten ihr Fleisch mit
dem von Thieren zusammen und verzehrten es ’). Die Scythen verlangten von jedem jungen
’) A. ». 0., I, 406. — ») Herodot I, 216. — •) Ebend. IV, 20.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 24l>
Krieger, dass er von dem Blute des ersten Feindes, den er tödteto, trinke; sie zogen dem
erlegten Feinde die Haut ab, gerbten sie und hingen sie am Sattel als Handtuch auf, oder
sie nähten mehrere solcher Häute zu einem Mantel zusammen. Andere zogen dem Feinde die
Haut vom rechten Arme sainmt den Nägeln ab und spannten sie als Ueborzug über den
Köcher1)- Strabo hat eine bessere Meinung von den Scythen, er beruft sich auf Hesiod,
Homer und Aeschylus, welche die pferdemelkenden Scythen ein gerechtes Volk nennen;
er sagt, wir halten sie für die einfachsten und arglosesten Menschen und für viel sparsamer
und genügsamer, als wir selbst sind, obgleich unsere jetzige Lebensweise fast bei allen Völ-
kern eingedrungen Ist und sie verschlimmert hat, indem sie Schwelgerei, Wollust und Betrü-
gerei in schrankenloser Weise bei ihnen einfuhrte. Man sieht, dass Strabo die Scythen, wie
Tacitus die Germanen und mancher neuere Beobachter die wilden Völker, die er antrnf, für
besser hielten, als sie waren, weil sie sich den Ausschweifungen und Lasbernr4BCultm' noch
nicht ergeben hatten. Eratosthenes führt an, dass Homer die Scythen nicht gekannt habe;
damals sei der Pontus unschiffbar gewesen und habe Axenos geheissen, wegen seiner .Stürme
und der Wildheit der umwohnenden Völker, bosonders der Scythen, welche die Fremden
geopfert, ihr Fleisch gegessen und die Hirnschädel derselben als Trinkgefasse gebraucht hätten.
Nachher sei er Euxenos genannt worden, nachdem die Jonier an seinen Küsten Städte ange-
logt hatten. Auch Plinius*) erzählt von Menschenfressern, die 10 Tagereisen nördlich vom
Borysthencs, dem heutigen Dnieper wohnen. Sie trinken aus Menschenschädeln und tragen,
wie die heutigen Indianer den Scalp, die Kopfhaut des getödteten Feindes mit den Haaren
als Mantel vor der Brust. Strabo*) nennt auch die Einwohner von Jerue, das ist Irland,
welche wilder sind als die Britannier, Menschenfresser und Grasfresser, sie halten es für löblich,
ihre verstorbenen Eltern aufzuzehren, und vermischen sich öffentlich nicht nur mit anderen
Weibern, sondern auch mit ihren Müttern und Schwestern. Nach Diodor verzehren die
Irländer das Fleisch der besiegten Feinde4). Sodann führt Strabo an, dass das Menschenfres-
sen, wie von den Scythen, so auch in Folge von Hungersnoth bei Belagerungen von den
Galliern, Iberern und noch anderen Völkern erzählt werde. Er bestätigt die Aussage des
Ilerodot über die Massagoten, dass sie es für den besten Tod hielten, wenn sie im Alter
mit Schaffleisch zusammengchackt und verspeist würden, mit dem bemerkenswerthon Zusatze,
dass sio sich auch öffentlich begatteten. Dieser thierischen Rohheit aber nicht der Men-
schenfresserei worden noch die heutigen wilden Bewohner der Andamaninseln im bengalischen
Meerbasen beschuldigt. Strabo berichtet auch von den Derbikern am Kaukasus, dass die
Männer, die über 70 Jahre alt sind, geschlachtet und von den nächsten Verwandten gegessen,
die alten Weiber aber erwürgt und begraben werden. Die griechischen Mythen von Saturn
und Tantalus, von Procno und Atreus deuten auf den Genass des Melisehenfleisches. Der
Riese Polyphem auf Sicilien, dessen Homer gedenkt, verschlang die Fremdlinge, die an die
Küste verschlagen wurden. Er hat bereits sechs Gelahrten des Odysseus zerhackt und ver-
zehrt, bis es diesem gelingt, sich und die Anderen zu retten. Dass selbst die Griechen in
ältester Zeit das Fleisch der Besiegten assen, spricht schon Barthelemy in der Einleitung zur
Reise des Anacliarsis aus. Deutlich weist eine Stelle in der Ilias des Homer“) darauf hin, wo
>) Heroüot IV, 64. — *) Plin. Ilist. nat. VII, 22. — *) Strabo IV, 201. — *) Diodor Sio. VI. 16. —
») II. XXII, 846.
Aff-Iil* für Anthropologe, IM. ZV. Heft 1 11. 3$}
Digitized by Google
250
II. Schaaffhausen,
Achill es dem Hektor zurtift: .Dass doch Zorn und Wuth mich erbitterte, roh zu verschlin-
gen Dein zerschnittenes Fleisch für das Unheil, das Du mir brachtest'/ Mehrfach werden
die Cannibalen als Höhlenbewohner geschildert. So spricht Virgil ') von einem Ungeheuer,
das er llalbmensch nennt, es wohnte am Ausflusse der Tiber in einer Höhle, wohin es Menschen
zog und mordete. Auch der arzneiliche Gebrauch frischen Menschenblutes lässt auf einen ehedem
häufigeren Genuss desselben schliessen. Aulus Gellius und Lucian sagen, dass man in Scy-
thien das Menschenfleisch für die gesundeste Speise halte. Im ganzen Alterthum gilt das
Menschenblut als ein Mittel gegen die Fallsucht, wie Plinius und Aretaeus, Celsus und
die Kirchenväter Tertullian und Minutius Felix bezeugen. Plinius*) erwähnt der
Bäder von Menschenblut, die in Aegypten als Heilmittel gegen den Aussatz galten. In dem
Pseudo- Jonathan, einem chaldäischen Zusätze zu den fünf Büchern Mosis, heisst es, dass der
König von Aegypten, der an der Auszehrung krank lag, befohlen habe, die Erstgeborenen
der Kinder Israels zu todten, um sich in ihrem Blute zu baden. Nach einer Erzählung des
Cedrenus rief Constantia der Grosse, der am Aussatze litt, in Rom die berühmtesten
Aerzte zusammen; einige, die Juden waren, riethen, er müsse sich im Blute säugender Kin-
der baden. Man versammelte wirklich eine Schaar von Frauen mit ihren Kindern im Pal-
laste; als diese aber in lautes Wehklagen ausbrachen, verzichtete der Kaiser auf die Anwen-
dung des Mittels. Ghillany macht darauf aufmerksam, wie noch in dem deutschen Volksbuche
„der arme Heinrich“ von Hartmann von der Aue ein Arzt aus Salerno erklärt, es gebe nur
ein Mittel für den Aussatz, nämlich das Herzblut einer reinen Jungfrau, die sich entschliesse,
für den Aussätzigen zu sterben. Derselbe Schriftsteller woist darauf hin , dass bis in die
neuere Zeit mit dem Genüsse von Menschenfleisch abergläubische Vorstellungen verknüpft
woidcn sind. In Bayreuth wurde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Mann hinge-
riehtet, der den Glauben hatte, er werde fliegen können, wenn er neun Herzen von Kindern,
die noch im Mutterleibe getragen werden, fresse. Er hatte bereit« acht schwangere Frauen
umgebracht und dio Herzen der Kinder warm und zuckend gegessen *). In China soll sich
der Gebrauch des Menschenfleisches als eines Mittels gegen gewisse Krankheiten bis jetzt
erhalten haben; es werden Mordthaten begangen, um frisches Menschenfleisch oder Menschen-
galle sich zu verschallen. Auch in den zahlreichen Beispielen der Menschenfresserei, die uns
aus dem Alterthum berichtet werden, ist es bald die Noth, bald der Aberglaube, bald die
Rohheit, welche als Ursache derselben angegeben werden. Sueton gedenkt der Menschen-
fresser, die hVauen und Kinder essen. Valerius Maximus4) tadelt die Rohheit der Spanier,
die in belagerten Städten dio Gefangenen nicht nur, sondern die Weiber und Kinder verzehr-
ten. Diese Erscheinung ist unter rohen Völkern so verbreitet, dass man nicht nöthig hat,
dieselbe mit Ghillany ans dem Einflüsse der Wütigen Gebräuche der Phönizier zu erklären.
An diese aber werden wir erinnert, wenn Livius1) erzählt, dass Hannibal seine Soldaten,
um sie wild und kriegerisch zu machen, Mnnachcnflcisch essen lehrte. Es ist auch nicht zu
bezweifeln, dass die Menschenopfer der alten Hebräer mit dem Genüsse von Menerhenfleiscb
und Blut verbunden waren. Solche Opferschmiiuso werden den Kananitern vorgeworfen und
*) Aeneii VIII, 192. — s) Iliat. nat. XXVf. 4. — *} Meissner, Skixzen, XIII Samml. S. 107. — 4) Vsl
Maxim. VII, 6, — *) I.is. XXIII, 9.
Digitized by Google
251
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
verschiedene Stellen <ler Schriften des alten Testamentes deuten darauf 1 j . In den Mosaischen
Büchern wird vom Trinken des Blutes der Erschlagenen gesprochen '■') und vom Verzehren
ihres Fleisches und dom Zermalmen ihrer Qebeine 3). Aus der Stelle bei Ezechiel4): „Du
hast Menschen gefressen und dein Volk kinderlos gemacht“, darf man schliessen, dass die
Hebräer die Kinder, welche sie opferten, auch gegessen haben.
Wenn die Schrecken und Gräuel des Krieges als Drohung Jehovas geschildert werden,
so wird auch das Essen des Fleisches dev nächsten Angehörigen wie eine bekannte Sache an-
l£ geführt Unter den entsetzlichen Dingen, welche die vom Hunger Gequälten nicht ver-
schmähen, wird auch die Nachgeburt der Frauen genannt, die freilich von mongolischen Völker-
schaften als ein Leckerbissen verzehrt wird. Bei dem Aufstande der Juden unter Trajan,
11 den Dio Cassius beschreibt"), trat unter anderen Gräueln auch die Menschenfresserei in
erschreckender Weise auf. In den Mithramysterieq, die Heliogabal, welcher früher syrischer
Priester war, im 3. christlichen Jahrhundert noch foierte, wurde ein Knabe geschlachtet, aus
seinen Eingcweiden geweissagt und von ihm gegessen. Dem Simon und Magus, sowie dem
Apollodorus von Tyana wurden solche Opfer nachgesagt, und die ersten Christen wurden
häufig von den Heiden beschuldigt, dass sie Kinder schlachteten. Ghillany bemerkt, dass
wohl in einzelnen Fällen die neu bekehrten Christen noch alte jüdische Gebräuche mögen
geübt haben. Die Lehre von einem Gemessen des Leibes und Blutes Christi im Abendmahle
konnte aber gewiss nicht als eine Billigung jener blutigen Gebräuche erscheinen, die beson-
ders in Phönizien, Syrien und Chaldäa üblich waren, wiewohl sie daran erinnerte. Bemer-
k enswerth ist, dass in der Genesis zuerst dem Menschen als Speise nur Pflanzen bestimmt
sind, erst nach der Sündtluth sind ihm auch Fleischspeisen erlaubt *). Die hinzugefügte War-
nung, dass das Fleisch nicht mit seinem Blute gegessen werden soll, deutet auf das Ver-
schlingen des rohen Fleisches. Noch an mehreren anderen Stellen der mosaischen Bücher
wird der Genuss des Blutes verboten ’). Ausdrücklich wird derselbe bei den Opfern ver-
boten 10). A1b ein Abfall von Jehova wird es bezeichnet, dass unter Saul das Volk das Fleisch
der erbeuteten Thiere mit Blut ass ,l). Bei den Christenvorfolgungen in der römischen Zeit musste
man durch Trinken von Opferblut beweisen, dass man sich zum Heidenthum bekannte.
Noch heute aber legen fromme Juden das Fleisch, ehe sie es kochen oder braten, eine Stunde
ins Wasser und eine Stunde in 's Salz, damit das Blut herausziehe.
Nach dem Zeugnis» des heil. Hieronymus, der von 330 bis 420 n. dir. lebte, darf man
schliessen, dass sich die Menschenfresserei der nordeuropäischen Völker in einzelnen Fällen
lange erhalten hat. Derselbe erzählt1*), dass er als Knabe in Gallien Scoten, eine britan-
nische Völkerschaft, Menschenfleisch habe essen sehen. Wenn es weiter in diesem Berichte
heisst: „Et cum per silvas porcorum greges et armentorum pecudumquo reperiant, puerorum
nates et feminarum papillas solere abscindero et has solas ciborum dclici&s arbitrari," so haben
Holtzmann und Andere diese Bezeichnung gewisse? Körpertheile mit Unrecht auf den Men-
schen bezogen, es sind die Körpertheile der angeführten männlichen und weiblichen Thiere
•) Buch <1. Weigl». 12, 3 und 14, 22. Sacharja 9, 7. — *) 4. Buch Mo*. 23, 24. — s) 4. Buch Mos. 24, 8. —
4) Ezechiel 3(5, 13 und 14. — 6) 5. Bucli Mos. 28, 53 und 3. Buch 26, 29. Jeremias 19, 9. — *) Dio Cassius 1.XVII1,
32.-7) i. Buch Mus. 1, 29. — «) 1. Buch Mob, 9, 3. — *) 3. Buch Mo«. 3, 17 und 17, 10 und 13.— ,0) 3. Buch Mos.
7, 26. — n) 1. Buch Samuel. 14. 32 und 33. — **) S. Euaeb. Hieronym. Ed. Par. 1815, Op. II, 335.
82*
Digitized by Google
252
H. Schaaffhausen
zu verstehen. Holtzinann '), der mit Recht diese Stelle auf die von Strabo und Diodor
geschilderten Iren bezieht, denn im 3. und 4. Jahrhundert werden die Bewohner Irlands
Seoti genannt, sagt geradezu, dass diese nach des Hieronymus Bericht Hinterbacken von
Knaben und Weiberbriiste für Leckerbissen halten. Knie andere Lesart dieser Stelle, die
auch Prichard1) und nach ihm Spring anführen, nennt das Volk Attacoti; da aber Hiero-
nymus von den Scoten auch andere Rohheiten erzählt, wie dass sic Gemeinschaft der Weiber
hätten und nach Belieben wie die Tliiere sich vermischten, so ist die Lesart Scoti wohl die
richtige. Einige Handschriften haben statt puerorum nates: pastoruni nates, womit also in
sehr bestimmter Weise eine Verstümmelung menschlicher Wesen bezeichnet wäre. Es ist
aber wahrscheinlich, dass diese Aenderung des Wortes erst durch die irrige Auslegung der
Stelle veranlasst worden ist Das Vorkommen der Menschenfresserei zur Zeit des Hierony-
mus ist nicht unglaublich, die damit verbundene angebliche Verstümmelung menschlicher
Körper wird von keinem alten Schriftsteller berichtet und kommt bei keinem wilden Volke
vor. Nur die Abvssinier schnitten den Besiegten, ohne sie zu tödten, die Genitalien ab und
nahmen sie als Trophäen mit Doch wird auch neuerdings die Stelle mehrfach auf den Menschen
bezogen, so vonPetcrsen in einer dem anthropologischen Congres.se in Kopenhagen gemachten
Mittheilung, sowie in einem französischen Aufsatze über den Cannibalismus der Vorzeit®),
liier wird die Anführung der Thiere so verstanden , als hätte Hieronymus sagen wollen , wie-
wohl das Land an Thieren reich ist, ziehen sie doch das Fleisch des Menschen vor. Aus dem
Mittelalter ist uns noch ein auffallender Bericht über Menschenfresserei aus Noth erhalten.
Abdnllatif, ein arabischer Arzt aus Bagdad, dessen Werk SylveBtre de Sacy übersetzt
hat, schildert eine um das Jahr 1200 in Aegypten wegen des Ausbleibens der Nilübersehwem-
muug ausgebrochene Hungersnoth. Eltern verzehrten ihre Kinder oder boten sie zum Ver-
kauf aus; man aas die abscheulichsten und ekelhaftesten Dinge und wühlte sogar die frischen
Gräber auf. um die Leichname zu verzehren. Kinder und Erwachsene wurden geraubt und
geschlachtet. Später waren die grausamsten Strafen erst lange nachher im Stande, diesen
Abscheulichkeiten Einhalt zu thun. Schon im 7. Jahrhundert soll Menschenfresserei in Folge
eines Misswuchses in Europa epidemisch geherrscht haben. Nach Thiers herrschte auch um
1020 unter König Robert in Frankreich eine fürchterliche Hungersnoth , so dass Menschen-
fleisch gegessen wurde. Selbst während der im Jahre 1868 in Algier nusgebrochenen Hun-
gersnoth griff die Menschenfresserei unter den Eingeborenen um sich. Das Kriegsgericht zu
Blidah verurtheilte einen Mann zum Tode, der in weniger als einem Monat sechs Menschen
getödtet und aufgefressen hatte. Am 4. Januar 1866 wurde er erschossen4). Bis in die neue-
ste Zeit haben Schiffbrüchige, die dem Hungertode nahe waren, zu diesem Mittel gegriffen,
um ihr Leben bis zur möglichen Rettung zu fristen. Koch im Februar 1866 ist auf dem
Wrack des Excelsior, der in der Kordsee vor der Insel Juist scheiterte und im Deeember 1866
auf dem Wrack der Ocean Queen, die in*der Ostsee vor der kuriseben Nehrung in Trümmer
ging, Monschenfleisch gegessen worden. Beides waren englische Schiffe *). Am ö. Januar
l) A. Ilnlticmann, Kelten und Germanen, Statte. 1855. — *) Priohnrd a. a. 0. III, 1, S. 152. — 3t Le*
mondet, Revue lioli.l, 24, nmrs 1*70. — p Römer Zeitan^r. 21 Januar 1869. — ’’) H. A. Schumacher, rur
ltc'tung Schit) hrüchiger. Emden 1*69.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 253
1867 wurde aus Königsberg in den Zeitungen berichtet, dass nach heftigen Stürmen bei Xid-
den ein russisches Schiff ohne Steuer und Mast in dem elendesten Zustande, mit noch zwei
Leuten und dem Leichname eines dritten an Bord, geborgen worden sei. Die Geretteten
erzählten, dass sie 14 Tage hindurch auf der See umhergetrieben seien und täglich sich dio
Bemannung gelichtet habe, zuletzt sei für die noch Lebenden die höchste Noth eingetreten,
da die Nahrungsmittel gänzlich ausgegangen waren. Vier Mann waren noch auf dem Schiffe,
als eines Tages einer durch das Herunterfallen einer Kette getödtet wurde. Der Hunger der
übrigen hatte den höchsten Grad erreicht und zwei derselben machten sich an den Leichnam,
indem sie aus demselben Stücke schnitten und verzehrten. Den Dritten erfasste dabei ein
solches Grausen, dass er, um dem Hungertode zu entgehen, sich in dio See stürzte und den
Tod fand. Die Leiche des Matrosen, die den anderen zur Nahrung gedient hatte, wurde in
Nidden beerdigt. Wie häufig mögen diese Fälle sein, ohne dass eine Nachricht davon zu uns
gelaugt! Scheitern doch allein an den deutschen Küsten jährlich im Durchschnitt 110 Schiffe
mit 600 Menschen. Der Genuss des Fleisches Gestorbener muss allerdings gestattet sein, wenn
dadurch das Leben Anderer gerettet werden kann. Nur in diesem Sinne können wir der
Aeiisserung Försters beistimmen, wenn er sagt: „so sehr es auch unseror Erziehung zuwider
sein mag, so ist es doch an uml für sich weder unnatürlich noch strafbar, Mensehenfleisch
zu essen. Nur um deswillen ist es zu verbannen, weil die geselligen Empfindungen der
Menschen liebe und des Mitleids dabei so leicht verloren gehen können.“ Ein viel zu scho-
nendes Urtheil über dio Menschenfresserei hat aber A. von Humboldt gefällt, indem er
behauptet, dass die Vorwürfe des Europäers von dem Indianer nicht anders aufgenommen
würden , als wenn uns ein Brahmine vom Ganges den Genuss des Thierfleisches verbieten
wolle. Es giebt merkwürdiger Weise einen Fall, wo der Genuss des dem eigenen Körper
entzogenen Blutes ein Verlängerungsmittel des Lebens sein kann. Ein französischer Forscher,
Anselmier1) hat nämlich gefunden, dass Thiorc, die man verhungern lässt, um dio Hälflo
der Zeit länger leben, wenn man ihnen von Zeit zu Zeit durch kleine Aderlässe Blut entzieht
und es ihnen zu trinken giebt. Er nennt dieses Selbstessen Autophagie und es ist nach die-
se:' Erfahrung sehr wahrscheinlich, dass ein Verschütteter sein Lehen auf diese Weise länger
wird erhalten können, so lange vielleicht, bis Kettung für ihn möglich wird.
Blicken wir auf die heute lebenden wilden Völker’), so erfahren wir, dass der Cannibn-
lisnnis noch in ausgedehntem Maosse unter ihnen verbreitet ist, dass er sich gewohnheits-
mässig noch bei allen Racen und , Europa ausgenommen, in allen Ländern findet. Viele
schämten sich der Unsitte im Umgänge mit den Europäern und legten sie ab, andere leug-
neten selbst, dass ihre Vorfahren sie geübt. Burmeister hörte die Versicherung eines Skla-
venhändlers, dass die Schwarzen keine Menschenfresser seien, die« habe man nur erfunden,
um die Misshandlungen, die man an ihnen übe, zu rechtfertigen. Am zahlreichsten sind dio
Nachrichten über die Menschenfresserei der Siidsceinsnlaner und Cook wunderte sich , wie
unter so sanften Völkern ein solcher Gebrauch herrschen könne. Die faule und diebische
Bevölkerung von Neukalcdonien bekriegte sich gegenseitig in der äussorsten Noth, um Qefan-
>1 Heule und Pt’eufer, Zeitßchr. 8. II. , IX, 2. — *> Vgl. II. Schaaffhausen. Leber den Zustand der wil-
den Volker. Archiv f. Anlhrop,, 1hl. I, S. 172.
*
V
Digitized by Google
254
H. Schaaffhauscn,
geue zum Frass zu gewinnen, und ein Häuptling erklärte verwundert, er habe nicht gewusst,
dass man kein Menschenfleisch essen dürfe. Die Neukaledonier betrachteten mit der grössten
Lüsternheit die nackten Arme und Beine der jungen Matrosen des Schiffes von Dumont
d’Urville. Sie befühlten dieselben mit den Händen und riefen dabei : Kaparek ! mit welchem
Worte sie einen Leckerbissen zu bezeichnen schienen. Selbst die Androhung des französischen
Gouverneurs der Insel, dass er jeden Fall von Menschenfresserei als einen Mord ansehen und
bestrafen werde, hat dieselbe noch nicht ganz beseitigen können. Die Bewohner der Sal-
inonsinseln brachten im Jahre 1845 den Missionären ein Kind zum Verkaufe mit der Bemer-
kung, dass es gut zu essen sei. Der Vater des Königs Niuriki von Futuna soll nicht weniger
als 1000 Menschen verzehrt habeD, so dass nach seinem Tode die Häuptlinge, um dem Unter-
gang der ganzen Bevölkerung vorzubeugen, in Uebereinstimmung mit Niuriki den Entschluss
fassten, dass fortan kein Mensch mehr sollte geopfert oder verzehrt werden. Aus dem gleichen
Grunde war wohl auf den Sandwichinseln die Darbringung von Menschenopfern nur dem
Könige erlaubt1). Er hatte auch das Vorrecht, das Auge des Geopferten zu essen*). Der
erste Name der Königin Pomare war Aimata, dies bedeutet: „ich esse das Auge.“ Das Wort
erinnert also an jene Schmause, bei denen man den einen oder andern Körpertheil als
Leckerbissen bezeichnet«. Als solchen betrachten auch die Neuseeländer die Augen eines
Menschen. Dagegen sagte der alte König von Titaway schon im Jahre 1687 den Holländern,
der best® Bissen seien die Wangen und die Hände. Als die rohesten und blutgierigsten unter
den Sudseevölkern werden die Bewohner der Fidschiinseln bezeichnet, über deren Menschen-
fresserei Matthew, Seemann, Egerström u. A. berichtet haben. Auf Nukahiva gelten
Häuptlinge und Priester als höhere Wesen. Wenn ein Priester Begierde nach Menschcnfleiscb
hat, so versetzt er sich unter mancherlei Gaukeleien in Schlaf und sagt dann aus, was der
Geist ihm eingegeben. Er bezeichnet einen Mann oder eine Frau, die daun eingefangen und
geschlachtet werden. Hat ein Marquesaner einen Feind niedergemacht, so schlägt er ihm
ein Loch in den Kopf, aus dem er sein warmes Blut trinkt Alle Schädel, die Kruscnatern
auf Nukahiva erhandelte, hatten ein eingeschlagenes Loch. Auch die Neuseeländer tranken
das warme Blut ihrer erschlagenen Feinde. Im Jahre 1857 brachten die Zeitungen folgende
Schrockensgcschichte: es befanden sich 327 chinesische Auswanderer aus Hongkong, Männer,
Weiber und Kinder auf einem englischen Schiffe, um nach Sydney zu gehen, als das Schiff
bei der Insel Rossel in der Südsee, etwa 500 Meilen von Neuseeland, Schiffbruch litt. Es
war am 29. September. Dem Kapitän gelang es nur mit äusserster Anstrengung, die Passa-
giere ans Land zu bringen, wo er sie, so gut es eben ging, mit den nothwendigsten Lebens-
mitteln versorgte. Er selbst steuerte mit 8 Matrosen auf einem Boote von der Insel weg,
um auf dem weiten Ocean ein Fahrzeug aufzusuchen , das sich der verlassenen Chinesen an-
nähme. Erst am 15. October trafen sie einen Scbooner, der sie nach Neukaledonien brachte,
von wo sofort der französische Dampfer Styx nach der Insel Rossel abgeschickt wurde. Ei'
traf erst am 8. Januar daselbst ein und erfuhr, dass sämmtliche Chinesen und die bei ihnen
zurück gelassenen Matrosen von den Eingeborenen ermordet worden seien. Nur ein einziger
Chinese hatte die Metzelei überlebt, aber da Niemand an Bord dt« Schiffes chinesisch ver-
’) E. Miclielie, di# Völker der Südsee. Münster 1847. — *) Archiv für Anthrop. Bd. HI, 180SI, S. WS.
Digitized by Google
Die Mensehenfresserei und das Menschenopfer. 255
stand, vernahm man erst später, dass die abgeschlachteten Schiffbrüchigen zu einem Canni-
balenschmnuse gedient hatten. Wir besitzen den Bericht einiger französischer Soldaten, die
sich kurze Zeit in Gefangenschaft der Kanaken auf den Sandwichinaeln befanden und dort
der Zubereitung und Auftischung eines ihrer Kameraden beiwohnten. Zuerst hackte man
ihm den Kopf ab und hing den Körper eine Stunde lang an einen Baum auf, um das Blut
ablaufen zu lassen. Während dessen wurde ein über vier Fuss tiefes und drei Fuss breites
Loch in die Erde gegraben und mit Steinen ausgelegt. In der Höhlung wurde ein Feuer
angezündet und nachdem es halb niedergebrannt war, mit einer Steinlage bedeckt. Den
Menschen weideten die Cannibalen aus und schnitten den Körper in fusslange Stücke; Fiis.se
und Hände wurden als ungeniessbar bei Seite geworfen. Sodann wurden diese Stücke auf
Blätter des tropischen Ilosenbaumes gelegt und mit Zuthaten versehen, als Cacaonüasen, Ba-
nanen und anderen Gewächsen von köstlichem Aroma. Darauf schnürte man das Ganze in
einen Ballen zusammen und senkte diesen in die Grube, aus welcher man den Rest des
Feuers entfernt hatte. Zwischen den heissen Steinen liess man dann das Mahl eine Stunde
lang schmoren. Frauen erhielten von dem Gerichte nichts, das ausschliesslich für Krieger
bestimmt war1). Man sieht, bei diesen Völkern ist der Cannibalismus eine Feinschmeckerei,
ein mit überlegter Kunst erhöhter Genuss des lüsternen Gaumens. So wird es verständlich,
dass sich die Anthropophagie häufig bei Volksstämmen findet, die ihren Nachbarn geistig
überlegen sind, wie bei den Battas auf Sumatra, die eine selbst erfundene Schrift besitzen,
bei den Fidschiinsulanern, die in der Kunst der Töpferei sich vor allen anderen Völkern der
Südsce auszeichnen. Eine gute geistige Begabung wird auch von den Maoris, den Fannegern
und den Niam-Niains gerühmt. Dagegen sind die Minkopies, die Eingeborenen der Anda-
mauinseln, über deren thierische Lebensweise wir durch den Bericht eines indischen Sepoy
unterrichtet sind und die R. Owen’) auf die niedrigste Stufe menschlicher Bildung stellen
will, keine Cannibalen. Nach A. Lortsch *) kommt auch bei den australischen Wilden die
Menschenfresserei nur in den seltensten Fällen vor und wird sehr geheim geübt Doch
wurde 1862 ein Freund desselben von ihnen ermordet und aufgegessen. Bei Hungersnoth
graben sie nach drei Tagen ihre Todten wieder aus, um sie zu essen. Dem überwundenen
Feinde Bcbneiden sie nur das Nierenfett heraus, um sich damit einzureiben und so die Stärke
des Besiegten zu gewinnen. Von den Alfurus der nördlichen Molukken theilt J. Kögel1)
mit, dass sie zuweilen daa Fleisch der erschlagenen Feinde gemessen sollen. Ueber die
Battas auf Sumatra, deren blutige Gebräuche Junghuhn5) geschildert hat, haben wir neue
Mittbeilungen von Bicktnore ‘). Sie sind noch heute Menschenfresser und es ist etwas ganz
Gewöhnliches für die in Siboga an der Westküste Sumatras wohnenden Fremden zu hören,
dass in den benachbarten Bergen ein oder mehrere Eingeborene gegessen worden seien.
Nicht aus Mangel an Nahrung üben die Battas jetzt den abscheulichen Gebrauch, denn es
fehlt ihnen nicht an Wildpret und an Zuchtvieh, auch nicht aus Rachsucht, sondern aus
Leckerei. Der RadHchah von Sipirok versicherte dem Statthalter von Padang, dass er nie
*) Bonner Zeitung. 17. Sept. 1869. — s) R. Owen, On the Mincopie*. Report of the Brit. Asaoc. f. tb.
Advanc. of So, 1801. — 3] Aasland, 16856, Nr. 30. — *) Ausland, 1856, Nr. 31. — 5) Vgl. Archiv f. Anthrop.
Bd. 1, S. 174. — *) S. Bickmore, Reisen im ostindiachen Archipel in dem Jahre 1865 bis 06. Aus dem Eng-
lischen. Jena 1869. -
Digitized by Google
256
II. Schauffhausen,
etwas Kostbareres gegessen habe als Menschenfleisch. Der Ursprung der Unsitte wird auf
folgende Weise erzählt Ein Radschah beging ein grosses Verbrechen, aber Niemand wollte
cs wagen, einen Fürsten zu bestrafen. Nach langer Berathung wurde endlich beschlossen,
ihn hiuzurichten , aber jeder aus dem Volke sollte ein Stück von seinem Leichnam essen,
damit auf diese Weise Alle an seiner Bestrafung Thcil nähmen. Sie fanden nun diesen
Schmaus so schmackhaft, daas sie beschlossen, wenn wieder ein Verbrecher hingerichtet
würde, ihn ebenfalls zu essen. So ist es gekommen, dass, wer des Ehebruchs, des mitter-
nächtigen Raubes oder eines hinterlistigen Angriffs sich schuldig macht, oder wer in Gefan-
genschaft geräth, lebendig zerschnitten und verzehrt wird. Man bindet das Opfer mit aus-
gestreckten Armen an einen Baum, wie uns ein Missionär, der eine solche Hinrichtung eines
Diebes sah, berichtet hat. Der Mann, welcher bestohlen worden war, erhielt zuerst das
Messer und schnitt sich das Stück aus dem Leibe, welches ihm das liebste war; der Radschah
nahm das zweite, die anderen folgten. Die Hände und die Augen gelten als die grössten
Leckerbissen. Das warm dampfende Fleisch wird, um es zu würzen, in Pfeffer und Salz
getaucht. In früherer Zeit soll man das Fleisch gebraten oder gekocht haben. Das Fleisch
der Malayen soll am besten schmecken. Die kühne deutsche Reisende, Frau Ida Pfeiffer,
die sich unter diese Wilden wagte, liessen sie nur deshalb imgefährdet zuriiekkehren, weil sie
dieselbe für eine Hexe hielten ').
Ueber die heutige Verbreitung des C'annibalismus unter den Indianern Amerikas war
man lange ungewiss, denn die meisten Stämme leugneten diesen Gebrauch ihrer Vorfahren,
die zur Zeit der Entdeckung des Landes doch fast alle Cannibalen waren. So macht sich
Brom me1) dos grössten Irrthums schuldig, wenn er schreibt: „ob wirklich je die Menschen-
fresserei bei den Indianern Nord - Amerikas zu Hause war, ist eine Frage, die fast mit Be-
stimmtheit zu verneinen ist, was auch frühere Berichterstatter darüber erzählen. Nur
drückende Hungersnoth konnte einen Stamm bewegen , Menschenfleisch zu gemessen , und
wahrscheinlich ist es, dass die Atacapas, diesen ihren Namen „Menschenfresser“ nur von
einem einzigen Beispiele der Art erhalten haben.“ Gleichwohl führt Bromme den Bericht
von Golden an, dass die Irokesen ihre Gefangenen verzehrten und dieOttawas das Blut ihrer
hingerichteten Feinde tranken, sowie die ausführliche Nachricht Henry ’s über einen Eng-
länder, der 1700 von den Indianern Canada’s nufgegesHen wurde, und die Angabe der Archaeo-
Ibgia amerikana, Vol. I, p. 353, dass unter den Miamis ein Ausschuss von sieben Kriegern bestan-
den habe, welche die Menschenfresserei öffentlichen Vorschriften zu Folge zu vollziehen
hatten und zu ihrem letzten Cannibalenfeste einen Bewohner von Kentucky schlachteten.
Nach jenen Berichten sollen alle Indianer, welche Menschenfleisch gegessen, dariu Uberein-
stimmen, dass es ein köstliches Mahl und dass das Fleisch der Engländer weit schmackhafter
nls das der Franzosen und Spanier sei. Das Alles hält Bromme für Erfindung der Missionäre,
für Verliiumdung, welche das schändliche Betragen der Europäer und ihrer Nachkommen
gegen die Indianer entschuldigen soll. In der gerechten Entrüstung Uber die treulose Behand-
lung des rothen Menschen durch den Weissen liessen sich Bromme und Andere in ihrem
’) Vgl. Magazin für di» Literatur de« Auslandes, 1869, Nr. 48. — !) Tr. Bromme, Gemälde von Nord-
Amerika, Stuttgart 1862, Bd. I, 8. 214.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 257
Urtheile über den sittlichen Zustand dieser Wilden tauschen. Alexander von Humboldt
fand noch um Cassiquiare den Gebrauch MenschenHeiach zu essen. Der Stamm der lonk-
ways an der Grenze von Texas schlug im Jahre 1851 die Kitschies, der Häuptling derselben
wurde gebraten und bei einem Festmahl verzehrt1). Dobritzhoffer *) sagt, dass alle India-
ner in Brasilien und Paraguay vor ihrer Bekehrung zum Christenthum Menschenfresser waren.
Sie zogen es jedem Wildpret vor, so dass sie oft ein heftiges Verlangen danach anwandelte.
Die Ureinwohner Brasiliens mästeten zu Anfang des 17. Jahrhunderts ihre Kriegsgefangenen
lange Zeit, sie verheiratheton sie sogar mit ihren Töchtern und Schwestern, um die so ent-
standenen Kinder später ebenso zu futtern und zu schlachten. Wilh. Piso, der im Jahre
1637 mit G. Marcgrav nach Brasilien ging, berichtete schon, dass die brasilischen Völker
ihre eigenen Kinder auffrässen und von den lebenden die Nabelschnur®). Lery erzählt, dass
die Weiber, die man den Gefangenen gebe, entweder die Wittwen der Erschlagenen oder die
Schwestern derselben seien. Die zum Opfer bestimmten und gemästeten Unglücklichen neh-
men vorher selbst an dem Trinkgelage Theil und erhalten dann mit der Keule den Todes-
streieh. Der Körper wird zerschnitten und dann die Theilo geröstet. Auch die Frau des
Erschlagenen nimmt Theil an dem Mahle4). W. von Zimmermann erinnert daran, dass
die nördlichen Indianer viel grausamer gegen ihre Opfer verfahren als dio Südamerikaner,
indem sie dieselben vorher martern. Jene macht die Jagd gefühllos, während der Tropen-
bewohner ein sanfteres Leben ftihrt. In dem ethnologischen Museum zu Kopenhagen befindet
sich ein grosses Oelgemälde, auf dem eine Schwarze abgebildet ist, die in einem Korbe
Stücke Mcnschonflcisch trägt. Ich habe darüber nur erfahren können, dass es, wie die übri-
gen Bilder daselbst, um das Jahr 1641 von dem holländischen Maler Ekhout gemalt worden
sei und sich wahrscheinlich auf Südamerika beziehe, wo er sich mehrere Jahre aufgehalten
hat B. A. Lallemant®) versichert, dass es am Rio negro in Brasilien noch Cannibalen
gebe, die ihre Feinde brieten und verzehrten. Von den Araras am Rio da Madeira sei es
vor einigen Jahren amtlich in Rio de Janeiro berichtet worden. Ebenso sei vor Kurzem die
an einem Weissen geübte Menschenfresserei der Botokuden des Rio doce von einem Augen-
zeugen, der bei dem entsetzlichen Anblicke entfloh, erzählt worden. Eine spätere Mitthei-
lung*) bestätigt, dass die Brasilianer noch Menschenfresser sind. Ein Botokude sagte, wir
essen Affen, warum nicht Menschen, wenn sie todt sind! Es wird darauf hingewiosen, Hass
es den Brasilianern an leicht zu jagenden Thieren fehle, denn das Pekari ist sehr scheu und
der Tapir flüchtet ins Wasser, während die Nordamerikaner auf Bisons, Hirsche und Biber
Jagd machen, den Bewohnern der Cordilleren die Lamas, den Südafrikanern die Antilopen
in zahlreichen Heerden zu Gebote stehen. So scheint Mangel an Fleischnahrung in Brasilien
wie auf den Siidseeinseln eine Ursache des Cannibalismus zu sein, und für solche Gegenden
wird die Einführung und weitere Vorbreitung dos Schweines ein wahrer Segen und ein Mittel
zur Cnltor sein; es hält die Seereise von allen Thieren am besten aus, ist im Fressen nicht
wälderisch und kommt auch im Urwalde leicht fort. Unter den amerikanischen Völkern
r! Ausland, 1851, Nr. 158. — 3l 0. Klemm, Allg, Cnlturwiseenschafi. II. Leipzig 1655. S. 173. — -'t De
utriiisquc Indiae hist. nat. et med. 1. XIV. Amtl. 1658. — 4) W. v. Zi mm ermann, die Erde und ihre Bewoh-
ner, Stuttg. 18 JO. 7. Theil, S. 45. — ft) Ausland, 1860, Nr. 49. — ®) Aualand, 1664. Nr. 35.
Archiv für Anthropologie, Bd. IT. Heft III. 33
Digitized by Google
258
H. Schaaffhausen,
hatten es die Caraiben so weit gebracht, dass sie Knaben raubten und entmannten, utn sie,
wie Capaunen, fett zu füttern. Das Fleisch der Spanier, versicherten sie, schmecke schlecht,
es sei sehr bitter und wer davon esse, werde krank. Auch die Feinschmecker auf den Neu-
Hebriden geben an, dass das Fleisch der Farbigen besser und nicht so salzig schmecke, wie
das der Weissen, und die Afrikaner im Sudan behaupteten nach liatuta dasselbe. Die Carai-
ben und Arowaken schnitten spätor dem besiegten Feinde nur den Arm ab, trockneten ihn
am Feuer und legten bei den Freudenmahlcn auf jeden Kossabikuchcn ein Stück Wild und
ein Stückchen von dem Menschenarm. Der Missionär C. Quandt fügt hinzu: die Arowaken
essen es nur mit Widerwillen.
Ueber den Cannibalismus in Afrika hatten wir lange Zeit nur ältere Nachrichten; ver-
einzelten Angaben neuerer Reisenden wurde kein Glaube geschenkt. So sagt Waitz1): „Ab-
gesehen von einzelnen Beispielen im Kriege und von den öffentlichen Festen in Dahomey,
bei denen das Essen von Menschen fleisch nach Norris ein wesentlicher Theil der Feier selbst
ist, giebt es neuerdings nur zweifelhafte Fälle von Cannibalismus in den Negorländem. Trotz
verschiedener Nachrichten ist es hinreichend festgestellt, dass die Neger sich gegenseitig als
Cannibalen bei den Weissen zu verleumden pflegen, um diese vom weiteren Vordringen ins
Innere abzuschrecken.“ So urtheilt auch Hecquard. Dagegen vermuthet Russegger, es
gebe wohl doch wegen der immer wioderkohrenden Erzählung der Eingeborenen irgendwo
ein Cannibalenvolk. Waitz thcilt diese Ansicht nicht, weil der Cannibalismus von den Negern
überall mit Abscheu betrachtet werde und meint, die weite Verbreitung der Sage erkläre sich
aus der Vorliebe des Nogors für das Ungeheuerliche und Wunderbare, wofür auch die Fabeln
von Zwergen und geschwänzten Menschen sprächen. Der Erwähnung wertb ist wohl die
Thatsache, dass das Wegführen so vieler Neger, die nie wiederkehren, durch Weisse, das
Betasten ihres Körpers anf den Sklavenmärkten die Neger des Binnenlandes auf den Gedan-
ken brachte, die Weissen seien Menschenfresser. Ibn Batuta, der grösste arabische Reisende
im 14. Jahrhundert, spricht von einem Volke menschenfressender Neger in Centralafrika.
Er erzählt, dass sie bisweilen nach Melli im Sudan kommen und bei einer solchen Gelegenheit
eine vom Sultan ihnen geschenkte Sklavin verzehrten, dass sie den Busen und die Hände
der Frauen für die grössten Leckerbissen am menschlichen Leibe erklärten , dagegen das
Fleisch der Weissen als unreif verschmähten. Pigafetta theilt in der nach den Mittheilungen
des Portugiesen E. Lopez verfassten Beschreibung des Königreichs Congo mit, dass jenseits
dieses Landes ein Volk von unglaublicher Wildheit, die Anziquen, lebe, die einander aufessen
und weder Freunde noch Verwandte schonen. „Ihre Fleischläden sind mit Menschenfleisch
gefüllt statt mit Ochsen- oder Schaaffleisch , denn sie essen die Feinde, die sie im Kampfe
gefangen nehmen. Sie mästen , schlachten und verzehren auch ihre Sklaven , wenn sie nicht
glauben, einen guten Preis für sie zu erhalten; überdies bieten sie »ich zuweilen aus Lebens-
müdigkeit seihst als Speise an, denn sie halten es für etwas Grosses oder für das Zeichen ’
einer edlen Seele, das Loben zu verachten.“ Das erinnert an Strabo’s Bericht über die
Massageten. Von den Jaggas, die jenseits Angola wohnen und wohl ein den Anziquen ver-
J1 Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker. II. Leipiig 1SS0. h. IGfi.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 25!l
wandtes Volk sind, wird im 17. Jahrhundert von A. Battell und Anderen in gleicher Weise
erzählt, dass sie in ihren Fleischerläden Menschenfleisch feil halten. Sie sollen zu solcher
Wildheit von einer Königin erzogen worden sein, die, um sie in ihrer Grausamkeit zu bestär-
ken, sich selbst den Säugling von dor Brust riss und in einem Mörser zerstampfte. Aus die-
sem Brei liess sie eine Salbe kochen und bestrich sich und ihre vornehmsten Krieger damit
unter dem Vorgeben, dies schütze gegen Todesgefahr und mache unbezwingbar. Die Jaggas
mussten von ihren Kindern ähnliche Salben bereiten, sie mussten geloben, Menschenfleisch zu
essen , weil nur dieses den grössten Math und die grösste Stärke gebe. Von der Tochter des
Königs von Angola, die Herrscherin und Priesterin der Jaggas war, wird noch berichtet, dass
sie ihre Liebhaber vor Entdeckung ihres geheimen Umgangs mit eigener Hand den Göttern
opferte •), Huxley ’) hat aus der im Jahre 1598 in Frankfurt a. M. erschienenen Ausgabe des
Werke« von Pigafetta das Bild eines Fleischerladens der Anziijuen at drucken lassen und
macht darauf aufmerksam, in wie vielen Einzelheiten diese Angaben mit dem Anfangs mit
Misstrauen aufgenommenen Berichte des du Chaillu über die Fanneger am Gaboon überein-
stimmen. Dieser erzählt: „Es begegnete uns eine Frau, die ein Stück eines menschlichen
Schenkels trug, genau so wie wir zu Markte gehen, und von dort einen Braten oder ein
Beefsteak mitbringen würden. Als ich einmal mit dom Könige sprach, brachten einige Frauen
einen Leichnam, den sie in einer benachbarten Stadt gekauft batten und der jetzt getheilt
werden sollte. Ich konnte sehen, dass der Mann an einer Krankheit gestorben war. Die
Leichen von Personen, die an einer Krankheit gestorben sind, zu essen, ist eine Art C'anni-
balismus, von der ich nie gehört hatte, so dass ich beschloss, nachzufragen, ob dies wirklich
Sitte oder nur ein Ausnahmsfall sei. Sie sprachen ohne alle Scheu von der ganzen Sache,
und ich erfuhr, dass sie beständig die Todten von dem Oslieta- Stamme und diese dagegen
die von den Fan kaufen.“ In seinem zweiten Berichte sagt du Chaillu*) noch von den Fan-
negern: sie schlachten keine Menschen, sondern verzehren nur solche, welche von benachbar-
ten Stämmen gekauft und eines natürlichen Todes gestorben sind. Für einen ganzen Leich-
nam geben sie einen Elephantenzalm. Mensehenfleisch wird auch von Weibern umhergetragen
und in mehr oder weniger grossen Stücken verkauft. Wenn die Fanneger mit den Volks-
stämmen verwandt sind, über die uns die Nachrichten aus dem 14. und 15. Jahrhundert über-
liefert sind, so läge hier der Fall vor, dass im Laufe der Jahrhunderte eine Milderung der
rohen Sitte, Menschenfleisch zu essen, eingetreten sei. In einem Briefe vom 30. Mai 18Ö9 hatte
Livingstone ans Udschidschi geschrieben, dass er im Begriffe sei, in ein von menschenfres-
senden Negern bewohntes Land zu reisen, so dass man beim Ausbleiben fernerer Nachrichten
in Sorge Ulier sein Schicksal gerieth. Bei den Aschantis, bei denen Menschenopfer noch
immer in schauderhaftem Masse gebracht worden, ist dennoch der Genuss des Menschen-
fleisches selten. Bowdich 4) giebt an, dass die Ketiachmänner, welche dem Heere folgen, eini-
gen Feinden das Herz ausschneiden , und mit Zaubersprüchen und geweihten Kräutern alle
die davon essen lassen , welche noch nie einen Feind zuvor getödtet haben. Man vertraute
■) W. von Zimmermann, a s. (>., 1. Thl., S. 91. — s) Th. H. Huxley, Zeugnisse für die Stellung de*
Menschen in der Natur, deutsch von V. Carus. Braunschweig. 19113, S. 02. — 3) A journey to Ashaogo Land.
London 1887. — *} Orube, Geographische Charakterbilder. II. Leipzig 1853, S, 280.
33*
Digitized by Google
2<;o
H. Schaaffhausen,
ibin als ein Geheimnis*, dass der König und seine Grossen das Herz eines berühmten Feindes
unter sich getheilt hätten. Grosses Aufsehen erregte in .neuester Zeit die Mittheilung Uber
Anthropophagenhöhlen im Lande der Basutos in Siidostafrika *)■ Bowker ging mit seinen
Begleiten! von Thaba Bosigo aus durch ein enges Thal aufwärts, längs dun Boreabergen nach
der alten verlassenen Mission Caua, wo Eingeborene als Führer nach den zwei Meilen ent-
fern teil Höhlen mitgenommen wurden. Nun ging es auf Händen und Füssen einen steilen
Pfad hinab, nicht ohne Gefahr, bis sic aut einen kleinen Grasplatz kamen, wo man, ohne
sich zu halten, stehen konnte. Von hier sah man in eine grossartige aber ausserordentlich
wilde Landschaft, Unter einem Uberhängonden Felsen lag die Höhle, deren Eingang einen
weiten von der Natur gewölbten Bogen bildet. Sie ist etwa 130 Yards hoch und 100 Yards
breit. Hie Hecke ist vom Rauch der Feuer geschwärzt, welche die früheren Bewohner der-
selben angezündet hatten. Auf dem Boden lagen Haufen menschlicher Gebeine theils über-
einander geschichtet, theils überall zerstreut und vor der Höhle auf dem Felsenabhang war
der Grund ganz weiss von bleichenden menschlichen Knochen und Schädeln , diese waren
besonders zahlreich und meist solche von Kindern und jungen Personen. Diese Ueberresto
erzählten nur zu deutlich, wozu sie hatten dienen müssen, denn sie waren zerhackt und in
Stücke geschlagen, wie es schien mittelst stumpfer Beile oder geschärfter Steine. Hie Mark-
knochen waren gespalten, die Gelenkenden nber ganz geblieben. Nur sehr wenige Knochen
zeigten Spuren des Feuers, zum Beweise, dass man die gekochte Speise der gebratenen vorzog.
Mit seltsamen Gefühlen durchwanderte er die grausige Grabstätte und betrachtete Alles mit
Aufmerksamkeit. Man zeigte ihm eine Stelle mit rauhen unregelmässigen Stufen, dio in das
Innere der Höhle zu einer dunkeln Gallcrie führten; hier sagte inan ihm, wurden dio unglück-
lichen Schlachtopfer aufluiwahrt, bis auch an sie die Reihe kam. Es war unmöglich von hier
zu entrinnen, ohne durch die Mitte der Höhle zu kommen. So schrecklich dios Alles erschei-
nen muss, so giebt es doch für Wilde, die vom äussersten Hunger getrieben werden, ihre
gefangenen Feinde zu tödten und zu verzehren, eine gewisse Entschuldigung. Aber mit die-
sem Volke verhielt es sicli anders, denn es liewohnte ein fruchtbares und an Wild reiches
Land. Aber trotz alledem machten sic nicht blos Jagd auf ihre Feinde, sondern Einer stellte
dem Andern nach und viele ihrer Gefangenen gehörten dem eigenen Stamme an, und, was
schlimmer ist, wenn cs an anderen Opfern mangelte, vergriffen sie sieh an ihren eigenen Wei-
hern und Kindern. Ein träges oder zanksüchtiges Weib wurde schnell beseitigt, ein Kind,
das immer schrie, wurde still gemacht, Kranke und Schwache wurden schnell ums Leben
gebracht. Solche Gräuel herrschten bei diesem Volke, und wiewohl man angieht, dass es seit
vielen Jahren den Cannibalismus aufgegeben, so überzeugte sich der Berichterstatter doch,
dass einige der menschlichen Gebeine ein sehr frisches Aussehen hatten, dieselben gehörten
einem grossen und starken Manne an mit sehr festem Schädel, an den Gelenkenden war noch
Fett bemerkbar, er schien erst vor einigen Monaten seinem Schicksal erlegen zu sein. Diese
Höhle ist oino der grössten in der Gegend mul wurde als der Hauptsitz der Cannibalen
bezeichnet, aber die ganze Gegend vom Moluta bis zum t'aledon, auch ein Theil vom Fluss-
M The läve-lannibal« of Suuth-Africa, by J. II. Bowker. Pr, Bleek and Pr. J. Beddoe. Anthrop.
Beview XXV, (i. 121.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 261
gebiet des Putesana war vor 30 Jahren von Menschenfressern bewohnt, die der Schrecken der
nniwohnenden Stämme waren. Sie schickten Jäger aus, die zwischen den Kelsen und Büschen
in der Nähe von Pfaden oder Tränkeplätzen sich in den Hinterhalt legten und die vorbei-
kommenden Krauen und Kinder oder Reisenden auffingen. Noch sind viele dieser alten
Cannibalen am Leben. Bowker wurde mit einem bekannt, der etwa 60 Jahre alt war und
noch in der Nähe wohnte. Als er jung war und in der Höhle hauste, fing er auf einem
seiner Ausflüge drei junge Weiber, von diesen nahm er die schönste zu seiner Gefährtin, und
verspeiste die anderen. Er besuchte auch mehrere Cannihalenhöhlen nahe den Quellen des
Caledon, diese sind noch bewohnt, aber die Gräuel haben aufgehört. Boi einer derselben
erzählte ihm ein alter Wilder, dass er vordem wohl 30 Menschen gekocht habe, er schien
nicht zufrieden damit, dass man die alte Lebensweise abgeschafft hatte. Einst wurde mit
anderen Gefangenen auch ein junges schönes Mädchen in die Höhle gebracht. Man schonte
sie und sie wurde das Weib eines der Cannibalen. Nach einiger Zeit vernahm ihr Vater,
dass sie noch lebe, und mit Hülfe eines Missionärs gelang es ihm , sie gegen ein Lösegeld
von 6 Oclisen zu befreien. Aber sie blieb nicht lange zu Hause, sondern verschwand wieder.
Eie war aus eigenem Entschlüsse zu den Kreunden in der Höhle zurückgekehrt. Früher
waren auch die Löwen in dieser Gegend häufig und zogen zuweilen das Men.schenfleisch dem
der wilden Thiere vor. Das entmenschte Volk legte Fallgruben an, in die es als Köder
lebende kleine Kinder setzte, deren Geschrei den Löwen lockte, der dann in die Falle ging,
aber das Kind verschlang. Eine alte Frau bei Thaha Bosigo erzählte ihm, dass man sie als
Kind in eine Fallgrube gelegt, die Löwen seien aber nicht gekommen und so sei sie gerettet
worden. Die Bewohner aller dieser Höhlen sind Unterthanen des Häuptlings Moschesch, den
es grosse Anstrengung kostete, den CannibalismuB bei ihnen auszurotten. Endlich gelang es
ihm ; die früheren Menschenfresser sind Viehzüchter , zum Theil auch Viehdiebe und selbst
Ackerbauer geworden. Diesem merkwürdigen Berichte hat Dr. Bleek Folgendes hinzugefügt:
lieber diese Cannibalen nordöstlich von Thaba Bosigo geben auch Arbousset und Daumas1)
Nachricht, sowie Edw. Solomon*). Nach diesem waren vier Stämme dem Cannibalismus
ergelten, wovon zwei zu den Betschuanas und zwei zu den Kafirs gehören. Sie sollen erst
Cannibalen geworden sein durch die verheerenden Kriege, welche vor 50 Jahren diese Ge-
genden Afrikas heimgesucht haben. Nachdem die Begierde nach Menschenfleisch einmal
erwacht war, wurde der Genuss auch dann nicht aufgegeben, als die Noth vorüber war. Es
ist jedoch auch möglich, dass der Cannibalismus in diesen Gegenden weit älter ist. Die ein-
heimische Literatur der Zulus und iler Betschuana enthält eine Menge von Anspielungen
auf die monschenfressenden Amazimu und Marimo. In den von Dr. Callaway herausgege-
benen Ammenmährchen der Zulus spielen Riesen und menschenfressende Hexen dieselbe
Rolle wie in unseren europäischen Sagen. In einer Geschichte wird erzählt, wie ein Monn,
der von den Cannibalen ergriffen ist, es zu machen weiss, dass diese nicht ihn, sondern ihre
eigene Mutter aufessen. Wie ein Eingeborener dem Dr. Callaway berichtete , lebten die
Amazimu von anderen Menschen abgeschieden in den Bergen. Als das Land verwüstet
Ü Arbousset et Daumas, Relation dün royage d'explorat- au Nord-est de !a Cd. du Cap de Bonne-
Ksptr. Paris 1842, VII, pag. 105.— *) E. Solanum, Two Lecturea on tbe native tribee of the Interior. Cap«
Town, 1855, p. 02.
Digitized by Google
262
II. Schaaffhausen,
war und grosse Ilungersnoth herrschte, entstand die Begierde nach Menschenfleiseh. Die,
welche Uber andere herfielen und sie verzehrten, nannte man Amazimu, d. h. die Gefrässigen.
Diese Leute wurden bald als ein besonderes Volk betrachtet, welches auf Menschen Jagd
machte. Sie hatten ihro Aecker und Heerden und Häuser verlassen und wohnten in Höhlen.
Hierher brachten sie ihre Opfer und zogen dann wieder auf Beute aus. Trafen sie einen
Menschen, der allein war, so lockten sie ihn und thaten freundlich mit ihm, so dass er nichts
Böses ahnte, bis sie Uber ihn herfielen. Mit Anderen kämpften sie. Viele flohen vor ihnen,
weil ihr Aussehen schrecklich war, aber die Amazimu waren schnell im Laufe und holten sie
ein. Dr. Callaway befindet sich aber in dem Irrthum zu glauben, diese Erzählungen von
Cannibalen in Südafrika seien meist nur Erinnerungen an die Einfalle der Sklavenjäger.
Dr. Boddoo gicbt noch folgenden Zusatz zu diesen Nachrichten: „Ein Engländer, der die
Höhlen im Decembor 1868 besuchte, bemerkt, dass die Cannibalen den Menschen nach einer
gewissen Regel, wie der Fleischer das Schaaf, in Stücko hieben; jeder Schädel ist mit einem
Beil in der Gegend der Nasenwurzel auseinander gehauen, die Kiefer wurden weggeworfen
und das Hirn durch ein in den Schädel geschlagenes Loch herausgenommen; die Rippen
wurden durchgeschlagen in den Kochtopf gethan, die langen Knochen gespalten, um das
Mark herauszunehmen. An vielen Knochen war der Knorpel noch vorhanden und man sah
die Spuren des Messers, womit am Schädel das Fleisch in Streifen war abgelöst worden. Die
Europäer, die in dem Angriff auf Thaba Bosigo fielen, wurden sofort gefressen in dem Glau-
ben, dass ihr Muth in den Leib derer übergehe, die sie verschlangen. Ein Basuto gab an,
dass die Cannibalen Weiase und Schwarze von anderen Stämmen verzehrten, aber keine Hot-
tentotten und keine Mischlinge. Sie assen Herz und Lelier, thaten das Ilirn in einen Lappen
und brieten es in heisser Asche, dies geschah in guter Jahreszeit, wenn Mangel herrschte
assen sie den ganzen Körper. Noch im letzten Kriege wurden alle Weisse, die in ihre Hände
fielen, verzehrt. So versicherte der Basuto, der selbst nie Menschenfleiseh gegessen, aber
Andere es hatte essen sehen.“ Diese Mittheilungen, deren Wahrheit ohne allen Grund ange-
zweifelt worden ist1), sind um so werthvollor, als sie Uber den entsetzlichen Gebrauch so
viele Einzelnheiten enthalten, wie sie uns aus keiner andern Nachricht bekannt geworden
sind.
Es muss auffallen, dass aus dem Festlande von Asien die Berichte Uber Menschenfresserei
«ähr selten sind. Die schon im fernsten Altertbume zu hoher Entwickelung gekommene Cul-
tur hat hier früher zur Abschaffung so roher Gebräuche geführt als in anderen Ländern.
Wie später die Römer vielfach bei europäischen Völkern grausame Sitten beseitigt, so halten
die alten Perser dies bei den asiatischen Völkern gethan. Hat doch die Lehre des Zoroaster
auch auf die Religion der Hebräer mit ihrem blutigen Gottesdienste während der babyloni-
schen Gefangenschaft ihren heilsamen Einfluss geübt. Aber es fehlt doch nicht an Andeutun-
gen, die auf eine frühere Verbreitung des Caimibalismus in Asien schliessen lassen. Martin
Behaim erzählt schon 14f)2 von dem Königreich Dageram auf Java, dass man dort die Kran-
ken bei Zeit erstieke und die Freunde das Fleisch desselben mit grosser Freude verzehren
damit es nicht den Würmern zu Theil werde. Die Battns auf Sumatra sollen nicht malayi-
'( Ausland. 1669, Nr. 41.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 263
sehen , sondern indoeuropäischen Ursprungs sein. Auch ihr Cannibalismus lässt sich weiter
zurückverfolgen , als es in den bereits angegebenen neueren Nachrichten geschehen ist. Der
Venezianer Conti berichtet schon im 15. Jahrhundert von den Bewohnern Sumatras, die er
Barech nennt, dass sie Menschenfleisch essen und mit Menschenschädeln Handel treiben,
indem sie sich ihrer statt des Geldes bedienten. Im vorigen Jahrhundert erzählt Marsden
die Hinrichtung der Verbrecher und Gefangenen in ähnlicher Weise wie die neueren Reisen-
den, doch wird das Opfer erst durch Lanzenstiche tödtlich verwundet, und die Wildheit Ein-
zelner ist so gross, dass sie mit den Zähnen demselben das Fleisch vom Leibe reissen. Beson-
ders wichtig aber ist und scheint auf die ältesten indischen Gebräuche bezogen werden zu dürfen,
dass, wie Leyden angiebt, die Battas selbst versicherten, dass sie häufig ihre eigenen Ver-
wandten, wenn sie alt und schwach werden, verspeisen, und zwar nicht, um ihren Geschmack
zu befriedigen, sondern um eine fromme Sitte zu vollbringen. Schwache und der Welt über-
drüssige Leute sollen zuweilen ihre eigenen Kinder einladen, sie zu essen. Eine solche Person
besteigt zur Zeit der Citronenemte einen Baum , um welchen sich Freunde und Angehörige
versammeln und einen Todtengesang anstimmen des Inhalts: „Die Zeit ist gekommen, die
Frucht ist reif, sie muss herab.“ Das Opfer steigt dann herunter, erleidet den Tod und wird
bei einem feierlichen Mahle verzehrt Vielleicht darf man auf die Battas, der Aehnlicbkeit
des Namens wegen, die Stelle des Horodot *) beziehen, woriu er sagt, dass ein östlich woh-
nendes indisches Volk, die Padäer, die Kranken tödte und Vorspeise. Nach Leyden fand
Menschenfresserei auch hei einer Bettlerklasse in Bengalen und anderen Gegenden Indiens, die
Agorah Punth genannt wird, statt. Zimmenannn’) bemerkt, dass diese Nachriohten einiges
Licht auf die den Zigeunern früher vorgeworfene Menschenfresserei werfen, die eine alte aus
Indien mitgebrachte Sitte gewesen sein könnte. Schon Grellmann hat diese den Zigeunern
in Ungarn gemachte Beschuldigung in Zweifel gezogen. Crawfurd*) hält selbst den indi-
schen Ursprung der Zigeuner für zweifelhaft Mehrfach aber ist von den eingeborenen Stäm-
men Indiens der Cannibalismus berichtet worden, wie auch das Menschenopfer bei ihnen noch
nicht ganz verschwunden ist Nach Gairdner lebt 50 Stunden von Calcutta in den Bergen
noch eine Völkerschaft, die dem Genüsse von Menschen fleisch nicht widerstehen kann. In
dem neuen, auf Kosten der ostindischen Regierung herausgegobenen Werke von J. Larbes
und J. W. Kaye über die Völker Indiens werden die Aghori, gewiss derselbe Stamm, den
Leyden Agorah nennt aLs Cannibalen bezeichnet, sie trinken aus Menschenschädeln. Dabei
wird an das romanische Wort ogre erinnert, welches Menschenfresser bedeutet Nach Ellis
sollen auch die Navas in den Gebirgen Hinterindiens in Hungerjahren Menschen verzehren.
Ueber den Cannibalismus mongolischer Völker ist wenig bekannt. Wenn Jakuten und Tungusen
die Nachgeburt ihrer entbundenen Weiber gebraten oder gekocht gemessen, so geschieht dies aus
religiösem Aberglauben. Auch die alten Hebräer und brasilianische Wilde assen dieselbe. Nach
einer älteren Nachricht •) soll das Wort Samojede „Selbstesser“ oder „Menschenfresser“ bedeuten,
nach Adelung ist es finnisch und heisst: „Suinpfbewohner“, nach Leb rb erg russisch und bedeu-
tet „S&lmenesser“. Die Ostiaken, vom Stamme der Samojeden, haben vor einigen Jahren noch.
i) Herodot III, 99. — *) W. von Zimmermann o. a.O.. 17, Thl., $. 50. — Ausland, 1863, Nr. 43. —
M Prichard, Naturg- des Menschengeschlechts, HI. 2. Leipzig 131?. S. 442.
Digitized by Google
264
H. Schaffhausen,
wie von Eichwald ') berichtet, bei einer Hungersnoth ihre eigenen Kinder verzehrt. Dass bei
Belagerungen und Hungersnoth schon im vierten und fünften Jahrhundert vor Chr. in China
Menschenfresserei geübt wurde, ist aus altchinesischen Schriften kürzlich mitgetheilt worden ').
Es war keine unrichtige Voraussetzung, wenn inan bei Auffindung von Resten des Men-
schen aus der ältesten Vorzeit auch Bcwoise des Caunibalismus zu finden erwartete, denn
auch in vielen anderen Beziehungen gleicht der Urmensch Europas dem heutigen Wilden und
die ältesten Sagen der Menschheit gedonken dieses Gräuels. Ich hatte schon früher es aus-
gesprochen *) , dass man die Sitten der noch jetzt lebenden wilden Völker benutzen müsse,
um sich ein Bild von den Anfängen unserer eigenen Cultur entwerfen zu können, und als
man die merkwürdigen üeberbleibsel des Menschen in einer Höhle des Neandcrthales fand,
bemerkte ich, dass dieselben ein unerwartetes Licht auf dio Nachrichten der alten Schrift-
steller über die früheren Bewohner des nördlichen Europa werfen , die meist als Cannibalen
geschildert werden, und dass sie ans den geschichtlichen Hintergrund der noch im Volke
lebenden Sagen und Mährchon vom Menschenfresser erkennen lassen1). Auch Lubbock und
Quatrefages haben später darauf hingewiesen , dass man die Lebensweise des Urmenschen
aus den Zuständen der heutigen Wilden zu erklären habe.
Wenn aber W. Grimm*) die Sage von Polyphem, die sich auch in Persien und der Tar-
tarei, bei den Serben und Rumänen, bei den Estlien und Finnen, in Norwegen und Deutsch-
land wiederfindet, nur als ein Beispiel der Verbreitung und Fortdauer dichterischer Ueber-
lieferung bezeichnet und der Meinung ist, dass die ganze Dichtung, gleich der Sage von
Riesen und Zwergen , den Kampf der Elemente in der Natur, den des Himmels und der
Unterwelt, der Gewalt und der List schildere, so übersieht der gelehrte Sprachforscher dabei,
dass diese Sage wohl als eine Erinnerung an den von Höhlenbewohnern wirklich ausgeübten
Cannibalismus zu betrachten ist, die von dem dichtenden Volksgeiste nur ein mythisches Ge-
wand erhalten hat. Das eine Auge des Cyklopen bedeutet nach Grimm das göttliche Welt-
auge, die Sonne. Auch Odin ist einäugig und auf der Akropolis von Argos stand ein altes
geschnitztes Uolzbild des Zeus, welches zwei gewöhnliche Augen und ein drittes auf der Stirn
hatte *). Die übereinstimmende Form der Sage bei den genannten Völkern beweist den
gemeinschaftlichen Ursprung. Auch andere griechische Mythen finden sich bei nordischen
Völkern wieder; in der norwegischen Sage von drei Riesen, die nur ein gemeinschaftliches
Auge haben, sind die drei Gräen wieder zu erkennen, in der Finstemiss lebende Jungfrauen,
die nur ein Auge haben, das sie sich leihen *). Deutlicher noch als die Sage von Polyphem ist
das deutsche Mährchen vom Menschenfresser, der drei Kinder schlachtet und einsalzt, die
dann der h. Nikolas wieder lebendig macht, auf solche Gräuel zu beziehen, die der Einführung
des Christenthums weichen mussten.
Die thatsächlichen Beweise für den Cannibalismus der Vorzeit, der ein Gegenstand der
Verhandlungen des anthropologischen Congresses in Paris war*), sind noch nicht so zahlreich
J) bericht über den internst, Congresa für Allertbumsknnde und beschichte in Bonn, 1868, S. 14. — *1 Aua-
land, 1800, Nr. 61. — *) lieber die Entwickelung des Menschengeschlecht*. Amtl. Bericht über die Versammlung
der Naturforscher und Aerrte in Bonn ira Jahre 1867. — *J Müller'a Archiv, 1858, V. — 6) Philosophische und histo-
rische Abhandlungen der kdnigt. Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1857. — f) Pausanias II,
21, 3. — ~j Aeschylua, Prometh. 707. — Cungrea intemation. d'Anthrop. ct d'Archeol. p rehist Paris 1868.
p. 158.
Digitized by Google
265
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
vorhanden, als es häufig angegeben wird, und bei der Deutung derartiger Beobachtungen ist
die grösste Vorsicht nüthig. Die erste Angabe machte Spring, der zwischen den seit 1842 in
der Höhle von Chauvaux gefundenen Knochen von noch lebenden Thieren, als vom Ochs, Hirsch,
Schaaf, Schwein, Hase, Hund, Marder, kleinen Nagern und Vögeln, menschliche Gebeine ent-
deckte, von denen die Markknochen ebenso wie die der Tbiere in grössere und kleinere Stücke
zerbrochen waren, wie um das Mark herauszunchmen, und zerstreut umher lagen. Es fanden
sich nur Knochen von Kindern und jungen Personen, aber kein Knochen eines Erwachsenen,
ferner Stücke gebrannten Thonos und Holzkohlen; in einem Scheitelbein steckte eine Stein-
waffo. Er schloss aus diesen Zeichen , dass hier ein Fall von Cannihalismus der alten Belgier
vorliege, prüfte alter wiederholt seine Beobachtungen und veröffentlichte sie erst nach einer
Reihe von Jahren '). Dennoch bleiben in Bezug auf diese Deutung noch einige Zweifel übrig.
In dem Berichte wird nicht gesagt, dass die Knochen vorzugsweise der Länge nach gespalten
seien, wie es zu geschehen pflegt, um das Mark herauszunehmen, auch findet sich keine Spur
des schabenden Messers im Markkanal. Die Bruchflächen sind nicht abgerundet, weil die
Knochen nicht im Wasser fortgerollt waren; aber können sie nicht in der Höhle begraben und
durch Raubthiere oder herabgestiirzte Steine später zerbrochen worden sein? Dass einige Kno-
chen angebrannt und verkohlt gewesen seien, wird in dem Berichte nicht gesagt, wiewohl in
neueren Anführungen des Fundes davon die Rede ist*). Spring sagt vielmehr, dass die Auf-
findung des unveränderten Knochenknorpels in vielen Stücken durch Stas ihn überzeugt habe,
diese Knochen seien nicht durch das Feuer calciuirt, was er vorher wegen ihrer leichten und
mürben Beschaffenheit vermuthet hatte. Aber auch der fast gänzliche Mangel organischer
Materie in fossilen Knochen beweist nicht, dass dieselben durch das Feuer calcinirt sind,
indem der Zutritt von Wasser und Luft allein ihnen dieselbe entziehen kann. Erst durch
eine briefliche Mittheilung Spring’s an mich vom 25. August dieses Jahres erfahre ich, da&s
wirklich einige Knochenstücke die Spuren des Feuers an sich tragen, indem sie zum Theil
verkohlt sind. Auch diese Thatsache ist für den Cannihalismus noch nicht entscheidend.
Ich selbst Bprach, als bei Uelde in Westphalen im Felde zwischen grossen aufgerichteten Steinen
eine bedeutende Anzahl menschlicher Knochen, die alle zerbrochen und zum Theil der Länge nach
gespalten waren und deutlich frische Bruchflächen mit mürben Rändern und alte acharfrandige
unterscheiden Hessen, mit Feuersteinmessern, knöchernen Geräthen und durchbohrten Thier-
zähnen nebst aufgeschlagenen Pferdeknochen gefunden wurden, die Vermuthung aus, dass
uns hier der Rest eines Cannibalenschmauses aufbewahrt sei, bis ich aus einem späteren von
mir erbetenen genauen Berichte über die Art der Auffindung erfuhr, dass 7 Jahre früher
dieselben Gebeine der alten Grabstätte, unter denen sich auch solche von Kindern befanden,
bereits einmal ausgegraben worden, und von den Landleuten, weil diese die erwarteten
Schätze dabei nicht fanden, in Stücke geschlagen und wieder begraben worden seien. Da
man also früher die festen Theile der Knochen mit Gewalt zerschlagen hatte, während bei
der letzten Auffindung vielfach die Knochen an ihren mürben Stellen zerbrochen waren, so
erklärten sich alle Umstände des Fundes1). Vogt wagte nicht, einen zerschlagenen mcnsch-
b Bullet de l'Aoad. royale, XX, S. Bruxellea 1853, p. 427. — 2t Revue des cours scientif. de 1& France et
de l’Etranp. Paris, 12 F6rr. 1870. — a) Verhandlungen des naturbistorischen Vereins. Bonn 1866. Correspon-
denzblatt 8. 64.
Archiv Ar Anthropologie, B<J IV. Hoft III. £4
Digitized by Google
266
H. Sc huaff hausen
liehen Radius, den Messikomer bei Robenhausen gefunden, als ein sicheres Zeichen desCanni-
balismus zu deuten. Dasselbe gilt von den zerbrochenen und zerstreut aufgefundenen Men-
schenknochen, die Roujou bei Villeneuve-Saint- Georges in der Nähe von Feuerstellen , wo
auch Thierknochen lagen, gefunden bat. ln der Höhle von Bruniquel fand de Lastic einen
Schädel mit eingeritzten Streifen auf der Oberfläche, als sei das Fleisch von ihm mit einem
scharfen Werkzeug abgeschabt worden. A. de Longpdrier warnt davor, in jedem zerbrochenen
oder bearbeiteten Menschenknochen einen Beweis des Cannibalismus finden zu wollen. Er
macht auf eine merkwürdige Art der Bestattung aufmerksam ; in Corsika bat man cylindri-
sche Kriige gefunden, in denen man die vorher zerbrochenen Gebeine der Todten bestattete
und sie dann dem Feuer aussetzte. Auch erwähnt er einen sehr alten menschlichen Knochen,
aus dem man eine Flöte gemacht hatte. Wenn er aber anführt, dass man aus Resten jugend-
licher Personen schon deshalb nicht auf religiösen Cannibalismus schliessen dürfe , weil man
zu Menschenopfern Greise bestimmt habe, so kann diese Angabe nur in beschränktem Sinne
richtig sein; wir wissen, dass bei vielen Völkern gerade das Opfern von Kindern, Jünglingen und
Jungfrauen üblich war. Clöment fand in den Pfahlbauten von St. Aubin durchbohrte und
bearbeitete Menschenknochen, sie lagen unter dem Eingang in den Pfahlbau, bIb seien sie,
vom Fleische befreit, senkrecht ins Wasser hinabgefallen; der Berichterstatter meint, dass die mit
den Weichtheilen versehenen Körper von der Strömung würden fortgeführt worden sein. Broca
sah ein menschliches Femur in der Sammlung von Clümcnt, an welchem die Markhöhle ver-
grös8ert und wie mit einem Instrument ausgetieft war. Worsaae theilte dem anthropolo-
gischen Congresse in Kopenhagen mit, dass er einen Dolmen bis unter den Deckstein so mit
Menschenknochen ungefüllt gefunden habe, dass man schliessen musste, es seien hier nicht
Leichen sondern Knochen bestattet worden. Am Boden zeigten sich Spuren dos Feuors und
angebrannte Thierknochen. Nicht fern von jenen lagen zerstreut in der Grabkammer auf-
geschlagene und angebrannte Menschenknochen. Die aufgeschlagenen sahen nach dem Ur-
theile Springs gerade so aus wie die aus der Höhle von Chauvaux. Steenstrup be-
merkte indessen, dass die langen Knochen der Säugethiere oft von selbst beim Verwittern
sich der Länge nach spalteten, und dass zum Beweise, sie seien im frischen Zustande aufge-
schlagon, man die Spur des Schlages finden müsse. Die Schädel aus diesem Dolmen, die ich
in Kopenhagen sah, waren an einzelnen Stellen stark verkoldt, im Uebrigen aber unver-
ändert, was mehr für eine zufällige als für eine absichtliche Verbrennung spricht. Worsaae
möchte diese Bestattung eher auf ein Menschenopfer als auf Cannibalismus beziehen. Zur
Annahme des letzteren sind Spuren des Feuers an den Knochen keine nothwendige Bedin-
gung, wir wissen, dass einige Menschenfresser wie die Basutos das Menschenfleisch gekocht
gemessen, andere gemessen es roh. Auch die Samojeden verzehren das Mark der frischen
Rennthierknochen im rohen Zustande. Neuerdings glaubt Garrigou1) in der Grotte von
Montesquieu- Avantes Spuren der Anthropophagie gefunden zu haben. Es lagen Knochen
von Wiederkäuern und vom Menschen zusammen, die in derselben Weise aufgcschlagen sind,
doch sind auch feine Striche eines schneidenden Werkzeugs daran sichtbar, einige sind zur
Hälfte verkohlt. Die menschlichen Reste sind Stücke des Schädels und der Glicdmassen-
! Comptes reiädua, 24 Jan. 1 870,
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 267
knochen, an diesen ist der Markkanal künstlich erweitert. Auch in einer Grotte auf der
Insel Galmeria wurden Steinwerkzeuge, Thier- und Menschenknochen von solcher Beschaffen-
heit zusammen gefunden *), dass sie nach Capellini mit Wahrscheinlichkeit als Beweise der
Anthropophagie anzusehen sind.
Das Menschenopfer ist bei allen rohen Völkern ein Theil des Gottesdienstes und erhält
sich oft bis in eine Zeit, wo dieselben in jeder anderen Beziehung schon einer vorgeschrit-
tenen Cnltur theilhaftig sind, denn die Fortbildung religiöser Ideen und Gebräuche geschieht
viel langsamer als jeder andere Fortschritt des menschlichen Geistes. Mau hat behauptet,
dem Menschenopfer liege die Vorstellung zu Grunde, dem Gotte Nahrung und Genuss darzu-
bieten. Dass es sich beim Opfern von Thieren so verhält, ist sehr wahrscheinlich, denn das
Opferfleisch wird bei Homer wie bei Moses8) mit Salz bestreut, um es schmackhafter zu
machen, und der Duft des bratenden Fleisches wird als dem Gotte wohlgefällig geschildert,
os ist in Fett gewickelt und Wein darauf gesprengt *). Häufig mögen diejenigen, welche Men-
schenopfer darbrachten, vorher Menschenfleisch gegessen haben; die gottesdienstliche Hand-
lung wurde vielleicht deshalb eingeführt , um den hässlichen Gebrauch auf seltene Fälle zu
beschränken. Oft wird auch bei Menschenopfern von dem Blute getrunken und von dem
Fleische gegessen und im alten Testamente werden die Menschenopfer geradezu Speise der
Götter genannt Auch hat schon F. A. Wolf4) wie viele neuere Schriftsteller das Menschen-
opfer auf den Cannibalismus zurückzufÜhren gesucht Man wird indessen nicht in Abrede
stellen können, dass es oft nur eine blutige Grausamkeit und ein wildes Rachegefuhl ist,
welches den überwundenen Feind dem Kriegsgotte zu Ehren schlachtet Alle Menschenopfer
sind gewiss nicht aus dem Cannibalismus entstanden. Vielen liegt die Vorstellung der Sühne
zu Grunde. Wie man einen Zürnenden oder den, welchen man beleidigt hat, mit Geschenken
überhäuft um seine Gunst wiederzugewinnen, so opfert man freiwillig das, was einem das
Liebste ist, um den strafenden Gott zu versöhnen, um ein Unglück abzuwenden. Die Erstlinge
der Pflanzen und Thiere werden ihm dargebracht oder der neugeborene noch von keiner
Schuld befleckte Säugling oder die reine Jungfrau, In dem Judenthum wird dieser Gedanke
sehr bestimmt ausgesprochen, denn der alte Gott der Juden ist ein zürnender Gott, den man
fürchten soll Im Buche Sohar heisst es: der Tod des Gerechten versöhnt die Sünden der
Welt1). Selbst Origenes glaubt noch, dass bei grossen Landplagen der freiwillige Tod eines
frommen Mannes die Gottheit versöhnen könne4). In den religiösen Vorstellungen unserer
Zeit sind die letzten Spuren dieser Anschauung noch nicht verschwunden, werden aber einer
höheren Auffassung des göttlichen Wesens weichen müssen. Wenn Plato sagt: Heute sehen
wir, dass Menschen geopfert werden, während man einst nicht einmal vom Binde essen mochte
und den Göttern keine Thiere opferte T), so konnte er nur altindische Satzungen, die den
Fleischgenuss verboten, im Sinne haben und kannte die Verbreitung der Menschenopfer bei
wilden Völkern nicht. In edlem Eifer ruft Plutarch aus: Nein, keinem der Wesen über uns
ist ein so verbrecherisches Opfer wohlgefällig; es walten nicht Typhonen und Giganten, son-
i) Le» Monde», 1870. Nr. 5. — ») 3. Buch Mo» 2, 18, — s) Odjruee III, 457. — 4| F. A. Wolf, T*rmi»ehto
Schriften. Halle 1802, 8. 271. — •) Ofrörer, Philo II, 198. — *) Origene» contra CeU. I, p. 549. Ed. Pari». —
T) Plato, De legibus VI, 22.
34*
Digitized by Google
268 H. Schaaffhausen,
dem ein Vater über Götter und Menschen thront über ans, Thorheit ist es, an niedere Götter
zu glauben, die sich an Menschenblut und Menschenmord weiden.
Dass in der alten Geschichte Aegyptens, welches mit Indien um die Ehre streitet, die
älteste Wiege der menschlichen Cuttur zu sein, mehr von der Abschaffung der Menschenopfer
als von ihrem Bestehen berichtet wird, kann nicht überraschen. Nach Manethon wurden
bis zum König Amasis in Aegypten täglich im Tempel zu Heliopolis drei Menschen dem Typhon
verbrannt. Als Amasis die Hyksos vertrieben hatte, schaffte er diese Opfer ab und liess statt
der Menschen täglich drei Kerzen verbrennen. Nach Diodor waren die Menschenopfer bei den
Aethiopiern, die Homer die besten der Menschen nennt und von denen Herodot1) sagt, das»
man sie in Aegypten für die schönsten und grössten Menschen halte, so in Abnahme gekom-
men, dass nur alle 600 Jahre zwei Menschen geopfert wurden; diese wurden aber nicht ge-
tödtet, sondern in einen Kahn auf einen Strom gesetzt, der nach Süden floss. Derselbe
Schriftsteller berichtet, dass die Könige von Aegypten ehemals am Grabe des Osiris Menschen
mit rotlien Haaren geopfert hätten, weil man glaubte, dass sie dem Typhon glichen9). Flutarch
erzählt, dass man in Aegypten an die Stelle des zu opfernden Menschen einen Stier gesetzt
habe. Diesem wurde ein Siegel aufgedrückt, auf dom ein Mensch in knieeuder Stellung, die
Hände auf den Rücken gebunden, mit einem Messer an dor Kehle abgebildet war. Der
König Busiris aber soll Fremde als Opfer geschlachtet und von ihrem Fleische gegessen haben.
Ueber die allgemeine Uebnng der Menschenopfor bei den alten Hebräern hat uns mit
Anführung der zahlreichsten Belege aus den mosaischen Schriften Ghillany4) aufgeklärt.
Das Menschenopfer war ein durch Moses anerkannter und wesentlicher Theil des öffentlichen
Gottesdienstes während der ganzen Dauer der Reiche Juda und Israel bis in die Zeit der
babylonischen Gefangenschaft. Erst den späteren Propheten gelang es, dasselbe abzuschaffen.
Der alte Gott der Juden ist ein Gott des Zornes und der Tücke, dessen Flüche uns mit
Schauder erfüllen1). Es kann uns nicht wundern, wenn seine Altäre von Menschenblut
rauchten, wie die der benachbarten Völker, der Cananitcr, Babylonier und Phönizier. Es ist
ein grosser Irrthum, wenn Scherr4) und Andere behaupten, die alten Juden hätten an kein
böses Princip geglaubt. Dass die fünf Bücher Mosis einen sehr verschiedenen Ursprung
haben, und wahrscheinlich mit Benutzung der ältesten Aufzeichnungen erst in der babyloni-
schen Gefangenschaft entstanden sind, dass dio herrschende Priosterkaste aber bemüht war,
die nun eingeführten Gesetze bis auf Moses zurückzuführen, um ihnen ein grösseres Ansehen
zu geben, dass also der Geist der späteren Propheten auf die ältesten Zeiten übertragen
wird, das darf als durch die kritischen Forschungen der neuern Zeit bewiesen angesehen wer-
den. Wie soll Moses der Verfassor der mosaischen Urkunde sein, da sein eigener Tod darin
berichtet wird, und die Sprache derselben ebenso vollendet ist wie die aus den letzten Zei-
ten des Reiches Juda. Dio strengen Verbote gegen Götzendienst und Menschenopfer, denen
das ganze Volk ergeben war, können nicht wirklich von Moses erlassen sein, denn als Moses
vom Sinai herabkommt , befiehlt er selbst Menschenopfer. Aaron's Söhne werden geopfert.
Auch hatte ja Gott selbst dem Abraham befohlen, seinen Sohn Isaak zu opfern. Ghillany
ü Herodot III, 20. — *) Diodor, Sicul. I, 88. — *) F. W. Ghillany, die Menschenopfer der alten Hebräer.
Nürnberg 1812. — *) 8. Buch Mo». 26, 24. 6. Bach, 28, 67. — 4) Scherr, Geschichte der Religion. Leipzig 1860,
II, S. 116.
Digitized by Google
269
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
deutet auch die Stelle, wo Jehova dem Moses befiehlt, die Häupter des Volkes vor der Sonne
aufzuhängen '), a's Menschenopfer, und erinnert daran, wie in anderen Priesterstaaten de«
Alterthums, zumal in Meroe, nach des Diodor Bericht der König geopfert wurde. Er ver-
muthet sogar, dass Aaron, der von Moses auf den Berg Hör geführt wird, wo er stirbt, von
Moses sei geopfert worden. Auch Moses stirbt auf dem Berge Abarim, der dem Baal Feor
heilig ist, was einem Vordachte über die Art seines Todes Raum giebt. Wenn die Propheten
stets den herrschenden Götzendienst als einen Abfall vom Glauben der Väter bezeichnen,
so fehlt uns jeder Beweis für die Annahme, die alten Hebräer hätten einst eine reinere Re-
ligion gehabt, sie übton vielmehr den grausamen Gottesdienst aller ihnen stammverwandten
Völker. Wie kann die Uebung einer besseren Religion, zu der sich schon ein ganzes Volk
erhoben, wieder bis zu den Gräueln des Menschenopfers herabsinkon und zwar so, das3 auch
der Versuch einer Wiedererhebung scheitert? Das wird in der Geschichte nirgends beobach-
tet, wohl aber ist das Gegentheil die Regel, nämlich dass die Barbarei der Bildung vorher-
geht. Mag auch der Monotheismus bei einzelnen Nomadenstämmen der patriarchalischen Zeit
Bich schon früh entwickelt haben8) und in Aegypten , wo Moses erzogen und nach Manethon
ein Priester von Heliopolis war, bewahrt und weiter gebildet worden sein, so haben doch
erst die späteren Propheten eine reine Gottesverehrung aufgestellt und es ist bedeutsam, dass
das Auftreten derselben in dieselbe Zeit fallt, in der sich die Lehre des Zoroaster in Medien
und Persien verbreitete. Wiewohl auch Renan erklärt, dass der Monotheismus sich in der
Geschichte Israels schon ein Jahrhundert vor der babylonischen Gefangenschaft deutlich nach-
weisen lasse, so wird doch fast allgemein zugegeben, dass der alte Glaube der Juden erst durch
den Einfluss der Zondreligion in Babylon sich veredelt und die Vorstellungen von guten und
bösen Engeln, von Himmel und Hölle, von Auferstehung der Todten, von Unsterblichkeit und
Weltgericht in sich aufgenommen habe. Den Bestrebungen der Propheten, den blutigen
Götzendienst auszurotton, kam auch die Herrschaft der Perser zu Hülfe, die kein Menschen-
opfer und kein Bild der Gottheit duldeten. Jeremias 3) eifert gegen die Menschenopfer, ebenso
Ezechiel <); dieser sagt, dass Jehova den Juden, angeblich um sie zu züchtigen, in der Wüste
ein Gesetz gegeben habe, welches nicht gut gewesen sei, nämlich das Gesetz, die Erstgeburt
zu opfern. Auch Micha 5) tadelt diese Opfer, Mehrfach fordert Jehova das Opfer der Erst-
geburt von Mensch und Vieh'*) Baal und Moloch werden als die Gottheiten genannt, deneu
Menschenopfer gebracht werden, einige Stellen sprechen von Menschenopfern, ohne einen Gott
namhaft zu machen; meist wird nicht einem Gotte, sondern den Göttern dies Opfer gebracht.
Jeremias sagt, dass die Juden dem Baal Kinder verbrennen. Jesaias’) deutet auf Kinder-
opfer, die unter grünen Bäumen gebracht werden und mit geschlechtlichen Ausschweifungen,
wahrscheinlich zu Ehren der babylonischen Aschera, verbunden sind. Derselben Opfer gedenkt
Ezechiel*). Ghillany macht darauf aufmerksam, dass, wenn von Menschenopfern in Thälem
die Rede ist, dieses auf Abwaschen der Hände und Geräthschaften mit fliessendem Wasser
deute. Der Gräuelbissen, von dem in den Schriften der Propheten die Rede ist9), darf auf
den gottesdienstlichen Genuss des Menschondeisches bezogen werden. Nur zwei Könige Judas,
*) 4. Buch Mu«. 26, 4. — -*)A. Röville, la religion primitive düsrael. Revue des deux mondes t. 83. Paris 18e9.
p. 76. — *) Jeremias 19, 6 und 32, 36. — 4) Ezechiel 20, 25. — 6) Micha 6, 7. — *) 2. Buch Mos. 13, 2 und 22,
29 und 30. — ’) Jesaias 67, 3. — B) Eseehiel 16, 36. — *) 2. Buch der Könige 18 bis 23.
Digitized by Google
270
H. Schaaffhausen,
Hi. skia und Josia ') versuchen den babylonischen Götzendienst abzuachaffen , aber es gelingt
ihnen nicht. Schon Hiskia’s Sohn Manassee führt den Götzendienst wieder ein und opfert
Beinen Sohn. Unter Josia findet man endlich eine angeblich uralte im Tempel aufbewahrte
schriftliche Urkunde, welche das neue Gesetz bestätigen soll; aber auch Josia's Sohn that
„was dem Herrn Übel gefiel, wie seine Väter gethan hatten“. Wie hat man je daran zweifeln
können, dass die alten Juden eine bo blutige Religion bekannten! Ghillany entwirft ein
erschreckendes Bild der ohne Unterlass geübten Menschenopfer. Abraham opfert den Isaak,
Moses opfert seinen Sohn, zur Feier der Gesetzgebung auf dem Sinai veranstalten die Israe-
liten ein grosses Menschenopfer. Aarons Söhne Nadab und Abihu werden geopfert. Zur
Sühne Jehova’s, der eine Fest gesandt hat, sterben israelitische Hauptleute den Opfertod, den,
wie es scheint, Aaron und Moses selbst erleiden. Josua’) opfert die gefangenen Könige,
Jephtha opfert seine Tochter. Samuel opfert eigenhändig den gefangenen wehrlosen Agag,
den König der Amalekiter. Als David die Bundeslade nach Jerusalem bringt, wird Usa
geopfert. David opfert die Kriegsgefangenen, die er auf den Boden hinstrecken lässt und mit
der Messschnur zur Hinrichtung abmisst. Zur Abwendung der Hungersnoth lässt David*)
Saul’s männliche Nachkommen opfern. Von diesem WTUthenden, der die gefangenen Feinde
zersägen, mit eisernen Keilen zerstückeln und verbrennen liess, können die Psalmen nicht
herrühren, deren erhabener Inhalt uns erbaut. Menschenopfer finden unter Salomo statt und
unter den Königen im Reiche Israel. Elia schlachtet mit eigner Hand 450 Priester des Baal.
Die Menschenopfer bleiben unter den Königen im Reiche Juda, wie in der babylonischen Ge-
fangenschaft! Alles, was die Juden cberem, „verbannt“, nannten und dem Jehova weihten,
musste getödtet werden, zumal die Kriegsgefangenen *). Die Uebereinstimmung des israeliti-
schen Gottesdienstes mit dem babylonischen und phönizischen geht aus allen uns erhaltenen
Berichten hervor. Jehova ist ursprünglich der Sonnengott; er wird mehrmals ein fressend
Feuer genannt; Moses verbot von ihm ein Bild zu machen. Auch im Tempel zu Hieropolis
in Syrien war kein Bild des Sonnengottes, nur sein Thron, auch die Syrer durften kein Bild
von Sonne und Mond machen , weil sie am Himmel sichtbar waren *). Ebenso war im Tem-
pel des Sonnengottes Bel auf dem babylonischen Thurm kein Bild des Gottes, aber ein Lager
und ein Tisch*), und auch die Perser hielten es für thörigt, Götterbilder, Tempel und Altäre
zu errichten, sie brachten auf den Gipfeln der Berge Opfer und riefen den ganzen Kreis des
Himmels als Zeuge an’). Herodot’s Beschreibung des Tempels in Babylon passt auf den in
Jerusalem, dort wie hier gab es einen grossen und einen kleinen goldenen Altar, auf jenem
wurden grosse Thiere, auf diesem nur Milch saugende Geschöpfe geopfert. Der Altar der He-
bräer hatte vier Stierhörner, dazwischen brannte das ewige Feuer. Erst Moses befahl ihn aus
Stein und Erde aufzurichten, ursprünglich war der Brandopferaltar aus Kupfer und hohl, und
erinnert an die Molochbilder der Phönizier, in deren Bauche die Opfer verbrannt wurden.
Jehova wurde von den Israeliten häufig unter dem Bildo des Stiers verehrt. Das ursprüng-
liche Bild des Baal bis zur babylonischen Gefangenschaft war eine steinerne Säule, vielleicht
ein Phallus. Bis zur Eroberung Jerusalems standen vor dem Tempel die beidon Phallen mit
') Jesaja* 65, 4. — •)) Jesu» 10,12. — *) 2. Bach Samnelia 21, 9. — *) S. Bach Ho*. 27, 28 and 20, 16.—
•) Luaina de dea Syr. 34. — •) Herodot 1, 181. — ’) Horodot I, 181.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 271
den Granatäpfeln, als Symbole des alten Götzendienstes. Herodot fand noch im 5. Jahr-
hundert vor C'hr. in Palästina Säulen mit weiblichen Schamgliedern, die Sesostris hatte er-
richten lassen. Wie David vor der Bundeslade tanzte, so gab es im Baaldienst Musik und
Tanz. Wie die Juden trauerten die Phönizier in Sack und Asche; und wie sie hielten auch
die Aegypter. das Schwein für unrein. Wenn Moses den Priestern gebietet Hosen zu tragen,
um die Scham zu bedecken so deutet dies, wie Gbillany meint, auf Entblössung der Scham
im Dienst des Baal-Peor. Die Propheten sind noch nackt, wenn sie prophezeien, wie von
Saul erzählt wird. Wie nach Herodot die babylonischen Weiber sich zu Ehren der Aschers
Preis geben, was man mit Böttiger für einen Ersatz des Menschenopfers halten kann, so
verbietet Moses *) den jüdischen Frauen sich um Lohn Preis zu geben und diesen Lohn für
den Tempel zu bestimmen, wie es noch in Indien geschieht. Das Paschafest der Hebräer ist das
phönizische Fest des Saturn, dem Menschenopfer gebracht wurden; später vertrat das Oster-
lamm die Stelle eines Menschen, wahrscheinlich eines unschuldigen Kindes. Ein Thieropfer als
Ersatz des Menschenopfers kommt im Alterthum wie bei wilden Völkern häufig vor. Gott sendet
dem Abraham einen Widder, den er statt des Isaak schlachtet, in Griechenland wird statt
der schönen Helena eine Kuh, statt der Iphigenia ein Hirsch, statt des Plirixus ebenfalls ein
Widder geopfert. Das Verbot, dass dem Paschalamme kein Bein gebrochen und das Fleisch
nicht roh gegessen werden durfte, bezieht Gbillany mit Recht auf den Genuss des Tohen
Fleisches und Markes in der ältesten Zeit. Dass vom Paschalamme mindestens ein Stück
von der Grösse einer Olive gegessen werden musste, als wenn es ein Gegenstand des Abscheus
sei, und dass Frauen nicht gezwungen waren, davon zu essen, deutet auf Gebräuche, wie sie
beim Menschenopfer üblich sind. Wenn Justinus Martyr angiebt, dass das Paschalamm
bei der Zubereitung zum Mahle mit zwei Bratspicsscn durchbohrt wurde, welche mit einan-
der ein Kreuz bildeten, so darf man auch diesen Umstand als auf die Kreuzigung eines
Menschen hinweisend deuten '). W as vom Paschalamme übrig blieb, musste verbrannt wer-
den. Noch heute pflegen dio Juden beim Osterfesto alles Hausgerätlie durch Feuer zu reini-
gen, und die Erstgeborenen müssen fasten. Die runde Form der Ostcrbrode stellt wohl die
Sonnenscheibe dar. Zur Zeit der Römer wurden noch am Paschafcste von den Juden Ver-
brecher hingerichtet ■•). Apion erzählt, dass der König Antiochus von Syrien, als er im
Jahre 169 vor Chr. den Tempel in Jerusalem plünderte, in einem heimlichen Gemache des-
selben einen Menschen fand, den man mästete, um ihn zu opfern. Auch Strabo erzählt,
dass noch zu seiner Zeit in Syrien und Phönizien einige der in den Tempeln dienenden Skla-
ven gemästet und geopfert wurden. Die häufige Anwendung der Menschenopfer im jüdischen
Alterthum erklärt den noch iin Mittelalter vorkommenden Verdacht, die Juden schlachteten
Christenkinder, um deren Blut zu gemessen. Der Gedanke, durch ein Menschenopfer Un-
glück abzu wenden, kommt in der jüdischen Geschichte mehrmals vor. Der Moabiterkönig
Mesa opfert auf den Mauern einer belagerten Stadt seinen eigenen Sohn, worauf das Heer
der Juden abzieht. Josephus erzählt, dass noch bei der Belagerung Jerusalems durch Titus
eine vornehme Jüdin ihr eigenes Kind als Opfer geschlachtet habe. Auch den Tod Jesu be-
1) 2. Buch Mob. 28, 42. — 5. Buch Mot. 23, 17. — *) ühillany, a. a. O., 8. 527. — *) Joseph, contra
Apiouu 12, 8.
Digitized by Google
272
H. Schaaffhausen
trachteten die Juden als einen Opfertod, er wurdo am Paschafeste gekreuzigt und der Hohe-
priester Kaiplias hatte vorhergesagt, dass er fUr das Volk sterben würde mit den Worten:
cs ist besser, dass ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk zu Grunde gehe.
Die Beschneidung, die bei den Juden das Zeichen des Bundes war, die aber auch bei anderen
Völkern vorkommt, wird von vielen Schriftstellern als ein Rest des Menschenopfers angesehen.
Anstatt das Kind zu opfern, würden von ihm nur einige Tropfen Blutes vergossen. Dass
dieses an den Geschlechtstheilen geschehe, erkläre sich daraus, dass man dieselben für heilig
gehalten, wie der Pballusdienst zeige. Beim Eidschwur der alten Hebräer berührte man sich
gegenseitig die Scham '). Diesen Gebrauch hatten auch die Araber. Dass im Lateinischen
„tcstis“Hode und Zeuge bedeutet, dass im Deutschen das Wort „zeugen“ die beiden Bedeutungen
hat, erklärt sich auf diese Weise. In manchen Fällen erscheint die Beschneidung, wie auch
Movers aunimmt, als ein Ersatz für die Entmannung, und diese war in vielen Priesterstaa-
ten des Alterthums eine mildere Form des Selbstopfers. Nach Origen es mussten sich in
Aegypten nur die Priester und Gelehrten beschneiden lassen. Merkwürdig ist, dass ein Hot-
tentottenstamm nach le Vaillant die Beschneidung so übt, dass ein Hodc ausgeschnitten wird.
Dass die Castration bei den Juden nicht ungewöhnlich war, kann man daraus sch Hessen,
dass Moses sie verbot’). Wie in den religiösen Vorstellungen des Alterthums die Hingabe
der Jungfrauschaft als ein Ersatz für das Opfern der Jungfrau selbst gegolten haben mag,
der oft einem noch milderen Gebrauche wich, nämlich dem, dass sich die Frauen, wie in Ba-
bylon, einmal im Tempel Preis geben mussten, so opferten Männer statt des Lebens die
Mannbarkeit. Die Priester der syrischen Göttin in Hieropolis verstümmelten nach Lucian
sich selbst und unter den Juden erhielt sich die Selbstentmannung bis in die christliche Zeit *).
Noch Origenes, der berühmte Kirchenvater, übte als Jüngling dieselbe an sich selbst aus
religiöser Schwärmerei. Das unschmcrzbafte Opfern eines andern Körpertlieils, das Abschnei-
den von Haupt- und Barthaar, zumal das Verbrennen desselben kam bei allen alten Völkern
vor und hat noch heute bei christUchen Orden eine symbolische Bedeutung. Indessen hat
die Beschneidung noch eine andere Ursache. Philo sagt von ihr, dass sie in heissen
Gegenden den Anthrax verhüte. Bei Bewohnern heisser Himmelsstriche ist sie seit den
ältesten Zeiten in Gebrauch. Ilerodot4) bemerkt, dass die Kolchier, Aegypter und
Aethiopier die einzigen unter allen Menschen seien , die von jeher die Schamglieder be-
schnitten. Die Kolchier am Schwarzen Meere, mit schwarzer Haut und krausem Haar,
waren von äthiopischer Abkunft , denn sie waren die Nachkommen einer Heeresabtheilung
des Sesostris. Da eine zu enge Vorhaut ein nicht seltener Bildungsfehler ist, der zu
Krankheitszuständen, zur Phimose und Paraphimose des männlichen Gliedes Veranlassung
giebt, welche durch Entzündung und Eiterung eine Verstümmelung des Geschlechtsorgans
zur Folge haben können, so ist es überaus wahrscheinlich, dass man, da im Alterthum die
Priester auch die Aerzte und Gesetzgeber waren, eine diätetische Anordnung durch die got-
tesdienstliche Bedeutung, die man ihr gab, sicher gestellt hat, wie es auch bei anderen reli-
giösen Gebräuchen, z. B. den Waschungen, der Fall war. In diesem Sinne ist es nicht ganz
ohne Grund, wenn man von der Beschneidung gesagt hat, dass sie die Fortpflanzung befor-
*> 1. Buch Mo*. 21, 2. — fl) 6. Buch Mo*. 23, 1. — ’) Evang. Matthä«! 19, 12. — *) Herudot II, 104.
Digitized-by Google
273
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
dere. Während bei den Aegyptern die Bosclmoidung im 14. Jahre geschah, also nm die Zeit
der Geschlechtsreife, wo sich das Hinderniss einer zu engen Vorhaut bemerklich machen
wird, übten die Hebräer sie am 8. Tage. In diesem Umstande sowie in der Ceremonie
nach der Beschneidung sieht Ghillany eine Erinnerung an das Opfer der Erstgeburt. Nach
Kircher taucht der Rabbi den Finger in einen Becher voll Wein und steckt ihn dem Kinde
in den Mund mit den Worten: Gott sprach zu dir: lebe! Nun nimmt er Wein in den Mund,
saugt das Blut aus der Wunde und spuckt es aus. Jedenfalls ist dieses Verfahren für die
rasche Verheilung der Wunde zweckmässig, dass es an den Genuss des Opferblutes erinnere,
ist doch fraglich. Andere lassen das Kind Uber ein Gefäss mit Wasser halten, dass das Blut
hineinlaufe, und die Umstehenden waschen dann ihr Gesicht mit dem Blutwasser. Wenn noch
heute der Jude seinen Erstgeborenen nebst einigem Gelde auf den Tisch vor den Rabbiner
legt und auf dessen Frage, was ihm lieber sei, das Geld oder der Sohn, antwortet: der Sohn!
und für die zugelassene Losung dankt, und dann der Priester spricht: du gehörst mir, dem
Priester des Herrn , deine Eltern jedoch haben dich zu lösen beschlossen , so verstehen viele
den Gebrauch als einen Loskauf des Kindes vom Priesterstande, Ghillany sieht auch hier
eine Lösung vom früheren Opfertod. Das Ansehen der Beschneidung erhielt sich bis zu den
Anfängen des Christenthums. Die Judenchristen warfen den Hcidenchristen vor, dass sie
nicht beschnitten seien, und die Apostel Petrus und Paulas ordneten noch, der alten Sitte sich
fügend, solche Beschneidungen an.
Wenn in Babylon Baal als eine Leben schaffende Gottheit verehrt ward , so stellte bei
den Phöniziern und Karthagern Moloch eine dem Menschen feindliche, Alles zerstörende Ge-
walt dar. Dieser Gott ist der Saturn oder Kronos der Griechen , der seine eigenen Kinder
frisst, was schon Diodor auf die ihm gebrachten Kinderopfer bezieht. Man opferte dem Saturn
in ältosten Zeiten die Erstgeburt, seine Priester waren verschnitten und trugen rotlie Kleider.
Alljäbrig feierten die Phönizier ein Fest mit Menschenopfern. Die zu opfernden Kinder wur-
den durch das Loos bestimmt; später kauften die Carthager fremde Knaben, die sie erst füt-
terten und dann opferten Da dieser Betrug entdeckt wurde, opferte man, als Agathokles
Carthago bekriegte, 200 Knaben der angesehensten Familien auf einmal und noch 300 Er-
wachsene opferten sich freiwillig. Früher hatte Gelon den Carthagern nur unter der Bedin-
gung Frieden bewilligt, dass sie aufbörten, dem Saturn Kinder zu schlachten. Schwebte der
Staat in Gefahr, so opferte nicht selten der König seinen Sohn mit eigner Hand. Nach
Klitarch wurden in Carthago die Kinder lebend der Bildsäule des Saturn in die glühenden
Arme gelegt, die sich dann erhoben und das Opfer in den feurigen Schlund herabfallen liessen.
Aus dem Zucken der Glieder desselben und aus dem Lächeln des Gesichts wurde geweissagt.
Auch auf Creta und Sardinien wurden diese Opfer gebracht. . Auch Plutarch1) berichtet,
dass die Carthager dem Saturn die eigenen Kinder opferten, und dass diejenigen, welche kin-
derlos waren, den Armen ihre Kinder abkauften, um sie wie Lämmer oder junge Vögel abzu-
schlachten. Die Mutter stand dabei, ohne eine Thräne zu vergiessen oder einen Seufzer ver-
nehmen zu lassen. Gab sie ein Zeichen des Schmerzes, so war das Opfer umsonst, aber das
Kind wurde dennoch getödtet. Rings um die Bildsäule des Gottes, in der das Kind verbrannte,
*) Diodor XX, 14. — a) l’lutarch da iupentit. 13.
Archir for Anthropologl», Bit IV. Urft ln. 3£
Digitized by Google
274
H. Schaaffhnusen,
machten Flöten und Pauken eine lärmende Musik, damit man das Schreien und Wehklagen
nicht hören konnte. In ähnlicher Weise geschahen nach dem Rabbi Simeon die Opfer der
Hebräer. Wenn Strabo anführt, dass die Priesterinnen im Tempel der Artemis zu Casta-
bala mit blossen Füssen über glühende Kohlen gehen, so scheint statt des Feuertodes später
nur ein Hindurcbführen durch 's Feuer Gebrauch geworden zu sein ’). Dieser Ausdruck
kommt auch in den mosaischen Schriften vor und wie es schon auffallend genug ist, dass
man bei der Entdeckung von Amerika im Jahre ISIS auf der Insel Carolina im mexika-
nischen Meerbusen eine hohle Mctallstatue von ungeheurer Grösse fand, und in dersel-
ben Ueberbleibsel verbrannter Menschenopfer*), so berichtet Clavigoro, dass die neuge-
borenen Knaben der Mexikaner, nachdem sie die Wassertaufe erhalten, viermal durch
ein Feuer gezogen würden. Diese sowie viele andere Züge der mexikanischen Cultur lassen
die Nachricht dos Diodor*) wichtig erscheinen, dass ein phönizisches Schiff nach einer fernen
Insel verschlagen worden sei. Tertullian *) erzählt, dass Tiberius die Priester des Saturn
in Carthago aufhängen liess, weil sie fortfuhren, Kinder öffentlich zu opfern und dass in
Nordafrika noch im 3. christlichen Jahrhunderte dem Saturn Menschenopfer gebracht worden
seien. Wir erkennen eine Milderung der alten blutigen Sitte, wenn Lucian die Verehrung
der syrischen Göttin schildert, für die man an Bäumen Opfertbiere und Menschenfiguren
aufhing, dann Brennholz herumschichtete und das Ganze anzündete. Auch die Araber opfer-
ten in alter Zeit dem Sonnengott nur reine Wesen, wie der Opferspruch besagt: „diese aus-
erlesene Jungfrau, dir ähnlich, bringen wir dir dar“ *). Zu Mohammeds Zeit noch opferten
sie dem Moloch an jedem siebenten Tage, dem Jupiter an jedem Donnerstag einen säugenden
Knaben. Mohammed selbst erzählt, dass sein Vater zum Opfer bestimmt gewesen, aber sein
Tod durch ein Opfer von 100 Kamelen gelöst worden sei. Häufig war bei den Arabern
das Lebendigbegraben ; aus mehreren Stellen des Koran geht hervor, dass die Sitte allgemein
herrschte, die neugeborenen Mädchen zu verscharren. Auch die Perser übten dieses Opfer.
Die Gemahlin des Xerxes lässt 12 Menschen lebendig begraben, um sich die Götter der
Unterwelt geneigt zu machen.
Auch die griechische Götterlehro enthält Andeutungen jener alten Gräuel, die in allen
Ländern der Geschichte der menschlichen Cultur vorausgingen. Zeus selbst wurde ab Kind
nur dadurch gerettet, das Rhea dem Saturn statt seiner einen in ein Ziegenfell gewickelten
Stein zum Verschlingen gab. Nach Horaz schafft Orpheus das Essen von Menschen fleisch
ab*). Die Ungeheuer, welche Menschen vertilgen und von Heroen bekämpft werden, sind
die mit Blut befleckten Götzenbilder einer alten Religion des Schreckens, die auszurotten die
eines Helden würdige That ist. Theaeus tödtet den Minotaurus auf Creta, der als Mensch
mit einem Stierkopfe dargestellt wird, und dem die Athener alle 9 Jahre 7 Jünglinge und
Jungfrauen senden mussten. Auch der Talos auf Creta, der vordem auf Sardinien wohnte,
war wohl ein ehernes Molochbild; er umkreiste täglich dreimal die Insel, und wenn er einen
Fremden entdeckte, dann sprang er in das Feuer und kam glühend heraus, er fasste dann
den Fremden und drückte ihn an seine Brust, bis dieser unter Schmerzenslauten , die einem
*} Strabo XII, 2. — *) Münter, Religion der Carthager. Copenb. 1821, S, 10. — a) Diodor V, 19. —
*) Tertullian Apol. 9. — *) Gesenius, Comm. zu Jca. IX, 330. — *) Horst, de arte poet, 391.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 275
Lachen ähnlich waren und die man daher das sardinische Gelachter nannte, starb. AU
im Jahre 590 vor C'hr. zur Sühne von Athen Epimenides aus Creta Menschenblut verlangte,
bot sich der Jüngling Kratinos freiwillig zum Opfer dar, mit ihm starb sein Freund Ctesibios,
der sich nicht von ihm trennen wollte '). Phalaris, der Tyrann von Agrigont, Hess einen ehernen
Stier verfertigen, der, wenn er glühend gemacht und ein Mensch hineingeworfen ward, zu
brüllen schien, wenn dieser schrie; dies Stierbild hatten die Carthager aus Sicilien geraubt,
mussten es aber dem Scipio wieder herausgehen ’). Vielfach wurden in Griechenland dem
Dionysos, der nach Herodot der Osiris der Aegypter ist, Menschenopfer gebracht, zumal auf
Chios, Lesbos und Tenedos, in Arcadien und Böotien. Er wurde zuweilen mit einem Stier-
kopf, oder doch mit Hörnern abgebildet, im Tempel zu Kyzikos stand sein Bild als Stier.
In Achaja wurde immer der Aelteste vom Geschlecht« des Kytissoros dem Zeus geopfert,
wenn er das Ratliliaus betrat, weil jener den Atliamas gerettet hatte, der als Sühnopfer
für das Land geschlachtet werden sollte’). Menschenopfer waren auch Kriegsgebrauch.
Bei der Bestattung des Patroklus opferte Achill 12 Troer, vielleicht waren cs aber im
Kampf Gefallene. Herodot erzählt auch, Menelaos habe, als er die Helena heimholte,
zwei eingeborene Knaben um günstigen Wind geopfert. Der messenische Feldherr Ari-
stomenes opfert dem Zeus 300 Menschen. Noch vor der Schlacht bei Salamis opfert The-
mistoeles dem Dionysos drei vornehme gefangene Perser. Als er dor Gewohnheit ge-
mäss, erzählt Plutarch ’), vor der Schlacht auf seinem Schiffe opferte, brachte man ihm
drei gefangene Jünglinge von schöner Gestalt, in prächtiger Kleidung, Verwandte des
persischen Königs. Als sie in den Kreis der Versammlung traten, schlug das Opfer in
helle Flamme auf und rechter Hand niesste einer der Griechen. Der Wahrsager Euphranti-
des erkannte diese günstigen Zeichen und erklärte, das Troffen werde für die Griechen gün-
stig sein, wenn Themistocles die drei gefangenen Jünglinge sogleich dem Dionysos opfern
wolle. Themistocles erschrak über den unmenschlichen Befehl und trug Bedenken, ihn aus-
zuführen. Aber der Pöbel, sagt Plutarch, der bei grossen Gefahren und in bedenklichen Um-
ständen immer lieber auf ungeheure Dinge rechnet als auf vernünftige Anstalten, fing an, den
Namen der Gottheit auszurufen, führte die Gefangenen zum Altar und zwang seinen Feld-
herrn das Opfer vollenden zu lassen, wie der Wahrsager es befohlen hatte. Vor der Schlacht
bei Leuktra träumte Pelopidas von dem Sühnopfer einer blondon Jungfrau, dor Scher liess
aber ein herbeispringendes woisses Fohlen als das Opfer gelten. Schon Cecrops untersagt
dos Opfern beseelter Geschöpfe. In Sparta schaffte Lycurg die Menschenopfer ab, die man
der taurischen Artemis gebracht hatte; er liess die Jünglinge, die früher getödtet wurden,
nur am Altar geissein, bis Blut denselben bespritzte4); Plutarch sah manche in Folge der
Gelsselung sterben, und noch zu Tertullian’s Zeit bestand der Gebrauch 6). Auf der taurischen
Halbinsel wurden die Fremden geopfert, die das Land betraten, welches seinen Namen von
der stierköpfigen Göttin, der Astarte, hatte. In dem Dienste der Diana Aricina musste der
Oberpriester seinen Vorgänger eigenhändig opfern; später bestimmte man dazu einen ent-
laufenen Sklaven, dessen Leben doch verwirkt war. Die Bewohner einer Stadt in Böotien
I)iugBn. Laert. I, 10 and Athenäen«, XIII, p. 602. C. D. — *) Cicero in Verr. IV, 33. — *) Herodot
VII, 197. — 4) Plutarch, Tbemittocl. 13. — 6) Cicero, Tusc. qnacst. I, 14. — *) Tertullian ad Martyr. 4.
35*
Digitized by Google
£76
II. Schaaflhausen,
opferten nach dem Befehl des delphischen Orakels jährlich einen schönen Knaben, später
statt dessen eine Ziege ; die Bewohner von Tenedos statt eines Menschen später ein neugebo-
renes Kalb, dem sie dadurch ein menschliches Ansehen gaben, dass sie ihm Schuhe anzogen
und die Kuh, die es geworfen, wie eine Wöchnerin pflegten. In Athen und in anderen Städ-
ten wurden an einem gewissen Tage arme Leute oder Verbrecher, die man vorher mästete
und in festlichen Kleidern einen Umzug halten liess, als Sühnopfer getödtet. In Arkadien
fanden noch, nach der Angabe des Porphyrius, bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. die lycäischen
Menschenopfer statt; auf Cypem schaffte erst Hadrian sie ab.
In der römischen Geschichte fehlen die Menschenopfer nicht, doch sind sie schon seltener
geworden. Die Tarquinier schlachten 300 gefangene Römer als Opfer. Livius erzählt, dass
man bei grossen UnglUcksfallen zu Menschenopfern seine Zuflucht nahm. Als Hannibal vor
Rom stand und Vestalinncn entehrt waren, wurden zwei Menschenpaare, ein Gallier und eine
Gallierin , ein Grieche und eine Griechin lebendig auf dem Markt in Rom begraben '). In
Latium wurde Saturn durch Menschenopfer verehrt, die man von der Milvischen Brücke in
Rom mit brennenden Fackeln hinab in die Tiber stürzte. Später wurden statt dessen aus
Binsen geflochtene oder aus Wachs gefertigte menschliche Puppen von den Vestalinnen in die
Tiber gestürzt*). Als ein Beispiel wie heute herrschende Volksfeste oft aus einer fernen Ver-
gangenheit herstammen, in der sie eine ganz andere Bedeutung hatten, sei erwähnt, dass
die Feier des Carnevals, die aus Italien an den Rhein verpflanzt wurde, sich aus den römischen
Saturnalien, dem Feste der allgemeinen Gleichheit und Freiheit entwickelt hat. Der Carneval
begann in den rheinischen Städten früher stets mit einem Fackelzuge, der nach einem Um-
züge durch die Stadt sich auf die Brücke begab und einen aus Stroh gefertigten, mit bunten
Lappen behängten Hanswurst in den Fluss stürzte. Dieser Hanswurst ist, ein merkwürdiges
Beispiel des Wechsels der menschlichen Dinge, im Laufe der Zeiten aus dem dem Saturn
bestimmten Menschenopfer hervorgegangen! Nach Macrobius *) wurden auch bei anderen
Festen, an denen man in alter Zeit Kinder auf den Kreuzwegen geopfert hatte, später Pup-
pen dafür aufgehängt. Wenn bei der Bestattung vornehmer Römer Gladiatorenkämpfo statt-
fanden und einige auf dem Platze blieben, so wurden sie als Sühnopfer für die Seele des
Verstorbenen angesehen. Wie geläufig den Römern die Vorstellung sühnender Opfer war,
zeigt das Selbstopfer des M. Curtius und das der beiden Decier, doch ist ihre geschichtliche
Wahrheit zweifelhaft. Noch unter Caesar wurden in Rom bei einem Aufstande von den Prie-
stern des Mars zwei Menschen geopfert4). Wenn die Priester der römischen Bellona sich
Arm und Schulter mit Messern blutig ritzten und ihr Blut der Göttin opferten, so fand statt
dessen in älterer Zeit gewiss ein Menschenopfer statt. Wie Sallust erzählt, soll Catilina
mit seinen Verschworenen einen Knaben geopfert und gegessen und das Blut unter Wein ge-
trunken haben, um ihren Eid zu bekräftigen. Wenn man ein Bündniss schloss, ritzte man
die Haut und liess das Blut zusammenlaufen, dann mischte man Wein dazu und trank es.
So berichtet Herodot von den Lydiern, Medern und Babyloniern, Tacitus von den Arme-
niern. Den Römern bleibt der Ruhm, zuerst durch ein Gesetz die Menschenopfer abgeschafft
1 1 Livius XXII, 67. — *) I.aclantius, Instit. I, 21 und Ovid Fast. V, 021. — *) Macrobius, Saturn- 1,
7. — •) Dio Csssius, XLIII, 24. —
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 277
EU haben. Im Jahre 97 vor Chr. oder 657 der Stadt verordnete ein Senatebeschluss, dass
kein Mensch mehr geopfert werden soll *). Augustus, Tiberius und Hadrian erneuerten das
Verbot. Aber Nero, durch einen Cometen erschreckt, bringt noch Menschenopfer, Commo-
dus opfert einen Menschen mit eigner Hand und Heliogabal lässt in ganz Italien Kinder vor-
nehmer Familien zusammensuchen, um sie in den syrischen Mysterien, in die er als früherer
Oberpriester des Tempels in Emesa eingeweiht war, zu opfern. Die Kirchenväter versichern
sogar, dass in Rom noch im vierten christlichen Jahrhundert dem Jupiter latialis Menschen-
opfer gebracht wurden.
Alle barbarischen Völker des Altcrthums opferten Menschen und zunächst weihten sie
die gefangenen Feinde ihrem Kriegsgotte. Von denScythen berichtet es Herodot *), von den
Bewohnern der pyrenäischen Halbinsel Strabo. Die Lusitaner weissagten aus den Einge-
weiden der Gefangenen und zwar zuerst aus dem Hinfallcn, wenn der Priester sie in den
Leib gestochen hatte. Die Belgier hieben einen zum Opfer bestimmten Menschen von hinten
mit dem Schwerte durch und weissagten aus seinen Zuckungen; andere schossen sie mit
Pfeilen nieder und hefteten sie in den Tempeln ans Kreuz oder sie verbrannten Tbiere und
Menschen auf Scheiterhaufen. Das Wahrsagen aus den Eingeweiden der Geopferten wird
auch von den Briten erzählt1 * *). Nach Cicero wurden Menschenopfer noch zu seiner Zeit in
Gallien geübt 4). Sie opferten Verbrecher den Göttern. Grosse von Weiden geflochtene
Götzenbilder wurden mit Menschen gefüllt und dann verbrannt. Auch Vornehme, die ge-
fährlich erkrankt waren, gelobten für den Fall ihrer Genesung ein Menschenopfer und voll-
zogen es zuweilen noch während der Krankheit selbst1). Nach Justin*) opferten die in
Griechenland eingefallenen Gallier sogar ihre Frauen und Kinder. Wenn Strabo von den
Germanen sagt, sie seien jetzt, was die Gallier einst gewesen, so wird bei ihnen nicht ge-
ringere Rohheit geherrscht haben. Nach Tacitus brachten die Germanen dem Merkur an
gewissen Tagen Menschenopfer; bei den Semnonen, dem ältesten und edelsten Stamme der
Sueven, wurde ein solches Opfer zu einer bestimmten Zeit in einem heiligen Haine gebracht ’).
Nach Adam von Bremen wurde die Eiche, unter welcher geopfert ward, durch Menschen-
blut eingeweiht und der Körper dos Geopferten daran gehängt. Nach der Schlacht im Teu-
toburger Walde opferten die Cherusker auf dem Schlachtfeld eine grosse Zahl gefangener
Römer und hingen ihre Leichen an den Bäumen auf. Während die Scythen von 100 Gefan-
genen einen opferten, tödteten die Sachsen den zehnten Mann und zwar unter grossen Mar-
tern "). Noch im Kriege mit Karl dem Grossen schlachteten sio auf dem Harze die gefange-
nen Franken dem Wodan. Harms1) erzählt von einem Menschenopfer, welches der heil.
Landolf, ein Apostel der Sachsen, auf einem Steinaltar vollziehen sah. Als Quelle dieser
Nachricht giebt er eine Handschrift auf der Lüneburger Rathsbibliothek an, die er aber bei
einem späteren Besuche nicht mehr vorgefunden hat. Sie hatte den Titel: Res gestae Lan-
dolfi, apostoli Sahzonum, qui Horzae ripas adhabitabant. Petersen fordert die Gelehrten
1) Plin. hist, natur. XXX, 1. — *) Herodot IV, 62, 71, 94 lind V, 5. — «) Tscit Anna). XIV, 30. —
*) Cicero pro Fontej. 10. — B) Caesar, de belto gall. VI, 16. — *) Justin XXVI, 2. — T) Tacit. Germ.
9 und 39. — *) Mone, Geschichte des Heidenthums im nördlichen Europa, Leipz. und Darmst. II. 1823,
S. 58. — *) Harms, Goldene Aepfel in silbernen Schalen. Hermaunsburg 1867.
Digitized by Google
278
H. Schaaffhausen,
auf, der verlorenen Handschrift nachzuspüren '). Die Franken losten, wer als Opfer ster-
ben sollte, der, welchen das Loos traf, galt für einen Liebling der Götter. Auch die Frie-
sen opferten Verbrecher bei ihren Festen. Dass die Germanen auch Kinder geopfert, wie
Schütz behauptet hat, ist nicht nachzuweisen. Nach Fhilastrius peitschten die Gelten
ihre Opfer oder schlugen sie an einen Stein, bis sie todt waren. Die Priesterinnen der Cim-
bern todteten die Gefangenen mit dem Schwerto Uber einem ehernen Kessel, in den sie das
Blut auslaufen Hessen ’). Die Gothen hingen die Häute der Geopferten an den Bäumen auf,
und opferten noch , als sie schon zum Christenthum bekehrt waren ’). Die alten Preusson
opferten vor der Schlacht und weissagten aus den Strömen des Blutes, sie opferten einen
Theil der Gefangenen nach dem Loose, auch Jungfrauen und Kinder. Sie verbrannten einen
gefangenen feindlichen Heerführer mit Pferd und Waffen ihren Göttern. Auch bestieg
zuweilen der Oberpriester CreiwiUig den Scheiterhaufen als Opfer für das Volk4). Die
Preussen brachten bis in das 13. Jahrhundert, bis zu ihrer späten Bekehrung zum Christen-
thum noch Menschenopfer*). Dass bei diesen Völkern auch der Genuss von Fleisch und
Blut der Geopferten vorkam, dafür giebt cs mehrere Anzeichen. Die Estben auf der Insel
Oesel raubten an fremden KUsten Knaben, die sie mästeten, dem Thor schlachteten und
dann brieten und verzehrten. Noch im Jahre 1221 schnitten, wie Mone anfuhrt, die
Esthen dem dänischen Vogte Hebbus das Herz aus dem lebendigen Leibe, rosteten und
assen es, damit sie desto tapferer gegen die Christen kämpfen könnten. Tacitus') spricht
von Opfermahlen, und Karl der Grosse erlässt noch ein Verbot der sogenannten Teufelsmahle 7).
Auch Snorro und Gregor von Tours sprechen von Blutmahlcn der nordischen Völker. Diese
zeichneten sich vor anderen durch blutige Gebräuche aus. Zu Upsala wurde aUe 9 Jahre ein
9 Tage dauerndes Fest gefeiert, während dessen 99 Menschen und 99 Thiere geopfert wurden.
Ein schwedischer König opferte neun Söhne dem Odin, ein norwegischer Fürst zwei der
Göttin Horgabrud. Der schwedische König Domalder wurde bei einer Hungersnoth dem Odin
geopfert, weil er seinen Vater getödtet hatto *}. Ohne Zweifel wird auch der durch die Phö-
nizier, vielleicht schon 2000 Jahre vorChr, nach dem Norden Europas gebrachte Baalskultus •)
die Menschenopfer daselbst verbreitet haben. Die in Meklenburg, Schonen, Brandenburg, der
Niederlausitz und in Schlesien gefundenen ehernen Kesselwagen14) haben, wie Nilsson ge-
zeigt hat, eine grosse Aehnlichkeit mit dem in der h. Schrift beschriebenen Opferwagen im
Tempel des Salomo, den ein Phönizier gemacht hat, und waren gewiss Opfergeräthe. Der
Wagen der Göttin Hertha, der mit Kühen bespannt auf einer Insel der Ostsee umhergefahren
wurde “), erinnert an die Bundcslade der Hebräer. Ja, deutet nicht, wie Nilssou glaubt, der
Name Lucifer, den die Christen dem Teufel gaben, auf den alten Sonnengott !
Sehr gewöhnlich war bei vielen Völkern das Menschenopfer bei der Bestattung eines
vornehmen Mannes und häufig war es in diesem Falle ein freiwilliges. J. Grimm1*) hat über
*) Gotting. Gelehrt. Anz. 15. Septbr. 1859. — *) Strato VII, 2. — *) Procopius II, 25 und Clavigero,
Geschichte von Mexiko II, S. 588. — 4) Mone, ft. n. 0. I. S. 91. — 4) M. Ch. Hartknoch, AU und Neues
1’reuMCu, Frankfurt und Isnpzig 1684, S. 228 und 288. — •) Tftcit. Ann. I, 65. — *) Capit. de part. S»xoo.
21. — 4) II. F. Hummel, Compond. deutsch. AJtorth. Nürnberg 1788. S. 88. — *} Nilsson, das titeiuftlter
des skandinavischen Nordens, deutsch von Mestorf. Hamburg 1868. — lö) Yirchow, Congrbs d’Authro*
pologie. Paris 1868, p. 251. — **) Tacitus Germ. 40. — **) J. Grimm, Ueber das Verbrennen der Leichen.
Iterlin 1850.
Digitized by Google
279
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
diesen Gebrauch viele Nachrichten zusammengestellt. Schon bei den Griechen liessen sich
zuweilen die Frauen mit dem Gatten verbrennen. Wenn die Scytlien am Borysthenes einen
König begruben, wurde eine seiner Frauen erdrosselt und mit bestattet, auch der Weinschenk,
^ der Koch, der Harschall und der Bote nebst Pferden und Schmuck geräthen. Nach Verlauf
eines Jahres wurden 50 Diener und eben so viele Pferde getödtet, allen der Leib aufgeschnit-
ten und ausgeweidet, dann mit Stroh gefüllt und wieder zugenäht; so wurden sie auf Rad-
felgen und Stangen wie Reiter um das Grab gestellt. Bei den Galliern wurden Thiere,
Knechte und Schützlinge mit dem Herrn verbrannt. Bei den Thrakern wurde die Frau von
des verstorbenen Mannes nächstem Freund getödtet und mit begraben. Bei den Herulern
war die Mitbestattung der Frauen, die sich erhängen mussten, noch im 6. Jahrhundert nach Chr.
Sitte, bei den Wenden wurden sie noch im 8., bei den Polen noch im 10. Jahrhundert mitver-
brannt. Guagnini sah sogar, wie bei den Sarmaten noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts
vornehme Todte mit Pferden, Waffen, zwei Hunden, einem Falken und einem treuen lebenden
Diener verbrannt wurden. So geschah es in der Edda auf Sigurds und Brunhildcns Scheiter-
haufen. Mone1) macht darauf aufmerksam, dass sich in slavischen Qrabumen oft Schädel-
knochen von mehreren Menschen finden, welcher Umstand entweder auf zufällige gemeinsame
Bestattung oder wahrscheinlicher auf die Sitte schliessen lasse, dass der Knecht mit dem
Herrn, der Vasall mit dem Fürsten verbrannt worden sei. Der Araber Ibn Foszlan *) be-
schreibt auf seiner in den Jahren 921 und 922 gemachten Reise von Bagdad zum Könige
der Slaven die Leichenfeier eines russischen Grossen an der Wolga, der er zusah. Ist
ein armer Mann gestorben , so bauen sie ein kleines Schiff, legen ihn hinein und ver-
brennen es Jenen legten sie in ein solches Grab, über das sie ein Dach schlugen für
10 Tage, bis sie seine Kleider angofertigt hatten. Seine Habe theilten sie in drei Theile,
einen erhielt die Familie, für einen wurden die Kleider, für einen berauschende Getränko
angeschaflt. Mädchen und Diener werden gefragt, wer von ihnen mit dem Herrn sterben
wolle. Meist sind es die Mädchen, die es thun. Bei jenes Mannes Tode war es auch ein
Mädchen, welches sagte: „ich will.“ Sie wurde nun von zwei anderen bewacht, blieb
aber fröhlich, trank und sang. Als der Tag des Verbrennens gekommen war, zog man das
Schiff des Verstorbenen an’s Ufer und ein altes Weib, das sie don Todesengel nennen, brei-
tete gesteppte Tücher, Goldstoffe und Kopfkissen darin aus. Der Todte wurde in ein präch-
tiges Gewand gekleidet und unter das Sohiffszelt gelegt; berauschendes Getränk, Früchte,
Kraut, Brot, Fleisch und Zwiebeln wurden zu ihm gelegt, auch ein in zwei Theile geschnitte-
ner Hund, alle Waffen und zwei mit Schwertern zerhauene Pferde, die vorher gejagt waren,
bis sie von Schweisse troffen ; ebenso zerhieben sie zwei Ochsen, einen Hahn und ein Huhn.
Das dem Tod geweihte Mädchen wurde nun auf den Händen von Männern dreimal empor-
gehoben, das erstemal sagte sie: „sieh, hier sehe ich meinen Vater und meine Mutter“, das
zweitcmal; „sieh, jetzt sehe ich alle meine verstorbenen Anverwandten da sitzen“ und das drit-
temal : „sieh, dort ist mein Herr, er sitzt im Paradiese, das Paradies ist so schön, so grün, bei
ihm sind die Männer und Diener, er ruft mich; so bringt mich denn zu ihm.“ Nun reichten
’) Mone s. n. 0. 11, S. 200, — *) N. Karamsin, Geschichte des russischen Reiches, deutsch von
v. Hauenschild. III B. Riga 1823. S. 245.
Digitized by Google
280
H. Schaaffhausen,
sie ihr eine Henne hin, deren Kopf sie Abschnitt und wegwarf; die Henne warf sie in’s Schiff.
Dann zog sie ihre beiden Armbänder aus und gab sie dem Weibe, das man den Todesengel
nennt und das sie morden wird. Die Beinringe reichte sie den zwei ihr dienenden Mädchen.
Hierauf hob man sie auf das Schiff, Männer mit Schildern und Stäben reichten ihr einen
Becher berauschenden Getränkes, den sie singend leerte. Damit nahm sie Abschied von ihren
Lieben. Noch ein Becher wurde ihr gereicht, den sie auch nahm und ein langes Lied an-
stimmte. Die Alte hiess sie nun eilen und in’s Zelt treten, wo ihr Herr lag. Das Mädchen
schien jetzt bestürzt und unentschlossen, sie steckte nur den Kopf zwischen Zelt und Schiff
hinein, da fasste die Alte sie beim Haupt, brachte sie in’s Zelt und trat selbst ein. Die Män-
ner begannen mit den Stäben auf die Schilder zu schlagen, dass kein Laut der Schreienden
gehört werde, der andere Mädchen erschrecken und abgeneigt machen könnte, auch einmal
mit ihren Herren in den Tod zu gehen. Dann traten sechs Männer in's Gezelt, streckten sie
an des Todten Seite nieder, indem zwei ihre Füsse, zwei ihre Hände fassten und die Alte
ihr einen Strick um den Hals legte, dessen Ende sie den beiden anderen Männern reichte.
Mit einem grossen breitklingigen Messer selbst hinzutretend, stiess sie dem Mädchen das
Messer zwischen die Rippen ein und zog es wieder aus. Die beiden Männer aber würgten
es mit dem Stricke, bis es todt war. Empörend ist es, wenn der Berichterstatter, der die
Russen als ein schmutziges und wollüstiges Volk darstellt, noch anführt, dass jene sechs
Männer, die das Mädchen halten und erdrosseln, ihm zuvor noch alle beiwohnen. Solch eine
Unthat, sagt Grimm, ist der altnordischen wie altdeutschen Sitte fremd. Der nächste An-
verwandte zündete endlich nackend und rückwärts das Schiff an, dann warfen die übrigen
brennende Scheite Holz auf den Haufen und in einer Stunde war Alles verbrannt. Ein ande-
rer Araber schildert die Bestattung der Könige bei den Slaven fast ganz so wie Herodot die
bei den Scythen *)• Dass der Holzstoss rückwärts angezündet wird, geschieht auch bei der in-
dischen Leichenfeier, wo die Verwandten um den Scheiterhaufen wandeln und über ihre
Schulter Holzstücke in’s Feuer werfen. Die bis' heute noch nicht ganz ausgerottete indische
Wittwenverbrennung ist durch kein Gesetz vorgeschrieben, sondern freie Entsehliessung. Die
Wittwe, die ihrem Manne im Tode folgt, sühnt die Sünden desselben, ihr ist in jener Welt
die höchste Glückseligkeit verheissen, während sie in dieser nicht wieder heirathen darf, auch
nichts von ihrem Manne erbt, sondern von ihren Verwandten unterhalten werden muss.
Viele wollen lieber in dieser hochherzigen Auflassung des unauflöslichen Bandes der Ehe den
tieferen Grund der Sitte erkennen, als annehmen, dass man damit die Vergiftungen der Män-
ner durch ihre Frauen habe verhüten wollen. Grimm sagt mit einer gewissen Bewunderung:
„Nicht allein Wittwen verbrennen sieh mit dem Gemahl, auch Eltern folgen der Leiche des
geliebten Sohnes, der Jüngling der Geliebten. Unheilbare Kranke veranstalten selbst ihro
Verbrennung. Barbarisch und grausam sollten also nicht die heidnischen Völker heissen,
deren Ehefrauen mit den Männern verbrannt werden durften, sondern die christlichen, unter
denen liaufenweis Ketzer und Hexen unmenschlich der Flamme überliefert wurden; jenes be-
ruhte auf einem geheiligten Band der Natur, dies auf der Priester verblendetem Eifer.“ Wohl
finden wir diesen letzteren Wahn um so entsetzlicher, weil er in eine schon hoch gebildete Zeit
*) Vergl. Archiv für Anthropologie I, S. 175.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 281
fallt, aber barbarisch and grausam bleibt auch das Selbstopfer der heidnischen Völker, deren
Rohheit wir daran erkennen, dass sie den Werth des Lebens noch nicht schätzen; in beiden
Fällen ist ein falscher Glaube, dieser Feind des menschlichen GefUhls, der vor keiner Unthat
zurückschreckt, die Ursache des Gräuels. Schon die mohammedanischen Mongolen hatten die
Wittwenverbrennung in Indien untersagt und den Bemühungen der englischen Regierung ist
es zu danken, dass sie beinahe ausser Gebrauch ist ; bei den geringeren Kasten kam sie längst
in Vergessenheit. Nach van Bohlen war in den Jahren von 1815 bis 1824 die geringste jähr-
liche Zahl der Selbstverbrennungen 378, die höchste 839. Nach Hodges wurde das Opfer
am letzten Tage durch Opium berauscht; in feierlichem Aufzuge mit Musik nähert sich die
Wittwe dem Scheiterhaufen, auf dem die Leiche des Mannes liegt; wenn dieser bereits in
Gluth steht, schüttet sie Oel über sich und den Todten und stürzt sich in die Flammen.
Betäubende Musik übertöut dos Wimmern der Sterbenden. Vor einigen Jahren noch erklärte
in einem etwa 25 Meilen von AUahabad ontfemten Dorfe die Wittwe eine« Barbiers, ihren
Manu nicht überleben zu wollen. Sie widerstand allen Abmahnungen ihfer Freunde und
Verwandten und liess einen Scheiterhaufen errichten, auf welchen sie sich setzte und die Leiche
ihres Gatten auf ihre Kniee nahm. Vorher hatte sie ihre Kleider und ihre Haare einölen lassen,
Reissbündel wurden hinter ihr und an ihren Seiten bis zum Gürtel aufgeschichtet. Sie be-
wahrte die ruhigste Haltung und ertheilte selbst den Befehl, die Reissbündel anzuzünden. Die
Flammen umzüngiiten sio schon, als sie sich nooh mit den Zuschauern unterhielt, sie liess kei-
nen Schmerzensruf, nicht einmal einen Seufzer laut werden, bis der Ranch das freiwillige
Opfer, das in wenigen Secundon erstickt sein musste, vor den Augen Aller verhüllte ln
diesem Jahre hat wieder eine Wittwen-Verbrennung in Indien stattgefunden. Die englischen
Behörden erhielten zu spät Nachricht, um den Vorgang hindern zu können. Die Verwandten
der Selbstmörderin sind zu 7 Jahren Einsperrung verurtheilt, weil sie dieselbe zur That über-
redet hatten und jeder Bewohner des Dorfes, welcher dem entsetzlichen Schauspiele zugesehen,
hat eine dreijährige Gefängnissstrafe zu verhüsseii ’). Bei den Sivaiten, die ihre Todten nicht
verbrennen, weil sie das Feuer für heilig halten und nioht verunreinigen wollen, kam die
Selbstverbrennung der Wittwen- nicht vor, sondern das Lebendigbegraben. Die Wittwe setzte
sich in das Grab und nahm die Leiche des Mannes in ihren Arm, dann verdeckte man ihr
das Gesicht mit einem Tuche , und nachdem man das Grab bis Uber ihren Hals zugeschüttet,
reichte man ihr ein betäubendes Gift, brach ihr schnell das Genick und bedeckte Alles mit
Erde. Oder es war über der Gruft des Mannes ein Gerüst errichtet, welches einen grossen
und schweren Korb mit Erde trug, die Wittwe trat in die Gruft unter dos Gerüst, auf ein
Zeichen wurden die Stützen entfernt und die herabstürzende Erde begrub das Opfer *). Die
grosse Bewegung, die zur Herstellung der alten Vcdaroligion von einflussreichen indischen
Gelehrten aasgeht und auf Abschaffung des Polytheismus, des Kastenwesens und der Vielwei-
berei gerichtet ist, wird auch don Wittwonverbrennungcn den letzten Stoss geben. Die Veda-
religion lehrte den Glauben an einen wohltliätigen Gott, aber der Glaube der Ureinwohner,
in dem die Furcht vor den Dämonen und die Versöhnung mit denselben der Hauptgedanke
*) Kölnische Zeitung, 24. März 1*66. — s) Donner Zeitung, 1. Mai 1870. — *) T. Zimmerinann, a. a. 0.,
Io. Th., S. 152.
Archiv für Anthropologie, BdL IV*. Ilgfl IH. <j|j
Digitized by Google
282
H. Schaaffhausen,
war, verunreinigte die reinere Gotteslehre der Eroberer. Der Santal hat keinen Begriff von
einem wohlthätigen Gotte, seine Religion ist eine Religion 'des Schreckens. Doch haben sie
die Menschenopfer, die sie früher brachten, abgesehaflt. „Wie können wir Menschen opfern,“
sagte ein Santal, „heutzutage sind dio Menschen theuer ; wer könnte ihren Preis zahlen !“ Bis
zum Jahre 1790 machten sie alljährig Raubzüge in das Tiefland. Dann Hessen sie sich gegen
Lohn zur Vernichtung der wilden Thiere gebrauchen und verlockt durch hohen Lohn und
leichte Rente machten sie endlich Ländereien urbar und gründeten einen . Bauernstand in
Birbhum *). ln Zeiten des Mangels bringen noch zuweilen die Priester von Nieder-Bengalen
wie vor 3000 Jahren den Dämonen Kinder zum Opfer dar. Die Menschenopfer der Khonds
mussten bis in die letzten Jahre von der englischen MUitärmacht unterdrückt werden1), und
obgleich in vielen Gebräuchen eine Milderung der alten Rohheit eingetreten ist, wie wenn zu
Ehren der Göttin Kali Menschen an einen Pfahl gebunden, aber wieder frei gelassen, oder von
einem Felsen hinabgestossen werden, nachdem sie vorher an einSeil gebunden worden sind1), so
beklagt doch noch 1866 ein Engländer es in der Times4), dass beim Dschaggemautfeat in Orissa
durch Nachlässigkeit der Polizei schon wieder mehrere Menschenopfer vorgekomnien seien.
Grosse Menschenopfer bei der Leichenfeier waren auch in anderen Ländern Asiens, z. B. in
Assam , üblich. Der Perser Muhamed Kazim *) sagt darüber : wenn ein V ornehmer oder ein
Raja stirbt, so wird eine weite Gruft für ihn ausgegraben, in welohe sie seine Weiber, sein
Gefolge, seine Diener, Hausgeräthe und Kostbarkeiten in Gold und Silber, Elephanten, Klei-
der und Lebensmittel, Lampen mit vielem Oel und einen Fackelträger mit ihm begraben.
Nach Barrow *) wurden vormals auch am Grabe der vornehmen Chinesen die Sklaven und
Beischläferinnen geopfert, statt deren man jetzt papierene Menschenfiguren gebraucht. Der
Kaiser Canghi erliess ein Verbot gegen die Sitte, am Grabe seiner Mutter vier Mädchen zu
opfern, obgleich sich solche dazu wilUg fanden. Auch das merkwürdige, der Sprache nach
mit den Berbern verwandte, zu Anfang des 16. Jahrhunderts ausgerottete Volk der Guanchen
auf den kanarischen Inseln, dessen einfache Sitten und glückliches Dasein gerühmt waren,
welches keine Metalle kannte, den Acker mit Ochsenhörnom pflügte und seine Todten als
Mumien in Felsenhöhlen beisetzte, brachte nach Cadamosto bei der Thronbesteigung eines
Fürsten Menschenopfer, die sich zuweilen freiwillig darboten.
Ehe wir die Uebung der Menschenopfer bei den heutigen Wilden aufsuchen , begegnet
unser Blick noch der entsetzlichen Grausamkeit, mit der die Azteken in Mexiko ihren Götzen
viele Tausende auf einmal hinschlachteten. Nur die Schlächtereien der westafrikanischen
Neger und der phönizischc Cultus des Alterthums bieten Aehnliches. Dieser ist vielleicht
nicht ohne Zusammenhang mit jener rätbselhaften Cultur in Mittelamerika. Der mexikanische
Priester, der ein rothes Gewand trag, wie dio Priester des Saturn, fing das Blut der geschlach-
teten Menschen auf, mischte es mit Mehl und gab es den Gläubigen zu kosten. Erst später
soll man sich daran gewöhnt haben, auch die GUeder des Geopferten zu verzehren. Nach
CTavigero steckte der Priester das Herz, das er seinem Opfer aus dem Leibe riss, dem
Götzen mit einem goldenen Löffel in den Mund und bestrich die Lippen desselben mit dem
') llunter, Annals of rural Bengal, Aunlaud 1869, Nr. 21. — *) Vergl. Archiv für Anthropologie, I, S. 177.
— 3j Colebrooke, Asiat, research., VIII, p. 47. — •) Aualand, 1666, Nr. 42. — “) v. Zimmermann, a. a. 0„
12. Th., 8. 141. — üarrnw’s iteisen in China. Hamburg 1005, II, 8. 260,
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 283
Blute. Von dem Körper aasen die Mexikaner nur Arme und Beine, das Uebrige ward den
Thieren vorgeworfen oder verbrannt.
Das durch seine Menschenopfer berüchtigte Königreich Dahomey wurde wiederholt von
Europäern besucht, welche die Gräuel am Hofe de« Königs mit ansahen '). Duncan, der 1846 dort
war, fand den Zugang zum Palaste mit Schädeln gepflastert, die Thore und Mauern damit verziert*
sogar dem Spazierstocke des Königs fehlt dieser Schmuck nicht! Dieser trank mit Duncan auf
die Gesundheit der Königin von England den Champagner aus einem Menschenschädel. Wenn
er Europäern Audienzen giebt, so werden Hinrichtungen veranstaltet und ihnen das Ehrenamt
eines Scharfrichters angeboten. Duncan sah, wie ein alter Neger von jedem Geköpften das
Blut auffing und warm, wie es aus den Adern kam, trank. Zum Gedächtnis« der Vorfahren
des Königs wird ein Fest gefeiert, welches das Fest des Tischdecken« der Vorfahren heisst.
Das Volk hat die Meinung, das auf den Gräbern in Strömen vergossene Blut werde von den
Geistern der Ahnen genossen. Noch im Jahre 1866 brachten die Zeitungen die Nachricht
von einem grossen Menschenopfer, welches der König, als er gegen die Aschantis in den
Krieg zog, brachte, er liess, um sich des Wohlwollens der Götter für seinen Feldzug zu ver-
sichern, 200 Menschen hinschlachten, die dritte Gräuelthat dieser Art in demselben Jahre.
E. Bowdich ’), der 1817 zu den Aschantis kam, sagt, dass die zum Opfer bestimmten Men-
schen vor der Hinrichtung misshandelt werden und ein ihnen durch die Backen gemessenes
Messer tragen. Erat wurde ihnen die rechte Hand abgehauen, dann sägte man ihnen den
Kopf ab. Beim Tode eines Königs müssen alle Menschenopfer, die während seiner Herrschaft
für Unterthanen gebracht wurden, wiederholt werden. Bei der Leichenfeier des letzten Kö-
nigs wurden drei Monate lang jede Woche 200 Sklaven geopfert. Zur Todtenfeier seiner
Mutter schenkte der König 3000 Schlachtopfer, die fünf grössten Städte des Landes lieferten
jede 100, die kleineren Städte jedo 10 Schlachtopfer. Der deutsche Missionär Halleur, der
sieben Jahre in Westafrika weilte, giebt an, das» beim Tode der Mutter des König« 400 Mäd-
chen sterben mussten und sechs Wochen lang jeden Morgen und jeden Abend 2 Mädchen
geopfert wurden. In Kumassi ist ein Ort, der nie von Monschenblut trocken werden darf.
Aber die Aschantis glauben, dass im Menschen ein Geist lebe, der den Tod überdauert, und
die Opfer gehen mit Gleichgültigkeit ihrem Schicksal entgegen. Ueber das am 6. November
1864 in Abomey gefeierte Fest der Menschenopfer gab ein ausWhydah nach Paris gerichteter
Brief eine genaue Schilderung *). Acht Tage vor dem Feste hatte der König bekannt machen
lassen, es würden, um die Geister seines Ahnherrn und seines Vaters zu ehren, 40 Gefangene
des besiegten Stammes der Akankas auf dem Marktplatze geopfert werden. Mehrere Euro-
päer, die sich in Abomey befanden, baten den König in einer Audienz, auf dieses schreckliche
Opfer zu verzichten. Der König erklärte aus Rücksicht auf die Europäer die Zahl der Opfer
auf 12 zu beschränken. Am 5. November liess der König 28 von den schon an Pfeilern fest-
gebundenen Gefangenen in das Gefängniss zurückbringen; die übrigen vernahmen ihr Schick-
sal mit der vollständigsten Gleichgültigkeit Der König kündigte ihnen noch an, dass zwei
durch seine eigne Hand sterben würden. Diese wählte der Bruder des Königs aus; sie muss-
’) Yergl. Archiv für Anthropologie, I, S. 175. — *) A. W. Grube, Geographische Charakterbilder, II.
loipzig 1855, S. 266. — 5) Bonner Zeitung 10. Februar 1865.
Digitized by Google
284
H. Schaaffhausen,
ton, um der Ehre würdig zu sein, die Nacht im Tempel, vor den Götzen auf der Erde liegend,
zubringen. Am Tage der Hinrichtung wurden sie mit auf dem Rücken zusammengebundenen
Händen auf den Markt geführt, wo der König, von seinem Hofstaat umgeben, auf dem Throne
gass. Mitten auf dem Platze stand ein grosses silbernes Becken , welches das Blut der Opfer
aufnehmen sollte. Der König ergriff nun eines seiner Schwerter und schlug den beiden Ge-
fangenen, die sich an dem Becken aufgestellt hatten, den Kopf ab, in Folge dessen die Menge
laute Beifallsrufe erhob. Die 10 anderen Opfer wurden von dem Oberpriester geköpft, der
jedes Haupt in die Hände nahm und es dem Volke zeigte, das jedesmal ein wildes Brüllen er-
tönen liess. Als Alles beendigt war, stürzte sich das Volk auf die Leichname, zerstückelte sie
und beschmierte sich mit ihrem Blute. Die 12 Köpfe wurden an den Mauern des königlichen
Pallastes aufgehängt. Dieses Schauspiel findet in Abomey jedes Jahr drei bis viermal statt,
und dasselbe geschieht in den Königreichen Abe o, Koto, Ashanti und Benin. Auch ist es noch
Sitte unter den westafrikanischen Negern, dass auf dem Grabe eines Vornehmen seine liebsten
Sklaven getödtet worden, man schlägt sie mit einem Elephantanzahne ins Genick. In Congo
wetteifern die Lieblingsweiber dor Grossen um die Ehre, mit ihren Männern begraben zu weiden.
Mit Recht macht W&itz ') darauf aufmerksam, dass man die den Göttern dargebrachten Men-
schenopfer wohl von denen unterscheiden müsse, welche man zu Ehren der Verstorbenen ver-
anstaltet, um ihnen das Gefolge nnd die Dienerschaft nachzusenden, der sie im andern Leben
bedürfen. Er stellt zahlreiche Beispiele von Menschenopfern bei den Negern zusammen, welche
in einigen Gegenden durch die Bemühungen der Missionäre seltener geworden oder abgeschafR
sind. In Benin sind die sonst sehr zahlreichen Menschenopfer durch den Sklavenhandel in
Abnahme gekommen, es ist die einzige Wohlthat, die man von ihm rühmen kann. Durch ihn
erhielt das Menschenleben einen Werth; aber auch der mohammedanische Glaube hat die
blutigen Gebräuche unterdrückt, in den nördlichen Ncgerlandem sind sie verschwunden, so
weit der Islam vorgedrungen ist. In Galam hat man in alter Zeit vor dem Hauptthore der
Stadt bisweilen einen Knaben und ein Mädchen lebendig begraben, um die Stadt uneinnehm-
bar zu machen und ein König der Bambarra hat dieses Opfer einst im Grossen ausführen
lassen. Aehnliche werden bei Gründung eines Hauses oder Dorfes von mehreren Stämmen
gebracht. Die Fantis und Andere bringen an jedem Neumond ein Menschenopfer. In Lagos
wird allgemein ein Mädchen lebendig gepfählt, um ein fruchtbares Jahr zu erhalten. In Yar-
riba opfert man nur Verbrecher. In Bonny wird alle drei Jahre die schönste Jungfrau
geopfert; der Priester, welcher die Kriegsgefangenen schlachtet, heisst vom Nacken derselben
ein Stück ab, die Glieder werden zerschnitten, in einem Kessel gekocht und zum Essen ver-
theilt. Unter den Indianern Amerikas sind die Menschenopfer selten geworden. Auf den
Südaeeinseln sind sie noch häufig und oft mit dom Cannihalismus verbunden. Die als Can-
nibalen berüchtigten Fidschiinsulaner bringen bei allen Unternehmungen Menschenopfer, die
Weiber dürfen aber kein Menschenfleisch verzehren. Wenn ein neues Canoe in’s Meer ge-
lassen wird, so werden zehn Menschen darauf geschlachtet, damit es mit Monschenblut ge-
waschen werden kann s).
*1 Tb. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, II. Leipzig 1860, S. 1U7. — *) J. C. Prichard, Natur-
geschichte des Menschengeschlechts, IV. Leipzig 1848, S. 200.
Digitized by Google
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 285
Wenn uns ein Seefahrer ') berichtet, dass die Waffen der Bewohner von Nukahiva alle
mit Menschenhaar verziert und an den meisten Stücken ihres Hausgcrathcs Zierrathen von
Menschenknochen angebracht waren, dass zur Zeit einer Hungersnoth Männer ihre Weiher
und Kinder ihre abgelebten Eltern erschlagen, das Fleisch derselben backen und schmoren und
es mit dem grössten Wohlgefallen verzehren und dass selbst die sanft scheinenden Nukabive-
rinnen, deren Blicke nichts als Wollust atbmeu, wenn man es ihnen nur erlaubt, Theil an die-
sen schrecklichen Mahlzeiten nehmen, so wird es uns schwer, darüber zu entscheiden, wel-
ches Schauspiel entsetzlicher ist, ob der von Wilden geübte Cannibalismus, wie er sich auf den
vom menschlichen Verkehre so lange abgeschlossenen Eilanden der Südsee unter Volksstäm-
men entwickeln konnte, deren körperliche Schönheit schon Cook bewunderte und deren Gei-
stesgaben in vielen Fällen sich durch schnelle Aneignung europäischer Gesittung als vorzüglich
erwiesen haben, oder das Menschenopfer, welches seit Jahrtausenden nicht nur hoi rohen, son-
dern auch bei gebildeten Völkern der religiöse Wahn gefordert hat. Man preist die Religion,
weil sie den Menschen erziehen, weil sie ihn bessern und heiligen soll, aber wie oft hat sie
statt dessen seine Hände mit Blut besudelt! Giebt es einen schlagenderen Beweis dafür, dass
auch der religiöse Glaube nicht unverbesserlich ist, dass vielmehr der menschliche Geist auch
in Bezug auf die Vorstellungen von den ewigen Dingen erst aus der Nacht schreckhafter
Träume sich zum Lichte einer reineren Anschauung des Göttlichen emporgerafft hat! Wie der
Aberglaube roher Völker, wie der Gottesdienst des Alterthums, wie der Teufelswahn des
Mittelalters ihre Opfer forderten, so liefert die religiöse Uebcrspannung selbst unter gebilde-
ten Menschen auch heute noch neben den Beispielen der traurigsten geistigen Verkümmerung
auch Fälle der freiwilligen körperlichen Verstümmelung oder selbst derTödtung. In wenig ge-
bildeten Ländern bilden sich sogar ganze Sekten, die in einer solchen ßichtuug des Geistes ihr
Heil zu finden glaüben. Im vorigen Jahrhundert starben in Russland Tausende durch reli-
giösen Selbstmord. Im Jahre 1861 kamen noch sechs Fälle in einer solchen Sekte vor, die
keine Popen hat. Atn weissen Meer soll ein ganzes Dorf den Scheiterhaufen bestiegen haben.
Diesen Tod nennen sie die Feuertaufe, welche alle Sünden reinigt. Eine andere Sekte übt die
Selb9tentmannung. Die Sabarovani entmannen jeden nach dem Erstgeborenen erzeugten
Knaben; sie lmben sich aus Russland, wo die Regierung die Ausübung dieses Cultus verboten
hat, in die Donaufurstenthümer gezogen; hier dienen diese Unglücklichen später häufig als
Kutscher in den grösseren Städten ; besonders in Bucharest trifft man sie an , wo sie eine
Gemeinde bilden und treu Zusammenhalten.
Das traurige Gemälde, welches die Betrachtung der Menschenfresserei und des Menschen-
opfers vor uns aufrollt, muss denen vor Augen gehalten werden, welche in dem Wilden mit
dem Vorurtheile Rousseau’s nur den unverdorbenen Sohn der Natur zu sehen meinen, aber
auch denen, die, geblendet durch den Glanz grosser Tkaten und Charaktere und den einer hoch
ausgebildeten geistigen Befähigung, wie sie sich in Kunst und Sprache , in Philosophie und
Staatsleben ausspricht, das Alterthum nur bewundern und die klassischen Völker uns in jeder
Beziehung als Muster dor Humanität hinstcllen wollen. Ein noch grösserer Ruhm als der
der geistigen Befähigung ist der der Sittlichkeit und des strengen Bechtsgcfühlcs, worin wir
ü J. von Krusen Stern, Krise um die Welt, 1. Berlin 1811. S. 258.
»6*
Digitized by Google
286 H. Schaaffhausen, Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
allen vorausgegangcnen Völkern und. Zeitaltern überlegen sind und die man mit Unrecht für
nicht vervollkommuungsfahig erklärt hat. Erat wenn der feine Sinn für das Edle und Men-
schenwürdige, wie es Einzelne auch im Alterthume schon empfunden haben, zur allgemeinsten
Verbreitung gelangt und gleichsam zu einer öffentlichen Meinung geworden ist, wenn die hö-
here Schätzung des Menschenwerthes nicht nur in den Sitten, sondern auch in den Gesetzen
aller gebildeten Völker einen Ausdruck gefunden hat, so dass sie auch den Niedrigsten unter
den Schutz des Rechtes und der Freiheit stellen und seihst dem Verbrecher das Mitleid nicht
Versagen, wenn Alles, was als thierische Rohheit, als brutale Grausamkeit vergangener Zeiten
unser verfeinertes Gefühl mit Abscheu erfüllt, aus den Anschauungen der Menschen und aus
dem Leben der Gesellschaft getilgt sein wird, dann haben wir auf der Balm der menschlichen
Entwicklung einen der grössten und segensreichsten Schritte zurückgelegt. Die Zeichen der
Zeit, in der wir leben, verkiiudcn es laut, dass wir diesem Ziel entgegengehen.
Digitized by Google
Digitized by Google
ARCHIV
FÜR
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
Füll
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE DES MEN8CHEN.
Organ
% der
deutschen Gesellschaft iur Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Herauegegeben
* von
0. E. V. Baer in St Petersburg, E. Desor in Noucnburg,
A. Eoker in Freiburg, F. v. Hellwald in Wien, W. HlB in Basel,
L. Lindenschmlt in Mainz, G. Luoae in Frankfurt a. M., L. Rtitimeyer in Basel,
H. Schaaffhausen in Bonn, C. Semper in Würzburg, R. Virchow in Berlin,
O. Vogt in Genf und H. Weloker in Hallo.
Redaction:
A. Eoker, L. Lindenschmlt
und dar GoneraUeerotair dar deutschen nnthropologiachen Gaiellsohaft.
Vierter Band.
Mit in den Text eingedruckten Holxstichon und lithogrxpbirteu Tafeln.
Viertes Vierteljahrsheft
(Ausgegeben Augunt 1871.)
BRAUNSCHWEIG,
DBÜCK DND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEO UND SOHN.
187 1.
*■ * 'f*hk i
ANKÜNDIGUNG.
Das Archiv für Anthropologie hat eich die Aufgabe gestellt, für die einzelnen Arbeiten
auf dem weiten Gebiete dieser Wissenschaft, die bisher in anatomischen, medicinischen und archäologi-
schen Zeitschriften und in den Denkschriften gelehrter Gesellschaften sich zerstreuten, einen Yereini-
gungspunkt zu bilden und so insbesondere auch die bis dahin sinh sehr fernstehenden Gebiete der Natur-
und der Altertumsforschung einander zu nähern. Ferner will dasselbe einen möglichst vollständigen
Ueberblick über den jeweiligen Zustand der gesummten Di.sciplin gewähren.
Um die bezeichncteu Zwecke zu erreichen, wird das Archiv sowohl Originalarbeiten, als
Auszüge aus fremden Arbeiten, Uebersetzungen, Referate und zusammenhängende über-
sichtliche Darstellungen der neuen Arbeiten bringen und überdies durch ein fortlaufende« mög-
lichst vollständiges Literaturverzeichniss den Leser in den Stand setzen, dem Gange der Wissen-
schaft auf das Genauste zu folgen. Durch die Eröffnung einer Rubrik für kleinere Mittheilungen
und dadurch, du>s dem Archiv von nuu an das (monatlich erscheinende) „Correspondenzblatt“ der
deutschen anthropologischen Gesellschaft regelmässig beigegeben wird, erhalten die Leser des Archivs
auch sofortige Kenntnis« von kleineren Reobncht ungen, Funden etc., sowie von den Verhandlungen der
einzelnen Localvereine.
Das Archiv erscheint vierteljährlich in Heften von 10 bis 12 Rogen in Quart, wovon vier
einen Rand bilden, wo immer es nöthig erscheint, mit. guten Abbildungen versehen.
Beiträge für das Archiv, sowie Druckschriften, um deren jeweils baldige
Zusendung im Interesse der Vollständigkeit des Literaturberichts dringend ersucht
wird, bittet man an A. Ecker in Freiburg i. B. (Baden) oder an die Verlags-
handlung zu senden.
il m In Folge des Krieges ist auch die Ausgabe unserer ließe verzögert worden , und auf das
erste und zweite Viertel jahrsheft des vierten Bandes (erschienen im Mai 1870)
ist im Laufe des Jahres 1870 kein weiteres gefolgt; das dritte Vierteljahrsheft erschien
April 1871, und das vierte gege unartige seid i esst erst den Band uh. Von jetzt hoffen
wir die Hefte regelmässig vierteljährlich erscheinen lassen zu können , und es wird das
nächste (fünfter Band, erstes Heß) im Monat November ausgegeben werden .
Die Redaction.
INHALT DES VIERTEN HEFTES DES VIERTEN BANDES.
«eit«
XVI. Heber die verschiedene Krümmung de« Schädel rohre« nnd über die Stellung de* Schädel« auf
der Wirbelsäule beim Neger und beim Europäer. Von A. Ecker. (Hierzu Tafel 11 und III.) 287
XVII. Der Fuss eine* Japanischen Seiltänzers. Von Job. Christ u. G. Lucac. (Hierzu Tafel IV.) . 313
XVIII. Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. Von Wilhe m His. II 317
XIX. Referate.
1. Wallace. Beiträge zur Kenntnis* der natürlichen Zuchtwahl. Ref. vou A. Ecker. 333
2. Charles Darwin. The Descent of Man and Seite tion in Relation to Sex. Ref. von
L. Rütimeyer 335
3. Oscar Peschei. Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde ata Versuch eiuer
Morphologie der Erdoberfläche. Ref. von L. Rütimeyer. 337
4. Carl August Aeby. Ueber die unorganische Metamorphose der Knochcnsubetanx,
dargethan an Bchweizcri«cheii Pfnhlluiutenknochcn und über den Grund dert'nver-
Andcrlichkeit der organischen Knochensubstanz. lief, von H. Fischer 338
5. Archiv io per L’Antropologia e la Ktnologia, pubblicato 840
XX. Verhandlungen gelehrter Versammlungen. Von II. Schaaffhau »en 341
XXI. Kleinere Mittheilungen 355
XXII. Verzeichnis« der nuthropolog.m heil Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt 857
2. Anatomie. Von A. Ecker 368
3. Ethnographie und Reisen 372
1. Allgemeine«. Von F. v. Ilellwald in Wien —
2. Europa. Von F. v. Ilellwald in Wien 1 t . 375
H. Afrika. Von Professor Robert Hartman n in Rerlin 865
4. Amerika. Von F. v. Hellwald in Wien 388
5. Asien. Von Dr. G. Gerland in Halle 388
0. Australien. Von Professor Mcinicke in Dresden 406
7. Ocennicü. Von Professor M einicke in Dresden —
4. Zoologie. Von L. Rütimeyer . . . 400
5. Allgemeine Anthropologie. Von F. v. Hellwald, L. Rütimeyer und Anderen . . . 410
iy Google
XVI.
Ueber die verschiedene Krümmung des Schädelrohres und
über die Stellung des Schädels auf der Wirbelsäule beim
Neger und beim Europäer.
Von
A. Ecker.
(Hieran Tafel II nnd III.)
Wenn mui den Schädel eine« Negers neben dem eines Europäer», beide ohne Unter-
kiefer, auf einer horizontalen Unterlage aufetellt, so erkennt man sofort, dass die Punkte
der Schädelbasis, mit welchen dieselben auf der Unterlage aufruhen, bei beiden verschiedene
sind. Eh fiel mir dies schon vor längerer Zeit auf, als ich die Negerschädel unseres Museums,
welche dasselhe aus dem Nachlass des in Cairo verstorbenen Prof. Billiarz aci]uirirt
hatte, ordnete und aufstellte.
Es war klar, dass dies nur eine Folge einer ganz verschiedenen Stellung der Flächen
der Schädelbasis bei beiden Racen sein konnte, und sehr wahrscheinlich, dass eine derartige
Verschiedenheit auch nicht ganz ohne Einfluss auf die Stellung des Schädels auf der Wirbel-
säule werde bleiben können. Ich verfolgte daher die Verhältnisse etwas genauer und ergab
sich mir hierbei auch zum Theil schon Bekanntes, so stiess ich doch auch auf Anderes, was
bisher noch kaum eine Berücksichtigung gefunden; zudem stellte sich Manches in neuem
Zusammenhänge dar, so dass — insbesondere da die Zahl der zur Untersuchung benutzten
Schädel (ÖO Neger- und 50 Europäerschädel) eine immerhin beträchtliche ist — das Ergebnis»
meiner Untersuchungen der Mittheihmg wohl nicht unwerth erscheint ').
Pie Tlmtsacben sind in Kürze folgende:
*} Eine kurze Mittheiluiiz dieser Bentiachtunpen gab ich in der nnstom.-medic. Section beider Versa mm-
I n n ir dei ich veixcrischen Naturforscher zu Nenchatcl- August I8IW.
SD**
Digitized by Google
288
A. Ecker,
I. Stellt man den Schädel eines Europäers ') ohne Unterkiefer auf einer ho-
rizontalen Unterlage auf, so ruht der Schädel auf: 1) auf dem Zahnbogen (arcus den-
talis) und zwar meist dem ganzen, seltener nur auf den Schneidezähnen oder Backzähnen allein
oder, wenn die Zähne fehlen, auf dem Zahnfächerbogen (arcus alveolaris); 2) auf dein un-
tersten Theil der Hinterhauptsschuppe *), von der Linea nuchae inferior an bis zum hinteren
Rand und dem hinteren Theil des Seitenrandes des Foramen magnum, bald mehr der ersteren,
bald mehr der letzteren Grenze nahe. 3) Auf den Warzen- und Griflelfortsätzen ruht der
Scliädel bisweilen, wenn diese nämlich sehr gross sind, ebenfalls auf. 4) Die Gelenkfort-
sätze des Hinterhauptbeins dagegen berühren die horizontale Unterlage nicht,
sondern liegen stets frei, oft ziemlich hoch über derselben. Bei 50 süddeutschen Schädeln
schwankte die Erhebung von 1'/» bis 105 Millimeter und betrug im Mittel .V67 Millirn.
(Fig. 37).
n. Stellt man dagegen den Schädel eines Negers») in gleicher Weise auf (Fig. 36), so
Fig. 36. Fig. 37.
niht derselbe auf folgenden Punkten auf: 1) auf dem Zahnbogen (arcuB dentalis); bisweilen
nur auf dem hinteren Theil desselben, den Backzähnen; im Fall des Fehlens der Zähne auf
dem Zahnfächerbogen (arcus alveolaris). 2) In der Mehrzahl der Fälle auf den Gelenk-
fortsätzen des Hinterhauptbeins und zwar entweder auf diesen allein oder zugleich auf
den Seitenrändern oder dem hinteren Rand des Foramen magnum. Bei 26 von 50 Neger-
schädeln fand das Aufruhen in der el>engenannten Weise statt In einer kleineren Anzahl
von Fällen (24 von 50) berührten die Gclenkfortsätze die horizontale Unterlage ebenfalls
nicht, waren aber doch jedenfalls viel weniger ülier derselben erhaben, als beim Europäer.
Das Mittel der Erhebung bei diesen 24 Fällen beträgt l'U6 Millirn., steht also weit unter
dem Mittel der Europäer. Ziehen wir jedoch das arithmetische Mittel von allen 30 Neger-
schädeln, so beträgt das nur 094 Millirn. gegen 5'67 beim Europäer, und die Extreme beim
9 Die meisten der verglichenen europäischen Schädel waren solche von Süddeutschen, insbesondere von
.Schwarzwalderu (brachycephal).
*) Die Stellen, mit welchen diese aufrnht, sind verschiedene. Hei bedeutender Tiefe der Fossae ccrebelli
und dadurch bedingter starker Verwölbung derselben nach aussen in Form der sogenannten Protuberantiae
eerelodli sind es diese, weiche auRiegeu. Ist dagegen die Crista oceipitalis stark entwickelt, so findet das
Aufruhcu auf dieser statt.
*) Sämmtliebe in der lieifolgenden Tabelle Xr. I veraeielineten BO X'egersuhadel stammen aus Nordest-
afrika, mit Ausnahme von Nr. 1 und XV. 37.
Digitized by Google
Krümmung des Schiidclrohres.
289
Neger sind 0 und 5 gegen l'ü und lO'ö beim Europäer. 3) Auf dem Warzen- und Griffel
fortsatz ruht der Schädel auch bisweilen auf, jedoch verändert dies die übrigen Verhältnisse
nicht. 4) Der untere Tlieil der Schuppe des Hinterhauptbein» liegt gewöhnlich frei und
berührt die horizontale Unterlage nicht '). Zu diesen Messungen bediente ich mich eines in
horizontaler Ebene nuf drei Füssen befestigten Brettchens von beigezeichneter Gestalt (Fig. 38 J,
Fi». 3«, auf welches der Schädel ohne Unterkiefer aufgestellt
A wird. Gewöhnlich stelle ich denselben auf die quadra
tische Abtheilung A A A A , ragen jedoch die Warzen-
und Griffolfortaätze stark hervor, so das» sie die Unter-
lage berühren, so schiebe ich den Schädel auf die schma-
lere Abtheilung aana zurück, so dass die genannten
Fortsätze seitwärts fallen und der Schädel dann nur
auf den näher der Mittellinie gelegenen Theilen (Gelenk-
fortsätzen, Hiliterhauptsschuppe) aufndit. Durch die Spalten oo bewegt sich ein Millimeter-
Maassstab auf- und abwärts, mit welchem man die Erhebung der Gelenkfortsätzc über der
horizontalen Unterlage misst
*) Wie nothwendig hei allen derartigen Prägen die Vergleichung einer grösseren Anzahl von Schädeln
ist, um alle durch Vermischung, Alter, Geschlecht, Individualität u. s. w. in die Kaccncharaktere eingefuhr-
ten „Störungen“ »u eliminiren, geht auch au» diener Untersuchung wieder hervor. Wäre diese zufällig nur
auf die Jir. 27 his 50 der Tabelle I beschränkt geblietien, so wären die Schlösse theilweise andere geworden.
Are Mt fB? Anthropologie, Bd. IV, Heft IV.
37
Digitized by Google
2»0
A. Ecker
Tabelle 1.
Negerschädel.
Sämmtliche Schädel, mit Ausnahme von Nr. I und Nr. 37 stammen aus Nordostafrika.
Alle sind, ohne Unterkiefer, auf einer horizontalen Unterlage aufgestellt und ruhen
vorn auf dem Zahnbogen auf.
2
i
&
s
ü
Nr.
Nummer
des
l’ata-
log* *)•
Bezeichn ung des Schädels.
Die Gelenk-
fortsätze des
Os occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gulenk-
fortsutze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.-
Bemerkungen,
1
1. 1
Schädel eines Negorskelets (vom
See Nyassv), s. Ecker, Freib.
naturf. Gosel loch. Berichte 11.
1861.
—
Der Schädel fällt leicht hinten-
über, ruht dann auf den Gelenk-
fortflätzen und dem hintern Rande
des Forinten magnum.
2
I. 3
Schädel eines Eunuchenskelets,
ahgebildet und lieschrieben von
A. Ecker: Zur Kennt ui** des
Körperbaus schwarzer Eunu*
| chen. Abhandlg. der S e ticke n-
berg’schen Gesellseh. in Frank-
furt av M. 1hl. V, Taf. XXII, S. 100.
Der Schädel ruht auf dem Znhn-
bogen und den grossen Warzen-
fortsätzen; fallen letztere seit-
wärts, auf emterem und den Ge-
lenkfort Ȋtzen.
3
1 4
Schädel de« Rumpfskclets eines
Negers.
-
Gelenkfortsätze sehr vorstehend.
4
V. 21
Schädel eines Negers aus Obeid
(Kordofun).
-
—
5
V. 18
Schädel eines Nuhanegers , ub»
gebildet und beschrieben von
A. Ecker: Schädel nordostafrik.
Völker. Abhandlg. d. Sencken-
berg’schen Gesellseh. in Frank-
furt a*M. 1hl. VI, Separat* h-
druck, S. 10, Taf. VI.
0
V. 19
Desgleichen, ibid. 8. 11.
-
-
; V. 30
1
Negerschädel.
j Der Schädel ruht auch noch
auf dem hinteren Rande des
Foramen magnum und den
! Spitzen der Warzenfortsätze auf.
’) L>er anthropol. Sammlung der Universität Freiburg.
Digitized by Google
Ordnungszahl.
Kriünraung des Schädelrohres.
291
Nr.
Nummer
des
Cata-
loga.
Bezeichnung des Schädels.
Die Gelenk-
fortafctss des
Os occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk-
fort «ätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung ül>er
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
-
Der Schädel fällt leicht hinten-
über.
-
Der Schädel fällt leicht hinten-
über. Gelenkfortsütze »ehr vor-
-
stehend.
. -
Der Schädel ruht zugleich auf
dem hinteren Theile des Seiteii-
randc» des Foramen magmun.
Ih?r Schädel ruht auf (Zahnl»o-
gen und) den Warzenfortsätzen;
lässt mau letztere seit wart» fallen,
auf den Gelenkfortsätzen und
dem hinteren Theile de« Seiten-
rande« des Foramen magnum.
Der Schädel fällt leicht hinten-
über, ruht dann auf Proc. coudyl.
und unterem Theile der Schuppe;
nach vorn gewendet auf Zahn-
bogen und Griffelforteätzen ;
lässt man diese seitwärts fallen,
auf Zahnbogcu und Gelenkfort-
sätzen ; Hmterhauptaachuppe
hoch ül>er dem Boden.
-
—
-
Gelenkfortsätze sehr vorstehend.
-
Ik*r Schädel fällt leicht hinten-
Ühir und ruht dann auf den
Gelenkfortsutzen , den Warzen-
fortaätzen und den Tubera ce-
rebelli. um die Spitze der Pme.
niastoidei nach vorn gedreht,
auf Zahnbogen, Gelenkfortsätzen
und Warzenfortsätzen.
37*
10
12
13
V. 17
V. 7
V. 10
V. 11
V. 9
Schädel eines Negers von Te-
gern (?). Ecker: Schädel uord-
ostafr. Völker. I. ©. Taf. IX.
S. 15.
Schädel eines Negers von Dar*
Fertit
Schädel eines Negers von Teg-
geleh, vergl. Ecker, I. c.
Taf. VII, S. 12.
Schädel eines Negers von Teg*
geleh. Ecker, ihid. S. 13.
Schädel eines Neger» von Ko bi
(Darfur). Ecker, ibid. S. 20.
Schädel eines Negers von Dar-
fur.
14
V. 1*
Schädel eines Neger» von Ha-
madja. Ecker, ibid. III, S. 7.
15
V. 3«
Negerschädel (bezeichnet Ka-
fina).
16
V. 27
Negerschädel.
Digitized by Google
292
A. Ecker
i
§
c
ü
o
'
Nr.
Nummer
de«
Cata-
log».
Bezeichnung des Schädels.
Die Geleok-
fortaitzc des
Os occip. ru-
hen uuf der
horizontu-
len Unter-
lage uuf.
Die Gelenk-
fortsätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
17
V. 28
Negerschädel.
—
—
18
V. 58
Schädel eines Negerknaben , 10
bis 12 Jahr alt.
Der Schädel ruht zugleich auf
dem hinteren Rande des Kom-
men magnum , den Tu Infra ce-
rebelli und den Spitzen der
W arzen fortsätze.
18
V. 52
Schädel eines Negerknaben,
circa 9 Jahr alt (bezeichnet An*
—
Gelcnkfortaätze sehr vorstehend.
20
V. 85
Negerschädel.
-
-
21
V. 30
Negerschädel.
Der Schädel ruht zugleich auf
dem hinteren Rande des Kom-
men magnum.
22
V. 37
Negerschädel.
-
-
23
V. 31
Negerschädel, klein, sehr pro-
gnath. Die zwei mittleren olieren
Schneidezahne mit gefeilten
Einschnitten.
Der Schädel ruht zugleich auf
den Spitzen derProc. mastoidei.
24
V. 32
Negerschädel , »ehr prognath.
Schneidezähne des Ober- und
Unterkiefers spitz gefeilt.
Der Schädel ruht auf dem Zahn-
bogen und den Warzenfort-
sätzen; lässt man letztere seit-
wärts fallen, auf ersterem und
den üelenkfortaätzeu.
25
V. 56
Negerschädel , etwas difform.
Pfeil- und Kranznaht geschlos-
sen bei offener Synchondr. sphe-
no-basilaris.
.
Griffelfortaätze sehr gross. —
Schädel fallt leicht hintenüber,
liegt daun auf den Geleukfort-
sätzen und dem hinteren Rande
des Koramen magnum auf.
2G
V. 48
Negerschädel.
-
.
-
27
V. 26
Schädel «fine* schwarzen Eunu-
chen. Siehe Ecker: Zur Kennt-
niss des Körperbaues schwar-
zer Eunuchen, 1. s. c., S. 109,
Taf. XXII und XXIII.
05
Der Schädel ruht auf der Spitze
der Warzenfortsätze und dem —
sehr vorstehenden — hinteren
Seitenrande des Koramen ma-
guum. Ohne da* starke Vomte-
hen diese* Randes würdeu die
Gelenkfortsätze die Unterlage
berühren.
Digitized by Google
Krümmung des Schädel roh res.
293
1
p
a.
s
fl
■£
Nr.
Nummer
des
Cata-
logB.
Bezeichnung des Schädels.
FHe Gelenk-
fortsätce des
Os occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk-
fortsätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
28
V. 6
Schädel eine* Negers von Dar-
Fertit. Siehe Ecker: Schädel
nordostafr. Völker, 1. c. Taf. II,
S. 6.
1
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Theile des .Seitenrandes
de» Foramen inagnum.
29
V, 29
Negerschädel.
1
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Rande des Foramen ina-
gnum.
30
V. 50
Negerschädel.
1
Der Schädel ruht auf den War-
zenfortsätzen und dem unteren
Theile der Schnppe; fallen erstere
seitwärts, auf dem hinteren Rande
des Foramen magnum. Die Ge-
len kfortsätze. obgleich sie den
Boden nicht berühren, sehr vor-
stehend.
31
V. 55
Negerschädel.
1
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Theile des Seitenrandes
des Foramen magnum, der sehr
vorsteht. Proc. condyloidei vor-
stehend.
32
V. 84
Negerschädel. Die mittleren
oberen Schneidezähne mit ge-
feilten Einschnitten.
1
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Rande des Foramen ma-
gnum.
33
V. 33
Negerschädel, jugendlich, sehr
prognath.
1
Der Schädel ruht auf den gros-
sen Warzeufortsätzen , fallen
diese seitwärts, auf dem hinteren
Rande des Foramen magnum.
34
V. 57
Negerachädel.
1,5
Der Schädel ruht auf dem vor-
stehenden hiutereu Theile des
Seitenrandes des Foramen ma-
gnum-
36
V 48
Negerschädel.
1,8
Der Schädel ruht auf den War-
zenfortsätzen ; fallen diese seit-
wärts, auf dem hinteren Rande
des Foramen magnum.
SU
1
V. 14
Schädel eines Negers aus Fa-
zogl.
Der Schädel ruht auf dem sehr
vorstehenden hinteren Theile des
Seitenrandes des Foramen ma-
gnum.
Digitized by Google
A. Ecker,
■294
2
i
&
9
s
c
5
Nr. (
Nummer
de»
Cnta-
log».
Bezeichnung des Schädel».
Die Gelenk-
fortaätze des
Ob occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk-
fortsä tzc
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkung*1 u
37
V. 1
Schädel eine» Negers aus Boruu.
1,5
Der Schädel ruht auf den War-
zen fortsäUen; fallen diese seit-
wärts, auf dem »ehr stark aus-
geprägten hinteren Theile de»
Seitenrande» des Foramen tua-
gnum.
38
V. 5
Schädel eines Negers au» Dar-
Fertit Siehe Ecker: Schädel
nordostafr. Volker, 1. c. Taf. I,
S. 5.
2
Der Schädel liegt auf den Tu-
bern cerebelli auf.
39
V. 13
1 Schädel eine» Neger» aus Fa-
zogl. Siehe Ecker, 1. e. Tb. IV,
8. 8.
2
Der Schädel ruht auf dem sehr
vorstehenden hinteren Theile
des Seitenrandes des Foramen
magnum.
40
V. 40
Negerschüdel, schwer, hoch, pro-
gnath. Lücke zwischen den
zwei oberen mittleren Schneide-
zähnen; die zwei unteren mitt-
leren Schneidezähne fehlen.
2
Der Schädel fallt leicht hinten-
über, ruht dann auf den War-
zenforta&tzen und den Tubera
cerebelli, nach vorwärts gewen-
det auf enteren (und Zahnbo-
gen); Proc. mast, seitwärts fal-
lend, auf dem hinteren Kunde
des Foramen magnum.
41
V. 44
Negerschädel , jung. Den* sap.
noch nicht durch.
2
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Theile de» Seitenrande»
de» Foramen magnum;
42
V. 23
Negenchidel, »ehr schmal, lang,
hoch und prognath.
2
Auf den Tubera cerebelli;
43
V. 22
Schädel eines Negers von Taka.
Ecker, 1. c. Taf. VIII, S. 14.
2
Auf Tubera cerebelli und dem
hinteren Theile de» Seitenran-
dea de» Foramen magnum;
44
V 3
Schädel eines Galla. Ihid. Taf. XI,
S. 19.
2
Auf den Warzenfortsätzen ; wenn
diese seitlich fallen, auf den Tu-
bera cerebelli;
45
V. 2
Desgleichen, ihid. S. 16.
2
Desgleichen ;
40
V. 24
Negerschädel.
8
Auf den Warzenfortsätzen , fallt
, leicht hintenüber; wenn diese
1 seitlich fallen, auf dem hinteren
Theile de» Seitenrande« des Fo-
ramen magnum.
47
IV. 45
Negerschädel.
8
Desgleichen.
Digitized by Google
Krümmung des Schädelrohres. 295
5
6
S
3
Xr.
Nummer
de»
CtttH*
log*.
Bezeichnung de» Schädel».
IHe Gelenk-
fortsätze des
Os occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
J Oie Gelenk-
fortsätze
ruhen nicht
l auf. Erhe-
bung über
der horizon- 1
1 tnlen Unter-
lage in Mil- !
li niete rn. j
Bemerkungen.
48 1
V. 51
Schädel eines Negerknaben,
circa 8 Jahre alt
8
Der Schädel ruht auf den» hin-
teren Theil des Seitenrandes
de» Foramen magnum.
49 !
IV. 25
Negerschädel.
4
Desgleichen. Proc. condyluidei
sehr vorstehend.
5ü
V. 15
Schälle] eines Negers vom Te-
gem-gebel-Gnl, 1. e. Taf. V, s.
1 5 1
Auf dem hinteren Theile de»
Seitenrandes des Foramen ma-
gnum.
Immerhin sind demnach diese Unterschiede bedeutend genug, und es war mir daher sehr
auffallend, beim Nachschlagen in der betreffenden’ Literatur derselben kaum Erwähnung
• gethan zu finden.
Es ist fast nur Sömmoring *). der etwas davon beobachtet hat, jedoch scheint ihm
gerade das wesentlichere Moment entgangen zu »ein. Er sagt (1. c.), das Foramen magnum
scheine beim Neger etwas weiter hinten zu liegen, als bei uns, und eine Folge hiervon sei,
dass, wenn man einen Mohrenschädel ohne Unterkiefer auf eine ebene Fläche lege, dieser so
sehr hinten aufliege, dass die Zähne die Fläche nicht berühren, sondern um mehr als einen
Zoll höher gehoben werden, während die europäischen Schädel sich meist allemal nach vorn
neigen und eben so gut auf den Zähnen als hinten aufruhen. Dieses von Sömmering an-
gegebene Hintenüberfallen des Negersehädels findet allerdings in manchen Fällen statt und
ist in einzelnen dieser durch die starke Entwickelung der Gelenkfortsätze bedingt, indem
diese dann das Hypomochlion eines zweiarmigen Hebels bilden; in anderen Fällen findet aber
ganz dasselbe in Folge einer starken Entwickelung der Processus mastoidei statt, und in noch
anderen Fällen sind die Gelenkfortsätze vorstehend und auf der Unterlage aufruhend, ohne
dass jedoch das genannte HintenUbcrfallen des Schädels stattfindet In der übrigen Literatur
fand ich die abweichende Stellung der Condylen nur selten erwähnt In der anthropologi-
schen Gesellschaft von Paris wurde bei Gelegenheit der Mittheilung über neu-caledonische
Schädel von Bourgarel*) bemerkt, dass sie in einzelnen F'ällen auch auf einem oder beiden
Condylen aufruhen (in 2 Fällen unter 20); ferner bemerkt Broca3) in seinem Aufsatz: «Sur
les projections de la töte etc.“ bei Gelegenheit der Bestimmung seiner Horizontal-Ebene, dass
die Schädel auf einer horizontalen Unterlage hinten bald auf den Warzenfortsätzen, bald
auf den Bosses ccrebelleuses oder selbst auf der unteren Fläche der Condylen aufruben.
’) Semmering, Ueber die körperliche Verschiedenheit des Neger» vom Europäer. Mainz, 1784. §. 51
and 52.
*| Bulletins de la societe d’Anthropologie de Pari*. I, 450.
»t Il>id. III, 517.
Digitized by Google
296 A. Ecker,
Pruner-Bey ') giebt als Charakter dea Negerscbädels „verlängerte, schmale und sehr geneigte
Condylen“ au.
Wie wir oben sahen , ragen also beim Negerschädcl die Gelenkfortsätze viel stärker
hervor, so dass bei Aufstellung der erstercn auf einer horizontalen Unterlage dieselben ent-
weder auf dieser aufruhen oder sich wenigstens viel weniger über dieselbe erheben, als beim
Europäer. Biese stärkere Hervorragung ist nicht etwa die Folge einer stärkeren Entwickelung
dieser Fortsätze, sondern vielmehr, wie insbesondere Medianschnitte zeigen, nur das Resultat
einer hei beiden Racen verschiedenen Stellung der Schädelbasis. Die Ebene des Foramen
magnum bildet mit der Ebene des Clivus beim Neger einen viel kleineren Win-
kel, als beim Europäer; mit anderen Worten: die Schädelbasis ist an der Berührungs-
stello der beiden genannten Ebenen viel stärker geknickt, als beim Europäer. Es erhellt
dies aus der Vergleichung der auf Taf. 11 und III in Fig. 1 bis 8 abgebildeten Medianschnitte,
die mit dem Lucae'schen Apparate aufgenommen und um die Hälfte verkleinert sind*).
Wie beistehende Talwdle ("Nr. II a. f. S.) zeigt, schwankte beim Neger in 12 Fällen der
genannte Winkel (Condylcnwinkel) von 100" bis lÄS” und betrug im Mittel 113’5". Beim
Europäer variirte derselbe in 20 Fällen von 117° bis 140° und das Mittel betrug 1 28'2<‘.
Es ist klar, dass die Gelenk fortsätze des Hinterhauptbeines, die sich in der Nähe der
Spitze des genannten Winkels befinden, weit mehr vorstehen werden, wenn dieser einem
rechten sich nähert als wenn er ein weit oflener stumpfer ist. Ein Blick auf die Abbildun-
gen (Taf. II und III) lässt die genannten Unterschiede sehr deutlich erkennen und zugleich
wahrnehmen, dass die Gelenkfortsätze, wenn nmn die Schädel in. die aufrechte Stellung bringt,
mehr nach vorn geneigt, d. h. mit dem vorderen Ende abwärts gewendet, sind, ein Umstand,
der sofort autfallen muss. Die Schädel, bei welchen der genannte Winkel am kleinsten ist,
sind in der Regel zugleich auch diejenigen , bei welchen die Gelenkfortsätze auf der horizon-
talen Unterlage aufruhen, während jene, bei welchen diese hoch stehen , meistens einen sehr
grossen Condylenwinkel aufweisen.
Alle die verglichenen und in den Tabellen verzeiclmeten Schädel sind völlig normale.
Bei Schädeln mit sogenannter eingedrückter Schädelbasis kann die Erhebung der Condylen
über die horizontale Unterlage natürlich eine viel bedeutendere werden. Diese abnormen
Schädel hisse ich hier ganz ausser Betrachtung*). Bei normalen Schädeln tritft, wie Boo-
gard (1. c.) richtig angiebt, eine von der Nasenwurzel zu der hinter dem Foramen magnum
gelegenen Unterfläche des Hinterhauptbeins gezogene Linie den hinteren Rand de« Foramen
magnum selbst, während bei den Schädeln mit eingedrückter Basis das hintere Ende dieser
Linie hinter den Rand des Foramen magnum lullt.
Dass diese verschiedene Knickung der Schädelbasis bei den genannten Racen mit ande-
ren Eigenthümlichkeiten des Schädels theils als bedingendes Moment, theils als Folge in
') Memoire« de ta «ocicte d’ Anthropologie de Paris. I, 300.
2) Kiue Anzahl anderer SchädeldiirchscliniUc hildetc ich einfach dadurch ab, dass ich dir Schnittfläche
zuerst mit einer Gummilösung, dann mit Tusche bestrich und nachher auf einem feuchten Papiere mit ge-
hörig weicher Unterlage abdruckte. f)ic ( und vl.'n wurden durch einen mit einem Bleistift versehenen Winkel
nachträglich Umrissen.
*) Vergl. über diese Veränderung des Schädels insbesondere Boogard, Die Eindrückung der Schädelbasis
durch die Wirbelsäule. Nederlandsch Tijdschr. ISttä, fl. Afd. p. 81 und Schmidt’« Jahrbücher IH05, Bd. 1A7
Nr. fl, S. AS», woselbst auch die übrige Literatur über diesen Gegenstand vollständig angegeben ist.
Digitized by Google
Krümmung des Schadelrohrs. 297
nächster Beziehung stehen werde, war von vornherein anzunehmen und wird durch die
Untersuchung bestätigt.
Tabelle II
Condylenwink
Neger.
eL
Tabelle IH.
Condylenwin
Europäer.
k e 1.
fcc
c _
s M
-3 3
u
Bezeichnung
Con-
dyleu*
winkel
Erhebung der
Condyli occ.
über der Hori-
zontalehene
■
u
9 2
■% "
U
O
Bezeichnung
Coo-
dylen-
winkel
Erhebuug der
Condyli occ.
über der Hori-
zontalebene
I
1
Neger
100°
0
i
Schwede
117
i
2
*
110»
0
2
Schwarzwälder
120
4
3
9
110»
0
3
Schwaniwülder
120
. 7
4
„ (bez, :Kafina)
1IO0
0
4
Bretsgauer
131
—
5
n
111»
0
5 .
Brei»gauer
121
—
6
n (Aahantee)
113»
0
6
Schwarzwilder
122
9
7
„ (Darfur)
115»
0
7
Schwarzwälder
124
4
8
j»
116*
3
8
Breingauer
125
-
9
ji
116»
1
9
' BreiBgauer
126
8
-10
„ (Borna)
117»
1-6
i°
| Schwarzwälder
127
2
11
1»
120»
1-6
11 i
Schwarzwälder
128
—
12 !
„ (Kuogl)
135»
2-0
12
Norddeutscher
129
ß
Mittel
13
Schwabe
130
10
113 6
14
Schwarzwnlder
130
—
15
Schwarzwälder
133
10
16
Sch war* wälder
134
6
’
17
Schwarzwälder
135
—
18
Schwarzwälder
137
—
19
Schwarzwälder
140
] —
20
Schwarzwälder
145
105
Mittel
1
1
1282
1
Ist der Schädel, wie vorher, auf der horizontalen Unterlage aufgestellt, so erscheint bei
den Schädeln mit kleinem Condylcnwinkcl, also den Negerschädeln:
1) Das Hinterhaupt steiler aufgerichtet, höher UW der horizoutalen Ebene gelegen,
während es hei den Schädeln mit entgegengesetzter Bildung auf dieser aufruht.
2) Ferner ist die Ebene des Fortunen magnutn zu der Horizontalebene so gestellt, dass
sie beim Neger mit derselben entweder
a) einen nach hinten offenen Winkel bildet (Taf. II, Fig. 1, Nr. 13 der Tabelle I); oder
b) mit derselben vollkommen oder nahezu parallel steht (Taf. III, Fig. 5, Nr. 22 der
Tabelle I; oder
c) endlich einen, jedoch immer kleinen, nach vom offenen Winkel bildet (Taf. II,
Fig. 3; Taf. HI, Fig. 7, Nr. 15 und 16 der Tabelle I),
Archiv für Anthropologie, Ed. IV. Heft IV. gg
Digitized by Google
■2!l» A. Ecker,
während die beiden Ebenen beim europäischen Schädel immer einen nach vorn offenen
und jeweils viel grösseren Winkel bilden. (Taf. II, Fig. 2, 4; Taf. III, Fig. 6, 8.)
Das Fortunen magnuin ist also allerdings beim Neger im Ganzen mehr nach hinten ge-
richtet und der Winkel zwischen unterer und hinterer Schädelfläche, der sich beim
Europäer ungefähr am hinteren Rande des Foramen magnum findet, fällt beim Neger
schon mit dem Condylen winkel zusammen.
Aus dem bisher Mitgetheilten ergiebt sich, dass:
1) geringere Erhebung der Gelenkfortsätze Uber der horizontalen Unterlage,
2) kleinerer Condy lenwinkel und
3) steilere Stellung des Foramen magnum nach hinten
stets zusammen Vorkommen und liir die untersuchten Negerschndel gegenüber den europäi-
schen immerhin etwas Charakteristisches bilden. Man wird daher wrtfcl annehmen dürfen,
dass es in der Race begründete Unterschiede sind. Bekanntlich war es Daubenton, der
zuerst auf dio Eigeuthümlichkeiten der Stellung des Foramen magnum beim Menschen
gegenüber der bei den Thieren aufmerksam machte. In seinem „Memoire sur les dilfdrences
de la Situation du grand trou occipital dans l'hommo etdans ies animauxJ ') (gelesen am I. Sep-
tember 1704 in der französischen Academie) sagt er, beim Menschen liege in Folge seines
aufrechten Ganges das Foramen magnum beinahe in der Mitte der Schädelbasis, d. h. es sei
von dem vorderen Kieferrand« kaum mehr entfernt , als von der hinteren Schädelfläche,
ferner unterscheitle sich das Foramen magnum dadurch von dem der Thiere, dass seine Eben?
(welche er über dessen hinteren Rand und die Gelenkfläche der Uelenkfortsätze legt), wenn
man sie verlängert, unter den Augenhöhlen Austritt. Sie liege in einer fast horizontalen
Ebene, welche dio verticale des Körpers und Halses bei vollkommen aufrechter Stellung des
Kopfes rechtwinklig schneidet. Bei den meisten Thieren liege das Hinterhauptloch am hin-
teren Theile des Schädels und das Hinterhaupt rage nicht über dasselbe hinaus', die Ebene
desselben sei eine verticale oder wenig nach vorn oder hinten geneigte. Von allen Thieren
unterscheiden sich in dieser Beziehung die Alfen am wenigsten von tlen Menschen untl von
diesen wieder die ungescliwänzten oder eigentlichen Affen. Doch gebe es auch geschwänzte
Affen , wie z. B. der Sapajou, die darin nicht mehr vom Menschen verschieden seien , als der
dem Menschen ähnlichste, der Orang-Utan. Dass auch innerhalb des Menschengeschlechts
Verschiedenheiten in der in Rede stehenden Richtung stattfinden, darüber findet sich bei
Daubenton keinerlei Andeutung. Hierauf bat wohl zuerstSömmering aufmerksam gemacht.
In der oben citirten Schrift (§. 51) sagt er, das Foramen magnum scheine beim Neger weiter
hinten zu liegen, als beim Europäer, und vermuthlich sei das die Ursache, dass der Mohren-
schädel, wie oben Seite 295 erwähnt, ohne Unterkiefer auf eine horizontale Unterlage gestellt,
sich anders verhalte als der des Europäers.
Seit dieser Zeit sind Verschiedenheiten in der Stellung des Foramen magnum beim
Neger und Europäer mit mehr oder weniger Bestimmtheit angenommen und als Eigen-
thünilichkeiton der Race betrachtet worden. Vor allem ist es HuxleyJ), der auf die Ver-
9 lli-teire de I'acadtmic royale de» peienee«. Armee 17(11. Avec lea memoire» de mathemalii|ue et
de j'hypiyue I "ir la meine annec. Daris 1707. 4rt. p. .VIS.. — Jl lluxley, Zcngnitifl f , 1 1* <1 u‘ Stellung des
Menschen in der Natur. Au» dem Enffliachen von V. Caru». flraunpehwetg , 1*08. 8. 170.
Digitized by Google
Krümmung des Schüdelrohrs. 299
schiedenheiten aufmerksam macht um! zeigt, dass in den prognathen Schädeln die
Ebene des Foramen tnagnum mit der Schädelbasisaxe einen kleineren Winkel
bilde, als bei den orthognathen. Aebv '} dagegen will der steileren Stellung desForamen
magnmn (er spricht nur von dieser) durchaus keine so wichtige Bedeutung zugeschriebeu
haben, wie ich sie oben annelunen zu müssen glaubte (d. h. die einer Raoeneigeuthümlichkeit),
sondern glaubt, dass die Schwankungen in dieser Beziehung nur individueller Natur seien;
insbesondere finde auch — womit er sich insbesondere gegen Huxley wendet — keine
nähere Beziehung dieser Stellung zum Prognathismus statt Es halte schwer, ein bestimm-
tes Gesetz aufzustellen und es scheine nur eine — freilich vielfach gestörte — Beziehung
zwischen Foramen magnmn und Hinterhaupt zu liestehen, in der Weise, dass Kürze des
Hinterhaupts zu steilerer Aufrichtung des Foramen magnum führen würde.
Aeby betrachtet das erstere Moment als die Ursache des letzteren. Ohne das Vorkommen
zahlreicher Variationen im Geringsten lüugnen zu wollen, möchto ich doch behaupten, dass
die beiden genannten Momente die nothwendige Folge einer gemeinsamen Ursache sind
und auf einer RaconeigenthUmlichkeit beruhen. Welches diese sei, diese Frage soll weiter
unten genauer erörtert werden ; vorher haben wir noch eine andere zu beantworten.
Wir haben bisher nur die Stellung des Schädels ohne Unterkiefer auf einer horizontalen
Unterlage (der Linie II H Tafel II und III) ins Auge gefasst. Diese Linie fällt aber keines-
wegs mit der Horizontalen zusammen, in welcher der Schädel im Leben auf der Wirbelsäule
im Gleichgewicht aufruht, und es entsteht nun also die weitere Frage: Wie verhalten sich
die beiden Schädelformen in Betreff dieser Horizontalen? Diese Frage haben wir in die
folgenden zu zerlegen: 1) Welches ist im Lebon bei aufrechter Stellung des Körpers die
Horizontal-Ebene, in welcher der Kopf auf der Wirbelsäule aufruht? 2) Wie verhält sich zu
dieser Ebene die Ebene des Foramen magnum? 3) Finden in den genannten Beziehungen
Verschiedenheiten zwischen dem Neger und dem Europäer statt?
ad 1. Bestimmung der Horizontal-Ebene. — Es ist bekannt, dass die Ansichten hierüber
ziemlich auseinandergingen und dass eben deshalb auf dem Anthropologencongress in Göt-
tingen im Jahr 18C1 der Versuch gemacht wurde, eine Vereinbarung zu erzielen, um insbesondere
in der bildlichen Darstellung der Schädel eine die Vergleichung leicht gestattende Gleich-
mässigkeit einzuführen. C. E. v. Baer sprach sich bei der hierbei stattfindenden Discussion
in folgender Weise aus’): Bei vollkommen ruhiger Haltung des Kopfes, so dass er mit ge-
ringster Anstrengung der Muskeln auf dem Atlas ruhe, wechsle zwar bei verschiedenen Per-
sonen die Horizontale etwas, immer aber verlaufe sie, von der Ohröffnung aus gezogen,
höher als der Boden der Nasenhöhle und schwanke etwa zwischen dem oberen und unteren
Drittheil derselben. Er fand diese Linie, indem er sich und Andere vor einen senkrecht
befestigten Spiegel stellte und bei ruhiger Haltung, so dass der Kopf mit geringster Anstren-
i) Acby, Pie Scbädelformen des Menschen und der Alfen. Leipzig 1HÖ7, 4°. — Aeby misst bekanntiieh die
Länge des Hinterhaupts in folgender Weise: Auf der Verlängerung seiner Grundlinie nach hinten werden
awei Senkrechte gezogen, wovou die eine den vorstehendsten Punkt des Hinterhaupts tangirt, die andere den
vorderen Rand des Foramen magnum trifft. Pie Pistanz zwischen beiden Linien gieht die Länge des Hin-
terhaupts. L c. S. 17.
*) Bericht über die Zusammenkunft einiger Authroiwlogen in Göttingen von C.E. von Baer und IL Wag-
ner. Leipzig 1861. S. 36.
38*
Digitized by Google
300
A. Ecker,
gung der Muskeln auf dem Atlas ruhte, in das Bild der Pupille des eigenen Auges sah odei1
sehen liess. Da nun diese Baer'scbe Linie mit der Jochbeinlinie, d. h. mit einer durch den
oberen Rand des Jocbbogens gelegten Linie ziemlich UbereiDstimmt, so wurde auf dem
genannten Anthropologencongress vereinbart, diese Jochbeinlinie als Horizontale anzunehmen
(Tat. II und HI, Linie ZZ). Broca ') dagegen hat eine andere Linie als Horizontale auf-
gestellt Dieselbe geht als Tangente Uber den vorstehendsten Punkt der unteren Fläche der
Gelenkfortsätze des Hinterhauptbeins und über den unteren Rand des Zahnlächerbogens
(Arcus alveolaris) zwischen den Schneidezähnen hindurch *). Broca ist ebenfalls der Ansicht,
dass bei aufrechter Stellung des Körpers’ diejenige Stellung des Kopfes die natürliche sei , in
welcher die Sehaxe horizontal verläuft, und hält dafür, dass die Horizontal-Ebene, in welcher
der Kopf im Leben auf dem Atlas aufruhe, durch die vorgenannte Linie angegeben werde.
ad 2 und 3. Eine Vergleichung der beiden oben genannten Linien bei einer Anzahl von
europäischen Schädeln ergiebt sofort, dass dieselben (die ich kurz als die Baer’sche und
die Broca'sche bezeichnen will) nie oder nur höchet selten einander parallel laufen, sondern
mit einander einen nach vorn offenen Winkel bilden. In 14 Fällen wechselte dieser Winkel
von 9° bis 15° und betrug im Mittel der 14 Fälle 1211“.
Bei dem Negerscbadel dagegen verlaufen die beiden Linien in der Mehrzahl der Fälle
parallel und bilden nur selten einen erheblichen Winkel mit einander. Von 12 Fällen betrug
das Mittel der Neigung der beiden Linien nur 1'9°.
Aus diesen Thateachen ergiebt sich zweierlei: einmal, daas für den europäischen Schädel
mir die eine der beiden Linien die richtige sein kann und dann, dass in Betreff der Stellung
des Schädels zu der Horizontalen zwischen dem des Negers und dem des Europäers gewich-
tige Unterschiede statthaben müssen.
Betrachten wir nun zunächst, wie sich die einzelnen Theile des Schädels zu den genann-
ten Linien stellen, so ergiebt sich Folgendes:
I. Broca'sche Linie.
A. Beim Europäer*). 1) Dieselbe verläuft über den untersten Theil der Hinterhaupts-
schuppe, durchschneidet dieselbe oder tangirt sie mindestens. 2) Der Winkel,
welchen diese Linie mit der Ebene des Foramen magnum bildet, ist stets ein nach
vorn offener, ziemlich beträchtlicher, der im Mittel von 12 Fällen 24ö beträgt-
3) Die Jochbeinlinie bildet mit derselben elienfälls einen nach vom offenen , ziem-
lich grossen Winkel.
B. Beim Neger*). 1) Der hintere Rand des Foramen magnum und der untere Theil
der Hinterhauptsschuppe sind stets über dieser Linie gelagert und zwar 2 bis
17 Millimeter darüber (im Mittel von 12 Fällen 7 Milliro.). 2) Mit der Ebene des
Foramen magnum bildet diese Linie entweder: a) einen nach hinten offenen Winkel
(unter 12 Fällen in 2), oder b) sie läuft damit parallel (unter 12 Fällen in 4),
') Hulk’tins «le la Bociet£ d’Antbropolojrie de Paris. III, S. 520.
•) Niehe Tuf. II und III die Linie B Ii
3) Vergl. Tal’. II, Fijf. 2 und 4 und Taf. III, Fig, 6 und 8.
*) Yerjrl. Taf. II, Kig. 1 und 3, Taf. III. Fijj. 5 und 7.
Digitized by Google
Krümmung des Schiidelrohrs.
301
oder sie bildet (unter 12 Fällen in 6), wie beim Europäer, einen nach vorn offenen
Winkel, der aber stets viel kleiner ist, als bei diesem, c) Die Jochbeinlinie läuft
mit derselben parallel oder fast parallel.
II. Baer’sche Linie (<L h. eine mit der Jochbeinlinie parallele, die Gelenkfortsätze des
Hinterhauptbeins tangircnde Linie). Dass diese Linie beim Neger meist parallel
mit der vorhergehenden länft, jat schon erwähnt. Sie berührt also meist den Rand
des Arcus alveolaris anperior oder entfernt sich nicht weit davon nach aufwärts,
wahrend der vordere Rand der Hinterliauptsschuppe mehr oder minder hoch über
derselben liegt. — Beim Europäer dagegen tangirt oder schneidet diese Linie die
Hinterhauptschuppe und tritt vorn meist in gleicher Hohe mit dem Boden der Nasen-
höhle oder wenig tiefer aus.
Hiernach lässt sich nun nicht verkennen — und es erhellt dies aus einer Vergleichnng
der Figuren auf Taf. II und III und beistehender Fig. 39 auf das Evidenteste, dass es den
89- Anschein hat, als habe bei den beiden Racen gleich-
sam eine verschiedene Drehung der die Schädel-
capsel zusammensetzenden Tlieile 'um eine Quer-
\ achse nach vor- oder rückwärts stattgefunden.
• Um die hierbei stattfindenden Vorgänge rich-
tig zu verstehen, ist es nöthig, sich an die Urform
der Schädelwirbel zu erinnern. Ein jeder Schädol-
wirbel hat die Gestalt eines Keils *) , dessen Basis
im Bogen, dessen Spitze im Körper liegt. Denken
wir uns den Schädel aus drei solchen Elementen
zusammengesetzt, so bilden diese zusammen ein
gebogenes Rohr (OSFV der Figur 39) als Fort-
„ , , , , .... , . Setzung des geraden Wirbelrohres (W). Eine mäch-
Schem» der hypothetischen Drehung der \\ irbel-
•eminente beim Neger und beim Europäer. ^S6 Entwicklung der Bogen muss nothwendig (der
Rothe Conturen: Europäer. Schwarte Con- Keilform wegen) die Krümmung dieses Rohres ver-
telwirbcl, F Stirnwirbel, V vierter Wirtel (Vo- starken, eine schwächere sie abflachen. Es ist nun
mer), W Wirbeiaftule, / Fortunen magnum, nicht zu verkennen, dass es den Anschein hat, als
c stelle der GelenkforUit«. de» Hinter- habo fc*.; (ler einen Raee das Eine, bei der anderen
hanptbems.
das Andere stattgefunden.
Beim Neger hat, so nehmen wir an, das Schädelrohr eine schwächere Krümmung erlitten
und ist eben deshalb kürzer. Im Einzelnen scheinen folgende Vorgänge dieses Resultat her-
vorzubringen: A. Es hat, bei relativ mehr fixirtem Basaltheil, eine Rotation des Bogens des
hintersten Segments (0) nach vor- und aufwärts stattgefunden, eine Bewegung, die ihrerseits
wieder bedingt erscheint durch eine geringere Entwicklung eben dieses Bogentheils. Noth-
wendige Folgen dieser Rotation sind: 1.’ die steilere, nnch hinten gerichtete Stellong der
Ebene des Foramen magnum; 2. die Erhebung des Negerachüdels nach hinten und die
Lagerung der Hinterhauptsschuppe über der Horizontalen ( HU) und Uber der Broca'schen
') Vergl. »ach Aeby, Die Sch idel formen u. ». w., S. 8.
Digitized by Google
302
A. Ecker,
Linie [B B); 3. die stärkere Knickung der Schädelbasis in der (legend der Gelenkfort-
sätze ( c ) und das hiervon abhängige stärkere Vorstehen derselben , so dass sie bei einem
ohne Unterkiefer auf einer horizontalen Unterlage aufgestelltcn Schädel diese berühren
oder doch nur wenig darüber erhaben sind; 4. der kleinere Condylenwinkel, B, Eine
entgegengesetzte Drehung scheint der vordere Schädelwirbel (F) erlitten zu haben, näm-
lich eine Rotation nach vor- und aufwärts, und cs ist diese wohl ebenfalls wieder der
Ausdruck einer geringeren Entwicklung des Bogentheils des vordersten Wirbels. Durch
diese beiden Bewegungen, durch welche gewiaserinassen ein Zusammenschieben der Bogen-
theile (in der Richtung der Pfeile in Fig. 30) .stattfindet, wird natürlich die Krümmung
des Schädelrohres sehr verflacht. C. Eine ganz notliwendige Folge dieser Formveränderung
ist nun aber auch eine ganz andere Stellung des Gesichtsskelets. Bilden die Körper der drei
Schädel wirbel (OSF) einen flacheren Bogen, so muss nothwendig der an diese vorn sich an-
schliessende Körper des letzten, vierten (leeren) Wirbels, der Vomer ( V), ebenfalls eine andere
Richtung, nämlich eine mehr nach vor- als abwärts gewendete erhalten und mit demselben
auch das ganze Gesichtsskelet. Der Prognatbisinus steht also mit den erwähnten Rotationen
der Elemente der Schädelcapsel in einem genauen ursächlichen Zusammenhang und hängt
hiernach in erster Reihe von der Gestalt der Schädelbasis ah. Dass der Entwicklungsgrad
der Kiefer auf den Grad des Prognathismus mitbostiminend eiuwirke, ist dadurch nicht aus-
geschlossen. Es findet diese Stellung des Gesichtsskelets ausser in dem Prognathismns ihren
Ausdruck auch in dem Winkel, welchen Pars basilaris des Hinterhauptbeins und Vomer*)
zusammen bilden Wir wollen diesen Winkel Schädel-Gesichtswinkel nennen, obgleich
er dem von Huxley (1. c.) so genannten nicht ganz vollständig entspricht*). Ein Blick auf
die Fig. 40 zeigt, dass dieser Wmkel osv bedeutend grösser ist, als der Winkel o's'r'
und einen Ausdruck giebt für die verschiedene Krümmung des Schädelrohres. Hit der genann-
ten Stellung des Gesichtsskelets hängt es nun auch zusammen, dass beim Neger die Jochbein-
linie (ZZ) nicht in einem weit offenen Winkel von der Broca’schen Linie (B B) vor- und
aufwärts gerichtet ist, sondern mit derselben (utrallel läuft, oder doch nur in einem kleinen
Winkel davon abweicht Mit der Grösse dieses Winkels wächst die prognathe Beschaffen-
heit des Gesichts und es hat den Anschein , als würde , um bei der mechanischen An-
schauung zu bleiben, mit zunehmender Grösse desselben das Oberkiefergeriist immer mehr
nach vorwärts gedrängt, während mit der orthognathen Beschaffenheit des Gesichts derselbe
stetig kleiner wird.
Beim Europäer erscheint das Schädelrolir länger und daher stärker gekrümmt. Wie aus
Fig. 39 auf vor. S. erhellt, hat es den Anschein, als sei bei ziemlich gleichbleibender Stellung
des mittleren Schädelwirbels (S) der hintere Schädel wirbel ( <>) durch Rotation um eine Quer-
achse nach rück- und abwärts, der vordere ( F) durch eine ähnliche Rotation nach vor- und
*) Oder die Flügelfortsätxe de» Keilbein», ws» ziomlädi auf ein» horauskommt. Pie schrägere Stellung
der Fliigelfortiätzc de» Keilbein» beim Neger erwähn« auch Hyrtl. Betrachte« man die ßasi» eine« Neger,
achädeia und eine* europäischen, »o fallt sofort auf, da«» bei ersterem die untere Fläche der Pur» ha-
«ilnri» des Hinterhauptbeins und der hintere Band de» Vomer flach in einander übergehen, lici letzterem einen
Winkel bilden.
*1 Man erhält dieien Winkel (o*r). wenn mnn die Axe der Par» busilari» de, Hinterhauptbeins (o, o' Fig 40)
und de» hintern Hände» de* Vomer (c, c' Fig. 40) nach oben verlängert.
Digitized by Googl
Krümmung des Schädelrohrs.
303
Abwarts gedreht. Diese Drehung erscheint aber nur als Ausdruck einer mächtigeren Ent-
wicklung der Bogentheile dieser Wirbelsegmente. Durch die Rotation des hinteren Schüdel-
segments (0) nach rück- und abwärts erhält: 1. die Ebene des Foramen niagnum eine
mehr nach vor- und aufwärts gerichtete .Stellung; 2. sinkt die Hinterhauptschuppe unter
oiler doch auf die Horizontale H II (und die Linie B B) herab; 3. vergrossert sich der
C'ondylenwinkel (siehe Tabelle HI, S. 297) und durch die Rotation des vorderen Schädel-
segments (F) nach vor- und abwärts erhält natürlich auch der vierte Wirbel, der Vo-
mer ( V) , eine mehr gerade, nach abwärts gehende Richtung, und die Folgen hiervon sind:
a) ein kleinerer Schädelgesichtswinkel (o‘ s'v'); b) die Oeffnung eines Winkels zwischen der
Jochbeinlinie {ZZ) und der Linie TI B ; und endlich c) als gemeinsamer Ausdruck dieser
Vorgänge eine mehr orthognathe Stellung iles Gesichts. Die beistehende Figur 40, in welcher
Fig. 40.
Fmrisse des Medianschnitts der Schädel: A eines jungen süddeutschen Mädchens (Tat. 111,
Fig. 6) (rothe Schraffiruug) und B eines Negers aus I>ar-Fur (Tuf. II, Fig. 1) (schwarze
Conturen) übereinander gezeichnet, so dass die Axen der Keilbeinwirbel (de« Keilbeinkür-
pers) bei beiden parallel laufen. Die geknickten punktirteu Linien o, s, v (roth hei A,
schwarz hei Ji) stellen die Schädetbasisaxe dar, welche aus den Abschnitten o (Axe der
Pars Ijasilaris osBis occipitis), * (Axe des Keilbeinkörpen) und <> (Axe des Vomer) besteht.
o,s, v schwarz (Neger); f/ s' v' roth (europäisches Mädchen).
ein charakteristischer Negcrschädel (Schädel eines Negers aus Dar- Für, Tabelle I, Nr. 13,
Taf. II, Fig. 1 und Fig 36, Seite 288) und der Schädel eines wohlgebauten jungen süd-
deutschen Mädchens über einander gezeichnet sind, lässt klar erkennen, daas die Eigentüm-
lichkeiten der beiden Schädelformen durch die Annahme der beschriebenen Drehungen der
verschiedenen Schädelsegmente um Querachsen sich am ungezwungensten erklären lassen.
Die beiden Schädel sind so gestellt, dass die Achsen des Keilbeinkörpers (der beiden Keil-
beinwirbel) beider Schädel parallel laufen.
Digitized by Google
304
A. Ecker,
Wenn im Bisherigen von einer Drehung der Segmente der Schädclcapsel um quere Achsen
gesprochen wurde, so ist damit selbstverständlich nicht behauptet, dass zu irgend einer Zeit
der Entwicklung des Schädels ein derartiger mechanischer Vorgang wirklich stattgefunden
habe. Es ist dies eben ein hypothetisches Bild , unter welchem sich alle wichtigen Eigen-
tümlichkeiten der beiden Schiidelformen zusammenfassen lassen und das wohl auch der
Eigenschaften einer guten Hypothese nicht ermangelt, da es einerseits die geschilderten
Eigentümlichkeiten genügend erklärt, ohne andererseits in directem Widerspruch mit wohl-
begründeten Thatsachen zu stehen. Alle die einzelnen Vorgänge, welche zusammen den
Eindruck einer Rotation der Segmente der Schädelcapsei nach vorn oder hinten hervorrufen,
zu ermitteln, das muss freilich späteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben.
Die vorstehende Deutung der hauptsächlichsten Differenzen zwischen Neger- und Europäer-
schädel, zu welcher, wie mir scheint, eine unbefangene Betrachtung derselben fast mit Not-
wendigkeit drängt, stimmt, wie man sieht, in den Hauptpunkten mit der von Huxley ver-
tretenen Anschauungsweise des Unterschieds zwischen niederen und höheren Säugethier- und
Menschenschädeln überein. Huxley1) weist nach, dass, wie Medianschnitte der Schädel
zeigen, bei niederen Säugetieren die Schädelbasisaxe (ab der beistehenden Figur 41)
(basi-cranial axis, d. i. eine Linie, die vom hinteren Ende der Pars basilaris des Hinterhaupt-
Kifj. 41.
Medi&aachaitte der Schädel vom Biber, Maki und Pavian nach Uuxley, 1. a. c. 8. 167.
') 1. c. S. 167 u . ff.
Digitized by Google
305
Krümmung de» SchKdclrohra.
beitis zum vorderen Ende des Keilbeinkörpers am oberen Ende der Keilbein -Siebbein-Naht
in der Mittellinie verläuft) iin Verhältnis» zur Länge der Scbädelhöhle viel länger ist, als
bei höheren, und dass im Zusammenhang hiermit die Ebene des Foramen magnum (6 e) und der
Lamina cribrosa (<f «) des Siebbeins viel mehr der senkrechten Stellung sich nähern, während die
Gesichtsbasisaxe («/) mit der Schädelbasisaxe (ab) einen ganz stumpfen Winkel bildet. Bei
gleichbleibender Schädelbasisaxe sehe man daun bei höheren Tbieren die Schädelhöhle sich ver-
längern, den Schädel dadurch sich wölben, während die Ebene des Foramen magnum und der
Siebplatte sich, jene nach hinten, diese nach vorn her&lisinkend, mehr der horizontalen Stellung
nähern und der Winkel zwischen Schädelbasisaxe und Gesichtsaxe (Schädelgesichtswinkel)
«ich zunehmend verkleinert. Huxley (1. c.S. 168) fügt bei, es sei klar, dass die Schädelbasisaxe
eine relativ fixirte Linie sei, um welche, wie man sich ausdrlicken könne, die Knochen des
Gesichts und der Seiten und Deeken der Schädelhöhle sich nach unten und nach vorn oder
hinten, je nach ihrer Lage, drehen, In ganz ähnlicher Weise wie die Schädel niederer Säuge-
thiere von höheren und dem des Menschen, so seien auch die prognathen menschlichen
Schädel von den orthognathen verschieden. Ausführlicher spricht sich Huxley Uber diesen
Punkt jedoch nicht aus. An einem andern Orte ■) spricht derselbe von der Drehung der
ganzen Schädelcapsel nach vor- oder rückwärts beim menschlichen Schädel.
Von einer Drehung der Schädelcapsel hat auch Aeby’) gesprochen, ohne ihr jedoch die
Bedeutung einer RnceneigenthUmlichkeit bcizulegen, während solches wohl ohne Zweitel die
Meinung Huxley's ist. Er sagt (die Schädelfornien in s. w. S. 18): die Schwankungen in der
Stellung des Foramen magnum werden durch eine Verschiebung des Himschädel» im Ganzen
veranlasst und die Drehungsaxe liege im vorderen Endpunkt »einer Grundlinie, welche letz-
tere bekanntlich vom vorderen Bande des Foramen magnum zum Foramen coecum gezogen
wird. Man sieht, das» diese Drehung der ganzen Schädelcapsel etwas ganz anderes ist, als
die Drehung der einzelnen Segmente, wie wir sie oben beschrieben haben.
Wenn wir nun aber, wozu wir wohl vollständig berechtigt sind, das Schädelrohr als ein
gekrümmtes Rohr lietrachten, an dessen vorderem Ende sich, die Krümmung fortsetzend, als
vierter Wirbelkörper der Vomcr ansetzt, so ist wohl klar, wie dies auch von verschiedenen
Autoren eingeräumt wurde, das» die Axe der Basis dieses Rohres (die Wirbelkörperaxe)
ebensowenig als die des Rohre» selbst eine gerade Linie sein kann. Es kann daher weder die
Huxley ’sche Schädelbasisaxe noch die Aehy’sche Grundlinie die wahre Axe der Schä-
delbasis darstellen. Diese muss vielmehr eine geknickte Linie sein, welche aus drei im Win-
kel aneinander gefügten Geraden besteht, wovon die hinterste (o) durch die Mitte der Pars
hasilaris des Hinterhauptbein«, die zweite (s) durch die Mitte des Keilbeinkörpers (hinterer
und vorderer Keilbeinwirbelkörper) und die vordere (r) durch den Vomer parallel mit seinem
hinteren Rande verläuft Ich habe dieselbe in Fig. 40 anzugeben versucht. Der Bestimmung
derselben im Erwachsenen steht freilich das Schwinden der Sphenooccipitalfuge im Wege,
immerhin aber wird eine der Mitte der Knochen möglichst nahe laufende Linie die Axe rich-
tiger darstellen als eine willkürlich gezogene Gerade, welche den Hinterhauptswirbelkörper
t) Huxley, Ueber zwei extreme Formen des menschlichen Schädels. Dieses Archiv I, S. 345.
*1 Acby, 1) Eine neue Methode zur Bestimmung der Schfldelformen von Menschen uud Säugethieren.
Braunschweig 1.402. S. 3(1. 2) Die Schädelfornien der Menschen uud der Affen. Leipzig 1867. S. 18.
Archiv fflr ADihrupnlogi«. Bd. IV. Hei« IV.
Digitized by Google
30ß A. Ecker,
zwar ziemlich längs seiner Achse durchzieht, dagegen den Keilbeinkör]>er schräg durchschnei-
det— Es ergiebt sich also auch aus meinen Untersuchungen, dass, wie es Welcker*)
richtig ausgedriickt, Prognathisnius mit Länge und gestrecktem Verlauf der Schädelbasis,
Orthognathismus mit Kürze und starker Einknickung derselben Zusammentritt!.. —
Alle die durch die beschriebenen Drehungen der Schädelwirbel bedingten Eigentümlich-
keiten des Negerschädels sind als ebenso viele Annäherungen an den thierischen Typus, zu-
nächst au den der Affen, zu betrachten, so z. B. die höhere Stellung der Hinterhauptsschuppo
über der Horizontalen, die Stellung der Ebene des Forainen tnagnum nach hinten, der Pro-
gnathismus u. s. w., nur für den Condylen winke! kann dies nicht mit demselben Recht
behauptet werden. Das Mittel dieses Winkels beträgt beim Neger, wie oben (S. 297, Ta-
belle II) angegeben, im Mittel 113*5“, beim jungen Orang dagegen 120“, beim Gorilla 122",
beim alten Orang 128°.
Wir haben die als Resultat einer verschiedenen Drehung der Schädelwirbel anzuschen-
den verschiedenen Schädelformen bis dnhin bloss an und für sich betrachtet Es entsteht
nun die weitere Frage, ob zugleich mit der verschiedenen Conformation der Ebene der Schä-
delbasis nicht auch in der Tliat eine andere Stellung des Schädels auf der Wirbelsäule vor-
handen sei. Um auf diese Frage eine Antwort zu geben, genügt es nicht, den knöchernen
Kopf allein zu betrachten; es ist nötliig denselben mit summt den Weichthcilen an der Leiche
und die Stellung dea Kopfes am Lebenden in's Auge zu fassen.
Um mir über diese Punkte eine klarere Anschauung zu verschaffen, nahm ich an der
frischen Leiche eines sehr wohlgebauten Mädchens von 22 Jahren zunächst das Profil de»
ganzen Kopfes mit dem Lucae’schen Apparat auf. Alsdann trennte ich genau in der Mittel-
linie vom Domfortsatze des zweiten Halswirbels über den Scheitel bis unter das Kinn sämrnt-
liche Weiehtheile bis auf den Knochen durch und präparirte sie auf der einen Seite sorgfältig
bis auf den Knochen weg, so dass auf dieser Seite der knöcherne Kopf bloss lag. Dann nahm
ich mit demselben Apparat sowohl nochmals die äusseren Conturen als das Profil de» knö-
chornen Kopfes auf und zeichnete die beiden Aufnahmen auf Pauspapier. Die Profilconturen,
aufeinander gelegt, deckten sich vollkommen und es konnte so die Stellung der einzelnen
Knochen zur Frofilcontur ermittelt werden. Brachte ich mm den Kopf in eine Stellung,
welche mau nach den Beobachtungen am Lebenden als die bei aufrechter Stellung natürliche
bezeichnen kann, und stellte die Zeichnung in gleicher Weise auf (Fig. 42), so ergab sich, dass,
wenn inan die Broca’sche Linie als die Horizontale anninimt, das Gesicht viel mehr nach
aufwärts gewendet erscheint, als dies bei vollkommen ungezwungener Stellung des Kopfes
der Fnll ist und dass man der Wahrheit näher kommt, wenn man als Horizontale die Joch-
beinlinie oder Baer'sche Linie wählt und eine mit dieser parallele, die Gclcnkfortsätze tan-
girendo Linie zieht. Diese trifft aber dann nicht den unteren Rand des Processus alveolaris,
sondern vielmehr das obere Drittheil desselben oder auch wollt den Boden der Nasenhöhle
selbst. Die durch diese Linie gelegte Ebene betrachte ich als die, in welcher der
europäische Schädel im Leben auf den Gelenkfortsätzen aufruht. Da, wie wir
oben gesehen, die Broca’sche Linie beim Europäersebädel mit dieser einen nach vorn offenen
i) Vorjrl. Welcher, Wachsthum und Bau des Schädel#. S. 40. Anm.
») 1. c. S. 47.
Digitized by Google
Krümmung dt« Schädelrolirs. 307
Winkel bildet, so verläuft die erstere demnach schräg nach vor- und abwärts. Dass sich der
Negerschädel iu dieser Beziehung anders verhalten werde, musste man schob von vorn-
Fig. 42.
•Silhouette eines jungen (süddeutschen) Mädchens von 22 Jahren, mit eiugezeichuctem Schädel , in
aufrechter Stellung. Z Z Jochhein- Linie. B B Broca’sche Linie, e (ielenkiortsatz des
Hinterhauptbeins.
herein deshalb vermuthen, weil hier die beiden ebeugenannten Linien, die Jochbeinlinie und
die Broca’sche Linie, in der Regel parallel verlaufen. Um aber auch in Bezug auf den
Neger eine direktere Anschauung zu erhalten, benutzte ich eine Gelegenheit, die sich mir
während des Krieges bot. In einem badischen Lazareth starb ein in tler Schlacht bei Wörth
schwer verwundeter Turko-Soldat an Pyaemie. Derselbe hatte fast vollkommenen Negertypus;
die Haut war fast ganz schwarz, das Haar wollig '). Ich präparirte und zeichnete nun den
Kopf (Fig. 43, a. f. S.) ganz in derselben Weise wie den des vorgenannten europäischen Mädchens
und brachte denselben in eine Stellung, die der im Leben hei vollkommen ruhiger aufrechter
Stellung eingenommenen möglichst nahe kam. Ein einfacher Blick auf die Zeichnung ergab,
dass, wenn man hier die ßaer’sche- (Jochbein-) Linie als die Horizontale annimmt, das
■) lieber «eine engere Heimath konnte ich leider nichts herausbringen, da deraelbe nur «ehr wenig fran-
zösisch verstand. .Sein Name war Abdal!ah*hen-I*ein und er diente iiu 2. Turku- I.init-n-In hinters*-- Regiment.
89*
Digitized by Google
A. Ecker,
30X
Gesicht eine ganz unnatürliche, gewaltsam nach oben gewendete Stellung erhält Die natür-
liche Horizontale filr diesen Kopf ist vielmehr eine Tangente der Gelenkfortsätze, welche
Fi«. 43.
Silhouette eine« Neger« (Turku), mit eingezeichnetem Schädel, iu aufrechter Stellung.
/, /j Jochbein-Linie. -Y X Ebene, in welcher der Sehädel im Leben auf der Wirbelsäule
uufruht. c tieleukforUatä de« Hinterhauptbein«.
etwas Uber dem Boden der Nasenhöhle, etwa an der Grenze zwischen unterem und mittlerem
Drittheil der Apertnra pyriformis austritt Diese Linie ist in beistehender Fig. 43 mit 2t 2t
bezeichnet. Die Joclibeinlinic und die Broca'sche verlaufen dagegen in dieser natürlichen
Stellung nach vorn und abwärts geneigt. Dass diese Stellung die richtige ist, ergiebt sich
auch ganz deutlich aus einer Vergleichung dieser Figur mit den l>eistelienden Umrissen
(Fig. 44 und 45) von Negerköpfen. Es sind diese nach genau im Profil aufgeiftmimenen Pho-
tographien gemacht, die ich von Herrn Potteau in Paris ac<|uirirt habe. Ziehe ich auf
diesen Umrissen durch dieselben Punkte des Gesichts, welche bei der Silhouette dos Turko
(Fig. 43) von der natürlichen Horizontalen („VA’) getrofTen werden, eine Linie (2t 2t), so ergiebt
sich unzweifelhaft, dass beim Neger die Baer’sche und Broca’sche Linie (/.'/■ und BB) nach
vorn upd abwärts geneigt sind und dass die natürliche Horizontale mit diesen Linien einen
Winkel bildet
Digitized by Google
HO't
Krümmung des Schädel roh rs.
Dies erhellt besonders auch ans der Fig. 4f>, in welcher ich (mit Benutzung der Fig. 43)
den Schädel des Negers von Dar-Fur (Taf. II, Fig. 1) in natürlicher Stellung gezeichnet habe.
Aus dem Vorangehenden ergiebt sich somit, dass der Negerschädel nach vorn beträcht-
lich mehr gesenkt ist, als der europäische, d. h. weniger aufrecht stellt, was sich unter
Anderem deutlich darin ausdrUckt, dass der Längsdurchmesser des Schädels von dem vor-
Fig. 44. Fig. 4ö.
Profil eine« Negers in aufrechter Stel- Profil eines Negers in aufrechter Stet*
lung (nach einer Photographie)1). lung (nach einer Photographie)3).
stehendsten Punkt des Hinterhaupt« zur (Jlabel)a beim Neger nach vor- und abwärts geneigt
erscheint, während er beim Europäer (siehe Fig. 42) nahezu in horizontaler Richtung verläuft*).
Fig. 4<>. Es ist diese Stellung wohl zunächst dadurch be-
ider Schädel de» Negers von Dar-Fur
(Taf. II, Fig. 1), nach den Ergebnissen der
Fig. 43, in das liestchtsproh] eingexeichnet.
dingt, dass durch die geringere Entwicklung des
Bogenthcils des Hinterhauptwirbels das Foramen
nmgnuiu allerdings relativ mehr nach hinten ge-
rückt erscheint, so dass die Hauptmasse des Schä-
dels vor die Wirbelsäule zu liegen kommt. Dies
ist evident, wenn man auf der natürlichen Hori-
zontalen ( ZZ ) des Schädels Nr. (> (Taf. III) einen
Perpendikel errichtet, der den vorderen Rand des
Foramen niagnum trifft und einen ebensolchen auf
der natürlichen Horizontalen (NN) des Schädels
Nr. 1 (Taf. II). Man sieht dann, dass an ersterem
durch denselben der Schädel ziemlich halbirt wird,
während an dem Negerschädel fast * 3 des Schä-
dels vor und nur */a desselben hinter diese Linie
l) Die Bezeichnung lautet: Belub-Ben-Masiuioud , 24 ans, sohlat de ln 1«™ dasse au 2** Tirailleura alge-
riens, ne au Beni Alestein (b’oudau).
-) Bei.: Kmliarik-bel-Kreir, 23 an», Negre, ne ä Bernou (-Soudan), Tirailleur algcrien.
3) Vielleicht ist dadurch auch die Angabe bedingt, die ich irgendwo gelesen, dass das äussere Ohr beim
Neger höher stehe als beim Europäer.
Digitized by Google
310
A. Ecker, Krümmung des Sehädelrobrs.
zu liegen kommt. J J;us Balanciren des Schädels auf der Wirbelsäule muss dadurch allerdings
schwieriger werden und es müssen nothwendiger Weise andere Einrichtungen vorhanden
sein, welche dieses Missverhältniss wieder einigermassen aasgleichen. Als solche darf man
wohl die kräftige Naekemimskulatur und den relativ kürzeren Hals der Neger betrachten,
worauf insbesondere Burmeister1) aufmerksam gemacht hat. Ob ein stärkeres Ligam.
nuchae vorhanden ist, ob andere Bänder stärker sind, ist nicht bekannt; auffallend war mir
nur an verschiedenen Negerschädeln, dass der hintere Rand des Foranien magnutn mit starken
Rauhigkeiten versehen war, so dass vielleicht das Lig. obtur. post, atlant., das sich hier an-
setzt, beim Neger stärker entwickelt ist.
Da dieso Senkung des Schädels nach vorn ebenfalls eine niedrigere, thierähnliche Bildung
darstellt, darf man wohl behaupten, dass nahezu alle Eigenthiimlichkeiten des Negerschädels
zugleich Annäherungen an eine niedere thierische Form darstellen.
Anhang zu S. 308 und 300.
Während ich die Correctur des voranstehenden Artikels besorgte, erhielt ich die von
Herrn Dauimann in Hamburg ausgeführten Photographien von Afrikanern, die, da sie eben-
falls genau im Profil und en fa»,e aufgenommen sind, Vergleichungen sehr wohl gestatten.
Nr. 1 der Reihe (Varlien, Zanzibar-Neger vom Wasualieli-Stamm) ist im Profil in zwei Aus-
gaben, Cabinet- und Visitenkartenformat vorhanden. In erstgenannter Aufnahme ist das
Gesicht unnatürlich nach oben gewendet, während es in der zweiten so ziemlich die natür-
liche Stellung inno hat. Zieht man an diesen beiden Photographien Linicu durch dieselben
Punkte des Profils, welche bei den Figuren 43, 44, 45, 4fi von solchen getroffen werden, so
wird man sich von der Richtigkeit des oben Gesagten ebenfalls überzeugen können. In Nr. 12
(Said , Zanzibar-Neger) scheint die Stellung des Kopfes ziemlieh die natürliche, während sie
dagegen bei Nr. 1 1 (Ferrusz, Zanzibar-Neger) offenbar wieder eine unnatürliche ist, ebenso in
Nr. 1" (Uledi, Zanzibar-Neger) und — wenn auch in geringerem Grade — in Nr. 5 (Said-
Beu-Mnza, Zanzibar-Neger), Nr. 4 (Vigdlin, Zanzibar-Neger) und Nr. 7 (Monsüt, Neger).
*) Darmeister, peologinclie Itildcr- l.eipzip )S5Ü. II. Duad, S. 119 u. tl.
Digitized by Google
Erklärung der Tafeln II und III.
Summtliche hier abgebildete, in der Medianlinie durchsagte Schädel sind mit dem Lu cao’ sehen Apparat
aufgenommen und dann um die Hälfte verkleinert.
Die Bezeichnung ist bei allen die gleiche: 9
H II Horizontalebene, auf welcher der Schädel ohne 1’nterkiefer aufruht.
Z Z Jochbein-Linie.
B B Broca’sche Linie.
F F Ebene des Foratnen magnuin.
C C Clivut- Ebene.
N JV (in Fig. 1, Taf. II.) Horizontale, in welcher der Negerschädel im Leben auf der Wirbelsäule
aufrnht.
Tafel 11.
Fig. 36. Schädel eines Negers aus Darfnr (Tabelle I, Nr. 13).
Fig. 37. Schädel eines kräftigen Mannes aus Süddeutschlaud (Schwarzwälder).
Fig. 38. Schädel eines jungen Negers (Tabelle I, Nr. 15).
Fig. 89. Schädel eines kräftigen Mannes aus Süddeutschhuid (Breisgau).
Tafel HI.
Fig. 40. Schädel eines Negers (Tabelle It Nr. 22).
Fig. 41. Schädel eines jungen Mädchens aus Süddeutsch laud (Breisgau).
Fig. 42. Schädel eines Negers (Tabelle I, Nr. 16).
Fig. 43. Schädel eines jungen Mannes. Deutscher.
Digitized by Google
Digitized by Google
XVII.
Der Fuss eines Japanischen Seiltänzers.
Von
Joh. Christa. G. Lucae.
(Hierzu Tafel IV.)
Eins der pikantesten Themata der wieder von Neuem hei manchen Fachgenossen sich
zeigenden naturphilosophischen Richtung betrifft die Abstammung des Menschen, und es bildet
die Frage: ob der Mensch und die Alfen in Eine Ordnung des Systems zu vereinigen oder ob
das terminale Ende der Hinterextremität des Arten mehr eine Hand oder ein mehr dem Men-
schenfusse gleiches Gebilde seif — einen hauptsächlichen Stützpunkt für dieses Thema. Dm das
charakteristische Gebilde der Menschheit, den Fuss, das vollkommenste, einzige und aus-
schliessliche Stützorgan, dem Handfuss des Arten auch in functioneller Beziehung näher zu
bringen, und daher die nahe Verwandtschaft dos Menschen mit den Arten überzeugender zu
machen, finden wir unter Anderem auch den bei manchen Völkern vorkommenden Gebrauch:
den Fuss zu verschiedenen, sonst der Hand zukommenden Verrichtungen zu verwenden, von
diesen Gelehrten noch besonders hervorgehoben.
So wird uns angeführt, dass die chinesischen Bootsleute mit Hülfe der grossen Zehe das
Ruder führen, die bengalischen Handwerker weben, die Carajas Angelhaken stehlen, oder die
barfüssigen Soldaten auf Java ihren auf dem Boden ausgezablten Sold mit den Füssen auf-
nehmen. Ebenso kommt es bei den Schilfern auf dem Nil, sowie bei japanischen Seiltänzern
vor, dass sie das Seil mit den beiden ersten Fuaszehen erfassen.
Wenn wir nun auch wohl öfter barfiissige Kinder vom Lande allerlei kleine Verrichtun-
gen mit den Zehen ausftihren sahen, oder auch zuweilen Leute, welche an den Oberextremi-
täten missbildet sind, allerlei feine Handarbeiten mit den Zehen verrichtend, sich für Geld
schon lassen , so ist doch immer der Gedanke , dass eine ganze Bevölkerung ohne Noth (die
näheren Umstände kennen wir freilich nicht) bei manchen Verrichtungen den Fuss der Hand
substituirt, für uns einigormassen überraschend. Unwillkürlich knüpft sieh hieran die
Vorstellung einer ungewöhnlich beschaffenen und in etwas veränderten Fussbildung. Wissen
Archiv für Aitthropolugl*. B<L IV. Hefl IV, 40
Digitized by Google
314
Joh. Christn. G. Lucae,
wir ja doch aus Erfahrung, dass Leute, welche schwere Arbeit in einer bestimmten Richtung
lange ausführen, eine gewisse Stellung der Glieder für immer behalten. Schmiede, welche
schwere Hämmer fuhren , sind nicht mehr im Stande, die Finger der Hand oder die Arme
vollkommen zu strecken.
Als im Jahr 1867 eine Truppe Japanesen, welche Europa durchwanderte und in grös-
seren Städten als Seiltänzer etc. sich producirte, auch zu uns kam, war es mir um so mehr
von Interesse, den Fuss eines solchen genauer zu untersuchen, als eine Arbeit über „Hand
und Fuss“ in vergleichend anatomischer Hinsicht mich einige Zeit vorher beschäftigt hatte.
Es gelang mir, das hervorragendste Mitglied dieser Truppe zur Untersuchung seines
Fusses durch Geld zu bewegen.
An dem Fusse im Allgemeinen war nur eine geringe Aushöhlung der Planta sowie eine
Einsenkung des Gewölbes nach innen wahrzunehmen, welche Form man mit dem Namen
„Plattfuss“ bezeichnet. Rücksichtlich der Länge und der Stellung der Zehen war nur zu be-
merken , dass die zweite Zehe etwas höher stand als die erste, welches durch die Ansicht des
Profils auf der medianen Seite deutlich wird. Wenn nun aber diese Stellung der zweiten
Zehe dadurch, dass diese bei dem Erfassen eines Gegenstandes höher gestellt wird als die
erste, unsere Aufmerksamkeit mehr als sonst verdient, so habe ich doch zu bemerken, dass
sich an den Füssen von Europäern und Europäerinnen, und falls diese wegen des Tragens von
Schuhen hierfür ohne Bedeutung Bein sollten, an dem Abguss eines Negerfusses sowie an den
Fussen der Antiken diese erhöhte Stellung der zweiten Zehe wiederfindet und daher hier
nicht als etwas Besonderes erwähnt werden kann.
Anderseits findet sich auch in der Entfernung der ersten Zehe von der zweiten und in
einer etwa grösseren Bucht zwischen beiden bei ruhiger Stellung nichts Auffallendes. Der
Fuss eines italienischen barfuss laufenden Bauernjungen, welcher auf der Tafel zugleich mit ab-
gebildet ist, zeigt diese Bucht keineswegs kleiner. Es würde übrigens selbst die Vergrösserung
dieser Bucht bei dem Japanesen nichts Auffallendes haben, wenn man bedenkt, dass diese
Leute Sandalen tragen, welche mittels eines Riemens an den Fuss befestigt werden. Dieser
Riemen ist an ein Stück Eisen geknüpft , welches senkrecht von der Sandale zwischen der
ersten und zweiten Zehe aufsteigt und dieselben also immer mehr als bei uns cs der Fall
ist, trennt.
Bemerkonswerth war aber doch der höhere Grad der Fähigkeit, mit welcher die erste
Zehe von der zweiten abducirt werden konnte; freilich nicht ohne dass erstere etwas gehoben
wurde. Es gelang nämlich , dem Japanesen ganz freiwillig die beiden Zehen fast 2 Cent,
weit von einander zu entfernen. Ein anderes Individuum der Gesellschaft brachte die Ent-
fernung der Zehenspitzen höchstens auf 12 Mm.
Die Bildhauer Herren Prof. Kaupert und Petri dahier hatten die Güte, mir diesen Fuss
in zwei verschiedenen Stellungen abzuformen, und die geometrischen Abbildungen dieser
Abgüsse finden sich auf der hinten angefügten Tafel IV. Die eine stellt den Fuss in vollkom-
menster Ruhe frei schwebend, indem nämlich das betreffende Bein im Knie unterstützt war,
vor1)’ Diesem gegenüber habe ich den Fuss des Italieners auf den Boden gestützt zurVerglei-
') Taf. IV. In der oberen Reihe, rechts und in der Mitte.
Digitized by Google
315
Der Fass eines Japnnesischen Seiltänzers.
cbung dargeatellt '). Der zweite Abguss zeigt uns den Kuss, indem er ein rundes Stück Holz mit
den Zehen umgreift. — Ist nun auch über den ersten nichts weiter zu erwähnen, als das was oben
schon angeführt ist, so gieht uns dagegen dieser zweite Abguss mehr Gelegenheit zu einigen
Bemerkungen. Während hier die erste und zweite Zehe ein Stückchen Holz von 14 Jim.
Durchmesser halten, stehen die beiden gegenseitig zugekehrten Ränder an ihrem vorderen Ende
12 Mm. auseinander (in der Ruhe waren diese Stellen nicht ganz 5 Mm. von einander entfernt).
Der ganze Fuss befindet sich in Supination, d. b. in der Beugung mit gehobenem inneren
Rande. Die Sehne des Tihialis antiens ist stark gespannt, weniger deutlich die Sehne
des Tibialis posticus. Die grosse Zehe ist abducirt und in Folge dessen tritt der Abductor
pollicis an der medianen Seite dos Fusses aufgeschwollen hervor, und wir bemerken die Haut
hier gefaltet Zugleich mit der Abduction sehen wir die grosse Zehe im höchsten Grade der
Flexion, so dass sich die Haut der Planta in ihrem inneren vorderen Theile sehr stark in
Falten zeigt Ausser der grossen Zehe ist aber auch diu zweite in hohem Grade flectirt und
mit ihrer unteren Fläche und ihrem vorderen Ende medianwärts gegen ihre Nachbarin ge-
neigt Allein nicht nur diese, sondern auch die dritte und vierte Zehe sind wie die vorige
flectirt und nach innen gerichtet Neben dem Flexor h&Uucis longus und brevis sind also
auch die Flexores quatuor digitomm mit den Lunihricalen und den Adductoren in vollster
Thätigkeit.
Hier sehen wir wohl zur Genüge, wio woit. dieser Fu.ss davon entfernt ist, ein der Hand
analoges Gebilde zu sein, und welche Anstrengungen er macht, wenn er als Greiforgan ver-
wendet werden soll. Damit die zwei ernten Zelten ein Holzstückehen von IV, Cent. Durch-
messer festhalten, entsteht eine krampfhafte Spannung über den ganzen Fuss. Wir sehen
hier die Supinatoren, die Gruppen der Flexoren , die Adductoren neben einem Abductor in
lächerliclister Collegiaütät, und zwar an dom Fusse eines Individuums, welches, von Jugend
an zum Seiltänzer gebildet, gewöhnt wurde, mit seinen Zelten zu greifen. Dass ein Organ
für ein anderes eintreten kanu und es oft zu einer erstaunenswerthen Fertigkeit in dieser
ihm fremden Verrichtung bringt, seiteu wir wohl öfter. Der in Rede stehende Fuss gehört
jedoch nicht dazu. — Immer werden 1) der ein Gewölbe bildende lange Tarsus, 2) die fünf
an einander befestigten Metatarsen, 3) die kurzen Zehen mit 4) dorsaler Flexion an den
Metatarseu *) den Fuss nur als einziges Stützorgan ebarakterisiren, während 1) der kurze
Carpus, 2) die muldenförmig gestellten Jletacarpen, von denen der erste den übrigen oppo-
niren kann, 3) die langen Finger mit 4) volarer Flexion an den Metacarpen, stets die
Charaktere für die Hand, als das einzige Greiforgan, abgebon. Mit welchem von bei-
den Gebilden hat nun alter das terminale Ende an der Hinterextremität des Affen mehr
Aehnlichkeit? Ich sage mit dem zweiten; denn während cs mit letzterem drei und ein halb
von den angeführten Eigenschaften gemein hat, zeigt es mit dem ersten nur den hinteren
Theil des Tarsus (nämlich Talus und Calx), und sonst nichts in Uebereiustimmung.
Taf, IV. ln der unteren Reihe, rechts und in der Mitte. — 0 In meiner Abhandlung „Hand und Kusu*-,
Senckenbergiache Abhandlungen 186h, bildet eich öfter Carpo- Metacarpal- und Tareo-Metatareal-Golenk etatt
Pbalango-Metacarpal- und Pbalango-Metatarsal-Gelenk gedreckt.
40*
Digitized by Google
Erklärung der Tafel IV.
1. Der Fubb eine» Japanischen Tänzers in der obersten Reihe und links nuten.
2. Der Fass eines Italienischen Knaben (in der unteren Reihe rechts und in der Mitte) anf einer Platt«
stehend.
Digitized by Google
XVIII.
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Von
Wilhelm His.
n. *)
Ilarvey steht für die Gencrationalehre am Wendepunkt alter und neuer Zeit. In der
Unabhängigkeit seiner Denkweise und in der Handhabung wissenschaftlicher Methoden mo-
dern im besten Sinne des Wortes, ist er durch seine eigenen Beobachtungen doch nur bis an
die Schwelle der neueren Zeit geführt worden. Schlag auf Schlag folgen sich einige Jahr-
sehnte später jene Arbeiten , welche durch Enthüllung ungeahnter Tbatsachen auch den Ge-
danken neue, und vielfach verführerische Wege eröffnet haben. Von verschiedenen Seiten
her gleichseitig wird nun versucht, der Zeugungslehre einen frischen Unterhau su geben, und
binnen Kursein erhebt sich jener merkwürdige Wettstreit der Meinungen, welchor auch im Ver-
lauf des verflossenen Jahrhunderts das Interesse weitester Kreise in Anspruch genommen hat.
Studien Uber den Säugethiereierstock geben der einen, die wunderbare Entdeckung der Samen-
fäden einer andern Gedankenrichtung den Anstoss, fernere Motive ergeben sich aus neuen
Untersuchungen über die Entwickelung der 'l'hiere im Ei, und ebenso aus der Auffindung der
bis dahin völlig ungeahnten Welt infusorieller Bildungen. Die Bewältigung dieses raannich-
faltigen und gleichzeitig in die Wissenschaft dringenden Stoffes nimmt von den bedeutendsten
Geistern in Anspruch, und manche derselben sind bemüht, ihre Zeugungstheorien zugleich zum
Angelpunkt allgemeinster Weltauffassungen zu erheben. — Für die Darstellung, die ich mir
vorgenommen habe, ist es erforderlich, die verschiedenen oben angedeuteten Richtungen nach
ihrer Entstehungsgeschichte getrennt zu betrachten und dann den Verlauf ihres Kampfes in’s
Auge zu fassen.
Die Bedeutung des menschlichen und des Säugethiereierstockes für die Zeugungsvorgänge
war von Anfang an schwer zu verstehen gewesen. Die Formübereinstimmung mit den männ-
») Siehe Nr. XI, S. 197 diesea Bandes.
Digitized by Google
318
Wilhelm Ilis,
liehen Hoden, und noch mehr das ülrereinstimmende Verhalten der Gefasse und der Nerven
1] litten schon seit Herophilus dahin geführt, jene Drüse als dem Hoden gleichwertig
anzusehen und sie als weiblichen Hoden zu bezeichnen '). Immerhin stellten sich einer
weitern Durchführung der Parallele anatomische Verschiedenheiten in den Weg, welche
um so erheblichere Schwierigkeiten bereiten mussten, je mehr die Sorgfalt der Unter-
suchung wuchs. So mochte schon die von Fatlnpia erkannte Discontinuität zwischen Tuba
und Drüse nicht recht mit der vermeintlichen Function stimmen. Noch mehr Schwierigkeit
aber machten die Verschiedenheiten in der Structur der männlichen und der sogenannten
weiblichen Hoden. Die mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen im Innern der letzteren, welche
schon Vesal gesehen hatte, wurden zwar von Einigen als Samenbehälter angesprochen J),
aber doch hatte gerade Fallopia, als derjenige unter den älteren Anatomen, der sie am
sorgfältigsten beschrieb, ausdrücklich hervorgehoben, dass der Vergleich ihres Inhaltes mit
Samen nicht passe *). Einzelne kamen denn auch dahin, den weiblichen Geschlechtsdrüsen
überhaupt jegliche Bedeutung für den Zeugungsvorgang abzusprechen. Dies tbat z. B. Har-
vey, welcher sie der männlichen Prostata oder auch den Mesenterialdrüsen verglich, und sich
in Betreff ihrer geringen Bedeutung auf den Umstand stützte, dass sie im Gegensätze zu dem
männlichen Hoden und auch im Gegensätze zu den Ovarien oviparer Thiere bei der Brunst sich
nicht vergrösserten. Fast zu gleicher Zeit (IMS) bezeichnet« auch Caspar Hoffman n 4), ein
warmer Anhänger Aristotelischer Lehren, die Testes muliebres als blosse Cadavera testium,
d. h. als Organe, welche, wie die männlichen Brustwarzen, bloss der Erinnerung halber da
seien. Allerdings konnte man mit Recht derartig negativen Deutungen jeweilen das Factum
entgegenhalten, dass die Entfernung der weiblichen Hoden, gerade so wie diejenige der
männlichen, beim betreffenden Individuum die Zeugungskraft zerstört, ein Factum, das nicht
nur durch die Erfahrungen der Schweineschneider, sondern in einem Falle sogar durch eine
Erfahrung am menschlichen Weibe bekräftigt war.
So dauerte es lange Zeit, bis der naturgemässe Gedanke herangereift war, die Testes
muliebres des Menschen und der Säugethiere den Kierstöcken der Oviparen zu vergleichen.
. Stenon 5) sprach zuerst diesen Vergleich aus (lt>67) und fast gleichzeitig mit ihm J. v. Horne,
1 1 Per Wortlaut der Paratellung de* Herophilus findet eich im 2. Huche Galen* de semine cap. 1.
*) So unter den Späteren noch von Wharton. Adenngraphia , London 1656. Wbarton hält merkwür-
diger Weise daa Ligamentum orarü für den weiblichen Samenleiter, während er den Tuben die Bedeutung
xnertheilt, entweder als Luftröhren des f'terue (Spiracula) xu dienen, oder den männlichen Samen aufzunehmen
und nach den weibliehen Hoden au fuhren.
3) Omnea anatomici ono ore axaerunt, io teetibus foeminarum aemen fieri, et quod semine referti reperiun*
tur , quod ego nuuqumn videre potui, quamvia non levam operam, ut hoc cognoiccrem, adhibuerim. Vidi qui-
dem in ipsis quasdam velnti vesicaa aqua vel huraore aqneo, alias luteo, alias vero limpido turgentes; aed nun-
quam semen vidi, nisi in vaais ipsis spermatiris vel deletoriis vocatia.
*) Caepar. Hoffmans: Institutionen medio, üb. H. c. 44.
6) Stenos's Ausspruch findet sieh in der Schritt: „Klementorum Myologiae epecimen sive Museub-rum
deacriptio gcometrica, eni accedunt canis Carchariae disaeclum enput et diseeetns piscis ex canum genere“.
Florenz 1687. „ln eadem Itajae asatome coinmuncm opinionem seeutua de utoro dixi, illum id omne viviparia
praestare, quod ab ovario, oviductu. ovo exspectant ovipara. Inde vero oum viderim viviparornm testes ova
in se continere, cura eornndem uterum itidem in ahdomen ovidnetus instar apertum notarim, non amplius du-
bito, quin mnlierum testes ovario analogi sint, qnocunque demum modo ex testilius in uterum sive ipsa ova
sive ovis contenta materia transmittatur, ut alibi ex profetso ostendem , si quando dabitur partium genitaüum
analogiam exponere, et errnrem illum tollere, qua mulierum genitalia virorum genitalibas analog» crcduntur.“
Digitized by Google
Die Theorien der geschieht liehen Zeugung.
319
während bald darauf R. de Graaf die Aufgabe übernahm, den mehr beiläufig ausgesproche-
nen Gedanken seiner beiden Vorgänger zu begründen und durch methodisch angestellte Un-
tersuchungen wissenschaftlich sicher zu stellen. In seiner, nach Plan wie nach Durchführung
gleich vortrefflichen Schrift !) liefert er nämlich in erster Linie eine sorgfältige Beschreibung
der weiblichen Genitalien überhaupt, und im besonderen der Ovarien. Diese letzteren ver-
folgt er durch ihre verschiedenen , nach Alter und nach Sexualthätigkeit wechselnden Ent-
wickelungszustände. Speoiell studirt er die Follikel, oder die Eier, wie er sie nennt, er macht
v. Hör ne äussert seine Gedanken zuerst in einem an W. Rolfink gerichteten Briefe vom 6. März 1668.
Den Anlass zu dem Briefe gab de Graaf’ s erste briefliche Mittheilung über seine Entdeckungen hinsichtlich
der männlichen Uenitalorgane. v. Hörne theilt nun behufs der Priorilätsconstatirung die Ergebnisse seiner
eigenen Arbeiten mit und spricht sich hinsichtlich der Ovarien also aus; „Quid ergo inquies festes conferunt
mulieribus? Plurimum profecto et proinde cum IIofTmanno (Instit. lib, II. cap. 44) non sunt habendi pro cada-
veribus testium, imo ab ipsis totum genemtionis opus materiale dependet; quod enim est ovarium in oviparis,
sunt testes muliebres, utpote qui perfecta ova intra se contineant, humore scatentia, et pellicula propria cir.
cumcincta, qualia udhtic domi aaservo inilata. Quomodo autem haec ova intra uterum auscipiantur et actucntur
a semine virili postea in tractatu meo exponam. Neque enim res ea tarn absurda videbitur, ac prima fronte
apparet, praesertim apud eos qui tubae uterinae (in brutis vocantnr cornua) constitutionem norunt, aperta
enim est intra uterum, atque altera sui extremitate flatum liquorumque infusum emittit eeseque expandit, di*
ductu fimbriarum, instar orificio tubae aeneae; porro magis probabile erit hoc dogma iis, qui legerunt aut ob*
servaruut, aliquando foetum intra hasce tubas repertum luisse.“ — v. Horne’s Brief ist in der Defensio Partium
genitalium von de Graaf abgedruckt, nachdem er zuvor unter dem Titel „Prodromus obeervationum suarum
circa partes genitales in utroque sexu.“ in Leyden separat erschienen war. Auch Swammerdam druckt ihn
unter Beifügung vort Noten ab in der Schrift „Miraculum Natnrae sive Uteri muliebris fubrica“, Leyden 1672.
Zar ausführlichen Darlegung seiner Arbeiten kam v. Home nicht, indem er zwei Jahre nach Publication des
Briefes starb. — De Graaf hat seine Bearbeitung der weiblichen Genitalien spater als v. Ilorne begonnen.
Die Vorzeigung seiner ersten Zeichnung an Swammerdam datirt er in’s Jahr 1670. Seine erste gedruckte
Publication darüber ist ein an L. Schacht gerichteter Brief vom Mai 1671. ln dem ärgerlichen Prioritäts-
streit, der sich nach v. Horne’s Tode /.wischen Swammerdam und de Graaf erhoben hat, spielt die rich-
tige Interpretation der Ovarien eine weniger hervorragende Rolle, andere anatomische Dinge treten darin
mehr in den Vordergrund. Immerhin wirrt Swammerdam dem de Graaf ungenauer Weise auch das vor,
dass er in jener Sache seinen Vorgänger nicht genannt habe. v. Ilorne gegenüber nimmt übrigens S w .im-
mer d a in den Hauptantbeil an dem neuen Gedanken für sich in Anspruch. AU junger Doctorand nach Ley-
den kommend, war er mit v. Home in freundschaftlichen Verkehr getreten und hatte diesem, besonders bei
der Untersuchung der Genitalien, vielfach aasistirt. Da nun v. Horue im Prodromus seiner nicht gedachte,
so nahm er nach dessen Tode den Anlas« seiner Streitschrift gegen de Graaf wahr, um auch seine Rechte
an den Entdeckungen v. Horne’s zu behaupten. Hinsichtlich der Ovarien lautet die Stelle (Mirac. naturae
cap. III.): „Primum in quo industriam n ob trara exerccbamus, uterus muliebris erat, in quo examinando cum
tubas Fallopianas conferrcm cum infundibulo avium et cornubus uteri in quadrupedibus , quae ova habent,
qualia »unt chamaeleontea, ranae, lacertac, salaroandrae aquaticae et plura alia, qoorum nonnulla vtvipara sunt,
ut lacertae, disquirere me cum coepi essetne aliquod in mulierum ovarium, vel quid aliud ovario simile. Etenim
cum testiculi mulierum, si structuram eorundem respicias, magnam cum aliorum animantium testiculis con-
venieritiam haheant, et via, qua semen ad uterum deferatur, careant; nec tarnen eo minus Anatomicorum ante-
signani N. Coiter, Beslerus aliique vesicularum, vel glandularum, semine repletarum, mentionem faciant,
ubi exitus nullus patet; tandem D. v. Ilorne rnecum sensit vesiculas illas, qua« nos ova vocabamus, per tubas
Fallopianas in uterum deferri idque ob praedictaro convcnientmm tubarum cum infundibulo, ovi ductu et
cornubus aliorum animalium, nec non piscium et insectorum quorundam. Interim — deprehendimus ova (vac*
carum) cocta instar albuminis gallinacei concrescere.“ Das Datum der Arbeiten verlegt Swammerdam schon
in das Jahr 1666. Er und ▼. Hörne wurden durch die Schrift Stenon’s überrascht, setzten sich indess in
•ehr freundschaftlicher Weise mit diesem auseinander. Der arme de Graaf kam weniger glücklich weg. Die
harten Angriffe des hypochondrischen Swammerdam nahm er so schwer auf, dass er, wie Leeuwenhoek
(Brief an Garden) und Haller angeben, aus Kummer darüber kur/ darauf starb (1673).
») R. de Graaf de Mulierum nrganis geuerationi inservientibus tractatus novus, demonstrans tarn hominea
et animalia caetera omnia quae vivipara dicuntur, haud minus quam ovipara ab ovo originem ducere. Leyden
1672.
Digitized by Google
320
Wilhelm His,
auf ihre wechselnde Grösse, auf den Gefassgehalt ihrer Wand, auf ihre Herauslösbarkeit aus
dem Eierstocke, sowie auf die Gerinnbarkeit ihres Inhaltes beim Kochen aufmerksam;
ferner betont er die Allgemeinheit ihres Vorkommens und ihre grosse Uebereinstirainung mit
den Follikeln des Vogeleierstockes *). Bei diesen anatomischen Darlegungen bleibt indess
de Graaf nicht stehen, sondern er geht auch den Veränderungen im Eieratocke nach, welche
an den Austritt der Eier sich knüpfen, sucht weiterhin die ausgetretenen Eier im Eileiter auf
und giebt die Geschichte ihrer Ucberleitung nach dem Uterus.
Schon in früherer Zeit waren von Coiter unter der Bezeichnung drüsiger Körper die Oe-
bildc beschrieben worden, welche heutzutage den Namen der Corpora lutea tragen. Sie wer-
den von de Graaf als Producte der geplatzten Follikelwand erkannt. Ihre Anzahl kommt
immer der Menge der sich entwickelnden Jungen gleich, indem jedas derselben einem aus-
getretenen Ei entspricht. Nach de Graafs Darstellung reiht sich die Bildungsgeschichte
der fraglichen Körper in folgender Weise dem Gesam int verlaufe der Befruchtung ein *): Der
männliche Samen oder dessen feinster Bestan« Itheil , die sogenannte Aura, dringt durch die
Tuben bis zum Eierstock, und hier bis zu den Eiern vor. Die Berührung zwischen Samen
und Eierstock, sowie die richtige Ueberleitung der Eier in die Tuben, geschieht in Folge der
Umfassung des Ovariums durch die Fimbrien, von welchen überdies einige stets dem Ovariuni
anhaften *). Ist einmal die Befruchtung der Eier im Ovarium erfolgt, so kommt es zwischen
ihren, stark sich vascularisirenden Häuten zur Ausscheidung einer gelben, angeblich drüsigen
Masse. Die Höhle, in welcher das Ei liegt, wird in Folge davon verkleinert, das Ei selbst
zusammengedrückt und schliesslich aus dem Ovarium herausgepresst. Dieser Austritt ge-
schieht drei oder vier Tage nach der Begattung; die Austrittsöffuung, von einem erhabenen,
papillen artigen Rand umgeben, bleibt kurze Zeit offen, und erlaubt von Aussen die Einfüh-
rung einer Sonde, dann schliesst sie sich, uud auch die innere Höhlung quillt zu.
*) Ova in omnium animaliurn gonere reperiri contidenter asserimus quandoquidem ca non taotuifl in avj-
1ms, j iscibus, tarn oviparia quum viviparia, eed ctiani in quadrtipedibus, ac ipao homjne evidentisaime conspi-
oiautur. ln avibua ac piscibue ova reperiri, cum unieuique not um ait, non cat qnod probemus; in cuniculi«
autern, leporibua canibna, pordi, ovibue, vaccis et reliquia animalibus a nobis diascctis ca vesicularum ad in-
star, ut in avibua ovorum germina solent, aeae dissecantium ocnlia exhibent; quae in tosticulorum auperficie
exiatcutia, communem tunicam hinc inde suldevant, ntque ita per eam aliquando transpnreut, ac ai brevioti
ex i tum minarentur (p. ‘209 der Ausgabe der Opera omnia von 1677). — Communis itaque foemellarum testi-
culorum usua cst, ova generare, forere, et ad maturitatem promovere; aic ut in mulicrihua eodem, qno rolu-
crum Ovaria, mutiere fungantur; hinc potius mnlierum ovaria quam testet appellanda veniunt; siquidetu liullam
similitudincm tum forma, tum contento cum virilibua testibus proprie sic dictis obtinent (ibid. p. 302).
*) Quae vero aecundum naturain aliquando tantum in mulierum testibus inveniuntur, sunt globuli, qui
glandularum conglobatarum ad instar, ex multis particulis a centro ad circuinferentiam recto quasi ductu ten-
dentibus conllautur et propria membranu obvolvuntur. Hob globulos non omni tempore in foemellarum testi-
culia exiatere dit imua, quia post coitum tantum in illis deteguntur, unua aut plures, prout animal ex illo cun«
greasu unum aut plurea foetua in luccm ©det. Neque illi adhuc in omnibus aut ejuadem generis animalibus
semper eodem modo ae*e babent; in vaccis enin» flarum in ovibna rubrum, in aliia cineritium oolorem sor-
tiuntur; praeterea aliquot post coitum diebus tenuiori aubstautiu praediti «unt, et in euo medio limpidum liquo-
rem membrana incluRum coutinent, quo una cum membrana forus propulso, exigua solum in iis capacita»
superest, quae eensim ita aboktur, ut postreim» gestationis mensibus ex solid» tantum aubstantia conflari vi-
deutur; ennixo jam foetu globuli illi rursus imrninuuntur ac tandem evuuescunt.
*) Diese, die Fimbriae ovarii der neueren Anatomen, werden von de Graaf auf verschiedenen Tafeln gut
dargestellt.
Digitized by Google
321
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Pas ausgestossene Ei gelangt nun in den Eileiter und wird durch ihn nach dem Uterus
geführt. Für diesen Durchtritt spricht nicht nur das analoge Verhalten bei den Vögeln, son-
dern ausserdem das Vorkommen einzelner Fälle von Tubarschwangerschaft , und noch ent-
scheidender die directe Beobachtung. — Der direete Nachweis der Ueberleitung der Eier
erscheint bei de Graaf von ganz besonderem Interesse, und er wird mit grosser Sicherheit
geführt. Von den ersten Momenten nach der Begattung nämlich bis zur Bildung des Foetus
untersucht de Graaf bei Kaninchen die Ovarien, den Inhalt der Eileiter und denjenigen des
Uterus ’j. Schon am dritten Tage gelingt es ihm, im Eileiter und im Beginn der Uterus-
hörner die ausgestossenen Eier aul'zulinden, obwohl diese laut der beigefugten Zeichnung kaum
1 Millimeter iin Durchmesser fassen. Am vierten Tage sind die auffindbaren Eier bedeutend
weiter gerückt, und sie lassen in ihrem Innern eine zweite Blase (die Keimblase) erkennen.
Am siebenten Tage sind sie schon mehr als erbsengross, und während sie Anfangs nur lose
in den Uterus eingelagert waren, verwachsen sie nunmehr mit diesem, und können in der
nächstfolgenden Zeit nicht mehr .ohne Verletzung isolirt werden. Am neunten und noch deut-
licher am zehnten Tage sieht sodann de Graaf die ersten Spuren des Embryo auftreten,
welche im Verlauf einiger Tage die bestimmteren Fötalformen annehmen.
Diese Untersuchungen de Graaf’s sind ob ihrer Feinheit höchst bewundernswert!), und
mit ihnen ist auch de Graaf seiner Zeit weit voraus geeilt. Volle 80 Jahre später ist Haller
bei seinen mit Kuhleman an mehr denn 40 Schafen augestellten Nachforschungen nicht im
Stande gewesen, vom Ei und vom Foetus vor dem siebenzehnten Tage etwas aufzuiinden,
und erst unserem gegenwärtigen Jahrhundert blieb es Vorbehalten, die volle Bestätigung von
de Graaf's Ergebnissen zu liefern. Von den Zeitgenossen wurden de Graafg Schriften so-
fort mit grossem Interesse aufgenommen. Kaum einen Monat nach ihrem Erscheinen (am
24. April 1GT2) fragt schon der bekannte Secretär der königlichen Gesellschaft in London,
II. Oldenburg, bei Malpighi brieflich an, was er und was die übrigen Italiener von den
Behauptungen de Graaf's hinsichtlich der menschlichen Eier halten. Malpighi spricht sich
in seiner Antwort in durchaus anerkennendem Sinn aus, und führt zu de Graaf’s Gunsten
einige eigene unterstützende Beobachtungen an ’). Eine Opposition hat allerdings nicht lange
auf sich warten lassen. So trat schon 1G7G Hier. Barbatus gegen de Graaf auf mit der
Behauptung, dessen angebliche Eier seien bloss Drüsen *), und wenige Jahre später erschien
*) in dem für den dritten Tag beschriebenen Falle fand de Graaf rechts drei eröffnet^ Follikel und auch
drei Eier, wovon eines ini Eileiter, zwei im Beginn der Cterushorncr waren; link« dagegen fand sich auf drei
offene Follikel nur ein Ei, gleichfalls ira Beginn den Uterushornes.
a) Admodum probabilem puto tanti viri positionem, etenim certurn ent in foemineis testibus ova reperiri,
etiam in nuper nati^brutorum infantibus etc. Memini me in nobili rouliere ovum in tuha exiguum obaervasae
et nuper prae manibus habui mulichris mol uv inchoamentum, quod ovum erat et exteriua mirabili contextura
pollebat. (Ma)p. Opera Ornnia Lugd. Hatav. 1667. Bd. II. p. 09.) Viel eingehender ist die Darstellung Mal-
pighi’* in seinem Briefe vom 1. November 1681 an Jac Spon, Op. ornnia I. p. 213. Nach einer sehr gründ-
lichen Schilderung des Baues der Corpbra lutea, in welcher Malpighi deren Substanz uh wahrscheinlich
drüsig bezeichnet und mit der Substanz der Nobennieren vergleicht, entscheidet er «ich dahin, dass die Folli-
kel wohl nicht die eigentlichen Eier seien, sondern Materialanhäufungen zur Bildung der Corpora lutea, ln
diesen soll das eigentliche Ei sich entwickeln und durch die vorhandene Oeifnung ausgestossen und in die
Tuben gebracht werden.
Hier. Barbatus de formatione, organisatione, couceptu et nutritione foetus. Patav. 1676; ihn bekämpfte
zu Gunsten de Orilfi C. Bartholinus d. J., de Ovariis mulierum. Rom 1677.
Archiv Rlr Anthropologie. Bd. IV. Heft IV. 41
Digitized by Google
322
Wilhelm H i s ,
als gewichtiger Gegner A. v. Leeuwenhoek mit zahlreichen Versuchen auf dem Kampf-
plätze, dem sich dann später gleichfalls mit eigenen Versuchen der Königsberger Professor
Th. Jac. Hartmann angeschlossen hat ’).
Eine Schwierigkeit bietet de Graaf's Darstellung, welche ihm selbst nicht entgangen
war, und welche denn auch den Gegnern seiner Auffassung einen Hauptangriflspunkt ge-
liefert hat. Es ist dies der starke Grössenunterschied zwischen den reifen Eiern des Ovariums
und denjenigen der Tuben, de Graaf selbst schätzt die letzteren zehnmal kleiner, als die
ersteren, und um dies zu erklären, nimmt er zu der oben bereits erwähnten Vermuthung Zu-
flucht, dass nach der Befruchtung die Eier durch die wuchernde Aussenhaut des Follikels ver-
kleinert würden. Wenn auch de Graaf der Gedanke eines besonderen, von der Follikel-
wand getrennten Eies vorgeschwebt haben mag, und wenn auch Malpighi einen ähnlichen
Gedanken noch bestimmter ausgesprochen hat, so vermochten die älteren Forscher mit ihren
Hülismitteln über djesen wichtigen Punkt doch noch nicht in’s Klare zu kommen, und be-
kanntlich ist auch Klarheit erst von dem Moment an erreicht worden, da v. Baer im
Innern des Follikels das eigentliche Säugethierei entdeckt hat.
So unerwartet manchen Zeitgenossen die Angaben de Graaf’s Uber das Säugethierei
kommen mochten, so sollten sie an Wunderbarkeit noch Ubertroffen werden durch die Ent-
deckung der lebenden Samenfaden beim Menschen und bei Thieren. Die erste Mittheilung
des neuen Fundes geschah im November 1677 in einem von Leeuwenhoek an den damaligen
Präsidenten der Royal Society, Lord Viscount Brounker, gerichteten Briefe. Ham hatte
Leeuwenhoek Samen eines gonorrhoischen Mannes gebracht, und dieser vermochte alsobald
Ham ’s Angabe zu bestätigen, dass die überbrachte Flüssigkeit eine Unzahl lebender Ge-
schöpfe enthalte’). Hierdurch angeregt untersucht Leeuwenhoek auf dns Wiederholteste
den gesunden männlichen Samen, und findet darin ohne Ausnahme jene Wesen wieder,
deren wohl tausend auf die Grösse eines Sandkornes gehen. Er giebt nun eine Beschreibung
ihrer Form und Bewegungsweise, sowie der sonstigen im Samen aufgefundenen Bestondtheile
(kleinere Korner, Krystalle u. s. w.). Gedanken über die Bedeutung der gesehenen Gebilde
werden noch keine ausgesprochen, vorerst scheint ihnen Leeuwenhoek keine Bedeutung für
die Zeugung zuzuschreiben, weit mehr Gewicht legt er auf die Beobachtung angeblicher
1 } Pbil. Jac. Hartmann Je generatione viviparorum ex ovo, Berlin 1690, abgedr. in Haller’« die*. aelect.
Bd. VI.
’) Philo?. Traneactiona v. Jahre 1678, Nr. 142 (nicht Nr. 148, wie Ilallar angiebt). „Hic Dotninu« Ham
me eeeundo iuvieene, «ecum in lagnncula vitrea eemen viri, Gonorrhoea laboranti«, apontc deetiliatum attulit,
dicen«, se post panciasimaa temporia minutiaa . . . animalcnla viva in eo obaervaaee, <juae caudata et ultra
24 boroa non viventia jndicabat. Idem referebat ae animalcnla ubaervaaae rnortua poat aamptam ab aegroto
Terebinthinam. Materiam praedictam fiatulae vitreae immiaeam praeaente D. Ham ohaervavi, quaadarnqite in ea
creaturaa vivente«, at poet decuraum 2 aut 3 horarum eandum aolua materiam obaervana mortuaa vidi. — Kan-
dem materiam (aemen virile) non aegroti alicnjua, non diuturna conacrvatione comiptam, vel poet aliquot mo-
menta rluidiorern factam, »cd aani viri atatim poat ejectionem, ne interlabentibua quidein sex arteriae pulsibua
aaepiuacule ohaervavi, tantamqne in ca viventiom animaiculorum multitudinem vidi, ut interdom plura quam 1000
in magnitudine arenae aeae moverent." Leeuwenhoek lindet nöthig Iteieulugen, dass er anf Pubiication »ei-
ner Beobachtungen verrichte, falle Brounker glauben könnte, aie möchten anetöeeig eracbeinen: -Kt ai
veetra Nobilitaa judicet, haec vel nanaeam, vel acandalum eruditia paritura, aubnixe rogo, Xobilitae veetra aibi
»olt reaervet, et ubi conaultum duoit vel promat vel aappHmat.’'
Digitized by Google
323
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Gefässe undNorven im Samen, welche die präformirtcn Theile des spateren Leibes sein sollen *).
Der Herausgeber der Philosophie«! Transactions ‘/Spricht gegen letztere Behauptung in sei-
ner Antwort an Leeuwenhoek •) ernstliche Bedenken aus, indem er, auf Harvey und
de Graaf sich berufend, die Existenz präformirter Körpert heile im männlichen Samen für
undenkbar half Er macht auf die Möglichkeit von Verwechselungen aufmerksam imd fordert
Leeuwenhoek vor Allem auf, seine Beobachtung am Samen von Thieren zu wiederholen.
In den folgenden Briefen bestätigt Leeuwenhoek das Vorkommen der Spermatozoen im
Samen des Hundes und des Kaninchens und zeigt, dass sie durch Wasser rasch getödtet wer-
den. An seinen Gefässen hält er fest, ohne indess seinen C'orrcspondenten zu überzeugen.
Leou wenboek findet nun nach einander die Samenfaden der Insecten, der Fische, der Frösche
und der Vögel. Diese Allgemeinheit des Vorkommens kann natürlich nicht ohne Einfluss auf
seine Gedanken hinsichtlich der Bolle der Fäden bei der Zeugung sein. Die ersten Andeu-
tungen giobt er in einem Briefe vom 22. Januar Kitt 2 83 *). Darin verwirft er des entschieden-
sten die Existenz von Eierstocks- und Eileitereiern bei Säugethieren und beim Menschen.
Jene erscheinen zu gross, um den Eileiter zu durchlaufen, sie sind überdies im Ovarium fest-
gewachsen und können demnach blass für Gefassausscheidungen gehalten werden. Die Eilei-
tercier aber, die ja viel kleiner sind als die angeblichen Eiorstockseier, können höchstens Reste
des männlichen Samens oder Socretanhäufungen der Tuben sein. Dafür leitet nunmehr Leeu-
wenhoek den Embryo von seinen Sainenthierchcn ab, und zwar stammt je ein Foetus von
einem Thierchen. Die Spermatozoen bestimmen nach ihm das Geschlecht, und entsprechend
den zwei Geschlechtern glaubt er beim Menschen und bei Thieren je zwei Arten von Samenthier-
clien gefunden zu haben. Allerdings lässt sich gegen die Ableitung der Frucht aus einem ein-
zigen Spermatozoen die Einwendung machen, dass ihrer doch unendlich viele vorhanden sind.
Allein es verhält sich damit wie z. B. mit den vielen Tausenden von Samenkernen eines
Apfelbaumes, von welchen nur einzelne die günstigen Bedingungen der Weiterentwickelung
erreichen, während die übrigen aus Mangel an Licht, an Nahrung oder aus anderen Gründen
verkümmern.
*) Jam quod ad partea ipsas ex quibus crassam seminis materiam, quosd majorem aui partem conshterc,
saepius cum admimtione obeervavi, ca sunt tarn varia ac multa omnis generis magna ac parva vasa. ut nulle*
dubitem , ca esse nervös arterias et venas: imo in tanta multitudine baec vasa vidi, ut credam me in unica
aemiuis gutta plura obeervaasc, quam Anatomico per integrum diem subjactum aliquod eceanti, occurrunt. Qui-
bus viais lirmiter credebam nullo in corpore bumano jam formato esse vasa, quae in aemine virili, bene con-
etituto non reperianlur. Scmel mihi imaginabar, me videre figuram quandam ad magnitudinem arenac, quam
internae cuidam corporis uoetri parli comparare poteram.
a) Ks war diea Nehem. ßrew, welcher nach dem im September 1677 erfolgten Tode Oldenburg'* die
Nummern 137 — 142 der Philoe. Transaetions herausgegeben bal. Ks trat dann bis 16311 eine Pause oin, die
durch die Lectiones Cotlerianao und die Philos. Collecliona von H. Uooke ausgefullt wurde, beide Sammlun-
gen enthalten iiriefe von Leeuwenhoek.
*) Vom Januar 1678. Adeo nt semen maria nihil aliud eit, quam vehiculum Spiritus cujusdam summe vo-
latilis ac animslie et oonceptioni, id e»t ovo foemioco contactum vitalem imprimentis.
*) Plulos. Transaetions Nr. 146, p. 76. Hut aa to generation , tho 1 have formcrlv been very reserved in
declaring iny thoughts thereof, yet being now furtlier instructed by manifold Kxperienoe, I dare venture to
affirm it, ratber to come from an Animalculc (such aa I find not only in hnman seed, but that of all birds,
beats, tishes and Inaecta) than an Kgg. And the rather for, aa 1 find in the seed of a Man, aa also of a dog
two different sorts of Animalculee, answaring the different sexos of Male and Femalc.
41*
Digitized by Google
324
Wilhelm His,
Die Beobachtung der äusseren Befruchtung bei Fröschen und bei Fischen führte sodann
Leeuwenhoek auf den Gedanken, dass ifh Dotter der eierlegenden Thiere nur ein einziger
Punkt zur Aufnahme der Spermatozoen geeignet sein möge, und das» daher ein Zusammen-
strom von Tausenden erfordert werde, damit einer das Ziel erreiche ')• Leeuwenhoek be-
mühte sich wiederholt, sowohl beim Hühnerei, als bei den kleinen Eiern von Flöhen und
Läusen die eingedrungenen Sperniatozoen aufzufinden, allein wegen der zahlreichen, das Ge-
sichtsfeld trübenden Dotterelemente ohne Erfolg *). Sein Glaubensbekenntnis« fasst er zu dem
schon im Alterthum formulirten Satz zusammen , dass die Frucht einzig vom männlichen
Samen abstammt, und dass die Mutter, sei es im Ei bei Eierlegenden, sei es im Uterus bei
Lebendiggebärenden nur den Ort des Wachsthums und die Nahrung gewahrt. Als Beleg
hierfür gilt ihm dio Erfahrung, dass graue Kaninchenböcke mit weissen oder mit schwarzen
Weibchen gepaart stets nur graue Junge erzeugen sollen.
In den nächstfolgenden Jahren dehnt Leeuwenhoek seine Untersuchungen noch nach
verschiedenen Richtungen aus. Zunächst führt er für Fische, Vögel und Saugethiere den
Nachweis der Präformation der Spermatozoon im Hoden, und er bezeichnet daher dies Organ
als deren Bildungs- und Aufbewahrungsstätte. Ausdrücklich nimmt er dabei seine ältere
Behauptung zurück, als ob dio Entstehung jener Wesen erst nachträglich im Samen geschehe,
sowie er auch jene früher beschriebenen angeblichen Gefässknäuel im Samen fallen lässt.
Nach Lecuwenhock's Ueberzeugung besitzen die Spormatozoen einen ebeuso verwickelten
Bau als der reife menschliche Körper; immerhin gesteht er zu, dass, wenn er auch oft geglaubt
habe, Kopf, Arme und Beine zu erblicken, er doch nie zu Sicherheiten in derartigen Beobach-
tungen gelangt sei. Es sei daher zu warten, bis einmal ein hierzu günstigeres Object sich werde
finden lassen. Bei der Abstammung der Frucht vom Vater kann der Einfluss der Mutter,
wie er doch in der Aehnlichkeit der Kinder mit der Mutter und besonders in der Bastard-
bilduug vorliegt, nur erklärt werden durch die Natur der gewährten Nahrung. — Zwischen
der Erzeugung von Pflanzen aber und derjenigen von 'filieren besteht der Unterschied, dass
jene, weil zur Begattung unfähig, Samen erzeugen müssen, welche zugleich auch die Rolle
des weiblichen Eies übernehmen.
Eine folgende sehr sorgfältige Untersnchungsroiho setzt sich zur Aufgabe, die Zeugungs-
vorgänge speeiell bei Sängethieren zu erforschen. Durch Frost wird die Bewegungüfahigkeit
der Fäden des Hundesamens aufgehoben, sonst aber erhält sich diese während mehr denn
sieben Tagen. Dies führt auf den Gedanken, dass beim menschlichen Weibe die eigentliche
■) Brief vom 26. Juli 1663, mitgetbeilt in Sr. 162 der Philo». Tranaact.
sl Sun etiAmri in animaiculo ex semine raaicuio, unde ortum e»t fignram animali» conapicere necquearou»,
»Hamen aati» «uperqne certi ea»e poMumus, fignram animali», ex qua animal ortum mt, in aniroalcnlo qood in
eernine maacutu reperitur conulueam jacere, »ive esae. Etwas naiv klingt die Aufforderung de» Actnar» der
Royal Soc. vom .lehre 16IM R. Waller: „8i nnqiiaTn adeo fueria felix , ut animalcoia «ominis maaculini in
ovo foemineo observare potuen», ejii» rei communicatione uoa totoa tibi divinciea. Fierique posset, ut ova
maectorum e»aent idonea, in quibua animalcuta quaerantur, qnia »nnt minora ovis aliarum creaturarum , io
proinde in ii» animalcnia non tarn lenge quaeri debent“ Leeuwenhoek antwortet darauf, die Inaccteneier
»eien an und Ihr Bich wehl klein, aber im Vergleich zu einem Samenthiereben doch noch ungemein gross,
und e« möchten die letzteren eher zu finden »ein, wenn der Eiinhalt an» einer klaren Flüssigkeit bcstAnde,
wa» nicht der Fall »ei. Er werde »ich übrigen« alle Mühe geben, daa Gewünachte zu finden.
Digitized by Google
325
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Conception nicht mit der Begattung zusammonzurallen brauche, sondern um S bis 10 Tage ihr
nachfolgen könne. Es wird dazu vorausgesetzt, dass einer von den vielen eingedrungenen
Spermatozoen einen ganz bestimmten Punkt erreichen müsse, welcher zu dessen Entwicke-
lung geeignet sei, oder vielleicht auch, dass die Vorbereitung des Uterus zur Aufnahme und
Bebrütung der Spermatozoen an einen gegebenen Zeitpunkt sich knüpfe. Gegenüber den
viel wiederholten Angaben von Harvev '), dass der Samen nicht in den Uterus eindringe und
der darauf begründeten Lehre einer Aura seminalis, führt Leeuwenhoek mit Hülfe des
Mikroskope» den wichtigen Nachweis vom Eintritte der Samenfaden in den Uterus und von
deren allmähliger Wanderung durch die ganze Länge der Tuben. Der Nachweis wird mit
grosser Sorgfalt sowohl für Hunde, als für Kaninchen geliefert. Bei letzteren findet Leeu-
wenhoek unmittelbar nach der Begattung Massen von lebenden Samenelementen im Beginn
des Uterus, aber keine in dessen Hörnern und in den Tuben , wogegen sie nach sechs Stun-
den bereit* durch die ganze Länge des Rohres sich ausgebreitet haben. In der Vagina finden
sich nur Epithelialschuppen.
Viel weniger glücklich als mit den Spermatozoen ist Leeuwenhoek mit den Eiern: bei
Schafen, Hunden und Kaninchen, welche kurz nach der Begattung getödtet wurden, findet er
zwar im Ovarium geschlossene, mit Flüssigkeit gefüllte, sowie frisch aufgebrochene Follikel,
allein von Eiern in den Tuben vermag er Nichts zu erkennen, und doch glaubt er, es hätte
ihm kein Körper entgehen können, grösser denn ein Blutkörperchen. Erst nach einigen
Tagen begegnet er im Uterus von Schafen und von Kaninchen kleinen Körpern von Sand-
korn- und von Gerstenkorngrösse, in deren einem (von einem angeblich seit drei T#geu be-
sprungenen Schaf stammend) er sogar schon den Kopf mit den Augen und dio Wirbelsäule
erkannt hat. Nach alledem erscheint Leeuwenhoek die Behauptung de Graaf's vom
Uebergang der Eierstockseier in die Tnben auch noch jetzt völlig unhaltbar. Es sprechen
ihm dagegen: die geringen Dimensionen der Tuben gegenüber den grossen der Eierstocks-
follikel, die Verwachsung der letzteren mit dein Eierstocksgewebe , die Unfindbarkeit der an-
geblich ausgesaugten Eier in den Tuben gleich post coYtum, und der Umstand, dass die Grös-
scncntwickelung der Sängethierovarien der sexuellen Entwickelung nicht parallel geht. Diese
Organe sind schon bei jungen Thieren verhältnissmässig ebenso gross als bei erwachsenen,
sie enthalten auch beim ganz jungen Kalb schon gefüllte Follikel, und zur Zeit der Puber-
tät und der Brunst ist keine besondere Anschwellung an ihnen zu beobachten.
Die rundlichen Körper, welche als erste Anfänge der Frucht in den weiblichen Organen
gefunden werden, denkt sich Leeuwenhoek aus den Spermatozoen dadurch entstanden,
das* diese, an der gehörigen Stelle des Uterus angelangt, wachsen und, einer Kaulquappe
ähnlich, ihren Schwanz abwerfen, womit sich vielleicht auch eine Häutung verknüpft. Die
Möglichkeit einer vollständigen Organisation eines sehr kleinen Körpers ist aus der That-
snehe zu ersehen, dass ein sehr kleiner Embryo schon alle seine Organe besitzt. Auch er-
scheint es Leeuwenhoek wahrscheinlicher, dass die Seelen der Spermatozoen unmittelbar
in diejenige des Embryo übergehen, als dass sie zuerst eine Wanderung in einen anderen
Körper, das Ei, vornehmen, und so gehe auch bei der Entwickelung des Hühnereies der Stoff
') Brief in Nro. 174 der Philo.. Trausact.
Digitized by Google
326
Wilhelm His,
des Eies in das Samenthierehen über, nicht aber die Seele des letztem in das Ei. Aus den«
Gesclilechte der Samonthierchen bestimme sich das Geschlecht des werdenden Geschöpfes, die
Unfruchtbarkeit eines Mannes aber folge nicht, wie man bis dahin geglaubt, aus dessen zu
grosser Kälte, sondern aus dom Mangel an lebenden Spermatozoon im Samen
Die besprochenen Briefe Leeuwenboek’s fallen in die Jahre 1677 bis 1684. In den
nächstfolgenden Jahren hat er die Samenuntersucbungcn über andere Arbeiten mehr zurück-
treten lassen. Indess kommt er bei polemischen Anlässen doch wiederholt auf dieselben zu-
rück. 1693 setzt er sich mit Garden, einige Jahre später mit Hartsoeker, Lister und
mit Flantade auseinander, und endlich behandelte er den Gegenstand noch in seinem
höheren Alter während der Jahre 1715 und 1716 in einigen an Leibnitz und an Boerhaave
gerichteten Briefen. Obwohl in diesen späteren, zur Widerlegung gemachter Einwendungen
entworfenen Briefen Leeuwenhoek vorzugsweise auf seine älteren Untersuchungen Bezug
nimmt, so enthalten doch auch sie noch verschiedene neue Beobachtungen, so Uber das erste
Auftreten der Spermatozoon bei jungen Widdern und bei jungen Halmen, über die Lebens-
dauer der Fischspermatozoen u. A. Auch sind ihnen einige Abbildungen beigegeben, die vor
den älteren durch weit grössere Naturtreuo sich auszeichnen. Hinsichtlich der Spermatozoen-
bildung im Hoden glaubt Leeuwenhoek, dass sie am ehesten durch eine rapide Fortpflan-
zung der im Hoden zurückgebliebenen Wesen erklärt werden könne, da einerseits eine Urzeu-
gung derselben undenkbar, und andererseits die enorme Production derselben von einem
Jahro zum andern bei Fischen leicht erweisbar sei. Diese Hypothese, die Leeuwenhoek
ausdrücklich nur als solche giebt, ist nicht weit von der Wahrheit entfernt, sobald wir den
reifen Spermatozoen die samenbildeuden Kellen substituiren. Etwas bedenklicher allerdings
ist eine andere Angabe, wonach die Samenfäden des Schafes schon die Gewohnheit haben
sollen, schaaren weise einigen Leithammeln nachzuschwimmen. Es Ist dies vielleicht die ein-
zige Angabe, hinsichtlich deren man Leeuwenhoek der Unvorsichtigkeit zu zeihen vermag,
denn im Uebrigen bewährt derselbe durch die gesammtc Reihe von Untersuchungen hin-
durch seine eminente Forscherbegabung, Auch da, wo derselbe Hypothesen aufstellt, verliert
er sich nie in's Abenteuerliche, und er ist immer bemüht, soweit wie nur möglich, seine An-
sichten tliatsächlich zu prüfen, und die früher gemachten Beobachtungen neu zu bestätigen
und zu erweitern. Das beste Zeugniss für Leeuwenbock’s grosse Wahrheitsliebe liegt jeden-
falls darin, dass er trotz der grossen Verlockung, der er ausgesetzt war, doch niemals eine
innere Organisation der Spermatozoen beseliriebcn und selbst seine Gedanken darüber immer
nur mit einer gewissen Zurückhaltung mitgetheilt hat. Was aber die Polemik Leeuwen-
hoek’s gegen de Graaf betrifft, so liefert eben diese eine Illustration zu der öfters wieder-
kehrenden Erfahrung, wonach zwei fortschrittliche Neuerungen sich gegenseitig in ihrer Ent-
wickelung stören, wenn sie zu nahe beisammen entstellen, ehe noch die eine oder die andere
*) Quidam hnud indoctus dominus ante aliquod tempus me invisens, ratiocinando (andern perveniehamus
ad generationem , ei inter alia ratiocinia de quodara doraino verba fiebant, in cujus semine maseuio nulla re*
periebantur animalcula; unde illum dominum veteranum sive etneritum esse mititem in militia Veosrii esse
concludebamus, jam propagationi minime aptum, cum idem domiuus ante aliquot annos diveraos procreaaset
liberos; unde liquido conat&t, generationem sive propagationem viri dependere ab optima viventium creatura*
rum in semine ipsius dispositione.
Digitized by Google
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 327
gehörig Wurzel gefasst hat, Leeuwenhoek glaubt seine neuen Erfahrungen auf Kosten
de Gr&af’s zur Geltung bringen zu müssen, während man hinwiederum vom entgegengesetz-
ten Lager aus den Werth der Leeuwenhoek'schen Beobachtungen zu vernichten gestrebt
hat, indem man die Spermatozoen völlig leugnete oder sie als accessorische Bestand theile
des Samens darstellte !).
Viel weniger Zurückhaltung in ihren Behauptungen als Leeuwenhoek beobachteten
einige seiner Zeitgenossen, so vor Allem der öfters neben ihm genannte Nicolas Hartsoeker.
Hartsocker verstand, wie Leeuwenhoek, die Kunst Glas zu schleifen, und er hat schon
im Jahr 1678 rnit seinen Gläsern die Samenfaden des Hahnes gesehen; indess hat er erst
im Jabr 1694 in seinem Essay de Dioptrique selber etwas darüber publicirt *). Seine Be-
schreibung ist sehr oberflächlich und auch die Abbildung mehr als primitiv (s. Fig. 47 a. f. S.),
um so weiter gehend dagegen die Interpretation. Jedes Spermatozoon enthält nach H&rt-
J) M. List er behauptete, die Spermatozoen dienten bloss dazu, um beim Manne den uothigen Geschlecht«*
kitxel zu erregen. Gegen Leeuwenhoek’* Ansicht vom Uebergang derselben in den Embryo wendet er
hauptsächlich ein, sie müssten dann zweimal alt werden und zeugen, erst als Würmer nämlich, und dann als
Menschen, und ebenso müssten sie erst eine Wurmeeele und dann eine Menschenseele haben ; auch sollte ihre
grosse Beweglichkeit im Widerspruch stehen mit ihrer embryonalen Natur. Daher glaubt Lister, sie seien
eine Art von Kntozoen (M. Lister de humoribus im cap. de semine), Mangel (Theatr. anat 11, 29) meint, die
S|>ermatozoen seien fadenförmige Gerinsel des Samens, die als Ausgüsse der feinen Samenkanälchen sich ge-
bildet haben. Verheyen erklärt sie für leblose Körper, welche von den unsichtbaren Spiritus genitales her-
umgetrieben werden; und Vallisnori endlich schreibt ihnen die Rolle su, die Gerinnung des Samens zu
hemmen.
a> Hartsoeker hat sich die Priorität der Spermatozoenentdeckung vindicirt, und es ist darüber zwischen
ihm und Leeuwenhoek zu einigen Auseinandersetzungen gekommen. Seine Berechtigung dazu war jeden-
falls nur gering. Im Journal des Scavans 1078, Nr. XXVIII, p. 332 findet eich ein Auszug aus einem Briefe
von Huygens an die Acadömic Royale. Mittelst der aus Holland mitgebrachten Mikroskope hat er die da-
mals viel besprochenen Thierchen im Pfefferaufpuss gesehen. „On pourrait dire que cce animaux sVngendrent
par quelque corruption on fermentation , mais ily en a une aut re »orte, qui doivent avoir un aut re principe.
Comme sunt ceux qu’on decouvre avec le microscopo dan» lu semence des animaux, leequels semblent etre
nes avec eile, et qui sont en si grande quantite, qu’il seroble qu’elle en ost presque toute composee. 11s sunt
tous d’une matiere transparente. 11s ont un mouvement fort visto et leur figure est »emblable ä celle qu’ont
les grenouilles, avant que leura pieds soient formen. Cette derniere döcouverte, qui a öte faite en Hollande
pour la prämiere fois mo semblo fort importante et propre i* donner de l’occupation ä ceux qui recherchent
avec soin la generation des animaux.“ Hier wird Hartsoeker nicht genannt uud die Entdeckung bereits als
eine in Holland populäre behandelt. Dagegen kommt Huygens in Nr. XXX, pag. 855 auf die Mikroskopo
zurück, wovon er eine Abbildung giebt; er bezeichnet Hartsoeker als deren Vervollkommnet und sagt dann
im Vorbeigehen: „II en a trouvö (sc. des petita animaux) (lau» la semence du coq, qui ont paru ä peu pres de
cette meine figure, qui est fort differente, commc l’on voit* de celle qu’ont ccs petita animaux dans la semence
dos autres, qui ressemblent, cotome nous l’avons remarque ä des grenouilles nnissantes.“ Auf diese Notiz beruft
sich 16 Jahre später Hartsoeker in seinem Essay de Dioptrique, pag. 223, wenn er sagt, er glaube zuerst die
Sampiitbiere gesehen zu haben. Leeuwenhoek widerlegt diesen Anspruch in einem Briefe an H. v. Zoelen
vom 16. Januar 1699, und wahrt Ilara die Ehre der ersten Entdeckung. („Viro, quem ob singulärem mo*
destiam , jndicium politisaimum ac in coeptis assiduitatem magni aemper feci, oumque inter inultos mortalium
aptiseimum duxi ad naturae arcana investiganda.“) Leeuwenhoek reprodneirt bei dem Anlass einige der
ersten Actcnstücke. In den 1708 erschienenen Conjectures Fhyaiqucs und in Recueil de plusieurca pieces de
Physiquo vom Jahr 1722 bespricht Hartsoeker die Samenfäden, ohne der Priorität der Entdeckung zu ge-
denken, und erst in dem sieben Jahre nach Leeuwenhoek’ s Tod 1730 herauHgekommenen Coura de Phy-
sique nimmt er den Streit noch einmal auf, und unter Klagen über Leeu wenhock’s Persönlichkeit behauptet
er, schon 1674 die Samenfaden gesehen, aber aus Schamhaftigkeit, nicht cingestanden zu halten. Ich kenne
diese letzte Schrift nur aus dem Referat in Haller’s Bibi. an. I. 663. Hartsoeker war kein unbegabter
und ein jedenfalls ideenreicher Kopf, aber das Conjecturenmachen stand ihm näher als das Beobachten, und er
darf in der Hinsicht LecJuwenhoek nicht an die Seite gestellt werden.
Digitized by Google
328
Wilhelm II is,
aoeker ein männliches oder weibliches Geschöpf von der entsprechenden Art. Dieses dringt
nach erfolgter Begattung durch die vorhandene einzige Oeffnung in'a Ei ein, ein Vorgang,
Fig. 47 und 48. der auch beim menschlichen Weibe statt hat. Sofort nach dem
Eintritt achliesst sich die Oeffnung und verweigert jedem nach-
folgenden Spermatozoen den Eintritt. Sollten indess zwei zu-
gleich eingedrungen sein, so kommt es zur Bildung einer Meu-
strosität. Mittelst seines Schwanzendes wächst das kleine Ge-
schöpf im weiblichen Ei fest, sein Schwanz nämlich enthält
die Umbilikalgefasse, und dos Ei spielt die Rolle der Pla-
centa. Das junge Wesen besitzt im Spermatozoon beistehende
Lage (Fig. 48), und stösst sich schliesslich bei der Geburt mit sei-
nen gegen die Placenta angesteumiten Füssen aus dem Ge-
fängniss seiner nullen heraus. — Indem Hartsoeker der
mittlerweile durch Malebranche ausgefuhrten Evolutions-
theorie einige Grundgedanken entlehnt, argumentirt er, dass
ein jedes männliche Samenthier wieder eine Unzahl anderer
männlicher und weiblicher Thiere in seinem Innern enthalte,
welche unendlich klein sind; diese enthalten abermaLs noch klei-
nere und so fort, so dass die ersten Männchen zur Zeit der Schö-
pfung zugleich mit all den Wesen derselben Sjiecies geschaffen
worden sind, welche bis an das Ende der Welt werden erzeugt
worden. Aehnliches gilt nicht nur von den Thieren, sondern
auch von den Pflanzen, deren Samen bereits die jungen Pflan-
zengenerationen, eine in der andern eingeschlossen enthalten.
Hartsoeker hat seine Ansicht vom Eintritt der Samenfaden
ins Ei und von ihrem Anwachsen daselbst mittelst des Schwan-
zes noch mehrfach wiederholt l). Er glaubt, es besitze auch das
menschliche Ei eine Cicatricula, dieselbe sei eine kleine Zelle, in
welche das Spermatozoon einzudringen vermag ’). Bei dem An-
lass bemerkt Hartsoeker, wie es von Interesse wäre, eiueu
Versuch bei Säugetbieren über künstliche Befruchtung anzustellen.
Den Ursprung der Samenfäden führt er Anfangs zurück auf Luft
und Nahrung, von da sollten sic in’s Blut und durch dessen
Vermittelung in den Hoden kommen; später zieht er diese Vermuthung wieder zurück, und
überträgt die Spormatozoenbildung der plastischen Seele des Körpers.
Hartsoeker’» oben reproducirte Zeichnung ist die etwas kühne Illustration einer zuge-
standetieu Hypothese. Zu derselben Zeit aber erschien eine kaum minder kühne Zeichnung,
*) So in der Suite des Conjectures physit|nes , Amsterdam 1708, septieme discour* sur ia Generation, pag.
105 u. f., im Recueil de pluaieures pieces sie Physiquc, Utrecht 1722, pag. 191, und im Cosirs de Phyaique,
Hase 1730.
') „Peut nvoir ie bonheur ou plutnt le matheur de s’iatroduire.*
Digitized by Google
320
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
welche als Ausdruck wirklicher Beobachtung sich einzufiihren suchte. Ein gewisser de la
Planta de» unter dein Namen Dalepatius schreibend, behauptete nämlich in einem an den
Herausgeber der Nou veiles de la republique des lettres gerichteten Briefe die Entpuppung
Fig. 49. eines Spennatozoen unmittelbar gesehen zu haben, und soll das entpuppte Ge-
schöpf laut beistehender Figur völlig ausgebildet und mit vollständigen Extre-
JJL initäten versehen gewesen sein J). Plant ade's Behauptung hat wohl von An-
fang an wenig Gläubige gefunden, immerhin hat es Leouwenhoek der Mühe
\lt werth gehalten, sie in einem besonderen Schreiben zu widerlegen, einem
Schreiben, das deshalb von Interesse ist, weil Leeuwenhoek darin kritisch
Uber mikroskopische Beobachtung sich ausspricht, und über seine eigenen Untersuchungs-
methoden einige Angaben macht.
Einer der beachtenswertheren unter den gleichzeitig mit Leeuwenhoek lebenden Ge-
nerationstheoretikern war Boerhaave’s Lehrer» Carl Drelincourt in Leyden. Der-
selbe hat mehrere, und zwar vorzugsweise kritische Schriften über die Generationslehre ge-
schrieben*). Von ihm macht Blumenbach die Bemerkung, or habe allein 262 grundlose Hy-
pothesen über das Zeugungsgeschäft aus den Schriften seiner Vorgänger zusammengestellt,
und nichts sei gewisser, als dass sein eigenes System die 263. ausmache. Drclincourt's
System ist darin originell, dass es, ohne der Spermatozoon zu gedenken, die Drelincourt
nicht gekannt zu haben scheint, doch von einer Beweglichkeit der Samenatome spricht, und
den Embryo aus einem geordneten Zusammentreten der ins Ei eingedrungenen Atome ab-
leitet3). Diese, von Drelincourt salzig genannten Atome, von deren Eindringen ins Ei er
*) Quis autem crediderit talibus sub animalculis corpua bumamnn latitnro? Quod tarnen ipsimet propriia
oculis vidimus. Dum enim omnia quam accurutisaime observaremus , unum soso prudit animalculum, cetcris
paulo majus, quod cuticulam. cui inclusum fucr&t, exuerat. Howe animalculum liquido exhibebat femur utrutn*
que nudum, crura, pectus brach) um utrumque, cutis paulo altius protracta instar pilei caput tegebat. Sexus
vero discrimen dignoseere non potuimua. Dum hocce animalculum cuticulam auam mutabat moriebatur.
*) Drelincourt de Conceptu adveroaria, Leyden 1662; de Conceptu Conceptu«, Leyden 1686; de fexnina-
rum ovia historicae et criticae lucubratione», Leyden 1684, und verschiedene andere kleine Schriften. Ich
habe übrigens nicht gefunden, woher ltluinenbach obige Zahl genommen hat.
3) de conceptu conceptus perioche XXIX. Masculum itaqae seinen speculor atotuis salinia turgeecenB et
quidem activiaaimia et ab unirerao corpore decidui«, nec non muttiplici genitalium organorum apparatu ita
aubactis, ut plurimia partium ideia impraegnentur. Foeminarum deincepa ova contemplor liquore erystulliuo
diäten tu. et pellicula ducttli porosisaima dupliciqup munita .... Tertio demum maritalem copulam perlustro
et aeincn masculum universi corporis volut cpileptica vibratione in vaginam , inque nteri cervicem internam
atque adeo in ipsum uteri funduni impetu qnodam eftVrri percipio aemen enim tpiritibua universe tnrget atque
spumeacit. At spiritunin eat, irapetus suos exercerc et ntorinac cervici* ringulas perrumpere clauatra, quo in-
timius in uterum imunpant. latia praelihati* ovum concipio , hac v. g. mulcibri venere ab ovario in uteri
fandum utque devolvi. Masculas in super atomnt innumeras, attendo acido-aalinas ; et illaa quidem activisrima«
atque adeo mobiliBsimaa ac in simul penetrantisaimaa contemplor. In uterum igitur aasurgunt et ovum inibi
orbiculatim et aasultim impetunt, atque ita porulos ejus quoquo versus subcunt ... fit, ut inibi milliarine »esc
constipent non tumultuoee quidem aed mira et inenarubili serie riüguli «eso in illos ordines varios atque varios
referant, qnot ipsis nurnmai generis humani aator, cujus digitua hic aingulariter clucet, ex auorum motuum
atque figurarum varietate stupenda prneatituit . . . Stet ergo rat um atque sanoitam ai>ud-noB, maaculum aemen
embryonis esse principium aetivum insimul atque materiale, foeminenm vero pawivum duntaxat atque nutriti-
vutn. Anklänge an diese Darstellung finden sich noch bei ßoerhaave, obwohl er die Sperroatozoen an die
Stelle der Atome setzt. „Itaque masculinum aemen animalculU vivis, Beatens maxima vi, summo calore forte
ot ingenti copia spiritaum animalium incitatum, convulsiva uteri constrictione retuntura, calefactum, agitatum
ovo occurens parle vivaci incredibiliter parva intrat per dilatatos tum poros glandulosae factae membranulae
Archiv für Bd. IV. Heft IV. 42
Digitized by Google
330
Wilhelm His
eine »ehr plastische Beschreibung giebt, stammen aus dem Ueberacbuss der sämmtlicheu Kör-
pertheile und sind mit deren Ideen imprägnirt. Nur sie sind das active Princip der Embryo-
bildung, das mütterliche Ei liefert die Stätte der Entwickelung und die Nahrung.
Gegen Drelincourt und gegen die 70 zu Gunsten des menschlichen Eies von ihm an-
geführten Gewährsmänner hat Leeuwenbook das oben analysirte Schreiben gerichtet, wel-
ches durch den Nachweis vom Eindringen des Samens in Uterus und Tuben die Eilehre völlig
vernichten sollte. Der Einfluss dieser Lehre war übrigens nicht so leichten Kaufes zu besei-
tigen, und bald hatte sich Leeuwenhoek auch derjenigen zu erwehren, welche seine eigenen
Entdeckungen mit denjenigen de Graaf’s zu combiniren strebten. Den ersten, keineswegs
ungeschickten Versuch solch einer Combination machte Georg Garden von Aberdeen im
Jahre 1GD0')- Die Arbeiten von Harvey, Malpighi und de Graaf führen, wie Garden
bemerkt, dahin, alle Thiere aus dem Ei abzuleiten, d. h. vom weiblichen Zeugungsmaterial,
und dem männlichen die blosse Rolle des Anstosses zu übertragen. Nun glaubt alter Garden,
ein jedes Thier stamme von je einem männlichen Samenthiere, welches zu seiner Entwicke-
lung des weiblichen Eies bedürfe. Es müsse zu dem Behuf in die Cicatricula und zwar in
deren Centrum eindringen, und diese sei wahrscheinlich so gebaut, dass sie nicht leicht meh-
rere Spennatozoen aufnehmen könne. Zwischen Säugethierei und Vogelei sei der Unter-
schied, dass jenes ausschliesslich aus einer Cicatricula nebst Colliquament bestehe. Die Exi-
stenz der Säugethiereier sei aber deshalb anzunehmen, weil für die Entwickelung des Embryo
überhaupt ein Nest von Nöthen sei, und weil man sich eine einzelne Conception gar nicht
denken könnte, wenn der Aufenthalt im Uterus an und für sich zur Entwickelung der Sper-
matozoen genügend wäre. Auch stehe der sich entwickelnde Embryo Anfangs mit dem
mütterlichen Uterus gar nicht in Verbindung. Eudlicli sprächen für die Bildung der Eier im
Eierstocke die zuweilen vorkommenden extranterinen Schwangerschaften, sowie die consta-
tirte Unfruchtbarkeit castrirter weiblicher Thiere. Für dio Abstammung des Embryo aber
aus einem Samenfaden führt Garden die Aehnlichkeit an, welche ein solcher mit den von
Malpighi abgebildeten ersten Rudimenten des Foctus besitze. Garden denkt sich, es finde
der Eintritt des Spermatozoeu in’» Ei schon im Ovarium statt, und er beseitigt den Einwnnd
der Verschiedenheiten im Durchmesser der Eiorstockseier und demjenigen der Tuben durch
die Bemerkung, es hätten schon de Graaf und Malpighi den Nachweis geliefert, dass die Fol-
likel des Eierstocks nicht das wirkliche Ei, sondern zu dessen Aufndbmo bestimmte drüsige
Behälter darstellten, aus welchen dann das wirkliche Ei durch Bersten entleert werde.
Die von Garden versuchte Vermittelung zwischen Ei und Samentheorien steht, wie wir
jetzt wissen, in mehreren Hauptpunkten der Wahrheit sehr nahe, und sie zeichnet sich von
verschiedenen ähnlichen Versuchen durch ihre maassvolle Durchführung aus5). Schon Hart-
ovi, ibi retinctur, suntinetur, fov.-tur, nutritur, omhilien suo acereacit, reliqna minus vivacia animah-ula aufiocat
aieque conceptua factus Mt <^ui ergo fieri potest in omni »llo loco, ubi «einen tale i) lud ovuiu alluit . , . .
tarnen ut forte non improbabile perfect isa in» um conceptum ficri, binis hia in utemm enden» tempore aimut de-
latia commietisi|uc.“ (Boerhaave InMit. medic. §. 673. Ausgabe von 1730.)
l) Philo«. Tranaaetions Nr. 172, apältcr in einem directen Briefe an Leeuwenhoek vom Jahre 1683. Des
Letzten» Antwort iat unbedeutend und enthalt keine neuen Beobachtungen.
5) Merkwürdig ist das theologische Argument (iarden’a zu Gunsten dos llervorgehena des Embryo aua
dem männlichen Samenfaden. „This giere a new light to the first prophecy concerning the Messias, that tho
Digitized by Google
331
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
soekor ist in der Hinsicht über <las Erlaubte weit hirmu.sgegangen, und einige nachfolgende
Schriftsteller, wie z. B. Andry *), sind in solch willkürlichen Darstellungen nicht hinter ihm
zurückgeblieben. Man ist versucht, diesen Uebertreibungen die Schuld beizumessen, weshalb
die Annahme von dein Eindringen der Samenfaden ins Ei nicht bleibend zur allgemeinen Gel-
tung gelangt ist. Indes« hat gerade die Theorie, durch welche jene Annahme während län-
gerer Zeit siegreich aus dein Felde geschlagen wurde, die Theorie der Evolution in Ausma-
lung ungesehener Dinge noch wesentlich mehr geleistet, als die Sperma tozoentheorien Loeu-
wenhoek's und Garden'«, ja selbst als diejenige von Hartsoeker. Die Spermato-
zoon waren doch noch fassbare, nachweislich belebte Körper, denen man, so lange die Be-
dingungen einfacheren Lebens unbekannt waren, eine feinere Organisation, wie z. B. Mus-
keln, Sehnen und innere Organe zuzuschreibeu wohl berechtigt war. Die Wortführer der
Evolutionisten aber sind bald dahin gelangt, organisirte Wesen mit unendlich vielen einge-
schachtelten Generationen nachfolgender Wesen da zu behaupten, wo auch den besten Mikro-
skopen jegliche Spur eines sichtbaren Körpers abhanden gekommen war.
Unter den hervorragenden Männern, welche die Spermatozoentheorie in mehr oder min-
der gemässigter Form beibehielten , sind Boerhaave, Leibnitz und unter den Späteren
J. Lieutaud zu nennen. Boerhaave und Lieutaud haben Beide die Ansicht vom Ein-
tritte der Samenfaden in’s Ei und von seiner Ausbildung zum Embryo vertreten1). Leibnitz
hat die Spermatozoon für seine Monadenlehro zu verwerthen gesucht, und sie für unsterbliche
Wesen erklärt, welche bei der Zeugung mit einem ausgedehnteren Leihe sich umkleiden und
eine vernünftige Seele erlangen *).
seed of the vornan »hall brisc the kead of the serpent, all the rest of the mankind boeing thus most properl jr
and truly the seed of the man.“
l) Nie. Andry de la Generation des Vers dans le Corps de Thommc, Paris 1700. An der Stolle, wo das
Ei vom Ovarium sich abl«3st, bleibt eine Oeffnung, durch welche die Samenthierchen eintreten. Von diesen
hat nur eines im Innern Platz. Fj rollt »ich nach seinem Eintritt zusammen und drückt mit seinem Schwanz
eine an der Oeffnung befindliche Klappe zu, indem es so den Uebrigen den Eintritt versperrt. Auch Andry
vertritt wie Hartsoeker der Einschachtelung der kommenden Generationen im Leibe jedes Spermatozoen,
a) Boerhaave. Instil, medic. oben dtirt. Jos. Lieutaud, Elements Physiologiae, Amsterdam 1749,
pag. 213. „Miasmata viveutia“ nennt Lieutaud mit einem hübschen Ausdruck die Spermatozoen. Einen
eifrigen Anhänger hat die Spermatocoentheorie auch in G. Phil. Berger, dem Uebersetzer von Vallisneri,
gefunden.
s) Leibnitz spricht sich darüber an verschiedenen Orten aus, so in der Theodicee, Buch I, §. 91, und
Buch III, 397; weit eingehender in dem 1718 geschriebenem Aufsätze: „Prineipes de la Nature et de laGra^e
fondeo en Raison“ (Opera omnia, Genevae 1768, pag. 36). „Los recherches des modernes noas ont appris, et
la raison Tapprouve, que les vivans, dont les Organes nous »ont cunrtus, c’ert a dire les plante« et les ani-
maux, ne viennent d’une putrefaction on d’un chaos, comroe les Anciens Pont cru, mais de eemences prefor-
mees et par consequent de la transformation des et res preexistants. II y a des petit-s animaux dans les ae-
mences des grands, qui par le moyen de la conception, prennent uu revetomeut nouveau, qu'its sapproprient
et qui leurs donnc moyen de se nourir et de s'aggrandir, pour passer sur an plus grand theätre et faire la
propagation du grand animal. II est vrai que les ftmes des animaux spe-rmatiques humains ne sont point rai-
Bonnahles, et ne le deviennent que lonquc la conception determine ccs animaux ä la nature humaine. Et
comrao les animaux gencralemcnt ne naissent point entierement dans la conception ou generation, il ne
perissent pas ontierement non plus dans ce que nous appellons mort; car il est raisonnable, que ce qui ne
commcncc pas naturellement, ne finiaae pas non plus dans l’ordre de la nature. Ainsi quittant lenr masque
ou leur guenille, ils retournent seulement a un theätre plus subtil, oü ils peuvent pourtant etre auasi sensibles
et ausei bien reglos que dans le plus grand. Et ce qu'on viont de dire des plns grand« animaux, a encore
lieu dans la generation et la mort des animaux spermatique* plus petits, ä proportion desquels ils peuvent
42*
Digitized by Google
332 Wilhelm His, Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
passer poor grand», car tout va dans l’infini dans 1g monde. Ainsi non seulemcnt lea am ei, maia encore lea
animaux, sont ingenerables ct imperivsable»: ils ne sollt que developpes, envetope«, ravetus, dcpouilles, trans-
formes; lea ames ne quittent jamais tout leur corps et ne passent point d?un corpa dnns un uutre corps qui
leur soit entiorement nouveau. II n’y a donc point de Metempaychose maia il y a Metamorphose, lea
animaux changent, prennent et quittent seulement des parties; ce qui arrive peu a peu et par petites p« reelles
insensibles, maia continuellement dans la nutrition, et tout d'un coup, notablement, maia rarement dsns la
conception, ou dans la murt qui font acquerir ou perdre tout a la fois.“ — In einem früheren Brief an
Bourguet (1715) hatte sich Leibnitz geiiuwert, er könne nicht bestimmt versichern, dass die von ihm
■tatuirten Saroenthierchen mit den von Leeuwenhoek gesehenen identisch seien, indes« habe er auch keinen
Grund das üegentheil zu behaupten. Kr nimmt Leeuwenhoek ’a Partei gegen Bourguet und wahrt be-
sonders dessen Bedeutung als Beobachter. — Die Rolle des Kies als Reeeptaoulum für die Entwickelung der
Sa ment hier© erscheine ihm noch die wahrscheinlichste. „Cependant je n’oaerai pas a*turer que votre sentiment
soit faux, qui va a soutenir que l’animal ii transformer est d«*jii dans Poeof, quand la conoeption sc fait. Mais
ropinion qu’il y ent re par la conception parait plus vraisemblabte. Ne decidona donc rien d’un ton trop
affirmatif, et surtout ne traitons point mal un homme comme Mr. Leeuwenhoek, ii qui le public doit des
grames pour les peines qu’il ü priB dans ses recherches.“
Digitized by Google
XIX.
Referate.
1. Wallace (Beiträge zur Kenntnis* der natürlichen
Zuchtwahl. Deutsch von A. B. Meyer. Er-
langen 1870), hat in 2. Essays Betrachtungen
über den Einfluss der natürlichen Zuchtwahl
auf die Entwicklung der Menschheit an gestellt,
die der höchsten Beachtung des Anthropologen
werth sind. Der erste Aufsatz ist betitelt:
1. Die Entwicklung der menschlichen
Racen unter dem Gesetse der natürlichen
Zuchtwahl.
In demselben giebt Wallace zuerst eine kurze
Darstellung der Theorie der natürlichen Zuchtwahl
bei Thieren und fragt dann, ob dieselbe wohl auch
auf den Menschen angewandt werden könne? Ein
jedes Thier (Individuum) muss allen Bedingungen
seiner Existenz genügen; eine leichte Verletzung
eines pflanzenfressenden Thieres macht, dass es dem
Raubthiere zur Beute fällt, die Kraftabnahme eines
Raubthieres verdammt dasselbe zum Hungertode.
Natürliche Zuchtwahl hält daher alle auf ziemlich
gleicher Stufe. Ganz anders ist dies beim Menschen,
wie wir ihn jetzt sehen. Er lebt social und hat
Sympathien; weniger robuste Gesundheit, geringere
Kraft als im Durchschnitt hat nicht sofort den
Tod zur Folge; denn es findet eine Arbeitsteilung
statt, die schnellsten Individuen z. B. jagen, die
schwächeren sammeln Früchte, und die Nahrung
wird bis zu einem gewissen Betrage ausgewechselt
oder getheilt und so die Wirkung der natürlichen
Zuchtwahl gehemmt. Dadurch also verlieren die
physischen Eigenschaften an jener Bedeutung, die
sie bei Thieren haben, dagegen werden notwen-
diger Weise geistige und moralische Eigenschaften
einen wachsenden Einfluss auf das Wohlbefinden
der Race haben, und diese Eigenschaften sind es
nun, welche Gegenstand der natürlichen Zuchtwahl
werden. Wenn langsame Umänderungen in der
physischen Geographie oder dem Klima eines Lan-
des es für ein Thier notwendig machen, dass sich
seine Nahrung. Bekleidung, Bewaffnung ändern, so
kann das nur durch eine correspondirendc Verän-
derung in Beiner eigenen Körperstructur oder sei-
ner innern Organisation geschehen; es tritt also
natürliche Zuchtwahl ein; beim Menschen ist dies
nicht der Fall, er verfertigt sich selbst seine Klei-
der und Waffen, er associirt sieb, und die Fähigkeit
dies zu thun, wird durch die Zuchtwahl ausgebildet.
So hat der Mensch durch seine Fähigkeit, sich
Kleider, Waffen, Werkzeuge zu machen, der Natur
jede Macht genommen, die äussere Form seines
Körpers langsam aber beständig zn ändern. Thiere
müssen ihren Körper raodificiren, der Mensch passt
sich den Verhältnissen durch seine intellectuellen
Eigenschaften an. Von der Zeit an, da beim Men-
schen sociale und sympathische Gefühle uuftreten,
wird sein Körper nicht mehr von der Zuchtwahl
afficirt, sondern nur der Geist, und es ist ein Fort-
schritt der geistigen Organisation, der fortan unter
ihrem Einfluss Statt hat. In Folge des Umstan-
des, dass die Kraft, die bis dahin den Körper mo-
dificirt hatte, jetzt ihre Thätigkeit auf den Geist
übertragen hat, konnten Racen durch die harte
Disciplin eines unfruchtbaren Bodens und einer
rauhen Jahreszeit fortschreiten. Unter diesem Ein-
fluss konnte sich eine voraussichtigere und socia-
lere Race entwickeln, als in jenen Gegenden, in
welchen die Erde einen immerwährenden Vorrath
vegetabilischer Nahrung producirt- Thatsache ist
es ja, dass zu allen Zeiten und in jedem Erdtheil
die Bewohner gemässigt erer Gegenden denen der
heissen überlegen gewesen sind , und dass alle
grossen Invasionen und Platzveränderungen von
Racen mehr von Nord nach Süd als umgekehrt ge-
gangen sind, und ebenso, dass kein Beispiel einer
Digitized by Google
Referate.
334
ursprünglichen intertropischen Civilisation existirt.
Und dasselbe grosse Gtteti der Erhaltung begün-
stigter Racen im Kampfe um*« Dasein führt zum
unvermeidlichen Aussterbcu der niedrigeren und
geistig unentwickelteren Bevölkerungen, mit denen
Europäer in Berührung kommen.
Nur in einem Punkt statuirt Wallace die
Fortdauer einer auch auf den Körper wirkenden
natürlichen Zuchtwahl, nämlich in Betreff der Farbe
der Haut und der Farbe und Beschaffenheit der
liaurc, und zwar aus folgenden Gründen: Dar-
wiu habe gezeigt, dass die Farbe der Haut in
Correlation stehe mit constitntionellen Eigentüm-
lichkeiten, so dass die Empfänglichkeit für gewisse
Krankheiten oder das Freisein davon oft von mar-
kirten äusserlichen Charakteren begleitet wird.
Wallace meint nun, es sei aller Grund vorhanden,
anzunehmen, dass dies auch auf den Menschen ge-
wirkt habe und bis zu einem gewissen Grade noch
zu wirken fortfahre. Au Orten, wo gewisse Krank-
heiten vorherrschen, werden jene Individuen wil-
der Racen, welche ihnen unterworfen sind, rapide
ausBterben, während die, welche constitutioneil frei
von ihnen sind, die Krankheit überleben und dio
Stammväter einer neuen Race abgeben werden.
Diese begünstigten Iudividuen werden wahr-
scheinlich durch Eigentümlichkeiten der Farbe
und Haare unterschieden sein, und so können viel-
leicht diese Kacenunterschiede hervorgerufen sein,
welche nicht eine Beziehung zu der Temperatur
allein oder zu anderen Schädlichkeiten des Klimas
zu haben scheinen. Dem Leser wird es nicht ent-
gehen, dass sich Wallace hier plötzlich aus seinem
vorsichtigen Gedankengang heraus aut das Gebiet
der Wahrscheinlichkeiten und Vermutungen ver-
irrt und dass die Erklärung der genannten Racen-
eigenthümlichkeiten eine ziemlich gewaltsame ist.
Wallace versucht nun, auf seine obige Beweis-
führung gestützt, die Widersprüche zu lösen,
welche noch immer in Betreff der Frage bestehen,
ob der Menseh ursprünglich nur eine oder aber
viele Arten gebildet habe, und beantwortet dieselbe
dahin, dass der Mensch ursprünglich einmal eine
homogene ltace gebildet habe, dies aber zu einer
so weit zurückliegenden Zeit, dass er zwar die Ge-
stalt, aber kaum noch die Natur des Menschen
hatte. Zu dieser Zeit, und ehe seine intellectuellen
Eigenschaften ihn über den Zustand der Thiere
erhoben hatten, war sein Körper, ebenso wie der
der Thiere, den Abänderungen der natürlichen
Zuchtwahl unterworfen, und zu dieser Zeit müssen
diejenigen Modificntionen in der Structur und
ln— wn Form entstanden sein, die wir an ihm
keimen. Von der Zeit an aber, da sich der Geist
inehr entwickelte, blieb der Mensch hinsichtlich der
Form und Structur der meisten Theile des Körpers
fast stationär; die physischen Eigenschaften fixirten
sich, der Fortschritt war von da an ein nur gei-
stiger. Wallace glaubt daraus auf ein sehr hohes
Alter des Menschen schliessen zu dürfen, so dass
sein Ursprung wohl in die Tertiärzeit hinauf rei-
chen dürfte. Ferner scheint sich ihm aus diesen
Thatsachen in Bezug auf die Suprematie de« Men-
schen zu ergeben, dass er ein Wesen für sich ist,
da er allein durch seinen Geist den Wirkungen
der natürlichen Zuchtwahl zu entgehen vermag.
Weiterhin misst er diesen Ergebnissen auch einen
Einfluss zu auf unsere Anschauungen von der zur
künftigen Entwicklung des Menschen und meint,
wir hätten allen Grund zu glauben, dass der
Mensch durch eine Reihe von geologischen Perio-
den hindurch existirt haben kann und ferner fort-
fahreu kann zu existiren, welche alle andere For-
men des thieri sehen Lebens wieder und wieder
verändert sehen werden, während er selbst unver-
ändert bleibe, ausgenommen Kopf und Gesicht,
Hautfarbe, Haar und Proportionen. Sind diese
Schlüsse richtig, so schliesst Wallace dieses Ca-
pitel, so müssen die höheren (intellectuelleren und
moralischeren) Racen die niedrigeren ersetzen, und
die Kraft der natürlichen Zuchtwahl muss zu einer
immer vollkoramneren Anpassung der Fähigkeiten
des Menschen an die Verhältnisse der umgebenden
Natur und an die Bedürfnisse des socialen Staates
führen. Während seine äussere Form wahrschein-
lich immer ungeändert bleiben wird (ausser in der
Entwicklung jener vollkommenen Schönheit, welche
aus einem gesunden und wohlorganisirten Körper
resultirt), kann seine geistige (Institution fortfah-
ren sich zu vervollkommnen, bia die Erde wieder
von einer einzigen nahezu homogenen Race be-
wohnt sein wird, von welcher kein Individuum
den edelsten Mustern existirender Menschlichkeit
nachsteht. Ein Fortschritt gegen ein solches Ziel
bestehe, wenn auch ein sehr langsamer. Da aber
der Mittelmäßige, wenn nicht der Niedrigstehende
(in Intelligenz und Moral) zweifellos im Leben am
besten fort komme und sich am schnellsten ver-
mehre, so lasse sich der im Ganzen und Grossen
unzweifelhaft stattfindende stetige und permanente
Fortschritt nicht aus „dem Ueberleben des Pas-
sendstenu erklären, sondern man werde zu dem
Schlüsse gedrängt, dass dies eine Folge der ein-
geborenen fortschreitenden Kraft jener herrlichen
Eigenschaften sei, welche uns so unermesslich weit
Über unsere Mitgeschöpfe erheben und uns zugleich
den sichersten Beweis liefern, dass es edlere und
höhere Existenzen als wir selbst sind, giebt, von
denen diese Eigenschaften hergeleitet sein mögen
und denen wir immer zustreben können.
2. Der zweite Aufsatz behandelt: Die Gren-
zen der natürlichen Zuchtwahl in ihrer An-
wendung auf den Menschen.
Jede Veränderung geschieht nur inaoweit, als
es dem Wesen zum Vortheil gereicht und natür-
liche Zuchtwahl hat keine Macht, Geschöpfe über
Digitized by Google
Referate.
335
die Mitgeschöpfe zu erheben oder Modificationen
hervorzurufen, welche dem Besitzer schädlich sind.
Wenn sich daher beim Menschen Charaktere fin-
den, welche ihm beim ersten Auftreten schädlich
gewesen sind, so können sie nicht durch natürliche
Zuchtwahl hervorgerufen sein. Wenn Modificatio-
nen Auftreten, die im Anfang nutzlos oder schäd-
lich, später nützlich und sogar wesentlich werden,
so weise dies anf einen Geint hin, der dio Zukunft
vorhersehe und vorberei te, und es sei die Auf-
suchung einer neuen Kraft zur Erklärung von
Thatsachen, welche der Theorie der natürlichen
Zuchtwahl gemäss sich nicht ereignen sollten, voll-
kommen gerechtfertigt und wissenschaftlich. Im
Einzelnen behandelt der Verfasser seinen Gegen-
stand in Abschnitten mit den folgenden Ueber-
schriften:
1. Das Gehirn des Wilden ist grösser
als es zu sein braucht.
Von dem Satz Ausgehend, dass das Gehirn-
volum einen Maassstab der Intelligenz abgehe, fin-
det Wallace dasselbe bei Wilden, sowohl jetzigen
als prähistorischen, auffallend hoch im Verhältnis«
zu den Leistungen und Bedürfnissen des Besitzers.
Der Wilde besitze ein Gehirn, das, wenn es culti-
virt und entwickelt wird, fähig ist, Arbeiten zu
verrichten, die weit über denen stehen, die es je-
mals im Leben wirklich verrichtet, und es müssen
daher alle moralischen und intellectuellen Fähig-
keiten immer latent vorhanden sein. Ein Gehirn,
wenig grösser als das des Gorilla, * würde für die
begrenzte Geisteeentwicklung des Wilden vollkom-
men genügt haben, und das grosse Gehirn, welches
er thateächlich besitzt, kann sich daher nicht durch
eines jener Gesetze der Evolution allein entwickelt
haben, deren Wesenheit die ist, dass sie zu einem
Grade der Organisation führen, welcher genau den
Bedürfnissen jeder Art proportional ist, aber nie
über diese hinausgeht.
2. Die nackte Haut des Menschen.
Die haarige Bedeckung des Körpers der Erd-
saugethiere als Schutz gegen die Strenge des Kli-
mas und besonders gegen den Regen ist ausnahms-
los der Wirbelsäule oder der Mitte des Rückens
entlang immer dichter und stärker, und unter dem
Gesetze der natürlichen Zuchtwahl hätte diese Ein-
richtung sicherlich nur dann verschwinden können,
wenn sie positiv schädlich geworden wäre. Beim
Menschen ist nun die Ilaarbedcckung fast ganz
verschwunden und zwar am vollständigsten eben
auf dem Rücken. Nun sehe man aber, dass die
nackt gehenden Wilden zu allererst eine Bedeckung
für Schultern und Rücken sich zu verschaffen su-
chen durch Ueberhfingcn von Fellen etc., und erst
viel später im Interesse der Schamhaftigkeit sich
zu decken unternehmen. Der Wilde fühlt also den
Mange] der Haarbedeckung am Rücken und es
lässt sich also nicht denken, dass diese vortheil-
hafte Einrichtung durch natürliche Zuchtwahl ver-
schwunden sei. Es betrachtet ferner Wallace:
3. Füsse und Hände des Menschen als
Schwierigkeiten für die Theorie der natür-
lichen Zuchtwahl, indem die Umwandlung des
Greif-Fasses in den Geh-Fuss, des Daumens in die
grosse Zehe eine sehr strenge Zuchtwahl erforderte,
während es schwer einzusehen sei, wab der frühe
Mensch, als ein Thier, durch den aufrechten Gang
allein ge wonneu haben sollte; so besitze die Hand
latente Fähigkeiten uud Kräfte, welche nicht nur
von Affen, sondern auch von Wilden unbenutzt
bleiben, nnd habe ganz das Aussehen eines Organs,
welches für den civilisirten Menschen vorbereitet
worden sei. Aehnliche Bemerkungen macht der
Verfasser in Betreff
4. der menschlichen Stimme und
5. verschiedener geistiger Eigenschaften
und der Moral. E.
2. Charles Darwin. The Descent of Man and
Selection in Relation to Sex. 2 Bde. mit Illu-
strationen. London 1871- — Die Abstam-
mung des Menschen und die geschlechtliche
Zuchtwahl. Aus dem Englischen von I. V.Carns,
I. Band. Stuttgart 1871.
Obwohl Darwin schon in seinen früheren
Schriften seine Schlussfolgerungen über Ursprung,
Verwandtschaft und Abstammung der Species ohne
allen Vorbehalt für einzelne derselben gebildet
hatte, so schien es ihm doch ansreichend, nur an-
zudeuten, dass dieselben auch auf den Ursprung
und die Geschichte des Menschen Licht werfen
müssten. Notizen, die er während vieler Jahre
über diese letztere Frage gesammelt, blieben da-
her bisher unveröffentlicht, um nicht dadurch die
Vorurtheile gegen seine Ansichten zu vermehren.
Da dieses Motiv durch die rasche Verbreitung,
deren sich die I^ehre von der Entstehung der Spe-
ciea erfreute, als beseitigt erscheint, so veröffent-
licht der Verfasser nun diese Untersuchungen, die
sich über folgende Fragen erstrecken: Ob der
Mensch wie jede andere Species von irgend einer
früheren Form abstamme, welches die Art seiner
Entwicklung, welches der Werth des Unterschiedes
zwischen den sogenannten Menschenracen. Ueber-
dies, da bei der Diffcrenzirung der Menschenracen
eine grosso Rolle der „sexuellen Auswahl“ zuzu-
koramen scheint, so wurden deren Wirkungen auch
bei allen übrigen Geschöpfen mit Einlässlichkeit
besprochen.
Die neue Schrift bildet insofern eine wesent-
liche Ergänzung der beiden letzten Darwin 'sehen
Werko, und namentlich des Buches über die Ent-
stehung der Arten , und zerfällt in zwei getrennte
Abhandlungen, wovon die eine die Abstammung
des Menschen, die zweite die Principien und dio
Digitized by Google
336
Referate.
Form der sexuellen Auswahl in der gosain raten
Thierwelt bespricht.
Für die Vergleichung der körperlichen Eigen*
schäften des Menschen mit demjenigen der Thiere
sind Anhaltspunkte genug vorhanden; die Analo-
gien, welche auf einen gemeinsamen Ursprung hin-
deuten, werden daher nur kurz aufgezählt, und es
wendet sich der Verfasser rasch zu der Verglei-
chung der geistigen Fähigkeiten von Mensch und
Thieren. Die Untersuchung bewegt sich somit
nicht mehr auf dem Bodeu objectiv constatirbarer
Thatsachen und namentlich auch nicht mehr auf
unparteiischem Grunde. Dennoch folgt sie durch-
aus der in den berühmten früheren Büchern ange-
wendeten Methode. Das neue Buch macht den Ver-
such, die naturhistorische, im weiteren Sinne die
historische Methode auf die Gebiete des Intellectes
und der Moral in ähnlicher Weise wie auf körper-
liche Eigenschaften anzuwenden. Eine Art Ueher-
gang zwischen beiden Gebieten bildet die Sprache,
deren Entwicklung und Geschichte in vielen Be-
ziehungen derjenigen organischer Geschöpfe parallel
geht (Monogamie, Kampf ums Dasein , Kreuzung).
Aber selbst die Untersuchung der moralischen
Eigenschaften des Menschen lasst die Anwendung
dieser Methode zu. Darwin sucht zu analysiren,
was darin erstlich aus früheren Quellen ererbt sein
mag und was der Mensch als solcher erworben,
ferner was durch Gesellschaft, Beispiel, Gewohn-
heit raodificirt wurde. Als älteren Ursprungs und
somit ererbt scheinen sich namentlich die persisten-
teren und obno Reflexion zur Wirkung gelangen-
den, auch bei Thieren nicht fehlenden Resultate
von UueigennUtzigkeit und Selbstverleugnung (Fa-
milien- und Mutterbebe) zu erweisen, die sich von
den eigentlich moralischen Autrieben nur schwer
abtrennen lassen. Aber auch die letzteren lassen
sich schliesslich grösstentheils auf Entwicklung von
socialen Instinkten zurückführeu, wie sie bei vielen
Thieren auch nicht fehlen; und von der bei wilden
Völkern nur noch wie bei Thieren instinktiv vor-
handenen Unterscheidung dessen, was der Gemein-
schaft der Heerde (des Stammes) dient, führen
Gradationen zur Erkenntniss dessen, was der Na-
tion und endbeh was der Species dient. Ausdeh-
nung des Bewusstseins der Gemeinsamkeit und so-
mit auch des Gefühls der Pflicht über die Species
hinaus, ..Humanität gegen Thiere“ ist selbst beim
Menschen eine sehr späte und bei weitem nicht
allgemeine Acquisition. ln dieser Entwicklung
moralischer Aufgaben und Wirkungen haben nun
freilich Vorurtheile der Menschen, Gewohnheiten,
Isolirung in Racen mannigfache Verirrungen ein-
geführt, aber andererseits ist sie unter Mitwirkung
des gleichzeitig w achsenden Intellects und der da-
durch möglich gewordenen Mittheilung durch
Sprache und Schrift, durch Erziehung und Ver-
erbung mächtig gefördert und von dem Grade
bloss vererbter: Instinkts bis zum Ergebnis von
Reflexion und Vergleichung, bis zur Fähigkeit der
Beurtheilung vergangener und künftiger Motive
(Pflicht, Gewissen, Reue) gesteigert worden.
Der zweite Theil der Schrift bespricht ein in
der Geschichte der Organismen th&tiges Princip,
das schon in dem Buch über den Ursprung der
Speoies (Cap. 4-) angedeutet worden war, die sexu-
elle Zuchtwahl. Wie där Kampf ums Dasein die
„natürliche Auswahl“ mit allen ihren Folgerungen
bedingt, so bewirkt der Kampf der Männchen um
den Besitz der Weibchen Mitbewerbung und somit
eine schliesaliche Diüerenzirung zunächst innerhalb
der männlichen Individuen einer Species. So er-
worbene Merkmale der Männchen sind aber durch
fortwährende Wiederholung der Auswahl einer fort-
währenden Steigerung und durch Vererbung selbst
einer theilweisen Uebertragung an die weiblichen
Nachkommen fähig, und führen somit zu analogen
und oft noch rascheren und auffälligeren Ergeb-
nissen, wio die natürliche Auswahl, um so mehr,
da die beiderseitigen Erfolge sich in der Regel zu
comuliren pflegen.
Wie in den dem Nachweis der natürlichen und
der künstlichen Zuchtwahl gewidmeten früheren
Schriften, so hat Darwin auch für diese Abhand-
lung über die sexuelle Auswahl eine erstaunliche
Menge von Materialien mit sorgfältigster Literatur-
angabe gesammelt, wofür man überaus dankbar
sein muss. Nichtsdestoweniger dürfte die weite
Anwendung dieser besonderen Art der Auswahl
selbst bei Vielen auf Widerstand stossen, die der
Darwinschen Anschauung über Auswahl unter
den organischen Individuen im Allgemeinen durch-
aus zugethan sind. Einerseits stützt sich das Prin-
cip sexueller Selection des Allerwesentlichsten auf
Voraussetzungen Über Vererbung, die in dieser
Form und Ausdehnung sich schwerlich allgemeiner
Zustimmung, namentlich von Seite der Embryo-
logen, erfreuen werden, wenn auch die Hypo-
these der Vererbuug einzelner Merkmale auf cor-
respondireude Altersstadien von Eltern und Nach-
kommen und die davon abgeleiteten Folgerungen
über die Vertheilung solcher Merkmale: an Indivi-
duen verschiedenen Geschlechts auch bei anderwei-
tiger Deutuug bestehen könnte. Noch ernsthafteren
Widerstand von derselben Seite dürfte auch schon
die Erklärung der Vertheilung secundürer sexueller
Merkmale auf die beiden Geschlechter finden, um
so mehr, da der primäre oder besser, der effective
Geschlcchtsunterschied , dadurch nicht verständ-
licher gemacht wird.
Einwendungen sehr analoger Art lassen sich
auch von Seite der Paläontologie erwarten. Hat
liierte auch seit längerer Zeit gewisse Reihen von
Thatsachen , sei es an erloschenen , sei es an noch
lebenden Geschöpfen alter Typen coustatirt, welche
mit den Folgerungen Darwin’» über sexuelle Aus-
Digitized by Google
Referate.
337
wähl überein stimmen, so wird sie doch kaum ge-
neigt sein, die ganze Kette von hierher gehörigen
Erseheinungen von diesem Principe abzuleiten.
Schon jetzt mag zwar von Seite der Paläontologen
vielleicht zugegeben werden können — was frei-
lich Darwin nicht so allgemein formulirt — dass
secundire sexuelle Verschiedenheiten bei gewisson
Säugethiergruppen um so ergiebiger ausfallen, als
diese jüngeren Perioden angehören, oder umge*
kehrt, dass die sexuelle Diflerenzirnng der Indi-
viduen in gleichem Maaase abnimmt, als wir ältere
(seien es erloschene oder noch erhaltene) Typen von
Säugethieren untersuchen. Aber auch das dürfte
als eine blosse Folge eines Gesetzes erscheinen, das
sich nicht nur mit grösserer Sicherheit detiniren
lässt, sondern auch ein weit grösseres Gebiet von
wohlconstatirten Thatsachen beherrscht: das* näm-
lich die Vertreter des weiblichen Geschlechts so-
wohl in ihren verschiedenen individuellen Alters-
Btadieu, wie in der geologischen Geschichte des
Genus sich weniger von dem .Stammtypus entfernen,
man möchte sagen, dass sie als Individuen wie als
Repräsentanten des Genus eine kürzere Entwick-
lungsbahn durchlaufen, als die Träger männlichen
Geschlechts (worüber Referent eine grosse Zahl von
Thatsachen aus der geologischen Geschichte der
Wiederkäuer mitget heilt zu haben glaubt). Eiue
solche Formulirung stimmt alsdann zu sehr mit
nicht minder weitgreifenden Categorien paralleler
Thatsachen überein, um nicht einen beiden gemein*
sameu Gesichtspunkt zu verlangen; dahin gehört
die geringere Diflerenzirung der Individuen eines
oder der zwei Geschlechter auf niedrigeren Organi-
sationsstufen in einer und derselben Clause, ferner
die fortwährende Differeuzi ruug von Besitzthum
oder mindestens von Merkmalen des Stammes bei
den geologischen Descendenten Eines Stammes,
wozu vor Allem die Vergleichung des Gebisses in
den fossilen und lebenden Säugethieren aller Ord-
nungen eine reiche Fülle von Belegen bietet.
Es ist schwer den Gedanken abzuweisen, dass
Thatsachen von so grosser räumlicher und zeit-
licher Ausdehnung nicht Tondenzen, Richtungs-
linien oder wie man es nennen mag, verrathen, die
zugleich tiefer und auch weiter zurückliegen, als
die Auswahl der Individuen, sei es die instinctive,
die in jedem Individuum mit der Geschlechtsreife
neu erwacht, oder die ganz unwillkürliche äussere
(„natürliche“), welcher die Geschöpfe auch nur als
Einzelwesen, als Individuen unterliegen. Ifeber
solche wohl kaum auf das Individuum beschränkte,
sondern vielleicht viel grösseren Lebeuskreisen ge-
meinsam eingeborene Kichtungslinien Vornmthnn-
gen aufzustellen, ist hier nicht der Ort, um so we-
niger, als Referent sich hierüber schon anderwärts
ausgesprochen hat.
Das Gesagte mag genügen, um anzudeuten,
dass beide Thcile des neuen Werkes von Darwin
Archiv för Anthropologie. BdL IV. Heft IV,
sich des engsten an dessen beide letzten Publica*
tionen anschlieesen und wesentlich zum Ausbau des
in denselben aufgerichteten grossen Gebäudes die-
nen. Wie die strenge Methode der beiden früheren
Schriften erwarten Hess, ermangeln auch die in
dem neuen Buche ausgesprochenen Ansichten der
Consequenz in keiner Weise. Der erste Theil der
Buches, dessen Ziel auch den Haupttitel lieferte,
kann zwar in Beziehung auf sein Endergebnis
kaum als neu erscheinen; der Schluss der Unter-
suchung, wenn ihn auch die beiden früheren Schrit-
ten kaum angedeutet haben, war von dem Publi-
cum längst gezogen und es darf daher nicht be-
fremden, wenn sich im Moment des Erscheinens
des neuen Werkes die Tagesliteratur gleich auf
dies Endergebnis geworfen hat. Für das gross*
Publicum, das von wissenschaftlichen Untersu-
chungen erst Notiz nimmt, wenn sie an „mensch-
liche“ Lehrsätze zu streifen beginnen und Ergeb-
nisse derselben wie momentane Geetäudnisse de*
nuncirt, über welche das momentane Gefühl jede«
Einzelnen sein Verdict zu fallen berechtigt sei. war
diese Abhandlung sogar entbehrlich. Aber auch
diejenigen Leser, die dem bisher am Tage liegen-
den Gedankeugunge Darwin’s methodisch nach-
zugehen gewohnt waren, mussten wohl einen guten
Theil des von Darwin hier über das Gebiet des
Körperlichen hinaus fortgesetzten Weges selbst
schon gemacht haben, und werden daher vielfach
auf Gedanken stoeaen, die ihnen nicht fremd sind.
Um so mehr dürfen wir hoifen, dass ähnlich wie es
hauptsächlich die strenge Methode war, welche auf
dem der sinnlichen Beobachtung noch zugänglichen
Gebiet, dem die früheren Schriften gewidmet waren,
schon so reichliche bleibende Frucht gebracht hat,
sie bo auch auf dem viel schwierigem Gebiete
naturhistorischer Psychologie einen Leitfaden zu
geduMigem und cousequentem Forschen abgeben
möge. R üti in e vor.
3. Oscar PeseheL Neue Probleme der vergleichen-
den Erdkunde als Versuch einer Morphologie
der Erdoberfläche. Leipzig 1870. Mit 38 Holz-
schnitten.
So allgemeiner Art auch die einstweilen er-
kannten Beziehungen zwischen Anthropologie und
Geographie sind, so fehlt es doch nicht an Winken,
dose die schon jetzt um 80 grosse Zeiträume zu-
rückgeächobene Geschichte des Menschen mit der
Zeit immer reichlichere und directere Berührung
mit den jüngeren Phasen der Erdgeschichte werde
entdecken lassen; und wenn die Thier- und Pflan-
zengeographie schon oft mit gutem Erfolg für die
Lösung ihrer schwierigsten Probleme die Anhalt-
punkte in dor Geschichte der Veränderungen der
Erdoberfläche gesucht haben, so mag eine kurze
Besprechung der oben angezeigten Schrift in einer
anthropologischen Zeitschrift nicht unmotivirt er*
43
338
Referate.
scheinen. Zudem darf wohl von vornherein eine
„Morphologie“ der Erdoberfläche die Kreise, die
«ich mit Morphologie des Organischen befassen,
nicht gleichgültig lassen.
Dos Buch zerfällt in eine Anzahl von Mono-
graphien von verschiedenem Charakter. Ein Theil
derselben ist sehr passend bezeichnet mit dem frei-
lich nur einer Abhandlung besonders beigelegten
Titel: ge< »graphische Homologien, und geht auch
oft über diese Absicht hinaus zu dem Versuch, für
zerstreute Erscheinungen allgemeine Gesetze auf-
zufinden, ein Ziel, das den Namen vergleichende
Erdkunde wohl verdient. (So die Capitel Fjord Bil-
dungen, Ursprung der Inseln. Deltabildnngen, Bau
der Ströme in ihrem mittleren Lauf.) Ein anderer
Theil int wesentlich geologischen und physikalisch-
geographischen Inhalts (Abhängigkeit des Flächen-
inhalts der Festlande von der mittleren Tiefe der
Weltmeere, Anfeteigen der Gebirge an Festlnnd-
rändern, Aufsteigen und Sinken der Küsten, Ver-
schiebungen der Welttheile, Thalbildungen, Wüsten,
Steppen, Wälder). Ein Aufsatz endlich: Thier-
und Pflanzenwelt der Inseln, bespricht speciell die
geologische Geschichte der Organismen.
Dass eine reichliche Beherrschung des geogra-
phischen Materials und einer ausgedehnten Litera-
tur dem Buche zu Grunde liegt, dafür bürgt schon
der Name des Autors, des Verfassers des „Zeit-
alters der Entdeckungen“ und des Kedacteurs des
„Auslandes“, und allerdings bietet das Buch )>ei
vortrefflicher Darstellung einen überaus reichen
Stoff zur Belehrung und reichliche Anregung zu
eigenem methodischen Denken über Tbatsaohen,
die leider noch häufig genug bloss dem Gedächt-
nis« einregistrirt zu werden pflegen.
So grossem Verdienst kann daher durch einige
Einwendungen kein Abbruch geschehen. Eine erste
bezieht sich, und nicht ganz unwesentlich, auf den
Titel. Einmal werden, wie in aller Erdkunde,
doch Phänomene an einem und demselben Körper
geschildert, theil» in vorwiegend räumlicher, wofür
allerdings der Name geographische Homologien sehr
gut passt, theil» in zeitlicher Beziehung (Geologie,
physikalische Geographie), wahrend wir bisher den
Titel Morphologie doch eher auf Multiple von Kör-
pern anwendetm, deren gemeinsamer Boden ausser-
ordentlich viel verborgener liegt, als an dem Object
des in Rede stehenden Buches; und auf den Titel
„neu“ darf wohl theilweise die vortreffliche Art
der Behandlung Anspruch machen , nicht aber die
Methode oder gar die Formulirung der Probleme
selbst (auch abgesehen davon, dass die heutige Geo-
logie, sowie die so mächtig anwachsenden An-
schauungen der Thier- und Pflanzengeographie
wesentlich auf solchen Problemen ruhen). Nicht
nur haben in neuerer Zeit die Werke von Lyell,
Dana, Darwin. Wallace und Anderen sich viel-
fach dieselben Aufgaben mit vollster Klarheit ge-
stellt, sondern auch der Ausspruch, das.« Karl Rit-
ter nie eine »Aufgabe der vergleichenden Erkunde
gelöst habe, klingt in derThat seltsam, denn wenn
Bie Bich in seinen riesigeu Arbeiten nicht gerade der-
artig isolirt darstellen, so ist doch offenbar, dass
manche derselben nicht nur in ihm und manchem
seiner Schüler (Fr. Hoffmann, Guyotet), son-
dern schon in früherer Zeit (R. Förster, Buf-
fo n etc.) thätig waren.
Zu Einwendungen mehr sachlicher Art könn-
ten manche Capitel des Boches selbst einladen, was
den dominirenden Gesichtspunkt, von dem der noch
heute so häufig als spröde beurtheilte Stoff behan-
delt wdrd, nicht heruntersetzt. Doch würde cs hier
kaum am Platze »ein, in geologische und zoologi-
sche Details cinzugehen. Mag somit auch der spe-
cielle Fachmann, Geologe, Zoologe etc. mit Einzel-
heiten oft nicht einverstanden sein, so wird Nie-
mand ein Buch unbefriedigt bei Seite legen, das in
bequemstem Rahmen Fragen von bo weittragender
Wirkung mit trefflicher Klarheit behandelt, und
vor Allem werden Viele mit Dankbarkeit gegen
den Verfasser entdecken, was ihnen vielleicht bis-
her fremd war, dass Landkarten allerdings, von so
umfassenden Standpunkten aus betrachtet, zu histo-
rischen Gemälden werden können. Rütimeyer.
4. Carl August Aeby. 1) Ueber die unorga-
nische Metamorphose der Knocbensub-
stanz. dargethan an schweizerischen
Pfahlbautenknochen. Inauguraldissertation.
Bern, 1870. 8*. 47 Seiten. 2) Ueber den
Grund der Un verä ndorlichkeit der orga-
nisch eil Knochcnsubstanz. Centralblatt d.
med. Wisaenach. 1871. Nr. 14.
Der Verfasser scheint von der 1809 erschie-
nenen F. Wibe Fichen Schrift, welche in Bd. IV,
Heft II, pag. 128 dieses Archivs besprochen wuidc,
noch keine Kenntniss gehabt zu haben und stellt
in Abschnitt 1. (Einleitung) — im Hinblick dar-
auf, dass aus früheren Analysen fossiler Knochen
der Wissenschaft noch wenig Nutzen erwachsen,
vor Allem noch keine schlagenden Unterschiede
zwischen fossilen und frischen Knochen geboten
worden seien — als leitenden Gesichtspunkt für
seine Arbeit den Nachweis hin, dass man den Um-
wand lungaprocess der Knochen auf die Wirkung
derjenigen Factoren zurückzubeziehen habe, welche
im Mineralreiche als Umwnmllungsstoffe überhaupt
eine •wesentliche Bedeutung gewinnen. Denn in
den Knochen liege ein anorganisches Gebilde mit
organischem Substrat vor und in ihrer Umsetzung
müsse man im Allgemeinen die rück- oder vor*
Bchreitende StoffmetamorphoRe der Mineralwelt er-
blicken.
Bezüglich der physikalischen Charaktere der
Knochen verweist dfcr Verfasser auf Rütimeyer’a
Fauna der Pfahlbauten.
Digitized by Google
Referate.
339
Io Abschnitt II. (Methode der .quantita-
tiven Analyse) legt Aeby dar, dass er — da
die Knochen eich von den Phosphoriten des Mine-
ralreiche zum Theil nur durch den Leimgehalt un-
terscheiden, den bei jener Gruppe ungewandten
analytischen Gang als den zuverlässigsten ein ge-
halten und neben den Kalksalzen, als den wesent-
lichen Bestaii dthei len, noch dem Gehalt an Eisen,
Fluor, Mangan und Schwefelsäure seine besondere
Aufmerksamkeit geschenkt habe. Bezüglich der
Speciclleron Angaben über die Methode möge der
Leser sich in der Abhandlung selbst orientircu.
In Abschnitt III. erörtert der Verfasser die
normale Zusammensetzung der Knochen,
und kann sich hierbei in Folge seiner Untersuchun-
gen von 54 reeeoten und fossilen Knochen nicht,
mehr mit der früher dem Kalkpbosphat derselben
beigelegten Formel 3 CaO PO3 befreunden, nimmt
vielmehr ein überbn-Hisch phosphorsaures Sulz an,
wofür ihm besonders der Umstand zu sprechen
scheint, dasR das relative Verhältnis* von Kalk zu
Phosphorsäure auch dann dasselbe bleibt, wenn
durch das Auftreten von mehreren Procent en Fluor
in den Knocheu sich eine Apatit ähnliche Mischung
einstellt.
Aeby bemerkt, dass, Abgesehen vom Kohlen-
säuregehalt, sich drei Reihen von phosphorsauren
Kalksalzen ergeben, welche durch ihr regelmässiges
Auftreten eine Verschiedenheit in der animalischen
Function erkennen lassen. Die erste Reihe findet
er besonders durch die Substanz der untersuchten
Kiefer- und Zahn knocheu , die zweite durch
die Röhrenknochen, die dritte durch den Zahn-
schmelz repräsentirt , und letztere entspräche
dr’m gewöhnlichen basisch phosphorsauren Kalk;
das Zahlenverhältniss wäre 5*4 und 0*8 überschüs-
siger Kalk neben je 84 Proc. 3 CaO PO6.
Interessant ist hierfür die Beobachtung, dass
sich in alten Pfuhlbauten häufig der Zahuschmelz
in das schöne dunkelblaue Mineral, Vi vianit (was-
serhaltiges Eisenphosphat), umgewandelt zeigt, wäh-
rend da» angrenzende Zahnbein vou den durch-
aickernden eisenhaltigen Wassern wohl Eisen, je-
doch kein Phosphat aufgenommen hatte.
Die Magnesia glaubt der Verfasser vermöge
»einer deefallsigeu näher angegebenen Versuche als
koblen8Aurcs Salz in den Knochen annehmen zu
müssen, ebenso das Eisen und Mangan. Die bei
den Analysen sich ergebende Schwefelsäure dage-
gen hält er für meist senundäres Product bei der
Zersetzung der organischen Substanz , nicht für
primären Knochenhestandtheil.
In Abschnitt IV. bespricht Aeby die Meta-
morphose todter Knochen. — Frische und fos-
sile Knochen, bezüglich ihres Leimgehaltcs ver-
glichen, ergeben keinen Unterschied. Die Men-
Bchonknochen aus der Steinperiode zeigten noch
ihren vollen leimgehalt. Den Grund für die rela-
tive Abnahme des letzteren in den Knochen der
Uausthiere erkennt der Verfasser in dem Umstande,
dass jene von den Pfahlbauem abgekocht waren ;
die gekochten unterscheiden sich von den unge-
kochten durch geringere Mengo Luim , mindere
Festigkeit, durch Biegsamkeit uud hellere Farbe.
An Knochen aus Höhlen, Kalkschichten u. *». w.
wird der Leim oft durch knhlensauren oder Schwe-
felsäuren Kalk ersetzt, wodurch deren Festigkeit
modificirt sein kann.
Gegenüber jenen mehr mechanischen Verän-
derungen der Knochen kommt nun bezüglich der
chemischen Umsetzung derselben deren Fluor-
gehalt besonders in Betracht. Aus der erwähnten
Beobachtung, dass auch beim Hinzutritt ganzer
Procente Fluor das relative Verhältniss von Kalk
und Phosphorsäure unverändert bleibt, schlieest
Aeby auf eine Wechselwirkung von Fluoralkalien
der Gewässer mit dem überhasisch phosphorsauren
Kalk und Bildung eines Doppelsalzes von basisch
phosphorsaurein Kalk mit Fluorcalcium; ferner
nimmt er verschiedene desfallsige, bisher über-
sehene Sättigungsstufen an, worunter die Verbin-
dung
(84 3 CaO PO6
j 5 CaO
ein Mittelglied zwischen Apatit uud dem gewöhn-
lichen basisch phosphorsauren Kalk repräsentirt,
dessen Um wand) uugsstufen sich vollständig verfol-
gen lassen.
Aus einem Fluorgehalt der Knochen auf deren
sehr hohes Alter zu schlicsseii, sei man nicht he-
roehtigt; solche aus Pfahlbauten zeigen tbeiia
3 bis 4 Proc. und darüber, theils nur 1 biß 2 Proc.
Fluor. Als Agens bei der Verbreitung dieses Stoffes
im Boden sieht Aeby die organische Substanz an;
Knochen von Stellen, w'o letztere nicht ins Spiel
kommt, z. B. aus Diluvialgerölleil, zeigen nur ge-
ringe Spuren davon.
An dieselben Bedingungen sei auch das Auf-
treten von Eisen und Mangan gebunden; alle
fiuorhaltigen Knochen enthalten auch Eisen, die
fiuorfreien keines; Knochen aus Diluvialgeröllen
geben w'eisse Asche, Pfahlbautenknocheu rothe.
Der Verfasser findet interessante Analogien in die-
sen Umsetzungen der Knochen mit den Pseudo-
niorphuaeubilduugen de* Mineralreichs, nämlich von
Eisen- und Mangnncarbonat nach Kalkcarhonat,
und zwar bei den Knochen allermeist ohne Eisen-
phoBphatbeimengung.
Ein erheblicherer Gehalt gewisser Knochen-
aschen an Schwefelsäure wartet noch der Aufklä-
rung. Mangan kommt besonders den Knochen
aus Torf zu.
Als Facit aus Beinen Untersuchungen zur Un-
terscheidung sehr alter und neuer Knochen be-
trachtet Aeby das Verhältniss, dass die ersteren
vermöge der Verbreitung des Gypses und des Eiu-
43‘
Digitized by Google
340
Referate.
fiusses der Kohlensäure durchweg magnesiaarm
seien; die Pl'ahlbautenknochen erscheinen daneben
oft »ehr reich an Fluor und Eisen, jene aus Torf*
a Magerungen auch an Mangan.
Schliesslich wirft der Verfasser mit Recht
noch einen nufklai enden Rück auf die einschlägigen
Bedingungen der Bildung von Phosphoritlagern
neben Eisen* und Manganerzen in den Erdschich*
ten, und sucht so die Verhältnisse im Kleinen und
im Grossen in einem wissenschaftlichen Zusammen-
hang aufzufassen ]).
An dieses Capite) schliesst sich dann die Auf*
führung der Analysen selbst; nach den drei oben
angeführten Categorien geordnet und am Endo
folgt eine Reihe näherer Mittheilungen von H. Dr.
Uhlmann in Müncheubuchsee über die Fund-
stätten der vom Verfasser analysirtcn Zähne und
Knochen. —
Im Centralblatt für die medicinischen Wissen-
schaften 1871 Nr. 14 äussert sich Aeby noch über
den Grund der Unveränderlichkeit der organi-
schen Knochensubstanz, weiche vollende unter
Wasser Jahrtausende lang sich conservirt. ln ganz
frischen compacten Knochen fand er 11 bis 12
Procent Wasser und durchschnittlich 28 Procent
organische Substanz; die letztere bedarf, um sich
zu zersetzen, der Aufnahme von Wasser, welches
eben in der Knocheninasse spärlich und nach
dessen Versuchen chemisch gebunden wie Krystall-
wftsser Auftrete.
Die Knochen dürfen demnach als trockenes
Gewebe angesehen werden, welches da, wo keine
Waseeraufnahme stattfinden könne, eben auch nicht
faule. Die Starrheit der anorganischen Knochen-
l) Ob derselbe mit »einer in der ganzen Schrift con-
»iquent durchgeführte!» Schreibweise Oxid, Oxidul, anstatt
Oxyd, Oxydul, Pruselyten machen werde, wollen wir bezwei-
feln.
Substanz gestatte keine Volumvermehrung, welche
bei Wasseraufnahme von Seite des Knorpel» ftlr
sich cintreten würde, während heim Digeriren fein*
gepulverter frischer Knochen wirklich Quellung vor
sich gehe. — Aeby vergleicht den Knochen dem
unter W'asser gepressten Schwamm, der erst unter
Beseitigung des Drucks sich mit Wasser füllt; so
erkläre sich demnach auch die Conservation der
Pfahlbautenknochen unter Wasser.
H. Fischer in Freiburg.
5. Archivio per L’Antropologia e la Etuolo-
gia, puhhlicato: per la parte antropologica dal
Dr. Paolo Mantegazza Prof. ord. di Antropo-
logia nel R. Ist. di St. Sup. in Firenze; per la
parte etnologica dal Dr. Felice Finzi Prof. lib.
di Assiriologia nel R. Ist. di St Sup. in Fi-
renze. Primo voluine Fascicolo primo. Fi-
renze. 1871. 8*.
Mit Freude begrüssen wir das Erscheinen eiuer
italienischen Zeitschrift für Anthropologie, und
erkennen darin nicht nur eiuon Beweis für die stei-
gende Bedeutung unserer Wissenschaft, sondern
auch für das zunehmend rege wissenschaftliche Le*
beu unserer südlichen Nachbarn. Das vorliegende
erste Heft enthält: 1) einen einleitenden Aufsatz
von Finzi: Anthropologie und Ethnologie.
2) Eine Frage der socialen Psychologie, von
Alexander Herzen. 3) Mantegazza, überden
Index cephalospinalis beim Menschen und den
anthropomorphen Affen, und eine Methode, denselben
zu bestimmen (mit 1 Tafel). 4) Derselbe, eine
Bemerkung über den Index cephalospinalis.
ö) Lombroso, Existenz einer Fotsa occipita-
1 i m median a im Schädel eines Verbrechers. 6)Boc-
cardo, über die Ursachen, welche die rela-
tiven Verhältnisse der Geschlechter in der
Statistik der Geburten bestimmen. 7) Gi-
glioli, die Tasmanier (mit Tafeln).
Digitized by Google
XX.
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
bericht über den internationalen Congress für Anthropologie und vorgeschichtliche
Alterthumsforschung in Kopenhagen vom 27. August bis 5. September 1861*.
Von H. Sohaaffhausen.
Es ist wohl selten eine Gelehrten- Versammlung
abgehalten worden . die so grosse Erwartungen
erregt und heim Schlüsse alle Theilnehmer mit so
vollständiger Befriedigung erfüllt hatte, wie die in
Kopenhagen. Es war der vierte der anthropolo-
gischen Con grosse, von denen der erste 1866 in
Neufchutel , der zweite 1867 in Pari», der dritte
1868 in Norwich stattgefunden hatte. Der nächste
wird voraussichtlich in diesem Jahre in Bologna
tagen. Die Versammlung in Kopenhagen zählte
337 Mitglieder, darunter aber nur 111 Ausländer.
Es war nicht nur der ütarraschende Heichthum
und die zweckmässige Einrichtung der Sammlun-
gen. unter denen mit Rücksicht auf die Arbeiten
des Congresses vor Allem das Museum für nordi-
sche Alterthüiger, die ethnologische Sammlung, das
in einem neuen Prachtbau aufgestellte vergleichend
anatomische Museum, das des physiologischen In-
stituts und die kuusthistorische Sammlung in der
Ko8enburg zu neunen sind, es war auch nicht nur
die Anwesenheit namhafter Forscher aus allen Ge-
bieten der Natur- und Alter thumswissenschaft, was
diese Versammlung zu einer so glänzenden machte,
suudorn die überaus gastfreundliche Aufnahme, die
allen Fremden zuTheiiward und an der alle Kreise
der Bevölkerung sich betheiligten, die Hochachtung,
welche das dänische Volk bei dieser Gelegenheit
der Wissenschaft in so auffallendem Maasse entge-
genbrachte, hob von Anfang an die Stimmung der
Versammelten. Der König wohnte der feierlichen
Eröffnung des Congresses mit seinem gansen Hof-
staate bei und gab demselben königliche Feste,
aber auch der Geringste im Volke schien den Ge-
lehrten-Congress als eine Ehre zu betrachten, die
dem Lande zu Theil ward. Wau da« that kräftige
Volk der Dänen in Kunst und Wissenschaft gelei-
stet, wird stets Bewunderung finden; für die in
diesem Lande verbreitete Bildung spricht schon die
eine Thatsache hinreichend, dass Dänemark bei
einer Bevölkerung von noch nicht zwei Millionen
23 literarische und wissenschaftliche Zeitschriften
besitzt.
Die Sitzungen des Congresses fanden in der
stattlichen Aula des Universitätsgeb&udes statt, in
dessen Vorräumen Privatsammlungen ausgestellt
und Abbildungen der bemerken swerthesten Gegen-
stände ans den Museen von Flensburg, Dublin,
Christiania und Stockholm, sowie Ansichten der
bedeutenderen Dolmen Dänemarks aufgehängt wa-
ren; dieselben wurden in zweckmässiger Weise
durch Ausflüge zu sehenswerthen Denkmalen und
Fundstellen in der Umgegend unterbrochen. In
einer Vorversaminlung war der Beschluss gefasst
worden, die Verhandlungen in französischer Sprache
zu führen. In der That bestand die Mehrzahl der
auswärtigen Mitglieder aus Franzosen, und die
Abstimmung musste also zu ihrem Vortheil ausfal-
leo, während von de» anwesenden Dänen freilich
viele da« Französische nicht, fast alle aber das
Deutsche verstanden. Eh hätte wohl dem geraia-
Digitized by Google
34 2
Verlmndlungen gelehrter Versammlungen.
nischen Lande besser angebunden, wenn den Deut-
schen deutsch zu roden verstauet gewesen wäre.
Ein Nachklang politischer Verstimmung gegen
Deutschland war hierin bemerkbar. Es verstoßet
aber geradezu gegen den Sinn internationaler Ver-
sammlungen, dass eine Nation für sich ein Vorrecht
verlangt und dass nicht Jeder in seiner Sprache
reden soll. Die Zuhörer mögen dafür sorgen, dass
sie ihn verstehen.
Der amtliche Bericht über die Verhandlungen
des Congresses, der in französischer Sprache in
Paris gedruckt werden sollte, wird bei den obwal-
tenden politischen Zuständen gewiss nicht bald zu
erwarten sein. Es hat deshalb der Berichterstat-
ter, der gern für das Archiv einen vollständigen
Anszug der Verhandlungen geliefert hätte, geglaubt,
uiit einer übersichtlichen Darstellung der wichtig-
sten Arbeiten des Congresses nicht langer warten
zu dürfen. Die Bedeutung der Versammlung bat
sieh auch d&riu kundgegeben , dass, abgesehen von
den gleichzeitigen Mitthoilnngcn in den grösseren
deutschen Blättern, die Kölnische Zeitung eine aus-
führlichere Schilderung derselben von C. Vogt, die
Revue des cours scicntif de la France et de I'Etran-
ger, Fevrier 1870, eine solche von Cazalis de
Fondouce, einem der Secretäre des Congresses,
die Revue des deux inoudes vom 15. April und
l.Mai, eine von A-de Quatrcfages, gebracht hat.
ln besonderen Schriften haben Desor, Souvenirs
du Danemarck, Bienne 1870, und Eug. Dognee,
TA rcl Ideologie prehistoriqne etc., Bruxelles 1870
über denselben berichtet. Worsaae, der Vor-
sitzende des CoDgresaet», wiea in der Eröffnungsrede
daraufhin, was die Alterthumsforschung den dä-
nischen Gelehrten verduuke und wie diese Studien
durch die Natorforsohnng gefördert worden seien.
Der Beginn der menschlichen Cultur liege jetzt in
sei ü eil einzelnen Abschnitten uns deutlich vor Au-
gen. In den nordischen Ländern hätten, entfernt
von den Eroberungen der römischen Waffen, die
nationalen Denkmäler des Alterthums unversehrt
sich erhalten können. Was die Speiseabfallhaufen
der ältesten Vorzeit, der Torf, die Grabkammern
Ulis aufbewahrt haben, das findet sieh jetzt verei-
nigt in den Museen Kopenhagens. Er gedenkt
des grossen T ho in neu, des Gründers dieser natio-
nalen Sammlungen, deiu es nicht beschieden war,
in dieser Versammlung zu erscheinen, sein Geist
möge in ihr walten! Quatrefages lenkte in sei-
ner Erwiederung den Blick auf den König Fried-
rich VII., den Beschützer und Kenner der Archäo-
logie, der mit Thomsen gearbeitet und Schätze
der Wissenschaft in Friedrichsburg, da» leider spä-
ter der Brand zerstörte, aufgeh&uft hatte.
Aus den Verhandlungen, die am 28. August
begannen, sind folgende als die wichtigsten her-
vorzu heben. Bruzelius spricht über die Schwan-
kungen des Boden 8 in Skandinavien. Nilsson
habe nach einem Manuscripte vom Jahre 1070
einoa untorweeriseken Torflagers an der Küste von
Schonon geda.ht, das nach seiner Schätzung etwa
2000 Jahre vor Christus vom Meere verschlangen
worden sei. Neuere Arbeiten im Hafen von Ystad
haben in dem ein Torflager bedeckenden Meersande
Meermuscheln und eine Menge von Schiffst rümmern
und Gegenstände zu Tage gefördert, deren Alter
Dicht über 500 Jahre zurückreicht, also ist das
Untersinken des Torfes nicht älter. Unter dem
Torf, der Wurzeln und Baumstämme und Land-
Schnecken enthält, liegen Sand- und Thunschichten
und Steine, die einer Moräne angehören. In die-
sem thonigen Sande wurden Steingeräthe gefunden,
die verloren gegangen sind und zwei Knochenplatteu
von einem Messerstiel, die kunstreich geschnitzt
ßi nd und am Ende iu einen Drachenkopf aiislaufeu.
Diese Arbeit gehört dem 9. bis 11. Jahrhundert,
dem Anfänge der christlichen Zeit im Norden ati.
Desor und Vogt bemerken iu Bezug auf die An-
sicht , das» die Senkung der Küste von Schonen
mit der Erhebung von Skandinavien in ursächlicher
Verbindung stehe, eine solche balancirende Bewe-
gung des Bodens sei durchaus nicht wahrscheinlich ;
Hebungen und Senkungen fänden sich oft dicht
neben einander und könnten von localen Ursachen
herrühren. Vogt glaubt ferner, dass das aus den
Gerithen berechnete Alter der sie umschließenden
Schichten nicht sicher sei, weil manche Gegenstände
durch ihre Schwere allmülig tiefer sinken könnten.
Nach Hebert durchsinken Holle eine die Sund-
schichten niemals uud die geringste Sandachicht
über dem Torf würde gehindert haben , das* das
Messer tiefer sank. Er zieht aus den Mittheilun-
gen von Bruzelius nur dio wichtige Folgerung,
dass die Senkung des Bodens an der Küste von
Schonen in 500 bis 600 Jahren 10 Fuss betragen
habe. Beim Vorzeigen ein« Mammuthzahoes aus
dem Sande von Fünen bemerkt Capellini, dass er
dem Elephaa armeniacus anzugebören scheiuv, des-
sen Schmelzleisten dicker als die des El. priiuig.
und an den äusseren Enden etwas gedreht seien.
In Toscana findet er sich im neuereu Torf mit dem
Bison priscus. Desor erwähnt, da-Hi^in die Mam-
inuthruüte immer nur im wieder ungeschwetnmten
I-ande, niemals im Gletscherschlamme findo, das
Thier habe also erst nach dem Rückzuge der Glet-
scher gelebt. Hebert schliesst aus dem Umstande,
dass man in Dänemark diu Spur des Menschen zur
Zeit der grossen Säugethiore noch nicht gefuuden
habe, dass das Land damals vou Menschen noch
nicht bewohnt gewesen sei.
Am 30. August wurde ein Ausflug nach Sola-
ger gemacht, das fast an der Mündung des Roes-
kildefjords in dasCattegat-, beim Dorfe Ly na* liegt.
Auf der fast vierstündigen Fahrt über den Fjord
sah man auf beiden Ufern alte Tnmuli in grosser
Zahl, Auf dem Muschelhaufen selbst, einem der
Digitized by Google
Verhandlungen gelehrter Versammlungen. 343
bekanntesten dänischen Kjökkeumöddings, war ein
tiefer Quergtaben angelegt, der das Innere bloss-
legte und der ganzen Gestdlschaft Gelegenheit gab,
nach merkwürdigen Fnndstücken zu gr&hen. In
einem Zelte lagen die Steingeräthe und Knochen
geordnet, die zuvor beim Anlegen des Grabens ge-
funden waren, darunter zwei geschliffene Heile von
schwarzem Schiefer und drei Hundekiofer, welche
beweisen, dass auch der Hund gegessen wurde.
Vielleicht war diese Stelle des hohen Ufers einst,
zur Niederlassung ausgesucht, weil sie gegen Süden
gerichtet war und Schutz, gegen die kalten Nord-
winde bot. Die Kohlenreste, die geschwärzten
Steine und ungebrannten Knochen lassen keinen
Zweifel, dass hier Reste menschlicher Mahlzeiten
vorliegeu und nicht etwa nur natürliche Haufen
von Muschelschalen. Auffallend war dem Bericht-
erstatter, dass die beiden Schalen der Auster in den
meisten Fällen zusammenlagen und am feinen Rande
ganz unverletzt waren, als seien sie nie geöffnet
gewesen und dass das glatte Innere niemals geritzt
erschien, wie e§ zu erwarten wäre, wenn das Weich-
thier mit Hülfe eines Kieeelmessers aus der mit
Gewalt geöffneten Schale entfernt worden wäre.
Doch finden sich kleine Kieeehnesser mit einem
ganz abgerundeten Ende, die wie Au stern löflel auB-
sehen. Ain nächsten Tage lenkte Nilsson noch
einmal die Aufmerksamkeit auf die Bodenschwan-
kungen in Skandinavien. Zu Anfang des verflos-
senen Jahrhunderts erzählten alte Robben fiinger,
dass die Felsen, auf denen sie in ihrer Jugend See-
hunde erlegt hätten, sich so sehr über das Wasser
erhoben hätten , dass diese Thiere sie nicht mehr
besteigen konnten. Celsius schloss daraus, dass
vor einigen Jahrtausenden ganz Skandinavien aus
dem Meere emporgestiegen sei und liess die Höhe
des Wasserspiegels durch Marken an den Felsen
bezeichnen.
hn Jahre 1820 Hess die schwedische Akademie
die voll Celsius gemachten Zeichen prüfen und es
ergab sich, dass, je weiter man gegen Norden ging,
die Zeichen sich um so mehr über den Meeresspie-
gel erhoben. Seit 1816 sammelte Nilssou selbst
Thatsachen dieser Art. Viele Fischer versicherten
ihn , mit ihren Booten da nicht mehr fahren zu
können , wo sie in ihrer Jugend noch Fahrwasser
fanden. Bei Fyembake ist eine Klippe, die 1630
noch nicht vorhanden war. Vor 20 Jahren erzählte
ein Greis, dass er in seiner Jugend sie nicht grös-
ser als ein Hut gesehen habe; 1844 fand sie
Nilsson zwei Fubb hoch über das Wasser erhoben.
Er mauss auch die schon von Lin ne gemessene
Entfernung eines durch die Landung Karl’« XII.
berühmt gewordenen Steines von der Südküste
Schonens und fand sie vermindert. Nilsson er-
wähnt noch, dass man im Hafen von Ystad eine
Keule aus Bronze gefunden habe, die er für etrus-
kisch hält, er glaubt, dass die etruskischen Erzeug-
nisse etwa 600 Jahre vor Chr. nach dem Norden
gekommen seien. Dogn£e theilt die Untersuchun-
gen Roujou's über das Alter der polirten Stein-
werkzeuge von Villeueuve St. George bei Paris mit.
In einer am Ufer der Seine gelegenen Ablagerung
unterscheidet man drei Schichten, die oberste ent-
hält Sachen aus Bronze, in der zweiten, einem gel-
ben Thone, liegen 1 bis 3 Meter tief Aschenreste
mit Steingerithen , Topfacherbeu und zerbrochene
Knochen vom Hund, Schwein, Hirsch, Ziege, Castor,
von einer grossen und einer kleinen Ochsenart; in
der dritten sind menschliche Werkzeuge sehr selten.
ZurZeit der geschliffenen Steine war die Seine viel
breiter als heute, ihr Wasser erreicht die Stellen,
die sie damals umgewühlt, nicht mehr. An hier
gefundenen Menschenknochen vertu uthet Roujou
die Spuren des Kannibalismus. Spring wird auf-
gefordert, seine Beobachtungen an den Knochen von
Chuuvaux mitzutheilen. Er erzählt, dass er neun
Jahre laug seine Schlüsse geprüft, ehe er sie ver-
öffentlicht habe. Der Mensch von Ch&uvaux ist
jünger als der von Engis, denn cs fehlen die Reste
des Mnmmnth und des Höhlenbären in seiner Nähe;
es finden sich nur Bolche von Wiederkäuern, vom
Schwein, von Vögeln und Fischen. Die Menschen-
knochen sind fast nur solche von Frauen und Kin-
dern; die Knochen, welche Mark enthalten, waren
zerbrochen, einige der Lange nach gespalten, andere
ungebrannt. Das Mark der Knochen ist so wohl-
schmeckend, dass auch hei den heutigen Canuibalen
nur der Häuptling dasselbe verzehrt. Das Fleisch
von Frauen und Kindern galt wohl als das zarteste
und saftigste; vielleicht mästete man die Gefangc-
nun überwundener Stämme und speiste sie hei gros-
sen Festen. Anthropophagie kam nach dem Zeug-
niBs des h. Hieronymus (?) noch im 4. Jahrhundert
in Gallien vor. Worsaae wagt nicht zu behaup-
ten. dass sich iu Dänemark Beweise für den Can-
nibalisrous gefunden hätten. Aber es war die Grab-
kammer eines Dolmen ganz mit Knochen gefüllt,
die nicht mit den Fieischtheilen konnten hineiu-
gelegt worden sein; einige zerbrochene und ange-
brannte Knochen lagen zerstreut in der Grabstätte.
Er glaubt, dass dies eher die Reste eines Opfers
als die eines Cannibaleuschmausee sind. Am Bo-
den fanden sich Kohlen sowie angebrannte Thier-
knochen. Auch einige der theils runden, theiln lan-
gen Schädel trugen Spuren des Feuers. Konnten
diese Geheine nicht von alten Begräbnissplätzen
zusammengelesen und dann hier in einem gemein-
samen Grabe bestattet worden sein, wie mau sie
später in den Beinhäusern der Kirchhöfe aufbe-
wnhrle? Hildebrand sprach hierauf über die
Dolmen in Westgothland, sie sind aus grossen Stein-
platten gebaut und bildeu oft mit Steinblöcken
überdeckte Gänge von 50 Fu«s Länge. Gegen
Osten ist der Eingang. Alles ist mit schwarzer
Erde gefüllt, welche die Knochen einschliesst. Ein
Digitized by Google
344
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Erdhügel bedeckt das Ganze, und grosse Steine
stehen zuweilen auf demselben. In den letzten
Jahren wurden sechs dieser Grabhügel geöffnet \
meist fanden sich mittelst Steinplatten kleine Grab-
kammero gebildet, von denen jede 2 oder 3 Ske-
lete enthält; zuweilen lagen die Knochen so durch
einander, als hätte man nicht ganze, sondern zer-
stückelte Leichname bestattet. Einmal war ein
Schädel mit einer zweiten Hirnschale bedeckt. Viel-
leicht wurden solche Grabstätten zu verschiedenen
Zeiten benutzt and dann die früher Bestatteten zu-
sammengehäuft. Fast alle Schädel waren dolicho-
cephal. Die Thierknochen sind vom Schafe, Schwein,
Ziege, Pferd, Hundj Wolf, Fuchs, Vielfrass, Castor
und Dachs. Dabei liegen Kiese) messer und sorg-
fältig gearbeitete Stein Werkzeuge, Kratzer, Pfeil-
und Lan zenspitzen, durchlöcherte Nadeln, Haarna-
deln, Angelhaken, Ohrgehänge aus Knochen, Bern-
steinperlen. durchbohrte Thierzähne. Diese Gräber
gehören also in die Zeit der geschliffenen Steinge-
räthe. Tubino schildert die megalithischun Denk-
male Andalusiens, zumal den Opferstein bei Ronda,
sowie die Grotten von Mengal und la Pastora. Er
glaubt, dass Spanien sein** erste Bevölkerung über
Gibraltar erhalten habe. Fraas thcilt mit, dass
man auch in Obersch waben Speiseabfälle finde, die
wie die Kjökkenmöddings Feuerstein messer, aber
statt der Muscheln Knoqjien enthalten, aber nicht
vom Hirsche, der Ziege, dem Schweine, sondern
vom Renn, Vielfrass, Polarfuchs, Bär nebst Schnecken
und Moosen der Polargegenden. Die markhaltigen
Knochen sind zerbrochen, die Rennthiergeweihe oft
bearbeitet. Diese Ueberreste sind also Älter als die
dänischen. In UntcrRchwabe» sind Mammuthkuo-
eben im Lehm so häufig, dass man die Orte nennen
müsste, wo sie sich nicht finden. Mit ihuen gräbt
man die Reste des Rieseuhirsches , des Bos priscus,
des Höhlenbären, dea Pferdes aus. Im Stuttgarter
Museum befindet sich ein Mcnschenschädel , der im
Jahre 1700 mit Mammuthknochen gefunden sein
soll.
ln der Abeudsitzung berichtet Gu er in über die
vorgeschichtlichen Aiterthümer de» östlichen Frank-
reichs. Die Grotte von St. Reine bei Tool ist reich
an Bärenknochen, gegenüber finden sich Menschen-
knochen, Pfeilspitzen aus Feuerstein, durchbohrte
Muscheln, Pfriemen aus Knochen, Ringe aus Bronze.
Die Gräber von Malzevillo bestehen in Haufen gros-
ser Steine, in deren Umgebung Knochen, Stein Waf-
fen, Topfscherben und Bronzesachen gefunden wer-
den. Im Thal der Meurthe sind Spuren von Pfahl-
bauten, auf den Höhen findet man Steinbeile von
dreieckiger Form. Auch in den Vogesen giebt es
Grabstätten aus der Bronzezeit mit Meitselu, die
wir Gelte nennen; ein schöner Beiuring von daher
wird vorgezeigt. Boi Wallerfangen hat man ähn-
liche gefunden, die die Vereiussammlung in Bonn
aufbewahrt. Bei Nancy hat man in einer Sand-
grabe kürzlich zahlreiche Skelete mit offenen Bron-
zeringen an den Schenkeln, den Armen und am
Halse entdeckt. Hierauf hält Sch aaffhau s en einen
Vortrag über die Methode und die Hauptergebnisse
der vorgeschichtlichen Forschung, in dem er insbe-
sondere die Eiszeit, die Höhlenfunde und das Un-
sichere der bisher üblichen Zeitbestimmung für die
einzelnen Abschnitte der Urgeschichte bespricht '),
Die Erwähnung eines in einem Lavablocke zu
Plaidt bei Andernach am Rhein gefundenen Stückes
geschmiedeten Eisens giebt Hebert Veranlassung,
das *ünglaub)iche eines solchen Fundes zu beleuch-
ten; die Richtigkeit der Thatsache vorausgesetzt,
werde ein solches Lavastück eher vom Vesuve als
von einem erloscheucn Vulkane des Rhein thales her-
rühren. Odobesco hat mit Urechia die Walla-
chei und Moldau erforscht und legt Nachbildungen
durchbohrter Kugeln und Scheiben vor, welche
Worsaae für Webstuhlgewichte, Vogt für
Schwungstaiiie von Steinbohrern hält, ferner polirte
Steinbeile aus Diorit und Serpentin. Die ganze
Wallachei ist von Wällen durchzogen, die älter sind
als die römische Herrschaft , weil die römischen
Heerstra&sen in sie eingeschnitten sind. Auch viele
meist noch nicht geöffnete Tumuli finden sich im
Lande, die kleinsten sind römischen Ursprungs; die
grossen sind älter ab die Wälle uud scheinen die
Richtung alter Heerstrassen zu bezeichnen, wahr-
scheinlich sind sie von gleichem Alter wie die in
Ungarn, in welchen man so schöne Funde aus der
Bronzezeit gemacht hat. Auch manche Höhle war-
tet uoch der Erforschung. Eine Darstellung auf
der in Rom stehenden Säule des Trajan läset ver-
muthen, dass man uoch Pfahlbauten entdecken wird.
Desor glaubt indessen, dass das Bild auf dor Tra-
janssäule eher blosse Wachthäuser darstelle, wie sie
noch an der Donau zu sehen seien; bei den Pfahl-
bauten habe man die Pfähle nicht über dem Was-
ser gesehen.
In der Sitzung vom 1. September gab Steen-
strap eine ausführliche Schilderung seiner Unter-
suchungen über die däuischen Küchenabfalle. An-
fangs habe man diese Muschelhaufen nur für ge-
hobene Seeufer gehalten. Aber in diesem Falle
würde eine grössere Zahl von Arten der Muschel-
thicre vorhanden sein, während doch fast nur vier
Vorkommen, die auch alle ausgewachsen sind und
eine so verschiedene Lebensweise haben, dass ihre
natürliche Vereinigung an einem Ort unerklärlich
bliebe. Auch finden sie sich meint nur einige Fuss
über dem Meerenspiegul. woraus geschlossen werden
müsste, dass seit ihrer Bildung weder ein beträcht-
liches Steigen noch Sinken der Küste stattgefuudcn
hätte. Aber mau entdeckte bald in diesen Haufen
*) Dieser Vortrag wird im Archive abgedrucku
Digitized by Google
345
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
rohe Feuersteingeräthe, Wirbelthierknochen und
vom Feuer angebr&nnte Steine, grobe Topfscher-
ben, Nadeln und Ahle von Knochen, Kämme mit 3
oder 4 Zinken, wie sie die Grönländer beim Ver-
fertigen ihrer Netze gebrauchen. Der Umstand,
dass die Strandmuscheln fehlen, deutet auf Fische-
rei in der Tiefe. Man möge diese Muschelhaufen
also für Halteplätze der Urbewohner halten, die
hier die Beute der Jagd und des Fischfangs ver-
zehrten, hauptsächlich aber von Weichthieren des
Meeres lebten, deren Schalen sich um ihre Hütten
anhüii ft en. Einige dieser Haufen sind 3 Meter
mächtig und mehr als 100 Meter lang, sie sind be~
sonders häufig an den Küsten des Kattegat. Wor-
saae, Forchhammer und Steenstrup waren be-
auftragt, diese Muschelhaufen zu untersuchen und
haben deren mehr als 50 durchforscht. Unter den
Muscheln unterscheidet man 13 Arten, aber vier
sind vorherrschend, nämlich Ostrea edulis, Cardium
edule, Mytilus edulis und Littorina littorea, die
anderen sind sehr Belten, in Soelager kommt noch
am häufigsten Nassa reticulata vor. Die Muscheln
von Cardium und Littorina sind viel grösser als
die, welche heute in dieser Gegend leben und die
Auster ist fast ganz im Kattegat verschwunden.
Verminderung des Salzgehaltes ist wahrscheinlich
die Ursache beider Erscheinungen. Steenstrup
schützt in jedem (^uadratfuss des Muschelhaufens
10 bis 12 Wirbelthierknochen. Unter den Fischen
sind die häufigsten Clupea harengus, Gadus calla-
rias, Pleuronectes limanda und Muraena anguilla,
unter den Vögeln der Auerhahn, Tetrao urogallus,
der sich von Fichtenzapfen nährt und Dänemark
verlassen hat, seit die Fichte, deren Reste in den
Torfmooren liegen, in diesem Lande der Eiche und
der Buche Platz gemacht hat. Der wilde Schwan,
der nur im Winter noch nach Dänemark kommt,
der grosse Pinguin, Alca impennis, der liier fast
gar nicht mehr vorkommt, sind in zahlreichen Re-
sten vorhanden, während andere jetzt gewöhnliche
Arten, z. B. Schwalbe, Storch, Sperling, sowie unser
Hausgeflügel ganz fehlen. Die häufigsten Säuge-
thiere sind der Edelhirsch, die Ziege und das
Schwein, seltener sind Bär, Hund, Fuchs, Wolf,
Marder, Fischotter, Meerschweinchen. Robbe, Was-
serratte. Castor, Lux, wilde Katze, Igel, Maus. Der
Hund, der, wie es scheint, auch gegessen wurde,
war gezähmt, was Steenstrup selbst, ehe seine
Reste gefunden waren, au* der Art nnd Weise er-
kannte. wie die Knochen benagt sind. Die langen
Knochen sind gespalten, um das Mark herauszu-
nehmen, andere Knochen, zumal die des Hirsches,
sind zu Werkzeugen verarbeitet. Die Kiesel geräthe
sind meist lange Messer, dieraehr sägend als schnei-
dend wirkten; die glatte Oberfläche der knöchernen
Werkzeuge muss durch geschliffene Meusel hervor-
gebracht sein, mit denen man arbeiten konnte, wie
mit einem Hobel. Steinkerne beweisen die Anfer-
Archiv Iöt Anthropologe. Bd. IV. Hefl IV.
tigung von Werkzeugen an Ort und Stelle. Von
Metallen findet sich keine Spur. Steenstrup
schließet, dass die Urbewohner diese Plätze wäh-
rend des ganzen Jahres bewohnten und nicht nur
als Nomaden sie besuchten. Der Schwan deute auf
den Winter, die Hirschgeweihe und die Gebisse
junger Thiere gehörten allen Jahreszeiten an. Aber
der Schwan kann damals, wenn das Klima kälter
war, länger dort geweilt haben; eine beständige
Niederlassung ist auch heute nicht die Sitte der
unter ähnlichen Verhältnissen lebenden wilden Völ-
ker. Steenstrup hält das Volk der Kjökkemnöd-
dings für gleichzeitig mit dem der Dolmen und
vielleicht für nicht verschieden von ihm , als nur
in der Lebensweise. Auch die Dolmen können
Wohnungen gewesen nein. Wenn in diesen die
Rente unserer Hausthiere vorherrschen, ao fragt sich,
ob diese mit den Todten dort bestattet worden sind,
es können Füchse und andere kleine Raubthiere
sie dahin geschleppt haben. Die grossen Lanzen-
Rpitzen und Beile der Dolmen deuten doch darauf,
dasn ihre Erbauer die grossen Thiere erlegten, deren
Reste in den Muschelhaufen sich finden. Worsaae
theilt diese Ansicht nicht, er hält die Kjökkenmöd-
dings für die ältesten Denkmale des Landes, die
den Anfang des Steinalters bezeichnen, während
die Dolmen dem Ende desselben augehftren. Die
wenigen polirten Geräthe in den Muschelhaufen
stammen aus der letzten Zeit derselben, die dem
Anfang der Dolmen nicht fern war. In Moilgaard
fand sich nicht eine geschliffene Waffe. Eine glatte
Oberfläche der Knocb engerät he kann auch der
schabende Kieeelsplitter hervorbringen. Die Dol-
men erweisen sich überall nicht als Wohnungen,
sondern als Grabstätten, ln fast allen Ländern hat
man jetzt die mit den Thieren des Diluviums und
die mit dem Rennthier gleichzeitige menschliche
Industrie in ihren Erzeugnissen kennen gelernt,
diese gleichen genau denen dor Kjökkenmöddings.
Niemals enthalten die Dolmen solche Geräthe. Die
ersteren zeigen nur den Hund als gezähmt, in den
anderen finden sich, wie in allen Dolmen Europas
und wie iu den Schweizer Pfahlbauten, die Haus-
thiere. Merkwürdig ist noch der Umstand, dass
die rohen Werkzeuge der Kjökkenmöddings in Nor-
wegen, Schweden, Finnland und Russland fehlen,
wo die der späteren Zeit, die geschliffenen, sich
finden. Fast allgemein nimmt man an , dass die
Finnen und Lappen im äussersten Norden Europas
die letzten Abkömmlinge der europäischen Urbe-
wohner seien. Aber die ältesten Funde hat man
im südwestlichen Europa gemacht und je mehr
man sich dem Norden nähert, um so mehr gehören
sie den späteren Zeiten an. Dänemark scheint vor
dem Ende der Rennthierzeit gar nicht bewohnt
gewesen zu sein , dieser gehören die Kjökkenmöd-
dings an, während im übrigen Europa schon die
Zeit der polirten Steingcräthe herrschte. Norwegen
44
Digitized by Google
34t>
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
und Schweden wurden später bevölkert als Däne-
mark, nämlich erst zur Zeit der polirten Werkzeuge
oder der Dolmen, deren letzte Spuren an den Küsten
Finnlands verschwinden. Darauf erst folgte da«
Volk der läppen und Russen, deren älteste Reete
also einer späteren Zeit angehören. Es fehlt ein
Beweis für die Annahme, dass die Lappen ein sehr
altes Volk seien. Dänemark hat nicht von Russ-
land und vom Korden aus, sondern aus dem mitt-
leren und östlichen Europa seine erste Bevölkerung
erhalten. Dupont spricht über die belgischen
Höhlenfunde. Er trennt die Rennthierzeit sehr
bestimmt von der der geschliffenen Werkzeuge; er
unterscheidet in Belgien drei Perioden der Stein-
zeit, erstlich die des Mamrnuth, Rhinoceroe, Höh-
lenbären und der Hyäne mit eiförmigen Steinbeilen,
darüber liegen in gelbem Thon die Reete vom Renn*
thier. vom Yielfrass, der Gemse, dem Murmelthier,
die Kennthiergoweihe sind mit Zierrathen geschnitzt,
ähnlich wie die von Perigord, die Feuersteine ha-
ben die Form von Messern; darüber liegt ange-
schwemmter Boden mit geschliffenen Geräthen, die
Thiere sind Ochs, Ziege, Schwein. Dosor zweifelt,
ob man die Dolmen einer bestimmten Epoche zu-
weisen könne; soll aber ein rohes Volk, das nur
den Hund gezähmt hatte, die Lust, die Zeit und
die Kraft gehabt haben , solche Monumente aufzu-
richten? Hat irgendwo ein halbwildes, nicht acker-
bauendes Volk solche erbaut? Enthalten die Dol-
men nicht auch kunstreiche Bronzceachcn und in
Algier sogar Eisen? Schaaffhausen erinnert an
die Mittheilung von Hooker, wonach in Bengalen
ein halbwilder Stamm von Eingeborenen lebt, der
grosse Steinmonumente errichtet, die den Dolmen
gleichen. Sie gebrauchen das Feuer, dessen Gluth
die Felsen spaltet, zum Brechen der Steine. In
Nordeuropa war die Mühe geringer, weil man die
erratischen Blöcke benutzte. B er trän d theilt
Desor's Meinung. Die Werkzeuge derMammuth-
zeit sind eigentümlich, auch die der Rennthierpe-
riode; von da nn aber wird es schwer, Unterschei-
dungen zu machen; jeder Fortschritt der Bildung
beweist aber nicht einen Wechsel der Race, er be-
zeichnet nur eine weitere Entwicklung der mensch-
lichen Fähigkeiten uud dasselbe Land kann neben
den Erbauern der Dolmen so rohe Stämme, wie die
der Kjökkenmöddings besessen haben. In Frank-
reich gehören die Dolmen einem Volksstamme an,
der von Norden kam und sich zwischen den Urbe-
wohnern niederliess. Im Süden machte derselbe
einen weiteren Culturfortschritt, indem er die Bronze
annahm. Freiherr von Dücker legte nnn Knochen
und Steingeräthe auB Westphalen vor. Petersen
theilt einige Stellen der klassischen Schriftsteller
über Anthropophagie mit und Baron von Breugel
berichtet über alte Feuerheerde , die man in Fries-
land bei Utrecht entdeckt hat. Es sind 1,50 Meter
liefe und ebenso breite Löcher, in deren Mitte eine
Granitplatte liegt, dabei fand man Steinbeile, Pfeil-
spitzen und Steinkugeln.
Am 2. September berichtet zuerst Quatre-
fages über ganze Hügel von Austersch&len an den
Küsten Frankreichs, die aber neueren Ursprungs
sind, es hat jedoch der Herzog von Luynes bei
Hyeree Muschelhaufen mit Kieselgeräthen gefunden,
die den dänischen durchaus gleichen. Cazalis de
Fondouce schildert die Todtengrotte von Darfort
im G&rd - Departement und dio Grabstätte von la
Roquuttf, deren Inhalt der Zeit der Dolnmn ange-
hört und die ein Mittelding zwischen megolithischer
und cyklopischer Bauart ist. Lerch zeigt Bronze-
funde aus Russland, die in ihren Formen überhaupt
ganz verschieden sind von denen des westlichen
Europa. Eigentümlich sind die ans einem Stücke
gegossenen Dolche. Die russischen Tumuli gehö-
ren dem Uebergange des Bronzealters in das Eisen-
alter an, sie enthalten bronzene Pfeile und eiserne
Lanzenspitzen. Sparen rotlier Farbe lassen ver-
muten, dass das Volk, dessen Todte hier bestattet
sind, sich den Körper bemalte. Auch die Dolmen
der Krimm enthalten eiserne und bronzene Geräte.
Hildebrand spricht über Felsenbilder in West-
gotbland, es sind Schiffe und kämpfende Krieger
darauf dargestellt. Waffen und Zierrathen deuten
auf die Bronzezeit. Derselbe zeigt einen mensch-
lichen Unterkiefer aus einem schwedischen Dolmen;
derselbe ist sehr dick, am ersten wahren Backzahn
16l/j Millimeter stark, der Körper ist niedrig, das
Kinn nur in der Mitte des Knochens vorspringend,
am untern Rande zurückweichend, welche Merkmale,
wie Schaaffhausen hervorhob, als die einer pri-
mitiven Form zu bezeichnen sind. Nach Lorange
finden sich an den Felsen Norwegens ähnliche Bild-
werke wie die geschilderten in grosser Zahl. Wor-
saae macht auf das Work von ßrunius über diese
Sculpturen aufmerksam, er glaubt, dass Steinmeissei
am tauglichsten seien fllr diese Art von Arbeit.
Desor findet zwischen diesen Zeichnungen und
denen der Dolmen eine grosse Verschiedenheit, das
Wichtigste scheint ihm, dass sich auf denselben
menschliche Figuren befinden, die nach seiner Mei-
nung im Bronzealter nicht Vorkommen. Ilertrand
hebt hervor, dass Darstellungen des Menschen in
der homerischen Zeit sehr gewöhnlich waren, die
doch mitten in die Bronzeperiode falle. Neuerdings
hat man ein solches Felsenbild über dem See von
Merveilles bei Monaco beschrieben, man sieht dar-
auf die dreieckigen Dolche der Bronzezeit- Graf
Ouvaroff sagt, dass schon vor 20 Jahren in den
Memoiren der Petersburger Akademie solche Sculp-
turen aus Russland veröffentlicht worden seien. Do
Mortillet licos ‘dem Congresse einen Vorschlag
zugeken, die Höhlen nach den Werkzeugen, die sich
darin finden, in folgender Weise einzutheilen :
1. Epoche von Mouatier, die Steinbeile sind man-
delförmig, die Feuersteinsplitter sind platt auf der
Digitized by Google
347
v erlmndlungen gelehrter V ersammlungen.
einen Seite und scharf zugehauen auf der andern,
knöcherne Geräthe fehlen fast gänzlich. 2. Epoche
von Solutre, die mandelförmigen Steinbeile fehlen,
die FeuerBteinmeflser sind auf beiden Seiten und an
beiden Enden fein zuge&chärft, die kleinen Splitter
und die Knochengeräthe sind selten. 3. Epoche
von Aurignac, Pfeil - und Lanzenspitzen sind von
Knochen oder Kennthierhorn, sie sind unten ge*
spalten, um den schräg zugeeehnittenen Schaft auf-
zunehmen. 4. Epoche von la Madeleine, die Pfeil-
und Lanzenspitzen sind unten spitz und sitzen im
Schaft, viele Geräthe sind mit eingeritzten oder
geschnitzten Thierbildern verziert. Häufig sind die
kleinen Feuersteinsplitter und massenhaft die Ueber-
bleibeel des Rennthiers. Hierauf folgt die Zeit der
geschliffenen Steinwerkzeuge. Cartailhac berich-
tet über die Dolmen des südlichen Frankreichs, zu-
mal die von Grailhe im G&rd - Departement. Es
finden sich sehr fein gearbeitete Pfeil- undl.anzen-
spitzen aus Feuerstein, Ziergeräthe aus Knochen,
Kernstein und Bronze: einige Metallgerftthe ahmen
genau die Form der Steingerftthe nach. Die Er-
bauer der Dolmen in Südfrankreich sahen den An-
fang der Bronzezeit. Graf Przezdziecki giebt
Nachricht über die Vorzeit Polens. Die Höhlen
von Potock zwischen Krakau und Warschau ent-
halten Mammuthknochen. Im nördlichen Weichsel-
gebiet finden sich vereinzelte Grabhügel; die heid-
nischen Litthauen errichteten solche bis zum Ende
dee 4. Jahrhunderts über den verbrannten Gebeinen
ihrer Fürsten. Im südlichen Gebiete dieses Stromes
scheinen sie älter zu sein und sind in Reihen ge-
ordnet. Sie enthalten Bronzesachen, denen in Eu-
ropa ähnlich. An einem llalsbando hängen in klei-
nen Ringen Glöckchen und Halbmonde. An den
Flussufern erheben sich wie in Sümpfen und Wäl-
dern alte Erdburgen. Auf das Steinalter weisen
Hämmer und Beile aus Syenit, Diorit und Granit.
Erratische Blöcke dienen oft als Grabsteine, ln
Aschenumen trifft man Bernstein- und Glasperlen;
bei Nakel in Preussisch - Polen ist ein Pfahlbau, in
dem Steinwerkzenge , Thierknochen und Töpfe ge-
funden worden. Fraas zeigt Bronzefunde aus
einem Torfmoor Würtembergs, darunter ein Diadem,
welches aus sechs über einander gelegten Reifen be-
steht.
In der Abendeitsung dieses Tages gab Vila-
nova eine Uebersicht der vorgeschichtlichen Funde
in Spanien. Er schildert die quaternären Schich-
ten von S. Isidoro, welche bisher die ältesten Spu-
ren de« Menschen geliefert haben. Unter einer
dem rotben Diluvium des nördlichen Frankreichs
gleichenden Ablagerung liegt eine Schicht, welche
unmittelbar auf der tertiären Bildung ruht und
Hämmer und Beile aus Quarzit nach Art derer von
Abbeville enthält. Reste vom Eleph. meridional.,
Hippopotamus, Rhinoceros haben meist eine höhere
Lage, ln einem Einschnitte der Eisenbahn zu Po-
sadas hat man den Kopf dee Eleph. armeniacus und
daneben Feuerstein waffen gefunden. Auch an an-
deren Orten wurden ähnliche Funde gemacht. Höh-
len im Kalkgebirge sind zahlreich im Süden und
Nordosten von Spanien ; sie enthalten Kieselsplitter,
Kieselmesser, Schabsteine und aus späterer Zeit
Pfeilspitzen gleich deoen der Schweizer Pfahlbau-
i ten und sogar römische Topfscherben. In den
Dolmen liegen geschliffene Beile aus Diorit und
Menschenknochen, in den Tumuli Bronsebeile. In
alteu Kobaltgruben hat man Steinhämmer gefun-
den. Derselbe zeigt ein menschliches Stirnbein
aus einem Dolmen; wiewohl der Sinus frontalis auf-
gebrochen, kann man einen starken Stirnwulst ver-
muthen, es zeigt sich eine Spur von Stirnkiel und
der Arcus temporalis geht hoch hinauf und ist stark
entwickelt. Hierauf legt Vilanova die Photogra-
phie eines Mikrocephalen Namens Vincent Orti vor,
der, 55 Jahre aJt, im Irrenhause zu Valencia lebt.
Seine Geinüthsart ist eher sanft und furchtsam als
böse; in Zorn gebracht zerreisst er seine Kleider,
ohne Auderen ein Leid zusufügen. Er ist etwas
mehr als 1 Meter gross. Sein Gesichtswinkel be-
trägt 59", sein Schädelumfang 400, der obere Schä-
delbogen misst 190, die Länge 140, die Breite 120
Millimeter. Die Arme sind sehr lang und haben
das Rudiment eines sechsten Fingers an jeder Hand;
die Beine sind kurz, mit einer sechsten Zehe an
jedem Fass. Der ganze Körper ist mit langen
Haaren bedeckt. Diese Mittheilung veranlasst Vogt,
seine Ansichten über Mikrocephalie auseinander zu
setzen, die er als einen Fall von Atavismus, als
einen Rückschlag zu der unvollkommenen Bildung
betrachtet, in der wir den Ursprung des Menschen
zu suchen haben. Bei der Mikrocephalie ist die
Entwicklung des Gehirns gehemmt, so dass die
entsprechenden Tbeile des Schädels die Bildung
des Affen, nicht die des Menschen zeigen und zu-
gleich treten die Kiefer mehr vor wie beim Neger,
der Übrige Köper ist aber menschlich gebildet Der
Unterschied des Negers vom Weissen wird erst im
Laufe der Entwicklung deutlich, mit dieser gehen
beide Formen nach verschiedenen Richtungen aus-
einander, dieselben müssen rückwärts verfolgt in
einem gemeinsamen Ursprung Zusammentreffen.
Ebenso ist es mit dem Menschen und dem Affen,
der junge Chimpanse gleicht mehr dem mensch-
lichen Kinde als der alte dem Erwachsenen. Beide,
Mensch und Affe, haben eine gemeinsame Abstam-
mung von einem Ahnen, der tiefer stand als der
Affe. Auch die Aeusserungen des geistigen Lebens
der Mikrocephalen erinnern nach Vogt an das Be-
nehmen der Affen. Quatrefages hebt hervor,
dass eine pathologische Bildung nicht mit einer
normalen niederen Organ isationsstufe gleichgestellt
werden könne. Niemals könne die Mikrocephalie
als ein primitiver Zustand des Organismus gedeutet
werden. Der Berichterstatter giebt zu erwägen,
44*
Digitized by Google
348
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
dass die Mikrocephalen mangelhafte Organismen
sind, die sich nicht fortpflanzen, die von der Natur
bestimmt sind, wieder zu Grunde zu gehen, und
also nicht als Entwicklungsstufen betrachtet werden
können. Ein gesundes Thier ist entwicklungsfähig,
nicht« aber eine menschliche Missgeburt; die Ent-
wicklung des Menschen aus einem Affen ist eine
Möglichkeit, deren Auuahme nichts im Wege steht,
die aus einem Mikrocephaleu ist ganz undenkbar.
Baron Düben theilt hierauf seine Beobachtungen
über die Schädelbildung der alten skandinavischen
Völker mit. Es giebt etwa 60 Schädel der Vorzeit
in den Sammlungen von Dänemark und Schweden;
aber nicht alle sind von sicherer Herkunft. Unter
diesen Schädeln giebt es dolichocephale, bracbyce-
phale und Mittelformen. Das Kopenhagener Mu-
seum besitzt Schädel, deren Index 78 bis 71*1, im
Mittel 75'7 beträgt Die Schädel aus einem Dol-
men von Westgothland hatten im Mittel einen In-
dex von 73'I , einer aber war sehr brachycephal
mit einem Index von 80. Es gab also in der Vor-
zeit dieselben Unterschiede, die wir heute kennen,
doch sind unter den alten Schädeln die langen häu-
tiger als die kurzen. Als besondere Kennzeichen
derselben führt er an: die starken Augenbrauen-
bügen, die vorspriugenden Nasenbeine, das Vortre-
ten der Backenknochen , das wie ein Scliildbuckel
abgesetzte Hinterhaupt, die sehr entwickelten Naht-
zacken, zumal der S. lambdoidea, die damit zusam-
menhängende Häufigkeit der Schaltknochen, das ge-
rade Gebiss, ein leichtes Vorspringen des Oberkie-
fers über die untere Kinnlade, die stark abgenutzten
Zähne selbst au jugendlichen Schädeln. Er schreibt
nach einigen Andeutungen dem alten Volke eine
mittlere Grösse zu. Die Ellenbogengruben sind
zuweilen aber selten durchbohrt, die Schienbeine
oft säbelförmig znsamm engedrückt. Aus Allem
txhlieaat Düben, dass die alte Bevölkerung der
heute lebenden sehr ähnlich war. Vogt erinnert
daran, dass man bis jetzt angenommen habe, die
nordischen Schädel der Steinzeit seien brachycephal
und näherten sich dem Typus der Luppen, dass die
dolichocephaleu ent mit dem Eisen nach Skandina-
vien gekommen seien, und dass man den Schädel-
typus der dazwischen liegenden Bronzezeit, wegen
der Sitte der Leichenverbrennuug, nicht kenne.
Dieser Irithum müsse aufgegeben werden, es zeige
sich in der That in den Museen , dass der dolicho-
cephale Typus der herrschende sei. Die falsche
Meinung sei dadurch veranlasst worden, dass die
beiden ersten im Norden gefundenen Schädel der
Vorzeit zufällig brachycephal gewesen seien. Der
Berichterstatter knüpft an diese Verhandlungen fol-
gende sie ergänzende Bemerkungen. Nilsson war
durch die Aehnlichkeit der in Dänemark und Schwe-
den aufgefundenen steinernen Gerathe der Vorzeit
mit denen der Grönländer und Eskimos zu der
Meinung veranlasst worden, als seien die Urbewoh-
ner Skandinaviens ein den Eskimos verwandtes
Volk gewesen. Esch rieht zeigte aber im Jahre
1841, dass die altnordischen Schädel von denen der
Eskimos durchaus verschieden seien. Nilsson
schrieb schon damals einige der alten Schädel den
Lappen zu, und man hielt Lappen und Eskimos
für Völker desselben Stammes. Ketzius lehrte
nun 1812 in seiner Abhandlung über die Schädel-
form der Nordbewohner den grossen Unterschied
zwischen dem Lappen- und Eskimoschädcl kennen,
indem er jenen als brachycephal und orthoguath,
diesen als dolichocephal und prognath bezeichnet«.
Er hat gegen die Ansicht Nilsaon's, dass einige
Schädel der Urbewohner Skandinaviens lappischen
Ursprungs seien, kein weiteres Bedenken, als dass
er angiebt, die Schädel der Steinzeit hätten grös-
sere Zitzenfortsätze, und die liinterhauptaschuppe
sei nicht so abschüssig als an den von ihm beschrie-
benen Lappenschädeln. Er fügt aber hinzu, diese
Abweichungen könnten durch verschiedene Lebens-
weise und verändertes Klima bedingt sein. lietzius
schildert nach 16 Schädeln aus dem Museum des
Carolinischen Instituts den Typus der Lappen wie
folgt: die Schädel sind klein und dünnwandig, die
Scheitelansicht zeigt eine kurze Eiform, die Seiten
des Schädels sind gerundet, die Schläfengegend ge-
wölbt; der grösste Breitendurchmesser liegt nicht
zwischen den Scheitelhöckern, sondern tiefer. Die
Hinterhanptssclinppe bildet einen kleinen Höcker,
die Spitze derselben liegt hoch, die Zitzenfortsätze
sind klein , alle Muskelansutze sind schwach ent-
wickelt. Der Scheitel rit hoch gewölbt, die Brauen-
wulste wenig entwickelt, die Oeffhung der Augen-
höhlen fast viereckig, die Nasenwurzel breit, die
Zahnwurzeln und der Alveolarfortsatz des Ober-
kiefers kurz, der Unterkiefer klein und niedrig.
Eschricht giebt in Beincr Mittheilung über die
Gerippe der Hünengräber (Amtlicher Bericht der
Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
in Bremen 1844, S. 92), nachdem er den Grönlän-
derschädel beschrieben , folgende Schilderung des
einen von drei aus Hüueugrähern der Insel Möcn
gewonnenen Schädeln, mit denen, wie er anführt«
andere in den folgenden Jahren gefundene mehr
oder weniger übereinstimmten. Der Schädel ist
auffallend klein, besonders der Gesiohtstheil. Die
Schädelhöhle hat uineu recht bedeutenden Umfang,
ist dabei rund und in allen Richtungeu fast gieich-
mässig entwickelt, nur das Hinterhaupt ist sehr
kurz, wodurch das Hinterhaupts] och ganz nach hin-
ten zu liegen kommt. Das Gesicht und die Augen-
höhlen sind ungewöhnlich klein, die Augenbrauen-
bogon dagegen sehr gross, die Nasen knochen stehen
stark hervor und zwischen Augenbrauen bogen und
Nasenknochen ist eine so tiefe Einsenkung, dass sie
den Zeigefinger eines Erwachsenen in sich aufneh-
men kann. Die Spuren der Gosiehtsmuskeln sind
im Allgemeinen stark ausgeprägt, die Zahnhöhlen-
Google
O
349
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
runder stehen wenig vor, die Zähne, die hier
meist fehlen, sind an solchen .Schädeln meist quer
abgenutzt; an einem der Köpfe fanden sich noch
einige festsitzeude dunkelbraune Haare)!). Esch*
rieht hält es für gewiss, dass diese Reste einem von
dem jetzt im Norden Europas einheimischen Stamme
der Gothen verschiedenen, aber kaukasischen Volke
angehören. Gegen die Meinung Nilsson’», dass
es Lappen gewesen seien, die dieser nicht zur ark-
tisch* mongolischen Race rechnet, bemerkt er nur,
dass die Lappen jetzt keine hoben Grabhügel auf-
werfen und dieselben in Ländern fehlen, die früher
von Lappen bewohnt waren. Später erhielt er aus
Möen ganz anders geformte Schädel , von bedeu-
tender Länge zumal sehr verlängertem Hinterhaupt,
ln der genannten Mittheilung ist ein runder Schä-
del aus der Steinzeit von Möen und ein davon
gauz verschiedener von der Insel FyÖr (jetzt im
Museum für nordische Alterthümer) abgebildet, der
um Hinterhaupt einen Knochenstachel hat und mit
Geräten von Gold, Silber und Bronze gefunden
ist- Sein Femur von 20*/i Zoll deutet auf eine
Körpergrösse von 6 Fuss 3 Zoll. In neuerer Zeit
berührte C. Vogt diesen Gegenstand und sagte in
seinen Vorlesungen über den Menschen, 1863, II,
S. 323 abweichend von seiner Aeusserung in Kopen-
hagen, dass unter den Schädelzeichn uugen der dä-
nischen Steinzeit von Busk einige seien, die den
lappländischen fast genau entsprechen. Nilsson
endlich bemerkt auch noch in seinom letzten. 1868
ins Deutsche übersetzten Werke über die Urein-
wohner des skandinavischen Nordens, die Brachy-
ccphalie, die den Lappen zukomme, sei die zweite
Hauptform der jetzigen skandinavischen Schädel
und man habe dann und wann Schädel dieser Form
in einem Steingrabe zwischen den dolichocepholen
gefunden; er bildet zwei solcher Schädel von der
Insel Möen ab, Tafel XII, 230 und XIII, 210, deren
Aehnlichkeit mit neuen Lappenschädeln, die dane-
ben gezeichnet sind, ganz unverkennbar und über-
raschend ist. Bereits hei der Naturforscher- Ver-
sammlung zu Innsbruck 1870 gab Virchow einen
kurzen Bericht über seine Untersuchung der alt-
nordischen Schädel zu Kopenhagen , worin gesagt
ist (Tageblatt S. 1 55), dem lappischen Schädeltypus
komme der der dänischen Grabechädel auch nicht
entfernt nahe und die beiden unter diesen sich dar-
bietenden Formen könnten doch wohl von einem
Volke herstammen. Eine eingehende auf Messun-
gen beruhende Untersuchung dieser Schädel ver-
öffentlichte dann Virchow im Archiv für Anthro-
pologie, Bd. IV, 1870, S- 55. Auffallend erscheint
doch die aus dieeen Messungen sich ergebende Häu-
figkeit der Brachycephalie. Die 25 Schädel von
Borreby bezeichnet er als schwach zur Brachyce-
phalie hinneigende mesocephale und orthognathe
Schädel, einer von Na es ist ein Brachycepbale mit
einem Index von 82*3. Auch die drei von Falster
gehören zn den Brachycephalen ; ebenso die sechs
Schädel aus den Gräbern von Udby auf Möen.
Virchow findet von den vier Schädeln von Möou,
welche die anatomische Sammluug aufbewahrt, nur
drei rund, doch haben sie nur 75*9 Breitenindex.
Er vermuthet, dass der von Nilsson nach einem
GypBabgusse abgebildete Schädel von Möen der
mit Nr. 39 bezeichnet« der Sammlung des physio-
logischen Museums sei und sagt nur, es lasse sich
nicht läugneu , dass er eine gewisse äussere Aehn-
lichkeit mit dem l^appeuschädel habe. Die übrigen
der 4 1 Schädel der Steinzeit , die er untersuchte,
also nur drei, sind dolichocephal! Virchow selbst
fügt hinzu, der Umstand, dass ein Theil der Stein-
schudel mehr zur Brachycephalie ein anderer zur
Dolichoeepholie neige, sei einer besondem Aufmerk-
samkeit werth, zumal wenn es sich darthun Hesse,
dass die ersten älter, die anderen jünger seien. Er
glaubt, dass der neu -dänische Typus am meisten
den Borreby - Schädeln sich an nähere, also wesoce-
phal mit Neigung zur Brachycephalie sei und dass
also schon zur Steinzeit die Ahnen der jetzigen
Bevölkerung im Lande gewohnt hätten, welche
Annahme nirgends mehr als hier durch die geogra-
phischen und historischen Verhältnisse des Landes
gerechtfertigt sei. Die Lappenähnlichkeit der Bor-
reby-Schädel läugnet er entschieden.
Der Berichterstatter hat seinen kurzen Auf-
enthalt in Kopenhagen auch zu einer Durchsicht
der Schädelsammlungen benutzt, die ihn in Bezug
auf die Steinschädel zu einem von den Ansichten
Vogt*» und Virchow’s abweichenden Urtheil ge-
führt haben. Die Messung allein giebt keine voll-
ständige Bestimmung des Schädels, man müsste
jeden Punkt an demselben mit dem entgegenstehen-
den verbinden und messen und die eigentümliche
Krümmung und Grosso der einzelnen Schädel- und
Gesichtsknochen mit Zahlen darstellen, um dies
Ziel zu erreichen. Da dies nicht ausführbar ist, so
kann die übliche Messung nur als eine Ergänzung
der Beschreibung eines Schädels, als der genaue
Ausdruck für einige, bei Weitem nicht alle Grössen-
vcrhältniese des Schädels gelten. Wenn wir im
Leben zwei Menschen nach ihrer Familienähnlich-
keit betrachten, so fällt es uns nicht ein, den Mans-
stah zur Hand zn nehmen und ihnen Gesicht und
Kopf zu messen; das Auge beurteilt nach einem
Gesammteindruck die Aehnlichkeit oder Unähnlich-
keit in zutreffender Weise; ein geübtes Auge sieht
dabei freilich richtiger und mehr als ein ungeübtes.
Die Aehnlichkeit vieler der runden Schädel der
Steinzeit mit denen der Lappen ist ganz unzwei-
felhaft. Es giebt ausser den von EBchricht und
Retz i us bezeichneten Eigentümlichkeiten noch
andere, die das Gesammtbild der lappischen Ge-
sichts- und Schädelform vervollständigen, und die-
ses beweist für die Aehnlichkeit und Stammver-
wandtschaft einzelner Schädel mehr als die um
Digitized by Google
350
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
einige Millimeter verschiedene Länge und Breite
oder Höhe derselben. Man untersuche die Leben-
den; in derselben Familie, zwischen Geschwistern
findet man erhebliche Unterschiede dieser Schädel-
maasso, wo zugleich die grösste Aehnlichkeit der
Gcsichtszügo und der übrigen körperlichen Bildung
besteht und wo die verschiedene Schädelform der
Eltern diese Abweichungen nicht erklärt; das Ver-
hältnis« der Länge zur Breite de« Schädels, also
der sogenannte Schädelindex, ist die am meisten
individuelle Eigentümlichkeit desselben, die frei-
lich bei rohen Völkern viel weniger ausgeprägt ist
Retzius spricht demnach mit Unrecht den Satz
aus, dass das Gesicht des Schädels für die Beurtei-
lung desselben weniger Werth habe als die Hirn-
schale. Ohne die dolichocephalen Schädel zu be-
rücksichtigen, die den altgermaniBchen gleichen
und wohl den Cimbern und Goten zuzuschreiben
sind, sei über die rundlichen Schädel der Kopen-
hagener Sammlungen das Folgende hier mitgetheilt.
1) Im physiologischen Institut ist ein alter Dänen-
schadel der Steinzeit, der eine unverkennbare Aehn-
lichkeit mit einem dort befindlichen Lappenschädel
hat; dasselbe gilt von zwei Schädeln von Möon,
von denen der eine ganz rund, der andere ein sehr
langer Schädel ist, bei dem jedoch, eine gewiss
auffallende Thateache, die lappische Gesichtsbildung
mit der des andern übereinstimrat. Sie haben auch
beide eine Andeutung von Stirnkiel und den glat-
ten Nasengrund, der ohne Crista in die Gesichts-
fläche übergeht, wie beim Affen, ein sehr bezeich-
nendes Merkmal roher Schädelbildung; ferner sind
bei beiden allo Nähte offen. Ausserdem sind noch
mehrere alte Dänenschädel von ovaler Form hier
vorhanden, die folgende sie dem Lappentypus nä-
hernde Eigenschaften haben: den meist kleinen
Schädelraum, die hochgestellte Hinterhauptsschuppe,
die hohe Scheitelwölbung mit etwas vorspringender
Pfeilnaht, den tiefen Einschnitt der Nasenwurzel,
die viereckigen Oeffnungen der Augenhöhlen, das
gerade GebisB, den kurzen Oberkiefer, den runden
Zahnbogen, das Hache Gaumengewölbe und den
wie nach aussen umgelegten Alveolarrand des Ober-
kiefers, dessen erster Prämolar meist zwei Wurzeln
bat. 2) Im anatomischen Museum sind drei rund-
liche, nur wegen der vorspriDgenden Occipital-
kapcel ovale Grabechädel, davon zwei aus Jütland
mit Brauenwülsten und sehr entwickelter Spina
occipitalis; ferner ein illtor und zwei neuere dä-
nische Schädel, die sich gleichen; sie zeigen wenig-
stens einige der angegebenen Eigentümlichkeiten,
z. B. den runden Z&hnbogon und das von vom
nach hinten auffallend verkürzte Gaumendach.
Ferner finden Bich hier zwei Gypsschädel nach
Grabfunden aaf Möen, es sind die Abgüsse der bei-
den erwähnten, im physiologischen Institute be-
findlichen Schädel, von denen der eine mit deut-
licher Lappenform ein Kurzkopf, der andere mit
derselben Gesicbtsbildung ein Dolichocephale ist.
Bemerkens werth ist der Abguss eines Schädels von
Meudon, von Robert als Type celte bezeichnet;
es ist derselbe Schädel wie der der alten Dänen,
er ist hoch und kurz und hat dieselbe Gesichtsbil-
dung, den kurzen Oberkiefer, das gerade Gebiss,
den runden Zahnbogen des Oberkiefers, der mit
seinem untern Rande ringsum nach aussen vor-
springt. Ich finde in meinen Aufzeichnungen über
die alten Schädel, die ich bei Robert in Bellevue
bei Paris im Jahre 1866 gesehen, Folgendes: „Ein
kleiner weiblicher Schädel mit platter Nase, kur-
zem Oberkiefer, Stirnnaht, sehr ausgezackten Näh-
ten von Pressy St. Oise; ein grösserer männlicher
Schädel mit demselben Oberkiefer, auch mit Stirn-
naht und stark abgesebliffenen Zähnen. Sie waren
von Robert als Bataverschädel bezeichnet, weil eine
der Grabstätten, wo sio gefunden, im Lande der
Bellovaken gelegen ist. Diese Gebeine lagen in
Steinsärgen und hatten eiserne einschneidige
Schwerter neben sich. Ein celtischer Schädel, kräf-
tig gebaut, aber brachycephal , hinten wie platt
gedrückt, mit einfachen Nähten, in einem Stein grab
1845 gefunden.“ Dieser ist wahrscheinlich das
Original jenes Abgusses. Ein anderer mit diesen
gefundener Schädel war sehr lang. Robert war
der Ansicht, die Todten seien in sitzender Stellung
beerdigt worden, denn einmal fand sich das Manu-
brinm sterai im Fnramen roagnum. Dieselbe Ver-
muthung sprach Madsen in Bezug auf die im
Ganggrabe von Rorreby Bestatteten aus, dass sie
sitzend oder kauernd beigesetzt seien, weil die
Schädel zwischen den Schenkel- und Fussknochen
lagen. In der Sammlung von Robert, der eine
Reise nach Sibirien und Lappland gemacht hatte,
befanden sich auch zwei Lappenschädel, und es fiel
mir deshalb das lappisch -mongolische Aussehen
jener Bataver- und Celtenschädel um so mehr auf.
Erst nach meiner Rückkehr von Kopenhagen kam
mir die diese Schädel betreffende Mittheilung von
RetziuB zu Gesicht, der in seinem Aufsatze „über
die Schädelform der Iberier“, Müller 8 Archiv 1847,
S. 499, vgl. Retzins, Ethnologische Schriften 1864,
S. 62 das Folgende sagt: „Unter den von Serres
bei Meudon und Marly 1845 ausgegrabenen Schä-
deln mit steinernen Geräthon ist einer klein nnd
rund und stimmt mit den beiden von Escbricht
nnd von Nilsson bei Stege in einem alten Grab-
hügel gefundenen überein.“ In der That ist eine
vollständigere Uebereinstimmung der von Retzius
mitgethoilten Hauptmasse« des Schädels von Marly
nnd des von Stege gar nicht denkbar. Er führt
weiter an, dass jener Schädel auch einem von
Wilde abgebildeten vorweltlichen irländischen aus
der Gegend von Dublin und noch zweien ebenda-
selbst im Phönixpark gefundenen gleiche, die auch
Prichard als tur&niscbe bezeichnet hat; dann er-
wähnt er Nilsson ’s Ansicht, dass die kleinen
Verhandlungen gelehrter Versammlungen. 351
Schädel älter seien, and äussert die Meinung, dass
die runden Formen, die man jetzt im endlichen
Frankreich, in Schottland und Irland antreffe, von
den Iheriern herstammten. Serres und Robert
haben in den Compt. rend. de l’Acad. des Sciences
T. XXI, p. 607 die fast vollständige Ucbereinstim-
mung der Grabstätte von Meudon mit den skandi-
navischen auseinandergesetzt und es kann gar nicht
bezweifelt werden, dass ein den alten Dänen ver-
wandtes Volk sich auch im Westen Europas ver-
breitet hat. — Von Esch rieht werden Gelten als
älteste Bewohner Dänemarks angeführt und als
geschickte Schmiede bezeichnet, sie wurden von
den eingewanderten Gothen bekämpft. Prichard
sagt, Natur/?, des Menschengeschi. III, 1. S. 55, die
Ueberreste der celtischen Sprache beweisen, dass
die Gelten ein Zweig des indo - europäischen Stam-
mes waren; sie kamen also aus dem Osten. Wenn
sie den teutonischen Stämmen im Norden Deutsch-
lands vorausgingen, so müssen sie an den Ufern
des baltischen Meeres mit den Jotunen oder Fin-
nen in Berührung gekommen Bein, welche die teu-
tonische Race später im Besitz von Skandinavien
fand. Arndt und Andere nahmen geradezu an,
dass die Gelten zum Theil eine finnische Race seien.
3) In dem Museum für nordische Altcrthümer fin-
den sich die Schädel de« grossen Ganggrabes von
Borreby auf der Insel Seeland, die unter einander
sehr ähnlich sind; die rohe Gesichtsbildung mit
den starken Brauenwülsten und der fliehenden
Stirn giebt ihnen einen wilden und von dem lap-
pischen Gesicht sehr verschiedenen Ausdruck, der
au die rohe Form dolichocephaler Briten- und Ger-
manenschädel erinnert, aber die rundliche und
breite Form des Schädels, dessen Index im Mittel
nach Virchow 79 betragt, das fast gerade Gebiss,
die bei einigen hochgestellte Schuppe, auch die oft
langzackigen Nähte mit Schaltknochen nähern die
Borreby schädel doch wieder der brachyceph&len,
lappisch - mongolischen Bildung. Starke Augen-
brauenhöcker kommen auch bei den Kalmücken
vor. Wir würden an eine Mittelform denken dür-
fen, wenn wir etwas Sicheres über das Gesetz der
durch Racenlareuzung entstehenden gemischten
Schädelform wüssten. Neben dem sehr langen
Schädel von Sanderümgaard aus dem Eisenalter,
der 222 Vs Mm. lang ist und nach meiner Schä-
tzung 140 Mm. breit war, und Beine auffallende
Länge zum Theil der vorspringenden Hinterhaupts-
schuppe, nicht einer Verdrückung im Grabe ver-
dankt, die nur den untern Theil der Hinterhanpts-
sebuppe an einer Seite verbogen hat, aber an dem
starken und breiten Wulst der hochgehenden Linea
temporal» den starken Druck erkennen lässt, den
die Schläfenmuskeln auf ihn geübt haben, und
neben zwei walzenförmigen Schädeln, wie sie in
Deutschland unter den Germanenschadeln Vorkom-
men , befinden sich noch in dieser Sammlung meh-
rere kleine Schädel der Steinzeit, die ohne die
über den Umriss des Hinterhauptes plötzlich vor-
springende Hinterhauptasch uppe in hohem Grade
brachycephal sein würden. Viele zeigen eine auf-
fallende Höhe der hinteren Scheitelgegend und eine
hochgestellte Schuppe des/ Hinterhaupts und häu-
figes Vorkommen von Schaltknochen in der Lambda-
naht. Einer hat ein Loch in der Mitte des Schei-
tels; es ist nach dem Tode gemacht und ausge-
schliflen, wie das normale Knochengewebe im Um-
fang desselben und der am Rande des Loches nicht
verdünnto Knochen zeigen; es diente wahrschein-
lich dazu, den Schädel mit einem Querholz als
Trophäe aufzuhängen. So thun es noch heute viele
wilden Völker. Jener alte Fund lässt uns aber an
die Schilderung Strabo’s denken, wenn er erzählt:
„Die Belgier haben den Gebrauch, wenn sie aus
einem Kriege zurückkehren , die Köpfe ihrer er-
schlagenen Feinde an den Nacken der Pferde auf-
zuhängen und sie zur Schau über ihren Ilausthüren
anzunageln. Posidonius sagt, er habe dies oft
gesehen. Die Köpfe der getödteten Vornehmen
bestreichen sie mit Gedernöl und bewahren sie auf.“
i) In der Sammlung des Prof. Stoenstrup sah
ich endlich noch mehrere alte Dänenschädel, die in
d»r runden Schädelforra sowie in der Gesichtsbil-
dung mehr oder weniger den I*appentypus wahr-
nehmen Hessen; sie verriethen eine bessere Hirn-
entwicklung als andere dolichocephale Schädel, die
mich an den Bau der iu den deutschen Reihengrft-
bern bestatteten Germanen erinnerten. Noch am
meisten unterscheidet sich das Gesicht der Stein-
schädel von dem der heutigen Lappen durch die
stärkeren Brauenhöcker und die mehr vorspringende
Nase. So sind denn die bracbyoephalen Schädel
in den Sammlungen Kopenhagens zahlreich genug
uud die Lappenahulichkeit vieler derselben so be-
stimmt ausgesprochen, dass mit allem Recht von
einer den I>appen nahverwandten Urbevölkerung
des Landes die Rede sein kann. Dies Ergebniss
der Craniologie stimmt mit den ältesten geschicht-
lichen Nachrichten überein und wird durch die
vergleichende Sprachigrschnng bestätigt. Ob aber
diese I*appen oder ein anderes Volk die grossen
St ein denk male errichtet, dies zu entscheiden muss
weiteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben. N i 1s-
so n giebt an, dass auch in den skandinavischen
Torfmooren zuweilen Schädel gefunden worden seien,
die dem lappischen Stamme anzugehören schienen *)•
*) Ich selbst besitze durch die Güte der Fräulein
Msstorf einen Schädel, der in der Kudener Niede-
rung iu Holstein In 12 Fürs Tiefe unter Torf und
Hehlick auf dein Sande gefunden wurde; er ist rund-
lich, die Schläfen stark gewölbt, und wiewohl die Hin-
terhauptmehuppe sackartig vorspringt , lietrngt sein
Iudex doch 8.1*5, «bis Gesicht entspricht indessen nicht
ganz dein der Lappen. Vergl. N ilssou. Jlas Kteinalter.
Hamburg 1868. 8. 146.
Digitized by Google
352
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Bruzelius erklärt« mir persönlich, (lass mehrere
der in Schonen gefundenen und in Lund aufhe-
wahrten alten Grabsehädel klein und rundlich seien,
wiewohl dies aus eeineu Messungen nickt mit Sicher-
heit hervorgeht. Ich pflichte Virchow bei, wenn
er die Ansicht ansspricht, dass auch die heute un-
ter den Dänen am meisten verbreitete Schädelform
die brachycephale sei. Breite Gesichter, ein ge-
wisses Vortreten der Augenbrauengegend, hohe,
etwas fliehende Stirnen sieht mau häutig. Der im
anatomischen Museum bewahrte Dänenschädel aus
dem vorigen Jahrhundert, mit starken Braaenwül-
steil, liegender Stirne und überhaupt schlecht ent-
wickeltem Hirntheil gleicht in der That dem Ty-
pus von Borreby, wie auch Virchow angiebt. ln
der Sammlung des Herrn Schölling in Hamburg
sab ich ebenfalls einen kleinen Schädel mit starken
Brauen Wülsten, der von einem alten Kirchhofe
Hamburg'» stammte und den kleinen nordischen
Schädeln sehr ähnlich war. Unter den zahlreichen
in Deutschland gefundenen Germanenschädeln aus
der Römerzeit oder den ersten christlichen Jahr-
hunderten, die mir durch die Hände gingen oder
die beschrieben worden sind, begegnet man fast
nur der dolichocephaleu Form; ein anderes gilt von
den mir bekaunt gewordenen Schädeln der älteren
Vorzeit. Doch besitze ich von einer römischen
Grabstätte in Cöln einen runden hohen, dem bra-
chycephalen Typus der alten Dänen gleichenden
Schädel; noch mehr gilt diese Aehnlichkeit von
einem im Musoum von Wiesbaden befindlichen
runden Schädel mit Stirnnaht, auch in Bezug auf
die Gesichtsbildung. Auch dieser stammt aus der
Böwerzoit. Auch in Dänemark herrschon also in
der Steinzeit die brachyceplialen Formen vor, wie
es die Messungen Virchow’s in überraschender
Weise ergeben, später in dem Bronze- und zumal
in dem Eisenalter sind die Langköpfo die Regel,
und os finden sich ßeispiolo der stärksten Dolicho-
ceph&lie. In letzter Zeit hat die Fruge nach der
Race der Rennthiermenschen in Frankreich und
Belgien die Forscher viel beschäftigt. Die von
Dupont in der Höhle von Frontal gefundenen bei-
den Schädel werden zu den Bracbycephalen ge-
zählt, von dem einen, der weiblich ist und progna-
thes Gebiss hat, kann diese Bezeichnung kaum als
richtig gelten, wohl aber von dem andern, dessen
Index nach meiner Messung 80'6 beträgt und des-
sen korzer Oberkiefer, gerades Gebiss, Form des
Zahnbogens und der Augenhöhlen, weniger aber
das Hinterhaupt an die Bildung der Lappen erin-
nern. Noch entschiedener zeigt sich ein mongoli-
scher Typus nach Pruner-bey an einigen der mit
diesen zugleich aufgefundenen Schädelbruchstücke.
Die von Dupont erforschte Höhle von Rosette lie-
ferte einen noch mehr brachycephnlen, aber unvoll-
ständigen Schädel mit einem Index von 86. Bei
Professor van Hone den sah ich 1860 ein Os fron-
tale, hei Bois d’Angres im Diluvium gefunden, des-
sen Stirnwulste wie beim Mongolen schief von
innen nach aussen und aufwärts gerichtet waren.
Das Stirnbein von Abbeville, welche« mir Quatre-
fages in Paris vorlegte, gehört einem Brachyce-
phalen an, ea ist breit, in der Gegend der Sut coro-
nalis etwas eingedrückt, die Nasenwurzel ist eben-
falls breit, die Glabelln wie blasig aufgetriebeu, die
Nasenbeine platt, die Braueuwülste kleiu. Der von
mir beschriebene Schädel von Bamberg, welcher
18 Fass tief gefunden wurde, lässt, obgleich er
durch einseitige Synostose in hohem Grade schief
ist, doch die brachycephale Form erkennen, Bein
Index ist 89*1. Auch der von mir geschilderte,
bei Plau in Mecklenburg mit knöchernen Geräthen
ti Fuss tief im Kies gefundene Schädel (vgl. Mül-
ler’« Archiv 1858, S. 453), dessen Fund eine ho-
ckende Stellung der Leiche wahrscheinlich machte,
ist rund und hat ein gerades Gebiss; denselben
Typus zeigt das Bruchstück eines mit vielen an-
deren Gebeinen, die hockend bestattet waren, in
dem Kegelgrabe von Schwaan gefundenen Schädels.
Vielleicht gehört hierher auch die im grossen Torf-
moor bei Fehrbellin gefundene Hirnschale, die für
ein Trinkgefass gehalten wird und nach Masch
ganz dem Schädel von Plau gleichen soll. Jahrbuch
des Vereins für mocklenb. Gesch. XIV, 1849, S. 301.
Endlich erwähne ich der alteu Grabstätte von Uelde
in Weetphalen aus der Steinzeit. Unter einer
grossen Zahl von Schädelbruchstücken, die mehr
als 20 Menschen angehörten, befinden sich mehrere,
aus denen auf brachycephale Form geschlossen wer-
den kann, an den Gesicbtsknochen sind breite Na-
senwurzel, flachgestellt o Nasenbeine, kurze Ober-
kiefer, platter Nasengrund, kleine Zitsenfortsätze
solche Merkmale, welche auch an den kleinen run-
den Schädeln des Nordens Vorkommen. Es darf
also wohl nach allen diesen Fanden die Behaup-
tung aufgestellt werden , dass von den ältesten
Schädeln der Vorzeit in Europa bei Weitem die
meisten Rrachycephalcn sind. Als Ausnahmen die-
ser Regel sind also der Ncanderthaler-, der En ge-
schadet und einige andere zu betrachten. In Ko-
penhagen war Gelegenheit gegeben, eine andere
Frage in Ueberlegnng zu ziehen, die oft aufgeetellt
und verschieden beantwortet worden ist, ob näm-
lich Lappen und Finnen zu einem Volke gehören
oder von ganz verschiedener Herkunft sind, diese
Indogormancn, jene Mongolen. Retzius hält die
Finnen mit Andern für die Nachkommen der Scy-
then. Schon Schoffor sagte aber in seiner I.ap-
ponia 1673, sie seien dasselbe Volk, ihre Verschie-
denheit müsse der Lebensweise und dem Klima zu-
geschriebeii werden. Die zahlreichen historischen
Belege für die Verwandtschaft beider Stämme hat
Prichard zusammengestellU Allerdings ist der
Schädelbau beider verschieden, doch nicht so sehr,
dass nicht eiue Abstammung der Finneu von deu
Digitized by Googl
353
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Luppen möglich wäre. Auch Virchow nennt, wie
Kctzius, den Finnensch&del brachycephal und or-
thognath, welches auch die allgemeine Form des
Lappenschädels ist, den Breitenindex giebt jener
zu H0'3, dieser zu 80‘9 an. Ketzius sagt: «der
FinnenBchädel unterscheidet sich vom Lappenschä-
del durch stärkeren Knochenbau, grössere Augen-
brauenhöcker, .stärkere Zitzenfortsätze, er hat ein
längeres Gesicht und ein kugelrundes Hinterhaupt,
die Scheitel höckcr liegen mehr nach hinten und
zwischen ihnen liegt die grünste Schädelbreite“.
Dagegen erinnert die breite Nasenwurzel, die vier-
eckige, wenn auch grössere Getön ung der Augen-
höhlen, das gerade Gebiss an den Lappen. Betrach-
tet man die Abweichungen genauer, so köunen sio
alle, auch die von Virchow angeführte Hache
Schläfengegend, auf stärkere Muskelwirkung bezo-
gen werden. Die vorBpringenden Augen brau en-
wulhte und Scheitelbeinhöcker des Finnen können
schon deshalb nicht als unterscheidende Kaconmerk-
male betrachtet werden , weil sie auch bei den den
Lappen stammverwandten asiatischen Mongolen,
z. B. den Kalmücken und Kosacken, verkommen.
Das grössere Gesicht der Finnen deutet auf eine
höhere Gestalt derselben; der längere Kiefer giebt
aber auch der Oeffnung der Augenhöhlen eine an-
dere Form, er zieht den untern Rand gleichsam
herab und macht sie grösser. Ehe Langer darauf
aufmerksam machte, duss hei den Kiesen die Höho
der Kiefer bedeutend vorgrössert. ist, war mir an
Lebenden wie an Ilacesckädeln eine Beziehung der
Länge des Oberkiefers zur Länge der Gliedmassen
uufgefallen, man wird dadurch an die Deutung der
Kiefer als Kopfglieder erinnert. Die Zwergbildung
macht indessen von diesem Gesetz eine Ausnahme,
im Gesicht der Zwerge fallt gerade die Breite de«
Raumes zwischen Muud und Nase auf. Die kurzen
Kiefer der Lappen und der runden alten Dänen-
schädel lässt auf geringe Körpergrösse , die schwa-
chen Muskeleindrücke auf geringe Körperstärke
schlieeseu; damit stimmen die ältesten Nachrichten
über die Urbewohner Dänemarks , die als ein un-
kriegerisches Volk bald den Eroberern erlagen. Denkt
man sich einen den Lappen verwandten Stamm,
der durch andere Lebensweise seine Ernährung
verbesserte, eine höhere Körpergestalt erlangte,
seine Muskelkraft durch Uelmng stärkte und Fort-
schritte in der geistigen Entwicklung machte, so
genügen diese Einflüsse, um die Schädelform in der
Weise nmzu gestalten, wie sie uns bei den Finnen
entgegentritt. Die Verwandtschaft der Lappen mit
den asiatischen Mongolen kann gar nicht in Zwei-
fel gezogen worden. Schon Hetzius fand den
Kalmiickenschädcl von stiirkerm Knochenbau als den
der Lappen und den Oberkiefer grösser und brei-
ter, aber in der Hauptform diesem ähnlich. Der
Kosackenschädol dos anatomischen Museums in Ko-
penhagen hat schwerere dickere Knochen, aber die-
Art’hir für Anthropologie. BS. IT. Heft IT.
selbe Stirnbildung und Form des Oberkiefer« und
der Wangenbeine wie der der Lappen und alten
Dänen, auch den glatten Nasengrund, seine grösste
Breite fällt aber zwischen die Scheitel höcker.
In der Abendsitzung des Cougresses am 2.
September sprach noch Lorange über die ältesten
Denkmale Norwegens; er findet es auffallend, dass
man daselbst wohl einige Stoiuwaflen, aber keine
einzige Grabstätte derselben Zeit gefunden habe.
Auch die Spuren des Ilrouzealters sind sehr selten.
Aber mehrere Gräber haben eiserne Waffen und
goldene Scbmucksacheu geliefert.
Am 3. September sprach zuerst Nilsson über
die Darstellung menschlicher Figuren auf dem Mo-
uumuute von Kivik in Schonen, welches er der
Bronzezeit zuschreibt. Dafür spricht schon die
Form der Wurf heile, die neben der Pyra-
mide des Baal abgebildet Bind; sie sind die vom
Sieger der Gottheit dargebrachten Weihgeschenk e.
In einem zweiten Grabhügel dieser Gegend fanden
sich auf dem sogenannten Willfurasteine dieselben
Zeichnungen und ein Stück ebenso verzierter Bronze.
Hebert liest hierauf eine Abhandlung Nilsson’s
über den Aufenthalt der Phüuizier in Nordeuropa.
Desor entwickelt seine Zweifel in Betruff der Auf-
stellung einer Bronzezeit. Man habe örtliche Vor-
kommnisse zu allgemein gedeutet. Wie wird sie
eingeschränkt, wenn auch der geringste Fund von
Eiiien zur Annahme der Eisenzeit berechtigt! Näher
zu erforschen bleibt immer, woher die kunstreichen
Bronzearbeiten gekommen sind, die man beim alten
Alesia, in Hallstadt, in Ligurien findet; der Handel
damit muss vor deu Römern durch ganz Europa
verbreitet gewesen sein, der Mangel an Münzen
aber lässt vermuthen , dass dieser Verkehr vor das
4. Jahrhundert vor Christ, fallt, denn zu dieser
Zeit waren die macedoniüchen Münzen schon allge-
mein in Gebrauch. Desor sacht den Sitz dieser
Industrie in Oberitalien. Bertrand pflichtet die-
sen Betrachtungen bei, auch in Frankreich sind die
schönen Bronzogerätho immer von Eisen begleitet,
selten findet mau sie allein. Martin glaubt, dass
das erste Eisenalter in Westeuropa den Namen
«gallisches Zeitalter“ tragen müsse, weil die Gal-
lier damals nicht nur in Frankreich, sondern auch
in Oheritalien und ira Donauthale herrschten. En-
gelhard schildert die Eisenzoit in Dänemark, zu-
mal die Funde in den Torfmooren und Sümpfen
Schleswigs; es lässt sich beweisen, dass eine inlän-
dische Metallindustrie bestand; zwischen dem 3.
und 5. Jahrhundert hat aber die Kunst Rückschritte
gemacht. Die eisernen Geräthe ahmen deutlich die
Form der bronzenen nach. E. Chantre legt Bein
Werk über das Bronzealter im Norden der Dau-
phine und in der Umgebung von Lyon vor; von
Interesse sind die Funde zahlreicher zerbrochener
Bronzesachen, die unzweifelhaft zum Umschmelzen
bestimmt waren, sie fanden sich in der Mitte einer
45
Digitized by Google
354
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Feuerstelle und zwischen Bruchstücken von Töpfen;
auch hat man Bronzebarren gefunden. Er berich-
tet noch über eine Arbeit von Perrin über Pfahl-
baufunde in Savoyen, die sich im Museum von
Chambery befinden. Quatrefagea legt den Plan
eines alten Lagers bei Cambo in den Pyrenäen
vor, das er den Iberiern, nicht den Römern zu-
scbreibt. Freiherr von Dücker erwähnt der zahl-
reichen Spuren von Pfahlbauten in den Seen Nord-
deutsch lands, deren Pfähle bei niederm Wasser zum
Vorschein kommen. Lerch, Schaaffhausen und
Dupont geben Nachricht über das Auffiuden von
Farbstoffen in alten Grabstätten, welches auf ein
vordem auch in Europa übliches Bemalen des Kör-
pers schließen lässt. Schaaffhausen schliesst
hierauf seinen in einer früheren Sitzung begonnenen
Vortrag. Urechia macht hierauf noch Mitthei-
lungen Ober das Eisenalter in der Moldau. Eine
Reihe von bereits angemeldeten Vorträgen konnte
wegen vorgerückter Zeit nicht mehr gehalten wer-
den, dieselben werden aber in dem amtlichen Be-
richte über die Verhandlungen des Congresses ab-
gedruckt werden. Es wird nun beschlossen , die
nächste Versammlung in Bologna abzuhalteu und
Graf Gozzadini zum Vorsitzenden, Graf Cone-
stahilc und Profeesor Capellini zu Geschäftsfüh-
rern derselben ernannt. Worsaae schliesst den
Congress mit einigen Worten über den für die ar-
chäologischen Studien erlangten glänzenden Erfolg
der Verhandlungen. Vogt dankt im Namen der
Versammlung.
Die beiden folgenden Tage wurden noch zu
Ausflügen benutzt, um cinigo der alten dänischen
Grabdenkmale zu besichtigen. Dieselben sind ent-
weder Steingräber mit länglichem Hügel, Lang-
dysaer, oder solche von runder Gestalt, Rund-dyssor
oder grosse Grabkammern, Riesenstuben , Jaette-
stuer genannt, auch diese sind mit einem grossen
Erdhügel bedeckt, dessen Lehm nicht gelten mit
zerschlagenen scharfkantigen Kieselsteinen ver-
mengt ist, um Füchse, Dachse, Maulwürfe und
Scharrmäuse von den Geheinen der Todton fern zu
halten. Zu den letzteren gehört das Grabmal von
öem, welches am 4. September besucht wurde. Ein
Gang von 3 Meter Länge führt von Südwesten her
in das Innero. DiesoB ist so geräumig, dass 20
Personen darin aufrecht stehen können. Einige
glauben deshalb, dass diese Monumente ursprüng-
lich zu Wohnungen, und später erst zur Bestattung
der Todten gedient hätten, was indessen wenig
wahrscheinlich ist. Die Wände de« Innern sind
durch aufrecht stehende grosse Steinplatten gebil-
det, deren Zwischenräume sorgfältig mit kleinen
Steinen ausgefüllt Bind; grosse Platten, die mit
ihrer flachen Seite nach unten liegen, bilden die
Decke. Meist sind erratische Blöcke zu diesen
Bauten verwendet , hier in Öem erkennt man an
ihnen deutlich die GletscherschlifTe. Schon vor
100 Jahren wurden in Dänemark diese Steindenk-
roale eröffnet. Cazalis de Fondouce führt einen
solchen Bericht aus Panckoncke’s Journal de polit.
et de litterat. vom 20. März 1778 an: Bei Odensee
in Fünen fand man im Felde einen Stein von un-
geheurer Grösse, als man ihn in Stücke schlag, kam
eine alte Grabstätte zum Vorschein , die von vier
anderen Steinen gebildet war; das Innere war läng-
lich viereckig und die Wände mit Kieselstücken
von der Form der Feuersteine ausgekleidet, diese
waren so dicht mit einander verbunden, dass man
sie für eine Fläche halten konnte; im Innern fand
man Steinmesser und keilförmige Steingerüthe, also
wohl Steinbeile, die so schneidend waren an der
scharfeu Seite, dass man das Holz eines dicken
Baumes damit zersplittern konnte. Nach der Be-
trachtung des Dolmens bewirthete in dem Herthathal
unter alten Eichen, wo nach Tacitus der Göttin
Menschenopfer gebracht wurden, der Graf von
Holstein-Lethraborg die Gesellschaft, die dann
auch in seinem Schlosse die liebenswürdigste Auf-
nahme fand.
Ara 5. September wurde ein Ausflug zum Dol-
men von Trollesminde im Norden von Seeland ge-
macht. Er ist 100 Fugs lang und 30 Fuss breit,
die nm denselben aufgestellten Steine bilden ein
Viereck. Die Grabkammer ist klein und war nur
zur Aufnahme eines Todten bestimmt; sie liegt an
der östlichen Seite des Hügels, ein zu derselben
führender Gang war nicht vorhanden. Als man
den obersten Stein von Erde entblösst hatte, fand
sich, dass er auf zwei Steinen schwebend ruhte.
Zuweilen findet man über den Gebeinen und Stein-
waffen in den Dolmen Aschenurnen nufgestellt; sie
beweisen, dass daselbst später, in der Bronzezeit
eine zweite Bestattung statt gefunden hat. Von
hier ging es an der schönen Ruine der Friedrichs-
bnrg vorbei nach Elseneur und Marienlyst, wo eine
den Gästen bereitete glänzende Tafel zum letzten-
mal die Mitglieder des Congresses vereinigte, de-
nen der Aufenthalt in Kopenhagen unvergesslich
bleiben wird.
Digitized by Google
XXI.
Kleinere Mittheilungen.
llistorische Notiz zur Lehre von der Speeiesbildung,
mitgetheilt von W. II is.
Bei Aufzählung der Vorgänger Darwin’ s
pflegt man bis anf Lamarck zurückzugehen, wel-
cher im Beginn unseres Jahrhunderte die Um Wand-
lungsfähigkeit der Species gelehrt und hauptsäch-
lich mit Herbeiziehung der äussem I^ebensbedin-
gung zu begründen versucht hat. Im Verlauf der
in diesem Archiv abgedruckten Arbeit über die
Geschichte der Zeugungstheorien bin ich auf einen
älteren Vorläufer Darwin1» gestoßsen, welcher
nicht allein das Princip der Urobildbarkeit der For-
men, sondern geradezu das der Speeiesbildung
durch Züchtung auaspricht. Es ist dies der be-
kannte Präsident der Berliner Akademie, Mauper-
tuis. Derselbe hat im Jahre 1746 anonym ein
elegant und offenbar für ein grosseres Publikum
geschriebene» Schriftchen: „Venus physique ou le
negre blancu herausgegeben, welches eine Darle-
gung der verschiedenen Zeugungstheorien enthält !).
Das dritte Capitel des zweiten Abschnitts ist über-
schrieben: „Production de nouvelles espices“, und
ich erlaube mir nachfolgend die bemerkenswerthe-
sten Sätze daraus mitzutheilen. Dieselben klingen,
trotzdem dass sie vor 125 Jahren geschrieben sind,
durchaus modern, und das einzige, was man darin
vermissen wird, ist eine allgemeinere Durchfüh-
rung des Princips der Mitbewerbung im Kampf ums
Dasein. Ich sage eine allgemeinere Durchführung,
denn für den besonderen Kall des Menschen macht
*) Venus rhysique, mein KxcmpUr ohne Drucknrt und
Autornamen, ist vom Jahre 1751 und ab 6. Auflage bezeich-
net. Nach Haller’* Bibi. an. erschien die 1. Auflage 1746.
(Dies scheint kaum glaublich; die uns vorliegende Ausgabe
ist als 5- bezeichnet und vom Jahre 1747. Kcd.J Kr bemerkt
dazu: Cujus fdurimue sunt editiones etiun sab titalo le
negre blaue. Wie die Schreibweise, so ist auch die Aus-
stattung eine zierliche. Dies Büchlein ist, wie ans dem
Text hervorgeht, bei Anlass eines in Paris vorgeieigten
Negeralbino* geschrieben worden.
Maupertuis allerdings von dem Princip der Mit-
bewerbung Gebrauch, und erläutert an dessen Hand,
dass hässliche und missgestaltete Menschen weni-
ger leicht sich fortpflanzen können als achönge-
baute. Im Uobrigen aber misst er dem Zufall
jene, boi der Specieaentwicklung bestimmende
Rolle zu, welche man jetzt mit Darwin dem mit-
bewerbenden Kampf ums Dasein zuzutheilen pflegt.
„Ce n’est point au blanc et au noir que se
n'duisont lee Varietes du genre humain, on en
trouve mille autres; et eellea qui frappent le plus
notre vue, ne coütent peut-etre pas plus ä la Na-
ture, que edles, que nous n’aper^evons qu’ä peine.
St Pon puuvait s’ou assurer par des expcriences
decisives, peut-etre trouverait on aussi rare de
voir naitre avec des yeux bleus un enfant, dout
tous les anevtres auraient eu les yeux noirs, qu’il
Pest de voir naitre un enfant blanc de parenta ne-
gres.
Les enfants d’ordinaire ressemblent k leurs
parens, et leB varietes meine avec lesquels ils
naissent sont souvent des effeta de cette ressem-
blance. Cos Varietes, si on les pouvait auivre,
auraient peut-Hres leur origine dans quelque an-
cetre inconnu. Elles se perpetuent par des gene-
rations repeteee d'individus, qui les ont; et s'offa-
cent par des generations d'individus, qui ne les
ont pas. Mais cc qui est peut-etre encore plus
ctonnant, c'cat, apres une interruption de ces Va-
rietes, de les voir reparaitre; de voir Penfant qui
ne reesemble ni ä son pere, ni u sa mere, naitre
avec les traits de son ayeul. Ces faits, tout mer-
veilleux qu'ils aont, aont trop frequens pour qu'on
les puisse revoquer en doute.
La Nature contient Io fonda de toutos ces
Varietes, mais le hazard ou Part lea mettent en
oeuvre. C’est ainsi qne touB ceux, dont Pindustrie
a’&pplique ä aatisfaire le goüt des curieux sont,
pour ainsi diro createurs d’especes nouvelles. Nous
voyons paraitre des rayea de chiens, de pigeona, de
45*
Digitized by Google
356
Kleinere Mittheilungen.
serins qui nVdaiont point auparavant dans la nature.
Ce nVmt eto d’abord que den individus fort ui ts;
Turt et los generations repetee» eu ont fait dee
especes. Le fameux Lyonnais creait tous los aus
queli ju’ eepfcoe nou veile, ot detruisait celle qui
n'etait plus h la mode. 11 corrigeait les forme« et
variait les couleurs il & invente los especes de
PArlequin, du Mopse etc. Pourquoi Part so boruo-
t-il aux animaux? Pourquoi ces sultans binar*
dans des serails. qui ue renferment que des femmes
de toutes les especes connue«. ne se font il pas
faire des especes nouvelles? Si j'etais mluit comme
eux au seul plaisir que peuvent dünner la forme
et les traits, j’aurais bientot recours i» ces Varie-
tes. Si nous ne voyons pas se fornier parmi
nous de ces especes nouvelles de beautes, nous ne
voyons que trop souvent des productions, qui pour
le Physicien sont du memo gerne, des rages de
louches, de boiteux, de goutteux, depbysiquee; mal-
heureusement il nefautpas ponr leur etablissement
une longue suite de generations. Mais la sage
nature par le degout qti’elle a inspire pour ces
defauts. n’a pas voulu qu’ils se perpetuassent; les
beautes sont plus süreraent hereditaires , la taille
et la jambe que nons admirons, sont Pouvrage de
plusieurs generations ou Pon s’est applique k les
formen
Un Roi du Nord e«t parvenu a olever et ä
embellir sa nution. 11 avait un goüt excessif pour
les boimnes de haute taille et de belle fignre; il
les attirait de par-tont d#ns son royaume; la for-
tune rendait heureux tous ceux que la nature avait
formes grauds. On voit aujourd’hui un exemple
singulier de la puissance des rois. Cette nation se
distingue par les taille« les plus avantageuses et
par les fi pures les plus reguliere«, C’est ainsi qu’on
voit s’elover une foret au dessus de tous le« boi«,
qui Penvironnent , si l’ocil attentif du maitre Pap-
plique a y cultiver des arbres droits et bien choisis.
Le chene et l’orme porös des feuilloges le» plus
verds, poussent leur branches jusqu'au del; Paigle
seul en peut atteindre la eime. Le succe«seur do
ce roi (es ist, wie man sieht, Friedrich II. gemeint)
embellit aujourd'hui la foret par les lauriera* les
myrtes et les fleurs.“
Digitized by Google
XXII.
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
I
Urgeschichte.
(Von C. Vogt.)
Der Bericht umfasst Alles, was mir bis Ende März 1871 zugekomnien. Er dürfte diesmal etwas
mager au&fallen. Die wissenschaftliche Production in unserem Gebiete hat seit dem Bcgiuue des Krieges
in Frankreich gänzlich, in Deutschland grossentheils gefeiert. In England hat die Etlinological Society
unter II uxley’s Vorsitz einen bedeutenden Aufschwung genommen, während durch den Tod vonDr. James
Hunt die Anthropological Review wahrscheinlich eingegangen ist und nur das Journal of Anthropology
als Organ der Gesellschaft weiter erscheint. In Deutschland zeichnet sich die Berliner Gesellschaft durch
besondere Thätigkeit aus, während die Wiener Gesellschaft, die leider nicht mit der allgemeinen deutschen
Gesellschaft in Verbindung getreten ist, weniger hervortriti. Mit besonderer Freude darf man das Er-
scheinen eines neuen Organes in Italien unter Leitung von Mantegazza und Finzi begrüssen. Möge
das Archivio per 1‘Antropologia e laEtnologia unter seinen Landsleuten wie in der Fremde die Aufnahme
finden, die es verdient und zu weiterem Wirken nöthig hat.
Deutschland.
Benecke. Zwei altperuanische Schädel. Berliner
A nthropologische Gesellschaft, 9. Jnli 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie, Vol. II, S. 455.)
Südlich tot» Yqnlqne, aus einem Grabe in jetzt unbe-
wohnbarer waszerloser Gegend. Künstlich deform irt.
Dabei ein mit einem Loch durchbohrter Stein (Netzbe-
schwerer 7) und halbverkohlte Gegenstände.
L. Büchner. Die Stellung des Menschen in der
Natur, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
3 Theile.
Populäre Vorlesungen.
Boue, Dr. Ami. Aufzählung von Tumuli oder
alten Grabhügeln in der europäischen Türkei.
(Mittheil, der Anthropolog. Gesellschaft in Wien,
Bd. I, S. 156 — 158.)
Breuner, Graf A. Archäologischer Fund bei Kamp
in Niederösterreich. (Mittheil, der Anthropolog.
Gesellschaft in Wien, Bd. 1, S. 42.)
Fund einer keltischen oder arari sehen Handmahlmühle.
Copcland. Ueber Steinwerkzeuge und Schädel-
funde in Ostgrönland. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 15. October 1870.
Viele alto Winterhütten auf Klein - Pendulom und
Clavering-lnsct, darin zerbrochene Gegenstände. Ganze
in Gräbern. Schöne Pfeilspitzen aus Stein, Messer«,
Pfeil- und Lanzenspitzen aus Knochen, durchbohrte Wal-
rossaähtie. Die Gräber mit . Steinkreisen umgehen; Ske-
lette in hockender Stellung darin.
von Dechen. Geschliffene Steinbeile von Saar-
brück und Trier. (Correepondenzblatt Nr. 8.
Dezember 1870.)
von Düeker. Fundgegenstände aus westphäliachen
Höhlen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
12. März 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.
II, 1870, S. 170.)
St rin Werkzeuge und bearbeitete Knochen aus den
Höhlen von Balve, Klusenstein, Friedrichshulde und
hohlem Stein. Vlrehow legt unzweifelhaft gesägte
Hirschhorngeweihe vor aus der Käaenbecker Höht«.
von Düoker. Rcnnthierreste aus dem Hönnethale,
Berliner Anthropologische Gesellschaft , 14. Mai
1870, 8. 272.
Legt eine grosse Menge, seiner Meinung nach ab-
sichtlich zerschlagener Stücke von jungen Kennthierge-
weihen vor.
von Düeker. Ueber die W estphftl »sehen Knochen-
höhlen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
10. Dezember 1870.
Referat noch nicht beendet. Hält «eine Ansicht über
deutliche Mene wpuren aufrecht.
Ebers. Ueber die ethische Stellung der alten Aegyp-
ter. (Correspondenablatt Nr. 2, Februar 1871.)
A. Ecker. Die Höhlenbewohner der Rennthier-
zeit von les Eysieft. (Archiv für Anthropologie,
Bd. IV, S. 109.)
Digitized by Google
358
Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
Engelhardt. Die Steingräber in Dänemark und
Schweden. (Correspondenzblatt Nr. 1 , Januar
1871.)
E. Fisoher. Ein in grosser Tiefe gefundenes Kno-
chengeräth. Berliner Anthropologische Gesell-
schaft, 15. October 1870.
Knochensäge von 2 Dcclnictcr Länge unter 5 Kuss
Tort* und 10 Fuit Kalk darunter, in Georgenhuf bei
Neustrelitz gefunden. Macht den Eiudruck, wie ge-
wisse Instrumente aus der Kennthierzeit Südfrankreichs.
Fonck. Die Indier des jetzigen Chile von sonst
und jetzt. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
2. April 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.
II, S. 284.)
Vergleichung der untergegangeuen Bevölkerungen
mit der jetzigen. Der Nachweis von Kuchenabfallen
(Curantos) besonders interessant.
Foster. Alter des Menschen in Nordamerika.
(Correspondenzblatt Nr. 8, Dezember 1870.)
Friedei, Ernst. Ausgrabungen bei Ystad. (Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin
1870, V. Bd., S. 182—183.)
Fuhlrott. Höhle von Grevenbrück. (Corrospon-
denzblatt Nr. 8, Dezember 1870.)
R. Hartmann. Studien zur Geschichte der Haus-
siere. (Zeitschrift fflr Ethnologie. I. Das Ka-
mee!, Bd. I, S. 66, 232, 353; Bd. II, 123. Das
Rennthier, Bd. II, S. 211.)
Durch Form und Inhalt gleich ausgezeichnete Ab-
handlungen, die auf alle bezüglichen Kragen cingehen
und die man iiu Einzelnen nachles^n muss.
Hartmann. Schanze am Daher See. Berliner An-
thropologische Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie, Bd. II, S. 468. Plan im
Holzschnitt.) ,
Knochen, meist von liauMhieren, zum Theil bearbei-
tet, Topfsi-herbcn , Eisem-lchel. Die Ornamente mit de-
nen der Scherben von den Burgwüllen identisch.
Hauchocorne. Chemische Untersuchung der
Schlacken von den oberlausitzischen Bergwällen.
Berliner Anthropologische Gesellschaft, 9. Juli
1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd. II, S. 461.)
Aus dieser Untersuchung , sowie aus weiter von
Alex. Braun undVircbow vorgcbraehten Thatsadien
geht unzweifelhaft hervor, dass dio Wälle durch An-
brenuen der mit Holzscheiten versetzten Unsaltstücke
geschmolzen wurden. Wahrscheinlich stammen sie aus
der Eisenzeit.
Hans Hildebrand-Hildebrand. Gesichtsurne aus
Cvperu. Holzschnitt. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 15. October 1870.
Befindet sich in Wien.
Hoaius. Rennthierreate auf dem akademischen
Museum zu Münster. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeitschrift für Eth-
nologie, Bd. II, S. 457.)
'Meuten* bei Correction der Flussbetten gefiirnii-n.
Mit einem .Stücke wurden Mammuthknoehen , ein Bi-
bcrscliädel , rohe Topische rben , geschliffene Steinwaffen
und bearbeitete Hirschgeweihe gefunden. Es scheint
mir unzweifelhaft, dass man es hier mit Allnviatschich-
teu zu tliun hat , in welche aus zerstörten Diluvial-
scbichten Knochen hineingewaschen wurden.
L. Kleinwächter. Schädel aus einer alten Grab-
stätte in Böhmen. 12 S., 4 Holzschnitte.
Bei Saaz gefunden. Dolichocephal.
Könyöki. Muschel berge in Ungarn. (Correspon-
denzblatt Nr. 3, Juli 1870.)
Kunth. Funde aus vorhistorischer Zeit in der
Umgegend von Berlin und Rom. Berliner Anthro-
pologische Gesellschaft, 2. April 1870. (Zeitschrift
für Ethnologie, Bd. II, S. 237.)
l’olirtes Feuersteinst fick und Schleifstein aus Sand-
stein vom Kreuz berge. Bericht über Kossi’s und
Ponzi’s Funde aus der Steinzeit bei Rom.
von Lodebur. Ueber die roeis.selartigen Bronze-
werkzeuge der vaterländischen Altorthumskunde.
Berliner Anthropologische Gesellschaft. 12. Fe-
bruar 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd. II,
1870, S. 166.)
Der Celt oder Pslstsb sei die Framea der alten
Deutschen.
R. Lepsiua. Ueber die Annahme eines sogenann-
ten prähistorischen Steinalters in Aegypten. Mit
einer photographischen Tafel. Berlin 1870. Se-
paratabdruck aus der Zeitschrift für ägyptische
Sprache und Altertlmoiakuude, August 1870.
Fcucrstcinuu'sser aus Gräbern finden sich iu Berlin.
Die Feuersteinknollen springen unter dem Einflüsse der
Temperatur Wechsel. Ob ab»*r die von Arcelin, Le*
nur man t und Hamy gefundenen Gegenstände nnch
Lepsius' Ansicht Natur- oder Kunstprodukte sind, ob
derselbe eine Steinzeit für Aegypten annimmt oder
nicht, ist mir wenigstens nicht klar geworden.
Lindonschmit. Bemerkungen zu der antiquari-
schen Untersuchung von Dr. v. Maak. (Archiv
für Anthropologie, Bd. IV, S. 39.)
J. M. Das ältere Eisenalter in Skandinavien.
(Correspondenzblatt Nr, 7, November, Nr. 8,
Dezember 1870.)
Mannhardt. Ueber die Pomerelli Rehen Gesichts-
urnen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
14. Mai 1870, S. 244.
Die »ogeriannte Kunen-Urue von Danzig sei eben Call*
eiue Gesichtsurnc. Manu har dt sucht aus der Form
de» Bartes, der Ornamente, der Darstellung einer Kauri-
Muschel (Cypriua moneta etc.) nachxuweisen , dass die
mit Virchow in die Uebergaogszeit zwischen Bronze-
und Eisenzeit zu setzenden Gesiclitsumcn orientalischen,
speciell alt-phönik »sehen Ursprungs seien.
L. Moyn. Wahrscheinlich« Pfahlbauten am Kq*
den-See. Berliner Anthropologische Gesellschaft.
16« October 1870.
Im südlichen Holstein. Im See östlich von Burg
und zwischen Burgsalz und Kuden dichte Ffahkoin-
plexc, dazwischen unendlich viele Knochen und 13 Lei-
chen in aufrechter Stellung. Die aufbewahrten Aachen
au* dem späten Mittelalter.
Much, Dr. Mathaua. Geber die urgcschichtlichen
Digitized by Google
359
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Ansiftdlungcn am M&unhartsgebirge. (Mittb. der
Anthrop. Gecellscb. in Wien, Bd. I, S. 131 — 139.)
Karl MüllenhofF. Deutsche Alterthumskunde.
Bd. I. Mit einer Karte von Kiepert. Berlin 1870.
(Correspondenzblatt Nr. 2, Februar 1871.)
Chr. Petersen. Noch einmal die Framca unserer
Vorfahren. (Correspondenzblatt Nr. 1 , Januar
1871.)
Carl R&u. Steinerne AckerbaugerAthe der nord-
amerikanischen Indianer. (Archiv für Anthro-
pologie, Bd. IV, S. 1.)
Sandberger, F. lieber die bisherigen Funde im
Würzburger Pfahlbau. (Archiv des historischen
Vereins in Wtirzburg 1870.)
SohaafThauaen. Von Ilm. v. Dücker aus Urnen
bei Saarow gesammelte Reste. (Correspondenz-
blatt Nr. 8, Dezember 1870.)
SchaafHinußon. Instrumente aus dem See von
Warnitz in der Neumark. (Correspondenzblatt
Nr. 8, Dezember 1870.)
SchaafThausen. Aelteste Ansiedelungen am Laa-
cher-Se«. (Correepondenzblatt Nr. 8, Dezember
1870.)
SchaafThausen. Höhlenuutersnch ungen. (Corre-
spondeuzblatt Nr. 8, Dezember 1870; Nr. 1,
Januar 1871.)
O. Schuster. Die vorhistorische Archiologic. —
Sitzungsbericht der Isis in Dresden 1670, S. 21.
Präsidial - Vortrag der neu gegründeten Section der
Gesellschaft, der vortrefflich die Aufgaben resumirt,
welche sich die Forschung in diesem Gebiete stellen
muss.
C. Sompor. Die Steinzeit in der östlichen Hemi-
sphäre. (Correspondenzblatt Nr. 6, October 1870.)
C. Semper. Spuren der Bronzezeit bei Homer.
(Correspondenzblatt Nr. 2, Februar 1871.)
Simony, Fr. Die Pfahl werke bei Kammer und
Litzelberg im Attereee. (Mittheil, der Anthrop.
Gesellschaft in Wien, Bd. I, S. 70 — 72.)
F. Strobel. Beiträge zur vergleichenden Ethno-
logie, gesammelt in Südamerika. (Zeitschrift für
Ethnologie, Bd. II, 1870, S. 111 und S. 273.)
.Sehr intrresNantt* Vergleichungen der Pfahlbauten,
Rancho* (Wohnungen), Thongeschirre , Werkzeug« aus
Stein, Leder gerät he, Nahrungsmittel und Zierrathen der
Bewohner der Plant - Staaten mit analogen Erscheinun-
gen au* urgeschichtlicher Zeit.
Virchow. Besuch der Westphalischen Knochen-
höhlen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
11. Juni 1870, S. 359.
ln der llalver Höhle mehre Schichten. In der ober-
sten kleine Stückchen Holzkohle, Feuersteinsplitter, ge-
schlagene Knochen — ausserdem sc hon früher gefunden,
zwei Münzen, die letzte von 1001 nach Chr. Topf-
scherben, Feuersteindolch, Knoclienmoisscl etc. Offenbar
gemischte Schicht. Darunter eine bis zu 3 Kuss mäch-
tige graue mürbe Erdschicht — Rennthierschicht. Kno-
ebeu- und Geweihstücke in Massen, scharf zerschlagene
Knochenstückchen anderer Thiere, Laubholzkoble —
aber keine anderen Spuren vom Menschen. Dritte
Schicht. Leb mach lebt mit scharfkantigen Kalk- und
Kiiochenfragmetiten. Vierte Schiebt. Kollsc hiebt — lvalk-
und Knochenfragment« gerollt. Fünfte Schicht. Lehm
mit wenigen Steinen und Knnchen — gerollt. Sechste
Schicht. 10 bis 12 Fusa mächtige Mammuthscbicht.
Knochen und Zähne meist gerollt, mit Dendriten, die
Aber scharfe, geradlinige Eindrücke weglaufen. Auch
«in glatter, scharfkantiger Kieselschiefer mit Atubiicli-
t «ingen. wie Schlagmarken. Sechste und siebente Schiebt*
Brauner und gelblicher Lehm mit wenigen, meist Fuas-
wurzelk noeben, nicht vom Mammuth. Von 3 bis 7
keine zwingenden Menschen beweise. Höhle uhyäne in
Balve nicht vorhanden, dagegen mit Höhlenbär in den
anderen sehr häufig, die vor der Rennthierzeit wie e»
scheint, aosgefüllt waren. — In der Klusensteiner- oder
Fcldhofahöhle deutliche Mensclienspurcn ; ein Glätter (?)
aus Knochen and früher Steingeritthe. — Die hier ge-
wonnenen Resultate sind sehr wichtig und Virchow
hat »ehr Recht , wenn er auf fernere Untersuchungen
in dieser methodischen Weise dringt.
R. Virchow. Uebcr Reunthierfunde in NorddeuUch-
land. Berliner Anthropologische Gesellschaft, 12.
Februar 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.
n, 1870, S. 162.)
Der Bericht kam mir erst nach Schloss des vorigen
Literat urbc richte* zu, *o dass ich dort nar die Anzeige
geben konnte. Virchow weist nach, dass auf einem
grossen, von der Elbe bis über den Nicracn nach Russ-
land reichenden Gebiete im Diluvium Rcnuthiergeweihe
gefunden wurden, ebenso in der Balver Höhle utid von
von Dücker hei Rüdinghausen in Westphalen ln einer
Felsspalte. Letztere gehören alle jugendlichen Thicreu
an. Der Ansicht von Dücker’* gegcnül>er, dass Spu-
ren menschlicher Thätigkeii an diesen Stücken mit Be-
stimmtheit zu erkennen seien, sagt Virchow, dass
dies mit Sicherheit nicht fcstzustellcu, w enn auch wahr-
scheinlich, sei.
R. Virchow. Ueber Gesichtsurnen. Berliner An-
thropologische Geeellachaft, 12. März 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie 1870, Bd. II, S. 73.)
Deutsche Aschenurnen, den etrurisehen Kanopen
ähnlich. Die einen am Rhein, die anderen in Pome-
rellen. Genaue Aufzählung der bekannten Funde. Holz-
schnitte, welche die wichtigeren darstellen. Ausser dem
Gesichte auch Thierzeichnungen und eigenthümliche
Liniencombmatkmcn. Darin und daran Bronze, Bern-
stein, Glaskorallen — vielleicht auch Eisen. .Stammen
au* der spätesten Bronzeperiode.
R. Virchow. Weitere Mittheilungen über Ge-
aicht&urnen. Berliner Anthropologische Gesell-
schaft, 11. Juni 1870, S. 346.
Ob die Zeichen auf der Mannhardt’schen soge-
nannten Runen -Urne Schriftxctohen sind? Rüdiger
sagt Ja, Müllen hoff Nein.
R. Virchow. Ueber alte Höhlen Wohnungen auf
der Biachofsinsel bei Königswalde. Berliner An-
thropologische Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie, Bd. II, S. 470.
Die Cultnrscbicht bestellt au» einzelnen, keilförmig
bi» zu 6 Fuss in die Tiefe gehenden Vertiefungen, die
mit Töpfen und Topfresten, Thierknochen, Kohle, Asche,
Digitized by Google
360 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Heordstcinen etc. erfüllt sind. Die gefundenen, doli-
chocephaleu Skelette wurden später hinein begraben.
Es fanden sieh: Mühlsteine. Werkzeuge uns Feuer-
stein, Knochen, Geweihen, Sprudelsteine. Die Kno-
chen und Zähne stammen von Bär, Eien», Eher, Tori-
schwein, Schaf, Kind, Ziege, Hirsch, Keh, Fuchs, Katze
(Hauskatze ?), Wassermaas, Gnus, Ente, Huhn, Fisch-
schuppen uud Gräten. Samen von Rispenhirse und
einem Polygunum, kleiner als Buchweizen. — Ein
Topfboden mit durch einen Stempel aufgedrücktem
Kreuze, die Hühnerknochen, der Buchweizen und die
Hauskatze (?) lassen starke Zweifel au dem hohou Alter
dieser seltsamen Fundstätte aufkommen.
R. Virchow. Uobor dio gebrannten Steinwille
der Obcrlaueitz. Berliner Anthropologische Ge-
sellschaft, 14. Mai 1870, S. 257.
Aufzählung der bekannten Lucalitäten. Genaue Un-
tersuchung des Burgwalls auf dem Bromberg bei Weis-
aeuberg. Die Steinniassen waren mit Holzscheiten durch-
steckt, die durch Brand zerstört, meist zu Asche ver-
brannt, seltener verkohlt sind. Die Asche ging in den
verglasten Basalt ein. Die Erdwälle und Schanzen der
Lausitz stehen nicht mit diesen Schlacken wällen in Be-
ziehung — erster« dürften von Slave» (Wenden), letz-
tere vielleicht von Germanen herrühren.
K. Virchow. Lagerstätten aus der Steinzeit in
der oberen Huvelgegend und in der Niederlau-
sitz. Berliner Anthropologische Gesellschaft, 11.
Juni 1870, S. 352.
Im Zehdcniker Forst bei Kibbck pyramidale Haufen
aus geschlagenen .Steiucn, 2 bi* 3 Kuss im Durchmes-
ser, l*/j hi» Fusa hoch, dazwischen Kohle, schwarze
kuhlichc Erde, Fenerateinsplitter, Messer, Kerne — auch
eine grob polirte Steinaxt, ein Wetzstein, rohes Topf-
geschirr, wenige angebrannte Knochen. Heerde von
Taunenkohle , auch einige Spuren von Eisenschlacken,
wahrscheinlich direct aus dem Boden herrührend. —
Bei Go!s«ei] (Niederlausitz) ebenfalls in einer Sanddiine
ganz ähnliche Gegenstände, aber ausserdem auch noch
Bronze und Eisen, zum Theil moderne Ding«. Virchow
macht noch besonders auf Steine mit dreiflächiger Zu-
spitzung der convexen Oberfläche aufmerksam, von de-
nen er einen Holzschnitt giebt. Aeimlichc Fundstätten
au den Jahnbergen bei Nauen, bei Mimptsch etc.
R. Virchow. Pfahlbau im Lübtovr See bei Cöslin.
Berliner Anthropologische Gesellschaft, 9. Juli
1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd. II, S. 454.)
Hummer ans Hirschhorn, McisseJ aus Knochen. Bron-
zen« Armringe und Spindelstcine aus Thon nebst zer-
schlagenen Knochen.
R. Virchow. Ueber eine besondere Art geschlif-
fener Steine. Berliner Antbroj alogische Gesell-
schaft, 9. Juli 1870. (Zeitschrift für Ethnologie,
Bd. II, S. 453.)
Di« dreiflächigen Steine aus der Lausitz sind unzwei-
felhaft durch roh« Bearbeitung und Schleifung entstanden.
R. Virchow. Dio altnordischen Schädel zu Coj»en-
liagc-n. (Archiv für Anthropologie, Bd. IV, S. 55.)
R. Virchow, Geglättete Knochen zum Gebrauche
beim Schlittschuhlaufen und Weben. Berliner
Authro]K>logiMjhe Gesellschaft, 5. November 1870.
Die an den Enden durch bohrten, geglätteten Knochen
e-cieu Schiitt»chuhc , die nicht durchltahrten noch jetzt
in Litthuuen zum Glitten der Gewebe benutzt. In
Holland und Islaud waren früher solche Knochenschlitt-
schuhe im Gebrauch; in den Schweizer-Pfahlbauten wie
in denen von Pommer» hab« man welche gefunden.
(Professor J eit toi es besitzt einen solchen von Olniütz.
C. V.)
R. Virchow. Ueber ein Gräberfeld au» römischer
Zeit in Ostpreussen. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 15. October 1870.
Bei Gruneiken auf der Grenze von Litthauen und
Masuren. Zwei Hügel mit vielleicht ICK) Gräbern, iu
gelbeui, höchstens 5 Kuss tiefem Sande. Urnen mit
runden Steinen umlegt, roh gearbeitet, mit Kuocl)«n-
Stückchen, kleinen Gegenständen aus Bronze, Eisen,
Reniäteinscheih«» und Gluskornlleti gefüllt, auch einig«
Münzen, di« bis zu Uoustantius reichen (361 nach Chr).
Unter den Gegenständen besonders eine schöne au*
Messing (Kupfer und Zink) gebildete, mit Silber einge-
legte Fibula. Wichtig für Urgeschichte, weil das Ur-
ncntnutcrial sehr roh war.
H. Wankel. Schreiben an Professor Ilyrtl. —
Sitzungsbericht der Wiener Akademie, Bd. 53,
25. Juni 1868, mit einer Tafel.
Bericht über einen Fund von Menschenknochen in
der Bycükala - Höhle bei Adamsthal in Mähren. Ein
Stück Kieferknochen zeigte dieselbe Zusammensetzung
wie die Bäreaknochcn aus der Slouper-llöhie.
H. Wankol. Der Menscheuknochenfund in der
Byciskala* Höhle. (Mittheilungen der Wiener
Anthropologischen Gesellschaft, Nr. 4.)
Die Eingangshalle der Grotte, dio sich bei Adams-
thal in Mähren befindet und einige »Seitcostrecken der-
selben sind theils von feinem Sand, theil# von Schotter
ausgcfüllt, der offenbar vom Wasser eingespült wurde,
ln diesem fanden sich die Menscbenknochen mit Topf-
s -herben uud Silbermünzen. Darunter weisslicbcr, un-
zusammenhängender Kalk und unter diesem eine Koh-
lenschicht. Im Inneren fand sich unter dem mir Hau#-
tliierknnchen vermischten Schotter, Knochenlehm mit
Höhlenbär. Offenbar ist in der Höhle durch spätere
Wassereinbrüche Alles unter einander geworfen.
Westphälischo Höhlenfundc. Berliner Anthropo-
logische Gesellschaft, 2. April 1870. (Zeitschrift
für Ethnologie, Bd. II, S. 240.)
Eine aus den Herren Beyrich, Uartmann, Knnth
und Virchow bestehende Commission spricht sich da-
hin aus, dass die von Herrn v. Docker vorgelcgtei»
Stücke zum Theil zwar beweisen, dass der Mensch in
der Steinzeit die Höhlen bewohnte, nicht aber, dass er
mit den grossen Säugern dort zusammen lebte.
Westphälischo Keimthierfunde. Berliner Anthro-
pologische Gesellschaft, 11. Juni 1870, S. 347.
Ein« Commission der Gesellschaft berichtet, dass die
vorgelegten Stücke junger Uenuthiergewcibe nicht so
deutliche Spuren der Bearbeitung durch den Menschen
zeige, als eine frühere, ebenfalls von Herrn r. Ducker
gemachte Zusendung.
F. Wibel. Bericht über die Ausgrabung eines
Heidenbügels hei Ohlsdorf. 17 Sn I Tafel.
Tumulus mit «igenthümlicher innerer SeinuM*tzung
eine kleine Kammer überwölbend, uud de Leichtuam,
eines etwa 5jährigen Kindes enthaltend, von welchem
nur noch Th eil« de# Kopfes und ein Röbronknot hen-
stück vorlmndeu sind. Die übrigen Knochen wahr-
scheinlich durch wühlende Thier« weggeführt. Einige
wenige Stücke aus Bronze.
C. J. Wiborg. Ueber don Eiutluss der Etrusker
Digitized by Google
361
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
und Griechen auf die Bronzecultur. (Ueberaetzt
von J. Mestorf.) Archiv för Anthropologie, Bd.
IV, S. 11.
Wurmbrand, Gundacker Graf. Untersuchung
der Pfahlbauten im Sulzkaramergut, knochenfüL-
render Höhlen in Steiermark und eines alten
Grabfeldes in Croatien. (Mittheil, der Authmp.
Gesellschaft in Wien, Bd. I, S. 145 — 156.)
England.
Jarnos Bonwick. On the origine of Tasmaniens
geologically cousidered. (Journal of the EthuoL
Society of London, Vol. II, pag. 121.)
Ks ixt jetzt Mode in England , mit dem versunkenen
südlichen Continente als dessen Haupt reit Australien
sieh darstellt . Conjectural - Naturgeschichte zu treiben.
Bon wie k sucht die jetzt ausgestorbenen Vandiemens-
Länder von N’euholland abzuleiten. Huxley widerlegt
ihn und weist sie zu Ncu-Caledonien.
W. Boyd Dawkins. On the diacuvery of flint
and eitert uuder a submerged forest in West-So-
merset. (Journal of the Ethnol. Society of Lon-
don, Vol. II, pag. 141.)
Der Wald , der unter der Fluthlinie liegt und von
blauem Mergel, Moder, Schlamm und Rollsteinen be-
deckt ist, besteht aus Kicheii-, Ellern- , Eschen- und
llaselnussstänimen ; darunter fanden sich behauene Kener-
steinaplitter.
W. Boyd Dawkins. On the discovery of platyo-
nemic men in Denbigahire with Notes on the
human remaiua l»y Professor Buflk. (Journal of
the Ethnol. Society of Londou, Vol. II, pag. 440.
Holzschnitte. 1 Tafel.)
Hohle im Kohlenkalk bei Perthi Chwareu östlich von
Curwen. LVberraate von wenigstens 16 Menschen jeden
Alters und Geschlechts, meist jung. Zerbrochene Kno-
chen vom Haushund, Fuchs, Dachs, Schwein, Reh,
Hirsch, Schaf oder Ziege, knrzhörnigem Rind (Bos lon-
gifrons). Pferd, Wasserratte, Hbh-, Kaninchen, Adler(V),
Ochs, Schaf und Schwein waren am häufigsten, fast
alle von jungen Thlerco. Ferner menschliche Uet»«r-
reste in der Höhle von Cefb, bei St. Asaph mit den-
selben Thieren und in einem Tumulu* mit Allee und
Grabkammer bei Cefn. — Busk beschreibt genau die
Menschenknochen, giebt Beschreibungen und Messungs-
tabellcn von zehn mehr oder minder vollständigen Schä-
deln nnd geht dann besonders genauer Hilf die säbel-
förmigen (platycnemischen) Schien beim« ein, die er mit
denen von Gibraltar, Cro-Magnon und anderen Orten
aus Frankreich vergleicht , deren Art der Zusammen-
drückung eine andere sei. So findet er in dieser Bildung
weder einen Racen- Charakter, noch eine Annäherung
an die Atfenbildung, da die menschlichen Schienbeine
noch starker abgeplattet seien, als die des Gorilla.
B. Caulfield. Note on a tmpposcd Oghain In-
scription, from RtU*Ülan, Co. Cork. (Journal of
the Ethnol. Society of London, Vol. II, pag. 400.
1 Tafel.)
Die Zeichen, welche der Verfasser für eine Inschrift
hält, sind nach der wohl richtigen Ansicht von Oberst
Laue Fox nichts als Ritzen, durch das Schleifen von
Waffen und Gerätlisc haften entstanden.
Cole. Illustration« of ancient buildings in Coah-
mir. London. (India Museum 18G9. Archeolo-
gical Survey of India.)
Archiv fax Anthropologie. bd. IV. Heft IV.
George Pinlay. Obeorvatiuns on Prehistoric An-
tiquitiea in Switzerlund and Groeoe.
Christian D. Ginsburg. The Moabit-Stone- a
fac-Mimile of the original inscriptiou with an
english translation and a historical and critical
commentary. London 1870.
Hin U*/i Fus* hoher Basalt block vom Missionar Klein
bei Dibnti 1 868 entdeckt. Die Araber zersplittern ihn,
um die Stücke als Anmiet zu behalten. Der französi-
sche Comtul Ganneau entzifferte zuerst die phötibüsche
Inschrift. Scheint etwa aus 9‘N) bis 930 vor Chr. zu
stammen.
Bev. William Greenwoll. On the Opening of
Grime’e grave* in Norfolk. (Journal of the Eth-
nological Society of London, Vol. II, pag. 419.
2 Tafeln. 1 Grundplan.)
Die Umgegend von Brandon in Suffolk hat von der
ersten Steinzeit im Pencrsteingeräthe geliefert und noch
heute werden dort Flintensteine fabricirt. Verfasser
beschreibt ausser den gewöhnlichen Instrumenten aus
der neolit bischen Zelt die alten Gruben und Gallerieen,
mittelst welcher man die Feuersteine aus den Kreide-
»chicliteu ausbeutete.
Sir George Grey. On quartzito iniplemunt» from
the Cape of good hope. (Journal of the Ethnol.
Society of London, Vol. II, pag. 39.)
Lauzen - und Pfeilspitzen , sowie Nteinscheibeu , die
nach der Vermuthung eines Herrn Uowker, der sie
fand, in die Ohrlappeti eingesetzt wurden.
Dr. Julius Haast. 0n certain prehistoric retunins
discovered in New-Zoaland, and on the nature
of the deposits in which they occured. (Journal
of the Ethnological Society of London , Vol. II,
pag. 110.)
Der Sage nach kamen die Maories vor etwa 500
Jahren in Canoes »w* dem Norden und fanden die
Inseln Neuseelands unbewohnt Die Moa ■ Arten (Di-
nornU) seien »chon lange vor dieser Colonisation von
einer anderen Rnce ausgerottet gew esen, die Dr. Ilaast
Moa -Jäger nennt und die ebenso wie die Maories, ihre
Nahrungsmittel in Krdlöchem kochten, worin auf heis-
sei» Steinen Dampf erzeugt wurde. In diesen Mow
üefen finde man rohe Stciuwaffen . ähnlich denen von
Amiens. In Bruce Boy wurden auf dem Grunde einer
Goldgrube in 15 Fass Tiefe ein grschliffener Steinkeil
und ein Schleifstein gefunden, und zwar mitten iiu Hoch-
waldc.
Col. A. Lano Fox. On the threatenod dcatruc-
tion of the British earthworks near Dorchester,
Oxfordsbire. (Journal of the Ethnol. Society of
Loudon, Vol. II, pag. 412. 1 Tafel.)
Jammer über eine, vom Grundbesitzer beabsichtigte
Zerstörung zweier Erd werk«, die in der Nähe von Dur-
46
Digitized by Google
362
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
ehester auf beiden Ufern der Themse liegen und ln
denen Stein* und Bronzegerät he gefunden wurden*
CoL A. Lane Fox. On the opening of twoCairna
near Bangor, North- Wales. (Journal of the Eth-
nolog. Society of London, Vol. 11, pag. 306.)
liu Tuinulus eine Steinkiste und iu dieser eine Urne
und Pfeilspitzen, die aber nicht mm Feuerstein, sondern
aus Ffldspathgesteineu der Umgegend gemacht sind.
Dieselbe Tbatsache wiederholt sich öfter. Professor
HatusaV beschreibt genauer die Gesteine, aus welchen
die lustrumeute gemacht sind: Sandstein. Trapp, Grün-
stem, Porphyr etc. ln anderen Grabhügeln von Wales
fand man auch Bronze.
Col. A. Lane Fox. On the proposed exploration
of Stonehenge by a Committee of the british As-
sociation.- (Journal of the Ethnolog. Society of
London, Vol. II, pag. 1.)
Verfasser fand in den bekannten Ruinen von Stone-
henge Feucrsteiiuplitter und kommt dadurch auf den
Gedanken, duss Gräber du sein möchten. Die british
Assoeiatlon hat eine Commission mit Untersuchung und
Anfgrahungen beauftragt. Der Besitzer des Grunde.«, Sir
Edmund Antrobns, will aber die Erlaubnis» nicht
geben.
Col. A. Lane Fox. Note on the aae of the New-
Zeal&nd Mere. (Journal of the Ethnol. Society
of London, VoL II, pag. 106.)
Nachweis, dass di« unter dem Namen Mer« oder
Patta- Patia von den Neuseeländern gebrauchte Stein-
waffe von dem Ceh abstammt und als Handwaffe be-
nutzt wird, mit welcher sie den am Haar gefassten
Feinde den Schädel hinter dem Ohre «instuttsen. Wich-
tig wegen des Vorfindons ähnlicher urgeschichtllchcr
Waffen.
Captain Th. Löwin. The Hill - tradts of Chitta-
goagf and the Dwellers therein. Bengal Printiug
Company, Calcutta.
L. A. Lewis. Notes on the bmldera and the pur-
poaes of megalithic monuments. (Journal of
Antbropology, Vol I, Januar 1871, pag. 286.)
Die »(»genannten Alignements, wie Caruac in der
Bretagne , die Cromlechs oder Steinkreise , die Menhirs
seien religiösen Zwecken bestimmt gewesen, namentlich
Üpferplätze; unter den l>oluien könne man vielleicht
zwei (.'lassen unterscheiden, die einen Grabkammern,
die anderen seien auch wohl Opfernrte, vor welchen
der eigentliche Opferafra r gestanden habe.
Sir John Lubbock. Denen ption (»f the Park Cwm
Tumulus. (Journal of the Ethnolog. Society of
London, Vol. II, pag. 416. 1 Grundriss.)
Der Park Cwm liegt auf der llalbiunul Go wer bei
Fenmaen Der 60 Kuss lange, .VoKu»* breite und etwa
f» Kuss hohe Grabhügel hat einen südlich gerichteten
Eingang, der in «inen centrslen Gang führt, mit wel-
chem 4 Grahkammeru. jederzeit* swei rechtwinklig in
Verbindung stehen. Nr. I enthielt 3 oder 4 Skelete
und Topfsoberben , Nr. 2 nur swei. iui Ganzen Beste
von 24 Individuen, eines von gigantischer Grösse, Män-
ner und Weiber, drei Kinder. Ein ilirschzahri, einige
Topfscherben, sonst Nichts.
Bov. R. J. Mapleton. Report ou prehistoric re-
mains in the neighbourhood of the Crinan Canal,
Argyllshire. (Journal of the Ethnolog. Society
of London, VoL II, pag. 146.)
1. Petruglypheii. — Meist kreisförmige, zuweilen
hufeiseu- oder uferenfüriuige Zeichnungen iu die Thal-
wände eingehauen. 2. Menhirs. Sehr viele — eine
Gruppe von siehen Steinen heissen die Odin • Steine.
Viele haben eingebauene Zeichen oder napflnrmige Ver-
tiefungen. 3. C'airns und Gräf»er. a. In den ältesten
Steinkisten begrabene Leichen, keine Instrumente, rohe
Thonscherbeu, In einer jüngeren Steinkiste von glei-
cher Form verbrannte Knochen von 8 bis 10 Körpern,
b. Grabkammern. Unter einem breiten Grahhügel
(Cairn) die Kammer, etwa 15 bis 16 Fuss lang, aus
rohen Stein- und Deck platten, der Hingang gegen Nord-
osten gerichtet, der Innetirauni hi drei Abteilungen
getheilt. Urnen mit verbrannten Knochen. Steingcrä-
then, Pfeilspitzen, c. Oberflächliche Steinkisten, etwa
3V3Fuss lang. Fiu* breit. Urnen, verbrannte Kno-
chen, Steiageräche. In einer «iu vollständiges, unter-
branntes Skelet, d. Aelmliclte Steinkisten, einige Fuss
unter der Oberfläche. Bronzegegenitände. e. Steinkreise,
in deren Mitte Körper ohne Kiste begraben sind
4. Wohnungen, s. Cranuugs — einzelne Pfahlbauten
in den Seen, keine I>örler. Steinberge. Zerbrochene
Hirschknodien; ein Ruder iu Form eines Speers, b. Du ns.
Hohe, kreisförmige Befestigungen auf den Hügeln aus
Steinen gcthümiL. c. Ein verglastes Fort auf einem
Hügel au der Sec. d. Ein Brough(?) mit 7 bis 8Fu»
dicken , cyclopischen Wällen und mehrern Kammern.
IliriM-hkuli- und .Schweineknochen im Sande des Gran-
des. e. Hin gestürzte Wohngrotre an der See, die be-
wohnende Familie dadurch getödtet. Ein eeltischer
Schädel erhalten. Hirsch knochen, Herdstein mit Kohlen
und Asche, _ Feuorsteinkratzer. f. Ein Atelier von
Feueratcingcräthen im Moos.
Bov. R. J. Mapleton. Note on a Cist with en-
graved »tone« on tho PoltAlloch eatate, County of
Argyll. (Journal of the Ethnological Society of
London, Vol. II, pag. 340.)
Steinkiste mit verhrannteii Knochen, worin zwei
Steine mit Figuren sich fanden, welche Lane Fox für
Gassinodelle hält.
C. Monkman. On disooveriee in reccnt deposila
in Yorkahire. (Journal of the Ethnolog. Society
of London, Vol. II, pag. 157.)
Im oberflächlichen Thoti des Hügels von Kclsca Feuer-
»teinmesscr and Kerne. Bei York im Sande eines Ki-
senkslmeinsclmiUea geschliffen« Stciuwsffen. Eben sol-
che im Flussschlamme des Thaies von Pickering.
Lieut. 8. P. Oliver. Report on tho present atatc
and condition of prehistoric remains in tho Chan-
nel Inlands. (Journal of the Etlmol. Society of
London, Vol. II, pag. 45. 10 Tafeln und 2 Ta-
bellen.)
Sehr genaue Arbeit mit Ansichten, Gnindplfinen und
tabellarischen Uebersichti-n über die Dolmen. Cmmlechs
und M«nbirs der Canal • loAeln, die leider häutig von
Matrosen und Steinbrechern zerstört worden sind.
Our Domestic Animal». 1. The hörne. (Journal
of Anthropol., VoL 1, Jnly 1870, pag. 65.)
Rcsumirender Artikel über da.- Werk von Pietre-
ment und die betreffenden Abschnitte von Darwin's
Werk über die Haust hie re, und Ovren's Abhsndluogen
über fossile Pferd«.
B. Owen. Description of the Cave of Bruuiquel
and its orgnnic retnains. London 1870.
Digitized by Google
363
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
J. P. Phair. Not«« on the diacovery of Coppor»
Celta at Buttivant, Co. Cork. (Journal of the
Ethnol. Society of London, Vol. II, pag, 402.)
Waren in einer Fclaenspalte versteckt.
Prof. Const&ntin Schlottmann. The Moabit«
Stone: a Contribution to Hcbiew Archaeology.
( Trane) ated froni tbe German. London, TrUbner
and Comp.)
E. H. Squier. Observation» on the Geograpby
and Archaeology of Peru. London, Trübner and
Comp.
Edward F. Stevens. Flint Chips: a guide to
prehistoric Archaeology. London 1870, 593 S.
(Journal of Anthropol., Vol. I, October 1870, pag.
164.)
Mit 125 Holzschnitten geschmückter CataJog der
Sammlungen in Salisbury, der durch die Erläuterungen
de* Verfasser» eine Art von Handbuch der Urgeschichte
geworden ist.
Thurn&m, Dr. J. Kurt her Researches on Ancient
British Skulls. 2 plates. in 8°., b. d. Williams et
Norgate. London.
Tylor, E. B. Researches into the Early history
of mankind and the developpement of civilisation«
2. edit in 8°* 336 pag., J. Murray, London 1870.
E. Villin. Professor H. Niccolucci’s Anthropology
of Etruria. (Journal of Anthropol., Vol. I, July
1870, pag. 79.)
Gutes Kesume über Niccolucci’a Abhandlung in
dem Werke von Uozzadini. (Siebe den vorjährigen
Bericht.)
Waring. Stone- Monuments, Tuuiuli and Orna-
ments of remote ages. London, 108 Tafeln, 4".
Schlecht aasgeführte , unkritisch zusammengestcllo*
Tafeln , meist nur Copieen enthaltend. Ist das Geld
de« Ankaufes nicht werth.
Wood, Rev. J. G. Illustrated Natural history of
man being an account of the uncivilised races of
man. With illustx., Vol. II, gr. in 8Ä. Routledge
et Sons. London 1870.
Frankreich.
L’dge de la pierrc en Egypte. Mat^riaux, 2d* Se-
rie, 6me Annee, Mars 1870, pag. 102.
Analyse einer DiseuSaton über die Steinzeit in Aegyp-
ten, welche am 23. December 186Ü in der Anthropolo-
gischen Gesellschaft von Paris Statt hatte.
B&bert de JuiU4. Lottre k M. de Longuemar
sur des fouilles operees k la Doie (Deux-Sevres),
in 8"., 4 p., 1 pl., in 4°. Extrait du Bulletin de
la Societu de« ant. de l'Ouest.
A. Baatian. Du culte de la pierre dans l’Ethno-
graphic. (Mntcriaux, 2d* Serie, Tome V’, pag. 407
et Tome VI, Avril 1870, pag. 153.
Uebersetzung des deutschen Aufsatze».
Ch. Bazin. Note sur deux ateliers de silex tailles
k Fumerault et aux Fleyx (Yonne). (Materiaux,
2d* Serie, 6m® Annee, Fovrier 1870, pag. 87.)
Zwei Lncalitäten bei Saint - Aubiu - Chateau - Neuf;
Kerne, Messer, Pfeilspitzen, Kratzer etc.
Bruzard. Rapport sur le Tumulus de Genay, pro«
Semur. Semur: VardoL
Büchner, Dr. Louis. L’homme nelon la Science,
son passe, son present, son avenir, ou, D’oü ve-
nons-nous? Qui sommes-nous? Oü allons-nous?
— 1™ partie, Paris, C. Reinwald, 1870, in 8®.
151 pag., nombreuses gravnres sur bois.
Cazalis de Fondouce. Compte rendu du Congrta
international d1 Archäologie et df Anthropologie
prehistorique« du Copenhugue. Douzieme Partie.
Les Museos de Copetthague. (Materiaux, 2da Se-
rie, Mars 1870, pag. 113, Mai 1870, pag. 218.)
Mit Holzschnitten illustrirto Notizen über die Museen
für Anatomie und Zoologie, für nordische Alterthümcr
und Ethnographie in Kopenhagen, sowie über die Mu-
seen von Christiania, Stockholm und Lund.
ErneBt Chantro. Sur les palnfitte« du lac de Pa-
ladru (Iaere). (Materiaux, 2d® Serie, Avril 1870,
pag. 177.)
Pfahlbauten auf eiuem Bodeu, der jetzt durch Tiefer-
loguug des See* trocken liegt, früher aber zwei Meter
Wasser über sich batte. Küchenabfällc aller Art : Kno-
chen von Hund, Kind, Hirsch, Schaf, Ziege, Pferd,
Schwein, Wildschwein — letzteres am häufigsten; Kerne
von Kirschen, Pflaumen. Pfirsichen; Nüsae, Haselnüsse,
Eicheln. EUettgeräthschalten aus der Zeit der Mero-
winger und Karolinger — also verbal tnissmässig sehr
neuen Datums, was indessen auch schon die Nüsse und
Pflrsichkcrm* beweisen.
Chauvet. Station de Tage do pierre polie a Pons
(Charent-e-Inferieure). (Materiaux, 2“* Serie, 6m®
Annee, Fevrier 1870, pag. 88.)
Einig** polirtc Steinäxte im BodcD; in einer Steinkiste
einige Skelete, zwei kleine Steinäxte und einige Messer.
Sehr oberflächliche Notiz.
L’Abbe Collet. Silex taillen et Kjökkenmöddings
en Bretagne. (Materiaux, 2d* Serie, Avril 1870,
p. 204.)
Zwischen Plouharmd und Quiberon gehauene Stein-
äxte in einer gelben Lehmschicht. Bei St. Pierre Mu-
schelschalen, gespaltene Knochen, Asche und Heerd*
steine mit Topfccherben. Vorläufige Anzeige.
G. Cotteau. Rapport nur los progreg de la geo-
logie et de la paleontologie en France pendant
1868. L« Puy 1869, 52 pag.
Gieht zugleich eine liebe rsicht der franzöabchen Lei-
stungen in der Urgeschichte. Cotteau hält die von
Abbe Bonrgois Im Miocen gefundenen Kiesel für von
Menschenhand gefertigt.
46*
Digitized by Google
3«4
\ erzeichniss der anthropologischen Literatur.
Belaunay, Abbe, Un atelier de Tage de pierre
h Saint- Leger-du-Malzien. (Extrait du Courrier
de la Lozere, iu 80n 6 pag.
E. Delfortrie. Lee ossemeuta eotailles et stries
du miocene Aquitanien. (Actes de la Societe
Linneennc de Bordeaux, Vol. XXVII, 1869, 3 pag.,
i pt.
Die Streifen und Ritzen auf den Knochen rührten
nicht von Feuersteinmeswrn, sondern von Zähnen ver-
schiedener Meerfifche, namentlich von Sargt» «errat us
her, der in denselben Schichten vorkommt.
M. Belfortie. Epoqne prehistorique Station de
Cubzac (Gironde), Camp de Tuge du la Pierre
polie. Bordeaux : Gounouillon.
C. Desor. Un bracelet- et un porte-monnaie lacu-
streg. (Materiaux, 2** Serie, Mai 1870, pag. 246.)
Kin von Morigen am Bielenee stammende* Armbund
an* Bronze scheint mit Hülfe «rählerner Instrumente
gravirt zu sein. Die Ringe von Bronze sind wahrschein-
lich von Gold — um n 6ud«t sie häutig auf einem
grösseren, agraffenartig schtiessenden Ringe aufgcreilit.
Frotward, Emilien et Charles, L. Note gur une
grotto runfermant des re&tcs humaius de lYpoque
paleolithique, deren ' verte h Bagn&reß-dc-Bigorre.
Bagneres 1870, in 8°. , 24 pag., 1 pl. ; (extr. du
Bullet, de la Society Raniond.)
Em. et Ch. L. Frosaard. Note aur la grotte
d’Aurenaan , Pyruneep. A ge du Kenne. (Mate-
riaux, 2d* Serie, Mai 1870, pag. 205.)
In oberen, jetzt zerstörten Grotten Knochen des Mani-
mutb, Cr, Höhlenbär, Hyäne und Löwe. Keine hpur
des Menschen. Am Passe des Hügels 13 Meter über
dem Adonr, eine Grotte, gänzlich gefüllt, prei Schich-
ten. Oben gelber Lehm mit Lands hnecken. Darunter
eine graue oder schwane Schicht von Kohle und Asche
gefärbt, mit Knochen und Menschetirestcn. Am Boden
gelber plastischer Thon mit Rollsteinen und GesteinB-
fragraentcü , ohne Mensche nspnren. In Her mittleren*
Caiturachlcht »erbrochene und ent markte Knochen, von
La riet und M ilne- Kd ward* ( Vögel}» bestimmt. Am
häutigsten Ochs und Himch, seltener Rennthier, ausser-
dem: Igel, Dachs, Bär, Maulwurf, I Iris, Marder, Otter,
Wolf, Puchs, Wildkatze, Maus, Kber, Pferd, Reh, Gemse,
Ziege, Steinbock, Lämmergeier, Alpendohle, Krähe,
Schneehuhn, Kröte, Forelle, Karpfen, Barbe. Helix
nemoralis, Imrtensb, Zonites olivetornm, Cyclostoma
elegans und eine nach Bon rgu igna t neue Art: Po-
mntias Frossardi. Reste eines zusummengekauerten,
wahrscheinlich begrabenen Metischenskelets , ausserdem
noch Bruchstücke von Schädeln und Kiefern. Die ge-
wöhnlichen Instrumente an* Stein, Knochen, Kennthii-r-
und Hirschgeweih. Zwei Stücke mit Zeichnungen; auf
dem einen zwei Steinbücke kenntlich, auf dem anderen
vielleicht ein Pferdukopf. Viel rother Eisenocker. Ein
in fünf Fragmente gesprungene» Stück rothen Bern-
stein«.
Foulon Menard, Dr. Jh. Lea Mouline primitifs,
ln etude archeologique «ur le territoire de Gue-
rande, Vannee, Forest et Grimaud 1869, in 8°.,
19 pag., 2 pl.
Faul Gervais. Restes fossiles du glouton recu-
eillia en France. (Materiaux, 2de Serie, Juin
1870, pag. 284.)-
In der Grotte von Pouvcnt (Haute -Sanne) mit Wolf
nnd Schakal.
J. G. (Goaaelet). Le prötendu homme fossile de
Villers-Plouich prus Cambrai. (Materiaux, 2d*Ser.,
Avril 1870, pag. 202.)
Ein Kreuzbein, da» dom Höblenlöwen, aber nicht dem
Menschen angehört.
Comte J Gosxadini et Dr J. Wioolneel. N0u-
Telles fouille» k Marzabotlo. (Materioux, 2'1* Sa-
rie, Jnin 1870, pag. 269.)
Rnumi de» im vorigon Litentturberichte («Mi- Ii«.
Ilen) erwähnten Werkes.
Hahn. Cachette de fondeur de bronzc k Lusar-
ches. (Materiaux, 2d* Serie, Mar« 1870, pag. 150.)
Etwa 2 Fn« unter der Erde lagen in einem Haufen
So Gegenstände, meist Bruchstücke oder im Guss »tss-
ratben.
E. T. Homy. Note gur len osgemenU humaing
trouvög dAns le pliocene införieor de Savone.
(Materiaux. 2d* »Serie, Avril 1870, pag. 167.)
Zweifelt »ehr an der Authenticitit des von Issel bei
ST , del in dcr Nih« von Savona gefundenen
»Skeletes. Die Charaktere, die man für alt erklärt habe,
seien es nicht und wahrscheinlich sei dl« Leiche in dem
uiioecneu Thon eingegraben, also später hinein gebracht.
E. T. Homy. Paläontologie humaine. Pari» 1870.
Auch als Anhang zu der neuesten fran zwischen
Ausgabe von Lyell.
Vortrefflich« Monographie, die alle hehannlcn Resal-
utc »ijcanioKnstrlli und kririmh rieht«.
Ph. Lalnnda. Trouraille de braoelets en bronze
«ans 1« commune de Saint-Gerona (Cantali. (Mu-
b'rionx, 2J« Serie, 6— Annee, Fivrier 1870 pag
96.) 1 *
Geaclilooaruc, kleine Brumeringe, entwodrr auf einem
gekrümmten Kl.en.rab oder auf einem gröwereu Brou-
zenng anfgereilit, die sich agraffenartig acliliesaen. Aehn-
liehe Kunde In Dänemark. Auf einem Granit in der
*““« land «ich ein eingravirre» Bild eine» Hinge., ein
ebensolche» auf dem nmürlicben Sockel, auf welchem
diu Uranitplutte ruht«.
Lartet, Ed. and H. ChrUty. Reliqniae aquita-
nica«: hv. X, pag. 125 — HO and 121 — 132,
plate» A. XXIX— XXXII; B. XVII et XVIII.
Loui» Loguay. Poliwoir prebistoriqur, type nou-
veau. (Materiaux, 2d* Serie, 6",a An nee, Mnrs
1870, pag. 108.)
«O Centimeter lang, spindelförmig , au« feinem Sand-
stein.
Letronne, Tombeileg den haute« Pyrenöes. (Ma-
teriaux, 2d* Serie, Mai 1870, pug. 216.)
^ ‘»Häufig« Anzeige. In den Gemeinden Bartres und
Ossun hei Lourdes 9S Grabhogol. Im luneren eine
Steinkiste. Bei den darin enthaltenen .Menschenkno-
chen, Asche, Thierknuchen und Gcrwthschaftcn aus
Bronze.
Letournoau, Ch. Anthrojiophagie, Encyclopödie
ögnörale, 10* livraiaon, pug. 361 k 368.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. • 365
ßir Charles Lyell. I.’anciennotö de Hlomme prou-
vöe par la Geologie. Traduit par M. Chaper.
(Deuxieme edition augmcntöe d’un Pröda de Pa-
läontologie humaine par E. P. Hamy. 592 und
372 St. 182 und 114 Holzschnitte. Paris, Hail-
iiere 1870.)
Da» Werk von Uaniy ist eine werthvolle Zugabe zu
demjenigen von Lyell. Beide sind indessen auch ab-
gesondert zu haben.
Marchant, Dr. Louis. Note >ur des hnmeeons en
bronxe trouvös dans la Saone, pröcüdöe de re-
cherches compamtives anr cea instrumenta de
pL'che dang lea temps antehistoriquen, dann Tanti-
quitö proprement dite, et a l'epoque actnelle.
Paris, C. Reinwald, et Dijon 1870, gr. in 4%
13 pag., 1 pl. litli. (Tire A 150 exempl.).
Morel. Note sur la decouverte ä Lignon d'une
sepulture de Tage de la pierro, ö pag., 1 pl. litb.,
Society des Sciences et Arts de Vit ry-le- Francois.
G. de Mortillet. Bruche de Genay. (Materiaux,
: 2 d* Serie, 6““ Annee, Fevrier 1870, pag. 99.)
Bei Senior (CÄt«d*Or) Kiesel-Instrumente vom Typus
von Le MoiiKtier mit Ochs, Pferd, Mamtnuth* Hirsch,
Kcnnthier, Grustdiirsch, Hyäne, Wolf. Zahlreiche Feuer-
spuren. Keine Topfscherben.
Noulet, Dr. J. B. Des cryptss d’approvisionneroent
a propos de trois sonterrsins de Saint-Paul (Lot-
et-Garonne). Toulouse 1870, in 8°., 34 pag.,
grav. sur bois, extrait de la Revue archöol. du
Midi.
Jules Ollier de Marichard. Les grottes et mo-
numents mögalithiques du Vivarais. Paris, F.
Savy , 1869. 70 8. Viele Kupfer. Reeuniö in
(Materiaux, 2d® Serie, Juin 1870, pag. 262.)
Aufzählung von Grotten tu* der Zeit des Höhlen-
bären (unbewohnt); Wohnungsgrotten ans der geschlif-
fenen Steinzeit '(l.ouol bei Walions; Demes südlich von
Lonoi; Chaaumdou und de la Vache, ebenfalls in der
Nähe); gemauerte Grotten aus der Ebenzeit. Zwischen
500 bis 000 Tumult im südlichen Vivarais, die schön-
sten in der Ebene von Javande*. Einige aus der Stein-
zeit (die eigentlichen Dolmen), die meisten Tuiuuli aus
der Bronzezeit, einige aus der Eisenzeit, ln der Grotte
von Demi einige Knochen, von einem Weibe stam-
mend , die mit einem scharfen Instrumente zerhauen
worden sind.
Perrault, Erneut. Not« nur un foyer de Tilge de
pierre polie de« ouvert au camp de Chaaaey, 26 p.
in 8°., 8 planches double«. Dans les Materiaux
d’archöologie de Saöne-et-Loire.
Porrin. Etüde pröhistorique sur la Savoie, apecia-
leraeut a l'epoque lacustre. (Aga de Bronze.)
Cbarabery 1870. Atlas de 20 pl , gr. 4°.
Vortreffliche Abbildungen der Fundgegeiiständc, mei-
stens aus den Pfahlbauten des Lac de Bourgct.
C. A. Pietrement. Les origineB du cheval dome-
ntique. Paris, E. Donnand, 1870. 487 S.
•Sehr ausführliche Darstellung. Nach dem Verfasser
exbtirten mehrere Kacvn wilder Pferde in Europa, die
während der Steinzeit gejagt wurden. Dann wurde
das Pferd gezähmt von den Arvern und Scythcn (Tu-
raniern) mehr als 2000 Jahre vor Ohr. In China wurde
das gezähmte Pferd eingeführt — aber schon zu Yao’s
Zeit (2350 vor Chr.) waren die Hauspferde in China
sehr zahlreich, ln Aegypten ward es eirigeführt durch
die Hykros (3000 Jahre vor Chr.); bei den Hebräern
durch David; Assyrier und Phönicier hatten es lange
vor den Juden, selbst vor den Aegyptem. In Arabien
ward es erst gegen Christi Geburt verbreitet.
E. Piette et de Ferry. Sepulture polyaudrique
de THöpitnt prös Ilumigny (Ardennea). (Mate-
riaux, 2dt Serie, Avril 1870, pag. 187.)
Trapcxoidales Grab, 4 Meter laug. 2 und 21/.. Meter
breit, von rohen aufeinander geschichteten Steinplatten.
Die 14 bis 16 Skelete neben einander in zwei Reihen,
die Köpfe längs den beiden Langxeiten. l/t-ichen jeden
Alters- Dicke rot he Haare erhalten. Geschliffene Kie-
selixte. Gegenstände aus Hirschhorn, darunter zwei
becherartige Gefnsschen.
Quatrofagoa, A. de. Congres international d’ar-
cheologie prehistorique. (Extrait de la Revue des
Deux-Mondes. ln 8°., 56 pag., Paria 1870.)
L’Abbe Richard. Dücou verte d'in.ntrujuents de
l'&ge de pierre en Arabie et en Egypt«. (Mate-
riaux, 2d* Serie, Mai 1870, pag. 248.)
Zählt folgende Legalitäten auf : Am Fussa des Sinai,
bei Cairo in der Nähe des versteinerten Walde«; bei
Theben; bei El-Bire, «Irin alten Bccrotli, zwölf Kilome-
ter von Jerusalem.
A. Roujou. Silex taillö decouvert en Auvergne
dana le miooene aupörieur par Mr. Charlea Tardy.
(Materiaux, 2d* Serie, 6,,,# Annee, Fevrier 1870,
pag. 93. Holzachnitt.)
Nach Mortillet'* Zeugnis» und der Ansicht der
Zeichnungen ist das roh ziigehauene Steiniue>ser uii-
zweifelhafi von Menschenhand gefertigt. Ich besitze
ein sehr ähnliches Stück von 8t. Acheul. Wenn das
Stück wirklich sich an seiner ursprünglichen Lagerstätte
fand und nicht später auf irgend eine Weise hineinkam,
so ist es ein überzeugender Beweis für die Existenz
Instrumente verfertigender Menschen in der Molassen-
periodt*. Die Schichtenfolgi- am Fundorte bei Aurillac
ist von Oben nach Unten folgende: 1. Ati»chwemmun-
gen der Ebene. 2. Anschwemmungen der Thalwäude.
(In diesen beiden Schichten wurden schon Stein waffen
gefunden.) 3. Jüngerer Basalt. 4. Aeltere Anschwem-
mungen. 5. Tracliyt-Cuiiglomerut mit Braunkohlen, die
Hauptmasse des Cautal bildend. 6. Congtomerai mit
Knochen von Dinotheriuiu, Mnchairudu« etc. Hier w urde
ds* Steiiuuesser gefunden. 7. Aelterer Basalt. Darunter
ältere miocene und «ocene Schichten bis zuiu Granit.
Die Fuiidscliicht wäre also gletchalterig mit den Kno-
chenfuuden von Eppelsheim am Rhein.
A. Roujou. Station de» Hautea - Bornes (Seine),
age de la pierre polie. (Materiaux, 2dn Serie,
Avril 1870, pag. 194.)
Unter dem Humus Sparen von Heerdcn, geschliffene
Steingeräthe , grob* und feine Topfscherben mit Orna-
menten, Knochen von grossem und kleinem Rindvieh,
Hirsch, Eber, Schaf oder Ziege.
A. Roujou. Station de Villeneuve St. George«. —
Anthropophagie u Tage de bronze. (Materiaux,
2d* Serie, 6“® Annee, Mars 1870, pag. 111.)
Digitized by Google
366 • Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Nach den Entdeckungen Pommerol’s gehörte di«
bekannte Station, die unzweifelhafte Beweise des Can-
nibalismus bietet, der Bronzezeit an.
A. Roujou ot P. A. Julien. Note aur des striea
obaervees aur de« blocs de grea de Fontainebleau,
de meuliere de la Brie, de silez et de calcaire
grossier engages d&us lea alluviona des enviroaa
de Paria. In 4°., 1 p. (C-omptes rendus de l’A-
cademie dea Science«, 7 Mars 1870.)
Ph. Salmon. Grotte aepulcrale de Buno- Bonne-
vaux et menhir de Milly (Seine et Oise). (Maie-
riaux, 2de Serie, Avril 1870, pag. 181.)
Grabgrott« unter einem grossen Sandsteine, 2 50 Me*
ter laug und breit und etwa 1'30 Meter hoch , mit ro-
hen Steinen geplattet und seitlich aufgemauert. Eine
Oeffnung gegen Süden, (in Ganzen sollen 40 Skelette
darin gewesen sein von Individuen verschiedenen Al-
ters, wovon nur ein ununtersuebter Schädel erhalten.
Einige Leichen verbrannt. Feuerspurvn in der Grotte.
Drei rohe Thongefäaso ohne Ornamente, zerbrochen.
Stein warten , zum Tbeil geschliffen, Pfeilspitzen, eine
Nadel ohne Üehr aus Knochen.
H. Schuermana. Notice aur lea mota: Dolmen,
Menhir, Cronilech etc. (Materiaux, 2** Serie,
Annee, Ferner 1870, pag. 79.)
Philologisch • historische Abhandlung.
Col. Moadows Taylor. L’Archeologie prehiato-
rique de Finde. (Materiaux, 2d® Serie, ö"16 Annee,
Fövrier 1870, pag. 53—79, 2 pl.)
L'ebersetxung des Aufsatzes im Journal of the Ethno-
logical Society, Vol. 1, pag. 157 (siehe Archiv für An-
thropologie, Bd. IV.).
TiBsot. Sur lea monumenta prehistoriquea de l’Al-
gerie. (Materiaux, 2d* Serie, 6™* Anne, Ferner
1870, ]»ag. 90.)
Die Dolmen in der Nabe von Constantine seien meist
von SteinkrvLscu umgeben, die an mehren Orten, wie
t'ebwrreste eine* runden Tburmes ausaähen. Daraufhin
identificirt der Verfasser konische, aus platten, in eigen-
thümliclier Weise zerschlagenen Steinen gebildete Hü-
gelgräber, die sieb in der Sahara Anden und Keschern
oder Dschcddar von den Arabern genannt werden, mit
den Dolmen und den bekannten grossen, aus gehauenen
Steinen gebildeten Grabdenkmalen , wie das sogenannte
„Grab der Christin41 bei Algier.
Holland.
H. Hartogh. Heys van Zouteven. — De *voorhi-
atoriache Mensch in Amerika. 52 S. Holzschnitte.
Nach einer Uebersicht der Funde von Nord- und
Südamerika geht Verfasser besonders auf die höchst
merkwürdige Thatsache ein, dass sich auf den Hainen
von Paieuque Basreliefs finden, weiche offenbar elephan*
tenartige ThlttfC darstellen. Namentlich zwei vom Ver-
fasser gegebene Abbildungen (nach Waldeck's Werk
Monuments ancietu du Mexiqun et du Yucatan) sind
unverkennbar durch Rüssel und Schlappohren. Da nun
iu Amerika kein« «lephantenartigc Thier« mehr Vor-
kommen, so schlieast Verfasser, dass den Erbauern sol-
che bekannt gewesen «In müssen, das Volk also wahr-
scheinlich das Mastodon kannte. Mir fallt dabei auf.
dass die Stosazähnc fehlen.
Italien.
Giuseppe Bellucci. Avanzi dell* epoca preisto-
rica doll’ uomo nol territorio di Terni. Milano
1870. (Atti della Societa italiana di scienze nn-
turali, Vol. XIII, faac. II, 1870.)
Cultumchicht un der Basis des Monte S. Angioto, in
der Nähe der berühmten Wasserfalle, in l'/f bis 3 '/*
Meter unter der Oberfläche, grossentlieils aus Küchen-
abfüllcn bestehend; rohe Topfscherben, Fragmente un-
ge»chUftem*r .Stein -Instrument«, zersth (»geile und etit-
marktc Knochen , einige zerbrochene Instrumente aus
Hirschhorn; Kohle und Asche. Im Hoden der Ebeuo
von Temi dagegen, wo früher der Velino flow, finden
sich mehre Cul tu (Schichten über einander — über dem
Lehm römische Gefssse, Münzen, Bronzen; darunter
roh« Topfscherben , Bronze und Eisen, fein gearbeitete
Feuersteinuie&ser und Knochen von l!au»thicron.
Giancarlo Conoatabilo. Dei monumonti di Pe-
rugia etrusca e romana. Perugia 1855 — 1870,
4 Vol. Atlaa von 108 Tafeln.
Folice Fitnsi. Di alcuni recenti atudi intorno all’
archeologia etrusca. Firenze. Separatabdruck aus
dem Septeraberhefte der Rivista europaea. Ana-
lyse der Werke von Conoatabilo und Gozzadini-
Giorgio P. Marsh. L’Uomo et la Natura; Os&ia
la superficie terreslre modifurata per opera dell'
uomo. In 16°. 650 p. Firenze, Barbara.
Nordamerika.
Charlos C. Abbott. Aboriginal relie from Tren-
ton, New-Jeraey. (American Naturalist, Vol. IV,
August 1870, pag. 380. Holzschnitt.
Eigentliümlich geformter, gebohrter und geschlifleuer
Grunstein , der beim Ackern in der Erde gefunden
wurde.
Digitized by Google
367
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Edward. E. Chever. The Indians of California.
{American Naturalist, VoL IV, May 1870, p. 129.)
Mil Holzschnitten gezierter guter Aufsatz über das
Leben dieser Indianer, ihre Wohnungen und Werkzeuge,
deren Verfertigung und Gebrauch einiges Licht auf die
Werkzeuge der »Steinzeit wirft.
J. W. Poster. On the Antiquity ofMan in North
America. 40 8., 6 Tafeln, Holzschnitte. Separat-
abdruck aus den Verhandlungen der Chicago Aca-
demy of Sciences
Der bekannte Schädel tou Californien, ein geschliffc-
ne* Stein-Instrument von dort aus 30 Kuss Tiefe ; Korb-
gedecht aus Binsen in Louisiana zwei Kuss unter Kle-
[ihantenknocheii; menschliches Becken im Lös« bei
Natchez; beim Mastodon-Skelet im Osage-Thal, das jetzt
im British Museum aufgestellt ist, fand Dr. Koch Kohle
und Feuersteinlanzen. Mit dem Menschen lebten also
in Amerika der Klephant (K. americanus), das Mastodon
(M. giganteum), der grosse Biber (Castoroides Ohioensis),
da« Mrgathenum, Megalonyx etc. Aus späterer Zeit;
der Schädel von New -Orleans, von Dow Irr bekannt
gemacht. Dann kamen die ilügelbauer (Monnd-buildersh
die Ausiedlungen beuusen , Mais bauten , Stein - Instru-
mente fabricirten, das natürliche Kupfer bearbeiteten,
Handel trieben, Gew'ebe strickten und Senlptnren ans
Thon machten , die von einem ziemlich ansgebitdeten
Kunstsinn zeigten. Besonders interessant ist ein Gv-
faas, einer Feldflasche ähnlich, das einen Kopf und
Hals darstellt (Tafel 22, Fig. 1 und 2). Der Kopf zeigt
du Profil einer europäischen Bäuerin mit etwas aufge-
stülpter Spitznase, aber durchaus Dicht das eines India-
ner». Eine andere Statue stellt einen knieenden und
geknebelten Gefangenen dar. Beide Gegenstände ge-
funden etwa 7 Meilen von Beimont in Missouri. End-
lich erwähnt Koster noch die Küchenabfalle an der
atlantischen Küste.
J. W. Poster. Deecriptions of certain Stone and
C-opper implemente ueed by the Mound-Buildere.
Dem vorigen Artikel angeheflet.
Geschliffene und meist an dem einen Ende durch-
bohrte längliche Perlen von Spiegeleisen; Messer, Lan-
zen and Pfeilspitzen , Ahle und Mcissel von Kapfer*
Die Aexte den ursprünglichen Steinbeilen ähnlich.
J. J. H. Gregory. Indian stone implements. (Ame-
rican Naturalist, Vol.IV, October 1870, p*g. 483.)
Sucht aus den Fundstätten die Gründe darzulegen,
weshalb man an manchen Orten viel« in der Fabrika-
tion zerbrochene Werkzeuge finde (Atelier«), an anderen
nicht. Die Steinäxte seien offenbar die Modelle der
spiitereu MetaJIäxte gewesen.
J. P. Joffrios. The Natural History of the human
race«. (Illust. Roy. ln 8®., 360 pag. New York.)
E. G. Squier. Observation« of a colloction of
Chalchihuitls from Mexico and Central America.
(American Naturalist, Vol.IV, May 1870, p. 171.)
Mit dem obigen, lumussprecblivhcn Nauien bezeichnet
man geschnittene Steine, meist au« grüner Jade, -die
von den alten Völkern berstammen, welche Mexiko und
Centralamerika bewohnten. Der Charakter der Figuren
und Ornamente stimmt mit denjenigen der Sctilpturtn
von Palenque überein.
Russland.
G. von Helmersen. Studien über die ßtu-
des sur lee blocs erratiquee et les formations di-
lu viennes de la Kussie. Gr. in 4®, IV — 136 pag.,
avec 10 pl. lith. Saint- Pötersbourg 1869, Leip-
zig Voss.
Schweiz.
E. Desor. Souvenirs du Dänemark. Le Congres
anthropologique et prehistorique de Copenhague
en 1869. (Conference faite k la Sociötä d’utilitö
publique de NeufchAtel. Bien ne 1870. In 8®.
32 pag.)
Ferdinand Keller. Helvetische Denkmäler. II.
Die Zeichen - oder Schalensteine der Schweiz.
Zürich, Höhr, 1870, 4®. 20 8., 5 Tafeln.
Findlinge mit rundlichen , unregelmässig gestellten
Vertiefungen , die mit Feuerstein Werkzeugen ausgehüblt
scheinen und selten mit Kinnen combinirt sind. Die
Steine sind nicht künstlich aufgestellt — mail hat nie-
mal« etwas in ihrer Nähe noch unter ihnen gefunden.
Nach Keil er 's Ansicht haben die Schalen an sich
keine Bedeutung und nur den Zweck, den Stein als
monnmentalen zu bezeichnen. — Ich muss gestehen,
dass ich den Wildenstein (Pierre des serritgto») bei St.
Luc im Val d'Annivier«, der auch Tafel IV nbgebildet
ist und den ich wohl zehn Mal untersucht habe, nicht
für ein Kunstproduct halte, sondern glauben muss, dass
die napffönuigen Vertiefungen durch Verwitterung von
Eisenkies entstanden sind. Keller vergleicht dieSculp-
turen der Dolmen etc. mit diesen Denkmälern.
Alphonse Favre. De l’existence de Thomme ä
l’epoque tertiaire. (ArchiveB de« «cieoce« de 1&
Bihlioth. universelle, Fevrier 1870. Materiaux,
2,lfl Serie, A%*ril 1870, pag. 172.)
Kesume der bekannten Thatsachen. Die Kiesel von
Thenay könnten durch die Einwirkung der Sonnenhitze
gesprungen sein. Aehnliches Zerspringen hätten T>e-
aor, Escher und Fraas in Algerien und Aegypten
beobachtet.
Edmund Follonborg und A. Jahn. Diü Grab-
hügel bei Allen lüften (Conto» Bern). Zürich 1870,
4*. 16 S., 3 Tafeln.
Sehr genaue Untersuchung zweier Grabhügel aus der
älteren Eisenzeit, di« Reste «ine» Wagens, eiserne Be-
schläge, Bmnsegegenstände und schön gearbeitete Gold-
bleche lieferten.
Digitized by Google
368
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Albr. Müller. Die ältesten Spuren des Menschen
in Europa. Basel 1871.
Populärer Vortrag, ein gute«, gedrängte« Resume
enthaltend.
Homi de Sausaure. La grotte du 8ce prüs Ville-
neuve. Station anissu du Renne. (Archiven des
Sciences de la Bibliotheque universelle. Juin 1870.)
Uerr Taillefcr, der schon die Rennthiergrotte von
Veyrier bei Genf entdeckte, fand eine andere bei Villa*
neuve. Menschliche« Skelet ohne Schädel unter einer
Decke von Macadam. Die Grotte mit durch Kalkinfil-
tration xnaamtncngehackenem Sand ansgefüllt. Darin
zerbrochene und entmarkte Knochen (200 bis 300 Stücke)
Fingerknocben und Schädclstücke vom Menschen, Renn*
thier, Steinbock, Bär, Fuchs, Alpenhaae, Adler, Schnee-
huhn — also dieselbe alpine Fauna wie bei Veyrier;
einige rohe Topfsicherbcn; Kratzer und Feuersteinmesser.
F. F. (Thioly). L’honime fossile en repnnse ä
THomme primitif de Frederic de Rougemont. Ge«
neve 1870.
Streitschrift gegen den bekannten frommen Verfasser.
F. F. Thioly. Note sur des sepultures de la pre-
tniero öpoque de fer dans le Valais. Indicateur
d’antiquitos suisaea. Zürich 1870. (Bulletin de
Tlnstitut national Genevois, Tome XVI. 21 S.,
6 Tafeln. Mat6riaux, 2d# Serie, Avril 1870, pag.
184.)
Steingräbvr ohne Erhöhungen dos Bodens- In der
Stadt Sitten selbst ein Kirchhof, beim Aasgraben von
Fundamenten aufgefunden. Die Gegenstände entspre-
chen den Funden von Hallstatt. Die Schädel gehö-
ren dem Typus von Sitten an.
F. F. Thioly. Un bracolet et porte - monnaie la-
custre avec figures, dans le Rame&u de sapin,
Fevrier 1870.
Spanien.
W. Mc. Pherson. The Woman’s Cave. Hoch 4°.
6 8., 9 Tafeln, 1 Photogr., Cadix.
In der Nähe der warmen Bäder von Alhama hei
Granada findet sich etwa 2500 Fass über dem Mfeh»
und 170 Kuss über dem Flusse Mnrchau eine Höhle,
la Cueva de la Mujer genannt. Der weite, Ton Feme
sichtbare Eingang macht sic zur Wohnung geeignet.
In der Nähe finden sich Sternwarten. Topfscherben mit
Henkeln und Linienverzivrungcn , eine vielleicht mit
einer Sonne (?h Steinmesscr, durchbohrte und zu Instru-
menten verarbeitete Knochen machen etwa den Kindruck
des Uebergangs zwischen Stein und Bronze. Doch
wurde kein Metall gefunden — dagegen ein mensch-
liches, nicht grosse« Stirnbein.
D. Juan Vllanova. Origen y antigüedad del Horn«
bre. (Plusietirs articles dans le Boletin- Re vista
de la Universidad de Madrid, 1869.)
Zum Schlüsse muss ich noch bemerken, dass mir eine russische Abhandlung zugekommen ist, die
nach den beigegebenen Figuren zu achliosscn, von Gesichtsurnen handelt. C. V.
n.
Anatomie.
(Von A. Ecker.)
Aeby. Der Bau des menschlichen Körpers mit
besonderer Rücksicht auf seine morphologische
und physiologische Bedeutung. Ein Lehrbuch
der Anatomie für A erste und Studirende. Mit
zahlreichen Holzschnitten. Leipzig 1869, 1. und
2. Lieferung.
Für den Anthropologen dürfte besonders die die Km>*
ch«*n lehre enthaltende erste Lieferung von Interesse sein
und in dieser wieder die auf zahlreichen eigenen Beob-
achtungen gestützte und durch treffliche Abbildungen
erläuterte Darstellung des Schädelskelets. Ob dieselbe
In gleichem Maa-we für den Unterricht angehender Mo-
dieiner zweckentsprechend sei, ist eine Frage, die wir
hier nicht näher zu erörtern haben.
Beddoe. On the headforin of the Daues. (Memoirs
oJ the Anthropological Society of London. London
1870, VoL III. S. 378.)
Die Untersuchungen sind nur an Lebenden angestellt,
und zwar an 28 Matrosen und •Schiffsleuten ; nebst der
Kopfform ist Aller, Statur, Karbe der Haare und Augen
angegeben. Mittel des Schädelindex 80 5.
Beddoe. 0n the stature and bulk of man in tho
British isles. Nebst einem Anhang: Stature and
bulk of the Irish. (Memoirs of the Anthrop. Soc.
of London. London 1870, Vol. III. S. 384.)
Beddoo. On tho physical clmractcrs of the iuha-
bitants of Bretagne. (Memoirs of the Anthrop.
Society of l<ondon. London 1870, Vol. III. S* 359.)
Biachoff. Lieber die kurzen Muskeln des Daumens
und der grossen Zehe. Mit 1 Tafel, 8°. (Sitzungs-
berichte der k. baier. Akademie der Wissenschaf-
ten 1870, I, 8, mit 1 Tafel.)
Ih«r Verfasser sucht aus der Anatomie der Affen das
Verhältnis« beim Menschen zum Verständnis* zu brin-
gen und unterscheidet an der Hund neben Abduc-
Digitized by Google
Verzeichnis:, der anthropologischen Literatur. 369
tor brevis und Opponent einen Flexor brevis mit
2 Köpfen i wovon der mediale jedoch schwach ent-
wickelt ist und, in die Tiefe gedrängt, als sogenannter
Interossrus I Auftritt, einen Adducfor obliquns und
truna versus; am Kuss, nebst Abductor, Flexor
brevis (zweiköpfig), Add nc tor (desgleichen).
BiachofF. Ueber das Gehirn oiues Chimpanse. Mit
3 Tafeln. (Sitzungsbericht der k. baier. Akade-
mie der Wissenschaften 1871, I, S. 98.)
Blake, Carter. Note ön the skull» found in the
round barrowsof the south of England. (Memoire
of the Anthropological Society of London. Lon-
don 1870, YoL OL & 114.)
I)er Verfasser bestreitet die allgemeine Gültigkeit der
Angabe von Thur na in, dass in deu Rundgrähern des
südlichen Englands die brachycephak* Schädel form vor-
wiege und meint, bevor man »ich einen Schloss erlau-
ben dürfe, müsst»* vorher eine viel grössere Anzahl von
Schädeln aus den Rnndgräbern sowohl als den I.atig-
gräberu gemessen werden.
Blake, Carter. Note on a »kull from the Cairn
of Get, Caithness, discorered by Joeeph Andereon.
(Memoire of the Anthropol. Society of London.
London 1870, Vol. UI. S. 243.)
Broadbent. On the cerebral convolutions of a
Deaf and Durnb Woman. Mit 2 Tafeln. (Journ.
of Anatomy and Physiology by Humphry and
Turner, 2. Serien, Nr. 6, London, Mai 1870.
S. 218.)
Broca. L’ordru des Primates, parallele anutomtque
de l'liomme et des.Singes. Paris 1870, 8°. 176S.
mit zahlreichen Figuren in Holzstich. (Separatab-
druck aus den Bullet, de laSoc.d’Anthrop. de Paris.)
Brühl. Myologi scheu über die Extremitäten des
Chirapanse. — Junges $ Exemplar, 2' hoch, mit
noch sammtlichen 20 Milchzähnen. (Wiener me-
dicinische Wochenschrift 1871, 8. 3 und ff.)
Busk. Description of and remarks upon an an-
cient calvaria from China which hae been sup-
poaed to be that of Cotifacius. (Journal of the
Ethnological Society of London, Vol. II, Nr. 1,
April 1870. S. 73 mit Tafel XL)
In der Industrie - Ausstellung von 186‘J fnnd sich in
der chinesischen Abtheilung unter deu Goldschmieds*
und Juwden&rbeiten eine reich in Gold und Juwelen
gefasste, mit Schriftzeichen versehene menschliche Schä-
deldecke (beschrieben und gbgcbildet in Waring Dia*
sterpicces of industrial art, Vol. 111, pag. 291), die aus
dem kaiserlichen Sommerpalast in China stammen »oll.
I>er Schädel ist dolichoccphal und von dem chinesischen
Durchschnittaschädel sehr verschieden. Es liege kein
Grund vor, an/unehmen, dass derselbe etwas mit Con-
fucius zu thun habe.
Clason. Om Menniskohjernans vindlar och firor i. c.
Ueber die Windungen und Furchen des mensch-
lichen Gehirns, mit 2 Tafeln, 8°. «Upsala 1868 !).
(Aftryck ur Upsala Univereiteta Areskrift.)
*) Diese Schrift, welche die Jahreszahl 1868 trägt,
ist erst im Juli 1870 und zwar durch den Autor selbst
zu meiner Kenntniss gelangt.
Archiv (Ur Anthropologie. BJ. IV*. Heft IV.
Cloland. An inquiry into the variatious of the
human skull , particularly in the antero-posterior
direction. Mit 10 Tafeln, 4*. (Separatabdruck
aus den Philosophien] Transactions 1870.)
Henaol. Die Schädel der Coroados, mit 1 Tafel.
(Zeitschrift für Ethnologie, 11. Jahrgang, 1870,
Heft 3, S. 196.)
Humphry. A case of assymetry of tho two halves
of the body. Mit 1 Tafel. (Journal of Anatomy
und Physiology by Humphry and Turner, 2. Se-
rie«, Nr. 6, London, Mai 1870. S. 226.)
Jensen. Die Furchen und Windungen der mensch-
lichen Grosshirn-Hemisphären. Mit 1 Tafel. (Se-
paratabdruck aus der Zeitschrift für Psychiatrie.
Band XXVII. Berlin 1870.)
Kleinwächter, Dr. L. Schädel aus einer alten
Grabstätte in Böhmen, beschrieben und gemessen.
Prag. Selbstverlag des Vorfassere, 8°.
Derselbe wurde in einer heidnischen Grabstätte in
der Nähe der. Stadl Naaz gefunden und gleicht den von
Weisbach im Archiv für Anthropologie (Ild. II, S. 285)
vom gleichen Fundort besehrieb« ne n dolichoccplmlen
(RetlieNgräber-)Schädcln, abertrifft dieselben aber noch
im Punkt« der Doliehocephalie.
Kopernicki. Anatomiczno-antropologiczno postrzt*-
zenia uad Murzynem i. e. Anatomisch-anthropo-
logische Beobachtungen an einem Neger. Krakau
1870, 8°.
Ali Mardschjar , 35 Jahre alt, Hciiuuth unbekannt,
wahrscheinlich Darfur »der Kordofau, wurde als Kind
in Constautinopel gekauft, starb im Spital zu Colza.
Grösse 1*61 Meter. Farbe «ohwärzlich-ehoeoladenbraun
(Farbentabelle der Pariser Anthropologischen Gesell-
schaft, Nr. 41 — 48), hii einigen Steilen (Rauch, Nabel,
Gesclilechistheile) viel dunkler (Nr. 48), Scrotum und
Penis ganz schwarz, an den Weichen viel heiter (Nr.
43 — 37), II and flache und Fuauohlc lichter. Am Thorax
und den Extremitäten fanden sich kleine Narben und
von diesen waren die ältesten so schwane wie die um-
gehende Haut, die neueren blasser. Kopfhaare: Wolle.
Von den Muskeln wird erwähnt, dass weder die Mas-
sel eren dicker und runder noch die M. stylohyoidei
weniger entwickelt waren, wie dies Somme ring uud
Serres behaupteten. Das ganze Gehirn hatte ein
Gewicht von 1105 Grm., das grosse Gehirn von 955
Grm. (rechte Hemisphäre 480, linke 475 Grm.), Cere-
beltum mit Pons, und Med. obl. 150 Grm. Die Farbe
der grauen und weissen Substanz unterschied sich durch-
aus nicht von der des Gehirns einer wallachischen Frau.
Der Verfasser bestätigt die Beobachtung von Sömme-
ring, dass die Nerven des Negers im Verhält-
nis zur Masse des Gehirns dicker sind als die
des Weissen. Hiervon machten nur eine Ausnahme der
Opticus, Trochlearis, Acusticus, Accesaorius, Hypoglus*
«us, l'lnaris, Saphenus und Peroneus, welche bei beiden
(zur Vergleichung diente der Körper eines Wallachen
von ganz gleicher Giöase und Beschaffen heit) gleich und
der N. facialis, der beim Neger dünner war. Der
Kehlkopf weniger vorragend, mehr von weiblicher
Form*). — Nabel tiefer gelegen als gewöhnlich (18
*) Die Beobachtungen von D. Gibb (Archiv für An-
thropologie, Bd. II, 8. 109) waren dem Verfasser, wie
es scheint, nicht bekannt.
47
Digitized by Google
370
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Ccntim. vom l*roe. xipb. , IS Ccntim. vom Os publs).
Gesell lccbtstheile: Sc rotuni ganz schwant, Pen!«
Iieschnitteit, ungewöhnlich dick und lang; im hcrabhäii-
gendcn Zustand muss er 14 Centint. auf 31/* bis 4%
Cent im. Dicke; im erigirten war er 17% Ccntim. lang,
4 bis 5Va Centim. dick; Kielte! breit, tonisch; Bulbus
urethrae gross, Muskeln des Penis sehr stark. Ohr von
mittlerer Grosse, wenig vorragend, langer als breit,
Ohrläppchen wenig getrennt; Muskeln wohl entwickelt.
Am Auge keine Spur von N’ickhaiit; an der Sclerotica
rings um die Cornea ein 1 */j Meter breiter schwärzlicher
Streifen. Die lin ml im Verhältnis« zur Statur ziemlich
klein, Finger im Verhältnis« zur Handfläche lang, die Zwi-
schenfingerfalte (wie von van der lloeven beobachtet)
länger als beim Kumpiitr, reicht bi» sm Zweidrittel der
Länge der Grundphalanx. F«SS ziemlich breit, nicht
so platt, wie sonst bei Negern, Ferse nach hinten nicht
auffallend vorragend; grosse Zehe entschieden kürzer
als die zweite.
Langer. Negeraehüdel mit überzähligen Zähnen.
Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft
in Wien, I. Hand, Nr, 5, 16. Decemher 1870.)
Langer erwähnt die von Söm inering und M mo-
nier jr beobachteten Fälle und beschreibt eitlen weitern,
in welchem 5 überzählige Zähne an einem Negerschädel
sich finden. In beiden Kiefern finden sich jederseits
anstatt 3, 4 Mah’.zähne; die letzten in der Ueihe (eben
die überzähligen) sind etwas kleiner. Der 5. überzählige
Zahn ist ein Backenzahn, der sich im linken l'nterkiefer
median wärt« an der Spalte zwischen den beiden norma-
len Backenzähnen befindet.
Langer. Ueber Geaicht&bilduug. (Mittheilungen
der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, I. Bd.,
Nr. 8, 28. Mai 1870, S. 47.)
Von dem Satz ansgehend, dass alle individuellen und
Hacenuntcrscliicde Wachsthums-Mudilicationen sind, ver-
folgt der Verfasser zuerst den typischen Hergang in der
Bildung des Knochengerüstes des Gesichts, indem er
Mann und Neugeborenen vergleicht. Aus dieser Unter-
suchung ergiebt sich, dass das Gesicht in allen Dimen-
sionen mehr zunimint als der Hirnschädel, am meisten
in der Hohe, weniger in der Breite, am wenigsten in
der Tiefe. Die Höhe betreffend, so nimmt das Wachs-
tbum von oben nach unten zu, insbesondere wächst die
Breite unten mehr als oben , lateral w ärt* mehr als in
der Mitte und auch in der Tiefe wächst das Gesicht
unten am meisten. Darauf betrachtet der Verfasser die
Variationen und ihre morphologische Deutung. Die
Höhe betreffend, so ergab sich, «lass auch hier, in Be-
treff der Proportionen innerhalb dieser, die normalen
Waehstbums verhält niste maassgebeud sind, so dass, je
länger das Gesicht, desto kleiner im Verhältnis» die
Höhe der Augenregion , desto grösser die Miindregion,
desto grösser der Abstand der Augen- und Mundspalte.
In Betreff der Gesichtsbreite macht Langer die
Bemerkung, dass dieselbe weit mehr vom Schädel (so-
wohl Stirnbreite als Basisbrette) abhänge als von der Breite
der Kiefer. Maximale Jochbeinbreiten kommen z. B. nie
zusammen vor mit kleinen Stirnbreiten und ein schma-
ler Unierkicfrrwinkelahstand und ein in Folge davon
scharf zugespitztes Kinn lasse immer auf eine schmale
Schädelbasis schliossen. In Betreff der zahlreichen ein-
zelnen Angaben über das Profil müssen wir auf den
sehr lesciiswerthen Aufsatz selbst verweisen.
Lombroso. Eeiatenzn di unn fossa occipitale me-
diana ad cratiio di un cnminalo. (Archivio per
PAntropologia e la Etnologia, I, 1. S. 63.)
An diesem Schädel fehlt die Crista occipitulis interna
und von der Crista transversa läuft jederseits neben der
Protuberantia occip. interna eine Knocbenleiste herab.
Die beiden Leisten, anfangs parallel , dann divergirend,
verlieren sich gegen den hinteren Umfang des Kommen
niaguuw hin und sohliebsen eine 23 Mitlim. breite, 34
Miliim. lange und 11 Milliro. tiefe Grube ein. Aeus-
serlich war ander betreffenden Stelle eine entsprechende
Krhölmng wahrzumduuen, «u w elcher der Knochen »ehr
verdünnt erschien. Lombroso bemerkt, du** sich we-
der beiRurkovv, noch Otto, noch Heul« ein Beispiel
dieser Anomalie erwähnt linde und weist darauf hin,
dass dieselbe wohl mit einer Entwicklungshemmung de«
Ccrcliellum In ursächlichem Zusammenhänge stehe, bei
dem zwischen der 16. Woche und dem 6. Monate der
Wurm im Verhältnis« zu den Hemisphären vorwiegend
entwickelt sei. Der Schädel der Lemuren zeige dieselbe
Anordnung, nicht aber der der höheren Affen.
Mantegazza. Dell’ indice eefalo-spiiiale. (Archi-
vio per PAntropologia et la Etnologia, I, 1. Fi-
renze 1871. 8. 40.)
Der Verfasser untersuchte an 30 Schädeln verschie-
dener Kaceu, 10 trachycepbaten , 10 mesoceplialcu, 10
dolichoccphalen: 1. Das Verhältnis« zwischen In-
dex des Foramen magnum und Schädeliudex
(Index des For. magn. = Verhältnis« zwischen Länge
und Breite). Um das Verhältnis« anschaulich zu ma-
chen, stellt Maiitcgazza in einer ersten labeile diese
30 Schädel nach dem Scbädelindex, der von 91*8 bi* 65*7
variirt, auf, in einer zweiten nach den» Index des Ko-
mmen magunui , der von 93‘3 bis 69° wechselt. Di«
Reihenfolge in beiden Tabellen ist nun keineswegs die
gleiche; so z. B. steht Nr. 30 (der letzte) der ersten
Tabelle, in der zweiten schon unter Nr. 14. 2. Ver-
hältnis* zwischen Circum fereuz des For. occip.
und Capucitit de» Schädel*. Während dieses Ver-
hältnis», letztere = 100 genommen, bei Affen zwischen
42 und 22 schwankt, wechselt dasselbe beim Menschen
nur zwischen 9 und 5 (3 bei einem Hydrocephaios).
Mantegnzza ist der Ansicht, dass die Zahlen 6 bis 7
(als Ausdruck des genannten Verhältnisses) einer der
um meisten constant$n menschlichen Charaktere »ei, der
den Menschen von den anthropoiden Aö'en und um so
mehr von den übrigen Säugetliicreu scharf trenne. 3.
Messung des Lumen de« For. occi|fttale; dos
Verhältnis» dieses M Hasses zur Uapacitüt des Schädels
bezeichnet Mantegazza als Iudex cephulospinali*
und betrachtet es als den Ausdruck des Verhältnisses
zwischen Rückenmark und Gehirn. Im Mittel beträgt
dieser Index hei 100 menschlichen Schädeln 19*19
(von 40 ^ Schädeln 18*48, ÖO o* Schädeln 19*66),
Ml n im um 13*49, Maximum 26,94. Unter 8 Schä-
deln anth ropomorpher Affen war die höchste Zahl
8*36 bei einem jungen Gorilla.
Mantegazza. Unn nota Süll’ iudice oefalo-spinale.
(Archivio per PAntropologia et la Etnologia, I, 1.
Firenze 1871. S. 59.)
Meynert. Ueber Unterschiede im Gehirnbau de«
Menschen und der Säugethiere. (Mittheilungen
der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1. Bd.,
Nr. 4, 16. September 1870, S. 79.)
Der Masse nach bilden beim Menschen die Hemi-
sphären 73°, das Stainmhirn 10 ö, das kleine Hirn
10*5 de« ganzen Hirngewichts. — Zun» Verständnis« der
Form unterschiede weist der Verfasser zunächst auf
die Entwicklung der Hemisphären blasen hin und den
an diesen iin.-enförmigen Hohlknospen w'ahmehmhtmi
Gegensatz einer äussern schildförmigen, convexen und
einer Innern ringförmigen Fläche. Dieser (den Stiel
umgebende) Ring zerfällt in einen hintern Halbriug (Bo-
371
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
gen Windung) and «inen schwachem vordem I Riech lap-
pen). ln Uciu| auf die relative Entwicklung dieser
beiden Flachen stehen sich einerseits Mensch und Allen,
andererseits die übrigen Siugethiere gegenüber, indem
bei letzteren die innere Oberfläche sich überwiegend
entwickelt, so dass Kiechlappen und Bogen windung von
aussen sichtbar werden, an erstem die äussere , die
eigentliche Hemisphärenoberflüche mit ihren Windungen-
Das Stirnende der G rosshirn lappen , also der unter der
Stirn liegende Theil wird bei beiden Gruppen von ver-
schiedenen Gehimthcilen gebildet. Die äussere convexe
Fläche erhält nun durch Verwachsen der Mitte mit
dem Liu«ch kern ebenfalls die Gestalt eines Halbrings,
und es bildet sich so Insel- und Irwindungsbogen. Wie
nun beim Menschen die Halbkugeln über das ganze Ge-
hirn, die äussere Fläche derselben über die innere, so
überwiegt im Bereich der itissern Fläche die Gegend
der Insel über die übrigen. Mevnert führt als einen
weiteren Grund dafür, dass hier der Sitz des psychi-
schen Sprachvermogens zu suchen sei, auch noch an,
dass das Pferd — dem man eine grössere receptive
Befähigung in dieser Richtung zuschreihen dürfe, ande-
ren Saugethieren gegenüber eine besser entwickelte In-
sel besitze. Durch das Auftreten der Centralspalte wird
dann bei der anthropoiden Gruppe das Stirnhim abge-
grenzt, das beim Menschen 42° der ganzen Hemisphäre
«us macht, und dessen Km Wicklung mit dem des Linsen-
kenis und des Xucleus isudatu* gleichen Schritt hält.
(Linsriikern , N'nclen» caudatus und Insel bilden zusam-
men beim Menschen hfl0, Affen 40°, Roh 33" des Statu m-
liirns). In diese Gebiete setzt Meynert den Sitz der
von Erlernung und Erfindung beherrschten bewussten
Bewegungen (der Arbeit) und findet es in dieser Be-
ziehung bezeichnend, dass mitten unter den Sängethie-
ren wieder bei einem Thiere, das sich durch seine me-
chanische Geschickliclikeit auszeiebne, nämlich beim
Klephanten eine Centralspalte und Abgrenzung des
Stirnhirns auftrete. Auch innerhalb des menschlichen
Geschlechts bestehen in dieser Richtung bekanntlich Un-
terschiede und Meynert ist geneigt, die Begünstigten
als Arbeitsvolker zu bezeichnen. In Betreff der Basis
des Gehirns weist Meynert insbesondere auf die fol-
genden Unterschiede hin. 1. Die überwiegende Ent-
wicklung des Kusses über die Haube der Hirnschenkel
(Kuss zu Haube beim Menschen = 1:1, Affe =1:3,
Keh = 1 : t»), die damit zusammenhängt, dass der er-
ster« die bewussten B«weguug»impiil»« leitet. 2. Die
Höhe des Pott» Varoli beim Menschen, ihm Niedrigkeit
bei den Saugethieren- 3. Das durch geringere Ent-
wicklung der Brücke bedingte Auftreten oder Blowlic-
gen de« traprxoidcn Körpers bei letzteren. 4. Die
starke Entwicklung und das äusserliche Hervortreten
der Oliven beioi Menschen. Alle diese Eigenthümlicb-
koiten stehen, wie der Verfasser nach weist, in innigem
Zusammenhang mit dem Entwicklungsgrad der Hemi-
sphären; «eine harmonische Abhängigkeit1*, —
so drückt sich der Verfasser aus, — „von den auf
der höchsten Stufe des Organbaues stehenden
Grosshirnhalbk ttgelu durchklingt alle Stufen
desselben“.
Meynert. Ueber die Methode der Gehirnwägun-
gen. (Mittheilungen der Anthropologischen Ge-
sellschaft in Wien, I. lid., Nr. 5, 17. Deceraber
1870. — Vergl. auch: Vierteljahrsscbrift für Psy-
chiatrie von Leidesdorf und Meynert. Neuwied
1868.)
Gicht die Schnitte an, durch welche am zweckmässig-
sten die mehr selbständigen Gehirntheile zum Zwecke
isolirter Wägung von einander getrennt werden. Mey-
nert trennt zunächst Kleinhirn, Gehirnmantcl und
Staramgebivt, den Gehirnmantel wieder in Stirn-, Schei-
tel-, Hinterhaupt- und .Schläfenlappen; das Stammte-
hlet in Stammiappen, Nehhiigel, Vierhügelgegend, Brücke
und verlängertes Mark.
Quain’s Lehrbuch der Anatomie. Deutsche Origi-
nalausgabe, nach der siebenten von Shnrpey, Al-
lan Thomson und John Clelund besorgten Aus-
gabe des Originals, bearbeitet von C.E.E. H off-
mann. Erlangen 1869, I, 1, 2.
Die bekannten Vorzüge dieses englischen Werke.« sind
in der Bearbeitung von Hoffman n durch sorgfältige
Benutzung der deutschen Literatur noch erheblich ver-
mehrt.
Stieda. Zur Anatomie des Jochbeins des Menschen.
(Reicheres und Du Boi* - Reymonds Archiv für
Anatomie etc. 1870, S. 112.)
Bestätigt di« Annahme, dass der Processus luargina-
11» keine Kacen — sondern nur eine individuelle Eigen-
thüinlichkcit ist.
Virehow. Menschen- und AfTensehädel ; mit 6 Holz-
schnitten. (.Sammlung gemeinverständlicher wis-
senschaftlicher Vorträge von R. Virehow und J.
von Ilol zendorff, IV. Serie, Heft 96. Berlin
1870, 8«)
Treffliche Darstellung der Verhältnisse; der Microce-
phale ist auch für Virehow ein durch Krankheit theil-
Weiso veränderter Mensch aber kein Affe.
Wake. The physical characters of the Australian
Aborigiue«. (Journal of Anthropology. London
1871, Nr. III, January.)
Weiabach. Die Schädelform der Rumänen, mit
3 Tafeln, 4r>. (Separatabdruck aus den Denk-
schriften der kaiserl. Akademie in Wien 1869,
XXX. Band.)
Der Verfasser fasst am Schlüsse die Resultate seiner
Untersuchung folgenderiuuasscii xusaatmen: Der Schä-
del der Rumänen besitzt hei mittlerer Grusse seiner
Höhle und nicht starkem Knochenbau «in« ausgespro-
chen hoch- braehyceplutle , gegen die Stirn« und Basis
wenig verschmälerte Form und io sagittaler und eoro-
n«ler Richtung eine starke Wölbung; »ein Vorderhaupt
ist breit und kurz, in sagittaler Richtung sehr stark
gewölbt und hat sehr weit auseinander liegende Stirn*
höckcr; sein ebenfalls sehr breites nnd kurzes Mittel-
haupt hat breit« flache Seitenwaudbeine , hoch nach
oben und weit auseinander gerückte Scheiteihöcker und
«inen in querer und schräger Richtung stark gewölbten
Scheitel, der nach vorn nur wenig sich verschmälert,
niedrige Schläfenschuppen und eine lange flache Seiten-
wand ; das breite Hinterhaupt ist hoch, durch stine
Abflachung in jeder Richtung ausgezeichnet und von
einem kurzen Zwischenscheitelhein aber einem langen
Keceptaculum gebildet. Die Schädelbasis ist lang, gross
und breit mit grossem, sehr breitem rundlichen Fora men
rnagnum, weit auseinander liegenden Foramitta stylo-
mastoidea und nahe aneinander gerückten Foramina
ovalia. Gesicht auffällig durch die geringe Höhe, da-
für aber sehr breit; nach unten und oben von den sehr
stark gebogenen Jochbeinen bloss wenig verschmälert,
im Ganzen «Iso mehr gleichroässig breit; Nasenwurzel
sehr breit; Augenhöhlen klein, niedrig und seicht;
Choanen klein, schmal; Gaumen kurz, sehr breit; Un-
terkiefer klein, flach gekrümmt, mit kleinen, breiten
Digitized by Google
372
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
aber stark geneigten Arsten. N’orma verticalis breit
und rundlich-oval, Schläfen stark, Hinterhaupt schwach
gewölbt; Norma occipitali* rundlich bis abgerundet
fünfeckig.
Weißbach. Die Supraorbital Windungen des mensch-
lichen Gehirns. Wiener medicinische Jahrbücher,
XIX. (Wiener Zeitschrift, XXVI, 2 u. 3), S. 88.
m.
Ethnographie und Reisen.
Allgemeines.
(Von Frladr. von Hollwald.)
Acton, Will. Prostitution considered in its Mo-
ral, Social and Sanitär}' aspects. London 1870,
8*. 2. edition.
Ahrens, H. Naturrecht oder Philosophie der
Rechte und des Staates. Auf dem Grunde des
ethischen Zusammenhanges von Recht und Cultur.
Wien 1870, I Bd.
Andree, Karl. Zur Kennzeichnung der Mischlinge
aus verschiedenen Menschonracen. (Globus, Bd.
XVII, S. 9 — 13, 106—110.)
Sehr Icsenswcrthc Darstellung des Beweises, dass die
Natur die Hybridität der Mensehenracen nicht begün-
stige; Mischlinge sind kein harmonisches Produkt. Ks
ist ferner ein reiner Wahn za glauben, dass die Civili-
sutiun mächtiger sei als di« Natur.
Anfänge, Die, der menschlichen Gesittung. ( Aus-
land 1870.) 1. In der vorgeschichtlichen Zeit,
Nr. 9. 2. In der Gegen wurt bei wilden Völkern,
Nr. 10.
Anfänge, Leber die, der geistigen nnd sittlichen
Entwicklung des menschlichen Geschlechts. (Aus-
land 1870, Nr. 44.)
August, Otto. Die sociale Bewegung auf dem Ge-
biete der Frauen. Hamburg 1870, 8*.
Besprochen im; «österreichischen« teeonomist 1870,8.76.
Baltzer, Ed. Das Buch von der Arbeit oder die
menschliche Arbeit in persönlicher und volks-
wirthschaftlicher Beziehung. Nordhausen 1870,
8». 199 &, 2. \ ui!.
Blind, Karl. Noch etwas über den Tanz in alter
Zeit („Neue Freie Presse*, Nr. 2010, 3. April
1870, Morgenblatt.)
Boltz, August. Das Fremdwort in Beiner cult ar-
historischen Entstehung nnd Bedeutung. Berlin
1870, 8».
Dies Scbriftchen ist der Abdruck eines Vortrags, den
der bekannte .Sprachforscher seinerzeit zu Wiesbaden
gehalten hat. In historischen Zügen «teilt es dar wie
die Völker die Erzeugnisse des Bodens, der Gewerbe etc.
und folglich deren Benennungen von einander entlehnt
haben, nnd wie solche Vorgänge sich noch täglich fort-
setzen. Aus dem wirklichen und w Ähren Bedürfnis*
entwickelt es, welche Art von Fremdwörtern nuthwen-
dig und der Einbürgerung wertb, welche als überflüs-
sig und entbehrlich zu vermeiden sind. In detu Büch-
lein ist ein reicher Inhalt zusammengedrängt, fast in zu
grosser Fülle für den beschränkten Kaum.
Buneen, ErnBt v. Die Einheit der Religionen im
Zusammenhänge mit den Völkerwanderungen der
Urzeit und der Geheimlehrc. Berlin 1870, 8*.
2 Bände.
Cannibalisraus der vorhistorischen Höhlenbewoh-
ner. (Ausland 1870, Nr. 7.)
Cannib&lismuB. Nochmals über den Cannibalis-
wus der ältesten Menschenrocen. (Ausland 1870,
Nr. 21.)
Kurze, der französischen Zeitschrift Los Mondes ent-
nommene Notiz des Professor 8p ring.
Caxenove, Ldonce de. La guerre de rhumanite
au XIX“* siede. Paris 1869, 8*.
Cox, George W. The Mythology of the Aryan
Nation s. London 1870, 8°. 2 Bde.
Die Namen der griechöchen Mythologie existirten tu
ihrer Mehrzahl vor der Trennung der arischen Stämme;
auch der Ursprung mythischer Personen ist in jener
Urzeit zii linden. Cox glaubt an einen gemeinsamen
Ursprung der europäischen Mythologien und hält die
Sprache der Vedas für ihre gemeinsame (Quelle. Der
Sonuenmythos wird durch Cox umständlich erklärt,
doch blribt immerhin die Frage, ob demselben nicht
etwas Zwang aiigethnn sei. Eine ausführliche Anzeige
dieses Werkes siehe im Globus, Bd. XVIII, 8. 185—
18h, 200—202.
Europäus, D. E. D. Die Stammverwandtachalt
der meisten Sprachen der alten und australischen
Welt. Die Zahlwörtertabelle, I. St. Petersburg
1870.
Franta, Const. Die Naturlebre des Staatesais Grund-
lage aller Staat* Wissenschaft. Leipzig 1870, 8#.
Digitized by Google
Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 373
Versuch die Staatswisserischaft auf die Naturlehre zu
basiren. Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen
Zeitung*4 1870, Nr. 250.
Frauenfrago. Die Frauenfrage in den verschie-
denen Culturländern. (Unsere Zeit 1870, I. S.
542.)
Recht gute ausführliche l'ebersicht des Stadiums, in
welchem sich dermalen diese Frage in den verschiede-
nen Ländern befindet, jedoch ohne jedwedes A »lehnen
an einen anthropologischen Hintergrund; der Autor ist
demnach für die Kmancipation der Krauen.
Fröbel, Jul. Die Wirthschaft dos Menschenge-
schlechts. Leipzig 1870, 8*. I. Theil.
Der Autor geht von der Voraussetzung aus, dass ohne
ein Verständnis« des Zusammenhanges vrirtbschaftlicher
Vorgänge das Verhältnis« des sittlichen Ideals zur Wirk-
lichkeit gar nicht zu verstehen sei und behandelt dem-
nach die öconomiseben Fragen aus diesem Gesichtspunkte
mit logischer Schärfe und Wärme.
Fünf Jahr«» auf einer Raine um die Erde. (Ausland
1870.) 1. Die Schreckeuszeit in Arizona, Nr. 15.
2. Wunderungeu in Japan, vornehmlich nufJeseo,
Nr. 16. 3. Wanderungen in Sud- und Nordchina,
Nr. 17.
Treffliche Auszüge aus dem interessanten Werke de#
Amerikaners PumpeJly: A cross America and Asm,
Haidinger, W. R. v. Das Eisen bei den Kampf-
Spielen. (Mittheilung der anthropologischen Ge-
sellschaft. Wien, Bd. I, S. 63 — 69.)
Sehr interessante, lesenswerthe Abhandlung des nun-
mehr verstorbenen Naturforschers.
Hehn, Victor. Culturpflanzen und Hausthiere in
ihrem Uebor gange aus Asien nach Griechenland
uud Italien, sowie in das übrige Europa. Histo-
risch - linguistische Skizzen. Berlin 1870, 8°.
456 S.
Besprechungen und Auszüge dieser trefflichen Arbeit
siehe iui „Ausland11 1870, Nr. 17 und in der „Beilage
zur Allgemeinen Zeitung“ 1870, Nr. 97.
Henne Am Rhin, Otto. Culturgeschichte der
neuen Zeit. Leipzig 1870, 8°. I. Band.
Da« vorliegende Werk , dessen erster Band das Zeit-
alter der Reformation behandelt, liefert eineu anschau-
lichen t'eberblick dessen, was geschehen ist, um Bildung
und Gesittung im fortschreitenden Ringen mit der kirch-
lichen Barbarei und den zerstörenden Leidenschaften
der herrschenden Machthaber an deren Stelle zu setzen.
Wenn es dem Autor auch widerstrebt fertige Urthelle
ungeprüft aufzunehmen, weil sic seiner Anschauungs-
weise näher liegen sollten als andere, so wird der be-
sonnene Denker doch mit seiner radikalen Gesinnung
kaum übereinstimmen. Dagegen ist eine andere ver-
dienstliche Seite des Buches die gelungene Art Popu-
larismnig des Stoffes.
Hommaire de Hell, Addle. A travers le monde.
La vie orientale — la vio creole. Paris, Didier,
1870, 8°.
Honeggor, J. J. Grundsteine einer allgemeinen
Culturgeschichte der neuesten Zeit. Leipzig 1870,
8". I. Band.
Der erste Band behandelt die Zeit des ersten Kaiser-
reiches. Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen
Zeitung“ 1870, Nr. 225. %
Howorth, H, H. On the westerly Drilling of No-
mades, from the fifth to the nineteenth Century.
(Journal of the Ethnol. Society of London 1870.
S. 83—95, 182— 192, 469—476.)
Fortsetzung der schon im vorigen Jahre begonnenen
Untersuchungen; behandelt diesmal die Kumauicr und
Petschcnegen , die Circaasicr und weissen Khazarcn ,
uud endlich die Ungarn.
Howorth, H. H. On a frontier-line of Ethnology
and Geology. (Journal of the Eth nolog. Society
of London 1870, S. 131—137.)
Da* Studium der Ethnologie lehrt, daas ihre grossen
Unterabtlicilungen ziisamnienfallen mit den grossen zoo-
logischen und botanischen Provinzen. Mit der weitaus-
gedehnten Wanderung der indo-europäischen Völker ist
eine grosse Veränderung in der Fauna und Flora jener
Gegenden, wohin sie sich gewendet, liand in Hand ge-
gangen. Der Verfasser entwickelt dann , wie die ugri-
sche Race genau jenen climatiscben und sonstigen Be-
dingungen entspricht , welche in der Geologie die vor-
historische Periode bildeten.
Huxley, T. H. On the geographical Distribution
of tbe chief Modifications of Mankiud. (Journal
of the Ethnol. Society of London 1870. S. 404 —
412.)
Der Lritische Gelehrte unterscheidet vier llaupttypen,
und zwar den australnidischon, den negroidi-
schen, xanthochroischen und mongoloidischen
Typus. Kiue farbige Weltkarte zeigt die Vcrtheilung
und Gruppining der Raccn nach Huxley’s System.
Jäger, Dr. G. Nachtrag zu der Theorie über den
Ursprung der Sprache. (Ausland 1870, Nr. 16.)
Erklärt als eine der zur Sprachbildung notii wendigen
Bedingungen die aufrechte Haltung und die zweibeinige
Gangart hei Menschen und Vögeln.
Lindnor, Dr. G. A. Ideen zur Psychologie der
Gesellschaft als Grundlage der Social Wissenschaft.
Wien 1870, 8°.
Lottner. Ueber die Genealogie der indo-europäi'
sehen Völker. (Ausland 1870, Nr. 41.)
Maurer, Franz. Ueber das Alter und die Bewoh-
ner der Gruben- und Höhlenwohnungen. (Ausland
1870, Nr. 27.)
Anknüpfend an die von den Fachmännern behauptete
GJeichalterigkeit von Pfahlbauten und Grubcnwohnun-
gen, wird hier — wie uns dünkt mit Erfolg — der
Beweis zu führen versucht , dass die Bewohner jener
Grubenbauten unsere deutschen Vorfahren, nnd zwar
die Zeitgenossen des Taeltus gewesen sind.
Menzel, Wolfgang. Die vorchristliche Unsterb-
lichkeitslehre. Leipzig 1870, 8°. 2 Bde.
Dus Ergebnis« der 30jährigen Forschungen MonxePs
ist, dass die heidnischen Cnsterbiichkeitslebren keines-
wegs au« einer Iroffenborung an die Heiden hervorge-
gatigen NM , noch das# sie nach einem angeblichen
Plane Gottes die christliche Lehre vorbereitet haben.
Sie sind vielmehr vollkommen selbständig für sich, durch-
aus naiv, naturwüchsig und verschiedenartig hervorge-
gangen ans der Gefühls- und Denkweise sehr verschie-
denartiger Völker. Das meiste Neue finden wir in dem
Theil* , der die altdeutsche Unsterblich keitelehre behan-
Digitized by Google
374
Verzeiehniss der anthropologischen Literatur.
delt. Dagegen durften in Manchem etymologische Be-
denken wachgerufen werden.
Meyer, Jürgen Bona. Philosophische Zeitfragen.
Bonn 1870, 8°.
Inhalt: Die Philosophie und unsere Zeit. — Kraft
und Stofl’. — Zweck und Ursache. — Die Entstehung
der Arten (Darwinismus). — Die Rangordnung der or-
ganischen Wesen. — Thier und Mensch. — Seele und
Leib. — Die Temperamente. — Der Wille und seine
Freiheit. — Das Gewissen uud die sittliche Weltord-
nung. — Die Zukunft der Seele. — Religion und Phi-
losophie in unserer Zeit. — Die philosophischen Systeme
und die Zukunft der Philosophie. Eine eingehende,
kritische Anzeige dieses Werkes Jasen wir in der Bei-
lage der Allgemeinen Zeitung 1870, Nr. 286.
Külior, Friodr. Beiträge zur Kenntnis« der Rom-
Sprache. Wien 1869, 8*.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
1870, Nr. 164.
Müller, Friedr. Ueber die Bedeutung der Sprache
für die Naturgeschichte des Menschen. (Mitthei-
lungen der anthropologischen Gesellschaft. Wien,
Bd. I, S. 111 — 117.)
Müller , Friedr. Ueber das Alter des Menschen
vom ethnologisch - anthropologischen Gesichts-
punkte. (Mitth. der anthrop. Gesellschaft. Wien,
Bd. I, S. 140—145.)
Professor Malier berechnet den Zeitraum, innerhalb
dessen der Mensch sich aus dem Zustande thierischer
Rohheit zu der Höhe menschlicher Gesittung emporge-
arbeitet hat, auf etwa 12000 Jahre. Das wirkliche
Alter dos Menschen lässt sich aber nicht berechncu.
Nadeln und Nähkünste bei wilden Völkern der
Vorzeit und der Gegenwart. (Ausland 1870, Nr.
26.)
Aus Lartet’s und Christy’s Reliqulae und Aqni-
tanlcac.
Nissern, Heinr. Das Templum. Antiquarische Ab-
handlungen, mit astronomischen Hülfstufeln. Ber-
lin 1869, 8®.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung1"
870, Nr. 207.
Omalius d'Halloy, J. J. d\ De« racea huraaines,
ou elements dethnographie. Cinqoicine edition.
Bruxelles, Mucquardt, 1869, 8°. 151 pag.
Owen, Bob. Dale. Moral Physiology; or, a brief
and plain Tre&tise on the Population Question.
New York 1870, 12®. 88 8. 10lh Edition.
Peschol, O. Ueber den Einfluss der Ortsboschaf-
fenheit auf einige Arten der Bewaffnung. (Aus-
land 1870, Nr. 19.) *
Eine der werth vollsten ethnographischen Abhandlun-
gen, van «taumntwerther Gelehrsamkeit; wie alle Ar-
beiteu Pesch«]’» hat sie den grossen Fehler, dass sie
sich nicht excerpiren lässt, weil Alles darin yon gleichem
Wertb« ist; man muss sie «?b«n selbst lesen.
Roed , J. Man and Woman, Equal but Unlike.
Boston 1870, 12°. 78 S.
Reinsberg - Düringsfeld. Ethnographische Ver-
gleiche. (Globus, Bd. XVIII, S. 253—254.)
Interessante Zusammenstellung der Redeweisen der
verschiedenen Völker zur Bezeichnung der Seltenheit
und des Alters.
Reinsberg -Düringsfeld, Otto Frhr. von. Der
erste F&steneonntag. („Leipziger Illugtrirte Zei-
tung1*, Nr. 1392, Bd. LIV, 1870, S. 171.)
Reville. Histoire du diable. Strassburg 1870, 12°.
Reyhongs, Capt. Aua allen Welttlieilen. See-,
Wald- und Landnchaftebilder. Leipzig, Dürr,
1870, 8®. Bd. I.
Rivet, Felix. Influence de« idees economiques sur
la civilisation. Paris 1870, 8°.
Buch voll geistreicher Ideen und auch mitunter rich-
tiger Ansichten, jedoch von antimaterialistischer Ten-
denz durchweht. Für den Anthropologen von nur un-
tergeordnetem lute resse.
RoskoH, Gustav. Geschichte de« Teufels. Leip-
zig 1869, 8®.
Sehr ausführliche Besprechung dieses hochinteressan-
ten Werkes siche in der „Beilage zur Allgemeinen Zei-
tung“ 1870, Nr. 296, 297, 298.
Sacken, E. Frhr. v. Instruction für die Eintra-
gung und Eröffnung der Tumuli. (Mittheil, der
Anthropologischen Gesellschaft zu Wien, Band I,
8. 38—42.)
Enthält nichts Neues.
Schul tzo, Fritz. Der Fetischismus. Ein Beitrag
zur Anthropologie und Religionsgeachichte. Leip-
zig, Carl Wilfferodt, 1871, 8®. 292 S.
Sittliche, der, Fortschritt der Menschheit. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 1, 2.)
Sehr lesenswert hc Abhandlung, welche zeigt, wie es
mit dem sogenannten sittlichen Fortschritt bestellt ist.
Solbrig, A. Die Geisteskrankheit im Zusammen-
hänge mit der jeweiligen Culturbewegung. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 116, 117.)
Sprachwissenschaft uud Sprachvergleichung. (Un-
sere Zeit 1870, 1, S. 770—783.)
Bringt nichts Neue«; zweifelt an der Möglichkeit einer
einzigen Ursprache des Menschen geschlochts.
Strutt, Elizab. The feminine Soul: its Nature
and attributea. Boston 1870, 12°. 199 S.
Thomas, Louis. Bilder aus der Länder- und Völ-
kerkunde. Zweite vermehrte Auflage. Leipzig,
Ernst Fleischer, 1870, 8*. 472 S.
Thrailkill, John W. The Cause« of Infant Mor-
tality. St. Louis 1870, 16®. 62 S.
Tononi, G. Dell’ origine e del fine delP uomo
secondo Petnografia. („Rivista universale“ 1870.
Heft VII.)
Tylor, Edw. B. The Philosophy of Religion among
the Lower Races of M&nkind. (Journal of the
Ethüol. Society of London 1870. S. 369—382.)
Digitized by Google
375
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Behauptet, «luss di« Existenz von absolut religions-
losen Völkerschaften nicht erwiesen sei. Solche sind,
wenn überhaupt zu finden, unter den schon erloschenen
oder höchstens unter den noch am wenigsten gekann-
ten Völker« unseres Erdballes zu suchen.
Ursachen. Die Ursachen der Prostitution und die
Möglichkeit ihrer Verminderung. Berlin 1870, 8°.
Wells, S. B. The illustrated nlmnnac of phreno-
logy and pbysiognomy forl870. New York 1870,
12". 77 8.
Westropp , Hodder M. On the enrliest pha&cs
of Civilizution. (Journal of the Ethnol. Society
of I*ondon 1870. S. 324.)
White, Carlos. EcceFemina. An attempt to solve
the Woraan Question. Hannover 1870, 16°. 258 S.
Zeitschätzung. Gegen die Zeitschätzung der dä-
nischen Altert humsforschcr. (Ausland 1870, Nr.
20.)
Nach einer kritischen Abhandlung in der Quartcrly
Review, April 1870; gipfelt darin, dass ein« chronolo-
gische Abschätzung der Altert Immer gegenwärtig noch
nicht möglich ist.
Zeller, E. Das Recht der Nationalität und die
freie Selbstbestimmung der Völker. (Preußische
Jahrbücher. Berlin 1870, Bd. XXVI, 12. lieft.)
Europa.
Allmers, Hermann. Römische Schlendertage. Ol-
denburg 1869, 8°.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
lb69, Nr. 16.
Alphen, Ihr. van. Reieverhaleu en indrnkken uit
Jerland *tNoord«i van Wallis enz. Een dagboek
met aanteekeningen. ’sGravenhage 1869, 8°.
344 S.
Alterthümor in Corawallis. (Ausland 1871, Nr. 5.)
Althirns, Friedrich. Englische Charakterbilder.
Berlin 1869, 8n. 2 Bde.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
1870, Nr. 161.
Anthropoph&gen. Die alten Anthropophagen in
Chauvaux. (Globus, Bd. XVU, S. 365—366.)
Nach Spring.
Andree, Karl. Unsere deutschen Grenzen und
unsere Nachbarn. (Globus, Bd. XVIII, S. B4 —
60, 71 — 76, 90—93.)
Belasst sich unter Anderem mit den vlaamschen und
holländischen SprachverhältnUsen , mit jenen von Lim-
burg und Luxemburg. So sehr der deutsche Patriotis-
mus des Verfassers Anerkennung verdient, so Hessen
sich doch vom wissenschaftlichen Standpunkt gar ge-
wichtige Einwendungen gegen seine Ausführungen
macheu.
Andree, Richard. Elsässer Beiträge. (Globus,
Bd. XVIII, S. 135—137, 150—153, 166—168,
183—185, 198—200, 215—217, 232—234.)
Sebastian Münster1« Schilderung des Elsasses. —
Die keltische Periode. — Keltische Ortsnamen. — Alte
Stcimienkmäler. Menhirs, Dolmen u. s. w. im Elsas*.
— Römische und fränkische Periode. — Vereinigung
des Elsasses mit Deutschland 870. — Vcrwaltungsinanss-
regcln and was damit zusamraenliängt. — Der Wider-
stand des Unbewussten. — Die Sprachgrenze. — Ro-
manische Thal er der Vogesen. — Markirch. — Sage
aus dem Urbisthale. — Romanische Dialectprob«. —
Statistik der Deutschen und Franzosen im Eisass. — ■
Feldbau. — Weinbau. — Der Elsässer Bauer. — HÄu-
serbnu. — Kuukelstnhen. — Elsässer Mundarten. —
Das festliche Jahr im Eisass. — Die Wochentage. —
Hochzeiten, — Volksaberglaube. — Gespenstert hier«. —
Sprichwörter. — Religiöse and kirchliche Verhältnisse.
— Die Juden.
Andreo, Richard. Vergleich der Volksbildung in
verschiedenen europäischen Ländern. (Globus,
Bd. XVII, S. 25—28.)
Behandelt Prcaasen, Oesterreich, Frankreich, Italien,
England.
Armenier. Die katholischen Armenier. (Allgem.
Zeitung 1870, Nr. 69.)
Atklnson, J. C. On the Danish Element in the
Population of Cieveland , Yorkshire. (Journal of
the Ethnolog. Society of London 1870. S. 351 —
366.)
Nach der Ansicht Atkinson's tritt das dänische #
Element besonders an Ort* und Eigennamen hervor.
Sehr interessant sind die daran geknüpft«!! Bemerkun-
gen des Isländers II j altaiin.
Ausartung. Die Ausartung der deutschen Sprache
in überseeischen Ländern. (Globus, Bd. XVII,
S. 71—72.)
Beschäftigt sich vorwiogend mit den Auswüclisen der
deutschen Sprache in Australien.
Auswanderer. Deutsche Auswanderer. (Allgem.
Zeitung 1869, Nr. 342.)
Axhoim. Die Insel Axholm. (Globus, Bd. XVII,
S. 310—311.)
Nach einem Berichte Edward Peacock’s in der
Anthropologien! Review, April 1870.
Axon, Will. E. A. Th« literature of the Lan-
cashire Dialect. (Trübnor’a American and Orien-
tal litcrary Record. Juni 1870.)
Badischen. Aus dem badischen Grenzland. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 258.)
Baltische Briefe. (Allgein. Zeitung 1870, Nr. 180,
181, 202, 300.)
Bamborgor, L. Material zur Völkerpsychologie.
(Allgemeine Zeitung 1870, Nr. 305, 306; 1871,
Nr. 23, 24, 25, 26, 32, 33, 34, 37, 38.)
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
37(5
Ausserordentlich wichtige Aufsatz«, welche die Ent-
stehung des deutsch-französischen Krieges vom ethnolo-
gischen Standpunkte erklären.
Bartholomew , E. G. Seven mönths in the Ba-
learic Islands. (Illastrated Travel« ed. by Bates,
Part IX, 1869.)
Bayldon , George. An elementary grammar of
the Old Norso or icelandic language. London,
William«, 1870, 8®.
Bemmolon, P. v. Luxemburg. Nimegen 1871, 8°.
Bemmelen , P. v. Luxetnburgsche Nationalität
en taal. (De Nederlandsche Spcctator 1871 , 31
Dezember.)
Berarose’a Guide to Derbyabire. A complete hand-
book for the county, containing bistorica), bio«
gruphical and antiquariau not. es. London 1869,
8°. 392 S.
Bern&rdakifl, A. N. Le präsent et l’avenir de la
Grece. Paris 1870, 8°. 75 S.
Extrait du Journal des Economtatcs, da 15 juin
187Q.
Bemhardi, Carl, Spracbkarte von Deutschland.
Cassel 1870.
Besprochen in der „Beilage znr Allgemeinen Zeitung4
1870, Nr. 347.
Beruh ardi, Dr. Carl. Die Sprachgrenze zwischen
Deutschland und Frankreich ermittelt und erläu-
tert. Cassel 1871, 8®.
Bewegung der Bevölkerung in den grössten Staa-
ten Europas 1861 bis 1865. (Oesterreichischer
Oeconomist 1870, Nr. 36.)
Blackburn, H. Normandy picturesque. London
1869, 8«. 281 8.
Boockh, Richard. Der Deutschen Volkszahl und
Sprachgebiet in den europäischen Staaten. Ber-
lin 1870, 8°.
Man wäre beinahe versucht dies treffliche Werk den
Vorläufer des Krieges 1870 bis 1871 zu nennen; auf
die wissenschaftliche Ermittlung des deutschen Sprach-
gebietes folgte die Richtigstellung desselben. — Anzei-
gen siehe: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zei-
tung 1870, Nr. 8, dann in iVterntann'i («eographi-
schen Mittheilungen 1870, 8. 163—105.
Boeckh, Rieh. Die natürlichen Grenzen Deutsch-
lands gegen Frankreich. (Unsere Zeit 1870, II,
S. 353—372.)
Brasche, Dr. Otto. Beitrag zur Methode der
Sterblichkeitsberechnuug und zur Mortalitätsata-
tiatik Busslands. Würzburg 1870, 8®. 60 S.
Brennecke, Dr. W. Die Länder an der unteren
Donau und Constantinopel. Hannover 1870, 8®.
Hicscs Werk wird mit Nutzen von Jenen gelesen
werden, welche »ich über Rumänien unterrichten wol-
len, ein Land, das der Verfasser indes» mit unverdien-
ter Vorliebe behandelt. Auch die Schilderung von Con-
stautinopel ist sehr anziehend.
Bryant, W. C. Lettre« front tbe East London
1669» 8®. 264 S.
Burgartz, Franz. Das Montavon und seine Be-
wohner. („Tourist“, Jahrgang II, 1870, S. 497
—512.) *
Busk, R. H. The lakes of Western II ungary und
the d wellers on their banke. (Ulustruted Travels
1870, Part 17. S. 138—141.)
Campbell, J. P. On current british Mythology
and oval traditiona. (Journal of the Ethnological
Society of London 1870. S. 325 — 340.)
Enthält einige noch unpublicirte Sagen.
Canalinsoln, dio. (Ausland 1870, Nr. 24, S. 572
bis 574.)
Enthält interessante Schilderung der ethnologischen
Momente dieser Eilande.
Chareneey, H. de. Recherches sur lea norns d’ani-
maux domestiques, de plante« cultivees et de
metnux chez les ßasques et les originee de la ci-
vilisatinn ettropeenne. Paris 1869, 8°.
Christ, Dr. H. Ob dem Kernwald. Schilderungen
aus Obwaldens Natur und Volk. Basel 1869, 8°.
205 S.
Angezeigt in: Beter man u?» Geographischen Mittheh
lungcn IS7Ü, S. 269.
Cloasby , Bich. An Icelandic-English dictionary,
chiefly founded on tbe collections madc from
proee works of the 12^ — 14th centuries by the
late — , enlarged and completed by Gudbrand
Vigfusson. Oxford 1869, Part I.
Eingehend besprochen in der Beilage zur Allgemeinen
Zeitung 1870, Nr. 6, 7.
Cotta, Bernh. v. Reise in Südrussluud. (Ausland
1869, Nr. 50, 51.)
Cox, 8. 8. Search for Winter Sunbeatns in Rivieru,
Corsica, Algiers and Spain. New York 1870, 8f.
442 S.
Culturstudien in den englischen Gerichtshöfen.
(All gern. Zeitung 1870.)
1. Zur Fniucn-Kmancipution, Nr. 51. 11. Goldene
Jugend, Nr. 140.
Delamarre , Theodore. Note sur la grammaira
paleoslave de M. Alexandre Chndzko. (Bulletin
de la Societu de Göogruphic de Paris, Janvier
1870, pag. 58—60.)
Delamarre, Casimir. Les peuplos Slaves et les
Mo&covitea, d'apres Viquesnel. (Bulletin de la
Societe de Geographie de Paris. Juin 1870, pag.
469—189.)
Ein leider bisher nicht vollendeter Aufsatz, welcher
das hohe Verdienst besitzt, die Franzosen über da» Sla«
venthnm, das die Wenigsten von ihnen kennen, einge-
hend zu belehren. Für DtflUob« ist wenig Neue* darin.
Delitsch, O. Frankreichs innere Macbtverhält-
nisse. Beitrag zur geographischen Orientirung.
Digitized by Google
377
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
(Aus allen Welttheilen 1870, Nr. 48, S. 377 —
379.)
Vergleichendes über die natürlichen Hül&quelleii, Er-
trug des Bodens, Industrie, Handel, VoJkscharakter und
Volksbildung in Frankreich und Deutschland, auch mit
Hinweis auf die bekannte Thataache, dass in Frank-
reich die relative Zahl der Geburten in stetiger Abnahme
begriffen ist.
Deacovich, Dr. J. Di© Bocche tli Cattaro. (Mit-
theilungen der Geograph. Gesellschaft zu Wien
1870. S. 20 — 27.)
Der Verfasser, der zwei Jahre hindurch als Bezirks-
und Lazaretharzt in Castelnuovo angestellt war, schil-
dert Land und Leute nach eigenen Beobachtungen.
Deöjardins, Ernest. Geographie d© la Gaule, dV
pres la Table de Peutinger. Paris 1869, 8°.
Deutacho, das, Sprachgebiet in Frankreich. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 214.)
Deutecho und tschechische Bauprnhäu&er in Böh-
men. (Globns, Bd. XVII, S. 311 — 313.)
Nach einem Aufsätze in den „Mittheilungen de* Ver-
eins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1870.“
Deutsche Sprach© und Literatur in Galizien. (Glo-
bus, Bd. XVII, S. 330.)
Deutschen. Di© Deutschen in den Oatseeprovin-
*en. ( Allgemeine Zeitung 1869, Nr. 10.)
Deutsches Nationalgefühl. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 334.)
Deutschland. Slid und Nord in Deutschland, nach
Schatzinavr. (Globus, Bd. XVIII, S. 327.)
Deutschlands Westgrenze. (Wissenschaftl. Beil,
der Leipziger Zeitung 1870, Nr. 66.)
Nach einem gleichnamigen Aufsätze des I>r. Otto
Delitsch in „Aus allen Welttheilen“.
Douglasa, John Sholto. Die Römer in Vorarl-
berg. Thüringen 1870, 4®. 67 8.
Recht werthvolle Abhandlung, dio in drei Tbeilo zer-
fallt. Der erste_ befasst »ich mit den Ureinwohnern der
Alpen, den Uhätiern und Kelten, der Stein-, Bronze-
und Eisenzeit nebst den Pfahl banleuten; der zweite giebt
ein gelungenes Bild der RötnerherrschaJt in Vorarlberg,
wiihrend der dritte sieb ausschliesslich mit den im
Lande Vorgefundenen Denkmalen und Altcrthümern
aus der Kümerzeit befasst. Vier Tafeln, darunter drei
photographische, s.hmücken das reich ausgestattete Buch.
Draganchich, A. v. Rnnjaluka und Ilihao in Bos-
nien. (Mittheilungen der Geographischen Gesell-
schaft zu Wien 1870, S. 265 — 270.)
Nur von geringem ethnographischen Werth. •
Düringsfold, Ida und Otto. Hochzeitsbuch.
Brauch und Glaub© der Hochzeit bei den christ-
lichen Völkern Europas. Leipzig, J. G. Bach,
1871, 4°. 272 8. mit Illustrationen.
Dünger, H. Ueber Dialoct und Volkslied des
Voigtlands. Plauen, Neupert, 1870, 8®.
Ebrard, August. Handbuch der raittclgalischen
Sprache, hauptsächlich Ozrian’s. Wien, 1870, 8®.
ArchiT für Anthropologie. Bd. IV. Heft IV.
Die»«» Buch hilft einem iühlbaren Bedürfnisse der
Linguisten ab. Ein Fachmann, Dr. Antenrietb in
Erlangen, sagt von ihm, dos» es durch seiuc bündige
Klarheit, vomparative Methudc und durch di« glück-
liche Vereinigung dieser Eigenschaften mit praktischer
Brauchbarkeit reiche Früchte der Anregung und Bolch-
rung tragen werde.
Eckardt, Jul. Russlands ländliche Zuständ© Beit
Aufhebung der Leibeigen ichaft. Leipzig 1870, 8®.
Anzeige in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
1870, Nr. 234.
Eden, Charles. The Serra da Kstrella and its
Records. (The Alpine Journal. London, Novem-
ber 1870, VoL V, Nr. 31. S. 122—128.)
Eggor, Prof. Alois. I>ic Alpen in der deutschen
Heldensage. (Jubrb. des österr. Alpen - Vereins
1870, 8. 327 — 329.)
Kurze Notiz.
Eisei, Robert. Sagenbuch des Voigtlandes. Gera,
Griesbach, 1871, 8®. 483 S.
Eisass. Aus dem schönen Elsasa. (Allgem. Zei-
tung 1870, Nr. 224, 300, 307, 338, 339, 340;
1871, Nr. 20.)
Elsase. Zur Gcistesgeschicht© des Elsasses. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 241.)
Frankreichs heutige Nordgrenze. (Allgem. Zei-
tung 1870.)
1. Le* trui» K wehes, Nr. 256, 257. 2. Deutsch - Lo-
thringen , Französisch Luxembourg, Nr. 260, 261. 3.
Französisch Flandern, lieanyan und Artois, Nr. 272,
273.
Frischbier, H. Hexeuspruch und Zauberbann.
Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in
der Provinz Preussen. Berlin, Enslin, 1870, 8°.
167 S.
Garst, D. J. Origines des Bosques de France et
d'Espagnu. Paris 1869, 18°.
Gerard, F. A. F. De germaansebe herkomst der
Beigen. („De Toekomst“, Jahrgang XV. Brüssel
1871, Febr.-Heft, S. 78—84.)
Du»» diu Vlamingon ihn-m Ursprünge nach Ger-
manen sind, ist eine wohl allgemein anerkannte- That-
saehc; dass aber der w allonische Theil der Bevölke-
rung Belgien» gleichfalls von den Deutschen abstamme,
ist weniger bekannt. Dies zu beweisen müht sich der
belgische Geueralkriegsauditor Gerard in vorstehend«!»
Aufsatze ab, und zwar auf Grundlage „historischer
Thatsachen.“ Da» Land, welches von Cäsar Belgien
genannt wird, bestand au» zwei Tbeilen, welche ein
grosser, von den Ufern der Musel bis nahe zurSecküsto
»ich erstreckender Wald trennte; dieser Wald hiesa
„Ardnenna“ (De bello gall. VI. 29. 33) und erhielt
»pater den Namen „Car bona ria“. Auf diese geogra-
phische Gestaltung nun baut der Verfasser seine Hypo-
thesen, — doch nein, sein — System. Für ihn gilt «»
als ausgemacht, dass Germanen aus den sumpfigen Ge-
genden zwischen den Weser-, Ems- und Rheinniündun-
gen Belgien bevölkern kamen, wro sie nur die leichten
Flussübergänge zu bewerkstelligen hatten, während ge-
gen die Gallier der Urwald eine natürliche Schranke
zog und diese überdies weniger Grund hatten ihr an-
48
Digitized by Google
378
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
genehmes Land zu verlas*«» , als die in Sümpfen woh-
nenden Deutschen. — Vor einigen Jahren hat ein bel-
gischer Gelehrter — Dr. J. Nolet — gleichfalls an
der Hand der Geschichte den Nachweis geliefert, dass
umgekehrt die Vlamingeu — Gallier, was für ihn gleich-
bedeutend mit Kelten, — seien. Nun, da ist man wirk-
lich verlegen, wem man den Vorzug geben solle.
Oerbol, Nie. v. Russisches Unterrichtswesen. (Un-
sere Zeit 1870, II, S. 262—277.)
Gorbel, Nie. v. Das russische Sectenweson. (Un-
sere Zeit 1870, II, S. 45—52.)
Kurze, aber dankenswerthe Skizze.
Gorbel, Nie. v. Der Moskowitismus. Zur Cha-
rakteristik der jetzigen russischen Zustände. (Un-
sere Zeit 1870, I, S. 413.)
Sehr belehrend, jedoch mit Vorzugs weiser Berücksich-
tigung der Gegenwart.
Gorbel, Nie. v. Nationale Sprichwörter der Fran-
zosen. (Ausland 1870, Nr. 47; 1871, Nr. 4.)
Gorbel, Dr. Nie. v. Die Stadt Riga und ihr Bür-
gerthum. (Ausland 1870, Nr. 25.)
Gute Schilderung de* Volkscharakters. Riga mahnt
heute noch an das alte ilanseatenthum.
Gosittungs- , die niedrige, und Bildungsstufe in
Frankreich. (Globus, Bd. XVIII, S. 241- — 245.)
Mit Uebersichtstafeln.
Glennie, J. S. St. Arthurian Localities; their hi-
storical origin, chief country and Fingalian rela-
tions. London 1869, 8°. 140 S.
Goohlort, J. Vino. Boiokeltische Ortenamen in
Böhmen vergleichsweise zusammengestellt. (Mit-
theilungen der Geographischen Gesellschaft zu
Wien 1870, 8. 145—153.)
Gonzenbach, Laura. Sicilianische Mührchcn, aus
dem Volksmuude gesammelt. Mit Anmerkungen
Reinhold Köhler’s und einer Einleitung, heraua-
gegeben von Otto Hartwig. Leipzig 1870, 8*.
2 Bände.
Ausführliche Besprechung in der Beilage zur Allge-
meinen Zeitung 1670, Nr. 11.
Gordon, J. Obrazki Galicyjskie. (Bilder aub Ga-
lizien.) Sanok 1869, 8°. 245 S.
Grogoroviua, Ford. Corsica. Stuttgart 1870, 8°-
2 Bände. Zweite Auflage.
Kritik in der Bcitnge zur Allgemeinen Zeitung 1870,
Nr. 350.
Gross, K. Ilolzlondsagen. Sagen, Mährchen und
Geschichten aus den Vorhergen des Thüringer
Waldes. Leipzig, Wartig, 1870, 8*.
Griechische Räuber an den asiatischen Gestaden
des Marmarameereg. (Ausland 1871, Nr. 6.)
Hüringsflscheroi. Die Ilaringsßscherei an der
südwestlichen Küste Schwedens. (Globins, Bd.
XVII, 8. 285—286.)
Theilt hiniges über die Geschichte diese* Erwerbe-
zw eigen mit.
Hager, Dr. Arth. Die Bekehrung Mecklenburgs.
Schwerin 1870, 8f. 22 S.
Hahn, Dr. J. G. v. Reise durch die Gebiete des
Drin und Wardar. Wien 1869, 4*.
Harcourt, R. Rumble* through the British Isles.
New York 1870, 12®. 349 S.
Hartmann, Horm. Bilder aas Westphalen. Osna-
brück, Rackhorst, 1871, 8®.
Eine anziehende Zusammenstellung der Sagen, Volks-
und Familienfest«}, Gebräuche uud Aberglauben des
ehemaligen Fiirstcuthum« Osnabrück, — ein Stuck Cul-
lurgeschichte, da» snh zu lebendigen, abgerundeten Bil-
dern gruppirt uud neben anziehender Unterhaltung einen
festen Kern in sich schliesst, der es für die Völkerkunde
dauernd werthvoll macht.
Haulteville, F. de. La nationalite Beige ou Fla-
mands et Wallons. Gand 1870, 8°.
Haupt, Josot Die dakische Königs- und Tempel-
burg auf der Columna Trajana. Wien 1870, 4°.
36 S.
Die Verstellung von einer glcichmässigcti , slawischen
(arischen) Bevölkerung de* europäischen Russland ist
grundfalsch, wie schon von Mehreren bewiesen ist (z. B.
Duchinsky, H. Martin, ViqucBnel). Wer sich
nun gründlich über die Bevölkerungsverhältnisse von
Ungarn, Dacicn , Sarmatien iu der ersten christlichen
Zeit und über die Beziehungen dieser Länder zu ger-
manischen Stämmen unterrichten will, der lese die tief-
gdehrto Schrift des Wiener Cknualeten-
Haurowitz, H. v. Erinnerungen an Corfu im
Sommer 1869. Wien 1870, 8®.
Hausmann, Rieh. Das Ringen der Deutschen und
Dänen um den Besitz Estlands bis 1227. Leip-
zig 1870, 8°.
Hellwald, Ford. von. Einiges über holländische
Volkssitten. Ein Beitrag zur Ethnographio der
Niederlande. („Ausland1* 1870, Nr, 9, 10, S. 208
—212, 231—233.)
Behandelt einige holländische Gebräuche, die thrils
in Verfall zu gerutben beginnen, theils schon völlig aus-
ser Lebung gekommen sind (Kraarokloppers, Maibäume,
Bcksnyden [Messerkampfj , Bolineukünig , Koppermaan-
dag, Klapperman).
Hellwald, Friedr. von. Zur Geschichte der ger-
manischen Race. (Allgem. Zeitg. 1870, Nr. 288.)
Houzey Leon und H. Daumet. Mission archöo-
logique de Macüdonie. Paris 1869 in Fol.
Hoohptettor, F. v. Reise durch Rumelien im
Sommer 1869. (Mittheilungen der Geographischen
Gesellschaft zu Wien 1870, S. 193—212, 350—
358, 545—552, 585—606.)
Behandelt: 1. -Das östliche Thracien von Constanti-
nopel bis Adrianopel. 2. Adrinnupd. 3. Von Adria-
UOpel über Jamboli nach Burgus. 4. Von Hnrga* am
schwarzen Meere dem Balkan entlang nach Pliilippopel.
— Vorwiegend geographisch.
Hochstettor, F. v. Aus dem Innern der europäi-
schen Türkei. (Ausland 1870.)
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
1. StiukoT, Nr. 36. 2. Das Kloster von Rilo-Dagli,
Nr. 37. 3. Sofia und der Witosch, N'r. 38. 4. Ein Ge-
birg*übcrg«ng zwischen Sofia und Wranja, Nr. 39. —
Die«* sehr wichtigen Aufwitze halten einen mehr geo-
graphischen ab ethnographischen Werth.
Hochstettor, F. v, Kisaolik und Bein Rosenöl.
(Ausland 1871, Nr. 6.)
HÖft, F. Ueber Ursprung und Bedeutung unserer
geographischen Namen mit besonderer Berück-
sichtigung der Umgegend von Rendsburg. Rends-
burg 1869, 8°.
Höhne, D. Der Romanismus gegenüber dem Ger-
manismus. Zwickau 1871, 8". 24 S.
Hörmann, Dr. L. v. Vorarlberger Volkslieder.
(Alpenfreund 1870, Bd. I, S. 140 ff.)
Hörmann, Dr. Ludw. v. Die Wursengraber. (Al-
penfreund 1870, Bd. II, S. 360 — 362.)
Hörmann, L. von. Mythologische Beitrüge aus
W&lachtirol mit einem Anhänge walschtirolischer
Sprichwörter und Volkslieder. („Zeitschrift der
Ferdinand, für Tirol und Vorarlberg1*, Folge III,
Heft XV, 1870, S. 209—244.)
HÖrmann, L. von. Volksbräucbe der Alpenlftn-
der. („Alpenfreund4, Bd. II, 1870, S. 310—336.)
Inhalt: I. Die Klüpfebnachtc. II. I)cr Weihnachts-
zeiten.
HÖrmann, Angolika von. Tirolische Pflanzen-
sagen. („Der Alpenfreund“, Bd. I, 1870, S. 229
—257.)
HofTmann, Fridolin. Bilder römischen Lebens.
Münster, Russell, 1871, 8°. 515 S.
HoffWoiler, G. F. v. Sicilien. Schilderungen aus
der Gegenwart und Vergangenheit. Leipzig
1870, 4'*.
Holtzmann, Ad. Altdeutsche Grammatik. Leip-
zig 1870, 8°.
Siehe Beilage zur Allgem. Zeitung 1870, Nr. 195.
Hopf, CarL Die Einwanderung der Zigeuner in
Europa. Ein Vortrag. Gotha, F. A. Perthes,
1870, 8°. 47 S.
Horgtanz. Der Horgtanz in Skandinavien. (Glo-
bus, Bd. XVII, S. 175.)
Am südlichen Ufer der Ljusne-Elf in Schweden, Ge-
fieborglän, am berüchtigten llorgaberg, der sich schon
durch seinen Namen ab vorchristliche Opferstatte knnd-
giebt, üblich und bis heute ab Hanebupobka erhalten.
Huxley. Ueber die ethnographische Abkunft der
Bevölkerung Grossbritouniens und Irlands. (Aus-
land 1870, Nr. 6.)
Jfihns, Max. Wodan als Jahresgott. („Grenzbo-
ten“ 1871, vom 3. und 17. Februar.)
Jahrbuch, Ostfriesiscbes, Altes und Neues aus
Ostfriesland. Emden, W. Hayuel, 1870, kl. 4°.
Enthält einzelne ethnographische Aufsätze: „Die Zi-
379
geuner in Ostfriesland“ (Bd. I, S. 36—43). Sagen und
Aberglauben aus Ostfriesland (Bd. 1, S. 62 — 66.)
Jassy. Die alte Bojarenstadt Jassy. (Unsere Zeit
1870, I, S. 188—200.)
Lebhafte, farbenreiche Schilderung.
. JaxQ - Dombicki, J. v. Der westliche Theil von
Bönnien; ethnographisch-handelspolitische Skizze.
(Mitteilungen der k. k. Geograph. Gesellschaft
1870, S. 162—176.)
Statistisches über den Trawniker Kreb.
Industrie-Ausstellung. Nationale Industrie-Aus-
stellung in St. Petersburg. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 173, 185, 187.)
Juncke, Fr. Die Pflalzer-Colonien im Kreise Cleve.
Ein Beitrag zur Culturgeschichte des Rheinlan-
des. (Aus allen Welttheilen 1870, Nr. 51, S. 405
—408.)
Kagal. Der Kagal in den jüdischen Gemeinden
Russisch -Polens. (Globus, Bd. XVIII, S. 251 —
252.)
Der Kagal ist die Regierung der Gemeinde, der Ge-
meinderath.
Kanitz, F. Die öeterreichische Militärgrenze. (Leip-
ziger lllustrirte Zeitung, 28. Mai 1870, S. 405 —
406.)
Kanitz, Franz. Die herrschende Race der Türkei
auf uusereu ethnographischen Karten. (Mitthei-
lungen der Anthropologischen Gesellschaft zu
Wien, Bd. 1, S. 60 — 63.)
Kattner, Edward. Polnisch-Livlaud, eine ethno-
graphische Studie. (Magazin filr dio Literatur
dos Auslandes 1870, Nr. 31, S. 446—447.)
Kerschbaumer, A. Reisebilder aus Skandinavien.
Wien 1870, 8®.
Kimmerier und Skythen. (Ausland 1871, Nr. 4.)
Kiat» Leopold. Dänisches und Schwedisches,
Mainz, Kirchheim, 1869, 8°. 524 S.
Ein mit behaglicher Breite, aber ganz im ultramon-
tanrn Geiste geschriebene« Buch; der Verfasser ist ein
Pfarrer in Schwaben. Daher bt «ueh den kirchlichen
Verhältnisse»! der nordischen Reiche eine ungebührende
Beachtung gewidmet, welche überdies häufig nur zu
Ausfällen gegen das Heiinathland benutzt wird. Aus-
«erdeiu wendet der Verfasser den Schulxuatänden und
allen jenen Momenten, welche mie dem Glauben in
Verbindung gebracht werden können, eine besondere
Aufmerksamkeit zu. Was er an politisch - historischen
und an kmhengeschichtlichen Uebersuhteu bietet, bt
ebenfalls gänzlich vom Parteigeiste durchweht. Das
Werthvolbt* in Kiat’s Buch sind die topographischen
Schilderungen, unter denen man mehreren recht leben-
digen Städtebildern wie einzdiien treffenden Skizzen
au» dem Volksleben begegnet. Dies gilt aber vorzugs-
weise von Schweden; denn K ist ’s .Schilderung Däne-
marks, welche sich eigentlich auf die Städte Copcn«
hagen und Küskilde beschränkt, bt dürr und farbcnlos,
mehr ein „Bädecker“ denn eine Rebebeschrcibung. Im
Allgemeinen wäre die Anlage des Buches keine üble
gewesen, die engherzige, gehässige Parteiauffassung des
48*
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
380
Autors hm aber «in widerliches Zerrbild 'daraus ge-
macht.
Knapp, G, F. Die Sterblichkeit in Sachsen. Leip-
zig 1869, 8°.
Besprochen im „Oesterreich Ischen Oeoonomist" 1870,
S. 107.
Kohl, J. G. Episoden aus derCultur- und Kunst-
geschichte Bremens. Bremen 1870, 4°.
Band 11 ist: -Denkmäler der Geschichte und Kunst
Bremens.“ Entbnographisch sehr interessant.
Koppel, Fr. Madrid, ein spanische« Städtebild.
(Globus, Bd. XVII, S. 273 — 279, 289—294, 305
—310.)
Giebt unter Anderen interessante Volkstypen.
Lappländische, die, Industrieausstellung zu Trom-
sö. (Globus, Bd. XVII, S. 366—367.)
Mittheilung der 25^ Hauptpunkte oder Ausstellungs-
abtheilungen; sie gewähren ein treffliche* Bild lapplän-
dischen Lebens uud Schaffens.
Leben. Da« eheliehe lieben in England. (Maga-
zin für die Literatur des Auslandes, und abge-
druckt im Owterr. Oeconomist 1871, Nr. 4.)
Lecour« C. J. La prostitution ä Paris et n Lon-
dres, 1789 — 1870. Pari», P. Aaselin, 1870, 8®.
372 pag.
Le je an, Quill. Exploration en Turquie drEurope.
(Bulletin de la Societe Geographie de Paris, Avril,
Mai 1870, pag. 370 — 377.)
Handelt über die Mirditen.
Lejean, G. Reise in der europäischen Türkei.
(Fetermann’s Geographische Mittheilungen 1870,
S. 288—293.)
Letnac, Vicomte de. Souvenirs et impresaions de
voyago en Italie. Paria 1870, 8°. 128 8.
Liliencron, R. y. Die historischen Volkalieder der
Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, gesam-
melt und erläutert. Leipzig 1870, 8". IV. Bd.
Diener Baud bringt die historischen Volkslieder vom
Reichstage KU Augsburg 1530 bis zum Kode des gros-
sen deutschen Krieges 1554. Mit diesem ersten Reli-
gionskriege ist die buchst« Blüthc de# deutschen Volks-
lebens bereits geknickt und das historische Volkslied
verliert schon damals seiucn Schwung, artet mehr und
mehr in trockene Zeitangabericht« aus. — Sieh« darüber
Sybcl’s Historische Zeitschrift 1871. Erstes Heft.
Linton, W. Scenery of Greece and its islands.
London 1870, 4°.
Lloyd, L. Peaaant life in Swedeo. London 1870
8°. 486 S.
Longwy. Die Grafschaft Longwy. (Allgemeine
Zeitung 1871, Nr. 26.)
Maltzan, H. v. F. Reise auf der Insel Sardinien,
Leipzig 1869, 8°.
Eingehend besprochen in der Beilage zur Allgemeinen
Zelrnng 187u, Nr. 128, 1211.
Martini, Stefano. Saggio intorno al dialetto li-
gure. Sanremo, C. Puppo, 1870, 8°. 92 pag.
Mattlaon, Hiram. Romanism: its General Decline
and its Present condition and Prospecta in the
United States. New York 1870, 8°. 91 S.
Maurer, Franz. Mittheilungen au& Bosnien. Die
Zigeuner. (Ausland 1870, Nr. 2.)
Maurer, Franz. Eine Reise durch Bosnien, die
Saveländer und Ungarn. Berlin 1870, 8°. 435
&, 1 Karte.
Maurer , Franz. Bilder von der österreichischen
Militärgrenze. (Allgemeine Zeitung 1870, Nr. 171,
172, 173.)
Maurer, Franz. Reiseskizzen aus Bosnien. (Un-
sere Zeit 1870, II, S. 89 — 114.)
Enthält viele ethnographische Notizen.
Maurer, J. C. Ilochzeitsbräuche aus Tirol. („Der
Alpen freund“, Bd. I, 1870, S. 138 — 140.)
Meinicke, Dr. Island und seine Bowohner. (Glo-
bus, Bd. XVIII, S. 345 —350, 360—365.)
Von ethnographischem Werth.
Meissner. M. J. Volksaberglaube und sympathe-
tische Curen im lierzogthum Altenburg. (Globna,
Bd. XVII, S. 103—106.)
Ethnographisch sehr interessant.
Mestorf, J. Die skandinavischen Felsenbilder.
(Globus, Bd. XVII, S. 360—362.)
Auf den Grund der Arbeiten ilolmberg’s, Bru-
Dius’ und II t Idebrand's kurz aber übersichtlich dar-
g es teilt; mit Abbildungen.
Müller, J. Der Aargau. Seine politische, Rechts-,
Cultur- und Sitton- Geschichte. Zürich, Schul-
theas, 1870, 8®.
Erscheint lieferungsweise.
Müller, G. Das kurische Haff, seine Umgebung
und deren Bewohner. (Aus allen Welttheilen, I.
Jahrg., Nr. 25, 26.)
Muagrave, G. A rarable into Brittanv. I^oodon
1870, 8«. 2 Bde.
Nadeschdin, P. Die Natur und die Völker des
Kaukasus und seiner nächsten Umgebungen, (ln
russischer Sprache.) St Petersburg 1869, 8*'. 413 S.
Nationalitäten-Bewegungen in Ungarn. (Allge-
meine Zqitung 1870, Nr. 72.)
Nazarener. Die Nazarener in Ungarn. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 152.)
Nicholae, Dr. T. The Influence of the Norman
Conquect on the Ethnologv of Britein. (Journal
of the Ethnological Society of London 1870, S.
384—399.
8«hr interessante und lesenswert he Abhandlung.
Nicoluccl, Giustiniano. Antropologia doll' Etru-
ria. Memoria. Napoli 1869, 4°. 60 pag.
Digitized by Google
381
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Niedermair, Dr. Der Öberösterreichische Bauer.
(Tourist 1870, S. 22—27.)
NoÖ, Heinrich. Wanderstudien an südlichen Völ-
kerscheiden. (Wien. Neue freie Presse 1870.)
Eine Reihe xwar fcuillctonistisch gehaltener, aber
»ehr interessanter Aufsätze.
Noö, Heinrich. Dalmatien und seine Inselwelt
nebst Wanderungen durch die schwarzen Berge.
Wien, Pest und Leipzig 1870, 8*.
Vorwiegend »nn ethnographischem Interesse, gewährt
einen guten Einblick in die Verkommenheit der dalma-
tinischen Laudesbewohner. Die vom Verfasster der
Oesterrelchischen Regierung dies bezüglich gemachten
Vorwürfe werden in Peter mann ;s Geographischen
Mittheilungen 1970, 8. 267—268 mit folgenden treffen-
den Worten zurückgewiesen: „Die ganze Weltgeschichte
„zeigt es, dass ein Volk durch Rcgieningsmaassrvgeln
„nur ausser»; langsam zu ändern ist , manches Volk
„wohl auch gar nicht. Warum macht der Verfasser
„nicht die Venetianer verantwortlich, die doch viel län-
„ger über Dalmatien herrschten und die nach seinen
„eigenen Aussagen die Wälder niedergeschlagen haben,
„also ein gutes Theil der Schuld an der jetzigen kiim-
„merlichcn Naturbeschaffenheit tragen? Es ist ein gros-
„ser, von »ehr Violen und leider auch von sehr Mäch-
tigen getheilter Irrthum, dass ein versumpftes Volk
„nur der cirilisirten Form in Verwaltung und Justiz-
„pdege bedürfe, um die moderne Cultnr anzunehmen;
„Griechenland und Mexiko, die ganze Geschichte sollten
„doch diesen Irrthum endlich verscheucht haben.“ Sehr
ausführliche Besprechung siehe in der Beilage zur All-
gemeinen Zeitung 1870, Nr. 278, 280.
Oesterreich und das Nation alitatcurecht. Eine
culturhistorische Studie, von einem Altösterrei-
cher. Stuttgart 1870, 8°.
Oesterreich und die Nationalität. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 201.)
Osenbrüggen, Prof. Ed. Die Oebirgssagen. (Jahr-
buch des Schweizer Alpenclubs, V, Jahrg, Bern
1809.)
Pallaveri, D. Greta. Brescia 1869, 8°. 184 S.
Panslaviarnua im Gegensätze zum Allslaventhum
und der politischen Bedeutung der polnischen
Bevölkerung uusserhalb der russischen Zwing-
herrschaft. Strassburg in Pr. 1870.
Paspati, Alex. G. Etüde» sur les Tchinghianes
ou Bohemiens de PEmpire Ottoman. Constanti-
nople 1870, 8".
Der bekannte Orientreisende li. Viimhery hat dieses
Buch im Londoner .Athenäum“ 1870, Nr. 2249, S. 719
besprochen und im Globus, B<1. XVIII, S. 279 — 281
einen Auszug unter dem Titel: Die „Zigeuner in der
Türkei“ veröffentlicht.
Patterson, Arthur J. The Magyar«, their country
and their institutions. London 1869, 8°. 2 Bde.
Ausführliche, sachgeiuässe Besprechung dieses Werkes
siehe in den „Mittheilungeu der k. k. Geographischen
Gesellschaft in Wien“ 1870, 8. 324 — 329.
Poetz, Hartwig. Culturhistorische Einblicke in
die Alpen wirthschaft des Chicm- Gaues. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 18*1.)
Perrot, G. Souvenirs d’un voyage chez lee Slaves
du Sud 1868. (Tour du Monde 1870. S. 241 —
320.)
Petzet, C. Skizzen bub Russisch -Polen. (Globus,
Bd. XVII.)
1. Warschau. S. 200 — 203. 2. Die Fabrikstadt Lodz,
S. 298-300.
Pfaff, Adam. La grande nation in ihren Reden
und Thaten von Anfang bis Ende des Krieges
verglichen mit den Reden und Thaten des deut-
lichen Volks. Cassel 1870, 8“.
I. Bis zur Capitulation von Sedan.
Philipps, Geo. Die Einwanderung der Iberer in
die pyrenaische Halbinsel. (Sitzungsbericht der
k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien 1870,
8«. 46 S.
Eingehende Untersuchung des bekannten Historiker».
Sie enthält: I. Allgemeine Bemerkungen über die Nach-
richten der Griechen und Römer von den Wanderungen
der Völker. — II. Einwanderung der europäischen Be-
völkerung an» Asien. — III. Asien als die Urheimat h
der Iberer. — IV’. Untersuchung der Frage, auf wel-
chem Wege die Iberer in die pyrenaische Halbinsel
eingewandert »ind. a. Einwanderung der Iberer aus
Asien auf dein Lundwege. b. Einwanderung der Iberer
aus Asien auf dem Seewege, c. Exeurs über die iberi-
sche Bevölkerung des südlichen Galliens, d. Einwan-
derung der Iberer aus Amerika. — V. Namen der äl-
testen Bevölkerung Jlispaniens. — VT. Muthmaasslicbe
Art und Weise der Niederlassung der Iberer auf der
pyreuäischen Halbinsel, Das Resultat dieser Untersu-
chungen ist, dass die Iberer zu .Schiffe nach ihrem neuen
Vaterland gelangt sind.
Pichler, Adolf. Der lateinische Bauer. Eine
Erzählung. (Alpen freund 1870, Bd. II, S. 49 ff.,
117 ff., 183 ff.)
Pioraon, Dr. Will. Aus Russlands Vergangenheit.
Culturgeachichtlicbc Skizzen. Leipzig 1870, 8°.
219 S.
Siehe darüber Beilage zur allgemeinen Zeitung 1870,
Nr. 133.
Pi et, Franqais. Recherches sur l’ile de Noirmou-
tier.
Das kleine Werk ist nicht im Buchhandel erschienen
und nur in wenigen Exemplaren vertheilt worden.
Globus, Bd. XVII, S. 205 bringt einen kurzen Auszug
daraus.
Piqucre, P. J. Grammatik der türkisch -osmani-
«chen Umgangssprache. Wien 1870, 8n. 354 S.
Populär Tale» of Hindostau and Germany. (Eng-
lish Esaaya, Vol. III. S. 1 — 41.)
Radies, P. v. Die Volkapoeaie der Gotschewer.
(Tagespresee, Nr. 41 vom 10. Februar 1871.)
Räuber. Die Räuber in Griechenland. (Globue,
Bd. XVII, S. 272.)
Ransonnet, Ludwig, Baron. Alt« Sitten und
Sagen im Salzkam mergutc. („Jahrbuch deaösterr.
Alpen Vereins“, Bd. VI, 1870, S. 169 — 179.)
, Reiches ethnographisches Material während eines
Digitized by Google
382
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
achtzehnjährigen Aufenthaltes im Satzkammergute ge-
sammelt.
Rausch, Dr. Friedr. Geschichte und Literatur deB
rliÄ to-romanischen Volkes mit einem Blicke auf
Sprache und Charakter desselben. Frankfurt a.
M. 1870, 8".
ln den sonnigen Thälcm Graubündten», an den Quell-
tiüssen des Rheins und in dem Gebiete zwischen diesen
und den Ufern des jungen Inn. ja selbst östlicher, die
Schweizer Grenze überschreitend, in einigen Thälcm
Tirols, findet man ein Romanisch redendes Volk , des-
sen Sprache dem Deutschen auf den ersten Blick dazu
bestimmt scheint, einen vermittelnden U ebergang, sozu-
sagen eine Brücke herzustelleu von seinem Idiom zu
dt-rn des nach etwa einer von Chur aus südöstlich ge-
richteten Tagereise schon beginnenden Italien. Es ist
dies das merkwürdige Volk der Rhäto- Romanen, wel-
ches lange Zeit hindurch in der Wissenschaft nicht
jene Beachtung gefunden hat, die es unstreitig verdient.
Erst in jüngster Zeit haben eitrige Männer, vorwiegend
Deutsche, sich mit diesem eigetithümlichen Volksstamme
beschäftigt, und erst vor wenigen Monaten hat ein Werk
die Presse verlassen , welches dem Charakter und der
•Sprache, sowie der Literatur der Rhäto - Romanen eine
eingehende Betrachtung widmet. — Schon seit den
scharfsinnigen Arbeiten eines Lorenz Diefenbach
und Friedrich Diez, des unsterblichen Vollenders
der romanischen Sprachwissenschaft , ist das gegenwär-
tig vou den Rhäto-Romnmu Gruubündtens gesprochene
Idiom, das WgtMKIIt Clmrwälsshe (il Romaunsch) als
eine vollständig rumänische Sprache erkannt, die als
gleichberechtigte Schwester des Portugiesischen , Spani-
schen, Provenvalischvn , Altfranzösischen, Italienischen
und Daco- Romanischen dasteht. Ebenso alt wie diese
ältesten Glieder der romanischen Gruppe ist anderer-
seits das Churwälsche, durch nationale und locale Ver-
hältnisse arg behindert, nicht im Stande gewesen, wäh-
rend seiner reifenden Entwicklung irgendwie gleichen
Schritt zu hnlteu mit den obengenannten, insbesondere
später so rasch auf blühenden romanischen Zungen, wie
dem Italienischen, Spanischen und Neufranzösischen.
Ununmtösslich aber steht es fest, dass dasselbe ebenso
wie jene aus der Zertrümmerung des lateinischen Idioms
hervorgegangrn ist. — Ethnologisch sind die Khäto-
Rumanon nicht minder interessant als in linguistischer
Hinsicht. Allerdings haben in dieser Richtung weit
weniger Untersuchungen stattgefunden , so dass unser
Wissen noch ein ziemlich lückenhaftes ist. Die Krage,
ob und wie weit die heutigen Rlmto-Romauen mit den
Uhätiem (Rätern) der Alten in Zusammenhang stehen,
können wir, weil zu weit führend, hier nicht näher
belcucbdh, ziemlich sicher ist cs, dass dieselben aus der
Vermischung der Kötner, welche in den Jahren 16 bis
12 vor Clir. die Unterwerfung der Alpenländer vollen-
deten und ihre Herrschaft in denselben bis in die Zei-
ten der Völkerwanderung behaupteten, mit der damals
in jenen Gebieten ansässigen Bevölkerung, die uns von
den alten Autoren als Rhäticr bezeichnet wird, entstan-
den sind. Der Komani.-irnngs - l’mcess dieser Rhäticr
scheint verhältnissmässig ziemlich rasch vor sich gegan-
gen zu sein, denn als im 6. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung die Ostgothen unter ihrem vielbesungenen
Führer Dietrich von Bern (Theodorich von Verona) die
Alpen, besonders das heutige Tirol, überschwemmten,
fanden sie dasselbe ganz romanisch. Es unterliegt kei-
nem Zweifel, dass die Rhäto - Romanen einst eine weit
grössere Ausdehnung besessen als heute, dass sie von
den Quellen des iiinter-Klieincs bis ins Pnsterthal, von
den oberitalieniaehcu Seen bis zum deutschen Meere
(Bodcn.'cc) und au den Lech sich ausgebreitet haben.
Noch jetzt erinnern zahlreiche Ortsnamen , über ganz
Tirol zerstreut, au diese ehemalige Ausbreitung der
Rhäto - Romanen, von welchen sogar noch Bluts- und
Sprachvorwandte sich in den Ladinern der südöstlichen
Thälcr Tirols bis auf den heutigen Tag erhalten haben.
Allein die Rhäto -Romanen — ein Mischvolk — unter-
lagen im „Kampf ums Dasein“ den kräftigeren germa-
nischen Stämmen, die — eine reine Race — von Nor-
den als Bajuwaren, im Innthal von Süden her als Lan-
gobarden im Etachthal keilförmig in sie eindrangen,
sie zersetzten und schliesslich auf die einsamen Hoch-
thäler beschränkten, wo sie bis in die Gegenwart ihr
Dasein fristen. Ihre »Sprache jedoch, gleichwie ihr
»Stamm, ist dem germanischen Elemente gegenüber noch
immer in der Abnahme begriffen und vermag im -Süden
auch nicht dem Italianismus zu widerstehen. Die Rhäto*
Romanen sind ein untergehendes Geschlecht und eines
der lehrreichsten Beispiele, wie der „Kampf ums Dasein“
auch in der Ethnologie und Menschengeschichte Mia
Recht behauptet.
Rechtssitton bei den Basken. (Globus, Bd. XVII,
S. 300—302.)
Nach zwei Aufsätzen von Eugene Cordicr im
„Bulletin trimeatrlcl de la Societe Kauiond“.
Reinsberg-Düringsfeld. Aberglauben der Küsten-
nnd Inselbewohner Dalmatiens. (Globus, Bd. XVII,
S. 380—382.)
Reinsberg -Düringsfeld, Frhr. v. Der Vogel*
glaube in der Ukraine. (Ausland 1871, Nr. 9.)
Reinsberg- Düringsfeld, Othon, Baron. Tradi-
tion b et legende« do la Belgique. Description
des fötes religieuses et civiles, usage», croyances
et pratiqueB populaireB de« Beiges onciens et mo-
dernes. Bruxelles, Ferd. Claotwen, 1870, 8Ö. 2
Volume.
Reise. Kine Heise durch Russland. (Allgemeine
Zeitung 1870.)
I. Nowgorod, Nr. 89. II. Moskau, Nr. 91, 92, 93,
94. III. Kumk und Kijew', Nr. 95. IV. Dnjcpr - Rebu-
und Steppctifuhrt, Nr. 100. V. Am Pontus und iti Bes*-
arabien, Nr. 104.
Reise-Eindrücke in Siebenbürgen. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 25, 20.)
Rouchlin, Horm. Dos italienische ßrigantonthum.
(Unsere Zeit 1870, II, S. 146—167, 237—252.)
Eingehende Behandlung dieser Cultnrcrscheinung hei
romanischen und «Umsehen Völkern.
Richtor, Albert. Deutsche Heldensagen des Mit-
telalters. Leipzig 1870, 8°. 2 Bde.
Besprechung in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1870, Nr. 361.
Ritchie, Anna Cora. Italinn Life and Legend«.
New York 1871, 12®. 299 S.
Ritz, R. Ueber einige Ortsbenennungen nnd Sa-
gen des Eringerthales. (Jahrbuch des Schweizer
Alpenclub. Born 1870, 8. 366 — 380.)
Riva am Garda See. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 233, 234.)
Rochau, A. L. v. Geschichte des deutschen Lan-
de« und Volkes. Berlin 1870.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 383
Buge, Dr. SophUB. Das Land Kehdingen. (Ans
allen Weltt heilen, I. Jahrgang, Nr. 1, 6. October
1869, S. 6—8.)
Kurze Notizen über diese Landschaft hu der Unter*
Elbe und ihre Bewohner, mit zwei Originalubbitdungen.
Rullmann, W. Politisch-sociale Zustände und na-
tionale Bestrebungen in Finnland. (Unsere Zeit
1870, II, S. 322—334.)
Russische Culturskizzen. (Wissenschaftliche Bei-
lage der Leipziger Zeitung 1870, Nr. 82,83,84.)
Behandelt: 1. Die russischen Kronhnuertt. 2. Die
Kosaken. 3. Die sibirischen Kirgisen und die ursprüng-
lich unter der russisch - amerikanischen Compagnie ge-
standenen Inselbewohner.
Russisches, ein, Volksmährchen. (Globus, Bd. XVII,
S. 383.)
Russland und die slavischen Stumme. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 186, 187.)
Ruthenen. Die Ruthenen in Galizien; ihre eth-
nographische und politische Stellung. (Globus,
Bd. XVII, S. 39—42, 58 — 61.)
Anzahl der Ruthenen in Oesterreich. — Der Name.
— Physische Eigenschaften. — Haus und Trachten. —
Kein Bürgerstand. — Kirche und Schänke. — Volks-
glauben. — Volkspoesic. — Sprach« und Schrift. —
Hussen vom reinsten Wasser. — Gegcnsatx zu den Po-
len. — Niedriger Stand der Cultur.
Ruthenen. Die ungarischen Ruthenen. (Allge-
meine Zeitung 1871, Nr. 21.)
Saint Germain, Leonard de. Itinöraire descrip-
tif et historiqne de la Corse. Paris 1870, 8®.
Der Verfasser hat die historisch wie ethnographisch
leich merkwürdige und noch viel zu wenig gekannte
usel Corsica wiederholt zu Fass und ohne Empfeh-
lungsbriefe durchwandert und mit offenen Augen Land
und Leute beobachtet, die Geschichte dieser Insel zu
Käthe gezogen und so ein ebenso zuverlässiges als un-
terhaltendes Gemälde der früheren und jetzigen Sitten,
Gebräuche und Lebensrerbältnisse auf Corsica entworfen.
Sallaberry, J. D. J. Chants popul&ires du pays
bauijue. Bayonne 1870, 8°.
Sapiski der Kaiserlich Russischen Geographischen
Gesellschaft. Ethnographie, I. Bd., redigirt von
L. N. Maikoff. (In rassischer Sprache.) St Pe-
tersburg 1869, 8®. 841 S.
Inhalt: A. N. Trimoff. Die Begriffe der Bauern
des ( )r In AP sehen Gouvernements über die physische und
geistige Natur. J. J. Nos so witsch. Kleinrussische
Sprichwörter. — Weisariusiscbo Ruthscl. N. S. Seht-
schukln. Die Volksbelustigungen int Gouvernement
Irkutsk. Die Murman'sche und Ter’seht Küste nach
dem .Buche des grossen Grundrisses (Kniga baljscliago
tscherteaha). P. P. Tsehubinski. Umrisse der Rechts-
bräuche und Rech t »begriffe Kleinmsslands. A. N. W «•-
selowski. Geographische und ethnographische Mitthei-
lungen von Italienern über Altrussland.
Schmeling, C. Astrachan, seine Umgebung und
Bevölkerung. (Natur 1870, N. 4,- 5.)
Kurzer historischer Rückblick , dann Ueberachau der
verschiedenen Nationalitäten, welche die Einwohner-
schaft Astrachan« bilden, besonders der Armenier.
Schneller, Dr. Christ. Die romanischen Volks-
mundarten in Südtirol. Gera 1870, 8°.
Kecension in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1869, Nr. 344. *
Schnitzler, J. H. L 'Empire des Tsars an point
actuel de la Science. Paria 1869, 8°. IV. Bd.
Receusion in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1870, Nr. 3, 4. *
Sechseläuten , das. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 9b.)
Socto. Die Socte der Morelstschikis in Russland.
(Globus, Bd. XVII, S. 47.)
Senn, W. Charakterbilder Schweizerischen Lan-
des, Lebens und Strebens. Nach den besten Mu-
sterdarstellungen der schweizerischen und aus-
ländischen Literatur und eigenen Beobachtungen
zu einer bildenden LectÜre für Jedermann bear-
beitet. Glarus 1870, 4°.
»Siehe darüber: Petermann’s Geographisch«) Mit-
theilungen 1870, S. 2G9.
Serben. Die Serben an der Adria. Ihre Typen
und Trachten. 100 Tafeln in Buntdruck und
circa 60 Bogen Text. Leipzig 1870, Fol.
Sieherer. Lorelei. Plaudereien Über Holland und
seine Bewohner. Leyden 1870, 8°. 2 Bde.
In einer Reibe von zwölf im lebhaftesten Dialog ge-
schriebenen Plaudereien bringt der Verfasser (Gymna-
»ial-Profe»or, ein seit vielen Jahren in Holland ansäs-
siger Deutscher) alle Phasen der socialen und Natur-
Verhältnisse der Niederlande in treffender Weise zur
Anschauung; ja, nicht die geringste Aensscrung des
holländischen Votkswcsens ist dabei übersehen. Vom
farbenprächtigen .Städtebild bis herab zur Einrichtung
der Trekachuite, und vom ärmlichen vegetirenden Da-
sein des Scheven inger Fischers bis hiuauf zum ent-
wickeltsten geistigen Leben auf den hotländi* hen Uni-
versitäten, findet Alles an gehöriger .Stelle seine einge-
hende Besprechung, seine klare, vorurtheilsvolle Wür-
digung. Kurz, man kann sagen, ohne zu schmeicheln,
dass, wer Sicherer’s Lorelei gelesen, ein ebenso rich-
tiges wie ungeschminktes Bild von «Holland und seinen
Bewohnern** in sich aufgenommen hat. Eine eingehende
Kecension steht in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1870, Nr. 120.
Siegfriedbilder. (Globus« Bd. XVII, S. 319.)
Sitzungsberichte der Kaiserlichen Gesellschaft für
Naturwissenschaften, Anthropologie und Ethno-
logie bei der Universität zu Moskau. (In rassi-
scher Sprache.) Moskau 1870, 4°.
Darunter sind von besonderem Interesse die Abhand-
lung über die erratischen Steine, welche als Material
zum Ptlastem der 8t ras« n in Moskau dienen uud die
Fundorte derselben in der Umgegend der .Stadt, von
Tschurowski, dann: Bericht von Treiland über
seine ethnographische Reise ins Land der Letten.
Skizzen und Sagen aus Salzburg. Von Dr. H. Z.
(„Der Tourist“, Jahrgang II, 1870, S. 97*— 106,
113 — 125, 222—249.)
Sklaverei. Die Sklaverei im osm&nischen Reiche.
(Globus, Bd. XVII, S. 333—335.)
Gnte Charakteristik des orientalischen Sklaventhums.
Digitized by Google
384
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
slavonion. Durch Sluvonien und die Militürgrenze.
(Globus, Bd. XVIII, S. 1—7, 17—24, 33—39.)
Politische und nationale Stellung der Südslaven. —
Donautahrt und Puaatenbilder. — Ksaek, die dreitei-
lige Stadt. — Völkern» »chang. — Latifundien. — Aeua-
•cre Erscheinung der Bauern. — Princip der Geachlecht*-
geiueinstcliaft bei den alteu Slaven. — Mangel an Ver-
kehrsmitteln. — Da* projectirte Eisenbahnnetz- — Bil*
rlungMiistände. — Aberglauben. — Mängel der Justiz. —
Hauscommunion oderZudruga. — Ihre Vor- und Nach*
tfaeUe. — Slavonien* Holzreichthum. — Vuka. — Zi-
geuner. — Diakovar. — Bischof Strosamaycr und
»citie nationale Thätigkdt. — Die Auflösung der Mili-
tärgrenze. — Staatsrechtliche und geschichtliche Ver-
hältnisse. — Zigeunerlager bei Verpolje. — Keichthum
der Greinte. — Daten über den Ackerbau, die Holz-
productiun, den Vivliatand und die Mineralschätze. —
Typen in Gartschin. — Die Save, ein südslavischer
Fluss- — Handel auf der Save. — Grenzcordon. —
Regulirung der Sav*. — V ferscenerien. — Türkisch*
Brod. — Bosnische Tänzerinnen.
Sonklar, Carl von. Ueber einige Namen im Ge
birge. (Jahrbuch tlee österr. Alpen vereine 1870
S. 331—333.)
Spiess, Otto. Ein Streifzug ins Arnautluk. (Mit-
theilung der Geographischen Gesellschaft in Wien
1870, S. 385 ff.)
I)«r Verfasser nahm als Ingenieur an den Kuenbahn-
Tracirungen in der Türkei im Herbst 1869 Tbeil. Sein
Aufsatz ist nicht spccieil wissenschaftlich, sondern all-
gemein schildernd.
Stark, 1t. Wandertage in Südbaiern. (Die Vier-
teljahrsachrift 1870, Nr. 130.)
Statistik. Die amtliche Statistik in Ungarn.
(Ousterreichiachcr Oeoonomist 1870, Nr. 28, 32.)
Stöger, Eriedr. Das Eisass mit Deutsch- Lothrin-
gen. Land und Leute. Leipzig, Quandt, 1871,
8°. 95 S.
Sterblichkeit der Kinder in Frankreich. (Ausland
1870, N. 15.)
Streifsüge durch Deutsch - Höhnten. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 179, 180, 181.)
Studien über keltische Sprachen und Alterthümer.
(Globus, Bd. XVIII, S. 159—160.)
Talbot, Ed. Europa den Europäern. Uebersetzt
aus dem Französischen. Zürich 1869, 8°.
Türkei. Aus der Türkei. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 104, 149, 153, 170, 183.)
Urtheile. Englische Urthcile über Frankreich und
Deutschland. (Ausland 1871, Nr. 9.)
Vedovi, Dr. T. La Bosnia. Mantova 1869, 8°.
53 S.
Vedovi, Dr. T. Cenni sul Montenegro. Mantova
1869, 8*. 45 S.
Verua. Südtirols Vorwälachung. (Alpenfreund
1870, Bd. I. 8. 358—365.)
Viquesnel, A. Recherche« hisioriqnea sur quel-
ques points de rhiatoire generale des peuples
slaves et de leura voisins, les Turcs et lea Fin-
uois. Paris, Arthus Bcrtraud, 1869, 4°.
Vorwiegend ethnographisch; enthält auch drei Kar-
ten, wovon eine vorzügliche ethnographische. (E* bil-
det eigentlich den Anhang zit Viquesnel’» „Vorige
da»» In Turquie“.)
Vlamiacho Protestation gegen Französirnng. (Ma-
gazin für die Literatur des Auslandes 1870.)
Völkerwanderungen. Die Völkerwanderungen in
Istrien. (Allgemeine Zeitung 1870, Nr. 196.)
Volk und Volkaleben in Neurussland von J. M.
(Globus, Bd. XVII, a 138—141. 169—173; Bd.
XVIII, S. 169—173, 234—238.)
I. Der Gegensatz ron Gros»- und Kleinnmcn. II.
Sitten und Gebräuche in Neiirudaland- HI. Die Diener-
schaft auf dein Lunde. — Kleinrussische Melodien. —
Bestrafung de» Diebstahls. — Die Schänke und ihr
Einfluss. — Tänze. — Die cheinulige Frohnarbeit. —
•Schafschuren. — Spitznamen. — Aberglaube. — Leichen-
acker. — WAiiderungslust. IV. Arbeitskraft. — Man-
gelhafte Ernährung. — Anlage und geistige Befähigung.
— Die Poltawzy. — Luge der Gutsbesitzer. — Die
Kleinrussischo Sprache. — Warner- und Steppcnklima.
— Die .Schneeorkane. — Sunität» Verhältnisse. — Spin-
nen und Taranteln. — Ruin der polnischen Edelleute.
— Schlusabetracbtungen über die Zustände der Bauern.
Volkszählung. Ein Ergehn iss der vorjährigen
Volkszählung. ( Oesterreich »eher Occonomiat 1870,
Nr. 15.)
Vonbun, Dr. A. Die Montafoner Krautschneider.
(Alpenfreund 1870, Bd. I, S. 69 ff.)
Wagner, Prof. Dr. Adolf. Elsas« und Lothrin-
gen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland.
Leipzig 1870, 8®.
Besprochen in der Wissenschaftlichen Beilage zur
Leipziger Zeitung 1870, Nr. 74.
Walzor, Rud. Bilder aus dem kämtnerischen
Volksleben. (Tourist 1870, S. 390 — 392.)
Walachen. Die Walachen in Griechenland als
Räuber und als Hirten. (Globus, Bd. XVII, S.
363—365.)
Sprach vergleichend.
Waldeck, M. Vom Xordsceatraud zum Wüsten-
sand. Gulturgeaahichtlicha Bacher aus Deutsch-
land, Italien und Aegypten. Berlin 1870, 8®.
Wales and ita people. A trip through the princi-
pality to learn aoraething about the country and
the natives. Wrexham 1869, 12°. 56 S. *
Wallmann, Dr. Hoinr. I)an Reif machen in Ober-
Pinzgau und Lungau. (Jahrbuch des Österreich.
Alpenvereins 1870, S. 329 — 331.)
ln Pinzgau und Lungau besteht die Sitte, da» auf
freien Orten Feuer angezündet werden, in deren Folge
über da» ganze Thal ein« Rauchdecke »ich ausbreitet,
durch welche di« Reifbildung gehindert und die aufge-
hende Sonne nicht durchscheinen »oll.
Digitized by Google
385
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Wattonbach, Dr. W. Die Siebenbürger Sachsen.
Heidelberg 1870, 8*.
D«r Heidelberger Professor hat sich einige Zeit in
.Siebenbürgen aufgehalten und als Frucht seiner Reise
die vorliegende Schrift geboten- Nebst einem guten,
wenn auch gedrängten Ucberbllck der Geschicke der
sächsischen Nation in ^Siebenbürgen, schildert der Autor
ihre dcrnialigcn Zustände und geht auch auf die poIl-
tische .Stellung der Sachsen zu den übrigen Nationali-
täten ein. Obwohl wir ini grossen Ganzen mit Wat-
tenbach in seinen Anschauungen über letzteren Punkt
übereinstimmen, will uns indes« bedünken, dass er einer
vollkommen richtigen Auffassung gesammtosterreichi-
•cher Verhältnisse — die für einen Nicht Österreicher
allerdings nur sehr schwer verständlich sind — nicht
völlig gewachsen i*t. Eine eingehende Recension finden
wir in der Beilage znr Allgemeinen Zeitung 1870,
Nr. 121.
Watterich, Dr. Der deutsche Namen Germanen
und die ethnographische Frage vom linken Rhein-
ufer. Paderborn 1870, 8°.
Weatropp, Hodder M. On the Trihal System
and Land Tenure in Ireland under the Brehon
La ws. (Journal of the Ethnological Society of
London 1870. & 342—351.)
Prächtiger Ueberhlick der socialen Zustände in Irland
vor der Anglosächdschcn Invasion.
Wiokede, J. v. Die Bedeutung des Panslavismus
für Deutschland und das einzige Mittel zur Ab-
wendung der dadurch drohenden Gefahr. (D.
Vierteljahraschrift 1870, Nr. 130.)
Wocel, Joh. Erasmus. Die Bedeutung der Stein-
und Bronzealterthümer für die Urgeschichte der
Slaven. Prag 1869, 8°.
Aufschluss über dieses wichtige Work giebt im Aus-
land 1870, Nr. 23, 8« 541 — 542 der Aufsatz: Wohnorte
und Urgeschichte der Slaven.
Yovanovics, Vladimir. Lee Serbe® et la mission
de la Serbie dans l’Europe d’Orient. Paris, La-
croix, 1870, 8°. 325 pag.
Zohlicko, Dr. Adolf. Die politischen und socia-
len Zustande Galiziens. (Unsere Zeit 1870, Bd.
I, s. 657—681, 818—838; Bd. II, 8.527— 563.)
Inhalt: Das Land Galizien und seine Bewohner von
den ältesten Zeiten an. — Die Socialen und Colturver-
hältmwe Galiziens. — Die politischen Kämpfe in Gall-
*ien unter Oesterreich.
Zingerle, Prof. Dr. Ant. Die deutschen Gemein-
den im Fersinathale. (Alpenfrennd 1870, Bd. I,
S. 209—216.)
Zorn, Theodor. Aberglauben bei den Mönchgu-
torn auf der Insel Rügen. (Globus, Bd. XVIII,
S. 86—88, 106—108, 123—124.)
Afrika.
(Von Robert Hartmann.)
About, E. Le Fel Iah. Souvenirs d’Egypte. 2 Edit.
Paris 1869, 8®.
Zeichen der Zeit für Frankreich , dass es daselbst
möglich gewesen, dieses trostlose Machwerk be-
kanntlich eines der rohesten Klopffechter de« „Chauvi-
nisme*, in zweiter Auflage erscheinen zu lassen.
Adams, Andr. Leith. Notes of a naturalist in
the Nile valley and Malta a narrative of explora-
tion and research in connection with the natural
history, Geology and Archeology of the Lower
Nile and the Maltese Islands. Edinburgh
MDCCCLXX.
Dies in mehrfacher Beziehung interessante Buch ent-
hält einige Rückblick« auf di« Bevölkerung Alt- und
Neuägvpteits.
Amero, C. L’Afrique äquatoriale : les sources du
Nil et Texp4dition militaire et scientifique diri-
gee par Sir Sam. Baker. (Revue contemporaine
1869, Novembre.)
Anderson, B. Narrative of a journey to Musardu,
the Capital of the Western Mandingoes. New
York 1870.
Wenn auch Verfasser keineswegs auf den Namen
eines Ethnologen Anspruch erheben darf, so gewährt
uns sein Buch dennoch manchen interessanten Einblick
in das Leben der westlichen Schwarzen .Sudans.
Aymee, A. Exploration de POgoway. (Recherche«
göographiquea et ethnographiquee nur le bassin
duGabon. Revue marit. et colon., XXVIII, 1870,
pag. 525.)
Baker. Exploration des affluents abyssiniens du
Nil. (Le Tour du Monde 1870, pag. 129 ff.)
Auszugsweise Bearbeitung des schon früher von uns
besprochenen Original Werkes, mit zum Thell ganz hüb-
schen Illustrationen.
Baker. Letter from the White Nile. (Athenaeum
1870, Nr. 2240.)
Enthält nichts Neues.
Beaunier, A. Premier Etablissement des Israe-
lites a Timbouktou. (Bulletin do la Societe de
Geograph. V Serie, XIX, 1870, pag. 347.)
Baron, A. Voyages en Nubie, en Abyssinie, en
Egypte etc. de Bruco et Mungo- Park. Limoges
et Iale 18G9. (Bibliotheque röligieuse.)
Gehaltlose Compilation.
Bechtinger, J. Ost -Afrika. Erinnerungen und
Miscellen aus dem abyssinischen Feldzuge. Wien
1870.
Recht frisch« Schilderungen abyssinischen Lehens. •
Andry, F. L'Algerie, promenadc historique et Berlioux, E. F. La traite orientale; hietoire des
topographique. 2 edit. Lille 1870. chasses Dt l'homme organisees en Afrique depuis
Archiv für Anthropologie. Bd. IT. lieft IV. 49
Digitized by Google
386
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
quinze ans pour les marches de TOrient. Pari®
1862, 8°.
Bizemont, H. de. Lettre d. Korosko, 21 Mai
1870. (Bullet, de la Sociäte de Geogr., V Sfsrie,
XIX, 1870, pag. 490.)
Brenner’», R. Expedition nach Ostafrika. (Puter-
ntann *s Mittheilungen 1870, S. 161.)
Einzelne ganz interessante Notizen.
Carröre, F. Le Senegal et son avenir. Bordeaux
1870.
Chaillu, P. du. Equatorial Africa, with an account
of the racea of Pigmiea. (Journal of the Ameri-
can Geogr. and Statist. Soc., II, 1870, pag. 99.)
Die Existenz von Menschen einer constunt niedrigen
Ntntur in Afrika ist unbestreitbar aus neuester Zeit auclt
wieder durch 8c h weinfurth erhärtet worden.
Chavanne, J. Eine Mineralquelle in der Oase
Ksur, Algerische Sahara. (Petermann’s Mitthei-
lungen 1870, S. 301.)
Cook, H. Notes on the Climate and Geology of
Abyssinin, (Proceed. of the Royal Googr. Soc.
XIV, 1870, pag. 158.)
Craig, J. Un apor<;u du Maroc. (Bullet de la^
Soc. de Geogr., V Ser., XIX, 1870, pag. 177.)
Dormoy, E. Souvenirs de voyage. Un voyage
ä Theben et dans la Haute- Egypte. (Revue con-
temporaine. Nouv. Serie, II, 1870, pag. 481.)
Erskine, St, V. W. Joumey of exploration to
the motith of the River Limpopo. (Journal of
the Roy. Geogr. Society, XXXIX, 1869, p. 233.)
Faidherbo , L. Collection complete des inscrip-
tionn numidiques llibyques) avec des aper^us
ethnograpliiquea sur les Numides. Lille 1870.
Faidherbo, L. lieber den Ursprung der Berbern.
(Zeitschrift für Ethnologie 1870, S. 1.)
Eingehende Besprechung dieses an sich sehr schwie-
rig zu lösenden Themas.
Flora, A. Aerztliche Mittheilungen aua Aegypten.
Wien 1869, 8°.
Gutes klimntologUchra und medicinisch • statistisches
Material, namentlich über Suez.
Fonoin. L’Afriquo australe d’apres les voyagee
recents. Bayonne 1869.
Forgäch, Graf A. Uebcr die Dolmen in Algerien.
(Ausland 1870, Nr. 46.)
Gatell, J. L’Ouadnoun et le Tekna, tt la cöte oc-
cidentale du Maroc. (Bulletin de la Societc de
Geogr., V Serie, XVIII, 1869, pag. 257.)
Gevrey, A. Essai sur les Comore*. Poiidichery
1870, 8°.
Gill, J. The Emigranta Guide to the South Afri-
can gold fields. London 1870, 8®.
*
Goguel, E. Les juifs d’Egypte devant l’Ere chre-
tienne. Strasbourg 1869, 8n.
Häckol, E. Eine Besteigung des Pik von Tene-
riffa. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin 1870, S. 1.)
Hahn, Jos. Gegenwärtiges Verhältnis« der Na-
znaqua zu den Hererd. (Zeitschrift der Gesell-
schaft für Erdkunde 1870, S. 468.)
Beleuchtet die Raceukümpfe zwischen den räuberischen
Natua und den ihre Freiheit so muthig vertheidigeudcti
Dum am oder Hererd.
Hahn, Theoph. Das hottentottische Tsuigoab und
der griechische Zevg. Daselbet S. 452.
Weist unter gleichzeitiger Aufklärung der eigentlichen
Bedeutung des Wortes Tsuigoab jede Verwandtschaft
desselben mit dein Worte Zeus entschieden und in über-
zeugender Weise zurück.
Hahn, Th. Die Sprache derXamo. Halle 1870. 8°.
Enthält sehr dankenxwerthe Nachrichten über die
ethnischen Verhältnisse Südafrikas.
Hahn, Th. Die Buschmänner. Ein Beitrag zur
afrikanischen Völkerkunde. (Globus, Bd. XVIII,
1870, V.)
Beleuchtet die ethnologische Stellung dieser früher so
oft als „verkommene Hottentotten“ geschilderten Men-
schen.
Hamm, W. Skizzen vom Nil. (Unsere Zeit VI,
1, 1870, S. 681, 750.)
Hartmann, R. Die Steppengebiete Nordost- Afri-
kas. (Weatermann’s illustrirte Monatshefte 1870,
Octoherheft.)
Beschreibung und Abbildung der nordosf afrikanischen
Nomaden in Nubien und Sennär.
Hartmann, R. Die Ptoembari und Ptoemphanae
des Plinius. (Zeitschrift für Ethnologie 1870,
S. 136.)
Ueber muthmaassliche alte Wohnsitze der Funje und
über den Hundecultus der Afrikaner.
Hartogh Heys van Zouteveen. La foret petri-
fiee du caire, le» collinesde tessons de poterie de
ln Baese-Egypte et la premiüre cataracte du Nil.
(Archive* nuerlandaises d. scienc. exact. V, 1870,
pag. 238.)
Henkel. Der Handel mit den farbigen Racen in
Afrika. (Der Welthandel 1870, S. 85.)
Holland and Hosier. Record of the Expedition
toAbyssinia. Coropiled by Order of the secretary
of State of War. 2 VoL, London 1870, 4°.
Sehr genaue Darstellung aller geschäftlichen Vorbe-
reitungen und Ereignisse des viel besprochenen Krieges,
einig« zoologische und dergleichen Anhänge, übrigens in
rein ethnologischer Beziehung ohne Interesse.
Hochetetter. Madeira. Gesammelte naturwissen-
schaftliche Vorträge. Wien.
Hübner, A. Bergmännisches vom Tatin. (Zeit-
schrift der Gesellsch. für Erdkunde 1870, S. 198.)
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. * 387
Schilderungen de» socialen Elendes, welche» die Gold-
sucht unter enttäuschten Gurabusinos angerichtet hat.
Klunzinger, C. B. Blicke in das Hauswesen einer
Landstadt Ober&gyptens. (Ausland 1870, Nr. 16.)
Nach Beobachtungen wahrend eines mehrjährigen
Aufenthaltes an Ort und Stelle sehr anregend abgefasst.
Livingatone, Ch. Discovory of a New Channel
through tho Forcado« River to the town of Warro.
(Proceedings of the Royal Geographical Society,
XIV, 1870, pag. 166.)
Livingatone, Ch. Die Höhlenbewohner in Kusu
(Mittheilungen der Wiener geographischen Ge-
sellschaft 1870, S. 334.)
Livingatone will in Rua, nördlich von» Moero-See,
einen Volksstamm gefunden haben, der in unterirdischen
Höhlen lebt. Diese «ollen voll Thierzeichnungeu sein.
Grant erwähnt nun der Auslassungen seines eingebo-
renen Begleiters Manu» über solche Höhlen südlich
vom Tanganyika-See, in welche sich die Bewohner von
YVambwet) dächten, sobald sie von Sulus angegriffen
werden.
Magnani, R. lln viaggio a Tuuisi, N&rrazione.
Parma 1870, 8°.
Maltzan, H. v. Reis« io den Regentschaften Tu-
nis und Tripolis. 3 Bde. Leipzig 1870, 8°.
Maltzan, H. v. Ein Gerichtstag auf der Insel
Dscherba in Tunesien. (Globus 1870, Nr. 3 ff.)
Maltzan, H. v. Schicksale und Wanderungen eines
deutschen Renegaten in Nord -Afrika. (Globus
1870, Nr. 19 ff.)
Maltzan, H. v. Arabische Sagen über Alexandrien.
(Ausland 1870, Nr. 41.)
Maltzan, H. v. Eine südarabische Colonie in Cairo.
(Ausland 1870, Nr. 46.)
Maltzan , H. v. Aus dem Reiche des Khedive.
(Magazin für die Literatur dos Auslandes 1870,
Nr. 46 ff.)
Freiherr v. Maltzan, ein begeisterter Anhänger der
Ethnologie, weis» uns immer Werthvolles und Inter-
essantes auf unseren» Felde zu bieten. Derselbe bat
sich auch bemüht, das Physische der von ihm beobach-
teten Stämme aufzufasMen und in geschickter Form wie-
derzugeben.
Marno, E. Von Famnka nach Fadnsi. (Mitthei-
lung der Wiener geographischen Gesellschaft 1870,
S. 557.)
Schrecklich zu lesen, wie die Amam- Neger ihre
Schurzfelle aus Menschenhaut machet», eine zwitschernde
Sprache reden und wie die guten Funj« von Dull-Jum-
jum und Dutl-Migmig, mit denen Referent so harmlos
und freundlich verkehrte, höchst wahrscheinlich
Menschen fressen. „Wenigstens gesteht es der acht-
jährige Barum, den ich (Msrno) besitze, ganz offen.“
l’eber da» Volk von Fadari lässt uns Verfasser in sei-
nem kärglichen Berichte völlig im Luklaren — vielleicht
nicht ohne Absicht.
Martin, C. Die Insel S. Vicente. (Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde 1870, 8. 372.)
Meulemans, A. L Empire du Maroo et »es relations
commerciales avec la Belgique, 2 ed. Bruxelles
1870, 8«
Miasionsbildor. Achtes Heft. Sierra Leona und
Yoruba. Stuttgart 1870, gr. 8".
Monforand, P. de. LTlo de la Reunion et les tra-
vailleurs etrangers, seines de la vie creole. Auch
1870, 8°.
Mouvement des uais&ances et des döoeg en Egypte,
de 1867 ä 1868. (Journal de la Societe de Sta-
tistique de Paris 1870, pag. 74.)
Nachtigal, G. Briefe aus Murauk vom Januar
1870. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
1870, S. 265.)
Nachtigal, G. Reise nach Tibesti. (Zeitschrift
der Gesellschaft für Erdkunde 1R70, S. 69.)
Nachtigal, G. Reise zu den Tibbu -Rcschada.
(Peteruiaun’8 Mittheilungen 1870, 8.25, 47, 273.)
Nachtigal , G. Die Tibbu. Ethnograph. Skizze.
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde 1870,
S. 216, 289.)
Nachtigal, G. Die Tibbu - Reschäde in Tibesti,
ihr Charakter und ihre Sitten. (Global, Bd. XVIII,
Nr. I, XIII.)
Nachtigal liefert uns «ine ganz vorzügliche Mono-
graphie über «las in mehrfacher Beziehung so interes-
sante hinsichtlich seiner ethnischen Stellung bisher noch
so wenig bekannte Volk der Tibbu.
Noble. The Cape and its people and other Essays
by South African Writers. Cape Town 1869, 8°.
Oliver, S. P. On the Ilovaa and other characte-
ristie tribea of Madagascar. (Memoire of tho An-
thropol. Society of London 1870, pag. 1.)
Rcade , W. Report of a Journey to the Upper
Watera of the Niger from Sierra Leona. (Pro-
ccedinga of the Royal Geographical Society 1870,
pag. 185.)
Roeluß, E. Our trip to Egypt as guests of the
Viceroy, at tho opening of the Suez Canal. (Put-
nam’s Monthly Magazine 1870, March.)
Reclus, E. Voyage au Caire et dans la Haute
Egypte- La Philosophie positive 1870, pag. 127.)
Reisen des Rabbi Mordokhai- Abyserar nach Tim-
buktu. (Petermfton’s Mittheilungen 1870, S. 335.)
Relazione sommaria del Viaggio nel mar Rosso
dei Sigu. Antinori, Beccari e Insel. (Bollet.
dolla Soc. Geogr, Italiana 1870, pag. 43.)
Rohlfs, G. Land und Volk in Afrika. Berichte
aus den Jahren 1865 bis 1870. Bremen 1870, 8°.
Manch, K. Reisen in Südafrika. (Petermann’s
Mittheilungen 1870, S. 1, 92, 139.)
Rohlfg, G.
Nr. 49.)
Audjila und Djalo.
49*
(Ausland 1870,
#
Digitized by Google
388
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Es erscheint kuura nöthig, erst noch «nf das ethno-
logische Interesse naher hinzu w eisen , welches Rohlf’s
.Schriften im Allgemeinen darbieten.
Roasi , E. B. Geografia medica dell1 Egitto. Li-
vorno 1870, 8*.
Rougö, J. de. Textes geographiquea du teinple
d’Edfou. (Revue Archeolog. 1870, pag. 1.)
Wichtig für die Ethnologie Allägyptens und der Nach-
barländer.
Schauenburg, P. R. Note sur la Scnügambie.
Strasbourg 18C9, 8°.
Sklavenhandel in den ostafrikanischen Gewässern.
Ausland 1870, Nr. 7.
Sibree, J. Madagaecar and it» People: Notea of
a Four Months Reridence, with a Sketch of the
History, Position and Prospects of Mission Work
AQiongst the Malagsy. London 1870, 8°.
Stilling, H. C. Reise i Aegypten. Med 20 Af-
bildninger. Kopenhagen 1870, gr. 8°.
Taglioni, Ch. Deux raois en Egypte, journal d'un
invit£ du Kedive. Paris 1870, 12".
Die Eröffnungsfeierlichkeit des Suczcanal» hat Veran-
lassung zur Entstehung einer Menge von Büchern, Flug-
schriften und Journalartikeln gegeben. Ihnen wohnt
entweder nur ein specifisches handelspolitisches und
volkswirtschaftliches Interesse inne, oder aber sie blei-
ben unter der Fläche einer seichten Touristenliteratur,
so dass wir ans hier die Mühe und den Raum sparen
können, jene Artikel einzeln aufzu führen.
Taurin. Lettrea ä M. d’Abbndie (sur le pays Galla
de Finfinni). (Bulletin de la Sociätä de Geogr.,
V Serie, XIX, 1870, pag. 381.)
Bietet nicht so viel ethnologisches Material dar, als
die in C. Harris’ liighiauds ofAethiopia angeführten,
sehr dankenswertheu Nachrichten über die im Süden
von Schoa wohnendeu Orma.
Tauzior, H. Itincraire de Ruscic&da k Hippone.
(Bulletin de l’Academie d Hippone, Böne, Nr. 7,
8.)
Taylor, B. Central Afrika. New York 1870.
Ein Buch, welches in der Touristenliteratur über Ost-
Centralafrika einen der besseren Plätte einni turnt.
Trincia, T. Viaggio del Padre Filippo da Segni
daTripoli di Barberia al Bornou nel 1850. (Bol-
let. della SocietA geogr. ItuL 1870, pag. 137.)
Volk, da«, der Corooas an der Südwestküate von
Afrika. (Globus, Bd. XVII, 1870, Nr. 15.)
Amerika.
(Von P. v. Hellwald.)
Alaaka-Gebiet. Neuere Forschungen im Alaska-
Gebiet. (Ausland 1870, Nr. 4.)
Aldea. Petro Ruiz. Los Araucanoe y sus coatum-
bres. Anjele« 1868.
Alsop. Geo. A chnracter of the Province of Ma-
ryland. Described in four distinct Parts. Also
a small trentise on the wild and naked Indians
(or Susquehanokes) of Maryland, their Customs,
Mannen, Absnrdities and Religion. New York
1869, 8f. 126 S.
Amerika. Skizzen aus Amerika. (Ausland 1870.)
1. Die zuridi munde Corruption in den Vereinigten
Staaten, Nr. 12. — 2. Commerzielle Conventionen, Nr.
12. — 3. Der Humbug in der Geschäftswelt, Nr. 13.
— 4. Scblussbemerkuugen, Nr. 13.
Amerika. Streifzüge unter den Indianern im
nordwestlichen Amerika. (Globus, Bd. XVII, S.
113—119, S. 129—135.)
•Sagoskin’a Expedition nach dem Yukon. — Das
Fest des Versenkens der Blusen ins Meer. — Die Ma-
laimiuten. — Der Handelspotte» Nulnto. — Nordlich-
ter. — Die Co Yukon Indianer. — Ermordung eines
Engländers. — Fischfang und Rennthicrjagd. — Fi-
scherdörfer am Yukon. — Station Ncwikargut. — Teu-
felaust reiben. — DieTanana Indianer bei Nuklukayette.
— Die grosse Stamm gruppe der Thlinkith oder Kölni-
schen. — Die Stämme des Wolfes und des Kuben.
Totem«. — Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Industrie.
— Der Mythos von Jeschi, dem Schöpfer aller Dinge.
— Fluthsage.
Amcrikaniachon , die, ZeitungeD. (Ausland 1870,
Nr. 29.)
Nach Chambers Journal. Culturbistorisch interes-
sant.
Ande«, The, and the Amazoo. (Harpcr’s New
Monthly Magazine. New York, Febr. 1870.)
Appun, Carl Ferd. Am Rupununi. (Ausland.)
I. Von Yakutu nach Pirara (1870, Nr. 2, 3),
II. Walor&ipuru, der Teufelsfelsen (Nr. 34, 85).
Enthält einiges Ethnographisches über die Macnschi
Indianer.
Appun, C. F. Ilamikipang, der Urari-Berg. (Aus-
land 1870, Nr. 42, 43.)
Werthvolle Bemerk nngen über das indianische Pfeil-
gift „Urari“.
Appun, C. F. Die Indianer in Britisch- Guyana.
(Ausland 1871.) 1. Die Indianerstimme der
Küste. Nr. 6, 7, 8.
Appun, C. F. Unter#den Tropen. Wanderun-
gen durch Venezuela, am Orinoeo, durch Britisch-
Guvana und am Am&zonenstrome, 1849 — 1868.
Jena, Costenoblo, 1871, 8°. Bd. I.
Dieses bedeutsame Werk, dem Prinzen Adalbert
von Preussen gewidmet, ist die Frucht eines zwanzig-
jährigen Studiums der Natur und Menschen in den
Gegenden de» tropUchcn Südamerika, welche» der Ver-
fasser im Auftruge der englischen Regierung bereist
bat. Herrliche Vegctationsimsichtcn , nach den ausge-
zeichneten Gemälden des Verfassers gefertigt, schmücken
Digitized by Google
389
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
das Werk . dessen erster Band sich ausschliesslich mit
der Republik Venezuela befaßt.
Appun, C. F. Die Getränke der Indianer Guya-
nas. (Globus, Bd. XVIII, S. 268—271, 299—
302, 315—317.)
Schildert in interessanter, anschaulicher Weise die
Zubereitung der Lleblingsgctränkc der südamorikani-
sehen Indianer, besonders des aus Manihot utilissima
Pohl, gewonnenen, berauschenden Paiwari, des Paiwa
und des Casiri. Letzteres besteht aus Mais, Bataten
und Zuckerrohrsall. Bemerkenswert!! ist , dass die In-
dianer Guyanas fast kein einziges Getränk haben, von
dem nicht bei dessen Fertigung einzelne Bestandteile
die Kauapparate ihrer Weiber passirt wären. Nicht
minder spannend und ethnographisch werthvoll ist die
Schilderung eines Trinkgelages der Macuschi Indianer.
Appun, C. F. Fische und Fischfang in Britisch-
Guyana. (Ausland 1870, Kr. 47, 48, 49.)
Appun, C. F. Eine Nacht am Rio Takuta in
Britisch-Guyana. (Globus, Bd. XVII, S. 92 — 96.)
Auffetand, der, auf Cuba. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 187.)
Aufstand der Kuli» in Peru. (Globus, Bd. XVIII,
S. 284—286.)
Schildert die traurige Lage der chinesischen Kulis.
Aufstand, der, in Mexiko. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 88, 91.
Seit der traurigen Katastrophe vom 19. Jnni 1867
gelangen nur spärliche Nachrichten aus Mexiko zu uns;
was dieselben jedoch aussagen , könnte zur hoben Be-
friedigung des Referenten gereichen, der es unternommen
hatte, die Geschichte des mexikanischen Kaiserreiches
zu schreiben und von gewisser Seile den herbsten, wü-
thigsten Tadel «Iber sich ergehen lassen musste, weil er
es gewagt hatte, di« dortigen Verhältnisse, besonders
die ethnischen , richtig zu beurtheilou , diu Dinge bei
ihrem wahren Namen zu nennen und die ganze mora-
lische Versumpfung, die schwindelhaAe Hohlheit und
Phraseologie, vorzüglich der sogenannten Liberalen
hloszii legen , welche es einzig und allein ihrem l’artei-
nameti zu danken hatten, wenn sie von der unwissen-
den europäischen Presse in di« Wolken erhoben wurden.
Es ist eine ganz unumstößliche Tbatsuche — di« kein
aufrichtig sein wollender Kenner mexikanischer Ver-
hältnisse negiren wird — dass der einzige, in europäi-
schem Sinne anständige, honnette Mann im Lande —
Maximilian war. Die vorliegenden aus Colima da-
tirten Briefe haben uns diese Thateache wieder recht
lebhaft ins Gedächtnis* gerufen. Sie schildern mit
deutschem Freimut!) die elende Wirtschaft des von
unseren Journalen so hoch gepriesenen Republikaners
Juarez, nrid zeigen, wie seil Zertrümmerung des Kai-
serreiches das Land nicht nur nicht die geringsten Fort-
schritte, sondern entschiedene Rückschritte gemacht hat.
Wir wissen sehr wohl, dass seit 1867 eine Menge sehr
freisinniger Gesetz« in Mexiko votirt wurden sind, wohl
um. zu zeigen, wie wenig liberal das Kaiserreich gewe-
sen; dies ist aber Alles vollkommen werthlos in einem
Lande, wo es nicht möglich ist, auch nur Einem Ge-
setze Achtung zu verschaffen. Die Hauptfrage , das
Räoberweeen , hat unter der liberalen Republik in ge-
radezu erschreckender Webe überhand genommen, und
dadurch jede sowohl moralische als materielle Hebung
des Landes in di« weiteste Ferne gerückt. E* würde
steh sehr der Mühe verlohnen, eine detaillirte Geschichte
der Regierung des Juarez zu schreiben and die Paral-
lelen mit dem so rasch verdammten Kaiserreich zu zie-
hen; die vorliegenden Artikel wären treffliches Material
zu solcher Arbeit.
Aufstand, der, in der Redriver-Colon ie. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 5.)
Dieser Aufsatz gewährt ein sehr gutes Bild der neue-
sten im nördlichen Theile Amerikas vor sich gegange-
nen staatlichen Veränderungen, und giebt eine kurze
Geschichte des Redriver Settlement.
Aufstand, der, am Winnipeg See, (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 16.)
Sehllesst sich an den Aufrufe in Kr. 5 der Allgemei-
nen Zeitung an und schildert in Kürze die Ursachen
des Aufwandes. Auch hier sind ethnologische Verhält-
nisse ausschlaggebend.
Beade, J. H. Life in Utah. New York 1870, 8°.
540 S.
Bell, W. A. New traeks in North America. A
Journal of travel and adventure whilat engaged
in the aurvey for a Southern railroad to the Pa-
cific Ocean during 1867 — 1868. London 1869,
8y. 2 Vol.
W. A. Bull hatte sich der Expedition zur Nivelli-
rung zweier Eisenbahnlinien von Kausas durch Neu
Mexiko und Arizona nach CaLifornien angeschlossen,
verliess aber dieselbe in Arizona! um durch die mexika-
nische Provinz Sonora nach dem catiforniBcben Golf
und zu Schiff nach San Francisco zu reisen. In dem
vorliegenden, prächtig ansgestatteten zweibändigen Werke
schildert Bell die Geschichte und die Ergebnisse der
Expedition. Nach einer sehr lesenswerthcn physisch-
geographischen Einleitung über den Westen der Ver-
einigten Staaten folgen vorzügliche Naturschilderungen,
Erzählungun von Abenteuern , interessante ethnogra-
phische Abschnitte über die wilden und bulbcivilisirten
Indianer in Neu Mexiko und .Arizona, mit statistischen
Nachweisen, ergötzlichen Aufschlüssen über mexikanische
Zustände, Geschichtliches u. s. w.
Borendt, Horm. Analytical alphabet for the Me-
xico!) and Central American languages. New
York 1869, 8°. 80 S.
Der durch seinen langjährigen Aufenthalt in Amerika
und seine verschiedenen Arbeiten rühralichst bekannte
deutsche Forscher macht in der vorliegenden kleinen
Schrift den Versuch, ein zur genauen Lautwiedergabo
der meisten amerikanischen Idiome geeignetes Alphabet
aufzustellen.
Boll&ert, Will. Examination of Centralainerican
Hieroglyph». (Jahrbuch 1870 der Londoner an-
thropological Society.)
Auszug davon im Ausland 1870, Nr. 30.
BowIob , Samuel. The Switzerland of America.
A Summer Yacation in the Park» und Mountains
of Colorado. Springfield, Mas». 1869, 8°. 166 S.
Boyer, C. La röpublique Argentine. Population,
Immigration, colonies agricoles. Paris 1869, 8°.
Brassour’a Entzifferung der yucatekischen Hiero-
glyphen. (Ausland 1870, Nr. 12.)
Br&aaeur do Bourbourg. Manuscrit Troano.
Etudes sur le systfeme graphique et la langue des
Mayas. Paris 1870, 4°. Bd. II, 517 S.
Digitized by Google
390
verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Brinton, D. G. The national Legend of the Chahta-
Muakokee Tribea. Morriaania, New York 1870, 8°.
Diese Abhandlung ward ursprünglich im Historical
Magazine veröffentlicht und befasst aich mit einer we-
nig bekannten Sage der Creek oder Muakokee Indianer.
Brinton, D. G. Contributions to a grammar of
the Muskokec language. Philadelphia 1870, 8°.
Brinton, D. G. The ancient phonetic alphabet of
Yucatan. New York 1870, 8*.
Kitte klare und saebgemägs«? Darlegung des phoneti-
schen Alphabets nach Diego de Landa.
Browne, J. Boss. Reigen und Abenteuer im
Apachenlande. Jena 1870, 8°.
Burton, R. P. Leiters from the battle-fields of
Paraguay. London 1870, 8°. 500 S.
Byington, Cyrus. Grammar of the Choctaw Lan-
guage. Edited from the original Mas. in the
Library of the American Philosophical Society by
I). G. Brinton. Philadelphia 1870, 8°. 209 S.
Mr. Byington war Missionär bei den Cboctaws und
starb 18t>8; die vorliegende »ehr werthvolle Grammatik
hinterliess er zum grössten Theilc vollendet; das Feh-
lende ergänzte der uns befreundete, seit Jahren mit
amerikanischer Ethnologie beschäftigte Herausgeber.
Canons. Die Hochebenen Canons in den Unions*
gebieteu westlich von Rio Grande. (Ausland
1870, Nr. 21.)
Nach dem Werke Bell’«: New tracks in North
America.
Charencey , H. de. Le pronom peraonnel dans
les idiotnes de la famille Tapachulane-Huasteque.
Caen 1868, 8°.
Charencey , H. de. Essai de dechiffrcinent d’un
fragment d'inscription palenquöenne. Paris 1870,
8".
Chester, J. Pransatlantic sketches in the West-
Indios, South America, Canada and the United
States. London 1870, 8°. 414 S.
Chile, Aus. (Wissenschaftliche Leipziger Zeitung
1870, S. 35, 295.)
Berichtet über die Stellung der Deutschen in Chile,
welche in Valdivia den Ton angeben, beklagt, dass seit
mehr denn 10 Jahren die Einwanderung nach Chile
ganz und gar stocke, polemislrt gegen Gerstäeker,
uud berichtet über die Jesuiten, deren Niederlassung
und Bekämpfung durch die nordamerikauische Tractat-
g<* Seilschaft, die indes« unserer Meinung nach nicht um
Ein Haar besser ist, als die Jesuiten.
Chile iu der Gegenwart. (Wissenschaftliche Bei-
lage der Leipziger Zeitung 1870, Nr. 51.)
Auszug aus Dr. Fonck’s gleichnamiger Arbeit.
Chinesen in Californien. (Globus, Bd. XVII, S.47
—48, 208; Bd. XVIII, & 46.)
Auszug aus den» Berichte de« Schutz verein« für die
Chinesen in Californien. Es wird darin unter Anderem
miiget heilt, dass die Chinesen das Sprachstudium eifrig
j'tb-K n und darunter sieh viel mit dem Deutschen <9
beschiiftigen.
Codman, J. Ten months in Brazil. With noteg
on the Paruguayan war. Edinburgh 1870, 8®.
223 S.
Colorado- Wüste, die. (Ausland 1871, Nr. 4.)
Corruption, über, in der amerikanischen Gesell-
schaft. (Ausland 1870, Nr. 39.)
_ Eröffnet einen traurigeu Hinblick in die bis in die
höchsten Schichten der amerikanischen Gesellschaft
dringenden Curmption, und wäre zur Lee tu re besonder*
für Jene geeignet, welche bei jeder passenden und un-
passenden Gelegenheit nicht verfehlen, uns Europäern
die Vereinigten «Staaten ab Muster binzustellen.
Dali, WilL H. Alaska and its Resources. Boston
1870, 8«. 627 S.
Dieses durch di« Fülle seines Inhaltes gewichtige
Werk ist die Ergänzung zu dem Buche von Whymper
über Alaschka, welches schon seit Jahr und Tag in
Aller Bänden ist. Während bei Letzterem wir auf
wenig Seiten die Beschreibung der Keise auf dem Yu-
kon nebst einem Kapitel über den Werth Alascfakas
sowie über den asiatischen Ursprung der Eskimo« zu-
sammengedrängt Anden und der Best sich auf das
übrige Amerika bezieht, ist da» Dail’sche Werk fast
ausschliesslich dem Territorium Alaschka gewidmet; es
giebt auf »einen ersten 240 Sehen ebenfalls die Beschrei-
bung der Reise, sehr reich und gut illustrirt, alsdann
in» zweiten 280 Seiten starken Theii zusamraenfaasende
Abhandlungen über die Topographie, Erforschungs- und
Handelsgeschichte, Eingeborenen, Klima und Bodenbe-
nuttung, Geologie und nutzbare Mineralien, Fischereien,
Pelzhandel und andere Ressourcen Alaschka», endlich
in einem Kapitel verschiedene Notizen über Kritisch
Columbia uud das nordöstliche Asien. Den» zweiten
Theii schliesst »ich ein 80 Seiten umfassender Anhang
au, mit statistischen Tabellen über Bevölkerung und
Pelzhandel, »ult meteorologischen Beobachtungen, einem
Position« - Verzeichntes unter Angabe der Autoritäten,
mit Vocahulsrien, Verzeichnissen von Tbieren und Pflan-
zen, endlich mit einer dankeiuwerthen Bibliographie
und einem nicht minder dankenswertheu Sachregister.
Dali , W . EL On the distribution of the untive
Lribea of Alaska and the adjacent territory. (Pro-
ceedingB of the Amer. Association for the Advau-
cement of Science 1869. Cambridge 1870.)
De Costa. The Northmen in Maine. A critical
exmnination of tho views of Dr. J. G. Kohl , and
a chapter on the Discovery of Massachusetts Bay.
Albany 1870, 8°. 146 S.
D© Costa, B. F. The Northmen in America. (Jour-
nal of the Americ. Geograph, and Statist. Society.
New York 1870, Vol. II, Part 2, S. 40—54).
Kurze, auf die Identlfizirung der Oertlichkeitcu Be-
zug uehmende Geschichte der Normannischen Kutdec klin-
gen an der Ostküste von Nordamerika im Anfang de«
11. Jahrhunderts, mit einer Karte des Cape Cod, wi«
es im Beginn des 17. Jahrhunderts war.
Degener, L. Aua Guatemala. (Aus allen Welt-
teilen 1870, Nr. 32, S. 249—252.)
Dolitsch, Dr. O. Aus dein fernen Westen. Skizze.
(Aus allen Welttheilen 1870, Nr. 35, 36, 37.)
Das I-and. die Entwickelung des Bergbaues, Land-
bau, Iudustrie, Bevölkerung, die PactAu-Uabn.
Digitized by Google
391
VerzeicUniss der anthropologischen Literatur.
Eisenbahnfahrt, eine, nach Californien. (Ausland
1871, Nr. 1.)
Entvölkerung, die, der Ackerbaugegenden in Neu-
England und die Wanderungen in den Südstaa-
ten der Union. (Globus, Bd. XVII, S. 62 — G3.)
Auszüge aas amerikanischen Blättern.
Ernst-, A. Proben venezuelanischer Volksdichtung.
(Globus, Bd. XVIII, S. 9—12.)
Textangaben mit dentscher Uebersetzung.
Ernst, A. Bemerkungen über das Delta des Ori-
noco und die Gunraunen. (Globus, Bd. XVII,
S. 316—318.)
Beschreibt die Wohnungen der Guaraunen (oder rich-
tiger Guara-nno). Diese« Volk wohnt durchaus nicht
in den bekannten „Luftschlössern“, die man ihm auge-
dichtet bat; es erbant steh vielmehr ganz solide Hütten,
doch selten in grosser Entfernung von den Flnssufera.
Eyth, Max. Wonderbnch eines Ingenieurs. Hei-
delberg, Winter, 1871, 8". 2 Bände. Band II.
Amerika.
Fetischdienst in einer christlichen Kirche zu New
Orleans. (Globus, Bd. XVHI, S. 88-89.)
Zeigt wie die Neger in Nordamerika allmälig zum
Fetischismus zurückkehren.
Flomming. Das Delta des Rio Mira in Columbia.
(Ausland 1870, Xr. 3.)
Das nach seiner Natur und Production hier geschil-
derte, löQ Leguas grosse Flussdclta erzeugt haupt-
sächlich Zucker, Bananen, Kakao n. A. Di« meisten
Einwohner leben zerstreut über das Land, nur drei
kleine Dörfer giebt es dort: Cabo Manglares, Manglares
und Boca Grande.
Fonck, Dr. Frz. Chile in der Gegenwart. In
einem Vortrage geschildert. Berlin 1870, 8°.
50 S.
Diese kleine Schrift zerfallt ausser dem Vorworte in
zwei Abschnitte. Im «raten giebt der Verfasser eine
geographische l'ebersicht von Chile, im zweiten behan-
delt er dessen .Staatsleben; im Ganzen befürwortet er
lebhaft die deutsche Auswanderung nach der Provinz
Valdivia.
Forbes, D. On the Aymara Indians of Bolivia
and Peru. (Journal Ethnological Society of Lon-
don 1870, S. 193—306.)
Die Aymaras sind ohne Frage eines der interessan-
testen Indianervölker. Sie haben ihre Sprache bewahrt
bis auf die Gegenwart. Ihr Charakter ist ungemein
zäh uud sich gleich geblieben bis auf heute; die alten
Anschauungen uud Sitten sind zumeist unverändert.
Gegenüber den Weissen wie den Mischlingen bilden die
Aymaras einen Miliarien Gegensatz und sind beiden
schon öfters gefährlich geworden. Sie bewohnen den
Nordwesten von Bolivia und den Süden von Pen». Die-
ses ganze Gebiet ist Hochland mit einer Minimalhöhe
von 10 000 Fott über dem Meere; am nördlichen Ende
des Avmaragebietes liegt der Titicaca- See , dessen
gesammtes Küstenland eine Heimatb der Aymaras
gewesen, die man deshalb auch als Titicaca * Itace be-
zeichnet. Aeltere Spanier nennen sie Colla -Indianer,
weil sie die Golla suvo bewohnten. Die Aymaras,
von den Incas bezwungen, zahlten Tribut, sind aber
nicht dem Reiche einverleibt worden, nahmen die Spra-
che der Quechuas nicht an, hielten »ich isolirt, trugen
ihr Joch nur widerwillig, w urden aber allemal geschla-
gen, wenn sie sich gegen die Peruaner erhoben. Unter
den Spaniern war ihr Schicksal sehr bedauernswert!],
denn niemals sind Negersklaven tyrannischer behandelt
worden. Ihre Zahl schmolz dadurch zusammen; auf
jedem Schritte findet man verlassen« Dörfer. Nach
Vertreibung der Spanier dauerten di« inneren Fehden
in Peru und Bolivia fort; die überwiegende Mehrzahl
der reinen Indianer betheilig?« »ich nicht dabei, blieb
abseit als Zuschauer, lies» über sich ergeben, was eben
kam. Ihre Zahl wuchs wieder an; allmälig wurden sie
sich ihrer Macht bewusst und nahmen den Kacenkampf
auf. Die Aymaras hegen einen ingrimmigen tiefen
Hass gegen ihre W «lasen Unterdrücker. Die Verfas-
sung erklärt sie zwar für frei, doch sind sie kaum bes-
ser daran als Leibeigene; sie zahlen eine Jahrc&abgabe
von 4 bis 10 bolivianische Dollar per Familie. An der
Spitze der Commune stebt als Alraldc ein Indianer;
Gemeindeangelegenheiten ordnen nie selbständig, ver-
theilen die Ländereien nnter sich nach Bedarf. In
Pen» ist der Tribut der Indianer aufgehoben worden.
An Strassen, Brücken, Kirchen u. s. w. aber müssen
sie ohne Bezahlung arbeiten.
Gesammtzahl der Aymaras */4 Millionen Köpfe:
1956 in Bolivia (in 11 Provinzen) 441*746; 1864 aber
467*867; in Peru 379*834 Kopfe; Schätzung indess
wahrscheinlich um 100 000 zu hoch.
Körperbau kräftig, massiv, durchschnittlich 5' 3" eng-
lisch, selten 6' 4". Augen klein, schwarz oder tiefbraun,
Schultern breit, Rumpf lang, Beine kurz, Fuss klein,
Brustkasten stark ; niemals beleibt. Gesichtgprofil gut,
Nase gebogen, Mund nicht sehr gross, Lippen nicht
sehr aufgeworfen, voll, gelblich oder braun - rötblich j
Zähne schön, Haar voll und üppig, schwarz oder tief
schwarzbraun, ganz straft', fein; selten oder niemals
grau oder gar weiss. Männer bartlos, überhaupt am
ganzen Körper haarlos ; Haut glatt , weich , sanft , wie
polirt, nie klebrig, kühl, ohne merklichen Geruch. Farbe
braun, wechselt je nach Ücrtlichkcit uud Beschäftigung.
Der Aymara kann erröthen.
Er lebt anf dem Hochland und leidet nicht an der
Bergkrankheit; unter 8<KX>; Mooreshöhe fühlt er sich
nicht behaglich, in den Niederungen stirbt er rasch da-
hin. Gesichtsausdruck melancholisch, aber entschlossen;
ernsthaft, schweigsam, nachdenklich; nicht mittheilsam,
misstrauisch ; weder Marter noch Tod können dem
Aymara ein Geheimnis* abpressen, das er bewahren
will.
Die Arbeit von Forbes ist wohl das Vollständigst«,
was in neuerer Zeit über die Aymaras geschrieben
worden ist und des eingehendsten Studiums wertb ; sie
enthält noch viele, viele Details über Alterthümer,
Sprache. Sitten und Gebräuche dieses Volkes, so wie
ein Vocabnlar, welches freilich im Vergleiche zu
Tschudi’s Wörterbuch sehr dürftig erscheint. Indess
hatten wir noch nicht Gelegenheit zu prüfen, ob es
nicht doch vielleicht Neue» enthalte. J«?denf»lls darf
die Arbeit Forbes’ von keinem Amerikanisten über-
sehen werden.
Forwood, W. Stump. An historical and Descrip-
tive Narrative of the Mammoth Gave of Kentucky.
Philadelphia 1870, 8". 226 S.
Enthält Erklärungen über die Ursacheu der Bildung
dieser Höhle, ihre atmosphärische Beschaffenheit , danu
chemische, geologische und zoologische Notizen, so wie
Details über die augenlosen Fische.
Foeter, Dr. J. W. The Mississippi Valley; its
physical geography, including sketohee of the
topography, botany, climate, geology and mineral
resources , and of the progress of development in
Digitized by Google
392
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
populatiun and material vealth. Chicago and
London 1869, 8". 460 S.
Von diesem Huche intcressirt uns nur der Abschnitt
nm Schluss« über den Ursprung der (Zivilisation und
jener über die Fortschritte der Besiedlung und Produc*
tion der westlichen Staaten. Die beiden Kapitel über
den Ursprung der Prairlcn können sich »war an Viel-
seitigkeit und aniuuthiger Behandlung nicht mit dem
betreffenden Aufsatze Pesch el's in den „Neuen Pro*
Meinen der vergleichenden Erdkunde“ messen, aber von
derselben Ueberzeugung ausgehend, dass neben der
Temperatur die räumliche und zeitliche Vortheilung des
Regens die Existenzbedingung für Wald , Steppe und
Wüste ahgiebt, führen sie die Abhängigkeit der Regen-
verthcllntig vom Winde schärfer durch, und stellen die
Wind- und RegenverhältnLsse Nordamerikas dadurch in
ein neues Licht, dass sie eine Ablenkung des Passates
aus dom mexikanischen Golf nordwärts über den Con-
tinent hin nachweisen. Diese Ausführungen sind in-
teressant; verhältnissmässig schwach sind die Abschnitte
über den Einfluss des Klimas auf den Menschen und
über den Ursprung der Civilitation; über diese schwie-
rige, virlumfassetide Themata giebt es weit bessere Ar-
beiten.
Gaffarol, Paul. Etüde sur les rapporta de l’Am4*
rique et de l'ancien continent, avant Christophe
Colorob. Paris 1869, 8°.
Gauchos, die, der argentinischen Republik. (Aus-
land 1871, Nr. 2.)
Geöcze. Istran. Utazas Brazilinba es vissza. (Reise
nach Brasilien und zurück.) Pest 1869, 16°. 2
Bände.
Gerstäekcr, Friedr. In Mexiko. Charakterbild
aus den Jahren 1864 bis 1867. Jena 1871, 8°.
4 Bande.
Gerstäcker, Friedr. Neue Reisen durch die Ver-
einigten Staaten, Mexiko, Ecuador, Westindien
und Venezuela. Jena 1869, 8°. 3 Bände.
Goering, A. A visit to tlie Guajiro Indians of
Maracaibo. (Illustrated Travels 1870. Part 13,
S. 19—21.)
Gravier, Gabriel. Decouvertes et etablissementa
de C&valier de la Salle, de Rouen, dans I’Arae-
rique du Nord. Paris, Maisonneuve, 1870, 8°.
411 pag.
Grayson , Andrew J. Rambles in Northern Me-
xico. (Overland Monthly. San Francisco, Jan.
1871.)
Green, N. W. Mormonisnt: its rise, progress and
present Condition. Hartford Conn. 1870, 12°.
472 S.
Hartt, Ch. Fred. Scientific reeults of a journey
to Brazil by Louis Agassiz and his travelling
Cotnpanions. Geology and physical geography
of Brazil. Boston 1870, 8°, 620 pag.
Hartt, Ch. F. On the Botocudos of Brazil. (Pro-
ceedings of the Atneric. Asaoc. for the Advance-
ment of Science 1869. Cambridge 1870.)
Hasard, Samuel. Cuba with Pen and Pencil.
Hartford 1871, 8°. 584 S.
Heine, Wilh.. Reise zur Vermessung des Isthmus
von Daricn. (Ausland 1870, Nr. 30, 31, 32, 33.)
Nur wenige ethnographische Notizen über die San
Blas Indianer enthaltend.
Hollwald, Friedr. v. Zur Geschichte des alten
Yucatan. (Ausland 1871, Nr. 11.)
Kurzer Ueberblick der Geschichte des Mava -Volkes
und des Zusammenhanges seiner Cultur mit jener der
Nachbarländer.
Hinwegschwinden, das, der Indianer in Wiscon-
sin und Minnesota. (Globus, Bd. XVII, $. 191
u. 192.)
Auszug aus dem „Cincinnati Volksfreund*-: Die
Wälder sind hin, dos Wild ist weg, die Cultur kommt,
und der Indianer geht.
Hinwegstorben, das, der Neger in den südlichen
Staaten Nordamerikas. (Globus, Bd. XVII, S. 349.)
Der Neger eutxieht sieh der freien Arbeit ; die Neger-
urbei t wird mit jedem Jahre werthloser. Kr stirbt schnell
hinweg; e* bt ihm zu kalt in den nördlicheren Gegen-
den- ln Charlcston sterben täglich ungefähr SO Neger.
Ea werden fast gar keine Negerkinder mehr geboren.
Die Weiber erwürgen sie, sobald sie auf die Weit kom-
men. Diese Angaben Bind der aboiitionistischen und
Negerfreundlichen „New York Tribüne** entnommen.
Jagdon auf den Pampas des Laplata. (Ausland
1870, Nr. 38.)
•Schilderung einer Straoasjagd.
Indian Superstition«. (Engüsh Essays, Volum II,
p. 187—205.)
Wir halten es für eine sehr glückliche Idee, die in
englischen Zeitschriften zerstreuten gediegenen Aufsätze
der wissenschaftlichen Welt gesammelt darzubieten und
würden wünschen, dass ähnliche Unternehmungen für
Frankreich und Deutschland in Schwange kämen. Auch
der vorliegende Aufsatz wrard schon 1866 in der North
American Review veröffentlicht auf Grundlage der Ar-
beit von Perrot über die nordamcrikanischcti Indianer.
Kr gewährt ein treffliches Bild der eigenthümlichen
Geistesrichtnng , in welcher sich die indianischen über-
natürlichen Vorstellungen bewegen.
Indianer. Die peruanischen Indianer. (Ausland
1870, Nr. 50, 51.)
Indianer -Bevölkerung in den Vereinigten Staa-
ten von Nordamerika. (Ausland 1870, Nr. 37.)
Numerische Angaben über die Stärke der Stämme
und die Zahl der Indianer in den einzelnen Staaten
und Territorien , jedoch ohne Angabe der Quelle und
des Jahres, worauf sich die Daten beziehen.
Justiz, die, im spanischen Amerika. (Ausland 1871,
Nr. 1, 8.)
Kapp, F. Geschichte der deutschen Einwande-
rung in Amerika. New York 1870, 8°. 416 S„
I. Band.
Keim, Randolph. San Domingo. Pen Pic-ture*
and leavea of travel, romance and historv. Phila-
delphia 1870, 12®. 336 S.
Digitized by Google
393
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
ben der Rotlihäute, befördert durch das unbezei-.benbare
Vorgehen der Weinen, constatirt.
Kupfer, Dr. Die Cayapo-Iudianer in der Provinz
Matto - Grosso. (Zeitschrift der Gesollechaft für
Erdkunde 1870, Bd. V, S. 254—255.)
L&rimer, Sarah L. The Capture and Escape-, or,
life among the Sioux. Philadelphia 1870. 12°.
252 S.
Leben, das. auf der LandeDge von Panama. (Aus-
land 1871, Nr. 5, 6.)
King, Th. St. The white Hills, their legende,
landscapes and poetry. New York 1870, 8°.
403 S.
Kirchhoff, Theodor. Das nördliche Texas. (Glo-
bue, Bd. XVIII, S. 24—26, 39—41, 69—71.)
Eingehende Schilderung der gegenwärtig in Texas
herrschenden Culturzustäudo ; totale Unbrauchbarkeit
der freien Neger zur freien Arbeit; Nothwendigkeit
einer chinesischen Einwanderung und hierzu getroffene
Anstalten.
Kirchhoff, Th. Die indianischen „civilisirton Na-
tionen“ nördlich vom Red River. (Globus, Bd.
XVIII, S. 137—140.)
Schildert die Lage der Choctaws, Chickasaws, Creeks,
Cherokee* und Seminolen im indianischen Territorium
und constatirt, dass sie aussterben.
Klarbach, H. Die Red « River Colonie und der
Aufstand der Mischlinge. (Globus, Bd. XVII,
S. 375—878.)
Der Verfasser, welcher vier Jahre in der Red -River
Colonie zugebracht hat und die dortigen Verhältnisse
genau kennt, schildert die aus französischem und india-
nischem oder schottischem Blute entsprossenen Misch-
linge-
Knort*, Prof. Carl. Märchen und Sagen der
nordamerikaniseben Indianer. Jena 1871, 8*.
285 S.
Mit lebhafter Freude begrünen wir eiu Werk, wel-
che* unsere noch sehr beschränkte Kenntnis* auf dem
Gebiete der amerikanischen Sagen »o ansehnlich erwei-
tert; denn Professor Knortz hat die uns gebotenen
87 Nummern nicht bloss aus schon gedruckten (Quellen,
sondern vielfach ans dem Munde der Eingeborenen
selbst aufgezcwhnet, wodurch sein Buch die selbständige
Wichtigkeit einer Quellschrift bekommt. Der reiche
Inhalt umfasst zunächst eine ganze Reihe kosmopoliti-
scher Mythen der verschiedenen Stämme, dann ferner
eine Menge mythologischer Erzählungen, die theils noch
wirkliche Mythen, theils schon zu Märchen umgewaa-
delt sind, alle aber für die Geschichte der indianischen
Religionen grosse Bedeutung haben; drittens verschie-
dene historische Erzählungen von der Herkunft , den
Kumpfen der Stämme bis zu anekdotenhaften Zügen
einzelner Helden; und endlich eine ziemlich lange Reihe
oft ganz allerliebster Thierfabeln , welche theils mytho-
logisch die Entstehung oder die Eigenart der Thiere
darstellen, theils aber auch moralische Züge in echtes
Fabelgewand einkteiden. So sehen wir denn durch das .
Buch von Knortz wie durch einen Querschnitt in das
innerste Wesen des heutigen Indianerglaubcns; und
gerade dieser Einblick spricht für die Nothwendigkeit
der Sammlung, denn manche Mythen sind schon in
solchem Verfall , das* Ihnen gänzliche Vergessenheit
drohte. (Besprechungen siehe in der Allgemeinen Zei-
tuug 1870, Nr. 300 und im (Hobos, Bd. XVHI, S. 344
— 345, letztere, wie wahrscheinlich auch die erste re,
aus der Feder Dr. Gerl and'*.)
Kroba, Prof. W. Ein Brauch bei den halbcivili-
sirten Bewohnern Nebraskas. (Globus, Bd. XVII,
S. 220—222, 236—238.)
Berichtet über Eineheilung, Zahl, Sitten, Ehe, Tracht,
geistige Fähigkeiten, Sprache und religiösen Glauben
der Pawnee Indianer. Kurze Notizen über die Oma-
bas Wiltnebago« , .Santi-Sioux, San und Foxes. Jowas
und Missouri*. Auch hier wird das rasche DaJiinster-
Archiv fttr Anthropologie. Bd. IV. Haft IV.
Lefiroy, R. A. Note on the stature of American
Indians of the Chipewyan tribe. (Journal of the
Ethnological Society of London 1870, S. 44 — 45.)
Tbeilt die 1843 gemessenen Höhen von 33 erwachse-
nen Chipeway - Indianern mit, welche in der Mehrzahl
nicht unter 5' 7" englisch m aasen. Ein Weib ma9s
6' 9".
Levy, Paul. Le Nicaragua. (Legendes et notes.)
Lettre ä M. Michel Chevalier. (Bulletin de la
Societe de Geograph. Paris, Mare 1870, pag. 203
-217.)
Erzählt eine Legende der Indianer auf der Insel
Omotepe im Nicaragua - Kee, welche da* Herauziehen
von C’ulturvölkern aus dem Norden bestätigt.
Ludlow, Fit* Hugh. The Heart of the Conti-
nent. A Record of travel acroas the plains and
in Oregon. With an Examination of the Mor-
raon Principle. New York 1870, 8°. 568 S.
Mac Clung, John. Minnesota aa it is in 1870.
New York 1870, 12®. 300 S.
Mao Crea, R. B. Lost amid the fogs: sketchcs of
life in Newfoundland , Englands ancient colony.
London 1869, 8®. 314 8.
Macrae, D. The Americans at Lome. Pen-and*
ink akelches of American men, manners. London
1870, 8®. 2 Bde.
Mendoza , Eufeznio. Do la escritura Mexicana.
(Boletin de la Sociedad Mexic. de geografiA y
estadistica. Mexico 1869, S. 896 — 904.)
Der Autor stellt eine neue Theorie zur Entzifferung
der mexikanischen Hieroglyphen auf; er glaubt, das*
um ein aztekisches Mannscript zu lesen, man damit
beginnen müsse, die Wurzeln jener Worte zu suchen,
welche die gemalten Gegenstände bezeichnen; diese
unter einander corabinirt ergeben den Sinn; man hatte
c« demnach mit einer Art Sy Ibenschrift zu thun. Die
Methode und Ansicht Mcndoza’s scheinen indessen
jedenfalls gro&se Willkürlichkeitcn ln der Deutung zu-
zulassen.
Mexikanische Typen und Skizzen von H. v. W.
Berlin 1870, 8®.
Der Verfasser, wahrscheinlich ein österreichischer
Offizier, hat nicht beabsichtigt, ein Buch von wissen-
schaftlichem Gehalt zu schreiben ; ihm kam es offenbar
nnr darauf an, einige der in Mexiko während des Kai-
serreiche* erlebten Scenen dem Leser vor Augen zu
bringen. Es ist ihm die* in so fesselnder Weise ge-
lungen, dass kaum irgend Jemand da» anspruchlose
Büchiein anbefriedigt au* der Hand legen wird. Wenn
50
Digitized by Google
394
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
auch, wie es scheint, kein besonderer Anhänger Maxi*
tuiliun’s, bemüht sich doch der Verfasser sichtbar
die Dinge »o darzustellen, wie sie sich wirklich verhiel-
ten, und dieses Streben nach Wahrheit genügt voll-
kommen dem Leser zu teigen, auf wessen Seite er sich
tu stellen hat. .Sehen wir von einigen lächerlichen
Phrasen ab, wie z. 13. jene, dass Marquez, „der Wolf
des Kaiserreiches, eine unmögliche Person in der Reihe
der Republik11 war, lächerlich deshalb, weil wir nicht
verlegen wären, ein halbes Duttend genau solcher Ehren-
männer namhaft zu machen, die in republikanischen
Diensten standen — so muss man anerkennen, dass
neben grosser Unparteilichkeit scharfe Beobachtungsgabe
hervortritt, welche Licht und Schatten richtig vertheilt
und das üemerkenswerthe gebührend hervorhobt. We-
gen dieser Unbefangenheit wird das Büchlein mit Nutten
gelesen werden, denn es wirft sehr interessante Streif-
lichter auf die socialen Zustände Mexikos nicht nur
unter dem Kaiserreiche, sondern im Allgemeinen. Wir
schiiesNcn hier noch die Aufzahlung der einzelnen Ka-
pitel an: Eine heilige Mission. — Eine Audienz bei der
Kaiserin Charlotte. — Ein Jaguar und zwei Wölfe. —
Ein Diligence-Abenteuer. — Ein landläufiger Räuber.—
General Mejia’s letzte Augenblicke. — Eine Turtulia. —
Das Guadalupe-Fest in Mexiko. — Ein Tag in Vera-
crux. — Die Plateados.
Mexiko. Aus Mexiko. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 226.)
Mexiko. Die Menschenjagd in Mexiko. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 220, 221, 231, 232,
233, 234.)
Micbigan. (Engli *h Essays Vol.IV, 8.170 — 194.)
Nach der North American Review 1868, enthält uichts
Ethnologisches.
Morgan, Lewis H. Indian Migration». (North
American Review. Boston, Jan. 1870.)
Mormonen, die. (Allgemeine Zeitung 1870, Nr.
41, 235.)
Schildert die dermal ige Lage der Mormonen und die
Ursachen des unter denselben ausgebrochenen Zwistes.
New-Foundland. A glance on New - Foundland.
(Nautical Magazine, Novbr. 1870, 8. 586 — 593.)
Politische Verhältnisse, Lebensweise der Bewohner.
Nicoli , Jose P. Las ruinaa de Yucatan y loa via-
jeroB. (Boletin de la Soc. Mex. de geografiä y
estadistica. Mexico 1870. S. 510 — 524.)
Phrase, Phrase und nichts als Phrase! Viel Geschrei
und wenig Wollet Die ganze Abhandlung ist das Pa-
pier nicht werth, worauf sie gedruckt ist; über die für
die aitanierikaniM(.h« Kultur so hochinteressanten yuca-
tekUchen Alterthüiuer erfährt man in dieser Schrift
gar nichts. Einige Bemerkungen über den Charakter
der yucatekiacbeii Indianer laufen mitunter; sie sind
aber nicht neu.
Noticia de laa tribus sehrajee conocidoa que habi-
tan en cl Departamento de Tejos, y dH nümero
de familias de que consta cada tribu, ptintos en
que habitan y terrenoe en que acampan. (Bolo-
tin de la Soc. Mex. de geografia y vFtadiatica.
Mexico 1870. S. 264 — 269.)
Diese Angaben besitzen nur einen historischen Werth,
denn sie beziehen sich auf das Jahr 182«.
Noyes, John Humphroy. Ilistory of American
Socialisms. Philadelphia and London 1870, 8*.
678 S.
Obsidian, der, und «eine alterthümliche Verwen-
dung in Mexiko und Peru. (Ausland 1870,
Nr. 48.)
Orton, Jarnos. The Andes and the Amazon; or
across the Continent of South America. New York
1870, 8» 356 8.
Beschreibt eine naturwissenschaftliche Expedition von
Guayaquil über Quito zum Rio del Napo und dieaeu
so wie den Amazonas hinab bis Para. — Einen aus-
führlichen Auszug siehe im „Ausland“ 1870, Nr. 12.
8. 265—271, Nr. 13, S. 298—301,
Pampas-Indianer. (Ausland 1870, Nr. 28.)
Bericht des Oberstcoxnmandirenden der Gartiiaon an
der Grenze Süd und Südost von Cordova; enthält in-
teressante Daten.
Paraguay. Das Volk Paraguays. (Ausland 1871,
Nr. 1.)
Paraguay. Sieben Monate bei Lopez in Paraguay.
(Ausland 1870, Nr. 11, 12, 13, 14.)
Paraguay and Her Enemies. (Harpera New
Monthly Magazine. New York, Febr. 1870.)
Payno, Manuel. Estudios »obre la hiatoria anti-
gua de Mexico. (Boletin de la Soc. Mex. de geo-
grafiü y estadistica. Mexico 1870. S. 117 — 140,
198—208.)
Unter dem fielen Unbrauchbaren, welches Mexiko
auf wissenschaftlichem Gebiete zu Tage fördert, bilden
diese Estudios eine erfreuliche Ausnahme. Fern von
allen Abschweifungen und ungesunden Phrasen, befas-
sen sie sich ausschliesslich nur mit dem vnrgcworfenen
Thema, das sie in nüchterner Weise erörtern. Nach
einer Uebersicht der vorhandenen Quellen wird über»
gegangen auf die Geschichte von Cholula, Hoexotoingo,
Tl&xcala, Chalco, Matlatziueo , .Sonora, Califomien, Ai-
cähua«-, Mexico-Tenochtitlan.
Peru. Da« Schul weaen in Peru. (Ausland 1870,
Nr. 36.)
Schildert dasselbe in den düstersten Farben. Wir
fügen hinzu, dass das Gleiche fast ausnahmslos von
allen spanisch-amerikanischen Republiken gilt.
Peyton, J. L. Over the Alleghanies and acrosa
the Prairies. Personal recullections of the Far
West. One and twenty years ago. London 1869,
8°. 393 S.
Pitchiynn, Peter, der Choctaw-Häuptling. (Aus-
land 1870, Nr. 23, S. 544—546.)
Enthält sehr vieles über die Choctaw-Indianer.
Pollard, Edw. A. The Virginia Tourist. Sketche«
of the Springs and Mountains of Virginia. Phi-
ladelphia 1870, 8«. 278 S.
Rambloa in Cuba. New York 1870, 12*. 136 S.
Reidenboch, J. A. Amerika. Eine kurze Be-
schreibung der Vereinigten Staaten, sowie ein
Rathgeher für Auswanderer. Nördlingen 1870, 8°.
Der Vertaner, rin d«Ql*>'her Pfarrer, hat sich redlich
bemüht , auf Grund langjähriger Erfahrung den deut-
Digitized by Google
t
i
i
i
I
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur. 395
sehen Auswanderern die Mittel und Wege anschaulich
zu machen, mittelst deren sie sich sowohl aut’ der Reise
nach Amerika, als auch nach der dort erfolgten An*
kunft am leichtesten ror Schaden bewahren dürften.
Die ganze Darstellung der Verhältnisse ist uus einer
vorurtheilsvoilcn, gewissenhaften Beobachtung hervor*
gegangen, und dürfen wir dasselbe, trotz unseres gros-
sen Misstrauens gegen ähnliche Rathgeber, die oft nur
den Sonderinteressen gewisser Geschäftsleute auf unver-
schämte Weise das Wort reden, als einen ehrlichen,
verständigen und praktischen Reisebegleiter empfehlen.
Reiaebriofe aus der neuen Welt. (Allgemeine Zei-
tung 1870.) I. Von Japan nach Californieu.
Nr. 10.
Diese Reist* briefe aus der Feder des bekannten Geo-
graphen Hofrath Dr. Carl Kitter von Scberzer sind
leider ohne Fortsetzung geblieben.
Reisebriefe. (Wissenschaftliche Leipziger Zeitung
1870, Nr. 17, 19, 20, 21, 22.)
In hohem Grade lesenswerth. Was der Verfasser
sah , zeigt, dass sich die Zustände in Mexiko seit Zer-
trümmerung des Kaiserreiches in keiner Weise gebessert
haben. In der Umgebung von San Blas wimmelt es
von Dieben und Strassennwben», welche uicht nur di®
Reisenden berauben und oft morden , sondern zu grös-
seren Banden vereint die einzelnen Häuser und Be-
sitzungen angreifen und auaplündcm, ja sogar in die
Städte eindringen und überall Schreck und Verwirrung
verbreiten. Der einzige Theil des Staates Xalisco, in
dem Ordnung und Ruhe herrschen, ist die Sierra Alica,
wo Lozada, ein Vollblut-Indianer, unumschränkter Herr
und Gebieter ist und sich uicht im geringsten um die
Regierung der Republik kümmert. Da Lozada, wenn
auch streng und despotisch, gerecht und energisch war,
»o strömten ihm viele Kin wunderer zu, wodurch sein
Ansehen wuchs und er der Republik Trotz bieten konnte.
Su erzählt uns der Reiseude uus dem Jahre 1868. Wir
fügen hinzu, dass dies derselbe Lozada ist, welcher,
einer der treuesten Anhänger Kaiser Maximiliau’s , vor
unseren für die Republikaner schwärmenden Journalen
als ein wahres Scheusal dargestellt wurde.
Im weiteren Verfolg dieser Reisebriefe linden wir
eine interessante Schilderung des Reiseus in Mexiko,
eine Darlegung der B rasse ur’schen Theorien über
den Ursprung der amerikanischen Eingeborenen und
eine Beschreibung des socialen Lebens in Culiaeün, die
für die mexikanische .Stadt nicht so ungünstig ausfällt
als Manche vielleicht meinen. Der Autor Ist ein guter
Beobachter und fallt zumeist richtige Urtheile. Wenn
er Indes* die spanische G'olnnialpolitik nach jeder Rich-
tung hin verdammt , so möchten wir ihm zu bedeuken
geben, dass ein grosser deutscher Volkswirthschafts-
lehrer, Wilhelm Koscher, ebenso unparteiisch deren
Vorzüge darlegt. Ueberraschend ist ferner die Behaup-
tung, dass man hier zu Lande keinen Unterschied zwi-
schen den verschiedenen Racen mache, dass vollkom-
mene Gleichberechtigung derselben herrsche und Alles,
was in Europa über Kacenkämpfe und dergleichen in
Mexiko berichtet worden ist, jeder Begründung entbehre.
Diese Behauptung ist, wie gesagt, ganz neu und in
vollem Widerspruch mit allen übrigen Berichten aus
allcu Thcileu des spanischen Amerika. Wir
können ihr daher nur ein sehr beschränktes Vertrauen
entgegenbringen, um so mehr, da auch die ganze Ge-
schichte dieser Länder dagegen spricht. Die Berichte
des Verfassers über politisches Staatsleben, Sitten und
Gebräuche sind lebhaft geschrieben, bieten übrigens nichts
Neues. Indess werden dieselben mit grossem Interesse und
Nutzen von Solchen gelesen werden, die sich über die ge-
genwärtigen Zustände Mexikos unterrichten wollen. Der
Verfasser bemüht sich sichtlich, die staatlichen Einrich-
tungen in dum besten Lichte erscheinen zu lassen, doch
strafen ihn seine eigenen Ausführungen Lügen, welche
dieselben in keiner Weise empfehlenswert!) erscheinen
lassen. Dass in ganz Spanisch-Amerika die liberale,
radicaie Phrase obenauf schwimmt, wissen wir längst,
da&s es aber mit Handhabung derselben in hohem Maasse
elend aussiehe, ist eben so gewiss.
Rice, Harvey. Lotters from the Pacific Slope: or,
firBt Impression 8. New York 1870, 12°. 135 S.
Rink, Dr. H. Die Dichtkunst der Eskimo. (Aus-
land 1870, Nr. 24, 25.)
Ausserordentlich werthvoller Aufsau.
Robinaon-Insol (Juan Fernande*) und ihre deut-
schen Bewohner. (Ausland 1870, Nr. Ö.)
Sartorius, Carlos. Fortificaciones antiguas. (Bo-
letin de la Soc. Mex. de geografiä y estadistica.
Mexico 1869. S. 818— 827.)
Der in weiten Kreisen rühmlich bekannte Besitzer
von Mirador, der Deutsche Carl .Sartorius beschreibt
hier in deutsch • gründlicher Weis« alte Baureste, die
offenbar fortificatorischen Zwecken gedient hatten: die
Schanzen von Tlacotepec, von Centla und Calcahualeo.
Schaff, Dr. Der anglo- amerikanische Sonntag.
Deutsch von J. G. Zahner. New York 1870, 8*.
116 S.
Schott, Dr. Arthur. Kokömes oder die Fest-
rauchcigarren der Mayas. (Ausland 1870, Nr. 16.)
Beschreibt die Verfertigung einer wohlriechenden Ci-
garre, die zur Glanzzeit der Mavas als eine Art Weihe
oder Festrauch bei den Grossen und den Priestern in
hohem Ansehen stand.
Schott, Dr. Arthur. Weiteres über den Niön
(Niebn) von Yucatan. (Ausland 1870, Nr. 49.)
Schott, Dr. Arthur. Ueber ein Kleinod aus dem
Maya- Alterthum. (Ausland 1870, Nr. 2, S. 44 —
46.)
Schriftvorauche , über, aüdamerikanischer Einge-
boraer. (Ausland 1870, Nr. 21.)
Nach der Arbeit des grossen Kenners amerikanischer
Urgeschichte William Bo II a er t im Jahrbuch der
Londoner Autliropological Society.
Bchriftaeichen , über die, der Maya in Yucatan.
(Ausland 1870, Nr. 30, S. 707—710.)
Sehr klarer, fasslicher Aufsatz, welcher resumirt, was
wir über das Maya - Alphabet wissen und zugleich in
Abbildungen die Sinnbilder und Namen der 20 Tage
des vueatckischen Monats, jene der 16 Monate des yu-
cateki sehen Jahres, endlich die 27 Buchstaben und 6
Aushülfszcicheti des Maya- Alphabets mittheilt.
Schwordt, H. Die Pacific-Eieenbabn und die In-
dianer in Nordamerika. Langensalza 1870, 8°.
Simonin, L. L’homme araericain. Notes d’öthno-
logie et de linguistique sur les Indiens des Etats-
Unis. (Bulletin de la Soc. de Geogr. Paris 1870,
L S. 118 — 143.)
Herr Louis Simon in war vom kaiserlich französi-
schen Unterrichtsministerium, Herrn Duruy, mit einer
wissenschaftlichen Mission nach den Vereinigten Staaten
60*
Digitized by Google
396
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
betraut und legt in dem vorstehenden Aufsatz «eine
Beobachtungen über die nordumerikaniscbeti Indianer
nieder. Simon in vertheidigt in lebhafter Welse de»
Autochthonisnia« der rothen Rae«, die er als ein Pro-
dukt des amerikanischen Bodens betrachtet wissen will,
und stimmt hiermit völlig mit jenen Ansichten überein,
welche auch lange Zeit vom Referenten vertreten wor-
den sind. Freilich war dies in einer Epoche, wo es
ihm an einer genaueren Kenntnis.* der seither besser
gewürdigten Lehre Dar w in’« gebrach, und er an einer
Vielheit der ursprünglichen Menschen racen festhalten
zu dürfen vermeinte. Davon kann natürlich heute keine
Rede mehr sein, wo die meisten Naturforscher sich auf
Grund der Dar w in* sehen Theorie für die Einheit de«
Menschengeschlechtes aassprechen. Damit ist aber a
priori eine tiranfängliche Bevölkerung Amerikas durch
asiatische Einwanderung zugestanden , die überdies Dr.
Peschei im „Ausland*4 ausserordentlich plausibel ge-
macht hat. Dort ist im Vorhiuelu jenen Einwänden
begegnet, welche Simonin gegen eine solche Einwan-
derung in’s Feld führt; dass man in Amerika eine wirk-
lich abgesonderte Menscbcnracc vor sich hat — eine
Anschauung, welcher Referent vollständig beistitnmt —
beweist nichts gegen die Ein Wanderung; denn jeden-
falls ist seit jener Epoche so viel Zeit verstrichen, dass
der amerikanische Mensch sich zu einem völligen Tjpus
heraosbiiden konnte. Auf Kultur , Geistesrichtung und
dergleichen hat die ursprüngliche Einwanderung keinen-
falls einen Einfluss gehabt, und insofern ist er auch als
Autochthone zu betrachten. Referent ist dadurch in
die eigenthümliche Lage geratben etwas bekämpfen zu
müssen, was er vor einigen Jahren noch selbst verthei-
digt hätte, thut aber dies hier um so leichter, als seiner
Meinung nach ein starres Festhalten von Ansichten,
der Consequenz halber, wissenschaftlich keine Entschul-
digung findet. Herr Simouin scheint indess an die
Lehre Darwin’« gar nicht gedacht zu haben, denn er
thut ihrer nicht die geringste Erwähnung; dagegen
neigt er offen zu der beinahe völlig verlassenen Theorie
Agassiz's von verschiedenen Schöpfnngsoentren. In
die hellste Opposition müssen wir uns aber mit Herrn
.Simon in setzen, wenn derselbe auch die Wanderung
der amerikanischen Völker innerhalb des neuen Conti-
uents läugnet. Niemand, der auch nur irgendwie ver-
traut ist mit amerikanischen Studien, vermag zu läug-
nen , dass eine solche Völkerwanderung in der That
stattgefunden habe; dafür bestehen geradezu unwider-
legliche, linguistische und archäologische Beweise, denen
gegenüber Simon»»’* Phrase, der mexikanisch« India-
ner verlasse niemals seine Heimath, sehr wenig Sinn
hat; jetzt freilich verlässt er sie nimmer, aber es wäre
der Beweis zu erbringen , dass er sie niemals verlassen
hat, und diesen Beweis führt Herr Simonin nicht.
Nach seinem Systeme Hesse sich ja auch das Toltekeu-
Voik wcgläugneti, da dasselbe heute nicht mehr besteht;
die sprachlichen and sonstigen Spuren seiner Existenz
darf man nur einfach ignnriren. Mit solcher Theorie,
fürchten wir aber, wird man nicht weit kommen und
das Lösen der Kitbsel, welche uns die Ethnologie der
Neuen Welt bietet, keineswegs beschleunigen. Abge-
sehen von diesen unhaltbaren Anschauungen, sind di«
.Schilderungen der Indianer durch den französischen
Reisenden, dem indess offenbar das zn gelehrten Erör-
terungen nöthige Wissen fehlt, recht interessant und
naturgetreu; sie werden von Jedem mit Vergnügen ge-
lesen werden, und hoffen wir baldmöglichst einer Fort-
setzung dieser Skizzen in den Schriften der Pariser
Geographischen Gesellschaft zu begegnen *). Einen
*► In Kniffe des «l» at*ch.fr»o*. .»Ischen Kriege* «eheint dir Pu*
Wwiitioij <W (•c*eUschaft*achrlft«b tinl*rbr«H Vn «n«rJpn ku sein,
l*em Kef-rentru i»t Mitglied d*-r Ueeeilsc hilft Ende Juli vu-
riff«b Jahre« Ja* Jumln ft lato aU lutxtc* Heft MBilummni.
ausführlichen Auszug der Simoniu 'sehen Arbeit siehe
im „Ausland“ 1870, Nr. 27, S. 631 — 63h unter dem
Titel: L. Simonin über di« Rothhäute der Vereinig-
ten Staaten.
Sklavenemancipation, die, in Brasilien. (Globus,
Bd. XVII, S. 303.)
Squier, E. G. Honduras; deacriptive, historical
and Statistical. London, Trübner, 1870.
Kecfensirt im Londoner „Athenäum“ Nr. 2244, S. 558.
Squier , E. G. The primenü Monuments of Peru
coropured with those in other parts of the World.
1870, 8®.
Squier, E. G. Observation« on the Chalchihuitl
of Mexico and Central America. New York 1869,
8°. 22 S.
Der unermüdlich« Forscher auf den» Gebiete mexi-
kanischer Altert humskuude, unser Freund, Herr E. G.
Squier, hat in dem Vorliegenden eine »ehr lesenswerihe
Abhandlung über die Chahdtihnitls geliefert. Der Chal-
chihuitl , aus einer Gattung grünem, smaragdähuiiebem
Gestein gearbeitet, war von den alten Mexikanern als
Zierde benutzt und stand bei ihnen in hohem Aasehen.
Sehr häufig thun davon die ersten Entdecker und Chro-
nisten Erwähnung, und aus Bemal Diaz Bericht
scheint hervorzugehen , Hass unter den von Montexuma
an Cortcz gesendeten Geschenken sich auch vier Chal-
chihuitl* befunden haben, „eine Gattung grüner Stein«
vou ungewöhnlich hohem Wrrtlie, die sie höher schät-
zen als Smaragden“. Herr Squier besitzt selbst eine
sehr schöne Sammlung solcher Chalchlhuitl-Sculptnreu.
Stellung, die, der Deutschen in Mexiko. (Globus,
Bd. XVII, S. 335.)
Nach der „California -Staatazeitung“ vom 12. Mai
1870 ist es eine unbestrittene Thatsache, dass die Deut-
schen in Mexiko die erste Rolle spielen.
Stevens, Edward T. Flint chip«, a guide to pre-
hißtoric arohaeology, u* illuatrated by the Collec-
tion in the Blackmore Museum, Salisbury. Lon-
don 1870, 8°.
Der Gründer de* Museums in der kleinen englischen
Stadt Salisbury, Herr William Blackmore, war so
glücklich, einen grosse»» Theil der werthvollen Alterthümer
aufkaufen zu können, die Squier und Davis in den
Mounds des Mississippi- und Ohio - Thaies gesammelt
hatten. Wahrscheinlich wird nie wieder eine ähnliche
Collection zusammengebracht werden , und das vorlie-
gende Werk, — ein getreuer Führer durch die hochin-
teressante Sammlung — wird von allen Fachmännern
mit Dank aufgeiiommen werden. Wir beguügen uns
hier anxnführen, dass das Museum zu Salisbury in vier
Sectionen gctlicilt ist, nämlich: I) t hierische l' eberrett©,
die im Zusammenhänge mit den Arbeiten der Mensche»
stelu n; 2) Steingeräthschuften ; 3) Bronzegeräthschaftcn;
4) Gerat he, Waffen und Zierrathe wilder Stämme, die
dazu angethan sind, ein Licht auf ähnliche Gegenstände
au» vorgeschichtlicher Zeit zu werfen. Eingehende Be-
sprechung siehe Globus, Bd. XVII, S. 279—281.
Streifzüge im nordwestlichen Amerika. (Globus,
Bd. XVII, S. 97 — 103.)
Enthält einige Angaben über die Aht- Indianer auf
der Vancouver Insel und die Nittinulit - Stämme vom
Cap Flattery (äussente .Spitze des Washington Terri-
tory).
Strobel, Prof. P. Beitrüge zur vergleichenden
Digitized by Google
397
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Ethnologie, gesammelt in Südamerika. (Zeitschrift
für Ethnologie, 1670, Heft II, S. 11 1 — 123.)
Interessante Analogien zwischen Werkzeugen, Ge*
wobnbeiten u. s. w. der heutigen Argentiner mit vor-
geschichtlichen Völkern.
Strodtmann, Ad. Die amerikanische Dichtung
der Gegenwart. (Allgemeine Zeitung 1670, Nr.
96. 97, 107, 108, 113.)
Südcarolina. Ein vormaliger Secesrionist über
die gesellschaftlichen Zustände in Südcarolina.
(Ausland 1870, Nr. 33.)
Dieser Aufsatz ist ausserordentlich wichtig für die In
Amerika herrschende Racenfragr und schildert sehr
genau die jetzige Lage der Neger. „Das sorglose La-
ichen des alten Sklaven hört man jetzt selten mehr,
..denn es rührte von Menschen her, die nie dio Frage
.erwogen hatten, wie sie sich die nächste Mahlzeit ver-
schaffen könnten“. Auch die Beobachtungen über den
Charakter der Neger sind hochinteressant. Sie zeigen
die ganze Hohlheit der humanitären Phrasen.
Südseo, von der, nach der Mündung des Amaso-
nenstroms. (Ausland 1870, Nr. 12, 13.)
Swan, J. Q. The Indians of Cape Flattery, at the
entrance of the Stroit of Fuca, Washington Ter-
ritory. (Smithson, Contribution to knowledge,
Vol. XVI.)
Die hier von einem durch langen Umgang mit ihrem
vertrauten Manne nach ausseren und inneren Eigen-
schaften, Lebensweise, Sprache n. s. w. eingehend ge-
schilderten Makah-Indianer gehören zu Cook's Wako&ch-
Nation oder der Xutka Familie, die ausser ihnen noch
einige benachbarte Stamme des Festlandes und den
grössten Theil der Vanoouver Insel umfasst. Swan
ermittelte ihre Zahl 1861 zu 654, 1863 zu 663.
Verfolgung der Protestanten in Mexiko. (Globus,
Bd. XVII, S. 144.)
Victor, Mb. F. F. The River of the West. Live
and adventures beyond the Rocky Mountains.
Hartford 1870, 8°. 602 S.
Völkerwanderung, die, innerhalb der Vereinigten
Staaten. (Globus, Bd. XVII, S. 287—288.)
Wagner, Moritz. Naturwissenschaftliche Reisen
im tropischen Amerika. Stuttgart 1870, 8®.
Der durch »eine wissenschaftlichen Reisen in vier
WeJttheilen längst wohlbekannte Verfasser legt in die-
sem Werk die wesentlichsten geographischen und na-
turwissenschaftlichen Ergebnisse einer vierten Forschungs-
reise nieder, welche er mit Unterstützung des Königs
Maximilian II. von Buient auf die besondere Empfeh-
lung Humboldt’* und C. Ritter’» nach dem tropi-
schen Amerika au* ge führt hat. Statt der gewöhnlichen
Form einer erzählenden Raiaebeacbreibung bringt das
Buch ähnlich wie Humboldt1« „kleinere .Schriften“
eine Reihe von Aufsätzen , Skizzen und Fragmenten
verschiedenen Inhalts, welche viele neue Beiträge zur
Kenntnis» der Naturverhültuisse Centralamerikas und
der äquatorialen Anden von Südamerika enthalten. Der
Naturcharakter, die physische Geographie, die vorherr-
schenden geognostischen Verhältnisse, die Meteorologie
und Climatologie der südlichen latbmusproviiueu von
Mittelamerika, die Geologie, besonders die Naturge-
schichte der Vulcane des südamerikaniseben Staates
Ecuador, der wesentliche Charakter des Pflanzen- und
Thierreiches der verschiedenen Länder und Regionen
sind theils in grossen allgemeinen Zügen, theiis in ihren
wichtigsten Details geschildert. Sehr ausführlich be-
handelt das Buch die für den künftigen Weltverkehr
ao bedeutsam«* Krage einer Durchstechung des Isthmus
für einen Schiffscanal. Ein umfangreiches Kapitel be-
schreibt die für die Einwanderung und Colonisation
vorzüglich geeigneten schönen Gebirgsländer im Süden
von Coatarica. Dem Leser, der sich für die grosse
Streitfrage des Darwinismus interessirt, sind beson-
ders jene Kapitel zu empfehlen, worin der Verfasser
durch eine grosse Anzahl von neuen sehr wichtigen
Thntsachcn aus der geographischen Verbreitung der
Pflanzen und Thiere seine von der Darwin’ sehen
Svlcctionslehre wesentlich abweichende Theorie der Ar-
tenbildung durch räumliche Separation weiter ausfuhrt
und fester begründet. Ausführliche Auszüge bringt das
„Ausland“ 1870, Nr. 4 und 6.
Wandorung, sine, in Peru von Cusco nach den
Wäldern des Fieberrindenbaums. (Globus, Bd.
XVIII, S. 257—262, 273—279, 289—295, 306
—310, 321—326, 337—343.)
Die Wichtigkeit der Fieberriudc. — Ihre Verbrei-
tungssphäre. — Die Cascurilla-Speeulanteu. — Eine Ex-
pedition nach den Yungas. — Der Baum des Abschie-
des. — Die Condesuyus. — Im Dorfe Huaro. — Der
Sagenreiche Seo Morchina. — Ein Nachtlager in May-
nupata. — In einer peruanischen Dorfschule. — Die
Coscarrous. — Die Schluchten des Huilcamayo. — Die
Flora auf der Puna. — Ein Ungewitter. — Die Inca-
ateine. — In Lauramarca. — Peruanische Dameo und
ihre Sitten. — Schilderung einer grossen Hacienda. —
Unsere liebe Krau vom Schnee. — Ein Rodeo, Ein-
fangen wilder Pferde in Lauramarca. — Ein Hirt auf
der hohen Puna. — Kochkunst in der Cordillora. —
Ankunft in Marcapata. — Das Dorf Manapata und
sein Pfarrer. — Erinnerungen an die Zeit der spani-
schen Herrschaft. — Die Pflanzungen in den heissen
ThäJcrn. — Wie die Hacenderos sieb Arbeiter verschaf-
fen und wie diese ausgebeutet werden, — Eine ver-
fallene Kirche. — Die Expedition wirbt Indianer als
Träger und einen Dolmetscher an. — Der Examinador
und Oberst Peres. — Ein Chacharpari, Abschiedsfest.
— Nach Chile-Chile. — Eine Strickleiter als Brücke
über den Abgrund. — Ein Ragout vom Fleische des
Brüllaffen. — Das Pecari. — Ankunft in Sansipata.
Weiberrechte in den Vereinigten Staaten. (Aus-
land 1870, Nr. 41.)
White, John. Sketches from Amerika. London
1870, 8°. 370 S. Enthält: 1. Canada. 2. A pie
to the Rocky Mountains. 3. The Irish in Ame-
rica.
Rezension siehe im Athenäum, London, Nr. 2249
vom 3. December 1870, S. 715 — 716.
Whymper, Frod. Alaska. Reisen und Erlebnisse
im hohen Norden. Deutsch von Dr. Fried. Ste-
ger. Braunschweig 1870, 6°.
Besprechungen und Auszüge siehe: Wissenschaftliche
Beilage der leipziger Zeitung 1870, Nr. 27; dann Glo-
bus, Bd. XVI, 8. 43, 56, 75, 105, Bd. XVII, S. 97.
Whymper, Edw. Greetiland. (Alpine Journal,
Mai 1870, 8. 1—23.)
Handelt von den Grönländern, ihrer Geschichte, ihrer
Lebensweise.
Digitized by Google
Vcrzcichniss der anthropologischen Literatur.
Winnipeg. Die Republik Winnipeg. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 238.)
Zustände, gegenwärtige, in Nordamerika. (Aus-
land 1871.) 1. Canada, Nr. 7. 2. Ein Picnie
uach den Felseugebirgen, Nr. 8. 3. Die Iren in
der Union und in Canada, Nr. 9.
Nach d«w Buche von White.
Asien
von Dr. G. Gerland.
Abba, rev. J. Twenty-two years missiouary ex-
perience in Travancore, 8°. pag. 256, London,
Snow, 1870.
Abramoff. Das Karatigeuische Gebiet. (Iswestija
der Kaiserlich russischen geograph. Gesellschaft,
Bd. VI, Nr. 3, russisch. St. Petersburg 1870.)
Adamoli. Das Thal von Samarkand und der dor-
tige Seidenbau. Deutsch bearbeitet von Koner.
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin, Bd. 5, S. 407—418.)
Adams, A. Travels of a naturalist in Japan and
Manchuria, 8". pag. 340, London, ilurst and
Blackett, 1870.
Lebenslauf eines afghanischen Briganden. (Glo-
bus, Bd. XVIII, S. 1, 1870.)
Alabaster, H. The modern Buddhist, being the
Views of a Siamese Minister of State on bis own
and other Religion«. (Translnted with Remarlcs.
London 1870, 8°. pag. 91.)
Alencon, (Duc d*). Luzon et Mindanao. (Extraits
d’un journal de voyago dans l’extreme Orient,
18°. pag. 222. 1 Karte. Paris, Levy, 1870.)
Andrco, R. Shangai. (Der 'Welthandel, 2. Jahr-
gang, vS. 79—85.)
Asa. Destur Hoshangji Jamaspji, an old Pahlavi-
Pazand Glossary edited with an alphabetical In-
dex by Asa. Revised and enlarged with an in-
troductory Essay on the Pahlavi Language by
M. Haug. (Published by Order of the Govern-
ment of Bombay, 8°. pag. XVI, 152, 568. Bom-
bay and London 1870.)
Vergleiche Archiv für Anthropologie, Bd. IV, S. 130
unter Uaug.
Aurilloc, H. Cochinchine, Annamites, Mots, Cam-
bodgiens, 8°. pag. 146. Poris, Challamel. 1870.
Dagverhaal eener reis over Ball in Juni en Juli
1856. 1. Aanhangsel. Aanteekeningen op een
tochtje naar het Batocugebergte op Bali iu Sept.
1857. 2. Aanhangsel. Aanteekeningen omtrent
Djembrana. (Tijdschrift voor Nederlandsch Indie,
IU. Ser., 4. Jahrgang, Juli 1870.)
Balalov, B. Indien skildrot efter en Missionairs
Erfaringer (Smaaskrifter, udg. af d. d. Miss, sel-
skab, Nr. 4). 8Ö. 44. Kopenhagen, Bertelsen, 1870.
Bantam. Vyftig jaren geleden. (Tijdschrift voor
Nederlandsch Indiö, III. 8er., 4. Jahrgang, Nov.
1870.) #
Bastian, Dr. A. Reisen in China von Peking zur
Mongolischen Grenze und Rückkehr nach Europa.
Die Völker des westlichen Asien. Studien und
Reisen. Sechster Band, CXIV, 664 S. Jena,
Costenoble, 1871.
Beilagen: Ueber den Buddhismus und die Religion»-
gebrauche mongolischer Völker.
Ba8tian, Dr. A. Ethnologische Beiträge, 1. Theil.
(Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 2, S. 403 f„ 1870.)
Behandelt asiatische Völker, welche bei chinesisi’heti
und classUchen Schriftstellern erwähnt werden, die Fi-
guren, Usiuu, Sai oder Sacae, Lesghier, verschiedene
mongolisch-tatarische und arische Stamme.
Bastian, Dr. A. Sprachvergleichende Studien, mit
besonderer Berücksichtigung der indochinesischen
Sprachen, 8U. 8. XXXIX, 344. Leipzig, Brock-
haus.
Für den reichen Inhalt dos höchst lesenswerthen Bu-
ches bürgt schon der Name des Verfassers. Herr
Bastian ist in Philologio, Ethnologie, Geographie und
Naturwissenschaft zu Haus: daher er in der Einleitung
und in den vier Capiteln seines Buches [1) das Flüs-
sige schriftloser .Sprachen, ihre Wechsel und Mischun-
gen; 2) das Birmanische; 3) das Siamesische ; 4) die
Spracbgestaltung] zu sehr wichtigen Ergebnissen gelangt,
Ergebnissen freilich, die eben weil sie wichtig und neu
sind, auch zu mancherlei Controvcrsen (für die hier leider
kein Raum ist) Anlass bieten, aber selbst schon dadurch
nur fördernd wirken können. Denn sie dringen auf
den tiefsten Grund und zwar an der Hand strengster
Methode. Einzelne# aus dem Vorwort erwähnen wir:
S. X : _ „Philologie , Kranioiogie und Ethnologie sind
drei völlig von einander unabhängige Disciplinen, die
eine jede ihre durchaus unabhängige Ausbildung erhal-
ten mussetu“ S. VII: „Der Mensch geht aus telluri-
•cher Grundlage in kosmische Fortentwicklung über.“
8. XV: „Ist nun derjenige Standpunkt von einem
Volke erreicht, der als der Ausdruck der geographischen
Provinz betrachtet werden kann (also derjenige, bei dem
sich der Mensch inlt »einer Umgebung in Gleichgewicht
gesetzt und dadurch seine Kxistenzfortdauer gesichert
hat), so tritt eine Stabilität des ethnologische!! Typus
ein, der sich dann, wie jedes Naturprodukt, unablässig
verändert und verjüngt, aber seine Fassung nicht wei-
ter ändert.“ 8. X: „Die Anthropologie wird ihre leicht-
sinnigen Entlehnungen ans der Geologie noch tauge zu
bereuen haben.“
Beauvoir, Comto de. Java, Siam, Canton. (Voyage
autour du monde. Paris, Pion, 1869.)
Becker, Lothar. Ileiae von Rasra duroh Mesopo-
tamien nach Mosal. (Globus, Bd. XVII, S. 8,
1870.)
Digitized by Google
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur. 399
Blau, O. Arabien im frechsten Jahrhundert. Eine
ethnographische Skizze; mit 1 Karte. (Zeitschrift
der Deutschen Morgenlinditchen Gesellschaft, 23,
559 f.)
Bleeker, P. Nieuwe bijdragen tot de kennis der
bovolkingsatatistik ran Jank Uitgegeven door
het KoninkL instituut voor Taal-, Land* en Vol-
kenkunde von Nederlandsch Indie, 8". pag. 193.
’sGravenhage, M. Nijhoff, 1870. (Separatabdruek
aus Bijdragen tot de Taal-, Land* en Volken-
knnde van Nederlandsch Indie, III. Ser., 4. Deel,
4. Stuk.)
Verslag over de Reaidentie of Borne oa Westkust
1827 — 1829. (Tijdschrift voor Nederlandsch In*
die, III. Ser., 5. Jahrg., Jan. 1871, pag. 8 f.).
Eene inlandsche nederzitting (Borneo). (Ebend.
]»g. 41 £.).
Blom, P. Reise til Jerusalem og Omegn. Mit 1
Karte. Kristianaa, Gröntoft, 1670.
Boiler, Ant. Die Präfixe mit vocalischem und
gutturalem Anlaute in den einsilbigen Sprachen
(aus den Sitzungsberichten der k. k. Akademie der
WisseDsch. in Wien 1869, Gerolde S. 8°, pag. 49.)
In Bombay und der Umgegend. (Globus, Bd. XVII,
5. lf., 1870.)
Budenz, J. Ugrische Sprachstudien. 1. Heft.
Nachweis und Erklärung einer ursprünglicheren
Gestalt der Posaeesiv-affixe in den ugrischen Spra-
chen. Pest, Aigner, 8°, S. 60.
Budenz, J. UgriBche Sprachstudien. 2. Heft.
Determination des Nomens durch affigirten Arti-
kel im Mordwinischen nnd in einigen anderen
ugrischen Sprachen. (Ebend. 1871.)
Buddhaghoahas parablea. Translated from Bur-
mese byT. Rogers. With an Introduction contain-
ing Buddhas Dhammapada or „Path of virtues“.
(Translated from Pali by F. Max Müller. London
1870, 8°. pag. 378.)
Burgen. The Temples of Satrunjaya. Bombay
1869.
De Burton, A. Ten montlm Tour in the Eaat
keing a Guide to all that is moet worth seeing
in Turkey, in Europe, Greece, Asia minor, Pale-
stine, Egypte and the Nil, 8°. pag. 376. London,
Kitto, 1870.
Busse, Th. v. Das Amurgebiet aus dem Gesichts-
punkte der Landwirtschaft, 8°. S. 70. (Russisch
in der Revue der russ. Börsenzeitung 1869.)
Mededeelingen omtrent de Alfoersche taal van
Noord Colcbcs. I. Vergelijkende Wordenlijst. Bij-
dragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van
Nederlandsch Indie, III. Ser., 4. Deel, 4 Stuk, p.
399 f., 5. Deel, 1 Stuk, p. 69 £., 1870. II. Sprcek-
worden en eigenaardige Spreekwijzen in het
Toumbulusch. Ebend. 5. Deel, 2 Stuk, 1871.
Bibliographisch «verzieht der linguist. Literatuur
betrekkelijk Noord -Celebea. Door G. K. N.
(Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, III. Ser.,
4. ..Jahrg., Nov. 1870.)
Chinese recorder and Missionary Journal. London,
Trübner, 1870, Juni: Edkins, ltev. the Harens.
Juni and Juli: Overland trip from Kiu-Kiang to
Foochow. Philipps, Marco Polo and Ibn Batuta
in Fookien.
Chotomaki, 1«. Due civilizzasioni Arya-europea-
slavo. Turana-aaiatica-ruaaa. Studio etnologico
storico. Venezia 1869, 8°. VIII, 211.
Cooper, T. T. Travels of a Pioneer of Commerce
in aPigtail and a Petticoat; or an Overland Jour-
ney from China towards India. Ulustr., 8°. Lon-
don, Longmans. 1871.
Cunningh&m, Alex. The Ancient Geographie of
India, Vol. I. The Buddhist Period including the
Campaiugs of Alexander and the Travels ofHwen-
Thsang with 13 Maps, 8° pag. 600. London,
Trübner.
Delitech, O. Türkistan. (Aus allen Welttheilen
1870, Nr. 21 f.)
Delitsch, O. Urga, die Hauptstadt der Mongolei.
(Ebend. 1870, Nr. 52.)
Nach dem Reisebericht de» französischen Gesandten
do Bourboulon in Peking.
Dllawar Chan. Ev. Miss. Mag. Neue Folge 14,
353. Baael 1870.
The rivera of Damaecua and Jordan. A causerie
by a Tertiary of the Order of St. Dominik, 8a.
pag. 227. London, Barns, 1870.
EH&b. Notes of a journey to tho new course of
the Yellow River in 1868. (Proceedinga of the
Royal Geographic&l Society of London, Vol. 14,
pag. 20 f.)
EUiot, H. M. Memoirs of the Hiatory, Folk-lore
and Distribution of the Racea of the North We-
stern Provincea of India. Being an amplified
edition of the original supplemental Glossary of
Indian Terms. (Edition revia. a. rearranged by
J. Beomes, 2 Vols. London 1869, 8°. XX, 763.)
Erman, A. Ethnographische Wahrnehmungen und
Erfahrungen an der Küste de« Beringsmeerea.
(Zeitschrift für Ethnologie, 2, S. 295 f., 1870.)
Ethe. Morgenländische Studien. Leipzig 1870,
Fnes, 8«, VIII. S. 284.
Enthält nnichit freie Nachbildungen von I morgen-
ländbtchen Erzählungen , dann Abhandlungen: I) über
den Cufi»tnu» und »eine drei Hauptvertreter in der per-
sischen Poesie; 2) über die menschlichen Körper* und
Geisteskräfte nach der Vorstellung der Araber (frei nach
Digitized by Google
4U0
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
der Kosmognphie des Kazwinil; 3) über Ambra Perlen
und Korallen (nach demselben); 4) über die persischen
PaxsUmskpiele. kindlich folgen noch einige l'ebersetxun-
gen und metrische Nachbildungen. Das Buch wendet
sich an einen grösseren Leserkreis, wie schon sein In*
halt ausweist, doch ist von den Abhandlungen Nr. 2
und Nr. 4 (welche letztere »chon in den Münchener
Propylacni stand) auch für den Gelehrten von grösse-
rem Interesse.
Ford, O. Ces Regions inconnuea, chassas, püches,
aveutures et decouvertes dana Peztreino Orient,
18u. pag. UI, 373. Paris 1670.
Fitzgerald, W. P. V. Egypt India and the co-
lonies, 8°. pag. 246. London, Allen, 1670.
Zur Colonisation Pormosaa. (Globus 1870, 217 £,)
Preemann, £. A. History of the Saracens. Cheap
Edition, 8°. London 1870.
Prere, M. Old Deccan Days; or Uindoo Fairy Le-
gende current in Southern India collected from
Oral Tradition. Witb an Introduction and Notes
by Sir Bartle Frere. Sec. edition 12*. pag. 336.
London, Murray, 1870.
Friedmann. Zustände und Vorfälle in den Nie-
derländischen Colouien in den Jahren 1867 bis
1868. A. Niederländisch Indien I — III. (Zeit-
schrift für Ethnographie, 2, S. 424 £, 1870.)
Gardner. On the Chinese race. (Journal of the
Eth nolog. Soc. of London, April 1870.)
Gerbel, v. Russlands Küstenprovinz am Japani-
schen Meere. (Ausland 1870, S. 488 — 490.)
Gevrey, A. Essai sur les Comores, 8g. pag. 308.
Pondichery 1870.
Glnaburg , C. D. The Moabite Stone. A Facsi-
mile urith Translation, 4(>. pag. 45. 1 Tafel. Lon-
don 1870.
Gregory. Account of an attempt by a native en-
vov to reach the catholic missionaries of Tibet.
(Proceedings of the Royal Geographie. Society of
London, VoL 14, pag. 214 — 219.)
Haug, M. Essay on the Pohlavi Language, 8°.
pag. 156. London 1870.
Sielte unter Asb.
Hayward. Journey from Lch to Yarkand and
Kashgar and exploration of the sourcee of the
Yarkand river. (Proceedings of the Royal Geo-
graphical Soc. of London, Vol. XIV, p. 41 — 74.)
Missionar Hobich in Kannanur. (Ev. Miss. Mag.
Neue Folge 14, 14 f. Basel 1870.)
Hofftnann. Blicke in die früheste Geschichte des
gelobten Landes. Basel 1S7Ü, Spittler, 8*. IV,
196.
Hofftnann, J. J. De Uijstbier of Sakobrouwcrij
in Japan.
Hofftnann, J. J. Bereiding van de Japansche Soda.
N&ar het Japausch. (Bijdragen tot de Taal-,
Land- en Volkenkunde van Nederlandsch Indie,
III. Ser., 5. Deel, 2 Stuk, 1671.)
J&nsa, P. Een nieuw vervolg op Gerickes Javaansch-
nederduitnch woordeabock. Samarang 1869, 8°.
250.
Spaziergänge in der japanischen Hauptstadt Yeddn.
(Globus, Bd. XVm, S. 12 f., 1870.)
Mittheilungen aus Japan. (Ebenda Bd. XVII, Nr.
14 £, 1870.)
Fortschritte in Japan. (Ebenda Bd. XVIII, S. 21,
1870.)
Die Aussichten des Evangeliums in Japan. (Ev.
Mitsa Mag. Neue Folge 14, 36. Basel 1870.)
Glaubenszeugon in Japan und Laos. (Ebenda
166 S.)
De J&va&nsche Handschriften in der Bibliotheek
van bet Nederlandsch Bybelgenootechap. (Tijd-
schrift voor Nederlandsch Indi£, III. Ser., 4.Jahrg.,
Sept. 1870.)
De Kunstsin der Javanen (met eene plat). Door
P. J. V. (Ebend., 5. Jahrg., März 1871.)
Kalkar, C. H. Den danske mission i Ostindien i
de seneste aar. En samling of brefe. Udgivet
paa det danske Missionsselskabs Vegne, med en
indledning, 8°. 282. Kopenhagen 1869.
Kayo, J. W. A History of the Sepoy War in
India 1857 — 1858, Vol. II, 8°. pag. 698. Lon-
don 1870.
Der erste Theil erschien 1SCS.
Die Mission in Kaschmir. (Evang. Miss. Mag.
Neue Folge 14, 97 f. Basel 1870.)
Kennar, G. Tent Life in Siberia and Adventures
among the Kosaks and other Tribes in Kamt-
schatka and Northern Asia. With a Map, 8°. 432.
London 1870.
Kern, H. Körte opmerkingen over Balineesch en
Kauri. (Bijdragen tot de Taal-, Land- en Vol-
kenkunde van Nederlandsch Indie, III. Ser., 5.
Deel, 2 Stuk, 1871.)
Kern, H. Java en het Goudeiland volgens de oud-
ste berichten. (Ebend., 4. Deel, 4 Stuk, p. 638 f.)
Kiepert, H. Der Berg Thecbes in Xeuophon's
Erzählung des Rückzugs der Zehntausend. Nebst
Karte. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin, Bd. 5, S. 456 — 460.)
Nach einem Memoire des Chefingenieur d«s •Strassen -
bau es im Wilajet Trabizon P. Rovit zu Xenoph. An»b.
4, 7, 25.
Kiepert, H. Notiz über die letzten Reisen und
die gegenwärtigen Zustände in Balutschistan.
Digitized by Google
Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 40 L
Mit 1 Karte. (Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde zu Berlin, Bd. 5, 1870, S. 193 — 197.)
Auszug aus Kos« notes on Mekran wich a roport
of a visit to Kej and upper route fromGwadur tu Kur*
rache« in Sept. And Oct. 1863. Aus den Tfansactions
of the Bombay Geographica! Society.
Kiepert, H. Brief an die Gesellschaft für Erd-
kunde zu Berlin. Jerusalem 5. Mai 1870. (Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
Bd. 5, S. 261 f.)
Kurze Notizen über eine Reise im Land westlich vom
Jordan, von vorwiegend antiquarisch - geographischem
Interesse.
Kiepert, B. Deutsche Coloniaation in Palästina.
Brief aus Jaffa Ende Mai 1870. (Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Bd. 5, 8. 375
—376.)
King. The aboriginal tribes of the Nilgiris Hills.
(Journal of Anthropology, Juli 1870.)
Klinkcrt, H. C. De laatste strijd en heldendood
van den Generaal Micliiels. Vertaalt uit het lo-
caal-Maleisch von Java door — . (Tijdschrift voor
Nederlan tisch Indie, 111. Ser., 4. Jahrgang, Sept.
1870.)
Knox, T. W. Overland through Asia. Pictures
of Siberian Chinese and Tatar life. Illustr^ 8°.
pag. 608. London, Hartford, 1871.
Kolp&kowski. Ueber alte unter dem Spiegel des
Iesyk - Kul befindliche Bauüberreste. (Iswestija
der kaiserl. russ. Geograph. Gesellschaft. Bd. V,
Kr. 3.)
Kopsoh. Notes on the river in Northern Formosa,
(Proceedings of the Royal Geographical Society of
London, Vol. XIV, pag. 78 — 82.)
Kühne, Prof. Dr. Japan (I — VI). (Aus allen Welt-
teilen 1870, Nr. 14—51.)
Leonowons, A. H. The English Governess at
the Siamese Court. Being Itecollectiona of Six
\ears in the Royal Palace at Bangkok, 8°. pag.
322. London, Trübner.
Lotterie , M. Ein Blatt Geschichte. Bilder aus
dem biblischen Morgenlande, 8°. 8. 156. Leip-
zig, I seiner, 1870.
Levin. Wild races of South - Eastern India, 8®,
pag. 360. London, Allen, 1870.
Levy, M. A. Phöni zische Studien, 4. Heft, 8°.
Nr. 85, 1 Tafel. Breslau, Schietter, 1870.
Da« dritte Heft erschien 186*1.
Lindenfels. Die Sandsee und der Krater des
Bromo auf Java. (Ausland 1870, Nr. 453.)
Lin Tsesiu, ein chinesischer Staatsmann, der Ur-
heber des englisch- chinesischen Krieges 1840.
(Petermann’s Mitthoilungen 1870, 460. Nach
einer chinesischen Biographie vom Pekinger Cor-
Archir fOr Anthropologie, Bd. IV. Heft IV.
respondenten der kaiserl. rusa. Geograph. Gesell-
schaft, Bd. VI, S. 143—145.)
Low. Notes on Western Turkistan. IUustruted
Travels 1870, pag. 212—218, 230—234.
Low , C. R. The Land of the Sun. Sketches of
Travel with memoranda, historical and geogra-
phical, of Placos of Interest in the East, visiting
during rnany years Service in the Indian Waters,
8°. pag. XII, 356. London 1870.
Maltzan, H. v. Briefliche Mittheilungen über
Hadhramaut Cairo, den 18. Oct. 1870. (Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
Bd. 5, S. 465—467.)
Zusätze za A, v. W rede« Reise in Hadhramaut und
Bericht üb«r die neuesten geschichtlichen Ereignisse in
diesem Gebiete.
Marsh, Rov. Dr. W. The Tennessean in Persia
and Koordistan ; being Scenes in the Life of Sam.
A. Rhua, 8°. London, Trübner.
Marthe. Ehe Reise Walichanofs nach Kaschgar,
ergänzt durch neuere russische Reiseberichte.
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin, Bd. 5, 1870, S. 151 — 180.)
Der Reisebericht Walichanofs liegt der Darstellung
zu Grunde; die Ergänzungen sind entnommen: 1) der
Reise des Baron« v. Osten-Sacken 1867; 2) der Reise
Ssiwerzofs, Herbst 1867; 3) der de« Kap. Stein-
thal im Herbst 1868.
Mateer, Rev. Samuel. The Laud of Charity: a
descriptive account of Travancore and ita people
with special reference to missionary labour, 8°.
pag. 376. London, Snow, 1870.
Matheson. England to Delhi. A narrative of
Indian travel, 41'. pag. 539. 1 Karte, 82 Illustra-
tionen. London, Longmans, 1870.
Millingen. Wild life among the Koords, 8®. pag.
300. London, Hurst and Blackett, 1870.
Jets over het bijgeloof in the Minahasa, door de
C. (Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, III. Ser.
4. Jahrg., Juli 1870.)
Bijdrage tot de kennis der Minahasa door de C.
(Ebend., Aug. 1870.)
Over eenige maatsch&ppeiijke instellingen bij de
inlandsche Christenen in Minahasa. Door de C.
(Ebeud., 5. Jahrg., März 1871.)
Missionary Anocdotes. Serie« first. The Islands
of the Pacific; India and Burmali; China; North
Africa and Turkey; South Africa and Madagas-
car; North America and the West Indies, 16°.
pag. 233. Philadelphia 1871.
Montgomery. Report of the Trans - Himalayan
explorations made during 1868. (Proceedings of
the Royal Geographical Society of London, Vol.
14, pag. 207—214, 1870.)
51
Digitized by Google
402 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Moule, A. E. Four Hundred Millions. Chaptcrs
on China and the Chinese. With Maps and Hin*
strated, 8°. pag. 200. London 1870.
Muir, J. Original Sanskrit Text on the Origin
and History of the People of India. Collected,
translated and illustrAted. Vol. V. Contributions
to a knowledge of the Cosraogony, Mythology,
religioua Ideas, Life and Männer« of the Indian
in the Vedic Age, 8®. pag. XIV, 491. London
1870.
D<er vorhergehende Band erschien 1863.
Nadeschdin, P. Die Natur und die Völker des
Kaukasus und seine nächsten Umgebungen, 8®.
St. Petersburg 1869 (russisch.)
Niemann, G. K. Over bet guloof oan gelukkige
en ongelukkige tijden bij versckillende volken
van Nederlandsch Indie. (Bijdragen tot de Taal-,
Land* en Volkeukunde, III. Ser., 5. Deel, 2 Stuk,
1871. )
Nöldeke. Die Inschrift des Königs Mesa von Moab
erklärt. Mit 1 lithograph. Tafel, 8°. VII, S. 38.
Kiel, Schwer«, 1870.
Di<* Inschrift, welche an* d**m 9. Jahrhundert v. CUr.
stammt, ist nicht blos» sprachlich sondern auch histo-
risch von Wichtigkeit.
Norrie, Edw. Assyrian Dictionary of Cuneiform
Inscriptions of Assyria and Babylonia, Vol. II.
London 1870, 4®. XII, 353—708.
Opport, J. Los inscription« de Dour-Sarkayan
(Khorsabad), proveDant des fouilles de Vict Place,
dechiffrees et interpretees Fol. p. 39. Paris, 1m-
prim. inip. 1870.
Over den rechstoestand der hoofdplaato Palembang.
(Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, III. Serie,
4. Jahrg., Nov. 1870.) •
Palästinensisches. 1. Die Hafenstadt Jerusalems,
Jaffa. 2. Von Jaffa nach Jerusalem. 3. Ein Rund-
gang um Jerusalem. 4. Ein Ritt nach dem Kreuz-
kloster und dem Philippsbronnen. 5. Ein Ritt
nach St. Johann in der Wüste. (Ausland 1870,
Nr. 733—735, 802—804, 836—838, 846—847,
879.)
Parkinson, J. C. The Ocean Telegraph to India.
A Narrative and a Diary, 8°. pag. 336. London
1870.
Paspati, A. G. Etüde« sur les Tschingianes ou
Bohemiens de Pempire Ottoman. (,’onatantinuple
1870.
Enthält ein etymologisches Wörterbuch der .Sprache
der Zigeuner in der Türkei; sowie sechs Zigenner-Kr-
aihlongeo,
Perelaor. Ethnographische besehrijving der Da-
jak«!, 8rt. 266. 4 Tafeln. Zaltbommel, Noman,
1870.
Plath, J. H. Ueber zwei Sammlungen chinesischer
Gedichte aus der Dynastie Thang. München 1869,
8°. S. 58.
Plath, J. H. Die Quellen der alten chinesischen
Geschichte mit Analyse des Sse-ki und I*sse, 8°.
S. 101. München, Franz, 1870.
Die preussisohe Expedition nach Oatasien. An-
sichten aus Japan, China und Siam. Im Aufträge
der Königlichen Regierung, herausgegeben von
A. Berg. 7. lieft, Fol., 4 Photolith. in Tondrock,
2 Chromolith. in Oel und 3 Blatt Text in deut-
scher, englischer und französischer Sprache. Ber*
lin, v. Decker, 1870.
Bijdragen tot de Keunis der Preanger regent-
aohappen. Door v. d. H. (Tijdschrift voor Ne-
derlandsch Indie, III. Ser., 4. Jahrg., Oct. 1870.)
Presohewalski, N. M. Das Klima des Usauri- Lan-
des auf Grundlage fünfzehnmonatlicher Beobach-
tungen. (Petcrmann’a Mittheilungen 1870, 459,
aua Bd. 6, Nr. 5 der Iswestga der Kaiserl. ross.
Geograph. Gesellschaft vom 8. Juli 1870.)
Die Wintertemperatur Arcliangels ist milder als die
am Ussuri , dessen Winter durchaus continentales, des-
sen Sommer mehr oceanischt-s Klima hat; bedingt sind
diese Verhältnisse durch Meeres- und Luftströmungen,
durch orographbebe Verhältnisse, durch Wälder und
Sümpfe Daher zeigt auch Pflanzen- und Thierleben
eine Mischung nördlicher und «iidlicher Formen. Ge-
rade deshalb ist die Natur des Landes von höchstem
Interesse und dürfte ihr Studium geeignet sein, gar
manche wichtige Krage, z. B. über Entstehung und
Umhildnng der Arten, wenn auch nicht ganz zu lösen,
so doch bedeutend zu fördern. In Nr. 6 desselben
Bandes berichtet Presche walski über die Flora und
Fauna, sowie über die nicht russische Bevölkerung die-
ses Gebietes.
Prichard, J. Th. The Administration of India
from 1859 to 1868. The first ten yoars of Ad-
ministration undor the Crown, 2 Vols. London
1869, 8°. pag. VIII, 701.
Pynappei, J. Aanteekeningen op II. C. Klinkerts
Supplement op niij Maleisch wordenbook. (Bij-
dragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van
Nederlandsch Indie, III. Ser., 5. Deel, 1. Stuk,
p. I f., 1870.)
Pynappei, J. Ptoleroaeus en de Indische Archi-
pel. Eene Kritiek der Verklarungen van de Be-
richten van Claudius Ptolemaeus. Met 1 Haart -
(Ebend.. pag. 36.)
Pynappei, J. De Maleische Handschriften der
Leidsche Bibliotheek. (Ebend., 5. Deel, 2. Stuk,
1871.)
Pynappei, J. Catalngus der Maleische Hand-
schriften in de Leidsche Bibliotheek.
Radde, Gustav. Berichte über die biologisch-
geographischen Untersuchungen in den Kanka-
susiändern. Im Aufträge der Civilhauptvcrwal-
Digitized by Google
Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 403
tung der kaukasiiicben Statthalterschaft ausge-
führt. I. Jahrgang. Reisen im Mingrelieohen
Hochgebirge und in seinen drei Längenhochthä«
lern Rion, Tskenis - Tsquali und Ingur. Tiflis
1866 (Leipzig, Winter), 4°. 225. 3 Karten, 9 Ta-
feln in Ton- und Schwarzdruck.
Von Wichtigkeit zunächst für den Geographen, dann
für den Geologen, Botaniker and Zoologen. Doch giebl
der Verfasser auch Beitrag« zur Ethnologie des Kauka-
sus, zunächst zur Kenntnis« des Landes Kolchis und
»einer Bewohner, der Mingrelier und der .Swanen, de-
nen ein ganzes Capitol (IV) gewidmet ist. Da der Ver-
fasser auch ihre Sprache behandelt und zahlreiche Pro-
ben giebt, so findet auch der Linguist Ausbeute. Von
«igeuthümlichem Interesse ist der Bericht über das kau-
kasische MciJ-euni in Tiflis, der am Schluss des Bandes
mitgetheilt wird; denn dies Museum, welches auch für
den Archäologen mancherlei Interessante* enthält, ist
für kaukasische Ethnologie natürlich «ehr reich und
seine ganze Einrichtung zweckmässig. Wenn diese
Berichte in .weiteren Jahrgängen fortgesetzt werden, so
würde sich Herr Rade ein grosses Verdienst erwer-
ben nnd der Kaukasus ethnologisch immer bequemer zu
überschauen sein — gerade bei den vielfach wichtigen
und interessanten Verhältnissen diese* Gebirges von hoher
Bedeutung. Auch die Abbildungen betreffen zum Theit
Ethnologisches.
Radloff, W. W. Die Sprachen der türkischen
Stämme Südsibiriens und der Dsungarischen
Steppe. I. Abtheilung. Proben der Volkslitera-
tur der türkischou Stämme Südsibiriens. III. Ab-
theilnng. Kirgisische Mundarten, 8f’. XXVII, 856.
St. Petersburg 1870 (Leipzig, Voss.)
Der kirgisische Text (XXVI, 712) dieses wichtigen
und bedeutenden Werkes ist zugleich nnd am gleichen
Ort erschienen.
Radlofl, W. ,W. Reise ins Siebenstromland und
zum Issyk-Kul. (Iswestija derKaiserl. russ. Geo-
graphischen Gesellschaft, Bd. VI, Nr. 33, rusHisch.
St. Petersburg 1870.)
Ein Blick auf Radschputana. (Ev. Miss. Magaz.,
14, 49. Basel 1870.)
The Recovery of Jerusalem, a narrative of Explo-
ration and Discovery in the City and the lloly
Land. By Capt Wilson, Capt. Warren etc. with
an Introdnction byA.P. Stanley edit by Walther
Morrison, 8°. pag. 580. London, Bentley.
Report«, parliamentary , showing the Progress of
Education in India since 1866.
Richthofen, F. v. Reise durch Liao-tung und
Pe-tschili nach Peking, Mai bis Juli 1869. (Po-
termann's Mittheilungen 1870, S. 369 — 372.)
Vorwiegend geographischen Inhalt«, enthält der Auf-
satz einig« beachtenswert!!« Notizen über Umschrift de«
Chinesischen, sowie sehr interessante Beobachtungen
über den Kampf der chinesischen mit der Mantschn-
Sprache und dem siegreichen Vordringen der ersteren.
Richthofen, Ferd. v. Schreiben über seine Rei-
sen zur Grenze von Korea und in der Provinz
Hu-nau. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erd-
kunde zu Berlin, Bd. 5, S. 317 — 339.)
Ri eh th ofen schreibt von Shanghai 23. Nov. 1869,
dass er aoi Kao-li-niön (Thor von Korea) gerade zur
Zeit der Messe zwischen Koreanern und Chinesen ge-
wesen sei, schildert die scharfe Abgeschiedenheit beider
Länder und dann die Koreaner selbst. Unter anderem
beschreibt er zwei Typen derselben, einen lang- und
einen kurzkopfigen. In letzterem, nur iui niederen Volke
vertretenen denkt er au eine den Ainus verwandte,
von den Koreanern verdrängte Urrace. Auch l'eber-
gang&formen finden sich. Kindshäute, Felle, vorzügliches
Papier, Trepang, nnd eine eigene Art Seide bringen die
Koreaner zu Markt. — Der Bericht über Hu-nau im
Auszug von Koner, bespricht besonders die Produkte
(Kohle) und die merkantilen Verhältnisse der Provinz.
Rogow, N. Permisch-rußsiRches und russi&ch-per-
misches Wörterbuch. St. Petersburg 1869.
Roorda, T. Nog oone bijdrage tot verklaring van
oenige Uitdrukkingcn inde Wsgang-Verhalen Ph-
l&s&rii P&ndoe en Raden Pandy. (Bijdragen tot
de TaaJ-, Land- en Volkenkonde van Nederlandach
ln die, III. Ser., 5. Deel, l.Stuk, p. 121 f., 1870.)
Roasmässler, Fr. Die Halbinsel Apscheron mit
ihren Naphtha- und Gasquellen. (Aus allen Welt-
theilen 1870, Nr. 48 und 49.)
Ruprecht,. F. J. Flora Caucasi. Pars 1. (Metnoires
de PAcad. imp. des Sciences de St. Petersbourg,
VII. Serie, Tome XV, Nr. 2). St. Peteraburg 1869
(Leipzig, Voss), 411. Nr. 302.
Besiedelung der Insel Sachalin. (Globus, Bd. XI,
S. 17, Nr. 15, 1870.)
Die Mission in Sarawak. (Ev. Miss. Magaz. Neue
Folge 14, 129. Basel 1870.)
•Schildert Brook es Wirksamkeit unf Borm-o.
Savio. La prima spedizione italiana nell’ interno
del Giappane e nei centri sericoli, 1 6°. 108. 1 Karte.
Mailand, Trevee, 1870.
Schlagintweit-Sakünlünski, H. v. Reisen in
Indien und Hochasien. Eine Darstellung der
Landschaft, der Cultur und Sitten der Bewohner
in Verbindung mit klimatischen und geologischen
Verhältnissen. Basirt auf die Resultate der wis-
senschaftlichen Mission von Herrn. Adolph und
Robert v.Schlagi nt weit, ausgeführt in den Jahren
1854 bis 1858. Zweiter Bd., llochaBien. 1. Der
Himalaya von Bhutan bis Kashmir. 10 Illustra-
tionen, XVIII, 476. Jena, CoBtenoble.
Zunächst enthält dieser zweite Band das Verzeichnis«
der Illustrationen, Transcription und Register de« er-
sten Bande*, sowie in gedrängten Auszügen auf vier
eng gedruckten Seiten Urtlieile der Presse über densel-
ben. S. 25 — 64: Ethnographische Ueberslcht de* be-
handelten Gebietes; indische Aboriginerstüminc, Kasten
nnd Racen arischen Stammes; tibetische Kucc; Men-
schenraccn in buddhistischen Götterbildern. (Was S.
40 f. über den «Sprach Wechsel eines arischen Stammes
gesagt wird, ist «ehr problematisch). S. 263 — 290: Be-
wohner und Sitten lu Sikkim und Nepal. S. 446—456:
Bewohner der nordwestlichen Gebiete. Andere» ethno-
logisches Material ist durchs Werk verstreut. Von S. 47t#
— 473 folgt ein Verzeichn iss säuuntiieher Leistungen
sämmtlicher Gebrüder v. Schiagint weit in Büchern,
plastischen Publicationen, Photographie und Technik.
51*
Digitized by Google
404
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Schlagintweit-S&künlünski, H. v. I>ie Kh/iBsiaa
und ihre Nachbarvölker in den Gebirgen von
Assam gegen Hinterindien. (Ausland 1870,
Nr. 529 f.)
Schott, W, Altaische Studien oder Untersuchun-
gen auf dem Gebiete der tatarischen (turanischen)
Sprachen. 4. Heft, 4Ü. 43. Berlin, Dümmler, 1870.
Aus den Abhandlungen der königl. Akademie der
Wissenschaften. Das 3. Heft erschien 1867.
Schwerdt, H. Jahrbuch der neuesten und inter-
essantesten Reisen, 2. Band, 2. Hüfte. Die Län-
der der Bibel, wie sie waren und wie sie sind.
Pilgerfahrt auf den Sinai und nach Jerusalem.
Für Jung und Alt bearbeitet, 8°. 195. Langen-
salza, Schulbuchhandlung, 1870.
Selderetaki, E. Skizzen vom gegenwärtigen Kau-
kasus. 1. Heft (russisch). 8°. XV, 84. Berlin,
Behr, 1870.
Sewell, Rb. The analytical History of ludia from
the earliest Times to tbe Abolition of the Hon.
East India Company in 1858. London 1869, 8®.
368 pag.
Shaw, Hob. Visit to High Tartary, Yarkand and
Kashgar and Return. Journey over the Karako-
rum Pass, 8°. London, Longmana, 1871.
Ein König von Siam als Reformator des Buddhis-
mus. (Globus, Bd. XVII, Nr. 18, 1870.)
Sicard, Cap. F. De la navigation du coura infe-
rieur de TEuphrate eu Basse Mesopotamie. Mit
2 Karten. (Revue maritime et coloniale. Aug.
1870, S. 792—807.)
(liefet eile Resultate von Aufnahmen und Tiefenmes-
sungen auf dem Sehat-cl-Arah , dem unteren Euphrat
und dem unteren Tigris im November 1868. Durch
genaue ßt-sehreibungen der merkwürdigen Sumpfgegen-
den, welche jene Strome dtircliflicsscn , durch Angaben
über dte Einwirkung derselben auf die Bewohner von
Interesse.
Simon. Recita d'unvoyage en Chine, 8°. 18. Paris,
Martinet, 1870. (Extrait du Bulletin de la So-
cietö imper. d’acclimation. März 1870.)
Spiegel, Fr. Eränische Altorthumskunde. 1. Bd.
Geographie, Ethnographie und ältest« Geschichte.
Leipzig, Engelmann, 1870, XII, 760.
Was Lassen, dem das Buch gewidmet ist, für In-
dien, das leistet Spiegel in diesem neuen grundlegen-
den Werke für das eränische (Jebiet und füllt damit,
wie wohl nur er es konnte, eine lang empfundene Lücke
aus. Der Plan seines Werke* ist ein sehr umfassender j
denn während der vorliegende Band in den drei ersten
Büchern Geographie, Ethnographie und älteste Geschichte
des Gebiete* enthält, so sollen in den noch folgenden
Bänden das vierte nnd fünfte Buch die politische und
Ketigionsgeschichtc Krüns „bis zum Sturze des Saaani-
denreiche* durch den Islam umfassen, während eine
Darstellung der häuslichen und staatlichen Alterthümer
im sechsten nnd siebenten Buche das Ganze lx*schlicit*en
»oll*- Mögen die letzteren möglichst rasch erfolgen;
gerade sie kommen bei Lassen zu kurz und doch sind
sie für den Ethnologen so vorzugsweise wichtig. Ganz
besonders sind sie das auf einem so höchst merkwürdi-
gen und doch verbäluiissmäasig so wenig bekanntem
Gebiete wie Krau. — Nachdem der Verfasser zunächst
des östlichen Krüns, sowie Armeniens, dann die poli-
tische Einleitung, Clima und Produkte Krüns und end-
lich die tirenzlandcr des Gebietes geschildert hat, be-
handelt er im zweiten Buch zunächst die Ethnographie
Kraus und bespricht (307 — 377) die Afghanen, Be-
luccn, Brahuis u. s. w., die turk manische Bevölkerung
Krüns, die Liiristüner, Kurden, Armenier u. s.
und die Semiten des Gebietes; darauf aber (394 —
4*23) die Völker der angrenzenden Länder. Das dritte
Buch behandelt zunächst die Abstammung und ältesten
Verhältnisse, sodann die mythische Vorgeschichte der
Erünier. In den 15 Beilagen (738—760) werden die
einzelnen Stämme und L’nterabtheilungen der Beluccn,
Brahui, Turkmanen, Kurden, der Shäfe-Araber u. s- w.
aufgczählt. Dass dies Werk auf der sichersten Gelehr-
samkeit, den umfassendsten Studien beruht, dafür bürgt
schon der Name seines Verfassers, dem es vergönnt «ein
möge, thunlichst bald dies« seine grosse Arbeit zu voll-
enden und damit der deutschen Literatur ein Werk zu
schenken, auf welches sic mit vollstem Rechte stolz
sein kann.
Stachjew. Hinter dem Baikal and auf dem Amur-
fluaa. Reiseakiazen (russisch.) St. Petersburg 1869,
8°. 347.
Stickel, J. Gut. Handbuch der morgenlündischen
Münzkunde. 2. Heft. Auch unter dem Titel: Daa
growh erzog liebe orientalische Münzcabinet zu
Jena, beschrieben und erläutert. 2. Heft: Aelteate
muhanmiedauiache Münzeu bis zur Münzrefonn
Abdulmelika. 1 lithographirte Tafel, 4°. V, 126.
Leipzig, Brockhaua, 1870.
Das erste Heft erschien 1845.
Btoliczka. Reisen in Hinterindien , auf die Niko-
baren und Andamanen. (Verhandlungen der k.
k. geolog. Reichsan&talt 1870, 23 f.)
Hauptsächlich zoologischen Inhalts.
Swinhoc. A trip to Kalgan in the antumn of
1868. (Proceedinga of the Royal Geographic&l
Society of London, Vol. XIV, pag. 83 — 85.)
Talos of Old Japan. (Translated by A. B. Mitford.
With 40 fullpage Ulustrated, 2 Vota, 8®. London,
Longmana, 1871.)
Taylor, Meadows. A Studenta Manual of History
of India from the earliest Period to the Present,
8®. Vol. XX, pag. 884. London. Longmana, 1871.
„Mr. Taylor hat compilrd a «uccinct but by no
nicuns a briet or defective manual of Indian history.“
„The history. which beginn with the earliest rveords of
India ib eontinued to the year 1870.“
Tkorp, R. Casbmere Miagovernment London,
Longmana, 1870.
Auszug im Globus, Bd. XVII, Nr. 12.
Tinling. The english speaking Natives of India.
Bcing not«* of an Evangelist* Tour in the three
Presidenciea. London, Macintosh, 1870.
Der Stamm der Todaa in den Nilgherria und seine
Gebräuche. (Globus, Bd. XVIII, S. 23, 1871.)
Digitized by Google
405
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Vyf en dertig Touneoaache raadols met vertaa-
ling en aanteekeningen door de C. Aanteekeningen
beheizende eene verglijking tusschen de Toam ba-
ltische enTounae&schedi&lecten. (Tijdschrift voor
Ni*derland«ch Indie, III. Ser., 4. Jahrgang, Sept.
1870.)
Tretjakow. Das Land Turuchan. 2. Ethnogra-
phischer Theil. Nach dein Russischen (zweiter
Band der Denkschriften der Kaiser), ross. Geogr.
Gesellschaft) von F. Sveceny. (Mittheil, der Geo-
graphischen Gesellschaft in Wien, Neue Folge, 3,
1870, S. 396—413.)
Trumbull. The composition of Indian Geogra-
phical naraes, 8°. pag. 51. Hartford, 1870.
Die Bergvölker Tachittagonas. Nach T. H. Le-
win: The hill tracts of Chittagong and theDwel-
lers Therein; with comparative vocabularies of
the Hill dialects. Calcntta. (Globus, Bd. XVHI,
S. 5, 1870.)
TJssoljzefi', A. F. Jahresbericht über die Tbätig-
keit der sibirischen Section der Kaiserl. russisch.
Geographischen Gesellschaft für das Jahr 1869,
8°. St. Petersburg 1870 (russisoh.)
Von anthropologisch-fthtiogruphischem Interesse darin
Mittheilungen über die Expeditionen der Kaiserl. rus*.
Geograph i&chen Gesellschaft: l) die Expedition in«
Tsclmktsclien- Land; 2) die ethnographische Expedition
in den Südussuriecben Landstrich.
Die Besiedelung des Ussurilandcts. (Petermann’s
Mittheilungen 1870, S. 342.) Nach Prschewala-
ky8 Berichton an die Kaiserl. russisch. Geograph.
Gesellschaft.
Vambery, Herrn. Ein Blick auf Centralasien. Ri-
valität zwischen Russen und Engländern. (Glo-
bus, Bd. XVn, Nr. 9 f., 1870.)
Vämbery, Herrn. Asiatische Völkertypen. Die
Gebr; die Kurden. (Globus, Bd. XVI, 1869; Bd.
XVII, Nr. 2, 1870.)
Vambery, Herrn. Russlands Machtstellung in
Asien. Eine historisch politische Studie. 8*. Leip-
zig, Brockhaus, 1871.
Vambery, Horm. Die heutigen Zustände in der
Dzungarei. (Globus, Bd. XVIII, Nr. 22, 1870.)
Vimbery, Herrn. Die Zigeuner in der Türkei.
Besprechung des Buches von Paspati. (Globus,
Bd. XVIII, Nr. 18.)
Vamböry, Herrn. Zigeunerische Erzählungen.
(Globus, Bd. XVIII, Nr. 21, 1870.),
Nach Paspati. Beide Erzählungen gehören zu weit-
verbreiteten ursprünglich indischen Märchenkreisen. Die
zweite findet «Ich auch in den Hindtuuärchrti der M.
Frere.
Veth, P. J. Vrouwenregeeringen in den Indischen
Archipel. (Tijdschrift voor Nederlandsch Indie,
III. Ser., 4. Jahrg., Nov. 1870.)
Opmerkingen naar aanleiding van het 17deHoofd-
stuck van W&llacea „Iuaulinde*1 en de aantee-
keningen van den Vertaaler d&rop. (Ebend., 5.
Jahrg., Febr. 1871.)
Unter dem Titel .Insulinde“ ist Wallace« „malaii-
scher Archipel“ von Veth ins Holländische übersetzt.
Wanderungen im südlichen Indien. (Globus, Bd.
XVIII, Nr. 8; Bd. XVH, Nr. 10 f., 1870.)
Nach Grandidier und Granl.
Webb, F. C. Up the Tigris to Bagdad. With
Illustrations. London 1870, 8°.
Whymper, Fr. Alaska, deutsche Ausgabe von
Steger: Braunschwoig, Vieweg, 1869.
Hier zu erwähnen wegen der Notizen, die Whym-
per über die Tschuktjcben und Kamtschatka giebt.
Wiener, W. Nach dem Orient. Reiaeskizzen.
Wien 1870, 8°. IV, 240.
Wilken, N. P. Jets over den landbouu in de
Minabassa en de darbij gebrnikelyke benainingen.
(Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, III. Serie,
4, Jahrg., Nov. 1870.)
Williamson, Bev. Alex. Journeys in North China,
Manchuria and eastern Mongolin; with some Ac-
count of Corea. With llluatrations and Maps.
2 Vols, 8°. London, Smith, Eider and Comp.,
1871.
Wrede, A. y. Reise in Hadhramaut, Beled Beny
Yssa und Beled el Hadechar. Herausgegeben mit
einer Einleitung, Anmerkungen und Erklärung
der Inschrift von 'Ohne versehen, von Heinrich
Freiherrn v. Maltzan. Nebst Karte und Facsimile
der Inschrift von Oboe, VIII, 375. Braunschweig,
Vieweg, 1870.
A. v. Wrede reiste 1843 in die gänzlich unbekann-
ten Gegenden de« südlichen Arabiens bis zur Wüste
El Ahgaf. Er reiste als Aegypter verkleidet und eigent-
lich in beständiger Todesgefahr, da die Bewohner jener
Gegenden zu den fanatischsten Moalim gehören, zugleich
aber auch durch ihre Abgeschlossenheit in Sitte und
Wesen sich von alten Zeiten her ganz unberührt erhal-
ten haben. So behauptet der Herausgeber mit vollem
Hecht, dass Wrede’« Werk zu den wichtigsten Ent-
deckungsschriften 'dieses Jahrhunderts gehöre, zunächst
freilich für Ueogniphie, Ethnographie und Geschichte,
nicht minder aber gilt dieser Ausspruch auch für Eth-
nologie. — Auch die Sprach Wissenschaft geht nicht leer
aus. Denn Wrede copirte in den Ruinen von ‘Ohne
eitle bimyarische Inschrift, welche H. v. Maltzan im
zweiten Anhang ausführlich bespricht und erläutert. Der
erste Anhang enthält: 1. Eine Liste der Könige von
Yemen nach Wrede — welcher dieselbe aus einem
alten Manuscript über die Geschichte vorislämitischcr
himyariücher Könige ausgeschrieben erhielt durch den
Besitzer desselben, einem Scheich von Choraybe — mit
vergleichendem Hinblick auf die Liste von Caussin
de Pcrceval. 2. Eine völlig neue Liste der Könige
von Hadliraraant, und 3. Liste der Beduinenstämme in
Hadhramaut, Beny ‘Yssü, Hadschar und Hamum, mit
Erläuterungen des Heraasgebers. Auch zu der Reise
selbst giebt H. v. Maltzan in 170 Nummern „Berner-
kungeu und Ausführungen“ , welche für alle einschla-
genden Wissenschaften von grosser Bedeutung sind. Die
Digitized by Google
406 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Einleitung, hauptsächlich geographischen und sprach*
wissenschaftlichen Inhalts, enthält auch die Geschichte
des Buches, welche in mehr als einer Beziehung cha-
rakteristisch ist. Ueher 25 Jahre hat da* Manuskript
keinen Verleger gefunden und wäre wie W red e’s Karte
und Costümbilder, beinahe verloren gegangen, wenn
nicht K. And ree und li. v. Maltzan seine Bedeu-
tung erkannt hätten. Bei seiner Rückkehr glaubte man
Herrn v. Wrede nicht, man hielt ihn für einen Auf*
Schneider; und so hat der Mann , der sich in seinem
Buche als einen durchaus bedeutenden Menschen zeigt,
im Drucke der Armutb eiu unbekanntes Leben führen
müsse u.
Wylie. Notes of a joumey from Ching-too to Han-
kow. (Procoedinga of the Royal Geographie. Soc.
of London 1870, Vol. 14, pag. 168 — 185.)
Die Zonana- Mission. (Ev. Miss. Magaz. Neue
Folge, 14, 336 f. Basel 1870.)
Bespricht «inen Vorfall ans der Frauenmissiou , wel-
ches zu Calcutta grosses Aufsehen erregte, vom Stand-
punkt der dabei thätigen Missionare.
Australien
(von Prof. Meinioke in Dresden).*
J. Bonwick. Daily life and origin of the Tanna-
nians. London 1870.
Das Werk ist gewissermnassen eine Fortsetzung des
im Verzeichnisse des vorigen Jahres (8. 185) angezeig-
ten Buches desselben Verfassers: The last of the Tus-
manians, welches den Untergang dieses Volksstannues,
eines der schmachvollsten Blätter in der englischen
Colonialgäschicbte, schildert, und giebc eine Darstellung
des Lebens und der Eigentümlichkeiten der Tasmanien
Es sind darin eine grosse Menge von Einzelnheiten zu*
saumiengfstellt, allein ohne Kritik und, wie es nament-
lich die Abschnitte über Sprache und Abstammung der
Tastuanier zeigen, ohne wissenschaftlichen Werth.
Br&im. New hornes, the rise, progreu, present
position and future proapects of each of the
Australi&n colo nies and Newzealaod. London
1870.
Greffrath. J. Roscoe Fawkner, der Gründer der
australischen Colouie Victoria. (Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Band 0,
S. 85 f.)
Wilhelmi. Sitten und Gebrauche der Port Lin-
coln Eingeborenen in Australien. (Aus allen Welt-
theilen, I. Jahrgang, Nr. 15 bis 17 und 19.)
Ursprünglich in den Transactions of the Royal Society
of Victoria erschienen.
Ooeanien
(von Prof. Meinioke in Dresden).
Axnati. Nueva Guinea. Milano 1869.
Das Werk ist Behufs einer vorgcschlagenen Colonieu*
gründung in Neuguinea geschrieben.
Aube. Renseignements statiatiques nur lee iles
Hawai. (Revue maritimo et coloniale. Mai 1870.)
Von geringem Werth.
Lady Barker. Station life in Newzealand. Lon-
don 1870.
Bourgey. Notice ethnologique sur la Nouvolle
Caledonie et ses dependances. Moeurs et coutu-
mes des habitants. Grenoble 1870.
Brasseur de Bourbourg. Le myst&re de Pils de
Paques. (Aunales de« voyagc« 1870. Februar.)
Ein Brief dieses bekannten Erforschers der mexikani-
schen Alterthümer, in dem hei Gelegenheit der neuer-
dings von der Osterinsel nach England gebrachten stei-
nernen Bildsäulen Ansichten aufgestvlJt werden, die.
aller wissenschaftlichen Berechtigung entbehrend, nur
Staunen und Spott her vorxu rufen vermugeu.
Garnier. I>eB migrations humaines en Oceauic
d’apres los faite naturel». Paris 1870.
Die Arbeit ist ursprünglich int Bulletin de la Societe
de Geographie de Paris erschienen. Trotz W. von
11 nmboldt’s Forschungen wird darin von Neuem der
Versuch gemacht , die Bewohner der Inseln des stillen
Oceans von Südamerika h^rztileiten , ein Versuch , der
um so weniger gelingen konnte, da der Verfasser, dem
man sonst recht schätzbare Nachrichten über die N'eu-
kalcdonier verdankt, für Forschungen, wie sie hier un-
ternommen sind, nicht geeignet erscheint.
Grundem&nn. Die östliche Hklfte von Melanesien.
(Petermann’a Mittheilungen, Band 16, Heft 10.)
Die Arbeit enthält manches Interessante.
Meinicke. Der Archipel der Paumotu. (Zeitschrift
der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Band 5,
Heft 4 und ö.)
Der Schlu» der Arbeit bildet eine Schilderung der
Bewohner der Paumotu.
Palmer. A viait to Eaater island or Rapanui.
(Proceedings of the Royal Geographical Society
of London, Band 14, Heft 2.)
Wir kommen später auf diese Arbeit zurück, da sie
vollständig in dem diesjährigen Bande des Journal der
geographischen Gesellschaft erscheinen wird.
Philipp!. Ein schriftliches Denkmal von der Oster-
insel. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin, Band 5, Heft 5.)
Digitized by Google
407
Ver2eichniss der anthropologischen Literatur.
Mittheilung eines von vier Abdrücken von ansohei-
nend mit Schrifueichea oder Hieroglyphen bedeckten
Holutiicken , die in der Osterinsel gefunden und durch
den Professor PbUippi in Chili nach Berlin gesandt
sind. In vieler Beziehung höchst interessant.
Williams. Fiji andFijians and miwionary labours
among the cannibals extended. with notice* of
recent events by J. Calvert. Edited by G. Str.
Rowe. London 1870.
Eine neue, mit Zusätzen versehene Ausgabe eines
schon 1858 erschienenen, übrigens für die Kenntniss
der Bewohner des Archipels Viel unschätzbaren Buches.
IV.
Zoologie
(von L. Rütimeyer!-.
Th. I*. W. Bischoff. Boiträge zur Anatomie des
Uylobatcs leuciscug und zur vergleichenden Ana-
tomie der Muskeln der Affen und des Menschen.
Mit 5 Tafeln Abbildungen. München 1870.
Eine sehr einlässliche MyoJogie zunächst von Hylo-
bates leuciscus , aber mit jeweiliger Vergleichung von
Gorilla (nach Duvernoy), Orang, Chimpanic, Cynöce-
pbalus znaiuion , C'crcopithecu* sabaens, Macaeus cyno-
molgus, Pithecia hirsuta, Hapnle peuicillata.
Etwa 50 Muskeln, hauptsächlich der Extremitäten
werden sowohl bei den 4 Anthropoiden als bei den
niederen Afft» beschrieben, jeweilen mit Rücksicht auf
den H uxley’schcn Satz, dass die anthro|>oideti Affen
In Muskt-Ianordnnng dem Menschen näher ständen als
ihren midisten Stammverwandten. Eine Tabelle stellt
überdies die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen.
Nur 4 Muskeln, .Scalen, post., Serrat. ant. maj. Debet
Levator scap., Kectus abdorn. und Peron. parv. zeigen
bei den niederen Affen Anordnungen, die von Anthro-
poiden und Mensehen verschieden sind.
Einige Muskeln, wie Plantaris und Caro quadr. Sylrii
sind umgekehrt gerade den niederen Affen und dem
Menschen eigi-nthümlich, während sie den Anthropoiden
fehlen.
Die grosse Ueberxahl der Muskeln von Anthropoiden
nähert sich in ihrer Anordnung mehr den niederen
Affen als dem Menschen. Ueberhaupt aber variirt die
Mnscnlatur nicht etwa nach diesen Gruppen, sondern
von Genus zu Genus. Es ist somit unmöglich, auf die-
sem Borten etwa eine regelmässige Reihe von geringerer
zu grösserer Menschenähnlichkeit zu coTistruiren. In
Bewegungsart und Muskulatur bilden vielmehr alle Affen
eine gemeinsame natürliche Gruppe, deren einzelne Glie-
der unter einander mehr verwandt sind als selbst ihre
Höchststehenden mit dem Menschen , freilich mit reich-
lichen besonderen Variationen nnd Vollkommenheiten
für dieses oder jenes Genus. Namentlich überwiegt
noch selbst bei den höcltsten Affen die Ausrüstung zum
Klettern, Festhalten und Ergreifen die Befähigung zum
aufrechten •Stehen nnd Gehen so sehr, dass die Bewe-
gungsart sie immer nooh den niedrigen Formen viel
mehr annähert als dem Menschen.
Der Verfasser knüpft hieran eine Vergleichung zwi-
schen oberer und unterer Extremität. In Bezug auf
das .Skelet schliesst «*r sich der neueren besonders von
Gegenbaur und Humphry vertretenen Ansicht,
Radius = Tibia, Ulna = Fibula, an. Auch in der Pa-
rallele von Hand- und Fuxswurzelknochen stimmt er
Gegenbaur bei. Obere und untere Extremität unter-
scheidet sich überhaupt in der Anordnung aller ihrer
Knochen, nicht etwa nur in Hand- und Fusswurzel.
Dassel l>e gilt für die Museulatur. Das Dasein eines Pe-
roneus longus und eine* Flexor und Extensor digitor.
conim. brav, bedingt den Unterschied zwischen Kuss
und Hand noch nicht. Vielmehr hat die Totalität der
Muskeln oberer und unterer Extremität zwar homologe,
aber auch andere Anordnung. (Peroneus longus ist
bloss eine Verdoppelung eines Muskels für den Kuss, der
an der Hand iu«'isten» einfach ist, wie dies auch um-
gekehrt vorkouiiut- Für alle Muskeln des Kusses hat
die Hand Analoga, ausgenommen für die Pronatiou uud
Supination, die dem Fuss fehlt.) Hand und Fuss un-
terscheiden sich überhaupt nicht durch Dasein oder Feh-
len dieses oder jene« Muskels, sondern durch die ge-
satnmtt* verschiedene Anordnung. Trotz der Homologie
verhalten sich alle Muskeln ander» in Ursprung, An-
satz, iu Stärke, von gänzlichem Fehlen bis zur Verdop-
pelung.
Trotz der Homologie in Knochen, Muskeln, gewiss
auch in Arterien und Nerven (in Folge der Gleichheit
der embryonalen Anlage) sind somit die beiden Extre-
mitäten doch bei höheren Geschöpfen in allen Theiten
verschieden. Int Guiuen Iwtrachtct verdient aber die
hintere Extremität de* Affen mehr den Namen Hand
als Fuss. Beim Menschen ist der Fuss durchweg auf
aufrechte .Station und Gang berechnet, beim Affen
kommt zu der Flexion und Kxtension durchweg ausge-
dehnte Abdnction und Adduction des Fasses, überhaupt
Ausrüstung zu viel ruanchfacherer Bewegung. Hierdurch
wird aber diese hintere Extremität des Affen der vor-
deren des Menschen analog; der Name Quudrumana
ist also für sie ganz richtig.
Einstweilen muss noch die uns erkennbare physiolo-
gische Function eines Organs den Erklärungsgrund für
seinen Bau abgeben, so wenig auch solche teleologische
Anschauung dem Bedürfnis* der Wissenschuft entspricht.
So gut wie wir ein Organ zur Bewegung in der Luft
einen Flügel, zur Bewegung Im Wasser eine Flosse
nennen, so verstehen wir unter Fuss ein Organ zum
Stehen und Gehen, unter Hand ein solch«? zuiu Greifen
und Festhalten. Während C'etaeecn und Pinnipedien,
selbst noch Einhufer, Wiederkäuer und Dickhäuter nur
Fdim besitzen, so stellt sich des Weitern allmälig eine
Tlnilung der Arbeit der Extremitäten in Stützen und
Greifen ein. Bei den Affen überwiegt letztere Function
Digitized by Google
408
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
und die niederen Affen lind reine Vierhänder. Bei den
höheren Affen wird die hintere Extremität immer un-
geschickter zum Greifen, die vordere immer ungeschick-
ter zum «Stützen, »her dass die eine nur der einen, die
andere Extremität nur der andern Function dient, fin-
det sich nur beim Menschen.
Die Frage in Beziehung auf die Extremitäten der
Affen lautet nicht mehr: ist ihre vordere Extremität
eine Hand, die hintere ein Fuss? sondern: ist die
vordere Extremität mehr Hand oder Fuss, die hintere
mehr Kuss oder Hand? Das erstere ist immer bejaht
worden, aber auch die hintere Extremität ist nach dem
Verfasser mehr Hand als Fass, in Skelet, Musculatur
und Function, nnd wenn auch der Fu» des GocfU we-
niger Hand ist als bei irgend einem anderen Affen, so
ist er doch auch hierin vom Menschen weiter entfernt
als von den übrigen Affen. Es wäre unwissenschaft-
liches Vorurtheil , eine „lland“ für etwas Vollkommne-
res zu halten als einen „Fuss“, aber Hand und Fuss
finden sich als solche am vollkommensten nur beim
Menschen. Die Differcnzirung der Extremitäten in Hand
und Fuss erfolgt alimälig schon innerhalb der Affen,
aber vom Gorill zum Menschen führt noch ein Sprung,
der in der Reihe der Affen fehlt.
In Bezug auf das Gehirn von Hylobates bestätigten
sich die Angaben von «Sandifort und Gratiolet. Daj
Kleinhirn wird von dem Hinterlappen des Grosshirns
ganz bedeckt. Bezüglich der Hirnwindungen nimmt
Hylobates eine Zwischenstufe ein zwischen den drei hö-
heren Anthropoiden einerseits, Semnopithecus und Ate-
les andererseits. Die dritte Stirnwindung fehlt den nie-
deren Affen ganz. Die gniue obere Fliehe des .Stirn-
lappens entspricht bei allen Affen dem oberen oder er-
sten Stiniwitidungszug de# Menschen. Erst wo der
vordere Schenkel der Foasa Sylvil sich zu bilden anfangt,
beginnt auch die dritte Stirnwindung zu erscheinen und
dies ist erst bei Hylobates in ricnneuswerther Weise der
Fall. Auch das Gehirn der Anthropoiden ist somit
vom Gehirn der niederen Affen nicht etwa verschiede-
ner als von dem des Menschen. Das Gehirn von Hy-
lobates bildet einen regelmässigen V ebergang von dem-
jenigen des Orang, Chimpanse, Gorilla zu dem von
Atel«, Semnopithecus, Cymxephalus etc. Von llapalo
bis Orang gewahren wir eine ununterbrochene Reihe,
während ein ähnlicher l’obergang von Orang zum Men-
schen fohlt.
Die Abhandlung ist begleitet von fünf Tafeln Abbil-
dungen, worunter die erste den Kopf des Hylobates
lenciscus in ausgezeichnetem, nach Photographie entwor-
fenen Kupferstich darstellt, die übrigen das Gehirn der-
selben Species ebenfalls nach Photographie, sowie dl«
Musculatur von Hand und Fuss von Cynoccphalus
Alaimon und Mcusch.
Bourgignftt. Prodrome sur quelques Uraidea de
l’Algerie. (Materiaux pour Phistoire de Thomme
1869, pag. 79.)
In der Höhle von Thaya sollen vier Species von Bären
sich finden, für deren respective Lebensepoche der Ver-
fasser das Jahrhundert vor Christus nitzugeben weis*.
P. Brandt. Neue Untersuchungen über die in
den altaischen Höhlen aufgefundenen Sftugethiere.
(Bulletin de l’Acad. im per. de St PeterBbourg,
VII, 1870, pag. 359.)
Ein Drittel der noch im Altai oder seiner Nachbar-
schaft lebenden Thier« sind in den Höhlen vertreten.
Dazu aber noch Hühlcnhy&no, Riesenhirsch, Bison, Ur-
ocha, das sibirische Nashorn, Mammuth. Pferd (ob letz-
teres ein« später« Zntbat, ist fraglich).
Broca. L’Ordre den Primates, Parallele anatomique
de l’horame et den singes. Paria 1870, 8°. (Sa-
paratabdruck aus den Bulletins de la Sociot«
d1 Anthropologie de Paris.)
Treffliche Abhandlung, auf die wir später zurück-
kommen werden. E.
Buak. On the Species of Rhinocero- in Oreston
Cave. (Quarterly Journal of Geologic&l Society,
Vol. XXVI, 1870, pag. 457.)
In Oreston -Cave findet sich Rhinoceros leptorhiuus
Cuvier, nicht tiehorhinus.
E. Daily. L’Ordre des Primates et le Tranafor-
miame. (Bulletin de la Societe d’Antbropologie
de Paria, Tome III, 2d# Serie, 1868, pag. 673.)
Der Verfasser sucht gegen Pruner-Bey den Beleg
zu l«istcn, dass für den Anatomen die differentiellen
Charaktere in den verschiedenen Familien der Affen
bedeutender sind als die Verschiedenheiten zwischen
Mensch und den Affen in toto. — Weitläufiger Wort-
streit — aui‘ Boden von oft sehr eigentümlichen Mo-
tionen über Systematik und fast ausschliesslich mit
Hülfe fremder aus der Literatur gesammelter Säue,
über «in Thema, worüber dem Verfasser sowohl eigene
Beobachtung als wissenschaftliches l'rtheil fehlt.
Boyd Dawkina. On the Distribution of the Bri-
tish postglacial Maminala. (Quarterly Journal
of üeological Society, Vol. XXV, 1869, pag.
192.)
Siebe Anthropologische Literatur im dritten Baud
dieses Archivs, S. 357.
W. Boyd Dawkins and W. Ayshford Sanford.
British pleiatocene Mammal«, Part 2, Felis spe-
laea; Part 3, Felis spelaea und Felis Lynx. (Pa-
laeontographical Society, Volume XXI and XXII.
London 1868 — 1869.)
Frauenfeld, Georg v. Die ausgestorbenen und
aussterbenden T hierc der jüngsten Erdperiode.
Wien 1869, 8°.
Vict. Hehn. Kulturpflanzen und Hansthiere in
ihrem Uebergang aus Arien nach Griechenland
und Italien, sowie in das übrige Europa. Histo-
risch-linguistische Skizzen. Berlin 1870.
Von Hausthieren sind besprochen : Haushahn, Taube,
Pfau, Perlhuhn, Fasan, Gans, Ente, Kaninchen, Katze,
Büffel. Trotz des vorwiegend philologischen Charakters
der Schrift enthält doch namentlich der Artikel über
das Geflügel manche werthvollo historische Bemer-
kungen.
G. Jäger. Zoologische Briefe. Wien. 1. Lief.
1864. 2. Lief. 1870.
Nach der Ansicht des Verfassen „eine Zurückfüh-
rung der Dar win'schen Transmutationslehre auf ihre
letzten Conscquenzen und eine Begründung mancher Rai-
aonnemunts derselben von einer neuen Kette her“ — für je-
den andern Leser ciuo Anleitung, Probleme, denen sich
die wi— msohaftUche Arbeit von Jahrhunderten bisher
nur Schritt für Schritt zu nähern vermocht, wie etwa
Entstehung und Umwandlung organischer Wesen, Ver-
wandtschaft und Abstammung von Arten, geographische
und geologische Verbreitung der Geschöpf« u. s. w.
„auf die einfachste Weise“ ohne den lästigen Ballast
von wissenschaftlicher Beobachtung oder Arbeit auf so-
geuunnt logischem Wege durch Deduktion oder sonst-
Digitized by Google
409
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
wie in a prioristiacher Weise zu lusea. Obwohl jede
Seite der Schrift diese Absicht mehr oder weniger an
der Stirn trägt, so sind doch die folgenden Stellen ge-
eignet, hierüber Niemanden im Zweifel zu lassen. Seite
14 und f.. 13, 32 und f., 57 und f-, 78 und f., 32 und f.,
99, 102, 107, 121 etc. etc.
Lartot. Progression organique verifiable dans la
succession des temps geologiquea. (Bulletin de
la Societe d’Anthropologie de Paria 1868, p. 451.
Compt. rontl. de l'Acad. des Sciences, Juli 1868.)
Bei Hirschen ist der Krönt heil der Zähne um so
kürzer und dringen die Schaielzfalten um »u weniger
tief in den Zalmkörpcr ein, als die Speeles älteren geo-
logischen Kpocheu angehört- Ebenso findet rieh iinGtv
Hirn von Saugethieren, innerhalb desselben Genus, Ab-
nahme des Ornariiirus an Umfang und Windungen,
Zunahme von Kleinhirn and Kiechhirn bei geologisch
älteren Thieren- Also innerhalb des Genus successive
Zunahme von Lebensdauer und Intelligenz, von älteren
su jüngeren Species.
E. Lartct. Remarques sur la Faune de 06 -Ma-
gnon. (Annales des Science.« Naturelles, Ö**1® Se-
rie, Tome X, 1868.)
Von erloschenen oder ansgewanderten Thieren : Mam-
mutli , Höhlentiger. Steinbock, Kennthier, Auerochs.
Nach Lartet sollen sich in den ältesten menschlichen
•Stationen Frankreichs (mit einfachen, nicht gesägten
Pfeilspitzen) Ueberreste von Vögeln und Fischen viel
seltener finden, als in den späteren.
Lucae. Der Schädel des Masken - Schweins (Sus
pliciceps Gray) und der Einfluss der Muskeln auf
dessen Form. Mit 3 Tafeln. (Abdruck aus den
Abhandlungen der Senckenberg’scheu uaturfor-
achcnden Gesellschaft. VII. Band.) Frankfurt a. M.
1870, 4*.
Eine sorgfältige Monographie über die Altersraota-
niorpbose des Schädels am japanischen Maskenschwcine,
nach Vorbild und Methode der bekannten trefflichen
Untersuchungen von Nathusius über Entwicklung and
Wachsthum des Schweineschädela am wilden und an
dem unter Cultureinfluss stehenden Thiere. Di«* Ana-
lyse der einzelnen Factoren des Schädelwachsthums vom
jungen bis zum reifen Alter fuhrt auch Lucae dazu,
die ullniälige Umbildung des Schädels abzuleiten von
dem verstärkten Zug der Kaumuskeln bei mangelnder
Kraftentwicklung der Nackenmuskeln, veranlasst durch
Zufuhr einer zu reichlichen Nahrung und Mästung. In
dieser Beziehung steht der Schädel des Maskenschweins
in der Mitte zwischen demjenigen des indischen Schweins
und dem durch die Yorkshire- Kac« repräsentirten Ex-
treme von (Jnltureinfluss am Schwein. — - Andere Ur-
sachen scheint dieSchädelmetamorphos« an den Boxern
unter den Hunden ««geschrieben werden zu müssen.
R. Owen. Deecription of tlieCavern ofBruniquel,
and its organic Contents. (Philos. TransactionB.
read Juni 1864. Mit 5 Tafeln. Siehe auch Pro-
ceedingg of Royal Society 1864.)
Beschreibung der menschlichen und thierischen Uebrr-
reste aus der Höhle, die Owen im Jahre 1884 selbst
besucht hat. Eine aus Bruchstücken wieder zusam-
mengesetzte Cal varia von Bruuiquei steht sehr nahe
dem Schädel aus dem Steinberg von Mörigen bei Biel
und einem Schädel von Beiair (Mischformen von Sion-
Discntis „Craula helvetica“, B. VII, B. VI). Vogel-
knochen und Rennthierrippe mit Zeichnungen von Kenn-
thier und Steinbock ; Pferderippen mit Zeichnungen vom
Archiv for Anthropologie. Bit. IV. Heft IV.
Pferd. Specielle Beschreibung der in der Höhle Vorge-
fundenen zahlreichen Pferdczihnc, iui Vergleich mit
den lebenden (Caballus, Arinns, Rnrchelli, Zebra, He-
mionus, Quagga) und mit anderen fossilen Pferdearten.
Uw eil giebt der in dor Höhte von Bruniqucl vertre-
tenen Art den Namen Equus spelaeus (warum ist dem
Referent nicht ersichtlich, dem diu dargestellteu Eigen-
thümlichkciten sich durchaus in dunsehr weiten Grenzen
individueller — und namentlich Alte rs Variationen
von Eq. caballus zu halten scheinen), mit zwei Varie-
täten, die indess beide Equus caballus näher stehen, als
anderen lebenden Species, und auch sielt unterscheiden
von Equus fossilis und plicidens Uwen. Dagegen stim-
men sie überein mit Pfcrdezäbnen aus anderen franzö-
sischen Höhlen und scheinen eine kleine, scheinbar er-
loschene Raue echter Pferde (nicht etwa Esel) darzu-
stellen.
Ein Anhang beschreibt noch die Ueberrestc von drei
amerikanischen Pferdearten aus spät tertiären oder
quaternären Ablagerungen von Mexiko (Eq. convenri-
detis, Ow. und Eq. tau, Uw.) und von Monte -Video
(Eq. arciden*, Ow.).
R. Owen. Apercu de Geologie da d&ert d’Egypte.
(Comptee reu das de PAcad. des Sciences, 15 Mars
1869.)
Ille Physiognomien der auf ägyptischen Denkmälern
abgebildeten Individuen aus der Epoche zwischen der
IV. und VIII. Dynastie des alten ägyptischen Reiches
weisen auf orientalischen oder nordischen , nicht auf
äthiopischen Ursprung. Dabei vollkommene Abwesen-
heit der Zeichnungen von Pferd oder Esel. Wenn die
Einwanderung der Gründer der ägyptischen Civilisation
aus einem von Einhufern bewohnten Lande stammt, so
fallt sie somit in* eine Zeit vor der Zähmung dieser
Thiere. Die Invasion der arabischen Hycksos während
der XV. bis XVII. Dynastie brachte das zahme Pferd
und den Esel nach Aegypten und von da an fehlen
Pferde and Wagen auf den Fresken der Gräber und
Tempel nicht.
Achillo Quadri. Note alla Teoria Darwiaiaua.
Bologna 1869.
Der Verfasser versucht, eine ausgedehnte Literatur
aus den» gt-samuiten Gebiete der Naturgeschichte zu
Hülfe ziehend, aus den Gesetzen der Morphologie, Ta-
xonomie, PaJaeontologi« die Einheit des Planes der
organischen .Schöpfung nach/u weise» und daraus Belege
für die Richtigkeit der Dar w In ’sclien Lehre herzuleiten.
Rüdinger. Muskeln der vorderen Extremitäten
der Reptilien und Vögel mit Rücksicht auf ana-
loge und homologe Muskeln bei Säuge thieren und
Mensch. Eine von der holländischen Gesellschaft
der Wissenschaften in Harlem gekrönte Preis-
schrift. Verhandlungen der Gesellschaft, XXV,
1868.
Knochen und Muskeln stehen bezüglich ihres Vor-
handenseins und des Grades ihrer Ausbildung mit nur
wenigen Ausnahmen in inniger gegenseitiger Beziehung.
Die einfache oder complicirte Anordnung der Muskeln
gebt Hand in Hand mit der Formverscbiedenheic und
dem Entwicklungsgrad der Knochen. Beim V’ogel,
fliegender Eidechse, Fledermaus nicht etwa fundamental
geänderte Einrichtungen ihrer Extremitäten, sondern nur
Umänderungen im Bau der Knochen und Muskeln, w’i«*
solche sich auch bei Thieren vorfinden, denen die Fä-
higkeit zu fliegen ganz abgeht. Wie gross auch die
Formverschiedenheit der Knochen in den verschiedenen
Thierdaasen sein mag, immerhin finden sieh in dem
•Skelet des Salamanders, des Crocodils, des Vogels und
52
Digitized by Google
410
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
de» .Siugetbier» bis* /non Menschen herauf identische
lilieder, die sowohl in der Körnt als in der Art ihrer
Zusammensetzung typische Verhältnisse zeigen- Der
Form der Knochen sowohl wie insbesondere der Art
der mechanischen Zusammenlegung entspricht die (irup-
pirung der Muskeln- Wenn sich auch die Zahl der
einzelnen Muskeln vermehrt oder vermindert zeigt und
in allgemeinen Beziehungen grosse Verschiedenheit wahr*
nehmbar ist, so lassen sich doch keim* wesentliche Ab-
weichungen der Grundtypen anfBnden, und wenn man
nicht die Extreme einander gegenübvrstellt , so können
alimälig verwandte Uebcrgängc nachgewiesen werden.
Ayshford Sanford. Rodentia of tbe Somerset-
Cave. (Quarterly Journal of Geological Society,
Vol. XXVI, 1870, pag. 124.)
Zut baten und Correctionen zu dom Verzeichnis» post*
glactaler Thiere Englands, von Boyd Dawkins.
V.
Allgemeine Anthropologie.
(Von v. Hollwald, Rütimeyer und Anderen.)
Baltaer, Joh. Bapt. Ueber die Anfänge der Or-
ganismen und die Urgeschichte des Menschen.
Dritte Auflage. Paderborn, Ferd. Schdningh,
1870, 8°. 145 S.
Baumgärtner, Heinr. Natur und Gott Studien
über die Entwicklungsgesetze im Universum und
die Entstehung des Menschengeschlechts. Leip-
zig 1870, 8°.
Beiträge, neue, zu dem Streit fiber die mutterlose
Zeugung. (Generatio aequivoca). (Ausland 1871,
Nr. 1.)
Beiträge zur Lehre Darwin’s von der Entstehung
der Arten. (Ausland 1870, Nr. 3.)
Broca. Sur le Trans form iaine. (Societe d'Anthrop.
de Paris). Revue des ooors seien tifique« de la
Franco et de Tetranger. Paris 1869 ü 1870.
S. 530 und 550.
Treffliche Darstellung der Darwinschen Lehre. E.
Carneri, B. Sittlichkeit und Durwinisrnns. Drei
Rächer der Ethik. Wien 1871, 8®.
Claparede. La Selection naturelle et Torigine de
l'homme. (Revue des cours Hcientifir|ues de la
France et de l’etranger. Paris 1869—1870. S.
564.)
Darwin, Charles, und seine Gegner. (Ausland
1871, Nr. 4.)
Darwin in der Pariser Akademie. (Ausland 1870,
Nr. 36.)
Bericht über die Debatten wegen Aufnahme Par-
win’s in die Pariser Akademie; kennzeichnet die .Stel-
lung. welche die hervorragendsten französischen Gelehr-
ten zur Darwinschen Theorie einnehmen. Mit Aus-
nahme von (juatrefages und Milne Edwards »iud
sie fast alle AntidarwitiLsten.
Deutsche Philosophie in Bezug auf Religion und
Naturwissenschaft. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 352, 353.)
Besprechung der Arbeiten des Münchener Philosophen
Professor Dr. Johannes Huber.
Dr. Julius Dub. Kurze Darstellung der Lohre
Darwin’« über die Entstehung der Arten der
Organismen. Mit 38 Holzschnitten. Stuttgart
1870.
Da* Buch von Dub gehört wieder zu der Parteilite-
rat ur noch zu der Fachliteratur. Obschon der Verfasser
in einem Nachtrag (Abschnitt VIII und IX) über sei-
nen Beifall oder Missfallen den Leser nicht im Zweifel
lässt, so gehört sein Buch wesentlich in die Kategorie
der Ueherectxungen. Trotz der trefflichen Verkeilung
des Stoffes ist derselbe in dem Darwin1 sehen Werk
so ausgedehnt, dass dessen Lectüra auf viele Leser er-
müdend wirkt, um so mehr, als dasselbe bekanntlich an
Lilcil durchaus nicht gerichtet ist, sondern eine voll«
Vertrautheit mit den behandelten Materien vorauasetzt.
Dub hat diesem Mangel ab/uhelfen gesucht durch eine
Umarbeitung des Bache« für das allgemeine Verständ-
nis«. Dem Original streng folgend (seine Abschnitte
entsprechen in der Kegel je zwei Capitelti des letzteren)
giebt es eine Art von praktischem Auszug daraus für
den Laien, wobei es sich zur Aufgabe macht, die ein-
zelnen Themata in ziemlich gleicbmäasiger Ausdehnung
zu behandeln. Wo cs nöthig schien , wurde daher ab-
gekürzt, an anderen Orten beigefügt, d. h. populäre
Zusammenstellungen von dem einge*choben, was das Ori-
ginal bet dem Leser als bekannt voraussetzte (so die
geologischen Abschnitte p. 140 — 151, 154—163, 301 —
213)^ und durch passende Vervielfältigung der Titel
und besonders auch durch treffliche lirsumes am Ende
jedes Abschnittes der Bearbeitung überhaupt ein solche*
Mas>s von f'ompnctheit und Klarheit gegeben, dass die
Absicht des Verfassers, eine gemein verständliche Dar-
stellung von Darwin’s Lehre ohne irgendwelche Er-
weiterung oder Umgestaltung der Ansichten zu geben,
sicher vollkommen erreicht ist.
Diesem trefflichen Erfolg geschieht auch kein er-
hetdicher Eintrag, w«*uti der Verfasser in den von
ihtu beigefügten zwei letzten Abschnitten „Urtheile über
Darwin’» Theorie“ und „Urzeugung“ etwas weniger
logisch verfährt und auch sonst gelegentlich »eine Au-
toritäten mit grösserer Vorsicht hätte auswahlm dürfen
(Einkeilung de* Thierreichs, p. 109 u. s, w.'b R.
Erblichkeit, über, geistiger Fähigkeiten. (Ausland
1870, Nr. 39.)
Digitized by Google
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur. 411
Hochinteressanter Auszug aas dem Buche Galton’s,
Hereditary genins.
Fignier, Louis. I/homme primitif. Paris 1870,
8®.
Flammarion, Camille. Gott in der Natur.
Deutsch von Emma Prinzessin Schönaich - Caro-
lath. Leipzig 1870, 8°.
Häckel, Ernst. Natürliche Schöpfungsgeschichte.
Vorträge über die Entwicklungslehre im Allge-
meinen und diejenige von Darwin , Goethe und
Lamarck im Besonderen. Berlin 1868, 8°.
Eine eingehende kritische Besprechung dieses Werkes
siehe: Ausland 1870, und zwar: 1. Die Abstammungs-
lehre in Nr. 29. 2. Die Stammbäume für Thiere und
Pflanze» in Nr. 30. 3. Der Stammbaum des Menschen
und »einer Rucen in Nr. 32.
Höckel. Ueber die Entstehung und den Stamm-
baum des Menschengeschlechts. Zweit« verbes-
serte Auflage. Berlin 1870.
Huber, Johannes. Die Lehre Darwin’s kritisch
betrachtet München 1871, 8°. 296 S.
Huxley’s Rede zur Eröffnung der britischen Na-
turforscherversammluDg zu Liverpool. (Ausland
1870, Nr. 39.)
Behandelt vorzüglich die Frage der Generatio aeqni-
voca. Huxley möchte nicht für erwiesen erachten,
dass Lebenserscheinungeii niemals künstlich hervorge-
rufen werden könnten, er behauptet nur, da»* keine
That suche vorliege, welche beweise, dass ein solcher
Versuch schon geglückt sei.
JeflYies, J. P. The Natural history of the Human
Race. New York 1870, 8°. 380 S.
Klein. Entwicklungsgeschichte des Kosmos. Braun-
schweig 1870, 8*.
Enthält im zweiten Abschnitt eine kritische Unter-
suchung der gegenwärtig herrschenden Ansichten der
Entwicklungsgeschichte der die Erde bewohnenden Or-
ganismen (Orgaiiogonk*), in welcher 1) die Abänderung
der Arten, 2) die Verkeilung der Organismen an der
Erdoberfläche, 3) die geologische Aufeinanderfolge der
• ►rganisraen . 4) die wechselseitige Verwandtschaft or-
ganischer Körper (Morphologie, Embryologie), 6) Dar-
win’s Psngenesis und 6) die tieneratio spontanen be-
trachtet werden.
Mazzotti, GiUB. Dell’ origine dell1 uomo e della
trasformasione della specie. Riflessioni. Modena,
Soliani, 1870, 9°. 59 pag.
Preyer, W. Charles Darwin. Eine biographische
Skizze. (Ausland 1870, Nr. 14.)
Rokitansky, Carl. Eröffnungsrede, gehalten in
der constituirenden Versammlung der anthropo-
logischen Gesellschaft in Wien am 13. Februar
1870. (Mittheilungen der anthropologischen Ge-
sellschaft in Wien, Bd. I, S. 1 — 10.)
Schmidt, Osc. Beiträge zur Descondenztheorie
und zur Systematik derSpongien. (Ausland 1870,
Nr. 2, 8.)
Schul tze. Der Fetischismus, ein Beitrag zur An-
thropologie und Religionsgeschichte. Leipzig
1871. 8®.
Der in der neuern Rciseliteratur wohl belesene Ver-
fasser sucht, wie wir glauben mit Erfolg, in der Viel-
heit der Erscheinungen das Gesetzmässigo und Bleibende
aufzufinden.
Streitschriften englischer Biologen über den Be-
griff des Lebens. (Ausland 1870, Nr. 11.)
M. Wagner. Ueber den Einfluss der geographi-
schen Isolirung und Coloniebildung auf die mor-
phologischen Veränderungen der Organismen.
(Sitzungsberichte der k. baierischen Akademie der
Wissenschaften zu München 1870.)
Nach der Dar wln’ sehen Selectionstheorie züchtet die
Natur in Folge des Kampfs ums Dasein rastlos neue ty-
pische Formen der Organismen durch Auslese nützlicher
Varietäten, gleichviel ob innerhalb oder ausserhalb des Ver-
breitungsgebietes der Stannnurt und kann diesen Process
der Bildung einer neuen Art nur innerhalb eines »ehr
langen Zeitraums vollziehen.
Nach der .Separationstheorie züchtet die Natur nur
periodisch neue Formen stets ausserhalb des Wohnge-
bietes der Stammart durch geographische Isolirung und
Coloniebildung, ohne w eiche von allen höheren Tnieren
getrennten Geschlechts keine constante Varietät oder
neue Art entstehen kann. Der Gestalttingsprocess einer
neuen Form kann nicht von langer Dauer »ein. R.
A. R. Wallace. Beiträge zur Theorie der natür-
lichen Zuchtwahl. Deutsch von A. B. Meyer.
Erlangen 1870.
Eine Sammlung von Abhandlungen, hier zum Tbeit
umgearbeitet, die der Verfasser schon »eit längerer Zeit
in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht oder vor
wissenschaftlichen Gesellschaften gelesen hatte. Die ein-
zelnen Themata betreffen: Gesetz der Einführung neuer
Arten, Tendenz der Varietäten, vom Stammtypus abzu-
weichen, 9Mimicry*, natürliche Zuchtwahl an dem Bei-
spiel der malaischen Papitioniden , Instinct bei Mensch
und Tbieren, Philosophie der Vogelnester, Beziehung
zwischen Art des Nestbaus und Farbe der weiblichen
Vögel, Schöpfung durch das Gesetz, Entwicklung der
Meoschenraccn unter natürlicher Zuchtwahl, Grenzen
der natürlichen Zuchtwahl in ihrer Anwendung auf den
Menschen.
Auf ein Buch von Wallace mit solchem Inhalt be-
sonders aufmerksam zu machen , ist wohl überflüssig,
da Jeder, welcher der Entfaltung von Darwinschen
Anschauungen folgt, mit dem grössten Interesse diese
Sammlung von Aufsätzen zur Hand nehmen wird, in
welchen bekanntlich gänzlich unabhängig und theil weise
vor Darwin aber ähnlich wie bei Darwin gutentheils
unter den Eindrücken ausgedehnter und wohl benutz-
ter Kelsen Schritt für Schritt Jlie Schlüsse formulirt
werden, zu welchen sorgfältiges und von anderer,, Schule“
als derjenigen der Natur freies Denken einen *o ausge-
zeichneten Beobachter führt. Ihrer Entstehung nach
sind die Aufsätze über 15 Jahre zerstreut und thrilweise
auf jenen fernen Oceaniscben Inseln niedergeschrieben,
also nicht etwa Zimmerarbeit , sondern naturwüchsiges
Gebälke, gewissermaasaen ein Theil des Baumateriales,
einstweilen mir noch zugerüstet drüben auf einer an-
dern Hemisphäre, da» dann später nebst dem nicht we-
niger reichlichen, das Darwin in ähnlicher Weise ge-
sammelt hatte, von Letzterem zn dem Ban verwendet
wurde, den er vor 12 Jahren zu Aller Ueberraschung
wie mit einem Griff aufführte.
Digitized by Google
412
Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
Neben dem hohen inneren Werth haben somit diese
Aufsätze auch noch einen historischen, den bekanntlich
die grosse Gewissenhaftigkeit Darwin’s jeweilen voll
anerkannt hat, und der letztere wird nicht wenig er-
höht durch die Bescheidenheit, mit welcher Wallace
von seinem Antheil an der Entwicklung des Darwin’-
sehen Baues spricht. „Das vorliegende Werk wird be-
weisen, dass ich damals sowohl den Werth als die Trag-
weite des Gesetzes, welches ich entdeckt butte, sah,
und dass ich es seitdem für mancho Zwecke nach eini-
gen neuen Richtungen hin anzuwenden verstanden habe.
Allein hier enden meine Ansprüche. Ich habo mein
Leben lang die aufrichtigste Befriedigung darüber em-
pfunden, dass Herr Darwin lange vor mir an der
Arbeit gewesen ist und dass nicht mir der Versuch über-
lassen blieb, „die Entstehung der Arten“ zu schreiben.“
In einigen wichtigen Punkten weichen die Ansichten
von Wallace von denen von Herrn Darwin ab, was
mit ein Grund zu der Veröffentlichung des oben an ge-
zeigten Buches war; nämlich in der Anwendung der
Theorie der natürlichen Zuchtwahl auf den Menschen.
Es bildet dies den Gegenstand der zwei letzten Ab-
handlungen; Wallace versucht darin zu zeigen, dass
die natürliche Zuchtwahl auf die körperliche Organisa-
tion des Menschen — im Gegensatz zu derjenigen der
Thiere, wo sie so grosse Resultate hervorbringt, keinen
Einfluss besitze, da der Intellect des Menschen eine Art
von Gegengewicht gegen natürliche Zuchtwahl ausübe
und ihn dem Bereich von Kräften entziehe, die nur auf
natürliche Körperwelt wirken.
„Von der Zeit an, in welcher sociale und sympathi-
sche Gefühle In Gütige Wirksamkeit traten and intet-
lectnelle und moralische Fälligkeiten sich gut entwickel-
ten, würde der Mensch aufgehört haben, in seiner phy-
sischen Form und Structur von der natürlichen Zucht-
wahl beeinflusst zu sein“. — Woraus folgt, „dass die
Differenzen, welche jetzt das Menschengeschlecht von
anderen Thicren trennen, entstanden »ein müssen, ehe
es in den Besitz eines menschlichen Intellektes oder
menschlicher Sympathien gelangte.*
Man sieht hieraus, dass es sich für Wallace weni-
ger um eine ausnahmsweise Immunität des Menschen
in Bezug auf Gesetze handelt, welchen sonst eine Wir-
kung auf die gesammte organische Natur zugesclirmben
wird, als um eine ausnahmsweise Kraft, die den gei-
stigen Fähigkeiten des Menschen im Gegensatz zu den-
jenigen der Thiere ungeschrieben wird.
Aber auch diese weite Trennung von Mensch und
Thier in Rücksicht auf geistige Eigenschaften, bei An-
erkennung ihrer grossen körperlichen Verwandtschaft
konnte offenbar consequente Anhänger der natürlichen
Zuchtwahl nicht befriedigen, und Einwendungen gegen
diese Anschauung Wallace’s sind daher nicht ausge-
blieben. Doch begnügen wir uns, hier die treffliche
Arbeit von Ed. Claparcdc auzuführen: Remarques a
propos de POnvrago de Mr. Wallace mir In Toeorie
de ln Selection Naturelle. Archive* de* Sc. de la Bi-
blioth. universelle de Geneve. Juin 1870.
Rütimeyer.
Digitized by Google
REGISTER DES VIERTEN BANDES.
Seit«
Abstammung des Menschen 336
Afrikanische Völker, Cannibalismus derselben ♦ 25&
Amerikaner, Cannibalismus 25fi
Anthropologische Literatur . . . 127. 151. 333. 357
Asiatische Völker, Cannibalismus 2112
Augen gegend und Nasenwurzel ........ 111
Axe der Schädelbasis 305
H a er 'sehe Horizontale des Schädel
Beschneidung 272
Bestattung, von Menschenopfer begleitet .... 279
Broca’sche Horizontale des Schädels 300
Bronzealter SO
Bronzecultur 11
Bronzezeitschädel 22
Cannibalismus der alten Völker 248
„ in Europa 2hl
„ der heutigen Wilden ' 253
Carthager, Menschenopfer derselben 223
Chiloten 140
Chinesen, Gesichtsbildung Ul
Chinesinnen, Küsse derselben 221. 211
Chorotegas 3Ü
Condylenwinkel beim Neger und Europäer . . . 200
Costarika, Eingeborne U2
Cryptolithischcs Zeitalter 16
Cuevastämme Costarika» M
Drehung der Schädelwirbel flQL
Eisenalter . 23
Eiseuzeitschädel 13
Esthen, Schädelform 121
Etrusker, ihr Einfluss auf die Bronzecultur . . 11
Exostosen des Gehörganges LiZ
Finnenschädel 22
Flintgeräthe der Indianer . 1
Foramen inagnum, Stellung des, beim Neger und
Europäer 297. 298
Fuas de» japanischen Seiltänzers 313
Füsse der Chinesinnen 221. 211
Gelenkfortsätze des Hinterhauptlieins, Erhebung
der, über der Horizontal-Ebene 2£S3
Geschlechtliche Zeugung, Theorien derselb. 132. 31Z
Griechen, ihr Einfluss auf die Bronzecultur . . II
„ Menschenopfer derselben 274
Grönländerschädel 16
Höhle von Cro-Magnon in Perigord 132
Horizontale des Schädels, Bestimmung derselben
Hünengräber
Indianer Nordamerikas, Steingeräthe
Indianerstämme Costarikas
Japanischen Seiltänzers, Fuss des .......
Jensen’s Zeichenapparat
Juden, Menschenopfer derselben
Kelten
„Keltische“ Töpferwaaren in Oberitalien ....
Kjökkenmöddinger
Knochen, Veränderungen bei langer Lagerung
im Boden 128.
Knochensubstanz, organische; Grund der Unver-
änderlichkeit derselben
Krümmung des Schädelrohrs beim Neger und
Europäer 2B7. 3Q1.
Künstliche Verkrüppelung der Chiuesenfüsse 221.
Lappenschädel
les Eyzies, Höhlenbewohner
Malayen
„ Cannibalismus derselben
Megalithisches Steinalter
Menschenfresserei
Menschenopfer
Mexikos Ureinwohner 131.
Mlkrocophalus (Vilanova’s Fall) .......
Natürliche Zuchtwahl in Bezug auf den Men-
schen
Neger, Bildungsfähigkeit
Papuas
Patagonier, Körpergrösse
„ Steingeräthe
Pelew- Insulaner
Peruancrschädel, Exostosen des Gehörganges . .
Phönizier, Menschenopfer derselben
Rennthierzeit, Höhlenbewohner derselben . . .
Römer, Menschenopfer derselben .......
Schädel, altnordische
„ der Bronzezeit
„ „ Eisenzeit
„ „ Esthen
„ „ Finnen
„ „ Grönländer ............
. « L»ppen
„ „ Kennthierjäger von les Eyzies . . .
Digitized by Google
414
Register.
beite
Schädel der Steinzeit lid.
Schädelbasisaxe ÜÜ5
Schädelgesichtswinkel . . • . 3ü2
.Schädelmessung 51
Schädelrohrs, Krümmung des, heim Neger und
Europäer 2-87. 3QL 3U2
Schädels, Stellung des, auf der Wirbelsäule 306 — 300
Schädel Wirbel , Drehung derselben 3ÜL 302
Skeletreste der Rennthierjäger von les Eyzios . Lll
Speciesbildung; historische Notiz über dieselbe * 3&5
Sprache, Ursprung derselben 13£1
Steinalter iili
Steinerne Götzenbilder der Indianer . . . * üä. liff
Stciugerüthc der Indianer 1
„ in Patagonien Ldi
Seite
Stoinzeitschädcl Hl
Stellung des Schädels auf der Wirbelsäule . 306 — 309
Stereoskopisch -geometrischer Zeichenapparat .
Terramara- Lager in Oberitalien
Theorien der geschlechtlichen Zeugung . . 107.
Todtenmasken, Alter derselben
Verbrennung (Menschenopfer)
Verhandlungen gelehrter Versammlungen . 144.
Waffen aus Bronze
„ „ Stein
Wilde Völker, Menschenopfer derselben ....
Wirbelsäule, Stellung des Schädels auf der Wir-
belsäule 306 — 309
Zeichen appnrat, stereoskopisch -geometrischer . 233
Zeugung, geschlechtliche, Theorien derselben 197. 317
Digitized by Google
i_e£fiEEg|i
Digitized by Google
Digitized by Google
Verlag von Wlegandt & Hempel in Berlin.
Zeitschrift für Ethnologie
uud ihre Ulilfewüsenscbaften, als
Lehre vom Menschen in seinen Beziehungen zur Natur und zur Geschichte.
Herausgegeben von A» llaHtian und It* Hart mann in Berlin. (Erster Jahrgang 1869.)
Es erscheinen von der „Zeitschrift für Ethnologie“ jährlich 6 starke Hefte in Roy.-8. mit lithograph.
Tafeln. Preis für den Jahrgang 5 Thlr. (= 20 Fr.) Alle Buchhaudl. vermitteln Abonnements.
TI7iri+Tn/VV|Jci nun in 20 ♦,ahrK5nK‘,n vorliegende „medizinische Neuigkeiten“
yy I 1 1 lii Hill ö bieten eine reiche Fundgrube der in der gesaminten in- und auslän-
dischen Medizin, Chirurgio und Geburtshülfe erzielten praktisch ver-
werthbaren Fortschritte. Jahrgang 1871, soeben begonnen, kann durch Post und Buchhandel
bezogen werden; Abonnementspreis für 52 Nummern 2*/* Thlr. Behufs erleichterter Anschaf-
fung erlässt die Verlagshtiudluiig Palm & Ellke in Erlangen die ersten 20 Jahrgänge, so
weit der nur noch geringe Vorrath reicht, zuwmimongenommen um den Baarpreis von 10 Thlr.
In Carl Winter’S UniversitätBbuchhaudlung in Heidelberg ist soeben erschienen:
Werber, W. J. A., Pr. d. Philos. o. Med. Gr. Bad. Hofratli u. o. Professor an der Universi-
tät Freiburg i. Br., Die Entatohung der menschlichen Sprache und ihre Fortbildung.
Mit einer Einleitung: Dos Menschen Stellung in Natur und Geschichte, gr. 8. brosch.
Preis 12 Sgr.
Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.
Natürliche Geschichte der Schöpfung
des Weltalls, der Erde und der auf ihr befindlichen Organismen, begründet auf die durch die
Wissenschaft errungenen Thatsachen. Aus dem Englischun nach der sechsten Auflage
von #
Carl Vogt
Zweite vermehrte Auflage.
Mit 164 in den Text eingedruckten Holzatichen.
gr. 8. Fein Velinpap. geh. Preis 1 Thlr. 20 Sgr.
Die Elemente der Krystallographie
mit
stereoskopischer Darstellung
der
Krystall formen.
Für höhere Lehranstalten und zum Selbststudium
von
J. Martins- Matzdorff.
Mit 118 in den Text eingedruckten Figuren.
4. Fein Velinpapier, geh. Preis 1 Thlr. 20 Sgr.
Die Verwandtschaft der Naturkräfte
von
I)r. W. K. Grore,
Och. Hath , Mitglied «Irr Itovnl Society , Präsident der British Association
tu Nottingham , der Akademien x*.i Rom, Turin etc.
MitaliixJ.
Deutsche autorisirte Ausgabe^ nach der fünften Auflage des englischen Originalen herausgegeben
durch
E. von Schaper,
Kftnigl. Ilanptm&nn u. D. and Tetarraphunsecretir.
Mit einem Anhänge, enthaltend diu Hude des Autors „über den ununterbrochenen Zusaimuenhaug
in der Natur“, gehalten als Präsident der British Association zu Nottingham 1866, nebst einem
Vorworte zur deutschen Uebersetzung von R. Clausius, Professor der Physik in Bonn,
gr. 8. Fein Velinpapier, geh. Preis 1 Thlr. 15 Sgr.
Digitized by Google
Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunechwoig.
Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde.
Zum (•(■brauche bei
Vorlesungen und zum Selbstunterrichte.
Von
Carl Vogt.
Dritte vormehrte und gänzlich umgearbeitete Auflage.
In zwei Händen.
Mit 10 Kupfrrtufdn an«! rirlrn Illustrationen in Holntkh.
gr. 8. Fein Velinpapier, geh.
Erschienen sind: Ersten Bandes erste bis vierte IJefemng. Preis ä Lieferung 1 Thlr.
Zweiten Bandes erste Lieferung. Preis 1 Tlilr.
Grundriss der Geologie.
Von
Carl Vogt.
Mit 473 in den Text eingedruckten Ilolutichcn. 8. geh.
Treis 2 Thlr. JO $ gr.
Ucber unsere Kcnntniss
von den
Ursachen der Erscheinungen
in der
organischen Natur.
Seche Vorlesungen für Laien, gehalten in dem Museum für praktische Geologie
von
Professor Husley, F. R. S.
l'eberseut von
Curl Vogt.
Mit in den Text eingedruckten llnlzst ichen.
gr- 8, Frin Velin pap. geh. Preis 20 Sgr.
Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur.
Drei Abhandlungen:
Uehcr die Naturgeschichte der menschenähnlichen Affen.
Feber die Begehungen des Menschen zu den nüclistnicderen Thieren.
Fetter einige fossile menschliche Uebcrrcstc.
Von
Thomas Henry Huxley.
Au. dem Kngli.rheu übersetzt
von J. Victor Carus.
Mit in den Text eingedruckten llolzstichen.
gr. 8. Fein Veiinpap. geh. Preis 1 Thlr.
Populäre wissenschaftliche Vorträge
von
H. Helmholtz.
gr. 8. Kein Velinpapier, geh.
K r ■ l o i Heft.
Mit 26 in den Text oingcdruckten Uolxttiaheu.
Preis 25 Sgr.
Zweites Uoft,
Mit 25 in den Text eingedruckten llolzstichen.
Frei* 1 Thlr. 6 Sgr.
Hierzu uU Beilage ein l’rospect: „Der Bau des menschlichen Köqters, von
Ohr. Aeby." (Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig.)
Digitized by Google
Digitizetfby Google
Digitized by Google
Digitized by Google
0> IND
,y. er f
l***' •
3 9015 02509 6994
Digitized by Google