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Full text of "Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft"

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Jahresbericht 
über die 

Fortschritte 
der 



klassischen 





fßarfaarli College ILibrarg 

FROM THE 

CONSTANTIUS FUND 



EsUblishcd by Profestor £. A. Sophocles of Harvard 
University for "the purchase of Greek and Latin 
books, (the ancient classic«) or of Arabic 
books, or of books illustrating or ex> 
plaining such Greek, I^tin, or 
Arabic books." Will, 
datcd iSSo.) 



Received 




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JAHRESBERICHT 

ftb«r 

die Foitsclmtte dei dassischen 

Altertumswissenschaft 

begründet 
Ton 

Conrad Bursiau 

haaoBgegebeB 
Ton 

E. Ovu-litt luia W. l^i-oU. 



Hnndertnndzwfilfter Band. 
Drei88ig8ter Jahrgang 1902. 

Ente Abteflimg. 

GRIECHISCHE KLASSIKER. 




LEIPZIG 1908. 

0. B. E£ISLAJND. 



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• 



Inhalts Verzeichnis 

des huudertancbEwölften Bandes. 

Situ 

Bericht Uber die Litteratur za Hamer (hOhere Kritik). 

1888-1901. Von Paul Cauer 1—131 

Bericht Uber die griechisciien Philosophen vor Sokrates 
fllr die Jabre 1876 - 1897. Von Prof. Dr. Frans 

Lortzing in Wilmersdorf bei Berlin . , . 132 — 322 



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Bericht über die Litteratnr zu Homer (höhere Kritik). 

1S88— 1901. 

Von 

Pftnl Oaier. 



Zum letzten Hai in Band LXII dieser Berichte ist Homer, die 
höhere Kritik, behandelt worden von Albort OemoU, desäen Arbeit die 
Jahre 1885- 1887 umfaßte. In der MaRsenhaftiirkeit des seitdem er- 
wachsenen Materials lag: natürlich eine Erschwerang:, aber doch auch 
ein Vorteil. Beim Rückblick auf eine längere Periode sond» rt sich 
• besser das Wichtige vom Unwichtigen, das Hleibeude nnd Fruchtbare 
Tom Vorübergehenden, Zasamraenhäng-e zwischen den verscbiedeneu 
Zweigen der Forschnng treten deutlicher hervor. Ich habe mich bemüht, 
diesen Vorteil wahr/unehnien nnd jene Schwierisjkeit zu uberwinden. Da 
die Arbeit neben einer umfang:i eichen und anstrengenden amtlichen 
Thätigkdt unr laiif^.sam jreüirilert werden konnte, so war es nicht mög- 
lich, dorchweg vollkommen LdeichmäCi^- /n vei fahren, besonders in der 
Aasföhrlichkeit; amh khdne Wiederholungen des Oedankens wird man 
wohl fiudi ii, aber, da^ glaube ich versprechen /u können, keine Wi ier- 
sprüche. Mein Bestreben war überall, niclit bloL! von dem Inhalte der 
besprochenen Schlitten eine Vürstellupg zu i:eben, sondern auch den 
Platz zu bezeichnen, den sie im Entwickelnngsc:ans:e dei' Forschung ein- 
niihmen. Wo es galt, einen Kern von Wahrheit aus umhüllenden Irr- 
tümern ;LU-z\ilc)sen, habe ich auch ein Kinp:ehen ins Detail nicht cescheut; 
auij' i'ion) ist bei fremdländischen Schriften, die in Deutschland weniger 
zugänglicli werden, etwas mehr Stoff mitfjeteilt. 

In den Jahresberichten des philologischen Vereins in Berlin 
(^Auoang zu der Zeitschrift l'ur das Gymnasiahvesen) bat fiu aic Zeit 
seit 1879 Carl Rothe die höhere Kritik zu iiomer beliandelt, in einer 
Ivel he von Referaten, deren letztes die Erscheinungen von 1896 und 1897 
uiulal3t. Diese verdienstliche Arbeit hübe ich vielfach zu Kate gezogen, 
auch gelegentlich mich mit Ansichten des Verf. an.scinandergcsetzt. 
Unsere Grnndsnscbnuungen waren eine Zeitlang nahe verwandt, sind 
Jatirdsbericht liXt Alter tum» wisseoecbaft. Bd. CXII. (1902. L) 1 



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2 Beriebt über die Litterator zu Homer. IböÖ— 1901. (Caaer.) 



aber nenerdings mein uust'iraadergeifangen. F8r die Leser der Berichte 
kaiiu es wohl nur ci wUn^cbt seui. wenn der Staudpnukt der Beurteilan; 
in beiden nicht der gleiche ist. 

Von ganz populären oder gar scherzhaften Schriften abgesehen 
babe ich von 1888 an mit Willen nichts fortgelu^seu ; in einzelnen Fällen 
war, nm der inneren Verwandtschaft willen, ein Zurückgreifen bis 1887 
notwendig. Den Endpunkt bildet der Sommer läOl, wo mir während 
der Ferien eine znsammeuhängende Arbeitszeit zur Veifügnug stand, 
die ich in Kiel dank der Liberalität der dortigen liibliotheksverwaltung 
aufs be&te habe ausnutzen können. Von später erschienenen Büchern 
und Aufsätzen sind solche noch berücksichtigt, die mir ohne systematisches 
Sachen bekanntgeworden waren; darnnter einige sehr wichtige Stücke. 

Die Art, wie ich den überreichen StoÖ' zu gliedern gesucht babe« 
vrird-man aus den Überschiiften der Kapitel erkennen: 

L Die Pereon des Dichten, 
n. FortgesetEte UntersvcliiiDg der Komi»o8itioD. 
IIL Bedenken gegaa die herkömnliebe Hetbode. 
IV. Ästhetische Betraehtangsweise. 
y. Sprachliche und metrische Analyse. 
VI. Historische und geographische BedehoiigeD. 
Yn. Xaltarstnfen im Epos; religiöse EntwickelaDg. 
yUI. Werke aosammenfassender Art, 
IX. Zur Geschichte der homerischen Wissenschaft. 

DüsselduiJ, im Februar 1902. Faul Oauer. 



I. Die Ferson des Dichters, 

1. R, Knötel» Hvmeros der Blinde vonChios und seine Werke. 
2 TeOe» Leipzig 1894. 

Wenn d* r Verf. von Friedr. Au«r. Wolf saj^t (I 329), es sei »sein 
übrigens mit Zaichattii^kLit unttTDoinmeuos Bestreben"* j2:owe8en, „den 
geschieht liühea liumer um die Urheberschaft seiner Werke zn bringen", 
80 reicht dieser eine Satz ans, um zu zeigen, daß das Buch keinen 
wissenschaftlichen Chnrakter hat. Es ist aber auch kein pDiniläres 
Buch; denn es beschättii't sich dntchweg mit den schwersten winsea- 
scbaftlichen Problemen. Dir Ui^^eschichte des griecliisclie!i Volkes, seiuer 
Kultur und RAi^vju, wird mit einer Fülle von gelehrtem ^laterial, aber 
ohne jede bpor von kritischem Smue geschildert, auf diesem idiutergruude 



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L Die Person dee Dichtera. 



S 



dann Homer dargestellt, der Verf. von Ilian, Odyssee und Hymnen, der 
eine Abs( liiilt seiner sämtlichen Werke seiner Tochter, als sie sich mit 
Kreopbylos verheiratete, znr Ausstattnng gegrebeu hat. Der Verf. ver- 
sichert wiederholt, daß er sich um die philologisclie Arbeit, die von 
anderen anf Homer verwendet viorden ist, deshalb nicht zn kümmern 
brauche, weil er die homerische Frasre nicht ah eine grammatisch- 
kritische and litterarischc, soodern als eine geschichtliche anffasse, die 
»nicht dnich 8cbarf^innig:e Vermutnngren nnd kritischen Geruchsinn, 
sondern durch klar nnd deutlich erwiesene Thalsacheu zu lösen* sei. — 
Man kann sich nur wandern, daß ein sonst so nrteilsfähiger Mann wie 
Carl Rothe diesem Buch eine ernsthafte Beachtung zugewendet hat 
(.Die homerische Frage". Grenzboten I89G I 8. 371) ff.). 

i. O. Znretti, La pereeiiobe viaiva in Omero. BivisU dl 
fllologia S8 (1900) p. 369—405. 

Der Verf. ^eht von der alten Überlieferung aus, duti Homer blind 
«jfiwesen sei, und führt ans seiner Dichtung den Nachweis, daß er viel- 
iriehr die Kraft des Selieiii,, und des künstlerischen Sehens — nicht so 
hehr miileiisch wie plastisch (p. 398) im Ijüchsten Grade besessen 
habe. Dieses ResulUt wird znm Schluß mit der t'berlioterunt? wieder 
in Einklang? gebracht, die ja in ihrt-v g^enaueren (iestalt zu berichten 
weiß , daß der Dichter erst im reiferen Alter iiifüle:e einer Krankheit 
äa> Au_'tiülichL verloren habe. Auen den Bedenken der "-»dehrten Kritik, 
wenigstens soweit sie nur dahin gehen, für liias und it'iy>see zwei ver- 
schiedene Verfasser anzunehmen, meint Zuretti dadurch Kechnuug zu 
tr.'igen, daß er vorschlägt, man möge sieh denken, daß Homer in seiner 
Jugend die Tlias gedichtet habe, vi^l spftter, als die Erinnernnc an 
Selbstffesehenes schon abgeschwiielii war, die Odyssee. Dazu stimuie 
es, daß in dieser die eigeutlidn n 1>. .schreibungeu hauhirei seien als in 
der Hias und mehr auf pnteu) »inliichtnis als anf unirnri Ibarer An- 
schauung zu beruhen schleueu. Im iCahmen dieser Argumeutaliuu, über 
die es nicht schwer ist zu lächeln, bietet der Aufsatz eine Menge schätz- 
barer Beob;iclitungen und treffender Urteile übrr di*' Kunst des Sehens, 
die sich in deu homerisehen (41eichnisst^n . Beiwörtern, Kampfberichten, 
Landschttflsblldern, Sitn:ltioIl^cllild( ruugen u, s. w. bethStiirt, In bezug 
auf den Sinn für Farbe wird (p. 396-398) gewiß lichti^' au>;reführt, 
daß derselbe bei Homer ein primitiver, noch wenig dilleienzierter ge- 
wesen sei, daß man deswegen aber nicht sagen dürie, er habe diese 
oder jene Farbe nicht wahrgenommen; vit-lmehr sei es ganz natnriremäß, 
daß er und seine Zeitgenupsi^' überhaupt mehr auf die Nuauceu der 
Beleuclituut; als auf diejenigen Eindrücke geachtet hätten, die einem be- 
stimmten i:'lat2 innerhalb der Farbenskala entsprächen. 



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4 Bericht über die Litteratar zu iiomer. 188S— 1901. (Gauer.) 

8. 8. Bntler, The oathonss of tho Odyssey. New York aad 
Bombay (Longmans, Green and Co) 1897. XVI, 275 8. 

Ein höchst wonderliches, aber doch des Lesens nicht nnwertes Bach* 
Der Versncb, tu beweiBea, daß die Odyssee von einer Fran jn^end- 
lichen Alters , geschrieben " worden sei. muß belächelt werden; indem 
aber der Verf. die ganze Dichtnoß: nuter diesem Gesichtspunkte be- 
trachtet, entdeckt er eine Menge feiner Zfige, nnf die "sonst nicht oder 
zo wenig geachtet worde, nnd io deren Würdi^ng man ihm gern 
folgen wird. 

4. Kil. Meyer, Der Wettkampf Homers uud Hesiods. Herrn. 27 
(1892) S. Ö77-3B0. 

5. Kirehhoff, Der Roman eines Sophisten. Sitenngsber. d. 
Akademie sa Beriin, philos.-histor. 189S 8. 865^891. 

Beide Oelehrte haben nnabhängig voneinander die wertvolle Beob- 
achtang c:eroacht, daß eins der Verspaare, mit denen Im *AKt&v von 
Homer nud Hesiod gespielt wird (101 f.), fast genan ebenso sehen bei 
Aristophanes vorkommt, wo im ^fFrieden" (1282 f.) der Sohn des 
Lamachos als Probe epischer Dichtung die Worte anführt: S»; ot (tiv 
dafvovto ßottiv xpia it/i^yhai t:nia>v IxXoov tdptuovrac i inel icoXijAou ixopsodsv, 
Meyer sehließt bierans, daß Aristophanes den d^tuv bereits gekannt 
habe, und knüpft daran allgemeinere Betrachtnugen über das hohe Alter 
dieses Werkes nnd die Verbreitung, deren es sich im 5. Jhdt. im 
ScholuDterricht erfreot habe; Kirchhoff erklärt umgekehrt die Überein- 
stimmung so, daß der Verf. des 'A^tuv entweder ans Aristophaues oder 
aus derselben Quelle wie dieser geschöpft habe. Für beide Ansichten 
läßt sich etwas anführen. Für die Me} ersehe spricht Inhalt nnd Wort- 
stellung in den beiden Versen, die durchaus den Eindruck machen, als 
seien sie für das Vexierspiel gedichtet, um das es sich im ^A^uiv handelt. 
Die andere Erklärnng aber wird schon dadurch empfohlen, daß der Verf. 
des 'A^uiv auch ein paar Verse aus Theosnis sicli zu nutze g:emacht 
hat, vor allem aber durch die Thatsaclie. die Kirchhoff iu gelührter 
und scharfsinniger Untersuchung fe^.tirestellt hat, daß ^in der gesamteu 
Überlieferung der Zeit nach Alki iamas [einem Sophisten des 4. Jlidts. 
V. Chr., den der 'Avtuv selber pfeles-entlich, Z. -I'M), als Gewiliiismann 
neuut] nirgendseine irgend sicheieSpur t iner Kenutui-j vom Wettstreile der 
beiden Dichter nachweisbar ist, weklie nicht mittelbar oder u.uaittelbar 
auf dessen Darstellung als einzige Quelle zuiiu;U{,nn^e' (S. 883). — 
Vielleicht kann man annehmen, dall scher/.lialte Frafj^eu und Antworten, 
wie der 'A-j-wv sie bringt, verein/.clt schon tiüher iin Umlauf waren — 
bei uns ist dergleichen ja ^',uu/> geläufig — - und daß aus solchem im 



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I. Die Peraon d«s Diebtert. 



5 



VolksiBUTiiir vrrbreiteten Vorrat AiiJ^t<i|ili;iiie-i ein eiii^'.ülr.es Beispiel, 
Alkidamas eine größere Menu'e sich aiif^r 'ii^Di^t hat, die zuerst er den 
beiden Dichtern, deren Wettstreit er sciiilderu wollte, in den Mond leigte. 

6. Kirch hoff, Beitrftge zur Qeschlcbte der grieehiselieii 
Bbapsedik. Sittnngsber. d. Kgl. Akademie m BerliD. 1893, 
8. 893-918. 

Der zweite der unter dieser Übei-schrift Tereinigt^n Aufsätze be« 
handelt den Festbymnos aof den Delischen Apollon. Kircbhoif ver« 
gleicht ihn nach Anlage and Einteilunc^ mit dem aaf den Pythischeo 
Apollon und findet bei aller übereinstiromnn^ doch bemerkenswerte 
ÜDterschiede, die er in dnrchaus überzeugender Weise erklilrt. Danach 
war der eine ein beliebig verwendbares und wahrscheinlich öfter ver- 
wendetes Proömiam ffir rhapsodiitche Vorträge, der aodere dazu be- 
stimmt, in Delos einmal «bei Gelegenheit einer gottesdienstlichen Feier 
anter Assistenz eines Jnnufraaencbors vorgetraiten zu werden, als dessen 
£xarcl OS der Vortragende fangierte' (S. 915). Der Sänger stammte 
von Cüioä uud war blind: die an den Chor der Deliadeu gerichteten 
Abscbiedäworte, in denen er dies erwähnt (166 ff.), sind der Anlaß 
geworden, daß in der späteren €berllefeiung Homer, den man mit dem 
Verfasser des Hymnos identifizierte, zu einem blinden Manne wurde. 

7. II. Magnus, Die autiken Bästen des Homer. Eine augen- 
UrzUicb-fistbetiscbe 8tadie. Breelao (J. N. Kern) 1896. IV, 70 & 

Das eigentliche Thema dieser Arbeit liegt nicht im Bereich nnaerea 
Berichtes: nacbzaweisen, mit welchen k&nBÜeriechen Kitteln in den 
einceloen antiken Homerbfisten die Blindheit antgedrfickt iat, and dnraoa 
allgemeine Schlfiaie na sieben in betreif der HÖKÜehkeit nnd Znlftasig- 
keit einer kfinstleriachen DarsteUnng diceee Gebrechens überhaupt. 
Doch hat die üntersnehnng des Breslaner Ophthalmologen aach ein 
Interesse flr den Homerforscher. Hagnns seigt, daO alle überlieferten 
Homerporträta realistisch an^faOt sind nnd dabei in wesentliehen 
Zügen übereinstimmen, nnd erkl&rt dies dnrch die Vermntnng, daß sie 
alle einem Uteren idealen Typns nachgebildet seien. Dnreb ver- 
gleichende Betrachtong kommen idr also dahin» nns die Gestalt an* 
sehanlich an machen, nnter der sich die Griechen in einer Zeit, die der 
Epoche individnslisierender Fortriits voranshig, ihren großen Dichter 
Torgestellt haben. Dies Ist nnn wohl nichts Nenes; aber snr Würdigung 
der einzelnen Züge des Typns liefert die Schrift auch dem Kioht* 
Xedidner wertvolle Beitrüge. 



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5 Beliebt über die Litteratur zu üomer. 1ÖS8 — 1901. (Cauer.) 

II. Fortgesetzte üntersuchang der Komposition« 

1. W. Bibbeck, Homerisehe HfaceUen, n. — Procr* des Atka* 
dscben OtidiimIqds am Berlin, 1888. 

Fflr die Fragen der böberen Kritik kommt besondere die zweite 
der hier vereinigten kleinen Abhandlangen (8. 11—16) in betracht, 
worin der Verf. im Anschlaß an eine frQher veröffentlichte Arbeit nnd 
geiErenäber Angriiffen, die dieie erfahren hat, zu zeigen sncht, daß 
Stücke der Ilias, in denen über die Anordnung des Schiffslagers, Aber 
den PlatE des von Hektor eingeworfenen Thores nnd des von ihm in 
Brand gesteckten Schiffes verschiedene Voran ssetznngen gemacht werden, 
nicht von demselben Dichter herrühren können. 

2. K. Brandt, Zur Geschichte und Komposition der Ilias. 
Pleckeisens Jahrhb. 137 (1888; S. 81—102; 139 (1889)8.233—246; 
141 (1890) S 81 — 104. 

3. C. Rothe, Zar üomeriscben Frage. Ebenda 139 S. 249^251. 

Die drei soent genannten Aofeätze schließen sich an frQhere 
desselben Gelehrten an, die an der gleichen Stelle erechienen sind. 
Der erste behandelt die Partie von H 313 — wo mit Lachmann ein 
Bcbarfer EiMchaitt gemacht wird — bis £, nrteilt im wesentlichen 
liehtig ttber den Wert von 6, laßt aber anffallenderweise die Frage 
nnentschieden, ob der Verfasser dieses Gesanges anch I gedichtet oder 
nnr mit eingefBgt nnd dabei etwas überarbeitet habe. In Wirklichkeit 
atmen docb 8 nnd I v9Uiir venichiedeaen Geist. — Die zweite Ab- 
liandlnng unternimmt es. an beweisen, daß die |Ailivi^ dicoppi)etc der 
Utesten Dichtung vom Zorne Achills fremd gewesen sei, wogegen die 
Hanptmasse von 1 und von T die Verse 1—41 ihr zngesprochen 
werden. — Der dritte Anfsal« hat es mit den BOchem T und <D in 
tfann, zerlegt sie naeh Hanptabsehnitten der Handlang nnd sncht diese 
auf eioen ersten nnd einen zweiten Bearbeiter des ftlteren, einfisobeieii 
Epos zn verteilen. — Überall ist der Verf. beraftht, steh mit der 
Kritik anseinandersosetseo, die Rotbe an seinen Arbeiten früher (in 
dem Jahresbericht Uber Homer) geübt hat nnd in dem oben angeAlhrten 
kleinen Artikel aufs neue ttbt. 

4. E. Weißenborn, Acbilleis nnd Hias, Programm deaOym- 
nasinms in Mflhlhansen In Thür,, 1890. 80 S. 

In knappem Ranroe giebt der Verf. eine anf die Hauptsachen 
beschränkte Daretelinng der organischen Entwickelnn^, in welcher «die 
Ilias aus einem kloinen Kern, der Achilleis, der auch beute noch den 
Inhalt des gesamten Epuh mit seiner liaudlaug vollständig umspannt, 



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II. Fortgesetzte üatersacbang der Kompositioa. 



7 



ftOmllilieli dnrcli die Tbättgkeit eioer gaazen Beihe von talli Yor> 
sügUeben, teilt «cltwftcliereD Dieliteni la dem großen Werice, dai dae 
AlterCam vi» unter Homers Namen ftberliefert bat, angewecbten iit«. 
Zu gnude gelegt ist die Anriebt Too Orote; aber ale Itt dabin weiter- 
gebildet, daO die Bfieber B — H niebt mebr alt ein abgeeebloiwafMi 
Epos, das einst ffir sieb bestanden bebe, aogeseben werden, sondern 
als eine Beibe nacb nnd nacb erfolgter Eindicbtungen, die den wesent- 
lieben Bestand der AehiUeis mit ibrer nsammenbingenden Handlang 
(Streit der beiden Fürsten, Agamemnooscblaebt. Ansang nnd Tod des 
PatroUos, Aebtlla Baobe) scbon aar Voraassetxaog batten. WelOen- 
bom nimmt Ton den neneren Forsebnngen, die sieb in verwandter 
Biebtong bewegt haben (Niese, Jebb, Fiel[), kdne Notis. Daß er ganz 
anf eigene Hand eine lUinliebe Aaffassnog gewonnen bat, wie sie von 
anderen genaner begründet worden ist, gerdebt ibm nur znr Ehre and 
seiner Theorie snr Empfebinng. Dagegen erscheint die Selbständigkeit 
m wdt getrieben in dem lotsten Absebnitte, dessen Inhalt obrigens 
der Verf. selbst als problematiseb bezeiebnet, nnd in dem er den 
bisUnrisehmi Hintergrund des trojaniseben Krieges ans Zagen der 
orientatiscbett, besonders der ägyptischen Oeschicbtc zn konstruieren 
sacht. Hier handelt es sich nm Fragen, die nicht knrzerband durch 
glttcldiehe Einfälle, sondern nur in sorgfältigem Eingeben auf die 
griechische Stammesgescbicbte gelöst werden können, uud Qber die 
niemand richtig urteilen kann, der, wie WeiOenborn thut (S. 14), die 
Bise schlechthin als ein Produkt des ionischen Stammes ansieht. 

5. K. Dyroff , Über einige Quellen des Iliasdiaskenasten. Progr. 
WüTsbnrg 1891. 45 S. in 8. 

Die Untersuchungen des Verf. beruhen auf der Grundansicht, 
daß etwa ums Jahr 700 von einem Dichter, den er auch Diaskeuast 
nennt, »die llias aus älteren Quellen, größeren und kleineren, zusaimueii- 
gcsch weißt [sie] sei, vielfach mit treuer Hertibernahme der Quellen- 
fitiickö, aber auch nicht ohne eindringliche eigene Arbeit." In diesem 
SiuDc werden drei Partien der llias behandelt: die neuen Waffen, der 
Tod des Patroklos und die Überlistnog des Zeus. — Verhilltnismäßig 
am reinlichsten t^^tliui^t die Ausscheidung lür die 'OzkoKodoL. Daß sie 
nicht einem urspriiiii.'lichen i'laiie gemäii an deui i'iatzc steht, den sie 
jetzt einnimmt, g^eht schon aus der nnkhiien Weise hervor, wie sie 
zeitlich niitei:^:ebr:icht ist: TLetis' iJesucli bei llephästos muC bei xsacbt 
stattfinden, isl aber nicht so erisij,hlL, dali diese Vorstellung deutlich 
erfaßt und lest;^ahalten eischeint. Die Hiudeutungen auf den Waffen- 
tansch, SOl'ern .sie sich aiißtlhalli von ^ üuJeii. als SLkiiiiilär anzusehen, 
Diacht keine SciiwierigiiLeit; denn i^ati'uklos' Boteugaug beiiail, aucü weun 



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3 Bericht über die Litteratoi zu Homer. lbi>Ö-lüOl. (Cauer.) 

man die betreifendeii 8fttse wegnimmt , immer nocb aeinen goten Sinni 
er toll erklären , ivie Patroklos U 23 ff. Aber den Stand der SeUaeht 
Bescheid weiß, nnd soll sein Eingreifen motivieren. Dies wird Ton 
Dyioff (8. 16) einlenehtend gezeigt. Fraglieh bleibt nur, ob die £r- 
ifthluDg TOQ den neuen Waffen Mber ein eelbeiftndigeB Lied war, das 
dann ein Ordner in den jetzigen Zasammenhaog gebracht hat, oder ob 
de eben diesen Znsammenbaog sehen voranssetzt nnd ftr Ihn erat ge- 
dichtet iBt , ähnlich wie K für die Kacht zwisehen dem sweitea nnd 
dritten Kampftage. Vor einer an starken Ansnfttsang der Verse 
2 444^456, in denen der Verianf der Ereigaisse etiraa andere skizalert 
wird, als er in nnserer Ilias ist, warnt der VerftMser selbst (6. 17), 
nnd mit Recht« Er meint, man solle darana nicht gleich eine alte, 
voo der bekannten abweichende Siasrezension rekenetrnieren; es scheine 
nnr eine freie Verknüpfung der Hanptereignisse Tcrznliegen. Richtig; 
aber diese kann dann auch von einem Dichter gemacht sein, der den 
Gang der Handlang, wie wir ihn haben, schon kannte, — Fflr R 
kritisiert Dyroff scharfsinnig nnd mit selbständigem Verwerten Lach- 
mannscher Beobachtnngen die in der That nicht recht folgerichtige nnd 
etwas verworrene Darstellang der Kämpfe des Patroklos. Er saeht 
nachzuweisen, daß der Tod dieses Helden [S. 24 ist ans Versehen 
„Helitor'' gedruckt] ursprünglich nnmittelbar, wie II 649 f. angedeutet, 
an den Kampf um Sarpedons Leiche angeknüpft war. 8arpedon aber 
und die Lykier besitzen selbst in unserem Epos keine Ursprünglichkeit 
ersten Grades, wie der Verfasser (S. 19) im Anschluß an andere 
Forscher ausführt. Wenn sie sieb nun doch auch in solchen Partien 
finden, die er aus anderen Gründen einer ältesten Quelle zuweist, so 
ist er genötigt, um ihretwillen wieder Einscbränknngen und Abstriche 
zu machen. Die Verse II 684 — 763 [warum nicht weiter? vgl. 3. 28] 
zeigen an bich eine klar verlaufende Reihe von Geschehnissen ; DyroiF 
aber muB 684—697 als jüngeren Znsatz abtrennen (S. 25), weil hier 
die Lykier erwähnt und Züije der Sarpedon Dichtung' erneuert werden. 
Im ganzen erg-iebt sich ihm anf diese Weise ein Hin und Her von 
Älterem und Jüngerem, VorlH;i?ii und Uiubilduns:, das mit Verstand kuu- 
struiert ist, aber doch nur einen der mannicfaltigen Wege daistcUt, auf 
denen die Dichtung sich zu ihrem gegeuwii. tik'eu Bestände entwickelt 
haben kann. Vollkommen richtii? ist, was 8 3 iui Tiinzip anerkannt, 
wird, liaij die vom Diaskeuastcn benutzten , Quellen auch schon zusanmieii- 
gesctzter Natur j?e\vesen' bcin können. Daraus folgt dann alfu , da(j 
wir nicht hoffen dürfen, Ableitungen zweiter, dritter und vierter Ordnung 
noch mit Sicherheit zu erkennen. — Etwas einlacher liegen die Ver- 
hältnisse wieder iür die ilio: (ikitt). Dyroff schlieLk sich für die Beur- 
teilung dieses Gesanges au Gruppe au und tindet, daß darin Elemente 



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II. Fortgesetste Untersuchung der KomfKMsiüuu. 



9 



einer alten theofs^onischen Dichtang in travestiereiider Weiss bebaodelt 
seien. Etwas wie Travestie empfinden wir ht«r allerdings; aber das 

m\t ebenso von den meisten QOttersoenen der lüas. Der eheliche Streit 
in A, die Veisammlnng der Olympier am «weiten Seblaehttage, die Kämpfe 
zwischen Athene and Ares, die ganze 8E0(jLa/ta mit den sie begleitenden 
Gesprächen tragen keinen anderen Charakter. Es ist also nicht htitit, fftr 
H eine eigene, msprfint'lich für sich stehende Einzeldichtnug anzunehmen« 
AUerdinizs ist die Er/.äblnug in den Uaupt^an^ der Handlang als einen be- 
reits g:egebenen eingefügt worden; das erkennt man [vgl. S. 36 f.] daraus, 
diiß die Überlistung des Gölterkönigs auf den Gang der Handlung gar 
keiiieu Einfluß ausübt, vielmehr Poseidon schon vorher, in N, mit Erfolg 
tbätitf ist den Griedien ZU helfen. Und die Züge der alten Theogouie, 
besüiiders deutlit h uiul st bön i ^40— 351, verleihen dem Abncbnitt einen 
eigenlümlicben Charakter. Aber es ist wieder sehr wolll denkbar, daU 
der Dichter, der diese malten KIcmeiite in so heiterem Sinne umbildete, 
derselbe war, der sie an iliriii jetzigen J'latx gebracht hat. Dafttr 
spricht n. a. auch die Eiiniierung an die verwundeten Koiii:;i', die 
mitten in der Krzülihiiitr von den» Betiug und pt-itien» Eriüls,'u ant'taucht 
und nnn wieder (S. 38) als Interpolation eist best itiiit werden tnuÜ. — 
Vielleicht haben den Vertass-'r manche nnbequcmen KonsKineiizen , zu 
denen er gcdriingt würdiii i^^t, inzwischen bchun selber daliin get'ührt, 
die überlieferte (irundanschanung von kuurdinierten Stücken, die ein 
Ordner znsaniniengefüi,'t habe, zui acktreteu zu lassen und sieb der 
Aiiilajstniit; /u ij ihern, datl das P^pos aas einem Iii t' i t a Kern allinuhlicli 
erwach St^u isi. uuil dtiü viele der Stü' ke. die wir als jüngere „Znsätze** 
za erkennen meinen, nicht mechanisch zngesetzt wurden, sondern au 
der Steile, uu der sie jetzt stehen, bervorgesproßt sind. 

6. L. Ertiardt, Uias B. fhilologos 51 (1892) S. 403—421. 

Zunftchat werden die Widersprüche and AnsiöCe in dem Gange 
der Handlung des ersten Teiles von B aufge/eiut, dann wird die Frage 
anfgeworfeii, ob ein Gcdicbi dieser Art «wirklich zum Vortrag kommen 
konnte oder ob wir darin eine spätere, absicbtlithe Zusammensetzung 
zu erkennen haben* (S. 412). Erbardt eutsclieidet sich mit Recht iür 
das erste, weil gerade in dieser l'ariie die Phantasie des Hörers so un- 
ablässig in Anspruch genoninien werde, daß zu kritischen Einwendungen 
gar keine Zeit bleibe. — Einen ähulicheu Gang nimmt weiter die Be- 
aprecliuug des 8ciiili\kataIo2es, in der sich der Verf. mehrfach mit 
Niese auseinandersetzt. Wenn er dics'-m daiin bestimmt, daü der 
Katalog einen Widerspruch z»ige „zwischen der unleugbar treölicheu 
Information einerseits und der gröbsten Unwissenheit andererseits*, so 
widerspricht er doch entschieden der litterargesehichUichen Hjpotheee, 



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10 BflEiebt über die Uttontar n Homar. 1888-*1901. (Cftur.) 

dmeh die Niese dieeen Tliatbeetand sa erkl&ren yenncht hat; eeiner 
eigenen Anaieht Diiih war auch der Sehiffakatalogr »Id Qesanir* der 
mBndlioh vorgetragen wurde aod, so got wie andere Oeaioge, Im 
Laufe der Zeit Erweiternngen nnd yerindemagen erfahren hat Daß 
dieaea 8tüclc «anf griechiaehe Hörer einen gans anderen Elndraek 
machen maßte als jetst auf medeme Leeer** (S. 419), wird man dem 
Verf. gern migeben. Richtig hebt er herror, daß in Neaton Vorachiag 
(B 36S f.), die Hannen ihrer Verwandtacbaft nach an ordnen, eine Vor- 
bereitung des Katalogea liege, wie aehon die Alten gesehen hfttten. 
Ob aber dieaer Torbereltende Gedanke der ITrogebong, in der er steht» 
▼on Anfang her angehört hat oder erat mit dem Katalog sogleich ein- 
geschoben ist, bldbt doch eine offene Frage. 

Der hier besprochene Anfsats aeigt den Verf. In polemischer Ans- 
einandersetzong -mil Vertretern der herkömmlicben Hompositionskritlk. 
Danach, nnd nach der Einleitung seines awei Jahre später erschienenen 
größeren Werkes, mochte man erwarten, daß er mit seiner eigenes 
Analyse der lUas neue Wege einschlagen würde. Das Ist nna doch 
nicht geschehen, wenn sich nach Erhardts Ansicht fiber die allmibliche 
Eotitebnng der Itias in mancher Besiehnng vorteilhaft von anderen 
Theorien unterscheidet Fflr das N&here sei auf Abschnitt Vin dieses 
Berichtes verwiesen* 

7. M. Valeton, Ad compositionem Tliadis. — Mnemosyne, Nov. 
ser. 23 (Lugduni BaUvoium 1895) p. 390—454. 

Ans der Thatsaehe, daß nptsßtCoi und liatp^xXiMi nicht miteinander 
stimmen (II 72 f., 85 f.), hat man in der Regel den Schluß gesogen, daß 
entere in den nrsprangliehen Bestand der Dichtung eingeschoben sei. 
Der Verf. kehrt das VerhUtnis um, und swar deshalb, well die naRp6- 
xXtue auch mit awei anderen HanptslQckeo sieh nicht vertrage: mit 
dem Plan des Zeus In A, der auf Genugthuang fttr Acliill, nicht 
dainnf ausgehe ihm seinen Freund au rauben, und mit der Ifijvitoc 
M^^tpie, in der Achill aweimal apreche ohne des Verlostes an ge- 
denken, und erst beim dritten Kai (T 810 9.) den toten Frennd er* 
wihne. In der ältesten Biss fehlten nach Valeton nicht nnr Kampf 
und Fall des Fatrokloa, sondern auch der Brand der BchliTe; dies 
schlieBt er ans A 191 IT., wo Zeus ankündigt daß die Nacht — nicht 
irgend ein Hensch — dem Vordringen Hektars ein Ende machen werde. 
In der Nacht die so rettend erschienen war, schickte dann Agamemnon 
die Gesandtschalt an Achill; der ließ sich erbitten, und es folgte un- 
mittelbar die Versöhnung. An 0 797, wo selbst Alas in Bedrftagnis 
Ist und aurflckweicbt, scbloü sich 6 485 f., eben das Herdnbrechen 
der Nacht an, und daran die npeoßei'a, dann die MijvtSoc dx^ppiioie. — 



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II. Fortgenetzte UntersuchuDg der Komposiiloa. 



11 



Der ürhebor dieaar kOhneii Konstrnktioii bat min abar aalbat er^ 
kaoBt, daaa aia not ainm TaU 4ar baobachtatoii Widaraprtteha and Ba> 
siebiiDgeD gerecht wird; aa iat ibm nicbt aotgaogen, da0 io dann ana 
▼orUegeDden Epoa daeb Im Gronda dar Geaaoi; von Patrokloa faater 
aitit and nroprunglichar araetaeiDt a]a dar von der Bittgasandtacbalt 
Beabalb nimmt «r an, daB die HaTpox^Ltutniabt dar ToHatlDdigeD, «ondam 
einer fatatimmalten, am I nnd T gek&rxten Iliaa biaziigefngt wordan 
ael. Die ältere Form baba alab aber neben der jttngeran erhalten, bbi 
jemand anf den Qedanken kam, beide miteinander an veraebmalaan. 
Dabei babe die Gesandtaebaft ihren jetzigen Plats und den nagativan 
Ausgang erhalten; zngieich aber sei für aie eine andere lUolaitanf 
atatt der Kämpfe in O — die nnomehr aar Entaendnng dea Patrokloa 
fBJurten — notwendig geweaen und deabalb die K6koi piaxii biuzuge- 
dichtet worden. 

Mit diesen Gmndzügen der nenen Theorie köonen wir nna hier 

begnügen nad die Fülle weiterer Vorschläge an AnascheidoDgen nod 
UmstellongeQ, die der. übrigens in flottem Latein geachriebene Aafsats 
bringt, anf sich berahen lassen. Das Ganze cbarakterisirt sich so recht 
als eine Komposirionskritik alten Htiles. Einzoloe Züge, wie der Aoa- 
druck in der Anktiodigong des göttlichen Willens in A nod A, AchiUa 
Schweigen über Patroklos in T, werden mit der scharfen Logik einea 
Staatsanwaltes zn Folpernngen verwertet, die den ganzen Bau der über* 
lieferten Dichtung anseinanderwerfeu; nud dauu wird ans den vielen 
Mögliclikeiten, die Teile anders zn verbinden, eine heransgegriffen nnd 
mit Zuversicht als ursprünglicher Zustand hingestellt. Dabei fehlt es 
nicht nur im einzelnen nicht an quten Beoba<.htnug"en, auch die Grund- 
ansicht, die in § 3 an^'edeutet wird, int lichti^: daß die Ilias nicht 
durch Znsamniecsctzuüg ans selbstiicdigcn, einander koordinierten 
Liedei ij entstanden sei, wie Laclimann annabni, sondern aus einem schon 
niciit Dichi' g-dü/. ( iiiiat hi u Kern durch Erweiterung, Kindicbtung nnd 
Umdichtuiig allniähiicli trwachsen. Daß es bei solcher Entstehnngs- 
weise beute nicht mehr möglich ist, die Teile reinlich voneinander zn 
sondern, weil sie sich wcchelseitif^ L.Jd vrir;u]ys>etzen bald auszuschließen 
scheinen, das wiid gerade durch so imLiluugene Versuche wie den hier 
vorliegenden bewiesen — wenn es tintä Beweises dafür noch bedurft hätte. 

8. A. Ladwig, Über die Integrität der ilias. Prag (Fr. kxm6&) 

1899. 86 S. 

9. Daraelba, Dia Bbapaodian dar Diaa A— Z in bang anf Ibra 
ZnaanuDeoaetsong. Ebenda 1899. 84 8. 

10. Derselbe, Die Eupiiorbosepisode, liias P 1—119. Ebenda 

1900. 8 6. 



12 Bericht über die Littenttar la Homer. 1S8S— 1901. (Cauer.) 

(Sonderabdrilcke aos den Sitnmgaberiehten der Kgl. bOhai8ch«ii 
Qetelltehaft der WlssenschafteaO 

Der Verf. gebt mit ScbaifsiDo und Eoeehlonenheit vor, und bat 
dadurch, daß er seine Arbeiten von der eonstif^en neoeren Forsebnng 
einigermaßen abgesondert hUt, den nnverkennbiireQ Vorteil, daß er 
manchmal das Weeentlicbe scharfer siebt als der, welcher- inmitten 
eines bewegten litterariscben Kampfes steht; andererdeits ergiebt rieh 
ans der Isoliernng anch leicht der Kachteil, daß auf unnötige oder aas« 
sicbtslose Aufgaben eine Mühe verwendet wird, die an anderer Stelle 
besser nntzbar gemacht werden könnte. 

Der erste Aaf9ata bebandelt die Frage: „ob die ans anter dem 
m weit greifenden Kamen Ilias vorliegende Dichtang alles war, was 
von der Troerkriegssage in epischer Fassang Qberhaapt existiert hat.* 
Diese Frage wird verneint^ and mit Becht. Der Art jedoch, wie diese 
Vemeinaog begründet wird, kann ich nnr saro Teil beistimmen. Aach 
Lndwig streitet gegen die Ansicht Kieses, daß eine von der Dichtang 
«nabhängjge Sage niemals existiert habe, behauptet also, es habe Sagen 
ebne poetische Ghsstaltuog gegeben, und findet Hindeatungen auf sie 
an all den Stellen, wo die Dichter der Ilias etwas erwfthnen, was mit 
dem Gegenstände dieser ErsSblnng zosammenh&ogt und doch nach rftck- 
wirts oder sdtwfirts oder vorwärts außerhalb des Bsbmeos liegt. Oft 
genng wird es Ja zutreffen, daß sich in solchen Erwähnungen die Be« 
kanntschaft mit einem größeren Sagenschatse — der nnr noch poetische 
Gestalt gehabt haben muß — verrät: Philoktets Schicksal B 721 ff., Achills 
Tod dnreb Paris X 359 sind gewiß nicht fär diese Stellen erfhnden. 
Aber nicht selten hat man allen Grund, eben diea letztere anzunehmen: 
daß Clin gelegentlich angedeuteter Zug der Sage vom Dichter erfanden^ 
vielleicht impro? isiert worden Ist, nm den Eindruck eines historisch 
woiterten oder psychologisch vertieften Hinteigmndes zu machen. Was 
Agamemnon A 106 ff. zu und über Kalchas sagt, scheint von dieser 
Gattung zu sein. Gewiß ist es nicht leicht, sie gegen jen<9 andere, 
gegen die sozusagen lltterariseh fhndierten Anspielungen abzugrenzen; 
und darin m^n Spätere äber Kiese hinauskommen. Sein Verdienst 
bleibt doch, diese ganze Art dea Weiterw»thsens — durch Ausfährang 
scheinbarer Anfpieinngen — Uar erkannt und als eine Ranptquelle 
jfiogerrr Sagendichtung nachgewiesen zu haben. 

Die zweite Abbandlong giebt in engem Baume selbständige Reiträge 
zu einer Analyse des größten Teiles der Ilias. Im einzelnen ist auch 
hier vieles anfechtbar, wie das nicht anders sein kann. Den wunderlichen 
Irrtum, daß Hektors Begignung mit Andromache von dem, der sie 
dichtete, als letjste gedacht sei nnd also frfilier in anderer Umgebaug als 
jetzt In Z gestanden haben mü:^, teilt Ludwig (S. 14) mit den meisten. 



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II. Fortgesetzte Untersachung der Komposition. 



18 



die neuerdingf^ über diese Scene geschrieben hiiben. Viellelclit ist 
Schiller mit seinem Jngendgedicht »HtkLors Abschied" daran schnld; 
in der alten Überschrift des Boches heiüt es durchans verst- ii i ;r nur 
'ExTopo; xai 'AvfipojAdlyrj? o^iXla. Für die Frage, ob Z übcriiaupt ♦ iuheit- 
lichen Charakter t>age und also in einem Zngre gedichtet sein könne, 
ist dieser i unkt von großer Wichtigkeit. Daß die KoXo; p-oi/fj „nr- 
sprtiiiL'licli als erstrr 8( lilachttag nach der Menis gedacht" gewesen sei, 
nimmt Ludwig (S Ifi) als alltieniein zn{re8tundeo an, und meint ßun, 
die Bücher B — Z eiithieiteii ei-entlieli eine Dublette zu 8, eine anders 
gewendete Darstellung des erbten Kampftages (S. 10). Vor dieser 
schiefen Auffassung würde den Vert ein« Bekanntschaft mit Kaysers 
Untersncliunij bewahrt haben, durch die zum ersten Male über/cnfl^eod 
dargeiban wurde, daß 8 gemacht wurden ist, um die eingeschobene 
npfltaf^et'a voi7nbereiten. — Im f?an/ea fililt Ludwig aber ein sehr 
treffendes Urleil (S. 34): daU von den drei 'J'eilen der Ilias, die er 
unterscheidet, der dritte (T — Q) klar cikt nnbaie und ausscheidbare 
pjinsi-haltungen zeigt, der erste (Ii — II) z\var in seinen Bestandteilen 
ungleichaitijr und in der Mutiviernnü: öfters mangelhaft, aber doch 
einigermaßen durchgearbeitet ist. wühi end der mittler© (A — 2) oino Er- 
zählung bringt, die «von ^auz verscliieuenen, nnvcreinbai en \ uraus- 
setzuiijifen anscreht, also ein s^anz tinffrli .'es (iepiäuti tiägf ; hier sei 
es »den Kedaktoien nicht p^elungen, den Wiii warr der Scliil.ltrungen 
und Erzählnnuen in eine verständliehe HiindUuig überzufiilii en". — 
Der Verf. hat nie Frage nicht mehr erörtert, die sich hier aufJiäu^t. 
was sich aus diesem Tliatbestande wohl in betieff des relativen Altert 
der drei Pi^rtien lelf^erj! lasse. 

Die dritte Abhandlnnu' ht schilftigt sicli mit der Enphnrbos- Episode. 
Di'' Beziehnng, in die Pythau'oras zu ihr gebracht wurden ist, erörtert 
Ludwig mit besonnenem Uiteil. Vor allem aber zeijjt er, wie sie inner- 
halb unserer Ilias ganz für sich steiit \m<i in den Ganj» der Handlung 
nachträglich eingeschoben sein maß, Nicht auf grund irgend einer iilteren 
Sagenform sondern dnrch freie Erfindung: das nioimt er wohl mit Recht 
an. Roberts Vermutung über den Ursprung dieses Einschnhes (iStud. z. 
11.390 t.) dient dem, wasLudwig erkannt hat, zu willkouimeuerEigänzung. 

11. J. Sohnltx, Zur Dias-Kritik. (ProlegomeDa.) Progr. dei 
SopUeD'Bealgymii. sn B«rlio, 1900. 80 S. 

19. Dor selbe: Du Lied vom Zorn AcUUs. Ans unserer Ilias 
beigestellt nnd in dentsehe MibelnufreDseilen ftbertragen. Berlin 
(WlegBTidt tind Grieben) 1901. OIX, 78 8. 

In dem Frogrumm vom J. 1900 hat sich der Verf. die Aufgabe 
gestellti eine Zerlegung der Ilias in ihre orsprünglichen BosUudteüe 



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14 Bericht über die Litteratur zu Uomer. 1^88—1901. (Caaer.) 

dadnreh Torsabereiten. daß er sanftcbtt alle die UeioeD Zntfttse und 
ZwiBcheD^lieder eotfernt» die offenetehtlieh bei der lettten ZnsamineD- 
fflgong ond Überarbeitong des jetet bestehenden Werkes eingefOgt 
worden seien. Kitt nnd MOitel sollen weggesehlagen werden, damit 
die Fonren, die davon verdeckt werden, sieb 9ilnen, nnd die nnr äoßer- 
lieh verbnndenen Teile des ganzen Banes, verschieden alt nnd veraehieden 
wertvoll wie sie sind, nanmebr unvermittelt nebeneinander stehen bleiben. 
Im ganzen sind es rund 5000 Verse, die anf diese Weise ansgeschieden 
werden. Die gi'oße Zahl rfihrt znm Teil daher, daß der Verf. setnen 
YorBatB nicht streng festgehalten hat. Was er von M an bietet, ist 
nicht mehr bloß Abldsang kleiner Verblndongsglieder nnd erweiternder 
Zuiätze, sondern bereits Analyse des Inhaltes selber. Allerdings lag 
hier wohl in der Katnr des Stoffes ein Anlaß, das Verftthren zn Andern; 
die spftteren Bücher enthalten nicht so viel wie die früheren größere 
Stücke von geschlossener Komposition, vielleicht eben deshalb, weil in 
ihnen mehr altüberliefertes Material verarbeitet ist Aber dann wäre 
es wohl richtiger gewesen, sie fürs erste so wie sie sind stehen in 
lassen nnd die Prolegomena ni^t mit ^er üntersnchnog nn belasten» 
die über ihr vorbereitendes Ziel hinansfllhrt — Während in dem Pro- 
gramm der Text der Blas nach der Beihenfolge der Gedüige nnd Verse 
dttrchgegangen wird, beginnt die nmthagreiche nnd wertvolle Einleitnng 
des etwas spator erschienenen Bnches von Schnitz damit, daß die als 
solche erkannten Zos&tze der Rhapsoden nnd Überarbeiter nach ihrer 
Art nnd psychologischen Veranlassung gruppiert werden. Bann Iblgt 
etaie Darlegung der Ansicht, die der Verf. selbst von der allmählichen 
Entstehung des Epos sich gebildet bat; endlich eine Reihe von , Be- 
trachtungen" über chronologische Fragen, über den epischen Stil, über 
Knltarstafeu, Bewafifnnng, religiGse AnschauuDgen, die bei Homer 
barschen. Den Schluß des Ganzen bildet, auf dem Titel allein ge- 
nannt, eine Übertragung der fflr echt gehaltcneu Stücke in paarweis 
gereimte, gut lesbare Nibelungeuzeilen. 

In bezug anf sorgföltige Interpretatioo, die ja die Grundlage aller 
Kritik bilden muß, bleibt hier und da etwas zu wünschen. Der Anstoß, 
der an 13 194 genommen wird, verschwindet, sobald man den Satz als 
Fra^L* faßt: 3oü>.-q 5' ou -avte; dxojjaixev oiov Ifeirev; Ähnlich ist OB 
bei dem l'lul kiimptc in <D (Progr. 27); hier ibt alles in Ordnung, 
sobald mau dio Ziisaie des Peliden ironisch verstellt: laxai Taura, 
i;y.7'}j-avopr oioTpe-iic, cij; yj visXs'jsti (223). Er ^H'^t Ja und thut Nein, 
ein btlic'btts Verfahren. — In beiden Fällen ist Schultz in Überein- 
ßtimmung- mit dei- hellsehenden Ansicht. Wo er ei^eue Wege geht, 
gelin/?t es ilim mancliUKil viel besser. VortreÜlich behandelt er 
(Progr. 17) das Auftreten des Piiüui.\. la I; dessen iiede ist als Glied 



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II. FortgeseUte Untenuchnng der Komposition. 



15 



in äcT ]>sy' hnl(f^jsr!ien Bfitwiekeiune: unenibt tirlii Ii , kaim also nicht 
naciitriiglich eingeschoben sein; aber seiu Anteil an der Gesandtachaft 
ist offenbar nicht nrsprnn^lich; folerlich nmß die Erzüliluüg: früher so 
^ebaUen crpwesen sein, daü der Alte si( h bei Achill befand, als die 
beiden Gesandten den Helden antsticliten. Auch über den Charakter 
von V nnd A nrteilt dni- Verf. (S. 10), von hohen Antoritiiten ab- 
weichend, richtig, indem er den klaren Zn^aniineuiiaiig-, worin die 
Handlnnij von F 1 bis i\ 219 verlHuft, anerkennt, llilite er nur die- 
selbe Iktriichtnn-.NWi isp auf Z uiu^iwandt! Abt-r da hat auch er sich 
von der Yorsteliunt; nicht losmacln n k'mnen. die Sceue zwischen Heklor 
und Audi'omache niiit^-e als ein let/.ler Abschied gedichtet g:eweseu sein. 
Dies veranlaßt ihn, die Art, wie Hektor dnrch Helenas Hat in die 
Stadt geführt wird, als »plnmp* erfundenes Vi rbindnns'stiick zu ver- 
urteilen Dud damit zugleich auch das Gespräch zwischen Hektor und 
seiner Mutter hinauszuwerfen (Progr. 12; vgl. Lied S. XVI. LIV). 
Vielmehr ist das t'anze Z in Anlage und Stimmnnu' durchaus gleich- 
artigr es soll friedlicliH Scenen brin2:en. De-^halb wird der krieprerische 
Hintergrund nur mit ein i» inr Strichen zu Anfang aTiL'p kutet; das 
einzige gi'ößcre Stück, das im i?\]'If» spielt, ist die Begegnung von 
Glaukos und Diomedes, auch sie freundlicher Art; vor aUeni aber war ej 
die Absicht des Dichters, Hektor mit sein«T Mutter, mit Helena, mit der 
Gattin in herzlichem Gedaukenanstansche zu zeigen; sogar sein Ver- 
hältnis zu Pari«? ^'estaltet sich in diesem Gesang; frt'undlich : vereint 
kehren beide auf das Schlachtfeld zurück — und mit ihnen die Phantasie 
des Zuhörers, lu der Ansmalnng all dieser friedlichen Bilder hat der 
Dichter seine Erfindungskraft bewiUirt; mit der äul'eren Eiutügnng in 
den Gang der Ereignisse hat er es — und das war seiu gutes Kecbt — 
sieb leicht gemacht. 

Nicht völlig neu, aber sehr zur i echten Zeit erneuert und solh- 
stftndig formuliert ist der allgemeine (retlanke: die spätt.'ren banger 
neigen dazn »Kiei^'iiisse altklug vorzubereiten, dif das echte Epos, wie 
es guter, volkstümlicher Ton ist, mit raschem und kiätfigcin Anschlage 
einsetzen läl't'' (Lied S. XXIII). Das ist die Niesesche Anschauung von 
dem Wachstum des Kpos, die in diesem Jahresbericht mehrucii, n. a. gegea 
A, Ludwig, verteidigt wird. Nur müssen es nicht gerade immer .alt- 
kluge", pedantische, unerfn^uliche Neubildun^ea sein, die auf sulche 
Weise entstanden sind. Die !!&£3|'.iot verdankt diesem Triebe ihren ür- 
sprunff. Diepelben Stelkn. iu denen Schultz (S XXXVII) einen Beweis 
dafür sieht, daÜ II niemals ohne I exi«^tiert haben könne — II 29 ff". 61 ff. 
83 ff. — et scheinen, sobald man sicii nur entschließt auch einem Nach- 
dichter etwas Gutes zuzutmucn, als natürlicher, psychologisch durchaus 
veratäudlicher Aulat^ zur Eründong einer Bittgesandtschatt au AcliiUeas. 



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16 Beriebt über die Litteratar tu. Uomer. 1888''1901. (Cauer.) 



Das Hani)t-KriteriiiiD, dessen sich der Verf. für seine Analyse 
der Ilias bedient, ist die Vergleichnag von Versen, die an zwei oder 
melir Sri^llen vorkommen und nur an einer vollkommen güt passen« an 
den andern entlehnt zn sein sehelnen (8. LX. LXXY): Rotbes Arbeit 
über Wiederholaoeen, die er enrfthnt, bat ilin in dem Vertranen zo 
dieser Methode nicht irre gemacht. Dadurch ist sein ganzer Baa auf 
eine höchst unsichere Qrnndluge gestellt. Schlimmer ist, daß er den 
Problemen, welche in den KuUnrverhültnfssen bei Homer und in dem 
sprachlichen Zngtando des Textes liegen, ganz fremd gegenübersteht. 
Klngcä gnte Beobachtangcn Qber homerische nnd myketiische Bewaffnung; 
lehnt er (S. XCII ff.) mit Unrecht ab: von der nrnfasseoderen und ein- 
dringcnderen Untersuchung: desselben Gegenstandes durch Wolfgang Reichel 
hat er gar nicht Notiz {jenommen. Er meint, ^.iiioniand zweifle mehr, 
daß die mykeuische Kultur der homerischen um Jahrhunderte vorauf- 
ging", und beruft sich (S. XC) aut Wilamowitz, der ausreichend ge- 
zeigt habe, daß „die epischen Sänger in archaistischem Sinne stilisieren". 
Gewilj, dcis thun die Verfasser der uns jetzt vorliegenden Gesän;xe; deren 
Stil ist in hohem Grade .konventionell''. Aber alles Konventionelle — 
in den An^chaunnsen und Kultnrvoraussetzunyen so gut wie in den 
sprachlicLcu A'it* !! ückeii — muß doch irgendwie dui ch eine lange Kiit- 
wickelung erst lest u-eworden sein: an deren Anfan^: niul'. eine l'eriodc 
gestanden habeu. in dtT es als iimiiittePjiirc Aul.''erMnL; eines wirklichen 
Lebens geschaffen wurde. Und diobc. si hüpferisclie Periode liegt für deu 
honieiisclien Stil innerhalb der mykeniselien KiiUur, für die homerische 
Sprache in dei Zeit, wo nicht lonier, suiidei n Äuler den » pischen üesang 
pfle^'ten, in Thesealien. Wer heutzutage mit einer eiL-enen Ansicht über 
die Kntptehmig der Ili;is hervorti iti, darf sitdi nicht, wie Schultz thut 
(S. LXX\ l ij, hil den» Wunsche beruhigeu, dali .daß jemand, der diese 
Dinge versteht, seine Konstruktion mit grammatischer Laterne nachprüfeu 
nnd im einzelnen luanclieu InUnn berichtigen ■* möchte. Vielmehr Hißt sich 
gerade die richtige Grundanschauung nur von der Bprachlichen Seite 
her gewinnen. Der Verf. steht diesen Dingen so fei n. daü er von einer 
..attischen Kuine** spricht, in der die Epen uns vorlägen (S. LXXXIII), 
und spottend ausrnfi (S. XI): ,,Ein echter Poet, der aul 'raessiugsch' 
singt, Süll uns noch vorgestellt werden!" Den Ausdruck einmal ange- 
nommen — wo ist in unserer Ilias ein Stück, das anders als auf 
messingsch gedichtet wäre? Auch die relativ ältesten nnd stilistisch 
reinsten sind schon in dem äolisch-ionisclicn Mischdialekt verfaßt. 
Freilich darf niemand verlangen, daß mau ihm diesen Thatbestand 
vorweise, wenn er es ablehnt die Sprache iloiUi-rs zu studieren. 

I3. Kornke, Über den Eingang des nennten Gesanges der Iliaa, 
Progr. Glatz 1896. 14 S. in 4. 



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IL Fortgesetzte Uateraucbusg der Komposition. 



17 



Der Terf. hat, •ohne anf die Frag« Ober die ürsprüDglif^hkeit 
des [ganzen] nennten Gesanges eiozagehen« ovr die gegen den Eingang 
(1—88) erhobenen Ansetellnogen und Bedenken einer näheren. Prfifnog 
unterzogen* . DieeeDetailaataranebnag ist mitSeebkenntnie nnd treiiMideni 
ürleil gefQbrt Betonders gnt sind, im (JegeniatM an pedantiichen Bin« 
Wendungen, die andere gegen sie gemacht haben, die beiden Reden den 
Diomedei nnd des Nestor analjiiert nnd aoa dem Charakter der 
Sprechenden erklärt In einem Punkte hätte die Yerteidigong noch 
«Irknmer eein können. Baß Nestor bei den Worten (63 t) i<ppi^Ta>p 
dA^Mvco« dvlon^ l«tiv liwivoc, 8< ieoXi|Mt> ipemn Imdiifiiee «po^svroc an 
den Streit awisehen AchUl nnd Agamemnon denkt and gedaebt wiaieii 
wfll, ist wohl rlehtig. Aber nur im HioterKmnde denkt er daran, ind 
nar im ttillen eoHea die Hdrer diese Beziehnag empfinden; denn in den 
Znaammenhaog der Rede paßt sie wirklieb nleht hinein. Was den Redner 
nnmittelhar b^seliäftigt, fot die Kritik, die Diomedes nnd er selbst an 
dem Verhatteii.Aicamemnotts ttben; flir diese verlaogt er eine ruhige 
und eaohliehe Aubahme und begrflodet sdiebes Verlangeu mit der all- 
^meio gehalteoen Warnung vor einem Kampf im eigenen Lager, bei 
der Jeder nnwilikärltcb aa Jenen viel ernsteren Fall denkon mu0. ->* 
Kflnstlleb nnd nicht ttbercengend ist die Art, wie Kornke die Heeni- 
versammlung, die dem Rate der Fürsten Yorhergebt (<i7opi] 11. IS; 
«dvm dsc 'Ax««v 50, xoopoi 68), ans redaktioneiler Überarbeitnag 
ursprünglich getrennter Stücke aa erkläfcn sucht IHes ist einer der 
Fälle, wo ein einselner Punkt ohne entschiedenes CTrteO fther die Ge* 
aamtfrage nicht erledigt werden kann. Die nächtüche Veraammlnng des 
Yottes ist Ja anfTallsnd und schwer aasdmalich an maehmi; aber das 
ist hier nicht schlimmer als bei der troisehen nach dem dritten Kampf* 
tage (2 S45 t). Der Dichter von I isl ein Heister in der Entwich»* 
long snsammenhäDgender Reden; aber eben dadurch neigt er sich ala 
Vertreter tiner in der Reif» weit vorgeschrittenen Periode der Poesie. 
Und hiermi paßt ea wieder aaib beste, daß maache Elemente der Sehil- 
'demng schon nnlobendig gewnden sind, daß mit konventionellen Zllgea 
giearbettet wird, die, in sorgloser Verwendung, sich nicht fiberall an dem 
Mde einer schürf erHaBten Situation vereinigen lassea, Aach 
üche Besonderheiten, wie das konsekutiv gebraaehto ftc ts 4S, das dar 
Vmf. (3. 10) wegdeuten mMts, lassen erkennea, daß die behandelte 
Fartia reclit jaogen Ursprangs ist Fär alle diese Dloge ergiebt sich 
eiae ilchtigere Würdigung, nad die Zusammengehörigkeit des Einganges 
(1—88) mit dem iblgendett Gesang, die Kornke bewelBen wollte^ wird 
um so fester begründet, wemi man anerkannt hat, daß diesea gaasa 
achOne und gedankenrelcba Idad awisehen den Ratschluß des Zeas In 
JL und die in A beginnende HaaptMUaehl naehtrIgUch eingediohtet iit 
JaMhsriSht ttr Altsrtamwrlssmscbaft^ B4. GZn. (m U S 



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1^ Beiiolit fiber dio Littentor in Bomfir. 1888— 190L (Cmier.) 

14. F. Hanssen, Sobre la ioterpretacion do an pasaje de la 
lUada (de lovis consilio). PnbHcado en los Anales de U U&iveraitet. 
Santiago de Chile (Xmpreota GerTantea) 1893. 62 & 

15. Derselbe, Sobre el raego de T^tls (de Thetidis precibas). 
Ebenda 1893. 16 8. 

Der Verf. hat den spanisch geschriebenen Abhandlungen ,8um- 
marien* in lateinincher Sprache hinzagefUgt (8. 48 13 ff.), auf die 
allein sich mein Bericht bezieht. Die erste legt — gewiß richtig — 
dar, daß mit der Ato; (^ouXi( (A 5) nicht das der Tbetis gegebene Yer- 
apreeben gemeint sei. Hanssen findet den hier angedeuteten Ratschluß 
des Zens wieder in den Worten des Agamemnon und Achilleus (T 85 
—90 und 270 — 274), in denen die Schuld an dem soeben beipele^rten 
Hader dem Zeus zugeschoben wird; diea sei ein Ausdruck für die An* 
nähme des Dichters, daß der Oöttervater absichtlich den Streit zwischen 
den Königen erregt habe, nm viele Griechen und Troer in den Tod zn 
bringen. Gegen dies 3 Ansicht soll der Diehler des Proömiams der 
Odjasee polemisieren, indem er den Göttervater sagen läßt: ii ii\Um^ 
fi^ ftui xax' l|X}jt.evai, ot xal aMi %x\. Das ist scharfsinnig beob- 
achtet nnd fein kombiniert, aber eben deshalb doch nicht ttbersengend ; 
denn dabei wird den alten Dichtern sngemutet, daß sie an Jeder ein- 
zelnen Stelle den ganzen Zusammenhang des Epos klar im Bewußtsein 
gehabt und sorgfältig berücksichtigt hätten. Aach spricht das Gesamt- 
bild, zn dem Hanssen mit seiner Methode gelangt ist, nicht zn ihren 
Gnnsten. Wenn Achill I 352 ff. sich rühmt, so lange er am Kriege teil- 
genommen habe hätten sich die Troer nicht ins freie Feld herausge- 
wagt, so soll dies ein Beweis dafür sein, daß aus unserer Hins Stücke 
verloren gogangeu sind, in denen diese Periode des Kampfes geschildert 
war. Daraus würde dann weiter folgen , daß I und so anch das mit 
ihm eng verbundene 6 die Gesänge seien, in denen die echte nnd älteste 
Gestalt der Ilias die deutlichsten Sparen znr&clcgelassen habe. Der Verf. 
sieht wirltlich diese Kouseqnens. 

Ini zweiten Aufsätze verwertet er sie als Ausgangspnnlit f&r ein« 
neue Folgerung. 1 34 f. wird auf die iictniuXTjsic bezug genommen r. 
folglich muß auch diese sehr alt sein. In ihr aber kommt Idomenena 
vor, den Haussen mit Recht für einen liemlich späten Eindringling im 
Epos hält: folglich ist die imKwXr^ot; an dieser Stelle ttberarbeitet. — ^ 
Das eigentliche Tiienia der sweiten Abhandlang ist: nachzawdaen, daß- 
die Partien des Epos, die von Tbetis handeln, eng mit denen zusammen* 
hängen, in denen Nestor eine Rolle spielt, ja daß beide dnrch den- 
selben Dichter in die Ilias eingeführt worden seien. Dabei wird als 
Argnment n. a. die Beobachtong verwertet, daß Nestor in seiner Bed» 



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II. Fortgttsetite Untonodimig der KompositioiL 



19 



in A an die göttliche Matter des Achilieos ehnoert: Oed 6i ac ycivsto 
IfcijTiM» (280). 

16. F. Hanssen (Santiago de Oliile), Ilias IX 13^28. Phüol. 
52 (1894) 8. 584—593. 

Zweimal maoht Agaflaenmoa den Voneblag so fliehen: aeheiebar, 
und um aaiiie Leute an piüfeii. In B, eraatUeii in I; idae AaifBhniBgea 
an betdea SteUen atlmmen anm Teil w5rtlieb ftberein. HaoaaeB glaabt 
mm, daß die sttpa In B naeb elaer Vorlage gedichtet aei, in der die 
Aaffordenrng aar Flucht ebenfUla ernsthaft gemeint wir; nnd dleaaa 
adbe alte Ued habe dem Dicbter von i ala Vorbild gedient. Waa aar 
Begrilndang dieser Hypotheae geaagt wird, itt aeharlUnnig nnd hilft in 
daa YentlndBia der beiden YergUehenen Reea«! eindringen; recht ttber- 
aeagend aber iit die Beweisfthmng nicht. Die Aalfordemng, m fliehen, 
iit doeh nach In Ihrem jetaigea Zaeammenhang In B nicht ae gani nn- 
vmtlndlioh: Agamenuion wollte daa Heer anf die Brobe stellen wie 
Medrich der QroBe vor der Sehlaeht bei IiontheD aciae Generale. Der 
Unterschied iat nnr der, daß dem preoBischen K5nig der Versnch ge* 
lang, daicfa Anregnng eloes acbwichllchen Qedanheae die allgemeiae 
Eatachlflaaeohelt an steigem, wihrend Agaamnaon aich in aeiner Be> 
recbnnng geirrt hatte. 

17. P. Jahr, De Biadia libro decimo. Programm dca Stadt- 
gymnaainn» an Stettin, 1889. 6 B. In 4. 

Enthllt eine korae Darlegung der Orttnde, ana denen Verf. der 
Analcht bciatimmt, „Biadia libmm dedmnm e eontentn totioa poematlB 
epld extarminaadnm et Carmen dogalare babendnm eeae**. 

18. von Wilamowitz-MoelleDdorff, Lesefrfichte, Herrn. 85 
(1900) S. 533 ff. (darans hergeh9rig 561—565). 

Der Verf. zeigt einleuchtend, daß die Erzählung- von Achills 
Wafftanng und seinem Gespräch mit dvm Eosse Xaiitlius la T — 
424) zwar ,,in sich ganz und gut aber ein spätes Stück ist, das ,,iü 
die lerlige liias eingesetzt" wurde. Für dif Episude von dem sprechenden 
Pferde vermutet er als Vorhi^'c die von dem weineiid( n in P (426 ff,). 
Im einzelnen liefle sich gegen die Beurteilung' dies und dLis einwenden ; 
im gauztu aber bietet sie ein willkommenes Zeugnis datiir. wie lohnend 
es sein würde, zunfichst die jüngsten Zusätze de^ Epos abznlöst n, anstait 
daß immer wieder versucht wird, mit dem Herausbrechen der aitesteu, 
längst in tibeiipela(?erte Schichten verwachsenen zu beginnen. 

19. W. Heibig, Der Schluß des ilolisciien Epos vom Zorne des 
Aebill. Bheio. Mus. 55 (imO) S. 55—61. 

Daß der Gesang "txtopo; Auipa ?u den jüngsten Teileu der lliaa 

gehdrt, also iedeDfalis erst in der ionischen Periode des £po8 hinzu- 

2» 



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20 B«riebt über die LittenAiir la Homer. 1888*-190i. (Caaer.) 



gedichtet worden iat, dürfte kaum bestritten werden; auch Fick, der 
darüber anders urteilt, rechnet doch diesen Gesan? nicht dem urspräng- 
licben BoRtande seines Gedichtes vom Zorne Achills" zu Womit 
schloß dann aber früher die Handlnno- ab? Fick (Ilia^ S. 2) bat darauf 
hingewieuen, und Helbig hebt es auts neue hervor, daß die im Proömiura 
gefirebene Aoküiidit,Minjz, die Leiber der Helden «sollten den Hunden und 
Vögeln zum FraÜe werden, thatsächlich nicht in Erfüllung gfeht. Es 
kommt dazu, daß gerade in bezug auf Hektor Achill den Vorsatz, seinen 
Lekhnam in dieser Weise preiszugeben, mehrfach (X 335 f. 348 ff. 
V 21. 183) in bestimmten und starken Worten ausspricht. Durch das 
alles ist die Vermutung begründet, dali auf einer älteren Stute der 
Dichtunj» nicht die Art von Mißhandlung, die nr\ch der jetzigen Über- 
lieferung von Achill tagelang verübt und durch die von den Göttern 
befohlene Anslieferung abgeschnitten wird, dem Toten zu teil geworden 
sei, sondern daß die Preisviabe an Hunde und Yönel den Abschluß ^e- 
bildet Labe. Zu sehr ins einzelne mit seiner Konstruktion geht Heibig 
dadurch, da£ er anch der älteren Darstellung schon einen — dort ver- 
geblichen — Versuch des Priamos, die Leiche des^ Sohnes anszuloaen, 
zaweist. Darüber läüi sich niclits wissen. Auch ist es zweifelhaft, ob 
wir berechtigt sind, das Epos in seiner hier vermuteten früheren Be- 
gj'enznng ein äolisches zu nennen: denn in anderem Zusammenhange 
(VI. 2 und VIT, 10. 11) wird sich die Wahrsciieinlichkeit ergeben, daß 
der ganze Plan , um die Ent/.weiuug der beiden Könige die übrigen 
BreiKnisse zu gruppieren, erat in der iooiacheu Periode der Bichtong 
erMünen worden ist. 

20. C. Robert, Rtndira mr Uia«. Hit Beiträg«a von F. fieehtel. 
Berlin (Weidmsnii) 1901. 591 a 

Sl. Caner, Knltnrschichten ond sprachliche Schiebten in der Blas. 
Neue Jahrbücher für das klass. Altertnm u. s. w. VII (1902) S. 77—99. 

Nach Roberts AnRicht bildet den Grundstock unserer Blas ein 
Gedicht, das in äoli-^cher Mundart verfaßt war und von dem sich aoi 
dem ttberüeferteu Bestände noch eine Bei he größerer und kleinerer Ab- 
schnitte, im ganzen 2146 Verse, herstellen lassen. £s enthielt bereits 
die Erzählung von der Pest und dem Streit der Könige, von Thetis' 
Bittgang und Agamemnons Traum, der den Herrscher veranlaßte eine 
große Schlacht zu beginnen. Was dann folgte, war auf zwei Kampf* 
tage verteilt. Am ersten gerieten zunächst die Troer so in Bedrängnis, 
daß auf Helenas Rat Hektor in die Stadt ging, um seinen Bruder Paris, 
der sich grollend fern hielt, 7.nm Eintritt in den Kampf zu bewegen. 
Durch dessen Verdienst wurde dann das Gleichgewicht wiederhergestellt. 
Au nachmittag waren die Troer vollends siegreich, besonders seit 



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n. Forlgetetsto UntenoeboBg der KompoittioD. £1 



Agamemnon und Odyssess verwundet worden waren. Nor die herein* 
brechende Nacht rettete die Achmer. Agamemnon machte im Bäte dor 
Fürsten den Vorschlag, heimlich zo entfliehen, wnrde aber durch Odyssens 
davon abgebracht. — Im II orgengraneu des zweiten Tage« rückten die 
Troer sä einem Überfall heran; aber Poseidon, der Flnt entstiegen, 
warnte die Achäer, die nan unter dem Schatze des Gottes in dea 
Kampf zogen. Hektor wurde von Aias darch einen Steinwarf zu Falle 
gebracht, und nun gelane es den Griechen, die Feinde bis die in Mitte 
der Ebene znrttckzn treiben. Da erwachte Zeas ans seinem oftchtlichen 
Schlafe nnd ließ durch Iris den Poseidon vom Schlacht fcUic wegweisen. 
Au/s neue drangen, wieder von Hektor geführt, die Troer vor, bis 
Patroklos vom Peliden die Erlaubnis erbat, mit den Myrmidonen zu 
Hülfe zu kommen. Achill lieh ihm ans eigenem Antrieb seine Waffen 
und seinen Wagen, und nnn vollbrachte Patroklos RroOe Tbaten. Zu- 
letzt fiel er. Das geschehene Unglück und die Gefahr, in der sich der 
Leichnam befinde, meldete Antomedon dem Acbillens. Bald darauf 
brachte Menelaos den Toten ins Zelt, ihm folgte der schwer verwundete 
Aias. Dessen Rüstung legte Achill an. Ehe er aber hinausstürzen 
konnte, um den Freund zu rächen, kam Thetis, die sein Klagen gehört 
batte, and prophezeite ihm den eigeren nahen Untergang. Dadurch ließ 
er sieb jedoch nicht zuräckhalten, eilte in den Kampf, tötete viele Troer 
uid snletzt den Hektor, wurde »ber gleich darauf am SkAischen Thore 
selbst von Paris erschossen. — 

Man sieht, diese Urilias cnthfilt Stücke ans sieoiliGh allen Partien 
des Epos; ganz fehlen FMK! O 4^ Q, der Hauptmasse nach auch I und 
X. Letzteres begreift man ohne weiteres für die npEjj^ei'a; fdr die "ExTopoc 
dv«^cn{ erklärt es sich daraus, daß Robert die überlieferte Darstellang 
vom Tode Hektors der Urilias abspricht nnd vermutet, es habe ihren 
Plats eine andere, altertümlichere Behandlung desselben Gegenstandes 
eingeoommen. In welcher Weise sieb diese Umformung — oder Ver^ 
driognng — yollsogen habe, in welcher Seihenfolge all die Stücke, die 
der ursprünglichen Dichtung fremd waren, hereingekommen seien, nadi- 
dem sie teilweise vorher ein Sonderdasein geführt hätten, das alles 
glaubt Robert genan erktnnt zn haben. Er unterscheidet eine erste bis 
vierte Uias, zu denen dann noch Zwischenglieder and am Schluß mehrere 
Nachträge kommen, unter diesen als allerletzte die Götterversammlnng 
in T und der Bittgang der Frauen in Z. Eine Tabelle am Ende des 
Ganzen (3. 516) sucht die sehr verwickelte Konstruktion möglichst an- 
schaulich zu machen. 

Fast noch mehr als durch dieses Resnltal beansprucht das Buch Be» 
acbtung durch die Methode, nach der die Untersuchung geführt sein soll: in- 
Hiebst seien die Partien, in denen mykenische und ionische Bewaffnung 



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22 Beiifibt ftbtr die Ltttonttor sa Homer. 1888—1901. (Gtner.) 

deutlich verscbiedeo hervorträten, sebiehtweise gesondert worden; ee 
habe sich gezeigt, daß diese Zerlegung mit der Dach &oliBchem und 
ionischem Dialekt vollkommen Qbereinstimme ; erst nachdem so auf 
doppeltem Wege ein festnmgrenzter Bestand als ursprünglich erkannt 
worden war. aeien aoa ihm weitere Anhaltspunkte fir Inhalt und 
Komposition entnommen worden» nm das Übrige nun so zu zerlegen, 
daß es sich an die gegebenen Plätse irerteilte. — In dem oben ange- 
fnbrten Aufsatz habe ich geeeigt. daß der Verf. eich in einer Selbst- 
täuschnnii; befindet, wenn er meint in dieser Weise vorgegangen zu sein. 
In Wirklichkeit spielen auch bei ihm hoplistische und sprachgescbichtliche 
Kriterien nur eine dienende Rolle, das £utschetdende liegt dnrctaans in 
der Kompositiontkritik alten Stils; nur ist bei deren Anwendung das 
Kißtranen gegen die Überlieferung und die Gläubigkeit gegenüber den 
dgenen Vermutungen ins Maßlose übertrieben. Das ganze Werk muß 
als ein völlli; verfehltes bezeichnet werden. Nur in den letzten Ab- 
schnitten (S. 382 ff.), die sich mit den tbatfächlidi jüngsten Teilen der 
Ilias beschäftigen, findet aich manches Brauchbare, namentlich über die 
Art, wie nachträ^'lich Personen und Familien der Wirklichkeit in das 
Epos mit eingearbeitet worden seien. Die weitere Begründang dieses 
Urteils findet man in der angegebenen Stelle. 

22 Ed. Schwari z, Fünf Vorträge über den (iriechischen Itoman. 

Beiiiü (ücorg iicimer) 1896. 

Der erste dieser Vorträge (8. 1^29) bebandelt nach einigen ein* 
leitenden Betrachtungen die Odyssee ab iltestes Ersengnis nnd Zeigida 
griechischer Enftblongskanst. Dabei ist in betreff der Komposition 
dieses Epos eine Ansicht su gmnde gelegt, die stark darch Wilamowitn 
beeinflnßt ersobeiot — z. B. in der Beurteilung der Kalypso-Episode 
Und darin, daß eine ältere Version angenommen wird, nach welcher 
Odyssens im Einverständnis mit Penelope die Freier tötet (8. 31). 
Mythischen Deutungen ist auch 8ehwarts nieht abgeneigt, hebt aber ndl 
Becbt hervor, daß, wenn Ja einmal die Phäaken „die SchüFer geweson 
sind, die su den Toten fahren** , dieser Zog fttr die VorsteUongen, die 
in unserer Odyssee berischen, «jedenfalls gann zurBckgetreten** ist. 

23. M. Her^t, Die Irifahrteu des Menelaos, mit Bemerkungen 
über die Kdiiipositiuu der Telemachie. Progr. des Kgl. Maxioiilians- 
Gyniü. in München, 1892. 41 8. in 8. 

Der Verf. behandelt in sehr zuversichtlichem, am nicht zu sagen 
herausforderndem Tone die Erzählung von den Fahrten des Menelaos 
und meint sie einer ursprfinglicben Gestalt daduixih wieder zn nähern, 
daß er d 83—96 und 516 it (ohne genaue Bcgrenaung), ferner 125 ff. und 



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II. Fortgesetzte Uotersucbung der KompoaitiOB. 23 

987 ff. antwirft. Omnd für die ersten beiden Athetesen sind sachliche 
und sprachliche Aostöße, die iu den nestrichciien Versen vorkümmen. 
Der Verf. bedenkt nicht, daß die Aufgabe, deryleicheo Schwierigkeiten 
m erklären, doch damit nicht erledigt ist, daß man Ii* Partie f ir ein- 
geschoben erklärt; denn anch der, welcher sie ein>chob, uiuij bii h ( twaa 
dabei gedacht haben, es muß möglich sein, psychologisch zu veiäteüen 
was er wollte. Über die Periode der Kritik, wo der Jnterpolator" 
oder «Dichterling" ein Süudenbock war, dem alles Uu^Iaublichste auf- 
gebfirdet werden konnte, pind wir doch glücklich hinaus. — Füi 1 ^5 if. 
und 227 flf. liegt der Anlaß zur Verurteilung darin, daß hier ein 
Aufenthalt aach der Helena in Ägypten angenommen wird, während 
weder in der Proteus-Episode noch in Nestora Erzählung (y 276 ff.) 
eine solche Thatsache erwähnt wird. Dem gegenüln r liat schon Rothe 
in seinem Jahresbericht darauf hingewiesen, dal] Htitna doch irgendwie 
Ton Ilioa nach Hanse gekommeu sein muß; mit wem soll sie geialui u 
sein, wenn nicht mit ihrem Gemahl? — 1 1 t Irr nta hnrng wert iot 
Hergts Vermutung, daß in Ö 621—621 ( ca.: jp. j o i. otoix^x lav %xX.) 
der echte Rest einer Darstellung erhalten sei, iu welcher das Motiv 
der Doppelhochzeit aus dem Auiaug vou o hm Eude durchge* 
föhrt war. 

S4. A. Th. Ghrist, Das Aiolosabenteaer in der Odyssee. Landi- 
kron in Bithmen, 1888. SO S. 

Ausgehend von den Schwierigkeiten und Unklarheiten, mit denen 
die Erzählung von dem Äolos-Abenteuer offenbar behaftet ist, sucht 
der Verf. wahi*8cheinlich zu machen, einmal, daß io der ursprünglichen 
Gestalt der Dichtung Odysseus seiuer>eiis, iu ttberscbätzung der eigenen 
Kraft, den Wind wart nni Auslieferung der widrigen Winde, die er selber 
am besten büwa< n könne, gebeteu habe, sodann, daß die Eri^uhiuug 
eigentlich eine Parallele zu der von den Heliusriodem nnd wie diese 
dazu bestimmt gewesen sei, den Untergang der Gefährten des Helden 
za motivieren. Die erste Vermutum^ ist b^ai hteuswert, weil sie eine 
in der Überlieferung entstandene Dunkelheit aul klärt; die zweite wOrde 
dazu nötigen, einen Teil der im Text enthaltenen Erzählung als Werk 
einer späteren Redakiion wegzustreichen, wo dann jeder feste Anhalt 
für die Forschung verloren wäie. 

H. <}roeger» Die Kirke-Diehtnng in der Odyiiee. Philel. 
59 (1900) a 806—287. 

Der Verf. behandelt den Abschnitt x 133 — 489 und zeigt, daß 
hier nicht das Werk eines großen und oriiriiuilt n J »i diters vorliegt, 
sondern da& eines Nachahmers, dem sich die Beuuiz,uug der Vorbilder 



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24 Berieht «Imt die Utterator su Honer. 1888-1901. (Oener.) 

und Mangel «n elgsDer Gestaltaiigskraft saeliweiBeii laaseii. Die Unter« 
saebnng ■ehließt iidi an Kircfahoff und Wüamowirs an, lat aber selb* 
Bttadig gefttbrt, lo daß z. B. die Yeraintang, die naaehen eebon alt 
Tbatsaehe sa gelten anfing, daO die Eraftblnng in xi^ der dritten 
in die ente Person amgeBetzt worden sei, abgelehnt wird (3. 217). Der 
nntemommene Beweis ist im weseotliehen gelungen; nur hier nnd da 
hat der Scharftinn in der Aafspfirnog von An^töOen xa weit geftbrt* 
So erscheint mir das Verfahren des Odysseos bei Erknndong des Landes, 
aneb nacbber sein Verhalten gegen Borylochoe gaan Terstitaidig nnd 
verständlich, der Spott x 271 f. recht wirksam; alles dies ist jedenftdls 
nicht geeignet, der Kritik eine feste Handhabe zn bieten (S. 214. 230). 
Weil die genealogischen Angaben Aber Kirke denen Uber Äolos ibnlicb 
sehen, so meint der Ver^ (Su 206): „das kann nur an einer Stelle 
original sein**. Aber mnß es das flberhanptt Kann nicht diese Art. 
ein nenes Abentener einsntfihren, länf^st formelhaft gewesen sein, als die 
Eratthlnng von Äolos so gnt wie von Kirke gedichtet wurdet Kit 
dieser Möglichkeit, die er im Priudp sngiebt (a 211. 215), bat der 
Verf. anch sonst nicht geoog gerechnet, nnd bat daher mit sn großer 
Zavenicfat solche ZUge, die den Eindruck des Nachgeahmten machen, 
auf bestimmte Vorbilder innerhalb unserer Odyssee und Iliaa surSck- 
geffihrt. So ist das Auftreten des Hermes in x dem in ü gewiß ver- 
wandt; welcher Art aber diese Verwandtschaft sei, bleibt auch nach der 
hier gegebenen Darstellung nweifelhaft, — Übrigens anch wo man sich 
dafür entscheidet, daß swei Stellen der uns erhaltenen Epen durch di* 
rekte Abstammung miteinander verbunden sind, ist noch eine doppelte 
Möglichkeit anzuerkennen. Groeger glaubt^ daß der Hermes in x nach 
dem in Q gebildet sei, weil dort seine Handlungsweise geschickter und 
natfirlicher sei (S 222): an sich ist es doch auch denkbar, daß eis 
Dichter, der ein schon fertiges Motiv Übernahm, es gl&cklich verwertete 
und mehr daraus machte als der Erfinder selbst. Oeradesu vermuten 
mOcbte ich dies für die Enfthlung von Kalypso, die der Verf. (8. 224. 
235) fitr ein VorbUd der Kirke<Dicbtung hUt, weil die den beiden ge* 
meinsamen Züge in s tiefer gefaßt und feiner geseichnet sind als in x; 
hier hat Wllamowits, dem Groeger widerspricht, doch wohl in der 
Hauptsache das Richtige gesehen. 

Daß einem sp&ren Dichter, der ein liberliefertes und schon ge- 
formtes Material verarbeitet, doch zugleich eine Neuschüpfling von hoher 
Scb8nheit geHngen kann, wird aufb glänzendste durch Q bewiesen. Wir 
haben also kein Recht, wenn eine einselne Partie in der Kirke*Dleh- 
tuog uns gut gefiUlt, diese eben deshalb dem Verfasser der übrigen ab* 
suspreehen. Sonst wird ihm die ünselbstSndigkeit daraus bewiesen, daß 
seine Darstellttog keinen glatten und gerundeten Eindruck mache; bei 



I 



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II. FortgMetito üntennebiiDg der Koaipodtion. 25 

ätm Jigdboichte (k 166 IL) loll gmde die Lebendigkeit und Aa- 
Mbanliehkeit ein Zeichen dAlBr sein, dA0 er m „nnbekaanten Qaellen" 
f«eeb(pft iwbe (S. 310). — Im fibri«eB htX 0roeger die Eigenart dieeei 
ErAblers treffend beteiebnet: wie er binter dem der Kwimwa an 
pejeboleglseher Feinheit snrflcksteht (S. S24 f.) und an Stelle dae 
Meehen Hnmon, der jenem eigen ist, eine Neigung sam LarmoynoteE 
aeigt (8. 831) 

Die Stellnog der Xirke-Epliode im Plane der Odyaiee wird nur 
in AnCaDg aod xom Schiaß der Abbandlnng barlUirt. Der Verf. glanbt 
(B. 836), de gebOre demselben Diehter an wie die Nekyia; diese eel 
mit ihr sngleieh in den ftlteren Noatos eingefUgt worden; mit Bttokaiebt 
«af die Hadeafabrt aei Kirke in Aa lokalisiert worden, daa am Bande 
des Okeanos liege nnd ao ««den nSebatea and bequemsten Anagangspuakt 
der Fabri biete'« (6. 807). DaO der erste dieser Sfttze gana nnbalt« 
bar ist, kann, Ton allem FrQheren abgeeeben, nach der eracbOpfendeu 
Behandlang Ton Bobde ala ueher gelten [vgl. in diesem Berichte YII, 15]. 
Aber aneh gegen die Art der geographischen Ankofipfang maß Ein- 
apmch erhoben werden. Äa, wo Kirke wohnt« liegt im Osten, S8i t* 
*iUoc 4t»rTtvi(i}c ml x^P^ ^ dvtoXfld *HcXumo 3 f ); der Ein« 
gang aar Unterwelt aber befindet eich — naturgemäß und nach der 
anadrfleklicben Schilderang X 14 ff. — da, wo die Sonne verschwindet. 
Die Verbindung swischen Aa und dem Eingang aar Unterwelt ist also 
olehla weniger ala bequem und natürlich; Kirke muß fttr die Sage ISagst 
in Sa helmisch geweeen sein, ehe ein Dichter den Bau fassen konnte, 
den Besuch des Odysseus im Hades gerade aa dea Aufenthalt bei ihr 
ansQknSpfen. 

26. F. Dümniler, Die Qaelleii zu Pui^i^QOlB Nekyia. KUem. 
Mns. 45 (1890) S. 178-202. 

27. C. Robert, Die Nekyia des Poiygüot. Sechzehntes HalU« 
achea WiackelmaDnsprograniffl. Halle a. 8. 1892. 84 8. in 4. 

88, G. Zutt, Ober den Katalog der Heroinen ia der Nekyia. 
Frogr. Baden*fiaden 1894. 23 S. In 4. 

Die beiden eraten der hier ausammengefaßten Schriften haben nur 
mittelbaren Bezog auf Homer. DBmmler findet^ daß daa ünterweltsbUd, 
welebea Polygoot in Delphi gemalt hatte und von dem wir eine aus 
guter Quelle atammende fieschreibang bei Pausanias besltaen, awar in« 
sofern an die große Nekjria der Odyssee sich anlehate, ala ea einen 
Hadeabesnch eben dea Odysseas darstellte, in seinem Inhalte aber fid- 
fach von unserem X abwich, indem ea auch Personen vorführte, die In 
X faUea, und eioselne wegließ, die in X auftreten (Antiope, Alkmeae, 
Ejpikaste. Leda). Er meint deriialb. daß dem Malor eine andere Bades * 



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26 Bericht Über die Litterstar zu Üomer. lSö8-1901. (Cauer.) 

dlehtiuig vor Angea gestanden haben mtlwe, die ihm ffir die innere 
Anigestnltnng dee Bilde« maßgebend war. Ali solehe ▼ernntet er die 
Kekyia der Noatea, die er ane den beiden bomeriechen (ia X nnd o») 
mit lebhafter Phantasie rekonitmiert: sie enthielt die Erzählung von 
der Hadeafahrl des getöteten Agamemnon mit seinen Uogläcksgefäbrteo, 
der noten mit Achill cnsammentrifft nnd von diesem Aber die lotsten 
Torgäuge anf der Oberwelt (das eigene Ende, die Bestattung des Po« 
liden, die Theten des Neoptolemos) befragt wird. Agamemnons Sorge 
nm das Oeschick seines Sohnes Orestes, die in X (463 f.) keine Be* 
rahiguDg findet, gab in der nrspräoglichen Dichtnag Anlaß zum Ein« 
greifen der Heroinen, deren Ftthrerin Tyro durch die Ersfthinng von 
Alkmttons Bache an Eripbyle (k 326 f.) anch «.dem Agamemnon die 
sichere Aussicht auf Bache erOfToete** (S. 194). — Die Ansicht, die 
hiermit in ihren Haoptzögen angedeutet ist, hat Dftmmler dadurch ge- 
wonnen, daß er teils in X teils in m Elemente jenes ältesten (8. 198) 
Hadesgedichtes sn entdecken glaubte, die bei Homer stellenweise pein- 
lich genan wiedergegeben, im ganzen Jedoch willkfirlich umgebildet nnd 
srg verschoben sein würden. Die Beweisführung gründet aber so durch- 
weg Yermutnng auf Vermntungeu, daß ihr alier feste Halt fehlt nnd 
sie als ein wirklicher Bdtiag zar Analyse der Odyssee nicht betrachtet 
werden kann. 

Sie ist denn auch bald genug widerlegt worden dnrdi Bobert 
(8. 78 f) im Zusammenhang einer größeren Studie über die Nach- 
richten, die wir von dem Nelcyiagemälde des P^Iygnot haben und ans 
denen er dieses nach Inhalt und Anordnung, auch in einem neicbne- 
risdien Entwürfe, wiederherstellt Überzeugend ist sdne Verroutong 
(S. 75), daß der Name ASth in Besehreibung bei Pausauias (28, 7) 
anf einen Iiesefebler anrüclcgeht, daß anf dem Bilde vielmehr A^rfir^ dar- 
gestellt nnd benannt war, wodurch die Übereinstimmung mit Homer 
noch größer wird. Für einen Teil derjenigen Figuren des Gemäldes, 
die nicht aus Homer stammen können, sucht Bobert die Minyas als 
Quelle nachzuweisen, mit der er in dieser Beziehung die Kyprien nnd 
die Ätbiopis anf eine Linie stellt (S. 80). 

Anders hatte Wilamowitz in seinen .Homerischen Untersnehungen" 
(1884) das Verhältnis gefaßt. Nach seiner Ansicht v^en Kyprien nnd 
Ätbiopis in der homerischen Nekyia selbst bereits benutzt, würden also 
für Polyguot nur mittelbar als Quellen gelten köanen. Von dlssem 
Punkte gebt Zntt in seiner Abhandlung aus, in der er zunüekst über 
die Arbeiten der drei hier genannten Gelehrten berichtet, die Wider* 
legnng DQmmlers durch Robert konstatiert nnd danu eine eigene Vor- 
motnng speziell über die Herkunft des Heroineukataloges im X aufetellt. 
Gegen Wilamowitz macht er (S. 6. 7) nicht ohne Grund gelteud, daß, 



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U. Fortgetetsto Untonadmiig der KompoiitiOB. 27 

wenn Stellen der Odyssee mit dem, was wir über den Inhalt eines ky- 
kliscfaen Epos wissen, auffallend Qbereinstimmen, dies nicht notwendig 
so erkJärt za werden braacht, daO die eine Darstellung: von der anderen 
abh&Dgt, sondern daß auch beide aus gemeinsamer Quelle geflossen sein 
können. Andererseits schließt er sich an Wilamowit/. darin an, daß er 
in der ganzen hier in Rede stehenden Partie (K 225 — 329) „besiodeischen 
Charakter" erkennt. Dies verbindet er mit einer Beobachtung Dfimrolers, 
die er sich (8. 13) aneignet, daß die große Masse der io der Nekyia 
auftretenden Frauen anscheinend unter eich in einem genealo^^ii^cheD 
Zusammenhang gestanden habe. Er gruppiert sie zu einem Stammbaum, 
an d^en Spitze Äolos steht, und dem sich nur die thebanischen He- 
reinen (Alkmene, Megara, Antiope, Epikaste) und die, welche der 
attischen BezensioD ihre Anwesenheit verdanken (Pliädra, Prokilf, 
Ariadno) nicht einordnen (8. 14j. Fär diejenigen Franen, deren Zu- 
gebörigkeit zum Stamme dea Aolos nicht ohne weiteres klar ist, weist 
der Verf. sie im einzelnen nach, und sucht dann mit beachtenswerten 
AjrgumeDten die Annahme zu begründen, daß dieses in sich gleich- 
artige St&ck ans dem ersten Buche der Kataloge Hesiods entlehnt sei 
Von allgemeinerer Bedeutung ist eine Bemerkung, die Ziitt ^egen 
Niese macht, der, in konsequenter Ausführung seiner Theorie, aoch die 
hesiodischen Gedichte erst aus der homerischen Poesie erwachsen sein 
läßt und in dem in \ enthaltenen Heroiuenkatalog das Vorbild für 
Hesiods genealogische Dichtung sieht, Zntt weist (S. 22) richtig darauf 
hin^ daß der |i.dvTi; d(jLU]xcDv, die dei^ata itdvTa (X 291. 2D7) doch ofifen- 
bar eine ganz bestimmte, bei Homer bloß angedeutete Beziehung haben, 
alio ein Gedicht, das von Melampus erzählte, voraussetzen, während ee 
andererseits unglaublich wäre zu denken, daß namenlose Andeutungen 
dieier Art den Anlaß zur Erfindung des Namens Melampas und des 
Inhaltes der dio^atot, den Hesiod mitteilt, gegeben hätten. Danach iat 
ea vollkommen richtig, daß Nieses Gesamtansicht yoü der „Zndichtang 
Und El Weiterung der homerischen Poesie von innen heraus" an Stellen 
wie der liier vorliegenden ihre Grenze findet (S. 13), so viel Anfklftrnng 
nie aonst» waa wohl anch Zntt nicht bestreitet, gebracht haU 

Über andere Untennchnngen nr Nekyia, die sich an Brwin Rohden 
f^Sityche** anschließen, wird nachher im siebenten Abschnitt berichtet 
werden. Hier ist noch an erwähnen: 

29. F. St rem z, De Necyia Homerica. Programm von Klagen* 
fort, 1896. 21 S. in 8. 

Die Stellung der Nexuia innerhalb der Odyssee und das Verhältais 
iwlacfaen den Teilen dieeea Geiangea werden im Anschloß an ältere 



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28 Beriebt über die Litterator sa Homer. 1888-1901. (Cauer.) 



Untersachnngen, besonders (He von Wilamowit/, and Sceck, behaudelL. 
Rohdes DarstelJuiif^, um' h die erste in der Psyche", kanote der Verf., 
Eils er schrieb, noch nicht ; in den Anmerkung^en hat er einigte Hinweise 
darauf hinzuaefiigt. So war seine Arbeit leider schon überbült, als sie 
erschien. In vielen Eiii/.eiheiteo wird er selbst inzwischen sein Urteil 
geändert haben; nur auf die Grundanscdiauniie: sei iiier karz ein^e» 
gangen. Streinz ftihrt im ersten Kapitel den Nachweis: ,,necyiam olim 
illaoi locum, quo nmn euui lei:imub, nun obtinnisse". Das ist insofern 
einleuchtend, als damit, gesagt werden soll, daß innerhalb der Eiziih- 
langen des Odysseus dieses Stück urspi üiii;licji uicLL gestanden hat. 
Dann bleibt aber noch die Hauptfrage; hat es früher einmal anderswo 
gestanden, vielleicht als canz selbständiges Gedicht, oder ist es für den 
Platz, den es nun einnimmt, allererst gedichtet worden? Diese Frage 
berührt der Verf. überhaupt nicht, pondeiu nimuit st illsch weisend an, 
daÜ die Nek3nla, wenn sie in ihrer jetzigen Umt^nbant; spätere Einlag-e 
ist, vorher als eine Dichtön^ fUr sich existiert haben müsse. Dieser 
Sprung des Dt iikena wiederholt sich dann bei der Beurteilung der Qe* 
spräche des üdysseu.s mit Teiresias, der Matter, den Kriegsgefährten, 
Der Verf. benutzt, wie von vielen nnd früher auch von mir geschehen 
ist, das Bhittrinkt^n der Schatten als unterscheidendes Merkmal, zerlegt 
danach jene Gespräche in zwei Gruppen und meint nun, hiermit sei die 
Znsauimensetznng aus zwei ursprünglich getrennten (fedichten ohne 
weiteres erwiesen. Das wäre, auch wenn jene Zerlegung feststünde, 
durchaus nicht der Fall; vielmehr würde zu unierüncben bleiben, ob 
wirklich beide Teile koordiniert waren oder ob etwa der eine als Er- 
gänzung, Erweiterung. Nachbildung dem anderen, als dieser scjion ab- 
geschlossen war, hiozogedichtet worden ist. 

80. A. Czyesklewicx, üntonnehangeQ ttber das DL iifidXTL 
Bnch dar Odytaee. Brogr, Brody 1889. 88 8. in 8. 

31. Derselbe, Untersuchungen zur zweiten Hälfte der Odyssee 
(Buch Xm und XVH-XXIV). Ebenda 1892. 53 8. in 8. 

82. Derselbe» Betnchtongen Aber Homers Odyssee. Ebenda 
1893. 44 8. in 8. 

Die er-te der drei Abhandlnne:pn sucht nachzuweisen, daß tt an 
seinem jetzigen f^latz nachträglich tincefügt sei. Es habe ursprünglich 
einen Bestandteil der Telemachie gebildet. Da diese mit der Rache 
an den Freiern schieß, die ebenfalls, nur auf andre Art, in der eigentlichen 
Odyssee darerestt lli war. so habe man auf den Gedanken kommen können, 
beide DiehtuiiL'eii in eins zn arbeiten. Bei dieser Gelegenheit sei it 
auch iu stioem inneren Bestände nicht unversehrt geblieben, bo geiiöre 



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n. PortgflMMe Untonnehiiiig d«r KompoftUoiL 29 

die ganse YerwtttdlimgweDe in « dem Ordner nn, in der Blteren Ge- 
stalt der Telemnebie hnbe EaoiKoe cUe BtkeDnnnf swlidien Vater nnd 
Selm vermittelt. — In t nimmt der Verf. an dem fao(v in Neaton 
Bede (212) AmtoB, da doch Tdemacb Ton den Freiem aebon ge* 
aproelmn habe, nnd meint dieie nnd andere Schwierigkeiten dadofch 
m haben, dafl er die an dieaer Stalle geführten Waehaelnden telli 
wvrirft, teils nnatellt 

Der swdte AnlMts bebandelt snnicbst die acht letrten Btcher 
«nd ancht an sondern, waa in ihnen der alten Odjaaee, waa der Tela* 
machie oder dem jfingerea Nottoa» welcher R«neh Ton der Anknnft daa 
OdjMens anf Ithaka bandelte*, angehört. Den Fehler, die wiehtiga 
EHÜßmng der Penelope a 959 ff. nicht in ihrem Toilen Werte na er- 
kennen, teilt der Verf. mit den meinten Foxachem. In betreff des Oe- 
apricfaa nnd der Erkennung awiachen dem Bettler und der Kdaigin 
acfaUeOt er eich der Ansicht von Wüamowita an, die er aber nnr 
mittelbar ana den Anffthmngen bei Seeck kennt Aach aonst ist aal 
B e e c k mehrfach being genommen, doch nnr anf einielne Stellen seinea 
Baches, nicht anf seine ganae Hjrpothese. — Die letaten Seiten ent» 
halten kritische Bemerkungen an v. Der Verf. glnnbt an erkennen» 
daß der Gesang ana einer Verbindung von Teilen dea alteren und den 
Jlkngeren Noatos beatehe; in dem älteren habe nicht Athene, aondem 
eine andere Gottheit, vielleicht Heimea, dem Helden nach seiner Landung 
auf Itbaka beigestanden. 

Der erste Tdl der dritten Abhandlung verfolgt die Spuren dar 
Zuaammenfügung von Odyssee und Telemachie in o, wo Ja In der Thal 
Unebenheiten genng vorhanden aind, die den jetsigen Verlauf der fir- 
siblnng als einen seknndiren, durch redaktionelle Verlegenheit b^ 
dingten erkennen lassen. Der Verf. nimmt an, daß e 75 sich frlher 
unmittelbar an 8 612 angeschlossen habe. — Demnichat sucht er die Tela- 
machie genauer ilirem ümfang nach absugrenaen , ihrer Art nach an ahaiuk« 
taiisieten und kommt schließlich an dem Urteil, daß bei der Vereiaigang 
der awai Epea nicht die Telemachie in die 04yasee sondern umgekehrt 
die Odyssee in die Tdenmehie emgefUgt worden sei, — Im letatan 
Abschnitt wird der «jüngere Noatos* behandelt Die glftnnende Bj^»- 
these von etner Umsetaung der Eraühlung aas der dritten in die ernte 
Person Idiat der Verf. mit selbatitaidigem Urteil ab, wührend er den 
Charakter dieaer Partien der Dichtung weaentUeh im Anachluß an 
Crehhoff schildert; Kirke eridlrt er für jünger als Ealjpso, den Zon 
dba Fnseldon Ar daa ursprüngUcha Grundmotiv in den IrrfUirten dea 
Odyaaeua, daa der Jflngaren Dichtung fremd gewesen aeL 

Die Un te r aueh nngeu von OhjcaUewica neigen Beobachtongsgabe 
wad fl^Siainn, auch daa ansthalle Stieben au fseten Urteilen an g»- 



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80 Boicht aber die UttMitor sa Horn«. 1888-1901. (Caver.) 

laDgen. Aber sie g^eben von veralteten Grnndanschaanngen ans und 
werden daher in den Gokup; der Wissenschaft nicht mehr eingreifen. 
Ohne Kenntnis der einschlägigen Arbeiten mindestens von Niese and 
Wilamowitz konnte es nicht gelingen, zur Förderang so schwieriger, 
viel umworbener Probleme etwa« WirltiUUDes beizatragen. 

38. 0. Belchert, Über den zweiten Teü der Odjaiee. Berlin 
(Mayer and KflUer) 1889. 92 8. 

Der VeriL onterMieht im Anichlaß an Slrcliholi; Wilamowili und 
Beeck die zweite Hälfte der Odyewe nnd kommt so dem EigebnlB, daß 
der von KirehhoiP nogenommeie FoitBetier dea arsprünglieben Neetos mit 
dem Bedaktor indentiseh sei, wMnat die Memaehie eingefügt and daa 
ganze Epoa In aeine jetzige Gtestalt gebracht habe. Ein weaentUehes 
Glied in der Kette des Beweises bildet der ^n Nieae and Wilamowita 
anfgesteUte 8ats, daß die Scene des Faßwaachent in t arspranglich in 
einer BrkeDnaog zwischen den beiden Oatten geführt habe. Glaubt man 
das nieht mehr, so fiUlt damit zugleich die Annahme, daß in einer 
Alteren Form der Dichtung Odysseos die Vorbereitungen som FMermerde 
mit Penelope verabredet habe. Hiermit wieder w&re der Scheldnng eines 
älteren Bogenkampfes yom jüngeren Speerkampfe der Boden entsogeu, 
nnd so wQrde das ganze (^ebftnde der Hypothesen, an deren Ansge« 
staltang Reichert mitarbeiten wollte, in sich znsammensttirzen. — So 
ist ee aber nun wirklich. Nach neueren AnschanuDgen von hom^scher 
Kompositionsweise, über die in Abschnitt III berichtet werden wird, 
läßt sich jene scheinbar glänzende Entdeckung nicht festhalten. Nicht 
Odyssens hat die Absiebt, von Earykleia bedient nnd dadurch zunächst 
von ihr erkannt zu werden, sondern der Dichter will es so fügen, nm 
ehie spannende Scene schildern zu könueu, und legt deshalb dem Bettler 
Worte in den Mund, die geeignet sind die gewünschte Verwickelung 
herbeizuführen. Auf die Beziehnngen zwisLlieri den Absichten des 
Dichters und den Intentionen, die er den haiiJcludeu Personen leiht, ist 
Keicliert mehrfack anfmerksam geworden; er findet (8. 9. 10), daß 
Wilaiiiuwitz und Seeck beide Arten der MuLiviuruiii!; nicht scharf genug 
aubüiaanderliaUeu. Aber die Unklarheit der UnLeiüuhcidang liegt bei 
dem Dichter selbst; nnd ihm nachenipiiudeu kann nur derjenige, der 
eine solche Schwilche anerkennt und psychologisch zu verstehen sucht. 

34. F. Jelinek, Homerische Untersuchungen, I.Teil. (Die Wider- 
sprüche im zweiten Teile der Odyssee. Versuch einer Herstellung der 
Verwandlungsodyssee.) Pror^ramm des K. &. Staatsgymnasiams im 
IL Bezirke von Wien, 1895. 50 S. in 4. 

Der Verf. knfipft an die Arbeiten von Wilamowita und Seeck 
an; auch Bdchert bat ihm schon vorgelegen. Er glanbt (S. 6) iqt 



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II. Portgwettte üntmoehiiog KompotitloiL 31 

sweiteD Teile der Odjeiee swei einender auf Schritt und Tritt wider- 
«inreehende, dnreh des Redektor nngeecdiiekt vereinigte Diehtangen la 
erkennen: eine .In jeder Bedehnng altertHmlielie in reeliitiieltem Stfle^ 
die Bogenkanipfodjnee*, In der Odjweu natüriieli-geeltert nnd nor 
TerUeidet ist, nnd «elneifingere Dlebtnng mit IdetUatiieher DanteUnnge« 
weise, welehe mgletch die reebtaAßige Fertielaung dee enten TeUee 
der Od:fsaee (c— v 184)** bilde. Beide Dichtungen a^n im Stile nicht 
minder Tencbleden als Ooetbes „Qöta** nnd »Iphigenie**. Ahgrenanng 
und Yerteilong der eloselnen Stflcke wird dann genau erörtert, vIelfiMh 
abweicheod tob den Vofgftngem, aber im festen Olaobea an die Durch- 
Itthrbarkeit der ganien Ketbode mit ihnen ttberdnstlmmend. Nnr eine 
Probe sei hier mitgeteilt. Zn den eharakteriatlMhea Zügen der iltenn* 
realistischen Dicfatnog rechnet es Jellnek (8. 8 f.), daß der Bettler in 
aufloderndem Zone in Versnchnng gerät ans der BoUe n fallen; so 
dem Ziegoihirten, so dem Iros gegenflber, so anch (8^ 40) in der Streit- 
seene mit Antinooe, der Ihn mit dem Schemel wirft. Dagegen soU die 
entsprechende Seen« nrischen Odjssens nnd Enrymaebos der feineren 
Yerwandlnngsodyssee angehören; nnd doch ist hier In der Bede des nn- 
erkaantea Königs (a 866—386) der Drang, seine wahre Natar an offen- 
baren, nnd die Gefahr, sich an verraten, nnverkennbar» Die Seene ver- 
Iftaft schließlich anch ebenso realistisch wie die frühere, aaeb Bnry- 
maehos wirft nach dem Fremden: das scheint denn an dem ideaUstlaebea 
Stile der Yerwandlnngsodyssee nicht an stimmen; nod Jelinek Ist ge- 
neigt, hier eine Störung des nrsprflnglichen Bestandes ansnnehmen, wagt 
aber keine Yermntnng darüber (ß, 41), wie der Fortgang in der eebteq. 
Dichtnsg gewesen sei. Diese Bebandlnng der beiden Wnrteeenen, an 
der der Yerf. dnrcb die Konseqnenaen seiner Gmndaaschannng geführt 
wird, reicht eigentlich schon ans, nm deren Unhaltbarkeit dannthnn. 
Bei der allmähliohen Entstebnng nnseres Bpoa sind die Scblchten sq 
yielfhcb ineinander gewachsen, daß es nicht mehr mögUeh ist, sie rsin- 
lieb abtnlösen: diese allgemeine nnd f^ilich negative Erkenntnis war 
sehon das wichtigste Besnitat der Vntenmcbnngen von Wilamowita, 
Beeck hat dann vollends dnrcb seine entschlossene nnd rückslebtsloee 
Fortsetanng den ganaen Gedanken, daß man dnreh staatsanwaltlicbe 
AnfrpQmng von Widersprüchen daa Epes in aeine nrsprüngllchen Be- 
standtelle anllösen könne, ad absurdum geführt Eine im Frinalp nn- 
veründerte Fortsetanng jraer Bemühungen ist heute ein Anachronismus. 

S5. A. O Ii Vieri, Ogservazioni critiche solla Mnesterofonia. 
Bivista di ftlologia 28 (19Ü0) p. 598—606. 

Der Verf. macbt eine gute allgemeine Bemerkung: daß Homer ef 
npoli nicbt verstehe, bei Ereignissen, die sich gleichartig antragen, diea 



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a2 Berieh« fib«r die Utteratnr sa Homer. 1888-1901. (Cuier.) 

inm Atudraek za bringen, de vlelinehr bo eraShIe, all ob lie anMn- 
toder lolgten [des ecUacendete Belepiel hierfttr ist S der ganie Qe« 
danke fimchtbar entwickelt too Zielinski; vgl. unten III, 14]; darane aeleo 
manche ünwabrschelnUchkeiten in der Daratelliing dea Freiermordea, 
beaoodera in der Partie die von dem Eingreifta dea MelaDthloa bandelt, 
WH erklftren. — Was aaOerdem gegeben wird, sielt ab aaf eine genane 
Berecbnnng Uber die Zabl der Freier, Der Verf. verateht das o( H üi 
959 so, daß fiberhanpt nur noch 3X6 Freier librlg dnd, hilt also die 
Angabe von d Führern neben Agelaos (243 f.) nnd den Bericht von der 
dnrcb Athene znletst herheigefllbrten Maisentdtnng (297»a09) ebenso 
«ie das erste Anftreten der Güttin (303^840) fftr interpoliert. Andrer^ 
selts vermiBt er sowohl hinter 259 wie hinter 880 für einen Teil der 
von dea Freiem entsandten Lausen die Hitteilnng, was daravs geworden 
sei, nimmt also hier Lficken an, in deren sweiter von einer Verwandong 
aneb dea Odyssens nnd des Binderhirten berichtet gewesen sei. Beide 
Vermntnagen scheinen mir fiber die Greone hinanszogehen, die der 
Forschung hier durch die Natur des Stoffes gesogen ist. Der Dichter 
von X» so snichsulich er Einxelbeiten des KampfM geseiehnet hat, besalt 
noch nicht die Ftthigkelt, große Massen so dispoaieron; nnd so leidet 
seine Darstellung', wo sie sich mit der Menge abflnden muß, unyei^ 
meidlich an ünklarbelt nnd Unwahischeislichkeit. An sich Ist es Ja 
wohl denkbar, daß die Erslblung des Freiennordes im Laufe der Zeit 
ausgeschmückt worden ist, daß man ihr gerade durch Stpigerung der 
Zahl ein erhöhtes Interesse zu geben versucht hat; aber innerhalb des 
vorliegenden Gedichts sind etwaige spAtere Züge mit den früheren schon 
so fest verwachsen, daß es nicht mehr möglich Ist, eine ursprüngliche 
schlichtere Darstellung heraussuschülen. Immerhin ist dieser Versuch, 
so wie ihn der italienische Gelehrte angestellt bat» berechtigter als der 
Gedanke yon Seeck, eine Kontamination aus .ülterem Bogenkampf und 
Jüngerem Speerkampl naehnuwelsen. Daß Im Freiermord, so weit wir 
sshen kOnnen, von Anfbng an beide Wsflbn nebeneinander thitig ge- 
wesen efaid, hebt Olivieri sum Schluß ausdrücklich hervor. 

36. 8t. Martiu, Quatenus Hesiodeae rationis vestigia in car- 
minibas Honiericis reperiantar. I. De Odjssea et Theogonia. Progr. 
Speier im. 71 & in 8. 

Der Yerf. bat sich eine nütallche Auligube gsscsUt und sie mit 
Bachkenntnis nnd besonnenem Urteil su besrbeiten begonnen. Er hat 
sUe Stellen gesammelt, an denen sich twischen Theogoale nnd Odyssee 
Anklünge finden, und prüft In Jedem elnselnen Falle durch genane £r* 
wügnng der ümstlnde, auf vrdcher Seite daa Original, auf welcher 
die Maidiblldung su sein schebie« KatütUch glebt es auch genug Bei* 



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II. FortgOMtit« ÜDtflnaehnng der Kompotittoo* 33 

iipisle von ÜbereinsUminnDg, fllr welohe Jedes Merkmal feUt nm du 
«tfne oder das andere wahraebdoUeh sa maebeo. Im ganaen aber ist 
doeli ein bemerkenswertes Besnitat gewonnsD. Der Elnllaß der Theo- 
gonie anf die Odyssee erscbeint erbebUcb grOj^r als der nrngekehrte. 
Yon den Gesängen der Odjrssee ist X der retebste an Bedebangen snr 
Tbeogonle, stwölf (^v^ocfmfx) sind gans frei davon; in % findet sieh 
i»ar eine Benntxang (470 « Tbeog. 59), die aber nicht vom Diohter 
des X berrfiht, sondeni anf eigentlicher Interpolation beruht, da der 
Vers (|M)vwv fikv^vtttv, mpl ^-j[|Mi« wSXV IttJlibfti)} hier wie an der 
ParallelsteUe oi 143 in vielen nod gnten HandschrifleQ fehlt (t 153 
haben ihn fast alle). — Die Folgernngen, die ans diesem Thatbestande 
sn stehen sind, werden com Schloß bloß asgedentet. Es lenchtetaber 
ein, vrie fhichtbar etoe solche Behandlnng der Frage werden kann, 
wenn sie, wie wir von dem Verf. hoifen, sn einer vollstSndigea Ver- 
gloiehnng swiachen Hiomeriseber und bestodischer Possie nach den* 
selben Gesiehtspnnkten ansgodehnt wird. 



ni. Bedenken gegen die heTkömmltehe HeUiode« 

1. G. Bertrin, La (^uestion Uom^riqae. Paris (Ch. Foaasielgae) 
1897. 334 S. in 8. 3,60 fr. 

Das Bnch ist ana dem Wnnsche hervorgegangen, die ^Anthen- 
iidttt der homerischen Gedichte* gegen die Angrüfe von Maurice 
Crolset 8tt verteidigen. Von den beiden Hanptkapiteln der XTnter- 
snchnng sieht das eine einen Vergleich swischen Iliss nsd Odyssee nnd 
gelangt sn dem Zugeständnis: es sei wenig wahncheinlich, daß ein 
«ioniger Antor beide Gedichte geschalTen habe. In dem andern Kapitel 
wird die nnrsprflngliehe Einheit der Iliss* geprttft nnd der Bew^ 
nntemommen: qn* Homtee eit bien Tantenr de ce po&me. Schon die 
Themastellang mutet nns fremdartig an; nnd dieser Eindruck wird be- 
stftUgt, wenn man die Beweisflihmng etwas genauer ansieht. Eben 
Hanptanhalt fftr sie bildet die Erwftbnnng der Schrift in Z. Bertrin 
«Igt, daß Wolf diesen Ponkt nicht richtig behandelt hat, nnd meint 
damit das ganse System der »Wolfianer* umgeworfen zu haben. Unter 
diesem Namen aber faßt er alle susaramen. die in dem Jahrhundert 
sdt Wolf an der Analyse und damit doch an dem Yerstfindnis des 
^rieehiichen Epos gearbeitet haben. In den Schlußworten heißt es: 
.Beconrir aox coigectures, se ddcider d*aprös les caractdies littdrairea 
4*nn6 oenvre , e*est nne pratiqne d*nne tdmöritd iojustifiable, die qn^oa 
JahrMlivlolit fOr Alteftnusirttieiweliaft Bd. OXIL (UKB. L) 3 



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34 Beriebt Qber die Littenttnr ta Homer. 1888—1901. (Geaer.) 

entend B*eii flervir ponr snbstitiier les röves de sod imagioation ans 
tinoignageB positifs de rhi8toii-e\ Damit ist deutlich der Oegenaats 
anagesprochen, in dem die Denkweise des yerf.8 an dem Btehtv wat wir 
gierwohiit sind .WiaseDschaft" und „ForacbODg* za oeDoeii. 

2. V. Terret; Homere, fitude bistorique et critique. Paria 
(Albert FontemoiDg) 1899. XX. 640 S. gr. 8. 

Der Verf. stellt aich anOerbalb dea Znaaumeobangea der modemeii 
Foncbung, wenn er ancb mancbe Vertreter denelbeii aafHbrt vnd aleh 
mit ibnen anaeinanderzoaetaen anebt. Obarakteriatiacb ist z. B. aelue 
Bebandlnng der AoXi&vtw, deren Stellong zwiachen der vergebUcben 
Bitte an Aehill and den KAmpfen dea dritten Scblacbttagea er an- 
geneasen acbüdert, xm dann so an folgern (8. 832): »La Dolonie a 
done ponr bat manifeate daoa T^nomie g^nArale da po6me de relem 
le eoarage abattn dea Acb^na; par conaöqaent, eile a appartena d^ 
roriglne an plan de rUiade.*" Eine Beat&tigong dieaea Sdiloaaea Undet 
Terret (S. 833) darin, daß ein genaaea Stadlnm von K. deatlieb zeige» 
wie dieser Oeaang „n*a pa 6tre oompoa^ qa*en vae de Tlliade et poor 
tenir la place qa^eile oceupe aajoard*bai dana le poöme*'. Die Beob- 
aebtang ist wieder richtig: K iat fflr seinen Jetaigen Platz and mit 
Biiekaicbt aaf die omgebenden Teile dea Epoa gedichtet; die Haapt* 
frage aber, wann daa geacheben sei and ob aicb dafür nicht Merkmale 
finden liefiea, exlatiert für den franzOaiscben Gelehrton gar nicht. So 
' ist er, am noch eine Probe anzaflihren, aoch aoOer atande die bomeriache 
Sprache ala biatoriachea Problem aaftafaaaen. Die Forachongen von 
£1ck u. a. werden mit einer gewiaaen GeriogaehKtzang abgelehnt: die 
V annigfitltigkeit der Mi*ort- and Flexionaformen erUAre aicb anf natOr- 
liebe Weiae „ana der anerachöpflicben Frachtbarkeit dea epiacben 
Dialektea and der natfirlicben Biegaamkeit aeiner Formen** (S. 114)^ 
VarietAten wie ipf&tvai ljuv tTv« oder 8|i|ftt S}fc(uc fifUtc oder lit 
der Oeoelivendang -oto, -oo, -oo aeien dnrch den metriacben Zwang er* 
lengt« nm rhytbmiacber BAdcsichten willen „erfanden** worden (S. 116). 
Ein genaaerea Eingehen aaf Terreta Anaicbten würde dem Zweck 
nnaerea Bericbtea nidit entsprechen. 

3. 0. Jüger, j.Uoiiieiische Aidmrisraen", In den unter dem Titel 
„Pro domo" g:oRammelten Hedeu uud Aafs&tzea. Berlin (Osw. äee< 
bageuj 1894. S. 177—233. 

Die Überacbrift bezelcbnet nnr den letzten Teil (S. 818 flf.), der 
Bemerkongen zu einzelnen Stellen der beiden Epen enthllt, nicht 
kritiache aondern exegetlache, Beiapiele friacfaer and lebendiger Aaf- 
fhaanng, die bei der Interpretation im Unterricht got verwertet werdea. 



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III. Bedenken gegen die herkömmliche Methode. 35 

kOaneiL Die Torborgelieiide& Abeehnitt» tlod nm ao melir kritifcb, nlclit 
gegen Homer» M»deni gegen die Gelebrten, gegen die «vielen Bettier, 
die der einiige Beiobe in Nabrung geeetit* bebe. Die anf Wider- 
■prflebe lieb grftndende Ana^ inebt der Verf. dadnreb ad abrardn» 
n fBbren, daß er ans medeinen Diebtnngen Ibnliebe Fllle beibringt 
(8. 18S ff.). Hier wie fo dem über den Plan der ganten Ufas (S. 18« 1), 
Sber das YerbUtnts von Dicbtnng nnd Sage (S. 194) Entwiekelten findet 
sieb im einneinen viel Anmutendee. to daß man immer gern weiter lleet; 
aber Im ganaen itl die strafende Bede doeb wobl etwas an sebarf ge- 
raten nnd trifft niebt bloß Übertretbangen, sondern aneb das, was in 
der wissenscbaftlieben Forsebnng bereebtlgt war nnd von bleibender 
Wirknug ist; man darf nnr das Bleibende nicbt In festgelegten» „all- 
gemdn anerkannten**, bembigenden Resnltaten seben. — Sebr anfeebt* 
bar Ist der Absehnitt Über die ficbritt, n. a. dnreb die Bebanptang, es 
aei „undenkbar, daß IHas nnd Odyeaee aneb nnr annlhenid in der 
Gestalt nnd dem Umfang, wie wir sie jetst lesen , ebne dieses HUfs- 
mittel sich sollten erbalten beben** (S. 189). Vielmehr kann man das 
Wesen d«r homerisehen Poesie niemals gana verstehen j so lange man 
sieh niebt Uar nnd ansebanlicb gemacht bat, daß sie nnr in der 
lebendigen Sprache, nicht In der geschriebenen, ihr Dasein hatte. In 
dieaem Punkte triilt JUger mit nenesten Wendnngen gerade auch der 
gelebrten Bebaadlang des homerischen Problems ühwrin. Im übrigen 
geboren die Blchtungeo der Kritik, die er bekämpft, mehr der Ver- 
gaogenheit an; nnd ich mOchte fast bofllen, daß ihn die Lektüre des 
Toiliegenden Berichts davon flbenengen konnte» wie doeb aneb manches 
recht Unpedantlsehe nnd ErDrenliehe an den veraehiedensten Stellen des 
großen Gebietes nnd von den versebiedensten Hitlbrscbem an Tage ge- 
flitdert worden ist 

4. H. Dtintzer, Zorn ersten Bache der Odyssee. PhiloL 49 
(iS90) 8. 1-16. aid— 229. 

DÜntaer besebüfligt sieh In ssinmi ersten Artikel mit der WUa* 
mowitzschen Kritik des ersten Bnebes der Odyssee, Im aweiten mit 
den daraaf besüglichen Arbeiten von Sootknd nnd Blrwlnkel. Nach 
beiden Seiten Ist seine Polemik nicht nnberechtlgt Er aelgt, wie 
WilamowitE mit übertriebener Sebftrfe Widersprüche nnd Anstoße anf* 
gespürt hat, die bd nnbefuigener Betrschtnng verschwinden, anm 
Teil dadurch sich erledigen, daß der Dichter den Stoff seiner 'Et- 
zähluDgen im wesentlicben ab bekannt veranssetaeo konnte nnd nicht 
jeden einzelnen Zag za erklären oder ansdrficklich einanfttfaren bravchte. 
Aaf der andern Seite hat D&ntzer gewiß retdit, daß es aneb nleht 
angehe, alle Bedenken und XJnzutrttgUcbkeiten, an denen der Gang der 



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86 Bericht fiber die Littereiar su Horner. 1888-1901. (Csner.) 

Huidlaiig und des Gesprächs iD a leidet, einfach abzastreiteii oder 
gKt als „besondere psychologische Feinheit" in einen Vonag zu ver* 
wandeln. Aber es bleibt ihm unbewußt, daß aacb er za keinem reinlichen 
Besoltat kommt. Denn am « als echt, d. h. als gleichaltrig mit ^ 
zu erweisen, ist er genötigt, an mehr als 20 Stellen größere oder 
kleinere Interpolationen ansDnehmen. deren Veranlassnng vblUg im 
Donkeln bleibt, und die, nm eine Einzelheit an erwähnen , schon des- 
halb wenig wahrscheinlich sind, weil im Zusammenhang damit ein so Itttst- 
liebes Stück wie Telemachs Gebet in ß (261 — 267) hinansgeworfen werden 
muß. £8 bleibt nichts anderes übrig: Kirchhoffs Analyse von a ist er- 
folgreich g^ewesen; eine Theorie, die nnser Verständnis die??« Baches 
nnd die Einsicht in sein Verhältnis zn den folgenden fördern will, mnß 
die wesentlieben Elemente der Kircbhoffschen Ansiebt in sich aufge- 
nommen haben. 

5. H. Nanck, Ist man berechtigt, in der Odyssee einen sweiten 
Dichter anzunehmen? Ein Dialog. Progr. des Gymn. n Charlotten* 

bürg, 1898. 

Der Verf. hat es nntcmommen, Kirchhoffs Beweisfttbmng in betreff 
des VerliältoiBses der Bücher a und ß zn widerlegen, nnd zwar in Form 
eines Gespräches zwischen einem Philologen und einem Juristen, die 
übrigens nicht im Gegensätze zu einander stehen, sondern eigentlich 
beide bemüht sind, sich von dem ttberwälligendeu ICindruck der scharfen 
Dialektik des großen Forschers zn befreien. Nanclcs Arbeit zeigt 
was man nicht allzu häafi^ findet — wie sich Verehrung nnd Bewunderung 
für den Meister mit Selbständigkeit und Vertrauen zum eigenen Urteil 
▼ereinigen lassen. Auch die dialogische Einkleidung ist, zamal in der 
ersten Hälfte, geschickt und flott dnrchgeführt, so daß sie der Anf* 
fiusnng dessen, was der Verf. vortragen will, wirklioh zn Hülfe kommt. — 
Die versuchte Widerlegung geht teils von allg-emeinen Erwägungen, teils 
von Benrteilnng eiu7.elner Stellen aus. Prinzipiell wird daran Anstoß 
genommen, daß Kirchhoff die VerstiUidnlsloaigkeit in der Aneinander- 
reihung der von Athene-Mentes gegebenen Katschläge (a 969—305) 
eigentlich nur nm einen Platz weiter schiebt, indem er annimmt, sie 
sei dadnrch entstanden, daß ein Nachdichter den in ß erzälUten thatp 
sächlichen Verlauf vorfand nnd nach ihm gedankenlos die Anweisungen 
bildete, ohne sie innerlich zu einander in Beziehung zu setzen. Nauck 
meint, es sei nicht nachgewiesen, daC die Verkehrtheit als Folge der 
Entlehnung notwendig habe eintreten müssen. Das ist freilich wahr; aber 
sehr viel eher begreifen kann man sie doch bei dem, dem der Glaug der 
Ereignisse nnd Verhandlungen in ß etwas Gegebenes war, ah bei dem, 
der diesen Gang selbst erfunden hat. Unter den Eineelhelten, die dafür 



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IIL Bedenken gegen die herkömmliche Metbode. 37 

spreebea soUen, daß a vor ß gedlehtei iei, ist eine Ton wirklicher Be- 
dettttiDg, Telemad» Gebet am Stnmde» ß 96tlff^ dae a&f den BesnelL 
eisea Gottee am Tagfe Terlier sorflckweiat, and das KirchboiT am aelner 
Tbeorie willen anesoscbetden nod aaf BeehaaBflr des Bearbeiters sn 
aetaeD genStliit ist. Dem bat schon Wilamowits (Horn. UntefB. 10) 
alt Beeht widersprocbea. Bas Gebet Ist aa dies^ Platse gar niebt 
aa entbehren and ist seinem Inhalte nach ▼ortreffileb, den amgebenden 
Partien in ß darchans gleichwertig. Hier ist in der That eine 
Schwierigkeit, aber deeh keine so große, daß an Ihr Kirebhois ganie 
Hypothese seheitem müßte. Man kann entweder mit Wllamowiti (8. Sl) 
anaehmen, daß dem ß nrBpraDglich eine ktlraere Einleitang, den Besneh 
der Athene enthaltend^ fonuitgegangen sei, die der VerlSuser ?on a weg- 
geachaltten habe, am seine anefflhrlichere, der Exposition des gaasen 
Spoe dienende an die Stelle an setaen. Oder man kann sich an der 
Anffossnng entschlieOea, die ich für die wahrschMnlichere halte (vgl. 
Grandfr. SL 309), daß § snerst ganz ohne Einleitang gedichtet gewesen 
sei, daß sein Verfasser nnr nngeflUir die Sitoation der Odjssee als 
Bintergrand voransgesetzt nnd den Hdrer gleich mitten in die Handlung 
eingeführt habe; durch die Worte }mu, S x^Ck 9tic ^Xu&t< 

7;(«iTEpov hätte dieser Dichter anf einen Znsammenhang hlngedentet, 
der in Ansfllhning nirgends existierte, nnd diese Andeotongr hätte dann 
ein Späterer beontst, am die Eratthlnng des Götterbesncbes in a an 
etünden. 

Wenn ich sonach grlrabe, daß Eirchhoib Erklärung der In a m- 
hnndenen Anstöße durch Kanck doch nicht wesentlich ersobättert ist, 
so aebelnt mir voUenda der im swdtea Teile des Gespräches gegebene 
Versuch einer eigenen Erklärung mißlungen an sein. Die Worte |iS8ov 
ict7f>adt im, a 373, sollen für sich stehen, die nachfolgeadea dnaelnett 
Anweisungen sollen nicht den Inhalt der vor d«i Aehäera su haltenden 
Bede aasmachen, sondern ebenfalb für sich stehen und dem Zwecke 
dienen, durch Beaeichnttog einer Beihe von Entschlüssen und Theten, 
die dem Tdemach aacbeinaader gelingen müßten, seinen Hut an steigern 
und — TieÜeicht — Ihn so auf diejenige Verdrängang der Freier, die 
BcUießlsch die einzig mögliche bleiben werde, oämlidi Ihre TOtang, vor- 
anbereiten. Die psychologischen EatwickeloogeD, dorch die so Tcrsucbt 
wird. In Athenens Bede in a Plan und Sinn au briDgea, sind künstlieb 
und nicht Überaengend , so daß %ian ichließlich doch ohne rechte Be- 
IHediguug von der Lektüre der Nauckscben Arbeit scheidet. Sie Ist 
trotsdem lesenswert um der vielfschen Anregnng willen, die sie au prinai- 
piellem Nachdenken und su empfänglicher Binzelinterpretation giebt. 

6. H. Düutzer, Der Apologos der Odyssee. Philol. 50 (1891) 
S. 6Ö9--Ö88. 



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58 Bericht fiber die Littantor su Homer. 1 888—1901. (Gaaer.) 

Naoh Kirchboffis AnRicht stand der Bericht, den Odyggens bei 
Alkinoos fiber seine Irrfahrten giebt, ursprünglich unmittelbar hinter 
der Frage der Arete, am Ende von t). za diesem Bericht aber gehörten 
noch nicht die Bficher xt&, die vielmehr vom Standpunkte des Dichters 
aus, also in dt Itter Pemo, von Odyssens handelten und erst nach- 
träglich in die Ich-Form übertrafen und mit tX verachmolzeD worden. 
Diese Hypothese hat Rothe im J. 1882 (im Programm des Französ^ 
Oymnasioms in Berlin) in Einzelheiten an nodifisieren, der Hanptsaehe 
nach aber nen an begründen unternommen. Oegen Reine Beweisflihrang 
richtet sich Düntzer; und er bat gewiß recht, daß die anOeren Unter- 
icliiede der Vortragsweise, die man zwischen iX und xfi gefunden hat, 
von Kirchhoff and Bothe ttbertrieben worden sind. Wenn man bedenkt, 
wie lehwer es ist, sich ganz in die Seele eines anderen zu versetzen 
und ans iiir heraus an sprechen, so kann man sieh nicht darüber 
wandern« daß ein Mhester Versuch dieser Art nicht sogleich voll- 
kommen gelungen ist, daß also Horner seinen Helden manche Dinge 
ei-zählen läßt, die dieser eigentlich nicht wissen konnte. Was die Ver- 
schiedenartigkeit des Stoffes zwischen den beiden von Kircbhoff ge- 
sonderten Partien betrifft, so läßt DQntzer diese einigermaßen gelten, 
macht aber (S. 669) treffend darauf anfmerlcsam, daß, wenn die Sagen, 
die In einem Bnche erzahlt werden, alter sind als die in einem anderen, 
darana noch nicht geschlossen werden dttrfe, daß jenes anch der Ab- 
fassung nach das ältere sei. — Im Anschluß an Bothe werden noch 
Köchly, Kiese, Wilamowitz mit ihrer Behandlong der Bacher i— ft von 
Däntzer beaproGhen. Seine Einwendungen sind auch hier In der Bogel 
berechtigt; seine eigenen An^ellnngen aber leiden durchweg unter der 
Keignng, Schwierigkeiten, die nieht wegzadeoten sind, darch Annahme 
von Interpoiatlenen zn erledigen. Klrchholb Forderung« gegen die sieh 
der Verfasser im Anfang (S. 660) verwahrt, „der Beweia einer Inter- 
polation werde nur dann wiasenschafUieh vollendet, wenn die Ver- 
aohnaang an derselben naobgewieaen seL**, wird doch anfreebt erhalten 
werden mHasen. 

7. C. Rothe, Die Bedeutung der Wiederholnngen ffir die 
homerische Frage. Leipzig (Fock) 1890. (Zuerst in der .Fest- 
schrift zur Feier des 200 jährigen Bestehens des Französ. Gymnasiums 
in Berlin- S. 123—168.) 

S. K Pfnd ei, Die WiedprholuTiffcn bei Homer. 1. Beabsichtigte 
Wiederholungen. Progr. der Bitter- Akademie zu Liegoitz, 1891. 

Bothe Ist ein Schüler von Kircbhoff, Ist aber, indem er die von 
diesem ftbemommene Methode mit prüfendem Sinn anwandte, za ematen 
Bedenken dagegen nnd allmählich zn einer sehr akeptiachen Ansieht 



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nL Bedenken gegm dU iMrkdamliehe Methode. 39 

TOB der Mfigliehkeit einer kridacheo Aoalyte der homeriseheD Oedielito 
gelangt. Wem» einielse Weediiagea oder gaeie Vene ttnd Verqgmppeii 
sweimal ianerhelb der Diebtiiog vorkommeD, so bette men lieh sew^hat 
■WMlmieD, daß die eise SteUe auf Kaebabrnttog der anderen beruhen 
■fleee, and saehte feetiasteUea, anf weleher Seite das Original sei. 
Bothe bat nvn aber beobachtet and beiegt diea mit Beispielen» daß 
nkht aelten eis Gedanke, der in xwiefiMhem Zasammenbange TorkoiBiat, 
in einer Beziebnog aa der eratea SteUe passend and an der aweitea 
anpassend erseheint, in einer aaderen Besiehaag nmgekehrt. Die Be- 
wdaführnog ist im eiozelnen mehrfach anfechtbar (worüber Qenanerea 
In meiaer Baseniion, Barl, phliol. Woeheascbr. 1891 Sp. 1687 ff.), ia 
dem Haapteigebais aber trifft sie das Biditige. Aach In den älteeten 
Teilen der erhaltenen Epen sind sclmn Daratellangsmlttel Terweadeti 
die von den Varfaasem dieeer Teile nicht mehr anmittelbar and lebendig 
ventandea werden; wir können nns also gar nicht wandera, aach in 
einer altertfimlichea Partie Züge an linden« die nicht fOr den Znaammen* 
huigt in dam wir sie jetst lesen, snerst geechaflen worden sind. Und 
wo sich wörtliche oder Isst wörtliche Üliereinstimmang zwischen awel 
Stellen findet, da braucht nicht eine der andern nachgeahmt wa sein; 
aondern die Obereinstimmang kann dadnreb entstanden sein, daß die 
Verissser beider Stellen ans dem überkommenen Sprach- and Oedankaa- 
sehatae der epischen Poesie da fertiges Btttck sich an nntse machten, 
woliei es sehr wohl möglich war, daß dann and wann gerade dem 
Jüngeren Sfinger die EiofBgang des aageeigneten Verses oder Sataaa 
besser glückte. So acheint ee a. B. mit der Götterreise an den Athiopen 
an atehea, die a SS geaehlckt verwertet, A 493 f. ohne rechte Hotivle« 
rnnp, W S06 ala bedentnngaloeer Zierat angebracht iat 

Bothe, der übrigens (S. 182) in diesem Einzelpnnkte anders 
urteilt, hat das entschiedene Terdleost, das Oesamtverhaitnls klar ge* 
stellt nnd bestimmt ansgesprochen an haben. Aber er geht so weit 
mit seiner Heinnng, daß naa die Wiederholnngen aas dem Beweis- 
ma&erlal für die Altetsbestimmang der einseinen Lieder gaaa anssa- 
seheiden hfttten. Wenn sich bei genauester Prüfung für irgend ein 
Bneh herausstellen sollte, daß die Zahl der Parallelstellen, die in Ihm 
dareb den Zasammenhaog besser befestigt siod als da, wo sie soaat 
vorkommen, besoaders groß ist, wfthrend in einem anderen Buche die 
ftberwiegende Menge der Parallelatellen, die ea bietet, den ^bestimmten 
Biadinck nachtrl^ieber Verwendnag macht, so müssen wir nach wie 
vor das eine Bach für relativ alt, das aadere für relativ jung halten* 

Benselben Einsprach gegen Bothe erhebt Pftidel (S. 7X dessen 
elgem XTnlersuehnng sieb, soweit sie bis jetst vorliegt, mit denjenigen 
FftUen beacbftffeigt, wo der Dichter abalcfatUch nnd mit Bewnßtaein etwaa 



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40 Beiieht Ober die Uttentar sii Homer. 1888—1901. (Camer.) 

Mber DagevesenM wiederholt. Dies geschieht s. B., wenn eiiie Penos 
einen Ihr ertdlten Befahl aosführt oder einen erhaltenen Anftrag aas- 
richtet» oder wenn eine «igekfindigtd Haodlnng aoigefUhrt wird. Der 
Yerl findet, daß dcfa «in der Verwendong der beabdehtigten Wieder^ 
holnngen im grofien nnd gansen weder swischen lUas nnd Odyssee noch 
swischen den einzelnen Teilen der beiden Epen ein dureJ^eifander 
TTnietsehied seigt*". Er konstatiert ferner, „daB die Nachbildnng in 
vielen Fallen hinsiebtlich des Aasdrnclces weniger korrekt ist als das 
Original'', nnd glaubt endlich als sichere Begel erkannt sn haben, daß 
die Ansffthmng an der wiederholenden Stelle kliraer ist als an der 
wiederholten. Die beiden gewonnenen SStze sollen spftter als Ktiterinm 
dienen, nm da, wo es sich bei Vergleichnng sweier Stellen nicht om 
bewußte nnd beabsichtigte Wiederholnng handeln kann, zn entscheidenr 
welche von beiden größeren Anspruch habe als nrsprttnglich in gelten. 
Diesen wichtigeren nnd interessanteren Teil der Untersnchnng hat 
Pfbdel noch nicht an«gefllhrt. Im voraus erscheinen die Merkmale, 
nach denen sie geführt werden soll« nicht gann sicher. Wenn s. B. in 
der AoXi&vsut Yerkehrtes vorkommt, wie ^u&v pooXt^oosi tmA offoiv (396) 
mit besng auf eine sweite Person, oder Seltsames, wie der Obergang 
ans direkter in indirekte Bede, Saca xt |Ai)tidoo9t (409), so Kßt sich 
doch der Oedanke kaum abweisen, daß dies mit dem elgentfimllchen 
Charakter dieses sehr späten Oessnges zusammenhingt. Auch daß bei 
veischiedener Ansführllehkelt zweier sonst ftbereinstiramenden Stellen 
die knappere die Wiederholung sein mOsse, gilt nicht ausnahmslos. 
Etwas nähere Begrttndnng meiner Bedenken findet man wieder in der 
vorher angeführten Rezension, In der die Abhandlungen von Bothe und 
Plkdel zusammengefaßt waren. 

9. M. Goldsclirnidt, Gentag-elserue i de Homeriske Dig:te. 
Kopenha^^en (Gyldendalske Bogliandels Forlag) 1900. Inaugural- 
Dissertation. 261 S. 

Der Verf. beschreibt in ansfOhrlicher nnd eingehender Darstellung 
die verschiedenen Arten von Wiederholnng, die es bei Homer glebt 
Er hat den Stoff in 7 Qroppen geteilt« die sich aber gegenseitig nicht 
scharf ausschließen. Kapitel III, ^Formeln*', bietet im wesentlichen 
eine Haterialsammlung. Kioht ganz selbständig ist Kapitel T: «Wirk- 
liche WiedSrholnngen, wo dassdbe zweimal erzählt oder geschildert 
wird.* Hierbin rechnet der Verf. z. B. (8. SOI ff.)' die beiden Odyssee* 
Stellen, die vom Verbergen der Waffen handeln, « 381 ff. und t 4ff. 
Er stimmt Eirchhoff darin bei, daß die Fassung der Gedanken in t 
die jfingere sei, hält aber diese gedrängtere Fassung nicht fär das Werk 
eines Bearbeiters, sondern schreibt sie demselben Dichter sn, von dem 



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m. Rade&ken gegen Ae herktainiUebe Methode. 41 

die Vene In ic herrilbfeii. Ebenao eel die Genealogie des Ifedon 
O 883—886 iwar offenbar wiederholt uieh K 694-^7, aber es eel 
kein Zweifel, ,»daß beide beibehalten ttnd als gleieh gut angeieben 
werden mnasen** (8. S08): der Dichter habe recht wohl tieh TeranlaOt 
sehen kOnnen, die Fersönliehkeit eines minder bekannten Helden mm 
tweiten Kaie erkttrend eiaanffihren. 

I>aB Beiepiel ans it x bitte Tielleieht ebensognt In Kapitel I ge* 
pftßt, das von „bewußten nnd berechneten Wiederholnngen' handelt 
und solche in 9 Gruppen vorführt; denn eine von diesen hat die Über- 
eehrlft: •Ankfindlgnnf und darauf folgende Ausflihrnng einer Handlung 
oder Bede*, nnd von dieser An ist doch eigentlich nach das YerhSltnis 
swiachen den Stellen in tc und t. Der Stoff des ersten Kai^tels ist 
derselbe, den Pftidel in seinem Programm bearbeitet bat; Goldachmldt 
verweist kurs auf die XJntersnchung seines Vorgftngets, ohne im 
elnaelnen darauf einzngehoi. » Dieses Kapitel leigt nun aber be* 
denkllche Verwandtschaft mit Kapitel IV, , Wiederholung als mehr 
oder weniger bewuDte Wiederbenutsung frfiher gebrauchter Verse*, 
nnd mit m. Wenn entweder dieselbe Person in einer ähnlichen Situa- 
tion wie froher noch einmal auftritt, oder eine ähnliche Begebenheit 
bei verschiedenen Personen wiederkehrt (8. 149. 154), nnd beidemal 
der Dichter mit mehr oder weniger Bewoßlsein Verse wieder benntst, 
deren er eich an der früheren Stelle bedient hat, so ist das doch eben 
eine „bewußte Wiederholoog*. Die Beispiele ferner, die hier gesammelt 
sind — Beschreibung des Auftretens einzelner Personen, Sehilderaog 
von Kampftcenen, von Verwundungen u. s. w. — xeigen alle eine Hin- 
neigung zum Formelhaften, bertthren sich also mit dem Inhalt des 
dritten Kapitels. 

Dasselbe Verhältnis nicht hiorelcbend scharfer Scheidung besteht 
zwischen II, n^obewußte Wiederholungen, Anklang", nnd VII, •Remi- 
niacennen*. Der Vert versucht zwar zu definieren (8. 980): ffir das, 
was er »Anklang* (dgn. Otnklang) nennt, sei die Überelnstüttmung in 
der Form charakteristisch, wAhrend diese bd den Benünlseenzen «nicht 
Immer oder jedenfalls nicht im selben Umfange beobachtet werde, hier 
vidmefar die Gleichartigkeit des Gedankeninhalts das sei, worauf es 
ankomme**. Aber solche Abgrenzung mit »nicht Immer* und „nicht 
so aehr** Ist nicht viel anders als gar keine. Abgesehen von dieser 
Unklarheit scheint mir gerade in dem sehr umfangreichen Kapitel II 
das Hanptverdlenst des Buches zn liegen. Hier wird nachgewiesen 
nod anschaulich gemacht, wie die Übereinstimmung oder Verwandtschaft 
eines Gegenstandes mit ebem fHlher behandelten den Dichter unwill- 
kfirlich in das Geleise des einmal gebranchten Ansdrackes zorflokführen 
konnte. So erklärt sieb, um noi* ein paar Beispiele anzafÜi^eQ, der 



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42 Beiidit ttb» die Littorttar su Homor. 1888—1901. (Caner.) 



Anklang von x ^ von e 360 an 342, von A 82 f. an 15 f., 
von E 168 f. an Ä 88 f. Goldschmidt hat Material dieser Art in reicher 
Fülle vorgelegt and erörtert. Zaro Schiaß wirft er die Frage anf, in- 
wiefern nntereinander die Gesänge von Ilias ood Odyssee darch Häafig> 
keiC von Anklängen enger verbanden seien, nnd konstatiert solche Zn- 
sammengehörigkeit für A B. für T nnd A. N und a, frii 0 and (1, für 
I nnd T, für fi nnd e, für £ o (S. 99). Mehr Gewicht legt er selbst 
auf den allgemeinen Satz: es sei „tinamstöÜlidi bewiesen, daß derseLbe 
Dichter oft sich wiederholt'' (S. 100). 

Von dieser Erkenntnis macht der Verf. Gebrauch, am in Kap. TI 
den Umfang von „Entlehnungen and Nachahman^en** möglichst einza- 
schräoken (8. 214 — 229). Daß die Grenze zwischen diesen nnd den 
Erscheinungen des „Anklanges** fließend ist, verhehlt er sich selbst 
nicht; und so wird man über die Art, wie er sie in den einzelnen 
Fällen gezogeti hat. streiten können. Seinen Haapt/.weck aber hat er, 
hier wie im ganzen, erreicht, mit Nachdruck zor Vorsicht in der An- 
nahme vm £ing:rifien eines Überarbeiters ZU maboen, und hat darch 
manche nenen Gesichtspuukte die schon von anderen nuternommene Arbeit 
gefördert, beobachtete Anstöße so viel ah müglich nicht darch Athetese 
wegzuschaffen, sondern darch eindringendes Verst&ndDis ans der Natur 
der homerischen Dichtung zn erklären. 

10. Oaaer, Über eine eigeotttmliche Sehwftehe der homerischen 
Denkart Bhein. Uns. 47 (1892) S. 74--113. 

11. Derselbe, Grondfragen der Homerkritik (1895), S. 245 
' —277. 

Dor zuerst genannte Aufsatz sncht, von spraciilichen Erscheinungen 
anpprehei)d, zu zeigen, daß bei Homer die Fälligkeit, eine einmal an- 
genommene Beiuehuüg oder ein ceg-enseitiges Abhäugigkeitsveriiältnis 
der Gedanken festzuhalten, nocii hk lit so ausgebildet gewesen ist wie 
bei Dichtern inid Schriftstellern n^-ueier Zeit. Aua der Beobachtung 
dieser dem naiven Dichter imiürliclien Schwäche wird dann die War- 
nung BbgeU'itet, da, wo in seiner Darstellung die , .logische Perspektive** 
verletzt erpchpint, nicht sogleich anzunehmen, daß eiu ursprünglich 
klarer Zof^aiiimenhantj durch cewalrsaraen Eingriff oder Ilberarbeitung 
gestört wdi den sei. — Diese Gedaiilien sind in dem K^apitel des Buches, 
da8 . iiomehsche Komposition" überscluiMbeu ist, zum Teil wiederholt, 
aber auch vielfach ergänzt und weitergeführt. 

12. C. Rothe, Die Bedf'utnng der Widersprtlche für die home- 
rische Frage. Berlin 1894. Programm des Franste. Qymnasinms. 

In Uinlichem Sinne wie In meinem Anlsatx «Uber eine SchwXche 
der homerischen Denkart*, anf den der Verf. mehrfech hesng nimmt. 



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ni. B«d«ikeD gegeo di« httkOmniCeb« Ifotliode. 49 

wird bier gewigt, wie manehe Unebenheiten and WideraprilcbA im Bpoe, . 
um teen man eebnrf» kriti«ebe Polgernngen gevogen bal, aicb naf 
natttrliehe Weite erUIren. Znm Teil berohen sie anf einer ünaAt- 
MBkeit dea Diebtera, der nicht genau nntencbeidet, was er als bekannt 
veianaetaen dOrfe, was nicht, and der die handelnden Peraonen gelegent- 
Ueb etwas erwftbnen IKßt. wovon de eigentlich nichts winen kdnneo. 
Andere AnatdOe atod dadnreb entatanden, daß der Dichter die Kaastp 
grUTe noch nicht kannte, dnreb die sieh bei gleiehMitigen Ereignissen, 
die doch natftrlicb nar nacheinander eniblt werden kOnnen, deatlleh 
Bueben Iftßt, daß sie aieh in der Zeit nebeneinander sngetragen haben. 
Sine weitere Qaelle scheinbarer lokooseqnens liegt in etwaa, daa In 
Wahrheit einen Yonng der homerischen wie jeder echten Poesie aas- 
nacht, in den tiefen Veisiftndtia Ar das Leben der menschlichen Seele, 
ans der bei wecha«lnder Sitnation und Stimnang natargemftß anch nn- 
^debe Gedanken nnd Eatichlfiue berrorkomnen. Besonders hinüg 
endlich ist es, daß der Eratbler, indem er dae spitsre Wendung der 
Breignine Torberdten wiU, adue Personen etwaa sagen oder thnn lAßt^ 
was deh von Ihren dsenen Btandpnnkt ana nicht ganz ▼eratehen Mi, 
wo, wie Lessing einmal sagt, der Dichter den Kopf dnrch die Tspeta 
steckt nnd deh mit sdnen Absichten bemerkbar macht. Fttr die bdden 
letaten Arten flUirt Rothe anch ans modemer Poede gat gewShlte 
Beikels an 

Allen diesen AnafthrnnKcn kann ich anstinmen, nicht aber der 
doppdten Wendling die der Veifasaer nnn im Schlnfl-Kapitel nimmt 
Einmal geht er sneh hier, wie vorher bei den Wiederholangen, in aeinem 
Kißtranen gegen die wiasenscbafldlche Kritik an weit nnd mdnt be- 
wieaen an haben, daß nicht nur die GNsstalt nnd daa Schicksal des Pa» 
troklos an den Sltesten Beetandtdien unserer Iliss gebOren — worin er 
gewiß recht bat — , sondern daß es such dne •Illaa ohne die Geeaadt* 
adiaft an AchUlens und ohne die Schilderung der VorgKoge, die jetit 
in B— H enihdtea sind, nie gegeben* habe (8. 35); wosu es denn 
allerdings stimmt, daß er gdegentlich von Homer als „dem Dichter' 
spridit, den „wir uns demlieh spftt, gegen daa Ende des lebendigen 
epischen Gesanges, denken müssen** (8. 10). Auf der andern Seite hilft 
er — fbr die Odyssee — manehe gerade der ktthnsten Yon den dnrch 
die Kompositionskritik begrOndeten, fast durchweg aua der Beobachtung 
Ton Widersprüchen abgddteten flypotbeaen immer noch fest, ao die 
Andcht von Kirebboir, daß der Gang der Handlung in i) Spuren dner 
aaditriglichen Umformung aufweiae, und die ?on Wilamowita, daß der 
Bericht, den der Bettler x 975^280 der KQnigin von den IrrC&hrten 
dea Odjsseus giebt, Ausdruck dner Uferen Yerdon sd, nach wdcher 
der Hdd von Thtinakia ana unmittelbar au den Pbgaken gekommen 



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44 B«iiebi füb» die Littarttor m Homtr. 1888—1901. ((ka«r.) 

wire (8. 84). Der erste Fehler rOhrt dfther« daß ei Immer schwer Jit, 
AnsehaitiiDgeD, die man als wohlbegrfindete ihrer Zelt Ubemomuen und 
lange gehegt hat, gans anfsogeben, anmal weno sie durch die AntoritÜ 
namhafter Forscher gesttttat werden. Der Omod des ander«! Irrtiuns 
liegt tiefer. Eine richtige 7ontellaDg za gewinnen von der Lilnge der 
Zeit, durch die hin das Epos erwachsen ist, wie yoit der aUrnfthlichea 
Art dieses ADwacbHns* ist überhaupt bloß mit den Mitteln einer Kritik, 
die den Sompositionsfagen nschgeht, nicht möglich. Hier mtssen er- 
gttnsend hinsatreteo oder, richtiger gesagt, erst die dgeotliche Omod* 
läge schafPen ein Stadium des sprachilehen Oharakters der epischen 
Poesie, der, wenn anch ohoe scharfe Abgreasnng, doch dentlich den 
Bestand einer sehr mannlgüsltigen Abstafting seigt, und eine Ter- 
gleichende Betrachtung der von den Dichtern forausgesetzten Kultur- 
TerUUtnisse, die in etwas breiteren ZOgen dasselbe BUd ergeben. Yen 
dieser Seite her wird es mehr und mehr auch geliogen, Merkmale su 
finden, um au cDtscheidea, welche Widersprüche mit einer Einheit des 
Verfassers sich ▼ertragen, welche nicht, wodurch dann InkonsequeDsea 
wie die soeben angedeuteten von Bothe sicherer ▼ermeidbar werden 
würden. 

13. A. Qercke, Die Aualyse als Qinndlage der höheren Kritik. 
Nene Jahrbücher für das klass. Altertum u. b. w. VII (1901) S. 1 
—22. 81—112, 185-213. 

Auf gmnd von Beispielen ans den yetschiedensten Litteratnr* 
gebieten erörtert der Verf. im Znsammenhange die Fnnaiplen der so* 
genannten höheren Kritik. Daa gute Beeht von TTntersnchnngen, dle^ 
über die Feststellung des ursprünglichen Textes hinausgehend, den 
Autor bei seiner Arbeit beobachten und die Entstehung eines Litteratur- 
Werkes erkennen wollen, verteidigt er gegen die anspruchsvolle Be- 
slgnation, eu der sich von Jeher Blaß (8. 200). neuerdinn auch, In 
beiug auf Piaton, Gk>mpers bekannt hat (8. 92. 186 f.). Bichtig hebt 
er hervor , daß oft auch verfehlte Hypothesen doch durch die Zweifel, 
SU denen sie anregten, und durch die Widerlegung, die sie heraua- 
fbrderten, zu tieferem Verständnis des behandelten Werkes geführt 
haben (8. 103). Auf der anderen Seite ist Qercke kein blinder An- 
hänger der herkömmlichen Methode. Nicht nur Ihre Übertreibungen 
will er elnschrlnken, Indem er nach KirchholFs Vorgang fordert, daß 
überall da, wo eine Störung des ursprÜDgllchen Zusammenhangs be- 
hauptet witd, augieich ein verstündlicber Grund angegeben werde, der 
den loterpolator oder Oberarbeiter zu seinem Eingrüfe veranlaßt haben 
kOnne (8. 106); sondern er ueigt an einer Beihe voo Betspielen (8. SC), 
wie anch begründete Einwinde gegen die logische Geschlossenheit eines 



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IIL MeDkMi g«g«i die berlOmmUdie Methode. 45 

Textes dedi nater Umitlndeii daan TerflUifeii ktanen, den Avtor m 
korrigieren • «netatl die ÜberUetaiing. Werke, die bei Lebieiten ihres 
VerfuierB nehmels keranagegebeo worden sind, oder en denen er 
Jihre hindnrek gest heitot hnl, werden natnti^iß Spnreo h]er?Qii 
tragen; der Scbilftsteller kann den Plan «Ihrend der Anaarheitnng go* 
lodert, er kann naehtriigliGb sieh selber »interpoliert* haben (8. 81 ff. 4. 6). 
Die fsnane Kenntnis, die wir Jetst von der allmUiliefaeii Eatrtehiiiif 
Ton 8ehUlen Don Garlos (s. besonden 8. 85 ff.), von Ooethes Eanst 
(gotes Beispiel 8. 106) haben, mahnt snr Vordeht aneh solchen Werken 
gegeattber, für die der Forsehnog ein Iholiehes Material nicht an Ge- 
bote steht. Oercke wendet diese Betraehtongaweise wiedeibolt nnd 
erfolgreich auf Flatons Bneh vom Staate an, weiO sie aber anch für 
Homer nntabar an maehea: «Wie der Uarqnis Posa jetat den Don 
Carlos gaoa in Schatten stellt, so haben die Irrfiibrtea des Odjiseaa 
and der Freiermord die Bedeatnng der Hadesfahrt getrübt, der Kampf 
um Bios den Raab der Helena Oberwachert** (8. 13). In einem Ka* 
pitel, daa „die Fortschritte der Philologie'' ftberschrieben ist, wird ge< 
«Igt, wie die Wissensehaft mehr nnd mehr davon abgekommen ist, 
einfach .echt* nnd »nnecht* einander entgegenznsetsen, nnd Jetst vor- 
sichtiger darasf ansgeht, relative ünterschiede des Altert nnd ana 
ihnen eine Stnfenfolge des Werdens an erkennen (8. III). 

Alle diese Oedanken sind zwar nicht neu, aber noch nicht so 
allgemein darcbgedmogen, daß es der Milbe anwert gewesen wire de 
im Anschlnß an das hier vorgelegte Material noch einmal ansanspreehen. 
Der gesnaden Grnndanschannng entspricht eine saohgemftße Benrteilnng 
mancher einseinen Nie. Die allzn geistreiche Termntnng, daß in der 
Erz&blojig vom Freiermordo zwei verschiedene Daratellangen konta* 
mioiert seien, lehnt der Terf. ab (S. 108). Anch den Glauben an die 
Kirchboffsche Hypothese, daß die Enibinng in «t^ erst nachträglich 
ans dritter in erate Person nmgesetst worden sei, hilt er nicht un- 
ersehdttert fest (8. 98). Wenn er sie trotsdem dnreh Bemftngelang 
4es Towiv in j» 894 (nunv V tAxix* Imn» dtol t<p«at «potffoivov) nen 
atiltsen möchte, so meint er selber das nnr als Veisneb, der sich ttbrigens 
Jeieht erledigt: Odyssens sagt nicht 4|uv, weil er andenten will, daß 
er die Verantwortnng ffir das Geschehene nicht mit übernehme. Richtig 
wfirdigt Gereke die Thatsaohe, daß der Zorn des Acbilleos in den 
Büchern B— H und die Gesandlachaft an Ihn in den spftteren Ges&ngen 
gelsgentlich erwihnt wird: man erkenne darin das Bemühen, die Ein- 
heit der Sitnation, die in Wirklichkeit verlassen war, doch scheinbar 
an wahren (S. 188): solche Erw&hnnngen sslen wie BUanunem, die ein 
später etogefügtes Sitek im Znsammenhange des Gänsen befestigen 
Jollen. Der Abschnitt über j^Verklammemog* die in a und bei 



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46 B«rieht Uber die Littantar tu Homer. 1888^1901. (GAuer.) 

4eoi Moti? der VerwaDdlong des Odyssens zu vollst ändi^r Naeh- 
diditnng geworden sei — gehört zn den ^'elungensten Teilea der ganzen 
AbbaadlaDg. Besonders treffend S. 190: «Die Verklammerong geht 
«DB dem entgegengesetzten psycho logiseben liotive hervor, tritt dem 
Auge des Kritikers aber in denselben Formen entgegen wie die vr- 
mittelbar aus gestöiter Einheit entstandenen Anstöße.** 

Bei niler Anerkennung für die als Prinzip gewonnene Einsicht, 
die der Verf. entwickelt, muß gesagt werden, daß er sie doch nicht 
mit rechter Entschlossenheit zn ver\verten vermocht hat. £r glaabt 
z. B. naeb wie vor mit Kiese nnd Wilamowitz, daß die Seene zwischen 
Odyssens und Penelope in t nrsprttngHi h zu einer Erkennung des Heiden 
dnrch seine Gattin habe führen sollen (8. 19 f.). Doch das kann man 
b^eifen; die scheinbare Entdeckung war gar sn gUUuend, auch mich 
bat sie lange gefangen gehalten. Schwerer wiegen andere Fälle, in 
denen Gercke ganz mit der alten Zuversicht, die er selber als eine 
fiberwondene darstellt, ans kleinen Anstößen oder irgendwie auffallenden 
Zügen weittragende, die Komposition eines Werkes stark ber&hreode 
Folgerungen zieht. Wenn in ^Kabale and Liebe* das Gespräch zwischen 
Lady Milford nnd Ferdinand (II 8) mit der Drohung schließt: «Webren 
8ie sich, so gut Sie kOnnen; ich lasse alle Minen springen,* ohne daß 
nachher irgend etwas Nennenswertes nntemomroen wird, so soll maa 
darans noch einen ursprQngUch anderen Qmndplan der Dfehtong er^ 
kennen, wonach die Lady einen größeren Anteil an den Kabalen hatte 
(B. 16). Aber so lange dafür jeder wdtere Anhalt fUilt, iat es doch 
viel natürlicher ansnnehmen, daß der jogendliche Dichter einfach einen 
wirksamen SceDanschliiß haben wollte nnd sich dnrch die Sorga, daß 
man ihn beim Wort n^men werde, nicht atOren ließ. Das wBre denn 
ein der Beispiele von bewußtem Widersprach, deren Yorhandensela 
Gercke (8. 19)5) nicht angeben will. Daß die Ankündigong der Sibylle 
an Äneas, der Abstieg snm Avernns sd leicht, die Bttekkehr schwierig 
(VI 135 ff.), dnrch den Verlauf der Wanderung nicht bestätigt wird, 
hat er richtig beobachtet; aoch daß Äneas mim Schluß etwas pUitilieh 
und gar zn kurzer Hand durch die elfenbdneme Pforte aar Oberweil 
entlassen wird. Aber wenn er nun darin den Best einer ülteren Kon- 
seption entdecken will, nach welcher die Traompforte noch bei Veigü 
eine bedeutende Stelle einnehmen und der Bückweg durch Hhidemisia 
führen sollte (8. 16), so heißt das doch, es mit dem Dichter gar i« 
streng nehmen nnd seine Versprechungen nach dem Maßstäbe gsschlft» 
Ucher BeehtschafliBnhelt beurteilen. Die schönen Worte der SibyOa 
FaeätB deteentui Ävemo de. sind poetiBche Umschreibung des schUchlen 
Gedankens: »Sterben kann man jedeneit; aber ins Leben surttchm* 
kehren gelingt nur wenigen.*' Und daß ehi Brxfthler das, was er soig«- 



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ni. Bedenken gegen die lierkOannUehe Methode» 47 

fiUdg cngetpoBiien und mitei^eflUirt hat, mUm, vm nloht alle Fides 
noch einmal aoflieluneD zn m&iien, knn abbriclit, iit eine ganz ge- 
wöhnliche EneheinuDg, beinahe in Jedem grdßeren Roman sa beob* 
aehten. 

Au Homer gehört hlerbn das lehon erwihnte tmv (i, 894; 
fener Gerekea Benrteilong der Phftakengeiehichten. ESr findet einen 
Widerepraeh swisehen Athenene aafftngüeher Ifahnnn^ an Odytsena 
j^tfii ti Oo|up Wppn (1) 60 f.) and der Tliatsaehe, daß er nachher gar 
keine Gefahren in healeben hat, iwisehea der An, wie die OOttüi ao- 
wohl ak Nanaikaa den £iniLaB der KOnigin ecbildem, und dem deeh 
nur geringen Anteil, den lie spftter an der Fünorge für den Gaot 
nimmt. Aber der Bat, ohne ÄngetUehkeit in den Kreis der FBretoi 
m treten, iat der Situation des landfremden Hannes dnrdisiia an* 
gemessen; nnd die Hervorhebnng des Ansehens, das die Fran im Kftniga» 
banse d«r Phiakeo genießt, hat im Plane des Dichters den verstfnd* 
liehen Zweck, anf das Bild hoher geseUschaftlicher Enltor vomberelteo, 
das geselchnet werden soll, nnd in dem doch anch wirklich Arete von 
Anfangr m kia soletst efaien wichtigen Plats einnimmt (t) 383 if. X 335 IT. 
V 57 IT.). Fllr die Torstellnng, daß in einer Mheren Gestalt der Sage 
Arete «eia fbrehtbares, tbermenschliches Wesen*, der Anfenthalt bei 
den Phlaken yoII von Schreckninea gewesen sei, fehlt jeder Anhalt. 
— An der Yerhindnog awischen A nnd B ist schon vielfach Anstoß 
genommen worden; aber daß der Tranm, den Zens dem Agamemnon 
nendet, deshalb nicht hierher passe, weil darin die Holfonng anf Sieg 
erregt wird, nnd daß die Bemerkung B 38 if. vijirtoc, eStt tA {)st i fa 
Zsbc iftiliStto ipK« «rX. daa «Ansknnftsmittel einee knmichtigen BÖ- 
daktors sei*, hat woU vor Gereke (S. 186 f.) noch niemand behanptet. 
An Bich wire das ja kein Schade; aber wie soll dmin der Traam den 
Kfintg anm Aagriflb wleiten, wenn er ihm nicht fhAe Hoflhong macht? 
Ifoeh gewaltsamer wird ebe Änßernng Achills in T gepreßt, nm etwaa 
Nenea über die Pline der Q9Uar m eigehen. Beim yersöhnQDgsopfer 
Mgt er betend (T 370 ff.): »Vater Zeus, dn schickst den Kenschen 
ünheil; denn niemals wire es anm Streit awischen mfar ond dem Atriden 
gekommea, wenn es nicht dein Wüle gewesen wäre, daß viele Acfaler 
den Tod fänden.* Kann etwaa nalflrlieher seinf Wie vorher Aga- 
aomnon (T 86 f.) so macht sdn Gegner den htfchsten Gott für 
das Geschehene verantwortlich, nm so die eigene Schuld an verringern, 
die AnssBhnnng an erleichtern. Gereke aber mefait (8. 109; ihnlioh 
wie Friedr. Hanffien, oben II 14), hier werde thatsächlich eine Mc 
^oXiQ voransgesetzt, die dem Boche A, ja der gaoten lUas wider8|»eeho 
und in der «das Hndiment einer filteren and roheren Sageugestaltiuig 
erhalten sei, die dem erhalteneu Anfange der Kyprien verwandt war«* 



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48 Bericht über die Littontor la Homer. 1888—1901. (Graer.) 

Überblickt man die ang:efübrten Beispiele, so versteht man leicht, 
wie der Verf. dazu gekommen ist, andere deswegen zu tadeln, weil „iie 
sich zu sehr von den Dichtern hereinreden lassen und ihnen einen Teil 
der kritischen Verpliichtnng der Erklärung zuschieben" (S. 197). 
Barin liegt gerade die Quelle seiner eigenen Irrtümer, daß er auf 
diese nnerläßliche Betrachtung, vom Standpunkte des Dichters aus, 
nicht eingegangen i^t. Auch die weitere Frage lehnt er ab, ob sich 
nicht im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende ein Wandel voll- 
zogen habe in der Denkweise der Menschen und in der Fähigkeit, ein 
Zusammenhängendes aufzufassen und darzustellen. Er wiederholt nur 
die bekannten Versicherungen, daO die „Gesetze und Formen des 
menschlichen Denkens nicht subjektiver, sondern objektiver Natur'* 
seien und „in Werken aller Zeiten gleichmäßig" wirkten (8. 204. 206). 
Aber jene Frage gehört zu denen, die, wenn sie einmal aufgeworfen 
sind, nicht wieder zur Ruhe kommen, und deren Bedeutung: dadurch 
nicht beeinträchtigt wird, daß es nicht auf den ersten Schlag gelingt 
sie vollkommen zu beantworten. Was Gercke gegen meine eigenen 
üniersucbnngen auf diesem Gebiete einwendet, kommt im wesentlichen 
auf die Konstatierung der Thateache hinaus, daß ich nicht zu einem 
einfachen und tiberall anwendbaren Merkmal gekommen bin, nach dem 
eich berechtigte und unberechtigte Vei*8tÖße gegen die logische Qedaoken- 
folge sicher unterscheiden ließen. Das wäre aber auch ein ganz un* 
verboffter Erfolg gewesen, und vielleicht nicht einmal ein erwünschter; 
denn der Wert philologischer Kritik beruht gerade duiD, daß ei« die 
Sabjektivitftt des Bearteilers herausfordert, und zwar um so mehr, je 
reicheren und tieferen Problemen sie gewidmet wird. Andrerseits fehlt 
ee doch nicht an einem festen Anhalt für die Untersoehang, sobald wir 
nur für den Dichter dasselbe Recht gelten lassen, d^s auf den Inter* 
polator auch Gercke anwendet: wie wir an dessen Eingreifen nur glaaben, 
wo wir einen Anlaß erkeinien der ihn dazu bestimmt haben kann, so 
sollen wir auch, wo ons im Texte ein Anstoß begegnet, dorli immer 
dann glaaben, daß er vom Dichter selbst berr&hie, wenn wir imstande 
ftindi aus technischen Rücksichten oder ans einer pqrcbologiscli versUUid- 
licben Ablenkang das AnffoUeade sn erklären. 

14. Th. Zielinski, Die Behandlung gleichzeitiger Ereignisse 
im antiken Epos. Erster Teil, mit 12 Abbildungen und 3 Tafeln. 
Leipzig (Dieterichsche VerlaL'sbuchhandlung) 1901. 45 S. [Sonder- 
abdruck auä dem Philologus, Suppl.-Bd. VIII, 3.] 

Eine aosgeseiehnete Arbeit» die hoffentlich starken Binflaß auf 
den weiteren Gang der Forschnng ansfiben wird. Den Ansgangspnokt 
bildet die Thatsacbe, daß mehrere gleichzeitige Handlangen, wie sie 



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III. Bedeokea gegen die lierkömmiiclie Metbode. 



49 



für unser Schauen unvereinbar sind, so auch vom Dichter nicht als 
solche dargestellt werden können. Die Frage läi. wie hilft er !-ich, 
wenn der Stoflf jtarallele Handlungen enthält? Huiuer hat dafiit mehrere 
technische Mittel, die der Verf. theoretisch erläutert und zugleich darcU 
eine sinnreiche Art graphischer Darstellurig anschaalich macht. Au die 
Spitze stellt er mit tiutem Grunde ein Diag^ramm zu P, demjenigen Ge- 
buuge der llias, in ch-m ilie Kunst, auf verechiedeneu Schauidatz^^u die 
Handlung vorwärts zu tüliren m l ihre sretreunten Zweige iaeiiiander 
zu leiten, vorzugsweise bewundcnuig&würdig hervortritt. Anderwärts, 
wo Bich besondere Schwierigkeiten einstellten, ist dem Dichter die Lösnnif 
der Aiii-ahe minder aat gelangen. Im Antaiig von O will Zens durch 
Iiis uud Apolloii IJotscliaften ausrichteu lassen. Xachdt^m sein Auftrag 
an Iris mitgeteilt ist, erzählt Homer znnHdi-t, wie dieser aasgeführt 
wird und was er für Wirkung thut (IdS — 219), dann erst wird be- 
richtet, was der (iüttervater dem zweiten Boten zu sagen hat; den (Über- 
gang aber bildet die Wendung: xii tot' 'AiroXXtova -poas^rj v£'^£/.r,-(£p£Ta 
Zeuc. P's klingt so, als habe er zu ApoUuu zu sprechen erst begonnen, 
nachdem Iris das Sehlachtfeld erreicht, den Befehl es /.n verlassen an 
Püseidüu gebracht und dieser ihn befolgt hatte; aber <la.s i.«t nur aas 
Versehen so gerateu, weil der Dichter den KuuslgritT iiicbt kannte, 
mit einem „Inzwischen hatte . . ." iu die Vercrangenheit zurückzugehen. 
iJinge, die er nacheinander erzählt, werdeu lam uuwillküriich zu solchen, 
die nacheiu.iiiuer geschehen seien. 

Dasselbe Verhältnis glaubt Zielinski nun anderwäit.s an großen 
"Wlederzutiuden. Von der feclbslei /engten, im (Irunde verkehrten Vor- 
»tellung wetde die Phantasie des Diciitt rs st» sehr gefaufien genommen, 
daß er sich jedräu^t fühle, die zeitlicnc Ault iüaud» i loL'e. die er eigent- 
lich gar nicht beabsichtigt hatte, ausdrücklich bervorzuiiebeu und uurch 
bestimmte Angaben zu tixieren. Thetis' Jjaigai.;; zuiu Olymp .erfolge 
nach iler uisprünglicheu Meinung des Dichters gleichzeitig mit der 
Rückiuhiuiig der Chrysefö durch Odysseuh; eä, bei ihm aber unmöglich 
Ifewesen, beides nebeneinander zu erzählt n. In dieser Bedi,uiKia:> habe 
er sich für den Bericht über die Fabrt li.icu Chryse dadurch Kaum 
schafft, daC er deu Gang der (Jiittin um em paar Tage hinausschob; 
nur zu diesem Zwecke sei die AbwebeiiheiL der GbtLer erfumlen worden. 
— Ctaijz ebenso sei es in der Odyssee ergangen. Athenens Besuch bei 
Telemach und die Öeudung des Hermes zu Kalypso seien „im Keime** 
als gleichzeitig gedacht; um sie nacheinander, wie es doch nicht anders 
möglich war, erzählen zu können, habe Homer sie ziitlich getreuuL, uud 
sei dadurch genötigt gewesen den zweiten üüUerrat in z einzuschiebeu. 

Wenn man sich einmal entschließt, die i>iu;^e von dieser Seite 
iier zu beirachteu, bo bieht man plötzlich helles Licht auf eine JFüUe 
Jabrniberichi far Altertum» wU^ensc halt. Uü. CXII. CliKß. 1 ) 4 



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50 Beriebt fiber die Uttentur m Homer. 1888-1901. (Cauer.) 



BODst dookler Bedebnngen fallen. Daß dabei mauche einzelne Stelle 
aacli lalicb beleacfatet wird, läßt alcli im ToraaB Termaten. Kit der 
FcJgernng x. B., die der Verf. ans dem nraprAoglich gedachten 2eit- 
verhUtnia der Fahrt dee OdyBaens in A zieht — daß Bein Anftreten 
B 169 ff. alB das des soeben Zarttekgekehrten in verstehen Bei — Irann 
ich mich noch nicht befrenndeat das« würde denn doch gehdren, daß 
dem Dichter das nnr „ini Keim" Oedachte noch lebhaft nnd wirksam 
im Bewußtsein geblieben wftre, nachdem schon die daswisehen erwachsene 
Wnebemng den Zusammenhang gesprengt gehabt hiltte. Aber viel 
starker als wolche Bedenken ist doch die Freude ftber den glflcklichen 
Bund von Sebarfainn nnd Wits, der hier eine oeae, fimchtbare Be- 
tnushtnngsweiBe geschaffen hat. Deren Bedentoag fftr die eigentliche 
homeriBcbe Frage will der Verf. im nftchsten Teile seiner Untersnchiingen 
erörtern; bis dahin muß natnrgem&ß mit einem genauer pitcisierten 
TJrteil gewartet werden. 



IV. Ästhetische Betrachtungsweise. 

1. E. 61 ad s tone, Laadmarks of Homeric Stndy. London 
(Maemillan and Co.) 1890. 160 8. Mk. 8,00. 

Die Sclivift hat vorwii i^iMnl \isychologisclie8 Interesse: zu sehen, 
wie in dem (niste eine« inodenieu Stuatamanncs von der Bedeutunff 
Gladstones Llnmer sich spiegelt. Vieles hat Her Verf. treffend, wenn 
auch Dicht nea beobachtet: den einheitlirl)en Slü der beiden Epen, 
ihren Wert als nationales EfnicrnnesniitTrl, den durchdachten und syste- 
matischen Charakter der humeiibclieü Theolop:ie, Den Schlössen freilich,, 
die er ans seinen Beobaclitun^^en zieht, wird niemand, der mit der 
eigentlichen Foi-schunj? auf diesem Gebiete in Fühlung: lebt, beistimmen 
können. Glad«:t()ne verniac sich den thatsächlichm Bestand der übcr- 
lietiMfen Oedichte nur ho zu eiklilren. dall sie das Werk eines und des- 
selben groLien Dichters seien. Kein einziger Uesanc- tind^ sich in Ilias 
nud Üiiyssee, der nicht zum Plan des ganzen Kp<H beitrüge. So sei 
z. ß. die J)oloneia als Teil der Ilias unentbchriicli , um dem Odyssena 
denjeiiigeu Ahteil au der Handlung zu geben, den seine GrüIJe und 
besonders seine Vielseitigkeit verlange. Für die feineren Verschieden- 
heiten des Stiles gerade zwischen K und den tibrigen Teilen des Epos 
oder zwischen 9 nnd A hat der Verl. kern Auge. 

2. G . II a c b 1 e r , Fünf Vorträge iiber Dias nnd Ociysiee. Leipzig: 
(A. 0. Liebeskind) 1898. 82 S. 



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IV. ÄstLetiäcilt* iietracbtiiDi^iiweiso. 



Öl 



Der erste Vortrag giebt eine Übenicht aber die Handlang der 
beiden Epen, der sweite racbt den Dfcbter nnd aeioe DarsteUnogsweise 
SB eharakteristeren, der dritte icbQdert die bomeriseben Götter und die 
bei Homer benacbenden religiösen nnd littlieben TorBteHongen, der 
Werte ceiebnet ,Mftnner* nnd Fhinengeetalteo ana Ilias nnd Odywee", 
der IBofte im beaonderen die drei großen Helden OdyMens, Achill. 
Hektor. — Der Verf. naebt nirgends den Ansproeb, iHasenscbaftliebe 
Probleme zn fOrdem, beriobtet aoeb niebt tos ibrer Bearbeitaog durch 
andre; der elndge Vertreter der Homerkritik, den er im zweiten Vortrag 
erwlbnt. ist Wolf. Trotndem verrit er ^ne freiere und gesundere 
Aiffbnnog vom Wesen der bomeriseben Poesie, als msaeber andere 
dopeb Tie! Qelehrsamkelt erworben bat. Besonders lesenswert sind die 
AisfBbrtngen darüber, daß nosere IVende an der sehteen Dichtung nicht 
geatOrt zn werden brancbt, wenn wir sie m als das Toreinlgte Werk 
Tieler vorstellen. Haebler meint nicht übel» es liege sogar eine gewisse 
BembigQug darin, wenn wir nicht anznnehmen braneben, daß Friamos' 
Fahrt so Aehillens ?on demselben Dichter besungen sei, wie das nächt- 
liche Abentener von Diomedes und Odjiaens, daß die Klagen an der 
Leiehe Hektors einen Ursprung hfttten mit so mancher Bobelt nnd 
Gnnsamkeit, die In der Haadlnng der lUaa vorkomme. Bas Bneb 
Ist willkommen sn heißen als ein wohlgemeinter nnd nicht nngesehiekter 
Yertnch, in den Kreiien der Kieht-delehrten wieder Leser nnd Pranndo 
Ar Homer an gewinnen. 

3. Q. Sortais, Uios et Uiade. Paris (£knüe Bonüion) 1892. 
XV, 417 S. 

Das erste Kapitel giebt einen kurzen Überblick Uber die Besnltate 
der Scbliemannschen Ausgrabungen, das vierte behandelt die homerische 
Gtttterwelt. das fünfte bis siebente versuchen eine Gbarakterlatik des 
homerischen Stiles. Den Hauptinhalt des Buches machen die beiden 
daswiscben stehenden Kapitel aus (p. 35—296). n giebt eine Analyse 
des langes äa Handlung, wie er In dem ttberli^f^n Texte sieh dar- 
stellt; ni versucht eine Bekonstruktion des ursprllnglichen Gedichtes. 
Der Verf. ist auf die deutsche Schule in der Homerforschung. wie er 
mit k&hner Zusammenfassang sagt, nicht gut zu sprechen, nimmt auch 
von unseren Arbeiten wenig Notiz. Er meint, der Versuch, die ein- 
zelnen Schiebten im Epos voneinander zu lösen, jedem der vielen 
Dichter, die daran mitgearbeitet haben, seinen Anteil snznweisen, sei 
ein aussichtsloses Untemehroeo; es heiße auf beweglichem Sande mit 
peinlicher Sorgfalt heute ein Gebäude auffllhren, das moi-gen der kleinste 
Hauch der Kritik umstürzen werde. Was er aber selber statt denen 

versucht, um den ursprünglichen Kern der Dias an umgrenzen, beruht 

4» 



52 Berieht abor dia Littoratnr so Homfir. 1888—1901. (Gauer.) 

vollends auf reiner Subjektivität Die Teile des Uteiten Epos sind 
Beiner Meienng nach folgende: Der Streit der Forsten und Zens' Eid- 
schwur (A). Die Niederlage der Achaer (A). Die Gesandtschaft (I). 
Die Patroklie (0. U), Achills Trauer (2 1—242). Die Versöhnung 
(T 1—275). Hektors Abschied Yon Andromaehe (Z 313 iF.). Hektora 
Fall (O d25ir. X). Die AnslÖsang des Leichnamg (Q). 

Im einzelnen enthält das Bueb viel feine und treffende Gedanken. 
Der Vergleieb der lUas mit der in mannigfachen Stilarten anfgeftthrten 
Kathedrale von Canterbury (p. 92), die der Verf. vor Ängen hatte 
während er sein Buch schrieb, beweist allein schon, daß ihm die Er- 
keantnis von dem allmählichen Anwachsen des Epos zu einer lebendigen 
Anschauung geworden ist. So machten wir glanben, daß seine Dar- 
stellung swar nicht geeignet ist su ftbeneugen, aber sehr wohl im- 
stande zum Genuß zu fähren. 

4. vS. Spitzer, Die stilistische Ahwech'luui; in Homers Ilias 
und Odyssee. Zeitschr. für die öjsterreich. Gymnasien 48 (1897) 
S. 181 -487. 

Während die stereotypen Ausdrücke und Weudungen, iu denen 
Homer sich wiederholt, oft behandelt worden sind, wird hier einmal dtat 
Versuch gemacht, zn sehen, ob nicht anch ein bewußtes Streben nach 
Abwechslung im Gebrauch synonymer Verba, Epitheta, Eigennamen sich 
beobachten lasse. Der Verf. teilt eine Reihe von Proben mit, für die 
man ein solches Streben zugeben muß. Wir wünschten, daß diese 
Untersncbnng weiror fortgesetzt und vertieft wärde; sie ver^^pridis indem 
pie das Wesen des homerisdK n Stiles von einer nenen, bishei- kanm 
beachteten Srite zeigt, auch für die Aufgaben der höheren Kritik einen 
Beitrag zn liefern. Bekanntlich hat z. B. Lachmann in V daran An- 
stoß genommen, daß io der Teicboskopie die Fragen Agamemnons Jedes- 
mal in etwas anderer Form eingeleitet werden; die darauf gegrändeten 
Bedenken gesen Echtheit werden um so mehr verstummen müssen, wenn 
sich zeigt, daß eine solche Bemflhnog um Variation dem Dichter anoh 
sonst nicht fremd ist. 

5. H. Grimm: Homer. Ilias, erster bis neanter Gesang. Berlin 

(Hertz) 1890. 288 8. 

6. DtM selbe, Dasselbe. Zehnter bis letzter Gesaug. Ebenda 
1895. 405 S. 

«Mit der Homerforschnng stehen diese Aufzeichnungen ani^ Zn- 
sammenhang,* so beginnt der Verf. die Vorrede des ersten Teiles. 
Aber was er gewollt hat, das allgemein Henschliche in der uralten 
DiehtoDg hervorheben, modernen Lesern zeigen, daß sie, um Homer zu 



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17. Ästhetische Betrachtungsweise. 



53 



▼entehen, „sie tu aageo branelMii: das waren Grieebeo, die ens 
BAtloiMtor GesiMMiiigr so bandelten, oder das gescbah la weit entlegener, 
anders denkender Zeit", sondern, daß „wir selber henügen Tages so 
empfinden nnd bandela wflrden, wie die Mensoben Homers thaten** 
(I 8. 48) — eben dies ist Ja doch anch das letsce und elgeotliehe Ziel 
aller pbilologischen Arbeit 

Orimni behandelt den Test teils in erlllaternder Paraphrase, teils 
in Übsrsetsong. Die Form der letiteren Ist eigenartig. „Die lierge- 
brachten, tönenden A4{«kti?a sind ansgelassen and breite Sätse oft sn- 
sammengezogen worden. leb habe nldi bemthti so modern als möglich 
an sein. (I 8. 3.) — Ich liabe nioht Übersetzt, sondern nnr, was mir 
Ton Homers Versen in den Gedanken haftete, rein hingestellt; jedes 
Wort, dem nicht ein volles deotsches Wort entsprach, ward tlbergaDgen" 
(II 8. U9f.): so spricht der Autor selber seine Gmndsfttse ans. Die 
Sprache bewegt sich in freien, knnen daktylisehen Versen, die an den 
behaglichen Floß der Hexameter nicht mehr erinnern. Nimmt man 
hinzo, daß an nicht gans wenigen Stellen aasdrfickllche M ißverstftndnisse, 
zumal in bezog anf den fi^atfen Zosammenhang der Gedanken, vor- 
liegen, Bo wird man der Obersetzuug, die hier geboten Ist^ keinen allzn 
großen Wert beimessen können. 

Anders steht es mit der freien eignen Darstellnng des Ganges 
der Ereignisse, die den weitaus meisten Banm einnimmt nnd nor hier 
und da von Übersetznngsproben unterbrochen wird. Die Belenchtnog, 
in die Homers Bilder und Gedanken hier gerückt werden, ist ja eine 
einseitige, modern geistreiche; aber eben dadurch tritt mancher Zog 
nun plastisch hervor, der sonst unbeachtet blieb, gerade wie es znweilen 
lohnend ist, eine anmutige Landschaft durch ein geftrbtes Glas sn be* 
trachten. Originell und für die anschanliehe Vorstellung wirksam ist 
(I S. dO ff.) der Vergleich zwischen den homerischen Qdttem nnd einer 
adligen Gesellschaft nach Art der in «Kabale und Liebe* dargestellten. 
Meisterhaft sind manche Situationen gedeutet, die uns der Dichter aas- 
malend oder entwickelnd und steigernd vorffihrt. In bezug auf Achill wirft 
der Verf. die Frage auf, wie es komme, daß er weniger mit indinduelleu 
Zfigen ausgestattet sei als manche viel weniger wichtigen Personen, 
nnd beantwortet sie mit einer feiusinnigen , durch den Ausblick in 
andere Gebiete der Litteratur vertieften Betrachtung (II 8. Iß ff.). 
Der Charakter und das Schicksal des Hanpthelden sind mit lebendigem 
Verständnis erfaßt: „Wir sagen uns, was das Los derjenigen sei. die 
der Himmel dnrcb außerordentliche Gaben über die andern erhöhte: 
Einsamkeit nnd Undank*' (I S. 261). Fein nnd dabei durchaus glaubhaft 
ist auch Helena gezeitlniet (T 8.83. 90 ff.). Nur hätten da, wo sie 
von neuem durch AplaoUite bethört wird, nicht beide als ein Paar Ton 



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54 Bericht über die Littcrttar tu Homer. 1888- 1901. (Ceaer.) 

Scliwesteni daiigestellt «erdeo d&rfen, die «wie Krienbild und Brun- 
Ulde, wie Elieabetb und Maria einander an Überbieten anchen"; daB 
Helena «Toehter des Zens* genannt wird, ist doeb bei Homer bloß ein 
konventioneller Zng der Sa«:e, kein lebendiges Stttck der erz&hlten 
Handlung. Und darae leidet nun Grimms Erkl&mng Qbeibanpt, daß 
er allsn frei, ja wiUkttrlicb die eigne Phantasie schalten Iftflt nod mit 
wahrem Baffinement Tersteekte Beztehnngen nnd berechnete Wirkungen 
anflpflrt, die dem schlichten Sinne des Dichters ganx fremd waren. 
Daß (in I) die Geschenke, welche Agamemnon dem beleidigten Aebill 
bietet, karg bemessen seioi, deshalb anch die Rede des Herrschers von 
Nestor, der vorher anr VersOhnnng gemahnt hat, kfthl aufgenommen 
werde, ist im Texte mit keinem Wort angedeutet, sondern vom Ausleger 
wiUkfirlich hereingetragen; und unter dieser falschen Beleuchtung leidet 
das oanze Bild, das wir von der Bittgesandtsehaft, ihren Ursacben nnd 
Wirkungen bekommen. Hektors zwar verblendete, aber von Vaterlands- 
liebe nnd Kampfinst erfüllte Hede, in der er den von Polydamas vor* 
geschlagenen Bttcksog in die Stadt verwirft (2 285 ff.), soll durch ge- 
schftftsmilnnische, wirtschafüiche Rficknohten bestimmt sein (It S. SS9. 
289 f.). Dergleichen Yerschiebnngen nnd beinahe Verzerrungen kommen 
mehrfach vor. 

Bas Schlimmste ist, daß der Verf. bei der ästhetischen Beurteilung 
nicht stehen bleibt, sondern von ihr aus, entgegen seinem ausgesprochenen 
Plane, die Frage nach ficht nnd Unecht au entschdden unternimmt. 
Von T und T hat er .das Gef&hl, als fehle von alten Zeiten her einiges, 
und sei anderes die L&cken sn filUen zogesetzt worden*, eine An- 
Bchannng, die dann auch ins einzelne ausgeführt wird (II S. 241 ff.). 
Im gansen ist die zweite ^fte der Dichtung mit mehr Zurückhaltung 
behandelt als die erste, in der mit dem überlieferten Bestände b9se 
umgesprungen wird. Weil Odyssens (B 169 ff.) nach dem ungünstigen 
Verlauf der Volksversammlung verzweifelt dasteht, so meint Grimm 
(I 8. 45), daß er es gewesen sein müsse, »auf dessen Autoritttt hin 
Agamemnon dem Volke den Traum anders erzählte, als er ihn empfangen 
hatte, so daß der große Fehlschlag Odysseos zur Last üel", nnd daß 
Verse verloren seien, in deuen dies en&htt war. Den siebenten Gesang 
bfilt or für »das Werk eines rhetorisch begabten Homerknndigen, der 
vorhandene Fragmente vielleicht zasammenznfiigen hatte* (I 8. 205). 
Dafür seien gmude hier wertvolle echte Stücke verloren gegangen, 
deren Inhalt sogar mit siemlicher Bestimmtheit angegeben wird. Erst 
am Ende den Gesanges, etwa von 345 an, «scheinen die Teile der ersten 
Dichtung reicher zusammenzustehen. Das Begraben der Teten klingt 
schon homerischer, der Bau der Hauer dagegen eothült vielleicht schon 
kein fremdes Wort mehr« (S. 207). 



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IV. Äath«tiiehe Betnehtongaw^iae. 



55 



Es wftre leicht» Über diflM iiod Ahnliehe Urteile, deren Yerkehrheit 
in die Aai^n springt, za spotten; nnd es wäre nicht einoiel vngerecht 
Wenn Grimm den Schiffskatalog, die yd-^, die AoBlOaueg Hei^ton 
als Glieder in dem nnprlingllclien Plane «des Dichtere" ansiebt lud 
nt deaten socbt, so ist er anf aeinem Standpankte ganz im Becbt; er 
wollte ja die Dichtang als Qanaesi wie sie nun einmal Ist, hinnehmen 
and mit achliehtem Sinn sich snrechtlegeni wie der arme Mann im 
Tockenborg es mit Shakespeare gemacht bat. Aber dann hAtte er 
dieiem Yoraats anch tren bleiben, nicht den Philologen, deren Arbeits- 
weise er geringachtItKig ablehnt, ios Handwerk pfuschen aolien. Und 
dc»ch liegt gerade darin, daß er dies gethan hat, ein werkvolles Znge« 
stAndnls. Denn indem er wider seinen Wnnseh nnd sein Versprachen, 
rein dnich die Macht des StolFes, dazn geführt wnrde, über die Ent- 
atehnngswetae der Diaa, fiber das relative Alter ihrer QssKn^e Ver- 
nntnngen antostellen, hat er anfa nnmittelbarste bewiesen, daß liebe- 
ToUe Würdigung der poetischen Schönheit nnd kritische Analyse der 
überlieferten Gestalt des Epos nicht zwei getrennte noch trennbare 
ThfttigkeiteQ sind, ja, daß die eine von Ihnen nicht ernsthaft gettbt 
werden kann, ohne ron selbst in die andere ttbenngehen. 

7. E. K uiniier. Ein ästhetischer Koniuitritar zu Homers llias. 
Paderborn {b\ Sctiuiiui^'ti) III, 344 S. — Zweite Auliage, 

ebenda 1901. XU, 346 S. 

Der Verf. Ist von dem praktischen Wunsche ansgegangen, die- 
jenigen StUeke der liias anaxaaondem, die aicher echt wSren nnd dnrch 
deren Darbletnng man der lernenden Jagend »das Edelste in ge- 
•chlossener Form bieten* wUrde. Der Standpunkt der Betrachtung Ist 
demnach nnd dem Titel entsprechend flberwiegend der ästhetische. 
2war wird anch von dem Verfahren Gebranch gemacht, Motive nnd 
Pormeln an verfolgen, die mit abnehmendem Verständnis von einer 
Stelle aar anderen Übertragen sind; aber diese Methode, die Kammer 
in einer früheren Untersnchnng für einen Teil der Diehlnsg durcbgelUbrt 
hatte, tritt In dem hier yorliegenden Buche mit Absicht snrQck gegen 
die ftsthetiache Würdlgnng. Daß dabei zn feinerer psyehologlseher nnd 
▼or allem künsUerischer Anffnssnng manches Wertrolle beigetragen 
wird, konnte man erwarten nnd wird man bestätigt finden. Im be- 
sonderen sei s. B. anf die geschmackToUe Benrteilong von 2, auf die 
eindringende Dentang der Hanptscene In Q verwiesen, wo der Ornnd 
von Achilla Beizbarkelt 560 if. elnlenchtend dargelegt ist. In beiden 
Fällen nnd in vielen ähnlichen mag man sieh an den feloslnttigen Ans- 
flthmngea des Verls erftrenen, ohne dämm seiner kritischen Grand- 
ansieht behsastimmen; er hält sowohl S als fi dem Kerne nach fttr 



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56 Bericht über die Litterator za Uomer« (Gauer.) 



Teile des ursprünglichen Epos, für Stücke von dem Werke ,des' Ver- 
fassers unserer Ilias, wobei er nnr fflr Ü das leise Zuges tiiminiä macht, 
daß „der Dichter in höherem Alter, iu dem sein Blick für das Unglück 
der Menschen, aber auch für die Hülfe der Götter in reicherer Er- 
fahrung geschärft, sein Herz milder, gottergebener geworden war, diesen 
Gesang hinzugedichtet" habe (*341). 

Fast noch me!ir als diese Grundauschauuug von dem einen Dichter 
trennt den Standpunkt Kammers von dem meinigen der Sinn , den er 
dem Gegensätze von ,echf und „unecht" beilegt: was nicht „echt* ist, 
das erklärt er lür das Werk eines Nachdichters, also für unecht und 
im Grunde verwerflich. Von der gristloseu and pedankenlosen Arf^ 
wie die Nachdichter das Geschäft getrit'ben haben, wird am Schluß des 
einleitenden Teiles (^102 — 1*20) eine lebhafte Bescbreibaog gegeben; 
und gewiß entsprechen viele einzelne ZÖRe in diesem Bilde der Wirk- 
lichkeit. Aber keineswegs paßt es als Ganzes auf allo diejenigen Dichter, 
die au unserer lUas in der Weise mitgearbeitet haben , daß sie einen 
bereits vorgefundenen Bestand erweiterten und umbildeten. Kammer 
selbst macht ftlr cinitre von den nSelbstiindigen Einhijren" der ersten 
Hälfte eine Ausnahme (S. 120). Als solche betrachtet er T, H, M, natürlich 
auch K, ferner den größten Teil von von R. Von dieser gewiß 
richti;,'en Erkenntnis, daß ein Lied — wie l' — recht jung und zu- 
gleich sehr schön sein kann, ist freilich noch ein weiter Weg bis za 
der Ansicht, die, selbst ein Ergebnis jahrelanger StU'iien, nun für diesen 
Jahresbericht die Grundlage bildet: daß es überhaui»t nicht angeht, 
nach einem einfachen Entweder — Oder das Echte vom Unechten za 
scheiden, daß vielmehr innerhalb der laiij^en Periode, in der das Epos 
erwachs- II ist, eine unendlicii mannigfaltig abgestufte Folü;e von Unter- 
schieden des Alters und des Wertes besteht. Der, welcher die "ExTopoc 
XüTpa dem älteren Bestände hinzufügte, war im Einzelausdruck so un- 
selbständi*^ und stellenweise gedankenlos wie nur irgend einer, und 
doch ein p-roßer Dichter, auch me nur irgend ein anderer. 

Auch Wer so die Theorie des V^erf.s nicht an* i mit a kann, wird 
sich doch mit ihm freuen, daß das noch nicht erstorbene Interesse für 
Homer eine neue Auflage des ..Knmmeutars'* nötij? gemacht hat. Sie 
onterscheidet sich nirhr wesenllicii von der vorigeu, wenn auch der 
Kundige auf Schiitt und Tritt bemerkt, wie die inzwischen hinzuge- 
kommene Litteratur berücksichtigt ist. Ausdrücklich wird (Ö. 86flf.) 
Kohde besprocheu, leider iu durchaus ablehnendem Sinne. 

8. A. Bongot, Etüde sur Tlliade d'Uomi^rc. Invention, compo- 
sition, ez^cntioa. Paris (Hacbette et Oie.) 1888. VII, 579 

«NoDs devoos beancoop k la eritiqne aUemaode; eUe noaa a appria, 
en Man dea caa, & mieax wir lea arbres de la toHi; qmuit k la for6t, 



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IV. IflthvtiMelifl BetmelititDgswei««. 



57 



noQS erojons qti'eii g^n^ral eUe ne la voit pas on la voit mall'** Dieser 
Satz aas der Vorrede cbarakteriuert in aller Kürze das ganze Bach 
and den Standpnnkt des Verfassers, nach seiner Stärke wie nach seiner 
Schwäche. Von der gelehrten Forschnng, nicht bloß der deutschen, 
hält er sich fern und ^iebt ci^^entlich nur im Scblaßwort einige nähere 
Andentangen Aber sdn Verliältnis za ihr. Dabei wird es ihm natürlich 
nicht lebwer, nachznweiseD, daß weder die spraehliche Analyse das 
Textet noch das Aafsachen von Wiederbolnngen nnd Widersprttcbon 
bbher zu TÖUig sicheren nnd reinlichen Resultaten geführt hat-, man 
rnnÜ ihm zugeben, daß die Ansichten darüber, welchen Anteil die Schrift 
an der ältetten Überlieferung nnd Fortpflanznng des Epos gehabt habe, 
noch immer geteilt sind; auch darin hat er recht, daß es ebenso schwielig 
ist das Vorbandensein von Interpolationen im Prinzip /u bestreiten wie 
im einzelnen sie aictaer »bzngrenzen. Aber ans dem allen folgt doch 
nicht, daß es verlorene Mühe ist nnd gewesen ist, auf solche Fragen 
eine Antwort zu suchen, daß nach den bezeichneten Richtnnp^rn hin gar 
kein Fortschntt gemacht, bei der durch die Hoffnung auf Erfolg be* 
lebten Dnrchaibcitung des Stoffes gar keine tiefere Einsicht genommen 
worden i^^t! Doch wir wollen mit dem Verf. nicht rechten. Wenn er 
den Wert der kiitischen Einzelforschnng zu gering anschlägt, so ist es 
andererseits auch wahr, daß deren Vertreter das Element des Gemein- 
samen und Einheitlichen in der Ilias oft nicht genug beachtet nnd, 
indem sie onablässig anf kritische Betrachtang des Details das Ange 
eingestellt hielten, sich den Blick für das Game ein wenitf abgestumpft 
haben. Bongot erionert got daran (p. 573), daß die Sammlnngen ana 
dem Heldengesaog anderer Vdlker, wie a. B. die Kaiewala, in viel höherem 
Grade loee aneinandergereiht sind nnd viel weniger planmäßigen Zn- 
sammenhang neigen als die nias» die eben hierdurch auf den schöpfe- 
rischen Geist eines peisönliehen Urhebers hinweise. Anch die Art wie 
ein solcher — in vorlitterarischer 2Seit — geschaffen haben kann und wohl 
mnß, wird trelfend charakterisiert (p. 666): „Ne compoeant pas pour 
des leeteum, mals pour des auditeurs, il n*e8t pas obligi de snrvelUer 
anzieusemettt son Inspiration; il a'enehante lol-m6me de see propres in- 
ventlons; Ü est raceessivement sons le charme de tons lea snjets quUl 
rencontre et qa*il traite; qaoi d*^tonnant s*il ne se rappelle qne d^une 
fafon gfintele ce qvL*ü a äiik dit, s'il le modiile quelque peo, s'il noos 
snppose mienz renseignös que nous ne le sommes, on 8*U nous renseigne 
k roceaslon, ehemin foisaot, nn pen trop tdt on uu peu trop tard?** 
Heichlich drei Viertel des Bandes umfaßt der erste Teil, der — 
übencbrieben .rinvention* — den Stoff der Ilias schildert. Das erste 
lEapitel handelt von der Götter- nnd Heldensage nnd sucht sn zeigen 
wie der Dichter frei damit schaltet. Überlieferte Vorstellungen umbildet 



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58 Bericht über die Utteratar sa Homer. 1888—1901. (Caner.) 



und erweitert, wie es im Verlauf Rpiner Erzählung dem künstlerischen 
Bedürfnis entspricht; so iiabe er iib» i Briseis, die in A nur karz an- 
geführt wird, nach und nach Genaueres, vermutlicli aus eigner Erfindung, 
hinzugefügt, nin sie bemitleidenswerter zu macbeu (p. 30). Als Aus- 
gangspunkt dei Sajre vom troischeni Kriege erschließt der Verf. ein 
doppeltes geschichtliches Faktum: i'i nhev Zeit müsse ein Kampf zwiscbeu 
Völkern Kleiuasiens uud einem grii l/ist h ii Heere stattgefniiden haben, 
und die gesamten Streitkräfte (iiic^ hriilan is niüüten zu einer gemein- 
bamen Unternehmung verbunden gewesen sein (p. 45. 40). Mehr 
kritischen Sinn als diese letzte Annahme zeltet im zweiton ivaf-itel die 
Besprechung des Kriegstheaters: Homer zeige eine allgemeine Kenntni«? 
der Ortlichkeit, schildere sie aber nicht cenau, daß es möjlirh wäre 
die einzelnen Punkte, von denen er spricht, mit solchen der Wirkliciikeit zu 
identifizieren. — Das umfangreiche 3. TCajutel („La bntaille") begleitet 
den Dichter durch die Sccnen des Kampfes und sn(^!',t sie in ihrer 
?iTannigtaltigkeit und Kiuenart zu würdifren. Aus den ott feinen Beob- 
achtungen, die er gemacht hat, kritische Folgerungen zu ziehen, liegt 
dem Veif. fern. So empfindet er die Besonderheit des Mauerkampfes 
(p. 149), den auffallenden, modern •ritterlichen Ausgang des Zwei- 
kampfes zwischen Ucktor und Aias in H (p f>5): aber das sind ihm 
alles gewollte Wirkungen, die der Dichter durch seine Kunst des In- 
dividualisierens hervorbringt. Den poetischen Absichten weiß er auch 
bei den Versammlungen und Beratunt^en nachznspüren, denen KapitellV 
gewidmet isl. Die Feinheit des V'erstehens wird dabei stelienweise 
etwas zu weit getrieben, z. B. wenn wir in A heraushören sollen, daß 
schon vorher die Menge gegen Agamemnon gemarrt, Achill eben des- 
halb, um sich populär zu machen, das Heer zusammenberafen habe 
(p. 170). Zwischen dem Rute der Fürsten in a und dem in I stollt 
Bougot einen Vergleich an, der wieder seine Grundanschanang recht 
deotlich hervortreten läßt: er konstatiert Übereinstimmung and Unter- 
schiede ond rühmt die Erfindsamkeit des Dichters, der bei eiaem schon 
Irtther von ihm behandelten Gegenstände die Gefahr, eintönig zu werden, 
▼ennieden habe (p. 202). Kapitel Y behandelt die episodischen Scenen; 
das empfilngliche Verständnis, womit sie analysiert werden, bewftbrt 
sich besonders bei denen des dritten nnd sechsten Gesanges, von deren 
mhiger Würdigung die deutsche Wissenschaft durch eiupeitig kritische 
Tendena einigermaßen abgekommen ist. — Die beiden folgenden Kapitel 
bilden msammen ein Ganzes; sie wollen eine Anschaaung davon geben, 
was wir ans der Ilias über solche Gebiete erfahren, die dem Kriege an 
sich fern liegen. Eine Darstellung friedlichen Menschenlebens enthält 
der Schild des Achilleus, für den der Verf. den Anschluß au die Vor- 
lage eines Werkes der bildenden Konst ablehnt: bei den Scenen der 



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lY. lithefciflelitt Betrachtniigsweiie. 



59 



belagerteo Stedt habe der Erzähler die Orensen der bildenden Kaust 
▼ergetsen. Er ersäble so. daß man allerdings sa^en kdnnte, die Kom- 
podtion eines Künstlers sei von ihm nogescbiclit aosgelegt; aber alle 
Anstoße nud Undentlichkeiten erklärten sich anfs beste, wenn man vor- 
annetse» daß der Dichter die Oescbicbten selbst erfunden ond in Ge- 
danken auf awei eng verbnndeno Scenen verteilt habe, wobei ihm nur 
das nicht ganz gelnngen sei« die Vorausetzongen. die ihm vorschwebten« 
auch dem Hörer voUatändifi: mitzateilen (p. 813). Das zweite der beiden 
Kapitel zeigt uns Homer als Kenner nnd treoen Beobachter der Natnr. 
— Ffir das letzte (p. 8) endlich bilden «der Olymp nnd die Götter* 
4aa Thema. Die Beziehangen der Olympier untereinander, ihre Be- 
ratungen nnd Kämpfe, die Mannigfaltigkeit des Anftretens in ihrem 
Verkehr mit den Menseben schildert der Verf. geschickt und lebendig, 
aneh hier ohne daran za denken, daß diese Mannigfaltigkeit ein Nieder- 
aeblag von der allmablichen Entstehong des Epos sein kOnnte. Sehr 
gnt erklärt er den psyehologisehen Omnd der poetischen Darstelinng, 
daß die OOtter anf Sehritt ond Tritt in das Treiben der Menschen ein- 
greifen; er liege in dem Olanben des Volkes, daß alle nnervrarteten 
Breignisse durch göttliches Wirken berbelgefnhrt seien; dieser Glaabe, 
der nach einer Änßerong wie Z 108 bei den Griechen der homerischen 
Zeit lebendig gewesen sei, habe den Dichter sor Erfindung solcher 
Züge gdeitet (p 438). 

Der zweite Haaptteil (p. 447—527) bandelt von der Komposition, 
die Bongot durchaus als eine wohlQberlegte und einheltlicbe zn erkennen 
glanbL Ans dem Plane, den Zorn des Peliden zn besingen, ergaben 
aieb zwei Hanptseenen; Streit nnd VersÖhnnng; daß der letzteren ein 
vergeblieber Versnob dazo vorausging, war nicht notwendig, aber lag 
nahe und erhöhte die poetische Wirkung. An die so fixierten drei 
Ponkte mußten sich drei Kampfgruppen anschließen: die eine vor der 
Bitte um Verzeihung, eine zweite, die zum Wiedereintritt des Achilleus 
führte, endlich eine dritte, in der Hektor fiel. Daß die etste wieder 
in zwei zerlegt wurde, war nötig, weil ein einziger, ob auch unglfiek«- 
lieher Schlachttag nicht ausgereicht haben wfirde, den Atrideu zur 
Demütigung vor seinem Gegner zu bringen. — In dieser Weise wird 
die Anlage des Gedichtes im großen und im kldnen gewissermaßen syn- 
thetisch abgeleitet; die Perioden des langen dritten Kampftages er- 
scheinen danach beabsichtigt nnd gut geordnet (p. 4ö8). Auch f&r die 
Doloneia weiß der Verf. einen vorbedachten Platz Im Plane des Ganien 
zu begrönden (p. 468); nur den SchüTskatalog hUt aneh er f&r spftter 
sugesetat (p. 459). — So fremdartig uns solche Betrachtungsweise he- 
rfihrt, so ist es doch beilsam ihr einmal nachzugehen. Unsere Augen 
haben sich zn sehr davon entwöhnt, den ftberlieferten Aufbau der Hins 



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60 Beriebt über die Uttentor sa Homer. 1888-1901. (Caaer.) 

all etwas Gegebenes anzuseben und das Element des PlaavoUeii, das 
doeb auch ia ibm stark benrortritt, zu erkennen; wer Bongots Am* 
fabrnngea geleseo bat, wird nnwillkfirUch wieder mehr darauf achten. 
Bei deD Kampf- und Qespräcbscenen in V und A wird immer wieder 
benrorgebobeo, daß sie der VoranssetzQDg, es sei das zehnte Kriegsjabr, 
nicbt entsprecben; man mnß dem Verf. zugeben • daß ein Dichter, der 
in geschlossenem Rahmen ein Qemälde des gesamten Kriegs geben 
wollte, zwar kähn, aber gar nicht ungeschickt verfahren ist, wenn er 
die Herausfordemng des Paris erfand and sich dnrch die Vorbereitangeil 
mm Zweikampf die Gelegenheit verschaffte, die Haaptpersonen des 
grieobiscben Heeres dem Könige der Troer and damit dem Zahörer 
vorzuführen (p. 456). Auch die mißlin^rende ictt^ in B, fiektors Oang 
in die Stadt in Z werden von dem eingreiiommcnen Standpunkte ans 
einleuchtend motiviert (p. 484. 485). Daß Hektor in einem Aogen* 
blicke das Schlachtfeld verläßt, wo seine Anwesenheit besonders an- 
entbehrlich erscheint, das sei allerdings, sagt Boagot, ein Fehler, aber 
,nn d^fant benrenx, pnisqn'ii est rachetö avec 6dat, pnisquMl amtoe 
des seines d*nne beantö incomparable.*' Ich glanbe in der Tbat, daß 
man aufhören muß, gerade hier das Messer einznsetzen. AndrerseitB 
geht auch der Verf. In seinem Bestreben, guten Sinn und inneren Za- 
sammenhang an finden, vielfach zu weit; den sprunghaften Gang 
des Gefechte in 6 hätte er nicht versuchen sollen sn rechtfertigen 
(p. 487). 

Der letzte, redit knrze Teil (p. 689—661) soll hauptsächlich 
Homers Sprache und Stil würdigen. Ijber die Dialektmischung wird 
nicht unverständig genrteitt (p. 557). Wertvoll ist die Schilderung 
des Beichtums der dichterischen Sprache und der Besonnenheit, womit 
Homer ihn verwerte; oft gelinge es ihm, einen Gedanken dadurch be- 
sonders wirksam an machen, daß ein einzelnes, wohlbekanntes Wort 
darin auf etwas ungewohnte Art angewendet werde, wie A 410 lirao- 
pttvcat, r 160 «^(ta (p. 646). Treffend wird femer daran erinnert, wie 
Homer auch da, wo er sich wiederholt, doch dadurch, daß er kleine 
Abweicbnngen anbringt, immer neu die Darstellung su beleben weiß 
(p. 648. 649). Die Wirkung der formelhaften Aosdrflcke ist richtig 
empftinden; und hier wird die Frsge wem'gstens aufgeworfen, ob Homer 
sie gescbaffeu oder voigeftinden habe (p. 553). Auf die Beantwortung 
versiebtet der Verf. mit Becht; sie ist nicht mOglich von seiner Grnnd» 
ansieht au», deren — allerdings freiwillige — Beschränktheit an dieser 
Stelle mehr als anderwärta fühlbar wird. Wer den Bestand stereotyper 
Wendungen für eine Eigentämlicbkeit der frttbesten Periode knnst* 
mäßiger Poesie erklärt (p. 652), also nicht siehe, daß das Formelhafte 
und konventionelle doch eben eine lange Entwickelung voranssetat. 



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IV. ÄatbeÜBche Betrachtaagsweise. 



61 



in dar es erst gewarden sein muß. der UUt aich jedenfalli das hiatoriiche 
Tentindiils der hoflNrliehen IHehtwif varaehloeMO. 

Doch leh mttchle aieht mit solchem WiderBpmcb too dem schönen 
ind anregeDdeo Biche des franaHsischen Gekkrtea sdidden. Er tritt 
mit einem ftboUchea Programm auf wie in Dentsehland Hermann Grimm, 
ftthrt es aber mit viel mebr Betdudtaheit doreh, indon er gar nicht 
daran denkt, wiBB^sehaftliche Kritiic dnicfa ftsthetische Werturteile sa 
ersetzen. Die dichterische Schöpfnog, die der eine m meistem nnter- 
nimmt, bemfiht sich der andere mit williger Unterordnung unter das 
Gegebene za verstehen; nnd dabei hat er die Empfilnglicbkeit des 
Kachempfindens zu einer Kunst ausgebildet, die überall erfreut und 
von der wir auch da lernen können, wo Me ans nicht Überzeugt. 

9. Placido Cesareo, II Sobbiettivismo nei Poemi d*Omero. 
JEücercbe criticbe. Palermo (Alberto Beber) 1898. 196 S. 

Das Bach enthfilt die Durchführnng eines richtigen nud, wie der 
Verf. mitGraud hervorhebt, noch nicht ßenü^end anerkannten Gedankens, 
der Beobachtung nämlich, daß aach die homerischen Gedichte, bei aller 
Gegenständlichkeit ihres Inhalts und so sehr Überall der Autor hinter 
sein "Werk zurücktritt, doch deutliche Spuren von der Subjektivität des 
Dichters tragen. Der italienische Gelehrte erörtert den Begriff „Sub- 
jektivismns* zuerst allgemein nach seinen zwei Seiten, der des Stoffes 
nnd der des sprachlichen Ausdruckes, und weist Uanu bLide Arten 
reichlich bei Homer nach. Die Arbeit zeigt ;?enaue Vertrautheit mit 
den Gedichten Belb&t wie mit der neueren wi-sen.sclialtlicli< ii Litteratur 
darüber. Für den Zweck unseifü Jalireabeiicbtes ist am \vi(:litif,'sten 
das letzte (7.) Kapitel, das „den Subjektivismus in Jie/iehung in den 
homerisclieii Fi af^en"* behandelt. Der Verf. gebraucht hier mit Absicht 
den riiiral, weil er von der Vielheit der Probleme, in welche die sü- 
^eiiannte homerische Fra^e sich au.^^clöst hat, eine deutliche Vurstcllnng 
besit/.t und geben will. Ei zciirt. wie die direkten, äußeren Kriterien 
zur Lös im j]^ der rrobleme vcisagt haben, so daß man dazu hat kommen 
mfi^seu, die* (iedichtc selber nach inneren Merkmalen zu aiial_)aicren. 
Auch dal] auf diesem Wege beieils Kesiiltate gevvouueu worden sind, 
daß mau z. B. kulturhistorisch getrennte Schichten unterscheiden kann, 
erkennt er an. Aber er vermißt in der bisherigen Honiertorschung 
eine ausreichende WUrdi^ung derjenigen Züae, in deuen sich die sub- 
jektive Denk- und Kedcweise verschiedener DiL-hterpersönlichkeiten ver- 
rate. Was er selbst in dieser Beziehnn.; bietet, ist nun freilich auch 
nichts B'ertiges. Er Imt treffend erkannt, daß Vorzüge nnd Schwächen 
nicht überall nach demselben Gesetze verteilt sind, daß einige der 
wukfiamsteu und in der poetischen Darstellaug trischesten Gesänge au 



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62 Bericht aber die Littentar ii Homer. 1901. (Cauer.) 

•tfliBtiseheii mid metriichen Anstößen leiden» während andere, glatt 
anagearbeitete, im Gedanken ned in dem Gange der Handlnng matt 
enehelnen, nnd giebt von hier ans (S. 190 1) eine tnmmarieebe Sebfttznog 
der Hanptpartlen dea Epe»; eine genauere Abgrenzung anf gmnd dea 
beobachteten Untenchiedea der dichteriseben Individnalitäten hat er 
nicht versncht. Aber dae kann nur gebilligt werden. Ffir solche Auf- 
gabe lind die Isthetiechen Merkmale in der That an ■ehwaeh, an sehr 
selber der Snbjektivitftt des Forsohers unterworfen. Sie können nur 
den Blick scbirfen ffir verstecktere Zöge, ffir feinere Yerachiedenheiten 
im Charakter der Daiatellung, und können so den Boden bereiten 
helfiDn. auf dem nachher von anderen Seiten her und mit anderen Mitteln 
scharfe Linien geaogeo werden. 

Eine etwas eisgeheodere Anzeige des anregenden Buches hat 
Hermann Kluge gegeben. Neue phÜol. Rundschau 1899, 8. 837—340. 

10. P. Welzel, Betrachtuii^<en über Homers Odyssee al<? Kunst- 
werk. Erster Teil. Progr. des Kgl. katbol. St Mattbias-Gymuasiams 
zu Breslaa. 1901. 

Der Verf. giebt eine reflektierende Paraphrase der Bücher a — i. 
Des Anteiles, den die ä^^thetische Betrachtangsweise an der Lösnng voo 
Fragen der höheren Kritik nehmen könnte, ist er sich bewnßt (S. Y t), 
macht aber selber nicht den Versuch Folgerungen dieser Art an sieben. 

11. Gau er, Homer als Charakteristiker. Neue Jahrbficher für 
dsa Uass. Altertum n. s. w. V (1900) 8. 597^610. 

Der Anfsatz sucht zn zeis:en, wie Homer die Fähiizkeit, fein zu 
cbarakten<?ieren — Alter nnd Geschlecbt, Stand, eiiizeliio Situationen, 
paii/e Mensciien — in höherem Grude besessen hat. aln man gewöhuUcli 
ainiiinmt; und zwar trete die>r F;ihigkeit in den jüiiKeren Partien des 
Epos stärker hervor als in den alteren. Zum SchluÜ wird diese Beob- 
achtung mit der scheinbar entgegengesetzten, daß die schöpferische 
Kraft des Ausdrucks allmahlirb nachläßt, zusamiiK n -enoinmeu, und der 
Weg angedeutet, auf dem eine Lösung solches Widerspruches gejtimdeii 
werden kann. 

12. A. Roemcr, Homerische Gestalten nnd Gestaltungen. Sonder* 
abdrnck aus einer Festschrift der Universität Erlangen. Erlangen 
und Leipiig (A. Deiehert) 1901. 20 S. 

Der Yerf. knflpft an eine von Aristoteles angeregte Frage an» 
ob Homers schöpferische Kraft der Darstellong mehr auf genialer Li- 
apiratlon oder auf Knostverstand beruhe, nnd giebt Ar beides ein» 
Bdhe gescbmaekvoU ausgewfthlter und mit fiischem Sinn erläuterter 
Beispiele. Nor selten fthlt man sich snm Widersprach herausgefordert» 



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IV. ÄBtbetificbe Betraebtungswoite. 



63 



wie 8. B. bd der Benerkan^ sn A 301—803: »«o idieidet er tob qdi 
groß und nnnrebroebeo ^ als Held.* Mir ersebeiot ningekebrt de«, 
WM bier AchiUeiii lagt, recht meoaeblich: indem einer naobgiebt, be- 
mfaigt er daa eigene Selbstgefilhl doreb eine Drohang» die er Ar den 
Fall hinsQfBgt, daß der andere noch weiter geben sollte. Vortrofflieh 
ist die für mieb wenigstens — nene Deutung von A, 528 it: der 
Dichter lasse deshalb den Gott seine Zusage durch eine stumme Oebttrde 
geben, weil er eine programmmäOige EnthttUong der Art und Weise^ 
wie Achill geehrt werden soll, Yormeiden wolle. — ^ Besonderer Be- 
achtung wert ist eine Anmerkung (8. 13), in der darauf hingewiesen 
wird, daO bei Bostatbins AuszQge aus einem ausgeneichneten alten 
„ästhetischen Kommentar sur Odyssee" vorzuliegen schienen, dessen Ab- 
sicht gewesen sei, «die Erfindungen und Erzfthlungen des Dichters nach 
Möglichkeit gegen die Biasprüche des vooc sn sichern.** 



V. Spraehliehe ond metrisehe Analyse. 

1. Cauer. (jiuiiiiü a^^en der Honicrkritik (1M95) S. 98—130. 

Im ersten Teile (lieses Kapitel-^ \vir<l dor Tliutbestand der Dialekt- 
miBcban<? beschri' in n, und R:enauHr untersucht welche Erscheinungen 
als sichere iSpureu des Aolisclieii anzn^ehen sind. Der zweite Tt il be- 
handelt dann, von einer Kritik der Fickscheii Hypotlitsjü ausgeiiend, 
die Frage, wie die MisrhuMn^ entstanden sei, und wein i, uutei' welchen 
Umständen der Über(;aug der epischdil Puttüe von einem Stamme zuiu 
andern sich vollzogen haben könne. 

9. O. A. Danlelseen, Zur metrisehea Dehnusg im ttteren 
giiecbiseben Epos. Skrifter ntgifna af K. Humaalstlska Veteoskips- 
8amftindet 1 üpeala V, 16. Stockholm 1897. 74 S. 

Der Verf. knüpft an W. Schulzes *Qoaestiones epicae' an und 
aeigt, wie in diesem ansgexeichneten Buche nicht genug mit der Mög- 
lichkeit gerechnet ist» daß .die einzelnen Sftnger und 'Bearbeiter*, deren 
Erseagnisse in unsere Dias und Odyssee Auftiabme gefiinden, in der 
Behandlung der Dehnnngslicensen teils üreiere, teils strengere Obser- 
vaosen befolgten*. Aus Danlelssone Untersuchungen ergiebt sich, daß 
es HiatBftehlich so gewesen ist, daß also auch in dieser Beaiefanng der 
spraekliehe Zustand der homerischoi Gedichte ein Bild ihrer allmik- 
Heben, leeitlich und — worauf mit Becht hingewiesen wird — OrtUch 
über ein weites Gebiet ansgedehnten Entstehung bietet. Außer dieser 
aDgenelnen Einsicht kommt fttr die Fragen der höheren Kritik be- 
sonders die eigenartige Behandlung der sogenannten terdehnteii Formen 



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64 Bericht über die Litteratur zu Homer. 1888-1001. (Cauer.) 

in betrachk, die der Verf. 8. 64 flf. giebt» avf die eiimgelien leb bolTeDt- 
lieh an anderer Stelle Gelegenbeit haben werde. 

3. A. Thumb, Zur Geschiclite des griechischen Digamma. 

Indojzerm. ForscUungeu 9 (1898) S. 294-342. 

Fftr die Geschichte der homerischen Poesie ist die Fraere von 
großer Bf^deuton;?, ob das Dignnnna ho'\ Homer ein Aolismus und also 
eine der £ncbeinnngen ist, die den Miachcharakter des epischen Dialektes 
bestimmen, oder ob es bei den looiern zn der Zeit, wo sie die Ptiege 
des epischen Gesanges übemabmen, noch lebendig war. Der Verf. be- 
streitet^ im Gegensatz n. a. za meinen Ausfiiliruiif^eii, das erstere, be- 
hauptet aber anch das zweite nicht. Er erkennt an, daß der Spirant 
in dem „Gesamlhomer* der Alten keine EoUe mehr als lebender Laut 
gespielt, daß also ,das Zeichen F in unsern Humerausgaben keinen 
Sinn bat" (S. 326). Ja noch mehr, es ist ihm sicher, daß ,auch für 
die ältesten ionischen Dichter das f kein lebender Laut mehr war* 
(S. 324). Trotzdem meint er ,anch dem ionischen Dialekte Kleioasiens 
Digamma in noeli nacliweisbarer 2^it* zRSchreiben zu können, auf grnod 
folgender cin oiiolofrisc liei) Erwägang: «da nach 700 für das kleinasiatische 
Ionisch Fortleben des F aosgeschlosten ist, da weiter aber die epische 
Sprache für ihre älteste Zeit F voraussetzt, so sind wir wohl berechtigt, 
für das kleiuasiatische Ionisch den Schwaod des K rund auf 800 v. Chr. 
zn setzen" (S ^25). Aber über die Frage, ob innerhalb der alteren 
epischen Sprache F ionisch odrr äolisch .sei, wird ja gerade gestritten; 
znr Entscheidung kann doch die Tbatsachc selber, die erklärt werden 
soll, nichts helfen. — Ebensowenig Erfolg hat Thumbs Bemühung, 
fftr irgend einen anderen Teil des ionischen Sprachgebietes ein Beispiel 
eines wirklich erhaltenen Vau nachzuweisen. Er sncbt einen ionischen 
[F]i[f]txapx{$i)< — statt [£Jö[&Juxa(»T(dY)c — . auf den doch selbst filaß 
bald verzichtet bat, wieder glaubhaft zn machen and b^pricht anfi 
nene die bekannten fieispiele des F ans luschriften chalkldischen Alpha* 
betes^), bei denen er selber zogeben maß, daß die so geschriebenen 
Namen teils „nicht reinionisch sind, teils doch «für das Fortleben des 
F nieht 2u Tiel beweisen*« (S. 893). Wie viel denn etwa? Vernntlieh 
nicht mehr als die Scbreibong dPoxoo anf Naxos, die swar das Zeichen 
F enthält, aber dnreh den eigentümlicheB Oebranch, den sie davon 
maeht, gerade zeigt» daß for die Qrsprfingliche Art der Verwendung 
kein Anlaß mehr war. Anoh dies erkennt der Verf. aosdrAcklich an, 
sti'&nbt sich jedoch gegen den nnansweichUchen Schluß, daß bis jetzt 

') Vergl. hierzu niein'- Anzeige von Kcetschmer, Die griech. Va.süQ- 
iDscbriftcQ ilircr Öprache nach untersucht, Wochonschr. für kiatiö. l'liiloi. 
Ib95 S. 11Ü4 f. 



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V. Spnehttclio und mttdaehe Analjae. 



65 



kein einsigei rieberes Zengoii für «in gMproflhoiM ioniadies Vau bekaniit 
igt, 4«r Sehwnnd dietea LbuIm also, so weit wir artsileii kOnneo, bh dn 
gnmdlegsndsn Merkmalen der ionisohen QesaintiDiindart s;eh5rt. Wenn es 
«iner Bestatigon^ hierfOr noch bedurft blltte, so ist sie dorch den hier vor- 
Ueseodenmißlnntrenen Versoeb« dasGegenteU snbeweisen, erbraebt worden. * 

4. P. Solmsf»n, Untersuch nutzen zur griechischen Laut- nnd 
Verslehre. Straüburt^ 1»01. IX. 322 ä 

Bis üntersochnneen des Yerlls berflbren oatttrlicb vielfacb das 
Oebiet unseres Johresberiebtes; doch kann auf Einaelbeiten bier nieht 
«ingegaagen werden. Ganz riebtig ist die Grundansebannog von dsM 
aUmfthlicben Anwachsen des Epos nnd den versebiedenen spracUieben 
Niederacbltgen, die daron Barflekgeblieben sind. Auch die 8elbstbe> 
Scheidung kann — snmal gegenüber der allsa großen Zuveraicbt anderer 
— nor gebilligt werden, daß es innerhalb eines Boches wie 0 oiebt 
möglich sei die verschiedenen Schichten mit Bestimmtheit berausBuHfsea 
<8. 160) ; das wird in der That nur d* angeben, wo eine größere, »neb 
«aehlich fest in sich sasammenhKngende Partie einen einheitlichen sprach- 
lichen Ohankter trlgt. Bemerkenswert Ist des Terfs Ansicht, daß 
^e Utere, unkontrabierte Form des Namens *QpCnv swar X S9 (^v n 
atov* *ficip6ttvoc lic<xX«)«v xotJioiMtv) hergestellt werden dilrfe, daß aber an 
so jungen Stellen wie l 310. 572 die jüngere Form 'fipfiwv« schon Tom 
Dichter gebrancht ta sein scheine, da sich der Käme in dieser Qestalt 
bereits auf einer milesischea Inschrift des 7. Jabrhonderts finde (S. 54). 
Wenn Solmsen sich bei dieser Gelegenheit men Knacks BemSbnng, 
Aberall die altertttmlicheo, unkontrahierten Formen hersnateUen, an§- 
epricht. so hat er in der Sache gewiß reche. Knr h&tten er wie 
Brogmaan ([odog. Fbrschgen. IX [1898] 8. 171 f.) berrorbeben sollen, 
^Ukß wir die richtigere Erkenntnis vom Wesen der homerischen Sprache 
snm guten Teil eben dem entschlossenen Votgehen yon Kauck Terdanken, 
dessen Irrtum, wie jeder fmehtbare Irrtum, durch konsequente Dnroh- 
Ahmig sich selbst widerlegt hat. 

Dem Digamma ist der ganae zweite Hauptabschnitt des Buches 
gewidmet Daß es „In der Epoche der Gesamtredaktion von Ilias und 
Odjssee aof ionischem Boden bereits verloren gegangen war**, erkennt 
Solmsen (S. 171) an; ffir seine Herkunft bei Homer verweilt er leider 
Aistimmeod auf die ganz unklare Behandlung des Gegenstandes durch 
Thumb. Wertvoller ist, was er selber hinzufflgt. Einmal (S. 174) die 
•Genetivform AfOMiXaFo, d. I. *Air«mX^FfD, auf einer protokorintbischsD 
Lekythos (Arch. Anz. 1899 S. 142) In chalkidischem Alphabet ge* 
achrieben, die sich den ftbrigen halb dorischen halb Ionischen Kamens- 
«oftchiil^en« deren bei der Besprechung Ton Thumbs Arbeit gedacht 
JakiMbiftoht lOr Alt«rt«iMwliieiis«ha(t 84.0X11. UflGB.L) 5 



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66 Bericht aber die Littentar IQ Homer. 188S-1901. (Ceaer.) 

imrde, anralbi; Solmseo erinnert selber daran, daß in dem licoftjoiv der- 
■elben Ihschrifl das T fehlt» und bringrt den anderwärts iberlieferteo 
Namen eines ^AjmOjm Kopnopatbc bei. Sodann meint er (8. 193) Dach- 
fswiei«a sn haben, »daß der SebUlUcatalog die Wirknnges des Di* 
gamma, soweit sie sich in der homerischen Sprache iberhanpi in er* 
kennen «eben, mit voller Gewissenhaftigkeit wahrt**. Dieser Kaohweia 
steht Bhein. Uns« 58 (1896) S. 146 ff. Gr wird aber dadurch beein* 
trftchtigt, daß eine Ansabl von Ausnahmen bleiben, die teils dnrch ent* 
sehnldigende ÜrklSrong, teils durch Bmeadation erledigt werden mflssen; 
anck fehlt anr Bearteilnng der angestellten Statistik die Angabe des 
vollen Materials nnd des entsprechenden ans einigen anderen Gesingen« 
Vielleicht entschließt sich der Yerf,, dies noch in einer besonderen Ab* 
handlang voranlegen. SoUte sich dabei wirklieh heransstellen, daß B 
in besng auf das F nicht anders steht als die Utesten Teile der lUas, 
so würde man darans nmgekehrt folgern mfissen, daß aaeh in den 
Utesten Teilen, als sie so wie sie Jetit vorliegen gedichtet wurden, dsa 
Van kein lebendiger Last mehr war. Solmsen hätte den Fehler in 
seiner Scfalnßfolgemng daran bemerken kfonen, daß sie ihn dasn bringt» 
den Sehiftkatalog, den er ^mindestens ins 7. Jahrhnndert** setst^ doeh 
ingleich „nicht sn den jüngsten Stücken der homerischen Poesie* an 
rechnen (Rh. Hns. 148). Also soll gar im 7. Jahrhundert ionisches F 
noch gesprochen worden adn? und welcher Zelt gehören denn die wirk-> 
lieh jüngsten Stücke an? 

Sehr dankenswert ist, wss im Anschluß an WUh. Sehnlae über 
die metrische Dehnung von o sn et (oKtsac^ otltc, leXo^ov, ifi^Utpf^r 
«voiif u. a.) ausgeführt wird (8. 195 f.). Dieser Lautwandel kann nicht 
von den Singem selbst voUiogen sein, die gar keine Ursache hatte» 
statt eines länger aasgehaltenen o ein m au sprechen, sondern er bombt 
auf nachtriglicber, halbgelehrter Überlegung von Leuten, die ein o ins 
geschriebenen Teate vorfonden, wo der Vers einen langen Vokal forderte» 
und nun nach dem Muster Ton «wd «ted, «oitiv «omv u. ä. den Diph* 
thongen oi für die allgemein berechtigte Länge in o hielten nnd ein* 
setaten. Darans aber folgt in der That, daß von der Zeit der lebendigem 
Pflege des epischen Gessngcs bis au der sj^teren, wo der Text metrisck 
durchgearbeitet nnd reguliert wurde, keine ununterbrochene t)berlieferun^ 
reicht, sondern daß es daxwischen eine Periode gageben hat, in der 
man nnr Teite mit nnmetrischen Schreibungen hatte und doch daran 
keinen Anstoß nahm. Dies lotste ist auch, meine ich, nicht wnnderbarr 
die Niederschrift war noch nicht Haoptqoelle für die Bekanntschaft mit 
den alten Gedichten, sondern nnr eine Stotse für das Gedächtnis, deren 
man sich bediente, ohne Wort für Wort nnd gar Silbe für Silbe Ge» 
sprochenes und Geschriebenes au vergleichen. 



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T. Sprachliche und methsehe Analjsa. 



67 



fi. A. Fiek, Dm Liad wm Zorne AehiUs. Bezzenbergen Bei- 
trig« Sl (1896). a 1—81. 

6. Derselbe, Die Erweiteroiig der MeaU. Ebenda 34 (1899). 
S. 1—93. 

7. Derselbe, Die BrbraiteniD^ der Menii. Die Elnlegon; dee 
•Oitee* ia die Henle. Ebenda 96 (1900). a 1—99. 

• 

Die Befricdiming. die Fick darüber empfindet, daß der berechtigte 
Kerü seiner Tiieoiic mehr uud mehr zur Anerkennnng' gelangt sei, ist 
ihm von Herzen zu gönnen. Und wenn er selber die Hoffnung aus- 
spricht, daß sich äeiiie Ansichten anf ihrem weitercu Eütwickelungsgange 
,voD den Schlacken eines subjektiven ürsprangs reinigen" werden, so 
kätüü man dem nnr zustimmen. Leider aber thut er selbst gii nichts, 
nm diese Reinifjunp;, die docli Ulugst bef^onnen hat, sicb zu nutze zu 
machen: jn er liäuft immer neue Schlackeu dazn, die das, was der Kr- 
Lahnng^ und Fortführung wert ist, mehr noch als früher verdecken und 
gar zu fctsücken drohen. Daß die Umwandlang der epischen hipiaeiie 
aus einer uaturwiichsigen Solischen Mundart in einen künstlichen iuüiftch- 
epischen AI ischdialekt sich nicht mit einem Selihij^e sondiTu langsam 
und allmählich vollzo^ren habe, will Fick auch jetzt nicht anerkennen, 
Bouüero versichert uufs neoe, daß in einem bestimmteiT Zeitpunkt (um 
550 V. Chr.) die Übertragung stattgefunden habe; bei dieser Gelegen- 
heit seien alle diejeuigen äolischcn Formen, für die es metrisch erleich- 
werdge ionische nicht gab, stehen geblieben, alle anderen ionisiert worden. 
Der Beweis hierfür sollte bekanntlich in der Beobachtung liegen, daü 
die Partien, bei denen die Bückübertragung ins Aolische glatt anfg-ehe, 
sich mit denen decken, die auch mmt von der höheren Kritik ah die 
ursprünglichen und echten erkannt seien, während umsrekehrt die von 
der Kritik augetochtenen Stücke ,vou festsitzenden lonismeu wimmeln". 
Ich habe trüber gezeigt daü die Beobachtuni? falsch, die ganze Unter- 
snchung im höchsten Grade uaexakt geführt war. Daraui geht Fick 
jetzt nicht mehr ein; er betrachtet seinen Beweis als gelungen und laLt 
sich durch die festsitzenden, d. h. nur durch Texlkorrektur entfernbaren 
lonismeu in den auch von ihm für „echt" gehaltenen Abschnitten nicht 
ßtoren. Anf der anderen Seite ist er selbst geschäftig, das, was er 
früher ais Beweis gegeben hatte, umzustoßen. Denn indem er die 
Altersschichten des Textes jetzt vielfach anders abgrenzt, als in seiner 
Ausgabe der Ilias (Iböö; geschehen war, giebt er doch zu verstehen, 

*) Für die Odyssee in den der Zeitschr. f. Gyniinusüilweaeü beigegebeueu 
Jahresberichten des philolog. Veiema zu Berlin X Ui>S4) S. 290 fr.; für die 
Uiafi in der Berliner pbilolog. Wochenschrift 1887 No. 17--19. 



68 Beriebt Uber die Uttentur la Homer. 1888-1901. (Geuer.) 

daß die Bpracbliche Analyse des Epos za einer klaren und dcheren 
BeheidQng von Eclit nnd Unecht nicht geführt hat. 

Hiensn kovoit ein weiterer Streich, den der Verf. gegen seine 
eigene Hypothese führt. Von der Zweitältesten Sehielit, dnrch welche 
das nreprfingliche M^vi«wi,ied (von 1936 Versen) zum ersten Male, nnd 
zwar anf d87S Vene« erweitert worden sein soll, mnß er eelbst (84 
8. 18 f.) angeben, daß sie in der Sprache schon einige nnäolische ElemenCe 
enthielt: den Gebrauch von U neben cic nnd die kontrahierte Aussprache 
der Lantgnippen «(Fjo t(F)«». Er sieht bierin «eine leichte Beein- 
flussung der Spradie des [noch imnier iolischen] Erweiterers durch die 
las.** ErkUirt ist mit diesem Ansdmck nichts, nur die Thatsache der 
Mischung konstatiert, und nwar schon för diejenige Qestait des Epos, 
die der vollständigen Übwtragnng ins Ionische voranging. Also hat 
Fkk selber nowillkfirlich angestanden, daß die Mischung Aolischer nnd 
ionischer Formen nicht erst durch jene Überfragung entstanden ist. 
Damit ist eigentlich seine ganse Theorie aufgehoben. 

Dem allen nnm Trota halte ich auch jetast daran fest, daß der 
Grundgedanke seiner Hypothese glflcklich nnd fruchtbar war nnd es 
noch mehr werden konnte. Wenn man den ganzen Text der homerischen 
Ossinge mlfglichst Wort far Wort ins Äolische ttbersetste, aber vor- 
urteilslos, nirgends mit dem Wunsche, daß es an der einen Stelle besser 
als an der anderen gelinge möge, so würde man einmal manche ver> 
steckte lolismen unter der ionischen Hülle wieder zum Vorschein bringen, 
zweitens aber in der Verteilung ionischer Formen, wie sie nach der 
Übertragung sich darstellt, einen Haßstab f^r das relative Alter der- 
jenigen Partien und Veregroppen haben, die sich durch grOOere oder 
geringere Dichtigkeit der lonismen voneinander abheben. In der ersten 
Begebung bat Eick anch schon viel Gutes gefunden und giebt jetn 
(81 S. 3 f.) einen kleinen Nachtrag an Beimen nnd Klaogspielen, die 
erst in der äolischen Gestalt der Worte hervortreten. Auf das awnite 
hat er leider Jetst noch mehr als früher venichteL Die Auswahl nnd 
Gruppierung, in der er seine 1936+1938 echten und halbeohten Verse ab- 
druckt, ist nicht das Resultat einer sprachliehen AnaljM, sondern ist 
im großen in der Absicht erfolgt, nichts «Wesentliches« wegzulassen 
nnd nichts ,,Unweseotliehes'* anfsunehraen; warum dies als wesentlich, 
jenes als nnwesenUich angesehen worden ist, wird nicht erklJbrt, darQber 
soll der Leser selbst urteilen (21 & 80). Im kleinen aber ist f&r 
Streichung einselner, inhaltlich und sprachlich nnanatößiger Vetae wie 
auch einmal für Annahme eioer größeren Lflcke (an 8telle unseres P, 
81 8. 61 und 84 S. 8. 46) die Überzeugung maßgebend gewesen, daß 
beide Gedichte, die älteste Mijvtc wie ihre erste «Erweiterung*, in Ab- 
schnitten verfaßt gewesen seien, deren Versaahl ein Vielfaches von 11 



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V. 8|nr»cb1lehe und ncIriMbe AnaljM. 



69 



wtf. — Erwiluit Mi Doeh, da0 Flek an seiner fHlberen Amieht feetlillip 
II gehöre m der bocIi im weeeniUdieii loliseh gediehleten enteo Br- 
weitemog, wüirend er die ganie Reihe T— I einer jtngeren SCnfe, 
anf der bereite die sremischte Mnndart bemcbte, tnweiit. — 

Der leiste der oben beaeiehneten Anfe&tse behandelt die dritte 
nnd vierte der Schichten, in die der Yerfaaaer die Iliaa aerlegt hat: 
die »3rbreiterang*' (hanptaBehlieh N, 3 nnd P) nnd die dnreb die Hand 
eines Späteren eing^gte „alle herrliche Blehtnog von lUoe* Gesehiek** 
(B— 8, A 1—77), deren Sprache eich noch als Solisch herausstelle, wenn 
man das .«minderwertige FUIwerk des Einlegers** beseitige. 2n der 
Bearlellnng dieser Stücke brschte Flck die Besiebnng anf die Zahl i 1 
schon ab etwas Fertiges mit Er hatte erkannt, daß die „ürmenis** 
ans Tier HanplstHcken sft617, 451, 451, 517 Versen, die erweiterte 
Henis ans vier Stücken sn 1084, 909, OOS, 1034 Versen bestaoden hat, 
nnd erwartete nnn in dem „erbreiterten" Werke die Zahlen 3068, 1804, 
1804, 2068 m finden. Bei geaaaervr Prfifling ergab sich ihm „eine so 
große^ im Fortgänge der Arbelt immer wachsende Leicbtigkeit, das Über- 
lieferte in den beschriebenen Rahmen einxnspannen*\ daß er „die Hypothese 
als erwiesen ansehen mußte** (S6S.S). Zn den 7744 Versen der erbreiterten 
llenis hat dann der Einleger des Oitos noch einmal die Hftlfte, 8879 Verse^ 
hinzngefBgt. Der Kachweis im einnelnen gelingt dadurch, daß in Menge 
Verse und Versgrnppen ansgeworfen, gelegentlich auch Verse mir Er- 
glnsung eingeschoben werden (so hinter A 659 der Vers« der 897 anf 
den gleichen Satn folgt), nnd daß, wo beide Mittel nicht ansreicben, wo 
Verse, welche „die Eiowirkong einer jnngeren Hand aefgen", doch Im 
Znsammenhang nicht entbehrt werden können wie B 860 —368 und 
808^806, angenommen wird, es habe ,.bloß eine Umgestaltnng einer 
gleidien Zahl von Venen stattgeHuiden**. Bedenkt man, wie lose und 
Ittßlicli in Homers Bedeweise Thatsachen und Gedanken aneinanderge* 
reiht nnd, so wird man sich nicht wundern, daß ea mit reichlicher An- 
wendung jener Hilftmittel mdgllch ist, das ganse Gedicht In einen 
,3nhmen einsospannen'*, der durch mannigfaltige Multiptikation einer 
und derselben Gmndsahl bestimmt wird; aber eine kritische Ter* 
atftndigong mit solchem Verfahren ist nicht mehr mdgllch. 

8. C. Röbel t, Studien zur Ilias. Mit Beiträgen von F. Becbtel. 
Berlin (Weidmano) 1901. Ö91 S. 

Die Behandlung, die der homerischen Sprache in diesem Buche 
n tefl geworden ist, eeigt keinen Fortschritt gegen Fick, dessen Hypo- 
these vielmehr in ihrer gansen Starrheit wieder aulgenommen ist. So 
shid denn auch die Fehler der BeweisfUhrnng die alten: durch Kon- 
jektur und Athetese wird der Text so nnrechtgemacht» daß er scheinbar 



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70 Bericht aber di« Litteritar la HonMr. 1888—1901. (Cftuer.) 

die — ans anderen Grfloden beliebte — Zarlogaog in ältere nnd jüngere 
Schichten bestätigt Für die BegT^Uidang dieses Urteils darf ich auf 
meine Beseneion dee Bachee verweieeo, die oben XL 21 angeföhrt ist. 

9. H. TTsener, Altgriecbiseber Venban. Ein Yenndi ver- 
gleichender Metrik. Bonn 1887. 127 8. 

Dieses geiatreiehe nnd anregende Bncti kann hier natürlich nur 
insoweit gewürdii^t werden, als es anf Homer bezng: nimmt. Der Verf. 
sucht bekanntlich im Anschloß an Theodor Bergk nachzuweisen, daB 
die meisten Verstlormen der indosermanischen Völker als Grnndform 
eine Knrzzeile von 4 Hebnngen voranfisetzen, die sich volkstümlich noch 
vielfach, anch im Deutschen, erhalten hat. In dieser Zeile wurden nnr 
die Hebnn^en gerechnet; Zahl und Anordnong der Senkungen waren 
beliebig. Ans dem Verse von 4 H< bnngen wurde dnreh «Verwittemng 
des Anslautee" ein solcher von 3 Hebungen, der immer noch mannig- 
faltige Formen zuließ; jedoch sonderten eie eich nach einem Grand- 
merkmal in zwei Gruppen, indem ein Vers entweder mÜ einer Hebung 
oder mit einem Anf takte begann. Ans der Vereinigung von zwei solchen 
Kurzversen ist dann bei den Griechen diejenige Laegseile erwacbeen, 
die als „Hexameter* festen Bestand nnd dauernde Geltung gewonnen hat. 

Die beiden ersten Kapitel (bis & 42} wollen zeigen, daß in 
homerischen und inschrift liehen Hexametern die xwei Glieder noob 
vielfach als selbständige Verse empfunden worden seien. Aber die 
prosodischen Anstdl^e im dritten Fuße« anf die Usener seinen Beweis 
gründet, aind viel eher fOr spftte nnd vulgäre Abweichungen von der 
koirekten Form, als fttr Beste eines altertftmlichen metrischen Bewnßt- 
seins sn nehmen. Die (anf S. 24 gesammelten) Beispiele , in denen 
icp6c nach der trochSiscben Cäsnr des dritten Fußes steht, also 
keine Position bildet, sollen Sparen davon sein, daß die beiden Vera- 
hälften einst selbständige Vene gewesen warso; doch dieselbe Vernach- 
Iflasignug der Position ist auch an anderer Versstelle häufig, in der 
Formel Im lettpdtvra icpo«v)6te, I>ort hilft eich der Verf. damit, daß 
nonjote nn schreiben sei; aber wamm sollen wir dann nicht ebensognt 
im dritten Fuße not einsetsent s. B. X 7 adxdp OtjXtuova iconjoSa 
Ootpoc 'Ait6XX«iv, oder X 87, 90, X 17? An derselben Inkonsequeos 
leidet üseners Behandlung des F: wenn es in der Cäsnr des dritten 
Fußes nicht beachtet erscheint, so soll ee als Zeugnis fttr ursprfingliche 
Selbstftndigkdt der Veish&lften dienen; wo es aber — nicht minder 
k&nflg — an anderen Btellen des Verses ebenso vernachlässigt ist, da 
wird nichts Ähnliches daraus gefolgert. Auf diesen inneren Widerspruch 
der auf den eisten Blick bestechenden Beweisfttbrnng hat kürzlich Felix 
fiolmsen gebührend hingewiesen (Untersncbnngen snr griechischen Laut* 



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V. SprtehUehe and mtliiielio lotlyae. 



n 



md Verslehre S. 158 ff.)* Zu den von ihm erhobeoen BedenkoB 
könnt aber noch ein wetteret vtn prieiipieUer Bedentiin^ bton. 

üieaer will seine Folgernogeii DUr aot Mlehen FäUen ziehan, 
die in den wirklich alten Partien der Dichtang Torkonnea (S. 15), 
begrfindet aber Dirg:enc[s «ein Urteil über das Alter, sondern setzt z. B. 
den ersten Gesang-, die Glankos-Episode und die Bflgegnang von Hektor 
lind Andromache in Z eiofaek als altertümlich voran». Auf d'ie^e Weise 
igt den Teile seiner Argtimentation, der sich auf Homer gründen sollte, 
in vorans der feste Boden eatsogen. Trotzdem verdient die dadareh 
angengte Betrachtungsweise ernste Aufmerksamkeit Der Verf. spottet 
zwar fiber den Gedanken, daß es etwa seine Absicht w&re «den Wieder- 
bentellnn^versnchen eines vermeintlichen wahren Horoerteztei einen 
neoen Weg zu zeigen* ; in Walirheit könnte aber gerade dies das Ver- 
dienst seines Bnehes werden. So sehr wir uns dagegen sträuben müssen, 
daß dieselben proeodischen Anstöße das eine Mal dnrcb Korrektur be- 
seitigt, ein anderes Mal — in einem ans irgend welchen sonstigen 
Omnde als alt angenennenen Stocke — wie Reste einer vorhonerischen 
Meti'ik verwertet werden, (!ankbar wftrden wir sein, wenn man solche 
Anstöße dnrcb das ganze Epos hin vornrteiMos fe^^tstellen nnd sorg- 
fiittig sammeln, und dann die größere oder geringere Dichtigkeit, nit 
der sie sich verbreitet zeißreii, als nencs, neben anderen eelbständiges 
Merkmal für das reiatiTe Alter der einzelnen Teile Terwenden wollte. 

10. & Kluge, Zor Eatstebungsgeschichte der Ulas. Köthen 
(Otto Schulze) 1888. Vm, 220 S. 

Der Vwf. glaubt, daß der nreprunulicke Bbythmns de^ epischen 
Venes nicht daktylisch, sondera spondeisch gewesen sei; das älteste 
Prinzip der Versbildnng sei weder das der Qnantitllt noch das der 
Beobachtung des Wortaccents, sondern lediglich das der Silbenzäblong 
gewesen. Daktylen seien anfangs nnr an den Stellen eingedrungen, 
wo die kürzeren rbythnischen Reiben (teils 2 nit 3 Fikßen, teils 3 mit 
S Füßen), ans denen der Hezaneter znsannengewacbsen sei, aneinander- 
•tleßen; erst später hätten sie sieb, immer beliebter werdend, ancb aber 
die anderen Vemtellen verbreitet. — Hiergegen ist zunächst einzn- 
wenden, daß es einen «spondeiseben Bbythnna** nie gegeben haben kann; 
denn aller Rhythnns beruht auf Abwechselnng, die eben den Spondeen 
Isblt. In der Annahme, daß der Heianeter dnroh Zaeammenfügnng 
kleinerer netiiacben Gebilde entstanden sei, stinnt Kluge mit (Jsener 
iberein, anf den er (8. 14) auadrftcklich bezug nlmnt, und nit den er 
leider auch den Fehler genelnean hat, daß er die netrieebe und sprach* 
Hebe Gestalt des Textes, den er seiner üntersachung zu gründe legt, 
nicht vorher prüft nnd üBStsteUt, sondern dnfheh so ninnti wie sie 



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78 Beriekt fib«r die Littentor n Homer. 1888—1901. (Oeaer.) 

ttberliefert ist; die Arbpiten nnd Ansf^aben yod Bekker^, Nanck, Fick a. ft« 
existieren für ihn nicht. 80 hat die Zäbinng von Daktylen und Spon- 
deeo, die er vornimmt, keine kritische Gewähr; der Grandsatz. daß ein 
Vers ond eine inhaltlich verbundene Grnppe Toa Vewen um so alter- 
tfimlicber sei, je mehr Spondeen darin vorkommen, ist ohne Halt; da* 
nach kann man ermessen, wie sehr es derjenigen Zerlegung der Ilias, 
die Kluge nach Maßstäbe seiner Statistik durchführt und die den zweiten 
Teil seines Buches ausmacht, an objektiver Wahrscheinlichkeit fehlt. 
Daß sie auch dnrch sich selber nnd unmittelbar den Eindruck des Un- 
wahrscheinlichen macht, habe ich in einer eingehenderen £«2enstoa 
(Woohenschr. f. klass. Pbilol. 1889 8. 1417—1424) zu zeigren gesucht. 

An derselben Stelle ist auch angedeutet, auf welchem Wege der 
im Grunde ja vortreffliche Plan, den Kluge nnd Usener gar za kurzer 
Hand zu verwirklichen unternommen haben, einem greifbaren Ziele 
inge^hrt werden konnte. Man müßte an die Arbeiten von Isidor Hilbei^ 
anknüpfen (vor allen: Das Prin/.ip der Silbenwägung und die daran» 
entspringenden Gesetze der Endsilben in der griechischen Poesie. Wien 
1879), der durch fleißige, wenn auch ebenfalls kritisch noch nicht hin- 
reicbeod sicher gestellte Beobachtung gefunden hat, daß die Wortbe- 
tonung, die in der römischen Metrik eine so große Bolle spielt, aneli 
ffir den Bau der alten griechischen Verse keineswegs gldchgiltig «rar, 
sondern nach etwas verwickelten, aber doch in der Hauptsache noch 
erkennbaren Gesetzen berücksichtigt wurde. Diese Gesetze gilt es klar 
10 machen; nnd dann wird sich beurteilen lassen, welche Verse nnd 
etwa welche größeren Partien bei Homer metrisch altertümlicher sind 
als andere. 

11. 0. Hoerens, De vetnstiore venös lieroici forma in Homeri 
carminibns Inventa. Pi-ogr. derXH. Bt&dt. Realscbale zn Berlin, 1901. 

Nach einem kurzen Bericht über frühere Versuche, die EntstehnniC 
des Hexameters aufzuklili en, verweilt der Verf. bei Useners Hypothese, 
die er annimmt nnd darlegt, ohne wesentlich Neues hinznznfniren. Den 
Widerspruch in bezog auf die Position von rp'ic liat er allerdings be- 
merkt und vermeidet ibo. Er will diejenigen Fälle ihrer Vernach- 
lllssigling, die sich anderswo als in der Cäsur des dritten Fnßes finden, 
gewissermaßen aus falf<cher Analogie erklären: Verbindungen wie 
0? |*iv TOtauTa | icp^ dXXi)Xot>( i'(6ptmv seien rechtmäßig als Spuren des 
Znsaromeawaclisens ans zwei früher selbständigen metrischen Reihen; 
man liabc sie dann, als der Vers nur noch wie ein Ganzes empfunden 
wurde, dahin mißveratanden, daß hier der Anlaot von irp^c die vorher- 
gehende Silbe nicht verlängere, habe hierin eine Eigentümlichkeit von 
itp6, icf>^ gesehen, nnd diese nnn in großem Umfange aneh an anderen 



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7. Spitehliehe und metiiiclie AnAlyse. 



73 



Venstellen sor Geltnng gebracht (8. 81}* Die ErUftron; itt gmoi 
mh$iMxaäg uagadadit, bleibt aber doch ao lange hOebst bedenklich, 
ala nieht noch andere Beispiele gerade solches Fortwnehema metriseber 
Gewohnheiten Heetgestellt sind. Was das Digamma betriflt, so kommt 
Hoerens gar nicht auf den Oedanken, daß die Fttlle seiner Vemaoh« 
Ussignng im dritten FoBe, in denen er sichere Beste eines altertflmlichen 
yersbavea siebte an sieh ebenso wohl etwaa recht JongeSi nimlieh An- 
leieben flir das annehmende Yerachwinden des Lantes ans der SAnger« 
Sprache, sein kSnnen. Unter diesen ümstAnden entbehrt das Veneichnis 
Ton (mnd 360} Versen der .ilteren Form*« das snm Behlnß gegeben 
wird nnd das sonst eine sehr werlToUe Oabe nnd eine erwftnsehte 
Onmdlage für üntersnehnngen auch der Komposition sein würde, aller 
kritischen QewShr. Schon die änCere Thatsache hatte den Yerf. stotaig 
machen sollen, daß sich seine „altertümlichen*' Verse anf Diaa nnd 
Odyssee absolut gleiohmtßig verteilen, also, da die Odyssee erheblich 
kflraer ist, in Ihr htnilger sind als in dem Slteren Epos. 



VI. Htgtorlflehe und geognphlaclie BMiehimgen. 

1, H. Wagner, Der Entwickelungsgaug der griechischen Uelden« 
sage. Progr. Dresden lö96. 42 S. in 4. 

Der Verf. verfolgt die Entwickelong und alMhliche ITmgeataltang 
der griechischen Heldensage von der ftltesten Zeit bis auf die der Alesan« 
driner nndB&mer* Die Fragen, die sich in diesem Znsammenbange für 
Homer ergeben, werden richtig gestellt: ob knrae Angaben über Her* 
kvnft nnd flcbicksale einselner Helden „frei erdichtet sind, nm die Ein- 
tgnigkeit der AnMhlang tu nnterbrechen", oder ob sie aef „wirkliche 
Lokalaagen** anrückgehen (S. IX}; and, IMIs adlebe Angabe ansammen« 
trifft mit genanerer Daxitellnng in einem der kyklisehen Epen: ob die 
,3omerBtelle eist den AnlaO anr dichterisehen Ansftthrong der in ibr 
angedenteten Sage gegeben bat, oder ob der Dichter nnr an eine ans 
andern Qaellen wohlbekannte Sagenwendnng erinnern wollte**. Jeder 
cinielne Fall erfordeit seine besondere Würdigung, wovon der Verf. 
einige Beispiele aodentet Genaner verfolgt er die nach nnd naoh er* 
folgte ITmbildong der Gesohlchte von Agamennons Emordnng, von der 
wir in der glücklichen Lage aind vier zom Teil recht eingehende Be* 
richte in der Odysaee aelbst an besitaen. — Daß Wagner sich mit seiner 
Betraehtcng innerhalb der Grenaen hUt, die dnreb den überlieferten 
Bestand der beiden Epen gegeben sind, nnd anf vorhomerische Eom- 



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74 Bericht fiber die Littentnr sii Homer. lS8ä~1901. (Geaer.) 



binationon verzichtet, ist in dem K:\1imen, den er für soine Gesamtskizze 
gewählt hat, prewiß richtig. Nur die Thatsaf ho durfte auch hier nicht 
unbeachtet bleiben, daO die eigentliche Hcin];it der epischen Poesie bei 
den Griechen Thessalien ist; denn davon linden sich, besonders in der 
Ilias, noch gi'cifbarste Spuren in Fülle, und der Zusammenhan? der 
troischen Sage mit der wirklichen Geschichte des nordwestlichen Klein- 
asieos kann erit von liier aus recht verstanden werden. 

2. H. D. If filier, BKatoriaeh «mythologische ünterBocbimgeii. 
I. Fdaafcer and Hellenen. 2. Die Sage vom trojanieehen Kriege 
nnd die honeriaehe Dichtung. Götdngen 1892. IV, 184 8. 

Als Kern der Odyssens-Sage glanbt Müller (S. 46 £f.) einen re- 
ligiös-symbolischen Mythus zu erkennen, der dem ftolischen Stamme an- 
gehörte, und in welcliem der Held — ebenso wie Herakles — eine 
„heroische Metamorphose des Sonnengottes" war. Die nraprünglichen 
Bestandteile in den Erlebnissen des Odysseus zeigen nach dee Verf.s 
Ansicht einen aaffallenden Parallelismns mit der Herakles-Sage. £r8( 
ionische Sftnger haben ihn zum Seefahrer gemacht, ihm den Poseidon, 
peben Heliop, mm Feinde gegeben , in dem Dasein der Phäakeu ein 
„mftrchenhaft ansgeachmücktes Abbild iooiachen Lebens'* geseicbnet nnd 
in dem Kampf gegen die Freier, der „von HaiiB ans nur eine religiös- 
symbolische Bedeutnng batte'% eine „gewissermaßen politische Tendenz^* 
durchgeführt. Zn den loniern aber ist die Gc<;talt des Odyssens da- 
durch gekommen, daU ein Bruchteil des iiolischen Stammes nach der 
Insel Samos wanderte; eben hier bat die Sage „im weeentlldien ihre 
vorliegende Gestalt erhalten". 

Wichtiger als diese Hypothese ist die im zweiten Aufsatz ent« 
haltene ansfubrliche Analyse der troischen Sage, weil sich darin in 
größerer Menge und Stärke als dort auch solche Godankea finden, die 
geeignet sind noch bei anderen ala ihrem Urheber Beifall sn gewinnen. 
Die Hauptsätze aind folgende. 

Die Eroberung und Zerstörung der Stadt Troja ist der ältesten 
Rage fremd und beruht auf späterer dichterischer Erfindung; die Hin- 
dentnngen darauf, die in der Ilias vorkommen, „rühren wohl nur von 
späteren Dichtern uod Bhapsoden her, denen schon Dichtungen wie die 
'iXioo ic^poic bekannt waren" (S 69). Die Grundlage der Sage bilden 
bestimmte historische Ereignisse, nämlich die Kämpfe, die von MhUsch- 
Koli-chen Kolonisten mit den alten unhellenischen Einwohnern um den 
BeaitB der Landschaft Troas geführt worden sind (S. 72). Dabei ist 
es nach den Gesetzen des historischen Mythus wohl zu erUftren, daß 
aus der Auswanderung ein bloßer Kriegszog geworden ist, von dem 
die Helden in ihre Heimat mrOckkehren wollen (8. 74). Der Kern der 



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▼L HIatoriMlie und gMgrApbiaelw Basteliuiiieii. T6 

Dichtang bestaDd in sechs Akten (8. 76): Helenas Raub; Aaszag dar 
acbftisch-äolischen Helden AgatneiDnoD, Menelaos. Patroklos und Aohflleill 
warn Kampfe (beides war nrKprünglicb mit erzählt); Besie^ng des Paris 
durch Menelaos im Zweikampfe; Zweikampf des Patroklos mit Hektor, 
wobei jener Wlt\ Zweikampf des Achillens mit Hektor, wobei Hektor 
f&nt; Bestattnng: des Patroklos nnd Leichenepiele. Du Bach V ift, 
obschon in seiner jetzigen Oeitalt nnd Aotdehnong „wobl nicht'* nr- 
eprfioglich, doch dem Inhalte nach uralt (S. 80). Daß Patrokloe lO- 
wolil alt Hektor in der Hüstnnf des Achilleus k&nipfen nnd fallen, iat 
•in alter mythischer Zog; beide sind eigentlich anter sich nnd mÜ 
Achilleus identisch, dieser tOtet also gewissermaßen steh eelbst (S. 84). 
£r iat eine „heroische Uetamorphose des aehaisehen Stammgottes** Zena; 
seine anfänglichen Erfolge nnd sein sebUeßUelies Wüten gegen deh 
selber stellen das Entstellen nnd das doroh den Sonnenbrand im Sommer 
liewirlite Vergehen der Vegetation dar (8. 82). — Ansgangapnnkt für 
die Entsteliang der Diebtnog moß «in in der Troaa regelmißig gefeiertes 
Zens*Fest gewesen sein« daa „die Bedeatong einer Leiebenfeier des bei 
Eintritt des dipoc seinem anterweltUdieo Gegner nnterllegenden nnd 
iron ihm ▼emiehteten Gottes hatte*' (8. 87). Dnreh den verheerenden 
Einfall der Kimmerier in der sweiten HUIIe dea 8. Jabrbnnderts wurde 
die Kraft der Äolier gebroebeo, die Blflte ihrer Knltar geknickt; das 
Zens-Fest mit seinen Wettltftmpfen verschwand (8. 90 f.). Den Sang 
vom trojanischen Kriege aber trogen die acblliseh-ftoliscben Sänger n 
ihren ionischen Nachbarn hinflber, bei denen sie Aofhahmo fluiden 
(S. 91). Im Vortrage vor einem ionischen Pablikam kam es von selber, 
daß sieh in die Sprache ionische Eigentflmlichkeiten einmischten; nnd 
das geschah noch mehr, als anf dem nenen Boden nene Sängerscholen 
entstanden, d«ren Mitglieder lonier waren (8. 93). „Aber anch der 
Inhalt der Diehtong veränderte sich dem veränderten Poblikam gegon- 
ttber**: ionische Helden wie Nestor nnd Odjaseoa wnrden Uk die Er- 
flhlnng aofgenommen (8. 94 f.). Als Vertreter der dorischen Kolonien 
in Kleinaaien kam der Herrscher von Argos, Diomedes, in den er- 
weiterten Kreis berein, von Cypem her die Brttder Aias nnd Tenkroa 
(8. 96 f.). Der Bahmen des l£pos aber blieb eiiistweUen noch der alte: 
„nnch wie vor bildete die Enlfllhrang der Helena den ersten Akt der 
Haadlnng nnd der Aussog der Helden aas dem Uutterlande aar Wieder- 
gewinnung der Entführten den tweiten; die E^eiternngen durch Zu- 
tritt neuer Helden nnd ihrer Kämpfe fanden, ohne den Zosammeobaag 
wessntllcb an beeinträchtigen, ihren Pinta swlschen dem Zweikampfe 
des Menelaos mit Paris und dem Kampfe des Patroklos mit Hektor** 
(8. 98). Daa Gedicht war noch im eigentlichen Sinne eine Ilias; der 
Streit der Kdnige, Achills Zorn, Thetis* Gang sn Zeus, dessen Znaage 



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76 Beriebt Aber die Lilftoimter m Homer. 1888—1901. (Caner.) 

dem Gekränkten Sühne ro verschaffen: diese gwag% Kette von Erei^- 
idsBen, von der in upserer Ilias die Handlang zns»nimengehalten wird, 
fehlte noch. „Es läge sehr nahe, die [nachher erfolgte] Doigeetaltong 
als das Werk eines einzigen hochbegabten Dichters anzasehen; allein 
von der Existenz eines solchen Dicbtergenies ist nicht nnr keine Kunde 
von historischem Werte anf uns gekommen, sondern es muß anch für 
sehr unwahrscheinlich gelten, daß in einer so frohen Zeit eine einzelne 
Persönlichkeit so v?eit über das geistige Niveau ihrer Zeitgenossen sich 
hätte erheben können, um im stände zn sein die überlieferte Dichtung 
in so eingreifender Weise nmzngestaiten*' (8. 102). Der nene Plan mnO 
also anf niederem Wege hereingekommen sein. 

Schon Fick hat anf den starken Anteil hingewiesen, welohon die 
Insel Cypem an der Pflege der epischen Poesie gehabt hat, wovon eine 
besonders deutliche Spur in dem Auftreten der Göttin Kulcp^ in E 
vorliegt (8. III. 107). Von Qypern ans sind, wie Müller genauer 
ansführt, Aias und Tenkros, ursprünglich ein Repräsentant des troischen 
Volkes, in den Personenkreis des Epos eingetreten; daß sie Brüder 
sind, ist ein poetischer Ausdruck für das freondliebe Verhältnis« das 
in dem kyprischen Salamis zwischen achäischen und teukriscben oder 
troischen Bevölkerongselementen, die sieb hier gemischt hatten, bestand 
(S. 117 f.). In demselben Sinne ist es sn verstehen, daß der Zweikampf 
swisehen Aias nnd Hektor resultatlos verläuft und beide wie Freunde 
voneinander scheiden (8. 120). Die offenbare Sympathie, mit der durch- 
weg Hektor geschildert ist, das starke Hervortreten des Äneas in C 
nnd T bernhen anf dem Wunsche der kyprischen Sänger, ,«aoch dem 
Stammesgeffthl de« teukriscben Volkaelementes eine gewisse BefHedi* 
gong zu gewähren*' (8. 121). Kacbdem nun aber einmal Äneas als 
Sohn der kyprisehen GOttin eingeführt war, wollte man auch auf 
griechischer Seite einen Helden von göttlicher Herkunft haben; deshalb 
wurde Thetis erfunden (8. 133 f. 100 f.). Und sie gab durch ihre 
Uittelstelluog zwischen Odttem und Menschen die Möglichkeit, daa 
ganze Epos nach Jenem neuen Plane nrnzu^estalten. Der elgentUehe 
Gmnd aber zn diesem Plane lag in der Erwägung, daß, da doch Achills 
Freund PatroUos durch Hektor fällt, erklärt werden mußte, wie es 
kam, daß Achilleus nicht da war um ihm beizustehen ; auch ließen steh 
die neu hinzngeCretenen Helden Diomedes« Aias n. a. mit ihren Thateo 
leichter einfügen, wenn der Pelide fflr einige Zeit vom Karopfie fem" 
gebalten wurde (8. 124 f.). Von hier ans gelangt der Verf. zn dem 
Schlüsse, daß in den Biichem F^H, „wenn anch nicht in der alten 
Form und nicht ohne mancherlei Veränderungen und Zusätze, ein Stück 
der alten Ilias sich erhalten hat, die noch nichts von dem Zorne des 
Achilleus und der Verheißung des Zeus wußte** (8. 126). • Die Um* 



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Yl. HistcnMie und geographische Betiehnageiu 



77 



wandliiog dieier Mheren Hits in «ine AeUlldto IM ansgegangen von 
».kypriiehen lud epesiell lalnminiaehen SUUifeni*% an der Amfühntig 
beteiligt haben eieh aber aneb die ioniechen S&o^r, die In ihrem Be> 
rufe thfttig blieben aneb naobdem sie das Bpoc naeh Qypera gebraebt 
hatten (8. 198). Ihnen wird die Eolle Terdankt, die Odyssens In der 
Oias spielt, die duchans nacb dem dorch die Odyssee sohon gegebenem 
Mnster gebildet ist (8. 129 It). Wie eadlicb „die kypriscb-salaininiseha 
Sedafction der Iliaa auch anf dem Festlasde mir Allgemelngiltlgkfilt 
dnrcbdritigen kennte**, erklärt sich daraiu. daß Selon den Vortrag der 
bomeriscbea Oedlehte bei ded Panatheniea geordnet bat; dabei mag er 
diejenige Form der Bichtnug zo gründe gelegt haben, die er bei einem 
Beeaehe anf Qypem kennen ond naeh ihrem beben poetischen Werte 
wttrdigen gelernt hatte (8* 184). 

Die Arbeit, deren Inhalt hier sklzslert worde, bringt ein eigen- 
artiges Qemisch ans frnchtbareo Gedanken and vOllig pbantastlseben 
VorstellnDgeo. Anf die letsteren gehe ich olehl ein. Wenn es je eine 
Periode gegeben haben sollte. In der O^ysseos ein Sonnengott war, 
Achill Patroklos nnd HelKtor ein einsiges Wesen, so liegt sie jedenfalla 
so weit jenseits der Anfänge homerischer Poesie, daß Ür deren Er- 
klftrnng nnd Analyse von dort nichts mehr geholt werden kann. Da- 
gegen mochte ich vennohen diejenigen Stellen in dem Oebände der 
HfUlerschen Hypothesen berfonnheben, an welche die weitere Forscbnng 
wldsnprecbend oder bestätigend anknöpfen konnte. 

Hit Becht bat er darauf hingewieeen, daß der Gedanke an die 
kOnftige Zerstörung der Stadt zwar gdegentlich in der Hins auftandit, 
aber keinen wesentlichen 2ng in dem Stoffe dieses ältesten Epes aas* 
macht. Das hl&toriscbe Ereignis, das inr Entstehung der Sage den 
Anstoß gab, brancht also nicht notwendig die Einnahme einer großen 
Stadt gewesen tu sein; es genügt, an die Kämpfe zu denken, die um 
den Besitz der Kordwestecke von Kleinasien zwischen den älteren Be- 
wohnern nnd den äolischen Eroberem geltthrt worden sein mfissen. 
Dabei ist aber weseottich, daß die Einwanderer ans ihrer theasallseben 
Heinwt eine ansgebildete 8aogesknnst und eine fest geprägte poetiacho 
Sprache bereits mitbrachten; denn nor in Thessalien kann der Olymp 
znm QOttersItz geworden, nnr dorr kann sich der Gebranch entwickeil 
haben, die QOtter schlechtweg als Olympier zn beieichnen. Indem der 
Verf. dies nicht erkannte (8. 89), bat er sich eins der wichtigsten Merk* 
male zur ßenrteilnng, was bei Homer alt nnd nrsprftnglich sei, entgehen 
lassen. Unter den Teilen, die er seinerseits als die ältesten anseist, 
sind nicht wenige (F—H nnd die jedentsUs In ihrer gegenwärtigen 
Gestalt zn den jttngsten gehören, von denen er dies sogar selber zn- 
giebL Nun ist es Im Prinzip ja wahr, was er Im Eingang sagt (8. 71): 



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78 B«riebt Uber die Utteialar sa Horn«. 1888—1901. iCanor.) 

.68 kOnntti soldie Stocke, welche in ihrer vorlie^nden Faaming JQngerea 
Unprangg elnd, sehr wohl ihrer (itofflieheD) Onindlage nach zn den 
llteiteii gehören» und migekehrt** Aber daA es im einnlneii Felle le 
eel, müßte doch immer erst wabteeheinllch gemaeht werden, eben tue 
dem Btoliliehen CSbarekter der fraglichen Partie herant. Dies wird 
jedoch von Hflller gar nicht versneht; nod ea dHrfte anch aehwer ge- 
Ungen für Gelänge, in denen eteerne Waffen nnd C^erlte vorkommen 
(A, H, W), Wilbich beetehende Tempel erwühot werden (E, Z, H) nnd 
die Knnit dea Schreibens bekannt ist (Z, H), oder wo das Eingreifen 
der Gottheit, einst ein feines Knnstmittel, so veigtObert ist wie in der 
DienstleiBtnng der Athene, die dem Tydiden die vom Wagen gefallene 
Peitsche anfhebt (^). — Richtigere Anschanangen hat der Verf. von 
der Art» wie nene Personen nnd EreignisM dem aafltogliehen Beetande 
hlmmgewachsen sind. Daß Dlomedea den aigivischea Kolonien in Elein- 
aslen seinen Plats im Epos verdanke, daß die Sage von dem Mamonler 
Aias nnd leincm Bmder Teokros in dem kyprischen Salamis lebendig 
gewesen nnd von hier ans in den troiBchen Sagenkreis eiogedmngen sei: 
das shid Gedanken, die jedenfeJli eingehendere Praftmg verdienen. Sdnr 
gut Ist das Hinwirken der Odywee anf die Dias geschildert (B. 180 f.). 
Was Mlich damit msammenhlngt, die Yontelling von der gemein* 
samen Arbelt, in der achfttscbe, tdüniscbe nnd ionische Singer die 
jetaige Qestslt der Dichtung an itande gebracht hfttten, ist aas bleOen 
HSglichkeiten gar mi saversichtlich konatmlert. Achills Zorn soll er- 
taden sein, nm sn erldlren, warnm sein Frennd ohne Ihn IdUnpft nnd 
flUlt, Aber woher wisien wir deon, daß der Tod des Piatroklos so 
dem Utesten Bestände der Handlang gebdrtf Der Verf. hat es gleich 
n Anihng behanptet, doch nicht bewiesen. So swelfelhaft fibrigens hier 
seine Kombinationen im einsehien sind, so lassen sie doch eine Hanpt- 
thataache mit willkommener DentUcbkeit hervortreten: daß der eigent» 
Höh schöpferische Gedanke, der ans einer Ffille von Segen nnd Ge* 
sSngen gerade unsere Blas all ein bleibend« Werk von fortaengender 
Kraft heransliob, der war, nm den Zorn des Pellden die mannigfaltigsten 
Ereignisse zu gruppieren. Dabei mag wohl der Wunsch mitgewirkt 
haben, durch vorübergehende Femhaltnng des Hanptbelden Spielraum 
für andere zu gewinnen. Die ganze Idee aber war In ihrer Einfachheit 
mgleich und Ergiebigkeit etwas so Großes, daß sie nicht durch daa 
&u»mmeuwlrken einer Schar von Sängern mittlerer Begabung eot- 
staoden, sondern nur im Kopfe eines eincelnen genialen Dichteta er* 
wacht sein kann. Dies, was er bestreiten will, anschaulich ge- 
macht SU haben, ist gerade auch ein Verdienst der HiUwsdien Dar- 
stellung. 



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YI. Hiatoriaohe und geognpbSidie B«iebiiog«i. 79 



3. H. üsener, D«r Stoff des griecliiaclieD Epoi. Wloa 
(Carl Gerolds Sohn) 1897. 68 8. (Atu den SitiaiigBbeiidite» 
der Ei^ Akademie der Wfnensdiafteii in Wien» ]>hllQe.-Uater., 
Bd. 137.) 

Die kleine Schrift bringt nicht ganz das, was der Titel za ver- 
sprechen scheint: sie legt nicht den Stoff des Epos dar, sondern crüitcrt 
die Melhudc, iiai h der er zu analysieren sei. Daß drei Eieiaente ia 
ihm verschmolzen sind — utalte Göttc i ni} tLen, ucscbichtliche Erinnerung 
iiud freie dichterische Erfindung — das dürfte kaum jemand bestreiten; 
die Frao^e ist, in welcher Wei^.e sie sich verbunden haben. xMan kennte 
meiueii, daLl der Verl. dds erste P'lenient überschätze, wenn man seine 
einleitenden Abschnitte liest und die Foi-deruii^--, die ei' damit üufs n.eue 
begründen svill: ,,die Gestalten der Lroibcheu und überhaupt der alt- 
griechischen Heldensage so lange als Stammeaheroen und nrspröngliehe 
GüLLer zu betrachten, als nicht das Gegenteil, die Geachichtlichkeit des 
Namens, wahrscheinlich gemaciit sei" (8. 13). Aber nachher warnt er 
selbst: man solle nicht meinen, „darum, weil der Name eines Helden 
myiijiäche Bedeotnag besitze, alles, was er that and leidet, aus altem 
Mythus ,ableiten' zu können" (8. 21). Nach TJseners Ansicht bilden 
mythische Vorstellnngen, die halb verstanden oder gar nicht mehr ver- 
standen fortleben, gewissermaßen den dnnkeln Mutterboden, aus dem 
die Sage ihre Nahrung zieht, in den aber erat ein geschichtliches Er- 
eignis oder ein schöpferischer Qedanke des Dichters den Keim legt, 
der sieh zn poetischer Gestalt entwii kein kann. An drei Beispielen 
zeigt er in geistreicher AnsfBhrung, wie Nameu von ursprünglich my- 
thischer Bedentnng zu Mittelpunkten frei erfundener Erzählungen ge- 
macht worden seien, in denen nur der Wissende noch, nicht der Dichter 
selbst, einen Nachball der alten Sage empfinde (S. 26. 33. 40): Kalesios, 
den zusammen mit seinem Herrn Axylos der Tydide tötet (Z 12 flF.), war 
eigentlich der Gott der Unterwelt, der alle einladet" und bei sich 
aufnimmt; Adrastos (der nicht eutriniieiide'*) nn i sein Bruder Araphios 
(B 828 ff.), die auf troiscUei Seite kämpfen und getötet werden (der 
eine Z 37 ff., der andere E 612 ff., beide noch einmal A 328 ff.) tragen 
die Namen des bekannten argivischen Heldenpaares — denn ''A|x<ptoc ist 
ans 'Aftcpiapao? verkürül — , aber ihre Personen und ihr Schicksal sind 
zu den alten Namen neu eriunden; Thersites endlich, lakonisi h dr^pixat, 
ist ein alter Wiutergott, der zu dem Sommergott Aehiiieus in natür- 
lichem und unversöhnliehem degeüsaUe ^ti iit (vyl. B 220), ohne daß 
der Sänger, der die Epiöude in B gedichtet hat, etwas hiervon wubte. 

Man wird fjern zugeben, daB EntwickelnnKen wie die hier von 
Usener angenommen möglich aind, wenn aacb gerade in dem letzten 



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^ Beriebt flbv die Liltermtar in Homer. 1888—1901. (Cftuer.) 

Beispiel die Reihe der Verschieban^en and Vertretungen, die vorans- 
geaetst werden, etwas gar zn groß ist. Fttr die Homerkritik ergebt 
iich von dieser Seite her jedenfalls kein unmittelbarer Gewinn. Sin 
fragt, wie das Epos eutstanden isr, nicbt, wie die Namen und Begriffe 
entsUnden sind die ihm zur Yoranssetzang dienen. Vielleicht aber 
würde die Sagen forscbong, deren gewiß interessante Aofgabe dieses 
Problem ist, aoch ihrerseits gnt tlinn, nicht 6(>g:leich am jenseitigen 
Ende einzusetzen, nicht die ganze lange Periode des Lebens und 
Wachsens der Dichtung zu überspringen, sondern sie Schritt für Schritt 
ZQ durchmessen, snnftchst llias und Odyssee in ihre erkennbaren Be* 
standteile zn zerlegen und sich so jenem fernen Ziel allmählich zu 
nähern. Dabei müßte allprdings der Grundsatz geändert werden: nicht 
Quisque praesumitur deus donec prohetur contrarium^ sondern umgekehrt: 
kt^ine Gestalt der Dichtung wird fär eine alte Gottheit gehalten, so 
lauge nicht nachgewiesen ist, daß sie zn den Mhesten, nicht anders« 
woher ableitbaren Elementen der Sage gehört. 

Daß erst bei solcher Untersncbnng der eigentliche Stoflf des Epos 
Knm Vorschein kommmi wfirde, erkennt im Grunde auch Usener an. 
£r schildert einleuchtend, wie er sich den Übergang historischer That- 
Sachen in die Form der Sage denkt: „Statt die Helden der geschicht- 
lichen Erinnerung mythisch zu verklären, sind ohne weiteres an deren 
Stelle die als Heroen verehrten Ahnen der am Kampfe beteiligten 
Stämme nnd Geschlechter geschoben worden** (8. 14). Also bilden die 
Hauptmasse dessen, was in llias nnd Oüyisee erzählt wird, echt mensch- 
liche Theten, die nur durch dicbteiische Phantasie Personen beigelegt 
worden sisd. deren Kamen, damals schon nicht mehr vevstanden, flr&her 
zur Bezeicbnnng göttlicher Wesen gedient hatten. Und wir dttrfen und 
mflasen weiter fragen: wo nnd wann nnd durch wen sind die Thaten 
gethan worden, die den Geist des Volkes so Ms in die Tiefe erregten, 
daO solche Umbildung erfolgen konntet Der Verf. antwortet klar nnd 
hestimmt: „Fttr die Griechen sind dies die Wandemngs- und Erobemugs- 
zfige achäisch-äolischer Stimme gewesen, deren Ergebnis der Patt Trojas 
nnd die Ansiedlnng in der Troas, Äolis und auf den vorliegenden 
Inseln war*' (8. 91). Im Gegensätze zn der fibertriebenen Skepsis, die 
heutaatage gerade in diesem Punkte ge&bt wird, verdient dieses suver- 
siehtliobe Urteil besonderen Dank. 

4. F. Dümmler, Hektor. Zweiter Anhang zu Stadniczkaa 
,.Kyrene'*. (Leipzig 1890), S. 194-205. 

Von den B<k>terranten, die B 494 f. genannt sind, wird Leitos 
P 601 durch Hektor verwundet, Arkesflaos O 829 von ihm getötet. 
Dammler meint» daß auch die Tötung des Prothoönor durch Polydamas 



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VI. Historische uad geogr&pbisciie Btizieboagen. 



81 



E 450 eigantlioh den Hektor gehöre und eni neehtrigUeii, all buui 
•einen ZwUlingsbrader Peljdemee erfanden hatte und mit einigen Thaiken 
«nuastatten wttniehte, auf dieieii ftbertragen werden aeL Dieae Yar- 
rnntang seliwebt gans in der Lnlt. Aber aneh flir daa, waa aieher ttber 
Hektor bertebtet wird, lohnt ea weiter anf £ 707 ff. Bezug zu nehmen, 
wo nater den von Hektor Eiachlagenen Oreabioa ana Hyle am Eopala» 
See henrorgebobea wird. Dilmmler verbindet dieae Angaben mit der 
dnreb Paoaaniaa (IX 18, 5) erhaltenen Konde, daß die Thehaner daa 
Grab einea Hektar beaaßen, dem aie hereiaehe Ehrea erwieaen. nnd 
gewinnt a«a aUem die Aaaieht (8. 198): „Hektor iat in tttaater Bage 
fienaeher flUier eine grieehlacbe Berölkening In Theben, welehea er 
gegen die aoa TheeaaUen efaidringendea BSoter lange eifolgreieh w- 
teidigt, wobei er aber doeh achUeßlleh. wie daa Grab wahracMnUeh 
nacht, aeinen Tod findet.'* 

Man klinnte nun denken, die £riaaemng an dieaen Heiden, der 
die feindliche Stadt verteidigt hatte, aal von den bSotlaeh-ieliaefaen Er- 
oberem dea nordweelUeheo Kleinaeiena anmittelbar dorthin mitgebracht 
und im Llede aaf den Kampf am Hioa fibertrageii weiden. Dies ist 
aber nicht die Keinong des Verfa. Er konatmiert einen ümweg über 
Cbios, wo Hektor als aiegreloher Heroa der llteaten, ans Eobda ond 
der KephisoB-Laodaehaft eingewanderten grieehischea BevOlkerang ge- 
feiert worden sei; von dort hätte man ihn. Übrigens nicht erat in der 
ionischen Epoche des epischen Gesanges (8. 203), in die troiaohe Sage 
tibernommen nnd hier zam Vorkämpfer der den Griechen gegenfiber- 
stehendeo Völker gemacht; eine Folge dieser Verschiebung in der Sage 
sei dann gewesen, daß er fallen mußte. — Diese Hypothese gründet 
sich auf ein Exzerpt aus Ion von Chios (bei Pansanias VII, 4), das, 
wie Dümmler selbst sagt, in starker Verwirrung ist und erst mehr- 
facher Korrektur und Umdeutung bedarf, um dem angedeuteten Ent- 
wickeliin^&^auge zu entsprechen. Schwerlich wird jemand dadurch über* 
zeugt, werden. 

Ancit Dümnilcrs Hauptgedanke, Hektor aus Theben abzuleiten, 
bezcicbiitit einstweilen nur eine Möglichkeit; aber diese ist wichtig 
und wertvoll. Wiederholt ist darauf bin^^ewiesen worden, daß wir 
eine hohe Entwickeinngstufe des epischen Gesanges schon im nörd- 
lichen Griechenland voraussetzen müssen. Für die Fraere, welchen liiliali 
er dort gehabt habe, tcaben einen Anhalt die von BeLhc aufgezeigten 
Spuren der ältesten Üdipus- Dichtung, wenn er auch selbst nicht geneigt 
sdiien sie in diesem Sinne zu verwerten (Thebaniscbe Heldenlieder 
[1891) S. 145. 176 f.). Einen weiteren Beitrag liefert nun die Hektor- 
Hypotbese, indem sie aDschaulicli macht, wie in der Hias außer dem 
Wortschatz, besonders an stehenden Beiwörtern und formelhaften Wen- 
Jatireabericbt fOr AltertnmswiBseoschAft. Bd. CXIl. (190^ L) 6 



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82 Bericht aber die Litteratur sa Homer. 1888-1901. (Gauer.) 

duDgen, aach atofllicbe Elemente enthalteo eein ktaDen, die, ohne daß 
man es aaf den ersten Blick erkennt, Ihren TJrapmnir im Kntterlande 
nnd vor der Zeit der ftolisehen Kolonisation haben. 

5, K. Betlic, Homer «ud die Heldensage. Die Sage vom troi^;clieii 
Kriege. Mit einer Kartenskizze. Neue Jahrbb. f. d. klass. Alier- 
tum u. 8. w. Yll (1901) S. 657-676. 

Anssesprochenermafien in der Richtnng von Dfimmlers Arbeit 
bewegt sich der anregende nnd sngleicfa ergebnisreiche Vortrair» 
Bethe anf der Straßbnrger Philologen -Versanmlnng gehalten hat nnd 
der nnn gedruckt vorliegt Er geht ans von der Frage: „welche geschicht- 
lichen Ereignisse liegen der Sage vom troischen Kriege sn gründe?*' 
nnd konstatiert snnächst ganz richtig, anf E. Heyers BeweisfBhrangr 
gesiQtzt: nicht die Aolische Kolonisation der Troas; denn die Ist nicht 
älter als das 7. oder 8. Jahrb. v. Chr. Der Verf. geht aber weiter 
nnd sucht zn zeigen, daß auch die Kämpfe, die — erheblich früher — 
um den Besitz von Lesbos nnd Tenedos von den Äolern gefährt worden 
sind, kein gmndlogendes Element in der troischen Sage bilden. 
,,Erinnemngen an sie,** sagt er (8* 668^, „in Sagen niedergeschlagen, 
finden sich zwar in ihr; aber, gering an Zahl und fttr sie bedentnugs- 
los, stellen sie sich als nachträgliche An- nnd Eiofttgnngen dar an ihre 
filteren nnd bereits gefesteten Stämme.** Dieser Beweis scheint mir 
nicht völlig gelongen. Um nur eines hervorzuheben : Bethe charakte- 
risiert, an die von Flck nnd Wilamowitz grefiindene Etjmoloflfie von 
np.7r^i'; anknäpfend, darehaus treffend die Stellung, welche das „Mädchen 
von Bresa (anf Lesbos)** in Sage und Dichtung hat. Sie Ist keine leib* 
hafte Gestalt dei* Sage, sie hat ja nicht einmal einen eigenen Kamen, 
eondern ist von einem Dichter erfunden, um ein Motiv in der Handloug, 
die er erzählen wollte, auszumachen. Dies sei der Schöpfer unserer 
H^^vK gewesen, raeint Bethe, und es sei klar, dait er in Lesbos nnd fär 
Lesbier gedichtet habe; »denn nur hier konnte dieser Ort nnd diese 
Qrtssage bekannt sein* (8. 666 f.). Wenn das eine richtig ist, so ist 
es das andere gewiß nicht Ein lesbischer Dichter wflrde doch wohl 
gewußt haben, was Bpt97ji; bedeutete; der Sänger der i&^v« aber wußte 
das nicht mehr, sondern hielt das Wort fär einen Personennamen, und 
hat das entsprechende Xpu7rjt; entweder ebenso falsch gedeutet oder 
mißverständlich nachgebildet. Daraus eiiglebt sich einmal ein neuer 
Grund fär die Ansicht, daß der Verfasser der {x^vi; ein lonier war, 
sodann aber die Tbatsache, daß es schon längere Zeit hindurch äolische 
Lieder und Sagen, In denen »die Briseerin" eine Bolle spielte, gegeben 
haben maß, ehe ein Dichter auf den Gedanken kam sie so zn ver- 
wenden wie in der {xy^vi; geschehen Ist. Und somit greift der Anteil, 



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VL HiBtoritehfl und geograpbiBche BMiehangeii. 83 

deo LesboB nnd die aof der iDsel geffthrteo Kftmpfe an der Heldensage 
haben, doeh tiefer und ist weniger aceessoriecfa, als Beüie annimmt. 

H(ichat yerdlenatlich ist nnn al»er, wie er das, was er in EIein> 
asien nicht findet, anderwärts anftneht Er emenert Otfried HttUers 
Methode der Forsdinng nnd stellt den Gnindsats anf, daß Personen der 
8age da an Hanse sind, wo sie Gtftber und Knltstätteo haben, wo es OrtUeh- 
k^ten giebt« deren Kamen mit den ihrigen oder mit denen ihrer nahen 
Verwandten, Oanosssn, Feinde Easammenstlmmen (8. 659. 661). Anf 
diese Weise hat der Verf. eine Beihe ansgeseichneter Besnltate schon 
jetzt festgelegt. Der HerakUde Tlepolemos von Rhodos (B 653 ff.) unter- 
liegt E 697 ff. dem Ljkier Sarpedon; wie kommen beide nach Uios? 
Daheim waren sie Nachbarn; nnd ihr Kampf gehört eigentlich in den 
Znsammenhang der Versnche, welche die Rhodier gemacht haben, im • 
gegenüberliegenden Lykien Besiti an erwerben. Bethe hat gewiO recht, 
daß ,,dieser Sang gedichtet ist znro Preise lyklscher Ffiistea nnd in 
ihren Hallen gesangen, nrsprOnglieh gaas ohne Beziehnag an Troja nnd 
ohne Gedanken an den troischen Erleg** (8. 669). Ebenso ist der Kampf 
zwischen Idomenens nnd Phttstos £ 43^47 der .letzte Rest eines alt- 
kretischen Heldenliedes* ; denn wenn anch das lydische Tdpvij als Heimat 
des Phistcs genannt wird, so ist er doch ofllsnbar in seinem Ursprünge 
der Eponym der gleichnamigen kretischen Stadt — Plntareh hat (Thes. 34) 
ana der^AtiK; des Istroa die Kotiz erhalten: *AX£Eavdpov x&v 9«99aX(f 
ndptv W *AxiU^t»c] «al IlaipjxXott (ncixiQ Xfonidijvai «apd t&v Sictpx**^^. 
Der Verl verhlndet hiermit die Beobachtung, daß ,in der Iliaa 
Alezandros-Paris, von Henelaos nnd Diomedes abgesehen, fast nnr mit 
Thessalem kftmpft*, nnd die Nachricht, daß er schließlich dem Herrn 
TOQ Thanmakie in Sadthessalien, Phlioktetes, erliegt (Apollodor in 13, 6): 
nnd gelangt so zn dem Schiaß, daß die drei — Achill, Philoktet, 
AlezandroB — in Thessalien «in nftchster Nachbarschaft saßen, nnd 
dämm in danemdem Kampf nnd erbitterter Todfeindschaft" (8. 670). 
Er macht es femer wahrscheinlich, daß Theben, Andromaehes Heimat* 
«tadt die Achill zerstörte, nrsprünglich daa phthiotische (Strab. IX 431) 
gewesen sei In dieser TTmgehnng findet denn Hektor als Held des 
bdotiscben Theben, wie ihn Dttmmler erkannt hat, seinen natttrlichen 
Platz; snch über die Bedehnng zwischen den beiden gleichnamigen 
Stftdten, nnd den Grund wamm in der Sage Hektor mit beiden ver« 
banden sei, ftnßert Bethe eine Yermntnng (8. 672). Gesichert erscheint 
der Hauptgedanke, den er begrdnden wollte: daß ein erheblicher Teil 
der kriegerischen Scenen, die in der jetzigen Dichtung vor Ilios spielen, 
ans dem Mntterlande dorthin verlegt sind und nrsprSnglich KAmpfe 
waren, die „Ton Nachbar wider Nachbar um ein Stttckchen Erde" ge- 
ehrt worden. 

6* 



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94 Beiieht ibar die Littentur xa Somer. 1889—1901. (Cuicr.) 

1U& mö€hto meiMn, daß es von hier aos ganz natfirlich encheineii 
mtttie, anch Agamemnon im nördlichen Giiechenla&d zn sacben, wohin 
er <l««ih teinen Streit mit Achill, seine Awfiihrt von Aulis nnd durch 
die nrsprfingliohe BedenUmg von ""Ap^o; gewiesen wird. Bethe hält aber 
fftr ihn wie für Menelaos an der peleponneaischen Heimat fest, obwohl 
eine lebendige Anschaonng oder anek nur eine dentliche VonteUnng 
▼on dieser in der Uiaa febltw Was er als Gründe anffihrt, sind nur 
Nachriebten über Kultstfttten. die es 0r die Atriden nnd Helena in 
Lakonien gegeben habe. Hier zeigt sieh das Oef&hriieha dieser an sich 
«0 berechtigten und ergiebigen Folgemngsweise. Der Verf. spricht bei 
anderer Gelegenheit — Hektors Grab in der Txom ^ selbst von der 
JiSgUchkeit, die er freilich anch dort nicht gelten IftOt, daß es sich nm 
tidne leere, ans dem Bpea abgeleitete Hktion** handle (8. 676). Diese 
ErUining mllsBen wir doch wohl fiberall da anneiunea, wo der Notia, 
daß ein Koltos eines Heros hier oder da bestanden habe, gewichtigere 
Zeagotae gegeAflberstebea, die denselben Hislden In eine andere Gegend 
fwsotion. 

Noch hl einer aUgemeinersn BVage kann ich Bethe nicht sastimmen, 
•obwohl hier das, was nos trennt, vielleicht nnr in einer veraehiedenen 
iV»nnnliening des Gedankens liegt £r meint, den eigentlichen ,3toff^* 
^ 662) der troiseben Sage gei^inden xn haben, während Ich sagen 
-wfirde: es waren stoffliche Elemente, die in die Sage von dem Kampf 
«m mos mit aniigegangen sind. Sie lassen uns ahnen nnd hoflteiiUeh 
immer deutlicher erkennen, wovon die Lieder handelten, dlo bei den 
Äolem in Theosalien nnd dann In der Fbiiode Ihres allmfthliehen tiber* 
gange« nach Kleinasien gesnagen worden sfaid; aber das umfassende 
Bild, in das spfitsr diese halbverblaßten Einaelsllge ehigefllgt wnrden, 
Ist doch noch etwaa anderes, Selbotindiges. Der Verf. besoiireibt das 
VerhUtnis so (8. 675): „die zeitlich nnd örülch, anm Teil weit, ge- 
trennten SÜnaelssgen von den Heldeakftmpfen, Im Mntterlande entstanden 
nnd In den Gmadattgen bereits fost geformt, konnten In Klelnaslsn nen 
belebt nnd dnrcb nene Eifahmngen bereichert, aber- nnd abermals nm- 
gedlefatet nnd nm einen Hittelpnnkt gesammelt nnd dnroh Ihn verbanden 
werden, was dann wieder anrflckwirkte anf die Detailbshandlnng — 
aber ein organisches Ganse konnte nicht mehr erwacfasea.** Ich glaube 
nicht, daß in diesen fifttaen der Eindruck, den die lihis-Dichtang mit 
ihrem immerhin bantscheckigen Inhalt anch einem kritisch bewaffneten 
Ange macht, richtig beadchnet ist Doch wenn er es wire, so bleibt 
immer noch die Ficage, die der Straßbntger Vortrag nnberUirt ließ: 
wo nnd wie nnd wann denn der fiahmen entstanden sei, der sich ge* 
eignet erwiesen hat alle jene Eüiaelsagen nnd einzelnen Züge an nm- 
spannen. Bethe deutet jetzt, znm Schluß, eine Antwort an. Bs sd 



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VI. fiistohscbo und geographische Beuebuageo. S5 



bekftBDt, daß sich aaf Lesbos Stämme zusammengefanden haben, „die 
über fast ganz Griechenland Terstreat gewesen waren. Von Thessalien, 
Böotien/* heiOt es weiter, „und dem Peloponnes ans ist Lesbos besiedelt 
worden.^) Deshalb fließen hier die in der Gegend nm den Spercbeioi 
und die in Lakedämon entsprnng-enen Sagen zasammeo. Mit ihnen 
irgendwie verknüpft wird auch wohl schon der Name der Troer, der 
wenigstens in Attika nucbf^ewiesen ist, herübergekommen sein. Aber 
zum einigenden Mittelpunkte dürfte Troja doch wohl deshalb geworden 
sein, weil die Lesbier im gegenüberlie^^endea Festlandc Troer und die 
mächtige Stadt Troja wirklich vorfanden.'* — Das ist im gründe eben 
die Ansicht, zu der auch ich mich bekenne, die BctUc zu AnfaiiL' soinea 
Aufsatzes abgelehnt hatte: daß die. lanije vor der wirklichen Koloui- 
sation der Troas unternommenen , vergeblichen Versuche der iiolisciien 
Bewohner von I^esbos, sich in der j>egeniiberlie3;eudeü Landschaft fest« 
znsetzen, den Anlaß zu der Saga von der Relagernng der mächlii^en 
Stadt und von ihrem hartnackigen Widerstande gebildet haben. Der 
Verf. hat diese Ansicht nicht widerlegt, wohl aber ihr durcli seiue 
schöne Untersuchung eine iebeudig^ere Gestalt und reicheren Zuhält 
gegeben. 

6. £. 8cbw«rts, Agtmennioii von Sptrta und Omtes Toa 
Teg«a in der Tdenneliie. Stnßlmiger Feetacfarift nr XLVL Ver- 
saauDlnng dentielieT Philologra nnd SehnlmSnntir. StrnBbnrg (Karl 
J. THLbner) 1901. 8. S3-28. 

Der Aiifsatz entimlt einen bemerkenswerten Versuch, die Un- 
klarheiten aufzulösen, mit deueu die Krzälilung von A;?amemuou8 
Heimkehr und Ermordun»' in 7 und o behaftet ist. I)arans, daß der 
König Malen umfahren wollte 514), fol^^ert Schwärt/., daJi er eigentlich 
in Sparta zu Hause gewesen sei, und findet eine Bestätigung dafür in 
der vou Aristarch verteidigten i^e.'^art a'\) ir:' 'A&tiv3!T|; 7 307: die 
Athena Alea, die in Tegea verehrt wurde, „von wo ja die Spartaner 

*) Der Yert begründet dies durch eine Verweisung auf Ed. Meyer, 
Geieli. d, Alttti II § 151 f. Aber dttt «ifd usr imffsliid Tamnttol, daß 
PelofKumeiier an der Beiieddung beteiligt geveeen eden; »vielleielit* weite 
darauf ,die Reieplion der aoe dem Peloponnee etammenden Meeben Sage, 
des Helenamjtbu, der in Arkadien iMinlMhen Od jieeaaiage* n. b. w. bin, 
— Alf 0 ein Anteil dea Peloponnei an der Bededelnng von Lesbos ist erst 
aus dem Epos, und fast nur aoe ihm, erschlossen; er darf nicht wie etwas 
Sicheres nun benutzt werden, um eben die auffallende Tbatsacbe zu erklären, 
da[j im Zöllschen Epos als Teilnehmer eines nordgriechischen Erobfruners- 
stu^rcs und in engster Verbind uni? mit thesfialischen und böotiaciien lieldeu 
solche erscheinen, deren üeimat — dem >iamen nach — der Peloponnes ist, 



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86 Bericht über die Utteratur zu Homer. ISSS— IDOl. (Cauer.) 

die Qebeine Or«ttB holten*, habe „den Sohn Agunemnons beeehtttst, 
ehe der delphieehe Apoll and die Amphiktlonen an ihre Stelle tuten**. 
F&r Ifenelaos, der nun in Sparta nioht bleiben kann« vermntet der 
Vert einen Wohnsitz in der meBseoischen Ebene, waa n der Schildenuig 
Ton Telemachs Reise besser passen «Irde, nnd swar an der Kflste, weil- 
7 32S an die Möglichkeit gedacht werde den Fiats von Pylos aas an 
Schiffe zu erreichen. Weiter ergiebt sich die Notfrendig^keit, an den 
Stellen, die yod Telemachs Reiseplan bandeln, die ErsAhnnng von Sparta, 
nnd folglich auch von Pjlos, für nachträglich eingesetzt za halten, nnd 
anznnehmen daß er in der nraprünglicheren Bichtong nnr nnbestimmt 
die Absicht einer Erkundigoogsfahrt Svda xal Ivd« (ß 213) aasge- 
sprochen habe. 

Die ganze Hypothese ist scharüsinnig nnd in sich konsequent 
Bedenken gegen sie werden dadurch erweckt, daß sie nns nötigt eine 
starke Verwirrnng des ttberlieferten Berichtes nicht nur an solchen 
Stellen vorauszusetzen, wo offenbar etwas nicht in Ordnung ist, sondern 
anch da, wo alles glatt ablänft, wie bei Telemachs Ankündignngen 
seiner Reise. Ferner: daß Ag:amemnon mir Argolis und Mykeue nr- 
sprttnglich nichts zn tbun hat, ist auch lueiuc Ansicht; wenn nnn aber 
Sparta seine eigentliche Heimat ist, wie kommt er in die Ilia^, in der 
doch voll alters her nur thessalische Helden einen Platz haben? Sollte 
er in den Strom der Sage, der iu unserer Blas üxicit ist, erst nacii- 
träglich eingeführt sein, in ionischer Zeit? Oder haben die ionischen 
Säng-er den alten thessalischen Fürsten nach Lakedämon versetzt ? Das 
sind Fragen, die sich aufdrängen, sobald luiui die von Schwartz vor- 
getragene Vermutung in ein Gesüuitbild vuu dem KutwickeluügsgaDg 
der Heldensage einzu oi diieii vrr uohr . durch deren künftige Beant- 
antwortung daher uucii dua Urleil über diese VerniutUDg mit bestimmt 
werden muü. 

7. J. van Leen wen J. f., Homerica, XX: de eqno Troiano. 
MneraoB. N. S. XXIX (1901) p. 121—140. 

Ein geistreicher nnd anregender Aufsatz, der den Oedanken 
durcIiluLrt, die Geschichte vom hölzernen Pferde sei späte Erfindung, 
veranlaßt durch mißverständliche Dentnog eines alten bildlichen Aus- 
druckes. Wie ein Nachdichter die Stellen, wo ein Gott seiner schnellen 
Bewegung nach mit einem Vogel verplichen wird, plump aufgefaßt uud 
nun seinerseits von einer wirklichen Verwaiiilung erzählt habe, so hätten 
die Portsetzer des Epos den Vergleich des Kriegschiffes, das den Er- 
oberer durch die von Poseidon gezogene Schranke hindurch nach Ilios 
erbracht habe, mit einem Pferde (a>/k 1r,r.Qi o 708, ausgeführter v 81 ff.) 
grobsionlich gedeutet und weiter gebildet, indem sie ein hölzernes Pferd 



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VI. Bistoriaelie und geogimpbiacli« Betiehangeii. 87 



«inffilixteD, das durch die tod Poflddon erbaute Itanar (p. 130) hindonh 
in die Stadt eindraog; aach daa Adjektiv doop^oc lasse noch die Be* 
«iebiiDg zum Selifffban erkeimen, — DnB es sieb hier nor nm Hdglich- 
IceiCen baodelt, ist klar; aber sie sind nait glfickliebem VerstAodnis 
Ar daa Leben der Bicbtvng ersonnen. Gar za kühn ist die Behanptong 
(p. 129), daß die nrsprQngUcbe Sage nnr Ten einem Schiff gewußt 
habe, mit dem der Zog gegen Bios unternommen worden sd. 

8. H. KlngOi Die topographiwhen Aogaben der lUas nnd die 
Ergebnisse der Aasgrabongen anf Hlssarlik. Fieckdsens Jahrbücher 

153 (1896; ö. 17—82. 

Auf grnnd der Forscluiiigen und Veröffentlichnng:e!i von Dörpfeld 
vergleicht Klage alle Anj^abcn, die Homer ubci die ürtlicbkeit macht, 
mit den Verhältnissen der W u kiiciikeiL uud konstatiert, ,.dal.> alle jene 
Angaben der llias sich ganz vorzliglicii ohne jeden Zwang iu die Situation 
einpassen lassen, welche die Aufdeckung der sechstea Stadl anf Hissarlik 
« i*reben hat*. Danach unterliegt es für lim keinem Zweifel, daß „die 
öecbste Stadt und ihre Umgebung der Schauplatz dessen gewesen ist, 
was die llias von Troja erzählt, nnd daß dem Dichter eine genaoe 
Einzelkeuutiiis der Lage dieser Stadt zo Gebote gestanden hat". Ein 
solches Ergebnis mälzte natürlich die grollte Bedeutung haben auch fiir 
die Frage nach Zeit und Art der Entstehung des Epos. Aber der Verf. 
ist, wie in st luer liuhereu Arbeit über horoeiische K iinj t'e (vgl. in 
diesem Bericht VII), allzu vertrauensvoll im Anerkenueu von Über- 
einstimmung uud Bestätigung. Eine Untersnchang wie die hier von 
ihm unternoramene konnte überhaupt nur an Ort und Stolle, m genauer 
und wiederholter BetraehtuDg der Kaiaen und dei* Landschaft erfolg- 
reich darchgeführt werdeo. 

9. P. Babel, Heinrich Schliemann nod Emst Böttieber. Illeck« 
Olsens Jabrbb. 141 (1890) & ö63-5t)7. 

Der Verf. berichtet Aber einen Besnch, den BOtUcher anf Sehlis* 
manne Einladnng im Dezember 1889 der Rnhieiistfttte von Ttoja ge- 
macht hat, nnd der daxn dienen sollte — aber freilich nicht daan ge- 
Ahrt hat ^ ihn von der Falsehheit leiner Ansieht an ftbeneogen, daß 
ndie sogenannte Bnig von Hissarlik eine präUstorisehe, terrasaenfSrmig 
an^eschichtete Fenemekropole sei". 

10. A. Lndwig, Über das Schwanken der lokalen DarsteUnngen 
In der llias. Sonderabdmck ans den Sltsongsberichten der Kgl. 
böhmischen OeseUschaft der WissenschafteD. Prag (Fr. Bivnäc) 1898. 
20 B. 

Verf. sacht wieder einmal za beweisen, daß nicht Hissarlik, sondern 
Bonarbaschi der Platz derjenigen Stadt gewesen sei, deren Eroberung 



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88 Bericht aber di« LittanCar stt Homer. 1888—1901. (Ctner.) 



UBd ZerslOrnngr den Anlaß zn der Entstehung der tnjaniiebeii Sage 
gegebtti bat Der Nachweis, in dem einzelne gute Bemerkungen vor- 
koiUMi, mnßte doch hu der Hanpteache mißlingen. Oeseigt wird nur^ 
wat ttir ja Iftngat winen, daß die Dichter der Dlaa keine klare Vor* 
ftelliiBg Yon den einzelnen OrtUebkeiten gehabt haben. Das Bild, da» 
flkaD lieh auf gmnd der Angaben im Epos von dem Schaoplats machen 
müßte, bleibt gleich wklenpniebavoU, ob nnn Hissarlik oder Bonarbaechl 
ala Sitz des Priamos angenommen wird; die Entscheidung konnte nur, 
ohne BOcksicht auf die Etnselbeiten der Sage, der Boden selbst geben. 

11. F. «T. Engel, Znm Bechte der Sehntiflehenden bei Homer. 
Piesan (Ablaßmeyer nnd FeuilDger} 1899. 76 8. [Mttnebener In- 
angnral-Dlflsertation.] 

Der letzte Abschnitt dieser Schrift (S. 43—73) erörtert den 
„geographisch -liistürisclien Hintergrund* des Piratenabeuteners in l. 
Der Verf. weist nach, daJ> gerade in der jün^ten Periode der hooie- 
rifchen Dichtung, als die Odysse*' zum Alirfchloß k;un, Verkelir zwischen 
Griechenland nnd Agypttii so gut wie gar nicht bestand (S. 60), eine 
Entfremdung, der erst Psarametich I. ein Ende machte; iu dessen Zeit 
aber das Ereignis oder die Ereignisse hinabzurücken, in denen irgendwio 
der Ursprung jener Erzählung liegen muß, ist nicht wohl möglich. 
In früheren Jahrhunderten dagegen, in der mykenischen Periode, scheinen 
Anwohner des ägüiscben Meerea auf Raubzügen öfter nach Ägypten 
gekommen m sein fS. (jO f ). Vorausgesetzt, daß die von dem Verf. 
angenommenen Beziehuni/en /iitrefft n — Eduard Meyer, Gesch. d. Altert. 
I S. 313 nnd IIS. 78 urteilte ailerding«? anders — , so Wörde sich er- 
geben, daß die thatsäcblichen VeHsiUtDisse, von denen sich in dem Be- 
richte des Bettler» in c eine Eriuneruiig erhalten hat, etwa der Zeit 
am 1200 v. Chr. angehören. 

12. V. B^rard, Les Ph^oiciens et les poömes homdriques. Befoe 
de rUiloira des röUgiooa 39 (1899) p. 173^998, 419-460. 

Der Verf. wendet sieh gegen die too Beloch in seiner Grieehisehen 
Geeofeiebte (8. 78. 74) and in einem beaonderen Aafiats fiber „die 
Phoeniiter am aegaeieehen Meer" (Rhein. Mns. 49 [1894] 8. lU— 133) 
terttetene Anaiehl, daß der Zeit, in der die Griechen das IgMiche Meer 
befahren, sieht ebne Periode phOnizischer Seeherfachaft in demaelbeii 
Gebiete forangegangen sei. Die Beweiaiflbmng dei fhmzAaiBeben Ge- 
lehrten grimdet aieh Tonngsweise aif die GegenflberBtellnng von Doppel- 
namen grieebischer Inaeln, von denen der eine ein phtaiaiaebea Wort, 
der andere die griechisehe Obenetimig denelben eei. Diese Kaeh- 
weisnagen tu prüfen bin ieb nicht in der Lage. Wenn der Verf. ferner 
in dem hftnflgen Vorkomnen der 8iebenzahl bei Homer (nicht Uob fttr 



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YL HitloKiiehe uaä geogriphiMhe Bcadrangmi. 89 

ZeUugalMn) eine Bodabiiac auf die i^nldidie Woche imd eise eluB 
Salt uralter flenitiaelier Knltiir !■ der grieeblaehcn Inaelwelt arkenaea 
«m» ao wird dies acben dadnrth bedenkUeli, well er oliae welterea aneb 
jedea Befaidelt In de» die Seeha ala raade Zahl bamtit wird, aelnem 
Bewelnialerial aareehaet. Viele Beataagea fallen handfrelflieh Ina 
FbaDtastiaehe. fiterd iat nicht nnr ftbenengt, daß Kerkyra Seherla 
iat» Skylla and Gharybdia die Meerenge von Meidna, die luel dea 
Heiloa daa VorgeUrge ntXnieoc bedentel (8. 489 f.), aeadam er nacht 
aach die laael der KeXe^N^ an einer Oberwtaang von J-«|MNiia, , Jnael 
der nnterirdiachen SehUie**. Trota alledem nad tteta der etwas atffren- 
den Breite der AaafBhmngen liest man manehea darin mit YergnOgen 
nad mit Nataen. Kenere BeiaebcechrelbnngMi and amtliche Instraktieaen 
fflr die Seefahrt aaf dem Hittelmeer alad heraagcaogea, am die Stellen, 
an denen bei Homer PhOnkler anftreten» — besonders eingehend die 
SnlUang des Eamios in e, deren Schaaplatz Sopfi) mit Bjrm gklch- 
geaetst wird, durch Yeiglelchnng an iirülbtt nad anlkakttrsn; and 
darana ergiebt sich Jedenftdls aoviel, daß diese homerbeben Kachikhten 
aaf elaer sehr bcatliamten and deatUcben Anscbanang von Laadesnatnr 
nad Wetter and voa dem Treiben phSalslacher Seelente In diesen Ge- 
genden bernhen mBssen. Die Frage bleibt eben nnr, welcher Zeit die 
Zaatinde angebörm, die sich hier In der lebendigen Anffasaang 
griechischer Eraihler, Immerhin doch ei&t in jüngeren Partiea dea Epos, 
Aledeiigeschlagett habea. 

13. V. Berard, Topulogie et Toponymie anliqnes. Revue 
arch6ologique iii öü (1900} p. 345—391 und UIS? (1900) p. 15— 
124. 202-299, 422-452. 

Der erste Artikel Ist dem Nachw^ gewidmet, daß nicht Pjrloa 
In Mesaealen sondern der glekhaamige Ort südlich Ton der Alpheloa- 
Mündaag, desaen Lage der Verf. geaan an beatfaamea sacht, der Sita 
TOn Kestors Herrschaft geweeen sei. lUa maß aageben, daß dies so* 
woU an Nestors Enihlnag von Kriegen mit Arkadem nad JBleem 
(H 188 IT., A 870 ff.) als aach an den Angaben Aber Tdemaehs Bdse 
besser paßt als die bisherige Aanabme. Das homerische Pheri Iden- 
tiflaiert Bdrard mit dem Äliphera der historischen Zelt, das aeitwiirta 
Tom AlpbeioB eine gute dcntsche Meile sfldllch von Herla lag. Die 
Fahrt von Pylos dorthin nnd nmgekebrt würde wirklich, wie In 7 
nnd 0 voraaigesetzt ist, nnr einen halben Tag In Ansprach nehmen; 
nnd Ton dort aas mit guten Pferden nad leichtem Wagen Sparta Ihhrend 
an errelehen, scheint wenigstens nicht, wie m Navarin ans, gana na- 
mSflleh. Bedenklich Usibt doch, daß der Verf. aach bei aeiner Bypo- 
theae ea Tordeht anaaaehmen (p. 369), daß den KQsteabewohnem nnd 



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^ Bericht Ober die Litteratar xu Homer. 1888—1901. (Caaer.) 

80 auch dem Dichter der Weg von Pherft nach Sparta nieht ans eigener 
Aoiebaanng bekaDnt war. Im fibrigen väre es ja sehr erfreulich and 
würde an anderen Angaben der Odyseee, fiber Örtlichkeitön nnd Ver- 
baitniaae im ÄglUschen Heere, sehr gut stimmen, wenn aieh heransateUen 
aollte, daß auch der Bericht fiber Telemachs Beiee auf Vorstellmigen 
hemht« die der Wirkltehkeit entsprechen. 

Die drei foJgenden Artikel haben die gemeinsame Überschrift 
Les Fhenicien$ ei VOäys^ und bringen nnm Teil eine Wiederholnng 
dessen, was der Verf. vorher in der B«vw de VkieUnre des rHighne 
ansgeffihrt hatte, gehen dann aber weiter in Handhabung der Methode, 
dnrch Dentnng von Namen, besondem von Doppelnamen, Sparen alter 
phönizischer AnsiedloDgen zn finden. Eine Hanptstelie hierfar sind 
]f egara und Salamis. Hit Homer haben alle diese Untersnchnogen nnr 
losen Zosammeohang, abgesehen von der Partie (p. 81 — 124), die den 
Nachweis führen soll, daß die kleine Kfisteninsel Peregil anf der afkika- 
nischen Seite der Straße von Gibraltar die Insel der Kalypso, nnd daß 
der Name l^spania (Insel der nnterirdisehen, verborgenen Schütze) 
später von ihr anf die gegenüberliegende europftische Kttste fibertragen 
worden sei. 

14. J. Partsch, Kepballcnia imd Ithaka. Petermauus Mit- 
teilungen, 98. Ergänzungsheft (1890) S. 5 i ff. 

15. II. Menge. Homer und das Ithaka der Wirklichkeit. Ztscbr. 
f. d. Gyninasialwesea 45 (1891) S. 52 ff. 

16. Derselbe: Ithaka, nach eigener Anschauung geschildert. 
Mit 3 tioizscliiiittün und 1 Karte. Gütersloh (C. Bertelsmann) 1891^ 
III, 35 S. [Heft 11 der Gymnasial Bibliothek.] 

Im Qsgensatze zn der starken Skepsis Herebers sind die beiden 
hier genannten Gelehrten, nnabhäogig voneinander nnd gleichzeitig, da- 
ffir eingetreten, daß die homerischen Angaben der Wirklichkeit genau 
entsprechen, nnd haben mit Erfolg nntsrnommen die örtlichen Yorans- 
setsnngen für die Handlung der Odyssee sn schildern nnd die einseinen 
benannten Punkte (Stadt, Hafen des Phorkys, Schweinehof; Babenfelsen, 
kleine Insel Asteris) an bestimmten Stellen nachzuweisen. — Nenerdiags 
hat Dtf rpfeld Olfentlich dieHefarang ausgesprochen, daß vielmehr Lenkas 
die Insel sei, die Homer mit seinem „Ithaka" meine. Eine wisien- 
schaftUche Begrfindnng liieriQr, mit der sich die Kritik auseinander^ 
setzen könnte, hat er bisher noch nicht gegeben. 

17. G. Bnsolt: Griechische Onebichte bis snr Schlacht bei 
Chfironeia. Band I: Bis znr Begrtlndang des peloponnesischen Bandes. 
Zweite, vermehrte und völlig umgearbeitete Auflage. Gotha (Andreas 
Perthes) 1693. XVI, 716 S. 



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VI. HiatorificLe und geographische Beziebuogcn. 



91 



In den ersten AbschnUtea dieses Bandes wird die ganze liistorlsclie 
Seile der lionerisefaeii Frage eingehend ^ewfirdigt, mit erseliöpfender 
8aehl[enntni8 and besonnenem Urteil. Dem PJane des WeriLee naeh 
liegt das Sebweigewidit In der Darlegang des Standes der Debatte, in 
4er Angabe und kritiseben Beteochtang der gelehrten Litteratnr. Über 
die Kaltnr d^ mykenischen Periode and die BesielHmgeD, in denen sie 
za räumlich nnd zeitUeh von ihr getrennten Gebieten stand, wird man sich 
kanm irgendwo besser als hier (S. 1 — 126) orientieren kOnnen. Zwischen 
aller FttUe von gelehrtem Material fehlt es anch nicht an eigenen Qe- 
danken. Besonders hervorznheben ist da die anspruchslose Anmerknng 
anf S. 233, ein Spfutiov ersten Ranges: „Die ältesten Sänger haben 
vermntlich [bei dem Namen ''ApYo;] das thessalische Argos, die fmcbt- 
bare Ebene der Felafigiotis im Auge gehabt. Anf diese passen am 
besten die Beiworte TzoXunupov nnd i^rr^ßorov; ;:oXudt4'iov, charakteristisch 
fär das peloponnesiscbe Ai'gos, kommt erst in einem jüiig:cren Qesange 
171) vor". Bnsolt ist der erste g-eweseii , der dies ausgesprochen 
hat. Beloch, der ein weoig spüter duch ganz selbständig damit hervor- 
trat, hat vor allem die historischen Konsequenzen ans dem neaen Ge- 
danken gezogen; von der Tragweite, die derselbe für das Verständnis 
nnd die Analyse der honierisclien Epen hat. habe ich dann (Grundfragen 
S. 152—162) eine Darstellnnp: gef^eben. Alan liat dieser den Vorwurf 
der Übertreibung gemacht und dageijtMi Busolts Vorsicht gerühmt; doch 
damit geschieht weder dem einen iKiLh dem andiuen recht. Entweder 
die Vermutung ist falsch — dann halte &ie lieber gar niciit ausge- 
sprochen werden sollen; oder sie ist richtig — dann (iiMrii^t sie uns 
t;ine Reihe von Fragen anf: an welchen Stellen liegt der altere, an 
welchen der iüngere Sinn von *Ap7oc zu gründe? wie verteilen sich 
diese Stellen über tias Epos? wann, d. h. auf welcher Stufe der Ent- 
wickf lunj:^ des Heldengesanges hat der Übergang von der früheren Auf- 
ü&suag /.in späteren stattgefunden? und wie war es möglich, daß ein 
solches MilAüristaiidüis aulkam und durchdrang? AH diese Fragen habe 
ich zu beantworten gesucht. Kann ein anderer die Antwort richtiger 
geben, um so besser: die Fragen selbst aber, daß sie da siud uud Auf- 
kläroog heischen, soll niemand abstreiten. 

18. Ed. Meyer: Geschichte des Altertums. Zweiter Band: Ge- 
schichte des Abendlandes bis anf die PerserlLriege. Stuttgart (J. Qt, 
GotU) 1893. XVI, 880 S. 

Pie erste Hälfte dieses Bandes beschäftigt sich naturgemäß viel- 
fach, empfangend und gebend, mit der homerischen Forschung. Der 
Verf. hat das unbestreitbare Verdienst, wiederholt und kräftig anf die 
grundlegende Bedeuiuog hingewieseu zu hüben, die Thessalien für die 



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92 Beiieht Ober die Ltttentur sn Homer. 1888-1901. (Caaer.) 

EBtidekelims d«a grieehischea Epos hat (8. 197. 394. 400); meine» 
WiMSiw ist des von keinem firOlier mit Mmliehem Verständnis und Naeh- 
drvck geseiielien, abgeieliai von dem in Dentschland m weni^ beaehteten 
Bache des EngUnders Geddes (Tlie problem of the Homerie poems. 
London 1878). Allerdings macht Ed. Hejer von der gewonnenen Ein* 
sieht nnn dodi nicht den rechten Ckbnndi. Er vencUieflt sein Ange- 
der Erkenntnis, daß die Besiedelnng des wesüiehen KleinasieDS — swar 
nicht der Troas, wie er bereits im J. 1877 nachgewiesen hat, aber 
anderer Teile — durch die ans BOotiea nnd Thessalien gekommenen 
Äoler, nad die Kftmpfe, die von diesen Einwanderern geftthrt werden 
mußten« eben die Ereignisse sind, anf deren Erinnerung die Sage vom 
troiscfaen Kriege beruht. [Vgl. obmi VI 5 die Besprechung der Studie 
von Bethe.] Statt dessen denkt er sieh „als historischen Kern der Sag» 
die ZerstArung Trojas durch einen Heemng peloponnesisclier Fürsten 
oder vielmehr . . . durch den König von Hykene und seine Hannen'* 
(8. 207). Was ihn au dieser kühnen Annahme führt, ist der Glaube» 
daß die troische Sage ans dem Peloponnea stamme (S. S85); and dies, 
wieder glaubt er deshalb, weil sieh dort Kultsttttten der Atriden und 
der Helena finden (8. 186. 205), von denen er es für selbstveiatündlich 
bült, daß aie nicht durch das Epos angeregt sondern ülter seien al» 
jenes. Thatsücblich führt die peloponneeische Heimat der Helden in 
der Ilias, wenn man nur einmal nüher mtsieht, ein gans schattenhaftea 
Dasein; Agamemnon ist kein „spartanischer Gott** sondern ein thessa- 
liseher Fürst — worüber ich dia vorhergehende Bespiechnog von Busolta 
Griechischer Geschichte au vergleichen bitte. 

Kuß sooach leider gesagt werden» daß durch Ed. Keyer das Ver* 
stündnis der Blas nicht eigentlich gefordert ist, so hat er etwas Ent» 
sprechendes lOr die Odyssee gar nicht versucht, sondern achließt aieb 
hier eng an Wilamowits an, dessen Theorie er nur darin «günzt und 
freilich übertreibt, daß er die ursprüngliche Güttlichkeit des Odysaeua 
stärker betont und weifer ausführt. Genaueres Aber, d. b. gegen, diese 
Ansicht findet man im vorliegenden Berichte unter VII, 19 — 15. 

Noch in einem aaderen wichtigen Pnnkte iet der Verf. nicht sum 
Vorteil durch denselben Gelehrten beeinflußt: er verwirft (6. 390) nach 
dessen Urteil die Überlieferung, daß unter Peisistralos die homerischen 
Gedichte gesammelt und aufgeschrieben worden seien, und bemerkt nicht» 
daß gerade durch die von glücklichem Spürsinn geleiteten Unter« 
suchungen von Wilamowits Katerial so Tage gefördert worden ist, durch 
das jene Oberliefemng fester als je gestützt wird (vgl. Gmndftragen 
8. 82—97). — Gauf selbetündig ist Keyer ia dem, was er Über das 
Verhültnis der homerischen Kultur nur mykenischen sagt; aber hier 
bült es schwer, seine eigentliche Keinung zu erkennen. Das eine Kai 



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VI. Diatoriscbe und geographiaeht BoMiviigeil. 93 

<8. 167) hebt er den üateneliled hervor tivischeo den Sehildemiigen 
'der bomeriflGhea Epen «iid dea Znatlndeii der mykedaehen Zeit» toh 
denen aie etwa 10 weit »bitftnden wie der BittereUat dee Nibelongen* 
liedee von den germaniiehen SUate der YSlkerwuidemng; er ulmmt 
«leo an, daß die Diehter des Epos Ihre eigene Zeit, niebt eine frühere 
«eeehildert haben. An einer aaderai 8(eUe aber (B. 403] sagt er, daß 
die Sänger sorgfältig alles« irovon sie wnflten oder in wiesen glanbten 
daß es modern eel, femgdialten hätten. Thatsitehlich finden sieh Ja im 
Epee Knltnrnnsehannogen von sehr veteehiedenem Alter miteinander 
TennMit; die Frage abor, wie diese Miaehnng entataaden ael, kann 
natmlieh nnr ▼<« dem riebtig beantwortet werden, der aie aicfa dent- 
lieh vorgelegt hat, Aneh in diesem Fonkte haben Basolt (P 1 Ii) nnd 
Beloeh tiefer gebückt 

19. J. Beloch: Griechische Geschichte. Erster Band: Bis auf 
die sophistische Bewegnng und den peloponue&ischen Krieg. Straß- 
burg (K. J. Trübner) 1893. XH. 637 S. 

Aaf knappem Baame, In flotter, nicht viel mit gelehrtem Apparat 
belaateter Darstellnng sagt der Vetl aagewiihntich viel Treffendea and 
in fraehtbarmn Nachdenken Anregenden über Homer. Von dem Ver< 
liUtnla der im Epoa geachllderten Knltar an der Wlrkllohkelt derjenigen 
Perioden, dareh die hindurch es erwncha, hat er eine Uare nnd riobtilge 
VonteUang (8. 70 IT.), wie denn er ea gewesen Ist, der tnerat in einem 
wichtigen Beiapiel, dem Ctobranch der Metalle En and Eisen, die Ab* 
atafting der Kaltnrschichten naebgewiesen bat Besonnen artellt er über 
die Stellong dee Vytbaa aar Bichtaag: aacb wo er, wie bei O^yaseas, 
den üraprang eines Hehlen von dort herieitet, verkennt er doch nicht 
den weiten Abstand zwischen jenem ürspraag aad dea ans ttberUslerCen 
Lieden, aod konstatiert daß Mschon die Dichter des Epos fOr die 
wahre Bedentang der Mythen das Veratftndais verloren hattea** (8. 101). 
Welt entfernt ist er von der Übertrelbnog, Jede Gestalt der Sage, 
dmm probetur coniramm, jFQr eine frühere Gtottheit in halten, rechnet 
vielmehr naigekehrt mit der MSgliehkeit, »daß nnter den zahllosen 
Heroen, die in den verschiedenen Teilen der griecblsehea Welt verehrt 
Warden, so mancher sei, der wirklich dereinst in Fleisch and Bein aaf 
Erdea gewaadelr* habe (8. 121). 

Nicht gaoK aaf der gleichen Hdhe stehen dea Verf.a Anaiohten 
über die Kompoaltloa der beldea Epen aelbet In beaog aaf die Odyssee 
hält er — oder hielt vor 9 Jahren — manches für bewiesen, was 
allerdingB von scharftinnigen Forschem geistreich begründet war« aber 
vor nllusrer Prüfling and einer mehr peychologischen Betracbtong der 
Ibütigkelt des Dichters nicht standgehalten hat: daß die Ihfaihluug: in 



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94 Beriebt fiber die Littenior su Homer. 1S88— 1901. (Cauer.) 

x}x anfänglich io dritter Pei-son abg^efaßt geweseD, daD dem Freiermord 
in der ttlteeten Version die Erkennang' des Odysseus durch Penflope 
vorangegangen sei (S. 139). Zu dem „ältesten Kern** der Ilias rechnet 
er die |if;vtc (S. 132). nnd in den Schilderungen des ersten Kampftages 
(B— H) sieht er ein Fragment eines früher selbständigen Epos, das den 
Fall von Ilios schilderte (S. 137). Beides ist nicht richtig. Mehr und 
mehr und von verschiedenen Seiten her hat sich ergeben, daß der Plan, 
nm den Streit der Könige die ganze Fülle mannigfaltiger Ereignisse 
Zü gruppieren, erst einer relativ späten, der ionischen Periode des Epos 
nncrrhnrt; und der Inhalt von B— H ist so ausgeführt and znm guten 
Teil wohl so erfunden, daß er diesen Rahmen geradezu voranssetzt. 
[Über (^rn letzten Punkt vgl. die treffenden Worte von Erhardt, 
nnten VIII. G ] Vielleicht würde Beloch selber, wenn er dem heutigen 
Stande der Forschung gegenttber sein Urteil zu bilden hätte, über diese 
Dinge anders urteilen. Von der sprachlichen Analyse des Epos hat er 
hisher nur flüchtig Notix genommen; er sagt auch hier (S. 144) Ver- 
ständiges, scheint aber von dem Thatbestande der Dialektmischnng und 
damit von der äolischen Entwickelungstnfe des Heldengesanges keine 
recht anschauliche Vorstell ong zu haben. 

Sie würde voitrefflich zu den historischen Ansichten passen, io 
deren Heransarbeitung das Hanptverdienst dieser Kapitel seines Buches 
.liegt Unbeirrt durch scheinbare Qegengründe leitet er die troische 
Sage ab aus der „Erinnerung an die langen Kämpfe, welche die griechischen 
Ansiedler mit den (Jrbewolinem des Xia&des um den Besitz der KUste 
SU itihren hatten" (S. 143; vgl. was ich oben [VI, 5] gegen Betbe 
ausgeführt habe). £r findet sodann, daß »dieSchicbtong der grieehischen 
Stämme von Süden nach Norden in Asien genao ihrer Sehichtnng an 
der Westküste des ftgüschen Heeres entspriidit*, und gewinnt daraus 
die sichere Vermutung, daß Leabos nnd die ftolisefaen Stildte auf dem 
asiatischen Festlande wirklich, wie die Tradition «olle» vom nördlichen 
Teil der griechischen Ostk&ste aus besiedelt worden seien (8. 155). 
Nimmt man diesen Sats mit dem vorigen snsammen, so springt von 
selbst der Gedaoke hervor, von dem soeben in der Besprechung von 
BuBolt die Bede war: daß auch Agamemnon ein Nordgrieche, daß die 
Algeier, die er gegen Bios führte, in dem thessaUschen Arges zn Hanse 
gewesen sein m&ssen (8. 157). Es ist bekannt, welchen entsehlossaien 
Oebraneh Beloch von dieser Erkenntnis macht, um die dorische Wände* 
mng aus der griechischen Geschichte zn streichen. Vielleicht geht er 
darin au weit. Der Vergleich mit den Znst&nden des Epos brancbt 
doch nicht der einzige Grund zn sein, auf dem die „^ypothese" einer 
solchen Wanderung beruht; es ist mOglicfa, ja wahrscheinlich — worauf 
mich mein Bruder Friedrich hinweist — daß in historischer Zeit die 



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VI. BistoriBcbo und geographisehe BetiebuogeD. 



96 



poUttocheti ond wirtscbafklichen Verhältnisse Im Peloponnes der Art 
waren, daß sie sicli nur durch Annahme eines in früherer Zeit erfolgten 
gewaltsamen Beeitswecbsels erkllren ließen. Wie dem nun sei, für 
Homer ergeben sieh ans der Anfdecknng des Irrtnms, der die Atridei» 
in den Peloponnes gebracht hat, die wichtigsten Konseqoensen, die za> 
sanunen mit den neuesten Forschungen, yon denen Sethes Strafibnrger 
Vortrag eine Probe gegeben hat, weiteren wertvollen AnftchlnB ver* 
sprechen. 



Vll. KuUuiätuien Im E|)08; religiöse Entwlckeloiig. 

1. J. H. Holwerda jr., Homer liias Z 168, II 175. Rhein. 
Mus. 55 (1900) S. 476-479. 

Ea8tathio8 zn II 176 erklärt die vr^ixatoc, die Prötos dem Belle* 
rophontes mitgab, als hieroglyphische Zeicheu. Dies findet der Verf. 
dadorcb bestätigt, daß sie ).u7pa genannt werden; denn das könne nicht 
anf den Inhalt gehen, der schon durch bu\if)fHpa angedeutet sei, sondern 
müsse den Sinn Laben, daß man den Zeichen ihre tödliche Bedeutung 
sogleich ansah. Der Beweis ist nicht zwingend, aber die Annahme 
liieroglyphischer Schiift un sich hier wohl möglich. Sie wird nnterstützt 
durch die Schriftzeichen anf Siegelsteinen der mykenischen Periode, die 
Kvans im J. 1894 veröffentlicht hat, und auf die sich Holwerda mit 
Recht beruft. Auch seine Vcrmutnnf^. daC die Zeichen, mit denen die 
Helden in II ihre Lose kenntlich machen, von verwandter Art, also 
eine Art von Wappenzeiclicn gewesen seien, verdient Beifall. Der 
Schluljöutz , daß demnach solche ScJiriftzeichen bei den homcriselien 
Griechen in Gebrauch gewesen seien, hlitle iiur näher bestimmt werden 
sollen durch eine Äußerung darüber, was der Verf. unter „homerischen 
Griechen" verstehe: die, von denen Homer erzählt, oder die, in dereiv 
iiitto er saug ? 

2. L. Erhard t, Die Entstehung der homerischen Qedichte^ 
Leipzig (Dnncker u. fiomblot) 1894. CXTTT, 546 8. 

Der Terf. ist als Geschichtsforscher an das Epos herangetreten.. 
Seine eigentliche Absicht war, nHomer als Quelle historischer Forsehnng** 
zn behandebi nnd insbesondere «die staatUchen nnd gesellechafUicben 
Znstftnde des homerischen Zeitalters" dannstellen. Um hierfttr eine 
sichere Grundlage zu gewinnen, fand er es notwendig sich mit der 
ganzen homerischen Frage selbständig anseinanderznsetaen. Das war 



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96 Bericht ftW die Utteraftor la Hemer. 1888-1901. (Geuer.) 

CPewiB liMgi und wfbrde um te wiDkenmener geiroseo tein, wenn er 
die BetraelitiiDgBweiBe and die ProUenstellsag des Historiken m dieser 
vorberdteaden Aufgabe mitgebrachr, aBdutenomiBen bfttte, nnbeklinimert 
um VidersprUehe «ad Komposttlensfiigm, grOOere und kleinere Partien 
des Epos 80 gegeneinander abcostnfeo, wie es sieh nack der Yenehieden* 
heit der in ihnen geltenden gesehichtlichea Voranssetstngen ergeben 
würde. Leider hat er das nieht getban; seine Analyse der Iliss Ist in 
Prinsip Ton frfihereo, die andere Gelehrte gegeben haben, nicht sehr 
verschieden. Ihr VerhUtnis aar Qescblcbtsforschnng denkt sich Erhardt 
(S. XCVI) anscheinend so, daß Zustände nnd Ansehanangeo, die in den 
durch die Eompositionskritik als alt erkannten Teilen herrschen, für 
altertümlich , solche, die den als jüoger nacbgewiesenen Partien ange- 
hören, fiftr Jünger erkiftrt werden. 8oUte dies wirklich seine HdotiDg 
sein, so mfiBte dagegen entschieden Ein^mch erhoben werden. DaO 
litterarische Kritik der Lacfamann-Kirchboihchen Richtung allein nidit 
imstande ist das homerische Problem an 18ssn, hat der Erfolg gezeigt; 
hlstoiische Analjse ist eine der Mothoden, die ihr wirksame Hülfe 
briugen kfinnen. Aber sie kann es nur dann, wenn sie selbsttndig 
vorgeht, wenn sie awar die allgemeine Anschannog, daß es sksh vd 
Sondemng seitUch abgestufter Schichten bandle, von der Schwester- 
wissensckaft übernimmt, die Abgrenzung aber nnd Anordnung der 
Schichten nach ihren eigenen Httknialen voUsieht Zorn Vergliichen 
nnd gegenseitigen Prüfen kommt naohher die Zeit, wenn Jede auf ibrem 
eigenen Wege dem Ziele so nahe gekommen Ist^ als sie vermag. 

Qenaaeres über Erhaidts Buch bringt Abschnitt VIII dieses 
Beriditss. 

3. R. Pöhlmann. Aus Altertum und Gegcnwatt. München 
(C. H. Beck) 1895. Y, 406 & 

Aus disssm iahaltrelehen Sasunelbaade kommen für Homer un- 
mittelbar drei Anftttie in betracht No. IV, „Di» Feldgemeinacbatt 
bei Homer**, ist bestimmt die Ansieht au widerlegen, daß ia der Eut- 
stehungssdt de« Epos in Griechenland noch allgemein Viehwirtscliaft 
und Allmendenbesitz geherrscht bätton. Ble Bewelsf&bruog ist in ihrer 
negativen Absicht gelangen nnd führt so zu der weiteren Aufgabe, die 
noch ungelöst bleibt, die Anzeichen von einem Entwiekelnngsgange des 
Wirtschaftslebens, die im Epos vermengt erscbdoeD, zn ordnen, der 
Zeit nach abznstnfen nnd so von einer neuen Seite her etwas znr (ie- 
scbicbto der Dichtnug selbst beizutragen. — No. V, „Aus dem helle- 
nischen Mittelalter**, zeigt, wie dicht schon in homerischer Zeit die 
Bevölkerung von Griechenland, wie weit fortgeschritten die Ausnutzung 
des Bodens war. Eifreulicb ist in diesem ZusammenhaDg der Ausdruck 



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VIL KulturBtafen im Epos; religiöse Eotwickeluog. 97 



Ton POblmanns ÜberzenguDg, im Gegensatze zu Eduard Meyer, daß die 
homerische Koltar in ihren Grundlagen die der mykeuiscben Periode 
sei (S. 174 f.). — Am ergiebigsten für nosere Zwecke ist der dritte 
Anfeatz» .Zur geschichtlichen Beurteilang Homers*. Der Verf. geht 
hier von einer Kritik des Erhardtschen Werkes aus, findet die darin 
vertretene Ansicht von der EntÄtehung des Epos allzu autiiudivitia;ili>tiöLh 
(S. 84 f.), erkennt aber die von Eihardt bezeichnete — freilicfi lutdihf^i 
nicht erastlich angegriffene — Aufgabe als bedeutend an, df n Inhalt 
der Dichtung kulturf^eschichtlich zu analysiereQ. Orientierung darüber, 
in welchem Sinne dica gu>cheheü müßte, ist der eigentliche Zweck der 
Abhandlung. Die darin hervortretenden GruudauscLauuügen verdienen 
durchaus Beifall, mam lies einzelne ist hebon iers dankenswert. So die 
Warnung vor mythischen Deutuiigeü , tur da» uus vorlieg-oiide Epos sei 
der Zusammenhang mit dem Mythus bereits völlig aus dein BowuULsein 
enlichwunden , so daß die Stellung Achills im Mythus fiii di'n dichte- 
rischen Anfbau dei Haudlunj,' in der Ilias nicht mehr in betracht kummen 
könne (6. 93). ilit ililllerdioß iht der Verf. geneigt anzunehmen, daß 
„die ursprüngliche Sage vom Troeikrieg liocli nichts uher die Einnahme 
der Stadt eiithielt* (S. 94) Eine entschiedene Stelhingnahme vermiUt 
mau hier wie in anderen Fallen; roiiimauus Ausiühruügen wirken mehr 
anregend als (ip:entlich kUirend. 

In einem wichtigen Punkte tritt er allerdings sehr bestimmt auf 
(S. 72 ff.), in dem Widerspruche gegen Kieses Ansicht, daß die Sauger 
nicht nnr die Foi tpflan/.ei , eondem von Aufang au die Träger der 
Sage gewesen seien, daß es eine Sage (dnie Dichtung uberall ni(dit 
gegeben habe. Kiese ist wegen dieser Behauptung viel angegiiifeii, 
anch wohl verspottet worden. Und doch glaube ich, daß ein Haupt- 
verdienst seiner horaenscheu Uutei-suchungen gerade in ihr liegt, und 
daß sie sich mehr nnd mehr durchsetzen wird. Hau muü nur einmal 
versuchen sich die Saelie anschaulich vorzustellen. In welcher Form 
soll denn die Sage existiert haben? Will man glauben, daß in vor- 
humerißcher Zeit die Menschen fähig gewesen seien längere Erzählungen 
in prosaisclier Kede zu geben, anzuhören, zu behalten? Dies wurde 
bedeuten, daß in der Entwickeiung des menschlichen Geisteslebens Prosa 
alter Bei als Poesie, eine Ansicht, die seit Herder als überwunden gilt 
nnd die. wenn sie wirklich wieder aufgenommen werden sollte, die 
Fliicht des Heweises oder wenigstens eines Versuches, sie plausibel zu 
machen, aul ibrei* öeite haben wftrde. [Vgl. unten b. 126.] 

4. C. B ehnehliar dt, SchUemanai Awigmbiuig«!! In Tn^ TirjM, 
Hykeaft, OrdioiDeiMNi, Itliaka, im liehto der hentigeii WisseDiebalt 
Lelpdff 1890. XU» 871 8. 

J«tetMeb» Or AttsrtUMiüSHwhsft. Bd. OW (Wft I.) 7 



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9g Boricbt über die Litteratur zu Homer. ISSS—IDOI. (Oauer.) 

Dm leiste Kapitel dieees Bnebee (S. 349—364} ist der Aufgabe 

gewidmet, auf graod der vorber mitgeteilteii und erlftQterten Denkmäler 
die griecbiiebe Hddenzeit bistoriseh zn betnebteo. Der Verf. gebt 
davon ans, daß Sdiliemannft Ausgrabungen „an all den Stfttten, welcb» 
bei Homer ala die Mittelpunkte großer ICaebt nod Herrscberpraeht er- 
sebeinen, ancb wirklieb Jedesmal eine Bolehe bervorrageude Macbt and 
Pracbt festgestellt haben*'. Er fObrt dann die einzelnen Überein« 
stimmoDgen an — die festnuttcbirmten Burgen, den Metallreiehtnni, die 
eingelegte Arbeit anf Doldikllngen nnd Bechern — nnd gelangt an dem 
Schiaß, daß „Homer mit seinen Aeh&em die Trflger der mjfcenfoebea 
Koltar gemeint bat". Dies ist inzwischen wohl allgemein angenommen. 
Schnehbardt weist aber aaeb schon anf die Thatsacbe hin, daß die 
homerischen Epen durch ihre anmfthlicbe Entstehung der Niederschlag 
einer jahrhundertelangen Entwlckelnng sind, und deutet die Aufgabe 
an, die hieraus der Wissenschaft erwächst, die Stufen dieser Entwiokelung 
eben aus den Spnren, die sie in den Gedichten zurückgelassen bat, 
wieder zu erkennen. — Eigentümlich nnd genauerer Prüfung wert ist 
der Gedanke (S. 361 f.), daß den gescbiclitlicben Kern der troiscben 
Sage nicht die Eroberung der Nordwestecke Kleinasiens durch nord> 
griechische Einwanderer, sondern ein Kampf znr Abschaflung der See- 
läuberei bilde, den die mykenischen Griechen <,a'iiieins;uu und siegreich 
geführt und durch den sie die Ausbreitung iiirer Kultur im ganzen Insel- 
Dieere gesichert hätten. 

Zum Schloß bemerkt der Verf. (S. 363), es sei unwahrscheinlich, 
daß erst in dem nnruhigeu Getriebe th v nach Kleinasini Au^gewandei Leu 
die Anfänge der homerischen Dichtung entstanden htfUi sollten; vielmehr 
müsse man aniichaien, daß die llerülei kommenden uns den Stiltten 
monarchischer Pracht und hoch entwickelter bildender Kunst ancii die 
Übung des Heldenj^esanges sclion Uiit^ebracht halten. Die VcrmuLuu^ 
ist in diesem Zueaninu iihaug iiiü '^o hülier zu schützen, als Scbuchhaidt 
nicht s:ewußt zu liabcn scheint, üaij in dem Zustande der homerischen 
Spiache und in den vielf'aciicn Bezichuu-cn des Eiio^i zu Tüesaalieu 
zwingende Gründe für die ;?lciche Annahme liegen. 

5. W. Helbi^-. Eiserne (le^'-enstündo an drei Stelleu des home- 
rischen Epos. Hermes o2 (I.S97) S. Hti—Ül. 

Heibig verteidigt gegen eine IJemerkun^ in meinen ..(irundfragen*" 
seine Ansicht, daß A 123, wo eine eiserne Pfeilspitze, und 1 34, wo 
ein Messer aus Eisen eiwJlhnt wird, „spätere Einschiebser* scj« u. 
Überzeugt hat er mich aucii dicönjul nicht. Der Vera A 123 trilgt sehr 
dazu bei, die Schildeiong des Bügen^paunens anschaulich zu macheu j 
und wenn Ari»lurch mit Kücksicht auf das darin vorkoinmende oiÖT^pov 
weiter uuteu (139) ^i7co« für einsetzte, so sit$ht mau daiaus uur» 



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VII. Ktütantafen im Epos; religiöse Kotwiekelang. 99 

daß t&r ihn die Echtheit von 123 außer Zweifel itaad. Der kleioe 
Widenproeh in besiiir auf dae Material braoeht ans nicht tu stören; 
detyleieheD kann bei einem spateren Dichter« der mit Überliefertem 
Wort- nnd Formelschatc hantiert, leiebt vorkommen. So heißt A 3$ 
ein Schild doicU d|if(ßp^ , der nachher wie ein kleiner Krelwehild be- 
schrieben wird (vgl. Beichel, Waffen, 56). 2 34 ist schwer Tentftndlieh; 
das iat aber doch kein Gmnd ihn anssustreiehes. — Helbig fSgt jetzt 
noch eine dritte Stelle hinan, A 465, wo ein eiaemes Beil in einem 
Gleiebnia erwilhnt wird, das anoh dnreh seine Ansffihmng einen d#r 
späteren Dichter Tenalen soll. Angenommen, dies 'Drteil Irftüs m, so wttrde 
das gerade zn meiner Ansicht stimmen, daß Eisen nnr in den jfingeren 
Partien des Epos vorkomme, In diesen aber gana berechtigt sei; denn hier 
macht auch Hdblg nicht den Torschlag, dnrch Streichung eines einseinen 
Verses das Anffllllige an beeeitigen. [Über Eisen vgl. noch nnten 8. 1S7.] 

6. H. Kloge, Vorhoraerische Abbikitine^en homerischer Kampf- 
scenen. Fleckeiseus Jahrbücher 145 (189'2) 8. 369—385. 

7. Derselbe, Vorbomerische Kampfschildernngen in der lüas. 
Ebenda 147 (1893) 8. 31—94. 

8. Derselbe, Der Schild des Achillens nnd die mykenlschen 
Fände. Ebenda 149 (1394) S. 81—90. 

Alle drei Anfs&tse gehen daranf ans. homerische Schildemngen 

mit dem m vergleichen, was wir hente Aber die wirklichen Zustände 

griechischer Yorseit wissen, nnd kommen an der fichtigen Qmndan* 

schannng. daß In der Hins nicht eine einheitliche Kultur dargestellt ist, 

sondern daß In ihr versebiedeoe Formen der Bewaffnnng, verschiedene 

Verfahrnngsarten der Technik voransgesetat werden, die Im Leben selber 

nebeneinamier nicht bestanden haben können. Im einzelnen erheben sich 

gegen die Anfttellnngen des Verfs. mancherlei Bedenken. 

In fVnf FUen sollen Kampftcenen, die anf Werken mykenlseber 

Skulptur der Kleinkunst dargestellt sind, so genan mit bestimmten teils 

Kampfberichten teils Gleichnissen der Ittas snsammentreffen, daß eine 

nnmittelbare Beziehung zwischen beiden unabweisbar sei; und iwar sei 

der Zasammenbang der, daß die Bildwerke dem IHchter beksont waren 

und anf seine Phantasie anregend gewirkt haben. Aber einmal sind 

die Übereinstimmnngen nicht so groß, wie der Verf. au sehen meint; 

üwi dann wHre wenigstens in dem einen Beispiel 517 if. neben dem 

Riegelrin^-e in Schliemanns „Mykenä" No. 334, bei Schudlhardt, SchUe- 

TiianiiH AtiHrn-abnnp-en, S. '2,V2) das Verhältnis viel eher 80 U verstehen 

Ii cd wird im (j runde anch von Klnge so verstanden, daß der Goldar* 

beiter den von Homer erzühltf ii Vorcang abzobilden versucht «id ge- 

a)äß den Hnlfsmitteln und Scliraukeii stioer Kunst ausammcngedrinft 

1* 



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lOO Bericht über die Littentor sa Homer. 1888-1901. (Ctuer.) 

hatte. Überhftnpt aber wmag ich Antckmeg nur eine allgemeine 
ÄbDliehkeit der Situation nnd der Atisstattiiiig «nsnerkenneD, die immer- 
hin wichtig genug ist, nm Homer doroh Oeokmftler der Wirltliehkeit 
an ülttstrieren nnd f&r manche Einrelailge in sdner Ersählnng die Anf- 
roerkaamkeit an scharfen. — Der xweite Anfaata ist ein Vorianfer dee 
Bnches von Beiehel nnd gelangt lehon sn einem ganz ahnliohen Besnltat 
(147, S. H)i .,Wo der Dichter bewottt nnd abeiehtlich Helden nnd 
deren Bewaffanng beschreibt, schweben Ihm Krieger vor, die als Schnts- 
waffen Brnstpanzer, Helm mit Hacken- nnd Wangenschirmen, Bein- 
schienen nnd Schild tragen; diese Yorstellnng durchsiebt das ganse 
Epos. Aber neben diesen Kriegern wandeln, dem Dichter selbst nn- 
sichtbar, geqieostergleich Oestslten der Toneit, nngepanzert, mit nacktem 
Oberkörper nnd bloßen Schenkehi; nm die Häften sohlbgt sich, dnrch 
ehien umgeschnallten BJemen gehalten, der Chiton, zusammengerollt nnd 
in die HShe geralEt; das Haupt ist bedeckt mit einem flachen Helm, 
der nnr die Hirnschale schätzt; als einsiger wirksamer Schou des Leibes 
dient der lange^ fast den ganzen Köiper deckende Schild.** Das ist in 
der Hauptsache richtig, nnd ist jedenfslls ▼ortreffUch beobachtet. Aber 
nnn stellt der Verf. ohne weiteres die Frage: .wie haben sich dieie 
Gestalten eingedrängt in die Scharen der erzgepanzerten M anner?* — 
und beantwortet sie dahin, daß der Dichter sie unbewußt und „unerkannt 
mitten in seine SchOdemngen der eigenen Zeit hineingestellt** habe. 
Danach wäre also innerlialb nnierer lUas die jangere Bewaflhung das 
zuerst Gegebene, die Spuren der alteren etwas vom Dichter selbst Ein- 
gethgtes. ünglanblich, vor allem deshalb, weil man dann eine Unter- 
brechung in dem Entwickelnngsgaug der Poesie annehmen maßte: daa 
ionische Epos wäre etwas Neues nod Selbständiges gewesen, neben dem 
sich Stficke alterer Dichtang abgesondert erhielten, ans denen die 
ionischen Sanger nnr dies und das herQbeniahmen. Viel natOrlicher 
doch die umgekehrte Auffassung, der, wie wir gteich sehen werden, 
Aeichel naher kommt, daß in der kontinuieriichen Fortpflanzung des 
Heldeogesanges mit anderen Zustanden und Einrichtungen auch die alte 
Bewaibung wie etwas Selbstventandlicbes beibehslten wurde, daß nur 
allmählich und unmerklich ZQge aus der eigenen Zeit der Dichter sieh 
einschlichen, und daß ecM in den spätesten Stfleken des Epoe die j&ogere 
Vorstellung zur herrschenden geworden ist. 

Die dritte Abhandlnug geht wieder von ehier guten Beobachtung 
ans, in der der Verf. mit Heibig znsammeDgetroÜMi ist, daß Homer fftr 
einzelne der Bilder auf dem Schilde des Achflkus unrerkennbar die 
Sdhmelstechnik im Sinne hat, wahrend andere entadiiedea den üUndnick 
machen, daß er sie sich in getriebener Arbeit hergestellt denke. Kluge 
findet nun, daß die enteren sich m^ieich im poetiachen Berichte durch 



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Yil. EalturBtufen im Epos; religiöse Entwickelong. 101 



den Ton rnhiger Betchrdbimg von der Gruppe der fibrigen, bei 
denen viel lebhnflere Sebttdemng herrsche, abheben (8. 88). Baraas 
schließt er« daß hier veneUedene Dichter thätig gewesen, nnd daß in 
eine nrsprfiDglieb fctrsere ind schlichtere Schildbescbreibnng erst von 
spftterer Hand die bewegteren Seenen (FestaBge in der ersten Stadt» 
Kampf bei der xwdten n. a.) eingefagt seien. Bdspiebweise würden 
in dem Abschnitt von der Rinderherde die ersten Yerse (2 673^578), 
die das friedliehe Bild der rar Weide siehenden Tiere enthalten, der 
firOheren Schicht angehören, die fi[»lgenden aber (579—586), in denen 
der tfberiall eines Stieres dnreh swei LSwen ersfthlt wird, von dem 
spSteren Dichter stammen, der den mehr rastftndlichen SchlldeningeD, 
die er vorfand, die lebeDdige Darstellnng nngew5hnlicher Vorgänge 
gegen&berstellea wollte. — Diese Trennang hat doch sehr wenig Wahr- 
scheinliches. Der Untenehied im Tone erklärt sich vollkommen ans 
der Verschiedenheit des Gegenstandes; und daß ein nnd derselbe Dichter 
ttst eine SItnation, dann ein ans ihr hervorgehendes oder in sie ebi- 
tretendes Ereignis vorführt, ist dnrefaans natttrüch. 

9. W. Reichel, t'ber homerische Waffen, archiioloßrischc Unter- 
sachnngen. Wien (Altred Jiölder) 1894. 152 S. ir H. M (Heft XI der 
von Benndorf nnd lioiinann heran p^egebetien Abbandlungeu des ar- 
chäologisch-epigraphisclien Bemiuai's der Universität Wien.) ^ 

Der Verfiuser hat es nntemommen, ans den Denkmälern der my« 
keilischen Koost die MBewaShnng der epischen Zeit** dannstellen, d. h. 
deijenigen Epoobe (S. 33), ,,ans der nnd ftr die die epischen Gesinge 
in ihrem Kerne entstanden rind, nicht der ganien Zeit in der die 
Dichtnng noch im Flnsse war**. Indem er seine üntersndraog ent- 
schlossen dorehfllhrte und vor den F^ilgemngen, an denen die Monu- 
mente nStigten, nicht rärdekschreckte, hat er fQr die kritische Analyse 
des Epos seihet eine Belke von Anhaltspunkten gogeben, die darch 
Festigkeit wertvoll nnd so gnt wie neo sind. Nor in dem zweiten der 
vorher besprochenen AnftSlse von Kloge war schon dieselbe Betrachtang 
dnrchgelhhrt nnd das gleiche Altersmerkmal abgeleitet worden. Aof 
den üntenchied in der Art» wie beide Gelehrte es anwenden, ist dort 
schon Ungewiesen: der eine nimmt den jftngeren, der andere den Uteren 
Bestand xam Ansgangsponkt seiner kritischen Analyse. Beichel folgert 
so: wenn der normale Schild bei Homer der große, längliche, männer- 
deckende ist, so müssen Stellen, an denen ein mnder Bügelschild nicht 
verkannt werden kann, jnngeren Ursprungs sein; nnd das trifft iär die 
Schilde In der Dolonle (K 153. 513) ohne weiteres eq, für den des 

*) Nach Reichels Tode ist, Ende IHOI, eine äußerlich um 20S©iten vermehrte 
neae Aaflage erscbieneo, die hier noch nicht berücksichtigt werden konnte. 



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102 Bericht über die Littcratur ra Homer. ibö8~lÜUl. (Cauer.) 

Agamemnon in A (32—40) mnO e» nnn angenommen werden (Bdehd 
S. 55 f.). Das Gleiche gilt yon den KetaUharniMhen, die der nrsprftng* 
liehen liomerlBchen Anerfistang fremd, also, wo sie bei Homer erscheinen, 
nachträglich eingc drangen sind. Für den homerischen Helm nimmt der 
Verf. einen einsigeu Typus an, die Form einer mnden Kappe ans ' 
Leder oder Metall, die nnr den Oberkopf bedeckte, oben mit einem Boß- 
haarbusch geschmückt war nnd dnrch ein Stnrmband nnter dem Kinn 
festgehalten wnrde. 

Anf Einselheiten kann hier nicht Angegangen werden; in der 
Hauptsache hat Reichel das Richtige getroffen. Nor ist anch bei ihm 
die Yorstellong Ton dem nnonterbroehenen Fortwachsen des Epos noch 
nicht m ▼oIIot Anschanlicbkeit gelangt Er beseidmet die j&ngeren 
Partien, die sich nach seiner Methode erkennen lassen, stls „Interpo- 
lationen" ; aber in einer Zeit, in der, wie er selbst sich ansdrAckt, „die 
Dichtung noch im Flusse war", gab es noch kehie Interpolation. Man 
kann spätere Schichten von früheren sondern; doch soU man aneritennen, 
da0 beide innerhalb der homerischen Poesie gleichberechtigt sind. Sonst 
würden wir in diesem Falle gar dazn kommen, notwendige Teile der 
Ilias wie den letzten Kampf zwischen Hektor nnd Achill ffii* „inter- 
poliert*' zu erklären. Reichel (S. 40) hat diese Scene nicht richtig 
beurteilt, indem er X 324 f. auf mykenische Bewaffnung deutet. 
Und so hat sich auch sonst für ihn der Gedanke, daß das Jüngere 
„unecht" sei, mehrfach störend erwiesen, da durch den Wunsch, das 
Echte und Altertümliche in möglichst ausgedehntem Maße zu konsta- 
tieren, die Unbefangenheit der ßeobachtuug etwas getrübt wnrde. Ein 
sehr begreiflicher Fehler bei eiuer ersten Eutdeckun;?, deren Verdienst 
eher erhöht als verringert erscheint, wenn sie anderen Anlaß gegeben 
hat sie bericliti^^end weiterzuführen, 

10. Eobert, Studien zur lUas. 1901. 

Der Verf. bat lltichels llesultate au^eiiommen und hier und da 
modifiziert Mit Recht iu hetiLtl der Beinschienen, von denen er 
(8. 44 fi\) nachweist, daß sie btu Uomer, so weit das Matei ial iibtnhaupt 
anfi:egeben ist, aU nieUiUene vorausgesetzt wcr-len. Dagegen scheint 
mir der Vei-such, für den Helm ebenso wie für den Schild bestimmte, 
sich zeitlich klar voneinander abhebende Typen zu erkeunen, nicht ge- 
langten zu sein (8. 47 ff.). Beim Schilde hat Robert die Betrachtung" 
dadurch m dankenswerter Weise erweitert, daß er aus der Art der 
Handhabung, der Form der Parade neue MeiknKile lierleitet; im ein- 
zelucn weicht er darin von seinem Vurg-äuger ab, daß er das Beiwort 
icavt69' li'<nj für unvereinbar mit der langen, wykeiiischen Foi m iiält und 
4esiialb, wo diese durch andere Merkmaie gesichert ist, annimmt, in der 



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Vn. KulturBtafen im Epos; religiöse EotwickelaDg. 103 

rberlieferoDg tei flU«ehlieb für ein nrBprttDgUchei Tcpfuot99« 

oder ^{i^X^tm »^abstltniert** (8. 5). Zu solcher Annthme liegrt doch 
wobl keiDo Kötignng vor. JEttchtl^ Ist ja. daft die Bezeiehnang „naeh 
«llen Seiten gldchm&Oig** auf einen rntiden Solilld besser paOt alt anf 
«inen lüniclicbeu. Daß aber Leute, die den runden fiberhanpt noch 
nicht Icannten, gar nicht auf den Qedanken hätten kommen kdnnen, den 
JäDglieben so xn bezeichnen und damit die sorgfUtige, gleiebmftßige 
Arbeit na rühmen, wird man doch kßnm behaupten können. Boberti 
Bereitwilligkeit, die ÜberUefemng, da wo etwas in ihr nicht recht 
stimmen willj sn korrigieren, macht sich leider nicht bloß an dieser 
ßtelle geltend, sondern dnrcliweg in seiner Untersnchnng, die dadnieh 
«llen festen Boden verloren bat. Kur ein wertvolles Resultat hat er 
festgestellt: daß ?on T an ionische Bewaffnung herrseht. Er folgert 
hierans, daß der echte, altertümliche Schluß der Ilias yerloren sei; viel- 
mehr neigt sich hier besooders dentlich, daß unsere Blas auch in ihrem 
Grundstöcke kein so altertümliches Gedicht ist, wie man bisher meist 
angenommen hat, sondern daß der Plan dasn schon der ionischen Periode 
4er epischen Poesie angehört. Genauer ausgeftthrt sind diese Gedanken 
in dem oben n 21 erwfthnten Änfsatse „Kulturscblchten und sprachUebn 
Schichten in der Bias*^ 

11. E. Roh«le: Ps3che. Seeleiiknlt tind Uiiiterbliciikeitsglunbe 
tJer CJriechen. I'rtibuig- i. Ü. unrl Leipzig 1894 (die erste Hälfte 
gcbon 189Ü HTiRi ei'« bell ). VII, 711 — Zweite verbesserte Auflage 
1898. YU, m nad III, 436 8. 

Na^ der in Blas und Odyasee herrschenden Anschauung sind die 
^^x^w <1* körperlosen Abbilder der ans dem Leben geschiedenen 
Konsdien, s&mtiieh in den Hades gebaunt, dem sie sueOen sobald das 
Ijsbeo den Körper verlftßt. Hier fftbren sie ein schattenhaftes Dasein, 
^.bewußtlos oder höchstens in dftmmemdem Halbbewofltsein, mit halber, 
zirpender Stimme begabt, schwach, gleichgültig", ohne an dem Leben 
der Oberwelt noch irgend welcbeo Anteil zu nehmen nnd ohne daranf 
einzuwirken. Han braucht sich nickt vor ihnen sn fOrchten, man hat 
also anch keine TTrsache ihnen Yerehrnng za erweisen und Opfer dar- 
zubringen. Wenn sich trotzdem bei Homer Beispiele eines Knitas der 
Toten finden, so können diese nur verstanden werden als Überreste 
«iner älteren religiösen Anscbaaung, noch welcher jene körperlosen 
Doppelgänger der menschlichen Leiber nach dem Tode nicht machtlos 
«ijid, nicht alle an einem Orte vereinigt werden, soDdern in der Nähe 
ihres Grabes verweilen nnd von hier ans die noch Lebenden heimsuchen 
öud schädigen können; aus dem Wunsche, sie milde zu stimmen uud 
ihre gei^en&tiscbc Thätigkeit abzuwehreu, sind die ältesten Biäache der 



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104 Beriebt Uber die littentnr «i Homer. 1888-1901. (Cftuer.) 

BeatattnDg and die Totenopfer benrorgegaDgen. Während der Glaube 
■ieb änderte, konnten Geremonien und Formeln fortbestehen; die £r> 
innenug daran konnte, so lange 9ie nicht ^anz erloschen war, vom 
Dichter fQr seine Zweciie nen belebt werden (vgl. Bohde IM8 Anm. 3). 
Bas bedeutendste Rudiment dieaer Art iat bei Homer die Leichenfeier 
des Patroklos. Die Opferung von Tieren nnd Menschen, die Spende 
▼OD Öl und Wein, auch die VeranstaltoDg der Wettspiele am Grabe 
letst voraus, daß der Verstorbene von dem allen einen Genuß hat. 
Um diese Voransaetsang einem üürerkreise, der sonst nichts davon 
weiß, annehmbar zu machen, läßt der Dichter von ^' die Seele dea 
Patioklos dem Freunde im Traum eraeheinen nnd erklären, wie f}=i 
komme daß sie noch nicht im Hades zur Ruhe gelangt tei Qlf 7-2 iT. 
Tgl. 103 ff.). Weitere survivals alten Seelenkultes erkennt Bohde 
(P 22 ff.) ancb in den Vorgängen der gewöhnlichen Totenbestattnn^, 
in der Mitverbrennung der Waffen des £lpenor, in dem Leiehenschmanae» 
in der Vorstellung (I^ 64 f.), daß die Meineidigen unter der Erde von 
den Erinyen besti*aft werden, endlich in der Sitte, den in der Fremde 
Gefallenen beim Abschied dreimal an mfen (t 65 f.), wobei die Annahme 
zu gninde li^ daß er dann mitkommen nnd daheim aein «leerea 
Grabmal* bewohnen werde (1* 65 f.). 

Mit dem älteren Glanben atefat ai in Ehiklang, daß man die Toten 
nnveraehrt beatattet, ihre Gräber magHehtt prächtig ansstattet nod ihnen 
einen Teil ihres irdiaehen Beaitiea mitgiebt; das Verbrennen des Leibes 
hingegen ist geeignet die VoisteUnng zn nnterstfttsen, daß die 8eele 
des Gestorbenen eingegangen sei «in eine nnerreichbare Welt dw Ha* 
Sichtbarkeit*, ana der sie nicht aorackkefarea, von der ans sie nicht 
mehr wirken kann. Nnn war die Beisetanag In roykenischer Zeit 
herrschender Gebrauch, bei Homer iat es die Verbrennang. Darana 
folgert Bohde (8. 80), daß die Absicht, eine «gänzliche Terbaonnog 
def Seele In den Hadea an erreicheo, der Eatstehongagnind des Leichen- 
verbrenneaa* gewesen sei. Den ümschwnng der Anschannngea aber» 
der darin anm Anadrock kam, bringt er (8. 41) In arsächllchen Zn- 
aammeahang mit der allgemeinen Vmwälznng der Verhältnisse nnd 
Zustände des griechischen Volkes, die in der Zeit der großen Wande- 
rungen suttgeftinden hat. Der Stamm, der nach dieser Periode in 
Kleinasien die Vorherrschaft hatte und angleich als Träger der home- 
rischen Poesie dastand, war der loniache. Ihm muß alao eine Denk- 
weise eigen geweaen aein, zu der die •Freiheit von ängstlichem Wahn*» 
die heitere Sinnlichkeit und Oreifbarkeit der QOtrergestalten, der durch- 
aus •ralioaelle* Gbarakter der homerischea Religion stimmte (8. 87 f. 40;. 
Und das tiüft wirklich au; iat es doch der Ionische Stamm gewesen» 
der, hell deakend und durchaus weltlich gerichtet, »In späteren Jahr- 



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TU. Knltontttfen im Bpoi; religiöse Bntvlclieloiig. 105 

hmideTtoii die Natnrwisteiiscbaft nnd Philosophie *erfand\ wie man hier 
einniftl lagen darf^ (8. 44). — Wahrend Rohde dieRe VorMiiisiuig«D, 
die im Cliarakter nnd der Geisteeart des Volkes gelegen waren, ein* 
gehend wQrdigt, ghuibt er doch, daß die Gestaltung solcher fileneotft 
sn dem BOde der bomeriaoheD QMterweit das Werls eines einslgeii 
groBen Dichters sei. Von ihm aageordnet sei die deotUch erkennbar« 
Panllele iwiseben dam »Olymp alt TersammlDiigBort aller im Lichte 
waltenden Götter* nnd dem •Reiche dea Hades, daa alle ansichtbaren 
Geister, die ans den Leben geschieden sind, nmfaOt* (S. 89 f.); er 
habe durch die Gewalt seines Geistes die Biehtnng nnd den Sinn an* 
gegeben für die weitere Entwickelnng der epischen Poesie, die darin 
bestand, dafi »ein fester Verband von Heistern nnd Sehttlem* das Werk 
des ersten Schöpfers ^bewehrte, verbreitete, fortfBhrte nnd nachahmte* 
(8. 38). 

Einer dieser Fortsetaer war der Verfasser der Nekyla, Rohda 
betraehtet ea als gesichert, daß sie »im Zasammenhang der Odjvee 
ntsprOngUch nicht vorhanden war". Den ,Kem des Gedlehts** Ülden 
die „GesprAche des Odysseas mit seiner Motter nnd mit den alten 
Krtag^geikhrten"; das Heroinen- Verseiehnis, die Srseheinnngsa Im 
Erebos sind spatere Znthat Den Helden, «der nnn schon so laoge 
fem von den Reichen der thitigen Henschheit einsam nmirrt, in geistige 
Verbindnog mit den Kreisen der Wirklichkeit zvl bringen, sn denen 
seioe Gedanken streben, in denen er einst selbst wirksam gewesen ist 
nnd bald wieder kraftvoll thfttig sein wird'*: dies war der Zweck des 
Dichters (I* 51). Um Ihn sn erreichen, hat er sich aweier HfUfemitlel 
bedient: die Befragung des Teireslas — die an sich nnsötig ist, weil 
nachher Kirke dieselbe Ansknnft ansföhrlicher erteilt, — bietet den 
Vorwand, nm den Odyssens In die Unterwelt hiaabmAhren; nnd dnrch 
die Erfindung des Blnttrinkens der Schatten Ist bewirlit, daß innerhalb 
der homerischen Anschannng voo dem bewnßtlosen, teilnahmlosen Dasein 
der ttBwXot doch ein Verkehr des lebenden tfenschen mit den Verr 
storhenen irgendade denkbar erscheint. Die Elemente sn dieser Fiktion 
bat der Dichter sei es ana ilterer Sagendichtung (8. 64) sei es ans 
Irgendwo in Grieebeoland erhaltenen altertttnüiehen Formen der Be* 
schwömng (8. 57) genommen. Was er daraus gemacht hat, ist ihm 
nur Mittel anm Zweck, das er desbslb fallen Mt sobald es seinen 
Dienst gethan hat So wird das Blottriaken nur Im Anfsog beschrlebeii» 
bei Teireslas nnd Antikleia, anletzt noch erwllhnt bei Agamemnon (X 890); 
es Immer aufs neue hervoranheben wttrde pedantisch gewesen sein. 
Vollends hat daran nicht gedacht der Verfosser der aweiten Nekyia, 
In », der llbrigens den Sinn nnd Zweck der nrsprfiDglichen in X, „die 
Abenteuer des Odyssens In den lebendigen Zusammenhang aller von 



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106 Bericht über dio Litteratar lu Homer. 1 888- 1901. (C«aer.) 

Troja au8;;eheDdeD Abenteuer" einznreilien , „richtig erfaßt hat und 
(freiUck selir ungeschickt) zu fördern veFBacht" (S ^>^). — £iae wirkliche 
Inkonaeqnenz inncrlialb der Hades-Dichtnag des X lieg:t nnr darin, daß 
Odysseus dem Teiresias und allen Toten für den Fall, daß er t'lücklich 
nach Hause komme, ein Opfer gelobt (x 521 ff. X 29 ff.). Denn dies 
hat einen Sinn bloß unter der Voraussetzung, daß die Seelen nicht in den 
Hades gebannt sind« sondern „den Opfernden sich nahen, am Opfersich 
laben können so gut wie die Götter*. Zusammen mit Q 592 ff. deatet 
dieser Zug darauf bin, daß „mu h zu der Zeit der Herrschaft des bome« 
rischen Glaubens an völlige Nichtigkeit der Hlr ewig abgeschiedenen 
Seelen die Darbringnng von Totenopfern lange nach der Bestattung 
(wenigstens anßerordentlicber, wenn auch nicht regelmftßig wiederholter) 
uicbt gasn in Vergessenheit geraten war*' (I* 58 f.). 

So weit Robdes Gedanken. Was etwa an Einweadaogen dagegen 
und Bedenken geltend so machen ist, wird sich am besten an die Be- 
sprechung der AofBfttse anschließen lassen, in denen er sich mit Eduard 
Veyers und mefner Kritik anseinandersetzt, deren erster an die Be- 
bandinng des Q^geostandes im zweiten Bande von Meyers Qescbichte 
des Altertums (1893) anknüpft. Dabei werdoi sogleich seine Aos- 
fftbrongen über die Jüngeren Partien der Nekyia ond seine Gesamt* 
anschanong vom Wesen der homerischen Poesie berührt werden, 

13. E. Bohde, Paralipomena. Rhein, llos. 50 (1895) 8. 1—30 
(hier in betracht kommend 99 ff.). 

13. P. (hiiier, Qrondfrageu der Homerkritik (1895) S. 205-2'2ü. 

11. K Meyer, Der Ursprung des Odysseu^mythas. l\\t einem 
AuhaiJg Uber Totcudienst nnd üeroeukult. Eermcä 30 (lb95) S. 2il 
—288. 

15. Rohda. Kekyia. Rhein. Mos. 50 (ISdd) S. 600-636. 

Ednard Msjer findet „keine tiefe Xlnft zwischen der homerischen 
Anschannng van der Wesenlosigkeit der Geister im Totenreicfa und 
dem Glaaben der mykenischen Zeit** (Herrn. 30, 877). Gmbbaaten 
nnd Toteoknlt seien kein Beweb dafür, daß man die Seelen der Ver- 
storbenen wie Gespenster gefürchtet habe; nnr Freude habe man ihnen 
bereiten, ihnen eine ertfSgliche Esistens verschaffen, nicht sich vor 
ihnen sehfitseo wollen. Immer sich selbst hmten die regierenden Hemcher, 
im alten Griechenland so got wie in Ägypten, die monnmentalen Gräber 
errichtet, nm naeh dem Tode eine würdige Bnheetitte sn haben (8. 979). 
Überhaupt sei der Vergleich mit Ägypten lehrrei^: dort habe ein 
peüilich geordneter, hOehst kostspieliger Totenknlt gleiohieitig bestunden 
mit dem Glanben, daß „der Tote an sich ein kraft- und Arendloses 
Wesen sei, das eine Jammervolle, von Schrecknissen aller Art bedrohte 



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VIL KnltnntufeD im Epoi; FeligiSte £ntwickelnDg. 107 

Existens ftlhreii wQide, wenn es nicht golllDi^e ihn dnreh Zauberformeln 
dagegen sn sichern, dnreb Opfer sn erquicken*' (S. 276). Allgemein 
warnt Eduard Xeyer (S. S81 1) vor der vergleichenden Ethnologie, 
somal anf religionsgeBchichtliehem Gebiete, weil lie die Gefahr enthatte, 
dass „einzelne Seiten der religiOeen Anachannngen der Naturvölker ein- 
seitig herenagehoben nnd falsch systematiaiert* werden, Dem gegen- 
fiber behUt doch Rhode recht (Bh. Ens. 50 6. 25 f.), daß die Yer^ 
gleiehnnf( mit den Sitten eines hoch entwiekdten Knltnrvolkea wie des 
ägyptischen nicht geeignet ist AnfscUnB darilber an geben, ans waa 
für Anscbannngen der mykeoisehe Seelenknlt entsprungen sei. «Ver* 
etindigerweise,* so fügt er Qbenengend hiosn. „benntzt man an Ver* 
gleichnngen nnd darauf gebauten AnalogiesehlüSBen nur die Glaubenü- 
meionngen und Knlfsitten solcher Völkenehaften, die in den Anflogen 
religiöser Entwiekclung hängen geblieben sind, nnd ans dem Qlauben 
und Eranch civilisierter Völker nur die auch in ihnen nligende fehlenden 
Überreste eines primitiven, wnmelhaft nrsprilnglichen Beligionsznstaodes.* 
Bleibt somit die Grundlage von Bohdes Unterscheidung des Uteren 
nnd des Jüngeren Seelenglaubens bei Homer uoersehftttert, so ist im 
besonderen seine Analyse der Nekyia durch die genauere Ausführung 
In dem sweiten der vorgenannten Anfsitie noch wesentlich befestigt 
vrorden. Er erinnert daran (S. 608), was mir bei Abfassung meiner 
„Grundfragen** nicht hätte entgehen sollen, daO X 390 die Lesart itctl 
icisv atj&a xtXatv^v gesichert Ist« well dM Scholien, das auf eine andere 
bemg nimmt, in Wahrheit cu Vers 615 gehört Damit fällt der äußere 
Grund weg, die Gespräche mit Agamemnon nnd Achill von dem mit 
der Kutter m trennen; in ihrem Inneren Charakter aber sind sie wirklich 
gleich, feinere Unterschiede durch die Eigenart der Personen bestimmt 
<S. 605—611). Oh es unter diesen Umständen notwendig Ist, das Inter- 
loeizo bei den Phäaken (X 388—384) als nachträglich eingeschoben 
aniusehen (S. 628 f.), eb ea nicht doch von dem Urheber dieser ältesten 
Gesprächscenen mit erfanden sehi könnte, möchte loh noch unentschieden 
Issoen. ÜberMugt hat mich Bohde auch davon, daß Teireslsa mit seinem 
Orakel nur eingeführt ist, um einen Anlaß tu bieten, der den Odysseus 
in die Unterwelt bringt, und zwar eingefügt In einer Zeit, als In dem 
Gänsen der Odysneaslieder die Prophezeiung der Kirke schon vor^ 
banden war (S. 601—603). — In bezug auf den Frauenkatalog (X 325 
—327) will Bohde die von Wüamowitz begründete Ansicht, daß darin 
Kospui und N69T«t benutzt seien, nicht gelten lassen (S. 6fil f.); die 
Quellea dieses Stückes, saf^t er, „liegen in älterer epischer Dichtung, 
aber nicht in dmi ausgebildeten Gedichten des Qydns oder des Corpus 
Hesiodeum**. Hier scheint mir Meyers Widerspruch (Horm. 30 8. 351) 
einigermaßen begründet So wenig die Bestimmtheit berecbt^ ist, mit 



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108 Bericht über die Litteiatur in Homer. 1888—1901. (Caaer.) 

der Wilamowitz and er behaupten, daß hier gerade dieae abgeschlossenen 
Epen, deren Titel anf ans gekommeo eiod, benutzt seien, so wenig hat 
Rohde bewiesen daß dies nicht geschehen lei. Wichtig ist das, worin 
beide fibereinstimmen: daß hier Absenker von denjenigen Zweigen der 
epischen Poesie «i erkennen sind , deren reife Früchte im Kyklos nnd 
bei Heslod ▼orliegen. — Die Erscheinungen im Erebos hält auch Rohde 
ffir interpoliert, lehnt aber für die drei Büßer den von Wilamowits 
behaapteten „orphischen** Charakter ab (50 S. 627 ff.), hierin mit Milch- 
hoefer zosammentreffend, der in seinem Aufsatz «^Orphisch-Unterwelt- 
liehes** (Philol. bS [1894] 8. 898 ffl) jener Hypothese auch ihren arehfto- 
logisch«! Anhalt entzogen hat. Bohde «eist namentlich darauf hin« 
daß In d«n, was der Dichter von Tityos, Tantaloe nnd Siifyphos erzählt, 
ein ethisch^religiOses Element, eine Beziehung anf ein |,allgenieingfHtlgea 
Sittengesetz, dessen Yerletznng noch im Jenseits bestraft werde'% nicht 
enthalten seL 

Ein paar dnnkle Fonkte bleiben doch noch in dem Bilde, das er 
▼on der allmählichen Entstehung des Bnches X giebt: was Antikleia 
Yon den Zuständen auf Ithaka erzählt, paßt nicht aufe beste zu der in 
unserer Odyssee herrschenden Situation; nnd in der Bede des Tehresias 
sind die Yerse, in denen äber eine spätere Versöhnung des lleergotte» 
Vorschriften gegeben werden (X 121—187), als Interpolation, woflh* sie 
Bohde halten muß (Rh. Kus. 620 f.), deshalb schwer zu erklären, weil 
niemand zu sagen weiß, was zu einer solchen Interpolation Anlaß ge- 
geben haben kOnne. Kit Einspruch und Bedenken au diesen Stellen 
hat Ed. Meyer wieder recht (Herrn. 247. 'S55 f.)« 
Art, wie er nun selber gerade von dem dunkelsten Punkte aus den 
gansen Aufban nicht bloß der Kekyia sondern der Odyssee Oberhaupt 
anftmheDen unternimmt. In dem Berichte der Antikleia sieht er die 
Spur einer älteren Gestalt der Odysseus-Dichtung, in der es Bedrängnis 
durch die Freier nnd Freiermord noch nicht gab (Herrn. 256 f.). Und 
die Anwelsong des Telresias, daß der heimgekehrte Held zu Bewohnern 
des Binnenlandes gehen und dort dem Poseidon opfern solle, bringt er 
(8. 263) In Verbindung mit der Überlieferung, daß an zwei Stellen In 
Arkadien, also in einem von der See gänzlich abgeschiedenen Lende, 
Poseidon verehrt worden sei nnd daß gerade Odyssens seinen Eultna 
eingeftthrt, die HeOigtämer In Pheneos und auf dem Berge Boreion bei 
Asea gegrfindet habe. Dieae Kachrichten sind bei Pausanias erhalten 
und zuerst von Svoronos dahin verwertet worden, daß Arkadien das 
Land sei, d as Odyssens nach Tötung der Freier aufgesucht habe*)* 

') Jfan N. Svoronos, Ulysse che» les Arcadiena et la Telegoaie 
d*Ragamroon, a propos des types mon^taires de la ville de Hantinee (Gasette 
archöoL Uli [1888] p. 257- 280; a« besonden p. 276). 



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VII. Kulturätufen im £pos; religiöse Kutwickelung. 109 



lleyer modifliiffit diese Aniidit, indem er den Betaeh in ArltadleD for 
die H^ltelir nedi lihtki verlegt (9. ^7); dann aber tißt er aneh 
diese Vereion, vie sie in dem alten Nelcjia*Epo8 gewesen sei. nleht als 
tirspronglielie bestehen, teodern geht nodi weiter rarUdc ni der An- 
nahme, daß Arkadien, wohin ja aneh Penelope als Matter des Gottea 
Fan geredet H 145) gehöre, die eigentliehe Hteat deo Helden sei 
(Herrn. 264 ). „Odyssens** sei im Gmnde nnr ein Beiname des Po- 
seidon, dieser ein Katnrgott, der aO^rlieh in die Gewalt der Todes- 
mächte gerät und wieder befreit wird. Ein Ansdmclc Uerfftr sei die 
Eadesfabrt, ein anderer der Anfenthalt bei der Zanberin Kirke; nach 
«ioer dritten Version halte ihn Kalypso, die Terhüllerin — „eine Va- 
riaate der TotealKÖnigin'* — sieben Jahre lang gefangen; und zum 
vierten Uale kehre derselbe Hythns wieder in der Vorstellaug, daß 
«.Odysseus zu den Phftaken, den *granen Männern* entrückt Ist, die 
ihn in geheimnisToller Fahrt schlafend in die Heimat snrftckfihren** 
(vgl. 8. 273). 

Die Hypothese, daß es früher einmal eine Form von Odyssee 
ohne Freiermord doch mit Nekyia gegeben habe, hängt mit den Ent- 
deckungen zusammen, die Niese, Wilamowitz and Seeck gemacht za haben 
glanben, und für deren Widerlegung es hier genügt auf Grnndfr. 300 ff. 
zn verweisen. Dort ist auch (8. 298 f.) gezeigt, wie Autikleias Be- 
schreibung der Verhältnisse auf Ithaka, die uns auf den ersten Blick 
befremdet, sieb aus poetischer Absicht wühl t^rklärcu laUt; ciut; L^r- 
gänzung dazu bietet Kiiode (Rh. Mus. 613). Mag die Deutung noch 
nicht vollkonimeu gelungen sein, jedenfalls steht dieser AbscLüitt nicht, 
wie Meyer behauptet, „im schärfsten Widerspruch zu der gesamten 
übrigen Odyssee". — Über den „8ommergotr' Odytkjeus, den Moyer 
ebeufallä von Wihmiowitz übernommen bat, ist von Rhode bitter ge- 
spottet worden; das will ich nicht wiederholen, nur die wichtigsten 
sachlichen Bedeukoii andeuten. Bei den urkadischcn 8pureü eines durch 
Odysseiiä beg:ründeten Poseiduii-Kuites müLte man doch vor allem unter- 
suchen, wie alt sie sind. Den Gedanken, daiJ solcher Kult erst unter 
dem Einflüsse des auch uns bekannten Epos «ntäUudeu sei, lehnt Meyer 
(S. 264) ohne Beweis ab. Die von Svoronos mitgeteilten Manzen von 
Uantinca zeigen den Helden mit dem fiuder auf der Schulter; in der 
hier zu gründe liegenden Vorstellung war also Poseidon schou der 
Meergott: als solcher ist er denmadi in Arkadien eingeführt, nicht als 
einheimischer Natnrgott bewahrt. Die Fntstehnng dieses Typus setzt 
Svoroßoa (p. 279) in Übereirstimmuug mit Weil in die Zeit des Wieder- 
aufbaus der btadt Mantinea, 370 v. Chr. Wäre es nicht denkbar, daß 
die Arkader, in einer Zeit wo ihre Macht und ihr Wohlstand durch 
Epamiuondos Erfolge emporgtieg, sich werngstene in der Idee einen 



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110 Beriebt Über die Litterator tu Homer. 1888-1901. (Caner.) 

Anteil am Meere sichern wollten, von dem abgeeclmitten zn sein sie 
alft echweren Naehteil erkannt liatten? Mir scheint aoiche Entwickelnngr 
glanbllcher an »ein als die von Heyer angenommene, bei der man nicht 
siebt nnd aneh von ihm keinerlei Anfkilirnng darüber erfafilt, wie der 
ländliche Natnrgott anfb Wasser gekommen nnd znm Herrscher des 
Meeres geworden sein soll. — Sollten aber wirklich die k&hnen Kom* 
binationen Ober die nraprüngUcbe Natnr nnd Heimat des Odyssens daa 
Richtige tteffen. so wttrde sich daraus fQr die Analyse nnseres Epos 
doch gar nichts ergeben. Meyer selbst weist darauf hin, „wie fem 
auch schon alte Odyssensgediehte den Wurzeln der Sage stehen'^ 
(Heim. 265; ähnlich 371). Was hilft es fttr das Verständnis des 
NibelnngenUedes, wenn man sich vorstellt, Hagen sei der Winter, der in 
Siegfried die sonnige Jahreszeit vernichte? So liegt anch zwischen Homer 
nnd den alten Natnrmythen der Griechen ein weiter Zwischenraum, voll 
reicher Entwickelnng und mannigfaltiger Umbildung, der nna mahnen 
sollte, daO wir nicht die schattenhaften Züge eines vermuteten Mythus 
unmittelbar als Merkmale benutzen, um danach Schichten nnd Fugen 
im Epos zu erkennen. 

Trotz alledem enthält auch hier der Irrtum ein Moment der 
Wahrheit. Es Ist doch kaum zu glauben, was Bhodes Meinung sn sein 
scheint, daß Odyssens* Besnch im Hades gleich zuerst bloß zu dem 
Zwecke erfnnden worden sei, ihn mit verstorbenen Freunden Gespräche 
von durchaus oberweltlichem Inhalt fähren an lassen. Dieser Nekyia 
müssen ältere Hades-Dichtungen vorausgegangen sein, die den Helden 
mit den finsteren Mächten selber in Berähmng brachten; und eine Er- 
innerung daran mag in der Befhtgnng des Teiresias wie in dem Ver- 
sprechen eines daheim sn bringenden Totenopfera enlhalten sein. Bohde 
sieht f% so an, als habe der Dichter hier selbst aus einem zu seiner 
Zeit noch bestehenden Branche geschöpft (Psyche * 68 f. ; vgl. oben S. 106). 
Aber wozu sollte er etwas efaigefiigt haben, was lär seine Darstellung 
gar keine Bedeutung hatte? Viel eher kann man seine Absicht ver- 
stehen, wenn man annimmt, daß dienr Zog ihm schon in poetischer 
Gestaltung vorlag und gewissermaßen zur Ausstattung eines Hades-Be- 
suches gehörte, so daß er bei einer Kendichtnng nnwiUkttrlieh festge- 
halten wurde. Dasselbe gilt von der Befragung des Sehers, die Ar 
einen ernsteren Zweck erfnnden sein und wlederiiolt ihm gedient haben 
nuß, ehe ein Erzähler auf den Gedanken kommen konnte, sie als Vor- 
wand zn benntaen, um Odyssens mit Mutter und f^wnnden noch einmal 
sasammensubringen. Und daß er hierza ttberhaapt den Plan faßte, läßt 
Bich wohl nur so erklären, daß die Ventellnng von dem unterirdMsa 
Beiohe, weil sie äfter in Gedichten beschrieben worden war. etwas von 
ihrem oDheimlichen Oharakter yerloren hatte. Auf gleiche Weise an 



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VII. KoltuntafeD im Epos; roUgioäe EntwickeluDg. l\t 



bettrteflen ist die an stell immerhrn auffalleDde Bneheloang, daß Bei- 
spiele der „Repristioatioii'* eiaes aUeren Olaabenazustandes (vgl. Bli. 
Hns. 50, 610) sieh g:erade io swei so jaogen OssftDgeo der Uiaa wie W imd Q 
(592 ff.) flndeo. Auch hier kann der Dichter das, was er bietet, nidit 
aas der Welt die ihn omgab, er nmO es ans Uterer Poesie geoommen 
haben. 

Ähnlich wio der Erfinder der Totengespräcbe des Odyssens za 
älteren Hades-Gedichten, steht Homer, wie ihn Rohde sich denkt, za 
derjenigen epischen Poesie, die es vor ihm gab ; und aneh hier verdient 
dieses Verhältnis deutlicher auerkanot and stärker herrorgehobra tn 
werden, als von dem Verfasser der „Psyche" geschehen ist (1^ 13. 54). 
Er macht den Dicliter, der den Plan fUr liias und Otlyssee vorgezeichnet 
habe, in cinein lonier (P 38 f.); mit vollem Utclite. Denn ionisch ist 
doch der Hauptcharakter des K]i08. wie sich ans fortgesetzter JL>urch- 
forscbunt? d« s Dialektes, des Kultui staiides, der Sa^jeiiuT-^^ehichte immer 
lestiiiiüiJt;!' ergiebt. Dieser Dichter luui) dann aber alles das Fehon 
vor«?pfui)den haben, was äoliscbe Sauger (iefjchaffen hatten: den Versbau 
luul dm ausgebildete Sprache, eine Füiie nicht iiUr vuu l'oi mein und 
stehenden Bei Wörtern, «ondern auch von ausgeführten Bildern, lebendige 
Schilderungen von Vorgängen in der Natur, von Zustünden und Hand- 
lungen der Menschen, und in dem Gewände dieser vollendeleii Kunst 
bereits die Geschichte bestimmter Hehlen un<i Heldengeschlechter; auch 
die olympische Gotterweit wai ihm etwas Gegebeues. Andrerseits ist 
nun sein eigenes Werk später durch viele Zusätze und Eindichtnngen 
— wie eben unsere Kekyia — erweitert worden, die dann selber aufs 
neue mannigfaltige Erweiterung and Umbildang erfuhren. Was bleibt 
nun in der Mitte bestehen? Immer noch genug, um einen schiSpferischen 
Geist zu ahnen und zu bewuudern, aber sicher nicht so viel, daß wii' 
sagen könnten: hier haben wir ihn selbst, Horner. 

16. W. Helhig, Za den homerischen BeatattnogeKebrllacben. 
Sitanngsber. der philos.'philol. nnd histor. Klasse der Kgl. Bayer. 
Akad. der Wissensehaften. 1900, S. 199—279. 

Der Verf. sncht die Wandlungen, die dm Verfahren der Toten- 
bestatttjng bei den Griechen durchgemacht hat, in der Weise zu er- 
kennen und anschanlieli zu machen, daß er die hunu iischen Nachrichten 
aus den GräbertuiKlm und diese wieder ans jenen erklärt. Bei <-n 
sachgemäßem Vorgehen kann es natürlich an 1 m L'ebnisseu nicht fehlen, 
die sich im wesentlichen als weitere und genauere Auslfihmng dessen, 
was Erwin Rhode gelunden liat, darstellen. Zum ersten Mal, scheint 
es, ist hier der Gedanke ausgesprochen, daß in der iiewohnheil, mit 
den Toten zusammen Krüge mit Hoiug zn vcrbreimeD, eine Erinneruug 



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112 Beiicht ftber di« LiUeiatar ta Uomor. 18S8— 1901. (Cftuer.) 

an ißUk ftltoren Qebnuich erhalten sei, nach welchem die beigcsetcten 
Leiehen durch UmhUlong mit Honig gegen Lnfl und Feachtigkelt nnd 
damit gegen Yerwerang geschtttst wurden (8. SS8. 324). Nicht ganz 
beiiümmen kann ich auch hier der Art, wie Heibig ältere nnd jüngere 
Saemente bei Homer anf Äoler und lonier Terteüt Im Epoe herrscht 
Verbreonang, durch die man die Seelen der Toten von jeder Einwirkung 
auf die Lebenden abcuichUeßen nnd als wesenlose Schatten in den Hades 
SU bannen mefait. Wenn sich damit Termischt Zflge des früheren Oe- 
brauches der Beisetzung und des ihm zu gründe li^nden Glaubens an 
«ine fortwirkende Macht der Toten fladen, so liegt es doch am n&ehsten, 
die tUtere, ernstere Ansebanung dem ielischen Stamme, die jüngere, 
der ungestSi-tea Lebeosfreude dienende, dem ionischen zuzuweisen. Der 
Terf. thut das aber nicht, sondern meint, daß der Übergang von der 
einen znr anderen schon bei den Äolem und in der üdiseben Periode 
epischer Poesie stattgefunden habe (S. 854). Dies hängt damit zusammen, 
daß er innerhalb unserer lUaa noch anslOsbare Stücke äolischer Dichtung 
zu erkennen glaubt und ihnen den ersten Teil von ^ znreehnet, wo die 
Bestattung des Patroklos und das Traumgespräch des Verstorbenen mit 
Achill enäblt wird (S. 838). Daraus ergiebt sich nun aber eine Schwierig- 
keit für die wichtigen Verse V 99—107, in denen der alte Qlanbe, 
daß die Ahgeichiedenen in greifbarer Qeitalt auf die Oberwelt zurück- 
kehren können, ausdrücklich und mit erkennbar belehrender Absicht des 
Dichters abgelehnt wird. Heibig, der richtig erkannt hat, daß diese 
Vmne nur einen lonier zum Verfiuser haben künnen, ist genötigt sie 
als Interpolation soszuwerfen und an ihrem Platze einen anderen Ver- 
lauf der Soene durch Vermutung herzostellen (8. 888). Auch hier 
ordnet und begreilt sich alles viel einfacher, wenn wir auf die Hoffhong 
Tersichten, noch ganze , In sich abgeschlossene Stücke äolischer Poesie 
aus dem Texte der lUas ansznsondem, Tidmehr annehmen, daß auch 
diQjenlgeii Partien, in denen die ältesten Gebräuche und Anschauungen 
zu Tage liegen, doch schon von loniern gedichtet sind. Ein solcher 
hat in V Iderliche Begehungen und Ehrungen des Toten beschrieben, 
die auf dem Boden efaiea älteren« ihm f^remden Glanbens erwaehsen, aber 
nMit mit diesem Glauben ungleich veilassen worden waren, sondern, 
wufon Heibig andere Beis^ele genng anführt, noch fortgeübt — und 
wohl aueh in Liedern besebrieben — wurden, ohne daß man ihren 
Sinn recht verstand. In der Brsählung die;es loniers sind nun ältere 
und jüngere Züge ganz naturgemäß, nicht duieh Interpolath», ver- 
miaeht; und wir können uns nicht wundern, wenn aelna eigene, moderne 
und freisinnige Theoito, Über die er uns sulklärt, zu den übMlIeferten 
Autoren Gebränehen, die er schildert, nicht ganz stimmt 



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YU. Kulturstufen im Epos; religiöse Bntwickelonga HS 

17. Fehle isen, Zur Odyssee. Progi*. öcliwäbisch • Hall 1894. 
14 S. in 4. 

Der Verf. glaubt, daß in X ,,die Scenen mit Teiresias. mit der 
Mutter und den troischen lielJeii gleichwertige ureprüngliche Bestand» 
teile sind, daU das Biattrinketi, das in der Teiresias- and Antikleiascene 
eine Holle spielt, erst später hereingekommen ist, und daß das Blut 
lediglich einen Teil des Opfers bildet wie der Honig, Wein u. a." Der 
Begründuug dieser Ansicht ist die vorliegende Arbeit gewidmet, und 
dabei werden natürlich Elemente der Rohdeschen Forschung vielfach 
\crwertet. Doch mit einem wichtigen Unterschiede. Nach Kobde ist 
die Annahme, daß die Bewußtlosigkeit der Schatten durch das Trinken 
Irischen Blutes unterbrochen werdeu könne, eine Fiktion eben des 
Trichters , der den Odysseus in der Unterwelt mit seiner Mutter uod 
mit den alten Kriegsgefährten in Verkehr bringen wollte; aber nicht 
eine frei geschaffene Fiktion, sondern eine solche, in der Überreste ur* 
alten Volksglaubens erneuert wurden. Fehleisen dagegen glaubt, daß 
jene Voistellung dem ursprünglichen Gedichte fremd gewesen, erst in 
dem späteren Heroinen-Katalog (225 ff.) zu Tage getreten und „von dort 
aus zu Unrecht in die Scene mit Teiresias, der Mutter und Agamemnou 
übertragen worden'' sei (S. 5). Echt und altertümlich sei nur so viel, 
daß die Seelen, „so lange sie in der Kähe des [blutenden] Opfers weilen*% 
sich davon erquickt fühlen und volles Bewußtsein und Stimme wieder 
erhalten; nicht das Trinken des Blutes, sondern die Nähe desselbea 
<daher at}jLaTo; Tfiev x 537. X 50. 89) sei das Entscheidende. -~ 

Kein glücklicher Versuch, durch Abschwächung sa vermitteln. Jedes 
Opfer beruht doch uf der Anschauung, daß das Geopferte dem Empfänger 
einen unmittelbareo sinnlichen Genuß bereite. Sollte also wirklich — 
wozQ die beetiumten i^^rwäbnungen X 96. 98. 153 erst wcggestiichea 
werden müssen — innerhalb der homerischen Nekyia die ältere Vor- 
stellung die sein, daß die bloße Nähe des Blutes belebend wirke, so 
würde diese Vorstellung ja nur erklärbar sein als Überrest einer noch 
liltereD, in welcher das wirkliche Trinkeu des Blutes seinen Platz noch 
behauptete. Und da wäre es dock höchst seltsam, wenn der späte 
Dichter de» Hii oiueii-Kataloges, indem or (nach Fehleisen) einen in der 
ichten Nekyia überlieferten milderen Zug vergröberte, es so getroffen 
Ijiiitc, daß er, ohne es zu wissen, die uralte sinnliche Anschauung, die 
darin in veiblaßter Gestalt erhalten war, wieder sn voller Fiiiche 
«rweckte. 

18. U. Haas (Pfarrer in Tokio), Der Zog zum Monotheismut 
in den homerischen Epen und in den Dichtungen des Hesiod, Pindar 
nndÄschylns. Archiv für Beligionswissenschaft Ui (1900) 8. 52—78. 
J«hre«b«rlclit mr AltertttiDBwbMnieiiaft. Bd. Gill. (18QB. I.) 8 



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114 Bericht über die Litteratar zu Homer. 1888-1901. (Cauer.) 

Der größte Teil dieses ersten Artikels besebuftigt sich mit Honer. 
Der Verf. seigt, Wie in dem Hervortreten von Gh'appen beronngler 
OMter (at 7ocp, Zt5 t« «tfttp xaX *Afti)va(i) xal'AmXXov), in Zens* Maclit- 
stellnng und verwandtscliAflUehen Besieliattgen, in dem Wiricen der Motjp« 
sich Aositse sn monofheistiiehen Vorstellnngen verraten, ßei Hesiod 
glanbt er einen Fortschritt nach dieser Seite hin sn erkennen, fahrend 
er anf die Behandlung der Aufgabe, die uns hier vomigsweise inter- 
essieren würde, in den Schichten der homerischen Epen selber — nach 
Bohdes Vorgang — elnie Entwickelung des religiOeen Denkens zu ent- 
decken, ansdrScklich verzichtet. 

19. W. Schwarz, Nachklänge pi-äbistorischen Volksgiaubeas im 
Homer. Berlin (Oswald Seebagen) 1894. 52 . fi. 

' Die interessante kleine Schrift bespricht eine Beihe von Einzel- 
heiteo, die man zunicbst geneigt ist als zuAUige Zuge einer individoell 
ausgestiltenden dichterischen Phantasie aasuseheo, die hier aber im 
Zusammenhang verwandter Vorkommnisse bei anderen Völkern als Reste 
eüies llteren nationalen Glaubens erseheinen. Ffir lebendigere Erfassung 
dessen, was Homer schildert, wird dabei manches, wenn auch natürlich 
von problematischer Art, gewonnen, so die ZurQckf&hrang der Nekyia. 
auf eine Art von prähistorischem Yampyrglauben. Dia kritische Ana- 
lyse des Epos aber vermag von dem allen keinen Gebranch zu macheo, 
weil, vdö der Verf. selbst hervorhebt (S. 4), die äuBere Gestalt der 
Q5tter bei Homer schon fertig ist, also nicht erst wfthrend der Ent- 
wickelnngszeit der epischen Poesie znm Abschloß kommt. 

20. B>.Diederieh, Qnoroodo dei ia Homeri Odyssea cum homi- ' 
nibns commoreiam faciant. Dias, iaaag. Kiel 1894. 87 8. 

In dieser durch mich angeregten Dissertatldn ist der Versuch 
gemacht, in der verschiedenen Art des Auftretens der GOtter unter 
Uenschen eine &twickelung vom Ursprünglichen zu Übertragenem und ' 
Nachgbmachtem zu erkennen und so wieder ein nenes Meriimal flürdaa 
Alter der verschiedenen Partien zu gewinnen. Der Verf. hat den Er- 
folg seiner Arbeit dadurch beeintrilchtigt, daH er — eben«o wie EMai'dt 
beim Auflachen historischer Abntnfoo]^, Robert bei der Feststellnnr 
von Knlttirschichten und sprachlichen Schichten, nnd wie mancher andere- 
bei UAdichen Ahijgaben — die Untersuchung nicht streng fttr sich 
gehaltcfh', sondern in sie Argumente, die vOn der Betrachtung des Libaltes 
und von der Eompcaitionskritik hergenommen waren , von Anfang an 
eingemÜlAhf < hat. ' 

Voraussetzung bei diesem ganzen Vorgehen war die durch Ter* 
gleichung mit Vergil gewonnene Ansiebt (Grondfr. 8. 322 (l.), daO daa 



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VII. Kttltiurttiifeii im £p08; religiöse Batwiekelang. 



115 



Erscheinen der Götter in einer bestimmten menschlicheii Gestalt auch 
innerhalb drs prifchischen Epos das EchtP nnd Alte sei und daii erst, 
nachdem bei den Dichtern die Gewohnlieit befestigt war Götter mit 
Menschen verkehren zu lassen, einer nnd iler andere von ihnen, dessen 
Phantasie mimler lebhaft und auf das Anschauliche perichtf^t war, 
darauf habe gferaten können, einen Gott »inter Meeschen auftreten zn 
lassen, ohoe daß dem Hörer {^f^sairt wurde wie er ihn sich vnrstelli^n 
solle. Seitdem ist dieser Punkt von anderen in stark abweiohendera, 
ja in entgegengesetztem Sinne erörtert worden. Polak — in der weiter- 
hin (VIII, 8) zu besprechenden Abhandlnnf? S. 380 — giebt zn, daß 
in der freien Handhabung der Göttervrelt bei Homer sich der leichte 
Sinn des ionischen Stammes verraten mftge, meint aber, daß „das ganz 
nnverbfillte Verkehren der Gottheit mit den begnadigten Sterblichen, 
beinahe auf dem FoOe von Gleichheit, gerade ein Zeichen von primi- 
tiver Anschanung" sei. Ähnlich ftnßert sich Robert, Studien zur Hias, 
8. 353, indem er es für die Urilias charakteristisch findet, daü „der 
persönliche Verkehr der Götter mit den Menschen als etwas ganz 
Gewöhnliches nnd Natürliches aufgefaßt" werde. In dieselbe Richtung 
sebeint ein Gedanke von Wilamowitz zu weisen, in seiner Kinleitung 
zur Orestie (Griech. Tragödien II [1901] S. 16): «die homerische Poesie 
hat den Göttern die meoacUliche Gestalt und demgemäß wenigstens 
meosclUiches Fühlen gegeben, während in den tieferen Schichten des 
ionischen Volkes nnd im ganzen Mntterlande von Heliai die Ungestalt 
und TiergMtalt sieb nocb Uoge behauptete**. Nicbt gttns denUich wird 
bier, was nnter „homerisober Poesie" verstanden werden soll. Dem 
Wortlaut und dem Zusammenhang nach die der lonier, deren Werke 
wir besitzen: der Sache nach aber kann Wilamowitz dies nicht wobl^ 
geoeint baben, da ja die Olympier" und ihr Reich in TbewiUen R 
Haue, also ein Erzeugnis ftoliscber Pbantaiie find. Die ganze Frage 
i«l einer erneoteQ, eindringenden nnd weiter zurückgreifenden Unter- 
aoehnoff wert. 



Vlil. Werke zueaaiineiifassender Art« 

1. O. Strickland, La qnestlone omerica. Tnrino* Palermo 
(CkMMn) 1893. 106 S. 

Das Buch m nur niciit zug^änglich gewesen. So viel sich au» 
eiiu 1 deutschen Kezension entnehmen lUflt. enthält es im wesentlichen 
eine knappe Geschichte der homeri<?rfipn Probleme, deren Lösbarkeit der 
Verf. sehr skeptisch zu beurteilen sebeint 

8* 



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116 Beriebt über di« Utteratar sa Homer. 1888-1901. (Gauer.) 



2. R. G. Jebb: Homer. Eine EinführnDg in die Ilias uiii 
Odyssee. Antoiisierto Übersetzoiig uach der dritten Auflage des 
Originals von Emma Schlesinger. Berlin 1893 (S. Calvary & Co.). 
XV, S55 8. 

Das nützliche Buch verdieut»- »s, durch eine deutsclie Über- 
setzung allgemeiner zugänglich gemacht zu wpr<ien. Seine btäike be- 
ruht in (lei- geschuiackvolleii Betrachtung des Epus selbst, zu dessen 
empfänglicher Lektüre es anregen kann. Dagegen ist die Art, wie die 
eigentlich wissenschaftlichen rrobleme cliarakterisiert weiileii, etwas 
altmodisch und nicht herzhaft zugreifend. Auch hat der Verl. es unter- 
lagen die Entwickeluug der homerischen Wissenschaft bis auf die Zeit, 
in der er schrieb, vollständig begleiten. Wenn in »ier dritten Auf- 
lage eines Werkes, dessen erst- 1887 erscliieu, die I'^'ntersuchungen von 
Wilamowitz noch nicht berücksichtigt wonieo sind, so thut das der 
Sicherheit der Orieutierung, die doch gegeben werden sollte, natöriich 
ÄbbrncU. 

3. W. Leaf, A Cumpanion to the Iliad. London (Macmiiiaii) 
1892. XII, 411 S. 

Der scharfoinnige Kritiker nnd verst&ndoisToUe Erklärer der Ilias 
giebt bier eine ansammenhftDgende Darstellnng seiner Ansiebt von dem 
aUmAhlichefi Waehstnm des Epos. Er schließt seine Ansfflhningen an 
die einzelnen Bllcber an nnd besprlcbt obne viel gelehrten BaUast die 
wichtigsten Aporien nnd ihre LOsang, so daß die LektQre des Buches 
znr EinfUbmog, zwar nicht in die gelehrte Lltteratnr über Homer aber 
wohl in eine mhige Erwflgnng der Probleme . selber, entschieden em- 
pfohlen werden kann. Leafo Gmndansicht ist am meisten der von Niese 
verwandt: daß ans einem nk»ht sehr umfangreichen Kern sich nach nnd 
nach immer neae Zweige entwickelt haben, besonders dadnrch, daß vor- 
handene Andeutungen den Anlaß gaben neue Teile der Handlung zu 
erfinden. Den Grundstock muß, auch nach Leaf, der Inhalt der Ge* 
sänge A, A, D, X gebildet haben. Sehr einleuchtend seigt er« wie sowohl 
die npsapsm als die 'OicXoicotCa nachträglich hinsugedichtet worden sind 
nnd, obwohl der Versuch gemacht wurde sie in einen ursächlichen Zu- 
sammenhang einsnftlgen, doch durch ihr Daswischentreteo Anstoße und 
Unebenheiten hervorgebracht haben, die man, ans Pietät fär das Über- 
lieferte, nicht beseitigen mochte. Als ersten Anlaß zur Entstehung 
der troiachen Sage denkt sich der Verf., ähnlich wie Ednaxd Xsgrer, 
einen großen Seeeng. den die Acbäer unter Fährung des Herrschers 
von Hykene nach der Nordwestecke von Kleinasien thatsftchlich unter- 
nommen hätten, etwa swiscben 1100 und 1050 v. Chr. 



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VIII. Werke zusamroenfasseodcr Art 



117 



4. U. Croitet, Bistoire de la litttoitare grecqne. Tome prenier 
(Parte 1887) p. 53—495. 

Der Verfasser hält diejenigen Sriicke der Ilias ftlr die Hltesten, 
iu denen sich, wenn man von allem Beiwerk absieht, der Hauptganir 
der Haudlnng- darstellt: A, A, ö, X. Die neun Gesäuge B — K waiLU 
ursprünglich selbständig, aber anch unter sich nach Zeit nni Art der 
Entstehung versciii ien (p. 120). Die npes^eta zei?t so viel innere Ver- 
wandtsehaft mit dem Liede vom Streit der Köiii-' , ilaß sie — als ein 
Gedicht tiir sich — von dem Verfasser des A g^eschuflen zu sein scheint 
(p. 138). Die Üe^f^^iiuns- zwisclieu Hektor nnd Aiidromache war von 
dem. der sie ije. lichtet hatte, als Abschied j^emeint, fand aber, als das 
Ganze geordnet wurde, keinen entsprechenden Platz nnd pah so zur 
Erfindung von Hektorä Gnnir in die Stadt AnlaÜ, durch den sie iu deu 
Lauf der Ereijrnisse eingefügt ist (p. 132. 133). Späteren Ursprunga 
ist das Stück 11 — A 421. in ihm wieder nachträgliche Einlagen die 
Teichoskopie und die Kr.rtüÄijffi; (p. 127). Die Aristie des Diomedes 
ist eines der illtesteu Lieder, war aber zuerst nicht für df-n Platz ge- 
dichtet den sie jetzt einnimmt (p. 129. 210). Der zweite große Einzel- 
kampf in II, der den Charakter der Nachahmung trägt, ist erfunden 
und nicht jreschickt erfunden um dem Tage, den der Ordner für die 
Tliaten des Dioraedps anerr imuen hatte, irs^end welchen Abschluß zu 
geben (p. 134). In i liulK iicr Weise ist H nur gemacht, um die viel 
ältere Ilpga^ei'a im Zusammenhange des Ganzen vorzubereiten (p. 135. 212). 
In A beginnt mit 597 jüngere Dichtung. Die folgenden Gesänge M — 
teils türtsetzcnden teils vorbereitenden Inhaltes, sind nach Alter und 
poetischem Wert verschieden (p. 143). Die Patroklie ?etzt 0 692 ein : 
sie hängt mit A wie mit X gut zusammen, scheint übrigens erst nach 
der Krzähhing von Hektors Tod gedichtet zu sein, doch vielleicht von 
demselben Verfasser (p. 152; ihr Verhältnis zn I wird nicht recht klar). 
Auf der andem Seite bilden die Bücher ^-Ö eine durch den Inhalt 
verbundene Gruppe, braueheu aber nicht gemeinsame Mt i lain tt zu haben 
(p. 153). Die Anstie des ]VlfMiplf\(vs — lang, verwirrt und eintÖDig — 
iät spät gemacht, und lur du .siehe an der sie jetzt steht. 

Auf etwas luidere \i; ist die Odyssee erwachsen. Der Keim lag 
in iX nnd iu der Ertindnng, dalj der Held seine Irrtahrteu selbst er- 
zäfilt: diese P^rfindung beruht auf der Voraussetznui,'-. dali ältere Dich- 
tungen Uber die Hückkehr der Helden von Ilios existierten und dalS 
darin ein letzter Aufenthalt des Odyssens bei den Pbäaken bereits er- 
wähut war (p. 33G. 337). Der Verfasser von Kux^^rsia nnd Nexuia 
hat dann später, weil er mit seinem Werk Erfolg hatte, die vorberei- 
tenden Gesänge s — r^, die schönste Partie der ganzen Odyssee, hinzu- 
gedichtet (p. 338). Aach einselne Stflcke in 0 acheinea ihm za gehören. 



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11$ Beliebt über die Litteratur zu Uomer. ISSS— IDOl. (Gauer) 

wUirend die Hauptmaste dieses Buches jüngeren Ursprunges ist (p. 286. 
287). Was er fresehaffeD hatte, war noch nicht eigentlich ein Qedicbt, 
aber eine Gruppe innerlich Terbnndeaer Ueder (p. 339). Die Er- 
z&iilaDgen in x und |i tragen einen merkbar apILterea Charakter (p. 289» 
295) nnd aiad durch die Argonanten-Sage beeinfluilt (p. 2d7); Qbrigens 
sind anch sie, nm an ihrer jetzigen Stelle eingeachoben zu werden, so- 
gleich in erster Person gedichtet*). Bin Fortaetzer, der seinen Plan 
in Atheueus Gespräch mit Odysseas (v 300 ff.) zu erkennen giebt (p. 301), 
hat die B&cher v. p, -z—^ gedichtet, obschon vielleicht nicht so- 
gleich in dieser Reihenfolge (p. 340. 341). Diese gro^k Partie hat im 
einzelnen mehrfache Erweiterung erfahren, wie denn besonders alle Epi- 
soden von 9 nachträglich biozugetiigt sind (p. 342). Eiuem noch späteren 
nnd an poetischer Kraft zurückstehenden Dichter gehören a — 6 und der 
Schlußgesang an (p. 344). Daß die Telemachie niemals als selbständiges 
Epos bebtauden haben kann, geht schon aus dem völligen Maugel an 
wiiklicher Handlung, der iu ihr herrscht, hervor (p. 329). 

Der Wert dessen, was Croiset Uber Homer geschrieben hat, be- 
ruht nicht in der hier skizzierten Eutstehungsgeschichte der Epen. 
. In der scharfsinnigen Aufspürung von Beziehungen und Widersprüchen 
sind ihm deutsche Forscher überlegen, deren Arbeiten er übrigens, so 
weit sie vor 1884 liegeu, kennt und zu benutzen weiß. Seine Starke 
liegt in sinnvoller Gesamtbetrachtuug und in der feinen Würdigung 
stilistischer Ligenart. Die Kunst der Erzühlung und Beschi eibung, wie 
sie in Ilias und Odyssee keineswegs ganz übereinstimmend sich bethätlgt, 
die Bedeutung der Gleichnisse (p. 233. 234), die CbaiakLeiisük der 
einzelnen Perbonen, ^'ut lliciiei wie raenscblichei , wird lebendig geschildert 
und mit Verständnis beurteilt. Hier und la hatto der Veif. aut seinem 
eigenen Wege noch etwas weiter kommen kouiifu. I)iome<ies ist nicht 
blol] der juprendlicli ungestüme Kampfer (p. 245), öondern zugleich der 
bescheidene und doch des treffenden Wortes mächtige Sprecher; als 
eine Li;i;eutüi]iliidie Gestalt tritt, ^veIm i/uui die zeretreuten Erwähnungen 
zußanunenfaid , aucii 2ilejiuiie.s hervoi . In der Odyssee sind außer deu 
buiden I uhrern dt r Freier noch Amphinomos und Kteaippos ganz 
individiu II gL/.i icliuet. Über die Uuschlüssigkeit der Penelope wundert 
sich der Verl und tra^t (p. 377), warum sie üicht ein für allemal die 
liewerter abweise. Die Looung ist doch einfach gcnug: Odysseus hat 
itir ht ini Abäciiied aubetohlen, sich wieder zn verheiraten wenn Telemach 
ir .va h^en uud er dann noch nickt zurückgekehrt sei (9 269 flf.); that- 



M Kirchhoffs enti^efrenatehende Ansicht lehnt Croiaet mit guter ße- 
^ünduiig ab: rhypotbeöc c-^t bien iüutile, puisqu'elle ne stipprinierait ^u*UÄ© 
«eule invraisombiance daiu> un recit, oü rinvraisemblabie abonde. 



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VIII. Werke »iBaminen&weiuier Ari 11$ 



sächlich ist dui ch diese Verpflichtnog, die sie dem Sohne gegeo&ber hat, 
ihre Lage viel trauriger, als wenn e§ ihr fieistäode ihrem Herzen zu 
folgen und keine none Ehe einzugehen. — Daß in der Odyssee so viel 
"weniger Vergleiche als in der Ilias vorkommen, lm klart Croiset ans dem 
ganzen ruhigen, heiteren, gleichmäßigen Stil der jüngeren Dichtung, 
ilie den Hörer mehr unterhalten als zur Begeisternng fortreißen wolle: 
<,»la comparaison ^tait une maniöre brillante d'id^aliser les choses, qui 
ne rSpondait pln-i au goüt nouvean" (p. 356). Überhaupt enthalteu 
die Abschnitte, die eine Parallele zwischen beiden Epen ziehen, viel 
Outes. Überraschend, aber doch wohl richtig, ist der Gedanke, daß 
■ *<iie Einheit der Ilias eine straffere sei als die der Odyssee (p. 349). 
i)er Verfasser kommt dazu durch seine Theorie von der verachiedenea 
Entstehung beider: für die eine blieb immer, so sehr sie anwQOhs, 

' 4er Plan bestehen, den ein Dichter und zwar der früheste entworfen 

' hatte ; die aade're ist aus der Thätigkeit von drei üauptUichtera all- 
mählich znsammengcwachscn und ist nun nach einem Plan geordnet, 
der selber erst während dieser Entwickelaug entstanden ist. Aber 
'aneh wer diese Ansicht nicht teilt, wird zugeben müssen, daß sie für 
einen wesentlichen Unterschied im Aufbau den Blick sohftrft: in der 
Ilias, wo eine leidenschaftliche Situation schnell ihre gewaltsamen 
Wlrkaogen hervorbringt, ist die Handlang in wenige Tage znsammen- 
gedränfft, ' wahrend sich die der Odyssee in beliaglicbem Verlauf Uber 
eine sechsmal so lao^e Zeit ausbreitet (p. 350). — Eine sehr inter- 
essante und ohne weiteres einleuchtende Beobaehtang hat Croiset In 
betreif dbr Sprache gemächt: abstrakte Snbstantiva anf -(q, -tovij und 
-toc hat die lila« 39, die Odyssee 81; nnd nach dk||miigen Abstra|ai, 
die beiden gemeinsam sind, zeigen in der Odyssee einen weiter fort* 
geschrittenen Gebränch (p. 389. 390). 

Die Frage nach der Entstehung ^es epischen Dialefctee wird 
(p. 8$0- 263) ' richtiger henrteilt ab von den meisten derer, die «ich 

' in Dentscibland wfthrend der lotsten Jahre darüber ge&oßert haben. 
Dies hSngi mit der eigentftmlichen, benhaften und Ins Innere dringenden 
GmndanschiHiBng Zusammen, die der Verfasser von der Votgesohiohte 
unserer Epen hat, nnd durch die sogleich anfs gliekllehste die beiden 
aeheiiibar miteinander streitenden Beobachtungen gedeutet werden, die 
dch bei der Lebtttre immer wieder anfdribigeä: nuTerkennbar beab* 

- aiebtigter Ziisammemhang Im grollen wie im kleinen nnd daneben eine- 
Fülle großer nnd kleiner Wldetsprache. Unser Befremden Über diesen 
Tfaatbestand ' rührt daher, daß wir gewohnt sind den bewußten und 
beabsichtigten Znsammenhang uns wie den eines Buches su denken, das 

' nach' einem vo^^efoßten Plane anegearbeitet Ist So gab es für Klnsh* 
hoir und die 'weleb'e Ihm gefolgt sind gar keinen iZwelfel, daß die 



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120 Bericht über die Litteratur zu üomer. ISSS— 1901. (Caucr.) 

gesonderten Bestandteile, deren Zusammenschiaß in der Odyssee er 
nachwies, selber Dichtuiif^cn ;^ü\vescn seien, die Anfang Mitte und Ende 
hatten. Wenn mm verlangt wird, daß wir uns statt dessen Gruppen 
von Liedern vorstellen, die zwar der festen Umrahmung: und der lacken- 
losen Übergiuigü entbehrten, aber durch Gemeinsamkeit dos Inhaltes 
verbunden waren und ungefähr auch den Stufen einer fortlaufenden 
Ilandluii^r entsprachen — so emptinden wir dies zunilchst wie eine Auf- 
forderung zur Uiiklaiheit. Aber das ist dann keine unklare Vorstellung, 
sondern die Vorstellung von etwas Unklarem, das doch woiil wirklich 
existiert hat in einer Zeit, die noch keine (geschriebene Litteratnr 
kannte. Was Croiset von dem Haupt^tück i:i Z annimmt, ist prinzipiell 
sehr wohl möglich: daß eine Episode un ei iii^end einer Voraussetzan»- 
gediclitet war, die unausgesprochen ihren liüitergrnnd bildete, dalJ sie 
dann aber bei der abschließenden Redaktion einen Vidi/, gefunden hat, 
der jener Voranssetzong nicht ganz cntspracb. Jedenfalls wird auf 
diese Weise die Begegnung zwischen Hektor und Andiornache richtiger 
beurteilt, als wenn man von ihr ans eine ältere Gestalt der Ilias kon- 
struiert, in welcher die^^e Scene einen letzten Abschied bedeutet und 
unmittelbar vor dem Kampfe gestanden hätte, in dem Hektor fallca 
sollte. 

Im einzelnen sind des Verf.s Aufstellungen natürlich vielfach 
angreifbar; seine Gesamtansicht aber (am bestimmtesten ausgesprochen 
p. 94. 95. 99) verdient den Tadel nicht, den Rothe dagegen gerichtet 
hat (Jahresberichte 16 [1800] p. 128). Daß der Niesesche Gedanke — 
wie ein Sänger durch einzelne frei erfundene Züge, die auf ein seit- 
wärts- oder zuiiickliec^endes Ereignis hindeuten, die Dai Stellung belebt, 
und diese Rcheinbareu AnspieluDgen dann erst für einen anderen Anlati 
werden jenes Ereignis selber auszudichten — daß dies auf Croiset 
(p. 200) Einfluß geübt hat, gereicht ihm nicht zum Vorwurf. Er 
seinerseits lit^bt besonders hervor, daß der Beifall, den irgend ein neuea 
Lied fantl, den Verfasser oft dazu gebracht haben mag, selber 
den Gegenstand weiter auszuführen, von dem Helden den er seinen 
Znhftrern lieb eemacht hatte, noch mehr zu erzählen (p. 94. 116. 338). 
Auf einleuchtend»! Art verwertet Croiset das Auftreten des Demodokoa 
in f>. nm einen Zustand dt-r Poesie anschaulich zu machen, wo noch 
kein abgeiundetes Epos besteht und doch der Zusatnuienhan^j eine* 
ganzen Sagenkreises den Hörenden ausreichend bekannt ist, so daß der 
Sänger — lv[>sv r, Hvftsv — ein einzelnes Stück darau> vortragen 
und dabei sicher sein kann sofort verstanden zu werden (p. 05, 96). 

Wie von der Vorgeschichte der epischen Poesie so hat der Verf. 
auch von dcrjenision Periode, die ihren Abschluß bildete, richtigero 
Vorateliungea als sie zur Zeit in Deutschlaud herrschen. Zwar gebt 



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VIII. Werke nuammenfiisseDder Art. 



121 



er in (Icr Datiemoi; m tief berab (p. 423. 424) und macht überbanpt 
(p. 392—406) za ansi^edebnten nnd vertranensvollen Gebranch von den 
biographischen und litrerarhistorischen Notizen, die über die Person 
Homers und über die Homeriden erhalten sind; aber dies schützt ihn 
aoderer8eit5; g^e^en das unkritische Mißtranen, womit bei ans die Re- 
daktion des Peisistratos eigentlich doch bloß deshalb verworfen wird, 
weil sie fiberliefert ist. Dabei ist es mir eine besondere Frende, daß 
er den scheinbaren Widenpmch zwischen dem, was Uber Solon, nnd 
den, was über Peisistratos berichtet wird, in derselben Weise wio von 
mir vorgeschlagen werde anfhebt (p. 41 G. 417; vgl. Grdn. 8. 97); 
Selon ordnete an, daß die Vortrftge der Rhapsoden die richtige Reihen- 
folge innehalten sollten; dies erwies sich aber als nnansführbar, so 
lange diese Reihenfolge nnr in der allgemeinen Vorstelinng von dem 
Gang der Ereignisse enthalten nnd nicht irgendwie festgelegt war; daher 
der Plan des Peisistratos, ein geschriebenes Corpns herstellen zn lassen. 

5. W. Christ, Geschichte der griechischen Litteratur. 2. Auf* 
läge, 1890. 

In §§ wird, anf 39 Seiten, eine knappe DarsteUong der 

homerischen Frage nnd ihrer Entwickelnng gegeben, von dem ver- 
mittelnden Standpunkt ans, der ans früheren nnd spesiell dem Epos 
gewidmeten Arbeiten des VerCs bekannt ist. Hit Recht hebt er hervor, 
daD sowohl der Gmndplan der lUas als anch in der Odyssee der 6e- 
danke, den Helden seine Irrfshrten selbst erzählen zn lassen, nnr von 
einem Manne ausgegangen sein könne. Von der Möglichkeit. daO der 
Dichter selber sein Werk dnrch naehtrügUche Einsebiebnngen erweitert 
nnd so hier nnd da die Darebsichtigkeit des Planes gestört habe, — 
die im Prinzip natürlich nicht bestritten werden kann — macht Christ 
vielleicht etwas zn reicbltehen Gebrauch , nm vorhandene Anstöße zn 
erklftren. Was die Zeit betrifft, so setzt er die Entstehung der Blas 
um 8$0-<800, die der Odyssee nm 820—770; das könnte aber in besng 
anf beide wohl nnr als untere Grenze zugegeben werden. 

fK T; Kihaidt. Die Entsteliuntj; der homerischen Gedichte. 
Leipzig (Dnncker and üomblot) 1894. CXiU. 546 S. 

Des Inhaltretehen nod anregenden Buches wurde schon an zwei 
frftberen Stellen gedacht (II 6 und YII S); hier soll etwas näher daraof 
eingegangen werden. 

Das Wertvollste darin ist die ausftkhrliche, gut geschriebene Ein* 
leitung, die den Standpunkt, von dem ans nachher die Ilias betrachtet 
werden soll, festzustellen sucht. Den Anfang mackt eine kurze Kritik 
früherer Arbeiten , wobei namentlich Wolf die verdiente Anerkennung 



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122 Bericht über die Litteratar ta üomer. iSSS^lüOl. (Caaer.) 

findet. Gt'^^eii Lachnuim ist der Verf. nicht ^'eieclit. Als Diirchg-angö- 
stadinin war die Liedertlieoiie ducli unentbelirlicli und vou uacblialtig- 
ster Wirktmp-; auch Erhaidt steht im Aufspüren, Formulieren, Ver- 
werten der eiuzeltieii Beweisstücke viel mehr unter Lachmanns EiuÜuß, 
als er selber glaubt. Andererseits muß man zu;,'eben, daß sich Lach- 
manns Oesamtansicht vom Wesen der Volkspoesie nicht behauptet hat, 
duL) nebeu und zum Teil vor ihm andere, wie besonders Jacob Grimm, 
davon eine lichtiuere Vorsteliuni^' batteo. Au diese älteren Gedaukeu, 
die dann duich bteiuthal weiter^rebildet sind, knüpft Erhardt an und 
i-ucht, im lianptteil seiuer Einleitung, eine lebeudige Anschauung davon 
EU peben, wie die älteste Dichtung im Volke sich entwickelt hat. Außer 
dem deutschen Warden dabei das altfranzösische, linnische und esthiische 
Epos zur Erläuterung herangezogen. Hauptsächlich zwei Punkte sucht 
der Verf. klar zu machen: einmal, daU nicht bestimmte, einzelne ludi« 
vidueu als Schöpfer und Träger der Volkspoesie zu denken sind, uud 
daß demgemäß die Erzählung iu ihren einzelueo Teilen dasjenige Maß 
von Übereinstimmung und gegenseitiger Bezegnahme gar nicht aufweisen 
kann, das ein berechnend und überlegt schaffender Dichter seinen Werken 
geben würde; und sodann, daß trotz dieser Alt der Entstehung, und 
obwohl das Epoa im Qeiste des Volkes beinahe ebenso unbewußt lebt 
und webt wie die Sprache selber, doch eine umfassende, in den Omod- 
Xflgen feste Einheit eine-; poetischen Phuies sehr wohl sich bilden kann. 

Uan hat diese AusftlhrnugeD dadurch zu entkräften, ja ins Lächer- 
liche zu ziehen venocht, daß man Erhardt vorwarf, er verkenne den 
persönlichen Ursprung, den alle poetischen Gedanken haben müßten, und 
schreibe dem «Volke* eine mystische ]B^higk6it an. gemein<;am zu wirken. 
Damit ist dem feinsinnigen Gelehrten bitter unrecht geschehen. Natür- 
lich weiB auch er, <iaß das Volk eine Schar von Henschen iat, deren 
jeder mit seinem oisnen Kopfe denkt und mit seiner Zunge spricht, 
tieine Absicht war nur — und der Widersprach, den er gefunden bat, 
zeigt, eine wie notwendige Absicht — uns za mahnen, daß wir ver* 
•neben müssen eine Zeit uns vorzostelien, wo Kdpfe und Zungen der 
einielueu Menschen sehr viel weniger verschieden waren als heute, wo 
der Anteil, den mehrere Zusammenlebende an einem geistigen Erzeugnis 
hatteu, noch oicbt gesondert werden konnte, wo das Individuum sich 
ans der Masse noch nicht so weit gelöst hatte, daß einer pei'sönliches 
geistiges liUgentom hätte in Ansprach nehmen kOonea. Auch die 
Sprache selber ist ja geheimnisvoll entstanden, als QeBtmterzeogni« 
des Volksgeistes, und doch zugleich natttrlich, als eine von den und den 
wirklich lebenden Menschen gesprochene, die zu ihr doch ein vOllig 
anderes Verhältnis hatten als etwa Eonins zu der seinigen, oder als 
Irgsnd sin moderasr Qesstigebsr anf diesem Gebiets. 



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VIII. Werke BoaunmenfaBsender Art 



123 



Darin tVeiUci) hat Erbardt nicht recht, daC er iri^-int, inneilialb 
«Miejer lliiis li^^lJe^ sich noch Stücke erkennen und übgreiizen, die jener 
Ü'ühesteu Penode des Volkstresauges angehörten. Das ist schon deshalb 
nicht luogliclj, weil die episclie Knust mit ihrem Schatze von Worten 
und Bihlrrn, von Anschannngen und Redewendungen erwachsen ist bei 
den Aolern. während dit f^ltK^teii erkeuubaien Bestandteile der auf uns 
gekommenen Epen bereits in der Misclisprache verfaßt sind, die dnreh 
deu tJbeig:ang des HeldcDgesang:s in den Besitz und die Pflege des 
ionischen Stammes allmählich entstanden ist. Generationen , vielleicht 
Jahrhunderte liegen zwischen jener ersten schüpferischeu Zeit und der- 
jenigen Periode, in der die unserer liias zu lmukIc gelegte Idee — eine 
Fülle von Ereignissen in Iflngerer Eutwickeluug um deu Zwist und die 
Aussöhnung der Konige zu gruppieren — ersonnen wurde. Damals 
war die Zengungskratt der Sprache schon im Nachlassen, das konventio- 
nelle i>lement nahm in ilir einen breiten Uaum ein, manches einzelne 
wuidc von den Dichtem selber, die ja louier waren, nicht mehr voll- 
kommen verstanden; aiidertrseits gab iliiien Jer sichere Besitz einer 
traditionellen Kunstühung und die Herrschaft über einen allezeit po- 
läufigeu »Schatz von Formeln und Redeweudungen so viel Freiheit der 
Bewegung, daß es ihnen möglich winde ein größeies Ganzes im Geiste 
2U erfassen und durchzuführen Kruardt hat sich den Einblick in diese 
TerhJlltnisse und den Ausblick in die ferne Vergangenheit, die au dem 
Erschaffen eines epischen Stiles mitgearbeitet hat, dadurch erschwert, 
daß er — auf die Antoiitiit von Arthur Ludwich Iiin — das Problem 
<lerDialektnji3chuiiL; beiHomer nicht als Problem anerkennt(S.LXXXVTII); 
und doch ist es iiui von hier aus möglich den Gesichtspunkt zu 
Hinnen, unter dem auch die übrigeo Haupttrageu zunächst einmal richtig 
gestellt werden können. 

Der Yerf. nennt die Zeit, in welcher der durch die Idee der 
Menis bestimmte Rahmen der llias entstanden sei, „die erste große 
Blüteperiode des griechischen Epos" (S. 505). Vielmehr war es, wenn 
deuo doch gezählt werden soll, mindestens schon die zweite, von jener 
früheren auch dadurch verschieden, daß uuii die persönliche Begabung, 
die Individualität des erfindenden, mit Überlegung aufbauenden Dichters 
mehr hervoitrat. Dadurch, daß er diesen Unterschied nicht beachtet, 
leidet Erhardts Darstellung wirklich an einer gewissen Unklarheit. 
Einmal bezeichnet er „als eigentlichen Schöpfer des Epoa das ganze 
griechische Volk" (S. CI); dann wieder spricht er so, als habe es doch 
nicht so sehr im Munde and in den Gedanken des Volkes gelebt als in 
denen „berufsmäßiger Sänger*^ (S. CV), ja, er bekennt geradezu: ,man 
kdnnte geneigt sein, statt mit dem Ausdruck Yolksepos die homerischen 
Gedichte Heber als Sängerpoeaie oder traditionelle Poeaie zn beseichaeu.* 



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124 Beriebt Aber die Littentor ra flomer. 1SS8— 1901. iCanerO 

Die TTDklarheit vemfawindet, sobald man erkanot hat — wozu eio Ver« 
gleich mit der nationalen Poesie der Serben nnd mancher t&rkischen 
Stämme, die noch jetzt im Flnß ist, helfen kann« " daO .Volkepoesie*' 
und «Sftngerpeeiie* nicht zwei mögliche AnsdrScke fftr dieselbe Sache 
sind, sondern daß damit zwei aufeinander folgende Stafen der £pt- 
wickelnog beseichnet werden. 

Yerml^ge der Grondanschannngen, die bisher skizdert wurden, 
ist Erbardt bei seiner Analjse der Uias dnldsamer als die meisten seiner 
Toigftnger in der Znlsssnng von Widersprttcben und Unebenheiten; aber 
ancfa er geht noch sn weit in der Zuversicht, mit der er hier und da 
ans Anstoßen oder AnkUIngen einen ui sprünglichen Zusammenhang 
wiederherstellen zu können meint Dahin gehört seine Behandlnug der 
Volksversammlung in B, die einst den Eingang zur BMUung von der 
Bittgesandtschaft an Achill gebildet haben solL Diese letztere selbst 
wird von Erbardt (8. 142) nicht anders als von anderen um des Duals 
willen (1 183 ff.) zerschnitten, ohne daß Qbrigens nachher diese Ansicht 
konsequent festgehalten wttrde (S. 143 f). Von den Anstößen, die 
man In V gefhnden hat, heißt es zuerst ganz richtig (8. 44): «sie alle 
ergeben sich erst aus genauerer kritischer Erwftgung, shid aber nicht 
derartig, daß sie die Hörer beim Vortrag des einzelneu Gesanges in 
alter Zeit ernstlich bfttten stören mössen." Nachher aber wird doch 
das Verhalten des Fi-iamos und seiner Genossen auf der Stadtmauer 
streng Lachmannisch untersucht und daraus der Schluß gezogen , daß 
«die Mauerschan eine nachträgliche Eindichtnng** sei (S^ 46). Treffend 
urteilt der Verf. Über die ganze Partie F^H: »Hier ist mitnichten 
ein bewußter Gegensatz zur Henls vorhanden; vielmehr fSgen sich auch 
diese Gesänge, insofern als sie Achills Fembleiben zur Voraussetzung 
nehmen, dem Hauptmotiv der Ilias unter, nur daß sie eben eine selb- 
stindigere, episodische Wendung nehmen* (S. 177). Ebenso verdient 
auch das Gesamtbild, das zum Schluß (S. 604 f.) von dem ursprüng- 
lichen Bestände und gegenseitigen Verh&ltals der durch den Plan der 
}i^vic zasammengehaltenen Gesftoge entworfen wird, prinsipielle Billigang. 
Erhardt ist frei von dem Irrtum, nur zwei MÖglicbkeiteo suzulassen: 
eine Reihe gaazselbstftndiger Elozellieder oder eine IMenlos geschlossene 
Komposition. Vieiraehr hat er erkannt, daß der Zustand, der der ab- 
schließenden Bedaktion der Uiaa vorausging, schon ein mittlerer war: 
Einzellieder, aber mit gemeinsamen Voranssetznngeu; zusammenhärigende 
Handlung, aber nur in Gedanken bestehend, nicht von Anfang bis zu 
Ende erzählt; eine Belhe von Erzählnngen, aber in der manche Glieder 
fehlten, andere streckenweise parallel gingen. — Man sieht leicht^ wie 
diese Anffassung mit der von Crolset viel Verwandtes hat 



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VUL Werk« susammeDfiuMiider Art 125 

7. C aller, Gnmdfragdo Homerkritik. Leipsig (S. Hirzel) 
1695. 398 8. 

Da-i Bucii iMjli.iijilrlt im rrsteu Teile I'^nigen der Textkritik und 
öer SpraclnvisM U.-M hair, im zweiten die Analyse des Inhaltes der Epen. 
Die Absieht i:,t iiburall, zu zcigcü, wie die i-'(.ii"scluiugcu der letzten 
JdiiiiieüiitL, mehr als ea den einzelnen iliLarbeiLcin bewnßt zu seiu 
pflegt, einem geuuMusamen, immer klarer erkaunten Ziele zustreben. 
J Kibei wird besonders hei voii^chuben , wie die anscheinend L,'etrennteii 
Zweige der Untersuchuu^ ineinander greiteii, und versncUt, durch Ab- 
greazung der gesponnenen iiesultate und l'riiiuiig der konkurrierenden 
Methoden die neuen Aufgaben fesl^ostellen , die zuniichsi Bearbeitung" 
fordern und Gewinn versprechen. — Dic in diesem Buch entwickelie 
Gruudanschauung ist eben die, aut welcher nach Anordnung und Einzel- 
ausfdhrung: der voHiegende Bericht beruht. liier und da, wo es ge- 
boteu schien, ist auf die dort gegebene prinzipielle Begriiudung vev« 
wiesen worden. 

8. U. J. PolukfDe jongste Gedaanteverwisseling der Homerische 
Kwestie. Verslagen en Mededeelingen der Koninklijke Akademie 
van Wetenscbappen. Afdeeling Letterkuade, derde Beeks, twalfde 
Deel. (Amsterdam 1896.) 8. 343-42a 

Der Verf. will zeigen, durch welehe Tetichiedeneii Gestalten hia- 
darcb eich das horoerisehe Frohlem in der zweiten HllUte des vorigen 
Jahrhunderts entwickelt bat, und giebt an diesem Zwecke eine korae 
Charakteristik und kritische Würdigang der Arbeiten von Kirchboff, 
Kiese, Wilamowitz, Seeck, Erbardt, Caner. Anf gmnd genaner Kennt- 
nis des ganzen Gebietes w^ er die Ansichten, fiber die er berichtet, 
treffend darzustellen ond als Kritiker nicht nnr die schwachen, sondern 
Tor allem die wesentlichen Ponkte heranszoflnden. Sein eigner Stand- 
punkt ist (8. 382) nicht nltra-konservativ; doch fiberwiegt In seiner 
Bearteünng die Frende an den negativen Besnltaten, welche die deotMshen 
Gelehrten insofern gewonnen« haben, als jeder einzelne einen Teil der 
Hypothesen seines Vorgängers widerlegte. Hit Genngthnung konstatiert 
er (3. 386 f.)« daß von den Hauptsätzen der Kirchholltehen Theorie beute 
kain einsiger mehr nnangefocbten stehe. Angenommen, dies wSre so, 
würde daraus nicht, gerade zu Kirchhoib Rahme, folgen, daß die von 
Ihm angeregte Frage und Frageweise übet ans fruchtbar gewesen Ist? 
Am wenigsten will Fdak von Kiese wissen (8. 353 ff ), ist aber in 
einem einielnen Fall nahe daran ihm ein wichtiges Zogeständnia 
zn machen. Er spottet nämlich (8. 384) über die Zuveraich^ mit der 
Seeck ana % 74 fP. schlieBen wollte» daß es eine besondere lüas ge- 



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126 Bericht über die Litteratnr tu nomer. 18ÖÖ-1901. (Caaer.) 



geben habe, in der Achill und Oilywens statt Achill und Agamemnoa 
die streitenden Hanpt personell waren. Wenn darch jene Verse, wie 
anch ich glaube, nicht bewiesen wird, daß eine solche Dichtang wirk- 
lich existiert habe, so enthalten sie einen Zuwachs der Saj^e, der doch 
wohl auf freier Erfindung des Odyssee- Dichters an dieser Stelle beraht; 
unri daß dnrch freie, improvisierende Erfindung der Dichter die Sage 
weitergewachsen sei, ist gerade Nieses Grundanschatmnt?. 

Polak sträubt sich gegen diese Anschauung und verlangt seiner- 
seits ansdrflcklich (S. 3H2), dali diese zwei Aufgaben schai l auseinander 
gehalten werden: Analyse der Dichtnng, in der man die Teile zu er- 
kennen socbt ans' denen sie zusammengesetzt ist, nnd Analyse der Sage 
mit Aufsuchen der EntwickelungssJnfen, durch die hindurch sie sich ge- 
bildet hat. Aber in welcher Form soll denn die Sage gelebt haben» 
wenn nicht in der der Dichtnng? Soll man annehmen, daß eine prosaische 
Tiberlieferung neben df] ]i(>rtisclien her oder gar ihr voransgegangcii 
sei? Das ist ganz undenkbar; dazu würde eine Reife der Sprache ge- 
hören, wie H'e ohne Hülfe des Schriftgebraucbes unmöglich erreicht sein 
konnte. Poesie ist doch im Vergleich zur Prosa die ältere iledetorra (vgL 
in diesem Berichte S. 97). — Nur zu einem Teile, freilich einem recht 
wichtigen, ist die von Folak geforderte Scheidung durchführbar und in 
der Tbat dringend zn empfehlen. Er bekennt sich zu der Überzeugung 
(S. 384), daß die mythologischen und natui symbolischen Vorstellungen, 
auf denen die Heldensage in ihren ßrundzügen möglicherweise beruht, sicli 
sämtlich schon im wesentlichen umgesetzt hatten in und verschmolzen wai ea 
mit anderen und diesmal rein irdischen Sagen, lange vor oder miadebteiiü 
schon wahrend der äolischen Periode des Epos. Das ist vollkommen 
richtig: die MytheulorischuDg, so interessant sie an sich sein mag. muß 
von der ph)lol(ifj:ischen Arbeit, tl* n Authau niid das allmähliche "\\ achs- 
tum des griecliischen Epos zu erkennen, stren^^- {j:e'^oiideit werden. 

Das positive Element in den Gedanken des V^rfs rrilt nicht 
ebeuHo ileudicii heiA'di- ^vin seine Ablehnung (1er Ansichten anderer. 
Er spottet über die L berlieferuug von der lieJaktion durch Peisistratos 
fS 'w1. 403 ff.), sact aber nicht, anf welche Weise deim er sich den 
starken attischen Einduii erklärt, den das Epos hei seiner crBten schrift- 
lichen Anfzeichunnf erfahren hat. Den \'er8uch, die Dichtung' in Teile 
zu zerlegen aus deueu sie eiitsfanden sei, will er für die ridysser <:rir 
nicht gelten lassen (S. 386), eher tür die Ilias. Hier g^eht er sogar 
im einzelnen ziemlich weit, wenn er z. R. (S. 385) zngiebt, daß Hektors 
Abschied von Andromache in seiner gegenwärtigen ümG^ebnug das AVerk 
einer nachtrilglichen Erweiterung sein müsse; die S «ne ist ja von Homer 
par nicht als „Abschied* gedacht, sondern als ;:r< gnnng, die in den 
Zasammenhang des durchweg von Zartgefühl errüllten Gesanges Z aufs 



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VIII. Werke xaeammenfassender Art 



127 



beste paßt. Als entscheidendes Merkmal will Polak überall die in dem 
ß&Q dts (kdichtes sich oftenbareude , Absicht des Dichters" angesehen 
wiesen (S. 385. 387). Gewiß, die müssen mir aufsuchen; aber mit 
einiger Anssiclit anf Erfoljr kami es doch nnr da geschehen, wo wir 
mit einer erkenn Ii iren dichterischen Individualität zn than haben. Und 
das wird bei Werken, die ans den Erzengnissen von Generationen all- 
mählich zusammengewachsen sind, wohl hier und da der Fall sein, doch 
schwerlich die Regel bilden. 

Ehen dieser kollektive Ursprung aber von Ilias nnd Odyssee ist 
etwas, womit der Verf. nicht Ernst machen zu wollen scheint. Aller- 
dings spricht er wie lt rhnlt von „Dichtern" im Plnral, z. B. da wu er 
die Ansicht hekänipü, daii das Vorkommen eiserner Waffen oder Oei ftt»^ 
in einer l'iu tie des Epos ein Zeichen für deren relativ jiuiL'pn Ursprung 
Fei. Seiner Meinung nach (S 423) war Kupfer das traditionelle und 
koDveutiüiielle Metall, Bisen für dieselben Gegenstände das zur Zeit 
der Dichter selbst gebranchte, dessen Erwähnung sich manchmal durch 
Zufall einf>chlich, wo eigentlich Kupfer hätte genannt werden sollen. 
Mehr behaupte ich auch ojclit. Aber lebtet! denn „die Dichter" alle 
zu gleicher Zeit? Polak scheidet doch Bclber eine Uoli.sche und eine 
ionische Periode des Kjjo=. War fin alle Zeitstufen innerhalb dieser 
beiden Perioden f^iseu ^<leirh sehr das i^ehiäuchliche Metall? la^ für 
alle die Versncliung gleich nalie. es an Stelle des in der poetischen Sprache 
noch herrse heil den Kupfers einzusetzen? Und diosps selber mnD doch 
zu etwas .Tr'ailitioncllt'in" ii"_'ead wie einmal ert»l geworden sein. Wie kann 
man sich das ges( hehen denken? Doch wohl nur so, daC in der tiuhesieii 
Zeit, alH liuf tbessalischem Boden der epische Sprach- nnd Vorstelluog- 
schatz sicii bildete, eben noch nicht Kisen »sondern Knpter in Gebrauch 
war. Wenn der Verf. alle diese Fragen ungethan lällt. so rührt dies 
daher, dall für ihn die Annahme mehrerer Dichter nnd i iner allmlUilichen 
Entstehung de.s Kj)ü- t in Zapeständnis ist. das seine philologische Ge- 
wissenhaftigkeit gennu ht hat, aber noch keine lebendige Anschauung iu 
der seine Gedanken t«ich bewegen. Ans dt^niselben Grunde bekftmpft er 
zum hchluLi lebhaft, was Erharde und it ii im Anschluß an Steintiial über 
den Chnrfikter der homerischen Dichtung als einer .,Volkspoe*ie" gesagt 
haben. Der Ausdruck trifft allerdings die Sache nicht i-echt, \or aüern 
laßt er einen Unterschied unberücksichtigt, der hif-r der Zeit nach ge- 
macht w illen mn!) (vgl. oben S. 124;. Nicht alle itn Volk haben an der 
Erzeucung und Fnr tj Ihinznng eines Epos mitirenrheitet , sondern nur 
die Säuger, die durch Verwandtschaft oder Sehnle verbunden waren. 
An dem kollektiven Charakter der Poesie wird jedoch dadurch nicht? 
geändert. Gewiß hat en auch unter jenen Verhältnissen ,,t:eniale 
Individaen'* gegeben; aber was sie geschaffen haben, ist iu das Werk 



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12B Bericht über <Uo Litteratur zu Horner. löSÖ-lOOi. (Cauer.) 



der Gesamtheit aufgegaugcii. Es ist eine anregende und schöne Aufgabe, 
in den uns erhalteuen Epen Spuren dichterischer Eigenart, die auf eine 
dahinterstehende Persönlichkeit schließen lassen, autzusuchen; aber das 
Rind, sowöit heute unsere Erkenntnis reicht, in der Regpel nur einzelne 
Züge, die sich von dem gtiueiasamea Grundton abheben. Der Plan der 
Haupthaudlung in der llias ist ein Werk persönlicher Erfindung; aber 
wie viel jüngere Zuthat ist nachher in ihn verwobeu, wie viel iüterer, 
längst auch geformter Stoff in ihm verarbeitet! 



IX. Zur Oescbiehte der homeilsclieii Wissensehaft 

1. E. Hiiler, Homer ab KoUekti?nune. Bhein. Uns. 42 
(1887) 8. 391^361. 

2. L. Kjellherg, De cyclo epieo qaaesdones selectae. Inaugiml- 
Biflsertotioii» üpeala 1690. 40 8. 

Richard Volkroann hatte in einem Programm von Jancr 1884 
(Über Homer als Dichter des epischen Cyclus und die angeblichen 
Homerideuschulen des Altertums) die Ansicht bekämpft, daß in der 
klassischen Zeit der griechischen Litteratur Homer als Verfasser auch 
der kyklischen Epen gegolten habe, dall damals nur vereinzelte Be- 
denken hiLrf;egen laut geworden seien und erst seit dem dritten Jahr^ 
iiuiidcit V Chr. als Ergebnis alexandrinischer Wissenschaft sich der 
Biaucii btltsLigL habe, den 2s'auiea iiumtM- auf llias und Odyssee zu 
beschränken. Volkmaiin war durch sorg^ntltitje i'rüfung der für diese 
Ifypotliijse augeführLeu Zeugnisse m der 1" boizeugunii: f^ckümmeu (S. Iii)' 
„weun Jic ulexandrinischeu Kritikev drnj lloiner alle aiiilcreii Gedichte 
außer llias uud (Jdyssce abspi achen. so lixietten sie mit diesem l^iteil nur 
die sehuii jahrhuuderteiuug- unter den prebildeteii Griechen herrschende 
^tleiuung". (jleichzeitig hatte aber Jeiic Aubiclit eine neue und i;liiDzeude 
VciireLuu^^: durcli Wilauiüwitz gefuuden (Homer. UnLersucLuageij, Ivap. -1 
des zweiten Teiles, 1884). Dagegen wendet sich Hiller, nni in ein- 
gehender Nachprüfung' zu zeigen, wie weder aus des ^^lusailla^ Nach- 
richt Uber Kallinob noch auh i'mdar hudi aus lierudut uucii ir.^'end sonst 
woher sich beweisen lafa^e, daß .die in Kede stehende Anschauung über 
Homer jemals die verbreitete und lien. sehende gewesen" sei. Das Wort 
des Aschylos, das mau ebenfalls dalar geltend gemachl hat, toi; autoü 
Tpa7<p5ta? Tt\idyr^ tlvstt T(j5v'0|xr,pou jXi/dXtüv öei'nviuv, deutet er ansprechend 
so, daL lie Tragüdiöu als „Bestandteile einer groCeu Bewirtunsr, deren 
Urheber Horner ist*, beseichnet würden (8. 334); keineswegs sei daratts 
zu schließen, daß Äscbylos gemeint habe, der Stoff zu allen seinen 
Tnigödien sei in Homers DieUtuogen enthalten. Die Entstehung der 
guuzeu falficheu Ansicht erklärt sich Hiller so, daü die Hecitatoreu 



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IX. Zur Geacliidite d«r homerUehen Wissenschaft 129 

4er kykllieheii Epea diete fflr Diehtnngen Homen mii8g«g«ben hitten, 
um den (Mbigen die de vortnigeii ein Mberei Ansehen sn ver* 
leihen (8. 358). Dabei habe sieber «niemals ebi Rhapsode den Homer 
flr den DIehter dieser simtlieben Epen aasgeireben; ein Bhapeode, 
der die ThebeSs vonntragen nnd für homeriseh aasnffeben pflegte*, 
habe «anderen Epen, die von einem Blvalea im Agon vorgetragen 
worden, diesen Bnhm gewiß streitig gemaeht" (8. 359). 

Die erste der bdden Abbaodlangen, ans denen die Dissertation 
von Kiellberg besteht (a 1—95). enthalt eine KritilL der Arbeiten von 
Volkmann nnd Hiller nnd sebüeHt mit dem Satse: ,TTdslrioi de Wils- 
mowita seotentiam me defendisse satis soperqne gloxior.* Die Ver- 
teidigung ist aber weoig glOeUieh, im einseinen wie In der Qesamt- 
ansehanang. Der Verf. meint s. B. (p. 22 sq.) : wenn die kyldlsehen 
E^en nieht allgemein fOr Werke Homers gehalten worden waren, so 
sei nieht sn verstehen, wie die Namen ihrer wirklichen Verfssser so 
fest iKans bitten in Vergessenheit geraten kdnaen, in einer Zelt da doeh 
die Diehtongen eines Archiiocbos, Alkman, Stesieboros mit aller Be- 
stimmtheit als solehe anerfcanot geblieben wSien, Die Antwort liegt 
nahe genug: weil jene Diohtnogen mit Dies nnd Odyssee gar keine 
Ähnlichkeit hatten, wahrend die kyklischon Epen derselben Gattung 
aogebtirten nnd sehr leieht von desen, die sie in ümlanf braehten, dem 
Homer zagescboboi werden konnten. Aber davon will KJellbetg nichts 
wissen: „band verl est simile rhapeodos illos tantam ineptiam admisisse, 
nt roszimo et elarissimo poetae, cnins opera in ooinlom vigerent animla 
et memoria, mediocria qnaedam poemata attribnerent' (p. 24). In der 
Absehitasng dieser *fneptla' nnd dieser *veiisimUitado' liegt die letile 
Entscbeldong der geKsmten Frage. — Der schwediache Gelehrte hat 
übrigens an Anfang seiner Dntmidinng selber die Stelle aas Arlstoteiss 
(Poet. p. 1459a, 30) henrorgeboben, ans der man sehe, daß schon diessr 
die Epen von der Art der Kjprien nnd der kleinen Hias dem Homer 
abgesprochen bat. 

3. H. H. H oworth, The Cyclic Poems and ihe Homeric Question, 
Part 1. Archaeological Jonrnul of the Eoyal Archaeol. Institate oi 
Great Britaio and Xrelaud 57 (1000) p. 10-39. 

Der Verf. führt im Anschluß an Wilumowits den Nachweis, daß 

die Zuteilung der einzelnen kyklischen Epen an bestimmte Dichter 
weder g:roL'>e äußere noch vollends innere Gewähr hat. Er stimnit , 
auch iii der Annahme dem deutschen Gelehrten bei. daß im 5. Jhdt. v. Chr. 
die kleine iliaü, die Thebais, die Kyprien u. s. w. von urteilsfÄhigen 
Männern einfach für „iiomerisch", d, h. für Werke Homers, gehalten 
wordeu seien. \VeQu Wiiamowitz von einzelnen Stücken in Ilias und 
JBhndMTtoht Or AltartummriaMawkalt Bd. CZIL (ISOS. L) 9 



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130 Bvidii über die Uttwator sa Hom«r. 1888-1908. (Omat.) 

OdjBMa glanbt, daß lie jfloger aelen als gewiasa kykllwhe Biehtiiiigen, 
10 geht Howortli weiter und beliAaptet, daß nniere beiden großen Epen 
andi als Ganae junger seieii als das ftlteste der Zyklischen (p. 37). 
Den Gmnd ßndet er darin, daß in Ihnen viele Anspielungen nnd Hin* 
dentangen vorkomneD, die bei den H9rem die Bekanntsclnft mit der 
kjUisehen Poesie and ihrem Inhalt voraiusetMn. — Die ganae Theae 
des yeff.s, ans der er ^^ig^ wichtige IV>lgerDngen* erat in einem 
späteren Artikel sieben will, steht nnd ftllt mit der Ansicht, die er 
ideht weiter begründet sondern als allgemein angestanden annimmt 
(p. 31 f.)* daß llias ond Odyssee ihre eigentliche nnd nrsprttngUche 
Hahaat in Eieinaaien haben. Yielmehr maß die epische Poesie sehen 
In hohem Grade anagebildet gewesen sein, also doch noch achon 
einen betrflchtlichen Inhalt gehabt haben, ehe die Äoler ans Nord'* 
gtlechenland nach Khinaaien hinftberaogen; nnd es wilre ja wunderbar, 
wenn von diesem Inhalte gar nichta in den nnserer beiden großen Bpen 
ani^^gangen wlieu Eben Jetzt aind Untersnchnngen im Gange, die 
diesen alten Beaten nachspQren; Bethes Straßbniger Tortrag bewegte 
ateh gaaa in dieaer Rlchtaag. Je mehr aieh dabei heranarteUen wird, 
daß Innerhalb von llias nnd Odyaaee die Eiinnerang an altündisdhe 
YethUtnlsse nnd die Eralhlnng von Ereignieaen, die sich dort angetragen 
haben, auf alter, aas der Heimat mit übers Heer genommener Tradition 
benht^ desto weniger wird es nStIg sein solche Beatandteile ans Jflngeren 
litterarischen Quellen, wie den kyklischen Epen, abaolelten. Vielleicht 
ist Inswiachen dar Verf. selbst an dieser Anscbaanng gelangt; die Frage, 
mit der er seinen Aafaats schließt, Iftßt es fast vermuten. 

4. H. Dfintzer, Diendiidaa nnd Pikaiarehos. Heckeisena 
Jahrbb. 141 (1890) S. 553—569. 

Diintzcr cilicbt eiue Keihe von Bedenken gegen die Behaudlimg, 
welche die beküimten Woi te des Diogeneh vuii Laerte über Pcisistiatüs* 
uüd Solous Vei dieiisLe um Homer bei Wilamowitz (Uotn. Unters. 240 flf.) 
pefnnden haben. Namentlich zeigt er, wie das, was \ViIü.iüuvviU über 
Zeitaltei umi littcrariscüe Stellung des Dieuchidab ausgeführt hat, einer 
leaten Bei^ruiuluug entbehrt; es sei sehr wohl raüi^lieh, daii Dieuchidas 
erst unis .lulir 300 geschrieben habe, uaclidem Salamis den Athenern 
dorch Kasaudius wieder genommen war; demnach brauche auch das 
Verhältnis zwischen diesem Schrittsteller und Dikäarchos nicht so zu 
sein, wie ^\ ilLHiiowitz annehme, sondern könne auch umgekehrt sein, ^,i> 
daU Dienchidaa aus Diki.turcbos gescliuiilt habe. Dies letzte ist iiuu auch 
nicht mehr als eiüc Möglichkeit; jener negative Nachweis aber scheint 
mir gelnngeu. — Im Zusammenbaog hiuuiiL tritt Düutzer aufs neue 
f&r die vuu der jetzt herrschenden Moae bestrittene Glaubwürdigkeit 
des Berichts über die «Sammlung des Pei&istratos ein. 



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IX Zar Gesehiehte der homeriBchen Wisianieliilt 131 

5. K. Tümpel/AXxivou dRoXoYoc. PhfloL 52 (1893) & 523— 533. 

Der Verfaeser bat alle Stelleo geuinmelt» an denen der Anadmek 
''AWvoQ dnoXioToc in der alten Lttterator, inm Teil sprieliwörtUeli, vor« 
kommt. Er weist im einselnen nach, in welchem Siaoe das Wort ge- 
brmncht worde, and maeht dabei namentUeli auf die wenig beachtete 
Thatsaehe anfinerksam, daß die Bemebiing auf den Bericht des Odjneos 
(t— 1&) swar schon im Altertum ttberwiogt, aber nicht die allein 
hetnehende ist, daß vielmehr gelegentlich aach die Partie, die von 
AUdnoos handelt (d oder ft) 'AXxCvoo Mhv^oi genannt wird. 

6* W. Peters, Zur Qesehiehte der Wolfsehen Prolegomena so 
Homer. MitteUnngen ans angedruckten Briefen von Friedrieh Angnst 
Wolf an Karl Augost Böttiger. Progr. Frankfurt a. M. (Kgl. Gjmn.) 
189Q. 48 S. in 4. 

Eine wertvolle Poblikation, welche iu die Gedaukeuwelt, aus der 
Wolfs epochemachende Schrift erwachsen ist, einen aamittelbaren Ein- 
blick gewährt und zugleich ein lebendiges Bild von der Aüfuaiime giebt, 
die sein Werk bei einem so teiiuehmenden und zum Urteil benifenen 
Kreise wie dem der Großen io Weimar fand. Der Herausg-eber hat 
auch die Briefe Bottigers fin Wolf benntzt und teilt aus ihnen mit, was 
den Wollsehfn zur Erläuterung Uieueu kann; ebenso giebt er am Schlub 
Böttigers Niederschriften über eine Reihe von Gesprächen, die er rait 
Goethe, Herder, Wielaii l iilter Wolfs Ideen i^ohabt liaf. Das Kach- 
wurt biiugt eine «jiii;j:i'!u niir und gerechte W iudit^uiiL: des puinlichen 
Veriicilüiisses zwischeü Wolf Qiid Ilevlrr; in der Autheüung dieses Yer- 
hältntöses liegt ein Hanpt verdienst der i^etersschen Schrift. 

7. Tlg. Über die homerische Kritik seit F. A. Wolf. I. Teil: 
Die Woif-Lachnianns iie Richtung. Progr. des KgL WOrttOAb. 
Qymnasioais in Ravensbnrg, 1891. 

Der Verf. giabt einen Bericht Uber die Unteranchnogen von Wolf 
nnd Laehmann und einigen andereo, die sieh nnmittelbar an die beiden 
großen Führer angeschlossen haben, nnd zeigt nnschwer, daß dadurch 
noch keine „oltJektiTen** Besnltate ersielt worden sind. Eingehend er- 
örtert er den Begriff des Ehizelliedes nnd sein VerhUtois zom großen 
Epos. Die Kritik, die er an den Arbeiten der Forscher Übt, ist ttberall 
nur negativ; es fehlt der Tennch, an Stelle von Theorien, die hent- 
sntage jeder als überwanden kennt, positiv eine bessere Erkl&rong der 
beobachteten Thatsachen tu setxen. Vielleicht aber war dies die Ab- 
sicht für den zweiten Tcol, der eine vermittelnde Bichtnag In der 
Homeriorltik schildern sollte, jedoch bisher nicht erschienen ist 

9« 



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Bericht über die griecMschen PhiloBophen Tor 

Sokrates für die Jahre 1876-1897. 

Von 

Prof. Dr. Franz Lortzlng 
in WUmendorf bei Berlin. 

Fortsetzung und Schluß von Bd. LXXXXVI (1898 I) 

S. 156— 276. 



Nachtrag smn ersten Teile« 

Im erstea Tefle dieses Beliebtes B, 933 f. habe ioh die Be- 
sprechang des unter No. 76 angefilhrteD Baches von Erwin Rhode, 
P^che, yenehoben, bis ich die im Jahre 1898 eraehienene sireit» Auf- 
lage eiogesehen hätte. loh trage nunmehr den Bericht Über die auf 
die Vorsohratiker bezBglichen Abiebnitte des Jetst in S Bände serlegten 
Werkes nacb: 

Ei vviu Khüde, Psyche. Seelenkalt und UnBierblichkeitsglanbe 
der Griechen. 2. verb. Aufl. Freiburg i/B. 1898. 

Die Anderangen und Zasätze der zweiten Auflage lassen den 
wesentUcben Inhalt der in der ersten entwickelten Ansichten des Vcr^ 
flissers unberflhrt und erstrecken sich nur auf Einselbeiten der Unter» 
suchnng, die zum Teil jetzt in die beiden Bänden anhangsweise beigef&gten 
nmfangreiclieren Anmerknogen verwiesen worden sind. Ich werde der 
folgenden Beiiprechung die erste Auflage, die mir zur Hand ist, zu 
gründe legen und auf die wichtigsten Änderungen der neuen Auflage 
an den betreffenden Stellen hinweisen. — 8.820 ff. wird aus der «absurden 
Fabel* von Zamolzis bei Herodot 4, 95 geschlossen, daß die Gkieoben 
die pythagoreische Lehre von der Seelenwanderung oder der 
«Wiederkehr* der Beelen in Thrakien wiedergeAinden haben. Die 
schwierige Frage nach dem thatsächlichen ün^rung der grieohischen 
Seeleawandenmgslehre wird S. 4S6 ff. dahin beantwoitet« daß sie aus 
Ägypten, wie die neuere Forschnng ergiebt, nicht abgeleitet werden 
darf, wohl aber eine der Vorstellungen gewesen sein kann, die mit dem 



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Beriebt Über die griechlflcben Philoiophen vor Sokrates. (LorttiDg.; löo 

DioDiysoakiilt die Orphiker ana Thrakien ftbernoinme& haben» wenn aie 
nicht etwa nnabh&ngig von fremder tlberllefmngr anf griechischem 
Boden erwachsen ist Dber die sprachlichen Beselcbnoagen für 8eelea- 
wandemng wird 6. 438 ^ S bemerkt, der älteste nnd feierlichste Name 
tei «dUTftveai«, neben dem anch ym^Tmyatnats nicht nngewShnlich sei, 
während |jieTe{i4<u-/o»9tc bei den Griechen am seltensten vorkomme. — 

8. 397 ff. wird das Verhältnia des Fythafforeertnms an den 
Orphikern erörtert Für die Ansicht, daß Pytbagoras orpbische 
Gemeinden In Kreton und Ketapont bereits Tongeflinden habe und In 
Ihren Gedankenkreis eingetreten sei, nicht, wie Herodot es sich vorstellt, 
die Orphiker ihre Gedanken erst dem Pythagoras and dessen SchlUem 
verdanken, sprechen swei Umstände: in den Trflmmem der orphiseben 
Gedichte findet sich außer geringfüi^igen Sparen nichts, was den 
Orphikern ans pythagoreischer Quelle zugeßossen sein müßte, nnd die 
beiden Bichtangeu gemeinsame, ihnen wahrscheinlich gleichermaßen ans 
dem altthrakisehen Dionjsosknlt zugeflossenen Theolognmena stehen In 
der orphischen Fassung diesem Urquell näher. Daß freilich Berod. 

9, 89 die 'OptpixdE nnd Baxx»d von den Af^uictui und I]ii8«T^;a ableitet, 
hält R. mit Gumperz Im Oegensatso an Zeller Iflr onsweifetlhalL In 
der S. Aoß. wird II 107, 1 die huwiachea von MaaB, Oipbcns 1895 
8. 165 vorgetragene ErkHlrnng dieser Stelle, wonach die Worte loSot 

At-fuimotn nnr mit Barimn, nicht mit 'Op^ixoiot an verbinden wären» 
aoräd^ewiesen; Herodot denke nicht daran, die 'Op^ixdt nnd Bmegwi 
als generisch verschieden hinsnstellen, sondern htaxwi beseichne daa 
Genna nnd *Opfixd( die Speeles („die *0^fmi und ttberhanpt die 
Bontxtxd*); die HinanfliguDg der nv&a7^peia solle war darauf hinweisen, 
durch wessen YermitteluDg das Ägyptische In den 'Op<pixi noch be- 
sonders befestigt worden sei; daß Herodot Pythagorsa an den SchlUem 
der Ägypter rechne, habe er 2, 133 verständlieh genug angedentet — 
S. 406 ff. Anm. 9 nimmt B. im Anschluß au Gruppe Jahrb. f. Fhlloi. 
6uppl.-Bd. 17, 6^9 ff. nnd Im Gegensatze zu Lobeck nnd 0. Kern an, 
daß das von den Keuplatooikern benutzte Gedicht keinesfalls ein Werk 
des 6. JahrhuDderts sei und daß Piaton in Wahrheit die Bhapeodlen nicht 
gekannt habe. Diese Anfrasaimg hält er II 241 f. anch den inzwischen, 
besouders von Goniperz Gr. D. I 430 f. erhobenen Einwendungen gegen- 
über aofrecht. Soweit daher wirklich eine Übereinstimmung in 
Inhalt üüer Form zw ischen den Rhapsodien und Pberekydes, 
Ileraklit, Parmeuidea, Empedokles stattfinde, sei der Dichter der 
Rhapsudiei], der ältere oii^hibche Ubeiiiekruug äußerlich zusammen* 
faßte, der Scholdner, nicht der Gläubij?er. Diese Behauptung scheint 
Über das Ziel hinauszuschießen- v-luii du orphische Dichter ältere 
orpbische Theologeme zu^aiumeiiateiit und andererseits, wie R. 8. 409^ , 



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154 Beriebt Uber die grieehiecben Philosophen vor Solnmtes. (Lortsiog.) 

3 und 41S% 3 seibat ftanimmt, FhilosopheD wie Anaximuider and 
H«nUit gelegentlich gleichCalk «olcbe Lehren vor Angen gehabt haben, 
■0 kann eine ÜbereinstiuinraBg des Inhalts swiseben Anisprfiehea der 
Philisophen und Versen der Bhapsodien aach ans der Utesten Orphik 
als gemeinsamer Quelle für beide Teile erklärt werden, und nnr wenn 
die ÜbereinBÜramnng sieh zugleich anf die Form emtreekt. wird 
man diese ans jenen ableiten dürfen. Wir kommen anf diese Frage 
s^terznrflck. ^ S. 481 ff.: Die ionischen Philosophen verstanden 
unter F^yehe nicht ein Geisterwesen, einen Doppelgi&nger des Menschen 
wie die Theologen, aoodem die mit allem Dasein verschmolzene Lebens- 
kr af t, soweit sie sich in geschlossenen Einzelwesen darstellt, eine zu- 
sammenfassende Benennung jener KrAfke des Sinnens, Strebens, WoUens, 
besonders des 9v|wc, die nach homerisch-volkstttmlicher Ansehanung 
ganz dem Bereiche des sichtbaren Menschen und seines Leibes zufallen 
(vgL 43SS 1). Die Psyche verliert hier ihre unterscheidende Eigen- 
timlichkelt, die sie von allen ftbrigen Dingen nnd Wesenheiten der Welt 
absondert und unvergleichbar macht. Von der Unsterblichkeit der Seele 
im Sinne der Mystik können daher diese Philosophen nicht geredet 
haben. Dasselbe gilt von Herakllt (ß, 437 C). Ihm fUIt die „Seele"* 
mit dem bildenden Feuer zusammen; sie ist es, die sich selbst den 
Körper baut; sie stirbt schon im Leben fortwährend, um immer wieder 
neu aufeuleben. Wenn die Seele nicht mehr ersetzen kann, was bei der 
Umwandlung der Steife ihr an Lebensfeuer entzogen wird, dann erleidet 
sie den Tod; vgl. 8. 440 ^ 1, wo anf Heraklitisebe Qedauken bei 
Plutarch de £{ c. 18 und Flatou Bfmp. 907 D. ff. aufmerksam gemacht 
wird, und II S. 149 Anm. die zusätdiche Bemerkung über die Ähnlich- 
keit der Lehre Heraklits mit der Jainalehre. Die Frage nach einer 
individuellen Unsterblichkeit oder auch nnr Fortdauer der Elnselseelen, 
etwa in der Form der Seelenwandernng, hat fSr Her. kaum einen Sinn : 
daß er seiner GrundvorstelluDg zum Trotz die popnIAre Annahme zu* 
gelassen habe, ist nicht glanblich. — 8. 44S ^ if. 3 sucht B. gegen Zeller 
und PAeiderer nachzuweisen, daß die späteren Berichte Heraklits Lehre 
Olschen, und daß ans den Fragmenten, auf die man sich gewöhnlich 
besieht, anch ans Fr. 37 fllr die geg^nerisehe Auffassung nichts fblgt; 
vgL hierzu den Zusatz II 150*, 3: aus Fr. 67 oder Fr. 44 mltGomperz 
eine Lehre vom Aufsteigen einzelner hoher Maischen zu GOttern heraus- 
anlesen, sei nnthunllch. E. stimmt in diesem.. Punkte, wie sich spftter 
zeigen wird, völlig mit Putin flbersin, dessen Untersuehnngen er auf- 
fUlenderweise nirgends erwShnt — 8. 447 ff. werden die Eleaten 
behandelt. Ober angeblidie physikalische Annahmen Zenons 8. 443, 2. 
Dafl dem Parmenides als Physiologen die Seele keine eigene Substanz 
sondern jiur ein Ergebnis materieller Mischling ist, betrachtet &. als 



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B«ikht ttber di« griecliiMlieii Pbüotopbea wt Sokiates. (Lortiiiig«) 135 

feststehend; wenn jiacli SimpHcius ad. phys. 39, 21 D. di> wplrrejrierend.' 
Ootthf*it die Seelen ,.bal 1 rins dorn Sichtbaren in'^ Unpii litbare, bald nrn- 
gekehrt** sende, so rede hier Farm, nffenhar als Anhän^rnr der orphisch- 
pythaünrpischpn Theoaophie [^virl. Diels i'a^m. 109 f.j, wie denn über- 
haupt der jiytliacoreipchp Kintiuü auf Parm. wesentlich etbi'^cher Art 
gewesen zu sein scheint. Mit der letzteren Behanpfnng- steht nicht recht 
im Einklänge die bald darauf (S. 450', 3) folijende Bemerkung: Die 
Konstruktion des Weltgebäudes nach Pythagotas' Darstollnnjr «Pi ^dmn 
dem Parm. bekannt und werde in einzeloen Pouktea von ihm nachge- 
ahmt (vgl. Tannery, sc. hell. 255 ff.)- — 450 ff.: Die "Weisheit des 
Pythagoras hatte vofDehmlich in der von denOrphikern übernoraraenen 
Seelenlehre ihre Wurzeln. Die Ableitung der Uusterbiichkeit und 
Göttlichkeit der Seele ans ihrer Herkunft von der Weltseele, wie sie 
mehrfach als pythagoreische Lehre hingestellt wird, zeigt zwar stoische 
Färbung, kana sieb aber ihrem thatsächlicheo Gehalte nach doch wohl anf 
altpytbagoreische Lehre znrückleiten (?). Über die pythagoreische Fabel 
von den Sonnenstäubchen, die „ewig in sittemder Bewegung schwebende 
Seelen" seien oder Boldie einschlössen, s. 8. 453, 5: über die Vor- 
stellung des Alkmaion, wonach die Seele loixc xoU aOavot-o-: s. S. 452 
mit dem Zusatz II 161: über die Erklärung des Ausdrucks iv Tpoopff 
bei Piaton Phaed. 62 B s. S. 453, 1 und den Znsatz II161 f , 2 gegen 
EaploM* Deotang (s. n.)* S. 454 ff. wird über die ziemlich frühe Ent- 
stehuDg der Sagen von den Vorgebniten nnd der fiadesfabrt dai 
Pythag. ausführlich gehandelt und dabei, zun Teil abweichend VOD 
der früher (Rhein. Mob. 26, 55A) aiMgesprocbenen Ansicht des YerL 
and im Oegeusatze zn Diels der Zusammenhang beider Sagen und 
ihre gleichzeitige Krw&hnung bei Herakleides Pont, geleugnet. Vgl. 
Diels Parm. S. 15 and Kohdes Entgegnaog U 420', 1. S. 457, 4 
wendet sich Verf. gegen Krisches Meinaog, der die Vorschriften Aber 
Entbaitang yon Speisen mit BerafbSff anf das Zeugnis des Aristoxenos 
eist den entarteten Pythagoreern nach ZerstOmng des Bundes zugestehen 
will [ähnlich orteilt übrigens Cobet, Collect, crit. 361 ff.]: alles weise 
daraaf hin, daß das Wirksame in dem von Pythag. begründeten Sekten- 
Wesen in den religiösen und mystiBch^doktrinären Elementen wurzelte, 
WOn namentlich das gehöre, was als |iytbagoreische Askese geschildert 
werde; das Zeugnis des Aristoxenos gelte nur für die pythagoreischen 
Gelehrten, mit denen «r verkehrte, sieht für Pyth. selbst, wie denn 
noch das, was derselbe von pythagoreischer Moral, meist in völlig 
raUonalistisebem Sinne, berichte, kaum geschichtlichen Wert habe. 
& 458 ff., 3: Die VorsteUnng, daß der Kreis der Geburten nirgends 
m dorchbrechen sei, kann nicbt als pythagofeiscb, anek nicht als nen- 
cpytliacoreisek gelten, wie ea denn llberhanpt eine grleefaisehe Seelen- 



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136 B«rielit fiber die griaehifcbon Fbilosophen Tor Sokrttea. (Lvrtiiiig .) 

w^nderangslebre ohne die Vetheißang an die Saioi oder die 71X000901, 
daß sie ans dem Kreise der Geburten ausscheiden können, nie gegeben 
ZQ haben scheint. 8. 459 ff. : Seine Glanbenssätze bat Pytb. nicht ans 
griechischer Wissenschaft, aber anch nicht aus der Fremde. Seine 
Seelenlehre ßiebt im wesentlichen nur die Phantasmen alter voll»- 
tfim lieber Psychologie wieder, in der umgestaltenden Ansführnng, die 
sie durch Theologen und Keinigungspriester, zuletzt durch die Orphiker 
erfahren hatte. Die Überliefening macht ihn daher mit Hecht zum 
Schüler des Pberekydes, der saerst die Metcmpsycbose gelehrt haben 
toll. 8. 462 fi": Unzweifelhaft (?) hat schon Pyth. den Grand auch zu der 
pythagoreischen Wissenschaft gelegt, ond die Lehre Yom Bau des 
Weltalls, anch wohl die Zablenlebre mindestens in den ersten Zügen 
•einen Anhängern vorgezeichnet. Dann bewegten sich die beiden 
Bichtno^en, die mystisch-religiöse und die wissenschaftliehe, lange nur 
in loser I«1ihlnng nebeneinander» bis sich nach dem ZosammeDbrach des 
fiondes die letztere zu einem ansehnlichen System answnchs. Die 
pythagoreische Wissenschaft zog Jetzt die Seele aus der Vereinzelong 
und der gregensätzlichen Stellaog zur Natnr, und Philolaos bestimmte 
sie als die Harmonie der znm Körper vereinigten entgegengesetsten 
Bestandteile (Simmias konnte die im Phaidon vorgetragene Lehre nor 
von Philolaos haben). Da eine solche Seele im Tode verschwinden muß, 
so liegt der Widei*spruch zwischen dieser Vorstellung und der alt- 
pythagoreischen Lehre auf der Hand. Vielleicht gingen die beiden 
YorstellnDgen von Anfang an neben einander her, wie denn alte and 
nicht nnglaubwürdige Überliefernngen Ton verschiedenen Klassen der 
Anhänger des Pyth. reden (Akusmatiker und Mathematiker, Pythagoreer 
nnd Cythagoristen). Wenn derselbe Philolaos anch von der Seele als 
einem sdbst&ndigen und unvergänglichen Wesen redet, so ist dies viel- 
leicht 80 za erklären, daß er innerhalb der Seele verschiedene Teile 
nnterschied (ein Ansatz dasn in dem Bruchstück Theol. artbm. S. SO f.), 
wie ja nach Poseidonios anch schon Pyth. die Teilung der Seele gelehrt 
haben soll (V) und Alkmaion <ppoveiv nnd aioddvtodvt dentUch nnterschied. 
— S. 465 ff.; die parodistische Geschichte vom Sprang des EDpedohlea 
in den Krater des Ätna setit das Yorhandensela einer ernstlich ge* 
meinten Entrflcknngssage vorans, die gleich nach Empedoldes* Tode 
entstanden sein mnß. Der Yorstellang des Empedokles selbst von dem 
bewußten Weiterleben der vom Leibe befreiten Seele entsprachen selche 
Sagen wenig. Von den in nenester Zeit gemachten Vennclien, die 
Theologie des £mp. mit seiner Pliyaik In Einklang mi bringen, hUt sieh 
B. fern nnd scheidet scharf xwisehen den nllehternen Bestrebimgen den 
Katnrforscfaers nnd der ixratlonalen Spekolatlon des Theologen. Wenn 
Bmp. ainallche Wabmebmuig und Denkkraft Ton einaiider ttennt, lo 



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Bericht fiber die grieebisehen Philosophen vor Sokntes. (Lortting.) 137 

iil ihm doch der ^0^^* ^ die eloseliieii SinnestblUigkeiteii sn- 
■ammeikfhveiidee VermÖKeii, das wie die Wahinehmoiig an die Elemente 
and den KOrper gebunden iit. Kennt man die Snmme solcher 
geiitigen KrÜte Seele (£. aelbet braacbt in den erhaltenen Versen 
^fux^ nirgende), so muB man die ,8eele^ in Verfoliping der Gedanken- 
giage des Philosophen fBr ▼ergänglich halten. "Wenn anf der anderen 
Seite £mp. Ton Cttmonen redet, die snr Strafe ihrer Frevel dareh die 
Gestalten der Menschen, Tiere nnd selbst Pflanzen wandern münen, s» 
ist dies nichts als die Psyche des VoJksmnndes nod der Theologen, nnd 
Emp. wiederholt nnr in dentUcherer Fassung und anter Ansdehnimg 
anf die Pflanaen, was die Anbftnger der Hetempsjobose von den Schick- 
salen der •Psyche'' berichteten. Den nnUJsbaren Widersprach, der sich hier« 
ans ergiebt, darf man nicht durch Beiseitesetsang eines Teils der Aus- 
sagen des Philosophen noch durch begütigende Anslegoog beseitlgea. 
Im Sinne des Emp. besteht kein solcher Widersprach, da sich die ver* 
sehledenen Aassagen anf ganz verschiedene G^enst&nde beeieben. Die 
seelischen Krftfte des Empfindens, Wahmebmens nnd Denkens sind 
gans an die Elemente, im Kenschen an den Leib nnd dessen Organe 
gebunden, während der Seelendftmoa nicht aus den Elementen ersengt 
noch ewig an sie gefesselt ist. Allerdings besteht awiscben den Seelen- 
d&monen und der Welt der Elemente, wenn auch kein inneres und 
notwendiges Band, so dock ein gewisser ParalleUsmns der Bestimmung 
und des Schicksals. Glebt es indes keine Welt mehr, so wird, bis sich 
eine solche aufs neue bildet, auch kein Seelendbnon mehr an die Einael' 
Organismen einer Welt gefesselt sein k($nnen. Es scheinen daher nach 
die GOtter und DKmonen und demnach auch die In der Welt als «Seelen^ 
eingeschlossenen Geister nach £. kein ewiges Leben su haben, sondern 
nur {xaxpaCvvtc an sein. Vgl. 8. 480, 1. Es sei noch hingewiesen auf 
die Anmerkungen 8. 471, 1 und 472, % Uber den £ti)c Xsiiawv Sl und 
16 Mull, nnd den it&^ni,i x<"poc 17 f*, ™lt denen Emp. die Erde, 
nickt den Hades meint (vgl. den Eusatz II 176^ 1, wo diese Deutung 
gegen Haaß Orpheus 118 verteidigt und hinsugefagt wird, Emp. sei 
der erste, der den irdischen Aufenthalt als eine wahre HdUe und mit 
den Plagen und Sehrecken des alten Hades erfOllt darstelle), und 
8. 478, 1 fiber die Sdiilderong des goldenen Zeitalters, die Emp. wahr- 
acheinlieb nickt in den Ooaixa, sondern in den K«dap{i.oi gegeben habe. 
— 8. 481 £ Nach Demo kr it Ist die Seele das, was den aus eigener 
Kraft alefat bewegbaren Kfirpermassen die Bewegnng verleiht. Die 
runden und glatten Feuer* und Seelenatome, zwischen je zwei anderen 
Atomen eingeschaltet, teilen dieaen ihre Bewegung mit. Von dieaen 
gleichmlLOig durch den Leib verteilten Seelenatomen geht nicht nnr die 
Bewegnng des Kdrpers, sondern auch, freUich in nnfattbarer Welle, die 



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138 Beriebt über die grieebwehen Pbiloeopben vor SokrsiM. (Lortiini^) 

ebenfalls auf Beweg^anfp bernhende Wahrnehroang nnd das Denken dieaei 
Körpers aas. Zum ersten Mal in der Geschichte des griechischen 
Denkens ist hier die Unsterblichkeit der Sede ansdrücklich geleugnet» 
8. 483, 2: Ans der demokritischen Annahme der Erhaltung eines Lebens* 
restes für eine knrze Zeit nach dem Tode bildete man später die sicher« 
lieb falsche Bebaaptimg, daß überhaupt Tot vexpot töiv jwpLaTmv 7i9dzvsTai; 
vgl. den Einsprach gegen diese Vergrdbernng der Demokriteer bei 
Cicero Tnsc. I 82. Das Kapitel von den dvo^?ta>ieic scheint Dem. in 
der Sdirift Trep*. t'jv iv "AiSou behandelt zu haben. Im Anschloß 
hieran spricht U. über die Echtheit dieser Schrift und der nns über- 
lieferten ethischen Fragmente Demokrits ond wiederholt seine schon frtther 
(». n.) geäußerte, höchst ein8eitip:e Auffassang» nach der diese Fragmente 
aämtlich, mit verschwindenden Ansnahroeo, „gefälschte Fabrikarbeit sehr 
geringer Art** siud. Uierbel bezeichnet er Wendangen y;ie {luöo- 
?cX«ffriovTgc Fr, 92 H. als eine spätgriechische Wucherung; vgl, II 191* f. 
Arnn. die nähere, gegen v. Wilamowitz (s. Bericht I No. 125) ge- 
richtete Ansffihrnni;. — 8. 484 ff.: Anazatroras setzt ah erster ent- 
schiedener und bewußter Dnalist der unendlichen Menge der ,8anien* 
eine Kraft gegenüber, die er offenbar aus ihnen nicht abnleiten wnßte 
nnd sich nach Analogie des menschlichen Denkvermögens vorstellte. 
Wührend Bemokrit, von der anorganischen Katar ausgebend, aaf die 
Annahme einer mechanischen Gesetzmäßigkeit ancli der orgaiüielien 
Katar geführt wnrde, faßte Anaxag. gleich anfangs die organische Katar 
nud deren höchste Entwickelnng, das Meosehentnm, ins Aage and flber^ 
trog daher den Begriff des bewnßten Zweckes (?) aaf die gesamte 
Katar, auch die anorganische (?). Der •Geist'* wird von ihm mit solchen 
Beiwörtern beschrieben, daß man das Bestreben, ihn von allem Hateriellen 
verschieden, selbst materiell and ankörperlleb zq denken, nicht verkennen 
kann. Er ist sogleich Denkverm(igen and Willenskraft Dieser die 
Welt nicht schaffende, aber planvoll leitende (?) Geist kann oar als 
eine fast persönlich vorgestellte, aaßerweltliche Gotteekraft gedacht 
werden, die von außen magisch, nicht mechanisch — sie behemeht 
Aber dieser Jenseitige ist zagleich ein völlig (?) Diesseitiger. In der 
beaeelten Welt ist er stets in gleicher BeschaiFenbeit, aber in vemhifMlenen 
Jlengen anwesend, ja er bildet wohl das, was man die Sede eines Lebe- 
wesens neont. Wie man sich eine Vereinignng so entgegengesetster 
Eigenschaften des Geistes vorxostellen habe, bleibt andentUch; sicherlich 
aber konnte bei dieser Anffassong von der Fortdaaer für tkh bestehender 
Wesen aicht die Bede sein. — 8. 588 t, 1 bekftmpft B. Welckers 
Yersacb, .die meisten der im Aiioehos enthaltenen Betrachtnngmi ftber 
die ddttvaeitt den Zag der Seele nach dem «Uh{p» ja sognr 

die platenisierende Phantasie über das Los der Abfeschiedsnen dem 



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Beriebt Aber die griaehiflchtti PhiloNpheo tor Sokntei. (Lortung.) 139 

Prodi k 08 zneiiiehreiben. Nicht einmal das, was ihm dort ausdrücklich 
zogesehrieben wird, die AusfübtilQgr über die Mühsale aaf allen Alters- 
stofen. and der Anssproch über den Tod 369 B, darf als authentisch 
betrachtet werden. Dieser Ansapnich iat offenbar einem Kernsprncbe 
Epiknn entlehnt, nnd jene Ansfübrnng deckt sich verdächtigerwei^e 
mit Teles p. 38 Hense. — Schließlieh aei noch kurz erwähnt, daß K. 
anch die psyehologiechen Anschannngen der großen Dichter des & Jahr« 
hunderts erörtert, eo die dos IMndar, bei d^m sich swei entgefi^engesetzte 
Yorstellnngen von 'Wesen, Herkunft und Bestimmung der Seele finden, 
eine volkitftmljcbe nnd eine theologische, ans orphisch-pytbagoroischen 
I ktrinen geschöpfte, die des Äicbylos, Sophokles nnd Enripides. 
Ava die ausführlichen nnd lehrreichen Erörtemngen Über die pbiloso* 
phiscben BestandteUe in den Dramen des letzteren kann hier nicht 
näher eingegangen werden. B. zeigt, dafi sieh wohi hier ond dort bei 
£orip. Anklänge oder Anlehnnogen an philosophisebe Lehren wie die 
des Anaxagoras und des Diogenes ans Apollonia finden, aber doeh fast 
nirgends an eine einfache Poetisiemng ihrer Lehre za denken ist. Die 
UnsterblicbkeitBlebre des Dichters faßt R. dahin znsammen; Im Tode 
'Wird, nach der Trennung ?on den irdischen Elementen, der Geist, das 
Pnemna (Aber icvcii|ia als Bezeichnung für 4rt»x4 vgl. 8. d50\ 2 nnd 
II, 859', 3) des Keuschen zwar „nicht leben*, in dem Sinne, wie er 
in dem Sonderdasein des Einzelmenschen gelebt hat, aber er wird »nn- 
aterbliebes Bewußtsein behalten*, indem er in den nnsterblicben Äther 
eiqgeht, mit dem Alllebendigen nnd Allvemfinftigen sich verschmilzt 
(▼gL Hei. 1013 fP.)* •Keiner der Physiologen, denen die gleiche Vor- 
steUnng einer die nnpersdiiliche Unsterblichkeit ansschließenden Unver- 
l^ngUehkeit des Im Menschen lebendigen Allgemeinen vorschwebte, hat 
seine Meinung so bestimmt anagesprochen wie dieser philOBOphiscbe Laie.* 
Anf der Höhe dieser pantheistischen Erhabenheit hat sich Enrip. frei- 
lich nicht erhaltoi: an vielen Stellen redet er lo, als ob mr vom Tode 
nichts wissen k5nnt«i; vielleicht sei er ein völliges Versinken in das 
Nichts. — Alle diese Ausffthmngen Bobdes benihen anf völliger Ver- 
trantheit mit den Quellen nnd der neueren und neosten Litteratnr; sie 
bieten in ihrer Gesamtheit einen höchst wertvollen, an Bedeutnng die 
entsprechenden Abschnitte bei Biebeck (s. Bericht I 8. 231 f.) weit 
überragenden Beitrag zur Entwiekelnng der Seelenlefare in der ftltesten 
Phüosophie nnd enthalten im einzelnen eine FfUle neuer und treffender 
Bemerkungen; auch da, wo B. offenbar geirrt hat oder zn unsicheren 
und zwdfelbaften Ergebnissen gelangt ist, sind sie stets interessant nnd 
fsst durchweg beachtenswert Ich habe ihnen daher einen verhUtais- 
in&ßig großen Baum gegönnt, zumal da die sonst erschienen Be- 
«prechnngen des Buches, auch die der 2. Aull., von denen ich die von 



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140 Bflrieht Aber die griochitehen Philosophen tot Sokrates. (Lortsing.) 



A Milchböfer Beri. Ph. Wschr. 1898, 744 ff. und voo Stengel 
\V8cbi f ]<] Pb. 1898, 739 ff. nenne, die anf die älteren Pbiloeopben 
bezüglichen Untersuchungen nnr flfichtig streifen. Kar Willmann ArchiT 
VIII 6. 890 ff. faßt, aber noch niur gans knapp, die Haoptergehniasfr 
dieser .TJntersticbnngen zusammen. Im speziellen Teile werde ieh (tfters 
Gelegenheit haben, anf einzelne Punkte dieses Berichtes snrUckznweiseB. 
Außerdem sind znm ersten Teile des Berichtes nachzatragen: 

130. E, Zelle r, Über die Benutzung der aristo telisdieii Meta- 
physik i[i den Schriften der älteren Pjthagoreer. fc).-Ber. d. Berl. 
Akad. 1877. S. 145—167. 

Hier ist bereits vor dem Erscheineu der Dielsscbeu Doxograpbie 
der Nachweis geführt worden, du£ Tbeophrast, wie in den metaphysisches 
Aporien, so auch in den fooixa'i 6o(ai dem ganzen Gedanken d( r Schrift 
nach nnd anch im einzelnen an Aristoteles* Metaphysik angeknüpft hat. 

131. H. Biels, Über das physikalische System des Straten. 
S.-B. Berl. Ak. 1893. S. 101—127. 

P. ore^änzt hier S. 2 f. seine Ausführungen in den r)o\o«,'raphi 
über die VelusU placita (s. Bericht 1 162 f.), indem »r ^ie als posi- 
doniaoiscbe '.^pEJxovca» d. h. als Sammlni]- fuies Poßidüuianeers be- 
7.eichnet. Diesmi Stadium der Tradition der philosophischen So^at ent- 
sprecheu aui mediziuiiclier bcite die 'ApeaxovTa des» Alexander Phila- 
lethes (ü. Ber. I 176j. Die nächste Sinle bilden dann unter Trajan 
die philosophischen ^ApeV/ov-a des Aitios und auf medizinisch er Seite 
die doxo^raphisclun Exzerpie des Soranus. — S. 16, 2 wird die Duxogr. 
126 vorgetragene Vermutung, daß Phaidrod die gemeinsame <^uelle des 
Cicero und l^hilodem sei (s. Her. I 160). durch eiue weitere, an Cic. 
ad Att. XIII 39, 2 anknüpfende Kombination gestützt. Die chrono- 
logischen Bedenken, die ich I 164 gegen diese Annahme erhoben habe, 
Verden abei- dadurch nicht beseitigt. — Auf die vorsokratisclie Philo- 
sophie bezieht sich die IJemerknng S. 13 f. über die Bedeutung des 
Magneten für die Porentheorie des Empedokles und Demokrit Und fttr 
die Lehre des Diogenes Apoll, von der SXcic xvfi U|«.a^o{. 

182. £. Zeller, Über die richtige Auffassung einiger aristote- 
»sehen CItete. 8.-B. d. Berl. Ak. 1888. 8. 1833-1340. 

Aristoteles citierte meist ans dem Gedächtnis nnd Tennischte 
dabei das Citierte leicht mit seinem eigenen Gedankengange. Daraus 
haben sich MiCverstäudnisse ergeben. Zum Beweise dienen n. a. das 
Citat aus Heraklit (fr. 105 Byw.) Eth. II 2 S. 1105a 7, und der 
vielbesproc liPüc Bu iclit ilbrr Anaxugoras Metaph. A 3 S. 984a 11, wo nadl 
Z. zu erklären i&l: ^Anuxag. beliauptet von allen gleichteiÜgen Körpern, 



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Behebt über die griechiscbea Philosophen vor Sokratea. (Lortzing.) 141 

tpss Dach Empedokles (?) iiar voa den Elementen wie Feuer oder 
Waaser gilt.* 

*133. Th. (Tomperz, (iriecbische Philosnphf^n vor Piatos Zeit. 
Progr. der Yolkatfimlichen UuiversiULtsknrae in Wien Winter 1897/98. 
1. Abt. 

*134. S. N. Trabotskoj, Die Lehre vom X670C in der alten 
Philosophie in ihrem Znsammenhang mit der Entwickelnng des Iden« 
lismoB. Woproqr flies, t psiehol. 1897 VUL 

135. J. Cohn, Geschichte des UnendHchkeitoproblems im abend- 
ländischen Denken bis Kant Ijeipzig 1896, Engelmann. 

8. 15—17 wird ganz knrs von der Postniiemng des ITnendlichen 
in der NatniphUoaophi« von Anazimander bis Demokrit, dann 8. 18— 
S9 etwas aasAhrlicher von dem Unendlichen als Problem bei den Fjlha- 
goreem, Zenon, Piaton nnd Aristotelee gehandelt Hit der EntdedEong 
des Inrationalen, die dem Pjthagoras «igesohrieben wird, war eine 
Xnkongmeni swischen Zahl nnd geometrischer OrOOe aufgedeckt. Diese 
Entdeckung widersprach anls sch&rftte der pythagoreischen Ansehanong, 
daß die Linie als eine Snmme didtontintderlicher Punkte anfrafSusen 
acL ^ regte Zenon m seinen Betrachtungen an, dnreh die er die 
Lehre dee Pannenidea an stfitien snchte. Hierbei wendet sieh C. gegen 
TanneiTi Behanptong (s. Ber. I 856>, Zenon habe seine Beweise nkht 
gegen die Vielheit, sondern nur gegen die Zvsammensetiang des Stetigen 
ans diskreten Punkten gerichtet OnellenniftBige Beweise bringe Tanneiy 
nieht vor, nnd Aristotdes* Darateilung spreche geradezu dagegen. Daß 
aacb Demokrit sich mit dem Problem des Stetigen beschäftigt habe, 
zeigt der Titel .Aber irrationale Linien nnd dichte Dinge (so fiber- 
setzt G. varrcöv!)'' und fr. var. arg. 1 MulL Diese Annahme, mit der 
sich C. an Cantor (s. Ber. I 246) anschließt, ist eine sehr zweifelhafte 
Vermutung. Wenn sich Dem. wirklich mit dem Problem beschäftigt 
hat, so hat er doch schwerlich eine Lösung gefanden: Ronst würde 
Aristoteles, der Demokrits grundlegende Ansichten ziemlich iiusführlich 
wiedergiebt (Verf. leugnet dies unbegreiflicherweise), es sicher erwähnt 
haben. — In dem Abschnitt S. 29 — 35 „Zahlenmystik und Unendlich- 
keit" wird u. a. die Unklarheit uud Vieldeutigkeit des anetpov bei den 
Pythagoreern dargelegt. 

136. J. Walter, die Geschichte der Ästhetik im Altertnm, ih)er 
hegriflflichen Entstehung nach dargestellt. Leipzig 1893, Keisland. 
In d^m Abs^-hnitt über die Vorsokratiker (S. 102 — 119) behandelt 
W • 1. die Py t Ii aporeer, die zwar keine spezifisch ästhetischen Becviflfe 
■-luff^esteUt zu haben scheinen, aber mit dem Grundbegriffe ihrer ge- 
samten Weltansioht, der ,»Harmonie*, einen bedeutenden Einfluß aof 



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142 Bericht über die gneciiitichen PhlloBophen vor Sokiitte«. (Lortrinf.) 

die Ästhetik ausgeübt haben; 2. Heraklit und EuipeJokles, die 
gleichfalls das Ästhetische nicht g-esondert betrachtet, aber durch eig:en- 
tümiichu VerwciUitiL: ile; j ytlML-orei.scheu ^liui uiouie*' (bei Heraklit liar 
sie eine umfassendere IkJeuLiiiig uud zerfällt selbst wieder in eine 
sichtbcirc uud unsichtbare, Emped. setzt die „ernstblickeude Harmonie" 
seiner Liebe gleich) eine tiefere Auffassung' des Schönen vorbereitet 
haben; 3. Demokrit, der zuerst unter den Pliilüc.u|!hea eine Ab- 
handlang über UsLhetiscUe Gegenstände veriuLit /.u haben scheint» 
in welcher jedoch unter dem Einflul.'. der sophistischen Unterrichtspraxis (?) 
das Technische ^zan/. in den Vordergrund trat und schwerlich etwas 
enthalten war, was nach einer Theorie der äcliüuheit aussah. — Bei 
dieser Beuachtung der vorsokratischen Ästhetik kooinit nicht viel heraas. 
Es fehlt an jeder eingehenden Prüfunf^ und Sichtung der Überlieferung, 
uud die Erkl&i'ung der Fragmente ist oft wiiikuriich und verfelüt. 

137. K. Sittl, G««cbiebte der ffriechuehen Litterator bia auf 
Aleonnder d«a Gioßen. L TeiL Mfioehen 1884. II. Teil. Kttachen 
1886. 

Im ersten Teil werden 8. 350—957 die Anfänge der Prosa (Pbere- 
kydes, Anaximander, AnaximeDes, Heraklit), im zweiten S. 14—32 
Protagoras. Prodikos und Hippias, S. 33—35 die filteren Pninkredner 
(Gorgias, Polo§, Alkidamas, Lykophron), S. 271—278 die Ton den So- 
phisten zu unterscheidenden ipttmxoi und dvt(Xo7ixoi', deren Anfänge bei 
den Eleaten (Zenon, Melissos) zu suchen sind, endlich S. 475 — 489 
unter dem Titel ^Fachlitteratur" (?) Anaxagoras, Archelaos, Diogenes, 
Leukipp, Demokrit und einige andere behandelt. Diese Abschnitte ent- 
halten neben manchem Branchbaren eine Anzahl sehr bedenklicher, ja 
zum Teil unzweifelhaft falscher Behauptungen. S. nimmt vielfach eineu 
sehr subjektiven und unkritischen Standpunkt ein. So wird es S. 352 f. 
als wiihrheher.ilich bezeichuet, dau Anaximenes' Schrift der Anaximanders 
Vüraub^ei^aiigeii sei. weil sonst, weim die Kachrichteii der Alten glaub- 
würdig seien, Aiiuxiiuenes' Philosophie als ein Rückselintr y.u bezeichnru 
wäre (!). Nach I 355 soll Heraklit. weil er die i'oe^sie uud die Kede- 
kunst verachtete, anf die Fonu nicht den g^erin^^steu Wert f^elegt 
haben (!). Nach II 2l» Ii. soll in Prodikos' <Lpat auch der Ab^ichnitt „liber 
die Natur des Idenschen* (hat Prodikos wirklich darüber j^^e^elinebeii 
einbegriffen fjewesen sein. Der Einfluß, den i'roiikos durch seine 
Synonymik und überhaupt als Stilist auf die attische Prusalitteratur in 
der Zeit des peloponuesischen Krieges ausjipeübt haben soll, dürfte ducii 
wohl stark überschätzt seiu. I ber die Echtheit der ethischen Frag- 
mente Demoknts urteilt S., ähnlich wie Kohde (s. u.), in sehr radikalena 
Sinne. Die acht moraiischeu Schriften, deren Titel iiberiiefeit sind» 



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Bnklit Aber die griectuschen Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 143i 



vomirft «r gtmlldi mit der Begtündiuig, daß Aristotelee von ihnen 
nielits wiwe. Wae mußte man da niebt allea flbr «necht erkllren! Aacb 
das ioaitehe Bneh Alkmalona soll eine FUichang geweaen eein, — Be* 
aebtenawert aind die Anaelnaadenetsangea Aber die Ofaronelogie dea 
ftotagoraa. 

138. E. Kij^ger bespricht im Juuinal (tes Savuuib lb79 S. 314 
—324; 400—411; 517-526 die M u J lach.scli en Prag:meiita phil. 
gr. Er bemiiui^^blL die prinziplo«e Anordnau^ir dei Biuchstücke bei 
M., schließt aber doch mit eis irr Klog-e, die man bei der Ktngst er- 
kannten UnzuläugliehkciL des Miiiiachschen Werkes nur insofern gelten 
lassen kano, als es bisher die einzige Gesamtansg^abe der i?''ri^;mente 
geblieben ist. Der zweite Artikel enthält einzelne Proben einer fran- 
zösischen Übersetzung von Fragmenten des Orpheus, tiiipedokles, 
Heraklit, Anazagoras und Demokrit mit einigen meist wertlosen An- 
merkungen. Im dritten Artikel werden hauptsachlich die Fragmente 
des Archytas behandelt, über deren Echtheit £. eia auf der vermittelnde q 
Ansicht Chaignets beruhendes Urteil fällt. 

139. P. Convreur, Quelques additions aux Fragm. phiL gr. de 
MfUlach (so!). Uevue de phUol. XVn (1893) S. 108, 

Einen bei Proklos in Crat. schol. 60 (p. 30 Buiss.) dem Parmenidea 
zugciebriebenen Ausspruch über die höchste Gottheit h&ltC. Ar anthentiscb, 
wenn auch nicht in der Form. Vielleicht habe Farm, geecbrieben: 
Ouxe idip ouvoiAST out atjtoc» irctv X070C oudtic. Aber in dem Lehtgedicbt 
dea Parm. ist, das darf man mit völliger Sieherheit behaupten, fiir einen 
derartigen Gedanken nirgends eine Stelle gewesen. Proklos muß daher 
die Worte an Unreebt dem Parm. beigelegt baben. (a. a. za Ko. 380.) 

Bevor wir snm speziellen Teile ttbefgeben, aoü an dieaer Stelle 
noch bericbtet werden ttber: 

B. Sflhrlflan, die van dem Urspraag der grteeUaehen ]nrilaBapU% van, 
Ikran Beilelrangan an den Lehren orleatallachar TSlkar aawla aar 

Orphlk bandeln. 

Hierbei werden anch die XJntersnehnngen ttber die orphi sehen 
Theogonien nnd die sich mit den Lehren der Ältesten griechisehen 
Pblleaophie eng berührende Theogonie dea Pherakydes an be- 
rflekiichtigen sein. 

Anf die Uelnnng der Qrieehen ttber den ürapmng ibrar Phüo- 
lophie bezieht sieh: 

140. Fr. SclialL'i', l^uii Graeci de on,^'iiii' ithilu.i(Ji)hi;ie. n har- 
baris duceuda existunavcnnt, secuuduia Laertii Üiogems pruuemium^ 
expouitur. Di&s. inaug. Lipsiae 1377. 



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144 Bericht fiber die griediisdiea PhikMophen vor Sokrate«. (LorMng.) 

Diese AbhaDdlnng wendet lich «leipen Zellen Aneiekt« die Melnimiri 
daß die griechische Philosophie au dem Orient staoBme, habe sieb erat 
seit dem Aufkommen des Nenpytbsgoreismos verbreitet. Zn dieeem 
Zwecke nntersncht Verf, das BroOminm des Laertios §§ 1^2 and 
4—11 anf die daselbst citierlen Quellen hin. Das Ergebnis faßt er am 
Schluß dahin cosammen, daß es eine t'riihxeitig anfgekommene and 
bereits nnter den alezandrinlBchen Gelehrten verbreitete Annahme 
gewesoi sei, t& t^c ^tXooofCac dico papßapuiv dplot. In Wahrheit Ist 
«e ihm in keiner Weise gelangen. Zeller an widerlegen. Dieser hat 
nnr behaupteti die Herleitong der ganzen griechischen Philosophie aaa 
dem Orient sei jfiDgeren Datnms; er leugnet gar nicht, daß ein seine 
Lehren aach schon früher aitf orientaliseben ürsprung zarückgefnhrt 
wurden. Vor allem mußte awischen eigetttlicb philosophischen Lehr* 
e&tKen und rein religiösen Anschauungen unterachleden werden. Daß 
die Griechen Mhzeitlg petsische aud Ägyptische Beligionslehren und 
Sitten kennen gelernt haben, beweist gar nichts. Auch hAtte die bei 
Xiaert. § 3 — 5 entwickelte f;egenteilige Auffassung, nach der die griecbisclie 
Philosophie einheimischen Ursprungs war, mit in betracht gesogen 
werden sollen. Auch Im einzelnen ließe sich manches gegen die vom 
Vert angestellten Behauptungen einwenden. 

Von größerer fiedentang ist die Frage, ob und in welchem Um- 
ftmge in Wirklichkeit die filtesten philosophischen Systeme der Griechen 
unter der direkten Einwirkung orientalischer Lebren entstanden sind. 
Diese Frage ist in der ersten Hälfte des vorigen Jahrbunderta be- 
sonder« von Böth und Gladiseb eingehend erdrtert und von 
beiden in dem Sinne beantwortet worden, daß eine solche Einwirkung 
und zwar im weitesten Umfange stattgeAinden habe. Aber während 
jener die ftltere griechische Spekulation vorwiegend aus ägyptischen 
■Glaubenslehren ableitete, trat Gladiseb in einer Beihe von Einzel* 
Schriften den Nachweis an, daß sich in fttnf der bedeutendsten vor- 
sokratischen 8jrateme die Weltansicht der fftnf orientalischen Haupt- 
völker wiederholt habe, und zwar im pythagoreischen die chinesische, 
im eleatischen die iadlsche, im beraklltiscben die persische, Im empedo- 
kleisehen die ä^'yptische. im anaxagorelschen die jadlsehe. Nachd4*m 
ZeUer in seiner Ph. der Gr. (s. I* 19 IT,} die Haltlosigkeit dieser 
beiden, sich gegenseitig aufhebenden Hypothesen nachgewiesen und den 
im wesentlichen antochthonen Charakter der griechischen Philosophie 
betont hatte, verstummten. In Deutschland wenigstens, für längere Zeit die 
Stimmen solcher, die die Anfänge griechischer Weisheit Im Orient suchten, 
fast gänzlich. Insbesondere kann die Herleitnng der pythagoreischen 
Scelenwaaderungslehre aus Ägypten als abgetban gelten, seitdem sich 
durch das Totenbnch und andere ägyptische Funde das Yorhsndensela 



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Beriebt über die griecbischcn Philosopheo vor 8oki«tea. (Lortziog.) 145 

einer derarti.L'en Lehre bei den Ägyptern als ganz unwahrscheinlich 
herausgestellt hat (s. Duueker, Gesch. d. Altert. I* S. 64, v. Schröder, 
Pyiluiiforas luul tlie Inder, Tannery, scieiice hell6ne 74 f.). Völlig frei- 
lich ist dieses Ürienttjespenst auch io der zweiten Hälfte des vorigeu 
Jahrliiinderts nicht zur Rnlie gekommen, wie z. B. TeichmuUer u. a. 
lieraklitiBche Lehren auf ägyptischen oder eranischen Ursprung zurück- 
geführt haben, und in neuester Zeit scheint es wieder stark zu spuken. 
Um von der cauz unwissenschaitlichen und rückstiiiidigen Auffassung 
voii \VHlmann Cs.' Ber. I 222) zu schweigen, hat vor einigen Jahreu 
üabilleau im AnschluC an ältere französische Gelehrte (vgl. auch v. Eck- 
stein, Über die Giuudlageu der indischen Philosophie und deren Zu- 
sammenhang mit den Philosophemen der westlichen Völker (Indische 
Studien II S. 369 flF.) einen ähnliche Weg betreten (s. Her. I 212 f.); 
aber sein Ziel ist ein ganz anderen als das von ß,üth und Gladisch. 
Ägypten hat seinen Plitz mit Indien vcrtnnscht. Er leitet die vor- 
sokratischen Systeme. 1 i suiiders das atuinistische , das in den Unter- 
suchungen jener bei«leij keine Stelle gefunden hatte, aus der indischen 
Philosophie, namentlich dei- des Kanada, ab; mit welch geringem Er- 
folg, habe ich a. a. O. an<.'e.Jeutet. Ein Jahrzehnt fiüber hatte 1 Kreits 
V. Schröder die Lehre des Pythagoraa aus indischer Quelle entstehen 
lassen. Indem ich mich nun zur Besprechung der auf diese Fracren 
bezüglichen ufnerschienenen Schriften wende . beiuerke ich im voraus, 
daß mir bei lueiner geringen Bekanntschaft mit ligyptologischer und 
indoloL-iscber Forschung manche VeröfTentliehnntren auf diesem (Tebiete, 
in (It lu'ii lir Iii irciiische Philo'Jophie mit berf)ck<ic!iti<?t worden ist, 
1 üiL'aiiL,'' !! Hcui i!Hi;.:en. Den Vortritt In«-!' n h (iladiich, der nach 
längerem Schweigen gegen Ende seines Lebens uocl» in zwei Abhand- 
luniren zur vorsokratischen Philosophie das Wort eignlien hat. Die 
erste von (iietien ist bereits £er. I 265 besprocheu worden. In der 
zweiten : 

141. A. Gladisch, Die ägyptische Entstellang; des Pythagoras. 
Philol. 39 (1880) S. 113-130 
wiederholt er die schon in der Schrift .Empedokles und die Ägypter' 
Leipzig 1858 von ihm aufgestellte Behauptung, daß sich die Lehre 
von der Seelenwanderung zuerst bei Kmpedokies linde, aber bereits hei 
flerodot H 81 irrtümlicherweise auf Pythagora'; übertragen worden sei. 
£r BQcht diese wunderliche Ansicht mit den früher von ihm beige- 
brach teo sowie mit neuen Gründen zu stützen, ohne sie dadurch glaub- 
würdiger in machen. Uerodot II 123 soll sich überhaupt nicht auf Pytha- 
goras, sondern auf Empedokles beziehen; aber wenn man dies auch 
f&r Ol uotspov zugeben wollte — und wir werden später sehen , daß 
auch andere hier an Emp. gedacht haben — so bleiben doch noch ol 
JahrasiMriobt (Or AlttrtamawisMiiBcbaft. Bd. OXII. {i»iL L) 10 



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146 Beriebt Aber die grieehischeii PbiloBophen vor Sokiatee. (LortsiBg.) 

|Uv «poTtpov flbrig, VDter deoen man Diemand anders ah Pythag. wd 
▼ieUeicbt nocli Pherekydea veratehen kann. Aristoteles d .an. I 3 fin. 
wird als ein Zeti^is dafür angeAbrt, daO die Metenpqrcfaose niebt alt- 
pythagoreisch sei, weil Aristoteles dort von IIodaTopixal ftudot rede» 
wlhrend er sonst immer die Form no9a7^petoi gebrauche; nur die 
IloOaT^pstot seien die eigentlichen P^thagoreer, die IIodaTopixoC nnd 
noBa-yopifftaf dagegen die Empedokleer (gab ee denn solche?) nnd swar 
jene die Etoteriker, diese die Esoteriker. Das sind Phantastereien. 
Gana wülkOrlicli nnd nnmethodisch endlich Ist die Art, wie G. das 
Haoptaengnis für die Seelenwandernngslehre des ]^rtb., die belnnnteD 
Yerse des Xenopbanet bei Laert. VlU 36, dadurch beiseite schiebt, daß 
er diese Yerse einfach für nnecht erklärt. — Die gleichfidla ans der 
früheren Schrift hernbergenommene fiehaaptong, daß bei Emp. die 
philosophische Lehre mit den religiösen Vorstellangen im besten Eln- 
klsnge stehe nnd alles aof Ägypten weise, während Ton der nnbestrltten 
echten Lehre des TjXh. in Ägypten keine Spnr za finden sei, ist nnr 
in ihrem sweiten Teile richtig nnd anch nnr deshalb, weil die od* 
aweifelhaft pythagoreische Seelenlehre eben in Ägypten kein Analogon 
findet; in ihrem ersten Teile dsgegen ist sie vOlUg yerfehlt Ebenso 
gilt dies Yon der hier gleichfalls von neuem zom besten gegebenen 
Ableitung des ^ythagoreismus aas Chfaia, mit dem die Gemeiaschaft 
durch die hyperboreisehe (I) Überliefening des apollinischen Koitus ver- 
mittelt sein soll 

Von der bei Gladiscb wie bei Büth herrschenden Neigung, daroli 
unklare Vermischung religUiser und piiOosophiscber Vorstellangen und 
durch gewaltsame UmdeutUDg orientalischer Mythen und griechischer 
PhOoaopherae einen Zusammenhang zwischen beiden herzustellen, hält sich 

142. L. V. Schröder. Pythagoras und die lader. £ine Unter-^ 
sQchung über Herkunft und Abstammung der pythagoreischen Lehren» 
Leipzig 1884 

an Sehlem Vorteil fem. Er sucht vielmehr durch eine rein empirische, 
auf jede phantastische Koostroktion versicbtende Vergleichung den in* 
disohen Ursprung der Lehre za erweisen. Hierbei srütxt er sich auf 
efaie, wie es scheint, grüadlfche Kenntoie der altindischen Litteratur 
und hält sich in bezug auf den samischen Weisen im wesentlichen an 
die maOgebenden DarsteUnngen von ZeJIer nod Gantor. Da seine 
Schlußfolgerungen so auf einer anscheinend soliden Grundlage rohen 
und überdies die einzelnen Argumente mit großem Geschick ansammen- 
gesteUt sind, so fühlt man sich bei der ersten, schnellen Lektüre ge- 
neigt, dem Verf. beizustimmen. Sieht man jedoch genaaer zu, so wird 
man gewahr, daß die Beweisführung vielfach von unerwieaeiien oder 



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Betkill über die griechiscben Pbüoiopbeii vor Sokiates. (Lorldiig.) 147 

vnwahnebeinlieben Voranssetznngeo anigfebr, Verf. betrachtet «e ale 
feeUtebend« daß die Lehre von der Beelenwaadenui^ sieh weder bei den 
Agjptem, die in der Tbat, wie bemerkt, diese nicht geicaoDt eq haben 
acbeioen, noch bei irgend einem anderen Volke mit einiger Sicherheit 
nachweisen läßt, anßer bei den Indem, bd denen sie sich in der Zeit 
Bnddhas yollitftndlg anagebildet vorfindet nod swar genan in derselben 
Form nnd Bedentang wie bei ?ytb. Da sie sich nun bei den Indem 
im Znaammenhange mit der Lehre vom Alleinen natugem&ß entwickelt 
hat, bei den Griechen dagegen als etwas Fremdartiges erscheint, daa ana 
den sonstigen Anschannngen dieses Volkes nicht sn erklären ist, so 
glanbt sieh y. Sehr, an dem Schlüsse berechtigt, daß Fyth. diese Lehre 
▼on den Indem erhalten haben mflsse. In dieser Argamentatlon ist der 
eine Sata oobestreitbar, daß die Indische Seelenwanderongslehre eine 
anlfallende Ähnlichkeit mit der des "ByÜL aelgt. Daß dagegen diese 
Lehre bei Fyth. als etwas ganz Nenes anfgetreten sei, steht kdaeswega 
fest Die Keinong Zellen, die in der ietston Zeit wieder sehr In Anf* 
nähme gekommen ist, daß die Lehre bereite in dem orphisehen Qeheim- 
knltns vorbereitet war, ist nicht so unhaltbar, wie Verf. glanben machen 
will. Aber anch, wenn man ihm dies sogiebt, so ist nicht absosehen, 
warnm wir einem so hervorraj^endeu nnd originellen Denker wie 
Fytb. (v. Sehr, hfllt ihn Ik^eilich mit Heraklit für einen bloßen Vor- 
arbeiter fremder Weisheit!) nicht antranen dßrfen, daß er durch tieferes 
Kacfadenken über den Znstand nach dem Tode anf eine Anscfaanong 
gekommen sei, die doch anch in Indien als eine Kenernng gegenQber 
der herrschenden Spekulation der Brahmanen erscheint. Die K^glich- 
keit lißt sieh fr^lkh nicht geradean lengnen, daß auf irgend dnem 
Wege die Lehre von Indien nach Griechenland gelangt sei; aber bei 
dem Dunkel, das bislangr uoch über der Chronologie der Anfftnge des 
Buddhismus schwebt, wäre auch der nmgekehrte Weg ans Griechenland 
nach Indien nicht ansgesohlossen. Immer aber k^innte eine solche Ober- 
tragong nur mittelbar vor sich gegangen seiu; an einen Aufenthalt des 
Pytb. in IncUen, von dem die späteren Griechen fisibehi und den auch 
V. Sehr, fftr möglich hält, darf man nach allem, waa wir von den Be- 
ziehungen awlsehen diesem Lande and Griechenland wissen, nicht denken. 
Die ganze Hypothese von dem indischen Ursprung der Seelenwande- 
mngslehre des Pyth. hat indessen dadnreb einen starken Stoß erlitten, 
daß die zahlreichen sonnigen Entlehnangeu dieses Philosophen ans 
Indien, die v. Sehr, nachgewiesen zn haben glaubt^ so besonders auf 
dem Gebiete der Matheniutik (pythagoreischer Lehrsatz), der Zahlen- 
lehre und Zahlensymbolik, der Spei^everbole un i sonstiger eigentiim- 
licijer Vorschriften, wie z. B. der vielberufenen: -obz ?,Äiov TeTpa|A|A£vov 
|x»i ojir/eiv, die jedoch, was v. Sehr, übersebfu hat, btreits bei Hesio i 

10* 



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148 Bericht über die griechiaclien Pbiloeopben vor Sokralee. (Lorteiog.) 

Opp. 727 Btabt, nach dem Urteile der besten Kenner der giieehisehen 
Philoaopbie wie der indischen Litteratnr bei näherer Betrachtung in 
nichts zerfließen. So ist es nnerwelsUch, daß eine der pythagoreischen 
verwandte Zahlenlehre bereits zu Fythagoras' Zeiten in Indien ausge- 
bildet gewesen sei; t* Sehr, selbst schließt dies nur ans einer gana on- 
Btchei'en Etfmologie der Sftmkhyalehre des Blapila. Wenn er anderer- 
seits in dem von ihm behaupteten, von A. Weber bestrittenen Vor« 
liommen der Theorie von den 5 Elementen in der Sftmichyslehre einen 
Beweis für seine These erblickt, so wird dieser schon durch den Um- 
stand hinftUxg, daß eine solche Lehre dem Stifter der pythagoreiBchen 
Lehre wahrscheinlich noch gar nicht angesprochen werden darf. Über- 
haupt hhtte bei der ganzen üntersuchnng das Eigentum des ^yth. von 
dem seiner Nachfolger viel schärfer gesichtet werden mttssen, als dies 
Verf. getban hat Vgl E. Qarbe, D. Litt.*Z. 1884, 1371 f., A. W(eber), 
Litt. 0.-B1. 1884, 1563 ff.. H. v. Kleist, Ph. Bsch. 1885, 790 ff., 
J. Walter. Jahrb. f. Philos. (1886), 973 ff., Lortzing, B. Ph. Wschr. 
1885, 981 ff. 8. auch O. Gruppe. Die griechischen Kulte I 661 ff. 
673 ff. 

143, A. Weber, Die Giiecheu iu lüdieu. 8.-B. der Berl. Ak. 
1890. IL S. 901—933. 

144. B. Garbe. Über den Zasammenhan^ der indischea Philo- 
sophie mit der griechischen. Phüos, Mon.-U. 29 (1895) 6. 513— 5d0. 

*145. Gebiet d*Alviella, Ge qne rinde doit k la Gr^. Des 
influenoes dassiques dans la civiUsation de Tlnde. Paris 1897. 

Weber verhAlt sieh im wesentlichen den 8chr6derscfaen Ergeb- 
nissen gegenftber ablehnend. Gegen die Bebanptong, Pyth. habe seinen 
mathematischen Lehrsatz aus Indien entlehnt, wo er sich bereits in den 
bis in ein hohes Altertum hinaufreichenden ^'alvastitras (Meßschnur- 
regeln) finde, bemerkt er, es sei fraglich, ob die genannte Schrift vor 
Flyth. zu setzen sei; auch beruhten die dort entdeckten Begeln swar 
auf alter praktisdier Übung, aber darum brauchten deren Ti t^ur nicht 
im Besitse der Toiatellongen gewesen zn sein, die man später ans ihrer 
Praxis gesogen and in die Form bestimmter Begeln gebracht habe. 
Tgl. Zeller 483, 3. Auch die Seelenwanderungslehre des F:7tb. aus 
dem Bnddhismus absuleiten, ist nach W. bedenklich, und zwar aus den 
oben (zn Ko. 142) angef&hrten chronologischen Gründen. Selbst wenn 
Buddha ein Zeitgenosse des Pyth. war, so waren mindestens mehrere 
Jahrzehnte nötig, damit die Lehre von Indien aus nach Griechenland 
dringen konnte. Die Hetenipsychose liegt dem menschlichen Geiste 8o 
nahe, daß sie von verschiedenen VOlkem in verschiedenen Teilen der 
Erde selbständig aufgestellt werden konnte; wir finden sie auch bei den 



Bericht über die griechischeo Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 



Ä^pteni (?) und Kelten. Hervonabeben Ist noch die Bemerknngr 
Weben, wo swiaeheD der altgriecbiadieii Philosophie und der Indkeheu 
eine auf Entlehuiing hinweiseode ObereinstlmmnDg stattflnde, habe man 
•tele an EntlehDong ans Griechenland an denken. — Auf einem 
wesentlich anderen Standpunkte steht 0arbe. Nachdem er anf Ana- 
logien mit der indischen Gedankenwelt bei Thaies, Anaximander, Hera- 
Jdit, EmpedoUes nnd Demokrit hingewiesen hat, erkifirt er es für 
zweifelhaft, ob solche Überelnstlmmnngen anf wirklicher Beeinflnssang 
der Griechen dnreb die Inder beruhen oder bei beiden Völkern selbständig 
entstanden seien, neigt sieh aber doch der ersteren Annahme zu. Die 
historische Möglichkeit eines indischen, durch Persien vermittelten 
Einflusses sei unbedingt zuzugeben, nnd dnrch die Nachrichten Ober 
Belsen griechischer Philosophen in orientalische Lftnder [in Wahrheit 
steht die Wertlosigkeit dieser spfttgriechiscben Fabeln bei allen kompe- 
tenten Forschem lest] werde die Wahrscheinlichkeit (also doch 
mehr als bloüe llOgUchkeit?) noch erhöht. Bei Pyth. hllt es 6. für 
ganz sicher, daß seine Lehre von Indien abhftngig sei. Einzelne Über* 
einstimmnngen wtrden nichts beweisen, wohl aber die Masse solcher 
nnd zwar selbst in geringfügigen und wanderilchen Bingen, wie dies 
Sehr, in gründlidier und amfiMseader Welse nachgewiesen habe. 
Darauf ist zu erwidern, daß eine noch so große Masse von Argumenten 
leicht wiegt, wenn jedes einzelne ohne Bewriskralt Ist. Wie wenig be- 
weiskrftftig aber die einzelnen SchrOdeischen Argumente sind, ist bereits 
oben bemerkt worden. Darin hat auch nach Garbes Keinan^ v. Sehr, 
gefehlt, daß er die pythagoreische Grondanschanung von der Zahl ans 
einer angeblich Uteren Form der Sftmkhyalehre ableite; wir besitzen 
nicht den mindesten Anhaltspunkt dafür, daß ee einmal ein anderes 
Sftmkhya8y8tem als das nns vorliegende gegeben habe. Weiterhin werden 
dann von 6. die indischen Elemente Im Gnostidsmns und Neaplato- 
nisnins besprochen and die Yerrnntong A. Webers (Ind. Studien IX 
173 ff.), daß die indische Vorstellung von der väc (Stimme, Rede, Wort) 
auf die im Neuplatonismns aoftretendc und von da in das Johannes- 
evaDgelinm ü berge;,' an gfene Logosidee von Einfloß gewesen sei, dahin 
erweitert, daß schon 500 Jahre früher Heruklit seinen LoqosbegritT ans 
Indien entlehnt habe. Diese sonderbare Behauptung zu begründeu, hat 
G. iieinen Versuch gemacht. — An der Schrift von Goblet, in der 
auch die Philosophie der Giiechen liäher besprocheu zu sein scheint, 
lobt F. Juäti, B. Ph. Wschr. 1898 S. 912 f. gediegenes Wissen und 
besonnene«« Urteil. 

Zu berichten ist an dieser Stelle ferner über zwei Abhandlungen, 
die gewiüise Almlichkeiten und l'bereinstimmuogeu zwischen den An- 
schauungen beider Völker behandeln. 



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150 Beriebt über die grieehischen PbiloBopben vor Sokntee. (LoitiiBg.) 

146. . H. Oldenberg, Die Beligion de« VeiU ond der Baddfaia- 
miiB. Eine rellgioiugeteliiebtlicbe Studie. Bentsehe Enndnban 32 
(1896) 8. 193—225. 

147. E. Windiseh, Über den Slts der denkenden Seele, beion- 
den bei den Griechen und lodern, und eine Etymologie von grriooh. 

Kpa-ioec. Ber. d. Sachs, (ies. d. W. Ph.-li. Kl. ß. 43 (1891) ö. 155 
—203. 

In Oldenbers» Studie wird 8. 911 iL dargrelegt, daß die be- 
benncbenden StinuDUDgen und mehr noch die begrübmäfiigen Formn- 
lierongeB, in denen das Denken und Leben der bnddhietinclien Mönche 
eich Yollaeht, auf griechieehem Boden üir etwa gleieh2eitlges GegenbUd 
ünden. Es erhebt sich in Indien wie in Griechenland eine Welt gd- 
atiger Bfldnngen, die hoch ttber aUee Alte hinansstrebt. Es bildet eich 
im beeonders scharfen Gegensätze zum großen Haufen der Nichterlench* 
leteu der ^^us halb reIigi<Jier, halb philosophischer Heroen oder Tir- 
tuoien. Zn. gleicher Zeit nimmt auch der Inhalt des Qlanbemi und 
Denkens ein neuee Aussehen an. Das Denken richtet sich immer mehr 
auf das eigentliche Seelenwesen; es bildet sich die Lehre von der Seelen- 
waadening aus. Das Ziel ist die LQeang yon dieser Waaderoag, das 
Eingeben in die Welt des Ewigen, deren nur der Denker teilhaftig wird. 
In diesen Gedankenkreis gehOreu die symbolischen Dantellungen der 
orphischen Diehtung — so bedeutet der von Titanen zerfleisehte Dio- 
nysos die dem Unheil der Zerstückelung preisgegebene selige Einheit 
allen Seins femer AnazimanderB Lehre vom Dasdn aller Dinge als 
einer Schuld, Herakllts Strom des Werdens und Vergehens, der im 
Buddhismus wiederkehrt. Das Gespräch eines Heiligen mit dem Griechen- 
fttrsten Menandros (Milinda), der gegen 100 v. Ohr. im Kordwesten 
Indiens herrschte, Tergleieht ganz charakteristisch das Leben der Fser- 
sdnlichkeit mit einer Flamme. Dem Hreise oder Rade, unter dem sich 
die Orphiker tfe Seelenwanderung Torstellen, entspricht bei den End* 
dhisten das Bad der Ezistensen, der Kreislauf der Geburten. Auch 
die Verknfipflmg des Seelenwanderangsglaubens mit den Ideen der mo* 
ralisehen Wiedenrergeltnng indet sich im Buddhismus wieder, ebenso 
die Erinnerung besonders erleuchteter Mftnner an frilhere Verk9rpe- 
mngen (Fythagoras, Empedokles) in den Wiedergeburten des Buddha, 
endlich auch das Ziel der Erlteang vom Elend des Werdens (Orphiker, 
PUton) im Nirwana. Mit Unrecht hat man, so schließt 0. diese Be- 
tnehtang, aus den in die Ang«a fallenden Ähnlichkeiten geradezu auf 
Übertragaug von Indien nach dem Westen geschlossen; die Gleich* 
artigkeit der geschichtlichen Ursachen hiben und drUbeu genügt, diese 



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Bericht fib«r die griediischeii Philoeopben vor Sokietee. (LoitBiiig). 151 

Äbnlicbkeiten za erklären. — Eineii speziellen Beitrag zar Geschichte 
der Psycbolog^ie bei Qriecben und Indern liefert die auch liDgaittiteh 
wertvolle Abbandlaoij^ von W indisch. Wie in den ältesten ^erma- 
Discben Quellen, so ist ancb bei den Indem, sowohl bei den vedischen 
Dichtem wie ancb in der brahmanischen Philosophie and in der ein- 
beimischen Medizin nicht das Haupt« sondern das llerz der Sitz der 
deokeDden Seele. Dieselbe Anschanimg: herrschte ancb bei den Griecbea 
von Homer an. Auch antor den giriedÜBcben Philosophen blieben die 
ineliteD dieser Auffassung treu, so Parmenides, Aristoteles, Epikur, 
dem auch Lukrez folßft, die Stoiker. Daneben wurde jedoch schon 
trfibzeiti^ die denkende Thätigkeit in den Kopf aod das Gehirn verlegt. 
Dieeer Teil des Körpers ist vielleicht auf der ganzen Erde ^nerst von 
griechischen Philosophen und Arsten in aeiner Bedeutung für das 
Denken und die gan:?e Führung des Menscben erkannt worden. Von 
den älteren Philosophen haben Pythagoras (?), Alkmaion und Demokrit 
diese Ansicht vertreten. Auch dem Hippokrates sowie späteren Aledi* 
zinem wird bei Aetios diese Lehi'e zugeschrieben. Piaton weist dem 
obersten seiner drei Seelenteile den Kopf als Sitz zu. Die Thatsache, 
daß Aristoteles, dem sich die Stoiker hierin völlig anschlössen, nichts 
Tom Kopf als Sitz der Seele wissen will, spricht dafür, daß bis dahin 
noch keine dnrcbschlagendeD Gründe für diese Ansicht geltend gemacht 
ivorden waren, ancb von den Arsten nicht Galen, der im allgemeinen 
auf Phntons Standponkt stand, bat von den Gelehrten des spftteren 
Altertums am meisten znr Ausbreitung der Lehre vom Gehirn als Bits 
des Denkens im Mittelalter nnd bei den neueren Völkern beigetragen. 
WAbiend demnach die bei den Indem ganz allgemein herrschende An- 
schauung , daß dM Qehirn ohne besondere Bedeatnng für die geistige 
Thitigkeit des gesunden Menscben sei, auch in Griechenland ftberwog, 
betrachtete man das Gehirn Mhzeitig als Sita gewisser Krankheiten. 
Bas kranke Gehirn wird schon in den Vedaa erwShnt In Hippokrates* 
Schale worden die Geisteskrankheiten auf die Stömng des normalen 
Zastandes des Gehirns anrückgeflUirt. Diese Erkenntnis war, wie ana 
SteUen dea Ariatophanes nnd Plantns (eerebrosns ^ Terrackt) herTor- 
geht, schon froh bei den Griechen nnd BOmem YolkstUnUich geworden. 
— Anf die weiteren lehrreichen Ansffthmngeii Uber die Anffassnng der 
Seele als Hauch nnd die daran geknflpften sprachlichen Bemerknagen 
Aber Atem, Seele, Geist nnd ihre Sippen bei den verschiedenen Inda» 
germanischen Völkern sowie ftber die Wandlungen der Lehre yom manne 
und atman bei den Indem, endlich ftber die Etymologie nnd Bedeutung 
▼on 7 p^vs« und «pflnetiStc kann hier nnr hingewiesen werden. 

Als ein später Adept der bei nns durch BOth und Gladlsch yer- 
tretenen Richtung erweist sich: 



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15 2 Bericht über die griechischen Philosophen Tor Sokrates. (Lortzing.) 

148. A. Chiappelli. Sn alcani frammenti df Enelito. Me- 
moria letta air Accad. di Scienze morali e politicbe della Soc. Reale 
di NapolL 1887. 39 8. 

Er swdfelt nicht daran, daß die ftlteaten g^riechischen Phllosophea 
ans den religiösen Anschauungen wie ans den physischen und aatro- 
nomischen Erkenntnissen der Völker Westasiens und Ägyptens teils 
unmittelbar, teils mittelbar dnrch die griechischen Mysterien Nahrung 
gezogen haben. In bezug auf Heraklit ist er der Meinung, daß sich 
Teichmäller (s. u.) zu ausschließlich an die ÜbereinstimmuDgen mit der 
ägyptischen Religion hält, und spricht sich dahin aus, daD der Ephesier 
sich nicht an bestimmte religiöse Lehren gebunden, sondern aus den 
verschiedenen Religionen das ihm Gemüße ausgelesen habe, wobei er 
es nicht an einer Kritik der einzelnen religiösen Anffassuuf^en fehlen 
ließ. Eine solche Kritik übte er namentlit-h an den Ü berlieferungeu 
der ägyptischen Priester, die er in Ephesus mit andern religiösen Kalten 
vergleichen konnte (?), und schloß sich dabei vornehmlich au die 
religiösen Anschauuii^an und Gebräuche der Ptisri an. Dies sucht 
Ch, aus einer Anzahl hcraklitischer Pnu iistikkc iiachziiweisen, die er 
indes in sehr unkritischer und wilikui iicher Weise verwertet. So nimmt 
er mit Teichmiiller au, dail in Fr. 85: vex-je; xor.pttuv Iv.^Är^z'jxi^'ji die 
ägyptische Einbalsamierung und Aiannti^iernnfr der Leichen bekämpft 
werde, sieht aber zugleich darin eine Vci ui teikuig uucü des griechischen 
Totenkultus und vermutet, daß Heraklit dazu durch die religiöse An- 
schauung Zarathusiras und die deü Griechen früh bekannt gewordene 
Bestattungsart der Perser vei aalaßt worden sei; es sei sehr wahr- 
scheinlich, daß er diesen von den Magiern festgehaltenen Gebrauch 
gegen die auch bei den Persero mehr und mehr eindringende ägyptische 
Sitte verteidigt habe. Zum Beweise hierfür beruft sich Ch. auf den 
wertlosesten Anekdotenkram bei Diog. Laert, wodurch seine durch 
kein glaubhaftes Zeugnis bestätigte Vermutung sicher nicht annehmbarer 
wird. Übrigens würde mit der in diesem Bruchstück unzweifelhaft 
ausgedrückten Vera* iitnng des Leichnams, die Ch. freilich merkwürdiger- 
weise darin nicht erkennen will, die Lehre von der Auferstehung der 
Leiber, wenn sie wirklich heraklitisch sein sollte (s. u.j, im vollen 
Wider.'ii)ruche stehen. Nach Ch. ist dem Ephesier diese Lehre und 
zwar gleichfalls aus der Religion Znratbustras bekannt gewesen, und 
er hat sie jedenfalls (?) in dem lunkelen Fr. 123, wenn au* ii vicilcicht 
nur in einem poetisclien und symbolischen Sinne (?), verwendet. Line 
Bekämj)luiig ägyptischen Glaubens und eine Hinneigung zum persischen 
findet ( "Ii. auch in Fr. 12(5. Die in seiner er-ten Hälfte sich aus- 
sprei hende offene Feindschaft gegen den Bilderdienst habe ihr Analogon 
bei den Persern, und die zweite Hälfte richte sich wahrscheinlich gegen 



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Berieht über die griechiBCben PbihMophtn vor 8oki»te«. (LortriiigO ]53 

die Ägypter, die zwar mit Heraklit den Aufstieg der Seelen und ihre 
Wandlongr in Götter annahmen, aber abweicband von ihm den Abstiag, 
die Rflckwandlnng der Götter in Kenschen, verwarfen. Aaf die an- 
gebliche Polemik in Fr. 76 gegen die Ansicht der Ägypter von der 
Yorzüglicbkeit ilires Landea ond der Wertlosigkeit des griechiBchen 
Bodens branchen wir nm so weniger einzugehen, als jenes Fr. in dieser 
itenng (ou 7T)) schwerlich heraklitisch ist. Die Willkttrlichkeit, mit 
der in a}lea diesen FAllen ohne die Spur einea Beweises Beziebangea 
Heraklits zu den Peraem und Ägyptern behauptet werden, liegt für 
jaden Kundigen an Tage, Was Ch. ana den Ansaprftchen des .Dnniden* 
herauszulesen vermag, seigt vielleicht am krasMiten die Deutung der 
Worte oute <|ydp(ttic<i>v Fr. 20, mit denen die Heroen oder die jüngeren 
Oötter wie Herakles oder Dionyeoa gemeint sein sollen (!). Wohl- 
einTeratanden dagegen kann man mit der ScUnßbemerkang aein, daß 
Heraklit aich mit Anaiimander anadaandertetat nnd im aebftrfrteD 
Widera|»riiok gegen deaian bekanntea Fragment von der Ungereehtl^nil, 
deren aieh die Dinge dnreh Ihre Anasonderung ans dem £ic«ipov aehnldlg 
machen, in dem ewigen Prossesae des Werdens vielmehr Gerechtigkeit 
nnd vemfloftigea Oeaeti erblickt hat 

Nicht fibergehen d&rfen wir in diesem Zoaammenhange: 

149. O. Gruppe, Die griechi^^chon Kulte und Mythen in ihren 
Beziehungen zu den orientalischeu lieügioueu. B. L Leipzig 10b7. 

Dieae auf den nmfaasendaten Forschnngen anfgebante and die 
aafgeworfenen Probleme gelatToU nnd anregend behandelnde Arbeit 
beachrtlnkt alch keineswega, wie man ans dem TM vermuten kOnnle, 
anf die griechische Religion nnd Hythologie In ihrem VerUUtnlne mtm 
Orient, aondern geht ancb aaf die Frage nach dem ürapmnge der 
grieehiachen Philosophie ein nnd gelangt dabei an Ergebnissen, die, 
wie man sich anch zn ihnen atellen mag, doch den nnlengbaren Yonrog 
TOr den Bypotheaen eines Eöth, Oladiach nnd anch SchrSders haben, 
daß ea sich nach der Ansicht des Verf. nm keine unmittelbare Ent* 
atehnng griecbiacher Philosopheme ana orientlischer Urweisheil, sondern 
nur um eine dorch die Übertragung religiöser Anachaunogen ans dem 
Orient nach Oriecbenland vermittelte Einwirkung dieser Anschauoogvn 
anf die Entwickdnog der philoaopblschen Systeme handelt. Nach der 
FormnlieruDg, die G. seiner Anf^MSong S. 694 im Anschluß an eine Be- 
sprechung derSehrSderschen Schrift (a. o. S. 148) giebt, liegt dieErklttmng 
fflr die mannigfaltige Übereinstimmung zwischen griechiacher und orien- 
talischer Weisheit darin, daß die religiUaen Ideen des Oriente zonftchst 
In ihrer orlentaliachen Form nach Griechenland verpflanzt wurden, daß 
aber ihre Entwickelung in Griechenland, well diese Verpflanzung eine 



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154 Beriebt über die griechiscben PbiloBopben vor Sokratee. (Lortiiiig.) 



fortlaufende wjir, nnr ein AVideisiMcl ihrer Entwickelung- im Orient ist 
lind fo]j2:Hch den Eindruck eines naturgemäßen organischen Fortschrittes 
iDiichen muß. Die griefln^rhe Philosophie hat die scheinbar kleine, in 
A\'abiheit große Neuerung gemacht, diese Idee von ihrer religiösen 
Hülle zu befreien. Diels in seiner Bespreclning der Schrift (Arch. II 
88 flf.) faßt das konkrete Hauptresultat der Untersuchnng kurz und 
treflFend daliin zusammen: die AnfSnge der griechischen Philosophie 
find durch die orphischen Gedichte und diese wiederum durch orienta« 
lisclie Originaltzetücli^f^ beeinflnlJt. Damit ist die anscheinend einfache 
Frage in zwei scharf von einander zu scheidende Fragen aufgelöst, ein 
Verfahren, das prinzipiell zu billigen und der Lösung des Problems 
Bieberlich förderlicher ist ais jene unkritische Vermenguug beider 
(Tes-ichtspunkte bei den Vorgängern Gnippes. Wenn daher Diels a. a. O. 
von „orientalischen Phantasmagorien" spricht, die das Auge ningmakelB, 
und «die Schatten von Grenzer, Höth und Gladisch" aus den «wunder- 
lichen Fratzen paradiesischer Urweisheit* ihrem jungen Adepten freundlich 
zuwinken sieht (vgl. auch Diels Arch. II 658 f. gegen Grnppes Ver- 
teidigung seines Standpunktes in einer Beilage zu den N. Jahrb. f. 
Phil. 137 (1888) 8. 1 f.), so kaun man einen solchen Eindruck doch 
allenfalls nur ans den freilich den Hauptbestandteil des Baches bildenden 
Untersuchungen über das Verhältnis der religiösen Ideen der Griechen 
zu denen des Orients empfangen; in den hi^r nllein in betracht kommen- 
den Erörterungen dagegen Aber das Verhältnis der ältesten Philo- 
sophie der Griechen zu der religiösen, insbesondere der theogouischen 
Dichtung ilires eisenen Volkes haben nach dem soeben bezeichneten 
Standpunkte des Verfassers „orientalische Phantasmagorien" überhaupt 
keinen Platz. In der That verfährt denn aacb G. auf diesem Gebiete 
durchaas nicht unwissenschaftlich, und was er z. B. über die ver- 
schiedenen orphischen Theogonien in ihrer Beziehung zur Philosophie 
hier (und in einer spezielleu, später zu besprechenden Abhandlung) 
Msflihrt, läßt weder wissenschaftliche Methode noch gründliche Gelehr- 
samkeit vermi«isen. Ob freilich seine Aaf£u8ung das Richtige trifft, 
darüber werden die Ansichten in einer so schwierigen nnd von ver- 
schiedenen Seiten sehr verschieden beantworteten Frage auseinander- 
gehen. Ich gestehe offen, daß ich diese Materie zu wenig beherrsche, 
um ein entscheidendes Ijrteil za fällen« nnd beschrlinke mich daher 
datanf, über das Wichtige kurz zu berichten. In Kap. XI $ 46 ff. 
bespricht G. eingehend die religiöse Litteratur der Griechen, snnftchst 
die Hymnenpoesie, dann die Theogonie Hesiods, die er aus einer Fülle 
theogonischer und genealogischer Gedichte etwa in der Zeit Periaodera 
hezgestellt sein läßt, nnd schließlich die orphischen Theogonien. In 
der homerischen Ai^ diuti) sieht er eine Travestie einer alten orphiflohen 



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Barieht ftber die griediifteh«ii PfailoaophMi vor Sokntea. (Loitnii^) 155 

ThoogODie, die er mit der von Flaton nnd Aristoteles benoizteD gleieh> 
setzt, und fQr eine Übersetcoog einer pbönikiecben Urtheogonie bftlt. 
(GegeD diese Rekonstruktions- und Ableiton^vcrsnche erklärt sich 
Biels a. a. O.) Von den drei jüngeren orpUisdien TbeogonieD, die 
Dainaskios beschreibt , der von Endemos ^'elesenen, der rhapsodischen 
tind der Theologie nach Hieronyrooa nnd HeUanikos ist die dritte mit 
der des Athenagoras, die zweite mit der von den Nenplatonikem citierten 
identisch. Der Ciiundge danke der rhapeodischeu Theogonie ist wie der 
der Theogonie des Musaios (Laert. prooem. 3): II hoi -a ravta 7i'v6a- 
8at xat e^^ xaut^v dvaXjc^Oai Von der inteUigi^'len Welt der Nen- 
platoniker weiß sie noch nichts, dageg-en kommt sie in der Verwertung' 
der Götternamen für die philosophische Terminologie mit Ueraklit und 
Demokrit flberein. Anch sonst glaubt G. vielfache Übereinstimmongen 
swischen der oiphiecben Theogonie nnd den lllteren Philosophen, be- 
sonders Heraklit. zu sehen. So haben die orphischeo DarstoUnngen Yon 
der Emanation der Welt ans Fhanes, von der Entstehnng der Sonne, 
die die Orphiker Dionysos nannten, weil sie sich die von Fenor erfUlte 
Flüssigkeit als einen .feurigen Weintrank* vontellten (?), von der 
(iebnrt des Zagrens ans der Koro nnd seiner ZerreiOnng durch die 
Titanen, vom «Banschtraak der Seelen" (Macrob. Somn. Scip. I 18) 
in der Lehre des Epheders ihr Gegenstück. Diese Parallelen sind 
nicht so zn erkttren, daß man die Orphiker sn Schülern Heraklits 
macht; sie sind vielmehr seJoe Vorgänger. In dem Fortschritt des 
menscblidien Denkens vom Mythos snm Iiogos bexeiehnen sie die frilhere, 
Heraklit die spitere Stnfe. Die Ideen der Orphiker führen konsequent 
«1 der Erkenntnis der Anfangslosigkeit der Welt; aber diese Konseqnens 
bat erst fieraUIt gezogen. Ebenso waren anch Empedokles nnd Pytha- 
goras von der orphischen Lehre abhängig, deren Eustenz im 6. Jahr* 
hundert anch durch daa System des Pherekydes bewiesen wird. Die 
Nichterwähnung dieser Litteratur bei Piaton ist kein Gegenbeweis und 
«bensowenig ihre angebliche Beeinflussung durch den Stoicismus, die 
* G. leugnet, Hauptbeweis aber die Übereinstimmung der orphischen 
Lehre mit der phOnidschen Theogonie, sowie mit der ägyptischen 
Beligion. Anch die Lehre von der Seelenwandemng nnd vom Eingehen 
In das AUeine (Dionysos» Hades, ««&}ia oijti«), sowie die Zurttcklähmag 
der WeltsehOpfimg auf die Liebe und den Haß bei Heraklit (?) nnd 
Empedokles finden sich in den orientalischen Beligionen wieder. Daa 
Ergebnis aus alle dem ist, daß die Vorstcllnngeii der Orphiker im 
6. Jahrhundert In der gesamten kultivierten Welt verbreitst waren. 
— Der wichtigste Teil dieser Erörterungen Ist das, was G. äber die 
Beachaffenheit nnd die Besiehungen der rhapsodischen Theogonie ans- 
illhrt. Er entwickelt hier zwei fruchtbare Gedanken, in denen, wie wir 



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156 Berielit über di« griechUcheo Philosophen ?or Sokimtes. (Lortiing.) 

sehen werden, 0. Kern trotz der sonstigen Veraehiedenheit der beiden 
Standpunkte mit ihm znsammentrilft. and die er selbst in der bereits 
erwähnten besonderen Schrift (s. a.) noch näher dargelegt aod ergänzt 
hat : 1. Die ITrform der rhapsodischen Theogonie gehört dem 6. Jahr* 
hundert an; 2. die Ulteren griechischen Denker haben von dieser früheren 
OfikhiBchen Litieratur bedeutsame Einwirkungen erfahren. Die erste 
dieiar Annahmen hält auch Diels a. a. 0. fär wahrscheinlich, während 
er die zweite nur in sehr beschränktem Maße gelten lassen will: es 
sei möglich, daß Heraklit und andere gleichzeitige Fiiilosophen durch 
einieloe Wendungen und Oedanken orphischer Gedichte angeregt worden 
seien, aber der Qnellpnnkt herakDtischer Spekulation sei nicht darin 
zu finden; was O. als heraklitisch bei den OrpliÜLero ansehe, liege der 
ganzen hylozoisti<;chen Anschaoang der Zeit za gmnde und nähere sich 
teilweise mehr dem Pantheismus des Xenophanes. Jedenfalls sei große 
Vorsicht bei Benuttmig der Orphilc nötig, da die Möglichkeit spftterer 
Interpolationen sehr nahe liege. Dieser Beurteilung wird man im großen 
und ganzen zustimmen können. — Auf die sehr bedenkliche ErUlnniff 
des Heraklitfragments 127 bei 6. werde ieh in anderem Zuaamnen- 
hange eingeben. 

*150. P. Jenson, die Kosmologie der Babylonier. Straßbnrg 1890. 

*151. P. d'Ercole, T/origine Indiana del Pitagorismo secondo 

L. V. ijdaüdcr. Iliv. ital. di tilusofia. Nov. —Dez. 1891. 

In No. 150 wird nach dem Hericlile von Well manu Arcb. V 
(1891) S. 93 f. die Ähnlichkeit der babylouiscben Kosmologie mit 
griechischen Voi-ßteliuügen eiörtei t. No, 151 briimt nach A. Cbiapelli 
Arch. Vll (lb94) Ö. 554 1. neue Arguuieute gegen die Scürödersche 
Hypothese. 

Di*' ans dem !-]<;itrnMi Altertum stammende, in Italien seit dem 
Anfange des lö. Jahrbunaeiis immer von neuiMii wiedt- 1 lioite Üelmuptan?, 
Pythnf^oras' Philosophie sei italisciien, insonderheit etrusklschen Ur- 
sprungs« ist neuerdings beleuchtet worden von: 

153. L. Ferri, Sguardo retrospettivo alleopinioni degP Italiani 
intorao alle originl del Fiiagorismo. Atti della R. Aee. del Littcei 
1890, ser. IV. Rendiconti vol. VI, 1* semesti-e 3. 533—547. 

Nach einer wohl erschöpfenden Aofsfthlapg der italienischen Lite- 
ratur über diesen Gegenstand wird dargethan, daß die älteren Zeugnisse 
von einer italischen Herkunft der pythogoreischen Lehre nichts wiasen, 
und der hellenische Obarakter dieser Lehre betont; doch seien orien- 
talische Einflttsse nicht gant zu leugnen. Zuerst scheint Aristozeno« 
den lyrrhenischen Ursprung des Pythagoras behauptet m haben (?); 
in den vier ersten Jahrhunderten n. Chr. wucherte dann die Legende 



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Beriebt über die giiechificben Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 157 

irelter. Du Ei^r^bDis itt: ¥yth, ist keia ItaUker, aoodeni ein Grieehe, 
wenn auch aoine I^mille vielleicht tyrrheoieehea (?) Ursprungs itt. In 
Deataeblaad ist diese Streitfrage längst erledigt, und swar, wenn man 
von dem eioschränkenden Zusatz ftber die Vorfahren absidit, im Sinne 
Ferria (s. Zeller 485 if., 3). Kaobdem sich um die gleiche Zeit wie 
dieser anch Ferrari, La scnola e la filesofia pitagorische (s. n.) anf 
denselben Standpunkt gestellt hat, Ist sie hoffientlich aaeh in Italien, 
wo sie an einem eiDgewonettea patriotischen Vorurteile immer neue 
Nahrung gefunden bat, endlich zur Ruhe gekommen. Vgl. ObiappeUi 
Ardi« Vn (1894) S. 558 ff. — Daß der Käme des Pyth. ftriIhBeitig bei 
den BÖmem bekannt wurde und sie seine Schule und Lehre in Ehren 
hielten, sucht, wie ich aus Ferria Schrift ersehe, A. Chiappelli, Sopra 
alenni fl-ammenti delle Xn tavole nelle loro relationi con Eradito e 
Fitagora (Archivio Ginridico 1885, Heft 1 u. 2) darsnlegen. Ans 
^ner anderweitigen UitteUong Aber den Inhalt dieser Abhandlnng erglebt 
tich, daß Gh. in bezog auf HerakUt der Meinung ist, die in Fr, 85 
aoegesprochene Anscfaaouug sei durch Hermodors Vennltteloog in die 
Deeemfiralgeaeti^ebnag eingedrungen. 

Wir schließen hieran eine Besprechang der auf die orphiache 
LItteratnr, insbeeondere daa Verhältnis der ftlteren griechisehen 
Philosophen znr Orphik bezQglichen Schriften. 

153. 0. Kern, De Orphei Epiiiieuidis Pberec^dls theogoniis 
^uaestiones criticae. Berolioi 188b. 

154. 0. Kern, Empedokles und die Orpbiker. Arcb. f. G. d. 
Fhilos. I (1888) S. 498—508. 

155. 0. Kern, Zn Parmenides. Ebd. III (1890) S. 173—176. 

156. F. Susemihl. De Theogoiiiae Orphicae lorma antiquissima. 
Ind. schol. aest. Gicilswald 1890. 

157. 0. (iruppe, die rhapsodische Theogoaie und ihre Bedeuturii^ 
Hiiui halb der orphischen Litteratar. N. Jahrb. f. fh. 17 (1890), 
Suppl.-Bd. S. 687-747. 

158. A, Dieterich, Nekyia. Beiträge ssor Erklärung der nen- 
teetamentlichen Petrosapokalypse. Leipzig 1893. 

159. F. Dttmmler, Zur orphischen Kosmologie. Arch. f. G. d. 
PhfloB. vn (1894) S. 148-158. 

160. E. Maaß, Orpheus. Untersuchungen zur griechisciieii, 
rOmiBchen, altchristlichen Jenseitsdichtung: und Relisrion. München 1893. 

Aus dem reichen Inhalte der Unteiüiicliuii-t it Kerns (No. 153) 
können wir hier nur die wichtigsten Punkte anführea. im 1. Kap. 
sacht K. die Ansicht Lobecks, duü die sogen, rhapsodische Theogooie 



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158 Bericht über die griechisebea Philoeopbeo vor Sokrates. (Lortiing > 

bereits im 6. Jübrbiuidert bekanot war, gegen P. Schaeter, de veteris 
Orpbicae theogoniae iodole atqne orlgine, Leipzig 1869, zu verteidigen, 
wobei er vornebmlich den Eingang des Gedichtes in betraeht sieht. 
Ala charakteristische Gestalten dieser Theoi^onie erkennen wir: 1. 
GfarenoB» Äther and Chaos als gleichzeitige Prinzipien der Dinge; 9. das 
von CbroBos gebildete Weltei, zn dessen Erklfirang wir, da das Ei noch 
in vier griechischen Fabeln vorkommt, nicht an den Indern oder Ägyptern 
nasere ZnAuchtsn nehmen branchen; 3. den aas dem Ei entspringenden 
Fhanes npatTo^^vo;. den die meisten Gelehrten für eine jüngere Erilndnng- 
gebalten haben, weil sie seinen Namen *Hptxaieaibc nnr ans der Ägyptischen 
oder einer semitischen Sprache ableiten an künnen glanbten nnd die Er- 
xäblnng von seiner Yerscblncknng ihnen Jüngeren Ursprungs cn sein 
schien. Diels hat, wie K. mitteilt, in seinen VorlesnnfieB den Namen davon 
abgeleitet, daß er von Zeus in der Frühe verscUnckt worden sei. Von 
besonderer Bedentong ist, daß Phanes mit seiner Tochter, der Nadit, 
die ganze Welt erzengt hat. Einen so hervorragenden Platz hat die 
Nacht znerst bei den Orphikem erhalten. — Des weitern legt K. dar, 
daß die Theogonie des Hieronymos nicht, wie Schaster glaubte, Uter 
als die orphische, sondern erat nach der Kitte des 2. Jahrhunderte 
V. Chr. entstanden ist. Daraas folgt, daß es die Gestalt des Phanes 
und mit ihr sogleich Bhapsodien schon vorher gegeben bat. Aber 
sack Piaton hat sie bereits gekannt, wie ans mehreren, zum Teil sekon 
von Lobeck benatzten Stellen hervorgeht. Auch bei Atistophanes Y9geli 
69S if. findet sich Qrphisches, und bei Pindar sowie bei den I^ythagoreem 
hat Lübbert*) deutliche Spuren orphischer Weisheit entdeckt. Aach 
bei Xenopfaanes, Heraklit, Anoxagoras zeigen sich solche Anklinge. 
Das Ergebnis ist: die orphische Rhapsodie existierte im Aasgange dea 
6. Jahrhunderts und war übei'all in Griechenland verbreitet. Dagegen 
steht die Annahme Schusters von zwei anderen orphischen Theogonlen, 
der angeblich Endemischen nnd einer bei Apollonias Argonaut 1 494 ff« 
benutzten, die viel ülter sein sollen als die rhapsodische, auf schwachen 
Füßen. — Dieser •gelehrten, scharfsinnigen und originellen Beweis- 
führung" (Diels) haben die meisten Beurteiler zugestimmt. Vgl. Gompern 
0. L..Z. 188a, 974, Lud wich B. Ph. Wscbr. 1889, 557, Crnsiua 
L. C.-BL 1889, 615, Diels Arch. II 656 ff. Ablehnend dagegen hat 
sich Zeller S. 89 f. verhaltea, der seine frühere Ansicht, daß Ploton 



*) Commeotätio de Pindaro dogiratis de niiuiatione animaram 
cultoro. Ind. ßchol. hib. Bonn 1887. Da ich die wciUolie Schrift leider 
nicht habe erhalten koniu n, verweise ich auf Diels Arcb. II 11887) S. 93 f., 
uacb di'tii L. die Eächatulogie der Pjthagorcer und Orpbikor ansieheud und 
überzeugend dargestellt liat. 



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Bericht über die griecbiachen Philosophen vor äokrates. (Lortziog.j 159 

und Aristoteles die rhapsodische TheogODie nicht gekannt haben und 
diese unter stoischen Eiiiflüsjien nicht vor Anfang»" des 3. Jahrhunderts 
V. Chr. entstanden sei, durch K. nicht widirle^'i erlaubt. Ich maße 
mir kein Urteil über diose schwierisre Fraero an, deren Erörterung auch 
nach Kern von Gruppe (s. u.) wieder aufgenommen worden ist. Eine 
Schwäche der Beweisftlhruii<2: Kerns schfint mir darin 7>n liec:cn, daß er 
alle Hinweisnngen auf orphische Gedichte und Entleiinnneen ans solchen, 
die sich bei Piaton und anderen älteren Philosophen finden, auch wenn 
sie keine spezifisch der rhapsodischen Theo^onic angrehörenden Lehren 
betreffen, für das hohe Alter geltend macht. Es kann im 6. .Jahr- 
hundert sehr wohl ein orphisches Gedicht gegeben haben, und dieses 
kann von lilteren Philosophen benutzt worden sein, ohne daß es mit 
der rhapsodischen liieog-onie identisch zu sein braucht. Was aber 
diese Benutznntr selbst betrifft, so ist es doch sehr traglich, ob sie in 
ilcm Lnilauge angenommen werden darf, wie dies K. in der vorliegen- 
den Abhandluü^^ und weiterbin in Nu. 154 und 155 zu erweisen gesucht 
hat. Dh'ls hat die Mahnnn^: zur Voi-sicht bei der Auftindung solcher 
KüLleiiiiungen. die er, wie rwiihnt, in der Besprechung der Schrift 
Ko. 149 ausgesprochen hutti , auch Kern gegenüber (Parmenides 11 
und sonst) wiederholt; vgl auch, was oben zu Rohdas von Kern völlig 
nbwt ichenden Auffassung (i a)cbe* 397 f.) bemerkt worden ist. — Über 
düh 2. Kap.: de Epimeuides theogoniis beschranke ich mich ant folgende 
kurze Angabe. K. hält es für wahrscheinlich, daß Epim. von meinen 
beiden Prinzipien die Luft aus dem Buche des Anaximenes und die 
Nacht ebenso wie das Ei aus der orphischeu Theogonie nahm. Danach 
kann Epim. nicht Zeitgenosse Solons gewesen sein, sondern muß knrs 
vor deu Perserkriegen gelebt haben, was ja uuch Platou in der be- 
kannten Stelle der Gesetze berichtet. Dieser ganzen Argumentation 
liegt die Überzeugung von der Echtheit der im Altertum dem Epimc- 
nides zugeschriebenen Theojronie zu gründe. Inzwischen hat nun aber 
Diels. i'btr Epimenides von Kjeta (S -B. d. Herl. Ak. d. W. XXI 
[löyij, Ph.-H. Kl. S. 388 ff.) sohaif zwischen dem historischen und 
dem «Utterarischen* Epimenides geschieden und nachgewiesen, daß 
Piatons Zeitbestimmung sich aus den Angaben der Urakel gebildet iiat. 
die unter Epimenides' Namen nmliffen und wahr.-cheiniich. wenigstens 
teilweise, auf die von Onomakruos gebildete ,litlerarische Kommission" 
der Peisistratiden zurückzuführen sind. Diesem Ergebnis wird man 
mit Zeller S. 87 f. (vgl. auch Rohde Psyche ö80' Ii.) zustimmen müssen. 
Es verliert damit die Epimenideische Theogonie jede Bedeutung für 
die Entwickelung der wissenschaftlichen Kosmogonie. — Den Inhalt 
von c. III: Df* Pherecydis pentemycho werden wir in anderem Zu* 
sammeohange berücksichtigen. 



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160 Bericht über die gnccbischoo Philosopbca vor Sokratcs. (Lortzing.) 

Ein« Ergftonng sa Kerns UnterBiiGhuDiien Aber die orphiiehe 
TbeogoDie bilden, wie gesagt, dessen Abliandlnngen No. 154 nnd 156. 
In der ersten wird znnSchst als Zweck des empedokleiscben Lebrge- 
dielites eine Vermittelang zwischen Parmenides nnd Heraklit bexeichnet. 
Von pythagoreischem Einflnsse dagegen findet rieh keine Spar bei Emp., 
abgesehen von der anerheblichen Lehre ttber die glasartigen Körper 
der Sonne nnd des Höndes nnd von der Hetempsycbose, die man aber 
gar nicht anf Pythagoras zarfickzafQbren brancht, da die Pytbagoreer die 
Anregnog daan erst aus den orpbischen Gedichten nnd Hysterien hatten 
lind dei* Anssproch des Eoip. v. 3S3 ff. Stein im Inhalt genau mit 
Orphons 228 f. Abel Sbereinstimmt, während nns kein Zeugnis vorliegt, 
(laß die Wanderang der llenschen durch Tierleiber altpytbagorelsche 
Lehre sei; denn die bekannten Verse des Xenophanes werden doch nur 
anf die Antoritftft des Laertlos hin [vielmehr seiner Quelle!] auf Pytha- 
goras bezogen. Ebenso findet, was wir von dem Fortleben der Frommen 
und der Sfinder bei Emp. v. 153 ond 227 f. lesen, sein Analogon in der 
orpbischen Lehre. Auch in anderen Teilen des empedokleiscben Systems 
lassen sich Spuren dieser Lehre nachweisen, so z. B. in der eigentfim- 
lichen Anselnanderaetsnng v. 22i iL ttber die Entstehung der Menschen 
(auch in der Beeedang der Pflanzen scbeint nach Arlatot d. an. 410 b 87 
Orpheos dem Emp. vorangegangen zn sein), in der Vergleichung der 
Welt mit einem Ei, in dem hdpnii pf^{xa (so Bernays statt xp^P^«) 
Aach in der Blementenlehre bat dem Emp. (v. 78) vermatUch Orpheus 
123, 10 vorgeschwebt. Wenn auch der Orphiker kein Elem^t im Sinne 
des Emp. kannte, so ist es doch bedeutsam, daß dieselben Urstoffe, ans 
denen sich die empedokleiadie Welt zosammensetzt, im ffdrper des all- 
umfassenden Zeus als erste Gruppe der in ihm befindlichen Dinge vor- 
banden rind. Die pbanteistische Weltanschaauug v. 344 ff. endlich, die 
fast im Widerspruche mit dem System des Emp. steht, hat er schwerlich 
aus Xenophanes, sondern unmittelbar ans dem Zeasbymoos genommen (?) 
K. zieht ans alle dem den ScblnÜ, daß auf Emp. außer der sophistischen 
Bbetorik nichts so eingehend gewirkt hat wie die kosmogoniscbe 
Dichtang seiner Zeit, nnd daß außer den Stoikern kein Philosoph so 
viel Anregung aus der rhapsodischen Thco^onie empfangen hat wie er. 
Aber auch viele andere, wie Xenophanes uud Heraklit, haben ans dieser 
Quelle geschöpft. Für Parmenides sncbt K. dies in No. 155 zu er- 
weisen. Nachdem er schon in der Schrift de tbeog. S. 52 nach einer 
Hinweisuüg von Diels bemerkt hatte, daß die di'xT) ~o/.ü;:oivo; bei Parin. 
1, 14 Diels aus einem orpbischen Werke (125 Ab.) entlehnt sei, fiißt er 
hier noch andere Beisjuele tür die AbhängijjkLil desselben Pbilosopben 
von der Orphik hinzu. Die oojixa-a .jxtoc 1, 9 slaiiimun aus Orph. 109 t. 
Auch der Vater der Nacbt, Eros, 13, 1 gebt auf Orph. 71 zurück. 



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Btriebt über die griecbiadieB Pbilotoiiheii vor Sokietee. (Lortauig.) 161 

W\f> der orphitiche. Phanea, so ist auch der Eros des Farm, als mann- 
weibliche Gottheit vorzustelfrn : aus der Mischnn^ des Lichtes und des 
Dunkels d. i. des männlichen und des weiblichen Klementes, die durch 
die Piivuo^ Tj irriVi y.'j^spvi (12, 3) hergestellt wird, f^eht Eros hervor, 
v.ic in der orpliischen Theogonie Chronos das Ohaos und den Äther 
mischt. Wenn in l'arinpnides' Liclit und J »unkel dem Seienden, 

das begrenzt ist, uiid dem \iehtseienden der 'AXr^deia entsprechen, so 
bietet die Üi phik anch hier raiallelen. — Diels Parmenidee S. 11 hÄlt 
den sicheren Krtrat^ snlcber VerjS^leichung-en zwischen Farm, and der 
Orphik für j^ering, da wir unr wenige« aus der alten Orphik besitsen, 
und dieses wenige nicht sehr zuverlässig ist. Von der StxT] icoXuicotvo« 
giebt er zu, daß sie aas der Orpbüi stammen möge; dagegen bestreitet 
er es von den Stufiara Nuxt6c, deren Vorbild er vielmehr bei Hesiod 
Theog. 744 findet. Aach die weiteren Ansffibrnngen Kerns scheinen 
ihm nicht beweisend. Parro. habe sicherlich noch von manchen Seiten« 
80 z. B. vom Pythagoreismas, Einfloß erfahren. Der Einfloß der or- 
phischen Litierator sei nar der ffir ans faßbarste. — Von demselben 
GeeiebtspoDkte ans wird man anch den von Kern entdeckten empe- 
dokleiidien Eotlehnongen uns der Orphik einiges Mißtraoen entgegen- 
bringen mflssen : doch ist hier die Zahl der Parallelstellen so groß ond 
die FaiSQog bei £mp. oft bis in Einzelheiten der orphischen so ähnlich, 
daß eine direkte Beziehoog zwischen beiden hier viel wahrscheinlicher 
ist als bei Parm. Nor fragt sich in jedem einzelnen Falle, ob dai Hut 
als ofphiseh Überlieferte wirklich alt ist ond ob nicht omgekehrt 
mancbes aus Enp. in die orphisehe Theogonie übergegangen sein könnte. 

Einen Beitrag zo diesen Fragen liefert anch Suse mihi. Er ist 
ndt Kern der Ansicht« daß die orpbischen Diehtongeo ins 6. Jahrhondert 
n setzen seien, weicht aber in der Bestimmong des Inhalts der ftltestea 
orphischen Theogonie teilweise von jenem ab, vor allem darin, daß er 
annimmt, am Anfange aller Dinge habe liier die Nacht gestanden: sie 
habe ans sieh das Weltei erzeogt, aus dem dann Himmel, Erde ond 
Phanes iiervorbracben. Diese alte, vielleicht mit dem Up&; Xoifoc des 
^ythagoreers Kerkops sosammenfallende Dichtung hätten Piaton, Ari- 
stoteles nnd Endemos vor Aogen, wenn sie von Orpheus redeten; sie 
sei später f&r die rhapsodische Theogonie benutzt worden. Dem Ver- 
faaser der Theologie nach Hieronymos hätten sowohl die ältere wie die 
rhapsodische Theogonie vorgelegen. Was die Entlehnongen der Vor* 
sokratiker ans der urspronglichen Dichtung betrifft, so bestreitet S eine 
solche Entlehnung fSr Xenophanes Fr. 1 K. und for Heraklit Fr. 127. 
Unsicher sei es auch, ob Pannenides 1, 14 Orph. 195 nachgeahmt habe; 
vielleicht sei es umgekehrt, vielleicht bestände anch, da die ganze 
Äbnliehkeit auf das Attribut «oXnuoivoc beichriakt sei, keinerlei Ab- 
Jabrtsbnlckt nr AltartaSMWlRiSDiekilt. M. l.TII. OWt. D ü 



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162 B«icbt Ober ii» griecbisdien Fbilofophen vor Sokntea. (IiOt4nBS.> 

hftDgigkeitavertillltais zwischen beiden Stellen. Daß Empedoklcs viel s 
Oiphiacbe anfiB^enommen habe» giebt er Kern zu, zweifelt aber, ob alles 
ans der orphucben TheoRonie and nicht manches, z. B das anf die 
Seelenwandernng Beziigliche, ans andern orphiscben Schriften stamme. 

Naeb Qrnppet Darlegung (No. 157), die der Anffassung Kerns 
in mehreren we<:entlicheD Pankten entgegentritt, findet sich bei Platon 
Dicht nnr keine Spnr von Benntznng der Rhapsodien, aondem im Gegen - 
tett war die orpbiache Litteratnr, die Platon vorlag, im einzelnen wie 
im ganzen von der in dem nenplatouischen Kreise kursierenden ver* 
Bcbleden. Selbst die Mythen der rhapsodischen Theogonie nnd der 
jfingeren orphiscben Littoratnr überhaupt find, Boweit sie nicht früh-» 
zeitig Gemeingrat wurden, Platon unbekannt. Kerns Yersach, die ¥er* 
sehiedeneo anderen Rhapaodien sowie die orphiscben Hymnen als ge* 
iUicht oder ala interiwliert zn erweisen nnd so die rhapsodische Theo- 
gonie alt dai eiosige orphiaehe Werk der älteieD Zeit hinzustellen, wird 
nrMgewiesen; de war vielmehr nur eine von vielen Erscheinnngen 
orpbisciier VeiBheit« eine ZnaammensteUnng ^on Mythen aller Schiehtitt 
der altorpbiadien Dicfatang, die kdne nachweiBlieben Sparen jUngeren 
Vrspmogs trtigt, aber ateb von keinem der großen pbUooophisehen System» 
einen nennenswerten Etnflnß erfahren bat. Ihre Entatebnngszett iat nidit 
niher in bestimmen. Die endemische Theogonie ist kdne Erfindung 
Endemoe, anch nicht ein verstümmeltes Exemplar der rbapsodlsehen ^ 
die naeh Hieronymus genannte steht, weit entfernt, eioe alexandrinisohe 
Ittsehang zn sein, vielmehr nngelfthr anf derselben Stufe der Mythen««^ 
hOdnng wie die rhapsodische. — Über Parmenides nnd Heraldit he* 
veikt Gr.: Die von Farm, verwertete mythologische Voratdlnng yon 
der ist vielleicht mit der von Platon Ges. 7G5 fi benntsten identisch, 
dagegen von der in den Bhapaodien vorgetragenen gans verschieden. 
Bei Perm, scheint wie bei Platon die Dike den Helios geleitet m 
haben (?). Die Vorlage des Parm. war mntmaßlich ein dem älteren 
ocphischen Kreise angehOriges Werk. Auch Heraklit seheint den ilteren 
Hjthce von der Dike des Helios gekannt so haben; abw bei ihm (Fr. 29) 
erscheint sie nicht mehr als Dienerin, sondern als Bicbterin des Helios. — 
Dem Hanptergebnisse der Abhandlung stimmt rückhaltlos zu Sittl 
B. Ph. Wsehr. 1891, 911 ff. Vgl. auch Häberlin, Wsch. f. kl. Ph. 
1891, 567 ff. Dagegen urteilt Zeller 8. 100, 1 : Gr. habe zwar den 
späteren TJrsprnng der rhapsodischen Theogonie und Piatons Unbekannt* 
Schaft mit ihr ftberzeogend nachgewiesen; aber die Meinung, daß dio 
darin enthaltenen Lebren und Mythen alle noch ans der Zeit vor dem 
^nde des 6. Jahrhunderts stammen, entbehre nicht nur jeder haltbaren 
Begründung, sondern würde uns auch an der hSehst unwahrschelnlicben 
Annahme nötigen, dafi In der orphiscben Überlieferong neben der Lehre 



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Bericht Uber die griechiftobtti Fhiloiopbeii vor Sokiates. (LorUing.y iö3 

die aUgemein «k orphiieh anerkaoiit und In otphiäcben Gedichten 
niedergelegt war, eine swdte, mit ihr nnverelnbare hergegangen sei» 
▼on der weder Flaton noch Afistotelet etwas gewnBt oder erwUmt 
h&tten. In der That scheint damit ein schwacher Fnnkt der Gmppiaehen 
BeweisfÜhrnng beselcbnet zn sein. 

Dieter ich giebt xnnBchst Text nnd Überliefemng der nenen 
Apokalypse von Akhmim nnd weist nach» daß der Text cor Petros- 
apokalypee gefadrt. Dann behandelt er in d Abschnitten: 1. den grle- 
efaisehen Yolkiglaaben vom ToCenrelcb; 3. die Uyaterienlehre ftber 
Seligkeit nnd ünseligkeit, insbesondere die altorpliische Knltnr nnd ihre 
eschatologischen Lehren; 3. den Inhalt orpblsch-pytbagorelscher Hades* 
bftcher, wobei n. a. über eschatologische Lehren nnd Mythen bei Empe* 
dokles, Pindar nnd Flaton gebandelt wird; 4. Sünden nnd Strafen im 
Hades; 5. die Jüdische Apokalyptik. Wie schon diese Inhaltsangabe er- 
kennen lAßt, besehftftigt sich das Buch vielfach anch mit der vor- 
iokratischen Philosophie. 8. 74, 6 behanptet D., daß vor dem 6. Jahr- 
hondert keine orphische Litteratar nacbzuweiseD sei. Anch sei die 
£io Wirkung einer solchen anf die alten Plülosopben ganz problematisch. 
Die Erwähnnng des Orpheos bei Heraklit sei nichts als eine Konjektar 
Cobets. Bei der Art noserer Zeugnisse sei Entlehnung der Orphiker 
ans Heraklit viel wahrscheinlicher. — S. 84ff. : Der pythai^'oreische 
Bund bezweckte ursprüiie:lich in der Eauptsache nur iiettuner der 
Seelen, Befreiung aus diesem Leibe und Bewahrung vor den vStiat'eii 
des Jenseits. Dies ergiebt sich aus den drei in den Gräbern zu Thunoi 
getundenen GoldtÄfelchen, die offenbar einen pythagoreisch- orphisc heu 
Hymnos enthalten (vgl. Dieterich de hymnis Orphicis, Marbui^^ 1891, 
8. 30 ff.). Hier steht die Seelenwauderungslehre im Mitteliumkte. 
S. 108 t. weist Verf. anf die Übereinstimmung der hauptsächlichsten 
Lehren dieser Täfelchen mit £nipe«iokleb hin, dessen Zusammenhang 
mit der oi phisch-pythagoreischen Mysterienlehre nicht bezweifelt werden 
;^:^lln. S. 109 ff. wird dargelegt, «hii; die wenigen, uns erhaltenen 
- H( liat( hea Stellen bei iCmpedukles nnd Pindai zu riatons An- 
gaben bis III- kleinste stimmen-, «opott z. B. bezciehuet bei Emp. die .lahres- 
zeiteu, deren es iu vnrattisciier Zeit .stets nur drei fjab ; 30 üOO Hören sind 
aibO bei ihm gleich 10 000 Jaliien wie bei Plalon. — S. 120 ff.: Wie 
Piaton, 80 müssen auch Emped. und Pinuai- ein Rr.cli itlu-r eine IJades- 
fahrt vor Augen gehabt haben; auch die Vtj.se at i untiritalischcn 
Tafelchen sind Trümmer eines solchen. Kebeii der ITadestahrt des 
Orpheus uab es früher eine lladesfahrt des Pyihagoras. die llcrakieide.s 
Font, und Hicronymos von KLodos benutzt hfibon. Hf i aklei les' Buch 
ittpt TÄv 'Aiöo'j enthielt vermntlich ebenso wie ähnliche Schriften 
des Protagorae, Demokrit und Ai>ttstiieues eine Bekämpfung oder Ver- 

11* 



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164 B«fidit flb«r die grieebiflcheii PhiloMpben Tor Boknte. (Loidiiig.) 

apottong: der Hadesmythologie (?). Eine Hadesfahrt Epicharnt hat 
EoDins nbpr^etzt Aach Vergfil bat direkt aas einer orphisch-pytha* 
goniicben Katabasis geschöpft. — S. 207: Gegeo die bratalen Ver- 
geltangaiehTOB der Pjrtbagoreer protestiert Protagorai in Platone Prot. 
324 B. 

Dflmmler nimmt mit 0. Kern an, daß Empedolcles seine rier 
Elemente bereiti ia der orphischen Tbeogonie voigefiiDden habe. Da 
diese vier Elemeate aar eine eiafaehe Sainniierang: der einzelnen i^vL 
der MoDisteo waren, so lag dieser Schritt, wie D. meint, für dea 
Orphiker, der nicht Moalst war, sehr nahe. Dagegen ist einzaweodea, 
daß die Utestea Philosophea aar Wasser, Luft oder Feaer als Prindpiea 
setsBtea, die Erde dagegea iiirgeads eiae solche Terweadvag geliuidea 
hat; Yoa elaer eiafochea Samaileraag kana also keiae Bede seia. Ia 
dem orphisefaea iV. 1S3 Ab., ia dem die vier Elemente vorkomaiea, er> 
blickt D. aach sonst aoch aaswelfelhafte Kriteriea der AltertiaiUflhkelt 
Die Sehüdeniag des Zeus aaeh Versehlingaag des Phaaes ist die Be- 
schreibaag eiaes der aasjcimaBdrischea Bllekkehr ias ddcn^ ov oder (?) 
dem heraklitisehea Weltbraad oder (?) dem Sphairos des EmpedoUes 
eattprechendea Weltsostaades, aar ia mythelegiseher ümhfUliiBg: die 
Teile der sicbtbaiea Welt siad Glieder des vielgestaltigea Zern. Blae 
so phaatastische Koazeptioa ist ia helleaistischer Zeit aabogiattUeh; sie 
gebSrt vielmehr der Eatstehaagsceit des pbilosophischea Paatheisaias 
aa, der sich bei dea Milesiera vorbereitet aad bei Heraklit voUrieht; 
sie bildet elae Eeaktioa gegea diese Denkweise, ehi Komproaiiß swisehea 
Hylo9oismas aad YolksreligioB. Direkt g^a diese Darstellaag dse 
Zeas richtet sich, wie das aacbdrttckiiche aaaphorische oSXoc seigt, 
Xeaophaaes fr. 9 K. WShread bei dea Orphikera die einselaea 
Siaae aad Seelenveraiögea anf versehiedeae Glieder verteilt warem, ist 
der Gott des Xeaoph. der raade Kosmos ohae menschliehe Glieder, 
überall gleich gOttlicb. Doch bleibt Xeaoph. aoch Ia dea Banden seines 
Vorgängers befangen, indem er seinem napersOnliebea Gotte mensch- 
üche Sinae, weaa aacb ohae die dasa gehörigea Organe, läßt Ia der 
Polemik gegen dea aathropomorphen Kosmos sebUeßt sich dem Zenoph. 
Empedoldes v. 344 H. aa; aber er that daea betrlebtiiehea Schritt 
über jeaea biaaas: seia Gott hat keiae Sinae mehr; er ist eine Up^ «ppi^v, 
die mit scbaellea Gedsakea die ganse Welt durchdit. Ia diesea Versea 
liegt, mag sie aach Emp. voa eiaem bestimmten Gotte wie Apollon ge- 
sagt haben, doch eine entscfaiedeae Yerwerfnng der anthropopathischea 
wie der polytheistischen (?) Vorstellnngen. Emp. spricht hier sowohl 
monotheistisch nach Art des Xenophanes als pantheistisch nacli Art He- 
raklits. [Aber Xenophanes* Weltanschauang war nicht minder panthei« 
•tisch als die Heralclits.] So vollzieht sich ein allmähliches Fortschreiten 



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Bericht über die ghecbiscbeo Fbiio^ophea vor ^krates. (Lortiing.) 

in der EntmensehUehuDg nnd EntBtoflrUehQiig des Oottesbegriffes. Jem 
ist bei HenUit bereits vollzo/^en, diese gehl langsamer vor sich. Die 
iipol 9pi^v des Emp., die D. mit der OiXätt)? gleicbsetzt (?), ist in der 
Periode des Sphairos in schwer auszudeutender Weise mit dem Stofl- 
gemenge verbunden. Anaxagoras macht endlich den vum iSiofi' getrennten 
Noüc zum Weltordner, aber nicht ohne Unklarheit zu vermeiden. Daß 
der Nouc den Dinpen beige.iüL->cLt ist, erinnert, an die (I'^aott^; dea Emp., 
seine weltordncnde Thätigkeit an den orpiiibchen Demiurgos. Der 
orphische Versuch, zwischen Pantheismus und Volksglauben zu ver- 
mitteln, lülU hiernach spätestens ins 6. Jahrhundert. — Diese Kon- 
sU'uktioQ Düuimiers hat wie viele Hypothesen dieses scbarlhinriigea 
und geistvollen Gelehrten (vgl. Ber. I 273 f.) auf den ersten Blick 
etwas sehr Bestechendes; geht man aber der Sache auf den Gruod, so 
zerfließt sie zu einem Lutfgebilde. Die Deutung der itpa o^t-v des Emp. 
ist haltlos; sie geht von der willkürlich en Voraussetzung aus, daß Em- 
pedokles' Theologie im engen Zusammeuhauge mit seiner Physik siaüd 
(s. Zeller 875 ö. and das oben zu Khodes Psyche Bemerkte). Vor 
allem aber leidet seine ganze Argumentation an der petitio principii, 
daß die orphi^chen Fragmeute in ihrer überlieferten Eassong dorchweg 
älteren Ursprungs seien. 

In dem Werke von MaaU werden die in unsern Bericht fallenden 
Fragen an niehreren Stelltin erurtert. Die gegen Kuhdeji Psyche 471, 2 
gerichtete Deutung des axT]; Xetp-tuv bei Emp. haben wir bereits oben 
erwähnt. S, 162 S. sucht M. nachzuweisen, daß in der ursprünglichea 
Fassung der orphischen Lehre Dionysos keineu Platz hatte, daß viel- 
mehr orphische und dionysische Reliu'ion im si barfen Gegensatze standen. 
ZvLi Begründung seiner Ansicht ^^iebt er dem gegen sie sprechendea 
Zeugnis Herodots (II bi j eine eipt utimüiche Deutung, die Kohde PHyche 
II' 107, 1 (s. 0.) mit triftigen Gründen zurückgewiesen hat. Damit 
verliert ni. E. diese Antfassung ihre wichtigste Stütze; zugleich aber 
auch das, was M. im Anschluß daran über die Stelloug der Pythagoreer 
und Heraklits zu jenen beiden Kulten bemerkt. Für die Annahme, daß 
die Pythagoreer, deren Zusammenhang mit der alten Orphik ja so ziem- 
lidi feststeht (vgl. 0. Kern «die böotischeo Kabiren Hermes 29 S. 8). 
die Dienste des Dionysos nnd der großen Göttermutter verabhcheuteu, 
bleibt jetzt nur noch das spate Zeugnis d^ Pbintis bei Stob. III 61a H. 
Mao kann ja zugeben, daß die bei ihnen vorherrschenden Begriffe der 
Harmonie nnd des Maßes mit dem orgiastischen Dionysoskult in Wider 
spi-uch stehen; aber die Verehrung des Dionysos hatte an manchen 
Stätten in Griechenland, so besonders in Elensis, auch reinere und 
mildere Zilge, nnd Dionysos hat doch auch in der orphischen Theogonie 
eine bedeotaame fioUe gespielt. Orpbisches und Bakchiaches nnd eben 



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]66 Bari«bt tb«r die griedusebeii PUloBophen vor SoknAtm, (Loitdnf^ 

Mbsdtfg: mit rinnnder mBcbmolsen. Jedenfalls fehlt jede BegrUabigjBOfl^ 
dafQr, daß die J^rtbagoreer nnr das eine aufgenommen, das andere aber 
bekftnipft b&tten. Daß auf der andern Seite Heraklit dn Tetftcbter. 
des Dionysoskaltes war, ist nicht zn bezweifeln; wenn aber M. hinsa- 
fOgt, er habe Orphisches nicht verschmäht, so ist er dafür den Beweis 
schuldig geblieben. Wir werden vielmehr In Ihm im Gegensatie sa 
Pythsgoras einen entschiedenen Gegner glelehermaOen der orpUscheii 
wie der dioqyiiBChen Beliglonsgebrftnche sehen dürfen. Damit Ist 
Dicht ansgeschloisen, daß er an gewisse einen mehr phüosophischeii 
Charakter tragende Vorstellangen der orphischen Gedichte, soweit Ihm 
solche vorlsgen, angeknttpft hat» wie dies M. mit andern fftr Fr. 39; 
annimmt. Vgl. auch O. Kern Hermes 29 8. 5 iL, wo der Gedanke, den 
KSnig der Götter ein spieleades Kind zo nennen (Herakl. fr. 79), anf 
orphlseheo Ursprung mrackgeftthrt wird. Aber an eine tiefere Bin- 
wirknng der Orphik anf Heraklit ist schon deshalb nicht m denken, 
weil ihm die Metempiiycbose vOlUg fremd Ist Dagegen ist eine nihere 
Be^ehnng des Emped. aar oiphischen litteratnr wahrscheinlich, nnd 
][• hat vielleicht nicht anrocht, wenn er die «Kathannen* geradem 
als ein orphisches Gedicht bezeichnet. ^ 8. 817 it, 1 findet H. das 
älteste Zengnis fttr die Verbreitnng der Orphlker über das ionischA 
Knltnigebiet bei Xenopbanes fr. 97 K. (« 10 Hiller}, wo die Bedehnng 
anf die dionysischen Hysterien durch den Ausdruck ßaxxot gesichert sei. 
Diese Bemerkung steht im Widersprache zn der scharfen Unterscheiduigf 
des Verf. swischen orphisohem nnd dionysischem Knltns. Ebendort 
wird erwähnt» daß Frendenthal im Jabresber. des j&disch-theologischeii 
Seminars» Breslau 1886 8. 1 ff. (die Schrift Ist mir nicht saganglich ge- 
wesen) über Beadehnngen swischen der Theologie des Zenophanes und 
der orphischen Hellglon auf grund von Flaton 8oph. 949 D eine sonder- 
bare VermntuDg aufgestellt hat, die V. woM mit Recht surttckweist. 

*161. Lenorniant, La cosmogonie de Ph^r^cyde de Syros. 
Acad. des Inscr. 24 mars 1880. S. Aevae crit. 1880 8. 984. 

169. H. Diels, Zu Pherekydes von Syros. Arch. f. G. d. Ph. 
I (1887) S. 11—15. 

163. Chiappelli, Sulla Teogonia di Ferecide di Syros. ßeudi- 
coiiti della R. Accad. dci Lincei, ser. XV, vol. V, 1. sem. Borna 
1889 & 130—242. 

*I64. S«Y)XtaiT^ieooXoc, Hepl Oepexo^o tou lupUn md Bto- 
levCie «6x00. '£v 'AOi^vaii; 1890. 73 8. 8. Ancb deutsch erscUensn 
nnter dem Titel: SpiliotapnloSf Über Pherekydes den Syrer und seine 
Theogonie. Dissert Erlangen 1891. 



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Beriebt äber die griecliiscbea Phiiosophea vor Sokratea. (Lortoing.) 167 

165. H. Di eis, Znr PentemychoB des Pherekydei. S.-B. d. 
Barl, Ak. d. W. XI (1897; 8. 144—156. 

166. H. Weil, Un noüvean fragroeot de Phör^Jjde de Syroi. 
Eev. des Stüdes errecques X (1897) S. 1 — 9. 

In No. 162 bespricht Di eis eine bei Laert. I 119 aufbewahrte 
Stelle aus der flevTepLu/o; und verbessert den Wortlaut der Vulgat» 
nach der Überliefernn2r der besten Handschriften so : Xi)ov'r; ovo{i« 
ifhtxo r^, ijrei69j auTT) Zoic (Ullgo Zsoc) <Ti5v>7r'p7; 5ifioi, Wir haben 
hier keine phantastische Namenspielerei, wie man früher geglaabt hat, 
sondern eine nüchterne pliysikalische Spekulation in mythi-^cher EHn- 
kleidnng, die sich auf die alte, bereits bei Homer 0 187 ff. ansgebildete 
VoFBtellnng von der Verteilnnp der Welt unter die obersten Gottheiten 
Btfltzt. Daß Ph. unter dem Einflüsse der gleichzeitigen Physik Btand, 
l>eweist der bei Laert Torhergehende Satz: Zote piev xal Xp6voc l^swt 
dtl xal Xdovb) (80 verbessert D. im Ansehlaß an H. Weil).*) Hierbei 
liat man aber nieht an Thalee, eondera an An ax iniander au denken. 
Anf dieeen «eist, abgesehen Ton den Immerhin unsicheren Aneltzen der 
Ohronegraphen (die Ahme des Ph. nm &40), die Verg^lelobiing der Brdo 
mit dnem geflügelten Banm, Aber dem Zeus sein bnntea, mit dem Lande 
vnd dem Meere beaticktee Qewaod aosbreitet; denn A. hat die Erde 
teerst fretoehwebend In den Mittelpunkt des Sph&ren^ysteme gesetst 
und ihr die Gestalt einer cylinderfSnalgen Sänle [richtiger: einer 
Trommel] gegeben. Barch Anaxlmanders Vorgang Ist Ph. vermntlieh 
nnch bewogen worden, seine koemologlscben Gedanken nicht In der her- 
gebrachten poetiseben Eorm, sondern in Prosa vorantragen. Vgl. meine 
Besprechong £. Ph. Wsehr. 1888. 7&5 f., in der Ich die HerateUnng 
und ErUfirnng der Diogeneostelle als slcber, die Yerrnntnng der Ab- 
hängigkeit des Ph. Ton A. dagegen ala nicht gans zweifellos be- 
lehnet habe. 

0. £ern hat im 3. Kap. ednes nnter No. 158 besprochenen 
Boches znnSchst die Fragmente des Ph., IS an Zahl, gesammelt. In 
daranf folgenden ErOrterong pflichtet er der Ansicht von Dlels bei, 
daß Pkerekydea* litvcifiuxoc (so lautete der Titel, nicht intd\Lr)yo^ wie 
bei Saidas) nach Anazimanders Schrift iccpl <pu9t«i« verlhßt worden sd: 
Eeaa bedente bei Ph. den Äther» nicht die Sonne. Z&ob als Eros and 
als welterzeugende, alles bildende Ejraft hat sein Oegenst&ck bei Hetlod 
theog. 180 it and in der Lehre der Orphlker. 2n dem <papoc bei Ph. 
Tetgleieht K. das Gewebe der Proserpina bei den Orphlkem and den 

*) D. besieht sich hier wahrscheinlich auf einen fcaneo Beitiag an 
Ph., den Weil in der Rev. de philol II (1878) S. 84 TeEOflentUeht hat aad 
den ich noch hei Kern dtiert gefonden habCb 



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1^ Mehl fibn die grlMbifcbea PhiliwoplieD w SokntM. (Loitaiag.^ 



Tftd mom orpMiehiii G«dielitas tUkkni m dem Xp^voc (nlebt Kp<voc)» 
der iUe MenieDte ans dem. Seoieii des Zeus (in dein Beriehte des Da- 
miiUos Ist Didi K, statt Ix toS j6vtm laoToo sa leeen: aixoo eoO, 
Äi^c) enengt, Oipb. S8 Ab, Der Kampf des duronos mit OpUoiMna 
kann nioht auf etaen Kampf dee Zeai mit den Tita&en gedeutet werden, 
da ea OStter vor Zraa bei Fb. aicbt gab. Mit der Xdovd), die aieii 
bei Empedoklee 898 and bei Maialoa wiederilsdet, ist Demeter ge- 
meint. Die Daratellang des Pb. wird 8. lOS kora so snsamnieBgelisfltf 
Zeus, CbioaoB and Gbthoaie sind die Pfimdplea aller Dinge. Aas dorn 
Samen des in Eros Terwandelten Zons bildet Ohronos Feaer, Wind and 
Wasser; naeh Beslagang des Ophioaens wird Ghronos Ton Zern mit 
einem Kraaze gescbmflekt, der Cbthoole aber glebt Zens die Erde, waa- 
balb sie selbst Erde (F^) geaaaat wird. Fftr dlO sobwierige Jkmtmg 
der fünf SobUlfte ist aaeb K. teilweise Aisebylos* Prometbeas an bor 
nntsen, wenn aaeb Bergk LIttgesob. II 486 an weit gebt, der den 
Haoptinbalt der Tbeologie des Pb. bei jeoem wiederfindet Bei den 
fbaften itu^o«, der die Laft (irvgü{ui dfpa) nmfoßt an baben sdieint, 
hat yieUeieht die Lebre des Anmimenes anf Pb* eingewirkt (?). 

Einen anderen Standpankt nimmt Cbiappelli ein. Er fallt die 
Anaicbt von Diels, daß sich Ph. an Anaxlmaader angeschlossen habe, 
für wt^nig wahrBcheinlich. Indem er die Berührimgspnnkte zwischen 
der Ko&Diolügie des Ph. und der orphischen und hesiodiachen Theogonie 
nntersucbt, bestimmt er anf diesem Wege die einzelnen Momente de* 
koBinoiüg'iscben Prozesses bei Ph. sowie seine Beziehun^'-en zu der W elt- 
anffassnng des TüaU-s und zu pfewissen ÄnDabmcu der älteren Pytüci^areer. 
"Vgl. die ßelbst.'inzeiffü Arch. V, 452 f. Auf die einzelnen Aulslellungen 
kcitiii ich hier nicht eingehen; sie sind meist h&bsch eräoimen, aber seiir 
zweifelhaft. 

Die Abliuiidlaug v uu Spiliotopnlos fördert nach Wellmann (Arch. V 
8. 98) nichts Neues von Beden Lung zu Tage. 

Die zweite Abhandlung von Diels ist ebenso wie die von Weil 
durch lolgeude PuUlikaiiou veranlaßt worden: Greek Papyri. Ser. II. 
New cla^öical fragnients and other ^reek aud latin Papyri ed. by 
R. Grenfell and A. Ilunt. Oxford 1897, in der nnter anderen wert- 
vollen Knuden auch ein in einem handgroßen Stücke des 3. oder 4. Jabr- 
hni[dH!ts gefnndes Bruchstück der Pentemychos mit i,et eilt wird. Diels 
slfllt den von ihm ergänzten d'i xt voran Die Kchthrit den Brachstückes 
wird uiclit nur durch Fr. 4 Kern te^tgestellt, bo ; li in auch durch den 
in iliiii herrschenden Märchenton der alten Novelle nnd den nrsprUng« 
liehen liauch ältester ionischer Pro^a, d«^n wir hier verspüren, sicher 
verbürgt. Offenbar wird nns ein Upo; -/ajAo» treschildert ; aber wer sind 
die Hauptpersonen? Diels weist nach, daß mau nicht mit Greafeil, der 



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Bericht über die gnecbiticiieii fiiilobupiiea vor äokrates. (Lortzing.) 1'59 

fUtoUieli den in Walirheit «is der Theo^oate Athenen Pherekydes 
■tamraeodeii fierielit te Erateitiieiiei mm Ausgangspunkt nimmt, an 
den arsriviMhen 7i1(mc det Zeoe und der Hern denken darf. Die Erde, 
die nach Fr. 1 K. Zoe (ie neeeDialerl jetet D. im Auehlnß an 

Kretschmer bei Kern de tiieof. 98} der XftovCij als Ttpoc verelirt, 
ist identisch mit dem die Erde dantelleadeii fipoc. daa in dem neaen 
Bruchstück Zeus der X^ov^t] (so ist ohne Zweifel der aasd^efallene Name 
der vupL^Tj zu erirftnzen) überreicht. Aach Ober dieses Pharos erhalten 

wir nun die richtig^e Aufkläroni?. Während man früher annehmen 
muiite, Zjis pcliaffe mit dem Gewand auch sofort die darauf darg-estellid 
r^, und die Eichü bilde das Krdt,'eriiste. über das die bunte Obertläciie 
der Erde wie ein GewHiid gezogeu sei, haben wir jetzt atatt emea 
irroteeken Schopf uogsaktes eine zierliche liochzeitsfeier , die nnr an- 
deutend auf die Kosmolofne hinweist. Mau hat bei dem Fharos an 
den der Athene bei den Fauathen&en dargebrachten, am Mäste des 
heiligen Schifieb aulgeäpauuten Peploi^ zu denken. Für die Beflfigeloug 
der Eicbe (uKorrepoc öpuc) weiÜ 1). auch jetzt noch keine andere Er- 
klaruug, als daß die Erde damit nach Anaxiutaudeis VoigaDge als im 
Welteniaum frei achwebend autf^efaßt werden soll. Der das Geschenk 
tiberreichende Qatte aber ist Zeu^, der das Gewand mit dem Erdbilde 
der jung-en Gattin als Mnr£jenL'at)e darbringt, nicht Xpovof und noch 
weniger Kpbvoc, wie Zellei bei l'h. statt Xpovoc liest. In dem Berichte 
des DamaskioB, Chrono» habe aus dem Samen des Zeus (D. liest mit 
Kern autoü, s. o ) Feuer, Luft und Wasser erzeugt, steckt ein un- 
gewöhnlicher Zeugungsakt, keine regelrechte Geburt. Die fünf Schlüfte 
beziehen sich auf die fünf elementaren ürprinzipieu; Za^ und Chthonie 
stellen ihre beiden Pole, Äther und Erde, dar; zwiscüen ihnen stehen 
die drei aus dem yovo; hervorgegangenen Elemente. Zas und Chthonie 
sind ewige Potenzen, die drei anderen fallen in die Sphäre des Cbronos, 
d. i. der zeitlichen Eotstehnng. Mit der geheimnisToUen Zeugung der 
ephemeren Elemente ans dem Samen des Zeus vergleicht D. Anaximaudei-s 
ixxpiotc des ÖfippLov und (]<u*/pov ans dem aicttpov, die dieser nach Dox. 
579, 13 auch als -^C-voz (vgl. den Ausdruck 7o'vt}iov) aufgefaßt zu habeu 
scheint. Auch die Rolle, die der die Erde umfließende Okeanos bei Pli. 
spielt, erinnert an daa icp«»Tov 07(>6v bei A. Ph. muß sich Uber die 
Bedeutung des Urwassers, vielleicht mit deotliclier Polemik gegen 
Tbales, aosgelasscn haben; nnr so erklärt sich, weshalb ihn Aristoteles 
bei Laert. II 46 einen NebeobnUar des Thaies nennt. Da der Up6; 
rfi^ in späteren Kapiteln ersfthlt wird, so kann er sich nieht auf die 
elementaren Torgftnge der Weltschdpfüng beaieben; das heilige Beilager 
kann keinen anderen Sinn haben als die Schöpfung von Berg nnd Thal» 
Wald nnd Plnr nnd die Bevdlkemng der Erde mit Gesobdpfen ans der 



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1 1 0 Beriebt Uber die griechiechea FbiloMpbea vor Sebntea. (Lactenig.) 



VereiDigoiig des Himmels und der Erde, fiobließlicb bemerkt D., dafi 
das BmebstQck nicht in die Anfftnge der ioniselien Prosa gesetzt «erden 
dfirte; man mlne es in die zweite Hftlfte dee 6. Jahrhunderts rftcken 
nnd es, wie D. schon fküher anoabm, als «inen Versneb «nffassen, den 
modernen Inhalt der ionisehen Physik nnd die moderne Form der 
ionischen Prosa mit dem mythischen Inhalte nnd der poetischen SV>rm 
der bisherigen kosmologiscben Bichtnng an vereinij^n. 

Zn einem wesentlich anderen Eigebnisse wird Weil, dessen Ab* 
faandlnng, abgesehen von einer Nachschrift, ohne Kenotnis der BielsBchen 
^geschrieben ist, durch die Betraehtang des GrenfeUseheii Fnndee g»- 
illhrt. Er sieht mit Orenfdl in der Erzählung des Brachstflckes 4le 
Hochzeit des Zena und der Hera und erklärt auch in der Kaehsdirift, 
er sei dorch Biels nicht ftbeneugt worden, daß es sich um Zeos nnd 
Cbthonie handele. DaO rieh unter den Stickereien anf dem Pbaros 
auch, wie wir bei Clem. AI. lesen und wie Dieh in unserem Brach- 
stücke ergänzt, toL Qttjvou (■= i2xtavou) ^la^axa befanden haben, hält er 
für unwahrscheinlich; er möchte bei Clem. oot^ixaia oiaMteoiifiaTa 
»ach Hesychios) verbessern und versteht darunter den Acheiuos und die 
anderen aus atm Okeanos entspringendeü i Jusse (?). Du^e^en trifft 
er liuiin mit Dielß zui>j.uimeu, daß er bei dem Gcwaiidc a,a den Peplos 
der Atbene denkt. — Für den uubefangeuen Beurteiler kann es keinem 
Zweifel unterliegen, daß in den strittifren Funkten Diels, nicht Weil 
das Kiclitiu'O (betroffen hat. Auch für den Zusammenhang zwisciien Ph. 
und Auaximaitdcr hat 1). jetzt anf grand des Greufeliscben Fundes 
neue, sehr beachtenswiitü Argumente beigebracht. Doch scheint mir 
J. Bidex iu der Rezension der Dielsschen Abhandlung Rev. crit. 48 
(1897), 501 fif. doch zu weit zu geben, wenn er auch in diesem Punkte 
J). unbedingt zustimmt. Eine solche Gewißheit ist in so schwierigen 
Fragen, wie aie nach den gegenseitigen inneren Beziehungen der ältesten 
Denker ist, bei der Dörtticrkeit des uns zu Gebote stehenden Materiaiß 
und damit der Veigieicliuugspunkte denn doch nicht zu erreichen. 



Ii. BaMBderer Teil. 

Die eiDielHen Sohvien und Philosophen« 
A. Die milesische Schule. 
1. Thaies. 

167. H. Diels, Thaies ein SeraiteV Arch. f. G. d. Ph. II 
(1889) S. 165- 170. 

168. 0. Xmmiach.Za Thaies^ Abkimft Arch. II (1889) S. 515. 



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B«iidit fiber die griechifichen Philofopben vor Sokrttas. (Lortzing.) IJX 

169. E«L Meyer, Herodot Aber die lonier. Phflol. 48 (1889) 
S. 268 ff. 

*]70. P. Tannery, Tbalös de HUet, ee qoll a empranU de 

r£gypte. (£xtr. de la Bev. philos. Mars 1880.) 20 8. gr. 8. 

171. Ä.Döriüg, Thaies. Zscbr. f. Philos. 109 (1896) 8. 179—195. 

172. H. Biels. Seoeea und Locan. Abb. d. Beii. Ak. d. W. 
1885. BerUn 1886. 

17S. E. Thoroai, Über BrocbstOeke der griechischen Philo- 
Bopble bei dem Pbflosopben L« ABnaeoe Senieea. Arcb. IV (1891) 
8. 657-673. 

Diele (No. 167) widerlegt die Ansieht P. Sebaitere, der ie den 
Aeta aoc. pbil. Lips. lY (1875) S. 328 it io dem bei Laertios atebenden 
Kaneii de« Vaters des Thaies '£^o({i.uooXou eine phdniklsche, an Samuel 
anUingende Form erblickt hatte, dnreb den Hinweis anf die gate band- 
sebriftliche Überlieferang E^ottiiou und r.eigt. daß dies eine karisebe 
Bildung ist. Da somit Thaies' Vater einen kariscben Namen hatte, 
•die Karier aber durch die neuere Sprachforscbong als ein arischer 
Stamm cikiumt bind uuJ überdies die karische Knltnr früh und voll- 
öUudig iu der griechischen untergcgangreii ibt, so kann vuii einer semi- 
tischeu Abkunft des Thaies trotz Herodot i 17Ü keine Rede mehr sein. 
Herodot mochte diese Genealogie für wahrscheinlich halten, weil das 
Geschlecht des Tliales, die Theliden, seit alter Zeit mit den Xcidiiieerti 
in Verbindung gesetzt wurden, die Herodot selbst (I 146) iu lonieu 
einwandern läßt. Anch schien den Zeitgenossen die überoatörliche 
"Weisheit des Thaies nur ans dem Orient staramen zu können. Eine 
Herabsetzung des Tli^les beabsichtigte Herodot mit seiner JSotiz sicher 
nicht. — Zur weiteren Bekräftienne: dieser Argumentation dient eine 
von Immißch (No. 168) angeführte Stella dts Atlienlius 174 f.: tl fifj 
-Opa xat T) Kapta <I>oivfy.r] Iy.iXekxo, hk irapa Kopiwr; y.^i Bax/uXior E7Ttv 
«upEiv, aus der sich schließen läßt, daß die aus Buotien kunimmdeii 
Ansiedler in Ivarieu ihre heimischen kadraeischeu Erinnerungen an den 
Tien«*'pwonnenen karischen Boden anknüpften. — Anch E. Meyer stimmt 
Diels im wesentlichen bei; nur sucht ihm dieser in Herodots Ang^abe 
zu \iel, wenn er meint, Herodot und seine Zeitgenossen hätten in Thaies' 
Lehren orientalische Einflüsse erkannt und deshalb um so eher au seine 
phönikische Abstammung geglaubt. Die Angabe bei Laert. I 22: 
icoXiT07pa9i^&T) 61 iv MiXtjti;}, Ste ^XOe ouv NeiXecp ixKetJ^vxi Ooivi'xt,; muß 
In der Quelle des Laert. so gelautet haben: «Thaies' Geschlecht stammt 
TOD einem Abnberro, der mit Kadmos Phönizien verlassen hatte; ein 
Nachkomme dsaselben nahm mit Neilus an der ionischen Wanderung 
teil and gewann das mileslsdie Bfiigerrecbt.* Ähnlich anch Imnüscb. 



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172 Beriebt flb«r di« srieeUeelieii Philoeophen for Sokntes. (Lortiing.) 



Die AbhoDdlQDg von Tannery habe ich nicht erdeten; ebeoio- 
weni|r wie eeine weiterhin aonofllhTente anderen Monographien Aber 
die Xehmhi der vorBokratiwhen Philoiophen, die Tannery in denelben 
ZdtMhrift verQffentUcht hat. leh durfte mir dieee Mllhe enpareiit da 
der haoptsichliche Inhalt allor dleeer Abhandinngen in daa nueamniea- 
laMende Werk Ttonerye .Ponr ThiBtoire de la eeienee helldne* (vgl. 
Ber. I 8. 264 ff.) anii^oninien worden ist. Der VoUetindigkeit halber 
aber flihre Ich wenigstens ihre Titel an. In dem anf Thaies bezflglichen 
Absehnitte des gröDeren Werkes wird Thaies seiner phüowphisehen 
Bedentnwt so gat wie vlfllig beraubt; wie er sieh seine geometrisehen 
nnd astronomischen Kenotnlne ans Ägypten geholt hat, so steht er aneh 
mit sdner Kosmologie anf dem Boden der damals in Ägypten herrschen- 
den Anscbaonngen. Das ist im Grande nichts als eine neae, aber kann 
verbesserte Auflage der alten Methode der Rtfth nnd Oladisch. Daß 
das so gewonnene Weltbild des Thaies mit dem, was nüs über diesen 
als g^laubhuft überliefert wird, dai'cbaus nicht in Einklang za bringen 
iöt, liiit ZüUer 195, 3 erezcigt. 

Aus diesen iluhen infti^er IJypothcscD führt uns Düring- auf den 
lesteii Büdeii iiuciiteriier und besoüueuer Pnüuug der Tradition zurück. 
Er ¥dll nachweisen, daß Th. kein krasser Materialist, sondern Hylozoist 
oder besser Hylopsychist ist, indem er nicht dan Wasser scklechthia 
zum Prinzip gemacht, sondern es als beseelt, als Träger aller Kräfte 
des Werdens in der unorganischen wie in der organischen Welt auf- 
gefaßt hat. Die Quelle für die materialistische Dentnng dieses Prinzips 
sncbt D. in der Schrift desHippon, der unzweifelhaft Materialist war» 
da er die Seele ^eradeza für Wasser erkUii te. Hippen hat wahrschein- 
lich den Schein zu erwecken gesucht, als ob seine Lehrsätze und Arg:n- 
mente bereits von Th. selbst aufgestellt worden seien, und es ist ihm 
dies auch bei Theophrast (rehiriL^en, der Th. und Hippon als gleichwertig- 
znsaujnieiititpnt nnd ihiiiMi lieidcn vier Bfewt ise beilegt. Da drei dieser 
Beweise von Ansiuteles, wenn auch nur mit t inem Ticuc und Xe^jtai, auf 
Th. zurückgetührt werden nnd einer von ihnen . der vom Samen, nacii 
demselben Aristoteles auf Hippon zurückgeht, so hat vemiullich aach 
Ar}8t(tt( 1<'8 diese drei dem Hippon entlehnt, der sie als von Tb. stammend 
aßgeiuhrL hatte. Nur war Aristoteles kritischer als Theophrast. Daß 
die Angabe Theopll^a^ts nicht aus Aristoteles, sondern diirkt aus Hippon 
geschöpft war, btwcist der Umstand, daß bei Theophr, auch der vierte 
von Aristoteles nicht angeführte Beweis von) Absterben des Anf- 
ti'ocknendeu, der auch in Meuons latrica dem Hippon beigelegt wird 
(s. Ber. 1 177), hinzugelügt ist. Es linden sich aber bei Aristoteles 
auch Spuren einer andern, mit der materialistischen Auffassung der 
Lehre im Widersprudi steheudeu Überlieferaug ; s. de an. I 5, 411a 7 



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3eridit fib«r die grieebiiehai Pliilosophta vor Soknioa. (^rtaiiig^ 173 

ftkfpi^ dtSv) und ebd. 9, 406a 19 (Beieelfibeit dee Masaeten). 
VgL in der sweiten SteUe die enifUirliehere, von Ariitoteles nnab- 
Uüiclge Mitteiliuig bei Leert. 1 84, wo aiie der ÄnfiemsK dee Tb. ttlebt, 
«le bei Aristoteles, die bewegende Kraft der Seele^ sondein die Beseelt- 
lieit des ünbeseeltea gefolgert wird. FBr das Vorbandensein einer 
bylepi^eblseben Anffossnng spricht aoeb, daß für Thalei* Nachfolger 
eine dem Stoffe selbst iaoewohneiide Bewegnngs- and Umwandlnngstendens 
biarsieheiid benengt ist [Aber das beweist doch nicht notwendig, daß 
aach ihr Vorgftnger Thaies schon diese Anffassnng gehabt bat] Die 
2engnlise der Späteren teilt D. In Wer Omppen and crQrtert das Vcr- 
hiltnls jeder einsdnen an Aristoteles and Theophiast. Am wichtigsten 
sind die Nachrichten des Afitios. Die Fassung der Gründe Ar daa 
Wasser als ürstoff, die wir bei ihm (13, 1, Doxogr. S76) linden, be« 
sonders das sonenannte Wassersieben der Sonne, stammt wahrschdnlleh 
ans Hippon. aber nicht dnroh Theophrssts Vermittelans; dadareh wird 
eine nene Quelle für die Lehre HIppons erOübet. Nene Sparen der 
hylopijdiistischen Überlieferang bieten aaeh die Angaben des AQtios 
Uber die Besseltbeit der Pflaaien md die Eirwihnong dea Bernsteins 
bei Laertios. Der haaptsachllche Wert dieser Arbelt besteht datin, 
dal& die ZeognIsM sehirfor als bldier geschieden and fir die Lehre 
HIppons nsae Anhaltspanhte gewonnen werden, wahrend Über die Lehre 
den Thaies kaam etwas Neues zn Tage gefördert wird. Ein Irrtnm 
kt es, wenn D. den bypothetieehen Charakter der Mitteilung über den 
Ifagneten in der zweiten der 1>eiden Stellen ans Aristot. d. an. bestreitet, 
da {otxs Bich dort nicht auf den Ansspmch des Th. selbst, soDdera auf 
die Deatang dieses Ansspracbes beziehe. Er hat dabei die Wendungen 
i6 o>v d1copLvT}^Äveuoüll und £r:T£p — Irpr] übersehen. Eine wiehti^^e Fragte 
hat D, nicht berührt: Woher ma{? wohl Aristoteles die psych oiogiBcheu 
Ausspruche des Th, haben? etwa auch aus Hippon? 

Die beiden Abhandluugeu No. 172 und 173 gehören iusofern 
hierher, als sie sieb auf die bei Seneca iiat qaaest IV 2, 17 ff. mit- 
geteilten Ansichten des Thsdes, der die Fracke zuerst unter den Griechen 
erörtert hat, sowie des Diogenes und Anaxagoras über die Ui'säche der 
Steigungen des Nils beziehen. Biels macht es S 8 f. wahrscheinlich, 
daß Seneca hier wie in großen Teilen seiner Quarationes (s. Doxogr. 
19 n. 225 ff. sowie unsem Ber. I 163) ans I'oseidonioa und zwar ver- 
mntlich durch Vermittelnng des Asklepiodot gfeschöpft hat. Der Haupt- 
zweck der Dielsschen Untersuchnng int der Nachweis, daß Lucan in 
der Episode über die Geheimnisse dea Nils die nat. qu. seines Oheims 
vor Au^en g^ehabt hat. Am Schluß werden auf gjnnd neuer Kolla- 
tionen von Handschriften der Text von Pharsal. X 294 — 331 und der 
von Seneca nat qu. IV 1, 2 herausgegeben. ~ Thomas kuttpft im 



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It4 'Beiieht ttber die grieehtsehen Philoeophen Tor Sokrafea. (LortsiDg.) 

enteo Abschnitt seiner Abhandlnng un eine Bemerkung: bei Diels S. 13, 2 
aber Seneca iV 2, 22 an, wo die Ansieht des Tli. wiedergegeben wird. 
Br zeigt, daß das von D. beanstandete iucoocessus zwar kOhn, aber nicht 
nnlatdikiseh iat« wenn man es im Sinne von is eni non conceditnr odeir 
eoneesstim est anffiaßt. 6o gewinnt er eine sehr annehmbare Erlüämng' 
der Stelle. 

2« Anaitianier* 

174. Fr. Lutze, Über das lictipov Anazimanden. Ein Beitrag 
W riclitigen Anffasrang desselben als materialen Frintlpes. Bisa. 
Leipzig 1878. 

*175. P. Tannei y, Aoaxiruaudri: rintiui, T^voluttou et Tentropie. 
Kev. philos. Mai 1882. Vgl. Sc. hell. c. 4. 

176. J. Keuhänser, Anaximander Milesins sive vetostisslma 
qnaedam rerom nniveraitatis cooceptio restitata. Bonnae 1883. 

177. P. Natorp, Über das Prinzip der Kosmologie Aoaximanders. 
Mit Bezog anf J. Neobioaer, Anaximander KUesins etc. Phil. Xon.-H. 
70 (1884) 8. 867—398. 

178. G. Spicker. De dicto quodam Aiiaximaudh pkiluaupki 
diäpuuüo. lud. lect. Aiimbttr W, 1883/84. 6 S. 

179. C. Baumker, Vermeiutliche aiistotelische Zeng-nisse über 
A&azimanders onstpov. ü, Jahrb. f. kL Pb. 131 (1885) ö. 827—832. 

180. Th. Ziegler, Bin Wort Yon Anaziuander. Arelt f. O. d. 
Ph. I (1887) & 16-87. 

*181. H. Kariazki, DieXJnendlkhkdt bei Anaximander (mssizch)* 
Jonm. d. rnsB. MinUt d. Volksanikl. 1890. April S. 314—378. Mai 
S. 74—119. Jnni 8. 293-263. 

•182. N. M.. Butler, Anaximander ou tbe Prolongation of 
Infancy in Men, A note on the history of tbe theory of Evolution. 
Class. Stndies in honour of H. Drisler. New York und London Ib94. 
S. 8—10. 

183. P. Tannery, üne nonvelle hypotbdse sor Anaxlmandre. 
Areh. t 6. d. Pii. Vni (1895) 8. 448-448. 

184. H. Biels, Über Anaximanders Kosmos. Areh. f.Q. d. Ph. 
X (1897) 8. 228-237. 

Die tiefsinnige Welterklärnng Anaximanders ist in der Berichts- 
zeit Gegenstand lebhafter Erörterungen gewesen , diirch die manche 
Einzelheiten seines WeltlilMea näher be.stimint und 'jegenUber früheren 
falschen Auffassungen ritiii.i^; gestellt worden sind, die Erkeniitiih seines 
metaphysischen Prinzips aber über da^, waä Schleiermacher uud Zelier 



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Bariehl tber die grieehueheii Pblloiophcii m Sokrfttes. (LortaiDg.) 175 

•Ii wahrsobeinUdi« AnBicht des A. hingeiteUt hatten > Unm Junm 
fSrd«rt «rordeii tot 

. Zonftehat ist m erwlhneo, daß G. Teichmflller sa nin«!! 1874 
etwbleneDea «Stadien rar Gesohichte der BeiofriiED*, in denen er 8. 1-^70 
und 8. 645—688 Aber A. geliandelt hatte (s. Sneemibl. Jahresber, II HI, I 
8. 973 ff.), im 3. Hefte seiner „Kenen Studien rar Oeiebiebte der Be- 
grlflb*' 1878 (wir werden dies Werli nnter HeralKÜt nUber besprechen) 
ia S 3 einigre Briiaiemnsen hininfefilgt hat, die eich beaonders 
anf fwd einielDe PnnlcCe seiner frfiheren Aniftthronfen besieheo, nnd 
swar: 1. anf seine, «!e wir sehen werden, im wesentUchen das Bichtige 
tieiande Erklärnng der Gestimrllder des A. nnd die AolEsssnng der 
6itk als des mit f^ner gefoUten Badluranaes, die er gegen Angriffe von 
Walter nnd Mohr verteidigt; 8. anf seine verfehlte Koojektnr hj(f^ 
hx^ Ckr «fovt Ubt^ bei Hippolyt. Doz. 659, 84, die er anfrecht erhftlt nnd 
noeh verltebrter als flrilher dentet. 

In der Hehrsahl der aageAhrten Werke über A. handelt es sich 
in enter Linie nm die Anffsssnng des dntifev. Die veisefaiedenen An« 
aifihten, ^e über diese IVage anfgesteUt worden slod, lassen sich mit 
Bnrnet (s. Bericht I K. 106 S. 68 fL) anf folgende drei Hanptthesen 
sirttckführen (eine vierte, die kaum noch iigendirelche Vertreter finden 
dürfte, übergehe ich). Das diettppv Ist: 1. eine Uischnng aller Ding« 
(Bitter); 2. etwas zwar Dicht Unkörperiiohes wie Aristoteles* Blatoiie, 
aber Qpialltütsloses oder genauer seiner Qnalitüt nach Unbestimmtes- 
(ScUeiemuicher, Zeller); 3. ein Mittleres xwischen den Elementen oder 
swischen swelen der Elemente (so fest alle Kommentatoren des Arlstot., 
von Keneren Lütie nnd Nenhünser). Hit dieser Frage ist nenerdiogs 
eine sweite verknüpft worden, die nftmlleh, ob das ^leitpov nach der 
hergebrachten Annahme als etwas seiser rftamlichen Aasdehnung nach 
Uoendliches oder mit Teichmüller nnd Tannery als etwas nach außen 
hin Begrenztes, aber in sich selbst Uu begrenztes oder, da das eine das. 
andere nicht ausschließt, zugleich als beides aufisufasseu sei. 

Liitze giebt im EJnganßfe siiner AbhuiuUung eine die einschlägige 
Jjitteratiir fast voUstäiiilig um fassende l bersicbt der historischen Ent- 
wickclung der Streitfrage von den KomnieuUtoren des Aristot. an bis 
in die neueste Zeit und {:ebt dann zur Prüfuni: der in betraoht kommeiideu 
Aristotelesstellen über, zanächst der Aletapbysikstelle 1069^ 15—23. 
Wäre diese in ihrer überlieferten Fassung autlientisch, so müßte sich Ä , 
was nach Ltitzes Meinung ßüsgen, „Über das anstpov Auaxitnand« rs\ 
Wiesbaden ibüV, nachgewiesen liat. Zeller dagegen bestreitet, den ür- 
ßtoff als ein eif^entliclies H.q|xa vorgestellt habe«. Um diese Konsequenz 
zu vermeiden und zugleich Aristot. von vermeintlichen Widersprüchen 
za befreien, nimmt er 1069^ 20 eine Verlaoschang der beiden Namen 



176 Bericht über die grieebiseheD Philoeophen vor Sokntei. (LortiiDg.) 

'AvaSa^^pou und 'Ava&{iAv5pou an and hält folgende Fassang für die 
nrsprftngliche: xod tout* Im to 'Ava^tfiav$pou Sv xal 'EfiTreSoxXsouc (UTPA 
xatl 'Ava^aY^pou; dadurch sieht er sich fi:eDötig:t, die Worte fikva* jdi^ 
6}toö iravra als Bandglosse ans dem Texte zo entfernen. Btoia 
gewaltsame jüidemag, der Natorp (No. 177) S. 371. 1 zustimmt, nur 
daß er die g^9tricfaenen Worte stehen läßt und anf seltsame Weise 
erklärt, hat Zeller 205. 1 mit Recht UDter Bernfan« anf Aristo^ 
phys. 14, 187» 20 znrückgewiesen. Ebenso nnannehmbar wie (iie^e Tf^xt- 
ändemoff ist die £rklärntig der Phjsikstelle 187<^ 12 ff. (s. Zeller 203,8) 
und gmden unbegreiflich die grammatisch völlig: anm()i;Iiche Deataair 
der TheophrMtateUe (Dox. 479,2 ff.), wo Ixeivoc aaf Theophr. selbit« 
statt wt Anaxagoras oder, was gnunmatisch zulässig wäre, aber nch- 
iich SQ den größten Unklarheiten nnd Widersprficben führen würde, 
auf Aoaximander belogen wird (i. Zeller S06, 9). Wenn Verl endUch 
verradit, andere Stellen des Arittot. anf A. sn beziehen nnd m bereili 
dem Stagiriten die Ansicht der Kommentatoren (die snent fon 
Scbleiermaeher benrorgehobenen Wideraprflche In der Anffanniig Am 
Simplikioa bemliht er sich ▼ergebene sn beseitigen) anbnhfirden, das 
&tfoy sei ein konkreter Stoff neben oder awiaehen den bekanotsn 
Elementen, so Ist aneh dieser Veisnch in der Haaptsache als miltglüekt 
ZQ bezeichnen (s. Zeller 210 ff.)- Allerdings mnO man mgeben, dafi an 
einseinen dieser Stellen nnzweifelhaft, an anderen nnd gerade an solchen, 
wo anch von einem imto^u oder yäMv die Rede ist, a. B. de gen. e. 5 in., 
wahrscheinliGh sngleich anf A. hingedentet wird; aber an keiner dieser 
Stellen ist msn geswongeo, eben Jene Lehre von (wnt^ anf diesso 
Fbüesophen sn beziehen nnd so Aristot mit sich selbst nnd mit 
Theophrsst in oflieiibarsn Widetsproch sn setzen (s. Zeller I 318 ff.) 
oder gar, was ans L. zumutet, sn glauben, Aristot habe das 
«icttpev bald als dn zwischen Lnit nnd Feuer, bald sls eb z wischen 
Wsner nnd Luft, bald als ein zwischen Wssser und Feuer in der 
Mitte Stdiendes bezeichnet Bd einer so verkehrten Behandlunff der 
Zeugnisse mnB msn von ▼omherehi dss Endergebnis der TJntersndinog 
mit dem größten Mißtranen betrachten. L. faßt es am Bchlnsse 
dahin snssmmen: das £raipov des A. ist ein reales, materiales Eins, das 
sieh ihm in fnrmaler Htanicht als eine unendliche einförmige Mnaa 
darstellte nnd das er In materieller Hinsicht als eine Art Mittleres 
zwischen Wasser und Luft sich vorgestellt haben mag (?), ans welchem 
das Wasser selbst, sei es dnrch Verdlchtang (?) oder Aasscheidnng, ent- 
standen ist. Sonderlich klar und bestimmt ist das nicht ausgedrückt. 
Anch befindet eich Verf. im Irrtum, wenn er es für mögrlich hält, daß 
A. die Gegensut/e aus seinem Prinzip durch Verdichtung und Ver- 
düDDQUg habe hervorgehen lassen; denn nichts ist darch Aristot. sidierer 



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Boiebt Uber die grieebiAchen PhiloMpbeo vor Sokratea. (Lortsiog.) 177 

bezeugt, als daß nach A. dies nur auf dem Wei?e der A asschf i dang 
geschah. — Vg-l. die Rezension von Difls Jen. L.-Z. 1878, 406 ff. 

Die Arbeit von Nenhänser kuuimt ungefähr auf dasselbe Er- 
gebnis hinaoB, wie die Lützes, ist aber dadurcli wertvoUei*, daß sie 
die sämtliclien Zeugnisse des Aristot. und seiner Aosieger und zwar 
viel gründlicher and scharfsinniger behandelt. Schade nur, daß seine 
Griindlichkeit in ,8cho!agt!«;chen Formalismus and ermüdende Weit» 
schweifigkeit der Darstellung'' (Zeller), sein Scharfsinn oft in Haar- 
spalterei aasartet. Im merkwürdigen Gegensatz za seiner sonstigen 
Genauigkeit steht, wie sclioii Zeller in seiner Besprechung D. L.-Z. IV 
1499 ff. bemerkt hat, daß er mehrere wichtige Sohriften Neuerer nicht 
berücksichtigt und von Zellers großem Werke nur die dritte Auflage» 
nicht die damals längst erschienene vierte, benutzt hat. Noch aaf- 
ftUiger ist. daß er weder die Doxographi von Biels noeh den 1. Teil 
von dessen Ausgabe des SimpHc. ad phys. nennt, wahrend er doch an 
veirscliiedenen Stellen eine Bekanntschaft mit beiden Werliea dentUch 
mrm^ Ja S 363 ff. Diels* ingeniöse ErUttrang des adXoc i:prflti^ (s.. 
Ber. I 164 t) als eigene Erfindung vorträgt — Daß Neohäoaers Ans- 
Abraagen Aber das Jncttpov verfehlt sind, hat Zeller a. a. O, und an mehreren 
Stellen seiner PUL d. Qr. flbeixengend nafibgewteseo. Qleieh im An* 
ftmge setaer üntenaehang bemaht er sieh veiveblich sn bestreiten. da0. 
nneh SimpUkies A. sein dnctipov dpx4 genannt habe, nnd ihm den doch 
wmhfieheinlieh erst von Aristot. gebraaehten Ansdmek 6«oKs(iwvo 
«otersttsehleben, wie er denn anch dem A. eine dialektisehe Oewandt 
hett ntrant, die wir bei einem so altertttmlleben Philosophen noo 
nieht suchen dUifen. Er bestimmt dann das Actipov als ein ränmlieh 
Unbegrmtes nnd als einen eloteehen Körper, der also keine Miscbnng 
darstellt 8o weit steht er dorehana im Einklänge mit Schlelermaeher 
und Zeller, die anßer den genannten Eigenschaften dem fatpov keine 
bestimmte zoschreiben. Im weiteren Verlanfe der Uotersnehnng aber 
ateUt er sieh gans anf die Seite Lfttses, indem er wie dieser dem Aiiatot 
410 nnerweisliebe Ansieht beilegt, daD das dhciipov ein von den Elementen 
Versohledenea, neben oder awlscben ihnen Stehendes sei (ala Hanpt- 
beweis dient Ihm die Stelle Aristot. Phys. 187a 12, die er sich mit 
«laem großen Aafwaod von Scharfbinn snreehtlegt); ja er gebt noch 
einen Schritt weiter nnd führt eben dieee Ansicht In der Form, wio 
iio ans bei Simpl. nnd Biiloponoa entgegentritt, anf Theophrast sorftck, 
von dem doch gans sicher die Bestimmung des &ttpov als einer U^namt 
^doic Überliefert ist DaD das Prinslp dee A. sdlne besonderen nnd 
swar sinnlich wahnishmbaren Eigenschaften besessen habe, folgert er 
nach aus gewissen bei Aristot von ihm gebrauchten Ausdrücken wie 
«Sfui «blh|T6v nnd x^p^^^. ^ ^ ihrer Allgemeinheit gmr niehts ^e- 
JsfcnsbirUbt fOr AUMtmwwtaMsebifL Bd. COLIL (Ifloa^ LI 12 



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178 Befiebt 1lb«r die griechiflehai PhilMopben vor Sokistei. (LortnDK.> 

weisen. Näher bezeichnet er es dann als ein Mittleres zwischen den 
iwei Elementen des A., die sich za den vier Elementen des Aristot. 
so verhalten, daß sie ebensogut mit der Lnft nnd dem Feuer wie mit 
der Luft nnd dem Wasser verglicbeD werden können. Er setzt somit 
die beiden Gegensfitze des Warmen nnd Kalten, die sich nacb A. dnrcli 
Ansscheidnng ans dem anetpov erst bilden, als bereits in jenem vorhandene, 
•imnlicb wahmebmbare Bestandteile nnd glanbt der Wahrheit nahe m 
kommen, wenn er das Prinzip definiert als eine körperliche Substanz, 
die überall von mildem ond sanftem Lichte durchströmt ist, eine 
mäßige nnd milde Temperator ond einen mittleren Grad von Diehtig^ 
keit (f) habe. Aber noch mehr, A. soll seine körperliche Snbstans 
BBgleftch anch als Seele und Geist anfgrefaßt haben. Alle dieae Eigen- 
schaften sind ans nnteren Quellen dorchans nicht an belegen; man mftßte 
denn Ittr die letitgenaante die ganz rereinselte Notis bei Tbeodoret 
(Doi. 887 SU Afit lY 8,9), A. habe die Seele Inftartig genannt, alt 
Beweil gelten laasen. Hier liat der aonat bo nttcbtenie Yerfuner dnmal 
leiner Pliantaflie die Zügel eehießen laieen. — In der Beiekreiban^ 
den Proaeasea der Aneecbeidttn^ nnd weiteridn der Weltbüdonf bat ticli 
N. enger an die Oberlief erong angeichloüen, die er groDenteils aneh 
riehtlg anliegt Inabeeondere iit ilim darin beinutlnmen, dafl er eine 
muderUebe Hypotbeae Teiehmfilleri, die lieh Tanner j ae. hell. 88 ff. 
angeeignet bat, entiehieden znrflekweiit TeicbmtUler hatte die ewjg» 
nnd uaprüngliehe Bewegnng des Acsifov ala Ereiibewigmi^ beieiclinet, 
nnd dai foipov lelbit war ihm aJa eine nnmießliehe gitartige Kngel 
«nebienen, die Ten aller Ewigkeit her aleh nm ihre Aehie dreht K. 
wendet dagegen mit Beeht ehi. daß Telehmlülen Aignniente rieb anf 
kein Zeugnfi der Alten stfttnen; die natüiliehe Bewegung sei naeh der 
Anrieht dea Altertnma auch gar nicht die Krelibewegnng, londem dl» 
gerade Bewegung der Kdrper naeh nnten. Dagegen kann ich den 
Kadiweia Ar die im Oegeniatie sn TrichmUler nnd Zriler (8. 884 ff) 
Yerfechtene Anrieht» daB A. nnslhli^ Welten nieht nur nach einander, 
aondem anch neben einander angenommen habe, nicht fir erbracht halten. 
Wenig antreffend eneheint anch Nenhftniera Bintellnng der Koimologia 
dea Pkrmenidei. 

Gegen Nenbftnaera Annahme rinea {ura^u erkiftrt sich anch Natorp. 
MaDgabend kann fttr uns, wie er ausführt, von den Aristotelesstellea 
nur die Pbys. I 4 leln, die einzige, wo Aristot. den A. ansdrficklich 
nennt Diesem deutlichen Zeugnisse nnd dem mit ihm übereinstimmen- 
den des Theophrast gegenüber kommen diu Xorameiitatoren nicht in 
betracht. zumal da sie sich, auch Simpl u. Püilop., auf die sich Neu- 
hftuser besonders stützt, der piübliclisten Inkonstqnenzen schuldig 
machen. Von einer alteren, auf Tiieupla-juit ^urüci^geheodea Tradition,. 



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Baitokt Uber die gfieeliisehwi PliÜ€«>pb«n vor Sokiates. (Loitdng.) 179 

ao8 der die Spiteren ihre Annahme eines iit-calC geschöpft hätten, ist 
keine Spur sn entdecken ; vielmehr haben sich alle dem AkiMider Aphr. 
•ngescblossen. Daneben iindet sich allerdings noch eine abweichende 
Ansicht, die der nm mehrere Jahrhunderte ältere Ntkolaos sowie Por- 
pbyrios vertraten (s. besonders Simpl. phys. Jl4d, 11 ff.), welche das 
|wnt|u (fälschÜcb) anf Diogenes Apoll, bezogen nnd von A. meinten, 
er habe das Actipov unbestimmt gelasMO. Derselben Überliefern ug folgen 
Laert n 1 nnd A^t. I 3, 3. Sie weicht nur insofern von Theophrait 
ab, als nach ihr A. die Qualität den Urstoffes tiberhanpt nicht bestimmt, 
naeh Theophrast dagegen als eine unbestimmte beaeichnet hat. Den 
Boohstaben nach mag jeoe Tradition recht haben, aber den Gedanken 
den A. wird wohl Theophrast besser begriffen haben, wenn er sein 
Friasip, frsiUeh in aristotelischer Formel, als fuoiv d^pmov «at* sKo« 
mI Mrad iiiircAoc kennaeiehneL VgL Zeller 8. S16. 

Anf demselhen Standpunkt steht in betreff des yum^ aneh 
B&nmker, der gleiehfoUa besonders anf Arlstot Phya. I 4 hinweist, 
«0 A. dentlioh der Elaaae von Physikern, die ehi beattmintes Element 
oder ein Mittelding als Prinsip setaen, gegenftbergestellt wird. B. wirft 
dann weiter die Frage anf, wer wohl der Vertreter der Annahme einea 
Xitteldtaiga gewesen sein möge. Nach Simpl. 151, 31 D. nnd nach 
Aiiitot^ d. gen. 38Sa 3 könnte man vielleieht an DIogenea denken, 
wie dies schon Scbleiehermaeher gethan hat; aber Aristo! Metaph. 
ilSda &, wo Diogenea aaadrfteklich mit Anaximenes gleiehgeatellt wird, 
spricht entschieden dagegen. Diogenes hat eben noch nicht die Kon« 
aeqnana aeinea Gedankens gelegen; dies konnte aber leicht ehmr der 
sablrekhen jüngeren natnrphilosophischen Dilettanten thnn. Aach hat 
«ielkicht Aristot. nnr das entwickelt, waa ana den yoianssetinngen 
eines seiner Vorglager nnanage^rochen folgte; daher anch sein Sehwanken 
bald mischen Wasser und Lnft, bald swischen Lnft nnd Fener. 
Der negative Teil dieser BeweiafVihrang ist nnaafechtbar, nnd die An* 
sieht, die dem A. das Mittelding Eosehreibt, kann nnnmehr als endgültig 
beeeltigt betrachtet werden. Das positive firgebnia dagegen ist gering. 
Dia Frage nach dem ürheber des lAsraiv wird eich mit den nna an 
Qohote atehenden Mitteln sehweilich beantworten lassen« Aristot. 
a«shwankt nicht nnr in seinen Angaben, sondern er sclieint sich anch 
an widsmpredien, wenn er Phja. III 5. 204a 86 ff. das Ifittlwe awischan 
Lnft nnd Feoer geradezu ansacUieOt, wfthrend er Phys. 1 4, 187 a 18 ff. 
diesea aUein nennt, ohne das iwischen Wasser nnd Lnft flberhaupt sa 
erw&hnen. 

Mit der Deutung des bekannten Bruchstückes Anaximanders, des 
eiuzigeD, das wir von ihm besitzen« beschäftigen sich die Abhaudlnngen 
Ko. 178 uud 180. Hierbei ist zu bemerken, daß in dem Text de« 

ir 



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180 Berieht Uber die grieehischea Pbiloeophea vor Sokniei. (Lortiiiig.) 

Simpl. ad phys., der dns Fragment aus Theophrast anfuhrt, das in der 
Aldina ansgelasseDe ak\T^\o^z nach der handschriftlichen T'berliefei uiig^ 
von Biels in seiner Ausgabe (S. 24, 20) und schon früher in den Doxot^i. 
476, 10 eingesetzt worden ist Der authentische Wortlaut ist nunmehr 
folgender: 6tS6vai ^ap atitd 8ixt)v xai ti'oiv dXXt^Xotc tt)« dlSixiac xaxÄ tJjv 
tou yif&vw tdl^iv. Damit sind «Ue frfiberen Erörterungen über diesen 
Ausspruch, soweit ihDen der verstfimmelte Text der Aldina zu gründe 
lag, hinfällig geworden. Die Dinge bflüen nicht f&r eine Sebald, die 
sie durch ihre Sonderexistenz an dem anstpov begangen haben, sondern 
iur dae Unrecht, das sie bei ihrem Heraustreten aoB dem Uuendlichen 
dch gegenseitig zufügen, indem eines das andere verdrangt oder zu 
irerdringen sucht. — Spicker, der das dUi^Xotc noch nnberücksichtigt 
laßt, wendet sich gc-rcu die Auffassang von 8chwegler nnd Zeller, wie 
sie Toa letaterem in den früheren Anf];iq-en formuliert war. £r selbst 
veratebt unter der ddtxia nicht die Ungerechtigkeit im eigentlichen, 
sondern üngieichmäßigkeit (inaequabilitaa) im übertragenen Sinn. In 
amipov Beibat iat allea im Gldchgewicht; mit dem Entstehen der £inzeU 
dinge wird dieaea geatdrt, indem dem ünbegrenaten daa Begrenzte, wie 
daa Kalte nnd Warme, entgagengeaetzt wird. Dadurch nnn, daß die 
einander entgogaogMOtsten Dinge aufgehoben werden nnd in daa Un- 
endliche zarflekkehren, wird anch die Ungleiehmftßigkeit anfgehoben 
nnd lattfov nnd «tfpac sind wieder dasaelbe. Abgesehen dam, daß 
dSutfiz niobt Unglelchmißlgkeit beißen kann nnd daß der tiefsinnig« 
Anaaprach auf dieee Weiae seiner Bittliehen Badentnng, aof die die 
ganze Faaanng dea Fragmentes dentlieh hinwelat, vQlUg entkleidet wird« 
iat Spiekers Erklftrang schon deshalb absawelsea, well wir dann dem 
dnttpov aeiiQnbilitas nnd inaeqnablUtaa sngleieh zaaehreiben mUBtan — 
denn es ist Ja die üraache der Ungleiehmißigkeit der Dinge — nnd 
damit nna eben der Terletsong des prineipinm eontradlctloaia aehiüdlff 
machen würden, die 8p. in der gegneriachen Anffimaong dea Weaens 
der d^iUa entdeckt haben wilL 

Z leg 1er wiederlegt snaftcfaBt die Erklärung KenhSnaera 8. ff., 
der daa eeht acholaatlBche Ennstatttck fertig kriegt, dUfimc im Texte 
swar sn aeceptieren, aber es niebt, waa allein maglieh ist, anf daa Ver- 
hältnis der BinaeldiDge zn einander, sondern anf das sivlBchen ihnen nnd 
dem 2iccipov zn bedehen. Z. selbst dagegen wirft daa Wort in gntis 
nnmetbodiseher Weise wieder ana dem Text hinana nnd seist dann an 
die Stelle der gangbaren «tief apeknlati?en^ AnfTasanng des Gedankens, 
die ala gnosUsch-romantlach nnd dnrehana nagiieehiack Terworftn wird, 
eine ethlach-religiOse Deatnng, nach der A. gelehrt haben soll, daß & 
Welt am der menBchlichen Ungerechtigkeit willen nntergehen mflsse. 
Diese yorstelloeg habe A. nicht etwa ana der Jfldisch-babylonischen 



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Bericht über die giiechiscben PbUosopheu vor öokrates. (Lortung.) 1^1 

ilutsagc, sondrni ans Tl. Fl 384 ff. geschöpft. Diese Erklärung igt 
nicht nur spracljlirh unzulässig (es würde bei doijti'a« ein (inentbehrlicher 
KufciU wie rtr>v avDpiur.uiv fehlen), sondern auch sacbiicb verfehlt. Sie 
würde, wie Zcller 229, 2 bemerkt, den schiefen Sinn ergeben, daß die 
Dinge nicht etwa, wie in den Flutsagen, als Mittel zur Bestrafung 
der Menschheit dienen, sondeni daß sie selbst für die Unperechtigkeit 
der Menschen, also für eine fremde Schuld bestraft werdet) solloii. Auch 
widersprifcliL eine solche theologisch-ethißche Auffassung physischer Vor- 
gänge allem, was wir sonst von der Anschauungsweise der ältesten 
Katur])hilo8opheti wissen. Es verliert leriier d«'r Aussinuch dadarch 
seine Bedeutung liir duB System des A . Ha. w i^ Z selbst zugiebt, nach 
dem Vorbilde Homers unr au eine ZerstÖruug der sublunarischeu Welt 
durch Wasser, nicht aber an ein Aufgehen in das ^tte oov t^edacht 
weiden kann. Als mißglückt muD auch der Yorschla^^ bezeichnet 
werden, das ganz untadlige %axä tö xp*<^v in xa-axE/pr^fisva ( vor- 
braucht, abgenutzt) zu verwandeln und dieses mit dem folgenden Satze 
zu verbinden; der Gedanke des A. wür de dadurch mit einem inneren 
Widerspruche behaftet werden, wie ich in meiner Besprechang der 
Abhandlung (Arch. I S. 756 f ) dargelegt habe. 

Tannery (No. 183), geht von der Behauptung Burnets ;,Early 
greek philosophy" S. 78 (vgl. S. 240) ans, A., wie die ältesten Philo- 
sophen überhaupt, habe das Wort dijp im homerischen Sinne (— Nebel, 
Dunst) gebraucht, und erst Empedokles habe entdeckt, daß das, WM 
wir Luft nennen, körperlich und nicht identisch mit dem leeren Banme 
sei, dessen Existenz er rundweg leugnete; diese das scheinbar Leere er- 
füllende Luft habe er a^Öijp, nie dli^p genannt, das bei ihm nur einmal 
vnd zwar als dicke Lnft oder Nebel vorkonmie. T. i^ebt zu, daß aar 
Zeit des Emped. die landläufige Bedeutung von ir^p noch dieselbe ge* 
wesen eein möge wie bei Homer, glaubt aber bereits bei Anaximeaea 
eine Erweiterung dieser Bedeutung zu erkennen. £r ichließt aus 
Hippolyt. 7. 2 (Dox. 5G0, 16), daß Anaximenes zwar in erster Linie 
nnter diQp die dunkle Loft verstand, aber aogleiGh die Existenz einer 
gleichartigen und gleichnamigen Snbetans im scheinbar Leeren aner- 
kannte. A§t. I 3, 4 scheint ihm femer zu beweisen (9), daß die An- 
wendung des Wortes d^p flir die udehtbare Lnft aar Zeit des Anaxi- 
menes noch nen war, sowie daß dieser als Synonym Ittr ^ den Aus- 
druck KvsQ}L« gebraucht habe, wenn nicht fiberhanpt für das echte 
irvsü)M bei Anaximenes ftberall die Boxographen dijp eingesetzt haben. 
Biese unsichtbare Luft des Anaximenes ist nun nach T. nichts anderes 
als das ^icctpov des Anaximaader, der es nicht gewagt hatte, dieses als 
d^p EU bezeichnen, weil dies Wort zn seiner Zelt nur die dunkle 
Luft bezeichnete. Diese Vermutung stiitzt sieh zwar, wie T. zugiebt. 



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182 Bericht über die griechischen Phiiosophea vor äokratei. (Lrortsiog.) 

auf keine bevtiiniiite TcKtotdle; aber mit ihrer Hfilfe ttßt deh daa Ghttse 
der Lehre dea A. ohne Scbwieriirkeit (?) erkUfen imd eia nnervartetar 
ZnsammenhaD^ zwiacheii Anaxünander, Anaximenea and den evatea 
Pythagoreern heratellen. Weil dem A. das «bwipov etwas durch die 
Sinne nicht ErfaBbai'es war, so konnte es ihm unter keiner der be* 
kannten Formen erscheinen. Die Durchsichtigkeit der die feurigen 
Geßtirnringe umhüllenden Luft ist nnr relativ, da man ja die himmlischen 
Feuer nicht auCerlKÜb der ÜffDun^^en sehen kann. Von hier zur weiteren 
•Spezifizierung d>s i^rapov selbst als Jjutt war für Anaximenes nur ein 
Schritt. So konute sich Anaximander als Prinzip liue vollkommen 
konkrete Substanz voratcileu, ohne ihr irgeiid eiüe bestimmte Form zu 
gehen. Diese Hypothese über das a::£ipov ist wohl vereinbar mit der 
Eigenschaft der räumlichen Unbegrenztbeit, obwohl kein hinreichender 
Gl und zu der Annahme vorliegt, daß A. die^e Eigenschaft besonders 
betont habe. Die ihm zugeschriebene Begründung für die Unendlichkeit 
seines Prinzips: iva iTzik&ini^ fj -jeveati würde jedenfalls eine besondere 
Geistesschwäche beweisen Er konnte seine Substanz aneipov nenuca, 
entweder weil, wenn sie Grenzen hatte, diese (irenzen nicht erkannt 
werden konnten, oder weil er ihr Volumen für unbestimmt und für 
fähig sich zu verdichteu oder sn verdünnen hielt, um die EIrzeuguug zu 
ermöglichen (?). Die zweite Auffassung scheint Anaximenea entwickelt 
zu haben, während die Py tliagoreer vielleicht zur ersten neigten. Beide 
aber haben die bei A. herrschende Verwirrung des Leeren und des 
aicfttfov nicht zu beseitigen vermocht. Dies geschah erst durch die 
Eleaten. — Diese ganze Deduktion beruht auf einer Keihe von geist- 
vollen und ansprechenden Vermutungen, die aber größtenteils iu der 
Überlieferung keine Stutze finden, ja die von T. vorgetragene Auf- 
fassnng des ar.voov bei A, steht geradezu iu Widerspruch mit den 
zuverlässigsten Zeuß:iiiäsen, was nach unseren Mkeron Anstührongen 
keines Beweises mehr bedarf. 

Diel 8 entwickelt im Eingange die zuerst von Teichraüller er- 
kannte und seitdem durch seine eigene Erklärung des auXo; rpT^tn^poc 
noch genauer bestimmte und berichtigte Ansicht des A. über die Be- 
schaffenheit der Geetime. Danach wird die konstante Kj-eisbeweguni: 
der Sonne durch einen großen rotierenden Radkranz begrenzt, der aus 
krystalUsierter, durchsichtiger Luft oder Duft (dijp) gebildet ist. An 
der inneren Seite wird durch ein Loch des Bandes wie durch ein 
Kundstfick eines Blasebalges (auXo^ f'euerluft (icpT)aTi)p) hinansgetrieben, 
die durch die vom tfeere aufsteigenden Schwaden nnterhalteu wird, 
Äknlich ist der tiefer befindliche Mondkranz beschaffen. Durch gftas- 
liehe oder teilweise Yeiatopfung der RadOffnongen entstehen die Sonnen- 
und MoadlUiaterBiaee sowie die ICondphaaea. Der niedrigste Kreis ist 



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Behebt über diu gnecbiacbea Pbiloaopben vor Sokrates. (Lurtzing.) 1^3 



der te ITiiitenie (und Flaneten, loweit A. von diflM tborhaapt «e- 
aprochin hat), die »ber nach Att. n 15, 6 nidit jeder tilBeii Ring, 
«oodern sosemmeD ihre crpaip« hatten, die alt unteres feetee, aber dnreh- 

sichtiges Gewölbe Himmel and Erde schied. Daß A in dieser An* 
ecbaaong, ans der eich dann die geozentrische Sphärentheorie heraus- 
gebildet hat, durch seine mathematischen Stadien gekommen sei« ist 

\(ralirscheinlicb; aber die Distanzenzablen seiner Uimmelsrio^e lassen 
eich auf diese Weise nicht erklären. D. bestimmt nun im Anschluß an 
Neuhäu.ser S. 396 ff , Tiinnery 8. 91 ff. und Burnet S. 70 diese Ab- 
stände, wie sie sich aus der Vergleicbung von Aet. II 20, 1; 2J, 1 und 
25, 1 ergeben, loigüudermaßen (zur Veranscbaulichnng ist :im Schluß 
eine Zeichnung beigefügt): Der Durchmesser des inneren Soimenreifes 
ist gleich 27, der des äußeren gleich 26 Erddarchmessern ; der dc^ 
inneren Mondreifes gleich 18, der des äußeren gleich 1^ Kiddurch- 
messern; für die Sphäre der Fixsterne (und Planeten?) ist diesen Zahlen 
entsprechend ein harmonischer Abstand von 9 Erddurchmessern anzu- 
nehmen. Die Breite jedes dieser Kin><e ist aho gleich einem Erdradius. 
Die Ang;ibe bei Hippolyt. Dox. 56u, 4, der Durchmesser des Sonnen- 
ringes sei 27 mal größer als der des Mondes, hält D. für irrtümlich, 
fleh bemerke hier beiläufig, daß Zeller S. 224. 1 aufgrund dieser Stelle 
heransrechnet, daJ] der Soniienrin«? 5!3mal eo f^roß &h die Erde sei. 
Der Berechnung ZeUers liegt der Fehler zn gründe, daß er die Zahlen 
<i^H A. anf den Umfang der GeRtirnring-e statt aut ihre Durchmesser 
bezieht.] Diese R:anzc Zahlenspekulation ist nun, wie D. ausführt, eine 
dichterische Veranschaulichung, deren Ursprung in der voranaximan- 
diiecheii Kosniolo^rie üejrt (vgl. II. B und Ilesiod TliecK'-. 722). Hier 
spielt die Nenuzahi, eine Verstärkung- der uralten heilii^^en Drei/ahl, 
eine große Holle. Die Verehrung dieser Zahl findet sicii bei allen 
Anern; Finnen und Tataren haben sie diesen entnommen. Vgl. das 
finnische £pos and die Himmel- nnd Höllenfahrt der Schamanen bei 
Radloif «Ans Sibirien* II 3 ff., wo der Kosmos in 3X9 Schiebten ge- 
teilt erscheint. Daraus darf man aber nicht etwa aaf oralte Beziehangen 
zwischen A. and den Zauberern am Altai schließen. In dem Jahr- 
hundert der Mystik, dem 6. y. Ch., konnten solche kosmoiogischen Phan- 
tasien auch bei den Griechen idbsttlBdig ausgebildet werden. Anazl- 
manders Himmelskarte ist genau so ans Wahrheit und Dichtung 
sosammengesetzt wie seine Erdkarte (s. Berger, Glesch, d. Erdkunde 
I 85). Auch sein äicttpov ist ein arpoetischer Gedanke. — Diese Her- 
leitung der JDistanzentheorie aas mystischer ZaUenweishdt ist ein sehr 
beachtenswerter Versach, den rätselhaften Ursprooff der Zahlen des A 
nofnkliren. Es könnte ja freilich befremdlich erscheinen, einen Forscher, 
der einen to tiefen fiUek in das Wesen der Ding» fetlian nnd sieh Uber 



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184 Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokrates. (Lortzia^.) 

die vulgären Anachannngen so hoch erhoben hat wie Ä., hier auf dem 
Pfade eines geheimnisvollen Zableiikaltns zn finden; aber wenn man 

bedenkt, welchen Einfluß die Zahlenmystik nicht nur auf die Pytha- 
goreer, sondeni auch auf viele andere Philosophen, selbst der neueren 
Zeit gehabt hat (vgl. Gomperz. Gr. D. 87 f., wo gleichfalls die Heilig- 
keit der Dreizahl betont wird,*) so wird mau die Hypothese von D. 
Dicht für so uiiwahrsciii'iiilich halicu. 

Zum Text der Fragmente. Über die Ergänzung ikl-filoiz in 
dem einzigen zusammenhlinpenden Fragmeute des A. ist oben berichtet 
wurden. Von einzelnen Ausdiuckeu, die bei den Doxographen erhalten 
sind, hat Diele Dox. 218 bei Hippolyt. 613 (Dox. 559, 24): to M oxnyLOL 
auT^; (sc. tfjj 7?^«) ö^pöv crpo-f^uXov, xiovi A1Ö4) JtapaivXijatov nach Rüper» 
Emendation vopov für 67p(5v in den Text gesetzt und dazu bemerki, 
ffTpojifuXov besseichne den runden Ümlang, ,upov die gekrümmte Ober- 
fläche. Für die Worte x(ov>. XiSw, die. wie die Parallelstelle bei Aet. 
III 10, 2 (Xiö<|) xiovi) beweist, eine alte Vevuii.italtung des Textes dar- 
Btellt^ hat nach mehreren HeiliiD^^sversurheu von Röper, TeichmüUer 
nndDiels (Dox. 219) Zeller 8. 226. 4 xuAtvöpto vorg-esehlaRen (vgl. xuXtv 
5poet6^ bei Plut. Strom. Dox. 579. 12) und damit wohl das Richtige 
getroffen. 

*186. P. Tanoery. Anaximtae et ronitö de nititaBee. Bev. 

pbilos. 1883 No. 6. Vgl sc. hell. c. 6. 

186. P. Tannery, ün tragment d'Anaximäie dans O^mpiodore 
le chimiate. Arch. f. Q. d. Fh. 1 (1888) S. 314—321. 

187. A. Ghiappelll, Zo l^thagom und AnaKimeiiea. Arch. 
f. 0. d. Pb. I (1888) S. 582—694. 

Tannery (No. 18G; glaubt in dem von Berthelot und liuelle 
(Oollection des auciens Alchimistes grecs, Paiis löbb S. 81 ft.) ver- 
öffentlichten alchyuiibiischen Traktat des Olympiodor ein neues I i^g- 
ment deh A. entdeckt zu haben. Dieser Olympiodor, den T. für den 
alexandriuischen Neuplatoniker aus dem 6. Jahrhundert hält, triebt dort 
eiue Doxographio über dir vei-schiedonen Arten, wie sieh die iiltpsteu 
PhiloBophtu die dp-;^ij vorge^ieiil iiaben. llivr heiüt es von A.: ^£7« 
7Äp outtu« ■ £ j c ccjtiv 6 dtf^p tou datupLaTOU ' xal Sn xar' expoiav 
TouTou 7ivo}jL£i)a. dva-fxTj a-jTÖv xal aTteipov etvai xal nÄöucnov oti tö fir- 
Ssicoxe ixAei::eiv. .Nur die beiden gesperrt gedrackteo Sätze, so uimoit 

Ich venreise hier aach aaf die mir nicbt bekanot gewordene 
Programmabliaiidliuig von Th. Neidliardt, Ober die Zahleneymbottk der 
Oiieehen nnd Rdmer 1. Ffirtb 1895. 



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Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokrateä. (Lortziog.) X85 

T. an, will Olyropiodor dem A. zuweisen; das fibrigre ist sein eigenes 
Raisonnement, wobei er das von Auaximander Überlieferte anf A. über- 
trägt. Der erste Satz erscheint seiner Grnndlafire nach anthentiscli, 
der Form nach verdächtig (aacop-aTo; vielleicht nur als Synonym für 
^uyr, irebraacht). der zweite umnekehrt mehr seinem Inhalte als dem 
Aüsdriicke nach budtüldich C£/.r>oti nicht im ueuplatoiuöchcn Siuut; als 
Eui^iüutiun zu fiibaeu» soiideiii n)cT;iph()risch : „nons naissutis suivaut le 
fliix de l'air"). Hiergegen erklären sicli buwohl Chiappelii (No. 187) 
S. 594. 44, wie auch Zeller 241, 2 aas bpiaclilichen wie inhaltlichen 
Gründen. In der That kann der erste Satz wegen des djaifiaxov weder 
dem A. noch irgend einem Philosophen vor Anaxagoras nnd Demokrit 
beigelegt werden, und im zweiten scheint ebenso wie iu der hinzageftigten 
Folgerung A. mit Anuxiiuauder, dessen Lehre freilich sehr entstellt 
wiedergegeben wird (Ciiiappelii vermutet £xxpioiv atatt ixpotav), ver- 
wechselt zn werden. 

Chiappelli ( N'o. 187) sucht zu erweisen, daß, wie ohue Zweifel 
Pythagoraa von Aiuiximau icr heemlliiCf worden ist, so nins'»« kehrt, der 
Pythagoreismus aul Auaxiraciic^ eingewirkt hat. Dem auLiei weltlichen 
ÄTtetpov Ttveüfj-a, de8^5en Ausatmoug in den Kosmos die Pythagoreer und 
wahrscheinlich sebon Pytha^oras salbst gelehrt liahen, entspricht das 
iispir/ov des A., äa-^ er nach dem authentischen (?) Fragment bei Aet. I 3, 4 
nicht nur arjo, sondern aneh rveopiat genannt hat. Die Verwandbichaft 
wird noch größer, wenn wir bei A. nicht mit Teicliniüller und Tannery 
sc, hell. 147 eine nrsprOngliche Drehung, sondern nach Aiialüfjrie der 
atmojiphärischen Lutt ein Hin- nnd Herwogen des Urstoffes annehmen. 
Auch zeigt das angeführte Fragment, daß die Anschauung des A. aus 
demselben authropomorphischen Motive (der Makrokosmos Nachahmung 
des Mikrokosmos) hervorgeht wie die pythagoreische Lehre, b^benso 
•cheint A. auch die Annahme, daß der Mond dnrch die Erde beleuchtet 
werde, und die Zurückfttlmiiig der großen Zahl von Mondfinsternissen 
auf nMiobtbiire Weltkörper zwischen Mond nnd S(/nne den Pythagoreern 
entnammen sn haben. Zu beachten ist endlich auch, daß A. in jenem 
Fragment dasselbe Wort %6o\KOi gebraaoht, das nach einer nicht ganz 
unglaubwürdigen Überlieferung Pythagoras zoent auf das 'Weltgebftode 
angewendet haben soll. Daß A. die Ansatmnngslehre des Pyth. an- 
nidhm, wird um so be^eiflicher, wenn wir diese Lehre schon in die 
jüngeren Jahre des Samiers verlegen (?). Nur durch eine solche Ein- 
wirltnng des Pyth. anf A. ist die Kluft, die diesen von Anaximander 
trennt, an erkUUfen. — Die Haltlosigkeit dieser gansea Beweisfnbrong 
hat Zeller S48, 1 nnd 363. 2 dargethan. Vor allem schwebt die Hy- 
pothese^ daß A. sein «tpwxo^ Fyth, entlehnt habe, vtflUg in der 
Lnft, da sich gerade die für den PTthagoreisnins beseichaende Lehre 



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186 Bericht über die griecbisdieii Philosophen vor Sokrates. (Lortsiag.) 

vom Atmen der Welt bei ihm nicht findet Auch die Lehre voa der 
BelencbtoDgr des Hönde» doreli die Sonne kann er sieht bei den Pytbv 
goreern geftindea haben, da er nach dem saverlttesigen Zeugnis den 
£ademoB (Fr. 94) dieee Entdeekong anertt gemacht bat; aleo ntMen 
sie die Pythagoreer umgekehrt von ihm ttbemommen haben. BaaeeEbe 
ist anch in den andern FftUen, wo A. wIrfcUeh mit den Fytbegoreeni 
fibereinedmmt, wahracheinlich, samal da die chronologischen VerhSlUdase 
eine Abhängigkeit des A. von Pyth. oder gar eeinmi Naehfolgera als 
numöglich erscbeineo lassen. Gh. freilich scheat sich nicht, die anf dia 
beste Überliefemng sich stfitzende Batiernng des A. Aber den Hänfen 
zu werfen und diesen beträchtlich später anzusetzen (vgl. Ber. I 199). 
Ein schwacher Punkt in der Argumentation des Vert ist es auch, daß 
tr alle8, was von den Pytliai^oreei n Überliefert wird, auf den Stifter 
der Schule übcitrÜgL imd ebtiisuwcni^ zwiM-lieri alteren und neuercD 
Pythagoreerü unterscheidet. Die Eiiiatmungsloln-e mag ja vielleicht auf 
Pyth. selbst zurückgehen, aber bewiesen \\nd das weder durch las 
Zeugnis des Aristot., der ja stets aiii von den Pythagoreerü, nicht voi; 
Pyth. redet, noch durch Laert. IX 19 (angebliche Polemik des Xeuo- 
phanes gegen Pyth.) noch vollends durch die Bestreitung des Leeren 
bei Parmeuides. Auch die Spuren einer Kritik der pythagoreischen 
Lehre bei Heraklit (Fr. 52 und 99) sind äußerst unsicher. Unbegreif- 
lich ist. wie Ch. aus den Versen des Hermesianax bei Athenaios heraus- 
lesen kann, dal.; dort dem Pyth. die sphärische form des Alis and der 
umschliebendeu Luft beigelegt wird. 

Zu verweisen ist hier auch auf Zellers Beurteilung gewisser 
Annahmen Teichmuiiers, der m seinen »Studien zur Geschiclite der 
Begriffe" S. 71 flf. über A. fj^eharideiL hat, und Tanuerys. So weudct 
sich Zeller 8. 240, 3 ^^egeu die Behanpluna; des letzteren, daß A. der 
Luft ebenso wie Ana.xiinander keine unbep:rcn?:te Ausdehnung gegeben 
habe, eine Behauptung, die sich auf eine bteiie der pseudoplutarchischen 
Stromateis (Dox. 579, 22) stützt, \\o indes Z. das verkehrte ^evet längst 
doi'ch |jLe7£Ö£i ersetzt hat; ferner Ö. 242, 4 gegen die ewige Wirbel- 
bewegung, die jene beiden für A. wie für Anaxiraander annehmen, und 
S. 248, 4 gegen die Teichmüllersche Ansicht von der Bewegung der 
Gestirne um die Erde bei A.; doch scheint mir liier die Deutung Zellers 
zu gekünstelt und die TeicbmfiUers , die die anschauliche Vergleichung 
der um unsem Kopf sich drehenden Hiitie bei Hippolyt. 1, 7 für aioli 
hat, wahrscheinlicher zu sein. 

Zum Text der Fragmente. Im Wortlaut scheint ans kein 
Fragment des A. überliefert zu sein. Das einzige, das man als ein 
•olches ansehen könote, steht bei Aät. I 3, 4, wo Bernardakis die 
heureffeuden Worte mit Anf &hningneichen venehen hat: oibv 



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Bericht aber die griechiscben FliiloBophea vor Sokrates. ^Lortziog.) Ig7 



«al d^p icspii/eu Doch ist ^ zweifelhaft, ob wir hier wirklich die 
eii^enen Worte des A. voi uua iiaben. Der Schluß kann sicherlich nicht 
als wörtliches Oitat gelten, nnd Chiappelli (s. o. zu Ko. 18y) durfte 
sich für deu üebruuch von xci3{xo; bei A. nicht aut dieae Stelle 
berufen. 

G. Die Pythagoreer. 

1. Zur Kritik der Qaellen. 

188. E. Zeller, Über die ältesten Zeugnisse zur Geschichte 
des Pythagoras. Sitz -Ber. d. Berl. Akad. d. Wim. Phil^-blit. Kl. 
14. Nov. 1889. a 983—996. 

189. H. Diels, £in gefälschtet fythagorasbach. Arch. L Q. 
d. Ph. Iii (ib90; ö. 451—472. 

190. J. B. W. AatOD» De origiue libelll ^nifl ^vypic wm^ 
«od fosioc** inieripto qnl yxügo Tlmaeo Locro tribnitnr. P. I tee. I et 
n. (I Erflirt 1883, yUlaret, H Nannbug 1891, Seblmer). VI, 
669 8. gr. 8. 

191. H. Jülg, JKeapjthagoreische ätadiea . Wien 1892, Koaegea. 
30 S. 8. 

199. K. Prftehter, Hetopos, Theages nnd Arebytas bei Stobaetu 
«or. I, 64, 67 ff. Phüol 50 (1891) S. 49—57. 

193. K. Prächter, Kraotor and Pto.*Arehjtaa. Areb. f. G. d. 
PhiL X (1887) & 186-190. 

194 Th. Gärtner, Neopythagoreomm de beata vita et ilrtate 
iioctriiia eiosqoe foutes. Dias. Lipsiensis. Zittau 1877. 30 S. 8. 

195. A. Hattbaei, DedlaleetoPytbagoreerQm. Diai. GOttingea 
1878w 48 a 8. 

196. G. G. Cobet. CoUectauea critica; Lugd. Bat. 187a Daria 
enthaltea; 

a) Obeervatloaes criticae et palaeograpbieae ad lambliobi ^tan 
Iiytbagorae. a 806-449. [Vgl. Hneno^ V (1877) a 837- 
384.] Dasn: Spidleginm leetioniim oodieia FlereatlnL a476— 
489. 

b) Biogenis Laertii vita Pythagorae. S. 449—460. 
e) Piwttdopytbagorae xk ^* 460—469. 



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Xb8 Beriebt über die griecbisciieu Philo80pheii vur Sokrates. (Lortzing.) 

197. lamblichi de Tita Pytbagorica lib«r «d tdem oodich 
ilorentiiii rec A. Naack. Aeeedit eidmetram de Pyihagorae anne 
carnioe. PetropoU et Xdpiiae 1884, Eggero and Voss. LXZXV» 

367 8. gr. 8. 

198. Porpbyrii pbilosophi Platonici opnscala selecta. lUraa 
reeognovit A. Naack. Lipeiae 1886, Teabner. 

Zeller stellt an die Spilze seiner UDterBuchuiig das älteste 
Zeoguib Uber Pytha_'oi , las seines Zeitgenossen Xenopbanes bei 
Laert. Vlil 36. Die Echtheit dieses Zcui^nisses darf iiiclil mit 0. Kern 
(b. za No. 154) angezweifelt werden, da Laert. auch den Anfang der 
Elegie des Xenophanes mitteilt und diese daher seinem Gewährsmann 
in ihrem Zusainmen hange vorgelegen haben muß, so daß er erkennen 
konnte, von wem Xenoph. redet. Die erste ausdrückliche Ei'wähnung 
des P. findet sich bei Hcrakiit Fr. IG und 17. Das zweite dieser Frag- 
mente erkiiirt Z. abweichend von üomperz (a. u.) so : „P. hat mehr als 
irgend ein anderer Erkandi^tingen (iTcoptr^ hier — Nachfra>?e bei anderen 
im Gegensatze za dem Öelbsterdachten , eojutou 50(p''r,v) eingezogen und 
das, was ihm so zugekommen ist, für eigene Weisheit ansp'pg-oben, die 
aber in ^^ ilnheit nichts ißt als Vielwisserei uiul schlrclite Künste.* 
Bei letztere Ausdruck geht entweder auf die unehrliche Aneignung fremder 
Gedanken oder auf die mystischen Geheimdienste der Pythagoreer, deren 
dogmatische Grundlage die Lehre von dnr Metempsychose war Heraklit 
als leidenschaftlicher Gegner des iJysit t ienwesens sab darin nur „schlechte 
Kfinste*' (vgl. Fr. 124) und verkannte den ethischen Wert jener pytha- 
goreischen Lehre. In der Streichung der Worte ejtXe^ajj.6voc tauTac tAc 
c'jjlpafdt stimmt Z. mit Schleiermacher und Qomperz ttbcrein: wenn 
nicht etwa ixXe^a'fXEvo; xauta zu schreiben sei. Bergk Gr. hiln; T 
399 and II 437 meint fälschlicherweise, Heraklit habe sogar eine ganz be- 
stimmte Schrift als von P. benutzt bezeichnet, indem er Laert. VIH 6 
ein Fragment Heraklits annimmt: im baadschriftlichen Text des Laert. 
steht 'HpaxAciSi}c, wofür Cobet 'IIpaxXetToc gesetzt hat; diese Änderung 
ist aber zu verwerfen und vielmehr statt ^u^ixo; zu schreiben : riovrixoc. — 
Wenn Tiinaios die Verse des Empedokles bei Laert. VIII 54 auf P. 
bezog ~ andere deuteten sie auf Parmenides — so verdient dies Zengois 
wenig Glauben : sie gehörten vielleicht jeuer Schilderung des goldenen 
Zeitalters an. die En))>. in den xaOap^xoi gab; hier mochte er einen 
Propheten eingeführt haben, der das mit der Verletzung dea Tierlebena 
eintretende Verderben vieler Gern rationen vorher ankündigte. — Bas 
an Telanges gerichtete Gedicht des Empedokles (Laert. VIH 43) war 
gewiß ebenso unecht wie der Brief des TeUoges an £mp. (ib. 55 lud 
74). Zttverlilssiger ist daa Zeagola des Ion bei Laert. I 120 nnd da» 



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Beneht llb«r die grieehiflcheB PhilMophen vor SokimtM. (Loitiing.) 189 

m d«D T^wt^ d«MeU»eii tUwrllefarto M Laart VHI 8 (s. Zeller Fh. 
d. Or. I 760, 1). Wenn Jedoch Ion in dem letsteren P. be« 
■eholdigt, dem Orpheu Sehrifken nntefgesehoben m liaben, ao ist er 
aehwerileb einer ^rlaabwürdigen Überlfeferuiif 'gefol^ Der Seelen- 
fraodeniiig wird bier w wenig wie bei Herodot IV 9d ff. «ledrfleklieli 
gedacht. Letztere SteUe beweist nnr neben den Änflerongeo Heraldita 
und Ipna, daß der Rnhm dea P. vor der Mitte nnd nm die Mitte des 
5. Jabrfannderte aneb nnter den Ueinasiatiaehen Griechen verbreitet 
war, beeondets dnreb a^e Lehre von einem seligen Fortleben der Onten 
nach dem Tode. Baipegen iat Herodot II 183, wo Yon der MeCem- 
psychoae die Bede iat, nnaweifelhalt anf P. an besiehen. Wenn aber 
anch Herod. diesen Glauben von den Ägyptern an den Griechen ge- 
langen MOt, ao ist doch ans dieser SteUe nicht zn schlieflen, daß dem 
Pythagoraa diese Lehre ans Ägypten zugekommen sei. Anch ans 
Herod. II 81 folgt für eine Verbindnng dea P. mit Ägypten nichta. 
Diese SteUe ist nicht so an erklftren, daß die Orpbiker Ägypter nod 
Pythagoreer aeien, sondern es ist sn konstraieren: „mit den sogenannten 
OrpUkem nnd Bakdiikem, die aber in Wahrheit Ägypter sind, and 
mit den Pythagoreern**; hdchstms kSnote man das „und** im Sinne 
der ünterecheidang fassen: „die Orpbiker sind ein Qemiscb ans Äc^tem 
nnd Pythagoreem*', oder, wie Z. Ph. d. Gr. I 305, 1 dies klarer aus 
drOckt: ,,Ihre Lehren und Gebräuche stammen teils aus Ägypten, teils 
(in ihren jüngeren Bestandteilen) aus dem Pythai^ureismns." Daraus 
würde aber für den Zusammenhang des P. mit Ag-ypteii nichts folgen. 
[8. jedoch die oben aiigeluhrte Auffassung der Stelle bei Roh de 
Psyche 397 ff.] Die Orpbiker. deren Religion Herodot IT 49 selbst auf 
MtjlampUo /urücktübrt, waren viel älter alb P., und die Meteropsychose 
haben nicht sie von P.» sondern dieser von ihnen entlehnt (vgl. Ph. d. 
Gr. I 58 ff. nnd 449 ff.). Herodot kennt die Lehre dea P. von der 
Unsterblichkeit und den Wanderungen der Seele; er weiß, daU die 
Pythagoreer eine den Orphikem verwandte Knlt^pmeiuschaft bildeten 
nnd in einem Gebrauche bei der Beerdigung mit die'?en und mit den 
Ägyptern übereinkamen; aber von einer ä^T>tischcü Reise des P. 
schweigt er, vermutlich, weil er nichts davon weiß. V^l. Ph. d. Gr. T 
306 ff. — Pbiloiaos war fiii- Platon iinJ Aristoteles eine Hauptquelle, 
für Äristot. vielleicht die Hanptquelle. Übei diesen Fonkt urteilen 
juidere, z. B. Tannery, wie wir sehen werden, anders. 

Di eis vermutet, daß in dem soeben hesprochenen Fragment He- 
raklits bei Laert. VIII 6 noTac xdc aruY-zpi^ac aus xa^j-a, das er mit 
Heller für das Ursprüngliche hiUt,*) erweitert worden sei, um ein sltes 

*} In seiner jüngst, erschienenen Ausgabe der Berskiitiseben Frag« 



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190 Bericbi Itber di« stieebiaelieii Philofophoi tot Sobatoa. (Lortnnf.) 

Zeugnis für die Schriftatellerei des P. heranssnacblageii. Dor AnadniAk 
(ftdvov ooy\ xtxpaYe xaf ({>Y)<n bei Laert. rührt von einem im anffere^ftca 
Tone die Echtheit der Schriften des P. verfecbtenden Fanatiker her, 
der diese ficbriften anch gleich verzeichnet hat: „nai6euTixdv, itoXrcixo^« 
fomxt^v" und den Anfang des 9U7tx6v, aof welchen sich jenes Fragment 
Heraklits beaeben »oU, als Probe giebt. Von diesem Verfahrea, ans 
dea Schmähungen Heraklits echte Schriften des P. zn rekenstmieren, 
finden sieb ancb sonst Sporen; so in der Ebetoriic Fhilodems: xatd 
'HpdvAtiTov xoici'dov ioriv dpxi)76ct «er Ist ele Anführer der Babn» 
listlk*. XMese Werte besogen einige auf P. selbst, und Timales Sehel. 
Hör. 184 (= Fr. 138 B.) nahm P. dagegen in Scbnts, indem er Oorgiai 
als den ersten beaeiebnete, der wlrklicb xoic<^ d. i. rbeterlsebe Hand- 
btteber (das Wort bedeutet eigentlich Hackmesser, dann Knifb, mit 
denen der gelehrte Rhetor den harmlosen Gegner niedencbUlgt) ?ei&Ot 
habe. Die spiteren SchrlftsteUer griiftti nnn, nra diesen Vorwarf tm 
P. absnsehfttteln, an dem Mittel der apologetlseben Filscbnng vod 
stellten die wahren xondsc des P. in einer gewiß von Togend und 
Harmlosigkeit triefenden Schrift anr Schau. Titel vnd Anfong dieser 
Sidiriflb sind bei Laert. Ym 8 erhalten, wo an sehreiben Ist; xsl tjic 
Ko«(9ac (st. SxAndESac), oS ^ ^lpx4* ^vaStdso (st dvaußn», ein 
«sehenßlicher Hyperionismas", wie B. bemerkt) ^liM^ „teile niemnai 
mit", etwa mi}ißouX{i)v, d. h. »treibe keine Advokatenpraxls* [eine, ihm 
mir scheint, sehr unsichere Ürgünanng]. Die lUsehnng der Koid!8sc int 
jedeniUls nach Timaioe> aber wohl noch in die alsKandrinische Zeit am 
setaen. Anch den drei ^hagorasbücheni liegt ein apologetiacber 
ISweck an gmnde, der nftmUch, die von Eenklit fenmglimptte Polyw 
mathie des P. im Lichte erhabeoater Tngendlehre atrahlen an laasem 
nnd anßerdem eine künstliche Beaiehong iwisehen einem poleadsehen 
Werte Heraklits nnd einer ad hoc gefälschten Plythagorassebrift hemi- 
stellen. Letateres ist fkeOich angeschickt genag ansgeftlhrt. In 
tfaSricbter Nachabmang dea bertUimten Eides Im Anfange des ilteren 
pythagoreischen Gedichtes anf die Zahl (wahrseheialich Ist dies der 
*ltp6c Utoi oder Iltpl dso^v), der anch von dem nsebr spiten** Ftiseher 
der xpooS hni aufgenommen worden ist, glaubte der Falscher mit mnea 
feierlichen Schwur beginnen zn müssen, wobei er aber nach einer be- 
kannten pythagoreischen Vorschrift die QOtternamen vermeidet, v. Wi* 
lamowitz .Enrip. Herakles* I 28 (s. Bericht I 274 f.) sieht mit Un« 
recht in unserem Pythagorasbnche ein in altpythagoreischen Kreisen 
verfaßtes „Evaugeliom", das bereits dem Euripides vorgelegen habe; 



mente, die im nächsten Jahresbericht zu besprecheD äein wird, neigt er 
sieb mehr der Annahme su, daA das gaaie Fr. geüischt sei. 



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Btfidit fibtr 4to grieeUiebeB FhiloiopheB vor Soloatos. (Lortzing.) VJl 

BoteldoDiiw, der die betreffenden Yene (Fr. 64S N.) erbalten bat, fSbrt» 
nieht F, sondern Anazssorai nie GewihmoMin uu Die Pytbagoreer» 
fprUebe des Ariitoxenoe, die naeb WUanowiu lebon Eoripidee erkannt 
baben eoU, geben scbweriieb auf da« UreTangelinm sarilelL Wenn 
Wflamowite ferner den ioniieben Dialela der Beete bei Laert, der 
aehon war Zeit des Arebytas nndenkbar gewesen «ftre, Ar seine An« 
siebt aoftbrt» so hat er nicht bedacht, daß man gerade^ wenn man ecbto 
Schriften des P. prodnricren wollte, sieb des ionischen OialelEtee be« 
dienen mnBte, da Fbüoiaee nnd Arebytas die ersten P^srthagoreer waren» 
die in dorischen Dialekte schrieben. Der Fftlseber hat seine drei Teile 
mHä absicbtlicb den drei Bttcfaem des Philolaos, nnr in anderer Beiben* 
folge, gegenftber gestellt — Bei Laert. finden sieh anOerdem noch «m* 
faogreiehe doxographisebe Eznrpte, ▼oniefanilieb ans Alcsander Polj* 
(istor, die ansdradüfeb anf die Pytbagorasblldier sarttebgeAbrt werden» 
so ym 9 nnd 10 swd wörtliche Citate ans dem fouütnxatAi. In dem 
«weiten Oitat geht die Vcrgleidiiing der yier I«beasaltw mit dea 
Jabresaeiten. die auch noeh bei einer Ämsald anderer SchrHtsteller Tor- 
kommt, auf den alten itpoc X^pc zurück. Diese Anregnng des 'Icp6c 

ist in dem Kreise des Xenophilos weitergefQhrt, von Aristoxenos 
in den 'Aico^avstc systematiech verarbeitet aud so einerseits dem Okelos 
(so, nicht Okellos, schreibt Dieis), Varro nnd Ovid, anderei*8eit8 dem 
Alexander Polyhistor übermittelt worden, aus dem Diodoi , Lukian nnd 
l^aertios direkt oder indirekt, schöpfeD. Auch bei Laert. VIII 14 findet 
eich ein unareschickt eiogestreutes Citat ans dem Pyihagoi-ashuche, aas 
dem sich ergiebt, daß der Fälscher aach Herakleides Ikp- tiLv £v 'Ai^oi» 
benutzt hat, wo P. selbstredend eingeführt war, ond der Inhalt von 
§§ 22—24 scheint gänzlich dieaeui Bnche entlehnt zu sein. Wenn sicii 
nachweisen ließe, daß auch §§ 25 — 33 (ans Alexander Polyh.) auf das 
Pythagorasboch zuiückgeben, so würde die Fälschaag etwa im Anfauge 
des 1. Jahrhunderts v. Chr. ans den Kreisen jener jodischen I^lscher- 
bunUe hervorgegangen sein, die bei Alexander so viele Sparen hinter- 
lassen hat: aber da sich dies nicht nachweisen läßt, so ergiebt sich mit 
SkberUeit nar, daß der Fälscher im 3. oder 2. Jahrhundert lebte. 

An der Unechtheit der unter dem Namen dea Pythagoreers 
Timaios tlberliefertpn Schrift «Uber die Weltseele" und an ihror 
Abhänerigkeit von Plalous Tiuiaios herr-clit, seittiein schon Tennemann, 
vor mehr als 100 Jahren dies klar erwiesen hat, kein Zweitel mehr. 
£b bedurfte daher kaum noch einer so breit angelegten und mühseligen 
TTntersuchung über diesen Gegenstand, wie sie Anton angestellt hat. 
Doch bat die höchst fleißige, gelehrte nnd gründliche Arbeit iramerhia 
den Gewinn gebracht, daß nnnmchr die Unechtheit nach allen Eich* 
langen bin, aas äniieren wie ümeren Citroen bis aar vollen JS?iden£. 



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192 Bericht über die grieebiecben Pbfloeophen Tor Sokratee. (Lortsing.) 

feststeht. Das Werk kann nicht vor dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. 
erschienen sein. E:^ e:eht überall nach Inhalt und Sprache ant" den pla- 
toDiitchen Timaios zurück. Die inhaltlichen Abweichnnfren von Piatoa 
sind nie ans der vorplatonischen, speziell der pythaKoreiscben Philosophie, 
sondern stets aas späteren Systemen wie denen der Peripatetiker, 8t4)iker, 
des Philon v. zn erklären. Dazu kommen eine Men^e Worte und 
Wendungen, die sich bei Piaton und überhaupt in der älteren attiaeheB 
Prosa nicht finden, dagegen in der späteren GrUcität nachweieeo laasea — 
Von Einzelheiten der Beweisfbbnio; sind hier eini^^e an za fuhren , die 
sich auf die Vergleichung der Lehren des Ps.-Timaios mit den An- 
aehanimgen älterer Philosophen beziehen. — 8. 8 1 : die Beseichnrag 
dijfttoop'x^c für die Oottheit stammt nicht von Piaton, sondern ent- 
weder von Sokrates (s. Xenophon Mem. I 4, 7) oder von Enripidei 
^Stob. flor. HI 39, 1 Mein.) beziehentlich desten Lehrmeister Anaxa- 
gona (?). — S. 115 f.: Weno die Lehre von der Weltseele wirk* 
Üeh, wie Bdckb annahm und Bohr de PbUolai ^hagora fragm. «. f'ox^ 
Ups. 1874 gegen Zeller bewiesen sa haben glaubt, den I^agoreem, 
insbesondere den Phflolaos snsQsebrelben sein sollte, so hat doeh jeden* 
falls die Weliseele des Fhilolaos ihren Antgang vom GeEtralfener, nieht, 
wie die Piatons and des FB.-Tinaios ans der Mitte der Erde ge- 
nommen. — 8. S65 f.: Wenn die Fragmente der Schrift des Demol^ 
Iltpl dv8p<&icou 5p6aioc, wie ten Brink nnd Zeller annehmen, echt skid, ee 
ist Demokrlt, nieht Piaton der Urheber der Dreiteilnng der Seele 
nnd der Verteilnng der Seelenkräfte anf Gehirn, Hera nnd Leber; pj- 
thagoreifleh ist ne trots der Kaehriohten Späterer sieher niehtw 
Weniger sieher als das Hanpteigebnls erscheinen die flbrigens bedenk« 
Heb Bwliehen yerseUedenen IfögUchkelteii schwankenden Vermntuiigen 
des Verfaisen über nnd Ort der Entitehnng des Bnehes sowie 
Iber die Sekte, der der Verfaseer angehört: er hält Um fllr einen 
•eklektlich philosophierenden Artt ans der Sehnle der Pneomatlker. 
Kühn ist es, ans dem mehrmaligen Vorkommen des anch womit in den 
pythagoreiiehen Schriften hinflg gebranchten Wortee ravoc für nLelb**, 
weil dieses sich inerst bei dem seinem OescUeehte nadi ans Tees 
stammenden Demokrit nnd anch später Torwieisend bei solchen findet^ 
die in Kleinasien geboren wsren, anf asiatische Abknnft des Verlhawrs 
xn sehlleOen. Übrigens bemerke ich, daß ox^voc In der Bedentnng tob 
oxi|v4 anch in der telschen Inschrift Ne. 3071, 4 9 p. 668 Boeekh 
vorkommt. 

In Ko. 191 wird die ichon längst erkannte Thatsaehe (s. Zeller S91) 
bestätigt, daß die Schrift des angeblichen Okel los eine FäMnng' iat, 

die den Schein erregen wollte, ein echtes Werk des Pythairoreers dleeee 
Hamens zu sein. Jülg, der eine Aasgabe der Schrift vorbereitet, zeigt. 



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Bexittht über die grieehiicben PhiloMpfaen vor Solatmtai. (Lortaing.) 1U3 



4t0 der xichtjge Titel der Sehrift wahnchetnlich nielit litpl to5 csvfftc 
^oMoc, iODdeni II. t; t. «. Ytvtoloc lautet Die Abeiebt dee Ilbwbers 
umr offenbar, den pUtosiicbeii TUnalos mit eeiner Scbrlft in kttnrtliehea 
Zvnmmeobang n bringea. Okelloe eoUte iOr die pythagofeliehe QoeUe 
PlatoDS geltea. Die Sehrift diente also, wie X liioxiifflgt, demaelbea 
Zweeke wie die dee Philolaoe (?) nnd des Lokrera Dnaioa. Das 
Lob, das dem Pli.-OkeUoB HaUacb nnd bia an einem gowisaen Grade 
ancb Zeller erteilea. iat nnverdieot; ea gebtthrt nor aeinen Quellen. 
Za dieeen gehören außer Platona Timaloa elealiache Philoaopben, 
beaondera MeUmoa, Aiiatot. d. gen. nod AriatoKenee* nod. dicofdotie. 
Okellea hat mit Fk.-Phflolaoa nnd Pli.>Philon «. d^apotai« wSapjo» eine 
gemeinaame Qaelle benntat 

Die beiden Abhaadlnogea von Pr&chter lind dethalb hier sn 
erwihoea, weil sie an dem allgemein aneilmnntai neQpyihcigoreiflehen 
Urepmog der doriaeheo Pyüiagoreeifragmento bei Stob. — nvr die 
vnter Philolaoe* und Archytaa* Namen erhaltenen bilden teilweiae eine 
Aosnahme — neue Beweiae liefero. In No. 192 atQtit P. die An- 
nahme, daß jene Fragmente im 1. oder 2. nachchristlichen Jahrhundert 
entstanden sind, in bezng auf die in der Überschrift geuannten Broch- 
stücke durch den Nachweis, daß wir es, wie in den übrigen Pythagoreer- 
frau'menteu, so auch hier vorwiegend mit peripateiiscljer Lehre zu thuu 
haben, wenn auch iiiciil an Spureu plaluiiissclier und stoischer iJoklrin 
fehlt, und daLi die tiagiicheii i<'iagmente auffallende Ubei eiiistininiiiugen 
miL Areios Didymos' Abriß der peripatetischen Ethik /ei^eu. — In 
No. 193 wird aus einer Yerg^leichnng des Ps.-Archytns bei Stob. flor. 
1, 106 Heuse mit Plutarch cons. ad Apoiiuii. c. 3 und Cicero Tu sc 
ULI 12 nachgewiesen, daß die Lehre von der |ji£Tpio::dbeia bei Archytas 
wie bei Plntarch aut Krantor it«pl TtevOou; zurtickReht, aber durch Ver- 
mittelaog einer Kpäteren peripatetischen Darstellnn«^. 

Gärtner legt dar, daü die Ansichten der Nenpythagoreer über 
die Glückseligkeit und die Tugend wesentlich au» Aristot. und Piaton 
geschöpft sind. Weiui er S. 14 einfach feststellt, daß Hipparch 
lt. euÖütLiac bei 8tob. fior. 108, 81 Mein, in seiner Auffassung der 
Glückseligkeit bedeutend von den übrigen Neiipythagoreern abweicht, 
80 ist dazu zu bemerken, daß Hipparch eben audere Quellen ah die 
übrigen benutzt hat, darunter auch Demokrit, wie ich in meiner Ab- 
handlung »Über die ethischen Fragmente Demokriu* ö. 39 oaehge- 
wiesen habe. 

Matthaei, der seiner TTntersuchuniG: Ps.-Timaios r.. '>ya; xojpitu, 
die xaöoXtxol \6-^ot. des Archytan, die anonymen i^dtxal orotXeceic (auf 
letztere werden wir siiTiter näher eingeben), sowie die bei Porphyrios. 
titobaios und Simplikios aufbewahrten Fragmente zu gründe legt, sacht 
Jshmberlctit tax Al(«rtani«wiM«iischaft» Bd. CXU. (Uoa. L) 13 



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194 Beiieht fliMr die griachlBehn PliUoioplio& vor SokniM. (Lortdas.) 

zunächst ge^en K, F. Hermann nachzoweisen, daß die Unsicherheit tad • 
die Wldenprflche im Gebrauche der Doris, die die<;p Bchriflen erkenMB 
liiMD, nldit Ml der Unkenntnis und WillkOr der Verfasser za erUirea 
aind, aoiideiii anf Bechnnog der Absehreiber kommen. £r grelangt zm 
dem Ergebnis, daß jene Sebriftsteller die atrenge Doris, wie wir st« 
bd Fytbagoras (f) and seinen SchUem ▼oranssetaen müssen, erstrebt» 
wenn aneh nieht immer eneicht haben, und daß die am anderett 
Gründen angenommene Üneelitkeit der meisten pythagoreischen Schriften 
dnicb den Dialekt bsstütigt wird. Gegen O. F. Omppe, »Ober die 
I^agmente des Arebytas nnd der ilteren ^jrthagoreer*, Berlin 1840. der 
die meiaten pythagoreischen Schriften anf einen Autor anrückführea 
will, bemerkt Terf., daß diese Heinnof schon deshalb nnwahrseheiiiliek 
ist, weil Tide Formen, die sich bei einigen Pythagoreetn des Stob, 
finden, bei anderen desselben Sammlers nicht vorkommen. Die ^fural < 
taü£^ die Gmppe mit den anderen Schriften sssammenwirft, nnter« 
scheiden sich von ihnen dadnrch, das sie keine Äolismen, wohl aber 
viele lonlsmen enthalten. Verdttchtiir dnd ^i« Fragmente des Philolaoa 
nnd besonders der erste TeU des Abschnittes ic. jfw^c^ bei Stob. ed. 1 90, 1 
(vgl. Zeller 871, 9). In den mndschen Bmehstücken des Ardiyta* 
begegnen nnr wenige anstoßige Formen; wenn wir diese den Abschrdbens 
auf die Bechnnngr setsen, so hat niemand dne reinere and tttere Doris 
geoehrieben als Archytas (s. über die Echtheit dieser Fragmente des 
Ard^ytas ancb Zdler nib, 106, 1). 

Die Vitae des Pythagoras von lamblichos, Porphyrios nnd 
Laertios sind als Zeognisse für den echten Pythsgordsmos im gansea 
nnr von geringem Werte nnd JedenlUls nnr mit großer Vorsidit sa 
gebranchen. Da aber manches in ihnen anf ültere nnd bessere Qoelle& 
snrückgeht, so müssen wir hier Über die anf Jene Qndlen bezaglichea ' 
Schriften von Gebet nnd Nanek berichten. 

Ans Cobets Abhandlung No. 190a lasse ich hier die für unsere 
Zwecke weniger in betracht kommenden bandschriftlichen ICittdlungea 
ans dem cod. Floreot. des lamblichos, die übrigens durch Naack vie!^ 
fach berichtigt worden sind, and seine Vorachläge znr Verbesserung dtä 
Textes*) beiseite nnd begnüge micli, auf das Wichtigste aus seiuen 
reiclihaltigen Bemerkungeu zur Kritik und Aualyse der Quellen des 
Lunbl. hinzuweisen. C. stimmt der von Meiners, Gesch. d. Lröjiiuni^s, 
Fortgangs aud Verfalls der Wibaeu^ciiülteu in Griechenland uud iiuui, 



Zur Textkritik der Vita des lambl. vgl. außerdem: E. Rohde, Za 
.lumbli( hii.s de vita Pytliagorica, Rhein. Mus. 34 (l^T'») S. '260 ff.; II. v. Her. 
worden, Ad lamblichi de vita Pyth. libram, ebd. 40 (1^85) S. 4AA flf.^ 
W. K. Patoü, Ad Jambl. d. t. P. ÜtMmm, PbUol. 51 8. m ff. 



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Bericht über die griechitcbea PbUoeophen tot Sokratea. (Lortzing.j 195 

I S78 ff., gegebenen Analyse in der Hauptsache bei, ^lanbt aber die 
ttogeren Exzerpte, die jener annimmt, noch in kleinere Teilchen zer- 
legen zu müssen. Am gluubwürdigfsten erscheinen ihm von den ^iiellen 
des lambl. Aristoxenos und Dikäarch, wflhreud dem Nikomachos uüd 
Apollonios nicht viel zu tiaiien sei; der abg^cschmackteate von allen aber 
sei Antonias Diogenes £v toT: oicip Bo'jXtjv. Von derarti(?eu Autoren 
stammen die lächerlichen Erziihlun?en von der Unterhaltang des P, mit 
einem Ochsen, seiner Lnftreise, seiuem (bespräche mit Abaris u. s. w. 
Anßer den von C. Müller gesammelten Fragmenten des Aristoxenos 
(vgl. über diese Cobet, coli. crit. S. 469 ff.) finden sich bei lambl. noch 
manche namenlose Exzerpte aas Aristoxenos. 80 sutnmen ans ihm und 
zwar znm erroüen Teil ans seinen diiofdasi; §§ 195—203, 209 — 213 
(vgl. Nanck im Kommentai- S. 147 f.), 229—240 (vgl. Nauckebd. S. 159), 
248— 251 (vgl. Nanck S. 173). Zwincbeu diese Exzerpte aas Aristoxenos 
Mind jedoch manche geringvv«rti^e aas anderen Qaellea eingeschoben, 
während umgekehrt auch innerhalb solcher Abschnitte, die anderen 
Schriftstellern (iitDommen sind. Anstoxenisches mit unterlauft, .^uf 
einen solchen Ursprung weisen z. B. hiiufii; eigentümliche Ausdrücke 
der Pytbagoreer, meist altdorischo Wörter, wi<» iy^'vym'x, irzio, aeterreG, 
iteSotpTav, ivoeSdtaJ^ai n. a. hin. die Pythagora^ selbst yebraucht hatte 
[aber P. war ein ionier un l ^^prach si<hi iHch ionisch], und die zum 
größten Teil durch Aristox nos überliefert worden sind. In vielen 
Punkten trifft C. hierbei mit den scharfsinnigen Untersnchungeu 
E. Roh des im Khein. Mus. 26 S. 584 ff. and 27 S. 23 ff. zusammen, 
die mehrere Jahre vor den r!ollectauea erschienen wnren Hätte C 
nicht seiner Gewohnheit gemäU den deutschen Gelehrten i^:ioriert, so 
^vürde er über das Verhältnis der einzelnen Quellen zu einander und 
über die Art, wie lambl. seine Quellen ausgeschrieben hat, ein richtigeres 
Urteil gewonnen haben. So glaubt er, daß lamhl. neben Nikomachos 
und Apollonios auch Aristoxeno.i selbst zur Hand hatte und r. ß. in der 
Erzählung über Dämon und Phintias § 233 Nikom. wörtlich aus- 
geschrieben, dann § 234 Aristox. zur Hand genommen habe und schließ- 
lieh (§ 237j wieder zo Nikom. zurückgekehrt sei. während Robde er- 
kannt hat (s. Nauck S UV, 2), daß lambl. so wenig wie Porphyr. § Ö9 
Aristox. direkt benutzte, sondern beide dessen Bericht bei Nikom. vor- 
fandfin. Überhaupt bat Bohde klar nachgewiesen, daß lambl. vornehm- 
lich nnr zwei Hauptqndlen hatte, die Vita des Nikomachos von Gerasa 
und die des Apollonios von Tyana. von denen die letztere allerlei 
Waoder nnd Ammenmärchen erzählte und erdichtete, die erstere sich 
treuer an ihre Quelle hielt (vgl. Nam-k S. LI II ff.). Wi\» C. dagegen 
von dem VerhUtnis des lambl. zu Porphyr, sagt, rlal^ jener an zahl- 
reiehen StelleD, wo er mit diesem würtlich obereiostimmt, ihn nicht 



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196 Beckht fiber die griechischen Philoiophea ?or Sokmtoi. (Lortnng.) 

bematst hat, sondern bride einer Quelle, wabncheuiUfih Nikomadiee, 
gefolgt flind (womit freilich im Widerspruch steht, daß lambL tn 
mehreren derartigen Stellen, so an der eben mihnten § 833 ff., direkt 
den Aristox. isn Rate gecogen habe), so hat er hierin das Beehte ge- 
troffen, das aber Rohde bereite Yor Ihm gefunden nnd viel ansAhrlieber 
n^gewiesen hatte. Hit nicht größerem Rechte ala den Aristoxenoa 
macht C. anch den Dikftarch com nnnittelbarea Gewährsmann den 
lambl. ~ Für die Erkenntnis der altpythagoreisehen Gebrinehe sind 
manche Bemerkungen Cobett von Bedentnog. So betont er 8. 361 ff. 
die freilich vor ihm anch schon von Krische n. a. (s. Zeller 318» 5) 
erkannte Unrichtigkeit der Fabeln vom pythagoreischen Verbote des 
Bohnen- nnd des Fleischesaens, die durch Ariatox. besengt wird. Dieser, 
der in Qroßgriechenland geboren worden war nnd alle damala noch 
lebenden PytUagoreer kennen gelernt nnd von ihnen die beeten von 
Hand sn Hand überlieferten Nachrichten fiber P. hatte, ist ein voU- 
gültiger nnd xuverlässiger Zeuge; die Erdichtungen der Spftteren rühren, 
wie C. vermutet, von dem eitlen Thoren Diodoros von Aspendos und den 
nenmodiaehen Pythagoreem her, obwohl anch bei den Alteren, wie bei 
Herakleides Pont., schon fabelhafte Erdlehtangen vorkommen. S. jedoeh 
über die Bedentnng der Zeaguisse den Aristox. die abweichende Auf- 
fassaog Bohdes Psyche 457, 4. Die Chronologie des Diodoros beatimmt 
C. S. 448 £f. (vgl. Spicilegiam S. 481 f.) dabin, daß er in der Diadochen- 
zeit gelebt habe — S. 350 wird bemerkt, daß die Pythagoreer erst 
nach der Zeit dieees Diodor üu^ato^trzai genannt worden, wodarch die 
Fabeleien von Roth und Gladisch (s. o. zn No. 7 and Zeller 316, 9) 
widerlegt werden. — S. 356 wird eine neue Ansicht über die bxopiV,, 
die Pyth. nac!i Ueraklit fr. 17 geübt haben soll (8. o zu No. 188), vor- 
getragen, diu a.ber trotz der Zustimiimii^^ Taüiierys (0. u.) als eine 
wunderliche Verirruug bci^eichnet weMJen inuLl. Aus den Worten bei 
[ambl. § 89: exaXtito 6k ^gw^^ipia r.^m lluiiono^ou Bchließt er näm- 
lich, daü üeraklit von P. behaapte, er habe am meisten von allen sich 
mit der Geometrie beschäftigt. 

Nauok (No. 197) bemerkt in der Vorrede im AnechluMe au die 
durch Kohdes und CobeU Quellenanalyse gewonnenen Ergebnisse noch 
folgendes: lambl. ist ein ganz uukntischer Kompilator; «r vei*fährt so 
mechanisch, daß er bisweilen über dieselbe Sache verschiedene Zeugnisse 
beibringt, gar nicht oder noch nicht Erwähutes als von ihm erwähnt 
bezeichnet u. dgl. m. Aber er hat uns die trefflichsten nnd ältesten 
Zeugnisse aufbewahrt, so besouders eine ziemlich bedeuteude Anzahl 
aristoxenischer, ebenso mehreie des Timaios. Für diesen hätte ebenso 
wie für Aristoxeuos (vgl. (Jobet No. 196a) lambl. in den MüUerschen 
Fr. Hist. gr. noch öfter zu Kate ge<&ogeu werden sollen; merkwürdig 



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Bericht ftber die griechischen Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 197 

ist Mmentlieb «ine ÜbereiBttimmiing xwlseheii lambl. und Tim. bei dem 
SeholiMten la Flaton p. 319 Bekk^ durch den eine Konjektur BelideB 
bestätiget wird. — Die Oestaltnng des Teites. die henptsSehlieh auf dem 
TOB Bohde neu vergliehenen cod. Flor, berobt, hat durch seine Anagabe 
eine bedentende F9rderang erfahren, nnd der sorgfUtlge krittsehe 
Konmeotar enthftlt aacb manchen wertToUen Beitrag rar Geeehiehte 
des Pyth. und seloer Schale. V^. auch Nanek, Seholia in lambUchi 
de fita J^tbagorea libmm ex oodice Ilorentino edita. X^lang^ gr6eo« 
romalns IV 8. 509 IT. 

Ans den Bemerkangen Gebets n Laertios* Vita Pythagorae 
(Ho. 196b) sei hier auf folgendes hingewiesea. L. IdUt auch das Aller- 
thöriebtste für wahr; so § 14, daS P. sneist Haß and Gewicht ein- 
gef&brt habe. Ganz ansinnig ist anch, was § 34 ttber die Bohnen nnd 
was § 40 f. nach Hermlppos beriehtet wird. Am ansfOhrlicbsten bespricht 
C. den Bericht über den Tod des P. § 39 f. Br vermatet § 39 statt 
Toutou: Toü <KpuiTCDvia>Toü oder TOü <di&XTj>Tou und nimmt § 40 
zwischen toü Kpcuttoviatoü und e!c MsTan^vnov eine größere Lücke an. 

I^ber das aureum Carmen führt Cobet (No. 496c) aus, daü 
aus gewissen poetischen Sentenzen der Pythagoreer, deren Dichtung 
nicht viel besser als die des Laert. war, die ypu^i £Trrj hervoi^gangen 
seien. Diese bildeten eine nngeoidiiete Zasanimenstoppeliing von Versen 
verschied tuen Altera und Stiles. Die erste Spur ündet sich bei Chrysipp, 
weitere nach langem Zwischenräume bei PIntarch, Galen, Porphyrios 
nnd Slobaios, der viele Verse aus einem von iinsei pu Handöcliriften nicht 
abweichenden Codex genoraraen hat. C. stellt d;uin ;iu3 dem Gedichte 
eine Anzahl fehlerhafter Formen nnd Ausdrücke zusammen unl weist 
anf verschiedene Abgeschmacktheiten des Gedankens und kludisclie 
Vorstellnngen hin. Unpythagoreisch ist die Lehre, die v. 70 f. voraus- 
gesetzt wird, daß die Seelen der Verstorbenen in den Hiramel einziehen 
und zn nn^-teiblii hen Göttern werden. Uber den Dialt kr uitt ilt C, daß 
der Saiüüiier verkehrterweise dorische mit ionischen Formen vt'rmi.schr, 
habe. P. selbst habe wahrscheinlich ioniMh geschrieben [vielmehr ge- 
sprochen], <iie itiilischtn Pythagoreer dagegen dorisch. 

Genauer geht <\\v Entstehung und Beschatfenheit des Gedichtes 
Nancl.' in dem Epinictrnm zu No. 197 S. 199 — 242 ein. Er hntte 
bereits 1873 in den Melanges greco-romains III 546 tf, seiue Meinung 
über die späte Ent^tPhnnjr des Gedichtes begründet nnd die Zustimmung 
von Th. Gomperz (Rhein. Mus. 32 S. 475) gefunden, während andere, 
wie 2>eller(in der 4. Aufl. des 1. Bandes) und Cobet, seine Ausführungen 
unbeachtet ließen. Hier giebt er nun zunächst den Text nach zwei 
nen verglichenen Handschriften S nnd M noter Mitbenatznng der von 
V. Pantoni, PostiUe sopra gli aoioi versi dei Pitagorici (Stadl di 



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198 Bericht Aber die griecIiiBeb«ii PhUo«oph«n vor SokntM. (LortdaiM 

filos. greca I 2 S. 181 ff.) mitgeteilten Lesarten yon zehn Florentiner 
Handschriften nnd unterwirft dann das Qedicbt ähnlich wie Cobet and 
vielfach mit ihm übereinstimmend einer Früfang nach Form und Inhalf 
ür macht anf einzelne metrische Fehler anfmerksam, stellt eine Anmbl 
unerhörter oder dem älteren Sprachgebranche fremder Formen zasammea 
und bezeichnet die ganze Schreibweise als verkehrt (kindiscbe nnd leere 
Vorschriften« häoüge Wiederhoiangen derselben Sentens, keine Ordnung 
lind kein Plan). Weiter lihrt er die Stellen, wo Verse des Gedichtee 
eitiert werden, vollständig an, wobei er den schon früher bekannten nicht 
wenige von ihm selbst gefbndene liinzafagt. Hierbei zeigt sich, daß 
weder der älteste dieser Autoren, Chrysipp, noch irgend einer vor 
lambl , der die x?^^^ hftnflg anfahrt, die Sammlung kennen, auch 
Porphyrios nicht Darans scUleßt N., daß das Gedicht zwiscben der 
Zeit des Porph. und der des lambL« d. b. Im 4. Jahrhundert n. Chr. 
fabriziert worden Ist An vielen Stellen erwdat sieh der Verfiuser des 
Gedlehtes sli Plagiarins, am ongeadiiektestui v. 47 f., wo er In dem 
bekannten Eide der Pytfaagoreer (Iiier aeliägt N. S. 330 dtfMxipf futXf 
st^ fttXf und In den Addenda &|stpCf f&tki^ vor} die dorisehen Formen 
beibeült, wfthrend sonst das Gedieht ionisch gegohrieben ist, nnd anfler- 
dem P, äbgesehmackterweise bei sieh selbst sehwören läOt — Es toigt 
eine Zosammenstellnng nnd PMfimg der angeblieb von fyth. oder 
I^tbsgoreem berrttbrenden Verse, ans der sieb ergiebt. daß die meisten - 
dieser Verse anderen, zum Teil sehr alten Autoren, z* B. Empedokles, 
Orphons, angehören. Die Schol. Von. B. N 689 angefiibrteii Vene, die 
N. früher anf pfthagoreiscben ürspning smr&ekflibrte, mithslten, wie er 
jetzt erkannt bat« einen berakUtlseben Gedanken nnd stammen vlellelobt 
ans Skytbines. Alle diese Citate beweisen keineswegs, daß R oder die 
^rthagoreer der Dlebtknnst obgelegen haben; vielleiobt ist flbetbanpt 
kein Von ligend einee l^rtbagoreers ans alter Zeit anf uns gekommen. 
Aber in den ersten naehebristllehen Jahrhunderten wurden den ^ytba- 
goreern gewisse an Alter nnd Wert sehr versebiedene Vene zugeschrieben. 
Selebe bat nnser FUseber angenommen nnd dazu noch ebilge recht 
fade und abgesebmackte blnsngeCBgt — Zeller nimmt in der 5. Anfl. 
S. S94. 4 von Kaneks Untersnebnng Kenntnis und stimmt ihm im 
wesentlichen bei mit der Bemerkung, daß dadoreh sein eigenes, schon 
in der 2. Anfl. ansgesprochenes Urteil Uber die Wertlosigkeit des 
•goldenen Gedichtes" vollauf bestitigt weide. Er erkUrt sich Jedocb 
gegen einzelne Ansftbrungen Nanoks, wie die nber die widersinnige 
Verwendung des pythagoreiscben Eides, nnd bilt vor allem den Beweis 
nicht für erbracht, daß das Gedicht erst zur Zeit des lambL entstanden 
sei; er möchte es lieber dem 1. vorchrlstl. Jahrhundert zuweisen. Aber 
ist es für diese Zeit niekt doch gar an stilmperhaft und abgesdimacfct? 



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Bttiehi tlb«r di« giieditfehcn PbOoiopIieB vor Sokntot. (LoriilBg.) 199 

Auch um d«D T«it des Porpbyrlot hat sieh Hauek (Ko. 196} 
wdient inenacht. Kaehdem er bareltt 1860 bei Teabner drei Weite 
diesee PhAoMphen, die Tita P^agorae mit den flbrigea BnuhüHduui 
ans der ftUoofoc fstepCn, die Btteher de abetineatla and dea Brief an 
Mareella batta etaeheiaea laaMa, iit ia der sweiten Aaigabe aoeh die 
fiehrift de aatro Nympharam binsagefcomaieB. Der Text dar Vit Ffth. 
bat in der nenea Beeeaelaii haapialohiieh dareh Benutaoag der toü 
y. Boee im Hermea V 362 ff. heraaagegebeaea QTwatenehea KoUaÜon 
dea BodleiaBos, aaa dem aUe aaa bekanatea Haadaehriften abgeleitet eiad, 
aewie dar brieflieb voa Bjwater an N. mitgeteiltaa Etgftnaaagaa n 
dieaer Kollation ein neaea and beieerea Aneaeheii erhalleii. 8. Z f. 
▼erweiat N. Ja betreff der toh Porph. ia aeiaer Vita beaatatea Qaellen 
• anf Robde, Bhein. Maa. 86. 874 ff., .der griecb. Bemaa«* 8. 954 ff. 
«ad B. UaaO, Da biofr. Or. 8. 9& md giabt ebd. Aom. 4 alaa Über- 
aicbt der Stallen, an denen Porph. mit lambL Übereinitimmt. 

2. Cam Labe« daa Pythagataa and aar Geaablehta daa 
liythagaralBeheft Bandaa. 

199. A. Rieebe, Fyihagoraa. Zeit- and Lebeoebild aos dem 
alten Grieebenland. Der sindierenden Jagend gewidmet. Leipzig aad 
Berlin 1883, Spamer (N. Jogend- und Hansbibl. V. Serie). 

200. Vita di Pitagora Bcrita da Bernardino Raldi. tmtto 
dair anto^iafo, ed ftauotata da Enrico Nardocci. iioma 1868. 
IV, 112 S. 4. 

*20l. M. Böbber, Pitagoim, i aooi tempi e U sno istitoto 
' Tarin 1887. 64 S. 16. 

*S09. A. Zlamal, Pytbagoraa and aalna Sebala (nngariach). 
Progr. Karlabniif 1890. 

*808. R. TaTarni, Di Fitago» edneatore. Diaeano. Borna 
1888. 

204. L'Istitnto i'itagonco. ^uLa di 8. Coguetti de Marti is. 
Tormü 1889, Löscher. 41 S. gr. 8. Vgl. 'Derselbe, Pilagora, 
Tita, dottnua u Bcuola. Atti dell' Accad. di Turiuo, XXIV 3. 3 
S. 208 ff. 

Das Bach von Riecke ist ein völlig unkritisches Geschreibsel 
über das Leben des P. und seine Schule, die etwa nach Art eines 
hfintißren Gymnasiums erpsclnldert wird. Eingestreut sind Exkurse über 
das griechische Haus, griechische Gastmähler u. s. w., die in eine 
Biographie des F. ebensowenig gehören wie ein großer Teil der 50 
dem Text beigegebenen lilostrationen. Anch der binzngefttgte Abschnitt 
über die Entwickelnng der Pbiloeophie bia anf P. iat gaoa wertlos. Dia 



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200 B«riebt fi(«r.dfe giieeliiidieii PbflOMpbco ?or Sotovtoi. (Lortriof.) 

«atndiemde Jugend*, der das Bach gewidmet iit, mag Verf. nun die 
der ITnivenitttea oder die der Qymnaaieii meineii, kAnn nur ver der 
Benntnuig gewmit werden. 

Die Sebrift fon Bnldi etammt ans einer von diesem eigenhftndiff 
fceselniebenen, im BeeitBe des B. Baldaasere Bnoneompsgni beflndlieken 
Handsdnlfl, ans der Nardned scbon frttlier eine Anialil bisher nnedierter 
Baidiseher YiUe italischer Kathematiker veidffenüicht hatte» Das Werk 
ist, soweit ich nach illlehtiger Darchsieht nrteilen Imnn, sk eine gdehrto 
nnd Ar die damalige Zeit (16. Jahrhundert) aehtbare Leistung sn be» 
leiehnen. ffie enthUt eine geaane, qneUenmißige Darstellnng der 

. LebensverlilltnisBe des P. sowie der Vorsohrifton, der Lehre nnd der 
Entdeeknnien des Heistets nnd seiner fiebfiler anf pbilosophisehem. 

. mathematisehem, astronomiaehem (Gebiete n. s. w« Von irgend einer 
biitoiisehen Kritik, yon einer Untersebeidnng der filteren nnd jftngeren 
^rthagoreer, von einer Siehtnng nnd Sebfitsnoff der Quellen Ist, wie 
nieht anders in erwarten war, keine Bede. 

Cognetti schildert das Leben nnd die Belsen des P. sowie dcQ 
pythagoreisehen Bund ohne Jede Prtftiog der Dberliefemng; alle Naeb^ 
richten des Porphyr, nnd lambL werden unbesshen als authentisch an- 
genommen. In der Dantellnng des pythagoteischen Systems werden die 
»goldene Verse* mit Mnllach Fr. ph. 6r. 1 41$ auf I^sis oder Aston (!) 
snrQckgefUirt und gläubig als Quelle der pythagoreischen Sittenlehre 
benutst. Hit L. v. SchrOder nweifelt Verf. nicht an dem indiidiea 
Ursprung der Seelenwaademngslebre nnd anderer Teile des pjtba* 
goreischen Systems, nur daß er neben Buddha und P. als dritten Iss 
Bunde Lao Tsen nnd seinen Taoismus nennt. Alle drei lind ihm die 
Verkünder des Wortes von der physischen, psychiiehen und sozialen 
BinhsIt, sher sdt dem Unterschiede, daO der Indier mehr ssfcetlsch» 
der Chinese mehr metaphysisch, der Bamier mehr politisch ist (!)• 
Eine Reise des P. nach Indien dtlnkt 0. wnhfnohelnlhÄer als das £r^ 
scheinen brahmanischer Missionftre In Griechenland oder als eine Über- 
tragnng der indischen Lehren anf dem Wege dorch Persien. Daa 
genttgt wohl znr Kennzeichnung seines Standpunktes. 

L bei die Abliandlung von Unger, Zur Geschichte der Pytha- 
gorter ist bereits oben (I 198) berichtet worden. ' 

8. 2nr Lehre des Pythagoras nnd der Pythagoreer. 

SK)5. P. Sobcsyk, Das pythagoreiiche System in seinen Grund- 
gedanken. Dies. Breslau 1876. 49 3. 

206. W. Bauer, Der ältere Pythagoreismus. Eine kritische 
Studie. Berner Studien zu Philosophie und ihrer Geschichte. B. VIII. 
Bern 1897, Steiger. VUJ, 232 S. gr. 8. 



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B«riclit 1lb«r die grieehiielieii PbOoMpheii m Sokrttw. (Lortsing.) 201 

907. Ddrinr« Wandlwigeii in der pythagoreiiclieii Lebre. 
Ansfa. f. G. d. Ph. V (1892) 8. 503— S31. 

208. M. Offner, Die pytliagoreische Lehre vom Leeren. Sonder- 
abdr. aas: AbhaDdlungen aus dem Gebiete der klass. AltertauiB- 
wiss., W. V. Christ dargebracht. MUochen 1891, Beck. 11 S. gr. 8. 

209. A. Freiherr v. Thimns. Die harmonische Symbolik des 
Altertums. II. Abs.: Der technisch-barmoDikale und theosophisch* 
koemogonische lohalt der kabbalietitolieD Boohitabeiiafmbole des 
■Itbebrüachen BQcbleliii Jesirab. — Die pgrtbagoreiaeb-platoiiiacbe 
Ldire vom Werdern des Alle und der Bilduig der Weltieele in ibren 
Benebnngen znr lemltinh-bebriUseben wie cbanitleeb-altliOTtinhett 
Welibeitdebre nid nnr belUgen Überüefeninjr der Uneii. Kttln 
1876, Da ICont-fichanbeig» YU, 420 8. nnd 11 Tafeln. 4. 

210. P. Tannery, Sur le aecret dans l'^cole de i'ythagore. 
Arch. f. G. d. Ph. 1 (1888) S. 28—36. 

211. P. Tannery, Une oj^on fknaiemeat attribn4e k Pjtba- 
gere. Ebd. IV (1890) S. 1—11. 

212. W. B. BIdgeway, Wbat led I^agoras to tbe doetrine, 
tbat tbe world was ballt of nnrnbett? Glaia. fievlew X (1896) 
a 92—95. 

*213. H. Fernot, Table de Pythaffore. Mölosine 1896 8. 122. 
Nachträge daza von H. Zimmer, ebd. S. 167 ff. 

214. C. Jan, Die Haxmooie der Spbftren. FbiloL 52 (1894) 
8. 13-88. 

*215. Hntiei serlptoree ed. C. Janns, Leipadg 1895. 

216. J. Dupujs, Sar le serment des Pjrthagoriciens. Rev. d. 
ötodes grecques Vll (1894) 8. 146—150. 

217. C. Hölk, De acuRinaiis sive symbolis Pytbagoricis. Diaa. 
Kiüae 1894, H. Fiencke. 69 S. 

218. A. Etpinas, Dn seos da mot ^poop^, Phödoa p. 62 B. 
Areh. f. G. d. Ph. Vni (1895) 8. 449—454. 

219. B. Hirzel» Pythagoreisches in Piatons Gorglas. Cemmentt. 
pbiloL In hon. Tb. Mommseni. Berel 1877 S. 11—22.] 

220. A Schmekel, De Ovidiaoa Pythagoreae doctrinae adnm* 
bratioüe. Diss. Greifswald 1885. 89 S. 

221. E. Norden, Vergilstadien. Hermes 28 (189.T) S. 3G0— 406. 
Sobczyk will im Anschloß an die Notizen des Aristoteles und 

im ittengen flinblick anf den Inhalt der mathematischen Studien der 



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202 Bericht über die grieehiseben Philosophen vor Sokralei. (L«rWag.) 

älteren Fythagoreer eine korze genetische Entwickelaog der Orand* 
gedaoken des älteren Pythagoreiimiu geben. Die I^agoreer faßten 
das Weltall als ein gegebenes, abgegrenztes Ganzes, als Eies, das sie 
xngleleh als Zebnzahl dachten* Jede Einheit der kosmischen Zehnzahl 
konnte wieder als Zehnsahl vorgestellt werden, eine TeUnng, die fori- 
gesetst werden kann« bk man zn den letzten nnniittelbaren Einheiten 
gelangt Denkt man sieb von der so entstandenen nntenten Beibe 
anfnHrts bis an der obersten Dekade des Kosmos alle 1, alle S n. a. f. 
in besonder» Bnbriken gebracht, so erhält man 10 Gebären, die Ein- 
sphäre, Zweisphäre n, s. w. 8o erklärt sieh, daß nnter einen 2Salil- 
begrüf viele voneinander ganz versehiedene Dinge fallen. Jede Sphire 
aber läßt sieh als die letzte einheitliche Zusammenfassungsfoim aller 
nnter ihre Wesensbestlmmnng fallenden Dinge denken. Alles nnter den 
Begriff der Zahl S Fallende z. B. gehört demgemäß in die Region der 
Erde. Da aber die Erde nicht ein in sich vdUig abgesonderter Teil 
der Welt ist^ sondern ein in das Ganze eingreifendes 01ied, ebenso wie 
die Zahl S in der Dekade, so werden die in ihre Begion sonst gehören* 
den Dinge ebenfalls in die Begion der andern Weltkdrper folgen, nnd 
ebenso verhält es sieh mit den andern WeltkOrpem oder Weltsahlen« 
so daß wir es alierwärts nnr mit zusammengesetzten Größen sn thnn 
haben. So erklärt a die schwierige Stelle Metaph. I ß, 990 a 18, 
ohne ihren Text ligendwie zu ändern, nnd versucht zogleieh ana dieser 
Stelle ein pythagoreiMhes Fragment zn gewinnen. Mit Becht bneiehnet 
Zell er S. 392 nnd 895 sowohl diesen Versuch wie auch die ganie 
Konstruktion Sobcqrks als nnbaltbar; sie Ist schßn ausgedacht, aber den 
Beweis, daß dies wirklieb pjtbagordsdie Anlfassnng sei, Ist 8. schuldig 
geblieben. Auch weiterhin bewegt er sich vielfach In Kombinationen, 
die, soweit sie nicht auf ganz unpythagorelsolien Gedanken bomben, 
mindestens In anserer Überlieferung keine Stfttze finden. Vor allem 
mutet er den Pjthagoreem ein viel zu abstraktes Denkmi an. 8e war 
Ihnen nach s^er Meinung das ^nttpov orsprünglich nnr die Eigenschnfl 
einer mathematischen Größe, beliebig vermehrt oder vermindert werden 
zu kßnnen, ohne daß sie sich ihrem Wesen nach änderte. Diese Eigen- 
schalt haben nicht nar der Zahl- und Ausdehuungsbegriff, sondern aoch 
der des Leeren, der Zeil u. s. w. mit einander gemein. Jede dieser 
üXat oder xa-cr^Yopiat toü ovxoc (I), zu denen die Pythagoreer auch 
die vier Grundstofft' (/j gerechnet haben sollen, stellt sicli als ein 
unter dem VerhälLnis des dfnapov nnd des rApnz Angeschautes dar, 
zunächst als Eins, dessen weitere dekadische Teilung so weit hus- 
geführt werden kann, bis auch das Vermindertwerden seine Grenze er- 
reicht. Die erste Einheit nach der Seite des \kx%p6y und die letzte nach 
der des j^i^a sind die Grenzwerte, innerhalb deren sich die ganze 



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B«riebt Uber die griedntelMa PIiilMopli6D vor 8oki»(ei. (Loitniig.) S03 

Mannigfaltigkeit der Zwiicbenwerte bewegt (!). — Eigentümlich ist die 
Auffassong des Verf. von dem xevöv 8 diopiCet tote fu^eu bei Aristot. 
Pbys. 213 b 22. Er erblickt duin die leere Ansebamiiig (!) im Unter- 
schiede sa der vollen Anacliairaiig der einen oder mehrerer Einheiten; 
die?e leere Anschanung aber kOnne dadurch wieder zur yoUen werden, 
daß man 7on Einzelanschaonngen an sich absehend ihr Zwlacben oad 
ihr Außerhalb betraeblet; dann finde das Leere seine Orenie an den 
£inaelanschMQngen Q). Du iat eine wunderliche Art, die ja aUerdlani 
«ehr anffallende and mit der sonttigeo AnfTaerang der Fsrtbagoreer vom 
«Ipac nnd 6(ttpev schwer an ▼erelnharende Notiz des Ariitot. m er- 
Ulrea. — Aach in den folgenden Abschnitten über «die speknlative 
Begrttndnng and Anwendang der Zahlen- nnd Haraonidehre*' nnd Uber 
•die Behandlung der Planimetrie nnd Stereometrie" fladet sieh 
WiUkftrliche nnd Abstmse. So leitet S. z. R ans der Definition der 
Seele als Harmonie die Seelenwandemagilebre ab. Über seine Terfehlte 
Dentong des Onomon, in dem er nicht, wie allgemein angenommen wird, 
die nngerade, sondern die gerade Zahl steht, a. Zeller & 632 Anm. 

Die «kritische Stadie* Banera iat in Wahrheit ein Köster von 
Kritiklosigkeit Fttr die Stellung des Verf. aar hentigea Quelien- 
forschung ist eharakteriatisch, daO er Ton Biels* Dozogiaphi keine 
Ahnung hat und den Text dea Stobaens nur in der alten Heerenschen 
Ausgabe kennt Seine TTnkeantnis der griechischen Sprache, wie sie 
namentlich in der Behandlang des angeblich philolaischen Bruchstückes 
c. ^ ^ ^* ^ hervortritti ist gmdeau eratauallch; bringt 
er es doch u. a. fertig (8. 108, 3), In den Text dnrch Koigektnr an 
Stelle dea untadligen die von ihm erfhndene Mposition Sf^t 
hs6 »von — her") zu setaea. Diesem Standpunkt aeiner Eenatnlne 
antspricbt denn auch der Inhalt seiner flbrigens mit ermüdender Weit* 
acbweifigkeit nnd unter endlosen Wiederholuugeu vorgetragenen Aua- 
Ahmngen. Bas Buch muß als TlUllg wmrtloa beaeichueft werden. Von 
den drd Hauptabschnitten, in die ee aerfällt. kann der dritte, der Über 
die pytbagordsebe Bthik handelt, von vonitierein nidit die geringste 
Bedeutung beanspruchen, da er die wichtigsten Fragen ganz beiseite 
läßt oder kanm streift. Etwas genaner geht Verf. in den beiden ersten 
Abschnitten auf die Metaphysik nnd Kosmologie ein, aber auch hier, 
ohne irgend einen Nutzen fUr die Wissenschaft. Was er insbesondere 
über das Verb&ltnis des Aristoteles zu Philolaos nnd die Stellung dieses 
innerhalb des PythagoreiBmus saf^t - Phil, soll eine der Zahlcnlebre 
Toraufir«'^^iügt;uc Stulü des PytliagureitmLiä darstellen --- ist entweder 
ganz unhaltbar oder, soweit t in Körnchen \ValirlKit darin steckt, wie, 
wenn er den von Zeiler angLUüiijmeuen direkteji Zu^umiiiL-iihaug zwischen 
Aristot. und Philol. leugnet, schief foruiuliert und sUik abertrieben. 



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204 Beriebt Ober die grieebiseben Pbitoaopben vor Sokratee. (LoHiing.) 

Verfeblt iit auch der VersQcb, das erwUinte Bracbttllck des PhfloL 
zwar Bicbt in seinem ganzen TTnftnge« aber doeb in seinem mittleren 
Teile zn retten. Der nnerfrenliehe Blndmck des Bncbss wird nodi 
ipeeteigert dnreh den selbstbewußten Ton, den Verf. einem Hann wie 
2eller i^egen&ber anseblftg^t nnd der ibm am allerwenigsten zukommt. 
NlÜieres s. in meiner Besprecbnng Berl. Fb. Wscbr. 1898, Uff. Vgl. 
aneb DMng, L. C.-B1. 1697, 1961 f. nnd DIels, B. L.-Z. 1899, 
96 f. Letzterer macbt zn der berühmten 6Xx^ xU o^afpsc bei PbHol. 
(Stob. I 1, 8 a 16, 7 W.) auf das von Ibm In den Menonla anfg^- 
itedene Bmebstick dieses Philosophen (vgl. Beriebt 1 176 f.) anfmerk- 
aam, wo die sieb anf den Xlkrokosmes besiebenden Worte liwaixt^ 
ToiS icvtujMtToc 6Xxj dio Übertrai^ng der 6Xxt], deren richtige Be- 
dentnng B., wenn ancfa sehr nnklar, angedeutet bat, anf den ICakro- 
kosmos verständlich machen. 

Ein anderer Oeist spricht ans Dörings Abbandlnng. Auf gnind 
genauer Dsrchforsehnng: nnd sorgf&ltig abwigender Kridk des Qoelleo- 
msterials sncbt Yerf. die schwierige Frage nach den verschledsiien 
Wsndlongen, die die pythagoreische Lehre im Lanle der Zeiten dnrdi* 
gemacht hat, zn beantworten. Er geht von der Tbatsache ans, daß d^r 
nrsprfingliche Pythagoreisrnns kein wisseDSchaftliches System, sondern 
eine anf Seelenrettnng abzweckende Ordenslehre war, die man als 
düsteren Fanatismas bezeichnen maß. Mit dieser Qrandrichtan^ aber 
war yon Anfang an [also doch auch als etwas arsprünglich im Pytha- 
goreismas Liey:en(les!] ein starkes and mannigfaltiges wissenschaftliches 
Streben verbunden, das sich mehr und mehr von jenem düsteren ür- 
^rnnde loslöste und zum Teil in vollen (TeL'ensiitz zu jener mystischen 
Weltanschauung trat. Dieser Dualismus zeigt sich schon bei dem Stifter 
der Schule» der beide UichLuui^en wahrscheinlich dadurch in inneren 
Zu^animenhang brachte, daß ihm (iie wissenschaftliche ThJltijrkeit als 
ein seclisch-difttetisches lieiüiguugsmittel galt (?). Weiterhin hat dann 
die Verwfcltlichuug des Ordensgeistes darch Verselbständi^nncr des 
wissenschaftlichen Interesses immer weitere Fortschritte gemacht D. 
glaubt in dieser Entwickelune: drei Staten nnterscheideu zti künnen: 
1. fortschreitende wissenschaftliche Forschong ohne Ki)r\'- ( n ÜL'kc it eines 
Bruches mit den ursprünglichen Interessen, WanÜnn^^en der ko>uiOL'<i- 
nischen Theorie; 2. Unteri,'rabung der SeelcowandernugHlehre, Verneinung 
der UnctorViliclikeir : .'-5. die Seelenwnnderünf» als höchste Angeiegenheii 
df s ( h leih-lebenH iällt \ve<;, die wisseii>;c1)?ift!!>!if^ Forschung rückt ans 
eiii' iii iMittel zum Zweck mr höheren Würdr t inrs Selbstzweckes vor — 
Im Abschn, I: , Wandlungen der kosmogonischen Theorie'' uimiut T>. 
nicht, wie gewöhnlich das darch Aristot. benutzte Weltbild, das ar- 
erkanntermaßen niobt das älteste ist, znm Aosgangspunkt, sondern ver- 



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Berieht üb«r die griecbiiehen Pbilosophoi vor Sokratst. (Loitring.) 205 

tufiht den WandlungBpriMEeß in 8treog ^etiacher Abfolge za rekon- 
•tnirieren. ^ Wu smieliBt die mntmaOUebe Abhftogigkeit des P. eelbet 
voE leioen Yoigiafoni betriflti eo iat die ObereiiMlimiiioiig mit Amud- 
mander sw»r nieht anmSglieh, aber voaleher, die mit Aiiaximanee da» 
g^gen in benig auf die Lehre vom Atmen der Welt sicher beiengt; 
daß dabei nicht mit Chiappelli an eine SÜnfrirknog des P. anf AnazI* 
meaee an denlcen, sondern das amgefcebrte YerhäLtnis ansnnehmen sei, 
eigiebt doh sehen ans den ebronologiBchen Bedebuogeii beider (s. o. sn 
No. 187). Aber auch in der Antfassnog von der Gestalt der Erde wird 
sich F. dem Anaiimenes angeschlossen liaben. Die ISntdeoknng der 
Kogeilform nnd die ohne diese nicht denkbare Übertragung der Zonen- 
eintsflnng yom Himmel anf die Erde ist wafarscheialieh dem Patmenldsa 
aossschreiben. Da F. ancb die Fftnfiahl der Planeten noch nicht ge- 
kannt hat, so kann er anoh nicht der Urbeber der Lehre von der Sphlren* 
harmonie sein, die Aristoteles ihm [vielmehr den P^rthagoieem] beilegt. 
In der Ansbüdong der Zablenlehre und der Betonnng der 2Sehniahl lag 
dann weiterhin ein Antrieb anr Ansgestaltnng des von aller Empirie 
loigelllsten dekadischen Weltsjatems mit seinr r Lehre vom Gentralibner 
sowie der Annahme einer Gegenerde nnd der tTmdrehnng der Erde nm 
diese. Ans dieeer Entwickelnng ergaben tich nun mehrfache Yer- 
eehiedenhsiten , Ja Widersprüche der Weltaaffassong. WAhiend bei 
Aristot. d. caeL 898 a 37 IT. das Kotlv der gSehnsahl gar nicht hervor- 
tritt« sondern angeaseheinlich die Wichtigkeit dea Fenem betont wiid, 
finden wir diesss Metaph. 886a 6 ft. Qberhanpt nicht erwihnt. Will 
man nach letMre Stelle, an der die Pythagoreer nicht genannt werden, 
anf sie beriehen, so hätten wir hier die Mheste Spar des harmonistischen 
Strebens, xwei verschiedene Theorien — nach der einen ist die Mitte, < 
nach der anderen die Peripherie das Wartvollste — in ^^M*»g ca 
bringen, iiialicbe Widerqwttche treten nna nach der doicgraphiachen 
Überlieferong anoh bei Philolaos entgegen. In den zahlreichen Angaben 
•des Aetios, die man bisher als einheitliches Granzes angesehen hat, sind 
dreierlei Aaffassungen ineinander gearbeitet: 1. die geoasentrische 
<Einteilang des Alls in Olymp, Kosmos, üranos; die Vollkommenheit 
Jiach der Peripherie zanehmend), die wahrscheinlich unphilohusch ibt 
ond mit der Sphärenharmonie zasammeohängt. Ihnen jL^ei,'euüber steht 
4iie pyrozentrische (Cenlralteuer , Zelmzahl der iSph^reii , die Sonim 
iücht selbstleuchtend), die wieder zerfällt in 2. eiue konsequeute 
Ault'aBsuug (sämtliche leuchtende Körper spiegelartig, die eiii^^ige Licht- 
•quelle das Centi'alt'euer) UDd eine i uk o ns eq uen t - harmo iiis tiac hu 
(Theorie von den beiden iretpara, die yonue hald als Sammellinse, bald 
als Spiegel bötrachtet). Welche von den beiden phiioiaisch ist, läüt 
■fiicb nicht aoamacheu. lu den aut das dekadische System tolgenden 



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206 Berieht Ober die grieebiBclieii FbUosopheo w Sokratoa. (Lortiiiig.; 

Wandlungen soclite man veTBchiedeiie Anstoße zn beaeitigeo (Hlketaa^ 
Ekpbantoa n. b. w.) — Im Abaebnitt II: ,,Die Seele nnd ihr Scbiekval* 
legt D. dar, wie daa wisaeosehaftliehe Qrandprinzip, daO allea 2ahl 
vbA Hamonle iat, in aeiner Anwendanip anf die Seele zor Lengnong der 
ünaterbUcbkeit nnd damit aar Beeeldgaog der OrondToranasetning der 
Ordeaalebre fttbrte. Philolaoa wird seit Boeckh allgemein, aber mit Unreeht 
als Vertreter der alten Unitterblicbkeitslebre angeaeben. Ana den Stellen 
bei dem. AI. nnd Theoderet geht diea ebenwwenig wie ans Fiatens 
Oerg. 493 A ff. hervor. Dagegen stimmt die echt ]»ytbagoreisehe Ver- 
gleicbnng der Seele mit der Harmonie der Lyra (Pbidon 85BiE.) 
genan mit der authentischen Definition des PhOolaos bei Nikomachoa 
(Boeekb 60 f.). Zwischen dieser doreh Simmiaa vertretenen A»- 
sicbt von der Seele ala einer bloßen Fonktlon nnd der alten Seelen- 
wondernngBlefare bildet eine Kittelstofe die von Kebes im Phädon S7 
vorgetragene Theorie von den versebiedenen Körpern , die die Seele 
wie QewBnder naefadnaoder abtragen kann, bis sie endlieh selbst dem 
Untergänge anheimftllt. Jene dem Simmiaa in dm Kund gelegte An- 
admnang ist wahrsehänlich (?) die des Fhflolaos. Sie tritt auch, ob* 
wohl in sehr abgeblaßter Gestalt, bei Arlstoxenos nnd in ähnlicher 
Form bei Bikäarcb hervor. Danach sind Boeckbs Kombinationen hin- 
fällig^, nnd Pbilol. bat vielmehr das wissenschaftliche Prinzip konsequent 
anf die Seelenlehre angewandt. [Aber irgend ein sicheres Zeugnis hierfßr 
hat D. nicht beigebracht.] — Im Abschnitt III: ,,I)ir Lehre vom 
höchstRii Gut" endlich zeigt D., daß in die dnrch die Bcdcitigun^: der 
Unstt rblichkeitslehre leer gewordene Stelle das wissenschaftliche Slrtbeu 
einiiukte brnift sidi hi- rlür iiainentlich aul Herakleid. Pont, bei 

Ciem. süoiii. II Iii, \vu aus Theodoret gr. aflf. cur. XI 8 zu verbessern 
ist: fluda^opTj; Te/.sujxaTrjv tcov apiOfitüv £-iJT7jjjir,v ejyatov uTTsXa^ev d")fad6v. 
In dieser Notiz, sieht er mit Heiuze eine spätere Eifindnng, wie ihm 
denn überhaupt die betreffenden Abschnitte der beiden Kirchenväter der 
Best einer alten ethischen Doxographie zu sein scheinen. — Dörings 
Untersnchnng enthält eine Menge originaler und auregender Gedanken, 
die sicherlich die volle Beachtung der Mitforscher "verdienen, aber auch 
der sorgfälti.»8ten Nachprüfung bedftrfen, wie ich bie hier schon des 
Raumes wegen nicht voruehmeu kann. DaLi manche Annahme nicht 
sicher genuf» begründet ist, habe ich obeu gelegentlich angedeutet. L ber 
eiri'^s der wichtigsten Erirebnisse, nach dem durch die fort8chreit»-ude 
wissenschaftliche Erkenntnis das religiöse Elrnirnt d^r Schule /' is^'tzt' 
nnd schließlich völlig zerstört worden wäre, sei nur so viel l)eiiierkr. 
Wenn noch ein Empedokles mir seiner rein mechanischen Weltaof- 
fassnng die pythagoreische Seelenwandernngslehre vereinen und sie sogar 
an Schroffheit überbieten konnte, so ist nicht abzusehen« weshalb bei 



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Boieht fibtt die gridchiadiflii Philosophen tw Sokntes. (Lortting.) 207 



den gklehidtifeii Fjrthagoreeni und anch hei dem etwas Jüngeren 
FUIoIioe niebl ein Oleiebee denkhar sein eoU. Hat doeh anch noeh 
flpiter Piaton bei aeinen pythasoreleehen Freunden in TTnteritalien äeher 
nicht nur die 2Uhlenlehre, sondern neben ihr aneh den XTneterbliehkelts- 
l^ben nnd das Dogma Ton der Seelenwnndemng in Toller Oeltnng 
feflinden. 

Offner aneht die Widerspräche, die aieh ana Ariitot Pbys. 
918b Sair. im Vergleiche an anderen Stellen, beaondera Ketaph. 1091 a 13, 
Aber die pythagoreiache Anftenng vom Leeren nnd seinem VerhUtnia 
anr 0ieose mid dem ünbegrenzten ergeben (a. EUler 885 f. nnd 4S6 f.), 
aauogleichen. Der Einwendnng Zellen gegen die Qleichietxnng dea 
ictvd« mit dem Jbctipov , daa Iieere k8nne doch nicht auf die Seite des 
Begreniendeo nnd das, waa dadurch getrennt werde, auf die entge^n- 
gesetzte gestellt werden, begegnet er mit der fiemerkaog, daß das 
Leere, aoeb wenn es begrenzend wirke nnd insofern nach einer Sdte 
hin als begrenzt erscheine, doch nach der anderen Seite in das ün* 
endliche hinaus, dem es entstammt, keine Begrrenznnj» erf ilne und so- 
mit bei Betonung' des Zusammenhanges zwischen aulkr- iuk! iunerwelt- 
lichem Leeii'u iiiiniciimi als Unbegrenztes bezeichnet werden könne; <»a 
Sülle ebt-n uui- das Leere, das als Teil des gesaraten Leerun in dus 
Weltall fciülritt, begrea^tiid wirken, worauf auch der Zusatz 6 oiopMi 
7u TO xsvöv in der Pbysikstelle hinweise. Das ist eine sehr schillernde 
Deutung, die in keiner Weise geeignet ist, die Schwierigkeit zu be- 
seitigen. Bas xevov in der Fiiysikstelle ist nicht nur das von außen 
Begrenzende, sondern das die Dinge durch sein Eindringen vou emandei- 
Scheidende und somit die einzelnen 9^901; Begrenzende usd Gestaltende. 
I>ie«e Auffassung widerspricht aber geradezu der in der Metaphysik- 
stelle und auch sonst bezeugten Lehre der Pytbagoreer. daß das 
oder das Feuer in der Mitte des Kosmos das -spa; oder Tiepaivov ist, 
das immer die näcUsiliegenden Teile des artttpov an sich zieht und b»-- 
grenzt. Wenn Verf. ferner das arstpov zwar als räumliche Substantialität, 
aber dennoch als völlig uukürpcrlich bezeichnet und sein We^en in die 
reine Ausdehnunj? als solche setzt, so traut er deu älteren Pythagoreern 
eiue viel zu große Abstraktion und Subtüitllt des Denkens zu. Auch 
ist es schwer zu begrciftiu, wie aus einem solchen anniatei lell gedachten 
aiieipov nicht nur das Leere, sondern auch das zvsöjia d. h. etwas Luft- 
artiges in die Welt eintreten kann. Mau wird im Gegenteil aunehmen 
müsfian, das den Pythagoreern das x£v«5v wie das a-eipov nicht als ab- 
solat leer, wie es 0. für luüglicü hält, sondern als mit unsichtbarer Luft 
erlüUt ;<elten. Verfehlt scheint auch die Übersefznncr, die O. von den 
Worten xiX -zh xsvov, 8 Stopt'Cst ^'iebt: „und zwar (?) das (?) Leere, welches 
trennt". Das Bichtige hat schon Prantl »Arutoteies' Physik" S. 179. 



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208 Bericbt Uber dio gifoehiaeliMi Philoaophen vor Sokntei. (Loctriiig.) 

Wes Geiste« Kind das dickleibige Bach der Fveiherrn v. Tbimm 
ist, zeigt schon der Titel zur Genttge» Wir liätten es anch unter den 
Scbriften über dea orientaliacben Ursprung der griechischen Philosophie 
anführen können, wohin es seiner ganzen Tendenz nach gehört. Vom 8taad> 
punkt der Wissenschaft ist dieses Simmelsammelsarinm von wondcrlieheB 
Phantasmen überhaupt nicht einmschfttzea. Der Inlialt des platonischen 
Timaios ist nach der Übeneogong des Verf. einer der semitischen wia 
altlgyptiachea Überlieferung nächstverwaadtea Schrift des F^bagoreen 
dieses Namens entnommeo (!). An einer anderen Stelle wird vermatel. 
daß die von Platon benntaste Quelle eine Bearbeitong des in Balqrlon 
dem P. bekannt gewordenen Baches Jealrah gewesen sei (l). Dan 
HJbroken vom CentcaUSraar ist von den Fythagoreem nur ftr die ^cnAm 
(so aceentniert Yerf. stets!) In derisoriseher Absicht erftindea worden; 
in Wahl holt kannten sie das ganse kopemikanisehe System (!}« ^ 
Oentralfeaer s. B. Ist elgeptllck die Sonne. Anch den Yerfasiom der 
kanonlsehen BOcber dea A. T. nnd des Baches Jedrab ist diese Lehn 
bekannt gewesen; sie worde in den bebrftischen Propbetenscholen ttber- 
liefort (I), n. deigl, mehr« Wie es mit den Sprachkenntnissen des Verf. 
stsht, aeigt n. a. die Obecsetsnng von dpx4 U toi f||Mm mtki « Anftmir 
aber des Alls (!) ist EUis geteilt durch Zwei**, nnd der Schlußworte dea 
Timaios, die anoh das JCutto des Buches bilden: .Und so sei filrwalir 
es nunmehr auch ansgesprochen, daß das Teloonichen (1) über dem 
Sjrmbol dea Alls (das Pfeileukreus über dem KieuzbaehaUben Tuw) dm 
ScbOpferwort für ons in sich bit|^* 

Tannery will in Ko. 210 (die Abhandlung ist im wesentlichen 
dne Wlederholong der in Beriebt I Ko. 94 chap. VI erwtümten) wahr* 
scfaeinlich machen, daß das Geheimnis der Pythagoreer sich ledigUek 
anf die mathematischen Entdeckangen des Heisters bezogen habe. Die 
nnbeingte Veröifentlichang solcher Xiebrea, die noch bei Iiebceiten dea - 
P. von selten der sogen. Aknsaiatiker and swar allem Anscbehi naeh 
von selten des OrOnders dieser itekte, Hlppasosi erfolgt sei, habe den 
Unwillen dea Heisters und seiner Anhänger, der sogen. MathematUnr, 
erregt und so eine Spaltung innerhalb der Schale selbst hervorgemfeB, 
die dann in ihrer weiteren Entwlckelnng einen politischen Ghaiaklar 
angenommen habe. Anch habe erst Jene VerOffentUchong die Oetrenen 
veranlaßt, die Geheimhaltung der Lehre für verbhidlich in erklftren, bis 
bie etwa um die Mitte des 5. Jahrhunderts, um sich Geldmittel zu 
veisrhafteu, die Arbeiten des P. in Form eines Buches unter dem Titel 
■£ti>fi.£Tpia rpoc IloLhppo'j (V) bekannt gemacht hätten. — Über die Un- 
sicherbeil der Kumbiuatiuuiü Taniierys, die sich hauptsächlich anf 
lambl. V. P. 88 f. gründen, s. Zell er 330, 2 uud Burnet 93, 29. 
Vgl, auch meine Besprechung Aich. Vill 757 f. 



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B«ii€iit «ber die griecbisclieii ?hiloioph«ii vor Sokrates. (Lortziog.) 209 

In üttt zwdien Abluuidliuig (No. ill) geht Tannery von der 
BchanpCaag des Bndemo« bei SbopL de eael. 471, S lt. Helb. tu, 
Aveximaiider habe snent Uber die Entfeniiiiigen der Planeten naeh* 
gedacht, «Ihrend die Frage ihrer Ordnang inerst fon P. anlltsewerfen 
wurde. Dea scheinbar hierin liegenden Widerspruch raoht T. eo an 
lösen. Aoaximander eetat die Sterne d. i. die flinf Planeten [?rahr- 
echetailicher die Fiisteme, e. o. Diele No. 184] in eioer das Nennfache 
de« Brdradiaft betragenden Entfemang, äem Vond in dner 18 fachen, 
die Sonne in dner STfiMfaen an. Die Pythagoreer dagegen, vielleicht 
achon der Heieter aelbat, nntenehiedea die einzelnen Planeten und 
ürdoeteo de nach ihrer Entfernnag von der Erde so: Mond, Sonne. 
Venns, Merkur, Mars, Jnppiter, Satam. Kein hinreichend altes Zeag:nis 
indessen spridit davon, daß de die Abstände der einzelnen Planeten uiiher 
bestimmt bitten; ja Eodenos scheint dagegen zo sprechen, riinins 
N. H. II, 19 sagt allerdings, P. habe die Entfernnng des Mondes von 
der Erde anf 126000 Stadien angegeben und für die Sonne die doppelte, 
fiir die Sterne die dreifache Entfernung angenommen, also in demselben 
Verhältnis 1:2:3 wie Anaximander, nnr mit VeT kehruug der Positionen. 
Diese offenbar aus Sulpicius Gallus geschöpfte Notiz hat aber wenig 
"Wert. Eine ß:leich daranf bei Plin. (II 20) folm ude, die sich anch bei 
Censorinus d. d. nat. 13 tindet nnd bei beiden aus Varro stammt, iSßt 
P. seine Lehre von der Sphäi-enharmohie auf die ßestimmun? der rela- 
titen Abstände d<»r Planeten Ton der Erde anwenden ond außerdem 
den absoluten Abstan i (ies Mondes berechnen. Nnn ist aber die Lehre 
▼on der Rpfa&renharmünie dem P. und auch noch deoi Philolaos fremd; 
«ie scheint nicht vor Archytas, dem Lehrer des Eudoxos, ausgebildet 
worden zu sein, wcna sie auch vielleicht aus einer älteren An«?chaunnjf 
geflossen ist, nach der die vier rnatherauti ehen Wissenschaften Rrliwesteni 
sind lind ihre Gesetze zugleich das Weltall regieren. Diese Harmonie- 
iehre mußte die Pytliagoreer des 4. Jahrhunderts dazu fuhren, die Ent- 
fernungen der Planeten nach harmonischen ZahlenverhÄltnissen zu be- 
«timmen; aber weiter sind sie nicht gegangen nnd haben sich ebenso 
wie anrh Piaton jeder genaueren Besthiimung der Planeten enthalten. 
Die BerechnuiiL' der Disfan/ de-^ 'Mondes von der Erde aut 126 000 
.Stadien, die zuerst VaiTo zu der Vergleichung des PJanetensystcms mit 
den Suiten der T^yra hin/nj^efügt zu haben scheint, ist naelihipparehisch 
and daher frühestens an das Ende de^ 2. Jahrhunderts v. Chr. zu 
«etzen. — Die weitei^eu lehrreichen Ausführungen über die verschiedenen 
von Späteren den Pythagoreern ragesefariebenen Toaleitern nnd ihre An- 
wendung anf das Planet eosystMiiiiftsseB wir hier fibergehtfi. Yi^l. dm 
^Seiler 430 (f. Anm. 2. 

Eine originelle, aber sehr gewagte Ycrmntnng tlber den ürspnmg 
Jalmtbeiiebt IBr AltartniDswisieDSOlMfL Bd. CXIL avo. L) U 



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210 Bmhi ftW die grieehiielkeii PUlosophen tot Sokimtee. (LorliiDg.) 

der Zahlenlebre des P. spricht Hidgeway «u. Indem er es« oboe 
jedofh zwingende Gründe dafQr beizabringen, als wahrscheinlich hin« 
stellt, daß die kosmiscben Theorien in den beiden Platostellen Tim» 
69— 61C und Phädon 108D— UIC anf pythagoreischer Grandilage be« 
rnben» sebließt er ans der ersten, daß nach P. die Welt ans geometri- 
schen festen Gebilden (geometrieai aolidt) besteht (vgl. PKitoDs ^n'-sSot 
nnd oTtptol diftftiMQ, ond ans der xweiten, daß P. dudi die Beobachtnng 
der mathematischen Gestalt natflrlicher Krystalle, laebesondere der 
Edebteioe wie Jaspis nnd Smaragd, die in Fiatons mythischer Dar* 
steUimg als Übemste der gltamendeii und reinen Steine einer herr<» 
lieberen, ?on nna nicht gesehenen Erde gesehildert werden, xn der 
Meiavng geltthrt wurde, die Welt sei ans ÄUen an^iebant. Damit sei 
ngleich der Sehlfiisel daillr gegebem, was P. unter •Naehahmiuig der 
Zahlen- (Arlstot HeUph. 967b 11) verstandea habe. Beslfttigt werde 
diese Annahme dnrch die Notiz bei Laert. Vm 1, daß der Vater de» 
P, ein Steinschneider gewesen sei (?). Vielleieht habe P. sogar ur^ 
sprUnglich dasselbe Gesch&ft betriebeii. In Ägypten habe er dsmi seine 
kt7Bta]logrq»hischen Kenntnisse mit denen der igyptischen Qeemetrie 
kombiniert nnd so die Welt eriunnt als anl||;ebant ans einer Reihe 
materieller Körper, die geometrische KOrper nachahmen; er habe alse 
einen materiellen Ursprung der Welt mit dem formalen geometrischei^ 
Element verbunden. Daher (t) komme der Zweifel des Aristot., ob die 
pythagoreische dpx^ materiell oder formal ssi. Schließlich neigt R., daft 
P. Kiystalle In Pyramiden«, Kubus- undDodekaederform gekannt habeit 
kann, wShrend das Eikoslhedron (s. Piatons Tim.) nicht In der Natnv 
vorkommt. Auch für die Zahl S4, auf die die Pythagoreer großen 
Wert legten, gab ea ein Pifototyp In der Natur. — Diese Hypothese 
ist ein geistreicher Einfsll, veranlaßt dnrch eine gele^^entUehe Bemerkung 
in einer phantastischen koamologisehen Konstruktion Piatons, von der 
aber durchaus nicht feststeht, daß sie auf die Pythagoreer oder gar anf 
P. selbst surttckgeht 

In V. Jans Abhandlung (No. 214) wird der Ursprung der Lehre 
von der Sphftrenharmonie erheblich früher gesetzt als von Tannery. 
Die Übertragung musikalischer Gesetze auf das Weltall beruht nach 
Ihm nur auf einem Analogieschluß, wie denn überltau])t die Analog^ie 
in der pythagoreischen Philosophie eine bedeutende Rolle spielte. Das 
beweist die Harmonik des Ptoiemaios, der eine Reiiie unfruchtbarer 
Analogien zwischen dieser Wissenschaft uud anderen, weniger leicht zu 
erforschenden, wie Psychologie and Astronomie, aufsucht. Auch die 
Gelelirten, die die Sphärenharmonie zuerst gelehrt haben, sind von 
solchen VefjtrU ichungcü ansgregrani^en (s. zu No, 211). Neben dem hei 
^^ikoülachü8 Harm, c 3 b. 6 f, überlieferteo alten System existierte 



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Bcrielit ftber die giieehifeban FbUompbeii tot Sokratoi. (Urtidiig.) 211 

noch ein älteres, in dem Markör uud Venas die Hypermese nnd Mese, 
nicht, wie später, die Paramese und Paranete bildeten. Daß P. diese 
Harmonie zuerst anllBfeftteUt bat, ist wabrackeinlich. Allerdings bat er 
die Identität des Moigen- and Abeodsternes noch nicht gekannt (b. Dlels 
Box. 492, 7 Anm.); aber es konnten doch schon im 6. Jahrhundert aoeh 
io Griechenland die liebeo Saiten der Leier mit einer gleichen Zahl ?on 
Planeten in fieziehnog geietEt werden, weil der Merkur hier erst q^t 
erkannt nnd mOgUeberireiee früher durch den Zwilling des Morgenstemi 
ersetst worde. Dem P. lag Jedenfalls die Parallele der Himmelskörper 
mit der m ihm trefflieh behandelten Akoatik sehr nahe. Wftre ein 
anderer der Vater dieses Oedaokeoa gewesen, so würden wehl AristoL» 
Theophrast nnd Nikomachos diesen namhaft machen [aber wenn sie ihn 
Bin nicht kannten t]; statt dessen hören wir immer nnr von P. [aber 
Aristot nennt stets nur die ]^rthagoreer]. Ein Instroment mit acht Saiten 
aber hat P. schwerlich in AufDahme gebracht; die EinfBhning der 
achten Zithersaite stammt Ton Lasos oder Simonidee. Daher wird P. 
anch das kosmische Qystem noch nicht über die Slebensahl der Ptaneten 
erweitert haben. Diejenigen I^thagoreer, die die Erde sich um das 
Centralfener drehen UeOen, fttgten dann noch eioen nennten Ton in 
der Skala der Weltharmonie hinan. — Die alten Pythsgoreer stellten 
sieh den Baum von der £rde bis som Himmelsgewölbe wie eine gerade 
Linie oder aasgespaante Saite vor, deren Teile einen um so tieferen 
Ton exgeben. Je Iftnger sie angenommen werden: spätere Gelehrte da- 
gegen lieBen die entfernteren Sterne, weil sie sich schneller bewegen, 
höhere Töoe eraengen. — Das xweite Sphftrensjrstem mit nenn Tönen hat 
aehwerliek Arohimedes noch auch Aratos erfanden, sondern ein firflherer 
Aatrononu Das dritte und letate ist das dee Ptolemaios. — Anch in 
seinen Mosid scriptores, die mir nicht snr Hand sind, hat v. Jan nach 
der Beaension tou £. Graf (BerL Ph. Wschr. 1896, 197) in einem Ex- 
kurse ilber die Pythagoreer gehandelt; 

Dnpais sucht darsnthnn, daß die Tetraktys in dem Eide der 
Pythiigoreer (carm. anr. 47 f.) mit Ausschloß jedes anderen Qaatw- 
nariums die Progression 1, 2, 3, 4 ist. So löst sich aooh das Bätsel 
bei Piaton Rep. Vin S. 546 B f.. wo gleichfalls diese Tetraktys gemeint 
ist. Die Späteren haben noch eine ganze Reihe von Quateruarieu hin- 
zugefügt, die man dann statt jener eiueu Progression als Tetraktyb 
angesehen hat. Soiclitr (^uateriuirien niiuint Tlicuu elf an, 

Hölk liefert in seintr ftiii- j-oiglalti^en uii«l gelehrten Diöst'i tatiun 
(inen wertvolleu Beitraf,' zur Fia^e der l'bfiiieferuug dtr pythagorei- 
fcciien ay.oü3|xaTa. Wenu ti fi l ilich iiü Eiugaugu aus ueu ältesten Zeug- 
nissen dea Plutou, Aristot. uuii Aiistoxenos nhtr P. den Schluß zieht, 
duü es nur einen §u»; nuda-^öpeio; gab und di^ Lehre des P. sich nicht 



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212 B«tieht Uber die grieebiadieii PUkMopheo vor Sokntoa. (Lorbing.) 

auf PbjBik adm Ethik btsog, londeni uvt sewiise religiOn, aber^län- 
bisehe Dogmen nnd BoinignngteoMlse oathlolt» «nd wenn er demgenUU^ 
den Bamieehen Weiflen nicht den FUloiophen, sondern den Religions« 
Btlftem zozihlt, 80 stellt er sich damit, ihnlieh wie Winddbnnd (e. Be- 
richt I S18), auf einen aUsa efoeeitigen Btandpankt. Biebtig bemeifct 
er, daß die von den SefafUem des P. tberlieferten imtf^m mit der 
Zablenlehie nnd der Weltkonstmlction nichts za thnn hatten, sondern 
sich anf 8eelenwandemng nnd Unsterblichkeit« anf Opfetgehrftnehe nad 
Bestattung bezogen. Ob wir nns aber in dem Streite der Akmmatlker 
und Mathematiker, wie es H91k thnt, anf die Seite jener stellen and 
die Lehre dieser dem F. selbst absprechen müssen, ist docdi sehr 
sweifelhalt. Im Gegensätze sn Zeller, der 8. 399 die UntsrsMdnng 
dieser beiden Klassen anf die Nenpjthagoreer snrftcknhrt, nimmt E. 
mit Bohde (Rh. Hns. 2^, 560) an, daß damit efai wirküeh unier den 
alten Pytbagoreem bestehender Unterschied bezeichnet wird, der mit 
der anf P. selbst (t) zurückgehenden Unterscheidnog zwischen Bsoteri* 
kern nnd Ezoterikern znsammenftUt Nseh UmUlchos Y. P. 88. warem 
die Akosmatiker (dxooovttc) Novizen, denen der Heister die htaAafuaxm. 
nackt, ohne Begrfindong mitteilte, die Mathematiker (jMv8dvom«) solebe, 
denen dieselbea Aknsmata dnrch Orftnde bewiesen wurden. Spiter da* 
iregen beschäftigten sieh die Mathematiker mit speziellen mathematiaelimi 
Forscbangen, wihrend die Aknsmata Oemeingat der ganzen Sohnle 
waren. Erst nach dem Untergänge des pythagoreischen Bandes tvat 
die volle Rcbeidnng im sp&teren Sinne ein. Der die Aknsmgtiker 
teidigenden DarsteUnng gegenüber leiteten die Mathematifcer die Vor- 
herrschaft ihrer Richtang von P. selbst ab, indem sie sieh anf Herakllls 
Antoritat beriefen. Während dieser in Wahrheit nnter der Uxopiri des 
P. seine religiöse Lehre verstand (fr. 17 vgl. mit 134), sahen die Mathe- 
matiker in der irropta die Mathematik (s. Tannery No. 210, gegen 
dessen Deutung- sich U. jedoch wendet), eine Anffassungf, die vielleicht 
auf ein g^etlÜscLtes Pythagorasbucli zurückgiug (s. Diels Xo. 189). 
Dieser nach Aristot., aber vor der Zeit der NeupythaRoreer g-etnachten 
Unterscheidung gegenüber müssen wir an der auf Aristot. selbst sich 
Btfttzenden Tradition über die Aknsmata festhalten. Ans Nikom. b. 
lambl. 86 f. ergiebt eich, daß P. selbst alle Akusmata begründete, später 
aber die ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen war und neue 
Begrüuduugen (eJxotoXoT^at) erfunden wurden. Der Meister hatte sich 
nur der Bezeichnung ixotS^ixara bedient, und mau darf daher nicht mit 
Oöttling zwischen dxoydjiata und ^jißoXa einen nrspiünorlichen Unter- 
schied iu der Bedeutung annehmen. SuftßoXa wui leu die Aussprüche 
erst spftter und nur insofern genannt, als sie als Zeichen einer gewissen 
geheimen Weisheit galten, die durch kUnstUcbe Interpretation aas ihnen 



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Bttricht über die griechisehea Philosophen vor Sokrated. (Lortztng.) 213 

liertugMehBlt wurde. IHm seheint mnt PhilolM gethtn sa baten, 
ebMo ab«r vonAi sdne Oegner, die GewIbnmftiiDer des Arietoxenos, die 
die iqrthagoreiBche Lehre nieht auf OOtterknltne und religiöse Vor- 
eefariften beschränkten, sondern ans dem philosophischen Begriffe der 
ip)iov{a ableiteten. In einer solchen Lehre mnDten die dxouapiaiTa ent- 
weder entfernt oder im Sinne der pythagoreischen Philosophie umgedeutet 
werden, — Hierau schließt Verf. eiiie sehr genaue und scharfsinnige 
Unterßuchung über die verschiedenen Saramluugen der pythagoreischen 
AkubmaLa, die im Altertum vorhanden waren. Die älteste war die des 
Historikers Anaximauder ;tns Milet, der in dei- ersten Hüllte di s 
4. Jahrhunderts blühte und eiiiu lujx^oAuiv liui>xjüpctuiv eti^pjoic im 
ionischen Dialekte schrieb. Es folgte Aristoteles, dessen Beschreibung 
der aupL^oXa wahrscheinlich kein besonderes Werk, sondern nur einen 
Teil des Buches ic. tSv Iluda^opsiuiv bildete, das, wcna es, wie V. Kose 
und Eohde gegen Zeller annehmen, nicht von Aiistot. selbst herrührt, 
wenigstens eiuem Peripatetiker ans der Zeit des Aristot. (?) zage- 
schrieben werden muß. Die daraus erhaltenen Fraguiente teilt H. in: 
1. hol r he, die ausdrücklich dem AiiaUit. beigelegt werden; 2. solche, 
die ihm zwar nicht ausdiückiich zuii^eHchrieben werden, aber nnzweifel- 
hait zuzuschreiben sind; zu ihnen gehurt der völlig anf Aristot. zurück- 
gehende Abschnitt lambl. 82 — Ö6; 3. solche, die von Rose oder Rohda 
(Älschlich auf Ai ihtot. bezogen werden. Ans den Fragmenten der ei-nteu 
und zweiten Klasse ersieht man, daß Aristot nicht nur Akusmata, 
sondern auch Symbola behandelte und die verscUiedenen überlieferten 
Begründungen ohne eiiz:eiie Zutliat hinzufügte, sowie daß er neben der 
überwieiceiideü Zahl religiöser Vorschriften auch ethische dem P. bei- 
legte, liline dritt' Sammlung war die, welche im 1. Jahrhundert v. Chr. 
unter dem Titel Hji^a-zopciojv jufA^ioXwv dem zu Alexanders des Großen 
lebenden Arzte Androkydes nnten?esciioberi wurde und im ionischen 
Dialekte abgefaßt vvar. Diese Sammlung beliandelte außer den pytha- 
goreibcheu auch andere symbolische Aussprüche und berührte auch die 
öeelenwandcrung. Ps. - Androkydes hat den Symbolen einen tieferen, 
besonders einen ethischen 8inu untei gelegt; er gehörte zu den späteren 
Eikotülogen. "Weiterhin bespricht H. die von Plutarch Qu. symp. 8, 7 
angeführten Symbole, die weder aus Favorinus (Maaß) noch aus 
Alexander Polyh. (Freudeuthal und Zeller), überhaupt nicht aus einer 
scbriftlichen Quelle, soudern aus wirklich gehaltenen mündlichen Qe- 
Sprächen geflossen sind. Plutarch verfährt in der Erklärung ebenso 
wie Androkydes, aber gelehrter und scharfsinniger. Ihn hat Clem. AI. 
Strom, y 5 kompiliert und einige allbekannte Symbole hinzugefügt. 
Den Hchlnß bildet lamblichos, der im letzten Kapitei des Protrept. die 
Sjfttbola behandelt liat. Seine Quelle ist nicht aa ermitteln. Seine 



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214 Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokratea. (Lortziag.) 

Erkl&mng ist so willkürlich und borniert, dali sie wohl von ihm selbst 
erfanden sein wird. — Den Ergebnissen der Quellenkritik Hölks wird 
man im allgemeinea beipflichten müssen; weniger sicher sind die vorauf- 
gehenden AnsftthniDgen. Vor aUem hätte Verf. nicht ohne weiteres 
alle aas guter Quelle stammenden Anssprfiche auf P. selbst zurückführen 
ollen. Wir sind bei der Beschaffenheit unserer Überliefemng völlig 
außer stände anszumachen , ob sie von dem Meister selbst oder aus 
seiner Schule herrühren. Dasselbe gilt auch von der Einteiiang der 
Schüler in Aknsmatiker und Mathematiker, 

Nach der überzeugenden Darlegung von Espinas ist in der Phädon- 
stelle «poupa nicht mit „Posten" (so Cicero Cato mai. 73, der diese 
Stelle mit Apologie 2b D verwechselt) iiocli mit „Geföngnis" zu über- 
setzen, sondern wie *iie Vcrgieichung mit Politikos 217 E, Krit,ias 109 B, 
Tim. 24 D und Phiiol. fr. 16 Mull, zeigt, als »heilige ITinfriedigüng", 
, Gehege des göttlichen Hirten" zu fassen, wo die Herde, die %zr^^LaxaL 
öeaiv (Platou IMiaedon 62 C und sonst öfter), zu ihrem Wohle einge- 
schlossen ist. Es herrscht hier die alte Aoffnssmii^. nach lier die Tiere 
den Menschen dienten und itutzteo und der Hirt daher iUr seine Tiere 
wie für seine Sklaven der i^rschützer und Wohlthäter ist, dem zn ent- 
fliehen andenkbar und zugleich unkluL; wäre. Dic^e Vergleichong der 
Menschen mit Sklaven und Tieren, die der Gottheit gehören, hatte für 
Piaton nichts Demütigendes (vgl. Phaedr. 274 A und Phaedon 85 B). 
Die Hirtenkunst ist das Symbol der Staatsknnst des Sokrates. Da 
Piaton in der Phädonstelle das Symbol auf Philolaos znrfickfQhrt, so 
d&rfen wir annehmen, daß dieser Gedankenkreis, zum Teil wenigstens, 
seinen Ursprung im Pythagordsmns hat. G^n die letzte Bemerkung: 
ließe sich einwenden, daß ans dem Zusammenhang der Phädonstelle 
nicht mit Sicherheit eine Beziehnng: der fraglichen Worte aaf den vorher 
(69 E) g^ennnnten Philolaos ZQ efMhließen ist; nber d.'jR angeführt» 
Fragment des Philolaos: dtpirsp Iv «ppoopa ndvttt 6ic6 tou dsoo ictptttX^^pdoei 
macht das allerdings wahrscheinlich. 

Hirse! bebandelt die Stelle Piaton Gorg. 492 £—494 C. Bei 
dem Ttc |xo&oXoY«»v xo\L^oi dvi]p ist weder an Empedokles noch Philolaos 
noch Sophron zn denken. Wahrscheinlich war er Piaton ftberhanpt 
nicht bekannt; lvuX6i ^ 'ItsXix^c mochte er ihn nennen, weU die 
Fythagoreer Ihre Fronde an Bildern nnd Glelehniuen hatten. Daß 
dieser Italer oder Sikoler nicht mit dem vorher erwfthnten xtc tSv 

identifloh ist (fioeckh), hat Sehoater Bhein. Uns. 39, 590 ff. nach- 
gewieeen. Derselbe aber irrt, wemi In Jenem oof^ HeraUit an lehen 
glaubt. Dagegen spricht schon h «p&c l|U Ufmf der mit dem wfk sn- 
aammenfallen maß. flaton konnte doch nicht wohl den Sokrates mit 
Hisraklit In Verkehr setzen. Wir mOssen vielmehr an einen Fythsgoreer 



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Bericht flbsr die frieebiMben PhttoMphen vor Sokmtoa. (LortBUig.) 215 



takeii, wie Ja aaeh der m Platon dem Weiaen In den Knnd gelegte 
Gedanke odiMfoijfui Ton dem. itrom. III 518 P. dem Philolaoe nge- 
•ehriebeo wird. Ob aber Piaton ans gerade an Pbllelaos, deMen gelstigei 
Bigeatam allerdiwp die Anelegang des Hytbet Tom «tBoc and die ibm 
voraafseaoblckten Gedanken ni sein icbeiDen, denken laiaen wollte, iit 
inglieb, da dne peiiQnticbe Beiäehnag swiscben Sokrateo nnd Pbflolaoa 
tieht stattgefunden an baben flcfacint Viellelcbt bat PI. dem Leser Drei 
lamea wollen, andi aa slfien anderen Pjrthegoreer wie Kebee oder 
Iffimmia« zo denken. Bas 491 D ff. sieb an den Vjtbos ansehlieOeDde 
Gleichnis aber gehört nicht etwa dem Fhilolaoa, sondern dem Sokrates 
eelbst, wie schon der Schollast erkannt hat. IHe Worte Ix toO otdrou 
7upLvaT!ou 493 D hält H. ffir glelchbedeatend mit ix a^t^c icaXaioTpac 
uad glaubt, Sokrates wolle damit nur die Gleichartigkeit der beiden 
Bilder bezeichnen. Hervorzuheben ist noch, daß H. in iyarctt^ta^m 493 A 
€mti Auiäpieluug auf die Etymologie von -i'Ooc erblickt und die darauf 
folgenden Ausdrücke zLiJavov nnd irtTctx^v go taCf, dall der erste «den, 
der sich leicht überreden läüt' he/eiclmet, der zwt^ite uu^'^ewöhnlich im 
8inne von maxrk gebiauclit ibt. Vgl. zu diesen Ausliiiirimgen die im 
ganzen damit übereinstimmenden Zelle rs 45i), 4. 

Die eingehende and gediegene TJntersuchuiig Schmekels weist 
als Hanptqnelle der von Ovid in den Metamorphosen nnd iu den Fasten 
gegrebenen Darstellnng der pythagoreischen Lehre Varro nach, der hin- 
wiederum aus Nigidins Fignlns, Alexander Polyh., Okellos, Pi.-Ai chytaa 
nnd PoseidonioB geschöpft hat. Die Lehre vom goldenen Zeitalter 
(vR-l. dazu auch E. Graf , Ad anreae aetatis fabulam symbola, Leipzig-er 
Studien VIII 1 8. 1 ff.) ist wahrscheinlich schon in der Quelle Varros 
init der von der Seelenwandemng nnd dem FleischvcMbot verbunden 
gewesen. Da nun das Verbot des Fleisch^enn&ses wegen der iSctleii- 
wandernng erst von den hpkttiren Pythat^oreern crtutiileii worden ist, 
so muß von diesen auch erst die Be.silireibung des ^'uldeneu Zeitalters 
herrniiren. Näheres s. bei H. Magaus Jahresber. des philolog. Ver- 
eins zu Berlin XV S. 164 f. und B. Ehwald Fortschr. B. 43 (1885) 
S. 165 ff., die beide im großen und ganzen den Ergebnissen der Unter- 
8UChnn!7 5?nst!Tnmen. Auf die id-aere, ob und inwieweit die von Ovid 
dem P. beigfdevrten Lehren altpythagorelBcdieu Ursprungs sind, oder auf 
welche älteren Philosophen sie aonst zuriickirehen (über die verschiedenen 
Auffassurif^en vüu der Eutwickelun^ des r^lenschengeschlechtcs und die 
Lehr e vom goldenen I&italter s. liorden ^o. 86 Ber. I l&ßt sich 
8dl. nicht ein. 

Norden legt dar, daß die Nekyia Vergils ihrem Inhalte nach 
im wesentlichen einer pythagoreisch-orphischen Unterweltsbeschreiboiig 
entnommen ist; diese war aber im letzten Teile mit stoischen Lehren 



* 

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216 Bmeht llb«r dl« gtitehiielMii PhiloioplMB for Sokntw. (Lorlriiic.) 

Terqoiekl; sie stammte also ans «tor in der die Neupytliasoreer ein« 
AnlehniiQg an die Stoiker «aditeii und fanden. Die fiaaptsttge scheink 
Yergü bei einem gelehrten alezandrinisdien Dichter veisefuideB sb 
haben. VgL DUterich Kekyla Lpa. 1893 8. 150 IL 

4» Ober elaxelne Philosophen, die zar pythagorelgchen Schale gehSrtea 
oder mit ilir in näherer Beilehang atanden. 

a) Phllolaos. 

222. P. Tannery, Snr an fragment de Philolaos. Arch. f . Q. d. 
Ph. II (1889) S. 379—386. 

T. beapricht einige Stellen bei ProUoa in EncL, naoh denen Pfailolaoa 
den Winkel dee Dreieeka fler OOtlem, EronoSt Hades, Ares, Dioayaoa, 
den dea Qnadrata drei 39ttlnnen, Bhea, Demeter, Hestia, nnd die den 
Zvrdlfeeka dem Zeoa zogemeien hatte. AnflhUead ist hierbei, daß naab 
der Veniehemnir dee PlwUee die vier GOtter dee Dreieeka die vier 
Slemente ▼erstellen. Wir finden dieae Ideenverbindnngen In der antra* 
legisch-chemleehea Überliefemay den Hlttelalteia wieder, die In letnier 
Linie bia auf die Ohaitter sarfteksogehen aebelnt. Man kombiiierte dl» 
nwVlf Zeichen des Tierkreisen nnter aich nnd konstruierte Yier ver* 
sehledene Dreleeke, deren jedem ein Element nugetellt wurde. Ebenso 
lasaen sich anch drei Vierecke, swei Sechsecke nnd ein Zwdlfeck bilden. 
Daß man diesen Ideeugaug zngleich mit der Kenntnis der Zeichen dea 
Zodiakos wohl dem Ph. zaschreiben darf nnd Proklos sich nicht dnrch 
einen Fälscher täuschen ließ, beweist Platarch d. Js. c. 30. Mit ZeUer 
nimmt T. an, daß Proklos bei Ph. nichts gelesen hat, was die Kom- 
bination zwischen den vier Göttern und den vier Elementeu rechtfertigen 
könnte. Aber anf der anderen Seite tührt die Verg-leicUung mit dem 
astronomischen iklytlios des platonisclitMi t'liaidros zu der Veniiuuiiii.:, 
tiatj die Gottheiten drs l'lj,, iieötiA eiiigefcclilosrsi'ii , üiv Planeten seines 
Bysteuib sind, l'ugt ihhh zu den acht von Proklos {^ciiaiiuit;:! GollheiLcu 
für die hexagonule Gruppierung die beiden von i'lutarch erwähnten, 
Aphrodite und liera, hinzu, so wird die Zahl 10 voll, nämlich Hestia, 
die Krde, die Gegenerde und die sieben Planeten. Ungelöst aber bleiben 
bisher noch die beiden für «iie Erkenntnis einer a^traku Bedeutung der 
philolaischen Gottheiten wichtigen Fragen : Welches ist der wahre Ur- 
sprung der von den Griechen den Planeten zugeteilten Götternanien? 
Und wann haben diese Namen die helleuischeu <ta{vu>v, <^ae&(ov, ilupoeiCy 
Oo>of6poc nnd i'xUiicuv ersetzt? Vgl. Zell er 393, 1. 

Zum Texte der Fragmente des Ph. verweise ich auf 
'Wachsmuths Ausgabe de^ Stob. B. 1. Konjekturen, die Beachtung ver- 



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Bttiebt Ober die griechiichm PMlosophen ?or Sokntes. (LorUiug.) 217 



dienten, eind eeit dorn Enelraiiien dieear Aiufsbe m. W. aioht TerOffeDt« 
licht werden, ttber ein Ton Diele entdecktet Frasmeot ffl, Be- 
lidit I 176 f. 

b) Alkmuion. 

323. E. Hirse] « Zar Philosophie des Alkmlon. fiem. XI 
(1876) 8. 340-346. 

224. J. Sander, Alkmäon von Krotou. Frogi*. Witteober^r 
1893. 32 S. 4. 

225. J. Wachtier, De Alcmaeone Crotoniata. LipsiM 1896, 
Tenbner. 104 8. 8. 

Hirsel lUhrt ans» daB sieb Flaton Phaedon 96 B wahrtefaeinMcb 
aaf A. besiebt, der die an des Qehini knipft ud aai dieeen 

dareb ^vf^y^ and ft6|a die imeti^i) ableitete Aach die Ton Ariitet* 
analyt. poet. 100a 3 entwickelte Ihnliehe Theorie eebeint denaacb 
ihren Ursprsair in dieser Lehre dee A. sn beben. <— Diese Vemmtaiicr 
hält Zeller 490 Anm. fBr annehmbar; doch sei es nicht sicher, ob 
PUton die von ihm besprochene Ansicht ganz genaa wiedergegeben 
habe; so könnt die Ableitung^ der ijzunr^yLi^ aas dem 7)psfjieiv, die bei 
Aristot. wiederholt wird, Piatons eigene Zulhat sein. DaÜ f^pefie'/ iu 
der That kein Aasdruck des A. gewesen sein kann, zeigt Wachtier 
(No. 225). Mir scheint H. und mit ilini Sander (Xo. 224) uhlIj dai in 
zu weit zu gehen, dalj sie anch die Ableitung von y:^r^^.^^, oo;a ui.d 
im^vfi^r^ aut A. selbst zui uckführen. Dieser hat nach Theophrast nur 
"Von den ali&f^i^Li gespiucheu. 

Die genauere Kenntnis der Lehre des A. war bis vui kuizem 
für die weiteren Kreide der Facligeuo8t>tü dadurch erschwert, daU 
in MulLichs Ph. Gr. II 114 die Bruciistücke dieses philosophischen 
Arztes in einer völlig unzulänglichen und willkürlichen Auswahl, in 
der z. B. die theupljrastischen Zeugnisse überhaupt fehlter., zusammen- 
gestellt waren, obwohl bereits 1831 Philippaon, 'Vätj ävapu)ntvrj, diese 
FiagunMite eingehend behandelt und 1832 Unna, De AlcmaeoneCrotoniatu, 
eine ziemlich vollständiffe und sor^raiti^je Zusammenstellung geo-eb^'n 
httUe. Oer Umstund , daß die ^^aaze AuflaL'e des Ünnascheit nucbea 
beim Hamburger i:irande vernichtet wurde und daher sehr selten ge- 
würde;i war, veranlaüte Sander, die HrnchslUcke von neuem zu sammelu, 
wobei er indes fast keinen neuen Fund hinzuzufügen hatte. Voraufgeschickt 
bat er eine Untersuchung über die Lebensverhältnisse des A. Aus 
Aristot. Metaph. 968a 27 würdü sich crgebeu, dal* A. ein jüngerer 
Zeitgenosse des Pytliagoi-as war, wenu die Worte y.il -dp i^cvsxo Tf|V 
^Xix^v "AXxiMüwv iicl TtpovTi Duda^öp^ aathentiscb wären. S. hiUt sie 



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218 Bericht Über die griechischen Philosophen yor Sokrates. (Lortsing.) 

jedoch mit Brandis und Zeller 488, 3 für ein Gloaiem. Aach die bat 
Laert VIII 83 fibeiiiefeite Widmung der Behrift des A. an drei ^yliuk- 
gereer lUßt, d» deren AIters?erliUtnine ans unbekannt aind, aiebt er- 
sehen« ob er jünger oder ftiter ato Pyth. war. Arlctot. echeint ihn Bich 
allerdings JEinger alt die fllteeten Pythagoreer Torznetenen, nnd dies ist 
das Wahndieinliebere. Nach einer Icnnen Würdigung der Quellen 
folgt dann die Sammluogr der Fragmente — es sind bei S. im gamea 
S7 an die Erdrtemugen fiber die Lehre des A. gehnSpft werdefi. 
Eins der wichtigsten ist die angefahrte Stelle des Aristot. Wenn dieser 
die Gegensatzpaare des A. als dpx«l tuiv ^vtcdv bezeichnet, so legt er 
nach Sanders Meinung in dessen Worte zn viel hinein. Es handelt sieh 
bei A. nicht um Oegensfttze im philosophischen Sinne. A. war kein 
Pythagoreer, and seine Gegensätze haben nichts mit denen dieser Schule 
gemein. Bei den Pythagoreern sind es solche, die wirklich im ganzen 
weiten Kosmos herrschen, bei A. solche, wie sie sich deui Beobachter 
gerade ergeben, die man öeLcü, schmecken oder fiihlen kann, oder ira 
Unterschiede zu den absoluten Gegensätzen jener j^aiiz relative Begriffe 
wie groß und klein. Dort ein ausgebildetes System, getjründet auf die 
durch Spekulation erfaßten Orundeigenschaften der Zahlen, hier eine 
„untheoretische nnd uDsystematieche" Heihe von Gegensätzen, die ans 
der Beobachtung der menschlicheu Natur hervorgehen nnd sich insgesamt 
auf den menschlichen Körper beziehen. Um zu solcUetn rein empirischen 
Wissen zu gelaugen, brauchte der Arzt nicht bei den Philosophen in 
die Schule zu gehen. Damit ist die erste Alternative des Aristot. 
auegeschlossen. Auch die zweite, daü die Pythag-oreer ihre Gegensatz- 
lehre von A. haben, ist bei der weaeutlicben Verschiedenheit ihrer 
Gegensatzpaare nicht walnsclieinlich. Aristot. hat sich also geirrt: 
beide Lehren sind vollstäii lip: anabhängig von einander. — Diese Anf- 
fassnn^ macht sich von vomlierein dadurch verdächtig, dai; sie den 
bebten und verläßlichsten Kenner der älteftten Systeme, über den hinaus 
wie bei der Rekonstruktion dieser nur selten vorzudringen imstande 
sind, des Irrtums bezichtigt. Aber auch davon abgesehen, läßt sich 
gegen den Standpunkt des Verf. manches einwenden Einzelne Gej^en- 
satzpaare des A. wie V/piv ^r^p6^, tj/üypov 8ep}x6v sind sicherlifh nicht 
ursprünglich medizinischer, sondern echt kosmologiscber Natur, und 
wenn sie auch nicht von den Pythagoreern stammen können, so hat sie 
A. doch ohne Zweifel in der ionischen Philosophie (s. z. B. Auaximander) 
vorgefnndeu. Andere beziehen sich auf die verschiedenen Arten der 
Wahrnehmung und sind in ihrem Grnndcharakter gleichfalls nicht me- 
dizinisch, sondern psychologisch. Mt^a nnd }xixp(Sv aber als quantitative 
Bestimmaogfen erinnern an die pythagoreische Zahlen- und Raumlehre, 
nnd ^«fH^v nnd xax^v, die 8. willkfirlich anf das «Qesonde nnd Schid- 



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Bericht fiber die griecbiBcben Pbilosopben vor Sokratee. (Lortzing.) 219 

liebe" besohribikt, sind ethiscbe Kategrorien, die sich in der pythago- 
reischen Gesreosatztafel wiederöoden. So wird mau doch wohl saj^n 
Dofissen, daß A. eine Anzahl allgemeinerer, teils metaphysischer, teils psycho- 
logischer nnd ethischer Bestimmanpen aus der gleichzeitisren Philosophie 
übernommen nnd dann in cng:erer Anwendung a.uf das medizinische 
Gebiet übertrafen hat. Weiteres hierüber bei der Besprechung: des 
"Wacbtlerschen Buches, iu dem Oberhaupt manche Ansichten Sanders 
bericbtigr worden sind. Ich erwähne von diesen hier noch folgende. 
Aus Aetios II 16, 2. 3; 22,4 und 29,3 erpfiebt sich nach S keines- 
wegs, daß A. von den Pythagoreern seine Astronomie überkommen hat 
(Zeller 489). E« findet sich bei ihm keine Spur pytha^^üreischer 
HimMiel>kDnde, wohl aber eine gewisse Übereiostimmnng mit Auaximenes 
öüd Heraklit, von denen er vielleicht gelernt hat — Nach Aristot. 
d. an. 405 a 29 ff. hat A. aus der immerwährenden Bewegung der 
Seele ihre Unsterblichkeit gefolgert. 8. jedoch Wachtier (No. 225). — 
Aristot. Probl. 916a 23 dentet 8. unter Zustiramuncr Wachtiers so; Die 
Bewegung der Hiniinclskörper führt diese am Kn ie ihrer Kreisbahn 
fum AuBgaugspunkt zmuck; das kann der uieiisrhlicbe Korper nicht: 
darum muß er uoterf^ehen. — Za 'riie(j}jlir;ist 1. .sens 507, 3 Diels 
nimmt S. mit andern an, die -r^pot des A. seien die Nerven, die also 
A., nicht Ariätot., zuerst gelüuden habe, und zwar durch eigene 
Öeklionen. A. ist demnach der Vater drr Anatomie und Psychologie 
(Philippson). — Das ethische Kr:irrnient tioi Clem. ström VI 2, 16 hält 
S. mit Kecht für sclir zweitelhaft ; vielleicht habe eine Verwechselune: 
mit Alkman staitg:( fnnden. Wachtier vemutot, daß die betreffenden 
Verse ans einer Tragödie über Alkmaion, den S(din des Amphiaraos. 
stammen. — Vgl. dieBezensioa von Löschboru, Wscbr. f. kl. Ph. X 
734 flf. 

Von hervorragender Bedeutung ist die gründliche und scharfsinnige 
Untersuchung Wachtiers. Im 1. Teile, der von dem Zeitalter, dem 
Leben und der Schrift Alkmaions bandelt, glaubt er im Gegensätze zu 
Sander bei Aristot. Metaph. 986 a 22 den Zusatz xai l^evsto — 
nuÖa7^p<|t in cod. E dem Aristot. nicht absprechen za dürfen. Er ist 
tieber älter als die Nenpythagoreer nnd war vermatlich schon den 
Alexandrinern bekannt, die das Buch des A. noch in Händen hatten. 
Er ist aber auch, wie W. nachweist, f&r den 8inn der Stelle nnent- 
behrUeb. Daß Aristot. die Zeith estimmiuig: ans der Schritt des A. selbst 
«nlaommen hat, beweist die Widmung an drei der ältesten Pythagoreer 
(f. zu No. 124). Um nun die Bedeatnng der Worte i^evero r^v ^^itkv 
näher zu bestimmeo, hat W. die Stellen gesammelt, wo i^evcxo im chrono- 
logischen Sinne vorkommt nnd hat abweichend von Rohde (s. Bericht I 
196) gefunden, daß io 28 von 40 F&Uen inivsto = vixit gobrancbt ist. 



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220 Bwidit Aber die giiMhiaclicn PUlMophen vor Sokrates. (Lortsiag.) 



Daß e« amsh hier diesen SiDn hat, beweiet der Zmatc xfy ^Xnckv» 
won Doeh vielleicht mit Dieb vto« zn «rgttnseB l§t Die Worte be- 
eageii also, daß A« snr Zeit dee Greiaenaltere des Fyth al80 aacfa 510 
jung gewem iat. — A. war zu Kroton geboren, lebte dort wahrseheiii- 
^eh ab Arst nnd war mit medlziiiiicheii, beeondera anatomischea Stadieii 
beaehftfligt Ob er aber die Seaierkmut erfanden hat, let swelfel— 
baft, da Chalkid. Tim. 279 Wr. TielleiGht nur von der dnrch ihn aiia<» 
geführten Sektion dea Anges, nicht von Sektionen Qberbanpi redet 
Gesehlieben hat er wahrach^ich nnr ein Bach. Gans irrtümlich iat 
die Yermntang Sittis (s. an Ko. 137), daß dleees Bnch eine nenpyUia> 
goreisfihe FUsehung geweaen od. Aristot nnd Theophraat haben ea 
offenbar vor Augen gehabt VermntUch hat ea noch dem Kallimachoa 
vorgelegen, aof deeaen «tvaxsc wohl dnreh Termittelnng des Demetiioa 
Magnee der bei Laert Vin 8S erhaltene Anfang znrOckgeht (ebenao der 
Anfang dea philolaiscben Baches ebd. 85). Eingehend behandelt W. 
die I^age, in welchem Dialekt A. geschrieben hat Die Anfangsworte 
bei Laert. zeigen ionische nnd dorische Formen gemischt. Bei näherem 
Zwehen aber stellt sich heraus, daß die ionischen Formen entschieden 
flberwiegen: ihrer sind, die bei Aet. 424 a 30 wahrscheinlich als Gloss« 
erhaltene Form J)opr,c mit eingerechnet, vier i^^cg-en eine dorische. Aua 
diesem Verhältnis m Verbinduug mit dem Umstände , dali nach lambl. 
V. P. 241 die meisten Pstlia^oreer sich ihres beimischen Dialektes be- 
dienten, die krotoniatibciie Schule aber kurz vor der Zeit des A. von 
kidiscben Ärzten gegründet worden war, die ohne Zweifel ionisch 
schrieben, schließt W,, daß A. wie die meisten älteieu Prosaiker 
ioniBcli geschrieben but. — Der 2. Äbscbn. enthält die Saniiülung der 
Fragmente. Die 27 Sanderschen Fragmeute reduziert W. durch Zu- 
sammenlegung mehrerer auf 23, ergänzt sie aber zugleich dai*cb eine 
Aüzaiii neuer Paralieistelieu. Aus den treffiiciien Erläuterungen heben wir 
folgende hervor. Zu Fr. 2 — Theophrast d. sens. 5üG, 10 erklärt er die 
Behaoptnng Philippsons. A. habe znerst zwischen der Vernunft und den 
Siunen unterschieden, für zweifelhaft, da der dem A. ungefähr gleich- 
zeitige Heraklir Im reits so unterHchieilfn hat; sicher aber hat A. zuerst 
nach dieser >»orni die Menschen von den uiniu-rn lebenden Wesen ge- 
trennt (anders Empedokles v. 231). Wie sieb iiuies der Mensch durch 
die VtMiiuulL vor den Tiereu auszeichnet, so wird er htuwitd<»rnm von 
den (iöttern weit übertroffen. Daher bleibt sicii A., auch weuu er iu 
der Erfnrscliuug der verborg e i: Gründe der Diuge zu Vermutungco 
seine ZuHucht nimmt, der Ungewißheit dieser Vermutungen bewußt und 
verschmäht leere Erdichtungen da, wo eine BestäriL'ur.g durch die Sinne 
unmöglich ist (v<^]. Fr. I und 17) J)azu -tinuiit auts beste, dali er ge- 
lelirt zu haben scheint, alle Wissenschaft stamme aas der aiiinlichea 



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Borieht über die griechiechen Philosophen vor Sokratea. (Lortzing.) 221 



Wahnnlimimg (s. zn Ko. 933). — Za Fr. 8 Theophr. 507, 3 mUt W. 
die Anrieht Saadeif nirllek, der mit Windelband, Gomperz (S. 130) 
IL a. anniDint, die «6pot des A. teleii untere Nerven. Schweiiieh hat 
A. außer den dnrch Sektion leicht zu erkemteBden Augen nerren die 
dttnnen Ner?enfäden der andern Sinne gekannt. Die Poren der Ohren 
und der Nase sind ihm keine Nerven, sodem Gänge fQr das Geh5r nnd 
den Geruch, die er sich znm Gehirn verlängert dachte, wie er dies bei 
den Kanälen der Augen sah. — Dem in Fr. 9 = Aristot. d. an. 
•405 a 29 enthaltenen Beweise für die Unsterblichkeit der Seflo lie^t 
nicht, wie die meisten Erklärer mit Simpl. annehmen, die Argumentation 
Platous Pluiedr. 245 C zu f^runde. Bei A. haben wir eiutsü roliea 
Analüg^ieschluü : dio Seele ist durch ihre ewige Bewegunj^- den Gestirnen 
Ähnlich, also gleicht sie ihnen auch in allen übrigen Eigenschaften uod 
somit auch in der Unsterbliciikeir. riaiou dagegen gelangt auf dem 
Wege eines strengen Sdilnsses durch die Mittelbegriffe ieixtvtjrov und 
aÖToxivTiTOv zu dem gleichen Ergebnis. Mit dieser ünterscheidnng der 
beiden Bewei fula fingen hat, wie mir scheint, W. das Richtige getroffen; 
die von Sander (s. ii.) dagegen erhobenen Einwendungen ■wenigstens 
vrollen wenig besagen. Ebenso verdient Sander Zustimmung, wenn er der 
Behauptuni? Robdes (Psyche 469, 1), die Seele sei n»fh A. nnkörper- 
üch, mit Goniperr. S. 121 f. entgegentritt. — Zu Fr. 10 ^ Aristot. d. an. 
405 a 32 zeigt A ., daß in der Parallelstelle Laert. VIII 83 hinter 1^ 
ik — tjXtov aus dem Vorhergehenden die Worte: xal r?jv aeXrjvTjv xal S^Xov 
t6v o^pivov [so schreibt er mit Zeller 490, 1 für xado^ov Tororrjv] eye»v 
^t'Äiov -p'jjtv zu setzen seien. Im Gegensal/e m Zeller, der 489, 3 dem 
A. die um das Oentralfener kreisende Erde beilegt, glaubt er, A. habe 
4ie Erde in die Mitte des Kosmos gesetzt, ATitYällig sei, daß A ab- 
weichend von allen andern dem Monde eine andere Gestalt gab als der 
Sonne (vgl. A8t. II 22, 4 mit 29, 3); denn Zeller a a. O lapse ihn 
mit Unrecht beiden Gestirnen die gleiche uachenförmige (ieatalt zu- 
teilen; nka\6i und cr/.'i^poE'.Srj- hätten die Alten unterschieden (s. Af^t. 
TT 22. 4 un*l 5). ^ Zu Fr. 21 = Aristot. MeUph. 986 a 22 wendet sieli 
W. gegen Sanders Meinung, Aristot. habe hier ein Versehen be- 
dangen, indem er ta ovra mit Ta ivöptuctva verwechselt liabe; crsteren 
Ausdruck gebraucht Aristot. nur, weil er hier A. mit den Pythagoreem 
zosammen^t; sicher hat jener nur von (ilv9pü)Tctviz geredet. Aber 
seine GegeDsatapaare sind weder mit Sander nur auf den mentchlicbeu 
Körper, noch mit Philippeon bloß auf die Seele, sondero vielmehr 
auf alle menschlichen Dinge zu beziehen. Aus Fr. 22, zu dem Fr. 21 
«ahrsdieinlich einen Teil der Einieitnug bildete, erkennt man, daO A. 
^ Segematslebre so gafaßt hat, daB jedes Ding die Gegenrittw alt 
«iaairier wmiecbt nndlMM. A. mfl nadi Ailrtot. woxgOltlg tm d»n 



222 Periebt Aber- dio giiechkebeii PhUo0Opb«a m SobritBi. (Lortiiiiif*) 

^jrtbagoneni ontenobiedeii wenleii; er bat die Oegeosatslebre Oberbanpt 
m deebalb av^greitellt, iiid dnreb lie eeine ^eiielle Lebie von de» 
Krankheiten und dem Kdrper m stfltzen. ~ Fr. SS » Afit Y. 30, 1 
sind die Anedrlleke bovoiiia nnd iMvapx^ wabrecbeiolieh anf A. adbit 
inrackznfllbren, da aie bä andern Medliloeni nieht vorlcomnien. Die 
bier entwickelte Lehre des A. ist die Qmndlehre der griecbiscben 
Xedisin geworden, als deren Vater A. anaosehen iat; nor daß die 
SpUerett in manchen Punkten abgewichen sind. A, weiß noch niehla 
von den vier Elementen nnd ebensowenig von den vier HanpU 
s&ften nnd von der imaoxamc der SKfte. — Zellers Vermntnng (vgK 
Eettig, Piatos Sympos., Halle 1876), 8ymp. 186 C f. gehe anf A. aarHek, 
erscheint W« annehmbar. Sicher liegt dieser Stelle alte medisinJscho 
Weisheit zo gmnde. — Im 3. Abschnitt, der Ober das VerhUtais den 
A. sn den Übrigen grieehischen Anten nnd Philosophen handelt, neigt 
W., da0 Sander nnrecht hat, jede Beiiebang der Lehre iwischen A. 
nnd den ^ytfaagoreern an leugnen (s. an Ko. 334). A. berllhrt sieh 
nieht nnr io der GegeosatdehTe mit ihnen, sondern anch In der Isonomie 
(»■- Harmonie) sowie in der Lehre, daß alles Kenschliche nnvolikomme» 
sei im Oegensatse snm Göttlieben, nnd in der Annahme von der Un- 
sterbliehkeit der Seele. Dagegen hat man irrtttmlicberwelse Sporeii 
Heraklits bei A. entdecken wollen, nnd anoh za Parmenides hat er keina 
erkennbare fieaiehung. Übxigens ist er nicht eigentlich aar Schale dea 
:^rth. an rechnen, da sich von der Zahlealehre bei ihm keine Spar findet^ 
nnd es höchst aweifelhaft ist, ob er die Sedenwandernng gelehrt hat. — 
Die Anseinandersetznngen ttber die Weiterbüdong der Lehre des A. von 
der Entstehnng derKraakhelteii bei dm spftteren mppokratikem mUssin 
wir bier ttbergehen nnd erwfthnen nor noch knrz, daß W. einen Einilnfi 
des A. anf Anszagoraa in der Erkeimtnistlieorie und der Embryologie, 
auf Demokrit nnd Empedokles in der Porenlehre und anf den letzt- 
genannten aach sonst in manchen Einzelheiten, besonders aber in der 
ganzen Methode nachzuweisen sucht. 8. jedoch, was in bezug auf Emped. 
in Snseraihls Rezension der Schrift (B. Pli. Wschr. 1897, 833 flf ) da- 
g^^tiii eingewendet wird. V*?l. anch B — r (BriegerV) L. ü.-Bl. 1897, 
210: E. \Vellni;win, D. L.-Z. 1898, 1114 ff. Uiid Sander, Wsclir. 1. 
kl. Ph. 1899, v3 ff. 

Zum Text der Fraprmente des Alkmaeon. Das einzi^re 
im Wortlaut erhaltene Fragment bei Laert. VIII 83 = Fr. 1 W. 
lautet nach Wacht lers Herstellung: 'AXxfiottwv [W. zeigt daß Cobet 
coli, ciit 365 zu Unrecht die Form 'AXxjjtawv allein gelten lassen 
will] K poTa>viT^TT)c vdo i/.ziz, Ihpi'dou (st. n£iou)Gou in Cobets Aue- 
gabe) oio;, BpovTi'vcp xal Ba<)jA/.(p • , fiept ruiv dl^r^T^Twv [so W, statt de» 
in der Cobetscheu Ausg. eingeklammerten m^l tuiv dvi^Ttuv, im An- 



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Beridit übti die griechischen Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 223 

BChliiß «a Bernayi, der nach einer HitteUuiis: vou Diels dft«(Taiv 
▼ernntet hatte] a«i^vtiav fiiv 8fol lyipum (et Ixovn) * 6« ^M^^ncmt 
[dafür Gompers Gr. D. 158 ^d^mv] ■nxiiaipsoOm* xol td t^«. 
Den von Laertliit mid wohl eehoii ?od KaUimacboe (e. o.) anagdaeienen 
Schliiß will Gomperz so eigSnit wlaeeo: Ix^t «ou W. dagegea 
etwa Bo: l^vRv kt, w «Ivftvvevim» 69« i^iii» k^im, Gobet a. a, O. itillt 
avfierdem, Tidleieht mit Becht, die Worte üctpcdoo (eo!) ^ BaAvX^i 
zwischen *AXx|jLa£i»v und KpoTwvti)TT}c. 

e) Hiketas and Ekphantos. 

226. P. Tannery: PMndonyinea antiqaee. Bev. d. Stades gr. X 

(1897) S. 127-137. 

*S27. Dereelbe, Sur Ecphante de Byracue. S4aace de Taifloc. 
p. rencoaragement d. Stades gr. da 7. jaavier 1897. 

228. Dereelbe, Ecphaate de Syraease. Areb. f. G. d. Fb. XI 

(1898) 8. 268—269. 

0. Voss, De Heraclit Pontici vita et scriptis» Kosto( k 1896^ 
8. 64 hat die Vermutuog ausgesprochen, Ekph. uud ebenso Hik. seiea 
nnr Personen in einem der Dialoge des Herakleides gewesen. Den 
gleichen Ge laiiken sucht Tannery in No. 226 zu begründen und fögt 
als Dritten nucii Leakipp hinzu , der vielleicht von Dcuiokiit liog:iert 
worden sei. Auf die letzte Hypothese wird in dem Alsdinitt über die 
ALumistik t iiizui:ehen sein. In betreff des H. und E. gehl T. davon 
aus, daß s:e ziittst von Theophrasi erwabut werden, während sie bei 
Aristut. ebensowenig' genannt werden wie bei den 6iograi)lien und in der 
pythagoreischen Legende. Doch glaubt T. bei Aristot. d. eael. II c. 1^ 
8. 293 a 201 in den Worten ol 7:epi t^,v 'UaX'jv y.a/ o^ifxevoi 5i ilut}(X7^pstoi 
eine Hinwei-^ung aut iiiketas zu erblicken, l'hiloiaos, dessen Werk 
Aristot. nicht kannte kann damit nicht gemeint sein. Die in dem- 
selben Kappel von Aristot. hinzu!,'efügte Bemerkung, daü die Lehre 
vom Centralfeuer von vielen andern ang-enommen worden sei, weil dem 
Eener die Tifjutüta-nj '/""P* gebühre, zielt auf eine Meinung, die uacli 
Plutarch t-^u. Plat. VITT 1 (vgl. Numa c. 11) Theophrast dem alt ^»-e- 
wordenen Platon beilegte. Während T. früher (liev. philos. XII lü4ä.) 
Im Anschluß an Schiaparelli diese Meinung wirklich dem Piatou zage« 
schrieben hat, bestreitet er jetzt, daß dieser irgendwelche Kenntnis von 
der Lehre des Philol. vom Centralfeuer hatte, da er sie sonst in der 
Bepnblik im Mythos vom Fr. und im Tim. erwähnt haben würde. Die 
Zengniiee des Aristot. uud Plutarch erklären sich dagegen aufs beste , wenn 
man annimmt, daß in einem Dialoge als Unterredner Piaton und ein angeb- 
liober Pytfaagoreer, der daa System des PhiloL entwickelte, aafg:etret9a 



224 Beriebt Aber die griecUechen Fhilosoplien vor Sokntea. (Lettnog.) 



»iiid. Theoplirast hat q»ftter diesen Dialog ala wahriiettagernftD auf- 
gefaßt (?) oder die QaeUe ana der er ecfadpfte, nlebt hinrefelieiid 
besflidinet Der Terfiuaer dieeea Dialees war wafaraciiefiaicli (?) 
fimUeides Pont, dessen Bneh «tpl tov noda-fopEtaiv sielierlleh (?) 
«ine der Hanptqnellen des Ailstot war. Der in diesen Dialoga dem 
IVfibsgoreer gegebene Name maßte (?) Hiketaa yod Syrakns sein, tas 
nidit, wie man naeli Gieero Lnc 1S3 angenommen hat, von Tbeophr. dfo 
Lehre von der Acbsendrehnng der Erde, sondern nach Laert. YJU. 85 
nnd Aet. 376 a 10 [s. jedoch 8ber diese SteÜea Zeller 422,2] die dea 
Philol. vom CentraliSMer nnd von der Gegenerde angesprochen wnrda. 
Vielleicht dachte HeraUeides dabei an den Hiketaa von Syrakus, der 
«In Prennd Dions war nnd von Tlmoleon getdtet wurde. — Ebenso wie 
hiemach den P) thagoreer Hiketas, so hJQt T. anch Ekphantoa für eine 
erdichtete PiendnUchkeit. Da das, was die Dozographen von der eigen- 
tümlichen liChre des E. berichten, vielfach mit der des Herakleides 
übereinstimmt, so darf man vermuten, daß Herakl. diese Lehre dem E. 
als Unterredner in einem Dialoge, vielleicht dem nepi twv Iv oäpav<p, 
in den Mnnd gelegt hat. Die Doxographen haben dann bald Herakl. 
und E., bald einen von beiden allein citiert. Ob ein Ekph. wirklich 
existiert hat, ist ebenso gleichgültig wie die Existenz eines Timaios. 

Seine Ansicht über Kkphantes fahrt T. noch näher in der Ab- 
handlnng No. 228 aub, die ich, obwohl sie aus dem Jahre 1898 stammt, 
diesen Bericht eingefügt habe, da sie sich venuullich mit der unter 
Ko. 227 angefiihrten deckt. Von der Persönlichkeit des Pythagoreers 
£. wissen wir nichts. Laertios nnd lamblicfaos übergehen ihn, ebenM 
kennen ihn Simpl. de caeio nnd Proklos de Tim. nicht, die vielmehr 
als Urheber der Lehre von der Achsenbewej^ng der Erde Herakleides 
nennen, und wo bei Aetios diese Lehre erwähnt wird, steht Herakleides 
stets au erster. E. an zweiter Stelle. Gegen Rrhiaparelli, der ihn mm 
Scbfiler des Herakleides, also znm Zeit^renossen Theophrasts macht, ist 
einzuwenden, daß damals die pythagoreische Schnle <^Ho9cben war nnd 
pein angeblicher Lehrer Herakl. nie zn dieser Schnle ccreehnet wordeu 
ist. Wollte inau aber annehmen, E. habe zu den bei Laert. V 86 er- 
"wfthnten Pytliagoreern gehört, die Herakleides, etwa vor Piaton, ^bc>rt 
hatte, so bep^reift man ebenso wie hei Hoeckhs Vermnturit;, er sei ein 
Schüler des Hiketas und Zeiti^enos^se des Archytas und Piaton, nicht 
die Abwesenheit jeder biop:raphisehpn Notiz über einen nicht unbe- 
dentenden Philosophen, der mit dem Kicise Piatons, vielleicht mit 
Piaton selbst, in Beziehung stand. Selbst wenn maa voranssctzt, daß 
«ich Herakleides die Ansichten des E. angeeignet hat, so kann dorh 
von diesem kein Bach vorhanden gewesen sein, nnd Tbeophrast hat ihn 
nw dnrch HeraUeidef gekannt. Aller Wnlurscfaemlickkeit nnch war täm 



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Bericht Über die grieeliiiehea PUleeophea vor Sekratei. (Locttuig.) 225 

E. nur ^ erdiehteter oder geliehener Käme ftr HeriUeidee, wie 
TimaioB für Platon. TieUelcbt war der Name ^Exfovtoc daraif be* 
rechoet, eine •enthllUte** Lehre an beaeiehnen. — Den Sohlnß der Ab- 
handlmg bildet eine Veigleicbnnf der angebliehen Lehren den £. bei 
Hippolyt and AStins mit denen, die Berableidea beigelegt werden. 
Leider giebt T. hierbei die einaelnen Dogmen nnr in frnna9aiiefaer 
Übersetsung, ohne den griechiachen Text an eitleren, bo daß ea an 
einigen, offenbar verderbten Stellen nnklar bldbt, welcher Iiesart er 
folgt. Wie er a. B. bei Hippolyt 566. 19 an der Übenetanng gelangt 
iat: aCe qne va dire E., aera aeolement Texpodtion de aon opinion*, 
veratehe ich nicht; ttberliefert iat 6p(CM M &s vo{i(Cu; a. Jedoch die 
kritiiche AnmeriLang bei Dieb. — Die in dieeen beiden Abhandlnngeii 
entwickelte Hypotheae ist echarfUnnig eraonnen nud liat manehea An* 
sprechende; aber im ganaen mht de doch, wie hier nicht näher ana* 
geführt wetden lutnn, anf an nnsicberm Grande, ala daß man mit T. 
4en Schritt wagen dßrfte, jene beiden fythagoreer ans dem Bereiche 
der Wirklichkeit in den der litterarischen Erdichtung in mweisen. 

d) EpicharmoB. 

Über eiu Fiaerment dieses kaum der pythagoreischeu Schule zu- 
zurechnenden, jedeiifcUls nur lose mit ihr zusiimmeuhäno^enden Dicitters 
{über die Entstehung dir unter sfinein Nainen im Altertum verbreiteten 
Sprüche s. d is in Bericht 1 275 aus dem , Herakles" v. Wilamowitz- 
ÄlülieudoriU Angeführte) handelt 

229. £. Hiller, Zu Epicharmos. ^. Jahrb. f. Pli. 135 (1887) 

Für dai am vollatftndigaten bei Olem. atrom. IV 7, 45 erhaltene 
Brncbit&ck ftthrt Lorena Epicbarm 8. 257 anOerdem noch vier 6e« 
wAhramftnner an. H. weist nach, daß von dieien Orion ane Tbeodoret» 
dieaer aber wiedwom ans Qemena geachOpft hat, sowie, daß daa 
Oitat in Gramere Anecdota nnd daa bei Arsenloa ebenfalla ana Theodoret 
atammen. Daa Fragment kannte etwa nach 0. die Reste von zwei 
Tetrametern enthalten. 

«Uta 7ap dvBpwKwv ^uiic, 

di<3xoi <T'dlva>ne^o5iajiivoi 

(oder 6'.a-e^'jj'.a[xevot oder ivize<pü5ta|j.evoi). In bezog- auf den Sinn der 
Worte kommt H. zu keinem Ergebnis. An Pythagoreisches erinnern 
sie jedenfalis nicht; eher kitunte man in ihnen einen Anklang- an 
beraklitische Wenduiif^en iiudt n. (Auf das Verhältnis des E. zu Ueraklit 
•werden wir weiter iititen gelegentlich zu sprechen kommen.) Kine An- 
spielung auf dieses i^ragment findet Knaack coniectanea (1883) 8. I 
Jahresbericlit lOr AltertoiDSwiuenscbaXt. Bd. CXIX. (1908. I.) 15 



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236 Berieht ttber die grieebiselieD Pbiloeophen vor Sokntee. (Lorteiog.) 

(vgl. Wefibsniaths Ausgabe 6. 144) und vor ihm schon Bergk comm. 
JE^ohara. p. III hei TimoD fr. 34. 

fiiiieii bei Piatarch piofect. in virt. c. 3 S. 75 E eriialtenen, von 
Nanck zweifelnd nnter die Tragikerfiragmente (adeap. S78>) eiagewihten 
Yen: icp6c «iv8|a')} «ttpov TCBioBai, tt Rp&c iEttp<p 9Tdl8|iii)v mOchte 
OompeR Beitr. III (a. Ber. I 376) 8. 571 f. dem E. znachreiben; er 
o'klftrt ihn lo: •uuer Denken mnß rieb nach den Dingen richten, da 
die Dinge sich nicht nach nnserm Denken richten ktfnnen.* — Ebd. 
S. 568f. sndit Gomperz anch ein anf Xenophanes besflgUches Fr. Eplcbarma 
(s. Aristot. Metapb. 1010 a 5 nnd dasa Zeller 497,3) sn gewinnen. 

Bemerkt sei hier noch, daß den ans dem Index schol. Halens. 
Sommer 1868 in Bergks kleinen philolog. Sehr., beransg. von Pepp- 
mttller, Halle 1886 8. 863 ff. wieder abgedmckten Emendaüoncs Epi* 
chsrmeae I in dem Neadmck eine Randbemerkung Beigks sn Laert. III 
10 (Epicb. fr. B 40 Lor.) binmgeftlgt ist« nach der hinter v. 6 eine 
Lücke oder der Anfang eines nenen Oedicbtes anzunehmen ist. 

e) Diodoros von Aspendos. 

230. P. Tannery, 8ar Diodore d'Aspende. Arcb. f. G. d. Pb. 
IX (1896) S. 176—182. 

Diodor lebte wahrscheinlich in der 1. lüilfte des 4, Jahrliunderts 
[Cobet in No. 196 a setzt ihn spater anj auf Sizilien. Er war ein 
Hauptvertreter des damaligen Fythagorcisnius und zugleich durch wnnder- 
liclie KleidoDg nnd volkstüroliGhe Predigten ein Vorläufer des spätereo 
Kyuismos. 

D. Die Eleaten. 
1« Zar Kritik der Qoellen. 

231. P. iNatorp, Aristoteles und die Eleaten. Phiios. Moa.-H. 
26 (1890) S. 1—16 und 147—169. 

232. P. Hoffinann, Note sur Psendo-Aristote de Xenoph. Zeil. 
Gorg. chap. 3. Bev. de Tinstr. pnbl. en Belgiqiae 27 (1884) S. 21—34«. 

233. Aristotelis qn. f. de plaoUs, de mirahiUbns, mechanica, de 
lineis iosecabilibns, ventorom sltos et nomina, de If elisso Zeno- 
phane Oorgia ed. 0. Apelt. Lips. 1888, Teabner. 

X:itorp neigt sich der iu neaester Zeit öfter aasgesprocbene» 
Meinuuj^ zu , daß die Kritik des Aristot. und folglich auch (?) seine 
ganze Auffassong fremder Philosopheme sich gar zu engherzig von dog- 
raatischeo Voraussetzungen seines eigenen Denkens habe leiten lassen. 
Iu der vorlicgeaden Uuteräuchuug beschräuiit er sieb auf die Kritik 



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Beiicht über die ghechiscben Philosophen ^vor Sokrates, (Lortüog) 227 

der eleatlscben Philosophie, wie sie in Phys. I 184 b 25 — 187 a 11 * 
enthalten ist. Gleich der Anfang der Stelle läßt erkennen, daß die 
Eleaten seinem natui wisäenschaf tlichen Interesse nichts boleu und damit 
lür ihn schon so gut wie fzericlitet waren; ja 185 a 5 versteigt er si'ii 
Bo weit, ihre These mit solchen auf gleiche Stufe zu stellen, die, wie 
die These Heraklits. nur «des Wortes halber* und nicht in ernster 
Absi( lit anfgestellt worden sind. In seiner Beurteilun»- des el^alischeri 
ov geht er ohne weiteres von seinem System der Kategorien aus. Kr 
verkennt das eciite Motiv des Einheiusfjeiankeiis iWr Eleaten, die uie 
Einheit dos Begriffes forderten, und bezieht immer wieder auf die er- 
scheinende Vielheit, wa«5 vielmehr von einem aller Frsrheinang schlechthin 
g'egpnllberstehenden 8« in behauptet wurde. Die eleatische Lehre ieuguet 
nicht dit' \ lelhf'it des Seienden in der Erscheinung (?), sie bestreitet 
nur, daß das Erscheinende so, wie es erscheint, mich wahrhaft sei. 
Bei A. dagegen wird auf das Zeugnis der sinnlichen Wahrnehmung hin 
die 'p'j?'.; vorausgesetzt und ein ernster Konflikt zwischen dem durch 
die Sinne gegebenen und dem Einheitsgesetz des Verstandes nicht 
empfnndon. Bei dieser Grundverschiedenheit der beiderseitigen An- 
schauungen mußte er in seiner Polemik gegen das ov und das sv der ' 
Eleaten einseitig und augerecht werden. Wenn er ihnen z. B. vorwirft, 
daß sie ihrem h die beiden nach seiner Anffassong entgegengesetzten 
Prädikate des auve^sc nnd ddiaipetov beilegten, so ist dagegen einzuwenden, 
daß jene mit diesen Bestimmungen nicht dieselben Begriffe verbanden 
wie A. Sie dachten sich ebensowenig eine kontinuierliche, mithin un< 
endlich teilbare Baum- nnd Zeitgröße wie einen isolierten, absolut Qn> 
teilbaren Raum- und Zeitpunkt, sondern ein allgegenwärtiges Hier und 
eio ewiges Jetzt, d. h. ein Sein, das über alle endlichen Relationen 
des Baumes und der Zeit hinausliegt, gleichwohl aber und eben darnn» 
ei ne angebrochene Einheit, eine absolu te T o t a 1 i 1 11 1 darstellen sollte. 
Damit ist die ganze Argumentation des A. hinfällig nnd ebenso die 
Anwendung seiner Kritik auf die entgegengesetzte These des Parme- 
nides nndMelissos. Fairm. hat sich schwerlich eine begrenzte Aus- 
dehnung gedacht [trotz der Vergleichang seines ov mit einer Kugel?]. 
Sagt doch auch A. selbst (Metaph. 986 b 18) im Widerspruche gegen 
■eine Kritik in derPbysU^ P. habe das JBine dem Begriffe nach ver- 
standen. Freilich faßt er diese Begrifbeinheit wieder sehr oberflächlich 
nnd verwechseit sie mit der Einerleiheit der Wortbedentnng, während 
sie im eleatisehen Sinne tielmebr die Einheit des Gesetzes in der 
Xannigfaltigkeit der Erscheinnngen ist (?). Ein solches Mißventehen 
ist nnr dadurch einigermaßen begreiflich, daß man sich erinnert, wie 
der Mangel eines genanen begrifflichen Ansdmckes bei den Eleaten 
dem A. anstAßig sein mußte nnd ine die eleatisehen Btttse schon vor A. 

15» 



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228 Bericht Aber die grieehieeben FUloioplieii w Sokimtee. (Loiiiing.) 

von faMt ventebenden Naebfolgm wie Gorgiti, Lykophron, MeDt- 
demoe Terlttiiiii und in offenbaren Dniinn verkebit worden waren. — 
In der nun folgenden aosflUirlieben ErOrternng fiber die Kritik der 
yeTBcbiedenen Argumente dee Ifettesoa und Pormenidee snebt N. den 
nncb dnreb die InterpretationaTerraeho yon Brandis, Prantl, Laas n. a, 
Tielfach noch nicht anf||;ekiarten Beweiiganip des A. lestmitellen nnd 
dann bei jedem einselnen Punkte die Binseitigkeit nnd Befangenlieit 
des Kritikers dannthnn. Was Velissos anbelangt, so trifft Aristoteles* 
Kritik der Folgemng vom Nichtgewordenen anf lünmlieb TTnendUehes 
▼om formal- logisehen Standpunkte für den Fall nieht m, daß B nidit 
oin beliebiges Prädikat von A, sondern ein nnr ihm nnd keinem 
andern Subjekt mikonmendes ist. Aber anch in materieller Hinsicfat 
ist sie Torfehlt, insofern sie von der specMtseh aristotelischen Ansicht 
«nigebt, daO anch endliche Körper nnvergänglich sein kSnnen, vthrend 
Vel., wie Yor ihm Ansximaoder nnd nach ihm Oorgias, vorsoBsetet, 
nnr das Unendliche könne nngeworden sein. A. hat die GroBartigkeit 
der Konseption eines schrankenlosen Seins verkannt, weil es ihm nna 
die Bettonf sdnes endlichen Univennims zn thnn war* Wenn er fenwr 
bestreitet, daß ans der Einheit des Seieoden anch die Ünniüglichkeit 
einer qualitativen Verftndening folge, so konnte Hei. erwidern, daß 
solche VerllDderuog ebensogut ein Neuentstehen und Vergehen bedente 
wie eine quantitative VerlUideruog. Übrigens leugnen die dUo&tsic fast 
alle Philosophen nach Parm.. so EmpedolileB. Anaxagoras, die Atomiker. 
Sie alle fertigt A. kurz ab, indem er Dogma gegen Dogma setzt. 
Anch die drei gegen die Einheit des Parmenideischen ov gerichteten 
Argumente treffen nicht den Kernpunkt der gegnerischen Anffassuug, 
den transcendeiiten liegriff des Ansichseins. Besonder» das dritte Ar« 
gument beruht auf einer Vertauschnng dieses AnsichseiiiH njit dem ari- 
stotelischen Wesensbeeriffe und des Nichtseins der Ekateu mit einer 
beliebigen net^ativen Aussage. Das zweite Argument übt allei iings 
eine in gewi>sem Sinne berechtigte Kritik an dem ov des Parm. 
A. weißt nach, daß diesem, wenn es als substantiell Seiendes ge- 
dacht und ihm als solchem die EuiiieiL schlechtbiu zugebprochen wird, 
übeihaupt kein angcbharer realer Gegenstand mehr entspricht und 
somit die einzige Deutung, nach der sich der eleatische Satz etwa der 
I'unii nach aufrecht erhalten ließe, sachlich unmöglich ist. Aber der 
Pehler, dessen sich die Eleaten schuldig machen, steckt nicht in der 
Vernachliissi^^ung der logisch eo Grundsätze, wie A, annimmt, sondern 
in der lehlenden Einsicht in die Bedeutung des empirischen P'aktors 
der Erlcenntnis. A. dagegen geht darin fehl, daß er das iogische Ele- 
ment der Erkenntnis nicht niii herauslöst, sondern von vornherein mit 
Empirischem vermengt. £r vericeuat aucti hier grüudiich das nrsprüng* 



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Bericht Aber die gri«ehiMii6ii Flii!o8opbea Yor Sokntea. (Lortsing j 229 

Iteh kritiaelie MoÜ? der ctoatlsclieii Lehre «nd ersdteint sogar neben 
fltr bedenldieh imkritlMb. Vld richtiger alt A. hat SinpHeiu, dem 
Ja aach als Meaplatonlker die eleatiscfae .Transcendenslehre' hOchst 
(sympathisch sein mnfite, den eigeotlichen Gehalt dieser Lehre erfaßt^ 
Äe er Mmütig gegen A. In Sehnte nimmt. — Diesen Er5rtemngen 
liegt ja nnswtifelhafi der richtige Gedanke za grande, daß A. den 
ilteren Systemen nieht als objehtiver Beriehterstatter gegenübersteht 
nnd sie nicht rdn historisch ans ihrem eigenen Wesen heraus beurteilt, 
sondern UberaU den Hafiatab sehier eigeoen philosophischen Anffiusnng 
an sie legt. Man muß daher da, wo er Mhere Piiflosophen erwttnt« 
stets sorgfältig ontsrsehdden, ob er bloß historisch berichtet oder snb- 
jektife Kritik ttbt Aber, ide in diesem Berichte bereits gelegentlieh 
bemerkt worden ist, A. bleibt doch immer unsere wichtigste nnd an- 
▼erMsilgste <tinlle« auf die durch Vermittelong Theophrasts aneh die 
ganze spätere Doxographie surQckgeht Ihn ohoe die zwiDgendsteo, auf 
anderweitige vollgfiltige Zeugnisse sich stützenden Orfinde grober MiB- 
verstlndnisse nnd falscher Auffassung der Lehren seiner Vorgänger zu 
bezichtigen und gar den Simplicins gegen ihn auszuspielen, der in neu- 
platonischen Anschauungen befangen und za einer sachgemäßen Be- 
urteilung der wahren Bedentu]i^' seiner Vorgänger viel weniger imstande 
war als A., ist dnch ein sehr bedenkliches Verfahren, das sich nicht 
mit den Grundsätzen einer vorbichtigen Kritik vertiiigt. Dazu konjmt, 
daU die eigene Auffassung der eleatischen Lehre, die N. an die Stelle 
der aristotelischen setzt, stark subjektiv geftlrbt erscheint und mehrfach 
mit der Uberlieferung nicht im Einklänge steht Schon Suseniilil hat 
in seiner Bespreciiuug der Abhandlung (Fortschr. XIX, 1» B. 67, bli ff.) 
ti*efiend bemerkt, daß, wenn A. den eleatischen Qedanken nnhistorisch 
vergröbert, N. ihn uuhistorisch verfeinert, und daß die Zuverlässigkeit 
des A. doch wohl größer sein dürfte als die Natorps. Wenn N. be- 
hauptet, daß Parm. sein ov aU ein rein trans* t ndentales anfgefaBt habe, 
dem nichts Sinnliches anhafte, und daß er, wie später Piaton und noch 
entschiedener die Neui>latnniker, zwischen den vor^xa und den aijör^ra 
einen schroffen Untersi hicd ^^nnarht habe, so ist er dt n lleweis dafür 
schuldig' gebiiehen. Andere Forscher wie Zeller und beson d* "RHnnikrr 
(b. n.) betonen im (i» nsatze zu ihm in der Konzeption des .Seienden 
bei Parm. neben alier Abstraktion des Denkens scharf das siunlich- 
krjrperliche Element und mit vollem Hechte. N. bemft sich für seine 
Anlfassnng namentlich anf Parm. 8, 43 D. Aber den Ausdruck eva- 
Xi'7xiov hier so zu pressen, daß die Bezeichnung^ des Seins als einer 
kugelförmigen, den Raum erfüllenden Masse ledig'lich im bildlichen 
Sinne gebraucht erscheint, halte ich für unznlässip:. Es giebt hinreichende 
Beweise dafür, daß das £v des P. keineswegs, wie N. behauptet, nur 



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230 Bericht über die griecfaiscben Philosophen vor Sokrates. (Lortxiag.) 

in einer ne8:ativen Bczieliang: znm Ranroe ond zur Zeit stellt, d Ii. docU 
mit andern Worteo, daß ihm Ratun und Zeit ein Nichtstiendes waren, 
sondern daß er Bich sein Seiendes in der Tliat als ein den Raam er- 
füllendes, kugelt rinii,'es vorgestellt hat. Lf gt er ihm doch ansdrücklich 
eine Reihe positiver launilicher Bestimmimi^en bei wie Soveyec, ouXov, 
rcipata, rctvTodev Iiov (8, 49, ohne lünzufüguiig eines ivatXi'-fxtov!), r.a t 
IfxjrXsov lovTo;. Ebensowenig wird man eine Leuguung der Zeit bei P. 
annehmen dürfen. Auch bei Mel. hat schwerlich, wie N. meiut. die 
Grenzenlosigkeit den rein negativen Sinn, dafi das eine Seiende nicht 
darch Grenzen des Raumes, der Zeit oder der Zahl eingeschränkt ist. 
Vgl. Zeller 514, 1 über die Bedeutung von aiceipov und ;tE«pav9ai. 
Derartige Abstraktionen sind dem noch ungeübten Denken jener alten 
Philosophen überhaupt fremd. A. war demnach wohlberechtigt, die 
eleatische Lehre auch onter dem Geaichtspnnkte solcher Bestimmungen 
zu beurteilen, die aus der Erfahrung genommen sind, nnd that ihr 
damit keine Gewalt an. Noch weniger ist zu verstehen, wie N. ihm zum 
Vorwurfe machen kann, daß er die Eleaten, die doch selbst auf logisch - 
dialektischem Wege ihre Sätze beweisen wollten, mit den gleichen Waffen 
bekftmpft Daß er hierbei ihre Lehre vom Standpunkte seiner eigenen 
philosophischen Anscliaauog beleuchtet, ist, wie gesagt, nicht zu be* 
streiten, und für die Feststellong dessen, was sie thatsächlich gelehrt 
haben, sorgfölti; 2Q beachten. Ein .solcher Fall liegt z. B. 3Ietaph. 
986 b 18 vor, wo A. sagt, Farm, scheine das begriffliche (xatd tov 
X070V) ?v, Mel. das stoffliche (xata Tf|V (»Xi)v) erfaßt zu haben (arteiftai). 
Gerade weil A. hier seine Ausdrücke so vorsichtig gewählt hat, durfte 
N. am allerwenigsten diese Stelle als Zeugnis dafür benntsen, daß Parro. 
selbst sein $v als ein rein begriffliches anfgefaOt habe. 

Ober die Schrift de Uel. Xen. Gorg. (daß diese Reihenfolge 
nnd nicht die früher übliche nnd noch im Titel von Ko. 239 festgehaltene 
die richtige Ist, steht jetist fest) sind während der Berlehtszeit, abgesehen 
von zwei nnter Xenophanes nnd Ueliasos an besprechenden Abhandinngen 
F. Kerns nnd Apelts, keine eingehenderen Untersnchnngen angestellt 
worden. Die EriSrternngen Zellen über die Bedeutung der Schrift als 
Qnelle fDr die Erkenntnis der eleatischen Philosophie haben daher In 
der neuesten Auflage der Phil. d. Gr. nur einige, meist onerhebliebe 
ZnsKtce erhalten, Ben wichtigsten Beitrag hat Diels Dozogr. 109 ff. 
geliefert. Daß er ans sachlichen wie sprachlichen Orflnden den mit 
besonderem Nachdrucke von F. Kern b^aupteten theopbrasüschen Ur- 
sprung bestreitet, Ist bereits Ber. 1 160 bemerkt worden. Die Annahme, 
daß Theophrast der Verfasser sei, erscheint hiemach ausgeschlossen. 
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, in welcher Zeit etwa die Schrift 
entstanden sein mag. Diels hat Dox. IIS aus dem Zeugnis des anf 



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Beliebt fiber die griediiaeben Pbilosopliea Tor Sokntee. (Lortiliis«) 831 

Hermippoft tnrfiekgelieadeii T^neichnJaws der aiistoteUfloheti Sebriften 
bei Laert. V S5 sowie an» einzelnen ein luvertSlacbt peripatetiacbes 
Oepiüge tragenden Anadrttciten gBaebloBaeo, daß aie tiifiht apftter als in 
4aa 3. Jabrbnndert Chr. gesetzt werden dfirfe. Diese Heianng liUt 
er Jetzt in der Vorrede (8. 10 IT.} aeioer Anagabe der Schrift (Berlin 
1900) nicht mehr anfreebt, sondern sncbt es wahrscheinlich sn machen. 
4aß sie etwa dem 1. Jahrhundert y. Chr. znznweisen sei. Näheres 
hierttber wird der nächste Jahresbericht za bringen haben. — Eine 
sonderbare Yermntnng hat Bergk Or. Litt-Geseb. Ii 419,24 äber 
den mittleren Abschnitt des Werkes anagesproehen: dieser beziehe sich 
Dicht anf Xenophanes, sondern anf das System eines jftngeren unbe- 
kannten eleatischen Philosophen nnd erweitere so unsere Kenntnis der 
Forschnngen dieser Schule. 

Hoffmann macht zu zwei Stellen, 977a 33 nnd 27 Verbessemngs- 
vorsehläge, die weder Apelt noch Dich in ihren Ausgaben erwähnen. 
Daß sie Biels flberbanpt nobekannt geblieben sind, geht daraus hervor, 
daß er Z. 32 dieselbe Lesung wie H. nach eigener Vermutung in den 
Text gesetzt hat. Die Stelle lautet nunmehr: Cmv <vt«»v odx Sv 

i'fwt (sc Otou;) dt 00 9tt9(v (fuat|t R in ras., ^unv L) Sctv sTvon xpertiorov 
(Bergk [s. n.] streicht 8«v). Durch diese, wie es scheint, sichere Ver- 
besserung ist die Bonitzsche, von Apelt gebilligte Annahme einer Lücke 
blnfiUlig geworden. 

Einige wenige Beiträge zur Teztgestaltnng finden sich auch In 
Bergks Kl. philol. Sehr. II, wo sie Peppmäller S. 107 Anm. zu der 
ans einer ITniversitätsschrift (Harburg 1843} wieder abgedruckten Ab- 
handlung de Aristotells libello de Xen. Zen. Oorg. nach Bandbemerkungen 
Bergks zu der Hnllaehschen Ausgabe der psendoaristotelisehen Schrift 
mitteilt. Bei Apelt und Dlels sind auch diese Konjekturen unerwähnt 
geblieben. Eine von ihnen (zu 977 b 3): xsl <S'|&otov x«l> o^itpoii^il hat 
Diels als Vermutung Wendlands bezeichnet und in den Text aufgenommen. 

In Apelts Auagabe ist auf grund einer neuen Kollation der 
besten Handschrift» des Lipsieosls, der Text unserer Schrift, verglichen 
mit dem bei Bekker und MuUach, in stark veränderter und vielfach 
verbesserter Gestalt erschienen. Daß A. indessen oft nicht das Bicbtige 
im LIps. gelesen bat, bemerkt Diels in der neuen Ausgabe S. 4. Vgl. 
die Bezensionen von E. Richter D. L.-Z. 1889, 123 ff., Wohlrab 
L. C.-Bl. 1889, 1236 f. nod B. KQbler Berl. Fh. Wsclu-. 1890, 1361 it 

2. Zar Lehre der Bleuten. 

Als einzige gejsunderte Untersuchung über die eleatisclie Schale 
in ihrer Gesamtheit ist za verzeichnen; 



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882 Bariebi Uber grieohiaebtn Pblloaopheii fw Sokntof . <LortiiiiK. J 

234. S. Ferrari, 0411 Eleati. Roma 1892. 4. 92 S. (Sonder- 
•bdrack m Ken. deU» B. Accad. dei Lineei. Ser. 4a toI. X ptrt 1 a 
S. 68-144). 

Nach einer gedrängten, aber sehr klaren Übersicht über die 
Quellen, die Entwiehelnng and Bedentong der eleatischen Sehale« vobei 
Tannerys von der Mehrzahl der Forscher abweichende Meinung (s. Ber. I 
255 f.) kurz zusammengefaßt wird, wendet sich F. der Betrachtung der 

einzelnen Eleateh zu. In der Streitfrage, ob Xenophanes Monotheist 
gewesen sei, stellt er f-ich ganz auf die Seite Freudenthals (s. n.). Sehr 
i;'in{,'eheiid erörtert er dann die Euch vervvickeltcre Frage, üb H. seia 
Ali kugelfSnnIg und begrenzt oder unbegrenzt genannt hat. Nach einer 
Zusammenstellung der verschiedenen, zam Teil einander scharf ent- 
gep:engesetzten Lt^sungen von Zeller, Diels, Ritter, Überweg, Bertiui 
(La lilosofla greca prima di Socrate 103 f.*), Tannery und Chiappelli 
weist er zunächst die Annahme von Diels Doxogr. 109 ff., Theophrast 
habe daa Sein des X. begrenzt genannt, habe sich aber selbst durch 
die vorgefaßte Meinung, die Lehre des X. müsse irgendwie die dee 
Parm. in sich enlhakon, täuschen lassen, als allzu kiilm und unsicber 
zurück. Ganz ablehnend veihiUt er sich gegen Tannery, der die Zeug- 
nisse und Thatsaclien vergewaltiRt habe zu gunsten seiner unbewiesenen 
Voraussetzung, nach der X. von der Unendlichkeit der Welt ausge- 
gangen sein soll, um seinen Vorgängern ein neues Weltbild entgegeo- 
zusetzen. Er selbst ist der Meinung, X, koiiue sehr wohl bald von 
der Kugellörmigkeit, bald von der Ulibegrenztheit gesprochen haben, 
je nach dem Gedankenzusammenhfinpe, vielleicht auch in verschiedenen 
Werken. So mochte er die Gottheit unbegrenzt nennen, da 
nichts vorhanden sei, was sie begrenzen könne, dagegen die Welt 
kugelförmig und daher in gewissem Sinne begrenzt. Doch ver- 
kennt Verf. nicht, daß iiiermit Fr. 12 K. im Widerspruche steht, 
und kommt schließlich zu dem Ergebnis, daß sich X., wie schon 
Aristot. bemerkte, nicht klar über diesen Punkt ansgesprochen habe. 
Aber damit ist der Widersprncii nielit beseitigt, sondei ii nur verschleiert. 
Wenn X. nach der Aussage mehrerer Zeugen, darunter Ps.-Arist. d. Mel. 
und Simplicius, von denen der letztere vielleicht auf Theophrast zurück- 
geht, sein ?v kngeltorraig genannt hat, so vertragt sich damit nicht die 
llnbegrenztheit, die in Fr. 12, wenigstens nach der gewöhnlichen, auch 
von F. angenommenen Ausle^niig (über eine andere weiter unten), deut- 
lich aosgesprocheu wird. Hier kann man nicht mehr von Unklarheit 



*) Die Existenz dieser Schrift ist mir erst darch Ferrari bekannt 
geworden. Zugänglich ibt sio mir nicht gewesen. Sie gehOrt in die Reibe 
der Ber. 1 254 besprochenen Werke. 



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Sericht über die griecbisclieii Philosophen ?or Sokrate«. (Lortsiog.) 233 



reden; es stehen sich vielmehr zwei miteinander unvereinbare Auf- 
faunagen schroff gegenüber. Allerdings bezweifelt F. später in einer 

Darstellung der Kosmologie des X., ob die Nachricht von der Kogel- 
förmigkeit und Begrenztheit des Alls der Wahrheit entspreche; wenn 
sie nicht geradezu erfunden sei, so Labe sich X. vit] leicht nur meta- 
plioiisch üiler in einem poetischen Bilde ans^fedrückt. Dieser Zweifel 
Ifrüudet faich darauf, dai] sich die K iif^clg-esialt itiiL dem von F. im 
Anschloß an Cbiappelli vuruasgeHeLzLea Weltbilde des X. nicht vereinen 
läßt. Üb aber dieses Weltbild in der Tbat das des X. ist» muß bei 
der Dürftigkeit nnd Unklarheit der Berichte dahingestellt bleiben, 
tiberhanpt sind, wie F. zugesteht, fast alle Nachrichten Ober die pby- 
alkalischen Lehren des Kolopboniers nnsicher und zweifelhaft. Auch die 
verschiedeoartigeD Versoche, den in den Fragmenten erkennbaren Gegen- 
satz zwischen dogmatischer Zuversicht und einer gewissen Art von 
Skepticismus aoszQgleichen, sind dem Verf , wie mir scheint, nicht ge- 
glückt : wir müssen uns damit begnügen, daß die Fraorm^nte diese 
doppelte Tendenz zeigen, die wir nicht erklären kuuueii. ~ In dem 
Abschnitt über l' arme nid es sjjriiht sich F. für die Glaubwürdigkeit 
der t hroiiulogischen Angaben iji i^iatons Parm. ans nnd setzt demgemäli 
abweichend von A^ullodor ('s. Ber. I 200) die (rebuit des F. etwa in 
514 und läßt sein W'eik mit i bemeL: ^eg-eu 47U entstanden sein, in 
bezog anf die Auffassung des parmeuideischen Seins schließt er sich 
völlig an Biiiimker (s. ü.) und Tannery an Dieses Sein ist nicht ein 
ii3et:\jdiybis(:her, sondern ein physischer Beg^iiff, der von der Binnlichen 
Anschauung ausgeht; es ist etwas Körperliches, die Substanz des Uni- 
veisums in seiner Totalität. Wäre es immateriell, so würde an« 
Fr. 8. 37 ff, D. die absolute Nichtexistenz der Welt folp^en, was im 
WiderBpruch mit den Vorstelluni^en seiner Zeit und vielen anderea 
Stellen Peines Qeriirlites stände. Die physischen Attribute des Seins 
haben nicht etwa nur symbolische Bedeutung, sondern gelten im strengen 
und positiven Sinne. Ebenso falsch ist aber auch die Meinung, daß 
Dach P. die Welt ewig nnd unveränderlich sei. Man darf weder das 
innere nnd absolute Sein mit den Erscheinungen verwechseln noch es 
allzusehr von ihnen trennen, indem man seine Räumlichkeit leagnet. 
Die Stellang des P. ist eine mittlere zwischen diesen beiden Auffassungen. 
£r leagnet das Nichtsein nnr im Verhältnis zum Sein, nicht verwirft 
er es absolnt; sonst hätte er nicht selbst eine Kosmogonie entwerfen 
können. Seine ganze Ao^a ist zwar hypothetisch, aber diese hypothetische 
Darlegung ist daram nicht ohne Wert; nicht zum SpaHo entwickelt er 
die „Heiniiogen der Bterblichen*'. Er will nicht die Welt der Er- 
scheinungen überhaupt beseitigeo, sondern scblieüt sie nnr aus dem Ge- 
biete des vernünftigen Wissens ans. Von den notwendigen Wahrheiten 



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234 Bericht über die griecbiselieii Philosophen vor Söhntet. (Lortdng.) 

unterscheidet er die mehr wahrscheiDlichen Yermutongen, die damni 
DOck nieht falech m «ein brauchen (äholieb Tanoeiy). — Diese Aiis- 
führangea enthalteo ja manches Richtige — dazu gehört u. a. auch die 
Bekämpfang der Ansieht von Zelier [schärfer noch JHels], daß P. in 
der Mia nicht seine Oberzeugiiiiiff, sondern die Melnnogen anderer 
Philosophen vortrilgt; die Meinungen sind die der Sterblichen Qberhanpt» 
von denen aicb P. selbst nicht antnimmt — ; aber im Grande ist doch 
die AafTassQDg FeiTaris nichts als ein scbwftchliches Kompromiß, daa^ 
wie sich s^ter seigen wird, die Ontologie der Eleatea in ihrem 
innersten Kern zerstört nnd mit bestimmten Aussprüchen des Gichten 
in Widenprueh steht. — In bezng anf die beiden Gegensitw des 
Lichtes nnd der Finsternis nimmt F. mit Tanneiy an, daß jenes nieht 
mit dem Sein, diese nicht mit dem ÜTiehtsein za identifisleren sei; die 
gegenteilige Aaffassnng beruhe auf einem Missverstftndnis des Aristot. 
und Theophrast (?;; die Einfobning der alles leitenden Göttin im Kittel« 

. ponkte wäre Überflüssig, wenn nur das eine Priitsip des Seienden wäre 
und also nach heraklitischer Art das Feuer alles hervorbrächte und 
umwandelte. Er ist ferner der Meinung, daß P. von den l^thagoreem 
manche kosmologischen Lehren übernommen bat, so ss. B. die von der 
Kugelgestalt, von den fünf Zonen der Erde und von der Identität des 
Morgen« nnd Abendslernes [aber ob die ältei'en P^thagoreer oder gar 
Pythagoras, wie Verf. behauptet, diese Lehren bereits aufgestellt haben, 
ist mehr als zweifelhaft], während er ihre Gmndthese, die Gegensatz- 

, lehre, bekämpft nnd sich mit seinem Monismns gegen ihren Bsaliamus 
wendet. Ebenso stellt er ohne Zweifel dem beraklitischen Werden 
seine Unbew eglicbkeit entgegen, und Zeller irrt, wenn er jcdo Polemik 
des P. gegen den Ephesier bestreitet. — Über die Erkenntnistheorie 
des P. bemerkt F. zntreffend, daß dem Eleaten die Verunnft und die 
Sinne, wenn er sie auch einander gegenüberstellt, doch gleichen Ur- 
sprungs nnd Charakten sind; was denke, sei immer die körperliche 
Katnr; einen Unterschied zwischen a^^cnc und ippovr^su gebe er nicht 
an, obwohl die Entgegensetzung von Wahrheit und Meioang einen 
solchen voraussetze. Die extreme Auffassang Taunerys. der jede Kon- 

, tlDuität zwischen P. nnd Xenopbanes leaguet, weist F. mit vollem 
Kechte zurück. Das göttliche Eine des einen und das Sein des anderen 
hängen eng miteinander zusammen, nur daß F. nicht von religiö^n Ge- 
fühlen geleitet wurde, sondern die Natur erforschte. Büide legen ihrem 
Priiii^ip ^(.wibac AtUiLulü gemeiusam bei, und beide bedienen sich 
f^irichi r J jeweggründe. — Als Anhnuja: ist die-eni Abschnitt eiue lu- 
haUsaugabi; de:, j/latonischen Farm, bci^^ctiigt , deiSeu I tialcktik sich, 
wie r. iirliti:,'- uusiiiliit, vuii der Dognialik tiv's W \'6\h^ eutfernt. — 
Xü dem Abscimiilü iiber Zenon bemerkt F. zunächst, daii von den 



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Beriebt über die grieebiBebeii PbilMopben vor Sokntet. (LoitBing.) 235 

Tier bei Saidas angeführten Werken sicli drei auf dat von Platoo opd 
Aristot. Bieber bezeogte au-f-p2{ii(xa zurückfahren lassen« das vierte da- 
gegen: 'EE7]7r^3etc 'E}Aict^xXeouc scbwerlieb vonZ. verfaßt sei. Anders 
nrteilt Biels (s. u.)- Unter den Argamenten gegen die Vielheit nnd 
die Bewegung ist von besonderer Bedeatong das von dem Bandhaafeo« 
in dem die Träglicbkeit der sinnlichen Wabrnebmnng nacbgewiesen 
wird. Wenn aneb die Keinuig des Simplicias, daß dieses Aignme&t 
gegen den bekannten Satz des Protagoras gerichtet sei, historisch un- 
sicher ist» so zeigt sieh doch hier der Oegensats der voa jenen beiden 
Fhilosopheii vertretenen Biehtnngen: Prot, verwechselte die Slnneser- 
scbeinnng mit der realen Ursache; bei Z. ffibrt der Nachweis des 
Sinnentrugee von selbst dazn. daß die Wahrheit nnr dem Denken an- 
geschrieben werden darf. In der Detonnog des hohen Wertes der 
Zenonischen Beweise nnd in der Darlegung des innersten Hotives ihrer 
Polemik stellt sieh P. vollkommen anf die Seite Tannerys (s. Der. 1 956). 
Z. habe lediglich nachweisen wollen, daß die pythagoreische Anffassung 
der Dinge als Zahlen d. h. der KOrper als einer Snmme von Punkten 
zn unlösbaren Schwierigkeiten fQhre nnd es mithin keine Vielheit gebe. 
Die zweite Beihe der Beweise riehte sich nicht gegen die Bewegnng 
an sich, sondern gegen die Möglichkeit einer Bewegung unter Voraus- 
setzung der Vielheit. Diese Hypothese jedoeh ohne Einschräoknng 
gelten zn lassen, muß dem Verf. bedenklich erschienen sein; wenigstens 
achwlleht er sie durch die Bemerkung ab, sie schließe nicht aus, daß andere 
und vieUeichtZ. selbst später [also doch wohl in einer zweiten Schrift?] diese 
Beweise auch gegen die ionischen Physiker nnd Heraklit gewendet hätten 
und daß sich Z. ihrer bedient habe, um indirekt auch die ijnbeweglich- 
keit des Seins zu stützen. Ich kann darin nur einen mißglückten 
Versuch sehen, die neue Auffassung mit der filteren, anf Aristot^ zurück- 
gehenden zu vereinigen. — Der letste Abschnitt beschäftigt sich mit 
den Beweisgrttnden des Kelissos. Die schwierige Frage, wie die in 
einem Fragmente dieses Jmiosophen enthaltene BehaDptang, das Sein 
sei nnkürpcrlich, mit der sonst von ihm vorausgesetztoi Räumlichkeit 
in Einklang zn bringen sei, sucht F. Im Anschloß an Chiapp^i durch 
die Annahme zn Idseo, daß M. älinlich wie Arist. zwischen Stofflich- 
keit und Körperlichkeit (uXt) und 0(u(xa) unterschieden and die Substanz 
zwar als stofflich, aber nicht als körperlich bezeichnet habe, während 
Parm. das Sein nur insoweit ins Auge faßte, als es denkbar ist, ohne 
Beine Körperlichkeil zu bejahen oder zu verneinen. Danach hiitte M. 
einen Schritt weiter zum Idealismus lau gethau. Hiergegen ist einzu- 
wenden, diß wir eine solche Feinheit der begrifflichen Unterscheidung, 
für die es in der yorhokratischen Philosophie kein Heispiel giebt, am 
allerwenigsten bei einem Philosophen sncken dürfen, den Arist. |uxpov 



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236 Barieht Aber die grieehiicheB Fhilotaphen vor SokntM. (LoitdsK.) 

dTpoixtfttpoc oeimt. Aiieh wlre es doch hOehit «mderbar, wbdh H. 
Id dem beniehDeCen Fr. (12) den Amdraek gebraneltt haben 
iollte, mn damit etwai yon der gewSbnUelieii Bedentnn^ des Wortes 
gaiui Venehiedenes sv besdehneii. Des weltecen lelgt daß sieh M. 
aaOer in den Beweisen Ar die Binmlldikeit des Seins [F. vergütt hier 
die von M . im Qegensatse zn Paiu. angenommene Unbegrenstheit zn 
erwShnen] nicht von seinen eleatiiehen yorgftngem entfernte; nur fttgte 
er noeh In F^. 17 den Beweis fBr den inneren Widen>pmeh der Sinnen- 
erkenntnis hinsn. Endlieh weist er noeh hhi anf die Beelnflnsnog der 
Argumentation des M. durch Leakipp, anf den er mit seiner Lengnnog 
des Leeren angespielt an haben schefait, nnd dorch Hertklit, an dem 
er dnrch die HinsttfOgnog der nenen Negation: ,,niehts Seiendes kann 
seine BeschaiFenheit indem* in scharfen Oegensats trat. — Am Sehlnsse 
fa0t F. das Hanptergehois seiner Abhandlnog so snsammen: Es voU- 
aleht sieh ton Xeaophanes an Uelissos ein allmihlieher FortschrtlK snn 
Idealismns. Die eleatische Lehre ist Ihrem lolmite nach realistisch» 
aber In hesng anf ihr dialektisches YeriUiren idealistisch. Die Er- 
kenntnistheorie war nicht ihr Ausgangspunkt« aber ihre Konsequenz. 
Indem die E3eaten das Dogma von der Beharrung der Substanz aus* 
bildeten, deuteten sie damit snglelcb den Oegensats der Phlnomena nnd 
Noumena an. So sind sie die Voriftafer der Sophisten, des Sokrates» 
Flaton und Aristoteles, ebenso aber auch des Empcdokks, Anazagma 
und der Atomiker geworden und haben auch anf die Megariker nnd 
Skeptiker eingewirkt. Auch anf die Pjthagoreer übten sie in dem 
Sinne Einfloß, daß diese anfingen, die mathematischen Begriffe von 
Jedem 8to£fliclieQ Elemente zu befreien. 

3» Xenophaaes« 

S35. SUIographomm graeeomm reliqulae, recognoTlt et eoamvit 
C. Wachs mnth. Frseeedit commentatlo de Timone Fhliaslo cete* 
riiqne siilogiaphis. Lips. IS^, Teohner. (Gorpusc. poteis epicae 
graeese Indibundae fasc. II.) 

286. Anthologia lyrica sive Ijricorom graeconm praeter Flada- 
mm reliqniae potiores. Post Th. Beigkinm [*ed. III 1883] qnartum 
edldit *E. Hill er. Lips. 1890, Teubner. Exemplar emendavit atqne 
noTls Solonis aliommqne frogmentis auxit 0. Crnsias. Ib. 1897. 

SS7. F. Kern, Zn den Quellen Ar die Philosophie des Zeno- 
phanes. Progr. des Stadtgymn. 20 Stettin 1877. 10 8. 4. 

2ub. O. Cruäius, Ein Lehrgedicht des i'iuurch. iiii. ^us. 39 
(1884) S. 581 ff. 

239. F. Dummler, Zu Athenaios IV p. 174 f. KU. Mas. 42 
(1887) S. 139 f. 



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Bf riebt Uber die gvieehiiehen Pbiloioph«a m Sokntai. (Lortxing ) 237 

S40. O. Immitcli, Zu gtieehiicheii Dichtern. PhOoL 49 (1891) 
8. 208-213. 

*24I. J. Tbill, X^Qopbane de Colopbon. Laxemboarg 1888. 
\ gl. Tanneiy, Arcb. f. G. d. Ph. V (1891) 8. 139 ff. 

*242. £da77eXt6y)Ci Hcpl Htvo^^avouc In: Scvo^av/jc, mffpa\i.]iai 
zepioStx6v xoo «uX^^pu xwv Mucpaaiattttv „'AvatoXijc^* lö96. H. 1— '3 

S. 5 fr. 

243. J. Freodentbal, Über die Theologie des Xen. Breilao 
1886, Köbaer. 48 & gr. 8. 

244. £. Zeller, 'H^tiMvui nnd StsieonCi bei Xen. Arcb. II (1888) 
8. 1-4. 

245. J. Fr enden thal, Znr Lehre des Xen. Ebd. 8. 892—347. 

*246. S. Fimiani, Alcuoe cüusideraziooi sulla teoria della 
coDOscenza in Senofane. Riv. ital. di Filosofia II (1888) S. 293 Ü. 
Vgl. Glnappelli, Arch. V, 425 ff. 

*247. A. Chiappelli. Sopra ima opiuioDe fisi^ i di Scnofaoe. 
Äendicoriti dell' Accad. dei Lincei ser. IV Tol. VI fasc. 4 S. 89 -95. 

248. H. Berger, Untersucliangen über das kosmische System 
des Xeo. Ber. d. sächs. G. d. Wiss. 23. April 1894 S. 15—63. 

249. H. Diela, Über Xen. Areh. X (1897) 8. 580—535. 

Wir beginnen mit der Beeprechnng der beiden Fragmenten- 
eammlnngen der Ljrlker nnd der Sillographen, in die die Bmobittteke dea 
X. TolleUUidig oder teilweise ao^nommen Bind. Beiaeite lasien wir die 
4. Ausgabe der »Ljrlcl poetae Gr.* von Bergk, vol. II, Lipo. 1882, 
Tenbner, nnd die 4. Anflage der ^Anthologie ans den lijrikem der 
Griechen* von £. Bnchhols, B. 1, Leipsig 1886, Tenbner, die nnr die 
elogischea nnd lambisehen Fh^pnente entbalt«i. Ober Bergks Ans- 
gabe bat £. Hiller Fortachr. 34 (1883) 8. 249 f. und fiber die Bnch- 
holzache Sammlnng derselbe Fortschr. 54 (1888) 8. 137 sowie J. 8it8ler 
Berl. Ph. Wschr. 1887 8. 357 ff. berichtet. An der erstgenannten 
8teUe bespricht Hiller aneh "^A. Franco, ün elegia di 8enofane eon la 
versione e il commento, Padova 1882,*) nnd *W. Clemm, Zu den grie- 
chischen Elegikem. K. Jahrb. f. Ph. 127 (1883) 8. 1 ff. — Hhigewiesen 
sei hier aneh anf Gompera, Beitrilge III 8. 568 f.» wo an fr. 3 B. 

20 K. 8 H.) 6 statt dtfxntoia ddfii^y vermntet wird: imct^ttnm 
x^fiT)v, nnd anf V. Wilamowiti, Parerga Herrn. 14 (1879) 8. 162 ff., wo 
einige VerbesBernngsvorschlflgo snFr. SIK.^IH. gemacht werden; der 

*) Von demselben Verf. ist verOffeDÜicbt worden: *Un frammento di 
Senofane, rerato in ver<?i itaiiani, Mantofa 1881. Ist diese Schrift rieUeiebt 
ideotiicb mit der obigen? 



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238 BericLt über die guocbiächtiu Philo&opheD vor Sokrates. (Loruiug.) 



«iefatlgste unter ihnen Ist der ZD T. 18: (ji^ rdfvu 70 paXloc statt xrtpsXtoc» 
der wohl veidlent hfttte« von H!Uer*Cnulua aofgeuommen zu werden. 

Wachamntb hat in seiner Aasgabe der Sillograpben, aus der 
bereits im Ber. I ISd der Abschnitt über die handschriftliche Über«^ 
Uefemog des Laertios erwfthnt worden ist, die fon ihm 1859 verSlFent- 
lichte Schrift de Tinone FhIla«io wesentlich ergftnzt and verbessert, 
a E. Hiller D. L.-Z 1886, 472 ff., Crfnsius) L. C.-Bl. 1887, 279 f. 
und M. Beinze Fortschr. 50 S. 89. — la der den Fragmenten voraus- 
geschickten UntersQcbnng wird über X. auf S. 55— 6i gebandelt. An» 
sechs sicberen Zeugnissen, von denen eins der wichtigsten bei Laert. 
IX 18 steht (W. schlägt hier vor, in den Worten v^Tpaf^ dk l, z-t7t 
xal iXK7ei'ac xotl Wjißou; xali' 'lls/yoov zu lesen: xai i\t-(tio'.; oder 
besser noch: xal <6i*> ilE-;s.!.ii), ergiebt sieb, dali X. lu seinem 
hexametrischen Gedichte die Dichter und Philosophen hauptsächlicli 
wegen ihrer verkehrten Auffassung der Götter verspottet hat Dieses 
von X. selbst mit keiner t.'berschrift versehene Gedicht haben einige 
Grammatiker, offenbar wegen seiner Ähnlichkeit mit den Sillen Timons, 
als j'ÄXoi, andere als taix^oi', wieder andere als naptpStai bezeichnet. In 
betreff der letztgenannten Bezeichnung ist W. nicht im Zweifei, daß 
das unter diesem Titel bei Athenaios II, 5 i E angeführte Fr. 3 
(17 K. = 1 H.) den Sillen des X. entnommen ist; wie die erhaltenen 
Verse den vv. 19. 20 der 1. Elegie (21 K. = 1 H.) entsprechen, so haben 
vernintlich auch die dai*auf folgenden Verse den vv. 21. 22 derselben 
Elegie entsprochen and enthielten somit einen Tadel derer, die über 
die Götter unwürdige Fabeln erzählt liaben. Fest steht auch aus 
Laert. a. a. 0. nnd anderen Zeugnissen sowie einzelnen Fragmenten, 
daß X. in den sogenannten Sillen die Philosophen 1 iialos, Pi'thaguras 
und Epimenides (?) und die Dichter Homer und ilesiod angegriffen hat. 
ilillcr a. a. O. stimmt dem in bezug auf die Verspottung von Dichtem 
in vuu'ui Rillenmftl.!iG:en (iedichte bei, bezweifelt aber, ob sich die An- 
grifle des X. auch gegen Philosophen richteten, Wenn W. auf die 
„oiXXot" auch die Bemerkung bei Laert. a. a. ( > : / iha-^/asrOat %j\ 'Etvijjls- 
vfÖoü bezieht und dabei an die Theogonie des Kpimenides denkt, so wiid 
dagegen mit Recht von Hiller eingewendet, daß das (jedicht, das den 
Namen des Epimenides trug, nicht so alt war, daD es dem X. bekannt 
sein konnte; auch konnte Epimenides in einem hexametrischen Gedichte 
nicht mit Namen genannt werden. Anch die Vermutung WaclismutUs, 
daC X. in den »Sillen" homerische Verse parodisch angewandt habe, 
erscheint H. als unsicher, da von einer solchen Anwendung in den 
erhaltenen Bruchstücken nichts zu spüren ist. — W. wendet sich dann 
gegen v. Wilamowit«, der im Commentariolnm grammat. Ii (Ind. 
scbol. Giypbiswald. 1880/^1) & 7 in Fr. 5 K. = 30 H. ein neues Bei- 



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Bericht über die griecbiachen Philosophen vor Sokrates. (LorUiog.) 239 

spiel voD lambeo. die heroischen Versen beiffesBischt sind, sn finden 
glnnbte nnd sich dabei anf eine ähnliche MisehnDg im Anfange dee 
Uaigitee bemft,. der gleiehfisUs von einen kolophonischen Dichter her* 
rflhrte. W. bemerkt Uemn, daß im Vargites ebenso wie in den Versen 
des Kameades bei Leert. IV 63 anf mehrere Hexameter ein iambischer 
Senar folge, die nmgekehrte Beihenfelge dagegen nirgends nachweisbar 
sei nnd eine solche Spielerei sich nicht mit dem wQrdeTollen Ernste dea 
X. vertrage. Anch stamme das Wort ^evviffdftt im 1. Verse schwerlich 
von X. seibet; vielleicht habe CSlemens AI., der das Fr« anführt, hier 
den Inhalt mehrerer Verse «nammengezogen, nnd es sei etwa m 
schreiben: „iXXd (st. dXX* ot) ßpotol doxiotm* iftwasSat 8touc, [ rr^v 
«rcTe>T)v 8* iabr^ta n. s. w. Vgl. anch 8italer Fortsehr. 75 (1893) 8. 127» 
der aber zn weit geht, wenn er Hiller tadelt, daß er die Verse in die 
Sammlneg der Fragmente aufgenommen habe, da sie mit X. kaum 
etwas zn tbun hätten. Anf W. dnrite er sich hierfiir niclit berufen, 
der sie nur aas der Reihe der Sillen gestrichen, nicht aber dem X. über- 
haupt abgesprochen hat. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, daß FreuJen- 
thal in der Abb. No. 243 S. .'U im Gegensatz zu W. mit Karsten und 
Jirandis annimmt, X. liabe überhaupt keine Sillen vcrfaCt. — Was dit> 
Sammlung der Fjagmente bei W. bctriflft, so weist naLiiriich der Text 
in der neuen Ausgabe, verglichen mit der früiieren, vielfache Ver- 
Undernn£>-en auf.*) In den aul die vorsokratischen Philosopben bezüglichen 
J ragmeiiten Timons sind folgende Neuerungen bemerkenswert. Fr. 3- 
(Qber Parmenides) v. 2 äno -pavtaaiTjc ir:dxy\i (früher inl ^aviajir,; 
^Tcatac). Fr. 5 (öber Zenon) ist jetzt am Schlnsse mit Meineke ^t^vo- 
jxevov hinzugefügt. Fr. 29 (über Heraklit) nach Nauck £::ixoxxa»-:rjC 
(fiüher ?vi xojtxujxr,; uach den Uss). Fr. 40 (über Xenophaues) v. 2 
nach Fabricins ixxöc d^' dvUptuitoiv (früher oc tov <djravl>r;fL..-ov^ 
Rergk opp. II 78 Sv tov dtiiavi)pu)jT'>v); v. 3 ist di*5 Lücke jetzt uuaus- 
gefüllt geblieben: im Kommentar schlilet W. statt des früheren ?' dln«8^ 
vo!': iJtovaot ofier t' iiei oder t:afirav; iJiels in der u&ter No. 285 zu 
lespi et lien lm Abb. 8.530,1 v^ill 4Tpeji^> dcjxTjJH; schreiben. j)er- 
seibe vermutet V. 1 'Oit-r^oorAxr^:: (VVachsm. 'OjxyjpaTiaTrjC nach Sexfu.s: 
die Häs des Laert. teils 'üfjLTjpaKatrjv, teils 'nfir,oojtaxrjv); diese \ er- 
mntung wäre annehmbar, wenn anf 'Ojiroorarr ; nicht iuixont^j; (so 
W. inv treiaxcüTCTT);) folgte, das mir neben Uiir^po-.'hr^i unerträglich 
scheint. Fr. 45 (über Xen.) v. 3 xeopLEvilr^pi^to; ffrüher x7}XEv»)>jpt3Toc). 
Fr 4f» (W, bezieht es mit Wahrscheinlichkeit auf Heraklit) v. 1 nach 
Meineke i^xe (früher ifi nach den Hss). Fr. 47 (über Aoaxagoras) 

*) Inswisehen ist die Neubeerbeitang der Pregmente Timons in Diels* 
Anag. der Poet, pbilos. fr. erschiehen, anf die hier noeh nieht Rficksicht 
genommen werdea konnte. 



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240 Bericht fiber die (triechischeB PhUoaopben vor Sokimtee. (Lortiiag;) 

IJpiD Nottv, Sxi 8^ v<»oc a^Ttj} (früher otti 7e 6^ v. at&.) und 

ii:e7t(pa« (frdUer 2icar7c(p«c nach d. Hsb). Fr. 48 (über Protag^m) 
oStt Xi']ro7X4»994|i nach Kern (frOher ovt' aXTpiXcaM^). Die sefan 
Frigmeiite des XeDopbaoeB, die in der früheren Aaagabe eUmdeB, 
sind Jetst auf vier redodert «ad Ihaea als fDoftes die Notiz bei GelUns 
N. A. III 11, S beigefügt worden. Der Text iet außer in Fr. 9 (7 K. « 
16 H.}* wo V. 4 statt dea frfiheren wl (so Kanten) IS« (Fabrieius 
Em 8c) gesetzt ist, onTerAndert geblieben. — Eine besonders wertvolle 
Zugabe ist der in der frUheren Schrift fehleode exegetische Kommentar, 
der eine Falle treffender Bemerkungen auch na den vonokratisehea 
Philosophen enthält nnd namentlich Timons Verse in schariUnniger 
Veise sor Erliloternng ihrer Lehren bennizt. Xenoph. 4 (« 18 H.) faßt 
W. mit Welcher nnd Sengebnsch so anf, daß X. seinen Unwillen darttber 
ftoßere, daß die Knaben in der Lektfire nnd dem Answendiglemen dea 
Homer ge&bt wßrden. Die Bichtigkeit dieser AnfTassnng bestreitet 
Hiller a. a. 0.; er nimmt mit Friede! d. phil. Gr. stnd. hom. I 8.20 
an, daß die Worte xad' 0(tr|pov (ite(Aadr^xMt der Ergfinznng bedOrfea, 
fiQcbt das Objekt aber nicht wie jener hinter, sondern vor dem 
erbalreuen Verse, in dem er binter xaft' '0|iT)pov ein Komma setzt; der 
Zusammeühaiig- iiiüge etwa fülg:en(ler gewesen sein: „Die Fabeln von 
Odysseus kann jeder berichten e; ap/r^c xaft' \)[jLr,pov, ir.il p.cji.adr^xa« 
izdvzi;; aber um Tugeud und Weisheit kümmern sich die wenigsUu.' 

Die Ausgabe von Hiller-Crusiug unterscheidet sich in bezug 
auf Xen. von der kleineren Bergkscheo dadurch, daß anßer den elegischen 
auch sämtliche andere Fragmente aufgenommen worden sind. Die 
Hillcrscbe Sammhini; dieser Fragmente, die ich nicht habe eiusehrn 
k< niioii (vj?l J. Sitzl^i Fortschr. 75 fl893] S. 127) hat durch Crusius 
offenbar nur [gelinge Änderungen im Text erfahren und in der adnotatio 
einige Zusätze erhalten. Unter der Kubrik «Sillen'* sind nnr zwei 
Fragmente {9. 10-^2. 1 W.) anfgeftihrt worden, während die Fr. 3. 4 W. 
(Fr. 5 W. ist mit Recht ansgeschlossen worden) der Schrift repl 9 j^ecoc 
zugewiesen sind. Nen hinzugekommen sind 4 Fragmente (18. 25. 27. 29), 
die bei Karsten nnd, obwohl sie bereits 1831 N. Bach Jahrb. f. wiss. 
Kritik I 480 nachgewiesen hatte, anch noch bei Mnllach fehlten. Es 
ist das Verdienst von Gomperz (Beitr. III 570). anf diese fimehstaefce, 
von denen 4 sich bei Herodian finden, wieder aufmerksam gemacht in 
haben. Von diesen ist Fr. 18 bereits nnter No. 235 besprochen worden. 
In Fr. 25: t{ y}m^ ifost Oc^ «oU^ [so H.-Cr. mit Bach, 
Lehm nnd Lenz für koUSv] tXikawa evx« iciXesdai h(tte die nimweifel- 
haft richtige Koi^ektnr von Oompe»: r^XX' drv anfgenommen werden 
sollen. IV. 27 lantet: hiasiaa ^ BvijTowt ncf {vaatv tZcopdowStti. Fr. 29 : 
(dp>&v) Ivl effftdtsOTt Tsoie 3MiT«Xt(|^Tat steht an drei Stellett bei 



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Beriebt über die griechischea PbiloaoplieiL vor Soknttes. (LorUlog.) 241 



Ilerodian: I 391, 27; II 772. 33 nnd JüG, 18 Lenz. An der dritten bietet 
die Hs. am Anfangpe xal }jlt]v, wofür Lohrs a-fvr'v, aber nicht, wie 
rmmperz aozunehmeu scheint, nacii eigener Konjektur, sondern aus der 
haudscbriftlichen überliefernng' der beiden anderen Stellen gesetzt bat. 
"Dieses ist demnach als die bestbeglatil iL^te Lesart anzusehon, nnd die 
Konjrktnren von Gomperz: y.'j.X'r^ nnd vni Dich: ai£v erscheinen überr 
flü:ssig. Ein fünftes von Bach und Gomperz aus Herakleitos alleg. hora. 
44 nnd Scbol. II. ^ 408 cntnomRienes Fr.: rjfXio'c t' 'jTceptljxsvo; Yaiav 
T eT:t&aXTC(ov, d&s Karaten nnd Mulliioh (gleichfalls iibersehen habon, ob- 
wohl es bereits bei Brandis comm. Kleat. 51 verzeiciinet war, hihen 
H.-Cr , ich weiß nicht au^ welchem Grunde, ausgelassen. Dagesren hat, 
Ornsius das in den Genfer Iliasscholien anfgefnodene und von Diela 
ergänzte Bruchstück (s. Ber. I 178) unter IIa hinzugefügt. 

Wir knüpfen hieran gleich die wichtigsten Yerbesserungsvorscbl^ge 
znm Texte der übrigen Fragmente mit Auaschlaß der elegischen. 
Fr. 10=27 K. hat Cr. nach Lobeck Aglaoph. 308* mit einer kleinen 
Abänderang Bogefaßt: irrajiv o' IXatTjc (iXa-rtov Lob.) tcoxivoI irepl 5to- 
jMt<TO ßaxxot>. Fr. 14«3 K. schlägt Frendenthal, Tb. d. X. S. 34 
xparuvei st. xpadaivei vor. Fr. 15 — 4 K. schreibt Biels Simpi. phys. 
S3» 11 nnd mit ihm H.-Cr. nach der besten handschr. Überlieferung 
(iiV^^t (andre Hsi. (tivit). Bergke Kollektor (im Nachlaß Kl. Fh. 
fichr. II 56) ti<vs( oi ist hiemach gegenstandiloe. Zn F^. 16 (7 K.<»2 W.) 
V. 4 B. ni No. 235. Fk*. 16 (7) st. ^ Xiomc Fr* Schiateta in Bitter 
und Praller VII xIXovttc (yg\. Ticieoi ¥. 3), Diete .Ober die Genfer 
Fr." 578, 1: xsXeovxt«; T. 9 H.-Gr. d>c Bt. «aC; 4 H.-Cr. Ixaaxot 
(Karsten fxamv) st. $fiotov; v. 6 H.*Cr. offtoi« nach Karaten in den 
adnot. (im Texte 6t&owy; Sberliefert Ist V^ibi nnd 6)ioCBic). Fr. 19 (14) 
V. 3 Bergk a. a. O. xoxD 4 derselbe a&T& 8'£f|iiaic 8t. 

a&t&€ 6jioK, Karsten nnd H.*()r. Fr. 22 (12) Diels in der Abb. 

No. 249 i^tpi statt des Überlieferten xel ^u, wofür Karsten das sachlich 
onmdgUcbe oldtpi geschrieben hatte. Fr. 30 (5) [s. zn No. 235] will 
Bergk a. a. O. so schreiben: 'AU^ ßpotol iwäwMi OioW offotv W 

Qoeilenkritiscbe Beitrfige zu X. bieten No. 237—240. — Die Er- 
klärnog des Sinnes der theophrastischen Mitteilnng bei ßimpl. phys. 
112, 26, die Kern in ^.Qnaestionnm Xenopb. capita dno'' Nanmbnrg 
1864 S. 49 ff. gegeben und gegen Zellers Einwendungen (in der 
3. Aufl. der Ph. d. Gr.) in den , Beiträgen zur Darstellnng der Fhilo- 
fiopheme des Xcn." Danzig 1871 S. 2 ff. (vgl. denselben ,Über Xen. 
von KolophoD* Stettin 1874 und dazu Susemi hl Ph. Anz. VIT, 296 ff. 
und Fortschr. II III 1 8. 276, im wesentlichen gegen Kern ablelinend) 
verteidigt hat. sucht er in No. 237 wiederum gegen Zeiiers neue Au- 
Jabresbericbt (Cr AltertamawissenschafU Bü. CXll. (1902. I.) H 



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242 Bericht über die griecbiechen Philosophen vor Soltiatee. (Lortziog.) 

griffe (in der 4. Aufl.) zu stützen. K. hat, wie in don friilieien Ar- 
beiten, so anch hier die schwierige Fratre erründlich und scharfsinnig- 
erörtert. Aber in der Hauptsache sind auch durch diese Erörternngr 
die Einwendungen Zellen nicht widerlegt worden. Daß Z. selbst de» 
TOB Kern beigebrachten neuen Gründen Iceine Bedeutung beigelegt hat» 
kann man daraus schließen, daß er in der 5. Aufl. 508, 1 die vor- 
liegen !o Abhandlung neben den tUteren Kerns Oberhaupt nicht erwähnt. 
In der That ist es Kern nicht gelungen, nachzuweisen, daß ea grainmatiacb 
onznlässig aeii mit Zeller die Worte xo ov xal icav oute nerepa^^svov 

0UT6 dElCtlfOV oStt XlVOUI&tVOV OUTS ^ptpiOJ v H^vo^ivr^V UnOTt&SodoU & 

Mf^wxoi 10 aufenfaesen: „X. aetat daa Sein weder als begrenst noch 
als unbegrenzt*, nnd daß sie notwendigerweise bedeaten mllOten: „er 
setat es als weder begrenat noch als nab^renat.** Bestehen bleibt 
auch der Einwand Zellera, daß aich Tbeopbrait, wenn er den X. sein 
iv nuA igSv anedrttcklich ala weder bewegt noch unbewegt bezeicbnen 
Ueße. mit Aristot. Metapb. 986b Sl in Wideraprueh setzen wfirde. 
Kenia AnalQItningen fiber dieien Punkt sind wenig flberaengend ond 
in sich selbst unklar. Sdne ganae Argumentation hKngt flbrJgena aafh 
engste mit der auch hier wieder von ihm vertretenen Anaicht saaammen» 
daß die Schrift de M. X. G. wahrscheinlich von Theophraat heratamme 
und die reichste nnd lauterste Quelle für die Lehre des Xen. sei; eine 
Ansicht, die durch Biels Dox. lOB ft (s. o.) m Qenige widerlegt 
worden Ist, und an der daher Heinte nicht anch noch in der neuesten Aufl. 
¥on Überweg S. 68 ff. hätte festhalten sollen. Diese ▼orgefiUSte Meinung 
hat im vorliegenden Falle K. an der unzweifelhaft falschen Behauptnog^ 
verführt, auch die weiteren Auseinanderaetznngen bei SimpL 93, 1 1 bis 
wenigatena S3, 9 seien ana Theophraat geschöpft. Im geraden Gegensati» 
hieran hat Diels Dox. 468, 4 die Worte xal outt ittictpa9}Uvov — 
fjpe{xo5i> durch den Druck als simplicianisches Einschiebsel in das Citat 
ans Theophrast bezeichnet. Wäre dies richtig, was fehr zu bezweifelu 
ißt, 80 würde die ganze Untersuchung damit eine andere und einfacher» 
GestuU gow innen. Unbeantwortet würde jedoch auch daiui die Frace 
bleiben, wie die Durstclluij^^ dis Aristot. mit Fr. 4 K. = 15 11. in Jliuki.iii^ 
zu SüLzen sei. Die Lüsuug der Sciiwierigkeit bei Freudeiithal „d. 
Th. d. X.** S, 40 ff., wo auch Keins Auffasung eingehend widerlegt 
wird, kann nicht als abächlieÜend betrachtet werden. 

Crusius g^eht S. 594 ff. auf eine Vermutung Bergka „The age 
of Babrius" Class. Mus. III (l>^ lü), 116 ff. ein, der in (Jaleus jtporpEn- 
Tiy.o; hy;o: Irl Ta; Te/va; c. 13 S. 35 f. Kühn enthaltene Mythos, dea 
Hanpt Herrn. IV (18*70) S. 27 (- Opusc. III 445, 1) meisterhaft lier- 
^entellf. Di^rf^k im einzelnen bciichtigt und ergänzt hat, rtihre von X. 
her und gehöre zu seinen aiUou Cr. wendet dagegen ein, dal^ die: 



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fiericbt über die griechiscbeo f iulosophen vor Sokrates. (Lortsing.) 24S 

wortreiche und rhetorische Manier in jenen Versen nicbt eben der Art 
«les X. entspreche, sondern in ein viel jüngeres Zeitalter zu gehören 
fjcheine. Aucii habe GaJen waljrschciulich die Werke der alten Philo- 
sophen nicht im Originale benutzt. Vor allem aber stehen der Antor- 
schaft des X. zwei Thatsachen entgegen; die Ebrenbezeichimug tdjv 
09' 'HpaxXeou; Tt; ist erst in hellenistischer Zeit aufgekoinnieii, und mit 
den Worten tüjv oOx dp-ouacov avSpuiv ti; kann Gnlen nicht einra be- 
rühmten Dichter and Philosophen der klassischen Zeit gemeint haben, 
im weiteren Verlaufe der Untersachaog weht Cr. ein Gedicht Platarciit 
alfl Quelle für Galen nachzuweisen. 

Dämmler zeigt, daß bei Athen, wahrscheinlich statt aevotputv, 
an den wegen des Wortes t^^ipatvoim und seiner Form nicht za denkea 
sei, Ssvo9avT)c gelesen werden müsse. Man könne die Verse ohne 
Schwierigkeit, aber aach ohne Sicherheit so herznatelleii: Ooi'vixsc 

nowitz „Die xenophontische Apologie" Horm. 32 (1897) 8. 99, 1 
bemerkt hierzu, es sei aaerlaobt, X. den Dichter für das stockproiaischd 
v<fU|iov pappapuc^v TeraDtwortlich za machen; freilich könne eine Sprach- 
form wie Trmrfotvom anob nicht fQr zenopbootisch gelten. 

ImmiBch sacht dsnathno, daß die KoHz bei Lsert. IX 20, X 
habe KoXof wvoc txüw and sZc ^EXIoev 'itttUxc dffotitiaii^v gedlehteti 
meht mit E. Hiller Bh. Mos. dS (1878) 8. 629 auf des PUschers 
Lobon Kamen an setsen sei, sondern vielmehr historische Wahrschein- 
lichkeit habe; gerade solche Gedichte werde X. selbst vorgetragen 
haben (vgl. Laert. IX 18). 

Prendenthal bestreitet in seiner scharfsinnigen and gelehrten 

XTntersachnng (No. 243) die bis dahin allgemein verbreitete Ansicht 

(nar Bergk Gr. Ii.-0. II 419, 25 hatte eisen Zweifel dann g^oBert) 

von dem reinen and konseqaenten Monotheismos des X. Er geht von Fr* 

1 K. (12 H.) ans, in dem er ein ofienes Bekenntnis des Folytheismns 

ttbUi^ti nnd findet eine weitere Bestätigong dieser Aaffassong in Fr. 14» 

16 nnd 21 K. (19, 18 nnd 1 H.). Von diesen dreien ist das erste 

am wichtigsten, da hier nicht, wie in den anderen, von einer Anbe- 

qaemang an den populllren Glanben die Bede sein kann. Dieses Fr. 

übersetzt F. so: „Und in Klarheit war Tie ein Mann knndig nnd wird 

nie einer kundig sein dessen, was ich von Göttern, und was ich von 

uliem sage (ap-^l Oetüv ts y.ctl au'si Xe7o) Tifipl tcqcvtcov)*' und erklärt es 

mit großer Walirsdu inlichkeii, iu dem Sinne, daß X. nicht etwa seine 

grundlegende Einheitbiehre noch seine Negation der vulgären An- 

Rchanung von den Göttern, sondern seine eigene positive Lehre von den 

einzelnen Göttern und dem Weltall (itavta wolil zu unterscheiden vuu 

Tiav %al h) als Sache aubiciiereu Meinens hinstellt. Hierzu kommen noch 

16» 



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244 Beriebt Uber die griecbiscbon Pbilosophen vor Sokratea. (Lortsiog.) 

zwei Stellen bei Aristot. (1389 b6) und Cicero (d. div. I 5) sowie die 
wohl auf Theophrast /urück^t liende Notiz ans Ps.-Plnt. Strom, bei 
Ku-eb pr. ev. I 8, 5, in denen von einer Vielheit der Götter die Rede 
ist. An ricr letzts:enannten Stelle, wo F. statt u.r,o' oXco; treffend voeiv 
5^ ^X(u; vermutet und dies mit den folßfeiuieii Worten 'ix&'JS'.v rt xal 
opav verbindet, kann er durchaus nicht mit Zeller eine Leujrnnnpr der 
vielen Gritter finden; X. hebe nnr hervor. dnC keiner der Götter unter 
despotischer Herrschaft stehe, daß keiner von ihnen irgend einer Sache 
oder ir[?end eines andern Oottps bedürfe, eine Deutung, die durch Enrip. 
Herc. für. 1343 ff. bestÄtigt wird. Der durch diese Zeugnisse stark 
erschütterten Annahme von dem ansschließÜchen Monotheismus des X. 
wird vollends der Boden entzogen, wenn man erwägt, daß die nrepniog:- 
liche Quelle dieser Annahme, die Schrift de M. X. G., unglaobwürdig 
ist. F. geht in der Benrteilaog: dieser Schrift noch einen Schritt weiter 
als Zeller, der sich bisweilen zor Feststellnog untergeordneter Pnnkte 
«Qf sie beruft, «od spricht es geradezu ans, daß sie für X überbaapt 
nicht, für Melissos mit Vorsicht und nnr für Gorgiaa ohne Bedenken 
zn benutzen eei. AUe soDBtigen Berichte der Alten, soweit sie nns 
Überhaupt Aofklftniog Uber den firag^chen Paukt geben, bernndefa der 
des Simpl. pbys. 88, 31 ff. (s. daifiber Anm. 24), fließen ans der 
gleidien tinlanteren Quelle. — "Welches ist nun abmr die SteUung und 
Bedentnog des Polytheismos innerhalb der Lehre des Z.? Auch diene 
Frage sucht F. au beantworten. Bas Iv ml icSv des X, ist nicht die 
absolute Weiteinheit des Pann., sondern die denkende und cugleicb 
rauoierf&Ilende Einheit, die das Universum durchdringt und beherrscht 
und als Ursache der Dinge fdpxi)) anfiofasscn ist Diese sind also 
Wirkungen, nicht Emheinnogen der im Universum waltenden unend- 
lichen Macht, die der Philosoph der höchsten, sittlich-voUkommeaeo, 
ewigen Gottheit gleichsetat. Mit einer solchen Auffhssung ist der 
Polythttsmus wohl vertiiglich. H. hat mutmaßlich in den einialnen 
OOttam nnentstaudene und unvergängliche Wirkungen oder ewige 
Teile der alles nmfassenden Urgottheit erblickt, die kleinere Kreise 
der Welt wie etwa Erde, Wasser« Himmel, das Qebiet des Eros 
n. s. w. beherrscbm. Diese Anschauung deckt sich sum Teil mit der 
der Orphiker und steht noch näher der »toischen. Auf die Ausführungen 
Aber den Ausgleich zwiBchen Philosophie und Theologie in den Systemen 
der übrigen griechischen Philosophen kann hier nnr hingewiesen werden. 
— Da« Ergebnis der üntersnchuns: ht sehr verschieden beurteilt wordeu. 
Im wesentlichen zngestimmt haben Lortzing Berl. Ph. Wschr. 1886, 
1269 flf.. Gomperz (Jr. 1). I 231 f. (vgl. 440 f.) nvA lJurnet. Eaily 
gr. ph 110 ff., der treffend henierkt, es sei nicht dasselbe, zn sagcu. 
pDas Eine ißt Gott" (to ev sivit xov Ueov Aristot. Met. 986 b24) und: 



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Bttiebt über die griecliischen Pbilosophen tot Svkntoe. (LortiiDgO 245 

.Gott ist einer*. Btarke Bedeoken hat Diele Areb. 97 ff. M«ge- 
iproelieii. Völlig ablehnend haben aieh Bichter Philos. |[oa.-H. 18» 
358 ff. nnd Zeller Terhalten. der in der D. L.-Z. 1886, 259 fll nnd Fb. 
d. Ghr. 526 ff. die Argumente Frendentbali anrfickweist nnd entiehiedea 
an seiner Mheran Aneicht festhMlt» nach der X. ein strenger Konotheist 
war. Von grofier Wichtigkeit ist hierbei die Frage, wie in der Plntarch- 
stelle die Ansdrttcke T^^eixovk nnd dt9itoTt(« aafeofissBen sind. Hierfiber 
hat Zell er anter No. 244 besondei-s gehandelt. 

Z. legt dar, daß dt(3i:6xrii^ SeffrcoCetv, ScTitoTsta ledijGrlich die IIa« 
beöcliiünktheit der Uemcher^ewalt, nicht die Härte uud GewaltthUtig- 
keit, mit der sie aus'?:eübt wird, bezeichueü. Auch bei X, kann ktiiie 
uudere Bedeutuiiß: angenommen werden. Denn aa Eurip. a. a. 0., wo 
er offenbar aul deu bei Ps.-PIutarch entwickelten Gedanken des X. an- 
spielt, die Bt'hanptung, keiner von den Göttern sei Herr des andern, 
dnrch die Beüür^nislü^igkeit der Götter, d. h. da hircb, daß keiner eines 
Dieners bedürfe, begründet, so maß X. bei Piut., aas dem Ensebiua 
nur einen knappen Auszug giebt, nicht bloß das oEcnroCe^Oai. sondern 
auch das SssnoCetv als uuvertrüglii Ii mit dem Wesen der (iuttlirit be- 
zeichnet, beides aber nur im Sinne einer unbedingten Herr schalt ge- 
braucht haben. Diese Anschauung w ird auch bei Ps.-Aristot. 977 a 23 flF., 
wo xpatTeTsftat dem o£3t:oC::;!>^j'. entspricht, dem X. beigelegt. Dasselbe 
drückt Theophrast durch r^-iz\io^ii aua (vgl. auch Platon Phaed. 80 A). 
Zwar nicht Tj^ejxovi'a, wohl aber ^76|xov8u6iv konnte in einem der Hexa- 
meter des X. stehen, etwa so: 'idp tot de(iic iorl 0£oü 0&c«v T^Yciiovcuttv. 
Kach Freadenthals Aaffassnng würde aich X. eines angenscheinlichen 
'Wiiierspracbes schuldig machen, wie man ihn wohl dem dramatischen 
Dichter Earipides, nicht aber oline awingende Gründe einem so be» 
dentenden nnd von ernsten Übenengnngen erflUlten Denker wie X. sn- 
tranen darf. 

Qegeo diese Einwendungen Zellers und die von Diels ausge- 
s|»roehenen Zweifel verteidigt Freuden thal seinen Standpunkt in 
No« 245. Alle Kunde von dem angeblichen Monotheismus des X. stammt 
ans der Sehrifl de M. X. O.« während man doch bei der KQhnhelt und 
Kenheit des Gedankens anverlttssige 2Sengni8se erwarten sollte. F&r 
den Poiytheismns dagi^en sprechen aoBer mehreren Fragrmentea Aristot. 
in einigen Stellen, wo er gewisse Apophthegmata des X. mitteilt, Theo- 
phrast nnd Poseidonics bei Cicero. So oft nnd so entschieden kann 
sich X nicht verleugnet haben. Alle Versnche, den Widersprach 
awischen Pr. 1 und dem angeblichen Monotheisrnns des X. am 15sen» 
sind unznreichend. Aach ZeUera Einwand (S. 650, 3), daß Fr. 1 auf 
▼olkstSmlicher Bedeweise berohe, ist nicht stichhaltig. [In der That 
beweisen die von Zeller nnd v. WUamowitz (s. Ber. 1 275) angeführten 



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246 Btticbt Aber die griee1iiaeh«n PhilotoplMii Tor Sokittw. (LorUing.) 

Beispiele doch nar» daß In der formelhaften VerbindiiDg iv xt dtoibi 
xal dv8p<&iroMi kdD aachlichet Gewicht anf die Erwähnuog der Henachea 
so lagen iat, nicht aber, daß weno er ein atrenger Konotheist war, 
in einem olfenbar fftr seine AnfCuanng dei göttlichen Weeeoa grund- 
legenden Anasprache leinen einzigen Gott als »einen unter den Oettern* 
beaeicfanen konnte.] Der Zweifel voUenda an der Echtheit dieees FT., 
den Diela wegen der Kachbanchaft ariatobnüaoher FftUchnngen bei 
Clemens hegt, iat, wie F. mit fibeneeogenden Qrftnden nachweiat, vn- 
berechtigt In Fr. 14*) iat aach der gewöhnlichen Anffaasnng der 
Oegenaatx swiachen dso( nnd iravta gaos nnerklirlich; anch sieht man 
nicht, was dem X. bei der Annahme eines eiasigen Gottea in Besag 
anf die dto( nalclar sein kann. — tinter den Zeognisaen legt F. Jetzt 
anf Cie. d. dir. I 5 geriageren Wert als ftHher (vgl. Zeller 538, 2), 
bemeflct aber Über die von Dieh gebilligte Koi^ektnr Hartfeldara 
nnnm qni denm st. nnna qni deoa, sie aei bereits tob Schiebe, Zschr. 
f. d, G.'W., Jahresber. 1882 8. 23 f. aos grammatischen OrBnden 
zQrflekgewieaen worden und habe keine handschriftliche Gewähr. Was 
die Stelle der Strom, anbetrifft, so erklärt er gegenüber den Zellerscheii 
Ansführungeii, zunficbst nicht einsehen zu können, warum sich X hier 
iiichL so gut wie viele nacii ihm und er selbat in aiulern Panktea eines 
Widerspruches schuldig gemacht haben könne, bemerkt über dann, daß 
in Wahrheit kein Widerspruch besteht zwischen der von ihm dem X. 
beigelegten Autfaasuog und der richtig: verstandenen Angabe der auf 
Theopbrast zurückgehenden Strom. Man muß freilich, ftlgt er hinzu, 
nicht jedes Wort in diesem Anszuge fdr xenophauisch halten; so ge- 
hören die Worte ou^spif/xc h auToT; T]-;t\io^Lai oZs-qz X. gewiß nicht an, 
da sie änßei-st piosaisth klingen. X. hat nicht jede Uiiteronlnun^^ der 
Teilgütter unter den einen höchsten Gott, sondcm mir die desjtotisehe 
Beherrschung (für diese Bedentunfr von iiiliit F. mehrere 

Steilen an) der unteren Götter bekämpfen wollen, wie denn auch Kiirip. 
nur die get^enneitige despotiRche Herrschaft der Götter, nicht ihre 
Existenz, noch die hohe Stellung des Zeus im Kreise der Götter leugnet. 
[Ich verweise hier noch anf Flatarch sept. sap. conv. Iö5 A, wo von 
der bevorzugten Stellung des Helios unter den Göttern in einer sehr 
stark an X. erinnernden Weise gesprochen wird.] X. lehrt nur, was 
ein Neupythagoreer bei Stob. flor. 48, 63 anssprach: o npmo« 0«^ ^zooc 

*) iMetCt Fr. flbenetst F. jetst: »niemand ist in Klarheit kundig 
dessen, was ich fiber das Weltall lehre**, im AnscfaloO an Oonpers „sar 
Leliie HeiaUite** 8. 997 t, der cdvxyw nieht mit „alles'', sondein mit ^dn« 
AU** wiedergiebt; ohne Grund jedoch besieht nach Frendentbtls Meinnng 
denelbe [wie vor ihm schon Fappenheim „BrULuterongen sa Seit Bmp.^ 
1861 S. 104] Ulm auf cdvtwv: „was ich dss All nenne**. 



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Bericht Uber die giiecbiscben Plüloiophen vor Sokratea. (Lortiiog.) 247 

rpo; rdtvTa xä ort* auT^ 76vo|ieva 4vti. — Das Für und Wider ill diMODI 
Streite zu prüfen, verbietet der Kaam, und so mag denn nur gesagt 
«ein, daß niir die von F. beigebrachten Gründe, mögen sie im ein* 
xeloen auch nicht immer sntreffen, in ibrer Geaamtbeit ancb jetzt 
noch heweislsräftig eiBcheineo. 

Die Abhandlung von Berger ist ebraso wie die später zu be- 
sprechende über Farm, bestimmt, Vermatnngen, die Verf. bereits in 
seiner Gesch. d. wiss. Erdkunde d. Gr. (e. Ber. I 244) gtiUiOert bat 
QDd lUe xn der herreebeDden AnffaaBQiig fast dmchwei; in scharfem 
OegeiaatM ttehen, nilber in beffründen, an ergänzen nnd sn berichtigen. 
In der Hauptsache freilich sind dadurch die Bedenken, die diese Hy- 
pothesen von Anfang an erregen mußten, in bcEOg anf X. wenlgstei» 
nicht beseitigt worden. B. beginnt mit einer Darlegung der kosmischen 
Vorstellnngen bei den Vorl&afem des X. Auixlmaoder lehrte saeret 
die Kogelgestalt nnd Kreisbewegung des Himmels, und wenn er auch 
bis zur Annahme einer gleichen Gestalt der Erde nicht vorgeBchrittsn 
Ist, 80 kam er doch nahe an diese Vorstellung heran, indem er der 
£rde die Gestalt eines Cylinderabscbnittes gab, dessen verbftltnism&ßig 
sehr geringe Aasdehnung und weiter Abstand von den umkreisenden 
GtfStiniriDgen den Bewohnern der oberen Fläche den Anblick der sieht« 
baren Himmelskngel nicht beebiträchtigte. Diesen Fortschritt in der 
Erklärung der aligemeinoi Verhältnisse des Erdkörpers gab Anazlmenes 
und mit ihm Anaxagoras und Demokrit wieder anf, bei denen die Luft 
als Träger der Erdscheibe dient ond von bedeutenden Abständen des 
Mondes und der Sonne keine Rede mehr ist. An der Kugelgestalt des 
Himmels dagegen hielten sie fest. Auch bei Heniklit glaubt B. auf 
grund einer freilich sehr zweifelhaften Deutung von Fr. 30 die Kenntnis 
der Himmelskngel voraussetzen zu dürten. A\ ahrend so alle Philosophen 
nach Anaximauder sich dessen Lehre vun der Kugelgestalt des Himmels 
angeeignet haben, würde nach der gewöhnlichen Anuahwe X. den a^ai- 
fixo« X070C völlig verachtet und die wunderlichsten und widerspruchs- 
vollsten kosmischen Ansichten entwickelt haben: die Erde nach unten 
wie die Jjuft nach oben unendlich ausgedehnt; viele Sonnen und Muude 
über veisthie dene Teile der unendlichen Erdobeifläche laufend, iu graden 
Linien, die uns wie Halbkreise erscheinen. Sie sollen aber wiederum 
auch beim Tlntergange verlöschen , beim Aufgange neu entzündet und 
manchmal einen ganzen Monat vertinstert werden. B. ist iibcrzciigt, 
daß solche und ähnliche Ungereimtheiten einem Manne wie X. nimmer- 
mehr zuzutrauen seien. Er sucht darzuthun, daß in dpn anf ihn be- 
zOglichen Nachrichten Verschiedenartiges durcheinander gemengt und 
die Lehren des Kolophoniers vielfach bis zur Unkenntlichkeit entstellt 
seien. £r gelangt so durch Analyse und Kritik der Überlieferung au 



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248 Bttieht Aber die grieefaiBehen Philosophen vor Solratee. (LoittiDg.) 



dem Ergebnfg, daß X. nicht nur mit Anaximander die Kugelgestalt de» 
Himmels aogenommen, sondern anch bereits die Kogelgestalt der Erde» 
die Folgen des Horizontwechsels und die Antipodenlehre gekannt habe 
und demDaeh in seinen Werken sehen die AnOnge der Kosmologie des 
Farm, sn finden gewesen seien. — Diese L6snng der Schwierigkeiten 
hat etwas nngemein fiesteehendes. Statt eines Knäuels wirrer nnd zum 
Teil in der Tbat angereimter Meinungen sehen' wir jetzt einen fort- 
laufenden Faden der EntwickelDog von Anazimaoder za X. nnd zu 
Parm. und das dnreh neuere Forscher wie Taonery staik gelockerte 
Band swisehen beiden eleatisehen Philosophen fester als je geknüpft 
Und weiter können wir eine doppelte gradlinige Bewegung von Anaxi- 
mander ausgehend verfolgen: liier die Verteidiger der Theorie der Erd- 
scheibe, Anaximenes, Anaxagoins, Demokiit, dort die Vertreter der 
ivriffeltheorie, die rythagoreer nnd die Klealeu, die ohi;e Untei bi cchuug 
in itischer Foljie diese Lehre zur EiiLiahuug bringen. Vor allein aber 
erscheint um der ehrwürdige I^eiiker, der zuerst mit der Fackel der 
Vemanft in die trüben Nebel d( s Volkswabnglaubens hineingeleuchtet 
und einer reineren und höheren Anffas^nng der Gottheit und des Alls 
die Wece gebahnt hat, nicht mehr in .Ntinen kusmologischen Ansichten 
schwankend, widerspruchsvoll und völlig ini\vifsen«chaftlich, sondern 
auch auf diesem Gebiete als ein konsequenter Vertieter des wissen- 
schaftlichen Fortschritts. Wahrlich ein unseren Veratand wie nnser 
ästhetisches Gefühl befriedigendes Ergebnis, dem wir freudig zuslinmipn 
würden, wenn es dem Verf. geluii^^eii wäre, seine Aufstellungen durch 
zwingende Beweise zu stützen. Aber eben dies müssen wir leider be- 
streiten. Nachgewiesen hat B. alk-nUngs, daß bei den Doxographen 
verschiedentlich Behauptungen des X. friedlich neben einander figurieren, 
die sich in keiner Weise mit einander vereinbaren lassen, und die K. 
sicherlich nicht zu gleicher Zeit als seine eigenen Ansichten vorgetrag^en 
haben kann. So ist es z. B. undenkbar, daÜ ein nnd derselbe Mann 
gelehrt haben sollte, die Sonnenfinsternis trete dnich Verlöschen ein« 
und eine neue Sonne entstehe dann (!) im Osten (!}. Die Vermutung 
Bergers, daB in den Berichten der tägliche Auf- und Untergang der 
Qestirne mit ihrer zeitweiligen Verfinsterang und dann wieder mit ihrem 
in ISngeren Weltperioden sich wiederholenden Verlöschen und Wieder- 
aufleben verwechselt worden sei, hat manches ittr sich. Aber ein klares 
nud widerspruchsloses Weltbild Iftßt sich doch nicht auf diesem Wege 
herstellen, und die anstößige Lehre von den vielen Sonnen nnd IConden, 
die sich fiber die verschiedenen Teile der Erde in gradliniger Richtung 
hinsiehen, wird dadurch so wenig beseitigt wie durch die von B. ge- 
billigte Konjektur Wyttenbachs, der A6L II 84, 9 statt icoUob« tlvcit 
i]Xfooc «al oiiX^vac schreiben wollte: iroXXA« «fvsi ^Xfou xal otXiJvi)c (sa 



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Beriebt Aber die grieebisdien Pbilosopbea ?or Sokrates. (Lortzing.) 249 

ixXtt^«««). Immer bleibt das tiv 9|Xftov tlc dnctipov icpoltvat beeteben, das 
sieb niebt mit der Aonahme eiiier Kugelgestalt des Himmels, geschweige 
denn der Erde vereinen Mßt. Denn der Versneb Bergers, diese Worte 
im Sinne der j&brUeh aof ond ab lanfenden Sptralbewef^ng der Sonne 
swiscben den Wendekreisen zn verstehen, mnß als mißlungen bezeichnet 
werden. Dasselbe gilt von dem Versnobe, die sich auf die Erstrecknng 
der Erde ins Unendliche beziehenden Stellen, die ein völlig anderes 
Weltbild als das von B. für X. in Ansprucli g:enommene voraiiösetzea, 
zu Gunsten dieses letzteren umzudeuten. Selir bedenklich sind auch die 
lüterpretatiuubkiinste, mit denen B. u. a. die Notiz bei Hippolyt. I 14, 
Dox. 565, 2H, daß die Erde nach unten bin (xoro), von Diels iu den 
Addenda hinzugefügt, von B. übersehen) unendlich sei und weder von 
der Luft noch von dem Himmel umschlossen werde, auf eine frühere 
Zeit bezieht, in der alleiü die Erde da war, und in Fr. 12 K. eine der 
Wiihren Erklärung (aus der Kug:el2:e.talt der Erde) vorauf'/eschickte 
Be I hrribu'!',' der durch die biuiie gegebenen Anschauung erkeanen will. 
So ist es dem Verf. in l£ einer Weise gelungen, nachzuweisen oder auch 
nur wahrscheinlich zn machet), daß sich X. die Enle in Gestalt einer 
Kugel vorgestellt habe. Kann ihtn doch nicht einmal die Annahme 
einer Kugelgestalt des liimnjels mit einiger Sicherheit zugeschrieben 
werden ; s. Zeller 507 ff. 53B f. Wir werden nach wie vor auf die Er- 
mittelung eines bestimmten, scharf umrii^senen Wellbildes bei X. ver- 
zichten und manche uns überlieferte Absonderlichkeiten und Unklar- 
heiten in den Kauf nehmen müssen. Daß ein Mann, dessen Hauptziel 
die Bekämpfung des herrschcndeu Gölterglaubens war, in physikalischen 
Biugen nicht a*if der Höhe seiner Zeit stand, darf uns nicht so sehr 
in £rstsnnen setzen, da «nch der beträchtlich jüngere Heraklit kaum 
weniger naive und teilweise denen des X. verwandte Ansichten geftnßert 
liat Vgl. meine Rezension Berl. Ph. Wacbr. 1897, 899 ff. 

Einen wichtigen Beitrag snr Lehre des X. Metet Ol eis. Wie 
Dante den Virgil, so hat sich Timon in der Nekyia den X. snm Fftbrer 
erwählt, der ihm als SÜlendicbter nnd als Skeptiicer nahe steht. X. 
kommt dem Ideale des «dnnstfreien" Skeptikers von den ftlteren PhUo« 
sopben am nächsten. Im 45. Fr. liLOt ihn Timon seinen Rückfall in 
den Bugmatisrnns berenen and erteilt ihm Absolaüon. Infolge dieser 
Bolle erschien X. den Spftteien als Altmeister der Skepsis, snmal da 
sieb ancb eiuige Aussagen in seinen lY-agmenten, z. B.*in Fr. 19 H. 
(14 K.)> so deuten ließen. Und In der Tbat kann auch ein skeptischer 
Zag ans diesen Teisen nicht weggedentet werden. Da nnn von er« 
kenntnistbeoretischen üntersnchnngen bei X. noch keine Bede sein kann, 
so maß bei ihm die physikalische Seite der Skepsis noch gaai im Yoider» 
gründe gestanden haben. Das Wenige, was wir von seinen physikalischen 



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250 Beiiolit fiber die grieehiflcheii FbUoflophea vor SoknteB. (Loitnog.) 

Theorien wissen, steht dieser Anoahme nicht entgeii^en. X. hielt, wie 
nach ihm noch Heraklit» die Sonne und die übrigen Oestime für Dnnst- 
inasseo, die täglich nen ans dem Meere aufsteigen, sich eolxlhideii und 
danach mlOacheii. Diese YeifiäehtigaDg der HimnielskOfper war f8r 
ihn eine willkommene Gelegenheit, gegen die GOtter Homen anznkftmpfen 
und mit wahrem Sarkasrnns nachzaweiaen, daß HelioB, der Uond« die 
Iris, die Dioakoren (d. i. daa 8t. Elmsfen«*) niehts ala veigSogliche 
I>an«tgebilde seien. Ja er hat in seinem phyalkaUseheo BatfonaUamns 
alle Himmelaersebeinnngen als optische Tftosdiangen behandelt und a. B. 
die von Anaiimander erkannte Kreisbahn der Gestinie als Sinnentnig 
bezeichnet; s. das echt xeaophaniscbe xiv f|Xiov dt dncttpov icpoUvn bei 
Aet n 24, 9; vgl. Fr. 82 H. (19 K.), das D. unter Zngmndelegong 
seiner oben erw&bnten trefflichen Eonjektnr ^^pt so erklftrt: «Die 
Erde stSßt oben, wo wir st-ehen, an die Atmosph&re, nnten reicht sie 
in unbekannte Ferne. [Diese AnfTassuDg von dfiuipov, wonach es 
nicht daa absolut Unendliche, sondern das nnsern Angen als aotehes 
Erscheinende, Iftr ans Unerkennbare beseicbnet, haben vor D. schon 
Zeller 539, 3 und Deichmann »Das Problem des Baumes* (s, Ber.I 
dS9) vertreten; mit ihrer Hfilfe wttrde sich auch der fHlher(lfo. 834) 
berührte Widerspruch zwischen diesem Fr. und der sonst dem X. bei* 
gelegten Annahme eines kugelförmigen Alls beseitigen lassen.] So 
warnte X. seine Zeitgenossen, ephemere Duustgebilde als meuschlicLe 
(jütter zu verehren. Zugleich verallgemeinerte er sofort, wieder dicfce 
physikalischen Eiiahrungen. indem er die Täuschung, die uns die Sinne 
vorspiegeln, als allgemeines Menschenlos begreifen lehrte: $^xo; 6* iri 
rasi reruxTat. J int gleiche GencralisatioDskraft findet sich auch soust 
bei ihm. Die VeiHteinerunseu, die Stalakuteo in den Tropfsteinhöhlen 
(vgl. Fr. 29 H.) genüge ihiü znm Aufbau einer allgemeinen pLuiiischen 
Theorie. So ist der skeptibclie Physiker scblitLlich zur grüßten dog- 
niatiBi:)ieii Abstraktion vnrg-eschritteu, die einem Griechen Lreluii;reu iat, 
zum Monotheismus, liit diesem Gedanken verträgt sich ein hierarchisches 
83'8teni von Ober- und llTitorgöttei n rieht. Wie könnte X. sich so dem 
röbei^lauben, dem er um i bittlich gegenübertritt, anbequemt haben? — 
Bei dieser geistvollen Hypothese über die Genesis des xeuopbanlschen 
Monotheismus bleibt liie Grundfrage, ob X. wirklich strenger Monotheist 
uar, unbeantwortet und die gegenteilige Ansicht f'reudentbaU (a. zu 
Ko. 24a»245) unwiderlegt. 

4. Parmenides. 

250. Parmenides' Lehrgedieht, griechisch und deutsch, von 
H. Diels. Mit einem Anbange Uber griechische Thttrea und 
öchlDsser. Berlin 1897, G. Beimer. 164 8. gr. 8. 



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Boriebt flb«r die grieebifcheii PbüoMphtti tot Sokittoi. (Lottiiiig.) 251 



S51. A. Gladiseb , Beriehtignoff eines Fragmentes des Parm. 
Jahrb. f. kl. Fb. 119 (1879)' 8. 343 1 

962. K. OSbel, Über den platODiscben Farm. GfiteiBloh 1888. 
Bertelsmann. 84 8. 

256. K, J. Liebbold, Zu Pann. Jahrb. f. kl. Fb. 129 (1884) 
S. 160. 

*254. P. Tannery, La pbjsiqLne de Parm^nlde. Bev. pbUos. 
1884 No. 9. Vgl. Seienee hell. ehap. 9. 

955. L. Danria c, Les origines logiqaes de la doctrme de 
Parm^nide. Rev. phllo8. 15 (1883) 8. 533-536. 

256. C. Bäumker, Die Einheit des Farmenideiscbea öeieuden. 
Jahrb. f. kl. Fh. 133 (1886) IS. 541-561. 

*257. Th. H. Martin, Th^ories astronomiqnes de Farm^nide. 
Ac. d. lucr. et B.-L. 3. Mai 1878. ReT. crit 1878. 8. 316. 

958. H. Berger, Die Zonenlehre des Parm. Souderabdr. ans 
Ber. d. SSdis. Ges. d. W. 4. Mal 1896. 8. 15—63. 

959. A. Döring, Des Weltsystem des Parm. Zichr. t Philos. 104 
(1894) 8. 161—177. 

Die Dielssche Ausgabe der Fragmeute des Parin., die der Herans- 
geber selbst nur als eine vorläufige bezeichnet, ist für die Kritik und 
das Verstäüdüis des Textes voq hervorragender Bedentang^. Die 
30 Jahre früher von H. Stein unternommene Bcarbeitnng muß trotz 
ihrer unleagbaren Vorzüge, au dem lientigen Stande der Kritik ge- 
messen, unzureichend erscheinen : fehlt ihr an der sulideu Grundlage 
einer zuverlässigen l'borlieferuug des Textes, und sie hat, der damals 
heri-schenden RiclLtnog folgend, der Konjekturalkritik einen viel zu 
breiten Spielraum gelassen. Ks hing dies, wie in der dem Texte vor- 
ansjreschickten Einleitung treffend bemerkt wird, mit der falschen Vor- 
ateliung zusammen , die sich jene Zeit von dem poetischen Werte d^ 
parmenideischen Lehrgedichtes gebildet hatte. Man glaubte sich be- 
rechtigt, seine Verse mit dem Vollendetsten, was die griechische Poesie 
hervorgebracht hat, auf eine Stufe zu stellen, obwohl das gesamte 
Altertum von Aristot. an fiber F. als Dichter abfUIlig urteilt. In 
"Wahrheit sind seine Verse oft holprig, der dichterische Ausdruck ist 
vielfach ungeschickt und prosaisch, die Personifikation unlebendig und 
konventionell. Selbst die an sieh großartige Konzeption der Himmel- 
fshrt entbehrt in der Ansffibrnng der dichterischen Anschaulichkeit. 
Man darl daher zweifeln, ob diese Idee anf dem eigenen Boden des P. 
gewachsen tot. Um diese Prsge sn besntworten, sncfat D. ans Heiiod 
nnd den sdiwachen Spnren, die die Poesie des 7. und 6. Jahrhnnderts 



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252 Bericht fiber die griechischen PbÜMOpben vor SokimtM. (Lortdng.) 

in anierer Überliefenmg ssnrflck^MBen hat, elo BQd ▼on der £ut- 
wiekdoDs der poetiachen yinon his auf P. m zeiehaen. In dieser 
UnterBocbiiiig zeigen aich der feine 8p&rainn und die flbenrascheade 
Eombinationigabe des Verf. im helleo Lichte. Preilieb acheint er in 
dem Bestreben, das Dnnkel jeaer Jahrhunderte an erieachten, bisweilen 
an weit za gehen. Nicht zu bestreiten sind die hesiodischen Anklänge» 
die B. nachgewiesea hat. Ob jedoch ttberall direkte Nachahmnag an* 
annehmen sei, ist schwer an entscheiden. Den Einfloß der Orpliiker 
anf P. stellt D. selbst, wie bereits zn Ko. 153 bemerkt worden ist, im 
Gegensatz zn 0. Kern als zweifelhaft oder wenigstens schwer nach- 
weisbar hin nnd macht daranf aufmerksam, daß im 6. Jahrhundert neben 
der orphischen Litterator manche Parallelströ mannen anzaiiehroen sind, 
die alle auf einer stark mystischen nnd pessimistischen ßmndstimiiiui.^^ 
berohen und ein weit verbreitetes Pi opiielen- und Kathurtenlum ire- 
zviu^t luibi ;], zu dessen »Uteren VeHretcrn Epimcnides ffehOit. Da iu 
deu uLicr dem tarnen dieses uiiiluulbuden ivaOotpjAoi auch 'AXr)Ö£ia nnd 
Ai'xT) vorkamen, so scheint die Holle, die diese Gottheiten bei P. spielen, 
ein Nachkan^ der Epinienideslitteratur zu sein (?). Die ganze Kom- 
position der llininielfiihrt ninÜ nberhaupt im Spiegel jener apokalyptischen 
Littcratnr betrarhtct werden, die nicht dem eleatischen llationalisnins, 
sondern dt ni ( ri hisclieu Mystizismus angehört. Seinen Ursprnnor hat 
allerdings das MntW der himmlischen Wag^eu fahrten in suicheii Steluu 
der Ilias, wo GoUinncn auf ihren himmlischen r4espannen falncii i>der 
irdischen Helden als Lenkt ) innen zur Seite troteii. An einen unmittel- 
baren Anseblaß jedorh au Homer, dn- überhaupt nach D. trotz mancher 
nnzweideutigen Anklünge nirgends aulfailend bei P. hervortritt, brauclit 
man auch hier nicht zu denken, da das bezeichnrtp Motiv in der älteren 
Lyrik in vielfachen Variationen wiederkehrt. [Nach deu Sitzungsbe- 
richten der Berl. Akad. d. Wiss. 45 (1896) 8. 1197 hat D. iu der 
Sitzung vom 12. Nov. „über die poetischen Vorbilder des Parni." g:e- 
lesen; der Vortrag hi indes ra. W. bis jetzt nicht veröffentlicht worden. 
Seinem Uauptiobalte nach wird er wohl in die Vorrede der Ausgabe 
anfgenommen worden sein.] Da somit das dichterische Können des P. 
nnr gerinic aoznschlsgen ist, so liegt für dm modernen Kritiker kein 
Grund vor, durch allerlei kflnstliche Mittel, wie sie Stein nnd mehr 
noeh Bergli mit großer Virtnoäität angewendet haben, die Überliefemng 
zu einem erttftomten Ideal der Vollkommenheit nmznwandeln. J>. rer- 
ziehtet mit Recht anf aile gewaltsamen nnd wilUiQrliehen Ändernngen 
des Textes nnd dehnt diese £athaltsamlceit anch auf den Dialekt ans» 
da es anmSglicb ist, den Text in der von P. selbst niedefgesehriebenen 
Form wiederherzustellen. Ton diesen gesunden Orandaätaea attsgebend, 
bietet naa Verf. einen Text, der ohne Zweifel der ursprÜDgUeliea Ge- 



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iiericbt über die griechischen Philosoplieo vor Sokratea. (Lortzing.) 253 

etalt des Gedichtes viel oftber kommt als die Steinsche Bearbeitaog:. 
Auch in der äußeren Fom weicht er von den früheren Rezensionen ab. 
btiitt der forllaufenden Zählung der Verse sind die in den Quellen als 
<iii unuiiterbrocheuts Ganze ergcheinendca Abschuittc /u je einem Fr. 
zu&ammeng^estellt , und wir erhaJteu so 19 Fr. von sehr versöhn dciier 
Länj;e. Der kritische Apparat unter dem Texte zeichnet sich durch 
uroße Knappheit aus. Nicht nur alle liberflüaaigen Konjektnren, bunderü 
auch manche beachtenswerte, dai unter selbst nicht wenige eigene des 
Verf., bleiben unti\'>ühüL und sind in den auf den Text folgenden 
Kommentar vcrvifsen. Zum besseren Veibianduia der Worte des P. 
hat D. dem lii.ks stehenden griechischen Text auf der rechten Seito 
eine treffliche ('bersotzung gegenübergestellt. Ein glücklichei Grill ist 
€S. daß diese Cheisetzun;^ nicht in Versen, sondern in Prosa abgefaHt 
isli der Verf. Imt sich dadurch in den Stand gesetzt, die feinsten Ab- 
tönungen des Gedankens weit genauer v\iederzugeben, als die-^ in form- 
vollendeter dichterischer Umgestaltung hätte geschehen kounen. Zwei 
Willkommene Zugaben endlich sind die genaue Nachweisung der Quellen 
für jeden Abschnitt, die am linken Bande der Ubersetzung angebracht 
ist, und eine den unteren Band einnehmende ZuFammenstellnng wichtiger 
Paragraphen einzelnei* Stelleu aus Sext. £mp., Simpl. und Theophr. 
So kann der Leser das zur kritischen Beurteilung wie nur richtigen 
Auffassung des Textes Wesentliche mit einem Blicke übersehen. Der 
Kommentar geht nicht bloß anf die kritischen und exegetischen Schwierig« 
keiten näher eio, sondern enthält auch eine Anzahl wertvoller Be- 
roerkoogen Über parmenideische Wortbildungen (eine von diesen: oureov 
^ oott oder ou6^v ist dnrch einen etwas kflhnen Analogieschloß aus dem 
überlieferten oux iov 8, 46 (109 St.) gewonnen worden), Wortformen, 
Wortführnngen, Unterscheidangen verwandter Worte, proeodiach-metrische 
EigentflndiehkeiteD, rhetorlsehe Fjgaren n. w. Wichtig sind auch die 
ziemlleb zahlreichen Verweisnngen anf Parallelstellen bei ftiteren Dichtern 
and Prosaikern, vor allem die anf Heraklit. Die von D. nachgewiesenen 
apfadilieh*rhetorischen Übereinstimmongen mit diesem stehen im engsten 
Znsammenhange mit der Frage, ob die Stelle 6, 4 (54) gegen Heraklit 
gerichtet ist oder nicht. D. stellt sich S. 69 ff. mit fiberzengenden 
Grfinden anf die Seite derer, die sie bejahen, wobei er n. a. anch 
ZeHm (737, 8) chronologische Bedenken beseitigt nnd die Möglichkeit 
dartbat, wenn man das Gedicht des P. em 480 aosetxt, die Schrift 
Beraklita etwa dem Jahre 490 anzuweisen.*) Anch sonst besprieht D. 

•) Neue Beweise für die Beziehungeo des P. zu Her. bringt Patin 
in der für den nächsten Jahresbericht aufzusparenden Abh. ,Parm. im 
Kampfe gegen Uerakhf Es kann nunmehr die zuerst von Steinhart 

i. J. Iä45 behauptete, von Bemaya üeraklit. Stud. l 1800 (Ges. Abh. 1 62f.j 



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254 Bericht über die griecbiachcn Fhilosopbea vor Sokrates. (Lortxiog.) 

mehrfach philosophiegeschichtlich wichtige Fragen ond geht viel häutiger, 
als man nach der Ankündigung im Eingang der Schrift erwarten sollte, 
anf den philosophischen Zosaminenhang und den Inhalt der Lehre des 
P. ein. Diese Auseinandersetzungen sind reich an wertvollen Beitrilgen 
zum Verständnisse des Systems und verbreiten über gewisse dunkle 
Punkte eiii nene«. Licht Tn der Bespiechnnjs: pin/elner Fr. muß ich 
mich auf eine kleine Auslese iIps Wichtigsten beschränken. Wcufi iih 
dabei besonders solche Aut'steliungen des Verf. auswähle, gegen die ich 
gewisse Bedenken zu erheben habe, so branclie ich nicht erst 7n be- 
tonen, daß die Zahl dieser Punkte im Vcru'loich zu der reichen Fülle 
des Gesicherten und Annehmbaren nur gering ist. Näheres s. in meiner 
Rezension Berl. Ph. W.-Schr. 1889, 1537 ff. nnd 1569 ff. 

Die Behandlung der vielumstrittenen Verse 1,31 f. (31 f.) kann 
als ein Muster echt konservativer Textkritik gelten. D. weist alle 
Ko^jektaren der Neueren, auch das der Wahrheit am aAchsten kommende 
doxtfxti>3f(tevat Bergks, zurück nnd schließt sich gsnz au die jetzt durch 
Heiberg sicher gestellte Lesart des Simpl. an, indem er nur statt 
do%(yun: mit einer kleinen Accentänderuog den Inf. aor. der bei Hesjchios 
fiberlieferten, durch die Imitation des Pberekydesbriefes bei Laert. I 1 22 
als iooisch und durch einige Stellen bei Sappho and Theokrit als Uoliseli 
sich erweisenden Form 6oxi{Aoi*v (= doxi(xaCtiv) setzt Die Vene lauten 
demnach: dXlC Iiiin)« xal rauxa (MiBi^at«, &i xä Soxouvra 1 Iokiimbct* 
tlvat KovT^c ««VT« icfpuvra. Biese Gestaltung des Textes halte icH 
für TOllfg gesichert, vermag dagegen nieht der Anslegang, die D. den 
Worten gleht, tazoatimmen. D. fthersetzt: «Doch wirst du trotzdem 
sDch dss erfahren, wie man alles und Jedes dnrehgehen nnd dabei jenes 
Scheinwesen auf die Probe stellen sollte." Hier scheint mir zniAehst 
die Yerbindnog Ton tTvat mit dem femstehenden Soxoovva eine Dnnkel* 
holt und Hftrte in sich zn schließen, Ar die sich sonst kein Beispiel 
bei P. findet Anch der Qebranch des Irrealis als Eftflichkeitsfoim 
statt des Plraes. Ind., wie ihn D. annimmt, muß Bedenken erregen, da 
er sich bei den yorattischen Schriftstellern anscheinend nicht belogen 
l&Ot Vor allem aber kann ich Biels* Erklärnng nicht als sachlich 
zutreffend anerkennen. Er sieht In den Worten die Ankflndigung einer 
kritischen Übersicht ftber die strittigen Ansichten der früheren Denker, 
einer Doxographie, die lediglich den propädentiscben Zwecken der 
Schule dienen soll. Diese AnfTassung der do^a, die Yerf. bereits In 
Ber. 1 270 besprochenen Schrift entwickelt hatte, kann ich nicht teilen. 



näher begründete Annahme, daii P. sich gegen Her. wendet, gegenüber den 
auch noch in der 5. Aufl. (738, 1) von Zeller aufrecht erhaltenun Ein- 
wendungen als völlig gesichert betrachtet werden. 



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Berieht über die griecbiichen Piiilosopben vor Sokratos. (LortiingO 255 

Von einer Kritik der in der Ao;a vom Standpunkte der gewöhnlichen 
Aleiüung aus^espi oi heuen Ansicliten ist weder in fien Fragmenten noch 
bei den "päteieii Berichterstattern eine sichere Spur zu üiiden, und 
auch die Schüler des P., Zennn nnd Melissos, haben ihr Augenmerk 
ausscliließüch anf die Verteidigung und weitere Ausbildung der eleati- 
schen Metaphysik gerichtet nnd kosraologiscbe oder physikalische Lehren 
überhaupt nicht, weder im positiven noch im negativen Sinne, behandelt. 
Nimmt man hinzu, daß P. im zweiten Teile seines Gedichtes ein ihm 
eigeiitfimUehes Weltbild seiehnet, das sich von allen ans bekannten 
Utiren Kosmologien in wesentlichen Pankten nnterscheidet und ia 
mancher Hinsicht mit seinen Grnndprinzipien im Einklänge steht, so 
wird man wohl an der sich anf Aristot. und Tbeophr. sttttaenden Auf* 
fassnng Zellers (566) festhalten mQssen, daß sich P. trotc seiner grond- 
sätzlichpn Leogniiikg der Wirklichkeit der Erscheinungen Teranlaßt ge* 
sehen hat, darsnlcgen, welche Weltansieht vom Staodpnnkte der 
herrschenden VonteUnngen ans sich ergeben nnd wie das einzelne von 
hier ans za erklHren wSre. Ich flbersetze daher die Verse so: «Aber 
trtftsdem sollst dn erfahren, wie man, alles gründlich dnrohfiirschend« 
(als wahrscheinlich) annehmen müßte, daß sich das Seiende vorhatte*, 
d. h* weichet der Wahrheit am nächsten kommende Bild man Ton den 
Erscfaeinnngen entwerfen müßte, wenn man sich einmal anf den (gmnd- 
sfttsUch falschen) Standpnnkt der großen Mehrsahl stellen wollte. 
Aoiu|Mi5¥ wird hier in einer fthnlichen Bedentnng gebrancht, wie sie 
He^ehlee anglebt (dox([ito)(it * xotl otbitai) nnd wie sie sich zweimal 
bei Sappho nnd sp&ter anoh Im attischsn Gebranche von doxt(M(Cttv 
Ündet*) — Die Worte I 37 f. |io'voe In 6ii|i^ hftw» ] Xtdcttai, die 
die neneren Heransgober streicben« in der Hdnnng, sie seien von 
Sezt. math. VIII U ans 8, 1 f. (63 f.) mit der wUlkUrlichen Änderung 
von itZboQ in 8u{io; hier eingeschoben worden, Iftßt D. als berechtigte 
Variante ebenso stehen, wie kurz rorher (!, 33; den 7, 2 (61) wieder- 
holten ond von Stein hier ausgelassenen Vers: aXXÄ au -cf^io a^' 
66oö SiCrjotoc elp^e vo'yjjia und faßt 8u[jloc oooTo im Sinne des Johanneischen 
oooc xal C'ü'i ftls „lebendigen Wog" auf. Aber es würe, wie ich a. a 0. 
uusge fuhrt habe, auffallend, wenn der Dichter bereits am Schlüsse tler 
Einleitung, bevor er noch die Verkeilt theit des anderweitigen Weges 
oder vielmehr der beiden anderen nachgewiesen hat, seinen Weg als den 
allein noch übrig bleibenden bezeichnete, eine Ausdracksweise, die doch 

*) In einem spftter ▼erOffentlichtea kleinen Aufsatse: «La Parvensa 
dl Parmeoide, Ateno e Roma II (1899) 8. 1—5, hat sich B, der obigen 
Bentong der Stelle, wie ich sie bereits in meiner Reseosion gegeben hatte, 
aogeschlossen, h&lt aber an seiner AnfEsssnog von dem polemischen Zwecke 
der Aö^i fest 



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256 Bericht über die griechiscbeo Philosophen vor Sokrate«. (LorUtog.) 

eigentlich erst am Schlosie der inciii'ekten Beweisf3hnin(? als Übergang 
znr direkten am Platze ist Aach 1. 33 scheint hier nicht ao der 
rechten Stelle zu stehen, wie schon Stein erkannt hat. Die von diesem 
angenommene Einschiebnn^ der beiden Verse durch Sextus freilich hat 
weuig Wahrscheinlichkeit Auf den recliLen Weg lüiiiL uns die That- 
sache, daß Sext. die beiden Verse 1,31 f. ansläßt. Nichts hindert uns 
anzunehmen, daß die Lücke bei ihm noch größer war nnd daß die ein 
fortlaufendes Ganze darstellenden, fast lückenlos überlieferten Fr. 4-7 
(43 — 60), in denen die gegnerischen Ansichten widerlegt werden, im 
Texte des P. auf 1, 32 folgten und 7, 2 (61) --^ I, 33 mit den bei Sext. 
sich anschlielienden Versen 1, 34—38 den Abschluü dieser indirekten 
Argumentation bildeten. Die Schlußworte: {ao'vo; — Xemitai fallen dann 
wiederom mit den Anfangsworten von Fr. 8 (62 f) zusammen, wobei 
natürlich das z\veifach durch Simpl. bezeugte \xZ[)oz vor «%«io: den Vor- 
zag verdient. Das die direkte Beweisführung enthaltende Fr. 8 schließt 
sich 80 unmittelbar an Fr. 1 an. Die Worte 1, 36 f. xpTvat §1 ).o>ti» 
beziehen sich hioruach nicht anf die 1, 31 f. angekündigte Doxographie, 
wie D. will, sondern auf die in Fr. 4 der trügerischen Meinung gegen- 
übergestellte Wahrheit, die sich der Philosoph jetzt za beweisen an* 
«cbickt. Eine Schwierigkeit macht bei dieser Anordnung die IJuter- 
bringnng der Fr. 2 and a (37-42). D. ist der Anucbt, daß 1, 38 mit 
2, 1 im engsten Zusammenhange stand und es nnr einer Anafdllflog dea 
mtvollständig erhaltenen v. 1, 38 bedarf, um diesen Zasammenhang 
bennstdlen, nnd glaubt auf gmnd der Bemerkung des Clem. AL, 
der Fr. 2 ftberlieferl» P. kabe in diesen Fr. anf die 'EWc in rfttael- 
bafter "Weise hingedeutet, die lAeke etwa so ergioien an J^SDneo: 
}LOv0c 8" In du|i&e 66010 | Xtticex« <&c btiv * xmr^ i* In IXkCIoc alNt.> 
Xtuoot d* fftftMc dmovra vjq> vnpUm ßtpdaic. Aber die letsten "Worte 
hedflrfen einer solchen VerTollsländigaDg niobt, um die Anffassmig dea 
Olem. zn erldttren: das icapt^vx« dst^vtat It&anv* rechtfertigt hinreichend 
eeioe christianisierende Anslegnng. Es steht also nichts im Wege, aaeh 
Fr. 9 nnd 8 in die Liicke bei Sext nnd swar nnmitteibar hiater 1, 33 
«inanreiben. — Die Stelle 8, 7 ff. (68 ff.), die den £rklärem viel 
KopfiEerbreeheos gemacht nnd zn verschiedenen Koqjektnren Veranlasanng 
gegeben hat (D. seihst hatte an Simpl. 75, 9 t ix [«tatt ix (ir;] vorge- 
schlagen), wird in der Ausgabe dnrch Annahme einer Lücke gdieilt, 
die das fehlende positive Glied des Dilemmas enthftlt; etwa so: in] r^dtv 

tt&^Y^Bev; <o5t fx TfO iivTOC f^ftvx' Äv ' | dXXo -yop 5v i:plv Jijv.^» 
00t* Ix lovTo; litno». — 8, 53 f. (177 f.) bat D. den verschiedenen, 
teilweise im geraden Gegensatz zn einander stehenden Dentnngen durch 
eine, wie mir scheint, sehr empfehlenswerte Erklärung der Stelle ein 
Ende gemacht; er fuLt uämlich vü>v }n'av oO XP^^^ ^^'^^ indirekten 



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Bericht über die griechisebea Philosophen vor SokrmteB. (Lortziog.) 257 

Siime als Aasdrack der falschen HeinnDf^ der Sterblichen und h <fi 
iceicXavT])Aivot e?a(v als parentbetisehen Znsatz: „Denn sie haben vermeiut, 
zwei Formen benennen zu müssen; nur eine derselben sei unerlanbt 
(dabei sind sie freilich in die Irre g<^aDgeD)." — 9, 4 (126) deutet D. 
mit Stein Uüd v^alirscheinlich anch mit SimpL die Worte Itte? w'^srlpw 
}ieta |Ar,o£v im Sinne von oo^etepov \itxiy(jii ouSerepou. Diese Deutun{2f 
erscheint mir grammatisch bedenklich; man vermiHt oO^e-lpo-j und er- 
wartet viT^ov^. [Ich bemerke jedoch, daß Diels mir brieflich mitteilt, er 
habe Eeispiele für die Aiislassnngf von ou^erepo-j und für \irfi£y.] Ich fas^e 
vielmehr ur^otv in dem technischen Sinne, den P. dem Worte gegeben 
hat (vgl. Dieis zu 6, 2), als jx^j lov ^ xsv(5v und Ubersetze mit Karsten: 
„Da keines von beiden Anteil am Leeren hat.''*) Der Satz enthält 
eine Begründang nicht zu T^mv diix^ot^v, wie D. will, sondern zu icofv 
lüiiov iaxh 6}jtou faeoc xal vuxt^ d<pavTQU. — Zn Fr. 12 (133—138) 
wickelt D. eine von der Bei8«nchen abweichende Erklärang der vwfinm 
in der Theophnwtparftphme, auf die wir unten in anderem ZuMiaiiieQ- 
hng» eiogeken werden. — Schließlioli sei noch auf die fiberzengende 
Erttrternng zo Fr* 14 aber das iU^ov 96c dea Mondes and anf dea 
vortrefflich gehugeaett Yersnch einer Herstellung des matmaßlich gprle- 
efaiachen TeKtea aas den lateialMheii Yersea des Oaelios Aurelianus 
(Fr» 18} hiogeiviews. ^ Blne lelir warlvoUe Zagabe bildet die doreli 
dtfa pameaideiaehe Baaehretbiiiff des himmlisebeo Theres veraalaAte 
Abbandlong «aber altgrieehkohe Thftren oad SefaUtar'', die elae 
aebirlerige Frage aas dem Gebiete der grieehiselien Altertttoier fritad- 
lieb and seharftinnigr nateraneht« Rsaensionen sind außer der meinigen 
(a. e.) ersebieneo von Freadenihal J>, 1897. 1087 C, Bl im 
Ii. a-Bl. 1897, 974 f, Patin Bi. f. bayr. G.-W. 1897, 686 (T,, Hoatsma 
Haseam 1897 Ko. 10, Campbell Class. Eeview 1897, 409, Goavrettr 
Bot. de phlloL XXU, 99 f. 

Qladiseh bespfiebt Fr. 8, 37 (101 ff.). Nacb Zarttckweisang 
der in der Tbat gamt verfehlten ErklSrnng ICallaehs (zn v. 97 ff.) m- 
matet er 8, 38: T(j> nivt' ^vap (statt ovo}i. ) im [lorat Biels als Alt. 
conseqnentiae; s. «Farm.« 87] and ttbersetat: „Deswegen ist alles aar 
«in Traam, was den Sterblichen gilt als nnleagbare Wahrheit.«* Bas 



*} Alicrdiags erwartet man dann, worauf nüoh D. anfmerktam macht, 
^fjBfivoc statt {ir^oiv. Dieses Bedenken aber wiiide sehwinden, sobald man 
fixa hier im iiTsprGnglichen räumlichen Sinne faßte: «zwischen keinem von 
beiden ist etwas Leeres." Vgl. F^. 12, 2 ykctd U f Ko|o^ titat aiaa, wo D. 
ftcxd mit «daswjschen" wiedergiebt^ und den verwandten seitlichen Gebrauch 
von iiÄtfiaii bei Ilom. II. B 386: ou -jap xouotuXi^ 72 ^Lixijzzxai, Für den Ge- 
danken ist der Unterschied zwischen dieser nnd der Karstenschen Erklftnug 
von keinem Belang. 

Jahresbericht fOr Aitortumswisseiunhafl. Bd. CXU. (1903. I.) H 



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258 Bericht über die giieciiificiieii Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 

erinnert bedenklich »n das lYngbüd der indieeheo M^je. aiiif das 0. In 
frtUiereii Arbelten die AoE« dee P. znrfickgefälirt hat. *Ovo|m glebt 
einen unudligen Sinn, wenn man mit Diele ftbemetst: .Dmm ist alles 

leerer Schall, was die Sterblichen in ihrer Sprache festgelegt habeo, 
überzeugt, daB es wahr ist.* 

Göbel behandelt S. 31 ff. und 65 ff. das Verhältnis des plato- 
nischen iViniienides zu dt r eleatischeii Lehre. Er ist überzengt, daß 
die labyriuthartige, zu allerband Aporien fdhreüde Verwickelung? d^r 
Begriffe im zweiten Teile dieses Dialoges eiue Nachahmung der eleuti-cheo 
SpeknlatloD sei, and daß diese dialektische icXdtvij (s. 18G D) in Fr. 1, U f. 
stecke. Er liest dort ooxi^xouv für doxt(j.u>c und öbersetzt die Stelle; 
«aber zu alle dem wirst du auch lernen, wie man dieses als das zu sein 
Scheinende beweisen (?) muß, indem man alles durch jedes hindurch- 
führt (?)", d. h. indem man mit jedem Subjekt alle möglichen Prädikate 
kombiniert und daraas die Konsequenzen zieht. Die Beweise der 
Eleateii , wodurch sie die "Welt der Erscheinungen zerstörten, bernhteu 
nach <i. wirklich auf der (ileichsetzung der Gattungs- und Artbeirrifle, 
mit deren Hülfe sie die Wi ierspriicbe f^e^en das principium contra- 
dictionis folgerten. Dieses zeigen khw die Beweise Zenons. Auch von 
Farm, sagt Äristot. 180 u 22 ff., er habe nicht zwischen Substanz und 
Accidens unterschieden und deshalb falsche Prämissen und falsche 
Schlüsse gebildet. Daher geben die Eleaten auch keine Definitionen, 
ebenso wenig wie die Sophisten; beide unteiiasseu es, das Eine mit dem 
Vielen durch die Division zu vermitteln. — Diese ganze Erörterung 
beruht auf der falschen Voraussetzung, daß die Methode der Beuel»* 
IfihmDg des Parm. bei Piaton mit der wirklich von den Eleaten an- 
gewandten im wesentlichen übereinstimmt. Die Konjektur 6oxt(&oüv unter« 
scheidet sich nur formell von der Dielsschen Emendation doxi^iü?'. — 
Liebhold, der sich in Xo. 253 gegen dlo Behandlung dieser Stelle bei 
Gebel wendet, verwirft die Vermutung mit Unrecht deshalb, weil temiMuv, 
wie er behauptet, nar in dem Pherekydesbriefe vorlconunt; i. was wir 
zu No. 950 S. 254 bemerkt haben. Mit Beeht dagegen erkiftrt er Qdbeto 
Interpretation der Stelle für geswongen. AnfRUlig seien beeondera die 
Yerbindnog des «Ivat mit dem entfernten doxovvta [dies habe ich bereits 
S. 254 geg^n die mit der GObelschen in diesem Panlcte snsammen* 
treffende BSrklämng von Biels geltend gemacht] und dem transitiven Ge* 
branch von icspav, das sonst nnr in der Bedentnng von traieere Tor- 
kommt. L. geht jedoch darin nicht minder fehl als Q.. daß er ^ 
icavxic K^vra icepo»vTa mit td doxovvta verbindet und Ck> mit Peyron 
fttr xp^v^ doxti&dCstfdat (fttr $oKt)A<iic cTvat) vorscbl&gt. 

Danriac bringt zur Kennzeicbnnng der parmenideischen DialekUIt 
kaum etwas Keoes. In dem fiberall gleichartigen, kontinoierlichen. 



üiyiiizeQ by GoOglc 



Beriebt ttber die grieeUMbea Fbileeopiieii for Sokittei. (Lottibg.) 259 

onteilbaveii Sein lieht er mit Lech Alier (onedierte Votleeiiiigen in der 
£eo]e nofmale 1876/77} keioe bestimmte Materie, sendeni deaEanm, 
den Jeder ali homogen nnd kontinoierUch Imint. für eine aolehe 
Seheidanir des Bnnmee von der Ihn erfüllenden Materie findet alch in 
nnierer Überliefenm^ kdn Aueiehen. Ent bei Zenon wird der Banm 
an einem aelbittndigen Begriffe. Wie hStte dieaer aber aaine BealitU 
beatreiten kOnnen, wenn sein Meister das Seiende ihm gleichgeeetat hatte? 

Die Abbaadlnng Ton Bftnmker nnteracheidet aieh vcm der Dar- 
atellang des parmenldeischeD ov in dem später ersehienenen Werke des- 
selben Verfassers „Bas Problem der Materie* (s. Ber. 1 226 f.) insoferu, 
als in der letzteren melir das idealistische Moment in der Anffassung 
des Seienden, hier dagegea aieiir das ruaUbUbclie betont wird. B. be- 
ginnt mit drr Bemerkung, daß die i^Vagmente des V. zwar üfter von 
der K 1 iizifj^keit des Seienden im Gegensatz zoiii Nicht-^eiendeti reden, 
iiur einmal dagegeu von seiner Einheit. Bei der bpäriichkeii der er- 
haltenen Brnchstficke müssen wir die Bericiite Späterer mit in beti'acht 
ziehen. Abzuweisen sind die unhisionschen Umdentungen der Neu- 
platoniker, deren llnteracheiduD^ des vot^tov und des xoafxr,Tov aln / w eit-r 
verschiedener Objekte dem P. liem I ist; mit vjy^tov 8,8 (69j ist über- 
haupt das Vorstellbare im weitesten Sinne bezeichnet. Dieses allein 
vorstellbare Seiende ist dem P. nicht ankörperlich: er legt ihm viel- 
mehr Kugelizestiilt bei. Dem widersprechen nicht Fr. 5 (50) und 
8, 34 ff. (96 ff.); der Sinn ist hier nicht, wie Zeller 558 angiebt: „das- 
selbe kauu gedacht werden und sein" (Z. liest demgemäß auch an 
der ersten Stelle iativ statt loriv), auch nicht: „das Bein ist Denken", 
aoadern: »(anch) das Denken ist Sein", d. b. der Denkakt ist untrenn- 
bar von seinem seienden Objekt, Nichtsein giebt es nicht einmal im 
Denken. Auch Zenon faßt das Seiende noch körperlich, und wenn 
Melissoa § 16 die Körperlichkeit des Seins einschränkt [vielmehr: 
leugnet; a. Aber die Deatnog dieses Fragmentes bei B. Ber. I 227j, 
ao legt er ihm an anderen Stellen doch wieder Qrüße bei. Dieser 
innere Widenpmeh der Lehre führte bei Gorgiaa aar Selbstaufhebaner 
des ganzen Systems. Diese Bntwlckelang ist nur verständUch, wenn 
Pana. sich das Seiende als etwas Empirisehes, Körperliches vorstellte. 
Ohne gesehichtUchen Wert shid auch der Versneh einer Bekonstroktiou 
dea parmenidelseben Beweisganges bei Porphyrios (Simpl. pbya. 11 6,6 ff; 
vgl S36, 6ff.) nnd der Syllogismns des Theophrast Fr. 7 S. 483, 10 Diels. 
der anf Ariatot. Metapb. 986 b28 anrttckgeht; Theophr. bürdet dem 
P. einen fthnUehen Fehlschluß anf, wie ihn Aristot, gleichfalls irrtHm- 
lieherweise (v), bei Melissos § 1 gefunden hat. Während Aristot. das 
dea P. bald als ein begriffliches, bald als eine durch kein Leere« 

unterbrochene rftnmiiohe Kontinuität bezeichnet, faßt es Flaton Soph. 

17* 



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260 Bericht über die grieefaisdieii FUlosophen vor SoknteflL (Lortsing.) 

S4d D nod 244 B im Sinne der begriff Ucben Untenchledalorigkeit «iid 
ngleidi der rSmnlicheB Totalitftt Den MheintNafen Wldenpmeh In 
diewB Angaben enelit B. so sn 193en« F. itfttit steh in nelner Bewein» 
fUiroDg anf logische SpeknUtlon, eelne Methode Ist ideaUitieeh; aber 
das Objel[t der denkenden Betnehtnng ist nicht das Sein des Ge- 
dankens, der Idee, wie bei Platon, sondern daa gliche wie das der 
sinnlichen Wahrnehmung; insofern ist P. Realist Dos Seiende ist ihm 
das Weltall selbst. Dieses darf aber nicht als ein schemenhafter, aller 
Unterschiede barer Betriff j^efaßt werden. Die Gesanatheit des Seienden 
(gewöhnlich to iov im Singular genannt) schließt bei P. die Viellieit 
nicht ans; diese tritt 8, 25 (sr,) und 2, 2 (38) hervor, wo von mehreren 
ovT« die Rede ist. Mit dem i'roblem der Bewegung scheint er sich nur 
insofern befaßt zu haben, als die Bewegung: des ganzen Weltalls, 
seine Bildung und sein Untergang dnrch Kinurakii on und Expansion in 
Frage kommt; wie es mit der scheiubaieu Bewegung des Einzelneu 
innerhalb der AVeit bestfllt sei, <lananh hat er wohl überhaupt nicht 
gcfrajjt. Auch MtlisBos will iiiuerlialb der (Tesamtheit eine Bewegung 
der Körper durch das \'olle nicht be-treiten i ?). — In dieser Dar- 
stellung scheint mir die Antfas<?nnq: des Seienden als eines realen, körper- 
lichen im wesentlichen das liichti^t' zu treffen, und ich kann Di eis nicht 
zustimmen, der in seiner Besprechung: der Ablinndlunof (Aich. I 244f.) 
bebaiii tet, dieser interessante und Brhnrfsinuige Versuch, das System 
d. P. realistisch zu fassen, finde in den Fragmeuten keine Stütze. Alle 
rriidikate. die P. seinem Sein beilegt oder abspricht, sind körperlich' 
ranmlichcr oder zeitlicher Art; von ideellen Eigenschaften ist in den 
Bruchstücken keine Spur za entdecken. Nor in der Kühnheit der AJb- 
fttraktion von gewissen sinnenfailigea Eigenschaften der Materie kam 
man ein ideelles Moment erblicken; man darf auch noch weiter gehen 
nnd sagen, die Konsequenz dieser Abstraktion führt znr Einheit dee 
Begriffes und znr Anflösang der Materie in dem Sein der Idee; aber 
P. Reibet hat diese Konsequent eben noch nicht gezogen. Mit Unreekt 
dagegen sncbt B. in die starre Gescbloesenheit und Efnittmigkeit dar 
grossartigeu Konzeption des P. Bieoclie in legen. Wie IHeila iicht% 
bemerkt, Jet an den beiden znletxt angeffthrten StdlMi der Fragnmte 
niebt von mebreren im die Bede; Idv ist auch Itter nieht ElniddlBg, 
sondern ein nntrennberer Teil der Geiaintlieit (vgl. 6|Mn> «ov an aBderan 
Stellen). In der ^Alifkm. iit weder für daa Viele noeh für die Be- 
wegung in irgend einer Form ein Platz. In der M^v. hemelien aller* 
dinge Vielheit nnd Bewegung; aber sie bat, wie wir oben geeehen 
haben, nor eine hypothetische Geltung. 

Die Ergebnisee der Abhandlnng Bergere weichen von der her- 
gebrachten Anfftmnng kaom minder ab ala die nnter No. 348 be- 



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Bericht über die griecbifcben Philosopiitu vor Sokrat««. ^Lorlziug.) 261 



tprc^kmun Anriditeii dewlbflnYerflMWis Aber He Physik des Xtnophaoet. 
Biw aber MbdsM ik§e Endbnte hma begründet als dort, wenn 
mut iteen Mdi nielit ttberell imtimmeB ktnn. B. geht von der Mit- 
teBoDg des Poseidonios bd Strabon II, 2 C. 04 aas, nach der P. der 
Urheber der Teilung der Erdoberfläche ia fünf Zonen gewesen ist und 
darg^ethan hat, daß die Breite der verbrannLeii Züuc beinahe Uoppelt 
80 g-roß sti als die der Zunea zwiscbtiu den Wendekreisen, weil sie 
über beide Wendekreise in die gemäßigten Zonen hineinrage. Diese 
Angabe eines zaverlüsgigen Zeagen wird durch eine Stelle des Aristot.« 
wo P. freilich nicht genannt wird, and dnrch einige do&ographische 
Notizen bestätigt und dadarch die enge Beziehung dieser Lehre zu der 
von P. ansgcbildeten Lehre von der Kngelgestalt der Erde gestützt; 
denn die Erdzoneiitlieoi ie verdankt ihre Entstehung ohiie /.wt itcl einer 
Ubertra£?an? der Hiinniel^ki onon auf die Erde, und diese UbertraL^ung 
iKt undenkbar ohne die Kenntnis dtr Erdkugel. — Zu nnterschLi ieu 
von der Zonenlehre, wenn auch in ^rewisseni Zusammenhauge mit ihr 
stehend, ist die Hypothese v^ni den konzentrisch sich umeinander lagern- 
den jTE^avat. Der vielnni«;ti it teue Üericht des Theophrast bei Aet. 
TT 7, 1 \^ird von B. folf^'tnderniaßen aus^gelegt. Die aTe^avat sind nicht 
mit Dniino: (s. No. 259) als Kugeln, sondern als Kränze oder Krone'i 
zn fassen ; sie liegen zwischen der das AU aroschließenden Himmelfikugel 
und der in der Mitte rahenden Erdkugel. Die äußerste (rce^avi), un- 
mittelbar unter dem Himmel gelegen, ans flüchtigem Femerstoff. ist durch 
Projiziernng der 2ooe der jilhrlichen Sonnenb^echooBfl^ aaf den Himmel 
entstanden, die innerste, am die Erdkugel geechlnngene, aus festen« aber 
gleichfalls feurigen Stoffe bestehend, kann nur die verbrannte Zene Bein, 
4&nm Dasein P. nent gdebi't hat. Die zwischen diesen beiden liegen- 
ta, aas Liebt nnd FlDsternis gemischten Kronen beaeiebnen die Region 
der Planeten, deren P. wenigitena drei, Veans. Sonne nnd Mond, ge- 
luMt bat. Unter der In der Mitte dieser Reibe waltenden Gtfttin bat 
VM die Sonne, niebt mit Kriiebe den Im Mittelpuikt der gauen Welt 
befindliche OentraUeoer m venteben. — Dleee Eridlmng der eobwierigen 
SteUe verdient aUe Beaebtnng. Die ingeaiSie Dentang dea inneraten 
CHfartda ala ▼erbrannte Zone enpfleblt dcb beionden dadareb, daß nie 
die Uaber einen Stein dea AnateOea bildoiden Worte «tpl 8 icdOUv 
iBopmSvfi nngcBwnngen erklärt. Zweifel erregt freilicb der ünatand, daß 
wir Bo einen Bing erbalten, der abwelebend von den ttbrigen 
I>ieke bat, aendem nnr eine Oberllftebe beseicbnet. Ancb ?ennißt man 
nntcr den gemiscbten Bingen bei B. den der HilebetraOe, über deaaen 
Badentnng Diela Perm. 105 zn vergleicben lat — WIbrend man bis* 
ber ateta nnd awar, wie eine unbefangene Yergleicbnng lebrt, mit vollem 
Beebte die ACtieaateUe ala eine Pampbraae dea bei SImpl. ttberlJeferten 



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262 Beriebt über die griecbischen PbiloBopben vor Soknlei. (Lortdng.) 

Pragmentt 18 (138—138) betrachtet hat. iit B. der Heinoog, daß hier 
siw aaeh ▼on KFonen and OtlrtelD die Eede sei; aber es seien niefat 
GeetfmkroDen, aondem Erdsonen daronter zn ventehea: at oitiWvtpst 
beaeicbne die durch die AoBdehnong der heißen Zone eiogeengten ge- 
mäßigten Zonen« a{ inl xatc vuxt^c die beiden kalten Zonen, voa deaen 
zutreffend gesagt werde, sie seien mit Nacht erfüllt , in die das Licht 
nur eindringe (^.erÄ <j>Xof Te-cai aha ; anders faßt diese Worte Diels : 
»dazwischen aber ergielit sich des Feaers Anteil"); die in der Mitte 
wohnende Göttin endlich Bei anf die heiUe Zone zn bezieben, von der 
aus jene ihre belebende Wii ksamkeiL über die Erde verbreite. Dieser 
ganzen Konstruktion wird indessen dadnrcii die Grundlage entzogen, 
daß von den gemäßigten Zonen uinndglicb gesagt werden konnte: 
iTupof dxpTjToio; es hätte vielmehr euxpiQToto heißen müssen, wie diese 
Zonen ja denn auch in der späteren Zeit freradezn euxpatoi genannt 
werden. Yffl. Diels Farm 104. Auch Mimitit es sich recht wumlerlich 
aus, weiiu die alles hewef^eiide uüd Icnktiide ( liittin, die P. nach Bergers 
Erklärung der Aetiosstelle der Sonne gleichgesetzt hatte, hier plötzlich 
in der %Trbrannten Zone ihren Wohnsitz haben soll, als ob diese Zone 
nnd nicht vielmehr die Sonne, von der sie doch selbst erst ihre Glut 
erh.llt, allen Teilen der Erde Licht und Leben spendete. So wird es 
doch wohl bei der hergebrachten Gieichsetzuug der Kronen des Fr. 
mit denen des doxographiscben Berichtes sein Bewenden haben müssen. 
Eine Schwierigkeit bietet hierbei allerdings die Beseichnnng der ans 
ungemischtem Feuer bestehenden <jxt^a>*an als (rruv^ttpat. Biese Schwierig- 
keit hat Diels Parin. 104 ff. dnrcli folgende nene Deotong der Über- 
lieferung zn lOsen versucht. Die beiden aas den nnvermiachten* Ur- 
Stoffen Fener nad Erde gebildeten Doppelsphftren sind das nmschließende 
Firmament, dessen feste Schicht nach anßen gerichtet ist, während die 
feurige nach innen liegt, and die in der liitte rnhende Erde, unter der 
sich gleichfalls im Innern ein dem pythagoreischen Centralfener ent- 
sprechender feorlgitsriger Kam befindet. Zivlsehea Oantnim nnd Pe- 
ripherie kreisen die ans beiden Elementen gemischten Qestinuringe. Piene 
ErkUrang bat vor der Beigersoben den anlengbaren Yonmg, daß der 
Ansdmck mv^spat dnreh sie in der That ▼erst&ndlich wird. Anf der 
aadetn Seite erweckt sie jedoeh in awlefiusber Hinsicht sprachliebe Be- 
denken. Das Wort ori^vi) ist sweidentif gebranekt (die gemischten 
tftt^Kvot sind naeh D. als Binge, die nnTennisebtea als kngelförmig- 
zn fassen), nnd In den Worten des Berichtes ictpl 3 ledEXiv iR>p<&$i)c sieht 
sieh D. genötigt, mpC e. ace. in einem doeb aicherlicb sehr nngew<Vlm- 
licben Sinne, nimlich vom nnmittelbaren Aascblnß des feurigen Kernen 
an die innere WOlbnng der Erdkruste , an verstehen. In der Frage» 
welcher Plats der h {xe^tp xomv thronenden CWttin anznsehen sei, 



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fieiieht Uber die griecbiieben Pbilosoplraa vor Sokrites. (Lortsiog.) 263 

entwich eidet sich D.« Mch hier im Gegensätze zn Berger, fQr die aaf 
Simpl. sich stützende Ansicht, daß Jene sich im Mittelpunkte des Welt- 
alls, also iu dem innerirdischen Feuer, befinde. Zvl einem sweifel* 
losen £rgebni8 hat hiernach die Erdrterong der beiden schwierigen 
Stellen weder bei Diels noch bei Berger geführt. Über die sonstigen 
Forschongen anf geographischen Gebieta, die Farm, nach Berger nnt- 
maßlich angestellt hat, s. meine BespreehnngBer].Ph.W.-S«br. 1897, 903ff. 

Dnrch die Uotersnchnngen ?on Berger nnd Diels liaben sich die 
von Ddring entwickelten Ansichten größtenteils als haltlos erwiesen. 
D. dentet die «ttfavflu als Sphllrea nnd nimmt bei P. fliaf solcher 
Sphftren an: 1. die reine Fenersphttre, den Äther; 9. die Sonnensphlre, 
die schon der Omppe der gemischten SphAren angehört, aber mit Über* 
wiegen des Feners; 3. die Milchstraße, die Spbftre der gleiehmißlgen 
Mischnng, in der die lenkende Ctottheit thront (?) ; 4. die Uondsphftre, 
in der dss dnrch die Lnft reprisentierte dnnkle Element überwiegt; 

die £rdspbSre, die Erde und ihre Lnfthülle, die ansschließUch dem 
dunklen Elemente angeboren. Diese Einteilnng hat Verf. nnr dnrch 
witlkflvllche Behandlnng des Textes nnd dnrch verkehrte Anslegong 
einieiner überlieferter Ansdrftcke gewinnen können. Die Worte «al t& 
fueratttttTov icotocov, nepl G KftXcv iR>p<»dv|c bei Aöt. II 7» 1 streicht er als 
,.bannonistische Glosse" (s. Biels, Parm. 104), faßt in den vorher- 
gehenden Worten :rupto5T)j dem Sprachgebrauche zuwider im Sinne 
des Vorliandenseins einer größeren oder kleineren Beimischung von 
Feuer aut und Ubersetzt ebenso sprachwidrig tnctvot^p-^' Fr. 12, 1 mit 
„dünner* (s. Diels 105). Aut ktlschcr Fährte ist D. auch, wenn er 
<)/£u9ofivrj bei Aet. II 30. 4 auf die Mischung des Feurigen mit dem 
I'iiiiklen in dem Lichte des blondes bezieht und für ein authentisches 
Wort des P. hiilt. Bei Aet. herrscht hier, wie so oft, Unklarheit und 
Vcrwirruni:. Nach Fr. 14 und 15 wußte P., daß der Mond sein Licht 
von der Sonne borgt, und nur darauf kann sich der doxogiaphische 
Ausdruck tl/eoSo^avi^c beziehen, dem bei P. selbst rxÄXo'tptov ^»T); entspricht; 
8. j)icls, Farm. 110 ff. — Von sonstigen Bemerkungen Dörings seien 
hier noch zwei erwähnt. Den Widersprach zwischen Aet. II G, 1 S. 335, 
17 und Plnt. Strom. S. 681, 4 D. sucht er dadurch zu beseitigen, daß 
er au der zweiten Stelle so zu lesen vorschlagt : ix t^c y^c (statt T-f;v 
T^v) roZ ruxvoo xarappuEvro; ocepa (statt jiooz) 7£7ov£va'.. Die Zoneo- 
eintcilung des P. kann nach D. bei seiner Unkenntnis der südlichen 
Halbkugel [aber diese war ja überhaupt im Altertum so gut wie un- 
bekannt] nicht die uns geläufige gewesen sein, die ihm Poseidonies n- 
tcbreibt; P. hat vielmehr nur einen Anfang der Übertragang der 
Hiomielnonen auf die Erde gemacht nnd nur die nördliche gemnßigte 
Zone abgegrenst Die Begrttndnng dieser Ansicht, für die sieb D. anf 



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264 B«ii«bt ftber die griMhitehen Piiiloaophea vor 8oicnt«e. (Lortmig.) 

Aet. ni 10, 4 beruft, ist mir üavei*8tändlich gebheben. — Inzwischen 
hat D. seine Ausführung^en Diels gegenüber in dem Aufsatze: „Hin 
Wort pro domo" (Zschr. f. Philos. III H. 2)* Terteidigt, auf den im 
aftchitan JabreBbericht einzagehen sein wird. 

Die Eahlreiohea Verbetaernngsvorschläge , die zam Texte der 
Fragmente gemacht worden sind, Ijier aufzuzählen, erscheint nach 
dem, was Diela in seiner Ausgabe über die richtige Art der Behand* 
lliD^ dieses Textes aoegeftthrt hat (s. zn No. 250), überflttssig. Die 
wichtigstea Konjekturen findet man in Biels' Aasgabe.*) Fttr anderer 
Vermutungen verweise ich auf Fr. Schulteß' Bearbeitung der Vor- 
eokratiker in der 7. Aufl. von Ritter und Preller, auf Diels' Anagabe 
dee SimpL ad pbys., Zeller in der 5. AaA. der Phil, der Gr., Burnet» 
Early greek phU. 183 end auf die neue Ausgabe fen Bergke Be- 
Miioii des Kantenschea Textes in Kl. Phiiol. Sehr. II 46 iF., wo Pepp- 
mttUer 8. 54, 57 nnd 58 einige nachgelasseoe Koijektiirea des Ver* 
taars yerdffenilioht hat. Von dieses erwUmt Diels aar swei im Kom* 
meatar zn Farm. (8. 88 an Er. 8, 31 nnd S. 81 ta 8, 23), lehnt lia 
aber ab. Zn erwXbnen dnd sddießUch zwei VerbesseraagsvorscUiga 
Ten Qomperz, 8itz.«Ber. Wiener Afc. d. W. 1885 a 13 f. (s. Bericht 
1 127). In Fr. 8, 32-^35* das in seiner aberiieferten Fissnng kaam 
verstandlieh encheint, nimmt G. eine Umstellaag zweier HalbYerae 
vor; Biels, Farm. 81 sieht darin eine geistreiehe, aber doeh an ge- 
waltsame Lfiaaag nnd sacht die Schwierigkeit der Stelle darcb 
eine neue, scharlMnnige Erklirang an hebea. Pie zweite Vermntang 
betrUH die latsbiischea Verse des Gael. Anrei. (Fr. 18), wo G. miztae ano 
in corpore statt permizto in corpore ▼orscbUgt, s. jedoch IHels 8. 115.> 

5. ZenoQ. 

260. F. Schneider, Zeno aus Elea. Philol. 35 (1876) S 602—642. 

261. £, Baab, Die Zenonischen Beweise. G.-Pr. Schwein- 
farth 1880. 

*362. Ch. Dnnan, Zenonis Eteatae aigvmeata. Blss. 1884. 
S. Bev. crit. 1884, 191 I. 

*263. Derselbe, Lee argnments de Z&ion contre le monvement. 
Nantes 1884. 

^264. F. Tannery, Le concept scientiflqne dn Continn. Zteon 
et G. Caator. Bev. pbilos. Oct. 1885. Vgl. Sc. hell. chap. X. 

265. <l>iXoaocpixa })lzXz-zr][x.'i~x Ütto M a p y ap ixö u I . j i , ; ^ / : o u ü. I, 
A'Jien 188C. üü S. 8. Darin: 0 Z^v<uvo« «epi toj aneipou jis^e- 
Oo; kuyji. S. 78—96. 

Vgl. auch die inzwischen in Diel»* P. Ph. Fr. erschienene Nen- 
bearbeitofig der Bruchstücke des P. 



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Biikfat Uket ^ griechiichiP PldkiiOi^bCB vor StMtm. (Loi(iia(.) 265 

*966. V. Broehard, LeB «ffgonsftts d« Zönoa ö'äte oootre 
Ib monTem«nl (Eztriit). Ptrit 1888^ Pieud. 

^67. Prontera, Stade stur \m argomentB de Zönon d'£:i^e 
contre le monvement (Extrait). Paris 1891, Hachette. 23 8. 8. 

*268. G. Mouret, Le probl^me d'Acliille. Bev. philos. 1892. 

S69. 6. Noel, Le moaremeiit et lee aignmentB de Z. d*£. 
Be?. de MötopliTaiqiie et da Morale I (1893). a 198—125. 

270. G. Milhaud, Le concept du nombre cliez les Pythagori- 

cieiis et ies i^leates. Ebd. S. 140 — 156. 

27!. V. firoohard, Lea pr^tendos sophUmes de Z,ä:t. Ebd. 
S. 209-216. 

279« P. fiYelin, Ketes eritiqaes. Encore k propoe de 2. d*£L 
L Le meavemeot et les partitaDS des lediTislbles. Ebd. 8. 882—895. 

273. G. Lecbalas, üoit sur les aurgumeuts de Z. d'^2. Ebd. 
8. 396—400. 

274. G. Hllhaad. B^ponie & IC. Brodiard. Ebd. a 400-404. 

Schneider gelit Ducb Erörterung der Zeit- und Lebensverliält« 
nisse Zenons, in der er dessen (k-burt nach Piatons Bericht im Parm. 
bestimmt [vgl. Bar. 1 202 f.], auf seine Schrift über. Wenn er das 
Verhältnis zwischen den Xöyji und u-o^ijsi?, in die nach Plat. Parm. 
127 D diese Kchrift zerfiel, so bestimnit, daß beide Auidräcke sich 
Jedesmal auf deubelbeii Abschnitt bezieheo and zwar uit^Ö. den voran- 
g-estellte?! hypothetischen Satz nebst Folgerang:, Xofoc die Hypothese 
nebät dem Beweise bezeichne, so kann ich dieser Den tu iig, obwohl sie 
Raabs Beitj.U j^efunden hat, nicht beistimmen, da mir die Worte bei 
Plat, a. a. ü.: Tr,v rcptuxrjv 5r(S9e3tv tou -puitou X^tou keine andere Er- 
klärung zQZolassen scheinen als die von Zeller 586 f. gegebene, daß jeder 

in mehrere unobhui zeiHel. — In der Besprechang der einzelnen 
Beweise des Z. stellt Sch. den xeTXpt^c an die Spitze, der in der dia- 
logischen Form, wie er ans bei Simpl. überliefert ist, als ein Qesprftch 
nämlich zwischen Z. und Protagoras, nach der treffenden Benerkimg 
dee Verf. schon deshalb nicht aas einer eigenen Schrift Zenons stammen 
kann, weil es andenkbar ist, daß dieser sich selbst redend eingeltihrt 
habe. Dieser Beweis hat, wie Sch. glaabt, nar den Zweck, direkt an 
einem Beispiele die UnzumlftMiglteit der Sinne darzathoo, and gehOrt 
sieht, wie Heller 596 anninnt, wa den gegen die Viellieit der Dinge 
gerichteten iXsr/oi. Ähnlieli arteilt Baab: Der 8ats habe Tiellelebt 
nnr propldentfaehen Charakter, indem er dnrch VerdAehtignng dee Zeug« 
uiMet der 8tnne den Angriff anf die Vielhelt-und Bewegung ?orbereiten 



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266 Berieht lUier die grieebiscben PbUoaopbaa vor Sokniea. (Lorttini;.) 

solle. Vgl. auch Gomperz Or. B. 156 fif. Die Frage ist «cbwer zu ent- 
scheiden, da der Satz ¥on Arittot. pbys. 250 a 19 in knappster FassQng, 
oboe jede Beweisfdhning , geg>eben wird ond die simpliciuiieehe Dar- 
etelinng: offenbar nicht auf Z. zarnckgeht, sondern ans eiaer sptteren, 
Mhr freien Bearbeitnng geschöpft ist. Wenn aber Sch. vermutet, aneh 
der vierte der Beweise gegen die Bewegung solle ein direktes Zeugnis 
für die TrUgUchkeit der Sinne und die ZnwlBssigkeit des Denkens sein, 
so ist daran! mit Baab ra erwidern, daß der auf dem Verbftltais zwiseiien 
Zeit und Weg bemhende Widenpnich, der diesem Argumente zn gmnde 
liegt, nicht aus der sinnliehen Wabmehmnng, sondern gerade ans dem 
Denken entspringt. Auch sonst weicht 8cb. in seiner Auffassung mehr- 
fach von Zeller nnd anderen Forschern ah, meist Jedoch, ohne die 
Aporien, zn denen die Argumente des eleatischen «Palamedes** reich* 
lieh Yeranlassnng geben, besser als seine VoigiLnger zu lOsen. In ein- 
zelnen FftUen beruhen diese Abweichungen auf emer verfehlten Er* 
klftrnng des Textes. 8o erscheint die Anffiusnng des «potxov hei 8impL 
140, 83 S, als eines nicht ftber die Grenze nach außen hioans, sondern 
nach innen hinein Hervorragenden sprachlich nnmOglich; die richtige 
Erkiftmng giebt wohl Zeller 593, 1. Wenn Sch. femer hehanptet, bei 
Aristot. 919 b 6 sei unter xh foov nnsweifblhaft der dem Bewegton 
gleiche Eaom zn verstehen, so ist dies darchans nicht nnzweifelbaft« 
sondern im Gegenteil höchst unwahrscheinlich; aoeh hier scheint Zeller 
600, 1 das Richtige getroffen zu haben, indem er xati t6 wov tTv« nach 
Themistios und Simplikios so erklärt: „in dem g-leichen Ranme sein 
wie vorher, seinen Ort nicht vci andern*. Scharfsinnig ist die Erörte- 
rung Schneiders über die beiden ersten Beweise gegen die Bewegung, 
besonders über den sogenannten Achillens. Während nach Zellcr der 
ganze Unterschied der beiden Beweise darin besteht, daB der zu durch- 
messende Baum im ersten Beweise eine feste, im zweiten eine beweg- 
liche Orenze hat, schließt sich Sch. der von anderen vertretenen Auf- 
lassung an, daß im erster^n Falle die Bewegung keinen Anfang nehmen, 
im zweiten nicht zn Ende knimneii kann. In dem .Achilleus" werde 
aber noch eine andere Schwierigkeit bezeichnet, die darin liege, daß 
Achill die Schildkröte nur einholen kann, wenn er einen nicht unend- 
lich kleinen Abstand in einem unendlich kleinen Zeitteile errf^icht; da 
dies aber unmöglich sei, so könne er sie überhaupt nicht einlioleii. — 
Diese Auseinandersetzung, mag sie auch keine sichere Lösung bieten, 
hätte ebenso wie ähnliche Erklärungsversuche anderer Gelehrten, die 
in das Wesen der Zenonischen Aporien tiefer einzudringen gesucht 
haben, mindestens eine Erwähnung bei Zeller verdient, der sich zu aus- 
schließlich an die aristotelische Darstellung und Widerlegung der Argu- 
mcBte httlt. Im gansen ist freilich die Erkenntnis des wshren Wesens 



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Befkht Aber die griecliiaebeii Philosophen m 8okratea. (Lortiing.) 267 

dor Zenonifdien Bewette dareh die A]))uuidliiiig Schneiden nicht iondcr- 
lieh gefordert worden. 

Banelbe gilt nnefa von Raab. Ifanche icincr Antftthrasgen, io 
X. B. die ttber den Beweli Tom fliegenden Pfcfl und fiber die Beatrel« 
toDg der ExiitcDi des Baamec, die er von den gegen die Vielheit ge- 
richteten Argumenten im (Jegeneatse in Zeller völlig loaUltt, ereehelnen 
teile unklar, teils lehr anUschtbar. Anf einer irrtttmlichen Anslogung 
beroht ei, wenn er, wie vor ihm gehon ähnlich Brandis, ans einer An- 
gabe des Endemos and einer Bemerkung des ThemistJos bei 8imp1. einen 
besonderen X6^os konstruiert, dessen Thesis gelautet habe: .Jed.^s der 
Seienden ist seiner räumlichen Ausdehnung nach gleich null, es giebt 
aläo kein wirklielies h"^ und die Aatithesis: „Jedes der Seienden stellt 
Bich als (in wirklich Eineü dar"*. Es handelt sich hier vielmehr, wie 
Zelltr öj2 f. zeigt, nur um die Beweisführnng gegen die r.oXki , nicht 
um selbständige Beweise für oder gegen die Wirklichkeit des fv. 

Kvangelides legt die grammatischen wie die logischen Schwierig- 
keiten der Stelle bei Sirapl. phys. 140, 33 ff. dar und schlägt dann 
folgende Verbessernngon vor: tl \Lt^ lygi ta ovra (statt to ov) [i.i'-z\)o: — 
■xal irposyeiv airmv (statt dt-e/etv aüTOo) to etepov [izo] toü erepou — : 
ooSev aüTtüv (statt auroü) TO'.ourov l^atov EjTai. Der Sinn der 
Worte soll der sein: ,Wenn es vIpIp Dins-e ^iebt, so muß jedes von 
ihnen Größe mid Dicko haben, und es muli da'^ einp J)\n[; das andere 
an Größe überragen, so daü also die einen Dinge großer, die andern 
kleiner sind. Unter den größeren wird aber wieder derselbe Unter- 
echied Platz greifen n. s. w. Wir gewinnen also durch die fortlanfende 
Absonderung (so faßt E. Ix t^c $ixoro|A|g(«l) der an Größe hervor- 
ragenden von den zurückbleibenden Dingen nnd umgekehrt an Größe 
und an Kleinheit nnendlicbe Dinge.'' Mit Becht bemerkt Di eis in 
aeiaer KeKension Arch. I 255 f., die Ändemngen seien zn zahlreich 
und gewaltsam; die Stelle knnnp ohne wesentliche Umgestaltnng dea 
Teztee Terstanden werden. Mao darf freilich «poixttv tivoc, das zwei- 
mal im Texte vorkommt« nicht im Sinne von „einen Yorsprung haben, 
übertreiliBii** fMsen, sondetn in dem rein rftnmlieben von „herTonragen** 
oder genaner mit Zeller 693, 1 „vor einem andern vorliegen/*. Der 
SehlnO der Stelle: oStwc •{ tmXkd lonv, dvapn) n. s. w. ist allerdings so 
gefiißt, als ob im Vorheigehenden sngleieh der Beweis fllr das an- 
endlich Ofolle nnd das nnendUeh Kleine gegeben sei. Aber es liegt 
liier nur eine gewisse Naehlflssigkeit dea Ansdmeks vor; Simpl. laßt 
daa Ergebnis dea soeben bewiesenen Sataes fOr das nnendlicb Oroße 
mit dem an früherer Stelle (139, 6) gebrachten für das nnendlich Kleine 
snsammen. Übrigens lautet der letstgenannte Beweis gana andern als 
der von E. in die Worte hineinkoxrigierte, nnd man mBßte daher, wenn 



üiyiiizeQ by GoOgle 



268 Beiidit über dto grieeldacheii PbUotophea vor Soloiies. (LoiCilBg. ) 



nan die ErUftmng des Verf. gelten laaeen wollte, swel TertohiedflD« 
Beweise fftr dieselbe These amielimen, wae der eeiuitigeii GewolMlieit 
ZenoDs Biebt eoupreefaen würde. — Ich bemerke hier noeh, daß Diels 
a. a. O. eine ihm priTatim mitgeteilte Konjektur Ton Qompera: odttv 

'(ap ßM» totoStov g^yatov lorm, &9X9 (statt oSte) Cttpov «pft itepo» 
(statt «pic Srepov) o&x lorot, die inswischen Toa ihrem ITriieber in den 
8its.-Ber« d. Wiener Ak. d. W, 1890 S. 21 f. (s, Ber. I S76} lurter 
gleichieltiger Strdcbnag von foxoxov verOtfistttlieht worden tot, sehr be- 
stechend und Zeller dieselbe edhr empfSBhIenewert nennt lUr aeheint 
zwar eifilenchtend, dagegen etepov irpo ixipw eatbehriieh, da die 
überlieferte Lesart dem Sinne nach auf dasselbe herauskommt; grade 
sie erläutert trefflich den wahren Sinn von «poe>[eiv.*) 

Die erste der beiden Abliandlungen Brochards ist nur nicht 
zugänglich f^ewesen. De: darin vom Verf. t'infi;cnomnieiie Standpunkt 
ergiebt sich iin^'^fähr aus drin Kiiätereu Anf-saLze. Auch die Studie 
vou f'routerH liabe ich niclit keunen geierut. Eine kritiscbe Würdi- 
gimg iiat sie, wie ich aus Ferrari gli Clleati sehe, in dem Anfsatze von 
Moaret erfahren. 

Die in dem ersten Jahrgange der Rov. d Mßt. et de Mor. ent- 
haltenen Untersuchungen über die ZenoniRchen Arf,'umeute bewegen sieh 
teilweise mehr auf dem Gebiete der piiilusophischen als der philologisch» 
historischen Beurteiluua:. Milhauds Aufsatz No. 270, der seinem 
Titel nach eigentlich in den 1. Teil anseres Berichtes g-ehört, habe Ich 
hier eingefügt, da sein Hauptbestandteil die Ausführungen über Zenon 
sind, zu denen das über die ]'vth;igoner und Parm. Gesagte nur die 
Einleitung bildet. Zu der pythagoreischen Formel: «Die Ding-e sind 
Zahlen" macht M. die richtige, aber nicht neue Bemerkung, Pythag:ora3 
habe die moderne Unterscheidung, daß die Zahlen zur Erklärung der 
Dinge dienen, aber nicht die Dinge selbst sind, noch nicht zu machen 
vermocht ; in der Entwickelnng aller philosophischen Begriffe gebe ea 
zwei Stadien, ein metbapbysischea nnd ein scientifisches; die Anffaasiusg 
des Zahlbegriffes bei den Pythagoreern stehe noch völlig auf metaphy- 
sischem Boden. Parm., so wird weiter ausgeführt, liat der pytha- 
goreischen Pluralität die Einheit und Kontinuität der raumerfüllendeA 
Materie gegenübergestellt. Als dann die Nachfolger des Pythagorms 
die Gedanken den Meisters über die diskontinuierliche, ana einer be- 
stimmten Zahl von Panlcten beetehende Materie [sollte diese Gedanlien 



*) An derselben Stelle macht 6ompeis in dem Fragment des Zenoo 
beiSImpl, 181, 12 den sehr annehmbsxen Vorschlag: ftiicftoc (statt prjfelkü;) 
]f«p yt,r^tiv i)^ovtO'; (stitt |ii{ocvo; Svto0 icpo;|tvo]Uvott. 



biyiiizea by GoOglc 



Bwkbt 6b«r dit grieehlMheii PbiloMplieii vor fidkrates. (LorbBog.) 269 



wirklich Mhoa FytIiagtrM MllMt fahtbt habtn?] Terteidigteii» «itwottote 
UiMB Zenon. Wi« iiok K. hier ■» Taanary wehlieBt, lo folgt «r 
ihm «adi daria, 4aD er Zeaona Bawciaa ikh Bichl gegea die Ba- 
wacaag, toadm aar gagaa die Vielheit riehtea lAßt Wahread 
dia «DiehaloiBia' aar die Qeteiltheit dae fiaaaiee ia eiaa heetiaaita 
ZaU ym Teilea Yoraaaietit» aianat der MAehttiaas" das Gleiche Toa 
der Zeit aa. Diese heidea Bewelee greifea aoch aicht direkt die 
Aaffaeeaag der P^rthagoreer aa, die mit Hftlfe aa teil barer £le- 
aiaale die Dinge koaetmieiaa, eoadera setsea Teile des Baamee 
eder der Zelt yoraas, die bis ios Uabegreazte kleiaer werdea aad aa- 
beschrilakt teilbar siad. Die Beweise vom Pfeile aad vom Stadba da- 
gegea weadea sieh aomittelbar gegen die aoteilbaraa Elemeate. laden 
so Z. die Keatioaitäi and die aabeschrftakle Teilbarkeit der Aasdehaaag 
«ad der Daser bebaaptet. hat er erst die Eotwickelang der Oeoaietrie 
und der Analysia möf^Iich gemacht. Die l^ythagoreer sageo: Die Dinge 
sind Zahlen, Parm. undZ.; sie tiad nicht Z^ihlen (V). Damit haben Bie 
erst die Bt^iiile der Zahl und der (rröUe aua methaphysisclien zu 
»cieBtiüschcu gemacht [also durch bloße Kegaliou'?]. 

Noel nnterseheidet die Voraussetznng^en in den beiden Beweis- 
j aaren ähnlich wie Milhaud. In der Charakteristik der „Dichotomie" 
und des „Achillens** sclili' J -t er sich ebenso wie Schneider (No. 260) 
der Auffasanng au, nacii der Z. dort die Bewegfung für nniiiu(j:lich er- 
klärt, weil sie nicht anfangen i^ann (reR-rrs.ns m infinitum), hier, weil 
die Endgrenze unaufhörlich vor uns liidu (j i i ^t essus in infinitum). Der 
zuerst von Ahstot. gemaclite. seitdem beständig wiederholte Einwand, 
daß Z. an^'schließlich die unbegrenzte Teilbarkeit des Ranmes !\niie]une, 
nicht nhi'v die der Zeit, beruht auf einem Mißverständnis des zenonischen 
Gedankens. Die Teilbarkeit der Zeit neben der des Raumes l(>st die 
Schwierigkeit nicht, sondern verdoppelt sie nur. Sie beweist nur, daß 
die beiden Argumente ebenso gut auch gegen die Möglichkeit der zeit- 
lichen Dauer gewendet werden können. Ohne die Voraussetzung der 
nnbcgrenztea Teilbarkeit der Zeit verlieren Zeooas Gründe ihre ganze 
Kraft; denn dann müßte das Mobile die angenommenen Teile des 
Ranmea alle anf einmal dnrchlanfen, weil jeder zeitliche Augenblick 
nicht teilbar ist. Ein unfehlbares Mittel, diese Dialektik zu entkräftea, 
iet die Verwerfung der doppelten Hypothese von der Kontianität des 
Banales and der Zeit. Wenn die Linie eine Folge von nnausgedehatea 
Funkten und die Zeit eine solche voa dauerlosen Augeablickea ist, so 
wird die Dichotomie fr&her oder später eia Ende nehmea, and aach 
der Vorsprang des laagsamerea Mobile wird schliefilich venchwiadea. 
Aher gegea die IfOgliehkeit der Bewegung auch anter dieser sweiteo 
VoraaBBetsaag weadet sieh Z, im 3. aod 4. Beweise. Dea Beweis Yom 



Digrtizeo Ly <jOOgIe 



270 Bericht fiber die grieelilBchen Pblloaopheii vor Sokntet. (Loitang.) 

Pfeile erläntert N. eo:'*) „Ua^r der ruhen oder in fiewcgong Min, 
80 befindet sieh das Mobile itetn an einem eich aelbst gieiehen Orte. 
Andreneita ist er stets im Angenblick (dann Finstant); im Ankenbuck 
aber ist die Bewegung onmOgüeh. Wenn es also nur AngenUidte 
ohne trennende Interralle giebt, so mnß er ewig an aeiner Stelle 
bleiben/* Wendet man hieigegen mit ^velin ob, daß ein beweglicher 
Punkt in anf einander folgenden Angenblicken an einander grensende 
Pnnkte dea wiridichen Banmea einnehmen kann, ao hat Z. aein letates 
Aiguoient vom Stadion in Beaerve, nm in Jener Annahme einen nenen 
'Widersprach aofriidgen. Dieaea Argument ist in der That, wie man 
gewöhnlich annimmt, ein grobea Sophisma, sobald man die doppelte 
Kontinuität von Baom nnd Zeit ansetzt; es ist ebenso wie das vom 
Pfeile nnwiderleglicb, wenn man mit Brochard in den 07x0t bei Aristo t. 
die nuteilbaren Elemente der Ausdehnung d. h. Punkte sielit [dieselli»> 
Aulfassung der 07x01 auch bei Taniiery; daJj sie unsUttiiaft ist , zirigt, 
Zeller 602,1]. Dagegen siüd die „DiclioLomie" und der .,Acliilleus** 
wahrhafte Sophismen, zu denen aber der menscbliche Geist notwendig 
gedrängt wird, so lange er nicht die Begriffe und die Grundprinzipien 
des Wissens einer strengen Kritik unterwirft. — Die&e Auseinander- 
setzung ist scbarfbinuig und mag vom Standpunkte der heutigen mathe- 
niathisrh-pbysikalischen Aulfassung des Raumes und der Zeit zutreffen. 
Aber schwerlicb werden wir eine so klare und feine Unterscheidung' 
der BegrilVt' deui altrn Zeimri zutrauen dürfen. T)rv Text dt-s Aristot, 
und des Smipi. wenigstens berechtigt dazn in keiner Weise, ja er wider- 
strebt an manchen Stellen entschieden der l^eutung des Verf. N". tritt 
nicht nnbefangeu an die Überlieferung heran, sondern legt ihr seiiie 
eigenen Gedanken unter. Ähnlich urteilt auch Brochard. 

Dieser wendet sich gegen Taunery wie gegen Milhaud und Koel, 
die im wesentlichen mit jenem übereinstimmen. Zunächst bestreitet er 
Tannerys Behauptung, daß sich die Unbeweglichkeit des Seins bei 
Farm, anf das Universum als Ganzes, nicht anf die einzelneu Dinge 
beziehe, und beruft sich aof Platons DaretellaDg im Theaet. and Soph., 
wo Jede Art von ßewegnng dem JParm. abgesprochen wird. Ebenso- 
wenig enthalten die Texte etwas davon, daß Zenon gegen die begreuBte 
Plnralität der Fythagoreer gekämpft habe. Z. Yerteidigte nnr die 
Theaen seines Meisters und richtete seine Argumente ganz allgemein 
gegen die, welche die Vielheit des Seins behanpteten, gleichviel, welch» 



*) Im Texte des Aristot. 28» b 5 ff. Iftßt N. die von Zellor gestrichenen 
Worte f| xtvitxat mit Brochsrd etehen. Seine oben angefahrte Interpretation 
der Stelle scheint mir aber sprachlich onmOgUoh. Ich finde keine bessere 
als die von Zeller 599 f. unter AiiBlassang des % xivshat gegebene. 



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Bericht über die griccbischen PhiloBophen vor Sokrate«. (Lortziog.) 271 

AaHumag sie damit vetbaiiden. Biehtlg itt, daß die Elflataii in die 
PUloiophie den Begriff des Kontiiiniiiiis eingefübrt liaben; aber lie liaben 
davon keinen wissenaehaitUehea Gebraaob gemaeht; ihr Kontiaatim iat 

unteilbar und unterscheidet aieli nieht von der abaelaten Einheit Den 

Be^ilT der Zahl haben sie von den Dingen entfernt, aber nichts um ihn 
für sicli zu betrachten und wissenschaftlich anzuwenden, sondern um 
ihn gänzlich zu vernichten. Die Zahl ist für sie bloßer Schein und 
TUüscliuiig, Weil es keine wirkliche Vielheit g'febt. — Gegen Xoel hu- 
merkt B., er setze an Stelle der Voistelluug der Bewegung eine gaiiz 
andcie, liaailich die der Macht (puibäauce); er macht ans ihr «nne id^e 
ratiütielle*. Stelle man sich auf den Standpauke des Parm. und Zenon, 
liege In den beiden ersten Beweisen gegen die Bewegunpr ebenso 
wenig etwas Sophistischea wie in den beiden letzten. Ich beniei k hier, 
daß man von Sophismen d. h. bewußten Ti ni^'schlUsseii bei Z. überhaupt 
nicht reden darf, sondern nur von Fehlacbiusseu (Tai nlogiamea), die 
AriBtot uuil mit ihm Zeller nicht ohne guten Gruud in den Beweisen des 
Eieuteu ^ctundeu haben. Im übrigen kann man den Aosföhrungeu 
Brochards im wesentlichen nur beipflichten. 

Gegen Noel wendet sich auch fivelin. WKhrend Z. sich unter 
der Bewegung ein successives Einnehmen aneinander grenzender Oite 
vorstelle, schiebe ihm Noel statt dessen das fortgesetzte und un- 
merkliche Gleiten von einem Fuukte zum anderen unter; das sei eine 
vom Hegeischen Geiale erfüllte Anffassuug. Diese Hypothese des 
Werdens gebe uns nur elneo Angenblick die Illusion, dem durch Z. 
gesogenen Zirkel entwischt zu sein; iialte man dagegen an der bc- 
giensten Teilnng fest, ao scheitere Zenons Beweisführong, während sie 
gegenüber den Anhängern der nnbeschränkten Teilnng nnwiderleglich 
sei. E. sucht nnn von dieaem Standpunkt der begrenzten Teilbarkeit 
daa Sophistische an den Beweisen vom Pfeile und vom Stadion darznthnn. 

Lechalaa atimmt Noel in der Widerlegnag der «DiGbotomie" bei, 
bilt dagegen den „AebiUena" für werüoa, weil er dem eraten Beweise 
niebta Kenea hinznflige. In aeinen ErOrfcemngen über die beiden letzten 
Argnmenta bewegt er aieh gitnalich in modernen Betraehtnngen, ohne 
tm ExViSxwDg der Beweise Neaee beianbringen. 

Die aweite Abhandlnng von ICilhand ist ein vemugiackter Ver- 
nich, Broebards Ansichten Uber die eleatiache Bewegnngalehre an wider^ 
legen. Seine Bemerknngen Aber den Sinn der Platoatellen, an denen 
von dem eleatiachen Sein die Bede ist« aiud faat durchweg verfehlt. 
Beaoadera die Stelle Soph. 248 A hat er grdbliob mißveratanden. 

Ohne Zweifel lat ana dieaem Streit der Heioongen Brochard, 
der aicb in seiner AnffasBoag der eleatiachen Lehre am meisten Zeller 
ttftheit» als Sieger hervorgegangen. 



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272 Boiebt fiber die gliediiidiai PbUotopben m Sokniat. (Lortriag.) 

Aveli in nin pliiloaopliiieheii Werken, be«mdeni in ileii Lehf- 
bocbern ttber Logik, werden geleReiitlleh die ZenoniecheB Argummi» 
eingeheader besproeben imd auf ihreo logiaeheii Wert hin geprüft. lok 
erwftbne hier beispielsweise die klare aod treifeiide Erürterrag einselaer 
Argumente in Lotzes Logik 9. AniL (1880) 8. 347 it 

Ton Fragmenten Zenons im aCrengen Sinne Icann man eigentlich 
nicht sprechen. Nnr an einigen Stdlen flthrt Simpl. die Worte des 
£teateo in direkter Bede an; daD aber aneh diese Sfeellea nicht nn- 
mittelbar ans Zenons Schrift geflossen sind, ergiebt schon ihr rete 
attischer Dialekt. Einige wichtigere Vorschläge zor Verbessemog des 
'iextes der Berichte bei Aristot. und Simpl. sind im Vorstehenden 
gel^eutlieii erwähut vvüidtu. 

g. MeUsaas. 

975. F. Kern, Zar Würdigung des Meliasos von Sanos. In: 

Festschr. des Stettiner Stadtgymn. znr Be^üßung der 35. Philologen- 
vers. Stettin 1880, Herr Lebeling. S. 1—24. 

276. 0. Apelt, Mei. bei Pseado- Aristoteles. Jahrb. f. kl. 
PhU. 133 (1886) 8. 729—786. 

877. M. Offner, Znr Benrteilnng des Ifel. Archiv IT (1890) 
S. 19—83. 

278. A. Pabst, De Melissi Samii fragmentis. Diss. Bonn 1889. 

279, A. Chiappelli, Sui framnienti e stille dottrine di Melisso 
di Samo. Roma 1890. 4. 39 8. (Sonderabdr. ans Memorie della 
B. Accad. dei Lincei, ser. 4 a, voL VI part. la & 375—413.) 

F. Kern, der schon in Irttheren TJntersncbnngen (a. snNo. 937) 
die Bedentnng des Farm, in Yergleicbe zn Xenoph. nnd UeL herab* 
seist nnd in der Lehre des Jüngsten Eleaten die konsequenteste I)nreh> 
fQhmng des eleatisehen Oedankens an erkennen geglanbt hatte, stellt 
sich anch in der vorliegenden Abhandlnog auf diesen Standpunkt nnd 
sncht ihn in Bezng anf Mel. des Nftheren an bogrttnden. Farm, hatte in 
seiner ^Akiftwut den von Zenoph. erfaflten EinfaeitsgedaDken seiner im 
Widerspmch mit ihm stehenden religiösen Bestimmnngen entkleidet und 
mit schroffer Einseitigkeit dnrchgefQhrt, sich selbst aber der Halbheit 
nnd Inkonsequenz dadorch schnldig gemacht, daß er In seiner A^o, 
einem inneren Zwange der Gefühle folgend, neben seiner verstandet* 
mäi]igen KoDstmktion des Alls eine davon gänzlich verschiedene Welt* 
ansieht, nicht etwa als ein mfißigres Spiel der Phantasie, sondern im vollen 
Ernste stellte. Er kauu demnach für uns nicht als derXypns des Eleatismna 



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Betkht Iber die griacbisdicn PhiloMpbes vm 8oki«lBi» (LortsingO 273 



fdtcB. Wenn ihn Arlstot Im Qegmata» tn HeK. deshalb lobt, mvl 
«r die Einheit tle eine befriiffliche n&fg«fSaßt hnbe, ao kann er dabei 
nicht aeine eleatisehe Grondlefare. Bondera nnr feine Naturphilosophie 
im Ange haben (?), nnd daa Lob gilt nnr seinem Abfall to» Eleatiamne. 
Zenon hat dann mit. scharfem Sehwerte die Seinslehre des Pam. gee:en 
die gewöhnliche Ansicht von der Vielheit nnd Bewegung: verteidigt: 
aber seine Waffe war sweischneidig, nnd er hat die Selbstanflösung 
des Eleatismns, die spftter Gtorg^as vollzog, vorbereitet. Ben letzten 
Versnch, auf eleatiscben Voraussetzungen eine positive Weltauf fassun^: 
zu gründen, machte Mel. Gegenüber dem abtiUli^'en Urteile, das ini A;s- 
schlnssc au Aristot. die ineisteu Gesjciiiehtschreiber bis auf Zeller über 
ihn fdllen, sieht K. einen erbeblicheti Fortschritt in der dogmatischen 
Gestaltnnsr des Eleatisnins darin, di\l', AI., um die Einheit möglichst 7a\ 
retten, die begrenzte Einzclgestalt des Seienden aufgab und SBinein >v 
ausJiiicklich die Eigenschaft der Uukürptriichkeit beilegte (Fr. K;). 
tiitä Z. mit Unrecht nicht unter die wesentlichen Bestimmungen die&cj* 
ov aufgenommen hat. Der eroue Fehlschuß ferner von der Ewigkeit 
des beieniien auf seine räumliche Uueudiichkeit, der ihm gewöhnlich 
zum Vorwurfe gemacht wird, ist einem sonst so klaren Denker (?) 
nach K. nicht zuzutrauen. Ihm palt vielmelir ilie Trennung dieser 
beiden Eigenschaften als ein für sein Denken unvollziehbarer (bedanke. 
Eine formelle Schwäche liegt allerdiogs in der Art, wie er seinen Ge- 
danken darstellt: er erweckt den Sehein eines Syllogismus, wo er ein 
Axiom hätte anfstellen sollen, das Axiom nämlich, daß das, was keinen 
Anfang hat» auch ohne Grenze ist. Diese Auffassung des Mdissiscben 
Beweisganges, die sich vornehmlich anf eine Stelle des Philoponos stützt, 
trifft den eigentlichen Kernpunkt dieses Beweisganges nicht; anch wird 
damit der Vorwurf, daß sieh Ii. eines Paralogismus schuldig gemacht 
liabe, nicht beseitigt, sondern nnr in anderer Form wiederholt. Schließlich 
Termißt K. bei Zeiler auch die wichtige Tiestimmung, daß das Seiende 
•«in ewig Gesnndes nnd Kammerloses ist. Durch diese Kritik der Zeüer- 
schen Darstellnng glanbt er sich den Weg zn folgender« von Aristot. 
nicht beeiDflnBten Anfftusung der Haoptgedaaken des M. gebahnt zn 
haben. Mit seinen eleatischen Yorgftttgern lengnet H. Werden nnd 
Vergehen, Vielheit nnd Veränderlichkeit des Seienden. Mit Farm, legt 
•«r ihm aaeh kein Wollen nnd Wirken bei. Verschieden von Xenoph. 
and Farm, fsßt er es als ränrnUch nohegrenzt, weil der Raum un- 
endlich ist nnd es kein Leeres giebt. Anch als körperlich kann er es 
Dicht gelten lassen, well kein Körperliches ohne Vielheit nnd Teilbarkeit 
möglich ist. Mit keinem Worte aber bezeichaet er das nnkOiperliche 
-Seiende als denkend, was anch die Strenge des eleatischen Gedankens 
.ntcht snließ (?). Wohl aber gicbi er ihm die Bestimmnog einer sich 
Jsbrwhertcbt nr AltertamiwlBseMohaft. Md. CZII. (1S08. I.) 18 



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274 Beliebt Aber die griecUiebm PbOosopbeo Yor Sakntea. {LeMMg,} 

ewig gldehen Smpfindniif wid swur einer Jedem Sehmen, jedem 
Kmnier enthobeoeo, d. h. der Seligkeit. Dm Bwlgo utd Eäne iet alao 
ein allgenfigsamer, seliger, nocndUeiier Qeist. Diesee ßyftem dee IL 
iit in eidi widerepmebiioier ab das dee Xenoph., befriedigender und 
tagleich seharMnoiger ala das des Farm., poiitiw ab das dea Zenon. 
In seinem innersten Kerne aber ist es der spiteren KyaUk verwandt, 
wie sich denn seine Gmndgedanken im Cheiiibinischen Wandersmann 
des Anpelus Silesius wiederfinden. — Originalität läßt sich dieser Auf- 
fassung niclit abspiedien. Auch hat der GedaHke, daß üi dem letzten 
Eleaten die Einlieitsklire ihren reinsten und bcliärfsteu Ausdruck umi 
ihre höchste Vollendung erreicht, unkugbai* etwas sehr Bestecheudes. 
In der That hat K. denn auch mehrfache Znstimmuug gefunden. So 
schließt sich Gomperz Gr. D. 150 ff. im wesentlichen an ihn an. 
Indes vor einer nnhefangenen Prüfung- der Fragmente und der Zeug:nis8e 
des Aristüt. , deren Aiitoiitiit einfach zu verwerfen hier wie bei den 
anderen Voiiiokratikeni uu methodisch ist, kennen die Kernschen Para- 
doxa nicht besieheu. Dem einen Fragment, in dem M. die Körper- 
losigkeit des ov behauptet , steht die sonst in den echten Fragmentea 
(s. ü. zu No. 278) mit voller Bestimmtheit hervortretende Annahme 
eines r&umlich Ausgedehnten und die aristotelische Kennzeichnung des 
Melissischen ov als eines iv xatok r^v CXt)v entgegen; an eine Unter- 
scheidang aber zwischen uXt} oud aw^ia im Sinne des Aristot ist bei M. 
schwerlich zn denken. Richtig ist, daß er seinem iv die ItUiigluit, 
Scbmen und Kammer aa empfinden, absprach. Aber ans dieser rein 
negativen Bestimmung, die nnr dem Zweeke diente, jede Art von Ver- 
änderlichkeit von dem Alleinen ansznschlieOen, folgt, wie Zeller 616, 1 
bemerkt, keineswegs, daß er ihm eine sich ewig gleiche £mpfindQiig 
der Seliizkeit beilegte, so lange nicht erwiesen ist, daß er ihm Ober- 
haupt Empfindung zugeschrieben hat; das aber wird Dirgeods beiengt 
und ist nocli viel anwahrseheiDlicber, ab daG er daa Denken von ilim 
aussagte; wenn E. das btztere besonders deshalb für nnmOglleh bUt, 
weil das Denken selber nnr ab Proaeß« ab YeilUidemng anfgefaflt 
werden kann, so spricht derselbe Gmnd erst recht gegen die Empfindnng« 
die sicherlich ansteter und schwankender bt ab das Denken. — Koeb 
viel grandioser als Kerns Vermutungen sind fibrigens die von Tannery 
Sc. helL S62ff., der den Sfttzea des If. einerseits eiae theoIogische^ 
Deutung giebt und ihn andererseits die Welt der Erscheinungen als 
ein Ton den unverilnderlicheD Qesetsen der Kausalität beherrachtes 
System räumlicher Bewegungen (!) anfiSusen läßt; s. Zeller a. a. 0. 

Apelt wül gegenüber der «Voreingenommenheit* G. Vermehreos 
(Die Autorschaft der dem AHstot zugesprochenen Schrift «. Stvo^. 
n. 8. w. Jeoa 1861) im AuBcliluase so F. Kern zeigen, daß der Abschnitt 



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Beriebt über die grieebiaehen PbUosopben vor Sokifttea. (Lortziog.) 27«; 

über IL bei Pfe.*Aritt du Geprftge beeonneneii Nadidenkens trtgt. Zu 
dieaam Zweeke giebt er nuiBcbst «ine Libaltittbeniebt Uber die Bar* 
•tdlnnff der Lebre des H. bei Fk-Ar. 974* 1— 974b 8 eowie Uber die 
daruf ft>le:eDde Widerlegung: dieeer Lelire. Bann acblieBt er eine 
nGrlftntenmg and Reebtfartigiuig* dee Oedaakengangea derSebrift. wie 
er ibtt hn Vorhergehenden fcatgeatellt Int. Zn den Sfttaen dea IC. be- 
merkt er n. a. folgendes: M. hat den Fehler des Schlnasea von der zeit- 
lichen Anfangs- und Endlosigkeit in dieser Plompheit schwerlich be- 
gangen. Dies zeigen schon die Worte in Pr. 7: ou 700 ad eivat 4vujt6v 
o Ti fx-^ T:av h-:. aus denen folgt: ,was ewi^ ist. ist j;av, J. h. das afoiov* 
umfaiii die Alllu'it des Seiendeu; was aber alles ist, luvt keiiio räum- 
lichen Greuzen; büDsL wäre es nicht xtav." Mag; nun aut li ^I. sich diese» 
Verhältnis nicht zu völliger Klarheit gebracht haben, sn liegt doch der 
Gedanke daran seiner Beweisführung zu gründe. Hätte M. einen so 
plumpen logischen Fehler begangon, wie mau gewöhnlich glaubt, so 
wiirde nnser dialektisch so sehlagteruger Autor ihm das vorgerückt 
li;ibpn; das hat er aber nicht getban, sondern im Gegenteil dem M. den- 
selben Gedanken zugesprochen, der in Fr. 7 enthalten ist. wenn man 
mit A. y74a 11 so liest: eic 8 -/ivoji-evov htM'j^r^zi -ors (r^av Ifap)' areipov 
<o'> ov £v Etvoti. Dagegen sei hier nur km/, bemerkt, daß es noch 
viel anffUlliger wäre, wenn Aiistot das b< hlußverfabreu des M. so 
gründlich mißverstanden hätte, wie A. annimmt. Übrigens ist die 
Apeltscbe Lesung der Steile bei Ps.-Ar. keineswegs sicher; Diels liest 
in seiner kürzlich eracbienenen Ausgabe anders. — Sehr wertvoll sind 
Apelta Auseinandersetzungen über die verachiedenen Arten der Veiün- 
derang bei M. (974 a 19 ff.). Beim pietaxo9}i.ei7&ai nnd cTEpotousOai voll- 
deht sich die Veränderung dadurch, daß das Eine zn Vielem wird, bei 
der durch Verschmelzung des Vielen zu Einem. In diesem Be- 
griife der Mischung als einer inneren Verbindung und Durchdringung; 
des Verschiedenartigen mußte Ii. eine weit ernstere Gefahr für seinen 
Standpunkt erblicken als in den beiden anderen Arten. Hätte er da«, 
was wir cbemiicbe M iacbnng nennen, als einen realiaierbaren Begriif zu- 
gegeben» 80 wftrde er in Verlegenheit gekommen sein, da er mit seinen 
Mitteln die UnvertrSglichkeit dieses Begriffes mit seinem £Sns nicht 
hätte nachweisen kOnnen. Er schlng daher den Weg ein, daß er den 
Erfahrnngsbegrif f der Jlischnng als nichtig erwies. Zwei Versuche, 
die |u&c wissenschaftlich zn definieren» fand 11. vor: die Erklärung als 
eovStmc d. i. Zusammensetamng des Mannigfaltigen wie zn einer Einheir. 
(er mochte dabei etwa an Gneis oder Granit denken) nnd die ah 
irt'poiiir^itc d. L Verflechtung nach Art einer yerdnokelnden VerhBllang 
des Gemischten (wie etwa bei gebrannten Ziegelsteinen), von denen die 

lEweite vielleicbt, wie die Beziehung auf die licdlXXalt« anzndenten scheint, 

18* 



üiyiiizeQ by GoOglc 



276 Berich! Aber die grieehiflchen Philoeophea vor Sokratea. (Lartiiiig.) 

der atomifltiachen Schule entnommen ist. Die wahrhaft wiesenschaft- 
lidhe Definition als chemisehe Miaehnng und die scharfe Seheldnng: dieser 
von der neehanisehen Verhindnng findet sich erst bei Aristot.; Bonits 
Aristot. Stnd. I 67 ä. sacht sie fälschlich in den Worten bei Ps.-Ar. 
974a 25: xtvott|uva iZc dfXXi)Xa. — Die Eilänterongen wn der Widerl^g:aar 
der Lehre des H. müssen wir hier ebenso ftbergehen wie die sahireichen 
VorachlSge zur Teztgestaltnngt die A. bald darauf in seine Auigabe 
(s. No. SB3) anfgenommen bat. — Eine von A. an Diela gesandte 
Berichtigong zu seiner Behandlnng der Stelle 976a 14 bringt dieser in 
seiner Bezension der Abb. Archiv 1 240 f. YgL anch die Bei^ecbnng 
bei Snsemihl Fortschr. Bd. 50 S. 9. 

Wie Apelt, so hUt anch Offner es für nndenkbar, daß ein aas 
der Schale der Eleaten hervorgegangener Mann wie If der die ganxe 
Bildung seiner Zeit in sich anfgenommen hatte [wie phrasMihaft!], ein 
Zeit- nnd Ideengenosse des haarspaltenden Zenon, der sich nach LaerL 
IX 24 der ungeteilten Hochachtnng eines HerakUt erfreute (?!), jenen 
plumpen und naiven FehlscbluC bej^ani^en haben sollte. Er bemüht sich 
nun darzuthiin, daü iii i r. 7 iibciliaupt nicht von der räumlichen, sondern 
nur von der zeitlichen Uubcgrenztlieit diö UeUe sei. Jenes Fr. enthalte 
vielmehr folgenden Gedankent|:an£»: „Von keinem Diug;c kann man saqen, 
CS sei ewi«?, wenn es sich nicht über das Ganze des Nacheinunaei aus- 
dehnt und die s:anze Vergangenheit und Zukunft, die diesen gegen- 
wärtififen MomruL umscliließt, in sich faßt, d. h. wenn es der Zeit nach 
beschränkt ist," Aristot. richte seine Kritik auch ^ar nicht e:egeu jene 
vermeintliche Vurwiirnn^» der Begriffe des Zeitliciien und Räumlichen« 
Sündern gegen die unstattliaite, weil vermittelst einer conversio simpler 
ans seinem Grundsatze: „Alles Gewordene ist augefanc;en* gezogene 
Folpeinng', daß auch alles Angefangt geworden sei; daraus habe er 
dann durch logisch richtige Kontr?.pu>itiün den Satz gewonnen: , Alles 
Nichtfreworrlene ist anfangslos — also, weil das All uns;cworden ist, 
ist es auch anfant'slos d. i. zeitlich unendlich. Diese Deutung soll sich 
nach 0. aus Aristot. soph. cl. 167b 13 ff. in Verbindung mit pbys. 
186 a 8 ff. sowie aus Alexander zu der ersten und Simpl. zu der zweiten 
'Stelle ergeben, während in den andern Stellen des Aristot. die Lehre 
•des H. nnr allgemein kritisiert werde, ohne Beziehung auf eine einzelne 
Behauptung; auch in der Stelle 186a l'd if., die übrigens durch Ein- 
fügung einer Baadglosse heillos verderbt schiine, werde jener logische 
tiprung nicht vorausgesetzt. Daß die übliche Auslegung der Argnmen* 
tation des H. nnrlcbtig ist, glaubt Verf. anch daraus schliefen sv 
dürfen, daß M. nach Aristot. d. gen. 325a 18 ff. die rftnvliche TJnbe- 
grenstheit auf einem ganz andern Wege bewiesen bat. Der Grand dm- 
für, daß die Fragmente diese Beweisführung flbeigehen, ist vielleiolit 



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Bericht über die giiechisehen Phüoaopheo vor Soknttoa. (Lortzing.) 277 

darin zu Sachen, daß Simpl. eben jenen ungeheuei lidien FeblscliiiiU Utui 
M. zuschrieb nnd sich die uhkliclie Beweisführung? darüber g^aiiz ent-. 
gehen ließ. — Diese AusfübrUDgen Offners sind völlig' haltlos- gie be- 
ruhen auf einer ganz unmöglichen Auffassung: des Gedankeiiyaiiges in 
Fr. 7, Was er dem M. zumutet, wäre eine reine Tautologie („ewig: 
ist, was keinen Anfang und kein Ende hat), wie man sie selbst bei 
eiuem ungeübteren Dt^nker, der M. doch wohl trotz all der schönen 
liedeweiidnngen ütfners bleiben wird, nicht voraussetzen darf Richtig 
ist, daü Arist. a. a. O. ausdrücklicli nur die falsche Konversion tadelt. 
Aber dieser Tadel wäre ungerechtfertigt, wenn jener Umkebmng des 
Urteils nicht der Spiiing vom Zeitlichen aofiB Bäamliche zu ^node Ifige; 
denn sobald man die beiden Begriffe d^ 7evo}Atvov und des ^p/V 
zeitlich faßt, sind sie ja identisch, und in diesem Falle wäre die Kon- 
Tersiou durchans erlaubt. Auch aus Simpl. phys. 102 ff. gebt dieser 
Thatbestand deutlich hervor. Sehr bedenklich ist auoli in Offners Abb- 
faliroiigen, daß er Aristot. sorb p1 181 a 27, wo der falsche Schloß 
von dem dl7evvT]rov auf das rftomliche axctpov deutlich dem U. beigelegt 
wird (dasselbe ist übrigens ancfa 167 b 13 der Fall, was 0. überseliea 
hat) Mae Interpolation anninnit Das Isl eine sehr wohlfeile Art, ein 
nnbeqnemes Zeugnis zu beseitigen. VgL Zeller €09, 3. SehUeMeii sei 
bemerkt, daB die Stelle 186« 13 ff., in der O. eine &hnlidM YerflUschiuig 
an sehen glanbt, mit Hfilils der Erlintening bei fiimpl, 105 ff. olme Je^» 
Anderang in belMedigender Weise erklftrt^ werden kann. 

Die soeben bcsprocbenen Arbeiten, aneh noch die TOS Olbtf , 
gehen alle YOn der VoraossetKnag ans, die vor dem ErsehMiiea der 
Dissertation von Pabst allgemein angeneoimeQ wnrde, daO dij 17 in 
der UnllaGfaschen Sammlnng enthaltenen Braehstieke sftmtlich der Schrift 
des X. entstammen. Man hatte bei dieser Voraassetcnng den merk« 
würdigen Umstand, daß der hanptaSehliehe Inhalt der Fr. 1—5 hi 6— 
14 wiederkehrt, so erklirt, daß die letatgenannten Braehstficke eine 
▼Ott If. an spaterer Stelle gegebene genanere AnsfiUunng der im An- 
fange seines Werkes aufgestellten Omndslltie bieten. Die mehr oder 
minder offen hervordretenden Untereehiede nnd Widersprüche twisehen 
den einander entsprechenden Fragmenten waren teils nnbeachtet ge- 
blieben, teils durch künstliche Interpretation verdeckt oder notdürftig 
ausgeglichen worden. Dies alles erscheint jetzt als verlorene Liebesmüh, 
seitdem Pabst erkannt und in seiner Arbeit mil luivviiieiitglieheu Gründen 
liiichgewieseu büt, daU die ersten 5 Fr., die reichlich ein Drittel des 
Ganzen ausmachen, nicht den Text des M. selbst euthalieu, sondern 
eine Paraphrase der echten Fr. 6—14, die den Grandgedanken dieser 
nicht unwesentlich verändert und die einfache und logisch noch wenig 
durchgebildete Darstellung des alten Philosophen in die den Späteren 



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278 Bericht über die griechischen /^hiloeophen vor Sokrates. (Lortzing. 

geläufige schulg^erechte Art der Bcv,ei8fiihruug und des sprachlichen Ans- 
drnckes umsetzt. P. g'eht sehr beimLsam und methodisch zu Werke. Er 
vergieichl zuiiächsi diu beiden aasfhhrlichsten Fragmeate 5 und 14 miteiu- 
ander, erweist den späteren Ursprnng jenes, den melissischen dieses uud 
wendet die so gewonneneu testen üaterscheidnngsmerkmale , zu dcLieu 
auch die Abwesenheit aller lonismen in Fr. 4 bis auf einen aus dem 
echten Pr. 11 herüber genommeneu gohürt, mit gleichem Erfolgte aat 
die übrigen Fragmente beider Gruppen au. Die ganze Beweisführung 
ist so klar und zwingend und zugleich so einfach und ungekünstelt, daL'> 
niuu bich wundert, wie ein so zweifellofter Thatbestand so lange ver- 
bor^^eu bleiben konnte. — Dieser Eutdeckung Pabsts haben jückbaU-los 
beigestimmt Zeller 606, 1, Diels Arch. IV K. 1. Lortziiii^ Herl. 
Ph Wschr. 1891, 360 flf. Vgl. auch die Rezensionen von i'. Ii <^ her! in, 
W.-öchr. f. kl. Ph. Vn 263 flf. und Natorp Philos. MonatsU. 27, 221 f. 
Burnet, der vor P. selbständig zu dem gleichen Ergebnis gelangt war. 
weicht S. 334 flf. nur darin von ihm ab, daß er den Anfang von Fr. 1 
for meliuisoh hält, weil er ihm durch den Anfang der Schrift de MeL 
bezeugt zn sein scheint. Auch glaubt er nicht mit F., daß Sim^. aelbtt 
die Paraphrase yerfaßt , sondern daß er eioea Too Alexander anfbe- 
vrahrten Auszug aus Theophraats AoEou benatat hat» und BcUint daher 
vor» Fr. 1 — 5 den Doxographen einzufügen. 

Die Folgemogen, die sich aus der Verwerfang der Fr. I — 5 er- 
geben, hat Enm gntea Teile P. aelbet in seiner Abhandlung gelegen. So 
zerflUlt die Behauptung Bftmnken, in der er sich mit Tsnneiy begegnet, 
die Eleaten hittten nicht Jede Bewegung, sondern nur die des gesamten 
Alls gelengoet, mit der Anerkennung der üoechtheit von Fr. 1 in nichts. 
Auch die Ansicht Kerns und anderer Forscher, IL habe sein un- 
IcSrperlleh gefaßt, ilndet, wie bereits zn No. 876 bemerkt worden ist, 
in den echten Fragmenten mit Ausnahme eines (Fr. 16) Inlne Stfttxe. 
Wie fiber jene eine Ausnahme su urteilen ist, lAßt sich schwer ent* 
scheiden. Zellers Vermutung (611, 1), daß in den Anfangsworten «2 p>k* 
3v iTi), denen ein tl 81 1''^ Ifv entsprochen haben mflsse, als Subjekt nicht 
daa wahre der Eleaten, sondern Ixmtov twv «oXXAv su denken ael 
(ähnlieh auf Baumker und Bumet), hat etwas für sieh; aber Sicherea 
läßt sieh bei der Abgerissenheit des Bmchatftcks darttber nicht ana- 
machen; fest steht nur, daß Simpl. hier und an einer anderen Stelle 
(87, 6) das Fragment auf das eleatisehe Else besieht Übrigens schwankt 
die Überb'efemog des Textes, and Pabst und Bnmet» die mit eod. £ F 
bei Simpl. 110, 1 e{ ^iv ouv eiY) lesen, haben damit vielleicht das fiichtige 
getrotfeo. Eine Bestätigung dieser Lesnng glanbt P. in einem von 
Mullach ivüii eiinr Hinweisung von Brandis Übergangenen Fr. za 
linden, das bei SimpL d. caeL 557, IG f. steht: d eiv), ev kiv}. 



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Berielit ftbtr die grieehisdieA Phltoioplieii vor Sokntet. (Loitiiog.j 279 



, tl T^ip ^ t&), pAx 2v dttvaiTO &itpa cTvat, dXX* txoc 8v ««{poxa spi« AXijXk, 
Das TOtt dleftem «twM abweleheade Fr. 10: ü ii^ Iv to}, icepav« «pk 
liUt P. nicht Ar ein wörtUehei Citat, Buodeni für die knne F^nnn* 
liemniT der Anficht des M . dnreh Sinpl. Indes scheint mir gerade 
die knne, onhehaifliohe Fiisnng nnf echten Ursprung liinsnweiBen, wo- 
llr aneh der Umstand spricht, daß Bsdemes in seiner bei Simpl. lieh 
ansehließeadea Widerlegang die Form iccpav« wiederholt. — Den oberen 
mehrfach bewihrten Sehlnß vom ZeitUdten anfi Bäamliche dibrfen wir 
in seiner originalen Form jetzt nur noch in Fr. 7 suchen, während in 
Fr. 2 die Siroplicianische Fassang vorliegt, die zwai* kürzer, aber weit 
schulgerechter ist. Überhaupt rechtfertigen die echten Bruchstücke 
vollauf das Urteil des Aristot. , der Mel. cben:^o wie Xenoph. im Ver- 
gleich zu rarra. pitxpöv d-ypoix^Ttpoi ueniit. — Den Schlulj der Pabstsclien 
Abbaodlnog bildet ein Epimetrnm, in dem die schwierige Stt^lle bei 
Parra. Fr. 8, 5 flf., besonders v. 12 schai fbinaig", aber kaum zuUeÄead 
behaudelL wird (s. Diels Parra. 76 nnd oben No. 250), 

Chiappellis Arbeit verfolgt nach der von ihm selbst in den 
Rendiconti der Accad. dei Lincei vol. V sem. 2 gegebenen Übersicht 
den ^^weck, nachzuweisen, daß die Polemik des M. gegen die gleich- 
zeitigen pby«i kaiischen Doktrinen eine bemerkeus weite Orii^iiialrtat des 
Denkens zeigt. Aus Fr. 17 ergiebt sich, daß M. den Widei-spruch 
zwischen dein lierakliüscbcn (Tesetze des beständigen Plusses nnd der 
plnralistischeii Ijchre der iibrigen Physiker meisterhaft aufgedeckt hat. 
Nach der von uns unter No. 276 besprochenen Stelle Ps.-Arist. 974a 
19 ff. hat er ferner auch dne mit der Einheit verknüpfte Mehrheit, eine 
pitEi;, wie er sie bei Anaxagoras nnd Empedokles voifaud, in ihren 
beiden Formen der «ivfissic nnd inti;po;dT}9ic geleugnet. — Bei Be« 
oprechnng dea Schloflsea von der Ewigkeit auf die Unbegrenztheit zeigt 
Ob., daß das aneepov des ov bei U. einerseits die Negation der Existeas 
anderer Seienden außerhalb des einen Seins, d. i. die Totalität der von 
ihm im Banm umfaßten Dinge (vgl. Parm.) nnd andererseits das reale, 
gleichförmige Xontfarnnm bezeichnet, das jede innere Unterscheidung 
und Begrenaung aniacbiließt (ähnlich nach Tannerya Annahme bereite 
Anasimander). Damit hängt die Kritik des Begriffes mv^v bei M. aa* 
aammen. Der alten nnd rohen pyfehagoreiadien Anecbanang vom Leeren 
ala der tob der Weit eingeatmeten Luft schloß sich wahrscheinlich 
noch Lenkipp an, während der noch dem Anaxagoras nnbekannte 
wissenschafUiche Begriff des abeolnten Leeren zuerst yon Demokrit 
fixkt worden ist. Die Kritik des M. besieht sieh wahrscheinlich noch 
anf die ältere Lehre, die schon von Parm. nnd Emped., wenn auch 
weniger lebhaft» bekämpft worden war. — Ans der festgesteUten Anf- 
fiusnng des dmipo« folgt, daß die gewöhnliche (t) Annahme, M. habe 



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280 Beriebt über die grieehiselieQ Philoeophen tot Sokntee. (Lodiiag.) 

flieh du Sein lUe etwas UnkSrperlichee und mine Einheit als eise ideale 
Toy^tellt, faleeh isl. Fr. 16, das man so dentet. entbftlt nicht Heiissoa'^ 
eif^ne Warte, sondern eine irrtflmliche Andegnng einer Stelle bei 
Ps.-Arist. darch Simpl. Andere Stellen beweisen, daß IC. kein Idealist 
war, sondern den fiberlieferten Bealismns seiner Schale nnd dem allen 
vorsokratlschen Physikern gemeinsamen Namrallsrnns treu blieb. — Die 
Art, wie Ch. diese Thesen anslfihtt nnd an beweisen sacht, ist inte^ 
essaot und geistvoll, aber nnmethodisch. Er kennt iwar die Unter* 
snehnng Ton Pabst nnd bemft sieh anch mehrfach anf ihn. Aber m» 
flflehtig er ihn gelesen hat, eeigt die Behauptung S. 95, 1 : P. habe 
bewiesen, daß Er. 5 die Argumentation des U. mit grüOerer Treae 
wiedergeben als Fr. 14. wihrend jener in Wahrheit gerade daa naige> 
kehrte Verhältnis nachgewiesen hat. Und diea ist nicht etwa ein ver- 
einzeltes Versehen, sondern die Fr. 1 — 5 werden nach wie vor aline 
Bedenken so Gittert, als ob sie von M. selbst herrOhrteo. Auch den An- 
gaben der Schrift d. Mel. gt^^^enüber lUlU er es an der uötij»-en Vorsicht 
fehlen. Dazu küiuiLt, dali auch da, wo er auf zuverlässiger Vberliefe- 
rnng fußt, seine laterpieiation oft nicht frei von Willkür ist unl sicfi 
durch vorgefaßte Meinungen beeinllusben UiUt. Zu diesen geliüit iiatiieui- 
lich die, daß bei M. der kritisch - poleiuische Teil den dogmatischen 
fiberwogen habe und daß er wie Parm. der *AXi^&eia eine doEa habe 
folgen lassen. Dieser phantastischen Hypothese steht die Tliatsache 
entees^en. daß alle unsere Frao^meTite anüer dem 17., das aller« lint-s 
einen ge^^eii die Gültigkeit der siuniichen Wahroehinon? frerichtcien 
ausföhriichen Beweis enthält,*) das Seiende direkt bejitimujeu, weim 
auch in der Beweisfühnuncr vielfach indirekt verfuhren wird. Daß M. 
auf die zeitgenössische Philosophie Kücksicht nahm, ist selbstverstünd - 
lieh und zeigt Bich nicht nur in Fr. 17, sondern auch sonst, z. B. ia 
Fr. 14; aber auf eine lurniliche Zweiteilung und gar auf ein Über- 
wiegen des kritischen Teils weist keine Spur hin. Daß M. in Fr. 17 
die Bewegungslehre Heraklits vor Angen gehabt bat, ist möglich : aber 
sicher hat er sich dann nur anf ihn bezogen , nm ihn an bek&mpfen, 
nicht aber kann er von ihm in seiner eigenen Antfa^snng beeinfloßt 
worden sein, nod vollends undenkbar ist, daß er, wie Ch. bebaaptet, 
die beständige Bew egflichkeit nnd Verftnderlicbkeit der J)ing» anerkennt, 
die er vielmehr, wie er ala strenger Eleat auch gar nicht aadera kana. 



*) In pdnen Bemerk nngen Uber den Inhalt dieses Fr. berfibrt sich 
Ch. teilweise mit den Ausf&bmngen von Gompers „die Apologie der Heil* 
knnsr* (vgl. Or. D. 185), der indes den in der Schrift xtpi Tiyvf]^ beklmpften 
X070; des M. genaner bestimmt; er erkennt ihn in den W<»rten; «p«« 
xa s«v-9B }f,iifzi ftym^xitv (Uber dio Umstellung s. n. sam Teite der Fr.). 



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Bericht über die griechischen Philosophen TorSokrates. (Lortzing.) 281 

u mehreren SVagmenten Imtiiiuiit leugnet und in £V. 17 aellwt alt 
bloßen Schein (6ox^«) benddinet. Xnn bat freilieh Gh. in Miner 
Selbetrezeneian (Archiv YII 55Sff.) ZeUer, der 8. 613, 1 dieie Be- 
banptnng znrfiekweiBt, beechnldigt, seine Ansfllhmngen mlßventanden 
ztt babeu; er habe nnr zeigen wollen, daß M. die UnvereiDbarheit der 
Aonahme von der Veränderlichkeit der Siunenwelt mit der der Vielheit 
nachgewiesen habe. Aber dann hat er sich sehr mangelhaft aasg:edrückt: 
der klare Wortlaut der oben anfiel ührten !Stelle seiner Abhandluog: 
rechtfeiii^^a Zellers AutübüUii^'. Auch was Cii. in eben jener Rezension 
zur Widerlegung der von Zelier 609 f. Regrcn seine Ausiührunqeu über 
den melissischen Fehlschluß erhobenen Emwi lultmi^en beibringt, ist 
nicht überzeugend. Völlig verfehlt endlich ist der Versuch, in der 
Auiiassnnc: des Leeren zwibchen Jjtiikipj» und Dumokrit einen wesent- 
lichpii Unterschied festzubtelleii und jenem uie kindliche Annulmif eines 
lutt itiiUteu Leereu aufzubürden — Vgl. auch Natorps besprechoDg 
dei- Abhandlung Philos. Mon -II. IbOl, 476). 

Zum Texte der Fragmente. Zu den bei Siropl. ad phyd. 
erhaltenen Fr. 6 — 16 (1 — 5 sclieiden nach P&bst aus) sind folgende 
Änderungen des frühereu Textes (bei Brandis comm. Eleat 186 tt*. 
und Mullach fr. ph. gr. I 261 ff.) zu verzeicboea. In Fr. 6 schreibt 
Diels 162, 25 im Texte nach den Hss: jd xu/ot vuv jiTjöev t^v, ouSaftd 
av -/evotto ou6ev ix }jL7]6ev6« nnd verbessert an Stelle der verderbten 
Anfangsworte: Üxt xotvuv \f.rfih ^v; Scbnltess (K. u. Pr.) tl toi'vov xo/ot 
p.7)öev iov. — Im Anfang von Fr. 7 ist jetzt nach der einstimmigen Über- 
liefernog an drei Stellen des Simpl. (41, 12, 31 und 109 , 20) der auf 
der abwdebenden Fassung an der vierten Stelle (29, 22) beruhende frühere 
Text se zn andern: ^e to(vov o^x l^tvcte. Im dtl ^ xal dtl foioi. 
Ebd. ist mit Dieb nweimal statt 7(v^|avov n schreiben: ^iv^ptsvov. 
Ebd. sehr, nach den Hss: «{ ^ ibifrc '^«to j^jgn IttXsotiise d«( t« xal 
dtl lerat, o6x Ixci (S^ov Br. n. Mnll.) dfx^v o56l xtXtoTi^v. Am ScUnß 
sehrelbt Zeller 610: ß xt j*^ sSv loti (st Ion) — was nicht gana ist — 
Zn Fr. 9 yermntet Diels, daß die sieh bei Simpl. 110, 4 anschliefiesden 
Worte: ScTt l-/ov anetp^v ivw gleicbfaDs dem U . angehören. — 
Fr. 11: dicoXXuetTo st. dit^Xotw Diels. Derselbe oute dX^tt oSti 
dvtStat St. dXT^ot nnd dvttuTo nach den Hss nnd xpi/jQ {xtj ]Aup(otc 
itMiv (st. Tpw|it>ptbtc bei Br. n. H.) gleichfalls naeh d. Hss (ebenso 
Hdberg bei SImpl. d. caeL 113, 21). 'OXsTtat Diels nach d. Hss 
st oXorto av; Scbnltess aXsiadai 2v. — Fr. 18: dX^tot zweimal statt 
dXtstvdv Diels nach d. Hss; ebenso o^l l^si st oSS* Sv tyoi (Zeller 
oö3e fyoi, Schultess u. Wellmann: ouoe lyeiv). — Fr. 16: tl |»2v 
Sv t'.r, Diels nach a D (Mull, nach Brandis iov loxi); wahneheinlich 
ist mit cod. K F ojv etr^ zu schreiben (s. o. zu No. 278). Kol Q^wy, 



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282 Bericht fiber die grieehieehea Philosophen vor Sokntee. (tortiUig.) 

Sv tti) Dieb nach DE bei Simpl. 87, 7 (it. Sv iTi} Br. v. IC mit a F). — 
In dem bei 8impL d. ead. 558, Sl ff. Heib. und zom Teil bei Eoeeb. 
pr. ev. XIV 7 erhaltenen Fr« 17 X9i'^ ^ Heibeiig 
naeh d. Hw et. XPQv. In den Überlieferten Worten Sn a(!8i)poc mcXijpftc 
i&v «nj» texxoXip «otaTpipesOai 6(toü pc«»v, wo Kern 8. SS entweder 
6tMi im Sinne von „ebenio wie, behiahe, gleichflam" fsasen will oder 
OÜ0V ToraeUigt» wfthrend Heibeig <xal> 6{aou pcttv vermutet, ist 
wahneheinlieh mit Zeller ftlS, 1 zu verbessern: 61:* Zoö ^imv. Die 
Worte }ATiT£ opav {xr]t6 td i^vt« ftvi&tfMiv Stellt Oompen ApoL der 
Heük. 167 ao nm: (ii^ts 6p5v xd lovta {xt^ts 7iv4&9ietiv (s. 0.). Statt mklik 
dtSitt schreibt derselbe (Beitr. IV 15) iSia. Statt dpdS»t 6peo{Atii 
Heiberg oach d. Hss £u>p(u(iev; am Schluß derselbe st. tl roXXd ijv 
nach den Hss eiv). 

£. Herakleitos. 

!• Zar QaellenforschDDg. 

280. A. Patin, Qnellenstudien zn Heiaklit. Pseudohippokratische 
SVhriften. Sonderabdr. ans d. Festschnft f. Urlichs. Würabnrg 1881. 
37 S. 

2S1. O. P. Weygoldt, Die pseudohippokratische Schrift e. itaktfi. 
Jahrb. f. kL Ph. 125 (1682) 8. 161-175. 

282. E. Pfleiderer, Die peendoberaklitischen Briefe nnd Ihre 

Verfasser. Rh. M. 42 (1887) S. 153—163. 

E. Ptlei 'lerer, Heraklitspureu auf tbeolop^ischem, insbe- 
sondere altchristlicheQi Boden, inner- und aasserbalb der kanonischen 
Litteratur. Jahrb. f. prot. TheoL 14 (1887) S. 177—218. 

284. J. Dräseke, Fatristische Herakleitoespnren. Arch. VII 
a894) 8. 158—172. 

285. J. Dräseke, Herodot nnd Herakllt. Wochr. f . kL Fh. 
1894 a 136—138. 

286. Fr. Lommer, In qnantnm Eoripides Heraellti anetoritatem 

snsceperit. Pr. d. Stndienanst. Metten 1878/79. 36 S. 8. 

287. R. V. Scala. Die Stadien des PoJybios. I. Stnttgart 1890. 
Patin sucht nachzuweisen, daß in dem psendohippokratischeu 

Bache n. tpotp^^, das an einer Stelle (S. 24 Kübo) unzweifelhaft Heraklits 
Worte : 606; av« xaru» jxia (Fr. 69) unverlUlscUt erhalten bat, sich auch 
sonst deutliche Sparen heraklitischen Ursprungs and an einzelnen Stellen 
auch Reste von Heraklits Sprache finden. So ist der Satz c. 9: dpx^ 
H «dvTwv |A{a xal ^ a&dl) xtXtod^ xsl dpx4 der reinste Ausdruck voa 



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Beriebt über die griticiiibdiexi Piuioiiopiien vor Sokratea. (LorUing.) 2d3 

Hankliti Lehre (vgl. Fr. 70). Die Vttgrieichang mit Porphyr, (s. By- 
watttr z, d. 8t.) ergiebt bitt, daß H. selbst sieh des Bildes vom Kreise 
bedient hatte, das ihm zugleich Symbol der Flnßlehre uod der Ewigkeit, 
des Feaers war. [Dies hatte bereits Schn.ster erkannt, der die Worte 
£7Tt xtS)tXou :;«t<p£p£i'a; mit zu dem Fr. zieht, uad öomperz „Zu Heraklit& 
Lehre* S. 144 schlieft sich ihm hü, ebenso Biels in seiner kürzlich 
erschieneneü Ausgabe Heraklits Fr. 103 unter Vergleichung von 
Parmeu. 3, 1.] Auch der Satz c. 15: «p'jij»; i^otpxm Kavra itojiv wird 
als heraklitisch gestützt durch Fr. 91, wo nach P. vielleicht aus 
Ps.-Hipp. rav-ra zwischen i^apxeei und t;5j',v einzusetzen ist. Ebenso sind 
die Worte p. 20 K.: ^'jppo'.i f«,i«, ^ttfirvo'or u?'i, ^^[jL-iDia rrcivTa echt 
heraklitisch währejid das daraut Fol^-eiide nicht mit Bcrnays für 
H. in Anspruch ßrenommen werden darf. Das Ergebnis ist, daß der 
Verf. von r. xooip?^; ein(% wenn auch bescheidene Zahl, neuer Frag- 
mente und neuer Zeugnisse tiir Heraklits Lehre bietet, sowie, daC er 
sich fortwährend auf II. bezieht, dessen Philosophie er sich durchaus 
zu eigen gemacht hat. Ob P. berechtigt war, aus einer verhältnismäßig 
doch nicht großen Zahl zweifellos heraklitischer Anklänge diesen Schiaß 
zn ziehen, «oll hier nicht geprftft werden. Darchaus nicht einverstanden 
aber kann man mit ihm sein, wenn er weiterhin in dem Verf. von «. 
tp. denselben Haan an erkennen glaubt, der das Bach k. dtatrr); ge- 
acbrieben hat. Als Beweis dafür gilt ihm außer einigen Stellen, die 
auf dieselben Bruchstücke Heraklits znrttckjg^hen, der- Umstand, daB 
in 8. der fiphesier in ähnlicher Weine benotzt worden sei wie in «. 
'cp. Daß jener H.8 Stil nachgeahmt nnd vielfach anch beraklitisehe 
Oedanken ani^genommen bat« kann hentzntage als feststehend betrachtet 
werden. Wir werden auf die Veigleichangsininkta, deren Verf. hier 
einige hervorhebt, bei Besprechnngr seiner ^Heraklit Beispiele** näher 
eingehen.*) Aber eins mnfi schon hier gesagt werden: F. geht in der 
AnftptlmBg heraklitischer Beispiele viel sn weit, nnd es Ist ihm nicht 
gelangen, an beweisen, daß nach Avsscbeidnog der Zns&tse des Diäte- 
tiken, die eine Übertragong der Physik H.s aaf den menseUiehen 
Organismus enthalten, alles, was flbr^ bleibt, ein echter Rest dieser 
Physik sei. Ja, er setit sieh mit dieser so anversichtlich ansgesproehenen 
Behaaptong selbst in Widerspruch, wenn er snm Schiaß bemerkt, aller- 
dings bleibe noch an antersachen, ob der Verf« wirklich, wie Zeller 
behauptet, H.a Lehre mit anderen wesentlieh fremdea Elementen ver- 
quickt hat Aber mögeu aoch der Besiehnngen der Schrift ic. 8. aof 



*) Erwähnt sei uur, daß P. aas d. diaet 1, 15 den nach seiner An- 
sicht ventfimmelten ScbloB von Fr. 58 (s. indes jetst Biels ia seiner Ausg.) 
dnrch Hiasufügung von dsaUXaTxovti; oder a'plcrvxi« sa heilen sacht 



üiyiiizea by GoOgle 



284 Beiiclii über die griecbibcbea Philosophen vor Sokr&tes. (Lortxlng.) 



H. bei dem Biätetlker noch so viele seixi. so folgt danuiB doch Dodi 
lange nicht» da0 sie mit der ic. tp. einen gemeinediaftUdi«!! Yeiteer 
hat. üm dies wahncheinllch sn maehen, nttHte eine durchgehende nnd 

aaffallende tjbereinstiminang in der Benutzung der gemeinsamen QneUe 
erwiesen Bein, was in der vorliegenden Abhandlnng nicht geschehen, 

ja nicht einmal versucht worden ist. Zn bemerken ist noch, daß P, 
auch in der pseu loaristotelischeu Schrift xo3ji.ou mehrere aus IL g'e- 
Bcböpfte Beispiele, die /uin Teil auch der Diätetiker verv^ertet hat, ge- 
funden zu haben glaubt, ohne jedoch daraus anf eine Identität der 
beiderseitigen Verfasser za schließen, was sich auch in diesem Polle 
aus verschiedeueu Gründen verbot. 

I)ie Schrift oiairr^; ist anch sonst wahrend der Berichtszeit 
mehrfach Gegeustaii l der I'ntersüchuni' pewesen, die sich jedoch vor- 
wiegend anf einen Teil des ])hiloi50phibcbeü Abschnittes im 1. Bache 
(c. 3 — 32) beschränkt hat. Nachdem zuerst J. M. Gesner i. J. 1752 
erkannt hatte, daß in diesem Absclinitt heraklitische AuS'^prtiche ent- 
halten sind, war im Verlaute des 19. Jahrhunderts in den Forschungen 
über H. (ßeroays, Lassalle, Schuster) wie in denen über Rippokratcs 
(Petersen, Littre, Ermerins) das Verhältnis des Diätetikers zu trüberen 
Philosophen, insbesondere xu H. besprochen worden. Von allen diesen 
Erörterungen hat eine größere Bedeutung nur die von J. Bernays, 
der in seineu Heraclitea p. I Bonn 1848 (wiederholt in ..Gesammelte 
Abhandlungen", herausg. v. H. Usener B. I Berlin 18^ S. 1—36*)) 
inm ersten Male den heraklitischen Anteil auszuscheiden gesucht hat, 
welchen er für ziemlich bedeutend hJUt. Dieser Standpunkt ist ftir die 
Späteren maßgebend gewesen, während sie im einzeloen vielfach von- 
einander abweichen. Nachdem Schuster „Herakl. v. £ph/' lb73 & 99 ff. 
eine weitgehende direkte Benutzung durch den Difttetiker angenonuBen« 
dabei aber die Entstehung des Buches in die Zeit nach Aristot. 



*) Usener hat aus Bemays* handschriftlichem Naehlait an verschiedenen 
Stellen SrgSnsungen hinsugefilgt S. 21, 8 werden die Worte ^a/.spfitv« 
1,0 Ziauii^v/a (c 11) unter Zurück weisaupT einer Konjektur Gcels so übei^ 
setzt: discreta non discreta. S. 23, 1 werdea Fr. Ob und 99: „Der Mensch 
ein Äff»' Gottea" nfiher erläutert und auf Marc. Antomn. IV 16 verwiesen 
(vgl. Bywater zu Fr. 'JM. S. 21, 1 wird zu Seit. math. VII 130 (vgl. 350) 
pine Stelle bei Tertullian anfieführt, au.s der hervorgeht, daß Sextus ijbenso 
wie Philon die d. i. die Löcher rincr Pfeite mit den t^-jf^'.o?; verwechselt 
hat Das Aruunient dient dazu, die Einheit der öeeie za beweii^eu. S. 33 
wird iu liriii bpruclic des Bias </. zUlo-'>: m^A unter Verweisung üui bext- 
hyp. III G5 und math. X 4j bemerkt, Ii. iiubc in I i. lu2 deshalb deu 
Bias den übrigen Philosophen vorgezogen, weil er die Bewegung erkannta. 
8. jedodi Zeller 1 li, 4 über die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Sealas. 



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Berifbt fiber die griechiMhen PbUo6opb«ii for Sokimtes. (Lortiiiig.) 2B5 

gwttzt batte, giDK Teicbm filier in eeineo ««Neuen Studien rar Oe- 
tebiehte der Begriffe** (s. n.) ntber auf dieie beiden Punkte ein. Im 
3. Kap. dea 1. Heftes dieser Studien (1876): „Über die Abteungs* 
seit der Schrift de diaeta** bemerict er sunäebst gegen Sebnster« der 
in der Sehrift maaebes su lesen geglaubt batte, was naeh Aristot. 
«ebmecke, er babe nichts dei^leichen entdeckt; vielmebr bebe umgekehrt 
Aristet das Buch gelesen und sieb einiges daraus angeeignet Auch 
flaton, von dessen Ideenlehre Sebnster Untren bei dem DfStetiker pre- 
fnnden haben wollte, sei diesem unbekannt, und ebensowenig kenne er 
die Atomenlehre noch auch die neuen Be^iffe des Anaxagoras (voü;, 
flKEpjiaTa) und des Empedokles («opoi). Dacre^en setzte er II. voraus, 
an den eine Mdige Stellen eriDiierteii ; über er sei kein Heraklitt-r; 
denn wälirend H. alles aus dem Feuer erkläre, habe er zwei entgegen- 
gesetzte Piiijzipien, Fener und Wasser, und die beste Seele sei bei II. 
die trockene, bei dem DiHtetiker die feuchte. T. glaubt hiernach an- 
nehmen 711 (liirt'eii, dali der Diätetiker ein jüngerer Zeitgenosse H.s, 
der als praktischer Arzt von der raetai-liysist Iien Frage, ob dm Fener 
Trinzip sei. Abstand nahm und sich au dem herakliti?chen Grundsätze 
von den Gegensätzen nn.l ihrer Tfannonie e-enügen ließ. T. bestreitet 
dann die von Zeiler in den liiiheren Antiaren der „Philos. d. Gr." 
auscesprochene Ansicht, daß der Gegensatz des warmen und trockenen 
Fevers und des kalten und fenchten Wf»8sers die spezilisch aristotelische 
EJementenkhre voraussetze, und wendet sieh ebenso ge^^en die Bo- 
hanptnng Zellers, der Satz des Diätetikers, daß nichts zu gründe gehe 
oder entstehe, weise auf Anaxagoras zurück; er könne sich darin auch 
an Xenophanes angeschlossen haben. Auch der Gegensatz zwischen 
^uaic und v^pio;, den Z. bei dem Diitetilcer auf Demokrit ond die 
l:ik)phisten zurückführe, habe sich schon von Xenophanes an ausgebildet. 
Unter den i-T-i r/i-jiaTa endlich (c. 23), aus denen Zeller geschlossen 
hatte, daß die Schrift nach der EinfOhniog des ionischen Alphabets in 
Athen geschrieben worden sei, müsse man nicht notwendig Buchstaben 
Yerstehen; vielleicht habe man dabei nur an die gleich daranf aufge- 
«Shlten r/t^'^%xa ab^tnm^ zu denken , zumal da das xa( vor ii atodij^ic 
(a( abd^sMc Diels mit eod. 8] zweifelhaft sei [Aber weder Bywater 
noch Diels vermerken bei xai irgend eine Variante.] 

Gegen diese Ausführungen bat sich Zeller In der 4. Aufl. 
•683 ff. (» 694 ff «) gewendet £r gesteht zu, daB sieb in der Sehrift 
keine Spuren von dem Torbandeasein der platonischen und aristoteliseben 
Phllosophio toden, und daß er mit ünreeht eine Bekanntschaft des 
Vai fs s s e rs mit der Elementenlehre des Aristot angenommen babe. Im 
übrigen aber widerlegt er mit siegreichen Gründen die Einwendungen 
^eiehmfillers. Die von Z. behai^tate YenchiedeDheit in der Behandlung 



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286 Bericht Ober di« sriedUaehtti PbiioioplieD Ywr SokniM. (Lottsiag.) 

det Stoffes und im Stil von den pMleeoplüieheD Fragmeoten des 5. Jahr* 
handerts iat freilich kaam ala ein entecheidendei Argameat anaaaehea» 
weaa aach nicht geleagnet werden luna, daß die große Aaifthrlichkett 
der DanteUang and dao aaverkenabare Streben nach «mpiriacber 
ToUitindlgkdt In der frühen Zelt, der T. die Schrift anweist (am die 
Mitte dee d. Jahrhnnderts), anfbUlend ettcheinen würden. Dagegen 
benei^t er mit Tollem Beehte, daO wir der Zarflekf&hraBg dee En^> 
atehena anf die Verbindung, des Verg^eni anf die Treanaag nnent- 
atandener nnd onTefgingUcber Stoffe, wie sie ans bei dem Dttlatiker 
entgegentritt, nicht tot Leokipp, Emped. nnd Anaiag. begegaen, nnd 
daß ea aller Wahrtehelnllehkeit widerepreehe, einem KompUator, dem 
es an Schärfe and Fülgerichtigkeit so gänslich fehle wie dem Yerf. 
Yon «. d.. aller sonstigen ÜberliefeniQg des Altertnms anwider die Er- 
findang einer so grandlegeaden Lehre ansnsehreiben, für die Ihm doch 
Dur die VoraaBsetzuugen bei Farmen, (nicht, wie T. will, bei Xeno- 
phanes) gegeben waren. Die völlige Uobaltbarkeit dei* Hypothese T s 
aber ergiebt sich aus der vou Z. nacbgewiesenen Thatsacbe, dal> eine 
ganze Reihe von Stellen der Schnft nicht nur in den (ledanken, eoudem 
auch im Woiüaut mit den uns ei lKilteuen Fragmeateu des Auaxag , 
Emped. und Demokrit eine ÜliereiübtiiiiniuDg zeigen, die nur durch 
Entlehnung erklärt werden kann. Die Zahl dieser von Z. erkauuiea 
anttallenden Anklänge Ueße sich bei genauer Durchsicht der betreffenden 
Abschnitte in it. 8. leicht vermehren. So wird z. B. in c. 6 von dem 
>;.aui^^( setze Demokrits, daß sich Gleichem zu Gleichem gesellt, eine 
Anwendung gemacht, die der AiisclKuumu: H.s völlig? zuwiderläuft, da- 
gprrf.Ti mit dem bekannten erkenntnistheoretischen Grundsätze des Emp^d. 
im Kiiikiangc steht. Dazu kommt, daß das in c. 2« über die Seele 
Gesagt« auf die aus Feuer und Wasser ziisani mengesetzte <|/u/r] de» 
Diütetikers schlecht paßt, während der eiit^jn sehende Satz bei Anaxag 
Fr. 8 durch dessen Gruudanschauung gefordert war. Damit ist er- 
wiesen, daß der Verf. von it. ö. die Physiker des ö. Jahrhunderts bis 
anf Demokrit herab vor Augen hatte. Selbst der Satz, auf den er sich 
so viel zn gute thnt, daß alle Dinge aus Feuer und Wasser gemischt 
seien, ist, wie Z. weiter «nsfhhit, nicht sein Eigentum, sondern dem 
Archelaos entlehnt, dem er znm Teil auch darin folgt, daß er dem 
Fener das Bewegnncrs-, dem Wasser das Ernährungsverm^en beilegt- 
Ans alle dem schlieft Z., daß ic. d. das Werk eines Arztes aus den 
ersten Jahraehnten des 4. Jahrhanderts sei, das wahrscheinlich in 
Athen von einem lonier verfaßt wnrde. Dazn passea aach die Ans- 
ffthmngen ftber die 7 vxnfMxa, mit denen, wie Z. anch Jetat noch ttber^ 
sengt ist, nnr die 7 Vokale des nachenklidischen Alphabets gemeint 
nein können; denn die betreffenden Worte mit T. anf das Folgeade za 



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Benclit über diu grieciiiiiciieji f biioflopbeü ?or Sokrates. (LortiiJOf.) 287 



beziehen, ftt immöglicb. Ein beaonden snverlässiges Merkmal fflr die 
spätere Eotstehang endlich lieget in der scharfen Entgegeosetznng: von 
«ptioi; nnd vofio?» die sich ei*8t bei den Sophisten findet, wahrend nucU 
iL. die menschlichen Gesetze sich von dem einen ficöttliclien müirea. 

Ulli diese Beweise Zellers zu enLkiälten, bat Teichmüller im 
2. Hefte der „Nenen Stadien " (1878) S. 3-102 iioeh einmal die Schrift 
11. 0. in breitester Austührliclikeit besprochen. Was er hier zur Ver- 
teidigung seiner Hypothese und zur Widerlegujig Zellera vorbringt, ist 
trotz alles Auiwaudes von Scharlsiun nnd Gelehrsamkeit nicht über* 
zeügTingskräftig. Es ist ihm in keiner Weise peliinisfen, irgend eines 
der wesentlichen Argumente Zellers zu entkiäfteu. Auch ist seine 
Beweisfiihrnnfr vielfach unklar und widerspruchsvoll, und in einem der 
wichtigsten Punkte hat er Z. mißverstanden. Dieser behauptet gar 
nicht, wie er annimmt, dat' der Satz, alle Entstehung sei Verbindung, 
alles Verp:ehen Trennung", seinem allgemeinen Inhalte nach nicht vor 
Lenkipp. Emped. und Auaxag. Geltnrp: ^elitibt habe, sondei'n nur, daß 
er in der bestimmten Fassung, in der er bei dem Diätetiker erscheint, 
unter Anwendung der speziellen Termini EuH>|''iaift^at , dtaxp^vtoBat, 
dXXotoüTOai vor den genannten Philosophen nicht vorkomme, daß die 
Lehre in dieser Form vorher noch nicht ausgesprochen worden war; 
daß sie nicht bei Her. oder Paim. implicito schon vorbanden war, stellt 
er nicht in Abrede. Es (ngi ncU ako nur. ob wir dem Diätetiker 
die Fomuliemiig solcher nnansgesprocheiier Qedanken zutrauen dürfen; 
diee aber ist, wie gesagt, im höchsten Grade unwahrscheinlich. Auf 
die sonstigen Auseinandersetsiingen T.b Aber die Gleichheit der Seele 
md des GeisteB bei Anaiag. nnd dem DfiUetiker, das VerUUtais des 
letsteien sn Arehelaoa (die BeawrkiiDgeii ftber die von Z. betonte Ab- 
blngigkeit des Verftssers von diesen Phüosopben eatbalten maoehes 
Beaehteoswerte und Zatrefieode) nnd Diogenes (vgl. Teiehmttller in 
G«tt Gel. Ana. 1878 8. 1188), Aber nnd fims bei Xenopbanes, 
Bemoktit nnd H., endlich Aber die 7 branchen wir hier so 

wenig einzngehen, wie dies Zeller In der 5. Anfl. 8. 698 Anm. fflr 
nOtig befiinden hat, da fast alle kompetenten Beurteiler sich im weient* 
Heben anf Zellers Seite gestellt haben; so Bywater in seiner Anagabe 
H.S 8. Vn, 4, Windelband Gesch. d. Vm* 8. 67, Ilberg Stnd. 
PSendippocr. Leipoig 1883 nnd Weygoldt. 

Der letstgenannte bestimmt in No. 981 die Abfassnngszeit der 
fiehrift näher dahin, daß sie sicherlich nach 420 nnd wahrscheinlich 
▼or 880 geschrieben worden sei, nnd nimmt mit Zeller an, daß ihr 
Verfasser anfier von H. sich auch von Emped., Anaxag. und Arehelaoa 
beeinflußt zeigt. Auf Anaxag. und Archel. bemben c. 3 nnd 4 bis 
d7:oxpivo{x£va , die AbLäugigkeil von Auuxag. ist vielleicht nur durch 



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288 Bericht über die griecbificbea Philosophen vor Sokratcs. (Lortzmgj 



AreheL ▼ermittelt (?), ^te TonEmp. dagegen ebne Zweifel eine direkte; 
et« bekimdet sieh In der sweitea Hfilfte von c. 4 und von c. 25 an bis 

zum Schloß des 1. Baches. Die auf Archel. nnd Emped. znnickzu- 
führenden Vorstellungen über I«'euer und Wasser nnd eine mechanisclie 
ilischiin^ und Trennung der Stoffe linden sich auch in c. 5 — 24 ein- 
gesprengt und haben hier auffällige Widersprüche hervorf^erufen. Denken 
y,ir uus <liese Einschiebsel weg, so haben wir im Reste, d. h. im grüßte.! 
Teile dieser Kapitel, die Enthdinnnf^en aus H. vor uns: namentlich 
c. 9—11 sind heraklitiüch. Ohne Zweifel hat der Verf. einzelnes mm 
Teil sogar wörtlich (hesondci's in c. 5 und 10) entlehnt. Eine schanz 
Ansscheidung dieser Partien, wie sie Bernays versucht hat, ist aber 
unmöglich. 

Einen in roanchor Hinsicht von Zeller nnd Wcjs'oldt abweichen- 
<!en Standpunkt nimmt Gomperz Gr. D. 230 ff. n. 483 ein. Nach ihm 
hat der Diätetiker hanptsUchllch H. nnd Emped., daneben auch Parni. 
und Anaxae:. benutzt, letzterem aber mehr nur die sprachliche For:n 
als die Gedanken abj^eboif^t. Die Zellcrsche Annahme, «lall er sich 
aoch so Archel. angeschlossen habe, kann G. im entschiedensten (regen- 
satze zu Weygoldt nicht billigen und hält sie durch Teichmüller o.) 
für widerleget. Bedurfte er eines Vorgangers ft&r seinen stofflichen 
DoalisiDiis, 80 sei dieser weit eher in Farm, zu svcheD, der das Feaer 
ganz wie unser Autor als eine Art von Bewegnngsnrsache verwendet 
bat. Auch die von Zeller behaupteten Anklänge an Demokrit 7emia{; 
G. nicht wahrzonehmen, nnd sein auf die 7 Vokale gegrflndetes Argument 
erscheint ihm nnzntreffend, da die Sonderbezeichnung von H and Ü in 
Athen freilich erst 403 amtlich eingeführt wurde, aber lange Torher 
nicht nur in lonien, wo Ja der Verf. fast sicher schrieb, sondern «ach 
In Athen, wo ihn Zeller wohnen liOt, in außeramtlichem Qebrancbe 
stand. Er setzt demnach die Abfsssnngszsit der Schrift hetr&chtUeh 
Mher als Zeller nnd Weygoldt; die Art, wie die Systeme des H. und 
des Emped. benatzt seien, weise auf eine Zeit hin, in der beide noch 
vollkommen lebendig, also die Lehre des Emped. noch Jung, die H.s 
noch nicht alt war. — Eine gr&ndllche, sich aof alle 4 Bileher der 
Schrifk erstreckende Untersnchang, durch die auch dem Bestreben, ans 
dem Difttetiker den Wortlaut heraklitischer Fragmente heranszaschilen. 
eine feste Grenze gezogen wird, liegt Jetzt in dem Werke von G. Fred* 
rieh, Hippokratische üntersochuDgen (1899) vor, dessen Besprechung 
dem nAchsten Jahresbericht vorbehalten bleiben muD. 

Pflelderer wendet sich In No. S82 gegen Bemays, der fta die 
9 heraklitischen Briefe 6 Yerfssser aus dem 1. Jahrhundert 
nach Chr. und zum Teil noch etwas später annimmt (vgl. Bywater Her. 



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Bericht über die griechisebea Piüloeophen vor Sokratea. (Lortsing.) 289 

p. VII).*) Bereits in seiner , Philosophie des H. v. Eph." (a. u. No. B15) 
S. 327 ff. und in deuXachUägen S. 353 ff. hatte er darzulep^eii unternomiiien, 
daß die Briefe 4 — 7 von einem Verfasser und zwar von einem lielle- 
nistiscli gebildeten Jnden za Alexandria in der 2. Hälfte des 1. Jahr- 
hunderts vorChr , zuj^leich dem Verfasser des »Buches der Weisheit*, 
i»'ps''hr!eben sind. Hier sucht er nun nachzuweisen, daß die übrigen 
Briefe wahrscheinlich demselben Verf. angehören. Brief 8 und 9 ent- 
halten ein „maskiertes Plaidoyer für die bürgerliche Gleichberechtigaug: 
seines Volkes unter den Hellenen*"; sie zielen auf die von Josepbufi 
Ant. XVI 2, 3 skizzierten Zustände in Epbesns und Alexandria. Letztere 
Stadt ist die Heimat des wirklichen Briefschreibers; die Zeit der Ab- 
fassung ^t wahrscheinlich in die letzten Jahre der Eleopatra (40—30 
Chr.). Bie beiden Briefe sind an den gleichen Adressaten, Hermodoroii 
wie 4—7 gerichtet, und die von Bernays entdeckten Unterschiede der 
Gedankcufärbung sind nicht so bedeutend, daß mau nicht für sie den- 
selben Verf. wie für jene annehmen durfte. Brief 3 bilden naeh 
Pf. die thematiBche Einleitung zu den folgenden. — Inwieweit ei 
Pf. gelangen Jet, die Identit&t des Verfaasen fOr sftmtlicbe heraklitiBebe 
Briefe wnhzecheinlieh za machen, kann hier nicht nnterencht werden. 
Za einem abschließenden Urteile bedfirfte es avch einer genaneren 
Kenntnis der epistolographisehen Littentar, als sie mir za Gebote steht 
Daß der 7. mit dem 4. Brief im Inhalt irie im Stil anfl^llende Ober- 
elnsdmmong seigt, ist nicht na lengnen and teilweise nach schon yon 
Bemays erkannt worden.. Aach swischen diesen beiden nnd den übrigen 
Briefen, von 1—3 abgesehen, flnden sich mancherlei Berfihmngspnnkte. 
Ob sie aber aasreichen, nm fttr alle die gleiche Yerfasserschaft an be- 
banpten, ist an benweifeln. Gemeinsam ist ihnen freilich die wunderliche, 
verschrobene Zeichnung des ephesischen Weisen and die Terkehrte und 
gewaltsame Art, wie seine Aussprilcbe yerwendet werden. Aber darana 
folgt doch nur, daß sie ungefähr der gleichen Zeit ihre Entstehung 



*) Zu erwShneo ist hier auch J. I^emays, Lucian und die Kyuiker, 
Berlin 1S7!>, wo Anm. 19 (S. 96—98) nachgewiesen wird, daß der 28. Diogenes- 
brief nach seiner ganzen Anlage dem 7. beraklitiscben an die Seite tritt, 
dessen jüdischen oder cbristlichcn Ursprung B. in don ,TTeraklitischen 
Briefen* S. CA ff. aufgezeigt hat, und daü der Verf. von Kemimscenzon an 
U. mindestens ebenso sehr beherrscht ist wie die Briefsteller, die die 
Maske des Ephesios benutzen. Besonders erinnert c. 1 S. '24'2 an Heraklits 
GeuaDkcü, daü die srcwrilirilichen Menschen einerseits die Natorgedetze on- 
bewusät nachahoieu, axidererseits durch ihre Menschensatxangen mit der 
Natur in Zwiespalt geraten, und auch in den Worten find«! äUh beraUilisdie 
Anklänge. . 

Jahresbor icbt (Qr Aiterturaäwisi^eoäcbait. Bd. CXIL (1902. L) 19 



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290 Beriebt fiber die grieclilMlieD Philoiophen tot SokntoB, (Lortiiiig.) 

verdanken. Noch viel nDsIeherer ieheint mir die VeraratDiig m aeiii, 
daß der angebliche VerfaaBer dieser Briefe auch die „WeiBheit Salo- 
monis* geeehriebea habe. Soweit sich in dieser Schrift AnkUage an H» 
finden, genfigt znr Erhttmng dieser Tfaatsacbe die Annahme, daß hier 
wie dort heraklitlschea Oot benntst worden ist 

Eine solche Benntsang H.8 hat nnn Pf leiderer in seiner nPhüos. 
d, H.* S. 255—352 nicht nur für das apokryphe «Bnch der Weisheit*, 
sondern andi fBr das kanonische •Buch Kohelet* angenommen. In 
diesem findet er die heraklitische Lehre vom Hasse ood von den 
GegenAtzen wieder nnd weist besonders auf die Tafel der GegensStse 
in c. B bin, wo das erste Paar: „Leben und Tod", nnd das letzte:. 
»Krieg und Frieden", vor allem aber ein drittes: »Steine zerstreuen. 
Steine sammeln", das nur aus H. Fr. 79 zureichend erklärt werden 
kann, auf die Lehre des Epbesiers zurückgehen. lu demselben Kapitel 
eriimeru v. 17 iF. stark an H.s Unsterblichkeitslehre (?), v. 21 noch 
besonders an die 666« ävuj xal xaiu» (?). In der Lüsuug des Problems 
freilich folgt der Verf. H. nicht, sondern wendet sich vielmehr gegen 
seinen freveln Weisheitsdunkel (12, 12 vielleicht An&pielang auf Fr. 16. 
17). Noch zahlreicher sind die direkten Beziehungen, die Pf. in der 
.Weisheit'' entdeckt zn haben glaubt; so c. 13. 1 ff., wo unter deu 
Elemeuteu zuerst das Feuer, die Luft dagegen gar nicht erwUhnt wird, 
15, 4 avBpujKiov xav.oTE7voc ao'^ia (vgl. Fr. 17) und au vielen aii lert u 
Stellen. Einzelne der von Pf. aus beiden biblischen Rüchern angefiiln teu 
Parallelen, besonders die ans Kohelet 3, le^en allerdings die Vermutung 
nahe, dali hier heraklitische Gedanken und Aussprüche zu gründe lieijen. 
obwohl damit noch keineswegs gesagt ist, daß die Verfasser unmittelbar 
aus H. geschöpft haben müssen. Li den meisten Fällen aber sind die 
Übereinstimmungen doch zu wenig charakteristisch, um die Annahme 
einer auch nur mittelbaren Entlehnung zu rechtfertigen. Besonders 
geht Pf. viel zu weit, wenn er, verleitet durch seine falsche Auffassung 
des Urquells der heraklitischen Philosophie, überall, wo das Mysterien- 
wesen bekämpft wird , so Weisheit 14, 22 ff. and 14, 27 (ebenso Epist. 
Her. 7) polemische Beziehungen auf H. wittert, als ob gewisse ans- 
schweifende Kalte der Griechen den Späteren nar dnieh diesen hätten 
bekannt werden können, der sie wahrscheinlich doch nur gans gelegentlich 
nnd knrz ber&hrt hat. Ähnlich ist über die heraklitischen Einflfisae 
anf die ersten christlichen Schriftsteller (Justin» Sethlaner, Nofitianer» 
Johannesevangelinm) su urteilen * die Pf. am Schlüsse seines Haupt- 
werkes zuBaomensteUt. 

Weitere Spuren solcher Anklänge verfolgt Pfleiderer In No. SB3. 
fir bezeichnet hier als den »feinsten spekulativen Gedanken' H.s den» 
daß es keineiwogs ein blindes Schicksal, sondern der ^genste Wunsch 



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Berieht Uber griechiflclmi Pbilotophfla na Sokntas. (Lortnng.) 291 

und I>i«ii§: des Absoluten (|mövov 0096«) sei, Id niedrifere Stnfea eiiini- 
gebeii» ja BO^r in gewiner Weiae m Bterben, nm aicb in den ftcbwenten 
Proben eeiner Lebenskraft anunweieeD; heiOe e« doeb von Uim geradem 
xifi^K dicodavtiv [wo? H. Fr. 78 sagt 4»ox nieht etwa «094^ Tep<]^ic 
(»irpjfft Ytvi«ftat, nicbt dscodovctv]; denn ans dem Wege in den schein* 
baren Tod hinab führe der Wog anfwftrts wieder com Leben. Kein 
speknlatiT gestimmter Christ habe solches lesen können, ohne darin 
eine profane Fropheseinng der «christlichen Centraiidee* (Philipp. 2, G ä.) 
an finden. Yerf. weist dann anf Heraklitisches in der Lehre der 
Naasaener bei Hippolyt. Y hin nnd findet schließlich zahlreiche An- 
spielnngen anf H. in den panlinisehen Briefen , besonders im Epheser- 
brief (Polemik gegen eine speknliwende Afterweisheit« die eben die 
beraklitiBche sei, wobei wieder der Kampf gegen die Ansartnngen der 
Mjsterienidee eine große Holle spiele), aber aoch im Koioiser- nnd 
Römerbrief. — Aach hier fiberschreitet Pf. weit das durch eine vor- 
sichtige philologische Methode f^eboteue Mall im Aufspüren von l^irallelen. 
Wenn überall, wo von Kricf? und Frieden oder von Licht und Dunki l 
die Rede ißt, eine Benutzung H.s — daii es keine direkte zu seiu 
braucht, gesteht Pf. selbst zu — vorliegen soll, so konuie mau aus 
heiligen und profanen Schriften ganze Legionen beraklitisierender 
Stellen auimarschieren lassen. In einzelnen wenigen der von Pf. an- 
gefahrten Fällen ist die Annahme, daß heraklitische Wendungen benutzt 
seien, nicht nnglaabhatt; so wenn Eph. 4, 14 zu xuJJeta Ttuv dvÖ{>a»-tyv 
auf H.s raic r£7TEu«)v verwiesen wird. DaL. überliaupt in der altcbribt- 
liehen Litteratur ein starker Eiutiuli herakhti.scher Leiireu sfuTtL'-efunden 
hat, und von einzelnen Schriftstellern auch 11 s .Schrillen liu^^icbii; 
verwertet worden sind, so von Hieronym. uud Clemens, hat man schon 
lange erkannt: aber die von Pf. ^ctuudenen Anklltnpe sind, wie mit 
Di eis Arch. I 109 gesagt werden muLl . zum ^^rriLiten Teil „nichtig". 
Ich kann daher auch nicht der Meinung Dräsekes (No. 'J84j bei- 
stimmen, Pf. habe richtig erkannt, wie weit die Spuren H.a führen» 
nnd ihm höchstens zugeben, daß Kohelet 3 heraklitisiert. 

Pf. hat in der zuletzt besprochenen Abhandlung unter Verweisung 
anf Justin und Clemens angenommen, H. sei in der Urschrift nnd in 
Attasilgen bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts nach Chr. vorhanden 
nnd weitverbreitet gewesen. Drilseke geht erheblich darüber hinaus. 
Indem er mit Patin, dessen Forschungen er überhaupt in ihren Er- 
gebnissen unbedingt anerkennt (s. No. 285), nicht nur bei Hippolyt., 
der im 8« Jahrhundert lebte, sondern nach bei Gregor von Nazianz 
(Bnde des 4. Jahrhunderts) starke Anlehnungen an H. findet, die be- 
weisen, daß ihm Hjs Schrili zur Hiand gewesen sein muß. Dasselbe 
gilt na^ setaier Meinung von den bisher lUschlich dem Athanasios 

19" 



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292 Berieht über die grieehiBchen PbUoeophen Yor Sekiitei. (Lortiiiig.) 



beigelegten Schriften f „Gegen die Hellenen** and „Von der Kenaeh- 
werdong dee Logos**, als deren YerfaBser er (Tbeol. Stnd. und Kiit. 
189B 8. 351 ff.) Eneebios von Emesa mit hoher Wahnchei&liohkeit 
nachgewiesen sn haben glanbt In der ersten dieser Schriften erinnem 
c. 36 gewisse Theorien Über die Erde nnd das Wasser nach Inhalt 
nnd Attsdnich an H., nnd da in der nfichston Umgebung andere kossso- 
logische Theorien entwickelt werden, die sich anch bei Thaies, Hippen, 
Anazag. und Zenon t. Elea (?) finden, so h&lt sieh D. sn dem Sehlnsse 
berechtigt, da0 anch bei diesen Sfttaoi H., abwohl nichte darfiber flber> 
liefert wird, irgendwie (?) beteiligt sei [eüi Huster von ünkritik!]. 
Deotlich treten uns H.s 8Stze von der Hannonie der Gegeosfttze nnd 
ihrem Umschlagen und Auseinandergehen, wie nach Patin bei Philon. 
so auch bei Eusebius c. 36 ün. und 27 flu. cntf^egeu, und in c. 37 
haben wir nicht nur H.s GegeusiUze, sondern auch die Itideu 
Formen des Werdens und seine 65oc avto xaia>. Euseb. hai den für 
die christlichen Nachbildner Hb iiahtiiegeDden Schritt, den un- 
persönlichen Logos in den persönlichen Gott umzusetzen nnd sich so 
aller Gedanken li.s rückhaltl )? zu bemächtigen, in c. 40 und 42 mit 
vollem Bewußtsein geihan. Auch das Gleichnis von der Harmonie der 
Leier findet sich bei ihm . ebenso das heraklitische Beispiel vom appsv 
und öfjXü (vgl. Fr. 43), und der von Patin als heraklitiscli crwiebeiie 
Satz von der Macluihmung der Natur durch die Handwerke und Künste 
(c. 18 u. 20). Endlicli kommt auch das P.f i^piel von der Musik, den 
hohen und tiefen Tönen und der Harmonie b*^i ihm wiederliolt vor, am 
schönsten und reinsten c. 38, wo die Quelle nicht Plutarch, sondern H. 
ist. Aus alle dem erg-iebt sich, daß, wenn auch Eusebios nicht so völlig 
abhängig ist von H. wie der Diätetiker, er doch H.s Werk wahrscheinlich 
noch gekannt und benutzt hat. — Welchen Grad von Sicherheit diese 
Quellennachweise beanspruchen können, veraag: ich nicht zu beurteilen» 
da mir die Schrift „Gegen die Hellenen'' nicht zur Hand ist. Zn be- 
denken ist aber bei alle dem jedenfalls, daß es trotz Patin keineswegs 
feststeht, inwieweit die heraklitisierenden Beispiele des Diiitctikers auch 
wirklich auf H. zurückgehen (näheres daifiber zu No. 320). Vielleicht 
hat Eusebios seine analogen Beispiele nicht aus H. selbst, sondern aus 
dem Diätetiker geschöpft. — In No, 285 beneichnet Dräseke den in 
Patios Buch „Heraklits Einbeitslehre'* 8. 45, 14 geführten „Nachwebi 
einer Berührung zwischen Heraklit und Herodot" als eins der 
wiehtigsten nnd wesentlichsten Eigebnisse der tTutersnehongen dieses 
Gelehrten und giebt die betreffenden Hauptstellen ans Fathi wieder, 
ohne ihnen etwas hinzunf&gen. 8* n. zu No. 880. 

Lommer glaubt bei finripidea eine viel grSOereZahl m An- 
klingen an H. gefunden au haben, ab man sonst anzunehmen pflegt. 



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Beliebt &ber die griechiseben Philosophen Tor Sokrates. (Lortzing.) 293 

An einzelnen von iiuu augeführten Stelleu liegt die Beziehu;ji; auf 
den Ephebier klar zu Tage oder ist doch wenigrstens wahrscheinlich ; so 
Eurip. Fr. 905, 3, 4' (ich citiere nach der ersten Ausgabe von Xauck, 
da mir die zweite nicht znr Hand ist) vgl. mit H. Fr. 48 q. a., 
Hei. 1617 (7a><ppovo; dim<ma« vgl. mit Fr. 116; Hippel. 1108 vgl. mit 
Fr. 79 (das Wortspiel a(<j>v . . , aki erinnert an H.); Ileraclid. 9ü0 
a(cuv xe /{iovöy ittTc vgl. mit demselben Fr. und Lakian vit. auct. c. 14 
diuivo« ;:aiöi^; Eur. Fr. 1058, 3. 4 vgl. mit Fr. 82; Herc. l^jä. vgl. 
mit Fr. 45. 69. 62; Eur. Alk. und Fr. 957 vgl. mit Fr. 66 (Wortspiel 
mit Bio? und ^-l'.o;, aber l'hoen. 1161 ist schwerlich hierher zu ziehen;; 
Jon 969 (vgl. II.s rA^zn yu>pzX oder {jz~. und o-jo^v \xhzt). An anilereii 
Stellen dagegen ist die Rezieliung sehr zweifelhaft; so Eur. Fr. 890 
trotz der Verbindung, in der es Aristot. Eth. Nik. 1155b 3 (vgl. Etb. 
End. 1235a 16) mit einer Meinung H.s anführt. Namentlich darf man 
da, wo Eur. von einem anderen, besseren Leben redet, nicht auf hera- 
klitischen Ursprung schließen, sondern es wird, soweit überhaapt eine 
Entlehnung anzuoehmen ist, eher an die Orphiker. Fythagoreer oder 
die UyBterienlehre za denken sein. Öfter bezieht Verf. auch solche 
Verse auf H. , die aller Wahrscheinlichkeit auf Anaxag. (so Fr. 836 
nnd 1007) oder auf andere Philosophen wie Anaximander (Fr. 902) 
oder Xenopkanes (Herc. 1345 und sonst) zurückgehen. Pas ganze Ver> 
fabren Lommers ist überhaupt sehr unkritisch und willkürlich; von 
einer gründlichen, gleichmäßig den lohalt wie die Form berOcksichtigen- 
den yergldcbnng der mit einander in Besiebnog gesetzten Stellen ist 
kanm etwas zu spfiren. So trflgt er kein Bedenken, spricbwSrtliebe 
Wendungen bei Enrip. wie dTmoi xSv icapfiatv 6fU5ff Fr. 523 oder jur«- 
poX^ Rcivnikv fXoxu Orest weil sie znfUUg auch von H. verwendet 
worden sind, oder die an den bekannten Ansspracb des Bias erinnern- 
den Worte soXXol -ydp *x«xot Jpb. T. 678, die H. Fr. III anf&hrt, ans 
diesem abzuleiten. In mancben FilUen ist die Annahme einer Abhängig- 
keit des Enr. ?on H. geradezu thOricht za nennen; so, wenn Sappl. 216 
auf H. Fr. 96 ztirttckgeftthtt wird, oder gar für so allgemein gehaltene 
Attssprllcfae wie X(av {ooov inotvö» tou [ur^^h* J^av Hippol. 364 f. kera- 
kfitlscber TTrsprang gewittert wird. An dieser verkehrten Sacht, bei 
Enr. fiberall pbilosophisehe Beminiseenzen aafsaspfiren, leidet fiberhanpt 
die ganze Abhandlong. Freilich steht L. hieran nicht allein, wie wir 
spftter bei Besprechung einzelner anf das Verhältnis dieses Dichters 
ZOT griechischen Philosophie besilglicben TTntersachungen sehen werden. 
Scala*) bespricht im 3. Abschnitt die philoBophiachoi Stadien 



*) Ich bemerke hier, daß Scala 8. 83 f. einen kleinen Beitrag zu 
Epicharm liefert, den ich oben in dem auf diesen bezüglichen Abschnitte 



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294 Bericht über die ghecbiacheu Philosophen vor SokrateA. (Lortdng.) 

des Polybios. Nachdem er bemerkt hat, daß die gesamte Lebeos- 
anffassTin^ des Pol. dem Grcdankenkreise der sloisclien Schule ent- 
Hpruiif^en ist. v»'ii<ili;t er S. 88 — 97 die heraklitischeu Spuren in dem 
Wprkf» des <rroi i n (reschichtschreibei«. Dieser tiibrt an zwei Stellen 
heraklitisciie iimchstücke an: 4, 4(\ H Fr. 14 imri 12, 27, 1 Fr. 15. 
An der zweit- ii Stelle haben C. F. Herinanii, Leutfich nnd Diodorf 
'HpoooTov statt Hoa/XstTov setzen wollen, mit Unrecht, wie Sc. in Über- 
einstioimuuf!: mit ßernays (Ges. Abh. I 94, 1) ß-laubt, da Herodot bei 
Pol. nie genannt wird und kein Grund vorliegt, eine solche Verwechse- 
lung der Namen anzunehmen. In der Herodotste)le I 8 liegt ein zum 
geflügelten Wort gewordener Ausspruch H.s vor,*) Vermutlich hat P. 
ooch an anderen Stelleu heraklitische Anregungen empfangen. Eine 
solche glaubt Sc. 6, 47, 0 und 1, 4, 7 entdeckt zu haben. Der hier ent- 
wickelte Gedanke von der Vorzüglichkeit des Lebendigen im Vergleich 
zn den Lebloseu geht vielleicht auf H. znrUck, da er steh auch bei 
Plnt. d. Is. 76 S. 3H2 B findet und zwar im PiUsammenhange mit einem 
Ausspruch H.s Fr. 19). Da sich nun die 1, 4, 7 mit diesem Ge- 
danken verbandene Entgegensetzung des Ganzen nnd seiner terriaienen 
Teile aoeh bei dem Verfasser von ic. 9i«fci)c findet» so scheint Pol. zwei 
heraklitiscbe Gedanken vereinigt sn haben, von denen der kweite Qbrigens 
gleichfBkUB bei Flnt. vit. Lycnrgi nnd zwar in stoischer Umgebnng wieder- 
kehrt. Freilieh hat Pol. anch ans der Stoa geschöpft» die aber ihrer- 
seits an H. angeknüpft haben könnte. Wir haben es hier mit einer 
hftbsch ersonnenen, aber doch keineswegs sicheren Kombination zn thnn, 
die Yerf. selbst nur als anspruchslose Vermntnng ansiebt. — Daß femer 
Pol. die heraklitische 6|ju>vota dii t<dv svavn'oiv, od dtÄ tuv 6|m£cdv, die 
IvavTtoTporTj oder lv«vt(o$popMi gekannt hat, geht nach Sc. ans 39, 1, 4 ff. 
hervor, wo die Abwecbselnng der Scenerie im Drapia [vielmehr in der ge- 
schichtlichen Darstellung] damit gerechtfertigt wird, daß die Katnr 
selbst den Wechsel gebietet nnd kein Sinn dnrch das Einerlei beflriedigt 
wird; vgl. H. Fr. 82. 83 nnd ic. Bmvrs c. 15 sowie sn Pol. 39, 1, 7 
IT. i. c. 18 nnd zu dem bei Pol. Ober die Abweehselang in der Hnsik 

übersehen habe. Sc. vermutet dort, dsfl die bd Polyb. 31, 21, 12 dem 
epicb armischen Verse ya<p» xat ^pos' d'tsxEtv xt'/.. vorhergehenden drei Steilen 
Rleichfalla aus Epich. genommen seien. Anders Meineke Philol. 14 S. b. 
An der Echtheit des bei Laert. 3, 11 als epicharmisch angeführten Xö^'/t 
T:y oo^i^^jn»- zweifelt Sc. nicht, da Piaton Theaet. 152E sich offenbr^r auf 
eine .solch« Stelle bezieht und aus Piut. Mor. lÜÖdA hervoi^eht, dali auch 
Cbrjsipp die Verse für echt gehalten hat. 

*) Ein AnklauL; au Fr. 15 findet sich auch bei Philon de ßacr. Ab. 
H Caiui § wie P. Wendland, „Neu entdeckte Fragmente Fhilos" Beriiu 
1891 S. 132 erkannt hat. 



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Beriebt ttber die griecMschen Philosophen m Sokrates. (LortilDg.) 295 



Bemerkten daaselbe Kap. und H. IV. 48. Endlieh fthrt Se. ni H. 
Fr. 113 (tU i\i.oi {xuptot) und zu Fr. 110 eine Ansaht SteUea an, wo 
Fol. den Wert des Eiozelnen bermbebi. 

2» Ausgaben der Fragmente nnd Beiträge zur üritik nnd EridUiriuig 

des Textes. 

288. HeracliU Ephesii reUqniae reo. J. Bywater. Ozodü 1877. 
Xni, 90 & 8. 

289. J. Bywater, HeraeUtus and Ammianns HareeUinm. Joom. 
of PbUol. VI (1876) S. 88—90. 

290. J. Bywater, Heraelitns and Albertos ICagnns. Ebd. IX 

(1880) 8. 230 -234. 

291. The fragnicnls of the work of Hericlitus of Eplie^us oq 
ualure translatcfi from the greek text of Bywater by G. P. W, 
Patrick. Baltimore 1889. X, 131 8. 8. 

292. J* Bernays, Gesamroelte Abhandlungen, heransg. ▼« 
H. Usener. B. L Berlin 1860. Darin: 

I. Heraclitea [bereits 8. 284 besproeben]. 
n. Heraklitiflche Stadien I. S. 87—64. HK S. 64—73. 
III. Nene Bruehetfieke des H. fi. 8. 74<— 101. 
V. Anzeige von Bywatere Sammlnng der Brnchstücke H3 
[8. an No. 288]. 
XZII. Ad Chr. Gar. J. Bnoseninm [de Hippolyt! refbtatione 
haeresinm] epistola eritica. 8. 291 — 326. 

'Jü3. E. Warmbier, Stndla Heraclitea. Diss. iaaug. Berolini 
1Ö91. Maytr und Müller. 30 S. 8. 

294. A. Gohibacher, Em l^ragmeut des H. Zachr. f. österr. 
Ö. 27 (1876) S. 496—600. 

295. Tb. Gomperz, MarginaUa. Bh. K. 32 (1877) S. 476 f. 

296. £. Petersen, Ein ndßTsrstandenes Wort des H« Herrn. 14 
(1879) 8. 304-307. 

297. K. J. Nenmann, Heraclitea.. Herrn. 15 (1880) 8. 605 ff. 

298. Derselbe, Nachtrag za Herrn. 15 S. 607. Herrn. 16 

(1881) 8. 159 f. 

299. K. Buresch, Klares. Untersochaogen zum Orakelwesen 
des späteren Altertums. Nebst einem Anhange, das Anecdoton xP^o|mI 
XON 'EUijvixuv dtlüfv enthaltend. Leipzig 1889. 

300. The Theaetetns of Flato by Lewis Campbell. 2. el 
Qiford 1883. Appendix A. 8. 241-252. 



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396 Bericht Aber die griecbisehen Phileeophen vor Sokntee« {hntang.) 

301. Tb. Davidson, Herakleitos Frg. 36 Bjrw. (86. 87 MiiU.). 
Americ. Joarn. of Pbilol. 5 (1884) 8. 503. 

302. R. Ellis, Adveraaria. J. of Philol. 17 (1888) 8. 140 f. 

303. 0. Dingeldeio, Za Herakleitos. Jahrb. f. Philol 145 
(1892) S. 191 f. 

304. P. Wendland, Philo^ Schrift über die Voisehnns:. £iu 
. Beitrag zur Gesch. d. nacharistotel Philosophie. Berlin 1892. 

305. A. Engelbrecht, Vermeintliche Spnren altgrieciuBcher 
Astrologie. £ra&oe Vindob. Wien 1893. 8. 125—130. 

806. F. Tocco, Heradit Fr. XXV (p. 11 Byw.). Stiid. ital. 
di iUol. da». lY (1896) 8. 5 f. 

Die aserkaDstermaßen vortreffliche Anagabe Bywatert ist aUen, 
die sich eiogehender mit griedüsdier Philosophie besch&ftigeo, längst 
de anentbehrlidies Hfllfbmittel geworden und wird es anch nach der 
in ihrer ganzen Anlage wesentlich von ihr verschiedenen neuesten Ans* 
gäbe Ton Diels (Berlin 1901) bleiben. In der anf Imappatem Bann» 
eine Fülle von Belehrung bietenden Vorrede bemerlct B. (8. V), daß 
er die Reihenfolge der Fragmente so gegeben habe, wie sie nach seiner 
Mcinnng dem Zusammeuhange der einzelneu Aussprüclie am besten ent- 
spreche; er sei sich dabei wohl bewußt gewesen, daß andere in einer 
so zweifelhaften Sache anders geurteilt haLteu und urteilen könnten. 
In der Thal ist die Anordnung der heraklitischeu Fragmente ein bisher 
ungelöstes und bei der Beschaffenheit nnserer Überliefernng unlösbares 
Problem. Nur das eine muß nach dem ausdrücklicheu Zeugnisse des 
Aristoteles und des Sextus als fesuieheud betrachtet werden, daß Fr. 2 
Byw. den Anfang des Buches bildete. Mit Unrecht hat ihm B. sein 
Fr. 1 vorausgesi hii kf. Zwischen einzelnen Fragmenten läiJt sich wohl 
ein innerer Zusammenhang erkeanen, wie ihn besonders Patin für die 
nach seiner Auffassuni? «ich an Fr, 1 B. zunächst anschli* i>nden Bruch- 
stücke herzustellen versucht hat. Aber auch wenn es geliitij^en ist, eine 
solche inhaltlich lückenhafte Folge einer Anzahl von Fragmenten zu 
gewinnen, bleibt es immer fraglich , ob sie der von H. wirklich einge- 
haltenen entspricht, da wir über das in seinem Werke beobachtete 
Prinzip der Anordnung nichts wissen. Näheres hierüber s. zu No. 319. 
Eine andere Frage ist, ob nicht manche der von B. getrennt aa%e- 
f&hrten Brachstücke besser zu einem einzigen zusammengelogen worden 
wixen; so z. B. Fr. 45 und 56 (naXivtovoc scheint mir nur dne ab- 
weichende Lesart zu TraXivTporoc zu sein, das durch Parra. 9 verbürgt 
ist; s. Diels Parm. & 70); femer Fr. 47 u. 48. Daß Fr. 47— 76 nnr 
abweichende Fassungen eines BmchstÜckes sind, bat Diels in seiner 
Bespredrang der Bywatenchen Ansgabe (Jenaer K*Z. 1877» 383 ff.) 



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Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 297 

richti;? bemerkt (vgl. jetzt Diels in seiner Au»g. zu Fr. 118). Dies 
gilt nacli Diels auch von Fr. 41. 42 und 81. 8. VI bezeichnet B. als 
neu liiDzagekommene Fragmente die beiden No. 39 und 130. Bedeutend 
größer ist der Zuwachs aa Parallelstellen , die B. unter dem ersten 
Strich hinzugefügt hat. Manche von diesen Stellen wären riclitii^er in 
den Text der Fragmente selbst aufgenumuita woiden, mc liies jetzt 
Diels mehrfach gethan hat. — t.'ber die Echtheit der einzelnen Bruch- 
stücke äußert sich B. S. VII ff. , wobei er darauf hinweist, daß in den 
'iiii lleii H. öfter mit humonymen Schriftstellern wie dem Allegoristen 
•jder mit solchen, die einen ähnlich lauten Icii Numcn fübrtfn, verwechselt 
worden ist (vgl. auch zu Fi-. l.Hft) Ausführlicher verbreitet er sich 
über die heidpfi -/n Fr. ll'J aus i'justathios und dem schol. Yen. ad 
Tliadem ani,'etührteQ Stelleu, nach denen H. den Homer als daTpoX67oc 
bezeichnet liat. Im einzelnen kann man natürlich mit dem Heraus» 
geber darüber rechten, ob ein Fragment als unecht zu betrachten 
sei oc^jr nicht. Fr. 138 hat er wohl mit Unrecht unter die 
spnria gesetzt (vgl. Diels Fr. 81). — Was die oft sehr zweifelhafte 
Zuverlässigkeit der überlieferten Form der Fragmente betrifft, so macht 
B. S. IX darauf aufmerksam , daß auch die Schiiftsteller der besten 
Zeit» z. B. Aristot., in ziemlich freier Weise zu citiei'en pflegen, während 
die spAteren meist aus abgeleiteten Quellen schöpfen und einer oft den 
anderen ausschreibt. Zu den wenigen, die H.s Werlc seibat benntnt 
hnbeo, gehört sicher Hippoljtoe, yieUeieht nnch Clemens nnd Plotin. — 
Den Sehlnß der Vorrede büdet eine sehr torgtSlÜgt Znaammenetellong 
der loniamen bei H., auch der lexikalieeben, zu denen noch eine Anzahl 
eigentümlich heraUitischer Aosdrficke kommen, welche eich, wie B. be* 
merlct, leieht ans dem Index verboram (am ScUnaee des Baches) ▼er- 
mehren ließen. Dieser Index ist übrigens nicht ganz Tollständig. So 
fehlen s. B. viqmoc £V. 97 nnd mS^m Fr. 79. Wertvolle Zugaben 
sind die Vita Her. bei Laert., die heraklüisierenden Abschnitte ans 
de diaeta, swei Brnebstflcke des Skythinos, die heraklitische Anklänge 
enthaltende Stelle ans Lokian Vit aoct. c. 14, die heraklitiscben Briefe 
und ein Epimetram ad excerpta Hippocratea ans Zosimos ic <ipsT7)c 
oovdcosttc 6ddTe>v. Überall ist hier anf die Textgestaltnng die grOOte 
Sorgfalt verwendet worden. Besonders die Abschnitte ans d. diaeta nnd 
die Briefe haben nach dem Urteile von Biels (a, a. 0.) bedeutend ge- 
Wonnen. — Vgl. Oron Ph. Anz. 17, 384 ff.« Teiehmftller GOtt. gel. 
Anz. 1877, 825 flf., M. H. (Heinze?) L. C.-BL 1877, 1169 f. nnd 
J. Bernays Ges. Abh. I, 106 flf. 

Bereits vor Heransgabe der Fragmente hatte Bywater in No. 289 
nachgewiesen, dali das angeblich bei Ammiaii 21, 16, 4 stehende Fr., das 
Schuster sogai* ins Original zuruciiUberset^t hat, auf einer millveräüiud- 



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298 Bericht über die griechischen Philoäopheu vor Sokrates. (Lortnag.) 



Iich6ii Lesonir v- Flut. d. coh. ira 9 S. 457 Fr. 105) beruht und 
dnrdiaiit uichtB Herakütlsches entbftit — Ein neues Fr. bat dann B. in 

No. 290 seiner Sammlung hinzogefOfft Es findet sich bei Albertos K. 
de Tegel. VI 405 S. 545 Meyer und lautet: si felicitas esset in delecta- 
tiouibus corporis, boves felices diceremus, cum inveniant orobnm 
ad CO me de 11 du III. Von dem orobns (=- ervum ervilia Linn.) wissen 
wir, dali es einen bitteren und scbarfen Geschmack iiutto und als Vieh- 
futter diente, von den Menschen dagegen außer bei ilunß^ersnot ver- 
schmäht wurde. Aus gewissen Parallelstellen kann man schließen, daß 
der ui;5prün;?liche Aunspruch II.s den Vercleich zwischen Ochse und 
Mensch zog, wie denn solche Verffleichiing-eu zwischen Tier nnd Meut^ch 
öfter bei H. vorkuuimen. Die Worte si felicitas— cornoris sind ein 
wahrscheiulich von einem patrisüsclien oder nenplatonischen ilittelsinann 
gemachter Zusatz. [Diels in Fr. 4 hat sie indessen mit aufgenommen.] 
Patricks zuerst im Amer. J. of Psychol. 1HH8 ersrlnouone Ar- 
beit enthält zwar keinen nennenswerten positiven Beitrag zur Erkenntnis 
der lieraklitischen Philosophie, aber sie bietet allen, die sich durch die 
Schwierigkeiten des Urtextes der Fr. nicht durchzuarbeiten vermögen, 
ein willkommenes HUlfsmittel. Der Abschnitt des Buches, der dem 
Titel zufolge als Hauptteil anzusehen ist, obwohl er nnr wenig über 
ein Drittel des Ganzen nmfaßt, bringt außer der englischen Übersetzung 
der Bruchstücke einige .,criticai notes'* und den griecbi^( In^n Test nach 
By water. Daß P. sich an diesen Text genan anschließt, ist sn 
billigen. Nnr hätte er liierin Konsequenz 8ben und nicht an einigen, 
wenn aach nur ganz wenigen, Stellen ohne awingenden Grund von seiner 
Vorlage abweiehen sollen. Am ehesten läßt sich noch die Aufnahme 
der BernajBschen Vermntung: ivfta$s Ums in den Text von Fr. 123 
rechtfertigen , da sie das Fr. wenigstens lesbar macht Die kritischen 
Anmerkungen, die fibrigens weniger der Kritik als der Erklärung der 
Fr. dienen, sind dürftig und unvollständig. Das wenige Nene darin ist 
nnerbeblich oder verfehlt So wird ans in der Anm. sn F^. 107 sn* 
gemutet, xat^ ^ootv licatovroc in der Bedeutung „giving ear to Natura** 
fflr eine xuläasige Verbindung xn halten. Die Übersetsnng der Frag- 
mente muß im allgemeinen als wohlgelangen beseichnet werden. Sie 
giebt den Sinn der griechischen Worte oft In freieren Wendusgen, aber 
mit seltenen Ausnahmen treffend wieder. Ab und in laufen grammatische 
Ungenanigkeiten mit nnter. So wird Fr. 2 ifCiwvrat mit ,,make them- 
selves"* nnd xoU de dDilot»« dvdpi^icoo« mit ,,some men** wiedergegeben. 
Fr. 79 äbersetzt P«: „Time is a child playing at dranght, a Childs 
kingdome". Aber ««^ t) ßaotXT^iY) kann nicht als Apposition xu «{«»v 
gefaßt werden, sondern ist ein selbständiger Satx: „einem Kinde gehört 
die üerrschaft der Welt*'. Fr. 112: Btac — , ou icXttov U-^oz 



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Bericht über die gnechlscben Philosopiien vor Sokrates. (Lortziog.) 299 

^.whose woTtl (1) waa worth more (!) tbiui ihat of others". Das Rich- 
tige hätte P. in der lateinif^chcn Übersetzung der Stelle in Cobets 
Laert. I 88 finden können: cniiis rst fama illnstrior qn^m rpterorum. — 
Die Ei nleitnnjf zerfällt in zwei Absctinitte, einen historis h - kritischen 
ond einen rekonstruktiven, in dem P. sf^ine eij^^ene Auffassuiij^ des Sy- 
fiteiijs larleg-t. In dein ei>.ten werden die wesentlichen Erj^ebnisse der 
Arbeiten Lassalles, Schusters, Teicimiiillers und Pfleiderers kurz, aber 
klar und scharf 7nsammeDgefaüt und kritisch beleuchtet. Die Kritik 
<ier drei ei'stgtjii.nintpn stützt sich auf das Urteil bewährter Forseher, 
besondei-8 Zellers. und bringt daher wenif? Neues. Die Besprechung 
des Buches von Pfleiderer aber hält sich zu sehr an der Oberfläche: 
der Kernpunkt seiner Auffassung, die Abhängigkeit H.s von der 
^[ysterieniehre, wird nur obenhin gestreift. Den zweiten Abschnitt 
hätte sich P. sparen können. Auf 27 Seiten die Grandlehren U.8 zu 
entwickeln, ist ein Ding der Unmöglichkeit: von einer wissenschaft- 
lichen BegT&ndiiQg kann da keine Rede sein. liegt daher auch keine 
Veraolaflsang vor, auf die vielfach anfechtbaren Aufstellungen Patricks 
einzugehen. — Vgl. meine I^ps]'rcchung BerL Ph. Wachr. 1890, 333 ff. 
und die im Clan. Review lU (18ä9), 399 f. 

In Bernays' Ges. Abh. No. II hat zu den ans dem Bh. Ii. 1850 

8. 90 ff. wieder abgredniekten „Uerakl. St.** I Usener aas dem band- 
aehxiftÜeheii Kachlaß elni^ Erg&nzongen hinzagefSgt. S. 47, 9 wird 
eine Koiijektar Sauppet za dem Heraklitdtat hei Plnt coos. ad ApeU. 
106 F: ouK^tami aitoue statt m»vcx<(C a^Totc snrilckgewiesen. 8. 53, 1 
▼ermntet B., daß die Worte bd OensoriD. d. d. nat. 17 (Byw. sa Fr. 17) 
im Original etwa so gelautet haben: tf&ms tU oicopdv hrnn^xat, 8. 54 
tanerkt er, daß das bei Hippol. V 7 dem Hippokrates angeschriebeDe, 
in nnserer hippokratischen Sammlang aber nicht anfilndbare Wort: 
««td ItiDv icottc lEOT^ fyxn Ar H. vortrefflich passe. S. 57, 8 wird 
Aristot. d. eaeL 279 a 28 eine Anspielnng auf Hs (Fr. 79) gesncht. 
S. 60, 1 wird so dem herakUtlseheii Bilde yom Töpfer TertnIL apol. 47 
verglichen. — Die daran sich anschließenden „Herakl. 8t.'* II bilden 
ein Novnm. Sie bestehen: 1. ans einem nach der Einleitnng ab* 
gebrochenen EUitwnrf der versprochenen Fortsetning der „Her. St**, 
ia dem vermutet wird, Plmtarch habe in dem verlorenen 11. Stflck des 

9. Baches der Tischgespräche den Satz ansgefUhrr, daß „wir nicht die- 
selben bleiben, da die Snbstanz ewit? fließt*'. Diese Ansffthmng mnß 
eine Mcnpr h. ralvlitischer Sätze entlialten haben. Derselbe Punkt wird 
von I'lut.irch auih d. seia iiuia. vind. 15 fS. 5ö9 unter ausdrücklicher 
t^wähimug II. 8 (ueben Epicharm) und eingehender in der Schrift de LI 
c. 18 besprochen. 2. aus eifu m von drei handschriftlich vorliegenden 
Entwürfen zum Kollociuium bei setner Habilitation. Die Habilitaüoos- 



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300 Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokcates. (Lortnng.) 



Schrift lautete: De scriptoram qni fragmenta Heraclitea attulernnt 
auctoiiLate. Hier findet sich die auch im 1. Teil der ,,Her. St." aus- 
gesprochene Vermutung wieder, daL in dem augetüiirten Kapitel der 
ächrift de Et II. außer an den beiden Stellen, wo er ansdräcklich ge- 
naont wird, noch vielfach benntzt werde. Auch was über den Wechsel 
der Zeit gesagt werde, sei heraklitisch.*) In der Paraiielstelle bei 
Skythinos ist noch B, für das überlieferte rapscuviatüiv TrspcEtvst oder 
etwas AhnL'ches zu schreiben [andere KonjeAtur bei Wachsmuth zu 
Stob. I 8,43; vgl. Bywater S. 68]. In dem an leren herakiitisierenden 
Skythinosfragment erkennt er zwei iambisciie Senare [anders Bywater 
a. n. 0.]. — Die lieraciitea bei StobJlus bedürfen nach B. sorgfältiger 
Prüfung, da liier leicht Irrtümer in den Lruiniata vorkommen konnten, 
da ferner St. oft die Worte der Krklän r mit denen H.s vormi^eht, und 
da er endlich auch untergeschobene Schritten als echt ansietit. So hat 
Schleiermacher mit Recht Fr. 106 und 107 als unecht bezeichnet [Diels 
läßt sie in seiner Ausgabe als echt gelten, ändert aber in beiden 
7u)9poverv in (ppovEtv]. Aber auch das von Schi, für echt gehaltene 
Fr. 18 ist dem H. abzusprechen, da der darin enthaltene Gedanke, dial^ 
das oofdv (= de6v, wie aus der Randglosse i^p deoc dijptov hervor- 
l^eht) von allem geschieden sei, nicht heraklitisch ist. B. vermntet, dal^ 
ein späterer Schriftsteller aus alcxandrinischer Zeit das Fr. unter H.s 
Namen erdichtet habe [s. jedoch Gomperz in der unter No. 316 sn be- 
sprechenden Schrift]. — Weiter bemerkt B., daß die Späteren unechte 
Stellen ans den pseadoberaklitischen Briefen nehmen, deren es im 
Altertnm mehr gab als jetzt (einen solchen hat Boissonnade adn. In 
Ennapinm 424 ff. ans einem cod. Yat. heraosgegebea). In diesen Briaihn 
wird gewöhnlich ein Ausspruch Hj in Worte und Anschauungen einsr 
späteren Zeit, besonders in solche jädischen oder christlichen ürspmngs 
gekleidet. B. vergleicht epist IV eztr. mit Fr. 137 und 126. Letzteres 
hält B. fUr unecht; es unterliege dem Verdachte jttdlschen oder Christ- 
liehen Ursprungs (die seien nicht aedes, sondern lapidum tabnlata; 
vgl. Jeremias 2, 27), der noch stärker werde, wenn man Sylbnrgs Kon- 
jektur Soxötn fttr annehme. Auch EV. 7 spricht er dem H. ab; durch 
die Verbindung, in der es Clemens mit Jesaias 7, 1 bringe, werde der 
Betrug aufgedeckt [lOt diesen Athetesen hat der gelehrte und scharf- 
sinnige Heraklitforaeber einen entschiedenen Fehlgriff gethan; sie sind 



*) Vgl. dazu, was II. v. Arnim „Quellenstudien zu Philo v. Alexan- 
dria" (PhiloloK. Unters, v. Wilam. XT [ISSS]) im i>. Kap.: ,Phi!o und Aene- 
sidem* über oino eigentümliche auf Aenesidem zurückgehende Verbindung 
von Skepsi.^ und Ileraklitismus sagt, die uns bei Philo d. ebr. und d. Juaepho 
sowie in dem augeführtea Abäciimtt aus de Li (über diesen S. 93 ff.) vorliegt 



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Bericht ttber die griechisoheii Philoiopben vor Sokntes. (Lortiing.) 301 

denn auch iftnitlich von Dieb in seiner Amgabe nieht Anerkaiut 
werden.] Mit Unrecht dagegen hal BeU. iV. 180 angeiweifelt, das ihm 
freilich nur ans den späten Zengalasen des BUas Cret. und Gregor Nas. 
Mannt war; die nen hincngekommeaen QevihrBmSnner Apoll* l^an. 
«od Golnmella Fr. 53) [ihnen reiht sieh Jetst anch noeh Aristokritos 
an; s. Diels Fr. 5] beseitigen jeden Zweifel. Die Abb. Ko. in 
(-^ Eh. M. 1854 8. 241 ff.) enthält in den kritischen Noten einige Zu- 
sätze des \'erta88er^ zum Text von Hippolyt. IX 9 und 10. Zur Be- 
deutaiii,' voll ir.i'jTajüat =^ oiEcjOai werden einige Herodotstellen aiigetülu t. 
Der Gebrauch von 7vtu|xr^ bei H. (-/viLur, Fr. 19 = Geisteskraft, Ver- 
nunft, •'voiu.ai Fr. 96 — AVahrheiteu) wird durch eine Reihe vuii Bei- 
spielen itus Ion, Theognis, Aschylos, Euripides, Kieauthes, Demokrit, 
Antiphon und den Heraklitbriefen belegt, zu denen sich noch manche 
«udere, z. B. Epicharm bei Laert. III 16, hinzufügen ließe. Hop-iopoo, 
das H. Fr. 4 statt f^apj^opou; geschrieben hat, wird vielleicht durch 
Piaton rep. 533 U bestiitig^t, da dieser hier möglicherweise IL im Sintie 
tiat (?). Die Richtig^keit der überiieferteu Lesart e?5evai in jBV. 1, wofür 
Bywater [und jetzt auch Diels] eTvai setzt, wird bewiesen durch den 
Gegensatz, in dem das jiavta aosvai zu der Vielwisserei, TrXEbxa ci-Ssvai 
in Fr. 35 (vgl. 16) steht, und noch deutlicher durch Hippokr. aapxcuv 
2. Bd. T 425 K. (?). — In No. XXII finden sich ö. 324, 1 und 325, 1 
zwei Zusätze. An der ersten Stelle vergleicht B. zu lysp-l Cwvtüjv xai 
vExpuiv Sopb. Ant. 851. An der zweiten giebt er eine Anzahl Beleg- 
stellen aus Homer, Aschylos, Sophokles, Herodot, Xenophon, Demosthenes 
und Aristoteles dafür, daß die Griechen den Gedanken der Anferstehnng 
der Toten kannten, wenn sie auch nicht daran glaubton. 

Warmbier bespricht eine Anzahl schwieriger Fragmente in 
desultoriscber Weise. Hauches wird za oberflächlich- berfthrt, als daß 
der Forschung daraus ein Gewinn erwachsen könnte, und wo Verl 
sich auf eine genauere Begründung einläßt, ist sie nicht selten nnstt* 
länglich. Doch enthält die Arbeit einige beachtenswerte Erklämngen, 
und in der Znrfickweisnng der Deutungen Früherer wie Schnstera nnd 
Pfleiderers kann man ihm großenteils beipflichten. In Fr. S verbindet 
er oU(^ nicht wie es meistens geschiehti mit dem Yorhergelienden, sondern 
tm Anschloß an Schleiermacher mit dem Folgenden. Diese Besiehnng 
ist denkbar, doch Terdient die andere den Vorsng, Sicher mit ünredit 
«bar nnteischeidet er in dem daranf folgenden Satze awei Ton H. ge- 
acboltene MenschenklaBsea: icsif d&iavot xnl heUoff xod tp^wv xtX. d. 1 die 
Pliilosophea nnd tob« M dUovc, nämlich den großen Hänfen. Tou« 6i 
dXXooc steht vielmehr im Oegensata an dem nnmittelbar Torheigehenden 
Iyi». Verfehlt ist anch in Fr. 91, daa W. mit Patin (s. an No. ai9) 
den Anflagsn der Schrift B.a anweist, dia Antfaianng des «Sei in 



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302 Betidit fiber die grieebisdieii PldloMphen vor Sokntw, (Lortsing.) 



luvjv hm mm fpovttiv imd des icdvtniv in tip ^vip «oyoaiv all Heu* 
trum; es maß vielmehr als MMcnlinam angesehen werden, da nach 
dem Zusammenhange nnr an die allen Menschen gemeinsamen Vtf- 
nnnft gedacht werden kann. In Fr. 28 dagegen ist ic(tvt«»v Nentmm. 
wie W. sntreflend gegen Schnster bemerkt — Die wunderliche Ver- 
mntnng Croos (s. zn No. 318), daß sich H. in SV. 65 und ebenso in 
Er. III gegen die Lehre des Xenophanes wende, wird mit Becht ab- 
gelehnt nnd auf gewtne Übereinstimmungen zwischen beiden Pliilosophen 
hingewiesen. Darin jedoch geht W. zu weit, daß er bei H. eine ähn- 
liche Anlfassnng des Verhftltnisses zwischen dmn aliweisen Einen nnd 
den vielen Qöttem voraussetzt, wie sie nach Frendenthal bei Xenoph. 
zu Buchen ist, nnd jenem die Annahme zuschreibt, es gebe viele Odtter^ 
die alle der Notwendigkeit gehorchen. Davon findet sich in der Über- 
liefemog nicht die grerin^-ste Andeutung. Die Frage der Einheit oder 
Vielheit der Göuer hat allem Ansclipin nach den Ephesier überhaupt 
nicht beschäftigt, und es ist inüüig, iu bezui^ auf diesen Pimkt Wider- 
sprüciie zwischen einzelnen Frai^raenteu unUubpuien. — DaB in i r. Iii, 
wie Verf. mit Beinavö glaubt, die Ruhmsucht gegeißelt wird, ist eben- 
sowenig wahrscheinlich wie, daß bei Cic. Tiisc. III 2 ff. der Inhalt dieses 
Fr. umschrieben wird. — Ganz nnraöfflich ist die Deutung des xotjlo; 
in Fr. 20 im Sinne der staatlieheu ürdaung; U. konnte nimmermehr 
diese als xojjxov tovos tov üutov airav-rtüv bezeichnen; er hätte denn 
die Verscliiedenheit der menschlichen EiuiichLUügen leugnen müssen. — 
Daß in Fr. 21 xpoiiai des Feuers anders als in Fr. 2ö, wo die vier 
Elemente erscheinen, beschrieben werdeu, ist richtig; aber vielleicht ist 
Fr. 25, was W. selbst für möglich hält, mit Zelier S. 676 f. tür un- 
echt zu halten oder bess^^r niil Diels (in seiner Ausg.) anznnehmeu, 
daß hier unter stoischem Eintiusse der dr^p eingeschwärzt worden sei. 

Goldbacher sucht das in der Schrift it. x^cr}i.ou ofteubar nicht 
fehlerlos, in den Handschriften des Apuleius de mundo c. 36 S. 369 
(s. Goldbachers Aosg. des Apuleius Wien 1876) ganz unleserlich 
überlieferte Fr. 55 herzustellen nnd fttgt so den zahlreichen Entsifie- 
mngsversuchen der Kritiker einen neuen hinzu: Zmc aicavxa tdfpit« 
<xet> 6{i<u; ^(i>;> av Ttv« |Mpi] ac^sTOC auTou. Alle diese Bemühung^ 
erscheinen jetzt als nutzlos, nachdem Diels in den S.-B. d. Berl. Ak. 
1901 S. 196 ff. ans den beiden zuverlässigsten Handschriften des ApoL 
die richtige Fassung gewonnen hat: «dv tpKtt&v <dtot»> nkt^xi vtiMrot 
(vgl. Diels* Ausg. Fr. II). 

Gomperz weist snnftchst darauf Mn, daß Bjwater ein von ihm 
bereits in der Zachr. f. Ssterr. Gymn. 1866 8. 698 ans Licht gelegenes 
Heraklitfragment ans Philodem Bhet I col. 67 [8. 851 Sndh.]: 
fijtopcxij) xatd 'HpdxXttcov xoicCdoiv Mv (fast glcichlantend 



biyiiizea by GoOgle 



Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokrates. (Lortzing.) 303 

ebd. col. 62) übersehen bat. Von H.s Rchmähungen der Rhetorik hat 

sich ein verdunkelter Nacliliall im Ktym. M. s. v. xotci'j und im Schol. 
zu Eurip. Hec. I 254 J)ind. eriuilteu : vgl. dazu Bywater zu Fr. 138 
und DieU Arcli. III 454 (s. o. /u No. 2H9). Außerdem sclilägt G. in 
Fr. 99 vor: dv&pwv (statt aAÄoj, Hekker uad Diels: dvHücur.tuv) -'cvet, 
und Ps.-Hipp. d. diaet. I 4 S. 62, 12 Byw.: xal oute t6 dEi;<uov 
(deuwov von dei* Vergangenheit auch bei H. Fr. 20; v^^i. Melissos 
Fr. 6 und 7). 

Petersen bespricht Fr. 97. Nach Zm tirkweiaung der Erklärungen 
von Teichmüller. fcJchuster, Z-lh r, Ii imys [der Heraclitea 15 «5itfAovoc 
in oaT-fxovo; vei ändert, woj^e^t-n Bergk Opp. II 303 oaruovo; verteidiget, 
das II. hier im Sinne von oa7-|j.ovo; gebraucht habe; vgl. Piaion Krat. ö96B, 
Hesych. s v. fjiiy.utv, Archiloch. 4, 4] und Lassalle findet er die richtige 
Dentunß- darin, daß vtjirioc von dvr,p getrennt und als j)rädikative Er- 
gänzung zu rjxo'jTs gefaßt wird; dxo-jstv rpo; xivo; sei, wie später dx. uro 
und Ix Tivo; als Passivum zu Xe^eiv genannt werden von, im Kufe 
stehen bei) gebraucht, wofür Beispiele aus Sophokles und Herodot vor- 
liegen. Der Sinn ist also: .Der Manu heißt dem Gotte einfilllig wie 
das Kind dem Manne. Zum Gedanken vgl. ¥r. 96 and 98. Aucli 
Celsns und Origines haben den Ausspruch so verstanden, und dasselbe 
hat wohl auch achon Hörschel in seiner 1605 erschienenen Übersetzung 
der Fragmente g^emeint. Diese Erklärung erscheint einleuchtend nnd 
ist aoeh Yon Diels in seiner Anagabe fr. 79 angenommen (nur übersetzt 
er ^inoc mit .Kind*), wogegen Zeller 712» S ihre Bichtigkeit zwar 
nicht inbedingt bestreiten will, aber seine frühere Dentong aoeh jetst 
noch Ar natUrlicher hUt 

Nenmann hat in No. S97, ans der in einer Tfibinger Abschrift 
der i. J. 1870 verbrannten Straßbnrger Justinhandsehrift erhaltenen 
Xpi)a}Mt (Eicerpte ans der 0to«of (ige eines Anonymus, der unter dem Kaiser 
Zenon sehrieb [vgl. anch Nenmann, Zschr. f. Kiiehengescb. IV 284 ff.] 
vier HeraUitfragments veröffentlicht. Ben genauen Text findet man bei 
Bnresch, der die XPW^^ ^ Anhange zu Ko. 299 vollständig heraus- 
gegeben hat. Von diesen Fragmenten ist No. 1 bekannt (-« Fr. 3). 
No. 2 eathUt die Frr. 126 und 130 in umgekehrter Beihenfolge und 
vereinigt sie durch einen allein von dem Anonymus aufbewahrten 
Zwischensatz zu einem Bruehstfick. Das Ganse lautet (vgL Diels Fr. 5) : 
Mi3B(povrat a* atXXoc (£aoK ausgelassen bei Elias Cret. in Fr. 180) 
dljum lumv^tvot olov (&cictp Sv Elias, 6xoibv Nenmann nnd Bnresch) 
<r tic t2c in)X&v Ifißdc TC7]Xtp dTiovi'^otto. M aiiitoOtti 9 flv doxo^i) (dox^ 
Neum. Bur.), tX ti« a^T^v dvdpcoicov iici^paoaiTo oSto itotlovT«. 
Kai xoXi i'(aK}Miai (de fehlt bei Clem. und Orig. in Fr. 126) TouTc^totv 
£u}(ovTat 6x010 V (l^^ov-at oiov Tub.) et ti« dop.oi9i Xex/Kjveuoito (öoeiv) [duwv 



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304 Bericht über die griecbieebeu PhfloMphen vor Sokiatei. (Lortzing.) 

im Tnb. hinzngefBisrt] <otm ^tviiiaxcDv (ifiv<&8xomc H. Weil Bat. d. 
pliilologie II 86) dcol»c 0^6* ISpoac oTciv^ •{«>. Das leiste Kideii ist 
aoB Orig. von Byvater und Diels hlnzngeiüg^t. Inhaltlidi echließt stell 
diesem Bnicbstttcice das in No. 4 an, das naeli Bmeseli so lautet: *0n 6 

*Hp(cxXsito: opcjjv ttous''£XXT2va;-;^P^ ToU6at]xo3tv dtrov^Mvcetctiicsv * „Sai }l6vou 
d70tX|A««ytv €U)rovTQ[t ö&x dixoueU9v, tocrep oixouottv, oöx dtto8t- 
6ou9tv, (7j;;:gp o'jx ÄKaiToTtv." Wenn Neumann dieses Brachstack 
als Schiaß za No. 2 hinzufügt, so halte ich dies für falsch, da dünn 
die Worte o'j* d/ojouTiv und ojx cir.ov.oousiv mit dem weit entferm 
steheiideu a-;'a/.txar.v verbundeu werden raüßteu. Wir haben hier viel- 
mehr tili belbständiges Fragment anzuuehmen. Eb nagt sicli nur, ob 
es zu den echten zu rechnen ist. Diels in seiner Ausg. (Fr. 128) setzt 
« b unter die unechten und bezeichnet es als eine schlechte Variante zu 
Xo. 2. Aber für eiue bloße Variante scheint es mir doch zu vei-scliicuen 
von dem anderen Fr. zu sein. Auch trägt der darin ausj^esproclieue 
Gedanke beraklitisches Gepräg:e. In der unverständlichen Form freilich, 
in der es überliefert ist, kann es nicht von H. stammen. Diels streicht 
das O'JX von lÄra'.Toisv und übersetzt den Schluß so: ..die uichta leisten 
können, als ob sie zu fordern hätten.* Aber auch so, meine ich, kommt 
iler (iedanke zu keinem einigermaßen klaren und trpffönden Ausdruck, 
leb schlage folgende Fassung: vor, die mir in ilirer kurzen und scharfen 
Zuspitzung der QegeusaUpaare Hs durchaus würdig erscheint: oux 
dxoooustv ffxa»9ictpdxouoo9iv, oux dnodtdoüoiv^xwazep <di:oSidou9tv>, 
oöx <dratTou3iv S^x(üc<:6p> «Jr-xtrouaiv. Die beiden Lücken bal>e 
ich bereits Berl. Ph. Wschr. 1899, 201 ebenso ergänzt, dort aber coTrsp 
und die beiden Optative stehen lassen. Die Form oxco^nep ist jetzt 
durch Diels' Bemerkung zn Fr. 29 seiner Ausg. als die allein hera- 
klitisehe gesichert; die Verbindung dieser Partücel mit dem Optativ 
aber ebne BinznfÜgnng von ti oder Sv e{ darf aus syntaktischen Gründen 
H. niclit anfgebfirdet werden. — No. 3 lautet: '0 auT^; r.pbi AiYum'ouc 
Ifi)* üw»t fva t( 0pi]vttti a&tooe; ti 5i Opi^'^eite adtou«, }&i]xrci 

TooToo; i}7tt9&i 6iouc. Wfthrend Ken mann in No. 297 trotz der Ein- 
Abmngsworte itp&c vvttc Al-pm&o« das Fr. Ilr lieraklitiscli hielt, er- 
Icannte er in No. 298 diese Annalime als Irrtfimlicfa, niehdem er in- 
zwischen durch Hiller darauf animerlcsam gemacht worden war, daß 
eine ähnliche Änßemng mehrfach dem XeDOj^ianss angeschrieben wird. 
Ihre nrsprfingliehe Fassang liegt hei Aiistot. rhet 1400h 5 vor, wo 
die Angeredeten die Eleaten sind, während an drei HntarchatelleB die 
Ägypter genannt nnd an einer (amat 18 8. 788 D) eine bestimmte 
ägyptische Gottheit, Osiris, erwähnt wird (Bnresch fügt noch Fs.*Plat. 
apophth. Lac. 228 D Mosa, wo Lyknrg den Thebaneni antwortet). 
N. sweifelt hiemach nicht, daß das Citat in den Xpt](7}m( mit dem Aos- 



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Berieht fibtr die grieehiaebdn Pliilotopheii vor Soknttea. (Lortiing.) 305 

Bprache des Xenoph. identisch ist, nad wir «erden ihm darin beistimmea 
mfinen. Die Elawendangen Boreac hs, der die Fassaag der Aristoteles- 
steile nieht für die arsprttngliohe Ult and ia dem Ezocrpt ein wirkliches 
Otat aas Ji.s Werk erblickt, sind aioht stichhaltig. Eine Toa Ihm 
nea entdeckte Parallelstelle bei Epiphanios (c. 104 1 906 Dind.): ''AXXoc 
9k 'HpoxXtitoc AXyoiKtiok f ijoCv * e{ dtol •in, t{ dpv]vettt afttooc; beweist 
iiar, daß in spfttgriechisehea Pbttosophensprflchen das Apophthegma — 
dena ein solches ist es ohne Zweifel trota des Friseas <pT^cr{y bei Epiph. — 
von Xeaophanes aaf H. flbertragen worden ist 

Campbell sacht in d«r Appendix A zn seinem Theaetet danca- 
thnn, daß H. and Farm, sich wabrscheiDlicb nicht direkt aufeinander 
bezogen haben [s. dagegen oben S. 255] und giebt hierbei yon 
Fr. 56 eine Erläuterung, nach der man bei der TtaXivrovoc apixovLr, dea 
Bogens an die entgegengesetzte Bewe^umg- der ilaiide beim Abschießen 
des Pfeilsi zu denken liat, wie ja auch der süße Klang der Leier auf 
«iner ähulichen Spannung' nnd E-iickspannung beruht. 

Davidson schlägt in Fr. 36 statt oxtuTTrep vor: oxtu; itup [das- 
selbe hat, ohne Davidsons Vorschlag zu kennen, Pfleiderer „Die Fhilos. 
des H." 1886 im 1. Nachtrag S. ;'.5;j ff. nach einem Winke von Cr. Negtle 
vermutet], wobei er bemerkt, daß S^xtoc bei H. fünfiuai uud Jxa>ci:ep 
sechsmal vorkommt. Die Ja liest in seiner Ausg. Fr. 67 Sxa>9icep <icüp>» 
wie er zuerst bei Ritter und Preller ^ ed. Schnitess S. 32 er^nzt 
hat, und vergleicht dazu Gramer Anecd I 167, 17 und Pind&r Thren. 
129. 130 Sehr. Die von ihm hinzu^^efiigte ßemei kung , daß H.s Stil 
ZxuiTTEp, nicht >/.o); verlange, ist gegen Davidsoaa Konjektur gerichtet. 
In der That scheint dieser zu irren, wenn er meint, H. habe ^ym: in 
demselben Sinne wie Sy,(oa-£p gebraucht. Von den 4 Stellen, die By- 
water im Index für oxco; antührt, wird es an zweien (Fr. 9 u. 45, an 
letzterer daneben oxtuTttep) im interrogativen, nicht im vergleichenden 
äinne angewandt; an der dritten (Fr. 77) steht es im ursprünglichen 
Texte bei Clemens nicht und wird von Biels gestrichen, und an der 
vierten (Fr. 100) schreibt Diels mit Meineice ?xa>cnep (statt ox<ac 
utclp) tt(x«»c. — Zu den Schlußworten von Fr. 36: ^vojiaCeTai xa&' tjSov9^v 
denkt Davidson fiUschlicherweise als Subjekt 6 dt^ statt wup 
<?gl. Diels' Übersetzung). 

£Uis glaubt in Fr. 22 u. 25 Verse zn erkennen. Die aber, die 
er henostellen sncht, sind änßerst holprig nnd fehlerhaft. So verlängert 
er in S8a>p die erste Silbe nnd will ans weismachen, das Wort habe 
in der phUosophiichen Foeale diese Quantität gehabt. 

Dingeldein erUftrt Bemays* KoiyelLtar zu Fr. 4 ßopßopoj '^uxii 
Jxovto« [s. 0. 8. 801] Ar flberflfinig; der ttberlieferte Text ßopßoipotK 
JahfMberieht fltr AltertiiiiwwlM«nBch«lt Bd. GXIt (UOft I.) 20 



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306 Bericht über die griecbiscben Phitesophen vor Sekiaies, (Lortiiiig.) 

4iDX^ i'/ovrcuv sei nicht zu beaustanden. FUr den Genetivns (snbj. oder 
possess*) des Farticipinins nach voraUBgehendem Dativ (selten Akkosativ) 
bringt er eine Anzahl Beispiele. ans Homer bei nnd verweist auf Claaacn 
Beob. 174 ff. Dieselbe Anffasaung der Stelle findet sich bei den meisten 
neueren Forschern, so bei Behoste, Pfleiderer, Zeiler [der 3. 716« 5 
gegenüber der Einwendang Hirzele in den „TTntersnchnngen zn CSc.** 
n 164, 2, daß pap^apoc nicht den beceichne, der meine Sprache nicht 
versteht, sondern den, der eine mir nnverstftndliche redet, eine solche 
TJnteTscheidnng als unerheblich bezeichnet und den Qebranch von fd^ 
ßopoc bei Panlas 1. Kor. 14, 11 veigleicht] nnd Diels, der die frag- 
lidien Worte treffend so eilAntert: „wenn sie Seelen haben, welche die 
Aussagen der Sinne nicht richtig verstehen IcÜnnen.** 

Wen dl and bringt S, 81, 4 zu der in einer stoischen Widerlegung 
Fhilons bei Eoseb. Vin 14, 43 ff. enthaltenen Bemerkung, die B»nheit 
der Luft schürfe den Geist nach dem bekannten Worte H.8, mehrere 
neue Parallelstellen bei» darunter Oic d. nat. deor. II 43, nnd lügt 
hinan, daß alle zu Fr. 75 angeführten Zeognisse wohl auf Paoaitios 
(und Poseidonios) zurückgehen; daher erklfire sich die gemeinsame 
Glosse 6v}pi{. In den Nachträgen S. 120 bemerkt er, By waters Fassung 
des Fr. TAnm. zu Fr. 75): aSi] ^u/jq und seine Annahme einer alten 
Interpolation seien sehr wahrscheinlich; daß Pbilon wörtlich oS 7^ ge- 
lesen habe, sei nicht sicher. Dieser Anffassung schließt sich Diels in 
seiner Ausg. Fr. 118 an. Vgl. Ilense zu Stob. III 5, 8. 

Eni^elbrecht bemerkt über die oben S. 297 bereits erwähnte 
BezeiclinuHL' Ilomeib als ajrpo/.o--o;, die von dem Scholiastea zu II. 18, 521 
dem IL. in dtn Mnnd jzclegt wird (Fr. 135 bei Schaster -= Fr. 105 
Diels; vg-1. Rywater zu Fr. 119) geg:en Schuster, H. habe hier dau 
Wort nicht in der späteren sclilinimen Bedeutung- eines Betrugers ge- 
braucht, sondern nur beiiaüi)Let, daß der Dichter den Einüuß der axrpa 
auf die Geschicke der Menschen lehre; freilich sei in der betreffenden 
HomerstcUe geriid'' die iiiinptsache, daß die Sterne einen solchen Ein- 
fluß haben, niclit ansgespi ochen. Daraus crselii' man, ilaÜ H. die 
eigentliche Astrologie kaiiiit(\ eine Keuiitnis. (iie ei ;iicbt aus 1:1 iecbischeu 
Quellen geschöpft zu haben brauchte (?). Aus Xenopiion Moiei. IV 7, 4, 
wo zwischen Astronomie und Astrologie unterschieden werde, ^elic 
hervor, daß eine eigentliche (judiciarische, apotelesmatische) Astrologie 
zu Xenoplions Zeit in (Griechenland nirht bekannt war. Mit solchea 
Erörterungen ist wenig gewonnen, so lange nicht festgestellt ist, ob 
wir in dem llumerscholiun wirklich eine Äußerung unseres H. zu sehen 
haben. By water bezieht die Worte auf den Milesier Herakleides, während 
Diels sie für echt zu halten scheint. Vgl. auch Zeller 730, 1. 

Tocco zeigt, daß das hei Maximas Tyr. aufbewahrte Fr.S5 nichts 



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Berieht fib<r die griecbiechen Philosophen vor Sokrates. (Lortxing.) 307 

wie es nach der von Ifax. hiozogefüs^ten Bemerkung: scheinen könnte, 
einen doppelten Wegf, sondern einen einfachen, in sich selbst zarttek* 
kelireaden Ereisgan^ angicbt nnd daher mit anderen heraklitisebea 
Fragmenten, die deutlich den doppelten Weg enthalten, welcher 
nach Fr. 69 derselbe Ist, im Widerspruch steht Auch das unmittel- 
bare Hervorgehen des Feners am der £rde widerspricht anderen Frag- 
menten» nach denen sich, wie in Fr. 68 nnd mehreren PintarchsteUen, 
das Fener ans der Lnft bildet oder, wie in Fr. 21, Fener nnd Erde 
beide ans dem Meere henrorgehen. Allen diesen Schwierigkeiten würde 
nach Toccos Heinnng abgeholfen, wenn man in Fr. 86 -fifi nnd depo« 
ihre Stelle yertansohen lieüe nnd so ISse; C$ «vp dipo« divotov 
xol d^p C$ icop6c Oavaxov * Sdtip t&v ddlvatov, tiv ZHamtf 
wodurch zwei Gegensatzpaare wie In Fr. 67 gewonnen werden. Die 
Änderung scheint sehr annehmbar nnd ist anch von Biels an^nommen 
worden. Die Schwierigkeit fireilich, die darans entsteht, daß H. nach 
der glanhwQrdIgsten Oberliefemng die Lnft in den Wandlnogen der 
Stoffe ans dem Fener nnd in das Fener flberhaupt nicht kennt, ist 
damit nicht gehoben. Biels vermutet daher, wie bereits oben er- 
wfthnt, daß der di{p an nnsrer Stelle erst dnrch stoische Yermittlnng 
hineingebracht worden ist. 

Diels hat in seinen AUcta I (s. Bericht I No. 188)*) das atat 
des Ghr}'sipp bei Philodem d. piet S. 81, 15 G.: tiv k^Xsi&ov xot 
Ai'a t6v aÖTÄv eTvai besprochen. Dem Chrysipp hat nicht, wie Bjrwater 
meint, II. Fr, 44 -oXejxo; itavxcov -anr^p, sondeiii Fr. 36 vorgeschwebt, 
was sich auü iUiilodcm S. 70 cryiebt. In dieser Stelle steckt nämlich 
außer Fr. 28 noch Fr. 3G iu folgender Form (nach Diels' Kri^äuzuiia): 
xal <CTd i>vavxi<a t6v>^ Ös<6v i>ivai vjx^a T,jx£pav ;;üAejxov £tpr|Vrjv 
xopov Xtjxov. 

Beuclitenswert, wenn auch keineswegs einwandsfrei , ist auch die 
Ühersetzung der FrAg^mente H.s bei Burnet S. 133 ff. mit den dazu 
gehöriß:en f rlauternden Noten. Ich hebe daraus folgendes hervor. In 
Fr. 2 übt ) si tzt B. den Anfang: „though this discourse is true (zu 
dieser Bedeutung von Jovroc verdeicht er Herodot 1, 30) every morc* 
Fr. 23 liest er nach Laert. 9, 9 unter Benutzung einer Koiyektur von 

*) Aas Atacta II Herrn. 22 8. 280 ist ni Bpieharm nachsntragen, 
daß Diels ans dem Worte des Ep. bei Philon Quaesi in Gen. IT 203: 
aQoicomqne ninos deUnqnit, optimns est Tir, nemo est enim innocens, nemo 
leprebendonis expeis* das griechische Original in Form von swei trochäischen 
Tetrametem sa gewinnen sacht Ob die Sentens echt oder den von Axio- 
(istos im 4. Jahrhnndert v. Chr. dem Ep. untergelegten Tvot^ia: geschöpft 
ist, Iftfit D. nnentschieden. Zorn Inhalte des Fr. bringt er eine Reibe 
Psiallelstellen. 

20» 



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908 Bericht Aber die griecluaclieii PhUoiopheii vor Sokxates. diOftniig.) 

Döhiier wa A6t. 13« 11, 284a 7 (yw^i für fdin; vgl DielB Dozogr. 
Add.): Sta^^tTat 7i{ xal bdXaatsa fi.stp»eT(xt. Fr. 36 hält er xpiWtt 
xa( illr ein ehrittianiaieraidee Ehuchiebflel dee Hippel, fit. 30 iit oater 
oSpoc nieht mit TeiehmOller der ArktoTt sondeni der lielle Mittagshimmel 
(|M«i)|ipp(bi) wa Tenrtehen. Fr. 45 liert er naeh "Fr, 56 mtUwovoc et 
icaXfnpoirac [b. Jedoch oben 8. 896]. Zu Fr. 74—76 wird mit Bty* 
water [so aach jetzt Dieb] oSi) 4*0x4 ^ofma^ ab die nnprfingUehe 
Form an^nomnen; nach Mndrhigen der Glowe für in den 
Text sei dann oSi) in dVip{ verwandelt weiden; dieie Lesart sei mindeatma 
ao alt wie Plntareh, der vit. Born. e. 98 ais Blits nnd den Ge- 
danken so Terstand: „die weise Seele bricht durch das Oettagais den 
Körpers wie der trockene Blitz durch die Wolken.** Clemens acUefi 
sich Plnt. an. Weiter wurde dann a&in{ in o& ffj kormmpiert nnd zwar 
spätestens an Philoos Zelt Ft. 88 wird apx^^ BbuM von .^mmer 
von neuem anluigen** gefoßt. schwerlich riditig; Patrick flbersetrt es 
mit ^to be controUed**« Dielt (Fr. 84) mit „dienen**. Fr. 98 wUl B. 
statt ToS X^ifoo lesen wü f poWttv unter Beziehung auf Fr. 91, von dem 
Jenes die Fertsetsnng sei; den xoivd« U^ot hätten die Stcdkir hinein» 
gebracht 8. jedoch Diels Fr. 8. Fr. 116 ergänzt er als Sn^ekt zu 
dta^uT^avei ,«the wise man" (?). 

8. Zu HerakHIs Iiehre* 

807. G. Teichmüll pr, Neue Studien zur üeschiciite der Be- 
griffe. LHeft Herakleitos. Gotha, Perthes, 1876. 2. Heft. Ebd. 1878. 

308. J Mo h 1 , Über die historische SteUaog Heraklits v. Ephesos. 
Göttinger Diss. Würzburg 1876. 51 S. 

*309. J. Mohr, HerakUtische Studien. Zweibrficken 1836. £rogr. 
32 S. 

*310. DauriaCi De Heradito Ephesio. Paris 1881. 

*311. A. Hatln4e, HteaeUte d*£phtee. Fftria 1881. 

*S18. F. Tannery, H4rac1ite et le ooncept de kgoa. Eev. 
philos. 1883 No. 9 [vgl. Sc. heU. 168 IT.]. 

•313. E. So n Her, Eraclito Efesio. Saggi di tilosofia ante- 
socratica. Rom 1885. VIII, 316 8. 

314. E. P fiel derer, Was ist der Quellpnnkt der herakliiischen 
Philosophie? Universitätsprogr. Tübiogeu 1886. 53 S. 

315. E. Pfleiderer, Die Philosophie des II. v. E. im Lidkte 
der Myaterienidee. Berlin 1886, Reimer. IX, 384 S. gr. 8. 

316. Tb. Gomperz, Zu Heraklits Lehre und den Überresten 
seines Werkes. Wien 1887, Gerold. Sonderabdr. aus Sitz.-Ber. d. 
Wiener Ak., pb.-hi8t Kl., 1886 (Bd. 110) S. 997—1055. 



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Beriebt Über die griecbieehen Pbilosophen vm Sokntee. (Loiliing.j 309 

317. P. Natorp, Besprechniicr toh Xo. 315 nod 316. Flittoi» 
XO&.-H. 84 (1888) & 88—109. 

dia Cbr.Oron,ZaH. PhlloL 47 (1888) a SOd— 234. 400— 485. 
599—616. 

819. A. Patin, Heraklits Einbeitslehre , die Grundlage seines 
Systems und der Anfang des Buches. Leipzig 1886. 100 S. 8. 

320. A. Patin, Heraklitische Beispiele. I.Hälfte. Gymn.-Progr. 
Xeuburg a/D. 1891/92. 108 S. 2. Hälft«. G.-Pr. Ebd. 1892/93. 
94 8. gr. 8. 

321. F. Boll, Alois Patins Heraklitstodien. Bl. f. d. bajr. Gymn.- 
Schulw. 30 (1894) 8. 577-59t. 

322. A. Aall, Der Logos bei H. Ein Beitrag zu den Ideen- 
geschichüichen Studien. Zschr. f. Philos. 106 (1895) 8. 217—252. 

323. A Ann, Geschiebte der Logoeldee in d. griechischen Philo* 
aopbie (I.Teil dea Werkes: Der Logos. Geachichte seiner Entwicke- 
luDg in der gr. Ph. n. d. cliristlicheii Litteratnr). Leipaig, Baialand, 

1896. XIX, 252 S. 8. 

324. A. Patin, Neoea und Altes aar herakUtiaoben Logoelefare. 
m. f. d. bajrr. G.-Sehnlw. 38 (1897) 8. 885- 399. 

825. L. Marin polski, Zar Geachichte dea Eatwiekelnngabegriib. 
Börner Stndlen VI. Bern 1897. vm, 120 S. 8. 

*326. K. SebeityöB, Az ephesoai HeraUeitos. EgyeU PhiloL, 

1897. Vni 8. 673—682. IX 8. 785—794. 

*'627. Scipio, H. auf christlichem Boden. Prot. Kirchenz. 1889 
No. 13. 

*328. G. Mayer, H. v. E. un l Artliur Scliopenhauer. Eine 
historisch-philosophische Parallele. Heidelberg 1886. 47 8. 8. 

Teichmüller wendet sich im 1. Hefte seiner „N. St.", das sich 
in seinen beiden ersten Kapiteln mit der Philosophie H.s beschUftigt 
(das 3. Kapitel über die Abfassungszeit des Buches d. diaeta haben wir 
ebenso wie den auf dieselbe Schrift bezüsilicbeu 1. Abschnitt des 2. Heftes 
bereits oben 8.285 besprochen), gegen die Untersuchungen Schusters 
.H. V, Eph." Acta soc. phil. Lips. III 1873 (vgl. Susemihl Fortschr. 
16 8. 530 fif.). In zwei wichtigen Punkten hat Schuster, wie T. über- 
zeugend darlegt, die Lehre H.s völlig mißverstanden: 1. Er stempelt 
ihn zu einem reinen Empiriker und Sensualisten, indem er durch ver- 
fehlte Interpretations- nnd Konjekturalkünste die dieser Auffassung 
widerstrebenden Zeugnisse umzudeuten sucht (ein bezeichnendes Bei- 
spiel ist besondes die Art^ wie er die d^av^ic apiAovvVi bei H. zu beseitigen 
sich bemftht). 2. Er leugnet die beat&ndige tägliche Umwandlung der 
Dinge nnd verflilehtigt das ndvxa x«»Fm xal o^iv |Uvm an dem trivialen 



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310 Bericht über die griecbiscLen Philosophen vor Sokxatos. (Lortiiiig.) 

Satxe, daß keia Ding in der Welt dem sehUeßiichen Untergänge ent- 
geht. Vgl. Zeller 635 ff., 1. TeichmttUerB eigene Anffamng des bera- 
klitiBcben Systeme ist geistvoll nnd Tielfadi originell nnd erSfibet nns 
hier nnd dort einen tieferen fiinbUck in die Gedanken des »Donkeln". 
Aber die fast unbedingte Znstimmnng, die sie nnmittelbar nacb dem 
Erscheinen des 1. Heftes bei H&nnern wie Lotze (GOtt. «el. Ans. 1876, 
449 ff.) und Boutroux (Rev. philos. 1877, 146 ff.) sowie noeh zehn 
.Tahre später bei Tanuery, Sc. hell. 171 ff. gefunden hat, Terdioit sie 
nicht. Wenn T. sich in .leii . Aphorismen* am Schiasse des 2. Heftes 
der ,N. St.- S. 256 ff. dieser Beistiminmig freut und darin eine Be- 
6täti|:uuK beiuer schürfen Angiiile auf die „^anz veraltete Methode** 
Zelleis erblickt, so liegt darin eine starke t'berschfitzung des Wertes 
seiner Untersuchungen. Vor einer besonnenen und objektiven Kritik, 
wie sie besonders Zell er an verschiedenen Stellen seiner Ph. d. Gr. 
geübt hat (vgl. auch Kreyeiibühl Theol. L.-Bl. XIL 77 und M. Heiuze 
L. C.-Bl. 1877 No, 30, auf deren Au-riffe T. in den „Aphorismen" § 3 
autvvüitet), köimen die Hauptergebnisse dieser Untersuchungen zum 
gröCleu Teile nicht bestehen. Eine Ausnahme hiei vuu scheint wir nur 
die sehr beachtenswerte Erörterung Uber den Wes: zu machen, auf dem 
H. zu der ihm eigentümlichen Grundanschauuug gelancrt ist. T. betont 
eindrucksvoller, als dies vor ihm geschehen war, die i^hysikaii^che 
Grundlage der Lehre Ji.s. Wenn diesem auch, wie seine naiv-kindliche 
Kosniülcgie zeigt, die doch fichou durch Anaximander angebahnte 
wissenschaftliche Naturl'orschung völlig fern hg, so bot doch die Natur 
mit ihrem ewivaii Wechsel, mit ihren Prozessen der Verdampfung, Ver- 
ßchlatnmuiig, Verbrennung u. s. w., ihren Gegensätzen von Licht und 
Dunkel, Tag und Nacht, seiner aufmerksamen Beobachtung und seiner 
denkenden Betrachtung reichen Stoff. Vor allem erregte die tägliche 
Erfahrung, die er an dem leicht beweglichen Fener und seinen Wand- 
lungen machte, seine Aufmerksamkeit; sie war es, die ihn in diesem 
IClement, in sein'-r (■\vi<;en Waudelbarkeit und Lebendigkeit das Prinzip 
aller Dinge und alles Lebens sehen ließ. So ist der Ausgangspunkt 
der heraklitischen Philosophie Physik und nicht Metapbyslk. Dieser 
Auffassung können wir nns im allgemeinen anscblieBen, nur muß man 
sich dabei immer gegenwftrtig' halten, daß das äuOere, sichtbare Natur- 
geschehen der tiefsinnigen Spekulation des ephesisohen Weisen sofort 
zu einem inneren, unsichtbaren Vorgange wird, daß ihm Physisches und 
Ifetaphjsisebes, Stoffliches und Geistiges untrennbar und nnunterscheid- 
bar miteinander verbunden erscheinen nnd so das sinnlich wabmehmban 
Feuer von Anfang an in seiner Vorstellnng eine allgemeine, symbolische 
Bedeutung erhUt (s. Z^er 643 f.). Han kann daher von einem prins 
oder posterius des Physischen oder des Ketaphysischen in der Entwicke- 



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Bciieht aber die grieehisehen Philosophen Tor Sokratea. (Lortoing) SU 

hing der Gedankenwelt H.s nicht gut reden; in dem Aogenblick, wo 
sich ihm die Binnlicben Erffthmngen nud Beobachtungen sn einer 
einheitlichen Konzeption zn&ammenBchloasen, war beides aalOslich mit* 
einander Terbnnden. Es ist demnach auch zwecklos, die Frage ent- 
scheiden zu wollen, ob der Satz Tom FInsse aller Dinge dem vom immer 
lebenden Fener zeitlich vorangegangen ist oder umgekehrt dieser Jenem, 
wie T. im Gegensätze zn Schnster nnd Zeller, dessen AosfBhmngen er 
Übrigens hier wie auch sonst öfters mißversteht (s. ZsUer 614, 1), dar- 
znthnn sucht. Spricht für die zweite Annahme der Zusammenhang, in 
dem H. unzweifelhaft mit der altionischen Stofflehre stand, so Ulßt sich zur 
Begrflndung der ersten mit gleich gutem, ja vielleicht noch mit besserem 
Kechte anfahren, daß gerade das Eigentttmliche «ad Neue in H.s Sytsem 
der Gedanke der ewigen und unablfts^gen Bewegung war. Uan kann 
den einen oder den andern dieser beiden Gedanken als den wichtigeren, 
als den springenden Punkt der ganzen Lehre betrachten oder auch, wie 
dies andere Forscher gethan haben (s. n), auf den dritten Eemsatz 
H.8, den von den Gegensätzen nnd ihrer Harmonie, den Hanptnaehdrnck 
legen. Aber nie und nimmer wird man beweisen kSnnen, daß sich in 
H.s Seele diese drei in seinem System anfs engste miteinander ver- 
bundeneu Sätze notwendig in dieser oder jener Folge entwickelt haben. 
Man könnte daher die Genesis des Systems, wie sie sich T. vorstellt, 
als ebenso berechtiizt gelten lassen wie die abweichenden UL-koiisti uktions- 
versuche anderer, wenn er sich nichr gerade da, wo es sich darum 
handelt, das Wesen und die Bedeutung des Feuers bei H. naher zu 
bestimmen, zuerst einer starken Übertreibung und dann eines oftenbaren 
"Widerspruchs schuldii? machte. Die Übertreibnng liefet »larin, daß or 
H. nicht nur ausschließlich von der Beobachtung des wiikiichen Fenei-s 
ausgehen lliiit, sondern dieses, „wie man es sieht und prasseln iiört", 
einfach dem weltseliöpterischen , allgegenwärtij;en Feuer gleichsetzt, 
während il. mit diesem Namen auch das W:iriiie (die trockenen Dünste) 
und den Hauch (die •l'u/irj) umfaf't. Im NVulerspruche aber mit dieser 
Auffassunjr steht die weiterhin entwickelte Ansicht, II. habe deshalb 
gerade das Feuer unter allen Verwandlung^sformeii der Natur zum 
Prinzip erhoben, weil alle anderen nnr die Potenz oder, heraklitisch 
au^;^edrückt, die Verborj^enheit, der Versteck des Feuers seien, in diesem 
dagegen sich der Aktus offenbare. Damit giobt er doch völlig die von 
ihm vorausgesetzte rein physikalische Grundlage des Feuers preis und 
schiebt überdies in unzulässiger Weise dem alten Naturphilosophen 
aristotelische Anschannngen unter. Vgl. Zeller 644 ff. Die Willkür, mit 
der hier in H.b Lehre fremde Gedanken hineingetragen werden, tritt 
uns auch sonst mehrfach in der Abh. entgegen. Dahin gehört z. B. 
die Identifiziernng des Dionysos-Uades mit der sich in der Erde [richtiger 



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812 Bericht &ber die giiechlaeheii Philoeophen tot Seknlei. (LoHang.) 

wäre dem Meere J verberg-enden und aus ihr wieder sich bildenden Sonne 
sowie die wanderliche Deutung des 127. Fr, nach der H. das Ansingen 
der SchamgUeder des Dionysos deshalb für nicht schamlos erklärt hätte, 
weil Dionjrsos, wie T. ans einer falsch gelesenen and daher auch falsch 
verstandenen Stelle bei Plnt. d. U, 862 D (för aidotk ul^v ist wahr- 
seheinUeh mit Hereber irXo'jTtov za leien) entnimmt, der Sohn der 
Scham sei. Vgl. Zeller 728 f., 1, wo anch der Yersach Teichmüllers, 
den Mythos von der Geilheit des Dionysos bei Clem. als von H. berück- 
sichtigt hinzustellen, zurückgewiesen wird. Unzutreffend ht auch die 
Behanptong, fi. habe kein Foi-tleben der Seele nach dem Tode gekannt; 
die DeatODg von Fr. 71, mit der sie begründet wird, nnd nach der die 
lEiijpeiTa das Jenseitige Gebiet der Seele heiei^aetty «o sie sich in das 
Wsaaer und in die Brde d. i. in deo Hades nnfindbar TerUert, ist 
ebenso unhaltbar wie die yermntnng» es sei vlelleieht ictpottov oder m- 
x&^^i za lesen. Zu beanstanden Ist ferner auch die Ansdnandor* 
setsang fiber den Logos bei H. Vergeblich bemflht sich T., ans diesem 
Bcgiiile die Bedeutung „Wort, Bede** völlig anisnscheideD, nnd wenn 
er den Logos anf der einen Seite als denkend nnd selbstbewaBt be* 
stiehnet und anf der andern ihm jeds Persönliebkdt abspridit nnd ihn, 
die nnfaiBendo Weltvernnnft von dem allgemeinen Wechsel swischen 
Wachoi, Schlaf nnd Tod nicht ansnimmt, Ja ihn vrie die Sonno tiglieh 
nntergehen nnd nen entstehen Iftßt (s. dagegen Fr, 87 «qtc), 
so liegt darin wiederam ein entschiedener Widersprach. S. Zeller 670 1 
Einsprach mnl^ endlich anch gegen die Art erhoben werden, wie T. 
den ja sicher vorhandenen Gegensata zwischen Xenophanes and H. 
formnliert: dieser sei mit seiner fiehaaptnng der Immanens Gottes in 
der Welt der Traascendenzlehre jenes entgegengetreten. Xenoph. hat 
seine Gottheit keineswegs transcendent gefaßt; er ist ebenso wie H. 
entschiedener Pantheist. — Daß diesen and ähnlichen Fehlgriffen aneb 
manche treffende oder doch beachtenswerte Aaseinandersetzangen gegren- 
überstehen, ist schon angedeutet woidcu. Dahin gehören die Aus- 
fuliniugen über die Kinlieit von Tag und Nacht, über die ElouicnLe 
uud den Weg nach oben und unten, über den Parallelismas des Phy- 
sischen und i'sychischen, des Feuers und der Vernunft (s. besonders die 
schönen Bemerkungen über das e?Xixpivec und xaÖap6v), über die Be- 
deutung des Streites und der Gegensätze, über die Lehre von den Welt- 
perioden nud der Ix-uptosic. Was die letzgenannte betrifft, so faßt T. 
die Weltverbrennuug 11. s, die er in geistvoller nnd meist /-utreffender 
Weise mit den Lehren anderer griechischer Philosophen und außer- 
griechischer HeligioDeth darunter auch des Christenninis, vergleicht, mit 
Zeller und Schuster im Gegensätze zu Schleierniacher und Lassalle nicht 
als den täglich sich wiederholenden Verbrennungsprozeß der einzelnen 



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Beriebt fiiber die griechischen Philoeophea vor Bokimtee. (Lortsing.) 313 

Dinge, sondern als eine a]lf::ciiieine TTmwaiznn^^ der Welt anf. Si lier 
würde T. anch in den anderen oben erwähnten Punkten der Wahrheit 
nülier f^ekonimea sein, wenn er den Wortlaut der Fi'agmente schLufer 
inn Auge gefaßt und seinen allgemeinen Erörterungen eine streng 
philologische Interpretation und Kritik zn gründe gelegt hätte. Wie 
sehr er es hieran hat fehlen lassen, dafhr ließen lieb außer den er* 
wfthnten Beispielen noch manche andere anführen. 

Anf einem völlig falschen Wege befindet sich T. im 2. Abschn. 
deB 2. Heftes der N. St.: „Heraklit als Theolog*' S. 130 ff. Man sollte 
es kanm VSlt möglich halten, daß ein Forscher, der kurz vorher noch 
dat tiefsinnige und alle Züge einer selbständigen OedaDkenarbeit und 
einer anf sich selbst mbenden Fenöiüichkeit an sieb Iregende System 
H.s in allem Wesentlichen nur aus den eig«iieo Yoranssetsnogen seines 
Urhebers tu bsgreifen venBeht hatten JeUfc plOtsIich den ephesiscben • 
Weisen in ein sklavisches AbhlngigkeitsTerbUtnis la den Dogmen vnd 
der Hytbologie eines in pbilosophiaeher Hinsicht so tief nnter den 
Griechen stehenden Volkes wie die Ägypter hineinswbigt VeigebUch 
bemüht sieb Verf., seiner Untersncbong den Anschein der Wissenscbafu 
lichkeit zn geben; er kinn die Qelster eines Grenser, Botb nnd Gladisch, 
die er heranfbeschworen hat^ nicht los werden. Wenn auch das Material, 
das ihm die nenere AgypUAoff» bietet, bedeutend reichhaltiger nnd 
vielfoch anderer Art ist als das den genannten Forschem zn Gebote 
stehende, so steht er doch grandsätsUcb kanm anf einem anderen 
Standpunkte. Auch er IftOt H. nicht etwa bloß gewisse religiöse An- 
sehannngett, was man Us m dnem gewissen Grade gelten lassen konnte 
(s. 0. 8. 153), sondera seine tieftten philosophischen Gedanken ans dem 
ägyptischen Glauben schöpfen, ob direkt [soll H. etwa anch, wie ^tba- 
goras, in Ägypten gewes«! seint] oder indirekt, will er nicht eot* 
scheiden. Ja, er bleibt nicht bei H. stehen, sonde» glaubt, Shnlich 
wie BOth anch bei manchen anderen Philosophen wie Xenophanes, Farm., 
ja selbst bei Piaton und Aristot., eine Beeloflnssang ihrer Lehren dorch 
ägyptische Weisheit za erkennen. Als Bedingungen für die Annahme 
der Abhängigkeit eines Philosophen von einer fremden Religionsan- 
*:cl)auui)g stellt er folgende aul: Der Pliilusuph muß nehen und über 
der weltlichen Erkenntuisquelle eine Offenbarung annehmen, die Ge- 
danken mfisscn im allgemeinen übereinstimmen üud absondei liehe Einzel- 
heiten sich aus der fremden Mythologie erklären lassen. Alle drei 
Bedingungen sieht er bei B. ei*füUt. Aber daß für diesen die „Offen* 
barnng* eine Erkenntuisquelle gewesen sei, mrd durch die höchst be- 
denklichen Deutungöversuche, wie sie IL an Fr. 12 (hier bringt er es 
sogar fertig, die Grumlxuge einer Inspirationslehre zu erkennen) und 
Fr. 7 macht, dorchaus nicht erwiesen. Und was die zahlreichen Über- 



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314 Bericht Über die griecbischea Pbilosopbea vor Sokrates. (Lort&ag.) 

einstimmiinizen bctritTr, so würde es nicht j^ar so schwer sein, eine an- 
nähernd gleiche Zahl mit anderen zeitgenössischen Reli^,qunslehren aus- 
findig zu machen, wie ja auch in der That noch bis in die neuesten 
Zeiten eine weitgeliende Abhängigkeit H.s von dem Paraismus vermutet 
worden ist (s. o. zu Ko. 145). £3 erscheint hiernach überflüssig, auf 
die einzelnen Ergebnisse dieser auf so schwankem Grunde ruhenden 
Vergleichnng einzugehen. Erwähnt sei nnr, daß H. nach T. nicht nur 
eine Anzahl mythologischer Vorstellungen, sondern auch die wichtigsten 
Bestandteile seines philosophischen Systems wie die Einheit der Gegen- 
sätze, den ewigen Fluß aller Dinge, die Vorstellung des Krieges» den 
Logos nnd seine Verbindung mit dem Fener, den heiligen Urkunden 
der Ägypter, insonderheit dem Totenbuche entlehnt haben soU. Woni, 
fragt man nnwillkttrlich, bat sich da T. in der ersten Abh. die sann 
UQhe gegeben, alle diese 8ätze ans dem inneraten Qnell der heraklitischen 
Weltanschannng abzuleiten? • Mit besonderer Anslttbrliehkeit behandelt 
T. die angebliche Identität des äiryptischen Horns nnd des beraklitiaehea 
Gottkindes (Fr. 79); er glaubt diese nnter Verwerfung der von Bemays 
angenommenen Anspielung auf JD. 0 361 ff. nnd aus einer kleinen 
Statuette im Baseler Museum, die unzweifelhaft Homa das Kind, Hör pe 
chrot oder den sogenannten Harpokrates darstelle, sowie aus der That* 
sache, daß nach ägyptischer Anschauung selbst die G6tter nnd Toten 
in der Unteimlt Brett spielen, erschließen zu dürfen. Auch fBr die 
Voratellung vom täglich neuen Helios^Dionysos sucht er den Ursprung 
in dem ägyptischen Horns und ist geneigt, in der Inschrift anf der 
genannten Statuette daa Original des heraklitlschen IJJuoc i^' V-PIQ 
zu sehen. Also H. in einem seiner eigentfimlichsten, mit seiner ganzen 
Lehre aufs innigste zusammenhängenden Ausspräche ein bloßer Übersetzer 
einer ägyptischen Inschrift! Wem wird das glaublich erscheinen? 
Außer Tanuery, der auch solche Phantasmagorien Teichmöllers lür 
bare iliuize nimmt, sicherlich iiieinandem. Auch für das Riiig-eii der 
beeleii im Hades tindet Verf. Analogien im yi/Lisclien Totenbuche. 
Den ägyptischen Ursprung dieser und ähnlicher Aussprüclic und Ge- 
danken H.s hat er durch üeiae Berufung aui entsprecheuJe Wendungen 
in den ägyptischen Texten nicht im entferntesten bewiesen oder wahr- 
fccheiulich gemacht. Es soll jedoch nicht bestritten werden, daß eine 
gewisse Kenntnis ägyptischer Lehren, besonders astronomischer, zu H. 
gedrungen sein kann. So ist es nicht unmügiich, daß, wie T lithaujttct, 
die merkwürdige Auffassung der (rostirne als Kähne oder Trüge bei 
H. auf eine ähnliche Vorstelluug bei deu Agyptf^rn zurückgeht. "Wenn 
er freilich in dieser Lehre U.s nur eine Vergieichnng, eine iMeta] hfr, 
zu sehen glaubt, so können wir ihm nicht beistimmen; die Worte npös 



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Bericht über die griechischen Philosophen vor Sokrafes. (Lortzing; 31~> 

<t^v cpxvtttdav bei A^t. II 28, 6, auf die er sieb hierbei ettttzt, bat er 
gründlicb mißTefatanden. 

Mobra erste Abb. (No. 808) iat wiaaeDSchaftlich vdlUg bedentnaga* 
loa. Verf. bebaaptet in aliem £ro8te, daß bei Laert. IX 8 ff. der 
Gedankengang^ der berakUtiscben Physik vorliege, and aaebt anf dieser 
Onindlage die Reibenfolge, in der H. seine Hauptlehren vorgetragen 
bat, vnederherznstellen. Weil Laert. die Bestimmaog des Gmndstoffes 
uls Feuer voranstellt und die Flnßlehre erst au dritter Stelle erwähnt, 
steht es ihm fest, daß diu ei"8tere die Quintessenz uiul der Ausf^aiigs- 
punkt de^ i'hilüsoiihierL'iis li.s war, und dal.) es falsch ist, die Iftzteru 
lUr die duiiiiiiioreiide Lehre zu halten. Aus der Thatsacbe, dal^ i.,aert. 
den Xo'yoc nicht anführt, schließt er, dieser luü^^,se nur vorUherg^ehend 
in seinem Werke berührt wordcu sein. Aber ^aiiz genügt ihm diese 
i^aelie doch niuiit; er hat noch eine zweite eutdeckt, und dies ist — 
mau höre und staune! — Diogenes von ApoUouid. Alles, was dieser 
sagt, hätte wohl auch H. uuterbchriebeu (!!). Aus ihm ergebe sich 
auch, daß sich die Lehre vom Gegensätze aus der Tom Flusse entwickelt 
habe. Das genützt, um den bodenlos unkrUibchen hJlandpuukt .Möhrs zu 
keuüzeichueu. Im einzelnen wimmelt die Arbeit von MißverstUnduisseu, 
Widersprüchen und Unklarheiten. Nicht gauz ohne Wert ist der Ver- 
such, die den Auiang des lieraklitisclien Werkes bildenden Fragmeute 
zu ermitteln und zu ordnen. Er berührt sich hier teilweise mit Patin, indem 
er wie dieser auf Fr. 2 Fr. 5 uuddö, nur iu umgekehrter Ordnung, 
folgen läßt. Vgl. M. U(einze) Litt. C.-Bl. 1877, 9b3 f. — In der 
2. Abb. (No. 309) suclit M., wie ich aus dem Berichte v. Arnims 
T>. L.-Z. 1887, 410 ersehe, nachzuweisen, daß U. im engsten Zusammen- 
bange mit Anaximenes nud Aoaximander stehe. Nach Arnims Urteil 
ist ihm der Beweis nicht gelungen. Auch hier benutzt er wiederum 
das Excerpt des Laert. als eine Quelle ersten Kanges, die er «eigeutlicb 
zuerst entdeckt haben will"^, und versteigt sich zu der fiebanptang» 
Laert. habe das Buch H.s selbst ausgeschrieben (!). 

Zu Sooliera Schrift, die mir leider nicht augUnglieb gewesen 
ist, verweise ich auf die Kezenaion von E. Well mann D. h,'Z, 1885, 
1299 f., Tb. Beinacb Rev. crit. 1886, 324, Scbaarsehmidt Pbüoa. 
l[on.-H. 2887, 623 und die aaonjm eracbienene im L. C.-BL 1886, 
715. Sie scheint danach zu den bedeutenderen Arbeiten anf dem Ge- 
biete der Herakiitlitterator an gebOren. Über eUizelae seiner Ansichten 
a. Zeller 631 Anm.; 646, 4; 652, 1; 659 Anm.; 723, 3 und Obiappelli 
iu der unter Ko. 145 besprochenen Abb. 

Pf leider er giebt annäcbat in der Tübinger Abb., die er im 
Eingänge seines größeren Werkes wieder bat abdrucken lassen, eine 



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316 Beridit fiber di« grieehiaelieii Phllotophen TOr Sokntw. (Lorteiog.) 

▼orlftnfige Begründung seiner Anffassong der heraklitiachen FMoeopbie. 
Die Lehre vom ilnß und von den Gegmätien darf trete Finten ateht 
all Gnindgednnke Rs betcaehtet werden , weil er aieh dann niebt mit 
der Antdiannag der Henaehen in einen lo eetaroffan Gegenenti geatellt 
Iiabett würde. Aneh ist er nicht weeentUch von aeinen Veifi^bigeni 
beeinflußt worden, nnd mit Unrecht iiat Lamalle seine Lehre mit dem 
Satse des Anazimander von der ddtxC« des Einzeldaseins in engere Be- 
alehang gesetsi. Der Qjnellpnnkt seines Philosophierens ist vielmehr in 
der Beligion sn snchen, eher nicht in dem Polytheismna Homers nnd 
Hesiods, sondern in dem Mysterienwesen, das den Ghaiakter der N«tnr> 
religion weit mehr bewahrt hatte als der poetische Polytheismtts. Als 
Kodiide nnd pomUäc von Ephesos, d. h. als Vorsteher der dortigen 
Filiale der elensinisehen Mysterien nnd durch seine Besiehnagen snm 
Artemistempel konnte E. wohl eine genanere Kenntnis dieses Knltas 
besitsen. Die «Mjsterienidee** hat er dann aber selbstftndig verarlraitet 
nnd ist so snm «religionsphilosophlsehen Metaphyaiher'* geworden. 
Wie wird nnn diese Hypothese in dem Eaaptwerlce Pfleiderers nfther 
begründet und ansgeführt? 

Pf. beginnt im Abschn, I mit „H.s Stellung in methodologisch- 
erkenntnis-theoretischer Hinsicht^ iieiii wahren Weisen gebt es nach 
II. beim Lernen und Forschen wie den Guldgiabern: non multa, sed 
ranltnra ist seine Devise, und er verwirft die Vielwisserei. [Aber Fr. 8, 
auf das sich Verf. hier bezieht, geht nicht auf die Weisen, sondern aul 
die große Menge.] Man muß ti'otz des Umblicks stets kontemplative 
Einkehr bei sich selbst halten nnd in der Tiefe des eigenen Innern den 
Geist der Sache zu erfassen suchen. In diesem Sinne ist Fr. 80: ioi^iTjsa'aTiv 
iftetüUTov XU verstehen: ein stolzer Ausspruch, in dem über kein persön- 
licher HocbniiU liegt; verwirft doch H. in anderen F!at,Mnenten das 
private Belieben und den Übei'mut und fordert dagegen Anschluß au 
das ^üvov, das nicht etwa mit ychu^iter ?5nf!erlich quantitativ als das, 
was alle annehmen, also im Sinne eines platten common seuse, sondern * 
als „innerliche Allgemeinheit' zu fassen ist. Damit erkliirt sich der 
hohe Wert, den II. auf das „Instinktive" legt, ,,da8 aus der uiibewnCten 
Tiefe des Natur- oder VemunftgruQdes hervorbricht''. H.s Ofifeabarangs- 
Standpunkt ist nicht ein mythologischer, wie ihn Teichmfiller in Fr. 12 
erkennen will, sondern der allgemein menschliche nnd speknlativ-philo- 
sophisehe, der an Spinozas „snb specie aetemitatis**, an die .,int>ellektnelle 
AnBcbannng" nnd noch schlagender an das „absolute Wissen'' erinnert. 
Wenn H. naeh einigen Schriftstellern erklärte, er wisse alles [aber dies 
ist kein Ausspruch H.s; Proklos (bei By water za Fr. 80), aof den 
sieh Pf. bernft, bat das eauriv icavxa e^devai wiUJcftrlich in H. hineingelesen 
nnd xwar, wie mir scheint, nicht in Fr, 60, sondern in Fr. %], so ist 



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Borieht 1lb«r di« grieehlidi«!! PhttotopheA for Sokratei. (Loitaiiig.) $17 



dlMM „Alles winea" wieder niobfc plnndiitiMhHiaantitativ za fassen, 
sondern auf dto generelle Eritetutnit „der Natur oder des Wesens des 
AU (iol)b von welcher Art es lit**, n beilelien. Dabei denkt er nicht 
an afeh lelbet als Indi?idn&m, sondern i^bt, daß er die ürkiiuitnia 
nur in Kraft einer weltlenlmiden Vemnnft bedtte. Mit solchen Ge- 
danken, die in ihrer Tiefb und Sirenge der nodi an plaatieciie Bar« 
atellQDg gehnndene Pluloaoph nor in ijnibolisierader Sinraohe wieder» 
geben konnte, stellte er sieh in selirolfeii Qegensati an der irrtttmliehen 
Weltanffiusang der Henge. Die Quelle dieses Irrtoms aber sind nicht 
die Sinne als solche. Fr. 18 darf weder mit Sehnster sensnalistisch 
noch antisenanslistisGh gedeutet werden; es beswecfct nnr eine pralrtische 
AbwInTBOff awischen den Genüssen der niederen Sinne, denen die Menge 
l^Ont, «nd der idealen Lust, die uns doroh die höheren Sinne, Ange 
nnd Ohr, and weiteriiin ftberhanpt dorch die Britenntnis yencshaflt wird 
[eine gnte nnd annehmbare Dentonf ]. Wenn H. im SlnnenlUUgen nichts 
als Trug nnd Sehein sUMi so kSnnte er nicht» wie er dies wledeihelt 
thnt, Ton der Wahrheit reden, die nas anf Sdiritt und Tritt nnglebt. 
Der Kardhialinrtnm der Menge Uegt nicht darin, daD sie steh der Sinne 
bedient — denn Angen nnd Ohren sind brauchbare, ja unentbehrliche 
Zeugen — , sondern darin, daß sie keine Vemnnft noch Einsicht liat, 
daß ihr Denken stnmpf, kurzsichtig, proBaisch-8chwanj?lo8 ist, daß ihr 
das Gaazc des Kosmos in diskrete Einzelheiten nnd absolute Gegensätze 
zerfällt. Die wahre Weisheit muß des einen Lebeus inne werden, das 
sich durch alles einzelne Ii in durchzieht (Fr. Id). Das aber ist Mysterien- 
lehre im Unterschied vom populären Polytheismus (?). Aus dieser 
Älystcrieuideti sind nuu, wie Pf. in Abschn. II darzulegen sucht, „die 
materialen Hauptsätze B.s in ihrer abstrakt -meuphysiscben Form ('.)" 
zu erklären. Über den Grundgedanken der Mygterienlehre kann kein 
Zweifel sein (?). ,,Eg ist der alternierende Gegensatz und Wrchsel 
zwischen dem lichten» warmen J^ebcn hier oben und dem duukeleu, 
kalteu Tode dort unten, in weichen beiden Phasen sich ein und das- 
selbe, nennen wir es Natur oder beele oder Gottheit, zu bewegen und 
auch bei dem scheinbaren Untergang zu erhalten weiß.** H. brauchte 
nur diesen Gedanken konsequent weiterzudenken und die nackte That- 
sache jenes Alterniereus zu motivieren, um folgende Auffassung zu ge- 
winnen: , .Unzerstörbar ist die Feuerkraft des Lebens, welches auch 
im scheinbaren Tode, in den es oscillierend übergeht, überhaupt aber 
in allen, überall regsamen Gegensätzen und in den rastlosesten Wand- 
lungen sich nicht nur erhält, sondern allzeit siegreich durchsetzt und 
eben in dieser Probe seine wahre Lebenskraft erweist** Diese oseUlierende 
Identität tou Leben nnd Tod ist aber bei H. nicht im Sinne einer „kalt 
tbeoretischeu Taxatiomlosigkeit (sol)", die Mf beide Glieder des Gegen- 



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318 Bericht über die griechischen Philoaophen vor SokntM. (Lortsing.) 

Satzes gleichen Wert le^t, zu verstehen, auch nicht im Sinne der 
pessimistischen Lebeii^auffassnng eines Theognis, Pindar nnd Sophokles, 
die nach Pf. mit der gewöhnlichen Weltansicht zusaramenthllt (?) [Pf. 
verweist auf Fr r>4, tlns er aber g-anz willkürlich ausleg-t], soiidern der 
Nachdruck ist von vornhci-ein auf das positive Glied, das Leben, zu 
legen. Diese richtige, optimistische Aaffassung;, die schon in der 
Mysterienlehre: „Hades und Dionysos ist dasselbe" steckt [aber wie 
kommt Verf. dazn, diesen Gedanken als Mysterienweisbeit zu bezeichnen? 
H. spricht ihn Fr. 127 in einet Polemik gegen das schamlose Treiben 
der Mysten als seinen eigenen ansj, tritt uns in Fr. 35. 36. 78 und 
in einer von Bywater zu Fr. 78 angeführten Stelle des Sextns entgegen 
[Pf. glanbt in der letztgenannten Stelle ein echtes Fr. H.s ZQ er- 
kennen, was nicht unmöglich ist (s. jedoch Zcller 710, 7); nnmögliek 
aber ist der „feine Sinn*', den er in sie hineindeutet]. Als echter 
spekulativer Denker erhebt sich H. ttber den Speslalia]! Leben und 
Ted; er dehnt seine Betraehtnng über das weite Gebiet der Q^nsfttce 
ans nnd seigt an sahlreiehen Beispielen, daß der Gegensatz Bherhanpt 
kein "ÜM In der Welt Ist» sondern eine notwendige Bedingung von Leben, 
Wohlsein nnd Harmonie. [Damit schiebt Pf. dieser ganxen Gkgensats* 
lehre Hji eine «»apologetische Tendenz** nnter]. Die Harmonie be- 
zeichnet H, Fr. 45 (nnd 56) als mXfvTovoc (icaXtvrposoc) (haamet^ 
xal T^ou. Bei einem so prägnanten Ansspmoh hslt sich Pf. ftlr be- 
rechtigt, ein Ineinander/Uessen mehrerer Deutungen anzunehmen, nnd 
legt das Fr, so ans: „Wie Bogen nnd Leier schon änßerli^ nnd sinn* 
Ilch, In Ihrer mhenden Form nnd im bewegten Gebrauch, einander 
nahe verwandt, gleichermaßen die Palintonie darstellen, so gehören sie 
filrs andere anch metaphysisch als Beselchnung ffo die in ebiander nm* 
schlagenden Gtegenifttse zusammen; denn sie sind die stehenden Attri* 
bnte Apollos des Tötenden nnd Belebenden.* Der Gegensatz erweist 
sich so als das dem GtdttUehen selbst Willkommene, von Ihm Gesnebte 
und freiwillig Übernommene. [Über die ünzulftssigkeit dieser Erklärung 
8. Zeller 659 f.J Die Lehre vom allgemeinen Fluß der Dinge ist nicht, 
wie Zeller es darstellt, ein Antecedens, sondern ein Konsequens der 
Gegensatzlehre, nicht die Prämisse, sondern eine SchluCformuliemng 
der hciuklilischen Metaphysik. — Vau besonderes Kapitel wi<lmet l'i'. 
der Erklärung von Fr. 79: atA>v r.ak ej^i r^at^tuv rexTsüwv au v^ta'f tp6pt£ #oc 
(das letzte Wort ans Lukians Sia^Epo'ixsvoi nach einer Vermutung von 
Bernays hinzugefügt). Die ganze Erörterung wiederholt im wesentlichen 
die bereits zu S. 314 von uns berührt« Deutung Teichmüllers (N. St. 2 
8. 187 flf.), nur mit dem Unterschiede, daß Pf. weniger Gewicht auf 
die ägyptische Horusidee legt als T. Der Sinn des Fr. ist nach Pf.: 
„£s ifit die Unzerstörbari^eit des Lebeos, welches in ewiger Jugend- 



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Beriebt über die griechischen Philosophea vor Sokrates. (Lorksiog.) gl9 

frische ans den) schcinbareo Tode neng^eboren wird oder sich seibat 
gebiert; ihm ist der Geg^ensatz ül'^^rhaiipt kein horbea Muß, sondern 
eher eine Lnst» ein Spiel (itsi'Ccov); denn in rastloser VcrUnderang oder 
allgemeiner, in ewigen Phasenwechpel (7re93«uo>v) bewahrt es Beine 
Identität, da es ja mit sich selbst spielt oder sein elgfoner Partner ist 
(auvötaf«pd{ievo;)." Abschn. III („die KfiTiKietc KoiTelatanschannng 
TOm immerlebcnden Feuer als Prinzip der Welt**) behandelt H.8 Physik. 
Das iieraklitiflche Feuer Ist weder mit Schleiermaeber nnd Lasaalle 
Sjymbolisch -unsinnlich noeb mit Teichrnftller als wirkliches Fener des 
Herdes nnd des prosaischen Haa^brancbes zn fassen. Es ist eine Art 
▼on Urstoff, der aber fließend nnd oscillierend zwischen gröberer, feiner 
und feinster Bedentung zn denken ist. Auch hier herrscht ein he- 
ständiges WechseWOThäUnis, eine fortwährende Ivcvtio^pofitbc der An- 
schauung und des Gedankens. Vor allem Ist das Feuer kongruent mit 
der heraklitischen •Fondamentalidee des Lebens", nnd ebenso stimmt es 
mit dem Gedanken des Gegensatzes nnd des Wechsels in der Natnr; 
dagegen mit der Lehre Ton der fließenden Bewegung bat es eine 
schwächere Yerwandtschaft, was Zeller nicht beachtet hat, an dessen 
,,nOchtem abwSgende** Barstellnng sich Pf« sonst im großen und ganzen 
anschließt Vom Gesichtspunkte des absoluten Flusses wAre das Wasser 
oder die Luft ein geeigneteres Prinzip gewesen. Wie H. überhaupt 
kein Kosmologe oder theoretfecher Physiker Ist [dies soll u. a. auch 
Fr. 30 beweisen, das so erkiftrt wird: „wie kehier der Götter diese 
Welt realiter geschaffen, so hat sie anch kein Mensch ideallter nach- 
geschaffen", eine sprachlich wie logisch ganz haltlose Interpretation; 
s. Zeller 645, 1], so verficht er auch mit seiner Feuerlehre nur seine 
metaphysische Grundtendenz auch ;iiü physikalischem (icbiete und betont 
demgemäß besonders seine unverwüstliche Lebensliraft. — Auch in der 
Besprechung der „WandJungsstafen des Feuers" folgt Verf. in der 
Hauptsache der Zellerschen Darstellung. Da, wo er diesen bekämpft, 
oder seine eigenen Wege gebt, sind seine Ausführungen nieist unklar 
oder geradezu verfehlt; so. wenn er neben dem alternierenden Nach- 
einander jener Stufefi von einem beständigen di;ilt kiischcn (!) Inein- 
anderoscillieren derselben als dreier bereits bestehender „Parteien" (so!) 
redet, üubegreiilich ist es, wie Pf. außer einer durch das Feuer re- 
präßentierte Unzerstürbarkeit der Kraft • — dies mag man als moderne 
Formuliernu!? der Anschauung H.s gelten lassen — und außer einer 
Konstanz der Masse im yanzon eine solche auch nacli den llaiiptgebieten 
des Stofflichen bei H. anneiimeu kann. Unmöglich können doch Wasser 
and Erde unverändert bleiben, da sie sich ja nach II. allmählich in 
Feuer rückwandeln und schließlich in der Ix-upto?».; ganz darin aufgehen. 
Auch hatte Pf. kein Kecht, Zellers Aaffassimg vou d^m Umwaadlimgs- 



Digrtizeo Ly <jOOgIe 



320 Berieht Aber die griecbiaehen Philofophon vor SokitftM. (Lottniig.) 

proieflie lo sa deateo, all ob im BoMltat jede YerftndeniDg dee Welt» 
bildet wegfiele nad dieses sich von Ewigkeit m Ewigkeit gleich bliebe^ 
wenn aach hinter den Kulissen da nnablAssIger Wechsel der Kompo- 
nenten Jenes Besaltates stattfinde. Das heifit doch Zellers Absieht, der 
8. 681 nar von einem 8ehein des Beharrens redet, ftat in ihr Gegen* 
teil verkehren, Pf. macht sich hier derselben ttbcitriebenen Koneeqneai- 
sieherei schnUig, die TeiehmUler mit Becht an Sehnster getadelt hnt. 
Die eigene Ansicht dea Verf. geht dahin, daß ein aboolnter Anagleieh 
der Stoffe nnr im Unendlichen volhogen eraehelnt» wo sich rasUoo Jede 
Ixff^poMic mit ehier korrdatmi 9Mu£9yafif/e deckt, wAhrend in nntercr 
jetzigen Welt die konkreten Dinge beatgndig swischen dnem marimnm 
und minimnm, einem malna and mfaina hin nnd her schwanken. Einen 
wesentlichen üntersehied von Zellen DarsteUnng vermag ich darin 
nicht an erkennen. — Waa Pf. Uber die tl^^iche Kengebnrt der Sonne 
nnd die Beschaffenheit der Gestirne bemerkt, deckt sich faat vollstindig 
mit Teichmüllers Anffassimg, dessen Anlehnnog an das Äg3n[>tisehe er 
hier in viel höherem Maße gelten läßt als sonst Nor f&r Fr. 30 weist 
er mit Zeller die allzu künstliche Deatung Teichmüllers ebenso wie die 
Srluisters zurück; er selbst versteht es so: Nord- und Siidpunkt unseres 
vulf^aieii Halbkugelhorizontes sind die Jfaxinui und .Miiiinui von Nacht 
und Ijicht, üät und West daf^e^^en die eutgegeiigesetzt llielienden maiora 
und minora ('?). Er nimmt mit E.echt nach dem Vorgange Zellers und 
Schusters eine in großen Weltperioden sich immer wiederholende Welt- 
zerätöruijg und Weltentfaltuug an, kann ihr aber nicht mit Schuster 
eine so große Bedeutung wie der täglichen £nieaernng der Sonne bei- 
messen ; nur 80 sei es zu erkl.iren, daß Platon Soph. 242 C diese Lehre 
H.8 uübeiückBichtii?t lassen konnte. Eine eigentümliche Deutung giebt 
er den Ausdrücke [i -^prjofiojuvr] und xdpa» in Fr. 24. Er versteht uuter 
•/p . das .tiefe, innere Bedürfnis" oder „den kerngesnnden Trieb, der zur 
6tay.o-Tur7'c führt*, und unter k. zwar eine Sättigung, nber eine solche, 
die haarscharf an übersättiu'uitg streift oder unmittelbar in sie übergeht, 
einen Znstaud, in dem »das Urwesen die Monotonie der Gegensatzlosig- 
keit nach erreichter ixicupw^tc satt bekommt". Damit verkehrt er die 
durch Hippolyt. 9, 10 sichergestellte Gleichsetzang der xp* 
$ia)tocT(iy)<Ju und des x. mit der ixitupwaic fast in ihr Gegenteil, ja er 
hebt im Grande den Gegensatz zwischen den beiden ZostUuden der 
Sättigang nnd des Maogels auf; vgl. 2(leUer 703, 1. Diese Umdeutang 
hängt mit der Ülierzengong Pfleiderers znsammen, daß H. kein Pessimist 
wie Anaximander mit seioer didtx(a und rbt; sei, sondern ein Optimist, 
der den Hanptaccent auf dea gegeawärügen Zustand legt. — Abschn. IV : 
.Heraklits Wendung vom physikalischen lieben zur Psychologie uid 
fiMhatologie*. Das Feaer als die »«hookret angsschante Idee dea Iieheiia** 



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Btticht fiber die grieehlscben Philoflophea vor Sokntes. (Lortiiiig.) 3S1 

fällt dem Ephesier 'mit d»u Seele zusammen. Nicht bloß ist die Seele 
Feuer, sondern das Feuer ist aucii Seele. Seine Wandlungen sind im 
tiefsten Grunde bereits Wandlungen des Seelischen oder der Seele im 
großen, dessen, was man später Weltseele genannt hat. Alles in der 
Welt, vom Größten bis zum Kleinsten, besitzt seelische Onmdnatnr, 
nnr auf verschiedener Stufe („Panpsychismos**). H. erkennt, wie so 
viele der bedenteudsten neueren Philosophen, nur Geistiges und Seelisches 
alt wirklich an. Die Unterscheidung zwischen der Seele an sich und 
den iodividoellen Menschenseelen macht er noch nicht mit ausdrücklich«! 
Worten, aber er besitzt sie entschieden (?). Wie löst sich nun aber 
der Widerspruch zwischen der Gmndansicht vom völligen Verlöschen 
des Lebens und damit auch der individuellen Seele [vgL Pr. 77, deaaen 
Erklftmng dnrch FfL aber grammatiecb unmöglich ist: C»v tk Satxntu, 
TeOviwToc loU helBen: Leben tretend (!) entbrennt er (entsBndet 
er eich) ans einem Toten (!)] ^ seiner Esehatologie, In der er ohne 
Zweifel ^n individnelles Fortleben nadi dem Tode lehrtet XKese In- 
konaeqnena ist nicht so zn erkUren, als ob H. sich äia Keinnng der 
Menschen anbeqnemt habe, sondern darans, daß bei ihm das reUgions- 
phiiosophisch-praktische Literesse das physikalische weit Überwog. So 
sehr daher anch Ff. vorher H.s positiv gerichtete, weltfrendige An- 
sclianang hervorgehoben hat , muß er doch sogeben» daß er in seiner 
Eschatologie im Widerspruch Mermit einer trüben peadmistischen An- 
schannng verfallen ist» wohl im Gegensatz gegen die YnlgftrmeinQng, die 
das Leben Uber alles schfttst nnd den Tod als das schlimmste Übel he* 
trachtet — Baß hier eine gewisse Inkongmenz swiaehen der Physik 
und der Jenseitslehre Es vorliegt, ist nicht so leugnen. Aber statt 
diese Inkongmenz einfach als eine Thatsache hinzunehmen, die wir 
nicht niher begründen können, und die vielleicht H. selbst gar nicht 
zum Bewußtsein gekommen war, bauscht sie Pf. ohne Not zu einem 
prinzipiellen Gegensatz der Weltanschauungen ;iaf niul tiiUn so jii die 
Lehre H.s einen unlüslichcu, iundamentalen Widerspruch liiuuiu, den er 
noch dadurch verschärft, daß er uiii «^-ruiid eiuzflner Nachrichten bei 
Sextus, Philon, Porphyrioi» die trübe, weltflüchti/?e, pythagoreisch-plato- 
nische Lehre (3üi}Aa-fff,{xa) auf H. überträgt. Von den erhaltenen Frag- 
menten aber giebt uns kein einziges zu dieser Annahme ein Recht. 
Die von Pf. citierten sind entweder ihrem Sinne nach dunkel wie Fr. 123, 
oder sie beweisen doch nur, daß H. ein Leben nach dem Tode voraus- 
setzte; in welcher Gestalt er sich dieses dachte, ja, ob er überhaupt 
an eine Unsterblichkeit der Seele im strengen Sinne des Wortos L'hiubte, 
geht aus ihnen nielit hervor; denn wenn Pf. Fr. 38 als Beweis für eine 
Läutemnj^ der Seelen im liades anführt, so hat er diesen Sinn erat 
dnrch seine willkürliche und unwahrscheinliche Konjektur 69iot)vxat für 
JaJuTMberiolit IQr AltortinuiriaMiiMlwIli Bd. GZH. (UNB, L) 31 



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322 Bericht über die griechiäciien i'iiiloöopiieo vor bokrates. (I^ortuo^.) 



dj}j.tl)VTo:t hineiuceleiit. und Fr. 72, das er iu diesem Zu»aramenfaange 
gleiciifalis vorhringt, zeiert gerade deutlich, daß vou einem Bef^rabensein 
der Seele wie n\ ( innn Kerker bei H. keine Rede sein kann. — Das 
Ergebnis der Auslühruiigen Pfleiderers, wie es im SchlaLkapitel zn- 
sammengefaßt wird, ist folgendes. H.s System ist trotz seines Pe^^simis- 
mus gegenüber den Wahnvorsteiiuni^cii der unwissenden Men^'e *ier 
Versuch einer TlieodizL't' Qinl ein ausgespiocbeaer ,\'ernuntioptiüasiuus*. 
Dem einzeiueu liegt es ob. sich auf den »Staiidpuiikt des Allgemeineu 
zu erheben und so zur li^iozi-r^-jiz d. i. dem „Wohlgefallen an dem 
denkend erfaßten Universum" zu gelangen, was freilich nnr eiaigen 
wenigen gelingt. Die menschlichen Gesetze sind ein Abglanz des einen 
göttlichen und daher immer noch besser als gesetzlose Willkür. Trots 
«ifiapf&evT] und dva-fxT) ist H. ein Gegner des Fatalifinmi; sein ißoz dvdp<utnp 
da(}i.(ov ist im Sinne der Willensfreiheit aufiEiifiMsen. SeUießHek wild 
die Laiire H.B ale „Fansoismna'* bezeielinet 




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