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Full text of "Monatshefte für Politik und Wehrmacht auch Organ der Gesellschaft für Heereskunde"

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MONATSHEFTE 
FÜR POLITIK UND 

WEHRMACHT 
[AUCH ORGAN DER 
GESELLSCHAFT... 




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JalirtiLclier 

deutsche Armee und Marine 



Verantwortlich geleitet 
von 

E. Sclinaekenburg 

Obentlieutenant a. D. 



Siebenundneunzigster Baud. 
Okiober bis Deoomber 1806. 



itr i <t 

B£RLIN W.8. 
Verlag von A. Bat Ii« 

Mohr«n-StrMa« 10. 
1895. 



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Inhalts- Verzeichnifs. 



^o.g88. Heftl. Oktober. a.it« 

I. Der Parteig^gcr Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge. 
im kriegsgcschichtlichen Zusammenhange betracht-et. Ein Beitrag 
zur Geschichte des kleineu Krieges iu den Jahren 1792 — 1814. 
Von Hans Fabricius, Qberstlieutenant a.D. (Fortsetzung) . 1 
II. Die Operationen mit Massenheeren in den Kämpfen zu Anfang 
und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von Maschke, 
Oberst z. D 16 

III. Leboeuf und die französische Mobilmachung 1870. (Nach den 
Akten der „Enqufite parlamentaire sur les actes du gouvernc- 
ment de la defense nationale") 46 

IV. Die österreidiischo Artilloric in den lctzt4?n 45 Jahren. Von 

A. Dittrich, k. k Landwehrhauptmann 59 

V. Von den ökonomischen Schwierigkeiten in den europftischcu 

Staaten beim Ausbruche des Krieges 80 

VI. Die Psychologie in der miUtärischen Erziehung. Kurz dargestellt 

von Dr Paur, Oberstabsarzt im K. B. Inf.- Regt. „Prinz Leopold*^ 98 

VU. Militärisches aus Rufsland . . . . , , . . . . . . ^ . 1Ö5 

VIII. Umschau in der Militär-Litteratur: 

I. Ausländische Zeitschriften 109 

II. Rilcher 118 

IIL Seewesen . , . . . . . . . . . . . . . . . l2fi 

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangeoen Bücher 128 

Wo. 290. Heft 2. Xorember. 

IX. Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge, 
im kriegsgeschiclithchen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag 
zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792 — 1814. 
Von Hans Fabricius, OberstUeutenant a. D. (Fortsetzung) . 131 
X. Die Operationen mit Massenheeren in den Kämpfen zu Anfang 
und in der zweiten Hitlftc des 19. Jahrhunderts. Von Masch ke, 
Oberst z. D. (Fortsetzung) 147 

XI. Die üsterreichi.sche Artillerie in den letzten 45 Jahren. Von 

A. Dittrich, k. k. Landwehrhauptmann. (Schlufs) 160 

XJI. Die Küsten und Häfen des Russischen Reiches in Europa und 
tlem Kaukasus mit Rdcksicht auf die Landen- Vertoi<Ugung. Von 
von Zepelin, Generalmajor a. D 184 

XIII. Von den ökonomischen Schwierigkeiten in den europäischen 
Staaten beim Ausbruche des Krieges. (Schlufs) 209 

XIV. Gambetta in den Wolken 216 



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XV. Soldatenleben im 30jfthrigen Kriege. Von J. Baumann, Haupt- 
mann. 4. Malefitz-Gericht und das Recht der langen Spiefse . 219 

XVT. MilitAri.sches aus Riifsland 226 

XVII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 231 

XVIII. Ilmschau in der Militär-Litteratur: 

L AtiKlftndi.sc hp Zeitsrhriften . . . . . . . . . . . 233 

IT. Rnrhpr 240 

IIL Se ewe sen . , . . . i , ■. ^ . . . . . . 250. 

rV. Verzeichnife der zur Besprechung eingegangenen Bacher 255 

Ho. 2»1. Heft 8. Decembcr. 

IX. Die Stärke des preufsischen Heeres bei Ausbruch des sieben- 
jährigen Krieges. Von Max immich 267 

XX. Die Operationen mit Masscnheeren in den Kämpfen zu Anfang 
und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von Masch ke. 

Oberst z. D. (Schlufs) 269 

XXI. Die Küsten und Häfen de.s Russischen Reiches in Europa und 
dem Kaukasus mit Rflcksicht auf die Landes- Verteidigung. Von 
von Zepclin, Generalmajor a.D. (Schlufs) 293 

XXII. Die diesjährigen englischen Flottenmanöver und allerhand vom 
naodemen Flottendienst. Von v. Klein, Korv.-Kapitän a.D. . 323 

XXIII. über die Haltung Bernadotte's im Feldzuge 1814 335 

XXIV. Soldatenleben im 30jährigen Kriege. Von J. Baumann, Haupt- 
mann. 5 Der Trnfs X» 

XXV. Militärisches aus Rufsland . . , , . . 343 

XXVI. Kleine heeresgcschichtliche Mitteilungen 347 

XXVII. Umschau auf militärtechnischem Gebiet Von Joseph Schott, 

Major a. D 349 

XXVTIT. Umschau in der Militär-T.itteratur: 

L Aii.sländischc Zeitschriften 361 

II. Rnrher . . . .'^fifl 

in. Seewesen 380 

IV. Verzeichnifis der zur Besprechung eingegangenen BQcher 382 
Nachtrag zu dem Aufsatz S. 257 : Die Stärke des preufsischen Heeres bei 

Ausbruch des siebenjährigen Krieges 384 



I 

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L 

Der Parteigänger Friedrich von Hellwig 

und seine Streifzüge, 
im knegogeBohiohtliohen Zngamwiwihaage l>etraehtet. 

Ein Beitrag sor Oeadadite des Uegneii Kii^ in dem Jahren 1792 

bis 18U. 

Haas Fabrieliu» Oberstlieutenant a. D. 
OPOTtietKimg*). 

rinfter Absckoitt 
Vom 4. Oktober bis zum Ende des Feldzuges 1818. 

1. Bis nach der Schlacht bei Leipzig. 

Den schriftlichen Abmachungen entsprechend war der iux)npriii2 
nach Blücher's Elbüberganfj; gezwungen, gleichfalls den Strom 7m über- 
schreiten. Dies vollzog sich am 4. seitens Wintzingerode s bei Aken, 
seitens der Schweden bei Hoslau; die \'()rhut der letzteren ging bis 
Raguhn, die der Russen bis Göthen — Kasaken bis Jefsnitz und 
Zörbig — vor. Ney. der nur das 7. Korps zur Hand hatte, erkannte 
jeden Widerstand tur unnütz und ging, um nicht von Blücher im 
Rücken gefafst zu werden, nach Delitzsch, nachdem er das bei Warteu- 
hurg geschlagene 4. Korps bei Raguhn aufgenommen hatte. Am 5. 
vereinigte er seine Korps östlicfa Delitzsch und auf der Strabe nach 
Eflenbnrg bis Lnckewehna. Bei letzterer Stadt und Düben i?ar 
Mamont mit dem 6. Korps und 1. Reiter-Korps eingetrofien. Napoleon 
hatte nach Blttoher's Elbübeigaog sofort den Entschluls gefialst, sich 
mit der Hauptarmee auf ihn und den Kronprinzen zu werfen, und 
dazu die Garde und das 11. Korps auf Heiften, das 3. nach Torgau 
marschiren lassen. Während am 6. Marraont zwischen Taucha und 
Eilraburg stehen blieb, schob Ney seine übrigen Korps bis halbwegs 
gegen Würzen vor; die Division Dombrowski rückte von Bitterfeld 
nach Delitzsch, um Ncy's Abmarsch so lange als möglich zu decken. 

Inzwischen war aucli Bülow am bei Roslau über die Elbe 
gegangen und hatte halbwegs zwischen Dessau und Zörbig bei üins- 

<^ Si«he das Januar- Ua Septemberliflft 1896. 



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2 Der Parteigänger Friedrich voa Hellwig etc. 

dorf (Borstell b«i Jelsnits) ein Lager besogen; Tauentziea lagerte bei 
PdtnitZi Hirscfafeld blieb bei Boslan zur Deoknng des BrOokenkopft, 
Wobeaer zva Beobacbtnng vor Toigau, die Riusen und Schweden bei 
Aken und Deeean. So trat irieder eine mehrtägige Ri]be[»anee ein, 
wählend welcher nur die leichten Truppen bis ztir Saale streiften; 
Orurk ging bis Zörhirr und schob Kasaken-Regimenter nach Lands- 
berg und Delitzsch. Uell?rig hatte mit seinem Streif korps an der 
Spitze des 3. Armeekorps am 5. bei Roslau die Elbe überschritten, 
und nach einer Besichtij^mg durcli den Kronprinzen von Preufsen 
bei Dessau ein Biwak bezogen; noch au domaelben Tage wurde er 
nach Radegast vorgeschoben und entsandte 1 Ufüzier mit 30 Pferden 
nach Zörbig zur Beobachtung der Strafsen nach Halle und Leipzig 
Unter Zurücklassung seiner Fufsjägcr marschirte er am 6. nach Gr.- 
Kyhua (zwischen Landsberg und Delitzsch), ging aber bald, weil die 
vorliegende reine Ebene ihm gegen einen Überfall gar keine Sicherheit 
gewäbie, bis ZschemitB aorfick und beobachtete yon da ein Lager 
▼on 1000 Mann In&nteiie nnd Reiterei (zn DombrowaM gehörig) in 
der Nähe von Delitssdi an der Strasse nach Bitterfeld, sowie feind- 
liche Kräfte in der Stadt selbst^ welche Yedetten nnweit Kyhna vor- 
geschoben hatten. Nach Anasagen der Landeseinwohner xSge sieh 
der Fdnd ganz nach Eilenbnrg, aber anch in Skendits ständm 
2000 riogner. 

Am 7. beaufb»gte 'BfUow Hellwig über Gr.-Lissa auf Wolteritz 
und gegen Leiprig soweit als möglicii vorzugehen, da der Feind 
Deützsch verlassen habe -) und Boretells Vorhut nach dort vorgerückt 
sei. Hellwig war aber, da am Morgen die Stadt noch besetzt war, 
sie links lassend, nni Ii (Jlesien (1 Meile nördlich Schkeuditz) vorgegangen 
und meldete von dort um 7 Abends wiederholt, dafs der Feind nach 
der Gegend von Eilenburg marschire, wo Napoleon anscheinend seine 
Ariuce zu versammeln beabsichtige; von ihrer Stiirke und Stellung 
im Einzelnen habe Uellwig noch nichts in Erfahrung bringen können. 
Er wolle einige Stunden bei Glesien rohen nnd gegen Murgen einen 
Zug nach Leipzig vornehmen, welches nach allen Nachrichten sehr 
schwach besetzt sein sollte. 

Die russischen Vor^ppen Woron«)w*s waren am 7. nach Sylbita 
(Straise Bemburg — Halle) vorgerfickt und hatten zur Sicherung der 
Rechten Wettin, Halle nnd Merseburg durch leichte Truppen besetzt. 
Von Orurk's Reiterei war die Brigade Melnikow über Halle nach 
Schkeuditz, Kasaken- Brigade Staal nach Badefelde^ das Regiment 

Kr. A. TU. S. 54. Valentini's Tagebuch, Bl. 98. — ^) Dombrowski war in 
der Nacht 1 Uhr, von Kasakeo bis Taucha verfolgt, abmarschirt. 



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Der Parteigänger Friedrich vou Hellwlg etc. 



3 



Bychalow von der Division BorateU und die Schwadron Barnekow 
Ton Toük's Vuriuit Über Ddändi nwsh Wiederitzsch gegangen 
Die HaaptkrSfte der Russen und Schweden lagerten bei Badegast; 
sQdlioh ZOrhig waren zor Beobachtung der Stralsen nach Halle und 
Leipadg Abteilnngen nach Oppin und Qneta TOigeBchoben; Borstell 
hatte Bitterfeld besetzt und seine Sjntien gegm Delitzsch vorgetrieben; 
Bülow nnd Tanentzien waren bei Hinsdorf nnd Pötnitz geblieben. 
Napoleon hatte an diesem Tage die von ihm herbeSgeföhrten Korps 
mit denen Ney's zwischen P^ilenburg und Warzen vereuiigt. 

Nachdem Staal in Iladefeld eingerückt war, hatte sich Prendei 
am 8. rechts nach Schkeuditz und Melnikow nach Merseburg ge- 
wandt. Hellwi^ mufste also zwischen diesen und den Truppen in 
Wiederitzsch, zu denen wahrscheinlich noch das Kasaken - Regiment 
Bebrcjcw gestolsen war, von Glesien aus die Lücke schHefsen. Alle 
diese letztgenannten Truppen, sowie die Brigade Staal waren mehr 
oder weniger an den im Laufe des 8. bei Lindenthal und Wiederitzsch 
sich abspielenden Reitcrgefechten beteiligt. 

Alts Uelhvig m der Frühe mit seinen Schwadronen von Glesien 
auf Leipzig vorritt, bemerkte er hinter dem Dorfe Liudenthal einen 
Pulk Kasaken von etwa 300 Pferden, welcher mit fieindlichen Reitern 
nmherplänkelte; da Hellwig noch nicht gesehen worden war, stellte 
er zunächst seine Schwadronen hinter dem Dorfe verdeckt auf und 
erkannte» persönlich vorreitend, gegenüber wenigstens 8 faindliche 
Beiter-Begimenter, Kürassiere und Dragoner, welche im langsamen 
Yonücken begriflSan waren. Er beediloJs etwas gegen sie zu nnter- 
nehmen: bei ihrer Überlegonheit aber sollte eine Kriegslist mithellen. 
Er begab sich zu dem kommandirenden KasakenfUhrer, um ihm seinen 
Plan mitzuteilen; letzterer sollte durch langsames Zurückweichen 
unter fortgesetztem Necken die feindUchen Regimenter am Dorfe 
Lindenthal vorbeizulocken suchen, worauf er selbst gegen ihre Flanke 
aus seiner verdeckten Aufstellung vorzubrechen gedachte. Der Feind 
gin^ aber nicht gänzUch in die Falle, sondern rückte nur nnt einem 
Regimcnte südwestlich vom Dorfe auf ungefähr 1000 Schritt an das- 
selbe, von den beiden andern mit einem Abstand von ein i)aar 
hundert Schritten als Staffel gefül<it. heran Da sich keine bessere 
Gelegenheit bot, wagte Hellwig trotz der bedeutenden Überlegenheit 
einen Anigri£f. Nachdem er die langsam zurückweichenden Kasaken 
an sich ▼orbeigelassen hatte, gelang es ihm, sich unbemerkt aus 
seinem Hinterhalte zu entwickeln, und nun stürzte er sioih unter den 
Augen des für seine Person inzwischen bei den Kasaken eingetroffenen 

*) Qa. n. S.137. 

1» 

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4 l>er Parteiganger iTriedricli von Hcllwig etc. 

Generals Grafen Orurk in Marschmarsch gegen die linke Flanke des 
dea Tordefsten fbindfidien Kegimenta, rollte ea anf, warf es anf die 
beiden rückwärts stehenden, wekhe dadurch in Unordnung kamen, 
Btttizte aioh, aelbat geadiloasen bleibend, anf den wirren HanfiBn nnd 
warf ihn in ToUer Ffancht, ihm durch Säbel und Lame empfindüche 
Veilnste beibringend, eine halbe Stunde weit bis Tor die Thore von 
Leipog zurück. Da er seinen Husaren schon vor dem Angriff be- 
fohlen hatte, geschlossen 7.vi bleiben 'und sich nicht mit Gefangen^ 
nähme von Mann und Pferd auüsuhalten, bis Alles beendet wäre, so 
machte er verhältnifsmäfsig nur wenig Gefangene') (17 Mann und 
einige 30 Pferde), während die Kasaken, welche sich der Verfolgung 
angeschlossen hatten, zerstreut fechtend eine nel gröisere Zahl ein- 
brachten. 

An der Vorstadt von Leipzig wurde der Verfol^'uiiij; ein Ziel ge- 
setzt, indem ein lebhaftes Infanteriefeuer aus der Umfassung Husaren 
und Kasaken begrüfste und Hellwig zum Rückzug nötigte, welcher 
in voller Ordnung bis hinter Lindenthal erfolgte, trotzdem er SEWar 
heftig, doch mit wenig Wirkung von Batterien jenseitB der Pleiiae 
beschossen wurde. Er hatte im Gänsen nur wenige leicht Verwundete. 

Um Mittag rückten starke feindliche Str^fkrftfte, die in einer 
Meldung des Majors Tbttmen aus Delitmeh an General Borstell 
auf 6—8000 Mann aller Waffen mit sahlreichen Geschützen geschätzt 
wurden, — ee war eine In&nterie-Division Mannont*s mit 4 Reiter' 
Begunentem, die feststellen sollte, in welcher Stärke der Feind vor 
Leipzig stände — auf den Strafsen nach Landsberg, und Delitesch 
gehen die russisdum und preufsischen Vortnippen vor, welche sie 
über Lindenthal und Gr.- und Kl. -Wiederitzsch zurückdrängte. Erst 
um 3 Uiir Nachmittages wurde das Feuern eingestellt, die Franzosen 
schickten sich an, auf die Stadt zurückzugehen, gefolgt von den 
Kasaken, die ihre alte Vorpostenstellung wieder einzunehmen trachteten. 
Nach einer anderen Meldung sollen auch 2 Schwadronen des ost- 
preulsischen National-Kavallerie-Regimcnts an diesem Tage zur Stelle 
gewesen sein; dassellie ist von der Hollwi'j'sfhen Infanterie dnraus zu 
soliliefsen, dafs für dieses Gefecht eiu Ofiizier (Lt. v. Plotlio) und ein 
Oberjäger derselben mit dem Eisernen Kreuz belohnt wurden, eine 
Auszeichnung, die auch d«n Pr.-Lt Warkotach, 1 Uo&. und 
1 Gemeinen der Husaren zuerkannt wurde. SämmtUchen Offizieren 
der Hellwig'schen IVuppe wurde auf Empfelilung des Grafen Orork 
nach nochmaliger Eingabe ihres Führers für das Gefecht der russische 

') In einem Privatbri«fe Uber diesen Angriff heilst es: „Denn die Kassken 
stachen Alles ab.** 



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Der Parteigänger Friedrich von HeQwig ete. 



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WlAdkur-Orden 4. Klasse variiehen«). Hellwig rOokte Ifir die Nacht 
wieder in sein Biwak bei Glesien snräek, wo er am 9. blieb. 

Während Napoleon in den nSofastan Tagen seinen Yorstois gegen 
Blficher auf Dttben ausftthrte, setzte Hellwig seine Beobachtnngsn 

gegen Leipzig fort. Die greise Nflhe des Feindes, der sich doch 
bedeutend stärker gezeigt hatte, als angenommen worden war, nötigte 
CT wiederholtem Stdlungs Wechsel. Aui 10. mulste Hellwig auf Bülow's 
Befehl bis Gollma vor Landsberg zurückgehen, während dieser von 
Minsdorf nadi Radegast ') vorrückte und jenem die unmittelbare 
Sichcninij der nach Leipzig fiihrenden Strafso übertrug. Von dort 
aus meldete Hellwig in der Frühe des nächsten Morgens mit voller 
Bestimmtheit, dafe die verbündete Ilauptarmce Altenburg und Gera 
besetzt htätten, ferner dafs Marschall Augereau mit 25000 Mann 
am 10. durch Lützen marschirt sei und am 11.*) in Leipzig ein- 
treffen werde. Aul Befehl Bülow's marschirte Hellwig un letzterem 
Tage — während die Schlesische Armee die Saale bei Halle über- 
sdiiitt nnd die mssisehe Vorhnt unter Wonnoow nach Eisleben 
marsehirte — nach Mersebnig, um, nahe der Verbindnngslinie der 
französischen Armee stehend, die Vorgänge bei Leipzig bis zum 14. 
weiter m beobachten. Die Versammlung der sämmthVhen französischen 
Streitkräfte um diese Stadt lieJs die Parteigänger an dieser Stelle 
nicht XU einer geeigneten Thätigkeit kommen. Um so mehr hoffte 
Hellwig, nachdem an der nahe bevorstehenden Entscheidungssdilacht 
nicht mehr zu zweifeln war, nach derselben im Bücken des Gegners 
auf Erfolge. Durch den Manch auf Freiburg am 15. kam er in 
unmittelbarste Nähe einer seiner Toraussichtlichen Rückzngslinien und 
setzte längs derselben am 16. seinen Weg über Laucha und Bibra 
nach Rastenburg fort. 

In Neuhausen machte er am folgenden Vormittag einen Frühstücks- 
halt, um einen Kundschafter abzuwarten, den er früher in die Gegend 
von Erfurt zur Erforschung der in und bei der Festung stehenden 
Truppen abgesandt hatte. Derselbe traf um Mittag ein und brachte 



*) Graf Lippe schreibt Seite 174 (Anmerkung), ilafs ein Veteran der 
Heüwig'scben Husaren, Lt. a. D. Praedel, mitgeteilt habe: „Sieben Mal hieben 
'mir «in, der dberlegene Feind wurde aber jede« Mal geworfen. Der rmaisehe 
General, welcher dies gesehen, erklArte, er hätte schon manchem Kavallerie- 
gefecht in *;ehr vcrsrhiedonen Gegenden und untor verschiedenen Umständen 
beigewohnt, aber noch nie dergleichen gesehen. Er werde bei seinem Kaiser 
AmuiehauDgUk erbittmi, damit jeder in denselben ein Andenken an diesen 
Tag sehe.** Die Gemeinen, welchen 3 Orden für jede Schwadron in Acusicht 
gestellt waren, gingen leer aus -) Vaud. 13. p. 201 gicbt 10000 Mami na. 
— •) Nip. III. S. eö7. — Thataächlich am 12. Vaud. 12. p. 199. 



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6 Der Parteigänger Friedrich von Hellwig ete. 

die Nachridit, dafo etwa zwei polxdsohe Ulanen-Begimeiiter anfeerlialb 
der Stadt in den nmliegenden DStkm imteig^bracht wären and sich 
ganz eoigloB, wie im tiefoten FVieden, benähmen. Nur in dem am 
nächsten gelegenen Dorf und Schlola Vippach stände eine Schwadron 

anf Vorposten, welche Feldwaohen ausgesetzt hätte, aher garnicht 
an eine mögliche Annäherung des Feindes dächte; im Gegenteil 
hätten die polnischen Offiziere für den Abend einen Ball im Schlosse 
in Aussicht genommen. Hätte Hellwig, — der, von der Aufstellung 
der Vorposten genau unterrichtet, sofort beschlossen hatte, die 
Schwadron in Schlofs Vippach zu iibertallcTi - bis zur Dunkelheit 
gewartet, so würde ihm wohl ein noch besserer Fang zu Teil ge- 
worden sein. Die Zeit bis zum Abend war aber noch so lange, dafs 
er befürchten mufste, der Gegner könnte bis dahin von seiner Nahe 
unterrichtet werdeu und der ganze Streich mifslingen. Es dürstete 
ihn aber, nach 6em langen Zeitraum der für Parteigängererfolge un- 
günstigen Verhältnisse wieder einmal nach einem echten, rechten 
Hnsarenstreich! Er besohlolk daher den Oberüidl am hellen Tage 
sofort - ausznfiihren, nachdem er sich gegen gute Bezahlnng eines 
saveilässigeni mit Weg und Steg durchaus rertranten Fahrers vor* 
siohert hatte. 

Znnäehat ging er in der Richtung auf SGmmerda los. Anf dem 

dorthin hielt die Vorhut einen Bauern an, welcher eine yieo 
qpännige Kutsche fuhr und auf Befragen aussagte, er sollte von 
Sömmerda einige Damen zu einem Ball abholen, den die polnischen 
Offiziere auf Schloss Vippach am heutigen Abend zu geben beabsichtigten; 
in Vippach selbst ständen 3 Offiziere 52 Pferde. Hellwig liefs den 
Wagen nach Sömmerda weiter fahren und schickte gleichzeitig, seinem 
früheren Beschlufs gemäfs, eben dahin seine Tnfanterio nebst Gepäck, 
Handpferden u. s. w., um ihm zur Aufnahme und zum Rückhalt zu 
dienen, für den Fall, dal» er durch die in anderen umliegenden Ort- 
schaften befindlichen feindlichen Schwadronen in Verlegenheit kummen 
sollte. Sie sollte die Tliore besetzen und Niemand aus der Stadt 
lassen. Dann wurde Hellwig in dem von zahlreichen Falten und 
Thälem durohschnitteaen Gelände unbemerkt bte nahe an die Vor- 
posten geiährt. Um möglichst wenig auch den Bewohnern aufeufallen, 
hatte er die Form des Friedensmarsches gewählt und sogar die 
Lanzenflaggen aufrollen lassen, um die preufsischen Farben nicht zn 
zeigen. Um sein Vorhaben gegen etwa Ton Erfurt kommende Femde 
mfigUehst zn dchem, jedenfolls davon rechtzeitig unterrichtet zu 
werden, und um die Fliehenden abzufangen, hatte Uellwig die Vor- 
sicht gebraucht, eine Schwadron um das Dorf in dessen Rücken zu 
schicken. Es war gerade 3 Uhr Nachmittags, als er wie eine Winds- 



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Der Fartelganger VMM Yoa Hellwig etc. 



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braut ans seiner Deoknng gegen die Ulanen-VedetAen anstürmte, sie 
ebenso irie die Feldwaefaen über den Haufim varf^ someist gefisoigen 

nahm and mit den wenigen, die entkamen und Lärm machten, zu- 
gleich ins Dorf drang, während auch die herumgeschickte Schwadron 
fliren Posten bereits eingenommen hatte. Nur ein Offizier, der soeben 
erst zum Balle angekommen, noch zu Pferde safs, entkam, Alles 
übrige wurde trotz hartnäckiger Gegenwehr, namentlich mit Kara- 
binern aus den Häusern und Ställen, ym Cicfangenen gemacht. Hell- 
wig nahm 3 Oftizierc 7Ü Ulanen gefangen und erbeutete 80 l'fcrde. Von 
seiner Truppe erhielt nur ein Unteroftizier, Schubert, der Schwadron 
VVitüwskv einen Schufs durch den Arm. Aber das Feuer hatte die 
in den Naehbardürtern liegenden Schwadronen lebendig gemacht, von 
allen Seiten sah Hellwig Unterstützung herannahen. Es war keine 
Zeit zu verlieren, um die Beute in Sicherheit zu bringen. Doch ehe 
die Gegner, ungewils über die Stärke der Preulsen, versanmielt waren, 
hatte Hellwig schon einen solchen Vorsprung gewonnen, dals er, 
nur in weiter Feme yon Patrouillen ?eifolgt, Sömmerda eireiehen 
konnte. 

In Folge der aulserordentlich soiileefaten, ebenso wie die Aoker 
grandiosen Wege waren Hann und Rolii so ermüdet, dals Hettwig, 
zumal die Nacht ausnahmsweise finster war, besohlols, bis zum 
folgenden Morgen in der Stadt zu bleiben, wenn er auch bei seiner 

Kenntnifs der Charaktereigenschaften der Polen annehmen konnte, 
dafs sie ihn während der Nacht versuchen würden zu überfallen, um 
sich zu rächen und ihm den Raub wieder abzunehmen. In Vor- 
aussicht dieser Möglichkeit hatte er aber gerade Sömmerda zum 
Rückhalt gewählt, welches ringsum mit hohen, nur durch vier Thoro 
zugänglichen Mauern umschlossen war. Während er seine Schwadronen 
auf dem Marktplätze absitzen und sich erfrischen iiefs, traf er die 
erforderlichen Sicherheitsmafsregeln. Eine Husaren-Feldwache unter 
Lt. V. Zawadzky wurde mit vorgeschobener Vedette an der StraXiae 
nach Schlols Vii>pach aufgestellt; die Thore, mit Ausnahme des nadi 
Vippaoh fiihrenden, wurden geschlossen und durch in einander ge- 
&hrene Wagen verrammelt, sowie jedes mit 10 Fufsjägem, die nach 
WeUsensee flQirende Unstmtbrfieke, Über die er zurückzugehen ge- 
dachte, mit 40 Jägern besetzt. Allen wurde die gro&te Aufinerksamkeit 
und Wachsamkeit anbefohlen. Greise Besorgnisse hegte Hellwig nicht, 
denn von Infanterie hatte er nichts zu befürchten; er wuiste, dals in 
der Nähe keine lag und von Erfurt her konnte bei den grundlosen 
Wegen selbst auf Wagen keine herangeschafft werden, ab^sehen von 
der weiten Entfernung. 

Hellwig hatte sich nicht getäuscht: eine Stunde vor Tagesanbruch 



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s 



Der PArtdgftoger Frfedrich von HeUwIg ete. 



("., /) Uhr) wurde von der Feldwache das Anrücken von Reiterei ge- 
meldet, zugleich ertönten die Signalschüsse der Vedctten. Der er- 
haltenen Weisung tolgend zog sich die Feldwache sofort auf die Stadt 
zurück, von den Ulanen, die vom Vorhandensein von Infanterie nichts 
ahnten, in dichter Schaar so heftig verfolgt, dafs sie mit den Husaren 
gleichzeitig ins Ihor eindrangen, hier aber nach kurzer Verwirrung 
der Ful'öjäger in Folge der grofsen Überlegenheit der Eindringenden 
duroh cUe Geistesgegenwart des Tambours Tonille, geiumnt Köhler, 
der selbst ein Oewehr ergriff und die Weichenden zum Stehen brachte» 
dennalsen mit Feuer ilberschttttet wurden, dais die Reihe, entmutigt 
sn werden, an sie kam, indem sie die Stftike der Hellwig'schen 
In&nlerie weit übersehätsten und zurückwichen. Aber nur kurze 
Zeit: schnell wandten sie sich dem nächsten Thore zu und suchten 
hier den Eingang zu erzwingen; aber ebenso schnell war auch Köhler 
innerhalb der Stadt mit einigen Leuten dahin geeilt, um die dortige 
Wache zu unterstützen. Auch hier wurde der Angriff abgewiesen, 
in gleicher Weise bei den letzten Thoren, so dafs die Ulanen von 
weiteren Versuchen abstanden und, mehrere Pferde auf dem Platze 
liegen lassend, abzogen. Ilelhvi'/s gedeckt stehende .liiger hatten 
fast keine Verluste Köhler erhielt für sein treä'liches Benehmen 
das Eiserne Kreuz. 

Als der anbrechende Tag erkennen liefs, dafs die Gegend vom 
Feinde frei sei, zog Hellwig seine Schwadronen durch die Infanterie- 
Stellung an der Unstrut - Brücke hindm-ch und trat den Marsch liber 
Weifsensee, von wo aus er seine Gefangenen unter Führung eines 
Offiziers an Cteneral Bülow zurücksandte, nach Tennstedt an und 
hiwakirte hier in der Nacht zum 19. Am letzteren Tage rückte er 
nadi Langensalza, um die Bückzugslinie der FVaazosen über Erfurt 
und Eisenach von da aus unsicher zu machen. Hier aber erfahr er, 
dafs das Eiohsfeld noch zu stark Ton feindlichen Kräften besetzt sei, 
um mit Aussicht auf Erfolg dort etwas zu unternehmen. Darum traf 
es sich günstig, dafs am 20. der mit den Gefangenen abgeschickte 
Offizier Hellwig den Befehl Bülow's brachte, das Halberstädtische zu 
gewinnen zu suchen, um dort dem Unwesen der Franaoeen ein Ende 
zu machen. Nach der Besiegung Napoleon's bei Lapzig mulste dafiir 
gesorgt werden, dais im Bücken Buhe einträte. 

2. Ton der SeUaelit bef Leipzig bis zum Abmarseli nach Holland. 

Es lag nach der Schlacht bei Leipzig zunächst im Plane Kaiser 
Alexanders, dafs die Nord- Armee den gegen den Rhein zurückgehenden 

Nach einem in IL N. befindüchen Privatbriefp liattc seine Frlih\ache 
7 tote und 2 verw undete Pferde, an Mannschaften I Busar und 2 Fui^ilUior 
Terwundet. * ' 



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Der ButeigSQger Friedlich von Heilwig eto. 



9 



Napoleon in der Richtung geradeaus folgen sollte. Der Kronprinz 
Ton Schweden, welchem in Anbetracht seiner politiaohea Neben- 
absichten ein Krieg auf französischem lioden, vor allem seine persön- 
liche Teilnahme daran, im höchsten Grade ungelegen war, betonte 
die Notwendigkeit, gefjcn die Nicdcrolbo vorzugehen, um zunächst 
Davoust niederzuschlagen und eine Vereinigung der rückwärtigen 
französischen Festungsbesatzungen im Rücken der Verbündeten zu 
verbnidern; diese Aufgabe würde der Nord- Armee obliegen, welclie 
gleichzeitig mit einem Teile Holland erobern und nach schleuniger 
Erledigung ihrer Aufgaben immer noch rechtzeitig am lUiein eintreffen 
könnte. "W'älirend über diese Fragen verliandelt wurde, liatte sie sich, 
der Schlesischen Armee folgend, mit gebülirender Langsamkeit in 
Bewegung geaetat und am 1. November Göttingen, das Koips 
Wlntaingerode Kassel erreicht. Als des Eionprinaen Plan gebilligt 
wurde, wandte er sich mit 7000 Russen Tom Koips des letzteren nnter 
Woronaow und seinen Schweden nach Norden gegen Hannover und 
Holstein, liela Bennigsen, Tauentsiett u. A. gegen Dresden und die 
Elbe zurück und zweigte Wintzingwode gegen Bremen, Bülow gegen 
West&len ab, wobei er aber fortwährend yersudite, die beiden letzteren 
möglichst an sich heranzuhalten und ihnen auf die eine oder die 
andere Weise wieder Truppr ri zu entziehen. Erst am 19. November 
erteilte er Bülow, der wiederholt um Entlassung aus dem Befehls- 
bereich der Nord - Armee eingekommen war, die Firlaubnifs, an den 
Rhein nach Wesel vorzugehen und Wintzingerode'a Vortruppeu, gegen 
Deventer in Holland zu stofsen. 

In Ausführung seines Auftrages, nach dem Halberstädtischen zu 
rücken, begab sich Hellwig am 21. nach Sondershausen, wo der Fürst, 
der ihn mit grofser Auszeichnung empfing, ihm zu Fhren folgenden 
Tags eine Sauhatz veranstaltete, bei der (> Sauen gejagt und vom 
Major abgefangen wurden. Am 23. traf er in Nordbausen ein. In 
der dortigen Gegend trieben noch zahlreiohe kleinere franzSsisohe, 
sowie wes^hSlisdhe Tmppenkörper ihr Unwesen , nahmen alle öfient- 
lichen Kassen in Beschlag, trieben rttcksichtBlos alle rückständigen 
Gelder ein und legten dem Lande schwere Auflagen jeder Art au^ 
deren -Verweigerung sie mit Gewaltthaten ahndeten. Hellwig beschlofb, 
hier zunächst Ordnung zu schafiTen; es gelang ihm auch bald, nachdem 
er einzelne der feindlichen Abteilungoi aufgehoben hatte, die Gegend 
vollständig von solchen zu reinigen. 

Das Eintreffen der Siegesnachricht von Leipzig begeisterte ihn 
zu dem Plane, sich der Hauptstadt Westphalens, Cassels, durch einen 
Hanflstroicli zu bemächtigen, xmd die zahlreichen dort in den üefäng- 
msseu schmachtenden Opfer polizeilicher WiUkühr zu beireien. Um 



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10 



Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. 



die Berölkening zur Teilnabme an diesem Werke anzoBtadielo, ezliefe 
er in Überaus kernigen, liegeistemden Worten einen „Anfintf an meine 
Deutschen Brüder^'), der mit den Worten schlolk: „Wer aber rarüok- 
Ueibi in dem Augenblicke, wo es Germaniens Fireiheit gilt, der bleibe 
daheim: sein Name ist SdiwSohling; sein Leos ist Schande; — ein 
Deutscher ist er nicht!" 

Dieser Aufruf führte Hellwig starken Zulauf an Freiwilligen zu. 
Aber zu der Ausführung des Handstreichs auf Cassel kam es nicht; 
denn die Folgen der Leipziger Sehlacht machten sich bald geltend; 
Hellwig erfuhr, dafs die Franzosen die Hauptstadt des Westphalen- 
reiches geräumt hatten, und beschlofs nun seinem Auftrage gemäfs 
weiter zu handeln, um so mein- als alle feindlichen Truppen vom 
Eichsfelde aus sich dem Rückzüge nach Frankreich schleunigst an- 
geschlossen hatten. Am 27. ging sein Marsch durch den Harz; der 
bclineebedc'cktc Brocken blieb links liegen, über den Mägdesprung 
ging es nach Blankenburg, wo Hellwig von der Bürgerschaft mit 
grölstem Jubel empfangen, um 7 Uhr Abends in die festUdi erleuchtete 
Stadt einzog. Trotzdem er am folgenden Tage verschiedene Unord- 
nungen in der Biirgerschafit, die eine Folge des plQtzUolien Umschwungs 
im UnterthanenTerbande waren, beseitigen mnftte, wurde er doch 
Abends auf einem veranstalteten greisen BaUe^ namenttioh von Seiten 
der BVauen, hoch gefeiert 

Ein wahrer Triumphzug war am 29. der Marsch nach Halber- 
stadt, von wo berittene Bürger schon bis Blankenburg entgegen- 
gekommen warm; je näher der Stadt, umsomehr wuchs der Zulauf 
von Männern und Frauen, die Hellwig jubelnd mit Zuruf und Lorbeer- 
kränzen begrüfsten. Von den Wällen dröhnten kleine Kanonen und 
knatterten die Gewehre der Bürger, als um die Mittagsstunde der 
Einzug durcli das als Ehrenpforte geschmückte .lohaniiisthor erfolgte. 
Unter Bhimenregen und Auszeichnungen aller Art wurde der Rath- 
hausplatz erreicht, wo aufmarschirt und mit gnifster Feierhchkeit 
der preufsische Adler am Rathhauso enipurgehübon und angeheftet 
wurde, unter dem Kufe: „Es lebe der König von Preufsen, unser all- 
geliebter Landesvater Friedrich Wilhelm hoch!^ Durch die ganze 
Stadt pflanzte sich dann der angeetimmte Gioral: Nun danket Alle 
Gott! fort Abendmnsik, Fackelzug, Beleuchtung, Gastmähler, BäUe, 
Festlichkeiten aller Art, Gedichte und Beden ~ in buntem Wechsel 
folgten an diesem und den folgenden Tagen die Hellwig und seinen 
Mannen daigebrachtm Ehrungen. Am meisten rührte ihn die Auf- 
merksamkeit der Stadt, welche zu dem von ihr gegebenen Balle von 



*) Abgedmckt bei G. L. S.175 Anm. 1. 



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Der Ikrteigäuger FriüUricii vuu Ueilwig etc. 



11 



400 Personen seinen alten Vater und seine Schwester von Braun- 
sehweig hatte herüberkommen lassen. 

Aber es blieb ihm auch hier nicht erspart, die Ehrenbezeugungen 
der Bürger, ebenso irie in Blankenburg, zum Teil mit Strenge zu 
vergolten. Der plötzliche Umschlag der Verhältnisse führte auch hier 
mehrfach zu Ausschreitungen schlimmster Art: die Bürger wollten 
den Anordnungen der ihnen au^eswungenen westphälisohen Beamten 
sich nicht mehr fügen; da aber Hellwig niclit berechti<;t war, andere 
Behörden einzusetzen, so blieb ihm nichts übrig, als das Ansehen der 
Beamten zu stützen und sie vor Mifshandlungen zu schützen, wenn- 
gleich ihm oft die Klagen der Bewohner der Stadt und Umgegend 
nur zu begründet erschienen. Zur Beruhigung der Gemüter erlicfs er 
einen Aufruf, in welchem er die ]?cvr)lkerung zur Ruhe und zum Ge- 
horsam für die Übergan üjszoit ermahnte und zu ersprielslichem Zu- 
sammenwirken aufforderte. 

Unter dem 1. November erteilte der Kronprinz von Schweden 
direkt Hellwig den Befehl, bis auf weiteres die Gegend zwischen 
iialberstadt und Brauiisehweig zu halten, um über jede Bewegung 
des Prinzen von Eckmühl jenem nach llaimover Meldung zu er- 
BtattenO» I^r Aufenthalt in Halbeistadt dehnte sieh auf Wodien 
aus: Hellwig hatte den Befehl erhalten, so lange dort zu bleiben, 
bis eine regehrechte EinsoUiefsung Magdeburgs durch ein Belagonings- 
korps erfolgt sei und bis dahin die Gegend bis zur Festung vor 
ÜberfilUen und Auflagen seitens der Besatzung zu schützen. Er 
suchte dies durch unausgesetztes Absenden starker Streifparteien zu 
erreichen, welche bis an die Glacis Yorsprengten , die Besatzung 
beobachteten, die von ihr vorgeschickten Streifen auflioben und ihnen 
die etwa schon von den Ortschaften erhobenen Gelder oder Ver- 
pflegungsgegenstände wieder abnahmen. Durch ein gutes Kimd- 
schaftenvesen erfuhr er meist rechtzeitig, wann Veranlassung zum 
Eingreifen war. welches meistens erfolgreich ablief. Besonders zeichnete 
sich dabei Lieutennnt v. ZnwadxUy von den freiwilligen Reitenden 
Jägcni durch entschlossenes Henelimen aus. Einmal, am 0. November 
stiefs er bei einer solchen Gelegenheit mit 5 Jägern und 20 llu.saren') 
in der Gegend zwischen Egeln und Atzendorf auf eine französische 
Schwadron von 1)0 bis 100 Pferden, welche er trotz ihrer grolsen 
Überlegenheit angriff und ihr nicht blofs das zusammengetriebene 
Vieh wieder abnahm, sondern taush 10 — 12 Mann niedermachte und 
30 Mann mit 20 Pferden gefangen nahm*). Der Emzug der Sieger 

V) Original des Befehls in H. X. — ^} Mauv. S. m. Nach Priv. T. mit 
40 Pferden; dieses giebt die GofangencD auf Ib Maaa und 17 Pferde an. — 
") KriegsUgebuch BL lü. 



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12 ^ Parteigänger Friedrich von Hell«% ete. 



mit den Gefangenen in Halbentadt, geschali unter dem Jubel der 
BeTölkemng. 

Einen groisen Emflufs hatten Hellwig's Streifen auf die Magde- 
burger Besatzung dadurch, dafe deren deutsche Bestandteile in hohem 
Mafse zur Fahnenfluclit veranlafst wurden; t»äglich trafen Überläufer 
in grofser Zahl in Halberstiidt ein, am 12. November allein an 
300 Mann mit Offizieren und Unteroffizieren, welche nebst anderen 
500 am Tage vorher gleichzeitig beim Scluinzarbeiten davongegangen 
waren. Nacli ihren Aussagen sollte die 1^'estung schlecht mit Lebens- 
mitteln versehen sein Tmd die Besatzung kaum noch 1000 Franzosen 
betragen. Die Zunahme der Fahnenflucht veranlafste schliefslicli den 
Gouverneur, den Rest der deutschen Offiziere und Maunschaftcn frei- 
willig fortzusciiickcn i). 

Auf Unternehmungen vorstehender Art beschrankte sich llcUwig's 
kriegerlsohe Thfttigkeii in diesem Zeitraum; er befand aoh im 
Rücken der eigenen Heere im befreundeten Lande; er war bis auf 
TOterea an einen bestimmten Punkt gebunden und genoia einer ver- 
hgltniftmäfirigen Rube^ die dem recht heruntergekommenen Zustande 
der Pferde und der Bekleidung seiner IVuppe sehr zu Gute kam. 
Vor allem aber gewählte diese Uuise Hellwig die för die Zukunft 
Ausschlag gebende Mi^lichkeit, sein Korps in einer Weise zu ver- 
stärken, wie es ihm schon lange vorgeschwebt hatte. Sein Aufruf 
aus Nordhausen verschaffte ihm reichen Zuflufs von Freiwilligen aus 
allen Ständen, z. T. aus den besten FamiUen des Landes; die Wohl- 
habenden traten, sich selbst mit Pferd, Bewaffnung und Bekleidung 
ausrüstend, in die Schwadron der Reitenden Jäger, die Unbemittelten 
gingen zur Infanterie, welche bereits in Nordhausen eine Verstärkung 
von 100 Mann durch westphälische Soldaten und FreiwiUige erhalten 
hatte, durch die die 1, Kompagnie ihre volle Stärke von 200 Mann 
erreichte: vom 29. Oktober ah meldeten sich in Halberstadt so Wele 
Freiwilhge, dai's Hauptmann Kühlburger mit Ililfc einer Anzahl 
früherer westphälischcr Offiziere eine 2. Kompagnie zu 200 Mann 
▼ollständig aufstellen und Hptm. Eamlah mit Bildung emer 3. Kom.* 
pagnie beginnen konnte. Die ganze In&nterie wurde in Halberstadt 
mit der früher beschriebenen Uniform gleicfamäfsig bekleidet; ihre 
Stärke wird am 25. November auf 400 Mann angegeben*). Dazu trat 

•) Gr. L. S.175. 

-) Kr. A. 1. E. 97 in v. Gorikuud „HlÄtorische Nachrichten" u. s. w. Bl. 3. 
Im Priv. T. berechnet HelKvig seine Reiterei ztuammen auf OOO Pferde, seine 
Infanterie siuunmen auf 700 Mboh, wobei er die Sollstärke von 200 lümn fiir 

die Kompagnie, die sich erst spater orfflllte, zu Grunde gelegt haben mng. Gr. 
L. giebt die Stftrke nach Kapporteu von Ende November an: Die Keiterei zum 



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Der PflLTteig&nger Friedrich von Heilwig etc. 



13 



die Abteilnnp; der gelernten Büchsenjiigcr, welche hekaimtlich am 

Ende des WalYen Stillstandes 80 Mann zählte und nun durch Zuzug 

Yon im Harz erzogenen freiwilligen Forstbeamten auf 100 Mann ver- 
II ut i.ii * - 

In Halbdrstodt traf andi Bittmeuter t. Bonutädt mit der 
3. HnaarBMdiwadron ein, nachdem er ihre Anstellung in Berlin ans 
Übeiläufem, Ge&ngenen deutschen StammeB, FMwilligen, darunter 
einer Anzahl wohlhabender und gebildeter junger Leute YoUendet 
und aie duoh Beutepferde beritten gemacht hatte. Die Stftrke der 
freiwilligen Jägerschwadron Termehrte sich auf 160 Pferde. So ver^ 
fügte Heilwig für die Fortsetzung des Krieges über 3 Schwadionen 
Husaren, l Reitende Jäger, 3 Kompagnien leichter Infanterie, genannt 
nJäger*^, und einer Abteilung „Bttchaenjäger^. 

3. Marsch nach Holland bis zum Jahresschlufs 1H13. 

Seitdem Bülow mit der Nord-Armee den Vormarsch in nöi (Uk her 
Richtung angetreten, hatte Heilwig voui Kronprinzen von Schweden 
direkte Befehle empfangen und muste dnraus entnehmen, dafs er ihm 
unmittelbar unterstellt sei. Als daher im letzten Drittcil des Xo- 
vemher tlie Division Seilitz zur P^inschhelsung von Magdeburg eintraf, 
meldete er darüber dem Kronprinzen und erhielt am 24. von ihm 
den Befehl, sidi ihm in Holstein wieder anznschlie&en 0. Karl 
Johann versuohte auf diese Weise, ebenso wie er es mit der zulötet 
dem Grafen Tauentzien unterstellten Division Thtimen madite, das 
Heilwig*8che Korps dem Gtoneral Bttlow wieder zu entziehen. Letzterer 
aber war eine Perednüdikeit, welche sich derartige ungerechtfertigte 
Anforderungen nicht gefallen liefe, sondern in so nachdrfickUcher 
Weise die Wiederüberweisnng der ihm yon Seiten des Königs von 
Preufsen unterstellten Tnippenkörper verlangte, dafs der Kronprinz 
dem General am 30. November schrieb, er habe dem M%jor Heilwig 
den Befehl erteilt, zum 3. Armeekorps zu stolsen. 

Dienst 9 OSz. C03 Mann, 4ä7 Pferde, darunter 133 Köpfe freiwilliger Jäger, 
anfterdem 4 Glunirgen und 4 Fahnenschmiede ; die In&nterie: 11 0&., 663 Mann, 
3 Chirorgen. S. 170. Aam. 

*) Dieser Befehl laut<'ttv „Monsieur Major de Heilwig, j'ai roru la lettre 
que vons m'avez adress^e de Halberstadt lo 17. 9^^*^. Vous alle?, rocovoir 
l'ordre de vous porter sur l'Elbe aün de passer ce Üeuve avec les troupes (^ui 
sollt destinöes k me Cooperation sur le Holstein et qui seien ks apiiarenees 
aera de eowte duröe. Je ▼cos dirigerai ensoite snr la HoUande ainsi qoe voas 
paraisscz Ic dösircr. Sur ce je pris Dien qoHl tous ait, monsieur le nugor, en 
sa sainte et digne garde. 

(sigu.) Charled Jean. 
AUlzen, le 14. 9^ 1813.«* (Aus H. N.) 



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14 



Der Parteigäuger riedrich von Uellwig etc. 



Dieser war in Begleitung seiner EVaUi die von BeiHn ssa ihm 
nftch Halberstadt gekommen war, seiner Schwester Henriette nnd 
seines Bruders August, mit seinem Korps am 24. November wieder 
angebrochen, hatte auf braunschweigisdiem Boden bei Hessen über- 
nachtet und am folgenden Tage, rou seinen Londslenten mit Jubel 
empfiungen und mit Ge(li( hten angefeiert^ seinen Einzug in seine Vater- 
stadt Braunschweig gehalten. Von hier marsehirte er am 80. ab, bis 
Gifhorn, seinem ersten Marschquartior, von seinen Verwandten he- 
gtet. Über Hankensbüttel (1. Drz.) erreichte er am 2. Dez. Clzen, 
wo ihm am Rnhotaj^c durch einen Offizier des Kronprinzen nebst der 
neuen Marschroute der Befehl übergeben wurde, wieder zu Bülow zu 
stolsen, da erstcrer keiner weiteren Verstärkung bedürfte. — 

Das 3. Armeekorps war, naclidem Bülow vom Hauptquartier die 
Genehmigung zu einer Unternehmung gegen Holland erhalten hatte, 
zu welcher ihm das Korps Wintzingerode's zugewiesen worden war, 
von Ilaiuelii über Minden und Münster gegen die Yssel vorgegangen, 
welche er aui 18. November nut seiner Spitze erreioht hatte. Bis 
Ende dw Monats hatte Bülow die ganze Flulslinie mit ihren sXmmt- 
lichen .festen Plätsen eingenommen, die Festung Amheim am Rhein 
erstürmt und am 2. Dezember Utredht besetzt. Der französische Ober- 
befehlshaber General Deca^n hatte die Scheide- und Maa»>Insehi auf- 
gegeben, nur die imterhalb Antwerpens gelegenenFortsLillo und liefken- 
hoek behauptet, dagegen die Festungsbesatzungen von Breda und 
Bergen-op-Zoüm verstärkt. In weiterem Vordringen nahm Bfilow die 
Waal-Iiinie aufser Gorkum und die Russen Breda, worauf sich die 
Franzosen nach Antwerpen und Nvmwegen zurückzogen. Da die 
Hauptmacht der Verbündeten am Rhein sicli vorläufig ganz ruhig ver- 
lüelt, 80 be.schlofs Napoleon die Wiedereroherung von Holland. Aber 
der V^ersuch einer Division junger Garde auf Hreda mifslang ebenso, 
wie ein solcher Biilow's auf Herzogenbusch. Bergen -op- Zoom aber 
wunli' VOM .s*MKi gelandeten Engländern eingeschlossen. Damit war 
das Kiule des .Jahres ISIH herangekommen. — 

Während dieser Zeit hatte Hollwig den Marscli auf das ihm an- 
gegebene Ziel Doesborgh an der Yssel angetreten und war über Eschede 
(4.), Celle (5.) und Burgdorf ((>.) nach Hannover marschirt, wo er am 
7. beim Einrücken vom Herzog von Cumberland besichtigt und zur 
Tafel befohlen wurde. Über Bad Nenndorf (9.) rückte er am 10., vom 
Fürsten Lippe emp&ngen und bewirtet, nach Büökeburg und am 11. 
über Minden nach Rehme, am 12. über Herford nach Bielefeld; von 
da ging es über Harsewinkel (14.), Warendorf (15.), Telgte nach 
Münster (IG.). Hellwig hatte wegen der unergründlichen Wege und 
wegen der sehr weitläufigen Unterkunft seiner Truppen auf den einzeln 



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Der Pttteigiiigvr Priedzioh von Hdlwig eto. 



15 



und weit aus einander gelegenen Bauerhöfen in den letzten Taften 
nur kleine Märsche machen können, wenn er seine Truppen nicht ganz 
verderben wollte. Auch mufste er aus diesem Grunde in Münster 
zwei Kuhetage halten. Der über 4 Meilen grofso Marsch nach Stein- 
fort am 19. nötigte ihm am 20. wiedfiiom etneii Euhetag abzuhalten, 
am 21. gelangte er nach Ahaus, am 22. nach Winterswyk im Hot- 
UlndiBchen nnd am 26. andlieh nach DoeBborgh, vro er nach der er- 
haltenen Weisung auf weiteren Befehl zu warten hatte. Er meldete 
sein Emtreffon nnd den Orond seines langsamen Hiarschirens sofort 
an Balov, Ton dem er am 27. Befehl erhieli, seine Bichtang über 
Bommel, sein Hauptquartier, zu nehmen und gleichzeitig aufgefordert 
wurde, sich darüber ZU rechtfertigen, weshalb er mit Umgehung des 
3. Armeekorps Ordensvorschläge unmittelbar an den König eingereicht 
hätte. Hellwig berichtete an demselben Tage, ihn habe dazu seine 
Zuteilung 7aiy schwedischen Armee veranlafst, in der Befürchtung, 
seine Gesuche würden seitens des Kronprinzen gar keine Vertretung 
finden; in seinem Truppenkorps habe das Gefühl der Zurücksetzung 
in Beförderung und Auszeichnung Platz gegritien; man hätte ihm, 
dem Führer, den Vorwurf gemacht, dafs er seine Untergebenen nicht 
genügend vertreten habe; darum könne ihn eine Bestrafung in 
ihren Augen nur rechtfertigen. Er knüpfte hieran nochmals die Bitte, 
den von ihm scliou für WamMed, Apolda nnd Kl. -Priesnitz vor- 
geschlagenen sehr ?erdienten Offizieren die gebührende Auszeichnung 
nicht vorzuenthalten und fügte hinzu, „dais er die ErhSmng seiner 
. Bitte stete so Terehren würde, als wenn der Gegenstand derselben 
ihm persönlich bewilligt worden wftre i).*^ 

Am 28. übenduitt HeUwig bei Amheim den Rhein und nmr- 
sohirte bis Randwyk, an 29. durdi Thiel nach Wagenoyen, am 30. 
über die Waal, durch Bommel, wo er Bülow antraf, und dann über 
die Maas nach Veen. Der General hatte ihm sofort den Befehl er- 
teilt, nach einem Ruhetage über Heusden nach Tilburg zu marschiren, 
* um am Neujahistage dem Feinde wieder gegenübexstehen zu können. 

Er. A. m. D. M. Bl. 80. 

(Fortsetnmg folgt) 



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n. 



Die Operationen mit Massenheeren in den Kämpfen zu 
AiiiGuig und in der zweiten fiälfte des 19. Jahrhunderts. 

HaseUke^ Ohom 2. D. 



Der veränderte Charakter der Kriege der Neuzeit hat notwendig 
auch andere strategische Hafimailmiea eifordedidi machen mfisBen, 
wie aoldie vonuusiditlioh in den Kftmpfen der Zukonft ebenfiiilb in 
Erscheinung treten werden. 

Das Teraltete methodische Eiiegsrer&hien der letsten Jahrsehnte 
des 18. Jahrhunderts war durch Bonaparte*s bdspielloses Glück und 
durch seine rOcksicfatslose Kühnheit Aber den Haufen geworfen und 
damit auch manche Macht ersten Ranges mit einem Schlage ver- 
nichtet worden. Durch die hartnäckigen, lang andauernden Kämpfe 
anf der Pyrenäen-Halbinsel, wurde dann aber der neue Kaiserstaat 
Frankreich darüber belehrt, was die Wehrbarmachung einer ganzen 
Nation und die Volkserhebung im Grofsen zu leisten vermögfMi. Rufs- 
land liattc im Kriege von 1812 Napoleon <icgenüber bewiesen, dafs 
ein iU'ich von grofsem Umfantje sich niclit erobern läfst, so lange 
dasselbe sich niclit selbst niilL^^ebt, dals tlio Wahrscheinlichkeit des 
erfolgreichen Widerstaiuks nic ht immer in dem Mafse abnehmen mufs, 
als die angegnllene Macht Schlachten, Ilauptstädtf , Proviu/eu ver- 
liert, sondern dala der Verteidiger oft mitten in seiuem Lande am 
stärksten ist, während die Offensivkraft des Gegners sich schon er- 
schöpft hat, und daJk dann der hisher auf die Verteidigung ange- 
wiesene Teil seinerseits mit gewaltiger Kraft zum Angriff ühergehen * 
kann. Preulsen endlich hatte 1813 das bedeutungsvolle Beispiel ge- 
liefert, wie ein fast gänzlich zertrümmerter Staat in dw Vateilandfr' 
liebe und Aufopferungs&higkeit seines Volkes das Mittel zu finden 
vermodite, mit Hülfe der allgemeinen Wehrpflicht die kleine, schwache 
Armee auf dem Wege auiserordentlicher Anstrengungen zu versechs- 
fachen, und wie diese neugescbaffenen Schaaren von Vaterlands^ 
Verteidigern den Mangel einer gründlichen systematischen Ausbildung 
durch den kriegerischen Geist zu ersetzen wufsten, der sie beseelte 
Alle diese Fälle hatten erwiesen, vlncn wie gcwalti^'en Faktor in dem 
Produkte von Staatskraft und iStreitmittelu das Uerz und die Ge- 



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Die Opentioiieii mit Maaaeuheereu ete. 



17 



smuuiig der Bevölkerung bildet, und es war wohl selbstverständlich 
und Pflicht der Regierungen, dafs sie nach dieser Erkenntnifs bestrebt 
waren, in den späteren Kriegen die nenen gewaltigen Hülfsmittel 
audi ToU und ganz znr Verwertung za bringen. Die Kümpfe, welche 
jetzt mit der ganzen sdiweren Wucht der Kraft der Nationen ge- 
ftihrt wurden, muisten aber notwendig nach anderen Grundsätzen ein- 
gerichtet werden, als die früheren, wo allee nach dem Yerh8ltni& der 
stehenden Heere zu einander berechnet wurde. Mit dem Wadisen der 
Staaten und Völker nehmen auch die kriegerischen Kraftanstrongiingen 
onen immer gewaltigeren Umfang an und vergröisero sich natoi^ 
gemäls die Heere in der Zahl an Streitern. 

Die numerische Verstärkung der Stroitmassen hat also eine Ver- 
änderung der Strategie bedingen müssen, ohne dafs dabei jedoch die 
als wahr und unumstöfslich erkannten Grundsätze der Kriegskunst 
berührt worden wären. Wo aber Veränderungen eintreten, da findet 
sich auch bald das Vergleichen der neuen Verhältnisse und Zustände 
mit den friilieren, es tauchen verschiedene Meinungen auf, es ent- 
stehen Parteien. So hat sich denn auch in den letzten Jahrzehnten 
eine junge strategische Schule herausgebildet, deren Anhänger 
nameotUoh in den aulaerdeutschen ndUtiriadien Krmsen zu snchen 
sind. Das A und 0 dieser Sdiule bildet die Anschauung, dafs seit 
der Napoleonischen Epoche der strategische Geist im Niedergange 
begriffen sei, dafii fast aUe Siege in unseren neuesten Bjiegsperioden 
keineswegs das FM)dukt bedeutender strategischer Konzeption seien. 
Diese Meinung wird namentlich vertreten und eingehend dargelegt, 
durch ein Anfangs 1894 in Petersburg erschienenes Werk des russischen 
Generalstabs-Hauptmanns Martinow, betitelt: „Strategie zur Zeit 
Kapoleon I. und in unserer Zeit". Der österreichische Generalstabs- 
Hauptmann Sarkotic hat in „Streffleur's österreichischer militärischer 
Zeitschrift" einen dankenswerten Auszug aus dem erwähnten Werke 
geliefert. Bemerkenswert ist, dafs Hauptmann Martinow seine Schrift 
* unter BeüiüKe des „kriegs wissenschaftlichen Komitös" zu Petersburg 
verfafst hat. Wir haben es also hier nicht etwa blol's mit dem Ge- 
dankenergus.se eines nach dem Idealen strebenden jugendlichen (reistes 
zu thun, sondern das Werk Martinow's vertritt jedenfalls die An- 
schauungen des genannten „kriegswissenschaftlichen Komites**. Her- 
Yorragende russische MiHtftr-Schriftsteller, wie Oeneral Dragomirow 
und General Wojde, gehören jedoch, nach ihrrai Äußerungen zu 
schlielhen, der jungen strategischen Schule nicht an. Hauptmann 
Martinow geht von der Grundanschauung aus, dals die Feldzöge 
Napoleon's uns als Ausdruck der vollkommensten kflnstlerischen 
Sdiöpfongen auf dem Gebiete der Strategie erscheinen müssen, und 



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18 



Die Operatioueu mit IflBKaheereu etc. 



stellt dabei die IVage, ob die gegenwärtige Strategie im Vergleicbe 
ZQ der Napoleoiiifloheii eine b&bere Kunetstnfe rcpräsentire, oder ob 
eie in dieser Beziebnng einen Sduitt nacb rOokwftrts gonacbt babe. 
Die Losung dieser Frage will der mssiscbe Offizier anf Tbatsachen 
aus der Eriegsgesebicbte grOnden und wäblt dazu als Gegenstand 
der Betrachtung einerseits den Krieg von 1809, andererseits den 
deutseben Feltl/cug gegen die Armeen des französischen Kaiserreichs 
1870. Bezüglich des ersteren Beispiels spricht Hauptmann Martinow 
die Meinung aus, dafs hier die Operation Napoleon's allen Prinzipien 
der Wissenschaft entspricht und fast vollends dem theoretischen Ideal 
gleichkommt. Diese Behauptung erfolj^reich zu beweisen, kann dem 
russischen Offizier unmöglich gelingen. Schon die Sclilacht bei Asf)ern 
und die wochenlange hülflose Lage der französischen Armee auf der 
Insel Lobau gewähren uns von der betrefl'enden Operation Napoleon's 
ein ganz anderes Bild, als sich Hauptmann Martinow davun zurecht 
idealisirt hat. Betreffs des deutschen Feldzuges in Frankreich hebt 
er aber bervor, dab Uber diesen die Meinungen der mssisohen Militär- 
litteratur sieb in zwd feindliche Lager teilen. „Die Einen sehen in 
diesem Kriege mn Mnsterpfrodnkt der strategischen Kunst, die .Ver- 
körperung des Ideals der methodischen Strategie, die Anderen sind 
wieder bereit, die Erfolge der Deutschen auf alle mögliche Art zu 
erklaren, nur nicht durch die Kunst der Strategie, oder Verdienste 
der Filhrung. Die erste Meinung gehört jener Periode an, in welcher 
die glänzenden und unerwarteten Resultate der Deutschen die ganze 
militärische Welt verblüfft hatten, die zweite hat sich erst in der 
letzten Zeit als Reaktion der ersten und als Wiederhall jener all- 
gemeinen antideutschen Rewe^ung, welche unser ganzes Fühlen uTid 
Denken erfai'st hat, kunilgethau." So sagt Hauptmann Martinow. Er 
hatte noch hinzufugen sollen, dals aus dieser antideutschen Gesinnung 
auch der Kapoleons-Kultus der heutigen Zeit resultirt. Der rusbisehe 
Ofüziüi- spriciit zwar dann die Ansicht aus, dafs beide vorbewegte 
Meinungen zwei Extreme iu sich schliefsen und gleich unrichtig siud, • 
ist andererseits aber doch der Überzeugung , dals der französisch- 
deutsche Krieg nicht sls Muster der strategischen Kunst hingestellt 
werden kann, weil in demselben eine Reihe von höchst wesentlichen 
Abweichungen Tom Ideal der meihodisdien Strategie Torkftmen. In 
einem Gefttble beabsichtigter ünparteilidikeit fligt Martinow noch 
hinzu, dafs an diesen Abweichungen der Mehrzahl der Fälle nach die 
Leitung der Armeen ganz und gar unschuldig wäre. Die Ab- 
weichungen seien durch die allgemeinen Ursachen der neuartigen 
strategischen Verhiiltnisse, durch den neuartigen Charakter der Strategie 
zu erklären, welcher es unmöglich machte, in der Praxis das theo- 



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Die Operationen mit Maasenheereo ete. 



19 



retiache Ideal in jener Beinhdt zu verwirklichen, wie es zu Napoleon's 
Zeit der Fall gewesen sei Es ist hier nicht der Ort fllr eme ein- 
gehende Besprechung der Schrift des Hauptmann Uartinow, doch 
wird der vorliegende An&atE gelegentiioh auf einige der Behauptungen 
des russischen Offiziers zurQckkommen müssen. 

Kapoleon hat seine Feldhermlauf bahn 1796 in Italien an der 
Spitze einer Armee von 30000 Mann angetreten. Als er auf der Höhe 
seiner Macht stand, kommandirte er ein Heer von 100000 bis 200000 
Mann und erst in den letzten Jahren seiner kriegerischen l'hätigkeit 
sehen wir ilm über gröfsere, bis dahin in den Kriegen der europäischen 
Staaten noch nicht dagewesene Heeresniassen gebieten. Nach Rufs- 
land zog Naj)oleun iiiit fiOfXKH) Mann. Derselbe wollte den Krieg 
dort in derselben Weise tühren und beendigen, wie er dies bisher 
überall gethan hatte. Die feindhchen Streitkrätte schlagen, zer- 
trüiumcni, die Hauptstadt erübern, die Regierung in den äufsersten 
Winkel des Reiches zui"iickdriingeii und dann von dem bestürzten 
Gegner eiligst den Frieden gewinnen; das war bis jetzt Napoleon's 
Operationsplan in seinen Kriegen gewesen. Die ganze russische 
Kriegsmacht an der westlichen Orenae des Reiches bestand bei Beginn 
der Fdndseligkeiten aus etwa 180000 Mann, wehshe in drei Anneen, 
am Niemen unter Barolay, im südlichen litthauen unter Bagration und 
in Wolhynien unter Tormasow, angestellt waren. Rückzug in die 
weite Wildnük des Innern, Ermüdung des Feindes durch den kleinen 
Krieg, das war der von der Pleeresleitnng entworfene, wenn auch 
nicht gleich Anfangs in voller Ausdehnung ausgeführte, so doch mit 
dem Verlaufe des Krieges sich von selbst mehr und mehv entwickelnde 
Uperationsplan. Das französische Heer und seine Rundesgenossen 
gingen in vier Hauptgruppen vor. Während der linke Flügel unter 
Macdonald gegen Riga und der rechte unter vSciiwarzenberg gegen 
Tormasow operirten, rückte Napoleon uut der Hauptarmee von H750Ü0 
Mann gegen Barclay und Bagration vor. Dieselbe brach dann am 
16. JuU von Wilna auf und ging gegen Witebsk, also in der Richtung 
iiut Moskau. \ ergebens versuchte Napoleon den überall zurück- 
weichenden Feind zu erreichen. Wie Barclay und Bagration ddi aus 
6fir Gegend von Wilna und Ton Woikowisk nach Drissa und Njes- 
wisch zurückgezogen hatten, so waren sie jetst auf Witebsk und 
Mohilew gewichen. Am 26. Juli gelangte Napoleon nach Witebsk und 
setzte Yon dort erst nach dnem vieizehntägigen Halt den Marsch nach 
Smoleosk fort Die Russen hatten auf ihrem Rückzüge nach Smolensk 
nicht den kürzesten Weg dorthin eingeschlagen, weil sie wahrscheinlich 
noch nicht ganz auber Zweifel waren, ob Napoleon sich nicht gegen 
Petersburg wenden würde. Als indessen seine Marschrichtung un- 



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20 



Die Operationen mit KiimwiImwi-wh elo. 



sweifelhaft war, beoUten ne sich, den Fraii208«ii dort sniTorzukommen. 
Es gelang Barclay, sich mit Bagration zu vereiiiigeii, so dab die 
Rnasen mit etwa 116000 Mann um Smolensk standen, als Napoleon 
sich näherte. Die siegreiclic Schlacht bei Smolensk am 17. August 

brachte den Franzosen nur den Besitz eines öden, mit grofsen Opfern 
erkämpften Schlachtfeldes. Bei der Ankunft in Smolensk, also 52 Tage 
nach dem Übcrgan<ie über den Niemen, hatte Napoleon's Ilauptarmee 
bereits einen V^erlust von 105500 Mann zu verzeichnen. Napoleon 
hatte seine Hauptkräfte in unerhörter Weise zu grofsen Massen auf 
einer Strafse vereinigt, um so mit brutaler Gewalt vorwärts zu kommen. 
In seinem Drange, Moskau zu erreichen, hatte er die einfachsten 
Regeln der Kriegskunst aufser Acht gelassen. Die Folge davon war, 
dafs das iibermüfsige Zusammendrängen der Massen einen unerhörten 
Mangel veranlafste, dafe hierdurch unverhiLltDÜkmiUing bedeutende 
Veiluste eintraten und die Bewegungen su einem admeckenartigen 
Vorwärtskommen sich Terlangsamten. Unzweifelhaft hKtte Napoleon, 
ohne eine Beeinträchtigung seiner Operation besoigen za brauchen, 
in gröfserer Breite voigehen kennen, wozu es an Raum ketneswegs 
mangelte. Von Smolensk setzten die Bussen ihren Rückzug unter 
Nacbhutsgefechten bis Borodino fort, wo sie am 7. September in einer 
hartnäckigen Sclilacht wieder Stand hidten. Der Kampf blieb ohne 
eigentliche Entscheidung. Die Russen wurden zurückgedrängt, aber 
nicht geschlagen. Die französische Hauptarmee hatte innerhalb 
23 Tagen weitere 38000 Mann verloren gehabt, war demnach hei 
Borodino nur noch 130000 Mann stark gewesen. Bei ihrem Einzug 
in Moskau am 15. September zählte sie aber übeilinupt nur noch 
90000 Mann. Ihr Gesammtverlust innerhalb 80 Tagen betrug 198000 
Mann. Die Russen hatten Moskau preisgegeben und waren seitwärts 
nach Kaluga ausgewichen. Napoleon war an seinem Zielpunkte an- 
langt. Er hatte dui'ch diesen seinen Zug die ganze Welt in Be- 
wunderung und Staunen versetzen wollen ; jetzt sidi er sich aber mit 
dem Reste seiner einst so stolzen Armee, mit ersdidpften, halb ver- 
hungerten liannschafiten und zu Orunde gerichteten Pferden, in einem 
spitzen Keil 120 Meilen weit in RuTsland hineingetiieben, rechts seit- 
wärts von sich eine femdliche Annee von 110000 Hann, um nsh 
herum ein bewa&etes Volk, sowie neu gebildete Tmppenkörper, und 
sich selbst genötigt, nach allen Richtungen hin Front zu machen. 
Napoleon hatte sich durch seine krankhaft überreizte Einbildungskraft 
täuschen lassen. Kr hatte auf die Schwäche der Regierung gerechnet, 
die Grofsen des Reiches für geneigt zu einem Aufstande gehalten 
und geglaubt, von Moskau aus auf St. Petersburg und ganz Rufsland 
einen moralischen Druck ausüben, einfach den Frieden diktiren zu 



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• 



Die OperaÜonea mit Maagenheeren etc. 21 

können. Mit seinen Friedensvorsclilätriu seitens der russischen Re- 
gierung erat in klugw Weise hingehalten, dann ganz zurückgewiesen, 
be&nd er sich in ▼erzveifelter Lage. Ohne Magazin, ohne hinreichende 
Mnnitionsvorrftte» mit einer einzigen Yerbindnngaetrafee, vermochte er 
in Hoekau nicht za. überwintern. Er sah sieh zum Rfickzuge ge- 
zwangen nnd trat diesen am 12. Oktober an. Vergebens rersudite 
er noch, südwürts g^gen Ealnga Torzndiingen, nm in noch unberQhrten 
Landstrichen sichere Winterquartiere und die Verbindung mit Smolensk 
zu finden. Eutusow setzte ihm mit der jetzt überlegenen rassischen 
buptarmee einen unüberwindlichen Widerstand entgegen. 80 war 
daan Napoleon genötig, seinen Bückzug über Smolensk durch die 
früher von den eigenen Schaaren verwüsteten Gegenden auszuführen. 
Bald wurden die Franzosen auf dejnsolben von den Russen eingeholt 
und sahen sie sich auf allen Seiten von Feinden umringt. Als die 
Überreste der französischen Armee sich im Januar 1813 hinter der 
Weichbel endlich gesammelt hatten, zälilten dieselben nur noch 23000 
Mann. Die Kontingente Österreichs und Preufsens betrugen aulserdeni 
35000 Mami. Napoleon hatte also in Rufsland an Todten und Ge- 
fangenen 552000 Mann zurückgelassen. Die Trümmer der fran- 
zösischen Armee wurden von den Russen nodi bis an die Elbe 
▼erfolgt. 

Kapoleon war aber bereits Anfimg Dezember 1813 nach Frank- 
reich vorausgeeilt» schon am 19. in Paris emgetroffm und betrieb 
sofort die Bfldung eines neuen Massenheeres. Über eine halbe Million 
Menschen wurde Än&ng 1813 wieder unter die Waffsn gerufen. Die 
ansgehobenen Mannsdiaftdn wurden sofort nach dem Rhein dirigirt 
und auf dem Marsche ausgerüstet und eingeübt. Napoleon bewährte 
wieder seine Meisterschaft in der Schnelligkeit des Handelns und so 
erreichte er es auch, dafs er noch rechtzeitig und mit Überlegenheit 
wieder auf dem Kampfplatze erschien. 

Die Schaaren, w^elche Napoleon nach dem voraussichtlichen Kriegs- 
schauplätze, nach Sachsen in "Marsch gesetzt hatte, rückten zum Teil 
auf der grofsen Stralsc über Mainz und Eisenach, zum Teil über 
Würzburg vor, während die italienischen und süddeutschen Truppen 
über Bainl)erg dirigirt wurden. Es waren dies insgesamnit etwas über 
100000 Mann. Napoleon traf mit seinen llauptkräften am 25. April 
in Erfurt ein. Der Vize -König von Italien stand mit etwas Uber 
20000 Mann auf dem linken Elbufer bei Bemburg und Alsleben. Die 
Feetungen Magdeburg und Wittenberg befanden sich in französisohoi 
ffinden, Torgau war Ton den Sachsen besetzt An der Niederelbe 
hatten die Generale Davoust und Vandamme die russischen Partei- 
gänger auf das rechte FlulsufiBr zurückgedrängt. Von den preulösch- 



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22 IHq Operationai mit Mnwwiheeren efec 

nusiacfaeii Heeresabteilmigeii stand die Ton WittgeiiBtein mit dem 
Korps Bülow und Borstell vor Magdeburg, mit einer gemischten Ab- 
teilung unter Kleist vor Wittenberg und mit dem Rest, den preufsischcn 
Truppen unter York, den russischen unter Berg, bei Kothen und 
Dessau. Die schlesische Armee unter Blücher war seit 14. April um 
Altenburg konzentrirt. Das russische Hauptheer befiEuid sich noch im 
Anmärsche. 

Napoleon, dem es darauf ankommen mufste, sein politisches Über- 
gewicht in Europa aufrecht zu erhalten und sein durch die schmäh- 
liche Niederlage in Rufsland gesunkenes Ansehen wieder herzMtcUen, 
hatte in militärischer Hinsicht nur das eine Interesse, die verbündeten 
Gegner anzugreifen, ehe sie ihre geflammten -Streitkräfte auf dem 
KiiegasolianpIatM zur Verfügung hatten. Seine strategische Lage war 
Ende April keineewegs eine nngitnstige. Die neu gebildete Armee 
war zwar an Qualität den TVnppen der Gegner nicht ganz ebenbOrtigi 
aber Napoleon durfte erwarten, mit seinen 120000 Mann nodk die 
niimerisohe Überlegenhdt an der Elbe zu haben* Es mangelte ihm 
allerdings an Ka?slleiie; er gebot nur über 5000 Pferde, während 
er bei dem Ocf^cr eine sehr starke Reiterei zu gewärtigen hatte. 
Napoleon mnüite demnach in Rücksicht auf die Beschaffenheit und 
Zusammensetzung seiner Kräfte nach Möglichkeit die Ebene meiden. 
Die Verhältnisse des Kriegstheaters begünstigten ihn in dieser Be- 
ziehung aulserordentlich. Unzweifelhaft mufsten seine Operationen 
zunächst gegen die Mittelelbe gerichtet sein. Das Auftreten hier ent- 
setzte die Elbfestungen von selbst. Lehnte Napoleon dabei seinen 
rechten Flügel an das noch neutrale Österrcicli, so hielt er hierdurch 
diese Macht in Schach und nötigte andererseits die Gegner, sich 
entweder in der kürzesten Linie zwischen Dresden und Warschau zu 
konzentriren, oder erentnell in allen anderen getrennten* Stellungen 
den Franzosen die VorteQe der Überlegenheit zu belassen. Von der 
mittleree Saale nach der mittleren Elbe standen Kapoleon drei An- 
maisehlinien zu Gebote. Die erste filhrte durch die grolsen Ebenen 
Ton Leipzig, die zweite durch das Hügelland über Gera, Altenburg 
und Nossen, die dritte am Fufse des Erzgebii^es über Clhemnitz und 
Freiberg. Napoleon wählte die erste, also die ^r seine Armee wenigst 
günstige Richtung. Er wollte nach Leipzig marschiren, um von dort 
gegen Dresden vorzudringen und, wie er sich selbst in seinem Bulletin 
ausdrückt, durch diese Hcwegungen einen grufsen entscheidenden Schlag 
zu thiin. ^Vahrscheinhch hoÜte er auf die Armee von Wittgenstein 
zu tretfen, ehe sie sich mit der Blüclier's, die noch bei Altenburg 
vermutet werden mufste, vereinigen konnte. Vielleicht gedachte 
Napoleon auch, den etwa in der Gegend von Altenbm^ schon vereinigten 



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Di» OpmlioiiMi mll Minnhaoniu eto. 



23 



feindlieben Armeen alle Stradwn naoh der 'Elbe abmedmeideii. Die 
ftanaOeiaoheii BIttter nannten dieaee ManOrer ein aablimea. Kiq[K>leon 
wurde aber wihrend desselben von der vereinigfeen Armee dea Gegnera 

Ton hinten angegriffen und entging sehr unverdieiiter Weise nnr dnndi 
sein besonderes Glück der völligen Niederlage. 

Auf Seite der Allürten hatte der preufsische Generalquartier^ 
meister Scharnhorst ursprünghch den Feldzugsplan dahin entworfen, 
durch rasches Vordringen im Herzen Deutschlands sich neue Ver- 
bündete gegen den Protektor des Rheinbundes zu verschaffen, dii's<\s 
Vorhaben jedoch aufj^^ehen müssen. Auch die Absicht, der schwäclieren 
Armee der VerbündetA^n wenigstens alle Vorteile des Geländes an der 
Saale zu sichern, war vereitelt worden, indem Napoleon sicli bereits 
hier festgesetzt und mit Eugen vereinigt hatte. In richtiger Be- 
urteilung der Eigenart Napoleon's, der die Sicherheit stets von sich 
Melk nnd nomer daa von Ölanz und Rohm nmstralilte Wagen Tonog, 
mur Sohamhorafc dann an der Annahme gelangt, dar Gegner wttide 
mehi die Biohtnng IMng^ dea Erzgebirges, sondern die über Alten- 
böig einadilagen, und hatte demgenüUa db Aufttdlung der allürten 
Armee beatimmt Als Napoleon aber am dO. April mit einer be- 
deutenden Macht die Saale bei Weolaenfels Übersohritt und seine 
Abaicht klar wurde, sich in die Ebene von Lei{)zig zu ziehen, da 
wurde auf Seite der V^bündeten der Kntschlulis ge&fst, den Gegner 
in der Ebene von Lützen so ansugreifen, dafs man selbst die Front 
gegen den Weg von Leipzig nehmen, den Feind, wenn man ihn schlug, 
von Weifsenfeis und Naumburg abdrängen und gegen die sumpfigen 
Arme der vereinigten Pleil'se und Elster treiben wollte. Eugen stand 
am L Mai mit zwei Korps auf der Strafse Merseburg- Leipzig und bei 
Mark Rannstädt. Napoleon nahm also von Lützen bis zur bezeichneten 
Strafse eine Linie von zwei Meilen Länge ein. Die preufsischo Armee 
war am 1. Mai bei Rötha versammelt, Graf Wittgenstein stand bei 
Zwenkau, während General Wintzingerode den Feind am Flofsgraben 
beobMhtete und beadiüftigte. Daa Heer der YerbOndeten konnte 
alao am 2. Mai bei Pegau in der Verlingerung der franaöaiaoben 
Fronitiinie konaentrirt atehen. Der Gedanke zu der Schlacht war von 
Sehamhorat auagegangen und bildete unbeatreitbar eine der aohönsten 
strategiseben Kombinationen. Auch die Disposition für den Kampf 
gehört wohl zu den vortrefflichsten aller Zeiten. Die Armeen der 
Verbündeten gingen am 2. früh bei Pegau und Zwenkau über die 
Elster. Napoleon hatte auch an diesem T^e noch keine Ahnung 
davon, dafs die Streitkräfte des Gej^ners ihm so nahe in der rechten 
Flanke standen. Kr setzte daher mit seinem Gros die BewcL^ung auf 
Leipzig fort und lieijs nur das Korps Ney als Arrieregarde zurück, 



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24 



Die OpantioMii mit Mmiaenheerep eto. 



weldies die Döifer Stafsiedel, G^a, Rahna^ Grofs- und Eldn^nchen 
besetzt hielt. Napoleon wähnte Blücher noch immer hei Altenburg 
und Wittgenstein bei Le^sig. Dieser Irrtiim erklärte sich einerseits 
durch die fieberhafte Eile von Napolcon's Vordringen, andererseits 
durch den Mangel an Kavallerie. Aber auch General Wittgenstein 
war am Morgen des Schlachttages noch ohne Benachrichtigung davon, 
dafs das Korps Ney mit 32000 Mann nur eine Meile von dem ver- 
bündeten Heere entfernt stand. Als daher am 2. Mai der Plan 
Scharnhorst's zur Aiisfiihnmiz kommen sollte, die rechte Flanke des 
Feindes bei Lützen mit Ungestüm anzugreifen, war man sehr er- 
staunt und überrascht, Grofs-Görschen und die Dörfer der Umhegend 
von den Franzosen besetzt zu finden. Die Schlacht war von Scharn- 
horst als grofser ( )ffensiv-Kampf geplant, durch das liartnilckigc Ge- 
fecht um die genannten Dörfer, nahm sie für die Verbündeten jedoch 
einen defensiven Charakter an. Napoleon gewann Zeit, seine Haupt- 
kräfte nach dem bedrohten flflgel su. dirje^ren. Die AlHhrten ver- 
moditen gegen den doppelt so starken Feind keine nachhaltigen Er- 
folge zu erringen. Sie hatten etwa 38000 Mann Infeuiterie in's Ge- 
fecht gebracht, Napoleon gegen 70000. Von den Verbündeten war 
also immerhin ein groJser moralischer Sieg eiibchten worden. Napoleon 
hatte sicherlich nicht verdient, so ungestraft ans der mifididien Lage 
wieder heraussukommen, in die er sich übermütig gestürzt. Leicht- 
sinnig hatte er sich in die grofsen Ebenen hineinhegebeni wo er 
jedenfiüls seinen Untergang gefunden haben mülstei wenn an diesem 
Tage ein SeitUitz, ein Blücher oder Murat die gewaltige Masse der 
Yortreiflichen Reiterei der Verbündeten angeführt hätte, wehdie 25000 
Pferde zählte. 

Die Armee Napoleon's war übrigens tief erschüttert. Sie ging 
am Abend des Schlachttages etwas zurück, besetzte erst am 3. Mittags 
wieder die vielumstrittenen Ortschaften und trat erst am 4. die Be- 
wegung an, um dem Gegner zu folgen. Für die Verbündeten lagen 
nadi der Schlacht bei Lützen zwei Notwendigkeiten vor. Sie muTsten 
zwischen Eönigstein und Torgau über die Elbe gehen und dann, wo 
auch irgend wieder Fh>nt gemadit wurde, ihren linken Flügel durch 
Anlehnung an die fisterreichische Grenze sichern. Auf eine Ver- 
teidigungsstellnng an der Elbe wurde sehr richtig ▼on ▼omhereui 
▼endditet. 

Um diese ünfslinie mit Aussicht auf Erfolg behaupten zu können, 
hätte man Herr der mittleren und niederen Oder sein müssen. Lag 
es aber im Interesse der Verbündeten, zwischen Elbe und Oder noch 
eine Schlacht anzunehmen, weil man dem Feinde das Terrain so ?iel 
als mögli^ streitig machen und den Österr^chem, welohe noch in 



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Die Optrationen mit MMMobeANn elc. 



35 



ihrem Enisdilusso schwankend waren, zeigen wollte, dala man fest 
entschlossen sei, Alles für die Befreiung EuropaB aufzubieten, 80 war 
die Gelegenheit für eine vorteilhafte Verteidignngs-Aufstellung nur an 
zwei Punkten vorlianden, bei Bautzen, oder hinter dem Bober. Hier 
fand man zum Schutze pegen eine strategische Umgehung des linken 
Flügels Anlehnung an die österreichische Grcn/e und konnte die in 
Aussicht stehenden Verstärkungen von etwa 22000 Mann an sich 
ziehen. Im Hauptquartier der Verbündeten entschied man sich für 
Bautzen, weil in dortiger Gegend eine Aufstellung gefunden werden 
konnte, deren Front und Flanken durch Naturhindernisse derartig 
verstärkt wurden, duis Napoleon .seine un Zahl überlegene Infanterie 
nicht gegen einen Ponkt zu konzentriren, wenigstens nur aihnählig 
ln*B Gefecht zu bringen Termochte und dadurch die Auaeicht blieb, 
ihn teilweise zu schlagen. 

Napoleon hatte nach der Schlacht bei Lützen mit GewiMeit 
voraussehen können, dals der Rückzug der Verbündeten nadi dem 
rechten Elbufer gehen würde. Sein früheres Operationsobjekt verlor 
unter diesen Umständen die Wichtigkeit. Wollte er die eingetretenen 
Veihältnisse richtig benutzen, so mulste er entweder mit allen Erftften 
sich auf die Arrieregnrde des Gegners werfen, um so "riel Vorteile 
als möglich aus dem feindliehen Rückzüge zu ziehen, oder er mufete 
unter Benutzung der in seiner Gewalt befindlichen Elbübergänge so 
schnell als möglich gegen die Verbindungslinie des Feindes vorgehen. 
Die Verbündeten hatten etwa 15 Meilen bis zu ihren Elbübergangs- 
punktcn zurückzulegen. Die Pleifse, das Schwarzwasser, die Tschoppe 
und die beiden Mulden boten ihnen aber günstige Gelündeabschnitte 
zur Deckung des Rückzuges dar. Auch wurde dieser durch eine 
zahlreiche Kavallerie und Artillerie hinreichend gesichert. Es war 
demnach iür Napoleon keine Aussicht vorhanden, dem zurückgehenden 
Gegner einen wesentlichen Abbruch thun zu können, namentlich da 
die Verfolgung bis zum zweiten Tage nach der Schlacht ausgesetzt 
werden mulste. Napoleon beging also geradezu einen Fehler, wenn 
er sich mit einer bedeutenden Macht gegen Dresden wendete. Er 
bitte am 8. Mai bei Leqoig, am 4. bei Düben, am 5. bei Wittenberg 
sein können, während eine zweite Kolonne vor Toigau erscheinen 
mulste. Am 9. Mai konnte er zwisohen KIsterwerda und Dobrilugk 
konzentrirt stehen. Dort fend er das Gelände, wie es für seine 
Armee sich eignete, eine wasserreiche niedere Oop:end. wo die 
Infanterie ohne Nachteil das Gefecht gegen die Kavallerie und 
Artillerie annehmen konnte. Wenn er zwischen Sprcmberg und 
Hoyerswerda vorrückte, so waren die Verbündeten voraussichtlich ge- 
zwungen, Sachsen freiwillig aufzugeben. Napoleon scheint aber auch 



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26 



Die Operationen mit Maaaenheeren etc. 



nach der Schlacht bd Lttteen irieder durch «eine lebhafte Embfldangs- 
kraflt getäii8(dit worden za sein, wie dies &8t immer bei ihm der Fall 
war, und glaubte jedenfiüls den Feind nicht mehr in dem Zustandet 
am linken Oderufer noch eine Schlacht gegen ihn wagen zu können. 
Er beging also den grolaen Fehler und teilte steh. Mit seinen Garden 
und Tier Eoips folgte er der ▼erblindeten Aimeei wfthrend er Ney 
nach Torgau entsendete, um unter Einverleibung der Sachsen das 
7. Korps zu formiren. Von dort sollte Ney mit drei Korps nach 
Berlin marechiren. Marschall Victor rückte mit einem Korps und 
einer Kavallerie -Division auf Wittenberg. So befand sich denn 
Napoleon in drei Gruppen von Dresden bis Wittenberg verteilt. Ney 
und Victor zahlten zusammen 14 Divisionen, Napoleon bei Dresden hatte 
deren 15. Wenn man in Erwägmig zieht, dafs die Armee derVorbündeten 
jetzt 83000 Mann stark war und am 12. Mai Stellung bei Bautzen 
nahm, um dort eine Schlacht zu liefern, erhellt so recht, wie sehr 
Napoleon durch seine fehlerhaften Mafsnahmen seine Lage zu eigenen 
Ungunsten verschoben hatte. Man mufs tsich fragen, was die 60000 
Framosen in der Kichtung auf Berlin eigentlich gesollt haben, da 
Napoleon wuMe, dafii dort kein Feind zu finden war. Biflow yei^ 
einigte am 19. Mai seine Hauptkrftfte mit 25000 Mann bei BarutL 
General Pellet behauptet zwar in seinem im ^Speotateur militaire^i 
Band I, erschienen Au&atee: „Des prindpales Operations de la cam- 
pagne 1813^ dab es nicht die wahre Absicht Napoleon's gewesen 
sei, Ney gegen Berlin zu entsenden, man muls doch aber annehmen, 
dafs die Heeresabteilung, welche von LiSftzen über Eilenburg und 
Wittenberg marschirte^ als nächsten Zweck wohl nicht haben konnte, 
sich bei Bautzen einzufinden. Napoleon stand dann am 16. Mai mit 
etwa 90000 Mann vor diesem Orte. Er sah ein, dafs er mit seinen 
verfügbaren Kräften die bereits gleich starke Armee der Verbündeten 
nicht angreifen konnte. Er hielt sich daher in einer verdeckten 
Stellung hinter Förstchen zurück und sandte an Ney den Befehl ab, 
den Marsch gegen Berlin aufzugeben und auf den rechten Flügel der 
Verbündeten los zu rücken. Marscliall Ney mufste seinem früheren 
Auftrage gemäis am 18. in Baruth und am 20. in Berlin sein. Vor 
dem 23. konnte er also keinesfalls auf dem rechten Flügel der Ver- 
biindeten eintreffen und Napoleon blieb in dieser ganzen Zeit ▼on 
7 Tagen Yor Bautzen dem Angriff der AUürten anagesetzt. Sein altes 
Glück begOnstigte ihn aber auch diesmal wieder in auflUliger Weise. 
Dem Marschall Ney war durch seinen Genenüstabschef Jomini die 
Teilung der Erftfte Napoleon's als ein so grolser FeUer dargestellt 
worden, dafs er selbst gegen den Befehl, nach Berlin zu marschiren, 
sich auf Bautzen wandte. So traf denn die neue Weisung Napoleon's 



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Die Operutiüueu mit Mawiftn beeren etc. 



27 



den Marschall bereits am 17. in Kalau an. Die Verbündeten waren 
am 18. Hai voUatändig Aber die Teflung Napoleon's imtenichtet. Es 
var also Idar, dafs sie angreifen mufsten, so lange der Feind noeh 
getrennt war, wenn sie sich überhaupt siegreich ans ihrer Lage ziehen 
wollten. Es standen ihnen hieifUr zwei Wego offen. Sie konnten am 
19. entweder den eine Meile tot ihrer Front stehenden Napoleon an- 
greifen, oder ndi gegen den üher Hoyerswerda heranrückenden Nqr 
wenden. Letztere Operation hatte aUerdinp wenig Aussichten ftr 
sidi. Der Abmarsch der verbündeten Armee mufstc von Napoleon 
sehr bald entdeckt werden und es wäre höchstwahrscheinlich 
nicht möglich gewesen, einen genügenden Vorsprung vor letzterem 
zn gewinnen. Audi wies das Gelände zwischen Hoyerswerda 
und Bautzen den Verbündeten für ein Gefecht sehr grofse Nachteile 
auf und im Falle eines Mifsgeschickes war es zweifelhaft, ob man 
Herr der Strafse Bautzen — Görlitz bleiben würde. Um so viirteil- 
hafter mufste aber ein AntrrifT auf Napoleon selbst erscheinen. Gelang 
es, diesen in das Deüle von Biscliollbwerda zu werfen, so konnte er 
dort durch geringe Kräfte festgehalten werden, während die verbündete 
Armee sidi dann gegen Ney wendete. Welche Gründe Ton dieser 
Mafwnahme abgehalten haben, ist nicht bekannt geworden; jedenfalls 
war mit dem Unterbleiben dar letzteren wieder einer der unverdienten 
GlttokfifiUIe für Napoleon eingetreten. Anstatt Napoleon anzugreifen, 
wurde am 18. General Barday mit 18000 Mann dem Marschall Ney 
entgegengesandt. Es war dies eine halbe Maforcgel, die nur mehr 
schaden als nutzen konnte. Die Armee-AbteQung Ney's vermochte 
. durch dieselbe nicht wesentlich aufgehalten zu werden und den ver- 
bfindeten Truppen wurden nur unnötige Verluste verursacht. Marschall 
Ney mufste am 20. Abends auf dem rechten Flügel der Verbündeten 
eintreffen. Ks wäre fiir diese am 20. noch Zeit irewesen, die Stellung 
bei Bautzen zu verlassen. Sie konnten bis hinter die Neifse zurück- 
gehen. Napoleon blieb dann nach dem Eintreten Ney 's mit seinen 
grofsen imbehülflichen Massen auf den entasten Raum zusammen- 
gedrängt. Folgte er den Verbündeten, so konnte er an allen natttr- 
Uchen Iliiulernissen aufgehalten werden und Einbufse erleiden. Die 
Alliirten hatten aber aus pohtischen Gründen beschlossen, den Kampf 
anzonehmen, trotzdem die miKtSrisohen entschieden dagegen sprachen. 
Am 20. standen die Verbündeten mit dem linken Flügel auf einem 
kleinen Hfigel hinter Elein^enkowitz; die Fh>ntlinie lief Uber Groi^ 
Jenkowitz und Basohtttz auf Kreckwitz und von dort bis Niedez^^urke 
an der Spree, wo sioh der rechte Flfigel etwas zurttckbog und, die 
Spree vor skh, bis auf den Windmühlenberg von Glein zog. Vor der 
Hauptfrout stand bei Bautzen General Miloradowitsch mit 10000 und 



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28 



Die OperatioiieQ mit MMsenhetran etc. 



auf den Höhen bei Burg General Kleist mit 5000 Mann. Am 20. 
gegen Mittag drängten die Franzosen Milorado\vnit8ch zor&ck und ging 
Napoleon mit seinem reeliten Flügel Uber die Spiee. Dieser Angen- 
blick wäre für die Alliirten günstig gewesen, um mit der ganzen 
Armee gej^en die übergegangenen Teile des Feindes vorzurücken. Das 
6., 11. und 12. französische Korp.s, zusammen etwa (iOOOO Mann, 
konnten in der lür sie äufserst ungunstigen Lage, mit dem Rücken 
an der Spree, von 70000 Mann der V^erbündeten angefallen werden. 
Der Erfolg liätte ein entscheidender sein müssen. Die Alliirten er- 
griffen aber spät Abends nur eine partielle Offensive, die von keinem 
Belang sein konnte. Das 4. französische Korps und alle Truppen 
Ney's, also mehr als 80000 Mann, befanden sich in der Nacht zum 
21, noch auf dem linken Spreeu^, hatten sich jedoch der Fluls- 
ilbergSnge bemächtigt. Die Lage der Verbündeten war thatsäofalich 
am Abend des 20. eine sehr rnKsUche geworden. Die jetit Tereinigte 
französische Armee mufete der alliirten um das Doppelte überlegen 
sein, denn sie war nach der Schlacht bei Lfitien durch das Eintreflfon 
des Korps Victor, des 1. und 2. Kavallerie- Korps, femer von ver- 
schiedenen Transporten, sowie von dem wfirttemb^fgischen Kontingent 
und durch die Neubildung des 7. Korps (Sachsen) wesentlich verstärkt 
worden und zählte mindestens 1 60000 Mann. Es blieb den Allürten 
eigentlich nur übrig, entweder den am 20. verabsäumten Angriff 
zwischen Bautzen und dem Gebirgo am 21. mit Tagesanbruch zu ver- 
suchen, oder sicli in der Nacht schon zurückzuziehen. Es geschah 
aber keines von beiden und die Verbündeten mufsteu in Folge dessen 
am 21. in die verzweifelte Lage geraten, dafs Napoleon ihren linken 
Flügel in weiter Entfernung vom eigenthchen .\ngriffspunkte festhalten 
und Marschall Ney währenddem mit 70000 Mann auf dem rechten 
Flügel der Alliirten die Spree überschreiten, am rechten Thalrande 
des Löbauer Wassers gegen Weifsenburg hin marschiren und auf diese 
Weise die Terbündete Armee ToUständig umgehen konnte. Durch die 
Fehler Napoleon*8 und N^*s wurden die Alliurten jedoch aus ihrer 
gefiihrliehen Lage befreit Napoleon befiuid sich merkwürdigerweise 
während der Schlacht bei seinem rechten FlOgel, wo absolut kmne 
Entscheidung lag; denn dals die Allürten am 21. nicht mehr zur Oifen- 
sive übergehen würden, war woU aus ihrem yorhergehenden Verhalten 
SU ersehen gewesen. Napoleon gehörte zu seinem linken Flügel, um 
hier die entscheidende Umgehungsbewegung zu überwachen. Ney 
hatte aber seine Angabe völlig unrichtig anfgefafst und schliefslich 
ganz aus dem Auge verloren. Anstatt zunächst durch Umgehung die 
wichtigen strategischen Punkte in dos Feindes FUmke zu gewinnen, 
griff er direkt dessen rechten Flügel an und klemmte sich dabei 



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Die Opentionen mit MnmimhfKiiron etc. 



29 



zwischen die Spree, das Löbauer Wasser und die MalscLwitzer, some 
P«tziger Teiche ein. Durch den unzeitigen Angriff auf Proititz zog 
er die Resei-ven Blücher's auf sich, geriet dadui'ch in BedräDgiii£B| 
rief deshalb das Korps Lauriston herboi und zog aucli dieses von der 
Umgehungs-Hewef?ung ab, um es in einen zwccklnseu und zeitraubenden 
Kampf zu verwickeln. Die Verbündeten gewannen währenddem Zeit, 
sich gegeu die L berliü^elung zu sicliern. Napoleon selbst soll den 
Marschall Ney auf l'reititz dirigirt haben. Letzterer hätte aber .sich 
wenigstens sagen können, dafs Lauriston's Verfolgung des Korps 
Barclay das Dorf Preititz vuii selbst in die Hände der Franzosen 
bringen und dals die Abberufung Lauriston's von der für die Ver- 
bündeten gefi&lirlichen Angrifbrichtuug ein acbwerer Fehler sein mulsto. 
Die Sohlaoht wurde dann seitens der AUürten zu rechter Zeit ab- 
gebroohenf denn das Zentrum unter Blücher stand, von drei Seiten 
angegriffen, beraits einer Niederlage sehr nahe. Die französische 
Armee hatte in dem Kampfe sehr bedeutende Verluste erlitten, aUein 
nach Dresden waren 18000 Verwundete abgeführt worden. Napoleon > 
hatte ebenso wie bei Ltttaen einen recht zweifelhaften Sieg errungen, 
ohne Gefangene gemacht, oder ein GescbUtz erobert zu haben. Wenn 
der Krieg für die Franzosen so fortging, gewannen sie zwar immer 
mehr Gelände, entfernten sich aber auch täglich weiter von ihren 
Hülfsquellen. Dabei schlug Napoleon siegreiche Schlachten, in denen 
er gröfsere Verluste erlitt, als der Gegner und durch die er sich 
jedesmal erheWich mehr schwächte, ohne Aussicht zu haben, den Ausfall 
ferner decken zu können. Napoleon beland sich in verzweifelter 
Stimmung und in der gröfstcn Aufregung. Wie gewöhnlich suchte 
er die Schuld an den begangenen Fehlem bei Anderen. Er zeigte 
die höchste Unzufriedenheit mit den Leistungen seiner höheren Generale, 
warf ihnen vor, dafs sie von einer gewonnenen Schlacht keinen Vorteil 
zu ziehen wüIsten, und kfindigte an, d&Is er sidi selbst an die Spitze 
der ÄTantgarde setzen und ihnen zeigen werde, wie man einen ge- 
schlagenen Feind durch eine energische Verfolgung vernichten müsse. 
Der grolse Eroberer, dem bisher kein Mittel gewaltig und glänzend 
genug ersdieinen konnte, gab jetzt das wunderbare Schauspid, dala 
er, der Heerf&hrer, an Miloradowitsch, einem rossiscfaen Avantgarden- 
General, seinen Meister finden muiste. Napoleon vermochte den sich 
zurückziehenden Verbündeten nidits anzuhaben. Nachdem dann eine 
seiner Divisionen unter seinen Augen bei Haynau arg mitgenommen 
worden war, wurde Napoleon sehr vorsichtig. Sein Marsch auf 
Liegnitz, sowie der auf Neumarkt glichen den bedächtigen Bewegungen 
eines Daun. 

Auf Seite der Verbündeten war noch vor dem Bückzuge von 



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Die Operationen mit Kaatanheenii iAo. 



Bautzen der Enteoliluia gefa&t worden, auf der greisen Stralse naeh 
Breslau und Uber die Oder zurückzugehen. Politische Rücksichten, 
die Hoffiiungen auf ein Bundnils mit Osterreush mulkten schon dafür 
maßgebend sein, auiserdem erschien es auch zweckmäfsig, durch einen 
Flankenmarsch der Verfolgxingsrichtung Napoleon's sich zu entziehen. 
Der Marsch der Russen 1812 von Moskau nach Kaluga hatte ein 
anregendes Beispiel dazu gegeben. Für die preufsist-he Armee blieb 
unzweifelhaft dieser Marsch der einzige Ausweg, wenn sie nicht 
Schlesien verlassen, also dasselbe aufgeben und mit den Russen nach 
Polen sich zurückziehen wollte. Die Ln^re in Schlesien war aVier 
ebenfalls eine sehr ungünstige. Die Herstellung der Festung Schweidnitz, 
welche bereits 1812 angeordnet worden, war noch nielit erfolgt, die 
schlesische Landwehr, welche über 40000 Mann stark sein sollte, war 
noch mangelhaft organisirt, grülslenteils nur mit Lanzen, anstatt mit 
Gewehren bewaffnet, noch gamicht eingeübt und irrte seit Eintritt 
des Feindes in die schlesischen Grenawn {danloe umher. In der 
ganzen Provinz bestand kein Magazin , auf das man bis zum Eintritt 
der Ernte rechnen konnte, es fehlte den Preußen an Geld, an 
Gewehren und Munition, selbst an Leder für die Fu&beikleidung. 
Der innere Zustand der rassischen Amee war ebenialls höchst be- 
denUieh. Die mitgefUhrte Munition war verbraucht und es war keine 
Möglichkeit zum 1 jsatz vorhanden, der Nachschub fttr die Aiince 
fand sich in keiner Weise vorgesehen. Der neu ernannte russische 
Oberbefehlshaber Barclay verlangte eine secli.-^w flehentliche Ruhe für 
seine Armee und wollte dieselbe behufs ihrer lletablirung nach Polen 
zurückführen. Es wäre dies der Anfang vom Ende gewesen. Napoleon 
würde diese Zeit haben benutzen können, um die prcufsische Armee 
geradezu zu erdrücken und Schlesien vollständig zu ruiniren. Öster- 
reich vermochte sich nur dann der AlUanz anzuschliefsen, wenn es 
mit den Armeen derselben in Verbindung blieb, Napoleon sie also 
nicht trennte. 1 rat aber letzteres ein, so wäre es jedenfalls zu einem 
Wiedervorrückeu der Russen aus Polen überhaupt nicht mehr ge- 
kommeo. Unter diesen ümatänden war demnach Är die Verbfindeten 
ein seohswöchentlicher Waffenstillstand dringend efforderlich. Napoleon 
hatte von allen diesen Verh&ltnissen keine Ahnung. Die Verbündeten 
waren von Bautzen nach Görlitz und dann in zwei Kolonnen über 
Naumburg a. 0., Dünzlau, Haynau und über Lauban, LGwenberg, 
Goldberg, Striegau unter glänzenden Nachhutsgefechten nach dem 
Lager von Pfiltzen bei Schweidnitz zurückgegangen. Dieser Marsch 
auf Schweidnitz hatte Napoleon imponirt. Hätten die Verbündeten 
eich auf Breslau zurückgezogen, Napoleon würde nimmermehr einen 
Waffenstillstand abgeschlossen haben. Er hätte den Antrag, oder 



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Die OperatknoD mit Mannheewa etc. 



81 



sellMt nur die EinwilligaBg der AUürtea zu einem solchen als ein 
Eingeetändnib angesehen^ dafe sie desselben dringend bedurften. In 
dem Manche auf Schweidnitz glaubte aber Napoleon den Beweis zu 

erblicken, dufs die Verbündeten fest gewillt seien, einen energischen 
Widerstand fortzusetzen. Daasu kamen die Bewegungen Bülow's im 
Rücken der Franzosen bis Hoyerswerda, die kühnen Unternehmungen 
der Parteigänger der Alliirten am linken Elbufer, endlich die Stellung- 
Österreichs, welche anfin^^ für die Franzosen gefiihrlich zu werden. 
Alle diese \'erhiUtnissc zeigten Napoleon nur die Gefahren seiner 
eigenen Lage. Dafs bei den Verbündeten ähnliche Umstünde obwalten 
konnten, daran dachte er nicht und seldofs demnach am 4, Juni den 
Waftenstillstand von Poischwitz ab Es sind in diesem Frühjahrs- 
feldzuge von 1813 allerdingti noch keine Massenheere auf dem knegs- 
schauplatze angetreten, dieselben waren erst noch in der Vorberdtung, 
bezw. in der Yersaomilung und im Anmaieohe begrififon. Indessen 
war eine eingehendere Betrachtung der kriegerisohen Begebenheiteil 
yot dem Waffenstillstände wohl notwendig zum vollen Verständm& 
der Eriegsl'ige» wie solche bis zum Wiederbeginn der Feindseligkeiten 
sich entwickelt hatte. Auch liefert die besprochene Feldzugsperiode 
einen sehr wesentlichen Beitrag zur Charakteristik Napoleon^s als Heer- 
führer. Mit dem Abschlüsse des Waffenstillstandes hatte Napoleon 
den gröfeten Fehler in seiner ganzen kriegerischen Laufbahn begangen. 
Er hatte vorher bei Liegnitz den Fehlgriff gethan, dafs er seine 
Armee abermals in drei Abteilungen trennte. Die Detachining eines 
Korps von 30000 Mann über Neumarkt nach Breslau hatte ihm gar- 
nichts nutzen können. Napoleon hätte vielmehr mit seinen gesammten 
Streitkräften dem Gegner über .lauer nach Schweidnitz folgen und 
dort eine Schlacht aufzwingen sollen. War die strategische Lage 
Napoleon's auch eine schwierige, so mufste er sich docli .sagen, dafs 
es für beregte Operation nur weniger Tage bedurft hätte, dafs seine 
üumeribche Überlegenheit ihm die GewÜsheit gab, in einer neuen 
Schlacht das Feld zu behaupten und dals die Folge davon der Rückzug 
der Russen über die Oder, ihre Trennung von Österreich und die 
Isolimng der pieulsischen Armee auf einem kleinen Baume, an einem 
Endpunkte der Monarchie gewesen wäre. Durfte dann Kapoleon in 
seiner strategischen Lage die Sache nicht bis aufs ftufierste treiben, 
so war es noch immer Sisit, Unterhandlungen anzuknüpfen. Mit dem 
Waffenstillstände von Poischwitz unterschrieb aber Napoleon in seiner 
Ratlosigkeit geradezu sein Todesurteil. 

Während der politischen Verhandlungen benutzten beide Teile 
die Zeit der Waffenruhe dazu, sich möglichst zu verstärken. Die 
Unterhandlungen zeigten wohl bald, da& sie zu keinem ^frieden führen 



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32 



Die Operatioiien mit Maasenheereu etc. 



würden; Napoleou scheint sich aber doch bezüglich der Absichten^ 
welche Österreich gegen die Yerbfindeten hegte, sehr getftiudit zo 
liaben, denn enden l&fiit >ieh die unrichtige Vwtoiluug seintt Stielt" 
kräfte beim Ablauf des WaffenstUlstandea nicht erklären. Er wurde 
dnidi dieselbe gleich in den ersten Tagen nach dem Wiederausbmch 
der Feindseligkeiten völlig zur DeÜsnatTO Temrteilt. Sein Heer betrog 
-jetzt 880000 Mann, einschlielslich 34000 Reiter, mit 1300 Geschützen. 
Freniaen and Rulsland hatten sich durch die sdivedische, englische 
und norddeutsche Allianz verstärkt. Die Oesammt-Streitkräfte be- 
liefen sich jetzt nach Abrechnung der notwendigen Blokadetruppen 
auf 370000 Mann, einschliefslich 85000 Reiter, mit 1070 Geschützen. 
Aufserdeui stand noch in Polen eine Reserve-Annee von ')700() Mann 
bereit. Napoleon mufste also erwarten, nach Ablauf des Waffenstill- 
standes mindestens eine Armee von gleicher Stärke sich geixenübor 
zu finden. Trat aber Österreich der Allianz bei, so sahen sich die 
Franzosen einer Überlegenheit gegenüber, welche der Hälfte des 
eigenen Heeres gleichkam. Dieser letztere Fall mufste doch unter 
ulli ii IJuiständcn vüinehnihch von Nai)oleon in's Auge gefafst werden; 
trat Uei-selbü nicht ein, so war der Übergang zu dem anderen weniger 
schwierigen Fall um so leichter. Vor dem Waffenstillstande war die 
Breite des Kri^gstheaters für Napoleon durch die Entfemimg^ von 
Dresden bis zum Ausfluß der Oder bezeichnet gewesen, durch Öster- 
reichs Beitritt zur Allianz muiste sie sich aber um das doppelte, 
nSmlidi Ins zum' Adriatisehen Meere yergrölsem. Der ausspringende 
Winkel, den Böhmen gegen Franken macht, lag dann ziemlidi in der 
Hälfte der neuen Linie, in welcher die Verbündeten gegen Napoleon 
auftraten. Waren vor dem WafTenstiUstande die Operationen für den 
rechten Flügel der franzöeisdiai Armee durch die Strafse Mainz — 
Dresden begrenzt gewesen , so wurde diese Begrenzung jetzt bis an 
die Strafse Alessandria — Verona— Vicenza—Conegliano verlegt. Es 
mufste also die lange Linie von der Ostsee bis zum Adriatisehen 
Meere in Ikniacht gezogen werden, auf welcher die AUiirtcn ihre 
Massen gegen den Rhein vorschieben konnten. Das Erzgebirge und 
die Tiroler-, bezw. Steierischen Al])en bildeteu drei Abbchnitte. In 
dem ersten davon, zwischen der Ostsee und dem Erzgebirge, besafs 
Napoleon siimiutlichc i^'estungen der Elbe, Oder und Weichsel mit 
Ausnahme von Graudenz und Thorn. Er fesselte durch diese Plätze 
eine groise Zahl feindlicher Truppen, er konnte den Abschnitt sogar 
auf eine gewisse Zeit ganz verlassen und sicher sein, ihn doch wieder 
als sein halbes Eigentum wiederzufinden. Napoleon konnte nicht 
wissen, ob die Hauptkräfte des Feindes im ersten Abschnitte, oder 
zwischen dem Erzgebirge und den Alpen anzutreflEisn sein würden. 



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Die Operationen mit Maaseuiieeren etc. 



Warf er seine sämmtlicheu Kriiitu lu den ersten Abscluiitt, so lief er 
demnach Ge&hr, vielleicht schon durch diese fehlerhafte Mal^nahme 
sieh auf eine DefensiTe Terwiesen zu seihen, aus der er sich nur mit 
Zeitferlust wieder firaimacfaen konnte. Die Feetungen Erfurt und 
Wfiizliuig, welebe Napoleon im Heraen Deutschlands besals, standen 
in zweoknüUsiger Verbindung mit seinen Rheinfeetungen, es war daher 
strategiseh auch nicht ungünstig, wenn er den Eti^gsschauplatz mehr 
nach dem Süden zu verrückte. Politisch brachte eine soldie stra- 
tegische Mafsregol aufserdem den Vorteil, dafs Napoleon dadurch die 
mächtigsten Rheinbuiulfürsten, die keineswegs wohl aus zärtlicher 
Anhänglichke it zu ihm hielten und auf die der Beitritt Österreichs 
zur Allianz eventuell einen grofsen Eindruck machen mufste, mehr 
unter den Augen behielt. Aber nicht nur auf einen anderen Kriegs- 
schauplatz, als den bisherigen, wurde Napoleon bei dem Beitritte 
Österreichs zur Allianz durch die Natur der Verhältnisse gewiesen, 
sondern diese mufsten ihn auch auffordern, in der kräftigsten OlTen- 
sive sein Heil zu suchen, und eine solche konnte nur in dem zweiten 
Abschnitt gegen den böhmischen Kessel gerichtet sein. Wenn 
Napoleon wihrend der Waffenruhe unter dem Verwände von Ver- 
pflegungsrücksichten seine in Schlesien und l&ngs der sächsischen 
Grenze gegen Berlin auj^gefitellten Armee-Korps so weit suräckgezogen 
h&tte, da& sie hdchstenB sechs Märsche Ton dem Funkte entfernt 
standen, auf welchem sie in Böhmen eindringen sollten, so konnten 
bei der sechstägigen Kündigungsfrist der Waffenruhe mit dem Ab- 
laufe derselben 150000 Mann über Zittau und Rumbuig, 150000 Mann 
über Petei-swnide und auf allen Gebirgsüberjg^ngen bis nach Karlsbad, 
die 20000 Mann der Rf^sen-e unter Augereau von Würzbui^ über 
Eger, das 0. Korps Wrede mit 25000 Mann Baiern über Waldmimrhen, 
im Ganzen also 345UOU Mann in Böhmen einrücken. Am tünften 
und sechsten Tage mufste dann die Ilauptannce bei Prag, eine Ab- 
teilung von 50000 Mann aber an der oberen Mulde bei Teyn stehen. 
Sämmthche Verbindungen zwischen der Elbe und Erfurt waren auf- 
zugeben und dagegen solche über Eger und Buiuberg uach Würzburg 
einzurichten. Wo es dann auch in Böhmen zur Schlacht kommen 
mochte, durfte Napoleon immer sicher sein, da& die im ersten Ab- 
sdinitte befindlichen Streitkräfte des Feindes nicht im Stande waren, 
dabei mitzuwirken. Napoleon hätte den Vorteil der Initiative gehabt, 
den Gegner unvorbereitet gefunden und dessen gewi& sein können, 
dals vor 12 bis 14 Tagen die feindlichen Kräfte aus dem ersten Ab- 
schnitte nicht heranzukommen vonnochten, und dafs so lange also 
die in Böhmen stehenden Truppen der Verbündeten ihrem Scliicksale 
fibeilassen blieben. Siegte Ni^leon in Böhmen, oder geUmg es ihm, 

Jakrbidiw Sbr Ii« OmiMiM AiBM IB« HuIb». B4.9T. 1. 3 



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34 



Die Operationen mit Maasenheeren etc. 



den Gegner von hier nach Mihren znrOokmdrfingen, so war dar 
Feldzag entschieden. Schweriiöh Tennochten dann die Anneen der 
Verbfindeten, bei den groben Rinmen, die sie sa dnrohmeeeen hatten, 

sobald wieder zu einer solclien Voreinigung zu gelangen, d&b sie vor 
Eintritt des Winters noch das französische Heer zum Rückzog ttber 
den Rhein zwingen konnten. Wurde Napoleon aber in Böhmen ge- 
schlagen, so stand er demnächst in Franken auf dem richtigen Punkte, 
um von dort den Rückzug fortzusetzen, oder zu einer neuen Offensive 
überzuf^ehcn. Napoleon, welchen die Welt als Feldherrn anstaunte, 
that von dem allen, was er hätte thun sollen, Nichts, Er bheb bis 
zum Ablaute des Waffenstillstandes längs der Demarkationshnie in 
einem Halbkreise von Zittau, Goldberg, Liegnitz, mit dem linken 
Flügel an Wittenberg stehen; das Hauptquartier war in Dresden, wo 
auch die Garden sich befanden. Auf Seite der Verbündeten ilagcgeu 
hfttte man die Situation richtig erfaJat nnd Alles wohl berechnet, was 
der Gegner hätte thun können. Man bildete daher emfacfa drei 
Armeen, die groD^ in Böhmen zu 230000 Hann, die scblesiache mit 
100000 Mann nnd die Nord-Aimee hei Berlin mit 120000 Mann. 
Zweckmälsiger wSre es vielleicht noch gewesen, die Annee in Sehlesifln 
anf 200000 Mann zu bringen und bei Berlin nur ein kleines Ohser- 
vations-Korpe zu belassen. Wenn Blücher mit 200000 Mann bereit 
war, Napoleon fiber Zittau zu folgen, oder sich bei Dresden mit der 
grolsen Armee zu vereinigen, so hätte dies den Erfolg des Krieges 
in ganz anderer Weise gesichert, als wenn man dem Glück, oder dem 
Zufall überlassen mufste, ob die Nord-Ainiec zu rechter Zeit an- 
kommen und die Vereinigung mit den übrigen Armeen bewirken 
werde. Die Rücksichten auf die nördhchen Verbündeten, die Si-bweden, 
Hannoveraner u. s. w., liefsen aber eine solche Verteilung der Kriifte 
nicht ürmöglichcn, wie heilsam sie auch für das Ganze gewesen wäre. 
Dagegen beging Napoleon den grofsen Felder, dafs er am rechten 
Elbnfer zwisoihen Wittenberg und Berlin eine Armee stehen lieüs und 
diese Kri(fte also den gegen den Feind in Schlesieii und Böhmen auf- 
gestellten Heecesabteilnngen entzog. Dadurch wurde für die Ver- 
hündeten wieder der Nachteil ausgeglichen, welcher durch die Bück- 
sichten anf die nördliche Koalition herbeigeführt worden. Ein Vor- 
dringen der Nord-Armee Über die Elbe h&tte Napoleon niefat zu 
fürchten brauchen, denn bei einem solchen Wagnifs dieses Gegners 
würde er immer Zeit gehabt haben, ihn auf dem linken Elbufer mit 
t^hormacht anzufallen. Napoleon Tersammelte beim Ausbruch der 
Feindseligkeiten 150000 Mann am Bober zu einer Offensive in 
Sthlcbicn ; 7(HKH) Mann waren ?.um Teil an der Elhe /urückgebliehen, 
zum Teil auf dem Marsche in der Lausitz i das J^avallehe-Korps des 



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Die Operadonem mit Maflaenheeren etc. 



85 



Herzogs von Padua stand mit 8000 Pferden bei Leipzig iind 70000 
liaun unter Oudtnot waren beitiiiiint, gegen Berlin und die Nord- 
Armee woL operirea. Bawnet mit 90000 H«m bei Hamburg, Augereau 
mit 20000 bei WOrsbnrg nnd Wrede mit 25000 Beiern gehörten ihrer 
Entfemimg wegen eigentlich nicht sn der operirenden Armee. 

Ondinot wurde auf admem Vormarsche g^gen Berlin, wShrend 
er in der von BrQchen und Kanilen duroheohnittenen Gegend Ton 
GroAbeeren in drei getrennten Eolomien vordrang, in einzehien eeiner 
Korpe angegriffen. Bülow schlug am 23. August imt 30000 Mann 
eine u n geflih r gleiche Zahl, aber derartig Temichtend, dafs die 70000 
Mann starke französische Armee sich schleunigst auf Wittenbei^ 
zurUckzieheu mulste. Ein glänzendes taktisches und strategisohee 
Resultat. 

In Schlesien war Blücher der Übermacht Napnleon's bei Löwen- 
berg ausgewichen, indem er hoÜ'te, den Gegner noch weiter in das 
Land hineinzuziehen. Napoleon hatte aber am 23. früh die Nachricht 
von dem Vorrücken der verbündeten grofsen Annoe auf Dresden er- 
halten und eilte dorthin, während er MaciluiuilJ mit 70000 Mann 
gegen Blücher surüdclieft. Sowie Blücher den Abmarsch Napoleon's 
er&hreu, ging er sofort dem in vier Kolonnen weiter Tonrttekenden 
Macdonald entgegen, fiel mit Überlegenheit ttber eine dieser Kolonne 
ber und bradite dadurch am 26. August der Armee Maodonald's an 
der Katebach eine so gewaltige Niederlage bei, dals dieselbe 30000 
Mann einbfiJste. 

Ondinot und Macdonald waren also geaddagen, siegte jetzt noch 

die grofse Armee der Alliirten bei Dresden, so war wahrscheinlich 
Napoleon's Schicksal in Deutschland entschieden. Doch das alte 
Glück sollte ihm noch einmal zur Seite stehen. Napoleon hatte auf 
seinem Marsche von Schlesien nach Dresden ROOOO Mann mitgeführt, 
einschliefslich der Truppen bei Zittau und in der Lausitz, und war 
in Gewaltmärschen zunächst nach Stulpe gegangen, das er am '25. 
erreichte. Hier befand er sich in gleicher Entfernung von den Elb- 
ühergängen Dresden und Königstein. Nachdem er jetzt die Lage der 
Dinge übersehen hatte, entsendete er Vandanmie mit 50000 Mann in 
den Rücken der Verbündeten gegen die Strafse Pirna — Töplitz und 
wendete sich seihet mit 100000 Mann nadi Dresden. Die greise 
Armee der Verbündeten hatte am 22. August die böhmische Grenze 
in vielen Kolonnen zwischen Nollendorf und dem Blasberge über- 
schritten. Sie hätte diese Bewegung eigentlich schon eine Woche 
früher ausführen kOnnen. Vom 22. an machte dann der linke Flügel 
eine Rechtsschwenkung gegen Dresden, bei welchem der recbte ab 
FiTOt drei Tage lang imthätig Terharren mulste. Endlich rückte auch 



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Die Operationen mit Ma—enheeren etc. 



der rechte Flügel gegen Dresden vor, liefs dabei aber den Elbüber- 
gang bei Königstein ganz aul'ser Acht, wo die Brücke unzerstört 
blieb. Das befestigte Dresden war noch am '25. nur mit 30000 Mann 
besetzt. Der Angriff dar Verbündeten erfolgte jedoch erst am 26., wo 
Napoleon bereits eintraf und mit Erfolg in die Verteidigung eingriff. 
Am 27. August ging Napoleon seinerseits sor Offensive über und 
brachte dem Gegner einen Verlust Ton 30000. Mann bei. Auf die 
Nachricht aber, dals Vandamme in der Richtung von Königstein 
gegen Pirna vordringe und die Verbindung mit Böhmen bedrohe^ 
traten die Verbündeten dann in der Nacht zum 28. den Rückzug 
an. F^creits an diesem Tage mufste sich General Osterraann 
mit 15000 Mann auf der Strafee Pii-na - Teplit;? förmlich durch- 
schlagen. General Barclay aber, welchem ebenfalls diese Chaussee 
zugewiesen war, warf sich rechts in die Kolonnenwe^e , welche 
für die österrciehist-hen Truppen bestimmt waren. Es wurden 
hierdurch Unordnungen und Verwirrungen mancherlei Ai-t hervor- 
gerufen. Das (ilück stand indessen diesmal der alliirten Armee zur 
Seite. Napolioii. von den rnglücksfiillen in Schlesien und der Mark 
unterriclitot, lut-lt plötzlicli in der Verfolgung inne und gab dadurch 
der grofsen Armee in Böhmen Zeit und Gelegenheit, sieb aus ihrer 
milslichen Lage herauszuziehen. Napoleon mulste sich auf die Nach- 
richt von den Niederlagen Oudinot*s und Hacdonald*s allerdings wohl 
die Frage vorlegen, ob es widitiger sei, die grofira Armee der Ver- 
bündeten eneigisch zu verfolgen, oder einem der geschlagenen MarschiUe 
SU Hülfe zu dien. Wenn er abw in Betracht zogt dals bei Eingang 
der Unglücksbotschaft von Macdonald bereits vier Tage über die 
Katastrophe hingegangen waren und dafs der Marschall noch ebenso 
lai^e sich selbst überlassen bleiben mufste, ehe die Unterstützung 
ihn erreichen kunnte, so mufste Napoleon sich doch sageUi dals dort 
vor der Hand nicht viel mehr zu mnchen war. Ks kam auch gamieht 
so sehr darauf nn. ob Macdonald schliefslich bei Dresden sich über 
die Klhc ziehen mufste. Unbedingt gebot alter die Hegel der Kriegs- 
kunst, die geschlagene grofse Armee der Verbündeten so lange zu 
verfolgen, als sie nicht in der Lage war, einen neuen imd unüber- 
windlichen Widerstand entgegen zu setzen. Als Napoleon sich aber 
am 30. an der Spitze seiner Truppen auf dem Marsche gegen Peters- 
walde be&nd und in der Richtung der Eingänge von Böhmen Kanonen- 
donner vernahm, da lieik er sich ohne Weiteree einreden, dals das 
Gefecht sich entferne, für die Franzosen also siegreidi sei, und gab 
leichtsinnig die Verfolgung au^ ohne Nachricht von Vandamme ab- 
zuwarten, und unbekümmert, was aus diesem seinem General werden 
würde. So kam es denn, dals Vandamme, welcher am 30. vor Prieeten 



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Die Operationen mit Masaenheereu etc. 



37 



bei Cidm gegen 45000 Mann unter Barclay im heftigsten Gefecht 
stand, statt der firansOsischen Koips Mortier und St Cyr, pldtzlioh 
das preiiiflische Eoipe Kleist in seinem Rttcken erscheinen sah und 
dann ToUatlndig Temichtet wurde. Napoleon hatte seinen General 
onfiuih im Stich gelassen. Er war noch vor Peterswalde umgekehrt 
und nach der Lausitz abgerückt, während er Ney beauftragt hatte, 
mit der yerstärkteu Armee -Abteilung Oudinot's einen neuen Angriff 
auf Berlin zu unternehmen. Es war eigentümlich, dafs Napoleon mit 
einer trewissen Leidenschaftlichkeit darauf bestand, gegen die Nord- 
Armee einen Sieg zu erfechten. Ein Erfolg in der Mark \\'ürdc vor- 
lautig doch gar keinen Vorteil für die gi'ofsen Operationen gebracht 
haben. Die alte Erobernn^fssiiclit mufs Napoleon geradezu un- 
widerstehhch zur Einnahme der feindlichen Hauptstadt getrieben liaben. 

Die preufsischen Truppen der Nord -Armee standen südlich von 
Jütorbogk. Ney drängte am 5. September die preufsischen Vor- 
truppen bis hinter Zahna auf Jütorbogk zurück. In Folge der Vor- 
wirtsbewegung der Franzosen war BfUow mit seinen Hauptkräften 
in der Nacht zum 6. links marsohirt und stand am genanntem Tage 
fiüh xwei Meilen metlich Jttterbogk bei Eckmannsdoif in der linken 
Flanke des gegen ersteren Torrttckenden Ney. Der französische An- 
griff anf Tauentzien's Korps bei Jiiterbogk führte dann am 6. Sep- 
tember zu der Schlacht bei Dennewitz, in welcher Bfilow einen 
^ftnzenden und entscheidenden Sieg erfocht. Die Franzosen erlitten 
eine Eiubufse von 15000 Gefangenen allein und gingen in wilder 
Flucht nach allen Richtungen hin zurück. Bülow liatte mit 50000 
Mann den 70000 Mann starken Gegner bis zur Vernichtung gescliKigcn, 
aber nicht die Erfolge waren es, die dem preufsischen Eührer den 
Stempel der Griifse aufdrückten, sondern die Entschlüsse, welche er 
in den wichtigsten Augenblicken fafste. Bülow hat sich in dieser 
Schlacht geradezu als Meister gezeigt. Mit dem Schlage bei Denne- 
witz endete wieder ein Abschnitt des Feldzuges. Die Verbündeten 
beschlossen, sich erst durch die Reserve-Armee von 57000 Mann unter 
Bennigsen zu verstärken, ehe sie zu einem allgemeinen Übergange 
über die Elbe schritten. In Folge dessen trat ein rieizehnt&giger 
Stillstand in den Operatbnen ein, so dalh wfthrend dieser Zeit nur 
der kleine Krieg fortwährte. Napoleon blieb seiner fehlerhaften 
Trennung in drei Armeen auch femer getreu, und war dadurch in 
die Defensive zurückgeworfen. Dabei schlug er die taktischen Vor» 
teile zu hoch an, welche ihm durch den Besitz der Elbe und der 
Feetungen an diesem Strome gesichert schienen. Napoleon sah sich 
jetzt durch die Verbündeten in einem Halbkreise umschlossen, der in 
seiner Ausdehnung über 40 Meilen betrug. Die üauptarmee der 



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38 



DIb Onnriilioiifin uit Munnlieeran 6toi 



AUiirton war von der Mthleauclieii durch unwegwine Gebirge gefcreimt. 
Während die grade Entfernung ans dem Thal Ton Teplitz nach 
Bautzen kaum 10 Meilen beträgt» hatte eine Armee, welche von 
dem einen dieser Punkte nach dem anderen marschiren wollte» einen 
Weg von beinahe 20 Meilen surückzulegen. Die Hauptmassen der 
Nord-Armee waren von der schlesischen ebenfalls vnedor in einer 
Entfernung von 25 Meilen aufgestellt. Diese Verhältnisse waren für 
Napoleon also äufserst günstig. Er hatte die inneren, kürzeren Linien 
für sich, vermochte sein Heer schnell zu konzentriren und über eine 
der drei Armeen des Gegners herzufallen. Dabei konnte kein Zweifel 
darüber bestehen, welche der feindlichen Ai meen das nächste Angriffs- 
objekt sein mufste. Der Nord-Armee der Verbündeten lagen die 
Festungen Wittenberg und Torgau, der schlesischen aber Dresden und 
Konigstein gegenüber, vor beiden beüuid neb die Elbe, wdche nicht 
ohne Obergange übenchritten werden konnte und deren Ufer anllaer- 
dem nicht überall gestatteten, Brücken su schlagen. Die grolse Armee 
dagegen stand in und hinter dem Erzgebirge. Napoleon konnte 
-wissen, dals sie das Gebirge nur schwach Yerteidigen und die Schladit 
dahinter annehmen würde. Es unterlag keinem Zweifel, dafs Napcdeon 
sie zur Schlacht nötigen konnte. Denn wenn die verbündete gro&e 
Armee gegen Prag hin ausweichen wollte, gab sie freiwillig auf, was 
sie nur durch eine Schlacht verlieren durfte, nämlich ihre eigene 
offensive Stellung und die der beiden anderen Heeresabteilungen. Zog 
Napoleon die Reserven von Würzburg, die Armeen von Ney und 
Macdonald am Fufse des Erzgebirges zusammen , wozu er vier 
Tage brauchte, so verstärkte er seine Uuuptarmeu um mehr 
als 100000 Mann und konnte am sechsten Oporationstage in dem 
Thale von Teplitz zur Schlacht bereit stehen. Er wäre dann der 
groJDsen Armee der Verbündeten überlegen gewesen; weder die 
Nord-, nodi die s chl e s i B ch e Armee hätten rechtzeitig zur Mitwirkung 
herankonunea können nnd, wenn Napoleon siegte, vennochte er mit 
100000 Mann bald wieder bei Dresden zu erscheinen, während der 
Beet seiner Armee den geedilagenen Feind Terfolgte. Anstatt an 
solche grolse Mafsregeln zu denken, verbrachte aber Napoleon den 
Monat September mit schwächlichen und gänzlich wirkungslosen Ver- 
suchen bald gegen die schlssische» bald gegen die grolse Armee. Auf 
Seite der Verbündeten dagegen wurde beschlossen, mit der durch 
Bennigsen verstärkten Hau])tarmee das Erzgebirge zu überschreiten, 
die schlesische aber reclits abmarschiren, in der Gegend von Witten- 
berg gleichzeitig mit der Nord-Armee über die Ellje pehcn zu lassen 
und dann mit diesen beiden Ileeresabteilunjzen t itu; reiuigung im 
Rücken des Feindes zu bewirken. Diese Operation gehörte zu den 



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Die Opentfoueo mit Miwiiwihotwii etc. 



89 



schönsten Mafsregeln des ganzes FoldzugeB, sie war eine wahrhaft 
künstlerische Kombination und wurde ebenso meisterhaft ausgeführt. 
Napoleon aber, der schon lange nicht mehr gewöhnt war, sein eigenes 
Handeln durcli fn inde Anordnungen irgendwie beeinflussen zu lassen, 
wiegte sich noch iiamor in dem Gedanken der Unüberwindlichkeit 
seiner Elblinie. Sd war denn durch IMücher's Thätigkeit sein Über- 
gang über die Eibe bei Wartenburg bereits ausgeführt, ehe Napoleon 
noch etwas that, was darauf schliefsen lassen konnte, dafs er über- 
haupt schon l'ilücher's Abmarsch von Bautzen erfahren hatte. Am 
9. Oktober war der Gebirgsübergang seitens der grofson Armee v<j11- 
bracht und stand dieselbe mit ihren Hauptmassen bei Chemnitz, 
w&hrend die Noid-Armee nnd die schlestsche sich bei Dttben und 
JelsnÜB an der Mnide vei^inigt befanden. Über den Zweck dieser 
BewQgimgen konnte Napoleon nicht Iftngor mehr im ünUaren bleiben. 
Vier Marsohe trennten nur nodi die beiden Heeresgruppen der Ver- 
bltndeten, Leqoig lag nngefiUir in der IGtta zwischen ihnen. In zwei 
Tagen konnten sie idso dort vereinigt sein, wo sie ein yortreffliches, 
für sie passendes Schlachtfeld fianden. Napoleon hätte jetzt doch sich 
selbst Rechenschaft darüber geben sollen, ob er denn überhaupt nooh 
die freie Wahl seiner Operation hatte, und ob die früher geschaffenen 
Vorteile der Elblinie auch jetzt iiocli als solche fortdauerten. Er 
hätte doch zu der Erkenntnil's kommen müssen, dafs oi- nicht mehr 
die Begebenheiten beheri-sehte, dafs diese vielmelir seine Gebieter ge- 
worden waren. Unter ähnlichen, allerdings kleineren und einfacheren 
Verhältnissen war Napoleon 1796 vor Mantua zu dem Ent^cldufs ge- 
kommen, Alles fahren zu hissen, was er durch Geduld und Zeit ge- 
wonnen hatte, um die wichtigeren Zwecke zu erreichen. Hätte er 
jetzt entsprechend gedacht, er würde Dresden, die übe imd aQe seine 
Flioe der nidisten Zukunft aufgegeben haben und mit allen seinen 
Streitkräften nach Leipzig geeilt sein, um Tor allen Dingen wieder 
frei und sein eigener Herr zu werden. Den grolsen, gewaltigen Ver- 
biltnissen war aber Napoleon jetzt nidit gewachsen, dazu reichte 
seine Charakter- und Geisteestärke nidit mehr aus. Seine eitle Ein- 
bildungskraft, die ihn so ofb schon getäuscht hatte, liefs ihn seine 
htigo noch immer als eine glänzende ansehen und er hielt fest an 
seiner Elblinie. Er liefs 30000 Mann unter St. Cyr bei Dresden 
zurück, marschirte mit den llauptkräfben in der Richtun«:; auf Leipzig 
ab und stand am 9. Oktober in vier Gruppen, bei Eilenburg, zwischen 
Borna und Leipzig, bei Delitzsch und bei Naumburg. Noch hatte 
Napoleon es also in seiner Gow^alt, am 10. Oktober das Heer bei 
I-«eipzig zu versammeln und sich dadurch die \'erbindung mit dem 
Rhein zu sichern, welche bereits durch die iUliirteu unterbrochen 



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40 



Die Opentfeneii mit M— emheeren etc. 



werden konnte. Jedoch der grofse Irrtum, in dem Napoleon eigen- 
sinnig sich fortbewegte , zog einen Fehler nach dem anderen nach 
sich. Wolhe Napoleon Dresden nicht verlassen, so mufstc er mit der 
Front naeli Westen die Elbe hinter sich behalten. Wäre genannter 
Punkt aber von ihm aufgegeben worden, so hätte er sich an der 
Suali. mit dem Riieken gegen Erfurt und den Rhein aufstellen können 
Nichts vermochte ihn noch am 12. Oktober daran zu verhindern. 
Auch lag es noch immer in seiner Gewalt, irgend eine andere 
Stellung Bwiadien Leipzig und Naumburg zunfibmen. Napoleon jedoch 
unterlielk beides und niemand wird die Ideen Terstehen kdnnen, 
welche ihn m. seinen wnnderbaren Bewegungen vom 9. antrieben. 
Das 7. nnd 11. Korps nebst dem 2. Eavallerie-Korps, znsammen etwa 
35000 Hann, wurden gegen Wittenberg entsendet, 20000 Hfum auf 
Dessau, 1500 nach Wartenburg. Das 7. Korps Beynier und das 
2. KaTallerie-Eorps waren auf das linke Elbufer übergegangen und 
trieben die schwachen feindlichen Blokadetruppen flufsab?rÄrt8 bis 
Zerbst. Am 13. wurden alle diese französischen Abteilungen nach 
Leipzig zusammengezogen, wohin aucli Na[)oleon am 14. mit den 
Garden von Düben ausrückte. Man hatte wohl angenoumien, dafs 
den Bewegungen vom 9. bis 13. die Absicht zu Grunde lag, die 
schlesischc und Nord-Armee wieder zum Zurückgehen auf das rechte 
Elbufer zu bewegen. Wenn Napoleon dies aber gewollt hätte, so 
würde er doch nicht bestrebt gewesen sein, den Gegner hier von 
seinen Brücken zu trennen. Die Mafsregeln Napoleon's vom 9. standen 
TöDig mit dem in Widerspruch, was sein eigenes Interesse erheischte. 
Durch den Angriff auf die £3bbräcicen im Rttcken der schlesischen 
und Nordarmee wurden letztere gerade in die Notwendigkeit veisetzt, 
das Elbufer zu verlassen und sich der Hanptarmee zu nfthem. Am 
9. in Dttben hatte Napoleon noch die Wahl gehabt, am rechten oder 
linken Muldeufer nach Jelsnitz, oder nach Bitterfeld zu marschiren. 
Dort hätte er am 11. mit 120000 Mann stehen und der vereinigten 
schlesischen und Nord-Armee, welche nicht mehr als 116000 Mann 
zählte, eine Schlacht anbieten können. Wollte der Gegner ausweichen, 
so konnte dies nur über die Elbbrücken bei Rofsla und Aaken, 
oder durch einen Übergang über die Saale bei Bernburg bewirkt 
werden. In beiden Fällen vermochte Napoleon sich dann mit 
160000 Mann gegen die 140000 starke Hauptarmee der Ver- 
bündeten zu wenden, und war dabei sicher, eine Schlacht schlagen 
zu können, ohne Gefahr zu laufen, durch die anderen feindlichen 
Armeen dabei belästigt zu werden. Welche Gründe Napoleon 
gehabt, dieser unzweifelhaft zweckm&fidg gewesenen Operation die 
Unternehmungen gegen die Brücken der Nord-Armee vorzuziehen, ist 



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Die Operation»! mit ICaaeenheeren etc. 



41 



nicht bekannt geworden. Die fünf Ta^o vom 9. bis 14. Oktober 
hatten der verbündeten Ilauptarmee Zeit gegeben, die Tiefe ihres 
Anniarsclies z\i verringern, und der schlesisehcn, welrlie sic}\ bei der 
Kordarmee vorbei auf deren rechten Flügel gezogt u liatte, iiüt der 
Hauptarmee in Verbindung zu treten. Die Linie, welehe die Alliirtcn 
von Aalen über Halle, Merseburg, Lützen, Zwentau und Rötha eiu- 
nahmen, betrug 15 Meiieu. Sie iiatte den Nachteil, dafs sie zweimal 
von der Elster und deren breiter Thalmündung durchschnitten wurde. 
Die KrSfte der Verhünctoten winden also, ftm oder nahe vor Leipzig 
immer in drei Teile getrennt, von denen ein jeder entweder eine 
solche Stärke erhalten mulste, daih er selbstetändig die ScUacbt 
mit Napoleon annehmen konnte, oder wemg^tois die Gelegenheit 
haben mdste, dem EinselkampfiB ausEUweidien und ndi an einen 
anderen Teil heranzuziehen. Das Heer der Verbündeten war aber 
mit seinen 265000 Mann noch lange nicht stark genug, um mit jeder 
seiner drei Armeen den 170000 Mann Napoleon's entgegentreten zu 
können. Unter diesen Umständen fafete man denn auf Seite der 
Alliirten den allein richtigen Entscblufs, mit der Hauptarmee südlich 
von Leipzig zur Sehlacht heranzurücken, während die schlesischo und 
Nord - Armee durch gleichzeitigen AngriiT einen Teil des feindUchen 
Heeres beschäftigen sollten. Die \'erbündeten griften am IG. an. Sie 
hatten an diesem Tage noch nicht 200000 Mann zur Verfügung, da 
die Korps von Bennigsen und CoUoredo erst im Anmarsch waren und 
der Kronprinz von Schweden die Nord - Armee noch zurückhielt. Li 
Folge der fehlerhaften Anordnungen Schwarzenborg's hatte sidi der 
Kampf bei der Hauptarmee sehr nngOnstig gestaltet und dieselbe war 
einer TöUigen Niederlage nahe. Doch Blfifllier's energischer Angriff 
und der blntige, aber entscheidende Sieg von Torkls Korps bei 
H6ckeni wendeten scUiefiUdi das Waffenglttck zu Gunsten der Ver^ 
bilndeten. Am 17. wurde der Angriff nicht erneuert, weil die Ver- 
bündeten ihre Verstärkungen abwarten wollten. Dafs aber auchNapoleon 
in Unthätigkeit verblieb, mufs ihm als ein ungeheuerer Fehler zur 
Last gelegt werden. Wahrscheinlich wartete er auf die Ankunft von 
St. Cyr, den er von Dresden heranbeordert hatte. Die auf Ter- 
schiedenen Wegen an diesen General abgesendeten Refehle waren 
indessen von Kasaken - Patrouillen abgefangen worden. Unter allen 
Umständen hätte aber Napoleon auch ohne St. Cyr am 17, zur 
Offensive übergehen müssen, da an diesem Tage immerhin noch das 
(ileichge wicht der Kräfte für ihn vorhanden war. Unbegreiflicher 
Weise sah er aber ruhig zu, wie der Gegner 130000 Mann Ver- 
stärkungen heranzog und die Fehler seiner Aufstellung verbesserte. 
Und mit diesem Verhalten war Napoleon*8 Schicksal entschieden. Die 



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42 



0i8 OpwitioiMP mH IbHflDhwraD 0te>- 



Konzentrirung der französischen Armee während der Nacht zum 18. 
erleichterte noch den Verbündeten den Angriflf au diesem Tage. Eine 
ganz wunderbare Mafsre^'cl Xapoloon's war aber die Entsendung des 
Korps Bertraiid von Lindenau nach Weifsenfeis. Wollt« er die Ver- 
bündeten dadurch verleiten, dem französischen Korps mit Massen 
über die Elster zu folgen, so dafs Napoleon dann Gelegenheit erhielt, 
den auf dem rechten Flufsufer verbleibenden Teil des Gegners ver- 
einzelt zu schlagen, so war diese liureciiuung jedenfalls eine vollständig 
verfehlte. Gedachte Napoleon aber durch die betrefifende Mafsnahme 
Beinen Bückzug vonnbereiten, bezw. zn aebem, so war sie in sofern 
eine veifrOhte und fehlerhafte, als. sie seine Krfifte für den Kampf 
schwSehfce. Hatte Napoleon überhaupt schon den Bttdcnig in Aussicht 
genommen, so durfte er es aber auch nicht mehr auf eine Ent- 
schetdungssoblacht ankommen lassen. Die kriogerisdien Ereignisse am 

18. waren nur die Folge der Begebenheiten der vorbeigegangenen 
Tage. Auf französischer Seite wurde ein durch die Lage bedingter 
Verzweiflungskampf geführt, auf der Seite der Verbündeten das Ziel 
▼erfolgt, den Gegner gänzlich zu yemichten. Wenn dieser Endzweck 
nicht vollständig erreicht wurde, so lag dies an der trotz aller An- 
strengungen doch noch immer sich geltend machenden Unvollstäudigkeit 
der Mafsretreln der Verbündeten gegenüber dorn umringten Gegner. 
Man hatte verabsäumt, durch die ausgiebigste Verwendung der zur 
Verfügung stehenden überlegenen Massen den Gegner völlig ein- 
zuschhefsen. Durch die starke Besetzung des Defiles von Lindenau 
wäre diea mn 18. noch erreicht worden. Denkt mau sich eiuen 
Holtke als damaligen Strategen der Verbündeten, so wird man sich 
sagen müssen, dals Napoleon durch einen soldien General bei Lupzig 
unzweifelhaft zur Waffonstreckung geswungen worden wSre. An festem 
Willen und Energie hat ee den Verbündeten vor Leipzig gewib nicht 
gemangelt, das bewies der EntscMulb am 19., die Stadt mit Staim 
SU nehmen, und die Auslllhrung dieses Aktes der Gewalt durch 
Blücher. Es fehlte aber das grofse Genie, welches verstand, mit den 
vorhandenen Massen an Streitkräften den höchsten erreichbaren Erfolg 
zu erzielen. Daraus folgte auch die ungenügende Verfolgung des ab- 
ziehenden Gegners und die Versäumnifs, ihn jetzt noch zu vernichten. 
Allerdings hätte zunächst der Rückzug Napoleon's aus seiner 
Stellung bei Lcijjzi:^', welcher in der Hauptsache in der Nacht zum 

19. erfolgte, notwendig von den Vorposten der verbündeten Haupt- 
armee rechtzeitig entdeckt werden müssen. War dieser aber fest- 
gestellt, so mufste sofort die gesaninite Kavallerie und reitende Artillerie 
aufbrechen und sieh einerseits westlich Pegau, andererseits Schkeuditz 
gegenüber in zwei grofsen Massen formiren, um dem abziehenden 



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Die OperatioMa mh Wiwwihearen eto. 



43 



Gegner mxk ansnliiliigen und als femerar behaxrlidier Begleiier nieht 
▼on ibm abralasseii« Wurden lenier Ton der Torhsndeneii geweitigen 
Beitennasse von vornherein 20000 Pferde dazu beBÜmmt^ den Fran- 
zosen vorauszueilen, sich ihnen alltSc^ch vorzulegen, ihren Marsch 
durch Ungangbarmachung von Wegen und Brücken aufzuhidten, die 
Bevölkerung unter die Waflfen zu rufen, hätte Napoleon also auf 
seinem Wege stets die feiiulliclic Kavallerie vor sich und zu Seiten, 
die verfolgende' Infanterie auf den Fersen gehabt und schliefslich noch 
Wrede in einer starken Stellung vorgefunden, er würde wahrscheinlich 
nicht mehr über den Rhein gekommen seiU) der Feldzug von lbl4 
wäre nicht mehr nötig gewesen. 

Napoleon hatte in seinen l'iiilieren Kriegen, als der immer An- 
gi'cifeudo, als der immer LIberlegeiie bich unüberwindlich zu machen 
vermocht, so lange seine Gegner nicht dieselben Mittel in ihrer Oe- 
irali Iwtten. Die Bestegtem waren aber durch die Er&hrungen be- 
lehrt worden und es hatte sich in dem unterdrückten Europa ein 
neues Kriegssystem gebildet, durch welches Kapoleon endlidi mit 
seinen eigenen Waffen bekämpft werden muiste. Er achtete indessen 
nicht darauf, er schAtste seine Gegner gering, traute ihnen weder 
Einsidit, nodi Energie zu und so entstand denn, was die vorstehenden 
Darstellungen wohl unbestreitbar erweisen dürften, dafs Napoleon 
mehr Fehler beging, als alle seine Gegner und dafs diese seine eigenen 
Fehler ihn hauptsächlich zu Grunde lichteten. Intweesant ist, wie 
sich die junge strategische Schule die Eiidei^ebnisse des Feldzuges 
von 1813 zu erklären scheint. Hauptmann Martinow sagt in seinem 
bereits erwähnten Werke, Napoleon hätte seinerzeit eingesehen, dafs 
er die neue grofse Armee von 1813 nicht nach den Prinzipien der 
Vergangenheit führen könnte, und daher ein neues System der Armoe- 
führung zu begründen gesucht. Ein grofser Teil der schöpferischen 
Seite der Kunst wäre demnach den Unterkommandanten überlassen 
worden. Der Oberbefehlshaber hätte nur die Grundidee für die 
Operation entworfen und die üntnfGhret wSten dann über die all- 
gemeine Lage auf dem gesammten Kriegstheater orientirt worden. 
Hierauf hätten diese im Sinne der allgememen Idee die nächst zu 
erreichenden Ziele selbst sn wählen gehabt, es wäre also die frohere 
Einzelthätigkeit des HSehstkommandirenden auf dem schöpferischen 
Gebiete der Strategie in bedeutendem Mafse durdi die Kollektiv- 
thätigkeit der Unterfuhrer ersetzt worden. Der russische General- 
stabsoffizier geht bei diesem seinem Raisonnement wohl von einer 
irrtümlichen Voraussetzung aus. Er nennt die von Napoleon im 
Feldzuge 1813 gehandliahte TToorosleitnntr einen neuen Versuch, 
während sie doch durchaus keinen anderen Charakter trägt, als die 



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44 



Die OpenHonw mit MnwMpliaertii c4e. 



FBlining des gesammten firftnzönsohen Heeres in den Torangegangenen 

Kriegen ebenfalls gehabt hat. Wenn Napoleon un Herbstfeldzuge 
1813 ein grofses Heer von 440000 Mann auf einem Krie^schaaplatze 
vereinigt hattOi so war wohl sclbstvorständlich, dals er diese gewaltige 
Truppenmasse in mehrere selbstständige Gruppen, in Heeresabteilungen 

oder Armeen gliedern mufste. Er mutete dabei den Führern dieser 
Gruppen auch nichtsAnderes undHöh(Mcs zu, wiez. B. 17*J6 von ihm selbst, 
dem General Ronaparte, in Italien und von Moreau, sowie Jourdan in 
Deutsehland als Arm«'c-Kimunandanteu verlangt worden war. Wie aber 
die Voraussetzung Martiuow's eine irrtündiclic, so ist dies auch die Folge- 
rung daraus. Der russiselie Offizier meint, dals dieser Versuch Napoleon's 
mit einem vollen Mifserfolge geendet habe und dafs der Grund hierzu 
sowohl von Napoleon selbst, wie auch später seitens der Kritik in 
dem Mangel an Generalen mit weitem miUtärisdien Wissen gesehen 
worden sei, denen ein selbstständigcs Kommando anTertoant werden 
konnte. 

Nicht Napoleon's angebliches nenes System der Anneeleitnng 
hatte einen Mi&erfolg, oder Tiehnehr eine gSnzliche nnd ToUstindigste 
Niederlage erlitten, sondern seine eigene im höchsten Grade mangel- 
hafte Strategie. Napoleon hat allerdings seine höheren Generale als 

die Urheber seines Mifsgeschickes angeklagt und seine Anhänger und 
Bewunderer aller Zeiten haben ihm darin nachgesprochen, aber es 
dürfte doch als erwiesen zu erachten sein, dafs mit dieser An- 
schuldigung eine gewisse Ungerechtigkeit und seitens Napoleon's selbst 
aufserdem noch eine hochgradige Undankbarkeit begangen wan den ist. 
Das Unglück, geschlagen zu werden, kann bekanntlich jedem, auch 
dem besten General zustofsen. Fs gab und giebt auch keinen 
solchen, der nicht mal Fehler gemacht hatte. Napoleon besafs viele 
gute, sogar vortreffliche Generale, wie Mortier, Marmout, Bertrand, 
Horat Sowohl Maodonald aber, wie Ney und Oudinot hatten schon 
früher ihre BefiUugung als selbststttndige Führer dargelegt nnd in ihrer 
verdienstvollen Laufbahn sich wohl anoh ein erhebliches nulttftrisches 
Wissen angeeignet Hauptmann Martinow spricht von halb gehüdeten 
Marschällen. Die drei vorgenannten durften in ihrer wissenschaft- 
lichen Bildung Napoleon senwt wohl nicht nadigestanden haben. 
Ouduiot war Generalstabschef gewesen nnd die beiden anderen 
Marschälle hatten als Gesandte in Dänemark nnd in der Schweiz 
fungirt. Hauptmann Martinow führt dann weiter aus, wie nach seiner 
Ansicht die Hauptursache von Napoleon's Mifserfolgen 1813 wohl in 
den von diesem selbst hervorgerufenen Änderungen in der Strategie 
der letzten Kriege gelegen, welclie Andern rr^en dem Geiste der Zeit 
nicht entsprochen hätten. Du- grofscii Anm eii wären künstlich, im 
Gegensatz zu den bestehenden strat^ischeu .Verhältnissen hervor- 



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Die Operationen mit Maaaenheoren etc. 



gerufen worden, die Art der Befelilsgebung hätte nicht den Begri£fen 
jener Zeit und auch nklil den Ideen entaprodien, weblie Kapoleon 
seLbet bis dahin in seiner Armee verbreitet gehabt» Die Bemühungen 
des rofleisdhen Oeneralstabsofifiziers, Entschnldigungsgrfinde für das 
Id^geecbick Napoleon*8 sn finden, m<)gen von vielen als sehr be- 
rechtigt angesehen, die Sdüuislblgerungen in den betreffenden Aus- 
ftihrongen kCnnen jedoch unmöglich als ganz logische anerkannt 
werden. Die grofsen Ifassenbeerc Napoleon's speziell, sowohl von 
18i2| wie von 1813, waren allerdings lediglich aus dem Ehrgeize 
eines einzelnen ^lenschen und nicht in Folge einer durcli den all- 
gemeinen Entwickclun<?sgang der Zivilisation vorgezeichneten Richtung 
in der Krief^skunst, bezw. aus allgemeinen mächtigen Ursache!) hervor- 
gegangen. Wohl aber ist letzteres bei den Anstrengungen der Russen 

1812 und der Verbündeten 1818 insofern der Fall gewesen, als es 
für die Völker galt, sich von der Knechtschaft eines verhafsten Usur- 
pators zu befreien und das thcuerste Gnt der Nationen, die Freiheit 
und Selbstständigkeit wieder zu gewinnen. Es kann daher niemand 
sagen, da& auch auf dieser Seite die Massenheere künstlich entstanden 
vttran, und die Behauptung des Hauptmann Martinow dürfte dem^ 
nach hdchstens eine einseitige Beweiskralt haben können. Die Art 
der Befehlsgebung endlidi anlangend, ist vorher bereits nachgewiesen 
worden, dats dieselbe schon früher bestanden hat^ dafs die Feldherm 
der auf verschiedenen Kriegsschauplfttzen operirenden Armeen stets 
andi nur Direktiven für ihr Verhalten empfangen haben, und wie 

1813 nur der einzige Unterschied bestand, dafe mehrere Armeen auf 
demselben engeren Kriegsschauplatze im gemeinsamen Streben nach 
demselben grofsen Ziele handelnd auftraten. Es lag daher kein prin- 
zipieller Grund vor, dafs das, was die Arnieerdhrer der Verbündeten 
leisten konnten, nicht auch von den französischen Armee-Komman- 
danten verlangt werden durfte. r)ie Ursache von Napoleon's Mifs- 
gcschick lag lediglich darin, dafs er selbst den Anforderungen der 
Strategie mit grofsen Massen nicht gewachsen war. Wie er 17VH> in 
Italien als Armeeführer nicht verstanden hatte, ^.ein Wirken mit dem 
gemeinsamen Streben der Armee in Deutschland nach gleichem Ziele 
in rechtzeitigen Einklang zu bringen, so hatte er auch 1813 als 
Heerfiihrer nidit vermocht, seine Armeen au einem gemeinsdiaftillohen 
Handeln rechtzeitig su vereinigen. In dem ganzen langen und er- 
eignisreichen Feldznge von 1813 hatte Napoleon nur eine einzige 
richtig veranlagte und vortrefflich ausgeführte stratogische Operation 
sn verzeichnen, nfimlich den Zug von Löwenberg nach Dresden vom 
28. bis 26. August. (ScUnb folgt) 



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n 



Leboeuf und die französische Mobilmachung 1870. 

(Nach den Akten der „Enquete parlamentairo sur les actes da gouvernement de 

la defense nationale".) 



„Figaro" hat in seiner Nummer vom 17. April 1895 einen Brief 
des Herzof^s von Gramont nn oiiion Freund, d. d. Folkestone 21, 4. 
1875 veröÖentlicLt, in welchem der Ilerzop; auf das Bestimmteste 
ausspricht, dafs ein Vertrag zwischen Napoleon, Österreich und Italien 
zu einer „Cooperation effective de leurs forres militaires" gegen 
Preufsen-Deutschland vereinbart, die Epoche des Eintritts der Koope- 
ration für die tnste Hälfte des September festgesetzt gewesen, der 
Vortrag nur noch der Unterzeichnung bedurft habe und nur durch 
die fransfifliBdieii Niederlagen im August Terliindert worden sei, dais 
ans der „trait^ oonveiiu^ eine ntrait^ condu* vnrde. AhnKches deutete 
Leboeuf an, indem er Tor der Kommission fOr die Enquete parlamentairo 
— freiUeh ohne die beteiligten Staaten sn nennen, ansspradi, man 
babe im Jnli 1870 die berechtigte Hoffirang gehabt, in einem Kampfe 
gegen Deutschland nusht allein au stehen. Er weist auf diesen Umstand 
hin sowohl dort, wo er von seinen Erklftrungen in dem Ministerkonseil 
vom 6. Juli 1870 wie von seinen Äofserungen in der Kammer spricht, 
wie dann, als er einen Teil der Verantwortung für den strategischen 
Aufmarsch der Armeen und die folgenden Verschiebungen übernimmt. 
Von seinen Sclniltern soll damit ohne Zweifel an Teil der Ver- 
antwortung abgewälzt werden. 

Die Erfindung des Schlagwortes „Nous sommes prßts" ist, wie 
Thiers in seiner Erklärung und in der „Enquete parlamentairo" an- 
giebt, Leboeuf mit Unrecht in die Schuhe geschoben worden. Dasselbe 
stammt aus der NicFschen Zeit. Niel übernalmi von Randon im 
Eriegsministerium keine beneidenswerte Erbschaft. Als er nun daran 
ging, die Bespannung der Artillerie (die man, um die Höbe der Aus- 
gaben für die menlüniaclie Expedition möglichst zu Tordeeken, nicht 
in dem M abe wieder ersetst hatte, in welchen die in Pri?atbenutzung 
gegebenen Pferde nach 7 Jahren Eigentum der Benutzer wurden), 
nach und nach etwas zu ergänzen, CShassepots herzustellen, (nach 
Thiers 700000 bis 800000, während das Dreiüsche nötig gewesen wftre, 
wozu die Kammer aber die ^^ittel verweigerte), die Mitrailleuse ein- 
zuführen — dabei aber die Feld-Artillerie in dem Zustande erkannter 



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Leboeuf und die frauzöaiache Mobil marthnng 1870. 



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Unterlegeiiheit gegenüber der preulsischeii belassend — als er die 
btsttrke der In&nterie-Regjmeiiter anf 1100 bis 1200 Uatm erMelt, 
endlich die nBasterd-Institation^ der garde mobile nationale sdraf und 
damit den (Kadben erweckte, man habe eine sebr starke Armee — 
da ersehallte ans den Reihen der Freunde NieTs das „MUr sind 
bereif und unter Leboeuf klang es weiter. Damit eoU durchaus nicht 
gesagt sein, dals Leboeuf das Wort nicht ausgesprocheUf das Gegenteil 
sagt uns die Erklärung Thiers in der Enquete parlamentaire, das 
beweist uns auch die Aussage Leboeuf 's selbst in derselben Kommission. 

Als Thiers im April 1870 in der Kammer die Effektivstärke und das 
Rekiiitcnkontingent verteidigte — welches die Kammer dann doch 
durch das Gesetz vom 28. April um KKXX) Köpfe herabsetzto — 
führte er als einen der Gründe für sein Votum auch an, dafs man 
Infanterie-Regimenter von allerhöchstens 1200 Köpfen besitze — und 
Leboeuf mufste dies zugeben. Wenige Tage nachher aber versicherte 
derselbe Kriegsminister — von der llofpartei überredet, die ihrerseits 
Ton der bouapartistischen Partei bearbeitet worden war — dafs man 
bereit sei und braehte diese Überaeugung auch dem gern überzeugten 
Kaiser Napoleon beL Man Tendcherte, heilst es in der Eridftrung Thiers* 
weiter, da(s wir bereit seien, Preulsen dagegen nicht. Ich hatte die 
Überaeugung, dafs man mit einem ausgeaddinet ausgestatteten Budget 
in 14 Tagen nicht sdilagfertig sein konnte, ich wu&te^ dab man mit 
einem schlecht dotirten Budget» mit ungenügendem, zum Teil durch 
die mexikaniscfae Expedition ruinii-ten Material, und mit einem Krie^ 
minister I. Ordnung vielleicht in drei Monaten bereit sein konnte, 
nimmermehr aber in 14 Tagen. Unsere Artillerie, der preufsischen 
quantitativ und qualitativ unterlegen, konnte aus Mangel an Be- 
spannung und Personal nicht mehr als zwei Geschütze auf 1000 Mann 
liefern, die Jilitraillouse das Feldgescliütz nicht ersetzen. Unsere 
Infanterie-Regimenter wiesen nur 1100 bis 1200 Mann Efiektivstärke 
auf, die Friedenskadres waren zu wenig zahlreich, die garde mobile 
nationale war kaum ausgebilikt und absolut nicht militärisch erzogen, 
zum Rrofsen Teil ohne Bekleidung und Ausrüntung, die festen Plätze 
konnte man weder als ausreichend armirt, noch als der Wirkung der 
neuen Feucrwaflfen entsprediend eingerichtet bezeichnen. So die 
Übetzeugung Thiers* der den Krieg zu Termaden bestrebt war, sich 
hier aber weiter noch dahin ausspricht, dals man, wenn man nicht 
20 Tage geschwankt und gezögert, die Heeresleitung Entschluls und 
festen Willen geattgt, 30000 Mann in den Vogesen belassen, den Best 
vm 220000 bis 250000 Mann auf Trier in Bewegung gesetzt hätte, 
statt die Kräfte auf 50 Meilen, von der Schweiz bis Dicdenhofen zu 
aerBplittem, das Blatt vielleicht an wenden vermochte. Bichtig — 



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48 



Leboeof und die ftanilMaelie Mobilmadning 1870. 



aber aaioh meder ein Boweis dafiir, wie vfcmrr man in Wirklichkeit 
seUagfertig gewesen — aei freilich, dais der Mangel an Entsohluls 
zum Teil dem UmBtaade sngeschrieben werden müsse, dafs man erst 
das eintreffen lassen wollte, was ao den sogenannten bereiten 250000 
Mann noch gefehlt habe. — 

Eine ähnliche Überzeutnin«^, wie Thiers, sprach auch der Eskadrons- 
chef Jean Brunet in der Enquete- Kommission aus. Er zählte n. A. 
auch eine Reihe von Operationsplänen auf, die er Napoleon und 
nachher der Defense nationale zur Verfügung gestellt habe und gab 
den Inhalt derselben, der manchen richtigen Gedanken, aber auch 
viele Utopien brachte, wüeder. Bebonders scharf betonte er, dafs die Vor- 
bereitung der Ausnutzung der Bahnlinien sowohl für dieOfifen^ve, wie för 
die DefenaiTe, eine äo&erst mangelhafte und diee nm so unverantwort- 
liobsr gewesen sei, als seine wiederholten Mahnungen und Memoires 
an das Eriegsministerium, aus genauester persönlidier Kenntnilk die 
Sorgfalt betont bitten, mit welcher man in Prenlsen die entsprechenden 
Vorbereitongm getrc^Ssn habe. Hören wir jetzt, wie Leboeof die 
Lage auffi^te. Er gab diese seine Anfibssong, nach seiner eigenen 
Versicherung, vor der Enquete-Kommission in derselben Weise wieder, 
wie er sie im Minister-Konseil am 6. Juli 1870 entwickelt hatte und 
führte dabei offizielle Dokumente vor, die soweit sie das Personal 
betrefifen, von Delbusquet, Chef der Rekrutirung, und Oberst 
Härtung, Direktor der Personal-Abteilung im Kriegsministehum, unter- 
zeichnet sind. 

Am 1. Juli l'S70 sollten die für den Krieg verfügbaren, aus- 
gebildeten Leute der aktiven Armee und der Reserve, nach Abzug 
der non valeurs und der permanenten Mankos, betragen: 

Stäbe 40U Köpfe 

Ihfimterie 340084 „ 

Kavallerie 54471 ^ 

ArtiUerie 54861 „ 

Genie 10325 „ 

Thun 14752 „ 

Erankentrüger, Verwaltungs-Arbeiter . 14359 „ 

Im Ganzen 492585 Köpfe. 
Rechnet man die „non raleurs oiganiques^ (gendarmerie d*^te, gen- 
darmerie imperiale, Stäbe derPlätse, Offiziere hors cadres, Veteranen, 
Schulen, Veterinäre, Remonte-Reitcr, Arbeiter, Kompagnien hors rang) 
42987, die permanenten Mankos der Truppenteile (Strafsibteilungen, 
Lazarethkranke, Detachirte, Verurteilte, Ärretirte) 2945G, die non 
valeurs der Reserve (zu den Douaniers übergetretene, desertirte, aus- 
gebliebene, nicht dienstfähige Leute) 2106, im Ganzen also 74546 



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Leboeof and die ftintfloaehe HoUlmachiing 1870. 



49 



hinzu, so kommt man auf 567131 Köpfe, die am 1. Juli ld70 im 
aktiven Heer und in der Reserve ausgebildet vorhanden waren. Wie 
hoch sieh die Reserve beziffern niufste, triebt Lcbocuf hier nicht aus- 
drückHch an, wohl aber läfst sich dies aus einer späteren Bemerkung 
schhefscn, die sich dort findet, wo T>ehoeuf von dem Inmai-sclisetzen 
der Reservisten von den Departementshauptorten aus zu den Depots 
spricht (wir kommen auf diese Frage noch eingehend zurück). Danach 
hätte die Stammrolle der Reser>isten am I.Juli 1S7() 163020+10487, 
im Ganzen also 173507 Mann aufgewiesen. — Die garde mobile na- 
tioualu uiüfafste nach Leboeuf (ohne Jahrgang 1S69) 417366 Mann. 
Die völlig organisirten, mit Cadres versehenen Teile im Norden und 
Nordosten Franknicln schätzte Leboeuf auf 175000 Köpfe und glaubte 
bestimmt 100000 'Mann Infanterie, 20000 Artillerie als TöUig aus- 
gerüstet und bddeidet in Bedmnng stellen zu düifen. 

Im Ministerkonseil vom 6. Juli meinte' Leboeuf^ da& man Air die 
Feld-Annee L Urne zwar 350000 Mann annehmen könne, er aber 
znnSchst nur 300000 in Ansats bringe. Selbst bei 350000 Blann aber 
blieben, so gab Leboeuf nach dem offiziellen Auswos an, noch 142585 
ausgebüdete liOute der aktiven Armee und Reserve in Frankreich und 
Algier zurück. Zöge man das von 50000 für Algier — vielmehr, als 
thatsächlich dort blieben — 6500 Mann für Civitä veccliiä (die aber 
bald schon nach dem von Leboeuf entwickelten Vhno für das eine 
in Lyon unter Palikao zu bildende Reserve-Korps in Betracht gezogen 
wurden), Summe r)6r)00, ab, so blieben n(M'h S(;085 Mann, die durch 
den Ende Juli disjionibkn Jahrgang 1869 um 75000 Mann, also auf 
161085 Manu vermehrt wurden. 

Von den 300000 Mann, die Leboeuf, wie bemerkt, von der aktiven 
Armee in L Linie mobil machen will, hofft er in 14 Tagen 250000 
Mann völUg organisirt und schlagbereit zu liaben, ^natürlich mit den 
administrativen Lücken, die bei jeder Aniiec beim Kintritt in einen 
Feldzug vorkommen und diu leicht zu schliefsen sind." Um 300000 
Mann zu vereinigen, hält er nach seiner Erklärung im Ministerkonseil 
Tom €. Juli, mindestens 3 Wochen erforderlich. Hier erfolgt auch der 
Hinweis darauf, dals man im «TuH die Hofihung gehabt habe, nicht 
allein zn stehen. Hier tritt auch Leboeuf den vielfodi erhobenen 
Anschuldigungen, dals man nicht über gmOgende Vorr&te an Be- 
kleidung und Ausrüstung verfügt habe, mit den Ziffern entgegen, die 
er dem Kaiser damals gegeben. Danach blieben, nach ToUständiger 
Ausrüstung und Bekleidung der Armee, in den Magazinen noch übrig 
536510 Mäntel, 712227 Paar Hosen, 749648 Röcke, 703510 Feldmützen, 
287544 Tornister, 2246417 Paar Stiefel und Schuhe (was die Enquete- 
Kommission zunächst anzweifelt, Leboeuf aber mit dem Hinweis darauf 

Jdiblehtr Ar DnftMka AnM ul HsiliM. Bd.97, 1. 4 



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50 



Ldboeof und die frmiSdwdie MobOmichung 1870, 



aufrecht crliält, dafs die unerwartet schnelle Einschliefsung von Paris 
daran gehindert habe, aus dem dortigen Zentral-Magazin die Vorräte 
an Schuhzeug für die späteren Neuformationen in die Provinzen zu 
senden). Am 1. Juli besafs man 750000 Zelte und einfache und 
doppelte Lagerdeck- n fili 'jOiiOOO Mann. 

Loboeuf koniiut dann auf den Reserve-Vorrat an Leuten: 
4173G(; Mann garde mobile nationale, davon l"2()00ü völlig bekleidet 
und ausgerüstet und sofort verwendbar, Jahrgang 1869, der Ende 
Juli verftif^bar und 75000 Mann liefern sollte. Aulserdem hatte 
Leboeui am 17. Juli 1870 ein Gesct?:, botreffend den freiwilligen Ein- 
tritt auf KriegsJauer votiren lassen, das, nach seiner Angabe , von 
der Deputirtenkammer mit wahrer Begeisterung aufgenommen wurde 
und von dem sicfa einige Deputirte über 100000 Mann Tonprachen. 
Leboeuf zieht nur die vom 19. Juli Ins 31. August Emgetretenen mit 
28000 in Betracht und bemerkt» dab dieselben zum Teil sofort* zum 
Teil nachTorheriger 14 tiigiger Ausbildung eingereiht werdenkonnt6n(den 
Gesammtertrag des Gesetzes yom 17. Juli betreffend dieKriegsfirdwilligen 
giebt uns ein offizielles, von A. Moret, Bekrutirungsabteilung des 
Kriegsministeriums, nnterzeiobnetes und von General Ifaitin de 
Palliares der Enquete-Kommission vorgelegtes Dokumoit, das die Ziffsr 
der nach dem 1. Juli freiwillig auf Kriegsdaucr eingetretenen Leute mit 
140514 für die aktive Armee uik171I)"2 für die garde mobile nationale, 
total 147700 aufführt. Nach dem Sturz des 2. Kaiserreichs ist also 
die 6 fache Zahl an Freiwilhgen zu verzeichnen, auch wohl wieder ein 
Beweisstück dafür, wia sehr die Nation den Krieg bis dahin als die 
^j>etito guerre de l'Erapereur'^ betrachtet hatte). Der Jahrgang 1870 
wäre normal erst zum 1. Juli 1871 einzubeordern gewesen. Auf einen 
Antrag von den Bänken der Deputirten aus wurde der Regierung 
jedoch die Befugnifs erteilt, ihn zum 1. Januar 1871 einzuberufen. 
Vor dem 1. Oktober konnten aber, das war vorauszusehen, die Aus- 
hebungskoimuissionen mit diesem Jahrgang, von dem man 140000 Mann 
für die Armee, 80000 für die garde mobile nationale erhoffte, (was, wie 
der offizielle Nachweis des Kriegsministeriums von A. Moret beweist, 
wegen Besetzung dw Ostd^Mkrtements durch den Gegner niofat voll er* 
reicht wurde), nicht rechnen. In dem betreffonden llinisterkonseil wurde 
auch die Frage der Yersdunelzung der Armee mit der garde mobile 
nationale an^eworlen. Leboeuf sprach, wie er selbst angiebt, seine 
Ansicht dahin aus, dafs man in der garde mobile nationale eine ganz 
TOTzügliche Reserre an Leuten habe, eine Fusion derselben mit der 
Armee aber wohl grolse' Aufregung hervorrufen werde — wie dies 
später im Süden bei der Kinheordemng der garde mobile nationale 
auch eintrat Leboeuf hatte, • nach seiner Erklärung, in Überein- 



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LdNMnf nnd die franiSdiche Mobilmachung 1870. 



51 



stmmniDg mit den höheren Offizieren der mobflen Natunialg»rde auch 
beschlossen, 18000 Mann der Pariser Bataillone in provifloriachen 

Regimentern nach dem Lager von Chalons zn senden, um, nach be- 
schleunigter Ausbildang, dort zum Korps Canrobert zn treten. Un- 
regelmäfsigkeiten im administrativen Dienste liefsen dort bei ihnen 
Indisziplin zu Tage traten, man dachte daran, sie auf die verschiedenen 
Festungen zu verteilen, später gingen sie auf Drängen Trochu's 
eigentlich nur mit erzwungener EHanbnifs Napoleon's nacli Pans. — Tn 
Bezug auf Pferde war nia.n, nach Leboeuf, in einer guten Lage. 
Durch Einreihung von 'iüOOO Pferden der Gendarmerie konnten die 
Kriegseskadrons vor Ende Juli auf je 110 Pferde kommen. Für 
Artillerie und Train hatte man bei den Landwirten eine Reserve von 
rund 17{X)0 Pferden, die, regvonswcise verteilt, schon am 21. Juli, 
weit früher als d'iv. Resenisten, bei den Truppenteilen eintrafen. In 
allen Artillerie-Garnisonen wurden provisorische Rcmontedepotö er- 
richtet und bald täglich 2000 Pferde angekauft. Stäbe und Truppen- 
teile erwarben ftr Offiziere nnd Fahrzeuge Pferde freihändig. 

Von dem. Bestand an Material für Feld-Artillerie entwirft 
Leboeof, wieder anf Gmnd offizieller Dokumente, der Enqudte- 
Kommission folgendes Bfld: 2607 gezogene Feld-Vierpf&nder, 2315 
Laffeten nnd Protzen dieses Kalibers, 497 geteogene Feld-ZwSlfpfiinder, 
644 Laffeten nnd 1244 Protzen dieses Kalibers, 192 Ifitraillensen, 
192 Laffeten, 192 Protzen iiir dieselben. Der gezogene aohtpfiinder 
war erst eben angenommen worden. 

Die der Enquete-Kommission vorgelegten offiziellen Dokumente 
aus dem Kriegsministerium lassen für den 1. Jnli 1B70 folgende Yer- 
teilnng der Feldgeschütze auf die Truppen ezkennea: 



Garde: 




Zwttll^lllnder 


60 Vurpftnder 


12 ICtrsflleastiL 


L Koips 


12 


n 


H4 


n 


24 


tl 


n. „ 


12 


n 


tiO 


n 


18 


n 


IIL „ 


12 


n 


84 


n 


18 


tl 


IV. „ 


12 


n 


60 


n 


24 


fl 




12 


1) 


60 


n 


18 


II 


VI. „ 


12 


n 


102 


n 


6 




VII. „ 


12 


» 


60 


n 


18 


" (kam erst bei 
tl 8«daBiiiB«tn«ht) 


xn. „ 




» • 

FddswOl^l 


54 

80 FddTierpd 


18 


tl 


Kavalleriedivisioiieii 




6 


tl 


Geoeralreserve 


48 


n 


48 






fl 




160 


» 


702 


tl 


162 


1* QmtaMM. 



In Bezug anf Munition war man, nach Leboeuf, recht gut situirt. 
Man hatte, einschlieTslioh Garde» 8 Korpeparks gebfldet nnd nadidem 
diese, sowie die Batterien das ▼oigeschriebene Munxtionsqnantum er> 
halten, verfögte man noch über einen Vorrat von 145488 Schuis. 

4* 



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52 



Leboenf und die franzfidache Tffhhilinachmig 1870. 



ChaaaepotB waren, nach den tod Leboeuf vorgelegten offiziellen Aus- 
weisen, am 1. Juli 1870 1037555 fertig gestellt, 30000 an die Marine 
abgeliefert, 1007555 in den Händen der Truppen, bezw. in den 
Arsenalen. Man besais aufserdem 342115 in Hinterlader umgearbeitete 
Gewehre. 1Sm;ooo gezogene Vorderlader, 113 Millionen Chassepota- 
pationen, U5 Millionen Patronen für die umgeänderten Gewehre. 

Was die Abwägung der beiderseitigen KrätV' anbetrifft, so be- 
reclincto Lrlioeuf, trotz Stoffel's Mahnungen, das Maximum, das man 
deutsche IM its an Linie und Landwehr zum Beginn des Krieges ein- 
setzen könne, auf 570000 Mann und stx>llt<' diesen in seinem Calcul 
gegenüber: 300(K)0 Mann der mobilen aktiven Armee, 267000 aus- 
gebildete Leute, die zunächst im Innern uud Algier blieben, 75000 
Rekruten des Jahrganges 1869, dann die Freiwilligen 28000 bis /.um 
August, tiir die inaii Ijckleidung und Ausrüstung besafs, 120000 Mann 
garde mobile nationale, die das Budget zu bekleiden erlaubt, 280000 
Haim derselben Kategorie, die noch zu bekleiden blieben, wenn nicht 
ein Spezialgesetz sie in die Armee einreihte, deren Magazine Leboenf 
als gut versorgt bezeichnet 

Von Interesse ist auch, wie der Marschau sich die Dauer der 
Mobilmachung dachte. Er weist darauf hin, da& yob seinem Vor- 
gSnger Niel Vorkehrungen getroffen wurden, um den Übergang 
auf den Kriegsfols zu beschleunigen, die Formationsperiode der 
Korps sollte nicht über 14 Tage dauern, an diese sich die Konzentrations^ 
periode anschlicfsen, die nach LeboeuTs Angabe am 4. August be- 
gann, da die ^B'ormation der Korps zu dieser Zeit vorgeschritten** 
war. Wohl bemerkt hütet sich Leboeuf vor der Enquete-Kommission 
wohl zu behaupten, dafs sie beendet gewesen. Scharf betont ^\ird 
von ihm, dafs er am l'i Juli die Erlaubnifs zur Abb ildung der 
Mobilmachungsordre erbeten, aber dieselbe erst am 14. Abends er- 
halten habe. Naeh den „auf Erfahrung beruhenden Caiculs" der 
1. Direktion (Kekrutirungsabteiluiig) des Kriogsministeriums sollten 
die Reserven und die 2. rititimi des Kontingents allerspätesttnis am 
22. Juli die Departementshauptorte erreicht haben, am 24. in Marsch 
gesetzt werden, am 26. in den Depots anlangen und auch die 2. Portion 
bpäiesteus am 31. Juli in die immobil verschobenen Truppenteile ein- 
gereiht sein. Das von der 1. Dii'ektion danach entworfene lablcau 
weist folgende Daten anf : 

1. Einberufongsbefehl in die Aktivität fSr die ) , _ , 
Leute der Beserve / ^^'^"^^ 

2. Empfimg des betreffenden Zirkulan durch \ _ «, den entfen- 
die verschiedenen Mmtärbehöiden 1 * ^ *^ p-^- 



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Leboeuf und die frauzoäiüche Mobilmachung 1870. 



53 



3. Kontrole, Einteilung und Äbsendung der Ein- 
bernfiingaordNi fttr die Leute der Besenre und 
die jungen Soldaten der 2. Portion an die 
Gendarmerie-Brigaden 

4. EäntrefEen dieeer Ordres bei den Gendannerie- 



17. JuU. 



18. 



19. 
20. 

22. 

23. 
24. 



n 



n 



von den pnlfeni» 
tMtoD Ponktflo. 



5. Aushändigung der Ordres an die Einberufenen 

6. Fn^ii bis zum Abmarsch aus der Heimat 

7. Zeit für die Reise in den Departementshaupt- ] 

ort, Untersuchung, SchluTsappell / 

8. Für alles Unvorhergesehene 

9. Inmarschsetzen auf Eisenbahnen 

10. Ankunft in den Depots behufs Bekleidung \ 

und Ausrüstung f 

11. Verbleiben in den Depots ] 27. 

12. Ankunft bei den aktiven Truppenteilen j 29. 

13. Verbleiben in den Depots ) 29. 

14. Ankunft bei den aktiven Truppen / 31. 
Ein erster T'ehler iin Calcul ergab sich daduiu Ii. dafs eine Anzahl 

von Departements die Reservisten und die 2. Portion später, als am 
24. Juli instradirten, nunilicli am bis 28. Juli. 
Am 18. Juli wurden in Marsch gesetzt 7889 Mann 



fllr di« 

die jant en Sol- 
dalfD d«T J. I'ur- 
tiou b«treff«nd. 



1t 
fl 
f» 



19. 
20. 
21. 
22. 
23. 
24. 



n 
ff 



n 
ff 
ff 
ff 



Tom 24. bis 28. Juli 



7) 
ff 



ff 



ff 
ff 
ff 
ff 
ff 
ff 



14331 
25077 
22537 
43542 
22629 
5471 
21484 



n 
ff 



Im Ganzen 163020 

Keservisten und 
Leute der2.Portion, 
d. h. 10487 weniger 
als die StammroUoo 

der Reserve am 
1. JuU 1870 aus- 
wiesen. 



Leboeuf meint, dieses Defizit habe seine Gründe darin, dab 1. die 
Beamten die Dringlichkeit der Lage nicht hinreichend erkannt hätten, 
2. trotz bestimmtester Befehle Aufschub gewährt wurde, besonders 
auch bei Verheirateten, 3. zu leicht Leute als nicht marsch- und diensir 
fähig in Zivilkrankenhäuaer aufgenommoi wurden. Die Depots hatten 
Befehl, die Reservisten in Verbänden zu je 100 unter einem Offizier 
abzusenden bis die aktive Portion 2400 Köpfe zählte, es sollten aber 
aueh tiir die 4, Bataillone, deren Aufstellung befohlen, altgedicnte 
Leute designirt werden. Auch in den Do()ot8 kamen Verzögerungen 
vor, gesteht Leboeuf Die Reservisten jedes Korps verteilten sich auf 
alle Regionen Frankreichs, Nicht ahnend, wo die Truppenteile sich 
gerade befanden, zu denen die einzelnen (niippen von Reservisten zu 
dirigireu waren, zögerten die Depots mit der Äbsendung, wufsten zum 



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54 



Leboeuf und die frauzösitjcbe Mobilmachung 1870. 



Teil axush nicht, was mit den Einbeoiderten anrofangeiL Die MeLdung 
des Temtorialkommandanten yon HexseQIe an das KriogBmimsteriiun: 
,i9000 Resemsten bier, weils nicht wohin mit ihnen, mn Luft zn 
machen werde ich ae nach Algier schicken'* ist charakteristisdi genug. 
Den abgesendeten Beserristen fehlten die nötigsten Ansrttstnngs- 
gegenstände, den Divisionen und Korps zum Teil die Trains, Lasarethe^ 
das Vcrwaltongspersonal, Magazine waren im Voraus nicht angelegt, 
die Truppen wurden auf die Festungen angewiesen, die sich in ver^ 
nachlässigtem Zustande befanden. Wer entsinnt sich nicht der 
Meldung des Generalintendanten des III. Kor{)s: ^Ich habe weder 
Krankenwärter, noch Krankenwa<jen, noch Yerwaltungsbeamte, noch 
Feldbacköfen, noch Trains.^ Zweilbilos entsprach die Friedensvorbereitung 
nicht den kriegerischen Projekten, das System dos Instradirens im- 
mobiler Truppen in den Aufniarschraum brach total nieder. 

Leboeuf hatte, wie oben bemerkt, im Ministerkonseil und Kammer 
versichert, dafs man in 14 Tagen 250000, in 3 Wochen 300000 Mann 
bereit haben werde und die organisirte garde mobile nationale im 
Norden und Nordosten Frankreichs schleunigst mobil werden solle. — 
Am 1. August betrug nach den dem grofsen Generalstabe zugegangenen 
Berichten, die Effektivstärke der damals noch nicht in Gruppen ge- 
gliederten Rheinarmee einschlielslicfa Ofifiaere, L Korps 41156, II. Korps 
26684, nL Korps 37723, IV. Korps 28591, V. Koipe 25073, VI. 
Korps (Ganrohert) 35419, VIL Korps 20341, Garde 21587, Kavallerie- 
Beserre 5617, Artillerie -Reserve 1054, Qenie-Reserve 312, Ver- 
waltongsdienst (grofses Hauptquartier) 209, im Ganzen 248171 Kdpfe. 
Von dem I. Korps, das nach Stralshurg kam und ans Truppen 
aus dem Eisais, der Franche Comte und Algier (bei Wörth waren 
noch einige afrikanische Regimenter inkomplet) gebildet wurde, 
finden wir auch eine Stftrkenach Weisung vom 1. August in den 
Leboeuf sehen Erklärungen vor der Enqu&te- Kommission. Sie weist 
bei den Infanterie -Regimentern Stärken von 865 bis 2391 Köpfen 
(Leboeuf hatte den Durchschnitt am 1. August auf 1900 Köpfe an- 
gegeben. Zu beachten ist freilich, dfifs das I. Korps \-inl afrikanische 
Truppen enthielt), bei den Kavallerie -Regimentern von ()39 bis 
499 Pferden auf. Spezialotats der übrigen Koi-ps für den 1. August 
fiinden wir nicht in den Leboeuf sehen Angaben, was schon im In- 
teresse des Vergleichs mit dem 12. bezw. 15. August, nach Eintreffen 
der Kescrven, sehr zu bedauern ist. Leboeui lühi-t uns auch das 
ni., IV., VII., II. Korps erst am 12. bezw. 13. August auf Beim 
II. Korps können wir einige Schlüsse auf den Zuwachs an Stärke 
nach dem Eintreffen der Reservisten ziehen. General Frossard be- 
richtet in seinem Werke, daCs das IL Korps am 16. Jnli bei seinem 



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Leboeuf und die französieche Mobilmachung 1870. 



55 



AbDumch Von CMIoiib pro Ihfonterie-Regiment im Durdischnitt 
1860 Köpfe autwies. Ein genauer Etat vom 1. Ängust liegt nicht 
vor, am 12. Anglist aber, naobdem das II. Korps am 2. nnd 6. bei 
Saarbrücken nnd Spichem, 4164 0£Bziere und Leute ▼erloren, zählten 
dielnfiuiterie-Begimenterl216 (BogiuientNr.76, das sehr starke Verluste 
erlitten) bis 2120, im Dnichschnitt 1721 Mann. Das IV. Korps, in 
Unonville aus Truppen von Metz, Thionville und den Plätzen des 
Nordens formiert nnd mittelst der Bahn von Lille bequem zusammen- 
gesogen, hatte bei den Infanterie-Regimentem im Durchschnitt 2102, 
das in Mets aus pK izimcntem von Mets, Paris, Nancy formirt, 2158, 
das V. war in Bitsch aus Truppen von Lyon, Grenoble, das VI. in 
ChAlons aus Regimentern der Normandio, Bretagne und des Süd- 
westens gebildet, das VII. in Beifort aus Regimentern der verschie- 
denen Plätze des Südostens mit im Durchschnitt 2138 Köpfen. Nach 
Leboeuf's, auf den mono fliehen Tabellen beruhenden Angaben waren 
zur Rheinarmee bis zum 1. August 278882 Mann abgegangen und 
sollten die Infanterie -Regimeuter im Durchschnitt IdöO Gewehre 
zählen. 

Nach Leboeufs Angaben blieben, nach Bildung der Rheinarmeo, 
in Frankreich und Algier an Kadres: llal Infanterie-Kompagnien, 
also der Bestand von 192 Bataillonen zu 6 Kompagnien, 107 Eska- 
drons KaTsDerie, 10 Feldbatterien, 55 Fdsbatterien, die naeh dem 
in der Organisation dieser Waffe Toigesehenen dedonblement eine 
Anzahl yon Feldbatterien liefern konnten, endfidi 10 Depotbatterien. 
Fttr die im Felde stehenden Truppen giebt Leboenf um diese Zeit 
schfttsungsweise 290000 Köpfe an. Demnach hatten, nach den offi- 
neilen Angaben, in Frankreich nnd Algier, ohne die garde mobile 
nationale, noch 277131 Mann, nach Abzug der non Taleurs organiqueSi 
des permanenten Defizits nnd der non valeuTS der Reserve noch mnd 
202000 Mann tlir Neuformationen bezw. Ersatz vorhanden sein müssen, 
lu dmen in der Zeit vom 8. bis 12. August die Rekruten des Jahr- 
gangs 1^B9 mit 75000 Köpfen traten und wozu Leboeuf im August 
auch noch 28000 Kriegsfreiwillige rechnet. Total wären, ohne garde 
mobile nationale, also (!700(H) Mann unter den Waffen gewesen. 
Läfst man den Rckmtonjahrgang 1869 und die Kriogsfroiwilhgen 
aufser Betracht, so bleibt an ausgebildeten Leuten noch eine so be- 
deutende Zahl übrig, dais man mit vollem Recht sagen darf, Frank- 
reich habe bei wciicni nicht seine (icsammtzahl an geschultem Per- 
sonal in I, Linie eingesetzt. Leboeuf weist dann darauf hin, dafs von 
vornherein die Bildung eines Reserve -Korps in Lyon unter PaUkao 
(der diesen Auftrag nur sehr widei wiUig üboniahm), mit d< n I'riippen 
von Givit^ vecchia als Kern, 4 BataiUoneu und garde mobile uationalc, 



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56 



Leboeuf und die ftunriWuche MoWImarhnng 1870. 



eines 2. in Toulouse unter Trocbu mit einer aktiven lofuiten»- 

Division, einer Kavallerie - Brigade, 4. Bataillonen und garde mobile 
nationale, endlich die Aufstellung eines Landungskorps für die bal- 
tischen Küsten geplant wart dem u. A. eine Marine-Di\ision angehören 
sollte, die aber später in Paris einen Teil des XII. Korps bildete. 

Dem 1. Ojierationsplan entsprechend, nämlich dem Gedanken, 
den Rhein baldigst zu übersehreiten und sieh zwischen die Heerteile 
Nord- und Süddeutscblands zu werfen, hätte man die Hauptkräfte 
im Elsafs versammeln müssen; die Ausnutzung der verfügbaren Bahn- 
linien wies aber auf die Versammlung starker Knittc bei Metz hin 
und diese sollten, uadi Tieboeufs Angabe, den schon im Elsafs ver- 
sammelten folgen, wahrend Canrobert nach Lothringen zu rücken 
und entweder bei Metz oder bei Nancy zur Deckung der rückwärtigen 
Verbindungen Stellung zu nehmen hatte. Dieser Gedanke, sagt 
Leboeuf, wurde aber wegen der mcht eintretenden Bondesgenossen- 
schaft und ans anderen Gründen aufgegeben und die Garde, die bei 
Nancy bleiben sollte, nach Metz dirigirt 

Wenn Leboeuf angiebt, d&b in der ersten (FoimatLon8)-Periode 
der Korps die Bahnlinien methodisch ausgenutzt wurden, so ist 
man, nach den bekannten Vorkommnissen, wohl bOTechtigt, dies als 
unrichtig zu bezeichnen. Leboeuf giebt dsan audi zu, dafe Störungen 
und Häufungen auf den Bahnhöfen nicht vermieden worden wären. 
Seine Erklärungen vor der Enquete -Kommission geben als Beispiel 
die Leistungen der Ostbahngesellschaften. Vom IG. Juli ab liefen 
auf den Bahnen dieser Gesellschaft in 22 Tiv^cn 1223 Züge, also rund 
55 Züge täglich, und transportirteu HOOOdd Mann, 64700 Pferde, 
()600 Geschütze und Fahrzeuge, 1400 VerpÜegungs- und Munitions- 
wagen. 

Eine Depesche vom 5. 1° A. übertrug Bazaine den Befehl 
über das IL, III., IV. Korps, am 6. auch über die (rarden, die am 
7. eintreffen sollten, für die militairischen Operationen, Mac Mahon 
das Kommando über das L. V., VIT. Korps, mit dem G. war also 
die Gliederunf]^ in .3 Armeen, eine mit dem Centrum in Metz, die 
andere mit dem Cuntrum in Strafsburg, die Reserve Chalons voll- 
zogen. Am 13. übertrug ein kaiserlicher Befehl Bazaine ausdrücklich 
den Befehl über die Truppen bei Metz, einschliefslich Garde, während 
Napoleon nach Ghälons eilte, um dort mit den Besten des L und V., 
dem Vn. Korps, den aus Paris und aus ander«i Teilen FrankreiGhs 
heranziehenden . Truppen eine neue Armee zu bilden. Für dieeea 
Zeitpunkt haben wir in den Beilagen zu den LeboeuTschen Er- 
kUrungen die Stttrkerapporte einiger Koips einerseits, die Zusammoi- 
Stellung der Streitkräfte Bazaine's durch den groften Generalstab 
andererseäs. Beide decken sich nicht absolut 



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Leboeuf und die ftuiOdfldie Uobilmaohang 1870. 



57 



Beiin m. Koips finden wir Kopfetärken der Inianterie-Regimenter 
▼on 1674 . Ins 3234 Mann, Kavallerie - Regimenter Ton 521 bis 
631 Pferden, die Resenre- Artillerie (Park und 8 Batterien) ist mit 
2320 Mann und 2606 Pferden, das ganze Koips mit 163S OIßzieren, 

45778 IVTann, 10331 Pferden verzeichnet. Das FV. Korps weist nach 
dem Spezialrapport desselben bei den Infanterie -Regimentern Kopf- 
stärken von 173f) bis 2293 Mann, Kavallerie-Regimenter mit 519 bis 
652 Pferden» 6 Batterien Resenre-Artilierie und total 1271 Ofüzierei 
33792 Mann, 6902 Pferde auf 

Beim II. Korps finden wir (nach den Kämpfen des 2. und 
6. August) Infanterie - Reoimenter mit Kopfstärken von 1173 bis 
20r)0 Köpfen, Kavallerie - Regimenter mit 482 bis 617 Pferden, 
6 Reserve-Batterien, total 948 Offiziere, 22965 Mann, 4914 Pferde. 
Hier ii>t auch die bei Razaine's Armee vorhandene gemischte Brigade 
Lapasset des V. Korps zu nennen, die eine bunte Mischung aus 
Leuten der verschiedensten 'I'rupfienteile zeigt. Bei ihr werden auf- 
geführt voll die Infanieiie-Ueguneuter 84 und 97 mit 1860 bezw. 
2112 Mann, Teile der Linien-Regimenter 46 (334 Mann), 49 (409 Mann), 
68 (203 Mann), 88 (345 Manu), des Jägerbataillons 14 (151 Mann), 
die 3. Landers mit 398 Mann, 439 Pferden, Theile der 12. Ghasseurs 
k cheval (94 Mann, 109 Pferde), 1 Batterie (140 Mann, 122 Pferde), 
tndn d'equipage (181 Mann, 221 Pferde), total Brigade Lapasset 
186 Offiziere, 6255 Mann, 962 Pferde! Soweit die vorhandenen 
Spesdalrapporte der Korps vom 12. bezw. 13. Ängust. Die Znsammen- 
stellnng der Streitioräfto Bazaine's, im Moment, in wetdiem er am 
13. den Befehl über die Truppen nm Metz übernahm, wie sie der 
grofse Generalstab gab, we^ folgende Zahlen auf (einschliefelicsh 
Offiziere): 

n. Koipe 25100 Mann 5000 Pferde 

n 



III. Jl . * « • . 


48361 




10331 


IV. „ 


35003 


» 


6902 


Vom V. Korps (Lapasset) 


3470 


1» 


680 


VI. Korps ..... 


38089 


n 


2469 


Garde 


21422 


n 


7129 


Kavallerie-Reserve . . 


4574 


n 


4266 


Artillerie- „ . . 


2001 


n 


2129 


Genie- „ . . 


G4.S 


n 


596 



(deckt sich also bei 
weitemmchtmit dem 
SpezialFapport). 



n 



Im Ganzen 178688 Mann ;39502 Pferde. 
Vergleicht mau diese Stärkeangabe mit derjenigen vom 1 . August, 
indem man von der letzteren das I., V. (aufser BriL^adc Lapasset) und 
VII. Korps abzieht, dagegen die Verluste in den Kait!i>Rii des 2. und 
6. .Vugubt mit rund 5000 Mann hinzuzählt, so koumit muu zu dem 



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58 Loboeuf und die französiacbe Mobilmachung 1870. 

Ergebnüs, dals nach den offiziellen Angaben den Korps, die die 
Amee Bazaine's am 13. Aüguet zaeammenfletiten, jtm 1. Ine 
13. Anguet nur nutd 23000 Mann sogewaclieen viren. Die in dem 
Befehl an die Depots festgesetzte Eopfstärke von 2400 Mann für die 
Infanterie-Regimenter wurde nirgendwo erreioht und das ist um so 
aufbUender) als man, nach den oben wiedergegebenen offiziellen Be- 
riehten doch über zahlreiches ausgebildetes Personal im Innem verfögte. 

Von Interesse sind audi die Stärke -Angaben, die dem General 
Martin de Pallieres, Rekrutirungsabtheilung des Kriensministeriums, 
A. Moret. unterzeichnet, gegeben und von diesem der Enquete-Kom- 
mission vorgelegt wurden, zumal sie sich auch auf die späteren Phasen 
des Krieges erstreckten und erkennen lassen, welche Anforderungen 
die Defense nationale an die Wehrkraft stellte. Die Angaben untor- 
Bcheidcn zwischen der Sollstärke des Heeres am I.Juli und dem, was 
die Gesetze vom 17. 7. und 10. 8. zur Verfügung stellten: 

Am 1. Juli: 

Aktive Armee und Reserve (Offiziere eingeschlossen) 564748 Köpfe 
Garde mobile nationale 420000 „ 

Zusammen 964748 Köpfe. 

Nach dem 1. Juli: 

Jahrgang IbÜÜ. Zur Armee 75000, zur garde mobile 

nationale 145000 .... total 220000 „ 
„ 1870. Armee 141000 Rekruten, garde mobile 

nationale 37207 total 178226 „ 

Kriegsfreiwillige (Gesetz vom 17. 7. 1870) 140519 

0lr die Armee, 7192 für die garde mobile, total 147706 „ 

Ältere und jüngere Leute der 2. Portion, die durch 

Gesetz vom 10. 8. 70 Überwiesen wurden . . 22600 „ 

Leute unter 35 Jahren, die nie gedient und keinen 
Anspruch auf Dispensation hatten. (Einberufen 
durch Gesets yom 10. 8. 1870) 177000 ^ 

Leute, die in die garde mobile nationale eingereiht 
wurden (Gesetz vom 10. 8. 70), d. h. diejenigen, 
die, unvcrheirathet oder Wittwer ohne Kinder, 
sich mit den Jahrgängen 1865 und 1866 vom 
Dienst losgekauft 14000 „ 

Zusammen mit oben 1814320 Köpfe. 

Zieht man davon ab: 
Garnison von Paris (UOOOO garde mobile, 150000 

reguläre Armee, Marine, Forsthüter, Douaniers) 260000 n 
die Armeen von Metz, Sedan, der verschiedenen Plat/e, 

Tote, Vermüste total öOOOüO „ 



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Die österreiciusclie Artillerie iu den loteten 45 Jahren. 59 



so blieben, als nur sehr wenig geschult oder ganz 
unausgebildet, zur Verfügung der Defense natio- 
nale nocli 1054320 Köpfe. 

Wenn Thien, ah Prllsideiit der Republik, schon 1872 wieder 
einnial in einer Bede aussprach, Frankreieh besitze schon jetsct wieder 
die beste Armee und den intelligentesten Generalstab, so konnte man 
damals Tersueht sein zn glauben, dais man, trots der Katastrophe, 
in Frankrdch geneigt sei, die Ursadien des Mifsgeachickes nicht in 
dem innersten Wesen des Volksgeistes, sondern in den Formen m 
suchen, in d^n derselbe zu seiner Kraftän&emng berufen war. Die 
fol^ronde Zeit — und schon das Rekrutirungsgesetz von 1872 einiger- 
mafscn — haben diesen Glauben nicht bestätigt Von dem bitter 
gehalsten Sieger hat man gelernt 18. 



IV. 

Die österreiddachd Artillerie in den letzten 46 Jahren. 

Von 

A. Dittrich^ k. k. Landwchrhauptmaim. 



Die Stürme, welche die österreichische Monarchie in den Jahren 
1848 und 1849 in ihren Grundfesten erschüttert hatten, waren glück- 
lich niedergekämpft worden, was vor Allem der Tapferkeit der Armee 
und dem Goscliick ihrer Führer zu danken war! Aber man hatte in 
eben diesen Kiinipfen Gelc'jfcnheit t;eliabt. die zalilreichen Gebrechen 
der Organisation dieser Armee zu erkennen und es erschien deshalb 
die durchgreifende Lmt;estaltung des gesammten Heereswesens un- 
ausweichlich. Auch jene Männer, welche jene Siege erfochten hatten, 
zumal der Feldmarschall (iraf Radetzky, welcher schon seit 4<> Jahren 
wiederholt seine warnende Stimme erhoben hatte, riefen nacli Ilo- 
fbrmen. 

So wurde denn gleich, nachdem der letzte EanonenschuÜs Terhallt 
war, mit dem grofsen Werke begonnen und dasselbe, da die nttohst- 
fi>lgenden Kriege die gehegten Erwartungen nicht erfiillten, immer 
irieder Ton Neuem in Angriff genommen. Überdies zwangen die 
steten Fortschritte der Waffenteehnik und die Ändemngen in den 
äulsem und innem politischen Verhältnissen des Staates zur Ab- 
weichung von dem eingeschlagenen Wege. 



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60 



Die öeteneidiiiobe Artülerie in dm UMaa 45 Jtluwk 



Das Eriegqabr 1866 hatte eine neue Befonn, grölflor und bedeut- 
samer als alle bisherigen, zur Folge. Das damals geschaffisne Werk 
besteht in seinen Grundzügen noch jetzt und es dienten die seither 
durchgefiihrten Änderungen, so bedeutend sie auch erscheinen mögen, 
nur zu dessen weiteren Vervollständigung. Die Einführung der all- 
gemeinen Wehrpflicht und die Konsequenzen derselben, die wieder- 
holte Änderung der Bewaffnung und Ausrüstung, die dualistische Gre- 
staltung der Monarchie, der grolso Fortschritt des Eisenbahnwesens 
und so vieles Andere waren von dem mächtigsten Einflufs auf die 
Gestaltung der Armee, so dafs dieselbe jetzt, von verschiedenen 
neuerrichteten und vordem selbst dem Namen nach unbekannten 
Truppengattungen abgesehen, in einer vollständig veränderten Gestalt 
erscheint. 

So grofs aber auch die Änderungen bei den Fufstruppen, der 
Kavallerie und den andern kleineren Truppengattungen sind, so werden 
sie doch von jenen überragt, welche die Artillerie in Bezug auf ihre 
Organisation, Ausrüstung und besonders auf die Vermehrung ihres 
Staniles in den letztverflosseneu 45 Jahren erfahren hat. Der Grund 
hiervon liegt nun keineswegs darin, dafs die andern Waffengattungen 
eine Vernachlässigung erlitten haben, sondern dafs die Artillerie bei 
dem Beginn des Reformwerkes in mehi£scher Beziehung sich in einem 
solchen Zustande befand, dals sie, wollte man die finanziellen Bück- 
sichten nicht ganz bei Seite lassen, unmöglich mit einem Schlage die 
gleichwertige Leistungsflhigkeit der andern Waffengattungen erhalten 
konnte. Und als Dieses in mustergültiger Weise bewirkt worden 
war, da vermochte die Standesvennehrung der Artillerie mit jener der 
andern Truppen nicht gleichen Schritt zu halten und darum auch 
den Anforderungen bezüglich des richtigen Stärkeverhältnisses dra 
verschiedenen Waffengattungen untereinander nicht zu genügen. 

Die Kavallerie war nach 1849 schrittweise vermehrt worden, und 
erreichte 1859 ihren höchsten Stand, der 1860 nicht unbedeutend 
vermindert wurde. Seit 1868 ist jedoch auf verschiedene "Weise, 
namentlich durch die Aufstellung der Landwehr-Kavallerie das er- 
f«trdorhche Stärkeverhiiltnils wieder erzielt worden. Bei der Infanterie 
bei^iiiiiite man sich anfänglich mit einer entsprechendeien und gleich- 
förmigeren Gliederung der Regimenter und Bataillone, seit 1868 ist 
aber ihr Stand namentlich durch die Errichtung der Landwehren 
nacli und nach verdrei-, ja vervierfaclit worden. Nunmehr hat auch 
die Artillerie eine Stufe eiTeicht, dafs sie nicht nur hinsichtlich ihrer 
Ausbildung und des Materials, sondern auch ihrer Zahl den an sie zu 
stellenden Anforderungen entspricht. 

^) SelbstventSndlich d«r im Kriege la emichende Stand. 



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Die Österreichische Artillerie in den letzten 45 Jahreo. 



61 



Ein Bücfcblick auf den Zustand der öBterreicliiBchen Artillerie im 
Jahre 1848 und anf ihre frühere Entwiekelong bis zu diesem Zeit- 
punkte ist unerlalslich, yriJl man das richtig beurteilen, was seither 
zu ihrer Hebung in jeder Hinsieht erforderlich war und seit 45 Jahren 
auch wirklich geschah. Und die letzten zwei Drittel dieser 
Periode stand die österreichische Artillerie unter der Leitung 
des am 29. Juli J, auf so plötzliche und tragische Weise 
aus dem Lehen geschiedenen Erzherzogs Wilhelm, der 
übrigens schon früher einen mehr oder minder bedeutenden 
Einflufs auf die Entwicklung der Waffn, der er sich ge- 
widmet, genommen hatte! Er hinterliefs das Werk, welches er 
begonnen und trotz aller Schwierigkeiten unverrückt und scluiftwoiso 
weitergeführt hatte, nahezu vollondet, daher die vorliegende iSkizze 
nicht uubcrorhtigt crsclieinen diiifto. 

Acht (_ieiieral-Direktort'H oder liK^])ektoren standen seit 150 Jahren 
au der Spitze der (österreichischen Artillerie, wenn man den nur kurze 
Zeit mit der provisoriMchen Leitung betrauten F. M. L. v. Vernier 
nicht mitzählt. Vier derselben vorbHeben fast gleich lange, nämlich 
nahezu oder über dreifsig Jahre auf ilirem Posten und es bietet ihr 
Wirken den Anhaltspunkt zur Bozeichnung der Abschnitte, in welche 
die Geschichte der österreichisehen Artillerie seit der Mitte des vorigen 
Jahrhunderts eingeteilt werden kann. Wohl kommen auch schon 
früher Artillerie-Direktoren vor, so führte z..B. Montecuocoli neben 
seinen andern auch diesen Titel, aber es kann eben nur von einem 
Artilleriewesen in Österreich, nicht aber von einer öster- 
reichischen Artillerie gesprochen werden, da die Artillerie kein 
dnheitiidies Ganzes bildete, sondern teilweise von den Regiwungen 
einzelner Provinzen, in vielen Städten von den Bürgern beigestellt, 
oder fallweise auf Kricrrsdauer aufgenommen wurde und auch nach 
dem droifsigjährigen Kriege immer nur einige Kompagnien „ständig bei- 
behalten" wurden. Die Bespannung der Geschütze mufste im Kriegs- 
falle von den Provinzen beigestellt werden. Von einer Gleichförmig- 
keit des Materials war vollends gar keine Rede. Der alt^ingewurzelte 
Zunftgeist war noch in voller Blüte und selbst der trrofse Prinz 
Eugen konnte nur wenic; zur BesscruTi<^ dieser Zustände durchsetzen. 
Nicht volle hundert l'eld^eschützc konnte man beim Beginne des 
österreichischen Erbfolgekrieges den in Schlesien, Bölimen, Osterreich 
und Italien stehenden Truppen beigeben und aurli diese Geschütze 
konnten teilweise nur mit den nächstbesten Bauernpferden über- 
nommen werden I 

Doch schon in den ersten Jahren dieses Krieges übernahm zu- 
^t ans eigenem Antriebe und provisorisch, seit 1746 aber nominell 



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62 



Dto MemichiBelie Aitilkrie io den kteten 46 Jaluon. 



Filnt Wen/el Licclitonstein die Leitung der (jatemichiBcheii 
ArtülAiiei als deren Begründer er mit Recht genannt werden dul 
Er spendete aus Eigenem bedeutende Summen, da die Unteistützimg 
des Staates nicht sofort und in au^ebiger Weise zu erlangen war, 
um wenigstens für die erste Zeit den gröfsten Gebrechen abzuhelfen, 
zugleich aber seinen '^rofsen Rcforniplaii anzubahnen. So jj;ründetc 
der Fürst auf seinen ÜLiTschaften in Böhmen noch während des 
Krieges eine eigene Artillerieschule und begann die grolsen Schiefs- 
versiirlic l^ei Moldau und Tein, bei welchen das acht Jahre später ein- 
geführte Liechtensteinische, durch besondere Einfachheit und 
weglichkeit sich auszeichnende Oeschützsystem erprobt wurde. 

Doch auch der Organisation des Personals und der Ausbildung 
desselben wendete der Fürst seine Sorge zu. Denn schon 1757 er- 
schien das, die teilweise schon durchgoführte neue Organisation be- 
stätigende „Artülend-Reglemeiit^. Die ArtQIerie bestand aus 6 Bri- 
gaden fiir den Feld- und Bdagenmgsdieiist, der Hausartilleiie (fOir 
Festangen), der „Rofspartei*', veldbe die Bespannung bildete, dem 
Zeogamt und dam I^oviaat' und ZaUamt, wekhe die heutige 
Techniacfae ArtOlerie reiprSsentirteiL Wir finden also hier das eist 
1850 wieder eingeführte Batterie^tem und die Befreiung des 
Artillerieoffiziers von allen Adnumstrationssorgen. Für den Dienst in 
dem Festungen und Depots und Laboratorien bestand ein Handlanger- 
korps, welches im Kriege die Abgänge bei den Batterien ersetzen 
mufste. Denn mit Ausnahme der freiwillig Eintretenden soUte im 
Allgemeinen kein Mann unmittelbar zur Artillerie eingestellt werden, 
sondern es muiste Jeder die militärische Ausbildung bei den Hand- 
langem und wenn diese nidit ansrmchten, bei der InlDeuiterie erhalten 
haben. 

Für die Ausbildung der Artilleristen hatten die Schulen bei den 
Kompairnien und Brigaden zu sorgen und der Offiziersnuchwuchs ^ang 
aus einem eigenen ArtilJerie-Lyceum hervor, übrigens wufste der 
Fürst mit richtigem Blick viele Männer aus den verschiedensten 
T^ebensstellungen heranzuziehen und für den Dienst in der Artillerie, 
deren Zierde sie später wurden, zu gewinnen und auszubilden. 

Feldmarschall Fürst Liechtenstein starb 1772 und sein Nach- 
folger, der Feldmarschall Fürst Kinsky folgte im Allgemeinen der 
eingeschlagenen Richtung. Denn die Beformen, welche er gleich nach 
seinem Amtsantritte durchführte, dürften teilweise schon von Liechten- 
stein gcphmt worden s«n. Zuerst wurden die Brigaden m drei Re- 
gimenter zu je 16 Kompagnien umgewandelt, was übrigens schon 
1771 — also noch unter Liechtenstein — provisorisch geschehen 
war. In Prag, Budweis und Wien, als den Staadorten der neaen 



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Die (Mencichiieh» AitilM ia den letitoii 45 Jahna. 63 



Regimenter wurden von diesen die sogenannten Stabeschulen (deren 
Benennuiig sich bis 1850 eriuelt und welche mit hinreichenden Lehr- 
mitteln und Kräften ausgestattet waren) errichtet. Dann wurde das 
Zeugamt Ton der Roispartei, mit welcher es })isher in einer gewissen 
Verbindung gewesen war, gänzlidi getrennt, später aber die Rofspartei 
aufgelöst und die Bespannung von dem allgemeinen Armee-Fuhmesen 
bei^( stellt. Eine Änderung, die gewils nicht im Sinne Liechtenstein's 
gewesen wäre. 

Auch das Material erfuhr einige Änderungen, indem die leicliten 
Liechtensteinischen Drei- und Sechspfündcr (aufser diesen gab 
es auch schwerere, nämlich die Regimentsstücke und Falkaunen) ab- 
geschafft wurden. Die bedeutendste Neuerung aber war die Ein- 
führuTig der sogenannten Kavalleriebattcrien, welche die reitenden 
Batterien, gegen welche man in Österreich bis in die neueste Zeit 
gestimmt war, ersetzen sollten und — unter den damaligen \'erhiilt- 
nissen — auch wirklich genügen mochten und besonders — weniger 
kosteten. Hehiere andere Änderungen, welche Kinsky ?orbereitet 
hatte^ kamen unter diesem nicht mehr zur Ausführung, da er beim 
Aushmdie des baynschen ürbfolgekrieges von seinem Posten zurücktrat. 

F. Z.M. Frhr. Rouvroy, aus der Schule Liechtenstein's 
herrorgegangen und ein ebenso tüchtiger AitiUerist ab tapferer 
Soldat, trat nun an die Spitse, wiewohl er wfthrend der zehigährigen 
Dauer seines Wirkens nicht die voUe Maditbefiignils eines General- 
Direktors besessen zu haben und auch den Titel erst später erhalten 
zu haben scheint. Er starb im Lager vor Belgrad in Folge einer im 
TSrkenkriege erhaltenen schweren Wunde und der übeii^lsen An- 
strengungen, iär schuf ein neues System der Belagerungsgeschütze 
und liefe eiserne Geschütze fiir die Festungen giefsen. Das Artillerie- 
Lyceum wurde aufgehoben und an seine Stelle trat das Bonibardierkorps, 
welches aus den bei den Reirimcntern befindlichen Oberfeuerwerkern, 
Feuerwerkern und Bombardieren vorerst in der Stärke von drei Kom- 
pagnien forrairt wurde und bis zum Jahre 1850 bestand. 

Es war „die Ptlanzschule der Artillerieoffiziere'^ und emo ganz merk- 
würdige Institution. Selten hat eine Truppe sowohl in der Armee, 
als noch mehr bei der Bevölkerung ein solches Ansehen genossen, als 
das Bombardierkorps sich dessen erfreute. Man wufste, dals nur 
gründliches Wissen, Tapferkeit und ausgezeichnetes Verhalten Anspruch 
auf Beförderung gaben und dals, da der Grundsatz der Anoiennität 
nicht strenge beobachtet wurde, besonderes Verdienst sich rasch Bahn 
brechen konnte. So bradite es der berühmte Vega in dreizehn 
Jahren vom ünterkaaonier bis zum M%jor und Ritter des Maria- 
Theresienordens! Der Bombardier war j^Student und Soldat zu- 



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» 

64 1^ MendduMlie Artillerie in den letzten 45 Jehien. 



I^eich''. Denn im Frieden borten die Bombardiere die Vbitrige ibier 
Kluse imd im Kriege wurden sie den Batterien oder Belagenuig»' 

Abteilungen zugeteilt. Die Oberfeuerwerker und Feuerwerker ver- 

sahen dann gewöhnlich Offiziei sdienste. Docli wurde zuerst in solchem 
Falle auf Jene, welche den Kurs bereits absolvirt hatten und auf die 
oberen Jahrgänge gegrifien und nur zwei Mal, in den Jahren 1809 
und 1813 wurden StämmtUche Lelirsäle geschlossen, weil fast alle An- 
gehörigen des Bombardierkorps vor dem Feinde standen. Heutzutage 
wäre das Bombardierkorps in seiner damaHgen und späteren Gestalt 
schon wegen des langsam en V'orwärtskommens eine Unmöglichkeit. 
Denn auch nach Absolviruiip; des anfiinglich vier, schhefsUch aber 
sieben Jahre währenden Lehrkurses konnte — nach Mafs der offenen 
Stellen — der Bombardier, der früher schon einige Zeit in einem 
Artillerieregiment gedient haben mufste, zum Feuerwerker vorrücken, 
worauf w ieder sechs und mehr Jahre bis zur Erlangung der üffiziers- 
charge vergingen. 

Der Stand der Artillerie war m dieser Zeit naoh dem Ange- 
gebenen ein ziemücb geringer, doch war dieses nicbt so fÖblbar, weQ 
noch die Rogimentsartillerie der Infanterie bestand und die eigentliche 
Feldartillerie jene Batterien formirte, welche die Stelle der heutigen 
KorpeartUlerie vertraten. Bei Belagerungen und in Festungen wurden 
nebst dem H andlangerkorps auch Mannschaften der IniiEmterie zur 
Aushilfe herangezogen. 

Auf Bouvroy folgte der Feldmarschall Josef Graf CoUorado, 
welcher über dreifsig Jahre bis zu seinem im hohen Greisenaltcr er- 
folgten Tode auf diesem hohen Posten verblieb. Selten ist ein Mann 
verschiedener beurteilt worden. Dennoch sind seine V' erdienste unbe- 
streitbar und in gerechter Würdigung hat Kaiser Franz Josef sein 
Andenken geehi-t, indem er einem Artiii erieregimente den Namen des 
Feldmarschalls „für immerwährende Zeiten" verlieh, sowie es bezüg- 
lich Liechtenstcin's, Kinsky's, liouvroy's und jüngst des Erz- 
herzogs Wilhelm geschah. Man mufs die Zeit und die Verhältnisse 
beachten, in der und unter denen Coliorado au der Spitze der 
österreichischen Artillerie stand. 

Nach einem schon öfter ausgesprochenen Satze war Liechten- 
stein seiner Zeit imi ein halbes .lahrhundert vorangeeilt. Waren 
auch manche Einrichtungen Liechtenstcin's beseitigt worden, so 
hatle dennoch die ArtiDerie seither manche Fortschritte gemacht; sie 
stand daher bei Coliorado* s Amtsantritte mindestens auf der Hohe 
der Zeit und galt auch als eine der besten Artillerien in Europa. 
Die Artillerie in der nun beginnenden Periode wenigstens auf diesem 
Standpunkte zu erhalten* war an sich schon TerdienstrolL Denn al»* 



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Die ÖBterreichiflche Artillerie ia den letzteu 45 Jahren. 



65 



bald begann der nahezu em Vierteljalirliundert währende, meist uu- 
gLfiddi^ für Osterraicih yeriauftiide und difiMin die schwersten Opfer 
auflegende Krieg, der das FioanzweBen des Staates und den Volks- 
woblstand auf das Tiefte ersditttterte. Gleichwohl bew&hrte die 
^toteneiGliische ÄrtQlerie in allen Kttmpfen dieser Zeit ihren alten Ruf. 

Für die Organisation und ftlr die YeryoUkomntnung des Materials 
geschab nicht so viel als unter den fir&heren Direktoren und konnte 
unter den obwaltenden VerhSltnissen nicht viel geschehen. Letsteres 
war gut und entsprach in der ersten Zeit roUkommen und da audi 
in der Folge die österreiclusche Artillerie Dank ihrer guten Ausbildung 
und FQhmng ihren alten Ruf behauptete, so konnte man leicht die 
anderwärts gemachten, übrigens nicht sehr bedeutenden Fortschritte 
übersehen. Obgleich Napoleon selbst Artillerist war, ging die tech- 
nische Entwicklung seiner Artillerie nur langsam vorwärts und er 
wirkte mehr durch die Art der Verw-enduntj seiner Artillerie. — 
In dieser Beziehung gab es damals in Österreich Männer wie Fasching, 
Reisner, Callot und hesonders Smola (bei Aspem), welcdie den 
besten franzusiüchen Artilleriegcncralen nicht nachstanden. Eine 
durchgreifende Umgestaltung des Materials, die übrigens damals noch 
nicht so dringend war, hätte sich wegen der Finanzlage des Staates 
verbuton. Die Versäumnisse hinsichtlich des Technischen der Artüierie . 
fallen der folgenden Periode zur Last. 

GewÜs bedurfte die Organisation der Artillerie einer Verbesserung, 
aber CoUorado mochte ganz richtig erkennen, da&dieDurchföhmng 
einer solchen Änderung während eines Krieges immer eine sehr ge- 
wagte Sadie ist Und trat eine längere Waflbnruhe ein, so wurde 
jeder derartige Vorschlag von dem Leiter der Finanzen entschieden 
abgewiesen. Dennoch geschah so Manches. Nachdem schon frfiher 
die Regimenter um je zwei Kompagnien verstärkt worden waren, 
wurde 1802 nach Auflösung des Handlangerkorps und Abschaffung 
der Hegimentsartillerie ein viertes Regiment errichtet und das Bom- 
bardierkorps nach nnd nach auf fünf Kompagnien ^bracht und der 
Stand der letzteren erhöht. Auch das Handlangcrkoips wurde später 
neuerdings aufgestellt. Die sogenannte Hausartillerie wurde in eine 
Gamisonsartillerie umgewandelt, welche nach den Provinzen in 
Distrikte von verschiedener Stärke gegliedert, die Vorwahruiig und 
Verwaltung des Materials und den Dienst in den Festungen be.'sorgte. 
Die Artillerie wurde mithin erhcbHch vermehrt und sie moclite bei 
dem damaligen Etat der Armee (320000 Mann im Jahre 1813) 
genügen. Als nach der Entsetzung Napoleon's Österreich die 
verlorenen Provin/en wiedererlangte, die österreichischen Staatsmänner 
aber zur Wiederherötellung der Finanzen die grüfste Sparsamkeit 
MnrtMar Ar OnWh« AmM ud Httiae. Sa.«l,l. 5 



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66 



Die Meffieaehiscbe Artillerie in den letsten 45 Jahren. 



forderten, da gereichte es Gollorado zum liohen Verdienste, dals 
nidit nur die beantragte ftUgBm^nft Reduktion auf die Artillerie keine 
Anwendung fand, sondern sogar noch ein fünftes Artillerieregiment 
(1810) errichtet wurde. Ein Jahr vorher waren die versuchsweiae 
au^eetellten Baketenabt^ungen in das sogenannte Feuerwerkskorps 
formirt und dieses dann mit der übrigen Artillerie vereinigt worden. 
Diese Raketeiiabteilungen waren bis dahin dem Artillerie-Diroktor 
niolit unterstellt gewesen und hatten auch eine eigene Acjjustirung 
gehabt. 

Dafs CoUorado an eine Änderung der Organisation niclit mehr 
gehen mochte, war bei seinem hohen Alter und seiner Vorliebe für 
die eingelebten Institutionen begreiflich. Als ein Beweis seiner An- 
hänglichkeit an das Alte mag erwähnt worden, dafs er, als eine neue 
Adjustirung eingeführt und die Abschafifung der Zöpfe anbefohlen 
wurde, es sieh Ton dem Kaiser Franz als besondere Gnade erbat, 
dais er seine bisherige Uniform nnd dbn Zopf auch femer tragen 
dfirfe (das Gleiche that übrigens anch der Feldmarsdian Graf Zieh y- 
Ferraris). 

Desto mehr that jedoch Gollorado fUr den Unterricht, die Ans- 
bfldnng und das materielle Wohlsem seiner Artilleristen. „Man darf*, 
soll der Feldmarsdudl einst gesagt haben, „nicht darauf sieh ver^ 
lassen, immer geniale Menschen in ansreidiender Zahl zu haben, 
sondern man mufs sich mit Talenten begnügen und nicht nui diese, 
sondern auch die weniger Begabten so ausbilden, dafs sie ihren Platz 
ausnilien.'' Und darnach handelte er. Pünktliche Pflichterfüllung, 
stete Übung und vor Allem unablässiges Lernen wurde auch von dem 
gemeinen Artilleristen verlangt, was zumal bei der damaligen langen 
Dienstzeit des Mannos (Icbeiisliinglicli oder mindestens 14 .Talire) 
schlicfslich doch zu guten lve>.ultaten fiihrcn niufste und einen vor- 
trefflichen, freilich etwas j ci lautisch gearteten Koq^sgeist zur Folge 
hatte. An der Aneionnität wurde nun strenge festgehalten und konnten 
die Offiziere, auch wenn sie nicht mehr vollkommen dienstfähig waren, 
bei den Regimentern, oder wenigstens in der Garnisonsartillerie ver- 
bleiben. Bei der damaligen ohne Rücksicht auf die Dienstlänge fest- 
gesetzten geringen Pension war diese Milde von grofbcin Werte und 
das dadurch verlangsamte Ayancement erhielt durch die bisher nur 
usuell bestandene, durch Gollorado aber gesetzlich festgestellte Be- 
stimmung, dais die Artillerieoffiziere mit dem Charakter nnd der 
Pension des fkEchsthöheren Grades in den Ruhestand traten, eine 
müdemde Ausgleichung. 

Gollorado war zugleüsh Grandprior des Malteserordens und er 
Terwendete das ibm aus dieser Stellung erwaohsende grof^ Einkommen 



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Die üiiterreichiscbe Artillerie in den letzten 46 Jthfen* 



67 



smn Besten seiner Waffe und der Ifitglieder derselben. Er unter- 
stutzte imTandmldel in Geldverlegenlieit geratene Offizien und deren 
limterbHebene Famifien, belohnte besondere Leistungen der Mann- 
schaft mit Geldgeschenken, spendete fflr* Schnlzwocke nnd zu den 
Sciuelsübnngen erhebliche Bdtiige, vermehrte den noch jetzt be- 
stehenden Penaionsverein fOr Wittwen nnd Waisen der ArtiUeiie- 
offiziere, die sogenannte „Gonfiratemität'', nnd stiftete zwei Fonds, ans 
deren Zinsen die Löhnungen der IJnterkanoniere erhöht und die auf 
seinen Antrag wieder eingeführten goldenen Huttressen der Untere 
Offiziere und Bombardiere angeschafft werden sollten. 

Nach dem Tode des Grafen Ccllorado trat Erzherzog Ludwig, 
ein Bruder des Kaisers Franz an die Spitze der Artillerie. Dals nun 
Letztere während der dreifsif^jährigen Amtswirksamkeit dieses Prinzen 
fast ungeändert blieb und somit nicht vorwärts schritt, war nicht dem 
Erzherzog, der gleich seinem Vorgänger es an Unterstützungen aus 
eigenen Mitteln an Einzebie und das Gesammtwosen nicht fehlen 
liefs, als den allgemeinen und besonderen Verhältnissen beizumessen. 

Zuerst war es die noch immer bestehende Rücksichtsnaliine auf 
die Finanzen des Staates, welche einem durchgreifenden Refonnwerke 
entgegentrat und übte der in allen Zweigen der Staatsverwaltung 
herrschende Geist, welcher mit Starrheit an dem Bestehenden fest- 
hielt nnd allen Neuerungen abhold war, auch auf die Armee, und 
somit andi auf die Artillerie seinen lihmeoden EKnflnls. 

Dann wiegte man sich in den Traum des nunmehr eingetretenen 
ewigen Friedens und hielt darum jede Mehrausgabe i&r das Kriegs- 
wesen fiberfliissig. „Es ist das Unglfick Österreichs, da& man immer 
nur an den Frieden und nie an den Krieg denkt und ffir diesen im 
Frieden sich nicht Torbereitet.** Dieser Satz, welchen Radetzky 
schon im Jahre 1809 niedergeschrieben hatte, war niemals zutreffsndör 
als in der Periode bis zum Jahre 1848. EndUdi aber bestand die 
Umgebung des Erzherzogs zumeist aus Männern „der alten Schule'*, 
die an sich den Neuerungen nidit geneigt waren und es bei zu- 
nehmendem Alter auch weniger sein konnten. Von diesen Herren 
waren eifrige Befürwortungen einer Reform kaum zu erwarten und 
wenn sie solehe Vorsrlil;if;;e fremacht hätten, so wiiren dieselben unter 
den angeführten Vorhalf iii>si'M doch nicht l>eachtet worden. 

So beschränkton sich dann die Änderungen und Verbcsserungen 
dieser Epoche auf ein sehr bescheidenes Mafs. So erfolgte nach dem 
Ableben des Kaisers Franz eine die ganze Armee umfassende 
Änderung der — Adjustirung, welche in ziemlich eleganter, aber 
nicht eben praktischer Weise durcligefiihrt wurde und — bedeutsam 
genug — gerade der Artillerie ein minder modernes Aussehen ver- 

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68 



Die Oatemidiiaehe ArtOkri« in den ktetn 45 Jahna. 



lieb. Zu eben dieser Zeit wurde der Erzherzog zur Teilnahme an 
den Begierungsgeschiift' n an der Seite des Kaisers Ferdinand be- 
rufen, was ihn natürlich hindern mufste, seine Obsorge, sowie bisher 
ganz der Artillerie zu wilmen. Er wurde dann durch den hoch- 
betagten F. Z. M. Grafen Koni gl vortreten. Von einschneidender 
Wirkung war die 1H45 erfolgte Herabsetzung der Kapitulation von 
14 auf 8 Jahre, was zunächst das Ausscheiden vieler altgedicnten 
Soldaten zur Folge hatte, der Artillerie aber bei der Errichtung der 
Landwehrbataillone sehr zum Vorteil war. 

lu dieser seit nahezu einem halben Jahrliundcrt fast ungeänderten 
Verfassung wurde die öatoii eichische Artillerie von dem Jahre 1848 
angetroften. Sie war unbestreitbar in mehr als einer Hinsieht um 
ebensoviel zui iickgcblieben, als sie einst ihrer Zeit vorausgeeilt war. 
Material und Organisation waren in den Grundzügen dieselben ge- 
blieben, mit denen sie 1792 in das Feld gerückt war. Nur der Staad 
war wiederbolt etwas, aber doch, wie es sich bald zeigen sollte, nidit 
genfigend eriiSbt worden. Es sei bier bemerkt, da& ein Jahr vorher 
der Eintritt des Erzheraogs Wilhelm in den aktiTon BCilitärdieiist 
mit der Übernahme des Kommandos der in Wien befindUchen Artülerie- 
brigade stattgefunden hatte. Von einer Rinflnfsnabme auf die Ver> 
hältm'sse der Artillerie konnte abgesehen von dem jugendlichen Alter 
des Prinzen, der das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, in 
dieser Stellung schon dämm nicht die Bede sein, weil die Wiener 
Brigade noch einem Divisionär untergeordnet war, was bei den andern 
Brigaden nicht der Fall war. Aber der Erzherzog hatte genügende 
Gelegenheit, die Artillerie und ihre Verhältnisse im Frieden und als 
er 1848 zur Armee in Italien abging, auch im Kriege kennen SU 
lernen und reiche Erfahrungen zu sammeln. 

(ileich nach lieginn der Feindseligkeiten in Itahen und dem 
Ausbruche der Unruhen in den meisten Provinzen (wo selbe noch 
nicht ausgebrochen waren, waren sie mit Gewilsheit zu erwarten) 
zeigte es sich, dafs auch die Zahl der Artillerie nicht genügte, zumal 
der Stand der Infanterie durch Rekrutirung, Xeuerrichtungen, Auf- 
gebote u. dgl. rasch und bedeutend vermehrt worden war. Durch 
Zuteilung der körperlich minder taugUchen Mannschaften der Regimenter 
ZU der Gamisomartinerie wurde diese etwas verstärkt und dann wurden 
die ausgedienten landwehrpflichtigen Artilleristen,' die nach den U»* 
herigen Bestimmungen der Infanterie bitten zugeteilt werden sollen, 
einberufen und aus denselben fünf Landwehr-Artilleriebataillone formiit» 
welche als Festungsbesatsungen, bei den Parkabteüungen und in 
Laboratorien verwendet werden sollten, so dais die Feldartillerie fUr 
den Dienst im Felde verfugbar wurde. 



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Die österreichuche Artillerie in den letzton 45 Jaiiren. 69 



Zugleich wurde die ZbU der Raketenbatterien vermehrt und der 
Stand der Unteroffiziere dee Bombardierkorps erhöht. Dagegen wurde 
das 5. Regiment in Ungarn durch Obertritt vieler Unteroffiziere und 
Kanoniere zu den HonTeds (dieser Obertritt wurde von der damals 
auch legitimen ungarischen Regierung auf jede Weise begünstigt) und 
später durch die Entwaffnung und Intemirung mehrerer den Ober- 
tritt verweigernden Kompagnien fast auf die Hälfte seines Standes 
herabgebracht. Dazu kam noch, dafs eine bedeutünde Zahl von (meist 
höheren) Offizieren, die sich den Anstrengungen eines Feldziiges nicht 
gewachsen fühlten, in den Ruhestand trat und vide tüchtige jiingere 
Offiziere, da auch bei anderen Trappen Mangel an Offizieren war, 
sich zum Generalstabe, zum Geniekorps u. s. w. übersetzen liefsen, 
wie auch viele Angchörii^o des Hombardierkorps bei der Infanterie 
und Kavallerie als Offiziere auf^ennninien wurden. Aucli dieses liatte 
einen üblen EinHul's. Die früher angegebenen Verstärkun<!;en f^'enüfrten 
nicht und so kam es, dal's man zu den verschiedensten Auskuiifts- 
raitteln schreiten mufste. f^o wurden in Siebenbürgen Batterien aus 
Infanteriemannschaften foniiirt, in Temesvar Ulanen und die Mit- 
glieder eines Muaikkorps zur Bedienung der Festungsgeschütze heran- 
gezogen und der Aufiiahme von Freiwilligen die grüfsten Erleichterungen 
gewährt. Auch die Artillerie der Militärgrenze, ein Überrest der einst 
bestandenen Eegimentsartillerie, wurde aufgeboten und rückte mit 
mehreren Batterien ins Feld, In den Lab<KratOfien aber wurden neben 
den ArtiUeristen auch Weiber und Kinder besohftftigt. 

Erzherzog Ludwig, weldier sidi nach der ,)Stunnpetition" im 
Hai 1848 nach Innsbruck begeben hatte, kehrte nicht mehr auf seinen 
Posten zurttck und so fibemahm, da die zunftdist hierzu bem&nen 
Generale in den Buhestand traten, nach dem Oktober der F. M. L. 
Fihr. T. Augustin prorisorisch die Leitung der Artillerie. 

Trotz ihrer mifidichen Verhältnisse leistete dennoch diese Artillerie, 
wo immer ihr Eingreifen gefordert wurde, das Möglichste. Sie that 
es aber mit änfserster Aufbietung ihrer Kräfte und mit schweren 
Opfern* In Ungarn hatte sie sozusagen gegen sich selbst gekämpft, 
da das gesammte Material ihren Vorräten entnommen war und ein 
guter Teil der Mannschaft vordem ihr angehört hatte, wogegen die 
PiemonU^son über ein entschieden besseres Material verfugten. In 
beiden Fällen war nur der besseren AushildTinir <lcs Personals und 
dem dasselbe belebenden vortreffliehon (ii r->tr der Erfolg beizumessen. 
Darauf allein aber konnte man sicli in emeni neuen Kriege nicht ver- 
lassen. Mit einer Reform durfte also nicht länger gezögert werden. 

Bald nach eingetretenom Frieden wurde der indessen zum Feld- 
zeugmeister vorgerückte Frhr. v. Augustin definitiv zum General- 



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70 



IMb Ostemidkbdie AxtiUeiie ia dra Istiten. 46 JahraiL 



Direktor enuumt und für denaelbeii, um die Bedentnng eeixier SteUung 
bmoizuheben, eine eigene Unifonn angeordnet. Er entatammte dem 
Generalstabe und hatte als Major die Raketen in Östeneich einge- 
führt, sich auch seither auascfalie&Iich mit dem Raketenwesen be&lst 

und sich um dessen Ver?oUkommnnng bedeutende Verdienste erworben, 
daher es begreiflich war, wenn er demselben einen vielleicht aliaa- 
hohen Wert beilegte. Auch stammte die Einführung der Perkussions- 
zündung der Gewehre (der ZünderachUiaeer) von ihm. £r stand im 

70. Lebensjahre. 

An eine umfassende Änderung des Materials war vorläufig' nicht 
zu denken, da hierfür noch nichts vorbereitet war und man die gänz- 
liche Aufsergebrauchsetzung der bedeutenden Vorräte vermeiden wollte. 
l\s lagen verschiedene Vorschläge vor, aber man hatt^' sicli noch für 
kein System entschieden und es nuifste ein solches, wenn man eine 
Wahl getrollen hatte, erst erprobt werden. Doch wurden einige mehr 
oder minder bedeutende Verbesserungen der Geschütze und Fuhr- 
werke angeordnet, die jedodi nur auf Neubeschaffuugeu Bezug hatten. 

Dagegen wendete man sich um so eifriger der Oiganisation sn, 
wae auch auf die VerhSltnisse des Personals ritekwirken mufoto. 
Denn auch Letzteres bedurfte in mehrÜMsher Hinsicht einer Reform. 
TrotB der Verkürzung der Dienstseit auf 8 Jahre waren Kanoniere 
und Unteroffiziere von 20 und SOjähriger Dienstzeit keine Seltenheit. 
Wohl hatte man die Ältesten der Ganusonsartillerie zugewiesen, dooh 
konnten dieselben auch dort ihres Alters wegen nicht mehr genügen. 
Zählten doch 20 hei der Geschützgieiserei Angestellte zusammen über 
1000 Dienstjahre. Bei dem Offi/Üerskorps war es bis 1848 noch übler 
gewesen. In der Regel zählten damals die Lieutenants über 30, die 
Oberlieutenants über 40, die Hauptleute 50, die Stabsoffiziere 60 und 
die Generale 70 bis 80 Lebensjahre. In den letzten zwei Jahren 
hatten allerdings die zahlreichen durch Pensionirnng und Tod erfolgten 
Abgänge eine merkliche Verjiingun^ herbeigeführt. Es war ein (»lück 
gewesen, dafs nach der bislu rij^'eu Einrichtung die Batterie nicht von 
Hauptleuteii, !>iindern von Oberlieutenants oder Lieutenants, ja selbst 
von Oberfeuerwerkem geführt worden waren. Denn der an sich schwer 
wiegende Übelstand, dafs die Bespannung der Batterien dem Fuhr- 
wesen angehörte, hatte auch eine grofse Vemacldassigung der Reit- 
kunst zur Folge. Wenige Offiziere kuimten gut, Meie garnicht reiten, 
oder verlernten es, weil sie es in den höheren Graden nicht mehr 
geafat hatten. Auch war zur weiteren Ausbildung der Offiziere keine 
Gelegenheit gegeben und man forderte nicht den NaehweiB der Bo- 
fthigung für eine höhere Charge, sondern befolgte in der Regel das 
Prinzip der Andennit&t. Eneigisohe und fortschiittsfreandliche» oder 



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Sie IMenvIcliiidit AifStkaS» in dm hMen 45 Jahren. 



71 



wenigstens agile Mfinner mu&ten daher besonders unter den höheren 
Offizieren eine Seltenheit sein. Der gewohnte Pflichteifer konnte mit 
dem physischen Vermögen nicht gleichen Schritt halten. 

Die noch vor Beendigung des nngarisdien Krieges beschlossene 
Umgestaltung der Artillerietruppe wurdo im Oktober 1849 genehmigt 
und sollte binnen Jahresfrist durchgeführt werden. Die Details dieser 
neuen Organisation konnten allerdings erst Anfang 1850 festp:cstellt 
werden. Eben in diesem Oktober wurde Erzherzog Wilhelm als 
Sektionsclief in die General- Direktion der Artillerie berufen. Fand 
auch der Erzherzog den Entwurf in den Hauptz^veigen fertig vor, so 
ist es doch möglich, dafs er bei der Durchführung seine Ansichten 
geltend machon konnte und mindestens hatte er Gelegenheit, die Ver- 
hältnisse und Persönhchkeiten der leitenden Artilloriebehürde kennen 
zu 1( iTien und die Forderungen und Anschauungen der tüchtigsten 
Ottiziere zu beurteilen. 

Die gesammte Artillerie sollte nun aus der Feldartillerio und der 
ZeugvorwuUung bestehen. Erstere gliederte sich in fünf Feldartillerie- 
Regimeuter, das Ruketeurkorps, acht Festungsartilleriobataillone und 
die Zeugartillerie. Die wichtigste Neuerung bestand darin, dals die 
Batterien nicht mehr fallw^ mit dem einer Kompagnie entnommenen 
Personal bemannt und von dem Fuhrwesen bespännt wurden, sondern 
dafii die Kompagnie, die Batterie und die Bespannung einen integri- 
renden Teil derselben bildete. Eine Zahl von tüchtigen Fnhrwesens- 
ofifizieren' wurde zur rascheren Durchführung dieser Neuerung zur 
Artillerie übersetzt. 

Jedes Regiment bestand aoa 6 sechspfundigen Kavallerie-, 6 zwöl^ 
pfündigen und 12 sechspfündigen Fufsbatterien, im Ganzen also aus 
24 Batterien und 6 Reservekompagnien. Die Nummern der Batterien 
liefen dun^ die ganze Artillerie, so dafs die sechspfündigen Fufs- 
batterien von 1 — 00, di ' andern von 1 — 30 zählten. Die Batterien 
hatten nicht mehr 6, sondern 8 Geschütze, doch konnte im Frieden 
der Stand auf 4 Geschütze vermindert werden. Auch bestand bei 
jedem Regiment eine Repniontsschule, die bald darauf in eine Regi- 
ments-Schulkompagnic umgewandelt \\airde. Die Resen-ekompagnion 
waren für den Dienst bei den Parkabteilungen und in den Labora- 
torien, dann zur Bedienung der im Kriegsfälle etwa errichteten Ge- 
birgs- und Positiousbatterien bestimmt. 

Das aus dem früheren Fpuerwerkskorj)S gebildete Raketeurkorps 
hatte 15 Baitenen zu je 12 (kschülzen (Wurstwagen) und 2 lleserve- 
kompagnien, dann eine eigene Korpsschule zur Ausbildung der Unter- 
offiziere. Die 8 Feetungsbataülone waren für den Dienst in Festungen 
und bei Belagerungen bestimmt und hatten je 6 Kompagnien. Drei 
BataiUone waren als Besatsung der Küstenbefestigungen atationirt. 

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72 



Die OrterreicbiBche Artillerie in den letzten 46 Jahren. 



Die Zeugsartillerio, aus dem früheren Feldzeugamt und dem Bert 
der Garnisonsartillerie (die einen Teil ihres Personals an die Fo'^tungs- 
bataillone abgab) fonnixt, hesorgte die Erzeugung des Artillerie- 
materials und war in verschiedene Abteilungen (Gewehrfabrik, Ge- 
schützgiefserei, Raketenfabrik u. s. w.) gegliedert. Die meisten der 
gedachten Anstalten und Werkstätten kamen später in das Jamals 
noch im Bau befindlirhe i^rofse Arsenal in Wien. Die Idee zur Er- 
bauung dieses Arsenals, dessen Herstellung unter der Leitung der 
Artillerie bewirkt wurde und eine Summe von über 12 Millionen Gulden 
erforderte, stammte von dem F. Z. M. v. Augustin und dem damaligen 
Gouverneur von Wien F. Z. M. v. Waiden nnd gereichte sowohl diesen 
beiden Generalen zu grofscm Verdienste, als auch der Artillerie zum 
besonderen Vorteil, da nun die bisher an vielen weit von einander 
liegenden Orten und meist sehr ungenügend untergebrachtenWerkstätten 
und liag^sine der Ärtfllone nmimelir an einem Platze, der tkk m 
der Nihe swder Bahnhöfe befand, vereimgt wniden. Im EnegsfeUe 
Warden Abtefluigen der Zeng^artillerie mobQ gemaeht nnd den Armeen 
und Korps bdgegeben. 

Die Zeagsverwaltang, weldier Offiziere, Unteroffiziere und Hand- 
weiker der GamisonBartillerie zngewieeen wurden nnd die gleidi 
letzterer in Distrikte eingeteilt war, bildete eine von der FeldartiUerie 
ganz gesonderte Abteilung, welcher die Aufbewahrung und Verwaltung 
des ArtiUwiemateriala oblag. Ihre Offiziere hatten sogar eine geson- 
derte Rangstour. Doch erf uhr die Organisation sowohl dieser Branche 
als der Zeugsartillerie in den nächsten Jahren wiedeiholte nnd sehr 
bedeutende Änderungen. 

Durch diese Einrichtungen war die Organisation der Artillerie 
unstreitig verbessert und der Stand der letzteren erheblich vermehrt 
worden. Dennoch waren mehrere grofse ['beistände zu tadeln. Nauient- 
hch mul'stc die Gröfse der Artillerieregimenter als ein Nachteil be- 
zeichnet werden. Zwar war jedes Regiment in drei Abteilungen zu 
je 8 Batterien unter Führung eines Stabsoffiziers gegliedert und 
wurde in der Regel eine solche Abteilung einem Armeekorps zuge- 
wiesen. Da aber aus letzterer Ursache die Abteilungen sich häufig 
in zwei bis drei, oft weit von einander entfernten Provinzen befanden 
und dennoch in administratirer, dienstlicher und jeder anderen Be- 
ziehung dem Regimentschef unterstanden, so l&lst eich leicht ermessen, 
wie sehr der Dienstbetrieb yersogert nnd die einheitUche Ausbildung 
erschwert wurde. 

Die Festungsbataillone, von deren Mannaohaft eine weit riel- 
eeitigere Ausbildung als bei den Begimentem gefordert wurde, be- 
fanden sieh häufig nicht in der Lage, dieser Forderung zu entsprechen« 



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Die (Seterreichieche Artillerie iu den letzten 45 Jahren. 73 

Mehrere Bataillone, besonden die «n der Kfiste» waren in zahlreiche 
Deteehements zerBjjitterti welche erst naeh Jahren gewechselt oder 
mm Stabe dee Bataillons herangezogen wnrden, mn den Söhiels- 
übnngen desselben beizuwohnen. Der Festnngskanonier lernte daher 
auch nichts obgleich es Terlaogt wurde, mit allen Oeschützgattungen 
ezeiziien, weil dieselben in dem kleinen Fort, wo er gamiaonirte, 
eSsdbxh — nicht voriianden waren. Anoh mangdte es an vielen Orten 
an geeigneten Schiefsplätzen und endlich waren die Bataillone bezüg- 
lich der Ansbildnng des Unteroffiziersnachwuchses übler als die Re- 
gimenter daran, zumal da sie sich ans allen Provinzen der Monarchie 
ergänzten, so dafs oft in einer Kompagnie fast alle Nationalitäten 
Österreichs zu finden waren. In mehreren Bataillonen waren Dienst 
und Ausbildunf!; durch den in den ungesunden Garnisonen (z. B. 
Mantua, Pcterwardein, Komom u. A.) gewöhnlich sehr hohen Kranken- 
stand erschwert. 

Auch das ünterrichtswesen mirde durchgreifend umgestaltet. 
Zuerst galt es, die Artillerie mit der Reitkunst und dem Pferdewesen 
überhaupt vertraut zu machen. In dieser Beziehunfr wurde das 
Möglichste geleistet und in den folgenden Jahren vie lleicht über das 
Ziel hinausgeschossen, da man anfing, die Tüchtigkeit «'ines Artillerie- 
offiziers nur nach seiner Fertigkeit iiu Reiten und in der Pferde- 
dressur zu beurteilen. Zuerst wurde in Wien ein provisorischer 
Beitknn fär jüngere Offiziere errichtet, weldie dann als Reitlebrer 
zu den Regimentern abgingen. In den Hanptorten der Armeekorps 
wurden nun Artillerieequitationen geschaffen, welchen Offiziere, Unter- 
offiziere und Pferde der Batterien des Korps zugewiesen wurden, 
webhe nach beendetem Korse zu ihren Abtdhingen einrückten, um 
daselbet in entsprediender Weise yerwendet zu werden. Auch in der 
Hanptsohnle in Olmütz (von welcher später erwihnt werden wird) 
bestand eine ähnliche Anstalt. 

In Wien aber wurde eine Artillerie-Hauptequitation errichtet» in 
welcher Offiziere, welche bereits eine Equitation durchgemacht hatten, 
während eines zweijährigen Kurses im Reiten, Fahren, Voltigiren und 
Veterinärwesen gründlichen Unterricht erhielten. Mit demselben Eifer, 
mit dem früher die Mntliematik betrieben worden war, verlegten sich 
nun die Artilleristen auch auf das hyppologische Fach. 

Das Bombardierkorps, welches sich in seiner dernialigen Foini 
überlebt hatte und seit Mitte 1H49 keinen Zuwachs, wohl aber viele 
Abgiinge erfahren hatte und von W ien nach Olmütz versetzt worden 
war, wurde daselbst aufgelöst und aus dessen Resten eine ^ Artillerie- 
Hauptschule" mit erweitertem und entsprechenderem Lehrplane ge- 
büdet. Später erhielt dieselbe den Namen „Artillerie-Akademie'^. Der 



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74 Die MenoofainliA Artillerie- in am lita^ 

Lehrkurs währte vier Jahre, nach welcher Zeit die Schüler za 
Lieutenants befördert wurden. Auch die Regimentsschulen erhielten 
ein vermehrtes Lehrperson<al und wurde der Lehrplan ansehnlich er- 
weitert. Die Schüler wurden nach zwei Jahren in die Akademie 
tibersetzt oder zu Unteroffizieren im Regiment befördert, wo sie- später 
auch den Oftiziersgrad erlangen konnten. Doch muiste, da die Zahl 
der Schüler beschränkt war, ein grofser Teil des Unteroffiziersnach- 
wuchses m dt-n Batterien herangebildet werden. Bei den Festungs- 
bataillonen war dieses durchaus der Fall. Zur höheren Ausbildung 
der jüngeren Offiziere sollte ein eigener zweijähriger Kurs gebildet 
werden, doch trat derselbe erst mehrere Jahre später ins Leben. 

Dieses war im Wesenüichen die erste seit 45 Jabren durdL- 
gefilhrte Organisation der Artillerie^ bei welcher Erzherzog Wilhelm 
jeden&IIs einen Anteil, soweit ee eben seine eingeengte Wirkungs- 
sphäre gestattete, genommen hat. Sein EinBuis mn&te jedoch be- 
deutend wachsen, als er zun Vorsitzenden bei den Beratungen des 
an Stelle des 1853 aufgelösten Kziegsministeriums gesdiafifenen Armee- 
Ober-Kommandos (unter Yoriftufiger Beibehaltung seiner SteQung in 
der Arüllerie-IHrektion) ernannt wurde. Erst 1857 wurde der Erz- 
herzog Chef der genannten obersten Müitiirbehörde. 

Die Mängel der neuen Organisation traten jedoch bald zu Tsge 
und forderten eine abermalige Umgestaltung, die um so rascher 
durchgeführt wurde, als der ausgebrochene mssisch-tUrkische Krieg 
ein Eingreifen der Österreichischen Heeresmacht in Aussicht stellte. 
Diese Umgestaltung erfolgte auch im Laufe des Jahres 1854 und 
war znt^leich mit einer MobümachuDg der gesaiiunten Artillerie ver* 
bunden. 

Aus den bestehenden Regimentern und 5 Festungsbataillonen 
"wurden, der Zahl der Iiifanterie-Armeekoriis entsprechend, 12 Feld- 
artillerie-Regimenter zu je 8 zwölfpfiiudigen und 4 sechspfiindigen 
Fufs- und 5 Kavallerie-Batterien, dann 3 bis 5 Reservekompagnien 
forrairt. Es gab auch einen erhöhten Iüiegsst;ind, bei dessen An- 
nahme noch 1 Kavallerie- und 1 Ilaubitz-Batterie, dann eine Remonte- 
Ergfinzungsabteilung au%estellt wurde, wogegen beün Friedensstande 
nur fünf Batterien bespannt blieben. Das Raketenrkorps wurde in 
ein Regiment zu 20 Batterien (auf dem erhöhten Kriegstand) und 3 
Kompagnien umgestaltet xmd die in Venedig, Istrien und Dalmatien 
befindlichen FestungsbataiDone wurden in ein Kflstenartillerie-Regiment 
zusammengezogen. Der Stand der Artillerie wurde somit Ton 120 
auf 168 Batterien erhöht, dagegen aber gab es so gut wie keine 
FeetungsarliUerie , da die Kompagnien der Regimenter gegen früher 
nur um 12 Termebrt worden waren und also höchstens diese iur den 



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Die öetexreicbiache Artillerie iu deu letzten 45 Jaluen. 



75 



Festungs- und Belageruiigsdienst verfügbar blieben. Man hatte eben 
vorerst die an den Grenzen aufzustellenden Armeen mit der genügenden 
Artillerie TOrBehen wollen* Übrigens worden für den Dtemit In den 
Wiener Magazinen und Laboratorien Arbeitskompagnien mit einenii 
naioh dem jeweiligen Bedarfe wechselnden Stande errichtet. 

Ein HauptTortefl war es, daSk die Regimenter ihren Ersatz nicht 
mehr ans allen Teilen der Monarchie gleushm&isig zugewiesen erhielt» 
sondern jedem Regiment ein besonderer höchstens zwei bis drei 
Fkorinzen nmfiunender Ergftnzimgsbezirk angewiesen wurde und somit 
die die Anslnldung so sehr erschwerende Vielsprachigkeit sich ver- 
minderte. Es war dieses um so wichtiger, als die Zahl der alten 
Kanoniere und Unteroffiziere seit Abschaffung der Landwehrver- 
pHichtung (wodurch Viele zum längeren Verbleiben in der Artillerie 
bewogen worden waren), fortwährend abnahm. Obgleich die Dienst- 
▼erpflichtung nominell zehn Jahre (zwei davon in der Reserve) be- 
trug, bheb die Mehrzahl der Mannschaft nur zwei bis drei Jaliro 
präsent und muibte dann beurlaubt werden, wollte man bei dem 
grofsen Unterschiede zwischen dem Friedens- und Kriegsstande letzteren 
nicht zum gröfsten Teile aus ganz uuausgebildeten Leuten ergänzen. 
Doch bestand noch immer der fünfte bis sechste Teil der meisten Bat- 
terien oder Kompagnien aus Männern, welclie 4 und mehr Diens^ahre 
vollstreckt hatten und daher ganz gut ausgebildet waren. 

Auch das Unterrichtswesen wurde verbessert. Die Korpsequita- 
tionen wurden den Regimentern zugewiesen, bestanden jedoch nur 
während des Winten und Temchtete ihr Personal im Sommer den 
Dienst bei ihren Batterien. Dagegen wurde die Hauptequitation in 
Wien mit neuen Mitteln dotirt. Sie sollte nicht bloik Reiüehrer, son- 
dern alle befiihigten jüngeren Offiziere der Artillerie zu Torzüglichen 
Reitern heranbilden. Dagegen bestand bei der Akademie keine eigent- 
liche Equitation, sondern es wurde nur den Sdiülem des letzten Jahr- 
gimgee „Unterricht im Reiten** erteilt. 

Die Regimen t ase hu len , welche schon in der letzten Zeit Schul- 
kompagnien genannt wurden, wurden in ganz selbstständigc „ Artillerie- 
Schulkompagnien" mit einem bedeutend verstärkten Lehrkörper um- 
gesdiafifen. Die Lehrer und Schiller gehörten nic lit mehr dem streit- 
baren Stande an. Letztere hiefsen nunmehr Znglmge und wirden 
dieselben in dem Alter von 14 — IS Jahren aufgenommen und nach 
Absolvirung des dreijährigen Lehrkurses als Unteroffiziere zu den Re- 
gimentern eingeteilt. Sie konnten später auch Offiziere werden Da 
diese Schulen den Bedarf an Unteroffizieren nicht decken konnten, 
sondern vielmehr zur Ausbildung eines Offiziersnachwuchses bestimmt 
waren, so wurden bei den iiegimentern wieder eigene Unteroffiziers- 



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76 I^io öeterreichitche Artillerie in den letzten 45 Jahxm, 



MldangMcbuleii emehtet, deren Penonal dem Stande der Regimenter 
ugehdrto und die natarlich mit sebr bescheidenen Mitteb ausgeetsttet 
waren. Der Schnlnnterricfat bei den Batterien nnd Kompagnien wnide 
wSbrend des Winters mit Eifer betrieben, jedoch auf das Notwendigste 
beschränkt. Man sah mehr anf praktische Einübmig, als auf die Er- 
werbung eines doch nur unvoUständigen und dem Dienste des Mannes 
femliegenden Wissens. 

Dagegen wurde die von Ohnütz nach Weifskirchen verlegte Ap- 
tülerieakademie wesentlich vervollkommnet, mit bedeutenden Lehr' 
mittebl ausgestattet und ihr Lehrplan erweitert Die Zöglinge, vt^elche 
eine genügende Vorbildung nachweisen mufsten, traten direkt aus dem 
Zi\ilstande ein und es kam die ITborsetzung aus den Schulkompngnion 
nur in seltenen Fällen vor. Nach absolvirtem vierjährigen Kurse 
wurden die 7j-»^\in^Q als Ol'tizicio ausf^omustort. Zugleich wurde ein 
zweijähriger „höherer Offizierskurs" zur weiteren Ausbildung befähigter 
jüngerer Offiziere eingerichtet. Doch konnte der Abgang an Offizieren 
von der Akademie nur zum geringen Teil gedeckt werden und man 
mufste bei den späteren Mobilmachungen wiederholt Feuerwerker, 
welche nur eine Regimentsschule durchgemacht hatten, zu Lieutenants 
befördern. Akademie und Schulkompagnien unterstanden der über 
sämmtUche Lehranstalten der Armee eingesetsten Abtolung des Armee- 
Oberkommandos. In gewissem Sinne durfte audi das au eben dieser 
Zeit geschaffene Artillerie-Eomite als Bildungsanstalt betrachtet werden. 
Ein General oder Oberst war Prftses desselben. Es hatte sich mit 
der Leitong artilleristiseher Versuche (hierfür hatte früher nur eine 
&Uweise susammengesteUte Versuehskommission bestanden), mit der 
Prüfung und Beurteilung der eingelaufenen Verbessemngsforschlfige 
und der im In- und Aaslande gemachten Erfindungen, sowie der in 
fremden Artillerien eingeführten Änderungen, Bearbeitung der artille- 
ristischen Lehrbücher, sowie mit Vorschltfgen zur Vervollkommnung 
des Artilleriowoscns zu befassen und sollten auch die einzelnen Mit- 
glieder des Körnitz zu selbstständigen Studien und Forsehungen auf- 
gemuntert werden. 

An der Spitze der gesainnitni Artillerie stand wie bisher die 
Generaldirekt ion, deren Personal schon 1850 nach Auflösung ihrer 
Nebenbehörde, des Artillerie- Hauptzeugamtes, bedeutend vermehrt 
worden war und jetzt abermals vermehrt wurde. Sie zerfiel in zwei 
Departements, die sich in mehrere Abteilungen gliederten. An der 
Spitze der Artillerie jeder der damals aufgestellten vier Armeen be- 
fand sicii je ein (ieneral als FeldartiUeriedirektor und in den gröfseren 
Provinzen waren Generale als Landesartilleriedirektoren angestellt. 
Artilleriechef eines Armeekorps war gewöhnlich der Oberst oder Oberst- 



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Die österreichüiche Artillerie in den letxten 45 Jahren. 77 

Ueutonaat d«8 demselben zugeteilten Artilleriercgiments. Die audern 
StaVsofifiziere kommandirteii die GesdiätK- lud HimitionsreserTen oder 
die aus methreren Batterien foimirten leübetstäiidig detadurten Ab- 
tdlnngen. Ein General war Direktor dea Araenala in Wien und ein 
Oeneral oder Obervt ArkiUeriedief der deutachen Bimdesfestnngen. 
Die Regimenter hatten Inhaber, welche jedooh nur geringe Macht* 
befdgmflse beeassen. Die bei den Artilleriebehdrden und Anstalten 
befindlichen Qfifiziere varen bisher in dem Stande eines Regiments 
als Überzählig geführt worden. Dieselben wurden nunmehr dem neu- 
errichteten Artilleriestabe zugewiesen. Derselbe bildete einen eigenen 
Körper, der übrigens nach Bedarf durch proyisorisch allgeteilte Qffi- 
siere yerstärkt werden konnte. 

Aus der Zeugsartillerie und Zeugverwaltung wurde die Tech- 
nische Artillerie gebildet. Dieselbe war in „Kommanden von 
verschiedener Stärke geteilt und es fiel denselben die Erzeugung, .Auf- 
bewahrung und Verwaltung des gesammten Artillerieniatcrials zu. Das 
Personal bestand aus Offizieren, Mannschaft und Werkführern, welche 
die ünitbrm und den Rang von Beamten besafsen. Zugleich wurde 
die Bildung einer technischen Aitillerieschule zur gründlichen Heran- 
bildung von Offiziersaspirauteii dieses Dienstzweiges, welche nach 
melirjähriger Diensueit bereits einen Üuteroftiziersgrad erreicht hatten, 
bflSchlosseQ, jedoch erst zwei Jahre später ausgeführt. Der Lehrkurs 
wihrte zwei Jahre und erfolgte nach der Absolrirong die Beförderung 
oder wenigstens die Vormerkung amn Offizier. 

Indessen dachte man anch an die Verbesserung des Materials. 
Vorl&nfig hatte man sich mit derVereinfiiehuig der Unlfaeren Gestalt 
der neog^gossenen Geschfltse, einigen Ändenmgen an den Fahrwerken 
und mit der Ansscheidnng des in den letzten Kriegen auch rielfadi 
Terwendeten irregulären (ganz Teralteten und ausländischen) Materials 
begnGgt. Nun aber wollte man nicbt nur ein neues Geschtttzsystem, 
sondern audi ein neues Triebmittel einfuhren. Bereits 1846 hatte 
man Versuche mit der Scbiefsbaumwolle VOTgenommen, dieselben aber 
des erzielten ungünstigen Resultates wegen, bald auf<;egehen Jetzt 
wurde die Sache wieder au^enommen und bald wurde die ^ Schiefs- 
wolle", wie selbe nun genannt wurde^ so verbessert, dals ihrer Ein- 
führung kein Ilindemifs entgegen zu stehen schien. Man ging mit 
(vielleiclit zu grofsem) Kifer an die Sache und den 1854 in Galizien 
aufgestellten Truppen konnten bereits einige „Schiefswoll-Batterien" 
zugeteilt werden. Aber bald zeigten sich CTofse Klüngel (worunter 
besonders die in kürzester Zeit orioljj;te Unbrauchbarwerdung der 
Geschützrohre) und so stand man von der Sache wieder ab. Es 
war nun Aufgabe des Komites, ein passendes Geschützs^stem zu 



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78 INe MerrnehiMhe Artillerie in den letcten 46 Jahren. 

8c1ia£FeiL Zuerst handelte es sich, da die Zeit m drüogen schien, um 
die Feldartülene. 

Das Feldgeschützqrstem ward in seinen Grnndsfigen dem in 
Pzenisen schon seit langer Zttt eingef&hiien und erprobten Material 
nachgebildet und schon 1855 konnte eine Batterie in Wien mit den 
neuen Geschützen und Fuhrwerken ausgerüstet werden. So aus- 
geseichnet das neue System, das den bezeichnenden Namen „Projekts- 
material" erhielt, auch war, so gab es doch Stimmen, w^elche die 
Beform als TCrspätet bezeichneten, da anderwärts bereits die Frage 
der gezogenen Geschütze erörtert wurde und somit das neue Mft*4^T'ft^ 
fielleicht sehr bald veraltet sein könnte. 

Bei dem Belagerungs- und Festuncrsfi^oscliütz, zu dem die Ent- 
würfe in einer den Vcrhiiltmssen der österrcicliischen Artillerie an- 
gepafstcn Weise vollendet wurden, dauerten die Versuche länger und 
waren dieselben Endo 1858 nicht völlig beendet. Übrigens waren 
damals auch bei den Regimentern durchschnittlich erst zwei Batterien 
mit den neuen Geschützen ausgeriistet. 

Der kränkliche und alterschwache Frh. v. Augustin wurde zu 
eben dieser Zeit von seinem Posten enthoben und starb wenige 
Monate darauf. An seine Stelle trat der F. 11 L. t. Hauslab. Er 
entstammte dem Generalstabe, hatte aher schon 1848 die 'ArdUerie- 
brigade des Erzherzogs Wilhelm übernommen, dann im ungarisohen 
Kriege die Massenwirkung der Artillerie in der erfolgreiciisten Weise 
zur Geltung gebracht und seither in Wien als Feldartilleriedirektor 
der 1. Armee fiingirt. Er genoib wegen seines umfisrngreichen Maasens, 
namentlich als Altertumsforscher und Orientalist auch in auCser^ 
militiiiisGhen Kreisen einen Ruf und nicht sein geringstes Verdienst 
war es, dafs er der Lehrer des Erzherzogs Wilhelm gewesen war. 
Gleichwohl mögen manche Artilleristen der „alten Schule'^ zu diesem 
ihren neuen Chef nicht das volle Vertrauen gehabt haben, weil er 
nicht vom Anfange an in der Artillerie gedient und weil er den noch 
herrschenden Anschauungen entgegen frühzeitig sich — für die Ein- 
führung der gezogenen Geschütze orklärt und aus eigenem Antriebe 
bereits 1858 Versuche angestellt hatte. 

Der Ausbruch des Krieges 185!» verzögerte zunächst die Durch- 
fiihrung des angefangenen Werkes und der ungünstige Ausgang dieses 
Kampfes, hatte das Bestreben, überall zu sparen, zur Folge, was der 
Entwickelung der Armee nicht förderlich war. So wurde der Stand 
der Regimenter, von welchen 9 für Infanteriekorps, 1 für Kavallerie- 
divisionen und 2 für Reserven bestimmt wurden, auf nur 10 Batterien 
herabgesetzt. Die Gattung der Letzteren war je nach der Bestiuunung 
der Regimenter versdiieden. Die Indierigen Beserrekompagnien, welche 



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Die östeireichiflche Artillerie in deu letzten 45 Jahren. 



79 



i&r die Terscbiedensten Dienstzweige bestimmt gewesen waren, wurden 
mm in Festnngskompagnien und Reservekompagnien (für den Dienst 
bei den verschiedenen Parkabteilangen) geschieden. 

Anch das Baketeoiregiment wurde auf einen niederen Stand ge- 
setzt und sollte dasselbe im Kriege aus 16 Batterien und 4 Kompagnien 
bestehen und da im folgenden Jahre die Wurstwagen der Batterien 
abgeeohafflt und blois die Munitionswagen beibehalten wurden, wurde 
derliannschafts- und Pferdebestand dieser Truppe abermals bedeutend 
vermindert. Das Küstenregiment blieb fast ungeftndert und die 
technische ArtiUerie ^ihr durcli die Aufstellung von drei Aveitcren 
Zeugskommaaden sogar eine Vermehrung. Doch war diese Oiganisation 
von keinem langen Bestände. 

Die P'jnfdhrung gezogener Geschütze licfs sich nicht länger ver- 
schieben und um weni^'stens einige gezogene Rohre zu besitzen, wurden 
vorläufig einige Sccbspfümlcr und mehrere eiserne Festung.>geschütze 
nach dem System La llitte umgestaltet. Nächst v. Hauslab scheint 
Erzherzog Wiliielm hierzu das Meiste beigetragen zu haben. Er 
verbüeb zwar nach dem Feldzuge, an welchem er als Feldartillcrie- 
direktor der ersten ,\rmee teilgenommen hatte, nur noch kurze Zeit 
an der Spitze des Armee-Oberkommandos, da dieses nach Wieder- 
einsetzung des Kriegsministeriums aufgehoben wurde, und ging hierauf 
als Artilleriedirektor der Armee in Venetien dorthin ab, um später 
den Posten eines Gouverneurs der Bundesfestung Mainz zu ttbei^ 
nehmen, aber es genügte diese Frist, um die Einführung der gezogenen 
Geechütze wenigstens anzubahnen. 

Indessen hatte der damalige Oberst v. Lenk, welcher sich un* 
ablissig mit der SduebwoiDe be&lst hatte, dieselbe so weit vervoll- 
kommnet, dals ihrer Verwendbari^eit kein Zweifel entgegenzusetzen 
schien. Wieder ging man etwas zu rasch und sanguinisch vor und 
in kurzer Zeit wurden bei 80 Batterien mit den neuen gezogmen 
SehiefswollgeediÜtzen ausgerfistet. Das System, nach welchem Letztere 
konstruirt waren, war ein vorzügliches, gleichwohl ist es fraglich, ob 
der Erzherzog diese Eile gebilUgt hätte. Die Schiefswollc hatte im 
artilleristischen Kreisen auch viele Gegner und das Auffliegen eines 
grofsen Schiefswollmaga/ins Wien, das m<igHc]ienveisc durch 

Selbstentzündung der Schicrswolle vcranlalst worden war, bot diesen 
Gegnern die IIan<lhabe, um die abermalige Verwerfiing der ^chiefs- 
wolle durchzusetzen. Nochmals tauchte letztere auf, als man sie 1864 
bei den Vorderladunusgcwehren verwenden wollte. 

F. M. L. V. Hauslab trat von dem Posten eines General- 
Inspektors (dieser Titel war statt jenem eines General- Direktors ein- 
geführt worden) zurück und wurde provisorisch durch den Feld- 



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80 



Die dsterreichische ArttUerie in den ietcten 45 JahniL 



marachalllieutenant t. Vernier eraetet Man darf annehmen, da& 
der LeteterOi der rieh Ungere Zeit in der nächgfeen Umgehung des 
Enshenoge hefiinden hatte und deeeen Tollstes Vertrauen geoois, anch 
mit diesem hei EmfQhmng des Jon dem Eomite entworfenen neuen 
Systems im EmTomehmen handelte. Die Rohre dieses Systems waren 
kürz, aus gewöhnlicher Bronze gegossen und mit Bogenziigen T«r- 
sehon, während LafTeten und Fuhrwerke im Wesentlichen an das 
Material der Projekthattcrien erinnerten. Es durfte als das beste 
hisher geschaffene Vorderladersystem betrachtet worden und es wurde 
seine Durchführung so beschleunigt, dais die öeterreiohische Artillerie 
schon 1 80)4 in dem deutsch-dänischen Krieg mit den neuen Geschützen, 
die sich hierbei auch sehr gut bewährten, auftreten konnte. Die ge- 
änderte Ausrüstung bedingt« jedoch auch eine wenigstens teilweise 
Änderung der Organisation der Iruppe. Doch wurde dieselbe nicht 
sofort und gleichzeitig in allen Teilen durchgerührt. Seit fünfzehn 
Jahren waren somit die Artillerietruppe und das Material 
der Artillerie zum yierten Male ganz oder teilweise um- 
gestaltet w urden und es begann nun eine neue p]poche, mächtiger 
und folgenreicher, als es eine der früheren seit Liechtenstein's 
Zeiten gewesen war! 

(Schlab folgt) 



T. 

Von den Skonomisohen Schwierigkeiten 

in den eui'opäischen Staaten beim Ausbruche des Krieges, 

Bisher ist die Frage, welche ökonomischen und sozialen Sdiwittig- 
keiten gleich vom ersten Tage der Mobilisation an auftreten würden, 
noch nicht genügend berücksichtigt worden. Teilweise erklärt sidi 
dies dadurch, dafs seit dem letzten Kriege die materiellen Existenz- 

verhältnissc und die geistigen Strömungen der grofsen Masse so 
schnell sicli geändert haben, dafs es scliwer lallt, sieli zu orientiren. 
Es haben sich _ Veränderungen in diesci- kur/cn Zeit vollzogen, die 
einschneidender sind, als es sonst die innerhalb eines ganzen Jahr- 
hunderts vor sich gegangenen waren. Diese erstaunliche Beweglich- 
keit des modernen Lebens ist bedingt gewesen durch eine Reihe von 
Faktoren, deren Wirkung ungemein intensiv war: stets zunehmende 
Verbreitung der Bildung, ihatigkeit der Assoziationen, Eiuliuls der 



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Von den SkonomlHdica Bdurierl^^tdten etc. 



81 



neuen Verlrohrsmittel. Daher ist eine riditige Würdi^ng der Ver- 
hältnisse nur möglich unter der Voraussetzung genauer Bekanntschaft 
mit dem ganzen modernen, wirtschaftlichen und sozialen Leben. Unter 
den heutigen Verhältnissen leben die Völker materioll und geistig 
nicht nur ihr eigenes, sondern auch ein freirules Leben. Die geistigen 
Erningenschaften, die wirtschaftlichen Fortschritte des einen Landes 
spiegeln sich in dem Leben ander» Länder wieder; der Kreis gemein- 
schaftlicher Interessen der Völker liat sich erweitert, und da die Be- 
wegung noch immer im Wachsen ist und em inuiier schnelleres Tempo 
annimmt, so wird es auch immer schwerer, die Folgen des Ausbruches 
eines Krieges richtig vtjrauszusehon und zu ergründen. 

Hierzu kommt noch, dafs in den letzten Jahrzehnten in der 
Kzi^gakunsi so wichtige und die wirtsohafidichen Lebensersdieinungen 
80 stark beeinflussende Verttndemngen vor sich gegangen sind, dafe 
dieselben in ihrer Gesanuntheit den Charakter einer wahren ürnwllzung 
haben. Die Elemente der Armee haben sieh ihrer Zusammensetnmg 
nach wesentlich Teriindert. Noch in den lotsten Kriegen war das 
VerhSttnilB der nnmerischen St&rke der Anneen in Eriegsseiten zu dem 
Friedensetat wesentlich anders, als heute. Die Kriege wurden von 
stehenden Heeren geführt, die aus Soldaten bestanden, welche eine 
längere Dienstzeit schon hinter sich hatten. 

In Zukunft wird der gröfste Teil der Heere aus Soldaten und 
teilweise auch aus Offizieren bestehen, die noch unmittelbar vor Be- 
g:inn des Krieges iliren friedlichen Besehäftisjfun^'on nach'j:ins:en. Unter 
den Leuten der älteren Jahrgänge wcnlen sieh I'aniilicnvatcr Vtefindrn, 
die aus ihren Geschäften gerissen wurden, ihre Familie, ihre Arbeit 
haben verlassen müssen. 

Der Krieg wird also in Bezug auf Stimmungen und geistige Ein- 
flüsse gleich von Anbqjinn an viel stärker wirken, als dies früher der 
Fall war. 

Ganz selbstverständlich ist es audi, dala die grölsere numerische 
StSrke der Heere in dieser Beziehung von stirkerer Wuekung sein 
ma&» Je gr51W die Zahl der Einberufenen sein wird, desto gröfber 
wird aueh die Zahl der aus der wirtschaftlichen Hasehine Heraus- 
gerissenen sefai. Und je mehr man xn Befürchtungen Anlals haben 
wkd, dab die Abweseuhdt des Einberuftoen kenie Torübergehende 
sein wild, sondern in Folge von Verwundung, Krankheit und Tod zu 
einer bleibenden werden kann, desto stärker werden auch jene Ein- 
flüsse auf den geschäftlichen Betrieb sein. 

Der Krieg ist in Folge der Vervollkommnung der Vernichtungs- 
mittel furchtbarer geworden. In den letzten zwanzig Jahren ist die 
Kraft des Gewehres mehr denn verzehnCiacht worden; die Geschütze 

Jahrbaclier für die DeatMke Arae« ood MuriM. Bd. VI, L Q 



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32 Vou den ökonomischcu iSchwierigkeiten «tc 

wirken -i bis ö mal vci nichtender als 1870, iliic Treflfweite ist 27, mal 
gestiegen, und endlich sind neue, mit Sprengstoffen geladene G680lloa86 
von furchtbarer Wirkung erfunden worden. 

Die Wahrscheinlichkeit spricht also daför, da& auch dieVeiltuie 
unverhiltnilBmälaig grölser als in der Vergangenheit sein werden. 
Einige MSitärachiiflsteUer sprechen aUerdings die Ansicht ana, dab 
die grelaere SohielsecfaneUigkeit die Zahl der ihr Ziel TerfeUendeo, 
aber nicht die Zahl der ihr Ziel treffianden Kugeln Termehfen wird, 
dafo das Blutvergielaen sich Tenrnndem wird, weil ja der Ejonpf 
zwischen den Gegnern auf grölseren Entfernungen vor sich gehen 
wird, dafe Kavallerie- Attacken und Bajonettangriffs bei der jetzigen 
Stärke des Feuers unwahrscheinUch werden dürften und dafs endlich 
bei der jetzt nötig gewordenen gröfseren Zerstreuung der Truppen- 
teile und deren Verschanzung den einzelnen Truppenteilen der Rückzug 
leichter gemacht werden wird. Aber selbst, wenn wir alles, was noch 
durchaus nicht bewiesen ist, zugeben wollten, so würde es doi h keinem 
Zweifel unterliegen, dafs durch die Vergröfsening der licercsstärke 
und durch die Vorvollkoramnung der Waffen die Drangsale und 
Schrecken des Krieges in bedeutendem Grade venn<*hrt werden müssen. 

Bis jetzt haben die Kriege mit nur sehr wenigen Ausnahmen ge- 
zeigt, dafs die Zahl der im Kampfe verloren gehenden Leben blofs '4 
des ganzen Verlustes beträgt und dals V6 derselben durch Krankheiten 
und Strapazen zu Grunde gehen. 

Je grölser nun die Massen und je weiter die EntÜBninngeii sind, 
in welchen jene in Folge der heutigen Tragweite der neuen Gewehre 
und Geschütee sich zu bewegen haben, desto anstreng^der werden 
die Märsche sein, desto schwieriger werden die Unterbringung und 
Ernährung dieser Massen werden, was die Sdirecknisse des Kiiftges 
natflrlich nur noch steigern muls. 

Ein Explosivgesdhois von heute kann mit einem Schlage hunderte 
von Menschen zerschmettern und ist demnach mit früheren Artillerie- 
Geschossen gamicht zu vergleichen. Ähnlich hat sich nun die Wir- 
kung der kleinen Gewehre erhöht. — Der Pulverrauch wird zudem 
die Schrecknisse der Schlachtfelder nicht mehr verhüllen, und es wird 
wcL'en der Femwirkung des feindlichen Feuers und der für notwendig 
erkannten Auflösung der geschlossenen Massen viel sclnvieri^er sein, 
den Verwundeten Hülfe zu leisten. Welch' grofsen Eintluls aber auf 
die Erkrankung des Menschen sein psychischer Zustand, seine Er- 
nährung und das Mafs der Beschwerden haben, ist heute allgemein 
bekannt. Die Wahrscheinlichkeit, im Kriege zu Grunde zu gehen, ist 
also in Zukunft für den Einberufenen eine gröfsore, als dies in der 
Vergangenheit der Fall war; diese Überzeugung ist heute in die 



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Von den akonomlsehen Sdivrierlgkriten et». 



83 



Massen gedrungen, mit Ansnahnie vielleicht des Landvolkes in Kufs- 
land und der Türkei, wo die Volksmassen noch zu wenig gebildet 
aind und zu wenig Einbildungskraft besitzen. 

Im Momente der Einstellunfj unter die Fahnen kann daher, wenn 
nicht ausnahmsweise eine grofse Idee, wie im Jahre 1870 die Idee 
der Schjülung der deutschen Einheit, die Massen beseelt, ein Unmuts- 
gefühl sehr leicht die bejahrten Männer erfassen. Hierzu kommt nun 
aber noch folgender Umstand. 

Wenn man nach dem Eifer urteilte, mit dem beinahe alle kon- 
tinentalen Staaten ihre Rüstungen yergrölsem, so mülste man glauben, 
dab im EriegsiaUe bemahe die ganze waffianfilhige Be?51kenmg Kopf 
fBr Kopf in die Aimee eingestellt zu werden bestimmt wftre. Ein- 
geübt werden Millionen Ton Kriegern, allein fiJrtiscb dieselben ein- 
snbemfen nnd mit Waffen und allem sonstigen Znbehdr zn Terseben, 
wird Bchweriich ausführbar sebi. Dieser Umstand wird bei der Ein- 
berufung einige Schwierigkeiten bereiten. — Die Fachleute behaupten, 
dafs nicht in den Waffen der Sieg liegt, sondern in den Truppen, 
und dafs nicht die grö£aere oder geringere technische Vollendung der 
toten Werkzeuge, sondern der moralische Wert der Heere die Ent- 
scheidung herbeiführen wird>). 

Diese Ansicht niufs in den groftcn Mnssen wem^f Glauben finden. 
Bei jeder neuen Forderung von Krediten für Umänderungen der Be- 
waffnung wird die Wichtigkeit der VeränderunjL'en hers'orgehoben, es 
wird demnach schwer möglich sein, bei der heutigen Zusammensetzung 
der Heere Teile derselben mit minderwertiger Bewaünung in's Feld 
zu führen. 

Der Unterschied zwischen den neuen Kleinkalibergewehren und 
den früheren Gewehren ist ein zu bedeutender, als dafs nicht die An- 
sicht, dafs die mit Gewehren filteren Kalibers Yersehenen Trappen 
den Sieg nur mit gröiseren Opfern erringen könnten, um sich greÜBU 
soUte. 

In den grdÜberen Staaten wird die Anzahl der neuen Kleinkaliber- 
Gewehre nicht für Alle auareichen, und es müssen die Besenrotmppen 
teilweis mit sciileehteren (aptirten) Gewehren und weniger tot- 
Tollkoommeten anderen Hfilfemitteln bewaffiiet werden. Nun aber 
würden mit soldien jedenfalls weniger zuverlfissigen Waffen gerade 
Trappen versehen werden, die zum Kriege am wenigsten geneigt sein 
werden. Es kann keinem Zweifel unterUegen, dafs die aus älteren 
Leuten bestehenden Reserven viel gröfsere Ansprüche, was Bewaffnunfr 
und Führung anbetrifft, als die jüngeren Jahrgänge machen werden 

^) R. Wille. pÜber die Bowafhung der Feldartillerie." 



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84 



Von den ökonomiacben Bcfawierigkdten ete. 



— ein Umstand, den man Inslier weniger su beachten Vranchte. 
Anlserdem aber weiden andere EinflUaae auf die Schwierigkeit der 
Etnberafang der Reserven einvirken. 

Wir wollen hier auf diejenigen ökonomischen Einflüsse hinweisen, 
welche in liochkultivirten Ländern entstehen würden, falls man raseh 
und mit einem Male eine bedeutende Anzahl von Flaosvätem and 
Arbeitern aus der komplizirten Maschine, welche die g^enwärtige 
Gesellschaftsform darstellt, bei der Mobilisation herausreifsen würde. 

I. Es bedarf keiner besonderen Untersuchungen, um einzuselien, 
dals dort, wo die Einberufung einen gröfseren Prozentsatz der Be- 
völkerung in Anspruch nimmt, welche zur Kategorie der mit Handel 
und Industrie, sowie anderen lief in 's geaellschaftliche Leben ein- 
greifenden Produktionszweigen bescliiiftigten Leute geliört, im Mobih- 
sationsfalle sich gröfsere Schwierigkeiten ergeben müssen, und dafs 
im Gegenteil dort, wo die Anzahl solcher Leute Lm Verhiiltiuis zur 
Oesammtbevölkerujig geringer ist und die gesellschaftUcheu Verhält- 
nisse einfacher nnd patriarchalischer sind, der Mediaaismas des ge- 
sellschaftlichen Lebens eine geringere Erschfitterung erleiden wird. 

Im Jahre 1884 kamen in den europäisc he n Staaten anf je 1000 
Mann der Gesammtbeyölkemng, d. h. einsöhlielslich der Männer, Frauen, 
Greise und Kinder, im Kriegsfälle 28,1 Soldaten im Heere zur Ver- 
wendung; im Jahre 1891 wuchs diese Ziffer bis auf 46,3 auf Tausend, 
d. h. in 17 Jahren um 18 Mann, was im VerlUUtmls zur Ziffer des 
Jahres 1884 eine Vergrösserung um <')4% ausmacht. 

Wenn man den Zahlenbestand der auf Kriegsfiiis gebrachten 
Armeen mit der Ziffer der männlichen Bevölkerung vom 20. bis 50. 
Jahre zusammenhält, so erhalten mt folgende Zahlen. Es ent- 
fallen in 





Laiidtruppe in 
KriAgHlKllM*) 


MSnnllohe BatOIIm» 
mag vom 20. bla nim 
50. Jahr«. 


ProsMit- 


Deutschland auf 


3600000 


9 608 000 


37,8 


Österreich „ 


2 062 000 


7 683 000 


27,0 


F raukreich „ 


3 600 000 


8013 000 


45,0 




4666000 


22060000 • 


20,1 



Es ergicbt sich hieraus, dals die französische Armee die meisten 
Leute im produktivsten Alter einberuft, danach folgen die deutsche 
tind österreichische und schlieJsiich die nissische Armee, welch letztere 
▼on produktiven Kräften im VerhlÜtniis za Deutschland fast zweimal 
weniger und üher zweimal weniger als die französische Armee ver- 

Wir eutnohnion <1io Znlilf^n der Kri^st&rken dem Werke „Die Kriegs- 
heere der europäischen Staaten. 



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Von den fikonomiflciieD gkiliwierigfceiton eto. 



85 



brauchen würde. Mit anderen Worten, wenn die ganze russisi'lie 
Armee von 4V2 Millionen vernichtet wäre und zu ihrem Ersatz 
4 Millionen Reservisten einberufen worden wären, nur dann würde 
sich das Verhältiiifs der BevÖlkerungszilTcr Rulsiands zu seiner Armee- 
ziffer dem in Frankreich und Deutschland bereits heute bestehenden 
VeiMltaisse nähern. 

Abgesehen yon den unmittelbaren, einsdineideiiden ünnrfllsiingen, 
welcbe die Mobüiairung fUr einzelne Familienstiinde and Personen 
cur Folge haben maSk, wird der znkanftige Krieg seinen Einflnft auf 
die irirtscihaftlichen Verbültnisse &8t der ganzen zivilisirten Welt in 
einem Hafte ausüben, wie es noch nie dagewesen ist Es ist selbst- 
verständlich, dass, je komplizirter der geeellsohaftliche MechanismaS| 
je höher die Zivilisation ist, desto schwerer dieser Mechanismus die 
durch den Krieg veranlaTsten Störungen erträgt. Die Erschütterungen 
der Kriogszeit werden demnach um 80 schwerer empfunden worden, 
da die höhere Kultur die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens 
gesteigert hat und heute die Aibcitsteilung bis zu den äufsersten 
Grenzen gelangt ist. Aufscrdem k(»mmt hier noch in Betracht, dafs 
Amerika's Konkurrenz und seine Anziehunu'skraft auf die Bevölkerung 
während des Krieges sowohl, als späterhin, wenn die verderblichen 
Folgen des Krieges sich geltend machen, weit stärker hervortreten 
werden. 

Es ist natürlich, dals dort, wo ein sehr bedeutender IVnl iler Be- 
völkerung vom Ackerbau lebt, wirtschaftliche Erschütterungen auf den 
gesammten Zustand des Volkes niemals in dem Hafte wirken können, 
wie dort, wo der gröfsere Teil der Bevölkerung aus Fabrikarbeitem, 
Handeltreibenden oder Handwerkern besteht. Der lAndmann läftt 
seiner Familie immer einen gewissen Vorrat von Lebensmitteln zurück, 
nnd seine Angelegenheiten können in seiner Abwesenheit wohl zurück- 
gehen, jedodi nicht ganz in*s Stocken geraten. 

Femer, auf je niedrigerer Stufe die landwirtschaftliche Kultur 
steht, desto weniger kann der Wirtschaft die zeitweilige Abwesenheit 
des Wirtes schaden. So z. B. wird in Rufsland die Abwesenheit des 
einzelnen Wirtes weniger fühlbar sein, dank dem Umstände, dafs der 
gröfste Teil des Bauernlandes sich im Besitze der Gemeinden befindet 
imd gemeinschaftlich bearbeitet wird, während die Ländereien der 
Gutsbesitzer noch heute in primitivster Weise noch dem Dreifelder- 
System durch die Bauern fiir eim n Teil des Ernteertrages beaibeitet 
werden, femer in manchen Gegenden Italiens, wo der Landmrt nicht 
nur allein das Feld bearbeiten mufs, sondern zugleich Vieh- und 
Seidenraupenzucht treibt, Olivenöl bereitet, Orangen und Wein baut. 

Aber noch viel gewichtigere Folgen mufs die Einberufung für 



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Von den Okonomlaohen Babwierigkeiten et«. 

don mit Indiistiie und Handel Iwaohliligten TeQ der BeTdUramng 
haben. In den meisten FftUm ^^-ird in Folge der Verkehrsstörungen, 
der Abnahme des Absatzes und Kredits, wie auch in Folge des 
Mangels an leitenden Kräften ein Stocken der Fabrikation und dem- 
nach eine Verdienstoinbufsc fiir die Arbeiter eintreten. Diese Um- 
stände fallen um so schwerer ins Gewicht, als im KriegsfalUv wie 
wir dies bald zeigen werden, gleiclizeitig mit dem Bef^nne des Krieges 
eine allgemeine Teuerung einzutreten pflegt, eine Teuerung also zu 
einer Zeit, wo die Mittel zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse der 
Bevölkerung sich mit einem Male yerringert haben und immer mehr 
schwinden. Schon die keinem Zweifel unterliegende Störung des See- 
verkehrs würde genügen, um den Handel der Völker ins Stocken zu 
bringen. Dazu kommen aber noch die erschwerenden Umstände, dals 
die meisten Büsenbalmen eben&Us den FrifatintereMen unzugänglich 
sein werden; weiterbin werden die BefUroihtangen tot den EfiegS- 
folgen eine Venninderung der Kauflust sogar bei den die nötigen 
Mittel noch beritEenden KUssen zur Folge babea Fabriken aller Art, 
Bergwerke, Werkstfttten, mit Ansnahme deijenigen Anstalten, die für 
mflitibrisobe Bedttrfiiisse arbeiten, weiden eine nach der andern Hure 
Thätigkeit einzustellen gezwungen sein. Zi^Ieich werden vom Augen* 
blicke der Kriegserklärung an alle Staats-, Handels- und Industrie- 
wertpapiere bedeutend im Preise sinken. Die Nachfrage nach Geld 
wird dann eine sehr starke sein und der Zinsfufs bedeutend steigen. 
Und je entwickelter der Handel und die Industrie des betreffenden 
Landes sind, desto mehr wird es Fülle von Zalilungs-Einstellungen 
und -Fristungen geben. Die Folge davon wird em Sinken nicht allein 
der Staatskredite, sondern auch des Kredits aller Schichten der Be- 
völkerung sein, 

I 

IHe neueste EDtwiekelnng der Prodnkttoiukraft md der 

Handelsbeiielniiigeii« 

In jedem Lande fiirchtet man den Krieg, doch nidit in dem 
Grade, wie es der FaU w&re, wenn jeder sidk klar madien wQrde^ 
in weldiem Habe die wirtschaMclien Ersditttteningen, weldie ein 
zokünitiger Krieg bervormÜBn wird, di^enigen fibertreffen werden, 
welche in Mheren Zeiten nnd inabesondere bis snm Jahre 1870 be- 
wirkt worden waren. 

Nur in den Kreisen, welche in unmittelbaren Beziehungen zu In- 
dustrie und Handel stehen, macht sich ein annäherndes Bewufstsein 
von der Gröfse dieses Unterschiedes geltend. Als charakteristischeB 
Beispiel kann die Panik angelUhrt werden, welche das Gespenst eines 



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Von den färonomiBcbeo Schwierigkeiten etc. 



87 



eventuellen deutscli- französischen Krieges im Jahre 1886 in der Fi- 
nanzwclt hervorrief. Nach der malerischen Schilderung eines Autors^) 
erschien die Furcht vor dem Krictio wie ein ^Cyklon-, \v< lrlif>r nicht 
nur die Handelsmärkte Frankreichs und Deutsclilands, soiuloni auch 
die Märkte aller zivilisirten Länder ergrilT, soj;ar solcher, die, wie 
Portugal, allem Anscheine nach aufserhalb des Wirkungskreises eines 
deutsch-franziisischen Krieges lagen. 

„Diese Erscliiitterung überschritt alle geographischen Grenzen 
und der elektrische Funke brachte sie auch über den atlantischen 
Ozean. Hierzu bemerkt der Autor, dals die Verwirrung, welche 
atlein drach die Fbrcht jor einem Kriege anf den Handelsmirkten 
herroxigemien worden war, dcli weiter und tiefer verbreitete, als die- 
jenige, welche im Jahre 1870 eingetreten war. 

UnsererseitB wollen wir noch hinzufügen, dals eben diese Panik 
selbst möglicherweise nioht ohne Einflulk auf die Beseitigung der 
Eriegvgefiihr geblieben ist, und zwar aus sehr triftigen Gründen. Es 
läJst sich nämlich nicht leugnen, dafe in dieser Beziehung die gegen- 
wärtige Lage mit deijenigen Mherer, älterer Zeiten garoioht Tor^^dien 
werden kann. 

Der Unterschied z^vischen der heutigen Form der gesellschaft- 
lichen Beziehungen und der vergangener Zeiten ist fast gröfser als 
der Unterschied zwischen dem Kloinkaliberfjcwehro und der mittel- 
alterlichen Armbrust. Die gewaltige Industrie, der reifsende Umsatz 
des Weltliandcls, der Staats- und der Privatkredit, die Öpezialisirung 
in Fabrikation und Handel, alle diese mächtigen Faktoren, die eben- 
sowohl durch das Staatswesen, wie durch das Individuum bedingt 
werden, sind Erscheinungen relativ neuen Datums. 

In dem letzten Vierteljahrhundert hat eine bedeutende Einwan- 
derung der LandboTÖIkerung in die Städte stattgefunden. Aus den 
mitteleuropäischen Beiolien sind Industriestaaten geworden. Als Be- 
weis sei Deutschland angeführt, das weder reiner Agrar- nodi reiner 
Industriestaat ist 

Das Einkommen von Stadt und Land betrug 1893/98 naoih der 
Denksdirift des Ministers Miquel zum neuen Einkommensteuergesetze 
M. 5,724,823,767; daron kamen auf 

die Städte . . M. 3878 Millionen = 67,66 %, 
das Land . . „ 1851 ^ == 82,34 %. 
1893/04 wurde das Einkommen von der Regierung yeranschlagt auf 
M. 5,726,338,304, davon kamen auf 

die Städte . . M. 3878 Millionen = 67,75 7o, 
das Land . . „ 1846 „ = 31,25 7oi 

nLe» dettes pabliques europ^ennes" par Alired Neymarck. 



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88 



Von den Gkonomitchen Schwierigkeiten eto. 



während nach Mwtzen im Jahre 18(>6 von dem Gesammt-Einkommen 
von M. SfiOO Millionen auf den landwirtschaftlichen Betrieb noch 
M. 1980 Millionen, also 52,8% kamen. Mit anderen Worten, im 
Jahre 18()6 würden die wirtschaftlichen Ersehütterungen in den Städten 
1<)20 Millionen Mark, f^ei^enwärtig 3878 Millionen Mark berührt haben, 
im Jahre 1800 also noch nicht ganz die Hälfl<} der Einkünfte getroffen 
haben — heute aber entfielen zumeist auf Handel und Industrie zwei 
Drittel des Gesammteinkommens. 

Selbst die jüngsten Kriege können uns schwerlich einen Begriff 
Ton der wirtschaftlichen Krisis geben, welche durch einen Krieg in 
unserer Zeit berrorgenifen werden mOiste. Der preu&bdi-öBter- 
reichische Krieg vom Jahre 1866 war von allzu kurzer Dauer; die 
Kriege Frankreichs mit Deutschland im Jahre 1870 und RuAdands 
mit der Türkei in den Jahren 1877 und 1878 blieben lokalisirt. Aber, 
was die Hauptsache ist — es existirte damals nicht die Äbsperrung 
aller Handelsbeziehungen zu Wasser und zu Lande, die aus Gfriinden, 
auf welche wir andernorts hinweisen werden, im zukünftigen Kriege 
unausbleiblich sein wird, und zwar von um so gewaltigerer Wirkung, 
als in den letzten 25 Jahren Fabrikation, Verkehrsmittel, Welthandel, 
finanzielle Unternehmungen einen bis dahin ungeahnten Aufschwung 
genommen haben. Und hierzu kommt noch eine andere und vielbe- 
deutsame Erscheinung: der wirtschaftliche Einflufs der grofsen nord- 
amerikanischen Republik auf Europa. Die kolossale Entwickelung 
ihrer Produktionskraft und die Gefährlichkeit ihrer Konkurrenz für 
das durch den Krieg ^juralysirte Europa bilden Thatsachen, über die 
man in der alten Welt früher zu wenig nachgedacht hat, mit denen 
jedoch in Zukunft man immer mehr wird rechnen müssen. 

Es seien hier einige Zahlen angefülirt, die zeigen dürften, wie 
die Produktion seit 1870 sich entwickelt hat, wie grofs daher die Not 
werden kömite, wenn in Folge eines Krieges plötzlich die kolossalen 
Betriebe eingestellt werden miilsten und damit der Verdienst der 
arbeitenden Massen aufhören sollte. Auch ergiebt sich aus diesem 
Ziffern, wie grols heute die Abhängigkeit der Industrie von dem 8ee- 
TCrkehre ist 

Einen Einblick in den ungeheuren Fortschritt der letzten Jahr- 
zehnte gestatten uns die nachfolgenden Angaben über Bevölkerungs- 
zuwachs und Handels-Entwickelung : 



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Von den ökonomiüchen Schwierigkeiten etc. 



89 





tamwtb» in Bnnknnng 

im Jahre 1890 - 91 seit 


DuekwluiitUichvr Za> 
wul» 4ai HandoU in 
den Jahren 1K84 -90 im 
VtlglMdl <a MB JkhMB 

I861~«. 




QQ 0/ 






73% 


183 % 




28 7o 


139 7o 


„ Osterreich-Üngam . 


31% 


133% 


„ Grossbritannien . . 


32«/« 


827. 


„ Frankreich , . . . 


Ol,' 0/ 

" .'2 /O 


„ Italien 


38 "/o 


«% 


„ Doutboliland .... 


35 


? 



n 

7J 



7) 



V 

n 



Ti 



7t 

n 



Wenn wir uns rlcn Kinzclnliciten zuwenden, so müssen wir an 
erster Stelle der Baumwolle gedenken. 

In Amerika befindet sich bekanntlich das Zentrum der Baum- 
wollen-Produktion, Die Ernte betrug 

in den Jahren 1859— 18G0 .... 4 Millionen Ballen 
1876—1878 .... 4 
1880—1885 .... 6 
1890—1891 .... 9 „ „ 
In jüngster Zeit kam ffir Europa noch eine bedentende ZnfiiLr 
auatraliaoher nnd asiatisdier, früher unbekannter Baumwolle hinzu. 
Aber auch die angeführten Zablen «eigen schon, dais die StOrong der 
Indiutrieeiweige, welche auf BamnwoQenprodulrtion banrt sind, eine 
mi^ch gröfsere (125% gröieer) sein würde, als es sn Beginn der 
nebenziger Jahre der Fall gewesen wäre. 

Eine ähnliche Vermehrung ist für die letaAen 10 Jahre in der 
Produktion der Wolle eingetreten. 

Die Durchschnittszahlen der Wolleinfuhr nach Europa in der 
Zeit von 1870 bis 1^81 ergeben ungefiihr 1,700,000 Ballen (ein 
Ballen = 180 Kilognmim) und in der Zeit von 188Ü bis 1891 
2,637,000, was für das letzte Jaiirzehnt ein Mehr von 55 7o ausmacht. 

Hier noch einige Daten über die Produktion von Zucker und 
Eisen. Die Produktion des Zuckers betrug 

im Jahre 1870 55 Millionen Zentner 

« n 86 

I, n 1881 125 

In zwanzig Jahren hat rieh also die Zucker-Produktion mehr als 
verdoppelt Die Produktion des Eisens stellte sidi 

im Jahre 1870 ... auf 12,095 Millionen Kilogramm 
„ „ 1880 . . . „ 18,885 „ j, 
« , 1890 ... „ 27.146 ^ 
Also auch in diesem Falle mehr als Verdoppelung der Produktion. 



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90 



Von dm fikonominlMn Bdiiiki%lMiten ele. 



Bemerkt sei nur noch, dafs die Ausfuhr von Steinkohlen, Coaks, 
überhaupt von Heizmaterial aus England in den Jahren 1871 bis 

1880 von 12 auf 18 Millionen Tonnen gestiegen ist, in den Jahren 

1881 bis 1890 aber gar bis auf 30 Millionen. — Es louchtet ein, 
dass in demselben Verhältnisse auch die Zahl der Arbeiter zugenommen 
hat, und das Gleiche gilt auch vom Handelsumsätze. 

Allerdings ist hier ein Wachstum nicht in so hohem Grade zu 
vermerken. Nach den Berechnungen Mullhall's kann der Umsatz des 
internationalen Handels der europäischen Staaten durch folgende 
Zi£fem ausgedrückt werden 

für das Jahr 1860 mit 1024 Millionen Pfund Sterling 
TJ n 75 l^^O „ 1573 n n n 

it n n lÖ®^ » 2313 n n n 

Es erklftrfc sich dieser veilifittnUsnüUiBig geringe ZawadiB in genügender 
Weise dardi die neneete StrSmnng in der HandelqM)litik, d. i dnroh 
die Rfickkehr zum SchntsEolIsysteme, das BelbstrerBtiiidlich die Entp 
wickeliuig des Handels aufhalten mnÄte. 

Auch die finansiellen Operationen nahmen seit dem Jahie 1870 
betrlchtlich m Nach den Zahlenangaben Nerjrmarck'sO betrogen die 
Staatsschulden in Europa im Jahre 1870 im Ganzen nur 78 MiWiardeii 
f^rancs, waren aber sehen im Jahre 1886 bis anf 115 Milliarden ge- 
stiegen. 

Allein die Zirkulation der Staatspapiere macht nur einen Teil 
des Gesammt-Umsatzes der zinstra^'cnd^ Papiere aus, da ja heute 
die meisten grofsen Handeb-Untemehmnngen die Form von Aktien- 
Gesellschaften haben. 

Um den Umfang der thatsächlichen Verluste anzudeuten . welche 
ein Panik erzeugender und \'erwin-ung mit sich bringender Krieg so- 
wohl ganzen Stallten wie einzelnen Wirtschaften als Besitzern von 
Wertpapieren zufügen kann, wollen wir auf die Zahlen der jährhch 
zur Emission gelangten Wertpapiere seit dem Jahre 1871 hinweisen. 
£s gelangten insgcsammt in allen Ländern Europas zur Emission'): 

von 1871 bis 1885 für 100 459 Milliarden Francs 
imJ. 1886 . . 
1887 . . 



„ 1888 
„ 1889 
„ 1890 
„ 1891 
1892 



ff 



» 6708 „ 

ff 4996 „ ff 

ff ff ff 

ff 12 678 

ff n 



7 558 



ff » » 

ff ff ff 

Im Ganzen filr 150906 Milliarden Francs. 



') „Les dettes publiqups onropf^ennes". p.86. 

') nBuiletm de statisti^ue du miiuBt^re des fiu&aces". Paris T. XX. 



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Von den Btopomiachen SchvierigkdtSD etc. 



91 



Nach der Art der Papiere wird diese Totaknmme auf folgende 
Weise eingeteilt: Staaüidie und städtische Emissioaen von 70 Mil- 
Uarden Francs; Emissionen von Finansinstituten, Banken etc., wie auch 
Eisenbahnen und industrieUen Gesellschaften 78 Milliarden Francs. 
Um uns nun ein, wenn auch nur schwaches BÜd von den möglichen 
Verwickelungen für die BeviUkemng und besonders ftir die GeschäftSF 
weit zu machen, wollen vnr annehmen, dafs die Wertpapiere einen 
Rückgang der Kurse blols in derselben Höhe wie im Jahre 1870 beim 
Ausbruche des deutsch- französischen Krieges erleiden würden. 

Der Rückgang der Kurse auf der Berliner Börse war folgender: 





San 


Rlwlhgst« Knrse 






1.AU 1810 


IS-ISL JiH 




P r 6 u K a i ftfili A£ 








4 % Anleihe 


93»/j 


77«/4 




Preusfiische Bank . . . 


141 


110 


22 


DiBConto Anteil« . . . 


142 


loiv. 


«V, 


SSsenbalm^Alctieii : 








Bergisch-MlrUsohe . . 


121 


95 


26 


Eöln-Mindener . * . . 


134'/a 


98 


36V, 


Oberschlesische .... 


173V4 


139 


34V4 


Österreichische: 








1880 Stsats-Loose . . . 


81 


66 


26 


Staatsbahnen 


212 


152 


60 


Sodbahn 


114V2 


RO 


34 V, 


Kredit-Aktion .... 


148", 


90 


58»/; 


Amerikanor . . 




75 


21V« 


Italiener. . . 


W/. 


45Va 


13»/, 


Russische: 








FirtniisiipAiilAihe ' • 


1157« 


88 


27»/. 


Bodflokredit-Pluidbriele 




70 


W/4 



Es braucht nicht bewiesen zu werden, dais die Kursrückgänge 

beim Ausbruch des zukünftigen Krieges viel bedeutsamer sein werden. 
In Folge der Bündnisse werden alle fünf Grofsmächte zu gleicher Zeit 
in Kriegszustand treten; aber selbst, wenn dies nicht der Fall sein 
sollte, so wird die Befürchtung, dafs der Krieg nicht lokalisirt bleiben 
dürfte, auf die Börsen die gleiche Wirkung üben. Um nicht beschul- 
digt zu werden, dafs wir allzu schwarz sehen, wollen wir die gleiche 
Durchschnittshöhe des Rückganges wie im Jahre 1870 annehmen: für 
Staats- und städtische Anleihen 20 " oj für Anleihen der Finanzinsti- 
tute und Banken, sowie • der Eisenbahn- und industriellen Gesell- 
schaften 35 Vo- "^hr erhalten fblgendee Beeoltat: 



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92 



Von den ökonmnliohen Bdnderigkeitan eto. 



Yeriusfee für die Inhaber der Werte von 

Fmansinstitateii, Banken, Eisenbahn- und 

indoBtriellen Gemllschaften .... 27,3 

Staatepapieren and Staatg-Anleihen . . 14 

41,8. 

Wenn wir nun die Verluste an den bis zum Jahie 1871 emittirten 
Werl^pieren bIo6 in dieser H5he annehmen^ so erhalten irir als 
Summe des Kursunterschiodes 82 Milliarden. 

Der zukünfkige Krieg >vird die Kräfte der Staaten derart in An- 
spruch nehmen und wirtschaftlidi so yemichtend wirken, das von 
einer baldigen Erholung der Kurse nach dem Kriege, wie dies nach 
dem Kriege 1870/71 der Fall war, nicht die llede wird sein können. 
Alle Wahrscheinlichkeit spricht daliir, dafs in mehreren Staaten der 
Staatsbankerott unvermeidlich werden wird. Selbstverständlich werden 
aber die Kursverluste sich auf die Inhaber der Wertpapiere ganz 
verschieden verteilen. 

Am schwersten worden die wenig bemittelten Klassen leiden. 
Um sich Geld zu verschaffen oder den eingegangenen Verpflichtungen 
nachzukommen, werden dieselben in jedem Kurse ihre Ersparnisse 
losschlagen müssen oder Zwangs verkaufen unterliegen. Von den 
Staaten selbst w^erden die einen mehr, die anderen weniger in Mit- 
leidenschaft gezogen werden. Einige derselben machen jahrein jahraus 
Ersparnisse, wdohe anderen bedürftigen Staaten m Verfügung ge- 
stellt werden. Nach dem „Moniteur des intirdte-mat^els'* soll Eng- 
land aUein jährlich 4 Milliarden Francs ersparen, und Frankreiidi, 
Deutschland, Hofland, Belgien, die Schweis zusammen mindestens 
ebensoviel Die Hauptrerlusto werden also anoh diese Staaten au 
tragen haben, weil eben sie am meisten betitaen. Dabei ist zu be- 
merken, daCs der Erleg bei der Ausdehnung, welche er in Folge der 
Bündnisse annehmen wird, und bei der verhängnifsvollen Notwendig- 
keit, in dem einmal begonnenen schrecklidien Kampfe eine möglichst 
endgiltige Entscheidung herbeizuführen, unausbleiblich den Kredit 
nicht nur der am Kampfe teilnehmenden, sondern der neutral bleibenden 
Staaten, wie Belgien, Holland, England erschüttern wird. Bei den 
ungeheuren Vernichtungsmitteln, die angehäuft wurden, und uiiKesicbts 
der allgemeinen Militärpflicht muls der Zukunftskrieg ein Kampf um 
die Existenz der Nationen, nicht minder der DjTiastien in den 
mitteleuropäischen Staaten werden ; auf t-me baldige Friedensschlielaung 
ist also wenig zu rechnen, und mithin werden auch die Staats- 
Kreditoren (He Gefahr im Auge behalten müssen, bei diesem oder 
jenem Staate Jio Gesammtsumme ihrer Darlehen zu verlieren. Als 
Beispiel sei Frankreich angeführt. In Frankreich berechnete man 



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Vou den ökonünüschen Schwierigkeiten etc. 



93 



schon vor Jahren den Besitz an österreiohisoh-ungarischen Börsen- 
wertpapieren auf 3 Mflliaiden 666 Millionen Francs, den Besitz an 
russischen anf unge&hr 6 Milliarden Francs und an italienisdben auf 
2 Mfliiarden 540 Millionen Francs. Der Verlust solcher Kapitalien 
kann nicht gleichgültig sein, und ohne Zweifel werden daher die Kurs- 
lückgiage bei dieser oder jener Eventualität auf die Stimmung ein- 
wirken müssen. 

Wir glauben vorstehend den Beweis erbracht zu haben, dafs der 
UmCang der wirtschaftlichen Erschütterungen, wolclic ein Krieg für 
die an ihm heteiligten Mächte herbeiiUhren dürfte, im Zukunftskriege 
ungleieli ^iröfser sein wird, als es im Jahre 1870 der Fall war. Und 
auch für die neutralen Mächte wird die Katastrophe nicht allein die 
finanziellen Werte treffen. Schon 1870 waren die Handels- und in- 
dustriellen Verbindungen zwischen den einzelnen Nationen so zahl- 
reich, dafs die durch den Krieg herbeigeführte Verwirrung auch die 
neutral gebliebenen Staaten berührt hatte. Dies würde aber noch 
weit mehr im Zukunfts-Kriege der Fall sein, weil eben Produktion 
und Handel und folglich auch die Fäden, welclie die Interessen der 
verschiedenen Länder mit einander verbinden, sicli seit 1870 bedeutend 
gemehrt haben. Nehmen wir den günstigsten Fall an, dafs nur 
Frankreich und Deutschland einander bekriegen; die übrigen Länder 
wfiiden gleichwohl selbst im Falle ihrer Kentnditilt durdk die 7er^ 
minderung ihrer Handelsbeziehungen zu den kriegfiihrenden Utndern 
sehr bedeutende Verluste erleiden. Die Millionen von Männern, welche 
in Frankreich und Deutschland zu den Waffen gerufen werden würden, 
mflssten dem Landbau, der Industrie, dem Handd entrissen werden, 
kannten iär die Äusfiihr nach anderen Lindem nicht mehr arbeiten, 
folglich auch nicht Mittel zum Ankaufe fremder Produkte erlangen; 
audi in den neutralen Staaten würde darum die F^duktion dement- 
sprechend zurückgehen. 

Um diese Abhängigkeit eines Landes von andern Ländern zu be- 
weisen, seien hier einige Angaben über die Ausfuhr von den in der 
Industrie eine hervorragendere Rollo spielenden Waaren, in MiUionoi, 
für das Jahr 1888 angegeben'). — Es führten aus: 





baamwoll- 


WoUen- 
wnrraflr 


MA» Ar 


EiMB- and 

Stahlwaaxen 
fUr 


ZaMBiun für 


Ostarrrich .... 


7 


24 


136 


11,4 


12MiUioneii Gulden 


Belgien 


19,9 


25 




67 


112 „ Franca 


Frankreich .... 


106 


323 


223 


71 


"23 „ „ 


Deutschland .... 


18G 


189 


183 


176 


734 „ Mark 


Qronlnritaaien . . . 


? 


? 




? 


? 



'} Hovell, Gonüicts of Capital and Labour 1890. 



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94 



Von den ökonomischen Schvderigkeiten etc. 



Mal. nimmt an, dais die normale ausländische Einfulir nach 
Frankreich 3 bis 4 Millionen Produzenten in andern Ländern Verdienst 
giebt, die ausländische Einfuhr nach Deutschland &8t einer gleichen 
Zahl Mithin werden alao Millionen Ton Leuten neutraler Staaten, 
welche m FHedenszeiten f&r finmönadhe und dentsche HSrkte ar- 
beiteten, mm grolBen Teil oder vielladit auch gans ohne Arbeit 
bleiben mflasen. 

Doch welche unberechenbaren Verluste würden entstehen, weichet 
Unheil miifrte hereinbrechen, falls in Folge der abgesdüossenen BOnd- 
nisse das ganze Europa metat oder weniger in den Krieg mit hinein- 
gesogen werden würde. 

wollen hier nicht die Lage beleuchten, in der sich die Be- 
völkerung auf dem Kriegsschauplatze selbst befinden wird, sondern 
nur die Verhältnisse, welche schon die Mobilisation und der Anmanwh 
der Armeen an die Grenze m den Gegenden hervorrufen werden, 
welche vom Kriege selbst noch nicht berührt sind, sich aber in der 
Nähe des Kriegsschauplatzes befinden. 

Ganz abgesehen davon, dafs im ganzen Lande alle zum Kriegs- 
dienst tauglichen Leute im Alter von 20 bis 40 Jahren allmählig zu 
den Ftüinen einberufen werden können, so dürften in Gegenden, wo 
die Bewegung der ungeheuren Heeresniassen vor sich gehen wird, 
nur wenige Ortschaften und Wolinplätze sich finden, welche von der 
Requisition unberührt bleiben würden oder den nnlitiirischen Beliörden 
nicht zur Verfügimg stehen müfsten. VergegenwartigLU wir uns das 
^Id einer Mobilisation. Es werden Terlangt: Räumlichkeiten fiir 
die Rinquartiemng der Truppen und Pferde, für die Unterbringung 
des Materials, tägliehe Yerproriantirung der bei den Bewofanem 
untergebrachten Truppcnabteflungen, Vorräte für die abziehenden 
Truppen, Heizmaterial und Fourage fttr das Heer, Stroh sum 
Nachtlager für die Soldaten, Aufteilung von Fnhrenparks und 
Einrichtong eines Schifirerkehrs auf Seen und Flüssen, HttUen zom 
Mahlen des Getreides, Backöfen, Materialien und Instrumente zor 
Herstellung oder Verbesserung der Wege und Brücken, Wegweiser 
und Boten, Arbeiter für die verschiedenen Bedärfiiisse der Armee, 
ünterkunftsräume für Kranke und Wartung dieser seitens der Be- 
wohner, Materialien für Sattler und Hufschmiede und andere Hand- 
werker, die für Marschfähigkeit der Soldaten zu sorgen haben, 
Materialien für das Lager, Leinwand, Charpie und sonstiges Verband- 
zeug u. s. w. Jedoch wird das alles aeliwerlieh den Truppenführorn 
bei dem Anmärsche der Armeen zum Kriegssehaiiplatze selbst oder 
im Rücken der militärischen Operationen in erforderlichem Mafse zur 
Verfügung stehen können, weil ja immer neue, beständig sich wiedec- 



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Von den 5konomkcben Schwierigkeiten etc. 



95 



holende Forderungen zur Ergänzung und Wiederherstellung des sämmt- 
lichen Materials gestellt werden, denn bei der Fortbewoping so 
grosser Heeresmassen, mit den heutigen und bei den heutigen Zer- 
störungsmitteln steht ein ungeheuerer Verbrauch jener Materialien 
in Aussicht. 

Und die gewaltige Entziehung von produktiven Arbeitskräften 
duiüh Einbenifitng zur Armee oder durch einstweilige Verwendung 
▼on Arbeitern und Leitern Tergchiedencr Falirikea Bpeziell fUr Ar- 
beiten und Dienetleistnngen iUr die Armee, das alles wird beatzatage 
weit ftblbaier sein, als in frOberen Zeiten, sdion allem deswegen, 
weil die Spezialirinmg aller Arbeit im westlidien Enro|»a bereits bis 
zum Liftenten gedieben ist Den Mangel an Arbeitern und Meistem 
in irgend einem besonderen Ptoduktions&che dnrob andere Meister 
und Arbeiter sei es aucb derselben Fabrik zu ersetzen, ist bentsutage 
sebr schwer, bisweilen umnöglicb; man mufs eben neue Spezialtsten 
heranbilden. Und man vergesse nicht, mit welcher ungeheuren 
SdinelUgkeit sich heute die Fortschritte vollziehen. Nur in un- 
genügendem Mafse geben wir uns Rechenschaft you dieser Schnelligkeit 
in den Fortschritten der Gegenwart. 

Es ist, als führen wir in einem Schnellzuge, ohne hinaus zu 
sehen, nur darum merken wir so wenig davon, wie schnell die Fahrt 
vor sicli geht, Denjenigen, welche in der Epoche des grofsen Zu- 
sammen stofses zwischen Frankreieii und Deutschland schon erwachsen 
waren, kommt es so vor, als ob sich dieser Krieg erst unlängst er- 
eignet hätte, als ob seit dieser Zeit in der gesellschaftlirlien und wirt- 
schaftlichen Entwickelung nichts Sonderliches vor^jf fallen wäre. Um 
sich aber ein richtiges Bild zu verschalTen, muls mau zu Zlfifern 
greifen. Nehmen wir z. B. die Kohlen-Produktion. 

Sie betrug in: 





Millionen Ton 


0 e D 




MM 


1810 


188f 


Orossbritanmen .... 


80 


110 


162 




12 


20 


eo 




8 


13 


90 




9 


13 


18 




2 


4 


8 




0,1 


0,6 


4 




III 


167 ( 272 



Aber noch ein klareres Bild von den Veränderungen im Wirtschaft- 
liefen Leben kann uns Folgendes liefern: 

Die ßechensohaftsbenchte des Post- und Telegrapheawesens in 



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96 



Von den ökonomischen Schwierigkeiten etc. 



Deutschlaud fÖP die Zeit von 1868 bis 1801 betrachtet'), ergeben 
Kachstehendes: 

In sämmtlichen Staaten des deutschen Reiches winden per Post 
versandt (in IfiOkniBii): 

im im 
Jahre 1868 Jahre 1891 

Briefe 298 1040 

Zeitungsexemplare 160 735 

Drucksachen und Waaremnuster 36 419 

Postkarten 25 354 

Packete 29 108 

Rimessen 9 78 

Gesammtsumme der ausf^jeführtcn Seiirlnnfien: 557 2798 

Mithin ist die Hiiufif];kcit der Heziehiin^en, oder, was dasselbe 
bedeutet, die en^e Verbindung der einzelnen Ortlichkeiten und ihre 
Abhiinfrifrkcit von einander in den letzten 25 Juliren mehr als fünfmal 
gröfser geworden. Hieraus ergiebt sich, um wieviel fühlbarer heut- 
zutage jede Unterbrecliuiig oder Beeinträchtigung dieser Beziehungen 
durch den Ivrieg sein würde. 

Folgende Tabelle kann uns einen ungefähren Begriff von den Ver- 
lusten geben, welche die Bevölkerungen der greisen Kontinentalmächte 
bei einem Kriege durch Unterbrechung oder Beeinträchtigung der 
Handelsberiehnngen und der industriellen Produktion erleiden werden. 
Sie ist in der Weise abgefaist, dais die statistisch berechnete gemein- 
scfaaftliohe Totaleinnahme, welche in Pfund Sterling ausgedrSokt und 
in der letzten Kolonne angegeben ist, gleich Tausend gesetzt ist, um 
dadurch nfther zu bestimmen, wieviel Spezialeinnahmen in diesem 
Tausend (pro miUe) von jedem Zweige der Ökonomischeii Thfttigkeit 
enthalten sind. 





Vom Landbau 


• 

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Von RtSdti«chen 
Immobilien 


Vom Handel | 


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SP «= 
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B 

1 


. 8 

§111 


In Frankreich . • . 


396 


8 


278 


92 


89 


30 


4 


12 


91 


1000 


1046 


n Dentichland . . 


355 


21 


325 


96 


63 


34 


4 


11 


91 


1000 


1076 


„ Ost rrroich-Ungam 


■184 


11 


246 


96 


44 


16 


2 


11 


71 


1000 


616 






5 


201 


91 


61 


25 


5 


14 


91 


1000 


363 


„ iiufi>;>iand .... 


525 


14 




96 


35 


12 


2 


5 


90 


1000 


975 



ffierans ist ersichtlich, dals die Landwirtschaft, weldw M BdsUnd 
bis zu 86 Prozent der Bevölkerung beschäftigt, dem Lande nur 



^) Jung. „Entwidkebug des Post- und Telegraphenwesens^ 1893. 



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Von deu ökonomischen Schwierigkeiten etc. 



97 



52 Prozent seiner Gesammtciniiahme bringt, während sie in Deutsch- 
land, wo die Klasse der mit Landwirtschaft Beschäftigten im ganzen 
nur 87 Prozent der Bevölkerung ausmacht, 35 PMzent der Oeaammt- 
einnahme giebt ; in Frankreioh, wo die mit Landwirteohaft Beeehftftigten 
ongefiQur 42 Prozent der Bevölkerung ausmachenf fallen fkst 40 Prosent 
der Geeammteinnahmen auf die Landwirtscfliaft; in Öeterreioh-Ungam 
machen die I^dwirte fast 49 PMzent der Bevölkemog ans, und gieht 
die Landwirtschafk 48 Prozent der Cteaanunteinnahme. Schliefilich ist 
in Rulsland, wie wir dies eben anfiihrten, das VerhSltnils der Zahl aller 
mit Landwirtschaft Beschäftigten war Teilnahme der Landwirtschaft 
an der Gesammteinnahme des Volkes recht grofs, oder umgekehrt, das 
Vcrhältnifs der Einträglichkeit der Landwirtschaft zur Zahl der damit 
Beschäftigten ein recht geringes. 

Mithin bedrohen die wirtschaftlichen Erschüttcmngen eines Krieges 
am meisten die Bevülkerun|:,'cn Deutsclilands und dann Frankreiohs, 
wcü in diesen Ländern der Anteil der Industrie, des Hüttenwesens 
und des Handels an der Gesammtsumme der nationalen Einnahme am 
bedeutendsten ist. Rufnland und Österreich-Ungarn befinden sich in 
dieser Beziehung in cintf zit inliili gleichen Lage. Italien, welches 
zwar durch eine Besclirankimg des Handels mehr als Österreich-Ungarn 
und Rufslöud leiden uuil durch Verniiiiderung der SeescIiilTfahrt (ein- 
schliefslich der übrigen .Schi Üfahrt) mehr als alle übrigen kontinentalen 
Mächte verlieren, dafür aber im allgemeinen bei verhältnifsnüifsig 
schwacher Industrie einen geringeren Teil seiner Einnahmen, als die 
übrigen Staaten, einbüfseu würde, wird augenscheinlich am wenigsten 
bedroht. 

Diese allgemeinen Angaben können aber nur ein sehr annShemdes 
Bild von den zu erwartenden Katastrophen geben. 

Fassen wir nur die Lage des bedeutendsten TeOee der Be- 
völkerung — die Landwirte — in's Auge. Je mehr ein Land auf 
den Export seiner Produktion angewiesen ist, desto mehr wird 
es vom Kriege durch Beschränkung des Verkebra zu leiden haben. 
Weiterbin werden sich diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe, welche 
Luxusartikel, wie Wein, Tabak, Käse, Butter, öl, Apfelsinen und 
Citronen, Seide, Sämereien, liefern, in einer schwierigeren Lage be- 
finden, als die Korn und Fleisch produzirenden, für welche immerhin 
der gröfsere inländische Verbrauch einigermafsen Ersatz bieten würde. 

In der schwierigsten Lage würde sich also, von diesem Stand- 
punkte aus, Itahen befinden. 

Aus denselben Gründen würde eine in Frankreich entstehende 
Kalamität ebenfalls grofsc Dimensionen annehmen. 

Rufsland, \Yelehes einen grofsen Teil seiner landwirtschaftlichen 

JahrbBelter fttr dit DratMh« Arm«« oad Uuiae. Bd. 91, L 7 



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98 



Von den ahonomtehan Schwierigkeiten ete. 



Eizeugniftse erportirt, wird eben&Us mehr in MitkidenBcbaft gezogen 
werden, als DeutecUand imd Osterreioli, jedoch viel weniger ab 
Italien und Frankreicli, da es hauptaiiWsh Eom nnd Produkte 
eritor Bedfirfins^e exportirt, filr welche der grolm inländiaclie Markt 
offion bleibt. 

Es wfiie jedoch eine Täuschung, nach obigen Angaben ttber die 
beim zukünftigen Kriege ontstehendcn Kalamitiiten zu urteilen. 

Länder in günstigerer Lage, wie z. B. Italien, Rullaland, werden, 
da der allgemeine Wohlstand ihrer Bevölkerungen ein schwacher ist, 
auch wenn sie minder intenaiTen Einwirkungen ausgesetzt sein werden, 
dennoch viel weniger ertragen können, als Staaten, b^ denen eine 
Anhäufiing von Ersparnissen stattgefunden hat. 

Italien liefert in letzter Zeit einen Beweis hiertür. 

Da durch die Vorbereitungen zu einem Kriege die Steuern und 
besonders die Zollbelastung in Italien schon jetzt sehr hohe Dimensionen 
angenommen haben und der Wohlstand ein selir niedriger ist, so be- 
durfte es blofs unbedeutender Störungen, um schon ernsthafte Unruhen 
unter der arbeitenden Bevölkcrungsklasse in Sizilien hervorzurufen. 

Johann von Bloch. 

Anmerkung d. L. Die Leitung der „Jahrbflcfaer" hat obigom inter- 
essanten Attfeatse gern Aabahme gewährt, ohDe ^ocb die volle Verantwort- 
woitltohkeit tOat sehien Inbalt in allen Punkten Obernehmeii zu können. 

(Schluia folgt) 



Yl. 

Die Psychologie in der militärischen Erziehung. 

Kurz dargestellt von 
Dr. Panr, 

ObenUbwnt im K. B. 7. infftutüiie-Ueginrai Jht'uoi Leopold.* 



Zwei verschiedene Wissensgebiete sind es, von welchen hier die 
Sprache sein soll; sie vereinigen sich in dem Ziele, der Armee und 
dem Vaterlande zu dienen. 

Mann kann fragen: Was soll die Psychologie, Seelenkunde, in 
einem viclgeiiliederten Mechanismus — wie die Armee — , dessen 
Bestandteile genau ineinander gepafst sind und von einer greisen 
Kraft getrieben sicher und unweigerlich arbeiten miissen? 

Der Vergleich ist einigermafsen zutreffend, er stimmt aber nicht 
in der Hauptsache, d. i. iu dem Motor j dieser ist im Heere nicht ein 



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Die Fqrcludoi^ In der mUltiriaclieii Enieliiiiig. 



99 



physischer, willenloser, sondern eine von höherem Willen ausströmende 
lebendige Kraft, welche den ganzen Apparat durchdringt, aber aacb 
den einzelnen Teilen ihre selbstständige Thiitigkcit läfst. 

Vor näherem Eingehen in die Sache möge es mir gestattet sein, 
die Grundzüge der Psychologie in Kürze darzustellen, soweit sie für 
den Laien wissenswert erscheint. 

Die ersten Regungen der Menschenseelc gehen von den Sinnes- 
organen aus, ihre erste Thätigkcit ist also eine empfindende; auf 
diese Regungen folgt, zunächst nur triebartig, eine motorische. 
Zwischen diese beiden Grundthätigkeiten schiebt sich, hauptsächlich 
vom GeBichtBsuin angeregt, bald eixie dritte ein, die Torateilende. — 
Es werden nftmlich diurdi yenmttelimg der Sinnesnorren äufteve 
Rdze, Sinneseindrücke, ans der Umgebung zum Gentndnerrensjstem 
geleitet Hier werden die aufgenommenen Reize Terarbeitet, d. h. die 
gleichartigen von den ungleichartigen geschieden, mit anderen ver* 
glichen, das Beobachtete wd zn Bildem'nnd Begriffen gestaltet, 
welche sich durch Verknüpfimg Terschiedener Vorstellnngen mit- 
einander zn Schlulsfolgenuigen und Urteilen erweitem. 

Dieses Vennögen wird nach Maisgabe der ererbten Anlagen 
durch Erziehung und Übung immer mehr erhöht, die Begrift und 
Urteile werden vollkommener und zur Erkenntnils, IntelUgm ge- 
steigert, d. i. Verstandsthätigkeit. 

Der Mensch ist in geistiger Beziehung ein Pmchxkt aus der An- 
lage und Erziehung, fremder und eigener. Die intensiven, fester 
haftenden Vorstellungen können später durch gleiche Sinneseindrücke 
oder Idccnverbindungon wieder geweckt und reproduzirt werden, d. i. 
das Gcdächtnifs. Das Organ all dieser geistigen Arbeit ist das 
Gehirn und zwar, wie dif fachmännischen T Untersuchungen am ge- 
sunden und kranken Menschen zeigen, die graue Hindensubstanz der 
vielgewundenen Oberfläche heider Himhälften. 

Aus der bewufsten Vorstellungs- und Denkarbeit resultirt noch 
eine weitere Thätigkeit, d. i. das Wollen. Der Wille ist eine aus 
Vorstellung und Krkenntnifs resultirende und mit diesen wachsende 
Kraft. Beim Wollen setzt sich das Individuum in Beziehung zu den 
Menschen und Dingen, zunächst seiner Umgehung, und zwar im zu- 
stimmenden oder im entgegengesetzten Sinne. Die anfänglich rein 
egoistischen Triebe werden später durch korrigirende Gegenvor- 
stellungen zu höherer Qualität, zn besonnenem, zielbewulstem Streben 
gesteigert, zu sittlichen Motiven veredelt. 

Der Wille ist die treibende Kraft im hewnfsten Menschen. 

Den regen Geist drängt es aber noch weiter — zur Realiaimng 
semer WQnsche und Strebnngen; er wül sich nach anisen Geltung 

7* 

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100 



Die Psychologie in der miHtärischeu Erziehimg. 



venohaffen — der WiUe treibt zum Handeln; denn erst bm^urch 
entsteht Befriedigung des Geistes, das Gefiibl' der eigenen Krafti 
welche sich zum Mut» zur Thatkraft steigert. 

Ans der gesammten Vorstellnngs- und Wülensthfttigkeit» ans den 
Motiyen nnd Strebungen gestaltet sidi aUmShlig eine seelische Einheit, 
ein individuelles „Ich.^ Je gefestigter dasselbe im geistigen Kampfe 
mit sich und der Umgebung wird, je einheitlicher es sein Wollen imd 
Handeln leitet, desto mehr entwickelt es sich m einem Charakter. 

Nun erfibngt es noch, die empfindende Sphilre des Seelen- 
lebens in kurzen Zügen zu schildern. Die Empfindungen, jene ersten 
seehscbm Bingen, begleiten das geistige und körperliche Leben auf 
seinem ganzep Wege; sie konsentriren sirh zu Gefühlen und zwar 
des Behagens oder des Schmerzes, der Lust oder Unlust; in den 
ersteren Fällen fördern sie, in den letzteren beeinträchtigen sie das 
Vorstellungsvermögen. Empfindungen und Gefühle sind an sich mehr 
dunkle, durch d.is jcwoilige Befinden subjektiv becinflufste Urteile, 
daher häutigen Scliwankungen untorwnrfen. 

Gefühle pflegen in verschiedenen Graden eine Erschütterung, 
Schwankung des individuellen „Ich" hervorzubringen, sein Denken 
und Wollen verläuft unter Gefühlseinwirkungen ungleichmäfsiger, der 
Flufs der Gedanken wird dabei zu sehr beschleunigt oder verlangsamt. 

Die Gefühle, in ihrer Qualität und Quantität beeinflufst vom 
Willen, bilden das Gemüt. Das (ieniüt wird je nach der Intensität 
der Goftihle und der Widerstandskraft, des Willens in mehr oder 
minder starke Bewegungen gesetzt; so lange diese im gleichen Gange 
erhalten werden können, ist das Gemüt ein gleichmftfsiges, festes; 
bei Gemtttsschwftche aber ist es zu Idcht, bei Oemütsloeigkett zu 
schwer in Bewegung zu setzen. Starke Schwankungen des Gemttts 
können, wenn nicht der Wüle rechtzeitig Mafs gebietet, das Individuum 
aus seiner seelischen Qleichlage heraus- und in jene heftigen GefShls- 
spannungen hineinbringen, welche man Affekte nennt und zwar ez- 
pansire, wenn sie sich der Spannung rascher entäulsem und dann 
wieder in das Oleichgewieht der Stimmung gelangen, z. B. Freude, 
Übermut, Zorn oder depressive, wenn sie dauernder sind und zu 
PassiTität, Willensschwäche hinneigen, z. B. Traurigkeit, KummOT, 
Furcht Auf dem Boden der Gemütsschwankungen und Affekte pflegen 
äxih am ehesten seelische Störungen zn entwickeln. Hieii>ei bildet 
die ai^(eborcnp Anlage einen üauptfaktor. 

Dns seelische Gleichgewicht und die geistige Energie sind be- 
dingt durch einen normalen materiellen Zustand des Gehirns und 
Nervensystems, dieser wieder ist stark abhängig vom körperlichen 
Beündeu; Überreizung, Ermüdung, Erkrankung setzen die seelische 



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Die Psychologie in der militariacbeu Erziehung. 



101 



und geistige LdstoiigifiUugkflit herab. — Geteteskrankheiten, (Psycho- 
]»athieii) heben die Freiheit des WiUeiis im gerichtUcheiL Sinne, d. L 
die Znrechnnngsifthigkeit seitweise oder für immer anf. Eine Er- 
Srterang dieser Znstfinde Hegt adBorhalb des Zweckes dieser Ab- 
handlung, welche den Anteil der Psychobgie an der soldatischen Er» 
Ziehung im Ange hat. 

Die Brücke Toa der üieorie rar Präzis beginnt mit der Ab- 
richtung der Rekruten. 

Diese, deren Sinn bisher hinter dem Pfluge, in der Fabrik oder 
Werkstube nur auf ihren Erwerb gerichtet war, kommen nun in ein 
Töllig fremdes Voistellungsgebiet, in eine nene, ungewohnte Lebens- 
weise nach strenger Ordnung. Bisher meistens nur in einseitiger 
Richtung, in manuellen Fertigkeiten ausgebildet, haben sie nun beim 
theoretischen Unterrichte in den vielen Vorschriften und Dienstes- 
zweigen neue Vorstellungen und Begriffe zu sammeln, was wohl bei 
Vielen nur mit Mühe und Not gelingt; leichter und rascher -vdrd die 
Sache auf dem Wege der Übung, d. i. des Anachauungs-Unterrichtes, 
erfafst und besser im Gedächtnils behalten. 

Der individuelle Wille, bisher mehr oder weniger ungezügelt, 
steht nun einem höheren Willen, der sich in den Dienstvorschriften 
und unmittelbaren Befehlen uufsert, gegenüber; diesem höhereu Willen 
hat sich der individuelle unterzuordnen im Interesse der Disziplin und 
des Gehorsams — der Omndsäulen einer Armee. 

Diese Unterordnung des persönlichen Willens mub eher eine be- 
wnftte, nicht eme nnr antomatisohe sein; gerade die rcllbewulste 
und festgewollte Mannssmcht lä&t den militärischen Gehorsam nicht 
za einem skhmsohen werden, weldier za eigenem Wollen und Handdn 
nicht f ihig ist. 

Auf dieser Gmndtngend können und mOssen die fibrigen miU- 
tirischen Eigenschaften sich entfalten; daher mufs der Wille in dieser 
Biditnng ror Allem erzogen and gekräftigt werden — unbeschadet 
der zu bildenden VerstaDdesthätigkeit bei Erlernung des Waffisn- 
dieostes und der übrigen Dienstzweige. 

Der verschiedene Grad der geistigen Anlagen der neu eingestellten 
Leute macht seitens der ausbildenden Offiziere ein Individualisiren 
notwendig. 

Bei der täglichen Beobachtung in und aufser Dienst wird es 
nicht schwer sein, die geistig und psychisch Minderwertigen bald zu 
erkennen. 

Allerdings sind bei der Aushebung Leute mit iibei*standener oder 
bestehender Geisteskrankheit oder mit hohem Grade geistiger Be- 
schränktheit nach Anlage 4 bis 14 der Ueerordnung schon ausgemustert 



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103 



INa FkvdiokMEie in der müitiiiMdMn Brriniwiigi 



worden; jedoch werden möglicherweise Leute mit Anlafje zu geistigen 
Störungen oder oüt bisher unbekannt gebliebenen Abnormitäten ein- 
gestellt. 

Um dieses zu verhüten, ist es Aufgabe der Zivilvorsitzenden und 
Zivilbeisitzer, diesem Punkte von vornherein besondere Aufmerksamkeit 
zuzuwenden und den Ersatz-Kommissionen das amtliche Material — 
Schul- und ärztliche Zeugnisse — beziehungsweise Aufschlüsse zu 
geben, wenn notorische Anla^^e zu Geistesstörungen besteht ^ oder 
letztere bereits vorhanden waren. 

Werden später bei einem Eingestellten Auffälligkeiten im 
psychischen BÖiehmen, unvermittelte Änderungen in der bisherigen 
Gemütsart u. dgL wahrgenommen, so oUiegt es dem Kompagniechef 
und dem Truppenarzt, auf solche Individuen immer ein wachaamee 
Aiig9 zn haben und, sofern die dienstlidie und ilnsUidie Beobachtung 
den Verdacht auf geistige Abnormität reditfertigt, ungesäumt die 
Entlassung des Mannes zu beantragen — Mafsnahmen, welche durch 
wiederholte höchste Befehle angeordnet sind. 

Duidi lechtmtige Entfernung solcher Belasteter wird es gelingen, 
die Selbstmorde im Heere immermehr hintenan zu halten. 

Eine Berechnung der Selbstmorde aus den statistischen Sanität8> 
berichten des Königlich Bayerischen Eriegsministeriums nach dem 
Dienstalter ergiebt für den Zeitraum 1879—1889 folgendes Resultat: 

Von 100 Selbstmorden trafen 30,0 auf das I., 23,5 auf das II., 
21,7 auf das IIL, 6,3 auf das IV. Dienslgahri 18,4 über das IV. 
hinaus. 

Aus dem statistischen Sanitäts-Bericht des Königlich Preufsischen 
Kriegsministeriums horcc-lmen sicli für die mir vorliegende Berichts- 
periode von 1884 — 1.*<<S8 ganz ähnliche Werte, nämlich: 

42,7% auf das I. ] 

21,0 „ - n n. ( 

11,8 „ , „ III. l Dienstjahr 

4,6 „ n „ IV. ) 
19,8 j, über das IV. hinaus. 

Aus diesen Verhältnifszahlen resultirt hervorstehend die weit 
gröfsere Häufigkeit der Selbstmorde im I. Dienstjahr; besonders aus- 
geprägt ist dieser Unterschied im K. Preufsischen Kontingent — im 
I. mehr als das doppelte vom U. Dienstjahr; — in den folgenden 
Diensljahren erfolgt ständige Abnahme. 

Diese Zahlen sprechen sehr deutlich die Mahnung aus, die in- 
dividuellen psychischen Anlagen einer steten Beachtung zu würdigen. 

Gerade im I. Diens^jahre kommen die angeborenen Anlagen unter 
den Einwirkungen des ungewohnten Dienstes auf die empfindende 



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Die I^|ycliolo0e in der milttftiiflelMD Enidiung. 103 



Seite des Seelenlebeiiis, also auf d&s Oemüt, am meiBten sror Geltimg; 
in dieser Sphäre kommt es, da der Wille ab Gegengewicht nicht 
stark genug ist, am ehesten su krankhaften Stfinmgen. ' 

Es wird auch der Mi&braadi der Dienstgewalt noch weiter ein- 
geschränkt werden, wenn die militärische Erziehung thmüiehst den 
individnellen Anlagen entsprechend geleitet wird und wenn bei Aus- 
wahl und Überwachung der abrichtenden Unterorgane, von welchen 
jener Mifsbrauch bekanntlich überwiegend gemacht wird, die psychi- 
schen Eigenschaften in Betracht gezogen werden. 

Bei dem groüsen Einflufs, welchen die Offiziere vermöge ihrer 
Autorität auf die jungen Leute ausüben können, wird es möglich 
sein, mangelhafte Veranhiirung derselben durch Erziehung auszugleichen 
und fehlerhafte Richtungen des Charakters zu korrigiren. 

Hierzu erscheint es allerdings nötig, die Seele der jungen Leute 
an sich heranzuziehen, indem man Offenheit und Zutrauen durch 
wohlwollende Anteilnahme auch an iliren persönlichen Sehioksalen er- 
weckt. Bei Gutgesinnten stöfst diese edle Absicht wühl selten auf 
Schwierigkeit; die Hindernisse aber, welche mangelhafter oder böser 
Wille entgegensetzt, dürften durch Warnungen und Bestrafungen zu 
überwinden sein; äufscrstc, aber gerechte Strenge vermag schlierslich 
auch den Halsstarrigen zu bändigen und zu bessern. 

Es ist muB hohe Aufgabe für die Vorgesetzten, bei ihren Unter, 
gebenen einen festen Willen und Gharokter heranzubilden; nur ein 
solcher wird bei den ersehttttemden Eindrücken künftiger mörderischer 
Schlachten, wenn der Tod tausendfoch naht, Stand zu halten ver- 
mögen. 

In den Jahren des aktiven Dienstes beginnt sich der Charakter 
des Individuums festzusetzen; gerade da ist nun die militärisdie 
Schule der Selbstbeherrschung, des Gehorsams, der Vaterlandsliebe 
Ton höchstem Werte; hier kann durch weise Erziehung vielen rer- 

derblichen Einflüssen entgegengewirkt werden. 

In der militärischen Schule gilt es, der Verweichlichung des Körpers 
und Gemütes entgegenzutreten, die Widerstandskraft dieser zu heben, 
damit bei den vielen Anforderungen des Dienstes der Wille nicht er^ 
Bchlafft und dieser nicht zu bald die Herrschaft über den Körper 
verliert, damit ferner nicht Haltlosigkeit schon bei geringem .AnlaCs, 
bei drohender Strafe u. dgl. eintritt. 

Das Hervorragende der militärischen Erziehung ist eben, dafs 
sie den jungen Mann nicht nur die Kenntnisse und Fcrtip^keitcn dt» 
Dienstes, die richtige Verwendung seiner WaiTe lehrt, sondern dafs 
sie auf Aneignung hoher männlicher Eigenschaften: Mut, Ehr- und 
Ptiichtgefühl hinwirkt; diese bilden das Leitmotiv die ganze Dienstzeit 
hindurch. 



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104 Die Fqrohologie In dar nuUtbiwhfla Endehimg. 



Das Ehrgefühl, welches besonders geweckt werden soll, bedarf 
auch besonderen Schutzes — einer Pflanze gleich, welche vor un- 
geeigneten Eingriffen gehütet und so in ihrem Wachstum gefordertwird. 

Mit dem Ehrgeföhl ist das Bewulstsein vom Besitze der er> 
strebten persönlichen Eigenschaften, sowie der Wille verbunden, diesen 
Besitz zu wahren. Die Ehre ist also ein unantastbares persönliches 
Eigentum. 

Alis der Pflichttreue erwächst die spllistlosc Hingabe für Thron 
und Vaterland, der Mut, Gefahren und Strapazen zu überwinden, die 
ganze Kraft, selbst das Leben einzusetzen für ein grofses Ziel. 

Welch hoher Nutzen für ein ganzes Volk liegt in solcher, über 
die Dienstzeit noch hinaus ^virkunder Erziehung! 

Vor allem bedarf eine zur Offensive bestimmte Armee jener 
EigenscKaliou im hohen Grade. 

Dieses Bedürfoifs tritt um so gebietender hervor, als beim An- 
griff die Offiziere bald zahlreich - wie 1870/71 — fallen; dann muls 
der Geist denelben in den Untergebenen fortleben und fortvirkeii: 
Vaterlandsliebe, EntscUossenhett und todeenratigo Tapforkeit — die 
höchsten soldatisclien Togendenl 

Solcfae aber müssen fest anerzogen Verden in der ntthevollen 
Schule des Friedensdienstes — eme An^be, wdohe dmcih die Ver- 
kfinrong der DienstprSsenz bei den Fnistmppen auf swei Jahre 
schwieriger geworden ist Die kürzere AnsbildungBeit erheischt daher 
wohl eine Vertiefung der Arbeit, soll deren Resnltat nicht rasch sich 
wieder verflüchtigen. 

Die Ansbfldung im Garnison- und Felddienst, im Schieilaen, der 
Orientirungssinn, die rasche Auffassung slnnr Situation, kurz das 
ganze militärische Vorstellungsvennfigen mnfs in kürzerer Frist ge- 
weckt und gefördert werden. 

Diese intensive militärische Ausbildung dürfte leichter gelingen, 
wenn auch auf die seelischen Eigenschaften des Soldaten — in den 
oben bezeichneten Richtungen — voller Einflufs ausgeübt wird. 

Wohl wcifs icli, dafs im Vorstelu lulon keine neuen militärischen 
Gedanken ausgesproclien sind ; icli wollte aber doch die Aufmerk- 
samkeit auf einen Gegenstand lenken, welcher mit einschlägt in das 
Gebiet: 

„Geist in der Armee." 

Dafs die Würdigung des psycholo^scheu Faktors in der soldatischen 
Erziehung von Nutzen für die Armee ist, dürfte aufser Zweifel sein 
und wird auch von den erfahrenen, im Dienste gereiften Offizieren 
YoUauf anerkannt. 



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vu. 

Militärisches aus Rufsland. 

flrrichtung einer Verwaltung des Qeneral-Inspekteurs der Kavallerie. — Melde- 
reiter^Detaehementa. — Venache auf der Offlaer-Schiefncliule. — Ingenieoi^ 
Depots. — Nea-Oqpulisatiolum in Ost^ibiriea Genoral 8eddel«r. 



Einem lanfj;e gebeten Wunsche des Grofst'iirsteu Nikolai 
Nikolajewitseh ist dadurch entsprochen worden, dafs ihm die Stellung 
flhiM General-Inspekteurs der Kavallerie, welche mit dem Tode 
seines Veten, des GroMisten Nikolai des Älteren, eingegangen war, 
flbertragen worden ist Der Oro&fUrsI ist — bei russischen Grolb- 
iürsfeen eine SeLtenheit — mit Leib und Seele Soldat und leiden- 
sobaftiicher Kavallerist Die nen erriehtete Verwaltung des General- 
Inspekteurs besteht ans dem Stabe des General-Inspektevrs 
(1 General als Stabschef, 1 General als Gehülfen des Stabscheb, 
2 Stabsoffiziere als filtere Acljiitanten, 1 Oberof&zier als Gehülfen des 
filteren Adjutanten und 10 Unterchaxgen), 8 Generalen für Auf- 
träge und 2 Adjutanten. — Zum Stabschef ist Generalmajor 
Palizyn, seit kurzem erst Stabschef des Garde-Korps, ernannt worden; 
mwkwürdiger Weise ist General Palizyn nicht Kavallerist, sondern 
ans der Infanterie hervorgegangen, doch war er längere Zeit Stabs- 
chef der 2. Garde-KavaUerie-Division , wolier er sich wohl des be- 
sonderen Vertrauens seines damaligen Divisions-Kommandeurs, des 
Grofslürsten Nikolai, zu erfreuen haben mag; zum Gehiilfen des 
Stabschefs wurde Oberst Wannowski, ein Sohn des Kriegs- 
ministers, ernannt. — Der General-Inspekteur hat die Aufsicht über 
die gesammte Ausbildung der Kavallerie, über den Dienstbetrieb der 
Offizier-Kavalleric-Schule , sowie über den Dienst der Kadres des 
Kavallerie-Ersatzes; er ist für die Ergänzung der aktiven Kavallerie- 
Reginu'Titor an Pferden aus tlen Kadres des Kavallerie-Ersatzes, sowie 
fiir die iiciiiontiruii^f der letzteren verantwoi tlich und hat die For- 
Durung der Ersatz-Kskiidrons zu leiten. — Mit der Bildung der Ver- 
waltung des General-Inspekteurs ist die bisher bestehende Kavallerie- 
Abteilung des Hauptstabes aufgehoben worden. 

Am 6. August fand im Lager von Krafsnoje Sselo vor Sr. Majestftt 
dem Kaiser ein grofses Kavallerie-ManöTer statt, bei welchem der 
neue General-Inspekteur ein Kavallerie-Korps von 47 Eskadrons und 
24 Gescbtttsen fährte. Das Manöver endigte, wie üblich, mit einer 
„durchgehenden Attacke** der gesammten Kavallerie gegen die In- 



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106 



Militäriachee aiu Rulkland. 



luiterie des feindficheii Detaehements. Diose Attacken —bei welofaer 
sich die 4 Kflraaeier-Beguiienter in erster Linie, die Kasaken-Brigade 
im zweiten Treffen, das Ldbgarde-Husaren- und Leibgarde-Dragoner- 
Regiment in der Beserte befimden^ während die 1. Brigade 2. Garde- 
Ka.T.-DiT. den Gegner in der linken Flanke attackirte — wurde über 
3 Weist im Galopp mit groiker Ordnung und Energie aufgeführt. 

Durch Verfiiguiig vom 22. Juli d. J. sind bei den Jagd- 
kommandos von vorläufig 11 Armee-Korps und 6 Schützen-Brigaden 
„Kommandos berittener Ordonnanzen" (Meldereiter-Detache- 
ments) Tersuchsweise eingerichtet worden. Der Verordnung über die 
Errichtung dieser Detaehements entnehmen wir Folgendes: Zur Aua- 
übung des Ordonnanzdienstes bei den höheren Truppenstäben und 
bei den Tnippentoilpn der Infanterie werden aus den Jagdkommandos 
der Infanterie- und Scliiitzen-He^^dnienter Mannschafton ausgeschieden, 
welche „beritten«^ Ordonnanzen" genannt werden, und zwar hat jedes 
Infauterie-Rügiment 12. jedes Schützen-Regiment (zu 2 Bataillonen) 
5 berittene Ordonnanzen , darunter je 1 Unteroffizier. Diese 
Ordonnanzen verbleiben den grölsten Teil des Jahres im Verbände 
der Jagdkommandos, deren Dienst sie mitmachen ; ihre Ausscheidung 
erfolgt erst zu Beginn der gröfseren Sommer-Übungen und der 
Manöver. An berittenen Ürdunnunzeii haben zu beanspruchen: der 
kommandirende General je 1 von jedem Infanterie-Regiment seines 
Armee-Korps« der Dhrisrons-Kommandeur je 2 von jedem In&nterie- 
Begiment seiner Division, der Brigade-Kommandeur je 1 von 
jedem Regiment der Brigade, der Hegiments-Kommandeur je 1 von 
jedem Bataillon, der Batafllons-Kommandenr 1 seines Bataillons. 
— Die berittenen Ordonnanzen behalten die Uniform und Aus- 
rOstung ihrer Truppenteile; aufserdem werden sie mit dem Dragoner- 
Säbel am Bandolier, mit Revolver, kursem Mantel mit Baadblyk und 
einer am Leibriemen befestigten Brieftasche versehen, welche Gegen- 
stände ihnen jedoch nur zum Schiefsdienst, zum Reiten und zur Aus- 
Obung des Ordonnanz-Dienstes ausgehändigt werden. — Die Beritten- 
machung dieser Ordonnanzen geschieht, auf Verfügung der Bezirks- 
stäbe, durch ausrangirte Pferde der zu dem betreffenden Militär- 
Bezirk gehörenden Kavallerie-Regimenter; die Ausrangirung dieser 
Pferde bei den Meldereiter-Detacliements darf ausscbliefslich nur bei 
völliger Dienstuntauglichkeit erfolgen. Die Erteilung des Reitunter- 
riclits wird vom Regiments-Konmiandcur einem jüngeren Offizier 
übertragen. Wie man sieht, erfahrt die kavalleristische Ausbildung 
dieser Meldereiter eine reclit stiefmütterliche Ilehandlung. 

Die Offizier-Scliierssfhulo in Petersburt; veröffentlicht seit 
einiger Zeit Berichte über die Ergebnisse von stattgehabten 



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IfOitiiiicli« aus Bufidand. 



107 



Versuoheiii so weit iolehe für die Trappe von InteresBe Bind. Der 
enfee Bericht enthält die Beachmbung von Versuchen mit Exersir- 
Patronen fiir das Drei-Iinien-Gewehr; die voredhriftamilinge Ezerzir- 
patoone des rossisehen Gewehrs hat nämHdi etne ToUkommene leere 
Zttnd^ocfce, von den IVnppen dagegen wurde der, auch bei uns ein- 
geftbrten, Exerzirpatrone mit Poffenrorrichtunr]; Jer \'orzug gegeben. 
Die nun mit beiden Patronenarten angestellten Versuche ergaben, 
dals die Patronen mit Puffervorrichtung, abgesehen von ihrem höheren 
Preise, für die Schonong des Schlofsmechanismus weniger geeignet 
sind, als die Patronen mit leerer Zündglocke; für die praktischen 
Versnclie wurden je 4 Gewehre mit beiden Patroneiiarten geladen, 
worauf jedes Gewehr "20000 mal abgedrückt wurde; hierbei zerbrachen 
2 Schlagbolzen und zwar in Gewehren, welche mit Patrnnen mit 
Puflfervorrichtung [geladen waren; im Übrigen waren die Geweine (ab- 
gesehen von 2 zerbrochenen Ausziehem) unbeschädigt ; theoretisch 
wird jene Erscheinung dadurch erklärt, dafs bei den vorschrifts- 
mälsigen Patronen die ganze Kraft der Vorwärtsbewegung des 
Schlöfschens durch das Anschlugen des vorderen Randes des SchKifschens 
an den hinteren Rand der Kanuiier aufgefangen wird; da diese Teile 
gehärtet sind, kamen Beschädigungen hier nicht vor. Bei der An- 
wendung jedoch Ton Patronen mit Pufierrorrichtung wird die Vor- 
vftrtsbewegung des ScUtflsehens durch das Anschlagen der Spitse des 
Schlagbobsens an den Puffer verlangsamt; da aber das Gewicht des 
Schlöibcheiis grOlser als das des Schlagbob»ns ist, drttokt es, in dem 
Bestreben weiter Tomuscbnellen, auf den Schlagbolzen, welcher hier- 
dnrdi verbogen oder selbst serbrochen wird. — Der zweite Bericht 
der Schiebsdiule bezieht aidi auf die Prüfung yon Drei-Linien» 
Gewehren M. 1891, welche in Terschiedenen russischen und 
französischen Fabriken angefertigt worden sind. Dieser Bericht 
enthmt so viele interessante Angaben, dab wir nftdisten Monat aus- 
führlicher darauf zurückkommen werden. 

Der weiteren Entwickelung des Ingenieurwesens wird seit 
der Neuformation dw Ingenieur -Truppen miauegesetzt die gröDste 
Aufmerksamkeit zugewendet So ist vor Kurzem eine Verordnung 
über die Ingenieur-Depots erlassen werden, durch welche die 
Einteilung und Anlage der Depots nun geregelt wird; das Haupt- 
Ingeni eur- Depot in Petersburg dient zur Ergänzung des Materials 
aller Ingenieur- Truppen, -Parks und -Depots, sowie zur Versorgung 
neufonmrter Truppenteile mit Schanzzeug; die Bezirks-Ingenieur- 
Depots bewahren das zur Ergänzung des Schanzzeuges aller Truppen- 
gattungen erforderliche Material auf; die Festungs-I iigenieur- 
Depots enthalten das für die Verteidigung der Festung erforderliche 



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106 



MilftiiriMhff an Unfifhimi. 



Ingemenr-Hatenal; In den Torgesohobenen Lokal-Iagenienr- 
Depots werden diejemgen Initromente anfbewalurt, welche wfthmnd 
der Mobilmaffhnng zur Befestigiing vorher heetimmter voigeMhobener 
Stettungen erforderlich imd; ihre Anlage «folgt an den dmdi den 
Mobilmaohiinga-Plan fiBBtgeeetiten Punkten. — Ein Befehl des 
Generals Schnwalow an die IVuppen seinee MOitftrbeorks ver- 
langt eine sachgemäfsere Verwendung der Ingenieur-Truppen 
bei den Manövem; bisher seien dieselben im Allgemeinen überhaupl 
nicht verwendet worden, wo dieses aber geschehen, habe man sie 
entweder Arbeiten verrichten lassen, die Sache der übrigen Trappen 
wiiren, oder man habe sie als ttberflüssige Kompagnien im Gefedbt 
▼erwendet. 

Unausgesetzt wird seit Beginn des japanisch-chineeischen Krieges 
an der weiteren Entwickelung der in Ostsibirien stehenden 

Trii ppcnmacht gearbeitet. Die Formation der ostsibirisclicn 
Linion-Brigadc (in Chabarowsk), in deren Verband (das 3., <). 
und 10.) von den 10 ostsibirischen Linien-Bataillonen getreten sind, 
hat im Sommer 8tattj;( Funden. Das Amur-Kasaken-Heor ist in 
Neuorganisation begriilcü (s. Umschau i. d. Mil.-Lit. „Russ. Invalide"^). 
Für die ostsibirische F'eldartillorie, welche in diesem Jahre durch 
2 Mörser-Batterien verstärkt worden war, ist soeben eine neue 
Einteilung und Verstärkung befohlen worden ; die bisherige ostsibirische 
Artillerie-Brigade (zu 6 Feld-Batterien) wird in 1. ostsibirische 
Artillerie-Brigade umbenannt, in deren Verband 4 Feld-Batterien 
der ehemaligen ostsibir. Art.-Brig. und die liiaher sclbstständigen 2 
Mörser-Batterien treten; die 2. ostsibiri-sche Artillerie-P»rigade 
wird neu formirt und setzt sich aus 2 Batterien der ostsibirischen 
und aus 2 Batterien der westsibirischen Artillerie-Brigade zusammen. 
Die westsibirisebe Artillerie-Brigade wird aufgelöst und in 
eine selbststftndige westsibirische Art.-Abteilnng zu 3 Batterien 
Terwandelt 

Soeben kommt die Nachricht, daft der schon seit längerer Zeit 
krttnkelnde Kommandeur des 18. Aimee-Korps (Dorpat), Gen, -Li 
Baron Seddeler, in den Kriegsrat versetzt worden, d.h. snr Dis- 
position gestellt worden ist Mit ihm verliert die rassische Armee 
einen trefflichen FQhrer und hervorragenden Soldaten, der in trenem 
Dienste semem Kaiser nnd Vateilande doch niemals sein Deatschtom 
yerlengnet bat. 

d. 1.9.95. T.T. 



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T] 



n 



Umsohau in der Müitär-Litteratur. 



I. Ausländische Zeitschriften. 

Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (August.) 
Die K.^inpfe im Passe Strub aud ia den Piiasea dea Piiuigftaes 1&09. — 
Blätter und Blüten. 

Orjraii der militär- wissenschaftlichen Vereine. (Österreich.) 
öl. £aiid 1. Heft: Die schmal8|)urige transportable Feldbahn als Traus- 
portmitt«! fttr Verwundete im Kriege. — Forlsebritt nnd Rttdkadiritt des 
Infimlerie-Gewelin. — Verhältniase von Baum, Kraft und Zeit in Schlachten, 
uMbeaondere im Gefeeht der Infanterie. 

Mitteilungen Uber Gej^enstiinde des Artillerie- und GenieweseiiB. 
(Öaterreitth.) 7. Heft: Das Horizontal- und VertUEalfeuer an der Kflate. 

— Spannung und Durchhang elektrisclipr Luftleitungen. 

Armeeblatt. (Ost er reich.) Nr. 29: TicLrelgufsHtalil für Krii!<,^s- 
niaterial und dessen Erzeugung in üsterreieh. Nr. 30: Das oi-sti- \'icrtel- 
Jahrhundcrt der üstorreichischen Landwehr. — Unsere Kreuzer-Division iu 
Gibraltar. Vi.Sl: Nene Befestigungen in Frankreich. Nach „Armöe 
tenitoriale'S Im Nordwesten sind besonders Lille und Kanbenge mit neuen 
Befestigungen YMsehen worden; Verdnn, Toni, Epmal, Beifort haben 
VersUirkungen erfahren, ebenso die Pestunfren an der Alpengrenze und 
aelbst in den Pyrenäen. — Heerwesen und Marine in Italien. (Ahdruclt 
aus Mover Oonv,-Lex. neuester Anfln^'L') Ks ist ein trauriges Zeichen 
für die Ergiebigkeit der Wilit.ii J.,itteratm, ilafs so viele Blätter iu Deutsch- 
land und Ostcrreicli sich mit solchen Artikeln behelten müssen, die, schon 
vor Jaiiren abgeliefert, niemals ein wahres Bild der Gegenwart liefern. 
Ar; 88: Unsere Kreuserdiviaion in Braei Vr. 88: Znm 18. August. (Ge> 
burtatag Sr. Apostolischen MajestKt). — Die Genie-Truppe in Franicreich. 

— Die Österreicbiacfae Gesellschaft Tom Boten Kreus. Hr. 84: Das 
Pai'iii'sclic Knchsystem in railitürischen Kficlien im Frieden und im Kriege. 

Militür-Zeitung. (()öt erreich.) Nr. 26: Oberstlieuteuants höherer 
Gebühr. Sollen an 8telle der übei7:/ihlifren Obersten treten, die nicht K« - 
giments-Kommandanteu sind. Verfasser fürchtet, dafs damit den TrujijHi)- 
offizieren die Stelle als letztere verschlossen werden und lediglich General- 
stäbler Regimenter erhalten. Dem Generalstab wird Mangel an Berührung 
nut der Truppe und bei groitor Wissenschaftliehkeit ein an langer Ver- 
bleib im Bnraauleben vorgehalten. Nr. 86: Zur auftertourlichen Beförderung. 
Kr» 88: Zur Neuauflage der Gebiihrenvorschrift. — Die Falinenweihe des 
8. Ke^iments der Tiroler Kusetjüger. Nr. 29: Probedienstleistung Ein« 
jährig Freiwilliger behufs Ubersetzun«,' in den Berufsstand. 

Die Beiohawelir. (Österreich.) Nr. 791: Die ciuronische Unteroffiaier- 



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110 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



frage. IV. Versorgung. Der Ka^jitulaut kann alljährlich eutlasseu werden, 
das AnstellungactfUfikat kftnn dtudi geringe Vergehen in der IHenMMit 
verbten gehen. Kr. 708: Die chroniaehe ünteroffidenfirage. V. DiBknariiui, 
Beantwortung der bis jetst gemeehten Einwfirfe. Wr. 799, 794: Dasselbe, 
VI. Vn. Resumd und Vowchlfipe. Kr. 795: Die Offiziere in k. k. Land- 
wehr- LokalanBtellangen. — Hinsichtlich der St. Petersburger Original- 
Korrespondenz vom 19. 7. (Nr, 793) sei bemerkt, dafe das Kussische Feld- 
artillerie - Material seit 30 Jahren schon die Fortüchafl'ung von 5 Mann 
Bedienung auf Protze und Latieto berücksichtigt, die Nachricht, solche 
Eiurichtungen sollten je ist erst getroffen werden, also irrtümlich ist. 
■r. 790: Der Genend kommtl HumonstiBcber Ergu& fiber Inspizirangen 
dnreh Yorgesetste, welche dem Tmppenleben fem stehen. — Dar neue 
General-Artillerie- Inspektor Feldmawchall -Lieut. Alfrod Ritter von Kro- 
patschek, Lebenslauf. Derselbe ist erst 57 Jahre alt und hatte vordem die 
3. Artillerie-Brigade in Graz. Nr. 798: Da« inilit^irische Ministerium im 
Fracke. (liezieht sich auf das Ministeriiun für Landesverteidigung in Wien, 
das auf 27 Offiziere 103 Beamte zahlt.) Nr. 800: Die neuen organischen 
Bestimmungen fUr die Infanterie. Kr. 801: Kepetirpistole oder Revolver. 
Vr. 008: Gedanken Aber die AoehÜdnng der EBkadron im Fclddienat — 
Der maeedoniBehe Rnmmel, ^on Heasan Achmed. Kr. 000: Die An*- 
mnatemng 1895. 907 Zöglinge der Militllr-BildnngMnfltelten sind am Ge- 
burtstage des Kaisers in die Armee getreten. Kr. 806: 's Traumbüchl", 
Bezieht sich nufs neue Qebiihren«Reglement, das sehr verschiedene Ans' 
legungen zulasse. 

liP Spectateur militaire. (15 Juli.) Die militärisclien Fragen vor 
dem Parlament. — Der Stroit tür das Schild (Forts.). — Die Ergebnisse 
des Krieges (1812—1870) (Forts.). — (1. August). VersÄrkung der 
Infonterie-Eadres. — Harsehall Canrohert — Der Streit Ar den Bcfaikl 
(Forta.). — Die Ergebnisse des Krieges (1812—1870) (8ehlnlk> 

Berne militaire universelle. Kr. 41: Allgenieine Übersicht ühvr 
das tranzösiche Afrika (Forts.). — Die Expedition von Snrdinien und der 
corsische Feldzug (Forts.). — Indien und die englisch-russische Frage 
(Forts.). — Zusaiumenfassende ötudie der in der deutschen Armee statt- 
gefundenen Änderungen. — Liste der unter dem 1. Kaiserreich von 1805 
bis 1815 getödteten oder verwundeten Offiriera. 

Rmt d« eerele milltaii«. Kr. 09: Bslkaaftbergang dea Genersl 
Gniko. (Forts.). — Die Transportnuttel der italienisdhen Trappen im Ge- 
birge. (Schlufs). Kr. 80: Balkantibergang des Goneral Gurko. (Fort«« ). 
— Auf den Weg nach Madagascar (Forts.). Nr. 31: Unser Infanterie« 
Reglement und dio. deutschen Kritiker. — Auf Mndngnscar. Brief eines 
an der Expedition bctr iligten Offiziers. — Balkaniil»t»rgang des General 
Gurko (Forts.). Kr. 32: Das zusammenlegbare Zweirad hei den Gamison- 
Hantfvem. — Unser Infiinterie-Reglement und die deutschen Kritiker 
(Forte.). — Ballumttbergaug dea General Gurko (Forts.). Hr. 08: Armee- 
Manöver 1895. Die I. Armee unter Negrier afihlt das VII. und YIII. Korps, 
die n. unter Jamont awei ans der VL Beginn hervorgehende kombinirte 



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Umschau in der Militär-LitteraUur. 



III 



Korps, als VI. und YI. Iris besoiehiiet Vom 6.— 10. Sept numÖTiiren 
beidft Anneen unter Saiueier gegen euumder, Tom 11.^20. beide Acnteen 

als Armee - Gruppe unter Saussier's Oberbefehl gegen einen markirten 
Feind unter Giovanninelli, dem ein koinbinirtes Korps (41. Inf. -Divis., 
B8. Inf.-Brig.. Marine-Tnf.-Brig.) und dü« 2. Knv. Division unterstellt sind. 
— Unser lntknt('iiivl{('<,^lcment und d'w dout-scben Kritiker (ächiuüi). — 
Balkantibcr^Hiig des Gt'iiHr;il Gnrko (Öchluls). 

Revue de Cuvulerie. (Juli). I>id duuuchu Kavallerie uud die 
AnoM von Ciinloiu. — Aasbildang und FBbrung der EaTellerie. Tetttment 
«ines KavaUeriaten (Forts.). — Die Meldereiter (escadrona d^eatafettea) in 
Deutachland. — Ptovisorisehe Regimenter und Kava]leri»-Detadiementa 
1809—13. ~ Die Qaide-Kavallerie-Division im italicniadien YOämg 1869 
(Forts.). — Schit'fsen zu Pferde, Einzelfeuer und Salven. 

Revue d* Artillerie. (.Juli). Vereinheitlichung der gewerlilichen 
Mafse. — Theoretische Studie der Wirkung beim Schrapnelschul'b mit 
Zeitzünder. — Anordnung der Zieler für die bchiel£übungen der deutscheu 
Aidllerieu (Angust.) Die grofte Batterie der Chirde bei Wagram. — 
Die ArtiUerie bei Beginn der BeTolntionakriege (Forts.). — Vereinbe&t- 
üdma^ dar gewerbüdien Hafte. 

L'Aveuir militaire. Nr. 2016: DieKrisis der Bhivnlegion. Kr. 2017: 
Die Schubkarre beim Expeditions-Korps von Mudagascar. Vorschlag dea 
General de Villenoisy. Nr. 2018: Der deutsche Kriegs-Plau. Nach einer 
Veröffentlichung des Kapitän Gilbert in der ,,Nouvelle K*'vne". Nr. 2019: 
Die Verantwortlichkeit ttir Madagascar. Bezieht sieb aul die bekannte 
Nele, worin der Marinemimster die Verantwortung fiir Kanonenboote nnd 
AoiladeBtoUe ablehnt Der Blriegsminiiter gehtfre jetst naeb Paris, es sei 
keine Zeit mr Badereiie. Hr. M80: Die dentsdie Spvaebe und die fran- 
zösische Intendanz. Ks wüd getadelt, dafs die Kenntnife der deutschen 
Spracbe für den Ii bertritt xor Intendanz lediglich fakultativ geworden und 
das deutsehe riiema weggefallen ist. Nr. 2021; Schwarze Punkte am 
politischen Himmel, (Mazedonien, Bulgarien, Abessinien, Ohtasien). Nr.2022: 
Die Traubporte nach Madagascar. Nr. 2023: Mangel un Kapitulaiiteu- 
Unteroffizieren. — Bei Tbörouaune (Pas de Calais) wird der Erwerb eines 
^tappmübungsplatzeB, insbesondere som Sdiiefiwn auf groibe Entfernungen, 
beabnehtigt Hr.SOM: Die Sebfller-Bataillone. Nehmen ein Idltgliehes 
finde, sie sind dem Fluch der Lächerlidikeit ver&Uen. Die Stadt Poris 
verkauft z. Z. das Material Die ihnen von Flocquet als Seine -Pr&- 
fekten verliehene Fahne kommt nicht ins Invalidenhotcl. Nr. 2025: Vrr- 
gangenlieit und Zukunft. Betrachtungen, wie e.s am Ende (ies .Jahrhuiulertü 
ausseben wird, anknüptend an Napoleon I. bekannten Au.sspruch. Ver- 
fasser glaubt aber, dais Europa dann weder republikanisch noch kasaldsch 
sein wird* Xr. 8086: Die Manöver und der Krieg. Pessimistische Be- 
traehtnng ttber Madagaskar. 

Le PMffte mlillalie. Nr. 158S: Die Parade in Longchamps. Das 
381. Beserve-Kegiment wird g(>lobt. Das 1. Glied der Eskadron von St. 
Qyt war mit LauMn bewaffnet Nr. 1636; Die Besichtigungen seitens der 



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112 



ümaduni in der Ififitir-Litteratiir. 



G^aral- Inspekteure, welche so dem spesiellen Zweck ernannt sind (statt der- 
jenigen der höcljBten Vorgesetzten)* — - Das spanische Geschwader in Cher- 
bourg. Nr. 1538: Nach Madagascar. Alles berechtigte zu der Annahme, 
dafs es sich um eine Muster-Unternehmung haiulein würde: firühere Er- 
falirungcn, offenes Vorf^'ehen, Zeit zur Vorbereitunfr, Willfahrigkeit des 
Parlaments. Dafs in Wirklichkeit trotzdem nicht Alleä btiiumte, wird im- 
beaondere dem Umstand mgeBehrieben, da& man mit BOdciieht auf den 
chino-japameehen Krieg ^ afrücaniacben Begim^uter sehonen und «u 
▼iel sn jnngen Leuten der Armee des MnttMkiidee neue T ra ppe n teDe 
Aofirtellcu nuifste. Ein Ubelstand sei es, dafs der Oberbefeldsbaber den 
ursprünglichen Plan habe gänzlich umändern müssen. Zum Glück gereiche 
es, dals die Hovas so geringen Widerstand leisteten und man so aus- 
giebigen Gebrauch von der Artillerie, namentlich den Melinit-Granaten 
mache. Die Leliren, welche für einen Krieg in Europa hieraus zu ziehen 
seien, solle man lücht waSm Adit laasen. Vr* 1640: Die „Spezialisirung" 
der Generale. INeMiben lltnden eine sn einsdtige Yerwendnag, sum 
mflsae denjenigen der Spenalweflte Infimt-Kenunendoe geben nnd noch 
der Infanterie entstammende als Festnngs-Gouvemeur verwenden. Kr.l64S: 
Miliiärischer und bürgerlicher Kang, man beabsichtigt die bürgerlichen 
Rangstufen mit den miHtiirisehen in Gleichstellung zu bringen. Die Keserve- 
Offiziero, welche aus den technischen Hochschulen hervorgehen, sollen 
dann mit den höheren bürgerlichen Kangstuien auch die miliiHrischeu an- 
nehmen. Wird mit Recht sehr getadelt. Nr. 1544: Der Schuis zu Pferde 
bei der Kavallerie. Die AnsbUdnog darin wird empfehlen. — Truppen- 
einteUnng za den OtaSBea ManSvem 1895. 

La France militaire. TUt. 3382: Die zweijährige Dienstseit III, IV. 
Hr. 3386: Nach der Parade (des 14. Juli). Eindrücke eines fremden 
Offiziers, dos Attflcliö's eines der mächtigsten Reiche Euiopa's, welche sehr 
günstig sind. Nr. 3386: Nach der Erobonmg. Betrachtunf:. wie Mada- 
gascar nach der Einnahme viui Tananarive, auf" welche man sicher rechnet, 
verwaltet werden soll Nr. 3387: Regimeutsfeste. Nr. 3388: Die zwei- 
jährige DienstMit V. VI. Vr. 8888: Alarmschrei. Spricht sich für Herab- 
setanng der Altersgrenze der Generale anf 60 Jahre aus. Kr. 8880: Kiel 
und der Kanal der 2 Meere. Spricht die Ho£Enung aus, dafs „die schmach- 
volle Reise nach Kiel " wenigstens die Verv^nrklic-hung des Kanals zwischen 
Atlant. Ozean und ^littelmeer im Gefolge habe. Nr. 3391: Zweijährige 
Dienstzeit und die KlVektivstärke. Nr. 3394: Die zwcijülirii;« Dienstzeit, 
VIT. VIII. Nr. 3395: Altersg:ien/t\ Entgegnung auf den Artikel: „Alarm- 
schrei" in Nr. 3389. Nr. 3396: Paraden und Krieg. Warnt in Anbetracht 
des Enthnriasmns, welchen die Jnli-Parade hervorgerafon,YOr ni weitgehenden 
Erwartungen. Eine Ähnliche Begeistemng sei auch vor 1870 bei den 
Bevnen gewesen. Es mUsse noch viel geacfadien, mn den riclitigefli Ge* 
branch von den vorzüglichen Waffen zu niaclu n, Manöver- und Schiefii- 
plätze seien unzureichend, das habe selbst der Kriegsminister anerkannt etc. 
Nr. 3397: Der Kanal der 'J Meere 2. Artikel: Bedingnngen, welchen der- 
selbe geuügeu muXs. Nr. 3399: Öulduteu-Kasinos. Man habe grufse Fort- 



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Umschau in der Militär-Litteratur. 



113 



■ehritte gemacht, seit der Zeit, wo 2 Soldaten Bett und EtechfiSMl teilten, 
in der Sotge, ftr daa WoUbefinden. Die einnge Stelle, wo der 
Soldat sich erholen könne, sei die Kantine, aber er habe keinen Verbleib, 
um Bich geistig zu beschäftigen, wenn er dazu Neigung halie. Man BoUe 
darin das Beispiel dor Deutschen nachahmen. Hr. 3400: Die zweijfilin'fro 
Dienstzeit. IX. — XI. Nr, 3401: Zweijähriger Dienst. I. Neue Artikelreiho 
von (ieiieral Philebert. Nr. 3403: Die Verteidigung der Seine. Nr. 3404: 
Beruhigungs- Artikel betreffs Madagasuar. Voa Oberst Thomas. Nr. 3406: 
Zweglüuige DienstMit II. Haupteache sei die Sicheratellnng der ünter> 
ofiBsier-EcgKnsang, die adion jetst in Frage eei, da Allee von halbweger 
Bildung nur 1 Jabr diene. Diisc Gunst bitten die G^esetsgeber ihrer 
Nacbkommenschaf) geMchert. Nor d'w Armen tragen die volle Last des 
Dienstes. Dii; besser erzo^'onon Klomonte stellten koin Materin! fnr Unter- 
offiziere von längen'r Uienstztit, denen man oliiiehin nicht die Ver- 
sprechungen halte (!}. Nr. 3407: Der Kanal ßordeaux-Xarbonne. III. 
Dies Spezial-Projekt wird lebhaft bekämpft und eine Verbindung von 
Botdeanx mit Hbmeille befürwortet 

Lft BelglqM nlUtalm. Br. 1S66: Die Yerteidigong der Staaten nnd 
die Befeetignngekunst im XIX. Jahrhundert, von Qeneral-Lientraant 
Brialmont (Aassug). Die Belgischen Sozialisten und die Armee. Nr. 1266: 
Die Verteidigung der Staaten etc. (Fort.s.). — Die französischen Schiefs- 
Ubungen, nach einer Veröffentlichung des technischen Artiii. - Kouiite. 
Hr. 1267: Die Verteidigimg der Staaten etc. (Forts.). — Die neue Feld- 
dienst-Ordnung der französischen Armee. Nr. 1268: Die Verteidigung der 
Staaten etc. (Forts.). — Grolbe ManGver 1895. — VenehmelTOng der 
Ardlleiie und des Genie in Frankreich. Br. IMB: Der pendnliche Dienst. 

— CffoAe Manöver. Finden im September bei Antwerpen statt, angleieh 
den Festnngskrieg berOeksichtigend. 

ReTue de Tarmee beige. (Juli-August). Die maritime Kriegskunst. 

— Studie über die Bedeutung der Festungen bei der Landesverteidigung. — 
Die deutsch-russischen und übterreiehisch-russiwcheu Grenzen. — Das 
Kriegsmaterial der Fabriken des Creusot auf der Antweriiener Weltaus- 
atfiHnng (Forts.). — Studie ftber Kartographie in dar Vergangenheit und 
Gegenwart. ^ Urteile ftber die militSrische Tüchtigkeit der Schweix. 

Sdiweiserifldie MoHatsaelurlft für Oflixiere aller WsIIni. Br, 7: 
Die Diiaiplin. Gedanken über die heutige und zukünftige Ausbildung 
unserer Tnipp<Mi (Forts.). — Die Kinnahme Port Artlinr>i ''.Schlufs). 

Allgenieine Schweizorischp Militär-Zeitung. Nr. 29: (redanken 
über die heutige imd kiiuttifie Aiisliililimg unserer Truppen. (Forts.). 
Br. 80: I>asselbe (Schlufs). Nr. 32: Die heutige Organisation der deutschen 
Feldtelegraphie. Nr. 33 : Militärisches ans Italien. — MüSntände bei der 

ICmmdwftlMMri MiHs. 

Beyne HdlltaiM snlsM. Br. 7: Die Revision der Sehweiser Wehr- 
verfassung. — Aufgabe der Kavallerie nach der Ordonnans vom 31. August 

1894. (Forts,). — Manöver des l. Armee-Korps. 

Army nnd Navy Gazette. Nr.1850: Die Armee im Jahre 1894. Be- 

JahibOch«r fQr die UeaUch« Arme« and Usrine. lid. 97, 1. 3 



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lU 



üiniifhOT fai dtt )fiBtir*IltlBnliW. 



trachtung über (1<'m jetzt voröffentlicliten oiTiziellen Annoc-ßericlit für das Jahr 
1894, nach dem das Heer eine bisher noch nicht erreiclite Kopfstarke er- 
langt hat. Das stehende Heer von 22'2l5i Mann, die Reserve 82497. 4io 
Miliz 121667, die Ycomanry 10Ü14, die Volunteere 231328 Mann stark. — 
Über den Gebirgskrieg, UDter beionclerer BerOekniditigang denelben 
in Indien, bat Mi^or Otuta einen Yortmg gehalten, in dem er die tot- 
bereitenden Maßregeln (SanitXts- nnd Transportwesen) und die taktaaehen 
Grundsätze für einen solchen behandelt — Gescliii hte des Wiltshire- 
Ini'antcric-RegimentB, Inf.-Reg. Herzog von Edinburg, Nr. 62 und 
99. Die Errichtung desselben f;ilh in die Zeit des siebenjährigen Krieges. 
Nr. 1851. Die Chitral-Ex jje litioii Ein Vortrag des Kapitiin Young- 
hushand, in dem er büsonderi^ die Kriegführung des General Lord Roberts 
im iweiten Kriege gegen Afghanktan krititeb belenebtet. — Der Trnppen- 
weeheel in Indien. Beepriobt die Beseitigung des frflher allsa blu^gea 
Trnppenwechiels in Indien nnd des damit Tnrbandenen ZetreiMens der 
Truppen -Verbände, was durch den jetzigen Hoclistkommandirenden, Sir 
George White, erfolgt ist. Nr. 1862: Deutsche und Englische Offiziere. 
Eine vergleichende Charakteristik der Offiziere beider Heere, mit Hinweis 
darauf, dafs trotz der grundsätzlichen Verschiedenheit der Erziclning und 
Ausbildung beider, in Rücksicht auf die Eigenartigkeit der Volks- und 
Heeresebxiditangen, ein Abgehen yen diesen Gnmdstttsen ftbkibaft sein 
ivftrde. — Sir Evelyn Wood Aber den Krimkrieg. Entbiüt Einzel- 
betten ttber dio mangelbaften Verpfl^ngs-VabMltnisae des eng^seben 
Heeres während jenes Krieges. Nr. 1858: Die Prinzessin von Wales 
in Aldershot. Die zu Ehren der Anwesenheit derselben im Lager statt- 
gehabten Manöver werden in AnInge und Verlauf gescliildert. Nr. 1854: 
Das Hieb fechten in der Armee wird unter Berücksichtigung des neu 
eingeführten Seitengewehrs ftir die Offiziere als wichtig für deren Aus- 
bUdnng bingestellt. — Schufswanden im Kriege. Zosammenstellung 
ttbor die bis jetzt gemacbten Erfthrongan mit Wunden dnreb klein- 
kalibrige Geedtosse, die neb sn Gunsten dieser im Vergleieb an denen 
durch die früheren, großkalibrigen Stellen. — Das Lee-Metford-Geschofs. 
Es wird nachzuweisen gesacbt, dab eine Verwundung durch dieses Ge- 
schofs, die nicht gerade einen Knochen getroffen hat, einen aufgeregten 
Menschen nicht im weiteren Vorgehen auflialt^n wird, ila die Wirkung 
sich erst später bemerkbar macht. — Geschichte des Manchester-Re- 
giments. Linien-Iafanterie-Regt Nr. 63 und 96. Nr. 1866: Die Forest- 
HanOver. Entwarf Ar dieHanÖver yon 2 Divisionen n^d 1 kombinirten 
Brigade im Lager von Alderriiot. "Die Mobilmaebnng der Garde. 
Mitteilung über den Verlauf der für die Dauer von einer Woche statt- 
gehabten Mobilisirung von drei Garde-Infanterie-Regimentern, 1 reitenden 
und 1 Feldbatterie nebst mgehörigen Trains. — Das Hiebfecbt^n in 
der Armee. 

Journal of the Royal United Service Institution of India." 
Nr. 120: Ein Militär- Museum für Indien. Die Erweiterung der 
United Service Institution durcb ein damit in Verbindung siebendes Museum 



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Umacbau in der MUIOr-Uttentur. 



115 



wirtl vorgeschlagen. — Optischos Signalweseii. Kritit*olie Besprechung 
einzelner Punkte der Dienstvorschrift für dasselbe, und Vorschlag zu 
ADdeningen. — Bemerkungen zur Organisation und Taktik von 
M assea. 1^6 Nticlitefle der gegenwirtig«ii OtganiMÜoii der Artillerie m 
drei DiTiaioiie-Gnippeii werden herretgehobeB und Terbeeaemde Gmnd- 
•ittee luerfUr festgestellt — Das Hiebfeehten mit den venchiedeiiBteii 
Säbel- und Fallasch-Arten wird als notwendige Übung ftir alle OfHziere 
und die heranwachsende Jugend hingestellt. — Säbel und Pistole. Grund- 
sätze ftir den Zweikampf beider, unter besonderer Berticksichtigung dee 
Äevolvers. — Geo'jraphischc Besclireibung von Madagaskar. 

Journal of the Royal Lnited Service Institution. Hr. 208: 
Preisaufgabe Tom Kapt. John Rose. Welche Lehren lassen sieli aus 
der Kriegsgeschiohte Ar Landungen Tom Operatione*Korps von ÜBindlieben 
Kttsten neben, unter besonderar BerHekaiehtigQng Ar unsere Armee in 
inkün feigen Kriegen. 

Russischer Invalide. Verordnungen, Befehle, kleine Nach* 
richten. Nr. 133: Bau der Eisenbahn Bologoje-Pskow. Hr. 136: Das 
bisher nur 4 Ssotnien starke 2. Transbaikal-Kasakon-Re^iment wird 
zu 6 SHotnien formirt. Nr. 140: (ifneml der Int'aiitirit' Skuorzow, Chef 
der iiau^i-inteudHiitur-VerM-altung, ist um Ü. Juli gcbtorbeu. Nr. 144: An 
Stelle des bisherigen 4,2 Linien-Revolvers wird ein 3 Linien-Revolver ein- 
geführt Kr. 146: Kenorganisation des Amur-Kasaken- Heeres; 
des Halb-BataiDon des Amor^Heeres wird an^eUtot, die 8 Ssotnien dieses 
Bataillons (eine Ssotnie 1., zwei 2. bz. 3. Ordnung) werden in reitende 
Ssotnien verwandelt; das Heer besteht in Zukunft im Frieden ans 1 
Reiter-Kegrinient zu 3 (})i.slu'r 2) Ssoliiien. im Kric^rf ans oineTn Reiter- 
Kt'pmciif zu 6 Ssotnien und <'incm Heiter-ilalbregiment zu '6 Ssotnien; 
dt'r Kninmnii(Unir des Heiter-Kegiments hat gleichzeitig? die polizeiliche und 
admiuisirativc Verwaltung über die Zivil-Bövolkerung des ßegimeats-He- 
uAm, Hr. 164, 106: Verordnung Uber die Ingenieur-Depots. Nr. 153: 
Zeitweilige Yenirdnung flberMeldereiter-Detachements bei den Jagd- 
kommandoe der Infiuiterie (veigl. Anftats: „Militlrisehes aus Rnaiand*0< 
Nr. 160: In den Verband der neu geschaffenen Westsibirischen Kasaken- 
Brigade treten die in den Gebieten Ssemirjetschensk und Ssemipalatinsk 
steliondfMi (1.. 2. MTul 3. SiltiriKchcs und 1. Ssemirjetschensk-) Kasakon- 
Ke^nuiLiitei . — Boriclit iilx r Versuche der Offizier-Schiefsschule; 
Prüfung von Dreilinieu-(jewchrcu M. 1891 versclüedener Fabriken. Nr. 167: 
Zur Hebung der Pferdezucht im Kuban-Qebiet sind aus dem Kapital des 
Kuban-Heeres jihilieh 8000 Rubel flir Rennpreise in bewilligen. Tr. 171: 
Kenfomdmng der Feld-Artillerie in den ttlnrisdien Ifilitärbeiirken. — > 
Beschttfügungsplan fihr die Freiwilligen 1. Bildungsgrades bei der Infanterie 
und Kavallerie. — Von den Dotachementäfuhrern werden wälu-end der 
Manöver folgende Flaggen gefuhrt: Korps-Kommandeur rot, Kavallerie- 
Bivisions-Kommandeur blau, Infantcrie-Div.-Kom. ^rün, tnit den ent- 
sprechtiuden Nmiunem; bei der Kavallerie hat aufbcnlem der Brigade- 
Kommandeur eine weiljie Flagge mit schrägliegeudem roten lüreuz, der 

8* 



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116 



UmidMtii in dar Militir^itberatnr. 



Eommandeiir eines Kaiaken - Regiments ein kldnes blanee Filinclien 
mit SegimenttkNummer. — Gröfscre Aafsfttse. ffr. 134: „Aus Anl«ffl 

der Deutschen Felddienstordnung vom Jahre 1894'*. — Verfasser 
ist der Ansicht, dafs die Fplddicnstordnnns- an die SclbststÄndigkeit und 
Initiative der Unterführer Ansprüche steMc, die der militärischen Durch- 
sclinittsbildun^ der Armee nicht eiitspritchpii , dal's sie \nelmehr das Ideal 
anginge, dessen Erreichung erstrebt werden müsse, dals sie somit dein 
angenbfieklicheii Stande der AnsbUdniig voraus sei Hr. 185, IM o. 146: 
iizpedition nach Centrai-Asien (ans den Briefen von RoboiowskiX Br.iaS: 
Bas deutsche KaTallerie-Pferd im Feldauge 1870/71; von General 
ßsuchonih'now; in der Ausdauer des prcnfUflchen Remonte-Pferdes während 
des Feldzujjes erblickt Verfasser einen neuen Beweis dafür, dafs das re;rel- 
recht zugerittene Blutpferd ^röfsero Ausdauer als das schlecht zugerittene 
Natur (Step})en-) Pferd beBitzt. Nr, 151 — 1Ö2: Zur Frage des Schlacht- 
Rosscs der russischen Kavallerie; von Grebenschiscliikow. Nr. 164: Be- 
such d«r Ül>eigang88trafte Sonwvmnr's fther die Alpen; von Odov. Xr.lS7 
und 166. Die neuen Besitsungen Japans, Formosa und die Peecadores- 
Inseln. 

Wajennüj Ssbornik. (Juli). Die Umgehung des Ost-Detacbement» 
des Fürsten Swjätopol-Mirsky II. über den Balkan vom 23. 27. Dezember 
a. St. 1877 und das Gefecht am Scliipka am 27 und 28. Dezember. (Zur 
Geschichte des 5. Sappenr-Bataillons). Mit Zeiclnuuig. — Das moralische 
Element bei Sewastopol. XI. — Einige Worte aus Veranlassung der be- 
▼orstehenden Neu-Atugabe des In&nterie-Reglements. — • Die Divisions- 
Kavanerie. (Der Dienst des EaYallerie-B^^ents im Vorbände der 
Infimterie^Division). — Der Plali der Artillerie unter den anderen Waffen« 
gattungen. IV. — Der Telegraph und der Telegraphen-Dienst im Kriege. 
(Mit Zeichnungen). — Die Unteroffizier- Frage in den bedeutendsten euro- 
päischen Armeen. Jll. — Brief eines Französischen Offiziers über Kolonial- 
K liege und Heere. — Die Operationen der Italiener in Abyssinien 1893 
bis 1895. — Die Verteidigung des Scbipka. Der Dienst und das Leben 
der Artilkrie anf dem Schipka. YIU. — Die MiUtlCr-Bndgela Denlsdi- 
lande, Frankreichs und Österreich-Ungarns. — Zu dem Werke: ,J>ie 
mOitSiiBchen Operationen im Königreich Polen 1868.** — Das moralische 
Element bei Sewastopol. XII. — Detacbements-Man9ver. — Die Divisions- 
Kavallerie. Der Dienst des Kavallerie-Regiments im Verbands der In- 
fanterie-Division. (Sciüufs). Die Ausbildung der Kasaken im Reiten und 
im Gebrauche der blanken Waffe. — Die Angriffe der Kavallerie und In- 
fanterie auf die Artillerie. — Die Verpflegung der Truppen im Kriege. 
I. MüitXr-Feld-Küchen. — Die Verteidigung des Schipka (Dienst und 
Leben der Artillerie anf dem Schipka) X. — Die augenblickliehen Ver^ 
hitttnisse der Bukejewskisclieu Horde und der Pferdeaucht derselben. Die 
neuesten Verinderangen in der Organisation der Heere der Balluui* 
Staaten. 

BercsoMskij's Raswjedtschik Nr. 246: Biographie und Bild des 
Generaiiieuteuants Herzogs Eugen Maximüianowitsch von Leuchteuberg. 



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Unudiaii in dar Hilitir^tteratur, 



117 



— Die Begimentä- und die Kompagniu IIaudwerksstatten. Die Versetzung 
in das Koipa der Grenswidi«. Vr. M8: Die Jagd auf Blieii durch das 
Jagd-Kommando das Grjisowetekisehen Beserve-BataiUons. — Das Kameel 
in seiner Verwertung fUr militärische Zwecke. — Aus der alten Ajrmee. 

Die Russisch'DeutsÄe I<epon des Jahres 1812. Vr. 249: Die Charge 
des Stabs-KapitÄns. — Der Front-Dienst der Grenz-Wache. — Die 
Algliauen. — Der Gebrauch des Entfernungsmessers Soucbier. — Tm 
Lande der „schwarzen Christen. (Abysainien). Nr. 250: Kunstgriffe de« 
intauterie-Dieustes. — Der QehüJfe des Militar-Kreis-Chefe. — In der 
Arbeit des Soldaten und im Bohestanda. Der Tod des Plastunen. 
Vft 861: Die Ifannsefaaften des Stammes der Beiefaswehr. — Die Ex- 
peditini naeh Madagaskar. -~ Einiges Aber die Jagd-Kommandos. — Die 
Militür-Kreis-Chefii mittlerer Kategorie. — Die Schne^huhe. — In der 
Arbeit des SoMaten nnd im Ruhestände. — In der Reserve in der Heimat. 

Wjestowoi (Juni- Juli). Nr. 11: Knthält eine Notiz über die in Folge 
der testamentarischen Zuwendung der Wittwe des Geueraladjutanten 
Tschertkoff sehr reichen Bibliothek der Konstantin-Schule. 

Bttssisches Artillerie -Journal. Nr. 6: Salvenfeaer mit Kttsten- 
Imtfeerieen, ohne Frobeschflsse. — Von den EntfemungsmesBem unserer 
Küstenartillerie. — Das ranehlose PuItot, neoe Waffian nnd neue Taktik. 
(Forts.). — Die Verteilung der Deformation in den Metallen, welche der 
Wirkung einer Kraft unterliegen (Forts.). — Günstige Besprechung der 
V. Löbeirsclien Jahresberichte 1894. insbesondere Taktik und Material der 
Artillerie. Nr. 6: Die Kunst der Beobachtung im Felde. (Schlufs). — 
Die reitende Artillerie im Kavalleriegefecht. (Schlufs). — Zum Artikel: 
Das artilleristische Ideal. — Elektrische Beleuchtung des Vorgeländes nnd 
der Anwendung im Festnngskriege. 

BiylitA lU artifflleria e genio. (Juni). Über das Werk des 
französischen Kapitän Moch: Allgemeiner Blick auf die gegenwärtige 
Artillerie. — Korrektur beim Schrapnelsdiulli. — Bemerkung Aber die 
Schiefsausbildnng der Feldartillerie. 

Rerista cientiflco>militttr (Spanien). Nr. 13: Die Gesundheit 
des Soldaten. 20. und letzter Brief (Fort«.). — Bemerkungen über die 
Taktik des moderneu Gefechts. (Forts.). — Die Verteidigung der Staaten 
und die Befestigungskonst am ^de dea 19. Jahrhunderts. BeweissttIclM 
mr Geidachte des ebinesisoh-jspanischen Krieges. — Bemerkungen Aber 
die frannSnaohe KaraUeiie Tergliehen mit der deutschen. Vr. 14: Die 
Gesundheit des Soldaten. 20. und letster Brief. (Schlufs). — Die Verteidiger 
der Staaten und die Befeatigungskunst am Ende des 19. Jahrhunderts. 
(Forts.). — Die schwere Feldartillerie (Scblnfrt). — Die "Wintormanöver in 
Deutschland. Nr. 15: Die moderne Infanterie -Taktik gelegentlich der 
neuesten Reglements. — Beweisstücke zur Geschichte des chinesisch- 
japaniaefami Kriegs (Forts.). — Bemerkungen Uber die ftanaOsiadie Ka;vallerie 
vaiglieben mit der dentadien: Die KnTallerie in Verbindung mit den 
andeten Waflisn« 

• BlTtota Müitan ItaUama. (16. August.) Die Instruktion ttber 



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118 



UniBdiau iu der Militär •littentar. 



Waffen und Sehiefsen der Infanterie Tom 28. April 1893. Von 
Aesab nach Oatiela (Forts.). — Die regionale Gliederung des 
Heeres (beachtenswert fl^ die sehwebende Fmge). 

Esercito Italiano. Nr.lOO: Die Au^^ralx n für Afrika seit 
1885. — Die KolonUirung Eritreas. Nr. 101— 103: Die grofson 
Manöver. Boptimninngen des kommnndirondcn Generals des 1. Korps, 
Bahntiniisjiort. Nr. 104: Das deutsche Oftizierkorjis (persönlicher 
Eindruck). Nr. 106: Uber das Sehiefsen der Artillerie bei Ver- 
teidigung fester Plütxe. Hr. 106: Die Kolonisirung JBntMCS. Die 
Zlvilversorgang der UnterofBaeie. — Die grofsenlfandver. Das Orttn- 
bnofa Über Afirilta. 

Memorial de Ingenieros del ]|J«nilO (Spanien). Hr. VZI: 
]f ilitär-Telegraphie. — Marocco. 

Revista Militär (Portugn!) Nr. 18: Die Beförderung nach Wahl. 
— Die. Heeresorganisation der alten Römer und Griechen. — Bestimmungen 
für die Manöver von einer gemischten gegen eine markirte Brigade im 
Bereich der 1. and von 2 gemischten Brigaden gegen einander im Bereich 
der 3. Ditision. 

EriegmtoBBkAiMi Akodemlou Haadlingar (Sehweden). 18. imi 

14* Heft: Napoleon und Bemadotte 1818. 

Norsk MilitMrtTidaBkrift(Norwegen> 7.Heft:Beitnnterrieht 
fttr Kavallerie. 

Militaire Hpectator. (Holland.) Nr. 8: Rckrutcnausbildung 
bei der Infanterie. — Die neue. Vorschrift für dab Gefecht der 
Feld-Artillerie. 

n. Bücher. 

Kriegslehren in kriegsg^schiohtliohen Beispielen der Neuzeit von 
W. von Scherff, General der Infanterie z. D. Drittes Heft: Be 
trachtuugen über die ächiacht von Gravelotte — St. Privat. Mit zwei 
FUfnea mSteiadnuk a. ehierTaiKlskiBM. Berlin 1895. £. S. IGtll» &S. 
Fisis 8,801L 

' Das Stadhmi der Eri^gigesoliichte ist, je litnger wir die Segnimgen 
des Friedens genieften, voa wachsender Bedentong ftr die Hcnnbiklimg 

der FtÜurer, denen zumeist die eigene Kriegserfahrung fehlt. Noch iät es 
nicht gelungen, die Armee von der Wichtigkeit dieses Studiums in dem 
Mafse zu überzengen, wie es erforderlicli i^t. Grund hierfür ist zum Teil 
der sich mehr und melu" in den Vorderp-und dräugende Gesichtspunkt, 
die Praxis des Alltäglichen sei die Hauptsache; andererseits wollen wir es 
nicht Yerkennen, daüs dem Einzelnen das Studium der Kriegsgeschichte oft 
nidit leidit gemacht wird. Denn ans dem Gange der graften Ereignisse 
das gewisseimalben hernnssoschiilen, was der TJnterfblirer „biancht** er- 
fordert schon ein grofses VeittindnÜii; die Schilderungen entbeiirea andern 
meiBt kriliaclier Betroohtongen und diese sind es doch gerade, aus denen 
wir lernen. 



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Umschau in der KUitilr-Litteratur. 



119 



So iBt es auf das Freudigste zu begrüfsen, d&b in neuester Zeit 
die Vorgänge des letatan groJkeii Krieges mm Gegenstände eingehender 
KritÜK genuMdit werden ^ wie das nns hier voxii^gende Weik Aber den 

18- August 1870. 

Dasselbe entiilUt eine soldie FfÜle von Anregung nach jeder Hinsicht, 

ist dnrcli seine p^anze Anla^ro »reradexn mnster}:^tlltig für dnf? Stiulium der 
Kriegsgeschii'lite und erörtert alle die, wir wollen sie „grofsen und kleinen 
Fragen nennen'', welche uns heutzutage im Auablick auf den Ernatfall 
bewegen. 

Es kann nieht Zweck dieser Besprechung sein, niher tat diese Fragen 
einsngehea; sie m stndiien mnA Aglieh dem Eixiaelnen flberiassen bleiben* 
Bertthnm mttssen wir aber dennoch Einiges. 

Abschnitt I bclenchtet die Schlacht unter strategischem Gesichtspunkte. 
Wenn in diesem Abschnitte die Sonde der Kritik an die Mafsnahmen der 
französischen und deutschen Heeresleitung am Tage vor der Scldacht und 
wahrend derselben gelegt wird, so geht deraus deutlich hervor, dafs 
Bazaine die vom Feinde beschränkte Operationslreiheit niemals durch die 
reine Defeualve wieder gewinnen kennte und dafii er sieh Uber die fnm 
ihm gewiidte sogenannte FlanlKenstellang tänscfate. Demgegenllber steht 
bis satt Mittag des 18. aaf dentsefaer Seite die ünklaxheit Aber die that- 
sftchlichen Verbtitnisse beim Feinde, von dem man den Abmaisch nach 
Nordwest, später einen Angriff erwartet hatte. Die Ausdehnung des 
französischen rechten Flügels wurde zu spät erkannt und hierin gipfeln 
alle die spfiteren, teilweise tropfenweiscn Angriffe deutscherseits. Die Be- 
hauptung der Stellung seitens der Franzosen wurde erst 10 7a Vormittags 
erkannt; die Schlachten von Gravelotte and von St. Privat rind entgegen 
dem WUlen des groiken Hauptquartiers aneh der Zeit nach selbststXndig 
darehgeftthrt werden. Die Entseheidong wnrde, das ist Thaisadie „am 
bischen Orte" und „zn früh" gesucht. Es erHillt nns mit Freude, dab 
General von Scherff dem Prinzen Friedrich Karl den Hauptanteil daran 
znmilkt, der ihm zweifellos gebührt, daüs der Sieg des Tages wesentlich 
von seinen selbstständigen Entschliefsnngen abhing. Möchten unsere 
grofeen Zuknnftschlachten uns eben solche „Unterführer" aufweisen, möchte 
aber auch dann die Aufklärung vor Eintritt in die Entscheidung eine 
bs Bowe als am 18. August sein! 

Im Abschnitt II wird die SeUaefat unter gefeehtstaktischem Oesiebts- 
pnnkte beleuchtet und darin vorerst der franz^l^schen SchlachtsteUung 
Erwfliinnng gethan; sie hatte eigentlich nur das für sich, dafii der Feind, 
wie er es auch wirklicli prethan. nicht wohl an ihr vorbeimarschiren konnte. 
Aas den „Teilgct'echten im Centnnn" ersehen wir das Lossagen kleinerer 
Kampfeseinheiten aus dem höheren Verbände als einen bedenklichen 
Fehler auf deutscher Seite, und die oft nicht völlig klare Befehlserteilung, 
duMdl wekhe diese mit besonderen Auftritgen betrauten Abteilungen sdioii 
dnrdi ääa Befehl loagelOst wurden. In der Führung finden wir das so 
oft verderblich gewordene Bestreben, im groben Verbände sich des Vor- 
teils der Überraschung nidit begeben an wolten. Entgegen dem Schlaeht- 



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120 



UnudiMi in der lOlitir-LitlBnitiir. 



befehle versuchten die beiden inneren Flügelkorps vorzeitig und ohne &^ 
folg die Entscbeidong herbeizuführen; einzelne, selbst viele Teilcnt- 
Bcheidungen waren niemals im Stande, einon onrltrültiL'on Sie;,' zu errinjEren. 

Der Abschnit III: „Die Schlacht unter kampttaktischem Gesichts- 
punkte" ist unseres Erachtens der bedeutsamste. Denn der Herr Verfasser 
hat in demselben gewissermafsen eine Antwort auf die von ihm selbst be- 
reits angeregte Frage gegeben, in welcher W^e die In&nterie beim An- 
grilfo eines geregelten Yeiftlaeiis bedarf. Die Einxelklmpf» um SL 
Habert und die französische Stellung von Point du joor geben dem Herrn 
Verfasser den Anlafs zu dem Ausspruche : ,,Bolange man für gröfserc Ver- 
bände den Katiipfbefclil ftir unnütz oder gar unniof^lich erklärt etc. von 
einem höheren Führer nur höchstens eine Gefeclitsanlage lordern zu dürfen 
glaubt — solange wird die Auflösung der Verbände im Kampf und der 
Zufall des geplanten Gefechtes in zuföllige Einzelgefechte die taktische 
Begel bilden.« 

Wir stimmen voll dem so, daft in der Skblacbt es nicht dem einseinen 
Batsillgn etc. überlassen bleiben darf, wie es sich gliedert, denn es kommt 
daranf an, dafs die ,,Feu(<r-UntrrstütsungS- und Sturmlinien'' einheitlich 

heranfr<'fiihrt werde, lliertür bedarf es eines bostimmton Befehles, nicht 
nur cineb Auftrages. Wir fassen das „Verfahren etwa wie folgt zusammen: 
Die erste zusammenhängende Schützenlinie j^eht unaufhaltsam geradeaus 
vorwärts bis es nicht mehr geht. Sie wird allein nicht im Stande sein, 
den Feind mit Feuer niederanklmpfiBn; sie bedarf also fortwilirender Ver> 
Stärkung. Diese sweite, die UntentfllsungBlinie — in eingliedrig^ ge- 
scMoBsener oder ge(^eter, oder in irgend einer anderen Ordnung, arbeitet 
nch an die Feuerlinie heran, sie wirkt unausgesetzt an ilrr Lösung der 
der orston Linie frestellteu Aufgabe mit. Es wird dadurch der Gleich- 
zeitigkeit und der l iiunterbrochenheit dos Kraftoinsatzes das Wort geredet. 
In ihr, in dem beständigen Auttiillen der vorderen Linie unter Verkürzen 
der Abstände der hinteren Staffeln — der Sturmlinie — Hegt das „Verfahren". 
Beim sprangweisen Voigehen — dmn Überschlagen ~ wird die Bewegung als 
Hauptsache, das Feuer nur daxn angesehen, den Gegner zu beunruhigen. 
Dabei kommt es vor Allem daranf an, die Sturmlinie zur Hand an haben, 
wenn man sie braucht, und nicht einen groAen Teil der Gewehre, wie 
anderwärts gesagt wurde, spazieren zu tragen. Neu ist das „Verfahren" 
nicht; der Wert der vorliegenden Studie aber liegt darin, dafs an der 
Hand der Kriegsgeschiclite in {geradezu packender Wei.sc ervvieüen wird, 
dafs das Angritisverlälu-en der Infanterie durchaus ein strafferes werden 
ma&t woDen wir nhäit wieder Teilgefechfe erleben, die entgegen den 
Ideen der obersten Heeresüeitnng nur den Sieg gefithrden kennen. 63. 

Studien ftber den Felddienst. Neu bearbutet auf Grund der Folddienst- 
Ordnung vom 20. Juli 1894, von v. Verdy du Vernois, General 
der Infanterie. Erstes Hett: SelbststKndige Kavallerie, Vorposten dcr- 
sellten und gemischte Vorposten. ^lit einer Karte und drei Skizsen. 
Üerüu. E. S. Mittler . & S. Treis 2,5U M. 



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Umachau in der Militär -Litteratitf. 



Die neue Felddienst-Ordnang enth&lt „absichtlich offen gelassenen 
Spiebvmii, w«lober d«r lellMtetSiidjg«!! EntnsliHofrang der Führer aller 
Gh»de m Gute kommen aoll". — Je msnnlgfiusher die dienstliclien Auf- 
toige oder Oefeehtahgen sind, in denen der FUlirer auf eigene EntscbUeftnng 
angewiesen ist, desto omfassender werden auch die an seine Vorbildung 
nnd Übung erhobenen Ansprfiehe. Der jüngere Of&sier folgt daher 
gern den Erfahrungen, die ben'orragondo riocrfuhrer an bpstimmttm Bei- 
spielen und für die einzelnen Fälle des Dienstes entwickeln. Eine solche 
Belehrung enthalten die „Ötudieu über den Felddienät" des Generals der 
Infanterie v. Verdy da Vernois, deren erstes Heft soeben auf Grund der 
neuen Felddienst-Oidnung vom Jahre 1894 neu bearbeitet die Ktfnigliehe 
Hofhuchhandhing yon E. S. Ifitder & Sohn in Bedin wieder heranagiebt. 

2. 

Das russische Eisenbahnnetz zur deutsch-österreichischen ürenze 
in seiner Bedeutung für einen Krieg. Von Nienstaedt, Oberst- 
lieutenant. Mit einer Karte. Leipzig 1895. Zuckschwerdt & Möschke. 

Preis 1 M. 

Die vorliegende Arbeit ist mit gründlicher Sachkeuntniüs und klarem 
Urteil geschrieben. Über den Gegenstand sind in unserer militKiischMi 
Presse bereits so Tiele, wertvoBe Yertfffentlidinngeii ersehienen, dab etwas 
wesentlich Neues vom allgemeinen Stsndpunkte aus kaum su geben war. 

Da aber die Heeresorganisation, das Eisenbahnnetz und das FestongBSystem 
Rufslands einen dauernden Ausbau und damit stete Veränderung unter- 
worfen sind, so wird auch diese ArV)cit eine nicht luiwilikommene Be- 
reiehening unserer Litteratur sein. — Die kleinen Ausstellungen, welche 
wir hier und da zu machen haben, sollen .diesem günstigen Urteile keinen 
ISntrag thnn. — Yonnusflideken mSchten wir, daüs auch Verf. die Sdiwiehen 
der Eisenbahn-Verbindungen vom nilitltrisehen Standpunkte aus danulegen 
bemüht ist. Soweit wir die mssisehe Heeresleitung kennen, sind ihr solche 
Kundgebungen des Auslands sehr willkommen, ein Gesichtspunkt, an 
den die meisten unserer Schriftsteller nicht denken. — Denn wir lernen 
im Leben am meisten durch die Kritik unseres Nachbarn — Daher er- 
fordern alle unsere Urteile eine gewisse Zurilckhaltung. Von diesem 
Standpunkte aus wollen wir bei der Besprechung ausgehen, auch in den 
FtiQen, wo wir abweichender Anucht mit dem Veif. sind. Sehr stimmen 
wir den Verf. darin bei, dafs Rufidand mit groXiwr Energie, den Vonng 
des ^unkontrollirbaren nnansministars*' toU verwertend, seit dem Jahre 70, 
ja schon seit 1866, an den Atishaii seines Bahnnetzes gegangen ist. — 
Am hinderlichsten sind Rufsland bekanntlich die traurigen Erfahrungen, 
welclie es wnhl in Fol^e der Bestechlichkeit und Unzuverlfis-sigkeit seiner 
atisfnlirt nden Organe mit dem beim Bau der Nicolaibahn (St. Petersburg- 
Moskau) in Anwendung gebrachten Staatsbahnsystem gemacht hat, ge- 
wesen. Die Wssst dieser Bahn kostete nicht weniger als 237000 liubel, 
die geographische Meile also Über 1600000 Rubel — Man suchte daher 
\m dem Bau der Eisenbahn anslftudisches Kapital und austKndiscbe Technik 
herananaiehen. Die 1857 eiriehteta, von Tomeherein mit einem „nicht rttck- 



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122 



Umacfaau in der MiUtir-Iittentiir. 



zahlbaren", unverzinslichen Darlehen von 46 Millionen Rubeln beschenkte 
französische „Grande societ^ des chemins do fer russe»" beutete den Staat 
und ilire Aktionfire glekhseitig ans. Bemnseh ttbemabm «ifbh spitter der 
Staat außerordentlich hohe Oaraatien ffkt die PrivatgeaeOaehaften, ohne 

fdcfa genügenden Einflnfi zu sichem, um eo mehr als die staatliche Direktion 
der Kicolaibahn sich zur Verwaltiuig gänzlich unfSlhig gezeigt hatte^ SO 
dnfs der Staat fliese Halm — wieder unter flen günstigsten Bedingungen — 
nn dieselbe ,,(iran(Ie srieiet^'' verüufserte. Krst in der neuesten Zeit hat 
man mit der Verstaatlichung der J'alinen hegojinen. — Auf der angefügten 
Karte vcnnisseu wir eine Keihu von Namen des Textes z. B. Kubinka, 
Oatschina» Lapy, lisUdn n. s. w. — Auf Seile 8 soH es woU hetften 
Snamenka-Fastow statt S.— Bostow. ^ Sehr riehtig ist Seite 9/10 daianf 
hingewiesen, da6 B. mit der Ansschlieisung der Deutschen, teilweise auch 
der Polen, vom Dienste im Zug- und Balm-Personal sich der besten Elemente 
beraulx'. Xamentlich war ein sehr grofser Teil der Lokomotivflihrer deutsch, 
und in seiner Zuverlässigkeit schwer zu ersetzen. — "Wir sind nicht in 
der Lage, die auf Seite 17 f^ir die Tagesleistung der russischen Bahnen 
gegebenen Zahlen auf ihre Entstehung hin zu prüfen. Doch möchten wir 
bemerken, daOi c B. die Bahn St. Petersburg - Warsehan naeh utuerer 
SehKtanng statt 20, bis aOHflittaOge im T^e befitodem kann. Ver£ 
gmppirt die Armee nach ilirer Friedensdulokatioii in Ö Armeen, von 
denen die 3. und 4. mit zusammen 18 Inf.- und 4 Kavallerie -Divisionen 
g^;on Osterreich- Ungarn bestimmt sind, während das Festungs-Bollwerk 
an der Weichsel den rechten Flügel in seiner Defensive gegen Deutschland 
stützen soll (I. und II. Armee, Truppen <ler Militür-Bezirke St. Petersburg 
u. Warschau), der linke Flügel gegen Rumänien und das Schwarze Meer 
durch die Truppen des lfil.-Bea. Odessa geUldet wird. — Selbstrerstfindlich 
bemht diese Gruppirung auf strategischen Snppositionen. Dasselbe gOt in 
gewissem Sinne aneh yoa der Berechnung der Zeit, in welcher die einselnea 
Armeen operatinnsberoit an den Grenzen stehen würden. (Die I. am 32., 
die in. am 34., die IV. am 31. und die Y. am 20. Mobihnachntigstage.) Wir 
verrichten darauf, diese Ergebnisse einer Prüfung zu unter/riehen. — Zum 
Schiulk können wir unser Gesammturteil nur dahin zusammen fassen, dalis 
die kleine Sclirift eine Menge anregender Gedanken aufweist und mit 
SachkonntnKs geschrieben ist. 17* 

Levens d'artillprlc conformps au prog^ramme de Tecole militaire 
de rartillerie et du genie de Versailles. Par E. Girardon 
capitaine d'artillerie professenr n r^cole militaire de rartillerie et du 
g^nie. PariH 1895. Berger-Levrault et C'ie.. editeurs. 
Die Artillerie- und Geuie-Sclmle zu Versailles soll Unteroffiziere dieser 
beiden Waflfen und des Trains zu Offizieren heranbilden. Nach dem vor- 
liegenden Leitfaden der Artillerie zu urteilen, müssen diese Oihzier- 
Kandidaten eine gründliehe Vorbildung beritsen und man kaam in ihnen 
fiist ebenbürtige Kiimeraden der ans der polytechnischen nnd Applikations* 
Schule hervorgehendenOffisiere erwarten. JedenfUls önd die Anfozdenugen 



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Umwhatt in der Militir-Iittentar. 



128 



in artillcricwisfienschattlicher Beziehung viel höher, als sie gegenwärtig an 
unsere Artillerie-Offiziere, namentlich der Feldartillerie, gestellt werden. 
Die «famlnen Kapitel des Leitfiideiis sind folgende: 1. Stndiiim der Eigen- 
aehttflen des Tutmn. 2. Theoretieehe und pnktiicbe Begriffe der imierwi 
Ballistik. 3. Begriffe der theoretisdien nnd cxpcrimentalcn äiiAeren 
Ballistik. 4. Grundsätze des Richtens. 5. Praktische Begriffe von 
Streuung und bestriclienen Kaum. 6. Die ver»chi<'<lenen Schufsarten. 7. 
Wirkung der Geschosse. 8. Aufstellung und Gol'ranch der Schufstafeln. 
9. Grundsätze des Einschiefsens. 10. Beobachtung der Schüsse. 11. 
Schätzen der Eatferuuugen. 12. Besondere Bedingungen des Schioi^eus 
ans KftBteobatteiien mit dem Apparat Deport 

Als Anhang ist: „Allgemdnes ffber Exploavsstoffe" beigegeiben. 
Das VenMndmls wird dnrch 209 Teztablnldnngen erleichtert Die Dar- 
stellung ist klar, methodisch, einfach und bestimmt, die Anwendung des 
höheren Calculs ist vermieden und thunlichst Wert auf das Praktische ge- 
lef^. Auch fUr die Reserve-Offiziere , die sich gründlicher infonuiren 
wollen, sind die Vorlesungea von grofsem Nutzen. 12. 

Inlwwf I« einen ne«eii Bzenir^BeglemeBt für die k* uid k. 
FnAitnippen* Troppao. E, Zenker. Preis 1,50 If . 

Der ungenannte Yerfitfser bietet hier eine Regtements^tndie mit Be* 
rtteksichtigung der Einfiihrung des rnuchschwaehen Pulvers, der neu er- 
schienenen ächiefs-Instruktion and der seit Bestehen dva j* tzigen E.egle- 
ments in der Praxis jreinachten WahmohTnungcn. Obwohl dieselbe 
zunächst auf das Reglement der österreichisch-ungarischen Armee berechnet 
ist, so kann Vieles, was hier betont wird, sinngem&fsc Anwendung auf die 
diesseitigen Vorsdiriften finden, besonders im Eweiten Teil, „Gefecht". 
Ailerdings will es mir seheinen, als ob die treffliehen GrnndsKtie des 
jetnigen (tatemidiiseheii dnreh diesen „Entwarf* kaum ebe Änderung an 
befttrehten hätten. 4. 

Aide-Memoire de manoeuTres et de campagne, k Tusap:*' de« otriciers 
de toutes les armes et de tous lus Services, par le lieutcuant general 
H. C. Fix. Bruxelles 1895. Libraiiie militaire C. Mu^nardt. 
589 Seiten. 

Dieses „Feldtssehenbueh", wie wir es nennen würden, umlkM in 45 
Kainteln das gesammte Gebiet der Taktik und Tmppenftlhning in kon- 
aentrirter Form und soll dem Offizier das Mitnehmen zahlrdeher Reglements 

und Dienstvorschriften ersparen. Der Herr Verfasser hat seine schwierige 
Aufgabe m. E. in nnsf:;ft/ei(linrter Weise gelöst. Wie gründlich dies ge- 
schah, erhellt aus den /aldreiclu n namhaft fienmchten Quellwerkcn, welche 
er zu Rate gezogen hat; unter (Ifusi-lben werden auch unsere „Jahrbücher** 
genannt. Ich meine, dieses Werk wird in erster Linie dem belgischen 
Offiaier-Korps von Nutsen sein, da die belgischen Dienstvoisehtiften in 
der Hauptsache au Omnde gdegt sind. Aber es sollte doch wohl möglich sein, 
diese gediegene Arbeit anch den Offisieren anderer Armeen, durch Über- 



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XU 



UmBchau in dar Jüli(&r>Iitterotur. 



Setzung und Anpassung an die bezüglichen Vorschriften, nutzbar zu machen. 
Hiem nSditeii wir, da es uns an einem fanroohbaren Feldtaachenbnoh 
fohlt, die Anregnng gegebmi Balmi. Ob es nieht mQglieh wibre, den In- 
kalt auf «nen noch kldiraien Baum xasammen sn drftngen, bleibe dahin 

gestellt. Audi ist das Format de» ohnehin recht dickleibigen Buches 
(p". 8.) nicht handlich genug. Jedenfalls begrüfsen wir in dem ,.Aide- 
M(-inoirc'' di-s Ilcrrn Gmcml Fix eine höchst beachtenswerte litteransche 
Neuheit, der wir weite Verbreitung wünschen. !• 

Detttsehe Heldeagrilier fan BeichsUuiile. Waadentndie Aber die 
Sehlachtfelder von 1870 in Elsaft-Lotfaiingen yon Max Dittrieh. 
Hit 4 AbUldnogen. Bathenow. M. Babennem. Fzeis 1 H. 

Diese Blätter sind ein zeitgemäfser Beitrag znr Erinnorung an die 
nihmreichen, aber auch verlnstreichen Kämpfe des Jalu^ 1870. Verfasser 
srhilflprf die Eindrticke. welche er bei seinen Wanderungen über die 
Schlachtfelder von Weifsenburg, Wörth, Saarbriicken und Meüs empfangen, 
berichtet über den Zustand der daselbst beiind liehen Gräber und Grab- 
denkmäler und Aigt den einzelnen Kapiteln noch passende, patriotische 
Dichtungen jener Zeit hinin. Den Angebffrigen der g^dlenen Helden, 
nieht minder aber dem dentsehen Volke überhaapt, wird diese Sehrift eine 
Fülle wehmutsvoller und doch henerhebei^er Ehinnenmgen bieten an das 
groise Jahr. In diesem Sinne sei dieselbe empfohlen. 3. 

Ernste und heitere Erinnerungen eines Ordonnanzofflciers im 
Jahre 1S70/71. Von C. Tanera, Uauptmann a. D. lUustrirt von 
E. Zimmer. Jubelaosgabe aar 25. Gediehtniftfoier des Feldangs 
1870/71. 1—4. liefonmg. MOnehen. 0. Beck. F^ je 50 Pf. 
Dieses schon snr Gtonfige bekannte Bach ist nmnmehr in illnatrirter 
Ausgabe im Erscheinen begriflfon. Das Ganae soU in S2 Liefemngen fortig 
gestellt sein und wird eine wertvolle Bereicherung der Tolkstümlichen 
Kriegslitteratur hilden. Die zahlreichen Illustrationen, mit welchen das 
Werk geziert ist, verdienen alle Anerkennung. Wir lenken gern von 
Neuem die Aufmerksamkeit auf dieses von echt vaterländischem Geiste l>e- 
seelte Buch, welches besonders dem heranwachsenden Geschlechte warm 
empfohlen werden kann. 8. 

Kone Tolksbttcher. Herausgegeben von der Vereinigung von Freunden 
christlicher Volkslitteratnr. Sedan-Büehlein. Zur 25jährigen Jubel- 
feier der grofsen Siege unseres Volkes im Jahre 1870/71. Von 
K, von Kestorff 22. Bfinddicn. Doppelheft nüt 24 Abbildungen. 
Berlm 1895. Verlag d. clu-istl. Zeitschnlteiivereins. Preis 40 Pf. 

Diese wirklich volkstümlich geschriebene, kurz gefaiste Geschichte des 
Krieges, welche mit zahhreichen guten Holaschttittai gsaieal ist» verdient 
um der guten 8ache willen weiteste Verbreitung in den Schichten unreres 
Volkes, snmal des „Volkes in Waifon". i. 



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Ümadiaii in dar AliUtii^Iiitt«ntar. 



125 



Tor 86 Jahren. Walire Gesehiohten «ob dem ndimreidien Jabre 1870 
von Eduard Jost Frankfurt 1895. H. Andi«8 & Co. 

Preis 75 Pf. 

Das mit einem Titelbilde des Kronprinzen Friedricli Wilhelm aus 
vielen Originalzeichnungen von Otto Andres geschmückte 65 Seiten füllende 
Schriftchen bietet vier von echt vaterländischer Gesinnung beseelte Er- 
zählungen auü der Kriegszeit. Schauplatz derselben ist die bayerische 
Pftk. „Uiuer Fritz" in Landau am 3. Augost 1870. — Daa Müdchen 
Ton Hagaum. — Die Kunde Ton Sedan an der eliXadaeiien Grenae. — 
Die Rftckkebr in der Nenjaiirsnaebt; dies ist der Titel dieser Erzählongen, 
welche als ein wcrthvoller Beitrag anr voUcstOmHclien Eriegslitteratiir des 
Jahres 1870 empfohlen werden könnm. 4 

Etat dar <Mlliiere d«»flflfiiwei>eri8e1mi Bnndesheeres. Ausgabe 1895. 
Verlag: Art Institnt Oreli Fttssli in Zfirieh Pkeis 2,50 Fr. 

In der 1895er Auflage des Veneichnisses aller MiUtKrbeamten nnd 
Offiaiere der Eidgenossenseliaft nnd der Kantone, die Landwdur inbegriffen, 
wird dem eidg. Bundesheer neuerdings dieses bequem«!, ^ d<ni Offizier 
sozusagen unentbehrliche Hülfsmittel zur Orientimng geboten, das den 

vorherf?elienden Auflagen entHpriolit und sich ilinon würdig anreiht. Die 
})r;ikti>( he Anlage des Ganzen nmcht das Nachschlugen über militiirische 
l'ersriiiliihkeiten und Verhaltnisse sehr leicht. Das Verzeichnifs hat den 
Vorzug grülster Genauigkeit und Übersichtlichkeit, so dalii es in jeder 
Hinsicbt dem IGlitilr und MilitKrfirennd empfohlen werden kann. 4. 

Ratgeber für Touristen und Militär. Der Fufsschweifs und seine 
erfolgreiche Behandlung von Dr. med. üirscb. UÖ'eubach a.yM. 

1895. Tii. Steinmetz. Preis 20 Pfg. 

Das hier auf 7 S. behandelte Thema ist für Jeden, insonderheit die 
Fu&truppen, von hoher hygienischer Bedeutung. Verfasser schlägt als 
Behandlungs weise yor: tägÜehe Waschungen oder auch FuftbKder, beliefaag 
tempeiirt, Einrdbnngen mit sphritntSsen SalicylkrinteresBig yon Ludwig 
Wüst in Ofienbach und Wüsf scher Fufiipomade. — Wir müssen den Herren 
Truppenärzten nnlioim geben, die yoigeselUagmen Mittel zu erproben. 
Doch wird aucli der Laie, welcher am genannten llbel leidet, dies nicht 
verschmähen dürfen. In diesem Sinne sei die kleine Schrü't empfohlen. 

4. 

T&scheukalender für das Heer, herausgegeben von W. Frh. von Fircks, 
Generalmajor a. D. 18. Jahrgang. Barlin 1895. A. Bath. Fr^ 4 H. 
Der eben enchienene neueste „Fircks-Taschenkalender** liat, wie &n 
Blick in das Inhaltsyerzeichnifii lehrt, wiederum namhafte VerKndemngen 
eriabren, da die Zahl der neu erlassenen dienstlichen Vorschriflten im ab> 
gelaufenen Jahre eine fiberaus grof^e war. Zahlreiche Abschnitte sind 
gfinzlich umgearbeitet, 80 in Abschnitt VI (innerer Dienst) die Bestimmungen 
über Urlaub, Bcscliwerdc-Ordnung, Anzug der Offiziere. — Von der Un- 
eutbohrlichkeit dieses Vademekums wird man, bei den stetig sich mehreudeu 



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126 



ümMbra in d«r MlHtHr-TifrtiOnitnr 



Vonchriileii auf allen Gebieten des Heerwesens und Dienstes, sich infthalos 
ttbenengien kOonen. l)ak die HeitenKahl des Kalenders von 472 auf 463 

zurflckgepiinfroTi ist. liniert don Beweis dafür, mit welchem Erfolge Heraus- 
geber und \'crU\u'tr bemüht sind, durch Verwendung von Abkürzungen 
und sparsamen Druck, dem Werke seine „Handlichkeit" zu wahren. Als 
Sonderheft sind, geäufserteu Wünschen entsprechend, die Kriegsartikel bei- 
gefügt worden. 1. 

m. SeeweMn. 

ABBalea der Hydrographie «nd maiiteeBHeteoreiogletHeliyil: 

Fahrt in den Bimlna-Fliiik und Reiie von Kememn nach Togo nnd 
mrttck. Hydrographisciie und meteorologische Notizen S. M. S. ,»Hyttne'', 
Kommandant Kapt. T.iciit. Bachem. (Hierzu Tafel 7). — Fahrten nnd 
HÄfen am Golf von .Mexiko und an der Küste \oii ('ostarica. Aus dem 
Reisebericlit de« Schiffes „Pei-Ho"', Kapt. K. Wollralie. — Eine Passat- 
stürung hei tlen Kap Verden am 3. Oktober 1894. (Mit einer Skizze). 
Von E. Knippiug. — Die Windstilrke aof dem Stillen Ozean, nach den 
Beohaehtongen dentscher Schiff» Ar die beiden extmnen Jahieeaeiten 
tabeUarifleh und kartographiBch dargealdlt (Hierin Tafel 5 nnd 6). — 
Studien über Nehelsignale. Dritte Mitteilung. Von Prof Dr. H. Mohn in 
Christiania. (Forts.). — Zur Einfahrt von Marseille bei Nordwoststurm, 
Bericlit des Kaiserlich deutschen Generalkonsids tlir Marneille, Herrn 
Bartels, vom 27. Marz 18ü5. — VAn-r die Anse,j;elun{^ von Rio Grande do 
Sul. — Die Witterung an der deutüchea Küste im Monat Juni 1895. — 
Beiheft: Jahresbericht der Deutschen Seewarte iür das Jahr 1894. 

Harine-BiuidBebMk Heft 7: Der Kanal dea Deuz Mers mit Karte. 
Kaptlt. Souchon. — uNiz'* nnd „Salanuuider'S von Adm. B. Koch (mit 
Abbild.). Die Gefahren, welche bei der Lagerung der Kohlen in den 
Bunkern auftreten (mit einer Zeichnung). — Dt^r deutsche Seehandel, von 
Dr. Xeubaur, ein äufsei'-f iiiferessanter Artikel, dem nur die jj^röfste Ver- 
breitung zu wUnsi'hen i-t. Heft 8: Die Feier der EröÜnuno^ des Kaiser- 
Wilhelms-Kanals (mit einer Abl)i!d. und fünf Anl.). — Der Seeoffizier und 
die fremden Sprachen. — Ausnutzung der ätandlinieu in der Navigation 
(mit 2 Karten nnd 12 Fig.) von \nctor Schoenfelder. — Bemerkungen 
ttber die sanitären Ynrhältnisae einiger Hltfen in Westindien von Mar.- 
Stabsarst Dr. Bassenge. — Das Tennisturnier ftir die aktiven Offimero der 
Am»ee und Marine in Hombiu>' v. d. Höhe. 1895. 

Mitteilungen aus dem Uebiete des Seewesens. Nr. IX: Die 
österreichische Kreuzerdivision (mit Abbild.). — Die Telefrraphio ohne 
metallisi-he FernU'itnnjr , von Linienchiffs-Lieut. Len-rnick. — Xacht- 
erkennungs-Signale für Torpedoboote. — Englische GeschofszUuder (mit 
Abbild.). — MnmfordB Wasserrohikessel (mit Abbild.). — Budget dar 
tfsterreichischen Marine lUr 1896. — FranxSikches Marine-Bndget ftr 1896. 

Die projektirten frans. Kaperkreuzer. — Der dftnisebe Kreaser III. Kl. 
j.Hecla" (mit Abbild.). — Ubersicht Uber die Begebenheiten in den fremden 
Kriegsmarinen. — Elektrischer Motor f&r Boote (mit Abbild.). 



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Unudum in dar Mflitir-Iittentar. 



127 



Army and Navy Gazette. Nr. 1850: Hei/c r Ansl ildnng — Ver- 
schiedenes über die Aussichten der Wasserrohr kessel. Nr. 1851: Die 
italienische Flotte. — Von dem neusten Torpedobootszerstörcr-Typ (30 sm) 
liat die Admiralitüt 20 weitere in Bestellung gegeben. — Etwas über 
Biwrt». ITr. 196%: Schiffii-ArtiUerie. — Kane Angaben ttber die firanz. 
fltfttennuingver. — In Brest werden gewaltige Anstiengimgen gemaeht, um 
den Juli 1894 begonnenen MCliarlenuigne" im Oktober vom Stapel lassen 
in können. Die Fnosoaen möchten gern zeigen, daüs sie auch in der 
Gfeschwindigkeit den anderen Nationen iiiclits nachgeben. — Englische 
Flottenniaiiövor. Nr. 1823: Die spanisclu- Marine. — UnföUe französischer 
Kriegsschitt'e. — Kinzellu'iion über die Kampfe der britischen Krioprsschiffe 
auf der ostafrikanischcu Station. — Einiges über engl, und tranz. Fiutton- 
manöver. Die Seescblacht bei Ushant. — Dentache Seeoffisiere, Brief 
an den Herausgeber. Hr. IfiM: „Supplementary*' Kaval-OffioerB, 100 
OfSiiere der Handetanarine mnd als H^ibofißnexe der Ifarine sngeteilt, 
wllirend angleich neue Bestimmungen sur HerbeifÜhrnng eines schnelleren 
AvancementB im Seeoffixi^korps beraoagegebea aind. — Englische JTlotten- 
manöver. 

Journal of the Royal United Service Institution. (Juni 1895). 
Kavallerie- Manöver, Vortrag des Col. Freuch. — Die antarktische Expe- 
dition vom HariiM-Slandpnnkt betrachtet, Vortrag Ton C. B. Maikham, 
Efqo,, Air Seeoffixiere von Interene. — Lehroann*8 Schamhont, Iftngere 
Bwprechnng durch Spenier WÜkintoQ. 

Army and Nayy Journal. Kr. 1664: Nene composite Kanonenboote. 

— Trockendeck in Port Royal. — Die Japanesen im Kriege. Nr. 1666: 
Die Armee von Hawai ~ Ein neuer Jonüni, von Col. F. T^tTonite, einem 
Schweizer Oberst herausgegeben. • — Bewegungen von Kriegs.schirten. — 
Reknitirung fiir die Anuee und Marino. Nr. 1666: Nicht bnuitibares 
Holz ist erfunden und wird auf Jowa and Brooklyn versuchsweise an- 
gewendet. — Schiffbau und Chrandheit — Fline der neuen amerikanischen 
Schlachtaehiffe. Sr. 1667: Sttbel gegen Revolver. — Dashiirs neuer Ver- 
sclilufs fUr Schnellfciu il:;ui(iiitMi. Nr. 1668: Yersuche mit feuersicherem 
HoU sind vor dem Mariueministcr und dem Chefkonstrukteur der ameri- 
kaaiacben Marine gemacht, und haben alle Erwartungen erfüllt. — Doppol- 
tOrme für Kriegsschiffe, mit Abbildung. — Die Xewyork-Marine-Miliz. 

Revue Maritime etColoniale. (Juni.) Die Winde und diöStnimungen 
des Meeres. General H. Mathiesen. — Bemerkungen über einige Probleme 
des Begegnens und Jagens auf dem Meer, von Toumier, Lieut. z. See. 

— Studie aber die mechanische WSrmetheorie. (Forts.) — Erlfiuterungem 
su den über Dahomey erscliini« non Büchern und Schriften. — Die 
amerikanische Fischerei axif der Ausstellung in Chicago (1893). (Forts, u. 
Srlünfs.) — Austemkultur in den Lagunen von Tahiti (mit Abbild.), tlir 
FacliUnite i)eachten8wert. Juli 1R95. Siudie über die Bedienung der 
Wasserwege an Bord eines 8chiti'es (spcc. Marceau). — Studie über die 
Schiffbarkeit des Koten Flusses (Indo-China). — Mechanische Warme- 
theorie. — Krankheiten der Seeleute und Epidemien auf der See Mittel 



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128 



Ünuduu in der BfilHir-Iittantor. 



um ilinttn Torrabeogen nnd ne za bekSmpftn. F, Bmot und A. Legnuid, 

Marinciinste, — Daa maritime Labonitorium von Diedo (Terre-Nonvc) mit 
Abbild, intereesant. — Bericht über die fiesnltate der in Agde L J. 1894 
gemachten Versuche mit Austern. 

Rivista marittima. (Juli.) Enß:land8 Macht zur See während der 
französischen Hevolution und des Kaiserreiclis. — TorpedobootsangrifiF bei 
Tage. — Apparat zur Bestimmung des Widerstandes des Schiffskörpers, 
(mit Abbild.) — Die militKrische Lage im ^Mebneer. (Forts.) — Die 
Bchiffiranternebmnngen Oenrantea. — Bdheft: FeUerprodidtte der natBr> 
lieben Interpolation beim Gebnudi der Logarithmentafeln (spec. Caillet). 

Morskoi Sbornik. (Russischer Marine-Sammler.) Nr. 7: Juli 1895. 
Offizieller Teil: Die Ilochsee - Torpedoboote „Bnrpo". ..Rcwel" 
und „Swcaborg" treten aus dem V('rl)aude der Baltischen Flotte in den der 
Sibirischen Flotten -Equipage. — Die Mannschatlen aller Fahrzeuge 
sind, auf Grund einer im Mai erlassenen Tumvorschrifl ftir die Flotte, im 
Tarnen nnd in gymnaBtischen Spielen m itnterneliteii. Nicht* 
offisieller Teil: Das Kriegsmarine-Kollegium der Flotte der Vereinigten 
Staaten. — Ranchloses Pyrokollodinm>PnlTer; L: Einleitende Naeh- 
ricbten über diese neue Art raucblosi ii Pulvers, welches in dem wissen- 
schaftlich-technischen Laboratorium der Marine- Verwaltung angefertigt und 
erprobt worden ist. — Schiffsbau in Kntrland ntid in Frankreich 
in den Jahren 1894—95; die dem Aufsatz beigeliigte Liste der im Jahre 
1895 im Bau befindlichen französischen Kriegsschiffe zählt 
83 Fahrzeuge auf, darunter 9 Hodiaeepanier, 3 KüBtenpanser^ 6 Panaer* 
Kreuser L Klasse, 18 sonstige Kreuser n. s. w. 

lY. Tenelelmifb der rar Bespreebniig eingegangenen Bfieher. 

1. Ranglisten der Königlieh Preufsischen Marine aus den 
Jahren 1848 bis 18G4. IIerauH<,'egeben von dem Ober-Kommando der 
Marine. Dezember 1893. Zweite Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. 

2. Ernste und heitere Erinnerungen eines Ordonnanzofflzlers 
im Jahre 1870—71 von Carl Tanera, liauptmauu a. D. 3. und 4. 
Lieferung, Pk^a je 50 Pf. Manchen. Oskar Becit. 

5. Vene TolksbQcher. 22. ßändchen. Herausgegeben von der Ver- 
einigung von Freunden christlicher Volks-Litteratur. Sedan-Büch 1 ein. 
Zur 25. Jubelteior der grofsen Siege unseres Volkes im Jahre 1870/71. 
Von R. von Restorf f. Berlin 1895. yerlag des Christlichen Zeitsefariften* 
▼ereins. S.W. 13. Preis 40 Pf. 

4. Anleitung zum Betrieb von Planübungen der Unterführer 
in der Kompagnie, Eskadron etc. von v. Brunn, Oberst. Mit einer Ueber- 
sichtskarte nnd einem Plane von Schwddnits nnd Umgegend im Maftstab 
1:100000. Berlin 180.5. Liebel'ache Buchhandlung. Preis geheftet 

2,50 M., in I'appband 2,70 M. 

Leopold I. Fürst von Anhalt-Dessau. Bio^aphische Skiazeu 
ftber den prenfsischen Peldmarschall nebet einer Anzahl Briefe von 

C» Bükelmann, K. Sadis läeutenant a. D. Leipzig 1895. J. Jacobsen. 

6. Lehrbuch der Waffenlehre y.mn G. Inaiulie an den k und k. 
MiUtär-Akadcmieu und zum i:>elb8tstudiuui für Oitizieru aller WafTeu be- 



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ümieiiaa in der UOiti^-IiMentiir. 



129 



arbeitet von E. Marschner, k. und k. Hauptmann. I. Band: Allgemeine 
Waflenlehre. Mit 184 Abbildun«^en. Wien und Prag 1895. F. Tcmpsky. 

7. Anleitung zur Selbsterleruung der französischen Sprache 
in 26 Lektionen für MilltSranwXrter und sonstige OtvflTenorgungs- 
boreclitigte, sowie liir Öubalternbearate bearbeitet von P Blnsclike. 
Berlin 1895. Lieberscbo Bucliliandlung. Prein geh. 3 M., gebd. 3.50 M. 

8. Erinnerungslieder 1870. 1895. Von Eberhard GrafHaugwitz. 
Berlin 1895. Liebel'sche Buchhandlung. Preis 50 Pf. 

9» Der Ofllsler. Ein Ratgeber ftor den jungen Lieutenant von K. 

T. B, Berlin 1895. Liebel'sche Buchhandlung. Preis 80 Pfg. 

10. Wie bildet man den Infanteristen im gefeehtsmäfsigeit 
Einzelschief seil aus? Aus der Praxis bearbeitet von von der MUlbe, 
Pr. Lieutenant. Berlin 1895. LiebeFaehe Buchhandlung. Preis 60 Ff. 

11. Anleitung zur Ausbildung der PatrouiUenführer der In- 
fanterie. Von V. K., Hauptmann, Zweite Auflage. Berlin 1895. Liebel'scbe 
Buchhandlung. Preis 30 Pf., in Partien billiger. 

12. Der Krieg zwischen China und Japan 1894/95. Auf Grund 
anthentischer Quellen bearbeitet von v. Mttller, Lieutenant. Mit Skizaen 
und Karten. Dritter Teil (Schluß). Berlin 1895. Liebersche Buchhandlang. 

Preis 1,20 M. 

13. Österreichische Truppen in den Herbst-Manövern 1894 im 
Lager bei Bmek und Landskron unter Bertthrung einzelner taktischer und 

regleraentarisfher Fragen von Roossel. K. Preuf». Generallieuteiiaut a.D. 
Berlin 1895. Liebel'sche Buclib.i!Hilung. Preis 3,50 M. 

14. Die Kriege Friedrichs des Grofsen. Zweiter Teil. Der 
xw'ette Schlesische Krieg 1744— 174S. Herausgegeben vom Orofisen 

Gcneralstabe, Abteilung für Kriegsgeschichte. I. Band : Böhmen. Mit 19 
Karten, Plänen etc. 1741. Prei.s 15 M. geb. 17.25 M. 2. Band: Hohen- 
friedberg. Mit 14 Plänen und Skizzen. Preis 11 M., geb. 13,25 M. Berlin 
1895. £. S. Mittler & S. 

15. Organisation des eolonies franvuises et des pays de protoc- 
torat nar K. Petit Tome seeond. Paris-Nancy 1895. BÖ-ger-Levrault et 



16. Tue g^n^rale svr PArtfllerie actuelle par G. Moeh. Famr 
Nancy 1805. Berger-Levrault et Cie. Preis 5 fr. 

17. La defense des eotes d'Europe par 0. Didelot. Avec un atlas 
de 204 cartes. l'uris Nancy 1894. Berger-Le^Tault et Cie. Preis 25 fr. 

18. L' Armee et la flotte en 1894. Avec 26 illustrations. Paris- 
Kancy. 1895. Berger-Lerrault et Cie. Preis 5 fr. 

19. Organisation et seryice du traln. Par E. Girardon. Paris- 
Nancy 1895. Berger L«'\ rnnlt et Cie. Preis 7,50 fr. 

20. I/Arniee alleiiiaiide. Par Ch. Speckel et G. Foliot Paris- 
Nancy 1895. Berger-Levrault et Cie. Preis 5 fr. 

21. F. de yilleBolsy. La gnerre ifno-japoiiafse et ms mb- 
siquences paar PEvrope. Paris-Länoges 1895. H. Ch. LaTauselle. 

22. Les armemonts mnritinios. 2 tnmes. Avec 140 fipires. Par 
Cl. Champenois. Paris-Nancy 1S95. Berger-Le^Tault et Cie. Preis lü tr. 

23. Der Militär-Strafprozefs in Deutschland und seine Beform. 
Von Dr. jur. von Marek. Zweite HKlfte. Erster Halbband. Berlin 1895. 

B. v. Decker's Verlag. 

24. Das Wehrwesen der Schweiz. Von F. Feifs, Oberst Dritte 
Aullage. Zürich 1895. Art. Institut. Grell Füssli. 

JakntSflbw Ar dl« Owrtteh* AnHM «■< Hvim. 1M.9T. L 9 




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UniMium in der Iffifitibr-IittaMHir. 



25. Ulanen-Briefe von der I. Armee. Von Moritz von Berg. 
Dritte Auflage. — Volk^-Ausgabe. Bielefeld 1895. E. Siedhoil. Preis 
1,50 M., geb. 2,50 H. 

26. Patriotisoher Festkatalog zur 25jährigen Jubelfeier der sieg- 
reichen Schlachtcntage 1870 — 71 und der Wiedererriclitun^' des deutsehmi 
Keiches. Herausgegeben von Louis Oertels Vcrlat^. Hannover. 

27. Geschichte des liafeneastells von Triest und de» Domes von 
8t. Just Von Stefan v. Buchwald, k. u, k. Hauptmann. Hit vier Ab- 
bildungen und einem Plan des HafencasteUa. Lina a. d. Donan. Städte- 
bilder-Verlag (E. Mareisl. 

28. Deutschlftudä Uuhmesta^ 1870/71. In Schilderungen von Mit- 
streitern. Lieferung 1. Rathenow. M.JSabensien. yoIl8tBndigitt40Iieferangen 
k 40 Pf. 

29. Offizielle Kriegs-Nachrichteii von 1S70/71 nebst den wichtigsten 
Autrufen, Erlassen, Thronreden etc. Mit vielen Abbildungen. Berlin 1895. 
Verlag von A. W. Haynas Erben. Preis 50 Pf. 

30. Die Orden und Ehrenzeichen der deutschen Staaten. 1. n. 
2. Lieferung: Königreich Preufiien. Verlag von M. Buhl in Leipaig. 
Preis 2.50 M. 

31. Erinnerung an die rahmreieheB Kriegsjahre 1870/71. Grolses 

StriotifleheB Tongemälde von Carl BernL Venag von Louis Oertd- 
innover. 

32. Napoleon I. in Bild und Wort mit ca. 500 Textillustxationen, 
Vollbildcrtafeln, Karrikaturcu und Autographen. Nach den berühmtesten 
Malern, Bildhaueni und Stechern von A. Dayot, übertragen von 
(). M'irscliall von Bieberstein. 2. n. 3. Lieferung, Preis je 60 Pfc 
Leipzig 1896. Verlafr von H. Schmidt & ('. Günther. 

33. Die Schlacht bei Jena von Dr. Leidolph. Mit 2 Karten und 
2 Antotjrpien. Jena 1896. Fronunann'sehe Hofbnchhandlung. 

S4. Ein Kalvinist als kaiserlicher Feldmarsehall im droifsig» 

iShripen Kricf^e. Nach den Akten der "Wiriior Archiv*' dargestellt von 
)r. Kudolf Schmidt. Berlin 1895. Futkingers liuchliandlung. 

35. VaterlSttdIsohe Gediehte. Für Schulen und Vereine insbesondere 

xum Andenken an die glorreichen Siege des Krieges von 1870/71. Aus- 
gewählt von Dr. C. GoeoeL Zweite Auflage. Verlag von J. P. Badiem 

in Kühl. Preis 1 M. 

36. Experiments with a new polarizing Photo-Chronogrraph, 

applied to the measurement of the veloeity of projecliles, by Dr. Albert 
Cushing (Vehore and Dr. G. Owen Squier. üeprinted £tom the „Journal 
of the United States Artillery. 



Kroll'« Baehdraekerei, Barlln 6^ SobutiMutnaM 1A. 



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Der Parteigänger Friedrioh von Hellwig 

und seine Streifzüge, 
im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. 

Em Beitrag aar Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792 

bia 18X4. 

Von 

Hans Fftbrieiiis, ObeiatUeutenant a. D. 
(FortMtBimg*). 



Sechster Ahschnitt. 

Im Feldzuge 1S14 unter dem preuTsischen 8. Armee- 
korps bis 8. Februar. 

1. TVähreud der Operationen gegen Antwerpen bis 15. Januar. 

Das Hellwig'sche Korps tritt mit dem Jahre 1814 in eine von 
seiner bisherigen Wirksamkeit wesentlich verschiedene Art der Thätig- 
keit ein. Wenngleich aucli schon im Feldzuge 1813 das als höchstes 
zu erstrebendes Ziel Hellwig vorschwebende Bild des Parteigängers in 
seiner V'oUendung durch widerwärtige Umstände und durch die Kriegs- 
lagen, in die er geriet und die ihn in einer viel gröfseren Abhängigkeit 
hielten, als ihm für Erreichung seiner W'ünsche und Absichten lieb 
war, wesentlich hinter seiner Vorstellung zurückgeblieben war, so 
waren doch Zeitabschnitte eingetreten, in welchen er in völliger 
Selbstständigkeit Unternehmungen ausführen konnte, die nicht nur 
seinem Naman unvergänglichen Rnbm und seiner Person Anaseidmungen 
brachten, sondern auch den Feind wiederholt empfindlich schädigten, 
▼or allem aber das vaterlfindische Gefühl des Volkes und Heeres, die 
Überaengung yon der kriegerischen tn>erlegenheit des prenlsischen 
Soldaten wesentlich stSrkten. Ein ausgedehnter Kriegsschauplals in- 
mitten des Vaterlandes mit langen empfindlichen Verbindungslinien 
der feindUohen Heere, die Wnt und Rachsucht der Jahre lang unter 
dem Druck des Eroberers gebeugten Bevölkerung, die Bekanntschaft 
mit der Sprache des Volkes, mit seinen Gewohnheiten, mit der Natur 
des Landes, die günstige Jahreszeit mit ihren militärischen Vorteilen, 

*) Siehe das Jauuar- biü Üktoboriiclt 1695. Hierzu em Plaii. 
JahfbOate fliakDralNka AnM*uA]UiiB«.B4.n,S: 10 

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132 Parteigänger Friedrich vun Hellwig etc. 



alle diese Umstände hatten weseutlich dazu beigetragen, dift Tätig- 
keit des Parteigängers zu erlachtem und die damit verknüpften 
Schwierigkeiten und Gefithren za verringern. Gans anders lagen die 
Verhältnisse in Holland und Belgien. Ein Yerhältni&ni&&ig Ve- 
Bohrlnktw, sdunaler, Tom Heere einerseits, von beiden StrOmen 
andererseits dngeecihlossener Krie(i;88chauplatB, von zahlrdchen Wasser- 
Unfen durchflössen, welche in der ungünstigen Jahreszeit bei nasser 
Witterung daani beitrugen, Wege und das seitwärts von ihnen be- 
legene Gelände bis mr Unbenutsbarkeit namentlich für Beiterei, za 
durobweichen, die ünbekanntschaft mit der Sprache der Landes- 
bewohner, deren Gesinnungen in mancher Gßnsirht sic h mehr den 
FranzoBen wie den Deutschen zuneigten, wenn auch der schwer vom 
Kaiser ausgeübte Druck sie gegen seine Person eiHrrenomnien hatte, 
— das waren alles Umstände, die dem Angreift i ebenso nachteilig 
waren, wie sie den Verteidiger begünstigten. Trotzdem aber und un- 
geachtet die Eifrenart des Generals v. Bülow, welchem zwar nicht das 
selbstständige, wohl aber das eigenwillige Handeln seiner Unter- 
gebenen im höchsten Grade zuwider war, dem ähnlich gearteten 
Charakter Hellwig's grofse Schwierigkeiten auftürmte, verstand letzterer 
es im Feldzuge 1814 doch, durch seine rastlose Ihatkraft, seine Um- 
sicht und Geschicklichkeit, sein Vorahnen der feindlichen Absichten 
Erfolge zu eningen, die, trotz der Schwache seiner Streitmittel und 
der meist bedeutenden Überlegenheit seines Gegners, nach dessen 
eigenem Urteile von wesentlichem EinHufs auf den Gang des Feld- 
zuges geworden sind. Wenn auch der neue Teil des Krieges Hellwig 
keine Gelegenheit bot, hervorragende Streiche, wie in seinem früheren 
Leben bei Eisenach, Langensalza, Wanfried und Scfalofs Vippach zu 
führen, so waren doch seine Leistungen fiir das Ganze von riel 
größerer Wiohtigkdt und gewäbren das böchste militilrische Interesse. 

Nach den Unfällen des Generals Decafin hatte Napoleon den 
thatkrftftigen und umsichtigen Divisions- General Graf Maison am 
21. Dezember zum Kommandirenden des in der Bildung begriffenen 
1. Korps bis und zugleich zum Oberbefehlshaber über die sämmtlichen 
Truppen in den Niederlanden ernannt. Aufser über einige 20 Depots 
der 17. und 24. Territorial-Division mit verwTindeten Soldaten ver- 
fügte er um die Jahreswende über die Division Roguet, die Rahmen 
der Division Barrois, beide von der jungen Gurde, und die Reiter^ 
Brigade Castex, zusammen löOOO Mann^- Diese Kräfte waren folgender- 

^) Nach Vaod. 1814. 1. p. 116 betrag die StArke von Maison's Korps um die 

Jahreswende 12050 Mann und 860 Pferde, und zwar die 1. (lunio-Tirailleur- 
Division Barrois 8 Bat. 650 M., die 3. Garde-Tirailleur-Di Vision Roguet 8. Bat- 
6000 M., Generai Ambert 20 Bataillone 5400 M., General Castex 16 Schwadr. 



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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. 



133 



■ 

maben vorteitt: Die Dimon Bognet und die Reiterei der Garde unter 
Lef^lvm-Desnoettee (1000 Pferde) standen mit 1 Bataillon, 6 Schwa- 
dronen nnd 2 Geschfitsen in Tunihoat, mit 8 BataOlonen, 10 Schwa- 
dronen und 10 Gescbfitzen in Hoogstraeten und Gegend, mit 2^Ba- 
taSlonen und 2 Sehwadionen in Easenhout und mit ebenaoriel und 
2 Geedifltzen in Brasechaet)^. 

Die Divisionen Ambert, Oarra St Gyr und Ledru des Essarts des 
1. Korps Ins*), waren erst in den Anfängen der Bildung begriffen, 
Von ihnen stand Ambert mit 4 Bataillonen, 2 oder 3 Schwadronen 
nnd einigen Gesdiützen zwischen Brasschaet und Donck nördlich 
Antwerpen. Desnoette's Reiterei befand sich zwischen Tumhoat und 
Brecht, Division Barrois mit einigen Schwadronen Gastex's in zweiter 
Linie bei Brüssel und Lier. Besonders empfindlich war der Mangel 
an Artilleristen: Maison hatte u. a. zur Bedicnunfr von ß Geschützen 
nur "27 Kanoniere. Mit diesen Kräften sollte er P>c]<iien und Ant- 
werpen im Allgemeinen, die Scheide und die Vertcidif^ung von Berjjen- 
op-Zoom im Besonderen decken und auf der Stirnseite Bülow, links 
die Engländer und rechts die Vorhut Wintzingerode's sicli vom Leibe 
halten, welche auf dem rechten Rheinufer zwischen Köln und Neufs 
erschien. Diesem letzteren stand vorliiufig allerdinjc:;» mit dem Haupt- 
quartier in Cleve Marschall Macdonald entgegen; er verfügte über das 
die Besatzung von Mainz bildende 4. Korps Morand, das zwischen 
Nymwegen, Cleve und Wesel stehende 11. Korps (wovon 2 Divisionen 
die Besatzung von Wesel und Venbo bildeten und nur die 31. Division 
mit 6300 M., 1250 P£ und 18 Geech. för den Feldgebrancb fibrig 
bUeb), das zwischen Neu& und Köln stehende 5. Korps Sebastiani 
(3700 M„ 794 Pf., 14 Geseh.)^ femer ttber das 2. und 3. Beiterkorps 
(2434 M., 3046 Pf., 4 Gesch., bew. 2178 M., 2745 Pf. und 6 Geseh.), 
im Ganzen ttber 17000 Mann, davon 9—10000 im fireien Felde, und 
im AugenbUck von Wintzingerode's Eintreffen höchstens 7000 Hann. 

Nadi der dem Kri^sminister am 24. Dezember vom Kaiser er- 
teilten Anweisung über die Verteidigung Belgiens sollte Maison in 
enter Linie die Festung Breda wieder nehmen, alsdann vorwärts 
Antwerpen drei Lager für 30 —40000 Mann, durch Überschwemmung 
nnd Redouten geschützt, anlegen; gleichzeitig sollte er die feindliche 
Armee mindestens auf ganze Bombcnschufsweite von Antwerpen fern 
halten und seine eigene keineswegs von der Festung abschneiden 

860 PI Bald ventBrkte sich dureh Eonskiibirte Mauoii*« Haeht auf 14664 IL 

Infanterie und 1379 Pfeide. Ebd. LS. 181. Anm. — M Weil 1814. I p. 269 70. 
— -) Die geplante ZusammeiuietEuag dieses Korps findet sich in Corr. mil 
t IX. p. 8B. 

10» 



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134 



Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. 



lassen, sondern stets in der Lage sein, sich Torwärts derselben unter 
dem Schutse dar Redouten halten sn kdimeii^. 

Der Kaiser erläuterte seine Gedanken am folgendem Tage aus- 
fthrHch dem Kriegaminister für Maiaon; es heilst darin: „Es ist nicht 
anzunehmen, dais der Feind die Abrieht haben kann, die Festung an 
belagern, vidmehr rie nur in Brand zu sdnelsen oder was ein halbes 
Unglüdc sein würde, sie zu beobachten (masquer) und sich g^gen 
unsere festen Plfttze an der Nordgrenze foisubewegsn, . . . sind w 
sehwftcher als er, so ivird er wahrscheinlich die rechte Seite von 
Antwerpen durch die Gampine umgehen, Mecheln und Brüssel be- 
drohen und die Armee von Antwerpen in eine peinliche Lage ver- 
setzen. . . . Man mufs also von Tomherein «inen endgütigen Plan 
vorschreiben. Sollen wir Antwerpen seinen eigenen Kräften über- 
lassen? Soll sich die Armee auf Brüssel und allmählich auf unsere 
Nordf^renze zurückziehen, weil sie nur an dieser Grenze Über- 
schwemmunficii, Festungen und die Beihilfe einur thätigen, eifrigen 
Bevölkerung findet ? Wenn wir uns bis dorthin zeigen, so würden 
wir. abgesehen von dem Verlust Belgiens, einem Verluste von grofser 
Bedeutung, Besatzunpren in Antwerpen, Ostende, Nieuport und im 
Fort Imperial zurücklassen müssen. Die Armee wäre also aufser- 
ordentlich durch tote Kräfte beeinträchtigt. Der geeignetste Ent- 
schlufs ist also der, dafs die Armee vor Antwerpen bleibt, mit einer 
tüchtigen Besatzung in Bergen-op-Zoom u. s. w. „Diese Armee kann, 
so zu sagen, nicht Uoekirt werden. Aber, Antwerpen könnte noch 
so giolh sein, eine Armee würde die Unordnung hhiemtragen, darin 
ihre liiatkraft und ihre AngrifEBStellung verlieren und, wenn der Feind 
Bomben und Brandraketen hinein würfe, so würde die Verwirrung in 
der Stadt und in der Armee ihren Höhepunkt erreichen. Die natür- 
liche Stellung der Armee liegt in dem Baume zwisdien dem Kanal 
Herenthals und der Überschwemmung der Zitadelle, in einer Breite 
von 3000 Toiaen*^ u. s. w. Es folgen nun die näheren Angaben über 
die Verteidigungszwecke und Mittel. 

Das Unzureichende an Streitkräften suchte Maison durch uner- 
müdliche Thätigkeit zu ersetzen; vor allem sorgte er zunächst für 
VersorfTung der festen Plätze und der von ihm zu besetzenden Punkte 
mit hinreichenden Lebensmitteln auf lange Zeit. Die von Bülow Ende 
Dezember und Anfangs Januar angeordneten gröfseren Aufklärungen, 
bestimmt, seine gefährdete Lage — mit der Waal im Rücken — der 
Aufmerksamkeit der Franzosen zu verschleieiTi, erreichten in der That 
den Zweck, Maison von einem kräftigen tStois gegen Breda abzuhalten, 
indem die Kühnheit und Zuversichtlichkeit ihrer Ausluhrung m ihm 

Com miL DL p. 97. 



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Der Parteigänger Friedrich Ton Hellwig etc. 



135 



den Glauben erweckte, sie seien Vorboten pröfserer Untemohmunrien. 
Mit dem ihm nach Abfjabe clor Fcstiingsbesatzungen verbleibeiulen 
Rest bcschlofs er deshalb, zwar sich im Felde zu halten, jedes 
ernstere Gefecht jedoch zu vermeiden, vielmehr den Gegner uuauf- 
hdrlidi BQ beanrobigen nnd seine Pläne zu dnrdikFeazen. Am 
1. Januar schrieb er an Uacdonald, vm nicht Antwerpen wehrlos za 
macben, mttose er auf den beabsiofatigten Marsdi gegen Heixogen' 
boBch veniditen und sieh mit einer am 3. oder 4. vonranehmenden 
Atifklftrnng aof TQbnig begnügen. 

Maas nnd Waal nnmittelbar hinter seinem Ricken, Macdonald 
in semer linken Seite, Maison Tor sich, be&nd sich BOlow trotE der 
Schwäche des letzteren immerhin in einer peinlichen Lage, bevor 
Wintzingerode's Hanptkräfte nicht am Rheine vereint waren. Um 
einer Angriffsbewegung Macdonald's ungesäumt entgegentreten zu 
können, hielt daher BfUow 3 Divisionen seines Armeekorpe (12000 
Hann) um Breda versammelt, während die 3. Division zur Beob- 
achtung von Gorkum auf beiden Waalufem geblieben war. Bevor 
er zu weiteren Angriffsbewegunpien übern^infr. wollte rr die Ankunft 
des III. deutschen Bundeskorps unter dem Herzog von Weimar und 
die Wintzincerode's abwarten. Dieser setzte in sehr kleinen Märschen 
mit 17000 Mann seinen Vormarsch auf Diisseldorf fort, wagte aber 
angeblich wegen des Eisganges, nicht nur den Rhein selbst nicht zu 
überschreiten, sondern verhinderte sogar TschenÜBcbew, der dies be- 
absichtigte, daran. 

Bülow hatte am 31. Dezember die Führung seiner Vorhut dem 
Oberst v. Sydow, Brigade-Kommandeur bei der Reserve -Kavallerie 
übertragen; diese bestand^) aus dem 1. Leib-Hnsaren-Regt., dem 
Pommersohen Katienal-EaTidlerie-Rgt. , dem 4. Knrmftrldschen Land- 
welu>Kavallerie-Bgt., dem Easaken-Rgt Bychalow, dem Streifkorps 
Hellwig's, dem Jäger-Bat. Reiche, der JSger-Kompagnie Bltttdier, 
Vt reitenden Batterie t. Nenendort Gleichzeitig befahl das General- 
Kommando zn Bommel: 

„Der Ifigor Hellwig wird den 2. Jannar 1814 von TQbnxg nach 
Or.-Znndert maischizen, nm den M%jor Golomb abzulösen, der nach 
Anweisimg des Generals von Benkendorf einen Posten in Chaem gegen 
Hoogstraeten nehmen wird; Golomb ist anch der Atant-Garde unter- 
stellt." 

Hellwig empfing dieeen Befehl am Neujahrstage nach seinem 
Eintreffen in Tilburg, von wo aus er die hnke Seite des 3. Armee- 
koipB auiklärte nnd am 3. frtth 7 Uhr melden konnte, daia die 

>) Kr.A.IVC.ö31.ßl.l. 



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136 



Der Fkrteigänger Friedrich von Hellwig etc. 



Franzosen X131 Mann) am 2. frah Vt^ Uhr in aller Stille (das ftber 
4 Meilen südöstlich gelegene) Eyndhoven Terlassaai und sieh über 
Valkenwaard nach Bechtel (6 Meilen südlich Eyndhoren an der 
Straise nach Hasselt) gezogen hätten — 

Der Kri^;88chanplatz, auf dem sich die folgenden Ereignisse ab- 
spielten, war ein namentlich für die Verwendung der Reitttfii, 
äufserst schwieriger. Das linke Maasufer bei &eda und Antwerpoi 
bis zur Meeresküste von Nord-Brabant besteht aus einem Öden, im- 
fruchtbaren Haideland, welches von tiefliegenden Brüchen, Torfmooren 
und Sumpfstrecken durchzogen ist. Einen anderen, sehr w ohlhabenden 
Charakter zei^ das reicli aniicbaiito Land jenseits der Scheide: es 
wird nach allen Richtungen durch Hecken. Gräben, Kanäle und 
Dämme durchschnitten, wclclie letztere oft allein die Verkehrswege 
durch die feuchte Niederung bilden. Daher ist ein strenger Winter 
in jenen Gebieten die für militärische Operationen geeignetste Jahres- 
zeit, während bei Thauwetter das Land fast ganz ungangbar ist, 

In der ersten Hälfte des .lannurs 1814 herrschte trockene Kalu', 
welche durch starke Schneefälle und zuletzt durch liegcnvvettcr ab- 
gelöst wurde. Dabei standen alle Wege voll Schneewasser, unter 
welöhem die Eisflächen soldie Gl&tte annalunen, dalh Menschen nur 
mit grofser Mühe, Pferde überhaupt kaum sich fiortbewegen konnten. 
Im Fehmar nnd Mftrz wechselten Fh>st und Regen einander ab. Man 
darf diese VeifaSltnisse nicht aufter Acht lassen, wenn man ein 
richtiges Bild Ton den ungeheuren Schwierigkeiten der KriegfÜhrong 
in den Niederianden während eines WinterfeLdzuges gewinnen irilL — 

Am 3. Januar rückte Hellwig an dem ihm angewiesenen Plati 
in der Vorpostenaufetellung bei Gr.-Zundert ein mit dem Auftrags 
von dort aus noch die weiter östlich gelegenen Dörfer Meer, Morel 
und Mersel zu besetzen nnd nach rechts die Strafsen nach Kozendael 
und Etten zu beobachten, sowie sich mit den von Breda nach Bergen- 
op-Zoom vorgeschobenen Vorposten oder mit den Engländern in Ver- 
bindung zu setzen. 

Die Vorpostenaufstellung um Broda bestand aus drei Abschnitten, 
von denen zwei ihre Stirn gegen Süden, die dritte gegen Herzof^en- 
busch gerichtet hatten und die von den Rückhaltstellungen Gr.-Zundert, 
Chaem und Loon-op-Zantl nach vorwärts ausstrahlten. Der Hellwig'sche 
Abschnitt bildete den rechten Flügel und beobachtete die Strafsen 
nach Antwer})en über Westwezel und nach Hoogstraeten; der mittlere 
sicherte von Chaem aus gegen Turnhout ; in ihm waren vom 4. Kur- 
märkischen L.-K.-ligt. (V. Schmeüng) auiserdem die Orte Alphen, Gilzen 

*) Kr.A.IV.C.63.I.BL14, 



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Dvc Fteteigänger FHedrieh von BtXMg ate. 



137 



und Riol in voidenter Linie besetzt. Im linken Flfigelabsclimtft hatte 
du Pommenche NKt.-E.-Bgt. Elzhout mit 2 Schwadronen inne und 

Posten nachVlymen, Ciomvoirt und Helvoirt voigesohoben; dahinter 
staud in Loon-op-Zand eben&lls eine SchN\ :idron, die Jfiger-Eomp. 
Böttcher, 3 Komp. des Bat. Reiche und die halbe Batterie; noch 
weiter rückwärts in Dongen standen 2 Komp. Reiche, 3 Schwadr. 
Leib-Husaren (v. Sandrart), eine in Dorst mit Feldwachen bei Weersel. 
Zur Verbindung zwischen dem mittleren und linken Abschnitt stand 
zu Tilburg der schon im Abmarsch nach dem Rhein zu Wiiitzinf^erode 
begriffene General Benkendorf mit Reiterei und reitender Artillerie» 
mit Infanterie in IJdenhout und mit einem Kasakenpulk in Meer. 
Colomb war mit sumcr Reiterei nach Gilzen, mit der Infanterie nach 
lieyn zurückgezogen worden. 

Hellwig's Abschnitt hatte, ohne Rücksicht auf die rechte Seite, 
eine Ausdehnung nach der Stirnseite von über L^V^ Meilen, in der er 
mit seiiiLUi schwachen Bataillon und 4 Schwadronen die Stellung von 
Breda decken sollte, eine Aufgabe, die wahrUch keine leichte war, 
wenn man sieh vergegennftriigt, dafii nach dieser Richtung Maison 
seine Hauptkräfte^ 10 Batsillone^ 12 Sdbwadronen und 18 Gesöhfttm 
in Hoogstraeten und Braaschaet zu stehen hatte. Sofort nadi Be- 
setzung seiner Stellung hatte sieh Hellwig durch einen Erkundongs- 
ritt davon übenseugt, dais, vfihrend seine reehte Seite durch den 
morastigen Boden am Tnrfvraart ziemlich gesichert mur, er auf semen 
linken Flttgel die grölste Aufinerksamkeit verwenden mttibte, um nicht 
auf den zahlreiohai von Hoogstfaeten nach dem in seinem Biidcen 
liegenden Dorfe Rysbergen führenden Wegen umgangen und von 
Breda abgeschnitten su werden. Zu schwach, um alle zu besetzen, 
stellte er auf den Hanptwegen nach Meer, Merel und Mersel starke 
Kavalleriepostcn auf und sicherte den ersten als wichtigsten noch 
durch eine stärkere Infanterieabteilung; Meer und Mersel besetzte er 
zunächst nicht*); in Merel stand ein Kasakenposten von 40 Mann. 
Seine Hauptkräfte hatte Helhvif^ in Gr.- und Kl.-Zundert. Der Vor- 
postendienst war im höchsten (irude anstrengend, da das durch- 
schnittene Gelände, „in welchem die Felder mit Hecken und Gräben 
umgeben und mit Büschen untermischt waren, die freie Umsicht sehr 
erschwerte -)." 

Durch seine Aufstellung vorwärts Antwerpen, suchte Maison nicht 
nur diesen Platz zu decken, sondern auch seine Verbindung mit 
Bergen-op-Zooni aufrecht zu erhalten und sowohl die Bewegungen 
der Englander bei liozendael, als die der Preufsen um Breda zu über- 

>) Kr. Ä. ly. G. 71. BL19. - Gros. 8.92. 



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138 



Der Flurtelgänger Friedrich von Hellwlg eie. 



wachen. Zo diesem Zwecke enlaaiidte er am 3. Januar drei Auf- 
Jdftnuigs-Abteiliuigen auf Breda, die eine von Hoogatraeten auf Meile, 
die sweite auf Meer und Mersel, die dritte Ton Loenhont auf Gr.- 
Zimdert Nur die Kaaaken in Meer scheinen angegriffen worden zu 
sein; HeUwig wurde durch die Aufklärungen gamicbt berührt; denn 
er meldete am folgenden Nachmittage, dafs das Ereignifs in Meer 
nur eine starke Erkundung gewesen sein könne, da sich in der feind- 
lichen Aufstellung in Hoogstraetcn und W^w^el nichts geändert 
habe, auch seine Streifen unverindert zwischen Loenhont und Minder- 
hout gingen. 

Gleichzeitig mit diesen Aufklärungen hatte Maison dem Major 
General Berthier gemeldet, dafs er das vom Kaiser ihm nahegelegte 
angriffsweise Verfahren gegen Biilow durch einen Vorstofs auf Gorkum 
unmöglich wagen könne, wenn er nicht dadurcli Antwerpen gänzlich 
entblöfsen und die auf jene Feste entsandten Truppen der Gefahr, 
völlig von dem grofsen Waffenplatz abgeschnitten zu werden, aus- 
setzen wollte. In Erwartung weiterer Verhaltungsbefehle würde er 
zur Erforschung der feindlichen Stärke eine gemischte Abteilung übör 
Chaem auf Tilburg vorsenden. 

Am 4. und 5. fiel nidits von Bedeutung bei den Vorposten vor. 
HeUwig, der am enteren Tage Morel und Mersel hatte besetaen 
lassen, hatte wegen der grolaen Ausdehnung seiner Stellung fast 
immeiibrt 200 Pferde in ununterbrochener Ih&tigiEeit und bat wegen 
disses Überaus anstrengenden Dienstes um AUOsung seines Postena 
in Morel durch andere Reiterei. Am 4. wurde der in Meer vom 
Laib-Husaren-Begiment vorgesdiobene Posten unter Li Sander an- 
scheinend durch französische Infanterie und Ulanen alamirt; es stellte 
sich aber bald heranS| dafs es das im Anmarsch begriffene Colomb'sche 
Streifkorps war. Später aber folgte in der That ein feindlicher An- 
griff auf Meer, wodurch Lt. Sander aus dem Dorfe verdrängt und 
innerhalb desselben vom Gegner ein Versteck von In£uiiterie gelegt 
wurde. Am 5. Abends wurde der Ort seitens dessen verlassen ge- 
funden, aber auch von Sonder nicht wieder besetzt, so dafs er zwischen 
den beiderseitigen Vorposten liegen blieb und von ihnen nur ab- 
gestreift wurde. Nach einer Meldung Hellwig's vom 5. Nachmittags 
IV2 Uhr stand zu dieser Zeit ein Offizierposten seiner Truppe bei 
Meer; als diesen HeUwig bei seiner weit vorgeschobenen und ge- 
fährdeten Lage gegen die Neckereien des Feindes am Morgen des 6. 
durch 40 Mann Infanterie selbststiindiger machte und, auf diese ge- 
stützt, die Husaren bis an tiie Linie der sie mit Feuer empfangenden 
und dann zurückweichenden feindlichen Vedetten vorrückten, hatte 
dies sofort das Vorgehen einer feindlichen Schwadron um Mittag zur 



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Der Parteigänger Friedrich von Hellwig etc. 



139 



Folge, velöhe Ins Heer Tonrfiekte, T<m dort smrfickgeworfen und 
wiederum Ine an die eigene VedettenÜnie von den Huseren verfolgt 
wnrde. Nadidem der Offizier alsdann sein hinter Meer gelegenes 
Biwak meder bezogen und die In£uiterie in den lebten Häusern des 
Dorfes selbst zurückgelassen batte, griff der Feind letzteres V4 Stunde 
sp&ter mit zablreicher Infiuiterie und Reiterei an und warf die 
Hellwig*SGlien Truppen zurück. IMeselben nahmen, als der Feind in 
seine alte Stellung gegen Abend zurückgegangen war, ihre Stellung 
wieder ein^); die Infanterie hatte 1 Todten und 2 Verwundete; 
außerdem blieb 1 Pferd todt. 

Nacbmittafjs waren Tlellwigs Truppen folgendermafsen verteilt: 
seine Hauptkräfle in Gr.-Zundert; vorgeschoben: in Wemhout 1 Offz. 
40 Pf. und 20 Fufsiäger, in Meer 1 Offz. 40 Pf. und 1 Offz. 40 Fufs- 
jäfrer. in Merel und Hersel je 1 Offz. 30 Pf., aufserdem an einio;en 
Brücken kleine Posten von Reiterei und Infanterie ohne Vorposten. 
Nach dem von ihm eingezogenen Nachrichten sollten zwischen Hoog- 
straeten und Loenhout 1^ — 4000 M., in letzterem Orte selbst 4 — 500 M. 
Infanterie und 50 Reiter, in Westwezel 2 — 300 M. Infanterie und 20 
Reiter stehen. Da Oberst-Sydow Hellwig auf ein Unternehmen gegen 
letzteren Ort besonders hingewiesen, hatte dieser" sein besonderes 
Augenmerk darauf gerichtet und erkannt, dafs dagegen ohne unver- 
hältnifsmäfsige Opfer nichts au.szurichten sei, da das von der Natur 
an und för sich sehr begünstigte Dorf noch durch Verhaue und eine 
an der Straß» nach Breda angeworfene Schanze verstiikt worden 
sei Die Hellwig'schen Stirkemeldungen werden im Allgemeinen 
zutreffend gewesen* sem; etwas abweichend lauten die Ton Sandrart 
am g^ekshen Tage eingezogenen Nachrichten, wonach allerdings Hoog- 
straeten ebenfiüls von mehreren tausend Mann besetzt sein soUte, 
eine Angabe:, die er aber für ^anscheinend übertrieben*' hftlt;" jeden- 
fells bestünde die Besatzung nur aus konskrihirter In&nteria und 
höchstens 2 Schwadronen polnischer (?) Ulanen; die gesammte Reiterei 
zählte überhaupt nur 4 — 6 Schwadronen Pariser Husaren und Polnischer 
Ulanen; au&erdem wäre noch Merxplas mit 100 M. Infanterie und 
50 Reitern, sowie Tumhout besetzt. Welchen Wert die fernere Nach- 
richt, dafs der Feind Anstalten treffe, Antwerpen zu räumen, hatte, 
werden die Ereignisse der nächsten Zeit zeigen. 

An diesem Tage ging Bülow die Nachricht von dem nm 4. er- 
folfzten Abzüge Macdonald's aus Nvmwegcn und Cleve zu. In der 
Befürchtung, dafs er gleichzeitig von Wintzingerode auf der Stirnseite 
angegriffen und ihm von den um Breda versammelten Preulsen der 

») Kr. A. IV. C. 53. I. Bl 47. 



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140 



Der Parteigänger Ftiediieh too HeUw^ eCe. 



Rückzog abgesdmitteii werden könnte, zog der Maraohall es vor, 
eine weiter zurüokgelegene AufetoUung zwischen Geldern und Venloo 
za nehmen. Auf diese Botschaft schob Bttlow das Golomb'sche Streif- 
korps über Tilburg (am 7.) undEyndhoven (8.) gegen die Maas Tor*). 

Aufklärungs-Gefeclite am 7. Januar 1814, 

Wir haben schon mehrfach hervorgehoben, mit wie bedenklichen 
Augen Hellwig seine Vorpostens t oll iirifi betrachtete, wie er mehrfach 
Vorstellungen dagegen gemacht hatte und wie er nur zögernd erat 
auf ausdrücklich wiederliolte Hofehle (die er in seinem Privatta^'cbuch 
mit dem Ausdruck „unvernünftig" kennzeichnet) den äufserst ge- 
fiihrdeten Posten zu Meer besetzte. Gcwifs war die Stellung dadurch 
eine sehr ungünstige, dafs sie durch die Aa mit ihren morastigen 
Ufern senkrecht in zwei Abschnitte geteilt wurde, welche sich gegen- 
seitig kaum unterstützen konnten. Gelang es dem Gegner, von Hoog- 
Straeten vordringend, sich schnell in den Besitz von Merel und Mei*sel 
zu setzen, so stund er Breda näher als die in (ii.-Zundcrt stehenden 
Truppen und konnte diese auf den zahlreichen nach Uiesbergen 
föhrenden Wegen von ihrem Rückzüge nach der Festung abschneiden. 
Die grölste Anftaerksamkeit war unausgesetzt geboten, üm dies za 
verhüten. Im Falle eines Angriffs des linken FlfigeUhschnittea aber 
konnten 'sich die Truppen desselben niemals an die Hauptabteflung 
der Vorposten bei Or.-Zundert heranziehen, sondern mulsten den 
Rückzug auf Breda nehmen. 

Hellwig sollte sich in seinen Befürchtungen nicht getäuscht habeil. 
Am 7. führte Ifaison die unter dem 3. dem Miyor-General als be- 
absichtigt gemeldete Aufklftrung aus, aber nicht bü» über Chaem und 
Tilburg, sondern auf der ganzen Linie, nach Aussagen von Über- 
läufern war 68 dabei hauptsächlich auf Hellwig abgesehen, um die 
Stärke der Besatzung von Gr.-Zundert genau zu erforschen, sollten 
2000 M. Reiterei dagegen zur Verwendung kommen, von denen 800^ 
gegen den Ort vorgehend, die Preufsen herauslocken und gegen einen 
von den übrigen 1200 gelegten Ilinterlialt führen sollten. 

in aller Frühe erhielt Hellwig die Meldung, dafs der Feind seine 
sämmtlichen Posten eingezogen habe, was ihn zu doppelter Auf- 
merksamkeit veranlafste. Als es tagte, um ., Uhr, wurde er von 
\Vost\ve?:el aus an der grofsen Stralse angegritlen; clie bei Wernhout 
stehende Feldwache warf zwar durch Infanteriefeuer die feindlichen 
Heiter zurück, muistc aber vor der nachfolgenden Infanterie auf 
Gr.-Zundert zurückweichen. Kapt. Kielburger warf sich mit seiner 

1) WeU 1814 L p. 37«. - Er. A. IV. a M. BLfi8. 



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Der Faiteiginger Friedrich von Hellwig ete. 



Ul 



Jäger-Kompagnie dem in letzteren Ort eingedningenon Gegner ent- 
gegen, wurde aber durch überlegene, ihn seitwärts iiiiifieliende Kräfte 
wieder hinausgedrängt; trotzdem gelang es ihm durcli uinen zweiten 
thatkräftigen Angrifif, Gr.-Zundert nochmals zu nehmen, allerdings 
unter nicht unbedeutenden Verlusten, darunter den Lt t. Davier, 
der enohoesen wurd«. 

Anfangs war es für Hellwig der trüben Witterung wegen moht 
kicbt za erkennen, ob der von Westweeel gegen üm gerichtete An- 
griff ein ematlicber wttre, oder ob es sidi hier nur um eine Täuschung 
handelte. Jedenfiüls wurde er nicht ndt solcher Kraft durchgeführt, 
dals man mit Bestimmtheit annehmen muiste, man bitte hier starke 
Tmpfiennaasen Tor noh. Als nach einiger Zeit Ton seinen Posten sn 
Meer, Morel und Mersel übereinstimmende Meldungen eingingen, dafs 
der Feind von Hoogstraeten mit grofser Überlegenheit — es hiels 
4—5000 Mann, 1 Kanone und 1 Haubitae — im Anmarsch sei, war 
es nicht mehr zweifelhaft, dafs er gegen Gr.-Zundert nur einen 
Scheinangriff ^'eiuhrt hatte und beabsichtigte, sich der Torgeechobenen 
Posten Hellwig's in seiner linken Flanke zu bemächtigen, von da auf 
Riesbergen vorzudringen, und dessen Hauptkräften den Rückweg auf 
Breda abzuschneiden. 

Gegen 9 Uhr wurde Lt. Triebenfeld in Meer von G Bataillonen 
und 8 Schwadronen Ulanen angegi'iffen, aus dem Dorfe geworfen, 
durch Mersel gedrängt und darüber hinaus verfolgt; gleichzeitig wurde 
auch der in Merel stehende Offizierposten zum Verlassen des Ortes 
genötigt. Die Meldungen hierüber und das Vordringen des Gegners 
über die drei Dörfer hinaus gegen Ilieshergeu, voranlafsten Ilellwiif, 
sich um Mittag bis zu diesem Dorfe zurückzuziehen, wodurch ilim 
wenigstens der Rückzug auf Breda gesichert war. Dorthin hatten 
skh inzwischen die Hellwig'schen Truppen aus Meer, Herel und 
Hersel zurückbegeben, während der Gegner auf Biesbergen und auf 
dem Ton Hersel ans nSrdlich ersteren Dorfes auf die groise Straifae 
Antwerpen-Breda fthrenden Wege in groiser Stftrke Tordrang. Auf 
der Stirnseite von Gr.-Zundert gedrängt, in seiner linken Seite be- 
droht, nicht im Stande des morastigen Gelfindes wegen von seinen 
Husaren Gebraudi zu machen, mulste Hellwig sich entschlielben, 
seine den ganzen Tag im Gefedit gewesene Infenterie surüdounehmen 
und trat den Abmarsch auf die Festung nach 2 Uhr Nachmittags 
an, wozu ihn der holländische Gouverneur, General v. d. Plaat, mit 
dem er durch tägliche regelmäfsige Meldungen in Verbindung stand, 
angewiesen hatte. Der Feind folgte ihm durch das brennende Ries- 
bcKgen eine Strecke auf Breda, jedoch mit schwachen Kräften und 
sehr forsichtig, da er nach den Aussagen der Überläufer, eine ähn- 



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142 Der Parteigäager Friedrich von Uellwig etc. 

liehe Falle von Seiten Hellwig's befürchtete, wie er ihm zu legen 
beabsichtigt hatte. Dieser zog sich um 3 Uhr mit seinen Haupt- 
kiaften in die Festung zurück, liefs aber vor derselben beim Dorfe 
Hage eine gemischte Feldwache stehen, deren Streifen gegen Abend 
meldeten, dafs der Feind Riesbergen geräumt habe und 2000 Mann 
stark zwischen dissem Ort und Gr.-Znndert unter Besetsliialtimg des 
Städtchens Mwakire. Darauf rückten die Husaren wieder Ms Ries- 
bergen vor, während die In&nterie der Fddwache als Rttokhalt über 
Nacht in Hage bfieb. Als am späteren Abend die Franzosen auch 
Gr.-Znndert räumten und auf Westwesel absogen, folgten ihnen 
Husaienstraifeik bis dorthin; auch gegen Merel und Hersel schickte 
HeQwig über Nacht wieder Abteäungen Tor. Seine Verluste be- 
standen in: 1 Husar 3 Pf. tot» 2 Husaren, 2 Pf. verwundet, von der 
Infanterie 1 Offs. 5 M. tot, 13 M. verwundet, 6 vermifst. — 

Als gegen 9 Uhr Vormittags der Hellwig'sche Offizierposten aus 
Merel verdrängt wurde, blieb der rückwärts in Chaem stehende Rittm. 
Eichhorn vom 4. Kurmärkischen L.-K.-Regiment mit der gerade zu 
seiner Ablösung eingetroflTenen 3. Schwadron daselbst stehen, streifte 
{jegen Merel und Alphen, wo 1 Offizier mit 20 Pferden desselben 
Rej^iments stand. Als letzterer von 60 — 80 französischen reitenden 
Garde-Chasseurs bedroht wurde, wich er eine Strecke zurück. In- 
zwisclien hatte der Rcgiments-Konnnandeur Maj. v. Schmeling die in 
Gilzen stehende 1. Schwadron bis halbwegs Chaem als Rückhalt vor- 
rücken lassen und ritt selbst gegen jenen Ort vor, aus welchem ihm 
aber schon Wehrreiter mit der Nachricht entgegen kamen, sie hätten 
vor der (ibennacht des eingedrungenen Feindes weichen müssen. 
Schmeling vereinigte N'achmittaf^s nun seine 3 Schwadronen und stellte 
sie seitwärts des Weges in günstigem Gelände unter Vornahme von 
Plänklem auf. Über 300 firaozSsisdhe Ulanen und CShasseurs hatten 
sich in dem am Dorfe gelegenen Gehöbs aufgestellt, wagten sich aber 
nidit heraus, sondern sogen sich bald in das Dorf und V« Stunde 
später auf If erel und Hoogstraeten zurück. Da Merel von den 
Hellwig'schen Husaren nicht wieder besetsiwurde, so be&hl Schmeling 
der in Chaem bleibenden Schwadron, dorthin und nach Hersel zu 
streifen, Nachts aber nicht im Dorfe, sondern auf der Ebene am 
Wege Ghaem-Gilzen zu biwakiren. Die dem Feinde bis Meer ge- 
folgten Streifen meldeten, dafs nach Aussagen von Bewohnern crsterer 
dies Dorf ausgeplündert und fttr den 8. in Merel 500 Brote bestellt 
habe. Die in Alphen eingedrungenen Chasseurs waren ebenfalls nach 
einigen Stimden in der Richtung auf Weide abgezogen, worauf der 
preuünsohe 0£Gaer ersteres Dorf wieder besetzte. Die Kurmärker 
verloren an diesem Tage 2 Mann und 4 Pferde tot, verwundet und 
vennilst 



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Der Parteigänger Friedrich von Heliwig etc. 



ua 



Auch gegen Tilburg gmg von Turnliout aus Nachmittags 1 Uhr 
eine feindliche, aus Infanterie und Reiterei bestehende Abteilung zur 
AnfklSnuig vor; während Ton Loon-op-Zand 1 Offizier mit 1 Zuge 
Jäger Tom BftCainon Reiche nach jenon SUdtolien Torgesdiobeii winde, 
ging die 3. Schwadron Pommerschen Nat-Kav.-Begiments unter Bittm. 
Chartron dem Feinde entgegen, griff ihn an nnd warf ihn über Goirle 
nnd Poppel gegen Weide zu, wo 200 nnter Oberst Melnikow ein- 
treffende Kasaken mit ihr yereint einen nenen Angriff nntemahmen 
nnd die Franzosen mit einem Verlust yon 70 GefiEmgenen auf Tnm- 
bont lur&cktrieben. Im Begriff, in der DonkeUieit auf Tüburg zurück- 
snkefaren, stieis die Schwadron auf etwa 40 ton einer Umgehunga- 
bewegong zurückkommende Heiter; in dem entbranntm Eampfo 
wurden die meisten der letzteren niedergemacht, der Best zerstreut. 

Der Feind hatte mit seinen Aufklärnngsrersuchen vom 7. inso* 
tm mdkt viel erreicht, als er von den preufsischen Hauptkräften 
nichtB zu sehen bekommen hatte und sein Versuch, deren Vorposten 
zu überfallen, mifslungen war. Heliwig war sehr befriedigt davon, 
dafs es ihm f2:ohinficn war, der ihm vom Feinde gelegten Schlinge 
rechtzeitig zu entschlüpfen. Nur dem zu frühzeitigen Angriff auf 
seine Ilauptstellung von Westwezel her, bevor die feindlichen Um- 
gehungsabteilungcii weit genug vorwärts gekommen waren, und dem 
dadurch rege gewordenen Argwohn Hellwig's glaubt er es zu ver- 
danken zu haben, dafs er nicht vollkonmien aufgerieben wurde. „Ich 
kann es ehiem grofsen (lliicke zuschreiben, dafs, angegrift'en von allen 
Seiten durch eine grofse Übermacht, mein Verlust nicht viel bedeuttiiider 
wurde." So heifst es in seinem Kriegstagebuch, und im Privattage- 
buch: „Auf diese Art kam ich dann noch mit Ehren aus diesem 
schlimmen Handel; jedoch ward ich Tom Feinde sehr zugesetzt und 
bis gegen Breda zurückgedrängt.^ 

In seiner Meldung vom 8. früh 8 Uhr ans der Festung an Sydow 
kam Heliwig mit greiser Bestimmtheit und Klarheit auf die in der 
Aufstellung liegenden Ursachen zurück, aus denen dem Feinde sein 
gestriges Vorgehen möglich geworden war. Hellwig's Infanterie reichte 
kaum hin, um den von allen Seiten zugänglichen Ort Qr.^Zundert 
zu sichem; für Beiterei sei das Gelände fast durchweg untauglich. 
Er würde allerdings seine Stellung wieder einnehmen, müfste Sydow 
aber dringend auffordern, dafs, „wenn er trotz aller Anstrengung 
und Wachsamkeit nicht alle Ehre und Keputation Teriieren soUe'^O) 

^) Colomb sagt in seinem i'age buche: „Meinen Posten Obernahm Major 
Heliwig. Or.-Zttndert verliels idi, sehr froh darCber, Hafk ich ohne Verlust 
oder Unfall aus dieser Stellung abzog, in der ein einigonnalBen gut angelegter 
Überfall geftiirüch werden konnte.** 



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144 



Der Parteigüugcr Friodrich vua Hellwig etc. 



jener dafiir soigen mflfste, Meer, Menl und Mersd Ton «nderen 
Toppen und swar stark, namenüich mit Infiuitene, beBetsen sa 
lassen^). 

Kach den Aussagen der Ge&ngenen und Überiftofer standen am 
7. in nnd bd Hoogstraeten 4000 M. Infiuiterie und 3000 Beiter, 
meist junge Kouskribirte mit 7 — 15 bauptsKcUieb reitenden GesohflUsen 
unter OberbefeU des Brigade-Generals Hinot; die aus den 2. und 14. 

Voltigeurs und 13. Tirailleurs der Garde bestehende In&nterie stände 

unter Ob. Rip^non; Ob. Ledere Tom 2. Garde-Lanciers-Regiment be- 
fehlige die Reiterei: 2. Chasseurs de la ß:arde ä cheval, 1. und 2. 
Lanciers de la garde, 1 Begynent Gardes d'honneur und 150 Mame- 
lucken. Die Vorposten, welche sich bei iibermftditigem Angriff auf 

Westmaele zurückzuziehen hätten, erstreckten sich von Loenhout 
(1 Bat. lOO Pf.) über Terbeck (150 M. 10 Pf), Vessingen (200 M. 
20 Pf) nach St. Leonhard (l. Bat. 100 Pf.). In Westwezel ständen 
gegen Bergen-op-Zoom 800 M. Infanterie, etwas Roiterei und 2 Ge- 
schütze; in Hoogstraeteu sei das Hauptquartier, die Hauptmasse der 
Infanterie, die Chasseurs der Garde, Gardes d'honneur und Manie- 
luckeUj in Brecht die Lanciers, in Brasschaet der Artillehepark 



Nadidem Billow in Erfahrung gebracht, dals die feindlichen 
Hauptkrftfte ihm sehr nahe — Dirision Bognet bei Weslveael und 
Hoogstraeten, Brigade Aymavd bei Tumhout, die Beserven bei Bras- 
schaet — versammelt waren und da nch Macdonald noch immer in 
seiner linken Seite befiuid, so mulate er befürchten, dafe Maison seine 
Trennung von Wintzingerode durch den Bhein benutzen, ihn an- 
greifen und gegen die durch den Eisgang unüberscfareitbare Waal 
werfen würde. Dieser MögHchkeit ^zedachte er ▼orzubeugen, indem 
er selbst angriffsweise verfuhr. Vorbereitet hatte er sein Vorhaben 
dadurch, dafs er leichte Truppen (Colomb) gegen die Verbindungen 
der den äufnersten rechten Flügel l^Iaison's büdenden Brigade Aymard 
mit Ma« (lonald in der Richtung auf Turuhout, Roermonde und Venloo 
entsandte, mit dem besonderen .\uftrüg, vorzütjlich darauf zu acliten, 
ob eine Vereinif^un«j der beiderseitigen Streitkräfte bezweckt würde''). 
Er beschlüls, die Ötellung Tumhout-Iloogstraeten anzugreifen, deren 

') Kr. A. IV. C. 53. 1. Bl. 68. — Kr. A. IV. C. 56. Nach Vaud. 18U, 
I. p. 206 hatte Roguet mit der Bri|ir. Flament den Flecken Hoogstraeten b»* 

setzt; 2 Bat. standen in Westwezel nn i I.oenliout, die Brig. Aymard in Turn- 
hout, Div. Lefpbvres-Desnofttes zwischen Turnhuut und Brecht, Gen. -\rnbert 
mit 4 Bat. 200 Pf. zu Dunk und Brasschaet, Gen. Castex zu Lier, Div. Barrois 
in Brüssel. — ») Dam. I. S. 357. 



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Der Parteigiiigtr Friedrich von Hellwig etc. 



145 



Mangelhaftigkeit als Kampfstellung mit ihrer einzigen rückwärtigen 
Verbindung auf Antwerjten Maison nii bt entgangeu war, die er aber 
doch zu halten sich genötigt sah, um sich selbst zu verpilegon und 
um von Turnbout ans Herzogenbusch bedrohen zu kCnnen. Um seine 
lecbte Seite und den Rüoken gegen fiaindliche Reiterei ssu sichern, 
hatte er lier tob Brüssel aus besetsen lassen. 

Sydow war bereits am 7. ein Sdireiben des Generalstab»X«he£B 
von Boyen zugegangen, worin ihm BfUow's Ahsidit mitgeteilt wurde, 
dieser wolle die fsindlidie hnke Seite zu umgehen versuchen, um den 
Gegner dadurdi von Antwerpen abzudrftngen. Am 8. solle das Armee- 
korps nach TorwSrts vereinigt werden, aber so, da& jmer davon nichts 
SU bemerken im Stande wftre^ weil er sonst sifib g^ch auf die 
Festung suräcksieben wSide. Deshalb sollte sich die Vorhut in der 
Weise nach vorwärts zusammenschieben, dais die ftulsersten Vorposten 
unverändert stehen bliohon. 

Nachdem im Laufe des Vormittags die Dörfer Meer, Merel und 
Hersel von beiden Seiten unbesetzt geblieben waren, nahm üellwig 
am 8. Mittags seine alte Vorpostenstellung in ihrer ganzen Aus- 
dehnung, ebenso wie der Feind die seinige wieder ein. Nach der 
Meldung einer llellwig'sclien Streife des Postens in Mersel standen 
am 9. Morgens bei Hoogstraeteu 1000 M. Infanterie und 800 Reiter. 
Seine 1 Uoffz. 8 Husaren starke Feldwache in den ersten, am Aus- 
gange nach Breda gelegenen Iläusein von Meer beobachtete eine 
feindliche Abteilung von etwa 100 M. und 10 Pf., welche durch das 
entgegengesetzte Ende des Dorfes bis zur Brücke vordrang und dort 
stehen blieb, während 2 Stabsoffiziere sieh nach der in der Mitte des 
Urts befindlii bun Windmühle vorbegaben und Umschau hielten. Nach 
kurzem Aufenthalt ging die ganze Abteilung wieder auf Minderhout 
zurück. 

Hellwig wurde von Bülow angewiesen, hauptsächlich gegen Hoog- 
Straeten von Gr.-Zundert aus zu streifen und ihm unmittelbar zu 
melden. Am Nachmittage erfolgte endlich die beantragte Ablesung 
der in Meer, Merel und Mersd stehenden HeUwig'schen Posten durch 
andere Truppen. Am Abend war die Verteilung der Vorhut unter 
g^dow nachstehende: Hellwig*s Streifkorps in Gr.- und Kl.-Zundert, 
beobachtet und streift gegen Westwezel und Uber Meer gegen Hoog- 
straeten; Maj. Zastrow mit 2 Schwadronen Pommerschen Nat.-Kav.- 
Rgts. mit Vor [Osten in Mersel und Streifen gegen Meer; Maj. Dallmer 
mit 2 Schwadronen Leib-Husaren und 1 Jäger-Komp. Reiche in 
Strybeck mit Vorposten in Merel, 1 ßeobachtungsposten in Mersel 
und 1 Verbindungsposten gegen Chaem; das 4. Kurmärkische L.-K.- 
Regiment in Gilzen mit Posten in Chaem und Alphen. Dahinter 



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U6 



D«r Parteigänger Ftiedzidi TOn Hellwig eto. 



sfeandeD in zweiter lioie znr Unteretütraiig: in Bavel 3 SdnradroiMa 
Leib -Humen, 2 Komp. JSger, Vt reitende Batterie, in TiHroig 
1 Schwadron PemmerBolienNat-KaT.-Bgts. und 8 JSger-Komp. Beiche 
mit Poeten in Oosterwjk, Goirle nnd Riet Die beiden Kaaaken- 
Regimenter unter Mefaiikow waren am 9. nach £yndho?en marsohiit, 
mit der Beetimmung, von da aus ilie Verlnndung zwischen Tamhont 
nnd Koemonde (an der Maas) zu bedrohen. 

Spät Abends erteilte Büluw die Anordnung, dafs bei dem für 
den 11. Torgesehenen Angriff Hellwig's Truppen zu der auf der liaupt- 
strafse gegen Westwezel vorgehenden Kolonne Thümens, Sydow mit 
der Vorhut zu der links gegen Hoogstraeton bestimmten Kolonne 
ßorsteU's stofsen sollte, dementsprechend Sydow am 10. Abends unter 
mögUchst geringer Veränderung der Vorposten nach Merel zu rücken 
und Borstell sich in Strj'beck und Chaem zu versammeln hatte. 
Melnikow's Kasaken sollten nach Poppel rücken und gegen Tumhout 
und Eyndhoven beobachten. Im Laufe dos 10. marschirten die 
Bülo^^■"schen Divisionen aus der Gegend vun Bommel nach Breda 
vor. Dort hatte Hellwig mit Bülow eine /usammcnkuuil, bei welcher 
er letzterem nähere Aufschlüsse über die leindliche Stellung und die 
zu ihr führenden Zugänge geben mulste und der Augri£[aplaji be- 
sprochen wurde. 

MaiBon meldete an diesem Tage dem Kriegsminister die Zu- 
aanunenziehung der Bfilow'schen Difisionen mit 1000 M. bei Breda 
und hob die Torgeechobene Stellung seiner Vorhut „unter einem ge- 
Viesen M%jor Hellwig" in 6r.-Zundert mit 400 PI und 800 II. 
Inüsnterie her?or, der, trotzdem er am 7. zurückgeworfen, doch am 
8. wiedergekehrt wäre, was er nicht gewagt haben würde, wenn er 
nieht Unterstützung hinter sieh hätte. Maison beabsichtigte daher, 
die Division Boguet bei WestmaUe zu vereinigen und die Orte Hoog- 
Btraoten, TiOenhout und Westwezel in erster Linie durch seine Reiterei, 
auf etwas Infanterie gestützt, bewachen zu lassen; 2 Bataillone des 
sogenannten 1. Korps stellte er in Brasschaet und Donck auf, wonach 
noch 3 Bataillone als ganze Besatzung in Antwerpen bliebot 
10 Schwadronen, 2 Bataillone und 2 Geschütze ständen in 
Turnhout mit dem Befehl, im Falle des feindlichen V^ordringons 
auf Herenthals (5 Meilen östlich Antwerpen) zurückzugehen; 
die Generale Barrois und Castex wolle er auf Lier heranziehen^). 
Zu dieser Mafregel wurde er durch das Vorrücken der leichten feind- 
Üchon Reiterei gegen seine rechte Seite und durch eine taUclie Nach- 
richt veranlafst, welche ihn zu der Ansicht führte, Bülow beabsichtige 
über die Campine auf Diest zu marschiren*). Trotz dieser Täuschung 

») W«ü 1814. 1. p. 278. — *) Dam. l. S. 368. Vwid. 18U. 1. p. m 



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Die Operationeii mit Mann<mheeren etc. 



147 



dnreli mmohtige Heldimgen Uber StSxke und Abeichten des Feindea 
ist es doch imb^graifliGh, ine MaaBon gUnben konnte^ dals der 
preuläsohe Haiipt8iigri£F in der Biöhtaiig auf Diest und Löwen statt- 
&idea und dals Bfilow fireiirilBg auf die Oemeinscliaft mit den Eng- 
lindem Teizichten und sich bei seiner Sehwfiohe dem ümiklstwerden 
aussetzen würde. Im AnschlufB an obige Heidung sprach MalM>n 
zum ersten Male seine Ansicht dahin aus, man müsse Antwerpen 
taeinen eigenen Verteidigungsmitteln überlassen, Belgien aufgeben und 
er mOsse sich auf das Festnngsnetz von Lille zurückzieheii. Man 
erkennt aus diesen Anordnun^on, dafs Maison gamicht daran dachte, 
flieh auf einen entscheidenden Kampf einzulassen. 

(Fortsetzung folgt.) 



Die Operationen mit Massenheeren in den Kämpfen zn 

Anfang und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 

Von 

Hudike» Oberst %, D. 
(FortselBitDg.) 



In den folgenden Jahrzehnten sehen wir die Kriege in Europa 
nicfat mehr mit derartigen Anstrengungen und mit solchem gewaltigisn 
Aufgebot von Kräften geführt. Erst als der KeffSs des korsischen 
Eroberers, Napoleon m., den alten Kampf zwisdien Frankreich und 
österreiGh um den vorwiegenden EinfluÄ in Italien erneuerte, und 
seinerseitB auch etwas f&r die Herrlidikeit der grande nation thun 
wollte, als 1859 Piemont den Zei^unkt gekommen ißaubte, mit Hülfe 
Frankrttchs die Einigung Italiens zu bewirken, und Österreich sich 
in seinem alten Besitzstande dort bedroht fand, sahen wir diese 
Staaten» den Zwecken und Zielen des Kampfes entsprechend, mit 
gröfserer Kraftentwickolung sich gegenüber treten. Doch weder 
Giulay, noch Napoleon III. zeiijten sich als Feldherrn. Als dann aber 
Ende Mai der önterreichisclie Kaiser seine Streitkräfte in Italien auf 
zwei Arraeeu zu je drei Korps verstärkt und als Strategen für dieses 
Operationsheer den Geiiernlstabschof Feldzeu;^meister Hefs berufen 
hatte, vermochte auch diese Malsnabine keine Einheit und Energie in 
die österreichische Führunpj m bringen. Hei der kleinen Armee 
Rad('t?:ky'.s und unter der Leitun<z; dieses genialen Feldherrn hatte sich 

J»lirl>Ucliur tUr die DenUchc Aimov und Uiiriue. Üd. 97, 2. XI 



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U8 



Die Operationen mit HaMenbeereD etc. 



Hels wohl ab Chef des Oeneralstabs bewahr^ den An&rdenuigeii der 
strategischen Leitung eines gröiseren Heeres war er aber aubt ge- 
wachsen. Nach sehnwdchentHcher Dauer des Feldsoges und schon 
nach den zwei ersten, von Österreich efaienToll, aber nngliicldich ge- 
schlagenen Schlachten sah sich dasselbe durch politische Ortiade be- 
wogen, den Kampf an&ugeben, und aus gleichen Kttcksichteii ftUte 
sich Napoleon III. zum Friedenmchlusse yeranlafst. 

Gröfscre Kraflentfaltung noch und gewaltigeres Ringen und Ab- 
messen der Kräfte zeigten uns aber die Kampfe von 1866 in Deutsch- 
land und Italien. Während es sich iur Österreich um seinen letsteo 
Besitz in Italien handelte und um seine traditionelle Machtstellung in 
Deutschland, kämpfte Preufsen fiir seine Existenz und damit auch für 
das Dasein Deutschlands. Denn der alte schwache, olmmächtige 
deutsche Bundesstaat wäre schliefshch ein Opfer der französischen 
Intriirue geworden, hätte dann in sich zerfallen und stückweise die 
Beute des westlichen Nachbarn werden müssen. Der Krieg von 
1866 in Deutschland und Ober-Italien ist von hohem strategischen 
Interesse. 

Auf dem italienischen Kriegsscliaiiplatze .sehen wir ein glänzendes 
Feldhenntalent sich offenbaren. Eizherzog Albrecht operirt mit einer 
Armee von 85360 Mann mit 168 Geschützen erfolgreich gegen ein 
Heer Ton 210800 Mann mit 450 Geschtitzen. Die Trennung der 
italienischen Streitkrifte in zwei weit von einander entfernte Teile 
gab allerdings den Österreichem wohl die Mdgliehkeit, durch Energie 
und Geschick den einen yon diesen Teilen, dann vielleicht auch den 
anderen siegreich bekfimpfen zu können. Diese Aufgabe blieb aber 
immer noch eine äufterst schwierige. Das von Süden her drohende 
Korps Gialdini war allein schon der österreichischen Operationsarmee 
numerisch mehr wie gewachsen, die Hauptarmee am Mincio aber den 
OsteiTeichem noch immer fast um das Doppelte überlegen. Der Ent- 
schlnis der italienischen Heeresleitung zu einer solchen Trennung 
konnte daher an und für sich auch nicht geradezu als ein fehler- 
hafter bezeichnet werden. Der ents[)rcchende Operationsplan des 
italienischen Generalstabschefs vermochte sogar die österreichische 
Armee in die bedenklichste Lage zu versetzen, ihr die gröfsten Ge- 
fahren zu bereiten. Durch die vom Mincio lier drohende Haiiptraaeht 
des Gegnera mufsten die österreichischen Kräfte notv,- endig an das 
Festungsviereck gefesselt werden. Der kaiscrUche lu ldherr konnte 
einem aufmerksamen Feinde am Mincio gegenüber kernen Versuch 
wagen, dem am unteren Po vordringenden -i. Korps Cialdini entgegen- 
zugehen. Geschah letzteres aber nicht, so war wieder dem 4. 
italienischen Korps die Möglichkeit geboten, die rückwärtigen Yer- 



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Sie Opermtionett mit MiiBonheeren titc 149 

liiiidimgeii der ötterreichiBclieii Am^ zu durchaohneideii, unter Bei- 
hfilfb dflr in Venetitti yorhandenen revolutionären Elemente sich zum 
Herrn des dstorreiehisclien Hintorlandes zu machen und vor ADem die 
kaiaeiUohen Feldtrappen swischen zwei Gegnern festzulegen. Der 
Plan La liarmora's war ein ioiserst berechnet angelegter, Ung aus- 
gedaditer, er h&tto nur der konsequenten Durchfähning bedurft. 
Hierzu war aber der italienische Genenüstabschef nicht der geeignete 
Mann gewesen. Das italienische Korps am unteren Po bedurfte nur 
eines geschickten Generals als Führer, die Hauptarmee aber eines 
Strat^gOL An einem solchen fehlte es aber der italienischen Armee 
durchaus, denn General La Marmora hat sich in keiner Weise als 
Stratege bewährt. Derselbe besafs weder den energischen Willen, 
seinen Absichten die entsprechende Folge zu geben, noch die Fähijj- 
keit, die notweiuli[i;e 'iliatkraft entwickeln zu können. Jedenfalls war 
aber die Lage der üsterreicliischen Operations-Annee eine äufserst 
schwierif^e und sehr bedrohte. Erzherzog Albreeht beurteilte sie 
auch als solche. Das Kaiserliche Ober- Kommando konnte vorher 
nicht wissen, dafs der italienische Generalstabschef sich schwach, un- 
sicher und zögernd in der Ausführung seiner Pläne erweisen würde. 
Und selbst wenn man vielleicht österreichischerseits La Marmora 
dahin beurteilte, hätte man doch den Gegner als richtig handelnd 
sich vorstellen müssen, so lange nicht ein Gegenbeweis vorlag. Um 
beide Gegner im Auge behalten zu können, besohlofii demnach Erz- 
herzog Albrecht, die Operations-Armee zunftchst in einer Zentral- 
stellung hinter der Etsdi zwischen Montagnana und Lonigo zu top- 
sammeln. Die dsterreichisohe Armee stand hier in dem Bogen der 
Etsch zwisoihen Albaredo und Boara auf der inneren Linie und war 
somit in der Lage, mittelst eines starken Marsches an allen Punkten 
dieses FluAabschnittes dem Gegner entgegentreten zu kOnnen. Die 
Ahsiehton des Kaiserlichen Feldhenm gingen aber audi noch weiter, 
als nur die Etschlinie verteidigen zu wollen. Erzherzog Albredit war 
fest entschlossen, gegen denjenigen der beiden Gegner, der zxmächst 
eine Blöfse bieten würde, auch über die Etsch hinftus mit Ent- 
schlossenheit vorzugehen. Das kaiserliche Ober-Kommando richtete 
dabei sein Augenmerk hauptsächlich auf die feindliche Macht am 
Mincio. Hier hatte der Gegner seine Ilriuptkräfte versammelt, von 
hier drohte also die gröfsere Gefahr. Ein glückUchcr ISchlag gegen 
die feindliche Hauptarmee mul'ste auch von gröfseror Bedeutung, von 
entscheidenderen Folgen sein, als ein solcher gegen das Korps Cialdini. 
Das ( ieländc am Mincio war aufserdem für die angriffsweise Verteidigung 
äufserst günstig. Gelang es, das Hügelland zwischen den Strafsen 
äommacampagna-\'aleggiu und Verona-Peschiera vor dem den Mincio 

II* 



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150 



Die Operationen mit Miusäenheereu etc. 



ftbenehrätenden Gegner zu gewinnen und namendich den Sttdraud 
des Hügelgelindes sn besetsen, so war man hier im Besits einer 
überaus starken, die ganze Ebene behenschenden Flankenstelhing, 
ans der heraus man erentuell den Feind noeh vor Vollendimg seines 
Marsches angreifen und über den Haufen werfen konnte. Äla am 
20. Juni italienisdierseits die Kiiegserklftmng abergeben und die Er- 
dffiiung der Feindseligkeiten für den 23. angekündigt worden, glaubte 
der Erzherzog, nach allen Meldungen über die Bewegungen des 
Gegners westlich des Mincio darauf gefafst sein an müssen, dafs un- 
mittelbar nach Ablauf der italienischerseits angegebenen Frist sofort 
der AngrijOf auf das kaiserliche Gebiet erfolgen werde. Waren 
andererseits die Verhältnisse am unteren Po auch noch nicht hin- 
reichend aufgeklärt, so glaubte man doch die Trennung der feind- 
lichen Kräfte als noch l)(>s(c]iend annehmen zu können. Zweifelhaft 
blieb nur, ob die italienische Ilauptarniee zuerst ihre Operation er- 
öffnen würde, um durch rasches Vordringen an die Etsch dem General 
Cialdini das Überschreiten des Po zu erleichtem, oder ob nicht 
violleieht beabsichtifjt wurde, mit dem 4. Korps die Operationen zu 
eröffnen, um durcli sein Vorgehen über den Po die kaiserliche Armee 
auf dasselbe zu ziehen und der italienischen Hauptmacht dadurch 
Gelegenlieit zu geben, ohne Kampf nicht allein den Mincio, sondern 
auch die Etsch gewinnen zu können. Erzherzog Albrecht war aber 
entschlossen, unter allen Umständen erst die feindlidie Hauptarmee 
anzugreifen. Man hoffte dabei, dafs der Gegner, dem die öster- 
reichisohe Truppenrersarnndung im allgemeinen wohl bekannt sein 
mulhte, die Gelegenheit benutzen würde, in den von den* Eaiserliehen 
unbesetzt gelassenen Raum zwischen Waado und Eteeh Tonrodringen. 
Um den Feind auch möglichst lange im Unklaren und Ungewissen 
über die osterreiohischen Absichten zu erhalten, blieb Erzhersog 
Albrecht nodi bis 22. hinter der Etsch, Tersammelte dann am 23. 
seine Er&fte bei Verona und rückte erst auf die Nadiricht, dals die 
feindliche Armee den Mincio überschritten hatte, am Abend des 23. 
mit einem Teil seiner Kräfte in das HügelLmd östlich des Mincio 
ein, um dort für die Operation des folgenden Tages festen FuDs zu 
fassen. Am 24. kam es dann zu der Bcgegnungsschlacht zu Custoza, 
die sich als eine glänzende strategische Kombination des Erzherzogs 
Albiecbt darstellt, durch welche die Italiener vollständig überrascht 
wurden, eine völlige Niederlniie erlitten und der Feldzup; entschieden 
war. Kis{ nach vierzehn 'lagen nahmen die Italiener ihre ÜÜeusiv- 
Operationen Nvi^ dcf auf, die dann «ie^'en den unteren Po gerichtet 
waren, aber so lahm und in so scliwächhclier Weise geführt wurden, 
dals sie überhaupt gar nicht in Betracht kamen und nach dem Ab- 



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i 



Die Operationen mit Mawenheeren etc. 



151 



rücken der iVnnee des Erzherzogs an die Donau durch diu in ItaHcn 
zurückgelassenen geringen DefensiTkräfte hinreichend in Sclmch ge- 
halten wurden. 

Auf dem deatsehen Kriegeschauplatze hatte sieh aber inzwischen 
in den OperaVionen und Kiimpfen dort die strategiBdie Begabung des 
preo/sisdien Ctoneralstabscheft Moltke in über Erwarten glänzender 
Weise eatfidtet Ftadsen hatte sidi bei Beginn dee Krieges in der 
denkbar schwierigsten strategiscben Lage befunden. Es nuilkte sieh 
daranf ge&fet machen, in dem oiiTermeidliGh berorstehenden Kampfe 
ganz allein auf sich angewiesen zu sein und aiilher Österreich auch 
noch den überwiegend gröfsten Teil der übrigen Bundesstaaten gegen 
sich zu haben. Preufsen sah sieb auf diese Weise von drei Seiten 
von Feinden umringt. Hannover und Kurhessen mit ihren 25000 Mann 
lagen im Rücken und vermochten alle Vorbindungen nach dem Rhein, 
sowie nach den £lbherxogtümom zu unterbrechen. Die Süddeutschen 
waren allerdings nocli in ihren Rüstungen zurück, vermochten aber 
eine Streitmacht von lO(HKK) Mann aufzubringen und diese schlicfslich 
zu dem österreichischen Heere stofsen zu hassen, wenn sich dasselbe 
in Böhmen versammelte. Sollte die unmittelbare Vereinigung der 
österreichischen und süddeutschen Streitkräfte verhindert werden, so 
waren letztere also notwendig in ihrem eigenen Lande zu beschäftigen. 
Die Österreicher waren aber mit den Sachsen zusammen 2G4000 Mann 
stark und in dieser dritten Gnippc lag demnach der Schweq)unkt. 
Hier mul'ste unbedingt die Watloncntscheidung gesucht werden. Für 
diesen Zweck waren jedoch die im Osten der preufsischcn Monarchie 
verfügbaren Streitkräfte keinesw^ hinreichend und Moltke stand vor 
der sdiwierigen Frage, ob er anraten duifte, auch die beiden Korps 
des Westens zur Hanptarmee heranzuziehen, wonach dann die Bhein- 
provinz beinahe schutzlos blieb und man den Sfiddeutscben nur sehr 
unbedeutende Kräfte entg^enzusteiUen vermochte. Die richtige Be- 
urteilung der Verhfiltnisse lieis Mdtke diesen schweren, aber folgen- 
reichen Entschluß dem Allerhöchsten Kriegsherrn m Vorschlag bringen 
und Kdnig Wilbehn entschied sich für denselben. Die Verteflung der 
Streitlorafte gestaltete sich demnach derartig, dafs im Osten Deutsch- 
lands 278600 Preufsen gegen 271000 Österreicher und Sachsen, im 
Westen 48000 Preolsen gegen 110000 Mann ehemaliger Bandes- 
kontingente stehen sollten. Die zweite schwierige Frage bezog sich 
auf die Versammlung der für den östlichen Kriegsschauplatz be- 
stimmten Streitkräfte. Über die Aufstellung der österreichischen 
Truppen wufste man vorläufig nur so viel, dafs die Vorposten des 
1. Korps Clam bei Tetschen, Reichenberi: und Trautenau standen. 
Hinter diesem Schleier konnten feindlicherseits mit Hülfe der Eisen- 



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152 



Die Operationen mit Maasenheeren etc. 



bahnen in 8eihr kurzer Zeit gegen 80000 Mann an einem der ge- 
nannten Punkte Torsanunelt werden, wodtirch inunerkin Beiiin, oder 
Breslau emstlich bedroht wurde. Die sächsische Armee befimd sich 
nur sieben Märsche von der preulkisohen Hauptstadt entfernt und in 
der anderen Bichtang war Breslau in fünf Märschen 'su erreidien. 
Die bedrohten Landesgebiete bedurften also des sofortigen Schutees. 
Seitens der Kritik ist vielfach dem preußischen Generalstabschef der 
Vorwurf gemacht worden, dals deraelbe die erste Ao£rtellung der 
Hauptkrftfte in zwei getrennten Armeen erfolgen liefs. Die völlige 
Vereinigung für den Hauptschlag mufste voraussichtlich erst durch 
Eonzelkämpfe ermöp^licht werden und es lag die Gefahr vor, dals der 
Gegner sicli eventuell mit konzentrirten Kräften auf die eine Hälfte 
des preufaischen Heeres werfen konnte. Moltke hatte diese Nachteile 
sicherlich ebensogut und jedenfalls weit eher erkannt, wie jeder 
Andere, aber er sah keinen Auswef». Eine Aufstellung, welche gleich- 
zeitig Berlin und Breslau deckte, wiire am zweckmäfsigsten bei Görlitz 
zu nehmen gewesen. Bei notwendigem längerem Verweilen dort mit 
den konzentrirton Heeresmas.sen hätte man jedoch mit bedeutenden 
Verpflegungssciiwiorigkeiten zu kämpfen gehabt; vor Allem aber würde 
die Versammlung der ganzen Hauptarmee an einem Punkte, sowohl 
bei Görlitz, wie etwa in Überschlesien einen gröfseren Zeitaufwand 
erfordert haben und Berlin, sowne Breslau mufsten sofort gesichert 
werden. Anfangs Juni standen demnach von den preufsischen Streit- 
kräften im wesentlichen die L Armee in der Lausitz, die II. in 
Sohleston, die Elb-Armee in Thüringen konzentrirt Die gegen die 
kleineren Bundesstaaten bestimmte Main-Armee sollte sich erst auf 
dem Wege der Operationen ans der 13. Division, der durch verfügbar 
gewordene Festungsbesatzungen auf eine Dirison verstärkten Brigade 
Bayer vom 8. Kozps und aus den Timppmi des Generals Mantenffel 
in Holstein bilden. Die teterreidusche Hauptarmee unter Benedek 
stand g^gen Mitte Juni beinahe volhsählig mit 6 Annee-K<nps und 
4 Kavallerie -Divisionen in MShren und Osterreich - Schlesien, mit 
1 Annee-Korps und 1 Kavallerie-Divdsion in Böhmen konzentrirt. Die 
geographische Gestaltung des deutschen Kriegssdiauplatzes und die 
Lage Österreichs, sowie seiner ^'erbündeten mufste eigentlich Böhmen 
als den natürlichsten Versammlungspunkt für die österreichische 
Nordarmee erscheinen lassen, in Wien hatte man jedoch die Kon- 
zentration um Olmütz für notwendig gehalten", weil man besortrte, 
dafs das preufsische Heer schneller mobil sein und demnach dem 
österreichischen Aufmarsche in Böhmen /uvorkoninu ii könnt«. Erst 
als mit annähenider Gewifsheit die Aufstellung der prnifrischen Haupt- 
krälte mit ihren drei Gruppen an der sächsisch-österreichischen Grenze 



I 

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Die OpeimtioiMn mit Miwonhcegwi eto. 



153 



swisehen Torgau und Wald«nlmig östermohiaclietMitB angenommen 
werden konnte, &&to Benedek den Plan, die Kordannee naeh Böhmen 
in Mancli zu setzen. Die Vorbereitungen hierzu waren bereits vom 
9. Juni ab getroflen worden, mit der Ausführung wurde aber noch 
lange gezögert. Benedek konnte nicht zum endgültigen Entschlüsse 
i:o!angen. £r hielt immer noch an Ohufltz fest, weil er den feind- 
lichen Hauptangriff als von Oberschlosien ausgehend und auf Wien 
gerichtet besorgte, während er sich doch selbst sagen mufste, dafs 
eine solche Operation für den Feind unbedingt mit grolsen Schwierig- 
keiten verbunden gewesen wäre. Andererseits hätte man in Benedeks 
Hauptquartier doch daran denken sollen, wie eine Aufstellung der 
österreichischen Ilauptkräfte von vornherein an der oberen Elbe und 
der Iser die prcufsische Hauptstadt bedroht, damit also auch Wien 
gedeckt und zugleich den Verbündeten in Deutschland eine Unter- 
stützung gewährt haben würde. Es WTjrde östoneichischersoits zwar 
später behauptet, die Aufstellung um Ühnütz habe Preufsen im Zweifel 
erhalten und zur Teilung seiner Kräfte gezwungen, die operativen 
Mafsnahmen mit der preufsischen Hauptarmee zeigen aber, dals dem 
nicht so gewesen sein kann. Die ersten zuverlässigen Nachrichten 
über die Aufstellung der österreichischen Armee hatte man in Berlin 
erat «m 11. Juni durch das Bekanntwerden der Ordre de Bataflle 
des- Gegners erhalten. Sowie man aber klar darttber wurde, dafs die 
österrekshisehen Hauptkräfle um Olmfitz Tersammelt standen, war 
damit auch jeder Zweifel beseitigt. Ein Angriff auf preufkisches Ge- 
biet konnle sich jetzt nur noch gegen Schlesien, und zwar fiber Nei&e 
richten, für Bei^ blieb keine Besorgnila mehr. Preullbischerseits 
hatte man daher bis 18. Juni mit der IL Armee eine Aufteilung an 
der Neilse genommen und die I. Armee sich derartig um GSriitz 
konzentriren lassen, dab sie sowohl zu den Operationen in Schlesien, 
wie auch zum Einrücken in die sächsische Oberlausitz bereit stand. 
Die gegen Preufsen gerichtete Bundesabstimmung vom 14. Juni hatte 
diesem Staate die volle Freiheit zum politischen und strategischen 
Angriffe gegeben. Die Ablehnung des preufsischen Ultimatums vom 
15. Juni seitens Hannovers, Sachsens und Kurhessens hatte am 16. 
zum Einrücken der preufsischen Trui)pen in diese Staaten geführt. 
Das sächsische Korps zog sich nach Böhmen zurück. Die öster- 
reichische Nordarmee trat aber erst am 17. von Olmütz aus den 
Marsch nach Bölimen an, wo sie sich in der Stellung Josephstadt- 
Miletin konzentriren wollte. 

Die bis zum 19. Juni bei der preufsischen obersten Heeresleitung 
eingegangenen Nachrichten über das Verhalten der österreichischen 
Nordarmee waren noch mangelhafte, liefsen jedoch als nündesteub uicht 



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154 



Die OpcralMMMn mit Mananheeran ete. 



unwahrscheinlich annehmen, dafs feindlicherseits eine Verschiebung 
der Hauptkräfte nach Böhmen hin im Werke sei. Es würde dann die 
österreichische üftuptmacht auf der umeren Lir^ie zwischen den 
preufsischen Armeen gestanden haben. Eine solche Lage durfte 
preufsischerseits nicht abficwartet, es mufste auch hier die Versammlung 
der Streitkräfte bewirkt werden. Zu diesem Zwecke wurde die Elb- 
Armee unter dem Befehle des Prinzen Friedrich Karl uiit der T. ver- 
einigt und beide Ileereskorper setzten sich gegen die bülimisclie Grenze 
in Bewegung, während von der II. Armee vorläufig zwei Korps auf 
der Linie Camenz-Silberberg konzentrirt wurden, das G. Korps aber 
noch bei Neifse verblieb. Auf diese Weise wurde solange als möglich 
die Freiheit gewahrt, mit der II, Armee entweder noch einem Einbruch 
dob i'eindes au der Neifse bcgcguen, oder durch eine Offensive aus 
der Graischait Glatz den Abmarsch des Gegners stören, oder endlich 
belni& Veieinigung mit der I. Annee anfbrecben sm kfimMn. Da nadi 
dieser enten Bewegung keine Anzeichen anf eine Konzentration der 
Osteneiober gegen OberscUesien eintraten, so erhielten am 22. Joni 
die I. nnd II. Annee den telegraphischen Befehl, in Böhmen einzurücken 
und die Vereinigung in der Richtung auf Gitschin zu suchen. Der 
prenioBdie Generalstabschef^ welcher das geometrische Element der 
Strategie in so hohem Uaübe beherrschte^ hatte mit Sicherheit Toraos- 
geseheni dals die aus Mähren im Anmarsch hefindlichen groJsenTrappen- 
massen in den nächsten Tagen noch nicht im nördlichen Brunen 
konzentrirt sein konnten. Prinz Friedrich Karl überschritt am 23. und 
24. die böhmische Grenze. Am 25. stand die I. Armee um Reichen- 
berg ,die Elb-Armee in der Umgegend von Gabel. Das österreichisdie 
L Korps befand sich bei Münchengrätz, die Brigade Hingelsheim davon 
und das sächsische Korps, teilweise noch im Anmärsche, bei Backofen. 
Diesen zwei Korps stand also die gosammte Macht des Prinzen Friedrich 
Karl gegenüber. Bcncdck dagegen befand sich mit <» Korps in der 
Marschlinie Jaromir-Geicrsberg cclielonirt, während der Kronprinz von 
Preufsen mit "i Korps die Linie Liebau-Wünschelburg-Rückerts erreiclit 
hatte. Es konnten also binnen wenigen Tagen sechs österreichische 
Korps gegen die preufsische II. Armee versammelt werden, wenn das 
Debouchiren derselben bekannt gewesen wäre. Dies war aber wahr- 
scheinhch nicht der Fall, oder Benedek mochte der Meinung sein, 
dafs die von Überschlesien heranmarschirendo preulsische Armee nicht 
so schnell die Grenze überschreiten und dafs immer noch die Zeit 
bleiben werde, die Stellung Josephstadt-Königinhof-Horic rechtzeitig 
zu eneidien. 

Das österreichische 1. Korps hatte den Befehl, sich an der her 
mit den Sachsen zu Tereinigen. Nachdem aber die Avantgarde des- 



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Die QpwMtiionwi mit ManmheAran etc. 



155 



aelben am 26. bei Hfdmerwasser toh der Elb-Armee surackgeworfen 
worden war imd nachdem in der Naebt zun 27. Trappen der prenfaischen 
L Armee sich dea Übergangea bei Podol, sowie Toman's bemächtigt 
hatten, sah sieh Graf Clam am 28. aus der Stellung bei Müncbengrfttz 
herausgedrängt. Am 29. Juni worden aber die vereinigten Sachsen 
und Österreicher nach heftigem, vcrlii^^troichem Kampfe bei Gitschin 
yon den Divisionen Tümpling und Werder in Unordnung auf Smidar 
zurückgeworfen. Inzwischen war es auch der Armee des Kronprinzen 
gelungen, die Gebirgspässe nach Böhmen mit nur *24stündif]^em Zeit- 
verluste zu überschreiten. Benedek war von dem Vormarsch der 
schlesischen Armee jetzt unterrichtet gewesen, Imttc aber den Plan, seine 
Kräfte zwischen Josephstadt und Müetin zu vereinigen, nicht aufgehen 
wollen nnd daher dem 5. preufsischen Korps bei Nachod hlofs das G.Korps 
Kamming, dem 1. preufsischen Korps bei Trautenau das 10. Korps 
Gablenz entgegen geworfen. Beide östen-ei einsehe Korps wurden auf 
solche Weise unnötig, weil vergebhch in schwere Kämpfe verwickelt. 
Ramming w^irde am *J7. von Steinmetz emptimllich gesehlagen-, Gablcnz 
warf zwar an diesem Tage Bonni auf Liebau zurüek, wurde aber am 
28. von der preufsischen Garde, welche Benedek verabsäumt hatte, 
am Übergange fiber daa GeUige bei Eypel an hindem, bei Soor in 
der Flanke angegriffen und erlitt eine yßUige Kiederlage. Steinmeta 
warf am 28. das österreichiBche 8. Korps von Skalita znriick und 
enreichte am 29., nachdem er das österreichische 4. Korps von Schwein« 
Schädel verdrängt hstte, bei Gradlita die Elbe. An demselben Tage 
gewann die prenlsische Garde bei Königinhof den Übergang über 
diesen Flnls. Nachdem dann die prenlsische I. nnd Elb-Armee am 
1. Jnli bis Miletin und Hozic vorger&okt waren, hatte daa prenUnsche 
Heer seine ursprungliche Ausdehnung Ton 40 Meilen anf deren 5 Ter- 
kürzt und seine strategische Vereinigung zu gemeinsamer Operation 
l)ewirkt. Es war der überaus kühne, aber ebenso notwendig gewesene 
und meisterhaft angelegte konzentrische Vormarsch der preuIsiBohen 
Armeen durch die Pässe der böhiuischen Gebirge gelungen. Wenn 
die Kritik behauptet, Moltke wäre mit diesem seinem Unternehmen 
von allen Regeln der Kriegskunst abgewichen, so urteilt sie eben ein- 
seitig nur vom rein theoretischen Standpunkte aus. Wenn der mit 
seinem scharfen Verstände und durchdringendem (Jeiste stets kühl 
abwägende Stratege in diesem Falle zum kühnen Wagen gelangt 
war, so nnifs man annehmen, dais <!r sclnverwiegende Gründe gehabt 
hatte, und zwar nicht nur für das Unteniehmeri des Wagestücks, 
sondern auch für die Walirscheinlichkeit des Gelingens desselben. 
Und darin offenbart sieh eben das Genie des Feldlierrn. dafs derselbe 
in seinen eigenen grofsen Entschlüssen die Mittel und W ege zu tindeu 



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1 



156 Operationen mit ^laHeenheeren etc. 

weabf wenn die Theorie ihm soldie in manchen lUlen versagt. Die 
Theorie mit ihien allgemeinen Lehren ond Chnrndattsen vennag nicht 
fär jeden einzehien Fall das Ifittel als Axiom zu bestimmen, weil sie 
woU das geometrische Element vollständig beherrscht, nicht aber die 
politischeLage, die materiellen VerhSltnisse nnddas Wesen derFriktionen. 
Der Krifigsktinstler mnls daher die Theorie erst in die PMxis Qbersetxen 
und das Genie wird dabei mit Erfolg von ihren Lehren abweichen, wenn 
letztere unter den gegebenen thatsSohliehen Verhältnissen sich nicht 
als ausreichend erweisen. Im Kriege ist aber keine Handlang ganz ohne 
Gefahr, selbst die theon tisch richtigste nicht. Wohl wäre in dem 
vorliegenden Falle für Benedek geboten gewesen, sich mit seinen 
Hauptkräften zunächst gegen eine der beiden getrennten feindlichen 
Armeen zu wenden, und das nächste Angriftsobject mufste die 
preufsische II. Armee sein. Am 25. Juni Abends standen aber die 
sechs Korps Benedek's noch bis auf eine Entfernung von 7 Meilen in 
Luftlinie von Jaromir echeloiiirt, während die Spitzen der I. preulaischen 
Armee auch nur 8 Meilen, die vorderen drei Korps des Kron[)riiizen 
aber nur noch 5 Meilen von diesem Punkte entfernt waren und die 
inneren Flügel der beiden preufsischen Armeen nur noch einen Ab- 
stand von () Meilen von einander hatten. Es fragt sich also sehr, 
ob Benedek unter diesen Umstäuden wirklich nocli einen erfolgreichen 
Gebrauch von den inneren Linien machen konnte, namentlich da er 
das 1. und sächsische Korps an der Iser gegenüber dem überlegenen 
Feinde geradezu einer Katastrophe ausgesetzt seh^ mufste. Und 
ein eüigee Zurückgehen genannter Korps hätte nichts mehr genntat, 
denn die Truppen Friedrich KarFs wären ebenso schnell gefolgt nnd 
nur um so eher bei Horic eingetroffen. Die österreichische Nord- 
Armee befand sich dann am 1. Juli sdion in höchst nngfinstiger 
Lage. Die Gefechte der letzten Junitage hatten ftber SOOOO Mann 
gekostet und den physischen, sowie moralischen Wert sämmtHfihar 
Truppen sehr tief ersdiüttert. Trotzdem entschloDb sich Benedeik, in 
dem Hiigdgelftnde nördlich Königgtätz zwischen fiistritz und Elbe 
bis 3. Juli einen Angriff abzuwarten. Was Benedek bei diesem 
provisorischen Beschlüsse eigentlich gedacht haben mag. ist neben» 
sächlich. Die Wasserfrage sdieint eine brennende gewesen zu sein. 
Wenn aber der Feldzeugmeister überhaupt glaubte, sich hinter der 
Bistritz schlagen zu dürfen, dann hätte er wenigstens dafür sorgen 
sollen, dafs die Stellung richtig besetzt und verteidigt wurde. Der 
Absehnitt der nordwestlichen Front an der Bistritz war ein starker 
und mit verhältnifsmäfsig geringen Kräften zu behaupten. Um so 
mehr hätte Benedek seine Aufmerksamkeit hauptsächhch auf seine 
Flanken richten müssen, welche namentlich den Angriffen des kou- 



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Die Op«ratioDeii mit Mmwenheeren ele. 



157 



zentrisch vorgehenden Gegners blosgestellt schienen. Besser wäre es 
allerdings noch gewesen, Bencdok hätte bei Zeiten seine Armee über 
die Elbe zurückgeführt. Hier zwisdien Josoplistadt und Königgrätz, 
gedeckt durch diese beiden Festungen, sowie durch die Aupa und 
Adler, würde der Feldzeugmeistor eine starke Stellung gefunden haben. 
Kilmk dum das preafeiflfllie Heer etwa die Bieliteng westlich Joseph- 
stadt auf Lihrio, so konnte die österreichische Armee hmter die A^er 
ausweichen, wo sie zwischen genanntem Finsse, der Elbe nnd dem 
Manthnerhache eine gleiche Verteidigungsstellnng fiuKL Die Pireaften 
worden sich in diesem Falle aHerdings auf der kfinesten Linie nach 
Wien befunden, von diesem Verhldtnüs aber kaum einen Vorteil haben 
stehen kOnnen, bevor sie nicht den Gegner entscheidend geschlagen 
hatten. Der beste RÜdcsngspunkt für Benedek wllre frsilioh PardnhitK 
gewesen, un sich f&r eine Hauptschlacht in das möglichst günstigste 
Verhältnis zu setzen. Der in der Nacht zum 1. Juli erfolgte Rück- 
zug der österreichischen Armee von Dnbenetz in die Gegend von 
Königgrätz hatte den preofinsdien Armeen die Gelegenheit gegeben, 
jetzt unmittelbar zusammen zu stofsen. Moltke hielt eine solche 
Mafsregel jedoch nicht für zweckmäfaig, sondern zog es vor, in der 
Trennung zu verbleiben, welche strategisch ganz ohne Gefahr, sehr 
fffofsc taktische Vorteile gewähren konnte und schliefslich sogar not- 
wendig werden mnfste, wenn man den Gegner in einer Stellunf: fand, 
welche durch den blofsen frontalen Angriff nicht zu bewältigen war. 
Am 2. Juli Abends stand demnach die Armee des Kronprinzen mit 
Ausnahme des 1. Korps im wesentliclien noch am linken Elbufor, die 
I. Armee an der oberen Bistritz und zu beiden Seiten der Strafse 
Wschestar - Sadowa, die Spitzen bis über Milowitz vorgeschoben; die 
Elb-Armee befand sich in der Linie Lhota-Smidar. Die Versammlung 
der österreichischen Armee zwischen Bistritz und Elbe war auf 
prenlbisGiier Seite noch nicht bekannt» man vermutete viefaneihr die 
Hanptmaobt des Gegners in einer Stellung hinter der Elbe. Um sich 
daher nühere Kenntnifs von der Lage des Gegners und vom GeUade 
n verschaffian, wurden fHr den 3. Juli nur gröibere Rekognossirungen 
gegen die Elb-Übergänge von Fardubitx, lemer geg^ die FlnMnie 
Königgrfttifi-Josephstadt nnd endlich durch das 1. Korps über Hiletm 
nach Bfirglitz und Gerekwits rar Beobachtung gegen Josephstadt an- 
geordnet Erst am 2. Juli Abends gegen 7 Uhr gingen im Haupt- 
quartier Friedrich KarPs Meldungen von Oifizierpatrouillcn ein, wonadi 
vier österreichische Armee-Korps sich an der Bistritz befanden. Diese 
Nachrichten mufsten andere Mafsnahmen erforderlich machen. Prinz 
Friedrich Karl erlieis demnach noch um !) Uhr Abends den Befehl 
m Kooaentration seiner sttnnntlichen Streitkräfte, indem er ent- 



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I 



158 Die Operationen mit Massenheeren etc. 

scblossen war, den Feind am nächsten Morgen anzugreifen, kabm- 
dem wurde der Eronpxina gebeten, zur Sloliening des linken Flügeb 
der L Armee am 3. Jnli das Garde-Korpe, oder auob mehr noch, Uber 
Eönigmhof auf dem rechten Elbufer in der Biditong auf Joscplistadt 
vorgehen zu lassen. Nachdem diese Anordnungen getrofEen waren, 
wurde der Generalstabsdief der I. Annee sofort in das gro&e Haupt- 
quartier entsendet, um ttm den eingegangenen Nachrichten und den 
vorläufig getroffenen Mafsnahmen Meldung zu erstatten. Dieses 
Verfikhren des Prinzen Friedrich Karl liefert ein h e rvorrag e nde« und 
glänzendes Beispiel von einer umsichtigen InitiatiTe, wie sie bei den 
Armeefuhrem im Verbände des Massenheeres vorhanden sein muls, 
wenn der obersten Heeresleitung überhaupt die Möglichkeit gewahrt 
werden soll, mit ihren Entschlüssen stets reditzeitig eingreifen zu 
können. Der Generalstabschef der I. Armee traf um 11 Uhr 
Abends im grofsen Hauptquartier ein, und hier fafste König 
Wilhelm sofort den grofsen, so folgenreichen Entschlufs, mit allen 
Kräften den Feind vorwärts der Elbe anzugreifen, mochte man dort 
das gesammte Österreichisclio Heer, oder nur einen betrachtlichen 
Teil desselben vorfinden. Wenn man ersteres auch kaum hofifen zu 
dürfen glaubte, so mufste. doch ein fijlücklit hos Gefecht, zu welchem 
die Aufstellung der preufsischen Aruiee alle Aussicht gewährte, den 
später vielleicht notwendig werdenden Angriff auf die Elbstellung 
wesentlich erleichtoin. Dies war Moltke'sche Strategie, die in Allem 
nur die gröfste Entschiedenheit uud nanienthch keine halben Mafs- 
regeln kannte. Der konzentrische Angrifi' der Armee führte zu einer 
vollständigen Niederlage der Österreicher unter Benedek. Dieselbe 
würde aber jeden&Ils mit der gänzHdien VemiGhtung der Nordaimee 
geendet haben, wenn eine noch energisdiere taktische, sowie strate- 
gische Verfolgung möglich gewesen wäre. Wie aber einerseits die 
österreichische Artillerie und Kavallerie mit aufopferungsvollem Hute 
für die Bettung ihrer Infanterie eingetreten war, so hatte andererseits 
das unmittelbare Nachdringen der Freuisen ein wesentliohes Hindermlh 
schon an der Elbe finden müssen. Auch befiuiden sich die preufsisdien 
Truppen schlielslich auf einem ttberans engen Räume zusammen- 
gedrängt und durcheinander gemischt. Es war dies die natürliche 
Folge des konzentrisdien Angriffs, der aus diesen technischen Gründen 
seinen Erfolg auch inuner nur auf dem Sdilachtfelde selbst und nicht 
erst jenseits desselben suchen kann. Eine weitere Einwirkung des 
konzentrischen Massenangriffs war wohl, dafs die strategische Ver- 
folgung erst am 6. JuU aufgenommen wurde. Die Abteilungen der 
verschiedenen Armeen niufsten von einander gesondert uud letztere 
in sich wieder geordnet, die auf einen Tagemarsch zurückgebliebenen 



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Die Operfttioneii mit Mussenlieereu etc. 



159 



Trains und Koloniieii mufstea herangezogen und die Munitionsbestände 
der Truppen ^eder ergänzt verden. So erhielt dann Benedek Zeil 
und Gelegenheit, sich mit seinen Hauptkräften nach OlmÜts zu retten, 
während ein Amee-Koips und vier KayaUeiie-Difisionen direkt nach 
Wien entsendet wurden. Der Rfidaug der Österreichischen Haupt- 
annee auf Olm&tz mufste notwendig eine Teüung des predsischen 
Heeres zur Folge haben. Während die Armee des Kronprinzen dann 
der Armee Benedek's naehrttckte, gingon die I. und Elb-Aimee in 
Eihnärsohen über den mährischen Landrücken auf Wien los. Am 
11. Juli hatte Benedek seine Hauptkräfte im verschanzten Lager von 
Olmütz versammelt, erhielt aber bereits am 13. den Befehl, nach 
ZurücklassTing: eines Detachements mit allen seinen Korps am 14. 
und 15. sich hinter der March nach Prefsburg in Marsch zu setzen, 
und wenn dieser vom Feinde bedroht werden sollte, die Armee über 
Holic in das Waagthal und entweder über Prefsburir, oder durch die 
Schutt nach Komorn zu dirigiren. Erzherzog Albieclit, der jetzt den 
Oberbefehl über sämmtliche österreichische Operations- Armeen über- 
nommen hatte, wollte alle verfügbaren Streitkräfte in Wien ver- 
einigen. Benedek hatte bereits vor Empfang des betreffenden Be- 
fehls den Abmarsch seiner liauptkräfte nach Göding angeordnet. 
Durch die Gefechte am 15. Juli bei Tobitschau und Kukeinitz war aber 
der ohnehin schon sehr gewagte Marsch auf dem rechten Marchufor 
zur Unmöglichkeit geworden. Die Spitzen der Armee des Kronprinzen 
hatten sich zwischen die Marsch-Echelons der Nordarmee eingeschübeii, 
das eine Eclielon zum Rückzüge hinter die March gezwungen und 
mit ihrer KsTallerie den fluls selbst überschritten. Aulserdem be- 
drohte die preuÜrisohe L Armee, welche mit dem Gros bereits s&dlich 
Brünn stand, schon Lundenburg. Unter diesen Umständen bfieb dem 
Feldzeugmeister nur noch der Versuch übrig, seine Armee über das 
mihrisch-ungarische Grenzgebirge, dann durch das Waagthal und 
schliefslich auf Prefiburg zu fuhren. Diese Operatbn der Nord- 
Armee ist dann auch mit Energie und Geschick durchgeführt worden. 
Die preulsischen Hauptkräfte standen am 21. Juli mit 10 In&nterie- 
und 2 KaTaUerie-Dirisionen auf dem rechten Mardiufer in dem Baume 
zwisdien dem Zaja- und Hufsbache, mit 2 Infanterie-Divisionen auf 
dem linken Fluisufor bei Stampfen, mit 1 Kavallerie- und 2 Infanterie- 
Divisionen an der mittleren March bei Strafsnitz und Skalitz. Um 
den Preufscn bei Prefsburg zuvorzukommen, war osterreichischersttts 
das an der Spitze der Nord-Armee marschirende 2. Korps Thun am 
19. von Waag-Neustädtl aus in forcirten Märschen dorthin voraus- 
gesendet worden, und pelnriiT es diesem auch wirklieh, am 21. und 
22. uoch rechtzeitig den wichtigen Punkt zu erreichen. £s war dies 



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160 



Die Operationen mit MiwcmhiwrMi ete. 



unbedingt «in liflbsdier Erfolg i&r die ÖBtemddueclie Strategie. Über- 
haupt ist vn^erkeimbar, da& mit der Übernahme des Oberbe&his 
durch Enhenog Albrecht ein frischerer Zog in die Operationen des 
osteireiohischen Nordheeres gekommen war. Dieser Kaiseriiche Fdd* 
herr war es anoh gewesen, der die Heranziehung der in Italien irgend 
entbehrlichen Kr&fte, sowie sftmmtlicher bei Olmütz befindlicher Korpe 
nach Wien durchgesetzt hatte. Bis zum 27. Juli früh, also noch Tor 
dem eventuellen Ablauf der seit 22. Juli eingetretenen Waffenruhe, 
liatten sImmtUehe Korps Benedek's bei Prefsburg das rechte Donau- 
ufer gewonnen. Das vordnigte österreichische Feldheer stand jetst 
also hinter diesem Strome zwischen Wien und Prelsburg zu neuem 
Kampfe bereit, sah sich gegenüber aber in der Linie Wolkersdorf- 
Stampfen und bei (iaunersdorf das preufsische Heer mit 194000 Mann 
konzentnr t. Letzteres konnte aufserdeni durch Heranziehung der noch 
im Anmarsch befindlichen Truppenabteilun^en in kürzester Frist wieder 
auf weit über 2Ü0U00 Mann gebracht werden und war in hinreichendem 
Mafse mit Brückenmaterial und Belagerungs-Geschütz versehen. Die 
preufsischen Heeresabteilungen, welche also am 22. Juli vor Wien 
und Prefsburg standen, waren am 22. Juni von Dresden, Göilitz, 
Frankenstein uulgebrochen und hatten demnach in 30 Tagen 50 Meilen 
in der Richtung der HauptoperatioQ zurückgelegt. Zieht man dabei 
in Betracht, dafs in diesem Zeiträume an6er der einen gewaltigen 
Schlacht nodi 15 Gefechte von den verscfaiedenen preuiUsoben Korpa 
bestanden wurden, dals feiner diese grofre Bewegung nicht mit einer 
Ueinen Armee, sondern mit einer Heeresmasse von 254000 Streitern 
ausgeftihrt worden, so mub diese Leistung sowohl Tom taktischen, 
wie ?om strategischen Standpunkte aus als eine in der Kriegs- 
geschichte aller Zeiten berrorragende beaeicbnet werden. 

(ScUufr folgt) 



XI. 

Die österreicliikicliti Artillerie m den letzten 45 JalireiL 

V..n . 

A. Dittrichj k. k. Laudwehrhauptmann. 
(Schlols.) 



Erzherzog Wilhelm war 1864 sum General-Inspektor ernannt 
worden, welche Stellung er bis zu seinem Tode, also durch volle 
30 Jahre bekleidete. £r erkannte, dafi» die Artülerie sowohl hin- 



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Die üBterreichiBclie Artillerie io den letzten 45 Jahren. 



161 



Biditlich ihrer Qualität fortschreitoiiy als auch beefig^ioih ihrer Zahl 
vermehrt werden muTste. Er erkannte aber auch, dab das Erstere 
nnter seiiier Leitung und duioh die Artillerie seibat znversichflich ssn 
erwarten war, das Letstere aber nur schrittweise and anter klager 
Benatsung der mehr odor minder günstigen Zeit- ondGeldTerhältnisae er- 
folgen kenntei Unverrfiekt wurde dem Torgesetzten Zisle entgegen- 
gestrebt, wenn auch manche in der Folge notwendig gewordene 
Ändening<|n einen scheinbaren Umsturz des eingeführten Systems be- 
deuten möchten. Vor Allem wurde auf Betreiben des Eiaheraogs 
dessen Wirkungssphäre geändert und erweitert. 

Die bisherigen Direktoren oder Inspektoren waren eben nur die 
Chefs der obersten Artüleriebehörde gewesen. Sie leiteten die Artillerie, 
ohne Wien verlassen zu müssen und brauchten nur durch die Augen 
und Ohren ihrer untergeordneten Or<!ano zu hören und zu sehen. 
Die Leitung der Artillerie aber in taktischer Beziehung lag ganz 
aufser ihrem Ressort. Allerdings stand F. M. L. v. Hauslab 1859 an 
der Spitze der Artillerie in Italien, was seit Kouvroy nicht mehr 
vorgekommen war, aber er war dazu nicht verptiichtet und es war 
sein Wirkungskreis dadurch verringert, dafs die 1. und. 2. Armee 
unter ihren eigenen Feldartillerie-Direktoren standen. 

Nun aber wurde der Gcneral-Ijispcktjr der oberste Kommandant 
der Artillerie in administrativer, technischer und taktischer Hinsicht, 
sowie ihm auch die Überwachung des Unterrichtswesens und der 
artOleristjaohen Versuche übertragen wurde. Er hatte sich wiedeiliolt 
und persönlich von der Ausbildung der Truppen und von dem Zu- 
stande des Materials zu überzeugen. Es war dieses darum wichtig, 
weil die der Infant^e und Kavallerie entstammenden Generale, da 
ihnen entweder die genügende Sachkenntnils mangelte, oder sie sich 
nicht in die Angelegenheiten der Artillerie einmengen zu dürfen 
glaubten, an die ihnen unterstehenden Batterien übermälsige oder zu 
geringe Anforderungen stellten und darnach ihre Berichte Ter&fsten. 
Wurde die gesammte Armee mobil gemacht, so hatte der General- 
Lispektor die Leitung der Artillerie der Hauptarmee zu übernehmen. 
In welcher Weise der Erzherzog allen diesen Verpflichtungen nach- 
kam, dafür sprechen die Fortschritte, welche die Artillerie unter 
seiner Leitung gemacht hat und die Leistungen der österreichischen 
Artillerie 1806, namentlich bei Königgrätz, lieistungen, welche von 
beiden kämpfenden Teilen anerkannt wurden . Dennoch konnte der 
Erzherzog so mnnche Reformen, besonders wenn dieselben eine \er- 
mehrung der Truppen und des Materials betrafen, nur mit Mühe und 
oft sehr spät durchsetzen. Der General-Inspektor der Artillerie war 
ein „Hilfsorgan'' des Kriegsministers und hing in vielen Dingen von 



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162 Öeterreicbische Artillerie in den letzten 45 Jahren. 

diesem ab. Letzteror batte fibrigm eine eigene artüleristische Ab- 
teilung zur Seite, die den Yerkebr zwisehen dem Minister und dem 
General-Inspektor Tereinfsfiben sollte. Die Landes^Artillerie-Direktoren, 
denen das gesaounte ArtiUerieweeen einer ProTinz nnteistand, worden 
beibehalten» dagegen sollten Feld-Artfllerie-Direktoren nur im Falle 
eines Krieges erannt werden. In Venedig bestend dieser Poeten anoh 
im Frieden. Artilleriedief eines Anneekoips sollte immer der Kom- 
mandant des demselben zugeteilten Artillerieregiments sein. Der 
Apparat der Befehlgebnng wurde bierdurob wesentlich yereinfacht. 

Nach der beim Amtsantritt des Erzherzogs zum Tal berttts 
durchgcfülii ton Organisation bestand das Material ans vier- und acbt- 
pfündigen Feld- und dreipfündigen Gcbirgsgeschützen. Da die Zahl 
der Regimenter und Batterien ungciindert blieb, so wurde nur die 
Gattung der Batterien und die Art ihrer Einteilung (je nach der Bo- 
Stimmung der Regimenter) geändert. Es gab yier- und achtpfündige 
Fufs- und vierpfündige Kavallerie-Battcrion (im Kriege zu 8 Ge- 
schützen) und dreipfündige Gebirprsbattcricn (im Krieg und Frieden 
zu 4 Geschützen), doch sollten bis zur Herstellung sämmtlicher Ge- 
schütze des nouen Systems vorläufig die glatten Zwölfpfünder bei- 
behalten werden. Aufsta' den Batterien hatte jedes Regiment 1 Park- 
und 4 Festungskompagnien, zu welchen im Kriege noch 1 Depot-, 
eine Festungs- und bei neun Regimeiitcrn noch eine Parkkompagnie 
aufgestellt wurde. Die Zahl der Buticiien ^vurde nicht vermehrt, 
doch wurde die Gliederung und Zuteilung der Muuitionsparks und 
der anderen Artilleriereserven schon im Frieden genau festgestellt, 
was iur die rasche Mobilmachung nur förderlich sein konnte. Die 
«nbeitliGhe Ausbildung wurde dadurch erleichtert, dab im Frieden 
die Batterien nicht mehr den Korps oder Dirisionen zugeteilt, sondern 
bei ihrem Regiment vereinigt bleiben sollten. Es waren neun Re- 
gimenter fiür die Armeekorpe beetimmty da aber die Ordre de Bataille 
später ftir zehn Armeekorps entworfen und 1866 auch wirklich aus- 
geführt wurde, so mulsten die Regimenter geteilt oder einzelne 
Batterien derselben abgetrennt werden. 

Das Raketeurregiment erhielt nun den Namen „Raketeur- und 
Gebirgsartillerieregiment" und bestand aus 8 Raketenbatterien zu je 
8 Fuhrwerken, 6 Gebirgsbatterien zu je 4 dreipfundigen (lebirgs- und 
4 Raketengeschützen und 2 Reservekompagnien, wozu im Kriegsfalle 
noch 8 Gebirgsbatterien und eine Depotkompagnie kommen sollten. 
Der Stand des Küstenregiments wurde im Frieden auf 15, im Kriege 
auf 18 Kompagnien und 3 Depütkompagnien fest|:;esetzt. 

Die Toclinische Artillerie bestand aus 2(1 Zeui^sartilleriekonimanden 
(£rüher 16) und es wurde deren Wirkungssphäre teils erweitert, teils 



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Die österreichüche Artillerie in den letzten 45 Jahren. 163 

genauer geregelt. Im Wiener Arsenal wurde eine eigene Kommission 
eingesetzt, welche die eingelieferten oder neuerzeugten Geschütze, 
Fahrwericei Waffen, Mumtion u. s. w. zu imtenacheii und zu übe^• 
nehrnsn hatte, wobei es mit dem Eomite, deesen Wirkungskreis sehr 
erweitert worde, in enger Verbindung stand. Letzteres hatte sich 
nieht nur ron der Brauchbarkeit des ArtÜleriematerials zu übeneugen, 
sondern auch über alle Sehiebübungen und Versudie zu berichten 
und überhaupt alle Obliegenheiten der früheren Oberfeuerwerks- 
meisterei, deren Personal ihm zugewiesen wurde, zu besorgen. Durch 
diese Organisation wurde zwar der nach 1^9 Terminderte Stand der 
Artillerietruppe nicht vermehrt, aber sie besaJb den greisen Vorteil, 
daÜB für alle Zweige des Dienstes bestimmte Abte Hungen geschaffen 
wurden, von welchen wenigstens die Stämme im Frieden wegen der 
Vereinfachung des Dienstes auch bei kürzerer Dienstzeit genügend 
ausgebildet werden konnten. Die Ausbildung von Universalartilleristen, 
wie selbe in früherer Zeit angestrebt worden war und bei den Kom- 
pagnien (seit 1854) c^pfordert, aber nicht entfernt erreicht wurde, 
wurde nun giinzlic}! fallen p;classen. 

Zufrleich aber wurde die österreichische Artillerie nun um ein 
neues Element, nämlich um die Gebirgsartillerie bereichert. Zwar 
hatte man schon früher Gebirgsgeschütze gehabt, zuerst ein- und 
drei|>fündige Kanonen und seit 1843 zwolfpfiindige Gebirgshaubitzen, 
aber diese Geschütze befanden sich in den Zeughäusern und die 
Mannschaft wunle niemals in dem Gebrauche derselben peübt. Erst 
im Bedarfsfalle wurde der Befehl zur Aufstellung der Gebirgsartillerie 
(selten mehr als einer Batterie!) erteilt, wo dann erst Mannschaft, 
Tragtiere, Geschütze und Mstorial beschafft werden mu&ten. Nun 
war wenigstens der Stamm der Gebirgsartillerie vorhanden, um deren 
Uannschaft schon im Frieden auszubilden und im Kriegs&lle die 
Zahl der Batterien zu vermehren. 

Jedoch schon im nftchsten Jahre trat durch die Aufhebung der 
Schöpfung Augustinus eine Änderung ein. Man scheint eben die 
sofortige Aufhebung nidit für passend erachtet und damit gewartet 
zu haben, bis die Ausrüstung und Ausbildung der Gebirgsbatterien 
vollendet wurde. Die Gebirgsbatterien wurden bis auf Weiteres zwei 
Artillerier^imentem zugeteilt, die Raketenbatterien und damit auch 
das Regiment ganz aufgehest und es sollte künftig ^ei j( iL^m R^iment 
das Material zur eventuellen Ausrüstung einer Raketenbatterie vor- 
rfttig gehalten werden. 

Für das Unterrichtswesen konnte vorläufig nur wenii,' ^icschehen, 
da alle hierfür gestellten Mehrforderungen dem Widerspruche 7ii< ]it 
biofs der Vertretungskörper, sondern auch der damaligen Knegs- 

J«h(bBelMi flbr di« Diutieh« Äsmif nad lUiriiM. Bd. 93,2. 18 

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164 



Die Österreich i«cüe Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



▼erwaltung, die ein möglichst geringes Budget anstrebte, begegnet 
wären. Doch winde durch die EbfBhnmff 
den Regimentem, seitweilige Abordnung mehrerer Offiziere zu den 
Versnohen und Veimehrang des Standes und des hdherm Kurses ftr 
die Weiterbfldnng der jüngeren Offiziere gesorgt. Die nach 1868 
aufgelöste technisdie ArtOlerieschnle wurde zwar nieht wieder er- 
richtet» doch wurde den Offizieren auf andere Weise Gelegenheit zur 
weiteren Ausbildung geboten, indem sie dem Eomite zugeteilt wurden 
und die einschlägigem VorscUfige an der Wiener UniTersit&t, Pdy- 
tedinik u. s. w. hören durften. 

Seinen Obliegenheiten in jeder Bezieliunp: naclizukommen gewohnt^ 
betrieb der Erzherzog nicht nur 1866 die Mobilmachung der öster- 
reichischen Artillerie mit allem Eifer und ttberzeugte sich wiederholt 
yon dem Vollzüge der erteilten Befehle, sondern stellte sich auch 
persönlich an die Spitze der der Nord-Armee zugeteilten Artillerie. 
Die Leistungen derselben verdienten die vollste Anerkennung, aber 
ihr Leiter hatte doch Gelegenheit, zu erkennen, woran es fehlte, dafs 
die Artillerie den ihr zukommenden Platz nicht so, wie sie es wollte, 
auszufüllen vermochte und dafs die Abhilfe weniger in einer Um- 
gestaltung der Artillerie als jener des gesammten Heerwesens ge- 
sucht werden mufste. Letztere konnte jedoch nicht so rasch durch- 
geführt werden, ja es war die Persönlichkeit noch nicht gefunden, 
woklie tiiese Umgestaltung durchführen sollte. Es geschah also, was 
als Anbahnung der zu erwartenden grofsen Reformen geschehen 
konnte. Auch jetzt mochten sich Stimmen vernehmen lassen, welche 
im Hinblicke auf die erfolgte Abtretung einer Provinz und der in 
derselben be fi ndlichen Festungen eine Yemunderung der kostspieligen 
Artillerie begehrten. Es mab als ein besonderes Verdienst der obersten 
Leitung der Artillerie erkannt werden, dals sie, wSbrend nach 1859 
nur eine BesdirSnknng der geforderten Reduktion erlangt werden 
konnte, nunmehr nidit nur die Beibehaltung des bisherigen Standes 
(mit Ausnahme der liberflüssig gewordenen Zengartillerie in dem ab- 
getretenen Venetien), s(mdem bald darauf eine — wenn auch nur 
unbedeutende Vermehrung durchsetzte. 

Die nächste Neuerung bestand darin, dafs die Festungskompagnien 
von den Regimentem getrennt und in 9 Bataillone Tereinigt wurden. 
Dadurch erlangte dieser so wichtige und nunmehr eigenen Kom- 
mandanten unterstellte Teil der Artillerie eine gröfsere Selbstständigkeit 
und es wurde, da auch bei den Festungsbataillonen eigene Unteroffizier- 
bildungsschulen f'mchtet ^Verden sollten, eine bessere Ausbildung des 
unteren Personals ermöglicht. Das Bataillon hatte im Frieden 5, anf 
dem Kiiegsstande G Kompagnien. Ein Bataillon befand sich in Wien, 



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Die österreiühuche ArtUlerie in den lotsten 45 Jahren. 



165 



wo es zu dem Dienst im Arsenal und den Versuchen des Artillerie- 
Komites herangezogen wurde, die anderen Bataillone bis aui das 9. 
garnisoiurten in den Festungen der Monarchie, was früher nicht immer 
dar Fall gewown oder mit einttr ZenpUttemiig dflr Begimeiiter ret- 
bnnden war. Dem 9. Bataitton in Innsbruck, daa die Artillerie* 
besatzung Tirols bildete, worden die 6 Gebirgsbatterien, deren Zahl 
im Kriege verdoppelt wurde, zugeteilt. Im folgenden Jahre (1868) 
wurde auch das KQatenartillerier^giment in drei Featangsbataillone 
omgewandelt. 

Hand in Hand mit dem der allgemeinen HeeresorganiBation zu- 
gewendeten Wiricen der beiden Kriegamtnister John nnd v. Kuhn 
ging nun die Umgestaltung der Artillerie vor sich. Die Grundlage 

dieser grofsen Reform, die Einfährung der allgemeinen Wehrpflicht, 
sowie der Institution deV* Reserve, Landwehr und des nichtaktiven 
Offizierkorps ermöglichte nicht nur eine bedeutende Erhöhung des 
Kriegsstandes, sondern bosritigte — was nodi widitiger war — das 
alte Erbübel, an dem das österreichische Heerwesen bis dahin krankte, 
nämlich die Schwierigkeit der Mobilmachung, oder, wie schon mehr 
üh ein halbes Jahrhundert früher Radetz ky es bo/eichnet hatte, 
die nicht für den Kriegsfall berechnete Heercsorganisation. 

Hatte früher der Stand des Heeres im Kriegsfalle erhöht werden 
müssen, so fehlte es an UfÜzieren oder es war deren Nach^vnchs bald 
erschöpft, die Bestände der Truppen wurden mit nouausgehobener 
Mannschaft gefüllt oder es fanden Keuerrichtungen von Truppen statt, 
für welche keine Stämme vorhanden waren und es auch an aller 
Ausrüstung mangelte. Nach dein Kiiege aber wurden viele Truppen- 
körper ganz aulgelöst, die Pferde um Spottpreise veräufsert, und es 
▼erblieb ein kleines Heer überzähliger Offiziere, für welche der Staat 
sorgen nm&te, nnd die gleichwohl beim nächsten Kriege nicbt mehr 
TOihanden zu sein pflegten. Bei der Artillerie muTste dieser Ubel- 
stand schwerer als bd den anderen Truppengattungen ins Gewicht 
fidlen. Hier war aber auch der ändernde Einfluis der Beaerre- 
institution nicht so bald zu erwarten, und es erU&rt sich daraus, 
dala, während bei den Fuistmppen der Rahmen fiir den yoUen Kriegs- 
Btand gleich aofSingKch geschaffen wurde, die Vennehrung der 
Artillerie nur schrittweise und dann inansi nur in sehr beschränktem 
Mafse durchgeftthrt wurde. 

Vorerst wurden die bestehenden y.wl]]^ Artillerie-Regimenter ganz 
gleich organisirt und es hatte jedes Regiment aus 4 vierpfQndigen 
Fufs-, 3 Kavallerie- und 5 achtpfündigen Fufsbatterien, einer Depot- 
batterie und einem Kadre zur Aufstellung der Munitionskolonnen zu 
bestehen. Im KriegsiaUe erfolgte die Aufstellung einer neuen Depot- 

12» 

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166 



Die Osterreichische ArtUierie in den letzten 45 Jahren. 



battoric und die eutsprecliende Zuteilung der errichteten 5 Munitons- 
kolonnen zu den Divisionen und den Reserven der Armeekorps oder 
Armeen. Die Zahl der Batterien war somit nicht imerlieblich — 
im Frieden um 2 und im Kriege um 3 bei jedem Begiment — ver- 
mehrt worden, und war ee ein Vorteil, dals bei allen Batterien die 
Bespannung — wenn auch nur Ar 4 Gesebütze vorhanden war und 
die unbespannten Batterien ganz entfielen. 

Da die ISnteilung der Armee in Korps erst im KriegsfikUe statt- 
finden sollte, so hatte man bei der Wahl der Standorte der Regimenter 
freie Hand und brauchte nur auf die sich bietende Gelegenheit snr 
bequemen Ausbildung Bedacht zu nehmen. So befanden sich in 
Wien und Budapest je 2 Regimenter. £s wurde mithin eine an sich 
nicht vorteilhafte und nur aus zwingenden Ersparungsgründen an- 
geordnete Mafsrogel von der Artillerie zu ihrem Vorteil ausgenütst. 
Erst im Kriegsfalle sollten dio Batterien den Truppen zugewiesen 
werden, wobei jedoch die niclit den Reserven zugeteilten Batterien 
nur ausnahmsweise dvn ( in/fhieii Rrif^aden beigegeben, sondern in 
der Regel in Divisions-Artillorieabteilungen vereinigt werden sollten. 
Die Idee der Divisonsartillerie war also schon zur Geltung gelanj^t, 
wenn auch* nicht genau festgestelt. Da die Ordre de Bataiile 
überhaupt erst fallweise /.usanimengestellt wurde, so war auch be- 
züglich der Zuteilung der Artillerie dem „Ennessen" der jeweiligen 
Eommandirenden und ihrer Generulstäbe ein grolser Spielraum ge- 
geben. 

Das Unterrichtswesen erhielt dadurch eine Verbesserung, dafs 
die Zahl der Zöglinge der Schulkompagnien und der Akademie ver> 
mehrt und der bei letzterer eingerichtete höhere Kurs von Weilh- 
Idrchen nach Wien verlegt und endlich eine ausgiebigere Dotirung 
der Unterofifizieibildungsächulen der Regimenter und FestungsbataiUone 
bewilligt wurde. Indessen wurde schon damals eine gftnzliche Um- 
gestaltung des ünterrichtswesens geplant, die jedoch erst in den 
nftchsten Jahren durchgeführt werden konnte, da die Einführung des 
in der Bearbeitung befindlichen neuen Wehrgesetzes (5. 12. 1868) 
abgewartet werden nralste. — In diese Zeit fiUlt auch das Ver- 
schwinden der Grenzartillerie, welche übrigens nie der obersten 
Artilieriebehörde untergestellt und seit 1849 nicht mehr zur Ver^ 
Wendung gelangt war, aber doch noch noininell bestand. 

Einige Monate vor dem Erscheinen des Wehrgesetzes begab sich 
Elrzherzog Wilhelm zu den grofsen russischen Manövern und bei 
dieser (relegeiiheit beobachtete er auch die Versuche zur Herstellung 
einer verdichteten Bronze. Er sah, obgleich die \'ersnche noch kein ' 
befriedigendes Ergebnifs geliefert hatten, doch darin die Möglichkeit 



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Die öBteneichiache Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



167 



zur Herstellung eines brauchbareren Materials f(lr Geschützrohre und 
empfahl, indem er die mitgebrachten Probestücke den betreffenden 
Fachmiinnern bei seiner Rückkehr übergab, das gründlichste Studium 
der Sache, welche nach der Überzeugung des Erzherzogs eine Zukunft 
besals und um so mehr zu beachteii war, weil die Onisstahleizeiigung 
in Osterreich damals (und «ncih noch später) nidit genügend entwickelt 
war und man nicht vom Auslände abhängen wollte. Er unterstützte 
und ermutigte auch den damaligen Oberst Uchatins, dem also nicht 
die Erfindung, sondern das Verdienst der DurehiÖhrung der Idee des 
Erzherzogs zugeschrieben werden darf. 

Nun folgten ziemlich rasch zahlreiche Änderungen, welche zumeist 
die Ausbildung der Artillerie betrafen. An die SteDe der Schul- 
kompagnien trat die Wienes ArtiUeiie-Kadettenschule, welche in einem 
dreijährigen Kurse den Offizierorsatz, der durch die Akademie nicht 
gedeckt werden konnte, heranbilden sollte. Die vorzüglichsten Schüler 
wurden als Offiziere, die anderen als Offiziersstellvertreter und Kadetten 
ausraagirt. Die Akademie wurde nach Wien verlegt und daselbst 
mit der Genie -Akademie in eine „technische Militär-Akademie" ver- 
einigt, deren Zöglinge nach einem vier-, si>äter nur dreijährigen 
Kurse als Offiziere in dio Artillerie, die Geniewaffc oder auch in 
andere Truppengattungen traten. Nach einer bei der Iruppe ver- 
brachten zweijährigen Dienstzeit konnte der Eintritt iu den höheren 
Kurs oder in die Kriegsschule (als Vorbereitung für den Generalstab) 
erfolgen und es sollten Versetzungen von der Artillerie in den General- 
stab und umgekehrt öfter erfolgen. Die aus der Akademie kommenden 
Offiziere wurden gewiihnlich zuerst der Fostungsartüleric und nach 
einem .lahre einer Batterie zuerteilt. 

Auch das Artilleriekomite wurde mit den anderen Körnitz in 
ein „technisches und administratives Militärkomite", dessen Präsident 
ein General der Artillerie oder Geoietruppe war, Tereinigt Für jene 
Hauptleute, welche eine weitere VorrQckung anstrebten, wurde der 
ArtQlerie-StabsofBzierskurB, dessen Dauer wiederholt geändert wurde, 
angerichtet. Die Stabsoffiziersaspiranten der technischen Artillerie 
muihten sich einer Prüfung unterziehen, und bestand durch kurze 
Zeit auch für diese ein besonderer Vorbereitungskurs. Übrigens ging 
auch der Beförderung in die meisten anderen Grade, z. B. zum Haupt* 
mann, Oberst und General eine „praJrtische Prüfung*^ hinsichtlich der 
Führung einer Batterie, Kompagnie, eines Regimentes u. s. w. vorher. 
Endlich wurden zur Ausbildung der Einjährig- Freiwilligen bei den 
Regimentern und bei mehreren Bataillonen besondere Schulen errichtet. 
War die Zahl der Freiwilligen grois, so konnten auch ParaMabteilungen 



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168 



Die österreichische Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



errichtet werden. Bei der tecfaniBOiieit Artillerie gab es keine FVei- 

willigen. 

Entsprach die Stfirke der FeldartiUerie schon früher nicht der 
Zahl der anderen Truppen, so wurde das VerhUtnÜs mit der toxi- 
sehrdtenden Entwickelnng der Landwehr noch ungOnitiger. Zwar 
wurde bei der öeterreichisdien Landwehr, anftnglidi nur die Auf- 
stellung einer Division und auch dieser nur in zweiter Linie in Aus^ 
sieht genommen. Aber in üngam wurde daa Geld nidit gespart, 
und die Sache ging so rasch vorwärts, da& bald drei ziemlicb gut 
ausgebildete Divisionen im Kriegsfälle hätten aufgestellt werden können. 
Obgleich nach dem Landwehrstatut die Errichtimg einer Landwehr^ 
artillerie nicht zulässig war, wurde doch die Anfatflllung einer solchen 
in Ungarn mit Beharrlichkeit gefordert uijd — um wenigstens einen 
augenblicklichen Ersatz zu schaffen — eine ^litrailleusenabteilung er- 
richtet. Obgleich eine Einteilung in Armeekorps nicht bestand, so 
war doch für den Kriegsfall die Aufstellung von IM Armeekorps vor- 
gesehen. Um nun alle Armeekorps in entsprechender Weise mit 
Artillerie versehen zu können und die Wünsche der Ungarn zu er- 
füllen, wurde 1872 die Errichtung eines 13. Artillerieregiments in 
Temesvar angeordnet. 

Indessen hatten die unausgesetzt betriebenen Versuche mit der 
verdichteten Bronze die Verwendbarkeit derselben als (leschütz- 
rohrmatenal für kleinere und mittlere Kaliber aufser Zweifel gestellt 
und in sehr kurzer Zeit wurde ein ganz neues System fiir das Material 
der österreichischen Feldartillerie entworfen und bereits 1875 an 
dessen Binfährung gegangen. Statt der vier- und achtpf&ndigen 
Rohre erhielt die Artillerie 8 und Scmrige Hinterladungsgesdiütae, 
dann 7 cmiige Gebirgsgesditttee aus StaUbronze, Lafetten, Protmn 
und Munitionsfiihrwerke aus Eisen und Stahlblech, sowie eine wesent- 
lich vervollkommnete Munition. Audi f&r den Festungsdienst, wo 
man taßb. bisher mit Gesehütaen verschiedener Systeme beholfen hatte, 
wurden Stahlbronae- Hinterlader hergestellt und nur die grölsten 
Kaliber der EQstenartQlerie wurden wie bisher von Armstrong und 
Krupp geliefert. 

Die l^mgestaltung des Materials nahm auch auf die Oi^aniaatioii 
Einflnfs. D'w Zahl der Batterien und der Geschütze derselben wurde 
nicht geändert, aber es gab nunmehr nur schwere und leichte Batteritti, 
welche beide die gleiche Beweglichkeit besafsen und waren die 
ersteren in überwiegender Zahl vorhanden. Dann aber wurden 
reitende Batterien, freilich vorerst nur zelm Batterien zu je 
6 Gescliützen errichtet. Fünf Regimentern wurden je zwei solche 
Batterien zugeteilt Auch wurde mehreren Begimenteni der Stamm 



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Die österreichläche Artillerie in den letzten 45 Jakren. 



dner Gebiigsbattarie beigefilgt und sollte bei den Landeaschütsen in 
Tirol (der Landwehr dieeer Provinz) eine Abteünng im Artillerie- 
dienste ausgebildet werden, um die Gebirgsartillerie rasch Torstfirken 
zu kennen. Für diesen Fall sollten auch 9 cmrige Kanonen in schmal- 
spurigen Lafetten als Gebiigagesehütse ausgerüstet werden. 

Ob^^eieh die Herstellnng des neuen Materials mit groliMm Eiler 
betrieben wurde, so konnte dieselbe doch erst kurze Zeit ▼or dem 
Beginn des bosnischen Occupationsfeldzuges beendet werden und es 
ist begreiflich, dafs durch letzteren die Ausführung mancher Entwürfe 
nicht unbedeutend verzögert wnirde. Doch wurde unablässig an der 
Vollendung der bestehenden Organisation und der Verbesserung des 
Materials, namentlich jenes der Festungsartillerie gearbeitet. Es 
waren oft scheinbar unbedeutende Vorfiifrunjjon, deren Aufzählung nur 
ermüden würde, die aber gleichwohl im Ganzen eine bedeutende 
Änderung in sicli scliliefsen. So z. B. wurden die Zeugskoni man den 
in „Zeuj^sdepottj" umgestaltet, deren Zahl nach und nach, unm i ochm-t 
die xVntitaken Lui Wiener Arsenal und die ^rofse Pulverfabrik i)ei 
Laibach aul" 24 gebracht wurde. Im Wesentiiclien ist diese Organisation 
der Technischen Artillerie sodann bis zum Jahro 1894 ungeändert 
geblieben. Dagegen mufsten mehrere als nut\s endig erkannte Reformen 
verschuben werden, da die beabsichtigte und mit einer Organisation s- 
ändenmg namentUch der Infanterie verbundene Einfuhrung dos 
Territorialsjstems und der bleibenden Einteilung der Armee in Armee- 
korpa abgewartet werden muÜBte. 

Und ab dieses Werk 1883 durchgeführt wurde, dauerte es bei- 
nahe awei JahrCi bis die Yorschlftge des obersten Aitillerieeheb zur 
AuslUhrung gebracht werden konnten. Bfit Leichtigkeit hatte sich 
der damalige Chef der Kriegsrerwaltung zu dem gewagten Eizperiment 
entschlossen, von der bereits eingelebten Institution der Beserre- 
Begimenter abzugehen und unter Trennung aller bestehenden Yer- 
bttnde 102 Regimenter aus den bestehenden 80 zu schaffen, (wodurch 
übrigens keine Vermehrung, sondern eher eine Verminderung des 
Sollkriegsstandes erzielt wurde, was erst der Tcnige Kriegsminister 
wieder ausglich!), aber um desto mehr zögerte er — obwohl selbst 
dmr Artillerie entstammend — mit der Erweiterung des Rahmens, 
welchen die -\rtiilerie im Kriegsfalle ausfüllen sollte. (Der Friedens- 
stand sollte wenig oder gtirnicht erhöht werden). Vielleicht mochte 
der Kricgsmiidster die Einführung der Hinterlader und die damit in 
\'erbindung stehende Verbesserun'j des übrigen Materials als eine 
genügende Verstärkung der Artillerie betracliten. 

Endlich (1885) kam aber doch die beantragte neue Organisation 
zu Stande, welche von anderen Vorteilen abgesehen, auch in taktischer 



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170 



Die QetenrdclilMhe Artdlerie In deo letcton 45 Jahnn. 



Beaebimg em Fortseihritt war, da durch sie die YerteUuiig der 
Artillerie zu den Truppen in entsprechenderer Weise geregelt wurde. 

Die Regimenter, wie sie bisher bestanden, waren zu grofs und un- 
gledchförmig gegliedert, auch entsprach Uirc Zahl nicht jener der 
Arme^orps. Die Regimenter hätten geteilt werden müssen und es 
Stiels dann ihre Ergänzung — die grundHätzlicIi aus dem betreffenden 
Tenitoriiilbczirke, d. h. aus dem Bezirke des Armeekorps, dfflu sie 
zugeteilt waren, zu erfolgen hatte, auf Hindemisse. 

So wurden dann aus den 13 Regimentern 14 Artillerie-Biigaden 
füiniirt, so dafs jedes normale Armeekor[)s eine solche Brigade er- 
hielt. Das 15. Armeekorps in Bosnien, aus in liest inniit>>i- I nst sieh 
ahl()senden Truppenteilen der anderen Armeekorps bestehend und 
vermöge der rieliindevcrbältnisse des Landes hauptsächlich auf Ge- 
birgsnrtillerie angewiesen, sollte gleich den Truppen des Militär- 
kuiniiiandüs in Dalmatien mit Gebirgsartillerie und einigen von anderen 
Armeekorps detachirten Batterien versehen werden. Jede Brigade 
bestand aus einem Korpsartillerie-Regiment und zwei selbstständigen 
Batterie^Divisionen zu je drei schweren (9 cmrigcn) fahrenden Batterien. 
Das Regiment hatte one Division zu drei schweren und eine zweite 
Divison zu zwei leichten (8 cmrigen) Batterien und bildete die Korps- 
artillerie, während die Batterie^Divisionen die Divisionsartillerie bildeten. 
Die schweren Batterien waren also in überwiegender .Hehrzahl yot* 
banden. Bei acht Brigaden be&nd sich eine Division zu zwei 
reitenden Batterien (zu je 6 Geschützen) und bei den sechs anderen 
Brig^iden be&nden sich zwei Gelnrgsbatterien, welche im Kriege ver- 
doppelt werden sollten. Auch das 9. Festungsbataillon in Innsbruck 
erhielt drei, im Kriege ebenfalls zu verdoppelnde Gehirgsbatterien. 
Die reitenden Batterien und die Gehirgsbatterien der Brigaden bildeten 
einen Teil der iiorpsartillerie-Regimenter. Nur die Zahl der reitenden 
Batterien war vermehrt, jene der fahrenden aber vermindert worden. 

Mit dieser Artillerie konnten nun die aus den Truppen des stehende 
Heeres gebildeten Korps und Divisionen in entsprechender Weise versehen 
werden. Um auch die Landwehr-l)ivisionen mit Artillerie beteilen 
zu können, erhielten die Kor|'sartillerie-Regimenter von neun Brigaden 
eine auf den Kadre gesetzte Division (H Batterien zu je zwei bespannten 
Geschützen), welche im Kriegsfälle kompletirt und als selbst ständige 
schwere Batterie-Division ver\s endcl werden sollte. Die Mobihuaeliung 
dieser Divisionen bedurfte iiniüilich längere Zeit, was jedoch damals, 
du die i orination der Landwehr (namentlich der österreichischen) 
noch keineswegs abgeschlossen und auch die Durchführung des 
Territorialsystems noch nicht ganz erfolgt war, die Landwehr über- 
haupt aber erst in zweiter Unie verwendet werden sollte, nicht von 



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Die (wterreiciii»iche Artillerie in den letztcu 45 Jalireu. 



171 



übergroüsein Nachteil «ein moclite. Die ParkabteUungen der Brigaden 
waren so wie die der früheren Regimenter gegliedert 0ie 
Vermehrung des Friedenastandes betrug übrigens nur vier bespannte 
Geschütze und jene des Kriegsstandesi da die Depotbatterien nicht 
mobil gemacht wurden, nur achts^ C^eschütze. 

Da aber die Aufstellung mehrerer Brigaden und Divisionen des 
stehenden Heeres, die Vornahme von Änderungen des Territorial« 
q^tems, die Venndimng der bosnisohen Thippen (jelst eben so viele 
Bataillone als damals Kompagnien!) und die mehr oder minder baldige 
Vollendung der Landwelirorganisation zu erwarten war, 30 konnte 
aucli eine entsprechende Vermehrung des Standes der Artillerie nicht 
unterlassen werden, Dieselbe mochte in ihren Gnindzügen bereits 
entworfen sein, konnte aber nur behutsam angebahnt und gewisser* 
mafsen in vielen kleinen Etappen ausgeführt werden, da man die Finanzen 
schonen und die Bereitwilligkeit der verschiedenen Vertretungskörper 
nicht allzu sehr beanspruchen wollte. So kam es, dafs seither Jahr für 
Jahr die Krhöhung des Standes der Artillerie durch ganz unscheinbare 
Mittel, bald durch die Auistellung der Kadres »niiiger Batterien, bald 
durch die Verstärkung dieser Kadres um zwei (ieschütze oder nur 
um einige Mannschaften und Pferde, oder durch eine andere Aus- 
rüstung und Gruppining der Batterien bewirkt wurde, so dals wenige 
Monate vor dem Tode des Erzherzogs eine neue umfassende Reform 
sich ohne die iniiideste Reibung durchführen Hofs. Doch wurden bei 
diesem schrittweisen Vorgehen uicht blol's die i-eldurtilicriü, sondern 
auch die übrigen Zweige der Artillerie und zwar in Bezug auf 
Personal und Material berücksichtigt. 

Durdb das Landsturmgeeetz wurden die in einem k&nftigen 
Kriege aufeubringenden Streitkräfte in einem anfanglich kauxA ab- 
zuschätzenden Umfange verstärkt und wenn auch die Zahl der 
mobflUsimngsfiUugen Landsturmbataillone sich nicht feststellen liels, 
so war es doch schon anfänglich gewils, dals dadurdi die ganze 
Landwehr verwendbar gemacht und jedem Armeekorps wenigstens 
eine Division zugeteilt werden könne. (Thatsächlich fonmrt auch 
gegenwärtig die ungarische Landwehr 7 und die österreichische 
^ Truppen-Di\isionen und sind beide Landwehren schon vor 5 Jahren 
als zur Verwendung in erster Linie geeignet erklärt und seither be- 
züglich ihrer Organisation und Ausbildung bedeutend vervollkommnet 
WOTden.) 

Die erste Folge war die 1888 angeordnete Aufetellung von je 
einem Kadre für drei schwere Batterien bei den übrigen fünf Bri;i;iiden, 
so dafs nun im Kriegsfalle 4i* selbstständig<' Batterie-Divisionen ver- 
fügbar waren. Die Verstärkung dieser Kadies auf den normalen 



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172 



Die österreichische Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



FriedenBBtand mniste einer spiteien Zeit vorbehalten bleiben nnd 
konnte andi d«im nicbt mit einem Male durchgeführt irerden. Di« 
Eorpsartillerie, aoB fönf Batterien, anf dem Kriegaetande alao ans 
40 Geechfitzen bestehend, wovon jedoch die beiden Batterien der 
leichten Batterie - Division vahrsdheinlich gleich anfln^ch der 
KavaUerie-Brigade des Korps als £raats für die reitende Artillerie 
beigegeben wurden, konnte nicht genügen, nnd so wurde 1889 die 
Anfetellnng einer vierten schweren Batterie bw dar ersten Division 
der Korps- ArtOlerie- Regimenter beschlossen, die Dnrchfuhrang dieser 
Standesvormchrung jedoch — auf mehrere Jahre ausgedehnt. In- 
dessen liefe schon die un^che Stärke der beiden Divisionen die 
Sache als einen Übergangssnstand erkennen. 

Die Feld- und Gebirgsartillerie zählten nun auf dem Kriegsstand 
1776 bespannte Geschütze, allerdings mehr als in irgend einer früheren 
Periode, aber keineswegs im richtigen Verhältnifs zu der so sehr 
vermehrten Stärke der übrigen Trup}>pn. Denn dci- Stand der Letzteren 
hatte sich, ohne die Reserveformationen der Landwehren und den 
Landsturm zu rechnen, mehr als verdoppelt, während die Artillerie 
kaum um ein Fünftel vermehrt worden war. Allerdings war das 
Material ein ungleich besseres und konnte auch die Mobilmachung 
rascher als damals (z.B. 1859) durchgeführt werden, aber auch die 
anderen Staaten hatten ihre Artillerie vervolikommuet und vormehrt, 
sowie durch einen höheren Friedensstand die Mobilmachung er- 
leichtert, daher das Mifsverhältnifs der Stärke der österreichischen 
Artillerie zu jener der anderen Truppen nicht au^iehoben wurde. 

An Mannschaft fehlte es zwar nicht. Denn im Kriegsfidle soUen 
aUe Landwehrmäoner, ja selbst alle Landstormpflichtigen, welcibe 
friUi^ in der Artillerie gedient haben, der Festongsaitillerie zugeteilt 
werden, während die Feldartillerie in der Reserve das zn ihr«r Eom- 
pletirung reieUich genügende Personal besitzt Bei dem hohen Stande 
ihrer Kompagnien nnd Bataillone (bis 1890), die bei der Mobilmachnng 
durch die Reservemänner kompletirt vnirden, mnJbte die Festuncpi- 
artillerie dann einen Personalstand erreichen, der nach der aus- 
giebigsten Vorsorge für den Festungs-, Küsten- und Belagerongsdienst 
noch die Aufstellung verschiedener Formationen für andere Zmdm 
zuliels. Es konnte also die Festungsartillerie in jene Lücken ein- 
treten, welche die Feldartillerie, die eben nur fiir die in erster linie 
stehenden Truppen ausreichte, nicht auszufüllen vermochte. Sie ver- 
mochte es um so leichter, da sie auch über die landwehr- und land- 
sturmpflichtigen Feldartilleristpu. also über eine ansehnUche Zahl von 
Reitern, Fahrern und Pferdewiirtcrn verfügte. F^m jedoch nicht auf 
diese allein angewiesen zu sein, wurde die Übung der Unteroffiziere 



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Die Ö8t«rreichiache Artillerie in den letzten 45 Jahren. 173 

• 

und eines Teiles der präsenten Mannscluift der Festun«:;;sbataillono im 
Helten und Fahren angeordnet und ^u diesem Zwecke bei fünf 
Bataillonen ein kleiner Bespannungs-Kadre aufgestellt, welcher später 
gig Stamm anderer Formationen dienen sollte und dedialb eine kleine 
Vermehnmg erfuhr. 

Da die bisher angescbaSten gezogenen Geechütse schweren Kaliheis 
kaum zur Armirung der Feetungen genügten, die altartigen Gesohütze 
aber BuoceasiTe aofser Gebrauch gesefast wurden, so mangelte es an 
Gesohütsen fär den BeUgemngsdienst. Es mulste demnaoh erst ein 
eigentlicher Belagerungspark geschafifon werden, was nicht ohne 
Schwieiiii^eiten tot sich ging, da nidit nur die Mittel hierfür nur 
mit Zögern beantragt \md bewilligt wurden, sondern auch mehrere 
passende Geschützmodelle erst erprobt werden mulsten. Seither ist 
indefs das Material der Pestungs- und Belagemngsartilierie wieder- 
holt durch mehrere vorzügliche Gesdiützgattungen bereioh^ worden. 

Nach erfolgter Fertigstellung dieses Belagerungsporkes wurde, um 
denselben rascher verwenden zu können, von den erwähnten fünf 
Bataillonen der Kadre für je einen mobilen Belaperungspark organisirt 
und der bereits bestehende Bespannunf:s-Kadre wiederholt um so viel 
vermehrt, dals wenigstens die Hälfte der ersten Linie der vier Batterie- 
abteilungen, aus welcher ein Purk besteht, bespannt werden konnte. 
Da sich unter den neuen Geschützen auch solche von mittlerem 
Kaliber untl bedeutender Beweglichkeit befinden, so ist hierdurch eine 
Verstärkung der Feldartillerie, nämlich eine Positionsartillerie, an 
welcher es seit der in den Fünfziger Jahren erfolgten Abschaffung 
der 18 pfiindigen glatten Feldkanonen und 10 pfundigen Haubitzen 
gäuzlicli mangelte, geschaffen worden. 

Einige dieser Geschütze (z. B. ein Mörser von 15 cm, eine Kanone 
von cm und nenestens aucli eine Haubitie) werden amdrttcldidi 
als Feldgeschfitze beseidmet und dürften die aus selben formirten 
und von der FestungsartOleiie bedienten Batterien ans den Be- 
lagerungsparks ausgeschieden und den Beserven der operirenden 
Armee zugeteilt werden, um im Bedarfsfälle rasch zur Hand zu sein. 
Dals derartige Batterien oder wenigstens die Kadres derselben im 
Frieden nicht bestehen, darf als kein Nachteil betrachtet werden, da 
ja doch alles zu ihrer schnellen Au&tellung erforderlidie vorhanden 
ist und diese Aufstellimg und Zuteilung nur fidlweise bestimmt werden 
kann. Selbstverständlich können auch die für Festungen erforder- 
liehen Ausfallbatterien und die etwa den Parkabteilungen beigegebenen 
Feldgeschütze von der Fostungsartillerie bedient werden, wie ja letzterer 
überhaupt die Aufjgabe zukommen dürfte, die Formationen zweiter 
und dritter Linie mit Geschützen zu versehen. 



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174 



Die örteneichüclie Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



Um die FeBtongnirtilleiie von der Untersttttsong der In&nterie 
unabhängiger zamacbeii und ne in den Stand sn Selsen, Ihre Angriflb- 
Batterien bei einer Belagerung und ihre Parks und Kolonnen, wahrend 
des Marsches verteidigen zu kOnnen, wurde dieselbe nach dem Muster 
der deutschen Fülsartillerie mit B^jonnetgewefaren versehen. Es scheint^ 
dals diese Malsregel erst nach vielen Einreden der älteren ArtiUeristeo, 
welche verlangten, daA der Artillerist bis sum letzten Augenblick bei 
seinem Geschütz ausharren und in der Bedienung desselben sein Heil 
suchen mflsse, durchgeführt werden konnte. 

Und nun — Ende 1 800 — erfolgte die umfassende Neuformation 
der FestungsartiDerie. Es bestanden bisher 12 Bataillone (im Frieden 
zu je 5, im Kriege zu 6 Kompagnien und konnte der Stand der 
einzelnen Kompagnien bis auf 500 Mann erhöht werden). Jetzt, da 
eine genügende Zahl von Offizieren und Unteroffizieren des Reserve- 
standes licraiifrohildet war, konnte ohne Redeiikon an eine Verkleinerung 
dieser übergrol'sen Bataillone gegangen werden, indem aus denselben 
Ih Ixitaillone zu je 4 Kompagnien gebildet wurden. Da der Gesammt- 
stand der Festungsartillerie voi erst uiigeündert bleiben sollte, so waren 
die Kompagnien ziemlich schwach und erhielten dieselben erst später 
den normalen Stand. Aus diesen Bataillonen wurden drei Regimenter 
zu je drei und drei zu je zwei Bataillonon formirt, w<ä]irenil drei 
Bataillone (in Ungarn und l'irol) nicht in den Regiiiientsverband 
aulgeiiummen wurden. Ein General oder Oberst wurde als Festungs- 
artillerie-Inspektor an die Spitze der eigentlich erst jetzt als besondere 
Waffengattung organisirten Festungsartülerie gettellt) um deren IHenst 
und Ausbildung zu äberwacfaen. 

Die bisher dem Bataillon in Innsbruck angehörenden 3 Gebirgs- 
batterien wurden von letzterem getrennt, in eine eigene Gebirgsbatterie- 
Abteüung vereinigt und der Feldartillerie zugewiesen. Es war damit ein 
bedeutender Schritt zur Selbstständigkeit auch dieses, bisher teils der 
Feld-, teils der Festungsartillerie angehörenden Zweiges der Artillerie 
geschehen und es ist sehr wahrscheinlich, dalk der Erzherzog schon 
vor Jahren daran dachte, auch die Gebiigsbatterien der Brigaden in 
eigene Abteilungen oder Regimenter zu verdnigen und gleich der 
Festungsartillerie einer eigenen Leitung zu unterstellen. Es mag 
Solches auf spätere Zeiten vorbehalten worden sein, da einem noch 
wichtigeren ZielCi nämlidi der Herstellung einer noch zweckmäfsigeren 
und gleichförmigeren Organisation der Feldartillerie unverrückt zu- 
gestrebt wurde. 

Eine höchst bedeutungsvolle Etappc auf dem Wege zu diesem 
Ziele war die 1S1)2 aii'jeordnete Aiisrüstun«^ der leichten, wie auch 
selbst der reitenden Batterien mit dcnirigeu Kanonen, so dafs nun die 



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Die österreichiache Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



175 



8 cmiige Kanone ganz ans dem Material der Feldartillerie ausgcächiedon 
wurde. Eine Folge davon war, daft die Korpsartillerie-Regimenter 
in zwei Divisionen zu je drei Batterien gegliedert wurden. 

Die Brigaden bestanden somit eigentlich aus 5 ganz gleich or- 
ganiairten Batterie-Divisionen und die einzige UnregelmlÜBigkeit 
bestand (und besteht noch gegenwärtig) darin, dals den einen Brigaden 
Gebirgsbatterien und den anderen reitende Battterie-Divisionen zu- 
geteilt sind. Der nicht genug zu schAtsende Vorteil aber besteht 
darin, dafs die FeldartUlerie aulser den Gebiigsgeschützen nur ein 
Kaliber, also ein Einheit^escliütz besitzt Dabei hat sich die Sache 
ohne sonderliche Kosten vollzogen, denn die schweren Oesohfitze 
waren vorhanden und die ausgeschiedenen leichten fanden eine sehr 
passende Verwendung. Denn sowie für die Festungen und die Land- 
Sturmabteilungen die vorrätigen Hintcrladungsgewehre älteren Systems 
aufbewahrt werden, können auch die noch ganz brauchbaren 8 cmrigen 
Kanonen derselben Bestimmun«]^ erhalten bleiben und würden die nun 
ausgeschiedenen 320 leichten Geschütze genügen, um die zu formirenden 
Divisionen zweiter Linie mit der entsprechenden Artillerie zu versehen. 

Schon im nächsten Jahre wurde ein weiterer Schritt zur Aus- 
führung der entworfenen neuen Organisation gethan, welche, so be- 
deutungsvoll sie war, gleichwohl vorerst eine nur unbedeutende Ver- 
mehrung bedingte, aber eben deslialb keiner Opposition begegnete. 
Denn wieder handelte es sich um die Aufstellung von nur einer 
Batterie bei jeder Brigade und wie gewühnlicli sollte auch diesmal 
die Durchführung auf zwei Jahre verteilt werden. Sobald dieses 
sichergestellt war, wurde bald auch der Entwurf der neuen Organisation, 
welche mit Beginn des Jahres 1894 ins Leben treten sollte, vorgelegt 
und genehmigt Sie war überraschend ein&ch und darf im Vergleidi 
zu den zahhreichen von anderer Seite hierüber gemachten Vorschlägen 
als ein wahres Kolumbus- Ei bezeichnet werden. Die Brigade hatte 
— ohne Gebirgs- oder reitende Artillerie — 16 Batterien, welche nun 
in vier Abteilungen gejj^iedert wurden. 

Es wurden nSmHch von den Batterie-Divisionen des KorpsartiUerie- 
Begunents zwei Batterien ausgeschieden und den beiden selbstständigen 
Batterie -Divisionen zugeteilt. Die neuaufgestellte Batterie wurde 
der 3. (erst im Kriegsfalle selbstständigen) Batterie-Division, die nun 
aus dem Verbände des Regiments trat, beigegeben, so dafs nun 
4 Abteilungen zu je 4 Batterien geschaffen werden. Die bisherigen 
Korpsartillerie-Regimenter behielten diese ihre Benennung und es 
hefen davon Nummern von 1 bis 14: doch zerfielen sie nicht mehr 
in Divisionen und es bildete jedes mir eine Abteilung. Für den 
etwaigen Fall einer Trennung übernahm der dem Regimentschef 



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176 österreichiBche Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



beigegdbfliie Stabsoffizier den Befehl Uber die detacfairten Batterien. 
Die um eine Batterie Tentirkten Batterie-DiriBionen aber erhielten 
die Benennung DirisiooBartillerie-Regimenter mit den Nnmmem von 
1 bis 42. Auch jedes dieser Begimenter bildete nur eine Abteünng. 
Die Benennmig der Begimenter entsprach der gnindsätsUohen Be- 
stimmung derselben ab Korpsartillerie nnd Dirisioosartillerie der ans 
den Trappen des stehenden Heeres oder der Landwehr Ibnmrten 
In&nterie-Divisionen. Acht KorpsartiUerie-Regimettter hatten aoJsOTdem 
eine reitende Batterie-Division zu 2 Batterien. Diese Divisionen 
werden im Mobilmachungsfalle den acht Kavallerie -Divisionen als 
„selbstständig detachirte Abteilungen'' beigegeben. Bei elf Begimentem 
befindet sich je eine Gebirgsbatterie, wdche im Kriege verdoppelt 
werden kann, während bei dem 3. Regiment swei d^'lei Batterien 
neu errichtet wcrderK Endlich gehören zu jedem Korps- oder 
Divisionsurtillerie-ilegimcnt noch ein Munitions]>:irk- utul oin Ersatz- 
depot-Kadre, woraus bei der Mobilmachung der Korps- oder Divisions- 
Munitionspark gebildet werden. Ein solcher Park hat bei der Mobil- 
maclmng zwei Artillerie -Munitionskolonnen, sowie eine Infanterie- 
und bei acht Brigaden auch eine Kavallerie -Munitionskulonne, der 
Ersatzdepot-Kadre aber eine Ersatzbatterie und das Ersatzdepot auf- 
zustellen. 

Die Gebirgsbatterie-Division in Tirol liat drei Gebirgsbatterien, 
welche im Kriegsfälle verdoppelt werden und einen Ersatzdepot-Kadre, 
ans welchem bei der Mobümacfanng das Ersatzdepot vnd rier schmal- 
spurige (9 cmrige) Feldbatterien formirt werden. Sowohl diese Batterien 
und die Gebirgsbatterie-Dirision als die Gebirgsbatterien der Korpe- 
artillerie-Begimenter werden jenen Korps nnd Divisionen, welche für 
den Gebirgskrieg bestimmt sind, sngeteilt und befinden sich dieselben 
anch gegenwärtig in Tirol vnd im Oocnpationagebiete. Mit Ausnahme 
der 14. Brigade, deren HttUto dem 2. Aimeekoips ungeteilt ist» 
befinden sich alle Begfanenter in den Berirken ihrer Korps nnd 
Divisionen. 

Die Mannschaften der Landwehr und des LandsturmeSi welidie 
in der Feldartillerie gedient haben, werden nach Bedarf herangesogen 
und zumeist den Mumtionskolonnen und Ersatzdepots zugewiesen, 
aus welchen das Personal der ^ Reserveanstalten der Artillerie, deren 
Organisation nicht wesentlich geändert wurde, entnommen wird. 

Der Kommandant eines Divisionsartülorie-Rcgimcnts ist Artillerie- 
chef der Division, jener des KorpsartiUerie-Regiments Stellvertreter 
des Brigadiers und dieser Artilleriechef des Arnjeokorps. Ein General 
wird im Kriegsfalle als Artiilenechef einer Armee bestimmt. Im 



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Die österreichiaclie ArtUlerie in den letzten 45 Jahren. 



177 



Falle der Aufiteliung eines Ärmee-Oberkommandoe tritt der General- 
Inspektor an die Spitee der gesammten molnlisirteik Artillerie. 

Es hat diese Organisation vor allen froheren den Vorzug be- 
sonderer Einfiichheit und grölserer Gleichförmigkeit. Selbst die gleicih- 
imniigein Teile der froheren Brigaden waren besügilidh der dienst- 
lichen Verhftltnisse sehr verschieden, indem z. B. die Kommandanten 
der aelbststftndigen Divisionen nur dem Brigadier^ die der Dirisionen 
des Begiments dem Ohof desselben und endlioh jene der fOr die 
Landwehr bestimmten Divisionen im ^eden ^eichfalls dem Begiments- 
dief, im Kriege aber dem Brigadier untorstollt waren. Auch die 
Verwaltung war wegen der ungleichen Gröfse und Gliederung der 
einzelnen Teile der Brigade verwickelt und scbweritUlig und nur aus- 
nahmsweise war das ganze Regiment oder gar die ganze Brigade an 
einem Orte versammelt. Die einzigen ungleichförmigen Bestandteile 
der Brigaden sind auiscr den reitenden Batterien die Oebirgsbatterien, 
deren gänzliche Lostrennung von der eigentlichen Feldartillerie wohl 
schon vor längerer Zeit als passend erkannt, jodoeh auf gelegene 
Zeit verschoben worden war, durch die abgesonderte Dislozirung in 
Bosnien und Tirol aber fiewissermafsen schon durchgeführt erscheint. 

Die Kavallerie ist nach und nach so verstärkt worden, dafs ganz 
gut vierzehn Kavallerie-Divisionen foniiirt werden können, oder ab- 
gesehen von den bestehenden selbstständifjen Divisionen jedem Armee- 
korps auch eine Kavalleriebrigade zugewiesen werden kann. Die 
Vermehrung der Zahl der reitenden Batterien ist also mit Gewifsheit 
— wenn schon in einer jetzt nicht zu bestimmenden Zeit zu er- 
warten. Sind dann die Gebirgsbatterien ganz ausgeechieden und be- 
sitzt je de Artillerie-Brigade ihre reitende Batterie-Dirision, dann sind 
nicfat nur alle Brigaden einander gleich, sondern die einzelnen gleich- 
Pkadg orgaoisirt und — was noch wichtiger ist — mit dem i^eichen 
Material ausgerOstet 

Die Verstärkung der DivisionsartÜIerie ist ein bedeutender Fort- 
schritt. Man hat überall erkannt, dafs ein ins Gefisoht kommender 
groüserer Ttuppenkörper — also eine Dirision gleich anfilnglich eine 
ansehnliche Geschützzahl ins Feuer bringen mufs. Die meisten Armeen 
haben eine Divisionsartillerie von '24 Geschützen, die Sstmeichische 
eine solche von 32 und wird in dieser Beziehung nur von der 
russischen übertroffen, welche ihren Divisionen 48 Geschütze zuteilt, 
aber — wenigstens gegenwärtig keine Korpsartillerie besitzt. Die 
Zeit der vereinzelten Brigadebatterien ist ebenso vorüber, wie jene 
der grofscn Arniee-Geschützreserven, die entweder garnicht ins Feuer 
Etelangten oder bei einer iinij;iinstigen Wendunp: durch ihre Auf- 
opferung die Milsgriffe der iieeresleitung vergebens auszugleichen ver- 



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178 öflierreichiache Artillerie in den letzten 45 Jahren. 

suchten. Dagegen wird die Heeresleitung eine ArtUleiiereserre bei 
de& eimseben Korps gewi& niolit entbehren voU«l Hierfiir aber 
dürfte das jetzige ÖeterreiohiBohe Eorpuitillerie-Regiment mit nur 
32 Gesdrätsen kaum genügen. 

Indessen lä&t sich ans dem Umstände, dafh die Organisation 
des IHvisionB-Artillerie-Regmientes doch nicht ganz mit jener des 
Korpsartillerie-Regimentes übereinstmimt, indem letzterem die Oebiige- 
und reitenden Batterien ang^liedert and und die Park- nnd Ersatz- 
Kadree fiir eine groisere Vermehrung des Standes beredmet sind, 
sowie aus verschiedenen Äufserungen eingeweihte PersSnHchkeiten 
der Schluls ziehen, dafs auf die Ge&hr hin, die neu erzielte Gleich- 
förmigkeit der Oi^aniaation zu stören, in vielledcht niclit allzu femer 
Zeit eine Vermehrung der Korpsartillerie angestrebt werden wird. 

Auch die „Technische Artillerie" sieht einer Umgestaltung ent- 
gegen. Das Xäliere, was hierüber kurz vor dem Ableben des Erz- 
herzogs in die Üffentliclikcit kam, läfst das Beste erwarten. Dieser 
Zweig der Artillerie sollte aus einer Ti ui)|'i- in eine Anstalt umgewandelt 
und deren Personal succcssive aus iJeamten — nändieh aus fach- 
männisch gebildeten Ingenieuren und Administrationsheamten gebildet 
werden. Erstere fähren den Tit'-l General- Ingenieur, Über-Ingenieur, 
Ingenieur, Assistent (in verschiedenen Klassen), je nachdem sie im 
Generals-, Stabsoffiziers- oder Offiziersrange stehen. Neben denselben 
giebt es wie bisher Oberwerkfülirer und WerkfUhrer, dann Werkmeister. 
Die Administrations- oder Rechnungsbeamtcu werden denen des Heeres 
entsprechend organisirt und wird ihnen die erforderliche Zahl von 
Bechnungsunterofifizieren zugeteilt, sowie den Ingenieuren Werk- 
meister zur Seite stehen. Diese Organisation ist in ihren Grundzügeu 
nach demselben Prinzip, welches der kürzlich erfolgten Einrichtung 
der Leitung des Geniewesens maisgebend war, entworfen worden. 
Jeden&Us war das plötzliche Ableben des Erzherzogs der Grund, 
weshalb die orgamsdien Bestimmungen über die Umgestsltung der 
Technischen Artillerie vor der Ernennung des neuen GeneraL-Inspektora 
nicht Teröffentlicht werden konnten. 

Sind auch manche Änderungen, wie ja überhaupt keine Ein- 
richtung unverrückt beibehalten werden kann, zu gewärtigen nnd 
harren manche Entwürfe des Erzherzogs noch ihrer Ausführung, so 
ist dessen Werk, die Umgestaltunir der österreichischen Artillerie, ün 
Ganzen und Grofstu doch als abgcscUossen zu betrachten und es 
entspricht letztere den Anforderungen der Zeit und dem gegenwärtigen 
Stande der österreichisch- ungarischen Wehrmacht in weit liöberem 
Grade, als in irgend einer früheren Periode der Fall gewesen ist. 

Um die Bedeutung der erzielten Fortschritte voU zu ermessen, 



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Die öaterreichische ArüUerie in den letzten 46 Jahren. 



179 



darf man nur den Stand der österreichischen Artillerie Ende 1849, 
also vor 45 Jahren mit dem heutigen vergleichen. Damals zahlte die 
österreichische Artillerie mit Einrechnung der ein Jahr vorher er- 
richteten Landwehr-Bataillone m fttnf Regimentern, fünf Bataillonen, 
swei EorpB und der schwachen Oamlsonsaitillerie 180 Kompagnien. 
Wurde auch nur der vierte Teil davon zum Festnngs-, Belagerungs- 
und Parkdienst verwendet, so reichte das Übrige kaum zur Besetzung 
von 180 Batterien, also 1080 GesdiUtzen hin, für welche aber die Be- 
spannung kaum zu beseha£Fen gewesen wttre. Wohl waren in den 
Entwarfen 200 Batterien, also 1200 Geschütze angesetzt. Dodi w&re 
f&r diese das brauchbare Material nicht vorhanden gewesen. Für 
hme Vermehrung des Standes aber war nichts vorgesehen und konnte 
eine solche nur mit neu ausgehobenen Mannschaften bewirkt werden, 
wobei es auch noch an Offizieren und Unteroffizieren, Pferden und 
brauchbarem Material gemangelt hätte I 

Und nun bestehen 5ß Artülerie-Regimenter und eine Gebirgs- 
batterie-Division , G Regimenter und 3 Bataillone Festungsartillerie. 
Von der Feldartillerie können sofort 224 fahrende, 16 reitende und 
24 Oebirgshatterien mit iM)J4 Feld- und Gebirgsgeschützen, sowie alle 
Park- und Munitionskolonnen mobil gemacht werden, abgesehen davon, 
dafs mit Hilfe der Kadres und der Festungsnrtillerie die Aufstellung 
weiterer Batterii-n ermöglicht ist. Und für eine noch weiter gehende 
Vermehrung, sowie fiir den Ersatz der Abgiiiige steht eine bedeutende 
Reserve von 0£&zieren, Unteroffizieren und Mannschaften zur Ver- 
fügung. 

Der Personalstand der Artillerio ist seit den letzten 25 Jahren 
nahezu vervierfacht worden und kann im Bedarfsfälle noch bedeutend 
vennehrt werden. Aber nicht minder beachtenswert, ja vielleicht 
noch wichtiger sbd die Fortsehritte, weldie bezüglich der Ver- 
vollkommnnng des Materials und der Ausbildung des Personals zu 
verzeidmen sind! Damals besafe die Ssterreichische Artillerie ein 
Geschütz- und Wagenmaterial, weldies nicht nur dem System nadi, 
sondern zum Teil wirklich aus dem vorigen Jahrhundert stammte. 
Und nun ist nach der teilweisen oder gändichen FjnfubruTig von drei 
vollkommeneren Systemen ein viertes im Gebrauche, welches wohl noch 
durch längere Zeit den an dasselbe zu stdlenden Anforderungen ent- 
spricht. Das Offizierkorps aber ist verjüngt, taktisch gut ausgebildet 
und durch ein ungleich gründlicheres und vielseitigeres fachmännisches 
und allgemeines Wissen ausgezeichnet, als es bei vielen ganz energisch 
herangebildeten Offizieren der früheren Zeit der Fall war. 

Die Mannschaft aber, bei welcher man sich nicht mehr mit dem 
mühsamen Einlenicn eines theoretischen Wissens von oft sehr zweifel- 

Jahrbttclier flu Ii« Dtatack« Ann«« und Mviaa. Bd. 97. 2. 13 

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180 



Die österreichische Artillerie in deu letzten 45 Jahren. 



liaftem Worte UMst, ist dafihr in rein militilriMher Htnaicht und in 
ihrem spezieUen Dienste desto gründKcher praktisch ansgelnldet und 
68 ist für den Eriegs&ll eine genügende Reserve vorhanden. 

Sind anoh 45 Jahre ein langer Zeitraom, so sind die in dem- 
selben erzielten Resultate doch nieht minder hoch anznsoUagen, wefl 
sie nnter oft sehr nngOnstigen VerhAlfenisee, durch liingere Unter- 
brechungen verzögert und fest stets mit geringen Mittdn erreicht 
worden. 

Als der vorliegende Aufsatz bereits vollendet war, erhielt die von 

dem verblichenen Erzlierzog vorbereitete Umgestaltung auch der 
„Technischen Artillerie" die kaiserliche Sanktion. Es geschah dieses 
fünf Monate nach dem Tode des Prinzen und darf diese Umgestaltung« 
als der Schlufsstein des von Letzterem ausgeführten Werkes angesehen 
werden. In den Grundzüpen stimmt die Organisation mit dem, was 
bereits im Frühjahr 1894 liierüber veröffentlicht wurde, überein und 
es dürften nur einige Details nachträglich eine Änderung erfahren 
haben. 

Ganz ähnlich wie bei der Umgestaltung der Geniebehörden ging 
man auch hier von dem Gedanken aus, dafs der rein technische Be- 
trieb von der Verwaltung gesondert werden und für diese beiden 
Zweige ein besonderes Personal bleibend bestimmt werden müsse und 
dafs die verschiedenen Fabriken, Werkstätten, Depots und dgl. der 
Artillerie trotz der militärischen Organisation ihres Personals nicht 
als Truppenkörper, sondern als Anstalten zu betrachten sind. Dem- 
gemftfs erfolgte die mit 1. Februar 1895 ins Leben getretene Neu- 
gestaltung der „Technisdien ArtUIerie*^ oder des „Artillerie-Zeugs- 
Wesens wie selbes nun amtlich bexuumt wird. 

Von den dasselbe bildenden Anstalten befinden sich die widitigsten 
in dem ArtOlerie-Arsenal in Wien und darf dieses ab der Zentral- 
punkt des Artillerie-Zeugswesens betrachtet werden. Es befinden sich 
in dem Arsenal die ArtüIerie-ZeugsfiBibrik, das Artillerie-Zeugsdepot) 
die Artillerie-Zeugsabteiliing ftür Wien und die ÜbemahmskommisBion. 
Mit diesen Anstalten und den Behörden derselben stehen die nach- 
stehenden Anstalten in mehr oder minder enger Beziehung. Es sind 
diese Anstalten das Artilleriedepot und die Munitionsfabrik bei Wiener- 
Neustadt, die Pulverfabrik bei Stein nächst Laibach, die Pulverfabrik 
in Blumau bei Felixdorf unweit Wiener-Neustadt (hauptsächlich für 
rauohschwaches I'ulver), dann die Artillerie-Zeugsdepots zu Budapest, 
Budweis (Bergstadtl). Cattnro, Graz, Innsbruck. Josefstadt, Karlsburg, 
Kaschau, Komorn, Krakau, Lemberg, Mostar, Peterwardein, Pola, Prag, 
Przemysl, Sarajevo, lemesvar und Trient nebst siebzehn Zeugsfilial- 
depots in anderen Städten und Festungen, Von diesen Anstalten 



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Die öitemichiaohe Artillerie in den letstea 46 Jahren. 181 



werden im Kriegsfalle Feldzeugskompagnien für die Armee- Munitions- 
parks, Munitioust'elddepüts und Belagerungsparka, sowie Feldzeugs- 
abteilungen für die mobilen Belagerungs-Batteriegruppen, Gebirgs- 
Mmdlionspiurks und Gebirgs-Munitionsdepots aufgestellt. 

Das Pttsonal dieser Anstalten des Artfllerie-Zengsivesens, also 
die eigentlifiiie teohmsche Artillerio gliedert sich in teohnisohe Beamte 
ond die ArtHlerie-Zeugsmannschaft. Erstere scheiden steh wieder in 
Artillerie-Ingenieure und Artillerie-Zeugsbeamte, weldie in 
je einen besonderen Stand emgeieiht sind. Der im Kriegsfiüle nach 
Bedarf zu Teimehrende nonnale Stand besteht in 2 Artfllerie-Genenl- 
Ingeniearen (im Generalsrang 4 Oberingenieuren 1. Klasse, 4 Ober- 
ingemenren 2. und 7 der 8. Klasse (Oberste, Oberstlieutenants und 
Majore), 25 Ingenieuren (Hauptleute) und 10 Ingenieur-Assistenten 
(Oberlieutenants), dann 3 Artillerie • Obeneugsverwaltcrn 1. Klasse 
(VI. ßeamten-Bangsklasse), 3 Oberzeugsverwaltem II. (VII. Rangs- 
klasse), G Zeugsverwaltem (VIII. Rangsklasse), 80 Zeugsoffizialen 1. 
und 2. Klasse (IX. Rangsklasse), 77 Offizialen 3. Klasse und 51 Ao> 
cesaisten (X. und XI. Rangsklasse). 

Aufscrdem sind noch diesen Anstalten und den Zeupsabteilungen 
(überzählig im Stande der Festungsartillerie geführte) Offiziere, dann 
ßechnunf^soffiziere, Intendanten und Ärzte zugeteilt. 

Die Artillerie-Zeugmannschaft zählt in ihrem Stande Feuerwerker, 
Meister (verschiedener Klassen), Unteroffiziere und Zeugskanoniere. 
Nach Bedarf können auch Mannschaften der Festungsartillerie und 
anderer Truppen zu den Arbeiten herangezogen werden und sind bei 
mehreren Anstalten (namenthch bei den l'ulverfabriken) auch Zivil- 
arbeiter zeitweilig oder ständig beschäftigt. 

Vorläufig hat die Ergänzung des Ingenieurkorps der Artillerie 
durch die Übersetzung der schon gegenwärtig bei den gedachten 
Anstatten befindüohen und dafilr ToUkommen geeigneten Offiziere und 
später doroh Beförderung in dem Korps selbst und durch Übersetzung 
-▼on Artillerie - Offineren und Zeugsbeamten, welehe den höheren 
Artillerieknis absohirt haben, zu edblgen. Dieselben brauchen in 
diesem Kurse nur die in ihr Faeh einsddftgigen Gegenstände zu 
liöiren und besnehen dann zu ihrer weiteren Ausbildnng hierin die 
betreffenden Vorlesungen an der Wiener Polytechnik. Dureh einen 
besonderen Erlals wurde für diesen KoUegienbesuch den betreffenden 
Offizieren das Tragen der Zivilkleider gestattet. Nach einer Sechs- 
monatlichen Probcdienstleistung erfolgt die definitive Einteilung oder 
(ftir die Assistenten) wenigstens die Vonnerkung für die nächste 
offene Stelle. 

Zu Zeugsbeamten werden zunächst ebenfalls die schon bei den 

13* 



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182 



Die üsierreichisciie Artiilene in den letzten 45 Jahren. 



Anstalten emgeteüten Offisieie und Weckfühier (Mb diese ans 
froherer Zeit stammenden ArtiUeiiebeamten nicht zn den Ingenieuren 
eingeteilt werden) nnd später Unteroffiziere der Artillerie nnd Zeugs- 
aastalten ernannt Dieselben müssen Torher den im Wiener Arsenal 
eingerichteten Vorbermtongslnirs mit gutem Erfolge absolnrt und 
bei der durchgemachten praktischen Erprobung sich bewährt haben. 
Auch die Offiziere nnd Unteroffiziere des Beurlanhtenstandes der 
Artillerie, welche die entsprechenden Studien nachweisen können, 
finden, nachdem sie sicli einer sechsmonatlichen Probedienstleistung 
in einer Fabrik oder einem Zeugdepot unterzogen haben, Aufoahme, 
und haben dieselben während dieser Zeit oder nach derselben die 
für die, die Aktivirung anstrebenden Resenre-Offiziere vorg^hriebene 
ErfTfinznngsprüfung abzulegen, wobei ihnen jedoch die Teilnahme an 
der üblichen Mappirungsübun^ nachgesehen wird. 

Die Mannscliaft wird durch Übersetzung sich dazu eignender 
Leute anderer Truppenkörper und dnrcli Rekrutirung ergänzt, wobei 
auf kräftigen Körperbau und geuü^cnde Schulbildung, vorzüglich 
aber auf Auswahl geeigneter Handwerker zu sehen ist. 

Von den früher genannten Anstalten ist der Arfillerie-Zeug- 
fabrik in Wien die Erzeugung und Prüfung des gröfstcn Teiles des 
Artilleriematerials (Geschützrohre, Laffeten, Fuhrwerke u. s. w.) und 
des Waifenmaterials der Armee überhaupt, der Munitionsfabrik 
in Wiener-Neustadt die Herstellung der Gewehr- und Geschütz- 
munition, sowie den PaWerfabriken in Stein nnd Blumau die 
Erzeugung aller Pnlvergattungen übertragen, während die Übernahms- 
kommission im Arsenal die Untersuchung und Übernahme aller 
Yon den vorgedachten Anstalten, den anderen Zeugsdepots, sowie von 
Fabrikanten und Lieferanten nach Wien gesendetem GegenstSnde 
besorgt und die Wiener Zengsabteilung ffir die dortigen und 
mehrere ausw&rtige Anstalten das erforderlidie Anftiohts- und teil- 
weise auch das Arbeitspersonal beistellt^ das Artillerie-Zengsdepot 
im Arsenal aber die Aufbewahrung und Verwaltung sÄmmtlicher 
daselbst befindlichen Vorräte aller Art^ deren Verabfolgung an die 
Truppen, die anderen Zeugdepots und die Fabrikanten, die Beschafifong 
des Ersatzes für die aus^'efolgten Gegenstände und MatMialien, sowie 
das Pulverversclüeiisgeschäft zu besorgen hat. 

In ähnlicher Weise obliegt dem Wicncr-Neustädter Zeugs- 
depot die l bernahme, Aiibcwahrung und Ausgabe von Munitions- 
vorräten aller Art, die Beaufsichtigung der von Privaten geleiteten 
Pulvermühlen und Fabriken, sowie der Pulververschleifs. 

Die anderen Zeugsdepots und deren Filialen haben in den 
ihnen zugewiesenen Bezirken die Übernahme, Verwaltung, Aufbewahrung 



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Die österreichische Artillerie in den letzten 45 Jahren. 



183 



imdAbgabe der für den Bedarf der Trappen und Festungen erforderlichen 
ArtQleriegegeiMtindA, WaffoDi Himltbii «. 8. w. in besorgen, Sie 
smd in mebr&oher Beriehnng den betreffimden Artillerie-Brigadieren, 
FeBtongsBitilleirie-Direktoreii iL s. w. untergeordnet, eteben aber aelbet- 
▼erständlidk mit den ^f^ener Anstalten in steter Verbindnng und 
erhalten teilweise dnroh diese, teÜB direkt ▼on der obersten AitUlerie- 
behSrde die Weisongen bindcfatiich des Betriebes des Dienstes nnd 
obwobl kein eigener Chef des gesammten Zeugswesens ernannt 
wurde, darf angenommen werden, dals der rangsälteste General- 
Ingenieur und Oberzeugsverwalter die oberste Ldtung des rem 
technischen Dienstes und der Verwaltung fUhren werden. Im 
MobiImachun{i:sfalle wird auTser den Zeugskompagnien und Abteilungen 
auch die entsprechende Anzahl 7on Ingetaienren und Zeugsbeamten 
aller Grade der Armee zugeteilt. 

Auch wurde bereits eine eigene Adjustirung für das Personal der 
technischen Artillerie genehmigt. Die Farben der Uniform sind nicht 
geändert, sondern die dunkelbraunen Waffenröcke mit scharlachroten 
Aufschlägen und blaugrauen Beinkleider beibehalten worden. Da- 
gegen ist der Schnitt derselbe wie bei den Uniformen des General- 
Stabes und der Beamten, nämlich mit zwei Knujifreihün und ohne 
Achselschlinge. Die Ingenieure haben Knöpfe, Sterne und Borten 
von Silber, dann Hut und Degen der Intendanten und das Offiziers- 
portepee, die im Stabsoffiziersrange stehenden goldene Sterne auf 
Silberborten, die General-Ingenieure goldene Borten und die Abzeichen 
der Generale (mit Ausnahme, des Hutes nnd der Feldhinde). Die 
Uniform der Zeugsbeamten ist Ühnlich, jedoch mit gelben Knöpfen 
nnd Borten und statt den Sternen mit goldenen oder sQbemen 
Bosetten versehen. Hut und 0egen (ohne Portepee) sind wie l&r die 
übrigen HSitirbeamten Torgeschriehen. Die Adjustirung der Biann- 
Schaft wurde nicht geändert und bezOgEch der Bewaffiiung be- 
stimmt, dais die Feuerwerker KaTaUeiies&bel, die anderen Unteroflfiaiere 
und die Zeugskanoniere Faschinenmesser erhalten. Die Kanoniere 
der im Kriege mobil gemachten Zeugsabteilungen werden dann mit 
kurzen Gewehren ohne Bigonnet (und einem Vorrat Ton 30 Patronen) 
ausgerüstet. 

So ist denn mit der Neugestaltung des Zeugswes^ das vom 
Erzherzog Wilhelm begonnene und trotz aller Hindernisse weiter- 
geführte Werk abgeschlossen worden und dürften für die nächste 
Zeit keine bedeutenden Relormen, wohl aber manche fl-llmählig er- 
folgenden Standesvermehrungen zu erwarten sein. 



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XIL 



Die Küsten und Häfen des Bussischen £eiches in 
Europa und dem Sankaens mit Büoksioht anf 
die Landes-Yerteidigung. 

Von 

Toa Zepelin, Oberst a. D. 



Um die Ausdehnung der Küsten RuTsIands und das Verhältmik 
derselben zu der Landmasse, welche das groJse Reich innerhalb seiner 
Grenzen einschliefst, richtig beurteilen zu können, ist es notwendig, 
sich zu vergcj^enwärtigen, dafs allein auf das Russische Reich in 
Europa mit dem Kaukasus 5 S(i"2 547 qkm kommen, während das 
ganze, dem Scepter des Zaren unterworfene Gebiet in Europa und 
Asien, einschliefslich der grofsen Seenbecken des Aral-Sees und des 
Kaspischen und Asow'schen Meeres eine Oberfläche von nicht weniger 
als 22 430(X)4qkm bedeckt. Leicht begreiflich ist es, dafs das bei 
solchen Ausdehnungen gewonnene topographische Bild der Küsten, 
noch mehr aber die Messungen der Länge derselben bisher nur teil- 
weise auf Püchtigkeit Auspruch raachen durften. Wir üuden daher 
in den Angaben über die Längenausdehnung der Küsten die aller- 
grölsten Verschiedenheiten. Möge nun aber das RnssiiM^he Baidi in 
Europa nnd im Eankasns bis Batom hier eine Ettstenentwickelung 
▼on 10070 km, wie die eine Qnelle» oder 12700 Wersfe (die Werst 
mm 1067 km), wie die andere angiebt, beriteen, so zeigen doch diese 
Zahlen immerhin, welche Meeresgrenzen Rnfsland zn sohiitaen hat. 
Von dieser Kfistenlinge kommt em TerhSltnUsm&Cng gro&er Teil 
(4800 km) anf das nördliche Eismeer, einschliefelich des weilsan 
Meeres, 2480 km anf die 'Ostsee, 2000 km anf das Gchwazse Meer, 
1290 km auf die zerrissenen Kfisten des Asow'schen Meeres. Nun 
darf bei der Beurteilimg der strategischen Bedentang der Russischen 
Kttsten nicht übersehen werden, dafs die letztere wesentUch abhftngt 
von der Anziehungskraft, weiche die Mittel ihrer Hafen{dfttie und 
der Reichtum des Hinterlandes einem feindlichen Heere bietet, vor 
allem aber von der Lage der Küste zn dem Kriegsschauplatz, auf 
welchem die entf?choidenden Kämpfe stattfinden. In diesen Be- 
jäehungen finden wir aber in Rtilsland ganz eigenartige Verhältnisse. 



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Die Kfliten und Hiftn des rmrinfhuti H wßhwt etc. 



185 



Das nördliche Eismeer bespült Küsten, deren Häfen em 
Hinterland habm, welches sowohl durch seine klimatischen, kulturellen 
und BeröIkerangs-Verh&ltiueBe, wie durch seine geringe Wegsamkeit 
imd die entüsnite Lage von den Hauptstädten des Reiches und den 
Centren seines Handels und seiner Industrie die Operationen eineB 
feindlichen Hocres im gröfseren Styl unmö'^'lirh macht. Hierzu kommt, 
dafs das Meer einen grofsen Teil des Jahres hindurch weithin mit 
£i8 bedeckt und der SehifTfahrt unzugänglich ist. 

Das Schwarze Meer wird teilweise von Landstricheu begrenzt, 
welche wie der Kaukasus und die südöstlichen Gouvernements für 
eine westeuropäische Armee, ganz abgesehen von ihrer natürlichen 
Beschaffenheit, nur die Bedeutung sekundärer Kriegsschnuplätzo haben 
dürften. Nur die westliche Hälfte des Meeres bespült Kübton von 
gröfserer Bedeutung. Diese und der gröfsere Teil der Küsten der 
Russischen Ostsee kommen daher wesentlich für die Landes« Ver- 
teidigung, bez. für den Angriff einer feindlichen Elotte in Betracht. 
Und auch in letzterer mnSt man den Botbüscfaen Meerbusen der 
klimatischen Verhältnisse, der Beschaffenheit seines Fahrwassers und 
derjenigen sehies Hinterlandes — des nördUofaen Finnlands wegen 
sls strategiBch bedeutungslos bezeichnen. 

Charakteristisch ist fiBmer fär die Meeres-Verhiltnisse des euro- 
pttischen Bnlslands, dafs es nur mit seiner Nordkuste ein ffir seine 
Flotten offenes Meer berOhrt. — Die Ostsee ist ein Binnenmeer, 
welches noch bis Tor wenigen Jahrzehnten durch eine Macht zweiten 
Ranges gesperrt wurde. Ist auch der Sundzoll gefallen, so sind doch 
die Befestigungen Kopenhagens entstanden. Auf diese würde eine 
Buieland feindliche Flotte sich mit Erfolg bei ihren Operationen gegen 
Osten stützen können. Die wenigen Kilometer aber zwischen Holsingör 
und Heisingborg sind unschwer durch unterseeische Minen, Strand- 
und schwimmende Batterien zu sperren. Rechnet man hierzu noch 
die vorhandenen oder projektirten Küstenbattcrion bei Kronborg, so 
darf man wohl behaupten, dafs der Sund für eine Flotte hermetisch 
gesperrt werden kann. — Das Schwarze Meer ist den Flotten Rufs- 
lands nur zugänglich, bez. von denselben zu verlassen unter den 
Geschützen einer Macht, welche die natürliche vielhundertjährige 
Gegnerin desselben ist. Hierzu kommt, dafs die Türkei in ilirer 
Eigenschaft als Hüterin der Dardanellen in neuester Zeit stets auf 
die Unterstütz uul; einer oder mehrerer Grofsmächte rechnen durfte. 
Die Vorteidigungä- Einrichtungen längs dieser 67 km langen, an ihrer 
sdhmalsten SteDe 1350 m, an ihrer breitesteii 7600 m breiten Me^ 
enge sind seit 1887 sowohl, was die Forts und Batterien als deren 
Armirung anlangt, derartig Terbessert, dals es bei ernstem Willen der 



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186 



Die EusteB und Hi&n d«B nnwinrhen Reidiei ete. 



Türkei und ihren etwaigen Verbündeten nicht schwer fallen dürfte, 
sie fiir die russischen Schiffe zu sehlielsen. Die russische Poütik 
hat daher auch stets das Bestreben ge/ei{;t, das oti'ene Meer zu er- 
reichen. Wie wir weiter unten selien werden, war Jahrhunderte lanj: 
Rufslands einziger Seehafen, dureh welclien der Verkehr über Moskau 
nach Persien und Ostindien vermittelt wui cle, die Mündung der Dwina 
in das Eismeer. Erst nach der Besiegung der bisherigen Vormacht 
des nördlichen Europas gelang es Peter dem Grofsen durch die scheinbar 
imnatttrliche Schöpfung der neuen Reichshauptstadt an der Ostsee 
„Rnfidand em Fenster nach dem westlichen Europa zu öffnen.** — 
Der Krieg des Jahres 1828/29, der Eiimkrieg und der Krieg 1877/78 
hatten als Endziel auch die Gewinnung, sei es der dipHomatischen, 
sei ee der militftrischen Herrschaft ttber die Dardanellen. Bekannt 
sind die Bestrebungen» die Nordkfisten Sibiriens fSr den Seehandel 
SU erscfaUelsen, deren groisartiger Abschluis in den Ergebnissen der 
Fahrt der «Vega^ 1878/79 und in den späteren, namentlioh yon 
Ssibiriakow auQgerOsteten oder unterstützten Expeditionen zu den 
Mündungen der grofsen sibirischen Ströme einen vorläufigen Ab- 
schlufs fanden. Das wichtigste ErgebniTs ist die Erwerbung des 
Ämurlandes mit seinen wichtigen Hafenplätzen am stillen Ozean, 
wodurch fiulsland seine hislior nur auf einem 8000 km langen, 
schwierigen und zeitraubenden Landwege erreichbaren Besitzungen im 
nordöstlichsten Teile Asiens sich näher brachte und sich eine maritime 
Stellung in jenen Gewässern schuf, deren Bedeutung in neuester Zeit 
durch die F^rbauung der sibirischen Bahn noeh mehr erhöht wurde. 

Die Bedeutung dieser grofsartisien Schöpfung, welche sich be- 
kanntlich des ganz besonderen Interesses des jetzigen Kaisers erfreut, 
ergiebt sich wohl schon aus der Thatsache, dafs die Reise von Moskau 
bis zu dem neuen, mächtigen Kriegshafen Wladiwostok („Beherrsche 
den Ustuu-j an der einen grofsen Teil des .hilires eisfreien Bai Peters 
des Grofsen in Zukunft in etwa 19 Tagen anstatt wie bisher 2'/5 bis 
3 Monaten ausgeführt werden kann. — Wenn aueh mit Bezug auf 
die Beförderung von Truppen die Leistungen der sibirischen Bahn in 
keinen Vergleich mit dioien einer mitteleuropSisohen Bahn gestellt 
werden können, so wird doch die Versorgung dieses Hafens und der 
im Stillen Ozean stationirten Flotte, sowie des sudlichen Teilea dea 
General-Gouvemements Amur unendlich gegen frfiher erleiditert sein. 
Bisher war Bulsland in dieser Beziehung wesentlich auf den langen, 
schwierigen und im Falle eines Krieges mit einer Seemacht sehr ge- 
fthrdeten Seeweg angewiesen. — Auch konnte die in erster link 
hieizu bestinunte sogenannte „Freiwillige Flotte** kaum den gewöhn- 
licben Anforderungen des Fixedens, sicheriioh nicht aber den au6er- 



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Die Kosten und HSftn des nuBbchen Beichee etc. 



187 



ordentiushen des Kri^gea genUgen. Die Zukunft wiid es lehren, wie 
grols die Vorteile adion heute sind, welche BiÜBland darch die sichere 
Basining der Operationen seiner Flotte in den ostasiatischen Gewässern 
auf das Küstengebiet, Sachalin und Wladiwostok erlangt hat. — 
Zur Zeit (Frülyahr 18d5) sind nicht weniger als 32 russische Krisgs- 
scbiffe dort versammelt. 

Wenden wir uns nunmehr zu der Betrachtung der einzelnen 
Meere, soweit sie die Küsten des russischen Reiches bespülen. 

Die Küsten und Häfen des Nördlichen Eismeeres. 

Lanrje Zeit hindurch grenzte Rufsland nur im iiufsersten Norden 
an die offene See. — Wir finden dalier bis in die Zehen Peter's des 
Grofsen unausgesetzt das Bestreben der russisclien Fürsten, den 
Handel mit dem westlichen Europa an diesen unwirtbaren Küsten zu 
beleben. — Dafs aber auch die ernstgemeintesten und durchdacht unter- 
nommenen Unternehmungen in diese r iiichtung nur einen beschnänkten 
Erfolg haben konnten, ergiebt sicli aus der Natur dts Meeres. Dasselbe 
ist nur wonige Monate des Jahres, im Allgemeinen nur von Beginn des 
Juni bis zum Ende des September völlig eisfrei Die fla4di0n Küsten 
sind oft in gro&er Ausdehnung von Klippen und Untiefen umgeben. 
Das Hinterland ist unwirtsam und mit dem Heizen des Reidies nur 
durch in ihrer Benutzung durch das Klima beschrttnkte Wasser- und 
meist sehr schlechte, nicht ohaussirte Landstraisen, aber keine Eisen- 
bahnen Terbunden. — Der westlichste Teil an der Küste der Halb- 
insel Kola ist in Folge der hier sich geltend machenden Einwirkung 
des Golfstromes lingere Zeit hindurch eisfrei. — Es sott daher in 
neuester Zeit im Russischen ICarine-Blinisterium die iVage erwogen 
sein, einen Eriegshafcn in der unweit der norwegischen Grenze ge- 
legenen Fischer- oder Rybatschij-Bai zu erriditen. Freilich würde 
diese drohende Nachbarschaft der sdiwedisch-norwcgischen Regierung 
um so weniger angenehm sein, als von Zeit zu Zeit ohnedies in der 
russischen Presse Stimmen laut werden, welche sich für die Erwerbung 
des ganzen Lapplands aussprechen, welches in Foljre der Einwirkungen 
des Golfstronies Uliraatisch günstigere Bedingun;^cn aufweist. — Hafen- 
plätze finden sich nur in dem Weifsen Meere. Dasselbe, ungefähr 
einen Flächenraum von IHKKK» Qu. -Kilometer bedeckend und etwa 
637 km in südwestlicher Richtung in das Festland einschneiiiend, 
dabei eine Reihe von mehr oder weniger grofsen Ijuchten bildend, 
trägt einen vom offenen Eismeer unterschiedenen Clutrakter. Seine 
Küsten sind im westlichen Teile meist bergig und felsig, im östlichen, 
namentlich von Archangelsk ab, aus sandigen Höhen gebildet, hinter 
welcheu sich häufig meist mit dem Meere in Verbindung stehende 



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I 

i 



Igg Die KüBteu und Häfen des xuaaiBchen Reiches etc. 

Strandseen finden, ganz im Gegensatze zu den zu vielen Zeiten des 
Jaihxet impMairbareii Tnadreii, welche die £llsten des offenen Eäft- 
meeres öetlidh des CroUbs von Mesen umsäumen. — Der Sofaifib- 
Verkehr, bezw. der SeehandeL des nSTdEdien RdalandB konzentrirt 
doh auf das WeiÜBe Meer. Letzterer ist der Nator des amen, wenig 
bevölkerteni nnwegsamen Hinterlandes entsprechend wesentlich ein 
Ausfuhrhandel der Natureneognisse. Haupthafen ist Archangelsk, 
gegen welches die anderen HfiÜBn Onega, Sorokskaja und Mesen 
ganz zur&<&treten. Archangelsk ist ein von einem Fregattenkapittn 
verwalteter Kriegshafen 2. Klasse') an der sich hier zu einem riesigen 
Delta erweiternden Mündung der Dwina, welche durch das Fort 
Nowodwinsk^ja geschützt wird, während das Admiralitäts- Gebäude 
und die Kasernen in Solombala liegen. Die 19000 Einwohner zählende 
Stadt ist in ilirer Gründuri'^ und Entwicklun«! eng verbunden mit der 
Geschichte der russischen Handels- und Kriej^s-Flotte. Schon seit 
dem 10. Jahrlumdert hatten Normannen an der Mündung der Dwina 
Handels-Niederlassungen, 1553 wurde von Engländern mit Bewilli^ainGi; 
Iwan's II. eine Faktorei gegründet, welche mit Hülfe der grofsen 
Binnen-Gewässer des Reiches den Handel über Moskau nach Persien 
und Ostindien vermittelte, 1584 wurde ein Fort erbaut und Archangelsk 
gegründet. — 120 Jahre lang war die Stadt der einzige Seehafen 
Rufslands. Von den 630 Schiffen, welche alljährhch im Weifsen 
Meere ankommen (hiervon freilich der gröfsere Teil mit Ballast) und 
abgehen, ist der gröisere Teil Archangelsk zuzurechnen. 455 Segel- 

Das nuMiflche Etlstengebiet ist in eine Anzahl von Besiikea geteilt^ welche 

von den in ihnen liegenden Kriegshäfen aus verwaltet werden. Die letzteren 
werden nach ihrer Bedeutung in Kriegshafen 1. und 2. Klasse geteilt. Zu der 
ersten Kategorie gehören: Kronstadt und Nikolajeff, deren Kommandanten 
VkeoAdniirale, 8t Petenbnig, Sewastopol und 'Wladiwostok^ deren Konunan- 
dant€n Koiitre-Admirale; xa der zweiten Bewel (Beval) und Baku mit Eontre- 
Adiniralon als Kommandanten, Sweaborg und Datum mit Schiffs-Kapitllnen als 
solchen, Archangelsk und Nikolajewsk (an der Küste des Ainur-Gebiet^s), 
welche Fregatten-Kapitänen unterstellt sind. — Die nissischc Marmo ist seit 
dem Jahre 1801 in 84 Flotten-Equipagen eingeteilt, welche je nach dem Foit> 
achreiten des Baues neuer SchilTe bis auf 33 vermehrt werden dürften. Von 
den Flotten-Eqiiijiac^en sind die ineistfu (1801 18) in der Ostsee, 6 im Schwarzen 
Meere stationirt, eini;.'-'' derselben stets im Stillen Ozean abkommandirt Gleich- 
zeitig wurde eine Ghederung der Flotten-Equipagen in 3 Divisionen (2 baltische, 
1 des Schwärs. M.) unter je dnem Yise-AdnÜFal featgeeetet. — Is der russiaehen 
Organisation bildet die Flotten-Equipage die Einheit, in welcher die ver- 
schiedensten Schiffs-Arten und Mannsohafts-Kategorien vertreten sind. Eine 
solche Flotten-Equipage entspricht etwa der Verbindung je einer Kompagnie 
der Deutschen Matrosen-Divisionen, Werft-Divisionen und Torpedo-Abteilungen. 
In der B^l bildet ein Pawserachiff den Stamm. 



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I 



Die Efltten und H&fen des riuwMchen Beichee etc. 189 



schiffe und 9 Dampfer sind in der Schiffsliste des Zollamtes als 
heimatberechtip^ eingeschrieben, deren Besitzer allerdings nur zum 
geringsten Teile in der Stadt wohnen. — 1855 wurde Archangelsk 
von den Engländern in richtiger Erkenntnils der Bedeutung des 
Hafens {Br den Anifiilirhuidel NordnilklaiidB blokiit Die Zukunft 
des Hafens hingt weeentUofa von der Verbeeaerung der Verbindiingen 
ndt dem Innem des Beiohee ab. Für die in neneeter Zeit wieder 
angenommenen Vereoche einer Nordostdurehfiihrt über das Kariache 
Meer an den Mündungen der grofiien Str5me Sibiriens d&fte 
Aidkangelsk wenig Bedeutung baben, da es weit ab von der von 
Norwegen ftbxenden gunstigeren Strafte liegt. — In einem Seekriege 
der Zukunft wird das Nördliche Eismeer und mit ihm Archangelsk nur 
eine sekundäre RoUe spielen. 

Die Küsten und Häfen der Ostsee. 

Die Ostsee schneidet mit ihren drei grofsen östlichen Meerbusen 
tief in die sie umgebenden Küsten ein. Von denselben gehört der 
Rigaischc und Finnische Meerbusen ganz zum Rassischen Keiche, der 
Bottnische trennt dasselbe von Schweden. 

Diese drei Meeresteile sind von sehr verschiedener Bedeutung 
ffir die Landesverteidigung. Sie teilen nur die Eigenschaft mit ein- 
ander, dafs sie durch Untiefen, Klippen und Fels-Eilande der Schiff- 
fiEihrt hinderlich sind und die Annäherung feindlicher Flotten hier- 
durch empßndlich erschweren. Dieser Umstand ist von den Hussen 
in sehr geschickter Weise bei der Anlage der Festungen Sweaborg- 
Heibingfors und Kronstadt terwertet worden. 

An die offene Ostsee g^renzt Rufsland nur mit den 
Gouvernements Eowno und Kurland von Polangen bis Kap 
Domesnes8>). Dieser Teil der russischen Küsten ist nicht nur wegen 
seiner unmittelbaren Nachbarschaft mit Ostprenften, sondern vor 
allem deshalb nm Bedeutung, weil er die neuerdings su einem Kriegs- 
hafen ersten Ranges unigeschaffene Ha&nanlage von Liban (mss. 
libawa) enthält. Meist flach, wird diese Küste von sandigen Dünen 
begleitet, welche durch den Einflufs der Winde zuweilen zu be- 
deutender Höhe zusammen- und landeinwärts getrieben werden. So 
sind z. B. zwischen Polangen und Libau ausgedehnte Strecken Landes 
mit ganzen Dörfern verschüttet worden, wie z. B. bei Nieder-Rartau. 
An einzelnen Stellen erreichen die Dünen eine ganz bedeutende Höhe, 

>) FOr die Erilnterung des Textes wird auf die Karte des „Stiielw'sclieii 

Handatlas" Osteuropa 1 : 3,700,000 in 6 Blättern von Petermann verwiesen. — 
Von der dort gowälilten Schreibart derMameo ist nur dann at^gewichen, wenn 
dieselbe ganz ungewöhnlich war. 



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( 
( 



190 Kästen und Häfen des rusaiachen Rdches elc. 

namentlich in den Sieben- oder Sevenbergen zirka 26 km äiidlich 
Iib«i nnd bei Backofen 23 km eQdwesÜiGh Windau. — Wald tritt 
nur an einigen Stellen bis nahe an den Strand. — Die Annihemng 
leindfidier Kriegseohiffe an die Küste wd sehr enobwert dnrdi die 
derselben vorgelagerten Sandbänke und Untiefen, welche oft, so 
namentUch bei Lttserort (Lyserort) ndrdUdi Windau mehrere km weit 
in das Ueer hineinreichai. — Ah sabmaiine Fortsetvong des Kap 
Domesness erstreckt sich von demselben nach Korden 5 km weit eine 
schmale Sandbank. Durch dieselbe nnd den zwischen PSssen in Kur- 
land und der Insel Ösel liegenden, sehr flachen Dalgrund wird die 
Einfahrt in den Bigaischen Busen von Westen her sehr erschwert 
Grofse Eismassen, weldie sich in dem langen und rauhen Winter an 
diesen Stellen stauen, sperren zuweilen don Zugang völlig. Dieser 
Umstand ist ebenso nachteilig für den Handel Rigas wie für die 
Operationen einer Flotte. Eine charakteristische Erscheinung der 
Küsten Kurlands sind die sich landeinwärts der Dünen hinziehenden, 
meist langgestreckten Seen. So finden wir u. a. im Westen den 
Papen-, den Libau- und den Tosraar-See, im Osten den Angem-See 
zwischen Markgrawen und Angern und den Kangerschen See östUch 
von Tukkum. 

An nounenswerten üäfeu besitzt die Westküste Kurlands Libau 
und Windau. — Libau mitdttn bei Treuliebshof ueu angelegten Kriegs- 
bafen — auf BefeU Kaiser Nikolaus n. Hafen Kaiser AlezandersUI. 
genannt — hat in neuester Zeit eine ganz hervorragende Bedentoog 
erlangt — Libau, lettisch Leepaja, rassisch libawa, liegt im Kreise 
Orobin des Gouyemements Kurland an der Mündung des Abflusses 
des libau-Sees in die Ostsee. Die Ufer des letzteren sind flach, 
meist sumpfig und nur in unmittelbarer Nfihe der Stadt kiesig oder 
sandig. Er kann von Schiffern bis an 1 m lle%ang be&hien weiden, 
nur am Austritt des den See mit der Ostsee verbindenden, bisher den 
eigentlichen Handelshafen bildenden Abflusses hat man durdk 
Baggemng eine gröfsere Tiefe erreicht. 

Dieser letztere ist 1540 m lang, 106 m breit, 4 — 5 m tief. An 
der Einfahrt von der See her ist eine Sandbarre mit sehr wechselndem 
Wasserstande vorjzelagert, wodurch gröfsere Schiffe gezwungen waren, 
auf der offenen Rhede zu bleiben. Zwei 800 bzw. 650 m hm^e 
Molen schützen den Hafen, welcher eine Lootsen- und eine ganz vor- 
züglich ausgerüstete Rettungsstation besitzt. — Die Umgebungen von 
Libau sind ganz flach und offen. Nur am Strande zieht sich eine 
Reihe von 2 — 3 m hohen Dünen entlansj;. Nach der Landseite zu be- 
herrschen diiher einige ganz unbedeutende Höhen schon weithin das 
Gelände und erleichtern die Anlage von Befestigungen, welche im 



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Die Abten und HS&d des rwwlBclwm Reiche« etc. 



191 



Verem mit dem landemwSrts Torgelagerten Übau- und dem mit ihm 
dnrck onen zirka 1 km langen xiatfiilicheii Kanal verbundenen nördlich 
hegenden Toemar-See die Verwandelimg Liban'e in einen Depot-Platz 
für ein in Euriand landendes Heer erkiditert — Im Laufe der ver- 
gangenen Zeiten hat ee auch mehr&oh dies Schicksal gehabt. — Die 
Über 30000 Einwohner zählende Stadt (die Hälfte Deutsche) treibt 
einen nicht unbedeutenden Handel, Tiamentlich mit Getreide, so dafs 
es nicht allein eine sehr empfindliche Konkurrenz den preufsischen 
Häfisn, besonders Memel, sondern auch Riga macht. Die heute bereits 
bis zum Schwarzen Meere verlängerte Bahn Libau-Romny erleichtert 
den Transport der Handelsprodukte des inneren Rufslands nngemoin^). 
Der Libauer Hafen, dessen Ausfuhr bereits im letzten Jahrzehnt auf 
über 3.3 Millionen Rubel stieg, liegt tnr die Schifff'ahii;, welche die 
nicht ungefährliche, immerhin aber zeitraubende und der Eisverhält- 
nisse wegen eine nicht unbedeutende Zeit des Jahres unterbrochene 
Fahrt in den Rigaischen Meerbusen erspart, sehr günstig. Hierzu 
kommt, dafs der Handelshafen bei seiner geschützten Lage binnen 
30 Jahren nur 5 mal auf kurze Zeit ganz zugefroren gewesen sein 
soll. Bei einer länger andauernden Kalte von — 10° R. soll er meist 
nur bis ni der beide üfer verbindenden Stadtbrttoke, bei — 10^ B. 
bis znin Diehümer offim bleiben. 

Ans allen diesen OrUnden richtete ridi die AnfinerkBamkeit der 
nusiBchen Regierung schon seit Iftngerer Zeit auf liban. Man schlug 
▼or, nicht allein den bestehenden Handelshafen zu Terbeseem, sondern 
auch einen Kriegshafen zu schaffen, welcher der eonst in den Häfen 
dee Fiimischeik Meerbusens weit entfernten, oft vOIlig eingesperrten 
russischen Kriegsflotte ein Ausfalls-Thor gegen die anderen Ostsee- 
Mächte, beziehungsweise einen schnell zu erreichenden Zufluchtsort 
gewähren sollte. — Erst 1890 gewann das Projekt feste Gestalt. Man 
bewilligte 30 Millionen Rubel für den Ausbau eines Kriegshafens und 
begann sofort mit den notwendigen Arbeiten, welche man in diesem 
Jahre 1895 zu vollenden hoffte. — Über dieselben, namentlich aber 
über die Verteidigungsanlagen wird jede Nachricht von offizieller 
ruHsischer Seite, auch in der j)eriodi?<chen Presse, unterdrückt. Selbst 
Photogra[)hien der ersteren hat man kontiszirt. {Rufsland steht eben 
in dieser Bezielnmg Deutschland in selten vorteilliafter Lage gegen- 
über, da hier eine oft naiv unvorsichtige Presse nur darauf sinnt, 
jedes Geheimnifs der Staats-Regicrung an die Öffentlichkeit zu zerren.) 
Was französische Quellen darüber melden, gestattet aber ein Urteil 
fiber die zukünftige Gestaltung des Kriegshafens liban. Hiemach 

Besondere Tclcgraphenllnien verbinden Libau mit Memel and Windan, 
ein imterseeisclies Kabel mit den dänischen U&fen. 



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192 



Dit K fl tt fw Qiid HMm des hmImImii TMfihfW 6te. 



wird durch eine Reihe toxi als Steindämme aii%efklhrteii, juta^Bo. 
▼on der Terlftugerten Südmole dee bisherige Ha&DS bis sa dem 
8»5 km nördlich ' davon liegendem Dorfe Trenliebehof teiflhflndeai 

Wellenbrechern ein Voifaaftn gebildet, welcher für die grSbten Kriege 
schiffe bestimmt ist. Dieser Vorhafen wird durcli einen unweit Treu- 
liebshof begiimenden Kanal mit dem Toem&r-See verbunden, in welchem 
ein Bassin zur Aufnahme der Kreuzer- und Torpedo-Flotte, zur An- 
lage von Docks und aller Arten von Marine-Etablissements gegraben 
werden soll. — Der zukünftige Kriegshafen Libau-Treuliebshof wird 
daher einen Umfang erhalten, dafs er eine Flotte von dreifacher 
Stärke wie die aujzonblick liehe Ostsee-Flotti' in sich aufnehmen kann. 
1893 wurden die grofsen Wellenbrecher dim h eine grofsartige Feier 
vom verewigten Czar in Gegenwart von gegen 20 Kriegsschiffen der 
Ostsee-Flotte eingeweiht'). 

Windau, etwa 100km nördlich Libau, unweit dir Einfahrt von 
der offenen übtdtc ^um Uigaischcu Meerbusen gelegen an der Mündung 
der Windau, lettisch Wenta, russisch Windawa, welche den von der 
mssisohen Regierang fireüich vemaohlässigten Hafen bildet. W. wnxdft 
eine Zeit lang eine Zaknnft als Kriegshafen sagesproohea. Ea soll einer 
der besten Hftfen RuAIands sein, ist einen greisen Teil des Jahres eisfiret 
und leicht bis zu emer Tiefe von 12 m anszubaggem. HiMza kommt, 
dals die südöstlich der Stadt liegenden, das GeUnde weithin über- 
höhenden Erhebongen sich Tortrefflich zu Befestigungen eignen. Zur 
Flottenstation macht W. die Lage am Eingänge zum Rtgsisohen Busen 
besonders geeignet. Von hier und nach Hangöudd an der Finnischen 
Küste würden gleichzeitige Untranehmungen gegen eine sich von 
Westen her dem Finnischen Bosen nähernde feindliche Flotte und 
deren Verbindungen unternommen werden können. Der Handel des 
nur wenig Tausend Einwohner zählenden Windau wird durch die 
mangelnden Verbindungen mit dem Hinterlande sehr beeinträchtig^. 

Der Bigaische Meerbusen und seine Küsten. Derselbe 



') Nachdem diese Arbeit vollendet, dringen Xacbxicliten iu die deutsche 
Fresse, naoh wetdien im MSxz 1895 dex Kriegshafen, weldher nach «iiiar Ver- 
fligiing des Kaisers Kikolans II. den Namen Jiafeii Kaiser Alezaader's IIL** 

fuhren soll, seiner Vollendung entgegcnfieht. — Es arbeiten tflglich 4 — 500O 
Arbeiter. Die den Vorhafen bildenden 2 km langen Molen sind vollendet. Der 
zum Tosmar-äee führende Kanal hat eine Länge von 3500 m bei einer Breite 
von 100 m und einer Tiefe von 8 dl Die von den Werften und Anenalen um- 
gebenen Bassins haben einen Flächeninhalt von nicht weniger als 200yOOO 
Quadratmotf^r. Mehrere detachirte Forts und Kfistonbattcrion sind zum Schutze 
des Halens angelegt. Die Gesanimtkosten sollen heute - nur für die Bauten 
— bereits 55'/] Millionen Mark betragen. — Wir geben diese Nadu'ichteu, ohne 
ihre Biditigkeit kootroUiren sa können. 



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Die Kflfften und HSfen des nuoadieii Rfirfwt elo. 



193 



nitd Im Westen Tom GouTemement Kurland, im Sttden und Osten 
von den GouTernements LMand nnd EetUand begrenzt. Im Norden 
Behlifilsen ihn die zn livland gehdrenden Inseln Ossel und Moon vom 
Meere ab. Des för die ScIufBkhrt schwierigen Zuganges Ton Westen 

her zwischen der Noidküste Kurlands und der Halbinsel Sworbe, des 

südwestlichsten Teiles von Oesel, ist bereits gedacht worden. Ahnlich 
liegen die Verhältnisse im Norden, wo der grofso Moon-Sund zwischen 
den Inseln Moon und Oesel einerseits und dem Festlande andererseits 
für die Schifffahrt schwierig, der kleine Sund zwischen Oesel und 
Moon der Seeschifffahrt überhaupt nicht j^ugänglich ist. Die Tiefe im 
Meerbusen, welcher in der Meridiauriclituiifx eine Ausdehimn«^ bis zu 
180 km bei einer Breiten-Ausdehnung in der Richtung des Parallels 
von Kap Domesness von gegen HO km hat, ist sehr verschieden. 
In der Mitte erreicht dieselbe 40 — 50 m. Im Norden sind sowohl 
die Küsten vun Oesel und Moon, wie auch des Festlandes von einem 
Gewirr von kleinen Inseln und Klippen umsäumt und daher reich an 
Untiefen. Der niedrigen Ustküste von der Mündung der Düna an 
bis zur Bucht von Pemau sind Sandbänke vorgelagert, — Im Winter 
bedeckt sich der Meerbusen oft auf weite Strecken hin mit Eis. 
Auch die Zugänge von der offonen Ostsee sind oft durch Eisstauungen 
gesperrt, wie oben erwähnt wurde. — Aus dem Gesagten ergiebt 
sich, dals der Rigaische Meerbusen EjiegBschiffen bedeutende Schwierig- 
keiten madit) und zeitweise feindliche Flotten-Operationen gegen 
seine Küsten &st umnöglicfa sein werden. Audi bieten dieselben 
aulser dem sowohl als Handels- wie ak Verwaltung^-Zentmm wichtigen 
Biga keine eines Angrilfo werten Operations-Olgekte. Die HülBn von 
Salis und Pernau sind ganz unbedeutend und nur mit Schwierigkeiten 
von Schiffen gröfseren Tie^anges zu erreichen»). Dasselbe gilt von 
Arensburg (nicht Aronsberg, wie die Stieler' sehe Karte schreibt) auf 
der Insel Oesel. Die Küsten selbst sind raeist flach und sandig, auf 
dem rechten Ufer der Düna bis etwa 9 km östlich der Mündung der 
livländischen Aa mit Sümpfen und Landseen bedeckt. Dann treten 
ausgedcluitc Waldungen von geringer Wegsamkeit bis dicht an die 
Küste heran. Nördhch der Salis zu beiden Seiten des Schwarzbaches 
bis Pemau und an der Küste von Esthlaud ist das Hinterland oft 
mit grofsen Sumpfet recken bedeckt. 

Riga mit der llafenfestung Dünamünde (s. weiter unten) ist nächst 
St. Petersburg die gröfste ilandels.stadt .ler russischen Ostsee, welche 
es au Zahl der eingeschriebenen Schiffe (d. h. der heimatsberechtigLen) 
— weit über 200 Segelschiffe mit gegen 20000 Schiffslasten und 

\) Scliifir mit «nnrin Tieftrang voQ mehr ab 4 m kOmua in denHtfen von 
Pernau überhaupt nicht einlauien. 



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194 Küsten imd Häfen des riuaucheu Beiche« etc. 

über 40 Dampfer mit ca. 3000 Scbiffslasten — übertriÖt. In seinem 
Hafen laufen alljährlich gegen 3000 Seeschiffe fast aller Nationen ein. 
Unter seinen 175000 Einwobnem bilden die Deateehen das an Bildung, 
Besite nnd gesellechafUiclien Einfluls nta&gebende Element Hit dem 
rassiBclien Eieenbalmnetse steht Riga über Mitau-Mcwchm'Iri, Dünaboig 
und Walk-Pskov in Yerbindimg. ]£t Dünamfinde ist es dnrdi die 
Bahn Blga-Tukknm verbanden. — Da bei gewöhnliobem Wasserstande 
gieobd Seeeehififo nidit bis Biga selbst stromaofwftrts gelangen können^}, 
dienen das an der Ausrnfindong des Stint-Sees, einer östlidien Er- 
weiterung der Düna gelegene Mühlgraben und das an der Mündung 
der fiülder- oder kniisdien Aa liegende Bolderaa als Vorhifen. Beide 
sind durch Schienenwege mit Riga verbunden. — Riga bietet als 
Handels- und Industriestadt sehr bedeutende Hilfsmittel. Über die 
Düna führt eine gegoi 750 m lange, auf 8 Pfeilern ruhende, eiserne, 
für Eisenbahn-, Wagen- und Fufsgänger -Verkehr eingerichtete Brücke. 

Die Stadt war seit ihrer Gründung durch Deutsche 1201 befestigt, 
hatte im Laufe der wechselnden Geschicke des deutschen Ordens und 
unter polnischer und scliwedischer Herrschaft viele Belagerungen zu 
erleiden. Unter russischer Hoheit wurde es 1812 von den Preufsen 
und Franzosen belagert, und zwar verp^eblich, weil nur auf dem linken 
Ufer der Düna. Nachdem in deu fünfziger Jahren die Festuiif^swcrke 
geschleift waren, hat man neuerdin^js nicht nur die sogenannte 
Kobernschanze als Brückenkopf auf dem linken Ufer des Stromes 
beigestellt, sondern auch einige andere Werke errichtet. Wenn aber 
ein fransfisiBCher Autor in einem soeben erschienenen Buche ^) Riga 
„un bonlemd de I'Empire'^ nennt, so Ist dies Übertrieben. Biga ist 
Stabsquartier des zum Militär-Bezirk Wilna gehörenden B. Amee- 
Korps, gleichzeitig Gamisonsort der 29. Infanterie-Dinsion, einer Feld- 
Artillerie-Brigade, einer Lokal-Brigade u. s. w. 

Die Vertadigong der Mündung der Düna gesohiefat durch die 
Festnng Dünamfinde. Dieselbe besteht aus der eigentlicheii 
Festung auf dem linken Ufer des Strandes und 2 auf der rechten 
Seite — und zwar auf der Insel Magnusholm — liegenden 
Batterien. Die Festung besteht aus 6 bastionirten Fronten mit 
nassen Gräben und einer unmittelbar am Meere liegenden Batterie. 
Alle Werke sind alter Konstruktion. Die Verteidigung der Einfahrt 
in die Düna wird mehr noch als durch die Werke durch die unter- 
seeischen Sperrunj^'en '^Gewährleistet, welche in mehreren Reihen hinter- 
einander an den weit in d.is Meer hinausreichenden Molen vorbereitet 
sind. — Dünamünde ist seit dem 13. Jahrhundert befestigt, 1701 von 

') Riga liegt 12 km vom Meere entfernt. 
C. Dideloi. La defense des o6tM d*£urop0. Psris. 1894. Seite 450. 



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Die Küäteu und Häfen des russischen Ruches etc. 



195 



den Schweden, 1710 den Rnssen erobert — Den Inseln Oesel und 
Moon sind zwischen Rigaischen Bnaen im Säden nnd Fumiedien im 
Norden die Inseln Dagö nnd Worms voigdagert. Der zwisdien Oesel 
nnd Dago Hegende Dagden-Sund oder Sdla-Sund ist für Seeschiffe 
impesairbar. 

Der Finnische Meerbasen nnd seine Küsten. Derselbe ist 
die 6et]iohe Erweiterung der Ostsee, welche bis etwa znm 48« östlicher 
Länge von Ferro in das Festland eindringend sich 400 km von West 
nach Ost erstreckt und zwischen dem Kap Spintham, Spint Udd. (auf 
der Stieler'schon Karte Spint), der Nordwest-Spitze Esthlands und 
Hangöudd, der Südwest-Spitze Finnlands, etwa 75 km breit ist. Der 
Meerbusen erreicht seine gröfste Breitenausdehnung von Nord nach 
Süd im Meridian vonNarwa (160 km) und verengt sich allmählig nach 
Osten. Kr trennt die Gouvernements St. Petersbur^^ und Ksthland 
im Süden von Finnland im Norden. An ihm liegt Kronstadt, der 
Hauptdepotplatz der russischen Flotte, und St. Petersburg, der Zentral- 
punkt der Militär- und Zivilverwaltung des Reiches. Der Finnische 
Busen zeigt, sowohl was die Gestaltung seiner Küsten als die Be- 
schaifenheit seines Fahrwassers anlangt, grolse VerschiedeDheiteu vom 
Rigaischen. * * 

Die Südküste wird innerhalb der Grenzen von Esthland durch 
ein durchschnittlich um 50 — 60 m den Meeresspiegel überragendes, 
steil zu demselben ablallendes, in seiner Höhe gegen Osten abnehmendes 
Ealkstein-Flateaa gebildet Die Küste dieses Gouvernements weist 
daher als Steilküste — hier Glint oder Klint genannt — eine Belhe 
nach dem Meere hin offener im Kalkstein ausgespülter Bnditen an£ 
Die -vielen dieser Küste vorgelagerten Inseln verdanken ihren Ur- 
sprung dem im Lanüs der Jahrhunderte vom Meere ausgewaschenen 
Kttatensaum. Die neben den Inseln gewissermaisen als Sprengstücke 
teils unter, teils über der Meeresflächc liegenden Klippen erschweren 
die Annäherung an die Küste, so dafs diese nicht so reich an guten 
Häfen ist, wie es der Charakter der Steilküste erwarten läfst. — 
Innerhalb des Gouvernements St. Petersburg ist die Küste im All- 
gemeinen niedrig, teils sandig, teils sumpfig. 

Die Nordküste des Meerbusens zeichnet sich durch die eigen- 
tümliche Schärenhildung aus. Diese R(h;iren bestehen aus vielen, 
meist klcim ii ["ulstii-Inseln, sowie aus Granitfelsen, weldie teils über, 
teils unter dein Wasserspiegel liegend, wie ein Steingürtel die Küste 
umsäumend, sich oft bis auf 20 km in das Meer hinein erstrecken. 
Hoch und steil ist diese Küste nur an einigen Punkten, wie von der 
Grenze zwischen Finnland und dem Gouvernement St. l'eter&burg bis 
zu dem Bjürko-Sund. Meist aber wird der Meeresrand nur von wenig 

.lateVaekw Ar «!• DflvtNli* AisM «■« MaiiM. Bd>«f«a U 

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196 Die Kfitben und Hlfen dm iHMlirhwn Baiolni etc. 



Moii und nioht lehr aMiüwigeii Felsan gobOdet, welcbaii eine 
gchmalfi, hitafig mit Wald und Sumpf bedMkte^ sdtenw aus Aokep- 
land iMstohende Niedening Torgelagert ist 

Die TiafeiiTerhftItnisse im Fimiiachen Heerfonaen sind sehr 
▼enchiedeii. Am flachsten ist denoibe in seinem östliclisten Teile, 
der wjgenaunten Kronstädter Bucht, an welcher auch die Land^ 
Hauptstadt liegt. Die hier einströmende Newa iai der Abflufs der 
groiaen Wasserbecken dea Ladoga-, Onega-, Ilmen- und Saim»<See8, 
von denen der letztere wieder mit 3 p^rofsen Wasser-Reservoirs in 
Verbindung steht. Mehr als drcifsig Ströme und Flüsse und eine 
sehr frrnfse Zahl periodischer Sumpt-Abtiüsse vereinigen ihre Wasser- 
massen in dem einen in 3 grofsen Mündunpsarmon die Hauptstadt 
durchziehenden Strom, weicher nach genauen Berechnungen nicht 
weniger als 11 G 000 Kubik-Fufs Wasser in jeder Sekunde in den 
Finnischen Busen führen soll. — Aber mit diesen Wasserniengen 
trägt er auch so ungeheure Sand- und Schlammraassen dem Meere 
zu, dafs sich vor seiner Mündung eine die Schillfalirt sperrende Sand- 
barre bildete, welche nicht allein verhinderte, dais grolse Seeschifte 
den St Petersboiger Handelshaftn erreidieti konnten, sondern den- 
selben auch seitweiae ffir kleinem Seeschiffe unzugänglioli macthte. 
Erat in nenester Zeit ist dieses Hemmnib dnicb Anlage des St Pete»- 
borger Seekanals beseitigt w<»rden. (Siehe näheres über denselben 
S. 200). Während die Wassertiefe im oetlidien Teile d«r Kxonstidtcr 
Budit oft nur 2,4 m beträgt, erreicht dieselbe bei Kronstadt sdbsfe 
6,5 m nnd nimmt nach Westen hin so zn, daCs sie soihon beim Ein- 
gänge in die Kronst&dter Bucht gegen 30 m beträgt. Ist der Wasser* 
stand nnch w^en der vielen im Meerbua^ übenden, die SchifBEahrt 
erschwerenden einzelnen Felsen, Bänke und Untiefen sehr wechselnd, 
so sinkt die Waasertiefe dennoch westlich der Kronstädter Bucht 
selten unter 30 m, beträgt aber wohl meist mehr. Die tiefsten Stellen 
fmden sich nördlich der Insehi Worms und Dago (bis 128 m), bei den 
Inseln üdenaliolm (110 mj und Wrangel (113 m). Ebbe und Flut 
machen sich im Meerbusen nicht bemerkbar. West- und Südwest- 
Winde treiben das Wasser aus der offenen Ostsee in ihn hinein und 
stauen seine Wassermassen an. Umgekehrt pflegt der Wasserstand 
bei andauernd herrschenden Ostwinden zu sinken. Das Klima be- 
schränkt die SelaHYahrt in hohem Grade. Die Durchschnitts-Temperatur 
des Winters ist z. Ii. für St. Petersburg — 0,5" R., für Helsin^ors 
— 4,9« R., für Baltisch Port — 3,9° ß., diejenige des Märe — 3,8 « R.. 
besiehungsweise — 3,6®R.t — 2,5^ B. Die Temperatur des April er- 
reicht in Helsingfon nur-(-0,5<^R, mid sinkt im November wieder 
anf— Oji^'B. — Hieraus ergiebt sich, dalk die MehnaU der Häftn 



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Die Küsten und H&üan des ruactiacheu Beickea etc. 



197 



eiMn Mhr gro&en TeQ dat Jahtm £Br die SohifiGGdirt gesperrt ist. 
So ist KnmstAdt im Dnrohsoliiiitt vom 18. NoTamber Ins 9. April durch 
das Eis ▼eraoblossen. 

Der Fimuscbe MeeilmBen bM an der Xriegigeecliiohte aller Zeiten 
eine wichtige Bolle gespielt. Die Geschichte der Hansa, dee Deutschen 
nnd Sohwertordens, der Kfio^e der neidischen Mlcbte, der IHbien 
und Schweden mit dem neu erstehenden rassischen Beiehe, endlidi 
der 'Westmlehte mit dem letzteren ist mit ihm verknüpft. Wir finden 
in und an ihm die Stätten des höehsten Ruhmes der Schwedischen 
Manne und des schwedischen Heeres, wie die Zeugen dee Nieder- 
ganges dieser einst so mächtigen Herren der Ostsee. 

An der Siidküste sind folgende Häfen zu bemerken: 
1. Baltisch Port an der Raafrer oder Rojier Wiek wurde in 
richtiger Würdigung seiner günstigen Lage von Poter dem Grofsen 
als Hauptkriegshafen der neugc^Tündeten russischen Flotte an der 
von ihm erworbenen SUdküste des Finnischen Busens in Aussicht ge- 
nommen und von ihm und seiner Nachfolgerin, Katharina IL, mit 
grofsartigen Hafenbauten und einigen Befestigungen ausgestattet. Man 
verband das Festland mit der über eine lialbe Meile vorgelagerten 
Haupt-Lisel der liaag-Gruppe durch einen rieüigen Damm und ver- 
suchte die im Innern der Bucht liegenden Klippen wegzusprengen 
und so den tiefen Ha&n benutsbarer sn machen. Zu einer rediten 
Entwickdung ist Baltisch Port nie gekommen. .Trots sdner Ton der 
Natur so begünstigten Lage Heb man den Haüan verfollen. Heute 
ist derselbe nur 187 m lang, 90 m bieit, durch hölaeme Molen ge- 
schützt Er kann 6 — 8 Schifb anfaebmen und bleibt im Herbste 
etwas Unger eisfrei als BewaL Baltisch Port ist Endpunkt der für 
die Efisten-Verteidigung sehr wichtigen baltischen irekhe 
durch die Unie Taps-Dorpat-Walck mit der .Bahn B]ga-Ptiu»w in 
Verbindung steht 

Rewal, russisch Bowel, ist der bedeutendste Hafen Esthlands» 
Kriegshafen 2. Klasse, Stationsort der 1. Halb -Flotten -Equipage^ 
Hauptstadt des Gouvernements und Kopfstation der baltischen Bahn. 
Die Rhede von Rewal hat einen guten Ankertmind. Die hnlien 
Küsten des Festlandes und die im Nordwesten vorliegenden Inseln 
gewähren Schutz ij;ejj;rn die meisten Windrichtungen. Hierzu kommt 
noch der günstige l uistand, dafe Rewal nach Baltisch-Port am längsten 
von allen russischen Ustsee-Häfen eisfrei ist. Die Eissperre beginnt 
selten vor Weihnachten und dauert durchschnittlich 3 — 4 Monate, so 
dafs im Herbste oder Frühjahr, wenn St. Petersburg noch von Eis 
gesperrt ist, die Aus- und Einfuhr über Uewal stattfindet. (1877 
lief das letzte Schiff am 24. Januar ein und das erste am 14 April 

U* 

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19$ 



Die Küsten uad Häfen des russischen Heiches etc. 



aus. 1879 war die SchüEbihrt nur auf etwa 4 WoGlieB im Februar^ 
Mttn gebindert) — Der Hafen besteht aoe ednem alten, inneren 
und einem neueren, äulberen Teile, von denen der erstere Tomgs- 
weiae ftr die Handels-, der letatere fttr Eiiegsscbiffi» bestimmt ist 
Der ftnlsere Eriegsbafen wird dorcb zwei über dOOm lange Molen 
gebildet, deren bastionsartige Vorspränge rar Flankinuig dnrdi 
Oesdiutse eingerichtet «nd. Der Hafen hat 3 Zugänge von der Bheda 
her, ¥on denen der sttdöstliche zogkicJi den Verkehr von der letzteren 
mit dem inneren Hafen vermittelt. Die Wassertiefe sdiwankt zwiachen 
8 nnd 10 m. Auf den beiden Enden der nördlichen Mole brennen 
2 weifse Hafenfeuer, auf den gegenüberliegenden Köpfen der anderen 
Mole 2 rote Feuer« östlich der Stadt bei Katharinen thal befinden 
sich 2 Leuchttürme. Die Befestigunj^werko sind ohne besondere 
Bedeutung; sie bostclien aus einer Reihe Batterien, Rew.al liegt am 
Südende der Bucht in weiter Ebene nordöstlich des Jens eklill- Sees. 
Die eigenthche von den weitläuftig trebunten Vorstädten durch die 
heute verfallenen Festungswerke getrennte Stadt trägt ganz den 
Charakter der alten deutschen Hansestadt. 

östUch von Rewal behalt die Küste /imiichst den Charakter des 
Klintes bei. Sie zeigt eine Reihe mehr oder minder tief eingeschnittener 
Buchten und dieselben von einander trennender Halbinseln. Diese 
Buchten, hier „Wiek" genannt, die Kolkowiek, die Paponwiek, die 
Monkwiek und die Kasperwiek, sind aber (&r den Handel und Krie^^ 
ohne Bedentnng. — Ntin nimmt die Kfiste nach Osten zu eine fladiere 
und weniger gegliederte Gfestaltung an. An der Ostgrenze des 
Gonvemements Esthland bildet sie die rftnmiidt grSiste Bucht der 
Südkflate des Finnischen Meerbusens, die Bucht von Narwa. — 
Dieselbe führt ihren Namen von der ^chnamigen Stadt, welche 
etwa 15 km oberhalb der Mündung der den Abflnlh des Peipus-Seee 
bildenden Narowa liegt, unweit welcher sich die Küste noch einmal 
zu den eigentündich geformten Höhen der Waiwariberge erhebt. — 
Die Rhede von Narwa bat einen guten Ankergrund, im Allgemeinen- 
auch genügende, wenn auch ungleichmäfsige Wassertiefe, bietet aber 
keinen Schutz gegen die Stürme. "Die Bedeutung Narwa's für den 
Handel des Beipus-tiebietes wird aufserordentlich dadurch beeinträchtigt, 
dafs ihm eine unmittelbare Verbindung mit dem Innern Rufslands 
und seinem Hinterlande durch Schienenwege fehlt und dafs der Verkehr 
auf der Narowa durch eine Sandbank unterhalb und eine Stromschnelle 
oberhalb der Stadt für gröfsere Falirzeuge ges|)orrt ist. Die letztere 
hat seiir an Bedeutung eingebüfst. Auf dem linken, steilen Flufsufer 
gelegen, ist sie von alten, hohen Mauern umgeben, welche nach dem 
Flu& zu besonders stark sind. Die Vorstädte auf dem rechten L ier 
entbehren jeder Art fester Umfassung. — 



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Die Küsteu und Häfen des nusischen Reiches etc. 

Die Gesehiohte Katwa's als der Grenzstadt gegen Rufsland weist 
eme BeQienfolge sebwerer Schicksale, Belagerungen, Kämpfe, Ver- 
wfistimgeii aller Art auf. — In der denkwttidigen Sdilaoht des 
80. November 1700 sdiliig Karl XIL mit seinem kleineii Heere hier 
die weit überlegenen Rassen. — Schon nach 4 Jahren wurde Schwedens 
Kriegsmhm ni Grabe getragen, als Peter der GroAe trotz des tapfersten 
Widerstandes der Ton den Bürgern der Stadt unterstützten schwedischen 
Besatzung Narwa eroberte. — Diese Sohreckenstage sind heute nodi 
nicht aus der Erinnemng der Bevölkeroi^ geschwunden, welche von 
Jahr zu Jahr mehr russifizirt wird. 

Die immer flacher werdende Küste des GouTemements St. Peters^ 
bürg bildet östlich der Narwa-Bucht die durch eine breite, weit in 
das Meer hinausrcichende Halbinsel getrennte Luga- und (iic Koporia- 
Bucht. Die erstere bietet nacli Tiefen -Verhältnissen und Anker-^rund 
einen vorteilhaften .\nkcrplatz für eine Kriegs -Flotte, wird liir die 
SchifFfahrt aber wenig benutzt. Freihch ist das Hintorland innerhalb 
der (jrenzen des genannten Gouvernements auf weite Strecken sumpfig 
und unwegsam. An der Küste selbst findet sich bis Oranienbaum 
hin kein irgendwie erwähnenswerter Ort. 

Die Kronstädter Bucht und ihre Befestigungen. Die 
allgemeinen Verhältnisse dieses für die Landes -Verteidigung des 
russischen Reiches strategisch so hedeutsamen, von der Natur in 
seltener Weise begOnstigten Teiles des Finnischen Meerbusens smd 
bereits oben cbaiafcterisiri Im innersten Winkel der KronstSdter 
Bucht liegt die Reichshauptstadt an der Hfindung der Newa, welche 
durdi ihre Teilungen St Petersburg zu einer InseUStadt, richtiger zu 
einer Stadt auf Insdn macht. Denn es wird nicht allein durch die 
8 Hauptarme, der groüsen Newa, der kleinen Newa und der greisen 
Newka durchströmt, sondern auch durch eine groise Zahl von Ver- 
sweigungen^ derselben und Kanälen, wie die kleine Newka, die Fon- 
tanka, die MoYka und den Katharinen-Kanal| in eine groise Zahl 
grölserer und kleinerer Inseln gegliedert. 

Staut nun ein Weststurm die Gewässer des Finnischen Meerbusens, 
80 werden die grofsen von der Newa geführten Wassermassen am 
Ausflufs gehindert und in die >ielen, zum Teil engen Wasserarme des 
Stromes gcprefst und die Stadt binnen wenigen Stunden in gröfseren 
Teilen überschwemmt. — Auf der anderen Seite verflachen die — 
wie oben erwähnt — vor der Mündung abgelagerten Sand- und 
Schlammassen den Zugang von Kronstadt her. Von welcher Be- 
deutung diese Störungen der Schiflffahrt waren, ergiebt sich wohl 
allein aus dem Umstände, dafs nicht weniger als 3000 Schiffe aller 
Gröisen alijaiiriich im Hafen der Reichshauptstadt verkehren. — Die 



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200 



Die Küsten und Uäfen des rusabchen Reiches etc. 



Anlage des St. Petersburger See-Kftnals und die Erweiiening 
der Hafenanlagen, deren VoUendiing in die Jalire 1879—1885 fiÜUt, 
sind daher von Epoehe machender Wichtigkeit ftr den Handel»- vnd 
Kriegshafen St Petersburg. — Der See-Kanal beginnt bei Kronstadt 
und hat eine Länge von 90 km. Seme Breite betrftgt auf den ersten 
21 km 91 m, den folgenden 5 km 73 m, in der Nähe von St Petersburg 
64 m. Hier ist er — und zwar auf annihemd 16 km — swischen 
Holen geführt. Seine Durchsohnittstiefe beträgt 6,1 m, an vielen 
Stellen erreicht der Kanal eine Tiefe von 10 m und mehr. — Bei 
Nacht ist die Falirstrafso an schwierigen Stellen mit Leuchtbaken 
versehen. — Neben den schon vorhandenen Hafenanlagen sind unweit 
des Kanals, durch Schienenstränge unmittelbar an die im Süden der 
Stadt liegenden Bahnhöfe anfieschlossen, zwei G:rofso Bassins, von 15 
bezw. 4 Hektaren gegraben worden, durch welche das Beladen bezw. 
Löschen einer grofsen Zahl von Seeschiffen sehr erleichtert ist. 

St. Petersburg ist Kriegshafen 2. Kategorie und Station von 
2 Flotten-Equipagen. Die Peter-Paiils-Festung liegt an der Newa von 
Stralsen umgeben und hat nur noch Bedeutung als Konzentrationa- 
Punkt der Garnison bei inneren Unruhen und Aufbewahrungsort von 
Staatspefan^'encn und Kassen. ~ Als Marine-Station besitzt St. Peters- 
burg eine grur:>c Zahl von Einrichtungen — Werft, Seekadetten- und 
Matrosen-Schule u. s. w. — ' Den Schute der Beichshauptstadt gegen 
Angiiffi» zur See soll die gro&artige Festungs-Anlage von Kronstadt 
Übernehmen, welches nicht nur die wichtigste und stttrkste Festling 
des nördlichen Bufilands, sondern auch all Hauptkriegshafen der 
Ostsee-Flotte einer der 4 Eriegshäfen 1. Kategoiie, Station Ton 7 
Elotten-Equipagen und Sita einer grofiwn Zahl von obersten Ter- 
waltungsbehfirden der russischen Marine ist Es enthalt grofbfftige 
Arsenale, Werften u. s. w. — Kronstadt verdankt seine Entstehung 
dem genialen Blicke Peters des Grofsen. Derselbe hatte kaum festen 
Fufs am Fininschen Meerbusen gefafst, als er auch sogleich seiner 
Lieblings-Schöpfung, der Ostseefiotte und seiner neu gegründeten 
Hauptstadt gegen die ihm damals überlegenen Seemächte der Ostsee 
die notwendige Sicherheit zu geben suchte. — Alle russischen Kaiser 
haben zu der Verstärkunfi bzw. Erweiterung der I V stung beigetragen, 
und so ist eine VertcidiL^ungslinie entstanden, weh he in einem weiten 
Bogen den Finnischen Busen durchschneidet, bei ( )ranienl)aum an der 
Südküste beginnt und bei Kap Lisy an der Nordküste endet. — Die 
Ausdehnung dieser Linie wird -'^o kni erreichen, von ihren 30 einzelnen 
Werken hegen M auf dem Lande, die übrigen sind im Meere selbst 
errichtet. 

Der Kernpunkt der ganzen Festungsanlage sind die Befestigungen 



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Die Kflften tixtd HS&n dee rmriwhwi Beidm ete. 201 

der Insel Kotlin, zu deutsch Keaael-Iiiselt). Die Insel hat in der 
Bichtnng von Weet naoh Ost eine Länge Ton etwa 11 km und er- 
reicht m der Biohtitng von SQd nadi Nord in ihren breitesten Teilen 
eine Ausdehnung von 2 km. — Nach Westen zu nimmt sie an Breite 

ab. Ein Kalksteinfelsen mit stark sersplitterter Küste, ist sie auf 
ihrer Oberfläche eben und offen, nur im Westen etwas Wald und 
Gebüsch tragend. — - Die gegen 60000 Einwohner (einschliefslich der 
sehr starken Garnison, der vielen Beamten und Arbeiter der Marine- 
Etablis*^einents) zählende Stadt, welclie der Festung den Namen gab, 
liegt auf dem östlichsten breiten Ende der Insel. — Der Hafen liegt 
südlich der Stadt und ist durch Eindämmung dem Meere abgenommen. 
Er besteht aus 3 Teilen, jedes ein riesiges Bassin. Das östliche ist 
ausschliefslich für Kriegsschiffe, das mittlere für Kriegs- und Handels- 
schiffe, das westliche nur für Handelsschiffe bestimmt. Jeder dieser 
Häfen st^'ht durch eine Öffnung in dem zur Verteidigung eingerichteten 
Damm mit dem Meere, alle unter einander in Verbindung. Am 
Mittelhafen liegt ein groiaartiges Dock, das Arsenal und eine Maschineu- 
iabrik der Admiralität. 

Die Befestigungen der Insel Kotlin bestehen: 1. Ans der 
eigentüdien Stadt- hm. Hafen-Befestigung. Diese bestdit nach dem 
Meere zu ana kolossalen Granitmauem, iralche sdion der Zeit Petera 
dee Gtofien entstammen, aber im Lanfe der Zeit den Forfesobritten 
der BefestignngskunBt ents|irecliend ausgebaut sind. Sie sind mit 
einer Reihe von Bastionen versehen. Urnen angeedüossen ist an dar 
Enoeinte des Handelshafena das Fort Mentschikoff. Nach der Land- 
seite ist die Stadt umgeben von einer Linie von Redaus mit reretirfcen 
Eskaipen und nassen Gräben. In den einspringenden Winkeln liegen 
kaaemettirte Kasernen mit Eisend&chem. 2) Aus 2 vorgeschobamii 
die ganze Breite der Insel gegen Westen hin abschlielsenden, aus 
einer Reihe yon Erdwerken bestehenden Linien. 3) Aus dem Fort 
Katharina an der äufserstcn Westspitze. 

Die Verteidigung; der Wasscrstrafsen südhch und nördlich der 
Insel Kothn ist durch die Natur dadurch in hohem Grade begünstigt, 
dafs die BeschafYenheit des Fahrwassers eine für die Schifffahrt so 
ungünstige ist, dais den aus dem Finmscheu Meerbusen nach St. 

') Zur Zfit der russischen Erworbung durch Peter don Grofsen fTihrte die 
Insel den Namen Hetusari (Ratteninsel). Nach der Cborlipt'erung sollen die vor 
den Russen abziehenden Schweden nur einen grofsen Fcldke.ssel in den Händen 
der Sieger zurückgelassen haben, welche den Finnischen Namen mit der 
nuBitohen Beseiehnung fOr „Keeaei'ba/eV* Tertaasohten. — Soweit die Sage. 
Wahrscheinlicher ist es, dafs die Insel Ton irgend einer VerCielung, einem 
BiwaksplatB, den Namra erhielt» da „BetuBtti" Lager eines Tieres, Ombe be- 
deutet. 



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202 



Die KfUten nnd Hlfen des nuriadiea Beidies etc. 



Petersburg bestimmten Scoschiflen nur eine vcrhältnifsmälsig schmale 
Fahrstrafse frei bleibt, welche unmittelbar südlich Kronstadt vorbei- 
führt. Die Insel selbst ist von Sandbänken umrahmt. Von der süd- 
lichen Küste des Festlandes erstreckt sich die Bank von Oranienbaum 
gegen Norden. Zwischen der Insel und der Finnischen Küste ist das 
Fahrwasser durch eine Rank ^esjierrt. — üm aber auch Schiffen 
mit geringerem Tiefgange die Durchfahrt zu versperren, hat man 
südlich und nördlich von der eigentlichen Befestigung die oben er- 
wähnten Seebefestigungen errichtet. Dieselben verdanken ihre 
Entstehung zum gröfseren Teile den ErfaLiunw;en des Krimfeldzuges. 
Der geniale Ingenieur Tudleben ergänzte die bisher im wesentlichen 
nur aus den allerdings mächtigen Giranitforts mit meist 3 Etagen 
Geschützreihen Paul, Alezander, Peter, Nikolaus, Mentsdiikoff lab- 
atebende Sperre der südlich der Festung führenden FahrstraCbe duieh 
eine weiter hinaus geschobene neue Verteidigungslinie aus offisnea, 
inselfönnigen Erdbatterien, welche durch Steindämme, die nur einzrine, 
schmale Durch&hrten freilassen, Terbunden sind. — Diese sperren 
heute' beide Meeresanne, den sudlichen wie den nördlichen, und sind 
— besonders die wicfatigecen im südlichen, durch permanenten Ausbau 
erbeUidi ▼eistttrkt, teüweise mit Panzertfiimen mkd gepanzerten Oe- 
sohfltzständen versehen. Rechnet man hierzu die Vorkehrung^ zu 
einer aktiven Verteidigung durch Torpedos u. s. w., so kann man das 
selbstbewulste Urteil der Russen wohl verstehen, nach dem heute St. 
Petersburg gegen den Angriff auch der unternehmendsten Flotte als 
gesichert anzusehen ist. 

Was nun die einzelnen Befestigungs-Linien anbetrifft, so be- 
stehen: a) Südlich der Insel Kotlin folgende Forts, bzw. Batterien: 
Auf dem Festlande 2 Batterien wosthch Oranienbaum, die Batterien 
Igorski i und Kluschinskij. Im Meere in erster Linie: Die Batterien 
Nr. 1, 2, das Fort Miljutin (auch Nr. 3 genannt) und das Fort Con- 
stantin (auch Nr. 4). Unmittelbar zu beiden Seiten der Fahrstrafse 
südlich Kronstadt liegen die l- oiis Paul, Alexander, Kronschlot, Peter 
und MentschikoflF. Die Grofbartigkeit dieser Befestigungen eigiebt 
sich schon daraus, dafii allein die unmittelbare Nachbarschaft der 
Festung durch mehr als 600 Geschütze des sohwMsten Kalibers ver- 
teidigt wird, deren Feuer jeden Teil der Fahrstrabe bestreicht 

b) Nördlich der Insel Kotlin zwischen dieser und der Finnischen 
Küste liegen die Batterien Nr. 5 bis Nr. 11. Dieselben sind durch 
eine Art Damm rerbunden, der ein Passiren von Kriegsschi£fon ftst 
unmöglich macht S&mmtlicbe Batterien sind gepanzert; Nr. 10 und 11 
sind nachtrilc^ch zur Scfalielsung der noch vorhandenen Lücken w- 
baut und in ihren Abmessungen bedeutender als die Übrigen. 



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Die Kftrten und Häfen dm nuriachen Beidies etc. 



203 



Die Häfen der Nordküste. Es ist schon oben auf die Ver- 
schiedenheit der Gestaltung der Küsten des Grofsfürstentums Finn- 
land von denjenigen der südlich des Finnischen Busens liegenden 
Gouvernements hingewiesen worden. — Sobald man die Grenzen des 
Grofsfürstentums überschreitot, bildet meist ein nackter, zerklüfteter 
Fels die Mccresgrenze. Oft tritit der sich der Küste nälicrnde ScliifFer 
auf einen Schärengürtel, welcher ihm durch das von demselben ge- 
bildet;e Labyrinth von KHppcn die Annäherung an die zerrissenen 
Ufer fast unmöglich zu machen scheint. Charakteristisch für diese 
aus ausgewaschenem und abgesprengtem Granit bestehende Küste ist 
CS, dafs die ^öfseren, weit in das Land hineinreichenden Buchten 
nur selten so schmale Fjorde wie iu Norwegen oder so langgestreckte 
Föhrden wie an der Ostküste der jütischen Halbinsel, sondern sehr 
häufig breite Becken bilden. 

Die bedeutendste dieser Buchten ist im östlicheii Teile der Nord- 
kllste die Bucht von Wiborg (auch Wyborg). Dieeelbe ist duroh 
eine groise Anzahl oft iu mehreren Reihen hinter einander liegender 
Inseln Tom offenen Meere getrennt» so dafs die Annäherung an den 
inneren Hafim und die Festung nur auf wenige, meist enge und 
schwer zu durchschreitende Wasserstra&en beschränkt ist. Von 
letzteren ist der zwischen den Inseln Uran Saari auf der einen, und 
Tiurin Saari, Ess Saari und Rawon Saari auf der andern Seite 
gelegene Trangsund die bedeutendste. 1864 hat man ihn durch 2 
an seinem Nordost-Ende gelegene Batterien gesperrt. — Fast zu der* 
selben Zeit wurden die Werke auf der Insel Niemela und Mustra- 
Saaii errichtet und so diese einzige anfser dem Trangsund noch 
einigennafson für Kriegsschiffe geeignete Wasserstrafse geschlossen. 
Diese 4 Werke bilden zusammen die äufsere Befestigung der Rhede 
und des Hafens von Wiborg. Die Stadt und deren Befestigung liegt 
im innersten, nordöstlichsten Teile der Bucht auf einer auf der einen 
Seite von letzterer, auf der anderen von einem See begrenzten Land- 
enge, über welche die Eisenbahn von St. Petersburg nach Ilangöudd 
führt. Die Befestigung besteht aus einer fortifikatorisch nicht be- 
deutenden Umwallung der älteren Stadt, einer Zitadelle und einigen 
vorgeschobenen Werken. Wiborg ist eine sehr alte Stadt. Sie soll 
schon 1293 durch den schwedischen Reichsmarschall Torkel Knutson 
gegründet sein, um in dem eroberten Lande einen Stützpunkt der 
schwedischen Macht zu sdiaffen. — Seine Schicksale geben ein Büd 
der Kämpfe^ welche auf dem Boden des ?iel umstrittenen Grols^ 
fürstentums durchfochten sind. Nachdem König Erich XIIL 1408 
Wiborg Stadtrechte verliehen, Karl XL diese Privilegien wieder ent- 
zogen, die Stadt auch harte Schicksale als stehendes Kampfobjekt 



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d04 



Die Küaten und Häfen des nusischen Reiches etc. 



zwischen Schweden und Rufsland erlitten, sank die einst so blühende 
Hauptstadt Kareliens zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Erst 
sdtdein äe mit FinidaDd an Rnlsland gekommen, hob sich in gesicherter 
Rnhe mit dem Handel . auch der Wohlstand der Stadt, welche schon 
im FHeden Ton Nystadt 1721 russisch wurde. — Unter den Be- 
lagenmgen war di^enige von 1495 besonders ehrenvoll fttr die 
schwedischen Waffen. Knut Posse verteidigte es 5 Monate lang 
g^taaend gegen den es Tergeblich belagemden russischen Fürsten 
Schuisky. Peter der Grolbe eroberte es aber 1710. Heute hat ¥^borg 
über 16000 Einwohner, grolbe Eisenwerke und nicht unbedeutenden 
Handel. 

Die Bucht von Wiborg war nach der Vereinigung der Stadt mit 
Ruisland Schauplatz eines der kühnsten Seegefecht« der Neuzeit. 
Der ritterUche, hoch beanlagte Schwedenkönig Gustav III., dessen 
kriegerische Leistungen freilich durch die Unstätij:^koit seines Charakters 
beeinträchtigt waren, hatte sich 1790, nachdem er den Versncli, an 
der russischen Küste zu landen, in Folge unentschiedentT Kämpfe 
bei Kronstadt hatte aufgeben müssen, mit seiner Flotte in die Bucht 
von Wiborg zurückgezognen. Die Russen blokirten iim hier nicht 
allein mit ihrer gesammten Flotte, sondern beherrschten die Rhede 
von Wiborg auch mit auf den Schären und dem Festlande errichteten 
Batterien. — Dennoch entächied sich Gustav für einen trewaltbamen 
Durchbruch durch den Feind, obwohl er nicht allein seme Hotte, 
sondern auch den auf derselben befindlichen Kern seines Heeres auf 
das Spiel setzte. Und dieser Versudi gelang, trotsdem der Sfidwind 
das Auslaufen seiner Schi£fo &8t -unmöglich su machen schien und 
die Bnmder, welehe der Flotte die Bahn brechen sollten, auf diese 
smrficktrieb. Der 3. Juli 1790 ist trotz des Veriustes von 7 linien- 
Bchiffen, 3 Fregatten, mehr als 30 anderen Fahrzeugen und gegen 
7000 Soldaten einer der gröfsten Ehrentage der sohwedischen Kriegs- 
geschichte. — Denn nur hierdurch wurde es möglich, am 9. Juli, als 
die Russen die nach dem Svensksund gegangene sehwedisdie Schären- 
flotte angriffen, ihnen eine Niederlage beizubringen, wie sie dieselbe 
nicht seit dem siebenjährigen Kriege erlitten hatten. Mit ihrer Flotte, 
Ton welcher nur wenige Schiffe entkamen, verloren sie 14000 Mann 
an Gefangenen und 1 oten. — 

Die Küste westlich Wiborg bis nach Ilelsingfors hin zeichnet sich 
aus durch sehr zahlreiche erratische Blöcke, welehe, im Meere verstreut, 
durch ihren Umfang der SehillTahrt gefalirlich werden, l.iiie Zahl 
von Städten trägt selbst auf neueren, zuverlässig eearheiteten Karten, 
wie der Stieler'schen, der von 0' (Irady u. s. w.. ilw r>ez( iehnung von 
Festungen. So Frederikshamm, Kymmene-üard oder Gurod, Ruotsin 



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Die Kflflten nnd H&ftii des runisohen BMcfae» etc. 



205 



Salmi, alles Orte, welche in den schwedisch-nissischen K<äinpfen oft 
genannt sind. Alle dieser Orte sind heute entfestigt, auch die Häfen 
von Lowisa und die Bucht von Borga nebst dem Svcnsksund sind für 
heutijre Kriegsschiffe nicht zuofänRÜch. Neuerdings scheiiien die Russen 
aul' der Insel Kotka (Ruotsiii Salnii) einige Batterien angelegt zu 
haben; das offizielle VerzeichniTs der Befestigungen erwähnt dieselben 
jedoch nicht. — 

Helsingfors mit seiner Hafeabefestigang Sveaborg 
(SToaborg) ist der miUtttrisch und poüttsoh wichtigste Puikt der 
ElSste des OrofsflirBtentams Finnland. Helsingfors ist Landeshaupt- 
stadt, Site der obersten Begierung8> und der liljlitSrbehdrden des 
Oroisf&rstentitnis, bsw. des Militftrbezirks Finnland, Mittelpunkt des 
nationalen Leben Finnlaads, Site der UniTemtftt, besitzt nicht tia> 
bedeutende Industrie und 50000 Einwohner. Durch die Zweigbahn 
Rechimjaki-Helsingfora Steht es in Verbindung mit dem Finnischen 
Bahnnetz; die Küstenstrafse, welche St. Petersburg mit den Häfen 
der Südküste verbindet und auf Hangöudd und Abo weiterfuhrt, be- 
rührt Helsingfors. Die Stadt liegt am Südonde einer Landzunge, 
-welche sich von Nordwesten her in das Meer erstreckt und mit einer 
anderen Halbinsel und einer Kette von Inseln wie Degeroe, Sand- 
hamm, Kungsholmen, Bäk Holmen, Gusiavs-Swaerd, Wargoen, den 
Swartoe-Inseln u. s. w. eine der besten Rheden Ru&lands gegen das 
offene Meer abschliefst. 

Helsingfors wurde durch Gustav I. Wasa gegründet, als dieser 
Schweden von dm\ Handelsmonopol der Hansa befreit hatte (um 1550). 
Die erste Anlage, etwa 1 Meile nordöstlich der heutigen Stadt gedieh 
ebensowenig wie ihre Neugründung auf der Insel Sandhamm. Auf 
letsterw erinnert noch der zuweilen auf den Karten sich fijidende Name 
Gaamiel-Siad an die alte adhwediscbe Kolonie. 1639 wurde Helsing- 
fors snim dritten Male ^ und zwar auf dem heutigen FlatM — an- 
gelegt, und namentlich durch den schwedischen Statthalter Brahe 
während der IGndeijährigkdt der ESnigin Christine auf alle mögliche 
Wesse gefördert. — Dooh litt Helsingfors in den bewegten Zeiten der 
schwedischen Kriege sehr. Hungersnot im 17., Feuersbriknste, welche 
einen sehr grolsen Teil der Stadt in Asche legten, im 18. und 19. 
Jahrhundert, endlich die Belagerung im Jahre 1742, in welcher der 
tapfere Löwenhaupt sich hervorthat, hemmten die Entwickelung TOn 
Helsingfors. — Seitdem aber 1819 Kaiser Alexander Helsingfors zur 
Hauptstadt Finnlands «gemacht, seitdem die Universität von Abo hierher 
verlegt wurde und durt^h die Gründung Sweaborgs der Handelsplatz 
in so hervorragender Weise gegen einen Angriff von der See her ge- 
sichert ist, ist Helsingfors in beständigem Aufblähen geblieben. Der 



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206 



Die Kflattn und Häfen de^ russiäcben Keichee etc. 



Hafen von Helsingfors liegt an der Ostseite der Stadt. Er ist darch die 
Insel Skstudden, anf weleher dch Kasernen und Marine>Etablissements 
befinden, in swei Teile, den Nord- und den Südhafen geteilt. Die 
Landseite ist von Qnai-Hanem einge&lst, so da& Schiffe Ton 3 — im 
Tie^ang unmittelhar am Lande anlegen können. Auch bei dem 
nordöstlich der Stadt gelegenen Sdmäs oder Södemils, wohin eine 
Hafimbahn führt, befindet sich ein günstiger Anlegeplats für See- 
sdiiffe. 

Die Festung Sweaborg (Svoaborg) verdankt iliro Entstehung 
der Notwendigkeit» die durdi den Frieden von Abo 1743 wehrlos ge- 
wordenen Grenzen des schwedisch gebliebenen Teiles von Finnland 
gegen Rufsland zu schützen. Der hochverdiente Feldmarschall Graf 
Ehronsvärd erbaute sie mit Unterstützung des Arcliitekten Tlmnberg. 
Man befestigte die oben erwälinte Inselkette und legte als Koni des 
Ganzen die Sweaborg genannte Zitadelle auf der Insel Wargocn an. 
Das Denkmal des Feldmarschalls in der letzteren ist noch heute vor- 
handen mit seiner stolzen Inschrift: „Hier ruht Ehrensvftrd, umgeben 
von seinen Werken und seiner Flotte." Und diese grofsartige Schöpfung, 
welche Schwedens Herrschaft an diesen Küsten für alle Zeiten be- 
festigen sollte, für deren Errichtung das nicht reiche Land die grüfsten 
Opfer brachte, ging 1808 durch schmachvolle Kapitulation in die 
Hllnde des schwachen nissischen Belagerungskorps ttber. — WShrend 
des Ejrimkrieges versaehten im Jahre 1855 die verbfladeten Flotten 
Sweaborg zn nehmen. Aber nach heftigen, dennoch aber innerhalb 
der Festungswerke nur geringen Schaden venirsachenden Bombarde- 
ments muftten sidi die starken, vortrefflich an^gerfisteten Flotten 
znrfickziehen. — Seit dieser Zeit ist Sweaboig stetig durch die Rossen 
▼erstärkt worden. Heute besteht die Festung aus folgenden Teilen: 
a) Die Befestigungen auf dem Festlande zum unmittelbaren Schutz 
Ton Helsingfors. b) Die Befesttgnngen der Inseln von Sandhamm bis 
Dromsioe. 

Zu a) Im Norden der Stadt li^ das Fort Braberg, südlich dei^ 
selben das Fort Ulrikasborg und eine Anzahl in der Kehle offener 
Strandbatterien (8V). Zu b) Die Inselkette ist durch eine grofse Zahl 
mit schwersten Geschützen armirter Batterien befestigt. — Zwischen 
den einzelnen Inseln Heften Untiefen und Bänke, auf der Seeseite 
finden sich ebonfnlls solche und Riffe, welche die Annäherung von 
Kriegsschiffen in lioclisttin Grade erschweren, wenn nicht unmöglich 
machen. Nur eine VVasserstrafse gestattet das Einlaufen von See- 
schiffen mit einem Tiefgang bis zu 4 — (J m, der zwischen der Gruppe 
der Swartoe-lnseln und dem Bäk Holmen liegende Gustavsund. 
Derselbe ist aber hermetisch durch die Festung Sweaborg auf der 



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Die Küateu uud Häfen des ruaedacheu Eeichee etc. 207 



aiini und die sehr atarice Befestigung dee Bäk Holmen aof der 
anderen Seite gesperrt 

Sweaborg liegt anf 7 mit einander verbundenen Felsen-Inseln. 
Dsr ScUQssel der gansen SteUnng ist die Insel GustavsT&rd mit 4 in 
in den Granit «ngeschnittenen Beihen von Batterien. — Die Be- 
festigungen von Sweaborg-Helsingfors sichern einen Eiiegshafen, weloher 
nicht allein äen f^öfsten Flotten Schutz zu gewähren vermag, sondern 
«elGher auch bei jedem Vori^ehen einer feindlichen Flotte gegen 
Kronstadt- Petersburg eine Flankenstellung bietet, welche dieselbe 
nicht unbeachtet lassen kann. — 

Der letzte Teil der Nordküste des Finnischen Busens stellt sich 
besonders südlich des an einer tief einfreschnittcnen, von der auf 
Hangö führenden Fisenbahn überschrittenen Bucht liegenden Eknäs 
als eine sehr ^zersplitterte Schareiiküste dar. Der südöstlichste Punkt 
Finnlands ist das Kap Hangö-Udd. Wenige Kilometer östlicli des- 
selben liegt Stadt und Hafen Hangö oder schwedisch Ilangöstad. 
Hangö ist in neuester Zeit (legenstand besonderen Interesses der 
russischen Armee- und Marine -Verwaltung geworden. Die Bedeutung 
von Hangö liegt neben dem vorzüglichen, im klimatisch mildesten 
Teile des Meerbusens gelegenen Hafen uud seiner gegen Nord-, West- 
nnd Oat-UVuide geechtttEten 2 km breiten nnd langen Rhede, welche 
Ins 88 m tief mit ihrem Scblickgnmde einen yortrefflichen Ankerplatz 
auch für die giölsten Kriegsschiffe bietet» in seiner gOnatigen Lage 
als AusiiEJlsthor für eine russisdie Kreuzer- und Tozpedoflotte. — 
Auch fttr den Handelsverkehr ist Ehngö von hoher Bedeutung. Denn 
hier beginnt die finnische Eisenbahn, und kSnnen an der Anlege- 
brücke, welche weit in den Hafen hinausgebant ist, die grölsten 
Schiffe anlegen und die Güter unmittelbar aus dem Schiff in den 
F.isenbaluttug und umgekehrt verladen werden. Geschützt war die 
Bhede von llangö früher durch verschiedene Batterien, von denen 
eine auf der Schäreninsel Gustavavärn, eine andere auf der 5 km 
südlich Hangö-Udd liegenden Gmnitinscl llangö oder Russarö, eine 
dritte endüch auf der Landzunfje des Kaps Han^*>-T^dd lag. Durch 
die Alliirten wurden diese Befestigungen zwar 1S54 zerstört, sie sind 
aber wiederhergestellt, so dafs russische Karten Hangö als Festung 
bezeiclmon. Auch 1809 fand bei Hangö-Udd*) ein Seegefecht zwischen 
Engländern und Russen statt. — 

Der Bottnische Meerbusen und seine Küsten. Der Bott- 
nische Meerbusen ist der nördlichste, durch klimatische Verhältnisse 
und die Beschaffenheit seines Fahrwassers der Schifliahrt uur in be- 

') Es ist hier der Stieler'schen Karte entsprechend die Schreibweise 
»Haogö-Udd" gew&blt worden. Kap heilst im Schwedischen „Undsudde". 



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Die KfliteD und Hiftn das nudachen B«ichM ete. 



BolirftDktem Halse sugSngliche Teil der Ostsee. Er delmt lioh vom 

60* bis xam 66^ Kordbreite in der allgemeiiieneii Biclitiing von Süd- 
west nach Nordost in sehr wechselnder Breite ans. Sein rauhes Klima 
läfst grofse Strc Ir^ii Hir längere Zeit gefrieren, so dafii sein südlicher 
Teil von Dezember bis April, der nördliche sogar von Oktober bis 
Mai die Schifffahrt hemmende Eisbedeckung aufweist Ein anderer 
für die Schiffbarkeit ungünstiger Umstand ist die sehr wechselnde, 
im allgemeinen geringe VVassertiefe, oft eine Folge der zahlreichen, 
teils über, teüs unter dem Wasserspiegel liegenden Felseninseln und 
Klippen und des die Küsten umsäumenden zuweilen einem Netze 
gleichenden Gewirrs von Schären, zwischen denen nur der ortskundige 
Schiffer mit flachgehendem Fahrzeug sich mühsam hindurchzuarbeiten 
vermag, welche aber oft ganz unpassirbar sind. — So lange Finnland 
mit Schweden verbunden, jener Meerbusen in gewissem Siane ein 
schwedisches Binnengewässer war, diente er wesentUch der Ver- 
mittelung des Lokalverkelin zwischen den meist nur unbedeutenden 
Kttslenorken. Nachdem dueh den Vednst Finnlands an Boßland 
der Meerbusen sur (Frenze zwischen beiden Lilndeni geworden, wnrda 
er sogar Schauplatz militärischer Operationen — der Land-Armee. 

Bs fiberschritt nündich lom 17.— 20. M&nl809 der mssiacheQeneral 
Barday de Tolly mit einer Aimee-Abteflung die an der snhmalsfawi 
Stelle des Busens (62Vt^ Nordbreite) zwischen Nikolaiatadt (Wasa) 
auf der finnischen und Umca auf der sdiwedisohen Seite einer 
Brücke gleich sieh erstreckenden Inselgruppe des sogenannten Quarken. 
Es wird dieser Übergang Ton russischer Seite als eine miUfcSriscfae 
Leistung angesehen, welehe an Ertragung von Stra])azen und an 
Überwindung von Schwierigkeiten aller Art der Ausdauer der Truppen 
Suworow's in den Eisregionen der Alpen gleich stellt. — Die zwischen 
den Inseln hegenden Wasserstrafsen waren zum Teil von einer Eis- 
decke übersjiannt, so dafs man von der tinnischeu zur schwedischen 
Küste einen Kolonnenweg abstecken konnte. In dem Schneegest« )l)er 
verloren die Truppen aber den Weg. Man mufste zwischen den auf- 
getürmteu Eismassen biwakiren und Spalten und Wasserrisse über- 
brücken, um Geschütze und Fahrzeuge fortzuschaffen. Als man am 
4. Tage die 10 Meilen lange Strecke zurückgelegt und bei Umea 
Schwedens Küste betreten hatte, brachte ein Kourier den Befehl zur 
Rückkehr. 

Im Süden ist der Bottnische Meerbusen, welcher meist unbedeutende 
Hafenplätse (Uleaborg, Nikolaistadt (Wasa), Bjömeborg) und nur im 
südlichsten Teile das etwas bedeutendere^ mit dem Hinterlande durch 
Eisenbahn verbundene Abo enthält» durch die sich gleichsam wie eine 
Barriere quer Uber ihn lagernde Gruppe der Alands-Inseln ab- 



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Von den flkmwvnfaohen Schwierif^tin «fee. 



209 



gMGhloswn. Diese bÜden onen Ärdhipel Ton ttber 200 Felaan-InaelD, 
Tan denen nur 80 bewohnt abdl Für die Zerqdittemng dieser Insel- 
welt spricht wohl der Umituid, dala de insgesammt nur 22Vs Qnadrat- 

meilen bedecken. Für gröfsere Schiffe ist aufsor durch das an der 
adiwedischen Küste liegende Alands-Haff der Archipel nur durch 
den zwischen der 7 Quadratmeflen greisen Haupt-Insel Aland und der 
Insel Presto liegenden Bomarsund zu passiren. 

Zur Zeit des Krim-Krieges hatten die Hussen diese Meeres- 
strafse durch Anlage eines halbmondförmigen, zweistöckigen kase- 
mattirten Werkes, welches zwei Turm-Worken zum Reduit diente, 
auf der Insel Aland und eines Turmes auf der Insel Presto gesperrt. 
— Die Alliirten unter dem General Baraguay d'IIilliers zerstörten im 
August 1854 durch ein mehrtägiges Bombardement die Türme auf 
der Insel Aland, worauf sich der Kommandant des Reduits mit der 
gegen 2400 Majux starken Besatzung ergab. Ein Artikel des Pariser 
Friedens untersagte den Wiederau! bau der Werke. 

(Schhils folgt.) 



xm. 

Von den Skonomisdhen Schwierigkeiten 

in den europäischen Staaten beim Ausbruche des Krieges, 

(Sohlttls.) 

n. 

FroduktionsTermlnderung und Arbeitslosigkeit zur Zeit 

eines Krieges. 

Die oben angefiihrten allgemeinen Angaben sind zu sehr in Pansch 
und Bogen gehalten, als dafs man sich nach ihnen ein auch nur an- 
nähernd klares Bild machen könnte von den Vei*wirruugen im wirt- 
schaftlichen Leben, die ein grofser Krieg hervorrufen würde. Bei der 
plötzlichen Verringerung, ja zum Teil auch bei dem Stillstande der 
gewaltigen Produktion und ihrer Umsätze, bei dorn Sinken der Wert- 
papiere und der Schwierigkeit ihrer Realisirung können die gröfsten 
Privatkapitalisten, sowie Handels-, industrielle und Kredit- Unter- 
nehmungen, was die pünktliche Ki füUung ihrer Termin- Verpflichtungen 
anbelangt, sich in sofortiger Verlegenheit befinden, und falls nicht 
entsprechende Hfllfe dnrdi den Staat geleistet wird, werden dieselben 



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210 



Von den ökonomiadicii fiohwierigkeitai «te. 



in der Unmöglichkeit aioh befinden, den eingangenen Veipfliclitangen 
nachzukommen und sich Betriebsmittel zu yerschaffen, und auf diese 
Weise an den Band des Verderbens gebracht sein. Jedoch auch' bei 
dem langwierigsten Kiiege dürfen die bemittelten Klassen der Be- 
völkerung der Mittel zur Befriedigung der aOemotwendigsten, tä^chen 
Lebens- Bedürfnisse nicht beraubt werden. 

Anders verhält es sich mit denjenigen Klassen, welche speziell 
die „arbeitenden'^ genannt werden, das heifst, welche sich von ihrer 
Arbeit nähren und „von der Hand in den Mund" leben. 

Zuerst inufs man vor Augen haben, dafs bei den heutigen 
Fordenmircn der Imlustrie die Spezialisining der Arbeiter so weit 
vorgeschritten ist, dafs zu jeder Zeit eine bedeutende Anzahl von 
Arbeitern unbeschäftigt bleibt und ihr Leben bei normalen Verhält- 
nissen nur mit Schwierigkeit fristen kann. Die en^^lisch© Statistik 
kann uns über diese Anzahl einige Anhaltspunkte geben. 

Bei den zu 22 Arbeitervereinen (Trades-Unions) gehörenden 
Handwerkern waren ohne Beschäitigung im Durchschnitt: 



Zieht man in Betrachti dals zu den Vereinen die besten Arbeiter 
gehören, wmterhin, dafs die sogenannten Saisonarbeiter (Bauhand- 
werker und dergleichen) die meisten BesohSftigungslosen abgeben und 
nicht berücksichtigt worden sind, so muls man den „Report on 
Principal and Minor Textüe Trades^ beistimmen, welcher die Löhne 
der unbeschäftigien Arbeiter auf 10% annimmt^). Wenn man den 
Angaben der französischen Radikalen Glauben schenken soll, so beträgt 
die Zahl der unbeschäftigten Arbeiter in Frankreich Vs» niindesteus aber 
Vc der Gesammtzahl. In Paris selbst sollen die Verhältnisse noch 
schlimmer sein. In guten Zeiten soll V5 ^^r Arbeiter während 3 oder 
4 Monaten ohne Beschäftigung sdn und bei Krisen soll ein Steigen bis 
zu 45 Vo nicht zu den Seltenheiten gehören — es sollen 3üO0(K) Familien 
ohne Mittel ziiin Lebensunterhalt bleiben^). In nonnalen Verhältnissen 
ist diese ^litidt i lioit wenig fühlbar, sowie aber dazu eine grölsere Anzahl 
unbeschatti^'ier Arbeiter hinzukommen würde, würden Klagen laut 
werden und alle sich berechtigt fühlen, vom Staate Hülfe zu verlangen. 

Eine weitere Erschwerung ist hinzugetreten durch die stets zu- 
nehmende VerAvcndung der Frauen in der Industrie (von denen selbst- 
verständlich kein Teil zu kriegerischen Zwecken verwendet werden 
kann). 

') The Evolution of Machin Capitalism. Hobsen, London 1804. 
^ Almanach de la question sociale 1884 staiistique. 



1891 
1892 
1893 




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Von den dkonomiadun Schwierigkeiten etc. 



211 



Die englische Statistik der bei der Industrie verwendeten Frauen 
zeigt folgengen Zuwachs: 

Ifibmer Ftmub 

1841 1080 468 

1851 1824 997 

1861 1857 1150 

1871 1385 1208 

1881 1401 1299 

1891 1576 1447 

Die Verliältiuaie amd in ukSMa LSndeni nidii bflflwr, wie irir 
^ich zeigen werden. 

Es ist also zu erwarten, dals denjenigen Arbeiterfamilien, welche 
keine Ersparnisse besitzen (und zu solchen gehört die überwiegende 
Zahl), sehr rasch bei dem völligen Stillstande einiger und der Ver- 
ringerung überhaupt aller Produktionszweige der Hunger geradezu 
ins Anf^esicbt schauen wird. Um zu erörtern, in welcher Stufenfolge 
diese La{<;e für die Arbeiter der verschiedenen Katcfrorien eintreten 
könnte - und wie grols die Zahl der Arbeiter ist, welche den durch 
einen Krieg zu allererst bedrohten Erwerbszweigen angehören, und 
im allgemeinen, wie intensiv die durch den Krieg hervorgerufene 
Krisis sein wird, mufs eine für jedes Land gesonderte Untersuchung 
angestellt werden. Wir werden indessen nur die allgemeinen Ein- 
wirkungen besprechen. 

Grofe wird die Verzweiflung der höheren, gutgestellten Be* 
TölkerungsklaflBun sein, weldie in Folge der Entwartnng der Fonds und 
der allgeoneinen Verwirrungen ungeheure Verloste erleiden werden 
und ^eiehseitig sehen werden, wie der Boden, auf dem sie bis dahin 
sich sicher fthlten, dnroh die vorhemsehenden Ge&hien, weldie ein 
wenn auch siegreicher Krieg mit srinen sozialen Folgen haben wfirde, 
unter ihren Falben ins Wanken gebracht wird; allein wie bedanerUch 
erst wird Lage und GemfitsstinunQng degenigen sein, wetdhe ihre 
Familien ohne einen Bissen Brot werden sorfieklassen müssen — nnd 
das werden die meisten sein. 

Die Familienväter, welche ohne Säumen, wie es im Mobilmacbungs- 
falle in Deutschland geschieht, zu ihren Tinippenteilen abgehen, lassen 
ihre Familien meist sogar für den folgenden Tag unversorgt zurück. 
Derartige Verhältnisse können eine Menge von beklagenswerten Er- 
eignissen zur Folge liaben. die ihrerseits auf die allgemeiiie Stimmung 
einwirken. Daher sind viele Staatsmänner der Überzeugung, dafs ein 
plötzliches Herausreisscn einer grofsen Anzald von Arbeitskräften aus 
der komplizirten Maschine, welche die gegenwärtige Oesellschaftsform 
darstellt, völlig unmöglich ist. Eine plötzliche Eiuberufung könnte 

JalkibaoliM ftr di« Dtutach« AratM aad lUho«. Bd. 97. 2. XQ 



212 



Vou deu ökonomücbea öchwierigkeiteii etc. 



bedeoUiche Enohfittorungen hervoirnfOB. Daher nehmoD ä» National- 
Ökonomen auch an, data Dentachland und Erankrdch ihre gaaaen 
Eriegakiftfte nur dum molnÜBiren kltamea, wenn diea alhnMilig ge- 
achieht Bo iat ea zum Beiapiel featgeatellt worden, dab Fiankreioh 
in emem aoldien FaUe ohne BSoker bleiben wttide, denn die meiaten 
derselben atnd junge Leute. In vemduedenen Erwerbaiweigen also 
wird Hangel an kundigen Arbeitern zu Tage treten, während in 
anderen ganze Legionen tob Arbeitoni ohne Arbeit und Ezietenzmittel 
bleiben werden. — 

Die angeführten Daten zeigen zur Genüge, dafs ein grofser Kneg 
im Zentrum Europas heutzutAfre mit der f^aiizen Art und Weise des 
gesellschaftlichen Lebens in Widerspruch treten uud die unzähligen, 
das Leben der Völker verknüpfenden Fäden zerreilsen würde. Wie 
ganz anders waren die Verhältnisse in früheren Zeiten! Noch im 
vorigen Jahrhundert konnten Kriege, selbst wenn an ihnen mehrere 
Staaten beteiligt waren, sieben Jahre sich hinziehen, und es hat 
Zeiten trei^ebon, wo ein Krieg dreifsig Jahre dauerte. Die Kriege 
forderten grofse Opfer und verwüsteten die Ländergebiete, die von 
ihnen heimgesucht wurden; aber die Qeatalt und das innerste Weaen 
dea ÖffenfEchen Lebena konnten aie nieht ina Waoken bringe nnd die 
Litereaaen der neutralen Staaten Uefsen aie unberShri 

Dia aooialen Lebenafonnen waren eben andere, ein&ohere, wenn 
man so sagen darf, naturgemftbere. Fast die ganze Berölkemng be- 
achttftigte aixdi mit Ackerbau; die Induatiie war auf die Form von 
Hanabetrieb oder Handwerk beadir&nkt, daa eine aolide (hganiaation 
hatte und sich nur in achwacher Abhängigkeit vom Kapital befimd. 
Kreditverkehr war nicht vorhanden; die iatemationalen Beziehungen 
waren nur Handelsbeziehungen und es bestand kein Abhängigkeits- 
verhältnils der Bevölkerung des einen Landes von den Wohlstands- 
verhältnissen des andern; es gab weder Spezialisirung der Gewerbe 
und des Handels, noch grofse industrielle Zentren, da die Industrie 
die Damjjfkraft noch entbehrte, nur auf Wasserkraft angewiesen war. 
Der Mangel an Brennmaterial konnte den Betrieb nicht stören; der 
Arbeitsmarkt wurde nicht berührt, da zum Krieg nur stehende Heere, 
deren Bestimmung und Ziel eben der Krieg war, verwandt wurden. 

Die heutige Lage der gesellschaftlichen Beziehunficn und inter- 
nationaleu Verbmdungeu hat mit der früheren durchaus keine Ähnlich- 
keit mehr. Mit dem Ackerbau ist in Westeuropa nur noch ein Teil 
der Bevölkerung beadiäftigt, und auch die Laädwirtaohaft aelbat iat 
eme andere» mehr intenaive geworden, hat bia zu einem gewiaaen 
Grade dnen indnatrieUen Charakter angenommen; auAer Arbeita- 
krttflen und Vitik verlas^ aie ktinatlidie Düngung und Uaaehinen, 



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Von den dkonomiachen Schwkrigkdten etc. 



213 



braucht sie Kredit und wird demnacli duixh Stockimg des Absatzes 
an den Kand des Verderbens gebracht. 

Eine gewaltige BoUe im heutigen Wirtsofaaftaleben spielt die er- 
seogende nnd bearbeitende Indiutrie, die eine kOnsdiche und ftnlserBt 
komplinrte Fonn erhalten hat Sie ist in hohem Grade kapitaHstisch 
geworden in Folge der Haseenproduktion, welche duroh die Wdt- 
konknirens nnd den Kampf mn die Abeatamfirkte herrorgemfen wurde. 

Die Industrie arbeitet nicht mehr blo& f&r den vaterlftndiachen 
Harkt, sondern auch f&r analftndisrhe, oft sogar sehr entlegene Märkte. 
Sie schafft auf Grundlage von Aktiengesellschaften und führt ihre 
Geldgeschäfte durch Vermittlung Ton Banken, bei denen sie ihre 
Betriebs-Kapitalien niederlegt, oder vm denen sie solche bezieht. 
Andererseits sind die Lohnverhältnisse ganz andme geworden. Die 
Verwertung der Arbeit durch gesetzlich sanktionirte und garantirte 
Genossenscliaften, durch ständif^e Zünfte, welche die Aufp;abe hatten, 
die Konkurrenz nicht nur ausländischer Werkstätten, sondern auch 
anderer, zur örtlichen Zunft nicht gehöriger Personen, nicht zuzu- 
lassen, hat aufgehört zu existiren, ist zu einer Waare geworden, deren 
Bedürfnifs und Wert durch die zeitweiligen veränderlichen Verhält- 
nisse zwischen Nachfrage und Angebot bestimmt werden. Auch ist 
sie weder auf bestmimte Orte noch Länder beschränkt. Arbeiter 
kommen aus andern Ländern herbei; hat sich zeitweilig die Nach- 
frage nadi ugend welchen Produkten Tormindert, so wandern die 
Arbeiter ans oder leiden Hnnger, da sie in Folge eines anderen nnserer 
Zeit elgentttnüiohen Umstandes — der ftnlsersten Spedalisirang der 
Arbeit — nicht so^eh irgend etwaa anderes anwifangen im Stande 
sind, seihst wenn sich Gelegenheit daaa hietea würde. 

Ln Falle von Arhtttseinstelhmgen wird die Lage der arbeitenden 
Klassen desto schwieriger, da die Produktion sich nioht nur in 
tedmischer Hinsiclit, sondern teilweise auch mit RflcksicT t auf die 
geographischen Bedingungen spezialisirt hat Anstatt, dafs jedes 
Land, wie es früher der Fall war, alles, was zu seinen wesentlichen 
Bedürfnissen gehört, selbst produzirte, sind jetzt bestimmte Länder 
und Gegenden vorzugsweise nur mit bestimmten Zweigen der Industrie 
beschädigt. Auf diese Weise betinden sich alle Länder und alle 
Erwerbs/ wt'igc in gegenseitiger Abhängigkeit von einander, sodafs 
Verwirrungen in den einzelnen Ländern und wichtigen Produktions- 
zweigen ihren Kintiuls weit über die Grenzen jener Länder und jener 
Produktionszweige liiiuius geltend macheu werden. 

Alles ist weit vorgeschritten, und es läfst sich behaupten, dals 
allein die LlLik in den internationalen Beziehungen hinter den 
grolsen Erfolgen des Wissens, der Schaffenskraft nnd jeglicher Art 



214 Von din gbrnumfadKin SehtriM^^toa etc. 



produktiw Arbeit zmfiokgeblielMii ist mtte die Ediik in den 

gegenseitigen internationalen Beziehungen gleiche Fortschritte gemacht| 
dann würden Kriege zu den Unmöglichkeiten gehören, als im Wiedel^ 
qmche mit den heutigen Verhältnissen stehend, anerkannt werden. 

Die Unmöglichkeit eines Ausrückens der ganzen Heeresmacht 
eines Landes wird auch von verschiedenen tiefer blickenden National- 
ökonomen erkaiirit. — Nach dem Urteile eines französischen Staats- 
mannes, mit welchem wir uns über die Fratze unterhielten, mufs man 
annehmen, dafs weder Frankreich noch Deutschland mit einem Male 
mehr als eine Million Soldaten ins Feld werden führen können. 
Während diese Million sich noch auf dem Marsche befinden wird, 
wird jedoch bereits eine andere Million zum Ersätze der ersten vor- 
bereitet werden. Auf diese Weise würden nach Mafsgabe der Ein- 
berufung im Lande nur die Kontingente der älteren Jahrgänge zurück- 
bleiben. Unter solchen Umständen entsteht natürlich die Frage: 
fidls im Inlande die erst erwähnten mÜkHchen VeibflltniBse fär die 
Erwerb»>KIa8Ben zu wirken an&ngen und zngleidi Nacihriditen, welche 
man nnTerzüglich nadi Beginn der Campagne erwarten kann, von 
ungehearen Verlusten, welche die Heere dnrdk die Anwendung dar 
neu ▼enrollkomnmeten Walfon erlitten haben, eintreffen, dflifien da 
nachtProteste oder sogarBerdlten entstehen^nnd würden die Regieningen 
Energie genug haben, um solcbe zu unterdrücken? 

Aus diesem Grunde tauchen Meinungen aui^ welche die Unamr 
gänglichkeit gewisser Änderungen in dem Systeme der allgemeinen 
Wehrpflicht betonen. — 

„Gewifs", sagt ein deutscher Militärschriftsteller, „wird eine Zeit 
kommen, wo viele der jetzigen Erscheinungen sich von Grund aus 
ändern werden, nicht nur der Form, sondern dem Wesen nach, werden 
sich auch die Ansichten und Gewohnheiten ändern." BUckt man in 
die Zukunft, so sclieint eine Zeit heranzunahen, wo nicht mehr 
Millionen von Soldaten die erste Rolle in allen Kombinationen spielen 
werden. Tritt diese Epoche einmal ein, dann verHeren natürlich alle 
die Armeeforderungen betreffenden Mafsregeln jede Bedeutung; doch 
bis dahin ist es noch weit. Die Streitkräfte entwickeln sich bis jetzt 
noch unaufhaltsam, und wir können uns nicht bei dem Bilde einer 
fernen, wenn auch unsweifelhaft bevontehenden Zukunft aufhalten, 
denn heutzutage ist die Aufinerkgamkeit aller praktischen Leute vfillig 
von den allemftehaten Erscheinungen in Anbruch genommen. 

Als ein Resultat der Meinungs&nderungen in Deutschland be- 
züglich der Militärpflicht erscheint dort die TOwftilmmg der zwei- 
jährigen Dienstzeit. 

BerQcksichtigt man alle Umstllnde, auf wddie die französischen 



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Von den Gkonomiachen ScbiderigkeitMi etc. 



815 



Militärschriftsteller bei Beiu-teilung der neuesten deutschen xMilitär- 
umfiestaltung hinweisen, so erhalten die Worte Friedrich Engels eine 
betionders wiehtige Bedeutung. Dieser kompetente Schriftsteller sagt, 
dafs der Sozialist, welchem Volke er auch angehören mcige, den 
EVieden zu erhalten wünscht und weder der jetzigen Regierung 
DentsobhiidSi noch der fransteisolMn Botug^is-Bepublik, noch Ruft* 
land irgend welehe Erfolge wUnsohen kann, selbst wenn in Folge der 
Encfatttternngen die Verwirklichung der sozialistiflelien Ideale walur- 
iciheinUch würde. Im Eiiegs&lle, sagt Engels, mnia eins von beiden 
antreten: entweder ein nnniittelbarer Sieg des Sosdalisnnis oder eine 
solche Erschtttterong der bisherigen geseUsehaftUohen Ordnung, dals 
sich das ganze kapttalistisohe Gebäude auf den Ruinen nidit wird 
hinten können. 

Grofee Ereignisse — pflegt man zu sagen — werfen ihre Schatten 
Toraus. Nach dem UmfiEuige dieser Schatten jedodi die Wahrschein- 
lichkeit des Krieges zu bestimmen, ist selbst in unserer Zeit, welche 
an Entdeckungs-Wünsche f^ewöhnt ist, unmöglich. In unserm Ge- 
dächtnifs ist die Julikatastrophe des Jahres 1870 noch lebendig. 
Wenn sich auch ein ähnliches Spiel nicht wiederholen dürfte, und 
wenn Dank der Tliätigkeit der Presse jeder neue Zusammenstofs vor- 
hergesehen werden wird, so kann man sich doch andererseits auf 
deren Auslassungen, die sehr oft trügerisch sind, nicht verlassen. 
Drohende Kriegsaussichten verschwinden oft unerwartet schnell und 
machen zuversichtlichen Friedenshoffnungen Platz. Doch dem sei, 
wie ihm wolle, die Mobilisation wird immer eine unerwartete Mafs- 
regel bleiben, und wenn sie für die, dem aktiven Heersedienst An- 
gdidrenden, nur ein einfaiBher Übergang von den gewöhnfiohen Be- 
sdiflftigungen zu angeetrengterer Thätigkeit ist, so wird sie für die 
zur Seaerre entlassenen Offiziere und Soldaten jeden&Us ein ptöti- 
licher Schlag sean, welcher sie aus ihrem Kreise reUst und alle Be- 
rechnuiigen jedes Einzelnen, welcher zu dieser Kategorie von Iieuten 
gehGrt^ auf den Kopf stellt 

Alles Voiliergesagte befestigt uns in der Meinung, dafa man, um 
diesen Erschütterungen möglichst vorzubeugen, sich notwendigerweise 
auf dieselben in gehöriger Weise schon während der Friedenszeit vor- 
bereiten muls. Gleichwie fiür den Kriegsfall Pläne fUr die Mobilisation, 
die Konzentrirung der Heeresmassen, ihre Verpflegung und den Gang 
sowie die Ziele der militärischen Operationen selbst vor der Zeit aus- 
gearbeitet werden, ebenso unumgänglich ist es fiir die Erhaltung aller 
Funktionen des Gesammtorganismus, den möglichen Störungen gegen- 
über im Voraus zu sorgen. 

Einsichtsvolle Militärs kommen immer mehr und mehr zu der 



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216 



Von den ökonomischen Schwierigkeiten etc. 



Überzeugung, da6 man zai Bearbeitung oiiHtBriseh-irirtiebalUuifaar 
Furagen geeignete FaobmSnner haranmhen miiase, in Oberqin a4u i un i in g 
mit dem in PmIm schon in Pruda beetehenden Syateme, wonaob 
bei der Aoearbeitang jeder miUlftnsohen Einrichtang, wdche die 
Interessen der BerÖlkerung berührt, auch Repräsentanten der letzteren 
in die Zahl der Mitarbditer aofgenommen werden. Ohne TOiher auf- 
gestellte Begeln können gute Absichten allein zur gegebenen Zeit 
keinen Nntsen bringen. Indem die Erlasse in die Hände niederer 
Oi^ane gelangen, verlieren sie häufig ihre Folgerichtigkeit entweder 
in Folge mangelhaften Sachverständnisses oder auch einfacher \''er- 
säumnifs. Der pesammte Apparat, welcher den Sieg als das Endziel 
des Krieges im Auge hat, ist so komplizirt, dafs nur die völligste 
Harmonie aller seiner einzelnen Teile den wirklichen Erfolg sein^ 
Wirkungen garantiren kann. 

Die gewöhnlichen Folgen frrofser Kriege, der Mangel an Ver- 
dienst und Nahrung, das Steigen der Preise und die damit Hand in 
Hand ^elicnde Vermehrung der Verbrechen und anderes die allijcmeine 
N'erarmung begleitendes Mifsgeschick können wohl zu allgemeinen 
Erschütterungen führen. Wenn man dieselben bis dahin übersehen 
hat, so geschah dies ans dem Grunde, weil keiner der lergangenen 
Kriege die Teilnahme so vieler Millionen Menschen erforderte, wie 
dies Toranssiohtlich bei künftigen Znsammenst&lsen der VGIkeir der 
Fan sein wird. 

• 

Hierin beruht die wesentlichste Seite rein mifitSrischer und dfco- 
nomischer Erwägungen, aas denen sidi der Scfalnls ziehen UÜst» dab 
Jedem Staate überhaupt, einigen Ststtten aber besonders aus danerodifla 
oder Yorübergehenden Gründen Verhältnisse anhaften, die für den be- 
treffenden Staat resp. jene Staaten die freie Entscheidung über die 
Frage der Kriegserklärung unmöglich machen. 

Johann Ton Bloch, 



XIV. 

Oambetta in den Wolkan. 

Es ist die Zeit der glorreichen Erinnerungen und wer dieselbe 
erlebte, denkt gewifs mit Freuden daran zuiiick. Nach dem grofsen 
Erfolg von Scdau, eilte die Kavallerie nach Paois voraus, um dieser 



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Gambalte in dm Walkan. 



317 



Hauptstadt die Lebensadern mit dem Hinterlande abzusclmciden, denn 
dies schien der sicherste Weg, die MenscheniiuMeii der fraozöaiacheil 
JEtaaideiiz am schnellsten zur Niederwerfung zu zwingen. 

Mein Truppenteil wurde in Gonesse, einem freundlich aussehenden 
Dorf mit städtischem Anstrich und in dessen Umgegend einquartiert. 
Einwohner waren nicht zu sehen und mit der Verpflegung tiir Mann 
und Pferd sah es in den ersten Tagen noch recht mangelhaft aus, 
nur ein reiches Lager von Rotwein und Liqueur hatten die Husaren 
in einer grofsen Steinhöhle ausspionirt, so d&fs wenigstens der ewige 
Durst gestillt werden konnte. 

Es war am 6. Oktober, einem henlichen, sonnigen Herbsttage, 
idi hatte eben eine Bflchse achledliten Hummersalat, nodi aus einem 
franiOaisGlifin Lager ?on Sedan hentammend, gefrühstttckt und stand 
mit Heimatsgedanken am Fenster, die Angen nach dam gegenüber 
Hegenden Weingarten mit seinen herrlich blanen Trauben gerichtet 
Kein Lflftchen rilhrte sich nnd allea war so still und so friedlich, 
als ob man tkh in einer kleinen Garmsonstadt der Heimat beflbida 
PlQtdich fiel ein Schuis und zwar ganz in der Nähe, fßgaßh darauf 
ein sweiter und dritter. Blitzschnell flog der Revolvergürtol um die 
Taille und im nächsten Augenblick befand ich mich schon auf der 
Strafse, der Richtimg zueilend, wo das Schielaen sich wiederholte. 
Am Ende des Orts angelangt, sah ich zwei Ballons, die wie Zwillinge 
langsam nebeneinander hortlogen. Sie kamen aus Paris, unsere Vor- 
posteninfanterie feuerte danach, aber vergeblich, es war zu hoch. 
Die preufsischen Schützen verhöhnend, nahmen die Insassen die 
Mützen ab und grüfsten aus der Hohe herab. 

Da kamen zufällig einige Garde -Husaren des Weges daher 
geritten. Rittmeister Graf v. d. Groeben und Lieutenant Graf Lüttichau 
befanden sich nämlich auf einem liilt nach Margency, wohin day 
Oberkonunando der Maas-Armee von Trambly aus verlegt werden 
sollte. Die Eskadron des Grafen Groeben hatte den Be&hl erhalten, 
sin BrkfreHais in Gonesse einsorichten nnd um die Husaren mit dem 
kOrzeeten Wege bekannt ai machen, ritten die genannten Qffistere 
diese Strecke mit den hierm bestimmten Hnsaien ab. Sofort nahmen 
dieselben die Verfolgung der beiden Ballons au^ umsomehr als der 
gr86ere sich wiederholt senkte. Im scharfen Bitt ging es über 
EsanviUe und Villers le See bis Belloj. Hier schien der gröfeere 
Ballon landen zu wollen, denn er ging so tjjaf^ dalh die Gondel Gefahr 
lief an den Gipfeln einiger Nufsbäume hängen su bleiben. Nun 
liefsen die Husaren die Pferde laufen, was das Kiemzeug halten wollte. 
Plötzlich Stiels die Gondel gegen einen Baumzweig, sie nahm eine 
sohiefo Haltung an und dabei flog, ob absichtlich oder aofäUig, lälst 



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218 



G«inbetta in den Wolken. 



sich nicht mit Bestiimmtheit sagen, ein Paket aus derselben heraus 
auf die Erde herab. Der Ballon hob sich sofort wieder und verschwand 
bald den Augen seiner Verfolger. Das Paket enthielt hunderte von 
Privatbriefen und den photographischen Abdruck einer Tageszeitung 
vom Le Gaulois. In einem Briefe stand die Nachricht, dals der 
Ballon um die Mittagsstunde vom Place St. Pierre aufsteigen solle 
und Gambetta die Stadt mit demselben verlassen würde. Dieselbe 
Mitteilung befand sich noch in mehreren andern Briefen, und 
einige Tage später enohien im L'Echo du Nord die Beschreibang 
Tom GambettasWoIkemeise, von dem InfiuiteriefiBiier «lu Montmorency, 
▼on der scharfen Verfolgung einiger Bdter imd der endfidi glfick- 
liehen Landung um 2 Uhr Mittags im Walde Ton Ifontdidier. 

Bitlineaster Graf t. d. Oroeben maohte nun einen Auszog mis 
den Briefen und sohickte diesen Beiidit mit einigen anderen i so wie 
den Abdraek des Gaulois zur 1. Garde*Infeinteaie-Dinsion, welche die 
Sdiriflstiioke nach Versailles an das grofte Hauptquartier weiter be- 
orderte. In dem Gaulois stand ein Artikel über die Verteidigung 
von Paris, welcher von einem französischen Offizier herrührte. Eine 
Übersetzung -desselben machte später die Bunde durch alle deutschen 
Zeitungen. 

So hatte denn Gambetta auf diesem etwas ungewöhnlichem Wege 
Paris verlassen und wurde es ihm hierdurch möglich, den Krieg noch 
einige Monate in die Länge zu ziehen, freilich nicht zum Vorteil für 
Frankreich, denn es kostete nun dem Lande Elsafs-Lothringen , noch 
tausende von Menschenleben und Milliarden Kriegsentschädigung. 

Übrigens hatte Gambetta auch viele Feinde im Lande, namentlich 
im nördhchen Teil und sind mir von dort noch zwei Beweise in der 
Erinnerung, welche für den Hafs gegen ihn sprechen, besonders unter 
den orleanistisch gesinnten Einwohnern. 

Auf dem Marsch von Paris nach Amiens, wurde ich bei einer 
wohlhabenden Banerfrau einquartiert Als ich Tom Ffinrde stieg, er- 
wartete sie mich in derHausthOr, ein Bebhuhn in dar Hand haltend, 
vielleicht um ihre Einquartierung milde zu stimmen. Nach einigen 
liebenswürdigen Bedenaarten meinersdtB, faflste sie bereits Vertrauen 
zu dem wilden F^nasien und Uagto, wie alle Einwohner, über den 
schrecklichen Eri^. Als ich ihr sagte, daTs wir denselben sehr gern 
bald beenden würden, abor Gambetta wolle noch nicht, da legte 
sich ihr Gesicht in Kaltem sie rifs dem Bebhuhn heftig den Kopf ab 
und warf ihn gewaltsam zur Erde: so solle man es mit Gambetta 
machen. 

Als ich in Amiens eintraf, wurde ich bei einem reichen Finanz 
herm einquartiert. Ich sals mit der Familie, echte Orleanisten, an 



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Qambeltat in d« Wölk«ii. 



219 



fljaeiii eleganft gedockten Tiecii imd natfiiüoh kam das Geepiikli ^eder 
anf den S^rieg. Als der Käme Gambetta genamit wwcde, ergriff der 
Sohn dee Hauses ein Messer und dasselbe hock haltend, rief er ans: 
„Nieder mit Gambetta!» 

Solche Beispiele spredien lebendig für die Gresimmng des Volkes; 
in den südlichen Pronnzen war es freilich anders. 

In diesem Feldzuge kamen die Luftballons für Kriegszwecke zum 
erstenmal zur Anwendung und zwar nur von französischer Seite. 
Schon am 8. Oktober sahen wir abermals einen Ballon von Paris 
kommen, welcher die Richtung nach Garges einschlug. Als er in 
der Nähe von Mouhn neuf war, senkte er sich zur Erde, die drei 
Insassen sprangen heraus und gelang es ihnen sich zu retten, da sie 
ein Bach von den preufsischen Vorposten trennte und auch sofort zu 
ihrem Schutz eine Abteilung französischer Infanterie ausschwärmte. 
Der Balkiu hob sich sogleich auf Niiiimerwicdcrsehen. 

Von einem Ballon, in welchem ein Matrose sals, haben die 
Franzosen nie wieder etwas gehört. Ein Keisender fand einige Jahre 
Bpäter in den Bergen der Insel Island die Beste eines Ballons und 
hilt man es f&r möglioh, dab es einer der y6r8chw uad ene n ge- 
wesen ist 

Audi kleinere Ballons Ton einem Meter Gröise mit allerlei aehen- 
haften Sachen, wie z. B. eineir knrsen Pfeife mit Tabaok gestopft, 
kamen von Paris und war ee ein besonderes Veignügen flir unsere 
Soldaten, Jagd anf dieselben zu machen. 

Im nlehsten Feldzuge werden wir Ton allen Armeen einen avs- 
gedehnten Qebranob der Ballons sehen. 66. 



XV. 

Soldatenleben im SOjätnigeu Kriege. 

Von 

J. Baomamiy Hauptmann. 

4* Maleilti-Oeiieht und das Beeilt der langen Splefbe. 

Beinahe wilhrend des ganzen Krieges wurde im Heere der Kaiser- 
lichen recht schlechte Manneaznoht gehalten. Besonders schlimm 
hausten die Begimenter, als 1630 anf dem Begensbnrger Bdchstage 



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220 



Soldatenleben im 30 jährigen Kriege. 



Wallenstein abgesetzt worden war. Bei aller Nacbsicliti die der Fried- 
Uader in Beinem Heere pflegte, hatte er dodi mitunter die Zfigd 
strenger angezogen, nm die Hannessacht einigecmafiton anfiedit zu 
erbalten. 

Die Scshweden mren im Norden gelandet; man mnftte traohten, 
einige Ordnong in die Regimenter sm bringen. Da gab ee bei den 
Geriehten Tide Arbeit. 

Es ging lebhaft her im Lager. Den Lärm übertönte der üm- 
scUag eines Trommlers. Die Leute blieben stehen, um das Heran- 
kommen des Letzteren abzuwarteni um dann zu hören, was auf die 
übliche Weise bekannt gegeben wurde. Ein Gerichtswaibel, welcher 

den Trommelschläger begleitete, rief mit lauter Stimme aus, dafs am 
nächstkünftif]jen Morgen Malefitzf^criclit abgehalten würde. Hierzu 
möchten sieh die zugehörigen Oftiziere, Gerichtsleute u. s. w. gegen 
7 Uhr morgens vor der Bank auf der unteren kurzen Lagerseite ein- 
finden. Bis zur genannten Zeit hatten die Waibel die Gerichtsbank 
gebührlich auf dem Lärmplatz des Lagers aufgeschlagen und zwar 
nach alter Gewohnheit so, dafs dem Schultheifsen die Sonne auf den 
Rücken scheinen konnte. Da es sich um ein Regimentsgericht handelte, 
erschien als Vorsitzender der Oberstlieuttuaut an Stelle des Obristen. 
Zn seiner Linken nahmen Platz der Schultheifs (Auditor) und der 
Geriditssohreiber, und dann an beiden Seiten anachlie&end die Qe- 
riehtsleata, nSmlieh 12 ansgesnohte, Terstlndige Bfttnner: 8 Kapitäne, 
2 Lieutenants, 2 Fähnriche, 2 Sergeanten, 2 Fouziie und zwei Führer* 
In geringer Entfernung war ein Raum abgesteckt für den ,,ümstand* 
d. i. f&r die Zusdhaaer, E^gimeAtsangehöiige und andere Neugierige^ 
die von den nächsten Lagergassen herankamen, nm der Verhandlung 
beizuwohnen. Als ein iiirsiohtiger Schultheis examinirte der Richter 
erst noch seine Gerichtsleute auf diesen und jenen Artikel, und be- 
firug und belehrte sie, wie sie sich zu verhalten hätten, „damit sie 
nicht durch unhedächtiges Urteil hederiich in den Ahgnmd derHoUe 
gerieten.'' Dann erhob er den Stab, um das Gericht zu beginnen. 

Der Stab galt als ein Symbol der richterlichen Gewalt. Auf 
diesen Gerichtsstab war ehedem der Schultheifs vom l'eldobrist^n 
„mit genügsamen Eidespflichten gebunden worden, dafs er ihn führen 
wolle den Armen als Reichen, Niemand zu Liebe oder Leide, ohne 
Ansehen von Gold, Geld, Gift oder Gabe, Gunst, Ilafs oder Freund- 
schaft, Schwäger-, Gesipp- oder Gevatterschaft." Nachdem der Ge- 
richtsschreiber den Artikelsbrief verlesen hatte, liefs der Schultheifs 
seine Geriditsleutc rnit aufgerichteten Fingern einen leiblichen Eid 
schworen, mit ihm ein gerechtes Urteil zu sprechen und zu f&Uen, 
„anders nicht, als sie wollten, dab Gott der Allmächtige am jüngsten 



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SoldUOenieben in SOjüurigeii KiAagfi. 



221 



Gerichte über ihre armen Seelen urteilen sollte." Dann stellte er 
noch au Einzelne von den Gerichtsleuteu der Reihe nach fünf her- 
kömmliche Fragen: „ob der Tag nicht zu heilig, ob es noch bei guter 
Zeit sei, ob die Geiichtsbank auch mit ehrlichen Kriegsleuten besetzt 
B6i, irie man aiob zu Terhalteii hXtibb, wenn während der Verhandlung 
in Lager ein Brand ausbricfae und deif^. Erst nach dieeen FormaUen 
„verbannte und spannte^ der Sehnlfheifr die Gerichtobank, d. h. er 
er9ffitete das Gericht Ton wegen Gottes des AlbnSohtigen, „der ihnen 
heate Rat nnd Ventand rerleihen möchte, eoleh ürteE und Sentenz 
anf Elage und Antwort za sprechen und sn richten Uber Sehnldig 
nnd Unschuldig, als sie wollten, da& er «jnst als ein geredhter Bachter 
Uber ihre armen Seelen richten solle." Auch der „Umstand v wurde 
ermahnt und verwarnt, dafs Keiner die Gerichtsbank anrühre bei 
Pön eines Goldgulden. So aber einer einem Gefangenen sur Flucht 
▼erhülfe, würde er statt des Entkommenen oder Übelthäters vermöge 
des Artikelsbriefes angenommen und gestraft werden. 

Nunmehr wurde der Klä'jjor, in den meisten Fällen der Profofs, 
aufgerufen, Beine Klage vorzuliriiigcn. Dieser konnte sich auch einen 
Fürsprech aushitten, mit demselben erst beraten und dann durch 
denselben die Kluge vortragen lasse. Sie bestand kurz in Folgendem : 
Hans Ilartledor von Treisa in Hessen war am nächstvergangenen Tage 
des Nachts von seinem Korporale mit gegebener Losung durch die Schild- 
wacht geführt worden. Der Beklagte hat seinen Posten heimlich, btill- 
scfaweigend und arglistiger, vorsetzlicher Weise vorlassen, um in einem 
Bauernhöfe einer Magd nachzustellen. Hierbei kam es zum Streit, 
wobei der Bauer erschlagen wurde. Der Angeklagte hatte sich nun 
aus Furcht Tor der wohlTerdienten, billigen Stralb flüchtig gemacht, 
wurde aber betreten und gefänglich angenommen. Die Anklage 
scfalols: „Hiemmb klagt der Fwhb zu seinem Leib und Leben, 
Ileiadi und Blut, Ehr und Gut, Yerhofilk auch zu dem kaiserlichen 
Malefitz Rechten, dais gegenwärtiger Hans Hartleder um solcher seiner 
▼erübten Müsbandlung willen, vermöge des Artikelbriefes als ein Eid- 
und Ehrrergcsscnor, ehrloser Schehn, Dieb und Bösewicht heutigen- 
tags an seinem Leib und Leben anderen zu einem Abscheu gestraft» 
auch ihm kein weiterer Aufschub und Gnade vergömit und gegeben 
werde. Und dieses ist also des Profossen Klage." 

Auch der Angeklagte, der auf den freien Platz vor der Geriohts- 
bank geführt worden war, hatte um einen Fürsprech naeh gesucht. 
Der bat nun, ^dafs, wie allseit und allenthalben bei Kriegsleuten 
Brauch wäre, ein Auischub bis auf den anderen Ilechtstag gegeben 
werden möge, es sei denn, dafs die That und Malefitz gar zu grob 
und klar und offene Kundschaft vorhanden; dann geschehe, was Recht 
ist und der Artikelbhef ausweist.^ 



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222 



SoMaterilebcn im SOjihiieeD Kckge. 



Hierauf veranlafste der Profofs den „Umstand" zum Wegtreten, 
worauf die Gerichtsleute näher an den SchultbeÜB heranrückten, um 
die Anklage zu besprechen. 

Wegen der groben und klaren Malefitz; wurde der Aufschub ver- 
weigert und dann das Urteil gefällt, welches der Schreiber „in Acht 
nalmi imd umständliflli auf dfts Papier bradilie.*' Nmunehr rückten 
die Gericbtaleate irieder snaeiiiaiidery man rief den Angekkgten vor 
die Bank und lieb anch den ,,UmBtand'' wieder nSher treten. Dann 
verkündete der Sofanltheift ndt ▼emehmlidier Stimme das Uiteü, 
welches nadi einem weitlSofigen Eingange also lantete: 

. . . Der Profois soll nehmen Haus Hartleder um seinesüngehorsams 
und Übertretung willen, und ibn in sein, des Piofossen, Logiment 
faüaeia, ihm dasselbsten einen Diener Gottes Worts zu ordnen, der 
ihn, so er anders will, mit Gottes Wort unterrichte, damit er seine 
Sünde für Gott bekenne und seiner Seele Heil bedenke. Damach 
soll er ihn dem Frejmann (Scharfrichter) überliefern, der soll ihn 
auf den Platz, da am meisten Volk ist, führen, ihm eine blutige 
Strafse durch den Hals machen, seineu Leib mit dem Schwerte in 
zwei Stücke schlagen, also, dafs der Kopf das kleinest und der Leib 
das gröfsest sei. Somit ist kaiserlichen und löbhchen Malefitz-Rechten 
genugsam geschehen". Hierauf brach der Schultheifs im Namen 
Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes den Stab 
entzwei, befahl Gott die Seele, den Würmern das Fleisch und schlols: 
„Gott sei deiner Seelen gnädig!" 

Anschliefeend an diese V^erurteilung wurde gegen drei Söldner, 
die erst gsmeutert hatten und dann ausgerissen waren als am dritten 
Geriohtstage das Urteil gestellt und ferlesen. Dasselbe lautete: „Die- 
weilen naehbenannte Söldner: Kuns Steffon von Wirongen u. s. w. 
als Eid- und Ehrvergessene, feldflttohtige Sohehnen und Böaewichter aas 
dem Felde bdmlioh entlaufen und S. Hajestftt Geld diebisdier Weise 
enttragen haben, so wurde, nachdem Selbige, als am ersten, andern 
und dritten Rechtslage mit zwei Trommehi auf den vier LandstraÜBen 
eingeschlagen worden, nicht erschienen sind, für Recht erkannt: 
„Obenbeschriebene Kunz Steffen u. s. w. sollen hinführo Alle für 
zweifelte Eid- and £hrveii|^ene, Ehrlose, feldtiüchtige Schelmen, 
Dieb und Bösewichter, so in kaiserlichen Rechten mit dem Strange 
zum Tode verurteilt sind, ilir Leben lang gehalten und bei keinen 
ehrlichen Kriegsleutcn, Regiments- Fähnleins oder Rotten -Weise, es 
sei im Felde, Besatzungen, Städten, Schlössern, Hecken, Clausen, auf 
dem Wasser oder zu Lande, Summa keinen Ort oder Platz aus- 
genommeu, wo sich ehrliche Kriegsleute gebrauchen lassen, gelitten 
werden. Sondern sie sollen, wo sie betreten, an einem dürren Baume, 



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Soldatapteben im dOjibrigen Eriige. 



228 



weil sie den grünen nicht würdig, gehenkt werd«ii. Auch soll allliier 
in diesem Lager ihre Namen der Scharfrichter an den Galgenpfosten 
öffentlich zn sehen anschlagen. Gesprochen im Feldlager vor 
Magdeburg NoTcmber Anno 1630''. Iüerau£ brach der Schultheüs 
seinen Stab. 

Der Profufs brachte nun noch eine dritte Klage vor: „Es sei zu 
verurteilen eine Weibsperson: Katharina Warn bsin wegen ihrer Misse- 
tat, weil sie bei Nacht und Nebel als eine heillose ehrvergessene 
Hure von ihrem Ehemann entlaufen, in das Lager unter das Regiment 
gekommen, ihres freien Lebens mit Jedermann gepflogen, dadurch 
auch etliche gute Gesellen mit „I rantzosen" beleidigt und um ihre 
Gesundheit gebracht, neben ihrem unzüchtigen Leben gestohlen und 
was de kxMmte bei Tag und Kaclit genommen babe. Daranf bin sei 
rie ergriffen und mit Bntben ans dem Lager gestäupt und des 
Landes verwiesen worden bei Verlust des Leibes und des Lebens. 
Hierauf habe sie sich eine Zeitlang des Lagers enthalten, sei aber 
nochmals heimlicherweise in yerstellter Gestalt zniückgekommen um 
in verborgener Weise das vorige Leben wieder anzu&ngen. Dero- 
wegen bittet und begehret der Profolb, dals sie noch selbigen Tages 
ihr zur Strafe und Anderen zum Exempel möge hingerichtet werden. 
Dies beschlofs auch das Gericht und bestimmte, der Profofs soll 
Torgemeldete Weibsperson nehmen und, wenn die sonstigen Gepflogen- 
heiten stattgefunden, sie dem Nachrichter überliefern. Der soll sie 
hinausführen zum nächsten Wasser und dasselbsteii in einen Sack 
stofsen, darnach in das Wasser, wo es am tiefsten versenken und 
nicht herausziehen, bis sie vom Leben zum Tode gebracht ist. So 
ist dem Rechten genug goscheben. Gott gnade der Seele". Auch 
hier zerbrach der Schultheifs den Stab. — 

Beinahe zur selbigen Morgenstunde hatte der Umschlag die 
FÄhnlein eines anderen Regimentes auf eine andere Stelle des 
breiten Lurmplatzes versammelt. Dort sollte Spiefsrecht statttinden, 
welches man auch das Recht für den gemeinen Mann oder das 
Reoht der langen Spiefse nannte. Es war eine Art Standgericht, 
welches zusammen trat, und wenn die liissethat klar und offen war, 
ferner, „dals ancbder gemeine Mann sehe und lerne, wie sehwer es 
sei, Uber Menschenblut zn urteilen.'* Sobald das ganze Bagiment 
beisammen war: Offiziere, Gerichtslenta und die Söldner mit ihren 
Spieiben, wurde der Artikelbrief verlesen und dann der Hau& veimaJint 
und vereidigt, gut Regiment zu halten. Dann führte der Profolb den 
Gefangenen in den Ring, welchen die Kriegsleute gebildet hatten, 
und liefo durch den Fürsprech die Klage vortragen. Ein schon oft 
und schwer bestrafter Knecht hatte sich seinem Fähnriche gewalt- 



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SokUtenlebeu im SOjahhgen KjAegb. 



tlifttig widenetety dann mehrere GeseUen aufgewiegelt und niditeni 
den FShnnoh überMen, dab an deesen Aiifkoimiie& gesweiMt wird. 
WtÜireiid die Enrnpane die Flucht ergriffen, gelang es, den Haapt- 
menterer feeteanehmen und in Eisen an legen. 

Nach geschehener Anklage wurden nun die Zeugen voigerufen und 
▼emommen. Der FOrspvech des Angeklagten suchte letzteren zu be< 
schönigen, so gut er konnte, der Fürsprech des Profossen aber blieb 
bei seiner Anklage und wiederholte sie noch ein zweites und drittes 
Mal. Nach dieser dreimal erfolgten Klage kehrten die Fähnriche ihre 
Fahnen um, die Spitzen zur Erde gesenkt, und nun sprach ein Feldr 
webel: „Ihr lieben Kriegsleuto, da stehen die Fähnriche mit um- 
gekehrten Fahnen und wollen sie auch nicht eher wieder flietren 
lassen, bis das Übel gestraft worden, damit das ßegimeut gestärkt 
und nicht t(eschwächt werde." 

Hierauf riuf man einen alten und verständigen Kriegsmann in 
den Ring und bat ihn bei seinem Eid um Rat und Urteil. Dieser 
lehnte ab, indem er sagte, dafs er nicht weise und verständig genug 
sei und begehrte 40 weitere Kriegsleute als zweiten Rat, um ein Urteil 
abzugeben. Diese berieten aulserhalb des Ringes und veilaugteu dann 
noch- ^nen dritten Bat ton 41 Eriegsleaten. Nach längerer Umrede 
stimmten zwei der Bäte ttberein, und so konnte nun das Urteil ver- 
kündet werden. Dieses lautete mit seinem HauptworÜaute: „Der 
Profbls solle dem Angeklagten einen Beichtvater geben, so er es be- 
gehre, hierauf eine Gasse machen gegen den Aufgang der Sonne *und 
den ÜbeUhäter durch die langen Spiefie jagen.** 

Während sich nun die Fähnridie gegen den gemeinett Hann be- 
dankten, dafs er so willig, ehrlich und ehrenhaft gewesen, gut Begimmit 
zu stärken und zu halten, wobei sie ihre Fähnlein in die Höhe warfen 
und fliegen liefsen, sprach ein verordneter Prädikant dem armen 
Sünder aus Gottes Wort Trost zu. Der Profofs bat den Befehlshaber, 
eine gute Gasse maclien yai lassen. Die wurde dann gebildet derart, 
dafe vom die mit d< ii kurzen Wehren standen, nämlich mit den 
Spadonen und Helleparden, dahinter aber die Piquenierer. Am oberen 
Gassenende aber stellten sich die Fähnriche auf mit den nuTuuehr 
wieder fliegenden Fahnen. Der Profofs ermahnte die Kriegsleute, 
dafs Jeder die Gasse wohl verwahre, denn wer den armen Gefangenen 
durchUefsc, der müfste in dessen Fufsstapfen treten, auch sollte 
Niemand an dem Übelthäter alten Schaden rächen wuilcn, sondera 
es möge nur gerechter Strafe genüge geschehen. Hierauf liefs er 
dreunal umschlagen und IShrte den Gefangenen, den er aus dem 
Eisen' genommen hatte, dreimal die Gasse auf und ab^ damit derselbe 
bei männigKch Urlaub nehmen und um Verzeihung bitten könne, auch 



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SoldAtenleben im SOjlbzlgen Eriese. 225 

redete er ihm zu, daSa er selber Allen verzeihen möge, hier auf Erden, 
Tor Gott im Hkunflil, und sterbe ab Qiriat und frcnimer Eriegsmann. 
Nnn ergriff auch ein Fälinrich das Wort und rief dem VermrteQten 
so, er möge nicht verzagen, sie woÜten ihm mit ihren Fahnen auf 
halbem Wege entgegen laufen, damit er rascher sterben könne. Der 
Profo& mit seinem Fürsprech nahm dann ebenfaDs vom armen SQnder 
Uiianb und bat, er möge ihm veizeihen, denn ms er gethan, habe 
er Begiments halber thun müssen. 

Der Missethäter, der anfangs trotzig gewesen, seit Urt^ils- 
Terktindigung aber recht niedergeschlagen geworden war, fafste sieh 
nnn auf den Zuspruch hin und sprach frischweg zu seinen Kegiments- 
gesellen: „Liebe Kriegsleute! ich thue Euch jetzt freundlich gesegnen 
und befehle Euch raeinen Leib und mein Leben, Gott und der heiligen 
Dreifaltigkeit meine liebe Seele und bitte, mir die Pein zu verkürzen. 
Wer mir den ersten Spicfs durch das Herz sticht, der ist mein beater 
Freund, hier und in Ewigkeit, Amen." 

Die Kriegsleute hatten ihre Spiefse gesenkt, so dafs dazwischen 
nur eine enge Gasse frei war. Der Profofs stellte den Gefangenen 
an das eine Ende fjegon Sonnenaufgang und sprach: ^ Fahre nun hin 
im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des lieiligen Geistes I" 
Mit den Worten: y^UeU ihm Gottl so sticht auf ihn, wer stechen 
kaunl** stieb er ihn, vShrend alle Spiele gerfihrt wurden, von sich 
in die Gasse^ wo der Verurteilte schon nach wenigen Sdhritten nieder- 
gestochen wurde. 

Da nun der arme Sünder Tendueden war, bedankte sich der 
Ftofois gegen das ganze Regiment und mahnte^ es möchten Alle ein 
Exempel nehmen, jetsund aber niederknien und ein Vaterunser beten 
aum Tröste der annen Sede. Dann aogen sie dreimal um den Toten 
hemm, wobei die ^lusketiere dreunal ihre Gewehre abochossen, well 
nunmehr die Ehre des Regimentes wieder hergestellt war. Der Hin- 
gerichtete wurde zur Erde bestattet, die Fähnlein aber zogen mit 
Trommeln in ihr Losament. 



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XTL 



MilitBrisohos oqb Rfl f fll ftuflt 

BOdang n«i«r Dr»gon6r-B«gimeatar. — NeabÜdnngin b«i dir Fdd-ArtiUetfo. 

— Berichte der OfBzier-Schiefsschule Ober Prafungen des Drei-Linien>Gewt]in 
und des Drei-Linien-Revolvers. — Hct)unpr der wiwenaditftliflhep BUdniig 

der Olliziere. 



Es vergeht kaum ein einziger M(»Ukl, dbnae dftfii nicht organi- 
satorisohe Maiaoahinen der Heeresverwaltung zu Toseichnen sind. 
Ganz besonders reich ist aber an Neuformationen von Truppenteilen 
der verflossene Monat (September) gewesen. Diese Neuformationen 
betreffen zunächst die Bildung zweier Dragoner-Regimenter, 
Nr. 49 (Archangelgorod) und Nr. 50 (Irkutdk), aus denen die 1. sclbst- 
ständige Kavallerie-Brigade forüiirt wird. Bei der jetzigen Ver- 
teilung der Truppen auf die Militär-Bezirke haben drei Armee-Korps 
in den westlichen Grenzgebieten (und zwar das IV. in Minsk, das 
XVI. in Witebsk und das XVIII. in Dorpat) keine Kavaliene-Divisiun; 
es ist daher anzunehmen, dals die neugebildete Kavallerie-Brigade 
einem dieser Korps zugeteilt werden wird. Ferner wnrde Ar diese 
beiden Regimenter ein neuer Kadre des EaTallerie-Ersatses 
(Nr. 11) zfBi2 Abteilung^ gebildet, welcher mit dem bisher selbstp 
ständigen Kadre Nr. 16 2ur 8. Brigade des Kavallerie-Ersatzei 
terainigt wird. 

Den Hauptteil jedoch an den Nouformationen bat die Feld- 
Artillerie, der jetzt unaaegwetst das gröftte Interesse sagewandt 
wild. Früher das Stiefkind der rassischen Armee, sucht man sie 
jetzt mit aller Macht durch organisatorische Maisnahmen , Nea- 
bildungcn, Verbessernng des Materials, Hebung der Bildung des 
Ofiizier-Korps u. 8. w. auf die gleiche Höhe der Kriegsbereitschaft mit 
den übrigen Waflfen zu bringen. Nachdem im Frühjahr dieses Jahres 
dem Hauptübelstando in der Gefechtsleitung der Artillerie durch die 
Bildung von Abteilungen („Divisionen") abgeholfen worden war, 
bestand die jeder Infanterie-Division zugeteilte Artillerie-Brigade aus 
2 Dirisionen zu je 3 Batterien (zu S Geschützen); die beiden Batterien 
jeder Kavallerie-Division bildeten ebenfalls eine Division, doch ist 
hier die Bildung der Abteilungen noch nicht ganz durcli^etuhrt. — 
Die beiden Batterien jeder Sohüizeu-Brigade waren bisher nicht in 
den Abteilungs- Verband getreten. 



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Militärisches aus Ruütland. 



227 



Durch Prikas vom 17. 9. d. J. sind am 1./13. Oktober 189') neu 
zu bilden: a) drei leichte Garde-Feld-Batterien, welche als 7., 
8. und 9. Batterie der Leibgarde 3. Artillerie-Brigade (in Warschau) 
nonteilsB eind; b) zehn leichte Feld-Batterien, von denen je 2 
ak 7. und 8. Batterie in den Verband der 2. (Bjela, GonTemement 
Sjedles)) 4 (im Oeavemement Lomsha), 6. (Ostrow, Gonveniement 
Lomeha), 10. (Lods, GonTemement Petrokow) und 18. (I<jnblin) 
Artülerie-Brigade treten; c) fünf leichte Feld-Batterien und zwar 
je eine, ab 3. Batterie, für jede Schützen-Brigade des europÜBChen 
RolUandB. Sämmtlicbe Batterien haben im Frieden 8 Geeohfitze be- 
spannt. Aus der neugebildeten 7., 8. und 9. Batterie der Leibg. 3. 
Art.-Brig.. sowie aus den 7. und 8. Batterien dor 2., 4., 6., 10. und 
18. Art.-Brigade wird je eine Abteilung; (Division) formirt. Des- 
gleichen bilden die ■> Batterien ('2 alte und 1 neugebildete) jeder 
Schützen-Brigade des Europäischen Bufslands eine Division. 

Bei dieser Mnfsre^el ist vor allem bemerkenswert, dafs die 
Artillerie-Brigaden, bei denen die Neubildungen stattfinden, sämmt- 
lich dem Militär-Bezirk Warschau angehören, und zwar ist 
jedes der füllt" Armee-Korps dieses Militärbezirks, sowie die in Warschau 
stehende 3. Garde-Inf.-Div., um 1 Abteilung zu '2 Batterien (3. Gurde- 
Div. 3 Batterien) zu je <S (ieschützen verstärkt worden. Da uufaerdem 
von den 5 europäischen Schützen-Brigaden ebenfalls 3 (5., 1., 2.) an 
der preufsischen Grenze stehen, so bedeutet diese neue organisatorische 
Maisnahme eine Vermehrung der russischen Artillerie an unseren 
Grenzen um 16 Batterien mit 128 Geschützen. Dab diese Neu- 
formation nnr der An&ng für die VerstSrlrang der Feld-ArtiUerie 
sind, lä&t sidi wohl mit Sicherheit annehmen. 

Hiermit sind aber die bereits befohlenen organisatorischen Neu- 
bildungen bei der Artillerie noch nicht erschöpft Bei der 35. Artillerie- 
Brigade, welche ihre 4. und 5. Batterie zur BQdung einer ^ selbst- 
ständigen Transbaikal-Artillerie-Abteilung*' abgegeben hatte, 
sind zwei neue Batterien gebildet. Desgldehen hat das 2. Mörser^ 
Regiment (Militär-Bezirk Kijew), welches 2 Batterien an die ost- 
sibirische Artillerie- Brigade abg^eben hatte, zwei neue Mörser- 
Batterien erhalten. Es haben nunmehr augenblicklich das 1., 2. und 
3. Mörser-Regiment (in den 3 westlichen Grenz-Mihtür-Bezirken) je 
4 Batterien, das 4. und 5. Mörser-Regiment (in den Mil.-Bez. Peters- 
hiiv'^ und Moskau) nur je 2 Batterien; am 1. Oktober 189fi sollen 
bei den bt-iden letzteren Regimentern je 2 Mörser- Batterien ge- 
bildet werden, so dafs alsdann jedes der fünf europäischen Mörser- 
Regimenter 4 Batterien hat. 

1 ) ie 0 f f i z i e r - S c h i e f s s c h n 1 e hat mederum einige Berichte 

Jahrbücher fttx die Ueaüiche Armee ood Utriuc. Ud. 97, 2. IQ 

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228 



Milit&rwche« aus BoitUuid. 



TerÖffe&tlidit» die iBanches BeiMrkenBwerte fibar die neuen nuaadien 
Handfeuerwaffen und ihre Leistungsfähigkeit enthalten. Der erste 
Bericht^ hehandelt die Prüfung Yon Drei-Linien-Gewehren 
H. 1891, welche in verschiedenen Fabriken angefertigt werden. 
Um die einheitUdie Anfertigung und Abnahme der 3 Iduien-Gewehre 
zu prüfen, werden alle 4 Monate von den Bezirks-ArtiUerie-Deiiota 
je 10 Gewehre ohne Auswahl, aus den in den letzten 4 Monate 
empfangenen, an die Offizier- Schiefsschule übersandt, und zwar 
sowohl in Frankreich hergestellte Gewehre, als auch Gewehre 
der 3 russischen Fabriken Szestroijezk, Tula und Ishow. Im Februar 
diesem Jahres waren zur Prüfung 40 Gewehre (äO Infanterie- 10 Kasaken- 
Ge wehre) eingesandt. Nach genauer Besichtigung der Gewehre und 
Anschiessen derselben auf 100 Schritt, fand ein Schiefsen ano 
Gestell auf 200 und 400 Schritt statt; aus den Ergebnissen ist 
bemerkenswert, dal's die Anfangsgeschwindigkeit 598—606 m 
betrug, während die Schiefsvorsi Inift C^'20 m angiebt; die Seiten- und 
Höhen-Abweichungen waren zienilich die gleichen, wie sie in der 
Schiefsvorschrift angegeben. Alsdann wurden die Gewehre im 
Schnell- und SaWen-Feuer geprüft. Schnellfeuer wurde im 
Verlaufe einer Minute auf 210 m (300 ) gegen Schnlscheiben hinter 
einer 2,1 m (3 Arschinen) starken Sohneebmstwehr abgegeben, 
die ScbQtsen entnahmen die Patronen der Patronentasdie am Leib- 
riemen: Sahenfeuer wurde auf 210 m (300 und 570 m (800 gegen 
Sohneebmstwehren von derselben Stftrke abgegeben. Im Schnell- 
feuer wurden durehschnittÜch aus jedem Gewehr 21,3 Schüfe in der 
Ifinute abgegeben, wobei übrigens bemerkt werden mufe, dafe es auf 
Treffargebnisse nicht ankam; bei einigen Gewehren traten Lade- 
hemmungen ein, doch waren dieselben unbedeutender Natur, so dafs 
die <]:eringste aus einem Gewehr in der Minute abgegebene Schufszabl 
Ii) betrug. — Was die Durchschlagskraft der Geschosse 
betrifft, so wurde die 2,1 m starke Schneebrustwehr nirpjends durch- 
schlagen: die Eindri ngungstiefo beti'ug auf 500 ni Entfernung 
ca. 1,4 m, auf 640 m (),'J m; trafen mehrere Geschosse ein und 
dieselbe Stelh», so wurden Lüclier bis zu 1,8 m Tiefe in den 
Schnee ausgehöhlt. — Nach erneuter Besiclitigung der Gewehre 
wurden bei je 2 Gewehren jeder Fabrik sämmtliche Schlofs- 
teile innerhalb der Gewehre derselben Fabrik unter- 
einander ausgetauscht; Alles funktiunirte vortreftlich. — Alsdann 
wurden je 2 Gewehre jeder Fabrik vollat&ndig auseinander 
genommen und aus doi ausdnander genommenen üieilen neue 

>) Rosa. Invalide Nr. 160. 



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Militärisches aas Kuislaud. 



229 



Gewehre so zusammengesetzt, dafs in jedes Gewehr, in gleicher 
Zahl, Teile aus allen Tier Fabriken kamen; hierbei war nur 
ein AoBBuchen des Answerfers erforderlich, alle Übrigen Tefle paCsten 
TollBtandig. Mit den so zusamniengeaetzten Gewehren wurde dann 
iriedemm, wie oben, SöhneUfeoer abgegeben, wobei durcbachnittUcb 
ans jedem Gewehr 22,8 Schub in der Minute yersohoesen wurden; 
nach dem Schieiaen wurden die Gewehre wiedermn sorgffiltig unter- 
Bodit, wobei och keinerlei Fehler oder Beaohftdignngen «rgaben. 
Der Bericht der Sehielsschule schlielst folgendermaleen: ,,Die Ergeb- 
nisae aller beschriebenen Versache sprechen für sich selbst. Man 
kann gewifs sein, dafs keine der fremden Armeen ein Gewehr 
besitzt, welches, wie das unsrige bei vorzüghchen ballistischen Leistungen 
bezüglich der Flughöhe und Trefl^genauigkeit, wie bei grofser Feuer- 
geschwindigkeit, auch noch ein so weitgehendes wechselseitiges Aus- 
tauschen der ein/eliicn Teile gestattet, wie dieeea bei allen Versuchen 
der Schule beobaclitet worden ist." 

Des Weiteren veröfFentliclit die Schiefsschule Nachrichten über 
Prüfung des neuen Revolvers*). Durch einen Ende Mai d. J. 
erlassenen Prikas wird für alle Offiziere, sowie tür die mit Revolvern 
bewalTncten Unterchargon , — an Stelle des bisherigen Revolvers 
Smit und Wesson, — der Drei-Linion-Revolver, System Nagaiit 
eingeführt. Das Kaliber des Revolvere ist das gleiche, wie das des 
Gewehrs, d.h. 7,626 mm (3 Linien); sein Gewicht beträgt nnr 780 gr., 
er wiegt also ungefähr 1 Pfund weniger, als der Revolfer Smit- 
Weaaon. Die Patrone hat eine Metallhülse mit Baad, deren LSnge 
ein wenig grölser ist, als die Lftnge der Kammern der Trommel, so 
dafe bei geladener Trommel die Torderep Enden der Hülsen ein wenig 
fiber den Tordwen Rand der Kammer vorstehen. Das Bleigesohois, 
dessen Spitze über dem vorderen Band der Patronenhülse nicht hervoi> 
ragt, hat einen Melchior-Mantel und sitzt direkt auf der 0,8 gr 
raudüosen Pulvers betragenden Ladung. Der Revolver ist unserem 
Dienst-Revolver sehr ähnlich, doch hat die Trommel 7 Ladekammern. 
Eine weitere Eigentümliidikeit des Revolvws besteht darin, dafs die 
Trommel bei nicht gespanntem Kevolver' vom Laufe etwas zurück- 
steht und dafs sie heim Spannen, nach erfolgter V? Drehung, eine 
Vorwärtsbewe'^niTig bis an den Lauf licrnn luaclit und mit dem ring- 
fürmig vertieften vorderen Ausgang <lrr Kammer das hintere Ende 
des Laufs umfafst; hierbei tritt das aus der Kammer vorstehende 
Ende der Patronenhülse in den Lauf ein, wodurch ein Entweiclicn 
der Pulvergase zwischen Lauf und Trommel verhindert wird; nach 

*) Boas. Invalid« Nr.m 

16* 

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230 



Milit&iiMlM» MB EolUand. 



dem Abdrücken tritt die Trommel wieder in ihre ursprüngliche Lage 
zurück. Die Anfangsgeschwindigkeit beträgt 275 m. Die Treff- 
genauigkeit ist bis auf 50 m eine gute; der Radius des Kreises, in 
dem sich die bessere Hälfte der Treffer (50%) befindet, beträgt auf 
dieser Kiitfernung 7 cm; auf "25 m Entfernung werden drei Zoll starke, 
mit 3 Zoll Abstand hintereinander stehende Hchtenbretter von allen 
Geschossen durchschlagen; auf 140m dnrehidilagen sftmmiliche Qe- 
Bchoase nodi ein solobee Brett Bs zu 35 m ist die Höhenabveiobiiiig 
eine sehr geringe, so dab man stets Fleck halten kann; auf 150 ' 
(106 m) mnis man ungefthr 40 cm höher halten. Die Revolver werden 
vorläufig in der Fabrik von Nagant in Lftttich in Belgien angefertigt; 
spitter sollen sie auf den mBsischen Staats-Gewehr-Fabriken heigesteint 
werden; da der Drall der 4 Zfige des Laufes der gleiche wie beim 
Drei-Iinien-Gewehr ist, so können zum Einschneiden der Züge die 
gleichen Maschinen, wie bei Herstellung der Gewehre verwendet 
werden. Aufserdem ist man liicnlure h in der Lage, audi ausrangirte 
Gewehrläufe, durch Zersdmeideu, in Revolver-Läufe zu verwandeln. 

Der Hebung der wissenschaftlichen Bildung im Offizier- 
Korps wird unausgesetzt grofse Sorp^falt zugewandt. Von .Tabr zu 
Jabr 'W'ird die Zahl der aus den Kriegsschulen in die Annee tretenden 
Offizieren eine grölsere, so dafs sin jetzt bereits um ein gutes Teil 
die Zahl der aus den Junkerschulun beförderten (Offiziere überwiegt. 
Durch Verwandlung der Konstantin-Kriegsschule in eine Artillerie- 
Schule und durch Verdoppelung der Schülei*zahl in der Nikolaus- 
Ingenicur-Schule sucht man den Bedarf der Spezialwaffen an Offizieren 
vollständig aus den Kriegsschulen zu decken. Die Zahl der Kadetten 
in den verschiedenen Kadetten-Korps ist vom 1. Oktober ab um 350 
erhöht worden; aufserdem ist die Militär -Schule Jaroslawl, 
welche bbher scfliledit beanlagte Zöglinge der Kadetten-Korps zu den 
Junkerscfanlen vorbereitete, in ein Kadetten-Korps mit 400 Zög- 
lingen, welche auf Staatskosten unterhalten werden, verwandelt worden. 
Aber auch dem sehr fühlbaren Mangel an Reserve-Oifizieren ist 
man abKohelfen bestrebt; da durchaus keine Neigung besteht, Reserve- 
Offizier zu werden, so wurde im Jahre 1886 die Stelle von ^e- 
feldweheln der Reserve geschaffen ; die Beförderung zum Yizefeldwebel 
ist abhängig von der Ablegung eines Examens, zu welchem die Frei- 
willigen 1. Bildungsstufe nach Beendigung der Li^erübnng des ersten 
Diens^fabres, die Looszieher 1. Bild\ni<jsstufe im zweiten Dienstjahre 
zugelassen wurden. Da diejenigen, welche das Examen bestanden, be- 
stimmungsgeniäl's nicht ihr volles Jahr aus/ndionen braueliton, sondern 
sofort zur Reserve entlassen wurden, so halten die meisten \'izefeldwebel 
(Praporschtschiks) nur ü Monate bei der Truppe gedient; da auiserdem 



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Kkine heeresgiMchichtllcbe Xitteiliingen. 231 



dieKornj^agnie-Cbefr sehr geringes Interesse an der Ansbüdong dieser 
Freiwüligen hatten, so war der Erfolg ein geringer. Es sind daher 
muimehr ansführiiehe Bestimmungen fnr die Ausbildung der 
Freiwilligen und Looszieher erster Bildungsstufe erfassen 

worden; femer haben auch diejenigen Freiwilligen und Looszieher, 
welche das Examen bestehen, ihr volles Jahr (bzw. die Looszieher 
1. Bildungsstufe ihre 2 Jahre) bei der Truppe zu Ende zu dienen; 
nnd schliefslich wird jeder Freiwillige 1. Bildungsstufe yerpfliohtet, 
das Examen zum Praporschtschik abj^ulofjen. — Aber so viel man 
auch in dieser Beziehung auf Abhülfe sinnen mag;, die Versorgung 
der mobilen russischen Armee mit Reserve-Offizieren bleibt ein wunder 
Punkt in dem Organismus der russischen Armee. 

Um über die vor Sr. Majestät am 20., 21. und 22. August statt- 
gehabten Manöver zu berichten, fehlt es heute an Raum, weshalb 
wir im nächsten Monat einen kurzen AbriTs der gröiseren Truppen- 
übungen bringen werden. 

d. 1. 10. 95. Y. T. 



xm 

Kleine beeresgeschiclitliolie Mitteilungen. 



1. starke Verluste einzelner preul^iseher Beglmenter im 

siebeiyährigen Kriege. Das Berliner Regiment von Meyerinck 
(Nr. 26) verlor, nach den Abgangslisten, an 5000 Mann in den 
7 Eriegsjahren, also fast das 3 fache seiner Etatsstärke. Von den 1756 
ausmarschirton alten Soldaten kehrten 1763 nur 50 zurück! — Das 
Dragoner-Regiment v. Plettenborg (Nr. 7) verlor 20 Offiziere, 
87 rntcioltiziere, 1().32 Dragoner, teils geblieben, teils an Wunden 
und Krankheiten 'jostorben, aufserdem 1989 Pferde. Es ist dies weit 
über das Doppelte der Etiitsstärke dieses ö Eskadrons starken Regiments. 
Es hatte in 3 grofsen Schlachten, 60 gröfseren und kleineren Ge- 
fechten gefochten, SS Kanonen, gegen 1000 Pferde erbeutet, 54 Offi- 
ziere und etwa 4000 Mann zu Gefangenen gemacht, 8 feindliche 
Kavallerie-, 5 Infanterie-Regimenter völlig niedergeritten und zerstreut. 
(Geschichte des litthanischen Dragoner-Regts. I. 189.) 8chbg. 

2. Das PreuTsengrab liel Bann. „Die eine halbe Stunde von 
der Stadt Rann in Untersteiennark entfernte nnd an der Agramer 



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232 



Ebiiie hoemgesehiehfUdie Ifittcilungen. 



Stralse sieh linkB hinziehende Anhöhe ist die Grabstätte von 3- bis 
4000 Ptenfaen. Sie gehörten ziim General Fink'schen Korps und 
wurden in der Schlacht bei Ifaxen (1759) ge&ngen. Von den dordi 
Bann ziehenden und nach Earlstadt bestimmten Abteilungen Btarben 
im Jahre 1759 über viertehalbtausend in der Gegend von Rann an. 
dor roten Ruhr, die damals in erschiocklichor Weise grassirte.** 
So berichtet der um Steiermark hochverdiente [Historiker Karl Schmutz 
auf Seite 600 seines historisch-topographischen Lexikons von Steier- 
mark (Graz 182'2). Schon im Jahre 188'i siiclite ein Gewährsmann 
der Wiener „Presse"^ im Ranner Starltarcliiv nach Urkunden, welche 
dies erhärten sollten, da Schmutz seine Quelle nicht antriebt. Allein 
vergebens, da viele Dokumente aus diesem Jahre verloren gegangen 
sind. Es ist dies um so mehr zu bedauern, als die übertrieben grofse 
Zahl (3 4000) zu Zweifeln berechtigt. Doch bleibt es Thatsache, 
dal's hier, weit von der Heimat, eine gi'ofse Zahl preufsischer Krieger 
ewige Ruhe hält. Aus dem Städtchen Rann führt nächst der Agramer 
Stralse eine Allee zu dem ehemals „Rannenhof" genannton Meierhofe. 
Die mooBbevachseiien Wirtschaftagebäude sind jetzt verlassen^ die 
Ställe leer. Vom Rande der Allee, die zum Meierhof fOlhrt, dehnt 
sidi ein Hügel aus, und dieser Hügel wölbt sich über dem Preulsen- 
grabe, von dem Sdimutz berichtet. (Laihacher Zeitung.) Schbg. 

3. Über das tägliche Leben in der Mflitänelmle Ton Saiat- 
Cyr, wie es die Zöglinge im Jahre 1816 und den nächstfolgenden 
ftihrten, berichtet einer you jenen, der 1883 gestorbene General de 
la Motte-Rouge, im Jahre 1870 Befehlshaber der 1. Loireanuee, in 
seinen Erinnerungen : Um 6 Ulir früh schlug der Trommler vom Dienst 
in den Scblafsälen die Tagwache ; die Zöglinge erhoben sich und ver- 
sammelten sich zum gemeinsamen Gebete, welchem anderthalb Arbeits- 
stunden folgten ; dann wurde der Anzug vervollständigt und das Früh- 
stück genommen, das in einem von den Aufwäiiem einem jeden unter 
uns gereichten Stück Hrot und in einem Glase Wasser bestand, 
welchem etwas Essig zugesetzt oder durch eine geröstete Brodrinde 
eine gewisse Färbung gegeben war. \'on 9 bis 1 1 Uhr war Unter- 
richt, von 11 bi.s 12 Uhr Arbeitsstunde, dann ward schweigsam, im 
Beisein des diensthabenden Hauptmanns, das Mittagessen eingenommen. 
Die Zeit bis V/^ Uhr war der Erholung gewidmet, je nach Jahreszeit 
und Witterung wurde sie auf dem Spielhofe oder in den Sälen ver- 
bracht. Bis um 3</t Uhr war wiederum Arbeitsstunde, dann ward 
ein Vesperbrod, dem Frühstück ^eichgeartet, gereicht. Um Uhr 
ging es von neuem in die Arbeitsstunde, welche bis um 6Vt Ühr 
dauerte. Um 7 Uhr ward zu Abend gegessen; die Zeit bis zu dem 
um 8Vt tJbr stattfindenden Schlafengehen gehörte der Erholung imd 



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iCl6iii6 iMtraigMoilioihtliolio lOUtilhnii^» 



233 



einem gemeinsamen Gebete. — Die Kost, welche veiabieicht wurde, 
war nicht gerade leoker, aber gesund und reichlich. Mittags gab es 
meist eine Fleischsuppe, gekochtes Rindfleisch, eine Gemüseschüssel, ein 
Glas Wein und ab und zu einen Nachtisch; das Abendessen bestand 
aus Hammelbraten, Gemüse und Salat. Am Freitage trat Fisch an 
die Stelle des Fleisches. Die Zucht war ernst, aber väterlich und 
dem jugendlichen Alter der Zöglinge angemessen. Bei schwereren 
Vergehen ward Arrest verhängt, leichtere wurden mit einer Schul- 
strafe oder mit Auschlufs von den gemeinsamen, Freitags und Sonn- 
tags von 1 bis 4 Uhr im Schlofsgarten von Versailles, in der Um- 
gegend von Saint-Cyr, im Gehölze von Satory oder auf den Strafsen 
nach Chartres und naxih Saiut-Germain unternommenen Spaziergängen 
geahndet. — General de la Motte-Rouge brachte in der Militärschule 
sechs Jahre, vom dreizehnten Ins znm neunzehnten eeines Lebens, zu; 
1316 anfgenonmien, yerlieb er die Anstalt 1822, um als Offizier bei 
einem In£Euiterie-Regiment in der ProTinz in den praktiadben Dienst 
an treten. 14. 

4. Farbe der Oewehrsdiifte Im fritoidaalMlieii Heere. 
Die Schäfte der Gewehre waren 1753 (nach einem fiande Hand- 
aeiohnnngen, angefertigt Gkt den Erbprinaen Ton Heawn^Dannatadt) 
flimmtUch hellrot angestrichen. Ausnahme machten nur das Be^pment 
Anhalt Nr. 8 (bis 1747 Regiment Leopdd's Ton Anhalt-Dessau) und 
das Grenndier^lardehataiUon Nr. 6 (Tormalige „Biesengarde*^ Friedrich 
Wilhelms L), die braune, dann das Regiment Garde zu Fuls Nr. 15, 
das schwarze Schäfte hatte. — SpSter, nach dem 7jährigen Kriege, sagt 
Berenhorst (II. 343) erhielten sämmtliche Regimenter, mit Ausnahme 
des Regiments Nr. '3^ schwarze Schäfte, die gefiinüst wuiden. Die 
Gewehrriemen wurden rot lackirt Schbg. 



xTm. 

ümsohBQ in der Militär-Littorator. 

I. Ausländische Zeitschriften. 

Htrefflpnr's österrpichisehe militärische Zeitschrift. (Sep- 
tember). Die Zahl als M<»tor der Strategie. — Der kleine Kheg. — Die 
Artillerie in den Kriegen der Neuzeit. 

Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine. (61. Bd. 2. Hell). 
Moderne Kampfimttel im Feldkriege (Major MtÜler von UttUwerlh). — 



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334 



ümaduni in der MilltSr>Iittenitar. 



Erfahrungen gelefj^entlich von Patroaillengängen im Hochgebirgo von Tirol 
(Hptm. K(>llcr). General Dragomirow über das psychologisclu^ Moment 
in der Kriegführung. {Aus d. Russ. übers, von ^rajor Bus.sjägcr). 

Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Goniewesens. 
(8. and 9. Heft). Übersicht der Versuche auf dem Gebiete des Artilierio» 
und WaffenweaenB (Hptm. Haam). — Über den £inflii6 von Poft6e> 
DiffBroDsen der GeaehtttBO auf die FriloBion des EinsehieAens (Hauptm. 
Stmad). — Ein Artillerie-Schiefsspicl Apparat (Hptm. SchSffler). — Feld- 
mäfsige und halbpermanente Brückenbauten in Indien. 

Armeeblatt. (Österreich.) Nr. 35: Zehn Jahre Galizien. — Das 
deutsche Heer in französischer Behmchtung. Nr. 36: Politik und Heer. — 
Der Sturm auf die Brücken- Batterie vor Venedig am 5. Juli 1849. Nr. 38: 
Der deutsche Kaiser — österreichisck-ungariscber General der Kavallerie. 

— Die KorpsmanOver bei Bndweia-Kaplita. Kr. 88: Die Uraacbeik der 
Iffiege und Niederlagen im Kriege 1870. (Besieht sich auf das Werk des 

russ. Generals Wolde). 

Militär- Zeitung. (Österreich.) Nr. 30: Volksschule und Politik. 

— Die Hamidieh-Kavallerie. Nr. 31: Für Wittwen und Waisen. - Heer- 
wesen und Marine in Italien. (Aus Meyer's Convers. LcNikon). Nr. 32: 
Das Wcifse Kreuz. — Die Kaiseruianöver in Budweis. Nr. 33: Keformeu 
im Einquartierungswesen. — Über das französische Oftizierkorps. 

Die Belehswehr. (Österreich.) Hr. 807: Die franzasischen Fh»tteii> 
manöver. — Ans den russiachen Sommerlagern. — Bulgarien. Kr. 808: 
Bestrafung und Beurlaubung der MilitSrzüglinge. — Die franatfsischea 
Flottenmanöver (Schluls); es wird betont, dafs dieselben die ungenügende 
Schlagfertigkeit der französischen Marine dar^'ethan hätten, dafs das Problem, 
ein Geschwader auf See Hufzusucheti . keine Utopie, dafs die Blockade 
heutzutage vollkommen undiuxhiuhrbar bei und die gepanzerten Kreuzer 
bei schwerem Wetter ihre Oeschütse kanm gebrauchen können. Vr. 808: 
Die diesjährigen Manöver der englischen Flotte. Vr. 810: Mobile JSger- 
Bataillone. — Die diesjJihrigen Manöver der engliehen Flotte (Schlolk). 
Nr. 811 : Mobile Jäger- Bataillone (Schlufs. — Quid novi ex Macedonia y Nr. 812 : 
Der Aufkljirunj,'sdienst Ijei den englischen Flottenmanövern. Nr. 813: Die 
Budweis Kaplitzer-Manöver. Nr. 814: Die B.-K. -Manöver (Forts ). Nr. 815 : 
Dasselbe (Forts.;. — Das -riochischu Kriegsltudyi't. Nr. 816 : Die B.-K. 
Manöver (Forts.). Nr. 817: Dasselbe (Forts.). — Äuderuugeu im Scliiffa- 
baokorpa der k. und k. Kriegsmarine. Vr.8il8: Die B.<^K.*Man({v«r. 
(Forts.). — Kordische Kriegsthmnnngen. Hr. 818—881: XHe B.-K.-Hanöver 
(Forts.). 

Journal des seiences militaires. (August.) Taktik der ver- 
bundenen Waffen. — Feldzug 1814 (Forts.). — Grenzen und Festungen 
der wichtigsten Mäclite (Forts ). IV. Defensiv-Organi.s,ation l^elgiens. — 
Die Genie-Truppen. — Turennc und die fraiizösisclie Armee 1074. — 
General Alexis Dubois (Forts.). — Bemerkungen über das Thal von Aosta. 
(September): Chinesisches. Die gegenwärtige Lage im äoihersten Orient. 
^ Orenzen and Festungen etc. (Forts.). — Pas ZuknnibgeschfltB. — 



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Umschau in der Militär-Litt«ratur. 



235 



Feldzug 1814 «uts.). — Veräiulennigen am Offizier- Etat. — 'l'ureniic uiul 
die fiAnsosische Aimcc 1671 (Schlufti). — Wci&enburg, Froeechwiller, 
ChiloiiB, Sedan, CfaitiDont La Maloiaiaon. — Vorberdtuig der Kompagnie 
auf den Dienst im Felde. 

Le Spectateur milltalre. (15. August). Die Ehrenlegion. — 
^Nfni-schall Dmle de la liruncrie. Bpisode des Krieges 1812. — Der Streit 
tur den Schild. — Dekorationen, Kreuze und Medaillen. (1. Sejiteni Ix r.) 
Die (Jrganisatidn des nlM'ili«-frlils und der Stabe. — ]hr Streit tÜr den 
Schild (Silüuls). — DekoraticjiKMi, Krcu/e und Medaillen ^Forts.). 

BeTue miiitaire universelle. Nr. 42: Allgemeine Übersicht Uber 
das franattaiche Afinka (ScUnfr). — Die Expedition von SarcUiuen und der 
koxneehe Feldzug (Scblois). — Indien nnd die engliflch-ntsnache Frage 
(Forte.). Übersichtliche Studie Uber die VerSnderungen im Waffmweaen 
der deutschen Armee (Forts.). — Vereeicbnift der withrend des enUsa 
Kaiserreichs von 1805 bis 1815 getöteten oder verwundeten Generale 
(Forts,), in Summa 821, nämlich IT)? ,r''tötet. fißi verwundet. 

Revue du cerrle miiitaire. Nr. 34: Das Zwrlrad bei den Garnison- 
Manövern. — Die Lt'gende des Texel. — Die englische Miliz. Nr, 36: 
Die Hadfahrcr als llüll'ätruppe der Kavallerie. — Der neue Oberbutchls- 
haber der eoc^isclien Armee. — Vorteliriften Ar düm Manöver im Osten. 
Vr. 86: schwciiemche Armee 1894. — IMe In&nterie- nnd das 
Artilleriegefeelit — Die enfl^isohe Miliz (Schlnls). Vr. 37: Die Manöver 
mit Heeres'ibteilntiL't n mit Karte). — Die Infanterie und das Artillerie» 
gefecht (Fort.'^.). Nr. 38: Die Manöver mit Ileeresabteilungon (Schlufs). 

Revue de Cavalerie. (August.) Rezonnlle, den 16. August 1^70 
(mit H Karten in Farben und 2 Krokis). — Ausbildung und Führung der 
Kavallerie (Ubersetzung des l'elet'schen Werkes, Forts). — Die deutsche 
Kavallerie und die Armee von Chalons, von Pierre Lchautcourt (Forts.), — 
Planderei Aber den Mann nnd das Truppeupi'erd. — Betrachtungen ttber 
die franiSsische Armee von 1792 bis 1808 (Forts.). — Die Ghmgarten des 
Pferdes nach der Erfahrungs-Methode. 

Revue d*Artillerle. Das Artillerie-Musemn. — Mechauisdie Zünder. 

— Das französische Artillerie- Korps (Forts.). — Hinterlader- Verschlttis fttr 
Öchnellfeuerkanonen System Skoda. 

I/Avenir miiitaire. Nr. 2026; Di<> Mnnr.ver und der Krieg. — 
Kumänicu und der Dreibund. - Das kh inkalibrige liewelir. Nr. 2027: 
Was müssen wir auf Hadagascar thunV — Die Strategie der Japaner. — 
Der engÜscbe Einflnili in Tbnanarive. Vr. fl088: Strategbche Fantasien 
(abftUiges Urteil ttber gewisse »Feldherm der Schreibstube.*) — Schnell« 
feuer- Artillerie. Vt. 8088: Der Gesundheitssnstand des EzpeditiGns-KOTps 
von Madagascar. (Die schlimmen Naebricllten Uber d« n > 11 <'n worrlen be- 
stätigt). Vereiidhcliung des Reehnungswesens. Nr, 2030: Die Armee- 
Manöver in den ..F.iut illes". (Ks wird besonders auf die hohe taktische 
Bedt'utuug der Wal. langen verwienen ,. Nr. 2031: In den „Faucilles '. — 
Die i^rgitnzung der lieserve-Lieuteuaulö. Nr. 2032: In den ,,Faucille8 '. 

— Von Andriba nach Tananarive. Nr. 2033: Die neuere äeetaktik. Aus 



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236 



Umschau In der Militir-Iitteratar. 



i^ngenening*' (»dir beaelitenswerti). Vr. SNNM: MilitKrjuitia!. (Behuiddt 
den „Fall ChMel" in Tunis und betont die Notwendigkeit «eitgeinäfser 
Reformen). Hr. 8085: Die Scliiefsvorschrift (Üt die Infanterie (v. 22. Mai 
1895) wird als ein wirkliclitT Fortschritt bezeichnet. 

Le Progres militaire. Nr. 1546: Der Kampf; Betrachtungen über 
das Angriffsgefecht, Hr. 1647: Die Geschicklichkeit Krieg zu führen. 
(Bezieht sich auf den Feldzug in Madagascar). — Manöver 1895. Vr.lMB: 
Die aktiTe ÜKenstadt Behandelt die Frage der iweijübrigen DienitMiit, 
doeh nicht in aiuttmnimidem Sinne. — Manöver 1895. Hr. 1548: Die In* 
stniktionen f&r die Otoften Manöver. Mancher 1895. Kr. 1550: Schnell* 
feaer*KanoDen. — Manöver 1895. Nr. 1551: Die grofsen Manöver in 
Italien. — Manöver 1895. Nr. 1652: Die Kolonial-Amiee. — Manöver 
1895. Nr. 1653: Manöver 1895. Nr. 1654: 8chlnfs der Manöver. P. 
meint, eine der schwierigsten Aufgaben bei Handhabung grofser Heere 
sei die Verpflegung; diese Aufgabe iei bei den groiaen Manövern in^^mehr 
ab befriedigender Weise gelfist worden. — Hanttver 1895. Sr. 1565: Y»- 
gldehende BeobaebUmgen (ttber die letalen ManSver). 

La Franoe militaire. Nr. 3411: Artillerie und Genie. General 
Tricoche kommt auf seinen Vorschlag der Verschmelzung beider WatTen 
anrttck und glaubt, dafs derselbe an Anhan;;er grcwonnen hat. Nr. 3412: 
Der zweijährige Dienst. III, — Der Kanal der 2 Meere. IV. Nr. 3413: 
Die englische Armee. Es wird nachgewiesen, da£s die Gesammt-Ausgaben 
fttr Heer und Flotte in England (ohne Kolonien) in 1895/96 950416700 Free, 
erreichen, 890 Uül. mehr als 1870/71, während in Frankreich fttr 1896 
das geaammte Heeres- nnd Flotten-Budget nur 910 KOL beträgt, also 
40 Mill. gegen England zurückbleibt. Kr. 3414; Madagaskar. Man soll 
den Urheber der MifsgriHV zur Rechenschaft ziehen, so meint Verfasser, 
der Abgoonlnete Bazille. Nr. 3416: Der zwoiiäbri5re Dienst IV. Nr. 3418: 
Gloria victis. Gegen Zola 's D<51täcle «rericlitrt Nr. 3421: Die Armee und 
Zola. Nr. 3423: Persönliche Erinnerungen des General Verdy du Vemois. 
Knüpft an dessen Veröffentlichungen in der „Dentedien Rundsehan" aa. 
Ht. MM: Der deutsche Offisier und sean inneres Leben. Berieht sieh auf 
die SchmShschrift des lÄeutenant Kraft Vr. M85: Die engüsehe Armee. 
Sie stellt sich 25 bis 30 '^/q teurer als die französische oder deutsche Arme«. 
Das budgetäre Effektiv ist 284000 Mann mit Miliz. In Deutsehland wünlc 
das Budget filr 400000 Mann ausreichen. Nr. 3428 : Heserve-C Hfiziere. 
Die aktive Armee Imt 25000 Offiziere, 6000 Beamte. (1<t Reser>'e und 
Territorial-Armee gehören 36000 Offiziere, 14000 Beamte an. Nr. 3429: 
Die Schule von FentetnableBui Tricoche spricht sich gegen die Trennung 
in 2 Schulen aus, wie Vorschläge eigangen nnd. Br. 8181: Reserve* 
Offiriere. Bemängelt das Reglement vom 29. Män 1894 und die Aua- 
bildung der aus den Dispensirten hervorgehenden Reserve-Offiziere. — - 
Das „Handbuch des Generalstabs" ist in neuer Ausarbeitung durch den 
General^tab selber herausgefjeben, nm das alte von IHllO zu ersetzen. Die 
inzwisrlicii erschienenen siml jirivaten Ürsprunj^s. Nr. 3434: DasSchwhumen 
der Kavaiicrie. Nr. 34;}d: Die Zivilbearaten im Kriegsminbterium. Be- 



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Umschau in der Militär-Iitteratur. 



237 



ningelt das geringe Binkommen einaeliiMr Stellungen, was die UnterofBaero 
ebhehe, Kapitulationen einangcihen. 

La Bel^que mllitaire. Vr. 1S70: Die FäTcfaologie des grofsen 
Haufens. — Dio {rrofscn Manöver im Osten Frankreichs. — Militär Straf- 
prozefs. Nr. 1271: Militär-Strafprozefs (Forts.). — Vprsclmidzung der 
Artillerie und des Genickorps (Schlufs). Nr. 1272: Geschichte der Militär- 
Schule. — Landesverteidigung und Befestigungskunst im 19. Jahrhundert 
(Schlnft). ~- Militär-StraiprozeTs (Forts.). Nr. 1273: Manöver der 1. und 
9. DiTition im Campine 1896. — Milit«r4txa^r<»eb (SehluA). 

SehwelseriMhe MoBatBiehiift fir OflUfere aller Waffen. Hr. 8: 

Zur Neugestaltung des Iiifanterie*Unterrielit8. — Gedanken über die heudge 
und zukünftige Ausbildung unserer Truppen (Schlufs). Extrabeilage: 
Beitrage zur Geschichte der Schweizer Infanterie von B. Günther. Die 
Entwickelung der leichten Infanterie (Sclilufs). 

Schweiserische Zeitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 7 u. 8: 
MitteilQBgen Aber unsere Artillerie-Manöver des I. Armeekorps. — Die 
liegende von Mets. — Über Fenurobrriaimttg. — Was Basaine bfttfee tlmn 
lilfamen. — Ober Inflnensa der Pferde nnd deren Beiiaadlang. 

ReYue mllitaire suisse. Nr. 8: Aufgabe der Kavallerie nach den 
Yorschriften vom 31. Aug. 1894 (Schlufe). Beilage: Manöverkarte des 
1. Armeekorps. Nr. 9: Einifre Hlatter «ichwci/erisclier Krioprsg^eschichte. 
(Bezii ht sich auf eine drohende kriegerische Verwickelung mit Frankreich 
im Jahre 1838.) — Truppeuversammlung 1895. — Oberst Feife f. 

AllgttiMiiie Mveiserimiie MilitXr>ZeitaBg. Hr. 34: IStwaa ttber 
die Oiganiaation der fteiwilligen Krankenpflege fltr das dentsehe Heer. 
Vr. 86: Die DisiipUn (Vortrag des Oberst SecrAtan, Kommandant der 
IV. Inf.-Brigade). Nr. 38: Die Disziplin (Forts ). - Amtlicher Bericht des 
kommandirenden Generals der Tschitral-Expcdition, Nr. 37: Die dies- 
jährigen deutschen Kaisermanöver. — Die DissipUn (Schlufs). Hx. 38: 
Die grofsoii französischen Herbstmanöver. 

Army und Kavy Gazette. Nr. 1866: Die Indische Armee im 
Kriege. Unter Beriekrichtigung der waea Einteihii^ der Indischen 
Armee in Annee*Korps wird das Exersir-B^ement von 1808 kritiseh 
beaproehen, und grffftere SelbetstSndigkeit der Unterführer als notwendig 
hingestellt. — Der Krieg in Madagaskar. Bericht des vor kurzem von 
dort zu nickgekehrten englischen Oberst Shervinton über die Kriegslage. — 
Herlistiiianöver und Hitzschlag. Ein italieni'^ehfr Berichterstatter 
schreibt über Entstehung und liehandlnng des iiitzschlages unter Hinweis 
auf die Schrift des deutschen Arztes Dr. V'oUraann. — Lord Wolseley 
in Irland. Bespricht dessen Thätigkeit nnd Ldstnngen bd den lotsten 
ManOrem. — Zweijihrige Dienstseit in Frankreich. IGtteilnng 
von Stimmen aus der firanxösisehen militiirischen Presse, die die zweijährige 
Dienstseit IQr Franlcreich ungeeignet er klaren. Nr. 1867: Berittene 
Ordonnanzen. Bespricht in anerkennender Weise die Xeueinttihrting der 
Meldereiter in der deutschen Annee. — Di«> letzten For<'Kt-Manö ver. 
lilingeheudc Schilderung der Marschleistung der Infanterie. — DasOher- 



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238 



Uin«cbau iu der Militär •LiUeratur. 



kommando Aber die Armee. Hinweis auf die Leistangen desHenogs 
von Cambridge bei seinem bevontehenden Aussdieiden. — Madagaskar. 
IGtteilang über den ungQnsHgen OesnndhMtBrastend der Trappmi nadb 

französischen Quellen. Nr. 1868; Die neue Vorschrifk fllr die Geld- und 
Natural- Verpflep-n Iii:: fl''r Truj)pen. — Über 

B<«trficlitun<::^ über ilio Marsehleistunppn di-r Infanterie bei <ieTi letzten 
Manövern. — Die T.ag'e in Cliina. Kine militär-politische ßctrachtunj». 

— Die ßesitznali nie von Cliinal. Hesprecliunj; der zukünftigen V'er- 
liältoisse iu Cbitral vom uiilitiiritjcheu .Standpunkte belruchtet — Die 
letxten Forest -Manöver. Krituche Beträehtnng ftber Anlage and 
Verlauf. — Das Kriegsministerinm. Di» dem Parlament voriicigende 
Xndonng in der Organisation desselben wird besproehen. Vr. 1868: Ge- 
schichte des Regiments Priuz von Wales. (Nr. 64 nnd 98 der 
Linion-Infauterie. Errichtet 1756.) Nr. 1860: Unsere Kavallerie. 
Colonel Graves schildert die numerische Schwäche der englisehen Kavallerie, 
sowohl im Verhftitnifs ztir Infanterie, als auch den ^erinjren Etat an 
Pferden und Mannschaften in ilun Ke^inientorn iu grellen Farben. — 
Erinnerung an öedan. Genaue Bcbchreibung der Parade auf dem 
Tempelhofer Felde von einem englischen Augenaeugen. — Das Kriegs- 
ministerinm. Besehreibung der Einteilnng in die verschiedenen Ab* 
teQnngen nnd deren Tbitigkeit — Der Infanterie- Stiefel. Betrachtung 
über die \ orfaandenen Muster derselben und Vorschläge zu Verbesserungen. 

— Das Remontewesen. Ztuiammcnstellimg der im letzten Jahre an- 
gekauften Remonten und deren Sterblichkeit. — Die Manöver der 
deutschen Armee. Einteilende Schilderung der Anlage und des Ver- 
laufs der Kaisermanöver bei Stettin. 

Journal of the Boyal United Service Institution. Nr. 810: 
Betrachtung der Ausbildung der Infanterie-Milis. Von Kapt 
Flomer. Entbült VorschlSge für verbesserte Ausbildung derselben ohne 
Mehrkosten zu verursachen. — Lehren aus den Kavallerie-Manövern. 

Russischer Invalide. Verordnungen, Befehle, kleine mili- 
tärische Naclirichten. Nr. 175: Das ostsibirische Sappenr-Hataillon 
ist Ende Jiüi fonnirt worden. Nr. 176: in)nnten von Keserve-Üftizieren 
behufs Betorderung zur liülieren Charge. Nr. 179: Die Zald der Internen 
in den Kadetten- Korps wird um 350 vennehrt; aufserdem wird die Militär- 
Schule Jaroelawl in ein Kadetten-Korps au 400 Internen, wekhe £niehuug 
auf Staatskosten erhalten, verwandelt. Hr. 180: Berichte der Ofi&rier- 
sohieftsehule über stattgehabte Versuehe; der SLinien-BevolveTf M. 1898. 
Nr. 181: Verteilung des Rekruten-Kontingents im Jahre 1895. Die Zahl 
der im JiJire 1895 das wehrpfliehti^c Alter erreichenden jun<ren I^ute 
(d. h. dorjenigeti. welche zwischen 1. 10. 94 und 1. 10. 95 «las 21. Lebens- 
jahr vollendet iwibeu) beträgt, abgesehen von den Eingeborenen des 
Kauka.siiö, 953,052, von denen 203,990 wegen iiimslicher Verhältnisse un- 
bedingt vom Dienst befreit sind; zur Einstellung gelangen 274,650 Rekruten, 
anftecdem 2750 Mann aus der eingeborenen BevOikenmg des Kaukasus 
(von 23,787 Wehrpfliohtigen). Nr. 187: Verordnung Uber die Kondnktor- 



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Umschau in der Militär -litteratur. 



239 



Schule bei der Uaupt-Iugeuieur- Verwaltung. Hr. 198: Neubildung von 
2 kiebton Feld-Battnien fttr 35. Artilkcw-Brigade, aowi« Ton 
2 Mfiner-Batterien Ar du 2. Htfrser-B^gimeiit Am 1. Oktober 96 
find m bild«! je 2 M(in6r>Batterieii ftlr das 4. und 5. Hfifeer^Reg^eiit 

Nr. 199: Neubildung der Dragoner-Regiraentor Xr 49 und 50, aus denen 
die 1. selbststiindige Kavallerie-Brigade formirt wird. Femer ist das Kadre 
Nr. 17 des Kavallerie-Ersatzes zu iomiiret» und aus den Kadres Nr. 16 
und 17 die 8. Brigade des Kavallerie-Ersatzes zu bilden — Bericlit über 
Versuche in der Otliizier-i:>chie£i8cüule. — übersetzen von Jagd-KoaniüiiHios 
ttber die Wolga bd Suunara. 9r. 800: Anderang dniger Paragraphen 
des Reglements f&r das FofikEzenben dar Feld^Ardllerie. — NeabilduQg 
von 18 Batterien der Feld«Art01erie (nebe Aafsati: „MilitSriscbee aas 
Bnfeland'O. 

rJrössere Aufsätze: Nr. 172: Brieftauben bei der Kavallerie; auf 
Grund von Versuchen bei der Kavallerie-.Tunkerschule Jeli«innvvetgrnd wird 
die Zuteilung von Brieftauben an die Kavallerie-Truppenteile der Fi'stuiigs- 
besatzungen eniptohlen. Nr. 173: Telephon im Felddienst der Infanterie. 
Vr. 1T9: Allgemeine Oiganisation der ftamiSsisoben Armee rai Kriege. 
Kr. 188: Depeeehen der Taubenpost Br. 188: Über die Herstellang ranch- 
losen Pnlvers. Vr.Ui: IKe strategisdie Bedentung des inkttnitigen all- 
gemeinen Waggon-Parks in Mittel-Enropa. Vr. 185: T)'w zur Abrichtung 
flir Kriegszwecke geeigneten ITuuderassen. Nr. 194— 196: Clmrakter der 
taktischen Ansobnuungen in der deutscheu Armee seit Einführung des 
rauchlosen Pulvers. 

Russisches Ingenieur-Journal. Nr. 2: Beilage: L«-ittadcn der 
Elektrotechnik (VortrKge, gehalten in der Offider-Klasae der elektro- 
teehniscben Schule. — Nichtoffisieller Teil: Landungsrerfiduren fttr 
die Fdd-Artillerie und Truppen-Trains anf Pontons, und leichter Prahm 
ans anderthalb Pontons. — Festungs IVfanöver bei Memr. — Pyroxilin; Iler- 
Btellung. Eigi>nsehaften und cbemiBche Untersuchung. — HSngende Brtlcke 
mit mittlerem Scharnier. 

Rivi.sta Militare Italiaiia. ( 15. Septem bor.) Die ilalienisclie ."-^cliicfs- 
instruktiou vom 23. April ISyi. (Fort«.). — Die kavalieristische Ausbildung 
in Itafien. (YorBcblitge zu ihrer Hebung). 

Esereito ItaUano. Vr.II8: Die silberne Hochaeit (25 jähriger Ge- 
denktag) Boms. Hr. 118: Wer öffiiete und wer betrat die Bresdie? (an 
der Portn T'ia 1^70). — Bericht über die Aushebung des Jahrganges 1873 
ftr die Marine Nr. 115: Revue der Veteranen und der "Palmen in Kom. 

— Die 'IVrritorial Direktioupu des (Tonies. — Auflösung der Unteroffizicr- 
schule uikI von 3 Militär-Kollegien. 

Riyista dl artiglieria e genio. (Juni-August.) Vorbereitung 
des Personals der Küstenartillerie, vom Artillerie-Lieutenant A. Calichiopnlo. 

— Über das Richten und SchieAnn der Terschiedenen Zweige der Artillerie. 
— ' Das Pferd in der römischen Campagne. 

Revlsta cientifleo-militar. (Spanien.) Nr. 16: ri iandemng der 
Bemington-Qewehre cum kleinen Kaliber (7 mm). — Bemerkungen Ober 



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340 



UnuoliMi in d«r llUilir-Iittenlnr. 



die fipanzösische Kavallerie, verglichen mit der ddlltseben (Forts ) — Die 
pneumatischen Kanoneu in den Vereinigten Staaten. Nr. 17: Ballistische 
Studie übor das 7 mm (Gewehr ^[ 1^93. — Das kriogsmäfsige Schiefsen der 
Infanterie (Forts.). — liewoisstucke zur GeHchicht»; des ciiincHlsch-japanischen 
Krieges (Forts. — Bemerkungen über die iranzosiscbe Kavallerie, vw 
glichoD mit der deutschen (Forts.). — Die moderne Infanterie-Taktik auf 
Ghrandlage der nettesten Beglements. 

Memorial de iBgenieros del ^erelto. (Spanien.) Hr.TDI: 

Militär-Tolegraphie. — Das Transport -Material Lefibvre. 

BeTistu Militär. (Portugal.) Hr. 16: Die Berürderung nach Wahl. 

Militaert Tidsskrift. (Dänemark.) 4. Heft: Die Entwickelung des 
Luilcscluffer-Dienstes in den europäischen Staaten. — Die 2. Pariser Armee 
1871. 

II. BiLeher. 

Die Kriege Friedriehe des Groflseii. Der zweite schlesiselie Erleg. 

1744-1745. Herausgegeben vom Grofsen Geueralstabe, Ab- 
teilung für Krie^'-s^'-eschichte. Erster Hand: B<ilimen 1744. Zweiter 
Band: lloheufriedberg. Mit 33 Karten, Pläueu und Skizzen. Berlin 
1895. E. S. Mittler & S. Preis beider Bande 20 AI., geb. 30,50 M. 

Nachdem im Jahre 1893 der Schluisbaud des ersten schleaischen 
Kiiegea eneUenen war, isi demselben nun der X. nnd 2. dee awiiten 
fldileBiichen gefolgt. — Das Stndinm des sweiten aehlenselien Kri^st 
ist insofern besondefs interessant, als dasselbe gestaltet, die stnfenweise 

Entwiekelung des Feldhermtalentes Friedrichs d. Gr. genau zu verfolgen. 
Wenn es dem Könige in seinem ersten Feldzuge 1741 zuweilen noch am 
nötigen Selbstvertrauen zu fehlen scheint, so tritt er 1742 schon mit 
voller Selbststandifrkcit auf. Der Sie-g von Gzaslaii erhöht noch sein SellMt- 
gefUhl. Im Feklzuge 1744 lemeu wir deu König hauptsächlich von der 
rtrat^lisehen Seite kennen, aber das Eigebnib war ean nngfinstiges, da 
er von seinen Bandesgenossen nicbt nntersttltst wurde; im Feldsnge 1746 
ist der König aber schon vollkommen der geniale Stratege und Takdker 
des Tjäbrigen Krieges. Wir l evwindem <Huch in diesem Kriege seinen 
feinen politischen Takt bei aUen kriep^orisclu-n KonibinatioTien ; die Sorge 
für die .Sicherheit Schlesiens ist zwar liii' llaui)ttriebt'e<ler seines Handelns, 
aber er verliert auch das deutsche Reich nicht au.s den Augen, dessen 
Oberhaupt er im Kampfe gegen Osterreich nicht im Stiche lassen will. 
Die politiscbe Einleitung des 1. Bandes nennt diese selbst anfarlegte Pfiiebt 
treffend „die offene Wunde der preußischen Politik*. Klar geht es aus 
den Urkunden der „Polit. Korrespondenz FriedridlS d. Chr.'' hervor, daft 
es nicht in Friedrichs Macht stand, diesen Kri^ in vermeiden. MMia 
Theresia konnte und wollte den Verlust Schlesiens nicht verschmerzen, 
insgeheim trat sie Anstalten, bei erster (Jele^enlieit sich seiner wieder zu 
bemächtigen, wozu Sachsen die Hand mit grol'scr Bereitwiiiigkeii bot. 
Dies ist im Wesentlichen der politische AnlaOs dieses Krieges. — Bei Be- 
arbeitung der Einleitung ist die Politische Korrespondens dieses Mal in 



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Umschau in der Militär-IiUeratur. 



241 



ausgiebigster Weiia herangezogen worden; neben dieRem enten und sa> 
▼erliSBigBten QoeUweilce dann die Berliner, Dreedener, Wiener, PAriaer, 

Zerbster und Wolfenbtttteler Archive, femer die „Oeuvres" des Königs und 
die einschlägige Litteratur: Ranke, Droysen, Arnetb, Koser, Orlich O. A. 
Es palt, piin fast uhcrrriclios (^hiollonniaterial zu bearbeiten. Dafs das vor- 
lit»;it'iiflt' Werk der sciiwici i^en Autgabe gerecht geworden ist, wird an- 
erkannt werden müssen, olischon der Stoff eine ni. E. nioht ganz ghiich 
m&ifiige Behandlung eri'ahreu hat. Es ist dies wohl darin begründet, da^ an 
der HerBtellung «m ttUieieliee, weeheelndee Penonel beteiligt ist — Der 
1. Band „Böhmen 1744"* behandelt in der Einleitong (A) den „Entsehlniii 
zum Kriege*', sodann (TS) den „Feldzugsplan". Hier tritt au Tage, in welchem 
MaJse dieStrategie diu*ch unklare politische VerhfiltnisBe ungünstig beeinflnftt 
werden kann. Noch vor Beginn des Feldznges giebt der König in einem 
Schreiben an den Marschall Noailles (12. Juli 1744). dann an Schinettau (29. 
Juli) seinem tiefen Mifslrauen gegen die Franzosen Ausiinu k. Dasselbe sollte 
durch die Ereignisse eine traurige Kecbtt'ertigung erfahren. — Unter (C) 
„Kriegsvorbmittingen" werden Znatand und Fechtart des pieafidflchen, (Mar- 
reiehiaehen nnd sSclwiBcben Heeree knrs geschildert; die ^nselhdten sind in 
die „Anlagen" verwiesen. Daran schlieiBt sich die Darstellung des Feldxoges 
in Böhmen : der Vormarsch bis Prag, die Belagerung von Prag, der Vormarsch 
nach Süden, der Kückzug über die Moldau, der Rückzug des Königs hinter 
die Elbe, dann der Kückzug des iireulsischen Heeres aus Böhmen. — Die 
erste Waffenthat, die Einnahme von Prag, in welchem sich 17000 Mann Be- 
satzung (davon aber nur 3500 Mann Linientruppen) befanden, bot keine 
Schwierigkeiten. Der KSnig gewann durch Prag einen Hauptattttipnnlct 
ftr seine ferneren OflfenaiToperationen moUauau^Xrta. Aber sein Gegner 
Bathyany verstand es meisterhaft, des Königs Siegeslauf au hemmen; zu 
schwach, um ihm im offenen Felde die Spitze zu bieten, war er gleichwohl 
kühn genug, ihm überall mit kleinen Abteilungen hindernd in den Weg 
zu treten. Die Dörfer wurden mhi Lebensmitteln eutblöfst, die Bewohner 
veranJafst, mit ihrem Vieh in die Wiilder zu flüchten. Brücken wurden 
zerstört, die Transportmittel entf^ihrt, die Zufuhren überfallen und ver- 
nichtet. Zur Zdt, als der König bis Bndweia voigedrungen war, ging 
aeine Verbindung mit Prag nnd OberscUesaen völlig verloren; vier Wochen 
hlieb er ohne jede Nachricht ans Berlin, denn alle Kuriere wiudffll aufgefangen. 
Uber den Stand der Operationen des österreichischen Hauptquartiers blieb 
Friedrich in gänzlicher Ungewifsheit. Maniri l. Kninkheiten und Fahnen- 
flucht verminderton erheblieli dif St;ü-ke des inrulnischen Heeres. Der 
König brannte daraui', dem Gegner eine entscheidende Schlacht zu liotern. 
Aber Marschall Traun (der Batgeber des Printen Karl v. Lothringen) wich 
derselben hartnäckig ans. Dem Yernichtungsprinzipe des Königs 
gegenflber brachte er das Ermttdnngaprinaip mit grttlktem Gtoschick aar 
Anwendung. Die preuHdache Armee ohne Schlacht durch fortwihrende 
Belästigung im Rücken zum Rückzüge zu zwingen und entweder von Prag 
oder Schlesien abzuschneiden, war sein wohl durchdachter Plan. Die Be- 
scbafienheit des Landes, dessen Bewohner ihm Vorschub leisteten, dann 



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242 



Umachau in der Militär- Litteratur. 



zahlreiche leiehte Truppen, deren Kühnheit alle Anerkennung vaidientt 
waren äioBem Plane fördeilich. Ah der KSnig sieb übenengt batta, dafo 
er auf eine Annäherang «einer Verbfindeten niebt mebr recbnoi kSnne 

und die österreicbiBche Amiee sich mit den sächsischen Trappen bei Pisek 
vereinigt habe, trat er den Rückzup^ «m, die Besatzun^n von Tabor, 
Budweis nnd Fraucnhcrfr ilirtMii Scliicksnl überlassend. In seinen Kan- 
tonnininj^cn hinter der KIbe wurde das iii enlsisclK' Heer am 19. November 
übcrt'alien nnd zur Käumung Bölimenö genötigt. Die Besatzung von Prag 
erreichte mit starkem Verlast an Mannschaft und fast der gaoien Bagage 
mit Mflbe und Not die sehlesiBebe Oreiiae. — Der ganse Feldsag 1744 bat 
kttne dnsige ScUaebt und nnr wenige Gefocbte von Bedeotnng an&aweiaea. 
ISn Liclitpunkt in demaelben iat dasNaclitgefecbt von Teltschitz (od.Sebnits) 
am 19. November, die Tbat dee preufsischen „Lconidas", Oberstlicutcnant 
V. Wedel, der mit seinem Ghrenadierbataillon in 3 stündigem Gefecht der 
«isterreicliisch-säclisiselien Armee den Elhüberp:ang streitig machte Der 
König feiert bekanntlieb diese beroisclie Tbat in der „Histoini de mou 
temps" durch den Vergleich mit den Termopylen, aber auch der Gegner 
stimmte in das begeSaterte I^ob des Königs ein. — Von bobem Inlereese 
ist die rttckbaltlose Selbstkritik des Ktfnigs (Histoire d. m. t II. 76) fiber 
sein Verhalten. ,.Kein General", sa;;t er, ..be;:;inf^ mehr Fehler in diesem 
Feldzug. als der König. Traun spielte die Rolle de.» Sartorius, der König 
die des Ponipejus. Traun's Verbnlten ist niuster'rnlfi^' . jeder Soldat, der 
seinen Beruf liel)t, sollte dies stndiren. Der Küiii^ betrachtete diesen 
Feldzug als seine Krieg.sscbule und Traun als seinen I.ehier." 

Man darf den Feldzug 1744, gemft& den Königlichen Worten, ah die 
ansgeariebnotste Schule fttr das Studium des Kleinen Krieges beaeicbnen; 
darin bembt seine kriegsgesohiebtliebe Bedentung, welche darch das iror- 
liegende Werk in das hellste T.ielit jzestellt wird. 

Der zweite Band „Hobenfriedeherg" bebandelt im 1. Teil (A) 
den Winter 1744 bis 1745": Die Besetzung der (irafscbaft Hlatz und 
Oberscblesiens durch die Österreicher 1744, den prenl'sischen Ge-reimugrift' 
und die allgemeinen Vorbereitungen für den Frübjaiuhteldzug. Besonders 
ansiebend ist das 2. Kapitel des HI. Abschnittes: „Das preuAiscbe Heer 
im Winter 1744 bis 1745, seine Wiederergänsung und die TorbereitMiden 
Maftnabmen des Königs." — Friedrich war mebr denn je sieb selbst ftber- 
lassen; sein BUndnifs mit Frankreich bestand zwar noch, aber die Franzosen 
kamen nicht mehr über das linke Rbeinufer hinaus. Der letzte Feldzu^r 
hatte dem Könijre riesi;^e Siinnncu ^^eknstof. das Heer war durch Krank- 
heit nnd Fabneiilluclit stark zusuunnen^esclnnolzen , entmutigt und in 
seinem moralischen Halt (selbst in den Oftizierkorps) stark erschüttert. Die 
in der Wintersaeit vom König geleistete Arbeit zur Herstellung seineB.*^ 
Heeres ist ein^h bewanderongswUrdig. Seiner energischen TbJItigkeit 
and seinem heldenhaften Verhalten gelang in kurzer Zeit nebst der 
materiellen die vollkommene .seelische Wiederherstellung seines Heeres. 
Schnell liaitt' er das .Schlagwort für die Not des Augenblickes ^■efunden. 
,4ch werde'*, schreibt er dem fraiusüsischen Gesandten Valory, „Schlesien 



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UmMbAtt m der lOlitir-Litlevaliur. 



verteKligen bu auf den Tod, so gut m Braadenborg^; nnd dem Detsauer: 
Schienen kann ich mir so w(>ni^ rosolvircu berausschmoirntni zu 
Innfirn als wie auB der Mark." — Das Selbstbewufstsein des Heeres richtete 
sich an den Erfolgren der ersten Woclion des Jahres 1745 wieder auf. in 
Oberschlesien lieferten General v. Nassau und Oherst v, Winterfeld, in der 
Grafschaft Glatz General Lehwaldt siegreiche Gefechte. In geschicktester 
Weile wurde rim Könige die gro&e Landemrteidigung in*s Werk ge- 
setet; dnich iweckmibtge Stellung eeiner Truppen vermochte er du Heer 
in wemgen Tagen an belielngen Funkten au Tereinigen. Des Kihiiga 
Pkin für den neuen Feldzug war, die 0£E(Bnflive in Böhmen nicht wieder 
aufzunehmen, den Gegner in Schlesien zu erwarten, dann ihm in der 
Ebene am Fufs des Gebirges, wo er in'clit mehr auswoithcn konnte, unter 
Zusanimenrafl'ung aller Streitkräfte auf den Leib zu gehen und entsC||ieidend 
zuschlagen. Strategisch defensiv, taktisch offensiv; das ist das Kenn- 
leidien dea EVflhjahrfeldangeB 1745. Li diesem Sinne Ueferte der König 
die Siegessehlaeht von Hohenfriedeberg. 

Der 2. TmI (B) ^^)er Angriff der ÖsteiTeidier und Sachien auf 
Schlesien 1745" — schildert zunächst die Versammlung der Heere und die 
jMafsnahmen der beifb'rscitifjon Ilceresleitnnf^en, dann di»-. Vor^'ofeohto der 
Schhiclit Besondere rühmliche Erwähnung verdient die Verteidigung von 
Neustadt durch 130 Zieton-PIusaren und 2 Komp. Infanterie unter Haupt- 
mann von Osterreich, der m. E. liier ein warmes Lub verdient hätte. Bei 
Enlhlung dea „Zietemittes" wird die Legende wiederholt, der Teind habe 
^h dnreb die neuen blauen Pehse der ^Mstenhusarenf welch* letxtere er 
ftr Ungarn hielt, tKuflchen lassen; GrafUppe hat das Unhistorische dieser 
Annahme in mehreren Abhandlungen überzeugend nachgewiesen. 

Darstellung der Schlacht ist m. E. etwas zu kurz gekommen, sie 
beschrankt sich auf nur 24 Seiten, von denen noch 3 auf »'ine (übrigens 
ganz vorzüglich gelungene) Geländebeschreibung entfallen. Klar und an- 
schaulich, doch wie gesagt, auf die einzchieu Schlachtmomeute nicht genug 
eing^ttd, wird der Verlauf in bekannter Webe geschildert Der Trophäen- 
ritt der Bayreuth-Dragoner wird mit wenigen Zeilen abgethan; es hfttte, 
jedenfalls im „Anhange", der Kontroversen Uber die Anteilnahme Gefslers, 
Schweriu's, Schmettan's und Chasot's (nicht Chazot's) gedacht werden 
können. Tm heeresgeschichtlicheu Interesse wäre auch die Erwähnung des 
den liay reuthern verliehenen „Gnadeubriefes", sowie der vom Künige ver- 
liehenen zahlreichen Belohnungen für diesen Sieg erwünscht gewesen. Die 
Angabe (auch des Gnadenbriefes), das Regiment habe 66 Fahnen er- 
bettlet» stimmt nicht flbereln mit dem Regimentssiegel; dort sind es 67, 
wie auch die StammUste vom Jahre 1806 und Oefsler^s Wappen nach- 
weist. — Besondere Erwähnung verdienen die lichtvollen „Betrachtungen" 
Uber die Schlacht, mit denen dieser Band abschliefst. 

Die Schlacht von Hohenfriedeberg war . wio Koser sagt, ,,die Eliren- 
rettung des preufsischen Heeres, die Ehreiuettnug des königlichen Ftild- 
herm"; zweifellos eine der glänzendsten Wafiuuthaten der neueren Kriegs- 
geachiehte. 

J»htMi«bw Ar aie Oeitoek» ArmM «ad UMMb M.9T, S. 17 



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244 



ünudiAu \n im llllitir-littontar. 



Entittdct ttber die «n dieMm bewieaane groAe Tapferkdt Miner 
Truppen, flDgte Friedricli : „List hat diese Schlacht vorbereitet und Tftpfer- 

keit sie ausgenihrt." Femer: „Die Welt ruht nicht sicherer auf 
den Schultern des Atlas als Preufsen auf einem solchen Heere." 

Zum SchluHse sei hervorgehoben, dafs das "Werk mit Plänen und 
Skizsen von vorzüglichster Ausführung im reichsten Maise ausgestattet ist. 
DkB Erscheinen des 3. Bandes wurde fUr das Ende dieSQi Jahres in Awr 
sieht gestellt. ScUif . 

Zmh GedSchtnifs des g^i^fsen Krieges. Rede bei der Kriegs -Er- 
innerungsfeicr der Königlichen Friedricli-Wilhclins Universität zu 
Berlin, am 19. Juli 1895, gehalten von Heinrich von T^eitschke. 
Leipzig 1895. S. Ilirzel. Preis 60 Pf. 

Ks sind jirächtige Worte, die der Meister in der deutschen (ieschichte 
mr XrinnemngsMr des greisen Krieges an seine KoDc^eni «nd KouuA- 
Utonon riehtelel Knn, packend, fitfbenmobl — Er sehildeit mmst die 
politisehen Znatände Tor 1666 und betont, dab aoeh dann, ala P^eoften 

die alten Siegcsbalmcn des grofseB KufUrsten und des gvo&en Könige 
wiederum eingeschlagen und sich zum Führer von Dcntschland im 
Schlachtendonner von Königgrätz empor geschwungen hatte, Kurojia nocli 
M'eit davon entlernt war, die neue Ordnung der deutschen \'erlialtni>-sf 
anzuerkennen. Was wir damals nach 18Ö6 uoch brauchten, das war ein 
ganaer, nnhestreitbarer, allein duroli dto gesummte dentseha Kraft 
ningenar Sieg! Er ward vna sogar aii%edi«Qgen dnrcli nnsermi nMchstia 
Feind in seinar Htt ihn nnseligen Verblendong. Er awaag unsere Nachbarn, 
die nunmehrige Mündigkeit der nenen deutschen Nation su achten! ,J)as 
hatte Köni^' Wilhelm, der so oft seinem Volk das Wort von den Lippen 
nalmi, so reciit begriffen, als er in seiner Thronrede sagte: ,,Hat Deutschland 
Ver^^ewaltig^ung'en seines Rechts und seiner Ehre iu trülKren Jahr- 
huudurteu schweigend ertrageu, So geschah es nur, weil es in seiner Zcir- 
rissenbeit nicfaft wuftta^ wie staili: es war.'* 

In knapper Weise, forbenreieben Bü^roi wird vmk die Thlti|^ceit 
der deutschen Armeen geschildert unter Hinblick auf die Verhiiltnisse in 
Frankreich nnd seiner Armeen. Der König mit seinem Ifoltke konnte 
sicher sein, dafs das, was überhaupt mit menschlichen Krftften geleistet 
werden konnte, auch geschali: guter Wille, Ausdauer, Mannszucht führte 
die Armee von Sieg zu Sieg! „In allen grolsen Zeiten aber standen 
neben unseren führenden Helden freie Männer von fester Eigenart und 
sichefem Stolie, nnd König Wilbehn verstand, ein geborener Oenecte, 
starke, in ihre^ Fache ihm selber Qiberlfgene Talenle^ jedes am recbtaa 
Ort, frei schalten tu lassen.'' — Nun kam die längst vorbereitete SchlnCs- 
arbeit und Ernte unseres Bismarck! Die ungeheure Mehrheit der Nation 
stimmte jauchzend ein, als im Schlofs von Versailles der Hochruf der 
Fürsten und des Heerte den Kiiiser begrüfste. — \yenn nicht alle Blüten 
jener hocherregten Tage zu Früchten ausgereift sind, wenn auch immer 
mehr von Jahr zu Jahr ausere leidigen Parteikfimpfe ausarten, wenn die 



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Umtichau iu der Kilitär-Iitteratur. 



Hemohait des flohntfden Oeldes sich mehr und mehr breit macht, die 
vor Oolt und vm den getelslidbeii Sehnukkem immer mehr su 

schwinden droht, so rind dieses allerdings ernnte Zeichen der Zeit Heioriidl 
von Trcitschke verzweifelt aber nicht! Er ruft seinen Kommilitonen zu: 

..Aufzuschauen, hochgemut dor Zukunft zu vertrauen, nicht <lio Thaten 
der Väter zu verac hten oder zu versinken im Geeänke des Tages, das ist 
der Jtigend Kecht und Glück!'* 67. 

Iieo|iold L Fürst tok Aalialt-DesBai» Biographiselie Skiuetk tthor 

den preufsischen Feldmarschall, uehst einer Anzahl Briefe. Von 
C. Bükelmann, Kf;l Sfiefas. Lientenant a. D. Leipng 1895. 

Verlag von C. Jacobsen. 

Verfasser hezeichnof als hauptsÄclilichste Quelle dieser Schrift eine 
anhaltinische Chronik von Samuel Lentz aus dem Jahre 1757 und ist 
wohl der Ansicht, dafs die hier gebotenen Schriftstücke und Briefe bislang 
noch nicht veröfientlicht seien. Dies ist bezüglich der Mehrzahl aller- 
dings der Fall, wie die „Geschicbte und Thaten des jüngst verstorbenen 
groAen Kriegs-Helden» Herrn Leopolds, r^erenden Ffirsten m Anhalt 
ete. von J. Arcnkow" (Frankfurt u. Leipzig 1747) darthut. Als eine Ver- 
mehrung zwar, doch nicht eine Bereicherung der eiuschliigigen Litteratiu* miifs 
ich vorH«>tr<'ndt's Schriftchen l>ezeichiu'n. — Auf Seite 39 finden wir ferner 
die von der nciu rt u Forschung widei Lef^eude, dafs Friedrich d. Gr. 
als Kronprinz nach seinem Fhuhtversuciie durch ein Kriegsgericht zum 
Tode Temrteilt nnd nnr doreh Verwendung Leopolds von Dessen dasselbe 
BurOckgezogen worden sei. 1^ Wahrheit ist, dalk das Kriegsgericht sich 
m der Sache des Kronpiinsen als „inkompetent" «rkllbrte und den Gegen- 
stand der Anklage als eine Staats- und Familicnsache bezeichnete, „welche 
Mnsnseben und in beurteilen ein Kriegsgericht sich nicht erkühnen 
darf« 1. 

Iierd Boberts iB War. Bj Colonel H. 6. Hanna, B. S. 0, (Lata 
oommanding at DelfaL) London 1895. Simkin, Marshall, Hamilton, 
Knnt Cp* 

Die Schrift verdankt ihre Entstdinng dem gegenwtfrdgen Kriege der 
Snglitnder gegen riutral, und zwar in sofern, als der Verfasser l>estrebt 
ist, den Einfluls Lord Roberts auf den Vorlauf und die Folgen dieser 
Expedition nach Mfiglicliki-it zu bekäinplen. Lord Roberts gilt iu England 
als erste Autorität iu iiuiischeu Augelf-renheiten, er hat seine gosaiumte 
militärische Laufbahn in ludiou zugebracht, und steht durch seine 
Leistungen als Heecftthrer im zweiten Kriege gegen Afghanistan in hohem 
Ansehen. Der Verfiuser sucht nun nachsnwdsen, dafr die KriegsItUimng 
auf englischer Seite durch die von Lord Roberts begangenen Fehler eine 
höchst mangelhafte war, und dafs diese Fehler sich nicht noch mehr 
nioliten, sei nur Folge der noch mangolhat^eren Fiilirung der Afghanen 
gewesen. Ebenso wird auch seine politische Leitung in Indien angegriiVen, 
da er nach dem Kriege 1800 sich entschieden gegen eine Besitznahme 

17* 

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246 



UmHchau in der Militär-Litterator. 



utgliaiiiidie& Gebietes «UMpradi, um eine mSgliehst weite Stre^ un- 
wegwunen Gdltndes swieehen der indifehen and der mwiedi en Greue m 
liabeii, und nun mit aller Entschiedenheit f\ir das Festhalten Cüdtrek ein- 
tritt. Für den deutschen Leser hat die Schrift in sofern Interesse, als sie 

eine Roilie intoressanter Einzelheiten aus dem zweiten afghanischen Kriege 
PTitd^lt. sie iti;u-))t aber nicht den Eindruck, dafs sie vom rein sachlichen, 
unparteiischen ätaudpunkte aus geschrieheu ist. 10. 

L'Arate et to Flotte em 1894. Grandes manoeaTres de Beaiiee, ma- 
noeaneB de fortereaie, manoeaTres navalei, per Ardooin Dnmaset 
Avec 26 illustrations et de nombreux croquis et cartee. Farit— 
Nanqr 1895. Berger-Levrault et de, Fteis 5 Fr. 

Dieses gUtnaend ausgestattete, mit zaUreidien Illastrationen, Karten 
und Porlrttts gesierte Werk legt ein beredtes Zeugnif» ab von dem hohen 

Interesse, welches man in Frankreich iti allen Scliicht^n der Bevölkening^ 
für die vaterländische Wehrkraft an den Tag legt. Der Herr Vertasser 
schildert als Aufreir/euce in geschickter und unterhaltender Weise den 
Vorlaut der vurjährigen grolsen Manöver in der Beauce, dann der Pariser 
Festnngs-llBnOver nnd der Flotten-Manörer. Obwdil das Werk nicht 
sowohl fftr den Fachmann als für das grofbe Publikum besthnmt ist, so 
wird dennoch auch der erstere demselben seine Anerkennung nicht ver- 
sagen, denn es giebt nicht allein eine vollkommene Übersicht Ubsv die 
gesammten Manöver, sondern der X'erfasser bekundet auch eine ptite 
militärische Beurteilungsgabe. (Er ist unseres Wissens Eeserve Dttiaier.) 
Das Werk kanu mehr als feuilietonistisches Interesse heanspruchuu. 1. 

Oigftnisatf om et serriee dm tntn» Fonctionnement des Services anxi- 
Uaires de Varmte. Par £. Girardon, eapitaine d*artillerie. Avec 
16 fignres et 42 planches horx texte. Paris— Nanqr 1895. Beiger- 
Leviault et Cie. Plrds 7,50 Fr. 

Dieses umfangreiche Werk ist die wörtliche Wiedergabe der für die 
Ausbildung der Train-Offiziere auf der Militärscbule zu Versailles ent- 
worfenen Vorträge (Cours special). Es beriilirt alle Fragen, welche für 
die Offiziere und Unternffiziere des Trains von Bedeutung sind: die Or- 
ganisation des Trains im i' ricden und im Kriege, die Gonvois in A^ka, 
die urregnllren Trains auf den Etuppenlinien, der Dienst dar Fuhr- 
kolonnen, der Lasareth^Anatalten, des Kassenwesens, der Feldpost nnd 
der Militär-Telegraphie. Eine Geschichte des Trainwesens, ferner ein 
Abrilli der Organisation und des Dienstes des deutschen Trains im Frieden 
und im Kriege vervollständigen diese ausgezeichnete Studie, zu deren 
besseren Verständnifs die zahlreiclicu Figuren den Anhangs beitragen. 
Für die genaue Kenntnifs der inneren Einrichtungen der iraozüsischeu 
Armee ist dieses Werk von groisem Werte. 8. 



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Umschau in der iülitör-Littoratar. 



247 



Anleitung zum Betrieb vou Planübungen der Unterführer in der 
Kompagnie, Eakftdron ete^ nebtt drei TollatKndig dnrchgefttlurten Bei- 
ipieleD TOB Brunn, Obent Beriin 1895. Liobd^Belie Buch- 
handlung. Preis gob. 2,50 IL 

Vorliegende Anleitung im Voran mit swei Eästehen Tmpponst^non 

ist eine wichtige Neuerung der sogenannten applikatorischen Lehrmethode, 
ein Kriegsspiel im Rahmen drr taktischen Einlioiten der drei Wnflfen. 
..Die Ausbildung der Uutertiüirer sagt der tierr Verfasser, „gewinnt 
gegenüber den sich stets steigernden Anforderungen in allen Dienstzweigen 
immer mehr an Bedeutung'^ Die Heranbildung von Fülirern, sagt die 
Folddienatordnung, itt eine der steten undfwidbtigBten Aufgaben der Tmppen- 
befeUshaber. Pndctische Bataddäge, irdehe den erfidurenm Truppen- 
fiihrer verraten, wird vor Allem der Kompagnie- besw. Eskadron- oder 
Batteriechef in dieser Anleitung finden. Die Trup])en8teinc sind in hand- 
licher Form und mafsstabsgereclit (1 : 8250) f^ci'eri'v^t, die gnifsercu Steine 
lassen durcb üire Farben die Kompagnie- (Eskadron-) Nimimer erkennen. 
Auch als lliltsmittel ftir die taktische Ausbildung jüngerer Offiziere wird 
sich das Werk mit seinen Truppensteinen gut benutien lassen. Wir können 
dsaoolbo nur wülkonunen beiAtan, da wir don Nutsen tiudicher HUftmittol 
suB eigener Erfidimng kennen gekmt baben. 4. 

Wie bildet man den Infanteristen im gefechtsmärsigen Einzel- 
schiefsen aus! Aus der Praxis bearbeitet von von der Mülbe, 
Pr. - Lieutenant. Berlin 1895. Liebol'sche Buchhandlung. Preis 
60 Pf. 

VerSuderungcn dienstlicher Vonohiiflen baben erfahrungsmäfsig das 
Erscheinen saUroeher Gelegenbeitssdiriften im Gefolge, welche dem 
Strecke dienen, den wertvollen Oehalt der enteren gewissennaften f&r den 

Trnppengebrauch in kleine Münze umzusetzen. Ahnliches erstrebt das 
vorliegende, 43 Seiten füllende Schriftchen. Vieles ist über das in Bede 
stehende Thema schon geschrieben worden, Gründlicheres und Befiseres 
nicht. Verfasser behandelt in der Einleitung Zweck ximl liedeutung des 
gefechtsmälsigen Einzelschiefsens, sodann die Vorausbildung, femer die 
Ausbildung in demselben. Benutauug des Qdftndes, geschickte Hand- 
babung der Waffe, EntfemungBscbfttzen, KenntniA der Trefiwahzseheinlkh- 
keit, Gebrauch der Visire, Flughöhen, Haltepunkte und H9lie der Ziele, 
Auswahl des Geländes, Leitung des Schief&ens, Anzug und Wetter, Auf- 
stellung und Instruktion der Ziele, Verabreden von Zeichen, Durchnehmen 
von Beispielen und u. A. werden ebenso sachgemäfs wie klar verständlich 
besprochen. Bei der hoben Bedeutung dieses Dienstzweiges kann man 
dieser praktisch veranlagten Schrift einen ausgedehnten Leserkreis nur 
wttnflchen. Sie verdient es. 4. 

Vfttorländische Gedichte. Für Schulen und Vereine, insbesondere zum 

Andenken an die glorreichen Erfolge des Krieges von 1870/71 und 
üüx die Kaiser-Gedenktage. Ausgewählt von Dr. £. Goebel, Direktor 



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248* 



ümidutu in der MÜHir-Litlentar. 



deB GymnioimiftBa Fnlda. Zireite Auflagei Verlag von J. P. Baeben 
in KKln. Fieb 1 M. 

Für die Beleliuiij; des vaterlSndischcn Sinnrs kann m. E. gamicht 
genug geschebeo. Einer dor mächtigsten Hebel in diesem Sinno ist ^^ alire 
Poesie, für wolclio die Herzen unserer Jugend, aber nicht minder der 
Alten, welche die ;ri()fße Zeit mitgemacht haben, immer noch höher 
schlagen. Diese 130 Gedichte, deren Verfasäer zu den edelsten Geistern 
tuueree VollEfls lihlttii — ieh nenne nur die Kamen GMbel, Ulilawl, 
Sehenkendorf^ Bodbttrt, Sinnoek, Arndt, fVeilignrtli, Höltjr, Bittefduma «. 
T. A. — aind ein walirer Sehati eebt vnteillfndiaeher Poeaie. A. 

Der Offizier. Ein Katgeher tiir den jungen Lieutenant von £L v. B. 
Berlin 1895. Liebersche Buchhandlung. Treis 80 Pf. 

Di(!8e nur 50 Seiten nillende Selu-ift führt, auf Grund reicher Er- 
fahrung und in nicht zu lehrhaftem Tone den jungen OtHzier iu das 
Weaennaaerai Standea em. Der Kriegerstand nnd die Heereaentwickeliing, 
der Offisier in IKenat, anAer IKeoat» ala Chriat, ab Eamend, in der 6e- 
aelbehaft, aind die hiei|Dait onlengbarem Takte behandeltMi Themata. Der 
junge OfBxier wird aieb aoa dieaer Ideinen Solirift manchen gnten Rat er- 
liolen können. 4. 

Ranglisten der kouigl. preufsischen Marine aus den Jahren 1848 
his 1864» Herausgegeben von dem Oberkommando der Maiioa 
Deaember 1898. Zweite Auflage. Beilin 1894. E. & Mittler & S. 

£a war ein glficklicher Gedanke, welcher den Anlaft gab mm Wieder 
abdrack dieser nnr den Wenigaten bekannten Bangliaten, die ea geatatten, 
den Bntwickelnngsgang unserer Marine, soweit es Personalien betrifti db 
ovo Z1I verfelgen. Im _An)miige" wird ein ..Abdruck der in dem vor- 
bezi'ichneten Zeiträume ers( hiencnen geschriebenen Listen der königlich 
preuisischen Marine" tür die .Jaiire 1854, 1855, 1857 nnd 1858 gegeben. 
Vielleicht wäre noch der Erwähnung wert gewesen, da& sich in den 
ilteren Bangliaten swei «Harine-Ofltemr* namhaft gemacht finden, so in 
der von 1818 (8. 188) beim ChmTemement Ton Stralaond der Kap. LengA 
und der Ph-Iit. Mnrck. Beide ündeu sich in der RangÜHto von 1889 
(S. 187) nnter der gesonderten Kubrik „Manne-Ofßziers'' beim Ingenieur- 
Korps eingeteilt, als Oberst Longe und (immer noch) Pr.-Lt. Mnrck; beide 
wurden 1815 aus schwedischen Diensten übernommen. Ohei-st Longe iial, 
als erster Seeoffizier in diesem Jalirhundert, 30 Jalu-e in preuisischen 
Diensten gestanden und war w&hrend dieaer Zeit als Autorität iu allen 
Angelegenhdten der Kriegamaiine anerkannt (man veigl. den Av&ata im 
DeaenbeiiMft 1892 der „Jahrbfleher**: Daa Jahr 1892 ala JnbilMnmqahr 
der kaiserlich dentachen Marine). 2. 

üniformenkunde. Lose Blätter zur Gistdiichte der Entwickelung der 
miliUuibcheu Tracht. Herausgegeben, gezeichnet uud mit kurzem 
Texte Tenehen von B. KndteL Band VI. Heft 4, 7 n.-8. Rathenow 
1895. M. Babenaen. Fkeia jeden Heftea 1^ IL 

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Umachau in der Militär - Litleratur. 



249 



Bift 4: Frankreieh: Kaiaagiide Napoleons IH. 1870: Grenadier 
md Yoltlgeiir iUdmlAdg; 1857: KfliMder vom 1. n. 2. Regt — Heeeen- 
DerttieUdt: Lelbgaide-B^ 1809. — Österreich -Ungarn: 1. u. 2. Frd- 
willigen Husaren-Regt., tJlancn-Regt. Graf Trani, 1862. — Schweden: 
Schwere Reiterei 1807. (Heft ö und 6 sind der „Leitung* nicht zu- 
gegangen.) Heft 7: Preufsen: Bosniak 1760. — Neapel: Das Heor des 
Königreichs beider Sizilien, FuJOstruppen, 1859. — Bayern: 1. Dragoner- 
B^giment 1807. — Sehweden: Linien-Idanterie. 180t. — Mexiko: 
IMe MtoircioUieh-ineiikAiueebe BVelwiUi^ 18U— 1867. Haft 8: 
Wfirttemberg: K. W. Begt Garde im Pfefde 1815; Leibgarde sa Pferde 
1860, — Kassau: 1. u. 2. Nass. Regt. 1809. — Neapel: Das Heer des 
Königs beider Sizilien. -— Reitende G^aide da Coipe. £lureiigaKde| Qarde- 
HuBar, Dxagoner (1. Begt) 1859. 4. 

OUbaeiito Haidt llii Wott AbW8ir «n BxHn Biid«1f Kntt» 
te TerftasM do» Bimebff« „QVbtMAi&B Blend** von Bdnard 
Goldbetk, Ident a. D. Berlin 1895. Fmriager. Fl«ui 1 It 

VHr baben unser Urteil Uber die Bndi des Hemi ft. Kratfl bereits 

im Septemberheft Nr. 288 dieser Jahrbücher kurz niedergelegt und glauben 
hierdurch diesem, von sozialistischen und dem Offizicrgeint durchaus frcmdon 
Anschauungen erfiillten Machwerk schon mehr Htviclitung geschenkt zu 
haben, als es verdient! In Erwägung indels. dalä Kn-ise, welche dem 
deutlichen Offizierkorps femer stehen, durch die Krafftsche Öchrii't in ihrem 
Urtril ftber dasselbe iiregeltttet werden kannten, ist es in bobem Grade 
ansnerkennen, wenn Liest Goldbeek es antemommen bat, die in Bede 
siebende Sehrift wie bier Punkt fbr Punkt su erSrtem und an widerlegen. 

Er bat das in einer dnrrlmiis grttndUchen, sacbgemärsen, dem echten 
Offiziergeist entsprechenden Wc^ise, — meiBt in schlafrender, o{\ j^eistreiclier 
Form durchgeführt, so dafs ihm die Zustiiiniumf,' aller Kameraden sicher 
sein kann! Auch die von ihm anerkannton Mangel unserer Institutionen 
können wir im Allgemeinen als zutreffend bezeichnen. Bei der äeiir milden 
Form, in-der dfo £ririderung gebalten ist, bewundern wir es, wie es dem 
Yttfiuser gegenttber einer sokben Sebiift mSgliob gewesen ist, rein sadi» 
lieh Su bl^benl Wenn er in diesem Sinn in der fiinleitung dem Autor 
die Aufrichtigkeit seiner Überzeugung zugesteht, so betrachten wir das 
sogar ah einen Akt hier vielleicht verschwendeter Höflichkeit, die inde(b 
dadiu-ch riclitig gestellt wird, dafs er (Seite 15) gegen den Geist protestirt, 
der dem p Krafil seine Kritik eingegeben hat, den Geist der stets verneint, 
um schliefslich zuzugestehen, dafs es sich bei ihm um einen planmäfsigeu 
AngrUF auf die Lutitniionen nnsenr Almee bandeltl Hieroiit bat unserer 
Anncbt naeb Goldbeek das eUein Buditige gefunden, was ftber diese dureh» 
sftts tendenziöse Schrift in sagen istl — Auch in einseinen Punkten htttten 
wir seine Zuiflekweisungen nnob etwas schärfer gewünscht, insbesondere, 
Wo es sich um die Auffassung von der Standesehre und traditionoller 
Eigentümlichkeiten unserer Armee bandelt, für welche p. Kraflt absolut 
kein Verständniis zu haben scheint! — Auch bezüglich der Behauptung 



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250 



UbuhIimi in der IfilUir-IiMmtiir. 



Kraflft's, dafs dor Dienst dos Lieutenants eine j^oisttötende Arbeit sei und 
ilim keine Anregung zum Denken ge])on könne, ist die Erwiderung eine 
keineswegs erschöpfende, jedenfalls nicht hinreichend, um die Entrüstung 
sn cbanktoririren, die jeder wohldenikende Offizier, angesichts der jetzigen 
Feier muierer Siege, über Torstehende XnAemiig empfinden mnfr! WoU 
bat YerfaMer sehr riditig hervoi^hoben, wie es An^sbe des ansbOdendea 
Offizien ist, sich näher mit der Individnalitftt der einzelnen Leute vertraut 
7.n machen, doc-h dürfte auch wold eine vornehmliche Aufgabe und An- 
regung des leitenden Offiziers darin bestehen, seine hühere Intelligenz auf 
die Metluxb' der Ausbildung zum Ausdruck zu bringen. Richtet er sein 
Augenmerk mit Liebe aut diesea Gegenstand, so wird er jedes Jahr, ja 
jeden Teg neue Bntdeekuugcu madien, wie und wodurch er seine Unter' 
gebenen sehneller nnd grttndlieher smn Zieje fthren kann! Vor allen 
Dingen mnftte aber auch hier betont werden, dafs eine Htterarische Be- 
schäftigung, speziell ein kriegsgeschichtlichos Studium fxir jeden Offiaier 
unerlafslich hleibt. will er nicht mit der ('hargc des Hauptmanns seine 
Laut balm abschlicfscn ! Dieses allein wird erst seiner Friedousthätigkeit 
die rechte Weihe und ihm die wahre Erkenntuifs des Notwendigen tur 
den Ernstfall gehen! Ein Offizier, der hierauf verzichtet, erschient wM 
dn Ant odw ein Jurist, der nach absolvirtem Examen jede FeeUittentnr 
Yersebmähen wollte! Endlieh scheint Lient Goldbeek auf Seite 4S ans* 
nahmsweise in denselben Fchbr zu verfallen wie sein Gegner, indem er, 
wahrscheinlich in Folge trüber Erfahrungen mit irgend einem sehr hefUgea 
Bataillons-Kommandeur, der durch sein Erscheinen Alles in Aufregung 
versetzt, — von diesem konkreten Fall RückHchliisse auf dif Allgemeinheit 
zieht. — Uns sind dagegen viele Fülle bekannt, wo sich Kompagnie-Chefs 
freuten, wenn ihre Vorgesetzten auf dem Übungsplat^s erschienen, um von 
ihnen ein Wort der Anerkennung au erfithrenl Hingt doch im Soldaten- 
leben so vieleo von den jeweOigen PersSnliehkeiten ab, so dab es niigend 
so oft wie hier hei6t: O, quae mutatio rerum! Aber nixgend wird auch 
so viel dafür gesorgt wie hier, dafs jene doch immer lauter EhrenmSnner sindl 
Doch abgesehen von vorstehenden, p^eringfögigen "Und nur ergänzenden 
Bemerkungen können wir der Schritt des Herrn Lieut. Goldbeck nur alle 
Anerkennung zollen und wollen sie daher allen denen wärmstens empfeblen, 
die es fiber sich gewonnen haben, die Broschüre des p. Krafilt bis zu Ende 
an lesen, gans besonders aber denen, deren gesunde Ansehauungen durch 
letatere soUten getrUbt worden seinl y. M. 



nL Seewesen. 

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. HeftVII: 
V on Tshitu nach Wusung. Aus dem lieisebericht S. M. S. „Alexandrine", 
Kommandant Kapt. z. 8. SehmMt — Hydrographische Notiaen tiber den 
Bb del Bey und den Old Calabar-Flub. Aus dem Baiseberidit S.M.& 
„Hyäne", Kommandant Kapt-Lient Badram. — Mitteilungen über die 



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Umschau in der Militär • Litteratur. 



251 



AflsegeihiQg einiger PlStee im Golf von Toaim (Gelebee) und der Ehede 
von Kdbnt (OeHrJm), Von Kapitüii P. Albrand, FOhrar der holttndisehen 

Bark „Clara". — Lage der Schiffe im Hafen von Iquiquc Von Knpt, 
J. Galule, Führer des Schiffes „Arethusa". — Esmeraldas (^Ecuador). Von 
Kapt. B. K. Schömaker, Führer des Schiffes Therese". — IJher Bedeutung 
und Verwertung der tätrlichen synoptischen Wetterkarten für den Xord- 
atlantischen Ozean. (Hierzu Tatel 8). — Die Strömungen in der Bucht 
▼OD BiBeaym. — Bericht Aber die achtsehnte anf der Dentadieii Seewarte 
im Winter 1894— -95 abgehaltene Konknrrens-PkrüAing von Ifarine-CSuono- 
netem. — Die Windstärke auf dem StiDen Oaean. (Hiemi Taföl 6 und 6 
im vorigen Heft). (Schhüs). — Üher den Khamsin im Golf von Tadjura. 

— Russische Untersuchungen im Marmara-Meer auf dem türkischen Dampfer 
„Selanik'" im Jnlirc 1894. Von J. i^pindlor. — Üher Gewittorliildunj; und 
labiles Gleichgewicht der Atnu)S]»liäre. Von Wilhelm von Ikv/old. — Kegen- 
£ftU an der Astrolabe-iiai und in Herbertfiköbe. — Dr. Johannes Kayser f. — 
IMe Wftterang an der deutsehen Ktlete im Monat Juli 1895. 

Haiine-Bimdaeba«. Heft 9: Die Notwendigfcdt regelreohter Leibes- 
flbangen fttr anaer Seedfinerkorps und BatsehUtge aar Dnrohftthmng der^ 
lelben. — Die Vorgeschichte von Wilhelmshaven. (Mit 2 Kartenskizzen). 

— Bericht des Kommandaiitoii S. M. Knbt. j^tis", Kaptlt. In^'^enolil über 
die Vorgänfre in Tnmsui. (Mit Skizze). — Ein Beitrag zum EaitVruunf,^»- 
sch/itzen aut Si c. Beitrag zur Frage des Kessel wassercrsatzea. — Die 
neuen Kreuzer 11. Kl. — Versuche mit Sf racbruhrleitungeu. 

MitteUnngen aus dem Gebiete des Beeweeeas. Sr. X: Der 

Kongreb der Naval Aichiteeta in Paris. — IMe Fortschritte im Schifb- 
panser- und Marine-ArtiUeriewesen des Jahres 1894, aus Bord BraaBey*8 
Naval Annnal 1894 übersetzt. — Bestimmung des Gefechtswertee von 

Schiffen — Die internationale Flottenrevue in Kiel. — Die engl Sclilacht- 
schirte II. und III. Kl. (.Mit Abbild.). — Stapellänfe. — Die neuen Ver- 
einigten Staaten-Schlaclit.schitie. — Aus treniden Kriegs-Marinen. — Doppel- 
türme für Kriegsschiffe. — Hydraulische oder elektrische Gescbützanlagen? 
Die neue tedinisehe Selttion fUr Schifibbantw beim Marine-Hinisterivm in 
Bnis, — Bndget der japanischen liarine ftkr 1895. 

Army and Nayy Gazette. Nr. 1855: Geschwindigkeit und Kohleo- 
daucr, ein beachtenswerter Artikel über das MiÜn^erliSltnifs heider Faktoren 
auf kleineren Kreuzern. — Der enj;!. Kreuzer „Bßi*™t''>'ita" hat von der 
kleinen vor Rio gelegenen Insel Trinidad Besitz ergriden, — Die eng- 
lischen Flottenumnöver. — Die Yalu-Schlacht, von Kapt. Mahan besprochen. 

— Verteilung der engl. Flotte. Hr. 1856: Adm. Akamatsu über die 
japannche Harineb — Die engL FlottenmanSver, auch etwas Uber die 
lUnSTer deq Torpedogesehwaders. Vr. 1857: Die engt FlottenmanSver, 
knrae Besprechung. — Geschütz des Amerikaners Mr. Latnlip. — Die 
Beserve in der engl. Marine. — Die berühmte Legende von der Weg- 
nalune der holländischen Flotte durch die Kavallerie Pichegru's ist durch 
eine der Akademie für Seewesen und Politik eingereichte Schrift eines 
Ms. Legrand wesentlich geändert — „Scouting in tbe Atlantic'' eine über- 



252 



Umschau ia der Militär-Iitterator. 



sichtliche Beschreibuog der Lösung der in den diesjährigen Flotten- 
mKaXtvun. den Adniinlflii gertdltea Angabe (Hit Katto). — Ir. 1858: 
Di« Lage in düns. — TielM ttber: „the fleet in beeing**. Vr. USft; 

Offiziersersatz der Marine am der HandelBmarioe. — Kreuzfahrten diM 
engl. Geschwaders in Ostasien. — Die Xavy-Estimates im Unterhause. 

Army and Navy Journal. Nr. 1669: Der amer. Marineminister hat 
die Schiffbauingenieure an 13ord geschickt; sie protestiren lebhaft. — 
Das Feldgeschütz der Vereinigten Staaten -Armee. — KoLanu£B-£r- 
£Khrangen. — In der amer. Marine werden Versttehe fiber besseren 
Verwundeteatransport an Bord der Kriegncfaiflb genuwlit. ~ Gute 
Abbtldang dnes Torpedobootes m. £L für den Krenser „Maine.** 
Nr. 1870: Amerikanische Panzerplatten. — Port Royal-TrockcndodL — 
Entwicklung der Naval militia. Nr. 1671: Das Rodman- Verfahren neu 
belobt, — Die neuen amerik. Schlachtschiffe erhalten nur 14 — 12 cm 
Öclinellfpuerpresch. statt 16. — Bycikles für Signaldienst (mit Abbild.). — 
Port Koyai-Trockondock. — Columbia-Untersuchung. Nr. 1672 : Die neue 
Flagge dor Vereinigten Staaten (mit Abbild.). — Adm. Belknap's Ansicht, 
ein aeharite Artikel gegen Enghud. — Der Paletot ab Zelt (mit AbbOd.> 
— Das Nord-Atlantik-Geeehwader. — Der Stand der Arbeit an den 
Kliegaaebiffen. — Vorschläge für neue Sclilachtschiff<\ 

Journal of the Royal United Seryice Institution. Konkurrenz- 
Rchrift för die goldene Medaille. Lehren, die sich aus den in früheren 
Kriegen ausgeführten Landungen Rir die Jetztzeit ziehen la^en. Von 
Kapt. J. Rose. — Uber Schiffsvcntilation als eine Abteilung der Schifia- 
Hygiene. Von J. Macdonald. — Eine sparsame Armee-B^onn. Von 
Kapt H. Mande. 

BBrw mtoMam et toloalale. (Augnat-Heft) Infloeaee de la 
puissance manÜme aur l^bistoire. Übersetzung des Mahan^schen Werkes. 
(Forts.) — Zusammenfassung der Ansichten der englischen Pre.sse über die 
Seetaktik nach der Yahi-Schlacht — Colima<;on de pointage, ein Apparat 
für hochpele^'ene Batterien, der automatisch die Hohenrichtnnp: durch Ein- 
visiren des Ziels angiebt Von Ii. de KerUlis, Lieut. z. See; ein tür Ar- 
tiUeriaten interoeoaater ArtilraL — Kranlcheiten der Seelente und Epidemien 
anf See, aowie Mittel, aie sn verhindern und an beltimpfeiL (Forte.) — 
Unter -Seefiacherei: Kabeljati&ng bei Ken-Fandhmd 1894; Vemicha- 
Stationen u. Fbcherelschulen in Non^-egen. Ubersicht über Fischfang u. 
Aiistcmkultur im Juni 1895. (Se p t ombe r- Heft.) IJber die Zweck- 
mSlsigkeit einer methodischen Reorganisation des Seewesens. — Die See- 
leute der Garde, 1813—1815. Von E. Borrtaud, Lieut. z. See. — Über 
die Stabiiitat kleiner Schiffe in schwerer See. — Statistik der Schiffbrüche 
und anderer SehiffmnftUe rar See im Jahre 1898. Studie ttber daa 
Oeaeta der Stürme. — Üntar-Seefiaeheni: Laehaanefat, Sardinen an der 
Kfiste von Porto, Kabeljan&ng in Island ete. 

Riyista Marittima. August — September 1895. „Side by sida** 
Artikel über die Aufnalimc des italienischen Gesclnvadcrs in Portsmoiith. — 
Die mechanische Anwendung der Elektriüt&t auf Kriegsschifien (U. TeiL). 



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UmMhaii in der Bf ffitf r"Ltttwrfttwr. 



253 



— Die Sportsschifffalirt. (Forts.) Mit intercssiinten Abbildunfjfn alter 
Yachts. — Beitrag zur rationellen Lösung des ballistischen ProhK iiis. — 
Der Gesetzentwurf für die Ilaudelämarino. — Die militärisclio Lage im 
IGttelmeer. — Veiteiliing der Üiliaibebeii Rotte. — SupplcmentlMiid: 
Die hydnralifcbe Eesselprobe. 

Monkol Sbonifk. (Rnanadier Marineeammler.) Hr. 8: Offisieller 
Teil: Verordnung über die Taucher-Schule. Etat des Stamms der 
Tauclicr-8( luile, — Nachrichten Uber die in ausländischen Gewässern bo- 
findlichcn Kriegsfabrzeuge. — Nicbtoffizieller Teil: Aus Anlafs der 
"Vergleiche der englisclien Flotte mit den vereinigten Flotten Frankreichs 
und Kufslands. (AuHzug»weise Ubers, aus „Naval Aiinual for 1895.") — 
Haapt-Typea der Dampf-Uechaiufimeii und -Keesel anf den SdhifliBn der 
eni^teehen Flotte. — 0ie Luftpumpe bei ScbUb-Haacliinen. — Anwendung 
der Elektriatlt anf KriegBachiffsn. — Intamationale Beadnunnngen zur 
Vermeidung von Schiffs-Zusanimenstöfsen auf dem Meere. — Der Golf- 
KtroTT». Nr. 9: Offizieller Teil: Verordnutig über See-Prisen. — Nach- 
richten iilier die Kriegsschiffe in auslündischeii Gewässern; die bisher zum 
Geschwader im Stillen Ozean gehörigen Kreuzer „Ryiuia" und „Kasboinik" 
sind Anfang September, auf der Kückrcise nach Kronstadt, von Batavia 
nach Aden abgegangen; die Toipedoboeto „UMnri** nnd „Srangari", bitber 
in Wladtwoetok, haben das Geschwader verstärkt — Niehtoffisieller 
Teil: Der Seekrieg Japans mit China; (anf Grund von an Ort und Stelle 
gesammelten Nachrichten) von Lieutenant Nebolssin. — Daa englische 
Marine-Budget 1895/96. — Die Bedeutung ökonomischer Heizung fiir 
Schnell-Dampfer. — Anwendung der Flektrizitfit für die Bewegung der 
Türme auf Kriegsschiffen. - Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit eines 
Schiffes auf Grund der von ihm hervorgebrachten Wellen. — Die untere 
Bosponis-StrSmnng. — Graf Ehrenswird, Genersl-Admiial der schwedischen 
Flotte. 



Bflcher. 

Lea «rmemeiits iftarltiiiiw, conn profess^ k Teoole snp^rienre de eom- 
meice de IfaneOle et mis en harmonle avec les programmes dfidels 

des examens de la marine marchande par Claude Champenois, 
eapt Paris 1895. Berger-Levraalt et Co. Preis 10 Free. 

Das Werk bietet in zwei handlichen Binden in übersichtlich ge- 
ordnetem Texte und vielen Illustrationen das ganze für einen Kapitän der 
französischen Kandelsmariiie nötitre "Wissen. Den ersten Band kann man 
als einen Leitfaden tllr Schiti Ikiii, Seemannschart und Maschinenkunde be- 
zeichnen, w&hrend der zweite Band das Uandelsschiff als solches, die Be- 
sntsnng nnd die Rechte nnd Pflichten des Kapitäns nun Gegenstend hat 

Wm besitsen anf unseren NaTigationssehnlen kein derartiges, alle 
UntemchtsgegenstKnde nm&SBendes Buch. Jedes Fach hat vielmehr sein 
tigenes Lefarbneb, ans welchen noch vielfiich den Schülern diktirt wirdi 



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254 



Umschau in dar lOtttir'LitteratuT. 



so dafii diese mit Vortragsheften belastet ihren Lebensweg wateigehen 
müssen. Der Wert des vorliegenden Baches liegt darin, dafii es die guute 
Materie zusammenfaCst und so nicht nur Lehrern urul .'^oliUlcm einen be- 
quemen Leitfaden, sondern aticli Steoerleaten und Scliift'cm ein erwünschtes 

Vademecum bietet. Wir betrachten es deshall) nicht nur als eine wert- 
volle Bereicherung der uautischen Litteratur, souderu wünschen ihm vor 
allen, dnfH es auch in deutschen seemännischen Kreisen die nötige Be- 
achtung tiuden müge. 19. 

The Coamand of the Sea. B7 Spencer Wilkilison. Westminster, A. 
Consteble&G^. 1894. 

Das interessant geschriebene Buch verfolgt den Zweck, den brittlschen 
Steuerzahler und das Parlament darauf hinzuweisen, dafs eine bedeutende 
Vermehrung dor llottp stattfinden mufs, wenn England seine wcltgehiotende 
Stellung zur See heibt'haken will. Als Beweis für den Wert der Flotte 
weist er darauf liin, dafs in diesem Jahrhundert zwei Kriege, der Krieg 
gegen Dänemark 1848 und der amerikanische Krieg 1862 — 64, aus- 
schlie&Iioh durch die Flotten, und swar ohne daA ein eigentlicher Kampf 
rar See stattgefunden habe, entschieden seien. Es ist dem Ver£user somit 
unbekannt, dafs der orstere nicht durch Kriegsaktionen, sondern lediglich 
durch politisehe Verhältnisse beendet ist. Richtig hingegen ist es, wenn 
der Verfasser sagt, dals England am Ende des Krieges 1815 unbestritten 
die allcinigi: Herrschaft zur See behaujitet liabe, dafs sich aber die Ver- 
hältnisse seit dieser Zeit wcsentlicli geiindort haben. Staaten, die früher 
nur einen geographischen Begriff ausdrückten, wie Deutschland und Italien, 
sind zu Grolsmächten herangewachsen, und Frankreich besitzt in seiner 
Flotte einen mJichtigen Faktor im Kriege znr See. Eäne Bekämpfung 
dieser und Sehata fftr die Kolonien kann nur durch Vernichtiing derselben 
im Mittelländischen Heere stettfinden. Ein Veiglcich des Stärkoverhält- 
nisses der englischen Flotte rar französischen zeigt aber, dafs sie bei 
Weitem nicht im Stnnde ist, die letztere zu bekämpfen und gleichzeitig die 
Kolonien und den Uandel zu schützen. Hieraus wird die Notwendigkeit 
der Flotten- Vergrößerung gefolgert. 10. 

Tke Braln of tlie Kary, Spencer Wilkinaon. Wesüniiister, Oon- 
■tabla&Cp. 189ft. 

Das „Hiiii der Ftotte" nannt der Verfiuser die Sehrift, üb eine Art 

von Ergänzung sn der voiher erwähnten bildet. Er begannt wie^demm 
mit einer Mahnung an das engliche Volk und seine Vertreter im Par- 
lament, über die Bekämpfung der Gegenpartei nicht das Vaterland zu 
vergessen. Gegenwärtig sei das Notwendigste, daran zu denken, wie man 
die englische Flotte leistungsfähig machen könne. Mit dem jetzigen 
Kabinetssystem, wo die ganze Admiralität vom Premier-Minister aus der- 
selben politischen Partei enuurnt wucd, sei das ein Ding der Umndglieh- 
keit. Das Ideal der Flettea^Verwaltong wäre eine Organisation wie die 



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Umaoliatt In der IfOitfr-Littentar. 



255 



des prenftaBcheii Heeres unter Mol&e «k Chef dee Stabes. Der Ver- 
fasser entAiidrft nun einen Plan fOr die Gestaltung eines englischen Marine- 
Ministeriums nach difPfim Mnster, wonach dasselbe in drei Haupt- und 
verschiedene Unter-Alitciiungen eingeteilt werden müsse. Aiifserdem müsse 
da.s Zusararoenwirken von Flotte und Heer sicher f^restellt werden, letzteres 
sei über den ganzen Erdball verzettelt, und küuue daher nur ürtliche 
Venrendimg finden. Zorn SeUnlii klagt der Veriasser noch Aber die 
Sdnrielie der gegenwSrtagen answCrtigen Politik, gegenttlier den anderen 
OroArnttohten. 10. 



If . Tenetehnife to snr Bespreeliviig eingegangenen Bteher. 

h Matebele und Ckitnl eamiiaigiii. The Hülm Mtenatie 
gm. In aetloD. London 1895. Preis lab. 

2. No<;ues de Artilharia, por J. U. Moreira Gnimaräes, capitäo de 
artaham. Berlin, em 1895. W. H. KftM. 

3. (xläuzendes Elend? Ein Wort der Abwehr an Herrn R. 
Krairty den Verfasser der Broschüre „Glänzendes Elend*'. Von Eduard 
Gbldbeck, Lieutenant a. D. 3. Auflage. Berlin 1895. Fassinger. Preis 1 M. 

4. General-Major v.Steruegg^*s Schlachteuatlas des neunzehnten 
Jahrhunderts, vom Jahre 1828 — 1885. Plane aller wichtigeren Schlachten, 
Gelechte , Treffen und Belagerungen Lieferung 42 — 46. Preis einer 
Idefemng für Subskribenten 2,60 H., Nichtsabecribenten das Doppelte. 
Xteipzig, Wien, Iglau. P. Blaerie. 

5. Zum Gedäfhtnifs des grofsen Krieges. Rede bei der Kriegs- 
£rinnerungBteier der Königl. Friedrich- Wilhelms-Universität zu Berlin am 
19. Jnfi 1895 gebahien von Heinrieh von Treitsehhe. Leipzig 1895. 
Verlag von & HimL Preis 60 Pf. 

6. üniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Kntwickelung 
der militlü-ischeu Tracht Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem 
Texte versehen von B. KnOtel Band VI. Heft 7 nnd 8. Pkeis je 1,20. 
Badwnow 1895. H. Babenaen. 

7. Les uniformes de i'armee fran^aise depuis 1690 jusqu'a nos 
jours. Texte et dessins par le doctenr Lienbart et Renä Humbert. 
1** livTaison. Pre» 2 fres. = 1,60 H. Leipzig. M. Buhl, Mitenr. 

8. Germania! WalzeHied für das deutsche Volk von W. Matthias, 
ftbr eine öiugbuuuau und Klavier komponirt von Max Krause. Preis 1,20 M. 
Berlin. B. Thiele. 



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256 



Ümadiau in der MUitär-Litteratur. 



9. TafiDlm svr Befeelmaiig desH5k«n«iLtoraehledM ans gegebener 
horisontaler Entfernuxig und gmieaBeneni HSbenwinkeL Ffir Ent&nuuagan 
bis 400 m und Htthenwinkel bis 25 (alte Teilung des Quadranten), von 
F. Hammer. Stattgart 1885. J. B. Metalerscher Verlag. Preis 1 H. 

MI» Wlsnar. Eine brennende Frage. Yon H. Frobenins, Oberst- 
Ueolenant a. D. WiBmar 1806. HinatorlTfiche HoflmcUhandlnng. Freie 
50 Ffg. 

U. Fireks Taschenkaleiider für das Ueer. 19. Jahrgang. 1896, 
Betlin. Verleg von A. Belli. Freb 4 M. 



1 



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Die Stäxke des preufsischen Heeres bei Ausbruch 
das siebeiqfthrigen Krieges. 

Tob 



Friedrich der Grofse hat in seinem Politischen Testament vom 
Jahre 1752 den Wunsch ausgesprochen, seine Armee von 136000 auf 
180000 Mann bringen zu können. Er hielt ein so starkes Heer für 
nötig, damit Preufsen seinen feindlichen Nachbarn widerstehen könne. 
Nach der Darstellung von Max Lehmann in seinem vielbesprochenen 
Buche über den Ursprung des siebenjährigen Krieges^) hatte Friedrich 
im S<»iimer 1756 sein militärisches Programm nahezu verwirklicht 
und Mine Aimee auf amiMhsnid 180000 Mann Teniftrkt. Dies bfldel 
emee der Tereobiedenen Argnmente, die Lehmann t&r seine AnffiMwmg 
geltend madit, dab FHedriöh ans eigenem Antriebe den Krieg begonnen 
habe, um seine lang gehegten ErobemngBplIne zar Ansfiihrung m brin- 
gen. Dagegen bernffiart Reinhold Koser die Stärke des prenlsischen 
Heeres aom Sohlu& der Eriedensseit auf nur 150000 MÜm*). Man 
sieht Bolinrt, von irelcher Bedentong diese Differenz tOx die Streit- 
firage nach dem Ursprung des siebenjährigen Krieges ist. Hat Koser 
Recht, blieb die Armee noch um 30000 Mann hinter der Zahl zurück, 
die Preuisen nach des Königs Urteil zu seiner militttriachen Sicher- 
heit brauchte, so ist der Anschauung Lehmann's yom Ursprung des 
Krieges eine wichtige Stütze entzogen. Denn es ist doch überaus 
unwahrscheinlich, dafs Friedrich sich freiwillig in den gefahrvollen 
Krieg gegen Österreich, Sachsen und Rufsland gestürzt haben sollte, 
bevor er seine militärischen Vorbereitungen in dem als notwendig 
bezeichneten Uuiiang getroffen hatte. Wer zu dem voraussichtUch 
noch lange fortdauernden Streite der Meinungen über die Ursachen 
des Krieges Stellung nehmen will, der wird auch die Frage erörtern 

*) M. Lehmann, Friedrich der Grofse und der Ursprung des siebenjährigen 
Krieges, Leipxig 1^, 8. 6. Vgl: Göttiagische Gelehrte Anzeigen 1895 Nr. 2 

s. loe. 

Forschungen zur Brandenburg, und Preols. Geschichte VU, 547. 
Jrtrtmw tu a» Ow H wl w Ahm» wai jUOm», MM. S. ]g 

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258 



Die Btlike im pfwifthchm Haaras 



mUflsen, wieviel Trappen dem König im Jahre 1756 zur Verfügung 

Lehmann's Behauptung gründet ddi auf fcdgende Bereoihnung. 

Zwei Listen aus den Jahren 1747 und 1755 geben 133824 und 
130088 Mann an. Jede Kompagnie hatte eine Anzahl Ton IjBUten, 
die zur Ausfüllung etwa eintretender Lücken dienten, sogenannte 
Oherkomplette, zusammen 9000 Mann. Diese vermehrte der König 
um mehr als das Doppelte; aufserdem errichtete er ein neues Feld- 
regiment und zehn neue Garnisoubatailloue. 

Koser stützt sich auf die Überlieferung des Königs im Politischen 
Testament, wonarli die Armee 1752 135600 Mann zählte, und auf 
einige Listen aus dem Anfang der fünfziger Jahre, die mit der An- 
gabe Friedrich's um einige tausend Manu ditleriren, die sie teils mehr 
teils weniger haben. Hierzu rechnet Koser die vor dem Kriege er- 
folgton Verstärkungen in einer Höhe von 18580 Mann mit Berufung 
auf eine Angabe in dem OenenJatabsweric über den siebenjährigen 
Krieg'). So etgiebt siidi ab Endsumme ungefiibr 150000 Mann*). 

Keine der beiden Bereehnungsii kann ToUstladig befidedigen; sie 
tSmd SB aUgemeia gehalten und gehen m wenig auf die Eänselheiten 
ein. Aua Koaer^s IhurtteUung tritt nicht hervor, wieviel die Ober* 
kompletten ansniadbten, wie die Höbe der Augmentation berechnet 
ist, ob auflh die Kichtkombattanten» Feldsefaeerer und Uhterstab mit 
embegriffen sind, oder nicht. Lehmann irrt in der Berechnung der 
Oberkompletten, die viel zu hoch angenommen sind, wie ich unten nach- 
weisen werde. Überhaupt kann ein so tammarisohee Verfahren bei den 
vielen Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der Begimenter und 
in der Art ihrer Augmentation nicht zu einem sicheren Ergebniis 
fuhren. Hierzu bedarf os einer genauen Einzelberechnung. Die 
Stiirke der vorhandenen Kegimenter, die Zahl der L berkompietten, 
die Höhe der Augmentation mufs im einzelnen festgestellt werden. 
Als Hilfsmittel kihiiiyn dabei die Etatsangaben dienen, die in der 
„Öamndung ungedruckter Nachrichten"') erhalten sind und die sich, 
soweit eine Kontrolle überhaupt möglich ist, durchschnitthch al« zu- 
verlässig erwiesen haben. Zur Prüfung und Ergänzung sind Listen 
in iiegimentstagebüchem und in den soweit zurückreichenden, mit 

*) Geschichte des siebenjährigen Krieges, baarbaitat VOD den Offiataran 

dee grofsen GeneraLstabs, Berlin 1824, I S. 19. 

^) Nach dem Generalstabswork betrug die Armee 1756 155 164 Mann. Bei 
dieser Gelegenheit will ich nicht unterlassen, vor Benutzung der St&rkeaogaben 
Tempelhofifs zu warnen. Sie sind in der Mehrzahl ÜEdsch. 

*) aammbrog ungedraekter Nadiriditen, so die FaldzQge der Praol^ von 
1740-1770 arlanters, V, 410. Draadaa 1786. Gitiit & a. N. 



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bei Ausbruch deB siebenjährigen Kiieges. 



259 



aiduTaliBdiem Material gearbeifeetan Regüuentsgescblclitaa lioraii- 
znzieheiL Aiudi das wichtige Stbrkeyeraeiohiiilk der preufUeeheii 
Aimee Yom Jahre 1759 in der genannten Sanunlimg nngednaekter 
Naehxiehtai, der „Versnch und Anazng einer Geeohichto der preuioBdiai 
Aimee*' yom Hersog ran BnHinecfaweig-Bereni^)^ d«r „Fdd-Etat von 
dar erateniAimee des Königs vom 7. Juli 1756**^ und der ^Etat des 
Schwerinsclien Armee-Korps'^ vom 1. Oktober 1756*) geben maonig^ 
fache Aufschlüsse. Die Anfatellnng nach diesen Quellen ist freilich 
komplizirt, und zuweilen muTs an die Stelle sicherer Überlieferung 
QDgefähre Schätzung treten. Solange es aber nicht gelingt^ ToUständag 
insreicbende Etatslisten aus den ArchiTon beizubiingen, mttnen wir 
ims in dieser Weise behelfen. 

Die Armee zahlte 1755 an Infanterie: ein Bataillon Leibs^arde, 
zwei Bataillone Garde, ein Bataillon Grenadier Garde, 29 Grenadier- 
bataülone*), 44 Regimenter Musketiere und Fiiseliere zu zwei 
Bataillonen, ein Musketierregiment zu drei Bataillonen (Anhalt), 
acht Gamisonregimenter und vier Garnisonbataillone, fünf ost- 
fiiesischo Garnisonkompagnien und zwei Kompagnien Fulsjäger. 
Die Artillerie bestand aus zwei Feldbataillonen und acht Garnison- 
kompagnien nebst dem Artillerie - Unterstab; dazu kommen noch 
ein Regiment Pioniere und das Ingenieurkorps. Die Kavallerie bestand 
aus einer Edcadnm Garde da Corps, 12 Regimentern oder 60 Eska- 
dions Enrasiiere, 13 Regimentern oder 70 Eskadrons Dragoner^), 
acht Regimentern oder 80 Eskadrons Husaren. 

Aniberdem gab es noch 4 Land- oder nene Ganusonregimeiitcr, 
die im FVieden beurlaubt waren und nur aar Zeit der Bevue susammen,- 
trateUt und das aus acht Invalidenkompagnien bestehende nene 
Qarmsonregiment Ahlimb^. 

Die Stärke dieser Armee nach dem sogenaonten alten Etat vor 
den 1755 und 1756 erfolgten Augmentationen eigiebt sioh ans naeh» 
stehender Bevedmung: 

^) Märkische Forschungen Bd. 19. — ^) v. Schöning, Historisch - biograr 
phisdie Htehriohten zur Oenshiehte der Brandenbnigiseh-PreabiBchen Artillerie^ 
Berlin 1844, U, 907. — >) Ebda. S. 317. 

*) Die Grenadier Garde und ftlnf andere Grcnadiorhatailloric bestanden 
schon im Frieden. Die flbrijrfn (ironadiorbatailloue wurden erst bei der Mobil- 
machung durch Vereinigung der üreaadierkumpaguien der Infanterieregimenter 
gebildet. Sie sind hier berdte getrennt aufgeführt, wie es in den erhattenen 
State za geschehen pflegt 

Zwei Regimenter hatten je 10, die anderen je 5 Eskadrons. 

*-^) Zur Armee gehörten auch das Invalidenkorp? und das KadettenkOK2>8 in 
Berlin, äie kommen hier ebensowenig in Betraclit wie die Kneciite. 

18' j 



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260 Stärlm Öm preu&iBcbeD Heeres 



Infanterie. 





ui 

IbMMteftM 










829 


79 


8 


916 






oU 




14oO 


1 Bat. Grenadier Qarde . . . 


663 


40 


11 


714 




10S78 


1160 


116 


181S4 




68080 


3520 


748 


62948 




1980 


120 


oo 


2122 


20 Bat. Garnison 


13100 


800 


156 


14066 


Ostiries. Garnison-Kompagnien 


656 


40 


5 


700 




soo 




2 


902 


1 Ö3817 


5839 


1092 1 


100748 



Zur Erläuterung dieser Tabelle mögen folgende Bemerkungen 
dienen. 

Die Zahlen für die Gardebataillone sind den erhaltenen Etats 
entnommen'). Das Leibbataillon gab seine Grenadierkompa^ie nicht 
ab, woraus sich der verhältiiiismäfsig hohe Bestand des Bataillons 
erklärt Die Musketier- und Füselierregimenter zu zwei Bataillonen 
k ftnf Kompagnien liatlen: 42 Offiziere, 100 Unteroffiziere, B8 Spiel- 
leote, 1140 Gemeine, 80 Überkompiette^ 17 FeLdacheerer nnd Unter- 
itab, zusammen 1417 Mann. Das Grenadierbotaillon zu vier Kom- 
pagnien hatte 18 Offiaere, 36 Unteroffiziere, 20 Spielleate, 28 Zimmer- 
lente, 480 Gemeine, 40 Überkomplette, 4 Feldaeheerer, zosammen 
638 Mann. Diese Angabe der S. u. N. findet überall Beetitigang. 
Eine Vencbiedenhelt besteht allun hinsichtlich der Zimmerleute. 
Einige Etats geben nur 7 Zimmerleute bei den Grenadierbataillonen, 
dagegen 14 bei den Musketierregimentem an. Der Unterschied ist 
für die Gesammtsumme nur unbedeutend. 

Die Stärke der Gamisonrefrimenter ist nach der S. u. N. be- 
rrchnet. Ein Bntaillon zählte 20 Offiziere, 50 Unteroffiziere, 15 Spiel- 
leute, 570 Gemeine, 40 Überkomplette, 5 Feldscheerer, zusammen 
700 Mann. Autfaliender Weise sind beim Ref^ment nur Feldscheerer, 
dagegen kein Unterstab angegeben ; entsprechend dem Un^erstab der 
Feldregimenter ist er in der obigen Übersicht zu je sieben Mann an- 
genommen. 

Die fünf üstfriesischeii Gamisonkompagnien in Emden und Aurich 
sind analog den aus füul Kompagnien bestehenden Garnisonbatailloucu 

Vgl. V. Reinhard, Geschichte der Preufsischen Garde-Regimenter zu 
Fufs, Potsdam 1868. Die Angaben der S. u. N. stimmen mit den Etats 
aberein. 



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bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges. 



261 



m 695 Mann und 5 Feldseheorar angesetzt. Zirai Eompagnien FoIb- 
jäger zäUten 300 Mm^). 

Die Berechnung der Artillerie bereitet eiiiij^o Schwierigkeiten. 
Mit Hilfe eines bei Schöning abgedruckten Etats vom Jahre 1748*) 
Iftlst sich die Stärke der beiden Feldbataillone und der damals be- 
stdiendeiif&iifOariUMiikompagnien enmUahu Daa erste Bafeanionbatte 
786 Mann und 7 Feldscheerer, das zweite 764 Hann und 10 Feldscbeerer, 
beide znsammen 1567 Mann. Die Oaimscmkompagmen zfthlten 510Mann. 
In den nächsten Jahren erfolgten Verst&rknngen dnrch Bfldnng von 
drei neuen 6ani]8onkom|iagmen und Veimehning der alten. Ak 
Bestand der Artülerie tdx 1756 bei Beginn des Krieges giebt SdiQmng 
ohne nflhere Spezifikation 8488 Mann an (2028 Feld-, 1400 Garaison- 
artillerie). In di^e Siunme ist jedenfalls der Artillerie-Untorstab 
einbegriffen, zu dem das ganze technisclio Personal und die Ponton- 
niere gehörton. Die in das Jahr 1756 fallende Verstärkung betrog 
ungefähr 170 Mann 3), sodafs wir für 1755 die Artillerie insgesammt 
zu 3258 Mann ansetzen können. 

UnsiGfaer bleibt audi die Stärke dee Pionier-Regiments. Es um- 
fsSstQ 10 Kompagnien Pioniere und zwei Kompagnien Mineure. Als 
einzigen Anhaltspunkt haben wir in dem Etat vom 1. Oktober 1756 
die Stärke eines Bataillons zu 717 Mann ohne Feldsoheerer und 
ünterstab. Ein Teil der Offizierstellen wurde von den Ingenieur- 
Offizieren ausp^efüllt. Die Mineurkompa^ien waren nnsoheinend 
schwach*). Wir werden daher das j^anze Regiment zu höchstens 1700 
ansetzen düifen. Das Ingenieurkorps bestand aus 45 OfEizieren. 

Somit erhalten wir für Artillerif, Pionioro und Ingenieure ins- 
gesammt 5003 Mann. Eine Untor*^cheiilung nach Üftizieren und Mann- 
schaften, Uberkoinpletten und Untorstab ist bei den unzureichenden 
Nachrichten für diese Truppenteile nicht mögUch. 

Wenden wir uns zur KaTallerie. 



1) V. Rentzell, Oeschichto des Osrde^Bger-BataUbns 1744-1894, Berlin 
18M. — >) a. a. 0. Bd. I, S. 467. 

Die Ol Kompagnien des ersten Bataillons erliieltcn je 10 Mann Ver- 
stüLrkung. Die Schweidnitzer (ramisoo wurde um 63 Mann, die Coseler ungefähr 

um die gleiche Zahl erholit. 

«) Anfang 1769 zählten sie 246 Mann. 



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269 Die flIAriDe des preofliMlMo Beepei 





fIMataM 
IbBMdMftiB 


ül»er- 


Pahnen- 
•ekattd« 


ood 


tiamm« 


1 EbL Garde da Corng . . 


163 


15 


1 


1 


180 


12 Reg. Kürassiere .... 


9132 


720 


120 


216 


10188 


10 Reg. Dragoner a 5 Esk. 


7740 


600 


50 


110 


8500 


2 Bog. Dragoikcr k 10 Esk. 


9078 


240 


20 


32 


3370 




9168 




80 


128 


9876 




60 








60 


Fekyilgerkorps 


175 






1 


176 




29616 


1675 


271 1 488 


31800 



Znm Bdfig oUger Zahlen ad folgendes bemerkt 
Die Eskadron Garde da Goip« hatte 13 'Offizierei 14 Unter- 
offiziere, 4 Spielleute, 132 Gemeine, 15 Überkomplette, 1 Fddecheer, 

I Fahnenschmied, zusammen 180 Mann'). 

Ein Kürassierregimait hatte 30 Offiziere, fiO Unteroffiziere, 

II Spielleute, 660 Gemeine, 60 Überkomplette, 10 Fahnenschmiede, 
18 Fcldschoerer und Unterstab, zusammen 84!) Mann*). Das Dra^^oner- 
regimcnt zu fünf Eskadrons hatte Oftiziere, 60 Unteroffiziere, 
22 Spielleute, 660 Gemeine, 60 Überkomplotte, 5 Fahnensclimiede, 
11 Feldscheerer und Unterstab, zusammen 850 Mann''). Das Regiment 
zu 10 Eskadrons hatte 62 Offiziere, 120 Unteroffiziere, 37 Spielleute, 
1320 Gemeine, 120 Überkomplette, 10 Fahnenschmiede, 16 Feld- 
scheerer und Uuterstab, zusammen 1685 Mann*). 

Das Husarenregiment zählte 36 Offiziere, 80 Unterofüziore 
10 Spielleute, 1020 Gemeine, 10 Fahnenschmiede, 16 Feldscheerer 
und Untanrtab, zmammen 1172 lAann>)k Dem Begiment Bneech 
irar der 60 Mann starke, mit Lausen bewaffiiete Trupp Bosniaken 
beigegeben. 

Das Fddjigerkorps bestand ans zwei Bittmeistem, sechs Ober- 
jlgem, 167 Fel4iägeni und einem Feldscheer^ 

IMe Gesammtsumme für Infanterie, Artillerie und Kavallerie be- 
trägt nadi obiger Aufteilung 137801 Mann, ebne Feldscheerer und 



\'. Schöning, Geechichte des RegimMita Gftrde du Corps, Berlin 1840L 

Ebenso S. u. N. 

*) S, u. N.; nach anderen lü ISpieileute. — ^ S. u. N. Andere Etats 
zeigen geringe AlnRreiohungen, so 15 oder 19 SpieUeotew — 8. a. N. — 

*) In der u X. -ii d irrtümlich 6 Mann Unterstab fortgelassen. Die An- 
gabe, dafs ;r,irh ;-:(lj(.n 7u dir-scr '/eit 8 Ülierkomplettc pro Eskadron, also 
80 pro Regmient vorhanden gewissen sein, scheint nicht richtig zu sein. 

*) 0. üeym, Die Geschichte des Reitenden Feldjfigerkorps w&hrend der 
«nt« 00 Jahre seiziM Bestehens, Berlia 18B0. 



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fjnkmtah an 136000 llaitn. ESngaredunt aiiid die ÜberiRnflotM 
der In&iitsEie und Kavillerie, zHWMninwn 7414 Maimi^i Da «imge 

Ansätze, aus denen di6M Zahlen gewonnen sind, nur auf Sohliteiii^ 
beruhen, andere nicht ganz einwandfrei sind, so kann das gewonnen^ 
Resultat nicht auf absolute Richtigkeit Anspruch erheben. Sehr groft 
wird der Fehler indes nicht sein, weil die hauptsächlichsten Faktoren 
keinem Zweifel unterliegen. Auch stimmt das Ergebnifs sehr gut mit 
der Überlieferung: überein. König Friedrich piebt für 1752 an 135600 
Mann 2), eine Liste vom November 1755 mit Hinzurechnung von zwei 
neu geschaffenen Gamisonbataillonen 136988 Mann. Es ist leicht 
möglich, dafs die ostfriesi sehen Gamisonkompagnien in diese Zahlen 
nicht einbegriffen sind, wie dies zuweilen der Fall ist'). 

Zu berücksichtigen sind nocli die Land- oder neuen Gamison- 
legimenter. Es gab vier, zwei in Berlin und Stettin in einer Stärke 
von je sieben Kompanien, zwei in Magdeburg und Königsberg zu je 
Tier Kompagnien, jede Kompagnie ifthlle 215 Mann imd eineu Feld- 
Bciheer*). AnUberdem war noch das sogenannte neue Gamisomegiäient 
Ahlimb TorhandeH, das ans aoht in den alten Phmnaen tefBtre n hMi 
Iiifalideiikompagnien gebildet wnrde, etwa 800 Blann stark; Die Höhe 
aller dieser Trappen belief sioh somit auf j>552 Hann. Sie be- 
standen zum grölsten Teil aus niobt mehr recht tangUchen aals* 
gedienten Leuten, ja geradeia aus Veteranen; anch fehlte ihnen 
TtelÜBch die notwendige AoarBStong. Im Frieden wurden die Regimenter 
nnr zur Zeit der Revue zusammenberufen, in den fibrigen Monaten 
waxem sie beurlaubt Sie können daher kanm som stehenden Heere 
gerechnet werden. 

Das für den kleinen Staat im Verjjleieh zu anderen Mächten 
übergrofse Heer genügte König Friedrich noch nicht: y,Le militaire 
est respectable, mais il n'est pas assez nombreux, pour resister aux 
enncniis. qui nous environnent"^, so schrieb er 17r)2 in seinem Politischen 
Testament^). DemgemäXs begann er in den Friedensjahren sein Heer 
zu vermehren. Hierzu bediente er sich der Einrichtung der Über- 
kompletten. Diese waren, wie bemerkt, urspriingUch nur zum Ersats 

') Die Zalil J<^r Überkompletten bei der Artillerie und den Pionieren lieft 
sieb, wie bemerkt, nicht fpststfllen. Sic sind den Mannschaften zugerechnet. 
Zwischen 1752 und 1755 talien keine weBentiicben Verstärkungen. 

^ Vgl. Tableaa des Prinzen Ferdiaaiid von Braunschweig bei Droysou, 
G«sefaidite der PMuftiaehen Politik V, b, 209. In diesem Tableau sind auch 
die J.lger nicht berechnet. — *) L'Hommc de Courbiere, Geschiclito «lor 
bran'irnhurg - preufsischen Heeresverfassnng S. III. In <ler von Lehmann 
pubüzirten Liste (S. 110) sind irrig auch das Magdeburger und das Königs- 
beiger Begimeiit su 7 Kompagnien angegeben. 

*) Lehmann a* a. 0. S. 96. 



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964 



Die flUrk» det pmüMMbea Bmm 



Erfexanktar oder mitaiigluih gewordener bestimint. Sie Heleea sieh 
aber auch sehr Idcsiht zu einer Verstärkimg des MannschaftsbestandeB 

der Regimenter verwerten. Da sie bereits einexerzirt muren, 80 
brauchten sie im KriegsficUl nur bewafihet und eingestellt za werden. 
In eben dieser Absicht, um eine grölsere Anzahl solcher schon einiger- 
mafsen ausgebildeter Leute zu erhalten, bestimmte Friedrich durch 
die Kabinetsordre vom 25. Februar 1755, dafs in Zukunft jede Kom- 
pagnie 20 statt 10 Überkomplette liaben sollte. Durch Kinziehung 
der doppelten Zahl von Überkomjdetton konnten dann bei Ausbruch 
eines Krieges die Regimenter nicht imbeträchtäch verstärkt werden. 
Es fragt sich nmi, in welchem Umfange im Sommer 1756 die Aus- 
rüstung dieser Mannschaften möf^lich war, wieviel Überkomplette that- 
SächHch mit ins i^'eld rücken konnten. 

Bei der Infanterie wurde die Verdoppelung der Überkompletten 
anscheineiid ToUstSndig dniohgeflllirt. Die GienadieilMttaOlone ei^ 
hielten noch je 40, die Hnsketier- und Füselierbtttafllone noch je 
50 Mann, so dafe nach diesem sogenannten mittleren Pols das 
GrenadierbataiUon 666, das Bi&nterieregunent 1517 Mann stark 
wurde. Die vier Gardebatafllone bekamen keine neuen Übetkom* 
pletten*)- Inagesammt worde die In&ntezie anf diese Weise um 
5710 Ifann verstärkt, die allerdings zum Teil nur mangelhaft be- 
waflhet waren, als die Feindseligkeiten begannen^). 

Anders steht es mit den Überkompletten der Kavallerie. £s gab 
wohl neue Überkomplette, je 12 pro Eskadron bei Kürassieren und 
Dragonern'), aber sie waren zumeirt noch unberitten. Die Garde 
du Corps erhielt erst nach der Gefangennahme der sächsischen Armee 
22 berittene Überkomplette. Nach dem Etat des Schwerinschen 
Armeekorps vom 1 Oktober 1756 hatten die Kürassiere Buddenbrock, 
GeMer, Kyau, Schönaich je 7öO Gemeine, 60 Mann mehr als nach 

1) V. Reinhard, a. a. 0. 

^ Friedrieb an General-Feldmarschall Lehwaldt, 23. Juni 1756: „Angehend 
die dopiteltf^u Cbcrcompleten derer Regimenter, da könnet Ihr solch© bei 
denen Regimentern mit einstellen und Urnen Gewehr und Taschen geben, so 
doch einigermafisen mithilft^ um difl BeghxMBtor itSricer m machen.'* Politiadie 
Correspondenz Friedrichs des Oroleeii** XII, 400. 

*i In der S. u. N. ist irrtümlich bei den KOrassieren keine Vermehrung 
der üluTkouiplettf'n anpofrcben, wohl aber eine auch anderweit bestätigte Ver- 
stärkung der Eskadron um 1 Ulfizior und 2 Unteroffiziere. Nach einem Briefe 
FriedHcha am Schwerin (Pol Correspondenz XIV, 153) wurde erst im Desember 
1756 die Augmentation der Offiziere und Unteroffiiiere befohlen. Es Hegen 
indels sichere Angaben vor, dafs die Zahl der Offiziere zum Teil schon früher 
erhöht worden war (vergl. d. folg. .Anm ); die neuen Unteroffiziere fehlten dagegen 
bei Ausbruch des Kampfes noch überall. Wir berechnen nur eine Vermehrung 
det B^gimenti um 6 Olflsiere und 00 Oberiwmplefeto. 



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bei Aiisbruch des Biebenjährigen Krieges. 



265 



im alten Fnik, aber nur einen Bestand von etwa 800 Pferden, d. L 
Pferden fär 60 Unteroffiziere» 10 Spiellente, 10 Fahneoachmiede, und 
720 Gemeine. Das Ofifiaeifcorps der Regimenter seigt eine geringe 
Eiiidlrangi)L Die liste der für die acht anderen Kürasderregimoiter 
bestimmten Portionen und Bationen in dem Feld-Etat Tom 7. JuH^ 
l&bt sehen, dab iroU die Überkompletten Torhanden waren, die 
nötigen Pferde aber nur zum Teil*). Die Dragoner Stechow und 
Blanckensee hatten am 1. Oktober nur je 803 Pferde, während sie 863 
brauchten, um auch die neuen 60 Überkompletten beritten zu machen. 
Den Dragonern Bayreuth, Normann, Truchsefa, Oertzen, Würtemberg 
fehlten je 60 Pferde, wie die Rationenverteilung zeigt. Es sei auch 
an eine Notiz des bekannten fleifsigen Sammlers v. Scheelen erinnert, 
der berichtet, dafs nach der Geftingennahmo der Sachsen bei acht 
Kürassier- und Dragonerregimenteru die 12 alten und 12 neuen Über- 
kompletten pro Eskadron beritten gemacht seien*). Die fünf in Ost- 
preufsen stehenden Dragonerregimenter Huitz (später Plettenberg), 
Langermann (später Alt-Platen), Holstein-Gottorp, Finckenstein und 
Schorlemer konnten ihre neuen Überkompletten nicht einmal mit 
Waffen versehen 2), noch weniger mit Pferden. Bei dem Regiment 
Ruitz erhielten sogar die alten 60 Überkompletten die Pferde erst 
im Februar 1757«). 

Die Höhe der Augmentation bei der Kavallfirie beUef sich somit 
auf 1642 Mann, Ton denen jedoch die Mehrxahl bei Ausbruch des 

>) Die Ke<]nmenter hatten 35, 32, 33 uud 32 Offiziere. 35 sollten es nach 
dem neuen Etat sein. 

*) UnteroffiziAro and Hannadiaften erhielten je eine Ration, Regiments- 
qoartiennelster, Auditeor imd Prediger je zwei, der RegimentsfiiidBcheer vier» 

die Offiziere je nach dem Range zwischen drei und acht Rationen. 

^) Es waren 917 Portionen, dagegen nur 917 Rationen, wahrend es etwa 
1040 Bationen hätten sein müssen. 

' *) V. Schöning, Geschichte des Regiments Qarde du Corps. S.81. 

^ Am 25. Juni schreibt Friedrich an Lehwaldt: „Wegen der Dragoner- 
refrimentcr glaube Ich, dafs solche ihre zclm neue ÜT>orcomploten auch noch 
wohl von denen Prcnlcn im tilsitschon Distriot beritten machen können. Wenn 
selbige auch nicht Curabmcr und Pistolen haben, so ist genug, wenn sie nur 
Degens bekommen, die ihnen von den alten Degens, so die Regimenter ab- 
gegeben haben, vorerst gegeben werden kcinnen." Am ß. Juli antwortet 
Lehwaldt: „DaTs es scliwer an<:i'heii würde, 360 extraübercompleto Dragoner 
zu .stellen . . ., indem der Generallieutenant von Massow alle alten Degen, 
Carabiner und Pistolen von hier abholen lassen/' Politische Correspondenz 
Xn, 460; Xm, 69. Lebmann hat diese wichtige Stelle vollstasdig flbersehen. 

•) Tagebuch des Regiments, S. u. N. Bd. V, 313. WahrschemUch war bei 
den anderen vier I^ppimentern das gleiche der Fall. Über die Schwierigkeiten, 
welche die Ansrhattiiug von Pferden in Preufsen hatte, vergL £. 0. Mentzel, 
Die Remontirung der Preulsischen Armee, BerUn 1846, S. 84/86. 



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266 JD^e Stärke des preuisiKhen Heeres 

Krieges kene Pferde, einige flelbti keine Waüan hsilen. Die E»> 
gimenter blieben also in der That zumeist auf dem alten FuJa. Bei 
den Hnaaren war übetiiaapt keine VentUong des Etats eingetreten. 
Die Begunenter Weehmar und Wartemberg hatten im Oktober 1756 
noch die alte Zahl Yon 1020 Geraeinen; für die Regimenter Pvtlifcammer, 
Zielen, Saekely wurden in dem Feld-Etat nur 1180 Portionen be- 
stimmt, woraus ebenfalls folgt, dafe der Fufs noch der alte war^). 
Von den drei übrigen Regimentern ist nichts Näheres bekannt; man 
wird aber wohl in der Annahme nicht fehlgehen, dais auch sie damals 
noch keine Überkompletten erhalten hatten'). 

Durch die Vermehrung und Einstellunfi der Überkompletten 
wurde die Armee um 7H52 Mann verstärkt. Hierbei aber ist zu beachten, 
dafs mindestens ein Fünftel davon wegen ungenügender Ausrüstunf» 
noch nicht felddienstföhig war. Es ist also ein Irrtum, wenn Lehmann 
behauptet, dafs die Regimenter mit doppelten Überkompletten aus- 
gerückt seien. Das trifft wie gezeigt nur fiir einen Teil zu. Aber 
Lehmann spricht nicht nur von einer Verdojtpclung der überkompletten, 
er rechnet sogar mit einer Vermehrung um mehr als das doppelte*). 
Zum Beweis zitirt er eine Stelle der „Histoire de la guerre de sept 
ans**, wo der Kdnig eraählt, bei einigen Regimentern sei die 
der Überkompletten anf 36 pro Kompagnie, bei anderen anf 24 ge- 
bracht worden. Es ist indeis eine Ubigst bekannte Thatseohe, dab 
der Künig in derartigen Angaben nnzaverlSsng ist; er terwandte ebeo 
keine Sorgfidt auf Oenanif^eit im einzelnen, am allerwenigston anf 
Zahlen. Auch mag hier die Erinnemng an die im Winter 1766/57 
erfolgten Augmentationen von Einflnis gewesen sein. T^hm^an beruft 
sich femer auf einen Bericht des Generalmajors von Blanckensee vom 
27. März 1755, aus dem er schliefst, dais Friedrich im Frieden, in 
Annäherung an das Krümpersystem einer späteren Epoche, die bis- 
herigen Überkompletten zu Hans lieüs und an ihrer Stelle in gleicher 
Zahl neue ausbildete. Das mag wohl geschehen sein, dadurch wird 
es verständlieh, dafs Friedrich im Winter 175G auf 1757 eine so 
aufserordentlich starke Vermelirung seines Heeres dnrt litiihren konnte. 
Für 1756 ist aber kein Fall naehweisbar. dafs ein Ilegiment mit mehr 
als doppelten Überkompletten ins Feld gerückt wäre, und selbst diese 
doppelten Überkompletten hatte man nicht alle kricgsmälsig aus- 

>) Die 1180 Portionen verteilen sich wf 36 Offixiere, 80 Unteroffiziere, 
10 Spielleate, 10 Fahnenscfamiede, 10 Feldscbeerer und Unteratab, lOfiO GenMine 

nnd die Knoditr. — *) Die in der Provinz Prenfsen stehenden Regimenter 
Ruesch und Maiat liow.ski warcn^sichcr nicht besser daran, als <lio «lort stehenden 
Dragoner. Die Öüyiüitz-Huäaren m Pommern hatten groüieu Pierdemangel; 
vgl. Mentiel a. a. 0. ^ 0 S. 6. 



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bei Aiubrach des siebenjährigen Kriegee. 



267 



Htoton kSnnen. Waren iriridiolL nodi mehrÜbakomplAtte ▼orhandea, 

Ittben, so kommen eu dodbi niöht weiter 
in Betracht; sie waren eben dann üirer eigenäicbenf Beetimmung 
gemlis niehts anderes als noch gamicht oder nnr notdürftig ans- 
gebildete nnbewaffiiete Ersatsmannsdiaften für emtretende LttolEen, 
nidil aber eine Verstitrknng der bestehenden Gadres^). 

Im Jahre 1755 begsmi König Friedrich die Enriehtnng neuer 
Bataillone. Das Oamisonregiment HfitBBcheÜEihl wurde lun zwei 
Bataillone, d. h. um 1400 Mann, verstärkt. Anlang 1756 wurde daa 
Gamisonbataillon Salmuth in ein Feldregiment umgewandelt. Das 
Bataillon zählte bisher 700 Mann. Der Bestand eines Infanterie- 
repments war nach dem mittleren FuJs von 1756 1517 Mann, mithin 
Bind noch 817 Mann hinzuzurechnen. 

Im Laufe des Sommers 1756 erp^ngen sodann die Befehle, auch 
dieGamisonregimenter Lange, Nettelhorst, Lattor£f, Blanckensee, Sydow 
und Manteuffel mit je zwei Bataillonen zu verstärken; davon wurden 
acht im August errichtet, die vier letzten erst im September. Die 
Artillerie wurde wie oben bemerkt um 170 Mann vormehrt. Ins- 
gesammt betrug somit die N'erslärkung des preulsischeu Heeres durch 
Einstellung von Überkompletten und durch SchafiFung neuer Regimenter 
18139 Mann'). Diese zu den oben erhaltenen 137601 gerechnet, 
giebt 155740 Blann inoL Feldsdieerer nnd Unterstab. Um die Stftrke 
der Armee hei Beginn der Feindseligkeiten zu ermitteln, sind aber 
die vier neuen Bataillone der Garmsoniegimenter Sydow nnd Man- 
teuffel abzuziehen, die erst im September fortig wurden: femer dürfen 
die neuen Üfaerkompletten der Karallerie, weil nnberitten, zum grOfeten 
Teile nicht mitgeidlhh werden. Danach stellt sich die Höhe des 
Heeres bei Ausbruch des Krieges auf etwa 151500 Mann, die Ifioht- 
kombattanten wie Feldscheerer und Unterstab abgerechnet gegen 
150000 Mann*). Unter diesen befenden sich etwa 22000 Mann 

') An sieben Regimenter, vier Infanterie- und drei KUrassierregimenter 
erging Ende Juni folgende Weisung: nVermittelst dieser Meiner aecreten Ordre 

befelile Icli Euch liicrdurch, »iifs wenn Ihr jemalen die Ordre erhalten werdet, 
mit Eurem unterhabenden Rogiment in Campagnc zu marschiren, Ihr sodann 
sogleich bei Einziehung derer Beurlaubten aus dein Enrollirungscanton des 
Begiments und der doppelten übercuuipleten nodi 60 bis 70 der besten jungen 
Leute mit einziehen lassen und solche darauf nach Breslau sehidcen sollet, 
allwo ich einen Offizier dabei setzen und selbige apart auf meine eigene Kosten 
verpfleoren lassen werdo, damit das Retrimont düs fnlpTr-ndf Jahr nach der ersten 
Campagne solche sogleich als Rekruten haben könne/' l'oUt. Corr. XII, 433,; 
vgl. XII, 450, 464. 

*) Nach einer Notiz des Generalstabswerkes soll die Augmentation vor 

dem Kriege 18580 Mann betragen haben. 

*) Nicht gezählt sind die oben erw&hnten Laadsoldaten. 



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268 



Die Stärke des preulsischen Heeres 



Gamisontruppen, h. vielfach ältere, zum Teil schon ausrangirte 
Iieate. Zum IXaatA im offenen Felde blieben dem K(teig aoeb nicbt 
128000 MumO. 

Wie steht ee alao mit der von Lehmann behaupteten Venrizk- 
lichnng des militärischen Programmes? Von 136000 wollte Friedrieb 
sein Heer auf 180000 Mann bringen. Im Jnni 1756| als er seine 
ersten kriegerischen Matbregeln traf, verfügte er über etwas mehr als 
144000 Kombattanten*). In den zwei folgenden Monaten bis snm Ans- 
marsch gelang es ihm, noch weitere 5560 Mann Gamisontruppeu auf- 
zubringen Wir sehen also, dafs Koser mit seiner Schätztmg der Wahr- 
heit sehr nahe gekommen ist, während Lehmann das preolmsche 
Heer viel zu hoch angenommen hat. Von einer auch nur an- 
nähernden Vei-wirklichunfi: des Programms kann gar keine Rede 
sein 440<X) Mann sollte nach dem Testament von 1752 die 
Vermehrung des Heeres betragen, 14000 betnu^ sie thatsächlich bei 
Beginn des Krieges. Es ist klar: als der Kanijif ausbrach, war 
Friedrieh noch weit entfernt, das vorgesteckte Ziel zu erreichen; da 
hatte er seinen Staat noch nieht mit den Streitkräften versehen 
können, die ihm nutw cndif^ schienen. Die Zalü der Bedenken, welche 
von den verschiedensten Seiten gegen Lehmann's Ansicht vom Ur- 
sprung des Krieges erhoben mud, i^t um ein neues vermein t worden. 
Wenn Friedrich sich in der That mit dem Gedanken trug, wie 
Lehmann glaubt, um Sachsens willen einen Krieg zu entzfinden, — 1756 
konnte er die ^t zur Ausföhrung noch nicbt als gekommen ansehen. 
IViedrich stand noefa inmitten der Friedensarbeit, die den Staat erst stark 
maohen sollte, dafe er nur auf eigene Kraft gestütst sieb mit seinen 
Feinden im Felde messen könnte. Wie unfertig noch alles war, 
zeigt am besten die erst halb durchgeflUirte Malsregel der Einreibung 
von Überkompletten in den alten Bestand der Regimenter. Auch 
darf man nicht vergessen, dals Preulsen über ganz andere Machi> 
mittel verfügte, als es im Sommer 1756 entfaltete. Nicht 1755, 
nicht 1750, sondern erst im Winter 1756/57, nach dem ersten Feld- 
zuge, fand die aufsorordentliche Aimeeverstärkung statt, die den 
König in Stand setzte, so vielen Gegnern die Spitze zu bieten. Damals 
wurden die Regimenter mit wenicren Ausnahmen auf den „neuen 
Fufs" gesetzt. Die lufanteriekompagmen wurden um je 30 Mann, 

Dem englischen Gesandten Mitchell sagte Friedrich im Juli 1756, dals 
er nicht über 120000 Mann ins Feld stellen könne. PoL Coir. XIII, 100. 

^) Zn den 136000 Mann waren noch die neuen Cberkempletten und sw«j 

Batidllone Mfitzsclicfahl, sowie ein Bataillon Salrauth gekommen. 

^) Jo Awm Bataillone der Gamisonregimonter Lange, Nettelhorst, Lattorf 
und Blancken£ee. 



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bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges. 



269 



also um das dni&olie der Augmentation von 1756 eriiöht, so dab 
ein Grenadierbataillon 786, ein Infimterieregiinent 1817 Haan stillte. 
Die EüzasaieRegimenter wurden in der Hoheit anf 956, die Dragoner- 
zegunenter anf 969 nnd 1931 Köpfe gebracht nnd die Hasaren eben- 
fitlls bedeutend verstSrkt Damals begann die anaehnlidie Vennehmng 
der Artillerie, Freikorps wurden ins Leben gerufen und Landregimenter 
gebildet. Damals bewies Friedrich, dafs er sogar mehr als 180000 
Mann aufstellen konnte. Ist es glaublich, daJs er 1756 einen 
oberungskrieg gegen übermichtige Feinde begonnen haben soll, zu 
einer Zeit, wo er noch gar nicht all die militärischen Machtmittel 
bereit gestellt hatte, die wirklich aufzubringen ihm möglich war? 
Gorade die Unvollkommenheit seiner Rüstungen spricht doch dafür, 
dafs er nicht einen lange vorbereiteten Knej^^ aus freien Stücken er- 
öffnete, sondern dafs er aus Kotwehr losschlug, weil er dem Kampf 
tar unvermeidlich ansah. 



XX. 

Die Operationen mit Massenheeren in den Kämpfen zn 

Anfang und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 

Von 

Maschke, Oberst z. D. 
(SchlaÜB.) 



Hatte General t. Holtke in dem Feldzuge von 1866 durch seine 
Kriegskunst die ungewöhnlichsten Erfolge erzielt, so sollte ihm im 
Kriege von 1870/71 beschieden sein, nicht nur sein höchstes 

strategisches Wissen und Können zu oHenbaren, sondern auch sein 

Feldherm-nenie im hellsten Glänze erstrahlen zu lassen. Man braucht 
nur den von Moltke bereits im Winter 1S<>S (H) entworfenen Feldzugs- 
plan zu lesPTi, um schon mit Bewunderung erfüllt zu werden von dem 
genialen Scharfblick des «rrofsen Strategen. Moltke liatte mit Sicher- 
heit vorausgesehen, dals gleiili bei Beginn des Krieges schon die 
norddeutschen Streitkräfte allein die Überlegenheit haben würden, 
und seine Meinung dahin ausgesprochen, dafs diese Überlegenheit 
auch ausgenützt uml die Hauptmacht des Gegners aufgesucht und an- 
gegriffen werden mülste, wo man sie fände. Wie Moltke weiter in 



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270 Die OperationeD aiit Mmwenheeren eto. 

stiiiflin Memoare aaafiilute^ wflide äxmAk dl« Neolnüittt BfllgUni» 
Hollands nad der Schweiz das ErisgBtlkeater sich auf den Baun 
zwifiohen Luxemburg und Basel beschränken, denn abgesehen von den 
gro&ein Sohwierigkeiten, welche die Verletzung der Neutralität der 
betreffenden Staaten ftr Frankreicb henromifen müiste, würde eine 
Versammlung deutscher Streitkräfte Yon Bedeutung an der Mosel 
Frankreicli und seine Hauptstadt so unmittelbar bedrohen, dafs sich 
dasselbe auf so weit aussehende Unternehmungen schweriic^ flinisiififin 
könnte. „Es dürfte daher mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, 
dafs die Franzosen ihre erste Versammlung auf der Linie Metz- 
Strafsburf? bewirken werden, um mit l'mgehunp; der starken deutscben 
Rheinfroiit gef:;cn den Main vorzudringen, Nord- und Süd-Deutschland 
zu trennen, mit letzterem ein Abkommen zu treffen und, basirt auf 
dasselbe, ge^en die Elbe vorzuschreiten. Es erizcbt' sich also eine 
Versammlung südlich der Mosel, und zwar aller verlügbaren Streit- 
kräfte in der bayerischen Pfalz als das geeignetste Mittel, solchen 
Plänen entgegenzutreten. Die Aussicht auf leichte Erfolge küimte 
wohl die Franzosen bestimmen, mit einem Teil ihrer Streitmacht von 
Stra&bnrg aas gegen Süddeutsohland vorzugehen. Eine Operation 
deatscheiseitB rbeinanMrts in die Hanke dieses Uarsehes würde in- 
dessen jedes weitere Vordringen über den Schwarzwald hinaus Ter- 
Idndan nnd den Gegner swingen, sich erst gegen Norden Luft zu 
nacliea Wenn das baden-wfirttembefgsclie Koips sieh dem preuCbisislien 
linkan Flügel angeschlossen hätte» wäre man in der Lage, von der 
Pfola aus dasselbe so an Terstärken, dalb eine nahe EntsdieiduDg 
schon in der Hdhe Ton Rastatt gesucht werden därftoi bei doran un- 
glücklichem Ausgange der Rückzug dem Gegner vwderblich werden 
mülste. Zur Erreichung eines solchen Zweckes könnte aber deutscher- 
seits unbedenklich von der Hauptmacht detachirt werden, da ja auch 
der Feind vor der deutschen Front um so viel schwächer geworden 
wäre, wie er zu seiner Unternehmung am Rhein bestimmt gehabt 
hätte." 

In yrie wunderbarer Weise sich Moltke's Voraussetzungen und 
Ansichten vom Winter 186*8/69 bei Beginn des Krieges 1870 als in 
jeder Beziehung durchaus zutreffend erwiesen, haben uns die geschicht- 
lichen Ereignisse gezeigt. Auch eine in der zweiten Hälfte des Feld- 
zuges erschienene, dem Kaiser Napoleon selbst zugeschriebene 
Broschüre bewies die Riclitigkeit von Moltkes strategischer Be- 
rechnung bezüghch der Absichten der französischen Heeresleitung. 
Wie ans der betreffendoi Schrift hervorging, hoffte man französischer- 
seits die doppelte numerische Überlegenheit der Deutschen durch die 
SehneUigkeit der eigenen Bewegungen zu paralysiren. Die Keo- 



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Die OperatiODen mH MMWinhiwircu ete. 



271 



nnlfatiflii dar Anned sollte mit 150000 Blaaii vm MetB, mH 100000 
bei Stra&bug und mit 50000 bei Chalons erfolgen. Man wollte dann 
mit den Aimeen von liets und StrafslNiig den Bhein bei Maxau flber- 
idireiten, die sfiddeatscfaeii Staaten sor Nentralilät swingeii mid dem- 
oäefast die preoftiache Armee anüracbeD and bekftmpfen. Wfthrend 
dieser Operationen sollte das Beservekorps von Chalons bis Metz tot- 
r&cken, den Rücken der Armeen decken und die Nordostgrenze über- 
vachen. So einfach auch Moltke in seinem Memoire das nächste 
Op^tionsziel bezeichnete: „die Hauptmacht des Geyers aufzusuchen 
und, wo man sie findet, anzustreifen", so wies er doch auf die 
Schwieri^^keit hin, welche aus der Handhabung der dafür erforderhchen 
sehr grofsen Massen notw endig erwachsen rauiste. Wenn anderen^eits 
fiir die strategische Vorwendung der bereit gehaltenen Mittel, also 
für die Operationen auch niemals ein Plan über das erste Zusammen- 
treffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus mit einiger Sicherheit 
vorgesehen werden kann, so zeigte sieh doch schon von den ersten 
BewLgungen der deutsclüMi Armeen an das Bestreben, die feindliche 
Hauptmacht in nördlicher Biohtung Ton ihrer Verbindung mit Paris 
abnidrängen. MolÜke balle in seinem Memoire den stra t egiaehe n 
Anfinarsoh des deutschen Heeres in drei Gruppen vorgesehen, und 
zwar mit der L Amee von 60000 Mann als leohtem Hügel bei 
WittHcb, mit der n. Armee von 181000 Mann als Gentmm bei 
Neonkirdhen-Hombinrg, mit der m. Armee von 190000 Mann als 
Ivikem Flügel bei Landau und Rastatt Eine Reserve von 68000 Mann 
sollte Toilftniig noch bei Maina angestellt werden. Wurde diese dann 
zur Verstärkung der II. Armee verwendet, so kam letztere auf 
194000 Mann. Die Gesammtstärke der drei Armeen, mit welchen 
nach Ablauf der ersten drei Wochen die OffisnaiTe ergriffen werden 
konnte, betrug schUefsUch also 384000 Mann; wurde aber das Ein- 
treffen der noch in der Heimat befindlichen H Armee-Korps abgewartet, 
welche unter den daiiialiszen Verhältnissen innerhalb tler ersten drei 
Wochen noch nicht zum Eiaenbahntransport gelangen konnten, so 
vermochte man nach weiteren vier Tagen die Operationen mit 
4840CKJ Mann zu eröffnen. Der Mobilmachungsbefehl für das 
preufsische Heer war in der Nacht zum 16. Juli 1870 erfolgt. Ende 
dieses Monats befand sich der Mittel- und Schwerpunkt der deutschen 
Heeresmaclit bereits sUdwestÜLh Mainz. Im ('entrum der Aufmarsch- 
front breitete sich die II. Armee über die hessische und bayerische 
Rheinpfalz aus und nSberte sich staffelweise mehr und mehr der 
lolbringiaohen Grenze. Die rechte Flanke dieser im Vorschreiten aU- 
mJUüig anwaichsendeii Straitmaoht wurde durch die L Afmee in vor^ 
geschobenen Stdlnngen an der unteren Saar gedeckt, während die 



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272 



IMe OpentkuMu mit ¥tw«nliWiHm oto. 



in. Armee in der Gegend von Landau die IVront nadi Süden luille^ 
mit der Beetimmimg, die linke Flanke der IL Äimee und sngleieh 
Sfiddeatwhland zu aidieni. Das franzoaache Heer dagegen ivar Ende 
Juli noch nicht m grolaeren ünteraehmnngen befilhigt. '^er Koipe 
standen zwischen Metz nnd der prenftischen Orenze» zwei weitere 
zwischen Saargemünd und Strafsburg; ein siebentes »«mnAltfl och bei 
Beifort und eine Reserve bei Chalons. 

Am 4. August überschritt der Kronprinz von Preufsen mit der 
ni. Armee die französische Grenze in der Gegend von Weifsenburg, 
warf dort die französische Division Douay zurück und erreichte am 
folgenden Tage den Sauerbach. Hinter diesem iiatte Marschall Mac 
Mahon mit dem 1. und mit Teilen des T.Korps die starke Stellung 
auf den Höhen zwischen Wörth und Reichshoffen eingenommen. Der 
Kronprinz beabsichtigte einen Angriff am 7., das ungestüme An- 
drängen der bereits unmittelbar am Feinde stehenden preußischen 
Truppen liefs es jedoch schon am 6. zum Kampfe kommen. Mac 
Mahon wurde entscheidend geschlagen und seine Trupen vermochten 
sich nur durch regellose Flucht der vollständigsten Vernichtung zu 
entziehen. Am 6. Aogost war es auch an der Saar zum Zusammen- 
stoAe gekommen. Die Vortruppen der 1. und II. prenfeischen Armee 
fitnden beim Yorrücken gegen den Eluls den wichtigen Übergangs- 
punkt Ton Saarbrücken nicht mehr vom Feinde beeetst Die 14. Divi- 
sion wollte infolgedessen die dominirenden Höhen des linken Saar- 
nfers in Besitz nehmen, auf welchen anscheinend nur noch eine 
schwache Nachhut des Gegners stand, sah sich aber bsld in einen 
heftigen Kampf mit dem ganzen 2. französischen Korps verwiekelL 
Erst am Abend, nachdem herbeigeeilte Verstäricongen von der L nnd 
n. Armee das Gleichgewicht der Kräfte wiederhergestellt hatten, gelang 
es den Preufsen, den Feind zum Verlassen der Höhen zu zwingen. 
Das Vorgehen der preufsischen 13. Division auf Forbach beschleunigte 
aber den Riickzufj: des 2. französischen Korps. Die zur Unterstützung 
desselben beorderten Di^nsionen des H. Korps hatten das Schlachtfeld 
nicht mehr rechtzeitig zu orreichen vermocht. Haupt mann Martinow 
sagt in seinem Werke bezüglich des Gefechts bei Spichcm, dafs der 
betreffende Unterführer, also General v. Kamecke, die Situation nicht 
richtig beurteilt habe und dafs wir es hier mit einer nicht glücklichen 
Venvertung der Initiative zu thun hatten. Wie aus dorn deutschen 
Generalstabswerke hervorgeht, dachte Geuerul v.Moltke über diese Frage 
ruhiger und wohl auch gerechter. Der Gegner wurde an der Saar 
im Rückzüge vermutet. Wollte man ihn festhalten, oder wenigstens 
In Fühlung mit ihm bleiben, so mulste man also handeln, und zwar 
das sofort. Das Vorgehen Ksmeke's durehkreuzte also nach Mdtke's 



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Die Operatkmen mit MiiBiwibeafeii etc. 



273 



Anflicht in Wkm scihon nicht höhere Anordniingen, ab es sich gegen 
dnen im Weichen begriffenen Feind richtete. In der nftnJiohen Vor^ 
anssetzong war sucb seitens der obersten Heeresleitmig in Mainz der 
I. Armee nntenn 5. Abends der Grenzübergang nnterhalb Saaxbräcken 
fireigesteUt worden. Die selbststäudige Offensive lag mithin, me das 
Generalstabswerk ausdrücklich betont, vollkommen im Geiste der 
deutschen Kiiegfulirung, welche immer danach strebte, dem Gegner 
an der Klinge zu bleiben. Der Angriff der 14. Division wÄre wahr- 
scheinlich gescheitert, wenn dieselbe nicht Unterstützung erhalten 
hätte. Aber selbst im ungünsti festen Falle wäre der Gegner immerhin 
zum Stehen gebracht gewesen und der vereinzelte Mifserfolf^ eines 
kleinen Ileeresteils gegen feindliche Ubermacht ohne nennenswerten 
Einflufs auf den Gang der Operationen geblieben. Wunderbarer Weise 
behauptet aber Hauptmann Martinow, dafs durch den voreiligen .\n- 
griff des General v. Kameckc eine ernste Krisis für die ganze deutsche 
Armee eingetreten sei, denn alle strategischen Vorteile wären am G. 
und 7. August auf Seite der Franzosen gewesen. Letztere hätten am 
6. über 70000 Mann auf dem Gefechtsfelde und am 7. über 130000 
znnidist Spidieren verAgen kSnnen,* irSbrend die üetttscben am 6. 
nicht mehr als 50000 und am 7. nur 90000 zu Tereinigen Tennocbten. 
Der russische Kritiker übersieht aber in seinem Eifer, dab nach 
einem MUsgeschiök der Deutschen am 6. in Folge bedeutender feind- 
licher Überlegenheit General Steinmetz am 7. eben noch nicht zum 
ernsten Angriff fibergegangen wäre, sondern den Gegner nur fest- 
zuhalten gesucht h&tte, und daJb dann die bei Spicheren eventuell 
Teisammelten 180000 Franzoem sehr nach Wunsch der deutschen 
Heeresleitung am 8, August unter Mitwirkung der bereits am 7. bei 
Afsweiler, St. Ingbert und Bexbach eingetroffenen drei Korps mit 
mindestens 180000, bei möglicher Heranziehung des 4. Korps aus der 
Gegend von Rohrbach und des 12. Korps von Homburg aber mit 
240000 Mann in Front und rechter Flanke angegriffen werden 
konnten. Hätten aber die Franzosen am 7. die Offensive über die 
Saar ergriffen, so wäre die preufsische 1. Armee nordwärts m das zur 
Verteidigung sehr geeignete Ilühengelände ausgewichen und die fran- 
zösische Streitmacht würde sich am 8. in einer Schlacht auf dem 
rechten Saarufer in denkbar ungünstigster stratcprischer Lage ge- 
schlagen haben, indem ihr dann zwei deutsche Korps mit 00000 Mann 
in der linken Flanke, vier Korps mit 120000 Mann in der Front 
gegenüber und zwei Korps mit 60000 Mann in der rechten Flanke 
gestanden hätten. Es war hier auf die ungünstige Aufbauschung der 
strategischen Lage durch Hauptmann Martinow nur näher eingegangen 
wordm, weil derselbe, wie wir sehen werden, aus den von ihm kon- 

JakikUte At dto DMtMk« AmM ni MniBa. B«.«1,& * IQ 

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274 



Die Operationen mit Manenheerai etc. 



struirten Krisen ftlr das deutsche Heer noch besoTidere Folgerungen 
zieht. Die Niederlagen von Wörth und Spiehercii veranlnfsten den 
Kaiser Napoleon, die ganze in Lothringen versammelte Streitmacht in 
den folgenden Tagen bis liinter die Nied zurückzunehmen, das 6. Korps 
aber von Chalons nach Metz vorzuziehen. Marschall Bazaine erhielt 
den ()burl)efehl ülier die jetzt fünf Korps starke y,Ilhein-Armee." Auf 
deutscher Seite wurde der Vormasch gegen die Mosel beschlossen und 
in der zweiten Woche des August mittelst einer Rechtsschwenkung des 
Heeres durchgeführt. Die IIL Armee überschritt nach Entsendung 
der hadiscfaen Division gegen StraTsburgt die Vogeson und errdchte 
am 14. mit ihren Spitzen die G«gend von Nancy, üngefähr in gleidier 
Hdhe mit ihr ging der rechte Flügel des Heeres vor, mit der 
n. Armee in der Hauptrichtnng auf Pont-k-Monsson, mit der I. in 
kürzeren MSischen gegen die Ostseite von Metz. Bei der fraazSsiBchen 
Heeresleitong machten sich zu dieser 2^ wiederholte Schwankungen 
in den Entschlüssen geltend nnd verursachten mannig&ehe QaerzQge 
der einzelnen Koips. Anf deutscher Seite blieb man daher eine 
Zeit lang im Unklaren darüber, ob der Gegner noch östUch der 
Mosd, oder erst jenseits derselben eine Schlacht annehmen würde. 
Die weit vorauseilende Kavallerie der II. Armee fand indessen am 
12. August die Moselübergängo oberhalb Metz frei vom Feinde und 
diese wurd^ dann auch bald von n u-li rückender Infanterie besetzt 
Unter solchen Umständen lag die Vermutung nahe, dafs die Haupt- 
kräfte dos Feindes bereits über Metz nacli der Maas im Abzüge seien. 
Die deutsche Heeresleitung traf infolgedessen und in der Absicht, den 
Feind möglichst nach Norden abzudrängen, ihre Anordnungen dahin, 
dafs die H. Armee mit dem linken Flügel die Mosel überschreiten 
sollte, während ihr rechter Flügel und die T. Armee diesen Abmarsch 
gegen Unternehmungen aus Metz zu decken hatten. Am 14. Nach- 
mittags nahmen die Vortruppon des preufsisclien 7. Korps vor Metz 
wahr, dafs der Feind seine :uif der Ostseite des Platzes nocli inne- 
gehabten liäger räumte, und gntlou bei Culombey an. Die Franzosen 
unterbrachen die eben bcgonn-Mie rückgängige Bewegung nach dem 
linken Moselufiu- und nahmen in ilor Stärke von zwei Armee-Kor|)S 
den Kampf auf. Deutsclieiscits waren an demselben etwa fünf 
l^rigad^'U des 7. und I.Korps und später auch noch einige Truppen- 
teile vom rechten Flügel der II. Armee beteiligt. Am Abend waren 
die Franzosen auf der ganzen Linie bis unter die Forts der Festung 
zurückgedrängt. Das deutsdie Generalstabswerk nennt die Sehladit 
von Golombey-Nouilly eine vom fichtigen Geftthl eingegebene Angrifb- 
Improvisation, indem dieselbe als treibenden Beweggrund den sehr 
natürlichen Wunsch gehabt hütte^ die Angabe der II. Annee zu er- 



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Opaationflii mit Ibaenheeieii etc. 275 

leiohteni, von der man woiate, dals sie nach tiberschreitiiiig der 
mittleren Mosel sich einem weiteren Ahzuge des Feindes entgegm- 
stellen sollte. Thatsächlich lagen die VerhäLtnisse so, dafs die II. Armee 
am 14. zum gröfsten Teile noch auf dem rechton Flufsufer stand, es 
mufsto also wohl zweckdienlich erscheinen, dim Geij^ncr hei Metz 
fest/.uhalten, bezw. die von ihm beabsichtijite Bewegung nach Westen 
möglichst zu verzögern, um der II. Armee die nötige Zeit für die 
Lösung ihrer Aufgabe zu verschaffen. Das Ergebnifs der Schlacht 
bei Colombey und deren weitere Wirkungen haben dann ancli gezeigt, 
dafs die ent>Lliloasone Initiative der Untertührer grofso Erfolge vor- 
bereiten kann. Andereifjeits wird im Generalstabsw erke auch sehr 
richtig die Überzeugung ausgeäprocheu, daTs die Form, oder noch 
präziser ausgedrückt, die meist unTennmdliclie Regellosigkeit der im- 
prorisirteii Angriflbscblacht znanGhe Gefahren in sich trägt Haupt- 
mann Martinow läist aber aus dem Angriffe der Brigade Golts bei 
Colombey wieder eine gro£M ernste Eiisis Air das ganze deutsche 
Heer entstehen. Bezüglich der Zweckdienliclikeit dieses Angriffs urteilt 
er znnftchst dahin, daJs die Fransosen einem solchen auf swei Arten 
EU begegnen Termochten. Sie hätten aunädiat ein&di hinter die 
linie der Forts von Mets surilckgehen, in aller Ruhe den Übergang 
über die Mosel fortsetzen können, und in diesem Falle würde die 
französische Hückzugsbewegnng durch den Angriff der sieben deutschen 
Bataillone nickt nur nicht aufgehalten, sondern noch beschleunigt 
worden sein. Man mufs zugeben, dafs dies das Beste gewesen wäre, 
was die Franzosen hätten thun können, da sie doch einmal die 
Stellung zwischen Metz und der Nied aufgegeben hatten. Indessen 
blieb es durchaus fraghch, ob der Abzug über die Mosel oline sehr 
ernstes Gefecht überhaupt noch möghch war. Da in den Kampf der 
Brigade Goltz dann aucli die Avantgarde des 1. preufsischen Korps 
und nach und nach nocli vier Brigaden des l., 7. und 9. Korps ein- 
griffen und der Coloiabi y-Abschnitt mit den wächtigsten Übergangs- 
punkten Colombey, la Planchctte. Lauvallier und Niniilly von den 
Preulsen schon mit dem ersten Anlauf genommen wurde, war fran- 
zösischerseits unbedingt docb orforderiieh, dem andringenden Gegner 
stärkere Kräfte entgegen zu werten. Als zweiten Fall nimmt Haupi- 
maon Martinow an, cüe Ibnnzosen hätten ihrerseits die OfESBunre er- 
greifen und eine Schlacht liefern können. Sie hätten zunächst durch 
ihre bedeutende Überlegenheit auf dem Gefechtsfelde Ton Bomy die 
▼olle Möglichkeit gehabt, durch einen entschiedenen Gegenstols das 
preolsische 1., 7. und tdlweise auch das 8. Korps zu schlagen und 
über die Nied zurückzuwerfen. Hauptmann Martinow hat bei dieser 
Behauptung wohl nicht genügend ai^ Raum und Zeit gerücksichtigt. 

19* 



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276 



Die OperatioDen mit Maaaenheeren etc. 



Genend Goltz griff erst um 3 Uhr NachmittagiB an nnd Ims 
6>/f Uhr Abends waren überhaupt nur zwei prenikiBche Brigaden in 
Gefecht, die Franzosen hatten bis dahin demnach noch keine Ver- 
anlassnng gehabt, ihr ganzes 3. und Garde-Eorps in den Kampf ein- 
greifen zu hssen. Seit Mittag war bereits der Abzug des 6., 2. und 
4. französischen Korps im Gange und nur die beiden erstgenannte 
Korps befanden sich im Allgemeinen noch in ihren Stellungen. Wenn 
dann schliefslich auch das ganze 3. Korps auf das Gefeclitsfeld heran- 
gezogen lind damit die französische Streitmacht dort auf etwa 100000 
Mann gebraclit wurde, so mufste es darüber Abend geworden sein. 
Fem er hat Martinow bei seinem Kalkül nicht in Betracht gezogen, 
dafs die bis in den Absehnitt Colombcy-Noiiilly vorgedrungenen 
Preufscn dadurch eine sehr listige Stellung gewonnen hatten. Wie 
vorteilhaft dieselbe war, bewies spiiter der von den Deutschen in der 
Schlacht von Noisseville gegen die d()})i)elte Überlegenheit des An- 
greifers erfochtene taktisehe und strategische Sieg. Es wäre den 
Franzosen also geradezu unmöglich gewesen, noch am 14. dem Gegner 
auf dem Plateau von Borny eine Niederlage beizubringen. Preufsischer- 
seits hatten sich im Verlaufe des Kampfes die auf dem Gefechtsfelde 
verfügbaren Truppen immerhin auf 58659 Mann In&nterie, 8734 
Pferde nebst 204 Geschtttsen verstärkt und eine notwendig gewesene 
rückgängige Bewegung würde das 1. und 7. Korps seinen Unter- 
stützungen gen8hert haben, so dais die deutsche Streitmacht noch am 
14. Abends auf eine StSrke von über 90000 Mann angewachsen wftre. 
Hauptmann Martinow aber rechnet dann weiter« dals die französische 
Offensive am 15. früh mit 170000 Mann hätte können fortgesetzt 
werden, während die Deutschen nur das 3., 9., 12. Korps und vielleicht 
einen Teil der T. Armee entgegenzustellen vemocht hätten, falls letztere 
nach der Niederlage vom 14. Uberhaupt noch geeignet gewesen wär^ 
in den Kampf einzutreten. Die Deutschen liiitten somit auf das 
Schlachtfeld, auf welchem sich das Schicksal der ganzen Operation 
entscheiden mufste. höclistens 18000O Mruin i)i-ingon können, alle 
anderen Heereskörper würden sich mehr al> 'JO Ivilometer eiittLtnt 
befunden haben und am 15. früh im Sinne der früheren Dispositionen 
gegen Westen hin geiückt sein. Bazaine hätte also einem höchstens 
gleich starken Gegner unter aufserordentlich günstigen Verhältnissen 
eine Hauptschlacht liefern können. Wo Hauptmann Martinow diese 
aufserordentlich günstigen Umstände hernimmt, dafür bleibt er den 
Beweis schuldig. Unzweifelhaft würde Bazaine sich am 15. östlidl 
Hetz auf dem Piatean Ton Bomy in sehr gefilhriicher strategtscher 
Lage geschlagen haben, wenn er hier noch hätte eine Entscheidung»- 
sohlaofat herbeiföhren wollen. Er würde wahrsdheinlich das preulsisohe 



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Die Operationen mit Manenlieeren eto. 



277 



1., 2., 7. und 12. Korps, also 120000 Mann vor seiner Front , das 
8. Korps nebst der 3. KaTaUerie-Dinsioii mit über 30000 Mann in 
der linken Flanke und das 3. und 9. Korps nebst der 1., 6. und 
12. Kavallerie-DiTision, also gegen 70000 Mann in der rechten Flanke^ 
im Ganzen demnach etwa 220000 Mann gegen sich gehabt haben, 
während Prinz Friedrich Karl mit Aber 100000 Mann an der Mosel 
stand, bereit, iiber diesen Fliils Torzngehen. Wäre es am 15. östlich 
Ifeis zur Entscheidungsschlacht gekommen, dann wttrde jedenfalls 
kein Marfr-la^Tonr und kein Oravelotte mehr notwendig gewesen sein. 
Ging die geschlagene Armee Bazaine's gleich am 16. durch Metz 
hindurch, so wurde sie von Friedrich Karl in Empfang genommen, 
wollte Bazaine aber seine Streitkräfte sich erst unter den Forts von 
Metz retablircn lassen, dann wurde er, wie dies nach Gravelotte 
geschehen, schon jetzt von den beiden preuüsischen Armeen ein- 
geschlossen. 

Die dentsclie Heeresleitung liefs thatsächlich also am ir>. in der 
Annahme, dafs die französische Rhein- Armee ihren Rückzug' n;ich 
der Maas wieder aufgeiioimucn liabe, die II. Armee die Mosel über- 
schreiten und deren rechten Flügel pe^'cn die südliche Strafse von 
Verdun vori^ohcn, um durch l'hiukenangriti'e den Marsch des (Je^ners 
zum Stehen zu bringen. Die zur Autltlärung vorgesendote proufsischo 
Kavallerie und die über Gorze nacbrüdcenden Teile des 3. Korps \ 
bemerkten am 16. Morgens französiBche Truppen bei RezonviUe, ^ 
für eine starke Nachhut des Feindes gdialten wurden. In dem jetzt 
OBtUoh und westlich von Vionville sich entwickelnden blutigen Kampfe 
zeigte es sich aber bald, dals man es deutscherseits mit der HauptF 
masse der Rhein-Armee zu thnn habe. Bazaine hatte seine Aimee 
mit der Front nach Westen sieh Tersammeln lassen und wartete nur 
nodi die an der Schladit bei Gdombey beteiligt gewesenen Korps 
ab, um dann gemeinschaftlich mit diesen den Marsch nach der Maas 
fortzusetzen. Unvermutet von Westen und von Süden her angegriffen, 
trat fast die ganze Rheinarmee in den Kampf ein, während deutscher- 
seits nur das 10. sowie einzelne Teile des 8. und 9. Korps zur Unter- 
stützung des 8. herangelangten. Auf dem rechten Flügel der Deutschen 
•gelang es diesen die zuerst einfjennmmenen Oillichkeitcn zu behaupten 
und durch hcftiiiio Vorsttifsc die Hauptkriifte des (je^rnci s auf sich zu 
ziehen, welcher seine Riickzugslinie nach Metz bedroht glaubte und 
dieselbe nicht preislichen wollte. Der linke Flügel verle«rte aber den 
Franzosen die südliche Strafse nach \ ei dun und ei wehrte sich der 
ihn bedi'iin^enden Übermacht, bis die einbrechende Nacht auf allen 
Punkten den Kampf einstellen befs. Deutselierseits wurden noch in 
der Nacht ulic verfügbaren Teile der I. und II. Armee nach dem 



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278 



Dm Operatioiieii mit Ma—enheeren ete. 



Schlachtfeldo in Bewegung gesetzt. Mit dem Angriff des General von 
Alvensleben bei Vioii\illc war nach Meinung des Hauptmann Martinow 
die dritte gefdhriiche Kiisis lur das deutsche Heor eingetreten, denn 
Bazaiiie konnte nicht nur am 16. das preuTsische 3. und 10. Korps 
vernichten, sondern yermodite auch Bie OffensiTe fortsiuetsen, ddi 
mitten in die II. Annee emzosehieben und deren Tefle einzeln zu 
schlagen. Anf welche Weise Bazaine diese grofsartige Operatüm 
ausfuhren sollte, teilt Hauptmann Martinow leider nicht mit Ver- 
gegenwärtigen wir uns aber die Aufteilung der zunSchst in Betracht 
kommenden deutschen Korps am 16. August Abends^ Abgesehen von 
dem 3. und 10. Korps nebst der 8. und 5. KayaUerie-IKmon, weldie 
ja das Kampffeld Tom 16. behauptet hatten, standen das 7. und 
8. Korps mit der 1. Kavallerit- -Division am rechten Moselofer be- 
reit, um am 17. firüh den Flufs bei Arry und Comy zu überschreiten, 
w&hrend das Korps sich bereits auf dem linken Moselufer bei 
Gorze befand. Das 1*2. und Garde-Korps waren in der Gegend von 
Pont-ä-Mou8son und Bernöcourt zwar ursprünglich vier bis fünf Meilen 
vom f^rlilaehtfelde entf< riit gewesen, auf tüe Nachricht von dem Kampfe 
bei Mars-la-Tour war aber noch in der Nacht von orsterem die 
23. Division von Kegnieville en Haye auf Tronville abmarschirt und 
das Garde-Korps bei Flirey und Riehecourt konzentrirt worden. In 
der Mittagsstunde des 17, August befanden sich dann sieben Armee- 
Korps und drei Kavallerie-Divisionen der I. und II. Armee auf dem 
Sehlaclitfeldc des lÜ., oder wenigstens in solcher Nähe, dals die deutsche 
Heeresleitung auf eine Mitwirkung derselben bei Erneuerung des 
Kampfes mit Sicherheit rechnen konnte. 

Indessen bestand darfiber noch Ungewilsheit, ob der am 17. früh 
zurfidLgewichene Gegner in der Nähe der Festung zu sndien sei, 
oder die am 16. yerhinderte Bewegung nadi der Maas inzwischen auf 
den nördlichen Strafsen wieder au%enommen habe. Das deutsche 
Heer ging daher mit dem linken Flügel echelonsweise nach Norden 
vor, wj&hrend der rechte hei Gravelotte und am Mance-Thal gsgen 
Metz Front machte. Die französische Bhdnarmee erwartete ahtr 
auf der Hochfläclie von Amanvillers in starker, wohl vorbereiteter 
Stellung (h n Angiiff der Deutsclien. Diese waren während des Vor- 
marsches hierüber aufgeklärt worden und schwenkten mit dem linken 
Flügel g^en Osten ein, um den rechten des Feindes von Norden 
her zu umfassen. Beide Heere standen demnach mit vollständig um- 
gewendeten- Front sich gegenüber. Die beiden mittleren Korps des 
deutschen Meeres (*> und S) entrissen dorn Gegner die von ihm in 
vorderster Limc besetzten Urthchkt;iten , vermochten aber nicht bis 
in die üau^tstellung einzudringen, obgleich auf dem rechten Flügel 



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0l6 Opontioiiun mit llM86nh06rai f/to. 



279 



noch zwei Korps (7. und 2.) in den Kampf eingriffBa. Eist die um- 
fassende Bewegung der beiden Korps des linken Flügels (Garde 
und 12.) führte die Entscheidoilg der Schlacht licrbei. Nachdem der 
rechte Flügel der Rhein- Armee am Abend des 18. bei St. Privat in 
voller Auflösung zurückgeworfen worden, räumten am 19. fiüh auch 
die übrigen französischen 1 leeresteile ihre Stellungen, um unter den 
Forts von Metz Schutz zu suchen. 

Mit dieser wichtigen Entscheidung an der Mosel war der erste 
Abschnitt des Feldzuges beendet und es traten jetzt neue Aiifi^?iben 
an die deutsche Heeresleitung heran. Die Hälfte ihrer Streitkräfte 
an der Mosel blieb vor Metz zurück, um Bazaine dort einzuschliefsen, 
während der andere Teil in breiter Front gegen Westen an der Maas 
aufinarschirte, um gegen die bei Chalona versammelte feindliche Armee 
flieh zu wenden, welche bereits die beträchtliche Stärke von 130000 Mann 
wieder eraeieht hatte. Deatseheneits nahm man dabei an, dab das 
neugebildete französtBcfae Heer ▼omehmlichst* (Ür den Schnts von 
Paris bestimmt sei, Mac Haben hatte aber den bestimmten Befehl er- 
halten, die Vereinigung mit der Bhdnannee herzustellen, die nach 
einer Benachrichtigang aus Metz französiBcherseits bereits in der Be- 
wegung Temutet werden konnte. Während also die Deutschen am 
23. August von der Maas aus ihren Vormarsch begannen, traten gleich- 
seitig die Franzosm ihre Vorbewegung von Reims aus auf Stenay an. 
Es lag im Interesse des Marschalls Mac Mahon, sich nicht durch Ge- 
fechte im Marsche auflialten zu lassen, die Deutschen aber waren in 
Unkenntnis über die 1 Bewegungen des Gegners und hielten demnach 
zunächst noch die Hauptrichtung auf Poris ein. Unter diesen Um- 
ständen mufste also der Marsch der beiden Heere dieselben nicht aul- 
sondern neben einander vorbeiführen. Die deutsclie Hl. und neu- 
gebildete Maas-Armee waren am 22. August in einer zehn Meilen aus- 
gedehnten Stellung an der Maas und am Ornain gruppirt gewesen. 
Ihre gemeinsame Vorbewegung sollte sich dcrartif; vollziehen, dafs 
beide Armeen am 26. in der Front St. Menehould-\'itry le Frangais 
konzentrirt standen, indem an diesem Tage die Maas-Armee auf der 
Linie St, Menehould-Doncourt-Givry en Argonne, die III. Armee auf 
der Linie St Mard sur le Mont-Vitiy le Frangais mit ihren Avant- 
garden einzutreffen hatten. * Bei der Vorbewegung sollte die m. Armee 
im allgemeinen um einen Tagemarach der Armee-Abteilung voraus- 
bleiben, um den Feind gegen Norden von Paris abzudrängen. Am 
25. August erreichte der rechte Fl&gel der Armee von Ghalons die 
Aisne bei Vouziers, der rechte Flügel der Maas-Armee die Gegend 
sttdlich von Varennes. Bückten beide Heere in der bisherigen Richtung 
weiter ▼er, so muTsten sie am folgenden Tage mit entgegengesetzter 



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380 



Die Operationen mit Maaaenheeren etc. 



Front einander in der Flanke stehen. Doch am 25. Abends ging mi 
deutschen Hauptquartier die Draht-Nachricht ein : „Mac Mahon sucht 
Vereinigung mit Bazaine zu gewinnen'' und dies fährte zd dem filr 
den ganzen TerUnf des Krieges so folgereichem EntseUnsse der 
deutschen Heeresleitung und sa jener genialen nnd grolsartigen 
Operation, die in der Eriegsgeschichte aller Zeiten einzig dasteht 
Bezöglidi der eingdaofenen Nachricht mulkte es sich znnUchst um 
die Frage handeln, auf wdche Weise der Gegner eigentUdi die be- 
absichtigte Vereinigung erzielen wollte. So unglaublich die Annahme 
auch schien, daTs er dieselbe auf einem Umwege längs der belgischen 
Grenze versuchen könnte, so muTste schlielslich doch an ihr fest- 
gehalten werden, denn die gerade Richtung von Reims nach Metz war 
den Französen verlegt. Im deutschen Hauptquartier war schon am 
24. zur Sprache gekommen, wie die politische Lage in Paris es nicht 
unwahrscheinlich erscheinen lasse, dafs Mac Mahon einen Versuch 
zum Entsätze des Marschalls Bazaine machen könnte, und General 
Moltke hatte sich bereits am 25. nachmittags einen Entwurf zu einem 
teilweisen Rechtsnbmarsche des deutschen Heeres nach Norden verfalst, 
dessen zu Grunde liegende Kombination uns den strategischen Denker 
in seiner ganzen gewaltigen Gröfsc zeigt. Mac Mahon konnte schon 
am 23. von Reims abgerückt sein und am 25. bereits die Aisne bei 
Vouziers erreicht haben. Wenn er von dort seine Bewegungen ohne 
Säumen fortsetzte, so war es nicht mehr möglich, ihm noch auf dem 
linken Maasufer mit überiegenen Kräften entgegentreten zu können. 
Dagegen mu&te es auf dem rechten Maasufer einen Punkt geben, der 
Tom linken Flügel der Maas-Armee nicht weiter entfernt lag als von 
Vouziers. Dieser Punkt war in der Gegend von Damvülers zu suchen. 
Hier konnten nach drei nidit fibermüsig starken Tagamtfrschen fünf 
deutsche Armee-Korps vereinigt werden, nümlicfa die Maas-Armee nebst 
ihren vier Kavallerie-DiTisionen und die südlich zonSchst stehenden 
zwei bayerischen Korps. Nötigen Falls vormochte man auch die ab- 
kdmmlichen Tdle der Einschlielsungs-Armee von Metz heranzuriehen. 
Es sollten dann am 2(). und 27. das 12. Korps über \';ircnnes nach 
Dun, die diu de über Donibasle nach Montsaucon, das 4. Korps über 
Fleury nach Verdun, die beiden bayerischen Korps über die Gegend 
von Chaumont nach Nixcville und Dorabasle rucken. Wenn erforder- 
lich, konnten schliefslich diese Kor|)s hei Damvillers am 28. konzentrirt 
werden, wnliin von Metz aus noch das 3. und 9. Korps zu dirigiren 
gewesen waren. Dieser l-.ntwurf diente dann auch als Grundlage für 
die nächsten Bewegungen des deutschen Heeres. Schon am 26. wurde 
der deutsche Kechtbabmarsch nach Norden begonnen, welcher zunächst 
ein Verlegen des geraden Weges nach Metz sicher stellte und dann 



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Die Operationen mit Mawienhaeren etc. 



281 



eine vollständige Umfassung des Femdes bezweckte und erzielte. Die 
Sachsen bemächtigten sich der wichtin:en Maas-Übergänfie von Dun 
bis Stcnay, die übrigen Korps der Deutschen drangen von Süden her 
in starken Märschen zwischen Maas und Aisne vor, der Bewegungs- 
niim f&r die Azmee roa Cbakm verengte sich mit jedem Tage mehr, 
aber trotzdem stiebte Ifac Mahon unter dem Drucke der OffentlidieB 
Meinung in Paris noch immer nach dem nieht mehr eneichbftren 
Ziele. Der linke Flflgel der Fianaosen gehmgte swar mit seinen 
Spitzen bis Oarignan, aber der rechte, welcher auf dem Abmärsche 
nach den ndrdlichen Maas-Übergingen bereits von den Dentsohen 
erreicht und in nachteilige Einzelgefechte verwickelt worden, wurde 
am 30. August in der Schlacht bei Beanmont nach Mouion und 
Kemilly zurückgeworfen. Mac Mahcm zog jetzt seine sdion stark ge- 
Uchteten und ersdifitterten Truppen um Sedan zusammen, doch der 
letzte Ausweg aus seiner bedrängten Lage, der rechtzeitige Rückzug 
nach Mezi^res wurde von ihm verabsäumt. Im rahmvollen Ver> 
zweiflungskampfe erlag dann die Armee von Chalons am 1. September 
der sie umringenden und erdrür Iconden Ubermacht der Deutschen. 
Gleichzeitig scheiterte ein Versuch der llheinarmee, die Linien des 
deutschen Einschliefsungshper<'s vor Metz zu durchbrechen, in der 
zweitägigen Schlacht bei Nüisseville. Frankreich hatte jetzt keine 
Armee mehr im Felde; seine Widerstandskraft beruhte augenblicklich 
aussehliefslich nur auf den Festungen des Landes. In einem vier- 
wöchentlichen Feldzuge waren die Armeen des Napoleonischen 
Frankreichs vernichtet worden, die eine mit ihrem Kaiser in Gefangen- 
schaft geraten, die andere in eine Festung ciugeächlossen. In acht 
gro&m Schlachten war das fransdeisohe Heer nidit nur der stand- 
hafteren Ausdauer, sondern vor allem der eneigischeren Kriegführung 
der Deutschen erlegen. Der groüse deutsdie Stratege hatte sich in 
seinen Leistungen von 1866 noch übertroffen. 

Doch man lernt nie aus. Die junge strategische Schule weils 
uns den Feldaug von 1870 gegen die Armeen des kaiserlichen 
Frankreichs mit seinen glänzenden Erfolgen in einem ganz neuem 
Lichte danusteUen. Die Deutschen haben allerdings gesiegt, denn — 
ihre Heeresmaschine war in ihren Tiieb-Fedem und Bädern durch 
den Strategen Mcdtko vorteilhaft ausgebessert worden, die Truppe 
hat sich nach deutscher Art auch tüchtig geschlügen und das Übrige 
hat ein glücklicher Zufall gethan. Hauptmann Martinow sagt: „Sie 
— nämlich die Deutsclien — h.itten die doppelte Überlegenheit für 
sich, ihre Kommimdostellen waren besser besetzt, ihre Armee war 
besser erzogen und ausgebildet Ihnen gegenüber stand ein in jeder 
Beziehung noch nicht kh^bereiter Gegner. Man sollte glauben, dals 



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282 



Die Operationen mit Masuenheeren etc. 



« 

ein unter so aosnehmend günstigen VeiiiSltniaaen geführter Krieg 
auAeroidentHdi nalie dem Ideal der metiiediechen Strategie kommen 
mulate. Ffir Abweichungen von demeelben gab es wohl kdne Gründe.'' 
Der junge maeiache Offizier scheint nodi keine Gelegenheit gehabt m 
haben, den Krieg aus eigener Erfahrung kennen zu lernen. Dem- 
jenigen, welchem dieses soldatische Glück noch nicht zu Teil g»* 
worden, kann nur empfohlen werden, sich damit vertraut zu machen, 
was unser grofser Kriegsphilosoph Karl v. Clausewitz in seinem Werke 
,,Vom Kriege** über die „Friktion im Kriege" sagt 

Hauptmann Martinow docirt dann weiter: „Ein gründliches 
Studium der Thatsachen zeigt uns jedoch etwas ganz entg^en- 
gesetztes. . . . Wir sehen, dafs die Deutschen in den ersten zwei 
Wochen nach Eröffnung des Feldzuges fünf Gefechte (Schlachten) 
liefern, darunter vier zufällige und nur ein geplantes. Die Zufalls- 
kämpfe fallen weder in das Calcül des Höchstkommandirenden, noch 
in jenes der Armeo-Kommandanten, einzelne dieser Kämpfe stören 
die schöpferische Arbeit des Feldherm." 

Die Schlacht bei Wörth dürfte wolil nicht mit zu den Zufalls- 
kämpfen zu rechnen sein, da sie nur früher begonnen hat, als dies 
in der Absicht des Feldhorrn gelegen, sonst aber von letzterem geplant 
war und auch, der Aufgabe der III. Armee bei Beginn des Feldzuges 
entsprechend, vollkommen in der Berechnung der obersten Heerei- 
leitnng lag. Ebenso darf die Schlacht bei VionviUe-llfars la Tour 
nieht als Zufallsgefecht bezeichnet werden, denn Prinz Friedrich Kai! 
hatte gerade in der Überzeugung, dais ein eiliger Rückzug der fran- 
sSsiBcfaen Armee nadi der Maas bereits im yoilen Gange sei, das 3. 
und 10. Korps, sowie die beiden zugeteilten KaTallerie-Dirisionen mit 
einem Yorstoihe gegen die Strabe von Verdun beauftragt und das 
9. Korps hatte vom greisen Hauptquartier noch die Weisung erhalten, 
mö^^lichst schon am 16. ebenfalls die Mosel zu überschreiten. Aber 
auch durch die Zufallsgefoehte bei Spicheren und Colombey sind die 
Kombinationen der deutschen obersten Heeresleitung keineswegs 
durchkreuzt und ist die schöpferische Thätigkeit Moltke's auch nicht 
gestört worden. Denn die einfache Grundidee des grofsen Strategen 
war: „die Hauptnificht des Gegners aufzusuchen, und, wo man sie 
findet, anzugreifen-, und es gelang Moltkc. in der absolut kürzesten 
Zeit, die beinahe eben nur hinreiciite, die groi'se Masse der beiden 
deutschen Armeen den Raum durchmessen zu lassen, der sie ur- 
sprüughch rom Feinde getrennt hatte, seinen Zweck voll und ganz 
zu erreichen, die Hauptmacht des Geirners fest zu legen, sie zu 
schlagen und sie unschädlich zu machen. BezügHch der Sehlacht 
bM Gravelotte gebraucht dann der russische Kritiker die wunderbare 



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Dte OpcnrtioiMD mit Mtwwnhorop de. 



283 



WendunfT, dieselbe sei als solche nur geliefert worden, weil Marschall 
Bazaine dies selbst gewünscht hätte. Der französische Feldherr hatte 
aber durchaus nicht mehr die Freiheit des Handelns für sich. Wollte 
er sich nicht schlagen, dann konnte er am IH. sich entweder nur in 
Metz einschliefsen lassen, oder er mufste vorher schon den Abzug 
auf der nördlichen Strafse nach Verdun versuchen. Im letzteren 
Falle hätte Ba/.aine sich grofseu \'erfolgunpskärapfen mit den 
Deutschen ausgesetzt gesehen, durch welche, wenn nicht die völlige 
Zertrümmerung, so doch mindestens die Zersprengung der französischen 
Rbem-Armee heorbeigeföhii worden wäre. Hauptmann Martinow heU 
dann hervor, dafii w&hrend der ersten vienäm Tage die dentadie 
Armee es mit einem sweimal schwlldiereii, zom Kriege ToUends vn- 
▼orhereiteten und ttberdies anTserordentUoh schlecht geführten Gegner 
zu thun und i^dhwohl drei Krisen m ftherdanem gehabt habe, 
nimUch am 6. und 7. August, am 14. und Morgen des 15., endüch 
am 16. August Es durfte die Aufhausdbung dieser Krisen hier sohon 
hinreichend beleuchtet worden sein. 

„Was Bchlielslich die allgemeine Leitung anlangt'', sagt Martinow, 
^80 gleitet dieselbe wahrend der Durchftihning der Marschmanöver 
beständig aus der Hand dar Feldherm. in den Kämpfen ist dieselbe 
gleich Null und in der einzigen geplanten Schlacht Ton Gravelotte 
nicht bemerkbar." Was den ersten Teil dieser Behauptung an- 
belangt, so bleibt derselbe nnverständlich da die deutschen Heeres- 
körper keine Bewegungen au^L^efülirt haben, die nicht von der obersten 
Heeresleitung, oder in deren Snmf von den Armee-Kommandos an- 
geordnet waren, und dem General Moltke .luch nicht auf einen Augen- 
blick die Leituiigsfaden seiner Schacliliu^uren aus den Händen ge- 
glitten sind. Bezüglich der allgemeinen Gefechtsleituug aber ist zu 
entgegnen, dafs in solchen Kämpfen, welche ohne vorhenges Wissen 
der obersten Heeresleitung, oder der Armee-Kommandos sich ent- 
wickelten, wo also die obersten Befehlsstellen die Führung auch nicht 
übernehmen konnten, diese Pflicht selbstverstindlidi dem Altesten der 
anwesenden Ünterfilhrer zufiel. Also andi in diesen Fällen hat die 
allgemeine Leitung niemals gefehlt, wie ja auch der Umstand beweist, 
dals die deutschen Truppenabteilungen der verschiedensten Korpe 
durcheinander auch dann mit einer Obereinstimmung und mit einer 
gemeinsamen Taktik geschlagen haben, die das Soldatenherz erfreuen 
mu&te, und den Franzosen stets sehr empfindlich gewesen ist. Der 
Behauptung gegenüber, dafs eine allgemeine Leitung in der Schladit 
bei Gravelotte nicht bemerkbar gewesen, ist aber endlich zu bemerken, 
dafs König Wilhelm mit tlem grofsen Hauptfjuartier sieh am 18. seit 
6 Uhr Mh auf der Höhe bei Flavigny befiand, und dafs von hier 



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284 



Die Operationen mit Maaaenheeren etc. 



aus, insoweit es erforderlich war, die deutschen Armeen uiimittelbaio 
Befehle erhielten. Es kann diesbezüglich hier nur auf die um 
8 Uhr, um 97« und 107« Uhr an die U. Armee und um 12 Uhr an 
die I. Armee ergangenen Weinixigeii — G«neralstabswerk Band 1, 
Seite 686, 691 und 696 — aufinerkaam gemadit werden. Um 
4Vt Uhr hefimd eich dann die oberBte Heereeleitiuig auf den H6hen 
bei BeflsonviUe nnd von 5 Uhr ab zwisdien Gravelotte nnd MalmalBOO. 
Um 5Vs eiging der Befehl an das 2. Eorpe zur Unterstutzimg der 
I. Armee. Man hat auch Betrachtungen darüber angestellt, daCs das 
grolse Hauptquartier am 18. hinter dem rechten Flfigel des Heeras 
Aufstellung genommen und ach nicht zu dem linken bsgeben hatte. 
Allerdings lag bei dem linken Flttgel die Entscheidung; bis djeee er- 
folgen konnte» war aber der rechte Flügel, als Pivot in unmittelbarer 
Berührung mit dem Feinde, unbedingt der gefiihrdete. Moltke wuIste 
also jedenfalls sehr wohl, was er that, wenn er hinter der Mitte des 
rechten Flügels blieb. Was schliefslich Moltke's Disposition für den 
18. anbetriiTt, die bereits mittelst Befehls vom 17. August Nach- 
mittan;"; J Uhr ausgegeben wurde, so steht sie wohl einzig in ihrer 
Art da. Schlicht und einfach mvd in wenigen Zü^n die Vorhei^ efniTn; 
des Heeres vorgezeichnet, die sich dabei als eine der grofsartigsten 
Flankcnoperationen in der Kriegsgeschichte charakterisirt. Der Feind 
raufs durch die deutscherseits getroÜeuen Anordnungen sich zum 
Kampfe gezwungen sehen, gleichviel ob er den Abmarsch nach Westen 
angetreten bat, oder ob er nach Metz zurücki;egangen ist. Fs kenn- • 
zeichnet sich überhaupt die geniale Stratei^ne Moltke's darin, dafs 
die Grundbodincrnngcn für die Fntscheidungssclilaehten bereits immer 
durch die Bewegungen der vorhergehenden Tage derartig gegeben 
sind, dafs eine besondere Schlacht-Disposition gar nicht mehr er- 
fordcrhch war. So sehen wir den Kam])f bei Gravelotte, so den bei 
Sedan eröünet. Der Feind hat die I'mheit des Handelns verloren, 
der deutsche grofse Stratege diktirt ihm das Gesetz. 

Hauptp:iann Martinow wirft trotzdem der deutschen Heeresleitung 
▼er, da& sie nicht durch strategische Kunst das ihr gebotene reiche 
Material genügend ausgenutzt habe, um auf dem Schlachtfelde stets 
stärkere KrSfte zu Tereinigen, als der Gegner yersaramelt hatte. Der 
russische Kritiker hebt henror, dals die Kriegspolitik den Deutschen 
eine doppelte numerische Überlegenheit auf dem ganzen Kriegstheater 
gesiidiert hatte, dals hierdurch die strategische ThStigkeit aulser^ 
ordentlich erleichtert war und ihr lediglich die Wahrung dieses Über- 
gewichts auf dem Schlachtfelde Qbiig blieb. Die Theorie lehre femer, 
sagt Martinow, daJs die Strategie der Taktik die ans dem Operations- 
plan logisch henrorgehende Grundidee für die Schlacht geben und 



uiyiiizeo Dy GoOgl 



Die Operationeu mit Masneiiheereu etc. 



285 



dementsprechend die Erilte bereitsteOen solle. Hienron sei aber in 
den in Betracht gezogenen Kämpfen nichts wahrzunehmen gewesen. 

Es wfirde die r&omlichen Grenzen dieses Anfeatses zu weit ans- 
dehnen, wenn hier die der grauen Theorie entnommene und nach 
nur sehr einseitiger Prttfung der thatsäohlichen Verhältnisse als un- 
umstöMch hingestellten Behauptungen des Hauptmann Martinow 
einer eingehenden Besprechung unterzogen werden sollten. Das 
Urteil des russischou Generalstabs-Offiziers über den deutschen Feldzug 
gegen die Armeen des kaiserlichen Frankreichs gipfelt schliefslich in 
dem Aussprache: „Die vorangeführton unbestrittenen Thatsachon ver- 
anlassen uns zur Bemerkunj;, dafs der Feldzug vom Jahre 1870 sehr 
weit vom Tdnalo der Tuetliodischcn Strnt<'Lrip abweiclit." 

Den Ft'ldznj^^ L'i'uH'ii die Volkslieere der fr;m/,üsischen Republik 
hat Ilauptuiann Martinow für seine theoretisclien Untersuchungen 
gamiclit in Betracht gezogen. Es ist bezeichnend für die graue 
Theorie im Allgemeinen, dafs sie es nicht der Mülie für wert hält, 
diese so lehrreichen Kämpfe zu studireu und unter Betrachtung zu 
stellen. 

Die Deutschen sahen sich in dem Kampfe gegen das republi- 
kanische Frankreich auf ein Feld ganz eigenartiger, ihnen bisher un- 
gewohnter kriegerischer Thätigkeit versetzt und der Stratege Moltke 
war TOT eine Angabe gestellt, so gewaltig grofs und schwierigi 
wie sie Ins dahin noch an keinen Feldherm in dieser Art heran- 
getreten war. 

Nachdem der Untergang der Armee von Ghalons die Wege zum 
Heizen Frankreichs offen gelegt hatte, mufsten die Deutschen die 
eigentliche Entscheidung des Krieges jetzt unter den Mauern der 

Landeshauptstadt suchen. Allerdings verkannten König Wilhelm und 
sein Generalstabschef dabei nicht, dafs noch gamicht zu übersehen 
war, welchen Entwickelung^ang die inneren Verhältnisse Frankreichs 
ndmien, welche Anstrengungen und Opfer dem deutschen Heere noch 

bevorstehen würden, aber die berechtigte Zuversicht und das unbe- 
dingte Vertrauen zu den tapferen sieggowohnten Tnippen liefsen 
auch der Ungewifsheit dor näcliston Zukunft mit festem Entschlüsse 
entgegengehen. Unmittelbar nach der Entscheidung von Sedan wurde 
die Bewegung gegen Paris aufgenommen und am 19. September 
bereits war die französische Hauptstadt von allen Seiten eingeschlossen. 
Da die eine Hälfte der ucutseheu Streitkräfte noch vur .Metz gefesselt 
war, hatten anfänglich nur 150000 Mann verwendet werden können, 
um die Riesenstadt und ihre gewaltigen Streitmittel in elf Meilen 
langer Linie zu umstellen. Nach dem schndlen Siegeslanle der ersten 
Monate sehen wir denn das deutsche Heer nicht nur auf ein langes 



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286 



IM» Opantkmen mit MitiMiilHeran ete. 



und mSheTolles Zuwarten aiig0«ie8«&, aondern bald anoh inmitten 
einer groilbartigen Volkserhebnug eioh auf die schwierigste Defensife 

zurückversetzt. Die BerÖltoung von Stadt luid Land entflob aus 
den Wolinsitzen uud, was nur wehrfähig war, ergriff die Waffen, In 
allen noch nicht besetzten Teilen Frankreichs bildeten sich neue 
Armeen. Bald wurde es für die deutsche Heeresleitung zur Haupt* 
aufgäbe, die von Süden sowohl , wie von Norden drohenden Entsatz- 
versuche abzuwehren. Die Mittel hierzu konnten zunächst nur aus 
der EinschliefsungsUnie selbst entnommen werden. Andererseits 
machten feindliche Ausfälle die Verstärkung bald der einen, bald der 
der anderen Front der dünnen EinschUefsungslinie notwendig. Bereits 
Anfangs Oktober war es der Republik gelungen, 60000 Mann an der 
Loire zu versammeln. Doch auch das deuUclio Heer vor Paris war 
durch zwei Arniec- Korps verstärkt worden, denen bisher die Be- 
wachung uud Überführung der Massen von Gefangenen von Sedan 
obgelegen hatte. Mit den vor Paris entbehrlichsten Truppen, dem 
I. Bayerischen Korps und der 22* Bifimterie-Diviaioii, sa weldifln 
dann noch die 2. und 4. KavaUerie-Division stiefe, im Ganzen mit 
etwa 83739 Mann wurde General v. d. Tann dam anrQckenden 
15. fi^nsäsisehen Korps entgegengesandt, acUng dieses am 10. Oktober 
bei Artenay, am 11. bei Orleans, warf es über die Loire znriick nnd 
besetste genannte Stadt Doch schon vor Ablauf des Monats war 
hier den Dentschen gegenüber eine ungleich stSrkere franaSsuche 
Armee wieder versammelt, bestehend aus dem 15. und 16. Korps. 
General Tann war durch den Abmarsch der 22. Infanterie- und 
4. Kavallerie-Division zur Beobachtung der feindUchen Streitkräfte an 
der Eure und unteren Seine bedeutend geschwächt worden und sah 
sich daher am 9. November nach dem Gefecht von Goulmiers zum 
Bückzuge nach St. Peravy genötigt. Die Franzosen nahmen eine aas- 
gedehnte Stellung zum Schutze von Orleans ein. 

Auf dem östlichen Kriegsscliiui platze war inzwischen am 27. No- 
vember Strafsburg gefallen. Genoral v. Werder hatte sich mit dem 
14. deutschen Korps gegen das Saone-Thal gewendet, die ihm ent- 
gegengetretenen Schaaren des Generals Cambriel zurückgeworfen und 
Dijon besetzt. Im Elsafs wurde Schlettstadt und Neubreisach ge- 
nommen, Beifort eiugesclilossen. 

Sehr zur rechten Zeit hatte aber am 25. Oktober Baaaine in 
Metz kapitulirt und es konnte jetit die I. und II. Armee zur Sicherung 
der Einschlielsung von Paris im Norden und Süden verwendet werden. 
QmaX V. Mantenffel hatte zwar der Bewachung von 173000 Gefangenen 
und verschiedener Unternehmungen gegen kleinere Festungen wegen 
nur mit sehr schwachen Kräften von Metz abzurücken vermocht, 



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Die Operationen mit Kaaaenheeren etc. 



287 



dennoch schlug er schon am 27. November den Geoenl Fane bei 
Amiens, rftckte acht Tage später in Booen em nnd drängte den 
General Briand bis an das Meer zurück. Unterdessen war in der 
zweiten Hälfte des Monats November Prinz Friedrich Karl gegenüber 
Oileons ersddenen und nahm hier AnsohluÜs an die unterm 7. November 
bereits formirte Armee-Abteilung des GroAherzogs von Mecklenburg, 
welche in der Zinschenzeit die im Westen auftauchendoi Schaaren 
des Feindes zerstreut hatte. Auf französischer Seite war nach der 
Wiederbesetzung von Orleans die Armee an der Loire allmählich bis 
auf 200000 Mann gebracht worden. Gambetta wollte diese Heeres- 
massen über Fontainebleau gegen Paris vorgehon, einem p^leichzeitigen 
Ausfalle der Rosat^^ungs-Armee die Hand bieten und so die Ver- 
bindung der Hauptstadt mit den Pruvinzea wieder herstellen lassen. 
Die Vorbewegung der Franzosen begann am 28. November von ihrem 
rechten Flügel aus, aber das preufsische 10. Korps wies bei üeaune 
la Rolande im Verein mit der 5. Infanterie- Division alle Angrifife des 
weit überlegenen Feindes zurück. Nachdoui dann am 2. Dezember 
der französische linke Flügel einen \'ersuch gemacht hatte, vor- 
zudringen, aber von der Armeeabteilung des Grofsherzogs von Meklen- 
burg bei Loigny- Poupry zui-ückgeworfen worden war, ging Prinz 
Friedrieh Eari seinerseits am 8. mit allen Kräften konzentrisch aum 
Angriff vor, warf in zweitägiger Sdiladit das französische Heer aus 
allen Stellungen heraus, zersprengte dasselbe, welehes in dem Kampfe 
20000 Mann verloren hatte, in zwei Hälf^ und besetzte von neuem 
Orleans. Der gleichzeitig mit dem Vorgehen der Loire*Annee gegen 
den östlichen Teil der Einscfalielsnng ans Paris unternommene Aus- 
fall war am 2. Dezember an dem Widerstände der Deutsohen bei 
Yillers gesdieitert. 

Schon nach wenigen Tagen hatte es aber Qambetta's nnetmiid- 
liche Thütigkeit fertig gebracht, der bei Orleans geschlagenen Armee 
Verstärkungen zuführen und aus jeder der Hälften eine neue Armee 
bilden zu lassen. General Chanzy schritt sofort mit der westlichen 
Armee, gestützt auf den Wald von Marchenoir, zu lebhaften An- 
gritien, denen die Armee- Abteilung des Grofsherzogs in der dreitägigen 
Schlacht bei Reaugency-Cravant vom 8. bis 10. Dezember einen 
energischen Widerstand leistete. Als dann aber die II. deutsche 
Armee von Orleans heranrückte, w-urden die Franzosen bis über den 
Loir zurückgedrängt und die Deutschen besetzten Blois, sowie Vendome. 
So war die Gefahr für die Zernirungs-Armee im Süden von Paris 
glückHch abgewendet. Die deutsche II. Armee wurde bei Orleans 
konzentrirt, um hier einige Tage zu ruhen. 

Im Norden eingesdUossenen Tiftndwihauptstadt hatte in- 



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288 



Die Opmtionen mit Mawmlwewin etc. 



zwischen General Faidherbe die ▼erst&rkten Streitkräfte der fran- 
zösischen Nordarmee wieder vorgeführt, wurde aber vom General 
Manteuffel am 23. Dezember an der Hallue zunickgeworfen und trat 
wieder seinen Rückzi^ an. Auch vermochte der französische General 
durch einen neuen am 3. Januar auf Bapaume nnternommenen Angriff 
den Fall der inzwischen von den Deutschen eingeschloeseuen Festung 
Peronne nicht zu verhindern. 

Der deutschen Heeresleitung war es unterdessen nicht entgangen, 
dafs sehr bedeutende leind liehe Streitkräfte sich an der Sarthe ver- 
sammelten. Da der Gegner aufserdem auch an der oberen Loire eine 
rege Thätigkeit entwickelte, so mufste wohl ein beabsichtigtes gleich- 
zeitiges N'ordringen des (ieni ral Ciiaiizy über Chartres und des General 
Bourbaki über Montargis ^egeii Paris vermutet werden. Gegen 
ersteren sollte demnach die II. Armee angrifisweise Torschmtea, 
trittmnd letiterar Ttnläufig dureh das 2. tmd 7. prenftisdie Korps 
abravebren war. Die II. Armee hatte auf dem Zuge gegen Le Maua, 
welchen sie am 6. Jannar in der Stärke von 58097 Hann Inüssterie 
imd 16860 Pferden antrat, in Folge der imgunatigen Jahreneit uid 
Bodflnbeschaffenheit die bedeutendsten Schwierigkelten zu überwinden. 
Unter täglichen Qefediten erreichte sie dennoch am 10. Jannar die 
Gegend von Le Maus und warf in dreitägiger SoUacht den Feind 
über die Mayenne zurück. 

Inzwischen hatte die französische Heeresleitung nach so vielen 
Tei^eblicben Versuchen zum Entsätze von Parts sich entschlossen, 
gegen die Verbindungen des deutschen Heeres vorzugehen. Vor der 
Front des General Werder traten immer stärkere Streitkräfte auf, 
aber erst in dem Gefechte bei Vesoul am 5. Januar wurde klar, dafs 
die I. Loire-Armee von Bourges an den Doubs versetzt worden war. 
Es wurde deutscherseits nun zwar sofort das in der (iegend vou 
Montargis und Auxerre zur Beobachtung stehende 2. und 7. Korps in 
der Gegend von Nuits sur Armangon-Chatillon sur Seine verbanmielt, 
aber zunächst blieb doch General AVerdrr auf seine eigenen Kräfte 
angewiesen, um die Belagerung von Beifort cfeffen mehr als 100000 
Franzosen zu schützen. Drei Tage lang wurde dann an der Lisaine 
gegen die grofse Übermacht des Feindes hartnäckig gekämpft, bis 
dieser am 17. Januar sein Unternehmen als hoffiiungslos aufgab und 
auf B^ean^n abzog. Die Belagerung von Beifort und die ¥er^ 
bindungen der Deutschen waren damit wieder sicher gestellt und 
nach dem Eintrefifen des General Manteuffel mit seinen beiden Korps 
wurde jetzt im Gegenteil die Rüekzugslinie des Feindes abgeschnitten. 
In Paris drSngte inzwischen ebenlalls alles der Entscheidung entgegen. 
Ein letzter groiaer Ansfell vom Hont Valerien aus wurde am 19. Januar 



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Die Operationen nut Metunheeren etc. 



289 



vom 3. preufsisclieu Korps zuiückgewieseu. Aü demselben Tage war 
auch ein erneater Veraach des General Faidherbe bei St. Quentiu 
gescheitert und am 23. Juniar endlidi sali sieh die Regierung von 
Paris unter dem Drucke der Verhfiltniase gezwungen, Verhaadlnngeii 
anznknllpfiBiL In dem Toreinbarten Toriäofigen WafliniBtiUBtande 
wurden aber die BüdÖstlichen Departemente au^gesdilossen. Dort 
hatte General t. Hanteoffel die I. Loire- Armee in eine so Terzweifelte 
Lag» gebracht, dab Bonrbatd eich genötigt sah, am 1. Februar ixatek 
tibertritt auf das Schweizer QeHet sich zu retten. Damit Terschwand 
eine dritte französische Armee vom Kriegsschauplatze und wenige 
Tage darauf mufste eine vierte in Paris die Waffen strecken. So 
war Atom auch das republikanische Frankreich niedergeworfen. 

Wir sahen in dieser zweiten Periode des französischen Krieges 
den grofsen Denker Moltke auf einem wesentlich anderen Gebiete der 
strategischen Thätigkeit sein Wissen und Können offenbaren. Das 
von dem deutschen Fleere im Feldzuge gegen die Armeen des Kaiser- 
reiches Errungene wurde siegreicli in einem Defensivkampt'e behauptet, 
der so grofsartig war, wie die Kriegsgeschichte noch keinen auf- 
zuweisen hatte. Bewunderungswürdig erscheint der grofse Stratege, 
dessen Geist das Kriegstbeater von so bedeutendem Umfange zu be- 
herrschen vennochte, welches von Nord nach Süd und von Ost nach 
West an 500 Kilometer weit sieb erstreckte, und der die I.eitungs- 
fäden der gewaltigen Heeresmassen fest und sicher in Auge und 
Hand am behalten wulste. Gegenüber den ungeheueren Anstrengungen 
des Feindes wurde mit unerschütterlicher Ausdauer an der Um- 
klanunerung der Kiesenfestung Paris festgehalten, bis Frankreich obn- 
mächtig damiederlag und die deutsche Sache zum endgiUtigen Siege 
gaUmgte. 

Der deutsche Fddzng gegen das fraoaOsisQhe Volksheer und das 
ganze xepnbEkamsdie Frankreich ist ^ die strategische Kunst und 

Wissenschaft von weittragender Bedeutung. Die junge strategische 
Schule scheint keine Ahnung davon zu haben, sonst könnte sie über 
diese kriegerisdiMi Ereignisse nicht so mit Stillscltweigen liinweg- 
gehen. In jedem grofsen siegreichen Kriege der Zukunft wird not- 
wendig die Phase eintreten, wo sieb der Sieger schliefslich mehr oder 
minder tief inmitten des ieiii(llichen Gebietes sieht, rings herum um- 
geben von überlegenen leindlichen Massen, wo das oinireclnuigene 
Heer, nur noch in melir oder minder lockerer VerViindung mit den 
eigenen Hüifs(j[UüllBU, die gesammte entfesselte Vuikskiaft des feind- 
lichen Landes sich gegenüber findet. Den Widerstand grol'scr, 
mächtiger Staaten vermag selbst der entschieden siegreich vor- 
schreitende Angreiler uicut an der C^ueiie seiner Kraft aui/u&ucbeu. 
JalubBelwr nur «• D«rfiete äimf nA Kuiiw. Bi.«1, & 20 

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290 



Die OpenttkmeD mit Maaenhearen ete. 



Die strate;jiisfhe OlTensive wird früher oder später ihro Grenze finden 
und ist es bis dahin nicht gelungen, den Verteidiger dem Willen des 
Siegel*« gefÜLrig zu machen und einen vorteilhaften Friedensschlufs zu 
erreichen, dann eben wird der siegreiche Angreifer seinerseits sich 
auf eine Verteidif^ung im grofsartigen Mafsstabo zurückgeworfen sehen, 
bei der es darauf ankommen wird, den strategischen W'idei-stand des 
Gegners an der ziiheu Ausdauer der eigenen Kräfte sich abslulsen, 
dch absoliwSfOheii und adüielalioh enchöpfon zu laaeeii. KapoleoB I. 
fond $a dieser Angabe in Bnfsland ein fllr ihn nnavflÖelicbeB Rätml, 
Moltke hat de in Fmnkreich in giSnzender Weise erl&Ut und damit 
ein lehireicheB Beispiel ftir den Zakunftskiieg geliefert Hit dem 
Kampfe 1870/71 gegen das republikanische Frankreich ist offenbar 
eine bis dahin bestandene Lücke im strategischen Wissensgebiete 
ansgefBlh worden. 

Der ganze grofse deutsch-französische Völkerkrieg wurde aber in 
80 Tagen durchgekämpft. Es waren in ihm 15 gröisere Schlachten 
und weit über 100 Gefechte, fast alle siegreich für die deutschen 
Waffen, geschlagen und 870000 Gefangene gemacht worden. Und 
diese ungeheueren Erfolge, wie solche die Kriegsgeschichte bis dahin 
noch nicht gekannt hatte, sollten nur durch die Überlegenheit der 
Deutschen im Kriegshandwerke ermöglicht und erzielt worden sein?! 
Jedes vorurteilsfreie und sachverständige Urteil kann auf diese Frage 
nur die eine Antwort haben: „des Heldenkünigs Wilhelm Weisheit 
und fester Wille, des Strategen Moltke schöpferischer Geist haben 
das deutsche Volk zu diesen Siegen geführt." Die Aufgabe Moltke's 
war trotz der Vollkommenheit, welche dem deutschen Heere nach 
vielen Richtungen hin zugesprochen werden duilte, doch eine un- 
endlich schwierige. Bei dem Charakter, welchen grolse Kriege der 
Neuzeit notwendig annehmen mUssen, galt ee nicht nur, ein zahl- 
reiches und ebenbürtiges Heer siegreich zu bekttmpfen, es war das 
voUstftndige Niederwerfen einer Staatsmacht ersten Banges, einoa 
ganzen grolken Volkes erforderiich. Also auch Dentschlanob ganae 
Volkskraft mufste für diesen Zweck eingesetzt werden. Worin aber 
die Schwierigkeiten liegen, mit Massenheeren zu operiren, das bedarf 
weder einer besonderen Untersuchung, noch Erklärung. Let2tere 
hegt schon in der Erscheinung der Massenheere selbst, wie solche im 
Kriege von IS 70/71 sowohl auf deutscher, wie auf französischer Seite 
zur Verwendung gekomnien sind. Am 1. März 1871 befanden sich 
8i!3G4(i deutsche Kneger auf französischem Boden, während das 
republikanische Frankreich thatsäcldich über eine Million Streiter 
unter den Waffen hatte. Solche gewaltigen Heeresmasson, die in den 
Zukunitskriegeu sich rielleiüht noch verdrei-, ja vervierfachen werden, 



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Die Operationen mit älaatteoiieeren etc. 



291 



«rfordom notwendig ancb einen entsprechend anagedehntan Bemn fBlr 
Ihre Aniirtelliuig nnd Bewegungen. Die MasBenheere weiden demnach 
jeden&Us anf mehrere gro6e Kriegssehaapl&tie stets verteilt sein, 
anf deren jedem dann eine Anzahl Armeen von 200- bis 250000 Mann 
gemeinsam operiren werden. Die Übersicht Über das Ganze nnd die 
allgemeine Leitung ist also ungeheuer erschwert und die Bewegongs- 
fiUügkeit der Massen, selbst bei der höchsten Marschleistung der 
Truppen, immer doch eine geringere und bedingtere, weil die 
Reibungen greisere sein müssen. Das Operationsgebiet selbst yermag 
die Massen nicht zu ernähren, die Verpflegung muls also durch Nach- 
schübe von weit her und durch Anlage von Magazinen vorgesehen 
werden, ihre Sicherstellung ist uii^^emein erschwort. Aus diesen 
Gründen ist auch die Änderung der üperationsrichtung für eine sehr 
grofse Armee mit den bedeutendsten Schwierigkeiten verbunden, kann 
unter Umständen sogar zur Unmöglichkeit werden. Die Nachschübe 
für das Massenheer können in ausreichendtjn Mafse nur mit Hülfe 
der Eisenbahnen bewirkt werden. Letztere sind alter als Verbindungs- 
linien aus sehr erklärlichen Gründen bedeutend euiptindlichcr als die 
Landwege, bedürfen daher sowohl auf dem Operationsgebiete selbst, 
irie Im Hinterlande eines bei weitem umfangreicheren Schutzes. Und 
so giebt es der zu überwindenden Schwierigkeiten mehr, welche die 
Massenheere mit sich bringen. Napoleon! ist an der AnQ;abe, mit 
grofsen Heeren zu operiren, zweimal nicht nur Tollkommen, sondern 
sogar UXglich gescheitert. Erst dem Strategen Moltke ist es ge- 
InngeUi diese An^be wiederholt und mit glänzendem Erfolge za 
lösen. Unzweifelhaft war Moltke an strategischem Wissen und Können 
Napoleon 1. bedeutend überlegen und die Resultate, die er damit er- 
reicht hat, waren derartige, dals niemand mit Recht behau [ttcn kann, 
die strategische Kunst habe seit den Kriegen Xapoleon's I. einen 
JEtückschritt gemacht. Der Napoleons-Kultus der heutigen Zeit stellt 
sich auch mehr als eine Gefühls-, vielleicht sogar Modesachc, als ein 
Ausflufs des Verstandesurteils dar. Die junge strategische Schule 
hält es aulserdem viel zu sehr mit der formellen, theoretischen Seite 
der Kriegskunst, welclie Seite ihr eii^ientlich als die ideale zu gelten 
scheint. Wie su }j;anz anders, wie viel richtiger und dabei erhabener 
hat doch unser Karl v. Ciausewitz über die Kricfrskunst gedacht! Er 
siigt in seinem Werke „^om Kriege^ in dem Kapitel „Strategie" so 
schön und wahr: 

„Ein Fürst, oder Feldherr, welcher seinen Krieg genau nach 
seinen Zwecken und Mitteln einzurichten weifs, nicht zu vid und 
nicht zu wenig thut, giebt dadurch den grölsten Beweis sones Genies. 
Aber die Wirkungen dieser Geniaüt&t zeigen sich nicht sowohl in 

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Die Operationen mit Maaseoheerea etc. 



neuerfuiideüen Formen des Handelns, welche sogleich in die Augen 
fallen würden, ab in dem glücklichen Endresultat des OanzeiL Es 
iaft das richtige Zutreffen der stiDen Voraussetzungen, es ist die ge- 
iSuscblose Harmonie des ganzen Handelns, welche wir bewundern 
sollten, und die sich erst in dem Gesammterfolg TeikQndet Deijenige 
Forscher, welcher, von diesem Qesammteifolg aus, jener Hanamue 
nicht auf die ^ur kommt, der sucht die Genidit&t leicht da, wo sie 
nidit ist und nicht sein kann. Es sind nfimlich die Mittel und 
Formen, deren sich die Strategie bedien^ so höchst einfach, durch 
ihre beständige Wiederkehr so bekannt, dab es dem gesunden Menschen- 
verstände nur lächerlich vorkommen kann, wenn er so häufig die Kritik 
mit einer geschraubten Emphase davon sprechen ]i()rt. Eine tausend- 
mal vorgekommene ümf^ehung wird hier wie der Zu^ glänzendster 
Genialität, d(»rt der tiefsten Einsicht, ja selbst des umtassendsten 
Wissen gepriesen. Kann es abgeschmacktere Auswüchse in der 
Büchervvelt geben? Immer lächerlicher wird es, wenn man sich noch 
hinzudenkt, dal's eben diese Kritik nach der gemeinsten Meinung alle 
muralischen Gröfsen von der Theorie ausschhefst, und es nur mit 
dem Materiellen /,u tliun haben will, so, dafs Alles auf ein Taar 
mathematische Verhältnisse von Gleichgewicht und Überlegenheit, 
Yon Zeit und Raum und auf ein Paar Winkel und Linien beschränkt 
wird. Wi&re es nidits, als das, so wttrde si<& ja aus soldier Misere 
kaum eine wissenschaftliche Angabe itlr einen Schulknaben bilden 
lassen. Aber gestehen wir nur, es ist hier von wissenschafUiohen 
Formen und Au^ben gar nicht die Bede; die Verhältnisse der 
materiellen Dinge sind alle sehr einiach; schwieriger ist das Auffiuaen 
der geistigen Krftfte, die im Spiel sind. Abw auch bei diesen sind 
die Geistesverwickelungen und die grofse Mannig&ltigkeit der GröJben 
und Verhältnisse nur in den höchsten Regionen der Strategie zu 
suchen, da wo sie an die Politik und Staatskunst grenzt, oder viel- 
mehr Beides selbst wird, und da haben sie, wie wir schon gesagt 
haben, mehr Einflufs auf das Wieviel und Wiewenig, als auf die 
Fonn der Ausfühmng. Wo diese vorherrscht, wie bei den einzelnen, 
grofsen und kleinen Begebeiilieitm des Krieges, da sind die geistigen 
Gröfsen schon auf eine geringe Anzahl zurückgebracht. So ist denn 
in der Strategie Alles sehr einfach, aber darum nicht auch Alles 
sehr leicht. Ist aus den Verhältnissen des .Staates einmal bestimmt, 
was der Krieg soll nnd was er kann, so ist der Weg dazu leicht 
gefunden; aber diesen Weg unverrückt zu verfolgen, den Plan durch- 
zufuhren, nicht durch tausend Veranlassungen tausendmal davon ab- 
gebracht SU werden: das erfordert aulser einer groisen Stärke des 
Charakten, eine gro&e Klarheit und Sicherfaeit des Geistes, und von 



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Die Kasten und Häfen des nusbcfaen Reidm ete. 



293 



tausend Uensohen, die «lisgeBeiGlinet sem kdnnen, der eine durch 
Geist, der andete dnrob Seharfnnn, wieder andere durch Eühnheiti 
oder durch WiOensstärlce: wird vielleicht nicht emer die Eigensdiaften 
in steh vereinigen, die ihn in der Bahn des Feldherm über die Linie 
des Mittelmäfsigen erheben." 

Als die deutschen Lande 1870 von Frankreich angegriffen wurden, 
hatte das deutsche Volk als Lohn fiir die ungeheueren Opfer, die 
der aufgezwungene Krieg erfordern mufste, und als Siegespreis die 
Wiederherstellung eines einigen deutschen Reiches erhofft. Die Er- 
reichung dieses Zieles hat dem deutschen Volke in Waffen die Strategie 
Moltke's ermöglicht. Uberaus reich an ghänzcnden Operationen ist 
auch die deutsche Kriegführung von 1870/71, diese Thatsache vermag 
nur eine voreingenommene Kritik ai)/,uleugnen. 

Die „wahre Kriegskunst" verlangt von dem Feldherm neben dem 
angeborenen Genie, neben der höchsten Geistoskraft, sowie gröfsten 
Willens- und Gemütsstärke auch noch die edelsten Charaktereigen- 
schaften und das durch ernstes Streben emmgene höchste Wissen 
und Können. Mit den Leistungen und Erfolgen im deutBeh-'finnzSsiaohen 
Kriege von 1870/71 ist nnaweifelhaft der Höhepunkt der Vollkommen- 
httt in der Kriegskunst bis jetzt erreicht worden. 



XXL 

Die Efisten und Häfen des Bnssischen Beiohes in 

Eui'opa und dem Kaukasus mit Rücksicht auf 
die Landes- Verteidigung. 

Von 

▼On Zepelin, Generalmajor a. D. 
(Sdüaia.) 



Dm Sebwane Heer imil seine Kttsten. 

Die militärische Betrachtung der Ostsee und ihrer Küsten zeigte 
uns, dais dieselbe in den Kriegen Rufslands eine wesentliche Bolle 
nur bis zur endgiUtigen Niederkämpfung dnr alten VomiaGht in jenen 
Gewftssem, Schwedens, gespielt hat. 

Oanz andere Verhältnisse zeigt uns das Schwarae Meer. 



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Die Kflateu und Häfen des niniachen Beiches etc. 



Lange bat es gedauert, ehe Rtlisland hier festen Fuis ge£aist 
hat. Erst anter Petor dem Ghrolbea wmde Aaow dfin TfMnn ent- 
liaaeii. Aber ancih jetzt noch war Bnlailaiid mdit m erstaikt» dab 
es dauernd am Sehvaizen Meere Falb üueeD konnte. Eist 1739, im 
ftieden von Belgrad, wurde dieser feete Flalz dauernd an Bufidaad 
abgetreten. Einst eine bllOiende Stadt, ein Stapelplats der Genuesen 
für ihren Handel swisohen Europa und Asien, ist es heute ein un- 
bedeutender Ort, an dessen frühere Stellung nur das Meer erumert, 
welchem vc einst den Namen gab. Einer nationalen Überlieferung 
der Bussen naeh soll Peter der Grofse mehr die Erreichung des 
Schwarzen Meeres wie die der Ostsee im Auge gehabt haben und 
nur durch die ihm durch die damals tibermächtige Türkei in den 
Weg gestellten Schwierigkeiten davon abgestanden sein. Wenn er, 
wie dieselbe Überlieferung sagt, Asow zur Hauptstadt des Reiches 
raachen wollte, wie ganz anders würde sich die Gescliichte Rufslands 
gestaltet haben? Erst der Kaiserin Katharina gelang es, einen 
gröfseren Teil der Nordküste des Schwarzen Meeres in Kussischeu 
Besitz zu bringen. Ihre Bemühungen um das ^Neu-Ruisland (Nowaja 
Rossija)" genannte Küstenland sind bekannt, ebenso aber auch, dafs 
schon damals das Streben der russischen Politik erwachte, 
das Schwarze Meer nieht nur erreicht su haben; sondern es, 
und Tor allem seinen Zugang Konstantinopel, zu be- 
herrschen. Die Geschichte Bu/slands ist Ton nun an die 
Geschichte des Kampfes um das Schwarze Meer und eeine 
Küstenländer. Dieser Gemehtspunkfc drängt sieh unwillknriioli 
jedem auf, welcher sieh mit dem so interessanten militär-geographisehen 
Studium des Schwarzen Meeres beschäftigt. 

Wie im Altertum die Uilhenden Kolonien der Griechen, so trug 
es im frühen Mittelalter an seinen Küsten diejenigen der Genuesen 
und Venetianer, und erst die Eroberung Konstantinopels durch die 
Türken vernichtete die alten Stätten der Kultur. Mit dem Nieder^ 
gange der Türkei tritt nun RuTsland in den Bewerb um die Vor- 
herrschaft auf dem Schwarzen Meere, welche ihm bisher noch von 
den anderen Grofsmächten, speziell von den Seemächten England und 
Frankreich streitig geranrht wurde. Mit unermüdlicher diplomatischer 
Thätigkeit. unterstützt von einer mit Aufwendung grofsartiger Mittel 
stetig vermehrten Flotte und dem Gewichte stnner nicht allein ver- 
gröfsertcn, sondern auch verbesserten Armee, hat es seit dem Krim- 
kriege nicht nur seine alte Stellung wiederzugewinnen, bondeni auch 
seine Macht im Schwarzen Meer zu mehreu gewuXst. Von der Kilia- 
Mtlndnng der Donau bis westlich der Mündung des unweit Batam 
sich in das Schwarze Meer eigtelseDden l^oroGh hat Bn&laDd die 



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295 



Küsten dieses Meeres in semem Besitze. Nur die freie Durchfahrt 
durch die Dardanellen hat es noch nicht für seine Kriegsschiffe be- 
dingungslos erreicht. Noch beherrscht die Türkei die Durchfahrt mit 
ihren heute mehr denn je verstärkten Befestigungen, noch wacht 
eifersüchtiger, wenn nnch nicht kraftvoller, donn je, Ent:;lan(l über 
dies bisher thatsächlich ia seinen Händen liegende Thor des Schwarzen 
eeres. Auf wie lange? Das wird die Zukunft lehren. Jedenfalls 
sind es noch nicht 40 Jahre her, dafs die europäischen Mächte die 
russische Seemacht auf dem Schwarzen Meere vernichteten, noch im 
letzton, grofsen Kriege auf der Balkan-Halbinsel vermochte die Türkei 
Rufsland die Mitwirkung der Flotte zur Unterstützung der Land- 
Operationen zu verbieten. Heute aber scheint es, als wenn Ruisland 
aich dieMT Abhängigkeit enlaogsD hSIte. Der nftdiste Krieg wird m 
der Türkei sehr übedegen finden. Rnßlattd wird moht allein im 
Schimrzen Meere eine wichtige Handels^i sondern auch eine nicht 
weniger wichtige Etappenstraise nach dem Eankaane und Tranekaepien 
besitzen, es wird in Zukunft eine Flotte besitsen, welche ihm den 
Angriff der Türkei in Europa gestattet, ohne die etwaige NeutralitiU 
Rumäniens und Bulgariens zu verletzen. 

Das Schwarze Meer mit dem ihm verbundenen Asow'schen Meer 
liegt zwischen dem 40" 55' und 47 15' nördlicher Breite und zwischen 
dem 27" 21' und 4l<> 48' westlicher Länge Ton Green wich. Seine 
Uferlänge beträgt, wenn man von Lagunen, Strandseen u. s. w. ab- 
sieht, 4030 km; die Ausdehnung zwischen Burgas im Westen und 
Poti an der Küste des Kaukasus im Osten 1168,6 km; zwischen der 
Einfahrt in die Bucht von Nikolajeff im Norden und Bender Eregli 
im Süden .585,2 km. Russische Quellen geben die Kiistenentwickelung 
etwas gri'ifser an. Hiernach soll — ansclieinend ist das Asow'sche 
Meer hiermit eingerechnet — dieselbe 4605 Werst (etwa = IUI 3 km) 
betragen, wovon 2686 Werst auf die europäische, 1919 Werst auf 
die asiatische Kttste kommen. Von ersteren sollen, nach russischen 
Quellen ~ 1889 Werst zu Rulslandi 225 sor TOikei, 192 sn Ost- 
Rumelien, 152 zu Bulgarien, der Rest Rumänien gehören. Von der 
asiatischen Küste Men 1265 Werst auf die Türkei, 654 Werat aof 
Rußland. Letzteres besitzt daher mehr als die HUfte der Küsten 
des Bchwaxzen Meeres, — An das offene, mit seiner Kttste gegen 
einen Angriff unmittelbar zu schützende Meer, (also aussehHelzlibh 
des Asow'schen Meeres u. s. w.) grenzen die Gouvernements Bess- 
arabien, Cberson, Taurien, des Kuban-Gebiet, die Militär-Bezirice des 
Schwarzen Meeres (Kaukasus) und von Suchum Kaie sowie die 
Gonyemements Kutais und Kars. WMr finden, was die Küston-Ent- 
wickelung, namentlich aber, was die Inselbildung anlangt, im Schwarzen 



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296 Die Kflgten und Hifen dee nualaäien Reich«« etc. 

Meere ganz andere Verbältnissp als in der nissischen Ostsee. 
Die buchten- und häfenreichen Küsten der fast völlif; vom Meere, sei 
es durch Untiefen, Inseln oder Randbänke abgetrennten Meerbusen 
fehlen hier fast ganz. Noch mehr ist dies mit der Insel- und Klippen- 
bildung der Fall, welche den Küsten der russischen Ostsee in weiten 
Teilen einen so unübersichthchon, zerrissenen Emdi-uck verleiht. — 
Die einzigen, erwähnenswerten Inseln sind die östlich der Donau- 
Mündung Torgehigorteii Schlangen-Inseln, und auch di«M and ganz 
unbedeatend^). — Eine «genartlge Erseheinung sind aber die Limane 
der grofsen sfidnuaisclien StrOme und das haifbrtige Asow'eQhe Meer. 

Das Sdiwarze Meer gleidit in seiner Tiefenbildnng emem groisen 
Kessel, das Asow*soheMeer ist flaeh. — Nadi Erummel, pMoipliologie 
der Meeres-Räiime^* soUen dch zwischen demBospoms und Sewastopol 
Tiefen TOn 2000 m finden. Die mitHere Tiefe soliätat er auf 1158m, 
während z. B. das Adriatische Meer nur 231 m aufweist. In sanem 
nordwestlichen Teile erreicht das Schwaize Meer freilich nur eine 
Tiefe von 1 5 m, während, namentlich an seinen Steilküsten im Süden 
und Osten und oinorn Teile des Westens, oft die Hundert-Faden-Linie 
sehr nahe am Lande vcriiinft imd den gröfsten Krie^schiffen die An- 
näheniHf^ an die Küsten gestattet. 

Die mittlere Jahrestemperatur des Schwarzen Meeres beträgt 
4- 11« R. Odessa hat + 7,6" R., Sewastopol + 10» R., Redut-Kale 
+ 11 ö R., Trebisonde f 12,P R., Konstantmopel + 13" R. 

Die teilweise liehen und rauhen Gebirge, sowie die im Winter 
eisig kalten Steppen, welche auf grofsen Strecken den Küsten an- 
liegen, raachen das Klima rauher, wie es die verhältnilsmälsig süd- 
liche Lage des Meeres erwarten läfst Die teilweise hierdurch hervor- 
gerofenen kalten Winde lassen den zwischen der Donan-MKlndiing 
und der Stralse von Kertach liegenden Teil des Meeres sich zuweilen 
mit EiB bedecken und sind somit die hier liegenden HSfen oft in den 
Monaten Dezember und Januar durch Eis gesperrt 

Ebbe und Flut sind nicht bemerkbar. — Dagegen erzeugen die 
Wassermassen, welche das Meer von den in dasselbe mündenden 
grofeen StrGmen empfiUigt, und die der einzigen, offenen Stelle — 
dem Bosporus, hinzuströmen, eine sowohl längs der anatolischen 
wie auch längs der Küste der Balkan-HaUnnsel entlang laufende 
Strömung. Von der Bedeutung dieser Wassennassen, bei welchen die 
Zufuhr süfsen Wassers die Verdunstung überwiegt, kann man sich 
einen Begriff machen, wenn man sich erinnert, dais die Wasserscheide 

') Es giebt nur noch 2 ganz kleine Inaela: Die Luel Beresaii, w. n. von 
Otschakofl' am Dqjepr-Bug-Liinaii und die Insel Kerpen (Eefken) an der ana- 
tolischea KOste^ etwa 90 Seemeilen Östlich der Strabe von Konstsatiaopel. 



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Die Küsten und Häfen defl rtimiachen Reiches etc. 



297 



des StromgetnetOB d€e Sohwanen Meeres mir wenige HeUen von 
Triest, Unme und Sptflatro in Dalmatien liegt und dalb die Quellen 
der Denan nabe an dem Flu&bette des Rheins, die des Dnje[>r in 
der Breite von Hoskan liegen. Diese gewaltigen Ströme fähren im 
Norden nnd Nordwesten dem Meere aber nicht nnr Sttlkwasser, 
sondern auch mächtige Massen von festen Teilen zo, welche sich als 
Sedimente ablagern und hierdurch namentlich das AsoVsohe Meer 
verflachen. 

Die Küsten von der Donau-Mändung bis zur Landenge 
TOA Perekop. 

Dieselben sind bis zum Kap Fontana bei Odessa meist flach. Es 
breiten sich nm Meere weite Stoppen aus, in denen nur die Kurirane, 
d. h. Grabhügel der alten Bewohner dieser Gegenden über das um- 
liej^ende Gelände hervorragen. Oft liegt die Küste sogar mit dem 
Meeresspiegel fast gleich hoch. Häufig zwingen vorg(^laL:erte Sand- 
bänke die gröfseren Kriegsschiffe, mehrere km vom Lande entfernt 
zu bleiben und erschweren hierdurch die Landung. An Her Küste 
selbst liegen eine grofse Zahl zum Teil sehr bedeutender und meist 
mit gröfseren Flächen versumpfter Niederung umgebener Strandseen, 
wie der Saflyk-See, audi Kimdok-See genannt, bei Shebrijeni, der 
8ohagany-See hei der gleichnamigen Stadt, der Alib^-, der Buma»-, 
der Sohabatatsij-See u. a. sowie der Umaa des Di^jestr. Hierdureli 
wird sowohl das Festsetsan wie das Vorgehen eines gelandeten Heeres 
sehr erschwert. Hiersu kommt femer der Umstand, dais eine groihe 
Zahl tief eingesdimttener Küsten- besw. Nebenflüsse des nördlichen 
Hfindungs-Armes der Donau von Nord nach Sfid dem Meere zu- 
strömen und f&r ein Vorgehen in südwestlicher Richtung auf Eima, 
Tntschkow, Reni und Galacz \ne in nordöstlicher Richtung auf 
Akjemian und Odessa eine Reihe nicht leicht überschreitbarer Hindeiv 
nisse bilden. Aber auch ein Vordringen in der nördlichen Richtung 
auf Kischinew-Bender-Tiraspol wird durch diese Gewässer und deren 
'weitverzweigte Zuflüsse sowie durch die schlechten Stralsen Beesarabiens 
empfindlich gehemmt. 

Von Kap Fontana bis Odessa ändert sich der Charakter 
der Küste völlig. Sie erhebt sieh zu Höhen roten Lelnus, welche 
teilweise steil zum Meere ablallen und eine Reihe von stattlichen 
Dörfern, auch deutsclier Kolonisten, tragen. Odessa, an der nach 
ihm genannten liuclit. besitzt — wie wir weiter unten sehen werden 
— - einen vortreffliclieu Halen. 

Von Odessa bis zu der tief in die Krym einschneidenden Earkinit- 
Bai (dem „Toten Meer**), weldie mit dem von Osten her eindringenden 
Siwascfa oder Gnibje More („Faules Meer**) die Landenge Perekop 



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298 



Dto Ettaten tmd Hite d«8 nurftelMi BddM «le. 



lunschliefet, trägt die Küste einen ähnlichen Charakter wie auf der 
Strecke von der Donau zum Kap Fontana. Liman, d. h. Erweiterungen 
der Flüsse, welche gleichsam als schmale, langgestreckte Buchten 
(dies ist die ursprüngliche Bedeutung des türkisoben Wortes „Liman'') 
tief in das Land einschneiden — folgt auf Liman und zwischen ihnen 
finden sich zrililreiche Strandseen. Es seien von den bedeutenderen 
Limanen nur erwähnt: Der Gadschibeiskij -Liman, der Kujaluizkij- 
Liman, der 'I'iligulskij-Liman, der Beresansk^-Liman und der Dnjepr- 
Bug-Liman. — 

Von dem letzteren ab hört die Liman-Bildung auf, es 
beginnt der festländische Teil des Gouvernements Taurien. 
Die Küste ist hier ausgewaacheu vom Meere, das eine grolse Reihe 
Buchten gebildet hat. Mehrfach erstrecken sich die Überreste des 
Fesdandes als scbmale Landzungen veit m das Heer hinein, niolit 
mit Unrecht „Eossa**, d. h. Flechte, GMLte, von den Russen genannt. 
— So trennt die Halbinsel Einbnm, benannt nach dem im Eiym- 
Kriege bekannt gewordenen Fort gleiöhen Namens» die Jagoilyk- oder 
Einbum-Bacht Tom Dnjepr-Bug-Liman. Und sfidlidi hiervon sohneiden 
die gleieb einer schmalen Nehrung sidi vom FesÜande abtrennenden 
nnd nach Westen bezw. Osten viele Meilen weit ins Meer hinaus 
erstreckenden Tendra- und Dschaiylgatsch-Halbinsefai die gleichnamigen 
Buchten vom Meere ab^). Aber auch auf der Küste des Festlandes 
selbst zeigt sich im Gouvernement Taurien die Thätic^eit des Meerss 
durch die grofse Anzahl von Strandseen. — 

Das Hinterland der Küstenstrocke von Odessa bis zur Halbinsel 
Perckop wird fj:ebildet von den Steppen Kleinrufslands, welche, glühend 
heils im Sommer, im Winter, Frühjahr und Herbst fast unwegsam 
sind und die Bewegiingen gröfserer Truppenmassen empfindlich er- 
schweren. Diese Verhältnisse trugen während des KrjTnkrieges einen 
wesentlichen Teil der Schuld, dafs die Verstärkungen des russischen 
in der Krym fechtenden Heeres dasselbe garnicht oder nur in sehr 
geringer Zahl erreichten. — 

Strategisch oder kommerziell erwähnenswerte Punkte 
an der Küste sind: Algerman-Owidiopol, Odessa, Otsdiakoff und 
Einbnm, Nikolajew, Cherson. 

Äkjerman, mit dem ihm auf der nordwesUichen Seite des 
Bnjestr-Iiman gegenüberliegenden Owidiopol, 30000 Einwohner, 
Hauptort des gleichnamigen, sehr viele deutsche Kolonien z ähle nd e n 
Kreises, ist ^nenhafen. Ln Norden der Stadt Hegt die beute teile 
ver&Uene, teils den Bedingungen der Neuzeit nicht mehr entsprechende 

^) Die bcbmalo Tendra- (auch Tender-) Halbinsel ist durch einen Meeres- 
Durdibnioh augenbliddieh sur Insel gemacht 



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Die KOsteo und Hifen des ruasiBcben Reich« etc. 



299 



Festung gleichen Namens, welche 1475 und 1484 von den Türken 
erobert wurde und in den Kämpfen früherer Jahrhunderte eine pe- 
wisse Kolle bpielto. Dieselbe bestand wesentlich aus einer Jiingniauer 
mit 26 Tünnen und einer Citadelle, war teilweise in Felsen gehauen 
und anf den TrOnunem eines alten Oenuesenforts erriditet — Der 
ehemals blühende Handel Al^ennaiui aar See geht wegen der fbrk- 
aelireitenden Versandung des Liman zuraok. Militäriach ivichtig ist 
Algennan noch heute ala Ühei|;angBpiinkt der von Galaoa, Beni, 
Tnltaofha und Kifija anf Odessa ftthxenden Strallben über den liman. 
Die Verbindung mit Owidiopol wird duroih tS^Kub mehnnals gehende 
Dampfschifife bewerkstelligt, von denen jedes d— 4 Backen im Schlepp- 
tau nehmen und so je 1500 Mann transportiren kann. — In A^jer- 
man wurde 1826 die Zusatzkonvention zum Frieden von Bukarest ge- 
schlossen, deren Nichterfüllung durdi die Tttrka bekanntlich den 
Fddzug 1828 zur Folge hatte. 

Odessa ist der ITnnpt-Scehandels- Platz des Schwaraen Peres. 
Durch ihn wird auch der \'erkehr Rufslands mit seinen Besitzungen 
am Stillen Ozean vermittelt. Die jetzt gegen H04()(K) Einwohner 
zählende Stadt (Zählung 1889) wurde erst 1794, nachdem die Kaiserin 
Katharina II. durch den Frietlen von Jassy jenen Teil der Küste er- 
langt hatte, gegründet und bald zum wichtigsten Handels-Emporium 
Rußlands. — Jede Flotten-Operation gegen die russischen 
Küsten des Schwarzen Meeres wird erst dann ihr Ziel er- 
reicht haben, wenn es gelungen ist, den Handel Odeasae 
lahm au legen, bezw. sich der Stadt und ihrer Hafen-An- 
lagen zu bemächtigen. Es fibemacht, daft die Rnssen, welche so 
bedeutende Mittel auf die Erwdterong und Verbesserang ihrer Landes- 
▼erteidignng verwandten, nicht mehr iiir die Sichemng Odessas 
gethan haben. — Die Stadt» Sita des Oberstkommandirenden des 
Militärbezirks Odessa, des Genenlkommandos Vin. Armeekorpa und 
einer zahlreichen Garnison, bildet eine besondere Stadthauptmann- 
schaft (gradonatschalstwo). Sie liegt auf dnem circa 50 m hohen 
Plateau, welches in steilen und felsigen Hängen an das Meer heran- 
tritt. Die den Hafen bildende Bucht mifst in ihrer gröfsten Breiten- 
Ausdehnung: eine starke deutsehe Meile. Die Gebäude, teilweise des 
voniehmsten und reichsten l'eiles der Stadt, ziehen sich unmittelbar 
an dem Abhänge entlang, die Bucht in ihrer ganzen Längen-Aus- 
dehnung umsäumend. Der innere Hafen wird geschützt durch eine 
■weit in das Meer hineinreichende Mole im Osten und durch einen 
ihm gegen das offene Meer hin vorgelagerten Wellenbrechor. — Der 
Hafen besteht aus 4 grofsen Bassins, das für die Küstenfahrer, das 
Bassin Richelieu, das „neue" Bassin und das Quarantäne-Bassin, 



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300 



Die Kflston und Hfifen de« ruMuchen Reiches etc. 



lotiteiefl weBentUoh Ar den fibenedBchen Veikehr bestunnit. Einige 
km nordirosilicbi gegen Norden dnroli eine Mole geechütst, liegt &8t 
am Nordende der Bucht der Bogenannte Petrolenm-Hftfen, mit Rudc- 
aidit auf seine Bestimmiing ganz getrennt von den anderen Baasins. 
Die Bncht liat niigenda Untiefen, so daik sieh die grSlaten Schiffe 
bis auf 2000 m der Stadt nähern und sie anter Feuer nehmen können. 
Die an der Mole, dem Quarantäne-Hafen gegenüberliegende Einfahrt 
ist für die Seeschiffe grö&ten Tiefganges bestimmt und hat eine 
Wassertiefo ?on 10 m, diejenige im Westen gegenüber dem Hafen fßr 
Küstenfahrer eine solche von 5,20 m. Die Verteidif^ngs-Einrichtuncren 
sind, wie schon oben angedeutet, nicht der Bedeutuncr des wichtigsten 
Handelsplatzes Rufslands entsprechend. Vor dem letzton Kriege war 
Odessa nur durch eine alte Citadelle geschützt, welche sowohl nach 
der Land- wie nach der Seeseite geschlossen ist und auf dem Plateau 
über dem Quarantäne-Hafen liegt. Später errichtete man eine Reihe 
von 13 Erdwerken, welche sich in langer Linie von der Kirche um 
Nordende der Stadt bis zur „kleinen Fontäne" (malüj fontan) im 
Süden erstreckt. Sie sind mit etwa 100 Geschützen schwersten 
EaUbera aimirt Vor dem Hafen hatte man un letsrten Eiiego eine 
über eine deutsche Meile lange, aus 3 Rohen hinter einander be- 
stehende Minensperre angelegt, welche dne AnsM-Offirang für Kriegii- 
schiffe und eine ebensolche für SLanffahrteiscliiffe hatte. Durch diese 
Sperre Yermochte man die femdfidien Schiffe bis anf Vt deatsche 
Meile Ton der Stadt abmhalten. — Im ErymrEriege — wo diese 
Sperre fehlte — gelang es am 22. April 1854 einer franzüsisch- 
mglischen Flotte und am 14. Mai desselbon .Talires englischen Schiffen 
die Stadt zu bombardiren, ohne dais derselben ein bedeutender 
Schaden zugefügt wäre. — 

Wie empfindlich für Rufsland aber eine Besitznahme der Stadt 
oder eine Störung ihres Handels durch den Feind sein mufs, erjrieht 
sich scliun daraus, dafs Odessa seiner Einwohnerzahl nach die viert- 
gröfste Stadt des Reiches, seinem liafcnverkchr nach die zweite, seiner 
Getreideausfuhr nach die erste ist. Von Seeschiffen laufen jährUch 
etwa "2500 aus und ein, von Küstenfahrern 2600. Der Wert der 
Aus- und Einfuhr beträgt weit über fiO Millionen Rubel. 

Mit dem innerrussischen, sowie mit dem österreichisch-rumänischen 
Bahnnetz ist Odessa durch die doppelgeleisige Bahn Odessa-Rasdyliiaja 
verbunden. Unmittelbar hinter der Stadt beginnt die nur von im 
Winter fast nnpassirbaren Wegen dnrdischnittene Steppe, welche 
in vielen Teilen in der nassen Jahreszeit einem Schlammmeere g^eidit 

Nicolajeff mit Otschakoff und Kinburn. Nikoliyeff liegt etwa 
40 km oberhalb der Mündung des Bug (des „südlichen*^ im G^gensats 



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Die Käateu und Häfeu deti ruämadiea Beiches eic. 



301 



zum „westlichen" (sapadnüj) Bug, des für die strategischen Verhält- 
nisse des weBtnissischen Kriegsschauplatzes so wichtigen Stromes) in 
den eich an seiner Mündung zum Liman erweiternden Dnjejnr am 
linken üfiar des ersteren, in einem Knie desselben. 

Die Bedeutung Nikol^efib ist seit dem Kiimkiiege, nach welchem 
die Russen die Festungswerke Sewastopob schleiften, gewatdisen. Es 
wurde zum Kriegshafen • 1. Klasse gemacht, und der Depot- und 
Kenstruktions-Plati der Flotte des Schwansn Meeres. Die Stadt 
selbst mit ihren 80000 Einwohnern ist Endpunkt der über Dolins- 
kaja und Snamenka mit dem südrussischen Bahnnetz in Verbindung 
stehenden Eisenbahn und lebhafter ilandels-Platz. Als Werftplatz hat 
NikolajelT eine in seltenem Malse von der Natur begünstigte Lage. Der 
von links her in den Bug mündeiido Ingul bildet mit ersterem eine 
Halbinsel, welclu* nach Oston zu nur durch ei!)»- inmofiihr 2'/^ km 
breite Landengo mit dem Lande in Verbindung steht. Hierzu kommt, 
dafs die entfernte Lage vom Meere Nikolajeft' gegen jeden unmittelbaren 
AngrilT einer Flotte schützt, dafs der I'iingang m den für Kriegsschiffe 
nur sehr beschrankten Teil der im Allgemeinen verhiiltniismafsig 
flachen Mündung des Dnjepr-Limaii in das oft'ene Meer durch die Be- 
festigungen von Otschakoff und Kinburn verteidigt wird und dafs die 
auf den Werften von Nicolegeff erbauten, bezw. hergestellten eigenen 
Kriegsschiffe im unbelasteten Zustande ohne jede Schwierigkeit 
den an einigen Stellen sogar bis su einer Tiefe ?on 11 m aus- 
gebaggerten Bug dnrchfahren können. Hierdurch ist Bulsland in der 
Lage, sieb beim Schiffbau keine Beschränkung irgend euier Art mit 
Besug auf die Grdise au&uerlegen. So sind u. a. die bdEannten, schwer- 
filligenPanzertnnnsohifib, die nach ihremErfinder sogenanntenPopbffkas» 
hier erbaut worden. 

Was nun die Verteidigungsanlagen Ton Nicol^eff anlangt, so sind zu 
unterscheiden: 1. Die Verteidigung gegen den Angriff von der See her. 
2. Die Verteidigung des inneren Hafens, d. h. der Fahrstra&e des Bug 
bis Nicolajoff hin. 

Der {Schwerpunkt der Verteidigung an der See, d. h. an 
der Mündung des Liman, liegt in der Befestigung von 
Otschakoff. 

Das auf der linkm, si'uilichcn Seite des Liman auf einer schmalen, 
nach ihm benannten IlalbinseP) liegende Kinburn, wurde bekanntlich 
1854 nach einer Bescliiefsung von den Allürten en^bert. Es bestand 
damals aus einigen mit einem Ileduit versehenen Erdwerken, welche 
mit etwa 1400 Mann besetzt waren, ütschakoff, dessen Befestigungen 
teilweise noch aus der Genuesen-Zeit stammten, gaben die Russen 

Kinbnmakiga Komm. 



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302 



Die Kflgt w i himI Hiftn dM ituBiBcheii Rdcho oto. 



Idemuf fireiirfllig au^ nachdem sie es teilweise in die Luft geeprengt 
hatteiL Von Intecesse ist der Kampf nm Kinbiixn andi um deswegen, 
weil nach französischen Quellen hierbei zum ersten Male Pan^enduflb 

die französischen Panzerkanonenboote »la Larve", „la Tonnante" 
und „la Dövastation'^, snr Verwendung kamen. Nach der Beendigung 
des Krym-Kriegs wurde russiBcherseits Itfagere 2^it mit der Wieder- 
herstellung der Befestigungen Kinbums gezögert, weil man annahm, 
dafs ein Gegner bei der Beschaflfenheit der dem Meere anscheinend 
preisgegebenen, tlachen Landzunge, von einer Besetzung und Benutzung 
derselben zur Anlage von Batterien ohnedies Abstand nehmen müfste. 
Neuerdings soll man aber dennoch zu dem Entschluis gelangt sein, dort 
ein Panzerfort zu errichten. 

Was nun den derzeitigen Stand der Befestigungen von 
Otschakoff anlangt, so bos tchun dieselben: a) Aus einer Batterie 
auf der iiu Meere, einige km vor dem Eingänge zum Liman gelegenen 
Insel Beresan. b) Aus 4 Uferbatterien auf dem Festlande zwischen 
dem dort gelegenen Leaehttucm and dem Slidende der Stadt Di»- 
selben sind ans Qramtsteinen eiricbtet nnd mit Panzertärmen var^ 
seben. Dia sttdlushste ist auf einem in den Idman hinemgebanten 
Steindamm errichtet o) Ans dem im Liman, nnmittelbar sttdHoh der 
bier 16 — 18 m tiefien Fabrstrafee liegenden Inselfort Nioolaje£ 

Diese Insel ist künstlich ans Anfediilttmigen hergestellt Einen 
Kern von fester Erde hat man durch Bauschutt aus den alten Be- 
fostigongen von Kinbum vergröfsert und ihn zum festen Halt durch 
einen Damm ans Steinen und Beton umgeben. Um die so gebildete 
Insel ist durch eiuMi ringartig um dieselbe angeführten Damm gleicher 
Beschaffenheit eine Art Graben im Meere abgeschnitten. Die Ver- 
länj^erung dieses Dammes nach der Flufsseite bildet ein Hafenbassin. 
Minensperren quer über den Liman vollenden die Verteidigungs- 
Anlagen, welche siimmtlieh unter einander durch Kabel verbunden sind. 

Die innere Befestigung am Bug besteht aus einer längs 
dieses Stromes errichteten Reihe von Werken, von denen die bedeu- 
tendsten wie das Fort Ssenienoft, Fodorowka, die Werke von Bogo- 
jawlensküje u. s. w. am linken Ufer liegen. Der unmittelbare Schutz 
der Marine-Etablissements in und bei Nicolajeff wird bewirkt durch 
das auf einer Bank im Strome erbaute Fort Constantin, welches durch 
einen sur Yertetdignng eingerichteten Steindamm mit dem leohten 
Ufer ▼erbunden ist. iDie swischen dem Fort und dem linken üfor 
führende Fahrstralke ist fär Sperrungen Torbereitet. Endlich ist Nico- 
li^eff östUdi durch eine quer über die HalMnsel geeogene Verteidigangs- 
linie gegen einen Angriff von der Landseite geeichert Das Arsenal 
Uegt SU beiden Seiten des InguL — 



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Die Kütten und Häfen des nueiachen Keicbee e(c 



303 



Chersün, ebenfalls am Dnjepr-Bug-I-imaii, und zwar auf dem 
rechten Ufer des Dnjepr gelegen, ist mit scuieii 70 000 Einwohnern 
eine bedeutende Handelsstadt Sie ibt die in der russischen Geschichte 
oft genannte Gründung Potemkin^s und war ehedem Sitz der Admiralität. 
Heute ist ihr Hafen der untere Dnjepr — sehr Teraandet und nur 
Schiffen geringen Tiefganges zugänglich. Cherson ist aber immer 
nodh Ton grofter Bedeatnng dureh die Vennittelnng dee mitteht der 
SohifSahrt anf dem Digepr einer-, und den KttatenCeihreni andererseits 
betriebenen Handeta. 

Die Erym nnd ihre Ktteten. Die Strategisohe Bedeutung 
dieser Halbinsel ist nicht nur im Laufe der vergangenen Jahriranderte, 
sondern besonders auch durch den letzten Feldzug der Aüiirten gegen 
Bnfaland — welcher daher auch den Namen der Krym trägt, er- 
wiesen worden. — Eine kuse Charakteristik derselben ist daher hier 
nicht zu umgehen. 

Die 111800 qkm «zrofse Halbinsel, ein Teil des Gouvernements 
Taurien, hängt nur durch die im Westen vom Toten Meer, im Osten 
vom Si wasch oder dem Faulen Meer be<rrenzto gegen 9 km breite 
Landenge von Perekop mit dem Festlaude zusammen. Durch 
den hier 1888 bis 1892 angelegten Kanal ist die Krj'm in ge- 
wissem Sinne zur Insel gemacht worden. Von welcher Wichtigkeit 
für die Landes- Verteidiguni^ derselbe ist, geht wohl schon daraus 
hervor, dals durch ihn der Seeweg zwischen Mariupol an der Mündung 
des Don und Odessa Ton 434 auf 295 Seemeilea (ä 1855 m) verringert 
worden ist Er gestattet der russischen Kriegsflotte mit ihren Fahr- 
zeugen entspredienden Tie^anges von Odessa und Otschakoff aus in 
das Asowsche Meer zu gehen, ohne sich wllhxend der Umschiffung der 
Kiym dem Angriffs einer fe ind l ich e n Flotte anszusetsen, weldier sie 
unter den ungünstigsten Verhiltnissen treffen wfirde. Die Handels* 
flotte aber geirinnt Zeit und erspart Kosten, welcher Umstand be- 
sonders wichtig ist für den Transport aller nach Odessa bestimmten 
Erzeugnisse des südöstlichen RuMands, namentlich für die im Don- 
Gebiet im Überflufs vorhandenen Kohlen. Auch können die Flufs- 
sclii£fe, welche das Don- Wolga-Gebiet befahren und die namentlich 
während der für die Schifffahrt ungünstigen Jahreszeit die offene See 
nicht zu halten vermögen, sich vom Don aus auf ungefährdetem, 
näherem Wege nach Odessa begeben. Der Kanal, welcher im flachen 
Meere insofern eine Fortsetzung erhielt, als in demselben eine Strecke 
von cirka 1 1 0 km ausgebaggert und mit Schifffahrtszeiohen versehen 
ist, hat eine obere Breite von 22 m und eine Tiefe von 4 m. Zwei 
grofse eiserne Drehbrücken vermitteln den Verkehr vom Festland zur 
Haibinsel — die westliche bildet die Überführung der von Cherson, 



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304 Kfiaten und Häfen des ruBsüchen Badbm etc. 

bezw. Bereslaw 1 um Dnjepr über die Halbinsel Perekop auf Simferopol- 
Sewastopol führenden Stralse, die östliche diejenige der Eisenbahn 
Lo68(miQi^45ewBBtopol an der Tflchougar-Strafse. — 

Die Gliederung der EliBte derKrym ist sehr bedeutend. 
Sie bedtst nicht weniger als 1050 km KQsfeenIttnge auf 19800 qkm 
Oberflfiehe» eine Folge der Zerrissenheit der EUaten, dnroh den Siwasoh 
im Norden und Osten, wo derselbe vom Aaow'sehen Meere nur durch 
die 118 km lange) oft nur 5 — 600 m breite, sandige Halbinsd von 
Ärabat getrennt ist » Der nÖrdUohe Teil der Halhmsel, der be- 
deutend gr5/kere, ist eine aua Sand- und Thonscbiefer gebildete, stark 
mit Salzlagem erfüllte Ebene. Dieselbe trägt, wenn auch teihreiBe 
nicht unfruchtbar, doch überwiegend den Charakter der Steppe und 
wird im allgemeinen nur als Weideland benutzt. Der südlichste Teil 
der Krym wird durch ein Gebirge durchzogen, welches im Westen am 
Meere beim Kap Chersones unweit Sewastopol beginnt und im Osten 
unweit Feodosia endet. Dasselbe führt auch wohl den Namen Ja'ila- 
Dagh und erreicht in seinen höchsten Punkten etwas mehr als 1500 m. 
— Dies Gebirge steigt steil aus einer schmalen, zum Teil sehr frucht- 
baren Küstonebene auf, die reich bevölkert und angebaut, auch mit 
oft ^ofsartigen Landsitzen der kaiserlichen Familie und der russischen 
Aristokratie bedeckt ist. Im Norden verzweigt sicli das Gebirge in 
Parallel-Ketten und geht aUmähg in die Steppe über, nüt deren 
kahlen Einförmigkeit seine üppige Bewaldung in greisem Gegen- 
satze steht 

Bei ihrer reichen Gliederung und ihrer gttnstigeu Lage 
besitzt die Halbinael eine Reihe Ton brauehbaren Häfen, 
unter denen hier nur Eupatoria, Sewastopol, Balaklawa 
und Kertsch, sowie das frtther erw&hnte Feodosia, auch 
Eaffa, genannt seien. Unter den Buchten sind die bedeuträdenn: 
das Tote Meer oder die Karidmit-Bai mit zahlreichen kleineren ESn- 
buchtungen, der nur durch eine schmale Nehrung vom Meere ge- 
trennte Donuslaw-See, die Bucht von Eupatoria, die Kalamita-Bucht, 
die Bucht von Balaklawa, die Bucht von Sewastopol, diejenige von 
Jalta, die Bai von Sudak, die Bucht von Feodosia oder Ka£fa, die 
Bai von Kertsch, die Bai von Kasanlip und die Bai von Arabat, 
letztere beide am Asow'schen Meere. Aufser dein Hafen von Sewastopol, 
welcher weiter unten zum Gegenstand eingehender Schilderung gemacht 
werden wii-d, bietet eigentlich nur Balaklawa einen völlig geschützten 
Hafen an der Küste des Schwarzen Meeres und die Bucht von 
Feodosia (Kaffa) eineu guten Ankei-platz. - Die plötzlich hcrein- 
bruühenden Stürme machen es bei den auiieren Buchten und Häfen 
den ankernden Schiffen oft unmöglich, liegen zu bleiben. Dieselben 



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Die Kosten und Eilen de« ruauachea fieicbee etc. 305 

sind gezwungen, die offene See zu gewinnen. Wenn es daher auch 
durchaus nicht ausgeschlossen ist, hei ruhif^er Soo !j;n)fsere Tnippen- 
massen an den Küsten der Krym zu landen, so schweben dieselben 
doch andauernd in der G^ÜEkhr, ihre rückwärtige Verbindung zu ver- 
liaren. Im JB^Tm-Eriega vorloran b. B. die Engliader am 14. NoTember 
1854 m Eiiptttewi» 5, vor BalaUawa 11 KhegssdufFe und eine nocli 
grSlkre Ansahl von TrauBportsobiffian; 7 Schiffe wurden entmaatet 
An demaelben Tage ging vor Eupatoria das firanaÖeiBche Kriegsaehiff 
Heniy IV. (von 100 Kanonen) nnd die Korvetle Pluto Torloien. — 
Eupatoria, mit unbedeutendem Hafen, ist daduroh bekannt, dafo 
auf seiner Küste unweit des alten Forte am 14. September 1854 die 
Verbündeten landeten. — ßalaklawa, welches während der Belagerung 
von Sewastopol den Verbündeten zum AusschifTungs- und Depotplatz 
diente, bietet einen vorzüglichen und geschützten Ankerplatz. Freilich 
ist die Einfahrt zu demselben nur 200 m breit und windet sich 
zwischen 400 — 500 m hohen schroflf abfallenden Felsen hindurch, auf 
denen eiu altes genuesiacljcH Fort liegt. Balaklawa, von dem aus die 
Engländer eine Eisenbahn bis in die Nähe der Bela^^erungsstellun^j 
erbauten, ist in der (leschichte des Kryni-Krieges oft genannt worden. 
— Die Verbündeten hatten es durch eine Reihe von Verschanzungen 
geschützt. Der von den Bussen unter Liprandi am 23. September 1854 
auf dieselben unternommene Angriff hätte beinahe zum Ziele geführt. — 

Sewastopol hegt an einer tief eiugeschuitteneu, gegen die Nord-, 
Ost- und Süd- Winde durch die umliegenden Höhen gesicherten Bucht, 
welohe ungefähr 5700 m lang, 1200 m breit und 10-^18 m tief ist 
und einen Yortreffliehen, leidit au Terteidigenden Hafen bildet Der 
dnrcih die Forla Cknutantin (im Nordel) und Alezander (im Süden) 
vertadigte Eingang in den inneren HaiiBn hat nur eine Breite von 
gegen 900 m, die Breite des fln&eren Hafens mag 3 km {ibersteigen. 
Im Ezym-Kriege wurde er von den Bussen durch Versenkung ihrer 
Hotte gesperrt, heute sind See-Minen-3perren Torgesehen. Der Ufer- 
rand der Bucht ftllt steil zum Meere herab, so dafs die felsigen Ab- 
hänge gestatten, die Batterie-Anlagen bis fast unmittelbar au den 
Rand des Meeres heranzuschieben. Die vielen Falten im Gelände er- 
leichtem die Aufstellung und Heranführung TOn Reserve-Truppen und 
Material. Aber nicht allein nach der See-, sondern auch nach der 
Landseito begünstigt das Gelände die Anlafje von Befestigungen. 

Im Süden der Bucht erhebt sich das Plateau des Kap Chersones. 
auf welchem 1854 die Verbündeten, gestützt auf die Flolten-Iiepots 
in den Buchten von Balaklawa und Kaniiesch, zur Belagerung der 
Festung lagerten. Auch im Norden trutcu die Höhen nahe an die 
Bucht heran. Die Höhen der Nord- und der Südseite weruen uurck 

4alttbMk«r Oi ii» Dntuh» Aimm awl lUno«. Sd. »7, a 21 

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806 



Die Küsten und U&fen des rassischen Beiches etc. 



das ziemlich breite, an der Mündunfr des Flusses in das östliche 
Ende des Hafens versuinpfte Thal der Tschemaja von einander ge- 
trennt, welche liier vun der Eiserihahn Lossowaja-Sewastopol, die auf 
der Südseite des Hafens zur Stadt fuhrt, überschritten wird. Die 
WShffa der Südseite and üirerBeifee wieder dnrdi eine AnEahl (8) meist 
tief eingesdinitteiier Schlaehten gegliedert. 

Der Hafen selbst (federt sich im Sflden dwcli 3 zun Teil tief 
in das Land eindringende Badbten, an deren grS&ter — dem Sttd- 
oder Eriegshafen — die Stadt Sewastopol auf der West- und die 
Etablissements der Marine auf der Ost-Seite liegen. 

Die Lage Sewastopols, .welches fttr die rassische Flotte i^eiohsam 
ein Ans&lls-llior gegen Constantinopel und seine Wasserst rafson 
bildet, war der Grund, weshalb schon im Altertum auf der „Halb- 
insel Chersonesus'' Stätttti uralter Kultur entstanden. Das einst eins 
Meile im Umfange messende alte Chersonesos — Heraklea wurde 
98^^ II. Chr von Wladimir den Grofsen vorübergehend erobert, 1363 
und im 15. Jahrhundert von den Litthauern bezw. Tartaren völlig zer- 
stört. — Nachdem die Russen dauernd von der Kr}'Tn Besitz ergriffen 
hatten, wurde das heutige Sewastopol durch Potomkin dem Tnurier 
1785 gegründet, 1788 aber die russische Flotte vor ihrem Hafen ge- 
schlagen. Kaiser Nicolaus liefs in den zwanziger Jahren die Einfahrt 
in denselben durch die schon genannten Forts Constantin und Alexander 
sichern. Nach einem Plan vom Jahre 1834 sollten die Stadt und 
die Maiine-fitablissements auf den Höhen der Südseite durch eine 
Bflihe in der Kehle geschlossener Erdbastionen gesidiert wwden. 
Beim Begimi des Krym-Krieges waren diese projektirten Befestigungen 
noch nicht vollendet und nur mit Aufbietung aller Eiftfte gelang es, 
Sewastopol auf der Sudseite gegen einen Handstreidi su sichern, als 
die Verbündeten im September 1854 bei Enpatoria landeten; die 
Nordseite war damals völlig widentandslos. GlfickiicherweiBe f3r die 
Russen, die in dem genialen Ingenieur Todleben einen sie rettenden 
Leiter der Verteidigung fanden, griffen die Verbündeten auf der 
Sfidseite an, deren Werke inzwischen vsarmehrt und verstärkt waren. 
Bei der vortrefflichen aktiven Verteidigung gelang es erst nach Weg- 
nahme dos Malakoff im Septombor 1855 die Russen zur Aufgabe der 
Befest i'iuiim'n der Südseite zu zwingen, welche vorher teilweise von 
den Verteidigern in dio Luft gesprengt waren. Die Angreifer hatten, 
obwohl das Gelände sie begünstigte, doch in dem steinigen Boden 
viele Hemmnisse gefunden, welche in emi)findhcher Weise die Fortführung 
der Belagenin<^sarb(;itcn erschwerten. Auch erwiesen die Erfahrungen 
dieser Belagerung, dals eine völUge Kinsirlit m die Festung erst nach 
Eroberung des Malakoff-Berges gewomicu werden kann. 



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Die Küsten und Hifen des ruasiachen Beidm etc. 



307 



Im Pariser Frieden vnrde beetimmt» dab die Festungswerke nickt 
irieder hergestellt werden sollten. Die in TVGmmeni liegende Stadt 
siUte statt 47 474 Einwobnem im Jabre 1853 nach Beendigung des 
KiiagßB nwt noch 7000 Mensdien. — 

Nachdem die Siege der I>eutschen Armee 1870/71 die Russen 
von den fesselnden l^cJingnngen dieses Friedens befreit hatte und der 
letzte Krieg mit der Türkei den Schutz des Hafens, dessen Marine- 
EtabUssements meist nach Nicolajeff verlegt waren, gebieterisch forderte, 
begann man mit dem Wiederaufbau der Befestigungen 1876. — Gleich- 
zeitig wurde aber in den leitenden russischen Kreisen ein Projekt in 
Erwägung gezogen, welches cinom Aiipjoifcr das Landen in den kleinen 
Buchten der Halbinsel des Kaps Chersonesus und der Bai von Balak- 
lawa unmöglich machen sollte. — Soweit dasselbe in die Presse ge- 
drungen ist, war es in grofsen Zügen das folgende: 

Die Hafen-Einfahrt sollte dui-ch Seo-Miuen und starke, hinten 
offene Landbatterien verteidigt werden. Durch gleiche Anlagen sollte 
dem Feinde das Landen in den kleinen Buchten der Halbinsel des 
Chersonesus und der Bai von Balaklawa verboten werden. Die Lage 
dieser Batterien war so geplant, dafii sie wedw von der offenen See 
ber geeeben, noeb bescbossen weiden konnten. Die feindlichen Scbiffi^^ 
welche sieb der Enge des Fahrwassers wegen, diesen Backten nur in 
geringer ZabI nSbern kimneni bekommen die Batterien ent za Geeidit, 
wenn sie sieb denselben anf wirksamste Panzersdmfsweite gegenOber 
befinden. Um diese Batterien gegen HandstreiGbe Ueiner, gelandeter 
Abteilangen za flichem, sollten anf den über ihnen gelegenen H5ben 
geeignete, geschlossene Werke angelegt werden. Aufserdem sollte die 
Befestigung Sewastopols nach der Landseite durch eine Kette vor- 
geschobener Forts bewirkt werden, welche im Norden an der Mündung 
des Beibeck beginnend, über die Höhen von Inkjennan, dann längs 
der Sapun-Berge führt und sich mit dem rechten Flügel bei Balak- 
lawa T^ncder an das Meer lehnt. Auf dieser un<^ef[ir '2'/., Meilen 
lanjTon Strecke sollten 8—9 mit schwersten (leschützen zu armirende 
Forts erbaut werden, deren mittlerer Abstand von der Stadt 7 — 7,5 km 
betragen würde. Auf diese Weise würde ähnlich vrie bei der Erwei- 
terung von Paris die ganze Halbinsel Chersonesus, das KampfTeld der 
Jahre 1854 ')5. in die Befesti«xungen gezogen worden sein. — 

Uns will ea scheinen, dai's die Schaffung eines viele Quadrat- 
Meilen umfassenden verschanzten Lagers am Südeude einer vom Haupt- 
körper des Beidies getrennten Htdbinsel dodi nicht mit den ftlr 
dasselbe sa Terwendenden, sehr bedeatenden Geldmitteb nnd mit der 
Stilrke einer nur Verteidigung erforderiichen Armee, weldie dem Feld- 
kriege entzogen wttrde, in Emklang stehen mdobte. Wenn die AUürten 

21* 

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308 



Die Kästen und Häfen de« nusuchen Reiches etc. 



im Kiym-Eriege ao ungestört laadfln und die Bebgetnmg Sewastopols 
unter fllr sie so schirierigen Verlifiltnissen dnxehfäluren konnten, so 
haben sie dies der Yeniachlftssigten Befestigiing Sewastopoki vor 
allem aber der ganz pasfliTsn russischen Verteidignng beim Begum 
des Feldzuges zu terdanken. Wftie eine Feld-Annee der Festung zu 
Hülfe gekommen, die Belagerung wäre auch nach der — v^lig un- 
gehinderten — Landung unmöglich gewesen. — Anscheinend ist dies 
Projekt auch bei der Neubefestigung Sewastopols nicht borücksichtigt 
worden. Im Allgemeinen scheint man — mit den durch die heutige 
WaflFenwirkung bedingten Veränderungen — die alten Befestigungen 
zur Zeit des Krym-Krieges der Wieder-Errichtung der Festung zu 
Grunde zu legen. — Zunächst begann man 1878 die Seeseite, bezw. 
die Hafen-Einfahrt zu befestigen. Hier hegen 9 Batterien mit zu- 
sammen gegen 60 Geschützen — 4 auf der Nord-, 5 auf der Süd-Seite. 
Die 8 siärksten Batterien der Süd-Seite liegen jetzt wieder genau auf 
demselben Flecke wie die 3 grossen Werke der Wasaerbefestigung auf 
der Südfront im Krym-Kriege. Alle ü Batterien dieser Seite beherrschen 
die Einfahrt sowie das äuisere und innere Fahrwassor und erstrecken 
sich fisllidi bis zur Süd-Bucht, an welcher die auch zum Teil wieder 
beigestellte Stadt liegt Die 4 Batterien der Noidseite liegen neben 
einander, dicht an der Kflste. — Der Kern der Befestigung der 
Nordseite bildet noch hente wie zur Zeit des Eiym-Kiieges das ^Nord- 
fort^, eine groiae achtseltige Bedute. Auf der Südseite sind aufrer 
den genannten Batterien der Waaserbefestignng sine Anzahl von 
Werken auf den H6hen von Inlgeiman angelegt. Dann scheinen der 
mit so Tiel Blut getränkte Hügel des Malakoff und der ihm benachbarte 
„grüne Hügel" (die von den Franzosen „mamelon vert" genannte 
Befestigung), die Reduten Kamtschatka, Wolynsk und Selenginsk 
und die Befestigung der Stadt hergestellt zu sein. Jedenfalls ist heute 
Sewastopol gegen einen überraschenden Angriff gesichert, und Rufs- 
land in der Lage, mit Hilfe seiner bis Sewastopol und Feodosia ge- 
führten Eisenbahnen in kurzer Zeit stärkere Truppenmasaen in die 
Krym zu werfen 

Kertsch Hegt an der gleichnamigen, das Schwarze mit dem 
Asow'schen Meere verl)indouden Meeresstrafse, welche im Westen durch 
die von dei- europäischen Seite, im Osten durch die von der asiati- 
schen Seite her sich erstreckenden lialbinseln ^(nach den auf ihnen 
liegenden Städten auch wohl als Halbinsel Kertsch und Halbinsel 
Taman bezeiehnet) begrenzt wird und wiedenun ihrerseits das Asow'sdie 
Meer vom Sdiwaizen Meere trennen. Ibi die Uslbinsel Ton Blertsch 

Nachdem diese Arbeit beendet, dringt die Nsehrielit in die OffeniHeli- 

lichkeit, dals vom 1./13. Dezember ab Sewris(»i[iol ausschliesslich als Kriegshafen 
dienen solL An seine Stelle soll der ausgebaute Hwidelehafen von FeodoBiA 
irwlan. Wir geben die HitteUnag ohn« Qswihr. 



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Die Kflaten und Hiftn dei nuMdacheo OeUbM eto. 



309 



schneidet die Meeresstrafse eine Bucht ein, welche die Rhe<ie dieses 
Hafens bildet. Die Flalbinsel Taman, durch eine Anzahl von Rinnen- 
seen gegliedert, enthält auf ihrer Südseite die Kisiltascli-Bai, wahrend 
sich Kertsch gegenüber die Bai von Taman öflfuet, welche durch zwei 
Nehrungen, Kossü, die nur eine verhältnirsmäTsig schmale Durchfahrt 
zwischen £hien Endpunkten frd lassen, von der Strafte Ton Kertsch 
getrsnnt ist — die Kossa Tschonska im Norden und die Koasa Timta 
im Sttden. Die Heerenge Tor Kertsch selbst lüdet an 2 nahe hinter^ 
einanderliegenden Stellen enge Durohfiahrten, zwischen denen die Bncht 
von Kertsofa Hegt. 0ie sBdliehste Duroh&hrt beim Kap Akbnron ist 
5 km, die ndrdliidiste beim Kap Jeoikale 7 km brmi Das Fahrwasser 
ist jedoch durch Sandbänke bedeutend eingeengt und an der sohmalsten 
Stelle nicht Aber 4 m tief. ~ 

Diese geographisch so günstige Lage an der Schwelle von Asien 
und Europa hatte schon im Altertom an der damals den bezeichnenden 
Namen des kimmerischen Bosporus tragenden Straise eine Reihe 
blühender Ansiedelungen entstehen lassen, und auch im Mittelalter 
gründeten die Venetianer und Genuesen zur Zeit ihrer Seeherrschaft 
in der Levante hier Handels- und Flotten-Stationen. Nach dem 
Verfall ihrer Herrschaft und dem Vordringen der Tartaren wurde 
Kertsch Sitz eines Chanats. — Auch die Russen, als sie in den Besitz 
des Chanats gelangten, erkannten die Bedeutung der Lage. Sie 
machten Kertsch mit dem Gebiete des benachbarten Jenikale 1822 zu 
einem Freihafen und zuui (iradonotschalstwo. Dies war bis zum Orient- 
kriege, in welchem es unendlich litt. — Die Russen sprengten die 
Werke, Terbrannten die Danqpliachiffe und Magazine, die Englfader 
und Franzosen plQnderten die Stadt, nicht einxnal die reichen, an- 
gehftufken Kunstschätze aller Kultuiepochen, deren Sdiauplatz Kertsch 
gewesen, schonend — der bedeutendste Handelsplatz der Krym. — 
Heute ist es in seinem Wohlstande zurückgegangen; es zShlt nur etwa 
28000 Einwohner, welche allen Hendel treibenden Nationen der Ufer- 
staaten des Sdhwarzen Meeres angehören: Russen, Griechen, Italiener, 
Armenier, Tartaren, Tscherkessen, Juden, Türken und Deutschen. 

Die jetzige Festung Kertsch liegt 4 km südHch der Stadt 
in der Nähe des Kaps St Paul. — Die Sperre der südlichen, engen 
Einfahrt in die Meerenge ist dadurch bewirkt, dafs die sich von der 
kaukasischen Halbinsel Taman dem Kap St. Paul entgegenstreckende 
Landzun'je durch eine Steimnole soweit verlängert ist, dafs das Fahr- 
wasser bis auf eine Strecke von 1000 m vollkommen geschlossen ist. 
Die Festuug selbst liegt 100 — 150 m über dem Spiegel des Meeres 
auf einer in steilen Hängen an die See herantretenden Erhobung. Das 
durchweg felsige Geliindo besteht zum grofsen Teil aus leicht mit 
dem MeÜsel zu bearbeitendem Muschelkalk. Sie besteht in ihrem 



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310 



Die Kfisten und Hfi£Bii des nuriachea BeicheB etc. 



Haupttoü aus einem pjrofsen, nur nach Nordosten hin offenem Werk, 
welches die unmittelbar an der Küste liegenden, sehr stark annirten 
Batterien gegen die Landseite hin sebfitBt Dia &u(aexen IiiniBii ikem 
Werkes sind unregebnäHdg und den Oelinde-VeriiftltDiMen denurt^ 
angepalst, daie stets ein Ptmkt im Yorgelftnde Ton 2 oder 8 Seiten 
anter Feuer genommen werden kann. In der Mitte dieser Befes ti g m ig 
liegt gleichsam als Bednit der gamen Anlage ein miehtigQS, kase- 
matfcirtes, geschl o ssenes Werk, dessen Gesehltae die äotee^ 7 km 
lange £nceinte Überragen — das Fort Totleben. Dieee ebenfalls 
kasemattirte Enceinte findet nach der Seeseite an den steilen Fels- 
abhängen ihren Abschlols, nach der Landseite ist sie mit einem 
Glacis, einem breiten, trodcenen Graben mit gemauerter Eskacpe und 
Eontre-Eskarpe versehen. Dies Glacis ist mit GeschQtz-Emplacements 
und Bankots für Infanterie- Verteidigung versehen, so dafs das Gelände 
nach der Laudseite von 3 etagenförmig übereinander liej^^enden Geschütz- 
reihen aus unter Feuer genommen werden kann. — Endlich befindet 
sich etwa 1000 m nach Westen vorsreschoben auf einer felsigen Er- 
hebung des Glacis ein detachirtes, kasemattirtes Werk mit einer nach 
Westen und Norden gerichteten Geschütz-Aufstellung. Von diesem 
aus beherrscht man das ganze niedriger hegende Gelände bis jenseits 
Kertsch luul zu. dem vorhcgendcn ( iebngsrückeu, — Die kasemattirten 
Bäume des Redoits Totlebun und der Enceinte sollen Raum zur 
Unterbringung von 20000 Mann haben. Die Werke sind tarn grdfitan 
Teil aas dem Muschelkalk herausgearbeitet nnd besitsen eine anch 
kaum dnidi Geechfitzfeuer zu brechende Festigkeit Alle Bäume smd 
mit einander durch nntecirdisehe Gttnge verbunden. Eskazpe und 
Kontre-Eskarpe sind mit Kalksteinen aosgefiifart und mit Granit 
bekleidet Die Grabensohle irird durch Graben-CSaponieren flankirt 
— Die ganze Festung soll eine Armirong Ton 800 schweren GesolifitBen 
b&sitzen. Ihre Stärke liegt aber nicht allein in ihren imposanten 
Werken, sondern auch in ihrer von der See her unangreifbaren 
Lage und der den Arbeiten des Angreifers kaum zu überwindende 
Schwierigkeiten bietenden felsigen Beschaffenheit des vorliegeudcn 
Geländes. 

Ks muls auffallen, dafs die Festimg Kertsch mit einem im Ver- 
hältniis zu ihrem Zwecke fast übertriebenen Aufwando von fortifika- 
torischen Mitteln gebaut ist. Die Erklärung liegt wolil weniger darin, 
dafs Rußland die durch die drückenden Bedingungen des Pariser 
Friedens fast schutzlos gewordenen südlichen Küsten und die Handols- 
Üolte des Schwarzen Meeres wenigstens einigermafsen zu sichern 
gezwungen war, als darin, dals der geniale Verteidiger von Sewastopol, 
ToÜeben, der Versuchung nicht widerstand, die einzige, amwcJiliefslich 
nadi seinen Angaben neu erbaate Fertang ohne Bflctaicht anf die 



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DI« Eflfltn and BUtai im niniicheu BtUhm ^ 



811 



sonstige strategische Bedeutung des Platses za einer Festung 1. Ranges 
zu machen. — NeaadingB hat man daher aooh beg^omieiif einige 

Werke aufzugeben. 

Für die Zwecke des Handels dient neben der durch die Halbinseln 
der Kaps Jenikale uud Akburun begrenzten Rhede von Kertsch ein 
durch einen vom Kap St. Paul aus in das Meer f^efiihrton Steindamm 
abgetrennter kleiner Hafen zui Autnahmc der in Kertsch heimats- 
berochtigten Schiffe. An der Spitze dieses Dammes ist eine Bastion 
angelegt. 

Das Asow'sche Meer und seine Küsten. r>ics durch die 
Strafse von Kertsch mit dem Schwarzen Meer in Verbindung stehende, 
37 600 qkm grofse Binnenmeer, welches durch die Strafeo von Genit- 
sdiek mit dem oben charakterisirten circa 2600 qkm umfasseudeu 
und von ihm nur durch die schmale Landzunge von Arabat (Arahata- 
kiga Stvelka) getrennten Siwasch oder Faulen Heere in Verbindung 
steht, ist ungeachtet setner der Schi£BhhTt nicht günstigen Beschaffen- 
heit von hoher Bedeutung für die Küstenschifflfohrt RulUands und für 
die Verbindung desselben mit dem Kaukasus. Aulber dem für den 
Verkehr des südöstlichen Rufifands so wichtigen Don ergieisen eine 
greise Anzahl mehr oder minder bedeutender Flüsse von europSischer 
und asiatischer Seite ihre Wassermassen in das verhältnilsmärsig nicht 
zu grolae Wasserbecken. Vier Bahnlinien führen zu ihm heran, das 
umsäumt ist von dem gröfst^n Kohlen-Revier des Reiches. — Daher 
finden wir die eigenartige Erscheinung, dafs das Meer, dem die Römer 
schon den charakteristischen Namen des Mitotischen Sumpfes gaben 
(Fahls Maeotis), das die grofseii Sand- und Lehuimassen, welche ihm 
aUjälu'lich von den vielen ihm zuströmenden t lüssen zugefiihrt werden, 
verflachen, su dafs für tiefergehende Schiffe wesentlich nur die l iofen- 
rinne von der Don-Mündung bis zur Strafse von Kertsch zur Frage 
kommt, eine Handelsflotte besitzt, welche in der Zahl der Segel- 
schiffe, ja auch in der Zahl der Lasten sowohl diejenige des 
Schwarzuli Meeres wie auch der Ostsee übertrifft. ^) So besafs bereits 
1880 nach dem von „der kaiserlichen Gesellschaft zur Förderung der 
Handekschifflhhrt** herausgegebenoi Verzeichnüs, welohes nur Schiffe 
Ton einer Bdadungsrähigkeit über 10 Lasten (etwa 19600 kg) auf- 
fährt, Rostow a. Don nicht weniger als 688 Segelschiffe mit 20490Lasten, 
Taganrog 278 Segelschiffe mit 16446 Lasten, während Odessa zu dieser 
Zeit nur 178 Segelschiffe mit 10475 Lasten — neben 101 Dampf- 
schiffen mit 23332 Lasten — besafe. — Dafii eine so gro&e Kfisten- 
flotte mit ihrem auf einem für die Schifffahrt schwierigen Meere aus- 
gebildeten Personal für die Ergänzung der russischen Marine Ton 

*) Ajd DampiscbiOfeu steht das Asow'sche Meer selbütverständlich weit zurück. 



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812 



Dia Kflttoii und HIftn Am mifarhm BalehM «fto. 



hoher Bedeatnng San nnüfl, bedarf fcaam der ErwIhmiDg. ffiena 
kommt noch der Umstand, dafs die Efisten-SohifflUirt nur von 
russischen Unterthanen betrieben werden darf. Der greise Fisch- 
reichtum des Asow'schen Meeres und der ihm zuströmenden Flüsse, 
wie K. B. des Don, der Jcga n. s. w., hat die Veranlassung zur BSldung 
einer sehr zahlreichen, soegewohnten Fischer-Bevölkerung gegeben, 
welche auch als ein Faktor für die Ergänzung der mssisdien Marine 
angesehen werden mufs. 

Die Küsten des Asow'schen Meeres, welches viele, seichte 
Buchten zeigt, auch im Nordosten durch die sich meerbusenartig er- 
weiternde Mündung des Don, auch Golf von Taganrog oder Donischer 
bezw. Asow'scher Busen genannt, tief in das Festland hineinschneidet 
und durch die Landzungen, an deren Spitzen das Kap Bielosaraiskaja 
im Nürdeii und Dolgaja im »Süden, fiast von demselben geschieden 
wird, tragen einen sehr verschiedenartigen Charakter in ihren einzelnen 
Teilen. Die Ost- (kankasisohe) KllBte ist meist niedrig und daioh 
eine grofse Zahl flacheri oft Tersnmpfter Straadeeen ausgezeichnet 
Namentlich besteht das MUndnngs-Delta des Kuban, welciher sidi mit 
seinem Haupt-Arm in das Schwaxze Heer, mit seinen Neben-Annen 
in das Äsow'sdie Meer ergiefst^ ans weiten, sumpfigen, sehilfbewaehsenen 
nttcben. Die HordkOste wird Ton dem im Durchschnitt 60 m hohen, 
steil abfallenden Rande des südrussischen Plateaus, die Südkfiste durah 
die Ausläufer des Küstengebirges der Kr\'m und des Kaukasus ga- 
biidet. — Im Westen erweitert sieh das Asow'sche Heer zu einem 
grofsen Seitenbecken, dem Faulen Meere oder Siwasch, von dem es 
nur durcli die Nehrung des Arabatskaja Streiks geschiedra ist, über 
welche die Lnndstrafse Melitopol-Kertsch führt, welche auf der 
anderen Seite der Meeresstrabe bei Taman sich auf Stawropol 
fortsetzt. — 

Der Siwasch ist, wie auch sein nissischer Name - Gniloje 
More, d. h. i'uules Meer andeutet, ein stehendes, von Untiefen und 
Sandbiinkon durrhsetztes und für die Schifffahrt unbrauchbares Ge- 
wässer, das III einzelnen Teilen, namentlich im südöstlichen, einem 
Sumpfe gleicht. Dabei ist er sehr salzhaltig, so dals seine Ufer 
überall mit Salzkrystallen bedeckt sind. Für die Schifffahrt sind nur 
einige Teile, namentlich im nördlichen Becken, geeignet, und auch 
diese nur für flach gehende Fahrzeuge. — 

Die Tiefe des Asow'schen Meeres wird duidi die oben geschÜdertsn 
Umstünde TeRingert In der Bütte soll man an einigen Stdlen Tiefen 
bis 10 m gefunden haben; bei Jenikale soll das Meer nur 4,90 m, boi 
Taganrog sogar nur 3 m tief sein. — Im aDgemeinen kann man an- 
nehmen, daft ein Schiff Ton 6 m Tieij|ang die Strafte ▼on KatImL 



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Die Efliten and Hifen dee nindaclien Reiches etc. 313 



bis Jenikale dwoliftlireii kaon, m das Asow'iclie Meer aber nur 
Sdiififo mit einem Tie%aiig ?oii weniger als 4,80 m eintreten können. 
Der geringe Salsgehalt des Wanera, eine Folge der vielen, mm Teil 
griSikeren dem Heere mntrQmenden Gewiaser, bat ein frflbzeitigea 
Gefrieren zur Folge, ao dab das Meer vom Deaember bis Mitte April 
ittr die Bduffiahrt gesperrt ist. Doch nimmt im Frühjalir, wenn die 
grofsen Schneemassen der Steppe thanen und wfthrend einer fer^ 
hältnirsmäfsig kurzen Frist dem Meere mgefttlirt werden, sein Wasser- 
stand plötzlich sehr bedeutend zu, so dab an dieser Zeit anoh 
Schiffe pröfseren Tioffranges in das Meer gelangen können. Diesen 
Umstand benutzten bekanntlich im Mai 1855 die verbündeten Flotten, 
um — nachdem die Russen Kertsch «geräumt hatten — die Einfahrt 
TO erzwingen und durch die Bombardements der wehrlosen Küsten- 
städte Schrecken zu verbreiten. — Durch diese Erfahrung sollen die 
Russen zu dem Fjitschlusse veranlafst worden sein, die Befestigungen 
von Kertsch zu erweitem, um das Asow'sche Meer gegen jeden Angriff 
von der See her zu schliefseu, — 

Das Asow'sche Meer ist arm an guten Häfen. — Die 
wichtigsten derselben liegen im Don-Bnsen. Es sind dies Taganrog, 
Marinpol, Berdjansk nnd Jeisk, wosa nooh daa als IlniUiafen, flhnlicb 
wie Hambnig an der Elbe, einige Meilen vor der Mfindnng dea Don 
in ednen Bosen an dem Ider micbtigen Strome liegende Boetow (am 
Don) an reebnen ist Dieeer Strom ist hier an 800 m breit nnd bia 
12 m tief, ünterbalb Boetow teilt aicb derselbe nnd bildet ein ftber 
8 Meilen breitee Delta. Die M^dnngen der vielen Arme, In welobe 
sich der Strom teilt, sind teilweise versandet oder an ihren Mündungen 
dorcb Barren gesperrt. Jedes FVfilgahr wird das Delta weithin über- 
schwemmt Durch diese Veraunpfungen ist z. B. das nahe der 
Mündung Upende Asow aar Bedeatnngaloeigkeit herabgesunken, 
während Rostow emporblüht. Asow spielte einst in den Kämpfen 
am die Herrschaft am und auf dem nach ihm benannten Meere eine 
grofse Rolle. 

Es bildete im frühen Mittelalter einen wichti^^en Stapelplatz für 
den Handel von Europa nach Asien, wurde 1395 von den Horden 
Timur's geplündert, 1471 von den Türken, 1572 und 1637 von den 
Donischen Kasaken erobert. Nach vergeblicher Belagerung im Jahre 
1641 eroberten es die Türken im folpondon Jahre wieder. Peter der 
Grofse belagerte unter grofsen V erlusten 1695 3 Monate lang die 
Festung und eroberte sie erst nach 44tägiger Belagerung 1696 mit 
ühte ratttteun g öeterreiobisdier nnd knrbnmdenbnrgischer Ingenienra 
nnd Artilleristen. Doch nraftte BnAland Asow 1711 im EVieden am 
Pmtb aorüoligeben. — 1736 wurde ea von neaem von den Bnsaen 



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Die Kflston und Hiftn des nuBiMlien BeMiM ete. 



erobert und 1774 im FHeden von Eviachuk Kainardaclii erhielten sie 
es für inuner sammt der freien Sclüfifahrt auf dem Asow'sclien und 
Schwarzen Meere. Da man die Versandung des Ilafcus nicht hinderte, 
▼erlor Asow jede Bede utung. — Die Geschichte desselben lehrt aber, 
wie abhängig die struteErische Bedeutung eines Ortes von den geogra- 
|Ju8chen Verhältnissen ist, freilich auch von den allgemein-politisclien. 

An die Stelle Asow's traten Rostow und Taganrog. — Ersteres 
hat sich namentlich in neuerer Zeit mächtig ent^^äckelt, da es nicht 
allein einen grofsen Teil des Ausfuhrhandels des Gebietes des Don, 
sondern auch durch die es berührenden Bahnlinien den Handel von 
Europa, bezw. Rufeland, zum Kaukasus, Zentral-Asien und Persien 
auf dem Landwege vermittelt. Der Bedeutunf]^ des ScliilTsvcrkebrs 
beider Häfen, deren oben gedacht wurde, entspricht auch die un- 
endlich schnelle Vermehrung der Einwohner-Zahl. (Rostow 1861 
29000, 1888 61000, Taganrog 1863 24000, 1885 $6000 Einwohner.) 

Bei Jenikale, Arabat und Genitschek beinden ooh Be- 
festigungen alter Eonatruktion, welohe kaum einem Angriff der heutigen 
ArtiUetie widerstehen könnten. — 

DieEuBten und Häfen des kaukasischen Militär-Bezirke. 

Dieser Müitttrberark — wohl auch „der EAukaaus** genannt — 
bildet auf eine Strecke von ca. 700 km von der Straise von Kertsoh 
bis südwestlich von Batom an der türkischen Grenze die Begrenzung 
des Schwarzen Meeres. Diese ganze Eüstenstreoke ist im Ver> 
hältnifs zu eben betrachteter Nordküste arm an guten 
Häfen und wonig gegliedert. Die Seeküste der Halbinsel Taman, 
deren felsiges Ufer sich als Riff über 3 km in das Meer hinein fort- 
setzt, ist hoch. — Dann aber wird die Küste an der Mimdunu; das 
in einem über 80 km breiten Delta sich teils in das ofiene Schwarze 
Meer, teils in das Asow "sehe Meer ergiefsenden Kuban niodiig, 
sumpfig und mit dichtem Scliilfe bewachsen. Nach dem Schnicl/en 
des Schnees verwandelt sich das ganze Mündungs-Gebiet zuweilen in 
einen weiten See, aus welchem man nur die Wachthäuser der Grenz- 
wache hervorragen sieht. Der llaaplanu des Kubiiu mündet in einen 
haffartigen See, Kisil-Tasch, der durch eine Nehrung (Strjelka) von 
der offenen See bis auf die schmale Wasserstralse bei dem Dorfo 
Buga getrennt ist Südlich des Kuban-Deltas, etwa von dem Ettstea- 
orte Anapa ab, treten die AbfiOle des Eaukasus an die Ettste. Bis 
nach Anapa Idn ist dieselbe niedrig und sandig. Die Bucht fon 
Anapa hat eine in der guten Jahreszeit benutzbare Aulbenihede. 
Doch können nur SchifflB mit ganz geringem Tie%ange bis dicht an 
die Eüste gelangen. Anapa war froher als Vennittelungspunkt des 
Verkehrs der Türken mit den Tscherkeseen-Stämmen Ton besonderer 



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Die Kttaton und HSftn dea ruaaiMilien Reiches eto. 



315 



Bedeutung. Es wurde von den Ersteren 1784 als Festung erbaut, 
1791 von den Russen erobert, dann an die Türken zurückgcfrcbcn und 
von diesen bedeutend verstärkt, hu Beginn des Feldzuges 1828 naiim 
der damalige Oberst Perowski es nach vierwöchentlicher EÜnschlielsung 
ein, und durch den Frieden von Adrianopel kam €8 dauernd in dis 
ESsoäid dnr BicaaoL Die TUrken vezloreo mit ihm den Hauptplatz ftr 
den SklaTenhandel mit den Tacherkeaaen. — 

Von Anapa ab wird nnn die Efiete immer höher and 
steiler. — An&nga treten die Hffhen des Kankamie nnr einige bnnderfc 
Meter hoch an dieselbe hemn. Bald aber werden die die KSste nm- 
aänmenden Febwttnde immer höher nnd atdler, der KüBtenaanm immer 
geringer. Ja, ee tritt das Gebirge an einzebien Stellen so nahe an 
dieselbe heran, dals die längs derselben geführte Strafse teilweise 
über die Felsen hinweggeht nnd eich eine Zahl von Punkten findet, 
wie beim Pafs von Gargana und doin Fort von Gdendschik u. s. w., 
an denen dieselbe durch an ihr liegende Befestigungen fast hermetisch 
gesperrt ist. Früher war die Küstenstrafse durcli eine Reihe von 
Forts und Blockhäusern gesichert, welche zugleich die Bergvölker von 
dem Verkehr mit der See abs})erren sollten. Da die Strafse aber- 
teilweise unter dem Fmier einer das Meer beherrschenden Flotte liegt, 
die kleinen Festunf^en aucli durch die schwierigen Verkehrsverhältnisse 
dea Gebirf^cs nui" in einer sehr lockeren Verbindung mit dem Schwer- 
punkt der russischen Macht im Kaukasus standen, so wurden die- 
selben früher teilweise freiwillig bei Beginn eines Krieges von den Russen 
aufgegeben. So räumten z. B. bei Beginn des Krym'Erieges die 
Rnasen alle festen FULtse mit Ansnahme von Anapa, Now<HRo88Üsk 
nnd Suciram-Kale, soweit sie innerhalb des „Bezirks des Schwansen 
Meeres" (Tsohemomorsky Okrug) nnd deSj^Militftr'DistriktsfnnSnchnm- 
Kale** la^n. — Ungestört konnten Türken nnd Verbündete an einzelnen 
Punkten der Knste landen, nm die Bergstamme m nntnstfitsen, 
deren Kampf mit den Bussen eigentliGh nie nnterbroohen war. — 
Das Hinterland macht heute einen Öden Eindruck, obwold die Ab- 
hänge des Gebirges vom Fufs bis zum Gipfel mit den herrlichsten 
Laubwäldern bedeckt sind. — Noch zur Zeit des Krym-Krieges 
schildern Berichte diesen Teil des Gebirges als „belebt von zahlreiohen 
Heerden auf üppigen Weiden, Getreidefeldern und Ortschaften in 
Obst-Gärten." — Heutige Berichte*) dagegen sagen von der Küste 
zwischen „Nowo Rossijk und Siichum-Kale, dafs dieselbe „todtenstiU" 
sei. „Buschige Wälder ziehen sich die Berge hinab bis an die See, 
kein Dorf, keine einzige üütte Ut zu sehen, nur ab und zu die 

*) FroiheiT von Thielmann. Strei&ttg« im Kankasas, in Penien und in der 
•siatisdien TOrksL Leipz^ 1876. 



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316 



Die Küflten und Häfen den ruBoischen Beiohes etc. 



Trfinuner eines zeretdrten Forti. Die Stille war fwt nnlMimUcb, 
wenn wir bedachten, dalb diese Berge einst die Heimat saUreicher 
Tuheikessen-Stänune wareni welche nach ihrer endUöhen Untegoehiing 
im Jahre 1864 £ut bis auf den letsten Mann answanderten. Es steht 
fest, dais niciht weniger als 400 000 Seelen von hier nach dar Türini 
gingen, um dort meist in Elend nnd Hunger nntenogehen.*^ — 

Von den an diesem Teile der Küste liegenden Häfen 
verdienen Erwähnung: Nowo-Ro8sysk,6elendschikiindSachum-Eale. 

Nowo-Rossijsk liegt am innersten, nordwestlichen Ende einer 
TOnügUch geschützten Bucht, welche eine nordwestliche Verzweigung 
der gröfseren Zemes-Bucht ist. Die Wassertiefe des Hafens beträgt 
10 — 30 m. Bollwerke zum Be- und Entladen der Schiffe sind in 
genügender Art und Zahl herfT;cstellt, Kohlen-Depots, Lazarethe und 
andere Einrichtungen für die Flotte sind vorhanden. Eine besondere 
Wichtif^keit hat Nowo-Rossijsk gewonnen durch seine Eisenbahn- Ver- 
bindung mit der Ciskaukasischen Bahn. Dieselbe ist in 6 Strängen 
bis zu 6 grofsen in den Hafen hinein gebauten Landbrücken für die 
Schiffe herangeführt, längs welchen Magazine liegen. Nowo-Rossijsk 
vermittelt daher den vun den Häfen des Schwarzen Meeres nach 
Central- Asien und Persien bezw. dem Kaukasus gehenden Verkehr; 
es ist mit seinem geschtttaten Hsftn ein vortrafflidier Sttttspuikt för 
die mssiBohe Hotte in jenem Teile dieses Meeres. — Die dnieh hier 
liegende Binke auf eine geringe Breite beschrankte Fahrstralse wird 
dnrch das an der Ostkttste der Bncht liegende Fort EaibardinskQ 
hehensoht. Die Stadt seihst ist mit einer Maaerbefeetigong nmgeben, 
wdehe dnrch 9 bastionsartig Torspringende Weike bestriohen wird. 

Oelendsohik liegt an einer nnr im Südwesten g^gen das User 
geÖfineten, sehr geschützten, 10 — 15 m tiefen Bnditw 

Suchum-Kale besitzt einen sehr sicheren und tiefen Hafen, 
welcher als der beste dieser gnn7;en Küste gilt. Derselbe wird durch 
ein bastionirtcs Viereck im Südwesten und eine in neuerer Zeit 
errichtete Batterie im Osten derselben verteidigt. Der Ort und seine 
Werke wurde im Jahre 1877 von den Türken zerstört. Suchnm-Kale 
und die Küste von dort bis zur damaligen russisch-türkischen Grenze 
war während des letzten Feldzuf^es der Schauplatz von Landungs- 
Versnchen der Türken zum Zweck der Insurgirung des Kaukasus und 
zur Bedrohung der Verbindungen der Rassen, namentlich des gegen 
Batum üperirenden Rion-Korj)s. 

Von Suchum-Kale al> tiitt da« Gebirge allmälig von 
der Küste zurück. Diese ist von einem flachen, mit für das Auge 
endlosen Wildem und weiten Strecken oft mehr als manneshohen 
Schilies bedeckten Hinterlande nmgeben. Es ist das teilweise sumpfige, 



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Die Küsten und Uäfoi des ruBsiBchen Beiches etc. 



317 



teilweise aber selten fruchtbare Küstengebiet Mingreliens. — Wenn 
bis StushuB-Eale bin eine Reibe wilder Qebiigab&ohe von zwar nur 
konem Laufe, aber starkem GefiUle und grolsen Wassermassen die 
sdbon 80 scblecbte KttstenstraCae dmcbsofaneiden und den Verkehr 
eraehweven, so strömen in der Ebene UingreUens eine Anzabl bedeu- 
tender Flusse dem Meere zu, deren Wassermassen häufig zur Zeit 
des Hochwassers weithin die üfergegenden ttberschwemmen. Zu diesen 
gehört u. a. der Eodor, der Ingur und der Bion. Die Teibindungen 
im Innern Mingreliens sind daher äuüserst ungünstig, wenn auch die 
Küstenstrafse in etwas weiterem Abstände vom Meere wie bisher sieh 
über Anaklija, Redut-Kale nach Poti und dann weiter auf Batnm 
fortsetzt. — Das Klima macht auch das Biwakiren in den Sumpf- 
Strecken Mingreliens schwierig, — In neuester Zeit wurden diese 
Verhältnisse in sehr fiihlbaror Weise durch die Operationen des in 
Abchasien und Mingrelien vordringenden türkischen Korps zur Er- 
scheinung gebracht. Eine türkische Flotte unter Hassan Pascha 
erschien von Batum aus am 24. April 1877 vor dem an der Mündung 
des Tscholok, dem damaligen Grenzflusse, gelegenen Fort Swataja 
Nicülaja und bombardirte dasselbe, ohne ihm indessen nennenswerten 
Schaden zuzufügen. Hierauf erscliien dies Geschwader vor Poti, 
welches vom 5. Mai ab von den Panzerschiffen beschossen wurde. 

Schon einige Tage firfiher hatten sich mehrere tttrldsehe Schüfe 
an der Mfindung der Sotseba, nordwestlich des Kap Adler (auf der 
Stieler'schefn Karte „Ducha"^), gezeigt, ohne etwas Enstliches zu 
unternehmen. — Am 12. und 18. Mai bombardirten sie die Küsten- 
orte zwischen Ingur und Kodor und landeten 1000 Tkcherkessen bei 
Suchum, welcher Ort am 14. durch Bombardement der Flotte ein- 
geisohert wurde. — Der dort kommandirende russische OflSsier w> 
hinderte zwar zunächst die Landung, mniate aber, als im Innern der 
Aufstand zunahm, sich südöstUch Suchum zurückziehen. Am 23. Mai 
wurden von den Türken weitere 3000 Tscherkessen gelandet und so 
Ende Mai die ganze Küste Abchasiens bis nach Mingrelien hinein 
zum Aufruhr gebracht. Die ganze Lage der Dinge schien Erfolge 
für die Türken zu versprechen, da auch im Daghestan, im Terek- 
Gebiet und bei den Tschetschenzen Unruhen ausbrachen. — Dennoch 
sehen wir hier durch die Ungunst der geographischen Ver- 
hältnisse die Operati(jiieii der Türken bald zum Stehen kommen. 

Bis Ende Juni war keine Abteilung der gelandeten türkischen 
Truppen über 10 km von der Küste hinausgekommen. Der Wider- 
stand der Russen trug selbstverständlicii keine Scimld hieran, eben- 
sowenig auch der Maugel an Trains etc. der Türken, sondern es war 
in erster Linie die Natur des Landes, welche das Fortschreiten 



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318 



Die Küsten und H&feD des nuaiachei) Reiches eic 



hemmte. — Das aelileclite Wetter batte die Blfisse aaiaekweUen lassen 
vnä die olmefain ihren Namen nicht verdienenden Wege für Artillerie, 
aber auch für die andern Waffen, nnbrancfahar gemacht. — Aber 
anch die eigentGmlichen etnographischen Veihiltnisse des Eankasiis 
hatten ihr Teil daran. Eine Einigung unter den aufständischen 
Stttmmen an einer gemeinschafUiohen Operation gegen die Russen 
kam ebensowenig zu Stande wie unter ähnlichen Yerhältmasen im 
Krymkriege, als im Spätherbst 1855 Omer Pascha eine Armee von 
30000 Mann bei Snchum Kaie konzentrirte, ohne mehr als 50 km in 
das fast wehrlos vor ihm liep;ende Land eindringen zu können. Das 
bunte Völker<?emisch des Kaukasus hat sich nie im eigenen 
Interesso einer bestimmten Autorität aus eigenem Blute 
unterordnen lassen. Hierin liegt die kriegerische Schwäche dieser 
sonst so wehrhaften und tapferen Stämme. Eine Art staatliehen 
Bandes hat sich zwischen ihnen nie bilden lassen, ähnlich wie bei 
den Gep^nern der Russen jenseits des kaspischen Meeres, den Tekinzen. 
Es ist bekannt, wie es selbst dem sein Volk so energisch fülireudeu 
Scham}! ungeachtet seiner teilweise glücklichen Kämpfe mit den 
Russen nie gelajig, ein volles Yerständnils fibr seine Lehren und seine 
Ziele zn erreichen. — 

Die AnsBchiffhug an der Küste IfingreHens ist sehr sehwieiig. 

Der Haupthafen Poti, an der Mündung des Rion, vor welcher 
eine Barre die Emfahrt m den nur auf etwa 65 km sehiffbaren Flnb 
sehr erschirort, ist in einem Snmpfe erbaut, so dals noch vor wenigen 
Jahren bei Regenwetter und hohem Wasserstande die Verfaindnng 
innerhalb der Stadt in einigen Strafsen zn Boot geschah. Das Klima 
ist auoh für Nicht-Kinheimisohe in hohem Grade gefährlich, und es 
wäre wohl kaum sn Terstehen, weshalb Rufsland gerade Poti und 
nicht den doch immerhin etwas günstigeren Hafen von Suchum-Kale 
zum Haupt-Eingangspunkt zur See und zum Anfangspunkt der das 
Schwarze mit dem Kaspischon Moerc verbindenden Eisenbahn gemacht 
hätte, wenn nicht eben der Rion eine Strafse durch die Unvälder 
Mingreliens gebrochen und damals Suchuui noch von der nnrubi'jen 
tscherkessisehen Ik'volkerung umgeben gewesen war, wahrend die 
Gurier und Almgrelier in dieser Beziehung schon zu jener Zeit volle 
Sicherheit boten. 

Jedenfalls war es ein grofser Fehler der russischen Diplomatie, 
dafs sie im Frieden von Adrianopel nicht schon den Hafen von Bat um 
erwarb. Daher haben auch wohl bdee Zungen behauptet, Poti ver- 
danke, wenn nicht sein Dasein, so doch seine Entwickelung einem 
Schreibfthler der Diplomaten, beaw. einer Überlistung der Bussen 
durch die Türken vermittelst einer „geographisohen** Täuschung. 



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t 



Die Kasten und HIfen des nueiMiien Reiche» etc 319 

— Man hätte nänilirh in dem bctreftenden Aktciistiuk den Tscholok 
statt des bei Batum imaidendenTschoroch alsdrenztluris ungeuonunen. — 

Poti ist seit der l-'-rwerbung Batnras daher sehr zurückpof^angeii. 
Es soll heute wenig mehr als 4000 Einwohner — ausschiioislicli der 
Beamten etc. — zählen. 

Der erst 1883 beendete Hafen auf der rechten Seite der nörd- 
lichen Mllndung des Rion ist durch 2 Holeii gebildet, welche, du vier- 
eckigeB Becken bildend, nur auf der Westseite eine schmale Einfahrt 
frei lassen. Die Eisenbahn Baku-Poti ftthrt mit einem Strange in 
die Nordmole hinein, so dafe der Verkehr ^on Schiff zu Waggon ge- 
sichert ist. Der Hafen soll so irenig ausgebaggert sein, dab nur in 
der Nähe seiner Einfahrt einige Ihmpt&r anlegen können, der gröiaere 
TeQ aber so flach ist, dafs grölsere Schiffe noch weit entfernt auf 
der nicht ungefährlichen Rhede ankern und dort mittat kleinerer 
Leicbterfabrzeuge ihre Ladung löschen müssen. — die See hin 

wird der Hafen durch das Fort Malaja Poti verteidigt. 

Was nun das Hinterland von Poti anbetrifft, so tritt schon dem 
die Bahn nach Tiflis befahrenden Reisenden ein Bild der Hindernisse 
entgegen, welche eine von der Mündung des Rion gegen die Haupt- 
stadt des Kaukasus vordringende Armee zu überwinden hat. — Diese 
Bahn ist selbstverstäjidlich von ebenso grofser Wichtigkeit ftir den 
Handel als für den Krieg, wenn man auch an die Leistungsfähigkeit 
für die Zwecke des letzteren nicht /u grofse Ansprüche stellen kann. 
• — Dadurch, dafs sie von Samtredi westlich Kutais aus durch eine 
Zweigbahn mit Batum verbunden ist, kann Rufsland die im Erieden 
mit ihrem Hauptteil in und um Tiflis stehenden kaukasischen Truppen 
ohne Sdiwierigkeit bei einer Mohilmaohung nach Batom weifen, 
jedenfalls Trains und Artillerie von dem immeriiin nioht günstigen 
Marsch durch die Gebirgsstralken Tnmskaukasiens zur turklBchen 
Grenze befreien. Sollte das Ptcgekt, die dskaukasischen mit den 
transkaukasischen Bahnen durch eine von Nowo-Bossgsk über Sucihum- 
Kale auf Nowo-Senaki geführte Bahn zu verbinden, TerwirUieht 
werden, würde die Bedeutung der Linie Poti-Baku mit ihrer Zweig- 
bahn auf Batum noch mehr stcdgen. — Freilich darf man die Schwierig- 
keiten nicht unterschätzen, welche bei Erbauung dieser Küstenbahn 
zu überwinden sein würden. Dieselben würden wohl noch diejenigen 
übersteigen, welche sich der Herstellung der zuletzt genannten Schienen- 
stränge entgegenstellten. Nach den gemachten Erfahrungen würde 
die russische Regierung vielleicht ebenso kühn, aber gewifs nicht so 
oberriachlich bauen. Denn durch den letzteren Umstand ist oft die 
Leistungsfähigkeit der Bahn Poti-Baku in Frage gestellt — ein für 
den Kriegsfall sehr wichtiger Umstand. — 



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* 

320 Küsten und Häfen des russischea Reiches etc. 



Die Operationen längs dieser Bahn von Poti anf Tiflis sind durch 
die Beschaffenheit dieses Teiles des alten Mingreliens unendlicli er- 
schwerti teilweiBe unmöglich gemacht. Qegen 40 km fiUut die Bahn 
durch die Urwälder Mingreliens. Der Boden ist so fencht und 
lAUiimnigj dab die AufiMhUttong des Bahndammes nioht allein fiele 
Muhe, eondem aneh viele Menaohenlebeii gdcottet hat; denn von den 
bei dem Ban beediSftigten Soldaten eoUen nur wenige vom Snmpf- 
fieber versohont gebUeben sein. — Die alten Bäume des Waldes nnd 
so dicht unter einander mit Epheu, Weinranken und Schlinggewächsen 
berankt und verbunden, das üppig wuchemde Unterhols so unduzob- 
dringlich, dals die Wegsamkeit geradezu aufgehoben erscheint. — 
Und anoh da, yfo die Bahn in ofiEsnes Land tritt, macht sich der 
Mangel an braochbaien Wegen mit Anmahme der groiaen Straise auf 
Kutai3 fühlbar. — 

Südlich des Rion wird die Ebene von einigen Gebirgsflüsseii 
durchschnitten. Unweit der Mündung des bis 1878 die Grenze mit 
der Türkei bildenden Tscholok liegt Fort SwatajaNikolaja, welches 
1877 der Stützpunkt für das gegen Batum vordringende russische 
Rion-Korps war. 

Nach Überschreitung des Tscholok betritt man die Küste von 
Lasistan, an welcher der Hafen von Batum liegt, welcher heute die 
wichtigste Station der russischen Flotte an der kaukasischen Seite 
dea SdimBaan Uaeies gewoiden ist, gleichzeitig der Ausgangspmikt 
des Handels Transkankaaiens, mit welchem es dnrdh die Eisenbahn 
Samtredi-Batum verbimden wurde. — Die Kfisto von Laaiatan war 
im IVOlgaliie dea Jahrea 1877 8c3ian|ilati dar Operationen dea 
masiaöban BionpEoips. Die Sehicksale deasellMii geben ein lebena- 
Tolles Bild des Kinflnsee« des geographisdien Momentes auf die Krieg- 
führung. — Sie sollen daher kurze Erwähnung finden. 

Das Korps hatte am 24. April die Grenze übersduitten. Bald 
machten sich aber die Hindemisse fühlbar, welche die »an und für 
sich nicht bedeutenden, aber durch die gesdmiolaenen Schneemaasea 
des nahen Gebirges angeschwollenen und in geringer Entfernung von 
einander sich in das Meer stürzenden Gebirgsbäche dem V^ormarsche 
— namentlich der Artillerie und des Trains entgegensetzten. Schon 
nach dem Gefechte an den Höhen von Chazubani am 11. Mai sah 
sich der Kommandirende des Rion-Korps, General Oklobsio, zu um- 
fassenden Wegebesserungeu hezw. Neubau von Wegen gezwungen, um 
dem fühlbaren VerpÜegungsmangel in Folge des fehlenden Nachschuhes 
abzuhelfen. Hierzu kam die Einwirkung der das Meer beherrschendou 
türkischen Flotte aul ilie nahe demselben durch die schmale Küsten- 
ebene fuhrenden Verbindungen. Ja bei dem Angriffe Oklobsio's auf 



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Die Kflsfeen mid HiftD dm nuuKlNii BeidiM «toi. 



321 



die befestigte tüzldBehe SteUung unweit TriohedBir tan. 23. Jnxd griff 
das taikiBche Geschwader sogar in das Gefedit ein. TOngAVIammt 
zwischen ein rauhes, schwer gangbares Gelnige im Osten, dem von 

des Feindes Flotte beherrschton Meere im Westen, vor sich den 
energisch geführten Gegner, nm seine Verbindungen in Folge der 
Unternehmungen der Türken gegen dieselben vom Meere her besofgt, 
entschlofs sich der russische General zum Rückzüge hinter den Adkowa, 
der wie früher ein Hindemils für die Vorwärtsbewegung der Hussen, 
nun eino Stütze für deren Verteidii^uiig wurde. — 

Batum, dessen hoher Bedeutung schon oben gedacht wurde, 
liegt an einer weiten Bucht, von welcher durch eine über 600 m 
lange Ost-Mole — welche an ihrer Spitze einen Panzerturm trägt — 
und eine kürzere West-Mole ein zwar nicht grofses, aber bis 9 m 
tiefes Becken abgetrennt ist. Dasselbe bildet den eigentlichen, inneren 
Hafen. Am Eingang in denselben, von Norden her, finden sich 
Wassertiefen bis 26 m. 

Die Befestigungea sind nodi nicht gans beendet Es sind folgende: 
1. Die Batterie Buron-Tabia am Kap Bnnm in Nordwesten, dn 
groises, kasematkirtes Werk. 2. Die Batterie Barfcana-Tabia, dem 
ersteren gegenüber und von ihnliohen Verbaltnissen wie dasselbe. 
3. Eine Beilie kleinerer Batterien, welche teOs die anf Batom fBbrende 
Balm gegen Angriffs vom Meere her siehem, teils die dasselbe be- 
henscbenden HQhen krdnen. — 

Die Bedeutung Batums als Flottenstation wird wesentlich bedingt 
durch die in seiner Nähe befindlichen, mit ihm durch eine Zweigbahn 
verbundenen, sehr bedeutenden Kohlenlager. Für die Ausfuhr des 
vom kaspischen Meer hierher geschafft«! Petroleums dient ein besonderes 
Bassin mit grofsartigen Reservoirs. 

Wenn wir liicrmit die Schilderung der dem Schwarzen Meere 
angehörenden Küsten des russischen Reiches schhefsen, so möchten 
wir dies mit kurzem Ausblicke in die Zukunft dieses wiclitigen Verkehrs- 
weges — für den Handel wie für den Krieg — thuni 

Rufsland sucht sich sein grofses, zukunftsreiches Kolonialland in 
Asien durch alle Mittel des Verkclus zu verbinden. — Die fieberhafte 
Thätigkeit beim Bau der sibirischen Bahn, die neuesten finanziellen 
Abmachungen mit China zeugen davon. — Aber die m ttbenrindenden 
Räume, die finanziellen Opfer, die knlturellen VerbiUtiiisse Sibiriens 
und des Amor-Gebietes werden dem Fortschreiten des Rieseqweikes 
natnrgemftfee Hemmnisse bereiten. — 

Mitderwefle werden anch die Dinge im Gentrum Asiens gebieterisch 
poHtisch-militSrische LOsungen &rdem. Ob am „Dache der Welt**, 
wo seit langem britische and russische Vorposten mit schnlsbereitem 

IdhrbMkw fir di* DratMhf Aim* vaA Mutofc Ba.«l,S. 83 



322 



Die Käaten und Hafen des ruMittciieü Keichfis etc. 



Gewehre sich gegenüberstehen, ob m Penien, Ost-Toikestan, diM 
wd heute Niemand entacheidoii kOmun. Aber di6 6b nur eines 
Fankens bediurf^ am den angesammeltea Zündstoff zur Explosion zu 
bringen, wird Nienuukd bestreiten woUen! ffier mm hat BnlSdiiid 
rieh durch die tcanskaapisohe Bahn, welche heute bis Ssamarkand 
he&hrea, in Inuser Zeit Kokand erreieht haben wird und deren Tm^ö 
schon bis Andishan im QnaUgebiet des Byt Daija abgesteckt aein 
soD, eine Basis für seine Operationen geschaffen, deren Bedeutung 
noch Tiel zu wenig anerkannt zu sein scheint - Für diese Operations- 
hnie sind aber die „europäischen'* £üsten des Schwarzen Meeres, so- 
weit sie unter dem Scepter des Czaren stellen, Batum, Baku, Usan-ada 
(letztere beide am Gaspischen Meere), Tschardshui am Ämu Darga, 
Ssamarkand die wichtigsten Etappen. — Die auf dem Amu schwimmende 
kleine Dampfschiffs-Flotille, deren Bedeutung für den Verkehr auf 
dieser Lebensader Central- Asiens, aber auch für den Krieg, an dieser 
Stelle kt^iner Erörterung bedarf, ist über Batum dorthin gelangt*). — 
Noch vor wenigen Monaten wurde sie durch den in Newcastle in 
England gebauten „Zosare witsch" veratärkt. Die Ergänzung der im 
transkaspischen Militiii bezirke .stehenden Truppen geschieht ohne jede 
Schwierigkeit in verhältnifsmärsig kurzer Zeit. 

Zwar trägt aueh der bei Fetrowsk nfirdlich des Kankasas am 
Gaspischen Heere ansmfindende Sduenenweg die Ventilrkung an 
Uenaohen und Material heran; aber dieser Hafen ist nicht günstig, 
der Weg von dort nach Ussorada doppelt so weit und sehwieriger als 
degenige ^n Baku. Vor allem aber muls bis auf weiteres, ehe llord- 
nnd Stid-Eaukasien mßh% mit einander durch einen Schienenweg ver- 
bunden aind, Bnfeland bei einem Kriege mit der Tfirkei oder mit 
Persien wesentlich auf die Verbindung der an den Grenzen dieser 
LSader stehenden Armee mit dem Matterlande zur See bedacht sein. 

Die Aulgabe eines jeden zur See mächtigen Gegner Rufslaada 
wird es also sein, sich zunächst die Herrschaft über das Schwarze 
Meer zu sichern. — Sollte es gelungen sein, in vorstehenden Aus- 
führungen einen kleinen Beitrag zur Kenntnifs der mihtär-geographi- 
schen Verhältnisse desselben geliefert zu haben, wäre das Ziel dieser 
Arbeit nicht vergebens erstrebt. — 

>) Die kleineiii dgens fitr die SchifiTahrt auf dem Ama Darja in £nglaad 
erbautPTi Dam}>fer wordea, in einaelne T«ie aerlegt» Ton fiqgkuid nach CentnJ- 
Asitp flberf&hrt 



I 

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XXIL 

Die dieigfibrigen englischen FlottomnaiiSYermid^^ 

vom modernen Hottendienst. 

T<Hi T. Klein, Korvetten-Kapitän a. D. 

Nadi einer längeren Reihe von Jahren, in welchen der Flotte 
Angaben strategiBcher Art gestellt wurden, hatte die englische 
AdnünUtSt die ManSTer dieseB Jahres an rein taktischen Übongen 
l^estimmt. Es ist hierbei wohl der Wnnsch mafsgebend gewesen, der 
Stellung nnd dem Dienst der Kreuzer in der Flotte nfiher zu treten, 
oder besser gesagt, sie in mehr systematischer Weise dem Flotten- 
verbände anzngliedem, wie dies bei den strategischen ManSram dei 
letzten Jahre stattfinden konnte. 

Am 24. Juli wurden eine Keihe von Kreuzern, Torpedofahrzeugen 
und -Booten neu in Dienst gestellt und mit diesen die „Kanal-Flotte" 
und die „fieserve-FIotte" auf die Manöver-Stärke gebracht. AuTserdem 
wurde ein Torpedo-Geachwader gebildet, welches selbstständige Manöver 
im St. Georges-Kanal vornahm, über welche leider keine Nachlichten 
vorliegen. — Die Ordre de bataille var: 



Kanalflotte: 
Vize-Admiral Lord 
Waltar Kerr. 



Boyal Sovereign 
(Plag) 

KmpreM of Indi» 

Hosolntioti 
Bepolse 
Blenheim 
Endymlon 
«Qratton 



Pazxer- 
•ohiffe 



Krenser< 



Torpedo- 
boota- 



«Chacybdb 
•Fort« 

•Tndofatigable 
*Iphigenia 
•AndromMh« 
•ApoUo 
•Pearl 
Ballon* 

Speedy 

Haloyon 

Jason 

Niger 
Sheldr&ke 



Roserveflotte: 
KoQtre-Admiral 
E. H. Seymoor. 



Panser* 
■ohiffa 



•AlMcaiiaTa (Flag) 

BcTil II iW 

Oreadaoogbt 

Colongus 
Wanpite (Flag) 



ToiTieiio- 

boota- 



*Aatraa» 

*ThuBM 

Melampna 
•Naiad 

•Tribüne 

•Thetia 

«bis 

Leda 

Onyx 

n«nard 

Salamandar 
•Haaard 
tAntalopa 



Torpedogeschwader: 
Eontre-Admiral 
Wilmm. 



Kreuzer i 
ELKlaasel 

HttUli. 

krenxor 



Torpedo- 
boot«- ■ 
aantOrar 



•Fox 
Magnat 
Onrlew 
Travoller 
LandraU 
Daring 

•HaTOok 

•Decoy 

•Boxer 

•Broiiar 

•Daaher 
Ferret. 

•Dragon 

•BMka* 

•Sbark 

•Surly 



Torpedo- 
boote 



8S*D 

84» 
94*D 

wn> 

«>• 

85* 
8I* 

87» 



* Die mit einem Stera verseheueu Sciiiöe wurden neu in Dieuät gestellt 

23* 



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324 



Die diesjährigen engliacben Flottenmanöver etc. 



Die Indienststellungen verteUten flieh auf die 3 Hftfen des König- 
reidbs im folgt: 



{ 



Kronzer IlL KJaR^p 
KuoDMiboot L n. XL KIamo | 

TorpadobootMwtOw 



Povtaaontli. 



Lftton» 
Indefati|*M« 
IphigMdft 
Naiad 

IriB 



H&vock 

DMoy 

Boxer 



79 
83 
8« 
M 



D«Tonp(wt. 



Flora 
Henuiona 



t Qrafton 
\ Theseas 

Cbarybdis 

Forte 

Tribone 

Thwtia 



Apollo 

I Alarm 



l 73 



In der Zeit bis zum .1 August wurden von den beiden Flotten: 
„Evolutionen, Fahrtformationen mit Sicherhaitflmalsregeln bei Tag und 
Nacht, Gefechtsfoniialioneii bei Tage, Ankern und Ankeraufgehea, 
Bekognossiningeii und Signaliatien auf weite Eatfemnngen'^ geübt 
Nach Ablauf dieser Zeit begaben ach die Flotten nach bestinimten 
Bendez-Tons-Plfttsen an der irischen Küste, flllHen Kohlen auf und 
waren am Donnerstag den 8. zur Lösung einer besonderen Au^be 
bereit. Diese bestand darin, daJs sich beide auf ein bestimmtes Rendea- 
T0U8 begaben um Ton hier aus mit Hülfe ihrer Kreoaer eine möglichst 
sdmeUe Vereinigung zu Stande zu bringen. 

Die vereinigten Hotten wurden dann zu einer einzigen ver- 
schmolzen, die unter dem Kommando des Vize-Admirals Kerr die 
Übuni^on der ersten Woche im vergröfserten Mafsstabe bis zum 
14. Aufiust fortsetzten. Damit war die Manöverzeit beendet und die 
einzelnen ScliifFe kelirten nach l'>ledigung ihrer Schielsübungen, In- 
spizirunrj etc. in ihre alten Verbände zurück. 

"Wir folgen nicht den einzelnen Phasen des Manövers, das programm- 
mäfsig verlief, greifen vielmehr willkürlich einige Kapitel aus dem 
modernen Flottenleben heraus, die zum Verständnifs desselben auch 
für die Allgemeinheit interessant sind und durch das Manöver eine 
neue Beleuchtung erfahren haben. 

Fregatten- Kreuzer. Als das alte Linienschiff vor nunmehr 
etwa 30 Jahren seinen solange mhmToU behaupteten Platz an das 
Panzersehiff abtrat — und damit eine neue Aera im Seekriegswesen 



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Die dinglhrigen angtiachen FlottemnanftTer eto. 



325 



herbeiführte, hatte man scheinbar vergessen, seinen steten Begleiter, 
die Fregatte auch im modernen Gewände erüteben zn lassen. Man 
glaubte, dafs die Panzerschiffsflotten durch die grofse eigene Bewegungs- 
fähigkeit dieses Beiwerks überhoben sein und begnügte sich damit, 
ihnen einen oder zwei Avisos beizugeben, die hauptsiiclihch den Post-, 
Depeschen- und Proviantdienst versahen. Erst nach zwanzigjähriger 
Er&hnmg kam man zu der Erkenntniis, dab man die früher von 
der Fregatte geleistotea Dienste nicht eDtbehFen kdime» iAbb auch 
jetzt noch dnroh den Bau beaooderer Schifib aa einen Eraats der- 
selben zu denken. • Dafür trat in den achtziger Jahren wie gemfen 
eine neue Schiffeklaeae ^dae Torpedoboot* in die Ereoheinong, in 
welobem man ein geeignetesEahnei^ aah, denSicfaerheits-, AnfklirangB- 
nnd Rekognoszirungsdienst bei der Flotte zu übernehmen. Bfan glaubte 
die „Kavallerie des Meeres" gefunden zu haben. Der Traum war 
nur kurz! Gar bald zeigte sich, dafs selbst die gröfsten der Boote, 
die sogenannten Hochseetoipedoboote den ihnen zugedaclitcn Aufgaben 
durchaus nicht gewachsen waren, da ihr Hauptvorteil, die grolse 
Geschwindigkeit auf hoher See niclit Stand hielt. Man gab sie ihrem 
eigentUchen Beruf zurück, war aber nun umsomehr darauf bedacht, einen 
brauchbaren Ersatz für sie zu finden. England «ling voran und gab 
seiner Flotte „Kreuzer" bei; Schiffe von genügend grofsem Deplace- 
ment (2 — 4000 t), deren vitale Teile durch ein Panzerdeck geschützt 
w^aren und die mit hoher Geschwindigkeit grofses Kohlenfassungs- 
vennögen VLil>anden. Als die einmal erkannte Notwendigkeit dieser 
SchilTc durch die Flottenmanöver der 80 Jahre immer gröfsere Be- 
stätigung fand, that die ftUirende Seemacht *im Jahre 1889 einen 
mächtigen Sduitt yorwärts, indem sie 29 Kreuzer einee als gut er- 
kannten Typs auf einmal auf Stapel legte und damit alle übrigen 
Nationen zu folgen zwang. Seitdem ist der Kreuzer ein unentbehr- 
liefaer Beetandtttl jeder modernen Flotte geworden, in jeder Beziehung 
den Platz ausfüllend, den man von einer „KaTaUerie des Meeres'' 
▼erlangt Ebenso wie im Landkriege die Kavallerie der Armee vor- 
auseilt, um die Thätigkeit des Feindes zu erkunden und Fühlung mit 
ihm zu gewinnen, ebenso müssen im Soekric^'e Kreuzerdivisionen bis 
vor die feindlichen Häfen gehen, sich über Thun und Treiben 
des Feindes Kenntnifs verschaffen, ihm jeden erdenklichen Schaden 
zufugon und sich ihm an den Leib heften, sobald er mit seiner Flotte 
den Hafen verläfst, Tn gleicher Weise vne eine niarschirende Armee 
sich durch vorgeschobene Abteilungen Front, Seiten und Ilürkcn deckt, 
wird sich auch die in See befindliche Flotte nach allen Seiten sichern. 
Zu diesem Zweck wird sie von Kreuzern in weitem Umkreis umgeben, 
wobei einzelne Verbindungsschiffe die Meldungen von den am weitesten 



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326 



Die die^j&hrigen engliachen Flottenmanöver ete. 



Torgeschoboiea Ai^gnoktcliiffeii d«ni Adminl flbemÜleliL Dis For- 
nuttion erscheint auf den «nten Blkk sehr ein&ob, iti ee aber b 
Wirldkihkeit möht, da das Halten der Erenaer auf ihren Positioiian 
— nidht zu nah, nicht zu fem — gnten aeemfinmaohen Bfiok und 
grofse Ühmig eifordert. Bei Enistndenuigen steigen die ScAiwierig- 
keitan. Die Entfernungen dar Kreoier fon der Botto sind natnr- 
gemäls keine feststehenden, richten sich ^elmebr immer nach der 
Sichtigkeit des Wetters. Beherrscht eine so fahrende flotte bei 
schönem Wetter \ielleicht ein Areal von 100 Osm, so schrumpft sie 
hei schlechtem Wetter und bei Nacht auf den vierten Teil zusammen. 
Der eben beschriebene Dienst hat in den verschiedenen Flotten noch 
keine feste Form angenommen und war deshalb auch in den dies- 
jährigen englischen Flottenmanövern Hauptgegenstand der Übungen. 
Ob er überhaupt in ein System zu bringen ist, erscheint sehr fraglidi, 
da ebenso wie bei der zu wählenden Gefechtsformation immer die 
Ansicht des betreffenden kommandirenden AdmiraJs den Aurachlag 
geben wird. 

Die den englischen Flotten gestellten Aufgaben. So 
fanden auch die den englischen Admiralen in diesem Jahre gestellten 
Aufgaben eine ihrer IndividuaUtät entsprechende Lösung. 

Die Aufgabe war folgende: Die Kanalflotte unter Lord Walter. 
Korr befand sich in Bantiy-Bai an der St&dwect-Ecke Lrlaada, die 
Beserreflotte unter Lord Seymoor in Lcmgh Swilly am Nordends 
Irlands. Beide Flotten sollten zur selben Zeit anslanfen, sieh loa aaf 
einen bis aoletzt geheim gehaltenen BendeMNia-FlatB bogeben und 
von dort ans ihre mSglidist sobneile VeieiDigmig an bewerksteUigBa 
SDcihen. 

Die Kanal flotte. Lord Walter Ken* verliefs mit der Kanal- 
flotte Bantry-Bai am Freitag Morgen 9^ und traf am Sonnabend gegen 
6 Uhr Abends auf dem ihm bestimmten fiendez-vous-Platz in 53'' 30* 
N. Er. und 1 7" 30' W. Lg. ein. Er begann hier sofort die Suche, indem 
er die llckognoszirungsfahrt seiner zwölf Kreuzer derart ordnete, dafs 
ihre Kurse die Stäbe eines Fächers bildeten, der das Gebiet vom 
Rendez-vous-Platz nördlich bis zur Blacksed-Bai, südlich bis zur 
Südspitze Irlands umfafste. Sie hatten mit 14- 15 sm Fahrt eine 
bbötinmite Entfernung abzulaufen und sich dann auf einen neuen 
Rendez-vous-Platz „M", 20 sm vor der Blacksod-Bai, mit der Schlacht- 
flotte zu vürcimgeu- Diese steuerte mit 7 sm Geschwindigkeit auf 
dem geraden Kurse dorthin, so daik die Kreuzer sich jeden Augen- 
bllflk dan Anftnthaltsort des Admirals auf der Karte absetzen konnten. 

Wr fOgen hier die genaaen Dispositionen Ar diejenigen bei, 



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Hie die^jiliftgaD engünlMii FlottnaundTCr «Be. 327 



welche sich auf der Karte ein besseres Bild der Übung maoheii 
wollen*). 



Charybdis . . 


210 sm auf 


N Kurs 


Apollo . . , 


. «80, „ 


N.O „ 


Latona * . , 


• „ „ 


NNO „ 


Forte . . . , 


• 250 , „ 


NOzN „ 


Iphigonia 


. 260 „ „ 


NO „ 


Indefatigable , 


. 270 „ „ 


NOzO „ 




. . 275 „ „ 


ONO „ 


Jason . . . , 




OzO bis Eaglee-Isl. 






0 bis Slyne-Head 



Bellona . ungeßLhr 0 z S bis zur Mündung des Shannon. 
Pearl . „ 0 S 0 „ zu den Blasquets. 
Andromaolio ... 8 0 « VMtnot Rock. 

Me hattsQ die Instroktion, beim Siohtaii emes Si^^ 
flotte dieses von den Bew^tmgen der Keiuüflotte zu unterriöhteii, dann 
dieselbe Mitteilung dem Admiral der Reserve-Flotte sa machen und 
schliflialioh unter voller Mawdunenkraft dem eigenen Adminl die 
Bewe«TUTigen der Reserveflotte zu überbringen. 

Die Reserve-Flotte. Die Reserve-Flofte hatte Longh Swilly 
am Freitag Morgen 10^, also eine Stunde später wie die Ranalflotte 
ihren Ankerplatz verlassen, war aber durch das Üherbordspiilen zweier 
Heizer auf der „Edinbur^h"^, die einen losgegangenen Bunkerdeckel 
befestigen wollten, mehrere Stunden au%ehalten. Der Admiral hatte 
den Zeitverlust durch vermehrte Fahrt einigermafsen eingeholt, so 
dafs auch er am Sonnabend Abend gegen 8^ auf seinem Rendez-vous 
54° 30' N Breite und 15" 30' Länge ankam. Das Wetter war schön, 
nur eine lange Oceandünung iiefs die Schifife zum Toü schwer rollen, 
Lord Seymour's Plan die Aufgabe zu lösen, trug einen ganz andern, 
ohne Frage dem wirklichen Kriege näher kommenden Charakter wie 
der seines Gollegen. Er teilte seine sämmtlichen Kreuzer ein in 
„Patrouillen-Sohiffe'^ oder Schiffe, die zeitiraim aniser Verbindnag 
nii der Hanptflotte waren und „Ausguck-Schiffe^ weit vor- 
geBchoben, aber inuner durch die dritte Axt, die «Yerbindnnge- 
Schiffe** mit dem Admiral m Verbindung. Die Schlaclitflotte war 
wie gewdhnlieh in ewel Kiellinien neben einander ÜNmiirt Ah Ver» 
ländnng^eehiff fahr an Steoerbord „Antilope*', an Backbord „Salaf 
mandn*. Vor diesen in Dreieokaformation dampften ala Ansguck- 
SdiHfe flMeraqr«, »Naiad«, nOoyx}^ und „Renard<* an Backbord, 
iiMdampna", »Tbamea*', ,|Tribnn'' und „Leda'^ an Steuerbord und 
noch weiter vorgeschoben vor der Backbordgruppe als PatrouiUen- 
Schiffe „Soont** and ffxia*^, wot der Stenerbordgrappe jfhanf^ nnd 

s) iHiie aberachtliobe bÜdfidio BanteUnag befindet steh in der Anngr aad 
Naiy Oaaette Nr. 18117. 



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328 Die dfoqfihrigen englladMü FIottaBBiaii5f«r «Ce. 

^Thetöaf^, Letztere liatten Befioihl, znniUshst 26 am ednag naeh am- 
wftrtB, dann 60 am einen parallelen Kurs mit der Flotte und soUieis- 
lich wieder nach innen zu Stenern, um auf einem vorher bezeichnet«! 
Bendez-Tons am Morgen auf alle Fälle wieder mit der Flotte zusammen 
au treffen. Di(! so gebildete Front war 60 sm breit, wurde jedoch 
am Tage auf 100 sm anigeddmt. Die Instruktion für die Komman- 
danten der paarweisa susammen arbeitenden Patrouilienschifre war die, 
dafs beim Sichten eines Schiffes der Kanalflotte ein Schiff mit Lord 
Ken- in Verbindung zu treten, das andere dem eigenen Admiral 
Meldung zu machen habe. Die Ausguck-Schiffe hatten im gleichen 
Falle ein »Signal mit dem elektrischen Scheinwerfer zu geben und 
z^s'ar einen Strahl senkrecht gegen den Himmel, hierauf einen zweiten 
in der Richtung des fremden Schiffes. 

Gegen 1 Uhr Naclits flammte dieses SiuTia! von der „Tribüne"* 
auf, die auf die „Iphigema" der Kanalüotte gestofsen war. Die 
Hotten hatten sich gefunden und vereinigten sich am Vormittag des 
folgenden Tages. Die hier dan Kreuaam gesteUte Angabe war keine 
flchwierige. Ea acheint aneh mehr in der Abaiclit der enf^iac^en 
Admiralität gelegen zu haben, tot allen Dingen die Vereinigung der 
beiden Flotten noher m stellen. Darauf deutet wenigstona dieTbat- 
Bsehe hin, daia die beiden Rendea-Tona-FIfttBe, m denen die gegen- 
seitige Snche angenommen werden sollte, nnr 100 sm von einander 
entfernt waren. Nimmt man daan die iur diesen Teil dee Manövers 
gegebene kurze Zeit, so gehörte nnr eine geringe Kranbinationsgabe 
dazu, den Kurs der Flotte derartig zu legen, wie es die beiden 
Admirale tlia ten. Von Interesse ist die Art der Verwendung der 
Kreuzer, die auf den beiden Seiten eine grundsätzlich verschiedene 
war. Während Lord Walter Kerr i^eine Kreuzer sozusagen selbst- 
ständit; machte, behielt sie Lord Seymour stets in der Hand. Das 
Resultat war, dafs ersterer erst 40 Stunden nach der Vereinigung der 
Flotte alle seine Kreuzer wieder boisaimnen hatte, während die der 
Resen'etiotte schon nach 3 Stunden wieder bei ihrem Admiral waren. 

Im vorliegenden Falle war diese Thatsachc nebensächlicher Art. 
da von Freund und Feind bei der Anlegung der Aufgabe iiberliaupt 
nicht die Rede war, für die Verwendung der Kreuzer im allgemeinen 
jedoch scheint rie uns Ton ansachlaggebender Bedeutung, da im Kriege 
doch alles darauf ankommen wird, seine ganae Macht beisammen su 
haben, um dem Feinde mit der ^latmögliehsten Aussicht auf Erfolg 
gegenfiber treten zu können. Auch daa Detachiren der Krenser 
einem*' erscheint uns ein geffthriiches Eaperiment, da diese um so 
leicbter der Wegnahme durch foindliche l^ieuzer aaagesetat sind, die 
in gröitacer Zahl beisammen sind. Im allgemeinen wird man sagen 



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Die die^jihrigen englkchen Fk>UenmanÖv«r eto. 



329 



können, dafs ini Kriege sich eine Kombination beider Methoden ganz 
von selbst ergeben wird. Das Gros der Flotte wird auf dem Marsche 
gegen den Fi'ind den üaupttei! seiner Kreuzer so verwenden, wie es 
Aiiniiral Seymour that; d.h. er wird mit ihnen den grölstmöglichsteu 
Raum auf seinem Kurse zu beherrschen suchen. 

Nebenher werden detachirte Krenzer^Divimonen unterwegs sein, 
die an besonders geeigneten Piinkten, Meerengen, Vorgebirgen etc. 
den Feind zn erwarten nnd seine AnnShening zn melden haben. Alle 
diese Ma&nabmen sind natOrlich in erster Linie von den Gewüssem 
abhingig, in denen sich der Kn^g abspielt. Wttrde einem Admiial 
noch euunal eme Angabe zufallen, wie sie einst Nelson za iSsen 
hatte, als er Napoleon anf sanier abentenerlidien Fkhrt nadi Ägypten 
im ganzen Mittelmeer suchte, so werden sie andere sein, als wenn 
die englische Kanalflotte ausläuft, um die französis( lie Nordflotte zum 
Schlagen herauszufordern. Es wäre schon aus diesem Grunde schwer, 
bestimmte Lehren aus den diesjährigen englischen Manövern zu ziehen 
nnd noch schwieriger, sie im besonderen für deutsche Verhältnisse 
nutzbar zu machen. Leider ist dio dentsche Flotte durch die Ver- 
ständnilslosigkeit des Reichstages tVir die Anforderungen einer zeit- 
gcmäfsen Marine in Bezug auf die modernen Kreuzer so weit hinter 
den übrigen Mächten zurückgeblieben, dafs sie sich für Jahre hinaus 
noch mit Übungen auf dem Papier und den Erfahrungen anderer 
wird begnügen müssen. Der einzige, aus den englischen Manövern 
für Deutschland ziehende Vorteil wäre vielleicht der, dafs der 
Unterschied in der Zusammensetzung der englischen und deutschen 
Herbstttbungsflotte einem oder dem anderen Yolksrertreter zu denken 
gäbe. Dort 8 besw. 7 Panzerschiffe mit je 9 Erenzem und je 
6 Toipedobootszerstorem, also auf je 1 Panzerschiff 2 moderne 
Fahrzeuge, hier 8 Panzerschiffe mit 2 Avisos; d. h. mit anderen 
Worten, dort eine zeitgemllb zusammengesetzte Flotte nnd hier eine 
solche, wie sie genau in dersdben Zusammensetzung tot 20 Jahren 
in See ging. 

Modernes Signalwesen. Unter gewöhnlichen Verhältninen 
bieten auch heute noch wie zu Nelson's Zeiten die Signalflaggen ein 
bequemes und sicheres Mittel zur Verständigung von Schiff zu Schiff. 
Bei der erheblich vergröfserten Bewegungsfähigkcit der Flotten und 
den noch immer steigenden Schiffsgeschwindigkeiten hat sich von -fahr 
zu Jahr mehr die Notwendigkeit herausgestellt, schon auf grofse Ent- 
ferriiHii^en schnell eine kurze Mitteilung empfangen oder geben zu 
können. Die Flaggen reichen hierzu nicht auö, weil iliro Farbe und 
Form schon auf gröfsere Entfernungen wie ;> -4 Seemeilen nicht mehr 
imterschieden werden kann; — und man verlangt heute Verständigung 



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330 



Die diesjShrigen englischen Flottenmanöver etc. 



1 



auf die ärd- \m Tkrfache SntfernuDg. Zur Zeil dar Segahoiiiflb w 
M da« Oberbiamsegel, dessen Beigen und Setsen solange eine Signil- 
fecstiindigung ermöglichte, vri» es noch ttber dem Horisonte eiditibar 
war. Man hat Tersodti, diese einfiMshe Eediode anf die DampfsohÜli» 
WBL übertragen, indem man besonders groJbe Flaggen oder Bieseo- 
kngeln ans Segeltnoh an der Uastspitee setzte and chneh längeres 
. oder kOrseres Henmterholen lingere oder kGiaere Blicke nach Moiss 
zu geben versucbte. Alle diese Versuche scheiterten an der Sdmierig- 
keit der Beobachtung und auch der Bedienung, welch* letzterer die 
Geschwindigkeit des Schiffes also die Zunahme des Luftdruckes auch 
bald eine Grenzo setzte. Man mufste deshalb an Apparate denken, 
die dem Luftdruck möjrUchst wenig Widerstand boten, gut sichtbar 
waren und bequem abzulehnende Signale gaben. Auf der Flotte 
waren deren mehrere zum Versuch aufgestellt, „Royal Sovereign'* und 
„Blenheim" hatten einen mehrarmigen Semaphor, eine Erfindung des 
englischen Admirals Wilson, an ihrer Mastspitze, während „Alexandra" 
und „Naiad" Admiral Fane's zusammenklappbare Trommel zu pro- 
biren hatten, von der man sehr viel erwartete. Sie war sowohl für 
Nacht- wie für Taggeb raucli eingerichtet. Während man bei Tage 
durch Aufziehen bezw. Zusammendrücken Zeichen nach Morse geben 
konnte, waren für den Nachtgebraach im Innern der IVommd krais- 
HSmiig 36 elektrische Lampen Ton je 50 Noimalkenen StSike an* 
gebracht, deren Licht man nach Belieben erscheinen nnd TeisdiwindMi 
lassen konnte. Behn Gebrandi stellte sidh bald heraus, dafs die Be- 
dienung bei Nacht, wo nur ein Offnen oder SdiHeften der Tromms! 
ron 6" Weite erfiorderlich war, sich leicht und einfitdi gestaltets^ 
während die Bediemmg bei Tage, wo die Trommel zu ihrer ToOen 
Lftnge aus- bezw. zusammengezogen werden mufste, erheblichen Kraft- 
und Zeitaufwand erforderte. Bei den vielfachen Versuchen gestaltete 
sich denn auch die Signalgebung mit dem Mastsemaphor erheblich 
schneller, während andererseits die Trommelsignale auf gröisere Ent- 
fernungen zu sehen waren. Während das Semaphor bis 11 sm aus- 
reichte, konnte die Trommel bequem bis 13 sm, bei klarem Wetter 
sorjar bis IT) sm gebraucht werden. In der Nacht war natürlich der 
Semaphor nutzlos, die Trommclsignale hinge^'en konnten noch bei 5 sm 
Entfernung mit blofsem Auge abpolesen werden. Bei späteren Ver- 
.suchen bei stavV srhlingorndeni Schiff erwies sich indessen die Trommel 
für den Nachtgebrauch als völlig unbrauchbar, da durch die Neigung 
die Blicke verschwammen. Dafs zugleich die Bedienung äulserst 
schwierig wurde, kann wohl mit dem Provisorischen der ganzen An- 
lage entschuldigt werden. 

Als ErgebnÜs aller Vemiohe Übt sich sagen, dab ftir den Tsg- 



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Die diagihrigen engliacheD Flotteomanövw eic 331 

dienst der Semaphor an der Mastspitze die meisten Anhänger fand, 
dafs ihn indefs die Trommel aus dem Felde zu schlagen geeignet ist, 
sobald für sie eine sichere und äckueile Methode der Bedienung ge- 
funden ist. 

Für den Nachtdienst hat sich ein möglichst hoch am Mast und 
um diesen drehbar angebrachter elektrischer Scheinwerfer am prak- 
tischsten erwiesen. Seine Bedienung ist die denkbar einfachste. Durch 
Schlielken oder Offnen des Kontaktes kann man nach Bedarf lange 
oder kurze Blicke geben; die Drehung auf den Signalempfänger za 
findet ebenfalls auf elektrischem Wege statt; die Sichtweite ist unter 
aUon ümständen genügend. Der Gebrauch des elektrischen Sdwin- 
wetkn za Signakwedken ist so alt «ie ditter selbst, das Nene ist 
nur seine Installinrng in der eben beschriebenen Art and Weise. 

Kohlen. Die Kohle ist das Herzblut des modernen Schiffes. 
Ihre sichere und schnelle Ergänzung im Kriege ist ein Faktor geworden, 
der den Gefechtswert einer Flotte aui" das Wesentlichste beeinfluXst 
In allen Marinen ist deshalb schon lange diese schmutzige „Arbeit'* 
sa onem „Dienst* geworden, hei welolisin die einielnen Sohiffo in 
der Schnelligkeit wetteifern. Eine Aosnahme hienron sdietnea die 
Italiener und Spanier za. maohen; wenigstens berichten die eo^isdien 
Blfttter EigOtsliches über die Langsamkeit, mit weldiar die Sohüfe 
dieser Länder bei ihrem Aufenthalt in England Terfahren sind. Während 
man die Italiener mit allen möi^iehen Gründen entscholdigti hat man 
den Spaniern in die Karten gesehen. Für die Söhne Kastiliens und 
Andalusiens besteht nämlich keine Verpfliditang, dieser sdimutzigen 
Arbeit ihre Kräfte zosawenden. Es können deshalb zum Kohlen 
nar diejenigen Leute verwendet werden, welche sich fi^iwillig melden. 
Sie erhalten dafür Extra-Bezahlung. Der übrige Teil der Mannschaft 
kann auf Urlaub gehen. Es ist klar, dafs bei solchem System ein 
Jeder auf möglichst langsame Betreibung des Geschäfts bedacht ist, 
der daran Beteihgte, um mehr Geld, der Beurlaubte, um mehr Urlaub 
zu bekommen. Das sind kleine interessante Züge, die ein grelles 
SchiagUcht auf die Zustände im ganzen Lande werfen. 

Die englischen Manöver bieten auch dies Mal in Bezug auf das 
Kohlen der Schiffe manches Beachtenswerte, insbesondere ?;eigen sie 
den grofson Unterschied, der in Bezug auf die Sclinelligkeit zwischen 
einer schon länger in Dienst befindlichen und einer erdt neu zusammen- 
getretenen Flotte besteht: 



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332 



Die diesjährigen eogUHcben Flottenmanöver etc. 



Royal Sovereign nahm in der Stande 66 tons» im Oansen 880 tons in<6 Stxmdm. 

Empress of India „ „ « n flA n n n 310 „ „ 4»/, „ 

Resolution . . » „ „ n W,9 „ „ „ 388 „ „ 6Va » 

Repnlso ...„„„ „ 39.2 „ „ „ 301 ^ „ 72/3 „ 

Blenhetm ...„„„ „ 45,4 „ „ „ 250 „ „ 5»;, „ 

Endjmion * » n n n n ^ n n » ^«»BVii» 

Thesens n ^fi n n i> „ 

Dagegen nabmen die PaDzendiifie der Beeenreflotto; 

Benbow . . nahm in der Stande 45 tone, im Oanxen 330 tone. 

Dreadnougrht „„„ „ 3B„ „ „ 260 „ 

Alexandra (neu i. Dienst n n n p26„„ „ 185 „ 

DieSohweBter-l Edinbnrgh „ „ „19„„„ 287„ 

Mhiffo (Colon „„„ „26„„„186„ 

Warspite . „ n n » Ä 

Galatea . . ., „ „ 25 

Im Durchschnitt nahmen also die besser geübten Schiffe des 
Kanalgeschwaders 48 tonR in der Stunde, während die der Reserve- 
flotte nur 29 tons in der Stunde nahmen. Am geringsten war die 
Leistung da, wo sie am höchsten hätte sein sollen, auf den Kreuzern. 
Sie brachten es nur auf 20 tons in der Stunde. Die Verhältnisse 
lagen an den Kohlentagen allerdings ungünstig; es wurde teils bei 
elektrischem Lichte, und die meiste Zeit bei strömenden Regen ge- 
koUt Andererseits spricht es nicht für die Güte der getroffenen 
Maaffffifthinen, dab die beiden Flotten im Ganzen 48 Stunden zmn 
Anffttllen ihrer EoblenTorrftte brauchten. 

Holz — Eisen. Das Holz kftmpft seinen letzten Kampf an Boid 
des modernen EriegsscliifiiBs; die Yalu-Schlacht hat es nm alle Be- 
patation gebracht und ihre Wirkung hat sich aach in den die^Shrigen 
ManöTcm gezeigt. Bei allen Beschreibangen der Klanchifi'a, des 
imitirten Gefechtes, wird besonders hervorgehoben, dala oft die Ge- 
schtttzmannschaften abgerufen wurden, um einen an Bord ausge- 
brochenen Brand zu löschen und daran der Wunsch gel Tiürft, dsJk 
in Zukunft alles Holz auf den Kriegsschiffen durch Stahl oder Eisen 
ersetzt werden müsse. Auf den ersten Blick erscheint dieser Wunsch 
sehr harmlos; wenn man aber an die Mensclien denkt, die auf diesen 
ganz eisernen Scliiffen leben sollen, so inufs mavi doch bedenkUch 
werden. Welcher Landbewohner säfse mit Vfü liebe auf einem eisernen 
Stuhl oder äfse am eisernen Tisch? Wohl keiner. — Deshalb giebt 
es auch vorläufig im gewölmlichen Leben nur Gartenmöbel aus diesem 
kühlen Metall, die man im Sommer und auch dann nur bei grofser 
Hitze benutzt. Und vom Seeoflizier, vom Matrosen will man ver- 
langen, dal's er all seine Beschäftigungen, seine ganze Bequemlichkeit 
auf eiserner Unterlage vollbringe? Sdion jetzt ist der Aufenthalt in 
der rein eisernen Offizierkammer unserer neuen Kreuzer ein hScSist 



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Die die^ährigeu eugUachen FlotieonuuiOver etc. 



ungemütlicher, den mun nur mit Hülfe des Tapeziers freundlicher fje- 
stalten kann. Der leiseste Ton in einer der Kammern teilt sich bei 
der guten Leitung allen übrigen Kammerbewohnem mit; und wird gar 
die oiaerne Schiebethür bewegt, so giebt es jedesmal einen donner- 
artigen Lttim, was namentlich in der Nacht den ScUaf nicht beiföidert 
Dabei ist es unmöglich, sich das StUckohen eigenes Hdm durch Auf- 
hängen von Bildern oder Anbringen von Etagbien einras freundlicher 
zu gestalten. In den eisernen Wänden haftet kein Nagel Was ist 
deshalb natürlicher, als dab manch einer dem im Schiffbau herrschenden 
kriegerischen Geist ein Schnippchen schlägt und statt des leicht brenn- 
baren Holzes seine Kammer mit noch leichter brennenden TeppicheOi 
Shawls und sonstigen Dekorationsmitteln wohnlicher zu raachen sucht. 
Gott sei Dank ist der Schreibtisch noch von Holz und auch der Stuhl 
noch rohrgeflochten und es steht zu hoffen, dafs fürs erste wenigstens 
sie den sogenannten Erfahrungen der Yalu- Schlacht nicht zum Opfer 
fallen werden. Noch empfindlicher wie die Offiziere würde die Mann- 
schaft die Holzlosigkeit der Schiffe treffen. Für sie ist das hölzerne 
Deck Stuhl, Bett, Tisch in einer Gestalt, das durch kein mit Linoleum, 
Papier-Mache oder sonstigen Stoffen belegtes Eisendeck ersetzt werden 
kann. Der Chefkonstrukteur der amerikanischen Marine ist der 
einzige, welcher sich auf (1 rund der mit den alten Monitors gemachten 
Krfuhruugen sofort gegen die, die Gesundheit der Besatzung schädigende 
Entfernung alles Holzes von den Kriegsschiffen ausgesprochen hal 
Die amerikanische Marine ist es auch, welche den einzig gangbaren 
Weg in dieeer Besiehung beschritten hftti indem sie auf swei ihrer 
Schiffe Versuche mit imprägnirtem, nicht brennbarem Holz machen 
UUst. MSchten die übrigen Marinen ihr auf diesem Wege folgen. 

Nebel. Zu den unerfreulidisten Begebenheiten gehOrt es, wenn 
eine Flotte auf See Tom Nebel überrascht und auf Stunden, rieUeisht 
auf Tnge von ihm eingehüllt wird. Der Seemann ist deshalb immer 
darauf bedacht ^^cwesen die Herrschaft dieses unheimlichen Feindes 
wenn nicht zu brechen, so doch zu beschränken. Man hat auf die 
verschiedenste Art für die Sicherheit und das Zusammenbleiben der 
Flotte während eines Nebels zu sorgen versucht. Früher sah man 
alles Heil darin, Abstände und Intervallen zwischen den einzelnen 
Schiffen zu verfiröfsern, erreichte aber hiermit Ijci andauerndem Nebel 
meistens das ^Nitizliclu- Zcrsitrcugcn der Flotte. Heute schlägt man 
den entf^'egougesetzten Weg ein. Die Schiffe rücken näher aneinander 
heran und versuchen durch mechanische Mittel ihre Plätze inne zu 
halten. So wurden in der englischen Flotte bei eintretendem Nebel 
die DisUmzen von 400 auf 'AOi) ui verkürzt und jedes Schiff hatte 
eine weilse mit roten Streifen versehene Boje über Bord zu setzen 



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384 



Die dieejihrigea eugUicbeD FlottenmanÖTer ete. 



und an einer 300 m langen Leine su schleppen. Die Hinterleute 
hatten nun floe Fakrt Bo m legeln, dab sie dte Bqj« iiiiiiMr wm 
dem Bog hatten — ein einfiiclies, sehr proliates Biittol. Daneben 
norde jene HöUennnuik anagefülurt» die eelbet dem fiheetan Seemann 
auf die Dauer auf die Nenren geht, das Abgeben der firkennnngi- 
nimiiiMr mitteilt der Sirene. Jedes Sdiiff im Oesobwader bat seine 
Nnmmer. Das Flaggschiff beginnt damit seine Kammer in den 
Nebel hxnaaBzuheulen. Dann folgt das zweite Schiff und so weiter 
die hmge Reibe beranter. Ist das lötzte Schiff fertig, so beginnt der 
Reigen von neuem. Will der Admiral sich in diesem ununterbrochenen 
Getöse Gehör zu einem Signal verschaffen, so läfst er drei Kanonen- 
scbflsse hinter einander abfeuern. Das Signal irird gemadit nnd die 
Sirenen beginnen von neuem ihre Musik. 

Alle Mann aus dem Schiff. Unter den Exerzitien fi|[,nirirt in 
diesem Jahr eins, welches sich bei Offizieren und Mannschaft nur ge- 
ringer Sympathien erfreut. Es heifst „Alle Mann aus dem Schiff" 
und bedeutet: das Schiff sinkt, rette sich, wer kann. Dals diese 
Rettung um so gröfsere Aussiclit auf Erfolg hat, je ordnungsmälsiger 
sie ausgeführt wird, liegt auf der Hand. Deshalb ist die gesammte 
Besatzung nach einer bestimmten Rolle in die Boote verteilt und das 
Zuwasserbringen dieser ebenfalls bis ins Kleinste geregelt. Wird die 
Rolle geübt, so müssen natürlich eine Ansabl Leute an Bord zurück- 
gelassen werden, welche den notwendigsten Betrieb der Masddnen 
etc. nnterhalten; ebenso die Kranken. Die dieqfthrigen englisdien 
llantfrer geben interessante Daten über die Zeit» in welcher die 
Evakninmg eines Sehiffbs ansgeflihrt werden kann, dessen Besatsong 
sdum ganttgend lange an Bord ist, nm mit den SehiffinoUen yoU- 
kemmen vertrant zu sein. So branchte das grofte Panieiscfaiff »Boyal 
Sovereign'' mit einer Besatzung von 47 OfiSzieren und 682 Mann 
42 Minuten, die ^Empress of India" '^0^ ^, wobei 60 Mann an Bord 
zurückblieben. Die Kreoser mit ihrer kleineren Besatzung führten 
das Manöver in Zeiten aus, die von 25 Minuten auf der „Charybdis" 
bis 10 Minuten auf dem „Jason" wechselten. Dabei bheben etwa 
50 Mann an Bord zurück. Man sieht, dafs selbst unter den normalsten 
Verhältnissen auf einem Panzerschiff eine lialbe Stunde nötig ist, um 
die ganze Mannschaft von dem friedlieh dalieuencien Schiff in Sicher- 
heit zu bringen. Man kann sich danach eine Vorstellunjj machen, 
wieviel glückliche Umstände bei einem wirklichen Unglücksfall zu- 
sammentreffen müssen, um die ganze Besatzung zu bergen. 



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XXITT. 

Über die Haltung Sernadotte's im Feldzuge 1814. 



Es ist bekannt, dafs nach der Schlacht bei Leipzig der Kronprinz 
Ton Schweden mit Erfolg sich bestrebte m ▼erhindem, dafs die Nord- 
Annee zum Eindringen in Frankreich verwendet würdei unter dem 
Vorgeben, dals es seinem Gefühle als geborener Franzose widerstrebte, 
sein Vaterland auf eigenem Grund und Boden zu bekäm[)fen. Er 
setzte es durch, dafs ihm mit doni grüfstcn 'I'eile seines Ueeres die 
Operationen an der unteren Elbe übertragen und er dadurch in die 
Lage versetzt wurde, seine persönliclu; skandinavische Politik gegen 
Dänemark durchzuAihren. Allerdings konnte er ea nicht verhindern, 
dafs ihm die Korps Biilow und Wintzingerode entzogen wurden, um 
sie zur Eroberung Belgiens und der Niederlande zu verwenden. Nach 
Erfüllung seiner Aufgaben au der Niederelbe folgte der Kronprinz 
nur sehr zögernd nach der Grenze und hatte von Anfang März an 
aem Hauptquartier zn Lüttich genommen, von wo er eich nicht rührte. 
Dem General Bttlow, der wfthrend des gimzen Feldzuges 1818 durdi 
Bemadotte'e zögernde Strategie zu leiden gehabt hatte, flölbte dieeez 
nnbegrfindete Stillstehen MUstmuen ein, um so mehr, als sich in des 
Kronprinzen Haupt-QuartiBr zu Luttioh ein vom Efoig Joseph von 
Spamen entsandter Agent aufhielt, ein Herr de Franzemberg. Die 
Beziehungen zwischen Bernadette und BlÜdter waren gespannt; ersterer 
hatte es übol genommen, dals zu des letzteren Grünsten Ton ihm die 
Korps Bülow und WiTitzingerode abgezweigt worden waren, und später 
auch das Korps des Herzogs von Weimar Blücher überwiesen wurde. 
Li einem Schreiben vom 18. März an Blücher hatte der Kronprinz 
gegen dieses Verfahren förmlich Verwahrung eingelegt, sowohl in 
seiner Eigenschaft als General, wie als Vertreter eines Königs und 
eines verbündeten Volkes und die Erklärung abgegeben, dafs, „da er 
durch Entziehung dieser drei Korps in die Unmöglichkeit versetzt 
wäre, irgend eine nützliche Bewegung vorzunehmen, er in Erwartung 
der Ausführung der Verträge in der Stellung verbleiben würde, welche 
die schwedische Armee seit dem 4. März inne hätte. 

Auch der Herzog von Weimar teilte BülowsMii'strauen insofern, als er 
an das Vorhandensein von geheimen Verbindungen zwischen Bema- 
dotte und seiDem ehemaligen Adjutanten, dem General Maison, Ober-, 
befthlihaber der fcanzOaiMdien Truppen in den Niederlanden, glaubte; 



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336 



Ober die Heltiing IknaMttf* im FeUmge 1814. 



zahlreiche Sendungen zwischen beiden Hauptquartieren, n. a. die 
Beigaiiiin Gonstant'e sn dem genannten Generale waren ihm gemeldet 
worden. Dem General Dörnberg und den andern im Stabe des 
Krunprinaenbefindlidien deutschen Offizieren, sowie dem zurErfoisähung 
der Vorg^bige zu Lüttich eigens seitens des Herzogs von Weimar ent- 
sandten jungen Prinzen von Groy waren diese Machenschaften dahin 
erklärt worden, dals man versttchen wollte, den General Maison zu 
bestimmen, sich vom Kaiser abzuwenden und zu den Bourbonen über- 
zugehen. Schon Marmont hat im 7. Band seiner „Memoires" be- 
haupt^'t, der Kronprinz hätte ernstlich daran gedacht, die Verträge, 
die ihn an die Koahtion banden, zu zerreifsen und seine Waffen gegen 
die in Belgien verwendeten prcuisischen und Bundes-Truppen zu 
wenden. Den Beweis dafür ist er schuldig geblieben. Ob es Napoleon 
vielleicht möglich gewesen wäre, aus Berimdotto's Unzufriedeidieit 
dadureh Nutzen zu ziehen, dafs er seinem Ehrgeiz schmeichelte, 
seinen Eruü'nungeu ein geneigtes Olir lieh und seine geheimsten 
Gedanken und Wünsche zu erforschen suchte, darüber dürfte etwas 
den Sddeiflr Iflften eine Depesche des Generals Maison aus Lille vom 
dO. llfiiz 1814 an den Kii^MiniBter Glarke, welche Gonunandaot 
Weil in seinem Werke „La Gampagno de 1814^ (TerSffemtliclit im 
Journal des sctences müitaires, auf Seite 461 des 58. Bandes, Jahr^ 
gang 1895) wohl zum ersten Biale aus den Pariser Eriegs-Archiven 
mitteilt. Sie lautet folgendermalSMu: 

„Ich beehre mich Eurer Hobeit m berichten, da& ein sdiwedi- 
Bcher Offizier am 19. zu den Vorposten Ton Tpem 40 gefangene 
Franzosen ▼ersdiiedener Grade gebracht hat, welche S. Egl Hoheit 
der Prinz von Schweden auf £hi^wort zurückschickt. Es scheint 
nach der Erklärung mehrerer der ausgelieferten Generale, als ob der 
schwedische Offizier in Besprechung zur Heibeifuhrung einer Aus- 
wechslung hätte eintreten wollen. Bei seinem Abgang hat er diesen 
Herren sehr die in dem an den Kommandanten von Ypem abgegebenen 
Brief enthaltene Bitte anempfohlen." 

„Nach Allem, was die Gefangenen berichton, scheint der Kron- 
prinz von Schweden in einer Verfassung zu sein, welche 
Seine Majestät benutzen könnte, um ihn von der Sache der 
Koalition loszumachen. Wenn man die Auslösung, welche der 
Prinz wünscht, herbeiführte, so würde es möglich sein, ihn unmittel- 
bare Vorschläge machen an lassen, welelie wahrscheinlich ein günstiges 
Ergebni& haben wflrden. Der Prinz ist mit den Verbündeten unan- 
ftieden; er beschuldigt sie, die gegenseitig eingegangenen Verpflich- 
tungen nicht erfüllt zu haben. Qrolses Mi&tranen, ja sogar Ilift* 
heDigkeit berrsoht zwischen ihm und dem Herzog fon Sachsen-Weimar. 



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über die Haltung Bernadotte^s im Feldzuge 1814. 



337 



Der sbhwedimhe Offizier war, fllr den Fall dab letsterer die Ge&ngeneii 
nieht durchlaweii wollte, beauftragt, Yom Herz(^ seine Wengerong 
schriftfieh zu verlangen und zu orldfaen, dafi, wenn man eich ihrer 
Rückkehr nach Frankreich widersetzte, der Prinz eine 
Abteilung schicken würde, um sie mit Gewalt durchzu- 
bringen, und Feuer geben lassen würde auf die Truppen, 
gleiolizeitig von welcher Macht, die sich seinen Mafsregeln 
widersetzen würde. 

„Nachdem er sich kräftig gegen den Plan, die Bour- 
bonen in Frankreich wieder einzusetzen, ausgesprochen, 
hat der Prinz alle Gefangenen aufgefordert, lieber bei dem 
Kaiser zu sterben, als zu dulden, dafs diese verächtliche 
(:avilie:) Familie jemals wieder den Thron bestiege, und er 
hat ihnen geraten, ihre Provinzen aufzuwiegeln, um diesen 
neuen Plan der Verbündeten zurückzuweisen. Wahrend der 
Unterhaltung hat der Prinz auch diesen Oftizicren gesagt, dafs er in 
Lüttich mit allen sumcn Truppen stände uud von da nur gegen hin- 
reichende Büi'gschaft weggehen würde. 

„Ich habe geglaubt auf diese Einzelhelten angehen zu müssen 
wegen der Bedeutung, die man, wie ich glaube, den Stimmungen 
auerkennen kann, welche der Prinz von Schweden so zu 
sagen öffentlich kundgiebt 

^Herr Franzemberg, dessen Eintritt in die feindliche Vorpoeten- 
linie ich dadurch erreicht habe, dab ich den inreu&isohen General 
Borstell über das Ziel seiner Reise täuschte, hatte mir schon bei 
Miner Rückkehr von den Stimmungen des Prinzen von Schweden 
einige Kenntnifs gegeben. Was davon jetzt die ausgelieferten Offiziere 
sagen, best&rkt mich in der Ansiclit, dafs unmittelbare und of&d^e 
Eröflbungen Seiner M%je6tifct Schweden, welches anlangen muik, zu 
merken, dafs die Dinge fiir seine .eigene Sicherhdt zu weit g^jangen 
sind, vollends loslösen würden." — 

Die Annahme dürfte nicht ausgeschlossen sein, dafs die in vor- 
stcbuniier Depesche dargelegten Machenschaften des Kronprinzen, der 
ja bekanntlich für den Fall des Sturzes Napoleons seine » i^enen Aus- 
sichten auf den franzüsisehen Kaiserthron nicht für aussirhrslos lüelt, 
lediglich daraui abzielteu, die Wiedereinsetzung der lioorbonen zu 
hintertreiben. (Fs.) 



iM^Ubm ttt iit OMiMk» AnMe ul 



Si.«f,S. 



23 



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XXIY. 

Soldfttenleben im SOjälingen Kriege. 

J. Banmaim» Hauptmann. 



5. Der Trofs. 

Kino p^iinz eigontümliclie ErHcheinung dieser Zeit war der unge- 
heure Trufs. Dieser endlose Trofs, welchen der Ilaufe nachschleppte, 
war hemmend für die Heeresbewegungen, für die Kriegsführung über- 
haupt und ein Unglück i'üv die Gef^endon, in welchen das Heer länger 
zu verweilen hatte. Man darf sagen, der Trofs zählte inindostens 
ebensoviele Köpfe, als das Heer struitfähige Männer. Ein liittuieistor 
im Heere Tilly's hatte beispielsweise 9 Diener, 7 Dienst- und 6 Paek- 
pferde, äat limittnaiit 5 Diener, 5 Dienst- und 4 Paekpfinde. Naeh 
oben hin sdeg^ die Zahlen nooh bedeutend. 

Stellen wir uns mit vielen anderen Neugierigen an' den Weg und 
betrachten Wallenstein's Zug, als er 16S3 von Prag nach Sdilesien 
anfbiach. Den Zug erol&ieten Yorreiter mit langen HetzpeitBchen. 
Es folgten 20 Ttompeter in Rot und Gold mit sflbemen IVompeten, 
200 berittene Leibwachen mit kunen Feuerrohren, alle mit roten 
Hutfedem und roten Halsbindai| 6 vorzüglich berittene Eavalien^ 
deren Pferde vor den Zuschauem spanischen Tritt gingen, die sechs- 
spännige Kutsche des Herzogs. Kr selber trug eine Maske vor dem 
G^esichte und einen Mantel aus Katzenfellen, welcher dem stark an 
der Giclit kranken Manne wohl that. Dem Feldhorm folgte zunächst 
eine grofso Kutsche mit den Damen, in deren nächster Nähe 40 Hof- 
kavalierc, Hofbedienstote und Lakaien da.s Geleit bildeten. Daran 
schlofs sich des Herzogs umfangreicher Trofs, nämlich 50 Sechsspänner 
für das unmittelbare Gefolge, 50 Vierspänner für die Küche und das 
zugehörige Personal, 10 Sechsspänner für die Hofdienerschaft. 50 
Stallknechte ritten und führten die 100 Leibrosse des Herzogs. Statt- 
licher hätte der Kaiser nicht ausziehen können. 

Um vieles einfacher war der Trols des Tilly, der ja weniger 
Bedflrfioisse hatte und nicht prunkte. Aber selbst TiUy und seine 
Dienerschaft beanspruchten 68 Pferde; dasu gehörte dn eigener 
Silberwagen. Der ganze Ho&taat des Feldherm, also seine nichste 
Umgebung» bedurfte 278 Pferde. 



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Soldateilleben im 30 jibzigen Kriege. 



339 



Nicht nur die höheren Offiziere und nauj^thnite nahmen ihre 
Frauen mit ins Feld, auch die Reiter und FuIss()lilnGr fanden es an- 
genehm, ein angetrautes Weib oder eine Dirne mit im Laj^er zu 
haben. Oft hatte man nur eine _Maitnehe" einf»e(rangen, welche nur 
einen Sommer währte. Man setzte Stolz und Ehrgeiz darein, eine 
hübsche Begleiterin zu haben, die man bei der reichen Beute ver- 
schwenderisch bedachte, damit sie ach pmnkend herausputzen konnte. 
Wer sadi kein Weib halten wollte, oder wem keines treu blieb, hielt 
ddi einen Buben, der an die Hand ging, tausend Dienste Terrichtete, 
die Wafien fegte, das Pferd stiiogdte, das Kochen besorgte, und bei 
den Bauern stahl. 

Yersuchen wir, das oben begonnene Bild weiter auszumalen. 
Ein Teil des Heeres ist Torflbergezogen, Reiterei, Fuisrolk und die 
Arkele/, letztere mit den vielen mannigfechen F^thrwerken und be- 
gleitet TOn den Schanzbauern. Es folgten die Wägen, auf denen sidl 
das verschiedenartige Heeresbedürfnifs befand: Munition, Proviant, 
Stnrmzeug und die Bagage der Heerführer und Oberoffiziere. Diese 
Trolkwägen waren meist leicht gebaute lange Fuhrwerke, mit Reifen 
überspannt, über welche Blähen gezogen waren. Diese Blähe hatte 
mitunter niuli eine dachtoruiige Oostalt. Der erwähnten Wagen- 
abteilung folgte ein Zug von vornehinen und schönen !• Vuuen in langen 
Reitkleidem und mit wallenden Federn auf den Hüten. Es waren 
die Frauen der Obersten, geführt von eigenen Kavalieren und be- 
gleitet von zahlreicher Dienerschaft. Das waren oft ganz aiunafst iide 
Damen und dabei recht einllufsreirh^ so dals ihren Launen keiner 
widerstehen durfte. Man buhlte um ihre Gunst, wed ihre Fürsprache 
beim vermögenden Herrn Alles durchsetzen konnte. War ja der 
Hochgebietende selber von der Gestrengen nur allzu abhängig. Selbst> 
verstSndlich waren in der nftchsten Nähe der Frauen noch S&nften 
auf Saumtieren und Packpferde mit umfengreichen Gepäckstücken 
und Eofon, die nicht selten die auserlesene Kriegsbeute vieler Jahre 
bargen. So manche geputzte Damen folgte noch, die mit den Offizieren 
Freud und Leid des Krieges und Lagerlebens teilten. Das war nichts 
Neues, sondern hatte das Jahrhundert von den yorhei^egangenen 
übernommen. 

Ganz anders stellte sich der endlose Trofs des geraeinen Vollves 
dar. Beim Aufbruche pflegte sich eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit, 
ein linsten und Drängen ZU entfelten. Detui es galt, all den bunten 
Plunder des Hauswesens zu packen und auf den Trofswägen unterzu- 
bringen. Die flinken Buben liefen geschäftig hin und wieder, um für 
den geringen Hausrat noch eine Fcke zu erobern. Dann wolltrn sie 
for sich selber oder wenigstens für die Weiber nocii ein möglichst 

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340 



Soldatenleben im SOjährigen Kriege. 



gutes FlätecheD auf den Fubrwerken erlangen. Das ging wohl nicht 
ohne Streit, und Schimpfen und Schelten» Kreischen und Fhichoi 
hörte man allerwSrts. Manche Weiber lagen flieh in den Haaren nnd 
kratsEten sidi mit den Nägeln; sie beschimpften sieh mit rohen Reden 
nnd unflätigen Worten. Die Karren und Fuhrwerke waren voll be- 
packt mit seltsamem Kram. Oben safsen die Weiber und Dirnen. 
Manche Soldatenfrau, die später kam, verlangte Platz vor der Dirne, 
die Ältere vor der Jünfjeren oder neu Erworbenen. Die »afsen aber 
schon breit und fest seit einer Stunde. Es mischten sidi die Männer 
in den Zun^enstreit. Dem Einen galt eine Dirne 80 viel wie dem 
Andern die Frau, und dann kamen die Männer wohl selber zn 
Thätlichkeiten, und Mancher mulste mit blutigem Kopf abziehen, der 
Eine oder Andre blieb wohl gar tot auf dem Platze. Was galt da- 
mals ein Menschenleben! Aber die Weiber schrieen und tobten im 
wilden Schmerze, um sieh doch gleich dem Nächsten in die Arme zu 
werfen. Das waren traurige Existeii/.en. 

Der Führer des Trosses, der „Huienwaibel", dem 1 Vaucn, Dirnen, 
Bul)en und die Wi^en mit allem Zubehör unterstellt waren, mufstc 
sein ^'anzen Ansehen aufbieten, dafs Teile des Trofses nicht zu früh- 
zeitig abzogen, sondern sich in den zugewiesenen Platz der Kolonne 
fügten, auch später nicht den Trois ▼eilie&eni am wie Zigeonerbanden 
über die nächsten Dörfer hersufisllen. Der Hnrenwaibel war gewöhn- 
lich ein Mann von grimmi^^ Aussehen, ein vMSuchter Kriegsmann, 
der in der Feldschlaoht vielleicht ein Auge oder die Hand verloren, 
aber gleichwohl noch diesem schweren Amte nachkommen konnte. 
Er genofs Hanptmannssold und mannigfiushe Vorrechte; zur Untere 
Stützung hatte er einen Lieutenant und die Troisknedite. Während 
des Marsches drängten sich die hübschen Dirnen gern in seine Nähe, 
da er sie protegirte und vor den Zudringlichkeiten der Knechte und 
Buben in Schutz nahm. Auch anderweitig wurde er vielfach not- 
wendig, denn die Wagen fuhren oftmals jeder Ordnung widerstrebend 
in einnnder, Fuhi^wcrke mit besseren Pferden suchten vor die Klepper- 
karrcn zu konmien; da izab es da und dort Stauungen und Aufenthalt, 
immer begleitet von Streitreden und zänkischen Schmähungen. Crelaiig 
dem Waibel die Abwehr nicht, dann fuhr er manchmal mit dem 
„ Vergleicher dazwischen, einem derben Stock oder empfindlich 
schmerzenden Ochsenziemer, dafs die Weiber schreiend und kreischend 
auseinanderstoben. Der Hurenwaibel war wold zu türthten, denn er 
hatte grofse Befugnisse. Unbotmäfsige Dirnen liefs er vom Stecken- 
knechte greifen und stäupen. Für grobe Vergehen konnte er die 
Weiber ans dem Lager jagen, oder er gab sie den Bnben preis, 
welche sie einer wilden Meute gleich mit den Lagerhunden hetrten. 



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Soldatenlebeii im 30jihrigen Kriog«. 



341 



(lafs die iVrmsten elend verkamen. Gegen Schlufs des Marsches hatte 
er aufs Neue sein ganzes Ansehen aufzubieten, dafs sich nicht die 
vorderen Züge zu frühzeitig in das abgesteckte Lager drängten und 
dort die schon angehäuften Lagervorräte wie Holz, Heu und Stroh 
unrechtmäfsig wegnahmen. Der Trofs auf dem Marsche bot ein 
buntes und seltsames Bild, Tornehmlich die verschiedenartigen Karren 
und WSgen, vollgepackt mit Sftcken, FeQeiseD, Pftcken, Kisten und 
Trollen, denn was man in all den Feldsfigen erbeutet und noch nicht 
▼erihan hatte, mnAte man mit sich ftthren. Oben saben die Weiber 
dicht neben einander mit Hühnern nnd Gänsen. Manche ritt auf 
einem Pferde, das wohl einem Bauern geetohlen war. Viele der 
Weiber gingen notgedrungen zu Fols, einen Haufen ron Kmdem 
jßben sich, das Jüngste an der Brust, ein anderes auf dem Rficken 
festgebunden. Sie nfitsten die Zeit und strickten unterwegs und 
flickten. Da gingen manche Weiber im Zuge, schwer beladen mit 
Bündeln und Schnappsäcken, Vorritten, Kesseln und Pfenuen, seufzend 
und keuchend unter der überachweren Last, mit zerrissenem Sehuh- 
wcrk und blutenden Füfscn. Auch zottit^e Hunde trotteten sdiweigend 
einher. Man sali aurh alte Weiber und Vetteln ; sie gehörten Niemunden, 
weil sie nimmer begehrenswert waren. Sie konnten sich nicht trennen 
von der Unruhe des Lagers, in welchem sie aufgewachsen und alt 
geworden waren und nährten sich jetzt von den Abfällen und gemeiner 
Arbeit, ein kümmerliches Dasein. 

Manchen Aufenthalt verursachten auch auf den schlechten Wegen 
tlic vorangegangenen grofsen Heerwägen, namentlich das schwere 
Geschütz, obwohl 10, 20 und mehr Pferde yorgespannt waren. Dann 
wurden auch die Weiber und Buben vorgetrieben, um die schweren 
Bilder auszugraben und die Stralse zu ebnen. 

Dem Weibertrosse folgten noch die Marketender, Kommüsmetzger 
und Sudelköche mit ihren Truhen, Zelten, Fässern, Tischen und 
Bftnken. Wer länger bei dieser Beschäftigung thätig war, wurde 
reich, denn der gröfste Teil der oft sehr wertvollen Kriegsbeute ward 
in der Schenke veijubelt und vertrunken, und mancher, lang stehen 
gebliebener Strich auf dem Kerbholz mulste in glücklicher Zeit um 
ein teures Entgelt ausgemerzt werden. Um den sicheren Kunden ge- 
fUIlig sein zu können, vomehmlich den Offizieren und älteren Kriegs- 
leuten, hatten die Marketender allzeit Vorrat mitzuschleppen, Bier 
und Wein, auch lebende Häupter trieben ihre Knechte mit. 

Im Gefolge dieser Wirte nah man noch mancherlei Leute, die 
dem Kriege so ferne standen wie die Hühner und Gänse auf den 
Karren der Weiber, nämlich Juden und andere Händler, auch Zigeuner, 
die allerlei Krimskrams verschacherten und Zaubersachen, auch wahr- 



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342 



Soldatenlebai im SOjährigoD Kikg«^ 



sagten, sangen und taiistoii| Leute, wdche die Knegdwnto ein- 
tauschten und grolle Fetzen^ Borten und Ringe um blankes Geld ver- 
kauften. Es waren hnngrige und g^firftlsige BabeOi die sich an das 
Aas hii^n, und deren Existenz Ytm Kiiegsvolke abhing. Alle diese 
vielen Tausende von Weibern, Buben und Heerschmarotzem lebten 
vom Kriege, ohne Sold zu bekommen. Als einmal der Trofs Wallenstein's 
mit den un/iililigen Wagen voll geraubten Gutes mit all den Weibern, 
Kindern und dem zugehörigen Anhängsel vorübergezogen war, sagte 
ein kaiserlicher Hofbcaniter: „Gott tröste den Ort, wo die hinkommen 
und ihr Winterlager halten." Gegen den Schlufs des Krieges meldete 
der (jcneral (i ronsleid, dafs sich bei der kaiserlich-bayerischen Armee 
40000 Süldüteri befänden. Dabei war aber ein Trofs von 140000 Köpfen, 
die alle keine liationen erhielten und für den Unterhalt ^Iber sorgten. 
Es ist begreiflich, wa^ solche Heere iUr ein bereite mehrmals abge- 
fressenes Land bedeuteten. 

Den Trofs deckte auf dem Marsche eine geordnete Nachhut, denn 
nicht nui- ieiudlu he Kricgsleute, in der Regel leichte Reiter, warfen 
sich auf die „Canally^, wie Feldmarschall Holk den Troia namite, 
sondem häufig auch wildes Bauernvolk, das sich susammensoharte, 
um wenigstens einen Teil von dem wieder zu gewinnen, wae msn 
ihnen kuia vorher mit Gewalt weggenommen hatte. Oft wollten sich 
letstere nur an ihren geschworenen Feinden, den Landverderbem auf 
grausame Wdse rSchen, gleiobgütig, ob es sich um das befreundete 
Heer handelte oder um das des Feindes. Manche Schaar von Bauern 
und Schnapphähnen fiand durch solche Trofsplündernngen dnen 
sicheren Unterhalt. Bei plötzlichen Überfüllen wurde es oft not- 
wendig, dals sich die Knechte, Buben und handfesten Weiber rasch 
zusammenscharten, um sich der Wegelagerer zu erweliron. 

Im Lager gab es für die Weibor viel Arbeit. Da mufsten sie zu- 
näc hst dem Kriegsmanne ein notdürftiges Heim zurecht richten, wozu 
die listitrei* Huben ans den nächsten Dörfern das Zubehör zusammen- 
trugen. Strub und Sparren von manchem Bauerndache wuideii oft 
in Ennangelung anderen Materials ins Luger gescliaflt. Federvieh, 
das über diu Dorfgasseu lief, war nicht sicher und gar manchen 
Hammel, der sii-h der Aufsicht seines Bauern entzotjen hatte, M-hleppten 
sie als l'estbraten zum Kochkessel. Diese Jungen waren abgefeimte 
Taugenichtse, die mitunter mich einem Bäuerlein ablauschten, wo er 
vor dem anrückenden Kriegsvolke seine beste Habe verbarg oder 
vergrub. Die Aulgabe der Weiber war es dann zu sieden, zu schmorren 
und zu braten, das wenige Weilszeug zu wasdien und die zeniasenen 
Wamser auszubessern. Mancher Kriegsmann trug seit dem letzten 
Scharmätzel einen Schaden am Leibe, und das Weib mulste nun den 



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Soldatenleben im dOj&hngen Kriege. 

Erkrankteü waiten und pflegen, denn der Feldscherer waren es wenige, 
und die Heilkunde lag im Argen. Manches Weib war eine gesuchte 
Hebuiime für die Soldatenfrauen^ die im Lager niederkamen. Es gab 
aber auch Dieiiste, f&r welche die Geeanunfheit anfkommen muiste. 
Die Weiber hatten nftmlich die freien Fl&tBe xoid die Lagcrgassen su 
■äubern imd in Ordnung zu halten, auch die „Mumplätse** za fegen. 
Da gab ee trots der unsauberen Arbeit keinen Widetspmdi, denn die 
unzarten Steckenknechte führten die Au£richt und kaxmten in der 
Segel kein Erbannen. Sollten an einem belagerten Orte Sdianzen 
aufgeworfen und Faschinen gebunden werden, um die Gräben ane- 
zufüllen, mufeten die Dirnen und Buben ebenfalls mithelfen. 

Das war eine wilde Weiberwirtschaft. Bei den Schweden herrschten 
anfangs bessere Zustände, denn der König duldete keine Dirnen. SpAter 
mufste er sich den rohen Kriegssitten seiner Zeit fügen, weil sonst 
die Regimenter versagt hätten; fiir die vielköpfige Soldatenjugend er- 
richtete er sogar eigene Feldschulen. Nach dos Königs Tod war das 
schwedische Heer um nichts besser, als die anderen, ja, übertraf 
dieselben noch in wildem Treiben. 



Militärisohes ans BnOdand. 

Rekmteii'ISiisteQuag 18M und 1895. — Remcnitiraiig der Kasaken-Trappen. ^ 
tJnifenniruag etc. der aenea Dragoner-RpLrimpnter. — Neue Pferdeauirflstong 

der JLafiaken. 



Die im „Russischen Invaliden*' veröfibntlichten Ergebnisse der 
Rekruten-Einstellung im Jahre 1894 sowie die Angaben bezüglich der 
Rekruten-Verteilung för das Jahr 1895, sind, obgleich sie Laupt- 
sächlich nur trockene Zahlen enthalten, so charakteristisch für die 
Wehrkraft Rufslands, fiir die physischen und moralischen Eigen- 
schaften des russischen Soldaten, dais sie unser hohes Interesse be- 
anspruchen. 

Zur Ergänzun«; der Armee und Flott« waren im Jahre 1894 
270000 Rekruten » iiizustellen; der Einberufung zur Losung aber 
unterlagen in diesem Jahre 1024167 Mann, d. h. alle diejenigen, 
welche zwischen dem 1. Oktober 1893 und dem 1, Oktober 1894 das 
21.LebensjaJiir vollendet hatten. Hiervon genossen jedoch 224918 Mann 



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344 



MOitärisches aus Bafiknol. 



(d.h. 2470) in Folge häuslicher Verhältnisse (einziger Sohn in der 
Familie, einziger arbeitsfiUiiger Sohn arbeitennfShigeift Vater n. 8. w.) 
unbedingte Dienstbefreinng, während weitere 2368l6M&nn, eben» 
felis in Folge häuslicher VerhSltnisse, bedingte Dienstbefreinng ge- 
nossen. Fast die Hälfte aller Wehrpflichtigen (48,1%) l^Atte 
also Anspruch auf unbedingte besw. bedingte Dienst- 
befreiung. Als gftnzlicfa dienstuntauglich wurden 37587 Kann (4,97o) 
bezeiohnet; 74429 Hann wurden, aJs zum Dienst im stehenden Heere 
untauglich, aber waffenfilhig, der Reichswehr 2. Au^bots überwiesen; 
87900 Mann wurden w^^ zeitweiliger Dienstnntauglichkeit zurück- 
gestellt. — Der TiOSTing stellten sich nicht 33761 Mann, dar- 
unter 7994 Juden (d.h. 15|77o aller Juden). Zur Einstellung 
in die Truppe wurden angenommen 268447 Mann; die übrirren 
ausgelosten 1553 Mann (darunter 79,3% Juden) hatten sich nicht 
gestellt. Da bestimmungsgcmäfs für jeden siel» drückenden Juden ein 
anderer Jude, gleichviel oh er Anspruch auf Diensthefreiung hat oder 
nicht, eingestellt w'ird, so gelangten u. a. 430 Juden zur Einstellung, 
welche, in Folge liäuslicher Verhältnisse, Anspruch auf unbedingte 
Dienstbefreiung gehabt hätten. 

Von den Ausgelosten hatten Anspruch auf verkürzte Dienst- 
zeit, auf Grund höherer Schulbildung 21976 Mann, und zwar 
anf 2jUirige Dienstaeit (Kursus der Lehranstalten 1. 

und 2. Grades» oder 6 KUusen 

des Gynmaffiums) .... 405 Mann 
„ 3 „ „ (Kursus der Lehranstalten 3. 

Grades) 1904 „ 

^ 4 „ ^ (Kursus der Elementar-Volks- 

schulen) 19667 „ 

Lesen und schreiben, oder nur lesen konnten . . . 79380 „ 

Es waren also des Lesens kundig . . . .101356 Mann 
oder 37,8% ^^^^^i eingestellten Rekruten. 

1708 Mtam (Ärzte, Veterinäre, Pharmazeuten, Lehrer und Ei^ 
zieher an Staats^ und anderen höheren Lehranstalten, Penaaonftre der 
Akademie der Künste) wurden, dem Gesetze gem&ls, naofa erfolgter 
Auslosung sofort (auf 18 Jahre) zur Reserve entlassen. Es blieben 
also 266^61 Mann, darunter 2552 fUr die Flotte, zur Einstellung 
in die Truppe übrig. 

Yr)n den nicht zur Einstellung gelangenden Wehrpflichtigen wurden 
220942 (21), 1 "/o) Mann, — d. h. alle diejenigen, welche als voll- 
konnncn diensttauglich erklärt worden, aber in Folge von Überzahl 
nicht zur Einstellung gelangen konnten (aulser den unbedingt vom 
Dienst befreiten) — der Eeichswehr 1. Aufgebots, in weicher sie 



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HUHiriKhM AHB Rulaland. 



345 



bis ziira 43. Lebensjahr verbleiben, überbliesen. Von diesen Reicbs- 
wehrleuten stehen nur die vier jüngsten .lahrgänoje unter militärischer 
Kontrolle; diese können zu je zwei G wöchentlichen Übungen ein- 
gezogen werden. 

Der Reichswehr 2. Aufgebots wurden 339071 Mann (33%) 
zugezählt, d. h. aulser den oben erwähnton 74429 bedingt Dienst- 
nntanglichen alle diejenigen, wdche Anreeht auf nnbedmgto Dienat- 
befreinng baben. 

Für das Jabr 1895 beträgt die Zahl der znr Losnng embemfenen 
Wehrpflicbtigen (abgeseben von den im Voi^ibre zoriickgestellten, 
welche oben mit eingeredbnet waren) 976789 Hara^ von denen 
208973 Mann, auf Gnmd btudidier Verbftltniase, unbedingt vom 
Dienst befreit sind. 277400 Mann gelangen als Rekruten zur 
Einstellung. Bis zum Jahre 1893 &nd die Verteilung der Rekruten 
auf die verschiedenen Gouvernements, und innerhalb dieser auf die 
Aushebungsbesirke, im VerhältniTs zur Zahl der aus den betreffenden 
Gouvernements zur Gestellung gelangenden Wehrpflichtigen statt. Da 
nun aber die Zahl der auf unbodinfrto Dionstbefreiung Anspruch 
habenden Wehrpflichtigen in den verschiedenen Gouvernements eine 
sehr verschiedene ist, so kam es vor, dafs aus einzelnen Bezirken 
Leute, welche .\n->prueh auf bedingte Dienstbefreiung hatten, ein- 
gestellt werden ulul^tell. wahrend aus anderen Bezirken Wehrpflichtige, 
welche gar keinen Ansprneli auf Dienstbefreiiing hatten, dennoch vom 
Dienst ganz befreit bheben. Zur Ausgleichung dieser Unregelmälsig- 
keiten findet seit dem Jahre 1893 die alljährliche Verteilung der ein- 
zustellenden Rekruton auf die Qoavwnements, im Verbältmfe zur Zahl 
der Wehrpflichtigen, nach Abzug jedoch derjenigen, welche Anspruch 
auf unbedingte Dienalbefreiung haben, statt „biTalide^ Nr. 181 rev^ 
dSentlichte in Folge dessen die Verteilung des dieqihrigen Rekruten- 
Kontingents von 277400 Mann auf die einzelnen Gouvernements und 
Berirke. 

Bemerkt muis noch werden, dafs in obigen Angaben die wehr- 
pflichtigen Kasakcn und die Wehrpflidltigen des GrofsfOrstentums 
Finnland nicht eingerechnet sind. 

Die Bestimmungen über die Ergänzung der Don- 
Regimenter und -Batterien an Pferden sind auch auf die 
Truppenteile der übrigen Kasaken-Heere ausgedehnt 
worden Fs ist bekannt, dafs nicht nur die in den Front-Tnippen- 
teilen betiiuUu lion Kasakcn 1. Auffrebots, sondern auch die auf Urlaub 
entlassenen Kasaken der Truppenteile 2. Auf[j;<d)ots, ein eigenes voU- 
koniuien diensttaugliches Reitpferd als Eigentum besitzen müssen, 
während nur die Kasaken '6. Au%ebot8 sich erst bei der Mobilmachung 



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346 



MUit&rischea aus RolaUmd. 



beritten zu machen braucben. Um nun die Abgänge von Pferden in 
den Frool^Truppenteflen n dedcan und Emtz ffir die dieoBtantanglidi 
gewordenen Pferde zu ach&ffen, ist den EaBaken-TruppenteOen ge- 
stattet, bei der Entlaeenng der aiugedientea Mannediaften im Herbtt 
zum 2. Aufbot, von diesen diensttaugUohen Pferden zu kaufen, d. h. 
der zur RutlaBfiniig konunende Easak erhült für sein dienstbrauebbares 
Pferd ein dieostuntau^idies, wofür ihm ab EntaehSdigung eine g^inue 
Summe bezahlt wird. Dafb dieeee Veiftbren nicht gerade gfinztig 
auf den Pferdebeeitzer der Kasaken -Truppenteile 2. Aufgebots ein- 
wirken kann, liegt auf der Hand. Nur wenn auf dieee Weise der 
Bedarf an Pferden nicht ToUständig gedeckt werden kann, worden die 
fehlenden Pferde am Don auf Rechnung der Regimenter angekauft 
und diese im Frülgar mit den neu eintrefißBuden Mannschaften zu- 
geführt 

Von den beiden uniforinirten Dragoner-Regimentern hat das 
50, braunen Wafienrock mit gelben Achselklappen und Vorstöfsen er- 
halten; es ibt dieses das zweite ^braune"* Regiment der russischen 
Armee (aufserdem 36. Dragoner), was bei der gleichförmig dunkel- 
grünen Bekleidung der ganzen übrigen Armee um so auffallender ist. 
— Das 41). Dragoner-Uegiraent Archangolgorod führt silberne Trom- 
peten mit der Inschrift „dem Dragoner-Regiment Arcbangelgorod für 
Sohnelligkeit und Tapferkeit bei der Einnahme der Stadt Beriin, am 
28. September ITeC*; diese Trompeten gehörten dem ehemaligen 
Dragoner>Begiment Arehangelgorod an, welehes eich bd der Einnahme 
Berlins besonders ausseicfanete; das Begiment wurde sp&ter anmeldet, 
die Trompeten wurden bis jetzt beim 2. Dragoner-Begiment aufbewahrt 

Die berittenen Kasaken-Truppen erhalten eine neue gleiidi- 
miUsige Pf er de- Ausrüstung; dieselbe besteht der Hauptsache nach 
aus einem hölzernen Bock mit Sattelkisaen, das gleichzeitig als Pack- 
sack benützt wird; die Sattelgurte haben eine besondere Vorriobtung 
für die Dschigitowka (Voltigion); das Vordergepäck besteht aus Mantel, 
Fouragierleine, Piquetpfahl, das IRntergepäck aus den Packtaschen, 
welche über den Hinterzwiesol gehängt werden, aus dem Hafersack 
und dem I leunetz. Das Zaumzeug besteht aus Trense, Vorderzeug 
und Schwanzriemen. Alles Leder/eng, Beschlag u. s. w. sind schwarz, 
nur die Garde- und kaukasischen Kasaken haben blanko Metall- 
vemcrungen. Aufser '» Patronenrahmen (y.n je '> Patronen) in der 
Patronentasche, hat jeder i\asak noch die gleiche Patronenzahl in der 
Packtasche. - Bis zum Jahre 1899 jedoch ist die Benützuug der 
alten Pferdeausrüstung gestattet. 

d. 1. 11. 95. V. T. 



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XXVL 



Kleine beeresgeschictitliGhe Mitteiluiigeii. 



1. Ein Urteil Friedriek des Chroften über die Bedevtang 
de« Heerweaens für den Stuft. Der König schrailit am 19. Oktober 
1761 sernem Bruder August Wilhelm, dem Frinsen von Prenlbeii, aus 
Potsdam: ^Mein lieber Bruder. Ich bin erfreut, dals Sie Qir Begunent 
in 80 gutem Zustande getroffen haben. Die Truppen sind die 
Sftnlen des Staates; wenn man sie mdht mit fortwährender Auf- 
merksamkeit in detjenigen Ordnung und guten Verfassung erhält, die 
sie haben müssen, so drohet dem Staate der Untergang und der erste 
Sturm wirft ihp über den Haufen." (Polit. Korresp. VIU. 488.) An 
anderer Stelle sagt er: „Wenn der Herrscher sich nicht selbst 
mit dem Heere beschäftigt und das Beispiel gicbt, dann ist 
Alles verloren." ^O* uvres de Fredcric le grand IX. 1S6.) Schbg. 

2. Die Kettung der Fahnen des enjjrlisehen 3. Infanterie- 
Reirinients, der nach ihren büllfilarbigen Kragen und Aufschlägen 
genannten ßuffs, in der Schlacht von Albuora am 1(5. Mai 181], wo 
General Beresford den Versuch des Marsclmlls S<jult, tlie Festung 
Bada-joz zu entsetzen, vereitelte, war der heldenmütigen Tapferkeit 
und Hingabe der Träger jener Ehrenzeichen, zweier Offiziere, zu 
danken. Dem einen von ihnen, dem Lieutenant .Mathew Latham, war 
die Königsfalme anvertraut. Als die anstürmende französische 
KavaUerie in die Glieder der Briten einbrach, spaltete ihm ein Säbel- 
hieb das Gesicht und zeichnete ihn ffir sein ganzes Leben, ein zweiter 
traf seinen linken Ann und die Hand, mit welcher er die Fahne hielt, 
ein Lanzenstich warf ihn zu Boden. Er geriet unter die FüAe der 
Kfimpfenden, niemand beachtete ihn und ebensowenig das Kleinod, 
welches er zu schützen hatte. So blieb er auf der Wablatatt Hegen, 
mit dem Aufgebote seiner letzten Kräfte trennte er das Fahnentuch 
von der Stange und verbarg es unter seinem Körper. Als es nach 
der Schlacht an das Beerdigen der 'l'oten ging, fand dort ein Sergeant 
vom 7. Fü8iUer'>Reginient die dem Feinde glücklich entzogene Trophäe, 
in ihrem wackeren Träger Wirde noch Leben entdeckt und beide 
wurden gerottet. - Die andere Fahne, die Regimentsfahne, war 
bereits verloren, als das wechselnde Sehl achtenglück sie den Buffs 
wiederverschaffte. Ihr Irägei war ein Ofüzier, welcher erst fünfzehn 
Lebensjahre zählte, der Fähnrich Edward Price Thomas. Mitten im 



348 



Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 



Handgemenge und von Fanden umringt, wurde er angefordert, eich 
zu ergeben. Ab er rieh weigerte, fiel er unter den SMx^en der 
franzöasclien Beiter, deren Beute die Fahne ward. Aber die 7. FSriliere 
nahmen mit Sturm den Hügd, auf wddiem rie verioren gegangen 
war, und dort fiel auch die Fahne in ihre Hand. Von der Kompagnie, 
zu welcher Fähnrieh Thonu» gehörte, waren, als die Schlacht zu 
Ende ging, rin Sergeant und ein Gemeiner fllmg; am Hoigen hatten 
63 Mann in Reih und Glied gestanden. 14. 

3. Theatralisehe Zerstreuungen im Lagerleben. Der Mar- 
schall von Sachsen, Heerführer Louis XY. führte im Felde stets 
eine Truppe Schauspieler mit sich. In seinem Hauptquartier war 
komische Oper so regelmäfsig wie zu Paris. Daselbst gab er seine 
Befehle nebst der Disposition zum Troffen. Alsdann erschien zwischen 
den beiden Stücken die vornehmste Schauspielerin und kündigte 
Folgendes an: „Morgen, meine Herren, ruhet das Theater, wegen der 
Schlacht, welche der Herr Älarschall geben wird. Übermorgen: „Le 
Coq du village, les amours grivois etc." — Der Marschall meinte, die 
Franzosen gingen nie so gut drauf, als wenn sie lustig und munter 
angeführt würden, und dafs dasjenige, was sie im Kriege am meisten 
fürchteten, die Langeweile sei. Da er nun unmöglich die ganze 
Armee mit sich in die „Opera comique" nehmen konnte, so kann min 
man sich denken, dafe es in seinen Lagern nicht an Geigen, Klari- 
netten, Markotenderzelten und Marionettenspiel, hauptsSehlich nicht 
an Lustdimen fohlte. (Oeuvres posthumes de Marmontel. L 285.) 

Von der Vorliebe der Franzosen für dergleichen Zerstreuungen 
im Lagerleben wdfo feiner Faj in seinen „Souvenirs de la guerre 
de Grimee'* Folgendes zu belebten. — Mitten im Lager Yor Sewas- 
topol hatten Soldaten des 2. Zouaven-Regiments ein kleines Theater 
helgerichtet, wo sie komische Stücke gaben, in denen die unbärtigsten 
Soldaten die Frauenrollen übernehmen mufsten, mit Kleidern, welche 
sie von den Marketenderinnen liehen. Einige Tage vor den Vor- 
steUnngen Mmrden im Lager lithographirte Programme ausgeteilt, die 
zu reger Teilnahme aufforderten. Wer nicht durch den Dienst an 
die Laufgräben oder das Zelt gefesselt war, wohnte dics(^n Vorstellungen 
sehr irern bei, die durch den Donner der Festungsgeschütze einen ganz 
eigenartigen Charakter bekamen. Nicht selten kam os vor, dals die 
Vorstellung durch einen Ausfall der Russen unterbrochen wurde; dann 
mufsten schleunigst Schauspieler und Zuschauer in die Parallelen 
eilen. — Am 10 .Tuni sollte Vorstellung sein; die schon am 6. her- 
gestellten Pro^rauiino waren bei den verschiedenen Korps verteilt 
worden, als man im Lager von den grofsen Plänen für den folgenden 
Tag Kenntnifs bekam. Die Vorstellung muiste verschoben werden, 



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Umschao auf mOitärtechniBcheiu G«biet 



349 



die ScLauäpielei- mufsten Kostüm und Rolle wechseln. Das feindlidie 
Feuer verschonte aber eben so venig die Kfinstter ivie deren Be- 
wunderer. Zwei Tage später wurde ein abgefindertea Programm im 
Lager ?erieilt^ an dessen Spitze dch folgende Notiz fimd : „Lundi 
11. jiiin 1855. Au b^^oe des blesses du 7. an 8.juiii. Represen- 
tation extraoidinaire." Dann die einfiichen und ergreifenden Worte: 
„Deuz amatenrs ajant kie tnee, et plusiems Uess^ on a et6 obUge 
de changer le spectade qn'on ae proposait de domier.*' Sohbg. 



XXYIL 

Umschau auf militärtectmischem Gebiet 

Vor] 

Joseph SdioUy Mi^or a. D. 



Handfenerwftffen. 

Auf diesem Gebiet ist eine Ruliepause oiDgetreten. Nachdem das 
Gerücht über die Auiiulmic eines ü mm Gewehrs in Österreich-Ungarn 
sich als unbegründet erwiesen, ist die untere Kaliber^Grenze der 
Handfeuerwaffen in Eniopa mit 6,5 mm gegeben. Dala Österreich- 
Ungam indefs die Versndie mit 5 mm Gewehren fortaetat, ?relche 

1894 ein günstiges Resultat ergeben hatten, dafe man entsprechende 
Yersache auch in andern Staaten betreibt, ist anzunehmen, es ist 
anch nicht ausgesehlosaen, dala dieses Kaliber sich noch einmal lebens- 
fthig erweisen wird, sobald die Pnlverfrage geregelt ist. 

Zur Zeit sind in 3 Staaten Versuche mit Terinderten Gewehr- 
modellen des bisherigen Kalibers im Gange. Das Gewehr- Muster 

1895 inöst erreich - Ungarn, welches wesentlich erlnchtert ist, fand 
in letzter Umschau Erwähnung. Man erprobt gegenwärtig 2 Modelle, 
eins der Steyrer GewehrÜabrik und eins der ungarischen Waffenfabrik, 
die sich aber nur in unwesentlichen Einzellieiten unterscheiden. V^or- 
suchsweise in Händen einzelner Truppenteile ist eine Abänderung am 
Deutschen Gewehr SS; der Magazinkasten ver<;lcidit sich, ähnlich 
wie beim verbesserten Mausergewehr, nut der unteren Fläche des 
Schaftes und ist liier geschlossen, dadurch weni^'er der Verschmutzung 
ausgesetzt. Versucht wird auch ein Stichbajonett. Die Patronen 
werden beim abgeänderten Gewelir mittelst des Ladestreifens ein- 
gebracht. (liT nicht mit in »bis Matra/.in eintritt, sodais letzteres unter- 
halb nicht mcia uücn zu sein braucht. 



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350 



Umschau auf militfatecbniachem Gebiet. 



In Frankreich ist wieder von einer Verbesserung des Lebel- 
gewehrs die Rede. Es ist in der Budget-Kommission dafür ein Posten 
in Ansats gebracht worden. Einerseits heiCrt es, es handele sich nm 
eine Verbessening der Patronen, andrerseits ist die Rede von einem 
kleinen Apparate» durch welchen Schnelligkeit, Sicherheit und Durdi- 
schlagskrsft des Schusses erhöht werden (?. Köln. Zeitung Nr. 851). 
Viel läfst sich aus der Mitteilung nicht ersehen, jedenialls ist eine 
Änderung der Patronen-Einrichtung beabsichtigt, aber wohl mehr als 
die firüher einmal aufgetauchte, Yon uns damals widerlegte Ver- 
ringerung des Geschofsgewichts. Der Lademodus kann bei der Go- 
lingfügigkeit der geforderten Summe nicht wesentlich geändert sein. 
— Jedenfalls ist anzunehmen, dafs keiner der drei Staaten, weldie 
der höchsten Kaliberstufe angehören, fürs erste an eine Neubewaffiiung 
denkt. 

Folgende Staaten haben z. Z. das fi,5 mm Kaliber endgültig 
angenommen: Italien im M/1891, Rumänien im M 93, Nieder- 
lande, Norwegen, Schweden. Die Geschofsgewichtc betragen 10 
bis 10,5 g, die (leschofsgeachwindigkeiten 700 — 740 ni, Gewehrge\nchte 

3.8— 4 kg, Patron cngcwiclite '22— 23 g. Bei den Gewehren von Italien, 
Rumänien, Niederlande ist die Puckctladung nach Mannlicher, Scliwoden 
hat den Ladestreifen nach Mauser, Noi-wegen hat das seitliche Magazin 
Krag-Jörgensen, wie es zuerst Dänemark, später Nordamerika iiir die Land- 
armee angenommen hat Die Patronen können mit und ohne Halter an- 
gelegt werden. Bis 500 m genügt bei diesem Kaliber eine und die- 
selbe Visirstellung. Das spanische Hausergewehr M/93 hat zwar 
daa Kaliber 7 mm, indeft ziemlich fthnliche VechSltnisee wie 6,5 mm: 
Oescholsgewicht 11,2 g^ Geechofiigeachwindi^eit 728 m, Gewehrgewieht 

8.9— 4 kg, Patronengewicht 24,6 g. 2Swisohen den ersten Kleinkalibem 
von 8 und 7,9 mm, wie Frankreich, Österreich-Ungarn, Deutschland, 
und dem Kaliber von 7 mm haben sich eingeschoben: England mit 
Lee-Metford M 1880 Muster IT 7.7 mm. Belgien mit älterem Mauser 
M 1889, ebenso Türkei 7,65 mm, Rufsland M/1891 7,02 mm, Schweiz 
M/S9 7,5 mm. Die Geschofsgewichte gehen von 13,7 bis 14,1g, Geschof*« 
gesch windigkeiten 600 bis 650 m, Gewehigewichte 3,9 bis 4,S kg, Pa- 
tronengewichtc 25,8 bis 28 g. 

Über ein Repetirgewehr von 6,5 mm M/U3 des Systems 
Manser-Mannlicher, konstniirt von der Österreichischen WaflFen- 
fabriks-Gesellschaft zu Stcyr, sind kürzlich an verscliiedeiien Stellen 
Angaben verüfFontliclit worden. Verschlufs- und Schlofs-Mechanismus 
ist System Mauser und fast entsprechend dem deutschen Gewehr 88, 
die Repetitions-Einrichtung nach Mannliclicr. Die Visirung geht von 
600 bis 2000 m. Der Lauf hat keinen Mantel, sondern einen hölzerneu 



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Umtdiaii auf mflitSrtBdhinadiiiii GeUet 



851 



Handschutz. Der Rahmen nimmt 5 Patronen auf. Die Länge des 
Gewehrs ohne Bajonett ist 1,23 m, mit Bajonett 1,48 m, Gewicht ohne 
Bajonett 4,01 kg, mit Bajonett 4,37 kg. Der Lauf hat 4 Züge von 
0,15 mm Tiefe, 20 cm = 30,7 Kaliber Drall; das Geschofs wiegt 
10,3 g, die Ladun^z von rauchlosem Pnlver 2,45 g, die Patrone 22,5 
bis 23 g, Geschoi'sliinge 4,83 Kaliber, Länge der Patrone 77,5 mm, 
Belastung des Querschnitts 0,31 auf den qmm, Geschofsgoschwindig- 
keit 740 m. Der bestrichene Kaiuu gegen ein Ziel von 1 m Höhe ist 
bis 400 m gleich der Entfernung, auf 500 m 305 m, auf GiH) m 185 m, 
auf 700 ui 110 Ii), aul 800 m 83 m, auf 900 m 70 m, auf 1000 m ÜO m, 
auf 1500 Dl lU m, auf 2000 m 8,5 m. 

Der entsprechende Karabiner hat eine Länge von 0,956 m, 3,25 kg 
Gewicht» GesohoJGageschwincügkeit 675 m, Vinning 600 bis 1800 m. 

Im Jähre 1894 wurden, wie hervorgehoben, in Österreich-Üngam 
die Venndie mit ämi 5 mm Repetirgewehren mit gfinstigem Erfolge 
fortgesetzt. So äuTsert eich lakonisch die nach amtlichen Quellen 
sosammengestellte „Übeiaiöht der Versache auf dem Gebiete des 
ÄrtOlerie- und WafTenwesens^^ (y. Ijütth. Vm. EL Heft 1895). Erprobt 
wurde femer ein selbstthfttig wirkendes 6 mm Repetirgewehr 
vom Major Julius Maudry. Hier bewegt sich der »Lauf in einer 
Hülse beim Schusse um ein geringes Mafs nach rückwärts. Hierdurch 
wirkt er auf das Griffstück, welches gleichfalls zurückgeht und den 
Versohlurs Öfihet, das Schliefsen des letzteren geschieht durch eine 
Feder. Die Versuche sollen mit einem S mm Gewehr fortgesetzt 
werden An Ropetirpistolon werden versucht eine solche des 
Systems Erzher/üg Karl Salvator und Major Dormus und eine solche 
des Systems von Mannlicher. Die letztere ist halbselbstthätii:, beim 
Alilciicrn wird der bewcf^lichc Lauf durch das Geschdl's nacli vorne 
mitgenommen, die rückwili-ts festgehaltene Patronenhülse dagegen 
durch eine einfaclie Voriichtung ausgeworfen. Der durch eine Feder 
wieder nach rückwärts bewegte Lauf schiebt sich aui die oberste im 
Kasten befindliche Patrone auf, das Abfeuern kann nun wieder durch 
Spannen des Hammers von Hand aus und Drücken an der Abzugs- 
stange oder durch fortgesetsten Druck auf letztere bewirkt werden. 
Die Patronen sind zu 5 in einem Ladestreifen Teremigt. Die 
Funktiomrung war bisher gut 

In Rufsland wurde nach den Studien einer Spezial^Eommissioii 
ein Armee-BevoWer vom Kaliber des Gewehrs, also 7,62 mm an- 
genommen, derselbe hat bei den Patronen rauchloses Pulrer. Das 
Gewicht des Revolvers ist 780 g, der Patrone 12,5 g, das Geacholk 
bat einen Mantel von Melcliior-Metall und wiegt 7 g, die Pulverladung 
0,8 g. Die Geschofsgeschwindigkeit beträgt 275 m. TrefflOihigkeit 



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352 



ÜBUcliaa auf nuütirlwichwwdMm Gebiet. 



und Doiehflchlagaknft sind grofeer ab bei den meisten andern Dienit- 
BeTokern. Es ist dies derVenneidung der Ga»-Entweichiuig zwiedien 
Walze und Lauf zn verdanken. Sie wird dadurch erreicht^ dals die 
Pa^nenhülse sidi auf die ganze Länge des Geschosses und noch 
darüber hinaus erstreckt. Die Walze, welche aufser der Drohung auch 
eine Längenbewegung hat, lafst den überragenden Teil der Hülse in 
den Lauf eintreten, die Hülse schmiegt sieh dann beim Schufs den 
Wänden des Laufs an und verhindert das Austreten der Gase an der 
gedachten Stelle. Ausbrennun^eii an derselben werden hierdurch 
gleichfalls verhindert, was bei den hohen Verhroiinnngs-Temperaturen 
des rauchlosen Pulvers von besonderer Bedeutung ist. Die Walze 
tritt nach Abgabe des Schusses jedesmal zurück. In derselben sind 
7 Patronenlager angebracht, also 1 mehr als bei der Mehrzahl 
der sonstigen Muster. — Die ursprüngliche Konstruktion rührt 
vom Lütticher Waffenfabrikanten Nagant her, die Kommission hat 
aber viele Änderungen daran angebracht. Die Fabrikation ist zunach.st 
dem belgischen Hause übertragen, geht aber später an die russiscbeu 
Fabriken über. 

Das englische Lee-Hetford-6ewehr ist dort in Bezug auf 
seine Geschoi^wirkung von vom herein ungünstig benrteiH worden. 
Neuerdings zieht man wieder derartige Schlüsse aus den Angaben 
über das Verhalten des Gewehrs im Feldzug in TschitraL Die an 
toten Körpern s. Z. angestellten Versuche ergaben viel gröfsere Zer- 
störungen als es sich bei den Verwundungen in jenem Kriege heraus- 
gestellt haben soll. Die „Bevue de l'Etranger'' September 1895 ent- 
hält hierüber auf Grund der englischen Zeitschriften eine kleine Ab- 
handlung, ohne indefs zu einem selbstständigen Urteil zu gelangen, 
indem zugldch auf die \ oreingenommenheit der englischen Presse 
hingewiesen wird. Von den SpezialfHlIen heben wir hervor, dais am 
4. April beim Treffen im Pafs von Malakand ein durch 6 Kugeln ver- 
wundeter Eingehnriier (darunter ;im Kopf und Rücken) sieh selbst 
nach der englischen Amhulan/ bcireben habe und in unglaublich 
kurzer Zeit geheilt worden iei. .\uch gelegentlieh der Verwendung 
des Gewehrs bei Unterdrückung von Unruhen wird von der geringen 
Gefahrliehkeit der Verwundungen berichtet. Die Gegner des Gewehrs 
bezweifeln auch, dafs J;isMlbe, selbst in Iiiinden ausgezeichneter 
Schützen, im Stande sei, eine Kavallerie-Attacke aufzuhalten. Ahnhehe 
Zweifel wurden aber auch in Nord-Amerika laut, als es sich um Ein- 
führung des Kleinkalibergewehrs handelte. Die ?on uns mehrfecb 
litirten Erhebungen Über die Wirkung der neuen Gewehre «uf Grand 
europäischer Vorkommnisse lassen das Gegenteil der ^giyVi»«"» An- 
nahmen erkennen. 



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ümiehin luf milUirteoiiiiitdieni CMbfai 



B58 



Geschütze. 

Die vorher erwähnte Übersicht der Versuche auf dorn Gebiete 
des Artillerie- und Waffcnwcsens in Österreich-Ungarn (1894) ent- 
hält u. A, die Erprobung der stahlbronzenen 8 cm Gebirgs- 
Haubitzen. Es kam ausschliefslich rauchfreies Geschützpulver aus 
Prelsburf^ und zwar Blättchenpulver von 1 mm Seitenlänge und Dicke 
aus Gescbützpulver-Masse M/93 zur Verwendung. Die Schufsladung 
betrug 0,125 kg, die Wurf ladung 0,063 kg. Gegenüber der im Dienst 
eingestellten 7 cm Gebirgskanone ergab sich eine erhöhte Treff- 
wahrscheinlichkeit mit der Schufs-, eine gleiche mit der Wurf-Patrone. 
Die Tragweite ist bei der Granate um 500 Schritt, beim Schrapnel 
um 9000 Sdoitt eiMit Die Gianatwiiiciing ist der bisherigen gleich, 
die Sehnpnelwirkuiig beim Sehufs IVs bis 2 mal so grols als bisher, 
bdm Wurf wn ein Geringee besser als bisher. Die Laffeto hat in 
allen Teilen eine befriedigende Haltbarkeit gezeigt. Erprobt wurde 
noch die 8 em Kasematt-Eanone M/94 ümsehan Sept Seite 855), 
die stahlbronzene 10,5 cm Kanone vnd die 15 cm Batterie-HanbitEe. 

Von besonderem Interesse sind die in Österreich-Ungarn an- 
gestellteii YerBoche mit einer stahlbronzonen 7,5 om Schnell- 
feuerkanone in Feldlaffete. Die Einrichtung der gezogenen 
Bohrung des Geschützrohrs ist jener der 8 cm Feld-Kanone M/75 
gleich, deren Kaliber 7,5 cm ist. Das Versuchs-Rohr hat den Fall- 
block-Verschlufs des Militiir-Komites. Rohr und Verschlufs wiegen 
zusammen 4'21 kg. Man benutzte zunächst die bisherige Geschofs- 
Munition, indefs unter Ersetzung der beiden unteren Führungsringe 
durch ein schmales Kupferband, behufs leichteren Einpressens der 
Geschosse in die metallenen Patronenhülsen. Die zugehörige Feld- 
laffete wurde vorläufig nur konstruirt mit Rücksicht auf die Ver- 
wendung der Schnellteuerkanone als ambulantes Geschütz fester Plätze. 
Sie besteht aus Ober- und Uuterlailetc, erstere dreht sich seitlich um 
einen Bolzen und umgreift mit einer Rippe die Unterlaffete derart, 
dals letztere sowdbl den Bfickstofs anfhimmt, als das Aufkippen der 
Oberiaffete Teihindert Die Elevationsfähif^eit geht von —10 bis 
-1-14 Grad, die Oberlaffete Ift&t eine selbstständige Seitendrehnng von 
4 Chrad nach beiden Seiten so« Die Bäder werden beim Schals dnrch 
eine Elemmbremse gesperrt. Am Laffetenscbwanz ist eine Pflugschar 
angebracht und in jenem zur geringeren Inanspruchnahme eine Feder 
eingelegt, zu beiden Seiten der Laffete sind für 2 Nummern der 
Oeschntzbedienung Sitze angebracht, auf welchen dieselben während 
des Feuems verbleiben. Als Ladung wurden 0,25 kg des 2 mm Ge- 
SChtttqtulTers M/9d ermittelt. Die erzielte Schufspräzision war im 
langsamen Feuer erheblich besser als bei der 8 cm Feldkanone, da- 

J«hzkB«h«r fir 4te DMtMh» AniM Ud MkiiB». B4.91.S. 24 

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f^ejren im Schnellfeuer nur halb so gut, indefs für den Verwendungs- 
zweck ausreichend. Die Geschofsfreschwindigkeit stimmt mit derjenigen 
bei der 8 cm Kanone nahezu übeiuin. Bei einem Orientirungsversuch 
mit Granaten und Schrapnels war die pro Schufs erzielte Wirkung 
praktisch gleich jener der 8 cni Feldkanone. Das Rohr hat eine ge- 
nügende Ausdauer und Haltbarkeit gezeigt und trotz ziemlich starker 
Ausbrennungen im glatten Gescholsrauiu nur eine unwesentliche 
Heiflibmiiideniiig te SofanftpriisUon effiJma. Dasselbe gelangt ab 
„8 an Panzer-Kaoonenrobr M/Si** und „8 cm Minlmftlwcharten-KMKUien- 
xohr snr Einltthnrng. 

Der RQddaaf betrug bei eingegrabenem Laffetensobwanz böchstens 
7 cm. Durch die Wirknug der eingelegten Feder wurde dae Genbiiti 
stete wieder soweit vorgedr&ckti dafs es auch Im SdiDellfeuer durch- 
aohmtilich auf seinem Flalse blieb. Es konnten aus der ambulanten 
SchneU^Mierkanone 8-~10 gezielte Schüsse in der Minute abgegeben 
wnden, unter besonderen Verhältnissen auch 15 Schüsse. 

Im Vorstehenden hat man eine Art Vor versuch für ein in die 
Feldartiilerie einzustellendes Schnellfeuergeschütz zu er- 
blicken, im Kaliber übereinstimmend mit der französischen Deport- 
Kanone Jedenfalls würde man bei ernstlichem Vorgehen sich nicht 
mit der geringen Geschwindigkeit der 8 cm Kanone M''75 (Granate 
423 m, Schrapnel 409 m) begnügen, auch nach einer auskömmlicheren 
Geschofswirkung streben. 

Den Beweis liefert die Erprobung der stählernen 7,5 cm Schnell- 
feuerkunone Nr. 1 in Minimalschar ten-Laffete, welches Geschüt« 
die ballistische Leistung des 9 cm Feldgeschützes haben soll. Gefertigt 
ist das Rohr in der Artillehe-Zeugsiabrik aus einheimischem Stahl. 
Dasselbe hat eme LSngo von 26 fialibem und besteht aus einer 
durchgehenden Eemröhre mit aufgezogenem Mantel, der das Keillodi 
enthilt Die Seele hat 24 reohteddge Parallehtiige mit steigendem 
Drall Ton 45->30 Kaliber Lftnge. Das Rohr hat den stählernen Fall- 
Uook-Verscblnls des MilitSr-Koautes oben). Das Rohr mit Ver. 
schluft wiegt 396 kg. Man eimittelte zunftcht die Ladung, welche 
dem 6,1 kg schweren Schrapnel eine Geschwindigkeit tou 440 m mit 
nicht gröfserem Gasdrucke als 1500 Atmosphären verleiht. Dem ent- 
sprachen 0,4 kg des 5 mm Blättchen-Pulvers (unter Zufügung von 10 g 
gewöhnlichen Gewehzpulvers). Die Präzision war im langsamen Feuer 
auf allen Entfernungen sehr zufnedenstellend, insbesondere auf Ent- 
fernungen über 2000 m, wo der \'orteil der gröfseren Querschnitts- 
belastung lansjer Geschosse mehr iiervortritt. Tm Sclmellfeuer ergab 
sich nur die Breitenstreuung ungünsti'jer, doch nocli innerhalb der 
Grenzen, dais die Wirkung der Sdmellfeuerkanone gegen feldmäisige 



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Ziele nicht beeinträchtij^t wird. Nach Abgabe von 1300 Schufs in 
Schnellfeuer-Serien zeigte das Rohr nur ganz geringfügige Anderunfien 
in der Bohrung und keine Einbufse an Trefffähigkeit. Die Laffote 
konnte „nls 8 cm Miniuialscbarten-Laffete M/O^" in Dienst eingestellt 
werden. Unter Verwendung von Einheitskartuschen betrug die Feuer- 
geschwindigkeit 10—12 Schufs in der Minute im gezielten Feuer, 
unter günstigen Verhältnissen und mit besonders geübter Bedienung 
kSonen bis «i 20 Sobub in der Minute abgegeben werden. Die snr 
Verwendung gelangten Measing-Hfilaen der Bemdorfer Fabrik baben, 
obne Schaden ro nebmen, Usher eine 12ma]ige Verwendung auf- 
gehalten. 

Zum Vergleioh wurde eine stählerne 7,5 cm Schnellfeuer- 
kanone Nr. 2 der Firma E. Skoda in Pilsen herangeflogen. Die 
Bohrung des Rohrs weicht nur w^g von der des eben geschilderten 
Nr. 1 ab. Der Verschlufs ist Patent Skoda. Verwendet wurde eine 
Käsern atten-Laffete der Fabrik, indefs nicht als Versuchsgegenstand. 
Die 6 kg schweren Geschosse sind 3Vi Kaliber lang. Als Ladung 
innerhalb 1500 Atmosphären Gasdruck wurden 0,38 kg des 5 mm 
Blättchen-Pulvers ermittelt, wobei sieb 452 m Gesc'bofsgeschwindi<?keit 
ergaben. Die Schufspräzision im Schnellfeuer war günstiger als beim 
Rohr Nr. 1, in Folge der stabileren Laffete. Die versuchten gufs- 
eisernen Ringgranaten und stählernen Hülsen-Schrapnels ergaben die 
gleiche Wirkung wie bei der 9 cm Feldkanone. Beim Schrapnel 
wurde (He Hülse durch die Explosion zertrümmert, sodafs es nicht als 
llülson-Schrapnel funktionirte. Der Verschlufs hat tadellos funktionirt, 
die Patronenhülsen, welche dünnwandig waren, haben gut gehdert, 
indels erhielten sie vielfach Risse am offmen Rande, wodurch sie zur 
"Wiederrerwendung unbranehbar wurden. 

Vorstehende beiden Versuche haben offenbar den Hanpteweok 
gehabt, zur Lösung der Frage des Sohnellfeuer-FeldgeschÜtses 
beisutrsgen, wenni^eiefa sie als Versnehe zur Sdiafinng einer SchneU- 
fenerkaaone auf breiterer Basis bezeichnet sind. Es will seheinen, 
als ob sie eine geeignetere Grundlage für das Zukunfkogeschfitz ab- 
geben, als der zuerst geschilderte Versuch. 

Die Firma E. Skoda in Pilsen hat eine 5,7 cm Schnellfeuer- 
Kanone in fahrbarer Panzerlaffete konstruirt, welche dem 
Versuch unterzogen wurde. Das gufsstählemo Mantelrohr ist 
25 Kaliber lang und wiegt mit Verschlufs 185 kg. Die Panzerlaffete 
besteht aus einer stählernen'jPan/erkiippel, in der das Rohr eingelagert 
ist, und aus dem kastenförmigen Blechunterbau, der den Bewegungs- 
Mechanismus zum Heben und Drehen der Kuppel enthält. Die Munition 
ist in blechernen Kästen untergebracht, die zusammen 128 Schuis ent- 

24* 

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356 



Uniflohau auf «wiMt-^Hw^n iw c hf"* Qebifit. 



halten. Die Bedienung eribrdert 2 Mann, für welche am drehbaxen 
Teil der Laflete zwei kleine Sitze anirebracht sind. Das Gewicht 
ohne Ausrüstnn^' ist 2GH0 kg. Die I^an/.crlailete war beim Schiefsen 
in einem Geschützstand hinter einer 1,5 m hohen Erdbrustwehr 
phicirt und stand mit den Rädern auf einem Schienenjoch der Feld- 
bahn. Eine I>adnnK von 0,215 kg des rauchlosen 5 mm Blattchen- 
Pulvers erteilt der 2,72 schweren Granate eine Geschwindigkeit 
von 48H ni. Rohr und Verschlufs haben im Allgemeinen keine An- 
stände ergeben, die Panzerla£fete bietet genügenden Raum für Be- 
dienung und Munition. Die Versuche sind noch nicht aoipfiit abge- 
Bchlossen, nm über den Eampfwerfe der Xonstniktion, weldie emen 
in Ö8terrei<^-Ungam noch nicht eingeffihrten Typus bildet, ein 
einmndfreiee Urtdl abzugeben. 

In der Schweiz werden die Venuehe mit der 8,4 cm Batterie 
und ndt Röhren aus Nickelstahl für MetaUpatronen auch in 1896 
fortgeeetet werden, insbesondere ist die Verwendbarkeit kfineerer 
Hülsen einer eingehenden PrOfong zu unterziehen. Zur Aimirung ▼on 
Forts werden 12 cm Kanonenrohre und 8,4 cm Rohre flür Kasematte 
Geechütze aus Nickelstahl beschafft. 

In Spanien hat der Oberstheuteoant der Artillerie Ordonez 
eine neue Gebirgskanone entworfen, welche das bisherige Geschütz 
des Systems Plascncia ersetzen soU. Die erstere ist Schnellfeuer- 
geschütz, hat das Kaliber 57 mm, Metallkartusche mit rauchlosem 
Pulver, als Geschofs das Schrapnel. Die Laffete ist zerlegbar. Für 
jedes Geschütz bedarf es 5 Maultiere, Nr. 1 für das Rohr von 85 kg 
Gewicht, Nr. '2 für die erste Hälfte der LaÜeto und die hvdrauhschen 
Bronisjn, iiO k<j;, Nr. fiir die zweite Hälfte der Laffete, 85 kpr, Nr. 4 
für Räder und Achsi\ 77 kg, Nr. 5 für 2 Munitionskisten, deren jede 
20 Metallkartuschen enthält, 107 kg. Jedes Maulthier trägt etwa 
15 kg weniger als beim älteren Geschütz, Nach Beendigung der Ver- 
suche sollen 100 Geschütze in Irubia hergestellt werden. (R. c. m. 
Nr. 35 nach Ejercito espaüol.) 

Marine-OeschtLtie. 

Hinsichtlich des neuen Artillerie-Materials der frans d> 
sischen Marine berichtet die dem Budget-Voranschlag für 1895/96 
beigegebene Denkschrift folgende Einzelheiten. Auf die Einstellung 
der 42 cm Kanone bei den im Bau befindlichen Schiffen ist verzichtet 
und ein kleineres Kaliber vorgszogen, um gröfsere Feuergeschwindig- 
keit zu erzielen. Die mittlere Geschoisgesohwindigkeit konnte bei 
diesen Gesdiützen um 40 bis 50 m erhftht werden. Eins der neuen 
Schififo („Requin")^ erhielt statt 42 cm Kanonen solche von 34cm M/1893. 



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Umach&u auf militärtedmischem GtoUeU 



357 



Das giöfbte Kaliber an Bord dürfte künftig 30,5 cm sein. Die Länge 
derselben denkt mau von 45 auf 40 Kaliber herabzusetzen. Die 
Geschofsgeschwindigkeit der IG, 4 7 cm Geschütze M/'.)l wird 800 m, 
beim neuesten Modelle M/93 sogar noch mehr betragen. Die Geschütze 
M/81 bis H/84 aiiid in Schnellfeuergeschütze umgewandelt. Die 
18,86 om Geschiltse M/1891 «if Wiegenlaffeten haben sehr znfrieden- 
■teUende Eigebnisee geliefert Die Artülerie-Direktion ist mit Her- 
stellung eines nenen T^ypos Schnellfeaerkanonen von 47 und 68 mm 
Kaliber beschHÜtigt^ weldie eine rasantere Flogbahn besitzen und deren 
Verscblu&TOmohtnng sich mehr als die bisherige fiir das Sohneil- 
und ununterbrochene Feuer eignet In der Hauptsache wird die 80,5 cm 
Kanone den Haupttjpus der groisen Harine-Ealiber, die 13,86 cm 
Kanone den noimalen Typus der mittleren abgeben. FOr kleine 
Kaliber wird die 4,7 om Kanone am geeignetsten sein. 

Mitrailleusen. 

In Nordamerika ist eine neue Mitraillouse von Maxim ver- 
sucht worden. Zum Infanteriegefecht bestimmt, hat sie verringerte 
Dimensionen und so geringes Gewicht, dafs sie durch 1 Mann ge- 
tragen werden kann. Das Geschütz allein wiegt 9,333 kg und kann 
600 Schufs in der Minute abgeben. Rohr, Laffete, Reserve-Stücke 
und Muni tions -Ausrüstung wiegen zusammen 20,53 kg und Alles ist 
80 angeordnet, dafs es ein Mann auf den Rücken nehmen kann. Die 
Tragweite ist zu 2926 m angegeben, Geschofsgeschmndigkeit 564 m. 
Der Mechanismus ist im Allgemeinen derjenige aller Maxim-Mitrail- 
leusen. Der Schütze hat Nichts nötig als zu zielen, die Waffe ar- 
beitet selbstthätig, so lange noch eine Patrone im Band sich be- 
findet Eine solche Waffe kostet 1000 Dollars, der Patronenverbrauch 
per Bfinnte beansprucht 24 Dollars. — Das Kaliber ist daqenige des 
Gewehrs. 

Geschtttzfabrikation. 

Der ofifizielle Bericht der fisterrnchischen Zentral-Eommission ftir 
die Weltausstellung in Chicago 1893 enthält in dem Abschnitt „Berg- 
und Hüttenwesen** nähere Angaben über die bereits im 93. Bande er- 
wähnte Röhrenerzeugung von Erhard t in Düsseldorf, nach welchem 
Verfahren auch Kanonenrohre mit Erfolg hergestellt werden. Wir 
(Tobcn auf Grund dessen das Nachfültionde wieder. In das plühende 
massive Stück, aus wclclicin das Rohr gebildet werden soll, 
wird ein Dom eingetrieben und dadurch die Höhlung hergestellt. 
Dabei befindet sicli das 4 kantige Materialstück in einer Form vom 
Querschnitt des Rohres, die also rund ist, eingesetzt und wird der 



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358 



UmBchau auf militirtechniBchem Gebiet 



Dom in das Zentnim desselbeiL eingeprefBt, sodab das Material nach 
anltoii gedringt wird und den zoTor leer gebliebenein Teil der Form 
(die Segpnente) erfnlli Der Qaenehnitt des Dorna muls deomadi 
fgMk dar Snmme der freien Fliehen der Form sein. Das Material 
wird für diese Arbeit rotwaim gemacht. Für das Eintreiben dee 
Dorna dienen hydraulische Pressen. Ist auf solche Art das Rohr hei^ 
gestellt, so wird es durch Ziehen auf die gewünschten Abmessongen 
gebracht. In Chicago waren derartige Rohre bis 4 m Länge aus- 
gestellt. Der Erfinder giebt an, dafs er aus Flufsstahl von bis 
90 kg Festigkeit anstandslos Röhren mit 20 cm Weite unter An- 
wendung eines Drucks von 180 t hergestellt bat. Gewehrläufe werden 
in einem Moment derart gelocht. Das Verfahren ergiebt sofort eine 
glatte Innenfläche, und, was für Feuer\vaöen gewifs wertvoll ist, ver- 
dichtet das Metall, besonders an der Innenwand; es erfordert nur 
eine verhältnirsmulsig geringe Betriebskraft und geringe Anlagekosten. 
' — In Üateireich hat die Poldihütte das Verfahren erworben und die 
hierfür nötige horizontale Presse mit 1000 t Druck aufgestellt Aua 
dem ▼orzüglichen Pddi-GolsBtahl können sonach auf dieeer Hütte die 
besten StaUkanonaniofare hergestellt werden. (Mitt YJIL IX. Heft) 

* 

Sprenggraiiateii. 

Die Schweizer Artillerie-Veranoha-Station hat Schiefa- 
und SprengTorsuohe mit 12cm QnlaeiBen-Grttnaten mit Weifa- 
pnlTor-Sprengla düngen angestellt» aua deren Ergeboiaeen wir das 
Nachfolgende entnehmen. Da es sich hier um Brisana-Granaten 
handelt, so haben jene ein allgemeineres Interesse. 

Auf der Entfernung von 20 m beim Schiefsen gegen Holzwände 
erhielt man den Streuungskegel bei den Aufschlägen am Boden be- 
stimmt zu 91", aus den Treffern in den Zielwänden bestimmt zu 96*'. 
RückwärtstreflFer sind kaum nachirewieson worden. Auf 2000 m be- 
stimmte sich der normale liorizontale Streukegclwinkel zu etwa 145". 
Auf den Rückseiten der Ziel wände konnten auch bei den Schüssen, 
bei welchen die flranaten kurz hinter den Wänden sprangen, kerne 
Anschläge von Geschofssplittem nachgewiesen werden. Darnach tiiegen 
vom Sprengpunkte aus keine Sprengstiicke nach rückwärts. Die Ver- 
teilung der Treffer, welche meist etwas unregelmäfsig ist, zein;t im 
wesentlichen einen dieiteiligen Streukegel, uamlich eine Gail/c uacn 
vorwärts, und je eine nach rechts und links, wobei in den Zwischen- 
rftnmen awisdiea diesen 3 Garhen nur Yeremaelte Treffinr -vorkommen. 

Anf 2172 m Entfomnng worden in gutem tie%randigem Basen- 
hoden am Ahhang folgende mittlere Sprengtrichter-Ahmesaangen er^ 
aielt: Lioga 2,7 m, Braite 2,6 m, tiefe 1,14 m. 



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359 



Die bklierigeii Eigelmisse entsprangen dem Sdiiefimi ans 12 om 
Kanonen; dagegen ergaben sich beim Werfen mit dem 12cm Feetangs- 
mörser mit 60 Elevatiou auf 2870 m gegen die freie Ebene als 
mittlere Sprengtriohter-Abniessangen: 





Länge 


Breite 


Tiefe 






1,8 


0,8 






1,4 


0,6 


„ teilweise steinigem Boden .... 


■ n 1,9 


1,6 


0,8 



Die aus steiniger Erde bostehende alte Brustwehr einer Frld- 
schanze von 5 m Kronenbreite wurde durch 28 Scbufs (22 Treffer 
gegen die äufsere Brustwehr oder Krone) der 12em Kanone auf 1924 m 
Entfernung auf 5 ni Breite durchbrochen. Die aus guter fester Erde 
bestehende Brustwehr einer Po.sitionsbatterie wurde mit der 12cm 
Kanone auf 2006 m durch 56 Schüsse, wovon VJ die äufsere Brust- 
webr der Krone getroffen haben, in einer Dicke Ton 16 m in der 
Schnlsrichtang derart dmehsehlagen, dafs das in der fi^rostwehr ein- 
gebaate llnnitioosmagarin vnbranohbar geworden nnd der an der 
Brustwehr angebaute Unterstand etwas beschftdigt worden ist Bei 
weiterer Fortsetzong des Feuers wflren Magaann und Unterstand sebr 
bald ganslich aerstört worden. 

Die BancherscheinnBg der springenden Granate war eine ganz 
gute. Von 356 verfeuerten Granaten ist keine im Bohr sersprungen. 
(Sdiw. Z. t A. u. G. Heft 7. 8.) 

Pulyer. 

Rauchfreies Pulver wurde versucht in Österreich-Ungarn 

bei der 7 rm Gebirgskanone M/Hf), der 12 und 15 cm Belagerungs- 
kannne M/80 und bei dem 15 cm Mörser M/80 und M/78. Es 
handelte sich um die Knnittlung der Äquivalent-Ladungen für die 
biüherigeTi Geschorsgeschwindigkeiten. Bei der 7 cm Gebirgskanone 
war es auch nötig zu ermitteln, ob die normale Kartiitsihe bei- 
behalten werden könne. Da die Ladung vollstilndig verbrannte, so war 
eine Abänderung des Goschosses nicht erforderlich. Die Gebirgs- 
kanone erhält das 2 mm Blättchen-Pulver von 1893 (Dicke l mm, 
Seitenlänge 2 mm), die Belagerungskanone das 7 mm Blättchen-Pulver 
(Dicke 3 mm, SeitenUnge 7 mm}, der ttörser Air die gr<ll!rte Ladung 
S mm GeechQtipnlver V/95 und ftr die verminderte Ladung daa 2 nmi 
Biättehen-Pnlver. 

Panier« 

Die schwedische Regierung hat ftr die Pamernng eines im 
Bau begriffenen Kanonenboots „Oden^ Platten aus Homogenstahl 



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360 Umaoluui auf militirtediniiehem CMiiet 

bei der Firma Schneider & Cie. in Creusot bestellt, zur Annahme 
von Platten ans Nickel- bezw, gehärtetem Stahl hat man sich dort 
noch nicht entschlossen. Nach der „Reichswehr" vom 13. September 
wurde eine jener Platten einer Beschiefsung unterworfen. Die Probe- 
platte hatte 2 m Länge, 1,5 m Höhe, 25 cm Stärke. Sie sollte 
3 Scliuls aus einer 15 cm Kanone mit reglementsmäfsigen P'inspong- 
Geschossen von 45 kg Gewicht bei einer Au itreffgesch windigkeit von 
564 m aushalten. Ein Dnrchdringen der Platte durch das Geschols 
oder Teile desselben war anflgeschkasen, beim ersten Sduüs sollte 
liöh kein Sprung zeigen imd bei den zwei andern kein Teil dar 
Platte Ton der Bttokwand laaen. Beim 1. Sohnla betrog die Anftreff- 
geeohwindi^eit 567 m. Die Spitw des Geecliosses drang 26,5 om in 
die Platte ein» ohne eben Sprang zu erzeugen. Das Gesdiols müde 
auf 12,5 m von der Platte zurückgeworfen. Beim 2. Schnls mit der- 
selben Geschwindigkeit zeigten sich diesdben Ergebnisse und wurde das 
Geschofs Hm weit zurückgeworfen. Den 3. Sdliuls mit 566m Auf- 
trefi^eschwindigkeit hielt die Platte ebenfalls ausgezeichnet aus, nicht 
der geringste Sprung war wahrnehmbar und wurde das Geschols auf 
33 m zurückgeworfen. Nachdem die Platte von der Rückwand, auf 
welche sie mit 12 Bolzen befestigt gewesen, abgenommen war, zeigte 
die Rückwand nur ganz unbedeutende Beschädigungen, einige kleine 
Sprünge und Ausbaucliunpren an den Auftreffstellen der Geschosse von 
38 — 40 mm Höhe. Audi die Güte der Geschosse, die vollkommen 
intakt blieben und nur geringe Ausbauchungen zeigten, war durch die 
Beschiefsung erwiesen. 

Gefjcn ein Panzerdeck-Ziel wurden in Österreich-Ungarn 
Versuche mit 2i cm Bomben vorgenommen. Das Ziel, 7,5 cm staik, 
war senkrecht gestellt und wurde auf 50 m Entfernung aus dem 
21 om Belngerungs-Mdrser M/80 beschossen. Nur die stählernen 
Bomben haben die Platte mit Eraftaberechulb durchsoUagen, ohne 
deformirt zu werden. Der neuartige GranatzQnder mit Verzögerungs« 
Vorrichtung bedarf noch der weiteren Ausbildung. Fflr Zwecke der 
Kfistenverteidigung ist der normale 21 cm Mörser M/80 ausreidieDd, 
wenn die zugehörige Ekraait-Bombe aus Stahl eraeugt ist. 

Sonstiges. 

Die in der September-Umschau S. 361 erwähnten S Chiefs ver- 
suche gegen Fesselballons in östert » irh-üngarn finden in der 
„Übersicht der Versuche etc." Berücksichtigung, doch weicht die 
Darstellung in Einzelheiten von der früher gegebenen ab. Zunächst 
sei ergänzend mitgeteilt, dafs das Schiefsen aus 4 Stück 9 cm Feld- 
kanonen M/75 erfolgte, die Schrapnels den Doppelzünder hatten. Beim 



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UmsdlAu in der Militar-Litteratur. 



361 



enten SdiieAen batte der BaUon luush 16 Schub mit Tenchiodener 
Tangining bartits eme betrftcbtiitihe Volumen-yennindenmg gezeigt; 
ik man ihn dann niederholte, zeigte er einen groiaen Rife und 
27 Kngellöeher. Beim zweiten Sddeften stand der Ballon 6800 Sdiritt 
ab und winden 64 Schiapnds abgegeben, welche Zünder mit yer- 
langsamtemSatz hatten. Nach dem letzten Sobnaee begann der Ballon 
rapide zu sinken. Die Hülle hatte 2 DnrdiachUlge, von einem Voll- 
treffer herrührendi und 5 Kugelldcher. 



XXVIIL 

Umschau in der Militär-Litteratur. 

I. AuBlindiflehe Zeitselirifteii. 

Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (Oktober.) 
Über KaTeUerie^Verwendiiiig. — Abrfigtung? Von W. Portb, k. u. k. 
Obent — Über den Wert nnd die Pflege der moraBschen Kraft, Ton 
ObeiaÜt. Bieger, » Die fiatenreieliifldie Armee vor 60 Jahren (t. Newald). 

— Memoire über eine nene Situationspläne- und Landkarten-DarsteUoiigt- 
methode. (Pauliny.) — Ein nonos tcclnnschr^ TV"irkt in Eg}'pten. 

Orgiin der niilitär-wissenscliaftlicheu Voreine. 51.Bd. S.Heft: 
Über Eta^'-enstellungcu uüd Etagen tbiifr der Feld-Artillerie (Maj. Dalmata 
V. Hideghet.}. — Die Militär- Bokleidungsstoffe und deren Beurteilung. — 
Daa überaetaen von Sflmpfen (Hptm. Schmiß 4. Haft: Ana dem deatidb- 
ftwutöaiselien Kriege. Von C. E. 

Hittellungen über Gegenst&nde des Artillerie« und Oeniewesemb 

Jahrgang 1895. 10. Heft: Untersuchungen ftber die Funktionirung dea 
Schlägers bei Zeitzündern. — Die europäisclien Kriegsbrücken-Systeme. 

Armeeblatt. (Osterreich.) Nr. 40: Das Säbelfechten der russischen 
Kavallerie. — Das Anbinden (Koppeln) der Reitpferde. Nr. 41: Die Feld - 
gescbütz-Frage. — Der Feldzug in Madagascar. Nr. 42: Das neue ungarische 
Ebegeseta. — Die Stromttberaetaimg bei Zenta. — Neu konatnurter Kilo- 
metendrkeL Hr. 48: Daa Sehieften der Feldartflierie «ua verdeckten 
Stellungen. — Die GnudeKtae dea DiaBplbar-Stxafreohtea. 

Militär -Zeitung. (Österreich.) Nr. 34: Unsere Artillerie. ~ Über 
das Säbelfechten der mariacbon Kavaüene. Nr. 35; Xrirnien für die 
VerpÜegs-Feldausrüstxmg. — Die Kavalleriernanöver in England. — 
Or^nisationsveränderungen iu der russischen Kavallerie. Nr. 36: Unter- 



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362 



IKnoIwi in d« Hllttii^IitteEte. 



offidertBchaleii. Vr. 37: Amerikanitehe Srimmen über iä» deatMhai Kaiatr* 

manöver. 

Die Beiehswehr. (Österreich.) Nr. 822: Die SellietBtiindigkeit des 
KompRgnie-Knmniandanten. Die Budwois-Kaplitzer Manfiver (Forts.). — 
Ein amerikanisches Urteil über die Adjustininjr der Infanterie der euro- 
päischen Staaten. Nr. 823 n. 824: Die B. K. Manöver (Forts.). Nr. 825: 
VerheiAong! Erinnert an ^ Mlwn v«r 40 Jahren TerhdjlMne Befonn 
des MiUtKi^Stnif^roaefrrerfiairenB. — Die B. K. Manöver (Forts.). Vr.8S6: 
Die B. K. Manöver (Forts.). Vr. S87: Die gr66te FloAbrlieke (Aber die 
Donau bei Fetesti-Cemawoda in Rumänien. — Zi%'ilisti.scli-Mi1itüriscbea; 
behandelt die gröbliche I'iik* 'mm-fs »b r Tajresprpsse Ite/.ügHch militärischer 
Einrichtungen und Zu.ständi'. Nr. 828: Das ungarische Ehe- und Matriken- 
Gesetz. — Mada;.'askar. Nr. 829: Das nnpfarische Ehe- und Matrikeng<\««etz 
in seiner Anwendung aut Miiitiirpersoncn. Nr. 8S0: Die B. K. Manöver 
(Forts.). — Madagaskar. Vr.831: Die B. K, Manöver (Sdilab). — Znr 
Fnige der in österreieli von liokalbalinen geforderten militlriselien Leislnngs- 
ftliiglceit. Hr. 882: Unsere zokilnftigen Regiment^-Kommandanten der 
Kavallerie. Nr. 833: Dii' Bjinffy-Hunyad-Manöver. — Der k. k. Landwehr- 
Stabsoff^zierskurs. Hr. 834: Das k. k. Landwelir> Budget. — > DieB. £L 

Manöver (Forts.). 

Journal des sciences militaires. (Oktober.) Gegen die zwei- 
jährige Dienstzeit, von General Lewal (Sehr beachtenswerter Aufsatz). — 
Vorbereitung der Kompagnie auf den Felddienst (Forts.). Das Gesebüta 
d«r Zukunft; g^enwürtiger Stand der Frage (ScUlnfr). — Wmftenbnig, 
Froeschwillcr. Cli.ilons, Sedan, ChÄtillon, la Malmaison (Forts.). — Der 
Feldzug 1814 (Forts.). — General Alexis Dubois (Forts.). 

Lc SpePtateur militftire. (15. September.) Die Lehren von 1870; 
mahnt an die damals gemachten Fehler und vergleicht die Armee von 
damals mit der prenfsischen des Jahres 1870. — Die Verabschiedung mit 
Berücksichtigung der Länge der Dienstseit ftir Ofifixiere. (Lea retraites 
proportionelles.) — Dekorationen, Kreofle und MeduDen. (1. Oktober.) 
Die neoe Felddienst^Ordnnng. Beriefat der MtUtHr-Bndgetkomniiflsion. 

— Die grofsen Mantiver der belgischen Armee. — Dekorationen etc. (Schlufe). 

Revue de Cavalerie. (September.) Ein Memoire des General 
Pröval über die Organisation der Kavallerie (Anpust 1811). — Ausbildung 
und Fiihnmg der Kavallerie. (Forts, der Ubers, des Pelet'silien Werkes.) 

— Kezonville, den 16. August 1870 (Öchlufs). — Die österreichisch- 
ungarische Kavallerie (SehlndB.). — Die 6arde-K*vaDerie*Divisi<»i hn 
itatienisebeD Feldsnge 1859 (Scblufii). Das SehieAen vom Pferde, einseb 
und in Salven (Vom mss. Geoeral Souhkomlinoflf)- — Husaren-Brigade 
des Oberstlieutcnants von Solu- von Ligny bis Versailles (1815). 

Revue d'Artillerie. (Oktober.) Theoretische Studien über Fem- 
gläser, besonders betreffend die P>weitennig des Gesichtsfeldes und der 
Sehweite. — Das französische Artillerie-Korps: historische Studie (Forts.). 

— Graphische Darstellungen zum Öchielsen im iielagcrungskriege. 

Bma An €«rele nlllialMi Kr« 89: Die Befomen des «War-Ol&ee.* 



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Unuchau in der Militär 'Lltteratur. 



363 



— Die Öchweizerische Armee 1894 (Schlufs). — Die Inianterie und der 
Artinanekampf (Schluß). — Die Befotmen des «War-Offiee" (Forts.). 
Vr.40: Vergleich der ftunltnBefaen and deatBcfaen Manöver. — IMe Re- 

lormen des „War-OfKoe" (Schlafs). Nr. 41: Das zusammenlegbare Zwei* 
rad bei den GrofHcn Manövern 1895. — Die neue SchiefsvorschrifL — 
Übung der Sanitäts-Dotacbements. Nr. 43 : Das zusammenlegbare Zweirad 
(Forts.) — Übung dor Sanitfits-Detacberacnts (Forts.). 

L'Avenir militaire. Nr. 2036: Der Streifzng nacb Tananarive. Dem 
Zuge des General Ducbesne wird ein günstiges Ergebnils vorausgesagt, 
der General wird mit Kleher in Egypten vergliehea Hr. 2087: Die Oenie- 
Irnppep die oftikaniache Armee imd die Bodgetkommiasiosi. — Die Be* 
hratinuig der Haiinetrappen. Vr. 2038: Die Zahl dor nur ein Jahr 
dienenden Soldaten des Jahrganges 1894 beziffert sich auf 65883 (ohne 
10000 «gesetzlich hierzu Berechtigte), '/$ ganzen Jahrganges; davon 
entfallen auf die Infanterie 50153, d.h. die Hälfte. Nr. 2039: Die Ein- 
berufung des Reserve-Regiments. Der Monat Oktober wird als ungeeignet 
(&r die Übungen der Reserven beaeichnet Nr. 2040: HifitMrisehe Spionage. 

— EnvepKtiehA Politik. Der politiBche Hoxiiont wird als sehr verdtkatert 
beoeiehnet Nr. 8041: Operetten-Oenerale. Der ftbertriebene Unifeimpnti, 
namentlich 1k i n li'ilieren Offizieren des Heeres- Verwaltungsdienstes wird 
getadelt. Nr. 2042 : Kolonial- Armee. Reifliche Erwägung bei Reorganisation 
derselben wird empfohlen. Nr. 2043: Die gefrt'nwfirtip-c Kokrntirunp: der 
Kolonial-Truppen. Nr. 2044: Die zukünftige Rekrutirung der Koionial- 
Armec. 

Le Progris militaire. Nr. US66: Genie nnd Arülkrie. Belumdelt 
die von der Badgetkonuniasion beachlonene Verdnigong der Verwaltung 
bnder Waffen im KriegB-Miniateiinni nnd bei den Armeekorpi. Nr. 1087; 

Bericht des Herrn G. Cavaignac über das Militär-Budget. Nr. 1558: Die 
Kavallerie hei den Manövern; deren Thätigkoit nnd Führung wird stark 
bemängelt. ~ iJic Hckrutinni^^ der Lazarctligehülfen. Nr. 1560: Das 
Militärfuhrweben und Algier. — Mel(lereiter(E8tafetteH niontdes); werden nach 
deutschem Vorbild empfohlen. Nr. 1561: Der Dienst im Felde; Be- 
trachtungen tiber die nene franaOnache Felddienatordnang. Nr. 1M2: Die 
Anabildong der Beiare-Begimenter wird ala ichwierig besdehnet; tot 
allem müsse dieselbe mit dem Lehel-, nieht dem Graa^Gewehr stattfinden. 
Nr. 1563: Die Verteilung des Kontingents (Infanterie 64, Kavallerie ISVti 
Artillerie 15, Genie 3, Train 1,8, Verwaltnngsdionfit 1,7, Sanitatswesen 
1 Prozent); 17 Jägerhataillone, die algerischen Truppen, Kavallerie, reitende 
Artillerie erhalten nur dreijährig dienende Rekruten. Nr. 1664: DieSchielS' 
Vorschrift (Auerkenuende Besprechung derselben). 

Ii» Fraaoe militaire* Hr. 8440: Der groAe Kanal. Nr. 84il: Grefte 
Manöver. Ea wird beflirwerfcet, den fieriehterstattera kone Übenachten 
der Operationen einzuhändigen, um genaue und der Wirklichkeit ent- 
sprechende Berichte in den Journalen zu endeten. Nr. 3442: Gefecht zu 
Fufs, Kann in vielen Fällen nützlich sein, abor der Kavallerist soll 
darüber seine eigentliche Beatimmang nicht vergessen. Nr. 3448: Unsere 



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364 



UmacbAU in der Militär -Litteratur. 



Alpenjäger. Eme Beflifi ktthner Beeteigangen Mitens •oleher werdfla 
enKhlt. Vr. 8414: IfadAgaskar und die EffBkdvB. Vr. 8446: Die Ava- 

bildung im Schiefsen. I. Hr. 3448: Nach dcu Manövern. Warnt daTOr, 
Uber dem yoUatändigen Erfolg der letzten Manöver in den Anstrengungm 
nachzulassen. Nr. S449: Bericht de^ I)c]mtirion Cavaignac über die Kriegs- 
verwaltunj;:. Nr. 3452: Die Ausl)il<iuiiu' im .^cliierscTi. II Nr. 3453: Die 
Kolonial- Armee, (leaeral Tricoche spricht sich günstig über die Vorschläge 
von Cavaignac aus, die europäischen Teile des XIX. Korps an die Ost- 
grenae m legen und ans den afrikaniiKihen and den Harinetnippen dä» 
Kolonial-Amee an bÜden. Hr. 8466: Das Knegabndget Die Konuninion 
will weitere 27 Millionen Erspamißbc machen. Nr. 3456: Die Au«?bildung 
im Schiefsen. III. Nr. 3457: Die Einnahme von Tananarivc. Rückblick. 
Nr. 3459: Erziehung und Ausbildung. I. Nr. 3460: Die Briefr von Gallifet 
(gowochsclt mit Gambetta 1878 — 1882). Die militÄrischon Kriegsminister 
enuangelu danach der Selbstständigkeit und des Charakters ; in der Kavallerie 
sind Tim 14 DiifMcnugeneralen 8 und von 88 Brigadcgonofalen blk^stena 
10 kSrperlteh und geutig m Kommandoe btaoelibar gewesen. 

L» BelsHim miUteiie. 9r. 1874: ManSrer der 1. nnd 2. Divim 
im Campine 1895 (Forts.). — Fahrrad-Dienst in der französischen Armee. 
— Optifichc Telcgraphie. Nr. 1275: Manöver etc. (Forts.). - Die elektrischen 
.Scheinwerfer und ihre Verwendung im Kriege. Nr. 1276: Manöver etc. 
(Forts.). — Die Offensiv- und Defensiv watfen in der Schlacht am Yalu. 
Nr. 1277: Manöver etc. (Forts.), — Naturgemässc Reitkunst und ihre 
Grondflätie. — Die Wahrheit ttber die sogenannte 'Wegnabme der 
hoUindieeben Flotte dnreh die IVansoaen, im XSae dea Texel, den 
21. Januar 1795. Hr. 1878: Manöver etc. (Ferte.). — Die feanaariache 
Kavallerie bei den Armee-Manövern 1^95. 

Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. Nr. 9: 
"f. Oberstkommandant Joachim Feiss, Waffenchef der Infanterie und sein 
geistiges Erbe. Eine ehrende Erinnerung an die Th/itigkeit dieses ver- 
dienstvollen Oilfiziers. — Ein Brückenschlag bei Wildegg. — Die Militir» 
bildangsanstalten in Italien und in Dentaehlaad (Forts.). 

SehwfliieriBehe Zeltsehrlft für Artillerie md Qeale. Vr. 9: Hit- 
teilnngen ttber unsere Artillerie. — Geschichte und Bedeutung der St. Luzien- 
Steig. — Versuche der österreichischen Artillerie. — Anfiwrongen des Hanpl- 
manns v. lianneken tiber den Stand der Dinge in China und Japan. 

Revue militaire suisse. (Oktober.) Einige Seiten aus der 
schweizerischen Kriegsgeschichte (Aus dem Sonderbundskriege 1847). — 
Truppeuzusaramenzug 1895. — Bundesschieiseu in Winterthur und Bedeu 
des Oberst Perret. 

Allgenelne Sehwelserieehe MlUtSr-Zeltin^, Vr. 89: Die dies- 
jährigen österreidusch-ungariscben Kaiaermanöver. Nr. 40: f. Oberst 
Joachim Feiss. — Die diesjährigen österreichisch-ungarischen Kaiser- 
mannver (Schlufs), Nr. 41: Der Marsch Oberst Kelly's nach Tscliitral. — 
I)i<' Ubelstande in der englischen Kavallerie. Nr. 42: Der i^Iarsch Oberst 
Kelly's etc. (Schlafs). Nr. 43: Das Zentral- Komitä der schweizerischen 



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UmsdiMt ia der MiUtir^Iittentar. 



365 



Offiziers-Gesellschaft an die Sektionen. — Mitteilungen Uber die schvMM- 
riachcn Kavallerie-Manöver vom 17.- 28. September 1895. 

Ariny and Navy Gazette. Nr. 1861: Chitral. Enthält die An- 
ordnungen, die fiir d'w dauornde Besetzung getroffen sind. }«owie Mitteilung 
über die Sanitais-Vcrbaituisse der Truppen. — Das Uiebt'echten. Die 
Einfthrang einet nenen Offimer^bels bd der InÜuiterie UUk dieBen 
Dienststrelg als notwendig erwlidnen. — Die prenfsischen Manöver bei 
Stettin «dÜen nach Gmndsfttien stattgehabt haben, die nierBt vom Erz- 
herzog Albreöht aniigesteiUt seien, und in Verwendung von Kavallerie- 
Massen und Truppen m<»glicbst verschiedener Provinzen bestanden. 
Nr. 1862: Vergleicb der Mantlver in Deu t sc hl a ii d und in Frank- 
reich. Eine rein aacblicli jrehaltene BetracbtiuiL' eiiio.'^ oii^lisclu n Auircu- 
zeugen über die Manöver in beiden Ländern in Bezug auf den (Jharaktcr 
der Manniehaft, die Taktik der dmtelikea Waffen, den Pferdestuid, die Ver« 
wendnng von Ballons nnd das Ofifirierkoips. — Die grofsen franitf sisehen 
Manöver. Schildemng der Parade vor dem Prüsidenten, von einem 
englischen Augenzeugen. Die Fransosen in Madagaskar. Betrachtung 
über den Verlauf der Operationen. Die Neu-Organisation des 
Kriegsministeriuma. — Die Mobilmachung des Home-Distrikts. 
Schilderung des Verlaufs der versuchsweise stattgehabten Mobilisining, zu 
der 1657 KeserNisten eingezogen waren. Die österreicliische Kavallerie 
Mitteilungen eines englischen Offiziers Uber die österreichische Linien- und 
Landwebr-KaTallerie bei den letiten KaiMr-ManSvem. Hr. 1064: Das 
Regiment der KtfnigUehen Artillerie. Die gegenwirtige Organiaation 
der Artillerie in einem Regiment wird als durchaus veraltet getadelt, die 
Trennung in Feld- und FnJs- Artillerie als dringendes Bedtirfnifs hingestellt. 
Anfterdem fehle es den Offizieren an TJeh^geidieit zum Zusammenwirken 
mit den anderen Watl'en. — Napoleonische Erzählungen. Mitteilung 
einzelner Kpisoden aus dem Leben Napoleons I. in den Tagen vor dem 
Antritt seiner Gefangenschalt auf dem englischen Kriegsschiff Bellerrophon. 
* — Die Verteidigung der indieehen Orenae. Strategische Betrachtung 
Uber die dnreh die Einnahme CShitrals TerKnderten GrenzverhiltniMe, and 
Entwurf einer Truppen- Verteilnng. - Die Dienstvorschriften 1895. Za> 
saramcnstellung der im Laufe des Jahres eingetretenen Veränderungen in 
den Dienstvorschrilteu — Die Einnahme von Antanarivo. Nr. 1865: 
Der in (Ii sc hü Gcneralstab. Bespricht die Bang- und Dienstverhältnisse 
der Offiziere des (ieneralstabes in Vergleich zu denen im Mutterlande und 
bei den anderen Waffen. — Madagaskar. Einzelheiten über die Einnahme 
von Antanarivo nach englischen Quellen werden mitgeteilt. — England 
nnd Italien im Sndan. ISm Mahnruf an die Begiemng, das siel- 
bewoibte Voigehen d«r Italiener nicht gleichgültig anaosehen, sondern die 
Grenzen Egyptens bestimmt festzusetzen. — Die Schwierigkeit in 
Asch an ti. 1*% ^v^rd behauptet, dal's die gegenwärtigen Verhältnisse in 
Aschauti eine fortgesetzte Bedrohung der westafrikanischen Besitzungen 
bilden. Die Entsendung einer militärischen Exjiedition erscheine un- 
vermeidlich. 



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366 UmaoluB in der lOUtir-Ilttenftiir. 



Journal of the Fnited Service Institution. Nr. 211: Die 
Verwendung von Drachen im Kriege. Von Kapitän Baden-PowelL 
Der YerfiuBer hat einen Bteoerbaren Drachen erftunden und durch Veraodie 
hewieieii, daft dieser «uf je «in«o QaadratfliJk ein G«wiebt toh 8 Pfliiid 
tragen kann. Diese Drachen kSnnea m militlrisehen Zwecken verwandt 
werden, zu Signalen, zum Photog^aphiren und zum Heben von Torpedoa» 
die an bestimmten Stellen fallen gelassen werden. Bei einer Gröfiie von 
300 Qimdrattiiis und mittelKtarkera Wind kann ein Mann in die Höhe g-e- 
hohen werden. — Die Schlaclit von Alhuera. Beschreibung der am 
16. Mai 1811 stattgehabten siegreichen Schlacht der .Engländer unter 
Bemfind flher die Franiosen nnter Soult» nach neneaten Quellen. 

Ruisiaolier InTsUde. Verordnungen, Befehle, kleine mili- 
tirische Nachrichten. Nr. 201: Landungs-Hantfver bei Otschakow« 
Bir* 208: Das 1. Ussuri-Eiscnbahn-Bataillou ist am 8. September formirt 
worden. Nr. 205: Unifonn- Abzeichen dor Abteilungs-Stfibe der Feld- 
Artillerie. — Aufnahme-Examen in die militiir-juridißche Akademie. Nr. 209: 
Bemerkungen des Oberbefehlshabers der Truppen, Graten Schuwalow, be- 
stt|^ch der Manöver vom 24. bis 26. Augast. — Distansritt von Petera- 
bürg nach Tachita; Saotnik Kenike vom 2. transhaikalischen Kaaaken- 
Be^nent, der Anftng Juli dieiea Jahree adnen DiatanatHt nach Taehite 
in Petersburg begonnen hat, ist am 12, 9. in Omsk eingetroffen, woselbst 
er die Iliilfte des Weges, 3750 km, ziiriickgolefjt hat; in Tscbita hofft er 
Anfang November einzutreffen; sein Pferd ist 19 Jahr alt. Nr. 210; Ana 
1. Januar 1896 wird in Kowno eine Fehtuiit;s-],uitschiffer-Abteilung fonnirt. 
Hr. 211: Kurze Beschreibung der Linübru» und Ausrüstung der neuformirten 
(49. und 50.) Dragoner-Kegimenter. Hr. 912: Qtollna HanSver am Bohr 
und Närew. Hr. 818: Die oetaihiriadie Linien>Brigade (in Cbabaiowak) 
wurd in „1. ostsihiriache Linien-Brigade*' umbenannt. — In Wladiwoatok 
wird der Stab einer „2. oatsibirischen Linien-Brigade" formirt, in deren 
Verband di<' im Süd-Ussnri Bezirk stebcnden Linien-Bataillone treten. 
Nr. 214: Im Militär-Bezirk I^riaituir wird tür die Truppen dos Siid-Ussuri- 
Bei^irks ein „ostsibirischer Hiegender Artillerie-Park" formirt, der sich bei 
der Mobilmachung in eine „ostsibiriscbe fliegende Park- Artillerie-Brigade*' 
ndt einem Pktronen-Farkt einem Geaehofo*Fark und ekieni Gebixga-Halb- 
park verwandelt — Die Einberufung der Rekruten im Jahre 1894. 
Nr. 217: Bestimmungen Uber den Zeitpunkt der Einführung der neuen 
Pferde- Ausrüstung der Kasaken. — Das 1. Tschemomor-Kasakea- 
Regiment dea Kuban-Ueerea (biaher au 4 Saotnien) wird lu 6 Saotnien 
fonnirt. 

Gröfsere AufsXtee: Nr. 204: Der Luftballon im Feldknegc und 
bei den Manövern. Nr. 205: Der Zngluhrer bei der Kavallerie. Nr. 206: 
Vorbereitende Übungen Dir die Auahüdung der llannadiaften der Jagd- 
Kommandoa im Schwimmen. Hr. HO: Verpflegung dea Kavallerie-Dienat- 
nferdee. Nr.216: Auabildung der Beservisten wXhrend der letzten 
Übung; die 14 Übnngatage (von denen 3 Feiertage abgingen) aind nicht 



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867 



aasreicLenrl. um die Mannscbaflen mit dem neuen Gewehr bekaant Stt' 
machen. Nr. 219: Kavallerie-Manöver im Militär-Bezirk Wilna 

Russisches Artillerie-Journal. Nr. 7: Von der Bestiuiuiung der 
wahrscheinlichen Abweichungen der einzelnen Flugbahnen der Geschosse 
▼on der mittlere^ Bahn im Wege der BereehnnDg. — DUt VerteÜQiig der 
Defiirmatton In Metallen, welche der Wirknng einer Kraft nnterwoffen 
sind. — Die allgemeinen Regeln des Einschiefsena und die AnmdmiDg 
des Schielsuntcrrichts in der französischen FeatnngB-Artillerie. — Die 
Nitrirung der f lc»cke. — AnilösUehee P^yroxylin snr Berdtaing kQnsÜiGher 
Seide. 

Russisches Ingenieur-Journal. Nr. 1: (Januar 1895.) Rede des 
Gen -Lts. Sabotkin beim 75jährigen Jubiläum der Nikolaus-Ingenieur- 
Schule und -Akailemie. — Nichtoff isieller Teil: H Engende Brfteke 
mit mittlerem Sekarnier; länleitang; Aeoretiaehe Berechnung (mit 

Zeichnungen). — Graphisches Verfahren der Lösung einiger algebraiaeher 
Gleichungen^ in Anwendung bei praktischen Fragen des Bauwesens. — 
Fesselfroie und lenkbare Lufthallojis; mit Zeichnungen. Nr. 3: (Mfirz 1895.) 
Beilage: Jahrbuch der Elektrotechnik (Vorlesungen in der Offizicr-Klasso 
der elektrotechnischen Schule); mit 13 Zeichnungen. Nichtoffizieller 
Teil: Sappeur-Bemerkungen; Über Arbeitsleistung bei Erdarbeiten. — 
Zusammensetsung und YerfUuren der HersteUnng von Gement-Miachong 
(und Beton) war firiangnng der giSftten Featigkeit — Die rtaatliehe Yer- 
Sicherung der Gebäude und des Eigentums der Militär- Verwaltung. — 
Hängende Brücke (Forts.). Nr. 4: (April 1895.) Lehrbuch- der Elektro- 
technik (Forts). — Nichtoffizieller Teil: Sappeur-Bemerkungen; 
über Ubenviudung künstlicher Hindf^rnisse. — Hangende Brticke (Schlufs). 
Nr. 6: (Mai.) Nichtoltizieller Teil: Kurze Beschreibung der Organi- 
sation der Kll8ten>Verteidigung in den ▼eraehiedenea Staaten. — Zasammen- 
aetsnng und Verfthren der Hentellnng von Dement etc. (ScbluAi). — Bau- 
Sanitftts-Bemerkungen; Orfinde und Folgen der Feuchtigkeit in nen 
an^ftihrten Gebäuden. — Das Gesota der Erhaltung der Energie in der 
Thron'p der p'alvntiischen Elemente. Winter^Übungen dea Fectunga- 
Militär-Telegraphen Nowogenrgiewsk. 

Wajennüj Ssbornik. (September.) ErinntTun^^cu aus dem Leben 
im Felde während des Krieges 1877/78 (mit einer rikizzej. — Über die Be- 
deutung dea nationalen Charaktere tu der heutigen Taktik. — Über die 
Yereinfachnng des Reglements. — Das Donische Kasaken-Regiment vor 
hundert Jahren. — Der Platz der Artillerie unter den anderen Waffon« 
gattungen. V. — ArtiUeriatische Bemerkungen. — Die Verpflegunu der 
Truppen im Kriege. — Übersicht Uber die Mafsnalmien, durch welche das 
Rekruten-Kontin}.'ent gehoben werden kann. — Die Unteroftizier-Frage in 
den europäischen Heeren. IV. — Einige Worte über die Verpflegurifr der 
Ofifisiere im Kriege. — Das Gebiet des rechten Stromufers des Amu-Darja 
und aeinea Znflusiea von lUdy-Wantach hie Kerki. ~- Die Kohmial- 
Truppen Dentachlanda, Italiena und Frankreieha. 



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868 



tJmaofajui in der Militir-Iittentar. 



Raswjedtschik. Nr. 253— 254 : Bild und Bio;,'ra{)hie des General» 
ICftrkoff, z. Z. Chef des Stabes des kaukasischen Anueekorps und bekannt 
dnrch seine soeben beendete Geschichte der Keiterei -~ Die MeUerdter 
in der dentseheik AmiM. — Die B«Mkmig der IWnng Sehnmla 1878. 
Hr. M6: Die Bröffnniig des Nord-Ostsee-Kmiak L Bericht eines Angen- 
aetigen. — All;, i i in Anschauungen (Prinzipien) und ihre Bedeutung flir 
den Soldaten. I. Nr. 2ö6: Die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals. II. — 
Allgemeine Anschauungen u. s. w. II. — Die Velozipedisten-Komniandos 
bei den Ti-uppen. Nr. 257: Allgemeine Anschauungen u. s. w. III. (eine 
Abhandlung des bekannten Professors an der russischen Generalst&bs- 
Akademie, Generals Leer). — Der Bau nnd die Verwendung eines lie- 
weglidien ffieles. — Die SrilAmng des Kerd-Ostnee Kiinaln. HL 

BiTfste Millten Italiaaa. (15.0lcteberO Die ttidSk im OeUise. 
Notizen Uber die Verwendung von FosoelbellonB mf d«tt SehleditMde. 

— Spionage im Krieg und im Frieden. 

Esercito Italiano. Nr. 120: Die Zukunft des nationalen Scheiben- 
schiefsens. Hr. 121: Regional-Rckrutirung und feststehende Garni.sonen 
(gegen diese). — Einberufung des Jahrgang» 1875. Nr. 122: Die Operationen 
In ligre. — Das regionale System. — Das neue PensionS'Beglement 
Hr. 188: Das Oefeeht Debra-Ailot. — Die IstsUrke des Heetes. 
Vr. 184: Einbeordentngen und Entlassungen 1893/94. ~ Die Taktik bei 
nnsem (italienischen) grofsen Manövern. Nr. 125: Rckrutirung und 
Augmentation im Kriegsfalle. Die BezirkKeinteilung in Eritrea. 

Rivista di artigflioria e genio. (September.) Bemerkungen 
über den Schiefs-Unterricht für die Arfillerie. — Die elektrischen Ofen. 

— Die deutsche Instruktion ül>er die Darstellung der Kriegsscheiben lux 
die AxtiUerie. ^ über die Klas^ation der BkbtmeiBter ham Sdiieten 
an den Kfiflte& ~ Von eber Konrektor beim Sebrapnebehulk. 

KrigsTetenskaps-Akademieu-SUndllBgir. (Schweden.) 17.«. 

18. Heft: Von Nürnberg nach Lützen. 

Norsk-Mllitaert-Tidsskrift. (Norwegen.) 9. Heft: Der erst» 
Verband bei Schufswundeu. 

De Mllitaire Speetator. (Holland.) 10. Heft: Betrachtungen über 
Militär-Telegrapbie. — Die Seeschlacht am Talu. 

BarlBto eientUloo-Militer. (Spanien.) Vr. 18: Militttrische Trans- 
porCe auf den Eismbahnen. I. AUgeneine GmndsXlae. — Die moderne 
Infiinterie*Taktik gelegentlich der neuesten Reglements. VII. VIII. — Be- 
merkungen über die französische Kavallerie verglichen mit der deutschen. 
Der Sicherheitsdienst (Forts ). Nr. 19: Militärische Transporte auf den 
Eisenbahnen. II. Mittel >ini Verwirrung bei den Transporten zu ver- 
meiden. — Die modcrue inlanterie-Taktik etc. (Fortü ). — Das kriegs- 
mäisige Schielten der Infanterie (Forts.). — Beweisstücke zur Geschiehte 
des eliinerisch-japanisdien Krieges (Forts ). — BemeriLungen filier die 
franatfnaehe Kavallerie etc. (Forts.). 



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Uanehm in dtt MiUlir-Utteiatv. 



m 



IL fiftoher. 

Der Kxtof 187(^71 von Arthur Chuqvet Aatorinrte Übcnetsnog 

•nt d«on TnnMStbAm von L. A. Hanff. Zittui 1895. Bdd'teli« 
BaeUmodlnnf . FnS» 8 H. 

Mit VontehAttdem livc^t uns eine ganz vorzügliche Übersetzung eines 
höchst beachtenswerten Buches vor. DassiJLe enthält die Darstellung des 
deutscli -französischen Krieg'es bearbeitet nach französischen und deutschen 
Quellen in etwa 300 Druckseiten. Selbstredend konnte hierbei die Dar- 
stellung der Schlachten nur eine flüchtige sein; immerhin giebt sie klare 
und im Allgemeinen nach richtige Bilder. Wenn die Arbeit somit dem 
Taktiker aneh vMrUltnifriiiiUg weniger bietet, m irt rie in etratcgischer 
und polilbelier Hinaieht dodi mn m int erco ae n ter, als darin die Znatlnde 
in and Inaler der firanaSsischen Armee in den verschiedeniten Pliaaen dea 
Feldzuges, so'v^'ie YorgSnge bei den verschiedenen Regierungsgewalten und 
unter den höheren Kommandostellen eine weit eingehendere Beltnabtun^ 
erfahren, die vieles bis dahin un.s noch Unbekanntes an's Licht bringt. So 
ist von besonderem Interesse die Schilderung der Unordnung, UnschlUssig- 
keit und Verwirrung, die sich wShrend der dortigen Mobilmachung, des- 
gldehen im Hauptquartier nnd bei den Anneeobakonunandoa nadi den 
ersten ▼erlorenen Sehlacbtmi seigte. Die YorgUnge Ikinerlialb dea be- 
lagerten Metz und Paris worden ebenso eingehend und durchaus ol^ektiT 
geschildert, wie später die Zustände bei der nationalen Verteidigung sowie 
in und hinter der Loire-Armee und erschütternde Bilder von der Demo- 
ralisation entworfen, die dort nach den verlorenen Schlachten eintrat. 
Uberaus tretiende Ciiarakteristiken giebt Verfasser von Wimpffen, Mac 
Haben, Gambetta, Freycinet, Chanay, Duerot etc., desglmchen eine ana- 
fllbrliebe^ vieHeiebt nickt immer gerechte Vemrtdlang Baaaine*8. — Der 
französische Generalstab wird hart nutgenommen nnd die Anabüdnng der 
Truppe, besonders der Kavallerie, bezüglich fehlender Anfklirttng 
scharf ^'Ctadelt. Wir begegnen Uberall in dieser Schrift einem gründlichen 
Studium und einen» klaren Urteil. Aber in jct/ip-er Zeit, wo wieder so 
viele ungerechte Beschuldigungen gegen die deuüiche Armee erhohen nm\ 
Thatsacheu in chauvinistischer Tendenz entstellt werden, muls es ganz be- 
aonders anerkannt werden, wenn ein Fransose wie bier der Wafarhrnt die 
Ebre giebt und in riebt^em Patriotiannis nnd wohlverstandenem firan- 
aSdieben Interesse seinen Landalenten ihre eigene Verblendmig und die 
wahren Ghrfinde ihrer Niederlagen mit schlagenden Gründen vor Augen 
führt, wie er auch keinen Anstand nimmt, die Vorzüge der deutschen 
Armee, die Klarheit, Besonnenheit und Entschluf8fahif;;keit ihrer Führung 
sowie die Disziplin und Hingebung der Trupjie unumwunden anzuerkennen! 
Um in dieser Hinsicht kurze Beispiele anzulühren, so schliefst er seine 
DaiatelluDg der SeUaeht von Spichereu, nachdem er erwttlm^ dab dieselbe 
dentseherseita nidit geplant nnd daher aneh nicht einhdilieh geleitet worden 
war, mit den Worten: „Sie (die Dentschen) Tttdankten den Sieg ihrer 

Kühnheit, ihrem kriegerischen Selbstvertrauen, dem Geist hochhenügtr 
Jakrbaeh«! fb di« Davfadi* AniMo und iUiiam. Bd. 97, t. 25 



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370 



UmacbAa in der Militir - littenttur. 



KameradBchafl. Alle marschirten geschlossen nach dem Kanonendoimer!* 

— Entspreehand Mgt er am Scbk/s des Bnehfis titer die f k tmBriadm 
Axmee des KaiserNicbt: »Dio Fnaaoma ktfimen •idi nienMls snm Angriff 

imftwWwlüWii, ne aind tapfiar, ftnxig, voll Begeisterung und Kampflust! Sie 
würden vielleicht den Sieg gewinnen trotz der Fehler ihrer Organisatioa 
und ihrer etwas laxen Disziplin, wenn ihre Führer kühner wären I"* — 
Und über die Armee der zweiten Periode sagt er, nachdem er die fehlende 
einheitliche Leitung und die Verzettelung der Kräfte beklagt hat: „Der 
Wahrheit die Ehre — die Niederlage war unvermeidlich t Soldaten lassen 
aich nicht improyisiren nnd nngettl»te Uaaaen kltamen nleht wohUHUgeblldete 
IVappen seblagen» welebe in aaUreiciien Treffen eipioU nnd Moh anf 
Jhre Siege sind!" 

Es bedarf wohl weiterer Beweise nicht, um dieses ebenso gehaltvolle 
als seiner Tendeoa wegen doppelt interesaanle Buch wärmstens empfohlea 
in haben! v. M. 

Die SchlMkt bei Jemt von Dr. £dnard Ijeidolph. Mit 2 Karten nnd 
2 Autotypien. Jena 1896. Fronunann'sehe Hofbnchhandlnng. 

AU Ffirst Binnarelc am 31. Jnli 1892 anf dem Marktplatze in Jena in 
»einer Ansprache an die Bevölkerung u. a. es ausdrückte, dafs der Name 
„Jena" für ihn zwar einen schmerzlichen Klang hätte, dafs aber ohne Jena 
filglich auch kein Sedan j;ewe«eTi wäre, — da drängte sich dem Dr. Leidolph 
die Wahrnehmung auf, wie Wenigen wohl ein deutliciies und richtiges Bild 
jener unglücklichen Zeit Preuisuus und des denkwürdigen Kampfes vor 
Augen stand. Diesem Hangel einer gediingten, für Jedennann ventltnd- 
liehen, gesehiehilicli-trenen Dazstellnng soll die vorliegende kleine Schrift 
dienen, die u.a. die Werke von Höplber, Monthd, Lettow- Vorbeck und 
Trenenfeld gewissenhaft benutzt, im übrigen ans den mündlichen nad 
schriftlichen Uberlieferungen lokaler Natur den gescliiclitlicheu Kern um» 
sichtig herausgeschalt hat. Das schlichte Büchlein erhebt also keinen An- 
spruch auf kiiegsgeschichtliche Quellenforschung, aber wir gestehen ihr 
unumwunden das nicht geringe Verdienst zu, eine wertvolle, zuverlKssige 
Gabe an sein ftr den ,»geäldeten Kann." In einem angehängten Ab- 
sehnitt schildert Dr. Leidolph „die Frannoien in der Stadt**; — es wire 
diesem Kapitel fränkischer Greuel eine weite Verbreitung an wfinschenl 
Vielleicht sendet der Herr Verfasser dem z. Z. berüchtigt gewordenen Ver- 
leumder, dem General Munier zu Paris, seine Schrift zur Sondererbanung! 
Die beigegebenen Schlacht karten stud einfach-vei-ständiicb — \nid, was 
wesentlich ist — richtig. Die „Ansichten" — aus dem Jahre 1809 stammend 

— „heimeln an.'* 84. 

Lft guerre sino-japanaise et ses eonsilliiences pour TEurope, par 
F. de Villenoisy. 48 pages. Paris -Limo;^os 1895. Ch. Lavauzelle. 

Der Herr Verfasser bemüht sich, den Nachweis zu liefern, dafs der 
genannte Krieg eine beträchtliche Srhwiicbung der maritimen Machtstellung 
Englands und eine tiefgreifende Umwälzung des chinesischen Kelches, das 



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ümMdiaa in der IQlitiiwIittentar. $71 

ein Vasall Japans geworden sei, zur Folge habe. Er meint femer noch, 
dafs es zu spät sei, nun der zukünftigen Gröfse Japans Hindemisse be- 
reiteii m küiuieii mid Sit der Amicbt, däfli der OMle enroptiidie Verbllndeta 
der Japaner rieh ein imgew6liiiIicheB poKtiaches Übergewieht riehera werde, 
Zn dieeem Zweeke b ef ttrworte t der VerliMMer einen Drmband FrankrdebBr 
BaAlaads und Japans; derselbe steht allerdings im Widerspruch mit der 
von den beiden ersteren Mficliten seitlu'r befolgten Politik. Es wird ferner 
betont, dafs die deutBclie Politik, welche sich der politischen Aktion 
Rufslnnds und Frankrciclit; bekanntlich angeschlossen hat, lebhatien 
"Widerspruch in der deutüciion Tagespresse gefunden habe. — Die kleine 
Schrift giebt tn denken. Vfht empfüilen aie der Beachtung aller be* 
teOigton Kreiie. 4. 

BeitrKge zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere. I. OfiGzier- 
Pelddienst- Aufgaben. Von Litzmann, Oberstlieutenant. Mit 
1 Kroki, 1 Skizze und Blatt Cosel der Karte des Deutschen Reiches 
1:100000. 2. Auflage. Leipzig 1894. Lang. 

Ein vortied hohes Werk, aus dem Lebeu und der praktischen £r- 
flüinmg heraiiB geaehaffiMii welches der Anebildnng uneeree Offiaerkerpe 
reichen Nnteen bringen wird und, wie die Netwendigkeit, nach wenigen 

Honaten eine zweite Auflage zu veranstalten, beweist, schon gebracht hat. 
— Die Urteile innerhalb des OtYizif rkorps tiber Wesen and Zweck der 
Ofiizier-Felddienst-Aufgaben sind ja sehr verschieden, teihvpise recht ab- 
sprechende. — Der Grund hierfür ist wesentlich in der unrichtigen Art 
au suchen, wie die Felddienst-Aufgaben angelegt, geleitet und besprochen, 
oder wie ja leider bei vielen „Leitenden^* die Bezeichnung lautet, „kritisirt" 
werden. Sehr richtig sagt der Herr Yertoer: „Nicht blos fHr die ana- 
fthrenden Offiaiere, sondam auch ftr den Ldtenden iind dieee Übungen 
von Nutzen. Anlage und Leitung derselben erfordern ein nicht geringes 
Mafs geistiger Arbeit, und schon der Verlauf der Übung zeigt in der 
Regel, ob diese Arbeit nach richtigen Gesichtspunkten erfolgt ist. Oft 
wird *'s fraglich spin, wer bei der Übung mehr gelernt hat, die Partei- 
iührer oder der Leitende selbst." — Sollen aber diese Übungen ftir die 
HennUldang uiäMrer jungen Offixiera von wbrkHohem Nntaen sein, so 
molk die Freude an denselben Seitens der V(»rgesetiten geweckt werden. 
Die Schroffheit so Tider Leitenden, welche ihre Hanptau%abe darin sehen, 
möglichst alles von einem oft ganz vorgefafsten Standpunkt aus zu tadeln, 
um hierdurch — zu beleliren. nimmt aber dem Führenden <Vic Freudigkeit 
an der Sache und vor allem die Unbefangenheit des Entschlusses. — 
Auch nach dieser Richtung hin kann das Werk des Verfassere viel Gutes 
wirken. Die reiche Gedanken- Arbeit, welche es enthält, wird nicht nur 
belehren; sondern auch anregen. — L. sucht an awei prakttsehen Bei- 
spielen das Wesen der Schwiorigkeiten, welche die Anlage und Leitung, 
ja auch die Beurteilung solcher Übungen bietet, sowie die Mittel zu ihrer 
Überwindung zu ei^ränden. An jedem Beispiele werden nach einander 
die Anlege, die Leitung, die Besprechung der Übung und schliefiriich 

25* 



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i 



372 Umschau in der MUitfir-Litteratur. 

deren Bearbeitnng dnrcli die FfUirend«! in getrenntem AbflcimitteB be- 
handelt Und «war geechieM dies stets mnUdist dnreli die DsnteUong der 
imktischen Ansfttbmng und dann dwrdi die Bdenehtnng derselben nadi 
den verBchiedenen Richtungen hin. — Wir können zum Schlosse dieser 

kurzen Besprechung nur noch einmal unser Urteil dahin zusammenfassen: 
Die Arbeit Litzmann's verdient in jeder Beziehung ungeteilte Anerkennung, 
sie sollte von jedem Offizier, welcher Felddienst-Aufi^nbea zu stellen und 
zu leiten hat, nicht nur gelesen, sondern studirt werden. 17. 

österreichische Truppen in den Herbst-Manoyern 1894 im Lager 
bei BruclL und Landskron, unter Berührung einzelner taktischer 
und regleraentarischer Fragen, von Roesscl, Kgl. Preufs. General- 
lieutenant a. D. Berlin 1895. Verlag der Liebel'sdien Buchhandlung. 

Preis 3,50 M. 

Warum soll ich es in Abrede stellen, dafs mir. der ich seit fast 
30 Jahren das uns nunmehr eng verbundene österreichisch-ungarische Heer 
nicht mehr gesehen habe und dem dne eingehende, saehliehe Darstellung 
nnd BeorteUung Fronder über seine Ifanttver kaum vor Augen gekommen 
ist, dafs mir dt^r RoeBsersclie starke Band eine höchst erfreuliche 
Gabe erscliien und erscheint. Ich habe mich 8 Tage lang eingehend mit 
dem behaiidL-ltfii rJogenstandp beschäftij^. — unterstützt durch das bei- 
gegebene reiche Kartenwerk — und den erfreulichen (^csaimnicindruek 
gewonnen: die grofsen österreichischen Truppenübungen bosn-lien auch liei 
genauer Prüfung im Greisen und im Einzelnen und bieten die volle 
Bürgschaft für vortreffliche Leistmigen unserer VerbUndetea um Emstftlle. 

Der Herr Verfasser hat als Privatmann, m Fuft nnd „mittendrin** 
den Übungen beigewohnt, was seinem an sich anständigen Urteil den 
Wert der Unmittelbarkeit und liebendigkeit verleiht. Doch wurde er 
attch in die Kreise der Offiziere bis hinauf zu den „Leitern" zu<j('lass€n. 
Bei aller sachlichen und formellen Milde ist sein Urteil bet'tiintut; er 
bringt auch Ausstellungen in Menge, selbstverständlich — möchte ich 
sagen — stets som Vergleiche unsere Armee heranziehend, die keineswegs 
an tadelnden Bemerkungen leer ausgeht. Man kann s. B. nur der 
Roessel'schen Ansicht b^pffiehten, daft das — mit der BimiBBrtienmg in- 
sammenhängende ruhige HeranfQhlen an den Feind, das Gowaltren von 
Zeit an die Führer, die systematische, langsame Gcfechtsentwickelung, die 
er zumeist in i )stern'ich gefunden hat, dem meist scharfen Drängen, 
schnellen Entsclilicfsen und Anbeifsen bei tms vorzuziehen ist: — der 
Feldzug 1870/71 giebt doch deutliche Lehren, wie solche i:]rziebung sich 
bestrafte (-— woUbemerkt: den Drang nach vorwlrts, die Selbststlndigkeit 
wollen wir dabei kemeswegs missen!) ~ Hauptsweek des Generals 
Roessei war: die Einselheiten der Oefeehtsthfttigkeit der veischiedenen 
Truppengattungen, wie deren Führunf^ und Verhalten im Gelände an 
sehen. Der Trn^jer aller Erfolge, die Disziplin, wird auf Grund ge- 
nauester Beobachtungen als durchw^ vorzUglicb beseichaeW 34. 



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ünacban in der Milit&r-Iittentar. 



Wismar. Eine breunende Frage. Von Uberstlieutenant a. D. 
Frobenin«. Wiimir 1895. Hinstorficiie Hofbachhandlung. 
Der Heir Yerfkiser tritt in lebbafter Weise den Fragen nXber, wu 
ans Winnar im Jabr 1903 beaw. 2003 werden aoU, dab die I^analfiage 

EMo— Stör— Scliweriner-vSee— Ostsee eine Lebensfrage ftir Wismar ist und 
dafs die Einrichtung der Wismar-Buclit als Kriegshafen zur Sicherstellung 
des Ostaus^angs des KaisorAVilliplms-Kanals bei Kiel zur Vervollständigung 
unserer maritimen Vertoidij^iiiJgs-Vnrkchriitif^'CTi gt'hört. — Dafs Dmitsch- 
land zur Zeit genau so wenig Recht an W ismar hat wie der Pfandleihor 
an ifie üfar, welche bei ihm versetst werden ist — wird Hanehem, ja sogar 
«ehr, sehr Vielen tmbekannt sein! 1648 wurde Wismar an Schweden 
flberbMsen, allerdings nnr als Beichsleben nnd 1803 erhielt Schweden die 
Summe von IV4 Million Thaler Hamburger Banko gegen Verpfhndung 
von Wismar. Der Art. III des zuletzt geschlossenen Vertrags lautete: 
„Seine Diwchlaucht der Heraog von Mecklonburg-Schwerin entsagen auf 
immer sowohl für Sich als für Ihre Nachfolger dem liechte, gegen lieten- 
diruug der Hypothek die Zurückzahlung des Kapitals zu fordern, da- 
hingegen Seine Majestfit der Kdn^ Ton Schweden Sieh Torbehalten, im 
Jahr 1908 wieder in den Besits der verpfilndeten Stadt, Hensehaft nnd 
Aemter xa treten; sollte dieses aber von Seiner Königlich Schwedischen 
Majestät nicht konvenirt werden, so kann das Wiedereintösnngsreeht nieht 
reklamirt werden, sondern die gegenwärtige Vereinbarung wird so an- 
gesehen, als wenn sie noch auf andere 100 Jahre ernenert wonlen wäre.** — 
Auf Grund dieses Vertrags würde demnach dem Grofsherzog von Mecklenburg 
im Jahr 1903 das Recht nicht zustehen, die Rückzahlung des Kapitals 
mit Sünscssinsen (etwa 100 Millionen) m Tolangen nnd Hüls die Ein> 
iBsnng nieht erfolgt, das Ffitnd ftr ver&llen an erklüren wenn der Ver^ 
trag nicht durch Thronweehsel in Schweden stillschweigend ungültig ge- 
worden ist oder, — sofern die Gültigkeit von Schweden Liansprucht 
werden sollte, wenn es unserem Minister des Aufseren nicht ^•(din;ren 
Asiirdf, diese gegenstandslose Besitztitels-Frage auf irgend eine Weise aus 
der Welt zu schafien. — Bezüglich der Kanalfrage wird betont, dafs 
Lübeck durch den Nord-Ostsee-Kanal som Bau des Elbe— Trave-Kanals 
gezwungen worden ist nnd in Konsequenz hiervon Wismar ohne seinen 
dgenen projektirten Kanal nodi tiefer wie jetat als Handdsstadt sinken 
würde. Die Linie Wismar— Schweriner-See — Grabow— C umlose wird für 
die beste erklärt, zur Verbindung von Magdeburg in fast gerader Linie 
mit der Ost-See bei Wismar, sie ist allerdings nnr 255 km lang. Die 
Linie über Dömitz hat eine Länge von 2R9 km, die Verbindung von 
Magdeburg mit der Ost-See Uber Lübeck 335 km. Der Lübecker Llbe — 
Trave-Eaaal ist aber bereits sichergestellt nnd werden die Wflnsche 
Unsmar^B anniebst wohl keine Aussicht aar Yerwirklidinng haben. Vm 
sicherste Oewühr aur Kanalanlage wikrde Wismar haben, wenn rieh die 
MilitÄr- Verwaltung dazu entschliefscn könnte, das um Wismar liegende 
Wohlenberger Wiek als Kriegshafen einzurichten. Der Herr Ver- 
fasser bezeichnet diese Kinrichtung als ebenso notwendig für die offensive 



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I 



374 UmMbia in der IDHtir'IittMlmr. 

Yflvtndigiuig d«i| iSeler Htümeingangs wie HetgolMid für miMm KfiitaB 

mid BKfen in der Nord-See. — • Die hier angeregten Fragen sind zweifellos 
von grofsem allgemeinen Interesse. Die kleine Schriüt enthält eine Fülle 
anregender Gedanken in nationaler, national-Ckonomiacher nnd miliUürischer 
Bedehang. 67. 

Orguilsatiom des Colonlw VrancalmB et des Pays de Proteetont 

par E. Petit, soos-chef de bnrean au minist^ dea colemea» pro- 

fessenr k T^ole eoloniale. Tome H. Avee le concours de MM. 

Blondel et Yon, snns-rhefs dn Vmreau au minist^re des colonies. 
Publiö avrc ratitot isation du Miiiistic des Colonies. Paris, Nancj 18d5. 

Berger-Lcvrauk & Cie. Preis 12 Frcs. 

Das uufingescliränkte Lob, welches wir dem 1. Bande dieses für 
alle koloMialeu Kreise hochwichtigen Werkes spenden konnten, gebührt 
awdi dem jetst Torliegenden 2. Bande. — 8dt dem Encheinen dea 
1. Baodea hat aber nnaer weatlielier Nachbar «nea wichtigen Schritt in 
der Entwickelang seiner kolonialen Organisation gethan. Durch daa 
Gesetz vom 20. MUrs 1894 — also wenige Tage nach dem Enehelnen des 
I. Bandes, wurde ein besonderes ^linistcriuin der Kolonien geschaffen. 
Hierdurch sind eiiic Iveiiu" von uudir oder minder groTsen Änderungen 
in der Organisation der Verwaltung notwendig geworden. Es verdient 
besondere Anerkennung, dafs der Verfasser dieselben in eingehendster 
Weise in einem sehr nm&ngreiehen Anhange berficksiehtigt hat Für 
Deigenigen, wdeher sidi noch grandlicher mit den Kolomal-Verhiltnisaen 
Frankreichs vertrant machen will, dient die in einem zweiten Anhange 
gegebene Zusammenstdhing der wichtigsten bibliographischen Quellen. — 
Wir heben nur Einige aus dem reichen Inhalt hervor. Von grofser Be- 
deutung fiir die Strafrechtspflege in Frankreich ist die „Trausporiation" 
und „die Relegation" der Verbrecher in die Kolonien. — Daa Gesetz des 
Jahres 1854 bezeichnete als Zweck der „Transportation" die Entfernung 
gefährlicher Verbrecher ans dem Mntterlande, nm dieselben aagltieh dnreh 
die Arbeit in den Kolonien an bessern, das KatienalTermligen aber wn 
heben. Bereits 1848 hatte man begonnen, schwöre politische Verbrecher 
in den Archipel der Marquesas-Inseln zu schaffen. Diese Strafe, „die 
Deportation", war meist für Lebenszeit verhängt an Stelle der Todesstrafe. 
Heute sind Guyana, Neu-Kaledonien , (Jabon und Obock zur Aufnahrae 
von Strafgefangenen bestimmt — Aus der Ubersicht über die öäentlicheu 
Arbeiten in den Kolonien «rgiebt sidi, da& Seitens des Staates 8 Bahnen 
gebaut sind, die Küstenbahn anf der Insel Bionioo nir Yerbuidiiag w$t 
dem an der „Pointe des Oalets*^ angelegten Hafen (126 km)^ die Bahn 
von Dakar nach St. Louis (264 km) und die Bahn vom Senegal zum 
Niger, von Kayes nach Bafulabe (130 km). — Im 1. Anhange wird eine 
Reihe wichtiger Staatsakte wiedergegeben, welche ein lebensvolles Bild 
der Tbätigkeit und der letzteren »'ntsprechenden Fortschritte Frankreichs 
in allemeuester Zeit auf kolonialem Gebiete geben. Zunächst das Geaets 
yom 25. Jofi Jn welches die Abgrensnng der BUdonien das ftanaBdschen 



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UmacIiAu in der Militiur-Iitteratar. 



375 



Kongo und Kamemn entsprechend der Beriiner Veninbening vom 4. Felmur 
1884 feeleetet, deim die FeetsteDoog der GraDse switehen den finHuSriBehen 

Kolonien nnd der Republik Liberia durch Gesetz vom 31. Juli 1894^ dann 
der Vertrag zwischen Frankreich und dem Kongo-Staat vom 14. August 
1894. — Wa« die Verteidigung der Kolonien anlangt, so liegt die Sorge 
für dieselbe, soweit die Verwaltung in Frage kommt, in den Hfinden der 
^8. Direktion" des Kolonial-Ministeriums, welche wieder in zwei „Bureaus" 
gegliedert ist, von welchen das erste die rein militAiischen, das zweite die 
iniUtKr^xniniiinlnren Angelegenheitoa bearbeitet — £m Dekret dei 
KriogenuDuleni Tom i. Angnat 1894 ietnt fest, daae die Kohnual'Aimee 
seh, aow^ es das französische Element anlangt, auBachliefitlich aus Frei- 
willigen ergfinzen soll. Die Dauer des „engagement volontaire" beträgt 
8, 4 bez. auch 5 Jahre. Nach Ablauf desselben kann ein „rcngagornent" 
auf 1, 2, 3 oder 5 Jalire eingegangen werden. Die Gesammt-Dauer des 
„rengagement ' dart 15 Jahre nicht übersteigen. Der Anzuwerbende muüs 
kSrperlieh bnndibar, sieht unter 18 niid nickt Aber 82 Jahre alt adn. 
Für die Harine-Artillevie ist eine K8rpeigrBflw von 1,66 m, ftr die Marine- 
Infanterie nnd die Handwerka'Kompagnie eine solche von 1,64 m er* 
forderlich. Der „engag6 volontaire" erliilt, sobald er ein „engagement" 
von 4 Jahren eingeht 100, schliefst er ein «nlches von 5 Jahren ab, 
200 Francs als Prämie ausgezahlt. — Für die „rengagements'* werden 
auch Prämien gezahlt, welche bei einem solchen von 1 Jahr 100 Francs 
betragen und bis 600 Francs steigen (für 5 Jahre). — Aufserdem erhalten 
alle UnterofSnere (caporanx vnd brigadiers) nnd Genidne der K<^nial- 
Annee eine tiglieke Znhige, sobald sie länger als 8 Jahre dienen. Die- 
selbe betrügt während des dienstlichen Aufenthalts des Soldaten im Mutter* 
lande bei einer Dienstzeit von 3 — 6 Jahren 0,30 Franc, über 6 Jahre 
0,50 Franc. In den Kolonien erhöhen sich die Zulagen auf 0.60 bez. 1 Franc. — 
Wir möchten wünschen, dafs auch füx unsere jungen Kolonien ein ähn- 
liches Werk geschaffen würde. 17. 

VArmhe allemmile» per Ch. Speckel « capitaiae dv genie et G. Foliot, 
lieutenant du genie. Faria 1886. Beiger-Lerranlt et Cie, Editeen. 

Prix 5 Frcs. 

Wenn sich alle Franzosen bemühen wollten, so objektiv zu schreiben, 
wie die beiden Herren Verfa-sser, so könnte das französische Volk sich 
nur beglückwünschen. — DieselhHn haben mit srliarfem Blick in Deutsch- 
land an Ort und ätelle beobachtet, fleifsig und mit guter Auswahl die 
entapieehenden Quellen in der HSitiriitleMtiir benntit^ Daa Book aerftlH 
in 8 Kapitel, ea werden anf 816 Seilen beaproeben: 1. Ursprung nnd Ent- 
wickehing der deulieben Armee; 2. Allgemeiner Überbliok über die angen- 
blickliche militärische Organiaatioa; 3. BefehlsfOhrung und Kadres; 4. Ver- 
pfleg^ung, Rechtspflege, Versorgung; 5. Infanterie; 6. KaviJlerie; 7. Artillerie, 
Ingenieure, Eisenbahner, Luftschiffer; 8. Mobilmachung. 

Die einzelnf^u Fragen werden im Allgemeinen zutreffend und in 
fesselnder Schreibweise beantwortet, die Herren Verfasser haben nicht nur 



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376 Umidun in dar IQUiir'Littentar. 

fUr ihre eigene Waffe, sondern ancli für die anderen Waffen und fär d&s 
Allgemeine ein offenes Auge; bei Aufseningen, die nicht auf eigener Be- 
obachtung beruhen, sind die Quollen namentlich angeführt. Sifht man 
von Einzelnem ab. das stark französisch geOirbt ist, so ist die Li^klürr ftir 
Jeden als eine angenehme zu bezeichnen; sie wird durch ch&rakteristiäche 
Zeiehnnogen und Initialen gehoben. Als BdBjnel tm genannt, daft daa 
Kapitel „Infimterie*' mit: — uneerem alten Heldenkaiaer beginnt, wie er 
am historischen Eckfenster daa Aufziehen der Wachtparade beohachtetl 
Bttcber, wie das vorliegende, haben für das grolse Publikum immer be> 
Bondere Anaiehnngakxaft — selbst Ar daa nüchterne dentsche. 57. 

Das Wehrwesen der Schweiz, III. Auflage, von J. Feiss, Oberst, 
Waffenehef der scbwds. Infiwterie und Kommandant dea II. Annee- 
koipe. Veriag: Art Institut Orell Fttssli in Zürich 1896. Preis 6 Fr. 

Der Imder vor Knnem Terstorbene Verfteser war in seiner Eigenseliaft 

als Waffenebef der In&nteiie wohl die custündigste Persönlichkeit» wenn 

es sich um eine zuverlässige Schilderung des schweizerischen Wehrwesens 
handelte. Das gut ausgestattete Werk ist in IS Abschnitte gegliedtTt. Der 
„Einleitung^*, welche die bisherigen Wehrverfassungen, vom Sompacher 
Brief von 1393 bis zum Ausbau der Militärorganisation von 1874, in 
Kürze bebandelt, folgen die Abschnitte: Die Militärbehörden, die militärische 
Oehietseinteilnng des Landes, die Wehrpflicht, die Bekratirong, daa 
Bandesheer, wirkliche Stltrke dee Bandesheeres, taktische Fennen der 
Trappen, der Dienst der Stftbe, der Unterricht des Bondeebeeree, die Er- 
gänzung der Offiziere und Unteroffiziere, Bekleidung und Ausrüstung, die 
Verwaltung des Bnndesheeres, der Territorial- und Etappendienst, nebst 
Kriegsbetxieb der Eisenbahnen, Festungswerke, Militär-Anstalten, Karteu- 
wesen; zum Schlufs „Einige Vorschläge für die weitere Gestaltung des 
Schweiz. Wehrwesens. — Alle znr Zeit gültigen Vorschriften und ebenso 
die Militünrorlage des Bundes vom 2. Mai 1895 haben in diesemi «na- 
geieidmetea Werke Berücknehtigang gefiinden. 1. 

General-Major y. Sternegg's Schlachten-Atlas des neunzehnten 
Jahrhunderts, vom Jahre 1828 bis 1885. 42.-46 LietenniL'. Preis 
einer Lieferung 2,60 M. für Subskiibenten, für Niclit-Subskribentea 
das Doppelte. Leipzig, Wien, Igka. Veilag ron Ftal Bäoeile. 

JX» TorUegenden Lieferungen diesei an^geieichneten Kartenwerkes 
enthalten: 48. und 48. Uelbniiig: Deutseh-düniseher Krieg 1804. Nr. 1. 
Korapendiase Barstellnng des Verinnft des Krieges (1 Obersiefatskarte, 

8 Pläne und 1 Skizze, nebst 8 S. Text). Nr. 8. Der Übergang nach Alsen 
am ^for^ren des 29. Juni (1 Plan und 2 Skizzen, 4 S. Text). — Russisch - 
türkischer Krieg 1828—29 in Europa und Asien. Nr. 1 (A). Kompen- 
diose Darstellung des Verlauts des Krieges. I. Einleitung. II. Der Krieg 
in Europa (1 Übersichtskarte, 1 Plan und 1 Skizze, 12 S. Text). 
44.Uefinimg: Orientkrieg 1853—56 in Enropa nnd Asien. (TileUdatt 
and InbaltsveneiehniAi — Sehlnlh des Krieges.) — Italienischer Krieg 



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Umschau in der Militär -Litter«tur. 



877 



1848—49. Nr.4. Das Qvfeelit bei OMto «d 80. Hai 1848 (1 Flm utA 
1 Skizze, 8 a Text). — BttBsiBeh-tttrkiseher Krieg 1828—29 in 
Europa und Asien. Kr. 1 (B). Kompendiöse Darsteilung des Verlauft 

des Krieges. III. Der Krieg in Kleinasien. IV. Der Friede von Adrianopel 
(1 tibcrsichtskarte, 10 S. Text). 45. und 46. Lieferung: Italienischer 
Krieg 1848—49. Nr. 2. Die Kämpfe bei Pa'itrengo vom 28. bis .30. April 
1848 (1 Plan und 2 Skizzen, 6 S. Text). — Nordameri kauischer 
Bürgerkrieg 1861-65. Nr. 11. Die Schlacht bei Gettysburg vom 1. bis 
8. Juli 1863 (2 ÜbmiditBkarten und 8 Pläne, 24 8. Tfizt> 

Es hieAe Eulen naeli Athen tragen, wottto ifib nur ein Werl nodt 
ttber die Zuverliadgkeit und voisttgliolie Auafthnmg des in diesen 
liefemngen Gebotenen verlieren. 1. ' 

Die heutige wissenschaftliche Berechnung des Winddruckes und 
des Luftwiderstandes gegenüber den thatsIcblickeiL Ter^ 
hiltntmen« (Ein Beitrag m der Frage des ,4onkbaren LuAschüfeB**) 
Ton Oenerallieutenant Gbaf von Zepelin. Berlhi 1895. Schade^ 
Sondci alKiruck aus der 2Selt8ehrift des Vereines deutscher Ingenieure, 
Bd. XXXIX. 

VcrfilBfler der kleinen, aber bedeutsamen Schrift ist der durch seinen 
Rekognoszirungsritt im Jahre 1870 bekannte, frühere Württembergische Mi- 
litfirbevollmäcbtigte und Gesandte am Berliner Hofe, Generallieutonant Graf 
Z. — Mit unermüdlichem Fleifse, selbstloser Aufwendung nicht un- 
bedeutender Mittel und greiser Energie hat derselbe sich bemfibt, dn von 
der Menschheit schon lange erstrebtes Ziel mit den Mitteln der beutigen 
Technik au eireicben, um hierdurch der vateriindisdien Wehrkraft einen 
in seiner Bedeutung kaum sclion heute zu schätzenden Dienst zu leisten. 
— Schritt für Schritt, auf der festen Grundlage technischer Wissenschaft, 
ohne jede Zuhtilfenalime der Öffentlichkeit, wurden die Arbeiten gefördert, 
welche in dankenswerter Weise durch die praktischen Versä he einer 
Keihe von Fabriken in der Schweiz, Deutschland und England unterstützt 
wurden. — Das Ergebnük dieser Aibeitem ist innidist geweaon, ^hJi dw 
verewigte Oeb«nirat von Hehnholts, als der Vordtaende einer aur FrQfnng 
der Arbetlen des Ghrafen Z. berufnen Kommiasion bekannt bat, er sei 
durch dieselben „von seiner bisherigen Meinung, die technischen Mittel der 
Gegenwart jrcstatteten eine befriedigende Lfisung der Flugprobletne noch 
nicht", zurückgekommen ist. — Zur Zeit besteht eine Verschiedenheit der 
Beurteilung der vom Grafen Z. entworfenen Lnftfalir/st uge nur noch be- 
züglich „des MalBcu der zu erwartenden i aiirgesciiwindigkeit." 

Der Zweck dieses am 7. Februar d. J. in der Versammlnng des 
WfMtembevgisdien Beaizks-Vereins der deutschen Ingenieure gehaltenen 
Vortrages war nun, zu seigen, „wie diese Meinungsverschiedenheit allein 
davon herrlUut, dafs man das Verhältnifs der Druckstärke des Wind^ zu 
der Gröfse u. s. w, ihm widen^teliender Flächen nncli niemals richtig 
gemessen hat." — Graf Z. wies zum Beleg seiner vielleicht überi^aschenden 
Behauptung darauf hin, wie weit z. B. die Formeln auseinandergehen, 



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378 



ümtchatt in der ]filitir>Litfeaatiir. 



welche zur Berechnung des Druckes dienen. (So ergiebt z, B. die Navier- 
Catupoiguac'Bcbe Formel für ein bestimmtes Schiff einen Widerstand von 
1140 kg, wihrend die Bedtenbadier'Bclie Fomiel für daiaelbe Sebiff 1851 kg, 
die EeUnrdt*8ebe •oger 8680 kg eigiebt.) Am Sehhifii Miner sehr du» 

gehenden, beiflAIig aufgenommenen AusfüLrunj^en aeUllg Graf Z. Versuche 
war Klarlegung der Frage des Luftwiderstandes vor. — Der Verein kam 

zu der Anschauung, dafs die Versuche in der angedeuteten Richtung sehr 
wünschenswert seien, indem er dem Graten Z. seinen Dank auaspFBch. — 
Für diese Versuche wurde der Ulmer Münster vorgeschlagen. 17. 

Matebele ud CkIM Cuipaigafl. Tke Haxl» Avtemtle €hm Im 
AettoB, London 1895. 

Diese von der Firme ,,MezimNordeiilldtGhin0 and AminnnitionCompenj 
Limited" in London herausgegebene Broschüre stellt eine Reihe von Mit- 
teilungen englischer politisrher Zoitungen zusammen, in welchen auf die 
Erfolge mit der Maxiiü-Mitrailleu:^t> Bezug genommen ist, wie sie in den 
afrikanischen und asiatischen Feldzügen erzielt worden sind. Eine Reihe 
gater photograpfaiieher AbbQditngen selgt die Oewebr-llitndlleiue, lowie 
«in Mezim-Oeiebttts von 37 mm JEUliber in den yenebiedenen Yerwendangt» 
erten nnd eriinlten wir d.ednreb ein gntee Bild Ton der Yieleeidf^Bttt des 
Gebmnebe. 12. 

Die Munition der k. u. k. Land- und Schiffs-Artillerie in Tabellen. 
Als Nachschlagebebelf suaammengestellt von Wilhelm Knoblocbi 
k. n. k. Oberiieatenent im *4. FeBtungs-ArtiUerie^Begimecit Onf 
CoUoredo-Webttr. Tabelle I. Feld- and FeBtongs-ArtUlecie. Tabelle IL 
8efai&>ArtO]erie. Pola 1895. Im Selbetireileg. 

Die vorliegenden Tabellen haben besonderen Wert für den Artillerie- 
Dienst, da sie alle vorkommenden Konstruktionen berücksichtigen. Die 
Auslfinder, welche sich ftlr dan k. u. k. Artillerie-Material interessiren, 
finden daher viel mehr als sie gebrauchen; das Allerneueste scheint aber 
nicht berücksichtigt ; so vermissen wir die für die Feldartillerie angenommene 

Ekradt^ianate, welche bereits das Taschenbach von Kone& enrftlint bat 

12. 

Die Orden und Ehrenielehen der DmitMben Staates. 1. n. 2. Lieferung : 
Königreich Premnen. Verlag von M. Bohl in Leipdg. Fteie 

2,50 M. 

Das vorliegende Werk entstand unter Zugnindelegunp der grofsen 
„Schulze'scheu Ordens-Chronik" und will eine Abbildung der deutschen 
Orden und Ehrenzeichen in Farben und originaltreuer Abbildung Jeder- 
mann zugänglich madieni da der Breb dee Seholaeliebett Weiset (875 M .} 
Ar die Mebnabl der Intereieenten nneraoliwinglieb ist Die AosfUhrong 
iit mnsteiiiaft, nnr liKtten wir gewfinMbt, dass dem Werlte noefa ein er- 
Itfutemder Text beigefügt worden wäre, welcher eine kons gefrftle Ge> 
schiebt« der Orden und F.hronzeichen zu p^rben hfittc. Die neuesten Ver- 
ftnderangen am eisernen Kreuze and der Feldzags-Medaille dee Jahree 1870 



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UmaehMi in der Militir-Littentiir. 



379 



haben noch keine Berücksichtigung huden können. Es sollen zunächst 
' dk SiehnBchen, Bayerisehaii «nd Wiittimbeigiscben Orden in den 
nlduten Lieferungen folgen, deren Ttth auf je 1,60 M. (DoppeUieforang 
9,00) ftetgeitellt ist 4 

Hülfsmittel für Erlerniing der russischen Sprache. 

In der letzten Zeit ist eine grofse Menge von Lehr- und Leae-Büchern 
erschienen, welche dem deutschen Ot&sier das Erlemen der russischen 
Sprache ermögliohfln sollen. — Der treflTlichen Grammatik des Haupt- 
mannt Oremak (Wortaohats nnd Phraseologie der rnssisehen 
Sprache; Leipiig bei Rumnnd Gerhard) erwühnten wir bereits; ferner 
nennen wir: 

1. „Russisch für Offiziere". Grammatik, Lesebuch, Gesprärbs 
Übungen, von W. PnM, Hauptmann im Inf -Rgt. 128; Berlin, E.S.Mittler 
& Sohn. 1. u, 2. Lieterung. Die Grammatik ist hauptsächlich fiir die 
bei den Kegiraentern russisch treibenden Ofliziere berechnet, welchen es 
an der nötigen Zeit Mbit, nmüingreiehe Lehrbttcfaer dnrcbsiinehmen; de 
soll daher in mffglichst knapper praktischer Form Allem dasjenige 
bringen, was der Offiner im Interesse seines Bemüi v e rw e r t en kann. Den 
ersten Lieferungen nach wa Vitien, dürfte das kleine Werk wohl geeignet 
sein, seinen Zweck 7.n erfüllen. Die UhungssStze, Lese- und Gesprfichs- 
Ubuugeu sind militärischen Verhältnissen entnommen, auch das Lesen 
russischer Generalstabskarten findet Herücksichtigung. Im Grolsen und 
Ganzen ein recht empfehlenswertes Hülfsmittel. 

2. Bnssisehes Lese- nnd Übungsbuch unter besonderer Be- 
rücksichtigung des Kriegswesens; von Dr. A. Palm, Hauptmann; 
Berlin, E. S. Mittler »S: Sohn. Die vorliegende 1. Lieferung enthält hauptsfich' 
lieh Lesestücke, welche einem Werke von Tschitschagow „Ileldenthalen 
rassischer Krieger" entnommen sind; die Lesestücke sind mit Anmerkungen 
versehen und ihres militärischen Inhalts wegen für ein rassisches Militär- 
Lesebuch recht geeignet. Der zweite, allerdings nur 4 6eiteu umfassende 
Teil „Muster für Befehlsausgabe" (Übersetzt aus Verdj's Studien über 
Felddienst) dfirfte dem Zwecke des Bnchee „den Leser mit der neuesten 
miUtiziachen Sprache der Bussen bekannt au machen", wenig ent* 
sprechen, da die Übersetzung eine völlig wörtliche ist und kaum ein 
einziger der militärischen Ausdrücke in der modernen Heeres-Terminologie 
der Bussen zu finden ist. Der lotzte Teil entbüt Bekanntmachungen, 
Maueranschläge, Kapitulationsverhandlungen. 

3. Special-Lexikon zum russischen Teil des Feldwörter- 
hnehs fflr die k. n. k. Armee; von J, Bufsjäger, k. u. k. Major; 
Wien, Selbstverlag des YerfiMsers. Das Lexikon bietet die im Feldwfirtcr* 
bneh der k. u. k. Armee (1888, Verlag Seidl Sohn) angenommenen 
russischen Wörter in allen Formen, in welchen sie im Texte vorkommen, 
nnter Ilinweia auf die Grundform. Eine sehr floifsige Arbeit, die jedoch, 
namentlich da die speziell militärischen Ausdrücke fast gar keiue Beriick- 
sithti;r;ung finden, für unsere mit dem fisterr. ung. Feld Wörterbuch nicht be- 
kannten Offiziere nur geringen Nutzen bietet. 42. 



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380 



Unuolua in der MiliUur'Iitteratnr. 



m. Seewesen. 

AnnalenderHydrogTftpUeud maritimen Meteorologie. HeftlV: 
Von Hongkong nach Singapote und Tandjong Priok. Aus dem Reis6- 
bttricht S. >f S ..Marie", Kommandant Korv.-Kapt. Credner, Juni 1895. 
— " Von Auckland nach Akaroa und Lyttclton. Aus dem Reisebericht 
8. M. S. „Bassard", Kommandant Korv.-Kapt. Scheder. — Silloth am 
Solway Firth, Westküste von England. Von Kapt. J. Sidzer, Führer 4« 
VoUicluffeB „Othnursehea**. — Die Photographie im Dienste der Maß- 
fthrt. — Bas StunrnramungBiroseD an der dentselieii Kliste und VorseUilge 
zur Verbesserung desselben. Von Prof. Dr. W. J. van Bebber. — Zur 
Entwickelnagsgeschichte der Cyklonen in sabtropiachen Breiten. Vortrag 
von E. Knipping. — Die Faeroer-Gnippe. Aas dem neuesten dänischen 
8egelhandl)nch übersetzt von Kapt. z. See a. 1). Brooker. — Uiitersuchung 
einiger Nickelstaiil-Panzerplatten von dem in Bau befiudlicheu Fanzer- 
Bchiffe „Odin** auf Art und Verteilung ihres Magnetismus. Von Wezll> 
bootnwnn Tollert, Oberstenermaan a. D. Studien über Nebelsignale. 
Dritte IfitteUnng. Von Prof. Dr. H. Uobn in Oiiristiaiiia (Scblnft). — 
Von der Bass-Stralse nach NeweasÜe X S. W. — Die Wittenmg an der 
deutschen Rüste im Monat August 1895. 

Marine-Rundschau. Heft 10: Die Notwendigkeit regelrechter Leibes- 
übungen für unser Seeollizierkorps und Ratschläge zur Durchführung der- 
selben (Schlufs). — Hochdeutsche Verdunklungen niederdeutscher öue- 
mannswSrler. — Einige Bemerknngen mm Artikel: „Der See<dfiaier nnd 
die fremden Sprachen." — Abgabe Ton Sehalisignalen aar Bes«dhnitng 
der Knfsnditiu^ der Sehiflfo im Vel>el (mit 4 Figuren). — Die Heringa- 
fischerei auf hoher See. — Die Anwendung der Eldctrintit an Bord des 
„St. Louis". — Mitteilungen aus fremden Marinen. — ZasammensteUung 
der Winterkommandirungen für 1895/96. 

Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. XI: Die 
kriegsmaritimeu Ereignisse in Ustasien, die Einnahme von Wei-hai-wei; 
das Beste und seeluriegsgosdiiebtlicb Inhaltsreiehste» was wir Ins jetst Uber 
diesen Kxiogsabsebnitt gelesen baben. — Die Seescblaeht bd Akliura, 
Vortrag des österr. Freg.-Kapt. Edlen von Hermann, eine sehr interessante 
Neubearbeitung dieser Schlacht. Bei der Quellenangabe über die alten 
Schiffe haben wir uns gewundert, dafs .,BreuRinfr, Xautik der Alten" nicht 
genannt wird. Seine Ansichten scheinen uns bei Weitem die richtigsten 
zu sein. — Englische Kreuzertypen (mit verschiedenen Abbildungen). — 
Die Probefahrten des russischen Torpedobootszerstörers „Sokol". — Da« 
norwegische Marine^Budget pro 1895/96. — Naphtaboote mit Turbinen« 
schrauben. — Eldctrisehe Kommunikation mit Luflsehiflfen. 

Army and Navy Gaietle. Hr. 1860: Die Kolonien und die Marine. 
— Es wird eine Reihe interessanter Artikel über die englische Marine in 
der .,New Review" besprochen. Nr. 1861: Nickelstahl. Nr. 1862: Die 
Kreuztour des Kanalgeschwaders. — Vom englischen Geachwader in Ost* 



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Umachau in der Mllitär-Littesmtur. 



381 



asien. — Ein neues Buch maritimen Inhalts erscheint demnächst in England 
ans der Feder Ton Mr. Fred T. Jane: „Bl^ke of the Ratflewiake.** Es 
beliandelt Ssenen ans den englisehen FlottemnanfiTem der letsten Jalure. 
Hr. 1868: Amerikanische Macht zur See. — Ein Berieht ttber die Landonge- 
nntemehmung der JSngländer in Ostafrika. — Die nuaische Schwane 
Meer-Flotte bleibt angesichts der verwickelten Lage in der Türkei in 
Dienst. — Schwere Gufsstücke tur die Marine. — Erfalirungen eines 
Blockadebrechers. (Brief an die Zeitschrift.) Nr. 1864: Ein Handels- 
Zerstörer. — Übersicht und Vergleich der Bestrafungen in der englischen 
Murine. — Hehreres Aber fransfirisdie Seliifineabaaten. — Yerteiliuig der 
englischen Kriigssdiiflb. 

Jonraal of the Royal United Serrlce Institution« (August 1895.) 
Bemerkungen zur Ausbildung der Miliz von Kapt. Plomer. — Die könig- 
liche Marine-Reserve von Kom Caborne. R. N. R. — Lehren ans Kavallerie- 
Manövern, Kavallerie-VertiMlung und Organisation von Col. Graves. 

Army and Navy Journal. Nr. 1673: Wirkung von kleiukalibrigen 
Geschossen. — Aach die amerikanischen Werften machen Versuche mit 
flüssigem Hdimaterial Ar KriegsscbiffB. irr.1874: Frttfimg des Seiten- 
pansers der „Jowa". — Admlral Belknap ftber des internationale Baee 
Vigilant-Valkyrie. — Ventilation fiir Monitors. — Die neuen Bestimmungen 
für die amerikanischen Schiffbauingenieure. Nr. 1675 : Uber die Eigen- 
schaften (b's Aluminium im Wasser, nach den Proben auf „Texas" und 
„Defender". — Da.s Zweirad im nSchsten Kriege. — Das amerikanische 
Nord- Atlantik-Qesch wader bleibt den Winter über vereinigt. — Beschreibung 
der „Brooklyn**. Vr.l678; ESnaelnes über das Sinken der spanisehen 
Kziegssehiffe „CristolMl Colon'* und „Sanehes Barcaixt^gni**. — Angebote 
fttr den Bau der ameriknuschen Gomposite-Kanonenboote. — Stapdlauf 
der „Brooklyn", mit Abbildung. — Aluminium im Schiffbau. 

Reyue maritime et coloniale. (Oktober 1895.) Studie über das 
elektrische Gyroskop. — Statistik der Schiti'brüche und anderer Unfälle 
zur See im .Talire 1893 (mit Karte). — Schwere Fehler an schnellen 
Kreuzern. — Der Kreislauf der Winde und des Regens. 

Horakol Sbonik. (Rossisdier Maiine-Sannnler.) Vr. 10: (Oktober 
1895.) Offisieller Teil: Das anf der Admiralititswerft Isbora eibante 
Hochsee-Torpedoboot „Nr. 181** wird den Fahnteugen IH. Klasse zugeBäUt 
und in die 6. Flotten-Equipage eingereiht. — Nachrichten über die in aus- 
iKndisclH ti (lewässern befindlichen Falirzencre. — Nichtoffizieller Teil: 
Verfahren der Leitung von unterseeischen Booten und Minen vom Ufer 
aus. — Die englischen Kreuzer 1. Klasse „Terrible" und ,,Fowerful". — 
Platzen von Dampfrohren auf Schiffen, — Bemerkungen eines Taucher- 
Offiaers. — Bestimmung der Geschwindigkdt eines Sduffes nach den von 
ihm vMmrsacbten Wellen (SehlnA). — Ans dem Tagebncbe des Woin 
Andrejewitsch Kimski-Korfsakow (Kommandeur des Schooners „Wostok" 
wfthrond der Besitzergreifung der Ostkfiste Sibiriens and der Insel 8ischalin 
in den Jahren 1853/54). 



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382 



Umaohau in der Militär-Iittenitar. 



IT. Teffdelmlft te snr Bespreehnng dngeguigeiien Btteher. 

1. Die modenie Spionage-Gesetsgebunir» ^ Ziblln. 

Zürich 1895. Verlag von E. Speidel. Preis 2,50 M. 

2. Napoleon I. in Bild und Wort, mit ca. 500 Text-Illustrarionen etc. 
von Armand Davot, übertragen von 0. Marschall von Bieberstein. 4. bis 
6. Lieferang. Leipzig 1895. H. Sohmiclt and C. O&nther. Pk«is jeder 

laefenmg 60 Pf. 

8. Abriss der Taktik, {""tir Aspiranten nnd jüngere Offiziere, Unter- 
offiziere und jeden Wehrmann der schweizerischen Armee. Bearbeitet von 
Beinheld Ofinther, Obetfieutenant. Zlkrieh 1895. A. HtttteK^a Verlag. 

Pireia 2 M. 

4. Einteilung und Standorte des deutschen Heeres und der 
Raiserlichen Marine. Berichtigt bis zum 1. Oktober 1895 von C. A. 
29. Jahrgang (zweite Aun^abe ) Beriin 1895. Verlag von A. Bath. 

6. Erinnerungen an meine Dienstjahre. Ein Ta^jobuch flir die 
Mannschaften des deutschen Heeres Berlin, A. Thünieci<e Naehf. Preis 1 M. 

6. Y. Mirus* Leitfaden für den Rayalleristen. Herausgegeben 
v. G. V. Pelet-Narbonne, Oeneraüieutenant z. D. Neue berichtigte 
Ausgabe der 21. Auflage. Berlin 1896. E. 8. Mittler & & Frais 80 Pf. 

7. Der Regiments- und Bataillons-Tambour. Praktischer Leit- 
faden für die Öesammtausbildung der Öpielleute bei der Infanterie von 
W. Lange, Vize- Feldwebel und Kegimeuts-Tambour. Mit zwei Stein- 
dmcktafehi. Berlin 1895. B. 8. Mitder & 8. Preis 2,25 M. 

8. Geschichte des Hessischen Pionler*BatalllO]is Kr. 11. Beriin 

1895. E. 8. Mittler & S. Preis 2,75 M. 

9. lieschichle des Kgl. Bayerischen 5. Infanterie-Bf^iments 
„Oroftheraog Emst Ludwig von Hessen". Auf Grund arebivaliseber 

Forschungen vcrfafst von Gcrmoth, Major. Zweite, gekürzte Ausgabe, 
umgearbeitet von Kiefsling, Hauptmann. 1. Teil. 1722 — 1804. Berlin 
1895. E.. S. Mittler & S. Preis 8 M. 

10. Geschichte des Kgl. Preufsischen Magdeburgischen JSgor» 
Bataillons Nr. 4. Auf den Wunsch des Bataillons bearbeitet von 
Model, Major a. D. Mit ö Skizzen im Text. Berlin 1895. £. 8. Mittler 
& 8. Preb 6 M 

11. Bangliste Yon Beamten der Kaiserlich Deutschen Marine. 

Abgeschlossen im Mai 1895. Zusammengestellt nach amtlichen Quelleo. 
Berlin iS95. E. 8. MitthM- & 8. Preis 2 M. 

12. Duä Damen-Reiten. KatschlHge und Winke für alle Freundiuuen 
der Rtiitkunst von Anni von Biel. Berlin 1895. E. 8. Mittler A 8. 

Preis 1,20 M. 

13. Dienstunterricht für den Infanteristen des Deutschen 
Heeres, herausgegeben von Tiiuistelilt, Oberstlieutenant a.D. 30. AufL 
Berlin 1895. K. S. Mittler & S. IVeis 50 Pf. 

14. Dienst-Vorschriften für die Mannschaften der Jäger- und 
Schützen-Bataillone. Von Liehr, M^or. Nach den neuesten Be- 
Stimmungen, Terwendbar auch fGkr die Mannschaften der Inihnteriev um* 
gearbeitet und zusammengestellt von von Rosenberg, Hauptmann, 
6. Auflage. Berlin 1895. E. S. Mittler & S. Preis 60 Pf. 

15. Uandbuch für den Einjährig-Freiwilligen sowie für den 
Reserre- und l4iBdwehr-0fllsier der KaTallene. Bearbeitet von 

V. Glasenapp, Rittmeister. Zu^'leich 7. Äufla^^e des Militärischen Dienst* 
Unterrichtes nir die Kavallerie des Deutschen Keichsheeres Ton B. PoteUf 



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Unachau in der MiiitAr-LitterAtur. 383 

X. Pk*. Oberst a. D. Ißt sahlreieheii AbbAdnngen. Berlin 1895. 8. Mittler 

A S. Preis 5 M.. geh 5,60 M. 

16. Die Rumänische Armee. Von A. Booeou, Bnmäii. Bitt- 

meisten Leipzig. M. Riihl. Preis 1,50 M. 

17. The Army of the United States of America. Bv Arthur 
L. Bresler, Brigadier>General. Laijnig. M. Rnhl. ¥niu 1,20 M. 

18. Getreide und UüIsenfrSeht6 als wichtige Nahrungs- und Futter* 
mittel mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung fiir die Hepres- 
verpflegung. Herausgegebeu im Auftrage des Kgl. Preufsißchen Kriegs- 
miiuateriiuns. Zweiter, besonderer TciL Mit 78 Abbildungen im Text 
und 16 Tafeln In Farbendruck. Berlin 1896. E. S. Mittler & 8. Fkeis 
12 M., geh 13,50 M. 

19. Die Entsoheidungskämpfe des Generals von Werder im 
Januar 1871. Von Konz, Major a. D. Enter Teil. Von Dijon über 
VcRoul nach Villersexel und zur Lisaine. Mit drei Plänen. Berlin 
1895. K S. Mittler & S. Preis 5 M. 

20. Leben und Wirken des Generals der Infanterie und 
kommandirenden Generals des V. Armeekorps Carl toh Orolnann. 

Ein Beitrag zur Zeitgeschichte der Könige Friedrich Willielms III. und 
Friedrich Wilhelms IV. Von E. v. Conrad Vj General d. Inf. z. D. 
Zweiter TeO: Die Befreiungsknege 1813 bis 1815. Mit drei Übeniehti- 
karten und nenn Skissen. Berlin 1895. E. 8. Mittler A Q, Preis 8^ M., 
geb. 10 M. 

21. Das Leben des Königl. Preufs. Generals der Infanterie 
August von Goeben. Von 6. Zern in, Hauptmann. Erster Band. Mit 
einem Bildnib. Berlin 1895. £. 8. Mittler & Pims 7,50 ML 

22. KrippTsbricfe eines Feldgolstllelieil. 1870/7L Berlin 1895. 

E. 8. Mittler & S. Preis 2,50 M. 

28. Schiefsausbildung und Feuer der Infanterie im Gefecht 
Vertrtge von R. Reisner Prh. Ton Lichtenstern. Berlin 1895. E. 8. 

Mittler & S. Preis 3 M. 

24. Friedrich Süren. Lebensbild eines preufsischen Offiziers und 
Patrioten. Von L. Süren. Berlin 1895. E. S. Mittler & S Preis 2,25 M. 

25. Anleitung zur Behandlung, Reinigung und Ausbesserung 
der Feldflaschen und Koehgeschirre aus Aluminium. Nach offiziellen 
Vorschriften etc. von Poterraann, Hauptmann. Leipoig 1895. Zuckschwwdt 

& Möschke. Preis 20 Pfg. 

26. Kurzer Abrifs der Geschichte des Preufsischen Staates. 
Vornehmlich für Kegimcntsschulen, von le Jug(N Hauptmann. 6.Atlfll^|e. 
Leipzig 1896. Zucksdiwerdt & Möschke. Pn-is 50 Pf. 

27. Verordnungen vom 2S. Mai 1895 über den Dienst der 
französischen Armee im Felde. Aus dem Französischen übersetzt von 
£. Karst, Premierlienteaant. Leipiig 1896. Zoeluchwerdt & Mfisohke. 

Preis 2.25 M. 

28. Der Dienst des Infanterie-Unteroffiziers. Von F G Graf 
von Waldersee, Generallieutenant 20. Auflage. Berlin 1895. Ii. Gaertner. 

29. Memoire über eine neue Situations- und Landkarten-Dar- 

^tellungsmethode von J. J.Pauli ny. (.Separatabdruck aus „Streffleur's 
Österr. Millt. Zeitsclirift".) Wien 1895. W. Bramnüller. Preis 50 Pf. 

30. Ernste und heitere Erinnerungen eines Ordonnanzoffiziers 
im Jahre 1870 — 71 von C. Tanera. Hauptmann a. D. Jubelausgabe. 
6. — 8. Lieferung. Münclicn. 0. Beck. Preis jeder Lieferung 50 Pf. 

8L Die Signataren der Generalstabskarten. Als Hil&mittel zum 



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ümaebatt in der MMtWr-LitttffifT 



Kartenlesen zusammengestellt von J. Spind 1er, Hauptmann. München 
1895. Th. Riedel. Preis 1 M. 

S8. The Bfftlll of an amy. A populär aoconnt of the german 

SeneralSteffbySpenBerWilkinsoa. Westminster 1895. Axoh. Gonstabia 
' Co. 

88. Praktisches Hilfs- und Übungsbuch für die raflsiflelra 

Dolmetscher-Pr&fon^. Bearbeitet und mit Accenten versehen von Dr. 
Sascha Anders. Leipzig. R. Gerhard. Preis fjch. 3,30. ^eb. 3,75 M. 

34. Die polnische UmgauKsspraohe. Eiue Auswahl von Ge- 
•piiehen det tügliehea Lebens. Nebet Wörterbuch und Erlänterongen in 
leputtein Anhttge. Leipiig. B. Gerhard. Fkeis geh. 830» geb. M. 



Nachtrag zu dem Aufsatz S. 257: 
Die Stärke des preuisischen Heeros bei AoBfarooh des 

siebei^jährigen Krieges. 

Während der Korrektur erhielt ich durch die fVenndUchkeit des 
Herrn Professor Naude in Marburp^ einige Mitteilungen aus den Akten 
des Berliner Staatsarchivs, die für den obigen Aufsatz von Bedeutung 
sind. Teils berichtigen, teils bestätigen sie meine Ausführui^eu. 

Die S. 263 erwähnte Liste vom November 1755 umfielst nicht, 
wie ich nadh der Zitining bei Lehmann annehmen mufste, die gB> 
Bammle Armee, sondern nur Infanterie, Kavallerie, Husaren und 
Gamisontruppen, und zwar auch die von mir nicht berücksichtigten 
neuen Garmson- oder Landrepimenter. Dag(^en fehlen die Mann- 
edialten der Artillerie, die Pioniere und Ingenieure.' Die Oberein- 
stimmung der Liste mit meiner Berechnung ist also eine isuf&Uige. 
Im einzelnen ist die Differenz der Angaben in der Liste mit den 
meinigen gering. Sie beträgt flir die Infanterie 475 Mann (81286 
gegen 84761 — ohne F'eldscheerer und Unterstab), für die Kavallerie 
54 Mann (21825 gegen 21879), für die Husaren 1 Mann (9249 gegen 
9248), für die Qarmsontruppen 220 Mann, (21295 gegen 21515). 

Aus den Akten ergiebt sich femer, dafs auch bei den Grenadier- 
bataillonen die doppelten Überkompletten nicht vollzählig waren. 
Bestätigt wird, daia die Husaren überhaupt keine Überkompletten 
hatten, und dafs bei der Kayallerie Pferdemangel herrschte. Interessant 
ist eine Äufserung des Königs über die Einrichtung der Überkompletten. 
Friedrich schreibt an Lehwaldt am 22. August 1756 „wegen der 
ordinairen und der doppelten Übercompleten . .", „wie wir wegen 
selbige hiesiger Orten die Einrichtung deshalb so haben, dafs bei 
einer Musketier-Kompagnie davon sonel eingestellt werden, dais die 
Kompagnie 41 volle Rotten und tiberdem 2 Fouriorschützen hat. die 
dann hier Gewehr und Lederzeug bekommen, die übrigen 11 Mann 
aber zu Rekruten bleiben und kein Gewehr noch Lederzeug bekommen". 

Die oben S. 263 angegebenen Zahlen für je zwei Landregimenter, 
1505 und 8(}0, sind insofern ungenau, als sie nur für Unterofäziere 
und Mannschafken, nicht auch für die Ofifizieie gelten. 

M. Immich. 

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