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ZEITSCHIUFT
FÜR
WISSENSCIIAFTMCIIE GEOGRAPHIE
uutev Mitberflckj-ichtigun}» tlcs
HÖHEREN GEOGRAPHISCHEN UNTEkRTCHTS.
lu Vfvbinünn^; mit
TH. FKSIIIKH, A. KIllCIHIOFF,
0. KRÜMMEL, J. REIN*, S. RHiE. TH. «CHHN'KE, F. MTESEII,
4ieraus^r»>gebt*n von
J. I. K EITLER
t’.V » l n-. a r>.
BAND VII, HEFT 1.
INHALT;
A. 1*. l*. LANC;r.nAAI>: Zur IV.i^e rtcr liu>rjlpn Xivcanvrr;iHilcrunsou i*6j
(tL*3II‘l{ErllT: iM'r mittlon* l»wii«n urul m-io VcrhiiltiiiM> r.uiit Nudaon^. C!n DoitrA? zur LUiun^ der iiirli
<linn .Al«er iIm
MIIfÜRH: bmG .Vi>>>rc«rrr>cliifliun-zeti *>St;
3(ETIH>I>IIv i’NO ISreKKinil ÜEU OKtKaiAPUlR. Levln: Kia eu^lLche« Urteil lH>rr gee^rAph ViMorrlchl . JOD
MCIIIU. Vor»u.-l» «tM*s «ur Uentuuii: von pertgr«pbl!»chen NiUi]«». Völker- nnd rertunciinaineti 31S
Li. >atlt'MANN: CrnnDetriiioiic :<tu>lien im An><.hluiS no ili« UiitcrMichuiig rK*« Kai«i'r*iublg«blr)r«a TiU
KAKTLX:
Tafi*l C. ficoIrttriKLeK Profil durch Seeland. Karte nnd PmeU der ln>el Toloii. Von A. P. L. r. LangcraaiU
Tafel “■ Kartcnrküuvii zum AufaKtz über <len minieren l•>lll^o. Von O. Uuuiprcchl.
T.nfei a. Prvül xom Aaf«atz 8br>r den mUilpnui I»onzo. Von O. <t um pre« h 1. 1
(NÜ. Die beigenfgti-n Kartenskizzen zom Aufsatz IiI/h den mittlaren l<(uiuu »iiid irriiimlieh aU Tafel 0
bezeU'lioct wonleu; «]ieM.-ilien lillden TaM *.}
Preis des Baudes von 6 Heften 6 Mark.
WKIM.^R.
IJ K 0 0 R r 11 1 S € H K S 1 N S TI T U T.
IsSS.
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Beiträge iür diese Zeitschrift
^jnd in der Form von Aufsätzen, von TcUrzeren Mitteilungen und Notizen, wie auch von
Karten über jpgliches Thema auf dein Gesamtgebiete der wissenschaftlichen Geographie
(Methodik der geograplu Forschung und des geograph. Unterrichts; inathemat. Geographie;
physische (»eogi-.; Völkerkunde, Kultur- und llandelsgeogr.; (ieschicUte der Erdkunde und
der Kartogr. ; antike und niittelulterl. Topographie) erwünscht.
Honorar für Original-tSeitrüge GU ^I., für Ilesprechungen und Notizen BO M. pro Druck
bogen; für Karten nach Cebereinkommen.
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Wir bitten, alle Deitriigc BeHprcchungsexeinplore und Taiischzoitschriften, sowie alle
für die ßedaktioii bestimmten Korrespondenzen zu adressieren: „An die EeJaktion der Zeitschr.
/'. wiee. Geographie, m Heimar“; dagegen alle auf Abonnements, Inserate oder Beilagen
bezüglichen Korrespondenzen „An das Geographische Institut in Weimar** zu richten.
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ZEITSCHRIFT
V • '
FÜR
WISSENSCHAmiCHE GEOGRAPHIE
unter MitberQcksichtigung des
HÖHEREN GEOGRAPHISCHEN UNTERRICHTS.
In Verbindung mit
TH. FISCHER, A. KIRCHHOFF,
0. KRÜMMEL, J. REIN, S. RÜGE, TH. SCHÜNKE, F. v. WIESER
heransgegeben von
J. I. KETTLER
(V/ e i m a r).
VII.
WEIMAK.
GEOGRAPHISCHES INSTITOT.
1890.
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^ j • 3 V Cy-^ I V ^ 1 1 S-*. a 3
Inhalts-Verzeichnis des VII. Jahrgangs.
AUFSÄTZE :
Aoitfl
A. P. L. V. LANGERAAD: Zur Frage der litoralen NivoauverÄndorungen 265
O. GUMPRECHT: Der mittlere Isonzo und sein Verhältniss zum Natisone. Ein Beitrag
zur Lösung der Frage noch dem Alter dca Uonzosystema 275, S56
V. HILBER: Erosionsbasis und Meeresverschiobungen 286
LEVIN: Ein englisches Urteil Qber geographischen Unterricht 300
NOHK: Versuch eines Beitrags zur Deutung von geographischen Namen, Völker- und
Personennamen S13
L. NEUMANN: Oromotrische Studien im Ansclüuss an die Untersuchung des Kaiscr-
stuhlgebirgea 320, 361
CHR. SäNDLFjR: Die homJlnnischen Erben , 333, 418
A. nEYER: Drei Mercator»Karton in der Breslauer Stadtbibliothek . . . 379, 474, 507
Y. GOEHLKRT: Die Bevölkcrungsverhältnisse des Russischen Reiches im Jahre 1885 . 390
O. FEISTMANTEL: Die verschiedenen Namon indischer Ungulaton, sowie jener in den
unmittelbar angrenzenden Ländern 393
K. GKLCICII: Die LUngenbestimmung aus MondeshObon und Mondcskulminationon 409, 464
Doutacher Geographentag in Berlin 413
H. HRL^NNHOFER: Pontischc Völkemamen 415
A. SCnCCKi Die Anforderungen an einen sogenannten Trockenkompass 449
H. BECKER: Eine geologische Karte von Europa 488
E. NAUMANN: Ueber den Einfluss grosser Erdspalten aut die Bewegungen des ter-
restrischen Magnetismus, nebst Vorschlägen zn einer magnetischen Aufnahme des
Erdballs
493
W. KREBS; Trigonometrischer Beweis dafür, dass die Linien des Gradnetzes eines
Globus einander unter rechten Winkeln schneiden
529
LITTERATUUBLATT :
A. V. Schweiger-Lerchonfeld: Das Mittelmeor (bespr. v. Th. Fischer.) 39
G. Marinelli: Slavi, Tedeschi, Italiani nel costi dello Litorale Austriaco (bespr. t.
J7t. Fischer.) 40
Jahrbuch des Siebenbürgischen Karpaton-Yereins, 1881—1889 (bespr, v. Th. Fischer) . 41
X. Geietbeck: Leitfaden der mathematischen und physikalischen Geographie für
Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten (bespr. v. S. Günther.) 41
G. Noä: Les formes du terrain (bespr. von V. Ililbcr.) 42
A. Flückiger: La Mortola, der Garten des Herrn Thomas Hanbury (bespr. v.
X7u Fischer.) 43
75G022
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IV
InhaltB'UeberHicht des IV. Jahrelanges.
Seite
K. Dove: Das Klima des anssertropischen Südafrika mit Berücksichtigung der geo>
graphischen und wirtschaftlichen Besiehungen nach klimatischen Provinzen dar*
gestellt (bespr. v. H. Reittr) 43
H. Hartl: Materialien zur Geschichte^ der astronomisch-trigouometriBchen Vermessung
der österreichisch-ungarischen Monarchie (bospr. v. E. Gdckh) 45
Das Russische Reich in Europa (bospr. v. K. 40
Tikhomirow: La Hussie politlque ct sociale (bespr. v. K. Waicker) 49
E. V. Hesse-Wartogg; Kanada und Ncu-Fundland (bespr. v. A. Kirehhoff) .... 49
L. Hugues: Guida per rinsegnamento della geograha nello scuole prim, e sec., Pte. 1.
(bespr. V. Th. Fkcher) 50
KARTEN:
Tafel 6. Geologisches Profil durch Seeland. Karte und Profil der Insel Tolen. Von
A. P. L. V. Langeraad.
Tafel 7. Kartenskizzen zum Aufsatz Ober den mittleren Isonzo. Von 0. Oumprecht
NR. Diese Kartenskizzen zum Aufsatz Über den mittleren Isonzo sind irrtümlich
als Tafel 5 bezeichnet worden; dieselben bilden Tafol 7.)
Tafel 8. Geologisches Profil zum Aufsatz Über den mittleren Isonzo. Von 0. Gump recht.
Tafel 9: Zeichnungen zu L. Nenmunns ,Orometrisch. Studien, im Anschluss au die Unter-
suchung des Kaisorstuhlgebirges*.
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Zur Frage der literalen Niveauveränderungen.
Von Abr. P. L. v. Langoraad.
(Hierau Tafel d.)
Beim A nlan" der cliristlicheii Aera wurde die Stelle der heutigen nieder-
ländischen Provinz Seeland von einer ausgedehnten aber seichten Bai, die hei
Pliuius den Namen Helium führt, eingenommen. Im nördlichen Teile jener
Bai mündeten zwei Anne des Rhenus und der Fluss Mosa, während die Scaldis
ihre Wasser dem südlichen Teile zuführte. Bei Ebbe kam fast die giinze Bai
bloss und zeigten sich zahlreiche Sand- und Kloibänko , welche letztere reich-
lich mit SoepHanzen bewachsen waren, gleichwie die höheren Schlaramlande,
in Seeland „Schorren“ genannt, die nur raelu- von Springfluten überschwemmt
wurden. Das üppige See- oder Haargras, Glyceria maritima, soll schon früh
die Bewohner des östlichen und südlichen Festlands angelockt haben , sich
auf jene amphibischen Gründe zu begeben , um da ihr V'ieh , meistens aus
Schafen bestehend, weiden zu la.ssen. Und einmal herubergekommem , sollen
sie sich (biuernd niedergelassen haben auf den fruchtbaren Anschwemmungen,
die Zusehens an Grösse wuchsen. Bei hohen Fluten, die zur Zeit der Syzygien
und mit W.- und NW.-Winden oft das Leben der Hirten und ihrer Hecrden
drohten, flüchteten sie sich mit Habe und Gut auf künstliche Hügel, „Terpen“
oder „Wierden“ genannt, die von Dünger, Seepllanzen, Sand und Klei auf-
gebaut waren *). So wurden die verschiedenen uubedeichten Inselchen der
Hcliumbai vom Stamme der Marsasii oder Marezaten, d. b, am Meere Gescsseno,
allmählioli bevölkert. Welch ein ärmliches Dasein die Marsasii in ihrer „in-
stabilis terra, ncc navigabilis aqua“ fristeten, geht klar hervor aus den
Schilderungen des Pliuius, der sie eine „misera gens“ nennt, wahrend Virgil
der seeländischen Bevölkerung als „extremi hominum“ Erwähnung thut!
Zu den am frühesten bewohnten Inseln gehört Walcheren, das schon im
Jahre 100 n. Ohr. die blühende Stadt Alt-Domburg besass, die seitdem vom
Meere verschlungen und durch den jetzigen Badeort Neu-Domburg rcmplaciort
worden ist. Eine andere gleichfalls sehr früh bewohnte Insel lag nördlich von
Walcheren. und machte das Gentium der römischen Herrschaft über das Land
der Marsasii aus. Die befestigte Hauptstadt Romanus portus, welcher Name
noch fortlebt in dem der heutigen Schcldcmüuduiig Roompot, war eine wichtige
Fähre nach Britannien, und gleichwie das ebenfalls verstärkte Romauum vallum
(das spätere Romerswaal aul der Insel SUd-Bevclaud) ein Stapelplatz für die
römischen Kaufleute ’). Beide Städte sind längst durch das Meer zeretört
worden.
Einen ausgezeichneten Schutz gegen die Wut der Fluten , denen die
übrigen Inseln fast gänzlich zum Spielball dienten, gewährten die Dunen, welche
die westliche Inselkette umkränzen. Es ist also ganz natürlich , dass hier
q Starings Behauptung, dass nur die Insel Walcheren Terpen besessen haben solle
(siehe sein Bodem van Nederland. I. T. 18.56. p. .'15*2). beruht auf Unkenntnis der Thatsachen.
Auch der daraus von ihm gefolgerte Schluss Qbor die späte Besiedelung der seeländischen
Inseln ist also fatsch.
’) Wir müssen annehmen, dass Itoinanum vallum auf einer Torp gegründet worden ist.
denn sonst wäre rlie frühe Ksistenz des Ortes geradezu rätselhaft. Komauus portus dagegen
lag wahrscheinlich, gleich wie Alt-Bomburg, am Fuss der Dünen.
22
-a- .
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26ß
Zar Frage der Utoralcn Niveauverilndprungen.
schon grossere Ortschaften blühten ^ als anderwärts die Bevölkerung noch eine
mehr nomadische war. Die immer drohende Gefahr der uugezähmteu Wasser
begann aber alsliald die Vernunft der Menschen zu schärfen und sie nacli ge-
eigneteren Verteidiguugsinittehi sich umsehen zu lassen. Die Terpen befriedigten
doch nicht länger das Bedürfnis, denn oft geschah es, dass sie dem Andrang
des Wassers nachgaben und mit den auf ihnen befindlichen Menschen und
Tieren eine Beute des unersättlichen Flutenriesen wurden. Aber noch öfter
kam cs vor, dass die Hirtenhuuilien mit iluen Herden ertranken, bevor sic
eine Terp hatten erreichen können. Die Not forderte also dringend Vorsehung
in diesem unhaltbaren Zustande ! Und wirkheh triumphierte der Mensch im
Ringkiunpf mit den wütenden Klcmenten, als am Ende des achten oder heim
Anfang des neunten «lahrhunderts, d. h. noch während des fränkischen Zeit-
alters *), die ersten Schorren mit Deichen umringt wurden. Die ältesten Deiche,
natürlich von mangelhafter Konstruktion und nicht höher als 2 oder m,
haben wahrscheinlich Tolen und Süd-Beveland aufzuweisen. Allmählich wurden
nun zahlreiche grössere und kleinere Anschwemmungen bedeicht und später
meistens aneinander verbunden. Daher kommt es, dass Seeland aus nicht
weniger als ca. 450 besonderen Bedcidiungen , die man Polder *) nennt,
zusammengesetzt ist. Die Insel Tolen allein zählt 57 solche Polder, wovon
der grösste 1635 ha und der kleinste 2'/, ha misst. Wie man sieht, war die
Schöpfung der Provinz ein ungeheures -Flickwerk !
Fast alle Polder bestehen aus den fruchtbarsten Kleiarten. Nur da und
dort wird der flache Klei von einem mehr w'ogonden Sandboden unterbrochen.
Alluvialsand kommt in der Mitte der Insel Schouwen-Duiveland und im west-
lichen Teile Süd-Bevelands an der Oberfläche vor, und ist auch das Material,
aus dem die Dünen aufgebaut worden sind. An den südlichen Grenzen von
Seeländisch-Flandern trifft man mitten in den kultivierten Feldern auf grosse
Bänke von diluvialem Sand, während im südöstlichen Teile jener Landschaft
ausserdem sporadisch plioeäne Gesteine (der Crag von Antwerpen) zu Tage
treten. Docli ist nur ein relativ kleiner Teil (nicht voll 7%) des Bodens der
Provinz sandig und steril : fast ausschliesslich besteht Seeland aus äusserst
funditbaren Marschen.
Wo wir soeben von flachem Klei sprachen, bezog sich dies nur auf
die Konfiguration der verschiedenen Polder im hesondem, nicht auf die Höhen-
lage des Bodens im allgeintineu, denn in der Timt ist ein sehr bedeutender
Niveauunterschied zwischen den Poldern untereinander zu bemerken. Zwar
liegen sie fast alle unter normaler Kluthöhe ®), aber während der eine Polder
bei Ueberströraung nur einige Centimeter vom Wasser bedeckt werden würde,
stände es über einem anderii, der gerade daneben liegt, vielleicht 2 oder 3 in
Loch ! Betrachten w'ir diese Differenz zusammen mit dem Alter der rc-
spektiven Bedeichungen , so bemerken wir die Wahrheit des Gesetzes : dass
ein Polder desto niedriger liegt, je früher er hcdcicht
worden ist, so dass die ältesten Pol (1er den tiefsten Stand
*) Das fränkische Zeitalter währte von 400 bis OÜO. (Vergl. .1. H. v. DaU*. Tijdtafel
van dt* geschiedenis der provinrio Zeeland. 18öti. p. 7.)
*) Im aUgemoinen bezi'ichnet man in Holland mit dom Namen l'oldcr ,ein Stflek
Land, dos zur Abwehr des ÄusscDwuwters und zur AbHchüessung des lÜnnenwossers von
Dämmen oder Deichen umringt ist.” (Vergl. A. A. Beeknmn, N<*dorland als Polderlund.
18ö4. p. 89.)
Die nonnale Hut erreicht in Seeland folgende Höhen — alle bezogen auf Amster-
damer Pegel (A. P.), welcher seit 1879 auch der Nullpunkt für die prcussischen Nivellement«
ist — : Wielingen 1,73 m. tVcstkappele 1,63 m, Vlissingen 1,74 m, Ternemum 1,94 m, Hans-
weert 2,08 ni, Hath 2,36 m, Veere 1,47 m, Zierikaeo 1,34 m, Wemeldinge 1,63 m, Tolen
1,82 m. Gorishoek 1,63 m, Hrouwersbaven 1,23 m, Hruinisse 1..36 m. Sint-Annuland 1,42 ni.
Die Nonnalebbe sinkt res|)ektiv bis zu 1,81, 1,61, 1,88, 1,99. 2,04, 2.03, 1,41, 1,31, 1,59,
1,66, 1,55, 1,17, 1,53 und 1,45 m. — A. P. (GrösstenteiU nach Beckman, 1. c. ]>p. 60 — 61
und 293.)
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- -- --aP
Zur Frage der litoralon NivcauvoHindcrungen.
2ß7
einuehmen. Abweicliuugen von diesem Gesetze werden nur beobaclitct bei
Poldern, die unter verschiedenen Umständen bedeicht wurden. Wird z. li.
eine reife Anschwemmung (d. h. eine solche, die nur mehr von den höchsten
Fluten überströmt wird) bedeicht, und einige Jahrzehnte später eine unreife,
so wird die erstere ziemlich viel höher liegen als die letztere , denn während
die reife Anschwemmung über normaler Fluthöhe lag, wurde die unreife noch
regelmässig zweimal in den 24 Stunden vom Seewasser überdeckt und mit
neuen Schlammschichtcn erhöht. In dergleichen Fällen , die übrigens sehr
selten sind, nehmen die ältesten Polder natürlich den höclisten SUuul ein.
Der grösste Niveauunterschied besteht selbstverständlich zwischen zwei neben-
einander liegenden Poldern , wovon der eine vor etlichen .lahrliuiidertcn , der
andere vor wenigen Jahren bedeicht wurde. So liegt:
der Johanna-Mariapolder (I8ß0) 0,80 ä 1,50 m -f~ A. P.
der südlich damn grenzende St-Annahindpolder (1475) durchschnitt-
lich 1 m -f A. P.
der noch südlicher liegende Pluimpotpolder (1550) 1,40 ra -j- A. P.
der hierauf nach S. folgende Poortvlietpolder (um 950) dagegen
1,11 m — A. P. und
der an diesen sich anschliessende Scherpenissepolder (um 850) in der
Mitte 1,22 Hl — A. P. *)
Die Höhcndillerenz erreicht also hier in den üussersten Fällen einen Wert
von 2,72 m I Und Differenzen von einem solchen Wert sind gar lucht selten.
Viel ist schon über die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung ge-
schrieben worden. Die bedeutendsten holländischen Geologen der Neuzeit,
wie Staring, Westerhoff, Acker Stratingh , Venema u. a. haben mehr oder
weniger glücklich versucht, in ausftUirlichcn Darstellungen eine Erklärung
zu geben. Staring schreibt die Höhendifferenz der verschiedenen Polder der
Zusammenpressung (holläiid. iukliiiking) der lockeren Klei-, Sand- und Torf-
schicliten zu ; Westerhotf und Acker Stratingh geben unbedingt das Steigen
des Meeresspiegels als Ursache an, während Veneum dieselbe in einer be-
ständigen Senkung des Landes sucht
In Betrt‘ff Starings Lösung der Frage kimucn wir kurz sein. Die
Wahrscheinlichkeit einer Zusaramenpressung der lockeren alluvialen Erd-
schichten im Laufe der Zeit darf nicht geleugnet werden. Diese Zusammen-
Pressung kann aber keinen bedeutenden Wert erreicht haben, sonst müss-
ten die ältesten Polder bestehen aus einer Klciart, spezifisch
schwerer als die der jüngeren Bedeichungen. Und gerade das
Gegenteil ist oft der Fall , denn es ist das spezifische Gewicht von Klei aus
4 dm Tiefe :
*) Die auKDorordontlicb hohe Lage dieMCfi doch ziemlich alten Polder» i»t mu* schein-
bar eine Anomalie. Je gröKKOr die Diderenz zwiarhen Kbhe und Flut , desto dicker und
hoher wird natürlich die AnHchwemmung. Der Pluimpotpolder nun war früher eine ilusserst
Hchmale WasBerriune {wie z. Ü. gegenwärtig die Ecudnichl), w'orin die Flut von N. und
S. ungemein hoch auf laufen konnte!
*) Wenn nicht ausdrücklich anders gesagt, liegen alle von uns genannten oder noch
zu nennenden Polder auf der Insel Tolen, sodass sie auf d<‘r beigegebenen Karte zu linden
sind. Die eingeklainmerteu i^ahlen bezeichnen stet.« d;is Jahr der Bedeichung.
•) Staring, 1. c. pp. 282— 28ü. — Westerhoff u. Acker Stratingh, Natuurlijko Historie
van Groningen. I. T. 1889. p. SO. — Venema, Over het dalen van de noordelijke kuststreken
van Nederland. 18o4.
Wie inan siebt, hal>en die zulctztgcnannten Autoren nur das IMiünoinen in FnesKand
und GrOningen speziell behandelt. Die seeluiidischen Verliültnisse sind aber den daselWt
herrschenden so analog, doas vielfach Westerhotf-Stratinghs oder Yenemas Argumentierung
fast wörtlich auf Seeland angewandt w'ird. Dic's geschah u. a. von G. A. v. Ge^tenbeek in
seiner Inauguraldissortution: Proeve eener geologische vcrhamloling over de provinoic
Zeeland gedurende het hedendaagsche tijdvak, 1875, wie auch von A. Beekman in seinem
Aufsatz: De zeekleilandeu van Nedcrland (Tiidschrift v. h. Ned. Aardr. Gen. 2e Serie,
II T. 1885.)
22 *
M.
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2G8
Zur Frage der litoralen Niveauverllnderungen.
im Sclierpenisäepolder (um 850) 1,74;
im Oudclandpolder von St.-Maarteiisdijk (um 1050) 1,80;
im Middellandpoldcr (um 1300) 1,87;
im Slabbecoornepolder (1494) 1,87 ;
im Stavenissopoldcr (1594) 1,80;
im Houworpolder (1812) 1,83 ').
Aus diesen Ziffern gebt deutlich hervmr, wie sehr Staring den Einfluss der
Zusammeupressung überschätzt bat.
Auch die von I)r. Seelbeim ausges])rocbene Behauptung, dass ein Nacb-
sinken infolge seitlicher Verschiebung, welche durch die fortdauernde Abnagung
und Unterminierung der Flussufer veranlasst werden sollte, eine beständige
und allgemeine Senkung des seoliindischcn Bodens verursachen wurde •), kommt
uns wenig wahrscheinlich vor, weil solche Verschiebungen doch nur seltene und
lokale Phänomene sind.
Nachdem wir so gesehen haben, dass weder eine Zusammenpressuiig
der oberen lockeren Erdschichten, noch ein Naehsiuken infolge seitlicher Ver-
schiebung derselben, die Höhendifferenz der verschiedenen Polder zu erklären
im Stande sind, stehen wir also vor der Frage, oh wir uns entweder der
Westerhoff-Stratinghschen oder der Venemaschen Hypothese anschliessen wollen,
zu welcher letzteren auch v. (jleijtenbeek*) und Beekmau *) sich bekannt haben.
Vor 13 Jahren konnte v. Geijtenbeek, Venema citierend, noch etwa das
F'olgende schreiben:
„Die Theorien Westerhoffs und Stratinghs sind von zu geringem Wert,
um denselben die richtige Lösung der schwierigen Frage zuzuerkenueu. Das
Steigen des Meeresspiegels muss ja auch eine Ursache h.aben, die man ent-
weder in einer fortwährenden Vermehrung des Wassers oder in einer Erhebung
des Seebodens suchen musste. Das erstere ist zu ungereimt, um länger dabei
zu verweilen. Das letztere, obgleich sicher wohl einigermassen statthabend,
ist doch zu unbedeutend , um das Meeresniveau merkbar steigen zu lassen,
und dadurch die Höhendifferenz der verschiedenen Polder zu erklären *).“
Aber seit v. G. dies schrieb, haben die Zeiten sich geändert, und damit
auch die Ansichten. Die Untersuchungen von Zöppritz, Suess, Penck u. a.
haben gelehrt, dass Leopold von Buch irrte , als er Celsius' und Linnes Be-
hauptung, dass das Meer sich von den baltischen Küsten zurückziehe,
für eine Absurdität erklärte : die von den grossen schwedischen Physikern ge-
hegte Ansicht einer veränderlichen Meeresoberfläche ist jetzt eine allgemein herr-
schende. Und damit ist auch das von Horm v. Geijtenbeek über die Westerhoff-
Stratinghsche Hypothese gelallte Urteil mindestens sehr fraglich geworden.
.Ja, vielleicht werden wir sehen, dass auch in Seeland die alte Anschauung
von einem veränderlichen Meeresniveau ihre fröhliche Wiedergeburt feiert.
Bevor wir uns aber der Entscheidung dieser Frage zuwenden , mag einiges
über den geologischen Bau und die Entstehungsweise des sceländischcn Bodens
in Erinnerung gebracht werden.
Wie wir schon früher erörtert haben, besteht derselbe an der Oberfläche
vorwiegend aus Klei , und zwar Seeklei. Zur Verständigung unserer Ter-
minologie sei hier bemerkt, dass wir eine Bodenart als Klei bezeichnen, wenn
dieselbe wenigstens für 10% aus kieselsaurem Thouerdebydrat — APO*;
2 Si O*; 2 H* O ■ — besteht. Ein reiner (Quarz-) Sandboden muss mindestens
einen Gehalt von 75 ° „ an Kieselerde — Si O* — besitzen. Der seeländischo
Klei hat einen Gehalt von kieselsaurem Thonerdchydrat, der zwischen 10 und
40 % variiert, im Mittel aber ungefähr 20 % beträgt. Dazu gesellen sich in
') V. Geijtenbeek, 1, c. p. 60.
*) Dr. F. Seelboüa, Do gronüboringen in Zeoland. 1879. pp. 25—26.
^ 1. c. p. 63.
*} 'riJÜHchrift V. h. Neü. Aordr. Gen. 2e Serie, II. T. 1885. p. 175.
*) 1. c. pp. 54 — 55.
Zur Frage der litoralen Nivoauvcrfindorungen.
269
der Hegel 5 ä 20 (im Mittel 10*/o) Calciumcarbonat — Ca CO* — und
2,5 il 5 % Ferrihydroxyd — Fe^ (OH)j — . Fast alles Ucbrige ist feiner
Ouarasand. Der tertiäre Klei oder Kiipellebm, den man bei einer Bolu-ung
zu Goes in 93,16 ra Tiefe erreicht bat (siebe das beigegebene geologische
Profil) , besteht aber meistens für 50 ä 90 % aus kieselsaurem Tbonerde-
bydrat *) !
Oewöhnlich ruht der Klei auf einer reinen Sandscbicht. Zuweilen aber,
nameiitlicb bei nicht allzu mächtigen Anschwemmungen, besteht kein kennt-
licher Unterschied zwischen den beiden Alluvionen, sodass man ein Gemisch
von Klei und Sand (d. h. wenigstens 5 “/o kieselsaurcs Thonerdeliydrat nebst
75 ä 85 % Kieselerde) an der Obertläche findet. Endlich kommt es auch
wohl vor, dass ein solches Gemisch auf einer reinen Sandscbicht ruht. Die
Erklärung dieser verschiedenen Vorkommnisse ist nicht schwierig. AVenn das
Seewiisser bei Flut seinen höchsten Stand erreicht hat, tritt cs in Stau
(bollünd. kentering), d. b. es steht einige Minuten ganz oder nahezu still, be-
vor es wiederum zu fallen anfiingt. AVäbrend dieses Stillstandes nun sinken
die im AVasser schwebenden Sand- und Kleiteilchen nach unten, bis sic
schliesslich auf den Boden kommen und sich da festsetzen. Aber die gröberen
Sandteilcben schweben natürlich tiefer als die feineren und als die Klei-
tcilcben, so dass die ersteren sich eher festsetzen als die letzteren. An einer
etwas tiefen Stelle wird sich nun beim Stau eine äusserst dünne Schiebt von
gröberem Sand niederlasseu, ohne mehr, da für die feineren Sand- und Klei-
teilcben keine Zeit ist, um ruhig zum Boden zu sinken. Die Schicht wird
aber fortwährend dicker, so dass endlich ein Zeitpunkt kommen muss, wo die
gröberen Sandkörnchen nicht mehr über der Banke schweben können : dann
beginnen der Klei und feiner Sand sich festzusetzen. Nie aber wird dieser
Zeitpunkt anbiechen für Stellen , wo eine starke Strömung geht , wie in den
Seegatten und Fahrstrassen, weshalb da nur (in der Kegel wandernde) Bänke
von grobem Sand gebildet werden. An seichten Stellen, wo das Wasser stets
in wühlender Bewegung ist. wird beim Stau ein Gemisch von wenig Klei- und
viel Sandteilcben sich niederlassen. Tiefe Stellen aber werden dann zunächst
von einer reinen Sandscbicht und später von einem Gemisch von Sand und Klei
bedeckt werden.
In normalen Fällen geht also eine Sandstclle allmählich in eine Klcibank
Uber. Die Marsch erhebt sich nun immer höher und höher, und bald ist die
Zeit gekommen, dass Pflanzen sich auf der fettigen Anschwemmung entwickeln
können. Ist sie bis zu halber Fluthöbe angewachsen, so zeigt sich im Früh-
jahr eine Vertreterin der Kryptogamen, nämlich eine Art der so merkwürdigen
Konferveu. Bei 0,2 m unter Flut beginnen sich Salicornia herbacea und Sali-
comia procumbens zu entwickeln und rapide fortzuwuebern. Nur wenig später
erscheint Statice elongata, oft begleitet von der mit schönen violetten oder
gelben Blümchen blühenden Aster tripolium. Die Marsch befindet sich nun
in einem schon weit vorgeschrittenen Entwicklungsstadium, bis sie endlich zur
Reife gelangt , wenn das See - oder Haargras , Glyceria maritima , üppig auf
derselben zu wachsen beginnt *),
Die Mächtigkeit der Kleidecke ist in den verschiedenen Poldern sehr
different. Dieselbe lässt sich aber , wie v. Goijtenbeek richtig hervorbebt *),
selbst mit der grüsstmöglichen Anstrengung nicht präcis bestimmen , da der
Uebergang von Klei in Sand nie scharf bezeichnet ist, sondern stets unnierk-
lich stattündet, und überdies an vielen Stellen zwischen dem Klei dünne
Schichten von Muschelkalk Vorkommen. In folgender Angabe findet man
*) Diese Ziffern «iml von un.>f mit grosser Genauigkeit aus den 46 Tabellen des
SeelheimsL-hen AVerkes berochnet worden.
*) V. Geijtenbcok, 1. c. pp. 41—46.
•) 1. c. p. 57.
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270
Zur Frage <lor litoralon Niveauveröndeningen.
denn auch die mittlere Dicke der Kleiscliiclit inclusive dem darunter und da-
zwischen lagernden Sand und Muschelkalk :
Oudelandpolder von St.-Maarteusdijk (um 1050) 1,75 m.
Middellandsp. (um 1300) 2,59 m.
Noordp. (1339) 2,79 m.
Uiterstnieuwlaiulp. (1443) 3,30 m.
St.-Annalandp. (1475) 3,12 m.
Poortvlictp. (um 950) 0,85 m.
Scherpenissep. (um 850) 0,74 m *).
Wie man sieht, gilt als Regel, dass die Kleischicht in den ältesten
Poldern am dünnsten, in den jüngeren am dicksten ist, was
sich freilich nach dem Gesagten über die verschiedene Höhenlage der Polder
im voraus erwarten liess.
Fast überall in Seeland ruhen die oberen Klei- und Sandschichten auf
Derrie , mit welchem Lokalnamen man unter der Oberfläche liegendes Torf-
moor bezeichnet. Nur da. wo früher eine mehr oder minder starke Strömung
im AVasser wai' und die Derricschicht also weggescheuert wurde, fohlt sie
jetzt. Dies ist der Fall in vielen neueren Bedeichungen’). Die Ober-
fläche der Derrieschicht liegt durch die ganze Provinz
nahezu in einer Horizontalebene, und immer unter Ebbe*),
bis auf einer Tiefe von 5 bis 6 m unter normaler Fluthöhe. AVo die Dcrrie-
sebicht eine stärker accidentierte Oberfläche zeigt, was namentlich auf der
1 nsel Schouwen - Duiveland , aber auch auf Tolen und Süd - Beveland oft der
Fall ist , können wir mit Sicherheit schUessen , dass sie hier früher von
Menschenhänden abgegraben worden ist *). Man unterscheidet in Seeland drei
Arten von Derrie : schwarze , braune und gelbe. Die erstere ist vorwiegend
von Phragmites communis, Populus alba, Salix caprea, Salix alba und Ainus
glutinosa gebildet worden ; die zweite von Cariceen , S. caprea und S. alba ;
die letztere von Sphagnum-Arten.
Unter der Derrie findet sich meistens eine graue Kleiart, welche analog
dem Klei an der Oberfläche wiederum auf Seesand gelagert ist uud den
Lokalnaraen Spier fithrt. Die Mächtigkeit dieser älteren Marschenbildung
variiert zwischen 1 und 15,5 m (dieser AV'ert wurde nur au einer einzigen
Stelle gefunden und gehört daher zu den grossen Abnormitäten, wie sie alle
Strata der Erdrinde aufzuweisen haben!), übersteigt aber im Mittel wahr-
scbeinlich nicht 2 ui. Der Gehalt des Spier au kieselsaurem Thonerdehydrat
ist ziemlich gering, nämlich durchschnittlich nur b",),, und höchstens 15%.
Dazu gesellen sich dann noch in der Regel 5 Calciumcarbonat und 80 i\
90 % Sand. v. Geytenboek erklärt den Spier identisch mit dem Klei der
Trockenlegungen (droogmakerijen) von Nord- und Süd-Holland und Utrecht*).
Die Definition, welche Staring vom Spier giebt'), ist also für Seeland nicht
gültig. Mit dem ihm zugehörigen Seesaude ruht der Spier auf Formationen
der Diluvialzeit. Gleich wie die Derrie wurde derselbe aber an vielen Stellen
vou der Strömung weggescheuert, wo dann die jüngsten Alluvionen unmittelbar
in Diluvialbildungcn übergehen.
Die Entstehungsgcscliichte des seeländischcn Alluviums zerfällt also
naturgcnülss in drei Perioden ’) ;
’) v. Geijtenbeek, 1. c. p. 07.
*) Verpl. A. HnllestGlle, Goschied-en waierativatkundige bcachrijviug van de water-
schuppen of poldertt van bet eiland Tolen. 187U. p. 870.
*) V. Geijtenbeek, 1. e. p. 2ß.
‘) Ibid. 1. c. pp. 27 — ibt, und A. Geluk, Beschrijving der stad Reinicrswuid. 1877. pp.
18-1'J.
*) 1. c. p. 20.
“) 1. e. p. 02.
A'ergL hierzu Staring, 1. c. pp. 342 — 355.
Diriili,
Zur Frogo der litonUen Niveauvemnderungen.
271
iu der ersten Periode wurden die Marschen gebildet , deren
Kleischicht wir unterm Namen Spier kennen gelernt haben , und
worauf
in der zweiten Periode ein reichlicher Pflanzcnwuchs sich ent-
wickelte, der zu einer ausgedehnten Torfformation Veranlassung gab,
welche aber
in der dritten, bis auf heute fortdauernden Periode von einer neuer-
lichen Marschenbildung überlagert wurde.
Es regt sich jetzt die Frage nach den Ursachen, welche die Abwechs-
lung dieser Perioden herbeirdhrten. Es leuchtet ein, dass jene Frage für das
von uns behandelt werdende Thema von höchstem Interesse ist.
Am Ende der Diluvialzeit bedeckte das Meer hier einen ziemlich un-
ebenen Sandboden, der an manchen Stellen von tiefen Rinnen durchfurcht war,
autlerwiirts aber sich mehr oder weniger hoch überm Wasser erhob. Das
letztere war namentlich der Fall nach W., wo sich auf ausgedehnten Banken
allmälJich eine Dünenreihe bildete, was endlich die Entstehung eines grössten-
teils abgeschlossenen Binnenmeeres zur Folge hatte. Das von Rhein , Maas
und Schelde herangeführte Flusswasser süsste dieses Binnenmeer nach und
nach iius, so dass Mollusken wie Trigonella plana und Cardium edule, welche
noch heute die seeländischcn Ströme bewohnen, darin leben konnten. Von
den allerdings schwachen Tiden beeinflusst, und der jetzigen Bildungsweise
gänzlich analog wm den nun eine Sand - und nachher eine Kleischicht dem
diluvialen Boden aufgelagert. Die Aussüssung des Haffs aber schritt immer
weiter vor, indem sich die Oefl'nungen zwischen den Dünen noch verengten,
wodurch zugleich die Tiden fast unmerklich wurden ‘). So wurde die Ent-
wicklung einer üppigen Brackwasserflora, namentlich aus Cyperaccen, Grami-
neen, Pappeln. Weiden und Erlen bestehend ermöglicht. Torfbildung in ex-
cessivem Grade war die weitere Konsequenz davon.
Durch welche Ereignisse fand mm aber diese zweite Periode aus der
Entstehungsgeschichte des secländischen Alluviums ihren Abschluss , also
wodurch wurde die erneute, bis in die Gegenwart fortdauernde Marschenbildung
eingeleitct!' Staring, der grosse Altmeister unserer Landeskunde, hat
hierauf keine Antwort gegeben, ja! seltsamerweise hat er sich sogar niemals
jene wichtige B'rage vorgelegt. Aber Sterne zweiter Grösse , wie Beekman,
V. Gcijtenbeek u. a. bähen nicht gezögert, sich der Thatsaohe, dass die Derrie
von mächtigen recenten Sand- und Klcischichtcn bedeckt worden ist, für ihre
Theorie einer säkularen Senkung zu bemächtigen. Und in der That, beim
ersten Anblick scheint das Argument schlagend zu sein. Samt der oben
näher besprochenen Höhendift'erenz der verschiedenen Polder ist es denn auch
eine Hauptstütze für die Seukungshypothese. Uns aber sagt diese Hypothese
nicht zu.
Pesehel , die Lehre von der Einheit der Schüpfungsmittclpunkto behan-
delnd, äussert sich über die pluralistische Theorie wie folgt :
„Vor allen Dingen hemmt sic den frischen Trieb zur Forschung,
indem sie sich gleichgültig verhält gegenüber den verborgenen Pfaden,
auf denen sich das Tierlehcn einst verbreitet hat. Bevor man zu einer
so bequemen Hypothese greift, sollte m.an erst mit allen Mitteln cs
versuchen, wie dies die Anhänger der Einheit der Schöpfungscentren
thun, jene Rätsel durch gründliche Studien über die Wanderungen
der Tiere zu lösen. In dem obigen Sinne ist die Annahme mehrerer
Schöpfungsherde eine schädlich wirkende Hypothese“ “).
') 1)068 die Dünenroihe nich gänzlich geschlossen hohen sollte, wie Staring so gerne
annehiiien intlchh* ( 3 . sein Notuurkunde en VolksvUjt van Nederland. 1870, p. 138), wird
von Seolhoini (1. c. pp. 33—24) hestritten.
*) Feschcl-Leipoldt, l’hys. Krdk. II. Bd. j^I88.t. p, 707.
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272
Zur Fiujfe rtor litoralon Nivcauvorälndorungen.
Es dünkt uns, das dieses (,'itat fast wörtlich auf die Senkungshypothese
(wenigstens für Seeland) anwendbar ist. Versuchen wir danun, etwas Besseres
an ihre Stelle zu setzen!
Es kann jetzt als feststehend betrachtet werden, dass noch in vergleichs-
weise junger 5Ceit, als schon Europa mit Jlenschen bevölkert war, die Nord-
see, durch einen schmalen Isthmus zwischen Dover und Calais geschlossen,
einen verhältnismässig ruhigen Meerhusen bildete, in den die ozeanische Flut
nur von N. her dm-ch das breite Thor zwischen Schottland und Norwegen
einzudringen vermochte *). Die Tiden müssen damals ziemlich unbedeutend
gewesen sein, wälirend die vorherrschenden Winde das atlantische Wasser noch
nicht wie jetzt der Nordsee zustauen konnten. Nehmen wir nun an,
dass der aus leicht angreifbarem Kreidegestein bestehende
Isthmus zwischen England und Frankreich erst am Ende
der zweiten Periode dem Andrang der Wogen unterlag, so
folgt daraus — im Gegensatz zu Starings Behauptung*) — der durch-
aus gerechtfertigte Schluss, dass das mittlere Niveau der
Nordsee während der Bildung des Alluviums gestiegen sei,
denn nur der Wegfall jenes Querdamms ermöglichte die
Entwicklung der jetzigen hohen Tiden und die Hereinlen-
kung eines Zweiges der Bennel-Strömung*). Gesteht man dies
zu, so haftet dem Umstande, dass die Derrio in Seeland von mächtigen recenten
Klei- und Sandschichten überlagert ist, nichts Rätselhaftes mehr an. Die
Reihenfolge der Vorgänge liegt nun klar vor uns:
Der SIceresspiegel eidiebt sieh. Allgewaltig dringen die hohen Flutwellen
durch die schmalen Oeffnungen zwischen den Dünen, erweitern dieselben und
spülen und scheuem die wenig oder gar nicht widerstandsfähige Denneschicht
nach und nach bis zum Ebbestaud ab. Die gegenwärtige Obeitläche der
Derrie repräsentiert also gewissermassen eine Abra.sionsfläche. Diese Auf-
fassung widerspricht durchaus nicht der oben von uns aufgestcllten Behauptung,
dass da, wo früher eine mehr oder minder starke Strömung im Wasser war,
die Derrie jetzt fehlt. Sind doch auch die Massivs, wie das niederrheinische,
das centralfranzösische, das südafrikanische und das brasilianische, durch die
hinaufrückendo Brandungswelle abradiert, aber erst nachher von den strö-
menden Wässeni in Tafeln und Gebirgsrücken zerlegt worden.
Auf der abradierten Derriefläche wurde nun unter örtlich günstigen Be-
dingungen die Marschenbildung wiederum eingeleitet. Da schuf also das Meer,
nachdem cs zuvor ausgedehnte Strecken Landes vernichtet hatte , über dem
Grabe desselben Neugebilde , welche an Grösse dem untergegangenen Terri-
torium nur wenig naclistandcn , an Fruchtbarkeit und Bewolmbarkeit dagegen
dasselbe weit übertrafen.
Schon einmal haben wir das Steigen des Meeresspiegels in der Ge-
schichte des aeeländischen Alluviums eine überaus wichtige Rolle spielen sehen:
jetzt, nun wir uns dem vielbesprochenen Niveauunterschied der ungleiclmltrigeu
Polder zuwenden, begegnen wir derscllwn Erscheinung zum andernmal. Wir sind
nämlich der Ansicht, dass jener Unterschied durch eine Erhebung des Meeres-
spiegels erklärt werden muss. Denn es ist unzweifelhaft, dass seit
zwei -Jahrtausenden die mittlere Fluthühe in Seeland be-
deutend gestiegen ist! Wie könnte es auch anders sein ? Indem zahllose
reife Anschw(>mmungen gebildet und später bedeicht wurden, änderte sich mit
der Zeit die alte Heliumhai in ein Netz von Meeresarmon um. Zugleich aber
’) Vergl. Wallacp. Die gcogmphiRche Verbreitung der Tiere. Autoriflierte deutsche
Aueg. V, A. B. Meyer. 1. Md. 187«. pp. »5— ‘236.
*) Modem van Nederbind. t. T. p. 278.
*) S. Näheres über diesen Zweig der Mennelströinung bei Staring, Natuurkunde en
Volksvlijt van Nederiaud. 1870. p. 72.
• . <r
Djai: - -
Zur Frage dor litonilcn Nivoauvcriindcrungcn.
273
ti*r'
erweiterten sich die Oeffnungen zwischen den Dünen beständig'). Also ge-
sellte sich zu einer fortwährenden Verbreiterung der aus
dor Nordsee hereintretendon Flutwelle eine stetige Ab-
nahme der Kapazität des alten Meerbusens, was notwendig
ein ununterbrochenes Steigen der Fluthöhe zur Folge haben
musste. Diese Tlmtsache ist unwiderleglich! Auch verhält Staring sich
derselben gegenüber gar nicht abhold ; doch will er sie nicht als einzige oder
als Hanptursache für die. niedrige Lage älterer Polder gelten lassen *).
Noch ein dritter Umstand mu.ss aber zu einer ununterbrochenen Steige-
rung der Fhithöhe mitgewirkt haben. Wie Köppritz gezeigt hat, verrückt
einerseits das von den Flüssen aus dem Innern des Landes in die See trans-
portierte Material den Schwerpunkt gegen die Küste hin, während es ander-
seits den Sockel des Festlandes vergrossert, und dadurch dessen Anziehungs-
kraft verstärkt. Die intensive Neuland bildung hat daher un-
zweifelhaft sowohl die Fluthöh 0 wie den Ebbestand allmählich
gesteigert. Eine solche Steigerung des Ebbestandes während der gegen-
wärtigen Periode geht am deutlichsten hervor aus der schon oben angeführten
Thatsache, dass die Oberfläche der Derricschicht jetzt überall
unter Ebbe liegt, während dieselbe einst doch natürlich nur bis zum da-
maligen Ebbestand abradiert wurde. Es liegt in der Mitte der Insel Tolen
die Oberfläche der Derrie durchschnittlich 0,50 m unter Normalebbe (bei
Gorishoek), um welchen Betrag also der Ebhestjind während der gegcnw'ärtigen
Periode daselbst gestiegen sein mag.
Um das Steigen der Fluthöhe seit einem .lahrtausend ziffernmässig vor-
zuführen , haben wir uns nur zu erinnern , dass z. B. der um das Jahr 850
bedeichte Scherpenissepolder 1,22 m — A. P. liegt, und dass die mittlere
Fluthöhe bei Gorishoek 1,63 m A. P. erreicht: es resultiert dann daraus,
dass die Fluthühe daselbst in einem Jahrtausend um nahezu 2,85 m gestiegen
sein muss. Eine solche Steigerung erklärt auch die von den Anhängern der
Scnkungshjpothese vielfach für ihre Theorie verwertete Frciiuenz von ver-
hängnisvollen Ueberstrümungen ganz gut. Die alten seeländischen Chroniken
wimmeln von dergleichen Katastrophen. So sind aus dem 11. .I.ahrhundert 3
(1003. 1014. 1100), aus dem 12. ebenfalls 3 (1170, 1178, 1181), aus dem 13.
2 (1277, 1288). aus dem 14. und 15. je 6 (1334, 1356, 1367, 1374, 1375,
1377, 1404, 1421, 14.37, 1464, 1468, 1477), aus dem 16. 9 (1509, 1511,
1530, 1532, 15.39, 1557, 1570, 1574, 1583), aus dem 17. wiederum 6 (1601.
1612, 1621, 1622, 1653. 1682), und aus dem 18. und 19. je 2 (1715, 1717,
1808, 1825) Ueberflutungen verzeichnet worden, die giosse Teile der Provinz
verwüsteten und Tausende von Menschen und Tieren töteten •)! Man sieht, wie
sehr Wassersnot früher ein chronisches Uebel dieser Gegenden war. .letzt hört
man nicht mehr davon. Wold kommt cs noch dann und wann vor, dass ein
Deich plötzlich einstürzt, so dass der Polder ganz o<ler doch grösstenteils über-
strörat wird *) , aber dies sind nur lokale Phänomene, welche durch die forU
dauernde Abnagung und Unterminierung der Flussufer veranlasst werden.
Dürfen wir nun aus dem Umstande, dass die Gegenwart von den alten fiirclitcr-
lichen Ueberströmungen verschont bleibt ‘), den Schluss ziehen, dass die Steige-
rung des Meeresspiegels nicht mehr bis auf heute fortdauert? Wir glauben,
diese Frage bejahen zu müssen ! Neubildung von Schwemmland 8ndet in See-
land nur äusserst wenig mehr statt: Bedeichungen gehören also gegenwärtig
') Seolheim. 1. c. p. 25.
•) S. Bodtm van Nederlanü. I. T. pp. 279 —280.
•) S. .1. H. V. Dale, T(jütafel van üe gosdiiedeni« der provincie Zeeland. 1866.
*) In den letzten .lahren gescliali dies namentlich aut der Insel Nord-Beveland (Vliete-
und Thorenpolder).
Zum Teil wird natürlich auch die bessere Konstruktion der Deiche die ür-
soche sein!
L .
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274
Zur Frago der litoralen Niveauverrmderungen.
zu (len Seltenheiten, während dieselben früher sozusagen an der Tagesordnung
waren *). In Einklang damit muss jetzt der Meeresspiegel
auf einer nahezu konstanten Hohe verharren.
Wir sind imstande, noch eine andere Thatsachc herbeiführen zu können,
welche diesen Schluss vollkommen rechtfertigt. Wie wir oben gesehen haben,
muss während der gegenwärtigen Periode auch eine Steigerung des Ebbestandes
stattgefunden haben. Eine solche Steigerung wird aber jetzt nicht mehr be-
obachtet, wie aus dem Folgenden hervorgeht :
In den Jahren 1881, 1882 und 1883 wurden die Entwässorungswerke der
Poldergenossenschaft (holländ. waterschap) Sint- Maartensdijk gründlich aus-
gebcssert, indem mau die Wassergänge verbreiterte und vertiefte, Schleusen
und Siele omeuortc und verlegte, u. s. w. Bei dieser Gelegenheit konnte man
den Boden der grossen Entwasseningsschlousc von genannter Poldergenosscn-
schaft um 0,3 m erniedrigen*). Es leuchtet ein, dass man diese
Massregel nicht hätte nehmen können, wenn von einer fort-
währenden Steigerung des Ebbestandes noch die Rede wäre*)!
Wir kommen zum Schlüsse. Es lässt sich nun das Resultat unserer Be-
trachtungen im folgenden Satz resümieren: während der Alluvialzeit
hat Seeland eine bedeutende positive Niveauveränderung
erlitten, die sich jedoch nicht in einer säkularen Senkung
des Landes, sondern in einem allmählichen Steigen des
Meeresspiegels manifestierte, und gegenwärtig kaum noch
fortdauert*).
*) Die Innel Tolon wurde durch Bedeichungen im 10. Jahrhundert mit 1635, im U.
mit 1545, im 13. mit 655, im 14. mit 915. ini 15. mit 2565, im 16. mit 1200, im 17. mit
146, im 18. mit 175 und im 19. mit 513 II. A. venprOMeri. ((rrönrtimteilx nach A. Holle-
«teile, 1. c. pp. 363—365.) Vom 10. bi« zum 14. Julirhundert «md diese Zirtem aber nur
approximativ. Auch wnirden dio verloren gegangimcn (Iründo nicht berfickrtichtigt.
*) Im Jahre 1886 konnte man den Moaen der Rntwft««crung«Hchl(nu(o de« Slabbecoomc-
polderH um 0.20 m tiefer leget»! — Noch mehrere derartige Bespiele w5rcn hier zu ver-
zeichnen. Wir glauben aber, fOglich dar.iuf verzichten zu kbnnen.
*) Wie die moixten «celilndiHchen Polder künnen auch diejenigen der St.-Miiartens'
dijkV'lion GcnosMenxchaft nur bei Kbbe ihr UberflOsHige« WaHxer auf natürlichem Wege
abgeben. (S. Näheres hierüber bei A. A. Beekman, Nederl^d als Polderland, 1x84. pp. 98—99
und 289—308.)
*) Drei von den Anhängorn der Scnkungshjpotlieso gern benutzten Argumente konnten
bisher nicht besprochen wertlen. Keines derselben ist aber von hohem Wert, und teils sind
sie aus der von uns angenommenen Erhebung des Mtieress]>iegel8 ungezwungen zu erklüren.
Diese Arg\imente sind folgende:
a) Man hat Ueberreste von Baumstummen gefunden, deren Wurzeln noch bofostigt
waren im Scesand, worauf dor Spier gelagert ist;
b) viele Terpen ruhen nicht auf dom Kloi, sondern in der Regel auf dem darunter
liegenden Scesand ;
c) der Strand am Fuss der Dünenreihe hat sich im Laufe d«>r Zeiten verschmälert,
aodass die Dunen durch d(is Meer abgi-s])üU worden sind. Wie Seelheim richtig bemerkt
(1. c. p. 24), ist aber sowolü dos Yorrücketi der Bnindungswello wie die Abspülung der
Dünen nicht nach Meilen, sondern vielmehr nach Metern zu beziHem!
Der mittlere l8on20 und sein Verhältnis zum Natisone.
Ein Beitrag zor Lösung der Frage nach dem Alter des Isonzosystems.
(Hinnsu Tafel S.)
Von Otto Guiuprccht.
Kinloituiitf.
Historische Entwickolunfr des Ge<lankons von einem Zusammenhänge des lsonr.0 und des
Natisone im oberen Gebiete.
Die Nachrichten aus dem AJtcrtume und dem beginnenden Mittelalter
über die Hydrographie und Topograpliie des heutigen isonzogebietes finden
sich zusammengestellt bei Cliivirr, Ilalia antiqua (1624), lib. I, S. 183 — 185,
S. 187 — 189, S. 203 — 204, und bei Matmert, (iitoqrapliir. der Griechen und
Hörner (1823), 111, S. 718 und IX, S. 78 — 79. Nur eine einzige der hydro-
graphischen Angaben bezieht sich auf den oberen Teil des Gebietes ; es ist
eine Stelle aus Jomandc.i , De rebun Golhieis (um 550) , wo vom Natiso , dem
Fluss von Aquileja, gesagt wird „fluens a monte Picis“ (Cluvier 1, S. 183
und S. 204). Auf Cluvier und Männert greift auch Desjardins zurück im
Texte zu seiner Ausgabe der Tafel von Peutinger ; die Peutingersche Tafel
selbst giebt nur den Frigidus — die jetzige Wippach, einen linken Nebenfluss
des Isonzo in seinem Unterlaufe — , den sie in einen bei Aquileja gelegenen
See treten lässt
Auch die Abwägungen FiUasi's, in dem 2. Bande seiner Memoric storiclw
ihi Vendi primi e sceondi, betreffs der Ursachen, die den Fluss von Aquileja,
die kleine Natissa, im Altertum bis zu jener Stadt schiffbar gemacht hätten,
lühren ihn nicht weiter, als zu der Annahme, dass die Wasserbaukunst der Römer
eine Verbindung der Aussa (lat. Alsa) mit den über Aquileja fliessenden
Natiso und Torrc (lat. Turris) bewerkstelligt habe, so dass die Zuwendung
der beiden letztgenannten Flüsse zu dem Isonzo erst später eingetreten sein
würde — also auch nur zu der Voraussetzung einer Veränderung in dem
Unterlaufe ; Isonzowasser m.acht er nicht verantwortlich , insbesondere eine
Verbindung des oberen Isonzo mit dem Natisone wird von ilim nicht herboi-
gezogen.
Der erste Geognost, der dem Isonzo und seinen Anschwemmungen seine
Aufmerksamkeit zuwandte, scheint Ilaequrt gewesen zu sein (Orydoijraphia
oamiciica, 1778 — 89, I, S. 10 — 12 und III. S. 47 — 49); doch ist er nicht an
die kritische Stelle bei Karfrcit gekommen. Baue (Aperpt nur la eonsHtution
(ji'ologiquc des prmdnces illyriennes, § 1, enthalten in Jlemoires de la soc. geol.
de France 1835) hat bei dem Bestreben, die geologische Zu.sammensetzung des
Gebirges aufzuklären , ein offenes Auge auch für die Flussterrassen und ihre
Verteilung ; er neigt mehr dazu, ihr Material Tür fluviatilen, als für lacustrinen
Ursprungs zu halten. Das Längsthal von Staroselo, von Karfreit am Isonzo
nach Westen ziehend, „qui debouchc dans ceUo du Tagliamento, et qui pout
bien avoir 6te le canal d’i'conlement d’un grand amas d’eau“ (S. 45) entgeht
ihm nicht. Aus den Jahren 1857 uud 1858 liegen geologische Arbeiten Uber
276
Der mittlere leonzo und sein Verhältnis zum Nalisonc.
(las Gebiet vor von Franz t». Hauer {Ein geologischer Durchschnitt der AI/kh
mn Duisau bis Duino. Sitz -ßer. der kais. Ak. der AViss. 1857) und von Stur
(Das Isonzothal ron Flitsch nhumis bis Göre, .Tahrb. d. k. k. Reo). Heiclisaiist.
IX, 1858). Sie weichen unter Anderm in der Auffassung der Schotter nach
dem Alter melirfacb von einander ab ; Stur verweist einige Vorkommnisse
derselben in das Tertiär zurück, teils wegen der Führung sogenannter hohler
Geschiebe (nur im obersten Gebiete), teils „weil sie nicht in der Form von
Terrassen, sondern als Hügelland aufzutreten itfiegen“ (S. 356). Hie geologische
SiKeiatkarte trägt der Anschauung von Stur Rechnung. Derselbe gedenkt auch
ausfiihrUcher des Tlials von Staroselo (S. 328 — 2i(). Es schien ihm unmöglich
zu bestimmen , in welcher Richtung das Thal sich neige. „Die eigentliche
Wasserscheide“, führt er fort, „bildet ein kaum einige Quadratklaftcr deckender
Haufe von Felsblöckcn, die vom M. Mutejor herabgestürzt sind, der das Wasser
des Gebietes von Staroselo dem Isonzo zuzuflicssen zwingt, und e.s ist nicht
zu zweifeln , dass es Zeiten gab , wo der obere Natisone in den Isonzo eiii-
mündete und umgekehrt, wo das Wasser des Gebietes von Staroselo in den
Natisone floss.“ Stur nimmt ferner (S. 356—57) in den Engen des Flusses,
in der Flitseber Klause zwischen dem Becken von Preth und demjenigen von
Fhtsch , bei Ternowo-Magost zwischen dem Becken von Zaga und demjenigen
von Karfreit-Tolmein, in den Engen von llodrea (bei Santa Lucia), ebenso in
der Schlucht der Tominska zwischen Oaderg und Tohnein, hypothetisch damm-
artige Aufschüttungen, „Verstopfungen infolge von Einstüraungen“ , an, deren
„plötzlicher Durchbruch“ ihm vor allem geeignet erscheint, die regellosen
Schutt- und Geröllanhiiufungen, die sich im unteren Teile dos Flitscher Kessels
längs des Isonzo vorfindeu, zu erklären; bei Zaga-Serpenica deutet er aus-
drücklich einen zeitweiligen See an ; eine Gliederung des Beckens Karfreit-
Tolmein durch die vorgeschobene Höhe von Sau Lorenzo findet sich nicht
angeführt. AVas der Geologe in vorsichtigster Form als Möglichkeit erörterte,
nahm ein Archäolog in Triest, v. Kandier (Disenrso sulla Giulia e, sulle slrmte
nnticlw che la attraoersano , Triest 1867.) als Thatsacho und verband es mit
historischen Betrachtungen zu folgender Theorie. Die Strasse A(iuileja-Lauriacum
ist über Cividale , Robic, Karfreit und den Predil gegangen ; da ein AA'^ecbsel
des von ihr benutzten Flussthals durch keine Nachricht überliefert und der
mons Pix, von dem der Natisone kommen soll, aus etymologischen Gründen
mit dem Gebirge bei Flitsch zu identifizieren ist. so ist der Natiso der Alten
vom Predil über Karfreit und Robic nach Cividale geflossen. Die Gegend
von Karfreit abwärts, ira jetzigen Isonzothal, war ein See, dessen Abfluss eben
auch im Norden erfolgte. Die Idria und ihre Nebenflüsse bildeten allein den
Oberlauf des Sontius, welcher übrigens, von Plinius unter den in das adriatisebe
Meer mündenden Flüssen nicht erwähnt, .auch seinerseits durch eine Barre,
bei dem jetzigen Gradisca, zu einem See aufgestaut war, der durch Spalten
des westlichen Karstes einen unterirdischen Abfluss fand , wie auch ein von
dem Frigidus -AVippach gespeister Sec sein AVasser in unterirdischen Kanälen
zunächst dem See v. Doberdö übergab und weiterhin dem Timavus zukonimen
liess. Das .Tahr 586 oder 587, aus welchem grössere Ueberschweminungen in
Friaul berichtet werden , würde es auch gewesen sein , welches den Felssturz
zwischen Robic und Staroselo g((.schehen liess und dadurch die Gewässer der
Strecke Predil-Karfreit-Tolmein zum Durchbrechen der .\bsperrung oberhalb
Santa Lucia befähigte, welches ebenso die westliche Barre des Frigidus-Sees
und endlich auch diejenige des Sontius-Secs in der Gegend von Gradisca hin-
wegfegte und so den heutigen Isonzo schuf, dessen Verlauf weiter unterhalb
noch mehrfach wechselte. So v. Kandier. Qirl v. Ceörnig hat dieser Hypo-
these das Gewicht seines Namens verliehen , indem er sie in sein AV'crk „Das
Uind Göre und Gratlisca“ (1873) aufnahm. Sie erfuhr beiläufigen AViderspnich
durch eine Notiz in dem Aufsatze Taramrlli's: Sagll mitichi ghiaedaj Mia
Drava, dclla Suva e dell’ Istmeu. (Atti della soc. it. di sc. nat. 1870), S. 237,
I
>
D:
Der mittlere leonzo und sein VerMltnü) zum NatUone.
277
der fiir unser Vorhaben, auch ohne diese Beziehung, eine selbstiindige Bedeu-
tung beaiisiirucht, wie auch die Monographie Bei ferreni tiu/rcnici cd /üliivionali
J(i Fi-iidi, die er in den AnnaU scientifici del K. Istituto tecnico di Udine
VIII. im Jahre 1875 verö6entlichte ; die Auflassung des Felssturzes von
Staroselo als einer Bndmoräne hat er indessen später ganz fallen lassen.
V. Czömig brachte inzwischen die Kandlerscbe Ansicht durch deren Vertre-
tung vor dem Geographischen Kongress zu Paris (vgl. Mitt. d. k. k. Geogr.
Ges. z. Wien 1876; l'cbcr die in der Grafschaft Görn seit liömcrreitcn vorge-
kommeiwn VeründcrmujcH der Flussläufe. Der Isomo ids der jüngste Fluss von
Fiiropa; mit Karten) und demjenigen zu Venedig (vgl. Atti della soc. geogr.
it. Vol. II. 1884: I. imilanictiti det sistema /htoüde avvimidi nella emitca di
Ourizia del tempo dei llommii in i>oi. L'Isonzv H fiimic piii rcccnte tF Europa ;
mit Karten) zu solchem Ansehen , dass sie auch in Supan’s Grundzüge der
jihgsikalischcn Erdkunde (1884) S. 370 mit den in verkleinertem Massstabe bei-
gegebenen Karten Aufnahme fand. Das Gebiet unserer Flüsse erfuhr erneute
Berücksichtigung nach der rein geologischen Seite durch Tarametli in seiner
(Icologia delle l’Toviyicie Yeneie (Atü della R. Acc. dei Lincei. Serie III. Ol.
di Sc. Fisiche ecc. Vol. XIII. 1881—2) und durch Diener in einem Beitrag
zur Geologie des Ceidralstocks der jtdischen Alpen (Jahrb. d. k. k. geol. Reichs-
anstalt 1884, S. 661).
Nach alledem musste es wünschenswert erscheinen, die Frage nach einem
cliemahgcn Zusammenhänge des Isonzo und des Natisone in ihrem Oberlaufe
noch eingehender, als dies bisher geschehen, zu prüfen. Wir wurden, indem
wir dies von der geologischen Seite her Vornahmen, in Perioden geführt, die
vor dem römischen Altertum weit zurückliegen.
Das Fclsgerüst.
Wesentlich für die Entscheidung der uns vorliegenden Frage ist die Ver-
teilung und Zusammensetzung der neueren geologischen Dcckgebilde. Diese
wiederum sind Kinder des FelsgerUstes. Auch die Thalrichtung ist von dem
Bau desselben bceiiillusst
Der Isonzo oder die Soöa (lat. Sontius) hat seine Hauptquelle in etwa
900 m Meeresbühe am Südablmnge der Wand, welche sich vom .Talouc
(2655 m), dem dritthöchsten Punkte der Julischen Alpen, nach der Moistroka
(2367 m) nordöstlich Iiiuüberstreckt, Die Quellbäche, welche er von der süd-
lichen Verlängerung des .lalouc und vom Triglau (2864 m) bezieht, entspringen
noch höher, ebenso die Korituica mit dem Prcdilbache, die ihm bei Flitsch
eine ebenbürtige W'asserroenge zuführt. Auf einem Wege von 17 Meilen,
reich an entschiedenen Wendungen (Zaga, Santa Lucia, Plava, Solcano und
wenig oberhalb der Torre-Mundung), gewinnt er den Golf von Triest etwas jen-
scit des Sihlrandes der Bucht von Monfalconc. Das Knie bei J!aga liegt
nicht weit abwärts von der Vercinigungsstelle seiner Quellwässer, bei Solcano
tritt er aus dem Gebirge: somit werden wir die Strecke Zaga -Solcano (331
bis 68 m) als seinen Mittellauf bezeichnen dürfen. Innerhalb derselben schliesst
sich bei Karfreit nach Westen das Thal von Staroselo an, diis jenseit Robic
den Natisone erreicht, der, am Montemaggioro (1617 m) in zwei (iuellbächen
entsprungen und bislang östlich gerichtet, nunmehr scharf nach Süden um-
biegt , um bald die Ebene zu betreten und , bei etwa 49 m Meereshöhe dem
Torre sich beigesellend, mit diesem dem Isonzo zuzuHiessen.
Der Ober- und der Mittellauf des Isonzo sind, auch wo das Thal Wei-
tungen hat, tief eingesenkt zwischen steile Abhänge. Von den höchsten Zinnen
der Julischeu Alpen bis Karfreit *) sind diese fast ausschliesslich aus dem
Hauptdolomit und dem Daehsteinkalk gebildet, weisseu, hier meist wohlge-
Geol. Spez.-K. Sektion Fütach.
27B
Der mittlere li^onzo und sein Verhältnis zum Natisonc.
schichteten Gesteinen. Ist auch hier und da die Jurabedeckung derselben
noch vorhanden , so weicht doch der Charakter *) des Gesteins der letzteren
wenig von dem der erstgenannten Formation ab; eino Ausnahme machen nur
rote Klippeukalkc des oberen Jura, welche auf der Höhe des Kammes vom
Stol nach dem Starski Vrh in einem schmalen Baude erhalten sindt dann —
aufwiirtsgehend — wieder im Uieca-Thal auftreten, in einem kleinen Beste
oberhalb Flitsch vom Isonzo geschnitten werden , südlich vom Orte So^a an-
stcheii und endlich sich, nach Taramelli und nach Diener, auch oben am
Mangart zeigen, der die Koritnica sjHiist. Es treten aber auf diesem Ab-
schnitte — vou den Quellen bis Karfreit — aucli gelegentlich schon Kreide-
schichten an den Fluss heran. Im Kessel von Flitsch sind die obersten der-
selben, die sog. Scaglia (Scaglia rossa *) der Italiener), nicht unbeträchtlich
entwickelt ; sie bestehen in einem dünnschichtigen Wechsel von sandigen und
thonigen Kalkhänken, von denen die ersteren dunkel (dunkelrot oder dunkel-
grün) gefiirbt zu sein pflegen, und gehen an diesem Fundorte nach oben mehr
und mehr in reinen Sandstein *) über. Diese obersten Kreideschichten fand
Taramelli mit den älteren auch im Quellgcbiet der Uceca; sie verhüllen ebenso
den AVestfuss des Krn, wenn sich auch dem Flusse naher der unmittelbar
darunter liegende Caprotinenkalk hervordrängt und schliesslich selbst das tiefste
Kreideglied dieser Gegend, der Woltschachcr Kalk, an die Oberfläche tritt,
der letztere auch auf dem Gegenufer. Dieser Woltschachcr Kalk ist im all-
gemeinen ein dünnschichtiger grauer Kalkstein , enthält aber auch ganz grobe
Konglomerate von pflastersteingrossen, stumpfkantigen, grauen Kalkstücken, die
durch roten oder seltener schwarzen Hornstein verkittet sind ; der Caprotincu-
kalk zeigt häufig Mergelschiefer in seinem Verbände und weiter nach oben
Konglomeratbänke, welche aus lückenlos verbundenen, erst bei der Verwitte-
mng deutlicher hervortretenden Kalktrümmern und einem gleichartigen Binde-
mittel bestehen. Von Karfreit abwärts *) gewinnt die Kreide die Alleinherr-
schaft über die Abhänge des Thals. Nur die Idria mit der Baca greift zurück
in ältere Formationen, ebenso eine wenig der Fluss von Toliuein. Solcano be-
zeichnet den Beginn von alttertiiircn Gesteinen , bezeichnet aber zugleich das
Ende des in Gebirge eingeschlossenen Thalabschnitles.
Lässt die im ganzen gut ausgeprägte Reihenfolge von den älteren zu den
jüngeren Gebirgsgliedern in der Richtung unserer Flüsse, insbesondere der des
Isonzo, im allgemeinen ein Einfällen der Schichten nach Süden oder Südwesten
erwarten , so trifft dies doch namentlich in dem oberen Teile des Gebietes
nicht durchgängig zu. Auf der südlichen Abdachung der julischen Alpen
herrscht vielmehr über weite Bergflächen hin eine Neigung der Schichten nach
Nordost *). Gehören diese daun ausschliesslich dem Dachstciukalk und Resten
der gleichförmig aufgelagerten Juradecke an, so befinden sich die letzteren in
den verschiedensten Höhenlagen : es ist ein Gebiet zahlreicher Brüclic mit
vertikaler Verscliiebung *). Einem solchen Bruche, der grossen Störungslinie
Barcis • Gemona - Caporetto ’) , gehört auch die Thalweitung des Natisonc von
Sedlo bis Robic. sowie die unmittelbare Fortsetzung derselben, das Thal von
Staroselo an. Hier fallen der Monte Mia und der Matajur am Beginne des
Natisone-Durchbruchs mit ihren Dachstoinkalken zuletzt steil nach Norden ein
TaramoUi: Geol. delle prov. ven. S. 416. — Diener: Beitrag z. Oeol. d. C.*St. der
Jul. Alp. S. m ff.
■) Taramelli: (»eol. dolle prov. ven. S. 431 ff.
’) Stur: Das Isonzothal u. s. w. S. 344.
*) Geol. Spey..-K. Sektion Tolmein.
‘‘) Stur: Das Isonzothal u. s. w. S. 332 ff., 366. — Taramelli: Geol. dcllo prov. ven.
Kap. XIX.
•) Taramelli: Geol. dolle prov. ven. Tafel II. — Diener; Beitr. Geol. d. C.-St. der
Jul. Alp. S. 703 ff.
') Stur: Da» Isonzotlial u. a. w. S. 332 ff. — Taramelli; GeoL delle prov. ven. S. 339. —
Vgl. auch SQsb: Das Antlitz der Krdu 1, 344.
Der mittlere Iflonzo und sein Verhältnis zum Natisonc.
279
unter vielgefaltcte Schichten des Kieidcgcbirges ; erst gegen den Kamm des
Stol hin treten die Dachsteinkalke wieder auf, aber mit sanfter Senkung nach
Xorclost und mit dem oben bozeichncten Bande roten Klippenkalkes auf dem
Kücken , während die oberen Teile des Monte Mia und des MaU<jur , unter
l.'eberepringung der jurassischen Reihe, Kreidesohicliten und selbst alttertiäre
Gesteine tragen , die dann nach Süden weithin an der Oberfläche vorwalten,
ln gleicher Weise ist nach Stur d.as Daclisteingebirge südlich von der Baca-
Linie (Baca-Thal und dessen östliche Verlängerung) abgesunken. Die Ver-
werfung, die beide Brüche verbindet, verläuft aber ausserhalb des Isonzothals,
östlich davon ; das Isonzotluil von Karfreit und Ladra abwärts bis Solcano
ist vielmehr ausnahmslos, auch wo der Fluss sich neuerdings in den festen
Fels noch weiter eingosägt hat, aus Kreideschichten gebildet. Erscheinen sie
zunächst noch mehrfach auf- und abgebogen, so nehmen sie unterhalb Santa
Lucia mehr und mehr eine ausgesprochene Südwestneigung mit beiderseits
korrespondierenden Lagen an, wovon man sich an zahlreichen Stellen der un-
mittelbaren Flusseinfassung leicht überzeugt ; das Thal trägt also hier einen
rein erosiven Chariikter. Auf Erosion zurückzuführen ist auch das Querthal
des Natisone, das hei Robic mit rechtwinkliger Ablenkung des Flusses ein-
setzt. Bis zur italienischen Grenze (oberhalb Stupizza) steigen die beiderseits
gleichartigen Schichten ein wenig au und liegen beim Uebertritt nach Italien
ganz horizontal, um dann, sauft nach Süd-SUdost naigend, ein flaches Gewölbe
zu bilden.
PuMtcucäiie liildnngen *).
Da das Natisone - Thal in seinem oberen Teile — Quellen bis Robic —
zwar im ganzen dieselbe geologische Zusammensetzung zeigt, wie das des
Isonzo (bis Karfreit), aber die roten Klippenkalke, vom Kamme Stol -Starski
Vrh nach Nordosten fallend, den Natisonc-Zufliissen unmöglich anders als nur
ganz gelegentlich Trümmer zusenden können und dabei an anderen Punkten
des Natisone -Gebietes überhaupt gar nicht auftreten, so schien es eine Zeit
lang, als könnte der Mangel, beziehentlich das Vorhandensein zahlreicher roter
Gorölle in den neueren N.atisone - Schottern bei Robic und weiter hinab ein
Zeugnis gegen oder für die behauptete Stromrichtung Karfreit-Robic, wenigstens
in einer der Gegenwart naheliegenden Periode, abgeben. Es stellte sich je-
doch bei Durchmusterung des auBgedchuten Gerüllfeldes bei Creda oberhalb
des Natisone-Diirchbruchs Robic- Pulfero alsbald heraus, dass schon hier die
Schotter nicht nur sehr zahlreiche Trümmer der scaglia rossa enthalten , die
nicht immer bequem von den Geröllen des roten Klippenkalkes unterschieden
werden können, sondern auch nicht wenige unzweifelhafte Stücke des letzteren
selbst (sie stammen allerdings nicht von den Höhen des Stol; es sind wieder-
freigewordene Geschiebe aus einer der Glacialzeit zuzuweisenden Bildung *),
die von Breginj bis I’otocki den oberen Natisone begleitet). Dafür zeigten
sich an eben jener Stelle des Natisone - Ufers häutig schön abgerollte Stücke
eines Konglomerates, dessen Bestandteile von Hirsekorukleinheit bis zu Bohnen-
kerngröase wechselten und verschieden gefärbten Quarz und Kalk durstellten,
den erstercu vorwiegend. Es sind auch dies befreite Einschlüsse jener oben
erwähnten Bildung; von Haus aus gehören sie einem Horizonte des Eoeän an
(Taraiuclh, Geologie von Venezien, S. 461 — anstehen sah ich dieses Gestein
wenig ausserhalb unseres Gebietes östlich vom Austritt des Torre aus dem
Gebirge). Leider fanden sich später solche auch in den neueren Isouzo-
Schottern vor und unterlnJb der Ußeca-Mündung, also schon beim ersten Knie
des Isonzo, so dass der Gedanke, aus der Verteilung dieser Geröllo einen Zu-
*) Dilzu No. 1. 2. :i. und 4. der Karteu'TafuL
*) Vgl. S. 281 Z. 30 u. 31. Vormutungawewü auch bei TaramolU: SugU antichi gbiac-
ciaj u. 8. w. S. 237.
280
Der mittlere Isonzo und ecin Verhältnis rum Nntisouc.
sammeuliang der beiden Flüsse unter Benutzung des Thaies Karfreit-Robiü,
aber in entgegengesetzter Richtung, etwa ableiten zu wollen, aulgegeben werden
musste.
Unter solchen Umständen wurde cs notwendig, die gesamten Gebilde,
welche seit der letzten bedeutenden und allgemeinen Störung des Alpengebicts,
seit der Zeit des Eoeäu, im Bereiche der beiden Thiiler zur Ablagerung ge-
kommen sein könnten , in ihrem Altersvcrhältnis und in ihrer Verteilung zur
Ausführung unseres Vorwurfs heranzuziehen, insbesondere soweit solche längs
der Isonzostrecke Zaga - Santa Lucia und in dem alpinen Teile des Natisone-
thales sich finden. In Bezug auf diese beiden Oertlichkeiten folge ich wesent-
lich den Beobachtungen, die ich selbst mit dem Streben nach Vollständigkeit
daselbst augestellt habe ; doch sind mir auch der Kessel von Flitsch und die
Gegend bis Görz und Sagrado abwärts nach jenen Beziehungen nicht fremd.
Ueberall findet sich der Isonzo, von Flitsch bis Görz, nicht blo.ss von
einem Inundationsrande begleitet, der von 4 bis 2 m Höhe (über dem .Tuliniveau
des Flusses) sich sanft zum Wasserspiegel hinabsenkt, sondern auch von steil
abfallenden höheren Terrassen, an den engsten Stellen von einer einzigen, die
dann zu unterst in der Regel felsig ist (Sela-Santa Lucia; unmittelbar ober-
halb Karfreit; unterhalb Ternowo), sonst von mehreren übereinander, in der
Regel von 3 (bei Ladra die 1. = 4 m, die 2. = 1. 9 m, die 3. = 1. -1-
2. -j- 18 m; Kamno gegenüber die 1. = 4 m , die 2. = 1. -j- 2 m, die
3. = 1. 2. -)- 15 m), von denen die beiden unteren manchmal ineinander
verlliessen. An den Mündungen der Seitenthäler bemerkt man noch Terrassen
in beträchtlich höherer Lage: die Schuttmassen, auf denen fioncina steht, be-
decken die überiläche einer Terrasse, die gegen den Fluss bei 50 bis 60 in
relativer Höhe entblö.sst ist und auch hinter dem Orte durch den Buch, welcher
den Hügel von Ronöina von den Kalkschichten der Wallfahrtshühe von St.
Paul trennt, augcschuitten wird. Die Strasse benutzt, wo sie sich im Thale
hält , in der Regel die zweite Terrasse ; selten sinkt sie auf die erste herab.
Mit Ausnahme der untersten, welche von recenten Anschwemmungen mindestens
überkleidet ist, bestehen diese Terrassen aus alten, nicht ganz lückenlos ver-
bundenen Schottern, deren Festigkeit selbst die Folgen der Unterwaschung
lange Zeit aufzuhalten vermag und sie überall zum Häuserbau bestimmt hat ;
durch ihre unvollkommene Parallelstruktur mit im ganzen horizontaler Schichten-
lage, sowie durch Führung von roten Gerüllen, auch wo der darüberstehende
Abhang weder Klippenkalk, noch Scaglia zeigt, erweisen sie sich als Fluss-
schotter. Namentlich auf der Strecke Karfreit-Tolmein-Woltschach werden sie
fast überall von der Geolugischeii Karte vernachlässigt, sind wenigstens nicht
durch die für das Diluvium gewählte Farbe gekennzeichnet, sondern farblos
gelassen, gelegentlich auch (z. B. unterhalb Idersko) zu Gunsten des Kreide-
kalkes uusgesclüeden — Hauer (Ein geol. Durchschnitt u. s. w.) gab sie auf
dem rechten Ufer allerdings an — ■, während überall da, wo Diluvium aufge-
führt ist, es sich mit diesem alten Flussschotter deckt (bloss bei Serpenica
nicht). Er hat sich ausnahmslos anstehend gefunden, wo die topographische
Karte eine Terrassenkante abseits vom Ufer verzeichnet. Dass dieses Kon-
glomerat nicht der gegenwärtigen Periode , der Periode der postglacialcu
Erosion *) (in den inneralpinen Gebieten) , angehört , versteht sich von selbst ;
wie schon das Zeugnis seiner festen Verkittung für ein gewisses Alter spricht,
so weist es (in den inneralpinen Gebieten) seine mehrfiiche Terrassierung, vor
deren Eintritt es eben schon vorhanden sein musste, hinter jene Periode
zurück. Thatsachen , welche die Annahme verschiedener Perioden für die
Ablagerung des Materials dieser Konglomeratterrasscn nötig machten, sind
mir nicht entgegengetreten. Das isolierte Vorkommnis von Svina könnte bei
seiner Höhenlage (100 m über dem Isonzospiegel bei Karfreit) älter sein, als
’) Epoca dti terruzzi (Stoppuni: Uono di GeoL II, cap. XXX).
Digitizer
/ Co<
Der mitlloro LtOQKO und nein Verhältnis zum Natisone.
281
die übrigen, ist aber aueh seinerseits horizontal gescbichtet. Lässt sich das
relative Alter dieses konglomerierten Flussschotters nicht näher bestimmen?
Versteinerungen darin zu suchen, würde müssig sein. Aber er tritt mehrfach
in Berührung mit Glacialgebilden, und diese liegen ihm dann auf oder an ') ;
niemals ist er seinerseits an dieselben angesetzt.
Seit der Xachweisung sehr urotanglicher Moränen nicht nur in Piemont
und in der Lombardei , sondern auch in V^enezien (Etachgletscher , Piave-
gletschcr, Tagliameutogletscher) durfte man auch für dos Thal des Isonzo eine
frühere Vergletscherung vermuten ; reicht es doch hinauf his an die Abhänge
des Triglau, der noch jetzt, nach dem Urata-Thal, einen Gletscher entseudet.
Die Frage war nur die, ob noch Spuren dieser Vergletscherung aufzufinden
seien, und wie weit nach ihnen miiidesteu.s die Vergletscherung thalabwärts
vorgeschritten gewesen sei. Taramelli hat auf solche aufmerksam gemacht,
zuerst in einem Aufsatze der Atti della societä italiana di scienze naturali
vom Januar 1871 ; insbesondere wird von ihm bei Lubinj eine wohlerhaltene
Moräne (morena conservatissima S. 227) erwähnt, und in seiner Geologie von
Venezien (S. 524) giebt er von derselben ausdrücklich an , dass sie ihm ge-
kritzto G<‘schicbe dargeboten habe. Gekritzte Geschiebe fand ich nicht nur
da , sondern sowohl weiter tlialauf -, als thalabwärts am Isonzo , auch am
Xatisone und in dem Verbindungsthal. Im engem Isonzogobiet ist die erste
Kuppe über dem Dorfe Sela an der Usnik - Mündung von einem Moränenrest
bedeckt , der ungemein reich an solchen ist und , teilweise abgograbeu , eine
wohlgcrundctc FelsflUche hervortreten lässt, trotzdem dass die Schichten hier
ziemlich vertikal stehen. Es finden sich ferner gekritzte Geschiebe in den
Schutthügeln, die von dem Knie des Oamenca -Thals westlich an Woltschach
vorüber zum Nordende des Hachen Kessels von Ciginj führen und von dem
Camenca-Bach selbst noch geschnitten werden ; es lassen sich solche aiitreffen
bei Vrsno, in den westlichen Nischen <les Hügels von Libusinj, bei Drezenca,
zwischen den ZuHüssen iles Sjak oberhalb Svina, in einem kleinen Äloränen-
rest am Abhänge zwischen Staroselo und Creda, iu den grossen SchutthUgeln
des Natisonc-Thalcs bei Sedlo, St. Helena und südöstlich davon an dem stei-
leren Gegenufer. Die umfänglicheren Vorkommnisse dieser ungeschichteten
Schuttmassen , die Geschiebe bis zu 1 cbm IJurchraesscr in einem mehligen,
weisslich - gelben Zwischcnmittel aufwehson und heim Zurücktreten desselben
nicht seilen verbacken .sind — eine Erscheinung, die wenigstens im südlichen
Moränengebiet, z. B. bei Desenzano und Lonato in den Endmoränen des Etsch-
gletschers, nichts Ungewöhnliches ist — , werden von der Geologischen Karte
nicht übersehen, sind aber auf Grund ihrer Höhenlage und ihrer klcinhUgeligen
OberHäche als Neogen*) eingetragen, seltener, .als neueren Ursprungs ver-
dächtig, farblos gelassen. Auch das angebliche Neogen von Zaga hat durch-
aus Moränencharakter, soweit nicht die davon bedeckten Flussschotter mit iu
dasselbe einbezogen sind ; ebenso das Gebiet der mittleren Uceca und die
Massen, welche dem runden Felsen (540 m) zwischen Serpenica und Ternowo
westlich und östlich anliegen ; desgleichen die Hügel bei Zabice unweit Tol-
meiu und die unmittelbare Umgebung der Tominska-MUndung — wiewohl an
diesen Lokalitäten gekritzte Gcschieho bislang noch nicht gefunden wurden.
Taramelli nimmt auch die ganze, vom Isonzo seihst ilurchschnittene Ablage-
rung zwischen Scr]>enica und Ternowo für ein Glacialgebilde : in der That ist
>) Vgl. S. 282 nnten.
•) Dio gloichartiffen V'orkommnisse im oborun I)rau*Thjüo sind von Taramelli, die*
j»*nigcn im oberen Save*B«vJrk nicht mir von ihm, Hondera vorhtir von v. Morlot luid nach-
her von Diener olx Moränen gedeutet, bezw. nach>;owie8en worden.
In der goolojfixchon UeborsichUiknrto zu Taramelli’s Geologie von Yonezien nind von
dem angeblichen Noogen gerade dio JStnsekon CAuu’nca«Thul-Sola und Santa Lucia'Sela als
Bolchod boibehiilten. Im Texte wenlcn sie nicht crwäluit.
Neuerding» hat Stäche auch im KcascI von Flitsch früher für neo^n gehaltene
Massen ak glacial erkannt (Verh. der k. k. Geol. Huichsannitalt 1S88, 2. Heft).
23
282
Der mittlere Isouzo und .-«ein VcrhältniH zum Natii^one.
CS ein schichtungsloscs Gemenge von ubgerundeteu Trümmeru verschiedenster
GrösKo und auch dem Material nach keineswegs bloss dem Gesteine des östlich
anstehenden Steilhanges des Pirhov Vrh (Dachsteiukalk) verwandt; auch die
klcinhügelige Oberfläche fehlt nicht. Der Punkt (361 m) ist Fels und hat
diese Jlasscn vor der seitlichen Erosion des Flusses einigermassen geschützt;
oberhalb bis Zaga befindet sich der Thalgrund nur wenig über dem Niveau
des Isonzo. ^A-Uch die zum Teil verbackenen Gebirgstrümmer oberhalb der
Engen von Karfreit galten sdion Taramelli für Hinterlassenschaften der Glaciah
zeit. Eine Flussbildung sind sie nicht, und die Felsterrasse zwischen Magost
und dem Isonzo, der sie teilweise aiifgelagert sind, steht mit dem höheren
Abhange zu fern vom Fluss erst in Verbindung, als dass sie blosses Sturz-
material darstelleu könnten ; wir befinden uns vielmehr vor dem Kessel von
Drezenca, in dessen oberen Schuttmasseu ich eben gekritzte Geschiebe vorfand.
Die Gegenseite hat hier mehrere Terrassen abgestumpfter Blöcke, die bereits
Boue auffielen, und die mau unter den auseinandergesetzten Umständen als
ein ausgL'laugtes Glacialgebilde ansprechen darf (in die Karte von mir nicht
aufgenommen). Andere, zweifellose Ablagerungen aus dieser Periode stellen
der Gcschiebelolim zwischen Kozarsile und Usnik im Kessel von Ciginj (bei
AV oltschach) und bei Eatomin oborlialb Tolmeiu dar, die beide dnreh Ziegeleien
gut aufgeschlossen sind; kleinere Vorkommnisse dieser Art finden sich hei
SanUi Lucia und hinter Idersko — eine besondere Fruchtbarkeit zeichnet sie
alle aus. Nach alledem noch auf sekundäre Merkmale einer früheren Ver-
gletscherung hinzuweisen , erscheint fast überfiüssig ; doch drängen sie sich
geradezu auf und sind auch zum Teil schon von Taramelli bezeichnet worden.
Die Abrundung der Felsen bei Ternowo, über den Eugen von Karfreit (Sant
Antonio und gegenüber), bei Suzid und Robiö, auf der Linie Vrsno-Seli^ce
(hier nicht ohne gelegentliche Lehm- und Geschiebedeckung), zwischen
Tolmein und Zatomin fällt bei der sonstigen Steilheit der Gehänge doppelt
auf; von der Kuppe über Sela war schon die Rede, und Abschleifungen mit
gleichmiissiger Durchschneidung aller zusammensetzendeu Gesteinsbrocken be-
gegnen auch an dem dichten Konglomerate des Caprotinenkalkes, das am Süd-
abhange des Kirchberges von Santa Lucia unter dem Lehm mehrfach entblösst
ist , und ebenso wieder , wo dasselbe an der Felsecke vor Avöe , gegenüber
Roncina, zu Tage tritt. Die Vergletscherung hat also, wie es schon die
Moräne über Sela beweist, über Tolmein-Luhinj, wo sie Taramelli endigen lässt,
himiusgercicht. Die gleiche geographische Breite mit dem Ende des Taglia-
mento - Gletschers geht dadurch zwar verloren; aber warum sollen in einem
enggeschlossenen Thale, bei relativer Nähe der Gletscherwurzeln nicht andere
Verhältnisse Platz greifen, als wo ein aus weiter zurückliegenden Teilen der
Alpen entsprungener Gletscher die Ebene betritt und dort sich ausbreitet?
Die Thatsache dieser ehemaligen Vergletscherung ist für unsern Zweck
an sich von Wichtigkeit. Einige Hinterlassenschaften dieser Zeit können aber
auch der Altersbestimmung jenes fiuviatilen Konglomerates, dessen Verbreitung
oben geschildert wurde , dienstbar gemacht werden. Der Blocklehm hinter
Idersko *) ruht noch zum Teil auf einer Schotterterrasse, die au ilirem vorderen
Ende steil zum Dorfe abfällt; die Moräne bei Woltschach *) ebenso noch teil-
weise auf der breiten Fache, die nicht bloss in dem Absturz hei der Kirche
Sauet Daniel, sondern auch in allen Anschnitten der Bäche sich jüs aus kon-
glonierierten Flussschotter bestehend erweist; in gleiche Beziehung tritt der
Gcschiebelclmi von TTsiiik zu den alten, verfestigten Schotterterrassen, die den
gleichnamigen Bach in seinem Unterlaufe begleiten, um dann mit den Isonzo-
terrassen zu verfiiessen. Nicht anders ist es an der Tomiuska - Mündung, bei
*) Dcilfiutig erwähnt, finden »ich hier aach Krdpyramidon, die, vor der Felsternwue
stehend, nich noch malerischer daretellen, als jene bei Ho 2 en oder diejenigen bei Schlot» 1’irol.
•) Vgl. Nr. S der Knrtentafel.
*) Vgl. da« Profil am SchlusH de*
Der mittlere Isonzo und aein Vcrhftltni« zum Natisone. 283
Zatomin unweit Tolmcin und bei Zaga. Jenes fiuviatile Konglomerat ist also
nicht nur präglacial , sondern auch bereits vor der Heimsuchung des Thals
durch einen Gletscher, der bei Sela unterhalb Santa Lucia noch in 200 m
Höhe über dem gegenwärtigen Flussniveau eine Moräne hinterliess, soweit ver-
festigt gewesen, dass cs bei aller Enge des TliaJes immerhin reichlich erlialten
blieb (und ohne die Erosion der Flüsse noch reichlicher erhalten sein würde).
Es ist die sogenannte diluviale NagelHuh ; dieselbe diluviale Nagelfluh, die alle
besser untersuchten Thäler der Ostalpen mehr oder weniger uuskleidet, die
auch den bayrischen Voralpcn nicht fehlt. Es ist derselbe ceppo (horizontaler
Lage) *). der in allen Thälern Veneziens und dann wieder Piemonts reichlich
erhalten ist, der auch in einem breiten Saume der vorliegenden Ebene vm Tage
ansteht ®).
In ihrem Alter unbestimmt und vielleicht mit Recht dem Ncogen zuge-
wiesen, bleibt die Breccie südlich vom Fels (540 m) über Ternowo; sie ist
durchaus lokaler Natur und sicher präglacial. Von gleich hohem Alter können
auch die ungemein festen Breccien am linken Abliange des Camenca - Thaies,
über Dolje und bei Caderg an der oberen Tominska sein.
Postglacialc Gebilde tinden sich in ziemlicher Mannigfaltigkeit ; Gehänge-
sebutt in grosser Ausdehnung und Mächtigkeit, vermöge der Höhe und Steil-
heit der Thalwändc (mehr oder weniger kantige Kalkprisraen bis zur Grösse
von 1 ebdm — im Gebiet der oberen Kreideschichton ein lehmig - mergeliges
Rnd})rodukt von hellbrauner Farbe ergebend) ; neuere Schotter den Fluss ent-
lang; feinere Flusssande, wo die Gewässer bei den Ueberschwemmungen sich
aiisbreiten können und d;is Gefälle stark verzögert ist (oberhalb Serpenica,
zwischen Ladra und San Lorenzo, von Selisce bis Dolje); ein Felssturz öst-
lich von Robic.
Karfreit- Santa Lada.
Welche Ansicht über den früheren Lauf der Flüsse schliesst die Ver-
teilung der besprochenen Ablagerungen aus? Auf welche führt sie hin?
Für die Strecke Karfreit-Santa Lucia des Isonzo ergiebt sich aus dem
Bisherigen zunächst, dass sie sicli durch eine deutliche Erhaltung von Resten
’) ln <Üeser Boziohung haben sich die Ansichte« Taraim'Ui« denen der österreichischen,
schweizer und deutschen Geologen mehr und mehr genähert. Kennt er in den frQheron
Schriften gar keine alluvione präglaciale, die nicht pHoeän wäre, ganz wie sein Altmeister
Stoppani, so ist dieselbo in seiner Geologie von Vtmesien vorwiegend als altquartär hinge-
stellt. Kr hat in der venezianischen Ebene geneigte Schotter von sonst gleicher BeschafTon-
heit unter den horizontal gelagerten angetrotißn, von denen nunmehr allein die ersteren ihm
als plioeän gelten.
Auch Fnvnz v. Hauer giebt von den jüngeren Tertiärschichten Veneziens an, dass sic
geneigt seien (Ein geol. Durchschnitt d. A. S. ii4H).
*) Ueber die Lobewelt der Zeit, in die seine IJildung fallt, kann man sich nach Knti-
Die^'cr folgende Meinung bilden. In seiner Arbeit über ,,Pliocen und Kisperiode auf beiden
Seiten der Alpen* entwickelt er zunächst, nachdem er schon aus der Stratigraphie dos Val
Gandino in Verbindung mit dem alten Verschlüsse desselben gegen das \'al Seriana eine
Erschütterung der Ansicht hcrgeleitet hat, als ob die Scbieferkohlo und die Seekreide von
Leü'e intorglocial seien, den spättertiären Charakter der Fauna dieses Beckens. In den
oberen Horizonten werden sodann bereits Anklänge an die typische Fauna des Val di Chiana
in Toskana uufgewieson, die ihrerseits allerdings noch einen entschiedeneren ^Vechsel der
Lebewelt erkennen lässt und selbst die ältesten menschlichen Schädel Italiens geliefert hat.
Sic darf bereits als quartär angeMiirocbcn werden ; ihre Ablagerung tällt mit der .\blenkung
des Amo noch Norden und Wewlen zusammen. Auf den obengenannten geneigten Schichten
von Leffe liegt aber noch ein Konglomerat in horizontaler Schichtung, der crespuno. den
wir demnach mit unserem ceppo gleichzeitig zu setzen halH?n. Die Bildung beider fällt in
eine Zeit, wo also die Gewässer Toskanas erst im Begritf waron, ihren heutigen Verlauf
anzunehmeu, und wo im ligurischen Appennin der Höhlenbär und die Höhlenhyäne eine ge-
wöhnliche Krsefaeiming waren; in eine Zeit, noch welcher noch der afrikanischo Elefant und
ein Gepard bis in die römischen Niederungen vordnuigeii und die afrikmiischcn Hyänen die
Füanxenfresscr Siziliens beängstigten — also in eine Zeit, die, mit dem römischen Altertum
verglichen, in unangebbarer Forno zurückliogt,
23 •
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284
I)or mitüero laoiizo und sein Verhältnis zum Natisono.
altquartärer Schotter, die sich unschwer in zusammenhängende Terrassen ver-
binden lassen, als ein natürliches Bindeglied zwischen den oberen Lauf, mit
im allgemeinen geringerer Entwickelung dieser Terrassen und den Abschnitt
Santa Imcia - Ronüina-Solcano mit selir guter Ausprägung derselben eiureiht ;
insbesondere setzen jene Schotter in den Engen von Santa Lucia nicht aus,
sind im Gegenteil infolge der jetzigen Einzwängung des Flusses in ein Fels-
bett der ITnterwaschung weniger ausgesetzt gewesen und deshalb ziemlich zu-
sammenhängend erhalten. Es hat also hier mindestens gleich nach Absclduss
der Tertiärzeit ein Fluss denselben Weg genommen , den der Isonzo jetzt
nimmt, nur in etwas höherer Lage. Auch das BaCa-That hat jene alten, ver-
festigten Flussschotter, und das felsige Ufer der unteren Idria trägt sie
wiederum auf seinem Bücken : dieses ganze System von Flüssen ist dem Ge-
samtverlaufe nach mindestens altquartär (wahrscheinlich aber weit älter).
In der Glacialzeit ') stellte ferner ein in seinen Spuren bis über Sela
hinab verfolgbarer Gletscher den Zusammenhang der oberen Strecken mit der
Strecke von Santa Lucia und der Idria- Mündung abwärts dar. Erst nach
einem Zurückweichen desselben bis über den Eingang in das Thal von Staro-
selo hinauf (bei Karfreit) könnte an ein Aufgeben der Engen von Santa Lucia
durch seine Schiuelzwässer gedacht werden, und eine Endmoräne in dieser
Gegend würde unter allen Umständen der einreissenden Thätigkeit der Idria
noch ausgesetzt gewesen sein. Tbatsächlich ist das, was an der Mündung de.s
Baches von Lubinj in den Isonzo (oberhalb der Engen von Santa Lucia) an
glacialcm Materiale liegt, nicht bloss eingeschnitten vom Isonzo, sondern auch
noch von Flusssaud in der Mächtigkeit von 2 m überdeckt (darüber noch 2 m
Gehängesebutt) ; der Fluss läuft jetzt bereits 12 m unter dem Bande dieser
gesamten Terrasse.
Welche Kräfte sollen aber in einer späteren Periode ein solches Hindernis
neu geschallen haben, das in der Römerzeit nur der Idria in die Engen ein-
zutreten gestattet hätte und zugleich gering genug gewesen wäre, um, wie
Kandier will, in einer plötzlichen Kata.strophe durch die Isonzo -Wässer liin-
weggestossen zu werden? Einen Felssturz in dieser weniger hohen und weniger
steilen Region (wo nur der unter der Nagelfluh gelegene Teil des Bettes selbst
vermöge seiner Einnagung in den Fels jäh abstürzt) dafür verantwortlich zu
machen, wäre bei dem Mangel aber Andeutungen eines solchen eitel Ver-
mutung. Und dass der Fluss selbst sich hier durch seine Sedimente ein
Hindernis geschaffen habe, ist, unmittelbar nach Durebschreitung einer Thal-
öffnung mit träger Strömung und beim Uebergang zu einem lebhafteren Gefälle,
vollends gar nicht annehmbar und würde auch unter anderen Verhältnissen
nur in Erwägung gezogen werden können, wenn die Niveauverhältnisse eine
Ablenkung des Flusses von dieser Gegend sehr leicht bewerkstelligen liessen.
Aber auch dies trifft nicht zu. Diese würden vielmehr einen See ver-
langen, der zu einer ganz beträchtlichen Hübe angespannt gewesen sein müsste,
sollte er seinen AusHuss durch das Thal von Staroselo genommen haben.
Schon Karfreit, etwa 3.5 m über dem dortigen Isonzo-Spiegel, hat eine Meeres-
höhe von 235 m , und der niedrigste Punkt der W assersebeide gegen den
Natisouo, bei Robic, liegt bei 250 m. Das macht einen Wasserstand nötig.
b Küie näliere Untersuchung der losen Duss-Scholier, die unterhalh Santa Lucia in
grösserer Mitrhtigkoit anziitnrlfen sind (vgl. die Ucberdeckung der diluvialen Nagelfluh in
dein ProHl Nr. 4 der Kartentafel), würde vielleicht auch ein Aequivalent der .unteren
fllacialschotter* dos Innthales auftinden lassen. Innerhalb des in dieser Arbeit vorzugsweise
besprochenen Thatabschuittes scheinen sie, durch die Erosion des vorrUckenden Gletschern,
beseitigt zu sein.
Die lUluviale Nagelfluh ihrerseite wird von Penefc als der Glacialschotter einer noch
früheren Vergletscherung angesprochen. Für den Tagliaiuento und für den Isonzo deuten nach
TarameUt (Dei terreni moreuici S. 7. Geologie von Venezieu ,S. 509. 524) einige Blöcke von
Kelsitpoqdiyr auf den Hügeln von BiiUrio und an dem Karst von Monftilcone auf eine frühere
Vergletscherung hin, die mit weit grösserer Intensität, als die .späbire aufgetreten sein würde.
Der mittlere Isonzo und sein VerhJlltnis zum Natisono.
285
wie ilin in der Gegend von Tolmein und Santa Lucia der Isonzo seit der
grossen Vergletscherung nicht wieder gehabt hat. Da hätte auch noch der
Weg Woltschach-Sela einer besonderen Verlegung bedurft, und die Gewässer
der Idria hätten gar keine Möglichkeit gehabt, sich einem solchen See zu ent-
ziehen. Auf die Periode des römischen Altertums aber angewandt , bedeutet
jener Wasserstand eine Ueberflutung des Gräberfeldes auf dem linken Ufer
der Idria bei Santa Lucia, das nach Marchesetti in der Zeit zwischen dem 6.
und 3. Jahrhundert vor Ohristi Geburt, nach den bereits in grosser Zahl aus-
gegrabenen Gerätschaften und Schmucksachen ') zu schliessen, in Gebrauch ge-
wesen ist, und zwar eine Ueberflutung desselben um mehr als 50 ni ; die
Isonzo -Brücke bei Santa Lucia hat 161 m Meereshöhe nach Semrad (das
Mittelwasser des Isonzo selbst 128 m nach denselben), die obere Kirche
206 m, das Gräberfeld liegt niedriger als diese.
Mit diesen Bedenklichkeiten stimmt zusammen der Mangel an lacustren
Ablagerungen in dem winkelreichen Kessel von Tolmein. Dieser könnte es
vielleicht auch gewesen sein, der v. Czörnig dahin beeinflusst hat, die To-
niinska schon mit zu seinem ursi^rünglichen Gebiet des Isonzo zu ziehen und
eine „Barre“ bei San Lorenzo und Knmno anzunehraen, die nur einen Sec
von da bis hinauf nach Karfreit zur Folge gehabt hätte. Diese Form nimmt
die von ihm vertretene Theorie sicher auf den Karten an , welche er den
kürzeren Auseinandersetzungen in Paris und Venedig beigegeben hat ; der
Text des ausführlicheren M'erkes („Das Land Gürz und Gradisca“ 1873)
schwankt in dieser Beziehung (vgl. S. 112 mit S. 119). Eine da .aufgeschUttete
Barre von der bezeichneten Höhe würde bei dem grösseren Querschnitt des
Thaies ungleich bedeutendere Massen erfordert haben, als bei den Engen von
Santa Lucia ; um so auffälliger müsste die spurlose Beseitigung derselben in
der Kürze von anderthalb Jahrtausend, wie auch der Mangel von Seesedimenteu
oberhalb derselben erscheinen. Aber es tinden sich eben keine Spuren einer
solchen ; selbst San Lorenzo steht auf festem Fels, der bereits in präglacialor
Zeit angeschnitten wurde. Es lässt sich also für die ganze Strecke Karfrcit-
Santa Lucia die Annahme eines Sees in den geologisch verfolgharcn Zeiträumen
der Thalbildung aus den vorliegenden Befunden heraus nicht rechtfertigen ;
gänzlich auszuschlicssen ist dieselbe für die Periode des Altertums, insbesondere
wenn man eine Ausdehnung desselben bis Santa Lucia ohne einen Ausfluss da-
selbst im Auge hat. (Schluss folgt.)
*) Vgl. auch Marchesetti, ha Nccropoli di S. Lucia (Estralto dal ttollcttino
della Soc. adriat. di «c. nat. in Tricste, Vol. IX, No. 2, 18H6).
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Erosionsbasis und Meeresverschiebungen.
VOD
Dr. Vinceoz Ililber, Privablozent iß Graz.
(Schluss.)
Nach die.sen Bemerkungen über die Kontincntalwelle gelangen wir zur
Gliederung der Attraktionserscheinungen.
1. Niveauändorungen des Festen. Alle vier unter a) angeführten Arten
von Niveauiinderuiigen müssen, wie bekannt, ausser ihrer unmittelbar gegebenen
Wirkung noch eine zweite, nämlich die ürtlichc Aenderung in der Riclitung
und Stärke der Gravitation haben. Dabei sind zwei Umstände zu beachten,
erstens die Gravitationsünderung durch blosse Niveauänderung der festen
Massen, zweitens etwaig damit verbundener Massenzuwachs oder Massenverlust.
In den meisten Schriften, welche sich mit dem Gegenstände befassen, wird die
stillschweigende den Antoron selbstverständlich scheinende Voraussetzung ge-
macht, dass kontinentale Hebungen und Gebirgsbildung mit demjenigen Zu-
wachs an Masse verbunden seien, welcher der sichtbaren Volumsvermehrung
der über das Meeresniveau aufragenden Erdrindenteile entspricht. Es hat sich
indes in dem Abschnitt „die Kontincntalwelle“ bei Besprechung der Kompen-
sationstheorie gezeigt, dass diese Voraussetzung nicht für jeden einzelnen Fall
als sicher begründet gelten darf, indem diejenigen Fälle, in welchen das Lot
vom Gebirge abgclcnkt wird *), gegen dieselbe sprechen. Bei den sich an
diese Thatsachc knüpfenden Folgerungen ist der Einfluss der gesteigerten
Denudation , welcher in höheres Niveau gelangende Massen ausgesetzt sind,
nicht au.sser Acht zu lassen. Bei Hebungen und Senkungen des Festen muss
eine gleichsinnige Mitbowegung des Meeresspiegels erfolgen und zwar bei ent-
sprechender quantitativer Massenänderung in stirkerem Grade, als ohne eine
solche.
Hebungen und Senkungen des Meeresgrundes, namentlich sofern sie mit
wirklichen Masscuändeningcu im (Juerschnitt verbunden sind , haben dieselben
Wirkungen, wie sie im Nachfolgenden unter 4. angegeben werden sollen.
2. Eisanhäufung und -entfernung. Penck •) sieht durch kritische Ver-
knüpfung der Ausführungen von Adhemar, Groll und Wallace die Ursache der
quartiren Mceresspiegclschwankungcn in der durch Eisanhäufung bewirkten
Anziehung des Meerwassers. Da sonderbarer Weise in den meisten Beferaten
der betreffenden Arbeit selbst die Umrisse der Penckschen Anschauungen
ungenügend oder unrichtig wiedergegeben sind, dürfte hier eine Angabe der-
selben am Platze sein :
Die diluviale Eisanhäufung hatte eine doppelte Wirkung : erstens die
Hebung des Jleeresspicgels durch die Attraktion des Eises , zweitens die
Senkung des Meeresspiegels infolge der Wassorentziehung durch Eisbildung.
*) Eine wichtige Ergänzung dieser, sowie aller totablenkungsmessungen wären an
denselben Stellen vorgenommene Messungen der Schwere-Intensität.
’) IVnck. Schwjmknngen des Meeresspiegels, .labrbnch der Geographischen Gesell-
EchaÜ zu München, VII. 1882.
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EroHion^basi« und Mcero8Vßr»chiobungon.
287
War die nördliche Halbkugel allein verglotscliort, so überwog erstere Wirkung.
War aber die südliche Halbkugel gleichzeitig vergletschert, so war die Er-
niedrigung des llecresspiegels durch Wasserverlust grösser, als dessen Steigen
durch die Attraktion des Eises. Das Meer musste sinken. Die Zeit der
grössten Vergletscherung des Nordens weist den niedrigsten Stand des Meeres
auf. Daraus folgt, dass damals beide Polo vereist waren. Erst der letzte
Rückgang der nordischen Vereisung entspricht dem höchsten Meeresstande.
Dies rührt von dem Freiwerden der um den Südpol gebundenen Wassermenge
im Verein mit der dadurch bedingten Nordwärtsverschiobung des Erdsehwor-
punktes her. Grolls wechselnde Vergletscherungen der nördlichen und der
südlichen Halbkugel werden mit der Ergänzung Wallaces zugelassen, welcher
zeigt, dass die luterglacialzeiton nicht zur Beseitigung der während der
Qlacialzeiten geschehenen Eisanhäufung ansreichten. Ungleiche Höhen gleich-
zeitiger Strandlinien erklären sich durch verschieden starke Eisanhäufung.
(So wird die höhere Lago der obersten Strandmarken im südlichen Skandi-
navien gegenüber dem nördlichen durch die der Eisanhäufung günstigere Land-
konfiguration erklärt.)
3. Vulkanische Bildungen. Trotzdem ihr Material im allgemeinen als
aus dem Gebiete des nämlichen Erdradius stammend angenommen werden
muss, ist ihnen doch wegen der Hinaufrückung in höheres Niveau eine Hebung
des angrenzenden Meeresspiegels zuzuschreihen, aber keineswegs in dem Masse,
als es bei wirklichem Massenzuwachs der Fall sein müsste.
4. Sedimentierung und Erosion auf der Küste. Die Aufschüttungen im
Unterlauf der Flüsse haben eine Vermehrung der Küstenmasse, folglich auch
der Massenanziehung und eine Hebung des Meeresspiegels zur Folge, Erosion das
Gegenteil, beide unter der Voraussetzung, d.ass das Material aus grösserer
Entfernung stamme, beziehungsweise in eine solche geführt werde.
5. Sedimentierung und Erosion auf dem Meeresgründe. Anhäufung von
Sedimenten auf dem Meeresgründe hebt den Meeresspiegel, so dass derselbe in
der Mitte der Anhäufung am meisten gehoben wird, Erosion drückt ihn hinab.
(Hierbei ist die Wirkung der abgesetzten Stoße vor, der entfernten nach ihrer
Umlagerung ausser Acht gelassen, beziehungsweise die gleiche Voraussetzung
gemacht, wie in 4.) Die Beachtung der Gravitationswirkung des Meeresbodens
führte Dahlander ') auf den Gedanken , dass die Unebenheiten des Grundes
sich in verringertem Masse auf der Oberfläche des Meeres „abspiegelten“ oder,
richtiger gesagt, nachzeichneten.
Zöppritz ’) hat die Wirkung der Sedimentierung auf das Meeresniveau
nicht nur der Art, sondern auch dom Grade nach untersucht. Die für unsere
Fragen wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchungen sind in folgenden Sätzen
enthalten.
„Niederschläge fester Schichten . . . bewirken auch abgesehen von der
rein geometrischen Verdrängung gleicher Wasservolumina, dass der Seespiegel
sich hebt und die Gestadeländer des Beckens allmählich überflutet.“ Die
flachen Meere an den Nordküsten von Asia-Europa werden durch die einmün-
denden Ströme ausgefüllt. Eine Ausfüllung in der Breite von 5 Graden und
der Dicke von 260 m hat eine Spiegelcrhöhung um 29,4 m zur Folge.
„ Ein den ganzen Boden des Polarbeckens bedeckendes Sediment von nur lim
Dicke bewirkt ein Steigen der See um 1 m. Die Annahme einer Ablagerung
von 550 m Dicke , die an sich nichts Unwahrscheinliches hat , würde eine
Spiegelschwankung um 50 m hervorbringen , wodurch beträchtliche Strecken
der flachen Küstenländer unter Wasser gesetzt würden.“ „Allgemein lässt
') Dahlander, üeber den Kinfluas, den die Unebenheiten der Erdoherttache und des
Meeresbodens auf die Veründenmg des Niveaus des Meeres nusüben. .Annalen der Uhjsik
und Chemie brsg. v. I'oggendortf. C^VII. Leipzig 18(32. S. 148—161.
•) Zöppritz. Uebor Schwiuikungeu des Meeresspiegels infolge von geologischen A^or-
rindeningen. Annalen der Physik und Chemie. Neue Folge. XI. 1880. 8. 1016 -1086.
288
Krosionflbaeiß und Mecresvorschiobungen.
sich das Resultat aussprechen, dass durch Versetzung Ton Massen aus dem
Innern der Kontinente nach den Rändern das Potential an diesen wachst,
also der Meeresspiegel steigt, und zwar um so bedeutender, je weiter im In-
nern der Ursprung der Sedimente liegt.“ ,.Verschiedene Kontinentalküsten
verhalten sich bezüglich der Sedimentablagerung längs dem Strande ausser-
ordentlich verschieden . . . Demnach werden auch verschiedene Küstenstrecken
in verschiedenem Grade von den besprochenen Spiegelsclnvankungen betrofi'en.“
Zöppritz kommt mit Rücksicht auf die gefundenen Zahlen zu dem Ergebnis,
diiss die Ursachen der grossen Arealveränderungen zwischen Meer und Fest-
land anderswo zu suchen seien *).
II. Wi^sermengc.
1. Eindringen des Wassers ins Erdinnere und Austritt aus demselben.
Hier ist der alten Lehre zu gedenken, dass das irdische Wasser sowohl durch
chemische Bindung , als auch durch Tieferrücken der Geoisothermen infolge
der Erkaltung des Planeten immer mehr ins Erdfeste vordringt. Wenn auch
geltend gemacht wurde, dass nach den geologischen Erfahrungen die Abnahme
des obcAUchlichen Wassers nur einen geringen Betrag gehabt haben könne,
was mir jedoch nicht erweisbar scheint, ist doch dieser Vorgang wegen des Vor-
handenseins der Ursachen als thatsächlich anzunebmen und auch von vorne
herein im Hinblick auf die Mondoherflächc wahrscheinlich. Ihm steht eine
Gegenwirkung gegenüber in den Wassermassen , welche aus den Produkten
der Vulcane frei werden.
2. Aenderung der auf dem Festlande und in der Luft kreisenden Wasser-
menge. Eine gewisse Wassermeuge ist stets durch den Kreislauf gebunden.
Soviel Wasserteile in das Meer zurückkehren, so viele rücken heim Gleich-
bleiben der Faktoren des Prozesses in den Anfang der Bewegung wieder ein.
Die Faktoren, welche die Menge des im Kreislauf befindlichen Wassers beein-
flussen , sind die ja auch der Aenderung fähige Luftmeuge und die Luft-
temperatur, welche die Menge des aufnehmharen Wasserdunstes l>estimmen,
der Flächenraum des Festlandes, mit dessen Wachsen das mögliche Maximum
der Kreislaufmenge sUügt, der Grad der Entwässerung des Festlandes, von
welchem das Vorliandensein stehender Wässer abhäiigt, die vertikale Gliede-
rung des Festlandes, welche sich selbst widersprechende Einflüsse besitzt,
ferner die Durchlässigkeit des Bodens, deren höhere Grade grössere Wasser-
mengen zurückhalten, die Vegetation und das tierische Leben, welche, nament-
lich erstcre, ein beträchtliches Wasserquantum fesseln, endlich Eisanhäufungen,
die zwar lokal durch Anhäufung den Meeresspiegel heben , aber auf die Ge-
samtfläche der Occane durch Wasscrciitziehung eine hinabdrückende Wirkung
ausüben.
*) Die hier gegchcnpn Ausfilhrungcn würden die bc«to KrklÜrung für solche Schaukel-
bowcpingen bieten, wie «ie für Skandinavien angenommen wurden. Davon abgenehen, ob
dic^e in neuester Zeit f>czwcifuiU> Bewegung vor sich gegangen ist, soll an dieeem Beispielo
gexcigt werden, daß« dio Tendenz zu einer solchen bestehen mnss. Skandinavien« llaupt-
wa(wer«cheide liegt nahe an dessen atlantischer Küsb'. Diese Küste tragt alle Merkmale
der Zerstrnrnng, des Landvcrlustes an «ich (luselreihen, Fjorde). Nach der entgegen-
gesetzten Seite, nach der Ostsee und dem Imttnischen Bus(?n schleppen die Flüsse Material
von der Wasserschoide weg, wodurch ebenfalls ein StoflVorlußt für die atlantische Seite der
Halbinsel entsteht. Die Folge ist eine Verminderung der Attraktion, ein Sinken des Meeres
auf dieser Seite. Anders vorbült sich die baltische Küste Skandinaviens. Auch werden die
in die Ostsee eingoschweminten Sinkstoffe nicht durch Brandung und Küstenströmungen
entfern^ vennchren also dio Attraktion, crzeug«m ein Steigen des Meeres.
Ein ähnlicher (legensatz zwisclnm zerstüekelter und voller Küste hcrracht in Pata-
gonien, für welches ebenfalls eine Schaukelbewegung (mit Hebung der erodierten Seite) be-
hauptet wurde. Ja jpinz Südamerika i«t durch die Lf^e der Wasserscheide un der pasifi-
seben Seite einer Verschiebung der Anziehungsvcrhültniesc aufgesetzt.
Eroaiomba^iit und Meoresvorschiebun^cn.
289
3. Wasserzufulir und -Verdunstung. Dadurch, das.s in teilweise abge-
schlossenen Meoresbecken die Wassermenge der cinmündenden Ströme den
Verlust durch Verdunstung erheblich übersteigt oder bei weitem nicht zu
decken vermag, entstehen bekanntlich merkliche Niveauunterschiede zwischen
diesen Becken und den freien Meeren. Dieselben werden allerdings wesent-
lich mitbedingt durch die in gleichem Sinne auf das Niveau wirkende Aende-
ruug des Salzgehaltes.
III. Wasserdichte.
Durch Aenderung der Temperatur oder der chemischen Beschaffenheit des
Wassers (namentlich des Salzgehaltes), entstehen zwar merkliche, aber stets
gering bleibende lokale Verschiebungen des Meeresniveaus. ■,
IV. lAißdruck.
An den Stellen hohen Luftdruckes wird das Meeresuiveau himibgedriickt,
dagegen durch den schräg auf die Fläche wirkenden Druck der bewegten Luft
geholmn.
V, Bauminltalt der Mccreshccken.
1. Flächeniinderung.
2. Tiefenänderung.
Sowohl die Vergrösserung der horizontalen, als auch jene der vertikalen
Dimensionen der Mcere.sriinme hat ein Abwürtsrücken der Straji^linie zur
Folge, da die gleichen Wassermassen in ein grösseres Gefäss gebracht werden.
Die Verkleinerung des Gefüsses hat die entgegengesetzte Folge. Solche
Aenderungen der Beckenräume können zu stände kommen durch die Kon-
traktion der Erde , wobei die Kontraktion des gesamten Erdballs wegen des
Kleinerwerdens der Kugel die Meeresbasis verkleinert und dadurch ein Steigen
des Meeres erzeugt'), während die voreilenden Senkungen der Meeresgründe
die Tiefendimensionen der Meeresbecken steigern und dadurch ein Sinken des
Meeres heevorbringen.
Um die Wirkung der Volumsverminderung des Erdballs auf das Steigen
des Meeres zu beurteilen, habe ich unter Zugrundelegung der von Heim *) und
Krümmel ’) gemachten Angaben eine Berechnung der bezüglichen Beträge an-
gestellt. Heim nimmt an, dass sich durch jene Kontraktion, welche die Alpen
erzeugte, der Erdumfang, gemessen im Meridian der Centralalpen, um höchstens
120 Kilometer verkleinert habe. Das ergiebt unter Anwendung der Krümmel-
schen Daten über die räumlichen Verhältnisse des Weltmeeres (mittlere Tiefe
3320 m, Areal 368 Millionen qkm, Volumen 1220 Millionen chkm) ein
Steigen des Meeres um 21 m. Das ist allerdings nur der der Alpenbildung
allein entsprechende Betrag. AVenu gleichzeitig zu den Aliien parallele Runzeln
der ErdoberÜäche entstanden sind, erhöht sich derselbe. Aber auch der im
Gefolge der Heimseben Voraussetzungen auffindbare Grenzwert ist nicht hoch.
Die gesamte übrige Faltenhildung im Meridian der Alpen seit den ältesten
Zeiten der Erde schätzt Heim als höchstens gleichwertig mit zwei Alpen-
systenien (was indes wegen der fast durchgängigen Faltung der archäischen
Gesteine viel zu wenig sein dürfte). Die gesamte Faltung nach Heim mit
drei Alpensystemen angenommen ergiebt ein Steigen des Meeres um 58 ra.
Man sieht aus diesen Daten, dass der erwähnte Faktor, obwohl er nicht gänz-
lich ausser Acht gelassen werden darf, nicht geeignet wäre, die grossen Gebiets-
veränderungen des Meeres zu erklären. ^
*) Pfiiff. Grundriss der Geologie. Leipzig 1876. S. 148.
•) Heäu- Mechanismus der Gebirgshildung II. Basel 1878. S. 218 — 214.
•) Krünnncl. Bor Ozean. Leipzig, Trag 1886. S. 73.
Digilized by Google
2Ö0
Eroflionsbasis und Meeresverschiobungen.
Das Sinken des Meeresspiegels durch die Senkung des Grundes« ist bei
gleichmässiger Senkung des ganzen Grundes dem Betrage dieser letzteren gleich.
Die Sedimentanhiiufung auf dem Meeresgründe hat, abgesehen von ihrer
bereits besprochenen Attraktionswirkung, gleich etwaigen Hebungen des Meeres-
grundes ein Steigen des Spiegels zur Folge.
b) Kosmische Ursachen.
1. Aenderung der Erdaxenlage. Man hat bekanntlich eine solche aus
den fossilen Pflanzen des hohen Nordens zu erschliessen versucht. Die Astro-
nomen sprechen sich jedoch gegen eine irgendwie erhebliche Ablenkung der
Erdaxe aus '). Ihr Einfluss würde in durch die Abänderung der Pollage be-
dingter Umsetzung der polaren Eisanhäufung und deren Gravitationswirkung,
ferner in der Umsetzung dos äquatorialen AVasserwulstes und der polaren
Wasserdepression (welche ein Gegengewicht gegen die Aufstauung durch Eis-
attraktion bildet), bestehen.
2. Aenderung der Dauer der Erdrotation. Suess hat als mögliche Er-
klärung der von ihm erkannten Korrespondenz entgegengesetzter Strandlinien-
verschiebungen im äquatorialen und polaren Teil der Erde auf eine etwaige
Aenderung in der Tageslänge und der dadurch bedingten Aenderung der Flieh-
kraft hingewiesen ; Penck hat dagegen geltend gemacht , dass , wie Herbert
Spencer 1849 gezeigt habe, die feste Erde sich der veränderten Kotatious-
geschwindigkeit anpassen müsse.
3. Die Flutbewegung. Sie ist hier nur insofern von Belang, als durch
sie, wie es z. B. auf beiden Seiten der Landenge von Suez der Fall ist •), bei
gleichem Normalniveau zweier Meere oder Meeresstrecken je nach der Flut-
stärke die obersten Strandmarken in verschiedener Höhe hegen können.
Die anderen kosmischen Ursachen, welche Einfluss auf die Strandlinien-
verschiebung besitzen könnten , brauchen in dieser Aufzählung nicht genannt
zu werden, weil sie teils (Aenderung in der Exzentrizität der Erdbahn, in der
Schiefe der Ekliptik , in der Länge des Periheliuras) nur indirekt durch die
bereits besprochene Eisanhäufung wirken, teils (Sclimicks Hypothese) allge-
mein als unannehmbar gelten.
B. Horizontale Verschiebungen.
Sofern dieselben nicht schon durch die ausgeführten vertikalen Verschie-
bungen, als deren Folge sie in den meisten Fällen erscheinen, bedingt sind,
kommen hier folgende Erscheinungen in Betracht. Sie sind , allerdings wohl
nur in Verbindung mit vertikalen Verschiebungen und durch sie bedingt, das,
was .als Transgressionen und Regressionen bezeichnet wird.
1. Hebungen und Senkungen des Uferstriches über und unter das
Mecresniveau.
2. Verlandung und Erosion des Ufers.
Beide Gruppen sind in ihrer Wirkung insofern verschieden, als bei
erstcrer an dem betroffenen Uforstriche selbst auch die Merkmale einer verti-
kalen Verschiebung der Strandlinie auftreten.
Man könnte auch diese horizontalen Verschiehungen in positive, land-
wärts gerichtete, und negative, meerwärts gerichtete, gliedern ’).
9 Günther. Geophysik I. S. 213.
*) Das Kote Meer steht bei Suez zur Flutzeit um 0,8 lu hoher, ule das mittelländische
(Boguslawski, Kandb. d. Ozeanographie).
“) Von mehreren Seiten (Günther, Dochen, Laaaulx) ist die Hezeichnung positive und
negative Verschiebung für vertikale .Schwankungen im entgegengesetzten Sinne, wie von
Sueaa gebraucht worden, was aus folgenden Gründen unzweckmässig erscheint: l. wird da-
durch der von dem Urheber des Terminus damit verbundene Sinn ohne zwingenden Grund
geändert i 2. führt der verschiedene Sinn, den verschiedene Autoren mit dem gleichen Aus-
Digitized ■„
KrosionftbosU und Mecresverschiobangeo.
291
Der UebersichÜicbkcit wegen möge hier eine Zusammenstellung der be-
sprochenen Faktoren der Strandlinicnvcrschiebungen folgen.
A. Vertikale Verschiebungen.
a) Terrestrische rrsachen.
a) Niveauänderung des Erd-
fest eu.
1. Säkulare Hebungen und Senkungen.
2. Gebirgsbildung.
3. Verwerfungen.
4. Zusammensitzen und Abrutschen.
pl) Ni veauände rung des Meeres.
I. Attraklion.
1. NiveauUnderung des Festen.
2. Eisanhäufung und -entfernung.
3. Vulkanische Bildungen.
4. Sedimentierung und Erosion auf der
Küste.
5. Sedimentierung und Erosion auf dem
Meeresgründe.
II. WfixsiTtimu/e.
1. Eindringen des Wassers ins Erd-
innere.
2. Aenderung der auf dem Festlande
und in der Luft kreisenden Wasser-
menge.
3. Wasscrzufulir und -Verdunstung.
III. Wasserdichh;.
IV. Lufldntck.
V. Bminiinhcdi der Meercubixkcn.
1. Flächenänderung.
2. Tiefenänderung.
b) Kosmische Vrseclien.
1. Aenderung der Erdoxcnlage.
2. Aenderung der Dauer der Erd-
rotation.
3. Flutbewcgung.
B. Horizontale Verschiebungen.
1. Hebung und Senkung des Ufer-
striches über und unter das Meeres-
niveau.
2. Verlandung und Erosion des Ufers.
Erklärungsmoglichkeiten für in horizontaler und vertikaler Erstreckung
geringwertige Strandlinienvorschiebungen bieten sich in grosser Anzahl dar
und es ist Sache der Untersuchung jedes einzelnen Falles die Ursache der
Verschiebung zu finden. Viel beschränkter ist die Auswahl zur Erklärung
der ausgedehnten Verschiebungen der Mecresgrenzen , welche als Transgres-
sioneii und Regressionen bezeichnet wurden.
III. TranNgrew<ioiieii und Regressionen.
Elin Ueberblick der aufgezeicbneten Faktoren lehrt, dass für diese grossen
Verschiebungen überhaupt nur Hebungen und Senkungen dos Erdfesteii, At-
traktionswirkungen. Wasserbindung, kosmische Ursachen in Betracht kommen
können.
Eine Herrschaft der letzteren ist durch keinerlei Belege wahrscheinlich
gemacht worden. Ja in der Dauer und in der Wiederholung der Transgros-
siouen spiegelt sich, soviel ich zu erkennen vermag, nicht jene Regelmässig-
keit, welche den kosmischen Ersebeimingen eigen ist ; und auch in der Ver-
breitung und Verteilung der von den Transgressionen ergriffenen Festlands-
flächen ist nicht jene gesetzmässigo Anordnung ausgodrückt , welche jede
druck verliinden, zu Störungen; S. ist damit die neutrale BezeichnungHweise, um dorentwillen
der Ausdruck eingefUhrt wurde, zu Gunsten der allerdings nur mitlaufenden Vorstellung
oder besser der Symlmlisierung einer Hebung des Landes schon verlassen. Es dürfte dem-
nach nicht von Bewegung der Strandlinie, sondern höchstens von positiven und negativen
Schwankungen des Festlandes (und da wäre Hebung und Senkung einfacher) gesprochen
werden, wenn die Bezeichnung Sinn haben sollte (Bezeichnung der Ordinaten in der Mathe-
matik, an welche bei Anwendung einer dieser Wissenschaft entlehnten Bezeichnung gedacht
werden muss). Die von mir ini folgenden angewandten Ausdrücke Steigen und Sinken der
Strandlinie erlauben wohl kein Missverständnis.
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292
Erosionsbaairi unJ Mi;ercsver«chielmnffen.
unmittelbare kosmische Einwirkung nach sich ziehen müsste. Mehr Einfluss
scheint die Bindung von Wasser durch Eisbildung und durch Eindringen in
das Erdinnere zu besitzen, wenigstens als Hülfsfaktor des Eückschreitens der
Meere. Auch die übrigens stets mehr oder weniger lokale Aenderung des
Gravitalionshotrages muss einen gewissen Ausschlag für eine Veränderung des
Meeresniveaus ergeben. Die gewaltigen Eisanhäufungen, welche in der Diluvial-
zeit die um die Pole liegenden Flächen bedeckten , müssen die angenommene
Wirkung auf das Niveau der Meere, ein Ansteigen desselben um die Pole,
ein Sinken um den Aeqnator, gehabt haben. So erklären sich auch am
besten die in die Quartiirzeit fallenden jüngsten grösseren Verschiebungen der
Strandlinie, welche Suess in überzeugender Weise als ein Sinken rings um die
Pole, ein Steigen um den Acquator darstellt, als die notwendige Folge des
Rückganges der Vereisung. Denn sowohl das durch Schmelzen des Eises frei
werdende, als das von dem Zuge der Attraktion entfesselte Wasser musste
den Meeresstand in den Aequatorialgegenden erhöhen, während er sich in den
polaren Gegenden erniedrigte.
Hiermit erscheint eine Eigentümlichkeit der qnartären Strandlinienbewe-
gung berührt, welche als eine Ausnahme in der Reihe der Transgressionen
betrachtet werden muss, nämlich das wechselseitige Entsprechen gleichzeitiger
Transgression und Regression an verschiedenen Punkten. Die Geschichte der
Transgressionen , so sehr dunkel und unvollkommen sie auch noch ist , lässt
doch bereits erkennen, dass die grossen Transgressionen wirkliche und beträcht-
liche Erweiterungen der vom Meere beherrschten Flächen gewesen sind und
dass das Meer nicht, was es an dieser Stelle gewonnen, an jener verloren hat.
Die Transgressionen wurden nicht durch Regressionen an anderen Stellen kom-
pensiert oder gar verursacht. Fis geht dies aus dem von Suess selbst mit so
vielem Nachdrucke betonten Umstande hervor, dass im allgemeinen die Meeres-
formationon auf den heutigen Festländern, unter ihnen die Absätze der Trans-
gressionen, sowie die Lücken zwischen diesen Formationen, das sind die Merk-
zeichen der Regressionen , auf der ganzen Erde die gleichen sind. Lokale
Ausfüllungen einzelner dieser Lücken fehlen allerdings nicht ; ihre Seltenheit
bedingt das grosse Aufsehen , das jedesmal der Fund einer Fauna erregte,
welche die Tierwelt zweier übereinander folgender, aber durch eine bis dahin
stets erkennbare Bildungslücke getrennter Formationen verbindet. Wären dio
Transgressionen und Regressionen Korrespondenzerscheinungen, so würden die
Formationslucken, so oft sie vorhanden wären und wohl auch in annähernd
gleichem räumlichen Ausmasse durch transgredierende Sedimente an anderen
Stellen ausgefüllt werden ; und diese letzteren Ablagerungen würden die Lücken
dort haben , wo anderwärts Meeresbildungen vorhanden sind. Sowie die
durch den Mortd erzeugte Flut an anderen Stellen Ebbe hervorbringt, so
müasten gleichzeitige der Ebbe entsprechende Regressionen wahrnehmbar sein,
wenn Attraktionswirkungen , ja wohl auch , wenn überhaupt Bewegung dos
F’lüssigcn die Ursache der grossen Meereswanderungen wäre. Statt dessen
sehen wir in Uebereinstimmung mit den verbreiteten Anschauungen allge-
meine Meeresperioden mit allgemeinen Fcstlandspcrioden abwechsehi. Unter
den anderen Verhältnissen würde man auch gar nicht dazu gelangt sein,
unsere Formationsreihe in fernen Gegenden in dem Masse wiederzufinden, dass
die im westlichen und mittleren Europa cingeführten F'ormationsbezeichnungeii
sich das WeltbUrgerrecht erwerben konnten.
Die Theorie von der selbständigen Bewegung des Meeres liesse sich nur
vereinigen mit der Annahme der Beständigkeit der grossen Meeresbecken und
der Kontinente als wenn auch zeitweilig wasserbedeckter Erhabenheiten; denn
die Bewegung des I'lüssigon kann nur zu Entblössungon und Ueberflutungen
der am höchsten liegenden dem Wasser noch zugänglichen Teile führen, die tiefen
Ozeangründe hingegen können diesem Wechsel auf diesem Wege nicht unter-
worfen sein. Allerdings wird diese Beständigkeit von ausgezeichneten Ver-
wrv'
Grosionshasis und MeeresverschiebunKon. 293
tretern der Wissenschaft verfochten. Neumayr ') (obgleich sich der Lehre
von den Schwankungen des Flüssigen zuneigend) hat indes ausgcführt , dass
die Gruppierung von Land und Meer, wenn auch nicht oft wiederholten Aende-
ningcn unterworfen , doch auch nicht jene vielfach behauptete Beständigkeit
besessen habe.
Auch noch andere Thatsachen sprechen gegen eine ausschhossliche Be-
wegung des Flüssigen bei Entstehung der Transgressionen, so die ausser-
ordentliche Mächtigkeit mancher transgredierendor Sedimente, weil sie das
Minimalmass der entstandenen Niveaudilferenz dai-stollt, so die bedeutende
Höhenlage eines Teiles der italienischen Pliocänschichten, endlich der ITmstand,
dass die aufeinanderfolgenden Transgressionen nicht selten ganz verschiedene
Gebiete umfassen ; die oligoeäne Transgression licss ausgedehnte Landstriche
unberührt, welche von der mioeänen Mecreserweitcrung ergriffen wurden und
wieder schont die letztere grosse Gebiete, welche vom oligoeänen Meere besetzt
gewesen waren.
Es bleibt noch zu fragen , ob gegen die Annahme von Hebungen und
Senkungen des Festen , welche uns als einzige Erklärungsmöghehkeiten der
Transgressionen übrig sind , unanfechtbare Einwendungen vorgebracht werdeu
können. E. Suess hat in der That gewichtige Gründe ausgesprochen, welche
gegen die Annahme einer Bewegung des Festen bei Entstehung der Trans-
gressionen sprechen und wenn ich nach einer anderen Erklärung der unbe-
streitbaren Thatsachen suche, welche jenen Gründen des Meisters zur Unter-
lage dienen, so geschieht dies nicht, weil ich ihre Bedeutung gering schätze,
sondern weil mich meine Studien auf einen andern Standpunkt geführt liaben.
Die Gründe, welche Suess gegen die Bewegung des Festen und für die
Bewegung des Flüssigen anfülirt *), sind folgende :
1. Die Erfahrungen über die Summe der letzten Veränderungen der
Strandlinie (Sinken derselben um die Pole, Steigen um den Aequator) würden
bei Erklärung durch Bewegung des Festen zur Annahme einer Formverände-
rung der ganzen Erde führen.
2. Die Formationen und die Lücken zwischen ihnen zeigen auf der ganzen
Erde eine merkwürdige Uebereinstimmung ’). Das weist auf eine gemeinsame
Ursache und nicht auf lokale Bodenbewegungen hin, deren Gleichzeitigkeit
und Gleichsinnigkeit in ihrer Verteilung über die ganze Erde hin schwer er-
klärheb wäre.
3. „Die Art und Weise, in welcher sich die Kontraktion der Erde an
der Oberfläche des Planeten äussert, die Bildung von Falten und Einbrüchen,
steht nicht im Einklänge mit der Voraussetzung von langsam, auf weite Strecken
hin , gleichförmig , zu wiederholten Malen auf - und wieder absteigenden kon-
tinent^en Tafeln.“
4. Die alten StrandUnien sind von der Beschartenheit der Gebirge gänz-
ücb unabhängig; so gleichmässige Hebungen und Senkungen eines so viel-
gestaltigen und in so viele Fragmente zerbrochenen Festlandes (wie das als
*) Nouinayr. Die geographiselio Verbreitung der .luraformation. Denkschriften d. k.
Akad. <i. Wiss. in Wien. 50. Bd. 1885.
•) Suess. ücber die ventielnthchen säkularen Schwankungen einzelner Teile der Erd-
oberfllM:he, Verhantll. d. k. k. geol. Keiehsau-stalt. Wien 1870, S. 171—180. Smiss. Das
AntliU der Erde. I. Prag. Leipzig 1H8J1, S. 14 — 19.
’) Diese l’cbereinatitnniung kann auch als einer der (Irönde für die Beständigkeit der
Meercsr^pic angethhrt werdeu. Es ist nämlich klar, dass die Lückenhaftigkeit der For-
mationsrew nicht für die gesamte Entrinde, sondern nur für die uns zugänglichen TcUc
besteht. Mm müsste denn annehmon, dass die Meere zeitweilig ganz verschwunden wären
oder dass die Ablagerung ausgesetzt hätte. Thut man dies nicht, so bleibt nur die An-
nahme, dass das Meer sich in den llegressiouszeiten steten den gieichon Becken, nämlich
in den beständigen Meeresräumen befunden und daselbst Ähiagerungen gebildet habe.
Cebrigens ist die Frage nach der BesBlndigkeit der Meeresmume noch niclit spruchreif und
Neumayr hat, wie üben erwähnt, sehr heaelitenswerte (Iründe dagegen gefunden.
Dir: ' cJ !iy Gl«
294 ErosionBbiisis und Meeresvorschiebungen.
Beispiel erwähnte Italien) ohne jode gegenseitige Verschiebung der Teile sind
nicht ansunehmen.
Der erste der angeführten Gründe ist zwingend '). Mit der Annahme
einer Bewegung des Meeres in der Quartiirzeit bleibt aber die Möglichkeit
offen, dass andere Schwankungen der Strandlinie eine andere Ursache haben.
Auch hat die quartäre Bewegung der Strandlinie die für die Bewegung des
Flüssigen geforderte Besonderheit des gleichzeitigen Auftretens von Traus-
gression und Regression an verschiedenen Punkten.
Die als zweite angeführte Thatsachc soll in den nachfolgenden Aus-
einandersetzungen ausführheh gewürdigt werden.
Was den dritten und den vierten Punkt betrifft, so ist ein Ausweg da-
durch gegeben, dass das Sinken der Strandlinie selbst bei Annahme der Be-
wegung des Festen nicht notwendig das Aufsteigen des Festen bedingt, son-
dern dass, wie schon erwähnt, die Vertiefung der Meeresgründe durch Senkung
ein ZurUckweichen des Meeres, folglich eine scheinbare Hebung des Festen,
erzeugen muss.
Nach dem gegenwärtigen Staude unserer Kenntnisse scheint die Lehre
von der Bewegung des Festen geringeren Schwierigkeiten bei Erklärung der
Transgressionen zu begegnen, als die von der Bewegung des Flüssigen.
Die Kontraktion der Erde durch Abkühlung, welche aus unbestreitbaren
Gründen allgemein angenommen wird, hat sich auf der Erdobertläche in ver-
schiedener Weise geäussert. Einzelne Teile (die Meeresboden) sanken stärker
ein, als andere (die Kontinente). Mit diesem Voransinken der Meeresgründe
musste aber eine Regression verbunden gewesen sein (und, falls nunmehr vom
Meere besetzte Teile früher über das Meeresniveau geragt hätten, auch eine
Transgression). Werden also die Meeresräume als Erzeugnisse der Kontraktion
gedacht, so kann das Schwanken der Meere durch Bewegung des Festen nicht
ausgeschlossen werden. Sind aber die Depressionen Folgen der Kontraktion,
BO müssen sie entstanden sein, so lange die Kontraktion .auf die feste Ober-
fläche gewirkt hat, also seit der Bildung der Erdrinde bis auf die Gegenwart.
Es ist hierbei zu bemerken, dass, wie früher erwähnt, das Sinken der Meeres-
böden ein allgemeines Sinken des AVasserspiegels zur Folge hat *) und dass
somit die Trockenlegung überfluteter Landstriche trotz der Bewegung des
Festen ohne Hebung zu stände kommen kann. Die von Suess in ihrer .all-
gemeinen Anwendung mit Recht bekämpfte Elevationstheorie bietet somit nicht
die einzige Möglichkeit, nach welcher durch Bewegung des Festen Regressions-
erscheinungen zu stunde kommen können. Freilich bewegt sich nicht das ganze
von der Regression erreichte Gebiet selbst.
Die Transgressionen entstehen nach der hier zu vertretenden Ansicht,
wie kaum mehr bemerkt zu werden braucht, durch vorauseilende Annäherung
der betroffenen Teile an den Erdmittelpunkt. Dass der Kontraktionsvorgang
vollkommen genügt, um die vertikale Ausdehnung der Transgressionen zu er-
klären , geht aus der Berechnung Heims henor , dass die Kontraktion eine
Radiusverkürzung von 50000 m zu stände gebracht habe. „Während der
Zeit, da der Erdradius sich um 50 000 m verkleinerte , hat der durchschiiitt-
’) Sofern nämlich die onlerjjolpgt^n Thatwiuhen nicht amlero Deutungen erlauben.
Su^an führt sogar ThaUachen an, welche gegen ein YorhorrschentleH Steigen dor Strand-
linien in der Troponzone sprechen. (Supan, PbyHische Erdkunde. Leipzig 18S4, S. 198.)
*) Die« irt wohl auch eine naheliegende rhklürung für da« von Stiesa so anBchaiilich
beschriebono Zusaminenfalleii dor Einbrüche und der Erniedrigung dea Moertwatandoa nach
dor Zeit der dritten Meditorraustufe im Mittelmoergehiete (Antlitz, !, 417), und für die KuL
fltohung der Woltinooro nimmt Suos« Mclbat den gleichen Vorgang an: „Die Einbrüche sind
08 . welche die Wässer in tiefen Weltmeeren gesammelt haben". (Ebenda 778.) Es i«t nach
dioKOn und anderen Aussprüchen sicher, dass Suegs mit der Bestreitung vertikaler Bewegungen
des Kesten (ausserhalb der Faltung) bloss die vortikulen Äufwärtsbewegungen gemeint hat.
was, wenn auch eine vertikale Linie nach zwei entgegengesetzten Richtungen läutl, «ich
doch sprachlich vollkommen rechtfertigen lässt (vertikal = Scheitel wäits).
Erosionsbasis und Mcoroavcrschiobungen. 295
liehe Niveauunterschied von Meeresgrund und Festland in dieser Zahl mehr
als 10 Mal in jo wieder ganz anderer Gruppierung Raum genug gefunden“ *).
Selbst wirkliche Aufwärtsbewegungen , wenn auch räumlich beschränkt,
können nach den bislicrigen Erfahrungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden ;
sie sind mechanisch als Folgen der Kontraktion erklärbar und bilden an-
scheinend die einzige Möghehkeit, die ausserordentliche Höhenlage der italie-
nischen Pliocänschichten zu erklären.
Eine der bedeutendsten und am schwierigsten zu umgehenden Einwen-
dungen, welche Suess gegen die Bewegung des Festen als Faktor der Trans-
gressionen aufgestellt hat, ist der Hinweis auf die Wiederkehr der gleichen
Furmationslücken in entfernten Gegenden *). Allerdings spricht dieser Um-
stand, wenn ich nicht irre, auch und vielleicht in noch höherem Grade gegen
die ausschliesslichen Bewegungen des Meeres, da, wie erwähnt, das Meer an
einer Stelle um so viel steigen müsste, als es an einer anderen sänke, wodurch
an Stelle einer stetigen mittleren Lückenhaftigkeit eine im ganzen sich er-
gebende Vollständigkeit der Formationsreihe treten müsste. Trotzdem muss
geprüft werden , ob sich die erwähnten Thatsachen mit der Annahme von
Schwankungen des Erdfesten vereinigen lassen.
Es kann hier zunächst die Frage aufgeworfen werden , ob denn Beginn
und Ende der Meerestransgressionen, sofern deren Ablagerungen die gleichen
Organismen überliefern, absolut gleichzeitig gewesen sind und ob sich also die
durch die Lücken verratenen Kegressionsperioden zeitlich decken. Denn es
muss hervorgehoben werden, dass die geologische Gleichzeitigkeit nicht absolute
Gleichzeitigkeit bedeutet, sondern dass dieselbe einen so weiten Spielraum ge-
währt, als die Fauna oder Flora, welche in zwei verglichenen Schichten oder
Schichtenreihen vorkommt, gelebt hat. Da nun die mensclüiche Ueberlieferung
schon das Andauern der gleichen Bewohnerschaft eines grossen Erdraumes
seit Jahrtausenden sicher stellt, so dürfen wir nicht ohne w’eiteres physikalische
Vorgänge, bei welchen cs sich um die Frage, ob sic absolut gleichzeitig sind,
handelt, als solche bezeichnen deshalb, weil sie als geologisch gleichzeitig er-
kannt w'erdcu können.
Für einen Teil der Meeresausbreitungen lässt sich allerdings die absolute
(Gleichzeitigkeit nachweisen. Die ins Innere der Kontinente vorgeschobenen
Meeresbilduiigen können nicht ohne andauernde Verbindung mit dem Meere
entstanden sein und es muss somit zur Zeit des weitesten Vorgreifens des
Meeres die ganze jetzt durch Sedimente bezeichnete Bucht gleichzeitig über-
flutet gewesen sein. Dieser Anhaltspunkt fehlt aber für die Beurteilung der
Gleichzeitigkeit verschiedener nicht unmittelbar zusammenhängender Ausbrei-
tungen des Meeres.
Es giebt vielleicht einen Weg, auch die Frage nach der Gleichzeitigkeit
dieser letzteren zu beantworten. Ausgezeichnete Forscher sind zu der üeber-
zeugung gelangt, dass die zeitweise Umprägung der Landbew'ohnerschaft die
Folge der zeitweisen Erweiterungen und Rückzüge des Meeres sei. Das kann
aber nur der Fall sein , wenn diese letzteren gleichzeitig grosse Räume um-
fassen und die Wahrscheinlichkeit dieses letzteren Satzes hängt somit von dem
Grade der Zuverlässigkeit jener Anschauung ab. Die Entscheidung könnte
durch ein zweckbewusstes Studium der Landfauna und -tlora transgredierender
Sedimente herbeigeführt werden. Ausserdem bleibt, wie überhaupt die Trans-
*) Heim. MechaniKiuus otc. 246.
•) Es wäre allonlinK« wüauehonswert , diefio Lücken in einer eigenen üutorsuchung
auf ihn^n Wert und ihre Ursachen au prüfen. E« wünle sich vielleicht zeigen, dass ein
Teil derselben auf unseror ungenüg<'nden Kenntnis der Erdoberfläche, ein anderer bloss aut
der UnterbftThung der örtlichen Kontinuität «1er Lebeweaen durch Einwanderung und
Verdrängung beruht. Das von Suess erkannte Gesamtbild würde aber, wie ein Uoberblick
über die Beobachtungen in d«m verschiedenen Enltoilen lehrt, kaum wesentlich gestört
werden.
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296
Erosioni^ba^iiä und MeeresverecluGbungen.
gressioncn noch viel zu wenig studiert sind, die Möglichkeit zu bedenken, dass
das Vorsehreiteu der Meere und die Aeuderung der Organismen, falls sich
das öftere Zusammenfällen beider V orgiinge herausstellte , eine gemeinsame
Ursache haben, ein Gedanke, den auch Suess gewiss nicht ausgeschlossen
wissen wollte, als er auf die Möglichkeit der Einwirkung einer allgemeinen
Klimaiinderung auf die Greuzenveräuderungen der Meere hinwies ').
Nach dieser Einschaltung ist in Anknüpfung an das frühere zu erwögen,
ob sieb der Wechsel von allgemeinen Transgressions- und Regressions-Perioden
mit der Annahme einer Bewegung des Festen in Einklang bringen lässt.
Es ist in dieser Arbeit bereits die Kontraktion der Erde als Haupt-
ursache der grossen Transgressionen betrachtet worden, es hat sich gezeigt,
dass der aus der Gebirgsbilduug berechnete Betrag der Kontraktion zur Er-
klärung des Grades der vertikalen Schwankungen der Strandlinie genügt. Wir
stehen nun vor der Schwierigkeit, diejenige allgemeine relative Senkung der
über den Meeresspiegel hervorragenden Teile zu erklären, als welche, »nr nach
der angenommenen Meinung den nächsten Anlass der Transgressionen aufzu-
faaseu haben. Denn es ist leicht einzusehen, dass eine allseitig gleichmässige
Kontraktion nur zu demjenigen Uebergreifen der Meere fuhren könnte, welches,
wie oben gezeigt, ans der Verkleüierung der Erdoberfläche liervorgehen müsste.
Eine solche gleichmäs.sige Kontraktion ist nun allerdings sowohl wegen der
verschiedenen Beschaffenheit der äusseren Teile des Planeten, als auch wegen
der in verschiedenen Erdräumen ungleichen kosmischen Einflüsse nicht anzu-
nchinen. Es müssen sich demnach .scheinbare Regellosigkeiten in den Vor-
ragungen und Vertiefungen herausstellen , wie auf der Oberfläche des ver-
trocknenden Apfels. Wir suchen aber eine im ganzen erkennbare Gesetz-
mässigkeit zu erklären.
Ausserdem muss gefragt werden, ob die Gleichzeitigkeit der gleicluirtigen
Veränderungen des Meeresspiegels und diejenige der zwischenliegenden Rulie-
perioden erklärbar sind, wenn auch diese Gleichzeitigkeiten nur als sehr wahr-
scheinlich bezeichnet werden dürfen. ,
Was den letzteren Punkt betrifft, so darf man sich, auf Erfahrungen
über gleichartige , wenn auch grössenverschiedenc Bewegungen gestützt , vor-
stellen, dass die aus der Abkühlung der Erde hervorgohenden Spannungen
erst nach einer länger dauernden Summierung, vielleicht zuweilen infolge eines
Anstosscs von aussen zur Auslösung gelangt sind , wodurch Kontraktir)iis-
vorgänge mit Huheperioden wechseln würden. D:is früher angeführte Streben
nach Verringerung des Niveauunterschiedes des Festen, als welches die Trans-
gressionstendenzen bei Erklärung durch Bewegung des Festen bezeichnet werden
können, lässt die Erklärung zu, dass bei denjenigen Gleichgewichtsstörungen
in der Erdrinde, welche Transgressionen erzeugten, die Kontinente stärker nacb-
sanken, als die Meeresgründe, sei es infolge der von einigen angenommenen
Massendefekte unter ihnen, sei es infolge eines stärkeren Druckes, welche
etwa ihre grössere Masse auf das Erdinnere ausUbte.
Im Anschluss möchte ich noch eines Umstandes gedenken , welcher die
Anschauung begünstigt, dass der Eintritt der Transgre.ssionen den Zeiten der
Kontraktion des Erdballes entspricht.
Die Kettengebirge werden als diejenigen Teile der Erdrinde betraebtet.
an welchen die hei der Kontraktion erfolgende Verminderung der Erdober-
Häehe durch Zusammenschub der am wenigsten widerstehenden Rindenteile er-
möglicht wird. Es ist nun auffallend, dass ein bedeutender Teil der Auftür-
. mimg der grössten Kettengebirge der alten Welt zeitlich in den Anfang der
ausgedehnten mioeänen Mecrcstransgression fällt. Dieses Zusammentreffen er-
hellt, wie bekannt, daraus, dass noch die eoeänen Schichten an den gewaltigen
Störungen und beträchtlichen Erhebungen teilnchmen , und dass ferner noch
') Suess. Die Entstellung der Alpen. Wien 1H75. S. 119.
Erofiionsbasis und Mcereaverechiebungen. 297
ein Teil der Absätze jener Transgressionszeit und zwar in viel geringerem
Grade, als die eoeänen Schichten, als Gebirge geformt erscheinen. Diese An-
teilnahme der Meditorranschichten steht im Einklänge mit der allgemeinen
Vergrösserung dieser Transgression. Für ältere Transgressionen fehlt es für
solche Beziehungen noch an Studien. Auch diesen Gesichtspunkt würde eine
nähere Beschäftigung mit den Transgressionen wahrzunehraen haben.
Es giebt wichtige begünstigende Faktoren der Transgressionen, welche
hier nur mehr in ihrer Rolle als Hilfsfaktoren bezeichnet zu werden brauchen.
Die Denudation des Festlandes bereitet, wie eingangs ausgeführt, während
der Kontiueutalperiode eines Landstriches dessen Versenkung unter das Meer
vor, indem sie seine Obeifhiche erniedrigt, wodurch schon bei geringem Steigen
der Strandlinie eine Ueberschweinmung des Festlandes ermöglicht wird. Der
Denudationsprozess hat aber noch eine andere AVirkung. Die abgetragenen
Stoflfe werden von den Flüssen in das Meer geschafft und in der Nähe der
Küsten abgelagert. Auch das begünstigt die Transgressionen und zwar tlurch
zwei Umstände. Erstens erzeugt nach den Ausrührungen von Zöppritz die
Sedimentierung auf dem Meeresboden ein Steigen des Meeresniveaus infolge
der von den eingeschweminten Massen ausgehenden Anziehung (welche wegen
der grösseren Nähe der Massen eine stärkere Wirkung ausübt, als diejenige
der gleichen Massen war, da sie noch Festlandsteile vorstcllten), und zweitens
wird der Spiegel des Meeres durch die ja nicht bloss an einer Stelle statt-
findende Erhöhung des Meeresgrundes und die dadurch bedingte Verdrängung
des Wassers gehoben.
Diese begünstigenden Faktoren der Transgressionen arbeiten während
der Festlandsperiode einer Gegend auf die möglichste AimUheruiig der Meeres-
und der Festiandsoberflächen hin , so dass dann ein geringes Mass des als
Hauptfaktor betrachteten Vorganges zur Herbeiführung iler Tiansgrcssiouen
genügt. Aus diesem Wirken der Hilfsfaktoren gelit hervor, dass nach langen
Festlaiidsperioden die ausgedelintesten Transgressionen zu erwarten sind und
umgekehrt, dass aus ausgedehnten Transgressionen auf vorhergehende lange
FcstlanUsperioden zu schliesscii ist. Ganz iu demselben Sinne wirkt übrigens
der Hauptfaktor, die Kontraktion. (Zu prüfen, ob die geforderte Beziehung
der Koutineutalperioden zur Grösse der Transgressionen wirklich besteht, wäre
ebenfalls Aufgabe der hier bereits mehrfach als wüuschcnswert bezeichneten
Untersuchung.)
Ein weiterer Hilfsfaktor tritt mit der Kontraktion selbst in Thatigkeit.
Es ist das Steigen der Meere durch die Verkleinerung jedes zwischen den
gleichen Radien eingeschlossenen Kreisbogens der Kugelobertiache *).
Die grossen Regressionen des Meeres, welche Kontinent^Uperiodeu er-
zeugen, sind durch ein Ueberwiogen der Senkung der Meeresboden erklärbar.
Dass die Meeresböden Senkungsgebicte sind, ist eine allgemeine und wohl be-
gründete Annahme. Die Unsicherheit beginnt erst bei der Erörterung der
Art und Ursache des Vorganges. Es ist nicht zu verkennen, dass die Hypo-
these, welche oben für die Entstehung der Transgressionen angeführt wurde,
durch den Vorgang, welcher hier und zwar aus besseren Gründen für die Ent-
stehung der Regressionen angenommen werden muss, insofern erschüttert wird,
als hier dem Kontraktionsvorgang, welclier in letzter Linie ebenfalls Ursache
dieser Senkungen sein muss, die entgegengesetzte Wirkung auf die Erdober-
fläche zugesclirieben wird. Beide Wirkungen schliessen sich allerdings nicht aus,
es vermindert die eine bloss dadurch die Wahrscheinlichkeit der anderen, dass
* \
*) Anhangsweise mn-g hier bemerkt werden, dass aus dem gleichen Grunde mit der
durch (lie Kontraktion erfolgonden Verkleinerung der Erdoberfläche bei Glcichbleiben der
Luflmeuge der Luftozean sich vertieft haben, der LufUlruck also go«tiogen sein muss.
Daraus würde weiters bei Gleichheit der übrigen Faktoren eine grössere Verdunstung in den
früheren Zeiten der Erdentwickelung zu folgern sein.
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EroeionsbaaU und MeeresverscUicbunRen.
jede von ihnen als zu Zeiten beträchtlich überwiegend gelten muss, um den
Thatsachen gerecht zu werden ').
Für die llegressionen könnte man noch, wie es namentlich Trautschold
thiit, die Dessikation , die Abnahme des auf der Erdoberfläche vorhandenen
Wassers verantwortlich machen. Da jedoch die Regressionen ebensowenig,
wie die Transgressiouen stetige Vorgänge gewesen sind, die Bindung des Wassers
im Innern aber als ein solcher bezeichnet werden müsste, so kann man wohl
das veranlassende Moment nicht in der letzteren finden. Wohl aber muss sio
als Hilfsfaktor der Regressionen betrachtet werden. Eine weitere und zwar
sehr wesentliche Unterstützung finden die Regressionen in der Verlandung der
während der Transgressiouszeit überfluteten Meeresstreckeu infolge der Sedi-
mentierung.
Den hier als Hilfsfaktoren bezeichneten Vorgängen dürfte ein nicht ge-
ringer Anteil an der in der Erdscliichte hervortretenden Neigung zum Wechsel
zwischen Transgressionen und Regre.ssionen der Meere zuzuschreiben sein,
allerdings nur in dem Sinne, dass sie den notwendigen Betrag des ausser ihnen
stehenden Hauptfaktors beträchtlich berabmindern.
IT. Abflns.slo8e Seen und unterirdische llühlnngen als Erosionsbasen.
Wir haben bisher das Meeresniveau als Erosionsbasis letzter Ordnung
kennen gelernt. Das ist es jedoch nur für die allerdings weitaus überwiegenden
Festlandsmassen, welche durch das meerwärts rinnende Wasser in unmittel-
barer Verbindung mit ihm stehen. Unabhängig vom Meeresniveau wirken in
räumlich sehr beschränktem Alassc zwei andere Arten von Erosionsbasen, die
Seen der rings umwallten kontinentalen Flussgebiete und ein Theil der unter-
irdischen Hohlräume. Jede können wir in zwei Theile zerlegen, je nachdem
sie unter dem Meeresspiegel liegt oder nicht.
Die abflusslosen über dem Jleeresspiegel liegenden Gebiete können durch
Anzapfung von aussen in den allgemeinen Kreislauf eiubezogcn werden ; als
Beispiel dienen die chinesischen Lössgebiete. Ebenso leicht verständlich ist,
dass hoch liegende unterirdische Höhlungen in die allgemeine Entwässerung
des Landes eintreten können.
Wesentlich anders muss die Wciterentwickelung der eigentlichen Depres-
sionen verlaufen. Der 394 m unter dem Mittelmeer liegende Spiegel des
Toten Meeres und die vom .Tordan, dem Tiberius- und dem Hulch-See einge-
nommene Senke ist die Erosionsba.sis für das westlich und östlich , zum Teil
weit ausserhalb der Senke liegende Gebiet, welches ihm den Wassertribut
zollt. Das Ziel der jetzt in diesem Landstrich thütigen Erosion ist die Er-
weiterung der Senke zu einer nach beiden Seiten dermassen sanft ansteigenden
Fläche, dass die Erosion zur Ruhe komme. Eine Gegenwirkung liegt in der
Füllung der Depression durch die von den Flüssen eingeführten Sinkstoffe.
Deshsilb ist es nicht vorauszusehen, ob, abgesehen von etwaigen störenden Er-
eignissen, die Wirkung, welche bei der beträchtlichen Tiefenlage des Gebietes
eintreten müsste : die Beseitigung des Laudwallos zwischen ihm und dem
Mittelländischen Meere und das Hereintreten des letzteren in die erweiterte
Senke zu stiinde kommen wird. Die Erosionsbasis des Mittelmecrcs selbst
unterstützt die Herbeiführung dieses Zustandes durch die von ihm aus gegen
die westjordanischen Plateauländer hin eingeleitete Denudation. Die vielleicht
noch durch stärkeren Regenfall begünstigte Konkurrenz dieser (im V'erhältnis
’) Hier müge. noch besonders anji'ornerkt werden, dass in den hier entwickelten An*
scbaminf^n in Uebereinstlmmung mit den überzeogenden AusfUhruDgen von Sucas die
Bedeutung der Elevationsihcorie fttr die Erklärnng der allgomeinen Regressionen ^ bo*
seitigt betrachtet wurde.
KroBioneliaBia und Meeresverachiebungen.
299
zu dem ostjordanischen Gebiet tiefen) benachbarten Erosionsbasis um die
Wasserscheide dürfte auch der Grund sein, dass die westlichen Zuflüsse der
Jordansenke so erheblich kürzer sind , als die östlichen , da die Höhenunter-
schiede und die dadurch bedingten Gefallsverhältnisse der zu beiden Seiten des
Jordan gelegenen Plateaus diesen Umstand nicht zu erklären vermögen.
Als Erosionsbasen können ferner unterirdische Höhlungen dienen und
zwar für die Dauer des Zustandes in letzter Ordnung, wenn sie abflusslos sind.
Die Entstehungsarten dieser Höhlungen sind für ihre hier zu besprechende
Bedeutung nicht von unmittelbarem Belange. Ebensowenig soll die chemische
und mechanische, unterirdische Erosion näher zergliedert werden , wenn auch
die mechanische Wirkung des unterirdischen Cirkulationswassers noch bei weitem
nicht hinreichend beachtet wird.
Denken wir uns an der Basis einer klüftigen Gesteinsmasso ein ausge-
dehntes unterirdisches Wasserbecken , welches das zugeführte Wasser durch
Verdunstung abgiebt. Die einmUndenden WasserzUge entfalten eine erodie-
rende Thätigkeit, sie schaffen unterirdische Thalsysteme, welche durch Ein-
stürze in offene verwandelt werden können. Das unterirdische Sammelbecken
ist die Erosionsbasis für sein Wasserbereich und würde sein Spiegel unter
dem des Meeres liegen, könnte sogar auf diesem AVege eine echte Depression
entstehen.
Ein Teil des in die Tiefe dringenden Wassers gelangt aufsteigend wieder
an die Oberfläche. Es ist nachgewiesen , dass das in die Erde eindringende
Wasser weit unter das Meeresniveau gelangt. Das Wasser muss nicht nur
auf dem Wege seines Eindringens, sondern auch auf dem seines Austretens
erodieren. Wenn wir die Wirkung dieses Vorganges weit über das Mass
unserer Erfahrungen hinaus übertreiben, indem wir die Mitwirkung sehr grosser
Zeiträume in Anspruch nehmen, so muss wohl auch hier der Eintritt merk-
licher Wirkungen angenommen worden, welche denjenigen der unterirdischen
Erosion im allgemeinen gleichartig sind.
Die Depressionen werden gewöhnlich in ihrer ganzen Ausdehnung als
Senkungsgebiete betrachtet. Es besteht aber nach dem Gesagten die Möglich-
keit, dass eine räumlich sehr beschränkte Depression, ja bloss eine raechani.sch
oder chemisch gebildete tiefliegende Höhlung sich durch den Erosionsprozess
erweitere und zwar um so mehr, je tiefer der Ausgangspunkt des Vorganges
liegt; dieser muss der tiefste Punkt des Depressionsgebietos bleiben. Es ist
auch nicht ausgeschlossen, dass bei einer derartigen nach aussen schreitenden
Bildung oder Vergrösserung einer Depression der Spiegel eines benachbarten
Meeres erreicht werde, wodurch ein Einbruch des Meeres, eine lokale Trans-
gression, erfolgen muss.
Graz, Juli 18H7.
24»
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Methodik und Unterricht der Geographie.
Ein englisches Erteil Uber geographischen Unterricht.
(SchluBS.)
Kapitel Vm und IX.
Physikalische Geographie des Schnlorts.
Lange Zeit, bevor ein Schüler Interesse und Verständnis zeigt für poli-
tische Grenzen und Einteilungen, kann man seine volle Aufmerksamkeit ge-
winnen für die Veränderungen am Himmel, das Brausen des Windes, den
Fall des Regens, die Beschaffenheit von Schnee und Eis, für Flüsse, Seen und
Gletscher, für die Wogen des Wassers im Sturm, für den Erdboden mit
seinen Pflanzen, Insekten, Vögeln und Vierfüssern, kurz für die Aussenwelt,
welche er täglich vor Augen hat. Dieselben Erscheinungen des alltäglichen
Lebens, welche in den ersten Kinderjahren die Neugier des jugendlichen
Geistes erwecken, wollen wir iin ersten Unterricht benutzen, überall auf der
breiten Basis der persönlichen Erfahrung und der eigenen Beobachtung be-
ginnend.
1. Formen der Erdoberfläche. Bodenarten und Gesteine.
Zunächst beachten wir, welche Stellen des Erdbodens in unserer Um-
gebung am höchsten, welche am tiefsten liegen, wo der Boden steil abfällt
und wo er eben ist, wo er sich zum Sattel erhebt oder zur Mulde vertieft
und wo er das Wasser nach verschiedenen Richtungen zu Thal fliessen lässt.
Bergrücken, Abhänge, Thäler, Schluchten, Ebenen, Felsklippen und alle andern
auffallenden Bodenformen der Gegend werden in Augenschein genommen und
nachher von den Schülern auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen genau be-
schrieben. Auf den späteren Ausflügen vergleichen wir Berg mit Berg und
Thal mit Thal und erheben uns auf inductivem Wege zu einem klaren Ver-
ständnis der verschiedenen Bodenformen.
Sobald durch die ersten Ausflüge eine vorläufige Kenntnis des Gebietes
und der Entfernungen der wichtigsten Punkte erlangt ist, führen wir die
Schüler auf einen besonders hochgelegenen Ort, von dem aus die ganze Gegend
übersehen werden kann. AV'eiin eine günstig gelegene Bergspitze fehlt, be-
gnügen wir uns mit einem Kirchturm. Wir machen zunächst die Erfahrung,
dass es den Schülern schwer fällt, von der erhöhten Stellung aus die Grösse
und die Entfernungen selbst der bekannteren Punkte der Umgebung richtig
abzusehützen. Jeder hält zunächst alle Gegenstände für kleiner als sie in
Wirklichkeit sind ; die ganze Gegend erscheint in einem verkleinerten Mass-
stabe, gerade deshalb wird das Verständnis von der relativen Grösse der
Dinge durcli den Ausblick von dem erhöhten Standpunkte wesentlich gefördert.
Eine gute Darstellung der Gegend „aus der Vogelperspektive’' ist aus dem-
selben Grunde ein nicht zu verachtendes Unterrichtsmittel.
So früh wie möglich haben wir die Schüler darin zu unterweisen, sich
ein Modell von der Gegend des Schulorts zunächst aus feuchtem Sande oder
Thon herzustelleu. Es ist üblich, dass man bei der Anfertigung topographischer
Kethodik und Unterricht der Goograpbie. 301
Modelle die Höben Terbältnismässig grösser darstcllt als die horizontalen Aus-
dehnungen. Man kann dieses nicht tadeln, denn die Höhe eines kleinen Berges
würde zu wenig hervortreten, wenn man sie im Modell ganz ohne üebertreibung
zur Darstellung bringen wollte. Nur wollen wir uns der sehr naheliegenden
Gefahr bewusst sein, diuss man in dieser üebertreibung zu weit geht, dass
dadurch unnatürliche Verhältnisse dargestellt und irrtümliche Auffaisungen
erweckt werden.
Zur Herstellung eines Modells aus Thon zeichnet man zunächst eine
Karte der betreflfenden Gegend auf ein Brett, wtdehes dem Modell zur Unter-
lage dienen soll. In diese Zeichnung setzt man an jedem wichtigen Punkte
eine Stecknadel ein, deren Länge genau der geographischen Höhe des Punktes
entsprechen muss. Darauf belegt man das Brett mit feuchtem Thon, so dass
die Thonmasse genau bis zur Spitze der einzelnen Stecknadeln binaufreieht.
Auf den Schulausflügen haben wir nacheinander alle diejenigen Punkte
der Gegend aufzusuchen, an welchen Schichten der Erdkruste deutlich zu Tage
treten (Steinbrüche, Wegeinschnitte, Wasserrisse u. s. w.).
Es ist keineswegs erforderlich, dass bei der Besprechung der Erdschichten
wissenschaftliche geologische Erörterungen gegeben werden , aber ein Stück
Granit muss der Schüler von einem Stück Kalkstein unterscheiden können,
wenn beide Gesteine in der Nähe des Schulorts Vorkommen. Nehmen wir an,
dass in der Gegend nur ein einziges Gestein vorkommt, etwa der Kies (in
einem grossen Teil der norddeutschen Tiefebene ist das thatsächlich der Fall);
die Schüler der Oberstufe lassen wir darauf achten, dass die im Kies vor-
kommenden Kiesel von der Grösse eines Kopfes hinabgehen können bis zur
Grösse des Sandkorns, dass wir Feuerstein, Quarz, Schiefer, Granit und andere
harte Gesteine im Kies finden, dass diese in einem Falle regelmässig geformt
sind wie eine Kugel, im andern Falle wie eckige und unregelmässige Bruch-
stücke. Auf der Unterstufe dagegen würden diese Einzelnheiten vollkommen
überflüssig sein; cs genügt für den jüngeren Schüler, wenn er an mehreren
Punkten der Gegend sich davon überzeugt, dass unter der Ackerkrume, in
welcher die Pflanzen wachsen, Kies liegt und dass dieser Kies nicht überall
dieselbe Beschaffeniieit zeigt.
Auf der Unterstufe werden wir es in der Regel vermeiden, uns über die
Entstehung von Gesteinen oder über die Veränderungen, welche djis Land in
früheren Zeiten erfahren hat, zu äussern. Nur wenn einzelne Erscheinungen
eine Erklärung geradezu herausfordem, mögen wir dieselbe geben. Sehen wir
z. B. , dass ein Streifen von Flussgerollen sich hoch über der jetzigen Thal-
sohle zu beiden Seiten eines Flussthales entlang zieht, so ist es uns sehr nahe
gelegt, zu erwähnen, dass das Bett des Flusses in früherer Zeit viel höher lag
als heute , dass manche Flüsse im Laufe der Jahrtausende ihr Bett immer
tiefer in das Gestein hineinarbeiten , dass eine Reihe der schönsten Gebirgs-
thäler ihre Entstehung der lange andauernden Arbeit eines Flusses verdanken.
Alle wichtigen Gesteinsarten, welche in der Gegend Vorkommen, müssen
in der ünterriclitssammlung vertreten sein. Vor jedem Ausfluge zeigen wir
den Schülern Proben von den Gesteinen , welche sie nachher in der freien
Natur sehen werden. Findet dann ein Schüler draussen ein besseres Hand-
stück, als es die Sammlung vou dem betreffenden Gesteine aufzuweisen hat,
so wird er mit Freuden bereit sein, seinen Fund der Schule zu überweisen
und dadurch zur Erweiterung und Verbesserung der Schulsammlung bei-
zutragen.
2. Veränderungen in der Atmosphäre.
Jedem Kinde ist der Temperaturunterschied bemerkbar zwischen dem
heissen Mittage und der kühlen Nacht, zwischen Sommer und Winter, zwischen
Sonnenschein und bewölktem Himmel. In der Regel zeigt uns unser Gefühl
die Unterschiede mit ausreichender Genauigkeit; es kommt nun darauf an zu
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Methodik und Unterricht der Geo^ai>hie.
zeigen, dass es docli aucli Fälle giebt, in denen unser Gefühl allein nicht
genügt, so dass wir uns nach einem andern Mass der Temperatur Umsehen
müssen. Dazu der Versuch: wir halten eine Hand in kaltes, die andere in
warmes Wasser, nachher halten wir beide Hände in ein Becken mit lau-
warmem Wasser und überzeugen uns, dass wir in den beiden Händen keines-
wegs die gleiche WUrraoemi)lindung haben, dass also unser Gefühl kein un-
bedingt zuverlässiger llafsstab für die AViinue ist. Gehen wir demnach zum
Gebrauch des Thermometers Uber. Auf eine theoretische Erörterung lassen
wir uns auf der Unterstufe natürlich nicht ein; jeder Schüler sieht, dass das
Quecksilber oder der gefärbte Alkohol iin Thermometer steigt, sobald wir das
Instrument durch die Hand oder durch das Sonnenlicht erwärmen , dass die
Flüssigkeiten fallen, sobald das Thermometer sich wieder abkühlt. Ein Thermo-
meter mit grosser weithin erkennbarer Skala sollte eigentlich in jedem Scbul-
zimmer vorhaudeu sein. Wir üben das Ablesen und zugleich das Abschätzen
der Temperatur, wir ermitteln die Wärme verschiedener Stellen des Schul-
gebäudes und des Schulhofes, stellen Vergleiche an zwischen Sonnenschein und
Schatten, zwischen Morgen, Mittag und Abend , zwischen heute und morgen,
zwischen dieser und der nächsten Woche u. s. w. .Jeden Tag zu einer be-
stimmten Stunde wird von nun an das Tliermometer abgelesen, wir beauftragen
damit denjenigen Schüler, welcher sich bei den Naturbeobachtungen am meisten
ausgezeichnet hat ; die.ser rechnet cs sich zur Ehre an , dass er damit betraut
wird die Beobachtung täglich zu wiederholen, die Zahl der Grade in einem
Notizbuch zu vermerken und der Klasse dadurch den Stoff zu lehrreichen
Betrachtungen zu liefern.
Wenn später auf einer höheren Unterrichtstufe der Lehrer von wichtigen
Fragen der physikalischen Erdkunde spricht, bei denen der Einfluss der Tempe-
ratur eine hervorragende Rolle spielt, dann wird er den wohlthätigen Einfluss der
von seinen Schülern geübten selbständigen Temperaturbeobachtungen wahr-
nchmen. Die Schüler haben sich daran gewöhnt, die eigenen sinnlichen Wahr-
nehmungen als eine (Quelle des Wissens zu betrachten , sie gewinnen dadurch
ein gesteigertes Interesse und ein tieferes Verständnis für die Lehren vom
Klima und dem Wetter, welche einzig und allein durch zuverlässige Tempe-
raturbeobaebtungen begründet werden können.
Der Zusammenhang zwischen Atmosphärendruck und Wetterveränderung
ist für den Schüler der Elcmentarstufo zu schwer verständlich , die Erklärung
muss jedenfalls der höheren Stufe Vorbehalten beiben. Immerhin aber ist es zweck-
mässig iin Schulgebäude ein Quecksilberbarometer aufzuhängen, dessen Stand
von den Schülern ohne Schwierigkeit abgolcscn werden kann. Tritt gelegent-
lich ein besonders rasches Fallen des Barometerstandes ein , so machen wir
auch die Schüler der Elemontarstufe auf diese Erscheinung und auf den nach-
folgenden Wetterumschlag aufmerksam. Derjenige Schüler, welcher mit der
regelmässigen Therraometerablesung beauftragt ist, wird gern die Verpflichtung
übernehmen auch das Barometer täglich zu einer bestimmten Stunde zu be-
obachten.
Die beiden Erscheinungen der Verdunstung des Wassers und der Ver-
dichtung des Dampfes zu Wasser spielen eine wichtige Holle bei deu Ver-
änderungen in der Atmosphäre; ebenso stellen sie der Beobachtungsgabe
unserer Schüler manche lehrreiche Aufgabe. Dem Schüler ist es bekannt, dass
zuweilen nach einem heftigen Regenschauer der Erdboden schnell wieder
trocken wird, dass sein vom Regen durchnässter Rock die Feuchtigkeit in
der Nähe des warmen Ofens bald wieder verliert. Das Wasser verdunstet
also , es wird von der Luft aufgenommon. Schnell trocknet das Strassen-
pflaster nach dem Regen nur an einem sonnigen Tage bei bewegter Luft,
langsam dagegen bei bedecktem Himmel und kühler ruhiger Luft. Die Ver-
dunstung ist also abhängig von der Wärme und der Bewegung der Luft.
Steigern wir die Wärme mehr und mehr, so beginnt das Wasser zu sieden.
'm*’
Methodik und üntenicht der Goographio. 303
und es gelingt uns den ganzen Inhalt eines Kessels in Dampf zu verwandeln.
Es ist uns bekannt, dass im Winter die Fenster beschlagen, daraus erkennen
wir, dass der Wasserdampf sich wieder in Wasser verwandeln kann. Im
kalten Zimmer sehen wir unsem Atem ; ein Glas mit kaltem Wasser beschlägt,
sobald es in das wanne Zimmer gebracht wird. In der freien Natur schlägt
sich der Wasserdampf als Tau nieder, es bilden sich die Wolke und der
Regen. So gelangen wir allmählich zu einer Vorstellung von dem beständigen
Kreisläufe, welcher das Wasser abwechselnd der Erde und der Luft zuführt.
Auch die Wolken können uns manches erzählen von dem, was hoch über
uns in der Luft vorgelit. Die feinen faserigen Cirri in den buchsten Schichten
der Luft wechseln langsam ihre Gestalt, zuweilen sehen wir sie zu langen
schnurgeraden Streifen angeordnetj daun zeigen sie uns an, dass wir demnächst
einen heftigen Sturm von der Richtung dieser Streifen zu erwarten haben.
Die Haufeuwolke fesselt unsere Aufmerksamkeit durch ihre grossartigen Formen,
das Gewitter sehen wir heraufziehen , den Regen in schrägen Streifen herab-
fallen, nachher zerteilt sich die dichte Wolkenschicht, und das Sonnenlicht
dringt wieder durch bis zu uns.
3. Regen, Flüsse, Meer.
Vom Regen ergiebt sich leicht der Uebergang zu den Gräben und
Bächen, welche das Hegenwasser den Flüssen zuführen.
Wenn ein grosser Fluss in der Umgebung des Schulorts vorhanden ist,
haben wir uns sorgfältig zu überlegen, welche von den besonderen Eigentümlich-
keiteu des Flusslaufs beim Unterricht berücksichtigt werden können. Die
Unterscheidung von rechtem und linkem Ufer und die Notwendigkeit einer
solchen Unterscheidung sind bald erörtert. Fliesst der Strom langsam durchs
Land mit geringem Gefälle, so zeigt er grosse Schlangenwindungen, und sein
Boden ist bedeckt mit Schlamm ; Üiesst er schnell , so erkennen wir die ero-
dierende Thiitigkeit des Wassers und möglicherweise bemerken wir über dem
jetzigen Ufer Terrassen, welche andeuten, wie hoch das Niveau des Flusses
in früheren Zeiten war. Die kleinen Zuflüsse zeigen uns hin und wieder das
Abbild eines Wasserfalls, einer Stromschnelle und eines Sees und erleichtern
es dem Schüler sich diese Dinge im grossen vorzustellen.
Der Teil vom Regeuwasser, welcher in den Boden biuabsiukt, zeigt sich
uns wieder in den Quellen. Wir versäumen nicht einige Quellen einmal zur
Zeit der Dürre, ein anderes Mal nach einem heftigen Regen in Augenschein
zu nehmen.
Wenn die Schule sich in der Nähe der Küste befindet, beobachten wir
vor allen Dingen den Wechsel von Ebbe und Flut. Gelegentlich erwähnen
wir, welches Erstaunen der erste Anblick der Gezeiten bei den römischen
Soldaten hervorrief, als sie von den ruhigen Ufern des Mittelmeeres an den
Kanal kamen ; sie glaubten ihre Schiffe auf dem Strande sicher geborgen zu
haben, als plötzlich die Flut hereinbrach und alles in lieillose Verwirrung
versetzte. Dass die Phasen des Mondes auf die Flut einen Einfluss ausüben,
wird erwähnt, aber erst auf der Oberstule erklärt.
Wenn der Strand in historischer Zeit wesentliche Veränderungen erlitten
hat, sei cs durch Verlust oder durch Anschwemmung von Sand, dann werden
wir den Schauplatz dieser Veränderungen aufsuchen und die Spuren derselben
in Augenschein nehmen.
4. Die Pflanzen und Tiere der Schulumgebung.
Die Pflanzen- und Tierwelt trägt soviel dazu bei, die Erde fir uns be-
wohnbar und angenehm zu machen , dass wir diese beiden Gebiete nie ver-
nachlässigen dürfen, so lange es unsere Absicht ist, die Thätigkeit und die
Neigungen des Menschen verstehen zu lernen. Zunächst haben wir dafür zu
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Methodik und Unterricht der Geographie.
sorgen, dass unsere Schüler die allerwichtigsten Pflanzen und die Tiere der
Heimat kennen lernen. Durchaus verfehlt würde es sein, wenn wir nur eine
Aufzählung der im Gebiete vorkommenden Naturgegeustände geben wollten,
ohne unseren Schülern von jedem einzelnen der erwähnten Tiere und Pflanzen
eine ganz klare Anschauung zu verschaffen.
Wir beginnen mit der Besprechung einer möglichst häufig vorkommenden
grossbluinigen Pflanze, von der wir jedem Schüler ein Exemplar in die Hand
geben. Wir lassen die Wurzel genau beschreiben , darauf den Stengel , das
Blatt und die Blüte ; zugleich lassen wir die einzelnen Teile und auch die
ganze Pflanze an der Wandtafel zeichnen. In der nächsten Stunde wird die
Beschreibung dieser Pflanze wiederholt; darauf gehen wir zu neuen über. Die
Mannigfaltigkeit in den Formen der Blätter, Blüten und Früchte bietet uns
vorzüglichen Stoff zu Beschreibungen und Vergleichen. Wir machen uns
keineswegs abhängig von einem bestimmten System, sondern wir besprechen
am liebsten diejenigen Pflanzen , welche uns die nächste Umgebung in guten
Exemplaren bietet. Es werden auf diese Weise nach und nach die aller-
wichtigsten Gruppen der Blutenpflanzen zur Besprechung gelangen , von den
blütenlosen Pflanzen verdienen Erwähnung : Pilz , Schimmelpilz , Lebermoos,
Laubmoos und Farrnkraut. Auf bobinische Einzelnheiten hat sich der Lehrer
durchaus nicht einzulassen , überhaupt ist es keineswegs erforderlich, dass der
Lehrer der Erdkunde Botaniker oder Zoologe ist. Er muss in der Botanik
und in der Zoologie zunächst nur diejenigen Kenntnisse besitzen, welche man
überhaupt bei jedem Gebildeten voraussetzt. Ausserdem muss er ein lebhaftes
Interesse für die Beobachtung der Natur besitzen, und er darf die Mühe nicht
scheuen, sich namentlich in den ersten Jahren seiner Thätigkeit mit jedem
einzelnen Gegenstände, welcher im geographischen Anschauungsunterricht vor-
kommt, genau zu beschäftigen.
Von den Tieren wählen wir in erster Linie diejenigen zur Besprechung
aus, welche im Naturalienkabinet vertreten sind ; in anderen Fällen behelfen
wir uns mit guten Abbildungeu. Einige Skelette sind sehr erwünscht , etwa
vom Schellfisch, der Gans, der Katze und dem Hund. Oft finden die Schüler
Zähne und Knochen vom Schaf, Pferd, Ochsen oder von anderen Tieren, wir
vergleichen diese Knochen mit den entsprechenden bei den vorhandenen Skeletten;
in der Regel gelingt es auf diese Weise leicht festzustellen, welchen Knochen
man vor sich hat, überdies treten dabei die charakteristischen Unterschiede
am deutlichsten hervor.
Wir besprechen einige der gemeinsten Insekten ; Stubenfliege, Heuschrecke,
Libelle, Maikäfer und Kohlweissliug geben uns Gelegenheit, die Aehnlichkeiten
und die Unterschiede, welche in der grossen Klasse der Insekten hervortreten,
zu besprechen. Die wichtigsten Teile des Insoktenkörpers werden genannt,
beschrieben und an der Wandtafel gezeichnet. Natürlich gebrauchen wir
dabei die volkstümlichen Bezeichnungen, wir sprechen von FUblcrn und nicht
von „Antennen“, von Gliedern oder Ringen und nicht von „Segmenten“, von
Flügeldecken und nicht von „Elytreu“. Wir vergleichen dann den Körper
des Insekts mit einem auf den ersten Anblick davon weit verschiedenen, mit
dem des Hummers oder des Krebses. Lupe und Mikroskop leisten bei der
Besprechung der Insekten vorzügliche Dienste. Das Auge der Fliege gewährt
unter dem Mikroskop ein wunderbares Bild , welches dem Kinde eine hohe
Ehrfurcht vor der Schönheit und der ausserordentlichen Genauigkeit der Natur
einflösst. Dasselbe Tier, welches ihm früher kaum der Beachtung wert war,
erscheint dem Kinde jetzt in einem ganz anderen Lichte und spornt es an zu
neuem Eifer für die Beobachtung der Natur.
V*on den Tieren, welche unserer täglichen Beobachtung zugänglich sind,
gehen wir über zu denjenigen, welche zwar im Inlande leben, welche wir aber
nur selten zu Gesicht bekommen ; darauf besprechen wir die Tiere der fremden
Länder. Bison und Büffel werden wir nicht erwähnen, ohne dieselben mit
Mothodik und Unterricht der Geographie.
305
unserer einheimischen Rindviehart zu vergleichen, den Schakal und den Wolf
stellen wir zusammen mit unserem Hunde ; unsere Katze belehrt uns über die
wichtigsten Eigenschaften des Löwen, des Tigers und des Leoparden. Be-
sonders für die Besprechung der ausländischen Tiere ist eine Reihe guter
Abbildungen notwendig. Wenn ein zoologischer Garten oder ein Museum im
Ort vorhanden ist, werden wir nicht unterlassen dort Belehrung für unsere
Schüler zu suchen. In kleinen Städten und auf dem Lande , wo wir die
wissenschaftlichen Sammlungen entbehren, werden wir für diesen Mangel
doppelt entschädigt durch die leicht ausführbaren Schulausflüge in die freie
Natur.
Bei der Beschreibung der Pflanzen und Tiere dürfen wir uns nicht be-
gnügen mit der Betrachtung der B'orm , sondern das eigentliche „Leben“ der
Pflanze und des Tieres mit seinem Werden und Vergehen hat ebenfalls An-
spruch auf Berücksichtigung. Wenn der Frühling ins Land kommt, lehren
wir unsere Schüler darauf zu achten, wie sich Blatt und Knospe allmählich
entfalten, wie die Blüte sich öffnet, wie der Fruchtknoten nach und nach an
Grösse zunimmt , bis in einer späteren Jahreszeit die Samen in ihm horan-
reifen. Unsere Schüler sammeln einige Raupen und füttern dieselben mit
frischen Blättern. Wir beobachten dann, wie nach einiger Zeit die Raupen
sich verpuppen und wie später aus der Puppe der Schmetterling hervorgeht.
Wir werfen die Frage auf, welche Einrichtungen die Pflanze besitzt, um sich
auf derjenigen Stelle zu halten, welche ihr von der Natur angewiesen ist. Wir
sehen, dass der Baum mit einem grossen Netzwerk von Wurzolfasem sich fest
im Boden verankert, dass das Epheu sich mit Hülfe weniger Klammerwurzeln
hoch über den Erdboden zu erheben vermag, dass die Winde mit ihrem
schwachen Stengel die dichteste Hecke durchdringt, dass die Erbse mit ihren
Wickelranken an jedem Stamme und jedem Zweige die nötigen Stützpunkte
findet. Ein anderes Mal beachten wir, auf wie mannigfache Weise der Same
von den verschiedenen Mutterpflanzen ausgestreut wird, geeignete Beispiele sind:
Apfelbaum, Kirschbaum, Ahorn, Distel, Löwenzahn und Weide.
Einer der Gründe, weshalb eine eingehende Beobachtung der Natur für
das geographische Wissen eine grosse Bedeutung besitzt, ist folgender: der
Schüler lernt einzuteilen, zu klassifizieren. Ein Knabe, welcher sich eine Stein-
sammlung anlegt, überzeugt sich sehr leicht, dass er die Erze in eine, die
Spate in die zweite und die Kiesel in eine dritte Schieblade zu legen hat.
Die eigene Erfahrung belehrt ihn, dass man die grosse Zahl der Naturkörper
nur dann zu übersehen vermag, wenn man sie sondert nach Groppen und
Ordnungen.
Kapitel X.
Politische Geographie der Schnlnmgebang.
Die Thatsachen der politischen Geographie liegen dem Kinde nicht so
nahe wie die Beobachtung seiner natürlichen Umgebung; wir haben dieselben
daher im Unterricht erst zu berücksichtigen , nachdem die Anfangsschwierig-
keiten in der Naturbeobachtung bereits überwunden sind.
Wenn der Name des Schulorts leicht erklärt werden kann, wie das z. B. bei
vielen deutschen Ortsnamen auf -heim, -hausen, -Stadt und -dorf der Fall ist, kann
die Namenerklärung eine passende Einleitung zu einer genauen Beschreibung
des Ortes bilden. Die Strassen, Plätze und bemerkenswerten Gebäude des Ortes
sind zu schildern, die Grenze der Feldmark und diejenige des Kirchspiels sind
anzugeben, letztere ist in der grossen Stadt zuweilen nicht ganz leicht zu erkennen,
kann aber gerade dort die Veranlassung zu einigen lehrreichen geschichtlichen
Bemerkungen bieten. Die Zahl der Einwohner wird verglichen mit der der
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Methodik und [Unterricht der Geogi-aphie.
Schüler unserer Anstalt. Wenn sich die Bevölkerung des Ortes aus einem
besonderen Grunde in kurzer Zeit sUirk vermehrt hat, kann dieser Grund be-
sprochen werden. Das Zusammenwohnen vieler Menschen veranlasst dieselhon
zur Teilung der Arbeit. Wir lassen angeben, durch wessen Arbeit die Be-
völkerung mit Nahrungsmitteln versorgt wird: Landwirt, Müller, Bäcker,
Fleischer, Materialwarenhändler ; wem die Herstellung der Bckleidungsgegen-
stände obliegt: Tuchmacher, Schneider, Lohgerber, Schuhmacher, Hutmacher
u. 8. w. ; wer für den Verkehr und die Beschaffung der Verkehrsmittel zu
sorgen hat: Briefträger, Postillon, Kutscher, Eisenbahnschaffner, Seemaun,
Stellmacher, Wagenbauer, Schiffsbauer u. s- w. Natürlich sind hier unzählige
Variationen möglich. Wir gehen einen Schritt weiter , indem wir an einem
Beispiele zeigen, wie die Arbeit des einen Menschen sich an die des anderen
reiht, wie die Thätigkeit des einen von der des auderen abhängig ist. Ein
Buch wird geschrieben vom Schriftsteller, seine Schrift kommt zum Buch-
drucker, dieser erhält die Lettern aus <ler Schriftgiesserei, das Papier aus der
einen, die Druckerschwärze aus der andern Fabrik. Die geschriebenen Worte
werden mit Lettern gesetzt, dann wird gedruckt und das bedruckte Papier
wird zum Buchbinder gesandt, welcher die Bogen zusammenheftet und ein
Bucli daraus macht Das Buch wird zum Lagerhause des Verlegers gebracht,
von dort wird es zum Buchhändler gesandt, von letzterem erst erhält es der-
jenige, welcher es benutzen will. Ein schätzenswertes Hülfsraittel bei der
Besprechung dieses Beispiels ist eine Reihe von Lettern, welche leicht zu-
sammengesetzt und zur Herstellung eines einfachen Abzuges benutzt werden
können.
In der Dorfschule wird natürlich die Thätigkeit des Landwirts eingehend
besprochen ; wird in der Nähe viel Bergbau betrieben, so darf der Bergmann
dem Schüler nicht fremd sein, in einem Ceutrum der Wollindustrie darf man
nicht unterlassen eine Abbildung des Webstulils und Proben von roher und
bearbeiteter AVolle auf dieser Stufe des Unterrichts zu l>enutzen.
Die Teilung der Arbeit hat zur Folge, dass ein mannigfacher Austausch
der Erzeugnisse der Arbeit stattfindet. Der Ijandwirt gewinnt die Nahrungs-
mittel nicht allein für sich selbst, soudorn auch für seine Mitmenschen, letztere
haben ihn dafür zu versorgen mit dem. was das Handwerk hervorbringt. Der
Knabe, welcher eine Briefmarkensammlung besitzt, versteht das leiclit, denn
er bemüht sich, einen Vorrat von Doul)letten zusammenzuhringen in der Absicht,
diese im Austausch zu verweudeu zur Erwerbung derjenigen Arten , welche
ihm noch fehlen. Der Tausclihandel allein genügt indessen nicht, um die
Ware den richtigen Weg zu dem, der ihrer bedarf, finden zu lassen. Der
Milchmann, welcher einen neuen Kock oder einen Hut erwerben will und dabei
nichts zum Tausch zu bieten vermag als seine Milch, kann sich darauf gefasst
machen, dass ihm die Milch sauer und wertlos wird, bevor er jemand gefunden
hat, der Milch zu kaufen sucht und gleichzeitig Rocke oder Hüte ahzugeben
hat. Um solche Ünzuträglichkeiteu zu vermeiden, bedarf die iMenschheit eines
allgemein als gültig anerkannten Tauschmittels, dieses ist das Geld.
Das Geld in seinen mannigfachen Formen vom einfachen Muschelgelde
der Neger bis zu unseren Silber* und Goldmünzen, die Wege, die Landstrasseii,
das Postimt, die Postverbindungen, die Schicksale eines Briefes auf seinem
Wege vom Absender zum Empfänger, die Briefmarken, die Telegraphenleitungen
liefern uns reichen Stoff zu Gesprächen mit unseren Schülern. Gerade diese
Gespräche führen die Jugend zum Verständnis der Gegenw.art, und zugleich
bieten sie Gelegenheit zu manchem lelirreichen Rückblick in die Vergangenheit.
Die Ruinen einer alten Ritterburg, jedes Schlachtfeld und jedes Geburts-
haus eines berühmten Mannes erzählen uns von vergangenen Zeiten, sie sprechen
zu uns mit den Stimmen unserer Väter und ermahnen die Jugend die Vorzeit
in Ehren zu halten. Der Trieb zur Zerstörung, welcher den Knaben ver-
leitet seinen Namen in die alte vom Wurm zerfressene Holzarbeit einzuschneiden
/
Dicjiliinxi l
Methodik und rnterricht der Geographie.
307
und ehrwürdige Mauerreste zu zerbröckeln, wird unterdrückt, wenn wir die
Jugend darüber bclobrcu, dass in den nun verfallenen Gebäuden einst Menschen
wohnten, welche ebenso dachten und fühlten wie wir, obgleich sie unter ganz
anderen äusseren Verhältnissen lebten und vieles entbehren mussten , was wir
jetzt für unbedingt notwendig halten. An der Kirche bemerken wir vielleicht
mehrere verschiedene Bauarten , woraus wir scbliessen müssen , dass an dem
Gotteshauso zu ganz verschiedenen Zeiten nach ebensovieleii verschiedenen Plänen
gearbeitet wurde. Die Grabsteine auf dem Kirchhofe verweisen uns sowohl
durch die in ihren Inschriften angegebenen Jahreszahlen als auch durch die
Verschiedenheiten ihres Baustils auf ganz bestimmte Abschnitte der Vorzeit.
Der Zufall fügt es wohl, dass einer unserer Schüler eine Steinwaffe aus
alter Zeit iindet ; wir benutzen die Gelegenheit , einiges von der Steinzeit zu
erzählen, in der unsere V'orfahren sich gegen die Bären, das Rhinozeros, den
Elefanten und viele andere Tiere zu verteidigen hatten, welche nun längst in
unseren Gegenden ausgestorben sind. Eine Sammlung von Waffen aus allen
Zeiten , wie man sie heute in den Museen vieler Städte findet , gieht uiiscrn
Schülern ein lehrreiches Bild von den verschiedenen Stufen, welehe die Mensch-
heit bis zu ihrer heutigen Kultur zu ersteigen hatte. Der Panzer aus der
Ritterzeit erinnert uns an die glänzenden Turniere, zugleich auch daran, dass
damals das Verhältnis des Bauern zum adeligen Gutsherrn ein ganz anderes
war als heute.
Kapitel XI.
Verhältnis des Kchulorhs zum Lande nnd des Landes zur ganzen Erde.
Das Kirchspiel ist in der Regel ein gut umgrenztes Gebiet, welches genau
beschrieben werden muss mit seinen Bergen und Thälern, mit den Wasser-
läufen, der Bevölkerung, den Pflanzen, Tieren und Bodenarten, den Verkehrs-
mitteln und den allerwichtigsten Einrichtungen in Beziehung auf Schule,
Kirche, Armenpflege u. s. w. In welcher Reihenfolge man hierbei verfährt,
ist an sich gleichgültig, man ist dabei abhängig von den besonderen Ver-
hältnissen des Ortes und des Landes. Unter allen Umständen aber muss
nach einem bestimmten vorher klar durchdachten Plane verfahren werden,
und stets muss die Ueberschrift für das Kapitel, von welchem gerade die Rede
ist, an der Wandtafel verzeichnet werden, damit die Schüler sehen, wie sie
vom einen Kapitel zum andern fortschreiten, und wie jeder Gruppe von That-
sachen bei der Beschreibung des Kirchspiels eine bestimmte Stolle gebührt.
Eine Wandkarte vom Kirchspiel wird der Besprechung zu Grunde gelegt.
Schon während der Zeit, in welcher im Unterricht vom Kirchspiel die
Rede ist, hört der Schüler gelegentlich das eine oder andere über die Gegen-
den , welche jenseits der Grenzen seiner engsten Heimat liegen. Er gelangt
von selbst dazu, sein Interesse auch den mehr entfernt liegenden Dingen zu-
zuwenden, wir folgen seiner natürlichen Neigung, indem wir von der Be-
schreibung des Kirchspiels zu derjenigen des Regierungsbezirkes und der
Provinz übergehen. Die Methode ändern wir nicht. Bevor der Schüler eine
Beschreibung des Landes im Lehrbuche zu sehen bekommt, muss ihm durch
die Worte des Lehrers schon eine ganze Summe wichtiger Thatsachen bekannt
geworden sein. Am liebsten würden wir die Schulausfiüge bis auf grosse
Entfernungen vom Schulorte ausdehnon. Da sich indessen der wirklichen Aus-
führung dieser weiten Schulausflüge grosse Schwierigkeiten entgegen stellen,
begnügen wir uns damit, im Geiste ein grösseres Gebiet zu durchwandern.
Wir verfolgen auf unserer geistigen Wanderung eine auf der Wandkarte er-
kennbare Landstrasse und lassen durch die Schüler aus der Karte heraus-
lesen , welche Städte und Dörfer wir durchwandern, welche Berge , Burgen,
Flüsse und Seen zim rechten und welche zur linken Seite unseres Weges
308
Methodik und rnterricht der Geographie,
liegen, welche Landstrassen und Eisenbahnen unser Weg kreuzt u. s. w. Wir
finden die Gründe dafür, dass die Zahl der Städte und Dörfer in einigen
Teilen des Gebietes eine besonders grosse ist , in einem Falle in der Frucht-
barkeit des Bodens, in einem andern im Vorkommen nutzbringender Mineralien
oder in der günstigen Verkchrslage nahe der Furt eines Stromes , der Ein-
mündung eines Nebenflusses oder der Kreuzung wichtiger Strassen. Die phleg-
matische Ruhe und geringe Grösse der Städte in einer nur auf Land-
wirtscliaft angewiesenen Gegend zeigt sich uns im schroffen Gegensatz zu der
hastigen Unruhe der schnell emporgekommenen Industriestadt Beim Beginne
unserer gedachten Reise versäumen wir nicht die Richtung der Himmels-
gegenden genau anzugeben, später wiederholen wür dieses an mehreren Punkten
der Reise. Durch eine Messung auf der Karte müssen wir jederzeit im Stande
sein die Zahl der im Geiste zurückgelegten Meilen genau anzugeben.
Drei Vorzüge dieser Bchandlungsweise des Stoffes sind nicht hinweg-
zuleugnen. Zunächst ist der Unterricht viel lebendiger als bei der einfachen
Erzählung ; es bietet sich immer aufs neue Gelegenheit durch interessante
Einzelnheiten die Aufmerksamkeit des Schülers zu fesseln. Sodann ist der
Schüler fortwährend selbst in Tbätigkeit, denn er muss alles , was die Karte
erkennen lässt, selbst hcrausfinden; dadurch bekommt d:\s Ganze eine gewisse
Aehnlicbkeit mit eigener Beobachtung und selbständig ausgefuhrter Ent-
deckung. Der dritte Vorzug der Methode besteht darin, dass sie zur Sicher-
heit im Kartenlesen führt.
Unsere Wandkarte muss natürlicli in so grossem Mafastabe ausgeführt
sein, dass wir Wald, Ackerland und Morast deutlich voneinander unterscheiden
können. Das Gebiet des Kirchspiels muss auf dieser grösseren Karte mit
einer deutlich hervortretenden Farbe belegt sein, da es uns bei allen Ver-
gleichen bezüglich des Flächeninhalts als Einheit zu dienen hat. Ebenso
muss die Grenze des Kreises mit voller Deutlichkeit in Farbe auf der Karte
verzeichnet sein; es hängt von der Lage des Ortes ab, ob auch die Grenzen
des Fürstentums, des Regierungsbezirks oder der Provinz auf dieser Karte
der weiteren Umgebung des Schulortes zur Anschauung gebracht werden können.
Wir gehen dann zur Benutzung der Karte des ganzen Landes über;
wir sehen, dass viele von den Einzelnheiten, welche auf der bislang benutzten
Karte der weiteren Umgebung des Schulortes mit voller Deutliclikeit liervor-
traten, .auf der Karte des ganzen Landes fehlen ; dass manche Städte, Dörfer
und kleinere Flüsse unserer engeren Heimat dort keinen Platz gefunden haben,
dass der Kreis und das Fürstentum , welchen wir angeboren , nur einen ge-
ringen Raum einnehmen im Verliältnis zu dem ganzen zur Darstellung ge-
brachten Gebiete. Die grosse Wandkarte des Kirchspiels, welche wir zuerst
benutzten , umfasst vielleicht kaum eine Quadratmeilo , auf der Karte der
weiteren Umgebung des Schulortes nimmt eine Quadratnieile immerhin einen
ansehnlichen Raum ein , auf der Karte des ganzen Landes dagegen ist die
Quadratmeile ein ganz kleines Viereck; wir veranschaulichen diese Ver-
schiedenheit am einfachsten, indem wir die Quadratmeile in den verschiedenen
Mafsstäben an der Wandtafel zeichnen lassen.
Wir verfolgen nun auf der Kurte des ganzen Landes den weiteren Ver-
lauf derjenigen Flüsse, welche schon früher bei der Besprechung der Umgebung
des Schulortes erwähnt wurden ; wir suchen Quelle , Mündung , Nebenflüsse,
Wasserfälle u. s. w. auf. Ebenso werden die Eisenbahnen und Heerstrassen,
welche unser Heimatsgebiet berühren, verfolgt bis zu den Grenzen des Landes.
Wir suchen Vergleiche auf zwischen der physikalischen Beschaffenheit unseres
Heimatsgebietes und derjenigen der benachbarten und auch der entfernt liegen-
den Gegenden des Landes. Die Grundbegriffe: Kap, Meerbusen, Landenge,
Halbinsel, Wasserfall u. s. w. sind schon früher in der Heimatskunde erklärt;
wir suchen nun auf der Karte des Landes nach passenden Beispielen, welche
sich zu einer weiteren Erläuterung dieser Begriffe eignen.
Methodik und Unterricht der Geographie.
309
Der Schüler ist nun genügend vorbereitet, um verstehen zu können, dass
tmser Land einen Teil bildet von der Oberfläche einer Kugel. Die einfaclistcn
Beweise für die Kugelgestalt der Erde werden durebgenommen ; dabei wird
zum ersten Male der Globus benutzt, der von nun an für lange Zeit in keiner
Stunde fehlen darf.
In unserem Bestreben, vom Nächstliegenden ausgehend Schritt für Schritt
zur Besprechung des Weitentfernten zu gelangen, können wir noch einen
Schritt weiter gehen, indem wir auch die Kugelgestalt der Sonne und des
Mondes in die Betrachtung hincinziehen und unsere Schüler dazu anhalten,
die wichtigsten unter den scheinbaren Bewegungen dieser Himmelskörper selbst
zu beobachten. Auch die auffallendsten Sterne und Sternbilder, namentlich
den Polarstern und den grossen Bären zeigen wir unseren Schülern au einem
klaren Abend, oder, wenn das nicht angeht, leiten wir sie im Unterricht mit
Hülfe von Zeichnungen an der Wandtafel dazu an, die allerwichtigsteu Stern-
bilder und die scheinbare Bewegung derselben selbst am Sternenhimmel auf-
hndeu und beobachten zu können.
(Kapitel XIU— XVI. Obere Stufe des geographischen Unterrichts.)
Kapitel Xm.
Mathematische Geographie.
Es ist nicht statthaft, den Unterricht in der mathematischen Geographie
einer einzigen Klasse zu überweisen , sondern der Stoff wird auf eine Iteihe
von Klassen gleichmässig verteilt. Der Schüler soll lernen, einfache Messungen
selbst auszuführeu und Kartenskizzen zu entwerfen. Wir bedürfen eines
Taschen-Kompasses zur Eeststellung der Himmelsrichtungen , ferner hat sich
jeder Schüler mit einem Transporteur aus Karteiipapier zu versehen. Nach
einigen Vorübungen in der kartographischen Darstellung einer Landstrasse,
eines Dorfes, Baches, einer Eisenbahn u. s. w. gehen wir dazu über, die
Kartenskizze eines kleinen Gebietes aus der Umgebung des Schulortes auf
Grund eigener Beobachtungen und Messungen zu entwerfen. Zunächst haben
wir eine geeignete Basis auszuwählen ; am liebsten nehmen wir eine gerade
Landstrasse, welche zwei weithin sichtbare Punkte der Gegend miteinander
verbindet Den einen dieser beiden Punkte nehmen wir zunächst zu unserem
Standort. Es hat dann jeder Schüler sein zur Aufnahme des Entwurfs be-
stimmtes Kartenblatt auf einer passenden festen Unterlage, etwa einer niedrigen
Mauer, einem Brückengeländer oder dergl. unterzubringen, da wir nicht für
jeden einen hölzernen Dreifuss zur Stelle haben können. Das Kartenblatt
wird so gelegt, dass der obere Rand nach Norden gewendet ist. Die Richtung
der Meridianlinie wird mit dem Taschen-Kompass oder durch Beobachtung
der Stellung der Sonne festgelegt. Wir nehmen nun auf dem Kartenblatte
einen festen Ausgangspunkt und haben von diesem aus durch einen Blcistift-
strich die Basis einzuzeichuen. Dieses geschieht, indem wir unser Auge in
die Höhe des Kartcnblattes bringen und an der Oberfläche desselben entlang
zum andern Endpunkte der Basis hinübervisieren. Die Länge der Basis finden
wir durch Abschreiten; auf unserm Transporteur haben wir einen Mafsstab,
der uns angiebt, wieviel Ceutimeter in unserer Karte der gefundenen Schritt-
zahl entsprechen. Wir sind demnach im stände, auch den zweiten Endpunkt
der Basis in der Karte angeben zu können. Dann tragen wir auf dem einen,
später auch auf dem zweiten Endpmikte der Basis in die Zeichnung je einen
Stern von feinen Bleistiftstrichen ein , von denen jeder die Richtung nach
einem bemerkenswerten Gegenstände, den wir in der Karte verzeichnen wollen,
angiebt. Jeden dieser Striche finden wir, indem wir wieder unser Auge in
die Höhe des Kartenblattes bringen und nach dem betreffenden Gegenstände
310
Methodik und ünterricht der Geographie.
bin visieren. Wird dieses mit einiger Sorgfalt ausgefuhrt^ so giebt uns der
Schnittpunkt von je zwei einander entsprechenden Strichen die Lage eines
der darzustellenden Gegenstände in der Karte an. Sobald wir auf diese
Weise eine Reilie von festen Punkten gewonnen haben, ist es leicht, das
Uebrige nach dem Augenmass in den Kartenentwurf einzufügen. Auf der
obersten Unterrichtsstufe dürfte es sich empfehlen , eine genaue Messung der
einzelnen Dreieckswinkel ausführen zu lassen. Die im Freien angefertigte
Bleistiftskizze wird zu Haus vervollständigt, die üblichen Zeichen werden mit
Dinte, vielleicht auch mit farbigen Kreidestiften eingetragen.
Wenn nach einigen Lehrstunden die Schüler eingearbeitet sind, kann
man ein Gebiet zur Vermessung in Sektionen einteilen und je 2 Schülern die
Bearbeitung einer Sektion übertragen. Nachher werden die einzelnen Blätter
zusammengestellt zu einer Karte des ganzen Gebietes.
Die Erläuterungen und Hebungen in Beziehung auf geographische Länge
und Breite sind zunächst immer am Globus auszuführen , später erst ist die
Karte mit Erfolg zu verwenden.
Die Darstellung eines ganz kleinen Teiles der Erdoberfläche iu Form
einer Karte bietet keine grossen Schwierigkeiten. Sobald wir aber ein grosses
Gebiet darzustellen haben, bemerken wir, dass es unmöglich ist, ein Stück
einer Kugeloberfiüche mit voller Genauigkeit auf der ebenen Fläche des
Papiers zu zeichnen. Dieses führt uns zur Erläuterung der üblichen Methoden
der Kartenprojektion mit Hülfe von Zeichnungen und Modellen. Wir ver-
gleichen die Darstellung eines Läuderumrisses etwa in Mercators Projektion
mit dem allein richtigen Bilde des Landes auf dem Globus und gewöhnen
dadurch das Auge daran, die niemals ganz zu vermeideude Verzerrung der
Uinrisslinien auf den Karten zu berücksichtigen.
Kapitel XIV,
PhynikaliHche Geographie eines Oebielcs.
Das Lehrbuch soll dasjenige enthalten, was die Karte nicht sagen kann ;
es soll die aui der Karte angegebenen Einzelnhoiten ergänzen, aber nicht
wiederholen.
Die allgemeine Form und Lage eines Landes sind zunächst am Globus
und dann an der Karte zu erörtern. Da wir den Flächeninhalt des Landes
zu vielen Vergleichen heranzuziehen haben, prägen wir die Zahl der Quadrat-
kilometer dem Gedächtnis ein. Auf dem Rande der einzelnen Karten sollte
die Grösse des betreffenden liandcs sowohl iu Quadratkilometern als auch in
der in dem Lande üblichen Masseinheit verzeichnet sein. Man versäume nicht,
die relative Dichtigkeit der Bevölkerung berechnen zu lassen durch Division
der Einwohnerzahl durch die Zahl der Quadratkilometer.
Sehr zu empfehlen ist jedem Lehrer das Studium der geologischen Karte
des Landes, über welches er unterrichten will. Er braucht sich keineswegs
mit subtilen Fragen aufzuhalten , z. B. ob ein einzelner Zug der Alpen aus
Granit oder Gneiss, aus Glimmerschiefer oder Diorit besteht, aber das muss
er aus der geologischen Karte herauslesen, dass sich ein zusammenhängender Zug
von festestem Urgestein durch das ganze Gebiet der Alpen verfolgen lässt,
der sich hoch über das zur Seite gedrängte Kalkgebirge erhebt und mit seinen
unverwüstlichen Gipfeln allen Unbilden von Frost und Sturm zu trotzen ver-
mag. Ueberhaupt ist es nicht die Aufgabe des Lehrers , dem Schüler geo-
logische Einzelkenntnisse zu übermitteln , er braucht sein geologisches Wissen
nicht in den Vordergrund treten zu lassen, trotzdem hilft es ihm ganz wesent-
lich bei der Erklärung der topographischen Formen, bei den Fragen z. B.,
warum das eine Land reich, das andere arm an Seen ist, w’cshalb die Berge
Methodik und Unterricht der Geographie.
311
hier schroff abfallen und von Schlucliton durchsetzt sind , wahrend sio dort
sich ganz allmälilich zu bedeutender Höhe erlieben.
Es ist üblich, bei der Besprechung der physikalischen Verhältuisse eines
Landes zuerst die Gebirge ins Auge zu fassen. Wenn ein Land keine Gebirge
aufzuweisen hat, suchen wir zunächst die wichtigste Wasserscheide auf. Wir
treten dem weitverbreiteten Irrtum entgegen, dass die Wasserscheide immer
die höchste Stelle des Landes sein müsse. Auf der Karte von Europa z. B.
können die Schüler eine grosso Wasserscheide über den ganzen Kontinent ver-
folgen ; der bei weitem geringere Teil dieser Linie entfällt auf Gebirgszüge.
AVii' stellen Vergleiche an bezüglich der Zahl, der Wassermeugo und
der Länge der Flüsse, welche von den beiden Seiten der Wasserscheide hinab-
fliessen. Einige Hohenangaben auf der Karte ermöglichen uns auch den Fall
eines Flusses mit annähernder Genauigkeit zu ermitteln. Nehmen wir z. B.
an, dass ein Fluss in einer Höhe von 1000 m entspringt und dass die Länge
seines Laufes in unserer Karte zu 100 km angegeben sei, so berechnen wir,
dass der Fluss im Durchschnitt für jedes Kilometer seines Laufes 10 m Fall
hat; wir folgern aus diesem starken Gefiille, dass er für die Schiffahrt nicht
verwendbar sein kann.
Wir haben zu beachten, dass Quellen oft die Veranlassung zur Gründung
menschlicher Niederlassungen wurden, und dass die Flussthäler die natürlichen
Heerstrassen bildeten , auf welchen die erste Bevölkerung ins Land einzog.
An den grösseren Flüssen finden wir die ältesten Ansiedelungen , namentlich
da, wo eine Furt die Möglichkeit des Ueberganges von einem Ufer zum andern
darbot. Die Stelle, wo ein grösserer Nebenfluss in einen Strom einmündet,
mnsste in der alten Zeit, als der Verkehr weit mehr als heute auf die Wasser-
strassen angewiesen war, als besonders günstig für die Anlage einer Stadt
erscheinen. Koblenz bietet dafür nicht allem durch seine L,age, sondern zu-
gleich durch seinen Namen einen passenden Beleg.
Auch die Ebenen verdienen eine sorgfiütige Betrachtung; einige waren
noch vor verhältnismässig kurzer Zeit vom Meere bedeckt, der Meeressand
lagerte sich gleichmässig ab über grossen Flächen des Meeresbodens und stieg
dann infolge säkularer Hebung allmählich bis über den Wasserspiegel empor.
Andere Ebenen verdanken ihre Entstehung der Thätigkeit der Bäche und
Flüsse, welche durch ihre Sinkstoffe den Raum zwischen mehreren benach-
barten Gebirgen gleichmässig überlagerten. Als Beispiele mögen die nord-
deutsche und die lombardische Tiefebene dienen. Erstere w.ar in jüngster Zeit
noch Meeresboden, das beweisen die in iliren Sanden und Thonen gefundenen
rezenten Arten von Meeresmuscheln. Die lombardische Ebene dagegen ist auf
drei Seiten umgeben von hohen Gebirgen, welche Jahrtausende hindurch grosse
Massen von Gerollen und Schlamm mittels unzähliger Wasserläufe hiuabgesandt
haben. Der Boden der Lombardei musste auf diese Weise gehoben und ge-
ebnet und die Küste des adriatischen Jleercs zurückgeschoben werden. So
ist es erklärlich, dass der römische Kriegshafen Ravenna jetzt 7 km land-
einwärts liegt, und dass die alte Hafenstadt Adria, welche dem adri,atischen
Meere den Namen gegeben hat, jetzt 22 km von der Küste entfernt liegt. Im
kleinen können wir diese Art der Entstehung von Ebenen in jeder gebirgigen
Gegend bef>bachton, denn in der Regel bildet sich da, wo sich die Wasser-
läufe von mehreren hohen Bergen treffen, eine kleine Alluvialebone.
Die zur Beurteilung des Klimas eines Landes in Beti-acht kommenden
Thatsachen sind erst seit verhältnismässig wenigen .lahren genau beobachtet
und zusammcngestellt. Für die Zwecke des Unterrichts sind von Interesse:
der mittlere Atmosphärendruck im .lanuar und im Juli, die mittlere Sommer-
nnd Wintertemperatur, die mittlere jährliche Regenmenge und ihre Verteilnng
auf die einzelnen Jahreszeiten, die vorherrschenden Winde und ihre Beziehung
zum Regenfall, der allgemeine Charakter des Wetters und die Richtung und
Eigentümlichkeiten der Stürme. Die Wetterkarten, welche neuerdings von
. ik.
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I
312 Uethodik luid Unterricht der Geographie.
den meteorologischen Instituten mehrerer Staaten und auch von grösseren
Zeitungen täglich herausgegeben werden, sind in den Tagen vor und nach
einem grösseren Sturme besonders lehrreich. Sie zeigen den beherrschenden
Einfluss des Luftdrucks auf alle Bewegungen in der Atmosphäre, sie lassen
die Bahn des Sturmes erkennen und die Bedingungen der Temperatur und
Feuchtigkeit, welche einer heftigen Bewegung voraufgehen, welche sie begleiten
und welche aus ihr hervorgehen.
Die in einem Lande vorkommenden Tiere und Pflanzen sind in erster
Linie nach ihrer Zugehörigkeit zu den grossen Gebieten oder Provinzen , in
welche die gesamte Fauna und Flora der Erde eingeteilt werden, ins Auge
zu fassen. Sodann aber sind sie — ebenso wie die Mineralien — nach ihrer
Bedeutung für diu Ernähruug und Bekleidung des Menschen und namentlich
für den Handel zu beurteilen. Dabei worden dem Lehrer die in einem der
voraufgehenden Abschnitte erwähnten gedruckten Länderuinrisse gute Dienste
leisten, er kann z. B. durch das Einzeichnen weniger Linien die Verbreitung
des Weinstocks oder der Baumwolle oder des Kamels oder der Steinkohle zur
Anschauung bringen.
Die charakteristischen Merkmale der Menschenrassen sind dem Schüler
leicht verständlich. Die Verteilung der verschiedenen Rassen Uber den Erdball
und die Verbreitung der wichtigsten Sprachen und Religionen veranschaulicht
man durch besondere Karten, welche jetzt wohl überall käuflich sein dürften.
» *
*
Das Kapitel XV enthält viele Erklärungen von geographischen Namen,
welche hauptsächlich für den englischen Leser von Interesse sind. Im übrigen
bietet dieses Kapitel bezüglich der politischen und historischen Seite des
geographischen Unterrichts eine Reihe von Gedanken und Ratschlägen, welche
sich kaum in einem kurzen Auszuge zusammeiifissen lassen, welche überdies
dem deutschen Leser nicht neu sein dürften.
Kapitel XVI handelt von der obersten Stufe des geographischen
Unterrichts, namentlich vom Lesen geographischer Werke.
W. Levin.
Profil 'ttBga d6i BAsfiea von Woltsofasoht fortgowtit Ms sum Cameni
Versuch eines Beitrags zur Deutung von geographischen Namen,
Vöiker- und Personennamen.
Von Amtariohter Nobr in Cliemmtz.
Das Wort nor (mit langem o, daher niir, noor) stammt aus Asien, lautete
im älteren Ostmougolischen oder eigentlichen Mongolischen nagor und bedeu-
tete , wie heute noch im Ostmongolischen , sowie im Westmongolischen oder
Kalmückischen, „See“ d. h. Landsee. (Vergl. Dr. Ungewitters Erdbeschrei-
bung, herausgeg. von Dr. Hopf, Dresden 1872, Bd. II, S. 451.)
Es haben einen mit nor oder noor zu.sammengesetzten Namen folgende
centralasiatiscbe, zwischen dem 32. und 49. Grade uördl. Br. gelegene Land-
seen : Ubsanor und Kirgisnoor am Kirgisischen Ural, Lobnor und Kulün-Noor
in China, Dalai-Nor in der Mandschurei, Chalunnoor, Buirnoor und Gasch-
noor in Ost - Turkestan , Alaknoor, Oroknoor, Sogoiior, Sobonoor, Saisannor
und Kukunor in der Mongolei, Oringnor, Dscharingnor, Bakanoor, Bukanoor,
Chuituunor und Tengri-Nor in Tibet.
Auch in Europa, wohin es durch die aus dem westlichen Teile von Asien
ausgewanderten Volker gelangt sein mag, kommt das anschemend auch dem
indogermanischen Spraclistamme ■) angehürige AVort nor, noor vor. Es ist
zwar weder in den keltischen Sprachen , soweit sie der .letztweit bekannt ge-
worden, noch in den uns bekannten germanischen Sprachen in der Bedeutung
von „Beo“ •) vorhanden , gleichwohl hat cs sich aber in seereichen Ländern,
welche von eingewanderten keltischen oder germanischen Völkern, bezw. deren
Abkömmlingen bewohnt oder bewohnt gewesen und nicht frühzeitig von slavi-
schen Völkern dauernd in Besitz genommen worden sind, in geographischen
Namen, V'ölker- und Personennamen erlialten. Es wurden mit diesem Worte
Izandseen (auch ganz kleine und jetzt ganz oder teilweise versumpfte, oder als
Teiche geltende), sowie see- oder teichartige Ausbuchtungen in Flüssen (Bächen)
bezeichnet (vergl. betreffs Schwedens: Anteckningar om Westmanlands Härader
af 0. R. Bellander, Köping 1869, S. 401 — 405), und hat man daher unter
noraha, nora *) den schmalen Ein- und Ausfluss eines Landsees, einen schmalen
Fluss oder Bach mit see- oder teichartiger Ausbuchtung zu verstehen. Zu
den in Europa heute noch mit nur, noor, noor benannten Landseen zählen
auch einige, welche durch ein schmales Wasser (Tief) mit dem Meere in Ver-
bindung stehen, sogenannte Strandscen *).
*) Die JUtesten Hirten-, Krieger- und Fischcr-VBlker luvtten wohl in ilipen,
bezw. verwandten Sprachen infolge gegenseitiger Kntlehnung noch manche« Wort ^ivfein,
wogegen in dienen Sprachen später, und zwar schon beim Heginn des Ackerbaus, dieselben
begritfe verschiedenen Ausdruck fanden.
•) Nur in der altnord. Spnvcbe hat «ich das Wort nör in einer von ,Sce‘ hersulei-
tenden Bedeutung erhalten , indem in dieser Sprache der länglichrunde, einen See in
kleinster Form bildende KOhltrog des Schmieds, gleichwie im Latein, lacus, «nör* hie««.
(Vergl. J. Grimms deutsche Grammatik d. u. 1840, Btl. I, S. 463 in Verb. m. S. 465.)
•) Da« indogenuun. aha ,Waiaer*, in den german. Sprachen in drei Fonucu: aha, ap
und ava zerspalten, lautete aus auf aha, ah, ach, aa, a und bedeutete, wie noch heute im
Schwedischen a, «schmaler Fluss, Bach*.
*) Nicht mit nör (See) zu verwechseln in geograpbisclien Namen, Völker- und Per-
sonennamen ist nur mit kurzem o, welches Nord (Norg), Nort, North, Norr (Nol), Nörre,
25
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314 Versuch eines Beitrags zur Deutung von geograph. Namen, Vnlkcr- n. Personennamen.
Ueber den Weg, den bei Einwanderung asiatischer Völker in Europa
die nach den (iriechen und Römern daseihst zuerst aufgetretenen Kelten von
der Ostgrenze Europas aus eingeschlagen, und in welchen Ländern ausser in
Bühmon im Erzherzogth. Oesterreich , in den Herzogthümern Steiermark und
Kärnthen, in Bayern, in der Schweiz, in Italien, Frankreich, Spanien, Eng-
land, Schottland und Irland sie sich niedergelassen haben, will ich mich nicht
weiter verbreiten und betrefls der (iermanen, von denen ein Volk sich zunächst
auf der Halbinsel Krim ’) festsetzte und nach seiner Verdrängung durch die
Scythen bis herauf au die Weichsel dort mit anderen stammverwandten asiati-
schen Einwanderern sich vereinigte , sich aber auch wieder in verschiedene
Stämme spaltete, nur bemerken, dass sie nach Angabe bewährter Geschichts-
forscher von dem oberen Laufe der Weichsel teils nordwärts und sodann der
Ostsee- und Kordseeküste entlang his nach den Kiedcrlanden , oder seitwärts
von der Nordseeküste nach Thüringen und Westfalen, bezw, an der Ostsee-
küste aufwärts nach der kimbrischen Halbinsel, Dänemark, Schweden und
Norwegen, teils von der Weichsel aus südwestwärts und sodann westwärts
nach den Oesterreich. Landen , Bayern , Hessen und den Rheinländern weiter
gewandert sind *).
Bei Angabe der Gegenden, in welchen die Kelten oder die Germanen,
oder beide Völkerschaften zugleich in Europa mit dem Worte nör, gleichwie
mit einem Marksteine, Kunde von ihrer Anwesenheit hinterlassen haben, folge
ich lediglich den beiden Wegen der Germanen, und mag dieser Angabe noch
vorausgeschickt werden, dass Länder, deren Name das Wort nör enthält,
ausnahmslos reich an Landseen sind, sowie, dass Orte, deren Name
„nor“ oder „nora“ lautet oder mit nör, uora zusammengesetzt ist, nur an
Land - und Straudseen, oder in deren Nähe, bezw. an Landsee-Ein- und
Ausflüssen , oder in deren Nähe zu finden sind , dass hierbei auch die z. Z.
versumpften Seen, sowie die jetzt als Teiche geltenden Seen in Betracht kommen,
dass zu erwähnten Orten auch einige zu rechnen sein dürften, deren Name im
Laufe der Zeit aus Missverstand verdorben ist und dass meine Angaben über
Ortslage , soweit ich die Quelle nicht angegeben , auf zuverlässigen Spezial-
karten und , soweit Si)czialkarten nicht ausreichten, auf den Angaben der be-
treffenden Ortsverwaltungsbehürden , bezw. auf eigenem Augenschein beruhen.
Fasst man nun zunächst die von den von der Weichsel aus nördlich
gewanderten germanischen Völkern berührten Länder ins Auge, so trifft man
auf das AVort nör in dem Namen ;
1. de.s ostpreussischen Ortes Nordenburg im Kreise Königsberg, einer
in seereicher Gegend am Flusse Aschwäu (frülier Swena, Schweine),
dem Ausflusse des nahen Aschwänsees (Nordenburger Sees), gelegenen
alten Stadt, wobei zu bemerken, dass der Name dieser Stadt zugleich
im Hinbhck auf das Nichtvorhandensein eines gegensätzhehen Sonder-
burg, Suderburg, Süderburg u. s. w. in dortiger Gegend offenbar
durch missverständliche Einschiebung eines d aus Norenhurg (= Sce-
hurg) verdorben ist;
Norder bedeutet und im Gegensätze von Ost, Oster, Oeater, West, Wester, Söd, Südor, Sud.
.Snder, Snnd, Sünder, .Sond, Sonder, Sonders, SOr steht, wie z, il. in „Norburg“ auf <ior Insel
Alsen, welches trotz der nahebei gelegenen landseen als Nordburg zu deuten ist, und zwar
wegen des gegensätzlichen Sonderburg; ferner ist damit nicht zu verwechseln das nsthn.
nör, obentaJls mit kui-zem o, welches .jung, neu' bedeutet, wie z. B. in Nor-Kagkak
Neustadt. (Vergl, A. F. Pott, .Die Personennamen u. s, w. unter Berücksichtigung der Orts-
namen, S. 522 u. 524 ilg.)
') Kin Best von Gernuineu soll sich auf der Halbinsel Krim (vergl. Br. Otto Bohaghel,
.Die deutsche Sprache“, Leipzig 1886, S. 10) bis in neuere Zeit erhalten haben.
•) Teile der zn den Germanen gehörigen Angelsachsen bevölkerten Britannien. Teile
der Nonnannen und Jüten Irhind, andere Germanenstämme Norditalien und einen Teil von
Frankreich. Mit den Kelten sind nach Ansicht .1. Grimms (vergl. dessen .Gesch. der deut-
schen Sprache*, Bd. II, S. 72.8) im Osten Europas zuerst die german. Gothen, insonderhoit
die Gotliinen zusnmmengetrotfen.
Digitizee L, C.o,
Versuch eines Beitrags zur Deutung von geograph. Namen, Völker- u. Peraonetmainen. 315
2. der ebenfalls im Kreise Königsberg südlich von Wehlau und südwest-
lich von Insterburg zu beiden Seiten eines kleinen , mit Ein - und
Ausfluss versehenen Sees gelegenen Dörfer Gross -Nuhr und Klein-
Kubr mit Fabrikanlage Schün-Nulir (Nuhr für Kor. Koor durch Ab-
wandelung des 0 in u mit Dehnungszeichen h) = Grofssee, Kleinsce,
Schünsee ;
3. dos im ostpreuss. Kreise Gumbinnen an der polnischen Grenze in der
Kühe des grossen Wysztyten-Sees und eines kleinen Landsees gelegenen
Dorfes Norwieden, von nor und wiedo oder witu, daher = Seeweiden,
Scehof, See-Kolonie, oder Seewald ;
4. der in der preuss. Provinz Pommern im Regierungsbezirk Stettin am
Enzigsee gelegenen und von einer Anzahl noch anderer, kleinerer
Seen umgebenen Stadt Körenberg (Korenberg) = Seeberg ;
5. des im Grossherzogtume Sachsen -Weimar bei der Stadt Weimar an
dem Klüasclien „Gramme“, und dos in der preuss. Provinz Sachsen
unweit der Stadt Kordhausen an dem Flüsschen „Wipper“ gelegenen
Dorfes Nohra (Nora mit dem DohnuiigszeicUen h) = Soebach, wobei
zu bemerken, dass sowohl die Gramme, als auch die Wipper ein See-
bach (nora, uoralia), im obgedaebten Sinne ist, da die im Dorfe Nohra
bei Weimar entspringende Gramme in der Mitte dieses Dorfes eine
see- oder teichartige Ausbuchtung hat, d. h. dort einen kleinen, jetzt
ausgemauerten Teich durchströmt, bezw. weil die im Weichbilde der
Stadt Worbis entspringende Wipper bei dem zwischen Worbis und
Nohra unweit Kordhausen gelegenen Dorfe Wülfhngerode ebenfalls
eine see- oder teichartige Ausbuchtung hat, indem sie dort einen lang-
gestreckten Teich durchströmt;
6. des in der preuss. Provinz Hannover bei Göttingen an der Leine ge-
legenen Marktfleckens Nöi-ten (Northen, Norzun, von Northuna, Nor-
tuna ’) = Seeburg mit der an drei Seen (Teichen) gelegenen Ruine
des Bcrgschlosses Hardenberg, des ehemaligen Sitzes des Gerichts
über Nörten , woraus erhellt , dass man unter dem ahd. tun , thun,
thum eine befestigte, burgartige Gerichtsstelle zu verstehen hat ;
7. des Dorfes Norbye (By diiu. Dorf) = Seedorf in der preuss. Provinz
Schleswig-Holstein und zwar am Heide-Teiche in der Nähe dos kleinen
Owschlagsees westlich vom Wittensee;
8. des „Windebyer Noor“ (Noer) genannten grossen Landsces bei Eckern-
ibrde in derselben Provinz, welcher See als Strandsee zu gelten haben
dürfte ;
9. des in derselben Provinz gelogenen Landsecs Kübel -Noor = Nübel-
see, welcher durch ein schmales Wasser, an welchem der Ort Al-
noor = Alsee (vielleicht früher Eleunor, Elensee) liegt, mit der
Flensburger Föbrdc zusammenhängt ;
10. des in derselben Provinz und zwar in der Nähe des Bergdörfer Sees
gelegenen Dorfes Nortorf = Seedorf;
11. des im nördlichen Teile der Insel Alson gelegenen Landsees Olde-
Noor = Altsce ;
12. des Norwegen genannten seereichen Teils von Skandinavien (schwod.
Norrige, dän. Norge) aus nör, See, und dem altnord. egr, vegr,
Land, = Seeland *) ;
^ Ueber tün, thon, zim, Tiaun, kalt, «tun, lat. dunum, Hügel, Einfriedigung, Zaun,
ummauert. Ort, Koste, Hurg vergl. Dr. J. J. Egli , Nomina geograph.“ b. v. Thun,
J. (irimm, ,Ge«cb. d. deutsch. Sprache“, Bd„ I, S. 395, dessen .»Deutsche Flochtsaltertümer“,
S. 534, sowie BcUandor loc. cit, nach welchem letzteren auch in Schweden mit tuna die
Gcricbtflstelle im Gerichtsbezirke bezeiclmet worden ist.
*) Es künnto zweifelhaft sein, ob nicht die übliche Deutung von Norwegen mit «Nord*
land* die richtige sei, wenn man bedenkt, dass dieses Land io Europa dusjenige ist, w'elchos
31Ö Vürsucb cxüOM Beitrags zur Deutung von geognipl». Nutnou, Völker* u. i'ersonennamen.
13. des in Norwegen heimisch gewesenen germanischen Volks der Nor-
mannen (von nor, See, und man, Mann) =■ Seemänner •) ;
14. der schwedischen Landseeu Nor im Bezirke Kamniis und Wellnor im
Bezirke Knutby ;
15. des in Schw'eden und zwar in der Mitte zwischen dem Vik und einem
kleinen See gelegenen Dorfes Nor;
16. des ebenfalls in Scliweden (Wermland) au einem in den Wenersoc
mündenden Flusse gelegenen Ortes Nor;
17. des in demselben Laude (Kirchspiel Mora) am Siljansce gelegenen
Ortes Ostnor;
18. des in demselben Lande (Dalame) zwischen den Landseeu Varpen
und Runn gelegenen Schlosses Noor und des Ortes Norsluud (= See-
wald) ;
19. der schwedischen Orte Norberg = Seeberg sUdlicli von dem unter
Nr. 14 erwähnten See „Nor**, und Norskirche an einem in den Weiier-
see mündenden Flusse ;
20. des schwedischen, von einem Seebache (nora) gespeisten Norasö (= See-
bachsee) und der nördlich davon gelegenen Stadt Nora = Scebach
(Westnianland) ; und
21. mehrerer schwedischer, au Ein- und bezw. Ausflüssen von Landseen,
also an Seebächeu gelegener und danach benannter Orte und Ge-
werbsanlagen, als: Norakirche bei Fjerdshundra, des Eisenhüttenwerks
AN'ellüora au einem, den unter Nr. 14 erwähnten Wellnor und einen
anderen See verbindenden Flüsschen, der Mülilcnanlage Skällnora an
dem Flusse, welcher vom Norrvik nach einem kleinen See Hicsst, des
Norahofs in Dauderyd (üpland) an einem Flusse, w’clcher in die Eds-
bucht mündet, des Ortes Fjcllnora in Fundsbo (üpland) nicht weit
von einem in den Ramsö (Ramsee) fallenden Flüsschen , und des
Ortes Upnora im Bez. Gelinge (Hailand) au einem Flusse, welcher in
ziemlicher Entfernung von diesem Orte aus einem kleinen See ab-
fliosst, daher immerhin noch als nora, Scebach, zu gelten hat *).
Fasst man weiter die von dem von der Weichsel aus zuerst südwestlich,
dann westwärts vordriugenden Teile der germanischen Völker berührten Länder
ins Auge, so triß't man auf das Wort nör
am woiteäton zuiub Norden hinaufreicht. Auch J. Grimm, , Geschichte der deutsch. Sprache*,
lid. II, S. 749 u. 729 deutet Norwegen, altn. Norvegr, Noregr. als .Nordland*, wogegen
Dr. J. J. Kgii .Nomina geograpb.* k. v. Norwegen der Meinung ist, Norwegen, eigentUch
Norrwogen sei Norrveg (Nordweg) genannt von den Normannen, um damit den nach Norden
filhrcmhm Seeweg im (regeusatzo zu Vesturveg (Westweg durch die Nordsee) und Austurveg;
(Oslweg durch die Ostsee) zu bezeichnen. In Erwägung aber, dass nach Bellander loc. cit.
auch iii schwedischen geographischen Namen nor selten und nur im Gegensätze zu sör
(Süd) für uorr. nol = Nord steht, und d;tös von dem im 3, Jahrhtmdert n. Chr. lebenden
berühmten keltischen Barden Ossian Norwegen mit .Lochlin* (von loch .See* und linn
• Land*) = Seeland bezeichnet worden ist (vergl. J. Grimm. .Gosch, d. d. Spnu;bG*, Bd. 11,
S. 752), so glaube ich der Deutung von Norwegen mit , Seeland* den Vorzug geben zu
mÜRsen.
*) Die Normannen, auch Waräger g«mannt, welche bei ihrer Einwanderung in Nor-
wegen die dortigen Urbewohner, Finnen und Lappen, nach Norden zurilckdrängten , bevöl-
kerten mehr die südlicher gelegenen Teile, insbesondere die Westküste. Sie waren nicht
zur Sesshaftigkeit geneigt, sondern meist in ihren Kuhnen auf den Landseen, Fjorden und
den Skärongewässem zu Hause, so dass .SeekOnig* von ihnen nur derjenige zu werden Aus-
sicht hatte, welcher sich rühmen durfte, nie unter den berussh^n Balken einer Hütte ge-
schlafen zu haben. Bekanntlich schweiflen sie auf ihren Fahrzeugen auch übers Meer aus,
machten Eroberungen und wurden gefürchtete Seeräuber. Es liegt meines Erachtens kein
zwingender Grund vor, die bisher übliche Deutung des Volksnamens •Normannen* mit
.Nortlniänuer*. zumal diese Norwogtrr nicht einmal den nördlichsten Teil von Norwegen be*
wohnten, der Deutung von ,Seemänner*, d. h. Seeanwohner, Seebewohner, vorzuziehen.
*) Zu Nr. 14—21 vergl. Bellandcr loc. cit, welcher noch weitere Belege für die von
mir angegi'bone Deutung von nör und nora aus Schweden beibringt, desgCD Ausführungen
ich jedoch uicht allenthalben bei/usiimmen vennag.
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Versuch cinos Beitrags r-ur Dnutruig von geograiih. Namen, Vdlker- u. rersonennamen. 317
1. in Oesterreich:
a) in der Benennung eines Keltenvolkes (Taurisker y) mit „Noriker“
(lat. Norici ') , adjektivisch von nör (See) die Norischen , d. h. die
Seeanwohner, die Seebewohner (Pfahlbauern*), gleichwie von Ge-
birge die „Gebirgischen, die Gebirgsbewoliner“ ;
b) in dem latinisierten Namen der ehemaligen, Teile des dermaligon
Erzlicrzogtums Oesterreich und der Herzogtümer Steiermark,
Kärnten und Krain umfassenden römischen Provinz Noricum,
d. h. das Norische, das Seeland *) ;
c) in dem ebenfalls latinisierten Namen des in Steiermark in der Nähe
mehrerer kleinen, jetzt z. T. als Teiche geltenden Seen *) gelegenen,
zur Zeit Neumarkt (von nör, neu) genannten, als Residenz keltischer
Könige und durch den dort im .Jahre 113 v. Chr. von den ger-
manischen , aus der kimbrischen Halbinsel wiederausgewanderten
Kimbern über die Römer erfochtenen Sieg berühmten Ortes Noreja
(Norcia) = Seeheim*);
d) in dem Namen der aus Tirol durch Salzburg nach Steiermark sich
hinziehenden „Norischen Alpen“ = Seealpon, nicht zu verwechseln
mit den östlich von Neumarkt aufragenden Seethaler Alpen ;
e) in dem Namen der von J. E. Ritter Koch-Sternfeld, „Topograph.
Matrikel in der Abhandl. der histor. Kbrsse der K. Bayer. Akadem.
der Wissensch.“ s. v. Noritale und von Dr. E. Förstemann loc. cit.
erwähnten hi.storischen Grafschaft Noritale, Norital, Noritbal
(= Seethal) in Tirol *) ;
*) Vcrjfl. Dr. K. FörBlt^inann, ,Altdout«clie» Namenbuch“, Bd. tl, e. v. Nor.
*) Nach einer Mitteilung der UniverHituts-Hibliothok »Verwaltung zu Wieu wnd in
nachgenannten, im Gebiete der ehemaligen röra, Provinz Norifuni gelegenen Seen Pfahl*
liaure^te, welche von Kelten herrühren, gefunden worden ; im Attersee, Traunsee und Mond»
80 C im Krzherzugtumo Oecitcrrcich^ und im Koutschacher See in Kärnten. (Vergl. auch die
,Mittoil. der anthropol. GeselUch.“ in Wien und das »Archiv filr Karnlhen*.)
•) Noregr vmter Nr. P2 und Noricum, Normannen unter Nr. Pt und Noriker sind daher
fast gleichbedeutend. (Vergl. dagegen .1. Grimm, ,Ge«ch. der douUehen Spruche“, Bd. II,
S. 720.)
*) K« liegen w^tlich und bezw. östlich von Nenniarkt: der Furter Teich, die Teiche
bei Vokenberg und Groslupp, der Podolor Teich, der Holzerteich, der Auerlingsee, der
Lavantsee, der Wildsee, der Winterleitsee und der Frauenlaken. (Vergl. »Der klimatische
Kurort Neumarkt in Steiermark“ v. Ant. Schwetter, Wien 1886.)
*) Die laiein. Kndung eia, oja, im Plor. eji, drückt l>ei röm. Länder» und Ortünainnn
ein reichliches Vorhandensein, ein Zuhausesein in einem Lande, an einem Orte aus. Sie
wird durch das Wort, welchem sie angehungt ist, näher bestimmt und entimrichi dem neu»
hochdeutsch, ei. heim, hontt, ingen, wie z. B, in Mongolei, Ihicharei. Pohickei, Weudei.
Böheim fBojerbeim), Waldbeim, Amhein», Adlerhorst, Böckingt'n (Bnchinheira, Buehbeim),
dalior; Noreia *=» Seeland, Seeheim, Aquileja — • Amheim, Adlerhorst, Celleja ■« Zellingen
(Speicherei, d. h. Ort, wo Getreidespeicher vorhanden), Matcreja, die Materei, Matrei *■
Mäherei, M&hringen, d. fa. Ort, wo cs viel (Wiesen) zu mähen giebt.
•) üeber Lage und l’mfang des betrefls rie.s Namen« bisher unerheIH gebliebenen
»Norital“ ist IL Auskunft der Universität« »Bibliothek 'Verwaltung zu Innsbruck zu vergl.
II. Kink, »Akadem. Vorlesungen über die Geschichte Tirol.*«“, Innsbruck 1H50, S. 158; Jos.
Freih. v. Ilormayr sämtliche Werke, Stuttgart 1820, Hd. I, S. 77; Hormayr, .Beiträge zur
(beschichte Tirol» im Mittelalter“, Wien IHOH, Bd. 1. S. 125, und Kgger, »Geschichte Tirol»*
1872—1880*, Bd. 1, S. 170, Es lautet in letzter«!r die betr. Stelle: »Da« Noritbal (Oritel?),
welches von SchOnberg od<*r von d«*n Höhen de» Brenner« hi« Nölten, vielleicht bis an den
Aschlerbach reichte, lÜHst Frhr. v. Hormayr in «einer AbharnUung über die Gaue und Gau»
grafen Tirols in drei fJrafschafton geteilt «ein: in die welfi«ebe Grafsch. Bozen, in den
norischen Komitat der Andeebser und in die Grafschaft Marcit. Die letztere hat wenigston«
in dicMer Periode nicht existiert, die (rrafschuft Bozen kaum vor Ende des 10. Jahrhundert«;
in der ersten Zeit bildete* wohl da» ganze Noritbal nur eine Grafschaft. Später wunlon zu
dieser Grafschaft auch ein T<nl «les Innthals, vielleicht ganz Oberinntlial und ein Teil von
Unterinnthal (bis zmn MelachV) geschlagen, dagegen kaut, wa« südlich vom Brei- und Tinne»
hach gelegen, ziur Grafsch. Bozen, welche im Süden Über Bozen iünau.», im Wasten bis an
den Gargazonerbach reichten Ortechaflen: Taiiranc, Torlian (Torlan), Meltina (Mölten),
Suczano, Sutfana (Süfian), Filaaders, Purpian, KoU« (Völs), Segis (Seis?), Tieres (l’iers),
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318 Versuch eines Beitrags zur Deutung von gcograph. Nainen, Volker- u. Personennamen.
2. in Bayern :
a) in der urkundlichen Bezeichnung des südlichen, sooreichon Teils
von Bayern als Noreia, die Norci = Seeland*);
b) in dem Namen der Stadt Nürnberg (Nurinberg, Nnrinberc, Nuorin-
berg, Nuorinbere, Nuorenberc, Nurenberc, Nuronberg, Nourenberc) =
Norcuberg, Seeberg mit Schloss auf einem nahebei gelegenen Hügel
(Castrum Norembero), ofl'cnbar so genannt wegen einer Anzahl
südöstlich davon gelegener, bezw. früher dort befindlich gewesener
Seen (Toicbe), von denen auch der dortige Ort „Dutzendteich“
seinen Namen haben mag;
3. in Hessen-Nassau :
in dem Inhalte einer Schenkungsurkunde der Abtei Fulda vom 13. No-
vember 774 (vergl. Dr. E. Förstemann 1. cit. und E. F. J. Dronke
„Cod. diplomat. fuldens.“ Nr. 48) , worin der in den Main mündende
Ooiisbach, welcher an dem Orte Finthen und dem früher zum Wormscr-
Gane (pagum Wormacense) gehörig gewesenen Dorfe Gonsenheim
(Guntzinheim) bei Mainz vorübertiiesst und jetzt sein Wasser teils aus
dem Grosaenborn , teils aus dem Künigsborn und aus zwei anderen
Quellen bei Finthen erhält, „Noraha“ (Seebach) genannt ist und zwar,
wie der Befund ausweist, offenbar deshalb, weil er damals der Aus-
fluss eines im Finthener Walde gelegenen, jetzt versumpften Sees
war, welcher z. E, Seepfuhl genannt wird, wogegen das Wasser des
Königsborns zur Hömerzeit mittels einer dazu erbauten Leitung nach
Mainz lief.
Die genaue Prüfung der Lage mancher anderen Orte ira Deutschen
Reiche und in sonstigen, von Kelten oder Germanen oder von mit ihnen
stamm- bezw. sprachverwandten Völkern bewolmten, bezw. bewohnt gewesenen
Ländern Europas (z. B. in Dänemark mit .Jütland , England , Irland , der
Schweiz) auf das Vorhandensein von See (nör) oder Seebach (noraha, nora)
würde wold dazu beitragen, dass deren überhaupt noch nicht, oder trotz
Mangels eines gegensätzlichen Süd, Sud, SUder, Suder, Sund, Sonder, Söder
missverständlich nach der Himmelsgegend „Norden“, oder nach nör, neu, ge-
deuteter Name (z. Norwich, Noorwood bei Windsor und Gobnor in England,
sowie Ventnor auf der Insel AVight, und Neuenburg oder Neucbätel in der
Schweiz) aufgeklärt bezw. richtiger, als bisher, gedeutet werden würde. Es
ist die Prüfung der Ortslage auf See, Seebach auch brauchbar und rätlich bei
Deutung von alten geographischen, mit See (althochd. sco) zusammengesetzten
Namen , deren Bedeutung infolge dialektischer Verdunkelung zweifelhaft ge-
worden ist, so dass z. B. der von Dr. E. Förstemann im „Altd. Namenbuch“
Bd. II, S. 1255 — 56 aufgefübrte geograph. Name Sezpah, Siezpach (Bez. des
Landgerichts Moosburg in Bayern) nicht als Siessbach, SUssbacb, sondern un-
zweifelhaft als „Seebach“ zu deuten ist, und zwar deshalb, weil der dabei in
Frage kommende Fluss, die Amper, als Ausfluss des Ammersces ein Seebach
im obgedachten Sinne ist.
Schliesslich mag noch bemerkt werden, dass aus dem Worte nör zu
deuten ist: der im mittleren und nördlichen Deutschland vorkommendo Fa-
milienname Nohr, Nuhr (Nör mit eingeschobenem Dehnungszeichen h bezw.
Castelnit, Groüine, Grodina (üröden), Legian (Layen), .Sutsis, Tanarci» (Tanura), Tsevis
(Tschöfca), Alpiunea (Albiuns), Gubidunes (Gubdami), Sabioua, Sabionna urb» (Soben), Pieres
(Vierach), Veltunies (Velthuros), Prichsna, Prearwaa (Brizen), Varua (Vabrn), Elvea, MuUaun
(Mnhiau), Clerant, Dueina (Lüsen), Meroiis (Jlerausen), Tullia (Tila), Males (Maule), Riet (Ober-
ried), Wipitina (Sterziog), Telvos. Teiues ('Phuins), Zedea (Taebbfes), Torrentes (Tren^,
Stavanes (Staflaeb?), Valonea, Avaiunes (Plana), Tulvarea (Tulfers), Matereja (Matrei).* Ks
dürfte mm in Hinblick auf die im Gebiete der Grafacbaft Noritbal zablreich vorhandenen
kleinen Seen die Deutung von .Seethal" unzweifelhaft, die einzig richrige sein.
') Vergl. Dr. E. Fürstemann loc. cit
- - - _ - UbwJ I
Versuch eüies Beitrags zur Deutung von geograph. Namen, Völker- u- Personennamen. 319
Abwandelung des o in u), bei welchem man die Wahl hat, ihn als Ortsnamen
von nOr = See oder von dem oben (Anmerk. 2) erwähnten altnordischen nor,
Kühltrog des Schmieds als Emblem des Schmiedehandwerks (wie Hammer,
Feile, Zange u. s. w.) abzuleiten; ferner: der in der preuss. Provinz Sachsen
vorkommende Familienname Norhund (Norhundt, eigentlich Norhunt, Nor-
bunte = Seehunt, Seehunte; von Hunte, einem den Dümmersee in der
Provinz Hannover durchströmenden , im Grossherzogtum Oldenburg in die
Weser fallenden Flusse, also einem Seeflusse im obgedachten Sinne); die
Familiennamen Norweg und Normann; der Name des aus der preuss. Provinz
Pommern stammenden, in Würtemberg in den Grafenstand erhobenen Adels-
geschlechts von Normann mit dem Beinamen Ehrenfcls ; der Titel des ver-
storbenen, nach dem Gute Noer an der Bucht von Eckemförde in Schleswig-
Holstein „Fürst von Noor“ (nicht Noer) titulierten Prinzen Emil, des vormaligen
Statthalters der Herzogtümer Schleswig-Holstein ; und der mindestens noch im
vorigen Jahrhundert in Thüringen heimische Familienname Noricus. (Vergl.
Olcarii „Herum Thuringicarum syntagma“ s. v. Nordhausen.)
Es dürften endlich auch aus nur (See) zu deuten sein die alten, mit nur
zusammengesetzten Personennamen Noring, Nuoring (= Nor jun.), Norling
(Seeling), Norbold (Seeheld), Norbert (der Seeberühmte), Nortrut (der See-
vertraute), Norigand (Seefahrer), Norlindis (Seelinde), sowie die in Schenkungs-
urkunden der Abtei Fulda aus den Jahren 803 bis 914 vorkommeuden Namen
Nordolt (von Noroald), Norold (Seewald), Nordalah (Seethalbach) , Nortinunt
(Normunt, Seewart), Nordperaht (Norbert, der Seeberühmte), und Nurdger
(vou Norger, Seespeer). Vergl. Dronkc, „Cod. dipl. fuld. d. Nr. 178, 291,
419, 420 und 567.)
Orometrische Studien im Anschluss an die Untersuchung
des Kaiserstuhlgebirges.
Von Dr. Ludwig Neu mann,
Professor am GyniiiMiuin und Donot der Krdkuiido an der Universität Pnibnrc L B.
I. Torbemerknnsen.
In meiner Orometrio des Schwarzwaldes*) wurden neben der thatsäch-
lichen Ermittelung zahlenniässiger Ausdrücke für die Reliefverhältnisse des
Gebirges die oromctrischen Operationen selbst zum Gegenstände der Unter-
suchung gemacht, und es ist im Verlaufe jener Untersuchungen mehrfach zu
Abweichungen von dem Sonklarschen Programme der oromctrischen Methode
gekommen. Das kann nicht hindern, Sonklars Werk*) für alle Zeit das Ver-
dienst zuzuerkennen, dass cs die erste Grundlage zur systematischen Aus-
wertung der RauinverhUltnisse der Gebirge geschaffen uud damit diese selbst
erst wirklich vergleichbar gemacht hat. — Fast gleichzeitig mit der genannten
Arbeit und nach ihr ersetüenen einige andere Abhandlungen orometrischen
Inhaltes, auf die im folgenden zurückzukommen sein wird. Dieses gesteigerte
Interesse hat mir nun den Gedanken nahe gelegt, die hauptsächlichsten der
bisher bekannt gewordenen orometrischen Methoden kritisch zu vergleichen,
ihnen neue hinzuzufügen und den Wert aller an einem nicht zu umfangreichen
Gebirgsindividuum zu prüfen. Als solches habe ich den Kaiserstuhl im
Grossherzogtum Baden gewählt, der durch seine scharf gegebene Umgrenzung
sich durchaus klar als Einzclgebirge aus der Umgebung abhebt und in seinem
einfachen Aufbau die bestimmenden orometrischen Elemente völlig unzweideutig
•ableiteu lässt. Neben diesem ersten Gesichtspunkt war mir allerdings bei der
Wahl des Vergleichsobjektes auch der Gedanke massgebend, dass die An-
lehnung an ein mir genau bekanntes Gebirge der Be.sprechung eines ferner
liegenden , an sich vielleicht interessanteren , aber nicht durch Autopsie
erforschten Gebietes aus naheliegenden Gründen vorzuziehen sei. Dass endlich
auch der Heimatkunde, deren Pflege nie hoch genug angeschlagen werden
kann, nebenbei ein kleiner Vorteil erwachsen könne, hat mich in meiuera Ent-
schlüsse noch wesentlich bestärkt.
Hier möge zunächst zur Vereinfachung der Zitate ein alphabetisches
Verzeichnis der benutzten oder doch zu erwähnenden Arbeiten Platz finden.
1. Böhm — Böhm, Dr. A., Einteilung der Ostalpen. Geogr. Abhandlungen,
herausgegeben von Prof. Dr. Penck. I. Bd., 3. Heft Wien 1886.
2. Brückner — Brückner, Dr. E., Die Hohen Taueni uud ihre Eisbedeckung.
Zeitschrift des D. Ö. A. V. Band XVII, .lahrgang 1886, S. 163—187.
3. Commenda — Commenda Hanns, Materialien zur Orographie und Geognosie
des Mülflviertels. Linz 1884.
*) Geographisclie Abhandlungen, herauegegeben von Prof. Dr. A. Penck. Band 1,
Ueft 2, Wien 1888.
“) AUgemeino Orographie, Wien 1873.
Digitizedj).
Orometrischo Studion üu An^chluü» an die ünU’r^uchunf; das Kaisorstuhlgolärgetf. 321
4. Eifert — Eifert, Dr. P. , Volumctrisclio Bereclinunf; von Gebirgen
mittelst des Prismatoida. Peterm. Mittlgn. Bd. 33, S. 245 £f. Gotha
1887.
5. FUhrnkranz — Führnkranz, J., Orometric der Trentagruppe. Bericht
über das 13. Vereinsjahr des Vereins der Geographen an der Uni-
versität Wien. Wien 1887.
6. Gsaller I — Gsaller, C., Studien aus der Stubaier Gebirgsgmppe. Zeit-
schrift des D. Ö. A. V. Band XVII, Jahrgang 1886, S. 127—162.
7. Gsaller II — Gsaller, C. , Der ..mittlere Neigungswinkel der Stubaier-
kämrae. Mittheilungen des D. O. A. V., neue Folge, Band III, Jahr-
gang 1887, 8. 116.
8. Gsaller III — Gsaller , C. , Die Kalkkögel bei Innsbruck. Zeitschrift
des D. ü. A. V. Band XV, Jahrgang 1884, S. 145 ff.
9. Heideriehl — Heiderich, Frz., Mittlere Höhe der Pamirgebiete. Bericht
über das 13. Vereinsjahr des Vereins der Geographen an der Uni-
versität Wien. Wien 1887.
10. Heiderich II — Heiderich, Frz., Die mittlere Höhe Afrikas. Peterm.
Mittlgn. Bd. 34, S. 209 ff. Gotha 1888.
11. Hon seil — Honscll, Max., Der natürliche Strombau des Oberrhoins.
Verhandlungen dos VII. Deutschen Geographentags zu Karlsruhe.
Berlin 1887.
12. Kofistka I — Kofistka, Prof. Dr. K., Studien über die Methoden und
die Benutzung hypsometrischer Arbeiten, nachgewiesen an den Niveau-
verhältnissen der Umgebungen von Prag. Gotha 18.58.
13. Kofistka II — Kofistka, Prof. Dr. K., Die Arbeiten der topographischen
Ahteilung der Landesdurchforschuug von Böhmen in den Jahren 1867
his 1871. Prag 1877.
14. Le ich er — Leicher, C. , Orometrie des Harzgebirges. Inaug. -Diss.
Halle a. S. 1886.
15. Lei pol dt — Lcipoldt, Dr. G., Die mittlere Höhe Europas. Plauen 1874.
16. Lopsius — Lepsius, Prof. Dr. R. , Die oberrheinische Tiefebene und
ihre Raudgebirge. Forschungen zur Deutschen Landes- und Volks-
kunde. Bd. I, Heft 2. Stuttgart 1885.
17. Neumann I — Neumunn, Dr. L., Orometrie des Schwarzwaldcs. Geogr.
Abhandlungen, herausgegeben von Prof. Dr. Penck. Band I, Heft 2.
AVien 1886.
18. Neumann II — Neumann, Dr. L., die mittlere Kummhöhe der Berner
Alpen. Berichte der Naturforschenden Gesellscliaft zu Freiburg i. B.
Band IV, Heft 1. Freiburg 1888.
19. Penck — Penck, Prof. Dr. A. , Einteilung und mittlere Kammhühe
der Pyrenäen. Jahresbericht der Geogr. Gesellschaft in München für
1885, S. 58—70. München 1885.
20. P e u k c r — Peuker, Karl, Orometrische Studien im Riesongehirge. S.-A.
aus dem „AVandrer iin Rie.sengebirge“, Hirschberg 1888.
21. Philippson I — Philippson, Dr. A. , Studien über AVasserscheiden.
Leipzig 1886.
22. Philippson II — Philippson, Dr. A., Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
Peterm. Mittlgn. Bd. 32, S. 67-79. Gotha 1886.
23. Platz 1 — Platz, Prof. Dr, Ph., Die Hornisgrinde. Eine topographisch-
geologische Studie. Verhandlungen der Bad. geogr. Ges. zu Karlsruhe
1883—84. Karlsruhe 1885.
24. Platz II — Platz, Prof. Dr. Ph., Der Schwarzwald. I. Orographisch-
geologische Uebersicht. Deutsche geogr. Blätter. Band X, Heft 3,
S. 182 ff. Bremen 1887.
25. Schell — Schell, Prof. Dr. AV., Theorie der Bewegung und der Kräfte.
Bd. I, 2. Aufl. Leipzig 1879,
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322 Ororoctrisciie Stu<Ucn im Aiuclilusii an die Untersuchung dcK Kaiserätuhlgebirges.
26. S 0 n k I a r — Sonklar, C. v., Allgemeine Orographie. Wien 1873.
27. Stein mann — Stcinmanu, Prof. Dr. G., Zur Entstehung des Scliwarz-
waldes. Berichte der Naturf. Ges. zu Freiburg i. B. Band III, Heft 1.
Freihurg 1887.
27. AV' a 1 1 e n h e r g e r — Waltenbcrger, A., Orographie des AV ettcrsteingebirges
und der Mieminger Kette. Augsburg 1882.
II. Orographische Ucbersiclit des Kalserstnhlgebirges.
Uius Kaiserstuhlgebirge liegt im südlichen Teile der oberrheinischen Tief-
ebene auf der rechten Stromseite dort, wo die Freiburger Tieflandbueht weit
nach Osten in den Schwarzwald eindringt, diesem niiher als dem AVasgenwalde,
zwischen 48" 02' und 48" 09' nördlicher Breite, 7" 3.5' und 7" 45' östlicher
Länge von Greenwich'). Die grösste Ausdehnung in südnördlicher Richtung
misst etwa 12,2 km, diejenige in ostwestlicher Richtung 12,5 km, die grösste
Längencrstreckuug überhaupt, von Südwest nach Nordost gemessen 15,5 km,
der L'mfang annähernd 43 km. A’'on allen Seiten erhebt sich das Gebirge in
klarer Grenzlinie aus der Rheinebene, welche in jener Gegend sich so unver-
merkt von Süd nach Nord senkt, dass der SUdrand aufs genaueste mit der
200 rn Isohj-pse, der Nordrand mit der 190 m Isohypse zusammenfällt. Im Osten
und AA'esten hat die Gebirgsbasis ein kaum merkliches Gefälle von 200 anf
190 m herab. Das Gebirge bedeckt eine Fläche von 92.51 qkm. Seinem
Ostrand nahe fliesst die aus dem Hüllenthale des Schwarzwaldes und von
Freiburg herkommende Dreisam, welche sich bei Riegel unmittelbar am Ge-
hirgsfuss mit der grösseren Elz verbindet. Die vereinigten Gewässer beider
Flüsse erreichen von hier ab teilweise im alten Bett der Elz, teilweise in dem
geradlinig nach Nordwesten gerichteten Lcopoldskanal den Rhein. Dieser
selbst fliesst in nördlicher Richtung 3‘/s bis 4 km vom westlichen Gebirgsfuss
entfernt und bespült denselben nur auf ganz kurze Strecken , nämlich von
Burkheim bis Sponeck und bei Sasbach.
Die Rheinebene mit ihren über 100 m tiefen Gerollen •) ist in ihrem
südlichen Teile der Hauptsache nach das Produkt der anschwemmenden
Thätigkeit des Stromes selbst. Aus diesen Geschiebomassen erhebt sich nun
unser Gebirge im Todtenkopf bis zu einer Maximalhühe von 558,7 m. Es
besitzt einen einzigen Kamm, der im Fohreubühl bei Ihringen seinen Anfang
nimmt , von da im allgemeinen nordöstlich streicht , um zwischen Schelingen
und Baldingen allmählich nach Nord, Nordwest, AA'cst und Südwest umzubiegen,
so dass er am Scheibenbuck bei Oberrothweil sein Ende erreicht und liiernacb
in der Horizontalprojektion die Gestalt eines nach Südwesten geöffneten Huf-
eisens besitzt. Zwischen den Armen dieses gekrümmten Kammes öffnet sich
das einzige Thal des Gebirges, dasjenige des Krottenbachs, nach Südwesten
bezw. AVesten. Der Bach entspringt unterhalb A^ogtsburg, berührt Oborbergen
und Oberrothweil und mündet unterhalb Niedcrrothweil in den Krebsbach,
der dem Rhein parallel genau am AVestfuss des Gebirges entlang fliessend
unweit Burkheim sich in den Strom ergiesst. Der genannte Kamm hat
(cf. S. .326) eine Länge von 18,92 km ; hieraus und aus dem oben angegebenen
Gebirgsareal folgt seine mittlere Breite zu 4,89 km, bezw. diejenige der beiden
Kammabdachungen zu 2,45 km. Diese letztere Zahl zeigt aufs deutlichste,
dass von Seitenthälern nicht gesprochen werden kann. Die 15 bis 20 mit dem
Namen Thal auf der Karte vcrzeichneten und nur zum Teil von kleinen
AA’asserläufen durchflossenen Gebirgseinschnitte sind nichts weiter als unwesent-
liche Rinnen im Kammgehänge.
Das Kammprofil verläuft durchaus in gerundeten Linien , die Gehänge
*) g.'»" 15' und 25“ '25' ö. b. von Ferro, wie aus den in Gradtrapeze eingeteilten bad.
topogr. Karten zu ersehen ist
•) Lepsius S. 89.
Orometrische Studien im AnHehluss an difi l’nlemuchunK de« KniHerstuldgebirges. 323
sind nirgends steil oder scliroff; das (iebirgo gewälirt in seinen sanften Formen
sowohl von etwas ferneren Standpunkten aus, z. B. von den Vorhiilien des
Schwarzwaldes oder dos Wasgcnwaldes, wie in seinem Innern überall den
Anblick eines lieblichen Landscbaftsbildes , der noch wesentlich erhöht wird
durch die reiche Kultur der Bodenfliiehe. Ueberaus reizvoll sind die Fcm-
sichten von den höheren Gipfeln aus, z. B. vom Neunlinden - oder Katharina-
berg. Ausser dem Kaiserstuhl selbst überblickt das Auge die gesegnete
Ebene von Basel bis Strassburg und die sie einfassenden Gebirge mit ihren
stolzen Kuppen und tiefeinschneidenden Thälern. Stundenweit auf- und abwärts
bildet der silberstrahlende, mächtige Kheinstrom die glänzende Mittellinie des
Bildes. Das milde Klima der Rheinebene , in allen Bcziebungen das bevor-
zugteste von ganz Deutschland , zeigt sich im Kaiserstuhl ganz besonders
günstig. So sind seine Abhänge dicht bevölkert , und bis zu ansehnlicher
Höhe bilden sie rings herum einen völlig zu.sammenhängenden Rebgartcn ; um
die grossen , mehrfach stadtuhnlichen Dörfer breiten sich gesegnete Gelände
mit Getreide, Obst und Handelsgewächsen, und verhältnismässig nur wenig Gnmd
bleibt für Wiese-, Weideland und Laubwald. Gegenüber der nicht gerade reichen
Flora des benachbarten Gneisgehietes im Schwarzwald und der fast einförmigen
Pflanzenwelt in der Hheinebene ist der Kaiserstuhl eine dem Botaniker be-
kannte Fundstelle mancher seltenen Pflanze, wie er auch dem Mineralogen
und Geologen als eines der interessantesten Studienobjekte in Sudwestdeutsch-
land gilt.
Inmitten der Spalte des in dem alten Scbwarzwald-Vogesenmassive zur
Tertiärzeit einsinkenden nachmaligen Rheintbales hat sich der vulkanische
Kaiserstuhl gerade an der Stelle erhoben, wo die absinkende Scholle ihre
grösste Breite besass, gegenüber der Freiburger Tieflaudbucht und dem weiten
Becken des untern Dreisamthaies. Der jetzige Kaiserstuhlkamm ist der Rand
des alten Kraters, der durch mechanische Kräfte im Westen durchbrochen
wurde und so dem einzigen Thal des Gebirges zum Dasein verhalf. Die
Höhenschichtenkarte zeigt am Ausseurande wenige und unbedeutende Er-
hebungen, cs sind kleine Nebenkrater, und .als ebensolche sind die 3 bezw.
0,75 km vom Gebirgsfuss entfcnit liegenden, isohert aus der Ebene aufragendeu
Hügel von Altbreisach (Münsterberg 227,2 m, Eckardsberg 220 m) und Lim-
burg (Limberg 272.9 m, Litzelberg 233,1 m) aufzufasscu, deren Zusammen-
hang mit dem Hauptvulkan nur durch die Rheingerölle verdeckt ist. Diese
Nebenhöheii wie das Hauptgebirge bauen sich zum grössten Teile aus Dolerit
auf, vereinzelt zeigen sich auch Basalt, Phonolith, Trach)-t und vulkanische
Tuffe; der Michaelsherg bei Riegel besteht analog den niederen HöhenzUgen
des Tuuibergs und der March in der Rlieinebeno aus braunem .Iura; wir
haben hier letzte Reste der Trias- und Juraderke vor uns, die einst
den ganzen Schwarzwald und Wiisgcnwald 1200 bis 1500 hoch bedeckte,
aber der Denudation verfiel '). Den Gebirgsfuss des Kaiserstuhls umhüllen
fast ringsherum von 6 bis Uber 30 m mächtige Lössmassen , das fruchtbare
Erdreich für die weinspendende Rebe. Mitten im Gebirge liegt in dem Dreieck
zwischen Vogtsburg, Oberbergen und Schelingen die kahle und durch ihre
einförmige Gestalt auffallende Höhe des aus kalkiger Gesteinsmasse aufgebautou
Badberges (437,2 m), und am Wege vom Vogelsaug zum Neunliudenberg tritt
auf der Kammhöhe aucli ein bundsandsteiniihnliches Gestein zu Tage; es
bleibt für diese interessanten Erscheinungen wohl nur die eine Erklärung zu-
lässig, dass die gewaltige Vulkaneruption Teile der alten Sedimentdeckc
mit in die Höhe gerissen und durch Einwirkung hoher Hitzgradc metamori)hi-
siert habe.
Diese mit Absicht so kurz als möglich zusammen gedrängten Bemerkungen
’) Uebor einen in 1020 ni Hfthe auf dem Suhwarzwold ncuerdingi^ aufgefundenon Rest
dieser ehemaligen Sedimente vergl. Steinmann S. 50 ff.
324 Orometrischä Studien im Autschluiss an die Untersuchung des Kaisorstuhlgebirges.
allgemeiner Art Uber die Natur des Kaiserstuhls mögen fUr die hier gestellte
Aufgabe genügen ; soll doch nicht eine Geologie , Orographie oder Topo-
graphie des Gebirges, sondern die Orometrie derselben gegeben werden.
111. Kaninihöhe und Verwandtes.
Die HöhcnverhUltnisse eines jeden Gebirgskamraes charakterisiert Sonklar
zum Teile nach Humboldts Vorgang, zum Teil neu durch die Begriffe: Mittlere
Gipfelhöhe , Sattelhöhe , Scliartung , Kammhöhe. Sind g, ■ g« die absoluten
Höhen von n gemessenen Gipfeln eines Kammes, so ist die mittlere
Gipfelhöhe g — ^ g^\ dem entsprechend findet man auch die m i 1 1 -
^ /i = i
Icre Pass- oder Sattelhöhe als arithmetisches Mittel aus den absoluten
j a“»
Höhen aller gemessenen Pässe oder Sättel ■ p = — 2 /V- Hie Differenz aus
der mittleren Gipfel- und Sattclhöhe nennt Sonklar die mittlere Schar-
tung: s — g — p. Das aritlimetische Mittel aus der mittleren Gipfel - und
Passhöhe ergiebt die mittlere K a m m h ö h e , d. h. die Höhenlage des
durch Erniedrigung aller Gipfel und Ausfüllung aller Pässe ausgeobnet ge-
dachten Kammes : k = i(g-{- p). (1)
Für die Kammhöhe wird sich aber nach vorstehender Methode nur dann
ein zuverlässiger Wert ergeben, wenn die in der Formel für k stillschweigend
enthaltene Voraussetzung erfiUlt ist, wonach zwischen je zwei Gipfeln ein Sattel
in Kcchnung gezogen und das Produkt der Kammläiigc mit der mittleren
Kammhöbe dem Areale des in der Natur vorhandenen Kammprofilcs gleich
sein muss.
Lägen alle Sättel und Gipfel gleich weit voneinander entfernt , und ver-
liefe die Kammprotillinie stets von Sattel zu Gipfel geradlinig , so wäre hier-
nach gegen obige Foimel nichts einzuwenden. Da aber diese Bedingungen
in der Natur niemals erfüllt sind, so kann dieselbe nur als eine Annäherung
gelten, die stets zu grosse Werte ergeben wird, wenn die Berge des Kammes
im allgemeinen in konkaven Linien ansteigeu, d. h. wenn das Gefiille nach
oben zunimmt, während sie andererseits auf zu kleine Werte führen muss, wenn
die ProfilUnie der Berge des Kammes konvex ist bezw. nach unten ihr Gefälle
steigert.
Die mittlere Kammhühc wird hiernach nur ausnahmsweise genau in der
Mitte zwischen der mittleren Gipfel- und der mittleren Passhöhe liegen, sie
wird vielmehr bald näher an die erstere, bald näher an die letztere rücken,
jo nachdem die Berge zugespitzt oder kuppenlörmig sind.
Der leitende Gedanke bei der Bestimmung der Kammhöhe muss daher
stets darauf gerichtet sein , so genau als möglich das Areal des wirkhehen
Kammprofils vom Meeresniveau an gerechnet zu bestimmen. Der Quotient aus
diesem Areal und der Karamlänge ergiebt dann die Kammhöho. Bei der
Bestimmung der in der Horizontalprojektion zu messenden Kammlänge dürfen
nur diejenigen Biegungen der Kammlinie berücksichtigt werden, welchen auch
der Fuss des Kammes folgt. Die Abmessung längs aller Krümmungen und
Knickungen würde zu einer viel zu langen Kammlinic fübren. — Penck') hat
für die Pyrenäen das in Frage stehende Profilarcal als Summe von Tr.apezcn
berechnet , deren parallele Seiten zwei aufeinander folgende Höhenhnien dos
Profiles sind, während der senkrechte Abstand dieser beiden Höhenpunkte, auf
der Basis des Kammprofiles gemessen, nach der Karte bekannt ist. Wenn Brückner*)
') Penck S. 61 ff.
*) Brückner S. 166.
Orometriscbo Stadien im xVnscbluss an die Untersuchung des Kaiscrstuhlgcbirges. 325
für die Hohen Tauern durch Multiplikation der Mittelhöhe zwischen
einem Sattelpunkt und dem benachbarten Gipfelpunkt mit der Länge des
betreffenden Kammstiiekes die Fläche des zu diesem Kammstück gehörigen
Kammprofiles und durch Addition aller so gefundenen Produkte das Areal
des ganzen Kammprofiles erhält, so ist das genau das von Penck angegebene
Verfahren. Auch J. Führnkranz hat in seiner Orometrie der Trentagruppe ')
die Kammhöhen in derselben Weise bestimmt.
Bezeichnen wir die Höhenpunkte mit h, die Abstände je zweier benach-
barten Höhen mit d, die Kammlänge mit l, so ist hiernach die Kammhöhe
A = + (2)
In etwas anderer Weise suchen Platz*) und Peuker*) die mittlere Kammliöhe
des Hornisgrindenhauptkammes im nördlichen Schwarzwald und diejenige des
Riesen gebirges abzuleiten. Sie entwerfen ein Profit des zu untersuchenden Kammes
und bestimmen auf diesem die Höhen möglichst nahe bei einander gelegener äqui-
distanter Punkte. Das arithmetische Mittel derselben ergiebt einen Wert für die
mittlere Kammhöhe, der nun sogar vollständig von den Gipfel- und Passhühen un-
abhängig ist. Diese Methode lässt sich in die Formel fassen h — — ^ A... (.3)
fl = \
Die beiden vorstclicnden Methoden können in sehr einfacher und zweck-
dienlicher Weise kombiniert werden, indem man die Areale der durch Uquidistante
Hüheulinien begrenzten, also gleichbrciten Trapeze berechnet, addiert und die
erlialtene Summe durch die gesamte KaiumlUnge dividiert. Es ist also
h = y |d . . , . wobei r den Inhalt
eines letzten Trapezes für den Fall bezeichnet, dass d in l nicht ohne Rest
enthalten ist. Kürzer kann man schreiben
;Ksn — 1
sich
diese Formel
.... (4)
wesentlich einfacher als
In der Anwendung gestaltet
die Pcnckschc.
Wenn nun auch diese drei neuen, von Penck, Platz beziehungsweise Peuker
und mir vorgeschlagencn Wege zur Bestimmung der mittleren Kammliöhe vor iler
ursprünglichen Souklarschen Methode sicherlich den grossen Vorzug haben, dass
sie dem wirklichen Kammprofil Rechnung tragen, also zu viel zuverlässigeren
Resultaten führen, was besonders von den Formeln (2) und (4) gilt, so ist doch
bisher überall noch die Profillinie von einem Gipfel zum benachbarten Pass, bezw.
von einem der ärpiidistanten Höhonpunkte zum nächsten als gerade angenommen,
und es gilt daher , auch diese Fehlerquelle zu eliminieren. Hierzu gieht es
nur ein einziges Mittel, auf das ich früher *) bereits hingewieson habe, nämlich
jenes der mechanischen Qu-idratur mittelst des Planimeters. M.an erhält hier-
fc . (6), wobei « das mit dem Planimeter ermittelte Areal
nach
des Profils zwischen der Anfangs- und der Endordinatc, zwischen dem Mccres-
niveau und der Profillinie ist.
Die fünf eben entwickelten Methoden habe ich nun am Kaiserstuhl ge-
prüft. Die unentbehrliche Voraussetzung dieser Prüfung war ein genaues
Profil des zu untersuchenden Kammes, über dessen Herstellung und Zuver-
lässigkeit ich zunächst Rechenschaft zu geben habe.
•) Fahrakranz. S. 19— 2.S.
•) Platz I. 8. 19.
•) Peuker S. 1».
*) Neuiuann I. 8. 210.
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326 Orometriscbe Studien im Anschluss an die Untersuohunf^ des Kaiserstuhlgebirges.
Nach der topographischen Karte '), welche beim Mafsstah 1 : 25000 die
Hölienkurvcn von 10 zu 10 m und überdies zahlreiche Höhenkoten enthalt,
liess sich auf Millimeterpapier leicht ein Proül des Kaiserstuhlkammes zeichnen,
für dessen Länge ich den Mafsstiib der Karte beibehielt, während ich der
Deutlichkeit h^ber die Höhen um das Zweiundeinhalbfache zu gross, d. b.
im Mafsstah 1 ; 10000 zeichnete. Figur 1 ist eine auf die halben Dimensio-
nen reduzierte Wiedergabe dieses Profils.
Die Gesamtlänge des Kammes von der 200 m Isohypse bei Ihringen
bis zur 230 m Isohypse bei Oberrothweil beträgt 18920 m. Für diese Länge
standen nun zur V'erfügung 23 Gipfelhöhen nebst 11 Passhöhen, deren Koten
der Karte zu entnehmen waren, ferner 4 zu interpolierende Gipfel- nebst 15
zu interpolierende Sattelhöhen, bei denen nach der Distanz der Höhenkurven
die mittleren Fehler rund 5 m betragen und sich in den Resultaten kompen-
sieren, da sie die gleiche Wahtscheinlichkeit haben , positiv oder negativ zu
sein. Da der Kaiserstuhlkamm von 200 m bis auf 558,7 m ansteigt, so sind
ausserdem noch die Schnittpunkte mit 35 Isohypsen zur Verfügung, so dass
das nach all diesen BestimmungsstUcken entworfene Profil einen hohen Grad
von Genauigkeit beanspruchen darf.
Die folgende Tabelle enthält sämtliche auf der Karte verzeichneten
Gipfel und Sättel. Die interpolierten Hölienzahlen sind durch das Zeichen *
hervorgehoben.
Tabelle I; Gipfel- und Pa.sshühen.
I. Gipfel
11. Pilflse
1.
Littensbülil . . 304,8
m
1.»
275
m
2.
ni
2
274,4
in
3.
332,0
m
3.»
329
ra
4.
Hochbuck . . 377,9
ni
4.*
338
m
5.
349.2
m
5.» Wilde Steige
325
m
6.
Gute Eck . . 366,8
m
6,*
345
m
7.
377,0
m
7.*
368
m
8.
Himmelberg . 479,0
in
8
432,0
ni
9.
Todtenkopf . . 558,7
m
9.*
548
m
10.
Neunlindenberg 556,8
m
10
454,8
m
11.
Herrenthalhuck 461,0
m
11. Vogelsang .
396,9
m
12.
Eichelspitze . . 522,3
m
12
438,3
m
13.
470,7
ni
13.* Hütte . . .
448
m
14.
Haard . , . 461,9
in
14
449,9
m
15.
Schönebene , . 460,8
m
15. Ennweg . .
430,6
m
16.
m
16.*
445
m
17.*
472
m
17.»
465
m
18.
Kathariuaberg . 494.4
m
18
443,8
m
19.
Biesenberg . . 470,9
m
19.*
450
in
20.
m
20
m
21.
444,0
m
21.*
435
m
22.
Staffelberg . . 447,8
m
22
396,6
m
23.*
405
m
23.*
395
m
24.*
m
24
400,2
in
25.*
Auf Eck . . 427
in
25.*
402
m
26.
Mondhalde . . 443,9
m
26.*
405
m
27.
Scheibenbuck . 411.3
in
*) Neue tojiographiache Karte ües Grossherzogiums Boden. 170 Blatt in 1 : 25000.
Blatt Nr. 9ü Sotiboeh, 07 Eudingen, 105 Breisach, 100 Kichstetton.
OromotTische Studien im .^nä^luee an die Untersuchung des Kaisei'stuhtgebirgee. 327
Auf eine Wiedergabe des Verzeichnisses der 77 im Abstand von je
250 m aus der Karte bezw. dem Profil abgeleseuen äquidistanten Hölienpunkte,
welche für die dritte und vierte Art der Kammhöhenbereebnung nötig waren,
habe ich aus lliicksicbt auf den zur Verfügung stehenden Raum verzichtet.
Uic Summe dieser Höhen, die im einzelnen mit kleinen positiven oder negativen
Fehlern behaftet sind, kann von der Summe der wahren Werte dieser Ordi-
naten nur um eine verschwindende Grösse abweichen.
Hiernach können nun die oromctrischeu Werte des Kaiserstuhlkammes
nach den fünf dargelegten Methoden abgeleitet werden :
die mittlere Gipfelhöhe 3=11 712 : 27 = 433,8 m
„ mittlere Passhöhe p = 10510 ; 26 = 404,2 m
„ mittlere Schartuug s = 3 — p — 29,6 ra
„ mittlere Kammhöhe i =i( 3 -j-p) = 419,0 m (Sonklar).
Nach Penck (2) erhalten wir 4 = 7 8(X)716 : 18 920 = 412,3 m.
Die Platzsche Methode (3) ergiebt, wenn wir den letzten Hühenpunkt
(230 m, bei Oberrothweil), der von dem vorletzten nur um 170 m entfernt,
also nicht äquidistant liegt , ausser acht lassen , /; = 31 224 : 76 = 410,8 m,
wenn wir hier einrechnen, i = 31 454 : 77 = 408,6 m.
Die aus (2) und (3) kombinierte Methode (4) ergiebt k = l 789 803 :
18 920 = 411,7.
Mittels des Planimeters endlich ermittelte ich durch Auswertung der
Profilfläche über der Niveaulinie von 200 m
* = 200 +
1625,4 . 2474,2
18920
* = 412,6 m.
Bezüglich der letzten Methode habe ich zu erwähnen, dass zur Be-
stimmung der Planimctereinheit auf dem Millimeterpapier des Kammprofilos
und im Mafsstab desselben ein Rechteck von 3 km Länge und 4t)0 m Höhe
mit einem von Sickler in Karlsruhe bezogenen Amslerscben Polarplanimeter
(Nr. 9652) mehrmals umfahren wurde und im Mittel 485 Planimetercinheiten ergab.
Hieraus berechnete sich eine Einheit zu 1 200 OtX) : 485 = 2474,2 qm,
während die auf dem Instrumente angebrachte Skala bei dem betrefl'enden
Teilstrich 2500 qm angiebt. Die kleine Differenz von fast genau 1% erklärt
sich wohl durch die nicht absolut genaue Teilung des Millimeterpapiers. —
Von dem Mittelwert 412,2 m der gut übereinstimmenden Resultate 2,4
und 5 weichen diese der Reihe nach nur um +0,1, — 0,5, +0,4 m d. h.
im Maximum um 0,12 ab. AVir ersehen hieraus jedenfalls, dass, sobald
die mittlere Kainmhöho aus dem Areal des Kammprofiles abgeleitet wrird,
der nicht geradlinige Verlauf der Profillinie von einem Höhenpunkte bis zum
nächsten nur wenig in die Wagschale fällt, und dass jede der drei hierher
gehörigen Methoden im grossen und ganzen in gleichem Grade vertrauen-
erweckend ist. Das Sonklarsche Verfahren dagegen ergiebt im vorliegenden
Falle ein um 6,8 ra oder 1,65 */o zu grosses Resultat. Diese Abweichung ist
wesentbch grösser als diejenige des Platzschen Wertes, welcher ebenfalls als
brauchbare Annäherung gelten kann. Da alle diese Verfahren auf die Kamm-
länge Rücksicht nelunon, so ist die Fehlerquelle Sonklars darin zu suchen,
d.ass er die Kammlänge nicht in Betracht zieht. Wie die einfache Anschauung
lehrt, müsste man nach Sonklar zum selben AV'erte für die Kammhöhe kommen,
welches auch die Reihenfolge der Gipfel und Pässe, welches auch ihr jeweiliger
Abstand wäre. Und doch sind diese zwei Eigenschaften für das Areal des
Kammprofiles von einschneidender Wichtigkeit. Dazu kommt aber noch em
Weiteres. Sonklar lässt den Anfang und das Ende des Kammes vollständig
ausser acht. Sein Wert für die Kanimhöhe ändert sich nicht, wenn der An-
stieg zum ersten Gipfel steil und schroff ist oder wenn er sich sanft und all-
mählich vielleicht über mehrere Kilometer ausdehnt. Dasselbe gilt vom
14 .
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328 OrometriBche Studien im .\nschlu8B an die UnterBuchung des Kaiserstuhigebirges.
Kämmende. Dass aber diese Anfangs- und Endglieder des Kammprofiles auf
dessen Areal und damit auf seine Mittelhöbc einen ausschlaggebenden Einfiuss
üben, ist von vornherein einleuchtend.
Um diesen Einfluss auch zahlenmiissig festznstellen , habe ich in einer
zweiten Berechnung diese Anfangs- und Endglieder weggelassen und die
Kammhiihe nach allen 5 Methoden neu berechnet für die Entfernung vom
ersten bis zum letzten Gipfel. Die Kammlänge zwischen diesen zwei Punkten
beträgt nur noch 16625 m, und es ergiebt sich nach Formel
(1) (Sonklar) 4 = 419,0 m, wie zuvor.
(2) (Peuck) 4 = 1J|'^=428,3 m
(3) (Platz) k — — - = 425,5 m
OO
/WT T\ I ^ ^25 „
(4) (Neomann I) .... 4 = = 426,8 m
(5) (Neumaun II, Planimeter) 4 = 200 -|- ^•^29,3 .247 4,2 _ ni.
lu OaÖ
Das Mittel der Werte 2, 4, 5 beträgt hier 427,6 m, die Abweichungen
sind der Reihe nach -f- 0,7, — 0,8, -I- 0,0 m, ihr Maximum beträgt — 0,19 %.
Es zeigt sich hier wieder die grosse Uebereinstimraung der mittels des Profil-
areals bestimmten Kammhöhenwerte , von denen aber das nach Sonklar er-
lialtene Resultat um — 8,6 m = — 2 “/(, abweicht.
Die vorige Fehlerquelle, nämlich die Nichtberücksichtigung des Kamm-
anfanges und Kammendes , welche die Sonklarsche Kammhöhe wesentlich zu
hoch erscheinen liess, ist liier vollständig beseitigt worden. Daraus, dass nun-
mehr der Fehler sein Vorzeichen gewechselt hat, müssen wir jetzt auf eine
andere Ursache desselben schliessen, und da die Ueberoinstimmung der Re-
sultate 2 und 4 mit dum Resultat 5 es unmöglich macht, dieselbe in der bei
2 und 4 vorhandenen Nichtberücksiclitigung der Krümmung der Profilliuie
von einem einzelnen Höhenpunkt zum nächsten zu suchen, so kann sie, ab-
gesehen von der ungleichen Entfernung der Gipfel- und Sattelpunkte von-
einander, nur darin gefunden werden, dass zwei durchaus verschieden be-
schafl'one Kammstrecken in ein Ganzes zusanimengefasst .sind, nämlich der
erste 5 km lange Teil, der beträchtlich unter 400 m Höhe liegt, und der zweite
mit dom Himmelberg beginnende und bis zur Mondhalde über 400 m liegende
Kammteil. Auf die Unzulässigkeit der Vereinigung derartig verschieden hoher
Strecken eines Gebirgszuges zu einem Kamme mit einer einzigen Zahl für die
mittlere Kammhöhe hat Sonklar bei der Ableitung seiner Methode selbst *)
schon andeutungsweise hingewiesen. Jedoch ohne durch einen Rechnungsnach-
weis seine Angabe zu unterstützen.
Im folgenden kann auch diese Fehlerquelle mühelos dadurch beseitigt
werden, dass die Verhältnisse des Kaiserstuhlkammes für die über 400 m
liegende Strecke desselben nochmals untersucht werden. Die Länge dieser
Strecke beträgt 12 800 m, und es ergiebt sich
(1) (Sonklar) : Mittlere Gipfelhöhe (/ = 9 318,5 : 20 = 465,9 m
Mittlere Sattelhöhe p — ü 255,8 ; 19 = 434,5 m
Mittlere Schartung s = <; — p = 31,4 m
Mittlere Kammhöhe 4 = j (i; | - p) -= 450,2 ni
(2) (Penck)
5 804 800
12800
= 4.53,5 m
(3) (Platz)
4 = 23125 ; 51 =453,4 m
■) Sonklar S. 177.
Oroinclriscbe Studien im AiiHchluas an die UnterHUchung des Kalserütublgebirges. 329
/.V ,XT lA 7 5800975
(4) (Neumaim I) /.•= j^hoO —
(5) (Neuiimnn II. Planimeter) k = 2fX) 4- 800^^ ” ~ 4.53,3 m
Die Uebereiiistimmung der Ilesiilt.'ite 2. 3, 4 und 5 ist hier sozus,agen
zur Identität geworden ; das Suukhirsclic Resultat aber ist nur noch um 0,68 “/o
zu klein, währeud seine bisherige Abweiebuug -j- 1,6.5 bezw. — 2“'„ betragen
hatte, also 2,5 bis 3 mal so gross gewesen war. Nachdem nun aber zwei
Hauptfehlerquellcn , nämlich die Zusammenfassung verschieden beschaffener
Kammteile zu einem üauzen und die Nichtberücksichtigung des Kammaufaiiges
und Kämmendes eliminiert sind, kann die noch übrige Abweichung des Sonklar-
sclien Wertes ihren Grund nur- noch in iler NichtborUcksichtigung der ungleichen
Abstände der in die Kechnnng einbezogenen Höbenpunkte, sowie darin haben,
dass die Verbindungslinien dieser Höbenpunkte in der Natur keine Gei’adeu sind.
Berechnen wir, um diese zwei letzten Fehleniuellen gegeneinander ab-
wägen zu können, das Areal des Kammproiiles Uber 400 m unter <ler Voraus-
setzung gleicher -Abstände der einzelnen Giidel- und Sattelpunkte (Methode 4),
so erhalten wir hieraus die Kammhühe 450,8 in , welche Zahl von der nach
Methode 2 bis 5 ermittelten fast genau um ebensoviel abweicht wie die Son-
kharsclic (450,2 m). Wir ersehen hieraus , dass der noch vorhandene Fehler
zum grössern Teil dadurch bedingt ist , dass bei Sonklar den wirklichen Ab-
ständen der Hühenpunktc keine Rechnung getragen ist, während, sobald einmal
zur Kammböhenbestimmung diese Abstände bezw. das Areal des Protiles dio
Hau])tgruudlage bilden, die Abweichungen der einzelnen Profilstrecken von
der Geraden nur sehr geringen Eintluss ausüben. Dies konnte übrigens schon
von vorn herein deshalb erwartet werden , weil sich dieser Eintluss von einer
Stelle zur benachbarten in seinem Vorzeichen ändert. —
Diejenige Methode der Kammhöhenbestimmung , welche allen Fehler-
quellen gleichmässig ausweicht und somit den weitestgehenden Anforderungen
an dio Genauigkeit des Resultates genügt, welche daneben aber auch den
A'orzug besitzt, dass sie ebensogut bei Kämmen mit deutlicher Schartung wie
bei solchen ohne klar ausgesprochene Gipfel und Sättel ') angewendet werden
kann, ist unzweifelhaft die fünfte in der oben eingchalteuen Reihenfolge, welche
sich des Planimeters bedient. Auch wenn für das zu untersuchende Gebirge
keine so vorzüglichen Karten vorliegen , wie sie mir für den Kaiserstuhl zur
Verfügung standen, lässt sich doch immer ein Profil von solcher Genauigkeit
entwerfen , dass es der Rechnung zu Grunde gelegt werden kann. Daneben
aber erfüllt dieses graplüsche Hülfsmittel auch noch den Zweck, die An-
schauung von dem 4'erlaufe des Kammes in viel höherem Grade zu fördern,
als dies durch diu Tabelle der aus der Karte eutnommeueu Hidienzahlen
möglich ist. Die .Mühe des Zeichnens endlich ist mit ZuhUlfciiahme von
Millimeterpapicr eine ganz unbedeutende, die mechanische Quadratur selbst
gestaltet sich jedenfalls müheloser als die Berechnung nach Penck. Die
Platzsche und die aus ihr von mir abgeleitete vierte Methode endlich erfordert
die Ermittelung äquidistanter Hühenpunkte, die bei Benützung des Planimeters
überflüssig wird ■). —
Neben der mittleren Kammhühe ist zur Charakterisierung des Kammes
die Schartung das wichtigste Element, und zwar weniger die mittlere und
die tiefste Schartung, als die mittlere tiefste Schartung. Die
mittlere Schartung, wie sie oben abgeleitet worden, giebt eine gute Anschauung
von der Natur des Kammprofiles, ob dasselbe im allgemeinen mauerartig oder
stark ausgezackt verläuft. Docli genügt hierzu die Kenntnis der mittleren
*) Neumaim l. S. 214—215.
1) Dieeo Aurifilliruugea ümlen sich kurz angedeutet in Neumann II. S. 49,
2 «
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330 Orometrische Studien im Anschluss an die üntersuchung des Kaiserstuhlgebirges.
Schaltung allein noch nicht. Denn zwei gleichlange Kiimmo können genau
dieselbe Uifl'erenz zwischen mittlerer üipfel- und Sattelhöhe haben , obschou
diese Di6fercnz das eine Mal aus einer grossen, das andere Mal aus einer
kleinen Anzahl von Höhenpunkten resultiert; ob aber ein Kamm bei derselben
Länge zahlreiche Gipfel und Sättel, oder nur wenige bat, ist ein fundamentaler
Unterschied. Ich möchte daher durch den neu einzufiihrenden Begriff des
mittleren Sc hartungs winkeis diese Lücke ausfUllen und mit diesem
Namen denjenigen Winkel bezeichnen, unter welchem im Mittel die Profillinie
von einem Sattel zum benachbarten Gipfel austeigt. Er ist bestimmt durch
die Gleichung cotg <f = , wobei d den mittleren Horizontalabstand von
Gipfel und Sattel, s die mittlere Schartung bedeutet.
Für die Strecke des Kaiserstuhlkammes vom ersten zum letzten Gipfel
ist d = 16 625 : 52 = 319,7 m , s = 29,6 m , daher y = 5“ 16'. Für die
Strecke über 400 m ergiebt sich analog d — 326,3 m, s = 31,4, = ö® 29'.
Das Gefalle der Protillinie von einem Gipfel zum benachbarten Sattel, das
man im Gegensatz zu dem später zu besprechenden Kammgefällc etwa
Profil- oder Schartuiigsgefälle nennen könnte, lässt sich statt durch
den eben abgeleiteten Winkel in bekannter Weise auch durch das Verhältnis
des Höhenunterschieds zur Horizontaldistanz ausdrücken. Man hat dann im
ersten Falle 1 : 10,8 oder 92 im zweiten Falle 1 : 10,4 oder 96 '/jj. In
derselben Absicht, die zur Einführung des Begriffes des mittleren Schartuugs-
wuikels oder Schartungsgelalles Veranlassung gab, hat schon Waltenberger ‘)
seinen Seburtungskoeffizienten aufgestellt, der die Zahl der Scharten
oder Sättel auf einer Kammstrecke von 1 km angiebt. Gsaller ’) ersetzt
diesen Schartungskoeffizienten durch die mittlere Schartendistanz, welche
mittels Division der Kammlänge durch die Anzahl der Sättel erhalten wird.
Mir will es scheinen, als ob der Schartungswinkel besser als diese von
Waltenberger und Gsaller eingeführten, in den seither erschienenen orometri-
schen Arbeiten nirgends berücksichtigten Grössen dazu geeignet sei, zur
Charakterisierung des Kammprofiles beizutragen *).
Bietet in Verbindung mit dem Schartungswinkel die mittlere Schartung
ein nicht zu entbelirendcs Bestimmungsstück des Kammbaues, so kommt der-
selben doch sicherlich die ihr von Sonklar beigclegte verkehrsgeographischc
Bedeutung nicht zu. Denn für die Verkebrsverhältnisse zeigen sich nur die
am tiefsten einschneidenden Pässe wirksam, an Stelle der Mittelhöhe aller
Pässe muss also zur zahlenmässigen Veranschaulichung der Ueberschrcitbarkeit
eines Gebirgskammes das Mittel der tiefsten Pässe treten. Setzt man diesen
das Mittel der zwischen ihnen gelegenen höchsten Gipfel gegenüber, so besitzt
die so erhaltene mittlere tiefste Schartung hohe Bedeutung in Rücksicht auf
verkehrsgeographische Fragen, und in dieser Hinsicht hat sie sich z. B. für
die Vergleichung der Alpen und Pyrenäen sehr fruchtbar erwiesen*), während
die absolute tiefste Schartung, d. h. die Differenz des höchsten Gipfels und
des niedersten Passes, besonders wenn diese zwei Punkte weit auseinander und
durch Zwischenhöhen getrennt liegen, weniger wichtig ist.
Da die beiderseitigen Anstiege und die niederen Teile eines Kammes in
keiner Weise verkehrshindernd wirken, so kommt in dieser Beziehung für den
Kaiserstuhl nur der über 400 m hoch gelegene Kammteil in Betracht, und da
*) Waltenberger S. 4Ö.
*) Gsaller lU. S. 149—150.
*) Die mir erst nach Abschluss des Manuskripts zu vorliegender Arbeit zugekommene
Abhandlung von Peukor führt ü. 12 ebenfalls einen mittleren Schartungswinkel ein;
es ist dies bei Peuker der Winkel Gipfel-Pass-Qipfol , nach der von mir oben angegebenen
Bezeichniuig o’ , = ISO* — 2 e;.
') Penck S. 08—70. Der Begriff der mittleren tiefsten Schartung ist hier von Penck
eingeiührt worden.
OrometriBchR Stadien im Aniscbluas an die Untersuchung dea Kaiaerstuhlgebirges. 331
ausser dem zwischen den höchsten Gipfeln gelegenen Passeinschnitte des Vogel-
sangs nur zwei Sättel nahe am Nordwestrande des Kammes (die Pässe Nr. 22
und 23 des Verzeichnisses auf S. 236) wenige Meter unter die benachbarten
Höhen und kaum merklich unter 400 m herabragen , ist hier die mittlere
tiefste Schartung aus folgenden Punkten zu bestimmen :
Todtenkopf . . 558,7 m
Neunlindenberg 556,8 m
Eichclspitze . . 522,3 m
Mittel . . , 1637.8 : 3 = 545,9 m
Vogelsang 396,9 m
Mittlere tiefste Schartung . 149,0 m.
Dagegen findet sich aus den Punkten
Todtenkopf ,558,7 m
Vogclsang 396,9 in
die absolute tiefste Schartung 161,8 lu
Für den Kaiserstuhl erhellt die Bedeutung des einzigen zentralgelegenen
tiefen Sattels am Vogelsang klar aus obigen Zahlen, und der Umstand, dass
über ihn die einzige fahrbare Strasse vom südöstlichen Gebirgsfuss nach
Westen führt, während alle anderen Hauptverbindungswege des dicht bevölker-
ten Gebirges um dessen Abhänge herumziehen, kennzeichnet besser als weitere
Ausführungen die Wichtigkeit der mittleren tiefsten Seliartung ‘)-
Einen lehrreichen Einblick in den Aufbau eines Gebirgskarames gewährt
die Zusammenstellung der bestimmenden Hölieu desselben, wie sie hier für
den Kaiscrstuhlkamm gegeben ist, soweit er über 400 m liegt.
Tabelle II.
Höhe Ober
dem Meer
, ra
Höhe Aber
der Basis
m
Steigungs-
Verhältnis
Kammbasis *) . .
195
Tiefster Sattel . .
396,9
201,9
100
Mittlere Sattelhöhe.
434,5
239,5
119
Mittlere Kammhöhe
453,3
258,2
128
Mittlere Gipfelhöhe
465,9
270.9
134
Höchster Gipfel. .
558,7
363,7
180
Statt diese Verhällniszalilen vom Meeresniveau ab zu rechnen, habe ich
dieselben , und das wird sich für alle nicht direkt vom Meer aufsteigenden
Gebirge empfehlen, vom Fusse des Kammes bezw*. Gebirges ab bestimmt, und
die dritte Kolumne der vorstehenden Tabelle sagt hiernach aus , dass , wenn
das Höhenintervall von der Kammbasis bis zum tiefsten Sattel = 100 Höhen-
einheiten gesetzt wird, man von hier bis zur mittleren Sattelhöhe um 19, danu
bis zur mittleren Kammhöhe um 9 , bis zur mittleren Gipfelhöhe um 6 und
bis zum höchsten Gipfel um 46 Einlieiten weiter zu steigen hat. — Ent-
sprechende , leicht herzustellende Tabellen für andere Gebirgskämme ergeben
ein lehrreiches Vergleiclismaterial.
*) Vergl, hierzu auch da« Aber die östlichen und westlichen Berner Alpen Gesagte
bei Neumann II S. 50.
*) Da die Kammbasis im Norden nur 10 m tiefer liegt, als im Süden, so habe ich aus
beiden Höhenlagen das Mittel eingestellt Bei der Kleinheit der Ditferenz giebt die Be-
trachtung von N. und S. aus keinen wesentlichen Unterschied.
26*
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832 Oromotrischc Studien im Anfichlus» an die Untersuchung des Kaiserstubigebirges.
Seit Sonklar haben es wohl fast alle orometriscben Arl>eiten uuter-
Dommon , auch die nnttlere Kaminhöhc ganzer Uebirgsgruppcn und Gebirge
zu bestimmen. Dass hierbei nicht einfach das arithmetische Mittel aller be-
rechneten Kammhohcu gezogen werden darf, dass vielmehr jeder Einzelkamm
nach seiner Länge zu berücksichtigen ist, versteht sich von selbst.
Es werden somit nach bekannter Methode die Produkte der Kamnihöhen
mit ihren bezüglichen Kammlängeu gebildet, und die Division der Summe all
dieser Produkte durch die Summe aller Kammlüngen ergiebt die gewünschte
mittlere Kammliöbe einer Gebirgsgruppe oder eines Gebirges. Docli will jnir
der Begriff einer mittleren Kammliöiic für ein grosses, aus sehr verschieden
hohen Klimmen bestehendes Gebirge allzu allgemein gefasst erscheinen, als
(lass er einen richtigen Vergleichsinafsstab mit anderen ebenso untersuchten
Gebirgen ge!)en könnte. Es ist oben gezeigt wmden , dass schon die Mittel-
höhe ein- nnd desselben Kammes eine Grösse von zweifelhaftem Werte wird,
sobald sie Kammstrecken von wesentlich verscliiedeneii Höhen umfasst. Mau
wird also mittlere Kammhöhen nur für möglichst gleichartige Gruppen der
Gebirge ermitteln dürfen, und nicht etwa den Kämmen niederer Vorberge die
Thalhölien innerer, hochgelegener Thäler entgegcnstellen , resp. die.se beiden
Extreme zur Ziehung von Mittelwerten benützen dürfen, die dann als gesamte
mittlere Tlialliöhe und gesamte mittlere Kammhöhe mit einander verglichen
werden.
lu dieser Richtung hat, wie mir dünkt, Brückner *) durchaus das Richtige
getroflen, indem er für die hohen Tauern jeweils nur die Mittelwerte aus den
Kammhöhen aller Hauptkämmc , sodann jene der zusammengehörigen nörd-
lichon nnd ebenso der zusummeiigi’hüngen südliciien Kohenkämme, nicht aber
diejenigen aller Kämme bestimmt. Ich halte die.ses Verfahren für richtiger als
das wie in allen frülicren orometrischen AiReiteii, so auch von mir heim Schwarz-
wald eingeschlagene, wo es zur (jesamtcharakteristik des Gebirges in holnnn
Grade dienlich gewesen wäre, aus den neun Hauptgrupj)en die Vorhergszonen
auszuscheiden und die so erhalteucm zahlreicheren . aber kleineren und darum
klarer hervortretenden Einzelgruppen getrennt nebeneinander zu untersuchen.
Die orometrischen Werte dos inneren Gchirgskernes wären dann weit mehr
in ihrer wahren Bedeutung hervurgetreten , olme dass dadurch das Hauj)t-
resultat jener Untersuchung , die Volumberechnung und die Ermittelung der
Höhe des ausgeebnet gedachten Plateaus irgend welche Aenderung erlitten hätte.
Da ira Kaiserstuhlgebirge nach früheren Ausführungen nur von einem
einzigen Kamme gesprochen werden kann, so haben die vorstehenden all-
gemeinen Erwägungen für ihn seihst keine i)raktisclm Bedeutung.
') Brückner S. 1Ö7— 168.
(Schluss folgt)
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HÖHEREN GEOGRAPHISCHEN UNTERRICHTS. '
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0. KRÜMilEL, J. REIN. S. Rl tiE. TH. SCUUNKK, F. WIESER .
heraus^egeben von
J. I. KETTLER
I . C.v . i n*. i I*». ^ *' ►
f
BAND VII, HEFT 2 und 3.
INHALT:
«*IIR SANI'lXIl; IKf! hoH.iinnk«*JKn Erben ....
*V|. OrMf'KEI’HT: Di-r tnltikTt I*oiuo onil «eiH Ver*
hmtnl« xuin Naiiftxne. Ein Ileitn 4 r zur l.ü*un(;
Uer Krntre lurh <l»m Alter ilci l^gueozytU-m«
(Jfchlu^t *
I*. NEUMANX; Orom«ri»eb<! ättnlU-n tai Aii#<;hla«s.
' An «lie UuUraui'hnn^ ilc« Kitbwmuhliifblrgei
(ficMu»»; ... . .
A. IIK^’KRr l>rei yertuKn-KAiteD ln «Irr llrc«lnufr
iSuzUtblblioKielc ,
V, r;OKnt.EKT: l>le M«'riilk«run>ii*«'erhiiUnl#»^ Oe*
Kelrhe* itn Jahre . .
O- ’VEIKT.MAXTIU. : Die venchieOcnm Namen lo-
« lAlwIier rniruUien, •«wie jener ln Jon unmiitol*
Sitr unirrrnwsileii l..iiiiJern
fiKI.C'ltJi’ L>ie bwikTi'nlirailmmunC .tut MunOrt-
hiit\en unil
LKnit«t’li«r CfKCrapbetiU^* in iUTlIn
I.lTTF.ltATl'KtILATI. Nr 1— A:
V. Hc h weiKer*i.erchen_fcl<l; l>a> MiUttmecr
(be»pr. 'T. Th. /WArr » . ‘
G. \fnrlnt-in: Slavi, TeJeMhi, ItnllnQl iwl '..«i Jello
T.Uoraie Ao«ri»Mi (fteajr. v. Tk. fivhtr) , . ,
Jahrbneh Oe» 8k&en(>Urpitchcn KaAi.aim^Vcfvin»)
lh(il_Iit>Ut (Nejipr. r, Th. Fttfhtr)
M. Oeitebeok: Loitiktlon der nuiUn^ftitU^clien und
IthNKtk.UU'-bvn fiogfrrafhle fTir MU<f>«Aiulen un<! .
lychrerMIdon^euiBUlten (bc«pr. v. .'S. Or.irfArr.) .
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Tht.Diaa lianhor}' (be«pr. ▼. Th. /l.ii*S<r> ....
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Die homännischen Erben.
Im ÄnscUuss an „Johann Baptista Homann" dargelegt
von Dr. phil. Christian Sandler,
Biographisches.
Die homiinnische Offizin zu Nürnberg ging ira Jahre 1730 an Johann
Georg Ehcrsperger und .Tohann Michael Franz Uber, welche dieselben als
„homiinnische Erben“ weiterführten.
Johann Georg Ebersperger
war geboren am 16. .luni 1695 zu Lichtenau *). Von seinem, Vater, Balthasar
Ebersperger, wissen wir, dass er bis 1728 Militärgeistlicher in Nürnbei'g war,
in welchem Jahre er — aus unbekannten Gründen — seines Amtes entsetzt
und zu lebenslänglicher Turmstrafe verurteilt wurde *).
Der junge Ebersperger brachte seine Lehrjahre als Kupferstecher bei
Herrn Delsenbach zu und ging sodann auf Keisen. Nach Nürnberg zurück-
gekehrt, war er beim Kupferstecher Weisshof, dem Schwiegersohn J. B,
Homanns, thätig und heiratete ini .Jahre 1719 dessen Witwe Ursula Barbara
geb. Schwerdfeger. Durch V'erfügung seines Schwagers Christoph H. wurde
er 1724 Leiter der homännischen Offizin, 1730 homännischer Miterhe. In
technischer Beziehung war er ohne Zweifel die Seele des Geschäftes ; dass er
ein geschickter Kupferstecher war, das beweist allein der vorzüglich gearbeitete
Reichsadler, welchen er zum Titelblatt des homännischen „Atlas Germaniae
specialis“ gestochen hat. Neben dieser Kunst gab er sich auch mit der Ver-
fertigung mechanischer Arbeiten ah ; auch Baumeister wird er genannt ’).
Dagegen ist uns nicht bekannt, dass er auf dem Felde der Kartographie
selbständig etwas geleistet hätte. Diejenigen Karten , welche unter seiner
alleinigen Leitung der homännischen Offizin (1724 — 27) veröffentlicht wurden,
sind ganz untergeordneter Bedeutung; der Mehrzahl nach sind sie Kopien von
Städteplänen ‘).
Eberspergers Leben floss, abgesehen vom Unglück seines Vaters, ruhig
dahin. Seit 1719 Nürnberger Schutzverwandter ‘) , erhielt er im Jahre 1730
auf Nacbsuchen das Bürgerrecht*). Im nächsten .Jahre, 1731, machte er als
guter Sohn das Unglück oder den Fehler, unter welchem sein Vater zu leiden
hatte , nach Kräften wieder gut ; er erbat sich nämlich vom Rate die Er-
laubnis, seinen Vater aus dem Turm in sein Haus nehmen zu dürfen. Der
Rat gewährte ihm diese Bitte sofort und stellte nur die Bedingung, dass die
Üeberführung und der Aufentb.alt des alten Militärgeistlichen geheim gehalten
*) Hager, J. G., Geographischer Büchersaal I, Chemnitz 1766, p. 399.
•) Nflnibergor KatsvorHh.ee (R. V.) 1728 Nr. IS, Fol. 11 (20. MRrz 1728) und 1731
Nr. 12, Fol. 105 (12. Marz 17.31).
•) Hager 1, c. p. 400.
*) cf. Sandler, J. B. Homann, Berlin 1886, p. 55. (Zeitschrift der Gesellsch, für Erdkunde
KU Berlin 1886, Heft 4, 5.)
“) K. V. 1719 Nr. 3, Fol. 93. (20. Juni 1719.)
•) R. V. 1730 Nr. 4, Fol. 28. (12. Juli 1730.)
27
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33i
Die homännüchen Krben.
worde '), — Unter seinen Mitbürgern erfreute Ebcrsperger sich einer ge-
aclitcten Stellung; das Prädikat „erbar und wolfUrnehm“ war ihm verstattet*)
und in der JBUrgerwclir bekleidete er den Kang eines Kapitäns *). Die Wirren,
welche in den fünfziger .1 abren die Kranz’scbe Hälfte der bomännischen Offizin
betrafen, bessen seinen Anteil fast unberührt (v. u.).
Nach langjähriger Ehe verlor er seine Frau durch den Tod im Jahre
1756; er selbst starb, überlebt von drei Töchtern, am 11. August 1760*).
ln vielen Beziidiungen ein Widerspiel zu Ebersperger ist sein Miterbe
Johann Michael Franz.
Er war geboren am 14. September 1700 zu Oehringen >) als Sohn des
Hutmachers Georg Heinrich Franz (1674 — 1725) und der Anna Catharina
gcb. üettinger. Jobaiin Heinrich Franz, gest. 1766 als Buchhalter der ho-
männischeu Offizin, und .Tacob Heinrich Franz, geh. 1714, seit 1759 Mit-
besitzer der Offizin, waren jüngere Brüder von ihm “).
.Tohann Michael Franz hatte anfangs ein Handwerk erlernen sollen ; man
kam jedoch davon ab und liess ihn studieren. Im .Jahre 1721 bezog er (zu
Fuss!) die Universität Halle. Hier fand er Aufnahme im Waisenhaus; da er
aber die Wölfischen Kollegien besuchte (mit Ohr. Homann, welchem er damals
befreundet wurde), verlor er diese Vergünstigung. Nachdem er 1 Vj Jahr für
sich gelebt hatte, liess ihn der stud. jur. Calisius von Calisch, ein Württem-
berger, an seiner W'ohnung teilnehmeu. Franz benützte dessen Bücher und
hörte Tbomasius, Gundling, Schlitte, Fleischer, Böhmer und besonders Ludwig.
Diese Studien wurden aber dadurch gestört, da.ss ein gewisser Herr von Blache
Calisius zur Alchymisterci verführte. Franz schloss sich daher wieder mehr
an Homann au. Als sodann Calisius und Franz ihre juristischen Studien be-
endet zu haben glaubten, kehrten sie nach Stuttgart zurück. Hier entschloss
sich Calisius plötzlich zum Studium der Medizin und nahm Franz auf 2 Jahre
wieder mit nach Halle — zur Fortsetzung der alchymistiscben Experimente.
Die beiden hatten damals Umgang mit Leuten, „die die allerdunkelsteu
Meinungen hatten, darunter auch einige sich für Kosenkreuzer ausgaben.“ Im
Jahre 1729 führte Franz den Calisius, welcher krank (melancholisch) geworden
war, nach Stuttgart zurück, sodann, nach einem Aufenthalt zur Kur in der
Schweiz, nach Dinkelsbühl zu einem dem Calisius verwandten Hofrat Vischer.
Hier mag Franz die Einladung Chr. Hnmanns, er möge die Führung seiner
Korrespondenz übernehmen, erhalten haben. Er nahm dieselbe an , zunächst
nur bis auf weiteres , weil er sich Hoffnung auf eine Stelle als Auditeur in
einem Kaiserlichen Regiment oder auch als Sekretär beim Grafen von Gräve-
nitz in Stuttgart machte. Homann aber hielt ihn durch liist bei sich zurück
(er soll an Franz eingelaufene Briefe unterschlagen haben) und setzte ihn
neben Ebersperger in sein Testament als „bomännischen Erben“ mit ein ’).
Dieses Testament vom .Jahre 1730 ist samt den zugehörigen Akten be-
reits im .Jahre 1742 nicht mehr aufzufinden gewesen. Im Dezember dieses Jahres
berichtete das Nürnberger Stadtgericht an den Kat; „dass die betr. Acta bey
Herrn Cons. Peyern befindlich seyn sollen“, und der Kat befahl demnach,
man solle „deren schleunige Expedition, mit nächster Gelegenheit, bei dem-
selben urgiren“ •). Da aber Konsulent Peyer schon seit 1741 von Nürnberg
abwesend war*), und die bomännischen Akten in der nächstfolgenden Zeit
’) H. V. 17.11 Nr. 12. Fol. 105. (12. Märr. 1731.)
•) K. V. 1744 Nr. 6, Fol. 13. (25. Aug. 1744.)
■) Ibiger, 1. c. p. 401.
*) Eli^or, 1. c. p. 374, 370.
*) Will. Nürubergisches Gel.-Dex. 1750, 1. p. 467.
•) Hager, 1. c. p. 402 f.
*) Will, Nürnberg. Gel.-Lex. 1750, I. p. 467.
») !i. V. 1742 Nr. 9, Fol. 82. (3. Dezbr. 1742.)
•) R. V. 1741 Nr. 13, Fol. 10. (28. März 1741.)
I
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Die homänninchen Erben.
335
nicht mehr verlangt wurden , wurde der Ratsbefehl als nicht dringend nicht
befolgt. Ebenso ging cs im Jahre 1743 '), und das Testament blieb ver-
schwunden.
Auch die Recherche nach den hoinännisehen Akten und Testament,
welche auf Veranlassung des Neuburger Advokaten Schell das K. General-
Kommissariat des Pegnitz - Kreises im Jahre 1808 durch das Nürnberger
Kirchen- und Vormundamt vornehmen Hess *), blieb erfolglos
Das Fehlen dieses Dokumentes lässt eine unangenehme Lücke in der
Geschichte der hoinännisehen Offizin. Denn da andere Angaben über seine
Bestimmungen selten und spärlich sind, ist uns der Einblick in die Umstände
nnd Bedingungen , unter welchen Franz seine Erbschaft antrat , fast gänzlich
versagt geblieben. Wir kiinnen daher auch nicht genau feststelleii , ob Franz
selbst alle Schuld daran beizumessen ist, dass ihm das grossmUlige Geschenk
seines Freundes Homann nicht zum Heile ausgcschlagcn ist, oder ob nicht in
schwierigen Testamentsbedingungen eine Ursache dazu gegeben war.
CliristO])h Homanns einziger überlebender Bruder Gottfried Friedrich,
kurpnUzischer Oberförster zu AVeichering bei Neuburg a. I). , hat gegen das
erwähnte Testament einen Prozess angestrengt. Der Advokat Schell behauptet
in seiner Eingabe vom .Jahre 1808, Gottfried Fr. Homann habe bereits das
Testament seines V aters anstreiten wollen , sei aber von Christoph Homann
zur Unterlassung des Rechtsstreites durch das mündliche und schriftliche Ver-
sprechen bewogen worden, dass er, Gottfried, einst sein einziger Erbe sein
solle. Trotzdem sei dem Gottfried Homann ira Testament von 17.30 nur ein
Ijegat von 6 Dukaten vermacht gewesen — „ohngeachtet der vorliegend schrift-
lichen Versicherung der dermaligen Vermögens Besitzer.“
Es ist uns nicht möglich, hierüber Klarheit zu bringen. Indessen scheint
ein rechtsgiltiges Versprechen von seiten dir. Homanns nicht geleistet worden
zu sein, denn die kurpfälzisch-neiiburgischo Regierung, welche die Sache ihres
Oberförsters während dessen Lebzeiten mit Energie vertrat, würde nicht ver-
säumt haben, ein solches Versprechen bei dem Nürnberger Kat, resp. dem
Nürnberger Stadtgericht, nachdrücklich hervorzuheben. In den Katsvcrlässen
aber wird ein Versprechen überhaupt nicht erwähnt.
Sicher wissen wir von dem erwähnten Testament nur, dass schon einen
Monat nach Christoph Homanns Tod, nämlich im Dezember 1730 von der
Neuburgischen Regierung ein Iiitercessionsschreihen für Gottfried Fr. Homann
an den Rat Nürnbergs einlief, enthaltend die Bitte um Mitteilung des dir.
Homänniseben Testaments. Dieser Bitte wurde durch Uebersendung einer
Abschrift entsprochen. Später, im Februar 1731, wurden der Neuburgischen
Regierung auf Verlangen auch die im Testament erwähnten Zettel abschrift-
lich nachgeschickt. Sodann wurde der Prozess G. F. Homanns gegen die
Homänniseben Erben beim Nürnberger Stadtgericht anhängig und endete
nach vielfachen Schreibereien zwischen der Neuburger Regierung nnd dem
Nürnberger Rat Ende 1738 oder anfangs 1739 zum Nachteile des Oberförsters.
Auch seine Bitte, gegen dieses Urteil die Berufung einlegen zu dürfen, wurde
als unerheblich abgeschlagen *).
Einige .Jahre später liefen noch zwei Schreiben für die Erbansprüche
G. F. Homanns in Nüniberg ein, das eine von einem Freiherrn von Hartmann
an den Kirchenplleger gerichtet im Jahre 1742 *), das andere von der Neu-
burger Regierung an den Rat im .Jahre 1743*). Der Oberförster Homann
■) K. V. 1743 Nr. », Fol. 1.3. (2. Dezlir. 1743).
•) Für M. A. Appl, Hütersfrau zu Pettmäs und Enkelin de« Oberförsters Homann.
*) Kreisarchiv Nürnberg: .Acta des k. b. Vormund - Amt« . das .lohann Baptist
Homännische Testament betr.*, Beilage 9 und 10.
*) K. V. 1730 Nr. 9 u. 11, 1731 Nr. 11, 1732 Nr. 11 u. 1739 Nr. 1.
“) R. V. 1742 Nr. 9, Fol. 56. (23. Novbr. 1742.)
■) R. V. 1743 Nr. 8, Fol. 42. (18. Novbr. 1743.)
27 *
336
Die homäimUchen Erben.
scheint zu jener Zeit gestorben zu sein, seinen Nachkommen aber fehlten die
Mittel zur Fortsetzung, resp. zur Wiederaufnahme des Prozesses ').
An die Ueberuahme der homÜDuischen Offizin knüpfte sich also für die
Erben alsbald 'ein' langwieriger Prozess. Aus dem Verlaufe desselben ist bcr-
vorzubeben, dass der Oberförster Homann dem Kat Nürnbergs im Jahre 1734
die Bitte vorlegte, man möge durch das Stadtgericht die Veräusseruug der
homSunischcn Vcrlassoiischaft inhibieren *). Der Prozess dürfte also die freie
Verfügung Uber den ererbten Besitz einigermassen eingeschränkt haben. Für
Ebersperger, der schon seit .Jahren in gesichelten Lebensumstanden sich be-
fand, hatte das nichts auf sich, wohl aber für Franz. Er war ja von Haus
aus mittellos, und Christolib Homann scheint ihm auch keine Baarmittel hinter-
lassen zu haben, wenigstens deutet darauf der Umstand hin, dass Franz im
Jahre 1732, als er das Bürgerrecht erbat und erhielt, zugleich um einen
erheblichen Nachlass der Erbschaftssteuer nacbsuchte ’). Ausserordentliche
GcldbedUrfnisse, wie sie der Betrieb der Offizin oder der Erbschafts - Prozess
mit sich bringen konnten, oder wie sie vielleicht nur die Anschaffung einer
häuslichen Einrichtung erforderte, mussten demnach von Anfang an Franz
zum ächuldenmacheu nötigen.
So hat er denn bereits im .Jahre 1731 zweimal 500 II. Schulden auf-
genommen *).
Es müsste bei geordneter Geschäftsführung ein Leichtes gewesen sein,
diese im Verhältnis zu f’ranzeus Erbanteil geringfügige Summe nacli und nach
abzutragen. Aber Franz war nichts weniger als ein Geschäftsmann. Er trug
sich gern mit grossen , über das Erreichbare hinausgehenden Entwürfen und
war über Gebühr freigebig ®). So geriet er nach und nach immer mehr in
Schulden. Im .Jahre 17415 betrug die Summe derselben mindestens (5700 fl.,
welche, wie sich aus der unten folgenden Administrationsakte ergiebt, im .Jahre
1756 noch nicht abgetragen waren. Ob Franz zu jener Zeit (1746) nicht
noch mehr Schulden hatte, die er vor 1756 wieder bezahlt hat, ist unbekannt.
Wozu Franz all dies Geld und sein Einkommen aus der homäunischen Offizin
verwendet hat, darüber wird uns ebenfalls nichts berichtet. Doch darf die That-
sache nicht unerwähnt bleiben , dass die Aufnahme einiger grösserer Summen
durch Franz, so von 10(X) 11. im Jahre 1736, 5(X) und 600 fl. im Jahre 1742,
l(XK) fl. im Jahre 1746 mit der Veröffentlichung besserer Karten und Atlanten
(der schlesischen Spezialkartcn , des Doppelmayerschen Himmelsatlas, des
homänuisch-hasischen Gesellschaltsatlas) nahe ziisammcurällt.
Vom .Jahre 1747 ab suchte Franz durch einige wissenschaftliche Unter-
nehmungen sich aus seiner Geldnot zu befreien. Das „Lnwitzsche Kugel-
werk“ und die „Kosmographische Gesellschaft“ sind die bedeutendsten derselben;
wir werden bei der Würdigung der wissenschaftlichen Verdienste Franzens
näher darauf eingehen. F'ür das Globuswerk nun liefen etwa 2000 Thaler
Präiiumerationsgelder ein , eine Summe , welche , so lange die Globeu nicht
geliefert wurden, nichts als eine neue Schuld , den Pränumeranten gegenüber,
war. Die kosmographische Gesellschaft brachte 200 Dukaten ein , die aller-
dings nur für kosmographische Zwecke zu verwenden gewesen wären. Zudem
scheiterten diese und die kleineren Unternehmungen fast gänzlich, und sie sind
wohl mit Hauptursache gewesen, dass l''ranz immer tiefer in Schulden versank.
Nach und nach erschöpfte sich sein ICredit, und er scheint (Ende 1754) in
ernste Not geraten zu sein. Hat er doch sogar zwei goldene Ketten, Medaillen
*) Acta lies k. b. Vormundamts, das Job. liapt. Homann-Testament betr. Beilage 2.
(Kreiearchiv Nürnberg.)
•i K. V. 1<:I4 Nr. 4 , Fol. 13. (24. .luli 1734.)
•) K. V. 1732 Nr. 11, Fol. 12. (4. Januar 1732.)
*) V. u. Ädniinistrutionsukte.
^) BUäcbing, Nacbricliten von dem Fofessor Lowitz u. von der kosmogmphlsclien Ge-
sellschaft, in seinen ,Nuchricbtcn von neuen Landkarten“, 3. Jubrg. 1775, p. dO.
Die homänni^chen Krbon,
337
und dazu geliörige silberne Kapseln, die wahrsclicinlicli vom alten Homann
herrührten und die nicht einmal ihm allein gehörten, in Langenzenn (bei Fürth)
versetzt! Der Nürnberger Rat bat ilin tlenn auch auf Bitten Eberspergers
angchalten. dieselben wieder herbeizuscliaffen •).
Um den uner<|uickliehen und uidialtbaren Nürnberger Verhältnissen zu
entgehen, hatte Franz im Jahre 1754 der königlichen und kurfürstlichen Re-
gierung zu Hannover einen Plan vorgelegt, gemäss welchem die kosmogra-
pbisebe Gesellschaft, die Lowitzsche Weltkugel-Fabrik, seine (verschuldete!)
Hälfte der homännischeu Offizin, sowie verschiedene Künstler, welche sich
durch Anfertigung vorzüglicher physikalischer Apparate auszeiciinetcn , nach
Göttingen versetzt werden könnten. Dieser V’orschlag wurde angenommen,
und infolgedessen Franz und sein Schwager, der Mathematikprofessor Lowitz,
(letzterer ohne durch Franz von den voraufgegangenen Abmachungen in Kennt-
nis gesetzt zu sein) als Professoren der Geographie , resp. der praktischen
Matliematik, mit 60i0 resp. 4(X) Thalcrn Gehalt nach Göttingen berufen •).
Lowitz, der übrigens mit diesen Anordnungen durchaus nicht zufrieden
war und später äusserte, sein Schwager Franz habe ihn verkauft, siedelte mit
Anfang 1755 nach Göttingen über*). Franz konnte ihm erst später folgen.
Der Nürnberger Rat scheint durch Ebersperger von Franzens Vorhaben Kennt-
nis erhalten zu haben*), und verbot Franz (März 17.55), vor Heilegung der
geschäftlichen Differenzen , die sich zwischen ihm und Ebersperger entwickelt
batten , Nürnberg zu verlassen oder etwa,s von seinen Sachen wegzuschicken.
„Und, dass dieses von ihrne auch nicht so leicht bewerckstelliget werden könnte,
soll von L. Zoll- und Waag- item dem L. Kriegs Amt darauff invigiliret
werden“ *).
Es war dem Rat bei dieser Verfügung gewiss nicht um die Erhaltung
der kosmogra|>hischon Gesellschaft oder des Lowitzschen Weltkugelwerkcs in
Nürnberg zu thun, sondern nur darum, dass Franz „seine Affairen in das
Reine bringe“. Dieser aber liess sich nicht halten und verliess ohne Vor-
wissen des Rates und mit Hinterlassung seines Mobiliars Ende Mai 1755
die Stadt *).
Von Göttingen aus vorgbeh er sich sodann mit seinen Gläubigern durch
Annahme der Administrationsakte, welche auf mehreren üläubigcrzusammen-
künften schon im .Jahre 1755 besprochen und endgiltig am 21. April 1756
Uber Franzens Vermögen und Geschäftsanteil aufgcstellt wurde. In dieser
Akte ist folgende nach Franzens eigener Angabe aufgestellte Liste der Schulden
(Summe 16 125 fl.) enthalten ;
„Ao. 1731. 1. Aug. Herrn Michael Tuchers Wittib .... fl. 500
1731. S. T. Herr Marktvorstehcr Lothes . . . „ 500
1742. 2. Febr. „ „ „ „ „ . . . „ 500
Eben dieser wiederum 600
1745. 10. Sept. S. T. Frau Dr. Adelburnerin in Altdorf . „ 2100
17-16. 1. .Juni. Herr Yclin, Handelsmann in Sindringen . „ KXX)
1746. 2. Nov. Frau Glaserin zu Weickersheira . . . . „ 500
1749. 11. Nov. S. T. Frau Hauptinann Schreiberin . . . „ 2(XX)
1750. S. T. Frau Losungerin von Ebner . . . „ 400
1751. 10. Juli. Herr Johann Wilhelm ßachmaun, Handels-
mann „ 1000
welchen auch für ein vom Herrn Prof.
*) R. V. 1755 Nr. 13, Fol. IS (25. März 1755), 1755 Nr. 2, Fol. 2 und 25 (2. u.
12. Mai 1755).
•) BSsching, 1. c. p. S2 f.
') lliideni p. S3.
‘) K. V. 1755 Nr. 11, Fol. 79b. (18. Febr. 1755.)
') R. V. 1755 Nr. 13, Fol. 16. (25. MSrr. 1755.)
•) R. V. 1755 Nr. 3, Fol. 22. (4. Juni 1755.)
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338
Die bomünniBchän Krben.
Lowitz aufKenommcnes anderes Kapital
it 500 fl. Bürgschaft geleistet worden.
Ao. 1753. 10. Sept. S. T. Herr Dr. Georg Conrad Schüler . fl. 600
1753. 2. Nov, S. T. Fräulein von Thomasius . „ 1600
1754. 28. Jan. S. T. Herr Marktvorst. Lothes . ... „ 500
17.54. Aug. Herr Taffinger und Beer 800
1754. Nov. Herr Büheim und Grundier 150
1754. Nov. S. T. Herr Hauptmann von Haller . . „ 300
1754. 8. T. Frau Hauptmann Pipgrasin . . . „ 2(X)
1764. Jungfer Zwanzigerin 100
1736. S. Herr Cammer;- Rath Schiller zu
Oehringen 1000
1753. .lud Heidenheimer in Bayersdorf, laut Oblig. „ 875
Herr Scherzier, Handelsmann, so einen
.ludenwechsel an sich gelöset . . . . „ 500
Jud Israel Lovi 200
Jud Bamberger und Cllmann 2lXl“
Die übrigen Hauptpunkte der Akte sind folgende :
1. Die Hälfte der boiuannischen Handlung bleibt den Gläubigern Franzens
so lange überlassen, bis sie aus dem Gewinn und den eingehenden Aktiven
vollständig befriedigt sind , und zwar ist der halbe Gewinn , sowie die ein-
laufendcn ausstehenden Gelder zu den vierteljährig zu zahlenden Zinsen zu
verwenden, der Uebersehuss zur Abtilgung der Kajiitalien.
2. Franz verpflichtet sich , nichts aus der Handlung zu nehmen , noch
ausstehende Gelder eigenmächtig einzuziehen, „auch nichts unter dem Nahmen
der Cosmographischen Gesellschaft, oder einen andern Titel zu verlegen , son-
dern wie ehehin im Nahmen Horaännischer Erben zum Verlag zu bringen,
keinen einseitigen Accord ohne Mitwisson und Bewilligung der Herren Inter-
essenten zu treffen . .
3. Das „Freyenfelsische Neue Commissions-Karten- Werk“ soll der Ho-
männischen Offizin verbleiben.
4. P'ranz verspricht, hinnen zwei Jahren eine Summe von 2 — .3000 Thalern
von Göttingen aus zur Beschleunigung seiner Schuldenabzahlung einzusenden.
5. Franzens Bruder, .Jacob Heinrich Franz, der bisher als Buchhalter
der homännischen Offizin wöchentlich 4 fl. verdient, und dessen Frau, die fifr
ihre Jllurainationsarbeit 3 11. wöchentlich erhalten, bleiben unter den alten
Verhältnissen iin Geschäft.
6. Um die Besorgung der geographischen Korrespondenz soll der Stsdt-
gerichts-Aktuarius Gnopf ‘) ersucht werden.
7. Die Gläubiger haben „zu mehrerer Versicherung“ auch auf das An-
spruch, was Franz in Zukunft erwerben sollte ; Franzens Gattin, Juliana Sophia
Maria geh. Yelin, ist für Franz mit haftbar.
Demgemäss war es Franz unmöglich, die Hälfte der homännischen Offizin
nach Göttingen zu versetzen. Um aber den der Regierung vorgelegte» Plan
wenigstens einigermassen ins Werk zu setzen, begründete er seinen sogenannten
„kleinen Verlag“, in welchem er ein paar Schulatlanton kleineren Formats
heraiisgab. Ausserdem glückte es weder mit der wirklichen Aufrichtung der
kosmographischen Gesellschaft, noch mit der Anfertigung der Lowitzschon
Globen, und Franz durfte froh sein, dass die Kommission, welche zur Unter-
suchung der Sachlage eingesetzt wurde, entschied : Franz solle an Lowitz die
pränumerierten 2tXK) 3’haler zahlen und sei dann von aller Verantwortung an
dem Globusunternohracii frei, solle aber von Lowitz ein paar Globen erhalten ’).
*) BüBching nennt (in seinen „Wöchentt Nachrichten von neuen handcharten* II.
1774, p. 100) Cnopf einen Mann, ,der sich mehr geographiBChe Kenntnis zuschrieb, als er
wirklich hatte.'
•) BQsching, 1. c. 1775, p. 66.
Die homüimischen Krbcn.
339
Woher Franz sich diese Summe verschaffte, ersehen wir aus folgendem
Kaufvertrag, welcher nicht nur die Beurteilung des pekuniären Wertes der
Franzschen Handlungshiilfte ermöglicht, sondern auch einen Einhlick in die
inneren geschäftlichen Verhältnisse der Offizin und die Art und Weise der
wissenschaftlichen Direktion derselben durch Franz bietet.
Die J. M. Frauzsche Cossionsurkunde').
„Kund und zu wissen seye hiemit, denen es zu wissen nöthig:
Demnach ich Johann Michael Franz , köuigl. Grossbr. und Hochfstl.
Nassau Oranischer Rath, auch Geographie Professor zu Göttingen, Mit Erbe
der Homännischou Geographischen Handlung in Nürnberg, und ich Juliana
Sophia Maria Franzin seine Ehefrau aus beträchtlichen Ursachen, wohl be-
dächtlich entschlossen sind, unsern’ lieben Bruder und resp. Herrn Schwager
Jacob Heinrich Franz und seine Ehefrau Anna Felicitas Franzin und ihren
Erben unsere Hom. Handlungs Antheil und Hauss von dato der Zeit dieser
Unterschrift ganz und mit völligen Eigenthum darzu gehörigen Rechten und
Befugnissen Kraft dieser Cessions-Acte zu überlassen ; Als haben wir uns mit
einander in Brüderlicher und schwägerlicher Treue und Aufrichtigkeit, wie und
weichergestalt diese Ueberlassung auf einen rechtskräftigen Fuss geschehen
solle, auf folgende Bedingnüsse verstanden :
1. AVir beyde Johann Michael Franz und Juliana Sophia Maria Franzische
Eheleute, besonders ich die Franzische Ehcconsortin mit hernach bemeltem
rechtlichen Beystand cediren an Herrn Jacob Heinrich Franz und dessen Ehe-
liebste Frau Anna Felicitas Franzin und ihren Erben alles Eigeuthums Recht,
so wir an der Helfte der hom. Handlung und Hauss, worunter wir zugleich
alles, was an beweglich und unbeweglichen Gütern , Effecten, Kupfer Platten,
Land Garten, Niederlagen, Activ Schulden, Baaren Oassa Geldern, dahin dann
auch forderist alle Correspondenz und Handelsbücher gehören, alles ileninach,
so nur immer zur Handlung gehörig angesehen und bedrachtet werden kann,
und mit meinem Consort Herrn Johann Georg Ebersberger gemeinschaftlich
seithero possediret worden, dieses alles transferiren wir Denenselben auf iezo
und immerdar, solches statt unserer für sich zu uuzen, zu gebrauchen, und auf
ihre Familie und Kinder zu vererben, ohne einige Restriction und Vorbehalt
eines Wiederkaufs oder sonst dergleichen, wie es Nahmen haben mag, wobey
wir allen diesen unsern habenden Rechten förmlich und wohlbedächtlich ent-
sagen.
2. Haben ich Johann Michael Franz und ich Juliana Sophia Maria Franzin
mit meinem Herrn Beystand, Unsern Bruder und resp. Herrn Schwager seiner
Eheliebstin und ihren Erben zugesaget, versprechen auch hiemit redlichst und
ehrlichst, dass all mein Johann Michael Franz Göttingischer Verlag, Jugend
Atlas, Reichs Atlas mit ihren Platten und Exemj>larien und alles, was ich noch
ferner biss an mein Ende des Lebens hier in Göttingen auf meine Kosten
verlege, (: wobey meine Participation an der grossen Welt Kugel Fabric aus-
genommem bleibet,:) seinem von mir überlas.senen Hom. Antheil incorporiret,
und so fort ohne Anstand nach meinem Tod von meiner Frau darzu ausge-
liefert werden solle.
3. Ueberlassen wir ferner an unsern Herrn Bruder und Schwager die
Commiss Sache der Freyenfelsischen Dioeces Mappirung, und allen Nuzen und
Profit, den er daraus ziehen kau ausgenommen die Zeiebnungskosten , so zu-
sammen für die 4. bereits gelieferte particulier Zeichnungen, und für die künf-
tige General Carte, auch Register Blätter, so ich noch zu liefern habe auf einen
ehrlichen Accord des aus der gemeinschaftlichem Hom. Cassa zu praestiren
ist, für künftig ausgesezt bleiben.
*) Stadtgorichts-Akt Wolf Lovi ca J. H. Franz 1765, Beilage Lit. K. (Kroisarchiv
Nürnberg.)
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340
Die bomännischen Erben.
4. Versprechen wir unsers Herren Bruders und Schwagers Söhnen, als
unsern liehen Vettern mit Rath und That beyzuspringen , damit sie in das
innere AVesen der geographischen Wissenschaften eingeleitet und besonders
unterrichtet werden, folglich in Stand kommen, die Suchen, die in folgendem
Artickel gedacht werden, wohl anwenden zu können, alles aus brüderlicher
Liebe und sonderbahrer Affection gegen die Hom. Officin.
5. Da ich Johann Michael Franz 15. bis 16. Folianten nebst ver-
schiedenen Kotiz-BUchern im Manuscript liegen habe , und noch immer damit
fortfahrc, dahinein alles merkwürdige, was in den ganzen Umfang der mathe-
matischen und historischen Geographie sowohl durch meine gelehrte Corre-
spondenz seit Ao. 1730 biss hieher und biss an das Ende meines Lebens als
auch in allen neu edirten Voyages passiret, einzeichne, also und dergestalt,
dass ein Besitzer daraus mathematisch und historisch klug werden, und iedes-
mahl wissen kan, was das Beste ist, so er zu seinem Verlangen neues entre-
preniren will, auch nebst deme eine gute Sammlung verschiedener Zeichnungen
besize, die theils zum Stich gleich vorgenommen, theils durch eine geschickte
Zusammenfügung dieser Subsidien ein guter Riss verfertiget werden kan, so
soll meine Frau, auf den Fall sie mich überlebet, solches alles, laut dieser
Liste, die in der Beylage Lit. A. ') enthalten, an meinen Bruder, Frauen
Schwägerin und ihren Erben auszuliefern obligirt seyn, wie denn ieh Juliana
Sophia Maria Franzin solches Ihnen liiemit treulich und an Eydesstatt angelobe.
6. Da auch ich Johann Michael Franz bey Herrn Bechmann , Handels-
mann in Nürnberg um fl. 500 für Herrn Prof. Lowiz in Güttingen Bürgschaft
geleistet, welche dieser zu Erkauf der ehemaligen Prof. Doppelraayer. Biblio-
thee verwandt hat; Als erklären wir Johann Michael Franz'schen Ehe Con-
sorten, mit Beystand, wie oft erwebnt, dass da wir wider Verbofien bey nicht
erfolgender Bezahlg des Debitoris Herrn Prof. Lowiz, darum in Anspruch ge-
nommen werden, wir solche Schuldden, Herrn Bechmann, samt Interessen, aus
unsern Mitteln bezahlen, und zu allen Zeiten unsern Bruder, Frau Schwägerin
und deren Erben desfalls schadlos halten wollen. AVie wir nicht weniger auch
uns obligiren, der Frau Lieut. Höflichin Forderg der fl. 75. auf uns zu be-
halten und selbst abzuführen.
7. Dagegen und auf der andern Seiten ich Jacob Heinrich Franz, und ich
Anna Felicitas Franzin seine Eheliebste, ebenfalls mit hernach gesezten meinem
Herrn Beystand, als EigenthUmer der Hom. Handlg und Hauss für uns und
unsern Erben geloben und versprechen, dass wir alle nachbenannte Passiv
Schulden unsers Bruders und Schwagers Hn Rath und Prof. .Johann Michael
FVauz die auf der Handlg in Nürnberg stehen, getreulich auf uns nehmen, dafür
stehen, und, nach laut der Obligationen, Zinss u. Capitalien abführen werden.
Als :
An Ha Conrad Lothes Seel. AA’ittib in Nbg ... fl. 1600.
„ Frau Glaserin seel. Erben in AVeickersheim . „ 350.
„ „ Dr. und Prof. Adelbulnerin in Altdorf . „ 2100.
„ Hn Actuar Cnopf, olim Velin in Sindlingen . „ 500.
„ Frauen von Ebner, AVittib „ 400.
„ Hn Hauptmann von Haller „ 300.
„ Hn Bechmann 1000.
„ Hn Dr. Schüler 600.
„ Hn Tafinger und Beer 809.
„ die Hn Behaim, Grundier und Bauer . . . „ .3000.
„ .Jungfer Zwanzigerin 100.
„ Hn Schäzler „ 500.
alle in Nürnberg
„ Hn Cammer RaOi Schiller in Oehringen . . . „ 1000.
*) Diese Lit. A. fehlt leider.
1 .
Die homännischen Eiben.
341
welclie zusammen Gulden Zwölf Tausend Zwey Hundert Fünfzig Neun,
Rheinische Münz Währung, ieden Gulden zu 15. Bazen oder 60 Kreuzer ge-
rechnet betragen.
Wir erklären uns hiemit ferner für uns und unsere Erben, dass wir nicht
nur diejenige erstgedachte Schulden, die im Administrations-Contract stehen,
sondern auch die nachherig angegebene, als :
Hn Stadt Voigt Yelinischo netto 11. IKOO.
die Hauptmann Am Endische, deren Aufkündigg aber,
vermög dieser Cessions Acte bey uns Uchoniohmern
stehet, deren Verzinnsg von dem Tag der Unterschrift
an gerechnet, dis.seits praestirct werden soll . . . . „ 2800.
Hn Stadt Pfan-er Yehlin in Wintershausen „ 350.
Hn Hof Rath Dr. Treu in Nbg ,, 150.
Welche zusammen die Summa von Gulden Fünf Tausend Einhundert Rheini-
sche MUnz-Währg betragen , auf uns nehmen , solche allesamt vertreten , ver-
zinsen und abführen wollen.
Endlich und zum Lezten versprechen wir den Rest der Wittwe Lebrochtin
in Wöhrd, den sie auf Zwei oder Drei Hundert Gulden praetendiret , abzu-
machen, auch auf den Fall, wenn die Stadt Pf. Yelinischc Schuld, laut Johann
Michael Franzenscher Praetension mit 200 ti, saldiret werden sollte, den Ueber-
rest der 50 fl. an Hn Kaufmann Cramraer in Nürnberg zu entrichten.
8. Wir die Jacob Heinrich Franzscho Eheleute mit unserm respective Herrn
Beystand geloben und versprechen hiemit ferner für uns und unsere Erben, die
von unserm Hn Bruder und resp. Schwager uns vorgeschriebene und ausbe-
dungene fl. 400. schreibe Vier Hundert Gulden Rheinisch in Münz, Wittums
Geld, dafernc Gott über ihn zuerst gebieten sollte , an seine Frau Liebste
.Tuliana Sophia Maria Franzin, so lange sie lehet, iährlich in gangbarer Münze,
oder auch iedes halbes Jahr mit fl. 200. hingegen, wenn sie in zweyter Ehe
leben sollte iährlich mit 300 fl., schreihe Drey Hundert, oder alle halbe .lahr
fl. 150 getreulich, und allemahl ohne allen Anstand, Abzug, ohne Reservation
und E.\ception, sie haben Nahmen, wie sie wollen, abzufUhren, solches versprechen
wir bey unsem Ehren, Treu und Glauben, bey unserm Gewissen und an
Eydesstatt.
9. Versprechen wir wohlgedachter unserer liebwerthen Frauen Schwägerin
gleich nach der R.atification dieser Cessions Acte zu einen Angedenken von
uns ein silberne.s Service im Werth von fl. 200 einzuhändigen.
10. Da wir beyde Brüder und Schwägerinen endlich mit einander
uns ferner verstanden , dass noch über die obig übernommene Specificirte
Schulden auch an haaren Gelde die Summe von 11. 3000 in sächsischer
Währung, so er Hn Rath und Prof. .Tohann Michael Franz an die
üöttingische Weltkugel Oassa oder vielmehr an die hohe Praenumeranten
schuldig ist, ictzo gleich Baar entrichtet und hergeschossen werden sollen,
welche Summe er auch, nebst obigen Geldern, auf die Hom. Ofticin verwendet
zu seyn, angiebt. Solchemnach geloben und versprechen wir Jacob Heinrich
Franzsche Eheleute mit unserm resp. Herrn Beystand, Kraft obiger Eigen-
thums Ueberlassung in diesem Document, diese Schuld als unsere eigene an-
zusehen und zu übernehmen, auch solche 3000 fl. so gleich nach gethaner
Unterschrift dieses Instruments nach sächs. Wührg Baar an die Hochlöhlich
Königliche Grossbritannische Herren Commissarien, Nahmcutlich Herrn Pro-
fessor Hollmanns Hoch Edelgebohren und Herrn Professor Dr. Biischings Hoch
EhrwUrden in Göttingen gegen ihre Quittungen und Hn Prof. Lobiz particulier
liosssprechg der Hom. Ofticin zu überschicken, oder per Wechsel zu über-
machen. Dabey wir uns alles Rechts und Praetension an die Güttingische
Kugelwerck Sache begeben , einfolgUch davon das Utile sowohl als das One-
rosiun von der Hom. Off. weg und auf die Person unsers H Bruders und
resp. Schwagers und seiner Erben verschaffet bleibet.
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342
Die hom&nnisohen Erben.
11. Gegen Ucbernehmg aller die Praestationen , und damit Herr Jacob
Heinrich Franz, dessen Elieliebste und ihre Erben eines ewig ruhigen Possess
gesichert und verwahret bleihen , versprechen wir Johann Michael Franzsche
Eheleute mit resp. unsern Hn Beystand wegen des auf sie transferirten Dominii
unsers hom. Antheils an Handlg und Hauss und alles Eingangs benannten
darzngcbürigen , alle gebührende Eviction zu praestiren , alle Gefährde und
Haft bey einer neuen Schuld, die nicht in obigen angegeben, in meinen Leben
anf mich Johann Michael Franz, solche von Göttingen aus von meinem Ver-
dienst zu bezahlen, oder daferno ich nicht mehr lebe, auf mich Juliana Sophia
Maria Franzin zu nehmen, solchergestalt, dass der Gegentheil das Recht haben
soll, im Pall (:wie doch nie geschehen wird und kan,:) eine neue Schuld sich
veroffenbahrete , an dom Deputat der Wittums Gelder sich zu pfänden, so
lange biss solche Schuld durch mich , oder , nach meinem Tod , durch meine
Frau abgerichtet seyn wird. Alles dieses versprechen wir beyde Eheleute aufs
redlichste und ehrlichste und an Eides statt.
Wie übrigens Wir die Johann Michael Franzsche Ehe Consorteu mit
Boystand wie mehr gedacht, alles unsere an der Hora, geogr. Handlg und
Hauss gehabtes Eigenthum-Recht und Gerechtigkeit, Forderg und Ansprüche
und was uns etwa dieser halben zugekommen, an oft ersagt unsern H» Bruder,
Frau Schwägern und ihren Erben allerdings und gä,nzlich nochmals hiemit
cediren und überlassen, deshalbon auch uns aller gehabten Ansprüche und
Forderungen, wie nicht weniger aller gegen die Cession uns etwa competirende
Ausflüchte und Einwendungen, als der Üebereilung, Vervortheilung, nicht also
geschehener Abrede, unterbliebener Erfüllung der Zusage, oder wie die sonsten
Nahmen haben, oder noch mögen erdacht werden, uns ausdrücklich begeben;
So haben in Gegentheil auch wir die Jacob Heinrich Franzsche Eheleute mit
resp. unsern Herrn Beystand gleichermassen nns aller, wider unsere Zusage
mit Rechten etwan zukommende Ansflüchten und Einwendungen, als der nicht
genügsamen Einsicht, Vervortheilung, Furcht, Hinterlist, Beredung, oder wie
sie sonsten benennet werden, besonders aller Weiblichen Freyheiten und Rechts
Wohlthaten uns zum kräftigsten begeben und solchen entsagen wollen. Alles
Ehrbar, getreulich und ohne Gefährde.
Zu Urkund dessen allen und mehrerer Bekräftigg ist dieses gedoppelt von
beyder Brüder ieder seiner eigenen Handschrift gleichlautend verfertigte Cessions
und Vergleichs Instrument von Uns Selbsten und unsern resp. Herren Bey-
ständen eigenhändig unterschrieben, besiegelt, auch iedem Theil die gegenseitige
Handschrift zugestellct worden. So geschehen in Göttingen den 14. May 1759.
(L. S.) Johann Michael Franz
R. u. Prof. p. 0 .
(L. S.) Juliana Sophia Maria Pranzin gebohreno Velin
(L. S.) Matthäus Ferdinand Cnopf,
Actuarius des Löbl. Stadt- u. Ehe Gerichts in
Nürnberg , als von S. T. Frau Räthin Franzin
requirirter Beystand u. Zeuge von dem was in
hoc Albo pacisciret worden ist.
Gesiegelt in Nürnberg, den 15. Octobr. Ao. 1759.
(L. S.) Jacob Heinrich Franz
(L. S.) Anna Felicitas Franzin
(L. S.) Leonhard Scholz,
Burger u. Handelsmann in Nüniberg , als
Beystand u. Zeuge, der Frauen Anna Felicitas
Franzin.“
„Abschrift beglaubigt durch Matth. Ferd. Cnopf, Gerichts Actuar, 6./2.Mart. 1764.“
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Die bomäxiniBchen Erben.
343
P
Zwei Jahre nach diesem Verkaufe, welcher durch Liquidationsedikt und
-bescheid vom Oktober und Dezember 1759 rechtsgiltig geworden war, starb
Franz, im September 1761, in Oöttingen ’). Man sollte denken, sein Tod und
der Abschluss dos Kaufvertrages hiitte allen Verhandlungen über seine Geld-
geschäfte ein Ende bereitet. Nichtsdestoweniger kam noch ein Fall zur Sprache,
den wir, weil er Franzens Nachlässigkeit in Geldangelegenheiten am besten
illusti'iert , mit hierher setzen müssen. Es ist dies der Wolf Lovische
Prozess*).
Unter den Akten findet sich zunächst die Kopie eines „Extractus Pro-
tocolli Conferentiae. Actum Nürnberg in dem Hohmännischen Handlungshaus
IM. Dez. 1755.“ Dieser Auszug führt nur die in der Administrations-Akte
angegebenen Judenschulden (875, 500, 200 und 200 fl.) an mit der Be-
merkung: „Jud Wolf Levi, welcher aber seine Forderung biss diese Stunde
nicht angegeben. NB. liat seiner eigenen Sago nach nichts zu fordern.“
Dieser Wolf Levi war domprobst-bambergischer Schutzjudo zu Fürth;
während des Krieges unternahm er Lieferungen für die Armee.
In seinem Schreiben, d. d. Fürth, 21. September 1758, bat er „vermüg
gepflogener Abrede“ Franz um Mitteilung der bei der letzten Gläubiger-
zusammenkuuft gefassten Beschlüsse.
Aus Nürnberg, 27. September 1758, ist sodann ein Schuldschein über
1600 fl. datiert, welche Wolf Levi dem Professor Franz in einzelnen Posten
vorgestreckt habe. Diese 1600 fl. wurden am gleichen Tage zu Nürnberg mit
30 Nachlass bezahlt ; die Quittung enthält den Zusatz ; „und quittire wohl-
bemeldtcm Hn Professor p Saldo aller Rechnungen, wie die nur immer Namen
haben oder erdacht werden mögen, biss auf heutige Tage. Zu dem Ende sind
auch alle in Händen gehabte Wechselbriefe d. H. H. Böheim und Grundier
zugleich von mir extradirct worden.“
Schon die erwähnte Schuldverschreibung über 1600 fl. bedeutet einen
Verstoss gegen die Administrations - Akte. Denn entweder hatte Franz in
letzterer seinen Gläubigern nicht alle Schulden angegeben, die auf seinem
Vermögen lasteten , oder er hat (nach 1756) vertragswidrige Schulden kon-
trahiert (denn es ist nicht anzunehmen, dass Franz mit Vorwisson und Er-
laubnis seiner Gläubiger Schulden machen durfte, welche mit 30°/o Nachlass
abgezahlt wurden). Noch mehr Widersprüche in diesem unlauteren Handel
aber ergeben sich durch folgende Schuldverschreibung :
„Nachdemo ich Endtsbenannter an H. Wolf Levi, Schuz .luden in Fürth
„die Summa von fl. 1556 schuldig geblieben , dafür wir miteinander überein-
„gekommen, dass solches Geld Postenwoiss, und wie cs meine gegenwärtige
„Convenienz des kleinen Verlags in Göttingen an Händen giebet, von mir ab-
,. getragen werden soll ; also wird von mir fcstegesetzet, bey meinen Ehren Treu
„und Glauben versprochen und zugesaget, dass ich dieses Quantum hundert
,.oder womöglich zweihundert Gulden weiss, das ist, in einzeln Posten ent-
„weder baar oder durch richtige Anweisung bei Herrn Lichtenstegor nach und
„nach bezahlen, und somit jährlich fortfahren wolle, biss die ganze Summa
„abgetlian seyn wird. Dass jedoch während dessen kein Interesse lauffen,
„sondern dafür am Ende eine willkUhrll. Discretion erstattet werden soll.
„Gleichwie aber unter uns verstanden, dass diese Pöstl. Entrichtung eher nicht
„alss nach Verfluss eines .lalircs von dato gerechnet und angefangen werden
„soll, Also verspreche, wo ich mich in Stand gesetzet sehe, dass ich auf ein-
„mahl das ganze Capital zu tilgen bemühet seyn werde. Und damit H. Cre-
„ditor inzwischen dessen allen gesichert seye, so verpfände ich hiermit mein
„Nürnberger Vermögen, so viel lüezu vonnüthen, also und dergestalt, dass wann
*) Hager, Geograph. Bnchersaal I, p. 875.
•) Stadtgerichte-AIit Wolf Len contra J. H. Franz 1765.
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344
Die bom&nnüchen ErbexL
„ich durch obigen Verlag nicht bezahlt habe, er allezeit auf hiesige Niirn-
„berger Handlung seinen gewissen Eecurs in behöriger Subordination nehmen
„soll und dürffe. Alles getreulich. Nürnberg, d. 24. Shr 1758.
Johann Michael Franz,
R. u. P. P. in Gott.
Horaännischer Miterbe.
„pro Copia: Cnopf.“
Es muss zunächst bemerkt werden, dass niemand an der Echtheit dieses
Scheines gezweifelt hat.
Geht nun aus der Quittung vom 27. September 1758 deutlich hervor,
dass AVolf Levi an Franz keine Ansprüche mehr erhebt, so ersehen wir aus
diesem nur 4 AVochen später ausgestellten Schuldschein nicht minder deutlich,
dass Franz dem AVolf Levi 1556 fl. „schuldig gehlieben“.
In der Cessionsakte nun sind diese 1556 tl. unter den Schulden nicht
mit angegeben, und trotzdem behauptet Franz (im Punkt 11 der Cessionsakte),
es werde uud könne nie geschehen, dass sich ausser den angegebenen eine
weitere Schuld offenbare.
Dies geschah aber doch, denn im .Jahre 1763 stellte AVolf Levi Klage
gegen J. H. Franz auf Zahlung der 1556 fl. Er wies nach, dass ihm wegen
seines Aufenthaltes bei der Armee das Liquidationsedikt vom Jahre 1759
unbekannt geblieben war, und das Stadtgericht urteilte demnach (April 1765) :
AVenn AVolf Levi schwöre, dass er dem Rath Franz wirklich 1556 fl. vor-
geliehen und vom Li<iuidationsedikt von 1759 zu rechter Zeit nichts gewusst
habe, so sei Jacob Heinrich Franz (resp. Frau Professor Franz) zu Zahlung
von Schuld und Kosten gehalten.
J. H. Franz legte gegen dieses Urteil Appellation ein, Dezember 1765'),
dieselbe wurde aber im September 1766 compensatis expensis abgeschlagen •),
und so gewann denn AVolf Ijevi den Prozess. AVie und ob sich .1. H. Franz
an dem der Frau Rätin ausgesetzten .Tahrgeld von 400 fl. schadlos gehalten
hat, wird nicht berichtet.
Aus alledem erkennen wir J. M. Franz als einen Mann, der vom Antritt
seines Erbanteils an über seine Verhältnisse viel Geld, sei es für wissenschaft-
liche, sei es für private Zwecke, brauchte, sich dadurch in Verlegenheiten
stürzte und dann in Zeiten der Not von einer bedauernswerten Charakter-
schwäche war. Im Einklänge damit steht das, was uns Büsching über Franz
erzählt, ja er hat ihn eher geschont als verleumdet. AVir haben daher hier
und in folgendem Büschings Nachrichten als vollkommen glaubwürdig ver-
wendet.
Franzens A'orschläge und Projekte.
Die Erforschung Sibiriens und die Feststellung der Umrisse NO.-Asicn.s
und NAV. -Amerikas unter der Leitung Berings, die AA'iederaufnahmc der
NAV.-Fabrten durch Middleton , die Gradmessungsexpeditionen der Franzosen,
der Aufenthalt La Cailles am Kap, sodann eine Reihe von grundlegenden
Forschungsrcsultaten auf dem Gebiete der Naturwissenschaften charakterisieren
den Zeitraum , welchem die ersten „homännischen Erben“ angehören : wenig
grosse Entdeckungen, dagegen, unter Frankreichs A^orantritt, bedeutende Fort-
schritte der mathematischen und physikalischen Geographie.
Vor allem haben die Erdbogenmessungen das allgemeine und wissen-
schaftliche Interesse gefesselt. Andere geodätische Arbeiten wurden unmittel-
bar durch sie veranlasst oder gefordert ; auch hier steht Frankreich mit seiner
■) R. V. 1765 Nr. 9, p. 95. (12. Dozbr. 1765.)
•) R. V. 1786 Nr. 7, p. 26 f. (25. Septbr. 1766.)
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Die homänniBclien Erben.
345
Triangulation durch Cassini de Thury obenan , in zweiter Linie folgen die
Arbeiten des schwedischen Mossungskontors und der geographischen Abteilung
der Petersburger Akademie der Wissenschaften.
ln engstem Zusammenhang damit steht in diesen Ländern ein Aufschwung
der Kartographie, welcher durch den 1. russischen Atlas (1745), durch die
Generalkarte von Schweden (1749), hauptsächlich aber durch den Beginn der
Cassinischen Epoche in Frankreich und durch die Werke verschiedener fran-
zösischer Kartographen, unter welchen D’AnvUle der bedeutendste ist, be-
zeichnet wird.
In Deutschland waren die allgemeinen kartographischen Zustände die-
selben geblieben, wie zu J. B. Homanns Zeiten. Vorurteile oder Mangel an
Verständnis bei den Staatslenkern , Mangel an Geld bei den Privaten, dazu
politische Zerfahrculieit und innere Kriege, sind auch in diesem Zeitraum
schuld , dass die grossen geodätischen Arbeiten der Franzosen in unserem
Vaterlando keine Nachahmung fanden.
Wenn demnach die homännischcii Erben in Deutschland für kartographische
Unternehmungen im allgemeinen noch denselben Boden vorfanden, wie J. B.
Homann bei Gründung der Offizin, so kann dagegen nicht genug hervorgehoben
werden, dass dieser Boden schon eine gründliche Bearbeitung erfahren hatte:
es galt nicht mehr, die ausländische Konkurrenz vom deutschen Markt zu ver-
drängen ') , sondern der Ruhm der homännischen Offizin stand bei Publikum
und Gelehrten unerschütterlich fest, ja sie wurde bald eine Art von Autorität
durch drei Momente, welche die zweite Periode der homännischen Offizin vor-
teilhaft von der ersten unterscheiden :
1. eine Anzahl vorzüglicher Gelehrter wurde zu ständigen karto-
graphischen Mitarbeitern gewonnen ; 2. die Mängel der Geo- und
Kartographie wurden unter Kritik der eigenen Karten öffentlich dargelegt;
3. ßesserungsvorschläge und Versuche wurden gemacht und sogar das Keichs-
oberhaupt dafür interessiert.
Das Verdienst, diese Vorzüge für die homännischc Offizin gewonnen zu
haben, gebührt vor allem Johann Michael Franz. — Die Titel der von ihm
geschriebenen Werke sind folgende:
1. „Kurtzo Nachricht von dem Homännischen Grossen Landkartenatlas“,
Nürnberg 1741.
2. jjHomännischer Bericht von Verfertigung grosser Weltkugeln“, Nürn-
berg 1746. (Auch französ.)
3. „Homännische Vorschläge von den nöthigon Verbesserungen der Wclt-
beschreibungswissen.schaft und einer disfals bey der Homännischen Handlung
zu errichtenden neuen Acailemie.“ Nürnberg 1747.
4. „Description complete ou second avertissement sur les grands Globes
terrestres et celcstes . . . par G. M. Lowiz.“ Au bureau geogr. de Ho-
maim 1749.
5. „Bericht von den Mondskugeln, w'elche bei der kosmographischen
Gesellschaft zu Nürnberg aus neuen Beobachtungen verfertigt werden durch
T. Mayer.“ Humännischo Offizin 1750.
0. „Vorschläge, wie die Erdbeschreibung in Absicht Deutschlands zu
verbessern sey“ und einige kleinere Abhandlungen (die Vorrede etc.), enthalten
in den „kosmographischen Nachrichten und Sammlungen auf das Jahr 1748.
*) V. llauber, E. D., „Gedanken u. ToracUlkge, wie die Historie der Geographie , wie
auch die von ihm \'orgeschlagene geogr. Societät zu Stande gebracht w’erden möchte.*
Wolfenbüttel 1730. Hier heisst es pag. 112: «Die mehrste (von den holIämUscben Land-
Chartcn'Muchorn) haben mir sedbsten mit vieler Beschwerung versichert, dass, da sic obe-
mal» alle Jahre etliche hundert und tausend Land-Cbarien Uber Hamburg, Leipzig, Frank-
furt u. anderer Orten in Tcutachland spedirt haben, nunmehr seitdem die Homännische
Land-Charten aufgekommen, des Jahres kaum sehen oder zwantzig verlangt werden.*
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346
Die homänniechen Krben.
Zum Waclistlmme der Weltheschreibunj?9wissensclmft von den Mitgliedern der
kosmographischen Gesellschaft zusammcngetrageii." Wien und Nürnberg 1750.
7. „Gedanken von einem Reiseatlas,“ bei Gelegenheit der Abreise Hru.
Prof. Tobias Mayer aus Nürnberg nach Göttingen. 1751.
8. „Die Nothwendigkeit eines zu errichtenden Lehrbegriffes der mathe-
matischen Geographie bey der kosmographischen Gesellschaft;“ bey Gelegen-
heit der Antrittsrede des Herrn Prof. Lowitz zur mathematischeu Professur
in Nürnberg, 1751.
9. „Kurze Nachricht von dem neuesten Homännischen Atlas von Deutsch-
land“, sammt Verzeichniss der Eeichsstände. Nürnberg 1753. (Im „Atlas
Germaniae specialis“, Officin. Homann. 1753.)
10. ..Der deutsche Staatsgeographus . . . vorgeschlagen von den diri-
girenden Mitgliedern der kosmographischen Gesellschaft.“ Wien 1753.
lla. „Die kosmographische Lotterie . . . Auf Gutbefinden der kosmo-
giaphischen Gesellschaft in Vorschlag gebracht von derselben dirigirenden
Mitgliedern in Nürnberg.“ 1753.
llb. „Kecension der homännischen Geographischen Werke, und was
dieserwegen zwischen den Homännischen Erben und der kosmographischen
Gesellschaft zum Besten der Grundanlage einer Akademie verabredet worden,
verfertigt von einem kosmographischen Mitglied.“
12. „Abriss des Reichsatlas“, zum Gebrauche der götting. geographischen
V'orlesungen eingerichtet. Leipzig 1758.
13. „Abhandlung von den Grenzen der bekannten und unbekannten Welt
alter und neuer Zeit“, Nürnberg, bey G. P. Monath, 1762.
14. „Abbildung des Erdbodens in 20 Landchärtlein“ („Jugendatlas“)
nebst Abhandlung, 1764, Nürnberg. Homännische Erben.
Bei der Mehrzahl dieser Werke ist Franz weder auf dem Titelblatt,
noch im Text als Verfasser genannt. Wir schreiben ihm dieselben zu nach
dem Vorgänge Wills (Nürnbergisches Gel.-Lex. 1756, I. p. 467) und Hägers
(Geograph. Bücheraaal 1766, I. p. 393 ff.) und folgen dann im übrigen der
Annahme, dass bei ihrer sachlichen und stilistischen Aehulichkeit die sämmt-
lichen geschäftlichen Publicationen der homännischen Offizin von Franz ge-
schrieben sind.
Wenn w’ir von den Ankündigungen der Globen und den drei letzten
Werken absehen, so geht der Inhalt sämtlicher Franzscheu Abhandlungen dar-
auf hinaus, die Mängel der geographischen Zustände in Deutschland aufzu-
deckeu und Vorschläge zu ihrer Beseitigung zu machen unter dem steten, oft
wie ein Vorbehalt klingenden Hinweis darauf, dass sich zur Leitung dieser
Reformen am besten die homännische Offizin eignen würde, was sich ja aus
den Franzschen Vermögensverhältnissen sehr leicht erklärt.
Franz war nicht der erste, welcher mii geographischen Reformvorschlägen
hervortrat. Er selbst führt im Anhang zu den „Homännischen Vorschlägen“
(1747 p. 70 f.) M. Roberts V'orredo zu Sansons „Introduction ä la Geographie“,
sowie d’Anvilles Schriften an, in welchen ähnliche Erörterungen verkommen.
In Deutschland ist ihm Hauber in seinem „Discours von dem gegenwärtigen
Zustand der Geographie, besonders in Deutschland“ (Ulm 1727) auch mit
V erbesserungsvorschlägen fast unmittelbar vorangegangeu, wobei er freilich dem
politisch- oder historisch-geographischen Moment gemäss den damaligen An-
sichten das Hauptgewicht beilegt. Auch Franz hat sich dieser Ansichten noch
nicht ganz entledigt; in Bezug auf rücksichtslose Kritik und positive weit-
schauende Vorschläge übertrifft er dagegen seine Vorgänger bei weitem.
Seine Kritik der Karten und Zustände lässt sich in wenige Sätze zu-
sammenfassen : 1. Von allen existierenden Karten können als gut gemessen
und richtig gezeichnet angenommen werden mm die Cassinische Karte von
Frankreich und etwa noch , die durch Missionäre aufgenommenc Karte von
China, der neue Atlas von Russland, die schwedischen Karten des Stockholmi-
Die bomännischen Erben.
347
sehen Messungs-Kontors, das kleine Kärtchen des Herrn von Maupertuis von
Tori»ea bis über den Pohu kreis und einige ungarische Spezialkartiii Mico-
vinis *). — 2. In Bezug auf kritische Weltbeschreibung sind die Ansichten de
risle’s, Hase’a, vor allem aber d’Anville's massgebend*). — 3. Da die vor-
handenen Quellen unzulänglich sind und gute Keise- oder Landbeschreibungen
fehlen, so sind selbst die Hase’scben Karten (z. B. Ungarn, Kleinasien) voller
Fehler; ohne Messungen sind richtige Karten unmögheb *). — 4. Nur die
grossen Observatorien Europas sind mit ihren Längen- und Breitenbestimmungen
zuverlässig ♦).
Wenn man es mit den Karten, welche neben der Cassini’schcn angeführt
sind, nicht zu genau nimmt, so wird man noch heutzutage wenig gegen diese
Sätze einzuwenden haben; es war also auch richtig, wenn Franz behauptete,
„dass man (in der deutschen Kartographie) ganz von fomen anfangen müsse‘^ *).
Dies war aber so lange unthuulich, als nicht ganz andere Verhältnisse
geschafFen waren. Franz musste sich daher begnügen, die Mittel und Wege
klarzulegen, auf welchen man vorläufig wenigstens eine teilweise Reform unserer
Kartographie en*eichen konnte, und zur Schafifung günstigerer Verhältnisse
Fürsten und Publikum durch seine Vorschläge anzuregen.
Nachdem Franz in der „Kurtzen Nachricht 1741“ erwähnt, die homäuni-
schen Erben hätten den Vorsatz, nichts zu veröffentlichen, „es seye denn
Gewissheit in der Sache“ *), und hätten das Bestreben, die Generalkarten aus
möglichst vielen Spezialkarten zu verbessern*) , führt er diese Sätze in den
„Homäunischen Vorschlägen“ 1747 näher aus und tritt mit seinen ferneren,
in den späteren Werken noch erweiterten Plänen hervor. Landkarten,
heisst cs im § 1 dieser Vorschläge, müssen nach astronomischen Bestimmungen,
historischen Nachrichten und den Regeln der „Projectiv - Wissenschaft“ ge-
zeichnet werden. Die beste Projektionsart sei Hase’s ,, stereographische Hori-
zontal- Projection“ (§ 4). Zur richtigen Aufnahme von Specialkarten (durch
Messung) seien tüchtige h'aclileute und gute Instrumente erforderlich (§§ 10, 11).
Franz bleibt mcht bei dem stehen , was der „Erdmesskunst“ und der
..Mappirungskunst“ not tluit. Der Erdmesskunst entspricht laut seinem § 22
die „Erdbeschreibungskunst“, und beide zusammen bilden die „Weltbo-
schreibungswissenschaft“. Diese, die kritische Weltbeschreibung, sei
„in die Gestalt eines zusamincuhUngenden Lehrbegriffs“ zu bringen. ,,Dic
Erdbeschreibung ist nichts anders als die Abschilderung eines Orts und Lands,
wie sie sich in Absicht der Erdtläche und des Bürgerlichen Zustands der
Menschen verhalten.“ Ort-, Land- und Reisebeschreibungen seien ihre Quellen,
denen aber seit Strabo die urkundliche Glaubwürdigkeit fehle. Die Erd-
beschreibungskuDst ist ,.eine Wissenschaft, die Ort- und Landbeschreibungen
deutlich, ordentlich und vollständig zu verfertigen“; sie, wie die Wcltbe-
schreibungswissenschaft überhaupt, komme am ersten dem zu, der stets mit
wissenschaftlicher Mappierung sich beschäftige •).
Es sei also am besten , die homännische Handlung zu erweitern , denn
allein könne sie die geographischen Reformen nicht unternehmen, da man dazu
„Leute, Geld und Patronen“ brauche *). Franz’ erster Vorschlag geht dahin,
die homännische Handlung zu einem allgemeinen Messungs-Kontor
in Deutschland, in so ferne es Länder-Messungen betrifft, zu privilegieren, nach
*) Hom. V^orsdilÄgo 1747, § 16.
*) Ibidem §§ 7, 18.
•) Kosmogr. Nachr. u. Sammlungen auf d. J. 1748. p. 848 ff.
*) Hom. Vorschläge 1747, § 5.
Ibidem § 17.
■) Kurtze Nachr. 1741, p. 6.
^ Ibidem p. 8 f.
•) Hom. Vorschläge 1747, §§ 18—23 u. §§ 26-28.
») Ibidem § 38.
U .
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348
Die homünnischen Erben.
dem Muster des von Karl XI. gegründeten Stockholmlscben Messungs-Kontors,
dessen Aufgaben seien : Aufsiclit über die Arbeiten der Landmesser in den
Provinzen, Aufscblusserteiinng in Justiz- und Oekonomieangelegenbeiten an
die Regierung, Mappierung des Landes und der Provinzen und Herausgabe
der Karten. Anscbliessend daran bespricht Franz in Kürze den Nutzen eines
„Staats - Weltbescbreibers“ in gewöhnlichen und in Kriegszeiten (zu
juristischen Entsclieidungen, Strassenbauten, Grenzregulierungen etc.), den er
im „deutschen Staatsgeographen“ (1753) weiter ausfUbrt, empfiehlt sodann,
periodisch ein Verzeichnis aller für die Weltbeschreibungs-Wissenschaft wich-
tigen Begebenheiten zu veröflFentlichen, und rät endlich, da er an staatliche
Hülfe wohl selbst nicht glaubte, zur Beseitigung der erwähnten Mängel eine
Gesellschaft zu gründen. Dieselbe solle 3 Klassen enthalten ; Aufgaben
der 1. Klasse seien: 1. Errichtung eines Lehrgebäudes der Projektivwissen-
schaft, 2. Anwendung derselben auf die Astronomie, 3. astronomische Be-
obachtungen zu Ortsbestimmungen, 4. Anfertigung von Himmelsgloben, Stern-
karten und geographischen Instrumenten, 5. Observationen der Neigung und
Abweichung der Magnetnadel. — Aufgaben der 2. Klasse : 1. Landvermessung,
2. Angabe der Grundlagen für die Erdbeschreibungskunst, 3. Lieferung neuer
Land- und Ortsbeschreibungen, 4. Anfertigung von Landkarten, 5. Registrie-
rung bürgerlicher und natürlicher Veränderungen, 6. Registrierung und Be-
sprechung gcographisch-litterarischer Erscheinungen, 7. Sammlung geographi-
scher Werke, 8. Besseruiigsvorschlägc , 9. Errichtung eines Lehrgebäudes der
Weltbeschreibung, 10. Auskunftserteilung an Reisende. — Der 3. Klasse sollten
die korrespondierenden Mitglieder angehören, welche mit Namensunterschrift
versehene Mitteilungen aus ihren Spezialfächern oder aus ihren Erfahrungen
einsenden sollten , insofern sic in Zusammenhang mit der Weltbeschreibung
gebracht werden könnten.
Sitz der Gesellschaft solle die homännische Handlung sein, ohne deren
Genehmigung nichts solle veröflentlicht werden dürfen , und der Name , den
die unter des Kaisers und der Fürsten Schutz zu stellende Anstalt dann
tragen solle, sei „deutsche Akademie der Weltbeschreibungs-
wissenschaft“').
Mit dieser Akademie, welche Franz später gleich der zu gründenden
Gesellschaft eine „kosmograpbische“ nannte, sollte dann nach seinen Vor-
schlägen vom Jahre 1753* *) eine „beständige Pflanzschule deutscher
Ingenieurs“ verbunden werden, sowie eine mechanische Werkstätte zur
Fertigung astronomischer und anderer Instrumente , unter Lowitz’ Direktion.
Zur Anlegung einer Fachbibliothek , einer Landkartensammlung und eines
Naturalienkabinets auf allgemeine Kosten (da man den kosmographischen
Mitgliedern zu ihrer Mühe nicht auch noch die Unkosten zumuten könne),
hatte F ranz schon im Jahre 1750 aufgefordert *).
Es ist staunenswert, mit welcher Sicherheit Franz, dem freilich als aus-
übenden Kartographen die Mängel seiner Wissenschaft tagtäglich auflällen
mussten, die Ziele trifft, welchen die Geographie in den folgenden Dezennien
von selbst zustrebte. Wie vieles liegt nicht in seinen Vorsclilägen , was uns
erst die neuere und die neueste Zeit, wenn auch in anderer als der von Franz
erwarteten Form gebracht hat! Indessen, mit seinen Ideen seinen Zeit-
genossen und Landsleuten weit vorauseilend, vermochte er es leider nicht, sie
zu Timten anzufeuern.
Inwiefern er aber selbst versuchte, seine Worte zur That zu machen,
das zeigen uns seine Projekte,
*) Hom. Vorschläge 1747, §§ 89—45.
*> Kosniograpb. Lotterie, p. VII ff.
*) Kobci. Nachr., Vorrede.
Die homänniscben Erben.
349
Laut Angabe auf einigen Karten und einem Titelblatt hat Franz in den
Jahren 1739 und 1745 eine Anzahl historischer Karton von Hase, nämlich
den späteren 5. und 6. Teil des „Atlas historicus“, auf eigene Kosten hcraus-
gegeben. Ob nicht auch andere, unter der Firma „homännische Erben‘* er-
schienene Kartenwerke auf Franzens alleiniges Risiko hergestellt worden, ist
zweifelhaft; auf das zeitliche Zusammenfällen der Veröffentlichung einiger neuer
Atlanten mit dem plötzlichen Anwachsen der Franz’schen Schuldenlast haben
wir bereits hingewiesen. Von den folgenden Spekulationen nun kann man, obgleich
auch sie nominell von den „homännischen Erben“ oder der „homännischen Offi-
zin“ ausgingen, mit Sicherheit annehmen, dass sie von Franz ganz auf eigene
Faust unternommen wurden, denn Ebersperger wurde nicht einmal in den
schwierigsten Zeiten mit genannt, auch nicht hcrangezogeu , als es galt, die
erwachsenen pekuniären Verpflichtungen zu bereinigen.
Die erste der Spekulationen ist das Lowitz’sche Kugeluntor-
neb m en.
Georg Moritz Lowitz, geboren 1722 zu Fürth, ermordet 1774 von
Rebellen an der Ilowla (Russland) '), wurde im Jahre 1746 von Franz, dessen
einzige Schw'ester er im gleichen Jahre heiratete *), für die homännische Offizin
gewonnen. Da er ein geschickter Mechaniker und Mathematiker war, lag es
nahe, ihm die Anfertigung von Erd- und Himmelsgloben zu überti-agen.
Von den Nürnberger Globen jener Zeit sind die von J. G. Puichner im
Jahre 1728 nach Doppelmayor gefertigten erwähnenswert*). Sie sind im
Durchmesser nur etwa 1 Fuss gross, entsprechen übrigens dem damaligen
Stand der Wissenscliaft. Die Lowitz’schen Globen sollten laut ihrer ersten
Ankündigung (15. Juli 1746), in welcher Lowitz nicht genannt wird, 3 Fuss
im Durchmesser besitzen, sollten besser sein als die Coronellischen und sollten
statt (w’ie diese) 500 Thaler nur 250 — 300 Thaler kosten, vorausgesetzt, dass
sich mindestens 100 Abnehmer finden würden ; beigefügt war der Nachricht
die Angabe, die bomäniüschcn Erben hätten bereits vor 15 .Tahrcn dem Witten-
berger Professor Hase, dessen vier Weltteilkarten nun fertig geworden seien,
den gleichen Auftrag gegeben ^). — Das Einfachste wäre nun gewesen, Hase's
Weltteilkarten, aus welchen Lowitz als erste der wenigen von ihm für die
homännische Offizin gelieferten Karten eine Weltkarte („Planiglobium^^, 1746)
gezeichnet hat,^hne weiteres für die Globen zu benützen, so wie es im J^hrc
1759 von seiten des J. Ph. Audreae geschehen ist*). Lowitz aber strebte
nach dem möglichst Vollkommenen : „er warf bessere Dinge wreg , als ein
anderer ausgefertigt hatte. So fing er freilich immer wieder von vorn an und
wenn Hindernisse, üeberdruss und dergl. dazukaincu, so war umsonst gethan,
was manclien verewigt hätte“ *). Er brachte also nichts fertig. Franz , der
durch dieses Unternehmen „zu den Kosten der kosmographischen Gesellschaft,
wie auch zur Tilgung der Schulden der homännischen Offizin Geld zu be-
*) Büsebing, Nachrichten von neuen Landkarten, 1775. p. 57, 112.
^ Rüge, aus der Sturm- und Drangperiodo der Geographie. (Zcitechrifl für wisjjon-
fichaflliche Geographie, V. Jahrg., p. H5Ö.)
*) Ihr Titel lautet: GlobuH terre«tris , in quo locorum insigniorum tritus terraeque
faciea socundum praecipuae celcberrimorum nostri aovi Astronomorum et Geographicorum
ohservatione« opera Jon. Gabr. Doppelmaynri . . . exhibentur, concinnatus a Job. Georg.
Huxchner», Chalcogr. Norib. 1728.
BQsching, 1. c. p. 58.
*) Der Titel dieser ca. 3 Fuss im Durchmesser haltenden Globen ist: ,Hic marino-
terrettris Globus dirigente pariter ac proenranto Johanne Philippo Andreae, Conimerciorum
Commissario Pnncipis Serenissimi Brandenburgico-Onoldini , nec non Matheseos Cultore,
juxta Venerandi Viri Johannis Matthiae Hasü principia de novo accuratissime de-
signatus. muULs in locis emendutus, et propria manu dcscriptus est a Johanne Oeorgio
Kambsio, Architocto. Schwabach ad Norimbergani. 1759.“
*} Hofrath Kästners Berichtigungen zu Lowizens Leben (Dcutschus Museum 1777, I.
p. 2d0).
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350
Die homänniiicben Erben.
kommen“ hoffte ') , suchte zunächst durch seine „homännischen Vorechläge“
(1747) das Interesse für die Geographie im Allgemeinen zu heben und dabei
filr das „Kugehintcmehmen“ im besonderen zu wirken, indem er {§ 49) neben
einer zu gründenden Kosmographischen Zeitschrift und Gesellschaft als Haupt-
mittel zur Verbesserung der Weltbeschreibung ganz unvermittelt die Verfer-
tigung grosser Weltkugeln nennt, unter Hinweis auf den „Kugelbericht“ vom
15. Juli 1746. — Sodann erfolgte im Jahre 1749 die zweite Ankündigung
der Globen : sie w ürden von Lowitz , Mitglied der kosmographischen Gesell-
schaft , gezeichnet werden , das Paar 500 fl. kosten , und es sollten darauf
36 Dukaten Vorschuss gegeben, die übrigen 84 Dukaten aber bei der Lieferung
der Globen nachgezahlt werden. In der That wurde auf 25 Paar Globen
vorausbezahlt ; cs liefen etwa 2000 Thaler ein. Davon gab Franz kleine
Beträge zu Materialien und Lohn für die Arbeiter an Lowitz , welcher die
bestellten Globen um 3 —4000 Thaler hcrstellen zu können glaubte, so dass
4333 7j Thaler Gewinn übrig geblieben wären. „Es kam aber nichts zu
Stande, und das vorausbezahlte Geld ging fort, ohne zu seinem Endzweck
angewandt zu sein“ *). Als die Subskribenten ungeduldig wurden , erschien
im Jahre 1753 zur Berichtigung eine dritte Nachricht über die Globen mit
der Versicherung, dass dieselben die kosmographische Gesellschaft statt 500 fl.
600 fl. kosten würden; es wurden auch Weltkugeln von 1 Fuss und solche
von 5 Zoll im Durchmesser angekündigt. Nur die letzteren hat Lowitz vollendet
Und zwar hat er sie schon im Jahre 1745 gezeichnet, den Himmelsglobus nach
Flamsteed *). Zur Anfertigung der grösseren scheinen die von Franz gegebenen
Beträge nicht ausgereicht zu haben.
Nach der üebersiedelung nach Göttingen streckte die hannoveranische
Regierung Lowitz 2000 Thaler zur Ausfühning der Globen zinsfrei vor, und
Lowitz hat denn auch einen Teil der Segmente nach d'Anville’s Karten her-
gestellt Zur vollständigen Austührung aber erklärte er noch der an Franz
im Jahre 1749 als Vorausbezahlung eingelaufenen 2000 Thaler zu bedürfen;
er erhielt dieselben auch (1759). Doch auch sie genügten nicht — uud die
Globen sind nie fertig geworden. Die hannoveranische Regierung wusste sich
ihren Vorschuss zurück zu verschaffen, die Pränumeranten aber sind um ihr
Geld gekommen.
Die zweite Hauptspekulation war
die kosmographische Gesellschaft.
Die ersten Vorschläge, welche in Deutschland zur Gründung einer geo-
graphischen Gesellschaft gemacht worden sind (von Tenzel 1693 und von
Hauber 1727), haben wir bereits in „J. B. Homann“ p. 14 erwähnt Haupt-
zweck dieser Gesellschaft sollte nach Hauber’s „Gedanken und Vorschlägen,
wie die Historie der Geographie, wie auch die von ihm vorgeschlagene geo-
graphische Societät zu Stande gebracht werden möchte“ (Wolfenbüttel 1730),
die Verbesserung der (poUtischen) Geograplüe von Deutschland, der Reiebs-
geographie, sein, und zwar meint Hauber, p. 125, „dass es eben nicht nöthig
seyn würde , sich zu gewissen einem oder dem andern etwa beschwerlichen
Gesetzen einer eigentlich also genannten Societät, sondern nur zu einer ordent-
lichen Correspondenz zu verbinden und dadurch einander zu communiciren,
was von dem einen oder dem anderen zu der Verbesserung der Geographie
von Teutschland und deren in Schriffteu und Land-Charten noch befindlichen
Fehlern angemeicket worden“. Auf Seite 129 meldet er sodann : „Es haben
sich auch bereits zu einer solchen Gesellschaft einige gute Freunde zusammen-
gethan; mid wo noch andere von auswärtigen dazu zu treten belieben wollen,
so erbiethe ich mich die Briefe und eiuseudende Nachrichten in so lange anzu-
’) Hflsching, l. c. p. 58.
•) Ibidem p. 59.
■) V. .kosmogr. Lotterie* 1753 (resp. „Itecension der homänniechen geogr. Werke*) p. 43.
Die honiäiinischon Erben.
351
nehmen und zu beantworten , auch bestens zu besorgen , dass solche zu der
vorhabenden Absicht genutzet werden mögen, bis bey verhoffenden Zutritt
mehrerer Mitglieder sich solche eine zu Führung der Correspondenz tüchtigere,
und etwa in einer ansehnlichen Stadt >) wohnende Person wählen können ; von
welcher die Nachrichten in Ordnung gebracht, und etwa Stückweise von einem
halben oder ganzen Jahre zu dem anderen, als ein freywilligcr Beytrag zu der
Reichs-Geographie und darmit verbundenen Historie und Jure publico ediret
werden mögen.“
Ergebnisse der Thätigkeit dieser ersten deutschen geographischen Gesell-
schaft sind nicht bekannt gewordcm, sie wird wohl kaum über die ersten
Vorschläge hitiausgekommen sein. — Wenn man von den Verdiensten, die
gewöhnlich der „kosmographischen Gesellschaft“ zugeschrieben werden , die-
jenigen abzieht , welche der homänniseben Oftizin allein gebühren , so kann
man — abgesehen von T. Mayer’s Abhandlungen — von dieser zweiten geo-
graphischen Gesellschaft fast dasselbe sagen.
Wir haben nur zwei Quellen, aus denen wir Nachrichten über die kosmo-
graphische Gesellschaft schöpfen können. Die eine sind Btisching’s „Nachrichten
von dem Professor Lowitz und von der kosmographischen Gesellschaft“ (1775)*).
Die andere Quelle sind Franzens Schriften. In diesen, und zwar in seinen
„Homänniseben Vorschlägen“ (1747) §§ 30 ff. findet sich zunächst der aus-
führliche oben (p. 43) (largelegte Plan zur Gründung der Gesellschaft; im
letzten, 53. Paragraphen derselben Schrift aber si)richt Franz von dieser
Gesellschaft als einer bereits existierenden, indem er von einer anzufertigenden
Karte von Deutschland erzählt: ..der Herr Professor Haase seel. arbeitete
40 Jahr daran, und nach seinem Tod hat die Gesellschaft dieses Bemühen
bis jetzo fortgesetzet.“ Sodann unterschreibt er am Schlüsse dieser Para-
graphen seine Vorschläge : „Homannische Erben und übrige Mitglieder der
Gesellschaft. Nahmer.s derselben: .lohann Michael Frantz..., Homännische
Handlung, November 1747“. In der That bilden die „Vorschläge“ die Vor-
rede zum Homannisch-Hasischeu Gesellschaftsatlas (1747);
dessen Inhaltsangabe ja auch dem § 1 der „Vorschläge“ vorgedruckt ist. Er
enthält Karten aus den Jahren 1737—1747 von Hase, Lowitz, Tob. Majer,
Bochmc (nach Hase), Harenberg und .1. Jl. Franz: es ist fast die ganze
später sogenannte kosmographische Gesellschaft, welche wir hier vor uns haben.
— Professor Rüge führt in seiner Abhandlung : „Aus der Sturm- und Drang-
periode der Geographie“ *) ausser den genannten noch Drümel , .1. H. Franz
und Büsching an. Ersteren erklärt er seihst ftir bedeutungslos. Jacob Heinrich
Franz, der später Miteigentümer der homänniseben Oftizin, war bis 1755 nichts
als einfacher Buchhalter und ist zum kosmographischen Titel wahrscheinlich
erst nach 1755 gekommen. Was es aber um jene Zeit mit der kosmo-
graphischen Gesellschaft, und was cs mit Büsching fiir eine ßowandnis hatte,
werden wir unten sehen.
Erst vom .labre 1748 an werden auf den homänniseben Karten und
Publikationen die Autoren des homännisch-hasischen Gesellschaftsatlas regel-
mässig Mitglieder der kosmographischen Gesellschaft (zu Nürn-
berg) genannt, demnach wäre dieses Jahr als offizielles Gründungsjahr zu
bezeichnen.
Nun schreibt Franz im Jahre 1753 *) : „Das Wesen der kosmogr,aphischen
Gesellschaft war schon viele Jahre vorher, als obige Schrift („Hom. Vor-
*) Haabcr hat Vorliegendes zu Stadthagen ini damaligen Herzogtum Braunschweig
geschrieben.
•) BOschings .Nachrichten von neuen Landcharten“, .1. Jahrgang. 1775, p. 57 tf.
*) Zoitschrift für wissenschaftl. Geographie, 5. Jahrg. p. 240 ff. u. p. 355 ff. HozQg-
lich der Lebeuslhufe der kosniogr. Mitglieder verweise ich auf diese Schrift.
“) Recension der hom. Werke p. XXXVII.
28 *
Iw...
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352
Die homännischen Erben,
schlüge“ 1747) erschienen ist, unter uns eingerichtet, aber ira Verborgenen
gehalten.“ Ein Grund zu dieser Geheimhaltung ist uns nicht erfindlich ;
indessen sind wir über das Verhältnis der kosmographischen Mitglieder zur
homännischen Offizin vor 1747 resp. 1748 unterrichtet und zwar durch Franz
selbst. Er meldet uns nämlich im Jahre 1750’), Hase behaupte unter
den kosmographischen Mitgliedern den ersten und ältesten Rang; sodann im
Jahre 1747 *): Professor Hase „ti'at mit uns in ein zum besten dieser (Weltbe-
schreibung.s-)\Vissenschaft entworfenes Bnndniss“ ; endlich erfahren wir 1750*),
dass Hase, und nach ihm Tob. Majer, die Einrichtung und Mappierung der
homänni.schen Karten besorgt habe. Während der Zeit, die zwischen Hase’s
Tod und T. Majer's Eintritt in die homännische Offizin verfloss, hat Aug.
Gottl. Boehme für die Offizin den Lasischen Nachlass verarbeitet. Lowitz
endlich stand wie Majer im Dienste der Offizin. Von Harenberg's Stellung wissen
wir nichts Näheres. Wir dürften aber der Walirheit sehr nabe kommen, wenn
wir das geheimgebaltene Wesen der kosmographischen Gesellschaft vor 1748
dahin definieren: die kosmographischen Mitglieder vor 1748
waren bezahlte, zum Teil ständige Vertrags massige Mitar-
beiter der homännischen Offizin, und zwar fast ausschliesslich für
rein kartographische Zwecke.
Es wird uns nicht gemeldet, dass nach 1748 diese persönlichen und
geschäftlichen Verhältnisse eine Aenderung erfahren hätten. AVohl aber ist,
abgesehen von ihrem öffentlichen Auftreten, das Wesen der kosmographischen
Gesellschaft insofern ein anderes geworden , als neben den kartographischen
Arbeiten auch allgemein geographische, resp. weltbeschreibende Arbeiten gelie-
fert w urden. Das Ergebnis dieser zweiten Periode der Gesellschaft sind neben
einer Anzahl Landkarten die „kosmographischen Nachrichten und Sammlungen
auf das Jahr 1748“, herausgegeben 1750.
Dieses Buch ist aufzufasseu als der 1. Band einer von den kosmo-
graphischen Mitgliedern oder vielmehr von der homännischen Offizin heraus-
gegebenen Zeitschrift, welche ihr einmaliges Erscheinen leider nicht überlebt
hat. Ihrem Titel begegnen wir bereits in § 48 der „Vorschläge“ unter der
Form: „Homännische Nachrichten und Sammlungen von der verbesserten
Weltbeschreibung“ oder „Ejjhemerides et Memoires cosmographiques“. Laut
Vorrede .sollte jeder Band zwei Abschnitte („Nachrichten und Sammlungen“)
enthalten; der erste Abschnitt sollte Nachrichten bringen „über alles, was
täglich für die AV’eltbeschreibungswissenschaft geschieht“, und zwar sollte er
zuerst die homännischen Publikationen, sodann die übrigen besjircchen. Im
zweiten Abschnitte sollten die kosmographischen Schriften der Mitglieder der
Gesellschaft gesammelt werden.
Die kosmographischen Nachrichten auf das Jahr 1748 entsprechen diesem
Plane nicht ganz genau, da wegen Mangel an Platz (s. Vorrede) die nicht
homännischen Publikationen nicht berücksichtigt werden konnten. Es sind
also diese kosmographischen eigentlich nur „homännische“ Nachrichten, aber
sie sind anderer Art als die in dem älteren Schriftchen gleichen Titels (1747).
Waren diese eine mehr geschäftsmässige Aufzählung und Empfehlung aller
homännischen Karten, so eriimern jene durch ihre Nachrichten von verschie-
denen Landkarten viel mehr an die „Sciagraphien“, welche früher einigen
basischen Karten (in lateinischer Sprache) teils zur Erklärung, teils zur Be-
gründung beigegeben wurden. Auch finden sich darin einige Versuche
der L:indes- oder vielmehr Ortsbeschreibung, welche, wie zu erwarten, das
politische und historische Moment in den Vordergrund stellen, während Be-
q Koem. Nachr. u. Sammlungen auf das Jahr 1743, p. 324.
*) Hom. Vorschläge 1747, g ,ä.
•) Kosm. Nachr. u. Sammlungen, p. 100.
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Die hom&muschon Krbcn.
353
merkuDgen über die Bodenkonliguration ebenso allgemeiner Natur als selten
darin sind.
AVeit bedeutender als die „kosmographiseben Nachrichten“ sind die
„Sammlungen“; sie bestehen aus 8 Abhandlungen, darunter 5 nicht karto-
graphischen Inhalts von Tob. Mayer (1. Beschreibung eines neuen Mikrometers,
2. astronomische Beobachtung der grossen Sonnenfinsteniiss 17-48 zu Nürnberg
in dem homännischen Haus angestellt, 3. Beobachtung einiger Zusammenkünfte
des Mondes mit Fixsternen 1747 und 48, 4. Abhandlung über die Umwälzung
des Mondes um seine Äxc etc., 5. Beweis, dass der Mond keinen Uuftkreis
habe). A’on den übrigen dreien sind uns .1. M. Franzens „A^orschläge , wie
die Erdbeschreibung in Absicht Deutschlands zu verbessern“ als Fortsetzung
zu seinen „Vorschlägen“ (1747) bereits bekannt, die andeni beiden sind .1. C.
Harenberg’s „Beweisgründe über die Lagen und Ortsbestimmungen seiner Land-
karte vom heiligen Lande, hgg. 1750“, und J. M. Hase's „Anmerkungen Uber
seine Landkarten von den grossen AVeltreichcn“. Letztere sind eine aus dem
Lateinischen übersetzte „Sciagraphie“ ; auch Harenberg’s ,, Beweisgründe“ ge-
hören in diese Kategorie, sind aber viel breiter ausgeführt und haben vielleicht
dem A'^organge von d’Anville's „Analyse geographique de l’Italie“ (1744) ihr
Entstehen zu verdanken.
Es ist kein Zweifel, dass die Abhandlungen Tob. Mayor’s, der auch den
Druck der ,,kosmographischen Nachrichten und Sammlungen“ besorgt hat
(v. Vorrede), den Hauptwort des AVerkes ausraachen. Sehen wir von ihnen
ab , so bleibt in den „Nachrichten und Sammlungen“ sehr wenig übrig , was
die homännische Offizin nicht nach ihren früheren Oeschäftsgebräuchen als
Sciagraphia, tab. synoptica, Nachrichten und dergleichen auf eigene Faust
hätte veröffentlichen können. Und daher ist denn auch, als Tob. Mayer
im .Jahre 1751 aus der homännischen Offizin schied, die „kosmographische
Gesellschaft“ in ihre rein kartographische Sphäre von vor 1748 zurück-
gefallen.
Franz hatte seine geographischen Reformvorschläge und den Plan zur
Gründung einer Akademie im Jahre 1749 in AVien dem Kaiser Franz I. vor-
getragen ; letzterem wurden auch die ..kosmographischen Nachrichten und
Sammlungen“ gewidmet, er schenkte daher „zu Bestreitung der Akademio-
privilegien“ 200 Dukaten '). Damit war nun freilich wenig oder nichts gethan
— cs ist auch nicht bekannt geworden, wozu diese Summe verwendet worden
ist — , und nachdem man dann ein paar Jahre von der kosmographischen
Gesellschaft wenig Neues gehört hatte , trat B'ranz zur Zeit seiner höchsten
Geldnot wieder an die Oeffentlichkeit 1. mit dem deutschen ,.Slaat8gcographus“,
AVien 1753, in welchem Franz den Nutzen staatlicher Geographen nachweist
und Lowitz ein Vermessungsverfahren angiebt, und 2. mit zwei Spekulationen,
welche Geld für die kosmographische Gesellschaft einbringen sollten. Die erste
war eine „kosmographische Lotterie“, 1753, durch welche von der
kosmographischen Gesellschaft die Mittel zur Gründung der kosmographischen
Akademie aufgebracht werden sollten. Die Gewinnste, hoffte Franz, wurden
meist dem guten Zweck gewidmet werden , ja er hielt es für nicht unwahr-
scheinlich, dass 2000 Personen je 200 (Julden dem allgemeinen Besten
aufopfem würden*). Allein das kaiserUche Reichshofrats -Kollegium wollte
das Privilegium mit 600 fl. bezahlt haben , und es ward nichts aus der
Lotterie *).
Bescheidener war der zweite Anschlag. Behufs „Grundanlage einer Aka-
demie“ nämlich wollten die homännischen Erben der kosmographischen Gesell-
q KoBmogr. Lotterie 1753, p. XIV.
■) Ibidem p. III.
*) Büechiag, I. c. p. 62.
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354
Die homRlmiscbcii Erbon.
Schaft fiir Vorschleiss ihrer sämtlichen Werke (Preis 210 fl.)
ausserpewülinlich hohe Provision gewähren, aber nur für mindestens 200 Käufer
und unter der Bedingung, dass das kosrangraphische Direktorium in Nürnberg
bleibe’). Noch hescheidcner war (ehenfalls 1753) der Auscldag, mit dem
Dcutschluudsatlas als „lusinuatious- Mittel“ bei allen deutschen Fürsten uud
Ständen herumzureisen , die kosroographischen Projekte mit der Bitte um
Unterstützung derselben mündlich vorzutrageu •) — und dabei 750 Subskri-
benten auf den Atla.s zu gewinnen ’).
Es glückte gar nichts, und bald darauf wurden Franz durch eine Be-
rufung nach Göttingen und die gerichtliche Ordnung seiner Vermögensver-
hältnisse weitere solche Versuche empart.
Ueber die kosmographische Gesellschaft in Göttingen citieren wir am besten
BUsching’s eigene Worte *). Nachdem er erzählt , dass die Hannovcranische
Hegierung „zur wirklichen An- und Einrichtung der kosmographischen Gesell-
schaft“ 10(W Thaler geschenkt hatte , welche Rat Franz erhoben und „zu
allerlei Notdurft“ verwandt habe, fährt er fort: „Die königliche Regierung
ward ungnädig, dass die kosmographische Gesellschaft sich nicht tbätig be-
zeigte . . . Franz nennete sich, Mayer, Lowitz und mich, die dirigirenden 5Iit-
glieder der kosmograpliischen Gesellschaft, cs war aber keine Gesellschaft vor-
handen , und also auch nichts zu dirigiron , ja unter uns selbst war keine
Verbindung zum cosmographischen Zweck. Endlich versammleten wir uns
einmal bei Franz, und verabredeten, dass wir Beyträge zur Cosmographic
herausgeben weiten ; Mayer und Lowitz weiten das mathematische, Franz und
ich das geographische besorgen. Franz übereilte sich, und liess aus dem auf-
genommenen Protocoll, zu Leipzig bei Breitkopf eine Nachricht von diesem
Vorhaben auf 4 Quäirtbogen drucken, ohne uns übrigen eher etwas davon zu
sagen, als bis die Schrift abgedruckt war. Sie war nicht nach unserem Sinn
gerathen, er musste die ganze Auflage unterdrücken, uud die cosmographische
Gesellschaft ist ein Unding, ich weiss nicht, ob ich sagen soll, geworden, oder
gebheben.“
In Güttingen also war die kosmographische Gesellschaft trotz Unter-
stützung durch die Regierung und trotz kräftiger Reklame, die um jene Zeit
von Paris aus für sie gemacht wurde ‘), nicht einmal zu einer Schein-
existenz kräftig genug, uud sie wäre dies auch in Nürnberg nicht
gewesen , wenn nicht die homännische Offizin die Mittel dazu bestritten und
den Namen der Gesellschaft auf verschiedenen Publikationen genannt hätte
(noch im .Jahre 1776!)*). Wenn ein Rückschluss von den Göttingischen Vor-
gängen auf die Nürnbergischen erlaubt ist, so hat eben Franz hier seine
wissenschaftlichen Mitarbeiter „kosmographische Mitglieder“ genannt — und
der Name „kosmographische Gesellschaft“ ist daun nichts gewusen als ein
Reklametitel für die homännische Offizin ; die „kosmographischen Nachrichten
und äammlungen auf das .lahr 1748“ aber waren ein Versuch , die wirkliche
Existenz der kosmographischen Gesellschaft uachzuweiseu , und die ganze
Gründung batte den Zweck , auf allgemeine Kosten eine Erweiterung der
homännischen Offizin zu einer unter Franzens Direktion zu stellenden kaiser-
lichen Akademie herbeizuführen. —
So sind denn Franzens Vorschläge, insofern sie Uber die Leistungsfähig-
keit der eigenen Offizin hinausgingen , unfruchtbar geblieben ; das Kugelwerk
') Reconsion der hom. geo^. Werke p. XXI f.
’) Vorbericht zum Deutscblandsatlaa. 175S.
*) Büsching, 1. c. p. 62.
‘) Ibideu) p. 63 f.
*) V. Rüge, 1. c. p. 360.
*) Auf BÖbme*8 aScaztdivavia".
Die homännischcii Erben.
355
ist gescheitert ; die kosmographische Gesellschaft bestand nur in der Zusammen-
fassung mehrerer besserer bomännischor Publikationen unter einem neuen Schlag-
wort. Gleichwohl haben diese Untersuchungen, ursprünglich vielversprechend,
die Aufmerksamkeit der weitesten und besten Kreise auf Franz gerichtet und
haben ihm die Titel Kat und Geograph des fränkischen Kreises , Rat
und Geograph des Prinzen von Oranien , k. Grossbritanischer Kat und
Professor der Geographie ') , eingetragen , dies freilich zu einer Zeit , als
alle diese Spekulationen noch stolz emporragteu von dem soliden Unterbau
der homUnnischen Offizin. Dass dieser aber sich zu einer beträchtlichen
Höhe entwickelte, darin liegen die eigentlichen und thatsächlicben Verdienste
Franzens.
*) Hager, geogr. Bücheraaal I. p. 375.
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Der mittlere Isonzo und sein Verhältnis zum Natisone.
Ein Beitrag znr Lösung der Frage nach dem Alter des Isonzosystems.
(Vorgl. Tafel 7 u. 8 im vor. Heft.)
Von Otto Gumprecht.
(ScIiIusb).
Das Thal von Staroselo*).
Dies ist das Thal, durch welches nach der Kandler’schen Hypothese im
Altertum der obere Isonzo (unter dem Namen des Natisone) nach Robiö
herUbergeflossen ist , um sich mit dem Mittel- und Unterlauf des heutigen
Natisone zu verbinden. Es ist das Thal, von welchem Stur bemerkt hatte,
dass man unsicher sei, in welcher Richtung man abwärts schreite. Er hatte
die Strasse im Sinne, die an das nördliche Gehänge sich anschmiegt und in
ilirem häutigen Auf- und Niederschwanken allerdings die 21 m, um die nach
dem neueren Nivelloracnt Staroselo (256 m) sich höher stellt als Karfreit
(235 m), nicht leicht zum Bewusstsein kommen lässt. Dazu tritt, dass die
Einsenkung des Thals zwischen Höhenzilgo von 1000 m relativer Erhebung
und mehr (nördlich Starski vrh 1138 m, südlich Matajur 1643 m) den Blick
verführt, die Uneheuheiten und den allgemeinen Anstieg der Thalsohlc zu
unterschätzen ; die Einwohner von Robic erhalten von Ende November bis
Mitte Februar tbatsächlich keinen direkten Sonnenstrahl : so sehr steht ihre
Niederlassung im Schatten des Matajur. Aber der Idria-Bach musste das
Gefälle von Westen nach 0.stcn verraten und hat es auch an Kandier schon
verraten; nur dass dieser das Wasser, welches sich in manchen Jahren zur
Zeit der grössten Niederschläge zwischen Suzid und Staroselo anzusammeln
pflegte, als in das Thal aufwärts getretenes Isonzo -Wjtsser erklärt, welches
durch den Felssturz von Rohii allein gehindert werde, zum Natisone hinüber-
zufliessen. Er ist irrig berichtet, oder wenn er selbst sah, so hat er gerade
den Teil des Idria-Laufes, wo dieser Bach aus jenem Thal endgiltig hcraus-
tritt, nicht gewürdigt und nicht gesehen. Der Idria-Bach, der in einem ge-
schlängelten Unterlauf den Isonzo gegenüber der Rccica-Mündung bei 196 m
(mittleren Isouzostandes) erreicht, befindet sich westlich der Terrassen von
Karfreit, die sich um den Felsen 245 m scharen, auf einem von Norden nach
Süden gerichteten und durch Regulierung au der Wende des vorigen Jahr-
zehntes mehr gestreckten als verlegten Abschnitt in einer durchschnittlichen
Meereshöhe von 230 m und verbindet dieses Ende seines Oberlaufes durch
einen dreifachen Wasserfall von zusammen 9 m Höhe bei den Mühlen von
Karfreit am oberen Ende einer engen und 350 m langen Schlucht, die er
zwischen dem Felsen 250 m und der südlichen Bergwand ausgenagt hat, mit
jener untersten Strecke, die ihn bis zur Mündung führt; auch weiter hinauf
bis in das Qucllgebiet bei Staroselo ist dieser Bach in lebhaftem Flicssen
bcgrifi’en. Was veranlasste nun die noch in den letzten Jahrzehnten häufige
Ausbreitung des Wassers bei Su2id? Der Isonzo ist selbst in den grössten
*) Dazu No. 5., 6. und 7. der Kartentafel.
Der mittlere leonzo und ecin Verhältnie zum Natieone.
357
üeberschwemmungen dieses Jahrhunderts (1818 und 1844) in den Engen ober-
halb Karfreit immer noch unter der dortigen Brücke , die 15 m tiefer hegt
als der Markt , dnrchgeflossen und hat auch damals die Terrasse II. , auf
welcher die alte Strasse nach Idersko angelegt war, nicht betreten; ebenso
breitet er sich bei Idersko in den Üeberschwemmungen nur über den flachsten
üfersaum aus und tritt nicht in die Maisfelder, die bei diesem Orte etwa */,
des Zwischenraumes bis zum Isonzo besetzt haben. Die Strasse bleibt also
überall von den Isonzo-Fluten verschont ; nur oberhalb der Brücke , wo sie
ihren tiefsten Punkt innerhalb der Engen erreicht, hat sie einige Male unter
Wasser gestanden. Um so mehr sind vor dem Isonzo sicher die höheren
Terrassen und die Ortschaften Idersko, Mliusko und Karfreit, die alle unter
Wasser stehen müssten, wenn die Üeberschwemmungen des Hauptflusses bis
in die Gegend von Suzid hinauf stauend wirken sollten. Diese Bedenken gelten
auch bis zur Römerzeit rückwärts. Denn in den Feldern des .lancz Manfrede
stiess man vor etwa 5 Jahren an zwei Stellen, die mir auf den Terrassen III.
und IV. vor Karfreit näher bezeichnet worden sind (vgl. No. 5. der Karten-
tafel), auf Graburnen mit Bronzegeschmeide ; das einzige noch im Besitze des
Grundeigentümers befindliche Stück war eine Fibel, die Marchesetti, in dessen
Hände sie inzwischen übergegangen ist, mir als römisch bezeichnet’). Taramelli
(Sugli antichi ghiacciaj u. s. w. S. 237) deutete die Ursache der Wasser-
ansammlungen im Thale von Staroselo richtig an , wenn er „den schwierigen
Ausfluss des Idria-Baches“ als solchen bezeichnet. Doch ist es nicht ein
dauerndes, sondern ein periodisch durch die Hochwasser selbst bereitetes
Hindernis gewesen, welches die sumpfige Grasfläche zwischen Suzid und Staro-
selo in vielen Jahren zu einem See umschuf. Aus den Bergen hinter Svina
kommt ein Wildbach, der Sjak, herunter, dessen Bette ira Hochsommer fast
trocken liegt, der aber in der winterlichen Regenzeit bei seinem starken Ge-
fälle aus den Moränenresten seines Oberlaufes leichtes und auch gröberes
Material bis zu seiner Mündung in den Idria-Bach vorwälzend, die Gewässer
der kleinen Idria eine Zeit lang aufzustanen im stände war, bis nach seiner
allmählich eintretenden Beruhigung die erodierende Thütigkeit des Abflusses
wieder die Oberhand bekam ; die an dieser Stelle aufgeworfenen Hügel haben
eine Höhe von 4 m über dem Thalboden , das ansteigende Wasser erreichte
von deg Strasse nur die tiefste Stelle *). Zwischen Staroselo und Robiö be-
gegnet dann ein pyramidaler Haufen gröberer und gröbster GebirgstrUmmer
(bis zu Zimmergrösse), der mit breiter Basis ziemlich lioch hinauf an der dort
lotrechten Nordwand des Matajur sich anheftet und bei seiner ausschliesslichen
Zusammensetzung aus dem Gestein des darüberstehenden Abhangs (Dachstein-
kalk) und bei der allgemeinen Scharfkantigkeit seiner Blöcke als Felssturz zu
gelten hat und eines der jüngsten Gebilde des Thaies darstellt. Die Wasser-
scheide gegen den Natisone liegt dem letzteren sehr nahe, verläuft aber ziem-
lich unregelmässig. Der Bergsturz gehört der Wasserscheide nicht an, sondern
hat eine Rinne teilweise, aber nicht bis zur Unkenntlichkeit, zugoworfen, die
zwischen dem Fuss des Matajur und einem flachen Hügel sich hinzog; über
den letzteren führt die Strasse nach Robic, so dass sie die entferntesten
Trümmer der Sturzhalde noch nördlich von sich lässt. Die Strasse von Robiö
') Andere Funde . teilwoifle von vielleicht höherem Alter , eind bei der Idria-
Regulierung genmeht worden: 1 Kupferhammer (vom Kupferschmied zu Karfreit z. T.
verarbeitet), 1 Wage (? — nach Angaben der Gemeindebehörde), mehr odon weniger be-
hauene halbverkohlte Balken (die Stücke, die ich aus den Seiten doa Bacheinschnittos
herauBgezogen habe, schienen ohne Beziehung zu einander).
*) Die Traversen, die man in den letzten Jahren durch das Bett des Sjak gelegt hat,
werden ihn in Zukunft nötigen, seine Schuttmassen stufenweise abzuaetzen, ehe er den Thal-
grund betritt. Seinen geschwollenen Wassern ist als Weg eine Brücke über dio Idria an-
gowiosen worden, so dass er erst nach einem Umwege, dom nördlichen Berghango näher,
meaee Flüsschen erreicht.
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868
Der mittlere Isonzo und sein Verhältnis sum Natisone.
nach Cividalo geht zwischen der Matajur-Wand und dem Felsen Der hindurch
nach dem Natisone hinüber und steigt hinter Robi6 noch an; von diesem
Walle gelangt man mit ziemlichem Fall hinab an das Natisone Ufer, durch
sumpfige Wiesen, deren Wasser zu dem letzteren Flusse abläuft. Demgemäss
hat die Wasserscheide den Verlauf, der ihr in No. 7 der Kartentafel zu-
gewiesen ist. Das Gasthaus von Robic, das östlichste Gebäude des Ortes,
liegt an dem tiefsten Punkte der Wasserscheide, und ich setze es nach wieder-
holter eingehender Betrachtung des Terrains zwischen Staroselo , Robic und
Creda etwa 6 m niedriger als Staroselo ; das letztere hat nach dem der neuen
österreichischen Generalstabskarte zu Gnmde liegenden Nivellement eine Meeres-
höhe von 256 m, Creda 259 m. Hat Robiö die Höhenlage von 250 m, dann
kann der Natisone-Spiegel am Felsen Der nicht mehr als 248 m haben (Bau-
bella mass 776 Wiener Fuss = 245 m — vergl, v. Czörnig, Görz u. Gradisca
S. 111 Anm.). Das Thal von Staroselo hat also, wenn man den Felssturz
ganz ausser Acht lässt, eine entschiedene Neigung nach Osten, 20 m auf 5 km
(von Robifi bis zur Idria-Brücke zwischen Svina und Karfreit, noch oberhalb
der Mühlenfälle der Idria). Allerdings wird sie bedeutend übertroffen von
dem Gefälle des Natisone-Thals zwischen St. Helena und RobiS, das sich etwa
auf das Doppelte beläuft, beträgt aber selbst noch beinahe das Doppelte von
dem Falle des Isonzo-Spiegels zwischen Punkt 198 m unterhalb Karfreit und
Punkt 190 m unterhalb San Lorenzo.
Sie genügt , um die Frage nach einem früheren Zusammenhänge des
Isonzo mit dem Natisone so zu fassen : Ist der Natisone im Thale von Staro-
selo dem Isonzo zugellossen und, wenn dies der Fall gewesen, warum thut er
cs nicht mehr? In diesem Jahrhundert ist es nur bei den grössten Hoch-
wassern (z. B. im Jahre 1844) geschehen, dass Natisone -Wasser um den
Felsen Der nördlich herum, die Strasse überschreitend, bis in die Nähe des
Felssturzes kam, um dort allmählich zu versickern.
Was die neueste geologische Periode anlangt, so können ausser den
jüngsten Ablagerungen des Thaies gewisse historische Funde durch ihre Lago
Aufklärung geben. So ist in unmittelbarer Nähe des Gasthauses von Robiö,
dessen Lage gerade an der niedrigsten Stelle der Wasserscheide schon Er-
wähnung fand, bei der Fundamentierung der Gartenmauer in m Tiefe unter
der gegenwärtigen Oberfläche ein cementiertes Doppelpflaster aus regelmässigen
Steinen von der Grösse je 1 Quadratdecimeters angetroffen worden. Es wird
mir von Professor Rutar in Spalato als ein römisches bezeichnet ; römische
Münzen, ebenfalls in der Nähe des Gasthauses in gleicher Tiefe gesammelt,
habe ich selbst gesehen : mehrere Bronzemünzen von der Grösse unserer Mark-
stücke, aber noch einmal so stark, mit dem Zeichen SC auf der einen Seite,
und eine Silbermünze mit der Umschrift Vespasian und seinem wohlausgeprägten
Kopfe, am Rande zerschlissen, etwas kleiner als unsere Fünfzigpfenniger. Es
ergiebt sich hier.aus zweierlei : 1. der Zuwachs von '/, m Boden seit der
Römerzeit und 2. die Unmöglichkeit, dass ein Fluss seinen regebnässigen Weg
in jener Zeit gerade hier genommen habe.
Wie steht cs mit der geologischen Zusammensetzung der Oberfläche im
Thalgrunde? Von dem Felsstürze und den Kennzeichen seiner Jugend war
schon die Rede. Auf der ebenen Grasfläche zwischen Staroselo und Suzid
lagert unter einer humosen Scliicht (0,25 m bei Punkt I. ; 0,.80 m bei Punkt II.
auf No. 6. der Kartentafel) ein blauer Thon von grösster Zähigkeit, an P. I.
bei 2,80 m Tiefe noch nicht durchsunken, an P. II, bis 1,80 m hinabgehend
(hier bei 2,50 m fester Fels, darüber ungerollter Schutt). Ein Hufeisen bei
0,55 m — klein und breit, wie sie auch in der Nähe von Karfreit bei der
Idria-Regulierung gefunden wurden, und dadurch den Anwohnern sehr auf-
fäUig — zeigt au, dass die Zusammeuschwemmung thoniger Bestandteile bis
in die nächste geologische Gegenwart sich fortgesetzt hat. Gut verkohlte
Holzreste, höchstens von Annstärke, deren Rindenschicht sich mit dem ein-
Der mittlore Isotuo und iein Verhältnis zum Natisone.
359
hüllenden Ton leicht abhob , füllten , insbesondere bei P. I. , die Zone von
1 — 2 m so reichlich an, dass sie an Masse den Thon fast übertrafen, und
weisen in Verbindung mit der Mächtigkeit der Thone auf eine bedeutende,
leider nicht näher bestimmbare , Ablagerungsdauer derselben hin ; dagegen
schliessen sie die Deutung der Masse als Teil einer ürundmoräne aus. Es
sind dies Sedimente des Stausees ; derselbe muss auch in der Vergangenheit
eine häufige, wenn nicht regelmässige Erscheinung gewesen sein. Eine alleinige
Benutzung dieses Weges durch den Natisone, die überdies unter allen Um-
ständen einen höhern Stand des Natisone-Spiegels oder eine höhere Lage des
Natisone-Bettes voraussetzt, würde entweder die Schaffung einer Barriere
vollständig verhindert _ oder behufs der Abdämmung eine kräftigere Schutt-
anhäufung durch den Sjak erfordert haben und statt eines reinen Thones wäre
eine mit gröberen Geröllen durchsetzte Ablagerung bei dem gegebenen Gefälle
und dem Qeröllreichtum des oberen Natisone-Thales unvermeidlich gewesen ;
dagegen liesse sich, für eine Zeit vor der Existenz des Felssturzes bei Robic
und vor derjenigen der römischen Niederlassung daselbst, die Möglichkeit einer
mehr oder weniger regelmässigen Mitbenutzung des Thaies, neben der Haupt-
strecke Robic-Stupizza , durch übertretendes Natisone-Wasscr nicht gänzlich
in Abrede stellen.
Noch fehlt uns die Aufklärung über das Material der flachen Hügel
zwischen Staroselo und Robic (bis zu 10 m relativer Höhe über Robic an-
steigend), die von Süden her von dem Felssturz teilweise überdeckt worden
sind und die im übrigen dem Anbau von Getreide dienen. Bestehen sie etwa
aus Natisone-Schottern, durch die sich der Fluss den Seitenweg nach Karfreit
noch mehr erschwert hätte, als es vordem der Fall war? Nein. Sie zeigen
an der Oberfläche einen braunen Lehm, reich an Geschieben, und dieser Lehm
liess sich bei Schürfungen in der Nähe ihrer westlichen Abdachung funkte
III. , V. VI.) bis zu n m unter ihren Rand hinab verfolgen ; bei P. III.
nahmen die Geschiebe bis zu Centnerschwere zu. An den Punkten III. und
VI. war der Lehm zuletzt mit feinstem Sande innig gemengt ; darunter stiess
man bei Punkt III. auf den alten conglomerierten Flussschotter. Derselbe
steht auch in dürftigen Resten hinter den westlichen Häusern von Robiö, an
den Felsen Der gelehnt, an. Der P. IV., eine versuchsweise angelegte und
wieder ausgefüllte Lehmgrube, hatte, nach den Mitteilungen der Besitzer, nur
weissen Kalkschutt von dem steilen Matajur-Abhange ergeben. Bei der nach-
gewiesenen früheren Vergletscherung des Thaies spreche ich jenen Geschiebe-
lehm als einen Moränenrest an. War es doch bei P. VII. , wo ich gekritzte
Geschiebe fand, und begegneten mir auf dem Felsen Der, der bloss aus Dachstein-
kalk besteht, unter anderen auch grössere oberkretaceische Geschiebe. Ein
grösserer Moränenrest (darunter gekritzte Geschiebe) lag oberhalb Svina. Ver-
einzelte Geschiebe, eirund , von Haudgrösso , kretaceisch , trifft man auch am
Nordabhange über Karfreit und Staroselo an, neben dem vorherrschenden
eckigen Gehängeschutt, und sind die vom Südabhange auffällig abgesetzten Hügel
bei Suzid zwar kein Gletscherschutt, sondern fester Kalk mit geringfügiger Ver-
witterungskruste und dürftiger Berasung, so sind sie doch durch ihre Rundung
Mitzeugen der V'ergletscherung ‘) des Thaies ; dasselbe gilt von dem kleinen
Felsen, hinter welchem der aufgegebene Ziegelofen gegenüber Staroselo liegt.
*) Das Vorschreiten des Gletschers erfolgte vom Isonzo her. Die Kämme im Quell-
gebiet des Natisone sind nicht hoch genug, um selbst Gletscher gezeitigt zu haben, und
dass vom Monte Kanin die Glet.scherniassen über das Thal der L'ceca und die Kette dos
Stol hinweg in das Gebiet des Natisone gereicht hätüm, dafür müssten erst Thateachen bei-
gebracht werden. Dagegen fand sich der Isonzo-Gletachor nach üeberschroitung der Hohe
von Sant Antonio gleichzeitig vor da» nach rechte ziehende Thal von Staroselo und das
halblinks gewendete von Karfreit-Tolmein gestellt und konnte leicht eine Teilung bewerk-
stelligen. Uei der postgtaeialeu Erosion wurde der Gletecberschutt des oberon Natisone-
Thales durch den Felsriegcl vom Monte Mia nach der Gegend von I'otocki hinüber, den
der Natisone in der Schlucht Coritto (« Trog) durchbrochen hat , in boträchtlichor Moese
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860
Der mittlere Isoozo und eoin Vcrfaältziia zum Natisone.
Es hat in der ganzen postglacialen Zeit das Thal dem Natisone nicht
zu regelmässiger Verfügung gestanden.
So klein die Reste diluvialer Nagelfluh hei Rohic sind, so kombinieren
sie sich doch mit jenem grösseren neben der Kirche von Svina festgestellten
Vorkommnis , das wegen der schönen Ahrollung seiner Fragmente durchaus
nicht als Werk eines Wildbaches, eines Vorläufers des Sjak, erscheinen kann,
sondern nur als die Schöpfung eines Flusses, der auf einem längerem Wege
sich mit der Abschleifung von Gerollen befassen konnte. Danach muss das
Thal von Staroselo in präglacialer Zeit in der That ein Weg für den Natisone
gewesen sein. Vielleicht sogar lange Zeit der einzige Weg; nur hat die
Erosiou den Einschnitt Pulfero-Stupizza-Robiö ganz sicher auch bereits in
einer präglacialen Zeit bis an den Nordabhang des Matajur und des Monte
Mia fertiggestellt, da die diluviale Nagelfluh (horizontaler ceppo) des unteren
Natisone bis über Pulfero, bis Loog, heraufreicht, wo seitlich nur mehr AVild-
bäche dem Hauptflusso zukoramen.
Schln.SK.
Die Reihenfolge der hydrographischen Veränderungen im Gebiet des
mittleren Isonzo und des oberen Natisone würde sich nach unseren Aus-
führungen folgendermassen stellen :
1. Der Natisone benutzt das Thal von Staroselo, um dem Isonzo zu-
zufliessen — nach Abschluss der Tertiärzeit.
2. Das Rückwärtsgreifen des Flusses von Pulfero-Stupizza-Cividale lenkt
den Natisone, mindestens zum Teil, nach Süden ab — während der prä-
glacialen Periode.
3. Der Isonzo-Gletscher erfüllt das Isonzo-Thal bis Sela und weiter
hinab und sendet einen Arm durch das Thal von Staroselo und das obere
Natisone-Thal bis Sedlo und Logje. Die Gletscherwasser fliessen durch das
Isonzo-Thal und durch den Einsclmitt Robic-Stupizza ab, vielleicht auch noch
durch die Predol-Schlucht — in der Glacial-Periode.
4. Der Natisone bevorzugt den Weg nach Stupizza. Es bildet sich im
Thal von Staroselo der Idria-Bach als ein besonderer Nebenfluss des Isonzo,
häuflg zu einem See aufgestaut durch den Schutt des Sjak. Ein Felssturz er-
höht die Abgüederung dieser Thalstrccke — in postglacialer Zeit.
Im späteren Altertum bestand schon das gegenwärtige Verhältnis.
fost^chalteo. Bei der H(Sbonlage der Hofite ist der Gedanke Taramellis nicht abeuweisen,
dsMi die Schmelzw&Bser nicht nur über Kobie-Stupizza ihren Ausweg fanden, sondorn auch
durch die PredobSchlucht. Gegenwärtig ist dicaelbo nur mit kantigen Trümmern der eigenen
Steilwände erfüllt.
Orometrische Studien im Anschiuss an die Untersuchung
des Kaiserstuhigebirges.
Von Dr. Ludwig Neu ni ans,
ProfsMor am Gfmoaslam and Dosent der Erdkando an der UnivertlUit Fr«ibur)( L B.
(Schluss.)
IV. Thalhöhe und Verwandtes.
Zur orometriachcn Charaktorisierung der Thäler ist vor allen Dingen die
Bestimmung des Thalanfanges und Thalendes nötig. Ich habe mich an andrer
Stelle *) über diesen Punkt soweit ausgesprochen , dass die Sache hier nur
kurz behandelt zu werden braucht, und das um so eher, als prinzipielle Gegen-
sätze in den neuem orometrischen Arbeiten *) nicht hervorgetreten sind. Der
Thalanfang liegt dort , wo das Thalhintergehänge sich mit den Seiten-
gehängen verschneidet, welcher Punkt meist leicht auch daran erkannt werden
kann, dass in ihm der Thalbach aus radial zusammenströmenden Wasseradern
seinen Anfang nimmt bei merklich schwächerem Gefälle , als es oberhalb zu
beobachten ist. Nach diesen Merkmalen lassen gute Höhenschichtenkarten
den Thalanfang stets sehr deutlich erkennen, und folgen sich die Hohen-
scbichten wie bei der badischen topographischen Karte von 10 zu 10 m, so
ist er sozusagen mit absoluter Sicherheit fcstzustcllen, oft sogar besser als mit
dem Aneroid an Ort und Stelle. Den Thalanfang auf dem wasserscheidenden
Kamm anzunehmen, wie das Sonklar in einigen älteren Arbeiten vorgeschlagen
hat, ist im allgemeinen jedenfalls unrichtig, und der Autor dieser Anschauung
hat dieselbe später selbst aufgegeben. Nur im Falle der Thalwasserschciden ’)
wird man den Thalanfang bis zur Höhe des wasserscheidenden Flachrückens
znrückverlegen dürfen.
Als Thalende muss, wenn ein Seitenthal in ein schmales Hanpt-
thal ausmündet, die Vcreinigungsstelle der betreffenden Gewässer gelten.
Oeffnet sich aber ein Thal in ein breites Hauptthal oder in eine Ebene,
so ist das Thalende der Punkt, bei welchem die Verbindungsgerade der End-
punkte beider Seitengehänge den Thalbach schneidet. Hiernach bestimmt sich
auch die Thallänge, die in der Horizontalprojektion längs des Wasser-
laufes zu messen ist, wobei aber nur diejenigen Krümmungen berücksichtigt
werden dürfen, welche die das Thal begleitende Kämme mitmachen.
Das schon genannte einzige Thal des Kaiscrstuhls, dasjenige des Krotten-
bachs, nimmt seinen Anfang genau bei der 320 m Isohyphe unterhalb Vogts-
burg. Als Thaleude habe ich der Einfachheit halber die Mündung des Krotten-
bachs in den Krebsbach gewählt, die bei 188 m Höhe etwa 0,1 km jenseits
der unser Gebirge begrenzenden 190 m Isohyphe liegt. Doch macht die
Höhendifferenz nur 2 m aus, sic ist also unwesentlich.
Zur Bestimmung der mittleren Thalhöhe, d. h. derjenigen Höbe, welche
das ThalprofU bei horizontaler oberer Begrenzung und Beibehaltung seines
9 Neumann, L 8. 21.
•) Vergl. s. B. GsaUer, I. S. 129-131.
*) Ueber diese siehe u. a. Fhilippson, L 8. 80 ff.
L .
I
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362 Oromotrische Studien im Anschlusa an die Untersuchung des Kaisersiublgehirges.
Areals erhält, entwarf ich mit Zugrundelegung der Höhenkurven von 190 bis
320 m, d. b. mit 14 Fixpunkten auf Millimeterpapier ein Profil im Liingen-
mafsstab der Karte (1 : 25000) und im Höhcnmafsstab 1 ; 10000. Fig 2
giebt eine verkleinerte Wiedergabe dieses Profils. Die Thallänge beträgt
6150 m.
Dass die mittlere Tbalböhe nicht einfach das arithmetische Mittel aus
den Höhen des Thalanfanges nnd Tlialendes ist, liegt bei der Möglichkeit der
allerverschiedensten Gefalle zwischen diesen zwei Festpunkten klar zu Tage.
Sonklar bestimmt sie daher als Mittel aus möglichst glcichmässig ver-
teilten Höhenpunkten. Als solche wählte ich die Schnittpunkte der Profil-
linie mit den Isohyphen, liess aber im Interesse gleichmässiger Abstände einige
Punkte aus; es ergab sich als Mittel der Höheupunkte 188 , 200 , 210 , 220,
230, 240 , 250 , 270 , 290 , 320 m, der Wert 241,8 m, welche Zahl aber zu
gross ist, weil trotz der Auslassungen die höher gelegenen Isohyphenpunkte
etwas näher bei einander liegen als die tiefgelegenen.
Ich bestimmte darum die Höhen von 25 äquidistanten Punkten, im je-
weiligen Abstand von 0,250 km. Aus ilinen ergab sich die mittlere Thalhöhe
zu 6235 : 26 — 239,8 m. Auch diese Zahl ei-scbeint noch etwas zu hoch,
weil der letzte Punkt (320 m) vom vorletzten nur um 0,175 km abstebt.
Wird dieser Punkt ausser acht gelassen, so folgt 5915 : 25 = 236,6 m, welche
Zahl nunmehr zu klein ist, da bei ihrer Bestimmung der höchste, allerdings
sehr kleine Teil des Profils vernachlässigt wurde.
Zu einem wirklich zuverlässigen Wert für die mittlere Thalhöhe kann
wie bei der Kammhöhe nur das Profilareal führen. Nach der oben ent-
wickelten zweiten Methode der Karamhöhenbestimmung ergab sich aus den
durch die Höbencoten bestimmten 14 Trapezen 1 463 750 : 6150 = 238,0 m,
und nach der vierten Methode aus den durch die 25 äquidistanten Punkte
und den Thalanfang gegebenen 25 Trapezen 1 463 700 : 6150 -- 238,0 m, also
genau derselbe Wert, nebenbei ein Beweis für die Kichtigkeit der Bestimmung
der äquidistanten Höhenpunkte aus dem gezeichneten Profil.
findlich benützte ich in ähnlicher Weise wie bei der Ermittelung der
Kammhöhe das Planimeter und fand 591,2 Einheiten, woraus sich die mittlere
591.2 . 24 74,2 ,,,, ,
Thalhoho zu STah ~ 237,8 m ergab.
OlOU
Die grössere Uebercinstimmung dieser drei letzten Resultate gegenüber
denjenigen bei der Kammhöbenbestimmung erklärt sieb aus dem Verlaufe der
Protilbnie von einem Hölienpunkt bis zum nächsten , welcher ohne nennens-
werten Fehler als geradlinig angesehen werden darf. Es wird also, wenn das
Thalprofil einmal gezeichnet ist, das Planimeterverfuhren am mühelosesten zu
sicherem Ziele führen.
Hier ist cs am Platz, in Kürze einer Untersuchung zu gedenken, auf die
mich vor etwa zwei Jaliren die Lektüre eines Aufsatzes von Dr. A. Philipp-
son : „Ein Beitrag zur Erosionstheorie“ *) gefülirt hat. Durch Philippson
wurde ich nämlich darauf aufmerksam gemacht, dass nach Dünkelberg*) der
Schweizer Ingenieur Oppikofer „aus dem Längenprofil des Rheinstroms an
der St. Galler Grenze bis zum Bodensee das Walten eines ganz bestimmten
und klaren Naturgesetzes dahin uachzuweisen sucht, dass dieses Längenprofil
in seiner Hauptform in einer Cykloidc verlaufe. Die interessanteste und
wichtigste Eigenschaft der Cykloide und der Grund , warum die geschiebe-
führenden , siel) selbst ihre Sohle bildenden Flüsse dieselbe einzulialten be-
strebt seieu, sei jedoch die, dass auf oder in derselben ein Körper in der
kürzesten Zeit von einem höheren zu einem niedrigeren
*) PhiüpMon, II. 8. 67—79. bes. S. 72.
*) Ddnkeibcrg, die KuUurtccbnik in ihrer sTStematischen Anwendung aufVomrlberg.
Bonn 1S7S. 8. 64.
Orometrüche Studien im Anschluss an die Cntcrsuchung des Eaiserstublgebirges. 363
und entfernteren Punkte herablaufo, weshalb sie auch Brachistochrone
oder Linie der kürzesten Kallzeit genannt werde.“
JJnn war ich zwar selbstverständlich mit Philippson ‘) und mit allen,
die sich mit der Frage nach der Erosionsterminante beschäftigt haben , von
vornherein der Ansicht, dass zur mathematischen Bestimmung derselben „die
zwei Haupthedingungen fehlen : erstens die genaue Feststellung des Verhält-
nisses von Wassermasse und Wa.sserkraft und des Verhältnisses der Wasser-
kraft zu einer gewissen mittleren Widerstandsfähigkeit der Gesteine ; zweitens
genaue Messungen der Wassermasse in Einzelfällen.“ Geleitet von der Er-
kenntnis, dass ein von der yucllo bis zur Mündung an Wassermasse zunehmender
Fluss bestrebt ist, sein Gefalle in eine Kurve zu bringen, welche sich von
oben nach unten stets verflacht, konnte ich cs mir trotzdem nicht versagen
zu untersuchen, inwieweit die Profile grosserer und kleinerer Wasserlüufe in
den Alpen, in der Schweizer Hochebene, im Schwarzwalde und in der Rhein-
ebene sich der Cykloide anschmiegen. Ungefähr 20(1 Flussprofilc wurden
nach den topographischen Karten konstruiert und dazu jeweils diejenige
Cykloide berechnet, welche in der Erosionsbasis, also bei der Mündungsstelle
des Flusses in einen See oder in einen wesentlich grösseren Wasserlauf, ihren
tiefsten Punkt und in diesem eine horizontale Tangente besitzt, während sie
ausserdem durch den oberen Anfang des betreö'enden Thaies bezw. der be-
treffemlen orographisch einheitlich gebauten Thalstrecke gelegt ward.
Die Resultate dieser etwas langwierigen Rechnungen habe ich in einem
vor der badischen geographischen Gesellschaft zu Karlsruhe im Februar 18H7
gehaltenen Vortrage bekannt gegeben aber nicht weiterhin publiziert, da sie
zu keinen sichern Schlüssen gefülirt haben, also wesentlich negativ ausgefallen
sind. Allerdings liessen sich in Beziehung auf die Cykloide als hypothetisch
angenommene Erosionsterminante die Längs- und Querthäler in geologisch
jungen Faltengebirgen , die Thälcr in Horsten , auf ungestörten oder wenig
geneigten Schichtflächen und auf Alluvionen in gewisse, deutlich gesonderte
Typen abteilen. Im Gegensatz zu unfertigen Tliälcru, in denen der rück-
schreitenden Erosion noch gewaltige Arbeit harrt, fand ich sehr viele Wasser-
läufe, deren Profil von demjenigen der oben definierten Cykloide wenig oder
gar nicht abweicht. Besonders gilt dies bei Flüssen, die auf ihren eigenen
Geschieben gebettet sind. So liess sich z. B. die Rheincykloide vom Boden-
see mit minimalen Abweichungen bis Thusis verfolgen, ebenso wieder von
der Aaremündung bis Basel, auch die Lorze, Reuss, Suhr u. a. m. entsprachen
sehr gut.
Für den hier zu behandelnden Gegenstand ist von den vorstehenden
Andeutungen nur das eine wesentlich , dass , wenn ein Thalprofil nahe mit
einer mathematischen Kurve übereinstimmt, die mittlere Thalhölie durch ein-
fache Integration ermittelt werden kann.
Ist p der Radius des die Cykloide erzeugenden Kreises, so wird die
Gleichung der Kurve, bezogen auf die durch die Erosionsbasis gelegte Hori-
zontale als Abscissen- und die im gleichen Punkt errichtete Senkrechte als
Ordinatenaxe, j/ = .^ •), wobei s die Länge des Kurvenstückes vom Koordi-
8(1
natenanfang bis zu einem beliebigen Kurvenpunkte (x, y) bedeutet. Wird nun
s als Funktion von x und y entw'ickelt, so kann man alle Glieder höherer
Ordnung deshalb vernachlässigen , weil beim Flussprofil die Ordinaten gegen-
über den Abscissen sehr klein sind , und man darf daher ohne wesentlichen
Fehler setzen y — Bezeichnen wir die Koordinaten des Thalanfanges mit
l und h (Thallängc und Höhe des Thalanfanges über dem Thalende), so ist
*) Philippeon, U. a. a. 0. S. 78.
•) Vergl. hierüber z. B. Schell, S. 403,
1
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364 Orometmche Studien ün Anschluss an die Untersuchung des Kaiserstohlgebirges.
l* h
auch h = TT—, woraus folgt y = . x* ; unsere Cykloide ist also tou einer
o ^ t *
Kurve 2. Ordnung, und zwar von einer Parabel nicht nennenswert verschieden,
die DifTerenzen der Ordinatcn machen sich bloss in den Decimalen geltend.
Bezeichnen wir weiter das Areal des Thalprofiles über der durch die Erosions-
basis gelegten Horizontalen mit F, die Meereshöhe der letzteren mit A, und
die absolute mittlere Thalhöhe mit so ist nun
A„, = Ao + ^ = /*o + a; = Ao -f- -j- . .yir' (Za: = Ao -f y A.
Man findet also die mittlere Thalhöhe, indem man zur Höhe des Thalendcs
den dritten Teil des Thalgefiilles addiert.
Für unser einziges Kaiserstuhlthal crgiebt sich so
188 -f
320 — 188
3
232 m, d. h. eine Abweichung von — ß m, während die Sonklarsche Methode
eine solche von -J- 4 m ergeben hatte. Bei Dutzenden der untersuchten Thäler
aus den oben genannten (lebieten stieg die Abweichung , sei es positiv oder
negativ, nicht über 2 oder 3 m. Ist daher bei einem AVasserlauf durch
Zeichnung seines Profils festgestellt, dass er sein Gefälle von der Quelle bezw.
vom Thalanfang bis zum Thalende in der Hauptsache stets vermindert, und
handelt es sich nur um einigermassen augenäherte Bestimmung der mittleren
Thalhöhc, so mag das angegebene V’erlähren eingeschlagen werden.
Es wäre dringend zu wünschen, wie dies auch auf dem siebenten deut-
schen Geographentag in Karlsruhe von Honscll ') ausgesprochen wurde , dass
die Geophysiker sich mehr mit hydrologischen Problemen befassten ; ein Ding
absoluter Unmöglichkeit ist es doch am Ende nicht für alle Zeiten, wenigstens
in bestimmten Einzelfällen den aualytischen Ausdruck für die Gleichgewichts-
figur einer Flusssohle abzuleiten.
Aus der mittleren Thalhöhe der Einzclthäler eines Gebirges leitet
Sonklar •) in seiner allgemeinen Urographie ebenso wie in den vorangegangenen
orometrischen Monographien“) die mittlere Sockelhöhe (oder Thal-
höhe) einer Gebirgsgruppe bezw. eines Gebirges genau in derselben Weise
ab, wie die mittlere Kammhöhe des Gebirgsganzen aus derjenigen seiner Teile
berechnet worden ist. (cf. oben S. 332.)
Die Differenz zwischen der mittleren (absoluten) Kammhohe und Sockel-
höhe eines Gebirges nennt Sonklar die mittlere relative Kammhöhe
desselben. Hiernach zerfällt nun das ganze Gebirge in zwei wesentlich ver-
schiedene Teile. Der erste ist der Gebirgssockel, nämlich derjenige
prismatische Körper, der unten vom Meeresniveau und oben von einer dazu
in der mittleren Sockclhühe parallel gelegten Ebene begrenzt ist und das
ganze Gebirgsareal zur Grundfläche hat. Der zweite Teil besteht aus den
Gebirgskämmen, welche die Idealgestalt liegender dreiseitiger Prismen
besitzen; ihre Länge ist gleich der Gesamtlänge aller Kämme, ihre Höhe
gleich der mittleren relativen Kaminhöhe, und ihr Neigungswinkel gegen die
Horizontalebene ist erst noch zu bestimmen (siehe den folgenden Abschnitt).
Nach den hier zusammengestellten Daten berechnet Sonklar in leicht
übersehbarer Weise das V'olum des Gebirges. Nun scheinen mir aber sowolü
die mittlere Sockelhöhe als ganz besonders der prismatische Gebirgssockel
Sonklars Grössen von höchst problematischem Werte zu sein, wcslnalb auch
*) Honecll, S. 52.
•) Sonklar, 8. 187 ff.
■) Sonklar, 8. 176 Anm. — ... Es ist bei Günther in seiner Bosproebung meiner
Schwarzwald-Orometrie (Nuturw. Rundschau vom 18. Jan. 1887. Nr. 1 u. 2, S. 5.) ein kleines
Versehen unterlaufen, wenn er mir die NeuoiufÜhning der Sockelkühe zuschreiht. Diese ist
bei Sonklar (1. c. S. 187) aufs unzweideutigste vorhanden.
Orometrischc Studien im Anschlust' an die ITntersucbung des Eaiserstuiilgebirgea. 365
die Volumetrie der Gebirge durchaus auf andere Grundlagen aufgebaut werden
muss, ganz abgesehen von dem ebenfalls sehr unsicheren mittleren Neigungs-
winkel der Kammgehänge.
Zunächst lässt sich alles, was Seite 332 über die mittlere Kammhöhe
eines Gebirges entwickelt wurde, ebenso über die mittlere Sockel-(Thal-)Höhe
desselben aussprechen. Dieselbe hat nur wirkliche Bedeutung für kleinere,
in allen Teilen gleichartig gebaute Gebirgsgruppen , nicht aber fiir solche
Komplexe, welche sich aus relativ hohen und niederen Teilen zusammeusotzen.
Ist es doch sicherlich gegen jede naturgemässe Vorstellung, zur Fixierung der
Sockelliühc Thäler zu benutzen, welche im Mittel hoher liegen als die Kämme
einer anderen Gruppe desselben Gebirges, die zur Ableitung der Kammhöhe des
Ganzen verwendet worden sind. Diese TJeberlegung führt uns darauf, dass
das Berechnen von orometrischon Mittolwcrteu fiir ganze Gebirge und grössere
Teile derselben seine Grenzen hat, Es ist viel richtiger, die Einzelindividueu
in grösserer Anzahl bestehen zu lassen und für sie getrennt die orometrischon
Charakteristika zu geben, als Mittelwerte auszurechnen, für welche die greif-
bare Vorstellung notwendigerweise verloren gehen muss.
Aber nicht nur die 8ockelhöhe, auch der oben gegebene Begriff des
prismatischen Gebirgssockcls ist falsch. Die Höhenkurven eines jeden Gebirges,
auch wenn es teilweise Plateancharakter haben sollte, umschliessen nach oben
zu immer kleinere Areale. Die obere Grundfläche des Souklar’schen Sockels
ist daher in allen Fällen kleiner als die untere , der Körper kann also nicht
mehr prismatisch genannt und unmöglich als Prisma volumetrisch berechnet
werden. Dazu kommt noch weiter der Umstand, dass die untere Grundfläche
des Gebirges im allgemeinen nicht im Meeresniveau liegt. Sehen wir dieses
Verhältnis am Kaiserstulil etwas genauer an. Derselbe ragt, wie schon er-
wähnt, über der rund 200 m hoch gelegenen Ebene des Rheinthaies auf.
Die Geröllmassen desselben haben eine nicht genau bekannte Mächtigkeit,
unter denselben liegen all die zwischen Schwarzwald und Wasgau vielleicht
1200 bis 1500 m tief abgesunkenen Sedimente, und dann erst stÖsst mau auf
das Grundgestein, das heute die Oberfläche der höchsten Gipfel der genannten
Gebirge bildet. Aus dieser und noch wesentlich bedeutenderer Tiefe hat sich
einst der Vulkan erhoben, dessen kleinsten, obersten Teil wir im Kaiserstuhl
vor uns sehen. Für diesen sichtbaren Teil aber ist die Höhe des weit ent-
fernten Meeresniveaus durchaus gleichgiltig; auch bezüglich der Lotablenkungen,
die für die genaue Ortsbestimmung und die neueren Methoden der Festsetzung
der Erdgcstalt so w’icbtig gewordeu sind , kommt nicht das Gebirge in seiner
gedachten Fortsetzung bis zum Meeresspiegel , sondern nur in der Erhebung
über seine Umgebung zur Geltung *).
Als Gruudfläclic des Gebirges haben wir also diejenige Flüche zu bo-
trachten und oiometrisch in Rechnung zu ziehen , längs welcher dasselbe sich
von seiner Umgebung abhebt, und diese Fläche ist in der Natur wohl niemals
eine Niveaufläche , häutig wird sic sogar sehr unregelmässig gekrümmt sein.
Hierauf hat Brückner*) in höchst verdienstlicher Weise aufmerksam gemacht.
Er sagt a. a. 0. „Den Gebirgssockel der hohen Tauern begrenzen wir (nach
oben) durch eine ideale Fläche, welche entsteht, wenn man einen Strahl, ihn
immer senkrecht zur wcstöstlicben Haiiptricbtung des Gebirges haltend , über
die Sohle der begrenzenden Längsthäler als Leitlinien gleiten lässt .... Diese
Fläche ist des nicht gleichmässigen Gefälles der beiden Längsthäler wiegen
keine Ebene , sondern eine krumme Fläche , die östlich der Linie Zell am
See-Lienz sich ziemlich gleiclimässig nach Osten senkt, nach Westen jedoch
im Süden rascher ansteigt als im Norden.“ Aehnliclies Hesse sich auch für
den Schwiu’zwald und jedes andere Gebirge ausfiihren. Der Gebirgsteil
*) Diese Bemerkung findet sich ausgesprochen bei Platz, II. ä. 187.
*) Brückner, S. 171.
29
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366 Orometriscbe Studioa im AnüchluHa im dio Unterauchimg döa Kaisoratoblgobirges.
unterhalb der so definierten Grundfläche, den man also, wenn der Begriff
nicht ganz fallen soll, immerhin Sockel neunen mag, ist bezüglich seiner Tiefe
völlig unbekannt, er entzieht sich also auch unserer Berechnung.
Der Kaiserstuhl hebt sich , wie wir oben sahen , im Süden längs der
200m-Kurve, im Norden längs der 190 m-Kurve über die Rheinebene empor,
man wird bei seiner Kleinheit als obere Grenzfläche des Sockels diejenige
Ebene betrachten können, welche sich in der Süd-Nordrichtung der Rhein-
ebene von 200 m auf 190 m senkt, oder auch, was hei den geringen Höhen-
schwankungen dieser Basis zulässig erscheint und die Rechnmig bedeutend
vereinfacht, die von der 190 m-Isohypse umschlossene Ebene. Wie unterhalb
dieser Ebene das vulkanische Kaiserstuhlgestein sich gegen die Geröllmassen
des Rheintbales und die abgesunkeneu Sedimente des alten Schwarzwald-
Wiisgaumassives abgrenzt, das zu ermitteln steht ausserhalb der Aufgaben
der Orometrie.
Wir lassen hiernach denjenigen Volumteil des Gebirges, welcher unter-
halb der genannten Grenzebene liegt , ausser Betracht ; somit hat auch an
StcUe der Sonklai-schen relativen Kammhöhe ein neuer Begriff zu treten,
nämlich die Ueborhöhung Uber der Gebirgsbasis. Wenn Brückner
a. a. O. angiebt, die Ueborhöhung der Venedigergruppe über Vorder-Krimml
betrage 2233 ni, jene über Toblach nur 1948 m , so ist das gewiss viel an-
schaulicher, als wenn man eine mittlere relative Kammhöhe angiebt, die weder
für den Nord- noch für den Südabhang den thatsächlichen Verhältnissen ent-
spricht. A. Böhm ') benutzt die „Ueberhöhung“ über der Gebirgsbasis in
trefflicher Weise zur Charakterisierung der einzelnen Gruppen der Ostalpen.
— Für einzelne Kämme grösserer Gebirge oder grösserer Gebirgsgruppen
wird sich zweckmässig auch die Ueberhöhung über den die Kämme einfassen-
den Thäleru angeben lassen, wodurch die relative Erhebung einzelner Kämme
deutlich ans Licht tritt. — Die S. 331 mitgetcilte Tabelle ist den hier ge-
gebenen Ausführungen entsprechend zusammengestellt.
Für die Beschaffenheit des Thalprofils ist das Gefälle desselben vom
Anfang bis zum Ende, oder zwischen einzelnen wichtigen Thalpunkten von
grösster Wichtigkeit und muss datier stets ausgewertet werden. Am besten
werden als solche Zwischenpunktc die ächnitt|)unkte mit den Höhenkurven
oder die Endpunkte gleichlaugor Abstände gewählt. Mit Zuhilfenahme der
schon ermittelten äquidistanten Punkto wählte ich für das Krottenbachthal des
Kaiserstuhls das letztere Verfahren und erhielt vom Thalanfang nach unten
gerechnet :
Tabelle III.
für den 1. Kilometer 44
m = 44 - 1
; 22.8 = 2" 31'
Gefälle
M
n n
29
„ =29 „ = 1
34, .0 = 1» 40
»
n «
14
„ = 14 „ =1
71,4 = 0" 48'
n
« 4.
13
„ = 13 „ =1
78,9 = 0» 45'
n
n «
12
„ = 12 „ =1
83.3 = 0» 41'
n
»1
« 6.
17
„ =17 „ =1
52,9 = 0" 58'
fiir (len Uent bis 6,175 „
3
„ =17 „ =1
52,9 = 0» 58'
ri
Im Ganzen für 6,175 km
132'
m=2i,3%„=l
■ 46,8 = 1" 14'
GefäUe.
\'om Thalanfang an vermindert sich also das Thalgefälle 5 km weit
fortwährend, erfährt aber zum Schluss wieder eine kleine Steigerung, die
dadurch ihre Erklärung findet, d.ass der Thalbach am Ende seines mittleren
Laufes Wasser zu technischen Zwecken abgieht und wegen der so abnehmenden
Wassermasse sein Gefälle verstärkt. Aus demselben Grunde musste auch die
durch Integration gewonnene Mittelhöhe des Thaies zu gering ausfallen. Will
BObm, S. Abachoiitt 339^472.
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Orometrifiche Studien im Anschluss an die Untersuchung des Eaiserstuhlgebirges. 367
man das mittlere Gefalle mehrerer Tlmler einer Gebirgsgruppe angeben, —
weiter zu verallgemeinern ist auch hier nach früheren Ausführungen unzulässig
— so kann das nach der Seite 332 besprochenen Methode wieder nur unter
Berücksichtigung der einzelnen Thallängcn geschehen.
V. Neigtinggwinkel des Kamiiigehänges nnd Volum des Gebirges.
Sonklar hat, wie bereits erwähnt, die Volumberechnung der Gebirge
wesentlich auf die Kenntnis des mittleren Neigungswinkels der Kammgehänge
gestutzt, während ich in der Orometrie des Schwarzwaldes den umgekehrten
Weg eingeschlagcn, nämlich aus dem Volum den Neigungswinkel berechnet habe.
Jedenfalls stehen die beiden hier in Betracht kommenden Grössen in inniger
Abhängigkeit von einander, weshalb sie auch gemeinschaftlich besprochen werden
sollen. Als wichtigste Voraussetzung für ilire Ermittelung werden die Flächen-
inhalte der Höhenschichten des Gebirges benutzt werden. Für die Grundfläche
des Kaiserstuhls in den oben bestimmten Grenzen habe ich mittels des Plani-
meters, dessen Einheit zu 62-17 qm festgestellt wurde, während das Instrument
an dem betreffenden Teilstrich für den Kartenmafsstab 6250 qm angiebt, 92,51 qkm
gefunden. Alle Höhenschichten von 10 zu 10 m zu planimetrieren, schien für
die Zwecke der vorliegenden Arbeit einerseits zu mühsam und zeitraubend,
andererseits aber auch nicht notwendig; somit beschränkte ich mich auf Aus-
wertung der Inhalte aller Stufen von 50 zu 50 m. Beim Mafsstab 1 : 25 000
würde eine solche Höhenschichte im Belief 2 mm hoch gemacht werden müssen,
während der Radius der in einen Kreis verwandelten Grundfläche 218 mm betrüge.
Hiernach ist ersichtlich, dass die Höhenintervalle nicht zu gross gewählt
sind. Die Ergebnisse der Berechnungen sind in den folgenden Tabellen zu-
sammengestellt.
Tabelle IV: Areal der Höhenschichten in Quadratkilometer.
I. Ueber 550 m : 1. Todtenkopf
2. Neuuliudenberg . . . .
0,01-10
0,0058
} 0,0198
II. Heber 500 m ; 1. Todtenkopf
2. Eichelspitze
0,2016
0,0335
} 0,2350
III. Ueber 450 m; 1. Himmelherg 0,1169
2. Todtenkopf 0,7223
3. Eichelspitze 0,3174
4. Zwischen Punkt 3 und 5 0,0670
5. Haard 0,0136 1 4786
6. Schönebeno 0,0961 ’
7. Zwischen Punkt 6 und 8 0,0062
8. Katbarinaberg .... 0,0782
9. Binsenberg 0,0570
10. SW. vom Punkt 9 . . 0,0149
IV. Ueber 400 m : 1. S. vom Todtenkopf . .
2. Strümpfelkopf ....
3. 0. vom Strümpfelkopf .
4. W. vom Scheibenbuck
5. Todtenkopf
6. SO. von Herrenthalbuck .
7. W. von der Eichelspitze
8 . Eichelspitze
9. W. vom Staffelberg . .
10. Mondbalde
0,0056
0,0298
0,0007
0,0124
2,8300
0,0011
0,1780
3,6600
0,0022
0,2871
7,0069
29 *
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368 Oronietrische Stadien im AusclUu«» an die Untcraucbung de« Kaiseratuhlgebirgoe.
V. Ueber 350 m : 1.
Haupterhebung ....
16,7900
2.
Hochbuck
0.0403
3.
Gute Eck
0,0471
4,
Bitzcnberg
0,0087
VI. Ueber ,300 m : 1.
Haupterliebung ....
30,7500
2.
Littensbuhl
0,0180
3.
Hülmiugen
0,0794
4.
Zwischen Punkt 5 und 6
0,0055
5.
Steingrubenberg . . .
0,0174
6.
Schneckenberg . . . .
0,1575
7.
SO. vom Vogelsaugpass .
0,0952
8.
Hagroth
0,0670
VII. Ueber 250 m : 1.
Haupterhebung ....
52,2700
2.
Böhmischberg ....
0,0414
3.
Eichberg
0,1413
4.
Käselberg
0,0483
5.
Haberberg
0,8203
6.
Butzeiberg
0,0291
7.
Hohberg
0,1711
8.
Eichert
0,0476
Vin. Ueber 200 m : 1.
Haupterhebung ....
86,5900
2.
llichelberg bei Riegel .
0,2800
IX. Ueber 190 m :
Gesamtgebiet . . . .
Tabelle V: Zusammenstellung der Ar
ealgrö
16,8861
31,1900
53,6691
Ueber 190 m liegen gj = 92,5100 qkm oder lOO“/,, der Gesamtoberfliiche
tf
200 fy
= 86,8700 „
ff
93,91
ft
tf
tt
250 „ „
= 53.5691 „
ft
57,91
ff
ft
)f
300 yj ,1
=31,1900 „
tf
33,72
ff
ft
1)
350 yy yy
= 16,8861 „
tf
18,26
ft
ft
ft
400 yy yy
g,= 7,0069 „
7.58
tf
ft
ff
450 „ „
9,= 1,4786 „
ft
1.50
ft
ff
ff
500 „ „
= 0.2350 „
yy
0,26
ft
ff
ft
550 „ ,,
ff, = 0,0198 „
tf
0,02
ft
ff
Zwischen 190 u. 200 m
Höhe liegen 5,6400 (ikm oder 6,10°/„ der Gesamtoberfläche
ft
200 „ 250 „
„ „ 33,3009
ff
„ 36,02
ff
ff
ft
250 „ 300 „
„ „ 22,3791
tf
„ 24.20
tf
ff
ff
300 „ 350 „
„ „ 14.3039
ft
„ 15,45
ff
ff
ft
350 „ 400 „
„ „ 9,8792
ff
„ 10,68
ft
ff
ff
400 „ 450 „
„ „ 5,5283
ff
„ 5,96
ff
ff
tf
450 „ 500 „
„ „ 1,2436
tf
1.34
ft
ff
ft
500 „ 550 „
„ „ 0,2152
ff
„ 0,24
V
ff
Ueber 550 „
„ „ 0,0198
ff
„ 0,02
ft
ff
92,5100
100,01
Da in der Natur die Bestimmung jedes einzelnen Gefiillswinkels des
Kammgebänges mit grossen, häutig unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft
ist, berechnet ihn Bonklar aus der Karte nach der Formel cotgy = -^, worin
(f den gesuchten Winkel, d den Höhenunterschied eines Kamm- und dos
nächsten Thalpunktes , a aber den Horizontalabstand des letzteren von dem
Fusspunkte des erstcren bedeutet. Um sich von den Undulationen des Kamm-
profils zu befreien, wird d nicht auf einzelne Gipfel- oder Sattelpunkte, sondern
Orometriacho Studien im Anachluaa an die L'nteraucliung des Kaiserstuhigobirges. 369
auf die mittlere Kammliohe bezogen. Das Mittel der so gewonnenen Einzel-
winkel giebt den mittleren Neigungswinkel des Gtehiinges, das Mittel aus den
beiderseitigen KammgelÜllswinkoln denjenigen des als gleicbschenkebges Dreieck
gedachten Kammquerscbuittcs. Um endlich den mittleren Neigungswinkel der
Kammgehänge für ein ganzes Gebirge zu finden, werden wie bei Kamm- und
Thalhöhe die für die Einzelkämme ermittelten Winkel mit der Kammlänge
multipliziert, und die Summe dieser Produkte wird durch diejenige aller
Kammlängen diridiert.
'Während Sonklar für die Octzthaler Alpen auf 427 km Kammlänge 76
Einzelwinkel, also auf je 5,6 km Kammlänge nur einen einzigen Winkel be-
stimmt und so für das gefundene Mittel sicherlich keine genügende Genauig-
keit ansprechen darf, habe ich für den Kaiserstuhlkamm auf der äusseren
Seite 20, auf der inuern 12 Winkel gemessen , so dass auf je 0,950 bezw.
1,570 km ein gemessener Winkel kommt. Wurden dieselben auf wirkliche
Kammpunkte bezogen, was meines Erachtens zu viel richtigeren, jedenfalls
aber zu anschaulicheren Hesultaten führen muss, da jeder Einzelwinke! reale
Existenz besitzt, so ergab sich im Mittel für den äusseren Abfall qi, =5“ 11',
für den inneren q, = 6° 15', für den symmetrisch gedachten Kamm ip = 5° 43'.
Wurden sie aber nach Sonklar auf die mittlere Kammhöhe bezogen, so ergaben
sich in gleicher Heihenfolge q, = 4’ 10', = 6® 02', y = 6® 06'.
Für das Volum des Kammes ergiebt sich die Formel F = l.d*cotg <p,
wobei l die Karamlänge, d die relative Kammhöhe (bezw. die Ueber-
höhung des Kammes über der Kamrabasis) und (f den mittleren Neigungs-
winkel bezeichnet. Nach den früheren Ausführungen Uber Sockclhöhe und
Sockelvolum ist die Grösse d nicht ganz einwurfsfrei, und da auch der Winkel <p
nach der ganzen Art seiner Ableitung als unsicher zu bezeichnen ist, kann
die Sonklarsche Volumberechnung nicht befriedigen. Dazu kommt noch, dass
die Bestimmung von ip aus <jp, und einen wirklichen Rechenfehler, den
Sonklar übersehen hat, in sich schliesst.
Wird nämlich zum Zweck der Volumberechnung das Dreieck A des
Kammquerschnittes in ein inhaltsgleiches gleichscheukeliges verwandelt, so ist,
wenn a, und o, die Projektionen der Thalgehänge auf die Horizontale be-
deuten,
A = d (-‘^ 1 4 - 5'-') = d . ( 4- _ ^ 1 . cotgy, + co tgy, ^
V22' '2 2/ 2
während Sonklar setzt A = rf* . cotg r/i = rf* . cotg — *).
In unserem Falle ist der wahre Wert für (p niclit wie oben 5^ 43' bezw.
5® 06', sondern 5® 40' bezw. 4® 56' ; je grösser die Difi'erenz zwischen <p^ und
y,, desto erheblicher wird auch der von Sonklar begangene Fehler bei Be*
Stimmung des mittleren Neigungswinkels und bei der Volumberecbnung.
Eine Kontrolle der bisherigen Winkelbestimmungen lässt sich finden aus
dem rechtwinkeligen Dreieck ABI) der Figur 3, dessen Katheten AB und
A D die halbe mittlere Kammbreite und die relative Kammhöhe sind. Be-
trachten wir der Einfachlieit halber, und es soll das vorläufig bei allen folgen-
den AV'inkeln und Volumberechnungen geschehen, für den Kaiserstuhl die
Isoliypsenrtäche von 2CX) m als Basis, so ist die halbe Kammbreite gleich dem
halben Areal dieser Fläche dividiert durch die Kammlänge , und die relative
Kamrahöhe gleich der absoluten Kammböhe minus 200 m. Es wird hiernach
öotg y = ^ = 1^11 = 10,8, daher qi = 5« 17'.
’) Gealler, II. S. 116 weist auf diesen Fehler hio, ohne ihn mathematisch zu be-
gründen. Die übrigen Ausführungen des zitierten Aufsatzes scheinen noch etwas der Klärung
zu bedürfen. Gsaller selbst bezeichnet sie als vorläutige Mitteilung, weshalb ich nicht weiter
auf sic eingehen will.
Diriiüzed I G( ’jjj le
370 Orometrüche Studien im Anächluss an die Untersuchung des Kaiserstuhlgebirgee.
Gsaller, der diese Bestimmungswciso vorscUiigt '), betont, der nach seiner
Methode abgeleitete mittlere Neigungswinkel habe vor dem von Sonklar be-
rechneten den Vorzug, „dass er sich, wie man mathematisch sagen kann, auf
unendlich viele Einzelermittelungen und nicht nur auf eine beschränkte Zahl
derselben stützt“, welche je nach ihrer willkürlichen Lage und Anzahl zu
verschiedenen Mittelwerten führen müssen. Der so ermittelte Winkel ist ein
Minimum, weil die Kathete A Ji nie grösser als die halbe Kammbreite sein
kann. Für den Kaiserstuhlkamm ergiebt sich hiernach, dass der unter Zu-
grundelegung der mittleren Kamrohöhe erhaltene verbesserte Winkelwert von
4* 56' nicht zulässig ist , da derselbe bei gleichbleibender Höhe A D eine
grössere Kammbreite voraussetzt, als .sie in Wirklichkeit vorhanden ist.
Wird der Winkel 9p = 5“ 17' zur Volumberechnung verwendet, so führt
er zu einem Maximalwerte ;
K=f.d>.cotgy = 18,92.0,2126».cotg5'> 17' = 9,247 cbkm (1)
während sich nach dem modifizierten Souklar’schen Winkel ergiebt
V= 18,92 . 0,2126* . cotg 5» 40' = 8,819 cbkm. (2)
Zum ersten Resultat wäre man natürlich auch gelangt durch Multipli-
kation der Grundfläche mit der halben relativen Kammhöhe.
Ermittelt man aus der Tabelle V für jede Höhenstufc die ihr ent-
sprechende halbe Kammbreite, indem man das betreffende Areal durch die
doppelte Kammlunge dividiert, und trügt sic auf der betreffenden Höhenstufe
(Figur 3) ab, so ergiebt sich als schematisches (halbes) Kammquerprofil die
Figur AB ERC. Ün B E H grösser ist &h H C T). so bestätigt diese Be-
trachtungsweise die obige Ausführung, wonach das Volum, welches mittels des
Querschnittes ABT) ermittelt wird , zu gross sein muss. Das Planimeter
ergab den Flächeninhalt der Figur AB ERC zu 212 797,5 qm ; daher ist
das Gehirgsvolum
V = 2 . 0,2127975 . 18,92 = 8,055 cbkm. (3)
Nach der Sonklar'schen Gleichung V=ld' cotg q> ergieht sich hieraus
V
cotg <p = ^ oder qj = 6“ 04'. Konstruiert man zu der Figur ABE H C
(Fig. 3) das flächengleiche Dreieck AIR, so ist der eben erhaltene Winkel
von 6“ 04' = Af. I, Die Betrachtung der Figur lelirt, dass er grösser ist als
der gewünschte mittlere Neigungswinkel.
Denkt man sich weiter die Areale der einzelnen Höhenstufen, wie sic in
Tabelle V zusammengestellt sind , in Kreisflächen verwandelt , deren Mittel-
punkte senkrecht über einander liegen , so lässt sich das Gehirgsvolum als
Summe der in Fig. 4 veranschaulichten Kegelstumpfe auffassen. A EG C giebt
einen Axonschnitt durch dieselben. Die mittleren Neigungswinkel der einzelnen
Höhenstufen sind nun in ähnlicher AVeise, wie oben bei Gsaller nach der
Formel cotg a = (r, — r,) ; h zu ermitteln , wobei r, und r, zwei von unten
nach oben aufeinander folgende Radien von Kegelstumpfflächen sind , und h
die gewählte Höhenstufe von 50 m bezeichnet.
Es ergiebt sich für die Stufe von
200 his 250
m
= 2» 33'
250 „
300
ff ft
= 2“ 39'
300 „
350
ff ff
= 3” 26'
350 „
400
ff ff
= 3» 28'
400 „
450
ff ff
= 3« 30'
450 „
500
ff ff
= 7» 06'
500 „
550
ft ft
= 14» 19
550 m
ff
= 6« W.
') GsaUer, II. S. 149, 152 ff.
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Orometrische Studien im Anachluas an die Untersuchung des Kaiseretuhtgebirges. 371
Aus dem Dreieck A FC folgt ein, wie die Figur zeigt, zu kleiner Wert
für den mittleren Neigungswinkel nach der tileichung cotg a — AF : A C,
0 = 3“ 54', während das arithmetische Mittel der Winkel für die einzelnen
Hiihenstufen 5“ 24' ergioht, d. h. fast genau denselben Winkel, der oben nach
Gsaller als Minimalwert berechnet worden ist.
Mit Zugrundelegung des prismatischen Körpers A B E H C (Fig, 3) würde
man für die einzelnen Hühenstufeu wie für das ganze Gebirge falsche, und
zwar viel zu grosse KammgefiUlswinkel erhalten, da mit der mittleren halben
Karambreite die wirklichen Höhen aller einzelnen Stufen zusamraengestellt
sind, die nicht der ganzen Kamralänge, sondern immer nur einzelnen Teilen
derselben zukommen.
Wie ein zuverlässiger Wert für die mittlere Kamm- und Thalhöhe nur
durch die Areale der entsprechenden Längenprofile zu ermitteln ist, so kann
auch das Gebugsvolum stets nur mit Zuhilfenahme der Flächeninhalte der
einzelnen Höhenstufen befriedigend berechnet werden , und zwar ist diese
Methode anwendbar, welches auch immer die Gestalt des Gebirges sein mag,
während die oben dargelegto Sonklar’sche Methode nur bei Kettengebirgen
als Näherungsverfahren gelten k.ann , bei Massengebirgen und Plateaus aber
durchaus unanwendbar ist Durch die IsohypsenHächen zerfällt das Gebirge
in einzelne Schichtkörper von bekannter Höhe, welche zwischen zwei parallelen
Ebenen liegen und in einzelne unten eben begrenzte Kuppen oder Spitzen.
Die Voluraberechuung hängt zusammen mit der Beantwortung zweier prin-
zipiellen Fragen :
1. Müssen die durch die Einzelerhebungen dos Gebirges bedingten Kuppen
und Schichten auch einzeln berechnet werden , oder ist es zulässig , alle Ge-
birgeteile zwischen denselben Grenzflächen zu einem Ganzen zusammenzufassen?
2. Als was für ein geometrischer Körper ist jede Höhenstufe zu be-
trachten und volumetrisch zu berechnen?
Zur Beantwortung der ersten Frage hot sich mir als bequemstes Ver-
gleichsmaterial Leichers Orometrie des Harzgebirges ‘), namentlich die umfang-
reiche Tabelle zur volumetrischen Berechnung der einzelnen Höhenstufen im
Anhänge. Leicher zerlegt den Gebirgskörper durch die Isohypsenflächen von
100 zu 100 Fuss in so viele einzelne Kuppen und Schichten, als sie auf der
Höhenschichtenkarte überhaujjt verzeichnet sind und berechnet alle einzeln als
Kegel bezw. Kegelstumpfe. Die Addition aller Eiuzelvolumiua zwischen zwei
Schicbtflächen ergab das Volum der ganzen Höhenstnfe, die Addition aller
Höhenstufen dasjenige des Gebirges. Ich habe nun für vier beliebig heraus-
gegriffone Stufen durch Vereinigung der Areale aller oberen und aller unteren
'Teilgrenzflächen die zwischen denselben liegenden Gebirgsteile zu Je einem
einzigen Kegelstumpf zusammengefasst und diesen als Ganzes berechnet. Mein
Volum wurde hierdurch um rund ’/i grösser als dasjenige bei Leicher.
Ein zu grosser Wert musste selbstverständlich herauskommen, da meine Auf-
fassung alle Kuppen, welche zwischen zwei Grenzflächen von Höhenschichten
liegen, bis zur oberen Grenzfläche erhöht denkt. Nachdem ich mich von der
Kleinheit des begangenen Fehlers im allgemeinen überzeugt hatte, suchte ich
seinen Betrag speziell für den Kaiserstuhl zu hestimmen. Zu diesem Zwecke
berechnete ich die Volumina aller 37 aus dem Hauptkörper des Gebirges
herausragenden Kuppen, die sich um weniger als 50 m über der unteren
Grenzebene erheben.
Die Summe ihrer Grundflächen beträgt 3,0243 <|km oder 3,27 % der
Gesamtgmndtiäche des Gebirges. Ihrer rundlichen Form entsprechend be-
trachtete ich dieselben nicht als Kegel, sondern als Kugelhauben und ermittelte
nach der Formel V = -J- ^ k*, worin g die Grundfläche und h die Höhe
*) Leicher, 8. 28—52.
i
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372 Orometrische Studion ini AnBchluBs &n die Untersuchung de« Kniserstuhtgebirge«.
bezeichnet, die einzelnen Volnmina. Ihre Summe ergab 0,036 ebkm. Da
zuvor das Gesamtvolum des Gebirges über der 200 m-Fläcbe annähernd zu
8 ebkm gefunden worden ist, so machen diese Kuppen nur einen verschwin-
denden Bruchteil des Ganzen aus. Dadurch, dass beim Kaiserstuhl , wie ich
das im folgenden durchführe, auf das Leicher’sche Verfahren verzichtet wird,
wodurch also alle Kuppen bis zur nächst oberen Grenzfläche erhöht gedacht
werden, ergiebt sich als ihr Volum, dasselbe als Kegel gedacht.
3,0243 . 0,05
3
= 0,050 ebkm, d. h, um 0,014 ebkm mehr als zuvor. Dieser Betrag ist aber so
unbedeutend, dass er füglich unberücksichtigt bleiben kann, ohne den Genauig-
keitsgrad der Volumbewegung irgendwie zu vermindern. Analoge Betrachtungen
lassen sich allgemein anstellcn. Die aufgeworfene Frage ist demnach dahin zu
beantworten, dass cs bei der Volumberechnung von Gebirgen durchaus zulässig
ist, allez wischendonselben Grenzflächen liege ndenGebirgs-
teile als eine einzige Höhenstufe aufzufassen. Hierdurch wird
die Rechnung wesentlich vereinfacht ; sie führt zu einer Grösse , welche als
obere Grenze für den Wert des Gebirgsvolums betrachtet werden darf, den
wahren Wert aber um sehr wenig überschreitet.
Nebenbei ist hier eine nicht unwichtige Bemerkung cinzuschalten :
Gebirgsvolumina bis auf Kubikmeter oder gar Bruchteile von solchen
angeben zu wollen, ist bei den zaldroichen Fehlerquellen, denen man sich aus-
gesetzt sieht, nichts als eine Selbsttäuschung Uber den erreichbaren Genauig-
keitsgrad. Ich werde mich daher überall auf 3 Dezimalen eines Kubikkilo-
meters beschränken.
Die Volumberechnung der Gebirge ist nach dem Vorstehenden zurück-
gefuhrt auf die Bestimmung des Kürperinhaltcs von Jl.assen , die zwischen
zwei parallelen Grenzebenen liegen , wobei stets die obere ein kleineres Areal
besitzt als die untere. Hiervon ist auch die von Leipoldt ') und von mir in
der Schwarzwaldorometrie befolgte Methode, die Höhen.stufen stets vom Meeres-
spiegel ab zu rechnen, nicht prinzipiell verschieden. Folgen die Höhenkurven
nahe genug auf einander, so ist füglich von der Krümmung der Seitenflächen,
die sich der strengen Berechnung entzieht und im Gesamtresultat, da eie bald
konkav, bald konvex ist, keinen wesentlichen Einfluss übt, abzuselicn.
Das in Frage kommende Volum kann nun aufgefasst werden als P r i s m a *),
dessen Grundfläche gleich dem arithmetischen Mittel der beiden parallelen
Grenzflächen ist, als Kegelstumpf’) oder als Pri s ma t oi d *).
Bezeichnet man die Flächeninhalte der Schichtflächen von 200 bis 550 m
entsprechend der Tabelle V. (S. 368) mit ij,, ■ Ot ”“'1 Höhenabstand
von 50 m mit h, so ergiebt sich nach der P r i s m e n m e t h o d e
V = . ,, + . A + . . . . a = a pt 3, -f- =
= Ap-5-^ + 2’s.«l (1)
flTst
Für jede beliebige Anzahl von Schichten lässt sich eine entsprechende
Formel geben; ebenso lässt auch die folgende, nach der Kegelstumpf-
methode abgeleitete Formel eine Verallgemeinerung .auf n Schichten zu:
y(?i +9» + (», +9t + V9i9t^ =
h r I
“ I ~ + 2 ^ g,i -gfi + x I- (2)
^ •- /4ca'i «SSI J
Leipoldt, an ycrBchiedcncn Orten des Werke«.
*) Korifttka, 1. c. — Commonda, 1. c.
•) Leicher, 1. c. — Fiihrnkranz, 1. c. — Heiderich, L c.
*) Eifert, 1. c.
Orotoetrische Studien im AnaclilueB an die üntemucliung des KaiHeratuhlgebirgee, 373
Betrachtet man endlich die Schichtstufen alsPrismatoide, so hat
' ^ ^ + 2 > worin G und g die
man auszugehen von der Formel V -
untere und obere Grundfläche, D den Mittelschnitt und JI die Höhe des
Körpers bezeichnet.
Für den vorliegenden Zweck sind stete 2 Höhenschichten zusammen-
zunehmen, deren Grenzfläche als Mittelschnitt zu betrachten ist, und man
erhält unter Beibehaltung der alten Bezeichnungen (H = 2 h) :
lli+Jl + 2 ,,)-
Da aber unser Gebirgskörper nicht bis zur Grenzfläche g, reicht, sondern
oben mit Og abschliesst, so ist von vorstehendem Abdruck der über ps liegende
Teil, der als Pyiamide aufgefasst werden kann abznzieben und 3g=0
zu setzen. Man erhält dann
^ fffi f 2 (Pj -f Pj 4 (p, + g^ -j-p») + 3p,^ ')■ (3)
Für eine geradzahlige Anzahl von Schichten würde sich diese Formel
wenig modifizieren ; selbstverständlich ist auch sie der Ausdehnung auf beliebig
viele Prismatoide fiihig.
Die Einsetzung der Werthe aus der Tabelle V ergab als Kaiserstuhl-
volura zwischen 200 und .b.oO m Höhe
1. (Prisma) 7,689 ebkm
2. (Kegelstumpf) 7,571 ebkm
3. (Prismatoid) 7,526 ebkm.
Die Differenzen sind nicht als grosse zu betrachten ; auf das Ergebnis
nach der zweiten Methode bezogen , betragen sie für das Prisma -|- 1,55 %,
für das Prismatoid — 0,61 %. Trotzdem ist es von Wichtigkeit zu wissen,
welcher Wert als der zuverlässigste anzusehen sei.
Figur 5 sei ein Teil des Gebirges zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Isohypsonflächon , die im allgemeinen einander nicht ähnheh sein werden.
Errichtet man im Innern des Körpers eine Senkrechte Ss und legt durch sie
Genau zum gleichen Resultate, wie es Eifert mit Zugrundelegung des Prismatoi*
des erreicht, gelangt man auch auf einem (anscheinend) anderen Wege, der mir während
des sehr verzögerten Druckes dieses Aufsatzes bekannt wurde. Nachdem nämlich mein Manu-
skript schon am 6. April 1888 von Freiburg nach Weimar abgegangen war, erschien im Juli-
hefte 1888 der Pctcrmann'schen Mitteilungen S. 209 ein Aufsatz von F. Ileiderich:
,Dio mittlere Höhe Afrikas', in welchem die Volumetrie der Gebirge bezw. Festländer einer
wertvollen kritischen Besprechung unterzogen wird. Nach Ileiderich hat schon 1858 C.
Koriatka in der Abbandlung: «Studien über die Methoden und die Benutzung
hjpaometriacber Arbeiten, nachgewioaen an den Nieveauverhältniaaen der
Umgebungen von Prag* (Gotha, J. Porthoa) den KegoUtumpf eeinen Berechnungen zu
Gnmde gelegt, gleichzeitig aber seine Bedenken gegen diese Methode geäusaert und eine
verbewerte Formel dadur^ abgeleitet, das.s er das Areal einer beliebigen Höhenschichte
zunäch-«t rein willkürlich al« Funktion der Höhe betrachtete: g(x) ^ A ~h B x-^ Cx*, worin
A, B, C noch zu beatimmendo Konstante sind, während x die Höhe der Schicht ^(t) über
dem Ausgangspunkt der Messung bedeutet. Indem nun für x der Reihe nach die Werte
0, h, 2h eingesetzt worden, was gleichbedeutend ist mit der Forderung, dass die Gleichung
fllr^(x) in 3 aufeinander folgenden Isobypaenflächen erfüllt sein muss, werden die Konstanten
SA
leicht bestimmt, und die Integration Vszfg^x) .dx fuhrt schliesslich genau zur Eifert' sehen
«
Formel, wie von vorn herein erwartet werden musste, da Kofistka's Gleichung für g(x) mit
der zugehörigen Konstantenboatimmung geometrisch interpretiert nicht« anderes ausdiiickt,
als dass in einem jeden Yortikalschnilt 3 aufeinander folgende I«ohii'p8on])uukte auf einer
Geraden liegen, d. h. dass der betred'ondo Körper ein Prismatoid ist.
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374 Orometrische Stndieo im Anschluss an dio UnU^reachunf; dea Kaünrstahlf^bir^m.
zwei Ebenen S Aas und 8 Bis, welche einen beliebig kleinen Winkel mit
einander bilden, so kann man die ganze Gebirgsschichte aus beliebig vielen
Körpern von der Form SsAaBb bestehend annebmen. Schon oben ist die
Voraussetzung gemacht worden, dass bei nicht zu grossem Ss = h die Seiten-
linien Aa, Bb als Gerade gelten dürfen. Für einen derart beschaffenen
Körper kann, wie die Stereometrie lehrt, die Prismenformcl nur zu einer
Annäherung an den Wert des Volums fuhren; aber auch die Auffassung
desselben als Pyramidenstumpf begegnet der Schwierigkeit, dass die Grund-
flächen G, und G, nicht ähnlich, die Linien A B und a b also nicht pai'allel
und die Punkte A, B, a, b nicht in einer Ebene gelegen sind. Es bleibt
also nur die Berechnungsmethode mittels des Prismatoids übrig. Durch
Summation all der schmalen Teilkörperchen erhält man das Volum der ganzen
Schicht.
Wollte man aber dem Prismatoid dieselbe Höhe geben, wie dem Pyra-
miden-, bezw. Kcgelstumpf, so müsste noch das Areal des Mittelschnittes (m)
gegeben sein. Mau bedürfte also doppelt sovieler Isohypsenflächen als zuvor.
Dem lässt sich dadurch begegnen, dass man dem Prismatoid die doppelte
Höhe giebt, wie das oben bereits geschehen ist. Hierdurch erhebt sich aller-
dings die Schwierigkeit, dass die Seitenlinie des Körpers, bezw. der Abfall des
Gebirges für die doppelte Höhe als geradlinig angenommen werden muss, und
ausserdem ist die Volum-Formel des Prismatoides nur dann anwendbar, wenn
der Mittelschnitt grösser ist als dio halbe untere (grössere) Grundfläche, wie
die Betrachtung des Körpers ohne weiteres darthut. Erfüllt das Areal des
Mittelschnittes diese Bedingung nicht, dann führt die Prismatoid- Formel not-
wendig auf ein falsches Resultat. Auf diese Boschi-änkung hat Eifert a. a. O.
nicht hingewiesen, sein Vorschlag kann also nicht allgemein befolgt werden.
Da nun aber überall in den unteren Teilen der Gebirge jede folgende Schicht-
fläche grösser ist als die halbe vorhergehende, und da erst in den oberen
Teilen , wo nur noch einzelne Gipfel aus der Hauptmasse herausragen , dies
nicht mehr der Pall ist, während gleichzeitig ihre Umrisse stets ähnlicher
werden, so empfiehlt es sich, von unten her so weit als möglich nach der
Prismatoid-Formel und erst von dort ab, wo dies nicht mehr zulässig ist,
nach der Kegelstumpf-Formel zu rechnen. Für den Kaiserstuhl ergiebt sich
nach Tabelle V
y= ¥ L(- t“ + 2p.) -f 2p.)] +--^ [(p. +p. + j/p, . p.) -f
+ (?6 + Sb + 1 -ft) 4- (i/7 + i/l + k i/7 • i/s)]
= "g- f Pi 4“ i/s 4" 2 (pj -F Ps -f p« 4'i/7) 4 ^ (i/j + 9i) 4- /p6 -i/4 4-kp6'P7-4
+ • P,] = 7,539 ebkm. (4)
Aus der leicht zu beweisenden Ungleichung
* • + A ■ ^ > "^(i/i 1 - 9i 4 - V 9i • 9i )4''3“(i/f 4-?» 4“ k i/i • ?j)
Y(?i4-2p,-f Ps)> -|-(p. 4-2p, -f p, /p. .p, 4-F'p,.pa)
folgt, dass von den erhaltenen Volumwerten fl), (2) und (3) jeder folgende
notwendig kleiner sein muss als der vorangehende: Wird derselbe Gebirgs-
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Orometriache Studien in» Anschlusa au die Unterauchung dee Kaiaerstuhlgebirgea. 375
körper nach einander als Prisma, Kegelstumpf und Prismatoid berechnet, so
ist stets der folgende Wert kleiner als der vorhergehende. Da nun bei Be-
stimmung von (4' die Methoden (2) und (3) vereinigt zur Anwendung kamen,
so musste sich selbstverständlich ein mittlerer Wert ergehen, und die so er-
haltenen 7,539 cbkm haben wir als die walire Grösse des Kaiserstuhlvolums
zwischen 200 und 650 m Höhe, bezw. als diejenige Grösse zu betrachten, die
dem wahren Wert näher kommt als jede durch ein anderes Rechnungsverfahren
bestimmbare.
Um das gesamte Gebirgsvolum zu erhalten, ist noch der Inhalt der zwei
Kuppen (Todtenkopf und Neunlindenberg) Uber 550 m und derjenige der
Schicht zwischen 200 m und dem tiefsten Punkt der Gebirgsbasis, also 190 m,
zum zuletzt gefundenen Werte zu addieren. Der erstere Posten macht sich
erst in der 6. Dezimale geltend, liegt also weit jenseits der zulässigen Ge-
nanigkeitsgrenze, so dass er vernachlässigt werden kann. Der zweite aber ist
nach der bei der geringen Höhe von 10 m zu brauchbarem Resultate führenden
Kegclstumpfmethode
= 5^(92,51 +86,87+ /92, . 51 . 86,87) = 0,897 cbkm.
Das V'olum des Kaiserstuhlgebirges über dem tiefsten Punkte seiner
Basis ist also 7,539 4' 0,897 = 8,436 cbkm. Wird dieses Volum durch die
Grundfläche dividiert, und der (Juotient zu 190 m addiert, so folgt als H ö h e
des ausgeebnet gedachten Plateaus 281,2 m.
Neben diesen drei oder vier rechnenden Methoden lässt sich nun aber
für die Voiumbestimmung von Gebirgen und Festlandmassen, und ebenso auch
für diejenige von Seebecken und Meeresrüumen in ganz ähnlicher Weise wie
bei der Ermittelung der Kamm- nnd Thalhöhe ein graphisches Ver-
fahren einschlagen, das mühelos zum Ziele führt und von all den theoreti-
schen Bedenken, die vorstehend zur Sprache kommen mussten , sich frei hält.
Figur 6 zeigt auf der Abscissenaxe — Isohypse von 190 m — in be-
liebigem Mafsstabe die aus dem zweiten Teile der Tabelle V entnommenen
Prozentanteile der Höhenschichtenareale von 190 bis 200, 200 bis 250, . . .
500 bis 550 m. Der Einfachheit halber ist jedes Prozent einem Millimeter
gleich gesetzt.
In den Grenzpunkten der Abschnitte sind im Mafsstah 1 ; 5000 die
Höhen 200, 250 . . . 550 m als Ordinaten errichtet, und die Endpunkte dieser
Ordinaten sind durch eine kontinuierliche Kurve verbunden. Das viermalige
Umfahren der so erhaltenen Figur mit dem Polarplauimeter ergab im Mittel
180,2 Einheiten , und da bei natürlicher Grösse jeder Einheit 10 qmm ent-
sprechen , so misst die Fläche der dem V olum des Gebirges proportionalen
B’igur 1802 qmm. Durch Division mit der GruniUinie = 100 mm ergiebt
sich als Mittelhöhe derselben 18,02 mm , und da bei dem gewählten Hühen-
mafsstabe von 1 : 5000 jedem Millimeter 5 m entsprechen, ist die Mittelhöhe
des Kaiserstuhls über dem tiefsten Punkt seiner Basis 18,02 . 5 = 90,1 m und
über dem Meere 280,1 m, während zuvor 281,2 m ermittelt worden sind.
Hieraus ergiebt sich endheh das gesuchte Volum = 92,51 . 0,0901 =
8,335 cbkm statt der oben gefundenen 8,436 cbkm. Die Abweichung beträgt
nur das Resultat und die zu ihm führende graphische Methode kann
demnach als sehr brauchbar empfohlen werden. Gegenüber all den voraus-
setzungsreichen, mühsamen und zum Teil nicht wenig zeitraubenden Rechnungs-
methoden ist daher dieses graphische Verfahren durchaus zu bevorzugen. Es
hat nur die Auswertung der Höhenschichtenarealo zur Voraussetzung und
ergiebt gleichzeitig die Höhe des ausgeebnet gedachten Plateaus und das
Volum des Gebirges ').
5 F. Heidoricb wendet in eoinem oben erw&bnten Aufeatze .Die mittlere Höbe Afrikas'
(Pet Mitt. IbSÖ, S. 20Ü ff.) auf Professor Penck's Vorschlag die oben entwickelte graphische
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376 Orometrische Studien im Anfichlu^s an die Unferguchung deg KaiserRtubIgebirget.
Hiernach kann nochmals kurz zur Besprechung des mittleren Neigungs-
winkels zurückgekehrt werden. Denken wir uns das erhaltene Volum als
liegendes dreiseitiges Prisma über der Basis von 200 m , so folgt nach der
Sonklar’schen Formel (s. oben S. 370) cotgip =V:(l. h'), wol die Kammlünge
und h die mittlere Kammhöhe über 200 m bedeutet.
Für V = 7,539 ebkm folgt y = 6“ 28', für V = 7,438 ebkm (= 8,335
— 0,897) ergiebt sich 33'.
Nach dieser Methode habe ich bereits in meiner „Ororaetrie des Schwarz-
waldes“ die mittleren Neigungswinkel der Kammgehiinge ermittelt. Fasst man
andererseits das Gebirgsvolum als Kegel auf, so ist F = woraus folgt
n = ys V:nh und cotg if — Q -.h. Hierin bezeichnet h die Höhe des höchsten
Gipfels über 200 m. Für V = 7,539 ebkm folgt y = 4° 35', für V = 7,438 ebkm
wird y = 4“ 40'.
Im ganzen haben wir daher für den mittleren Neigungswinkel des Kaiser-
stuhlgebirges folgende Werte erhalten:
1
o.-z.
O
-3
i
M 0 t,h 0 d 0
“'S
1.
N.
Gebirge als Kegel über 200 m hoher Basis gedacht;
Grundfläche r'iz = 86,87 qkm, Höhe h = dem Ab-
stand des höchsten Gipfels von der Grundfläche,
cotg ifi = r :h
3« 54'
2.
N.
Volum F über 200 m (7,539 cbkm)]= ; p =
l/SVinh, h dasselbe wie bei Nr. 1, cotgy = p:/i
4» 35'
3.
N.
Ganz wie Nr. 2, aber F = 7,438 ebkm
Einzelwinkel cos = o» : <i„ , </> = (i’ 9 „) ; w , worin
die Höhendifferenz der mittleren Kammhöbe und der
Kammbasis, a„ den Horizontalabstand, n die Anzahl
der gemessenen Winkel bedentet
4« 40'
4.
S.
4« 56'
5.
Gs.
d wie in Nr. 4, ö = halbe mittlere Kammbreite, cotg if
~b-.d
5» 17'
6.
N.
Arithmetisches Mittel der Neigungswinkel aller Höhen-
stufeu, diese als Kegelstumpfe gedacht
5“ 24'
7.
N.
Aehnlich wie Nr. 4, aber die Messungen stets auf wirk-
liche Kammpunkte bezogen , nicht auf die mittlere
Kammhöhe
5“ 40'
8.
N.
V = Id’ cotg f ; cotg <p= V:{1 d’), l Kammlaiige, d wie
in Nr. 4, F — 8,055 ebkm (s. S. 370)
6» 04'
9.
N.
Wie Nr. 8, aber F — 7,539 ebkm
6» 28'
10.
N.
Ebenso, aber F — 7,438 ebkm
6* 33'
Nach früheren Ausführungen ist der Wert Nr. 5 (b® 17') ein Minimum,
der Wert Nr. 8 (6° 04') ein Maximum. Zwischen diesen Grenzen liegt also
der wahre Wert des mittleren Neigungswinkels, so dass Nr. 1 — 4, 9 und 10
nicht weiter diskutiert zu werden brauchen. Jedenfalls zeigt obige Zusammen-
Methode ebenfalls an. Ich verweise deshalb auf die Zeitangaben S. S73, Anmerkung. Da
Heiderichs Arbeit am Schlüsse die Angabe ,Wien, im Krühhnge 1888* trägt, wird man für
die von ihm bezw. von Prof. Penck und von mir jeweils solbstilndig gegebene graphische
Volumbereebnung annähernde Gleichzoitigkeit annehmen dürfen.
*) S. ’ Sonklar, Gs. = Gsaller, N. *= Neumann.
Digilirod by
Orometrischo Stadien im Anschluea an die Untersuchung des Kaiserstuhlgebirgos. 377
stellang, dass der mittlere Neigungswinkel schon eines einzigen Kammes, ge-
schweige denn eines ganzen Gebirges die unsicherste Grosse der Orometrie
ist. Will man sich trotzdem auf eine Bestimmung derselben eiulassen, so
scheint es am zweckraässigston, für jeden zu untersuchenden Kamm nach der
einfachen Gsaller’schen Methode das Minimum , und statt nach der eigene
HUlfsmittel erforderlichen Methode 8 nach Nr. 9 das Maximum ahzuleiten.
Das Mittel dieser äussersten Werte (5° 52') mag dann als der gesuchte Mittel-
wert angesehen werden. Zum mindesten dient er als wichtige Kontrolle für
die Methode 7 (ö® 40'), welche darum von ganz besonderem Wert ist, weil sie
als die einzige wirklich vorkommende Einzelwinkel ableitct, die gewiss in vielen
Fällen von Interesse sind. Nr. 7 erfordert aber zum Zwecke der Mittelziehung
sicherlich eine grosse Anzahl Einzelmessungen ; die Mittel selbst sind aber
nur für einzelne Kumme oder kleinere Gruppen abzuleiten ; ändert ja doch
ein und derselbe Kamm seine Gefällsverhältnisse oft schon auf sehr kurze
Strecken ganz bedeutend. Am Kaiserstuhl schwanken die 32 gemessenen
Winkel von 3® 35' bis 9® 30'.
Wir sind am Schlüsse unserer Ausführungen angelangt, indem alle wich-
tigeren orometrischen Methoden auf ihren AVert und ihren Genauigkeitsgrad
geprüft worden sind , wobei es auch möglich geworden ist , drei derselben,
nämlich die Bestimmung der mittleren Kammhöhe, der mittleren Thalhöhe
und der Höhe des ausgeebnet gedachten Plateaus bezw. des Gebirgsvolums
durch ein leichtes graphisches Verfahren zu vereinfachen. Es empfiehlt sich
wohl, das Programm einer orometrischen Untersuchung, wie es sich durch vor-
stehende Entwickelungen ergeben hat, übersichtlich zusammenzustellen, wobei
nicht unerwähnt bleiben darf, dass je nach dem Bau des Gebirges ein oder
der andere der folgenden Punkto ausfallen wird :
1. Genaue Umgrenzung des Gebirges und seiner Einzelgruppen.
2. Bestimmung der Höhenlage aller Grenzlinien in wichtigen Einzel-
punkten und im ganzen.
Festsetzung der Gruppen- bezw. Gebirgsbasis.
3. Ermittelung des Flächeninhaltes der Gebirgsbasis und der einzelnen
Höhenschichten.
4. Bestimmung der Höhe des ausgeebnet gedachten Plateaus und damit
des Volums für das Gebirge und seine Eiuzelgruppen über der je-
weiligen Basis (auf graphischem Wege).
5. Festsetzung der Haupt- und Nebenkämme jeder Gruppe.
6.
V
„ Kammlängen und der mittleren Kamm-
höhen (auf graphischem Wege)
7.
it
„ Höhe des jeweiligen höchsten Gipfels
für jeden
8.
ft
„ Mittelhöhe der höchsten Gipfel
Einzel-
9.
fi
„ mittleren Gipfelhöhe
kamm wie
10.
ft
„ mittleren Passhöhe
für die
11.
ft
„ Mittelhöhe der tiefsten Pässe
einzelnen
12.
ft
„ Höhe des tiefsten Passes
Gebirgs-
13.
ft
„ mittleren Schartung und des mittleren
Schartungswinkels
gruppen.
14.
ff
„ mittleren tiefsten Schartung ,
15.
ft
extremer Werte des Neigungswinkels der Kammgehänge,
sowie der Grenzen für den mittleren Neigungswinkel (und
des mittleren Neigungswinkels selbst?) — nur für einzelne
Kämme oder kleinere, gleichartig gebaute Gebirgsgruppen.
16.
ft
des Anfanges, Endes, der Länge und Mittelhöhe jedes
Thaies (letztere auf graphischem Wege).
17.
ff
des mittleren Thalgefullcs der Thäler, eventuell des Ge-
fälles einzelner Thalstrecken.
i
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378 Orometrüche Studien im Anschluss an die Untenuchung des Kaiserstuhlgebirges.
18. Festsetzung der Ueberhöhung des höchsten Gipfels, der mittleren
Kammhöhe und dos ausgeebnet gedachten Plateaus über der jeweiligen
Kamm- bezw. Gebirgsbasis.
Für den Kaiserstuhl, der allen vorstehenden Entwickelungen als Grund-
lage gedient hat, haben die genannten Grössen folgende Werte :
Höhe der Gebirgsbasis 190 — 200 m.
Areal der Gebirgsgrundfläche 92,51 qkm. (Die Flächen der Höhenstufen
cf. TabeUe IV und V.)
Höhe des ausgeebneten Plateaus 280,1 m. (Graph. Meth.)
Volum des Gebirges Uber dem tiefsten Punkte der Basis 8,335 ebkm.
(Graph. Meth.)
Kammlänge 18,92 km, mittlere Kammhöhe 412,6 m. (Graph. Meth.)
Höchster Gipfel 558,7 m.
Mittelhöhe der höchsten Gipfel 545,9 m.
Mittlere Gipfelhöhe 433,8 m.
„ Passhöhe 404,2 m.
Mittelhöhe der tiefsten Pässe (tiefster Pass) 396,9 m.
Mittlere Schartung 29,6 m, mittlerer Schartungswinkel 5* 16'.
„ tiefste Schartung 149,0 m.
Extreme Werte des KammgeCalles 3“ 35' bis 9® 30'; Grenzwerte für den
mittleren Neigungswinkel 5" 17' und 6” 28'; (mittlerer Neigungswinkel
5« 40' bis 5» 52'?).
Höhe des Thalanfanges 320 m, des Thalendes 188 m; Thallänge 6,15 km.
mittlere Thalhöho 237,8 m (graphische Methode).
Mittleres Thalgefalle l* 14', Extreme des Thalgefalles 2“ 31' bis 0*41'.
Ueberhöhung des höchsten Gipfels Uber dem tiefsten Punkte der Kamm-
basis 368,7 m.
Ueberhöhung der mittleren Kammhöhe Uber dem tiefsten Punkte der
Kammbasis 222,6 m.
Ueberhöhung des ausgeebnet gedachten Plateaus über dem tiefsten Punkte
der Kammbasis 90,1 m.
Freibarg i. B., Ende Mllre 1888.
Verbesserungen von Druokfehlern:
S. 825 Z. 10 von oben ist zn lesen:
k — rt i ^ 4,1 (Ä,i -f A,, -f. i) statt t = ^ 2 dft {hft ft 1).
S. 331 Z. 3 von oben ist zu lesen: 826 statt 236.
S. 361 Z. 4 und Z. 7 von unten ist zu lesen: Isohypse statt Isobyphe; ebenso S. 362
Z. 11 und Z. 14 von oben.
Drei Mercator- Karten in der Breslauer Stadt - Bibliothek.
Von Alfonn Hcyer (Breslau).
V'orwort.
Im Laufe des vorigen Jahres übernahm ich zum Zwecke eigener Studien
die Katalogisierung einer noch ungeordneten , ansehnlichen Sammlung älterer
geographischer Kurten, welche sich im Besitz der Breslauer Stadt-Bibliothek
befinden. Die Erlaubnis hierzu wurde mir seitens des städtischen Bilbliothekars
Herrn Professor Dr. Markgraf in bereitwilligster Weise erteilt. Die erwähnte
Sammlung, welche durchweg aus einzelnen Karten des verschiedensten Formats
besteht, war bisher nach einzelnen Ländern in einige 40 Fascikel verteilt.
Nur das erste unter diesen bildete davon insofern eine Ausnahme, als in ihm
alle jene Blätter vereinigt waren , welche aus italienischen Kartenoffizinen des
16. Jahrhunderts, zumeist venetianischen, hervorgegangen waren. Sonst stammen
die Karten in der überwiegenden Mehrzahl aus dem 17. und 18. Jahrhundert ;
ihre Darstellungen umfassen alle möglichen Gebiete der Erde. Wie bei der
Mehrzahl der Blätter die in der rechten unteren Ecke angebrachten, durch-
gängig gleichartigen und von einer Hand herrührenden , aus einer Anzahl
von Buchstaben zusammengesetzten Signaturen beweisen , muss die Sammlung
ehemals, bevor sic noch in den Besitz der Stadt-Bibliothek kam, nach einem
gewissen System geordnet gewesen sein. Da die neue systematische Aufnahme
und Zusammenstellung der, wie schon gesagt, ziemlich umfangreichen Samm-
lung zur Zeit noch nicht zu Ende geehrt ist, so behalte ich mir eine ein-
gehende Besprechung für künftig vor. Sie verdient eine solche sowohl wegen
manches in ihr befindlichen interessanten einzelnen Stückes, als auch wegen
des reichen und nicht zu unterschätzenden Stoffes, den sie im ganzen betrachtet
für die geschichtliche Seite der kartographischen Disziplin darbietet.
W’ährend ich mit der betreffenden Sammlung beschäftigt war, machte
mir Herr Prof. Markgraf die gütige Mitteilung, dass auch ausserhalb dieser
Fascikel noch eine weitere Anzahl älterer Karten in Rollen auf den Boden-
räumen der Bibliothek verwahrt würden ; und dass sich unter diesen auch
eine Weltkarte von Gerhard Mercator befände, welche nach
seiner Vermutung ein zweites Exemplar der bisher als Uni-
kum angeführten grossen Mercatorschen Weltkarte in der
Pariser National-Bibliothek sei.
Diese teils in Rollen, teils in zylindrischen Futteralen von starker Mappe
aufbewahrten Karten waren , wie mir weiter mitgeteilt wurde , schon früher
zusammen mit einer Kollektion von historischen Karten, Scblachtplänen, Grund-
rissen, Prospekten etc. von einem Privatliebhaber inventarisiert worden. Ein
Nachschlagen in diesem inventarischen Verzeichnisse ergab in der That unter
der Signatur Bs. R. 26 (Bildersammlung Bolle 26) den Eintrag : Weltkarte
von Gerhard Mercator. Duisburg. 1569. Zu meinem nicht geringen
Erstaunen fand ich aber gleich in den drei nächsten Nommem 27 — 29 noch
i
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380
Drei Mercator* Karton in der Breslauer Stadt* Bibliothek.
drei weitere Karten von Mercator angezeigt : 27. Europa von Gerh.
Mercator. Duisburg 1554. 28. Angliao, Scotiae et Giberniae
nova descriptio. Gerh. Mercator. Duisburg. 1564. 29. Karte
von Flandern von Gerb. Mercator. Duisburg. Die den Xuramern
26 — 28 zugefügten Jahresangaben , welche genau mit den wirklichen Publi-
kationsjahren der betreffenden Karten Ubercinstimmten , erweckten io mir die
freudige Hofl'nung, dass ich hier einen kostbaren und allen Verehrern Mercators
sicherlich hoch willkommenen Fund gethaii batte.
Die Einsicht in die zur Stelle geschafften Exemplare bestätigte denn auch
diese Hoffnung für die Nummern 26 — 28 vollauf ‘). Es hatten sich in der
Tbat von den in grossem Mafsstabe ausgefiihrtcn kartographischen Arbeiten,
welche Mercators Namen tragen und mit nur zwei Ausnahmen bisher für ver-
loren galten , zwei zu gleicher Zeit und an gleichem Orte wiedergefunden,
nämlich die Karte von Europa vom .fahre 1554 und die der Britannischen
Inseln von 1564. In Bezug auf die dritte Karte konnte ich die Vermutung
des Herrn Prof. Markgraf als vollkommen zutreffend bestätigen. Die No. 26
enthielt wirklich ein Exemplar, und zwar ein vortrefflich erhaltenes, der grossen,
in seiner Projektion entworfenen Weltkarte Mercators von 1569, von der
bisher nur das einzige Exemphir im Besitz der Pariser National -Bibliothek
bekannt war. Auch dieses ist, wie bekannt, früher in deutschen Händen ge-
wesen und erst aus dem Nachlasse Klaproths für die Pariser Bibliothek
angekaufl worden. Dass sich nunmehr auch eine deutsche Bibliothek
rühmen kann ein Exemplar dieses gepriesenen Monumentes der Kartographie
zu besitzen , wird gewiss jeden deutschen Fachgenossen Mercators mit hoher
Freude erfüllen.
Dass diese kostbaren Blätter schon vor Jahren durch des obenerwähnten
Liebhabers Hände gehen konnten, ohne dass derselbe ihren Wert erkannte, ist,
wenn auch wegen der Verspätung der Entdeckung zu bedauern, doch sehr
verzeihlich; denn für ihn hatte, wie es scheint, jene Kollektion nur vom
ikonographischen Gesichtspunkte aus Interesse. Geographische Fachkenntnisse
fehlten ihm augenscheinlich und so inventarisierte er denn jene Karten nur,
weil sie sich zufällig unter jene Blätter verirrt hatten , denen er seine Auf-
merksamkeit hauptsächlich zuzuwenden gedachte. In der That gehören auch
die Nummern 26 — 29, wie die Art der in der rechten unteren Ecke befind-
lichen Signatur beweist, ebenfalls zu der Sammlung, deren Ordnung ich in
Händen habe (s. ob).
Ich kann nicht umhin an dieser Stelle Herrn Prof. Markgraf für
sein überaus liebenswürdiges Entgegenkommen meinen Dank auszusprechen ;
denn erst seine gütige, die Mercatursche Weltkarte betreffende Mitteilung
machte mich auf jenes inventarische Verzeichnis aufmerksam und ermöglichte
so auch den Fund der Nummern 27 und 28. Ferner darf ich zu erwähnen
nicht unterlassen, dass sich auch bei No. 28 jenes Inventars bereits ein Blei-
stiflvermerk von Prof. Markgrafs Hand vorfand; „Nach Peschei, S. 122 noch
n i e anfgefunden".
*) Die unter No. 20 verzeichnete Karte von Flandern Mercators erwies sich als iden-
tisch mit dem Blatt „Flaodria“ in dem Theatrum orbis terrarum des Abrah. Ortelius. Ant-
werpen. 20. V. 1570 (edilio ptinceps) No. 17. Dasselbe ist eine Reduktion der Mercatorschen
Karte von Flandern und tragt demsufolge auch links unten die Bemerkung: Oeranlus
Mercator | Rupelmundanus | Describebat | .
Uobrigens ist das Einzelblatt der Breslauer Stadt-Bibliothek Btr die Bibliographie des
Ortoliusschen Theatrum insofern von Interesse, als es den Beweis liefert, dass einzelne der
im Tbeatrum befindlichen Karten schon vor 1570 als fliegende Blatter im Buchhandel ver-
trieben wurden. Auf unserm Kzemplar fehlt nämlich noch die Bemerkung: Cum Privilegio,
welche sonst alle Karten im Theatrum tragen. Das Privilegium aber, welches sich Ortelius
Ihr sein Vntemehmen verschafft batte, ist datiert; Brüssel, 2:t. X. 1569. Aehnliche Blätter,
die sonst mit Karten des Theatrum identisch, aber ohne Privileg sind, finden sich in der
Breslauer Stadt-Bibliothek noch mehrere.
Drei Mercator« Karten in der Breslauer Stadt ‘Bibliothek. 381
I. Gerhard Mercators Europa. Duieburg 1554.
Da die AVeltkarto schon durch die Faksimileausgabo in Jomards Monu-
ments der allgemeinen Kenntnis zugänglich gemacht worden ist, von der Karte
der Britannischen Inseln aber aus der Biographie Mercators bekannt sein
dürfte, dass dieses Blatt nicht zu seinen Originalarbeiten gehört, sondern auf
den speziellen Wunsch eines englischen Freundes nur von ihm gestochen wurde,
so wird sich naturgemäss das Hauptinteresse auf die Karte von Europa kon-
zentrieren. Bekanntlich rührt von dem Zeitpunkt ihres Ersclieineus der Kuf
Mercators als des grössten darstellenden Geographen seiner Zeit her. Allo
Zeitgenossen sind ihres Lobes voll; quod opus, sagt von ihr der Freund
und Biograph Mercators, Walter Ghjmmius, tantis laudibus itdoctissi-
mis quibusque viris passim effertur, ut vix simile in Geo-
graph ia in lucem unquam prodiisse vidcatur, und er traf
damit den Xagel auf den Kopf: in der That, die darstellende Kunst
der Erdbeschreibung batte bis zum Erscheinen von Merca-
tors Europa nichts auch nur annähernd dieser Darstollnng
Gleich endes unter ihren Schöpfungen aufz uw eisen. Wie man
seine Weltkarte ein cpochcraaclieiides Ereignis für die EntwickoUmg der mathe-
matischen Seite der Kartographie nennen kann^ so könnte man das Gleiche in
bezug auf ihre kritische Seite von der Karte von Europa sagen. In ihr hat
Mercator ein geradezu klassisches d^Iuster für die kritische Bearbeitung des
für kartographische Darstellungen vorhandenen Materials seiner Zeit aufge-
stellt. Er hat als Ei'satz für die positiven Grundlagen, wie sie unseren Karto-
graphen in 80 reichem Masse zur Verfügung gestellt werden , aus der sorg-
fältigsten kritischen Vergleichung und Sichtung seiner Quellen allerdings nur
hypothetische gewinnen können; aber was ein Genie selbst auf einer so lücken-
haften und hypotlietischen Basis aufzuführen vermag, hat Mercator unseren
staunenden und bewundernden Blicken in seiner Karte von Europa gezeigt.
Schon diese Leistung eriiebt ihn zu der Stellung des grössten und epoche-
machenden Kartographen seiner Zeit , welche ihm Ijishcr aus mangelnder
Kenntnis dieses Meisterwerks die Geschichte der Wissenschaft nur auf Grund
seiner 15 Jahre jüngeren Weltkarte zuerteilen konnte. Bedauerlicherweise
scheint aber seinen Zeitgenossen auch für den eigentlichen Wert dieses karto-
graphischen Monumeutalwerks das richtige Verständni.s gefehlt zu haben, wie
sic es für die plmnomenaleu Verdienste der späteren Weltkarte um die mathe-
matischen Grundlagen der Kunst nicht haben linden kimnen. Denn so klar
und deutlich sich auch Mercator in seiner Legende: Beneuolo lectori (s. unt.
Leg. I) über die Metliode seines Verfahrens ausgesprochen liat, so beweisen
doch die abermaligen Uückschritte, welche wir bei grösseren kartographischen
Publikationen der nächsten Jahrzehnte wahrnehmen, dass seine Worte spurlos
verhallt waren.
Mercator legte, wie zu seiimra Verdienste nicht oft genug betont werden
kann , für seine Person den Hauptwort eigener wie fremder kartographischer
Arbeiten stets nur auf die inneren Vorzüge derselben. Gleichwohl wusste
auch er, der ja immer alle Faktoren in Betracht zog, heziiglicli der äusseren
Ausstattung seiner Karte mit dem Geschmack der Zeit uml des kuutlustigen
Publikums zu rechnen. Der ügurenreiche Kähmen der ganzen Karte, wie der
einzelnen Legenden kann in dieser Beziehung selbst unbescheidenen Ansprüchen
Genüge thun. Stich und Druck waren, wie immer bei Mercator, tadellos.
Dass bei allen diesen Vorzügen der Absatz ein grosser war, lässt sich
w’olil denken. Es muss daher geradezu wunderbar ei*scheinen , dass von der
grossen Auflage sich bisher nur dieses eine Exemplar hat finden lassen. Ver-
breitung fand die Karte wegen des Gegenstandes ihrer Dai*stellung unzweifel-
haft allenthalben, wo nur irgend Kunst und Wissenschaft gepflegt wurden.
Vielleicht ist ihr aber gerade ihre vorteilhafte äussere Erscheinung zum Ver-
30
l
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382
Drei Mercator-Karten in der Breslauer Stadt -Bibliothek.
hängnis geworden. Wie der Präsident des (xeheimen Rats Viglius a Zuichcm
sie in seiner Bibliothek am Kamin hängen hatte •), so wird sie auch von
andern ihres schmucken Aussehens halber als Waiidverzierung benutzt worden
sein. Auf fliese Weise mag denn allerdings so manches Exemplar, nachdem
es durch Staub, Feuchtigkeit etc. unansehnlich geworden war, in die Rumpel-
kammer gewandert und dort schliesslich ganz zu Grunde gegangen sein. —
Die Seltenheit und Kostbarkeit der Karte, sowie ihre ungemeine Wich-
tigkeit nicht nur für die Entwickelung der kartographischen Bedeutung Mer-
cators , sondern für die Geschichte der kartographischen Disziplin überhaupt,
muss ganz selbstverständlich den Wunsch erregen, sie in w’ürdiger Weise
der allgemeinen Kenntnis zugänglich zu machen. Die vorzügliche Wiedergabe
der von Dr. Oscar Brenner 1886 in München aufgefuudenen grossen Karte
des Olaus Magnus durch die Bruckmannsche Verlagsanstalt für Kunst und
Wissenschaft in München lässt wohl das von ihr angewandte Lichtdruckver-
fahren als das für solche Publikationen geeignetste erscheinen.
Vor der Hand muss sich der Leser dieser Zeilen wohl oder übel mit der
Uebersicht begnügen, welche ich in der linearen Verkleinerung von 1 : 4 hier bei-
folgen lasse. Es war nicht die Mühseligkeit der Arbeit, die mich veranlasste von
einer vollständigen Reduktion abzusehen. Es standen mir vielmehr die sinn-
verwirrenden und augeublendenden Reduktionen , wie sie Joachim Lelewcl in
seinem Atlas zur Geographie du moyeu-äge giebt, als abschreckende Beispiele
zu lebhaft vor den Augeu , als tlass ich gewagt hätte das ganze kolossale
topographische Detail der Originalkarte auf so kleinem Raume wiederzugeben.
Ich habe mich daher auf die Konturen des Erdteils und auf die orographischen
und hydrographischen Verhältnisse beschränkt Die Komenklatur der letzteren
habe ich nur im östlichen Teile der Karte beigefügt, weil in diesen Gegenden
der Mangel sicherer Angaben Mercator zu einzelnen Irrtümern namentlich in
der Bezeichnung der Wasserläufe verleitet hat.
Im übrigen habe ich mir die möglichste Treue und Genauigkeit bei allen
Eintragungen zur PHicht gemacht Distanzen , Breiten und Längen wurden
zumeist durch oftmalige Messungen mit dem Millimetermass, selten nach Augen-
mass festgestellt. Letzterem liess ich nur bei Einzeichnuug unbedeutender
Wasseradern freieren Spielraum. Die Ungewohntheit der Arbeit und die nur
von dem Kenner richtig zu schätzende Schwierigkeit einer Reduktion über-
haupt mögen die unzweifelhaft trotz aller Sorgfalt noch vorgefallenen ünge-
nauigkeiten entschuldigen.
Ich gehe nunmehr zur Besprechung der Karte selbst über.
Das Aoussere der Karte.
Mehr als durch ihr fast 333 jähriges Alter hat die Karte in ihrer äusseren
Erscheinung durch die unpraktische und nachlässige Behandlung gelitten,
welcher sie im Imufe der .Jahre — von wem, ist ja für die Sache selbst
gleichgültig — ausgesetzt gewesen ist. Sie wurde, wie es den Anschein hat,
schon früh auf Leinwand gezogen ; doch muss dieses Geschäft recht unge-
schickten Händen anvertraut worden sein. Die Sektionen sind zwar leidlich
aneinander gepasst (freilich so, dass eine Zusammenffdtung nachher nicht mehr
möglich w ar) ; dagegen haben sich , vielleicht durch das Zusammenrollen der
Karte , noch ehe sie ganz getrocknet war , besonders in der linken , oberen
Ecke , zahlreiche Falten und Schrumpfungen gebildet. Nach dem Aufziehen
wurde sodann die ganze Textseite mit einer glänzenden, firnisartigen Flüssig-
keit überstrichen. Der, welcher diese konservatorische Massregel anorducte,
hatte sicherlich dabei nur die lobenswerte Absicht, die Karte durch diesen
Ueberzug vor Feuchtigkeit oder Insektenfrass zu schützen ; und in der That
sind Beschädigungen dieser Art sehr wenig bemerkbar. Dass sein Verfallen
*) Archivea dea arta, aciencea et lettxea, par AI. Pinchart, 1 edric, tome II p. 310— U12.
Drei Mercator* Karten in der Breslauer Stadt -Bibliothek.
B8S
in einer anderen Beziehung für den Gegenstand seiner Sorgfalt zum Nachteil
ausschlagen würde, konnte er nicht voraussehen. Die bestrichene Seite der
Karte nahm nämlich im Laufe der Zeit und unzweifelhaft nur infolge des
Firnisüberzuges eine bräunliche Färbung an, welche das Lesen nicht unbeträcht-
lich erschwert. Es ist die.s namentlich der Fall an Stellen, wo sich das Detail
sehr drängt, und an den Uferlinien, wo ohnehin Wasser und Land nicht durch
den Stich von einander unterschieden sind.
Der beim Aufziehen verwendete Klebstoff und der Firnis haben ferner
im Verein die Leinwand und das Papier so hart, unfügsam und spröde gemacht,
dass die Karte stets in die gerollte Lage, in welcher sie seit jenen Manipulationen
aufbewahrt wurde, zurückzukehren strebt und nur unter Anwendung von Zwangs-
mitteln in einer zur Benutzung geeigneten Lage erhalten werden kann.
Einem späteren Besitzer muss die Höbe der Rolle bei der Aufbewahrung
Unbequemliclikeiten verursacht haben; um diesen auf die einfachste Weise ab-
zuhelfen, hat er, kurz entschlossen, die ganze Karte in der Richtung Ost-West
mitten durchgcschnitton, obendrein mit einer stumpfen Schere, welche zu beiden
Seiten des Schnitts Fasern der Leinwand und mit diesen natürlich auch Teile
des Kartenpapieres herausgerissen hat. Dieses barbarische Verfahren erweckt
um so grösseres Bedauern , als der dadurch verursachte Schaden gerade das
Gebiet Mitteleuropas und speziell Deutschlands trifft, dessen Text und Detail
in der Nähe der betreffenden Stollen fast ganz unkenntlich geworden sind.
Zu dieser Schädigung gröblichster Art treten dann noch einige von Tinte oder
sonst einer ätzenden dunklen Flüssigkeit herrüljrende dunkelviolette Flecke,
von nicht bedeutendem Umfange und meist an nicht gerade wesentlichen Stellen,
ferner einige durch Reibung verursachte hellere Flecke , wo der Text etwas
verwischt und beschabt erscheint , und hier und da kleine Lücken im Papier,
aus welchem infolge der Sprödigkeit kleine Stückchen ausgesprungeu sind.
Da die zuletzt genannten Mängel keinen Teil der Karte völlig unbrauchbar
machen, so kann man sie in anbctracht der Seltenlieit und Kostbarkeit der
Karte immerhin ohne grosses Murren in den Kauf nehmen. In der rechten
unteren Ecke befindet sich die Signatur Kep ; nach derselben hat sie also ehe-
mals zu der Sammlung gehört, von welcher ich eben gesprochen habe.
Gegenwärtig dient zum Schutze unseres Kleinods ein aus starker, steifer
Mappe gefertigter, zylindrischer Behälter, in welchen die beiden Hälften, über-
einander gerollt, geschoben werden. Diese konservierende Massregel w'ar übrigens
schon lange, ehe der grosse Wert der Karte erkannt w'urdc, bei Gelegenheit
der oben erwähnten Inventarisierung getroffen worden. Aber auch beim Ge-
brauch der Karte wird stets grosse Vorsicht unzuempfehlen sein, damit nicht
beim Herausnehmen und Entrollen, sow'ie bei den umgekehrten Manipulationen,
an den schon beschädigten Stellen, namentlich den beiden Schnittlinien, neue
Stückchen infolge zu starken Aufstossens abblättern und verloren gehen.
Eine Remedur der geschilderten, durch die frühere schlechte Behandlung
verschuldeten Mängel erscheint als ausgeschlossen; man würde möglicherweise
sogar den Bestand und die Brauchbarkeit der Kurte ganz aufs Spiel setzen. —
Die Dimensionen unseres Excmplares in seinem dermaligen Zustande
sind folgende: Breite an der nördlichen Seite gemessen: 158,3 cm; an der
südlichen 159 cm. Höhe an der westlichen Seite 65,8 66,1 = 131,9 cm;
an der östlichen 66,4 -f- 66 = 132,4 cm. (Die Differenzen von 7, resp. 5 mm
sind auf die ungleichmässige Schrumpfung nach dem Aufkleben , namentlich
aber auf die in der linken oberen Ecke entstandenen Falten zurückzuführen.
Wegen des Zusammeufahrens des Papiei-s beim Trocknen dürften überhaupt
die angeführten Masse um eine Kleinigkeit zu erhöhen sein.) Die ganze
Kartenfiäche liat demnach einen Inhalt von rund 2,1 Dm. Bringt man den
Rahmen, der in einer Breite von 6 cm rings um die ganze Karte läuft, in
Abrechnung, so bleibt für den zur eigentlichen kartogra])hischen Darstellung
verwendeten Raum eine Fläche von rund 1,8 Dm übrig.
so
384
Drei Morcator* * Karten in der Breslauer Stadt* Bibliothek.
Die Karte besteht im ganzen aus 15 Sektionen, welche sich auf 3 Lagen
zu jo 5 verteilen. Racmdouck (wenn schon er mit seiner Angabe [1,27 X 1,50 m]
die Dimensionen des Blattes annähernd richtig geraten hat), täuschte sich
also in der Annahme, dass der Stich in 6 Sektionen ausgefiihrt wurde. Ich
führe diesen Biographen Mercators hier nur deshalb an, weil er auf diese seine
ganz unbegründete Voraussetzung die weitere Hypoütese stützt und in seiner
dreisten und sicheren Weise vortrugt, dass die Karte zum grössten Teile schon
in Löwen fertig gestellt wurde ’). Die thatsächliche Zaiil von 15 Sektionen
und die Angabe des zeitgenössischen Biographen Mercators, Walter G-hymmius,
tabulasque tres vel ([uatuor ibidem (in Löwen) perfecerat,
ca^teras (allatis sec um a?neis tabulas cum hic habitatum
veniret [nach Duisburg]) bienuii spatio . . . absolvit, beweisen viel-
mehr, dass Mercator den Stich io Löwen eben erst begonnen hatte, und den
bei weitem grösseren Teil (mindestens 11 Sektionen) in Duisburg ausführte.
Woher übrigens Breusing ’) die Nachricht nahm, dass die Karte aus 8 Blättern
bestand , vermag ich nicht zu ermitteln ; die Blundevüleschen Exercises , aus
denen er seinen zutreiTeudeu, wenn auch nur negativen Schluss betrefl'end die
Projektion unserer Karte zog und die ihm vielleicht auch für jene Nachricht
als (juello dienten, standen mir zur Durchsicht nicht zu Gebote.
Die Ausführung des Stiches ist, w*ie es in Mercators sorgfältiger und
gründlicher Art lag, von einer bis ins kleinste Detail gebenden Akkuratesse ;
die Linienführung ist scharf und kräftig, ohne dabei eine gewisse Eleganz ver-
missen zu lassen. Letztere kommt namentlich zur Geltung in dem Kartentext,
für welchen Mercator die itaUenische Kursivschrift verwendete, deren Einführung
in die kartographische Technik bekanntlich ebenfalls sein Verdienst ist*). Wie
ich schon oben vorübergehend erwiiimte, sind die Wasserflächen von den Land-
flächen durch den Stich nicht besonders unterschieden ; cs hatte dies w'ohl
darin seinen Grund, dass bei so grossen und zumeist an der Wand zu be-
festigenden Karten, wie die von Europa, von vornherein auf eine vollständige
Illuminierung gerechnet wurde, welche dann allerdings die Mühseligkeit der
Schraffierung der grossen Wassertiiiehen völlig überflüssig machte. Unser
Exemplar ist nicht vollständig illuminiert; namentlich sind die Wasserflächen
von jeder Farbe frei gehlieben, und cs treten infolgedessen die Umrisse der
Landtiächen etwas weuigm* scliarf liervor, als es für die Uebersichtlichkeit
wünschenswert erscheint. Die Ausmalung beschränkte sich auf eine leichte
Färbung der politischen Grenzen, der Gebirgszüge und Wälder und der topo-
graphischen Signaturen; nur für den Anstrich der Ornamente der Legenden-
Kahmcn musste der Farbenkasten etwa.s stärker herhalten.
Zu den Ansprüchen, welche der damalige Zeitgeschmack und wohl nicht
nur der dos grösseren und ungelehrten Publikums an ein grosses Karten-
blutt stellte , gehörte auch ein gewisses ornamentales und ügurales Beiwerk ^).
Mercator verstand auch in dieser Hinsicht die Käufer seiner Karte zu-
frieden zu stellen. Eh führte rings um die ganze Fläche einen 6 cm breiten,
mit Darstellungen aus dem Fauneulehen geschmückten Streifen und umschloss
*) J. v»u Racmdonck: G^rard Mercator. St. Nicolas. 1869. S. 79.
*) A. Breusing: Leitf. durch d. Wiegenalter der Karlographie. Frankf. a. M. 1883. S. 20.
*) Breufiing: Gerhard Kremer gen. Mercator. Duisburg. 1869. S. 8.
*) Wir finden dasselbe auch noch auf hp&tcron Blattern, bistiof in das 18. Jahrhundert
hinein. Ko hatte sich nur mit der Zeit auf die nächste l'ingobung des Titels konzentriert
Die Ofßzinen dos 17. und 18. .Tahrhiindcrtg venvandten auf diese ^Parerga*, wie der tech*
nischn Ausdruck lautete, eine ungemeine Sorgfalt; und wir begegnen in ihnen oftmals
gradüzu kün>-tlcrischen LoiHtungeo des Kupferstichs. Zum Gegenstand eines .Parergona*^
wurde in der Regel ein Stillleben aus Landesprodukton, ein I^andschaftsbild, eine Trachten*
gruppe oder Aehnliches gewählt, mit heziehuiigsreichen Annpielungoo auf das von der Karte
uargestellte Land. Diese künstlerische Seite der älteren kartographischen Produkte verdient
wohl auch von der speziellen Kunsthistorie höhere Beachtung, als sie bisher meines Wissens
gefunden hat
Drei Mercator- Karlen in der Breslauer Stadt -Bibliothek.
385
auch die grösseren Legenden mit reich ornamentierten Rahmen. Doch hielt
er von der Darstellung selbst alles Bilderwerk sorgBUtig fern. Nur auf dem
offenen Meere sind einige Schiffe und aus den Fluten tauchende Seetiere zu
gewahren. Er hielt eben auch hierin den reinwissenschaftlichen Standpunkt,
auf welchen er sich in seinen kartographisclien Arbeiten ausschliesslich stellte,
durchaus fest.
Mit dieser äusseren Ausstattung trat denn, wie die Legende VII mit-
teilt, im Oktober des Jahres 1554 die Karte Europas vor die Oeffentlichkeit.
Um sich die Früchte seines mehrjährigen Fleisses zu sichern, hatte sich
Mercator für seine Karte, um sie vor Nachstich zu schützen, zwei Privilegien
verschafft, ein kaiserliches auf 10 .Jahre und eines vom Senat von Venedig
auf ebensolange (siche Legende VIII) ; namentlich das letztere erschien der
unglaublichen Gewissenlosigkeit der damaligen, mit ihren Fabrikaten den Markt
beherrschenden, venetianischen Kartenoffizinen gegenüber höchst angebracht.
Es scheint seinen Zweck übrigens erfüllt zu haben, da ein Nachstich niemals,
80 viel mir bekannt ist, publiziert wurde.
Gewidmet hat er sein stolzes Werk mit schlichten Worten (s. Legende IV)
dem Bischof von Arras, Anton Perrenot*), Herrn von Granvella,
mit welchem er schon seit der Ijöwener Zeit in wissenschaftlicher Korre-
spondenz stand, als einem hervorragenden Mäceu aller Wissensclmften und
Studien.
Die Projektion der Karte.
So lange man die Karte nicht aus eigener Anschauung kannte, mussten
natürlich alle Angaben über die Projektion, welche Mercator für ihren Ent-
wurf zu Grunde legte, den Charakter blosser Vermutungen tragen. Allge-
meine Annahme hatte bis vor etwa zwei Jahrzehnten die Ansicht d’Avezac’s
gefunden , dass Mercator die von ihm erfundene Projektion des schneidenden
Kegels schon auf seiner Karte von Europa 1554 angewendet habe. Er konnte
freilich seine Vermutung nur auf einen Rückschluss von dem kleinen Blatte
„Europa“ des späteren Atlas stützen, welches in dieser Projektion gezeichnet ist.
Im Jahre 1860 hat aber B reusing in seinem schon mehrfach erwähnten
Vortrage dargethan, dass die von d’Avezac der Karte supponierte Projektions-
art nicht aufrechterhalten werden könne. Er hatte nämlich in den Exercises
von Thomas Blundeville, einer pädagogischen Schrift aus dem Ende
des 16. Jahrhunderts, eine Beschreibung der Karte Mercators von Europa
aufgefunden, welche die Meridiane des Gradnetzes als krumm-
linig bezeichnet. Krummlinige Meridiane sind aber für die
Projektion des schneidenden Kegels eine Unmöglichkeit.
Da durchaus kein Grund vorliegt an der Angabe des Blundeville zu zweifeln,
80 war dadurch (fAvezacs Hypothese allerdings endgiltig widerlegt •).
In der That hat die Projektion unsrer Karte, wie der Augonscliein
lehrt, mit der des schneidenden Kegels nichts zu thuu. Es crgiebt sicli sogar
mit aller Wahrscheinlichkeit daraus, dass die letztere damals überhaupt von
Mercator noch gar nicht erfanden worden war; er hätte sie im andern Falle
als die unzweifelhaft geeignetere sicherlich zur Anwendung gebraclit. Wenn
D An ihn richtete Mercator auf) I^wen schon am 28. II. da» hochinteressante
Schreiben Aber das Problem der Misaweiaunj? der Magnetnadel (aufgefandon in der Göttinger
Bibliothek und in deutscher Uobersotzung verötTcntUcht von Brcusiitg in: Gerhard Kremer
gen. Mercator. Duisburg. 1869. S. 13).
*) Ich filhre den Titel des Blundevilleschen Werkchens, den Breusing nicht gennuor
anmebt, ira folgenden ausnihiiich an. wie ich ihn nach langtun Suchen in Graease's Tresor
«runden habe: Thomas Blundeville, Exercises coni. 8 Treatises, nccesaary io all young
Gentleman desirous to have a knowlcdge in Co>^mogmphio, Astronomie and Geographie, as
also Navigation (7. Auflage 1636). BreusLog kannte die Auflage von 1594.
386
Drei Morcator* Karten in der Breslauer Stadt* Bibliothek.
der Titel des Uebersichtsblattes Europa im späteren Atlas *) dasselbe gleich-
wohl als eine Reduktion nach der grossen Karte bezeichnet, so kann
mit der letzteren nur die zweite Auflage vom Jahre 1572 gemeint sein ;
dies maehen auch ausser der veränderten Projektion die weiteren Zusätze und
Verschiedenheiten ziemlich wabrscheinlicb. Seiner löblichen und nachahmens-
werten Gewohnheit gemäss spricht sich Mercator in der Nachricht an den
Leser (siehe Legende I : Beneuolo lectori.) in kurzen , aber erschöpfenden
Worten über die Konstruktion der mathematischen Grundlagen seiner Karte
aus. Er sagt daselbst ; Europam descripturi primum curavimus
nt spacia meridianis parallelisijue intercepta quam mini-
mum a rectangulari specic, quam intcrrcstri spherababent,
distraherentur.quopartesilliusexterioresminimumquoque
a sua figura diducerentur, id non me Höre via con sequi p o -
tuimus, quam parallclis ex polo circumductis, medio tabu-
lae meridiano rcliquos hiuc inde iuxta debitam distantiam
subjungend 0 . Seine erste Sorge liess er sein, dass die von Meridianen
und Parallelen eingeschlossencn Flächen , welche auf der Kugeloberfläche als
sphärische Rechtecke erscheinen, auf dem Kartenblatt, also in der Ebene,
sich möglichst wenig von dieser ihnen eigentlich zukommenden Ge-
stalt entfernten. Auf diese Weise sollten die Verzerrungen in der Gestalt
der Länder an den äusseren Teilen (den Rändern) der Darstellung auf ein
möglichst geringes Mass beschränkt werden. Die beste Methode,
dies zu erreichen , glaubte er nun darin gefunden zu haben , wenn er die
Parallele als (gleich abständige) konzentrische Kreise vom Pol aus als Mittel-
punkt zog und alsdann zu beiden Seiten des (als gradlinig angenommenen)
mittleren Meridians die übrigen „gemäss der gebührenden Entfer-
nung“ d. h. nach dem richtigen Verhältnis des betreffenden
Parallele zum grössten Kreise der Kugel, auf den einzelnen
Parallelen abtrug.
Diese Darstellung der Projektion stimmt, wie wir sehen, Zug für Zug
mit der sogenannten herzförmigen Projektion überein , welche
Johannes Stabius bereits am Anfänge des 16. Jahrhunderts an der
Wiener Hochschule lehrte. Breusing scheint der Annahme zuzuneigen , dass
Mercator diese Entwerfungsart als von Stabius herrührend gekannt und sie
nur in die Praxis eingeführt hat. Doch ist in anbetracht der geringen Ver-
breitung der Lehren des Stabius (wir kennen auch für die herzförmige Pro-
jektion seine Autorschaft nur aus Berichten seines Schülers Johannes Werner
in Nürnberg) immerhin die Annahme zulässig, dass Mercator die von ihm
gewählte Projektion selbständigerfundenoder, richtiger gesagt,
noch einmal erfunden hat. Dafür sprechen namentlich seine Gründ-
lichkeit und die Selbständigkeit seiner Erwägungen in allen Fragen gerade
dieser Art, sowie seine eigenen Worte in der Legende, aus denen man doch
wohl herauslescn muss, dass er nach mannigfachen Versuchen und
Ueberlegungen diese Methode endlich als die geeignetste ermittelt hat
Gegen den Verdacht, sich durch absichtliches Verschweigen fremdes Verdienst
aneignen zu wollen , schützen aber Mercator die anerkannte Lauterkeit seines
Charakters und die oft bewiesene Neidlosigkeit und Bereitwilligkeit, mit der
er jedes fremde Verdienst, so unbedeutend es oft auch schien, anzuerkennen
pflegte.
Dass diese herzförmige Projektion sich in besonders hervorragender Weise
zur Darstellung grosser, Uber viele Längengrade sich erstreckender Flächen
eigne, wird niemand, der nur einmal ein auf diese Projektion entworfenes
(Rochtfl unten) EVROPA, | ad magnm Rnropa; Ge* I rardi Mercatorii P. imitati- |
onem, Rumoldi Mercatoris F. { eure edita, feruato tarnen | initio longitudinia ex ratio* 1 ne
roagnetis, quod Pater | in magna fua vniver- { fali pofuit.
Drei Mercator- Karten in der Breslauer Stadt* Bibliothek.
387
Bild z. B. Europas vor Augen gehabt hat, beliaupten. Die Parallele krümmen
sich nach den Rändern zu allzustark nach oben und beeinträchtigen durch
diese Eigenschaft , welche die Orientierung erschwert , die üebersichtlichkeit
der Karte. Sicherlich erkannte auch Mercator die Unzulänglichkeit der von
ihm gewühlten Projektion ; und eben diese Erkenntnis hat ihn wolil zu aller-
nächst veranlasst, seinen Scharfsinn von nun an auf das Studium und die ein-
gehendste Erforschung der für kartographische Arbeiten geeignetsten mathe-
matischen Grundlagen zu richten. Vor 155*1 hatte Mercator noch keine der-
artige direkte Veranlassung gehabt; von den beiden Karten, die vor seinem
Europa erschienen , hatte Palästina (Löwen 1537 , Mercators Erstlingswerk)
wahrscheinlich, die Karte von Flandern (Löwen 1540) sicher gar keine Pro-
jektion. Erst mit dem Wachsen seiner Pläne, mit dom Vertiefen seiner
Ideen, mit dem Umfassen der Erde in immer weiterem Umfange drang
sich ihm die unabweisbare Notwendigkeit besserer, zweck-
mässigerer, den wirklichen, auf der Kugeloberfläche be-
stehenden Verhältnissen, in genauerer Weise Rechnung
tragender Projektionen auf.
Wie ich schon oben andeutete, hat Mercator für seine zweite Auflage
Europas vom .Tahre 1572 wahrscheinlich eine verbesserte Projektion gewählt
und , vorausgesetzt , dass dies der Fall war, unzweifelhaft die Projektion mit
dem schneidenden Kegel , wie sic sich auch auf dem von Rumold Mercator
entworfenen Uebersichtsblatto des Erdteils im Atlas vorfmdet. Wenn übrigens
dieses in Wirklichkeit eine genaue Reduktion der Karte von 1572 sein sollte,
so ist die Bezeichnung der letzteren als einer zweiten Auflage der von 1554
nicht ganz zutreffend. Die Unterschiede wären alsdann so bedeutend, dass
Mercator sichcrlicb die Zeichnung und den Stich von Anfang bis zu Ende neu
hätte ausführen müssen. Hoffentlich bringt ein glücklicher Zufall auch diese
neue Bearbeitung von 1572 recht bald ans Licht; sie würde ein hochinter-
essantes Pendant zu der von 1554 darbieten.
Ich lasse nun die Projektionselemente der Karte folgen, für die ich aber
die Masse der Originalkarte, nicht die der Reduktion gebe.
Mercator nahm für den 360. Teil des grössten Kreises, also für 1“ eine
Grösse von 26 mm an ; er entwarf also seine Karte, um den modernen Aus-
druck zu gebrauchen, im Mafsstab von 1:4281023, oder rund 1:4280000.
Dieser Mafsstab entspricht ungefähr dem unsrer Wandkarten von Europa.
Der Radius für den Parallel der geographischen Breite (p betrug demgemäss
r = (90 — ip).26 mm. Er führte aber das Gradnetz nicht bis zum Nordpole
aus, sondern schloss es mit der Tangente zum 75*’ n. Br. Der Pol resp. der
Mittelpunkt für die konzentrischen Parallele kommt also auf die Verlängerung
des mittleren Meridians noch 390 mm über den Berührungspunkt des 75. Pa-
rallels und der Tangente zu liegen. Im Süden begrenzt den Kartenraum die
Tangente zum Parallel 28* 20' n. Br. Im Stich hat Mercator die Parallele
nur von 5 zu 5° ausgezogen; der Abstand derselben von einander beträgt
also 5 X 26 = 130 mm.
Als mittleren Meridian wählte er den von 37“ 30' ö. L. (v. Ferro), zog
diesen aber auf dem Stich nicht aus. Zu beiden Seiten desselben trug er
dann auf den einzelnen Parallelen die Meridianschnittpunkte „iuxta debitam
distantiam“ ab (für die zunächst rechts und links von 37“ 30' liegenden Meri-
diane 36“ und 38“ natürlich nur in der halben Entfernung). Diese „debita
distantia“ betrug bei dem gewählten Mafsstab auf dem Parallel <p für einen
Längengrad d = 26 . Cos. </>, also für 5 Längengrade (denn auch die Meridiane
sind auf dem Stich nur von 5 zu 5“ ausgezogen) tl = 130 . Cos. ip. Da der
Cos. 60“ = ist, so war auf dem Parallel 60“ ein Längengrad halb so gross
als am Aequator oder als 1“ des grössten Kreises, nämlich = 13 mm, 5 Längen-
grade =65 mm.
388
Drei Mercator- Kartell in der Breslauer Stadl-Biblioüiek.
Bei Zugrundelcgunp! der Bcssclsclien Dimensionen für das Erdsphäroid
(Mercator setzte natürlich noch die vollkommene Kugelgestalt voraus) würden
sich für je 5 Längengrade für die einzelnen Parallele folgende Werte in Milli-
metern ergeben :
30« = 112,7 45« = 92 60« = 65,3
35« = 106,6 50« = 83,7 65« = 54,9
40« = 99,7 55« = 74,8 70« = 44,6
Der Ausgangspunkt der Längen Zahlung,
Mercator beginnt auf seiner Karte von Europa, wie man aus dieser
selbst scbliesscn kann , die Zählung der Längengrade von einer der Inseln
des atlantischen Meeres. Es ist aber nicht zu ersehen, von welcher derselben,
da sich die Darstellung im südlichsten Teile nur bis zum 5« ö. L. erstreckt.
Auch keine der Legenden giebt über diesen Punkt irgend welchen Aufschluss.
Da aber für eine richtige Beurteilung der Karte von Europa die Kenntnis des
0 Meridianes, von dem ihre Längen gezählt werden, von wesentlicher Bedeu-
tung ist, so müssen wir versuchen uns auf indirektem Wege darüber Klarheit
zu verschaffen.
Bekanntlich ging unser Kartograph auch in dieser wichtigen Frage später
nach reiflicher Ueberlegung seinen eigenen Weg. Auf der 15 Jahre späteren
Weltkarte spricht er sich über die Wahl des 0 Meridians für dieselbe in
der Legende : De longitudinum geographicarum initio et polo
m a g n e t i s folgcndermasseu aus : Testatur Franciscus Diepanus
peritissimus nauarchus volubiles libellas magnetis virtute
infectas recta mundi polum respicere in insulis C. Viridis,
Salis, Bonauista, et Maio, cui proximü astipulantur, qui in
Tercera ant S. Maria (insulae sunt inter Ä(ores) id fieri
dieuut, pauci in earundem occidcntalissimaCorui nomine
id contingere opinantur. Quia vero locorum longitudines a
communi magnetis & mnndi meridiano iustis de causis ini-
tium s u m e r e 0 p 0 r t e t , p 1 u r i u m t e s t i m o n i u m s e qu u t u s p r i mu m
meridianum i>er dictas C. Viridis insulas protraxi, . . . Er
begann also die Längenzählung auf der Weltkarte mit demjenigen Me-
ridian, auf welchem nach dem Zeugnisse bewährter See-
fahrer die Magnetnadel reine Nordweisung zeigte. Der 360.
oder 0 Meridian streicht demnach durch die Inseln Y. de Mayo, Bonauista
und Y. de Sal (zwischen 15« und 17“ n. Br.) und durchschneidet die Gruppe
der A?ores insulae in der Weise , dass S. Michaelis und S. Maria östlich,
Tercera (an dessen Ostspitze er dicht vorüberzieht). Pico, Faial, S. Georgio,
Gratiosa westlich von ihm zu liegen kommen.
Nun liegen C. Finisterrae und C. Vincenz auf der Weltkarte 12« 25'
resp. 13« 12', dagegen auf der Karte von Europa 10« 25' resp. 11« 12*.
Der Unterschied betrügt also genau 2«. Genau ebensoviel betrüg aber der
Längenabstand der Ostspitze von Ferro von dem 0 Meridian auf der Welt-
karte. Es ergieht sich also auf diesem indirekten Wege, dass Mercator
auf seiner Karte von Europa von 1554 nach dem Vorgänge
von Ptolemaeus den 0 Meridian noch durch die Gruppe der
Kanarischen Inseln (der ins. fortunatae des Alexandri-
ners) und zwar durch die östliche Spitze der I. Ferro ge-
legt hat.
Wie übrigens die obigen Angaben für die beiden westlichen Vorgebirge
Europas zeigen, haben die Längen unsrer Karte, noch ehe sie die europäischen
Uferlinien erreichen, ein ganz heträclitliches Plus erreicht; dasselbe beträgt für
C. Vincenz -f- 2« 30', für C. Finisterrae -1- 2« 6'.
Drei MercÄlor- Karten in der Breslauer Stadt- BiblioÜiek.
389
Die eigentümlichen und im nächsten Abschnitt näher zu erörternden
Verhältnisse, mit denen Mercator bei seinen auf indirektem Wege angestellten
Längenermittelungen zu rechnen hatte, lassen es wünschenswert erscheinen,
alle noch anzuführende Längenangaben auf einen durch irgend einen Funkt
des Kontinents gehenden Meridian zu beziehen. Da nun von dem Meridian
von C. Finisterrae an das Plus der Längen, je weiter dieselben nach Osten
fortschreiten, konsequent an Höhe zunimmt, so habe ich hierfür den Meridian
von C. Finisterrae angenommen und demgemäss für alle Längen der Merca-
torschen Karte 10“ 25' in Abzug gebracht; die heutigen 6rw. , wenn sie
westlich sind, mussten dementsprechend von 9“ 18' subtrahiert, wenn öst-
lich, zu 9“ 18' addiert werden. (Fortaetzung folgt.)
. Digitijed by Googk
Die Bevölkerungsverhältnisee des russischen Reiches im Jahre 1885.
Von Dr. Vinc. Goohlert.
Nacli dem unlängst eracliieneneii statistischen Jahrbuche von Russland ‘)
umfasste das russische Reich im Jahre 1885 auf 19 008901 Quadratwerst
108 787 235 Einwohner, wovon entfallen
auf das europäische Russland 4 241042 Q.-Werst mit 81725185 Einwohnern
„ Polen 111554 „ „ 7 9603Ü4 „
„ Finland 286042 „ „ 2176421
„ Kaukasien 406 983 „ « 7 284 547 „
„ Sibirien 10945 993 „ „ 4 313680
„ Russisch-Centralasien . . 3017 287 „ „ 5322098 „
Am dichtesten ist Polen (nach der offiziellen Bezeichnung: die Gouverne-
ments der Weichsel) bevölkert (mit 71,4 Einwohnern auf den Q.-Werst), dann
nahezu um den vierten Teil geringer das europäische Russland (mit 19,3) und
Kaukasien (mit 17,9) ; auf Finland entfallen nur noch 7,6 und am dünnsten
verstreut findet eich die Bevölkerung in Russisch-Centralasien mit 1,8 und in
Sibirien mit nur 0,4 Einwohnern auf den Quadratwerst. Nach dem Quadrat-
kilometer berechnet stellen sich die angegebenen Zahlen etwas niedriger.
Auch das Geschlechtsverhältnis der Einwohner unterliegt in den einzelnen
Gebieten manchen Schwankungen ; während in Polen und Finland das woib-
Uche Gesclüecht überwiegt (auf je 100 Männer 104,1 und 103,8 Frauen),
besteht im europäischen Russland nahezu Geschlechtsgleichheit (101,2), ein
Ueberwiegen der Männer über die Frauen zeigt sich jedoch in Sibirien (93,2),
Russisch-Centralasien (90,2) und in Kaukasien (87,9).
Unter den im russischen Reiche vorkommenden 1310 Städten finden sich
nur 36 mit mehr als 50000 Einwohnern, und zwar vier Städte mit mehr als
200 OtX) Einwohnern (St. Petersburg mit 861303, Moskau mit 753 469,
Warschau mit 454 298 und Odes.sa mit 240000 Einw.), 9 Städte mit 100000
bis 200000 Einwohnern (Riga mit 176 332, Charkow mit 171426, Kiew mit
165561, Kasan mit 139 015, Saratow mit 122 829, Taschkent mit 121410,
Kischenew mit 120074, Lodz mit 113 413 und Wilna mit 102 845 Einw.)
und 23 Städte mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern (Tiflis mit 89 551, Orel mit
87 091, Berditschew mit 77 223, Samara mit 75428, Astrachan mit 70 554.
Dünaburg mit 69033, Cherson mit 67 349. Nikolajew mit 67 249, N. Nowgorod
mit 66 585, Tula mit 63 928, Rostow am Don mit 612.56, Elisabetgrad mit
58 496, Minsk mit 58 399 , Bobruisk mit 57 344 , Orenburg mit 56 371 . Wo-
ronesch mit 56177, Taganrog mit 56047, Shitomir mit 55 875, Witebsk mit
54 676, Kokand mit 54 043, Reval mit 51 277, Bialostok mit 50 726 und Kowno
mit 50493 Einw.).
Von dsr nachgewiesenen Bevölkerung wurden am Schlüsse des Jahres
1885 90815 Personen in Arresten, Arbeits- und Korrektions- Häusern ge-
fangen gehalten; die Zahl der zu schwerer Zwangsarbeit Verurteilten betrug
6328 (1205 in den Gouvernements Orenburg und Charkow und 5123 [Ver-
bannte männlichen Geschlechts mit 990 Familienmitgliedern] in den sibirischen
9 HerauBgegeben vom btatiBtiseben Centralcomite. St. PeterBburg 1888.
Die BevülkeruDgeverh&Uaiase des KuBBÜchen Reiches im Jahre 1885.
391
Gouvernements Transbaikalien , Irkutsk und Tobolsk) ; ausserdem befanden
sich noch 3 769 zur Deportation Verurteilte auf der Insel Sachalin.
Was die sogenannte Bewegung der Bevölkerung betrifft, so wurden im
Jahre 1885 im russischen Reiche 4597 441 Kinder geboren, wovon jedoch
nahezu der vierte Teil derselben (23,6 %) im ersten Lebensjahre wieder ge-
storben ist. Die Zahl der unehelichen Kinder beträgt im allgemeinen 2,8 °/g
der Geborenen und steigt in Sibirien bis auf 4,8 ”/„, fällt jedoch in Kaukasien
bis auf ein Prozent. Unter je lOCK) Geborenen befanden sich 24 Zwillinge
und 3 Drillinge. Die Zahl der Gestorbenen erreichte in diesem .lahre
3 291 824, wovon mehr als die Hälfte (54,3 ’/„) auf Kinder unter fünf Jahren
entfällt. Das Maximum der Sterbefalle fällt im Gegensätze zu den Beobachtungen
in Westeuropa auf die Monate Juli und August und das Minimum derselben
auf die darauffolgenden Monate September und Oktober. Von der Zahl der
Gestorbenen standen nur 1,3 im Alter von mehr als 80 Jahren , was mit
der oft behaupteten Langlebigkeit der Menschen in Russland im Wider-
spruche steht.
Wird das Verhältnis der jährlich Geborenen und Gestorbenen zur Be-
völkerung bestimmt, so ergeben sich auf je 1000 Einwohner im europäischen
Russland 48.4 Geburten und ,36,1 Sterbefällc, in Polen jedoch nur 38,5 Ge-
burten und 25,9 Sterbefälle. Die jährliche Zunahme der Bevölkerung erreicht
sonach etwas mehr als ein Prozent.
Die Angaben der Todesursachen beziehen sich nur auf das europäische
Russland mit Polen und umfassen bloss die Sterbefiille infolge epidemischer
Krankheiten, die gewaltsamen Todesfälle und die Verunglückungen. An
epidemischen Krankheiten (insbesondere Typhus, Variolen und Diphtheritis)
sind von 644 274 Erkrankten 77 488 (12 %) gestorben. Gewaltsame Todes-
fälle werden im ganzen 6371 verzeichnet und erreichen 14 “/g aller Sterbefälle;
von denselben entfallen 58,2 % auf Mord und Totschlag (darunter 15,7 •/„
auf Kindesmord , welcher besonders im europäischen Russland verbreitet ist)
und 41,8 “/o auf Selbstmord. Ausserdem sind 16 732 plötzliche Todesfälle an-
gegeben, darunter 4 865 infolge Alkohol-Vergiftung (Delirium tr.), welche
zumeist im europäischen Russland vorkommt.
Im .lahro 1885 haben 21 028 Todesfälle durch Verunglückungen statt-
gefunden; 824 Personen (4%) wurden vom Blitz erschlagen, 1129 Personen
(5 %) sind bei Feuersbrünsten umgekommen , 1230 Personen (6 °'g) erfroren,
8313 Personen (39°g) ertrunken ‘), 911 Personen (4,3%) erstickt, 76 Personen
wurden von wilden Tieren getütet und 45 Personen sind an der Lyssa (Huuds-
wut) zu Grunde gegangen ; von 5 940 Unglücksfällen werden die Ursachen
nicht angegeben. Ueberdies wurden im europäischen Russland mit Polen
2133 und in Sibirien über 200 Leichen aufgefundeii, deren Todesursache sich
nicht konstatieren liess.
Im Zusammenhänge mit den Bevülkcrungsvorhältnissen stehen die Er-
gebnisse der jährlichen Rekrutenstellungen, welche in dem genannten .lahr-
buche ausführlich nachgewiesen werden. Das jährliche Rekruten-Kontingent
beträgt 230000 Mann’), wovon das europäische Russland mit Polen 220 750
Manu und das asiatische Russland 9250 Mann beizutragen hat. Von den im
.lahre 1885 zur Losung berufenen jungen Männern (853 087) sind 227 906’)
in das aktive Heer und 562970 in die Reichswehr (üpoltschenje) eingereiht
worden. Nach den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung der Stellungs-
pflichtigen wurden 62 680 Mann (7,3 “ g) wegen Untermass und körperlicher
Gebrechen vom Militärdienste enthoben, 72021 Mann zurückgestellt, darunter
M In dem sibirischen Gouvernement Tobobk sind 143 Personen ertrunken.
•) Vom Jahre an ‘iSO 000 Mann.
*) Hiervon waren 307« verheiratet, welche Zahl bei den kaukasischen Rekruten auf
587» steigt
392
Die BeTMkenmf^sTerh&Iinisse des Russischen Reiches im Jahre 1885.
67156 Mann (7,8 '/o) wegen Körperschwiiche , und 14093 Mann (1,6 "/o) un-
tauglich zu jedem Dienste erklärt.
Die zum aktiven Heere eingereihten Rekruten werden ferner nach der
Nationalität, nach dem Religionsbekenntnisse, Bildungsgrade und nach der
Körperlänge unterschieden.
Die Unterscheidung nach der Nationalität gestattet einen Einblick in
die Zusammensetzung des russischen Heeres nach den verschiedenen Volks-
stämmen. Die Hauptmasse der russischen Armee bilden die Klein- und Weiss-
russen mit 74,6 °/o, dann kommen die Polen mit 7,6%, die .luden mit 4,4%,
die Littauer mit 2,6 % (in den Gouvernements Wilna, Kowno und Suwalki),
die Tartaren mit 2% (in den Gouv. Kasan, Samara, Ufa, AViatka, Simbirsk
und Taurien), die Deutschen mit 1,6% (in den Gouv. Samara, Saratow,
Taurien, Cherson, Pietrokow und Wolhynien), die Letten mit 1,5% (in den
Gouv. Kurland, Lifland und Witebsk), die Baschkiren mit 1,3% (in den
Gouv. Ufa, Orenburg und Perm), die Ehsten mit 1,1 % (in Ehst- und Lifland),
die Moldauer mit 1,0 7o (in den Gouv. Bessarabien und Cherson), die Mord-
winen mit 0,7 % (in den Gouv. Pensa , Samara , Saratow , Simbirsk und
Tambow) , die Tschuwaschen mit 0,7 % (in den Gouv. Kasan , Samara und
Simbirsk), die Wotiakeu mit 0,3 % (in dem Gouv. Wiatka), die Tscheremissen
mit 0,3% (in den Gouv. Wiatka, Kas,an und Ufa), die Bulgaren mit 0,2°/,
(in Bessarabien), die Karelier mit 0,1 °/, (in den Gouv. Olonez und Twer)
und die Zyrianen mit 0,1 °/, (im Gouv. Wologda). In geringerer Anzahl sind
vertreten: Tschechen, Griechen (im Gouv. Jekatorinoslaw), Georgier, Tscher-
kessen, Tschuden (im Gouv. Olonez), Permier, Zigeuner, Metscheriaken (im
Gouv. Pensa), Teptiaren (im Gouv. Orenburg), Bessermier (im Gouv. Wiatka),
Wogulen (im Gouv. Perm), Osseten und Lappen.
Nach dem Religionsbekenntnisse befanden sich unter den Rekruten 75,8°/,
Rechtgläubige (Orthodoxe), 11,9°/, Katholiken, 4,4 °/„ Israeliten, 3,5°/, Pro-
testanten, 3,2 °/, Mohammedaner, 1,0 °/, Dissidenten (Sektirer), 0,06 °/, grego-
rianische Armenier und 0,16 °/, Götzendiener (Schamanen).
Der Bildungsgrad der russischen Soldaten, insoweit derselbe in der Kenntnis
des Lesens und Schreibens zum Ausdrucke gelangt, steht auf einer niedrigen
Stufe; nahezu drei Vierteile der Rekruten (73,4°/,) können weder lesen noch
schreiben. Von den Rekruten des europäischen Russlands waren 73,1 °/, und
von jenen des asiatischen Russlands 82,2 °/, (in Sibirien sogar 84,1 °/,) An-
alphabeten.
Der russische Soldat ist im allgemeinen etwas kleiner als der deutsche
und österreichische Soldat. Das Minimalmass für die Körperlänge beträgt in
Russland 2 Arschinen 2,5 Werschok (1,54 m) und die mittlere Körperlänge
der eingestellten Rekruten 2 Arschinen 4,5 Werschok (1,62 m). Die Be-
rechnung nach den vorgenommenen Messungen der Körperlänge ergiebt im
allgemeinen , dass in Kaukasien und Sibirien ein grösserer Menschenschlag
vorkommt als im übrigen Russland. Unter den verschiedenen Völkerschaften
des russischen Reiches zeichnen sich die Moldauer, Ehsten imd Letten durch
eine besondere Grösse aus , während die Körpergrüsso der Tartaren , Polen
und Basclddren am niedrigsten erscheint, insoweit nämlich die angegebenen
Zahlen die nötigen Anhaltspunkte zu einer solchen Berechnung liefern.
Das erwähnte Jahrbuch enthält ferner genaue Angaben über den Per-
sonenverkehr an den Reichsgrenzen (zu Land und zu Wasser), welcher infolge
der strengen Passvorschrifteu einer besonderen Kontrolle unterliegt. Im Jahre
1885 haben 724 878 russische Unterthanen die Grenzen überschritten, darunter
sind 349167 angekoramen und 375 711 ahgegangen.
Unter den 668377 in Russland angekommenen Fremden befanden sich
405 342 deutsche , 190 543 österreichisch-ungarische , 27 156 persische , 14 274
türkische und 13445 rumänische Unterthanen.
Die verschiedenen Namen indischer Unguiaten,
sowie jener in den unmitteibar angrenzenden Ländern.
Mitgeteilt von Dr. Ottokar Feiatmantel, Prag.
1. Rhinocerotidae
1. Rhinoceros indicus. Cuvier. (Blyth.)
Syn. ; Rhinoceros unicornis Linn. — Rh. asiaticus Blumenbach. — Rh.
inermis Lesson.
Bei den Bngländem : The Great Indian Rhinoceros. (Das grosse indische
Rhinoceros.)
Eingeborne Namen: Genda, Gonda, Ganda, Genra = Hindi;
Gor = bei den Assamesen.
(Hab.: Das Himalaja - Tarai von Central-Nepäl, bis zum äussersten
Ende des Assamthaies.)
2. Rhinoceros (Ceratorhinus) lasiotia Gray.
Syn. : ? Rhinoceros Crossi Gray.
Bei den Engländern : The earfringed Rhinoceros. (Das ohrbefranste
Rhinoceros.)
(Hab. : Arrakan, Tenasserim.)
3. Rhinoceros sondaious Sol.; (Müller; Blyth.)
Syn. : Rhinoceros jaranicus F. Cuvier.
Bei den Engländern: The lesser Indian Rhinoceros. (Das kleinere in-
dische Rhinoceros.)
Eingeborne Namen : Gonda, Gonda, Ganda, Genra = Hindi
(wie beim vorigen). — Khyen-hsen = burmesisch ; W a r a k == javanisch ;
B a d a k = malayisch.
(Hab. : Sundcrbans , Tipperah , Garo-Khasi und Näga Berge ; Barma,
Malay-Halbinsel ; Sumatra, Java, Borneo.)
4. Rhinoceros (Ceratorhinus) sumatrensis Cuv.
Syn. : Rhinoceros sumatranus Rafi'les.
Bei den Engländern : The Sumatran Rhinoceros. (Das sumatranische
Rhinoceros.)
Eingeborne Namen : Kyen-schau = barmesisch ; B o d o k == malayisch.
(Hab. : Tenasserim ; Barma bis Siam, Malay. Halbinsel etc.)
II. Tapiridae.
5. Tapirus malayanus Raffles.
Syn. : Tapirus indicus F. Cuvier.
Bei den Engländern : The Malay Tapir. (Malayischer Tapir.)
Die Gruppen folgen in zoologisch-systematischer Ordnung; die Gattungen und Arten
darin sind alphabetisch geordnet
l
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394
Die verachiedenen Namen indiacher Ungulaten, eie.
Eingeborne Namen: Babialu = in Benkoolen (Sumatra); Tennu =
malayiach auf Malakka ; Kuda-ayer = malayisch, allgemein ; S a 1 a d a n g
= bei den Limunen auf Sumatra ; G i n d o 1 = bei den Mannas auf Sumatra ;
Ta-ra-achu = barmesiseb.
(Hab. : Teua-sserim ; Nieder-Siam, Sumatra, Borneo.)]
III. Eqnidae.
6. Equus hemionus. Pallas.
Bei den Engländern: The Kiang or wild Ass of Tibet. (Der Kiang
oder wilde Esel von Tibet.)
Eingeborne Namen: Kiang, Dzightai oder Dizightai = Tibet
und angrenzende Teile.
(Hab. : Ladakb ; Tibet ; C.-Äsien.)
7. Equus onager Pallas. (Blyth.)
Syn. : Equus hemionus versch. Aut. Indiens. Asinus indicus Sclater.
Bei den Engländern : The wild Ass of Cutch. (Der wilde Esel von Katsch.)
Eingeborne Namen: Gorkhur = Hindi; Ghour und Kherdecht
= persisch; Koulan = bei den Kirghisen.
(Hab. : Sind ; Balutschisti'in ; Persien.)
IV. Suidae.
8. Porcula salvania Hodgson.
Bei den Engländern : The pigmy hog of the Sal forests. (Das Zwerg-
schwein der Sal-*) Wälder.)
Eingeborne Namen; Sano-banel = nepalesisch; tschota süar =
Hindi (aligmein).
(Hab. : Die Sal-Wälder des Sikkim und Nepal Tarai.)
9. Sns andamanensis Gray.
Bei den Engländern : The Andaman Island pig. (Das Wildschwein der
Andaman-Inseln.)
(Hab.: Andaman Inseln; Nikobaren?).
10. Sus indicus Sebinz.
Syn.: Sus cristatus Wagner; Sus scropba Linn. ; Sus vittatus Schlegel.
Bei den Engländern: Indian Wild Boar oder hog. (Indisches Wild-
schwein.)
Eingeborne Namen: Siir oder Süar — Hindi; Dschangli sür,
Bara dach anwar oder Bad dschanwar = Hindi ; D ü k a r = mahrat-
tisch; Haudi, Mikka, Dschewadi = kanarisch; Paddi = bei den
Gonds; Kis = Bergbewohner von Bhüglpur (Bengalen) ; Koka, Koku und
Pandi = Telugu; B a ra h a = Bengali ; G ri sc h vi und V a ra h a = San-
skrit ; W a l u r a = singhalesisch ; T a n w e t = barmesiseb ; Babi-utan =
malayisch ; K h a n z i r = persisch.
(Hab. : India, Ceylon, Barma.)
11. Sus scrofa Linn.
Bei den Engländern : The European Wild Boar. (Europäisches AVild-
schwein.)
Eingehome Namen : G u r a z und K u k = persisch.
(Hab. : Persien, und Thian-Shaii bei Kashgai.)
*) Shorea robusta.
l
Die vorschieUenen Kamen indischer Ungulaten, etc.
395
V. Tragulidae.
12. Meminna indica Gray.
Moschus meminna Erxleben. Moschiola mimenoides Hodgson.
Bei den Engländern: The Mouse deer. (Das Maus-Reh.)
Eingebome Namen: Pisuri, Pisora, Pisai == Hindi und mah-
rattisch ; M u g i = in Central - Indien ; Dscbitri Ha ran = Bengali ;
Gandwa = bei den Drias in Orissa; Kuru-pandi = Telngu; Turi-
m a 0 0 = Gondi ; Y a r = bei den Kols ; W a 1 - m o o h a = singhalesisch.
(Hab. : Ganz Indien, in grossen Wäldern ; Ceylon.)
13. Tragnlus Kancbil Gray.
Syn. : Moschus palandok Marsden ; Moschus Kanchil Raffles ; Moschus
fulviventer Gray.
Bei den Engländern : The Javan Musk. (Das javanische Moschustier.)
Eingebome Namen : Kantscbil = malayisch ; Palandok^ ebenso ;
Y' u n g = barmesisch.
(Hab. : Malay-Halbinsel ; Penang ; Tenasserim ? ; Sumatra etc.)
14. Tragnlus napu F. Cuvier sp.
Syn. : Moschus napu F. Cuv. ; Tragulus javanicus Pallas.
Bei den Engländern : The Javan deerlet. (Javanisches Rehböckchen.) ,
Eingebome Namen: Napu, oschek-napu = malayisch.
(Hab. : Tenasserim und Malay-Länder.)
VI. Cervidae.
15. Axis maculatus Gray. (Blytb.)
Syn. : Cervus axis Erxleben ; C. nudipalpebra Ogilby ; Axis major und
A. medius Hodgson; C. pseudaxis Gervois; Axis pliuius Erxleben.
Bei den Engländern : The Spotted deer. (Das gefleckte Reh.)
Eingebome Namen : T s c h i t a 1 = Hindi (allgemein) ; T s c h i t r a (itänn-
clien), Tschi tri (Weibchen) = Hindi in einzelnen Gegenden ; ausserdem noch
Dschhänk (das Männchen) = Hindi; Tschatidah = in Bhäglpnr (Ben-
galen); Boro Khotiyä = Bengali in Rangpur (Bengalen); Buriyü = in
Gomckpur (Bengalen) ; Thou-langna = im Tarai; Saraga, Sarga und
D s c h a t i == kanarisch ; D u p i = Telugu ; L u p i = Gondi ; Tic m o o h a
= singhalesisch ; Rusa Bunga = Malay-Halbinsel.
(Hab. : Indien [mit Ausnahme des Pcndschäb] ; Ceylon, etc.)
16. Axis porcinus Jerdon. (Blyth.)
Syn. : Cervus porcinus Zimmer ; Cervus oryzeus Kelaart ; C. Dodur
Royle ; C. niger Buchauan Hamilton (dunkle Abart) ; Hyclaphus porcinus Sundev.
Bei den Engländern : The Hogdeer. (Der Schweinshirsch.)
Eingebome Namen: Pürä = Hindi (im allgemeinen); Sugoria -
Hindi, in manchen Gegenden; Khar-laguiia = im Nepal Tarai; Nuthu-
rini-haran = in einzelnen Gegenden Bengalens ; Weel-mooha = singha-
Icsisch ; Day-yay-tschay = barmesisch.
(Hab. : India, Assam, Ceylon, Barma.)
17. Cervnlus aureus Jerd. oder C. muntjac Elliot.
Syn. : Cervulus vaginalis Boddaert ; C. ratwa Hodgson ; C. styloceros
Styloceros mnntjac H. Smith ; Ogilby ; C. albiceps Wagler ; C. moschatus Blain-
villc ; Muntjacus vaginalis Gray.
Bei den Engländern : Ribfaced deer ; Barking deer (in Bengal) ; Muntjak ;
Red hogdeer (Ceylon) ; Jungle sheep in the Madras Presidency. (Gesicht-
gestreiftes Reh ; Bellendes Reh [Bengalen] ; rothos Schweinsreh [Ceylon] ;
Dschangelschaf, in der Madras-Provinz.)
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396
Die Tenchiedenen Namen indiecher Ungolaten, etc.
Eingcbornc Namen: Kakur = Hindi in ganz N.-Indien; Maja =
Bengalen; Ratw& = in Nepkl; Karsiar = in Bhutan (Bhutia); Sikkü
oder S ü k d = bei den Leptsohäs ; ü u t r a (Männchen), G u t r i (W eibchen) =
bei den Gonds in Ü.-Indien ; B e k r a oder B e k u r = mahrattisch ; K ä n -
kuri — kanarisch; Kükä-gori = Telugu; Dschangli-bakra = bei
den Musulmanen in 8.-Indien ; W e 1 1 y oder Hoola-mooha = singhalesisch ;
Ghee = barmesisch; Kidang = javanisch und malayisch; Muntjac =
sundanesisch ; K i j a n g = malayisch auf Sumatra.
(Hab.; Indien; Barma; Ceylon; Malay-Halbinsel ; Sumatra etc.)
18. Cervus affinis Hodgson oder C. Wallichi Cuvier.
Bei den Engländern: The Sikkim stag oder Tibetan stag. (Der Sikkim
oder Tibet-Hirsch.)
Eingeborne Namen ; Schon tibetanisch.
(Hab. : Oestliches Himälaya, besonders das Tschumbi-Thal im westlichen
Bhutan, südlich vom Tschumalari.)
19. Cervus Cashmiriensis. Falconer.
Syn.: C. Wallichi Cuvier; C. pygargus Hardwicke; C. caspianus Falconer;
C. elaphus of Asia, Pallas; C. nareyanus Hodgson.
Bei den Engländern : Kaschmir Stag. (Der Kaschmir-Hirsch.)
Eingeborne Namen: Hangul oder Honglu = in Kaschmir; Bara-
B i n g h a und Dschezrail = Hindi ; G i a n a = in Tibet.
(Hab. : Kaschmir und die oberen Zuflüsse des Sind- [Indus] Flusses resp.
westl. Tibet.)
20. Moschus mosebiferus Linn.
Syn.: Moschus saturatus Hodgson; M. chrysogaster und M. lencogaster
Hodgs.
Bei den Engländern : The Musk-deer. (Der Moschushirsch.)
'Eingeborne Namen : Kastürä = Hindi; Roos, Rous und KasturS
= in Kaschmir ; Rib-dscho = in Ladakh ; L ä und L ä w a = in Tibet ;
Benä = in Kunawar (nordw. Himälaja); Mussuck-naba’ = bei den
Pabäris (nordw. Himalaja) ; X e und Tsche-hiang=: bei den Chinesen ;
Kudari = bei den Kalmuken; 8 a i g a = am Baikal-See ; Gifar-toorgo
= bei den Tartaren.
(Hab.; im ganzen Himälaja über 8000 Fuss, auch Central- und Nord- Asien.)
21. Panblia Eldi Guthrie.
Syn. ; Cervus frontalis Mc’Clelland ; C. dimorpha Hodgson ; Panolia acuti*
cornis Gray.
Bei den Engländern ; The Brow-antlered deer ; Eld’s deer ; Burmese deer.
(Der Hirsch mit grossen Stirnenden; Eld's-Hirsch ; Barmesischer Hirsch.)
Eingeborne Namen; Sangnai und S an grai = Hindi; Thamin und
T h e m i n = barmesisch ; Sungrai, Sungnaie und Singnai = in Mani-
pur, üstl. Himälaya, Tärai, Burmah, Siam und Malay-Halbinsel.
22. Rucervus Duraucelli Cuvier.
Syn.; Cervus Duvaucelli Cuvier; C. elaphoides und C. bahraiya Hodgson;
C. euryceros Knowsley.
Bei den Engländern: The Swamp deer. (Das Sumpfreh.)
Eingeborne Namen; Barasingha = Hindi, allgemein; Barayaund
Mahä = im NepAl Tärai; Dschinkar=im Kyarda Doon (nordw. Himä-
laja) ; P o t i y a h a r a n = in Bengalen im Monghyr - Distrikt ; G o e n und
Goen-dschak (das Männchen) und Gaoni (dos Weibchen) = in Central-Indien.
(Hab. : Am Fusse des Himälaja , vom Kyarda Doon bis nach Bhutän ;
Assam; C.-Provinzen und W. -Bengalen.)
Die verschiedeoen Namen indischer Ungulaten, etc.
397
23. Eusa Aristotelis. .Terdoii.
Syn. ; Cerviis hippelaphus, C. equinus, C. Lcsclienaulti Cuvicr ; C. niger
BlaiiiTiUe ; C. jarai uud C. heterocere.us Hodgson ; C. sauiuur Ogilby.
Bei den Kiigländern : The Sainbar Stag. (Der Sambar-Hirach.)
Eingeborne Namen : S ä m b a r = Hindi, allgemein; Dscharai, Dsche-
rai und Dsc b er ao = im Himalaja; M a b 4 = teilweise im Taräi ; Ma-oo
= bei den Gond’s; Merii = inabrattisch in den Ghäts; Kadavi oder
K a d a b a = kanarisch ; K a n n a d i — Telugu ; G b o u s oder Gaodscb =
im östlichen Bengalen ; das Weibchen : B h o 1 o n g i = dortselbst ; S t s c b a [>
= barmesisch; Gona-rusa — singhalesisch.
(Hab.; Ganz Indien vom Himalaja bis Kap Komorin; Ceylon; Barma;
Malayisebe Halbinsel.)
YIl. Antilopidae.
Diese sind schon in einem früheren Hefte dieser Zeitschrift (ßd. VI.
Heft 5. 6.) abgebandelt worden.
VIII. Oridae (Schafe und Ziegen).
24. Ovis B 1 a n f 0 r d i Hume.
Bei den Engländern : Blanford's Wild sheep. (Blauford’s wildes Schaf.)
(Hab. ; Gebirge bei Khelat, Balütscliistun.)
2.5. Ovis Brookei E. Ward.
Bei den Engländern ; Brooke’s Wild sheep. (Brooke’s wildes Schaf.)
(Hab. ; Ladakh, oder das Kuen-LUu-Gebirge, nördlich von Ladakh.)
26. Ovis cycloceros Hutton. (Sclater, Blyth.)
Syn.: Ovis Vignei in parte, Blyth.
Bei den Engländern: The Urial oder Panjäb Wild sheep. (Der Drial
oder Pandschäb’s wildes Schaf.)
Eingeborne Namen; Uriä und Uriäl = im Pandschäb; Kot sch und
K ü t s c h — im SulajniAn-Gebirge.
(Hab.; Salzkettc im Pandschäb; Gebirge im Hazaralande und bei Peschaur;
das Sulajmän-Gebirgo.)
27. Ovis Hodgson i. Blyth.
Syn. : Ovis Ammon Linne exparte ; Ovis Argali ex parte ; Ovis ammo-
noides Hodgson.
Bei den Engländern : Hodgson's Wild sheep. (Hodgson’s wildes Schaf.)
Eingeborne Namen; Hy an, Niar, Nuan, Nyan und Ny and, auch
G n 0 u = in Tibet.
(Hab. : Tibetanischer Himalaja, bei 15 OOO Fuss und höher.)
28. Ovis Karelini Brooke.
Bei den Engländern ; Karelin’s Wild sheep. (Karelin's wildes Schaf)
Eingeborne Namen : A r und G h u 1 d s c h a r (das Männchen), und A r k a
(das Weibchen) bei den Kirgisen; Kuldscha = Turki in Kaschgar.
(Hab.; Berge NW. von Kaschgar und vou da nördlich über die Thian-
Schan-Berge.)
29. Ovis nahura Hodgson (Blyth).
Syn. ; Ovis nahoor Hodgson ; Ovis Burhel Blyth.
Bei den Engländern ; The Burhcl , oder The blue wild sheep. (Burhol
oder das blaue Wildschaf)
Eingeborne Namen ; Bur hei, Bharal, Buroot und Bharur = im
.ai
Die:'.:; cd by Coogle
398
Die verschiedenen Namen indischer l'ngulaten, etc.
HiiDiUftja; Men da (das Männchen) = ebendort ; Napu, Nä und Snä = in
Ladakh und Tibet; N er v a ti = in Nepal ; Wi oder Wir = am Setledsch-
Flusse.
(Hab. : Im Himalaja von Sikkim (oder vielleicht auch Bhutan) bis Ladakh
und nördlich nach Tibet.)
.30. Ovis Poli Blyth.
Bei den Engländern : Marco Polo’s sheep. (Marco Polo's Schaf.)
Eingehorno Namen: Bass und Koosch = .am Pamir; Kutsch -kar
(das Männchen) und Mesch (das Weibchen) = in Wäkhan (am Hindukuach).
(Hab. : In Höhen über 9000 Kuss am Pamir, im Thian Schan etc.)
31. Ovis Vignoi Blyth.
Syn. : Ovis montana, Cuningham.
Bei den Engländern: Vignes Wild sheep; Indian Wild sheep. (Vignes
wildes Schaf; Indisches Wildschaf.)
Eingeborne Namen: Sc ha und Schapft = in Ladakh und Tibet.
(Hab.: in Ladakh und Klein-Tibet in Höhen von 12000—14000 Fuss.)
32. Capra aegagrus Gmelin (Blyth, Hutton).
Syn. : Antilope Gazolla Gmelin ; Acgoceros aegagrus Pallas (Wagner) ;
Capra caucasica Gr;ty ; C hircua Gray ; Hircua gazella Gray ; C. Blythi Hume.
Bei den Engländern: Persian Wild goat, oder The Wild goat of Asia
Minor. (Persische wilde Ziege oder wilde Ziege von Klein-Asien.)
Eingeborne Namen: Pasang (Männchen) und Boz (Weibchen) = in
Persien; Boz-Pasang = in Persien, im allgemeinen; Kajeek =■ Klein-
Asien; Borz = Paschtu (Afghänistän) ; Ter (Männchen) und Sora (Weib-
chen) = in Sind; Phase hin = in Balütschistän.
(Hab. : Klein-Asien, Persien, Sind, Balütschistun, Afghänistän.)
33. Capra aegagrus var. b. Buch.
Syn. : Capra lanigera Desmarest ; Capra hircus, var., Desmarest.
Bei den Engländern : Shawl goat ; Pashmina goat. (Die ShawlwoUziege ;
Paschmina-Ziege.)
Eingeborne Namen: T s c h an g r a = Hindustani ; Tsc hol a j = Nep.äl ;
Kamdschoo = Tibet.
(Hab.: Tibet; als Haustier gezogen, der Wolle wegen.)
34. Capra megaceros Hutton. (Blytlu)
Syn. : C. Falconeri Hügel (Wagner) ; Aegoceros Falconeri Hügel QVag-
ner, Schreiber); Hircus Falconeri Gray; Hircus aegagrus var. Gray; Hircus
megaceros Adams; Capra caucasica .lerdon; C. Blythi und C. .Terdoni Hume.
Bei den Engländern : The Markhor oder Sind Wild goat. (Der Markhor,
oder Wilde Ziege von Sind.)
Eingeborne Namen; Markhor (Schlangenesser) -- in Afghänistän und
Kaschmir ; Rä-tschä und Ra-pho-sche = Ladakh.
^ab. : Gebirge Afghanistans und Kaschmirs ; Ladakh ; Sulajmuu-Gebirge ;
Tibet-Himalaja.)
35. C ap ra si birica Meyer. (Blyth.)
Syn. : Capra sakeen Blyth ; C. Pallasi Schinz ; C. hiraalayana Blytli.
Bei den Engländern : The Himälayan Ibex. (Der Himälaja-Steinbock.)
Eingeborne Namen: Sk in, Skyin, Sakin und Iskiu = im Hima-
laja allgemein und in Tibet; Skin (Männchen) und L ’ d m au (Weibchen) =
in Ladakh, der letztere Name auch in Tibet; Buz = im oberen Setledsch-
Thale ; K a 1 e und K y 1 = in Kaschmir ; T a n g r o 1 = in Kulu.
(Hab. : Himalaja von Kaschmir bis Ncpäl.)
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Die verschiedenen Namen indischer Unguiaten, etc.
36. Hemitragus hylocrius Jerdon.
Syn. : Komas bylocrius Ogilby ; Capra warryato Gray.
Bei den Engländern : Tbe Sladras Ibex oder Nilgiri Wild goat. (Der
Madras-Steinbock oder Die Wildziego der Nllgiri’s.)
Eingeborne Namen: Warrädü oder Warri-ätü = Q’amil (in Süd-
Indien.)
(Hab.: Westliche Ghäts, bis sUdlicb zum Kap Komorin.)
37. Hemitragus jemlaious Jerdon.
Syn. ; Capra jabral Hodgson ; Hemitragus quadrimanus Hodgsou ; Capra
jemlaicus H. Smith.
Boi den Engländern : The Tehr or Himilay.an Wild goat. (Tebr oder
Wilde Ziege des Himalaja.)
Eingeborne Namen: Tfbr, Tar und Tabir= Hindi (allgemein);
Dschhula (Männchen), Thar und Tharni (Weibchen) = in Kun.äwiVr
(NW. Hiroälaya); Kräs und Dschaglä= in Kaschmir; Dschhäral =
in Nepal; Dschfihr = in der Simla-Gegend ; Kart = in Kulu; Esbii
(das Männchen) und Es bl (das Weibchen) = im Setledsch-Thale, oberhalb
Tschini (östlich von Simla).
(Hab. : Im Himalaja in hohen Lagen zwischen Wald- uud Schneegrenze).
IX. Bovidae.
38. Bubalus arni Jerdon.
Syn. : Bos Buffelus, Blyth : Bos Bub:dus , Anderson (und andere) ; Bos
Arni, Kerr, Shaw.
Bei den Engländern : The wild Buffalo. (Der wilde Büffel.)
Eingeborne Namen : Arna (Männchen) und Arni (Weibchen) = Hindi;
Dschangli bhainsa (Männchen) , D s c h a n g 1 i m h a i n s (W eibchen) =
Hindi, allgemein; Arna-bhaiusa = Hindi, mancherorts; Müng = in
Bbäglpur , Bengalen ; G e r a - 6 r u m i = bei den Gonds ; K y w a i = bar-
mesisch; Karbo und Karbou = nialayisch; moonding= sundanesisch.
(Hab. : Tarai von Oude bis Bhutan ; Bengalebenen westlich bis Tirhoot ;
C.-Provinzen bis zum Godävary ; Assam ; Burma ; Ceylon.)
39. Gavaeus frontalis Jerdon.
Syn. : Bos frontalis, Lambert ; Bos gayeus, Colohrookc.
Bei den Engländern : Mithun oder Gayal (einheimische Namen).
Eingelmme Namen : 6 o b ay - g o r u = Bengali ; Gavai-gayal, Gavi,
Gabi = Hindi, allgemein; Gabi-bitschal (Mäimchcn) und Gabi-gai
(Weibchen) = Hindi ; Methan, Mithan und Schial = bei dom Kotsoh’h-
Stamme im nördlichen Bengalen (am Fiisse des Himälaja); Bunera-goru
= Tschittagong und Assam; Gau- dschangli = persisch; Nunec =
barmesisch; Dschong nua = Arrakan.
(Hab. : Berggegenden östlich vom Brahnfaputra, in den Mischmi-Bergen,
in Tipperah, Tschittagong und Barnia.)
40. Gavaeus Gaiirus Jerdon.
Syn. : Bibos cavifrons, Hodgson ; Bos Gaur, Traill ; Bos asseel Horsfield ;
Bos acnleatus, Cuvier; B. Gaurus H. Smith.
' Bei den Engländeni : The Gaur oder The Bison bei den Jladras Sports-
leuten ; auch Junglo Buffalo. (Der Bison der Sportsleute der Jladras-Provinz).
Eingeborne Namen: Vanago und B an gan = Bengali ; As'l gajal
gaor, gaori-gai, d sc h a n gl i - k h ü 1 g i'i = Hindi, ebenso = B u n b o d a ;
Banparra = Oentr.al-Provinzen, Gegend von M.andla; B o d = Gegend von
Seoni in den C.-Provinzen ; Kar-kona = kanarisch ; PerÄ-mnoo = sUd-
81 *
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400
Die verschiedenen Namen indischer Ungulaten, etc.
liehe Gonda ; 6 a o i y a = mahrattiach ; Katu-yoni = Tamil ; S e 1 o i =
bei den Kuki’s ; P ’ h a n d s c h = bei den .Magh’s und Barmesen ; P y u n g =
barmesisch.
(Hab. : Hobe Wälder von Kap Komorin bis zum Fusse des Himälaja.)
41. Gavaeus sondaicua .Terdon.
Syn. : Boa batang, Eäfties; Bos sondaicua Müller.
Bei den Engländern : Burmese Wild o.\. (Der wilde Ochs Barma’s.)
Eiiigeborue Namen ; T s 0 i n g = barmesisch ; Ban-teng = malayiseb.
(Hab. : Pegu, Tenasserim, Malayische Halbinsel, Sumatra etc. — Gezähmt
auf der Insel Bali.)
^ 42. Poephagusgrunniens Linn.
Bei den Engländern : The Yak or grunting ox. (Yak oder der Grunzochse.)
Eingebomc Namen : Yak, Buhul, Soora-goy und D on g = in Tibet;
B r o n g - d 0 n g (Männchen) und D o n d - d i (Weibchen) = tibetanisch, im west-
lichen Himalaja; Buntschour = Hindustani ; Tschaori-gao = Hindi,
für das gezähmte Tier.
Hab. ; Hohe Lagen in Tibet und Ladakh, Abhänge des Karakorum etc.
Zur weiteren Uebersicht folgt noch das alphabetische Verzeichnis der
verschiedenen Namen. Die Synonyme sind vorn nachzusehen.
Namen
Vorkommon und Gebrauchs-
weise der Namen
Art
Andaman Island pig. .
bei den Engländern.
Sus andamanensis , Gray.
Ar (Männchen) . . .1
Arka (Weibchen). . .f
bei den Kliirgisen.
Ovis Karelini, Brocke.
Arna (Männchen) . . .
Hindi. Indien.
Bubalus Arni, Jerdon.
Arna-hhainsa ....
dto.
dto.
Arni (Weibchen) . . .
dto.
dto.
A’sl gajal
dto.
Gavaeus gaurus, Jerdon.
Ass. wild of Cutch . .
bei den Engländern.
Equus Onager, Pallas.
Babi-alu
Benkukn auf Sumatra.
Tapirus nialayanus Raffles.
Babi-uUlu
Malakka.
Sus itidicus Schinz.
Badak
Malayisch (auf der Ma-
Kbinoceros sundaicus Sol.
layischen Halbinsel.)
Bangan
Bengali.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Banp.irra
Centrale Provinzen , Ge-
dto.
gend von Mandla.
Ban-tcng
Malayisch.
Gavaeus soudaicus Jerdon.
Bära-dschanwar . . .
Hindi. Indien.
Sus indicus Sebinz.
Bad-dschanwar ....
dto.
dto.
Baraha
Bengali.
dto.
Barkiug deer ....
bei den Engländern in
(JervuluB aurcusJerdoD od.
Bengalen.
Cervulus muntjac. Elliot.
Barasingha
Hindi, im Norden Indiens.
CervusCaschmiriensis Fal-
coner.
Barasingha
Hindi, allgemein.
RucervusDuvaucelUCuvier.
Baraya
Napäl Taräi.
dto.
Bekra und 1
Bekur (
mabrattisch ; Indien.
Cervulus aureus Jerdon.
Benä
Kumiwiir,Himälaja(XW.).
Moschus nioschiferus Linn.
Bbaral und (
Bbarur j
Himölaja.
Ovis nuhura Hodgson.
Bliolongi (Weibchen)
Bengali.
Rusa Aristotelis Jerdon.
Die verKchie<leiien Nainen indischer ün(fulaien,“elc.
401
Namen
Bißou
Bjos
Blue Wild Slieep . . ,
Blanford's Wild Sheep .
Boar, tlie Indian AVild .
Bod
Bodok
Boro-Kotiyä
Borz
Boz (Weibchen) . . .
Boz-pasaug
Brong-dong (Miinnclien) .
Brooke’s Wild sheep. .
Brow-antlered deer . .
Bnbul
Bunboda
Bunera goru ....
Buntschour
Buriyd
Burmese deer ....
Burmese Wild ox. . .
Burhel und (
Buroot (
Büz
Day-gay-tschai ....
Dizightai oder Dzightai
Dond-di (AVeibchen) . .
Dong
Dschagld
Dschangli bakra . . .
Oschangl Buffalo . . .
Dschangli-Kliülgä . . .
Dschangli bhainsa(Hänn-l
eben I
Dschangli mliains (AVeib- (
eben j
Dschangl-shccp ....
Dschangli siir ....
Dscharai
Dschati
Dsch^r
Dscherai und Dscherao .
Dschewadi
Vorkommon und Gebrauclis-
weiflo der Namen.
Bei d.Madras-Sportsleuten
Ostjakisch.
Englisch.
Bei den Engländern.
Englisch, in Indien.
Gegend von Seoni , Cen-
tral-Proviuzen.
Malayisch.
Bengalen, Gegend v. Bang-
pur.
Paschtu, Afghiinistän.
Persien.
Persien, allgemein.
Tibetanisch, im westlichen
Himalaja.
Englisch, in Indien,
dto.
Tibet.
Hindi.
Tschittagong u. Assam.
Hindi.
Hindi , bei Goruckpur,
Indien.
Englisch.
dto.
Himalaja.
Ira oberen Setledschthale.
Barmesisch.
Tibetanisch.
Tibetanisch, westl. Himiil.
Tibet.
Kaschmir.
Allgemein, bei den Musul-
manen S.-Indiens.
Bei den Sportsleuten in
Indien,
Hindi, allgemein.
Hindi, allgemein.
Bei den Sportsleuten in
der Madras-Provinz.
Hindi. Indien.
Im Himalaja.
Kanarisch. Süd-Indien.
Simla-Gegend.
Im Himälnja.
Kanarisch. Süd-Indien.
Art
Gavaeus gaurus .Icrdoii.
Moschus mosohiforus Linn.
Ovis nahura Hodgson.
Ovis Blanfordi Huine.
Sus indicus Schinz.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Bhinoceros sumatrensis
Cuvier.
Axis maculatus Gray.
Capra aegagrus Gmclin.
dto.
dto.
Poephagus grunniensLinn.
Ovis Brookei E. AVard.
Panolia Eldi Guthrie.
Poephagus grunniens Linn.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Gavaeus froutalis Jerdon.
Poephagus grunniensLinn.
Axis maculatus Gray.
Panolia Eldi Guthrie.
Gaovaeus sondaicusJerdon.
Ovis nahura Hodgson.
Capra Sibirien Meyer.
Axis porcinus Jerdon.
Equus hemionus Pallas.
Poephagus grunniens Linn.
dto.
Hemitragus jemlaicus Jer-
don.
I Cenulus aureus Jerdon
1 od. C. muntjac. Elliot.
Gavaeus gaurus Jerdon.
dto.
Bubalus arni .Jerdon.
I Cervulus aureus Jerdon
1 od. C. muntjac. Elliot.
Sus indicus Schinz.
Kusa Aristotelis .lordon.
Axis maculatus Gray.
Hemitragus jeinlaicusjcrd.
Kusa Aristotelis .Jerdon.
Sus indicus Schinz.
I
II '
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402
I)i<? verschiedenen Namen indischer Unpulaten, etc.
Namen
Vorkommen und Gebrauchs-
weise der Namen
Art
Dscliezniil
Hindi. Nord-Indien.
C. Casbmiriensis Falconer.
Dschhiink (Männcheu) .
Hindi.
A.xis mneulatus Gray.
Dschbural
Nepal.
Hcraitragusjamlaicu^erd.
Dschhinkar
KvardaDoon, nordw. H im-
Bucenus Duvaucelli Cuv.
lilaja.
Dsebhong nua ....
Arrakan.
Gavaeus frontalis Jerdoii.
Dsclihula (MUnnclieti)
Kunawar.nordw. Himalaja.
UcmitragusJemlaicusJ erd.
Dschitri baran ....
Bengali.
Meminna indica Gray.
Diikar
Malirattisch.
Sus indicus Schinz.
Dupi
Toliigu. S.-Iudien.
Axis maculatus Grav.
Earfringcd Rbionocoros .
Eld’s deer
Bei den Engländern.
Khinoceros lasiotis Gray.
dto.
Panolia Eldi Guthrie.
Esbü (Männclien) . . \
Im Setledsch-Tliab*, ober-
HemitragusjemlaicusJerd.
Esbi (Woibchen) . . I
halb Tacbini, östl. v.Simla.
European Wild Boar
Englisch.
Su9 scrofa Linne.
Gabi
Hindi, allgemein. Indien.
Gavaeus frontalis Jerdon.
Gabi-bitschal (Männchen)
Hindi. Indien.
dto. .
Gabi-gai (Weibchen) . .
dto.
dto.
Ganda
dto.
Rhinoceros indicus Ouv.
Ganda
Hindi.
Rbinoceros sondaicus Sol.
Gandwa
Bei den Uria’s. Orissa.
Meminna indica Gray.
.südw. Bengalen.
Qaodsch
Uestl. Bengalen.
Rusa Aristotelis .Terdon.
Gaoiya
Mahrattiseb.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Gaoni (AVeibeben). . .
Hindi. C.-Indien.
Rucervus Duvaucelli Cuv.
Gaor (Miiünchen) und \ !
Gaori-gai (Weibchen) /
Hindi, allgemein. Indien.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Gau-dschangli ....
Persisch.
Gav.aeus frontalis Jerdon.
Gaur
Hindi, allgemein, Indien.
Gavaeus gaurus Jordon.
Auch allgemein bei den
Sportsleuteu.
Gavai-gayal und . . \
Gavi I
Hindi. Indien.
Gavaeus frontalis Jerdon.
Gayal
Bei den Engländern.
dto.
Genda
dto.
Rhinoceros indicus Jord.
Genra
dto.
dto.
Genra
Hindi,
Rhinoceros sondaicus Sol.
Gera-erumi
Gondi.
Biibalus arni «Terdon.
Gheo
Barmesiseb.
Cervulus aureus Jerdon od.
C. muntjac. Elliot.
Ghour
Persisch.
Equus onager Pallas.
Ghous
Oestl. Bengalen.
Rusa Aristotelis Jerdon.
Gliuldschar (Müimcben) .
Kirgisisch.
Uvis Karelini Brooke,
Giana
Tibetanisch.
Cervus Cashmirieusis Fal-
coner.
Gifar-toorgo
Tartarisch.
Alosebus moscliiferus L.
Gindol
Bei den Mannäs auf Sn-
Tapirus malayanus Raftles.
raatra.
Gnow (Gnou) ....
Tibet.
Ovis Hodgsoui Blyth.
Gobay-goru
Bengali.
Gavaeus frontalis Jerdon.
Goen und .... 1
Goendschak (Männchen) 1
Hindi. C. -Indien.
Rucervus Duvaucelli Cuv.
Digitized bv Goo|lc
Die verschieilenen Namen indischer Ungulaten, etn.
403
Namen
Vorkommen und Gobmiichs-
weise der Namen
Art
6ona rusa
Gonda
Gonda
Gor
Gorkhur
Great Indian Hhinoceroa
Grisclivi
Grünling ox
Guraz
GutrÄ (Männchen) . 1
Gutri (Weibchen) , . I
Handi
Uangal
Himalayan Wild goat
Hodgson’s Wild Sheep .
Hog, thc Indian Wild .
Hog, the pigmy of thc
Sal foresta ....
Hogdeer
Honde
Honglu
Hoola-mooha ....
Hyan
Ibcx, hinuilayan . . .
Ibox, Madras ....
Indian Great Rhinoceros
Indian Lesser Rhinoceros
Indian Wild Boar . .
Iskin
Javan Deerlet ....
Javan Musk
Kadaba und . . . l
Kadavi I
Kajeek
Kakur
Kaie
Kamdschoo
Kankuri
Kaunadi
Kantschil
Karbo und .... 1
Karbou I
Karelin’s Wild Sheep .
Kar-kona
Kart
Karsiar
Singhalesisch. Ceylon.
Hindi. Indien,
dto.
Assamisch.
Hindi. Indien.
Bei den Engländern.
Sanskrit.
Englisch.
Persisch.
Gondi, C.-Indien.
Kanarisch. S. -Indien.
Kasclimir.
Englisch.
dto.
dto.
dto.
dto.
Baiknl-Tungusisch.
Kaschmir.
Singhalesisch. Ceylon.
Tibet.
Englisch.
Bei den Sportsleutou in
der Madras-Provinz.
Englisch,
dto.
dto.
Himiilaja, Tibet,
Englisch.
dto.
Kanarisch.
Klein-Asien.
Hindi. Nord-Indien.
Kaschmir.
Tibetanisch.
Kanarisch.
Tclugu.
iklalayisch.
dto.
Englisch.
Kanarisch.
Kulu (nordw. Himalaja).
Bhutia (Bhutan).
Rusa Aristotelis Jerdon.
Rhinoceros indicus Cuvier.
Rhinoceros sondaicus Sol.
Rhinoceros indicus Cuvier.
Equus ouager Pallas.
Rhinoceros indicus Cuvier.
Sus indicus Schinz.
Poephagus grunniens L.
Sus scrofa Linnc.
Cervulus aureus .lerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Sus indicus Schinz.
CervusCashmiriensis Falc.
HemitragusjemlaicusJerd.
Ovis Hodgsoni Blyth.
Sus indicus Schinz.
Porcula salvania Hodgson.
Axis porcinus Jerdon.
Moschus moschiferus L.
Cervus CashmiriensisFalc.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot
Ovis Hodgsoni Blyth.
Capra sibirica Meyer.
Hemitragus hylocrius Jer-
don.
Rhinoceros indicus Cuv.
Rhinoceros sondaicus Sol.
Sus indicus Schinz.
Capra sibirica Meyer.
Tragulus napuF.Cuviersp.
Tragulus Kancbil Gray.
Rusa Aristotelis Jerdon.
Capra aegagrus Gmelin.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Capra sibirica Meyer.
Capra aegagrus var. b.
Buch.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Rusa Aristotelis Jerdon.
Tragulus Kanchil Gray.
Bubalus ami Jerdon.
Ovis Karelini Brooke.
Gavaeus gaurus Jerdon,
Hemitragus jemlaicus.Tord.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot,
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404
Die verschiedenen Namen indischer Cngulateii, ctc.
Namen
Vorkommen und Oßbrauchs*
weise der Kamen
Art
Kashmir stag ....
Englisch.
Cervus Cashmiriensis Falc,
K.'istura
Hindi. Indien.
Moschus moschii'erus L.
Kasturfi
Kaschmir.
dto.
Katu-yeni
Tamil.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Klianzir
Persisch.
Sus iudicus Schinz.
Khar-laguna ....
Nepal. TarAi.
Axis porcinus Jerdon.
Kberdecht
Persisch.
Equus Onager Pallas.
Khyen-)isen
Barmcsisch (Barma).
Rhinoceros sondaicus Sol.
Kidang
Javanisch. Malayisch.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Kiang
Tibetanisch.
Equus hemionus Pall.
Kijang
Malaviscli, auf Sumatra.
Cervulus aureus .lerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Kiä
Bergbewohner imDistnktc
Sus indicus Schinz.
Bli/iglpury Bengalen.
Kotsch
Im Sulajmän Gebirge.
Ovis cycloceros Hutton.
Koka mul (
Koku /
Telugii.
Sus indicus Schinz.
Koulau
Kirgisisch.
Equus onager Pallas.
Kräs
Kaschmir.
HemitragusjemlaicusJerd.
Kuda-ayer
Malayisch, allgemein.
Tapirus malayanusRaÜics.
Kudari
Kalnmkisch.
Moschus moschiferus L.
Kuk
Persisch.
Sus scrofa LinnC*.
Kukä gori .....
Telugu.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot.
K.uldscba
Kaschgari.
Ovis karelini Brooke.
Kuru-pandi
Telugu.
Meminna indica Gray.
Kutsch
Kutscb-kar (Männchen).
Im Sulajman Gebirge.
In Wäkhan , am Hindu-
Ovis cycloceros Hutton.
Ovis Poli Blyth.
Kuseb.
Kyen-schau
Burmesisch- Barma.
Rbinocer. sumatrensis Cuv.
Kyl
Kaschmir.
Capra sibirica Meyer.
Kvwai
Barraesisch.
Bubalus arni -Jerdon.
La und 1
Tibetanisch.
Moschus moschiferus L.
LMamuo (L'dmau)
Ladakh und Tibet.
Capra sibirica Meyer.
(Weibchen) ....
Lesser Indian Rhinoceros
Englisch.
Rhinoceros sondaicus Sol.
Lupi
Gondi.
Axis maculatus Gray.
Ma*ao
dto.
Rusa Aristotelis Jerdon.
Madras Ibex ....
Bei den Sportsleuten in
Hemitragus hylocriusJcrd.
der Madras-Provinz.
Maha
Viele Gegenden am Fussc
Rucen'us Duvaucelli Cuv.
des Himalaja.
Mahä
Teilweise im Tarai.
Kusa Aristotelis Jerdon.
Maja
Rangpur-Distrikt, Beuga-
Cervulus aureus Jerdon
len.
od. C. muntjac. Elliot.
Malay Tapir ....
Englisch.
Tapirus malayanus Raffles.
Marco Polo’s sheep . .
Englisch.
Ovis Poli Blyth.
Marklior
Afghänistän. Kaschmir.
Capra megaceros Hutton.
Menda (31äuuchcu) . .
Himalaja.
Ovis uahura Hodgson.
Merü
Malirattiscb.
Rusa Aristotelis .Jerdon.
Die verschiedenen Namen indiicher Ungulaten, etc.
405
Namen
Vorkommen und Gobraucha-
weiflC der Naraon
Art
Mesch (Weibchen) . .
In Wäkhan, am Hindu-
Ovis Poli Blyth.
Kusch.
Mikka
Kanarisch.
Sus indicus Schinz.
lUithan (Methan) . . .
Bei den Kotsch’hs, Himä-
Gavacus frontalis Jerdon.
laja (N. Bengalen).
Mithun
Bei den Sportsleuten, all-
dto.
Moonding
Sandanesisch.
Bubalus arni Jerdon.
Mouse-deer
Englisch.
Meraiiina indica Gray.
Mugi
Hindi. C.-Indien.
dto.
Müng
Bhftglpur Distrikt. Bengal.
Bubalus ami Jerdon.
Muntjac
Sundanesiscli.
Cervulus aureus .Icrdon
od. C. muntjac. Elliot.
Musk deer
Englisch.
Moschus moschifenis L.
Mussuck-naha ....
Bei den Pahäris, NW.Him.
dto.
Nä und 1
Napu (
Tibet und Ladakh.
Ovis nahura Hodgson.
Napö
Malayisch.
Tragolus napuP.Cuvicr sp.
Nervati
Kepäl.
Ovis nahura Hodgson.
Niar
Tibet.
Ovis Hodgsoni Blytb.
Nilgiri AVild goat . .
Bei den Sportsleuten der
Hemitragus bylocrius Jerd.
Madras-Provinz.
Nuan
Tibet.
Ovis Hodgsoni Blyth.
Nunec
Barmcsisch.
üavaeus frontalis Jerdon.
Nuthrini-haran ....
Einzelne Gegenden in Ben-
Axis porcinus Jerdon.
Nyan und 1
Nyand 1
galen.
Tibet.
Ovis Hodgsoni Blyth.
Oschek-napu ....
Malayisch.
Tragulus napuF.Cuvier sp.
Paddi
Gondi.
Sus indicus Schinz.
Palandok
Mala^'bcli.
Tragulus Kanchil Gray.
Pandi
Telugu.
Sus indicus Schinz.
Pandscbfib Wild sheep .
Englisch.
Ovis cycloccros Hutton.
PArä
Hindi, allgemein.
Axis porcinus Jerdon.
Pasang (Männchen) . .
Persien.
Capra aegagrus Gmelin.
Paschmina goat . . .
Englisch.
Capra aegagrus var. b.
Buch.
Perü-maoo
Südliche Gond's.
Gavaeus Gaurus Jerdon.
Persian AVild goat . .
Englisch.
Capra aegagrus Gmeliu.
P’handsch
Magh’s und Barme.sen.
Gavaeus Gaurus Jerdon.
Phashin
BalutvSchistan.
Capra aegagrus Gmelin.
Pig, the Ändaman Islands
Pigmy hog of the Sal
Englisch.
Sus andamaneusis Gray.
forest
Englisch.
Porcula salvania Hodgson.
Pisai 1
Pisora j
Pisuri J
Hindi und mahrattisch, 1
Indien. I
Aleminna indica Gray.
Potiya-haran ....
Im Mongbyr - Distrikt,
Itucervus Duvaucelli Cuv.
Bengalen.
PyuDg
Barmcsisch.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Ka-pho-tsche ....
Ladakh.
Capra megaceros Hutton.
Kass
Pamir.
Ovis Poli Blyth.
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m
Die vernchiedenen Namen indischer Un^ulaten, et«.
Namen
Vorkommen und Gebrauchs-
weise der Namen
Art
Ra-tsche
Ladakh.
Capra inegaoeros Hutton.
Ratwä
NepA).
Cervuius aureaus Jerdon
od. C. rauntjac, Elliot.
Red Hogdeer ....
Englisch, in Ceylon.
dto.
Rliinoceros, e.arfringcd .
Englisch, in Indien.
Rhinoceros lasiotis Gray.
Rhinocoros. Great Indian
dto.
Rhinoc. indicus Cuvier.
Rhinoccros. Leaser Indian
dto.
Rliinoc. sondaioiis Sol.
Rhinoceros, thc Sumatran
Englisch.
Rhinoceros sumatrensis
Cuvier.
Rib-dsclio
Ladakhi.
Moschus moschiferus L.
Ribfaced deer ....
Engliscli.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. rauntjac, Elliot.
Roosdi
Pamir.
Ovis Poll Blyth.
Rnos und ^
Hous /
Rusa Bunga - . . . .
Kaschmir.
Moschus moschiferus L.
Malayisch.
Axis maculatus Gray.
Saiga
Ara Raikal-See.
Moschus moschiferus L.
Sakin
Himalaja ; Tibet.
Capra sibirica Meyer.
Suladang
Bei den Limuneii auf
Sumatra.
Tapirus malayanus Raffles.
Salandang
Malayländer.
Gavacus gaurus Jerdon.
Sarabar
Hindi und mahrattisch.
Rusa Aristotelis Jerdon.
Sambar stag ....
Bei den Sportsleuten.
dto.
Sangnai und Sangrai
Hindi.
Paiiolia Eldi Guthrie.
Sano-banel
Nepal.
Porcula salvania Hodgson.
Saraga und \
Sarga /
Kanarisch.
Axis maculatus Gray.
Scha
Ladakli und Tibet.
Ovis Vignei Blyth.
Scliap
Barmesisch.
Rusa Aristotelis Jerdon.
ächapu
Ijadakli und Tibet.
Ovis Vignei Blyth.
Schiiil
Bei den Kotsch’h’s.
Gavacus frontalis Jerdon.
Schon
Tibetanisch.
Cervus affinis Hodgson od.
C. Wallichi Cuvier.
Seloi
Kuki (östl. Assamthal.)
Gavacus gaurus Jerdon.
Sera
In Sind.
Capra aegagrus Gmeliu.
Shawl goat
Englisch.
C. aegagr. var. b. Buch.
Sikkim stag
Englisch.
Cervus affinis Hodgson od.
C. Wallichi Cuvier.
Sikkü
Bei d. Leptschäs (Sikkim).
Cervulus aureus Jerdon
od. C. niuntjac. Elliot.
Sind Wild goat . . .
Engliscli.
Capra megaceros Hutton.
Skin (Männchen) . . .
Ladakh.
Capra sibirica Meyer.
Skin und {
Skyin i
Himalaja, Tibet.
dto.
Sdu
Ladakh. Tibet.
Ovis nahnra Hodgson.
Soora-goy
Tibet.
Poephagus grunniens L.
Spotted deer, The . .
Stag, The Kashmir . .
Englisch.
Axis maculatus Gray.
dto.
Cervus Cashmirieusis Fal-
coner.
Stag, The Sikkim . .
dto.
Cervus affinis Hodgson od.
C. Wallichi Cuvier.
Stag, The Tibetan . .
dto.
dto.
Di« vei-schiedonen Namen indischer Ungulaten, ete.
407
Namen
Vorkommen und Gobrauch»*
weide der Namen
Art
Sugoria
Hindi, in manchen Ge-
genden.
Axis porcinu» Jerdon.
Süku
Bei d. Leptschäs (Sikkim).
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Suniatnin Rhiiioccros .
Englisch.
Khinoceros sumatrensis
Cuvior.
Suugnaie (auch Singiiai)
Manipur, Oestl. Himalaja.
Panolia Eldi Guthrie.
Sungrai
Manipur, Oestl. Himälaja.
Panolia Eldi Guthrie.
Sur und )
Suwar (Siiar) . . . ,J
Swamp (leer ....
Hindi. Indien.
Sus indicus Schinz.
Bei den Sportsleutcn.
Kulu, NW. Himalaja.
Riicervus Duvaucelli Cuv.
Tangrol
Capra sihirica Meyer.
Tanwet
Barmesisch.
Sus indicus Scliinz.
Tapir, the Mulavau . .
Englisch.
Tapirus malayauus Raffles.
Tar (auch Tahir) . . .
Hindi. Indien.
HeuütragusjemlaicusJerd.
Ta-ra-scliu
Barmesisch (Barma).
Tapirus malayanusRaffles.
Tehr
Hindi. Indien.
HemitragusjemlaicusJerd.
Tenim
Malayisch, in Malacca.
Tapirus malayanusRaffles.
Ter (Männchen) . . .
In Sind.
Capra acgagnis Gnielin.
Thamin
Barmesisch.
Panolia Eldi Guthrie.
Thar
Kumtwär, NW. Himälaja.
dto.
HemitragusjemlaicusJerd.
Tharni (Weibchen) . .
dto.
Thou-langna ....
Taräi.
Axis maculatus Gray.
Tibetan stag ....
Englisch.
Cemis affinis Hodgson od.
0. Wallichi Cuvicr.
Tic mooha
Singhalesisch, Ceylon.
Axis maculatus Gray.
Tschangra
Hindi.
Capra aegagrus var. 1>.
Buch.
Tschaori-gao ....
Hindi.
Poephagus grunniens L.
(gezähmt).
Tschatidah
Bhäglpur-Distrikt. Bengal.
Axis maculatus Gray.
Tsche-tschiang ....
Chinesisch.
Moschus moschiferus L.
Tscliital
Hindi, allgemein in Indien.
Axis maculatus Gray.
Tschitra (Männclien) .
Hindi , in einzelnen Ge-
dto.
Tschitri (Weibchen) . .1
geuden, Indien.
Tscholai
Nepal.
Capra aegagrus var. h.
Buch.
Tschota suar ....
Hindi. Indien.
Porcula salvania Hodgson.
Tsoing
Bunncsisch.
Gavaeus sondaicus Jerdon.
Turi maoo
Gondi.
Merainna indica Gray.
üriil und i
Urial /
Pandschäb.
Ovis cyclooeros Hutton.
Vanago
Bengalen.
Gavaeus gaurus Jerdon.
Varaha
Sanskrit.
Sus indicus Schinz.
Vigne’s AV'ild sheep . .
Englisch.
Ovis Vignei Blyth.
Wä
Am Setledsch.
Ovis nahura Hodg.
Wal-mooha
Singhalesisch, Ceylon.
Merainna indica Gray.
Walura
dto.
Sus indicus Schinz.
War
Am Setledsch.
Ovis uahura Hodgson.
War.ak
Javanisch, auf Java ctc.
Rhinoccros sondaicus Sol.
Warrädii
Tamil, S.-Indien.
Hemitragus hylocrius Jerd.
Warri-iUli
dto.
dto.
lil -
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Die vorflohiedenon Namen indischer Ungulaten, etc.
Namen
Weel-moolia. . . .
Welly
Wild Ass of Cutch .
Wild Ass of Tibet .
Wild Boftr, European
Wild Boar, Indian .
Wild Buffalo . . .
Wild Goat of Asia llinoi
Wild Goat, Himalayau
Wild Ox, Burmese .
Xe
Yak
Yak
Yar
Yung
Vorkommen und GebrauebH-
woiae der Namen.
Singhalesisch, Ceylon,
dto.
Englisch.
dto.
dto.
dto.
dto.
dto.
dto.
dto.
Chinesisch.
Tibet.
Allgemein bei den Eng-
ländern.
Bei dem Kolstamrae.
Barmesisch. Barma.
Art
Axis porcinus Jerdon.
Cervulus aureus Jerdon
od. C. muntjac. Elliot.
Equus Onager Pallas.
Equus hemionus Pallas.
Sus scrofa Linne.
Sus indicus Schinz.
Bubalus ami Jerdon,
Cajira aegagrus Gmelin.
Hemitragusjemlaicus.Jord.
Gavaeus sondaicus Jerdon.
Moschus moschiferus L.
Poephagus grunniens L.
dto.
Memiiina indica Gray.
Tragulus Kanchil Gray.
Die Längenbestimmung aus Mondeshöhen und Mondeskulminationen.
Von E. Gelcich.
üeber die erste Anregung und über die ersten Versuche den Mond für
die geograpliische Längeiibestiramung zu benutzen, enthalten alle Werke über
die Geschichte der Erdkunde oder der Schiffahrt hinreicliende Winke. In
kurzem gesagt, hat schon Hipparch den Grundstein zu diesen Methoden
gelegt. Ruy Faleiro soll die Steuerleute des Magellans belehrt liaben, wie
sie die Länge aus Deklinationen des Mondes, aus Höliendifferenzen des Mondes
und des Jupiters, endlich aus Oppositionen des Mondes und der Venus be-
stimmen sollten. Columbus, Rigafetta und Andrea de S. Martiuo
haben auch ähnliche Beobachtungen ausgeführt. Der Glaube Amerigo
Vespucci habe zum ersten Mal Monddistanzen gemessen, wurde, wie wir
früher sahen, durch Varnhagen zerstört. Gewöhnlich pflegt man zu sagen,
dass sich Finaus, Frisius, Apian und Werner die Ehre streitig
machen, die Methode der Monddistanzen erdacht zu haben , was unserer An-
sicht nach nicht ganz richtig ist. Es wird einmal notwendig sein, auch diese
Frage näher zu prüfen , was wir indessen bei dieser Gelegenheit nocli nicht
thuu können. Nur ganz ini Vorübergehen erinuern wir daran, dass Kästner
die Ehre der Priorität dem deutschen Apian zuschreibt. Eine vorläufig
nur oberflächliche Erwägung dieser Angelegenheit führt uns aber auf folgende
Betrachtungen. Werner hat sich mit dem Längonbestimmungsproblem im
Jahre 1514 beschäftigt, bei der Gelegenheit, als er die Geographie des Ptole-
mäus neu hcrausgab. Gemma Frisius bat sein Werk „De principiis astro-
Domiae et cosraographiae“ (Antwerpen) im Jahre 1530 veröffentlicht. Das
Astronomicum Cuesarcum von Apian ist 1540 erschienen und die uns vor-
liegende Abhandlung des Finaus trägt die Jahreszahl 1544 *). Nach diesen
Jahreszahlen wäre also Werner der ei*ste, Frisius der zweite, Apian der dritte,
Finäus der vierte. Uns liegt aber leider nicht das Original des Frisius aus
dem Jahre 1530 vor, sondern eine Auflage aus dem Jahre 1584 betitelt:
„Cosmographia, siue Descriptio uniuersi orhis, Petri Apiani & Gemniae Frisij,
Mathcmaticorum insignium, ium demum inlegritate Suae restituta. Aiuio 1584“.
Darin ist das Kapitel „De longitudine regionum invenienda“ nicht das
XVII., wie wir sonst citiert sehen, sondern das XVIII. Die erste Stelle in
dieser Sammlung nimmt die Kosmographie des Petrus Apianus ein, deren
einzelne Kapitel von Frisius kommentiert, ergänzt und erläutert sind. So z. B.
ist auf Seite 29 die Beschreibung des Baculura gegeben und dann folgt das
Kapitel des Apianus „Quemadmodum nunc ipsius Baculi Astronomici fabricam
non in convenieuter praediximus, similitor & cius usum omnino ncccssarium
typo, quam distincto, ac declaratione manifesta consequenter describimus“. In
diesem Kapitel ist haarklein beschrieben, wie man die Beobachtung einer
Monddistanz ausfUliren soll, wobei sogar erwähnt wird, dass mau das eine Auge
*) Wir sehen oft eine Druckschrift dos Küiäus „de invenienda Longitudine* citiert.
Das Torliegendo Exemplar der Königl. MQnchoner Hof- und Staatsbibliothek umfasst mehrere
Abhandlungen. Der vollständige Titel ist: Orontii Knaci delphinutis regii maihematicanim
lutetiae professoris. Quadrutura circuli ... De circuli mensura ... De luuUangularuiu
Omnium ... De inuenienda longitudinis locorum diüerentia, alitor quam per lunaros eclipse«,
etiam dato quouis tein]H}re, Liber admodum singuluris. Planisphaerium geograheum etc. . . .
Lutetiae pansiorum apud Simonorn Colinacum 1544.
I
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I
410 Längenbcätimmnnf^ aiis Moudeshbhen und Mondeskidminalionen.
geschlossen zu halten hat. Diesem Ka))itcl folgt ein Appendix Gemmae Frisij,
welcher jedoch ebenso gut hiitte aushleiben können, da darin nichts W ichtiges
gesagt wird. Kapitel XVII aus „De usu globi astronomici“ erklärt, wie man
den ürt des Mondes oder irgend eines Sternes bestimmen kann und Kap. XV’III
handelt von der Liingenbestimmung aus dem beobachteten Mondort und aus
den den Tafeln entnommenen Koordinaten dieses Gestirnes.
In demselben Werke ist die Abhandlung des Frisius „de Radio Astro-
nomico“ (S. 286 bis .854) enthalten , und Kap. XXII derselben ist wieder
dem Ijängenbestimmuugsproblem gewidmet. Am Schlüsse dieses Kapitels ge-
schieht kurze Enviilmung von den Vorschlägen des Finäus und des Werner.
Warum kommentiert nun Werner Apian und wie ist diese Auflage vom Jahre
1584 entstanden? Vielleicht wurde sie mit Renützung eines Exemplars des
Apian verfasst, welches sich im Besitze des Frisius befand und durch letzteren
glossiert wurde. Oder ist die Auflage eigens von Frisius Ihr den Druck vor-
bereitet worden ? Hat die Auflage vom .Tahre 1530 wirklich das Kapitel über
Längenbestimmung enthalten, oder ist dieses Kapitel später hinzugefügt worden?
Wer der glückliche Besitzer der Originalausgabe vom .lalme 1530 ist, der
wird diese Fragen mit einem Schlage beantworten, uns ist es aber nicht ge-
lungen, dieselbe zu Gesicht zu bekommen. Vielleicht sind diese Zweifel ganz
ungerechtfertigt, aber da wir die Erfahrung gemacht haben, dass nicht selten
eine Xachricht aus zweiter Hand geschöpft wird und diiss sie dann unver-
ändert durch .lahrhunderte sozusagen von einem Werk ins andere übergeht,
so verlassen wir uns nicht g.inz auf das, was wir nicht aus eigener Anschauung
kennen. Es wäre ganz gut möglich, dass man den Anteil des Frisius an den
Monddistanzen aus derselben Quelle geschöpft habe, die uns vorlag, dass man
aus geschichtlichen Werken die Ueberzeugung gewonnen habe, die Kosmo-
graphie sei 1530 erschienen und dass auf diese Weise Frisius einen Platz in
der einschlägigen Geschichte erhalten habe.
Ausserdem bemerken wir, dass, wo von Monddistanzen die Rede ist,
häufig Kap. XVII ans „Do usu globi“ citiert wird, während von den Mond-
distanzen erst Kap. XXII aus „De Radio astronomico“ handelt.
Ausser diesen ersten Erfindern sind noch zu nennen als solche, welche
die Methode kannten ; Nonius, Santbeck (De observ. phaenomenorum
1561), Longomontanns (Astron. Dan. 1640), Keppler u. a. Longo-
montanus berührte den Gegenstand nur ganz oberflächlich, Keppler ebenso,
nur schlug letzterer vor, den Ort des Mondes im Xonagesimus zu benützen,
um den Einfluss der Parall.axe zu vermeiden. Hallej- klopfte auch sehr
auf die Benützung des Mondes für Längenbestimmungen , er beschränkte sich
jedoch auf die Beobachtung von Sterubcdeckungen und zwar wegen des
Mangels geeigneter Winkelmessinstrumente.
Näher können wir uns für dieses Mal mit den allgemeinen Methoden,
welche sich auf Mondbeobachtungeu gründen, nicht beschäftigen, wir haben
das dazugehörige Quelleninaterial für dieses Mal nicht geprüft und beschränken
uns daher auf die blosse Besprechung der Längenbestimmung aus Mondeshöhen
und Mondeskulminationcn.
Wie also früher gesagt wurde, h.andelte von der Liingenbestimmung durch
Beobachtung des Mondortes Gemma Frisius, angeblich im .lahre 1530. That-
sächlich sehen wir diese Jlethode in einer Auflage aus dem .fahre 1584 be-
handelt. Am Schlüsse des XXII. Kapitels aus „de Radio astronomico“
sagt er einige Worte über Finäus und über Werner. Da es ungemein schwor
ist, sich diesbezügliche Original werke zu verschaffen, so geben wir eine Ab-
schrift der Capitel aus Apian und Frisius diesem Elaborate als Anhang bei,
und es wird dann von der geehrten Redaktion dieses Blattes abhängen, ob sie
Aufnahme finden sollen oder nicht. W'ir denken aber, d.ass dieser Vorgang
allen jenen Lesern, die sich überbau))! um die Geschichte der wissenschaft-
lichen Geographie, der Schiffahrt u. dgl. interessieren, nur angenehm sein
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Die LilngeDbeätimmung aus Moudeshühen und Mondeskulmirationen.
411
kann, wie wir unsererseits sehr wünschen würden , dass die W erke der alten
Litteratur, die noch Interesse bieten, gesammelt in einer Neuauflage erscheinen,
um das Studium der Quellen zu erleichtern. Die kleine Druckschrift des
Finäus , „De invenienda lougitudinis locorum differentia“ , konnten wir nicht
aufnehmen, da sie für eine Zeitschrift doch zu umfangreich ausgefallen wäre.
Finäus ist also der erste, der vorgeschlagen hat, die Länge durch Be-
obachtung der Kulmination des Mondes zu bestimmen, wozu er sich einer
guten Uhr und eines Höheninstrumentes bedienen wollte, um sowohl die Zeit
der Kulmination als die Höhe zu eruieren. Aus einer Ephemeride wird
die Zeit der Kulmination und die Ijage des Mondes für einen .anderen
Meridian bekannt und aus diesen Elementen ist es leicht, die eigene Länge
zu ermitteln.
Finäus erklüide durch eine Figur, wie man die Aufgabe auf einer künst-
lichen Hiramelskugcl lösen könnte. Da aber zu seinen Zeiten weder von
Uhren noch von guten Höheniustrumenten die Rede sein konute“ so unterhlieh
die fernere Anwendung der Methode.
Rothmann, der Astronom Wilhelm IV*., scheint entweder diese
Methode oder die andere aus Mondeshühen gekannt zu haben. In einem seiner
Briefe an Tycho (1580) beschwert er sich darüber, dass ihm die vereitelte
Beobachtung einer Mondesfinsternis ausser Stand setzte, den Längenunterschied
zwischen Uranienburg und Cassfd zu bestimmen, bittet aber den Tycho fleissig
den Mond zu beobachten, mit dem Zusatz, den wir folgen lassen : ’)
„Quod cnmmode per lunam fieri posse puto, si eam una et eadem die,
aut etiam diebus non multum a se distantibus , uterque simul observaverinius.
Ita enim separata Parallaxi per motuin ex observationibus incertum facilc
quaesitum patebit.“ Aus dieser Stelle geht allerdings eine nähere Bekannt-
schaft mit den vorerwähnten Methoden hervor, nur hat leider Rothmann kein
weiteres Wort der Erklärung oder Erläuterung dazugesetzt.
Slorin und Vanlaugren (oder Langrenus) sind die Fachmänner
aus dem siebzehnten Jahrhundert, die sich abermals damit beschäftigten.
Johann Baptist Morin, Professor der Mathematik beim College de France und
nebstbei gesagt ein eifriger V^erfechtcr der Unbeweglichkeit der Erde, ist eine
in der Geschichte der Wissenschaften sehr bekannte und mitunter ganz ver-
schieden beurteilte Persönlichkeit. Wir wollen nicht untersuchen, wer eigent-
lich ira Recht sei, ob seiue Anhänger oder seine Gegner, nur soviel wollen
wir konstatieren, dass er eigentlich viel Unglück gehabt hat. Uns interessiert
nur das von ihm im Jahre 1840 vollständig gewordene, aber in Bruchstücken
schon früher, und zwar in den .Jahren 1634, 1636, 1638 und 1639 veröffent-
Uchte Werk mit dem Titel ;
Astronomia iam ä fundamentis integre et exacte restituta, complecteus
novem partes hactenus, ojitatae scientiae longitudinam coelestium nec non
terrestrium, qua cuiusvis astri visi et cujusvis Terrae loci in quo sit statio,
longitudo et latitudo accuratissimo detegi queat ; cuncta que astronomiae vera
principia pridem ignota traduntur. Authore .loanne Baptiste Älorino. Pari-
siis 1640.
Schon im .lahre 1632 ersuchte Morin den Kardinal Richelieu eine
Kommission zu ernennen, welcher er über neue Jlethoden der Läugenbestimmung
Bericht erstatten wollte. Nacli zweijährigem Drängen entschloss sich Richelieu
die Kommission wie folgt zusanimenzustellen : De La p orte. Grossmeister
der Artillerie, Präses; Mitglieder: Chambon, Pascal (der V^ater), My-
dorge, Bo u langer und Herigon. Später kam noch der Mathematiker
Beaugrand hinzu und De Laporte ergänzte die Kommission durch einige
höhere Seeoffiziere. Die erste Methode, welche Moriu auftischte, war nichts
anderes als eine Xeuauflagc der Monddistanzen. Er trug der Commission vor,
■) Zach, llonaU. Con-. Ud, XVI, S, 2W,
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412
Die Längenbestiiumunp aus MondeshOUen «ud Mondeskulmmaiionen.
wie man aus der sclioinbaren Distanz und ans den beobachteten Höhen die
Deklination und die gerade Aufsteigung des Mondes berechnen könnte. Der
Vergleich mit den Tafeln von Keppler hätte die Zeit ergeben, wenn der Mond
am ersten Meridian die berechnete Lage einnahm , und die Differenz dieser
und der Ortszeit war natürlich der Langenunterschied beider Orte. Morin
erklärte, dass er nur für die Güte der Methode einsteht, dass dieselbe gute
Tafeln und genaue Instrumente voraussetzt, dass jedoch die Kommission sich
mit dieser letzteren Angelegenheit nicht zu beschäftigen hat. Die Kommissions-
mitglieder waren leider anderer Ansicht, indem sie sich äusserten, dass Methoden
der liängenbestimmung schon durch andere vorgeschlagen wurden, dass cs
sich nicht mehr um deren Erfindung handeln kann, dass theoretische Faseleien
keinen Nutzen bringen, dass die mathematische Berechnungsweise und deren
Vereinfachung keine. Schwierigkeiten bieten wird, wenn einmal Instnunente
und Tafeln vorhanden sein werden. Darüber entspannen sich langwierige
Controversen, in denen Jlorin einmal nachweisen wollte, dass die vorhandenen
Tafeln schlics.slich doch gut genug sind, während er später, in die Enge ge-
trieben, viel darüber schrieb , wie man eben durch seine Methode die Tafeln
verbessern könnte. Der Quadrant, den er mit Nonius und Fernrohr versah,
schien ihm auch nicht so schlecht zu sein und um die Beobachtungen genauer
auszuführen , wollte er denselben durch ein Lot vertikal halten lassen. Ein-
mal sollen die Kommissäre nahe daran gewesen sein, dem unglücklichen Morin
ein günstiges Certifikat auszufolgen , allein sie überlegten sich es besser in
der Zwischenzeit zweier Sitzungen und erklärten schliesslich, Morin habe nichts
Neues erfunden oder erdacht, seine Methoden seien schon früher bekannt ge-
wesen und was ihre praktische Anwendbarkeit anbelangt, so stelle sich der-
selben der Mangel geeigneter Instrumente und Tafeln entgegen. Darüber
grosse Entrüstung von Seite Morins, Schmähschriften und Polemik, bis ihm
schliesslich doch eine Pension angewiesen wurde.
Im dritten Teile seines Werkes über die Längenbestimmung hat Morin
über folgende Methoden gehandelt.
Mau beobachtet den Mond und ein bekanntes Gestirn im Meridian , es
ist daraus der Ort des Mondes zu bestimmen.
Man beobachtet dieselben zwei Gestirne im selben Vertikal; es soll
daraus die geographische Länge ermittelt werden.
Im Augenblick der Mondeskulmination wird die Höhe eines Sternes be-
obachtet. Es ist die Länge zu bestimmen.
Ein Gestirn befindet sich im Meridian , der Mond hat einen beliebigen
von 0° verschiedenen Stundenwinkel. Aus der Distanz dieser Gestirne und
aus den scheinbaren Höhen die Länge zu bestimmen.
Schliesslich kommt noch eine Methode der Längenbestimmung aus der
Beobachtung des Mundes und zweier Gestirne vor.
Aus dieser Zusammenstellung ersieht man , dass die Beobachtung der
beiden Gestirne im selben Vertikal oder im selben Meridian , eigentlich auf
Monddistanzen zurUckzuführen ist, während die Bestimmung der liänge aus
Moudeskulminationen durch Beobachtung der Höhe eines ausser dem Meridian
befindlichen Gestirnes immerhin als eine neue Idee Morins gelten kann. FiuUus
hatte sich auf die Beobachtung des Mondes beschränkt, Morin nimmt dafür
auch eine Gestirnshöhe, welche ihn zu einer besseren Kenntnis der Ortszeit
fuhren kann. Da aber Finäus ausdrücklich erklärt hat, mau bedürfe zu dieser
Methode einer guten Dhr , was wir in dem Sinne auffasseu , dass der Stand
dieser Uhr gegen Ortszeit bekannt sein müsste, so bietet eigentlich die Variante
Morins eher eine Aufklärung zur Methode des Fiiiäus als anderes.
Die Methode , durch Beobachtung eines Gestirnes im Nomigesimus und
die andere durch Benutzung von zwei anderen Sternen ausser dem Monde
erfordert auch Distanzmessungen und gehört daher nicht in das Gebiet jenes
Kapitels, welches wir uns zu besprechen voruahmen. (Schloss folgt)
I
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ZEITSCHRIFT
rüR
WISSENSCHAFTLICHE GEOGRAPHIE
unter MitberOck^icbtigung des
HÖHEREN GEOGRAPHISCHEN UNTERRICHTS.
In Verbindung mit
^ TH. FISCHEK, A. KlRCUnOFF,
0, KRÜMMEL, J. REIN, S. RÜGE, TH. SCHüNKE, F. NYlESER
herausgeguben von
J. I. KETTLER
(W 5 i m a r>.
BAND VII, HEFT 4 und 8 .
INHALT:
i»ita
II. HRCNNHOFF.R, P«oti*cli« VälkcrruimfH
CH. tH« hnrnKnslMhcn Erlxa (»chliiis) 418
A- 8CllP(-K; I>1« Aaforderun‘,;«u an einen «o)?cQjianlon Tra^kMiknmi'M« 449
K, QEJ/*1CII : LknKfnbestiinmuupcn «b» Mon<lM)i&hm u»! HandMkiGminnÜAnen (SchluM) - . . 4C4 ^
llEYTß; Drei Mercator>KArt«D in Her Dre«iAuer SiMUbiblinthek (Foriwtsung) ..... 4'4
II. BEC'KEH: Eine gcolo^ecli« Karte von Eornpe ISS
Preis des Bandes von 6 Heften 6 Mark.
Difjiü/ >',J by C^ooglt
WEIIIAK.
GEOGRAPHISCIIKS INSTITUT.
1890.
Beiträge für diese Zeitschrift
sind in der Form von Aufsät/en, von kürzeren Mitteilungen und Notizen, wie aueb von
Karton Über jegliches Thema auf dem Oesamtgebiete der wisscnschafUicben Geographie
(Methodik der geograph. Forschung und des geograph. Unterrichts; tnathemat Geographie;
phjsischo Geogr.; Völkerkunde, Kultur- und HandeUgeogr.; Geschichte der Erdkunde und
der Kartogr.; antike \md mittelalterl. Topographie) erwünscht.
Honorar ftlr Original-Beiträge 60 M., für Bc*spreclmngen und Notizen 30 M. pro Druck-
bogen; für Kartcu nach Ueberoinkommen.
Wir liefern von grösseren Abhandlungen fünfzehn, von sonsUgCD Artikeln fünf Exem-
plare den betr. Herren Autoren gratis; etwa mehr gewünschte Exemplare werden zum
Kostenpreise berechnet.
Wir bitten, alle Beiträge. Bespn>chungsexcmplare und Tausebzeitschriften, sowie alle
für die Redaktion, ebenso alle auf Abonnements, Inserate oder BeiUigen bezüglichen Korre-
spoudonzfii „An dos Geoffraphische Institut in Weimar** zu richten.
Kodaktioii und Verlag
der
..Zeitschrift f. wiss. Geographie.“
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Pontische Völkernatnen.
Von Hormann Brunnhofer.
r.- •
Trotz den eindringenden Untersuchungen Jlüllenhoffs und Cunos über
die pontischen Skythen, die im grossen und ganzen den indogermanischen,
speziell den iranischen Rassencharakter der meisten Pontusvölker der Alten
dargethan haben, giebt es noch eine Fülle pontischer Eigonnamen, die bisher
der etymologischen Analyse getrotzt haben. Unter diesen mögen sich die nach-
folgenden zum erstenmal in den Zusammenhang mit dem etymologisch bereits
durchschauten Namensmaterial einreihen.
Herodot unterscheidet IV, 17. 18. 20 dreierlei Skythen : Axt'tfai
SxvOai ytm^yoi und ßaaikctoi (die auch ßaaif.ixoi, ßaaMäai heissen).
Die letztereu, die königlichen Skythen, in einheimischer Sprache Skoloter
genannt, sind (s. Cuno, Die Skythen, pag. 324) unzweifelhafte Indogerinanen,
die es zu monarcliischer Organisation gebracht hatten.
Die ^xiitai dpoi(;()4s' und die ^xv!}ai yf(o(f/oi verdanken ihre Namen
einem Missverstündnisse der Griechen, die, nicht unähnheh den älteren Ety-
mologen der neueren Zeit, in den Fremd numen aller Völker das Griechische,
sich reflektieren sahen. Bezüghch der AxütAai yew^yol bin ich halbwegs
der Ansicht Neumanns, der (s. Steins Anm. zu Herodot IV, 18, 4) die
yeiüQyoi als die von Strabo auch OvQyoi genannten i'xiltfa« ßaai?.eioi auf-
fasst (oi ßaaiXiiot Xtyö/iemt xal Oigym). Der wahre Name dieser Skythen
sei Ov^yot, von mongolisch urga „Lagerplatz und Aufenthaltsort des Khans“,
den Herodot in den Namen yeinQyoi liellenisiert habe. Dass der Name yeiofyol
nur Missverständnis und Hellenisierungsprodukt Herodots sei , ist nun freilich
durchaus unwahrscheinlich ; Herodot wird den hellenisierton Namen bereits
vorgefunden haben. Derselbe geht aber nicht direkt auf Oiyyiii, sondern auf
die mit demselben wahrscheinlich identischen oder doch naraensverwandten ’JvQxat
zurück (Herodot IV, 22), deren Anfangs-y sich für das griechische Ohr leicht
als y präsentieren mochte. Die ^xiitai ytw^yoi-, als turkotatarische Skythen,
mochten dann im hellenischen Sinne als missverstandene Ackerbauer
leicht auch mit Skythenstämmen rein indogermanischer Kasse verwechselt und
verschmolzen worden sein.
Die ^xvOai dpoT7)(ifs' als spezifische „Pflüger“ haben neben den ^xv9ai
yeiDfyoi als „Ackerbauern“ gar keinen Sinn, da es keinen Ackerbau ohne,
wenn auch noch so primitive, Pfliigung giebt. Dio dpoi(^pfS scheinen mir
aber auf einen ganz anderen Zusammenhang hiuzudeuten. Die Axitto« ßaai-
>.(iot als monarchische Skythen verlangen als Gegensatz republika-
nische Skythen und dieses sind die dgoiij^s’, in welchen ich iranische
*arätra, skt. aräshtra oder Aräshtrya vermuthe. Noch der Periplus
baris Erythraei kennt in Gedrosien V/jarrpiot. Diese *arätra, d. h. die
„Königslosen“, kommen als 'Aö^imai bei Arrian unter den indischen
Völkern diesseits des Ganges vor und das Mahäbhärata giebt uns im Kama-
parvan, Qloka 2055 — 2057 den Schlüssel zu diesem Namen;
CatadrufcaVipä?ä ca tritiyair Avati tathä,
Candrabhägä Vitastä ca Sind hu shashthä habirgiroh,
AräUä nfima te degä nashtadharmä na tän vrajot.
„Die (Flüsse) ^’atadru, Vipä(ä, Avati, Candrabhfigti , Vitastä und als
sechster der Indus jenseits des Gebirgs, diese Gegenden heissen Aratta,
83
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416
PontiBcho Völkornamen.
„diö Gesetzloslcbenden“, die soll man moiden.“ Die nordwestlichen Inder des
Pandschab, die sich, im Gegensatz zu ihren unter brahmanischem Joche
seufzenden Stammesbrüdern im Osten und im Dekban verhiiltuismässig Ton
priesterlicher Bevormundung frei erhalten hatten und z. T. , wie noch in der
Neuzeit die Sikhs, halb republikanisch lebten, erschienen den in der brah-
mauisch geordneten Monarchie der Gangesländer lebenden Indern als Äb-
trünnlingo von Priestergesetz und Konigsberrscliaft (räshtra) und erhielten
davon den Namen Aräsbtra, prakritisiert Arätta.
Zu diesen Arätta stimmen nun vorzüglich die iranischen SaQaTioQai
Strabos. Der Geograph erwähnt dieselben im XI. Buche, als Thracier(!),
die hinter Armenien bei den Guranieni und Medern wohnen, Gebirgsbewohner,
wilde, unbändige Menschen, Schädelschinder und Kopfabschneider, „denn das
bedeutet Saraparai“ «Vttpiiiois' xal dneii^tlg, ÜQtnms, nfpioxe-
iUords' re xal dnoxeya/iffitis" 1'ovtii yöp oi 2ia^anaQai)
Zu diesen wilden „Kopfahsehneidem“ Mediens bemerkte schon Lagarde, Bei-
träge zur baktrisehen Lexikographie (1868), pag. 68 : „möglich, dass die neben
den Amazonen genannten iVtpandpa/ (Ablih. 281 , 3) nicht xfipalurufioi, son-
dern Republikaner waren.“ Denn, fügen wir hinzu, auch die Turkmenen Central-
asiens , vielleicht die Vorfahren jener strabonischen .iapa.Tdpai in Medien,
nennen sich heule noch „kopflos“ im Sinne von „königslos“. ,.Der Turkmene
selbst pflegt von sich zu sagen: Bis bibasch chalk bolamis (d. h. wir
sind ein Volk ohne Kopf), wir wollen auch keinen haben, wir sind alle gleich,
bei uns ist jeder ein König“ (Vhambery , Reisen in Mittelasien , pag. 249).
Uebereinstimmend berichtet Reclus, Nouvelle Geographie Univers. , T. IX,
pag. 62: „Meine commandä par emir, khau ou djirga, l'Afghau aimo ä so
croire libre. „Nous soranies tous egaux!“ dit uue parole qu’on repäte souvent
aux Voyageurs anglais, et quand ceux-ci leur vantent la puissance monarchique :
„Nous preferons nos discordes , disont-ils , nous preferons nos alarmes ; quo
notre sang coule, s'il le faut, mais nous ne voulons pas de maitre.“
Die ’xfrapiöt des Ptoleinaeus III, 8, 5, die an der obern Theiss im
Nordwesten Daciens wohnten, wo sie schon Caesar, Do hello Gallico VI, 25
(Hercynia silva,. . . pertiuet ad fiues Dacorum et Anartium)
kennt, sind als Daker (Stephanus Byz. ed. Meinecke, pag. 216 : ol .Jdxoi ot'<;
xaüoC/iex Jdoi^s) etymologisch durchsichtig im Sinne iranischer anarta (im
Sanskrit anrita), die im Nordiranischen, in der Sprache des Avesta,
alias ha heissen würden, es sind die bösen, unreinen, unheiligen. „Wie
aber, fragt Grimm, Gesell, d. dtsch. Spr., Bd. I, pag. 199 , wie aber die von
Ptolemacus III, 5, 20 an den AVeichsolquellen aufgeführten 'Aiat>TOif(tdxioi zu
deuten? ist q’pdxr»!; das altsächsische bräht, ahd. präht, allatus?“ Grimm,
der, soweit es nur immer reichen mochte, in allen Völkern des europäischen
Ostens am liebsten Germanen erkannte, hätte, selbst letztere Etj'mologie zu-
gegeben, den Namen der Anartophrakten doch nicht zu deuten vermocht, da
ihm nun einmal die Einsicht in das Etymon von anarta verschlossen blieb.
Der Name ist jedoch , vom iranischen Boden aus , vollkommen durchsichtig.
Die Iz/vopToq'pdxroi sind nämlich nichts anderes als sanskritische *anrita-
vrikta, iranisch “anartavarekta, d. h. Missethäter, Bösewichtcr, Leute
„die Unheiliges, Böses verüben.“ Also ganz entsprechend dem Namen der
Quaden, in deren Namen Grimm „die Bösen“ (vgl. engl, bad) erkannte.
Die Quaden waren aber die unmittelbaren nordwestlichen Nachbarn der daki-
schen An arten. Die Anarten Daciens als „unheilige Bösewichter“ haben
übrigens ihre Nameusverwandten in Guzerate gehabt, wo sie nach Wilson
(Vishnu-pnräna-Uebcrsetzung cd. Hall, T. II, pag. 171 — 172, Fussnoto 4) dag
Mabäbhürata hinversetzt als Anarta.
Nach Herodot I\^, 5, 1 war der ei-ste Mensch, der nach der Tradition
der pontischen Skythen ins Land gekommen war, Tafiyhaos gewesen, der selbst
ein Sohn des Zeus und der Tochter des Stromes ßorysthenes gewesen sei.
. V .1):
Politische Vfllkernamen.
417
Von dessen drei Sühnen Lipoxai's, Arpoxai's und Kolaxa'is sollen sämtliche
Skythenstämme herkommen. Die Namen der Söhne sind unzweifelhaft iranisch,
also wird es auch der des Vaters sein. Darf man au zeudisch daregha,
skt. dirgha, denken, wiewohl die Tcuuis sonst nicht auf ein Wort mit an-
lautender Media schliessen Hesse? Oder darf man vielleicht doch an georgisch
targi, das Schiff, denken? V'ergl. Klaproth, Asia polyglotta, pag. 119.
Das Tcios des zweiten Teiles des Namens bleibt allerdings auch dann noch
in Dunkelheit gehüllt. Oder ist cs aus skt. t a v a s , Kraft , Stärke , zend
tavan, stark, vermögend, zu deuten?
Nicht iranischer Easse war nach Herodot das Volk der iIi£/dyx?-a<rot
(IV, 20) , das er speziell als nicht-skythisch (oil ^xvDixuv) bezeichnet. Im
Norden ihres Wohnsitzes waren Seen und menschenleere Wüste Jyif^.ayxi.ah'(itx
di TO xariVrep^Ae liinat xai fQi^/wg iartx dvttpel.awe). Nach Cuno (Die Skythen
pag. 82) „kann man die Seen, deren Herodot im Norden des Gebietes der
Melanchlänen gedenkt, kaum anderswo suchen als in der Seonzoue im Norden
des Wolchonskiwaldes und in Finland.“ Waren die Melanchlänen aber
Nachbarn der Finnen, so konnten sie leicht einen finnischen Namen tragen,
wenn sie nicht vielleicht selber Finnen waren. Dann aber ward man den
Namen der jl/fldyxlaoo; nicht ferner mit „Schwarzröcke“ übersetzen, sondern
im zweiten Teile desselben das finnische lainen (vergl. den Namen der
Finnen: S u o m al a i n c n) „Volk“ suchen. Ist die Namensform vielleicht
hybrid, sodass man im ersten Teil, in dem //flayx etwa ein dom altnordischen
m y r k „schwarz“ (vergl. homerisches » ixid,' d/io/.yi/') entsprechendes Wort
vermuten darf?
Wiederum nicht iranischer, auch nicht indogermanischer Basse war das
sUdpontische Volk der ida-xfipf,;, die auch ‘/fo.Tfpfrai (Xenophons Anab. VII, 8)
hicssen und deren Landschaft den Namen 'Ya.'tiffän^ und Äa.i/ßii/g führte.
Es sind die Sapard, Qpard der persischen Keilinschriften, die Sper der
Altarmenier, noch jetzt im Namen dos Thalgaues Ispir erhalten. Welches
ist nun die älteste Naraensform ! Die mit oder die mit 2v oder die mit
'y anlautende Form? Die des Xenophon auf 'F.ii scheint mir hellenisiort,
daneben aber 2da^aQfg und 2itmfiQfg gleichberechtigte Varianten. Das Ety-
mon liefert uns diesmal das Georgische , denn Klaproth , Asia polyglotta,
pag. 112 verzeichnet in der Bedeutung „blau“ georgisch zis-'peri, d. i.
himmelshell. Nun giebt es aber im Georgischen nehen Zis, Himmel, auch
noch eine Form Za, Himmel (s. Klaproth, Asia polygl. , pag. 115), aus
welcher sich nicht allein die 2diinQoi , 2djiiQm, ^ditnftijfg als „blaue“, sondern
nunmehr auch das sehr wichtige Wort ad^iirniiDg, der Saphir, als der ,, himmel-
blaue“ erklärt. An der Wölbung der Halle, in welcher der pei-sische Gross-
könig zu Throne sass , stellte der oberste Teil der Wölbung in Form eines
Schildes das Himmelsgewölbe dar, dessen Farbe eingelassene Saphire wider-
spiegelten, denn, sagt Philostratus , der uns im Leben des Apollonius von
Tyana, Uh. 1, diese, hier nicht weiter zu verfolgende Schilderung giebt, dieser
Stein vermag uns mit seiner blauen Farbe am besten an den Himmel zn er-
innern {<faai de xai a’idptÖK tiTiiyffr, ou rör dpf«/o> f’g aVij/flaj axijfia,
ovqayiji uri fixaofiiyov , aanijttithrj de ai'im xai>;^if!tai lith’i. KvaiandT?]
di ij I/VtOj,’, xai ocpan'a idfh). Offenbar deshalb war der Stein dem Kronos
geweiht; oi jitynoi ÄpÖK,) dvixfivm, wie Johannes der Lydier in seinem
Traktat über die Monate III, 26 berichtet, nach Lagarde, Ges. Abhh., pag. 72,
Nr. 182. Vergl. auch dessen Armenische Studien, pag. 117, No. 1690.
Ueher das Volk der io,*(poi , die noch in der Völkerwanderung unter den
Hunnen erscheinen, s. Zeuss, „Die Deutschen und ihre Naebbarstämme,“
pag. 711 — 713. Der griechische und die semitischen Namen des Saphirs sind
demnach so gut wie der armenische und der sanskritische Name (anipriya
„dem Planeten Saturn lieb“ altes Lebngut aus dem Georgischen! Aber in
welcher Reihenfolge ging die Entlehnung von Volk zu Volk vor sich?
33 *
Digillzeci uy Goo ’Ie
Oie homännischen Erben.
Im Änscliluss an „Johann Baptista Homann“ dargelegt
von Dr. phil. Christian Sandler.
(Schluss.)
Der homünnische Verlag um 1760.
Die zahlreichen Karten , welche die homännischen Erben dem karto-
graphischen Nachlasse F. Chr. Hoinanns hinzufUgten, wurden mit diesem, dem
Bedürfnisse entsprechend, zu verschiedenen Atlanten vereinigt. Während die
Himmelskarten von jeher eine besondere Abteilung bildeten, wurden die Land-
karten erst im Jahre 1740 *) in nichtdeutsche und deutsche (Atlas geogr.
Major, Tom. I, mit 105 Blättern, Tom. II, mit 86 Blättern) zusammengefasst ;
die Stadtpläne (46 Blatter, darunter mehrere Karten von Kriegsschauplätzen)
bildeten den Anhang zu diesem älteren „Deutschlands Atlas“ ; die neu er-
scheinenden Blätter wurden ungebunden in einen sog. „Supplement -Band^^
gelegt; ein solcher sollte immer in 12 -~15 Jahren, in welcher Frist etwa 100
neue Karten erscheinen sollten, schlussreif sein *).
Bei gewissenhafter Einhaltung dieser Abteilungen wären die homännischen
Erben dem von J. B. Homann überkommenen Geschäftspriuzipe , möglichst
vollständige Atlanten zu liefern, untreu geworden. Die Karten des
Supplementbandes wurden daher zu verschiedenen Zeiten zur Vervollständigung
der Hauptbände verwendet, und diese dann von neuem abgeschlossen. In der
Zwischenzeit aber wurden nicht selten neue Karten den Hauptbänden ohne
weiteres eingefiigt, so dass die Uebereinstimmung zwischen Titelblatt, Register-
blatt und Inhalt der Atlanten unter den homännischen Erben nicht viel
grösser ist, als unter J. B. Homann. Auf längere Zeit abgeschlossen wurden
der 1. Band des „grossen Atlas'^ im Jahre 1763, der „Dcutschlandsatlas“ im
Jahre 1753*). Der Verlag der homännischen Erben stellt sich also gegen
Ende der Franz-Eberspergerischen Periode folgendermasseu dar:
1. Atlas coelcstis, studio et labore Job. Gabrielis Doppclmajeri,
Mattli. P. P., Nürnberg 1742.
Entliült 30 Blätter, von denen 21 vor 1724*), die übrigen 9 nach 1735
herausgegeben wurden. Die Titel der letzteren sind;
1. Pbaenomena circa quantitatem dicrum artificialium et Solarium.
2. Theoria Lunae. (Nach Newton, Tycho und Horrock).
3. Theoria Eclipsium.
*) Vielleicht schon im Jahre 1737, da der im Landkarten-Verzeichnis des Jahres 1741
erw&hnte »äupplomontenband* die seit 1737 erschieDonon Bliltter der hom. Erben entbält.
,KuHze Nachricht von dem hom. Grossen Landkartonatlas , nebst Verzeichnis dor
hom. Landkarten*, Nürnberg, H. E. 1741, p. 46.
■) Catalogus Mappivrum astr. et geogr. ex quibus Atlantes varü generis fonnantur
publice ezhibilarum studio et impeusis Homannionim heroduru 178.3.
*) Vorgl. dieselben in meinem „J. B. Homann“, Berlin 1886, p. .57. Der dort mit auf*
gezählte „Sphacrarum artificialium typua“ ist später im Natur* und Kunst-Atlas eingoreibt.
Ob „Pbaenomena in plunetia primariis“ und „rlanisphaerium coeleste“ identisch sind, ist
mir nicht gelungen, sicher zu stellen.
Digiti, ' '
Die homännischen Erben.
419
4. Theoria Satellitum Jovis et Saturni.
5. Theoria Cometarum. (Nach Newton und Whiston.)
6. Motus Cometarum in Hemisphaerio boreal. ab anno 1530 usque ad
a. 1740.
7. Motus Cometarum in Hemisph. austr. 1530 — 1740.
8. Astrouomia comparativa, in qua phaenomena ex obseiwationibus de-
ducta € Sole, Mercurio, Venere et Luna exliibentur.
9. Astronomia comparativa, in qua primaiia Planctarum phaenomena ad
rnotuni ajmetantia e Plauetis superioribus, Marte. .Tove et Satumo sistuntur.
Franz bemerkt in seiner ,,Recension der liomünnischcn Werke“ zu diesem
Himmelsatlas ; wenn auch die Flamsteed'schcn Sternkarten richtiger , die
des D. ßevia und Bradley noch richtiger als die Dop])elmayerischen seien, so
genügten die letzteren doch zur „Erlernung der Sterne“ ; die „Theoria Eclip-
sium“ enthalte Projectionsfehler ; M. Basilius Chr. B. Wiedeburgs „Ein-
leitung zur Astrognosio“, Jena 1745, sei zu den homünnischeu Karten ge-
schrieben.
Lowitz’ „Verfinsterte Erdkugel 1748“, hgg. 1747, und Tob. Mayers
„Mondsfinsterniss 1748“ sind dem Himmelsatlas gewöhnlich beigofiigt.
II. Atlas Geographicus Major, Tomus I. (quatuor mundi
partes exclusa Germania). Hat im Jahre 1763 folgenden Inhalt;
A. Foha praeeuntia.
a. Titulus figuratus ; Globus und allegor. Figuren darstellend. („J. Just,
Freister del. 1762, Andr. Hoffor sculps.“).
b. Titulus sculptus.
c. Index.
d. Introductio Geographica. (Den 1. Teil derselben bilden Maupertuis’
,, Anfangsgründe der Geographie“, der 2. und 3. Teil sind eine geringe Ver-
besserung der entsprechenden Teile der alten Doppelmaycrschen Einleitung.
e. Tabula descriptiva orbis. (Geographische Universaltabello von Job.
Gottfr. Gross, Professor zu Erlangen, zum Teil aus den baseschen Landkarten
gezogen, ca. 1739).
B. Mappae *).
1. Planiglobium, 1746, von Lowitz nach Hases 4 Generalkarten.
2. Planiglobium (Lowitz 1746) secundum religiones, s. a. (zwischen 1753
und 1759) nach den Angaben des Superintendenten Dr. Haubor ").
3. Europa, 1743, von Hase.
4. Europa (Hase 1743) secundum relig., s. a. (vor 1754) nach Haubers
Angaben *).
*5. Portugallia; verbessert 1736.
*6. Hispania (Delisliana).
7. Hispania Bencdictina, 1750, von Rupert Carl, Mon. Bened. Weichen-
stepban.
*8. Cataloniae Principatus.
*9. Fretum Gaditanum.
10. Majorca, Minorca etc., 1756, nach Belhn.
11. Insula Minorca, 1757, nach Chevalier de Bcaurain.
12. Galha, 1741, nach de ITsle, eingerichtet auf Schatz’ „Anfangsgründe
der Geographie, herausgegeben von den Homännischen Erben, 1741.“
*) Die Kartentitci sind zumeist den Katalogen und Registern entnommen; die dem
Knrteiititel beigesetzte .Tahreszabl bedeutet das auf der Karte genannte Jahr ihrer Heraus-
galie; ist auf der Karte dasselbe nicht angegeben, so ist in Klammem die Jahreszahl bei-
gefügt, welche sich aus den Katalogen ete. als wahrscheinliches Publikationsjahr ergab. —
Die mit ♦ bozoichneten Karten stammen von J. D. oder Cbr. Homann.
•) Vergl. Reeension der hom. Werke 1753, p. 30.
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420
Die homännischcn Erben.
13. Gallia Bencdictina, 1738, von Rupert Carl.
14. Gallia Postamm, 1745, nach Jaillot.
*15. Ager Parisiensis.
16. Normanuia, s. a. (1742) '), nach de l’Isle.
17. Piccardia, 1746, nach de ITsle.
*18. Ducatus Britanniae.
19. General. Aurelian., 1762, nach Rizzi-Zannoni.
♦20. Aquitauia.
21. Languedocia, 1742, nach Nolin.
22. Provincia, s. a. (zwischen 1741 und 59), nach de l'Islc.
*23. Delphinatus.
24. General. Lugdunens., 1762.
*25. Burgundiae comitatus.
*26. Campania.
*27. Lotharingiae Ducatus.
28. M.agna Britannia, 1749, von Toh. Mayer.
*29. AngUa.
30. Ager Londinensis, 1741, nach Th. Bewies.
*31. Scotia.
*32. Hihernia.
33. Belgium generale (.,B. universale“, auch „XVII provinciae“), 1747,
auch 1748, von Tobias Mayer.
34. Belgium Austriac. („B. catliolicum“, auch „X provinciae“) , 1747,
von Tob. Mayer.
*35. Brabantiae Ducatus.
*36. Flandriae Comit.
*37. Luxenburgi Ducatus.
38. Comitat. Namur., 1746, nach Friexe.
*39. Hannoniae Comitatus.
40. Artesiae Comitat., s. a. (zwischen 1735 und 42), nach de ITsle.
41. Belgium foederatum („Vll provinciae“), 1748, von Tob. Mayer.
42. Comitat. Hollandiac, 1733.
43. Italia, 1742, nach de ITsle, eingerichtet auf Schatz’ „Anfangsgründe
der Geographie.“
44. Italia Bencdictina, s. a. (zwischen 1735 und 42), von Rupert Carl.
*45. Italia cursoria.
46. 47. Historia belli 1746 in Italia (oder „Kriegsoperationen am Taro“),
1754, von einem kais. Militärbaumeister.
48. Sabaudia s. Lombardiae tal. I, 1749, von Tob. Mayer.
*49. Ducatus Sabaudiae.
*50. Status Mediolaiicnsis.
51. Ducatus Parmensis, 1731.
52. Ducatus Mantuanus, 1735.
53. Ducatus Mutinensis, s. .a. (1746).
54. 55. Fluvius Padus, 1735, nach Augustin Cerruti.
*56. Dominium V’enetum.
57. Status Eccles. et Toscana, 1748, von Tob. Mayer.
58. Patrimonium Petri, 1745, nach Rossi.
59. Latium, 1745, nacli Rossi.
60. Status Genuensis, 1749, von Tob. Mayer nach du Chafrion.
*61. Neapoüs Regnura.
62. Sicilia, Sardinia, Corsica ot Malta, 1762, nach Rizzi-Zannoni.
63. Sicilia, 1747, nach v. Schmettau's Originalkarte verkleinert.
64. Sardinia, 1734, nach Corouelli.
9 Vergl. Catalogiifi mappamm llom, Ilered. 1783.
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Die hotnäimi»cbon Erben.
421
65. Corsica, 1735, von Hauptmann J. Vogt.
*66. Malta et Gozzo.
67. Helvetia, 1751, von Tob. Mayer.
68. Territorium Scaphus., 1753, anfgenommen von Kapitän Pejer ; mapp.
von Tob. Mayer.
69. Tcrrit. Lucem., 1763, von Gabriel Walser, Pastor zu Bemeck.
*70. Banubii, Graeciae et Arcbipelagi tabula.
*71. Banubii Fluvii pars superior.
*72. Banubii Fluvii pars media.
*73. Banubii Fluvii pars infima.
74. Hungaria universa, 1744, von Hase.
*75. Hungaria Postarum (Hungariae Regnum).
76. 77. Comitat. Posoniensis, 1757, nach Micovini, mit einigen Ver-
besserungen.
78. Sclavoniae Regnum, 1745, verkleinert nach Joseph Gades’ Originalkarte.
*79. Principatus Transylvaniae.
80. 81. Serviae et Bosniae Regna, s. a. (1738), von Lieut. Oettinger,
eingerichtet von Hase.
82. Graecia antiqua, 1741, von J. Chr. Harenberg.
*83. Acbaja vetus et nova.
*84. Moreae. Regnum.
*85. Candia cum vicinis Arcbipelagi insulis.
*86. Scandinavia.
*87. Sueciae Regnum.
*88. Scania.
*89. Provincia Babus.
90. 91. Sinus Finnicus, 1751, von Tob. Mayor.
*92. Insulae ITplandicae.
*93. Baniae Regnum.
*94. Jutia.
*95. Slesvicenais Ducatus.
*96. Insulae Bauicae.
*97. Nonvegiae Regnum.
*98. Provincia Aggerhus.
99. Islandia, 1759, Verkleinerung der Graf Ranzau’schen Karte.
*100. Borussiae Regnum.
101. 102. Lithuania Boruss., 1735; von J. F. Betgen gezeichnet 1733.
103. Poloniac Regnum, 1750, auch 1757, von Tob. Mayer.
104. Litliuaniae Ducatus, 1749, von Tob. Mayor.
105. 106. Curlandia et SemigaUia, 1747, nach Hauptmann Barnikels
Original.
107. Russiae Imperium, 1739, auch s. a. (1752), von Hase.
*108. Ukrania.
*109. Livoniae et Curlandiae Bucatus.
110. Ingria, 1734, nach Rostoweew.
*111. Tataria minor (Pars Russiae Magnae).
112. Asia, 1744, von Böhme aus Hase’s Nachlass.
113. Asia (Böhme-Hase 1744) sec. relig., nach Haubers Angaben.
*114. Imperium Turcicum, verbessert 1737.
115. Asia minor s. Natolia, 1743, von Hase.
*116. Terra sancta (cum itin. Israelitanim).
117. Palaestina cum accessionibus Bavidis et Salomonis, 1744, von
Harenberg.
118. Palaestina, 1750, von Harenberg.
*119. Imperium Persicum.
*120. Kilianae Provincia.
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